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Full text of "Der Dom zu Coeln, seine Geschichte und Bauweise, Bildweke und Kunstschätze"

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Der Dom zu Coeln, seine 
Geschieh te und Bau weise, . . . 



Franz Theodor Helmken 




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Die Hittelpforte des Südportals. 



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fk"' seine Geschichte und Bauweise, 

t 



/ / { Bildwerke und Kunstsehätze 



dargestellt von 

Frz. Theod. Helmken. 



Vierte durchgesehene und ergänzte Auflage. 



Ein pühPBP für die Besucher. 

Mit Abbildungen. 



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Verlag von J & W. Bolsseree's Buchhandlung. 
(Frz. Theod. Helmken.) 

1899. 

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THE NEW VOR'» 

PUBLIC LIBRARY 




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DRVCK VON WIUI. HASSKI. 



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* 



Wollt ihr im Krri!»t crkoimon. was nns.eL'on, 

Mit Andacht lauschen meinem Wort, — nun wohl, 

S» kommt herbei! ich will mit Stolz euch zei^on 

Dos deutschen Trau mos herrlichstes Symbol. 

O. kommt herbei zum wundersamen Domo 

Am herrlichsten, am schönsten Strome. G. Hick. 



^Jtlyieses Büchlein über den Kölner Dom erschien zuerst 
$ zur Vollendungsfeier desselben im Oktober des 
Jahres 1880. Wie die Feier, so musste auch die kleine Schrift 
übereilt werden. Aber trotz so mancher aus diesem Grunde 
kaum zu vermeidender Mängel hat sie in einer starken Auflage 
ihren Weg gefunden. Sie erscheint hiermit in bedeutend 
erweiterter und gänzlich umgearbeiteter Gestalt. Wie der 
Dom aus dem Gestein vieler Theile des deutschen Vater- 
landes sich aufbauet, so ist auch dieses Büchlein unter sorg- 
fältiger Benutzung eines sehr zerstreuten Materials entstanden. 
In ihm wird der Versuch gemacht, aus der ausgedehnten, im 

^.aufe der letzten fünfzig Jahre entstandenen Literatur über 
den Dom, sowie den amtlichen Bauberichten ein getreues 
Bild des grossen Bauwerkes zu zeichnen unter steter An- 
lehnung an seine grosse, bedeutungsvolle Geschichte. Der 
Maugel eines übersichtlichen Führers durch den Dom gab 

. dem Erscheinen des Büchleins in den denkwürdigen Tagen 
der Vollendungsfeier eine gewisse Berechtigung. Die vor- 
liegende erweiterte Ausgabe ist aber nach der wirklichen 
Vollendung des Baues, da ein anderer brauchbarer Führer 
zur Orientirung nicht erschienen ist, ein Bedürfniss. In einer 
knappen, übersichtlichen Form ist dessen Vorzug zu suchen. 
Das Büchlein soll dem Besucher ein zuverlässiger Wegweiser 



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sein dnrch die Geschichte des Wunderbaues, ein treuer 
Begleiter durch seine Hallen, auf seinen Gallerien und 
Thürmen, ein Erklärer seiner Architekturformen, seines ge- 
sammten Bilderschmuckes, wie seiner Kunstschätze. Die ein- 
gedruckten Abbildungen werden einigermassen den Text er- 
läutern. Jedenfalls wird das Büchlein den Besuchern Auf- 
schlüsse und Belehrungen bieten, die sonst nur sehr zerstreut 
zu finden sind. 

Köln, 1887. F. T. H. 

Vorbemerkung zur dritten Auflage. 



|||)ie hier vorliegende dritte Auflage dieses Domführers 
i bringt manche Verbesserungen und Erweiterungen. 
So haben der neue Bodenbelag und die Portalthnren eine 
kurze Beschreibung in derselben gefunden, ebenso der frühere 
Zustand des Chores und dessen Wandmalereien; über die 
mathematischen Verhältnisse des Domes sind die höchst in- 
teressanten Forschungen des Herrn Professors Dr. Pfeifer 
in Dillingen zur Mittheilung gebracht. Möge das Büchlein 
auch in dieser neuen Auflage den Besuchern des Domes gute 
Dienste leisten. 

Köln, 1894. F. T. H. 



Zur vierten Auflage. 

Auch dieser Neudruck (achtes und neuntes Tausend) ist 
durchgesehen und weist einige Verbesserungen auf, ebenso 
die Veränderungen in der Aufstellung der Kunstschätze sowie 
die neuen Erwerbungen 

Köln, 1899. F. T. H. 

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Haupt-Inhalt 



Seite 

Geschichte des Domes 1 

Einleitung S. 1 . — Erste Bauperiode 3. — Zweite 
Bauperiode 21. — Vollendungsfeier 46. — Urkunde 
48. — Schlüssarbeiten 51. 

Beschreibung des Domes. Allgemeines . . . r>6 

Baustil 56. — Symbolik 58. — Mathematische Ver - 
hältnisse 60. — Grundriss 55, 64. — Grössenver- 
hältnisse 64. — Höhenverhältnisse 64 - Dnrc-.h - 

SC . hnitt . 65 . ~ Fundamente 66 - ~ Baumaterial 06, 
677— Bodenbelag 67. — Bildhauerarbeiten 68. — 
Gewölbe 68. — Dachstuhl 68. - Baukosten fift 

Das Aenssere des Domes 69 

West- oder Thnrmfacade 70. — Einzelheiten am Ok- 
togon, an den Thurmhelmen und Kreuzblumen 72. 

— Westportal 74 — Figurenschmuck des West- 
portals 75. — Figuren schmuck der Thiirme 78. 

Die Südseite 79. — Das Südportal 81. — Figuren- 
schmuck des Südportals 82, — Gedenkinschrift 84. 

Das Chor 85. - Die Terrasse 88. 

Die Nordgeite 89. — Die Sakristei 89. — Das Nord - 
portal 89. — Figurenschmuck des Nordportals 90. 

— Portalthüren 94. 

Dag Innere des Domes. Architekturverhältnisse . . 98 
Sehenswürdigkeiten des Lang- nnd Qnerschiffes 104 

Glasmalereien des Hochchores 104, — des nördlichen 
Seitenschiffs 105, — des südlichen Seitenschiffs 105, 
— des südlichen Querschiffs 107, — des nördlichen 
Querschiffs 108, — des Hochschiffs 108, — der Thurm- 
hallen 109. - Standbilder an den Pfeilern des Mittel - 
schiffs des Lang- und Querhauses 111. — Stations - 
bilder, Kreuzabnahme- u. Grablegungsgruppe 112. — 
St, Christoph, St, Agilolphus- Altar, Muttergottes- 
bild 112. — Altar, Orgel, Standbild der h. Ursula, 
Eingang zum Chorumgang 113. 111. 



i 





Seite 




115 


Kapelle des h. Engelbertus 115, — Maternus 116, 




— Johannes 116, — Marion (oder Dreikönigen) IIS, 




— Agnes 118, — Michael (mit dem Dombild) 119, — 




Stephan us 120 




Muttergottes -('horchen mit dem Altarbild von 




Overbeck 




Das Chor 


124 


Standbilder 124. — Hochaltar 12b. — ("borgest üb 1 




und Teppiche 126. — Ausstattung des Chors im 




Mittelalter 127. 




Sakristei, Kapitelsaal und Schatzkammer 


131 


Paraniente ll> k 2. — Domsebatz : Schrein d«r hh. 8 




Könige, Schrein des h. Engelbert, Bronce-Relief, 




lfOB8tranzen, Reli<|uiarien u. s. w. 133 — 144. 




Fußbodenbelag 


145 




151 


uaüenen, Chorkreuz 152. — Dachreiter 153. 




Thürmft 154. — Aussicht 154 — Domhibliothek 




156. — Domgeläute 158. — Thurmuhr 162. . 




Abschied vom Dom 


16a 




164 




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Geschichte des Domes. 



Einleitung. ,Der Dom zn Köln — welch heiliger, 
unergründlicher Zanber liegt in diesem Hilde, in diesem 
Worte verborgen! Der Dom zu Köln ist für die deutsche 
Kunst und Kultur, was der Rhein ist für die Herrlichkeit 
der deutschen Nation. Das Symbol des Rheines ist der 
Dom zu Köln, wie der Rhein das Symbol des deutschen 
Vaterlandes. Des Rheines Gaue, wo wären sie nicht be- 
kannt nnter allen Landen! Allein, wo man sie nennt, da 
tritt in das reiche Bild der gewaltige Leuchtthurm des 
Domes von Köln; ihn zu zeigen, ihn zn nennen, genügt, 
um mit ihm alle freudigen Erinnerungen an das Leben und 
Wirken am Rhein und an alle Perioden der deutschen Vor- 
zeit, ihre Grösse und RuhmwUrdigkeit, neu aufzuwecken und 
neu zu beleben/ 1 ) 

,In begeisterndem Glauben gründeten unsere frommen 
Vorväter diesen gewaltigen Bau und weihten ihn zur Woh- 
nung des Allerhöchsten, zu einem Hause Gottes, damit er 
unter ihm seine bleibende Rast nehme, ihnen stets ein 
schützender Schild sei und ein treuer Hort. Sie bauten ihn 
zu einem Tempel der christlichen Weisheit und Wahrheit, 
damit hier Gottes Geist wehe, und die Seinen an dieser 
Stätte in Seiner Wahrheit unterrichtet und von Seinem 
Geiste erleuchtet würden. Sie erhoben diesen Bau weit und 
gross als des Landes gemeinsame Mutterkirche, in welcher 
der unversiegbare Horn des christlichen Lebens behntet 
werden sollte.' 



*) Aus des Rede des Vorsitzenden des provisor. Domhau-Ausschu39es 
Dr. Evern, von Groote, gehalten in der Versammlung von Üombaufreun- 
den am 13. April 1841. Verjrl. Vorberioht zum Kölner Domblatt Beilage 13. 

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,Und wie die Kunst aus Gott stammt uud zu Gott führen 
soll, so sollte sie auch in diesem Gotteshause ihre höchsten 
Triumphe feiern. Es war eine wunderbar begabte Zeit, die 
solche Kunst gepflegt. Ein felsenfester Glaube beflügelte 
ihren Hammer und eine tiefinnige Frömmigkeit gab ihrem 
Meissel Leben und Seele zum festen unerschütterlichen Baue 
und zn sinnvoller Verzierung in bedeutungsreichen Bildern. 
So begeistert erhob sie auch diesen gewaltigen Bau und 
zierte ihn mit dem reichsten Schmucke. Vertrauend auf 
den Grundstein, auf den Er seine Kirche gebaut, lagerte 
sie in den Tiefen die breiten gewaltigen Fundamente und 
baute darauf die stämmigen Mauern. — Gleich himmel- 
anstrebenden Palmen führte sie die Säulen stark und 
schlank empor, legte darüber die weiten Kreuzgewölbe 
und Kuppeln, der Decke des Himmels vergleichbar, goss 
das Licht, wie aus höheren Räumen, verklärend in die 
Schiffe und Hallen, pflanzte die strahlende Rose, wie 
eine Sonne in der Ewigkeit, in die Chöre und trug die 
Firsten und Thürme hoch in die Luft, als wollte sie an 
ihnen emporsteigen, um mit ihren Hoffnungen und Wünschen, 
ihren Freuden und Leiden, ihren Gefühlen und Gebeten dem 
Himmel näher zu sein; und zuletzt setzte sie auf die Zinnen 
und Thürme das Erlösungszeichen, die erblühende Kreuzes- 
blume, als Dornenkrone christlichen Kampfes und als Sieges- 
zeichen christlichen Triumphes. So entfaltete sich die christ- 
liche Kunst reich und mannigfaltig in diesem altehrwürdigen 
Baue, und machte ihn zu einem Wunderbau, wie die auf- 
und niedergehende Sonne keinen zweiten sieht in solcher 
Ausbildung.' *) 

Das bedeutsamste und grossartigste Denkmal des deut- 
schen Volkes und seiner Geschicke ist eingefügt in die nord- 
östliche Ecke der alten Colon ia Claudia Augusta 
Agrippinensis. Die Fundamente seiner Nordseite ruhen 
auf der Befestigungsmauer der alten Römerstadt. Der Hügel, 
auf dem er sich erhebt, ist eine künstliche Bodenaufschüt- 
tung, gebildet aus dem Bauschutt der römischen und frän- 
kischen Zeit. Hier lag das Kapitol, das Forum und der 
Tempel des Merkur. 2 ) Die Mutter des Kaisers Nero, des grau- 
samen Verfolgers der ersten römischen Christen, die schöne 

*) Aus der Rede des Koadjutors (später Er/.bischof und Kardinal) 
Johannes von Ge Issel, gehalten am Feste der Grundsteinlegung zum 
Fortbau des Domes am 4. September 1842. Kölner Domblatt, 1842, Nr. 11. 

*) Vergl. die Aufsätze von H. Düntzer in den Bonner Jahrbüchern 
des Vereins von Alterthumsfr. ßd. 31», 42, 43, 53, 57. — Annalen des hist. 
Vereins für den Niederrhein H. 16. 



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— 3 - 

A grippin a betrat diese Stätte, die Kaiser Vitellins und 
Trajan wurden wahrscheinlich auf diesem Platze als Impe- 
ratoren begrüsst. Eine gewaltige Zeit von fast zwei Jahr- 
tausenden umrauscht diese Höhe. Da wo jetzt das Kreuz- 
zeichen weithin in die Lande schaut, stieg der Opferrauch 
römischer Altäre in die Lüfte. Konstantin, der erste 
christliche Kaiser und seine Mutter die h. Helena betraten 
diesen Boden. Wenige Schritte von dieser Stelle entfernt 
erbaute ersterer eine steinerne Brücke über den Rhein, um 
von hier aus sich die Völker Germaniens dienstbar zu 
machen. Aber unter dem Ansturm der jungen germanischen 
Völker sinkt die römische Welt in Trümmer, die Wogen 
der Völkerwanderung brausen über diese Stätte hinweg und 
begraben die antike Kultur, und über ihren Trümmern er- 
hebt sich die kölnische Bischofskirche. Die fränkische 
Herrschaft beginnt und ihre Reiche werden vereint unter 
der gewaltigen Hand der Pipine, die der von Blut und 
Mord strotzenden Zeit der Merowinger ein Ende macht. Der 
grosse Kaiser Karl, der die Residenz der Franken von Köln 
nach Aachen verlegt, betritt oft ihre Hallen, ebenso die 
späteren Kaiser auf ihrer Krönungsfahrt nach Aachen. 

Der Kölner Dom, — wenn auch nicht der jetzige Bau, 
— sieht die Gründung, wie die Entwicklung des deutschen 
Reiches bis zu seiner grössten Ausdehnung und seiner 
höchsten Blüthe unter den Hohenstaufischen Kaisern. — Der 
jetzige Bau aber, gegründet in der Blüthezeit des Reiches, 
sieht auch dessen Verfall, hervorgegangen aus dem Kampfe 
zwischen Kaiserthum und Papstthum, aus der Zwietracht 
seiner Fürsten und Stämme und erweitert und besiegelt 
durch den Zerfall seiner Glaubenseinheit. Verlassen von 
seinen Werkmeistern und Gesellen sieht der Dom, eine 
traurige Ruine, das Elend und die Ohnmacht des deutschen 
Volkes, bis es endlich nach jahrhundertelanger Demüthigung 
unter Führung des Hohenzollernschen Herrscherhauses in 
frischer Kraft sich erhebt und seine Einheit neu begründet 
und mit dieser den Ausbau des Kölner Domes vollendet, der 
in seinen Ruinen so lange das treue Bild seiner zerrissenen 
Zustände gewesen war. — 

Erste Bauperiode. Die Gründung einer bischöflichen 
Kirche in Köln fällt in eine sehr frühe Zeit. Bereits vor 
dem Uebertritt des Kaisers Konstantin zum Glauben an 
den Gekreuzigten gab es in Köln eine christliche Gemeinde. 
Der heil. Maternus, der erste geschichtlich nachweisbare 
Bischof der Kölner Kirche, lebte zu dieser Zeit. Ob die 

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erste bischöfliche Kirche in der Nähe von St. Andreas, in 
der alten den hh. Mathias und Viktor geweihten Kapelle, 
der St. Cäcilienkirche, oder auf dem Domhügel zu suchen 
ist, ist nicht nachweisbar. Wahrscheinlich ist aber letzteres 
der Fall, denn bereits zur Zeit der Merowinger im 6. Jahr- 
hundert finden wir auf dieser Stelle eine dem h. Petrus 
geweihte Kirche, die durch den Bischof Charentinus (c. 570) 
mit kostbarem Schmuck erneuert wurde. 

Den ersten grösseren geschichtlich beglaubigten Dom 
finden wir zu den Zeiten des grossen Kaisers Karl und 
des Erzbischofs Hildebold, dessen Anfänge aber wahr- 
scheinlich auf frühere Zeiten zurückzuführen sind. 1 ) Der- 
selbe erlitt im Laufe der Zeiten mannigfache Veränderungen 
und Vergrösserungen. Er war nach den Beschreibungen 
ein grosser romanischer Bau mit 4 Thürmen, 2 Chören 
und 2 Krypten, der in seiner Anlage an die Dome von 
Mainz und Bamberg erinnert. 2 ; Als Köln im Jahr 881 
während der Raubzüge der Normannen durch Feuer und 
Schwert verwüstet wurde, und die meisten Kirchen in 
Trümmer sanken, erlitt auch der Dom grossen Schaden. 
Er erhob sich jedoch in neuem Glänze und stand in so 
hohem Ansehen unter den kirchlichen Bauten der damaligen 
Zeit, dass der Erzbisch of Aldebrand von Bremen im 
Jahr 1042 beschloss, den Dom zu Bremen nach dem Mustor 
des Kölner aufzubauen. 

Durch den grossen Brand, welcher Köln im Jahr 1149 
heimsuchte, wurden fast die ganze Stadt und fast alle Kir- 
chen verwüstet. Auch der alte Dom verlor Dach und Decke, 
sowie seinen ganzen inneren Schmuck. Die Kirche wurde 
jedoch durch den Erzbischof und Reichskanzler Reinald 
von Dassel wieder hergestellt und erhielt 2 neue Thürme, 
sodass sie deren () besass. Eben dieser Erzbischof erhielt 
durch den Kaiser Friederich Barbarossa für die 
Dienste, welche er ihm in den Feldzügen in Italien geleistet 
hatte, nach der Erobeiung von Mailand einen Schatz, wel- 
cher nach dem Glauben der Zeit für einen der heiligsteu 
Schätze galt. Es waren dies die Leiber der hh. drei Könige. 
Die Ueberbringung nach Köln in den Dom geschah unter 
grosser Feierlichkeit am 24. Juli 111)4. Man verehrte diese 
drei Weisen, die von einem Stern zum Christuskind geleitet 

1 ) Vergl. H. Düntzer's Aufsätze in den Jahrbüchern des Vereins 
von Alterthumsfr. Bd. 39. S. 102-11»». Bd. i;:». S. 144 fT. 187— 190. Nach den 
Untersuchungen Düntzer's ist die Annahme der Gründung eines neuen 
Domes durch Hildebold kaum noch festzuhalten. 

2) Sulp. Boissert'e. Der Dom zu Köln, 2. Aufl., 1842. S. IM». 



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- 5 — 



worden, als die grössten Vorbilder und Schutzheiligen der 
Reisenden. Es war daher natürlich, dass jener mächtige 
Drang, welcher damals die Christenheit nach dem gelobten 
Lande trieb, zahlreiche deutsche und fremde Pilger erst 
nach Köln führte, um dort die Reliquien ihrer Vorbilder — 
der ersten Kreuzfahrer — zu verehren und Gottes Schutz 
für die mühselige Reise zu erflehen. Es waren nicht nur die 
ärmeren Klassen, sondern auch die reichsten Stände des Volkes, 
Fürsten, Könige und Kaiser, welche nach Köln pilgerten. 
Die Kathedrale wurde von ihnen mit reichen Schenkungen 
bedacht und mit den kostbarsten Schätzen geschmückt. So 
vereinigte sich alles, das Ansehen der Kölner Kirche zu er- 
höhen. Ueberdies war der Rang Kölns uuter den Städten 
Europas in jener Zeit ganz bedeutend. Kölns Schiffe durch- 
furchten die Meere. Der Reichthum Kölns war sprichwörtlich 
geworden; Köln war die Krone der Städte. Die durch den 
grossen Brand verwüsteten Kirchen erhoben sich bald in 
neuer Pracht und überstrahlten den Dom an Grösse und 
äusserer Schönheit. Unter diesen Umständen konnte die 
inzwischen auch baufällig gewordene Bischofskirche ihren 
Zwecken nicht mehr genügen. Die Mutterkirche durfte den 
Pfarr- und Stiftskirchen nicht nachstehen, um so weniger, 
als sie so kostbare Reliquien bewahrte. 1 ) 

Als daher der prachtliebende Engelbert der Heilige den 
erzbischöflichen Stuhl bestieg, fasste er den Entschluss, zu 
Ehren der hh. drei Könige einen Neubau des Domes aufzu- 
führen, der an Glanz den alten übertreffe und wie ihn der 
Reichthum des Erzstifts und der Stadt erheischte. Leider 
war es Engelbert nicht vergönnt, den Plan auszuführen; er 
wurde am 7. November 1225 bei Gevelsberg in der Nähe 
von Schwelm ermordet. Der Gedanke eines Neubaues, dessen 
Ausführung immer mehr zur Notwendigkeit geworden war, 
wurde vom Kapitel festgehalten. Bereits am 13. April 1248, 
nachdem gewiss viele Verhandlungen vorhergegangen, und 
der Plan längst ausgearbeitet vorlag, that dieses in einem 
Beschlnss den ersten Schritt, indem es den Dom-Schatzmeister 
anwies, die der Domkustodie gehörigen, ausserhalb der Messe 
auf dem Petrus-Altare dargebrachten Opfer auf sechs Jahre 
der Baukasse zu überweisen, zu Ehren des h. Petrus und der 
hh. drei Könige. Um Platz für den Neubau zu gewinnen, 
wurde mit der Niederlegung des Ostchores der alten Kirche 

') Vergl. Sulp. Boisseree, Geschichte und Beschreibung des Domes 
zu Köln. 2. Aufl. 1842, S. 3, i. — L. E n nen , die Baugeschichte des alten 
und nenen Domes, 1803, S. 6—13. 



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- 6 - 




Koiirad von Hoxtaden 

in der Johannes-Kapelle des Domes. 



sofort begonnen. Die Werk- 
meister unterhöhlten , wie 
die Annalen von St. Panta 
leon erzählen, die östlichen 
Mauern, zündeten die Bal- 
ken an, welche die Höhlung 
stützten, damit die auf ihnen 
ruhende Last schnell zu- 
sammenstürze. Bei dieser 
wahrscheinlich unvorsichtig 
ausgeführten Arbeit, theilte 
sich das Feuer der Kirche 
mit. Durch diese Feuers- 
brunst am Quirinstage, den 
30. April 1248, wurde der 
alte Dom arg verwüstet. 
Der kostbare Schrein der 
hh. drei Könige, in dem die 
hh. Leiber auch jetzt noch 
ruhen, welcher in der Mitte 
der Kirche stand, wurde 
jedoch gerettet. *) 

Um diese Zeit hatte Kon- 
rad von Hostaden den 
erzbischöflichen Thron inne. 
Er berief, wie die Annalen 
von St. Pantaleon weiter 
berichten, die Prälaten der 
Kirche, zog durch das mah- 
nende Wort der Prediger 
eine Menge Volkes herbei 
und legte nach feierlicher 
h. Messe am Tage Mariä- 
Himmelfahrt „up unser 
Vrauwen dach dat sie zu 
Hemel vur" am 15. Au- 
gust 1248 den ersten 
Stein. Im Namen des Pap- 
stes, des Erzbischofs, des 
Legaten und aller Suffra- 



gane der Kölner Kirche wurde allen Gläubigen, welche 



J ) F. J. Lac om Met, die Baugeschichte des Kölner Domes im IL Bde. 
seines Urkundenbuches, 1846. — H. Cardauns, die Anfänge des Kölner 
Domes im Uistor. Jahrbuch der Görres-Gesellschaft Bd. II, S. 256, 257. 



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- 7 - 



zum Bau der Kirche ihre Gaben schickten, ein Ablass 
zu Theil. 

Die Zeit, in welche diese Grundsteinlegung fällt, war 
eine tiefbewegte. Auf dem erzbischöflichen Stuhl sass ein 
Mann, der, wenn er auch vielleicht Zuschüsse zum Bau 
gewährte, nur insofern mit der Baugeschichte des Domes 
verwachsen ist, dass er, als oberster flirte des Kölner 
Sprengeis, den Grundstein legte. Alle ihm früher zuge- 
sprochenen Verdienste müssen nach dem Stande der neuesten 
Forschungen als unhaltbar zurückgewiesen werden. Erz- 
bischof Konrad trieb vorzugsweise hohe Politik. Der Kaiser 
stritt wider den Papst, und im Reich entbrannte Fehde auf 
Fehde, und in allen Streitigkeiten zeigte sich die Hand des 
ränke- und herrschsüchtigen Konrad von Hostaden, der 
überdies jede Gelegenheit ergriff, in der Stadt Köln die 
Rechte der Bürger niederzutreten und die Herrschaft an 
sich zu reissen. Die Zwietracht stand Gevatterschaft an 
der Wiege eines Baues, der die Welt überstrahlen sollte 
an Grösse und Schönheit, und warf ihre Schatten vor 
sich her. 1 ) 

Auf dem Gebiet der Baukunst hatte bis kurz vorher 
der romanische oder Rundbogenstil ausschliesslich geherrscht. 
Etwa seit Mitte des 12. Jahrhunderts folgte in Deutschland, 
besonders in den Rheinlanden, eine hundertjährige Bau- 
periode, welche man als die Zeit des Uebergangsstils zu 
bezeichnen pflegt. Derselbe suchte durch reichere orna- 
mentale Mittel und die Brechung bisher runder Linien zur 
Aufnahme des Spitzbogens eine malerische Wirkung zu 
erzielen, ohne ein neues konstruktives Prinzip aufzustellen. 
Die Kirchen St. Aposteln, St. Martin und St. Gereon in 
Köln können als reiche Blüthen dieser Banperiode angesehen 
werden. 

Im Norden Frankreichs war es anders. Aus der Weiter- 
entwickelung des romanischen Stils kam man dort zur sel- 
bigen Zeit zu einem ganz neuen konstruktiven System. 
Zunächst wurde der Spitzbogen im Gewölbebau konstruktiv 
angewandt. Während im Rundbogenstil die Gewölbe von 
der ganzen Mauer getragen werden, fällt bei Anwendung 
des Spitzbogens die gebrochene Last der Gewölbe auf vier 
Punkte und zwar dort, wo die Gewölbgurten auf die Mauer 
stossen, die somit entlastet wird. Es galt daher diejenigen 
Theile der Mauer, welche den Seitenschub der Gewölbe zu 

l ) H. Card an ns, Kourad v. Hostaden, 1880. — Knnen, Geschichte 
der Stadt Köln, Bd. II, 1865, S. 77-157. 



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tragen haben, zu verstärken, während die übrigen Theile 
der Mauer leichter gehalten, oder für grosse Fenster ganz 
frei gelassen werden konnten Die Verstärkung der Mauer 
an den Gewölbeschubstellen geschah durch Strebepfeiler. 
Alle Verhältnisse des Baues wurden somit leichter und 
schlanker, und da die neue Gewölbekonstruktion nicht allein 
Vierecke, sondern auch Recht- und Vielecke einwölben 
konnte, so wurden die bisherigen rundgeschlossenen Chor- 
anlagen durchbrochen und erhielten eine polygone Gestaltung. 
Aus dieser Einführung des Spitzbogens in den konstruktiven 
Bau hatte sich ein ganz neuer Stil entwickelt: der Stil 
der Gothik. Seine Bildungsfähigkeit zeigte sich bald in 
den kühnen Bauten Frankreichs. Wälirend in Deutschland 
noch im romanischen oder Uebergangsstil gebaut wnrde. ent- 
standen dort die gothischen Kathedralen zu Paris 1168, 
Laon 1173, Soissons 1200, Bourges 1212, Rheims 1212, 
Araiens 1220, Chartres 1240. Auf deutschem Boden sind die 
Liebfrauenkirche in Trier 1227 — 44, die Katharinenkirche 
in Köln 1219 (abgebrochen), sowie die Elisabethkirche in 
Marburg 1235 als die frühesten zu verzeichnen. 1 ) 

Als daher der Neubau des Kölner Domes beschlossen 
wurde, war es natürlich, dass der Rundbogenstil nicht mehr 
in Frage kommen konnte, sondern dass derselbe in dem 
neuen Stile geplant werden musste. Die Kathedralen des j 
nördlichen Frankreich waren somit die entfernten Vorbilder 
des Kölner Domes. 

Es darf als gewiss betrachtet werden, dass die Leitung 
des Baues dem Meister Gerard anvertraut wurde. Ob 
er der Erfinder des Planes ist, ist mit Sicherheit nicht nach- 
zuweisen, aber höchst wahrscheinlich. Viele Gründe sprechen 
für diese Annahme. Für seine grossen Verdienste um den 
Dombau beschenkte ihn das Domkapitel im Jahr 1257 mit 
einem Bauplatz auf der Marzellenstrasse, auf welchem Gerard 
bereits ein ansehnliches steinernes Haus aufgeführt hatte. 
Auch ist der Todestag des Meister Gerard in dem Necro- 
logiura der Abtei München- Gladbach unter dem 23. April 
(ohne Jahreszahl) erwähnt. „Es starb Meister Gerard, der 
Öteinmetzmeister des Kölner Domes u (VIII Kalendas Maii 
obiit magister Gerardus lapicida de Summo) heisst es 
in demselben. Da die Gladbacher Abteikirche in ihren kon- 
struktiven Theilen, in den Einzelheiten, in ihren Profilen 

!) Vergl. A. Rosengarten, die architekt. Stilarten, 2. Aufl. IHM, 
S. 255-300. — Rud. Redtenbacher, Leitfaden zum Studium der mittel- 
alterlichen Baukunst, 1S81, S. 17-49. 



— 9 — 




Meister Gerard 
Statue an der Auasenseite lies Musculus, 



wie in den stilisirten 
Blattornamenten eine 
ganz ausserordentliche 
Aehnlichkeit mit dem 
Chor des Kölner Domes 
hat, so ist der Schluss, 
dass der Kaumeister 
der Abteikirehe zu 
M.-Gladbach auch der 
Schöpfer des Domplanes 
sein niuss, vollständig 
gerechtfertigt. Die frü- 
her in der Kunstge- 
schichte als Dombau- 
meister namhaft ge- 
machten Gerard von 
S t. Tru den, Gerard 
von K et wich , Hein 
rieh Sunere und 
Gerard von Rile 
müssen nach den neue- 
sten urkundlichen Un- 
tersuchungen als be- 
seitigt angesehen wer- 
den. Selbst Gerard 
v on K i 1 e, welcher bis 
in die jüngste Zeit als 
erster Dombaumeister 
festgehalten wurde, ist 
nach den Schreinsurkun- 
den nicht identisch mit 
dem Meister Gerard 
vom Dom. Heide wa- 
ren Zeitgenossen und 
beide werden als ,lapi- 
cida' in den Schreins- 
büchern aufgeführt, Ger- 
hard de Rile aber ein- 



fach als lapicida, während letzterer als magister, rector et 
lapicida fabricae Ecclesiae Colon, bezeichnet wird. Meister 
Gerard vom Dom wohnte in der Marzellenstrasse und hatte 
mit seiner Hausfrau Gude vier Kinder, während Gerard 
von Rile in der .Tohannesstrasse wohnte und unverheirathet 
war. Die Abstammung und das Vaterland des grossen 



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— 10 — 




Albertus Magnus 
Standbild in Lauingen. 



Meisters ist völlig un- 
bekannt. J ) 

Die frühere Annah- 
me, dass der selige 
Albertus Magnus 
der Erfinder des Dom- 
planes gewesen, ist 
als aufgegeben zu be- 
trachten. Der grosse 
Einfluss des Mannes, 
der in der Geschichte 
der Stadt Köln eine 
so hervorragende Rolle 
spielte und als Schieds- 
richter in den Strei- 
tigkeiten zwischen 
Erzbischof und Bür- 
gerschaft gleich an- 
gesehen bei beiden 
war, wird aber höchst 
wahrscheinlich auch 
in der Dombaufrage 
in so weit massgebend 
gewesen sein, das Ka- 
pitel, als Bauherrn 
zu bestimmen, den 
alten, in Köln so be- 
liebten Stil zu ver- 
lassen und der neuen 
himmelanstrebenden 
Gothik den Vorzug 
zu geben. Auf dieses 
wird die Sage, dass 
der sei. Albertus der 
Planerfinder sei, wohl 
zurückzuführen und 
zu beschränken sein. 
Es ist viel darüber 



gestritten worden, ob der Plan des Kölner Domes dem 
Geiste eines Mannes entsprungen, oder das Werk einer 

i) J. J. Merlo. die Dombaumeister von Köln in den Bonner Jahr- 
büchern des Vereins von Alterthumsfreunden Bd. 73—75. 1882, 1883. 

Eckertz, der erste Dombaumeister in den Annalen des histor. Vereins 
H. 11—12: ders. : das Verbrüderungs- und Todtenbuch der Abtei M. -Glad- 
bach in der Zeitschrift des Aachener Gescbichtsvereins, Bd. 2. 



DOgle 



• - 11 - 



Schule sei. Der um den Dom so verdienstvolle Sulp. 
Boisseree sieht im Kölner Dom das ureigene Werk eines 
deutschen Meisters, andere nennen ihn ein ausländisches 
Gebilde auf deutschem Boden, eine Nachbildung der Ka 
thedrale von Amiens. Beide Ansichten vereint dürften 
das Richtige treffen. Der gothische Stil, im Norden Frank- 
reichs entsprungen, hatte dort in den erwähnten Kathedralen 
bereits die reichsten Blüthen getrieben. Kein Wunder also, 
dass sich beim Kölner Dom Anklänge derselben wieder 
finden: ,denn weder das Abgeschmackteste noch das Vor- 
trefflichste entspringt unmittelbar aus einem Menschen, 
noch einer Zeit, bei beiden lässt sich mit einiger Auf- 
merksamkeit eine Stammtafel der Herkunft nachweisen/ l ) — 
,auch steht die Kunst stets im Zusammenhang, sie ist keine 
Schöpfung aus dem Nichts, sondern geht von gegebeneu 
Verhältnissen aus. Vor allem gilt dies von der Archi- 
tektur.' 2 ) Nach genauem Studium der französischen Bauten 
wird daher Meister Gerard seinen Plan entworfen haben. 
Ein künstlerischer Gedanke durchweht den ganzen Plan. 
Alles, auch das Geringste fügt sich nothwendig und orga- 
nisch in das Gesammtwerk ein. Die einzelnen Theile des 
Domes tragen allerdings das Entwickelungsgepräge der ver- 
schiedenen Bauperioden des gothischen Stils, aber doch nur 
in der äusseren Gestaltung, in der Profilirung der Pfeiler, 
wie in der dekorativen Ausführung seines Ornaments, nicht 
aber in dem Grundplan des Ganzen. Ohne vom Gesammt- 
plan abzuweichen, haben auch die Meister unseres Jahr- 
hunderts sich manche Freiheit erlaubt. Das Kölner Dom- 
chor ist allerdings dem von Amiens nachgebildet, aber 
während dieses, wie auch die Chöre der übrigen Kathedralen, 
auf das reichste mit einem Umgang und einem Kapellen- 
kranze ausgestattet wurde, das in den geraden Theil des 
Chores weiter geführt, auf jeder Seite zwei Seitenschiffe 
ergab, war das Langschiff vernachlässigt, denn die fünf- 
schiffige Gliederung des Chores lief in ein dreischiffiges 
Langhaus aus, an welches sich die Thürme anlehnten. 
Dieses Missverhältniss des Chores zum Langhaus wurde 
durch die schöpferische Idee des Meisters beim Kölner Dom 
vermieden. Der Meister des Kölner Domplanes fasste den 
grosBartigen Gedanken, die fünf Schiffe des Chores folge- 
richtig durchzuführen. ,Er brachte somit Harmonie in die 
gestörte Einheit der Massen; die Kreuzesform der Anlage, 

*) Göthe in einem Briefe aus Palermo d. D. 9. April 1787. 

*) Sehn aase, Geschichte der bild. Künste. 2. Aull. Bd. V, S. 410. 



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- 12 - * 



welche im Plane der französischen Kathedralen fast verloren 
war, kam siegreich wieder znm Vorschein. Diese reiche 
Anlage des Langhauses zog eine noch reichere und kühnere 
Aenderung nach sich. Statt die Thurmmassen dem Lang-- 
liause anzulehnen, wodurch der ganze Aufbau zu gestreckt 
und das Himmelanstrebendo des neuen Stils verloren ge- 
gangen wäre, kam der Schöpfer des Planes auf den genialen 
Gedanken, die unteren Thurmgeschosse mit in das Lang- 
schiff zu ziehen. Und eben in diesen Ausführungen lieg-t 
die Eigentümlichkeit des Kölner Domes. Märchenhaft war 
d<r Gedanke, eine Thurmpyramide von fast 160 Meter Höhe 
auf Pfeiler zu stellen, aber im Kölner Dom ist sie zur 
Wirklichkeit geworden. Sofort beim Eintritt in die Portale 
der Thurmseite öffnet sich dem Andächtigen der Blick in 
die lichten AVeiten des Langschiffes und des Chores. Auf 
gewaltigen schön gegliederten Pfeilern erheben sich'* die 
Tliurmjreschosse licht und luftig bis zur Gewölbhöhe des 
Langschiffes. ! > 

Um dieselbe Zeit, als die romanische Kirche St. Kuni- 
bert eingeweiht wurde, wurde mit der Grundsteinlegung 
des Domes in dieser grossartigen Konzeption die Gothik 
zum herrschenden Stil in Deutschland erhoben — 

Der grossartige Bau, der alle Bauten der Welt an 
Grösse und Schönheit überragen sollte, wnrde ernsthaft in 
Angriff genommen. Der alte zum Theil durch Brand zer- 
störte Dom wurde für den Gottesdienst wieder hergerichtet, 
und zuerst mit dem Bau des Chores begonnen. , Kollekten- 
gelder, Opfer, Zinsen, Vermächtnisse, die Einkünfte suspen- 
dirter Benetiziaten, versessene Präsenzgelder boten den 
Provisoren der Baukasse die Mittel, die ungeheuren Kosten 
des grossartigen Baues zu bestreiten. 1 2 > Papst Innocenz TV. 
forderte zur Unterstützung des grossen Unternehmens auf. 
„Da Erzbischof und Kapitel", sagt er in seinem Erlasse, „die 
Absicht, haben, ihre durch Brand zerstörte Domkirche in 
prachtvoller, kostspieliger Weise wieder herzustellen, und 
zu diesem Werke die Unterstützung der Christgläubigen 
nöthig ist, so ermahnen wir euch alle eindringlich, dass 
ihr nach Verhältniss eures Vermögens, aus Liebe zu Gott 
und aus Verehrung der hh. drei Könige beisteuern wollet, 
damit es durch eure Unterstützung möglich werde, dieses 
Werk zu vollenden." Eine Sammlung von Beiträgen wurde 
eingerichtet. Selbst nach England wurden rührige Kollek- 

') Vergl. K. Lamprecht, der Dom zu Köln, 1881, S. 25—28. 
*) L. Enuen, der Dom zu Köln, 1872, S 31. 



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- 13 — 

tan ten gesandt, um die Wohlthätigkeit des englischen 
Volkes für das grosse Werk — die fabrica gloriosa — 
anzurufen. 

Die zur Fundamentirung nöthigen Basaltsteine wurden 
aus den Brüchen bei Unkel bezogen und zur Gewinnung 
der Quadersteine Brüche am Drachenfels in Betrieb gesetzt. 
War der Bau mit grossein Eifer begonnen, so schritt der- 
selbe docli nur langsam fort. Das wilde Parteigetriebe in 
der Stadt, die Kämpfe zwischen der Bürgerschaft und den 
Erzbischöfen, die blutigen Fehden, welche unablässig alle 
Einwohner des Niederrheins in Athem hielten, hemmten den 
Zufluss der Beiträge. Auch Erzbischof und Kapitel, welche 
allerdings über grosse Mittel geboten, erlahmten in ihrem 
opferwilligen Eifer für das Werk. Die wilden Zeitläufte 
mögen auch auf diese ihren Einfluss ausgeübt haben. Im 
Jahr 1285 war der Bau jedoch soweit vorgeschritten, dass 
die Errichtung und Dotirung einzelner Altäre vorgenommen 
werden konnte, und im Jahr 1297 wurde in den Chorka- 
pellen, als man mit dem Bau des Chores noch beschäftigt 
war, bereits Gottesdienst gehalten. 

Ueber die Baugeschichte des Domes selbst ist uns 
wenig bekannt. Meister Gerard zählte um das Jahr 
1279 nicht mehr zu den Lebenden. Er hat die Chorkapellen 
und die unteren Umgänge aufgeführt. Als sein Nachfolger 
wird der Meister Arnold, welcher vielleicht bis zum 
Jahr 1308 den Bau leitete und die Oberwände des Chores 
bis zum letzten Joch aufführte, in den Urkunden genannt. 
Um diese Zeit nimmt sein Sohn Johann, der bereits seit 
1290 in Urkunden erwähnt wird, den Titel ,magister operis 
de summo, magister operis majoris ecclesiae Coloniensis* an. 
Johann, über den die Schreinsbücher reich an Nachrichten 
sind und der ein vermögender Mann war, ist der glückliche 
Meister, dem es beschieden war, während seiner mehrere 
Jahrzehnte umfassenden Amtsdauer, den erhabensten Tempel 
in seinem Haupttheile zur Vollendung zu führen. Unter 
seiner Leitung schlössen sich im Jahr 1320 die Gewölbe 
des hohen Chores. Um dieselbe Zeit wurde dasselbe mit 
den prachtvollen gemalten Fenstern, Schenkungen des Erz- 
bischofs Heinrich von Virneburg, der Grafenhäuser 
von Holland, Jülich, Kleve, der Stadt Köln und vor- 
nehmer Kölner Familien geschmückt. Nach Westen erhielt 
das Chor eine einstweilige Abschlnssinauer, um für den 
demnächstigen Abbruch des alten Domes ungestört den 
Gottesdienst in demselben abhalten zu können 



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_ 14 — 

In höchst feierlicher Weise wurde am Tage der hh. Kosmas 
und Damian den 27. September 1322, also 74 Jahre nach der 
Grundsteinlegung, das neue vollendete Chor durch Erzbischof 
Heinrich von Virneburg in Gegenwart der dem Kölner 
Erzbischof untergebenen Sutt'raganbischöfe, der Aebte und 
Stifts vor steh er und vieler Grossen eingeweiht. Während 
der Feier wurden der Schrein der hh. drei Könige und die 
sonstigen Reliquien in Prozession aus dem alten Dom in 
das neue Chor übertragen. Auch die Körper der im Dom 
beerdigten Erzbischöfe und anderer hoher Personen wurden 
kurz nach der Einweihung des Chores in den Kapellen bei- 
gesetzt. Die Vollendung des Chores gab den Anstoss zn 
erneueter Thätigkeit. Um die Begeisterung nicht erkalten 
zu lassen, wurden alsbald die Fundamentirungsarbeiten des 
nördlichen, und gegen 1325 auch die des südlichen Quer- 
schiffes in Angriff genommen. Die an der Südseite der 
alten Kirche gelegene Vorhalle wurde niedergelegt und an 
dem Bau mit grosser Anstrengung gearbeitet. 

Vom Erzbischof wie vom Papst wurde wiederum die 
Opferwilligkeit des Volkes angerufen. Nach allen Eichtungen 
zogen Sammler aus, welche in Kirchen und auf öffentlichen 
Plätzen die Gläubigen ermunterten, für das grosse Werk 
nach Kräften beizusteuern. Eine geschlossene Einrichtung 
erhielten diese Sammlungen durch die Gründung der St. Petri- 
Bruderschaft. Die Mitglieder hatten bestimmte Beiträge 
zu leisten und übernahmen die Verpflichtung, für die Sache 
des Dombaues fördernd zu wirken; dafür erhielten sie die 
Begünstigung, auch an Orten, welche mit dem Interdikt 
belegt waren, die Sakramente zu empfangen und mit kirch- 
licher Feier begraben zu werden. Wie sehr der Dombau 
der Bevölkerung am Herzen lag, beweist der Umstand, dass 
sich in der Erzdiözese der Gebrauch festsetzte, dass kein 
Testament errichtet wurde, in welchem nicht etwas für den 
Dom bestimmt worden wäre. Allein bei einem so gross- 
artigen Unternehmen genügten diese Mittel nicht. Die aus 
dem kirchlichen Vermögen geflossenen Zuschüsse versiechten 
aus vielfachen Ursachen. Theils waren es der grosse, in 
dieser Zeit eingetretene volkswirtschaftliche Umschwung, 
theils die langjährigen traurigen Streitigkeiten zwischen 
Erzbischof, Kapitel und Bürgerschaft, die zu den blutigsten 
Katastrophen führten, welche einen nachtheiligen Einfluss 
auf die Zuflüsse der Baumittel ausübten. Hätte man sich 
auf den Bau der Querschiffe beschränkt, um nach ihrer 
Vollendung zum Bau des Langschiffes überzugehen, so wäre 



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— 15 - 

der Ausbau in geeigneter Weise gefördert worden. Allein 
gegen das Jahr 1350 ging man, nachdem der Bau fast 20 
Jahre geruht zu haben scheint, da von 1333 bis um 1350 
ein Dombaumeister in den Urkunden nicht erwähnt wird, 
zugleich zum Thurmbau über, und erweiterte mithin zu- 
gleich die Ziele in nicht zu bewältigender Weise. 1 ) Vielleicht 
hoffte man durch diese Inangriffnahme der Thürme die 
Theilnahme neu zu beleben, welche zu erkalten drohte. War 
es doch stets, und besonders am Rhein, ein beliebter Ge- 
danke gewesen, die Thürme in der schönsten Entwicklung 
zum Himmel hinaufzuführen und ihre Spitzen luftig zu 
gestalten. Der MeiBter der Kölner Thürme hat diesen er- 
habenen Zug der Zeit zum grossartigen Ausdruck gebracht. 
Alles athmet von unten auf eine lebendige organische Ent- 
wicklung, die in den gewaltigen Helmen und den diese 
schmückenden Zeichen des Kreuzes in den schönsten Akkorden 
ausklingt. Ob der Plan dieser Riesen, die in ihren orna- 
mentalen Einzelheiten ganz den Stil der vorgeschrittenen Gothik 
und keineswegs die keusche Urspriinglichkeit des Chores 
tragen, von dem auf Meister Johann um das Jahr 1330 
folgenden Rutger, der den Bau bis 1333 leitete, oder dem 
diesem im Amt folgenden Meister Michael, welcher um 
1350 die Leitung des Baues übernahm, und um 1368 starb, 
herrührt, wird wohl nicht zu ermitteln sein. Sicher ist 
nur, dass der Thurmbau unter dem Meister Michael 
begonnen wurde. 2 ) 

Wenn auch am Langhaus zugleich gebaut wurde, so 
verwendete man doch die Hauptkraft auf den Bau der 
Thürme und der Vorhalle. In welcher Folge gebaut wurde, 
darüber fehlen alle Nachrichten. Nur der Bau selbst gibt in 
seinen ornamentalen Einzelheiten hierüber Aufschluss. Wahr- 
scheinlich hat man die äusseren Wände erbaut, ehe man 
das Langschiff des alten Domes abriss, indem die Funda- 
mente ausserhalb desselben lagen. Die Laubverzierungen 
über den Bögen des Mittelschiffs deuten an, dass sie jünger 
sind, als die der Vorhalle. Im Jahr 1388 war ein Theil 
des Hauptbaues so weit vorgeschritten, dass derselbe für 
den Gottesdienst eingerichtet werden konnte. Wenn man 
sich vom Chor nach dem Domhof begeben wollte, konnte man 
bereits durch den neuen Dom, das heisst, durch das südliche 
Seitenschiff gehen, und im Jahr 1431 wurde der Dom bereits 
als Durchgang vom Domhof nacli der Trankgasse benutzt. 

>) Vergl. J. J. Merlo, die ersten Dombaumeister, cf. Anmerkg. S. 10 
*) J. J. Merl o, die Dorabaumeister. cf. Anmerkung S. 10. 



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1 



- 16 - 

Andreas von Everdingen, der zuerst 1395 in 
Urkunden vorkommt und 1412 starb, dann Nikolaus von 
Büren (f 1445) leiteten um diese Zeit den Bau. Zwei 
Jahrzehnte später war der südliche Thurm, der bereits im 
Jahr 1437 die Glocken aufgenommen hatte, so weit ge- 
diehen, dass der Eingang mit den Bildwerken geschmückt 
werden konnte, die demselben noch jetzt in ihrem verwit- 
terten Zustande zur Zierde gereichen. Sie werden dem 
achten Dombaumeister Konrad Kuyn von der Hallen, 
der zugleich ein geschickter Bildhauer war, zugeschrieben. 
Derselbe leitete den Bau bis zum Jahr 1469. Er ist der 
einzige Baumeister, der seine Ruhe an dem Orte seiner 
Thätigkeit fand. Leider ist das Denkmal an einer Säule 
in der nördlichen Nebenhalle des Chores bei den im Jahr 
1843 vorgenommenen Ausräumungen entfernt worden. 

Der südliche Thurm war gegen das Jahr 1450 so weit ge- 
fordert, wie er bis zur Neuzeit mit dem weltbekannten Krahnen 
dagestanden hat. Die Bauthätigkeit an ihm hörte auf, die 
Fundamente zum Nordthurm wurden gelegt, dieser wurde 
aber nur bis zur Höhe des nördlichen Seitenschiffes aufge- 
führt, mithin so weit, als konstruktive Gründe zur Ab- 
schliessung desselben es erforderlich machten: dann wurde 
auch an diesem die Thätigkeit eingestellt. Die hartnäckigen 
Fehden des Erzbischofs Dietrich 11. von Moers mit 
dem Herzog Adolph von Berg (1415 — 16), welche das 
Erzstift verwüsteten und auch die Stadt in Mitleidenschaft 
zogen, wirkten lähmend auf die Bauthätigkeit ein und unter 
Ruprecht von der Pfalz 1480), welcher mit Kapitel 
und Stift in Zwietracht kam, Karl von Burgund zu 
seiner Hülfe ins Land rief und die Schrecknisse des Krieges 
über das Erzstift brachte, erlosch dieselbe fast ganz. Zwar 
schien nach Beendigung dieser Kriegswirren die Sache des 
Dombaues wieder mit frischem Eifer betrieben werden zu 
sollen, indem die Synode vom Jahr 1483 den Pfarrern 
und Predigern empfahl, dem Volke die Dorabausache warm 
ans Hirz zu legen, allein die Muthlosigkeit, den Bau zu 
vollenden, wuchs immer mehr und die Theilnahme erkaltete 
zusehends. — 

Eine anders denkende und fühlende Zeit, die Zeit der Re- 
naissance und der kirchlichen Revolution war im Ansturm, 
in welcher zwei Erzbischöfe des Kölner Sprengeis — Her- 
mann V. von Wied und Gebhard 11. von Truchsess- 
Waldburg — dem Glauben ihrer Väter untreu wurden. 
Nicht einmal wollte es gelingen, das Mittelschilt' und die 



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- 17 - 



Seitenhallen einzuwölben; man war froh, um 1508 und 1509 
sie mit einem einstweiligen Dach zu schliessen, nachdem die 
bis zur Höhe der Seitenschiffe aufgeführten, also halbvollende- 
ten Säulen bereits durch Wind und Wetter stark gelitten 
hatten. Nur die vier ersten Joche des nördlichen Seiten- 
schiffes erhielten unter dem neunten Baumeister Johann 
von Frankenberg, dem letzten Dombaumeister, bevor 
das Werk auf Jahrhunderte bis auf unsere Tage in Stockung 
gerieth, ihre Gewölbe, um die für dieses Schiff bestimmten 
(xlasgemälde aufnehmen zu können. ,Sie sind denn in ihrer 
Farbenpracht und ihrer vielbewunderten Technik wie ein 
letzter Sonnenstrahl am gewitterschwangei en Herbsttage, 
wie der Scheidegruss der mittelalterlichen Kunst, das letzte 
grosse Werk der kölnischen Malerschule. Aber die neue 
Zeit, die Zeit der Renaissance spricht bereits überall aus 
ihnen heraus. Ihre architektonischen Verzierungen zeigen, 
dass selbst in Köln die öothik ausgelebt hatte. *) Noch wurde 
im hohen Chor aus den Vermächtnissen des Erzbischofs 
Hermann von Hessen (f 1491) zur selbigen Zeit das 
vielbewunderte, zu Ende des vorigen Jahrhunderts zer- 
störte, Sakramentshäuschen in gothischem Stile aufgeführt, 
aber bereits in der Mitte des Jahrhunderts hatte die Re- 
naissance vom Dom Besitz ergriffen. Die in dieser Zeit 
errichteten Grabmonumente der Erzbischöfe Adolph (f 1556) 
und Anton von Schauenburg (f 1558), früher im Chor 
jetzt in der Engelbertus- und Stephanskapelle, tragen durch- 
aus ihren Charakter. 

Der Geist des Protestantismus und der sogenannten 
Aufklärung, welcher durch die deutschen Lande wehte, 
machte es erklärlich, dass sich der Sinn für die mittelalter- 
liche Bauweise immer mehr verlor, ,1m Vollgefühl der 
eigenen Unübertrefflichkeit und des erhabenen Standpunktes, 
den man in Kunst und Wissenschaft einzunehmen wähnte, 
sah man mit Uebermuth und mitleidigem Bedauern auf die 
düsteren Zeiten der Vergangenheit herab; Alles, was aus 
dieser Zeit herrührte, war ein Erzeugniss der Verdummung 
und der Finsternisse 2 ) 

Im Jahr 1513 betrug die Gesammt-Ausgabe nur noch 
14,083 Mark, welche Summe bis zum Jahr 1559 auf 6457 
Mark heruntersank. ,Mit dem Jahr 1560 trat daher eine 
völlige Stockung des Dombaues ein; Hammer und Meissel 

*) St. Beissel, der Dom von Köln, in Stimmen aus Maria Laach. 
Bd. XX, S. 168. 

*j L. Ennen, der Dom zu Köln. Festschrift 1880, S. 93. 

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- 18 - 



ruhten, die Bauhütte stand verwaist, der Krahnen blieb 
unbenutzt, für einen Dombaumeister war keine Beschäf- 
tigung mehr an dem alten Bau und der magister fabricae 
beschränkte seine Fürsorge auf die nöthigsten Reparaturen/ 1 ) 
,So blieb der Dom unvollendet und stand ein doppeltes 
Denkmal des erhabensten Geistes, des beharrlichsten Willens 
und kunstreichsten Vermögens, und hinwieder der Alles 
störenden Zwietracht, ein Sinnbild der gesammten Geschichte 
des deutschen Vaterlandes.' 2 ) Es waren die traurigsten 
Zeiten für das deutsche Reich hereingebrochen. Die Luther, 
Hutten, Sickingen hatten jede Autorität untergraben und 
alle Elemente des Umsturzes entfesselt. Eine gesunde Ent- 
wicklung des kirchlichen und nationalen Lebens wurde voll- 
ständig zerstört und auf den Ruinen der katholischen Welt 
beuteten die deutschen Fürsten ihre Sonderinteressen aus. 
Um den Raub der Kirchen- und Reichsgüter festhalten zu 
können, wurde der Franzose und Schwede ins Reich gerufen, 
und auf den blutgedüngten Wahlstätten des dreissigjährigen 
Krieges die Herrlichkeit der deutschen Nation begraben. 
Die Zeit der vielgepriesenen Reformation war aber die Zeit, 
in welcher die kühnen, noch nicht vollendeten Bauten in 
Stillstand geriethen. 

Mit der Verachtung der alten Kunst ging natürlich 
das Verständniss derselben fast ganz verloren. Die Namen 
der Baumeister verschwanden aus dem Gedächtniss und ihre 
Zeichen wurden den kommenden Geschlechtern unlösbare 
Räthsel. Um die verlassenen Pfeilerschäfte, Mauerstümpfe 
und Wartesteine wob die Dichtung ihre Schleier und wie 
die Burgruine der Epheu, so umrankte die geschäftige Sage 
die Riesenruine des Domes. Die Idee der Unvollendbarkeit 
des Wunderbaues hatte sich des Volksglaubens bemächtigt, 
und seiner Entstehung wurde eine sagenhafte Grundlage 
gegeben. Es ist die zum Aberglauben geneigte Zeit am 
Schluss des 16. und zu Anfang des 17. Jahrhunderts. Nicht 
mehr das Genie eines Meisters war der Schöpfer des Planes; 
überirdische Gewalten vielmehr hatten bei der Domgründung 
sich die Hand gereicht. Die eine Sage lehnt sich an den 
gelehrten Dominikanermönch Albertus Magnus und lässt 
den Plan vom Himmel stammen, die andere nennt ihn eine 
Erfindung des Teufels, die durch einen Vertrag mit diesem 
in den Besitz des ersten Baumeisters gelangt. 



*) L. Ronen, die Baugeschichte des alten u. neuen Domes, 18f.3, S. 33 
2) Sulp. Boisseree, der Dom zu Köln, 1842, S. 24. 



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- iö - 

Der alte Krahnen des Südthurmes, der schon lange* 
nicht mehr in Thätigkeit gestellt war, wurde zwar im Jahr 
1610 erneuert; er blieb aber nur der ernste Mahner für 
Stadt und Land. Zwar fasste man, nachdem der westfäli- 
sche Friedensschluss (1648) dem deutschen Krieg ein Ende 
gemacht hatte und die Verhältnisse in etwa geordnet waren, 
unter dem Kurfürsten-Erzbischof Maximilian Hein- 
rich von Bayern (1650—1688) den Entschluss, am Dom 
weiter zu bauen. Allein beim guten Willen ist es geblieben. 
In Deutschland war eben die Kraft versiecht. Es war trotz 
des Friedensschlusses innerlich zerrissen und eine Beute 
raublustiger Nachbarn. Zum Protestantismus, dem ein 
grosser Theil Deutschlands anheimgefallen war, traten der 
Rationalismus und eine seichte Aufklärung, die wohl zer- 
stören aber nicht aufzubauen verstand. Ihm fehlten eben 
alle Bedingungen. Die Anknüpfungspunkte mit der Ver- 
gangenheit waren zerrissen und die religiösen und künst- 
lerischen Anschauungen andere geworden. 

Der Kupferstecher und Kunstschriftsteller Joachim 
Sand rar t sagt in seiner 1675—1679 erschienenen deut- 
schen Akademie der Bau-, Bildhauer- und Malerkunst von der 
Gothik des Kölner Domes, dass sie ,keine richtige Ordnung, 
Proportion und Mass beobachte, voller Unordnung sei und als 
eine schnöde, barbarische Art zu bauen betrachtet werden 
müsse/ - - Als de Moncony in Begleitung des Herzogs von 
Chevreuse 1663 Köln besuchte, findet er die Domkirche, 
wie es in seiner 1697 erschienenen Reisebeschreibung lieisst, |) 
, finster und elende gebauet. Es sind darin viele Grabmäler 
der Erz-bischöfe zu sehen, aber ohne sonderlichen Zierrath, 
allermassen deren Bildnisse, entweder aus Marmor oder 
Metall geformt, ganz schlecht nur auf einem länglich vier- 
eckigem Monument liegen. 4 — Der berühmte Gelehrte und 
Dichter Albrecht von Hai ler (f 1777), Präsident der 
Societät der Wissenschaften, sagt in seinem Tagebuch über 
Köln, welches er im Jahr 1723 besuchte, ,diese weitläufige 
Erz-Katholische Statt und hohe Schule ist sehr unangenehm 
und schlecht gehauen. Die Kirchen, deren eine sehr grosse 
Menge, sind meist Gothisch und haben nichts Schönes. Um 
die heil, drey Königen und deren 11,000 Jungfrauen Ge- 
beine lass ich andere begierig sein, und war froh, diesen 
verdriesslichen Ort zu verlassen.' 2 ) Des Domes nur zu er- 



>) Vergl. Köln. Volkszeitung. 1882, Nr. 256. 

*) Alb recht Haller's Tagebücher seiner Reisen nach Deutschland, 
Holland und England, 1723-1727, 8. 26, 26. Leipzig 1883. 

2* 



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- 20 - 

wähnen findet dieser Gelehrte nicht einmal der Mühe werth. 
— Der Gelehrte Esquire Jos. Marschall ferner bemerkt: 
,die Dorakirche ist ein weitläufiges Gebäude, aber nicht 
fertig, ob es gleich schon im Jahr 1254 (1248) angefangen 
ist. Es hat nichts in die Augen fallendes.' l ) Diese we- 
nigen Aussprüche mögen genügen, die Anschauungen des 
achtzehnten Jahrhunderts klar zu stellen. Die alten kirch- 
lichen Baustile galten durchweg als barbarisch, und selbst 
das Kölner Domkapitel konnte sich dem Zuge der Zeit nicht 
verschliessen. In einer Nacht des Jahres 1766 wurde das 
letzte Kunstwerk der Gothik, das fast 19 Meter hohe Sakra - 
mentshäu<chen, dieses weltberühmte Meisterwerk der archi- 
tektonischen Skulptur, das höchste was der Meissel in dieser 
Art jemals hervorgebracht, -) mit Stricken niedergerissen 
und in den Rhein geworfen, die bunten Glasfenster des Tri- 
foriums wurden entfernt und durch weisse Glasscheiben 
ersetzt, und damit das reine Licht desto reiner erscheine, 
wurden die Wände und Säulen mit Kalktünche geweisst. 
So verschwanden die Bemalung der Kapitale und die Fresken 
im Chor unter der Tünche der Aufklärung. Die alte Uhr 
mit der Prozession der heil, drei Könige wurde beseitigt, 
und der alte Altar bis auf die mensa gebrochen und durch 
einen Rokoko-Aufsatz verunziert, der Zeugniss ablegte, wie tief 
in jeder Beziehung das Geschlecht des 18. Jahrhunderts 
unter dem des noch gläubigen 13. Jahrhunderts stand, 
trotz aller Philosophie und Aufklärnng. 3 ) 

In diese entartete Welt traf wie ein Blitz die grosse 
französische Revolution. Bereits im Jahr 1794 fiel das Rhein- 
land in ihre Gewalt, die Reliquienschreine wurden ge- 
flüchtet und zum Theil verkauft. Der Dom sank zum Heu- 
magazin und später zum Gefängniss für Kriegsgefangene 
herunter. , Ungestört kamen die Elemente, Wind, Regen, Frost, 
um in langsamer, aber sicherer Arbeit das Werk der Zer- 
störung zu vollenden. Bald war der gross te Theil der 
Balken im Dachstuhl verfault. Die Strebebogen waren 
durch den zerstörenden Einfluss des Wassers dem Einstürze 
nahe, und ihrem Falle musste unmittelbar das Zusammen- 
brechen der Gewölbe folgen, die sie stützten. An jedem 
regnerischen Tage träufelte das Wasser, das seinen gere- 
gelten Abfluss nicht mehr fand, durch die Gewölbe ins 
Innere. So weit war es gekommen mit der Herrlichkeit 



i) Vergl. Kölner Volkszeitung, 1883, Nr. 148. 

*) de Noel, der Dom von Köln, S. 47. 

») Der stilwidrige Aufsatz wurde im Herbst 1893 entfernt. 



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des Mittelalters. Zerbrochen war das Scepter des heiligen 
römischen Reiches deutscher Nation, geknechtet waren die 
ehemals freien Städte des Reiches. Köln war arm und 
ehrenlos., vergesseu war seine Kunst, seine Meisterwerke 
waren verachtet, eine Heute der Trödler. Gras wuchs auf 
seinen Strassen. Der Fluch Gottes schien auf dein Dom zu 
lasten und seine Hand zu rütteln an dessen Grundfesten. 
Alles Gold, das ihn im Aeussern und Innern geziert, das 
seine Schatzkammern gefüllt und seine Altäre geschmückt 
hatte, war zerstreut oder verloren. Die Farbenpracht, die 
dem Bau ehemals ein so herrliches Aussehen gegeben, war 
verschwunden.' *) Innerhalb der Anfänge des Nordthurms 
wie zwischen den Strebepfeilern der Südseite hatten sich 
Wohnungen angesiedelt und auf dem der Verwitterung ver- 
fallenen Gestein des Südthnrms wuchsen wilde Rosen. Die 
Umgebung des Domes bot ein abschreckendes Bild. Zahlreiche 
armselige Gebäude, sogenannte Gademen, bedeckten die Zu- 
gänge. Der Domhof selbst war uneben, hier ein Loch, dort ein 
Schutthaufen, dabei kothig von dem sich häufenden Unrath der 
wiederkehrenden Viehmärkte; an den Eingängen selbst Reihen 
hungernder Bettler und Krüppel, ihre Gebrechen zur Schau 
tragend, das Mitleid der Vorübergehenden zu erregen. 2 ) 

Zweite Bauperiode. Wir haben die Schicksale des 
Kölner Domes bis zum Schluss des 18. Jahrhunderts ver- 
folgt. Der Niedergang des nationalen Lebens hatte seine 
Geschicke besiegelt. Er würde dem Abbruch verfallen sein, 
hätte man mit den vielen Steinen zu bleiben gewusst. So 
wurde er in seinen Ruinen die Leuchte kommender Ge- 
schlechter auf den Pfaden der Kunst, denn nicht in Aller 
Herzen war die Liebe zur hehren Kunst der Vorzeit er- 
storben, sie selbst wirkte in ihrem grossartigsten Denkmale 
befruchtend und begeisternd auf einige begabte Männer. 
Als Georg Forster auf seiner Reise am Niederrhein 1790 
in die Hallen des Chores trat, war er hingerissen von der 
Pracht der himmelanstrebenden Säulen. In begeisternden 
Worten schildert er in seinen „Ansichten vom Niederrhein' 
(1791—94) den mächtigen Eindruck, den der Hau auf ihn 
ausübte 3 ) Forster wurde für Köln's Dom der Morgenstern, 
der nach langer trüber Nacht den wiederanbrechenden 

J ) St. Bei a sei, der Dom von Köln in Stimmen aus M. Laach. XX. 
S. 171. 

*) A. Fahne, der Kölner Dom, 1880, S. 39. 

») Die bekannte Stelle ans Forster's Reisen findet sich weiter unten 
bei der Beschreibung des Dom- Innern wörtlich angeführt. 



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Morgen verkündet. Dann war es Friedrich Schlegel, 
der in seinen Vergleichen der antiken mit der christlichen 
Kunst, der letzteren die Palme reicht. Seine , Ansichten 
und Ideen von der christlichen Kunst 4 (1808—4) und seine 
, Grundzüge der gothischen Baukunst* (1804 — 5) brachten 
eine entschiedene Wendung in den Kunstanschauungen der 
Zeit zu Wege. Vor allen aber war es Sulpiz Boisseree, 
geb. den 2. August 1783, der sich die höchsten Verdienste 




um den Dom seiner Vater- 
stadt erwarb. Durch den 
Anblick so vieler mittelal- 
terlichen Denkmale Kölns 
für die Kunst begeistert, 
trat er mit seinem Bruder 
Melchior in Paris zu 
Fr. Schlegel in nahen 
Verkehr. Dieser Umgang 
bestärkte die Brüder in 
dem Entschluss, sich ganz 
der Kunst zu widmen. 
Melchior wandte sich der 
Erforschung der altdeut- 
schen Malerei und Sulpiz 
besonders dem Studium 
der Architektur des Mittel- 



alters zu. Er widmete sich 
ganz dem Kölner Dom. Die dereinstige Vollendung knüpft 
sich besonders an seinen Namen. Bereits in den Jahren 
1807- 1809 veranlasste S. Boisseree die Stadt und den 
Kirchenvorstand, die allernothwendigsten Reparaturen vor- 
nehmen zu lassen, um den Zusammenbruch der Gewölbe 
zu verhüten. Auf sein Betreiben wurde 1811 von Seiten 
der Stadt der Baumeister Moller zu einer eingehenden 
Besichtigung beauftragt, deren Ergebniss der am Schluss des 
ersten Abschnitts geschilderte Zustand war. Um diese Zeit 
reifte auch bei ihm der Entschluss, den Dom in seinem 
dermaligen Bestände, in seinen Plänen und Einzelheiten 
zum Gegenstand eines grossen architektonischen Werkes zu 
machen. Dieses bedeutende Werk, welches auf sorgfältigen 
Vermessungen beruht, wirkte bahnbrechend auf die Anschau- 
ungen der Zeit. Die ersten Lieferungen erschienen im Jahr 
1824 nach mehr als zehnjährigen Vorarbeiten. Im Jahr 
1831 lag das im grössten Format hergestellte Pracht- 
Kupferwerk mit XVIII Tafeln vollendet vor. Boisseree 



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- 23 - 



suchte mit feinem Geschick die leitenden Kreise der littera- 
rischen wie politischen Welt für seine Ideen, die stets auf 
die Erhaltung und den Ausbau des Domes gerichtet blieben, 
zu erwärmen. Sein Besuch bei J. W. Goethe, dem er die 
Zeichnungen seines Domwerkes vorlegte, begeisterten auch 
diesen zur Bewunderung der alten Bauten. Boisseree's 
Bemühungen, den Kaiser Napoleon bei dessen Anwesenheit 
in Köln anfangs November 1811 für seine Ideen zu ge- 
winnen, waren leider erfolglos. Der mächtige Eroberer 
besuchte zwar unter grossem Volksandrang mit der Kaiserin 
Marie Louise den Dom, aber sein Besuch beschränkte 
sich auf den Anblick der malerischen Ruinen. Zu einer 
ausgiebigen Unterstützung fehlten die Mittel. Die Vorbe- 
reitungen zum Feldzug gegen Russland nahmen alle Kräfte 
in Anspruch. — Auf Russlands Schneefeldern sank der Stern 
dieses Mannes. Die Flammen Moskau's riefen die Völker 
Europas zum Kampf für die Freiheit. Und als nach den 
glorreichen Befreiungskriegen die französische Gewaltherr- 
schaft ein Ende genommen, hatte sich ein anderer Geist 
des deutschen Volkes bemächtigt. Die lange Nacht der 
Demüthigung und Knechtschaft hatte es einer geistigen 
Wiedergeburt entgegengeführt. Es hatte gelernt rückwärts 
zu schauen in vergangene Zeiten und sich empor zu richten 
an den ihm verbliebenen Resten der alten Herrlichkeit. 

So fällt mit dem Aufschwung des nationalen Lebens das 
Wiedererwachen der Liebe für die grossen Schöpfungen der 
Vergangenheit zusammen. Die 
Ideen Fr. Schlegels und die 
Thätigkeit Boisseree's hatten 
die Kreise der romantischen 
Dichterschule begeistert. Die 
mittelalterliche Welt und mit 
ihr der Kölner Dom wurder, 
wieder in ihrer Schönheit 
erkannt. Als im Jahr 1814 
die Verbündeten in Köln ein 
rückten, hatte Boisseree dn 
Gelegenheit, den hoffnungs- 
vollen Kronprinzen Fried 
rieh Wilhelm in den Dom 
zu führen. In ihm war der 
wärmste Freund für die Sache 
des Dombaues gefunden. „Der j. v. Görres, 

Kronprinz," schrieb Sulpiz geb - l776 ' ß esL 1848 - 




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T 



- 24 



BoisserSe am 17. Juli an seinen Bruder Melchior, „war 
gestern hier und ich begleitete ihn in den Dom; du 
kannst dir nicht denken, welche Freude er hatte. — 
Der Kronprinz wollte nun eben den Dom ausbauen. AU 
wir oben um das Chor gingen, konnte er sich nicht mehr 
halten und sagte zu den übrigen Herren: Sehen Sie, das 
ist viel herrlicher, als alles, was wir gesehen. 4 * Was 
Boissereo gesäet, schlug in Jos. Görres zu lichterhoher 
Begeisterung auf. Wie ein Herold im Streit, vertrat er 
die Ideen des Dombaues und rief mit Ungestüm in seiner 
grossartigen Weise zur Vollendung des Dombaues auf, als 
Dankopfer für die Befreiung des deutschen Vaterlandes 
aus französischer Knechtschaft. l ) Der edle Max von Schen- 
kendorf malte in schwungvollen Liedern die alte Herrlich- 
keit des Reiches, den Glauben der Väter und die alte Kunst. 
In seinen Liedern ,vom Dom* tönt noch heute die Sehnsucht 
und die Hoffnung wieder, die diese Männer erfüllte. 

Seh ich immer noch erhoben 
Auf dem Dom den alten Krahn, 
Scheint mir nur das Werk verschoben 
Bis die rechten Künstler nah'n. 

Denn ein Sabbath hat begonnen, 
Osterabend hehr und still, 
Oleich demMond derFr ühlingswonnen 
Wenn an's Licht die Knospe will. 

Hört ihr wohl die Glocken läuten ? 
Also nah ist Gottes Reich — 
Feiertag soll das bedeuten, 
Betet und bereitet euch. 

Salbet euch mit Oel der Stärke, 
Nur auf eines habet Acht, 
Montag naht, ein Tag der Werke, 
ünd ein Tag der Heisterschlacht. 

Bedurfte es auch noch 
Hammerschläge zum Fortbau des Domes und somit zur 
Erfüllung lange gehegter Hoffnungen erklangen, so durch- 
drangen doch die begeisternden Worte der Forster, 
Boisseräe, Görres, Schenkendorf die Herzen Vieler 
und bereiteten den thätigen Angriff vor. 

Nach langen Verhandlungen und warmer Fürsprache 
seitens der Stadt, des Oberpräsidenten und vor allen des 
Kronprinzen erhielt endlich im Jahr 1816 der Geheime 



Kommt ihr Meister und Gesellen 
Zu dem Thale Josaphat, 
Dass wir Säulen bau'n und Schwellen, 
Für die neue Bundesstadt. 

Auf dem alten Grund erheben. 
Neu geweiht von frommer Hand, 
Sollt ihr euch zum jungen Leben, 
Burgen, Kirch' und Vaterland! 

Jeder opfert seine Gabe, 
Priester singen in dem Chor, 
Und der Bischof mit dem Stabe 
Klopfet dreimal an das Thor. 

Harret nur noch wenig Stunden 
Wachet, betet und vertraut, 
Denn der Jüngling ist gefunden 
Der den Tempel wieder baut 

langer Zeit, ehe die ersten 



M Pr. Bloom er, »nr Litteratur des Kölner Domes, S. 
Merkur, 1814. Nr. 151. 



IS. Rhein. 



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Ober- Baurath Seh inkel vom König Friedrich Wilhelm III. 
den Auftrag", den Dom einer eingehenden Untersuchung zu 
unterziehen. Schinkel, ein genialer, hochgebildeter Künstler, 
der neben dem ßewusstsein seiner eigenen Tüchtigkeit, 
auch Bescheidenheit und Unbefangenheit genug besass, um 
den grossen Meistern des Mittelalters ihr volles Recht zu 
lassen, übernahm den ihm ertheilten Auftrag mit Math, 
Selbstvertrauen und dem Bewusstsein, einer guten Sache 
zu dienen. Nachdem er in einem eingehenden Bericht den 
Verfall des Gebäudes geschildert, befürwortete er beim 
Ministerium mit sicherer Entschiedenheit die Erhaltung, 
den Fortbau und die Vollendung des Domes. Als Geringstes 




Der Dom im Jahre I v.M. 



der allernächsten Aufgabe bezeichnet er die Vollendung 
des Gebäudes im Innern, mit einstweiliger ganz roher Aus- 
führung der nothwendigen äusseren Theile. *) Gleichzeitig 
mit obigem Bericht sandte Schinkel auch an Boisseree ein 
Schreiben, welches Vorschläge in Betreff der nothwendigen 
Reparaturen enthielt. Die Hoffnung Schinkels, Sulp. Boisseree 
als Rath ins Ministerium berufen und mit dem Vortrag 
über die Dombau-Angelegenheiten betraut zu sehen, blieb 
unerfüllt. Ueberhaupt schleppte sich die Dombausache lange 

Der Bericht Schinkels findet sich als Anhang in der Schrift „die 
christlich-germ. Baukunst" von A. Reiehenspcrger. Aull. Trier IHM S. 129. 



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— 26 



Zeit erfolglos hin, während der Verfall immer drohendere 
Fortschritte machte. 

Em die Wiederherstellung des Kölner Erzbisthums im 
Jahr 182 t brachte die Dombausache in beschleunigteren 
Gang. Nach der Bulle de salute animarum, nach 
welcher das Kölner Erzbisthum wieder errichtet wurde, 
erhielt der Dom seine Bestimmung als erzbischöfliche Kathe- 
drale wieder. Alle Güter der Kurfürsten-Erzbischöfe von 
Köln, alle Güter der Stifter und des Domkapitels blieben 
der Krone Preussen, wohingegen der König sich verpflich- 
tete, das Notwendigste zum Unterhalt der Geistlichkeit 
und zur Feier des Gottesdienstes herzustellen. Dazu gehörte 
aber auch die Herstellung einer Kathedrale für den Erz- 
bischof von Köln. Die Restauration des Domes war dem- 
nach gewisserraassen eine moralische Verpflichtung, keines- 
wegs eine freiwillige Wohlthat. Die in Beschlag genommenen 
jährlichen Domeinkünfte betrugen allein ca. 225,000 Mark, 
während sich die Regierungszuschüsse vom Jahr 1824 — 1841, 
also in 17 Jahren nur auf 645,252 Mark, von da ab jährlich 
auf 150,000 Mark beliefen. 

Nachdem die Schwierigkeiten, welche sich den Reparatur- 
bauten entgegengestellt, beseitigt waren, wurde im Jahr 1823 
mit der Verankerung der Giebelmauern begonnen und 
Fried r. Adolph Ahlert mit den Restaurationsarbeiten 
betraut. Ausser den Staatszuschüssen wurde vom König die 
Einführung einer Kathedralsteuer, welche von Heirathen, Ge- 
burten und Sterbefällen erhoben werden sollte, dem neu 
ernannten Erzbischof Ferdinand August Grafen von 
Spiegel zum Desenberg, welcher am 24. März 1825 
vom Dom Besitz ergriffen hatte, genehmigt. Auch wurde die 
Genehmigung einer Haus- und Kirchenkollekte für eine von 
der Behörde als angemessen erachtete Zeit ertheilt und eine 
Dombauverwaltung, bestehend aus dem Erzbischof und dem 
Oberpräsidenten, als zuständige Behörde für alle Dombau- 
angelegenheiten eingerichtet Im Jahr 1824 wurde der Dom 
von Pfingsten bis 27. Dezember geschlossen und der Dach- 
stuhl über dem Chor erneuert. Am 6. März 1826 begann 
man mit der Herstellung des südlichen Fenstergiebels und 
bereits am 19. August konnte der Schlussstein zu den neu 
gebauten Fenstern im untern Theil des Domes auf der 
Nordseite gelegt werden, so dass am 11. September die 
restaurirten gemalten Fenster wieder eingesetzt werden 
konnten. Gleichzeitig mit diesen Bauten wurde das ganze 
Strebesystem, welches in den gefahrdrohendsten Zustand 



- 27 - 



gerathen war, einer gründlichen Ausbesserung unterzogen. 
Im Ganzen waren 14 Strebesysteme, wovon 8 mit 4 Bogen 
6 mit 2 Bogen versehen sind, umzubauen. Sämmtliche 
Bogen und mehrere Pfeiler wurden ganz neu aufgeführt und 
die übrigen Pfeiler in allen einzelnen Theilen mit Haustein 
ergänzt. 

Wurden die Arbeiten Ahlerts von den oberen Behörden 
auch gelobt und erlangten die Zufriedenheit Schinkels, so 
zeigen dieselben doch, dass Ahlert, der wohl bemüht sein 
mochte, sein Bestes zu thun, kein Verständniss für die 
mittelalterliche Kunst und ihre Konstruktionsweise, ihren 
Stil, ihre Ornamente und Profile besass. Blätter und Orna- 
mente wurden verflacht, Fialen verschwanden und viele 
wichtige Konstruktionstheile wurden vereinfacht. Ja selbst 
in der Wahl de3 zu den Restaurationsarbeiten verwendeten 
Materials wurde das Unglaublichste geleistet. Statt des 
stimmungsvollen Sandsteines, wie er überall am Dom ver- 
wendet ist, wurden die Schwibbogen und Pfeilerfialen des 
Strebesystems aus schwarzem niedermendiger Basalt gear- 
beitet, dessen Farbenton im schärfsten Kontrast zum übrigen 
Material steht. 

Vier Strebesysteme waren unter Ahlert's Leitung fertig 
gestellt, als der Tod am 10. Mai 1833 seinen Arbeiten zum 
Glück für den Dom ein Ziel setzte. Schinkel, in dessen 



war er bemüht, in das Wirken der alten Meister einzudrin- 
gen. Vom frühen Morgen bis zum Ausklingen des letzten 




In ihm war dem Dom ein 
Meister gewonnen, der mit 



Hand das Schicksal des Domes 
nunmehr wieder lag, leitete 
die Wahl zum Nachfolger 
Ahlert's auf seinen streb- 
samen und fähigsten Schüler 
Ernst Friedrich Zwir- 
ner, geb. den 28. Februar 
1802 zu Jakobswalde in 
Schlesien, der als Landbau- 
meister in Kolberg stand. 



Ernst Friedr. Zwirner, 

geb. 1H02, gest. 1861. 



Ernst die hohe Aufgabe 
übernahm, die in seine Hand 
gelegt wurde. Im Bewusst- 
sein, dass die Kunstverstän- 
digen der ganzen Welt sei- 
nen Arbeiten folgen würden, 



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- 28 

Hammerschlages war Zwirner theils in der Hütte, theils auf 
dem Baugerüst anwesend und ermunterte in anregender Weise 
jeden seiner Arbeiter. Jeden Werkstein unterwarf er einer 
sorgfältigen Prüfung. Der Ruf der Kölner Dombaubütte stieg 
von Tag zu Tag und die so lange verkannte und geschmähte 
Kunst des Mittelalters erhielt immer mehr Freunde und Be- 
wunderer. *) War Zwirner auch bestrebt, den alten Meistern 
zu folgen, so war er doch nicht zu bewegen, den reichen Kranz . 
des Strebesystems an der Südseite des Chores in der ursprüng- 
lichen Weise zu erneuern; nur ein Pfeiler in dem Winkel i 
zwischen Chor und südlichem Querschiff ist auf besonderen ' 
Wunsch A. Reich ensperger's des viel jährigen Sekretairs | 
des Dombauvereins, in seiner alten Herrlichkeit den alten Mu- 
stern im wesentlichen nachgebildet worden. 2 ) Auch die 
Ausführung des Nordportals geschah später nicht nach den 
vorhandenen Anlagen. In Mitten der Restaurationsarbeiten 
brachen zwischen dem, dem Grafen von Spiegel 1836 
folgenden Erzbischof Klemens August, Freiherrn von 
Droste-Vischering, und der preussischen Regierung die grossen 
Wirren aus, infolge deren der Erzbischof gefangen nach 
der Festung Minden abgeführt wurde. (20. November 1837.) 
Veranlasst durch Eingriffe der preussischen Regierung in 
die Bestimmungen der katholischen Kirche über gemischte 
Ehen, riefen dieselben eine grosse Erbitterung in Köln und 
dem katholischen Deutschland gegen die preussische Regie- 
rung hervor. Als daher nach der Thronbesteigung Fried- 
rich Wilhelms IV. (7. Juni 1840) 120 angesehene Kölner 
Bürger eine Eingabe an den König richteten, die Gründung 
eines Vereins zum Fortbau des Domes zu gestatten, wo- 
rauf zunächst eine Kabinetsordre vom 23. November 1840 
erfolgte, in welcher 10,000 Thaler zur Wiederherstellung der 
vorhandenen Bautheile bewilligt wurden, verhielt sich die 
grosse Masse der Kölner Bürgerschaft sehr zurückhaltend, 
da man glaubte, es handle sich darum, die erregten Ge- 
müther zu beruhigen und das Interesse von der brennenden 
kirchlichen Frage abzulenken. Wenngleich der Erzbischof 
im Frühjahr 1839 aus der Haft entlassen war, so traten 
zu obigen Bedenken auch noch die Befürchtungen, der Dom 
könne zu einer Simultankirche oder gar zu einer Ruhmes- 
halle gemacht werden, hinzu. Die Hochherzigkeit und das , 
an den Tag gelegte Wohlwollen des Königs Friedrich 

1 

J ) L. En neu, der Dom zu Köln, 1872, 8. 7, 8. 

*) A. Reich ensp erger, zur neueren Geschichte des Dombaues, 

1 |S. 7. 



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- 29 - 

Wilhelm IV., welcher durch Vermittlung des Königs 
Ludwig von Bayern den Bischof von Geissei als 
Koadjotor des Erzbischofs Klemens August nach Köln berief, 
wo er am 4. März 1842 eingeführt wurde, hatte jedoch in 
Köln neues Vertrauen zur Regierung erweckt, sodass nach 
vielen stürmischen Vorversammlungen unter grosser Theil- 
nahme am 14. Februar 1842 unter dem Vorsitz des Dr. 
Everh. von Groote der Dombauverein konstituirt 
werden konnte. 

Nach dem Statut, welches bereits am 8. Dezember 
1841 die landesherrliche Genehmigung erhalten hatte, be- 
zweckte der Verein vermittelst Darbringung von Geldbei- 
trägen und in jeder sonst angemessenen Weise für die 
würdige Erhaltung und den Fortbau des Domes mitzuwirken. 
Friedrich Wilhelm IV. übernahm das Protektorat und 
der Regierungspräsident a. D. von Wittgenstein, Lu- 
dolf .Camp hausen (1848 Minister-Präsident), Jean 
Maria Farina, Regierungs-Rath von Roishansen, 
Mülhens, von Bianco, Aug. Reichensperger (später 
Appellationsgerich ts-Rath und berühmter Parlamentarier) 
wurden in den Verwaltungs-Ausschuss gewählt; das Ehren- 
präsidium tibernahm der zum Koadjutor ernannte Bischof 
von Geissei, nachmals Erzbischof und Kardinal, welcher 
sich regelmässig an den Versammlungen betheiligte. 

Mit grosser Entschiedenheit suchte der Verein seine 
Aufgabe zu erfüllen: Begeisterung und Liebe für das grosse 
Werk nicht allein in seinem nächsten Wirkungskreis, son- 
dern auch in allen Gauen Deutschlands zu erwecken. Damit 
aber die Begeisterung wach bleibe, stellte sich derselbe ein 
weiteres Ziel. Nach den SchinkeVschen Ideen war bisher 
nur ein einfacher Rohbau mit Weglassung alles ornamen- 
talen Schmuckes und der Gewölbe in Aussicht genommen. 
Der Dombauverein fasste jedoch den Entschluss, den voll- 
ständigen Ausbau, der Schiffe, Portale, Gewölbe und Strebe- 
bogen ganz nach den Plänen der alten Meister auszuführen. 
Dieses auch von Zwirner angenommene Projekt erhielt die 
Zustimmung des kunstsinnigen Königs. „Möge es dem Verein 
gelingen", schrieb er am 13. August 1842, „die Flamme der 
Begeisterung, welche ihn beseelt, weit und breit in die 
Gauen des deutschen Vaterlandes nicht nur zu vorüber- 
gehendem Auflodern anzufachen, sondern dauernd zu nähren, 
damit das erhabene Werk gedeihe und sich vollende, einer 
grossen Vorzeit würdig, der Gegenwart zum Ruhme und 



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der Nachwelt zum bleibendem Vorbilde deutschen Kunst- 
sinnes, wie deutscher Frömmigkeit, Eintracht und Thatkraft." 

Und, gefunden ist der Heister und der alte Bann gelöst, 
In die Herzen, in die Geister neue Lust zum Werk geflösst. 
Langer gilt nun kein Verschieben: Alle die von Gott entflammt, 
Schönes und Erhabnes lieben, sind Gesellen iusgesammt. l ) 

Die ersten zur Ausführung gebrachten Bauarbeiten 
erstreckten sich auf die Herstellung des hohen Chores in 
seinem Aeusseren wie Innern; hier wurden sämmtliche Ge- 
wölbe und Hausteinpfeiler nebst Seitenwänden gründlich 
wiederhergestellt und die Bedachungen auf dem nördlichen 
Seitenschitfe neu eingedeckt. Dann wurde das Fundament 
zu dem südlichen Portalbau gelegt bis zur Sohle der Kirche, 
und der über der Erde stehende Theil mit Quaderwerk noch 
um P/a Meter aufgeführt. Auch wurde der zwischen dem 
südlichen Portal bis zum westlichen Hauptthurm um ca. 6 Meter 
erhöht und durch Abbruch von Wohnungen Platz zur Er- 
richtung der Steinmetzhütten geschaffen. | 

Bereits am 4. September 1842 konnte der Grundstein 
zum Fortbau des Domes vom Erzbischof-Koadjutor Jo- 




hannes von Geissei 
feierlich geweiht und 
durch König Fried rieh 
Wilhelm IV. in Gegen- 
wart vieler Fürsten, 
Bischöfe und Herren 
und unter dem Jubel 
einer unermesslichen 
Volksmenge gelegt, 
werden. Nach dem 



feierlichen Gottesdienst, 
welcher nach langer 
Unterbrechung zum j 
ersten Mal wieder auf 



Könic Friedrich Wilhelm IV 

1840—1801. 



dem hohen Chor statt- 
fand, bewegte sich der 
imposante Festzug unter 
dem Geläute der Glo- 
cken durch das West- 
portal und die nächst- 
gelegenen Strassen zur 
Südseite des Domes, 
wo über dem neu ge- 



! ) Karl Simrock in einein Gedicht auf den Dombau, 1840. 



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- 31 - 

legten Fundament eine Tribüne für das königliche Paar 
errichtet war. Nach Unterzeichnung der Urkunde, welche 
dem Stein eingefügt wurde, und der Weihe desselben, sprach 
der König folgende ewig denkwürdigen Worte: 

„Ich ergreife diesen Augenblick, um die vielen lieben 
Gäste herzlich willkommen zu heissen, die als Mitglieder 
der verschiedenen Dombauvereine aus Unserm und dem 
ganzen deutschen Lande hier zusammengekommen sind, um 
diesen Tag zu verherrlichen. — Meine Herren von Köln! 
Es begibt sich Grosses unter Ihnen. Dies ist, ich fühle es, 
kein gewöhnlicher Prachtbau. Es ist das Werk des Bruder- 
sinnes aller Deutschen aller Bekenntnisse. Wenn ich dies 
bedenke, so füllen sich meine Augen mit Wonnethränen, 
und ich danke Gott, diesen Tag zu erleben. Hier, wo der 
Grundstein liegt, dort mit jenen Thürmen zugleich sollen 
sich die schönsten Thore der ganzen Welt erheben. Deutsch- 
land baut sie, so mögen sie für Deutschland durch Gottes 
Gnade Thore einer neuen, grossen guten Zeit werden! 
Alles Arge, Unächte, Unwahre und darum Undeutsche bleibe 
fern von ihnen. Nie finde diesen Weg der Ehre das ehrlose 
Untergraben der Einigkeit deutscher Fürsten und Völker, 
das Rütteln an dem Frieden der Konfessionen und der Stände, 
nie ziehe jemals wieder der Geist hier ein, der einst den 
Bau dieses Gotteshauses, ja — den Bau des Vaterlandes 
hemmte! Der Geist, der diese Thore baut, ist derselbe, der 
vor neunundzwanzig Jahren unsere Ketten brach, die Schmach 
des Vaterlandes, die Entfremdung dieses Ufers wandte, der- 
selbe Geist, der, gleichsam befruchtet von dem Segen des 
scheidenden Vaters, des letzten der drei grossen Fürsten, 
vor zwei Jahren der Welt zeigte, dass er in ungeschwächter 
Jugendkraft da ist. Es ist der Geist deutscher Einigkeit 
und Kraft. Und das grosse Werk verkünde den spätesten 
Geschlechtern von einem durch die Einigkeit seiner Fürsten 
und Völker grossen, mächtigen, ja den Frieden der Welt 

unblutig erzwingenden Deutschland! Der Dom von 

Köln — das bitte ich von Gott — rage über diese Stadt, 
rage über Deutschland, über Zeiten, reich an Menschenfrieden, 
reich an Gottesfrieden bis an das Ende der Tage." 

Nach diesen mit unbeschreiblichem Jubel aufgenommenen 
Worten, wurde nach einer in glühender Begeisterung vom 
Koadjutor von Geissei gesprochenen Erwiderungsrede und 
der Ansprachen des Vereins-Präsidenten von Wittgenstein 
und des Dombaumeisters Zwirner unter Absingung einer 
Festkantate und dem Donner der Geschütze der erste Stein 



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I 



— 32 - 

zum Fortbau mit dem alten Krahnen, welcher seit dem 16. 
Jahrhundert ausser Thätigkeit gestellt war, an seine Stelle 
gezogen. Derselbe ist durch eine vergoldete Einfassung noch 
jetzt erkennbar. 

Zur Wachhaltung des entflammten Eifers für die Dom- 
sache ging das Streben des Dombauvereins dahin, Hülfsvereine 
ins Leben zu rufen, deren mit der Zeit 144 entstanden. 

Einen wie geringen Antheil aber das gesammte Deutsch- 
land an der Vollendung des grössten nationalen Werkes 
genommen, geht daraus hervor, dass von den Hülfsvereinen 
nur 26 ausserhalb der Rheinlande sich befanden. Abgesehen 
von manchen Gönnern, blieben Köln und die Erzdiözese die 
Hauptförderer der Dombausache. Die später in Wort und 
Lied so sehr gepriesene Opferwilligkeit und allgemeine 
Begeisterung der ganzen deutschen Nation hat 
in dem Umfange niemals bestanden. Die gegründeten Vereine, 
selbst die rheinischen, schmolzen allmählich zusammen und 
als der kunstsinnige König Ludwig von Bayern in seinem 
Feuereifer um den Dom sich an die deutschen Fürsten zur 
Bildung eines Hülfsvereins wandte, war der Erfolg ein nichts- 
sagender. „Würtemberg und Hessen 14 , heisst es in einem 
Briefe des Königs an den Erzbischof von Geissei, ^schlugen 
ab, Beiträge zu geben, der König von Sachsen bewilligte nur 
solche für 2 Jahre; mit denselben, denen von Oesterreich 
u. s. w. hätten sich alle auf netto 9000 (sage neuntausend) 
Gulden belaufen; somit würden sich die Bundesmitglieder 
im In- und Auslande blamirt haben. Bios Fürst Lichten - 
stein, der kleinste aller Bundesfürsten, machte eine rühm- 
liche Ausnahme durch sein Anerbieten. u Nur vereinzelt 
bethätigten Deutschlands Fürsten durch Spenden ihr Interesse 
für das nationale Werk. Der Kaiser von Oesterreich gab 
8000, der Grossherzog von Baden 7000, der König von 
Hannover 1000 Gulden, die Grossherzöge von Mecklenburg 
und Oldenburg Jahresbeiträge von je 100 Thalern. Der 
Herzog Prosper von Arenberg überragte all die genannten 
Fürsten, indem er von 1842 ab bis zu seinem nach 15 Jahren 
erfolgten Ableben einen Jahresbeitrag von 1000 Thalern 
dem Vereinsvorstande zugehen Hess. 1 ) 

Vielfach machte sich auch das gerade Gegentheil von 
Begeisterung innerhalb des deutschen Vaterlandes in der 
Dombausache geltend. Vornehmlich war es ein Theil des 
jüngeren Deutschland, welches in der Presse den Dombau 

*) A. Reichen sperger, zur neueren Geschichte des Dombaues, 
1881, S. lti, 17. 



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geradezu verhöhnte, so der jüdische Dichter Heinr. Heinö 
(Reisebilder III. Kap. 32), der General-Superintendent B ret- 
schnei der (Darmst. Allgem. Kirchenzeitung, 1842, Nr. 186), 
und andere. Ihnen war der Dom nicht ein Denkmal deut- 
schen Ruhmes, sondern ,eher ein Denkmal deutscher Schande 4 ; 
. . . . ,um diesen Thurmbau zu Babel (heisst es in einer 
Broschüre ,Der Thurmbau zu Köln' 1842 S. 107. 108) von 
der Stelle zu bringen, ist es wohl ein Nationalunglück, aber 
noch nicht eine Nationalt horh ei t, eine Nationalschande, 
es müsste denn insofern sein, dass wir durch unsere Schuld 
nicht im Stande wären, es zu verhindern.' — Treffend schil- 
dert Jos. von Görres diese Widersacher des Dombaues : 
„So hören wir um die Thürme sich ein gross Geschwirr er- 
heben, die Thurmheher schiessen, die Mauern umkreisend, auf 
und nieder und thun, als seien sie am Baue sehr geschäftig. 
Auch Krähen und Dohlen vollführen grossen Lärm. Die 
Käuze, die das Oel in den Kirchen aus den Lampen saufen, 
und die Fledermäuse, die der Tumult und das viele Treppen- 
steigen der Leute aufstört, flattern tageblind und unsicher 
umher und murren ihr altes Lied von den Finsternissen des 
Mittelalters. Das ist so die Art der leichten Luftbewohner; 
thut nicht nach ihrer Weise, es wird alles spurlos verfliegen, 
wie auch die offizielle Geschäftigkeit in die Tiefe verrinnen 
wird. Ihr allein werdet dann, ist der Saus und Braus vor- 
über, ungestört bei der Arbeit bleiben. Sorgt nur jetzt und 



J ) Jos. von Görres, der Dom zu Köln und das Münster zu Strass- 
burg, 1842, S. 132. 




immer, dass Alles, was ihr thut, 
wohlgethan ausfalle und erinnert 
euch, dass ihr ein Haus Gottes 
bauet." J ) 



Dr. August Keichensperger, 

geb. 1808, gest. 1895. 



Trotz dieser Gegenströmungen, 
hervorgegangen aus einer kirchen- 
feindlichen Richtung und unge- 
achtet mancher Zerwürfnisse im 
eigenen Schoosse, wusste der Cen- 
trald om bauverein unter seinen 
Präsidenten E. von Groote, 
f 1864, Reg.-Präsident a. D. von 
Wittgenstein, f 1869, Ober- 
Reg.-Rath Roishausen, f 1861, 
Justiz-Rath F. J.Esser, f 1871 
und seinem Hendanten Hauptmann 
J. J. Neil es, f 1887, durch un- 



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ermüdliche Thätigkeit das Interesse für den Dom anznrp^' 
und zu reichen Gaben und Vermächtnissen für die W 
führnng und die Ausschmückung des erhabenen Baues anzu- 
feuern. Männer, wie Ober-Tribunals-Rath Fr. Blöraerf \£T*. 
Levin Schücking f 1883, Dr. G. Pfarrius f 1° "i, 
M. J. de Noel t 1849, J. Kreuser f 1870, Dr. En > t 
Weiden f 1869, und ganz besonders Dr. A. Reicher s- 
perger f 1895, der langjährige Sekretär des Verwaltung^ 
Ausschusses, wirkten durch Wort und Schrift, der Dombau - 
sache immer neue Freunde zu gewinnen. 

Hier möge auch der schöne poetische Aufruf eine Stelle 
finden, den Levin Schücking hinaussandte, um Gaben zv 
erflehen für den Bettler am Rhein. 

Ein froher Strom! das Leben jancbzt Gesänge 
Und schwingt sein farbig Banner über ihn, 
Das Dampfboot flaggt, der Traube Goldgehänge 
Spiegelt in Silber sein besonntes Glühn. 

Das wallt und zieht rheinauf rheinab die Pfade, 
Auf Schiff und Kahn und über Brück und Steg! 
Nur einer blickt verlassen am Gestade 
Mit düsterm Auge stumm auf euern Weg. 

Grau ist sein Kleid, in dem die Winde wühlen, 
Zerfetzt von Sturm und Wetter sein Gewand, 
Dran wüste Schaar und Schlössen niederspülen — 
0 blickt auf ihn. o öffnet eure Hand! 

Er flehet stumm — ein herzzerreissend Flehen, 
Der Bettler ist ein königlicher Greis! 
Beugt ihm ein Knie — um diese Scheitel stehen 
Die Zacken einer Krone noch im Kreis. 

Er ist gesalbt von priester liehen Händen, 
Des Weihrauchs Düfte flutheten um ihn, 
Und eine Welt von Völkern musste senden 
Tribut, zu wölben seinen Baldachin. 

Jetzt ist er alt — um seine Stirne sanken 
Jahrhunderte hinunter in die Nacht; 
Jetzt ist die Stirn ein Friedhof der Gedanken, 
Sein düstres Auge ihre Grabeswacbt. 

Und ihr - ihr las st den König eurer Ahnen 
Um einen Obol fleh'n wie Beiisar? 
0, lasst euch rühren, euch erweichen, mahnen, 
Ihr, die ihr sein Volk, bringt eure Gabe dar! — 

Tribut, Tribut! ihr sollt die Steuern zollen; 
Noch ist er Herr! Die Zackenkrone steht! 
Die Wolken Gottes und die Blitze rollen 
Den Königsmantel um die Majestät. 



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Neben allgemeinen vorbereitenden Anordnungen, die 
jedem grossen Unternehmen vorhergehen müssen ond wobei 
besonders die Wahl und Bearbeitung der Werksteine den 
regen Fortgang anfangs verzögerte, war für die Ausführung 
des Baues eine gänzliche Umarbeitung der bereits früher 
angefertigten Haupt- und Theilzeichnungen nothwendig ge- 
worden. Es war das eine höchst schwierige und mühsame 
Arbeit, weil es sich darum handelte, der Idee des ersten 
Baumeisters möglichst nahe zu kommen, obwohl bekanntlich 
weder Grundriss noch Anfriss, oder irgend sonst eine Original- 
zeichnung, mit Ausnahme der beiden Thurmfacaden, vom 
Dom existirten. Daher konnte die geistige Auffassung sich 
nur in den engen Grenzen der am Dom vorkommenden Motive 
entwickeln, wobei die vorhandene Grundanlage der Gewölbe- 
pfeiler in unregelmässigen Zwischenseiten die architektonische 
Auflösung der neuen Portale in Verbindung mit den alten 
Theilen noch schwieriger machte. *) 

Der Aufries des nördlichen Thurmes und des Hauptportals, welcher 
früher in einer silbernen Kapsel im Domarchiv aufbewahrt wurde, kam 
wahrend der franz. Staatsumwälzung nach Darmstadt, wo er von den 
französischen Kommissaren vergessen unter anderem Wust auf den Speicher 
des Gasthofes zur Traube gelangte. Hier wurde er 12 Jahre lang, auf 
einen Rahmen gespannt, zum Bohnentrocknen benutzt. Im Oktober 1814 
wurde er zufällig gefunden. Die Zeichnung ist unten 0,e* m breit und 
4,7« m hoch. Die Zeiohnung des südlichen Thurmes und des mittleren 
Giebels ist 4, M m hoch und 1 m breit. Der Grundriss des südlichen Thurmes, 
sowie der Aufriss des zweiten Stockwerkes des südlichen Thurmes nach 
der Ostseite wurden fast zu gleicher Zeit in Paris entdeckt und gelangten 
in den Besitz Sulp. Boisseree's, der sie dem Dom verehrte. Beide Aufrisse 
befinden sich jetzt in der Johanneskapelle. Sammtliche Zeichnungen sind 
auf Pergament. *) 

Mit dem Portalbau nahmen auch die Arbeiten am nörd- 
lichen Thurm ihren Anfang. Die Ausführung geschah jedoch 
in wesentlicher Abweichung von der ursprünglichen Anlage. 

Der nördliche Portalbau war im späteren Hittelalter bereits ange- 
legt und in östlicher Richtung in einer Höhe von 3,77 m aufgeführt. In 
dieser alten Anlage haben die Strebepfeiler keine markirten Vorlagen, wie 
sie von Zwirner am Südportal ausgeführt wurden; so wurden auf der Süd- 
seite die Pfeiler etwas schmäler gehalten und springen um 1 ra weiter vor, 
als auf der Nordaeite. Der östliche alte Eingang am Nordportal zeigte 
eine Breite von 2, 51 m. Um die Portale in Einklang mit dem Westportal 
und mit der Axenstellung der Pfeiler im Innern zu bringen, wurden die 
Eingange auf 1^ m gemindert. 

*) Vergl. die ersten Bauberichte im Domblatt, 1842. — Auch die wei- 
teren Mittheilungen über die Fortschritte des Baues sind den offiziellen 
Bauberichten entnommen. Domblatt 1843—1885. 

«) Vergl. Domblatt Nr. 317 u. 818. 

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Der Nordthurm wurde wegen der Verwitterung seiner äussern Quadern 
und der mangelhaften Ausführung seines Kerns mit Ausnahme des spät- 
gothische Bildungen zeigenden nordöstlichen Theiles bis zur Erdfläche 
niedergelegt. Bei dieser Gelegenheit entfernte Zwirner leider auch den 
dem Südthurm entsprechenden in der Anlage bereits vorhandenen Treppen- 
thurm und legte die Wendeltreppe iu dem Kern des nordwestlichen Thurm- 
pfeilers an, eine Aenderung, die einen Missklang in der Entwicklung des 
Nordthurm es gegenüber dem Südthunn herbeiführte. (Siehe auch S. 72 ) 

Im Sommer 1843 wurde die Südfront der südlichen Sei- 
tenschiffe vollendet und die Westfront des südlichen Quer- 
schilfes bis zur Höhe jener aufgeführt; im Anfang des Jahres 
1844 wurden die Arbeiten am nördlichen Portal begonnen und 
1846 die drei Portalhallen der Südseite in ihren Wölbungen 
geschlossen und über denselben die weiter aufsteigenden 
Mauertheile und Pfeiler bis zu einer Gesammthöhe von 
13,8i Meter über der Bodenfläche gefördert. Ferner wurde 
die Fenstergallerie nebst Pfeilern nach der ganzen Länge 
des Mittelschiffs vom Thurm bis zum Querschiff vollständig- 
aufgebaut. Auch auf der Nordseite schritt der Bau rüstig: 
weiter, sodass das Steinwerk des grossen Fensters, welches 
den nördlichen Kreuzgiebel mit dem Querschiff in Verbin- 
dung setzt, im Sommer desselben Jahres aufgebaut werden 
konnte. Mit Ende des Jahres 1846 waren die Nebenschiffe 
auf beiden Seiten vollendet, und über ihren Dächern erhob 
sich schon das Mittelschiff bis zur Oberkante der mittleren 
Chorgallerie in einer Höhe von 26,36 Meter. Nachdem die 



herrlichen Glasmalereien geschmückt. Am 14. und J5. August 
desselben Jahres, welches in der Geschichte Deutschlands 




ErzhiM hof Kardinal .1. v. Geisnel, 

geb. 1796. 1842-1W4. 



beiden Portale, sowie die 
Umfassungsmauern des 
Lang- und Querschiffes 
so weit aufgeführt waren, 
konnte bereits im Jahr 
1848 das Langhaus mit 
einem Nothdach einge- 
spannt und die weiten 
Hallen des Domes dem 
Gottesdienst übergeben 
werden. Das südliche 
Seitenschiff war inzwi- 
schen nach seiner Ein- 
Wölbung durch die ausser- 
ordentliche Freigebigkeit 
des Königs Ludwig I. 
von Baiern mit den 



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von so grosser Bedeutung ist, wurde die 6. Jahrhundert- 
feier der Grundsteinlegung und zugleich die Einweihung des 
Domes, welche der Erzbischof Johannes v. Geissei voll- 
zog, in Gegenwart des Königs Friedrich Wilhelm IV. 
von Preussen, des deutschen Reichs Verwesers Erzherzog 
Johann v. Oesterreich, mehrerer Bischöfe und vieler Grossen 
und Abgeordneten zur (Frankfurter) deutschen Nationalver- 
sammlung gefeiert. 

Auf den Festjubel folgte indessen eine sorgenvolle Zeit. 
Die Dombaukasse hatte mit stetem Geldmangel zu kämpfen. 
Von den 144 Hülfsvereinen waren nur noch 80 am Leben 
und auch diese erlahmten in ihrer Thätigkeit. Die am 
Dombau beschäftigte Arbeiter zahl war von 400 auf 220 
zurückgegangen und nur mit Mühe gelang es unter den 




Der Dom im Jahr 1852. 



wirren Zeitverhältnissen der drohenden Baustockung vor- 
zubeugen und die Bauhütte in Thätigkeit zu halten. Ein 
Glück für den Dom war es, dass sich die Wasser der Revo- 
lution bald verliefen, die Ordnung zurückkehrte und mit ihr 
die Beiträge wieder reichlicher flössen. 

Seit dieser Zeit fallen die Fortschritte des Ausbaues 
überraschend in die Augen. Das grosse Werk ging, mit 
Ausnahme der beiden Thürme, unter der trefflichen Leitung 
Zwimer's mit gewaltigen Schritten seiner Vollendung 
entgegen. Am Schlüsse des Jahres 1849 war das ganzß 
Südportal mit dem schlanken Stabwerk, den zierlichen Krö- 



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Illingen und den zahlreichen Fialen vollendet, auch das 
Nordportal auf eine ziemliche Höhe gebracht. Am 14. Mai 
1850 legte man den ersten Stein für den Fortbau des nörd- 
lichen Thurmes. Die Umfassungsmauern des Lang- und 
Querschiflfes wurden 1854 vollendet und am 3. Oktober 1855 
konnte der Giebel des Südportals mit der Kreuzblume in 
Gegenwart Friedrich Wilhelm IV. geschlossen werden, 
bei welcher Gelegenheit zugleich der Grundstein zur festen 
Rheinbrücke und zum Museum gelegt wurde. Das Dach, 
aus Eisen konstruirt, wurde bis dahin vollendet und gedeckt, 
und über der Vierung des Lang- und Querschiffes der 
Mittel thurm, ebenfalls in Eisenkonstruktion (109,8 Meter) 
errichtet, welcher den 61,5 Meter hohen First des Daches 
noch um 48, 3 Meter überragt. Am 15. Oktober 1860 setzte 
Zwirner den goldenen Stern auf den Mittel thurm. Dreissig" 
Jahre war es Zwirn er vergönnt, als Dombaumeister thätig 
zu sein. Seiner Thatkraft und Hingabe an die grosse ihm 
gestellte Aufgabe dankt die Dombauhütte ihren Aufschwung, 
aus welcher die um die Fortführung und Vollendung des Werkes 
hochverdienten Baumeister Friedr. Schmidt, Vincenz Statz 
und Franz Schmitz hervorgingen. Friedr. Schmidt f 
1891, und V. Statz f 1898 lieferten die Entwürfe der beiden 
Portale, Fr. Schmitz f 1896 ist der Herausgeber des 
grossen Architektur-Werkes über den Dom. In die Zeit ihrer 
Thätigkeit am Dom fällt auch die künstlerische Wirksamkeit 



baumeister Eichard Voigtei über, welcher bereits seitdem 




des Bildhauers Professors 
Chr. Mohr f 1889. Die 
plastischen Arbeiten am 
Südportal, an den Bogen- 
anfangen der Langseiten 
sind unter anderen sein 
Werk. Sie sind bewun- 
dernswerth durch die un- 
erschöpfliche Manigfaltig- 
keit symbolischer Aus- 
drucksformen und die 
geistvolle im Charakter 
des Bauwerkes durchge- 
führte Behandlung. 



geb. 1829. 



Nach Zwimer's 
Tode am 22. September 
1861 ging die Leitung 
des Baues auf den Land- 



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3. April des Jahres 1S55 beim Dombau eingetreten war. Schon 
im Jahre 1863 wurde das Nord- und Südportal, sämmtliche 
Strebepfeiler mit ihren Fialen, die Gallerien des Langschiffes 
mit ihren Wimpergen vollendet und der nördliche Thurm so 
weit aufgeführt, dass das Mittelschiff eingewölbt werden konnte. 

Nach Vollendung der EinwÖlbungen des Lang- und Quer- 
schiffes wurde im Herbst des Jahres 1863 die mittlere Wand 
entfernt, welche Schiff und Chor Jahrhunderte lang getrennt 
hatte, und am 15. Oktober des genannten Jahres das ganze 
Innere in Gegenwart vieler Bischöfe unter grosser Feierlich- 
keit durch den Erzbischof Johannes Kardinal von 
Geissei dem gottesdienstlichen Gebrauch übergeben. 




Der Dom im Frühjahr 1868. 



Diesen wichtigen Abschnitt in der Baugeschichte des 
Domes verherrlicht der Dichter Karl Simrock in nach- 
folgendem Sonnett: 

„Gefallen war die böse Wand, gefallen, 
Die Chor und Schiff so lange hielt geschieden, 
Und wie er taucht in diesen tiefen Frieden, 
Durchmis8t Ein Blick die weiten Säulenhallen. 

Dies ist ein Wald, und willst du ihn durchwallen, 
So fesselt Staunen dir den Fuss hienieden, 
Schon wähnst du dir die Seligkeit beschieden, 
Horst vom Altar das Dreimalheilig schallen. 



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Und hinter ihm ist Engelbert erstanden, 
Sein Werk zu zeigen Vätern und Propheten, 
Er, der zuerst dies achte Wunder dachte: 

„Ein Abbild ist's, das Menschen nicht erfanden, 
Der lichten Höhn, die wir mit Ehrfurcht treten; 
Ein Engel war's, der mir den Aufriss brachte." 

Was Jahrhunderte gehofft und ersehnt, stand bis auf 
die Thürme fertig da: der Kölner Dom, der schönste gothische 
Bau der Welt! Die ganze Bauthätigkeit konnte jetzt den 
beiden Thürinen zugewandt werden, und bereits im Jahre 1868 
war der nördliche Thurm mit dem südlichen auf gleiche Höhe 
gebracht. Das alte Wahrzeichen Kölns, der Dom-Krahnen, 
nachdem er vier Jahrhunderte lang unbenutzt gestanden, 
nicht mehr seinem Zwecke, sondern als trauriges Wahrzeichen 
der Stadt gedient, und als gewaltiges Fragezeichen über der 
Riesenruine des Domes auf Stadt und Land herabgeschaut 
hatte, verschwand am 13. März 1868 vor dem einmüthigen 
Wollen einer neuen Zeit, um neuen Gerüsten und Maschinen 
Platz zu machen. 

Der Leiter des Baues, Richard Voigtei, fand sich jetzt 
vor eine ausserordentliche Aufgabe gestellt, nämlich vor die 
der Fertigstellung der Thürme, welche bis dahin eine Höhe 
von 57 Meter erreicht hatten. Zur Beschaffung genügender 
und reichlicher Mittel, um in möglichst kurzer Zeit die Thürme 
zu vollenden, wurde vom Staate eine Dombau - Lotterie, 
die bereits im Jahr 1852 von Professor Ferd. Walter in 
Bonn beantragt, aber nicht zur Ausführung gekommen, war, 
nach dem Plane der Kommerzienräthe Mevissen und Oppen- 
heim vom Jahre 1865 ab auf 8 Jahre genehmigt, nach Ab- 
lauf dieser auf weitere 8 Jahre ausgedehnt, und dann um 
fernere 3 Jahre also bis 1884 verlängert. 

Die Summe, welche aus den 19 Prämien-Kollekten der Dombau Verwal- 
tung überwiesen werden konnte, belief sich anf 11,023,471 Mark. Hiervon 
sind die Ertragnisse der zwei letzten Jahre für die Freilegung des Domes 
bestimmt. 

Zur weiteren Freilegung wnrde im Jahr 1885 eine fernere Lotterie 
auf i weitere Jahre (1886— 1889) und 1889 eine solche auf weitere 3 Jahre 
(1890-1892) bewilligt. 

Ausser der Staatsunterstützung, den Zuschüssen der Dom- 
bau-Vereine und den Privatvermächtnissen wurden hierdurch 
der Dombau-Kasse jährlich an 550,000 Mark zugeführt. So 
waren denn die Mittel geschaffen, um auf grossartige Weise 
den Weiterbau der Thürme auszuführen. 

Eine Dampfmaschine zur Hinaufbeschaffung der Werk- 



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steine und der Baumaterialien wurde aufgestellt, and am 
2. Oktober 1869 trat die Dampfkraft, die grossartige Macht 
des neunzehnten Jahrhunderts, in den Dienst des erhabenen 
mittelalterlichen Gedankens; es wurde an diesem Tage der 
erste Stein mittels einer oben auf dem nördlichen Thurm auf- 
gestellten Dampfmaschine emporgehoben. 

Von Jahr zu Jahr wuchsen die zwei Thurmriesen unter 
Voigtel's umsichtiger Leitung zusehends empor, und gleichen 
Schritt hielten die mühsamen und schwierigen Wiederher- 
stellungs-Arbeiten des sehr verwitterten Süd Thurms sowie die 
bildnerische Ausschmückung des Innern und der Portale. 

Der Krieg gegen Frankreich (1870 - 1871) hatte auf den 
Dombau einen störenden Einfluss. Entziehung von Arbeits- 
kräften und Unterbrechung der Steintransporte übten eine 
wesentliche Beschränkung in der Banthätigkeit aus. Dessen 
ungeachtet wurde der Ausbau des dritten Geschosses des süd- 
lichen Thurmes sichtlich gefördert, und trotz der sehr reichen 
Ornamentik und Wimpergs- Anlagen die Arbeit bis auf 65 Meter 
Höhe gebracht. Am Schlüsse des Jahres 1871 waren sämmt- 
liche Fenstermasswerke und Ueberwölbungen der vier Fenster 
des dritten Thurmgeschosses, sowie die Gewölbe-Anfänge in 
den Bauhütten vollendet. 

Im Jahre 1871 wurden dem Dombau- Vereine 22 eroberte 
französische Bronzegeschütze von 500 Centner Gewicht behufs 
Gusses einer grossen Glocke überwiesen; dieselbe wurde im 
Gewicht von 540 Centner 1876 vollendet. 

Der für das Jahr 1872 in Aussicht genommene Fortbau 
der beiden Thürme wurde dem Betriebsplane entsprechend bis 
/.um dritten Hauptgesimse ausgeführt. Zugleich umfasste die 
Bauthätigkeit des Jahres 1872 die Herstellung der wichtigsten 
Konstruktionsanlagen, welche der Ueberjrang der Umfassungs- 
mauern der Thürme aus dem Viereck ins Achteck bediugte. 

Der Aufbau der beiden Thürme beschränkte sich im 
Jahre 1873 auf die Vollendung des Blumenfrieses, der Ver- 
dachung und der Sockelanlagen zum Achteck des vierten 
Thurmgeschosses. Andere bedeutende Arbeiten wurden gleich- 
falls wesentlich gefördert, so die das Langschiff gegen Westen 
abschliessende Portalwand mit dem grossen Westportalfenster. 
Auch wurde die Einwölbung dieses Fensters vollendet, dann 
die durchgreifende Erneuerung der seit 800 Jahren sehr der 
Verwitterung ausgesetzt gewesenen Widerlager und Warte- 
steine des südlichen Thurmes. 

Wie der Aufbau des Westportalgiebels die Vollendung 
der Domkirche im Aeussern, so brachte die Einfügung des 



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grossen Sterngewölbes als erster massiver Abschluss der 
Thürme im Innern die bedeutenden Abmessungen der grossen 
Hallen des dritten Geschosses zur vollen Geltung. Mit dem 
Jahre 1874 waren alle Arbeitskräfte mit der Ausführung der 
Werkstücke für den Ausbau des vierten Geschosses des süd- 
lichen Thurmes beschäftigt. 

Während die Thürme des Domes bis zur Höhe von ca. 
70 Metern aussen und innen viereckig emporsteigen, beginnt 
mit dem dritten Hauptgesimse das Oktogon (Achteck), welches 
bis zur Höhe von ca. 94 Meter hinaufreicht. 

Alle diese Arbeiten am Oktogon oder dem vierten 
Thurmgeschoss und deren verzierte Umkrönung wurden in den 
Jahren 1875 — 1876 zur Ausführung gebracht. 

Ausserdem wurde im nördlichen Thurme das noch fehlende 
grosse Sterngewölbe im dritten Geschoss und das darüber 
befindliche Entlastungsgewölbe eingefügt. 

Während die vorstehend erwähnten Bauausführungen den 
erfreulichsten Fortschritt am Fortbau der Thürme bekundeten, 
gelangte auch das Kirchenschiff des Domes durch Einwölbung 
der beiden Gewölb-Joche zwischen den Thürmen zur gänz- 
lichen Vollendung. Mit Ende des Jahres 1876 waren beide 
Thürme bis zur Höhe von fast 94 Meter gebracht, so dass 
bereits im Februar und März 1877 die Sockelschicht zu den 
Steinhelmen versetzt werden konnte. Nach Vollendung der 
Sterngewölbe des vierten Geschosses konnte der Aufbau der 
beiden Helmriesen gleichzeitig in Angriff genommen werden. 

Inmittelst war auch der im Südthurm befindliche Mittel- 
pfeiler, welcher dazu bestimmt ist, den im dritten Thurmge- 
schoss befindlichen eisernen Glockenstuhl zu tragen, auf seine 
Höbe (55 Meter) gebracht und die Hebung sämmtlicher Glocken, 
auch der 540 Centner schweren Kaiserglocke, in der Zeit vom 
13. Juli bis 7. August 1877 bewirkt. Die Arbeiten wurden 
mit der grössten Sicherheit vermittelst einer hydraulischen 
Presse ohne Unfall vollführt. 

Die plastische Ausschmückung der Portale und des Innern, 
sowie auch die zeitraubenden und schwierigen Restaurations- 
Arbeiten am südlichen Thurme bis zum zweiten Stockwerk, 
dessen Fialen, Gesimse und Masswerke im Laufe der Jahr- 
hunderte durch Witterungseinfltisse vollständig zerstört waren, 
wurden nebenher eifrigst betrieben. 

Während der Aufbau der Umfassungswände der Thürme 
die Herstellung und das Versetzen einer grossen Zahl glatter 
Quadern und einfacher Profilsteine erforderte, beschränkte 
sich mit Beginn des Ausbaues der Steinhelme die Thätigkeit 



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ausschliesslich auf die Bearbeitung der reich profilirten Gräte, 
Horizontalgurtungen und Masswerkstücke zu den Rosetten 
und auf die Ausführung der Eantenblätter. 

Da zum Versetzen der Thurmhelme einschliesslich der 
Kreuzblumen im Ganzen 8 Gerüststockwerke aufzubringen 
waren, so war die Thätigkeit der Domzimmerleute um so mehr 
in Anspruch genommen, als die stets zunehmende Höhe eine 
vermehrte Sorgfalt im Abbinden, Aufschlagen und Befestigen 
der Bauhölzer bedingte. Diese Holzkonstruktion selbst war 
ein wahres Wunderwerk der Zimmerei zu nennen, und die 




Der Dom mit seinen Gerüsten im Jahr 1880. 

Sorgfalt der Meister und Gesellen nicht genug zu rühmen, 
da auch nicht ein Unfall in dieser schwindelnden Höhe (160 
Meter) zu beklagen war, trotzdem die Gerüste öfters allen 
Sturmwirknngen in gefahrdrohender Weise ausgesetzt waren. 

Vom Boden der Kirche bis zu den Kreuzblumen, so weit der Besuch 
gestattet war, führten 826 bis zur höchsten Tribüne, 3 Meter über dem 
Knauf, 853 Treppen-Stufen. 

Zu den Baugerüsten der Thürrae sind 2800 Kubikmeter bezw. 40,000 
laufende Meter Bauholz verwandt worden. 



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- 44 - 

Nunmehr rückten die Thürme immer mehr ihrer Voll- 
endung entgegen; im Frühjahr 1880 standen die kolossalen 
Kreuzblumen am Fusse der Thürme vollendet und harrten 
der Versetzung an ihren Bestimmungsort. 

Der Aufbau dieser Kolosse mit der Aufbringung der 
Riesenglocken und der Konstruktion der Thurmhelme sowie 
die Versetzung der Kreuzblumen in eine noch nie dagewesene 
Höhe, ist an und für sich ein technisches Meisterstück, das 
den Namen des letzten Dombaumeisters Richard Voigtei 
mit dem des Domes auf immer verbindet. Im Laufe der Monate 
Juli und August wurden die einzelnen Steine der Kreuz- 
blumen an einem Bandseil aus Eisendraht, und das letzte 
Stück am 14. August aufgezogen. Gegen 10 Uhr Morgens 
verkündeten die Thurm-Fahnen die Vollendung des Domes, 
nachdem 632 Jahre Feit der Grundsteinlegung verflossen 
waren. 

An dieser Stelle möge auch noch derjenigen gedacht 
werden, welche in der neuen Bauperiode unter dem Dombau- 
meister Richard Voigtei um den Fortbau des Domes sich 
verdient gemacht haben. An erster Stelle als talentvoller 
Meister ist dies der Architekt und Steinmetzmeister der Dom 
bauhütte J. Marchand, ein geborener Kölner. Derselbe 
gehörte seit fast 20 Jahren der Dombauhütte an, wovon er 
seit dem Jahre 1868 die vorgenannte Stelle als Nachfolger 
von V. St atz und F. Schmitz bekleidete. Neben dem 
Leiter des grossen Werkes ist es ihm an erster Stelle nach 
jahrelanger, angestrengter Thätigkeit vergönnt gewesen, den 
Schlussstein der Thürme mit einfügen zu können. 

Ferner der Bildhauer Professor Peter Fuchs f 1898, 
welcher mit wenigen Ausnahmen die Heiligen-Figuren des 
Innern, sowie den gesammten Bilderschmuck des West- und 
Nordportals der Thürme nach eigenen Entwürfen während 
der Jahre 1863 bis 1884 ausführte. 

Dann haben sich noch bei der Verwaltung des Dora- 
baues Baukontrolleur L. Becker und M. Schmitz grosse 
Verdienste erworben, und bei der Konstruktion und der 
schwierigen Herstellung der grossartigen und kunstvollen 
Baugerüste des Domes die Zimmermeister C. von Amelen 
und dessen Nachfolger G. Busch. 

Auch sei hier schliesslich der auf andern Gebieten liegen- 
den Thätigkeit der letzten Präsidenten des Centraldombau- 
vereins Justizrath Dr. Haas f 1878, Oberbürgermeister 
Bachem f 1878, Kaufmann Konsul Oswald Schmitz 1 1892, 
sowie des Domkapitulars Dr. C. A. Heuser f 1892, rühmend 



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— 45 - 

gedacht, der seine Kenntnisse in der christlichen Kunst und 
Symbolik, bei Anordnung und Wahl der bildnerischen Aus- 
schmückung des Innern wie des Aeusseren verwerthete. 

So hatte der Kölner Dom mit der Wiederherstellung des 
Reiches seinen endlichen Ausbau gefunden. Beide welthisto- 
rischen Ereignisse liegen nur ein Jahrzehnt auseinander. Mit 
der auf den Schlachtfeldern Frankreichs errungenen Einheit 
war jedoch die Einigkeit nicht zurückgekehrt. Die Zwie- 
tracht, die an der Wiege des Domes gestanden und seinen 
Ausbau jahrhundertelang verhinderte, hatte auch nach dein 
französischen Kriege von 1870 und 1871 auf kirchen-poli- 
tischem Gebiete ihr Haupt erhoben und in den sogenannten 
Maigesetzen des Jahres 1873 ihren gesetzgeberischen Aus- 
druck gefunden. Dieser durch den Liberalismus heraufbe- 
schworene Kampf gegen die katholische Kirche, der sogenannte 
,Kulturkampf, hatte der letzteren tausend Wunden geschlagen; 
verödet waren so viele Stätten, die dem Gebet, der Beiehrung 
und der christlichen Charitas gewidmet waren, Hunderte von 
Gemeinden waren ihrer Seelsorger beraubt, Hunderte von 
Ordenspersonen, Söhne und 
Töchter des deutschen Vater- 
landes, die noch vor kurzem 
durch ihre opferwilligen Sama- 
riterdienste auf den Schlacht- 
feldern heldenraüthig gewirkt 
hatten, waren als Reichs- 
feinde in die Fremde getrieben, 
und die meisten Bischöfe 
Preussens, nachdem sie von 
der Regierung wie gemeine 
Verbrecher behandelt worden, 
weilten im Exil in fremden 
Landen. Unter ihnen auch 
der Erzbischof von Köln, Dr. 
Paulus Melchers t 1895. J ) 

Wohl waren die Bewohner Kölns und der Rheinlande 
freudig erregt von der so lange ersehnten Vollendung des 
Domes, aber der grösste Theil sah unter dem Eindruck dieser 
Verhältnisse mit gemischten Gefühlen dem Tage entgegen, 
der den Schlussstein einfügen sollte in die Kreuzblumen der 

*i Erzbischof Paulus Melchers war vom 81. März 1874 bis zum 9. Ok- 
tober 1874 Gefangener im Kölner Arresthause; rr wurde in den Gefangenen- 
listen als Strohflechter aufgeführt. Seine Absetzung erfolgte durch ürtheil 
des (staatlichen) Geistlichen Gerichtshofes am 28. Juni 1876 wegen Ueber 
tretung der Maigesetze. 




Erzbischof l)r. Paulus Melchers, 

geb. 1813. Erzbischof von Köln 
1860—1886. 



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Thürrae. Für die Katholiken Kölns und Deutschlands waren 
die Kreuzblumen nicht Zeichen des Triumphes, sondern Dornen- 
kronen christlichen Duldens und Kämpfens geworden. 

Die Vollendnngsfeier wurde in »Folge kaiserlichen Be- 
fehles auf den 15. Oktober 1880 festgesetzt und zu ihrer 
Begehung grossartige Anstalten getroffen. Die Strassen und 
Plätze prangten an diesem Tage im reichsten Schmuck der 
Flaggen, Wappen und Kränze. In der südöstlichen Ecke des 
Domhofes, da wo die Strasse nach Unter Taschenmacher 
hinführt, erhob sich ein prächtiger Pavillon, reich mit Laub- 
und Blumengewinden, Wappen und Inschriften ausgestattet, 
überragt von einer mächtigen, vergoldeten Kaiserkrone. Ein 
kostbarer Teppich bedeckte den Boden, vergoldete Lehnsessel, 
darunter zwei besonders reich ausgestattete für die Majestäten, 
und ein Tisch mit rother Sammetdecke, auf der die Perga- 
menturkunde für den Schlussstein lag, standen umher. Der 
Kaiserpavilfim wurde nach Norden und Westen von der Tri- 
büne für das Gefolge und die fürstlichen Gäste, sowie der 
Tribüne für die Geladenen flankirt. Der Raum zwischen 
diesen und der Domterrasse diente zur Aufstellung des Fest- 
zuges. 

Um 9 Uhr 25 Minuten meldete der Donner der Kanonen 
von den Wällen das Herannahen des Kaiserlichen Zuges und 
die sämmtlichen Glocken der Stadt riefen dem Kaiserpaar 
ihre Grüsse entgegen. Nachdem dieses im Regierungsgebäude 
die Huldigung des Festzuges, der vom Neumarkt aus sich 
dorthin begeben, entgegengenommen und dem Gottesdienst in 
der Trinitatiskirche angewohnt, fuhr die kaiserliche Familie 
kurz nach 11 Uhr unter dem Geläute der Domglocken und 
dem Jubel der Volksmenge zum Dom. Der Festzug bestand 
aus verschiedenen Musikkorps, der langen Reihe der Werk- 
leute des Domes, einem grossen Theil des Centraldombau- 
vereins mit dem Vereinsbanner, den meisten Mitgliedern des 
Stadtrathes mit dem Stadtbanner, etwa 300 Knaben und 
Mädchen , mehreren Hundert Dombauvereinsmitglieder und 
sonstigen Vereinen mit ihren Fahnen. Auf den Stufen des West- 
portals hatte der Vorstand des Dombauvereins Aufstellung 
genommen, während der Weihbischof Dr. Baudri (f 1893)' 
in seiner Eigenschaft als Domdechant, das auf 6 Mitglieder 
zusammengeschmolzene Domkapitel, sowie der Oberpräsident 
der Rheinprovinz Dr. von Bardeleben im Portale standen, 
um die Majestäten zu empfangen. Nach dem Empfang und 
der Ansprache des Weihbischofs und der Erwiderung des 
Kaisers, bewegte sich der Zug durch das Mittelschiff zum 



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- 47 - 

hohen Chor, voran die Domschweizer, dann die Mitglieder 
des Domkapitels, hierauf der Kaiser, die Kaiserin führend, 
den Weihbischof zu seiner Rechten, dahinter die Fürstlich- 
keiten und das Gefolge. Hier wurde das Te Deum unter den 
Klängen der Orgel angestimmt. Der Eingang zum Mittel- 
schiff blieb abgesperrt und in Folge dessen erschien der Dom 
ziemlich leer. Von der in Köln sonst üblichen Betheiligung 
des Volkes am Gesänge war keine Rede. Der Vorgang 
stand zu der Würde und Grösse der Handlung in peinlichem 
Gegensatz. 

Der Hochaltar war mit Lichtern und Grün geziert, im 
übrigen entbehrte der seines Erzbischofs verwaiste Dom jeg- 
lichen Schmuckes. Um 11 Vi Uhr verliessen die Majestäten 
durch das Südportal den Dom, Degrüsst mit einem von einem 
Kinderchor gesungenen Liede und nahmen Platz in dem er- 
bauten Pavillon. 

Nach Verlesung der 
Urkunde* (siehe folgende 
Seite) durch den Dombau- 
meister Geh. Regierungs- 
rath Vo i g t e 1, welche dem 
Schlussstein der Kreuz- 
blume des Südthurmes 
eingefügt werden sollte, 
wurde dieselbe vomKaiser, 
der Kaiserin, dem König 
v. Sachsen, dem Kronprin- 
zen, der Kronprinzessin, 
den weitern Mitgliedern 
der kaiserl. Familie, den 
Fürstlichkeiten u. s. w. 
unterzeichnet. Kaiser 
Wilhelm hielt hierauf 
mit vernehmlicher Stimme 
eine Rede, die durch eine 
längere geschichtliche 
Darlegung seitens des Oberpräsidenten Dr. von Bar delebe n 
und einer Ansprache des Präsidenten vom Central- Dombau- 
verein, Konsul 0. Schmitz erwidert wurde. Dann erbat 
sich der Dombaumeister den allerhöchsten Befehl, nachdem 
die Urkunde auf den Südthurm geschafft und in den Schluss- 
stein eingefügt war, die Erlaubniss zum Versetzen des letzten 
Steines geben zu dürfen. Als dieser ertheilt war, erschienen 
auf beiden reich mit Flaggen geschmückten Thürmen des 




Wilhelm I. geb. 22. März 1797, 
Könie 2. Januar 1861, 
Deutscher Kaiser 18. Januar 1871, 
gest. P. März 1888. 



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— 48 — 



Domes die Kaiser- und Königsstandarte. Unter dem Donner 
der Geschütze und dem Geläute der Glocken, darunter jenes 
der Kaiserglocke, und den Klängen des Liedes: „Nun danket 
alle Gott u , senkte der Stein sich hernieder, um ein Werk 
abzuschliessen, dessen Vollendung den Traum von Jahr- 
hunderten und vieler Geschlechter erfüllt hatte, das den Ruhm 
gemeinsamen Wirkens und Schaffens verkünden und Zeugniss 
ablegen sollte von dem Frommsinn vergangener Jahrhunderte. 

Am folgenden Tage bewegte sich ein grossarliger Fest- 
zug, der die Domgründung und die Geschichte Kölns zur 
Darstellung brachte, durch die Strassen der Stadt und zog 
am Dom an den Majestäten, den Fürsten und den dichtbe- 
setzten Tribünen vorüber. Nachmittags folgte ein Festessen 
auf dem Gürzenich und eine nochmalige Illumination am 
Abend schloss die Vollendungsfeier des Domes. 



* Urku?ide, 

welche am 15. Oktober 1880 dem Schlussstein der Kreuz- 
blume des Südthurmes eingefügt wurde. l ) 

„Der Dom zu Köln, das ehrwürdige Denkmal deutscher Baukunst, 
auf dem Boden der alten Colonia Agrippina, [an jener Stelle, wo Karls de> 
Grossen Erzkaplan Hildebold die dem Apostelfürsten Petrus geweihte Kirche 
errichtete,] von Erzbischof Konrad von hoehstaden am 15. August 1248 [in 
Gegenwart König Wilhelms von Holland] gegründet und von Heister Ger- 
hard [von Rile] begonnen, wurde, in seinem Chorbau vollendet, 1S22 durch 
Erzbischof Heinrich von Virneburg geweiht. Nach feierlicher Uebertragung 
der vom Kaiser Friedrich I. dem Erzbischof Reinald von Dassel 1162 ge- 
schenkten Reliquien der heiligen drei Könige gedieh der Fortbau des süd- 
lichen Domthurms, durch blutige Fehden häufig unterbrochen, im Jahre 
1447 bis zur Höhe von 50 Meter. Deutschlands Macht und Wohlstand tief 
erschütternde Ereignisse hemmten für die nächsten Jahrhunderte den 
Weiterbau. Verlassen und dem Verfall preisgegeben überragte drei Jahr- 
hunderte hindurch der Domkrahnen, das alte Wahrzeichen Kölns, den in 
Trümmer sinkenden Wunderbau. Der Aufschwung neuen geistigen Lebens 
nach den glorreichen Befreiungskriegen 1813- 1815, welche Köln und die 
ftheinlande mitPreussen vereinten, veranlassten, nach Auffindung der alten 

') Die in der Urkunde mit [ ) eingeklammerten Stellen sind geschicht- 
lich durchaus unbegründet und stehen mit den Ergebnissen der neuesten 
Forschung in Widerspruch. Siehe den geschichtlichen Theil dieses Büch- 
leins. S. 4, 11—13. 

Die Urkunde wurde in künstlerischer Ausstattung auf Pergament c. 
80 cm hoch und 40 cm breit von dem Architekten des Dombaues J. Mar- 
chand in zwei gleichen Blättern ausgeführt, von welchen das eine Blatt in 
den Schlussstein der Kreuzblume eingelassen wurde, das andere im Dom- 
Archiv aufbewahrt wird. 



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49 - 



Dompllne, Boisaeree, Goethe, Görres und Schinkel zu erfolgreichem Wirken 
für des Domes Erhaltung. König Friedrich Wilhelm III. befahl 1824, im 
Jahre der Wiederbesetzung des erzbischöfllichen Stuhles von Köln mit 
Ferdinand August Grafen Spiegel zum Desenberg, die Herstellung des Dom- 
chors. Ahlert und Zwirner haben diesen Bau bis zum Jahre 1840 vollendet. 
Die ewig denkwürdigen Worte König Friedrich Wilhelms IV.: „Hier, wo 
der Grundstein liegt, dort mit jenen Thürmen zugleich, sollen sich die 
schönsten Thore der Welt erheben", am 4. September 1842, dem Tage der 
Grundsteinlegung zum Fortbau des Kölner Domes gesprochen, riefen die 
freudigste Begeisterung wach. Aus allen deutschen Ländern spendeten 
Fürst und Volk reiche Gaben. Dombau Vereine wirkten mit Ausdauer an 
des gottgeweihten Tempels Vollendung. Am 14. August 1848 weihte in 
Gegenwart König Friedrich Wilhelms IV. der Erzbischof Johannes v. Geissei, 
nachmals Kardinal, das von König Ludwig I. von Baiern mit kunstreichen 
Glasgemälden geschmückte Kirchenschiff, und am 3. Oktober 1855 bei der 
Feier der Vollendung des von Zwirner erbauten Südportals sah das dank 
bare Köln den Königlichen Protector und Schirmherrn des Dombaues zum 
letzten Male in seinen Mauern. König Wilhelm wohnte am 13. Oktober 
1863 der Inaugnration der mit Ausschluss derTiiürme in allen Theilen vom 
Dombaumeister Voigtei vollendeten, durch Wegnahme der seit 1322 bestehen- 
den Trennungsmauer zwischen Chor- und Langschiff zu einem Ganzen ver- 
einigten Domkirche bei. Der Ausbau der beiden IM) Meter hohen West- 
thürme, unter dem Erzbischof Paulus Melchers begonnen und mit reichen, 
vom Staate und den Dombau-Vereinen gewährten Mitteln gefördert, wurde 
von dem Dombaumeister Voigtei in der zu hoher Kunstblüthe herange- 
bildeten Dombauhütte nach 13jähriger erfolgreicher Thätigkeit am 14. August 
1880 vollendet. Zum ewigen Gedächtniss an den nach Verlauf von sechs 
Jahrhunderten glücklich beendeten Ausbau des grossten deutschen Domes, 
des höchsten Bauwerkes der Erde, haben Seine Majestät der deutsche 
Kaiser und Konig von Preussen Wilhelm und Ihre Majestät die Kaiserin 
und Königin Augusta, Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheiten der Kron- 
prinz und die Frau Kronprinzessin, die Prinzen und Prinzessinnen des 
preussischen Königshauses, nebst den von Seiner Majestät dem Kaiser ge- 
ladenen deutschen Fürsten und hohen Gästen diese Urkunde unterzeichnet, 
welche in den Schlussstein der Kreuzblume des südlichen Domthurmes 
niedergelegt werden wird. So geschehen zu Köln am Rhein den 15. Ok- 
tober 1880, am Geburtstage des in Gott ruhenden Königlichen Schirmherrn, 
Königs Friedrich Wilhelm IV., der den Plan zur Volleudung dieses herr- 
lichen Gotteshauses erfasst und bis an sein Lebensende gefördert hat, im 
20. Jahre der glorreichen Regierung Seiner Majestät des Kaisers und Königs 
Wilhelm, dem 3. Jahre des Pontifikates Seiner Heiligkeit des Papstes Leo 
XIII. Soli Deo Glorial* 

Wilhelm, Imp. : Rex. — Augusta. — Luitbold, Prinz von Bayern in Ver- 
tretung S. M. des Königs von Bayern. — Albert, König von Sachsen. 
— Wilhelm, Prinz von Württemberg in Vertretung S. M. des Königs 
von Württemberg. — Friedrich Wilhelm, Kronprinz des Deutschen 
Reiches und von Preussen.— Victoria Kronprinzessin des Deutschen 
Reiches und von Preussen, Princes Royal von Grossbritannien und 
Irland. — Heinrich, Prinz von Hessen in Vertretung S. K. H. des Gross 



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herzogs. — Carl, Prinz von Preussen. — Friedrieh, Grossherzog von 
Baden. — Louise, Grossherzogin von Baden, Prinzessin von Preussen. 

— Karl Alesander, Grossherzog von Sachsen. — Feier, Grossherzog 
von Oldenburg. — Friedrich, Prinz von Preussen. — Friedrich Karl, 
Prinz von Preussen. — Friedrich Leopold, Prinz von Preussen. - 
Wilhelm, Prinz von Preussen. — Albrecht, Prinz von Preussen. - 
Marie, Prinzes3 Albrecht von Preussen, Herzogin zu Sachsen. — 
atarlotte^ Erbprinzessin von Sachsen- Meiningen. — Heinrich, Prinz 
von Preussen. 

Folgende Namen stehen auf der Rückseite: 
Leopold, Erbprinz von Hohenzollern. — Friedrich Wilhelm, Landgraf von 
Hessen. - Friedrich Wilhelm, Prinz von Hessen. — Georg, Herzog 
von Sachsen- Meiningen - Ernst, Herzog von Sachsen-Altenburg. - 
Friedrich, Erbgrossherzog von Baden. — Victoria, Prinzessin von 
Baden. — Friedrich, Herzog von Anhalt. — Günther, Fürst zu Schwarz- 
burg. — Georg Victor, Fürst ZU Waldeck und Pyrmont. — Heinrich 
XXIL, Fürst zu Reuss ältere Linie. — Erbprinz zu Schaumburg- Lippe, 
als Vertreter des Fürsten zu Schaumburg-Lippe. — Fürst zur Lippe. 

— Bernhard, Erbprinz von Meiningen. — Johann Albrecht, Herzog zu 
Mecklenburg. - Wilhelm, Fürst zu Wied, Landtags-Marschall der 
Rlieinprovinz. — Gildemeister, Bremen. - Carl Petersen, Hamburg. - 
Tit. Curtius, Lübeck. — Herwarth, General-Feldmarschall. — Graf Moltke, 
Feldmarschall. — Goeben, General der Infanterie, kommandirender 
General. — Fürst und Altgraf zu Salm- Reif erxcheid- Dyck. — Otto, Graf 
zu Stolberg. - f. Stosch. — Wilhelm, zu Stolberg, General. — Katnecke, 
General, Kriegsminister. — Eulenburg. — Maybach. — von Puttkamer. — 
Bitter. - Friedberg. — Bött icher. — Lucius. — Fürst zu Solms- Hohensolms- 
Lieh. - Alexander, Fürst zu Sd^n-Wittgenstein-Sayn. — von Arnim Boitzen- 
burg, Präsident des Reichstages. - Herzog f. Ratibor, Präsident des 
Herrenhauses. - Dr. r. Bardeleben, Ober Präsident der Rheinprovinz. 

— Dr. v. Kühlwetter, Ober- Präsident von Westphalen. — von Cr an ach, 
Gouverneur von Köln.— Oswald Schmitz, Präsident des Central-Dora- 
bau-Vereins. — Voigtei, Dombaumeister. - Dr. Hermann Becker, Ober- 
bürgermeister von Köln. 



Die Dom-Vollendungsfeier war grossartig angelegt 
und durchgeführt und entsprach der nationalen Bedeutung. 
Aber dieser Grösse entsprach nicht die ungetrübte Freude. 
,Gross war das Fest, aber klein dessen innerer Gehalt. Nach 
aussen wurde viel Glanz entfaltet, aber innerlich fehlte die 
Weihe. Eine eigentümliche Ironie der Widersprüche machte 
sich geltend: die Hauptträger und Veranstalter des Festes 
waren diejenigen, die der katholischen Kirche fremd gegen- 
überstanden und in den tiefsinnigen Wahrheiten des alten 
Glaubens nur römische Finsterniss und in der gewaltigen 
Organisation der Kirche nur eitel Priesterherrschaft erblickten, 
die katholische Kirche selbst aber, die Schöpferin dieses 



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Wunderwerkes, in dessen überwältigendem Zauber ihre geistige 
Grösse, Erhabenheit und himmlische Schönheit symbolisch 
sich ausspricht, die eigentliche Königin des Festes, sie war 
als Aschenbrödel von der Festfeier Verstössen und ausge- 
schlossen.' *) Das katholische Rheinland war bei der Feier 
weder in seinem Klerus, noch in seinen Genossenschaften ver- 
treten. Das Fest war ein durchaus weltliches, welches in der 
Anwesenheit des Kaisers Wilhelm, der meisten Fürsten und 
Grossen Deutschlands und dem Schaugepränge des historischen 
Festzuges die Hanptanziehungskraft auf die Massen der an 
wesenden Fremden ausübte. Die dem Schlusssteine der Kreuz- 
blume des erhabensten katholischen Domes der Welt 
eingefügte Urkunde bildet ein merkwürdiges Zeichen der Zeit: 
sie wurde von 65 Personen unterzeichnet, von denen nur 7 
auch Katholiken waren. Der Name eines kirchlichen Würden- 
trägers fehlt auf derselben gänzlich. 

Die an das Fest geknüpften Hoffnungen hatten sich nicht 
verwirklicht; es hatte den mit Sehnsucht erwarteten kirch- 
lichen Frieden nicht gebracht. Die bei der Feier der Grund- 
steinlegung zum Fortbau im Jahre 1842 von dem edlen König 
Friedrich Wilhelm IV. gesprochenen Wünsche waren an dem 
Willen der herrschenden, vom Liberalismus beeinflussten Ge- 
walten gescheitert. 

Der Dombau erforderte nach der Vollendungsfeier noch viele Arbeiten, 
so die zeitraubenden Restaurationsarbeiten am unteren Qeschoss des süd- 
lichen Thurme8, welche im .Tahre 1882 beendigt wurden, dann die Abrüstungs- 
arbeiten an den Tbürmen, die jedoch erst nach einer unvorhergesehenen 
Arbeit vorgenommen werden konnten. Nach Aufstellung der Kreuzblumen 
und deren theilweiser Freilegung, zeigte sieh nämlich, dass die Blattpartien 
zu mächtig wirkten und die Einzeitheile von unten gesehen gar nicht zur 
Geltung kamen. Die zu scharf ausgeprägte vierkantige Form des Blatt- 
ornaments wurde daher gleich nach dem Feste durchbrochen und die Ueber- 
kragungssehichten der Blattstiele in ihren Gi össeuverLältnissen soweit 
unterarbeitet, als dies zulässig schien, ohne die Haltbarkeit der Kolosse zu 
gefährden. Zweimal wurden die Schlussblumen mit Gerüsten umgeben. Sie 
wurden für den Dombaumeister, der vorher jeden Rath hinsichtlich der 
Grössenverhältnisse von sich fern gehalten und die Blumen der alten Thurm- 
zeichnungen unbeachtet gelassen hatte, zu wahren Passionsblumen. Die 
schwierigen Arbeiten, welche von 40 Steinmetzen 160 Meter über der Erde 
in einer engen Bretterbude, welche beide Blumen umschlossen hielt, bei 
bitterer Winterkälte ausgeführt werden raussten, dauerten von Oktober 1880 
bis Februar 1881. Erst am 12. Februar 1881 konnte mit der wirklichen Ab- 
rüstung begonnen werden. 



i) Deutsches Volksblatt. Stuttgart, Oktober 1880. 

4* 



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Die letzten Gerüste des Südthurmes wurden nach Vollendung der 
Restaurationsarbeiten in der letzten Woche des Jahres 1882 niedergelegt 
und die letzten Reste des Aufzugsgerüstes am Nordthurm vollständig erst 
im Juni 1884 beseitigt. 

Dann waren die für den Aufzug der Materialien belassenen Oeffnungen 
in der Umfassungsmauer zu schliessen, die Chorgallerien und die Fialen der 
Chorkapellen zu restauriren and nach Abbruch des Reissbodens die Um- 
fassungsmauer der Domterrasse zum Abschluss zu bringen. Auch die sehr 
beschädigten Pfeilersockel im Innern des Domes wurden ausgebessert, nach- 
dem die Standbilder ihre Baldachine bereit* früher erhalten hatten. 




Der Dom in seiner Vollendung; 1888. 

Im Jahre 1882 wurde der alte aus Holz gebaute Dachstuhl des Chores 
tut feint und eine neue eiserne Dachkonstruktion im Anschluss an deu 
eisernen Dachstuhl des Lang- und Querschiffes aufgeschlagen. Nach Vol- 
lendung der Bleieindeckung konnte das alte Chorkreuz am 4. September 1882 
mich sorgfältiger Restauration und mit erneuerter Vergoldung wieder auf 
der Spitze des Chordaches befestigt werden. Im Jahre 1881—1884 geschah 
a>¥ innere Ausbau der Thünne, die Fertigstellung der Fussböden, Oallerie' 
gänge, Thüren und Draht Vergitterungen. Sämmtliche Thürverschlüsse in 



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den Thurnien und Laufgängen wurden stilgerecht in geschnitztem Eichen- 
holz ausgeführt und mit reich ornamentirten schmiedeeisernen Beschlägen 
versehen. Zur Erhöhung der Feuersicherheit wurden allo piovisorisrhen 
hölzernen Laufgänge im Bereich des Hochschiffes, die zur Kommunikation 
dienen, abgebrochen und durch massive, auf Eiseiischicneu gewölbten \\n<\ 
mit Asphalt abgedeckten Gängen ersetzt. Auch der Mittelthurm erhielt eine 
eiserne Wendeltreppe, so dass die nicht zu entbehrendo hölzerne Dachver- 
sthalnng fast als einzig brennbares Material am Dom verblieb. Die Dom 
bauhütte war bereits im Jahre 1882 auf 60 Mann verringert, ihre gänzliche 
Auflösung erfolgte 1883, ohne dass die Bauleitung sich dazu verstanden 
hätte, die von Ahlort durch schwarze Basaltblöcke verunzierten Fialen der 
Strebepfeiler des Chores zu beseitigen und durch neue zu ersetzen, so lange 
es noch Zeit gewesen. Zur Ausführung der geringen Restaurationsarbeiten 
bedurfte es jetzt nur weniger Steinmetzen, denn die Hauptarbeiten erstreckten 
sich nur noch auf die Bedachung der Chorkapellen und der Seitenschiffe. 

Erstere wurde im Jahre 1883—1884, letztere im Jahre 1*85 ausgeführt 
Säramtliche Chorkapellen ei hielten neue Walmdächer in Eisenkonstruktion, 
ebenso die Seitenschiffe des Lang- nnd Querschiffes, statt der bisherigen 
Pultdächer, nachdem die Gewölbe mit einer zwischen Eisenschieneu ge- 
wölbten massiven nsphaltirten Schutzdecke versehen waren. 

Somit erübrigt nur noch die innere Ausschmückung des Domes durch 
Errichtung eines Lettners, eines neuen Hochaltars, einer Ranzel, Orgel und 
Aufstellung sonstigen Mobilars. 

Die Freile^ung des Domes ist durch die Erträgnisse der letzten und 
der 1885 auf weitere 4 Jahre und 1889 auf wettere 3 Jahre bewilligten Dom 
baulotterie gesichert. 

Während der Dauer dieser abschliessenden Arbeiten ging 
der Kampf zwischen Staat und Kirche seine weiteren Wege. 
Aber mit der rücksichtslosen Durchführung der Maigesetze, deren 
Endzweck die Loslösung der katholischen Kirche Preussens von 
Rom war, hatte die Regierung gegen ihr eigenes Fleisch ge- 
winnet, die katholische Kirche wurde, wenn auch äusserlich 
geschädigt, nicht geschwächt, sondern nur gestärkt. Die 
Unterbindung der Lebensadern der einzigen wahrhaft konser- 
vativen Macht hatte nur die Verwilderung der Volksmassen 
gefordert und der sozial demokratischen Umstnrzpartei die 
Thore weit geöffnet. 

In der endlichen aber späten Erkenntniss des angerich- 
teten Unheils trat die preussische Regierung, wenn auch langsam 
und zögernd den Rückzug an, nicht aus Wohlwollen für die 
Katholiken, sondern gezwungen durch die traurigen Verhält- 
nisse im Innern des Staatslebeus und die immer drohender 
aufsteigenden Gewitterwolken am politisch-sozialen Horizont. 
Die Verhandlungen der preussischen Regierung mit der rö- 
mischen Kurie wurden schrittweise begleitet von dem Aufheben 
einiger geradezu unglaublicher Gesetzesbestimmungen, wodurch 



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- 54 — 



die Wiederbesetzung der katholischen Bischofsitze ermöglicht 
wurde. Der im Exil weilende Erzbischof von Köln Dr. 
Paulus Bleichers wurde zum Kardinal erhoben und der aus 
Koblenz gebürtige, seitherige Bischof von Ermeland Dr. 
Philippus Krementz am 30. Juli 1885 zum Erzbischof 
von Köln präkonisirt. Sein feierlicher Einzug erfolgte am 
14. Dezember und seine Inthronisation im Kölner Dom am 
folgenden Tage unter einer wohl noch nie dagewesenen Be- 
theilung der Bevölkerung Kölns and der Erzdiözese. 

Der 15 Jahre mit Hass und Erbitterung geführte Kampf 
wurde abgebrochen. Er war gescheitert an der gewaltigen 
Organisation der Kirche und der ihr innewohnenden sitt- 
lichen Kraft. Die zwischen Rom und Berlin zur Beseitigung 
der Maigesetze des Jahres 1873 getroffenen Abmachungen 
erhielten, nachdem sie am 10. Mai 1886 von den Kammern 
genehmigt, am 21. Mai die Königliche Sanktion. Das neue 
Gesetz ermöglichte die Wiederbesetzung der Pfarrstellen, 
deren in der Erzdiözese Köln 366 erledigt waren, sowie 
die Wiedereröffnung der Priesterseminare und der kirchlichen 
Lehranstalten. Mit dein zwischen Rom und Berlin verein- 
barten Gesetz vom 29. April 1887 wurden die Beziehungen 
zwischen Staat und Kirche vorläufig geregelt. — — — 

So wurden noch die letzten Restaurationsarbeiten am 
Chor von der Morgenröthe des herannahenden Friedens be- 
leuchtet. Möge dieser ein dauernder werden und Staat und 
Kirche gemeinsam bauen an dem grossen Dom des Völker- 
friedens und Völkerglückes. 

„Möee der Dom von Köln fortan ragen über die Stadt, 

über Deutschland, über Zeiten reich an Menschenfrieden, 

reich an Gottesfrieden bis an das Eude der Tage." 




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— 55 - 




Grandriss des Kölner Domes. 



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56 - 



r 




Beschreibung des Domes. 



Allgemeines. 



Der Baustil, in welchem der Dom ausgeführt ist, ist 
der Spitzbogenstil, oder der gothische Baustil. Derselbe ist 
aus dem romanischen oder Rundbogenstil um die Mitte des 
12. Jahrhunderts im Norden des damals in jeder Beziehung 
unter der Herrschaft des germanischen Frankens taranies be- 
findlichen Frankreichs entstanden. Er erreichte im 13. Jahr- 
hundert, die romanische Bauweise verdrängend, seine höchste 
Vollendung. Die Bezeichnung „gothischer Stil" stammt von 
den Italienern, die damit eine im Gegensatz zum klassischen 
Stil stehende Bauweise als barbarisch bezeichnen wollten. 

Grundplan und Hauptanordnung sind bei ihm im wesentlichen die- 
selben, wie bei der gewölbten Basilika des romanischen Stils. Die Haupt- 
eigenschaft seiner Anordnung und Durchführung beruht im Spitzbogen 
selbst, der es ermöglicht, statt quadratischer Flächen, auch schmale Recht* 
und Vielseiten einzuwölben, wodurch der Schub der Gewölbe nicht mehr 
auf die Mauern, sondern auf die Pfeiler wirkt und hierdurch die aufstrebende 
Bewegung des Baues freigebend, es gestattet, die Wandflächen durch grosse 
Fenster zu durchbrechen und die halbrunden Chornischen vielseitig zu ge- 
stalten. Vorzüglich in dieser Wölbungsart ist die Eigenthümlichkeit der 
Spitzbogen- Architektur begründet. 

Die romanische oder rundbogige Bauweise in ihrer höchsten Ausbildung 
würde daher verständlicher als, Stil der gewölbten Basilika mit 
quadratischen Gewölbefeldern 1 und die gothische oder spitzbogige 
Bauweise als , Stil der kreuzgewölbten Basilika mit oblongen 
Kreuzgewölben' zu bezeichnen sein. 

Die ganze Tragkraft und Belastung der Gewölbe ist in der Gothik 
auf gegliederte Quergurten, welche von einem Pfeiler zum gegenüber- 
stehenden der andern Reihe gehen, auf die mit diesen einen rechten Winkel 
bildenden Langengurten (Sohildbogen) und auf die Diagonal- 



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- 57 - 



gurten vertheilt. Diese Gurten bilden ein Gerippe von Bogen, die auf 
vertikalen Stützen ruhen, denen sie entspringen, so dass das Gewölbe nur 
als Füll werk des das Ganze umspannenden Netzwerkes von Rippen, in Form 
von dreieckigen Gewölbeflächen (Kappen), erscheint. Somit vertheilt sich 
der Druck der Gewölbe nicht mehr gleichmässig, sondern nur auf einzelne 
stärker gehaltene Punkte der Aussen wand, die den freien Pfeilern im Innern 
entsprechen, und nach aussen durch widerstandsfähige Strebepfeiler ver 
stärkt sind. Die Wandflächen kommen in Betreff der Tragfähigkeit nicht 
mehr in Betracht, sie dienen nur als Raumabschluss des Bauwerkes. Die 
gothische Bauweise beruht somit auf einem System von lauter vertikalen, 
mittelst Spitzbogen verbundenem Pfeilern, in denen die Wandflächen keine 
konstruktive Bedeutung haben. Die aufwärts treibende Bewegung ist die 
vorwaltende Eigenschaft des Spitzbogenstils. — 

Die Durchführung des Spitzbogens führte auf eine Pfeiler form, die 
von der des gegliedeiten romanischen Pfeilers völlig abweicht. Der Kern 
des gotbischen Pfeilers ist rund, verbindet sich aber mit einer Anzahl von 
Dreiviertelsäulen, welche Dienste genannt werden, weil sie zum tragen 
der Gewölberippen dienen. Je nach Anzahl der Gewölberippen ist dieser 
Bündelpfeiler mit mehr oder weniger Säulchen (Diensten) umgeben. Der 
Pfeiler bat einen vieleckigen Sockel. Dort, wo die Gewölbebildung beginnt, 
vermittelt das Kapitäl den üebergang der Dienste zu den Gewölberippen. 
Das Kapitäl besteht aus einer glockenförmigen Erweiterung der Dienste, 
die auch um den Pfeilerk'jrn sich fortzieht, und um diese windet sich ein 
Doppelkranz von Pflanzenblättern als Ornament. Die Art der Pflanzen, die 
zu Ornamenten verwendet wird, ist aber nicht mehr die der klassischen 
Baukunst, sondern die der eigenen Heimath: Eichenlaub, Distel Malwe, 
Wein, Weide, Epheu u. s. w. 

Die Strebepfeiler, in der Uesammtbildung des ganzen Baues begründet, 
treten in mehrern Absätzen nach aussen als längliche Mauermassen an jenen 
Punkten vor, wo im Innern die gewölbetragenden Wandpfeiler angebracht 
sind. Die Uebergänge dieser Absätze, sowie die Gipfel der Strebepfeiler 
oberhalb des Kranzgesimses sind entweder durch Giebel, oder durch kleine 
Thürmchen mit pyramidaler Spitze, die in eine Kreuzblume endigt, ver- 
mittelt. Indem dieselben durch ihr Gewicht zur Vermehrung des Gegen- 
druckes und Widerstandes dienen, unterstützen sie zugleich die Gesammt- 
wirkung der aufwärts^trebenden Bewegung. Da nun die Bündelpfeiler der 
Mittelschiffe und die Halbpfeiler der Seitenschiffe mit ihren Strebepfeilern 
das eigentliche konstruktive Gerippe bilden, welches die Last der Gewölbe 
und das Dach zu tragen hat, so ist die Möglichkeit gegeben, dass die 
zwischen den einzelnen Streben liegenden Mauerflächen durch grosse Fenster 
durchbrochen werden können. 

Die Fenster sind durch schlanke Säulchen oder Pfosten getheilt, 
welche am Anfang des Bogens der Gesammtumfassung durch Spitzbogen 
unter sich verbunden, zwischen diesen und dem Hauptbogen ein zierliches 
durch Kreisbogen gebildetes Masswerk tragen. 

Soviel über die Grundsätze der Gothik oder des Spitzbogenstils. — 
Für eine weitere Darlegung derselben ist hier nicht der Platz. — Die hier 
beigegebenen Zeichnungen einzelner Architekturtheile des Domes mögen 
als weitere Erläuterungen dienen. 



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- 58 — 

Hier sei nur noch bemerkt, dass die bei romanischen Bauten unter 
dem Chor liegende Krypta bei gothischen Bauten nicht mehr vorkommt. 
Das erhöhte Chor der romanischen Kirchen liegt in gothischen nur wenig 
höher, als das Schiff der Kirche; die halbrunde Chornische hat eine bedeu- 
tende Erweiterung erfahren und zeigt die gleiche Höhe des Mittelschiffes. — 

Bei grösseren Kirchen, wie auch beim Kölner Dom, setzen sich die 
Seitenschiffe als Chorumgang fort, welcher vielfach zwischen den Strebe- 
pfeilern mit Kapellen umkränzt ist. 

Im Gegensatz zu der ruhigen und geschlossenen Einfachheit der 
romanischen Bauwerke ersoheint das Innere und Aeussere der gothischen 
Architektur organisch belebt. Menschliche, frei gearbeitete Gestalten 
sind als Statuen an Kragsteinen oder als Engelköpfe an Konsolen ange- 
bracht, Thiere und phantastische Gestalten sind als Wasser-Ausgüsse ver- 
wandt und in reichem Schmuck umzieht vegetabilisches Ornament die 
Gesimse und Friese und erklettert die oberen Linien der Giebel und Fialen, 
während die Thttrme gleich Wunderpyramiden in organischer Gliederung 
die Erde mit dem Himmel zu verbinden streben. 

Der Entwicklungsgang der Gotbik zeigt sich in drei Epochen, die 
auch am Kölner Dom zu Tage treten: der fruhgothische oder strenge Stil 
des 13. Jahrhunderts, bei schweren Formen das strengste Ebenmase der 
einzelnen Tbeile zeigend; der ausgebildete Stil des 14. Jahrhunderts, bei 
vorherrschender Ausbildung des Vertikalsystems, mit hoher Eleganz der 
Form eine lebendige Bewegung aller Theile vereinigend; der spätgothische 
Stil bis zu Anfang des 16. Jahrhunderts, welcher bei einseitiger Pflege des 
Dekorativen und Vernachlässigung der Gesammtanlage, willkürliche, wenn 
auch oft reizeude Neuerungen, aber auch verflachte unschöne Formen und 
Missklänge der Theile aufweist. *) 

Die Symbolik des Domes 8 ) ist überaus reich in ihren Beziehungen. 
Die Symbolik oder Bildersprache der kirchlichen Baukunst ist ein Ausfluss 
aus dem Wesen der christlichen Kirche selbst. Ihr Verständniss setzt daher 
die Kenntniss der Kirche als der Gemeinschaft der Gläubigen und Seligen 
im diesseitigen und jenseitigen Leben voraus. Die sichtbare Kirche ist das 
Bild jener unsichtbaren Gemeinschaft, von der die Offenbarung an vielen 
Stellen als dem Tempel Gottes redet, darinnen vor dem Thron des Drei- 
einigen die Lade des Bundes steht und der goldene Altar mit dem Lamme, 
vor welchem der Engel mit goldenem Rauohfass die Gebete der Heiligen 
opfert. Die sichtbare oder streitende Kirche aber, welche die Menschheit in 
jenen unsichtbaren Tempel, oder das himmlische Jerusalem, die triumpbirende 
Kirche, hinüberleiten soll, wurde durch Jesus Christus, den menschgewor- 
denen Sohn Gottes, gegründet. Er ist das ausschliessliche Princip ihres 
Lebens. Sein Leben und sein Opfertod am Kreuze bildet den Inhalt aller 
ihier Kultushandluugen. Da das Uebersinnliche sich nur im Bilde darstellen 
lässt, so rausste die Kirche ihr Gotteshaus architektonisch auch so gestalten 

*) Vergl. A. Rosengarten die architektonischen Stilarten 2. Aufl. 1869. 
S. 255—300. — B. Redtenbacher, Leitfaden z. Studium d. mittelalterl. Bau- 
kunst, 1881, S. 17—4». 

*) Vergl. J. Kre user, d. christl. Kirchenbau. 2. Aufl. 1860. 1. S. 723—777; 
dessen Kölner Dombriefe 1844 S. 2—114. Jungmann, Aesthetik, 3. Aufl. 
1886 II. S. 173-210. 



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- 59 — 

und künstlerisch so ausstatten, dass in ihm sich das Bild des geistigen 
Tempels Gottes darstellte, soweit dies körperlich geschehen kann, und die 
Ideen in ihm wiedorspiegeln, von welchen das Werden und Sein, d. h. die 
Geschichte des Reiches Gottes und seiner Kirche getragen wird. War dies 
bereits im altchristlichen Basilikenstil und dem späteren romanischen Stil 
der Fall, so fand die christliche Symbolik im gothischen Stil ihre höchste 
Ausbildung. Die kirchliche Architektur des Mittelalters war eine symbo- 
lische voll der Typen und Geheimnisse: 

Entgegen der Bau weise der Heiden und Juden, welche ihre Tempel 
von Osten nach Westen bauten, sind die christlichen Kirchen von Westen 
nach Osten gegründet, wo eben die lokalen Verhältnisse es gestatten, 
denn im Osten quillt das Licht, das Bild der Gottheit, dem der Christ zu- 
strebt. Auch starb Christus mit dem Gesicht nach Westen gekehrt, und 
von Osten wird er am Ende der Zeiten zurückkommen, um zu richten die 
Lebendigen und Todten. Daher beten wir nach Osten gewendet, um Christus 
ins Antlitz zu schauen. Diese christliche Baulinie von Westen nach Osten 
wird die heilige genannt. 

Mit Vorliebe wurden die christlichen Kirchen an den Stellen heid- 
nischer Tempel erbaut, um den Sieg des Ohristenthums über das Heiden- 
thum zu bekunden, so auch der Kölner Dom, welcher sich Uber den römi- 
schen Heiligthümern der alten Colonia Agrippinensium erhebt. 

Wie das Christenthum den Menschen über die Materie emporhebt zu 
den lichten Höhen der Unendlichkeit, so hat auch im gothischen Stile die 
Vertikale die todte Mauermasse der Horizontale durchbrochen. Alles strebt, 
drängt und treibt nach oben, und die Spitzen der hoch in den Aether führen- 
den Thürme deuten auf das Ziel und die Hoifnung alles christlichen 
Strebens. Die gothische Bauweise kann somit selbst als ein Symbol der 
christlichen Bestrebungen angesehen werden. 

Wie die Kirche Gottes aus einem Keimpunkte, aus der Menschwerdung, 
dem Leben und Opfertod Christi erwachsen, so gehen auch im Grundriss 
der gothischen Kirchen, und ganz besonders des Kölner Domes, alle Wechsel- 
beziehungen von einem Punkte aus, denn alles deutet auf eine innere Not- 
wendigkeit. Christus, der Sohn Gottes und Maria, die hochbegnadigte Ver- 
mittlerin seiner Menschwerdung sind die Grundpfeiler der Kirche, daher 
sind das Kreuz und die Rose die geheimnissvollen Sinnbilder der kirch- 
lichen Architektur. Das Zeichen des Christentums und der Erlösung ist 
das Kreuz, ohne das Kreuz hat keine kirchliche Handlung Gültigkeit; das 
Kreuz ist der mächtigste Schutz gegen die Dämonen; das Kreuz ist die 
einzige Hoffnung der Christen. Daher ist seit den ersten Jahrhunderten 
das Kreuz die Grundform der christlichen Kirchen. Liegt es im länglichen 
Viereck und dem Achteck der alten Bauten verborgen, so ist es in den 
grossen mittelalterlichen Kirchen, besonders im Kölner Dom, zur vollen 
Geltung gelangt. — Wie die Rose die Königin der Blumen, so ist Maria die 
Gebenedeite der Frauen, die in der Schrift die Rose der Wurzel Jesse ge- 
nannt und in den alten Dichtungen als die schönste Rosenblüthe gefeiert 
wird. Darum ist neben dem Kreuz, welches alle Formen der gothischen 
Architektur, vom Grundriss bis zu den Schlussblumen der Fialen und 
Thürme, beherrscht, die Rose das zweite Hauptsymbol, in welches öfter die 



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geometrische Form des Fenstermasswerkes und der Schlusssteine der Ge- 
wölbe ausklingt. 

Das im Kölner Dom vielfach im Dreieck wiederkehrende Kleeblatt 
ist aber das Symbol jenes Geheimnisses, welches die Hinterlage des christ- 
lichen Glaubens bildet: die Dreieinigkeit Sie bildet auch die Grundlage 
der Eintheilung der Kirche selbst, Von Westen nach Osten bilden Vorhof. 
Kirche und Chor der Länge nach eine dreifache Eintheilung, und in der 
Breite von Süden nach Norden geben das Frauen-, Priester- und Männer 
schiff ebenfalls eine dreifache Gliederung. Das Priesterschiff ist untheil- 
bar, während die Schiffe zur Rechten und Linken in mehrere Hallen ge 
theilt werden können, weil auch Lehre und Opfer nur einheitlich sein kann, 
eine vielgetheilte Gemeinde aber der Völker- und Stände-Verschiedenheit 
entspricht — Auch die drei Portale jedes mit drei Eingängen, sowie die 
drei Thürme deuten auf dies hohe Geheimniss. — Der den Mittelthurm oder 
Dachreiter schmückende Stern sinnbildet den Stern, welcher den hh. drei 
Weisen nach Bethlehem voranleuchtete. 

Soviel über die Symbolik des Baues selbst Die symbolische Deutung 
des bildnerischen Schmuckes ergibt sich aus dem Psalm 148, in welchem 
alle Wesen, Sonne, Mond und Sterne, die wilden Thiere und alles Vieh, alle 
Ungeheuer, Schlangen und Vögel, die Könige, Fürsten, Richter, Jünglinge 
und Jungfrauen, Alt und Jung zum Lobe des Herrn aufgefordert werden. 
Bei Beschreibung der einzelnen Architekturtheile möge sie weiter dargelegt 
werden. Hier sei nur noch auf 

die mathematischen Verhältnisse 1 ) dieses grossartigsten 

aller Dome hingewiesen und die tiefsinnige Symbolik, die sich in ihnen 
ausspricht Wir folgen hier fast ausschliesslich den Ausführungen des 
Professora Dr. Pfeifer in Dillingen. Derselbe sagt in seiner unten 
angeführten Schrift: „Das Dreieck und das Viereck sind die Grundformen, 
und die Zahl drei und vier die Wurzelzahlen des ganzen Werkes. Das 
Dreieck ist das Symbol der Einheit Gottes in der Dreiheit, das Viereck 
aber ist das Symbol der Welt und der Natur. Beim Kölner Dom lassen sich 
zweierlei mathematische Elemente unterscheiden: geometrische und arith- 
metische, oder Mass und Zahl. Bei den Massverhältnissen stellt sich her- 
aus, dass die Diagonale der Vierung«) diejenige Msssgrösse ist, ans welcher 
die meisten anderen durch den goldenen Schnitt sich ableiten lassen« ferner, 
dass die Proportion des goldenen Schnittes in allen drei Raumdimensionen 
des Baues, der Länge, Breite und Höhe nicht blos vereinzelt, sondern 
reihenweise auftritt, also die herrschende Proportion ist. Das absolute 
Einheitsmass ist die Diagonale der Vierung (8 + 4X3 = 21 Meter), das pro- 
portionale Einheitsprinzip aber der goldene Schnitt, beide Massprinzipe 
verbinden sich nber so miteinander, dass durch Rechnungsoperationen* 
die wichtigsten Masse oder Proportionen sich bestimmen lassen. Mit dem 

1 ) F. X. Pfeifer, der Dom zu Köln, seine logisch-mathem. Gesetz- 
mässigkeit, Köln 1888; J. & W. Boissere, dessen Aufsatz in d bistor.- 
polit. Blättern Bd. 97 (1886) S. 369-373. Vergl. auch A. Z ei sing, die Ver- 
hältnisse d. Kölner Domes in d. Beil. z. Augsb. All gem. Zeitung 1869, Nr. 
216-218. J. v. Görres, der Dom zu Köln 1842. S. 99-180. 

*) Professor Dr. Pfeifer hat zuerst gefunden, dass in der Diagonale deT 
Vierung das Mass- und Zahlenprinzip liegt also der Kernpunkt für die geome 
trischen und arithmetischen Verhaltnisse des ganzen Baues und seiner Theile 

») Vergl. die angeführte Schrift von Professor Dr. Pfeifer. 



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f 



zweifachen Masaprinzip korreapondirt ein zweifachea Zahlenprinzip. Der 
absoluten Masseinheit der Vierungsdiagonale analog iat die Anzahl der 
Vierungspfeiler, welche dnrch Erhebung znr dritten Potenz die Gesammt- 
zahl der Bündelpfeiler nnd dnrch Multiplikation mit dem Koeffizienten 2 
und 3 die Zahl der gruppenweise zusammengehörigen Strebepfeiler gibt. 
Wie die Dimenaion jener Diagonale ala Grnndmass zu den anderen Massen 
sich verhält, ao verhält sich die Anzahl der Vierungapfeiler ala Grundzahl 
zu don anderen in den Pfeilern auftretenden Zahlen. 80 entaprechen sich 
ein Grundmass und eine Grundzahl, welche beide in der Vierung vereinigt 
sind. Wir haben aber noch eine andere Zahl, die drei, ala Grundzahl ; 
diese korreapondirt mit dem proportionalen Masaprinzip dea goldenen Schnitte 
insofern, ala dieser eine drei gliederige Proportion iat. Die Dreizahl apielt 
demnach eine doppelte Rolle, erstens eine geometrische in den Masaver- 
uältnissen, insofern die darin dominirende Proportion dreigliederig und 
geometrisch ist, zweitens eine aritkmetieche, welche letztere wieder doppelt 
ist. Denn die Dreizahl tritt auf aowohl selbstständig für sich, ala auch in 
Unterordnung unter die Vierzahl. Wo die Dreizahl als Koeffizient oder als 
Exponent der Vierzahl erscheint, was bei den Pfeilern der Fall iat, da ist 
sozusagen die entere Zahl der letzteren snbordinirt, denn die Grundzahl 
ist dort Vier. Wo aber die Dreizahl, oder die zweite Potenz derselben als 
Zahl der Portale, der Schiffe, der Thurmpfeiler, der Höhenabatufung vor- 
kommt, dort iat sie aelbat die Grundzahl. Mit dieser duichgebenden Herr- 
schaft der Drei, und Vierzahl, welche beide bald getrennt, bald zu einem 
Produkte verbunden auftreten, stimmt die Thataache uberein, dass das Chor 
ana einem regulären Zwölfeck, also aus einem Polygon von 3X4 Seiten 
konstruirt iat. Aua dieaem ergibt aich, dasa von den Zahlen drei und vier 
fttr die Pfeilei dea Kirchenbauea, abgesehen von den Thürmen, die Vierzahl, 
für das Ganze aber die Dreizahl die prinzipiellere iat, denn die Hanptglie- 
Gerungen sind in allen drei Hauptdimensionen von der Dreizahl beherrscht. 
Das heiaat alao, die Gottheit, durch die Zahl drei aymboliairt, beherracbt 
die Welt nnd die Natur, deren Symbol die Zahl vier iat. 

Ana 3 + 4 bildet aich die Zahl sieben, die ebenfalls in den Verhält- 
nissen des Domes eine ao grosse Rolle spielt Die Zahl sieben iat von jeher 
ala heilige Zahl angesehen. Die Kirche hat sieben 8akramente, der h. Geist 
7 Gaben, der Chriat 7 Stücke des Glaubens, 7 Werke der Barmherzigkeit, 
7 Freuden und Schmerzen Maria, das Vater unser zählt 7 Bitten, der Heiland 
sprach am Kreuze 7 Worte, das Licht hat 7 Farben, die Wissenschaft 7 freie 
Künste, die Muaik 7 Töne; in der Offenbarung iat die Siebenzahl bedeutsam: 
7 Gemeinden nnd Geister, 7 Säulen der Wahrheit, 7 Leuchter, 7 Sterne, 
7 Siegel, 7 Poaaunenengel, 7 Schalen u. 8. w. — So hat auch der Kölner Dom 
7 Kapellen, am westlichen Hauptportale, in dessen Nebeneingängen befinden 
sich 7 Nischen für Statuen, je 7 Pfeiler trennen die fünf Schiffe der Kirche, 
in derselben zählt man überhaupt 8X7 freistehende Pfeiler (die Thurm- 
Pfeiler nieht gerechnet), während 4X7 Pfeiler die Wände unterbrechen 
nnd 2X7 Pfeiler das Chor tragen. 

Zurückgreifend auf die massgebende Bedeutung der Vierungsdiagonale 
ist Professor Pfeifer nach fortgesetzten Untersuchungen zu weiteren 
sehr interessanten Resultaten gelangt. In einem Briefe an den Herausgeber 
dieses Büchleins schreibt er: „Wenn man im Grundriss des Domes die 



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62 - 



Diagonalen der Vierung zieht und beide nach beiden Seiten nm ihre eigene 
Grösse also 21 m verlängert, so treffen die Endpunkte auf die Innenfliehe 
der Seitenschiffmauen. Verbindet man jene Endpunkte durch gerade 
Linien, so ist der senkrechte Abstand dieser Linien die innere Breite des 
Langhauses und Chores. Die so verlängerten Diagonalen betragen dann 
3 X 21 = 63 Meter und ebenso hoch ist der Dachfirst mit der eisernen 
Bekrönung vom Boden an gerechnet. 

Die Vierungsdiagonale gibt in Verbindung mit dem Quotienten des 
goldenen Schnittes auch die Breite des Transeptes, wenn die letztere von 
den Mittelpunkten der Kreise, welche die Wendeltreppen in den Pfeilern 
des Nord- und Südportales anzeigen, ausgemessen werden. In dem Haupt- 
plane von Fr. Schmitz (in dessen Dom-Werk) sind in den Eckpfeilern des 
Süd- und Nordportales kleine Kreise mit Radien gezeichnet. Der Abstand 
der Mittelpunkte dieser Kreise, den ich genau gemessen, ist am Südportal 
ein wenig kleiner als am Nordportal (am erstem 33V 4 m, am letztern 34»/ 4 ), 
das Mittel aus beiden Abständen ist 34 m. Wenn ich nun die Diagonale 
= 21 m mit dem Quotienten des goldenen Schnittes 1,618 multiplizire, so 
erhalte ich 33,078 m, was nur um 22 Millimeter, also weniger als ein Zoll 
Differenz gibt 

Ich habe in meiner Broschüre S. 13 u. 14 die Lame'sche Reihe erwähnt, 
die in der Mathematik eine bedeutende Rolle spielt, weil je zwei Glieder 
dieser Reihe um so mehr dem Verhältniss des goldenen Schnittes sich 
nähern, je weiter die Reihe fortschreitet. Von dieser merkwürdigen Reibe 
uun erhalten wir die Glieder 21, 34, 55, 89 u. 144, wenn wir von der Diago- 
nale = 21 ra ausgehend zu folgenden Hauptdimensionen fortschreiten : 
Breite des Transeptes . . = 34 m (wie vorhin gezeigt wurde) 
Breite des Langhauses mit 

Strebepfeilern .... 56 m 
Länge des Langhauses . . 89 in (vom Westeiugang bis Chorschranken> 
Totale Länge des Domes . 144 m. 

Diese fünf aufeinanderfolgenden Zahlen und Masse 21, 34, 65, 89, 144 
befolgen ein doppeltes Gesetz; erstens ist jede folgende Zahl die Summe 
der zwei nächst vorangehenden, zweitens nähern sich zwei aufeinander- 
folgende Glieder um so mehr dem Verhältniss des goldenen Schnittes, je 
weiter die Reihe fori schreitet. Wir erhalten also im Kölner Dom, wenn 
wir von der Diagonale der Vierung = 21 m ausgehen, durch die angegebeneu 
Zwischenglieder hindurch, die eine stetige Reihe bilden, als fünftes und 
letztes Glied die Totallänge des Domes 144 Meter. Ebenso erhalten wir, 
von der Vierzahl der Vierungspfeiler ausgehend und durch die zweite Po- 
teuz zur dritten fortschreitend, zuerst die innere Pfeilerzahl des Transep- 
tes, dann jene des ganzen Domes. 

Beidesmal geht der Fortschritt von der Vierung aus, zuerst zum 
Transept, dann zum Ganzen." 

Eine weitere Ei^enthümlichkeit des Domes besteht darin, das* die 
Hanpttheile und Hauptabt hcilnugen in solcher Anzahl vorhanden sind, 
das* dadurch alle Primzahlen der ersten Dekade 1. 2. ». 5. 7. repriiaen- 
tirt sind. 

Beweis: der Dom hat 1 Mittelthurm oder Dachreiter, 2 Thiirme, 3 Portale 
und 3 Schiffe des Querbaues, 5 Schiffe des Langhauses und 5 Thurm- 
geschosse, 7 Kapellen des Chorabschlusses. 



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— 63 



Ferner spielen alle übrigen Zahlen der ernten Dekade eine wichtige Rolle 
Beweis: die Zahl 4 ergeben die 4 Pfeiler der Vierung, die durch ihre 
Stellung und Funktion sich auszeichnen und den Mittelthurm tragen. — 

Die Zahl 6 ergibt sioh aus der Länge zwischen dem Chorschluss 
und der Thurmhalle, die gerade 6 Quadrate misst, wie das Quadrat 
der Vierung; ferner in der Zahl der länglichen Rechtecke, welche 
im Mittelschiff in der Partie zwischeu der Vierung und der Thurm- 
halle durch die Pfeiler gebildet sind. — 

Die Zahl 8 finden wir in den zwei Pfeilerreihen, welche den 
Querbau in 3 Schiffe theilen; jede dieser Reihen hat 8 Pfeiler. — 

Die Zahl 9 ist vertreten durch die 9 Oeffnungen der drei Portale, 
da jedes 3 Eingänge hat; auch ruht jeder der 2 Thurm« auf 3X3 
Pfeilern. — 

Die Zahl 10 ergibt sich, wenn wir im Langhaus die Pfeiler zäh- 
len, welche zwischeu der Thurmhalle und dem polygonen Chorab- 
schluss in einer Reihe stehen, in jeder Reihe 10 Pfeiler also 4 X 10 
= 40 Pfeiler. 

Ein« überraschende Eigentümlichkeit findet sich auch darin, 
dass von der Zweizahl an sämmtliche Zahlen der ersten Dekade in der 
„zweiten Potenz vorkommen. 
Beweis : 

2X2 = 4 bereits nachgewiesen. 
3X3 = 9 bereits nachgewiesen. 

4 X 4 = 16 : die Gesammtzahl der Innenpfeiler des Querbaues be- 

trägt 16. 

5 X 5 = 26 : in 25 Vierecke, theils Quadrate theils Rechtecke ist 

im Grundriss die Partie des Langhauses zwischen Vier- 
ung und Thurmhalle durch Pfeiler getheilt. 

6 X 6 = 36 ergeben die Strebepfeiler, die kleinen die Fenster des 

Chorscblusses- zu beiden Seiten flankirenden Streben 
nicht eingerechnet. Auch die Anzahl der Innenpfeiler 
im Lang- und Querbau, ohne Einrechnung der Pfeiler 
im hohen und niedein Chor, ist 36. 

7 X 7 = 49 zählen alle Quadrate, in welche die Fläche des Grund- 

risses durch Pfeiler getheilt ist. 48 kleinere Quadrate 
des Lang- und Querhauses und das grosse Quadrat der 
Vierung als 49tes. 

8 X 8 = 64 beträgt die Gesammtzahl der Innenpfeiler, die des 

Chores mitgerechnet. 

9 X 9 = 81 ist ziemlich versteckt; sie stellt sich jedoch heraus, 

wenn im Grundriss alle eckigbegrenzten Flächen (aus- 
genommen der Raum des Hochaltares, den ein Halb- 
kreis von Pfeilern umschliesst) zusammengezählt werden, 
denn es sind 

a) Quadrate in Summa 49 

b) längliche Rechtecke 18 

c) fünfeckige Chorkapellen 7 

d) trapezförmige Vierecke im Umgange . _. 7 

Totaleumme . . . 8T~ 



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- 64 - 

10 X 10 = 100 ergeben die 64 Innenpfeiler unter Zuziehung von 36 
Strebepfeilern, denn es sind 100. 

,So geben alle Wechselbeziehungen von einem bestimmten Keiropunkte. 
au 8 und sind durchaus rationell. Der Grundriss führt uns gleichsam 
einen geistigen Krystallisationsprozess vor das Auge, und erinnert zugleich 
an die Klangfiguren, welche das Netzwerk der Musik aus dem Zeitlichen 
in das Räumliche, aus dem Gebiete des Gehörs in das des Gesichts über- 
tragen: Wir erblicken sodann im Aufrisse, wie er sich unmittelbar vor 
das Auge hinstellt, Jen Körper des Baues, dessen Seele gewissermassen 
den Grundriss beschliesst. Fasst man deu Aufriss näher ins Auge, so wird 
man finden, wie er mit logischer Nothwendigkeit aus dem Grunde erwächst: 
wie an dem ganzen Werke kein Glied vorkommt, welches nicht durch die 
Grundkonstiuktion bedingt ist und zugleich einen bestimmten Zweck zu 
erfüllen hat; wie jede Gliederung und jedes Ornament nur als eine höhere 
Rntwickelung der nothwendigen Konstruktionstheile erscheinen, gleichsam 
eine Verflüchtigung der strengen Mathematik des Grundrisses, eine Fort- 
bildung desselben in das Gebiet der organischen Natur .... Alles erscheint 
als die Entwicklung eines Gedankens, als die geniale Durchführung eines 
einzigen Prinzips bis zu seinen äussersten Konsequenzen!* 1 ) 

,Was Meer und Alpen im Reiche der Natur, das ist der Kölner Dom 
im Reiche der Kunst, — das erhabenste Symbol der Unendlichkeit.'*) 

Der Grundriss des Domes zeigt dem Vorhergesagten 
entsprechend eine klar aasgeprägte Kreuzesform : fünf Lang- 
schiffe, von drei Querschiffen durchschnitten. Das Chor ist 
ein sieben seit iger Halbkreis, welcher durch einen Kranz von 
sieben Kapellen abgeschlossen ist. 

Grössenverhältnisse: Die äussere Länge des Domes 
misst 144 Meter, die Breite 61 m, die innere lichte Länge 
119 m bei 45,26 m Breite. Die änsere Länge des Quer- 
schiffs beträgt 80,25 ra, die innere Länge 75 m. Das ganze 
Gebäude hat also in seiner lichten Ausdehnung (einschliess- 
lich der freistehenden Pfeiler) einen Flächenraum von 
6166 D-Meter. 

Vergleiche : 

Der Dom zu Freibnrg hat an Flächeninhalt 2950 Quadratmeter; der 
Dom zu Wien 8175 Qratr. ; der Dom zu Main/, 8675 Qmtr.; der Dom zu Strass- 
burg 4087 Qmtr.; der Dom zu Speier 4470 Qmtr.; der Dom zu Antwerpen 
4960 Qmtr.; die Hagia Sophia in Konstantinopel 6893 Qmtr.; St. Paul in 
London 7776 Qmtr.; der Dom in Mailand «406 Qmtr.; St. Peter in Rom 
15 166 Qmtr. 

Hö henyerhältnisse : Der First des Doradaches hat, 
vom Boden aus gemessen, eine Höhe von 61,5 in. Der Kamm 
eingerechnet 63 m. Der über der Vierung sich erhebende 
eiserne Mittelthurm erhebt sich noch 48,3 m über dem First, 

*) A. Reichensperger, Vermischte Schriften, S. 122 ff. 
») Ebendaselbst, S. 9. 



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- 65 - 

Ge8ammthöhe also 109,8 m. Die Thürme haben 157 m Höhe 
über dem Bodenbelag der Kirche, oder 160 m über der 
Strasse; hiervon kommen 8 /r, auf die 4 Stockwerke und 2 /s auf 
die durchbrochenen Helmspitzen. 




Durchschnitt des Domes. 

Vergleiche: 



Die Kölner Domthürme 157,00 Meter, übendem Strassenpflaster 160,00 m 
die Kabelthürme der Hudsonbrücke bei New-York 173 m; das Washington : 
Denkmal in Washington 109 m; der Rathhausthurm^in Philadelphia 163 in. 
der Thurm des National mus' ums in Turin 164 m; der Thurm des Münsters in 
Ulm 160,00 m-, der Dachreiter des Domes zu Rouen 151,12 m; die Nicolaikirche 
zu Hamburg 144,20 m; die Peterkirche in Rom 138 m, nach Andern 143,50 m; 

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- 66 . - 

das Münster in Strassburg H'2,10 m; die Pyramide des Clieops in Gizeb 137,00 m : 
St. Stephan in Wien 136,70 ni; die Kathedrale in Amiens 134,00 m; die Py- 
ramide von Cheprem 133,<X)m; St. Martin in Landshut 132,50 m; der Dom zu 
Freiburg i. Br. 125,00 m; die Kathedrale in Antwerpen 128,00; der Dom zu 
Florenz ti9,oom; die Paulskirche in London 111,30 m; der Dom von Mailand 
109,00 m; das Rathhaus zu Brüssel 108,00 m; der viereckige Asinelli-Tbnrm 
in Italien 107,00 m; der Invaliden-Dom in Paris 105,00 m; der Dom zu Magde- 
burg 103,60 in; der Dom zu Augsburg 102,00 m ; die Mathenakirche zu Wesel 
102,00 ni; der Schlossthurm zu Dresden 101,00 m ; Liebfranenkirche in München 
99,00 m; Pftrikirche in Berlin '.'6,00 m; Rathhausthurm in Berlin 88,00 m; 
St. Algundis in Emmerich 81,H() m; Kirchthurm in Erkelenz 81,50 m; Notre- 
Dame in Paris fS m, nach Andern 71 ni; Sophienkirche in Konstantinopel 
58.00 m; der schiefe Thurm in Pisa 57,00 ni: L'arc de triomphe de PEtoile 
41,00 m; das Pantheon Agrippa's 43,00 ra ; der Obelisk auf dem Place de la 
Concorde 27,00 m. 

Hatten noch in den sechsziger Jahren die Domthürme den Vorrang, 
so sind sie jetzt durch andere Bauten an Höhe überflügelt. 

Die Fundamente der Thurm e erreichen eine ungefähre 
Tiefe von 20 Metern, die der Eckpfeiler der Portale sind 
verschieden von 8 Metern his auf eine Tiefe von ca. 13 Metern 
hinuntergebracht; die Fundamente des Lang- und Qu er- 
Schiffes sowie des Chores wechseln zwischen 6 Metern 
Tiefe und mehr; die Pf eil erfun damen t e ruhen in einer 
Tiefe von ca. 13 Metern unter der Sohle der Kirche. 

Baumaterial: Abgesehen von den Fundamenten, die sich 
aus Basaltpfeilern von Unkel mit den Quadern des Trachyt 
vom Drachenfels in abwechselnder Bettung felsenfest zusam- 
menfügen, wurde in der ersten Bauperiode 1248 bis 1550 
für den Dombau ausschliesslich das Steinmaterial aus den 
Gruben am Drachenfels im Siebengebirge verwandt. Der von 
dort bezogene Trachyt hat jedoch den Witterungseinflüssen 
so wenig Widerstandsfähigkeit gezeigt, dass die äusseren 
Bautheile, besonders des Stidthurmes, einer allseitigen Ver- 
witterung anheimgefallen waren. Es wurde daher mit Beginn 
des Ausbaues des Domes eine sorgfältige Wahl des zur Ver- 
wendung kommenden Gesteins getroffen. 

Die Herstellnngsarbeiten des Baumeisters Ahlert am Strebesystem des 
Chores (1826—1833), die, im Gegensatz zu dem übrigen Material, Unglück- 
liclier Weise aus der schwarzen Niedermendiger Basaltlava ausgeführt wurden, 
nicht berücksichtigt, fand das Gestein der Wolkenburg im Siebengebirge 
für die Restauration eine ausgedehnte Verwendung. Seit dem Beginne des 
Neubaues bis zur Vollendung des Kirchenschiffes aber wurde der Keuper- 
sandstein aus Sch lai tdo rf bei Tübingen und Heilbronn, daneben zum 
Ausbau des Süd- und Nordportals der Kohlensandstein von Flonheim bei 
Alzei in ziemlicher Ausdehnung verwandt. Auch im Innern des Lang- und 
(Juerschiffes wurde der Flonheimer Stein verarbeitet, ebenso wurde die 



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- 67 - 

innere Blendung im II. Stockwerk des Nordthurmes ans diesem Material 
aasgeführt. Zur Ausfüllung der Hohlräume zwischen den Quadern nnd Säu- 
lenbasalten im Fundamentmauerwerk wurden Schlakenblöcko aus den Kra 
tei wänden der E if el (sogenannte Kratzensteine) gebraucht. Bundsandsteine 
von Uedelfangen bei Trier kamen zusammen mit dem Heilbrontier 
Keupersandstein für freie Ornamentik bei der Restauration des Chores zur 
Verwendung, während der Trachyt des Stenzelberges im Siebengebirge 
das Material für die Hauptgesimse und Gallerien lieferte. Auch der grösste 
Theil der Terrassenmauern ist ans Stenzelberger Stein erbaut. Die Lav.i 
der Hannebacher Ley und des Perlenkopfes sind am Pfeilersockel 
des nördlichen Thurm es und an den Mauern der Terrasse, welche den Dom 
umgibt und zu Podestplatten benutzt. Zum Aushau der Sakristei diente 
vorzugsweise der Sandstein von Staudernheim a. d. Nahe und von 
Breitenheim bei Meisenheim a. d. Glahn, ausserdem wurden daraus die 
Blendsteine der grossen Hallen im III. IV. Stockwerk der Thürrae genommen. 
Das Gestein der Hohenburg bei Berkum (Trachyt) wurde zum innern 
Ausbau des nördlichen Thurmes in seinem I. Geschoss und zu massiven Küll- 
quaderu im Innern der Mauern verarbeitet, während der Tafelbasalt der 
Berge von Obercassel als Füllmauoi werk der Thürme bis zur Oberkante 
des III. Stockwerks Verwendung fand. Von da aufwärts sind die Thürme 
massiv aus Haust« in konstraut.. 

Alle bisher verwandten Steine hatten, soweit sie zu freien vom Mauer- 
werk abgelösten Ornamenten, profilirten Gräten und Gurtungen dienten, 
bezüglich ihrer Wetterfestigkeit doch nicht das volle Vertrauen der Dom- 
baumeister gefunden. Als der Ausbau der Thürme daher in Angriff ge- 
nommen wurde, fiel tlie Wahl auf die Gesteine der Wesergebirge und 
des Teutoburger Waldes. Nach Substanz und Struktur ist dies Gestein 
von vortrefflicher Beschaffenheit. Es ist ein lichtgelber feinkörniger Sand- 
stein, vollkommen feldspath- und glimmerfrei, also fast reiner Quarz, der 
Wealdenformation angehörig. Dieses Jeder Witterung widerstehende Ge- 
stein, gewonnen in den Gruben von Obern kir che n am Bockeberg, wurde 
untermischt mit einzelnen weissen Sandstein-Quadern von den Extern- 
steinen bei Detmold, ausschliesslich für die Thürme in ihren äusseren 
Theilen verwandt. Auch alle Ornamente und die ganze Restauration des 
Südthurmes wurden daraus hergestellt, ebenso die Kreuzblumen, welche die 
Thürme krönen nnd abschliesscn. Zur Verbindung des gesammten Mauer- 
werkes der Kirche und der Thürme wurde Trassmörtel von Bergisch- 
Gladbach bei Bensberg benutzt. — 

.So trägt und stützt die feuergeborene Lava aus deu vulkanischen 
Schlünden der Eifel den grossartigen Bau. Im Teutoburger Wald liegt die 
Wie^e seiner gewaltigen Thürme und Kreuzblumen und zwischen diese 
fügen sich die Bausteine vom Rhein und von der Mosel, der Weser und der 
Nahe, des Neckars und der Donau ein.' l ) 

Der Bodenbelag — 188:") begonnen — setzt sich in den 
Schiffen bis zur Vierung aus Obernkirchener Sandsteinplatten 
zusammen, die in der Richtung der Pfeileraxen von rothen 

») D. A. von Lasaul x, die Bausteine, des Kölner Domes, 1882. 

5* 



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- 68 — 

Granit- und dunkelgrünen Syenitfriesen eingefasst sind. In 
der Vierung, dem Chor und den Kapellen ist derselbe nach 
den Plänen von Essenwein, Direktor des Germanischen 
Museums zu Nürnberg, in echter Stiftmosaik, hergestellt. 
Die reich gehaltenen Darstellungen sind theils figuraler, 
theils decorativer Art und schliessen sich den architektonischen 
Formen des Grundrisses in eingehender Weise an. 

Eine eingehende Beschreibung siehe: das Innere des 
Domes VI. 

Die Bildhauerarbeiten sind aus französichem Kalk- 
stein hergestellt. Der Kalkstein von Caen ist vorzüglich zu 
den Baldachinen und Figuren in den Thurmportalen und im 
Innern der Kirche verwandt. Im grösseren Umfange aber 
noch der Oolith von Savonnieres; aus diesem sind die 
grossen Figuren des III. Thurmgeschosses, sowie ein Theil 
des Figurenschmuckes der Portalhallen geschnitten. 

Die Gewölbe der Kirchenschiffe wie der Thurmhallen 
sind aus leichtem, porösem Tuffstein der Eifel geschlagen. 
Nur die Entlastungsbögen und Schutzkappen sind aus hart- 
gebackenen Ziegelsteinen ausgeführt, während der Andesit 
der Wolken bürg wegen seiner Härte zu den Grat- und 
Gurtbögen der Kirchen- und Thurmgewölbe verwendet wurde. 

Der Dachstuhl sowohl des Chores und Langschiffes als 
der Seitenschiffe und der Kapellen ist in Eisen konstruirt. 
Die Bedachung besteht aus Bleitafeln. 

Während somit der ganze Bau bis zu den Kreuzblumen der 
Thürme aus Sandstein besteht, ist der Mittelthurm, oder Dach- 
reiter, rücksichtlich der geringen Tragfähigkeit der Vierungs- 
pfeiler ganz aus Eisen aufgeführt und mit Zink gedeckt. 

An Baumaterialien wurden seit dem Jahr 182-4 bis 1. April 1881 am 
Dom verwandt: Rohe Werksteine, die in der Dombauhütte verarbeitet wurden 
ca 57,580 Kubikmeter; fertig behauene Werksteine von Lieferanten bezogen 
für 758,771 Mark; Tuffsteinziegel zu den Wölbungen 237,149 Stück; Ziegel- 
steine ca. 2,000,000 Stück; Bruch- und Basaltsteine 3,355 Kubikmeter, Oiess- 
blei zum Vergiessen der Anker, Dollen und Steinklammern 938,822 Pfund ; 
Tannenholz zum Bau der Gerüste 8,895 Kubikmeter. 

Die Bankosten betrugen seit Beginn der Restauration von 1824 bis 
Ende 1841 981,834 M. aus Staatsmitteln, von 1842 bis 1883 19,880,615 M. aus 
Staats- und Vereinsmitteln. Summa 20,862,459 M.; also wurden bis zur Be- 
endigung 1885 ca. 21 Millionen Mark für die Restauration und die Voll- 
endung des Kölner Domes verausgabt. Diejenigen Summen, welche die 
früheren Jahrhunderte für das Gebäude aufbringen musaten, namentlich 
diejenigen, welche in den kolossalen Fundamenten ruhen, so wie die, welche 
der Ankauf der Grundstücke erforderte, ergeben mindestens einen eben so 
hohen Betrag. Die Gesammtkosten dürften sich daher auf ca. 42 Millionen 
Mark belaufen. 



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Westfa^ade des Domes. 



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70 



1 





I. Die West- oder Thurmfapade. 



Wir beginnen den Dom füglich am besten da zu betrachten, 
wo er am vollendetsten erscheint, nämlich an der West- oder 
Thurmfa^ade. ,Der ganze Aufbau der Westseite (siehe die 
Abbildung) vollzieht sich in fünf Stockwerken, wie auch die 
Breiteentwicklung eine fünftheilige ist. Im Erdgeschoss finden 
wir in der Mitte das Hauptportal, daneben rechts und links 
je zwei Fenster. Vor das erste Fenster zur Rechten und 
Linken stellt sich je ein Seitenportal, das mit seinem Wimberg 
bis zum Scheitel des hinter ihm liegenden Fensters reicht. 
Im zweiten Stockwerk öffnet sich über dem Hauptportal ein 
grösseres Fenster, welches das Mittelschiff mit reichem Lichte 
erfüllt. Neben ihm finden sich, wie neben dem Hauptportale, 
zu beiden Seiten je zwei Fenster für die beiden Thurmgelasse 
über den Nebenschiffen der Vorhalle. Unter dem Fusse dieser 
fünf Fenster ist die Triforiengallerie, die den ganzen Dom 
umzieht, durch Blendarkaden angedeutet, lieber den beiden 
untern bis dahin besprochenen Stockwerken, welche die Kirchen- 
fa^ade bilden, endet der Mittelbau mit dem glänzend ver- 
verzierten Giebel des Mittelschiffs. Zu beiden Seiten des 
Giebels treten dann die Thürme selbstständig heraus. Im 
dritten Stockwerk bleiben sie noch quadratisch, im vierten 
setzen sie in's Achteck um, und im fünften enden sie mit der 
luftigen Helmpyramide. Die Summendes ersten "und^. zweiten 
Stockwerkes der Facade beträgt weniger, als die des dritten 
und vierten und diese wird wiederum übertroflfen von der 
Hohe des Helmes, denn er ist für sicluallein so hoch,~wie die 
Mittelgiebel der drei Fanden im Westen, Süden und Norden. 

Dieser ganze Aufbau ist durch die Entwicklung der 
Thurmpfeiler bedingt, deren die Fagade sechs zählt, vier 




71 - 



grosse und zwei kleinere, je zwei grössere und je ein klei- 
nerer für jeden Thurm. Zwei der grossen Thurmpfeiler 
bilden die Ecken der Fagade, die beiden andern nehmen das 
Hauptportal zwischen sich, die zwei kleineren Pfeiler stehen 
zwischen den Seitenportalen und den beiden sichtbaren 
Fenstern des untern Stockwerkes. Sie steigen bis über das 
zweite Stockwerk hinauf, lösen sich von dem Fenster des 
dritten Stockes von der Mauermasse ab und verschwinden. 
Die vier grossen Strebepfeiler gehen nun allein weiter. Je 
zwei von ihnen haben im dritten Stockwerk eiu Thurmfeuster 
zwischen sich genommen, aber sie fangen schon an die feste 
Geschlossenheit zu verlieren, die sie in den beiden untern 
Stockwerken bewahrten, und sie zieren sich mit zahlreichen 
Fialen, die aus ihren Seiten hervortreten. Im vierten Stock- 
werk lösen sie sich vom Kern des Thurmes ab, derselbe 
verliert so die vier Ecken seines quadratischen Grundrisses 
und wird achteckig. Der achteckige Kern jeder der beiden 
Thürme scheint nun mit seinen vier gewaltigen Fialen, von 
denen jede für sich allein als Thurm gelten könnte, einen 
Wettstreit einzugehen, wer am leichtesten aufsteige und wer 
zuerst die Spitze erreiche. Darum sind die acht Fenster 
dieses achteckigen Oberbaues so weit, so luftig, darum ver- 
schmähen sie die Verglasung. Das leichte Gewölk und das 
Blau des Himmels zieht durch sie hindurch, und die Sonnen- 
strahlen dringen ungebrochen in's Innere. Ueber ihnen ent- 
faltet die Gothik all' ihre Pracht. Es ist, als ob sie all' ihre 
Erfindungsgabe zusammen nähme, um ihr letztes Werk, das 
sie einleitet, mit allem Glänze, mit aller Pracht aufsteigen 
zu lassen. Ueber den acht Fenstern jedes der beiden Thurm- 
oktogone erheben sich acht reiche Wimperge, zwischen denen 
acht noch reichere Fialen aufsteigen, um die sich vier prächtige 
Ausläufer der vier grossen Thurmpfeiler stellen. In der Mitte 
zwischen all' diesen aufsteigenden Thürmen und Thürmchen 
erhebt sieh langsam der majestätische Helm. Anfangs steigt 
er ruhig und gemessen empor, bald überholt er alle die Thürme 
und Fialen, die sich um seinen Fuss drängten. Leicht wächst 
er hinan in schwindelnde Höhe, indem er mit jedem Fuss 
seinen Schritt beschleunigt. Der spröde Stein hat von seiner 
Härte und Schwere nur so viel behalten, als nöthig ist, um 
den Stürmen zu trotzen, die ihn dort oben umtosen, und um 
die Kreuzesblume zum Himmel empor zu heben, in der er 
und mit ihm der Dom endet.' J ) 

l ) St. Beiasel, der Dom von Köln in Stimmen aus M. Laach (1880) 
Bd. XX. S. 393-395. 



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— 72 - 

Die Westfacade ist nicht nach den Plänen des ersten Baumeisters 
ausgeführt. Das ist sofort ersichtlich, wenn das Auge die schlichten unteren 
Chorpartien mit dieser reichen Anlage vergleicht. In welcher Weise aber 
die Thürme von diesem geplant wurden, ist nicht nachzuweisen, denn die 
wiedergefundenen Pläne der Thurmseite sind nicht die ursprünglichen» 
sondern vielmehr alte Nachbildungen modifizirter Aufrisse aus dem 15. Jahr- 
hundert. Aber auch an diesen Planen haben die spätem ausführenden 
Baumeister vieles zu ändern sich erlaubt. Auf den alten vorhandenen 
Pl&nen sind z. B. an den Fenstern der westlichen Facade Hallen mit reichen 
Wimpergen angebracht. Diese Hallen fehlen in der Ausführung und der 
Raum, der für sie bestimmt war, ist abweichend vom Plan dadurch gefüllt, 
dass der ausführende Meister sämmtliche Pfeiler des zweiten Geschosses 
ca. 1 m herausgerückt und die meisten Ornamente verändert hat. 

Auch in jüngster Zeit hat der neuerbaute Nordtburm durch Zwirner 
eine wesentliche Abweichung vom Südthurme erfahren. Diese besteht darin, 
dass der Treppenthurm, welcher die Südseite des Südthurmes belebt, am 
Nordthurm fehlt. Obschon in der ursprünglichen Anlage vorhanden, wurde 
derselbe, als der Nordwest* und Mittelpfeiler des um die Mitte des 15. Jahr- 
hunderts angefangenen Thurmes seines baulosen Zustandes wegen im Jahr 
1*56 abgetragen und mit dem Neubau des Thurmes begonnen wurde, besei- 
tigt und die Wendeltreppe in den Eokpfeiler selbst gelegt, 
entgegen dem der Gothik eigenen Prinzip, die Bestimmung eines jeden 
Bautheiles äusserlich auch erkennbar hervortreten zu lassen. Hierdurch 
wurde das dem Eokpfeiler zunächst stehende Fenster frei, so dass an der 
Nordseite des Nordthurmes zwei Vollfenster, während auf der Südseite des 
Südthurmes nur ein Voll - und ein Halb fenster im ersten und zweiten 
Ge8choss sichtbar sind. Diese den gegebenen Verhältnissen zuwiderlaufende 
konstruktionswidrige Anordnung hat die Nordseite architektonisch um vieles 
weniger reich gestaltet, als es die Südteite des Südthurmes ist. 

Auch möge noch bemerkt werden, dass alles Ornament des Südthurmes 
der ausgebildeten Gothik des 14. Jahrhunderts entspricht, die Giebelfronten 
des nordöstlichen Pfeilers des Nordthurmes, der noch aus der letzten Zeit 
der Bauthätigkeit stammt, aber bereits den flamboyantartigen Charakter der 
in Spielerei ausartenden Gothik am Schluss des 15. Jahrhunderts tragen. 

Das ganze sechstheilige Fenster des Mittelschiffs misst von der Sohle 
' bis zur Oberkante des Spitzbogens 14,75 m in der Höhe und 6,25 m in der 
lichten Breite. Die Höhe der Thürme bis zum Achteck beträgt 70 m, das 
Achteck selbst 24 m und der Helm 63 m = 157 m in ganzer Höhe. 

Die Thurmmauern sind 6,27 Meter dick. Bei dem kolossalen Umfange 
erfordern je 32 Centimenter (1 Fuss) Steigung ca. 123,66 Kub, -Meter Steine, 
die einschliesslich Arbeitslohn auf ca. 13,500 Mark anzuschlagen ist. Die Breite 
der Thurmfacade beträgt in den Sockeln der äussersten Thurmpfeiler 61,20 
Meter. Das Hauptportal bis zur Bekrönung 29,3 m bei einer Breite zwischen 
den Pfeilern 9,5 m. Die beiden Haupteingänge messen jeder 9,40 m in der 
Höhe und 1,89 m in der Breite; die Nebenportale sind 11,60 m hoch bis zur 
Bekrönung und 5,60 m breit. 

Weitere Einzelheiten: 

1. Am Oktogon: Auf den durch die Achteckslösung frei gewordenen 
vier Ecken der Thürme erheben sich vom dritten Hauptgesimse ab die 



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- 73 - 



vom Oktogonbau völlig abgelösten Eckflalen, die bei kleinern Kirchen aas 
einzelnen Fialenschäften bestehend, am Kölner Dom zu Thürmen von 33 m 
Höhe (ca. 105 Fuss) und 6 m Durchmesser heranwachsen und in deren Ge- 
schossen mit überreicher Ornamentik und Figurenschmuck versehen bis zu 
den Anfängen des durchbrochenen steinernen Thurmhelms emporragen. 
Wie überreich die Ornamentik in dieser Höhe ist, ergibt sich daraus, dass 
1510 Fialen, Kreuzblumen, Riesen und Kapitäle als allseitig freistehende 
Ornamente den Kern der Achteckthürme umgeben. 

2. An den Thurmhelme n : Die durch Horizontal-Ueberkragung ein- 
zelner Werksteinschichten von ca. 1,4 qm Fläche konstruirten Qratprofile 
beider Thnrmhelme messen zusammen ca. 800 laufende Meter, und beträgt 
die Zahl der grossen Kantenblätter 448 Stück, von denen jedes bei einer 
Ausladung von 0,80 Meter einschliesslich des Materialwertes 238 Mark 
kostet. Für die Beschaffung der Kantenblätter auf den Gräten beider 
Thürme wurden 106,624 Mark verausgabt. — Die Quadratfläche des durch- 
brochen gearbeiteten profilirten Masswerkes der Rosetten zwischen den 
Graten misst bei einer Proflldicke von 0,63 m im Ganzen ca. 1800 Quadrat- 
Meter. Die Masswerke zu den Rosetten beider Thürme zusammengelegt, 
bedecken eine Fläche, welche einem Drittel der Fussbodenbeplattnng im 
Innern der Domkirche gleichkommt. 

3. Die Kreuzblumen sind je 8 m hoch; jede ist aus 24 einzelnen 
Steinen zusammengefügt, zu ihrer Konstruktion sind je 37 Kubik-Meter 
Steine zur Verwendung gekommen Um das grosse Blatt der Kreuzblume, 
das in der Diagonale 4,58 m misst und dessen Schichtdicke 1,40 m beträgt, 
aus einem Steine herzustellen, hätte es eines Steinblockes von ca. 15 Kubik- 
Meter Inhalt oder 680 Centner Gewicht bedurft, der nach der Bearbeitung 
noch 850 Centner gewogen haben würde. Die Überfläche des grossen 
Kronenblattes musste daher vertikal in 4 Theile getheilt werden und die 
Schichthöhe von 1,40 m aus 2 Horizontal- 
schichten von 1 m rpsp. 0,40 m Dicke zusammen 
gesetzt werden, so dass das grosse Kronen- 
blatt der Kölner Domthürme anstatt aus einem 
Steine, wie bei den kleineren Kreuzblumen 
der Thürme zu Strassburg, Freiburg, Wien, 
Antwerpen und Regensburg, wegen der ko- 
lossalen Abmessungen aus 6 Steinen hat zu- 
sammengefügt werden müssen. Da jeder der 
4 Steine der grossen Kronenblätter bei 2,20 m 
diagonaler Länge nur auf 0,56 m eine Unter- 
stützung auf dem im Achteck konstruirten 
Stamm der Krone fand, mithin auf dreiviertel 
seiner LSnge frei in die Luft hinausragt, so 
konnte ein hinreichend sicheres Auflegen nur 

durch starke konsolartige Auskragung des » j » — i t — i — [ntur. 

unteren 0,40 m dicken Schichtsteines der Kreuzblume der 
Krone gefunden werden. Mindere Schwierig- Thürme vor Lichtung 
keit hat die Zusammenfügung des oberen des Blattornnments. 
Kronenblattes, welches 3,30 m Diagonale. bei Siehe Seite 51. 




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0,80 m Schichtdicke hat, und zu dessen Konstraktion 2 Quadersteine zu- 
sammengefügt sind. 

Um den grossen Kreuzblumen die ausreichende Stabilität zu sichern, 
ist aber den 4 Steinen der unteren Blattkrone ein Hängewerk aus starken 
Kupferstangen konstiuirt, dann hangt eine 10 Centimeter dicke und 21 m 
lange Helmstange als freies Pendel, mit einem starken Gewichte beschwert, 
im Hittelpunkt des Kronstammes herab. Die zu einem Kronenblaite zu- 
sammengefügten 4 bzw. 2 Steine werden ausserdem durch starke Kupfer 
ringe zusammengehalten. Sämmtliche metallische Hülfskonstruktionen sind 
auf das sorgfältigste mit den Blitzableitern verbunden. 

Da die Stabilität der Steinkonstruktion der Kreuzblumen wesentlich 
von der Wirkung der Kupferanker und Hängewerke und deren für alle 
Zeiten gesicherte Verbindung mit den Blitzableitern abhängig ist, so musste 
eine regelmässige Besteigung der Kreuzblumen bis zur Auffangstange hin- 
auf ermöglicht werden, um sowohl dio Beschaffenheit der Piatinaspitze des 
Blitzableiters, wie auch die sorgfältige Verbindung der metallischen Hülfs- 
konstruktionen mit dem Kupferseil der Leitung nach jedem Blitzschläge, 
der die Domthürme trifft, kontrolliren zu können. Zu diesem Behufe ist 
17 m unter der Spitze der Kreuzblume eine Aussteige Öffnung angebracht, und 
führt aussen am Helme eine dünne kupferne Leiter bis zum Knopfe, welche 
die Auffangstange trägt. Die Leitung selbst ist mittelst eines starken Kupfer- 
kabels unmittelbar in die Senkbrunnen am Fusse der Thürme geführt. 

- 

Das Westportal, 

Was die plastische Ausschmückung des We*t- oder 
Hauptportals 1 ) betrifft, so kommt in der äussersten Reihe 
der Hohlkehlen die geistige und materielle Schöpfung in den 
Figuren der verschiedenen Engelchöre, so wie von Sonne, 
Mond und Erde zur Darstellung; in der zweiten Reihe befinden 
sich die kleineren Propheten und zwei Sybillen, als Hin- 
weisung auf die Erhaltung der Kunde von dem künftigen 
Erlöser im Juden- und Heidenthume, die dritte und vierte 
Reihe enthalten, von Jesse beginnend, Stammväter des Er- 
lösers dem Fleische nach. 

Die Reliefs dieses Portals zeigen die Hauptmomente aus 
der Geschichte der Erlösung in der vorchristlichen Zeit und 
die Jugendgeschichte des Erlösers, so wie sein öffentliches 
Auftreten bis zu seinem Leiden, Die Standbilder stellen die 
Stammeltern unseres Geschlechts und solche alttestamentlicbe 
Personen dar, welche in hervorragender Weise Vorbilder 

') Die plastische Ausschmückung des Innern und Aenssern erfolgte 
nach einem vom Domkapitel aufgestellten Plane. Der plastische Bilder- 
schmuck des Westportals überhaupt des Thurmsysteins und des Nordportals 
(mit Ausnahme der von Bildhauer Meinen angefertigten Statue des h. Ers- 
engels Miachael) wurde ausschliesslich im Atelier des Bildhaue) s Peter 
Fuchs in Köln ausgeführt Ausser vielem Zierwerk bat Fuchs nicht weniger 
als 700 Standbilder geliefert. 



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— 75 



Christi waren, oder in besonderer Beziehung zu seiner Mensch- 
werdung standen; an dem Mittelpfeiler steht das Bild der 
jungfräulichen Mutter mit dem göttlichen Kinde auf den 
Armen, in dem Giebel über dem Portale zwischen den vier 
grossen Propheten Jesus Christus, der Schöpfer, Erlöser und 
Richter der Welt mit dem Buche des Lebens. An den vor- 
springenden Zwischenpfeilern haben die Statuen Konstantias 
Karl's des Grossen, Kaiser Heinrieh's IL und König Stephan's 
von Ungarn ihre Stelle; in ihnen ist die Vertheidigung dar- 
gestellt, welche den moralischen Gütern gegen materielle 
Gewalt durch Äusseren Schutz zu Theil wird. 

Was die Nebenpforten betrifft, so ist die südliche dem 
h. Petrus, die nördliche den hh drei Königen geweiht. In 
der Peterspforte sind die Reliefs aus dem Leben des Apostel- 
fürsten und die Hohlkehlen bereits aus alter Zeit vorhanden, 
eben so 5 Standbilder der Apostel, welche in jüngster Zeit 
durch Hinzufügung der fehlenden ergänzt sind. An der nörd- 
lichen, der Dreikönigenpforte, zeigen die Flächenbilder die 
Geschichte der hb. drei Könige, die Standbilder ihre Statuen 
und die ihrer Vorbilder in der vorchristlichen Zeit, die 34 
Figuren in den Hohlkehlen Heilige, welche gleich ihnen die 
Erstlinge des Christenthuras in den verschiedenen Ländern 
der alten und neuen Welt gewesen oder dasselbe dort beson- 
ders verbreitet haben. 

Figuren-Schmuck des Westportals. 

A. Mittelthür. 

1. Im Giebelfelde: 

a) Christus als Weltenrichter mit dem Bache des Lebens. 

b) Die vier grossen Propheten. 

2. Halberhabene" Flachenbild er: 

a) Der Sündenfall mit der k Verheissung des Erlösers. 

b) Die Sündfluth mit der7Arche. — Die Gesetzgebung auf Sinai. — 
Das goldene Kalb. 

c) Die Verkündigung. — Die Geburt Christi. — Die Darbringung im 
Tempel. 

d) Christus unter den Lehrern im Tempel. — Die Taufe im Jordan. — 
DieiBergpredigt. 

3. Hohlkehlen: 

a) Innerste Reihe 10 Bilder, Stammväter aus der Zeit nach der Ba- 
bylonischen Gefangenschaft : 

l^Salathiel; 2.*Zorobabel; 3. Abiud; 4. Eliakim; 5. Azor; 6. Sa- 
dok; 7. Achim; 8. Eliud; 9. Eleazar; 10. Matlian. Der erste ist 
als König dargestellt. 



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— 76 - 

b. Zweite Beide 12 Bilder, Stammväter: 

1. Jesse; 2. Boboam; 3. Josaphat; 4. Joram; 5. Ozias; 6. Joathao; 
7. Achatz; 8. Ezechias; 9. Manasses; 10. Amon; 11. Josias; 12. 
Jechonias. Hit Ausnahme des ersten sämmtlich als Könige dar- 
gestellt 

c Dritte Beihe 14 Bilder: 

1. Oaeas; 2. Joel; 3. Arnos ; 4. Abdias; ft. Jonas: 6. Michaeas; 
7. Kahura; 8. Habaknk; 9. Sophonias; 10. Acgaeus; 11. Zacha- 
rias; 12. Malachias; 13. und 14. zwei Sibyllen. 

d) Aeusserste Beihe 14 Bilder: 

1. Seraph; 2. Cherub; 3. Thronus. 4. Dominatio; 5. Virtaa; 6. 
Potestaa; 7. Principatus; 8., 9., 10. die Erzengel Michael, Gabriel. 
Raphael; 11. Angelus; 12. Sonne; 13. Mond; 14. Erde. 
4. Standbilder: 

a) Am Mittelpfeiler: Maria mit dem Jesuskinde. 

b) Zu beiden Seiten des Eingangs: 

Johann Baptist. Joseph. 

Joachim. Anna. 

Elias. Eilsens. 

David. Salomon. 

Mo »es. Samuel. 

Noe. Abraham. 

Adam. Eva. 

c) An den vorspringenden Zwischenpfeilern: 

Ronstantin. Karl der Grosse. 

Kaiser Heinrich II. König Stephan von Ungarn. 

B. Nördliche Neben thttr im Westen (Dreikönigenpforte). 

1. Halberhabene Flächenbilder: 

Die drei Könige sehen den Stern im Morgenlande. Dieselben vor 
Herodes. Die Anbetung zu Bethlehem. 

2. Hohlkehlen: 

a) Innerste Reihe 6 Bilder: 

1. König Abgar; 2. Gregorius Illuminator (Armenier); 3. Ma 
rutha, Bischof; 4. Simeon, Erzbischof von Seleukia und Cteai- 
phon (Persien); 5. Frumentius, Bischof; 6. Elersbaan, König 
(Aethiopien und Abessinien). 

b) Zweite Reihe 8 Bilder: 

1. Paulus, Einsiedler i Aegypten) ; 2. Cyprian, Bischof (Westafrika): 
3. und 4. Balaam und Josaphat (Indien); 5. Hauptmann Cornelius 
(Palästina); 6. Ignatius, Bischof von Antiochien (Syrien); 7.Fran- 
ciscus Xaverius (Ostindien); 8. Ludovicus Ibarki, Chorknabe, 
Tertiarier, einer der japanesischen Märtyrer, 
c^ Dritte Reihe 10 Bilder: 

1. Dionysias Areopagita, Bischof (Griechenland); 2. Titus, Bischof 
(Kreta); 3. Phontinus, Bischof; 4. Balbina, Martyrin; 6. Lazarus, 
Bischof; 6. Martha, Jungfrau-, 7. Remigius, Bischof; 8. Klotildis, 
Königin (Gallien); 9. Ildephonsus, Erzbischof; 10. Herminigildus, 
Märtyrer (Spanien). 



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- 77 



d) Aeusserßte Reihe 10 Bilder: 

1. Augustinus, Erzbischof; 2. Lucius, König (England); 8. Ko- 
lumban, Abt (Sehottland); 4. Patrieius, Erzbischof (Irland); 5. 
und 6. Methodius und Cyrillus, Bischöfe (Böhmen und Mähren); 
7. Olav, König (Norwegen;; 8. Erich, König (Schweden); 9. Petrus 
Glaver, S. J.; lo. Rosa von Lima (Amerika). 

3. Standbilder: 

Kaspar. Melchior. 

Balthasar. Josias. 

Ezechias. David. 

Königin von Saba. Wittwe von Sarepta. 

Job. Melchisedech. 

Japhet. Enos. 

Abel. Seth. 



C. Südliche Nebenpforte im Westen (Petruspforte). 

1. Halberhabene Flächenbilder: 

Der Sturz des Simon Magus auf das Gebet des h. Petrus, Petrus 
und Paulus vor dem Richter, das Martyrium des h. Paulus und 
des h. Petrus. Unter diesen Bildern befinden sich 6 sitzende männ- 
liche Gestalten im Prophetencharakter. 

2. Hohlkehlen : 

a) Innerste Reihe 6 Bilder: 

Jubelchor von Engeln. 

b) Zweite Reihe 8 Bilder: 

Verschiedene Heilige, darunter Barbara, Katharina. 

c) Dritte Reihe 10 Bilder: 

Die vier Evangelisten und die vier Kirchenlehrer. 

d) Aeusserste Reihe 10 Bilder: 

Mehrere Heilige, darunter Zacharias und Simon. 



3. Standbilder : 

Die zwölf Apostel mit Mathias 
Petrus. 
Andreas. 
Thaddaeus. 
Thomas. 
Jacobus major. 
Matthaeus. 
Simon. 



und Barnabas in folgender Ordnung: 
Paulus. 
Johannes. 
Philippus. 
Bartholomaeus. 
Jacobus minor. 
Matthias. 
Barnabas. 



Die Flächenbilder, die Figuren der Hohlkehlen, sowie die Apostel- 
statuen Petrus, Andreas, Thaddeus, Paulus, Johannes stammen aus dem 
15. Jahrhundert und werden dem achten Dombaumeister Konrad Kuyn 
zugeschrieben. — Die übrigen Standbilder der Apostel sind vom Bildhauer 
Professor Fuchs angefertigt und im Jahr 1884 aufgestellt. 



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— 78 - 




Figuren- Schmuck der Domthilrme. 

1. In den Laubon des ersten Stockwerkes: Patrone uud Repräsentanten 
der Haupt kirchen Kölns und der Erzdiözese. 

a) Im nördlichen Thurm 2t Heilige: 

1. Columba; 2. Martinas; 3. Lupus; 4. Georgius ; 3. Brigida ; 6. 
Mauritius; 7. Clemens; s. Christopherus ; 9. Pantaleon; 10. Niko 
laus; 11. Katharina; 12. Cordula; 13. Antonius, Einsiedler; 14. 
Barbara; 15. Franciscus Seraph.; 16. Agnes; 17. Longinus; 1*. 
Cacilia; 19. Maria Magdalena; 20. Aper; 21. Clara. 

b) Im südlichen Thurm 22 Heilige: 

1. Gertrudis; 2. Marcellus; 'A. Remigius; 4. Margaretha; 5. Cor 
nelius; 6. Dionysius; 7. Anna; 8. Benignus; 9. Apollinaris; 10. 
Vitus; 11. Chrysanthus; 12. Daria; 13. Quirinus; 14. Potentinin; 
15. Maximinus; 16. Sebnstianus-, 17. Fides; 18. Spes; 19. Charitas; 
20. Pancratius; 21. Lambertus; 22. Hubertus. 

2. In den Blenden des dritten Stockwerkes die Hauptpatrone der Stadt 
uud Erzdiözese Köln und Deutschlands: 

a) Am nördlichen Thurm 6 Figuren : 

1. Maria Immaculata, erste Patronin der Erzdiözese; 2. der h. 
Joseph, zweiter Patron; 3. der h. Michael, Patron Deutschlands; 
4., 5., 6. die hh. drei Könige. 

b) Am südlichen Thurm 5 Heilige: 

1. Der h. Petrus; 2. die h. Ursula; 3. der h. Gereon; 4. der h. 
Severin; 5. der h. Suitbertus. 

3. In den Laiiben des vierten Stockwerks des nördlichen und südlichen 
Thurmes je 16 Figuren: Engel mit Musikinstrumenten und den Weik- 
zeugen der Passion. 

Die Portalthüren: Siehe Seite 94—97. 



II. Die Südseite. 

Wir verlassen die Westfac,ade und wenden uns zu der 
sttdlichen Langseite. Die Langseiten schliessen sich an 
die Ostpfeiler der Thürme und sind von fünf Fenstern 
unterbrochen, von denen die in den Seitenschiffen unmittel- 
bar an die Thntme und das Querschiff anstossenden nur 
die halbe Breite der übrigen haben. An das Langschiff 
schliesst sich auf beiden Seiten das Querschiff (ost- und 
westwärts mit je einem Voll- und einem Halbfenster), wel- 
ches bis zu den äussersten Vorsprüngen der Strebepfeiler 
86,23 m misst, an und ladet auf der Süd- wie Nordseite in 
prächtige Portale mit mächtigen Portalfenstern aus. Als 
Fortsetzung des LangschifTes über diese ausladenden Quer- 
schiffe hinaus erscheint das Chor mit seinem Kapellenkranze. 
Bis zum eigentlichen Cliorabschluss 2 Voll- und 2 Halb-Fenster 
zählend, hat das Chor mit seinen Kapellen deren 19 von 
der halben Breite der Vollfenster des Langschiffs. 

Das Hochschiff der Langseite zählt von den Eckpfeilern 
der Thürme bis zum Kapellenkranze, die Fenster des Quer- 
hochschiffs ausgeschlossen, 11 Fenster mit viertheiligem 
Masswerk. Das Querhoch schiff auf jeder Seite hat 4 Fenster 
und südlich wie nördlich je das grosse Portalfenster, Der 
Kapellenkranz hat 5 Fenster in halber Breite mit zwei- 
theiligem Maaswerk. 

Die mehr oder minder reiche decorative Ausschmückung 
und Durchführung der einzelnen Theile erklärt sich aus 
den verschiedenen Bauzeiten. Während das Strebesystem 
des Chorabschlusses noch etwas Unentwickeltes hat, ist es 
an den Langseiten zur vollen Klarheit und Freiheit heran- 
gereift und entspricht der ausgebildeten Gothik des 15. 
Jahrhunderts. 

Die Fenster der Langseiten sind viertheilig. Schlanke 
mit verschieden gestaltetem Masswerk gezierte Wimperge 
erheben sich über denselben und beleben mit den sie flan- 
kirenden Fialen die Dachgallerien. Die Fenster des Lang- 
hauses und der Querschiffe zeigen oben reiche Fensterrosen 



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— 80 - 



unter kräftigen Bogengesimsen. Die Front- und Bogen- 
anfänge zeigen folgende historische und symbolische Darstel- 
lungen : 




l Ii m1 drr Längen fahnde. 



An der Südseite dem Thnrtne zunächst: Ein 
verwundeter Kreuzfahrer, ein sarazeni- 
scher Bogenschütze, Peter von Amiens 
ein Tempelritter im Kampf mit einem 
Sarazenen, Gottfried von Bouillon, ein 
Chronist. Unter den Fensterbogen: Krie- 
ger, Knappen, Jongleure, Kurtisanen, 
andere Begleiter der Kreuzfahrer. 

Ah der Westseite des südl. Querschiffes: 
Die Schildhalter der an den Kreuzzügen 
besonders betheiligten Staaten: Deutsch 
land, Frankreich, England. Unter den 
Fensterbogen: Tross des Kreuzheeres. 

An der Nordseite: AU8 der kölnischen 
Geschichte: die kölnisehe Jungfrau, der 
kölnische Bauer, der Chro.-ist Meister 
Gottfried Hagen, der Bürgermeister Weise, 
Gerhard Overstolz, Hermann Gryn im 
Kampf mit dem Löwen. Unter dem Fen- 
sterbogen: einen Baumeister, einen Bild- 
hauer, einen Maler, einen Steinmetzen, 
einen Zimmermann, einen Maurer u. s. w. 

An der Westseite des nördl. Quer schiff es: 
Die Wappen der drei neuen Donatoren: 
des Königs von Preussen, des Königs von 
Bayern, des Domkapitels. Unter den Fen- 
sterbogen : musizirende Engel. Die Naben 
der Wimperge zeigen symbolische Dar- 
stellungen aus der Thierwelt und zwar 
die glaubensfreundlichen: Hund (Treue 
und Wachsamkeit), Schaf (Frömmigkeit). 
Stier (Ausdauer;, Esel iGeduld), Hirsch 
(Verlangen), Kameel (Ergebenheit) auf 
der südlichen Langseite, die glauben*, 
feindlichen Pferd (Stolz), Bär (Gefrässig- 
keit), Wolf (Feindschaft), Schwein (ün- 
leinheit), Fuchs (Schlauheit) auf der nörd- 
lichen Langseite. 

Die Querschiffe werden durch das Süd- 
und Nordportal zum Abschluss gebracht, 
üeber den Fenstern der Ost- und Westseite 
derselben sind folgende Gestalten symbo- 
lisch angebracht: der Pelikan (Aufopfe- 
rung), der Engel mit dem Kreuze (Glsube), 
der Hahn (Wächter), Henne (Mutter der 
Kirche), der Rabe (Barmherzigkeit). 



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- 81 - 



Die symbolischen Thierfiguren wurden nach Angaben des Professors 
Kreuser von Jos. Hartzheim modellirt, die Wasserspeier, Front- und Bogen- 
anfänge von Professor Mohr erfunden und ausgeführt. Als besonders ver- 
dient um die Ausführung des bildnerischen Schmuckes sind die Steinmetzen 
Stang, Christen, Keller und Staubrandt namhaft zu machen. 

Während der nördliche Portalgiebel bei gleichen Ver- 
hältnissen wie der südliche, aber in einfacher Gliederung, 
ohne besondere ornamentale Ausschmückung sich entwickelt, 
prangt der südliche in der reichsten Ornamentik, die der 
reichen Durchführung des südlichen Langhauses entspricht. 
Die Eingangsthore, wie die des westlichen Haupt -Portals, 
von welchen König Friedrich Wilhelm IV. bei Ge- 
legenheit der Grundsteinlegung mit Begeisterung verkün - 
dste: ,Hier werden sich die schönsten Thore der Welt er- 
heben!' sind gewiss nicht übertroffen, weder in architek- 
tonischer noch plastisch-dekorativer Beziehung, da jede sich 
darbietende Fläche und Hohlkehle in den Portallaibungen mit 
einem Standbilde unter zierlichen Baldachinen geschmückt ist. 

Die Portal^iebel haben bei einer Breite von 40,81 m eine Höhe von 
69.5 m. Die Pläne zu beiden wurden, da keine alten Aufrisse existirten, 
unter gründlicher Berücksichtigung des Gesammtbaues vom Domarchitekten 
Fr. Schmidt und Dombanmeister Zwirner entworfen und mit tiefem 
Verständniss der Oothik, der südliche mit den Umfassungsmauern des Lang- 
und Quer8chiffes aus Staatsmitteln mit einem Kostenaufwand von 2,100,000 M„ 
der nördliche von 1,800,000 M. ans den Beiträgen der Dumbauvereine in den 
Jahren 1842 bis 1859, ausgeführt. Abweichend vom Nordportal, welches auf 
den alten Fandamenten erbaut ist, springen die Strebepfeiler des Südporais 
um 1 m weiter vor. 1 ) 

In gleicher Höhe der Seitenschiffe erhebt sich über dem Triforium 
das grosse 16,32 m hohe und 7,85 m breite Fenster, bekrönt mit einem 
kolossalen Wimperge, hinter dem dann die Giebelwand des Querschiffe-» 
in reicher Gliederung aufragt, die ihren Abschluss in einer C,27 m in der 
Höhe und 1,88 m im Durchmesser messenden Kreuzblume findet, deren 
Schlussstein am 3. Oktober 1855 vom König Friedrich Wilhelm IV 
bei Gelegenheit der Grundsteinlegung zur festen Rheinbrücke und zum 
neuen Museum eigenhändig eingesetzt wurde. Die zwei grossen Portal- 
fenster unterscheiden sich dadurch, dass das Masswerk des Sndportal- 
fensters in ein aus dem Vierpass konstruirtes Kreuz endigt, während das 
des Nordportales in einer grossen Rosette zum Abschluss kommt. 

Das Südportal. . _ 

Am Südportal ist in den Flächenbildern der Hauptpforten 
das Leiden des Erlösers von dem Einzüge in Jerusalem an 
dargestellt und durch die Auferstehung zum bedeutungs 

') Siehe auch S. 35. 

G 



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1 



— 82 — 

vollen Abschluss gebracht; auch die Figuren der Hohlkehlen 
und die Martyrer-Statuen neben dieser Pforte deuten auf 
die Passion. Herrschende Idee ist also hier die Vollbring- 
ung der Erlösung, der Kampf und Sieg über die Sünde. 
Diese grosse göttliche That ist der Mittelpunkt der ganzen 
Weltgeschichte und findet darum auch ganz angemessen ihre 
Darstellung an der Mittagseite des Domes. Alles, was vor 
ihr liegt, bereitete sie vor, alle Geschichte nach ihr ist die 
Geschichte der Zuwendung dieser Erlösung an die Mensch- 
heit. So ergiebt sich naturgemäss für das Hauptportal der 
Westseite die Darstellung der Vorbereitung der Erlösung 
bis zum Leiden, für das der Nordseite die der Verwirk- 
lichung der Erlösung in der neugestalteten Menschheit durch 
Christus und seine Kirche. Die Nebenpforten sind den Stadt- 
patronen St. Ursula und St. Gereon gewidmet. 

MgurenscJwnuck des Südportals. 

A. Mittelthür. 

1. Im Giebelfelde: 

a) Christas, der Heiland der Welt. 

b) Die vier Evangelisten. 

2. Halberhabene Flachenbilder : 

a) Einzug Jesu in Jerusalem. - Das h. Abendmahl. 1 ) — Christas am 
Oelberg. 

b) Geisselung. — Krönung. — Ecce homo. — Krenztragang. — Vero. 
nica überreicht Jesu das Sehweisstach. 

c) Aufrichtung des Kreuzes. — Christas am Kreuz. — Grablegung. 

d) Christi Aurerstehung. 

3. Hohlkehlen: 

a) Innerste Reihe: 12 Passionsengel. 

b) Zweite Reihe: 14 Verkündigungs-Engel. 

c) Dritte Reihe: 16 lobpreisende und anbetende Engel. 

d) Aeusserste Reibe: 16 apokalyptische und Skriptur-Engel, darunter . 
die 4 Engel des Gerichts mit Posaunen nach den 4 Weltriohtungen J 

4. Standbilder: 

a> Am Mittelpfeiler: Der h. Petrus. 

b) Zu beiden Seiten des Einganges: | 
Laurentius. Stephanus. 
Margaretha. Agnes. 



l ) An diese Darstellung des h. Abendmahls knüpft sich folgender 
sonderbarer Vorfall : Schwanthaler hatte in seiner Zeichnung unglaublicher 
Weise 13 Apostel aufgeführt, die von Möhr auch wirklich ausgeroeisselt 
wurden. Erst nach Aufstellung des Bildwerkes an Ort and Stelle und nach 
photugraphischer Aufnahme wurde dieser gedankenlose Irrthum bemerkt 
und ein Apostel nachträglich entfernt. Eine nnschöne Lücke neben der 
Figur Christi links vom Beschauer las st die Stelle erkennen. 



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- 83 - 



Bonifatius. 
Kosmas. 
Katharina. 
Clemens. 



Apollinaris. 
Pantaleon. 
Barbara. 
Cornelius. 



c) An den vorspringenden Zwischenpfeilern: 

Georg, Oereon, Mauritius, Quirinua. 



B. Westliche NebenthOr (ürsulapforte). 



1 Halberhabene Flächenbilder: 

Scenen aus dem Martyrium der h. Ursula. 

2. Hohlkehlen: 

a) Innerste Reibe: 6 Bilder 

b) Zweite Reihe: 8 Bilder 

c) Dritte Reihe: 8 Bilder 

d) Aeusserste Reihe: 8 Bilder 

3. Standbilder: 

Felix. 
Caecilia. 
Engelbertua. 
Ursula. 
Sebastian. 



30 Heilige und Frauen aus der Ursula 
Legende. 



Nabor. 
Columba. 
Lambertus. 
Cordula. 
Fabian. 



C. Oestliche Nebenthttr (Gereonpforte). 

1. Halberhabene Flächenbilder : 

Scenen aus dem Martyrium des b. Oereon und seiner Gefährten. 

2. Hohlkehlen: 

a) Innerste Reihe: 6 Bilder 

b) Zweite Reihe: 8 Bilder 

c) Dritte Reihe: 8 Bilder 

d) Aeusserste Reihe: 8 Bilder 

3 Standbilder: 

Evergislus. 
Oregor von Spoleto. 
Victor. 
Agatha. 

Johannes v. Nep. 



30 Heilige, Genossen der thebaischen 
Legion und die 14 Nothhelfer. 



Alban. 

Agilolphus. 

Eliphius. 

Cassius. 

Blasius. 



Die von Ludw. Schwanthaler gezeichneten und von Professor 
C. Mohr ausgeführten Bilder des Südportals passen sich dem Charakter 
des Baues in schön stilisirter Durchbildung an, entwickeln in der durch 
die Oertlichkeit sehr erschwerten Komposition und Darstellung der Engel 
und Heiligen innerhalb der gekrümmten Hohlkehlen einen bewunderns- 
wertben Ideenreichthum und bringen namentlich in dem Wechsel der Formen 
eine lebendige Oesammtwirkung hervor. 



6* 



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— 84 - 

Die Gedenk-InSChrift unterhalb der Bildwerke des Mittelein 
ganges, welche im Jahr 1889 in gothischen Lettern ausgeführt wurde, lautet: 

„Metropolitana haec Eccl. amplissiraum huius urbis raonumcntum totius 
Germaniae insigne decus a. MCCXLVI1I a Conr. de Hostaden üepo aedificari 
coepta est. Chorum consecravit a. MCCCXXII Henricus de Virneburg aepus. 
Operis per insequentia duo Saec. continuati progressum inde aSaec. XVI tera- 
poium injuria impedivit atq. interrupit. Tandem a. MDCCCXLII Frid. Guilel- 
mus IV rex noster augustiss. idemq. operis protector liberaliss. aedis perflcien- 
dae primum lapidem cumq. ab Joh. de Geissei Clementis Augusti aepi coadiu- 
tore sacratum in huius portae fundamenfo posuit. Societate huic mono- 
raento peragendo constituta ac stipe undique collata templura ipsum a. 
MDCCCXLVIII ab eod. Joh. äepo consecratum est. Geminarum vero turrium 
exaedificatio Paulo M elchers aepo recepta. Consummatarum sollemnitas con- 
celebrata est praesente augustiss. Imp. nostro et rege Guilelmo I. operis 
Protect rauniflcentiss. a. MDCCCLXXX d. XV Oct. Leonis P. P. XIII a IIT. U 

In deutscher Uebersetzung: 

„Diese Metropolitankirclie, das glossartigste Bau -Denkmal dieser 
Stadt und eine besondere Zierde von ganz Deutschland, wurde im 
Jahre 1248 von dem Erzbischof Konrad von Hostaden zu bauen begonnen 
Das Chor weihte im Jahre 1322 der Erzbischof Heinrich von Virneburg ein. 
Den Fortgang des durch die zwei folgenden Jahrhunderten fortgesetzten 
Werkes hinderte und unterbrach seit dem 16. Jahrhundert die Ungunst der 
Zeiten. Eudlioh legte im Jahre 1842 unser erhabener König Friedrich 
Wilhelm IV., des Werkes freigebigster Schutzherr, den ersten Stein zur 
Vollendung des Gebäudes in das Fundament dieser Thüre, nachdem den- 
selben Johannes von üeissel, der Coadjutor des Erzbischofs Clemens August, 
geweiht hatte. Nach Begründung des Dombau-Vereins kam Unterstützung 
überall her, und der Dom selbst wurde im Jahre 1848 von dem Erzbischof 
Johannes consecrirt. Der Ausbau der beiden Thüime begann zur Zeit des 
Erzbischofs Paulus Melchers. Die Feier ihrer Vollendung wurde begangen 
in Gegenwart unseres erhabenen Kaisers und Königs Wilhelm L, des frei- 
gebigsten Schutzherrn des Werkes, im Jahre 1880, den 15. October, im 
dritten Jahre des Pontiflcates Leo XI1L - 

Die Portaltbiiren : Siehe Seite 94—97. 




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III. Das Chor. 



Nach Besichtigung der Südseite und des herrlichen Por- 
talgiebels wenden wir uns am besten zur Rampe der festen 
Rheinbrücke. Von hier aus haben wir einen grossartigen An- 
blick des Ältesten Theiles des Domes - • des Chores mit 
seinem Kapellenkranze — der bereits im Jahr 1322 fertig 
gestellt und eingeweiht wurde. 

,Trotzig wachsen die unteren Theile aus der Tiefe der 
Fundamente hervor. Bis zu den Dächern der Chorkapellen und 
der Seitenschiffe ist Alles streng, einfach gegliedert. Doch zum 
schmucklosen Unterbau bildet gleich die erste Gallerie vor den 
Walmdächern der Kapellen einen entschiedenen Gegensatz ; 
so reich lehnt sie sich auf die Blätterkrone des Gesimses, das 
wie ein Kranz sich hinzieht um alle Kapellen, ihre Strebe- 
pfeiler und die Umgänge des Chores. Im Gegensatz zu den 
vertikal aufsteigenden Pfeilern betont dass Masswerk dieser 
ersten Gallerie durch ihre fest ineinander geschobenen Vier- 
pässe entschieden die Horizontale. Aber diese Horizontallinie 
ist ihrerseits wieder gemildert durch die grossen Strebepfeiler, 
welche weiter hinaufsteigen und durch zwölf kleine Fialen, in 
welche die kleineren Strebepfeiler der Chorkapellen auslaufen. 
In diesen zwölf Lauben, deren vordere Hälfte frei ausgearbeitet 
auf zwei schlanken Säulen steht, befinden sich zwölf Engel mit 
musikalischen Instrumenten, die im Jahre 1836 nach Schinkel- 
schen Zeichnungen aus Heilbronner Sandstein von dem Bild- 
hauer Wilh. Joseph ausgeführt wurden. 

Hinter diesen Engeln und hinter der Gallerie, die am 
Fusse ihrer Thfirmchen die sieben Chorkapellen und die Joche 
des zweiten Umgangs krönt, erheben sich die Dächer dieser 
Kapellen und der doppelten Chorumgänge. Diese Dächer ver- 
decken einen Theil der Fenster des Trifolium, das aus dem 
Hintergrunde hervorsieht. Auf dem Triforium ruht die zweite 
äussere Gallerie, aus der die gewaltigen Fenster des Chores 
hervorwachsen. Sie sind der Stolz des Chorbaues. Ein reich 
durchbrochener Wimperg nud je zwei schlank aufsteigende 



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— 86 - ! 

Fialen haben ihre Bedeutung. Diese Fialen stützen ihrerseits 
die dritte äussere Gallerie, die im Gegensatz zu den beiden 
unteren entschieden die Vertikallinie betont und zum grossen 
Dache überleitet. Ihre Füllung besteht deshalb aus kleinen 
aufsteigenden Spitzbogen, hinter denen das gewaltige Dach 
emporsteigt als Abschluss des Hochbaues. 




Tabernakelartigrr Aufsatz Strebebogen, 
der Strebepfeiler. 

Vor den Fenstern drängt sich der Wald der wuchtigen 
Strebepfeiler, welche das ganze Gebäude halten und tragen. 
Wer die Steinmassen, welche an diesem Riesenwerk aufge- 
thürmt sind, beobachtet, wird staunen über die geistreiche < 
Konstruktion, die unter so leichten, gefälligen Formen die 



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- 87 - 



ungeheuren Kräfte in Druck und Gegendruck gegen einander 
stammt und ausgleicht/ 1 ) 

Und wie reich ist dieses Strebesystem ausgestattet. Ueber- 
au haben die Steinmetzen Blumen und Laubwerk der eigenen 
Heimath mit freigebiger Hand ausgestreuet. Zwischen den 
Gobilden der Pflanzen und Blumen drängen sich überall die 
Gestalten der Thierwelt hervor und phantastische Gestalten , 
die das Mittelalter sinnreich anbrachte, das niederfallende 
Wasser auszuspeien. Den Schluss bildet das Dach, welches 
im Mittelalter mit gemusterten Blei tafeln gedeckt war, zwischen 
denen eine Inschrift glänzte, welche in riesigen Buchstaben 
das Lob der hb. drei Könige verkündete. Der First des Daches 
ist jetzt mit einem vergoldeten Kamme gekröut. 

Alle Ornamente an den Oesimsen, Wimpergen und Kreuzblumen des 
A äussern, sowie die Kapitale des Innern ahmen heimisches Laub und iu 
der Nähe Kölns wachsende Pflanzen nach. Zu denen, welche am meisten 
wiederkehren, gehören: die Kilte (Arum maculatum), das Pfeilkraut (Sagit- 
taria), die herzblättrige Sumpfwurz (Kpipactis ovata), die Weide (Salix), 
die Eiche (Quercus robur), die Hainbücht (Carpinus betnlus), der Hopfen 
(Hnmulus lupulus), der Wegerich (PI an tag o lanceolata), die Winde (Convol 
vulas saepia), die Distel (Carduus), die Saudistel (Sonchus), der Kntwin 
(Bryonia dioeca), die Artisehoke (Cynara), das Kreuzkraut (Senecio vulgaris); 
die Mistel (Viscum album), der Epheu (Hedera), der Wein (Vitis vinifera), 
der Kürbis (Cucurbita pepo), der Masholder (Acer campestris), der Kohl 
(Brassica oleracea), das Löffelkraut (Cochlearia), die Gilbe (Chelidonium 
majus), die Queisse (Ranunculus ficaria et arvensis), die Pute (Paeonia offi- 
cinalis), der Aglei (Aquilegia vulgaris), der Klee (Trifolium], der Storch- 
schnabel (Geranium sanguineum), der Felris ( Mal va sylvestris), der Eibisch 
(Altbaea offlcinalis), die Linde (Tilia\ die Haarelle (Ribes grossularia), die 
Rose (Rosa), der Wermuth (Artemisia), der Nixknoten (Comarura palustre), 
der Ruggei (Anemone sylvestris), der Luck (Anemone nemorosa), die Hülse 
(Hex aquifolium), der Osterluzei (Aristolochia clematitis), die Kastanie 
i^Castanea vesca), die Spiere (Spiraea vulgaris), die Feige (Ficus).*) 

Die an den neun aufgeführten Partien des Domes zu Ornamenten 
nach der Natur entnommenen Motive, wurden von dem Modelleur J. Hartz- 
heim In vortrefflicher Weise stilisirt. 

Kaum ein Bau der Welt, der in so gesetzmässiger reich 
gegliederter Anordnung emporwächst, dürfte einen grössern 
und mächtigeren Eindruck hinterlassen. Und doch gibt der 
jetzige Zustand nur ein schwaches Bild seiner früheren Herr- 
lichkeit. Die Restanrationsarbeiten Ahlert's sind roh und 
plump ohne alles Verständniss ausgeführt. Auch der feinfüh- 
lende Zwirn er konnte sich nicht dazu verstehen, die feine Pro- 
bst. B eissei, der Dom von Köln, in Stimmen aus M. Laach. Bd. 
XIX, S. 140-143. 

*) W. v. Waldbrühl, der Führer im Dom, 1843, S. 21. 



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- 88 - 



fllirung der alten Streben nachzuahmen. Nnr ein Strebepfeiler 
in dem östlichen Winkel zwischen dem Chor nnd dem südlichen 
Querschiff wurde von ihm auf Andringen A. Reichensperger's 
den alten Mustern nachgebildet nnd gibt eine Ahnung der 
frühern Pracht, in welcher Petrarca den Chorbau im Jahre 1333 
sah. Er schrieb an den Kardinal Colonna: ,Zu Köln sah ich 
den überaus herrlichen Dom. Er ist zwar noch nicht voll- 
endet, aber die Einwohner haben Recht, wenn sie ihm den 
Beinamen „der Schönste" geben ' (Vidi templum urbe media 
pulcherrimum quamvis inexpletum, quod haud immerito snm- 
mum vocant.) 

Die seit 1886 dem Publik am freigegebene Terrasse bietet Gelegenheit, 
manche Partien des Chores und der Nordseite ans nächster Nähe zu über- 
schauen. Zwei in die Hauern eingelassene Gedenktafeln haben folgende 
Inschrift: 

Auf der östlichen Seite: Auf der nordöstlichen Seite: 

Zum Gedächt ni 88 des ersten Dom- Ach Gott erbarme 

baufestes nach dreijähriger Wirk- Laurenz Zerstörung 

samkeit des Vereins. Versetzte der Pfarr- 



Die im Jahr 1817 abgebrochene St. Laurenzkirche stand auf dem 
Laurenzplatz, welcher jetzt mit dem Moltke Denkmal geschmückt ist. 



28. Mai 1845. 



Leichen-Reste hierhin. 




Gicbelspltze mit Krabben und Kreuzblume. 



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IV. Die Nordseite. 

Das Chor umschreitend gelangen wir zum nördlichen 
Langschiffe, welches von der nördlichen Hälfte des Chores 
ab in viel einfacherer ornamentaler Gliederung, als der 
südliche Theil des Chores, des südlichen Langschiffes und 
Portals, aber in sonst gleichen Verhältnissen sich auf- 
thürmt. (Siehe Seite 79—81.) 

Zwischen dem Chor und dem nördlichen Querschiff auf der 
Terrasse befindet sich das Sakristeigebäude, welches zugleich 
den Kapitel- und Archivsaal einschliesst. Durch Abtrennung 
eines Gewölbejoches in der Breite und durch Anbau nach 
Osten ist aus der alten Sakristei im Jahr 1870 sozusagen 
ein Neubau entstanden, dessen plumpe Massen wenig zu der 
zierlichen Architektur des Chores stimmen. 

^ Das Nordportal. 

Was die bildliche Ausschmückung angeht, so ist in dem 
Hauptportal der Nordseite, wie schon (S. 82) gesagt, die 
Verwirklichung des Erlösungswerkes in der Menschheit durch 
Christus und seine Stiftung in der Kirche zur Darstellung ge- 
langt. Darum erscheinen in dem oberen Giebelfelder Christus 
als der Auferstandene mit der Siegesfahne zwischen den vier 
grossen Kirchenlehrern, in den Flächenbildern die Hanpt- 
momente der Gründung und ersten Ausbreitung der Kirche, 
in den Hohlkehlen 58 Schutzheilige der verschiedenen Stände, 
Künste und Gewerbe, als Ausdruck, wie diese unter dem 
Einfluss der Kirche vom christlichen Geiste durchdrungen 
wurden, an dem Mittelpfeiler der Beschützer der Kirche, der 
h. Erzengel Michael, zur Seite als Standbilder, hh. Päpste, 
Bischöfe, Priester und Ordensstifter als Vertreter der Per- 
sonen, welche um die Ausbreitung und Erhaltuug des Christen- 
thums in besonderer Weise thätig gewesen. 

Von den beiden Nebenpforten ist die westliche nach 
dem h. Maternus, dem ersten Bischöfe Kölns, die östliche 
nach dem h. Bonifatius, dem Apostel Deutschlands, benannt. 



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Die Maternuspforte zeigt in den Flächenbildern Begeben- 
heiten aus dem Leben des Heiligen, in den Standbildern 
seine und anderer heiligen Bischöfe Kölns Statuen, in den 
Hohlkehlen die Bilder von 30 Heiligen der Stadt und Diözese 
Köln. In der Bonifatiuspforte sind die Flächen bilder aus 
dem Leben dieses Heiligen entnommen, die Standbilder stellen 
ihn und heilige Bischöfe oder Patrone derjenigen Diözesen 
dar, welche Suffragan-Bisthümer von Köln sind oder früher 
waren. Die 30 Figuren der Hohlkehlen sind aus den deut- 
schen Heiligen so ausgewählt, dass sämmtliche Qauen unseres 
Vaterlandes darin ihre Vertretung finden. 

Figurenschmuck des Nordportals. 

A. Mittelthür. 

1. Im Giebelfelde: 

a) Christus mit der Siegesfahne. 

b) Die vier Kirchenlehrer Hieronymus, Ambrosius, Augustinus Gregor 
der Grosse. 

2. Halberhabene Flächenbilder: 

a) üebergabe des Hirtenamtes an Petrus. 

b) Sendung der Apostel. — Himmelfahrt Christi. 

c) Sendung des h. Geistes. — Bekehrung des u. Paulus. 

d) Apostel-Theilung. — Konzil zu Jerusalem. 

3. Hohlkehlen: *) 

a) Innerste Reihe 12 Bilder: 

1. Hubertus, Jäger. 

2. Jsidorus, Laudierte. 

3. Laurentius, Köche. 

4. Leonardas, Schmiede, Schlosser. 

5. Martha, Wirthe. 

6. Ouesimus, IHenstboten. 

7. Cassianus, Schullehrer. 



1 ) Für die Hohlkehlen des Mittelportals waren ursprünglich die 24 
Äeltesten der Apokalypse in Aussicht genommen, da aber in die Hohlkehlen 
58 Konsolen kamen, so war diese Idee nicht zu verwerthen; es wurden 
daher zur Füllung derselben ebenso viele Heilige aus allen Berufsständen 
gewählt. Noch im Domblatt Nr. 296 (Jahrg. 1873) wurde jenes frühere Projekt 
als endgültig mitgetheilt, widerrufen wurde es niemals. So ist denn in der 
bei Vollendung des Domes 1880 erschienenen Kestschrift von Dr. L. Banen 
S. 250 das Unglaubliche geleistet, dass lange nach Aufstellung des abge 
änderten Figurenschmuckes der früher beabsichtigte als wirklich ausgeführt 
aufgezählt wird. Verwunderlich ist, dass weder Bnnen. noch die nach seinem 
Tode mit der Redaktion des Prachtwerkes betrauten Personen dieses be- 
merkt haben, und längst nach Vollendung der Bildwerke einen Figuren- 
schmuck am Nordportal beschreiben, der niemals ausgeführt worden ist. 
Wie bereits erwähnt, sind die Figuren von Professor P. Fuchs gezeichnet 
und ausgeführt. 



8. Ur8Ula, Lehrerinnen 

9. Veronica, Leineweber, Leinwand- 
hündler. 

10. Vincentiue Ferrerius, ZiegeJbäcker, 
Dachdecker. 

11. Lucas, Maler, Bildhauer. 

12. Christopherus, Walker, Lastträger. 



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— 91 



b) Zweite Reihe 14 Bilder: 
Ludovicus, König von Frankreich, 

Buchbinder, Futteral tn acher. 
Goar, Gastwirthe, Tupfer. 
Werner von Oberwesel, Winter. 
Medardua, Fuhrleute. 
Dorothea, Gärtner. 
Wendelinns, Schäfer. 
NicolaUB, Schiffer, Fassbinder, Apo- 
theker. 

c) Dritte Reihe 16 Bilder: 
Eligius, Goldschmiede. 

Brigitta V. Schweden, Nadelmacher. 
Maria Magdalena, Haarkünstler, 



1. 

2. 
3. 
4. 
5. 
6. 
7. 



1. 
3. 



4. Elisabeth von Thüringen, Bäcker. 

5. Erasmus 

6. Eustachius, 

7. Crispinus, Schütter. 

8. Antonius der Einsiedler, Korbßech' 

ter, Büratetihinder, Schweinemetzger 

d) Aeusserste Reihe 16 Bilder: 

1. Albertos Magnus, Theologen. 

2. Raymundus de Pennaforte, Kano- 



IVO, Juristen. 
Pantaleon, Aernte. 
Kosmas, Chirurgen. 



3. 
i. 
5. 

6. Katharina, Philosophen. 
7. 
8. 



. 8. 
9. 
10. 

11. 
12. 
18. 
14. 



9. 
10. 
lt. 
12. 
13. 

14. 
15. 
16. 



9. 

10. 
11. 
12. 
13. 
14. 
15. 
16. 



Georgias, Soldaten. 
Joseph, Zimmerleute. 

Standbilder: 

a) Am Mittelpfeiler: der h. Michael. 

b) Zn beiden Seiten des Eingangs: 

Leo der Grosse. 
Antonius, Abt. 
Francisous Assis. 
Karl 



Petrus von Mailand, Bierbrauer. 
Severus, Weber. 

Anna , Hausfrauen , Nüherinnen, 
Schreiner. 

Barbara, Baumeister. 
Caecilia, Musiker. 
Clemens, Papst, Seeleute. 
Frumentius, Kauflentc. 



Florian, Kaminfeger. 
Agatha, Glockcngiesser. 
Afra, Schellenmacher. 
Mauritius, Waffenschmiede. 
Bonifatius, der Apostel Deutsch- 
lands, Feilenhauer. 
Reinoldus, Maurer. 
Kilianus, Tüncher. 
Rochus, Pflasterer. 



Johannes der Täufer, Kürschner 

und Küfer. 

Petrus, Uhrmacher. 

Paulus, Teppichwirker. 

Eliphius, Fischer. 

Servatius, Gerber. 

Stephanus, Steinhauer. 

Martin von Tours, Gewandschneitlrr. 

EvergislUS, Glasmaler. 



Athanasius. 
Benedictus. 
Ignatius, S. J. 
Vincentius a Paulo. 



B. Westliche Nebenpforte (Itfaternuspforte). 

1. Halberhabene Flächenbilder: 

a) Der h. Maternus wird mit den bh. Eucharius und Valerius nach 
Deutschland entsendet. 

b) Der h. Maternus wird mit dem Stab des h. Petrus von den Todten 
erweckt. 

c) Der Leib des h. Maternus fahrt in einem Nachen von Lyskirchen 
den Rhein hinauf. 



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- 92 - 



2 Hohlkehlen .Heilige von Köln): 

a) Innerste Reihe 6 Bilder: 

1. Der Bischof und Cistercienser Adolph; 2. Gerhard von Toul; 

3. Mauritius: 4. Reinoldus; 5. Albertus Magnus; 6. Cordula. 

b) Zweite Reihe 8 Bilder: 

1. Benedikt von Aniane; 2. Amoldus; 3. Rupertus; 4. Willeicus; 
5. Cassius; 6. Florentius; 7. Remaclus; 8. Abt Popo. 

c) Dritte Reihe 8 Bilder: 

1. Sandel adus; 2. Hermann Joseph; 3. Irmundus von Mündt; 

4. Adelheid von Vilich; 5. Adelricus von Füssenich; 6. Everhard 
von Berg; 7. Wolphelmus von Brauweiler; 8. Oezelinus von 
Schlebusch. 

d) Vierte Reihe 8 Bilder: 

1. Luftildis; 2. Christiua von Stommeln; 3. Famianus; 4. und 5. 
die zwei Ewaldi; 6. Irmgardis; 7. Petrus Canisius; 8. Johannes 
de Colonia, Dominikaner und Ooikumensischer Märtyrer. 

3. Standbilder: 

Maternus Valerius. 

Suitbertus. Severinua. 

Cunibertus. Bruno. 

Heribertus. Anno. 



C. Oestliche Neben pf orte (Bonifatiuspforte), 

1. Halberhabene Flächenbilder: 

a) Fällung der Donareiche. 

b) Bonifatius wird vom h. Gregor II. zum Bischof geweiht. 

c) Martyrtod des h. Bonifatius. 

2. Hohlkehlen: 

a) Innerste Reihe 6 Bilder: 

1. Crescentins; 2. Agritius, Bischof von Trier; 3. Castor, Ein- 
siedler an der Mosel; 4. Afra von Augsburg; 5. Severin von 
Oesterreich ; 6. Valentin von Passau. 

b) Zweite Reihe 8 Bilder: 

1. Alban von Blainz; 2. Emeran von Regensburg; 3. Goar am 
Rhein; 4. Rupert von Salzburg; 5. Fridolin von Baiern; 6. Kilian 
von Würzburg; 7. Arbogast von Strassbnrg; 8. Korbinian von 
Freisingen. 

c) Dritte Reihe 8 Bilder: 

1. Willibaldus; 2. Walburgis; 3. Burchhard von Wüizburg; 4 
Sturmius von Fulda; 5. Adelhard von Korvei; 6. Meinrad von 
Einsiedlen; 7. Mathilde, Kaiserin; 8. Wolfgang von Regensburg. 

d) Vierte Reihe 8 Bilder: 

1. Ulrich, Bischof von Augsburg; 2. Adalbert, Erzbischof von 
'Prag, Märtyrer; 3. Kunigunde, Kaiserin; 4. Leopold von Oester- 
reich; 5. Elisabeth von Thüringen; 6. Nothburga; 7. Johannes 
Sarkander, Priester; 8. Fidelis von Sigraaringen. 



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— 93 - 



3. Standbilder: 



Bonifatius. 
Servatius. 
Willibrodus. 
Ansgar. 



Eucharius. 
Lambert Iis. 
Ludgerus. 
Liborius. 



Die vorhin namhaft gemachten zahlreichen Heiligen- und 
Engelfiguren in den Laibungen der Portalbögen über den 
Standbildern bilden die Bekrönung kleiner Baldachine, von 
welchen einer in nachstehender Abbildung dargestellt ist. 




Kleiner Baldachin im Portal den Südthurnie*. 
Massstab Ve der natürlichen Grösse. 

Die Portalthüren: Siehe Seite 94-96. 




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V. Die Portalthüren 



Jedes der drei Dom-Portale hat drei Eingänge, von wel- 
chen der mittlere Eingang jedes Portals eine Doppelthür 
hat, die durch einen mit einer Statue geschmückten Pfeiler 
getheilt ist. Zur Anfertigung von Plänen für die Thüren 
des Westportals wurde bereits im Jahr 1880 eine Konkurrenz 
ausgeschrieben, an welcher sich 36 Künstler betheiligten. 
Von den eingesandten Entwürfen mit ihren reichen Relief- 
Darstellungen wurde jedoch Abstand genommen und im Jahr 
1887 unter 5 Künstlern eine zweite Wettbewerbung veran- 
staltet. Von den zur Ausstellung gebrachten Entwürfen ge- 
langten die von Professor Schneider in Kassel und Bildhauer 
Wilh. Mengelberg in Utrecht, einem geborenen Kölner, mit 
einigen Abänderungen zur Annahme. Die Thüren des West- 
und Südportals wurden nach den Zeichnungen und Modellen 
des Professors Schneider, die des Nordportales nach denen 
des Bildhauers Wilh. Mengelberg ausgeführt. 

Die Thüren bestehen bei einer lichten Breite von 1,8 m 
und 5,4 m Höhe aus einem feststehenden Obertheil und zwei 
aufgehenden Thürflügeln von 3,7 m Höhe. Die Bronzebeklei- 
dung von durchschnittlich 8 mm Metalldicke ist auf Eichen - 
holzthüren mittelst Schrauben befestigt. Jeder Flügel wiegt 
ca. 15 Centner, der Obertheil ca. 10 Centner. Der Flügel 
ruht auf einem Stahldorn, der sich leicht und sicher in einer 
Pfanne bewegt; ausserdem dienen zur sicheren Führung drei 
starke Angeln. Auf der Innenseite halten die Schrauben- 
muttern der Bolzen die kunstvoll gearbeiteten starken Eisen- 
beschläge. Die Künstler arbeiteten leider nach einem Programm, 
in dem sich eine übertriebene Sparsamkeit kundgibt, daher 
die öftere Wiederholung der einzelnen Ornamente und Figuren 
und der gänzliche Wegfall alles Figürlichen an den Thüren 
des Südportals. 



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— 95 — 

Die Portalthtiren haben folgenden Inhalt: 
Westportal. 

Die Thüren de:' Westseite sind entworfen von Professor Schneider in 
Rassel und von L. C. Becker in Iserlohn, die Ornament-Füllungen durch Fr. 
Hesse in Rassel ausgeführt. Der Obertheil aller Thüren trägt in gothiscber 
Masswerkgliederung die Wappenschilder des Deutschen Reiches, des alten 
und neuen Domkapitels und Preussens. 

Die Flügel sind in 6 quadratische Füllungen getheilt. Ein Löwenkopf 
bildet auf jedem Thürflügel den Ringhalter. 

Die nördliche Seitenthür (Dreikönig enp forte). 

In jedem der sechs Felder beider Flügel befinden sich drei Kronen, um 
anzudeuten, dass die Pforte den hh. drei Königen geweiht ist. Der die 
Kronen begleitende Spruch (Isaias 60,_6) lautet: .Omoes de Saba venient 
aurum et thns deferentes et laudem Dmo annunciantes.' (,SieAUe aus Saba 
kommen und bringen Gold und Myrrhen und verkünden das Lob Gottes/) 
Oberhalb desLöwenkopfes befinden sich von Ornamenten umgeben folgende 
symbolische Thiergestalten: Adler (Sinnbild der Erlösung), Phönix (Sinnbild 
der Auferstehung), Pelikan (Sinnbild Christi, der sein Blut zur Erlösung 
der Menschheit vergiesst), Löwe, der seine Jungen anbrüllt, um sie zum 
Leben zu erwecken (Sinnbild der Auferweckung des Herrn), Pfau (Sinnbild 
der Unsterblichkeit), Einhorn (Sinnbild der Menschwerdung), Vogel Greif 
(Sinnbild der Treue), Hirsch (Sinnbild des Verlangens nach Christus). 

Die figürlichen Bilder unterhalb des Löwenkopfes haben keine sym- 
bolische, sondern nur ornamentale Bedeutung. 

Die Mittelthüren 

enthalten in gleicher Anordnung in Wappenschildern mit drei Kronen die 
Namenszüge Jesus, Maria und Joseph. Das Rahmenwerk der oberen Flügel- 
theile enthält in Vierpässen Engelsfigürchen, Spruchbänder haltend. Die 
32 Inschriften geben auf der Thür links die 16 Sätze des Apostolischen 
Glaubensbekenntnisses, rechts die 8 Seligkeiten und 8 Anweisungen für dns 
christliche Leben. 

Aus Sparsamkeitsrücksichten sind für die Thüren nur 8 Bngelmodelle 
ausgeführt, die also viermal wiederkehren. 

Die südliche Seitenthür (Peterspforte) 
hat bei gleicher ornamentirter Anordnung der Dreikönigenp forte statt der 
Kronen überkreuzte Schlüssel, welche die Lösegewalt Petri sinnbilden, 
und folgende der Messe vom 1 Aug. entlehnte Inschrift: .Solve, jubente 
Deo, terrarum, Petre. catenas: qui facis, ut pateant coelestia regna beatls. 4 

(,Löse nachGottea Befehl, Petrus, die Fesseln der Erde, schliesse des 
himmlischen Reiches Pforte den Seligen auf. 1 ) 

In den unteren Feldern kehren die auf der Dreikönigenpforte befind- 
lichen symbolischen Thiergestalten, Adler, Phönix, Pelikan, Löwe, Pfau, 
Einhorn, Vogel Greif und Hirsch wieder. 

Südportal. 

An sämmtlichen Thüren des Sttdportals, ebenfalls von Prof. Schneider 
entworfen und von L. C. Becker in Iserlohn ausgeführt, ist auf die Dar- 



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- 96 — 




Ansicht der nördlichen Ponnlihuie. 



Stellung des Figürlichen 
verzichtet Aller Zierrath 
ist ornamental. Die Ein- 
teilung ist nicht, wie am 
Westportal, in Füllungen 
zerlegt, sondern durch ein 
über Eck gestelltes quadra- 
tisches mit verzierten Vier- 
pässen ausgefülltes Netz- 
werk gebildet, welches 
durch Inschriften unter- 
brochen wird. Vegetabili- 
sches Flachornament, wie 
es am Dom vielfach zur 
Anwendung gekommen und 
dem Epheu, der Traube, der 
Distel und Rübe, der Riehe 
und Weide entlehnt ist, ver- 
bindetdieFüllungsmasehen, 
an deren Kreuzungsstellen 
Rosetten als Zierknöpfe, 
welche zugleich als Bolzen 
die Bronzebekleidung mit 
der Hol/unterlage verbin- 
den und das Netzwerk be- 
leben. Wie auf allen Thüren 
tritt auch hier aus einem 
der Quadratmaschen ein 
Löwenkopf als Ringhalter 
hervor. Der Obertheil ent- 
hält ebenfalls die Wappen 
des Deutschen Reiches, 
Preussens und des alten und 
neuen Domkapitels. Die In- 
schriften der Thüren sind 
folgende : 

die westliche Seitenthür 
(Ursulapforte;: 

,0 felix Germania, tarn 
decoro germine virginum 
ornata, beata Ooloniapre- 
tioso Banguine Martyrum 
dicata.* (Breviar. Col.) 

(,0 glückliches Deutsch- 
land^ geschmückt durch 
das schöne Geschlecht der 
Jungfrauen, glückseliges 
Köln, so geweiht dnreh 
das kostbare Blut der 
Märtyrer.') 



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- 97 - 

die Mittelt hären: 

,Ego sum ost i um, per rae si quis introierit, salvabitur: et ingre 
dietur et egredietur et pasqua inveniet.' (Johannes 10, 9.) 

(,Ich bin die Thür. Wenn Jemand duich mich eingeht, der wird selig 
werden; er wird eingehen und ausgehen und Weide linden.') 

die östliche Seitenthür (Uereonspforle): 

,Militaus cum triumpliante jubilet Kcclesia de triumpho Thebue- 
orum et salute peccatorum per horum suffragia. tßreviar. Col.) 

(.Möge die streitende mit der triumphirenden Kirche frohlocken 
über den Triumph der Thebäer und die durch ihre Fürbitte erlangte 
Rettung der Sünder.') 

Nordportal. 

Die Thüren des Nordportals sind von W. Mengelberg entworfen 
und vnodellirt und in der Erzgiesserei von Paul Stotz in Stuttgart ausge- 
führt. Entgegen den Thüren der West- und Südseite zeigen sie einen grös- 
seren figuralen Schmuck. Die Ornamente, in phantastischem Thier- und 
Pflanzenwerk bestehend, ergänzen sich in mannigfaltiger und einheitlicher 
Weise. In stilistischer Beziehung sind die Thüren ein Meisterwerk; sie 
sind durchweht von dem Formengeist des 14. Jahrhunderts. 

Die östliche Thür (Bonifatiuspforte) 
zeigt im oberen Theil in über Eck gestellten Quadraten, umrahmt von Thier- 
und Pflanzenornamenten, Darstellungen der vier Jahreszeiten und Lebens- 
alter. Erstere bestehen in weiblichen Gestalten mit den bekannten Emble- 
men, letztere in Figuren (Knabe, Jüngling. Mann, Greis), mit kleinen Tafeln, 
welche die Zahlen 10, 20, 40. so tragen. Die mittleren quadratischen Felder 
tragen das alte und neue Stiftswappen. In den unteren über Eck gestell- 
ten Quadraten wiederholen sich obige symbolischen Darstellungen. 

Die Mittelthüren 

zeigen die gleichen symbolischen Figuren und die gleichen ornamentalen 
Pflanzen- und Thiergebilde, aber in den Mittelpaneelen befindet sich die das 
Ganze beherrschende Darstellung der klugen und thörichten Jungfrauen. 
Erstere sind an den brennenden Lampen, letztere an den Attributen des 
Putzes und der Tändelei erkennbar. Die Gestalten sind ungemein anmufhig 
in der Bewegung und voll Liebreiz im Ausdruck, in herrlichem Faltenwurf, 
ganz im Geiste der altkölnischen Schule. 

Die westliche Thür (Maternuspforte) 
zeigt in den oberen und unteren über Eck gestellten Feldern die Darstel- 
lungen der östlichen Thür und die gleichen Ornamente, in den mittleren 
Paneelen jedoch die Wappen Deutschlands und Preussens. 

Auf allen Thüren befindet sich auf dem unteren Querfriese in einem 
Vierpass ein Löwenkopf als Hinghalter. Der SchlossgrirT, aus einem phan- 
tastischen Thier gebildet, befindet sich auf der Schlagleiste, wie auch an 
den Thüren der andern Portale. 



7 



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Das Innere des Domes. 

I. Architektur -Verhältnisse. 

Wir wenden uns jetzt wieder der Westfac,ade zu, um 
durch das Hauptportal zwischen den Thürmen einzutreten 
in das Innere des Domes. 

Das Erste, was der am Westende Eintretende im Innern 
erblickt, ist die Zahl der fünf Schifte, welche sich auch jen- 
seits des dreischiffigen Querbaues dergestalt fortsetzen, dass 
nur die innern Seitenschiffe sich als freier Umgang um das 
fünfseitig aus dem im Zwölfeck schliessende Chor herum- 
ziehen, die äussern Seitenschiffe dagegen nur drei Gewölb- 




Das liniere des Dome». 

jache des Chores begleiten und dann als östlicher Schluss 
des ganzen Chorbaues einen aus 7 Kapellen bestehenden 
Halbkreis bilden, von denen jede wieder mit drei Seiten 
eines Achtecks schliesst. Dazu kommt am entgegengesetzten 



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— 99 - 



Ende, im Westen, die Vorhalle mit beiden Thürmen. Sie 
enthält zwei Gewölbjoche, während das Mittelschiff im Lang- 
hause 6, im Chor (mit Einschluss der Rundung) 5 zählt, 




Theil des Längendarcuschnittes. Ein Pfeiler des Domes. 



41)0082 



- loo — 




Pfeilerkapitäl. 



woraus man sieht, dass der in seinen Flügeln mit je 2 Jochen 
vorspringende Querbau das ganze Gebäude fast in der Mitte 

durchschneidet. Jedes der 
Seitenschiffe hat die halbe 
Breite und die halbe Höhe 
des Mittelschiffes. In wun- 
derbar schöner Bildung er- 
scheinen im ganzen Ge 
bäudedie arkadentragenden 
Pfeiler, und zwar mit dem 
Unterschiede, dass sie in 
den. Seitenschiffen des 
Chores, der überhaupt nach 
derGrundanlage des ganzen 
Baues zuerst in Angriff ge- 
nommen wurde, sich noch 
der Form der Säulen 
nähern, also einen runden 
Kern bilden, den die grossen 
und kleinen Halbsäulen, 
als arkaden- und gewölbe- 
tragende Dienste um 
schliessen, während sie 
dagegen fast im ganzen 
Mittelschiff als Pfeiler von 
vier- und achteckigem 
Kern erscheinen, um den 
sich die Halbsäulen, durch 
Hohlkehlen mit einander 
verbunden, scharen. Diese 
erreichen gewöhnlich die 
Zahl 12, in den stärkern 
Pfeilern der Vierung, die 
einen Dachthurm zu tragen 
bestimmt sind, sogar die 
Zahl 16, so dass solche 
Säulenbündel durch ihre 
Rundstäbe und Hohlkehlen 
den mannigfachsten Wech- 
sel von Licht und Schatten 
hervorbringen. Wie der 
Fuss der Säule durch eine doppelte Gliederung, welcher jede 
einzelne Säule des Bündels folgt, in zwei Abtheilungen zer- 
fällt und unten mit einer gemeinsamen Platte endigt, so sind 




Pfeilerkapitäl. 



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- 101 - 

auch die Kapitale in grosser Mannigfaltigkeit mit einem 
doppelten Kranz von Laubwerk umwanden, auf dem dann 
die Deckplatte ruht. Weiter hinauf wird über den Arkaden 
des Mittelschiffes die grosse Wand durch die umlaufende 
Triforien-Gallerie belebt, über welcher sich dann, durch ein 
Gesims davon getrennt, die Fenster des Mittelschiffes öffnen. 
Alle diese grossen und kleinen Spitzbogen der Fenster, der 
Arkaden, der Gewölbe, der Portale u. s. w. haben die natür- 
lichste und schönste aller Formen, nämlich die aus dem gleich- 
seitigen Dreieck konstruirte, welche als eine in solcher Gleich- 
mässigkeit nur dem Kölner Dom angehörende Eigenthümlich- 
keit anzusehen ist und neben den strengen Zahlen Verhältnissen 
in Bezug auf Höhe. Länge und Breite der Schiffe und den 
Abstand der Pfeiler nicht wenig zu seiner Schönheit beiträgt. x ) 

Der ganze Flächen -Inhalt des Domes beträgt 6166 Quadrat -Meter. 
Mit Einschluss der Vorhalle beträgt die ganze innere Länge vom West- 
(Thurm-) Portal bis zur Ostlichen Wand der Dreikönigen-Kapelle 135,6 m, 
das Mittelschiff bis zur äusserst en Chorrundung 119 m, das Querschiff vom 
Nord- bis zum Südportal 75 m, die Breite von Pfeileraxe zu Pfeileraxe be- 
trägt 14,907 m; jedes innere Seitenschiff von Pfeileraxe zu Pfeileraxe 8,18 m, 
jedes äussere Seitenschiff von der Pfeileraxe bis zur Wand 6,95 m, 

Die Gewölbe des Mittelschiffs erreichen vom Fussboden der Kirche 
bis zu den Schlussateinen 45 ra Höhe; die Seitenschiffe jedoch nur 19 m. 

Das Langschiff hat bis zur Vierung in vier Reihen 20, das Querschi ff 
in zwei Reihen 1«, das Chor in vier Reihen 12, das Chorhaupt in seiner 
Rundung 8 Pfeiler. Die Entfernung der Pfeiler von einander in ihrer Längen- 
richtung beträgt 7,75 m. In derselben Entfernung stehen die Pfeiler des 
Mittelschiffs von denen der Seitenschiffe, so dass in letzteren die Gewölbe- 
felder regelmässige Quadrate bilden. 

In schönen Worten schildert G. Forster in seinen 
Ansichten vom Niederrhein das Innere des damals 
erst vollendeten Dom -Chores, welche aber anf das jetzt 
vollendete Gesammt-Innere noch treffender angewandt werden 
können: ,Die Pracht des himmelan sich wölbenden Chores 
hat eine majestätische Einfalt, die alle Vorstellung über- 
trifft. In ungeheurer Länge stehen die Gruppen schlanker 
Säulen da, wie die Bäume eines uralten Forstes; nur am 
höchsten Gipfel sind sie in eine Krone von Aesten gespalten, 
die sich mit ihren Nachbarn zu spitzen Bogen wölben und 
dem Auge, das ihnen folgen will, fast unerreichbar ist. Lässt 
sich auch schon das Unermessliche des Weltalls nicht im 
beschränkten Räume versinulichen, so liegt gleichwohl in 
diesem kühnen Emporstreben der Pfeiler und Mauern das 

») H. A. Müller, die Museen und Kunstwerke Deutschlands 1857. 
I. Tbl. S. 17 13. 



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- 102 - 

Unaufhaltsame, welches die Einbildungskraft so leicht in das 
Grenzenlose verlängert. Die griechische Baukunst ist un- 
streitig der Inbegriff des Vollendeten, Uebereinstimmenden, 
Beziehungsvollen, Erlesenen, mit einem Worte: des Schönen. 
Hier indessen an den gothischen Säulen, die, einzeln ge- 
nommen, wie Rohrhalme schwanken würden und nur, in 
grosser Anzahl zu einem Schaft vereinigt, Masse machen 
und ihren geraden Wuchs behalten können unter ihren 
Bogen, die gleichsam auf nichts ruhen, luftig schweben, 
wie die schattenreichen Wipfelbäume des Waldes, hier 
schwelgt der Sinn im Uebermuth des künstlerischen Be- 
ginnens. Jene griechischen Gestalten scheinen sich an alles 
anzuschliessen, was da ist, an alles, was menschlich ist; 
diese stehen wie Erscheinungen aus einer anderen Welt, wie 
Feenpaläste da, um Zeugniss zu geben von der schöpferischen 
Kraft im Menschen, die einen einzelnen Gedanken bis auf das 
Aeusserste zu verfolgen und das Erhabene selbst auf einem 
masslosen Wege zu erreichen weiss' ! . . . . 

Auch Ferd. Gottfr. Max von Schenkendorf malt 
den Eindruck, den das Innere auf den Beschauer macht, in 
hochpoetischer Weise aus: 

Es ist ein Wald voll hoher Bäume, 
Die Zweige seh' ich fröhlich blüh'n. 
Und aus den Wipfeln fromme Träume 
Zum fernen Reich der Geister zieh'n. 

So kühnen Sinn und ernstes Streben, 
Das aus den Steinen Blumen treibt, 
Es ist der Väter Art und Leben, 
Das nimmer auf der Erde bleibt. 



Das wollen diese Säulen sagen, 
Die himmelwärts die Blicke zieh'n. 
Dazwischen, wie in grauen Tagen, 
Im Eichenhain die Beter knie'n. 

Es ist kein eitles Licht der Sonnen, 
Was durch die bunten Scheiben fällt, 
Ist Wiederschein der ew'gen Wonnen, 
Ist Strahl aus einer bessern Welt 



,Wie passend hat man diese kühnen gothischen Gewölbe 
mit der reichen Laubkrone deutscher Wälder verglichen! 
Dort in der freien Natur drängen sich die Aeste ohne Ord- 
nung durcheinander. Hier im kunstreichen Dome zeigt sich 
in perspektivischer Verjüngung der Gewölberippen der über 
ans reiche und docli so harmonische Wechsel geschwungener 
Linien, die sich zuletzt im Chorpolygon in einem Punkte über 
dem Altare sammeln und dem Auge den würdigsten Ruhe- 
punkt geben. Gerade diese Einheit des Innern, in der alle 
einzelnen Theile in einander übergreifen, in einander über- 
gehen, ohne ihren selbständigen Werth zu verlieren; diese 
sanfte Gewalt, mit der sie den Blick zum Altare hinziehen, 
ist ein Vorzug der gothischen Kathedralen. In Köln tritt 
dieser Vorzug mit besonderer Klarheit hervor, weil das 



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Innere, wie aus einem Gusse in untadeihafter Einheit und 
Schönheit sich darbietet. Alle übrigen Stile haben in dieser 
Hinsicht der gothischen Kunst nichts Aehnliclies an die Seite 
zu stellen. Das Band der leichten Triforien, und die von den 
gewaltigen Oberfenstern erleuchtete Scheitellinie der Gewölbe 
geben die klarste Einheit in der Vielheit der mannigfaltigsten 
Gesimse, Säulen und Dienste. Geht man weiter hinauf im 
Mittelschiff, so eröffnet sich bei jedem Schritt ein neuer Durch- 
blick. Bald sieht man nur einen Wald von Säulen, die sich 
im reichen Schattenwechsel hintereinander stellen, bald ruht 
das Auge auf den glänzenden Farben der Fenster. Von 
überraschender Wirkung ist die Rundschau aus der Mitte, der 
Vierung zwischen den vier grossen Pfeilern, welche den 
Mittelthurm tragen. Das ganze Innere des Riesenbaues liegt 
offen vor Augen. Die hohen Säulen des Qnerschiffes gesellen 
sich zu denen des Langschiffes zu einem Walde; alle Seiten- 
schiffe und ein grosser Theil der Chorumgänge und Chor- 
kapellen zeigen sich in ihrer harmonischen Anlage. Das 
Süd- und Nordportal sieht man 37,50 m weit zur Rechten 
und Linken ; nach oben bis zum mittleren Kapellenfenster ist 
es 62 m, nach unten bis zum West portal 73 m. Das Ge- 
wölbe ist oben so hoch, als dar Altar entfernt ist, d. h. 45 m. 
Es ist der ungefähre Mittelpunkt des Domes/ 1 ) 

Für die Ausschmückung des Innern bleibt noch Vieles zu 
thnn. Das Domkapitel hat eine Konkurrenz hierfür ausgeschrieben Einer 
der Konkurrenten, Professor A*. Rincklake, lässt sich über diese Aus- 
stattung also vernehmen: ,Das Mobilar hat zu bestehen in neuen kunst- 
vollen Altären, dem Lettner, dem ei zbischöfliehen Throne, denSedilien, der 
Kanzel, einer für den Dom würdigen Orgel, den Beichtstühlen etc. Zudem 
muss die gesamrate Architektur farbig dekorirt werden. Wenn dies Alles 
erreicht ist, dann erst kann mau sagen: der Dom ist auch im Innern würdig 
ausgestattet. Denn erst durch genanntes Mobilar wird er die Innenwirkung 
erreichen, welche Jedermann mit Recht von ihm erwarten darf. Augen- 
blicklich dominirt noch das Mittelschiff zu sehr, als dass das Auge Zeit 
behielte, die Eindrücke der Seitenschiffe auch nur theilweise iu sich auf- 
zunehmen. Den Ruhepunkt, welchen das Auge im Mittelschiff des Domes 
gewinnt, bilden erst die farbigen Fenster des Chores. Eintretend durch 
das Hauptportal der Westseite, empfängt daher der Beschauer naturgemäss 
nur den Eindruck des langen Mittelschiffes und erst, am Schlüsse desselben 
findet sein Auge Ruhe. Zur Zeit, als noch die hohe Wand vorhanden war, 
welche das fertige Chor von der unfertigen übrigen Kirche trennte, machte 
der untere Theil des Domes einen weit geräumigeren Eindruck als heute- 
Das Auge erhielt an der Wand schon seineu Ruhepunkt und konnte uatur- 
gemäs auch noch die Wirkung der Seitenschiffe mit in sich aufnehmen. 

l ) St. Beissel, der Dom von Köln, in Stimmen aus M. Laach. Bd. 
XIX, S. 179-182. 



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Hieraus folgt, ilass man an der Stelle, wo früher die Chorwand stand, dem 
Auge ein Mittel bieten muss, auf dem es ausruhen kann, und dieses Mittel 
bildet erfahrungsgemäS8 am besten der Lettner mit dem sich über dem- 
selben erhebenden mächtigen Triumphkreuz. Schon zur Erhöhung der Inuen- 
wirkung des Domes wird eine Lettueranlage nothwendig werden.* 1 ) 

IL Sehenswürdigkeiten des Lang- und 

Querschiffes. 

Glasmalereien. Einleitend erwähnen wir zuerst die 
15 Fenster des Hoch -Chores, weil diese uns gleich beim 
Eintritt in die Augen fallen und die ältesten des Domes sind. 
Als solche zeigen sie, wie die Glasmalerei zu Ende des 13. 
und zu Anfang des 14. Jahrhunderts mehr einen ornamentalen 
Zweck hatte, als selbständige Kunstwerke schaffen wollte, 
lieber den Staffeln mit den Wappen ihrer Stifter befinden sich 
unter TabiM iiakelbckrönungeiifigurale Darstellungen (die Könige 
Juda's), i n d im mittelsten Fenster zeigt sich als einzige 
grössere Darstellung die Anbetung der hh. drei Könige, die 
oberen Theile der Fenster haben Teppichmuster, und er- 
scheinen fast durchgehends wie ein Gewebe von Pflanzen- 
blättern, in denen sich das Linienspiel des Fenstermasswerks 
gleichsam fortsetzt. Trotzdem diese über 500 Jahre alten 
Fenster durch die Einwirkung des Lichtes und der Witterung 
viel von ihrer alten Herrlichkeit verloren haben, äussern sie 
noch immer eine überwältigende Wirkung durch ihre wunder- 
volle Farbenpracht. Sie wurden zwischen den Jahren 1313 
und 1322 von dem Erzbischof Heinrich von Virneburg, den 
ihm verwandten Grafenhäusern Holland, Jülich und Cleve, 
von der Stadt Köln, einigen ritterlichen Geschlechtern Kölns 
u. s. w. gestiftet. 

Diese Fenster stehen in schönster Harmonie zur Archi- 
tektur, sie wollen nicht überwiegen, sondern fügen sich ein 
in den Hau, den sie verklären und schmücken. 

Das neu»; Fenster im Trifolium über dem Hochaltar, aus der Glas- 
malerei-Anstalt von Fr. Baudri stellt dar die hh. Petrus und Johannes; 
dasselbe wurde zum Andenken an das im Jahr ISfiO abgehaltene Provinzial- 
Konzil vom Erzbischof Johannes Kardinal von Ü e i s s e 1 gestiftet. 

In Hinsicht der malerischen Gestaltung und der Technik 
stehen die fünf Fenster des nördlichen Seitenschilfes 
(links vom Eingange), die in die Schlussperiode der mittel- 
alterlichen Glasm alerei, nämlich in die Jahre 1507 und 1501» 

i) A. Kincklake in Wes tei man ü's Monatsheften XLIX, S.516. (1881.) 



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fallen, viel höher. Diese Fenster sind Geschenke, des Erz- 
bischofs Hermann, Landgrafen von Hessen, des Erzbischofs 
Philipp von Dhaun-Oberstein und des Grafen Philipp von 
Virneburg und der Stadt Köln, sie gehen aber bereits 
über das naturgemässe Verhältniss zur Architektur hinaus. 
Die Glasmalerei war in einen Wettstreit mit der Oelmalerei 
getreten, der ihren Verfall herbeiführen half. Sie bieten den 
Scheidegruss der mittelalterlichen Kunst, ihre in die Re- 
naissance übergehenden Verzierungen zeigen, dass sich die 
Gothik um diese Zeit in Köln ausgelebt hatte. Der Meister, 
aus dessen Hand sie hervorgingen, ist der Glasworter Meister 
Lewe von Kaiserswerth, das von der Stadt Köln gestiftete 
Fenster wahrscheinlich von den Stadt-Glaswortern Hermann 
Pentelinck Vater und Sohn. Von welchen Malern die Ent- 
würfe herrühren, ist ungewiss. 

Das erste wie das fünfte sind Halbfenster, das zweite, 
dritte und vierte Vollfenster. Sie enthalten folgende figurale 
und scenische Bilder: 

1. Halbfettster: Christus am Oelberge, seine Verspottung, 
Geisselung, Krönung, Kreuzigung und Auferstehung, die 
Bildnisse des h. Laurentius und der h. Maria und darunter knieend die der 
Stifter nebst deren Wappen. 

2. Fenster: oben links. Seenen aus dem Leben Petri; rechts der aus 
dem Erzvater Jakob ausgehende Stammbaum Christi; unten einen vor dem 
Apostelfürsten knieenden Erzbischof, und diesem gegenüber der h. Sebastian 
in Ritterrüstung, umgeben von Familienwappen. 

3. Fenster : oben die A nbetung d er Hi rte n und unten die kölnischen 
Schutzpatrone, die hli. Georg. Reinold, Gereon. Mauritius, uuter diesen rechts 
der Gründer Köln's, Markus Agrippa, die kölnische Fahne in der Hand, mit 
der Inschrift: „Markus Agrippa, ein römische Mann, Agrippinam Ooloniam 
einst begann", gegenüber der sagenhafte Römer Marsilius mit der Inschrift: 
„Marsyles. ein Heide soe stoltz, — Beb elt Collen, sei voeren zu holtz.* l ) 

4. Fenster: oben links, Besuch der Kouigin von Saba bei 
Salomon, daneben die Anbetnng der hh. 3 Könige; unter diesen 
der Apostel Petrus als Papst, nebst einem knieenden Krzbischofe und die 
h. Maria, danu die hessischen Patrone: die h. Elisabeth und der h. Christo- 
phorus nebst Familienwappen. 

5. Halbfettster: K r ö n u n g M a r i ä und die Bildnisse d. h. Johannes 
Kv M des b. Petrus, der h. Maria Magdalena und des h Georg nebst zwei 
weiblichen und einein männlichen Stifter, letzterer in goldener Rüstung. 

Die fünf Fenster des südlichen Seitenschiffes zeigen 
uns den Stand der bekanntlich seit noch nicht langer Zeit 

v ) Der mytische Römer Marsilius soll Köln in einem siegreichen Kampfe 
vor Zerstörung gerettet haben. Daher das lautre Zeit bestandene Volksfest, 
Marsilius Holzfahrt, da man im Mai aus den Thoren der Stadt nach einem 
benachbarten Walde hinauszog, dort Kampfspiele feierte und dann mit 
Reisern geschmückt, den Helden Marsilius in die Stadt zurückführte. 



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wieder geübten Kunst der Glasmalerei; sie wurden von dem 
knn8t liebenden König Ludwig von Bayern dem Dom im 
Jahre 1848 geschenkt und nach der Grundidee des Professors 
H. von Hess, von den Münchener Malern J. Fischer (in 
den drei grossen Mittelfenstern) und J. Hell weger (in 
den zwei Halbfenstern) entworfen, unter der Leitung von M. 
Ainmüller in der königl. Glasmalerei-Anstalt in München 
hergestellt. A1b Glasgemälde, die um ihrer selbstwillen da 
sind, sind sie bewundernswerth in Komposition und Ausfüh- 
rung. Es sind Transparentbilder, aber keine Kirchenfenster. 

,Das gemalte Kirchenfenster soll zwar sinnvoll mit 
schmücken, aber in erster Linie verklärt erleuchten, es soll 
uns von den Störungen und Zufälligkeiten der Aussenwelt 
trennen, die Umgebnng der Kirche, die Wolken des Himmels 
vergessen machen, damit unser Geist gesammelt, das Andachts- 
gefühl gesteigert und wir fähiger werden, dem Worte Gottes 
und den heiligen Geheimnissen uns ganz zu erschliessen.' 1 ) 

Diesen Anforderungen entsprechen die Fenster nicht. 
, Abgesehen von dem viel zu malerischen Kompositionsprinzip, 
welches unsere ganze Aufmerksamkeit für sich in Anspruch 
nimmt, erweist sich ihre Technik als weit hinter derjenigen 
ihrer alten vis-ä-vis zurückstehend. Diese älteren erglänzen 
in edelsteinartigem Feuer, während diese neuen wie Trans- 
parentbilder auf Oelpapier aussehen. Obschon die alten 
Fenster die Nordseite des Domschiffes und die Münchener 
dessen Südseite einnehmen, kommt doch das meiste Licht von 
der Nordseite her.' 2 ) — Die Fenster bilden eine zusammen- 
* hängende Reihe von Darstellungen, welche die Gründung 
des Christenthums und der Kirche umfasst. 

1. Halbfenster: Im Sockel Medaillons mit Wappen und den Brust- 
bildern: Karl der Grosse und Friedrich Barbarossa, darüber der Kaiser 
Konstantin und seine Mutter, die h. Helena. Hauptbild: Johannes, der 
Vorläufer Christi, predigt in der Wüste. Darüber in Medaillons 
die kölnischen Bischöfe Evergislus, Kunibert, Agilolph und Heribert. Dann 
oben rechts die Verkündigung des Johannes, links dessen Geburt. Darüber 
4 Brustbilder der Heiligen Hubertus, Nabor, Felix, Anno, zu Oberst die 
Brustbilder der h. Ursula und des h. Gereon. 

2. Fenster: Im Sockel die 4 grossen Propheten Isaias, Jeremias, Ezekiel 
und Daniel. Hauptbild: Anbetung der hh. 3 Könige und der Hirten. 
Darüber Abraham, Noe, David, Salomon, Jakob nnd Isaak. Im obern Theil 
links: das erste Menschenpaar als Sinnbild der Erbsünde, in der Mitte die 
Botschaft Gabriels an Maria, rechts die unbefleckte Empfängniss. Ueber 
dem Ganzen in der mittleren Fensterrose der Stern der 3 Weisen. 



h Vergl. Andrea, Gedanken, Studien u. Erfahrungen auf dem Gebiet 
der Glasmalerei. 187t», S. 16-17. — *> Ebendaselbst. 



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3. Fenster: Im Sockel die 4 Evangelisten Matthaeus, Marcus, Lucas 
und Johannes. Hauptbild: Das vollbrachte Erlösungswerk Christi; 
Jesu Leichnam ruht, im Schoosse der sei* Jungfrau. In den Säulen- 
nischen über dem Hauptbilde links : Christus erscheint der h. Maria Magdalena; 
rechts: Christus zeigt sich dem ungläubigen Thomas. Darüber das letzte Abend- 
mahl. In der mittleren Rose der Kelch, als Symbol des Erlösungswerkes. 

4. Fenster: Im Sockel die Kirchenväter Augustinus, Hieronymus, Gre- 
gorius und Ambrosius. Hauptbild: Ausgiessung des h. Geis tes (Pfingst- 
fest); die Gründung der Kirche. Darüber in allegorischen Figuren die 
vier christlichen Kardinaltugenden: Mässigkeit, Weisheis, Klugheit und Ge- 
rechtigkeit. In der mittleren Fensterrose erscheint der h. Geist. 

5. Halbfenster: Im Sockel Medaillons mit den Wappen des Stifters 
und den Brustbillern der hh. Maternus, Silvester, Apollinaris und Gregorius 
von Spoleto. Hauptbild: Steinigung des h. Stephanus. üeber diesem 
Bilde in Medaillons paarweise (von links nach rechts) die hh. Engelbertus 
und Bruno, Severin und Hermann Joseph. Die oberen beiden grösseren 
Bilder: der h. Stephanus als Diakon (links) und seine Verurtheilung (rechts). 
Darüber die hh. Jungfrauen Katharina, Cordula, Columba und Klara, über 
diesen in Medaillons die h. Cäeilia und Agnes. 

Fenster im südlichen Querschiff: 

Westliche Seite, Vollfenster: Im Sockel St. Leo, Papst, St. Bernardus, 
St. Thomas Aq., St. Bonaventura. Hauptbild: Petrus und die Apostel 
auf dem Konzil zu Jerusalem. Darüber eine kleinere Darstellung: 
Christus übergibt Petrus die Schlüssel, zur Seite Pius IX. mit einem Engel. 
Zu jeder Seite dieser Darstellung 2 Apostelfiguren. In der BekrÖnuns? der 
h. Geist in Gestalt einer Taube. Das Glasgemälde ist gestiftet 1673 von 
der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft und in München ausgeführt. 

2 Halbfetter: (Görres-Fenster.) Im Sockel die Bildnisse Karls des 
Grossen und des h. Bonifatius. Hauptdarstellung : JosephvonGörresmit 
seinem Namenspatron, dem h. Joseph, knieendvor derh.Jung- 
frau mit dem Jesuskinde. Die Inschrift des Fensters lautet: „Josepho 
Görres nato Confluent. d. 25. ra. Jan. 177ti denato Monacliii 29. Jan. 1848, catho- 
licae veritatis in Germania defensori generoso, amici ejus 1855." Görres, einer 
der bedeutendsten Männer des 19. Jahrhunderts, war einer der begeistertsten 
Verfechter katholischer Anschauungen und einer der glühendsten Kämpfer 
für die nationale Sache in den Zeiten der deutschen Erhebung gegen Frank- 
reich. Napoleon I. nannte ihn die 5. Grossmacht. Görres war einer der Ersten, 
welche für die Vollendung des Kölner Domes begeisternd wirkten. Seine 
Freunde und Verehrer widmeten seinem Andenkeu dieses in der Müncheuer 
Anstalt, nach Entwürfen von H. von Hess, hergestellte Denkmal. 

Oestliche Seite: 1. Vollfenster: Im Sockel die Kirchenlehrer Athana- 
sius, Basilius d. Gr., Gregor von Nazianz und Chrysostomus. Hauptbild: 
Die Bekehrung Pauli. Darüber kleinere Darstellungen aus dem Leben 
dieses Apostelfürsten Dieses Glasgemälde, 1868 eingesetzt, ein Geschenk 
der Direktoren der Köln Mindener Eisenbahn, wurde in München ausgeführt. 

2. Halbfettster: Im Sockel die hh. Lamberti» und Hilarius. Haupt- 
bild: Die Gefangennehmung des Papstes Sixtus V- Vor diesem 
knieend der h. Laurentius. Dieses Fenster, hervorgegangen aus der Glas- 



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malerei-Anstalt von Fr. Baudri, ist ein Geschenk der Eheleute Hilarius 
Dünn und Odilie Göbbels in Köln. 

Das grosse Glasfenster des Südportals ist ein Geschenk König Wil- 
helms I. und in Berlin angefertigt. Dasselbe enthält nnter den reich verzier- 
ten Baldachinen als figürlichen Schmuck 6 Heiligenfiguren, den Kaiser Karl 
den Grossen, Kaiser Heinrich IT., Sigismund, Königvon Burgund, die Erzbi- 
schöfeAnno und Engelbert von Köln und den Erzbischof Otto von Bamberg 
darstellend. Unter diesen befinden sich die Wappen Preussens und Bayerns. 

Fenster im nördlichen Querschiff: 

Das dem ebengenannten gegenüber sich befindliche grosse Fenster 
des Nordportals wurde zum Andenken an die Kardinals-Erhebung des 
Erzbischofs Johannes von Geissei gestiftet und von Fr. Baudri in Köln an- 
gefertigt. Dasselbe enthält folgende Figuren : Moses, Josue, David, Melchi- 
sedek, Aaron, Samuel. Unter diesen Figuren befinden sich in gleicher 
Reihenfolge 1. das Wappen des Kardinals von Geissei, 2. das bayerische, 
3. das päpstliche, 4. das preussische, 5. das des Domkapitels, 6. das stadtr 
kölnische Wappen. 

Die Höhe beider Portalfenster beträgt 15,70 m, die Breite 7,S5 m, die 
Galleriefenster haben 6,27 m Höhe. 

Die oberen Partien dieser wie aller übrigen Fenster im Hochschitf 
über der Triforien-Gallerie haben stilgerechte Teppichmuster mit einer 
eine Fensterrose einschliessenden Bekrönung, während die unteren Partien 
figurale Darstellungen unter gothisehen Baldachinen haben. 

Die Fenster der westlichen Seite im nördlichen Querschiff neben 
der Orgel (eingesetzt 1S70) stammen, wie die Fenster der Sakristei und des 
Kapitelsaales, aus verschiedenen, während der französischen Zeit nieder- 
gelegten Kirchen Kölns und reihen sich den alten Glasgemälden des nörd- 
lichen Seitenschiffes würdig an. Das Halbfenster enthält kleinere Dar- 
stellungen, ausser denen in der Bekrönung 1* an der Zahl, von denen die 
untern vier einzelne Heilige und Stifter, die U obern Sceneu aus dem 
Leben des Heilaudes ; Taufe, Jesus am Brunnen, die Bekehrung der h. Maria 
Magdalena, Einzug in Jerusalem, die Vertreibung der Verkäufer aus dem 
Tempel und Ereignisse aus der Passion bis zur Auferstehung darstellen. 

Das Vollfenster des Querschiffs (das schönste Fenster des Domes; 
zeigt im Sockel i Wappen und die Heiligen Silvester, Gregor, Felix und 
Nabor; darüber an den zwei Seiten Stifter, zwischen denen sich Gott der 
Vater mit seinem göttlichen Sohne auf dem Schoosse und ein Kaiser be- 
findet-, darüber befinden sich 4 kleinere Figuren. Die Bekrönung des Mass- 
werks ist mit kleineren Darstellungen gefüllt. 

Eins der gegenüberstehenden nur im Masswerk offenen Fenster 
der Ostseite dieses Querschilfs hat ebenfalls alte Glasgemälde. 

Der Glasmalereien des Hoch-Chores ist bereits eingangs Erwähnung 
geschehen, die der Chor-Kapellen wie des Siikristeigebändes werden bei 
der Wanderung durch diese berücksichtigt. 

Die Fenster des Hochschiffes, zu welchen Michel Welter die Farben- 
skizzen lieferte, enthalten folgende Heiligen-Figuren: 

A. Für das nördliche Querschiff. 

1. Sophonias, Aggaeus, Zacharias, Malachias. 

2. Jonas, Michaeus, Nahuin, Habakuk. 



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3. Oseas, Joel, Arnos, Abdias. 

4. Jesaias, Jeremias, Ezekiel, Daniel. 

5. Adam, Abel, Henoch, Noe. 

6. Abraham, Isaak, Jakob, Judas. 

7. Joseph von Aegypten, Kaleb, Barak, Gedeon. 
H. Johannes Baptist, Zacharias, Simeon, Anna. 

Ii. Für das südliche Querschiff. 
H. Petras, Paulas, Andreas, Johannes. 
10. Jacobus Maj-, Philippus. Bartholomäus, Matthäus. 
iL Thomas, Jacobus Min., Simon, Judas Thaddäus. 
12. Matthias. Barnabas. Marcus, Lucas. 
Vi. Linus, Clemens I., Agilolphus, Evergislus. 

14. Gregor v. Spoleto, Ewaldi, Johannes v. Nepomuk, Laurentius. 

15. Sebastianus, Gereon, Pantaleon, Geor&ius. 
K>. Ursula, Columba, Cacilia, Agatha. 

C. Für das Lang schiff. 
17. Eleazar (Hohepriester», Heli, Nathan, Zadork. 
IS. Jesse, Salomon, Josaphat, Josias. 

19. Helkias, Tobias der Aeltere, Tobias der Jüngere, Zorohahel. 

20. Nehemias, Esdras, Mathathias, Judas Makkabaeus. 

21. Eleazar, Zwei der Makkabäischen Bruder, Jesus Siraeh. 

22. Deborah, Mirjam, Judith, Susanna. 

23. Maternus, Severinus, Cunibertus, Suitbertus. 

24. Stephan, König von Ungarn, Eduard, König von England, Ludovicus, 
König von Frankreich, Ferdinand Iii., König von Spanien. 

25. Liborius, Paulinus, Ludgerus, Willibrordus. 

26. Bernardus, Thomas v. Aquin, Bonaventura. Albertus Magnus. 

27. Benedictus, Franciscus v. Assissi, Dominicus, Ignatius. 

28. Helena, Monica, Elisabeth, Mathildis. 

"Das grosse Fenster dos Westportals (ca. 22 m hoch) zwischen den 
Thürmen enthält eine Darstellung des jüngsten Gerichts, nacli dem ur- 
sprünglich für den Berliner Campo santo angefertigten Karton von P. von 
Cornelius. Es ist im Auftrage des damaligen Kronprinzen, spateren Kaisers 
Friedrich III., von H. J. Milde in Lübeck ausgeführt. 

Die Fenster der Tharnihallon sind nach den Entwürfen des Professors 
J. Klein in Wien (f 1883) in der Glasmalerei-Anstalt in Innsbruck 1882 bis 
1884 hergestellt und bilden nach ihrer Lage und Einrichtung ein zusammen- 
gehöriges Ganzes. Für ihre Ausschmückuug ergab sich daher die Not- 
wendigkeit eines zusammenhängenden Bilderkreises unter Berücksichtigung 
der bereits im Dom befindlichen Darstellungen. Bei der Auswahl wurde 
der grosse, alle natürlichen und übernatürlichen Beziehungen der Mensch- 
heit umfassende christliche Bilderkreis zu Grunde gelegt, wie er im 13. und 
14. Jahrhundert noch ein Gemeingut aller christlichen Nationen war, der 
den Stoff gewährte für die Miniaturen der Bücher, wie für die Riesenportale 
der Dome, für die Werke der Kleinkunst, wie für die Wandgemälde und 
Glasfenster der Gotteshäuser. 

Daher ist in diesen acht Fenstern der ganze Gang der Erbarmungen 
Gottes gegenüber dem Menschengeschlecht, beginnend mit der Schöpfung 
und endigend mit dem Weltgericht, dargestellt, so zwar, dass die Fenster 



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des Nordthurmes die Zeit von der Erschaffung der Welt bis zu Christus, 
die des Südthurmes die Zeit von Christus bis zum Weltgericht vor Augen 
führen. Das jüngste Gericht ist zwar auch an seiner eigentlichen tradi- 
tionellen Stelle, in dem grossen Fenster über dem westlichen Hauptportale, 
dargestellt, aber in mehr symbolischer Weise, so dass eine Hinweisung 
auf dasselbe in allgemein verständlicher Korm als eine Ergänzung des 
Mittelfensters begründet ist. Die Darstellungen beginnen über dem nörd- 
lichen Seiteneingang mit der Schöpfung und endigen über dem südlichen 
Seiteneingang mit dem Weltgericht. 

Der Bilderkreis der acht Fenster vertheilt sich in den quadratischen 
Feldern derselben und den VierpÄssen des Masswerkes in folgender Ordnung: 

A. Pur die nördliche Thnrmhalle. 



I. Halbfenster über der Thür. 

1. Der Sündenfall. 

2. Die Bekrönung: Gott als Welt- 
schöpfer (8 Felder). 

Ii. Gott als Herr der Welt- 
ordnung. 

1. Die vier Elemente und Winde. 
2 Die vier Tageszeiten und Jahres- 
zeiten. 

3. Die Monate. 

4. Die Monate. 

5. Die Bekrönung: Philosophia, Mu- 
sica, Astronomia, Dialectica, Rhe- 
torica. 



1 



III. Die Menschheit bis Moses. 
Vorbereitung auf Christas. 

1. Adam bis Noah. 

2. Noah bis Jakob. 

3. Geschichte von Joseph. 

4. Geschichte von Joseph. 

5. Die Bekrönung: Tradition von 
Adam bis Moses. 

IV. Die Menschheit von Moses 

bis Christas. 

1. Geschichte Israels und Moses'. 

2. Geschichte Moses'. 

3. Geschichte Israels. 

4. Geschichte Israels. 

5. Die Bek rönung : Geschichte Israels 
und das Martyrium des Eleazar 



| und der Makkabäischen Brüder. 

B. Für die südliche Tlmrmhalle. 



V. Das Leben des göttlichen Er- 
lösers. 

1. Das Eilösungswerk. 

2. Das Krlösungswerk. 

3. Das Li'hcn des Erlösers, 

4. Die Sendung des heiligen Geistes. 

5. Die Bekrönung: die Auferstehung, 
die Himmelfahrt Christi und die 
Ausgiessung des heiligen Geistes. 

VI. Geschichte der Kirche. 

1. Die Geschichte der Offenbarung 
Johannes. 

2. Die apolalytischen Reiter. 

3. Die Engel des Strafgerichts. 

4. Das Herannahen des Sieges der 
Kirche Christi. 

5. Die Bekrönung: das Lamm Gottes 
auf dem Throne. 



VII. Die Erlösung der Menschheit 
in Parabeln des neuen Testaments. 

1. Parabel vom verlorenen Sohne. 

2. Parabel vom verlorenen Sohne. 

3. Parabel vom barmherzigen Sa- 
mariter. 

4. Parabel vom armen Lazarus. 

B. Die Bekrönung: Christus den 
Armen das Evangelium ver- 
kündend. 



VIII. Halbfenster über der Thor 

1. Der gute und böse Tod. 

(8 Felder.) 

2. Die Bekrönung; Christus als Welt- 
richter. 



; 

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— 111 — 

Jedes der 6 grossen Fenster besteht aus 5 Abtheiinngen, von denen 
4 Abtheilungen je 7 Figuren -Medaillons nnd ein Wappenfeld enthalten. 
Die 5. Abtheilung bildet die Bekrönung mit einem grossen und zwei kleinen 
Vierpässen. Die beiden halben Fenster enthalten je 8 Medaillons und 1 Be- 
krönung. 

Der Preis für jede Abtheilung beträgt J050 Mark, mithin für ein ganzes 
Fenster zusammen 5250 Mark. 

Standbilder an den Pfeilern des Mittelschiffes, de» 

Lang- nnd Querhauses. 

Mit dem Jahre 1867 begann man die Ausschmückung des 
Lang- und Querschiffes mit den für die Pfeiler bestimmten, 
in Stein ausgeführten Heiligenfiguren. Von Privaten gestiftet, 
wurden sie von den Künstlern C. Mohr, P. Fuchs, A. 
Wer res ausgeführt. Die Namen der einzelnen Standbilder 
lassen wir hier folgen: 







A. Für die Vorhalle. 




1. Adam 




7. David 


13. Johannes Baptist 


2. Eva 




8. Elias 


14. Joseph 


3. Abraham 




9. Jesaias 


15. Zacharias 


4, Moses 




10. Jeremias 


16. Elisabeth 


5. Melchisedek 




11. Daniel 


17. Anna 


w. Aaron 




12. Ezekiel 
B. Für das Mittelschiff. 


IN. Simeon 


19. Thomas v. Aquin 


23. Suitbertus 


27. Maternus 


20. Anno 




24. Martin von Tours 


2*. Ursula 


21. Ludgerus 




25. Helena 




22. Bonifatius 




26. Gereon 

C Für das Transept. 




29 Lucas 




32. Matthäus 


35. Ambrosius 


30. Johannes 




33. Hieronymus 


36. Gregorius 


31. Marcus 




34. Augustinus 






D. 


Für das südliche Kreuzschiff. 


37. Basilius 




39. Severin 


41. Laurentius 


38. Athanasius 




40. Heribert 


42. Stephanus 




E. 


Für das nördliche Kreuzschiff. 


43. Chryso«tomus 




45. Kunibert 


47. ßernard 


44. Gregor v. Nazianz 


46. Liborius 


48. Engelbert 


F. 


An 


die innere Wand des Südportals. 


49. Benedictus 




51. Franciscu8 


53. Ignatius 


50. Dorainicus 




52. Bruno 


54. Theresia 


G. 


An 


die innere Wand des Nordportals. 


55. Antonius 




57. Agilolphus 


59. Norbertus 


56. Evergislus 




58. Hermann Joseph 


60. Albertus Magnus. 



I 



112 - 



bie Seitenschiffe des Langhauses wurden in den Jahren 1895— 18ns mit 
12 Stationsbildern in Hochrelief geschmückt; sie sind entworfen und 
in französischem Kalkstein ausgeführt von Willi. Mengelberg und finden 
ihren wirkungsvollen Abschluss unter mächtigen Baldachinen durch die 
18. Station eine Kreuzabnahme in der südlichen Thurmhalle und die 
14. Station eine Grablegung in der nördlichen Thurmhalle. 

Die Gruppe der 
Kreuzabnahme ward« 
von Kardinal-Erzbisehof 
Philippus Krementz ge- 
stiftet und von Willi. 
Mengelberg (18!>8) in früh 
gothischen Stilformen in 
französischem Kalkstein 
ausgeführt. Die wirkungs- 
volle, zur Andacht stim- 
mende Gruppe zeigt die 
schmerzhafte Mutter mit 
dem Leichnam ihres gott- 
lichen Sohnes auf dem 
Schoosse zur Seite den 
Ii. Johanues und Maria 
Magdalena, dahinter das 
Kreuz mit Joseph von 
Arimathia und Maria Sa 
lome. 

Die Grablegungs- 
gruppe ist eine vorzüg- 
liche spätgothische Stein- 
skulptur des XV. Jahr- 
hunderts. Die um den 
Kreuzabnahme. h. Leichnam stehenden 

Figuren Joseph von Arimathaea, Nicodemus,* Johannes, Maria Magdalena 
Maria, die Mutter Jacobi und Salome sind vortrefflich nach ihrer Eigenart 
behandelt. Die Gruppe stand früher an der Abschlussmauer der an der 
Nordseite in den Dom einspringenden Kirche zum Pesch (St. Maria in Pas- 
cnlo), kam dann in die Minoritenkirche, wo sie bis 1852 verblieb. Nach 
Uebertragung in den Dom wurde sie von Professor P. Fuchs 1884 hergestellt 
und nach vorhandenen Farbenspuren polychromirt. 

Ausser diesen Bildwerken befindet sich im südlichen Querschiff am 
letzten Chorpfeiler St. Christ ophorus mit dem Jesuskinde auf schöner 
Konsole. Die Figur, eine Arbeit aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, voll 
Leben und Bewegung, ist beachtenswert!). Der heil. Christoph ist einer der 
14 Nothhelfer. Stolz auf seine kolossale Grösse wollte er in den Dienst 
des mächtigsten Fürsten treten; da aber dieser sich vor dem Teufel und 
dieser sich wiederum vor einem Krucifix fürchtete, so trat er in den Dienst 
Christi. Er trug fortan christliche Pilger über einen Fluss. So trug er 
auch ein Knäblein, das aber immer schwerer wurde, denn es war der Herr 
der Welt, Christus selbst, daher der Name Christopherus oder Christusträger. 




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- 113 — 



Biese Legende ist künstlerisch vielfach behandelt. Der grosse Christoph 
findet sich in vielen Kirchen. Weil er vom Heidenthum zum Christenthum 
übergetreten, benutzte die mittelalterliche Baukunst ihn als Uebergaugs- 
symbol zur Mittelkirche. Auch hatte 
das Mittelalter eine Volkssage, dass 
keiner eines jähen Todes sterben oder 
von einer Krankheit befallen werde 
an dem Tage, an welchem er den heil. 
Christoph gesehen. 

Der Flügel- Altar des heil. Agi- 
lolphus (aus dem Jahre 1520) im süd- 
lichen Querschiff unter dem Sixtus- 
Fenster rührt aus der an der Ostseite 
des Domes gelegenen, zu Anfang dieses 
Jahrhunderts niedergelegten Kirche 
.Maria ad Gradus" her und enthält im 
Innern in vorzüglichem Schnitzwerk 
lie Leidensgeschichte des Heilandes, 
vähreud auf der Aussenseite der Flügel 
Begebenheiten aus dem Leben der Erz 
bischöfe St.Agilolph und St. Anno ge 
malt sind. Die Bilder sind wahrschein 
lieh niederländischen Ursprungs. 

Der Fingelaltar unter dem Paulus 
fenater ist ein vorzügliches Werk dei 
westfälischen Malerschule des 15. Jahr 
hunderts mit Darstellungen aus dem 
Leben und Leiden des Heilandes. 

Das unmittelbar am Anfang des 
Chorumgangs in einem modern go 
thischen Schreine sich befindliche 
stoffumkleidete Muttergottes- 
bild birgt eine gut gearbeitete, sorg- 
fältig polychrorairte Holzstatuette au* 
der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 
Die stoffliche Umhüllung stammt aus 
der späteren Rokokozeit, die in ihrer 
Aufdringlichkeit die meisten Audachts 
bilder dieser Art durch solche Ueber- 
ladung verunstaltete. Das Bild ist 
Gegenstand hoher und alter Verein ung. 

Der Altar in Mitte der Vierung 
mit gothischem, aus Holz geschnitztem 
Aufsatz, wurde nach Niederlegung der Scheidewand zwischen Chor und 
Langschiff nach Vollendung des Innern im Jahre 1864 errichtet. 
Ueber den Bodenbelag der Vierung siehe Abtheilung VI. 
Die grosse Orgel befindet sich einstweilen im nördlichen Querschiff 
über dem Eingänge des Nordportals. Dieselbe wurde im Jahre 1572 erbaut. 
Das Gehäuse stammt tlieils aus älterer Zeit, theils aus dem Jahre 1842 

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114 - 



vom Bildhauermeister Christian Stephan, der auch das Ornament vieler 
Kniebänke lieferte. Das Orgelwerk hat 3 Klaviaturen von 47s Oktaven 
und 1 freies Pedal von 2 Oktaven; es enthält 42 klingende Stimmen und 
3 Koppeln. 

Der im nördlichen Querschiff neben der Orgel hergestellte, mit reichem, 
zum Theil durchbrochenem Masswerk ausgestattete Abschlussbau enthält 
die Schatzkammer und dient zugleich als Empore für den Gesangohor des 
Domes. Der Altar vor der Schatzkammer im nördlichen Querschiff ist 
vom Dombaumeister Voigtei entworfen und in der Steinmetzhätte des 
Domes ausgeführt, das Bildwerk in der Mensa von Professor Fuchs in 
dessen Atelier. An dem Gurtgesims der Südseite hangen vergoldete Stäbe, 
die die Regierungszeit des jeweiligen Erzbischofs angeben: „Quot pendere 
vides baculos, tot Episcojms annos huic Agrippinae praesidet Ecclesiae" 
sagt die Inschrift. 

Am Mittelpfeiler des nördlichen Eingangs zum Chorumgang befindet 
sich auf einem von einem Engel getragenen Sockel ein vorzügliches, reich 
polychromirtes, spätgothisches Standbild der Stadtpatronin St. Ursula, 
zehn Jungfrauen unter ihrem Mantel bergend. Dasselbe wurde aus dem 
Nachlass des Frankfurter Stadtpfarrers Münzenberger dem Dom im Jahre 
1893 überwiesen. 

(Von hier ab sind Ein lass- Karten erforderlich.) 

Unmittelbar neben der Schatzkammer im nördlichen Quer- 
schift* treten wir durch das im Jahr 1768 vom Erzbischof 
Kurfürsten Maximilian Friedrich geschenkte Eisengitter in 
den Rundgang, der um das Hohe Chor führt und gelangen 
zuerst in das nördliche Seitenschiff des Chores. 

Zwischen dem Choreingang und dem Eingang zur Sa- 
kristei befindet sich das Grabmal des Erzbischofs Engel- 
bert III. (f 1368), Grafen von der Mark. Auf dem Deckel 
des Sarkophags ruht die Figur des Erzbischofs mit Stab und 
Mitra geschmückt. Die Ausführung des Kopfes und der Ge- 
wandung ist vorzüglich. Die in den gothischen Bogennischen 
der Lang- und Schmalseiten befindlichen, zum Theil erneuerten 
Figuren zeichnen sich durch ihre feine Körperbildung aus. 

Der an der östlichen Wand, welche die Engelbertus- 
Kapelle abschliesst, befindliche Kreuz-Altar wurde 1683 vom 
Domherrn Heinrich von Mering errichtet. Das Holzkruzifix 
soll noch aus dem alten Dom herstammen, dem es durch den 
Erzbischof Gero überwiesen wurde, seine Form (nebeneinander 
gelegte Füsse und Lendentuch) weist auf ein sehr hohes 
Alter hin. 

Die Wandgemälde neben der Sakristei thür, Christus am 
Kreuz mit Maria und Johannes nebst Stifter, stammen ans 
dem 15. Jahrhundert und sind von Alex. Kleinertz restaurirt. 
Links vom Altar ein Bild des Gekreuzigten mit einem betenden 
Bischof von B. de Bruyn. 



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- 115 - 

Öas auf einem mit der Leidensgeschichte bemalten Balken 
ruhende Eisengitter, welches die grossen Kerzen der 1361 
gestifteten Schneiderznnft trng, verdient Beachtung. 

An der Nord wand befinden sich folgende Epitaphien (Grab- 
denkmäler): das kolossale Denkmal des Domherrn Adam 
Daemen (f 1717), daneben das des Domhern Anton Key- 
feld (f 1509), die Auferstehung Christi darstellend, das des 
Domherrn Arnold Holdrenius (f 1534) mit der Dar- 
stellung Christi im Oelgarten? weiter östlich das Denkmal 
des Domherrn Heinrich von Mering (f 1700) mit dessen 
Brustbild in Erz, dann die knieende Figur eines Ritters von 
Enneberg. Die über der Sakristeithür befindlichen Stein- 
figuren Maria und Johannes gehörten einer früheren Kreuz- 
gruppe an. *) 

Hier folgen vom Chorumgange durch aus dem 15. Jahr- 
hundert stammende Eisengitter getrennt 

III. Die sieben Kapellen. 

a. Engelbertus-Kapelle: Hier ruhten bis zum Jahre 1633 die Gebeine 
des b. Engelbert I.. Grafen von Berg, geb. 1185. Zum Erzbischof gewählt 
1216, war er seit 1221 Reichsverweser. Fromm, strenge, energisch and ge- 
rechtigkeitsliebend war er einer der bedeutendsten Männer seiner Zeit. Er 
wurde 1225 in der Gegend von Gevelsberg bei Schwelm von Friedrich von 
Isenburg ermordet und auf dem Konzil zu Mainz als Märtyrer und Heiliger 
erklärt. Die Reliquien des grossen Mannes ruhen jetzt in dem Engelbertus- 
Schrein in der Schatzkammer. — An der nordwestlichen Wand der Kapelle 
befindet sich das im Renaissancestil aus schwarzem Marmor und Alabaster 
gearbeitete Grabmal des Erzbischofs Grafen Anton von Schauenburg 
(t 1&68). Das Bildniss des auf dem Sarkophag ruhenden (well noch nicht 
konsekrirt, nur mit dem Baret geschmückten) Kurfürsten, sowie das darüber 
angebrachte Bildwerk, die Auferstehung des Heilandes darstellend, ist 
kunstvoll gearbeitet. Das mosaikartige Glasfenster von L.Schmidt ist ein 
Geschenk der Eheleute Düssel. 

Sehenswerth ist der Altar mit prächtigem Schnitzwerk aus dem 
ersten Viertel des 16. Jahrbnnderts. Derselbe enthält in der mittleren Ab- 
theilung Darstellungen aus dem Leben und Leiden des Heilandes, unter 
dem mittleren Aufsatz die Köpfe der Apostel mit dem Haupte Christi in der 
Mitte. Die Flügel enthalten Begebenheiten aus dem Leben und Martyrium 
des h. Georg. Die Bilder, wahrscheinlich von einem Niederländer unter dem 
Einflu88 des Quintin Massys gemalt, sind, wenn auch von schwächlicher 
Auffassung, von zarter, massvoller Färbung und feiner Ausführung. Der 

l ) Vergl. A. E. d'Hame, bist. Beschreibung der hohen Erz-Domkirche 
nebst ihren Denkmälern 1821. -- Dr. L. En neu, der Dom zu Köln 1872. — 
de Noel, der Dom zu Köln 1887. 

Die Inschriften der Epitaphien sind hier nicht berücksichtigt. Das 
oben angeführte Buch von d'Hame gibt über diese Aufschluss. 

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- 116 - 

Altar in den vierziger Jabren für den Dom erworben, wurde durch den 
Bildhauer R. Moest im Jahr 1878 restaurirt. 

b. Maternns-Kapelle: Der in der Mitte der Kapelle befindliche Sar- 
kophag birgt die Gebeine des Kölner Erzbischofs Philipp von Heinsberg. 
Auf der oberen Fläche des mit Zinnen, Thürmchen und Thoren bekrönten 
Monuments, welches die zu seiner Zeit ausgeführte Erbauung der alten 
Stadtmauern symbolisch andeuten soll, liegt die zumeist noch mit der 
ursprünglichen Bemalung versehene, in Stein ausgeführte Gestalt des „Phi- 
lippus ab Heinsberch" wie die Inschrift über dem Kopfe sagt Er wurde 
zum Erzbischof gewählt 1167. Treu dem Hohenstaufen Friedrich Barbarossa, 
demüthigte er dessen Gegner, den gewaltigen Weifenfürsten Heinrich den 
Löwen, in Folge dessen er mit den Herzogthümern Engern und Westfalen 
belehnt wurde. Im Jahre 1190 führte er ein starkes Heer nach Italien, um 
die Krönung Heinrichs VI. vorzubereiten, und starb vor Neapel 1191, wohin 
er mit dem Könige Heinrich zur Eroberung Siciliens gezogen war. 

Der Flügelaltar (kölnische Schule) aus dem Anfang des 16. Jahr- 
hunderts, enthält Christus am Kreuz, die Standbilder der h. Jungfrau und 
des h. Johannes, die Flügel selbst Johannes den Täufer, den Apostel Jacobus, 
Laurentius und Stephanus. Die Aussenseiten der Flügel tragen grau in 
grau gemalte Bilder der hh. Vitus und Valentinus. Der etwas derbe Altar 
wurde im Jahr 1880 durch den Bildhauer R. Moest restaurirt. 

Das Flügelbild dem Altar gegenüber — im Mittelbilde die 
Kreuzigung, zur Seite die hh. Nicolaus und Rochus; auf den Flügelu im 
Innern St. Petrus und St. Andreas, auf der Aussenseite die Verkündigung 
Mariä -- ist ein vorzügliches Werk des Kölner Malers B. de Bruyn, vom 
Jahr 1548. Rechts neben dem Altar befindet sich die Holz-Tumba mit 
den Gebeinen der 1057 in Köln verstorbenen Polenkönigin Richeza; sie 
war die Tochter des rheinischen Pfalzgrafen Ezo und Schwester des Erz- 
bischofs Hermann II., Enkel des Kaisers Otto IT. 

c. Johannes-Kapelle: Sarkophag des Erzbischofs Konrad von Hostaden, 
Sein 2,04 Meter langes, in Erz gegossenes Bildniss aus der Mitte des 14. 
Jahrhunderts ruht auf einer schwarzen Marmorplatte mit der Inschrift — 
Conradus de Hochstaden. — Die herrliche Statue wurde in der französischen 
Zeit sehr verstümmelt, aber 1847 in der königlichen Erzgiesserei in München 
durch den Inspektor Miller kunstvoll wieder hergestellt. Der Sockel des 
Sarkophags ist 1,25 Meter hoch, 2,07 m lang und 1,10 m breit. Die Lang- 
und Schmalseiten sind mit Bildwerken des Bildhauers Mohr geschmückt. 
Die südliche Langseite enthält auf den äussern Seiten SchildhaUer mit den 
Wappen der Grafen von Hostaden (links) und des Erzstifts Köln (rechts). Die 
7 Figuren in der Mitte Hiud von links nach rechts) 1. d r Kardinal Pietro 
Capoccio, 2. der Bischof Heinrich von Lüttich, 3. der Graf Dietrich von Kleve, 
4. König Wilhelm von Hollaud, 5. der Herzog Heinrich von Brabant, 0. der 
Graf Adolf VII. von Bei«, 7. Albertus Maguus. Die Figuren am Kopfende 
beziehen sich auf die Erbauung des Domes. Das Fussende ist mit 3 Phan- 
tasie-Figuren geschmückt Die nördliche Langseite des Sarkophags er- 
mangelt noch der Figuren. 

Konrad von Hostaden, zum Erzbischof gewählt 1238, unter 
dessen Regierung der Dom begonnen wurde, war ein gewaltiger Herr seiner 



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- 117 - 



Zeit, in dessen Hand die Fäden des grossen Streites zwischen Kaisertbum 
und Papstthum zusammenliefen. ,Er setzt alles daran, sagt Dr. L. Ennen, 
die Herrschaft der Hohenstaufen zu vernichten und ihm ist ihr Sturz zum 
guten Theil zuzuschreiben. Die Wahl der Gegenkönige Heinrich Raspe, 
Wilhelm von Holland, Richard von Cornwallis war sein Werk. Nicht 
weniger zäh, wie der Kampf gegen den Absolutismus der Hohenstaufen, 
war Konrads Bemühen, die Kraft des Bürgerthums den landesfürstlichen 
Interessen dienstbar zu machen und in ihrem mächtigen Aufschwung zu 
hemmen. — Vor Gewalt, Verrath und Blntvergiessen schreckte er nicht zu- 
rück, wenn es galt, die Freibriefe der Stadt Köln zu zerreissen; gegen die 
von ihm besiegten Gegner der Stadt, blieb er hart und unbeugsam bis zu 
seines Lebens Ende. 4 Unter ihm kam Albertus Magnus nach Köln, dem sich 
1245 der junge Thomas von Aqnin anschloss. Die Wirksamkeit Konrads für 
den Domban dürfte sich auf die Grundsteinlegung beschränkt haben. Er 
starb am 21*. September 1261. 




Seitenansicht des Grabmals Konrads von Hostaden. 
(Die Deckplatte mit dem in Erz gegossenen Bilde siehe S. 6.) 



Ueber dem Altar sehr interessantes Wandgemälde (XIV. Jahrhundert), 
von Maler Willi. Batzem restaurirt. Das Mittelbild Christus am Kreuz mit 
Maria, Johannes und 2 hh. Frauen, von welchen eine die h. Jungfrau unter- 
stützt, links der h. Johannes der Täufer und rechts der h. Laurentius. 

Gegenüber dem Altar unter Spiegelglas in einem geschnitzten 
Eichenholzrahmen befindet sich der Aufriss der Westfayade 
mit den Thürmen aus dem 14. Jahrhundert auf Pergament; derselbe wurde 
theils 1814 in Darmstadt auf dem Speicher des Gasthofes zur Traube, theils 
1816 in Paris zufällig aufgefunden. I Siehe S. 85.) 

Rechts vom Altar unter Glas und Rahmen der in Paris im Jahre 1816 
aufgefundene Grundriss und Aufriss des nördlichen Domthurmes, von Sulpiz 
Boisserße dem Dome geschenkt. 

Die gemalten Glasfenster sind in ihren unteren Partien alt, eins 
von der Familie Overstolz, das andere von Erzbischof Heinrich von Virne- 
burg gestiftet und von P. Grass restaurirt, der obere Theil ist von L. Schmidt 
neu ausgeführt. 



— 118 — 

d. Marien-Kapelle, früher auch Dreikonigen-Kapelle genannt, weil 
in ihr der den hh. 3 Königen geweihte Altar steht, und in ihr bis zum 
Jahre 1864 der Reliquienschrein der hh. 3 Könige aufbewahrt wurde, welcher 
seitdem einstweilig in der Schatzkammer aufgestellt ist 

An der nördlichen Seite dieser Kapelle ist ein marmornes Denkmal 
mit dem bayerischen Wappen geziert. Dasselbe ist errichtet zum Andenken 
an die fünf sich aufeinanderfolgenden Erzbischöfe und Kurfürsten von Köln 
aus dem bayerischen Fürstenhause, nämlich: Ernest 1583—1612, Ferdinand 
1612-1650, Maximilian Heinrich 1650-1688, Joseph Klemens 1688-1723 und 
Klemens August 1727—1761. 

An der südlichen 8eite dieser Kapelle befindet sich in marmorner 
Einfassung und mit dem bayerischen und mehreren anderen Wappen ge- 
ziert, eine grosse, aus Bronze gegossene Tafel als Denkmal des im Jahre 
1612 verstorbenen und hier beerdigten ersten Erzbischofs aus dem bayerischen 
Fürstenhause, des Kurfürsten Ernest. Die Wandmalereien sind nach den 
daselbst vorgefundenen Resten aus dem 14. Jahrhundert wiederhergestellt 
von Maler Stummel aus Kevelaer. Der Altar ist in den edelsten Formen 
des 14. Jahrhunderts von Meister Wilh. Mengelberg in Utrecht geschnitzt, 
reich vergoldet und polychromirt. In dem unteren Theile sind in der Mitte 
die hh. Dreikönige und an den beiden Seiten je zwei Reliquienbüsten an- 
gebracht. In dem oberen Theile thront die Muttergottes unter reich ge- 
schnitztem Baldachin. Die Figuren, für den Altar gestiftet, sind Meister- 
werke aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. 

Das die Kapelle abschliessende Gitter wurde nach der Zeichnung von 
W. Mengelberg vom Schlossermeister G. Jungbluth ausgeführt. 

Die Glasmalereien der Fenster dieser Kapelle gehören mit zu den 
ältesten des Domes; sie enthalten in der Mitte als Typus und Antitypus 
Darstellungen ans dem alten und neuen Testament, ferner links die An- 
betung der hh. Dreikönige, rechts den h. Petrus und den h. Maternus. 

Gegenüber dieser Kapelle, an der Rückseite des Chores, gewahren 
wir das vortreffliche Denkmal des Erzbischofs Dietrich II., Grafen von 
Mors t 1463. In der Mitte die h. Gottesmutter mit dem Jesuskinde, rechts 
die hb. Dreikönige und links der h. Petrus mit dem knieenden Erzbischof. 
Neben der h. Jungfrau befinden sich zwei Engel mit dem Wappen des Dom 
kapitels und des Erzbischofs. 

e. Agnes-Kapelle : Sarkophag der h. Irmgardis, Gräfin von Zütphen 
(t 1100) aus dem Anfang des 14. Jahrb.; die Bildwerke in den gothischen 
Nischen fehlen. 

Die 3 von der Stadt Köln gestifteten Fenster mit Glasmalereien aus 
dem 14. Jahrhundert sind von P. Grass restaurirt. Sie enthalten die Dar- 
stellungen der kölnischen Heiligen Anno und Severinus, Agnes und Kuni- 
bert, Gereon und Mauritius. 

Die sehr interessanten, durch Maler Alex. Kleinertz wiederhergestellten 
Wandgemälde in dieser Kapelle stammen aus dem 14. Jahrhundert. Sie 
enthalten folgende Darstellungen: links: die h. Irmgardis schenkt dem 
h. Petrus, als dem Patron des Erzstifts, ihre Güter Aspeln, Rees und Kalkar 
am Niederrhein; — über dem Altare: Christus am Kreuz mit Maria und 
Johannes, dem h. Quirinus und der h. Agnes-, rechts: die ganz neuen Bild- 
nisse eines Bischofs und Königs, dann die hh. Cäcilia und Barbara, über 
einer Nische der leidende Heiland (alt) (Eoce homo) mit zwei Engeln, 



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— 119 - 



daneben zwei gekreuzigte Heilige, getrennt durch die neu komponirten Per- 
sonifikationen von Fides, Spes und Charitas (Glaube, Hoffnung und Liebe). 

An der oberen Nordseite steht ein schwarzmarmorues Denkmal des 
hier beerdigten Domkapitulars Andreas Eschenbrender (f 1717). 

f. Michaelis -Kapelle: Grabdenkmal des Erzbischofs Walram von 
Jülich (t 1849). Die Figur des Erzbischofs ruht auf schwarzer Marmor- 
platte. Das der übrigen Ausstattung leider beraubte Denkmal rührt aus 
dem Anfang des 15. Jahrhunderts. Es ist eine tüchtige Arbeit 

Walram, aus dem mächtigen Jülicher Grafengesohlecht, wurde 1332 vom 




Das Kölner Dombild. 
Papst zum Erzbischof ernannt. Obschon es ihm ernst war, dem Erzstifte 
die Segnungen des Friedens wiederzugeben und in ein friedliches Verhält- 
niss zur Stadt Köln zu treten und die Streitigkeiten mit dieser auf güt- 
lichem Wege zu schlichten, wurde er doch wider Willen in mannigfache 
Fehden verwickelt. Während die Stadt Köln zu Ludwig dem Bayern hielt , 
betheiligte er sich an der Wahl des Gegenkönigs Karl IV. und krönte ihn 
1346 in Bonn. Walram starb 1349 zu Paris. 

In dieser Kapelle befindet sich auch Kölns bedeutendster Kunst- 
schatz, das weltberühmte Kölner Dombild — die Anbetung der hh. drei 
Könige des Heisters Stephan Lochner, gemalt zwischen 1440—50. Es ist 
ein Altarschrein mit zwei Flügeln, 2,82 m hoch und 2,51 m breit. Auf der 



— 120 — 

Aussenseite der Flügel ist die Verkündigung Maria dargestellt, inwendig 
auf dem Mittclbilde die Anbetung der hh. Dreikönige und auf den Flügeln 
die Schutzpatrone der Stadt, links di« h. Ursula mit ihrem Gefolge, rechts 
der h. Gereon mit seinen Kriegsgefährten. Im Bilde der Verkündigung 
kniet die h. Jungfrau in ihrem Gemach vor dem Betpult und empfängt die 
Botschaft des mit einem kirchlichen Gewände geschmückten Engels. In 
dieser Darstellung spricht uns besonders die liebliche Holdseligkeit der 
Madonna an. In dem Hauptbilde hält die thronende Himmelskönigin, deren 
weiche Züge des Antlitzes von beseligender Freude verklärt sind, auf dem 

Schoosse das unbekleidete 
Kind, das segnend die Rechte 
gegen den ältesten der Könige 
ausstreckt. Dieser mit seinem 
ausdrucksvollen Kopfe faltet 
anbetend die Hände-, der zweite 
bringt auf der andern Seite 
ein goldenes Pracht gefäss dar, 
während der dritte, der Mohren- 
könig, mit einem Ähnlichen Ge- 
f äss hinter ihm steht. Zu beiden 
Seiten dieser Hauptgruppe ist 
das Gefolge, Krieger mitFahnen 
und Waffen. Ganz kleine Engel- 
eben mit dunkelblauen Flügeln 
halten den Teppich hinter der 
h. Jungfrau oder flattern da- 
neben. Die h. Ursula in Ge- 
sellschaft ihres Bräutigams 
und der hh. Bischöfe Severin 
und Kunibert, dazu die frommen 
Jungfrauenschaaren, die mit 
ihr den Martyrertod bei Köln 
erlitten, erinnern in ihrer lieb- 
lichen Verschämtheit und hei- 
teren Spannung viel mehr an 
einen Hochzeitszug, als an den 
der Könige, dem sie sich anzu- 
schliessen scheinen ; St. Gereon, 
in goldener, mit dem Kreuz 
gezierter Rüstu>:g und der 
Kreuzesfahne, erweitert mit 
seinen Gefährten gleichsam den Zug der Könige von der andern Seite. 

Die ideale poetische Auffassung des Ganzen, die Freiheit und Feinheit 
der Zeichnung, verbunden mit einer naturalistischen Auffassung der Personen, 
die Feierlichkeit, Lieblichkeit und Ruhe, welche uns anweht, sowie die Har- 
monie und Wärme in der Farbenzuammenstellung geben dem Bilde seinen 
hohen Werth. Ursprünglich gehörte es der Stadt und hing in der Rathhaus- 
kapelle. In den Revolutiousstürmen flüchtete man das Bild vor den Fran- 
zosen. Im Jahre 1810 wurde es ohne Vorbehalt dem Domkapitel übergeben 




Linker Flügel des Dombild« > 



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— 121 — 



und nimmt seit der Zeit seine jetzige Stelle ein. Eine Reklamation seitens 
der Stadt wurde auf Grund der Verjährung verworfen. 

Links neben dem Dombild ruht aufsehwarzemSockeldiePortrait-Figur 
des Oberst Wachtmeisters von Hochkirchen (gefallen im spanischen Erbfolge- 
krieg 1703 vor Landau) in ruhender Stellung in Rüstung und Mantel, den 
Kopf mit mächtiger Allongeperücke auf die Linke gestützt, ausgeführt in 
weissem Marmor vom Florentiner Bildhauer Fortini. Die Figur gehörte 
ursprünglich einem grösseren Grabdenkmal in der Franziskaner -Kirche 
„ad Olivas** an. Im Jahr 1802 kam das Bildwerk in den Dom. 

Die 3 Fenster dieser Kapelle, 
gestiftet vom Klemens-Verein, 
sind in dem Atelier von P.Grass 
hergestellt und enthalten die 
Figuren der h. Katbarina, des 
h. Bruno, der h. Ursula, des h. 
Klemens, der h. Barbara und 
des h. Pantaleon. 

g. Stephanus - Kapelle: 
Sarkophag des Erzbi* 
schofs Gero (t 976). Die 
Wände des aus grauem Stein 
gearbeiteten (Jrabmals, wel- 
ches noch aus dem alten Dom 
stammt, zeigen nichts Bemer- 
kenswerthes, dagegen ist der 
Deckel kostbar geschmückt. 
Er enthält viereckige aus 
Porphyr- und Verde antico- 
Stückeben zusammengesetzte 
Felder, welche von weissen 
Marmorstäben schräg durch- 
kreuzt sind. Die den zahl- 
reichen spätrömischen Mosaik- 
belägen nachgebildete Platte 
dürfte aus alten Fragmenten 
im 10. Jahrhundert ausgeführt 
sein. Sie stammt nebst dem 
Seite 114 erwähnten Kreuz 
noch aus dem alten Dom. 

Gero , Solin des Grafen 
Christian von Serimunt, Mark- Rechter Flügel des Dombildes. 

grafen der thüringischen Ostmark, Kaplan Otto's I., gewählt 969, geht 971 
als Gesandter Otto's mit glänzendem Geleit nach Konstantinopel, die Tochter 
des byzantinischen Kaisers Romanus II., Theophania, als Braut Ottos II. ab- 
zuholen und zur Vermählung nach Rom zu geleiten, hilft 973 in Magdeburg 
Kaiser Otto I. bestatten, gründet 970 die Abtei Damersfeld am Harz und 
974 die Abtei Gladbach, konsekrirt 974 die St. Andreaskirche in Köln. Er 
starb 976 am 26. Juni und soll nur scheintodt begraben worden sein. 

Ueber dein Altar zwei aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts 
stammende, von Wilh. Batzem .wiederhergestellte Gemälde: links: die 



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Steinigung des h. Stephanus; rechts: der h. Erzbisohof Gero, eine Hostie 
haltend, um sie - nach der Legende - in den Kopf eines von der h. Irm- 
gardis gehaltenen Cruciflxus zu legen. 

In der südwestliehen Ecke der Kapelle befindet sich das Grabmonu- 
ment des mit der Mitra geschmückten Erzbischofs Adolph von 
Schauenburg (f 1556), als Gegenstück zu dem Seite 115 erwähnten seines 
Bruders. 

Die Fenster dieser Kapelle, mit Glasmalereien aus dem H.Jahrhundert, 
enthalten folgende Darstellungen : 



Der Apostel Simon mit 
folgenden Medaillons aus dem alten 
Testamente: 

1. Achior wird an einen Baum ge- 
bunden. 

2. Der mit Aussatz behaftete Naaman 
wird im Jordan gereinigt. 

3. Moses und die eherne Schlange. 

4. Die Königin von Saba vor Salomon 

5. Moses vor dem brennenden Dorn- 
busch. 

6. Moses erhält die Gesetzestafeln 
auf Sinai. 

In der Bekrönung : Christus. 



Der Apostel Judas mit 
folgenden Medaillons aus dem neuen 
Testamente : 

1. Maria Verkündigung. 

2. Geburt Christi. 

3. Anbetung der hh. Dreikönige. 
i. Taufe Christi. 

5. Geisselung Christi. 

6. Christus am Kreuz mit Maria und 
Johannes. 

7. Der auferstandene Heiland. 

8. Die Herabkunft des h. Geistes. 

In der Bekrönung: Maria. 



Wir verlassen hier die Kapellen und treten in das 
„Muttergottes-Chörchen", dessen Altar das heil. Sakrament 
aufbewahrt. 

Der neue gothische Altar wurde von Zwirner entworfen. Der Figuren- 
schmuck von Professor Mohr und der Altar selbst in der Dombauhütte aus- 
geführt. Das neue Altarbild „die Himmelfahrt der h. Jungfrau" von Fr. Over- 
beck gemalt, ist ein Geschenk des Düsseldorfer Kunstvereins. Dasselbe 
wurde für 21,000 Mark erworben und im Jahre 1856 aufgestellt. Die gen 
Himmel auffahrende h. Jungfrau wird von Engeln getragen; links eine 
Gruppe: die drei Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob, sowie Adam und 
Eva; rechts: David, Moses, Isaias, Jeremias, Ezechiel nnd Daniel. Zwischen 
beiden Gruppen einige alttestamentliche Frauen, Vorbilder der sei. Jung- 
frau, u. a. Sara. Judith, Abisag. Auf der unter diesen Darstellungen sich 
ausbreitenden Landschaft erscheinen die hh. zwölf Apostel versammelt um 
das Grab der h. Maria; im Hintergrunde links die kölnischen Erzbischöfe 
Klemens August von Droste-Vichering und Johannes Kardinal von Geisse . 

Links vom Pfeiler des Altars steht auf einem Postament die lebens- 
gross« Figur des h. Aloysius, im Jahr 1856 von Professor Fuchs 
ausgeführt. 

Das polychromirte Marienbild des früheren Altars befindet sich 
jetzt unter einein von Zwirner entworfenen, zierlichen Baldachin (rechts) 
an der südlichen Wand. Ausführung und Gewandung der meisterhaften 
Skulptur lassen in dem Bilde eine Arbeit des 14. Jahrhunderts erkennen. 
Links vom Altar ist das Grabmal des Erzbisohofs Friedrich von 
B aarwerden (t Uli). Die Bronzeflgur des Verstorbenen ruht auf einem 



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- 123 — 

Sarkophage, dessen Wände mit Engel* und Apostelngaren and mit einer 
Darstellung der Verkündigung geschmückt sind, die zu den anrauthigsten 
Skulpturen des 15. Jahrhunderts gehören. — Friedrich von Saarwerden 
wurde im Jahre 1370 im Alter von 22 Jahren zum Erzbischof gewählt. Er 
war der erste Kölner Erzbischof, welcher den Titel Herzog von Westfalen 
und Engern annimmt. Unter ihm errichtete der Papst Urban VI. die Kölner 
Universität. Friedrich suchte während seiner Regierung die vielen Schäden 
im kirchlichen und bürgerlichen Leben zu heilen und dem durch Kriegs- 
schaaren und Räuberborden so sehr heimgesuchten Erzstift Schutz zu ge- 
währen. Aber die durch den Herzog von Jülich heraufbeschworenen 
Kriegsstürme und die Unruhen in der Stadt drückten ihm das Schwert in 
die Hand. Er gerieth mit letzterer in erbitterte Kämpfe und starb im 
Schlo98 zu Poppelsdorf am 5». April 1414. Ueber dem Grabmal zwischen 
den Pfeilern befindet sich der im Jahr 1622 errichtete Balken der 
Kanne ngiesser-Bruderschaft mit zierlichem Gitter. 

Der zunächst dem Abschlussgitter der Kapelle freistehende S a r k op h a g 
ist der des Grafen Gottfried von Arnsberg 1368), dessen Bildniss mit einem 
Eisengitter geschützt ist; der einfache Sarkophag ist au den Seitenwänden 
mit den Arnsbergischen Wappen und Temperagemälden (sehr beschädigt) 
geschmückt, die sehr interessante Figur trägt Lederpanzer und Kettenhemd. 
Nach der Kölner Chronik vermachte der Graf, welcher der letzte seines 
Stammes war, im Einverständniss seiner Frau Anna, einer geborenen Gräfin 
von Cleve, da sie kinderlos waren, 1368 die ganze Grafschaft Arnsberg und 
sein väterliches Erbe an das Erzbisthum und beschloss seine Tage auf dem 
Schloss Brühl. Seine früheren Unterthanen sollen aas Aerger darüber, dass 
Gottfried sie an das Erzstift gebracht, sein Denkmal wiederholt beschädigt 
haben, weshalb der Erzbischof Kuno von Falkenstein sich genöthigt sah, 
dasselbe mit einem eisernen Schutzgitter zu umgeben. 

Der Sarkophag (rechts) ist dem Erzbischof Reinald von Dassel 
(t 1167), dem Ueberbringer der Gebeine der hh. drei Könige gewidmet. Das 
erzene Bildniss dieses Erzbischofes, welches Ende des vorigen Jahrhunderts 
nebst den dasselbe schmückenden Engeln zerstört und als altes Kupfer ver- 
kauft wurde, ist durch das marmorne des Erzbischofs Wilhelm von Gennep, 
dessen Ueberbleibsel im hohen Chore ruhen, ersetzt. 

Reinald, Graf von Dassel, seit 1156 Reichskanzler, wurde 1159 
zum Erzbischof von Köln gewählt. Er brachte die Gebeine der hh. drei 
Könige von Mailand nach Köln. Im Jahr 1165 zum Priester geweiht, empfing 
er die Konsekration in Gegenwart des Kaisers Friedrich Barbarossa zu 
Köln. Er.schmückte den (alten) Dom mit zwei neuen Thürmen und erbaute 
auf der Südseite des Domplatzes einen erzbischöflichen Palast. ,Es war sein 
Stolz, in seiner Hand alle Fäden zu vereinen, durch welche die Geschicke 
der damaligen Welt geleitet wurden und der Einfluss des römischen Stuhles 
unterbunden werden sollte.' Was in jüngster Zeit durch einen anderen 
Reichskanzler erfolglos angestrebt wurde — die Loslösung der katholischen 
Kirche Deutschlands von Rom und die Beugung der Kirche unter die Staats- 
gewalt — das versuchte der Reichskanzler und Erzbischof von Köln in viel 
grossartigerer Weise. Zwei Gegenpäpste wurden von ihm dem Papst 
Alexander entgegengestellt und das Schisraa offen proklamirt. Die Kirchen - 
Versammlung zu Tours verhängte über ihn den Kirchenbann. Nachdem er 



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124 — 



noch die Vertreibung des Papstes Alexander aus Rom und die Krönung 
Friedrichs in der Peterskirche durch den Gegenpapst Paschalis erlebte, 
raffte ihn die Pest hinweg, die im deutschen Heere ausgebrochen war, 
13. August 1107. Sterbend söhnte er sich mit der Kirche aus, indem er reu- 
müthig beichtete und die h. Wegzehrung empfing. 

Die geraalten Glasfenster enthalten Darstellungen aus dem Leben 
der b. Jungfrau und sind im Anscbluss an die alten Wandgemälde über 
dem Chorgestühl, nach Zeichnungen von Ramboux von P. Grass ausgeführt, 

Bevor wir uns in die Sakristei, den neu gebauten Kapitel- 
saal und in die Schatzkammer begeben, besuchen wir 

IV. Das Chor. 

Eine Steinbrüstung aus dem XIV. Jahrb. und ein Eisen- 
gitter aus dem XVIII. Jahrh. hält das Chor nach dem Chor- 
umgang zu umschlossen. 

Wie in vielen Domen der gothischen Periode, so ruht 
auch hier das Chor auf 14 Pfeilern, an denen auf blätter- 
geschmückten Konsolen die Standbilder Christi, Mariä und 
der 12 Apostel angebracht sind. Dieses hat einen tieferen 
symbolischen Grund. Das Chor ist das Bild der Kirche, diese 
aber ist auf Christus, Maria und die hh. Apostel gegründet. 
Ihre Bilder sind die Inschriften, welche besagen, was diese 
bedeuten. Wie die Säulen, die ihre Namen tragen, den sicht- 
baren Bau halten, so sind sie die Grundpfeiler und Träger 
der geistigen Kirche auf Erden. — Die von Meister Christian 
Stephan 1840 in ihrer alten Farbenpracht wiederhergestellten, 
vom Erzbischof Wilhelm von Gennep (f 1361) gestifteten 
Figuren sind ein Hauptwerk der Kölner Bildhauerschule aus 
dem Anfang des 14. Jahrhunderts. 1 ) Iu feinem architekto- 
nischem Takt gab ihnen der Meister eine gebogene Stellung, 
um die langgestreckten Säulen zu unterbrechen. — Ueber den 
Aposteln erheben sich reichverzierte Baldachine mit musiziren- 
den Engeln. Sie umgeben den eucharistischen Opferaltar, um 
mit den über ihnen in den Eckfeldern der Bogenanfänge von 
Ed. von Steinle 1843 al fresco gemalten Engeln 2 ) in das 

') Als zum Zweck der Farbenerneuerung im Jahr 1840 die Figuren 
von ihren Ronsolen herabgenommen wurden, benutzte A. Reichensperger 
diese Gelegenheit zu einer genauen Untersuchung und Beschreibung ins- 
besondere der so farbenreichen bei jeder Figur verschiedenartigen Musterung 
der Gewandungen. — U. d. T. : „Die vierzehn Standbilder im Domchor zu 
Köln* veröffentlichte er sodann eine Monographie, welcher Abbildungen 
der Figuren in Farbendruck von Levi Blkan beigegeben waren. Erster« 
rindet sich abgedruckt und weiter ausgeführt in dessen „Vermischte Schriften 
über christl. Kunst*.». Leipzig 1856. S. 26-54. Die Abbildungen sind sehr selten. 

*) So poetisch schön die "auf Veranlassung König Friedrich Wilhelm IV. 
von Steinle gemalten Engelfiguren auch gedacht, so meisterhaft sie auch 



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125 



Lob des dreieinigen Gottes einzustimmen und das Opfer zu ver- 
herrlichen, das hier dargebracht wird. Die Baldachine über den 
Figuren Christi und Mariä endigen in Kreuzblumen, weil der 
König und dieKönigin des Himmels keine Engel über sich haben. 

Der Hochaltar, von Erzbischof Wilhelm von Gennep (1849—1362) ge- 
stiftet, ist ein einfacher sarkophagartiger Altar (früher ohne Ueberbau). Die 
Platte der Mensa besteht aus einem einzigen Stück schwarzen Marmor von 
Dinant; ihre Länge beträgt 4,52 m, die Breite 2,12 m, die Dicke 25 cm. Die 
Vorderseite des Altartisches zeigt in zierlicher Plastik die Krönung Mariä 
und die Figuren der zwölf Apostel aus weissem Marmor auf schwarzem 
Grunde. Die Schmalseiten enthalten Gruppenbilder mit der Darstellung 
Marift Vetkündigung und Jesus im Tempel mit je vier Statuetten, die Rück- 
seite enthält die Anbetung der hh. drei Könige mit Statuetten zur Seite. 
Der Altar wurde im vorigen Jahrhundert sehr verstümmelt und mit einem 
stilwidrigen Rokoko-Aufsatz versehen, der im Herbst 1898 entfernt wurde. 
Der alte Figurenschmuck der Schmalseiten und der Rückseite wurde zer- 
streuet und befindet sich zum Theil im Museum und in Privatbesitz. Nach 
diesen Resten sind die jetzigen Figuren der Rück- und Schmalseiten durch 
den Bildhauer Alex. Iven kopiert und ergänzt (1899). 

Hoffentlieh erhält der Altar demnächst einen der Architektur des 
Domes entsprechenden Aufbau. Seiu früherer Zustand ist Seite IM ge- 
schildert. Einstweilen trägt er als Aufsatz deu Klaren -Altar (früher in 
der Johannes-Kapelle). 

Der sogenannte Klara Altar, aus der früheren St. Klaren-Kirche 
am Römerthurm durch die Fürsorge des Prof. Wallraf und S. Bofsseree vor 
der Veränsseruug gerettet und dem Dom uberwiesen, ist aus Schnitzwerk 
und Malereien zusammengesetzt mit zweifach einander deckenden Flügeln. 

Der geschlossene Schrein zeigt auf den Aussenflügeln auf 
Leinwand und rotbem Grunde gemalte Temperabilder: in der Mitte 
unten Christus am Kreuz, oben den aus dem Grabe erstehenden Heiland, 
von Leidenswerkzeugen umgeben, mit zur Seite stellenden Heiligenfiguren, 
oben ß und unten ß. 

Nach Oeffnung dieser äusseren Flügel zeigen sich auf 
dem von innen wie den geschlossenen inuereu Flügeln gebildetem grossen 
Felde, oben wie unten y 12 Darstellungen aus dem Leben des Heilandes 
von seiner Verkündigung bis zur Himmelfahrt. Die Bilder sind in zarten 
Farben auf Goldgrund gemalt und tragen den ganzen Reiz und die volle 
Lieblichkeit und Amuuth der älteren kölnischen Malerschule. Sie werden 
dem bedeutendsten Maler derselbeu, dem Meister Wilhelm (1858 bis 1878) 
zugeschrieben. Die Mitte bildet (auf den Altaren dieser die Sakraments- 
h&uschen liebenden Zeit) das Tabernakel, dessen Thür mit einem Messe 



gezeichnet sind, sie wirken störend in der gewaltigen Harmonie des Ganzen. 
Die Ausführung dieser modernen Bilder ist um so mehr zu bedauern, als 
durch sie für immer die alten wirkungsvollen restaurationsfähigen Malereien 
des 14. Jahrhunderts an dieser Stelle — ebenfalls Engelbrustbilder — ver- 
nichtet sind. (Siehe S. 127.) 



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— 126 — 

lesenden Priester bemalt ist. — Die auf der äusseren Seite der Innenflügel 
gemalten Bilder sind durch geschnitzte Holzarchitektur und auf der inneren 
Seite der Aussennugel durch gemalte Architektur eingefasst. 

Vollständig geöffnet zeigt das Innere des Schreins in herr- 
lichem Schnitzwerk oben die zum Theil neuen zwölf Apostel, Christus 
in der Mitte, in zierlichen, mit Masswerk nnd Giebelspitzen verzierten 
Nischen, unten in gleicher Anordnung zwölf neue Darstellungen aus dem 
Leben Maria, von denen je sechs durch das erwähnte Tabernakel getrennt 
werden. Der grossartige Altaraufsatz, in dem Skulptur und Malerei die 
innigste Verbindung gefunden, ist als Kunstwerk ersten Ranges allseitig 
anerkannt. 

Bemerkenswerth sind die aus dem U.Jahrhundert stammenden Chor- 
stühle ,Sie zeigen, wie Ennen in seiner Schrift über den Dom (S. 179) be- 
merkt, in charakteristischer Weise, wie man es im Mittelalter nicht ver 
schmähte, selbst in der Kirche humoristische und satyrische Darstellungen 
an untergeordneten Gegenständen anzubringen. Diese Schnitzwerke nehmen 
ihrer überaus feinen Stilisirung wegen eine sehr bedeutende Stellung ein. 
Der Meister, der dieses Werk geschaffen, zeichnet sich durch eine reiche 
Phantasie, einen humoristischen Sinn, eine satyrische Laune, einen feinen 
Geschmack, eine künstlerische Fertigkeit und eine ausnehmende Leichtig- 
keit in der Darstellung in hohem Masse aus. Die verschiedenen Figuren 
und Gruppen bekunden eine sprudelnde Fülle reicher und blühender Ge- 
danken, und der Künstler verstand es, aus dem Chorgestühl des Domes 
gewissermassen eine Kulturgeschichte seinerzeit zu schaffen. Scherz und 
Ernst, Kampf und Sieg, Moral und Satyre wechseln hier in buntester Reibe 
und mit der verschiedensten Anwendung. Mit Wohlgefallen und nicht er- 
müdender Bewunderung ruht der Blick auf diesem bedeutenden Werke, 
welches wie aus einem Geiste, höchst wahrscheinlich aus einer Hand herrührt.' 

Leider hat das Chorgestühl im Laufe der Zeiten manche Verstümm- 
lungen und Einbussen erlitten, besonders an den nach Osten und Westen 
gerichteten Enden. Nach Osten, dem Hauptaltar gegenüber auf der Evange- 
lienseite als Sitz des Papstes, wo sich das Standbild des h. Papstes Silvester 
und auf der Epistelseite als Sitz des Kaisers, wo sich das des Kaisers 
Constantin befand, ist dieses alte Bildwerk an seiner Hauptfläche Ende des 
vorigen Jahrhunderts entfernt. Nach Westen hat eine Wiederherstellung 
in keineswegs schöner Anordnung und Ausführung in neuerer Zeit statt- 
gefunden. 

üeber den Fussbodenbelag des Chores siehe Abth. VI. 

Die Chorschranken hinter diesen Gestühlen. früher mit Wandge- 
mälden geschmückt (siehe S. 128) sind mit Teppichen bebangen, welche nach 
den Entwürfen des Malers Ramboux von einem Verein KölnerDamen unter dem 
Vorsitz der Frau Sanitätsrath Dr. König und unter Leitung der Geschwister 
Martens kunstvoll gestickt wurden. Sie enthalten im unteren Theile unter 
gothischen Baldachinen Heiligenfiguren, meistens aus der kölnischen Kirche, 
während der obere Theil das Nicänische Glaubensbekenntniss in einer Reihe 
von Bildern, sowohl auf der rechten wie linken Chorseite zurDarstellung bringt. 



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- 127 - 



Ein Rückblick auf die frühere künstlerische Aus- 
schmückung des Chores, soweit sie nicht im Vorstehenden 
schon angedeutet wurde, dürfte hier am Platze sein. — Da 
glänzte alles in reichster Farbenpracht: Von den beiden Fenster- 
reihen, den reich ausstaffirten Standbildern des Heilandes seiner 
Mutter, der zwölf Apostel, die noch heute den Schmuck des 
Chores bilden, bis zu den nur in ihren Resten noch vorhandenen 
Malereien stand alles in gefalligster Harmonie. In den dreissig 
Zwickeln der Bogen waren auf Goldgrund grosse paarweise 
sich entgegenschwebende Engelbüsten gemalt, von denen 20 
auf Handorgeln, Zithern und anderen Instrumenten musizirten, 
wie auch die Engelfigürchen über den Baldachinen der Stand- 
bilder, während die 10 Engel in den Zwickeln um die Chor- 
rundung, den Platz des Allerheiligsten, die beim h. Messopfer 
gebräuchlichen liturgischen Geräthe trugen und Weihrauch- 
gefasse schwenkten. 

Eine Reihe von Wandgemälden, 1 ) die kurz nach 
der Einweihung des Chores 1322 entstanden sein mögen, 
schmückten beide Seiten der Chorschranken hinter den 
Chorstühlen. Dieselben, 5,65 m lang und mit der Unterstellung 
2,84 m hoch, sind jedes durch eine architektonische Verzierung 
in 7 Felder getheilt Auf einem durchgehenden 0,774 m hohen 
Unterbau, aus gemalten Spitzbogen-Nischen bestehend, erheben 
sich, auf Goldgrund gemalt, äusserst zierliche, in scharfen Um- 
rissen gezeichnete Spitzbogen bis zum Bogenschluss 1,438 m 
hoch. In dieser architektonischen Verzierung wechseln immer 
drei Bogen mit Spitzgiebeln überbaut und bekrönt von einem 
in der Grundform achteckigen gezierten Thurmbau mit Schiefer- 
bedachung und Kammverzierung. Wo die Bilder an die Säulen 
stossen, ist ein schmaler Spitzbogen mit durchbrochenem Giebel- 
felde und Thurm angebracht. Die Ornamente der Architektur 
sind reich, zierlich, aber in edelstem Stile gehalten. 

Die einzelnen Gliederungen der Hauptbogen sind, wo der 
ganze Bogen in drei getheilt ist, roth mit blauen Vorsatzleisten, 
auf denen goldene Rosetten angebracht sind, dagegen in den 
einfachen Bogen gelb bemalt. In den Unterbauten wechselt 
gelb, roth und blau. Das architektonische Element herrscht 
bei allen Hauptornamenten des Baues vor, so hier und in den 
gemalten Fenstern; in ihm beruht das hohe Geheimniss der 
künstlerisch erhabenen Harmonie des ganzen Bauwerks. Ueber 
den Giebeln der Bogen läuft ein braunrother Hintergrund durch, 
der reich mit Figuren damaszirt ist, die alle mit der Feder 
markig schwarz gezeichnet und hellroth aufgesetzt sind, um 
sich von dem braunrothen Grunde zu lösen. Die Gründe der 
Bilder wechseln in blauer und braunrother Farbe und sind 
ebenfalls aufs reichste mit unsäglichem Fleisse staffirt. Die 
braunrothen Gründe zeigen Larven, Laubverzierungen und 



i) Vergl. Kölner Domblatt, 1846. Nr. 12-19. 



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128 - 



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phantastische Gestalten. Der blaue Grund ist durch zwei, etwa 
26 mm von einander stehende Goldlinien in Vierecke getheilt, 
in denen entweder Laubverzierungen oder einzelne, 157 mm 
hohe Figürchen angebracht sind. Diese sind schwarz mit Gold- 
grund gezeichnet und in Bezug auf die Kleidertrachten, sowie 
hinsichtlich der Gegenstände äusserst merkwürdig. Sie stellen 
männliche und weibliche, mit musikalischen Instrumenten ver- 
sehene, tanzende Figuren dar, die eine frische lebendige Phantasie 
verrathen. In der Ausführung sind sie ebenso niedlich und 
sorgfältig behandelt wie die Initialen und Schlussfiguren der 
in leoninischen Versen abgefassten Legenden (Inschriften), die 
den vorzüglichsten Miniaturen dieser Periode gleichzustellen 
sind und, bei einer ausserordentlichen Mannigfaltigkeit der Er- 
findung, Kunde geben von dem lebensfrischen, natürlichen 
Humor der Künstler, welche sie malten. In ihren Motiven 
zeigen die Initialen noch romanisirende Reminiszenzen ; die 
Figuren am Anfang und Schluss der Legenden sind aber ganz 
frei behandelt und zeigen in einzelnen Gruppen: Ringeltänrer, 
Gaukler, Kämpfer, Bogenschützen, Ringer, Frauengestalten und 
Affen u. s. w. 

Die Evans^elienseite (Latus Papae), auf welcher der Sitz des Papstes 
als Stiltsherrn der kölnischen Kirche war, enthält in der eisten Bogen 
Stellung, dem Altar zunächst, Darstellungen aus dem Leben der Apostel 
Kirsten Petrus und Paulus, und in der zweiten und dritten Bogenstellnng 
die Legende des Papstes Sylvester I. (314— 335», also die Gründung und Ent- 
wicklung der Kirche, in folgenden Bildern: 

I. Leben der Apostelfürstcn: 

1. Berufung der Apostel Petrus und Andreas; 2 Petrus vor Herodes 
Agrippa: 3. die Erhebung Petri zum Papste-, 4. der Apostel Petrus 
begrüsst den Apostel Paulus in Rom; 5. Petrus vor Nero; 6. der 
Sturz des Zauberers Simon; 7. Martyrtod beider Apostel. 

II. Legende des Papstes Sylvester I.: 

1. Sylvesters Kindheit; 2. Sylvester wird dem h. Thiinotheus über- 
geben; 3. Sylvesters Verfolgung unter Diokletian; 4. Sylvesters Gc- 
fangennehmuug; 5. Sylvesters Befreiung aus dem Kerker; 6. Syl 
vesters Erhebung zum Papst; 7. Kaiser Constantin will sich durch 
das Blut neugeborener Kinder vom Aussatz reinigeu. 
IM. Fortsetzung der Leidende des Papstes Sylvester: 

1. Zwei Mamier erscheinen Constantin im Schlaf, die ihm ratheu, 
zum Papst zu gehen; 2. Sy1ve>ter zeigt Constantin die Bilder der 
Apostel Petrus und Paulus, in welchen dieser die erschienenen 
Männer wiedererkennt; 3. Constantin erhält durch Sylvester die 
Taufe und wird durch diese vom Aussatz gereinigt ; 4. Constantin 
verleiht dem Papst sein I racht-ewand als Amtsschmuck und seine 
Kopfzier, die Tiara: :>. Religions-Disputation zwischen Sylvester 
und «lein Juden Zambri; ti. Sylvester bringt zur Bekräftigung seiner 
Darlegung den durch die Zauberkünste Zambris getödteten Stier 
wieder zum Leben; 7. dia Mutter Constantius, der Jude Zambri und 
andere empfangen infolge dieses Wunders die Taufe. j 



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- 120 — 

Unter jedem dieser Bilder befinden sich 23 47 cm hohe Bischofsfiguren 
in völligem Ornat, mit Stab, Kasel und Inful. Die Farben der Hintergründe 
dieser Figürchen wechseln in bunten Mosaikdessins, rotb, blau und roth, 
und so auch die Gewänder blau-roth und grün-golden. Stab, Spangen nnd 
Verzierungen der Stolen, der Manipeln u. s. w. sind vergoldet. Diese Fi- 
guren, in den Stellungen frei und lebendig behandelt, zeigen mehr Ge- 
wandtheit der Zeichnung als manche der Gruppen. Die durchlaufende 
architektonische Unterstellung ist etwas über 52 mm hoch. 

Die Epistelseite iLatua Imperatoris), wo sich der Sitz des Kaisers als 
Kapitularen des Domstifts befand, zeigt im ersten Bogenfelde, dem Altar 
zunächst, Scenen aus dem Leben der h. Jungfrau, und im zweiten Bogen 
die Hauptmomente aus der Legende der hh. drei Könige. Die h. Jungfrau 
sowohl als die hh. Weisen gehören zu den Schutzheiligen des Domes. 

Die dritte Bogenstellnng enthält Darstellungen aus dem Leben der 
hh. Felix und Nabor und Gregor von Spoleto, deren Leiber im Dreikönigen 
schrein ruhen. 

I. Das Leben der b. Jungfrau Maria: 

1. Der Engel verkündet Joachim die Geburt einer Tochter; 2. Maria 
Geburt; «. die Verkündigung; 4. die Geburt des Heilandes-, f>. die 
Darstellung des Heilandes im Tempel; 6. der Tod der h. Jungfrau; 
7. die Krönung der h. Jungfrau. 

II. Leidende der hh. drei Könige: 

1. der Stern erscheint den drei Weisen; 2. die drei Könige bringen 
dem Jesuskinde ihre Opfer; 3. der h. Apostel Thomas weiht die drei 
Könige zu Bischöfen; 4. Tod der hh. drei Könige; 5. Empfang der 
Reliquien der hh. drei Könige in Konstantinopel; 6. die Ueberbrin- 
gung der hh. drei Könige nach Mailand; 7. der Erzbischof Reinald 
von Dassel erhebt die Reliquien der hh. drei Könige. 

III. Ans dem Leben der hh. Felix, Nabor nnd Gregor von Spoleto. 

Wie auf der entgegengesetzten Seite ist auch hier eine durchlaufende 
Spitzbogenstellung als Untersatz angebracht und in gleicher Weise in je 
23 Nischen eingetheilt und verziert, in denen unter den Bildern aus dem 
Leben Maria Kaiserfiguren im Kaisermantel mit goldener Bügelkrone, 
goldenem Zepter und goldenem Reichsapfel gemalt sind, verschieden in 
Ausdruck und Stellung. Die Gewänder, sowohl Tunika als Mantel, haben 
einfachen Ton, wie bei den Bischöfen der anderen Seite. Unter den Dar- 
stellungen aus dem Leben der drei Weisen befinden sich in gleicher Weise 
eine Reihe von Königen, nur dass sie den goldenen Reichsapfel nicht tragen. 

Als die Renaissance im 16. Jahrhundert ihren Einzug in den Dom 
hielt, wurden auch diese Schöpfungen der alten Kunst nicht mehr geachtet. 
Durch die Denkmäler der Erzbischöfe Adolph III. von Schauenburg (1547 bis 
1556) und Anton von Schauenburg (1557—1558). welche ihr Nachfolger Jobann 
Gebhard von Mansfeld (1558—1562) zu beiden Seiten aufführen Hess (jetzt in 
der Engelbertus- und Stephanus-Kapelle), wurden sie arg beschädigt und 
theils verdeckt. Der Rest wurde vor der Uebertünchung, der die übrige 
Bemalung des Chores zum Opfer fiel, gerettet, weil sie seit dem Jahr 1687 
durch die Gobelin-Tapeten verdeckt wurden, welche der Kardinal Karl von 
Fürstenberg dem Dome zum Schmuck des Chores verehrte. 

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— 130 — 

Bei dem Wiederherstellungsbau des inneru Chores im Jahr 1842 wurden 
die Bilder gewissermasuen neu entdeckt und dnrch den Maler Osterwald 
im Auftrag des Königs Friedrich Wilhelm IV. genau kopirt. Sie waren 
jedoch durch die Zeit und die geringschätzende Behandlung so verdorben, 
daaa von einer Restauration damals abgesehen wurde. Man war bedacht, 
sie als kostbare Reliquien der bedeutungsvollen Kunstepoche des 14. Jahrb. 
zu erhalten Sie sind jetzt hinter den neuen Wandteppichen verborgen, 
dürften aber demnächst wieder hergestellt werden. 

Der Hochaltar, welcher bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts das 
Chor schmückte, war, wie er jetzt (1899; wieder hergestellt und Seite 125 
geschildert ist. An den vier Ecken war der Altar jedoch von vier ehernen 
Säuleu, auf welchen Engel mit Kerzenständern sich befanden, umgeben. 
Von allen Seiten war er zugänglich. Vorn celebrirten die Kanonichen, an 
der Rückseite der Erzbischof, mit dem Gesicht dem Volke zugewendet. 
Hinter dem Altar befand sich der erzbischöfliche Stuhl. 

Nachdem der Altar bereits auf Betreiben des 1700 verstorbenen Dom- 
herrn Heinrich von Menng Aentlerungen im Geschmack der damaligen Zeit 
erfahren hatte, wurde später im Jahr 1707 auf dem alten Altartisch der bis 
1893 bestandene baldachinartige, auf 7 Säulen ruhende Rokoko-Aufsatz nebst 
den zwei dem h. Patroclus und dem h. Antonius d. Einsiedler gewidmeten 
Seiten-Altären errichtet. Die vier bronzenen Engel, welche um den Altar 
als Kerzenständer sich befanden, wurden durch vier massive, 2,34 m hohe, 
500 Kilogr. wiegende, in Lüttich gegossene Leuchter ersetzt 

Der verzopfte Altaraufsatz wurde im Herbst 1893 entfernt. Bei dieser 
Gelegenheit fand man im Fundament desselben, sowie im Boden vergraben, 
viele Theile der 1767 abgebrochenen Chorschranken und des Sakraments- 
häuschens. 

Links vom Hochaltar, da wo sich jetzt der Sitz des Erzbischofs be- 
findet, erhob sich bis zur Spitze des grösseren Bogens das vom Erzbischof 
Hermann von Hessen (1480—1508) gestiftete 

Sakramentshäuschen, ein Meisterwerk der gothischen Steinskulptur. 
Naeh einer alten Beschreibung entwickelte sich dasselbe in viereckiger 
Gestalt, stieg allmählich sich verjüngend empor und endigte in einer zier- 
lichen Spitzsäule. Der Untertheil war von einem runden, doppelt in sich 
verflochtenen, bauschig gedrehten Scbladertuche umgeben, war innen hohl, 
von aussen durch Kreiswindungen, die hier und da durchbrochen waren, 
mit bewunderungswerther Kunst verziert. Ueberall sah man kleine, in 
allen Theilen fein gearbeitete Bildsäulen, die auf eigenen Säulchen ruhten 
und von Thurmpyramiden und Ueberhängen mit feinen Netzen zierlich über- 
deckt waren. „ Ausserordentlich schwierig wäre es - , heisst es in dieser Be- 
schreibung weiter, „selbst aus Wachs oder jedem anderen weichen Stoffe 
ein so ausgezeichnetes Werk zu machen, das mit so vielen Bildern, Ge- 
schichten, Pyramidchen und anderen ähnlichen Zierrathen geschmückt ist* 

Wie der alte gothische Hochaltar, die zierlichen Sedilien, das schöne 
gothische Gitter zwischen dem Presbyterium und dem Chor, so fiel auch 
dieses kunstvolle Sanktuarium im Jahr 1760 infolge eines Kapitelbescblnsses 
dem entarteten Geschmack der Zeit zum Opfer. (Siehe S. 20.) 



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■ - 131 — 
' , 




V. Sakristei, Kapitelsaal und Schatz- 
kammer. 

Das Chor durchschreitend gelangen wir jetzt in 

die Sakristei, deren Eingang sich neben dem bereits 

erwähnten Krenz-Altar anf der Nordseite des Chorumganges 

befindet. 

Am Schluss des XIII. Jahrhunderts gebaut, wurde sie in 
ihrer jetzigen Gestalt, nachdem der über das Querschiff vor- 
springende Theil niedergelegt worden, im Jahre 1869 vollendet. 
Das Gebäude enthält die eigentliche Sakristei, den Kapitel- 
nnd Paramentensaal. 

Bemerkenswerth ist in der Sakristei das dem XV. Jahrh. 
angehörige Sakramentshäuschen, welches zu den schönsten 
> Steinhauer-Bildwerken des Domes zählt, ferner die 6 Fenster, 
mit herrlichen alten aus mehreren abgerissenen Kirchen Kölns 
herrührenden Glasmalereien des XVI. Jahrhunderts. 

Die Fenster enthalten folgende Darstellungen: 

1) in der Sakristei 2 Fenster: Das eine Darstellungen ans dem Leiden 
Christi nnd das andere Scenen ans dem Leben des hl. Bernhard. 

2) Im Kapitelsaal 3 Fenster: Petras Martyr., Dominicas, Jobannes Et. 
In Medaillons : Die Taufe Christi und das zu dem Torstehenden gehörige 
h. Abendmahl. 

3) Im Paramentensaal 1 Fenster: Kleine Darstellungen aus dem 
Leben Jesu. 

Der an die Sakristei stossende Kapitelsaal enthält einen 
Altar, dessen Platte vom h. Albertus magnus geweiht ist, 
mit neuem in Eichenholz geschnitztem Aufsatz. Das Ge- 
schränk der Wände mit geschnitzten Wappen hervorragender 
Prälaten des alten Domkapitels geschmückt, ist vom Bildhauer 
R. Mo est, das übrige Mobilar vom Bildhauer Otto Mengel- 
b e r g in Köln kunstvoll gearbeitet. An den Wänden hangen 
die Bildnisse der Kölner Erzbischöfe: Maximlian Franz, 
Erzherzog von Oesterreich, jüngster Sohn der Kaiserin Maria 
Theresia; zum Erzbischof von Köln erwählt 1784, wurde er 
in Folge der französischen Revolution genöthigt, seine Resi- 



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- 132 - 

i 

denz Bonn zu verlassen; er starb als letzter Kurfürst von 
Köln 1801; — Ferdinand August, Graf von Spiegel, 
welcher nach Wiederherstellung des Erzbisthums Köln 1825 
den erzbischöflischen Stuhl besdeg, er starb 1835; — Jo- 
hannes von Geissei, w urde 1 842 Koadjutor des Erzbischofs 
Klemens August und nach dessen Tod 1846Erzbischof von Köln; 
er war Gelehrter, Redner und Dichter und eine Zierde des deut- 
schen Episkopats; Pius IX. ernannte ihn zum Kardinal, er starb 
1864; — Paulus Melchers (f 1895) von Guillery; — Kar- 
dinal Philippus Krementz von Mosler-Pallenberg; — ferner 
befindet sich im Saal eine gut gearbeitete über lebensgrosse 
Marmorbüste des Erzbischofs Klemens August, Freiherrn 
von Droste- Vischering; er wurde den 21. Januar 1773 geboren 
und 1836 als Erzbischof von Köln inthronisirt; er ist bekannt 
durch seinen Konflikt mit der preussischen Regierung, infolge 
dessen er am 20. November 1837 gefänglich nach der Festung 
Minden abgeführt wurde; seine Standhaftigkeit war ein mäch- 
tiger Impuls für das Wiedererwachen des kirchlichen Lebens 
in Deutschland, er starb den 19. Oktober 1845 in Münster i. W. 

In dem südwärts anstossenden Paraiuentensaal, geschmückt 
mit einigen Bildern, unter denen die Steinigung des 
h. Stephan us von Joh. Hü Ismann (1639) (früher in der 
Stephanus-Kapelle) zu beachten ist, befindet sich in von 
den Bildhauern Gebrüder Klein und Richard Moest in Köln an- 
gefertigten Eichenholzschränken ein reicher Schatz an 
Paramenten, wie sie vielleicht wenige Kirchen des nörd- 
lichen Europa besitzen. Unter diesen nennen wir vor allem 
die Kapelle des Erzbischofs Klemens August von Bayern, 
bekannt unter dem Namen Klementine. Dieselbe wurde in 
Lyon gefertigt und kostete (abgesehen vom reellen Werthe) 
186,000 Mark an Stickerlohn. Sie wurde bei der Kaiserkrö- 
nung Karls VII. in Frankfurt 1742 zuerst benutzt und wird, 
der schweren Goldstickereien wegen, nur selten gebraucht. 

In einem Abschlussraum des nördlichen Querschiffes westlich 
von der Sakristei und von dieser zugänglich befindet sich 
die Schatzkammer, in welcher die Heiligthümer und Kost- 
barkeiten des Domes aufbewahrt werden. 

Der Domschatz 1 ) war einst von grosser Bedeutung und 
enthielt, nach den noch vorhandenen Werken zu schlieesen, 
Kunstschöpfungen, wie sie sich nur an wenigen Orten, durch 
besondere Verhältnisse begünstigt, ansammeln können. Er 
hatte aus jeder Periode der kirchlichen Goldschmiedekunst 

M Vgl. T. Bock, der Kunst- und Keliquienschatz des Kölner Domes 
Köln IS70. 



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133 — 



eine bedeutende Anzahl hervorragender Werke aufzuweisen. 
Die ältesten Leistungen des romanischen Rundbogenstils, die 
form- und phantasiereichen GebildederUebergangsperiode,ferner 
die Meisterwerke des gothischen Stils in seiner Entwicklung, 
seiner vollen Blüthe und seinem Verfall, endlich die Schöpfungen 
der Renaissance in ihren verschiedenen Wandlungen bis 
herab zur Ausartung des Rokoko waren hier vertreten und 
boten in ihrer Mannigfaltigkeit ein kulturhistorisches Bild 
von dem wechselnden Geschmack und der Kunstrichtung 
vergangener Geschlechter und Jahrhunderte. Ueber den Be- 
stand des Schatzes während des Mittelalters fehlt leider jede 
zuversichtliche Nachricht. Das älteste bekannt gewordene 
Verzeichniss datirt von 1645 findet sich in dem Werke des 
Gelenius: De Magnitudine Coloniae. Ein etwas jüngeres 
illustrirtes Verzeichniss ist im Jahre 1671 vom damaligen 
Schatzhüter Peter Schone mann aufgenommen. Aus dieser 
Zusammenstellung ersehen wir, dass sich nur ein kleiner 
Theil bis auf unsere Zeit erhalten hat. Dreimal, erzählt 
Frenken in seiner aktenniassigrn Denkschrift, erlitten die 
Schätze, nachdem sie vor den französichen Okkupations- 
truppen über den Rhein geflüchtet wurden, unersetzliche Ver- 
luste (1794, 1S02, 1S03). Ein grosser Theil der Kunst- 
schätze und Pretiosen wurde ans der vvohlbegründcten Furcht, 
<*s möchten dieselben in die Hände der in Darmstadt tagenden 
Theilungs-Kommission fallen, im Auftrage des Domkapitels 
im Jahre 1802 in Prag veräussert. Ein anderer Theil. von 
der goldenen Monstranz und den Kunstgebilden der Reliqui- 
arien bis zum letzten Nagel der zerbrochenen Altartafeln, 
von den goldenen Kronen und der grossen silbernen Lampe 
des Dreikönigen Schreins bis zum kleinsten Fassungsringe des 
berühmten Diamant Sternes wurde in der Darmstädter Münze 
eingeschmolzen. Der kleinere Theil des ehemaligen Dom- 
schatzes, welcher den Rückweg nach Köln gefunden, ist jedoch 
noch so bedeutend, sowohl hinsichtlich des Kunst- als Metall - 
werthes, dass er unter den Kirchenschätzen eine der ersten 
Stellen beansprucht. Er umfasst unter andern folgende 
Kunstgegenstände : 

I. ') 

Reliquien-Schrein der hh. drei Könige. Länge 1,86 m, Breite 1,09 m, 
Höhe 1,46 m. Anfang des XIII. Jahrhunderts. Derselbe enthält deren Gebeine 
ferner im oberen Theile die Reliquien «1er hh. Felix, Nabot und Gregor 



l ) Das folgende Verzeichnisa der Domschfttz.e richtet sich nach ihrer 
Ordnung in den Schränken. 



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- 134 — 



von Spoleto. Nur die Häupter der hh. drei Könige sind der Besichtigung 
zugänglich. 

Die Gebeine der hh. drei Könige sollen von der h. Helena, der Mutter 
des Kaisers Konstantin in Konstantinopel beigesetzt sein. Von dort kamen 
sie im Jahre 324 nach Mailand. Hier blieben dieselben bis zum Jahre 1162, dem 

Jahre der Eroberung und Zer- 
störung Mailands durch Kaiser 
Friedrich Barbarossa, welcher 
die Gebeine an sich nahm 
und sie seinem Freunde und 
Bundesgenossen Reinald von 
Dassel, Erzbischof von Köln, 
als Geschenk überliess. Am 
23. Juli 1164 kam Reinald mit 
seinem kostbaren Schatze in 
Köln an, und wurde von der 
Bevölkerung mit grossem Jubel 
empfangen. Hier wurde den 
Gebeinen bald der kostbare 
Schrein geboten, der sie noch 
jetzt nraschliesst und welcher 
zu den bedeutendsten Werken 
der Goldschmiedekunst des 
Mittelalters zählt. Der Schrein 
zeigt noch die rein architek- 
tonische Anlage des romani- 
schen Stils und stellt mit wenig 
Einschränkung ein getreues 
Bild des Aeusseren einer ro- 
manischen Basilika dar, deren 
beideSchmalseiten rechtwinke- 
lich abschliessen. Ueber den 
beiden niedrigen Nebenschiffen, die mit Pultdächern versehen sind, ragt 
das Mittelschiff hoch hervor und schliesst mit einem Satteldache ab. Rings- 
umher läuft ein schmaler Blätterkamm, den auf der obersten First 4 email- 
lirte Pomellen unterbrechen. Den in jeglicher Hinsicht reichsten Schmuck 
enthalt die goldgetriebene vordere Schmalseite des Schreins. Die architek- 
tonisch getheilten Flächen dieser Vorderfacade sind belebt durch eine Menge 
kunstvoll getriebener Figuren, von seltenen geschnittenen Steinen aus deu 
Zeiten des klassischen Roms, wie des Mittelalters, sowie durch eine Fülle von 
ciselirten, emailirten und flligranirten Ornamenten. Der untere Theil enthält 
;n der mittleren Nische das Bild der Gottes-Mutter mit dem göttlichen Kinde, 
deren Antlitz und segnende Rechte den drei Weisen aus dem Morgenlande 
unter dem Kleblattbogen zugewandt ist. Die hinter der Gruppe befindliche 
vierte Person stellt den deutschen Gegenkaiser Otto IV. dar, der vielleicht 
bei Anfertigung des Schreins diese goldene Vorderfacade auf seine Kosten 
herstellen Hess, 

Auf der andern Seite befindet sich unter der dreigetheilten Nische die 
Taufe Jesu im Jordan. Ueber diesen Darstellungen und von den schräg 
ansteigenden Bedachungen der Seitentheile begrenzt, befindet sich ein ver- 




Vorderseite des Schreins der hh. drei 
Könige. 



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— 135 — 

schiebbarer Verschluss, nach dessen Fortnahme man die Häupter der hh. 
drei Könige erblickt. 

Der obere Theil der Vorderfacade zeigt den thronenden Erlöser mit der 
erhobenen rechten und dem Buche des Lebens in der linken Hand, umgeben 
von Engeln, welche die Leidenswerkzeuge tragen. 

Auf der Hinterseite des 
Schreins finden die figuralen 
Darstellungen dcrVorderfacade 
ihre Fortsetzung. In der Mittel- 
Nische ist das Standbild lies 
Propheten Jeremias als Vorher- 
verkündiger der Leiden Jesu, 
auf der linken Seite die Geisse 
hing, auf der rechten die Kreu- 
zigung dargestellt. Ueber die 
sen Darstellungen befindet sich 
das Brustbild des Kölner Erz- 
bischofs Reinald von Dassel, 
der die Reliquien von Mailand 
nach Köln übertrug. Der obere 
Theil enthält die Darstellung 
der biminlischen Belohnung 
der Märtyrer Felix und Nabor, 
deren Leiber in diesem oberen 
Theile des Schreins ruhen. 
Die hh. Felix und Nabor waren 
Soldaten, welche unter der 
Verfolgung des Kaisers Maxi- 
mian um des christlichen 
Rückseite des Schreins der hh. drei Glaubens willen den Tod durch 
Könige. <i A8 Sehwert erlitten. Ihre 

Ueberreste kamen zugleich 
mit den Gebeinen der hh. drei Könige von Mailand nach Köln. 

Die beiden Langseiten unserer Goldbasilika sind durch Bogennischen 
abgetheilt, die sämmtlich auf doppelten, reich emaillirten Säulchen mit 
Würfelkapitälen ruhen. Im unteren Schiff sind dieselben auf jeder Seite mit 
6 in Silberblech getriebenen und vergoldeten Prophetenstatuen und im 
oberen Schiff mit eben so vielen Apostelstatuen geschmückt. Zur Erklärung 
der figuralen Darstellungen und der Statuen tragen die gradlinigen Ab- 
schlussräuder der Lang- und Schmalseiten, sowie der Bogennischen, email- 
lirte Namen und Verse. Wie so viele herrliche Schöpfungen des Mittel- 
alters hat auch dieses Werk einer grossen Kunstepoche durch den Un- 
geschmack und die Bedrängnisse wilder Zeiten viel zu leiden gehabt. Die 
gröBste Beschädigung erlitt der Schrein durch die Drangsale der fran- 
zösischen Revolution. Bei der Flucht der Schätze über den Rhein wurde 
der Schrein, in mehrere Theile zerlegt, zuerst nach der Abtei Wedding- 
hausen, später nach Frankfurt geflüchtet. Bei der späteren Zurückkauft 
zeigten sich die einzelnen Theile sehr beschädigt. Der Aufgabe ihrer stil- 
gerechte» Wiederherstellung war die Zeit leider nicht gewachsen. Der Schrein 
wurde bei der Zusammenstellung um eine ganze Bogennische verkürzt und 




— 136 — 



durch diese Aenderuug mancherlei Störungen sowohl in dem harmonischen 
Verhältnis« der einzelnen Theile als auch in der Anordnung des figuralen 
Schmuckes und der Inschriften herheige führt. Die Dachflächen, die früher 
mit verschiedenen halberhabenen Scenen aus dem Leben und Leiden des 
Herrn geschmückt waren, wurden in raisslungener Weise mit Scenen aus 
dem alten Testamente, aus dem Leben der hh. drei Könige und der Ge- 
schichte ihrer Reliquien bemalt, eine Ornamentation, die in Komposition 
und Technik in grellem Widerspruch mit den Formen des Schreines steht. 

Eine gewaltsame Beschädigung erlitt der Schrein im Jahre 1820. 
Ein Dieb hatte sich am 18. Oktober in den Dom einschliessen lassen, hatte 
in der Nacht seine frevelhafte That vollführt und war des Morgens früh 
wieder entwischt. Fand man auch einen Theil des Geraubten auf einem 




Langseite des Schreins der hh. drei Könige. 



Felde bei Melaten wieder, so ist doch der Schrein um fast 100 kostbare 
Steine Ärmer geworden. Dessenungeachtet besitzt der Schrein immerhin noch 
1540 Edelsteine, Gemmen und Kameen. Die geschnittenen Steine gehören 
meisiens dem klassischen Alterthum an und sind durchgängig als Meister- 
werke der Steinschneidekunst zu betrachten. Bis /.um Jahre 1840 befand 
sich der Schrein in der Marienkapelle (Dreikönigen Kapelle). Hoffentlich 
wird unsere Zeit dem prachtvollem Schreine eine stilgerechte und durch- 
greifende Wiederherstellung angedeihen lassen. 

n. 

Reliqniensehrein des h Engelbert aus getriebenem Silber. Länge 
1.20 m. Hohe 0,80 m, Breite 0,42 m. Dieses Reliquiarium wurde 1633 iu 
Köln von Konrad Duisbergh angefertigt. Es besteht aus massivem gross- 
tentheils vergoldetem Silber. Sein Gewicht beträgt 74Vs Kgr. Es ist als 



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eine glückliche Fügung zu betrachten, dass dieser Schrein, wahrscheinlich 
der letzte, welcher in dieser Grösse und Ausdehnung in Köln hergestellt 
worden, unversehrt auf unsere Tage gekommen ist. Der Schrein besteht 
aus zweiHaupttheilen. nämlich der Tumba und dem deckelartigen Aufsatz, 
der als Pfühl für das in Silber ciselirte und vergoldete Bildniss des Heiligeu 
dient. Die Vorderseite ist geschmückt mit den Bildnissen des Heilandes, 
des Apostels Petrus und seines Schülers Maternus, des ersten Bischofs von 
Köln. Jede der Langseiten trägt 5 Standbilder berühmter Kölner Bischöfe 
in chronologischer Ordnung und zwar St Severinus, St. Everghlus, St. Cu- 
nibertus, St. Agilolphus, St Hildegerus, — St. Hildeboldus, St. Bruno, St 
Gero, St. Heribertus, St. Anno, während die dazwischen liegenden breiteren 




Schrein des h. Engelbert. 

Flächen mit silbergetriebeneu Darstellungen aus dem Leben des h. Engel- 
bert ausgefüllt sind. (Siehe Seite 115.) 

Auf der hinteren Schmalseite erblickt man die Hauptpatrone des 
Kölner Domes, die hb. drei Könige, wie sie dem Heilande Geschenke dar- 
bringen. An den Ecken des Schreines sind die 4 Evangelisten in getriebener 
Arbeit angebracht, während die die 4 Seiten des Deckels umziehende Kehl- 
rundung acht, Darstellungen der wunderbaren Heilungen enthält, die im 
Laufe der Zeiten am Grabe des Heiligen vorgekommen sind. 

III. 

Plastisches Bildwerk aus vergoldeter Bronze, die Anbetung der 
hh. drei Könige darstellend, l m hoch, HS cm breit und 31 cm tief, wurde 
vom Fürstbischof von Cambray Prinzen Jakob von Croy (t 150ti), der zu- 
gleich Propst des Cassius-Stiftes in Bonn und Domkapitular in Köln war, 



— 138 — 



in den Dom gestiftet. Es befand sich bis zum Jahr 1876 in der Marien- 
kapelle hinter dem Reliquienschrein der hh. drei Könige, und fand daher 
wegen dieser ungünstigen Aufstellung nicht die Beachtung, die es verdient. 
Es ist ein Juwel, das unter den verwandten Schöpfungen eine der ersten 




Stellen einnimmt, Musterhaft in seinen Verhältnissen, klar in der Durch- 
bildung entzückend in den Einzelheiten und tadellos in der Gesammtwirkung, 
reich und doch nicht überladen, durchsichtig und doch nicht lückenhaft, 
voll plastischer Wirkung und doch voll architektonischer Bestimmtheit in 
den Formeu der Renaissance. — Unter dem Baldachin thront als der Mittel 



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139 



und Einheitspunkt die göttliche Matter mit dem Rinde auf dem Schoosse, 
die Huldigungen der drei Könige entgegen nehmend, die in reichen schmuck - 
vollen Gewändern zu ihrer Linken knieen oder stehen. Zu ihrer Rechten 
kniet im Vordergründe auf einem Betschemel mit dem Pluviale bekleidet 
der Stifter mit seinem frommen wohl portraitähnlichem Gesicht zum gött- 
lichen Kinde aufschauend unter dem Schutze seines im Pilgerge wände 
hinter ihm stehenden Namenspatrons des h. Jakobus major. Der h. Joseph, 
mit der Kerze in der Hand, schliesst die edle Gruppe ab, die von der hallen- 
artigen Nische in harmonischer Abrundung aufs Wirksamste umrahmt 
wird. Knieende und stehende Engelsflgürchen halten die Wappenschildchen, 
welche den architektonischen Aufbau schmücken und Engel in allerlei 
Stellungen krönen die Spitzen. 

Das prachtvolle Bronce- Bildwerk ist angefertigt 1516 und wahrschein- 
lich burgundische Arbeit. 

So vortrefflich die Erhaltung dieses Meisterwerkes ist, so sind ihm 
einige Verstümmelungen doch nicht erspart geblieben. — (A.Schnütgen in 
d. Zeitschrift f. christl. Kunst 1888, S. 243-248.) 

IV. 

1. Oberer Theil vom Stab des h. Petrus. Länge des Ganzen 0,31 m, 
des oberen Elfenbeinknaufes 0,10 m. Diese vom h. Erzbischof Bruno von 
Metz nach Köln zurückgebrachte Reliquie ist bemerkenswerth nicht so sehr 
wegen der artistischen Beschaffenheit, als wegen der an sie anknüpfenden 
Tradition, welcher gemäss die elfenbeinerne Bekrönung von dorn Stabe des 
Apostelfürsten Petrus herrührt, welcher ihn dem h. Valerius übergeben 
haben soll. Durch die Wunderkraft ^dieses Stabes soll der erste Bischof 
von Köln, der h. Maternus, 40 Tage nach seinem Tode zum Leben wieder 
erweckt worden sein. 

2. Vorsän^erstab mit einem prächtigen auf eiuer Krystallkugel sich 
erhebenden aus drei meisterhaft niellirten Metallständern gebildeten Auf- 
satz mit einem rechteckigen Sockel (1178), auf welchem eine in Bronze gc 
gossene Darstellung der hh. drei Könige (XIV. Jahrbdt.) die Bekrönung bildet. 

3. Erzbischöfliches Vortrafijkreu*. Der Stab aus dem XII., das 
Kreuz selbst aus dem XIV. Jahrhundert, die prächtigen Emaildarstellungen 
bilden den Schmuck des Kreuzes. Sie bestehen aus 5 Vierpässen, von 
denen die 4 auf den Ausläufern des Kreuzbalkens befindlichen die Symbole 
der 4 Evangelisten und der mittlere Christus am Kreuz mit Maria und Jo- 
hannes zur Seite darstellt. Der in der Mitte befindliche Knauf, welcher 
den Stab unterbricht, enthält kunstvolle in Niello ausgeführte Pflanzen- 
ornamente und Thierfiguren. Eine niellirte Inschrift aus dem Jahr 1178 
belehrt über den Zweck des Stabes, der jedoch früher nicht dieses Kreuz 
trag sondern den vorhin erwähnten Aufsatz dss Vorsängerstabes. Er trägt 
die Jahreszahl 1178. 

4. Romanisches Kreuz aus vergoldetem Kupfer in reicher Email- und 
Filigranarbeit. Schluss des XII. Jahrhunderts. Länge 0,51m, Breite 0,41 m. 
Das Kreuz trägt die Figur des Heilandes, die Kreuzarme die Symbole der 
4 Evangelisten. Die Email- und Kiligranplatten, welche den Fuss schmücken, 
sind aus den bei Zusammensetzung des Dreikönigen-Schreines, da dieser 
um eine Bogenlänge verkürzt wurde, überflüssig gewordenen Emailplatten 



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- HO - 



genommen, sie umschliessen eine Darstellung der Herabkunft cles h. Geistes 
in getriebener Arbeit aus dem XVII. Jahrhundert. 

5. Grosse Monstranz in vergoldetem Silber. XIV. Jahrhundert. Höhe 
0.86 m, Breite des Fasses 0,30 m. Breite des Aufsatzes 0,22 m. Unter den 
nicht sehr zahlreichen ähnlichen Werken der Goldschmiedekunst dürfte 
dieselbe wohl vergebens ihres Gleichen suchen. Eine der ältesten and 
künstlerisch vollendesten Ostensorien, welche die h. Hostie nicht im Glas- 
cylinder, sondern zwischen zwei Gläsern zeigt. Dieselbe gilt für ein 
Werk der Kölner Goldschmiedekunst und wurde in den vierziger Jahren von 
der kunstliebenden Frau Mertens-Schaaffhausen, welche dieselbe bei einem 
Kölner Kunsthändler ersteigert hatte, dem Dome geschenkt. 

6. Erzbischöflicher Krammstab in vergoldetem Silber mit vielem 
durchsichtigen Scbmelzwerk, Vogelfiguren darstellend. Die von einem Engel 
gehaltene Krönung, in deren Mitte sich die h. Jungfrau mit dem Kinde und 
einem knieenden Bischof befindet, wächst aus einer zierlichen Tabernakel- 
bekrönung heraus. Der Stab gehört der besten Zeit der Gothik an und 
zeigt neben den reinen architektonischen Gebilden eine grosse Menge schöner 
und kunstvoller Emails, die der Kunstfertigkeit, der kölnischen Schmelz- 
künstler des XIV. .Tahrh. das glänzendste Zeugnis» ausstellen. 

7. Ceremonien- cler Jurisdiktionsschwert. XV. Jahrhundert. Dieses 
Schwert, welches bei öffentlichen Anlässen nebst anderen Insignien den 
kölnischen ErzUischöfen und Kurfürsten als Zeichen ihrer Jurisdiktions- 
gewalt vergetragen wurde, ist abgesehen von der künstlerischen Arbeit, 
der mit Rankenwerk reich verzierten Silberseheidc, in sofern beachtens- 
werte als es die einzige Reliquie ist, welche an die mit dem Falle des 
Deutschen Reiches zugleich geschwundene Landesherrlichkeit der Kölner 
KrzbiBchöfe und Kurfürsten erinnert. 

8. Drei Pergament-Codices mit Miniaturen : 

1 Evangeliar aus dem XI. Jahrhundert. — 2. Missale. XV. Jahrhundert. 
— Durandi Rationale, Incunabel aus der Offizin des Johann Fast zu 
Mainr, 1450. 

9. Kasel in rothem mit golddurchwirktem Saramt und gesticktem 
Kreuz. 1602. 

10. Chormantel und Kasel aus der Klementine, siehe Seite 132. 

11. Altarkreuz aus vergoldeten Silber reich mit Edelsteinen besetzt, 
der Fuss trägt an den 4 Ecken die 4 Evangelisten, die Vorderseite die Grab- 
legung Christi in getriebenem Silber. XVIII. Jahrhundert. 

12. Monstranz, ca. 7Vt Kgr. schwer. Silber vergoldete, reich mit Edel- 
steinen besetzte vorzügliche Arbeit. Ein Geschenk des Papstes Pius IX. 
bei Gelegenheit der 6. Säkularfeier des Domes im Jahre 1848. 

13. Stab des Erzbischofs und Kurfürsten Maximilian Heinrich, 
XVII. Jahrh. 

14. Stab des Bischofs Marcus Antonius Berdolet, während der fran- 
zösischen Fremdherrschaft Bischof von Aachen. 

15. Stab des Weihbischofs Freiherrn v. Beyer, fl842; die Bekrönung 
mit in Silber getriebenenm Blattwerk verziert. 

16. Stab des Kardinals und Erzhischofs Johannes von Geissei. 

17. Ein grosses Kruzifix mit prächtig in Elfenbein geschnitztem 
Christus. Geschenk des f Dompfarrers J. H. Filz, 



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141 — 



18. Erzbischöfliches Vortragkreuz von Silber mit Emailschrauck, 
1891 durch Hofgoldschmied Gabriel Hermeling ausgeführt. 

V, 

1. Kriegsfahne von Byssus, c. 40 cm im Quadrat, welche 1864 dem 
Dreikönigsschreine entnommen wurde, kam mit den hl. Gebeinen aus Mai- 
land. Sie ist eine aus Gold- und farbigen Seiden-Fäden hergestellte 
überaus merkwürdige und seltene Stickerei des X. Jahrhunderts. Diese 
stellt in der Mitte den Weltheiland dar, von den streitbaren Erzengeln 
Michael und Gabriel, dann Sonne und Mond, ferner den Heiligen Larius 
und Raso flank irt mit den zu seinen Füssen bittend ausgestreckten Ray- 
genardus Comes und der weiteren Inschrift „Gerberga me fecit*. Die Um- 
schrift, Benedictus etc. (Vers t des Psalm 143) spricht für die ursprüngliche 
Besiimmung als Kriegsfahne. 

2. Reliquiar mit Reliquien des h. Hubertus. Anfang des XV. Jahr- 
hundert. Der Fuss desse.ben ist in griechicher Kreuzform gestaltet. Auf 
demselben erhebt sich ein Ständer mit Widerlagspfeilern im Sechseck, mit 
dem der Schaft ebenfalls im Sechseck herauswächst, der in seiner Mitte von 
einem runden Knauf mit zierlichem Fili ^vanwerk unterbrochen ist. Die auf 
diesem ruhende viereckige Kapsel mit einem Aufsatz, welcher gravirte 
Darstellungen aus dem Leben des Heiligen enthält, birgt die Reliquien, 
ebenso das an einer silbernen Kette hängende Medaillon. 

3. Reliquiar, spätgothisch, Ende des XV. Jahrhunderts, enthaltend 
zwei Glieder aus der Kette des h. Petrus, vom h. Bruno nach Köln gebracht. 

4. Brustbild des h. Greorgius von Spoleto in getriebenem Silber. 
XV. Jahrhundert. Höhe 0,44 m, Breite 0,38 m. Silbeigewicht 733 Kg r. Diese 
vorzüglich charakterisirte Büste enthält das Haupt des während der 
Christenverfolgung unter Diokletian und Maximian im Jahre 303 zu Spoleto 
zum Martyreitod verurtheilten Priesters Gregorius. Dieses wie die übrigen 
Gebeine, welche jetzt im Schreine der hh. Dreikönige ruhen, gelangten auf 
Veranlassung des Kaisers Otto des Grossen in den Besitz des Erzbischofs 
Bruno, des Btuders des Kaisers (953—905). 

Ausser diesem Brustbild-Reliquiar besass die Schatzkammer früher 
noch drei ähnliche, mit welchen bei feierlichen Anlässen der Hauptaltar 
geschmückt wurde. 

5. Zwei Lichtertr Agende Engelflguren in getriebenem Silber. XV. 
Jahrhundert. Die Inschriften „Ecce panis Angelorum* etc. und „O memoriale 
mortis Domini* etc. sowie die andachtsvolle Haltung der Figuren deuten 
daraufhin, dasssie neben dem zur Anbetung ausgestellten hochwürdigsten 
Gut ihre Stelle hatten. Der spätgothischen Zeit angehörend, sind sie in 
Bezug auf Gewandung, Flügel und Haarlocken der Gestalten von meister- 
hafter Ausführung. 

6. Reliqienkreuz in vergoldetem Silber mit doppelten Kreuzarmen. 
XV. Jahrhundert, Höbe 0,363 m, Breite des untern Querbalkens 0,139 m. 
Die Vierpässe, in welche die Querbalken auslaufen, tragen die Symbole 
der 4 Evangelisten. Am obern Kreuzbalken ist das Bild der Himmels- 
königin, während sich zwischen den untern Kreuzarmen Christus am Kreuz 
befindet. 



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— 142 - 

7. Ein Epistel - Bach XV. Jahrhundert und ein Evangelien - Bnch 
XTI. Jahrhundert, beide auf Pergament geschrieben mit gemalten lnitalien, 
in Quart. Die Silberdeekel mit getriebenen Darstellungen sind eine Arbeit 
aus dem Schluss des XVI. Jahrhunderts. Der Deckel des Episteibuchs tragt 
in der Mitte Adain und Eva mit dem Baum der Erkenntnis (Sündenfall) 
in Medaillonform, in den Ecken die Erzväter Abraham, Isaak, Jakob und 
Moses ; der des Evangelienbuches in der Mitte Christus am Kreuz mit Maria 
und Johannes (Erlösung) und in den Ecken die vier Evangelisten mit ihren 
Symbolen. Das Evangelienbuch ist ein ehrfurchtsvoller Zeuge einer grossen 
Vergangenheit. Bevor es das jetzige Silberkleid erhielt, war es bereits Jahr- 
hunderte in Gebrauch. Wenn der neuerwählte deut sche König zur Krönung nach 
Aachen zog, wurde derselbe bei seiner Durchreise durch Köln im hohen 
Dom als Kanonikus eingeführt und eidlich verpflichtet; er assistirte dem 
Kölner Erzbischof beim Hochamt, bevor er von diesem in Aachen gekrönt 
wurde. Bei dieser feierlichen Gelegenheit wurde das Evangelienbucb be- 
nutzt. Es enthält auch die Eidesformel, die der König zu erfüllen hatte. 

8. Kuss-Täfelchen oder Instrumentum pacls in reinem Gold. XVI. 
Jahrhundert. Höhe 0,141 m, Breite 0,078 m, Dicke 0,009 m, Gewicht Vs Kgr. 
Unter allen aus der Blüthezeit der Renaissance erhaltenen Kusstifelchen, 
die in deutschen Domen aufbewahrt werden, nimmt obiges wohl die erste 
Stelle ein. Die äussere Form gleicht den Altar-Aufsätzen der damaligen 
Zeit, die mittlere Fläche füllt ein meisterhaft im Gepräge der Dürer'sehen 
Schule in Email ausgeführtes Bild, die Kreuzigung darstellend. Zu beiden 
Seiten befinden sich Statuetten der Apostel Petrus und Paulus in Gold 
vielfarbig emaillirt. Ausserdem ist die Vorderseite mit 10 Perlen von grosser 
Ausdehnung und Schönheit verziert. Ausser 5 Rubinen in mittelalterlicher 
Fassung ist die Vorderfläche noch mit einer Anzahl Diamanten besetzt, 
sowie mit einem kostbaren Saphir reich geschmückt Die Rückseite ist 
ebenfalls herrlich gearbeitet und enthält ausser einer zierlichen Handhabe, 
zwischen Laubwerk von 2 Genien gehalten, das auf Glas gemalte Wappen 
des Stifters: Kardinal Albrecht von Brandenburg. Erzbischof von Mainz. 

9. Ein goldener Blnmenstrauss mit schöner Emailarbeit und vielen 
Edelsteinen, wurde 1658 durch den Erzbischof Maximilian Heinrich ge- 
schenkt als Schmuck für die goldene (leider verschwundene) Marienstatue. 

10. Halsschmuck aus den werthvollsten Türkisen, Amethisten und 
Saphiren, welcher noch von dem 80 Pfund schweren, silbernen Madonnenbilde 
herrührt, welches Erzbischof Gero (t 976) dem Dome schenkte. Leider ist 
dieses Bild mit so vielen anderen Schätzen verschwunden. 

11. Monstranz in gediegenem Golde. XVII. Jahrhundert. Höhe 
0,510 m, Breite 0,209 m, Durchmesser des Fusses 0,256 m, Gewicht 5,67 Kgr. 
Wenngleich in den Formen des Barokstiles, ist dieses Sohaugef&ss einzig 
in seiner Art, auf dessen Besitz die rheinische Kathedrale stolz sein darf. 
Es ist ein Geschenk des Erzbischofs Maximilian Heinrich aus dem bayeri- 
schen Fürstenhause und kann hinsichtlich des Werthes und der Kostbarkeit 
der Edelsteine kühn seines Gleichen in Europa suchen. Der damalige 
Dekan des Domkapitels, Graf Fürstenberg, fügte dem prachtvollen Ge- 
schenke das oben von vier Ständern gestützte Diadem hinzu, welches 
ebenfalls von Gold und Edelsteinen schimmert und der Gabe des Kurfürsten 
ebenbürtig ist. Diese Monstranz wird nur an den höchsten Festtagen be~ 



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nutzt. Ihres anschätzbaren Werthes wegen musste in der reichsstädtischen 
Zeit der Magistrat dem Domkapitel für dieselbe Bürgschaft leisten, wenn sie 
in der Prozession am Frohnleicbnamstage umhergetragen werden sollte. 

12. Eine Monstranz in Silber vergoldet. Gewicht 2,90 Kgr., in Augs- 
burg verfertigt. Dieselbe ist mit vielen Edelsteinen, besonders mit Rubinen 
besetzt, an derselben hängt ein von der Freiin von Fürstenberg geschenk- 
tes, diebt mit Diamanten besetztes Kreuz. Die Lanula ist ganz von Dia- 
manten gebildet. 

13. Das Haupt der h. Martyrin Florentina aus der Oesellschaft der 
h. Ursula. Die Sammteinfassung ist mit Perlen und Edelsteiuen verziert. 

14. Zehn Elfenbeintafeln, 15V* cm hoch, 12 cm breit; mit Bildern aus 
der Leidensgeschichte. Der frommsinnige Künstler und Priester Melchior 
Paulus verfertigte diese durchleuchtenden Hochreliefs mit grosser Ausdauer 
und Geschicklichkeit in einem Zeitraum von 30 Jahren (1703—1733). 

15. Brustbild des h. Sebastian in getriebenem Siber. Das Reliquiar 
enthält einen Tbeil des Schädels des h. Sebastian und ist angefertigt auf 
Veranlassung der St Sebastianus-Bruderschaft von Franz Wüsten. 

16. Erzbischöfliches Brustkreuz nebst Brillantring aus dem Pre- 
tiosen-Schatz der Abtei Corvey herrührend, wurde im Jahre 1826 dem 
erzbischöflieben Stuhle vom König Friedrich Wilhelm Hl. uberwiesen. Beide 
Pretiosen mit vielen Diamanten und Smaragden versehen, haben einen 
Werth von ca 48,000 Mark. Sie werden vom Erzbiscbof beim Pontifikal- 
Amt getragen. 

17. Silberne Kelle und Hammer, welche König Friedrich Wilhelm IV. 
am 4. September 1842 bei der Grundsteinlegung zum Weiterbau des Domes 
gebrauchte. 

18. Monstranz in Form eines griechichen Kreuzes. In der Mitte um- 
gibt ein Kranz von reicher Filigranarbeit die Lanula, dieselbe ist mit Perlen 
und Steinen geschmückt. Der Knauf des Schaftes ist von durchbrochener 
Arbeit mit Topasen geschmückt. Der Fuss ist mit vier ovalen Medaillons 
von Lapis lazuli versehen. Die Monstranz ist ein Geschenk des Papstes 
Leo XIII. aus dessen Jubiläumsgaben 188«J. 

19. Mitra reich in Gold gestickt und mit Edelsteinen besetzt. Ein 
Geschenk des Papstes Pius IX. an den Kardinal Job. von Geissei. 

20. Mitra des Kardinals von Geissei mit der Darstellung Anbetung 
der hh. 3 Könige in Seide auf Goldgrund gestickt 1862. 

21. 8 Mitren zur Klementine gehörend, dann eine Mitra reich mit Gold 
gestickt des Weihbischofs Freiherrn von Bayer. 



Gesticktes Antipendium 288 1 /» cm breit. 88»/» cm hoch. I. Hälfte 
des XVI. Jahrhunderts. Durstellung des Stammbaumes Christi, oben eine 
gewebte Borte, in welcher abwechselnd als Ornament Bäumchen und 
Rosetten sich befinden. Zwischen denselben eingestickt die Verkündigung, 
Abendmahlsfeier. Auferstehung, Pfingstfeier und Krönung Mariens. 



144 - 



Aufmerksam sei auch schliesslich gemacht auf 

Die neue Dreikönieenfahne, welche im Jahr 1897 für den Dom voll- 
endet wurde. Sie ist eine Kreuzfrhne, die bei feierlichen Umzügen benutzt 
wird. Nach der vom Bildhauer W. Mengelberg in Dtrecht gelieferten farbigen 
Werkzeichnung wurde sie von Fräulein Minna Peters in Neuss in den edel- 
sten Stickarbeiten ausgeführt. Unter einem gothischen Baldachin thront 
•He h. Jungfrau mit dem Jesuskinde; vor ihr knieen zwei älteren Weisen, 
Melchior und Balthasar, während der jüngere Kaspar neben dem h. Joseph 
im Hintergründe steht. Unten findet die bildliche Darstellung in vier mu- 
sicirenden Engeln ihren Abschluss. Eine seitlich von Medaillons unter- 
brochene Eichenlaub -Einfassung und unten eine Franssenborte schliesst 
.las Fahnentuch ab. Der obere Rand trägt die Iuschrift: „Reges Tharsis 
et Insulae munera Offerent! - (Die Könige von Tharsis und die Inseln 
bringen Geschenke. Die Rückseite trägt drei Kronen auf weisslich ge- 
mustertem Brokatstoff und die Inschrift: Tria sunt munera, quae obtulerunt 
Magi Domino: Aurum, thus et myrrhum." (Dreifach sind die Gaben, welche 
die Weisen darbringen: Gold, Weihrauch und Myrrhen.) 

Die in Komposition und Technik meisterhaft ausgeführte Fahne misst 
ohne die 15 cm hohe Fransse 2,15 m in der Höhe und 1,26 m in der Breite. 




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VI. Der Fussbodenbelag des Domes. 

Der Bodenbelag des Domes war seit Vollendung des 
Baues Gegenstand öffentlicher wie privater Erwägungen und 
Unterhandlungen zwischen den betheiligten Behörden. Galt 
es doch die grossartigste Flächendekoration, welche in neuerer 
Zeit zur Ausführung gelangen sollte. In den Verhandlungen 
/wischen der Königlichen Staatsregierung und dem Dom- 
k; pitel wurde im Jahre 1883 eine Einigung daliin erzielt, 
dass das Lang- und Querschiff eine einfache durch Granit- 
friese gegliederte Beplattung, dagegen die Vierung, sowie 
das Chor, der Chorumgang und die Kapellen einen reichen 
Hilderfnsshoden erhalten sollten. Nachdem das Domkapitel 
die Aufstellung des Programms hierfür übernommen, wurde 
der Direktor des germanischen Museums in Nürnberg Dr. A. 
Essen wein mit der Ausarbeitung der Pläne mittelst Vertrag 
vom 4. Februar 1K85 betraut, die nach dessen 1892 erfolgten 
Tode, weil unvollendet geblieben, von Prof. Geiger in 
Freiburg vollendet wurden. Die unter dem 1. Juli 1885 
eingereichten Entwürfe erlangten nach verschiedenen Ab- 
änderungen die Genehmigung der betheiligten Behörden und 
bereits im selbigen Jahr wurde mit der Herstellung der Be- 
plattung des Lang- und Querschiffes begonnen. War man 
anfangs geneigt für die Partien der Vierung, des Chores, 
des Chorumganges und der Kapellen ausser der Mosaik alle 
anderen im Mittelalter für Fussbodenschmuck gebräuchlichen 
Techniken, wie gemusterte Plättchen aus gebranntem Thon 
mit vertieften und erhöhten Verzierungen, verschiedenfarbigen 
Marmor mit reich geschmückten Einlagen (Intarsien) in Be- 
tracht zu ziehen, so entschloss man sich jedoch später, die 
ornamentalen und figürlichen Theile in echter farbiger 
Stiftmosaik zwischen Frieseintheilungen aus Marmor aus- 
zuführen. Die Ausführung übernahm die Firma Villeroy & 
Boen in Mettlach. Begonnen wurde die Arbeit 1890 und 

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vollendet im Jahre 1898. Für die Skizzen und Kartons 
wurden 24 263 Mk. verausgabt, die Herstellung der Stift- 
mosaik (874 24 Quadratmeter) kostete 55198 Mk. in Summa 
also 79 461 Mark. 

1. Im Lang- und Querschiff .ist der Belag in Oberkirchener Sandstein- 
platten ausgeführt, Dieselben liegen rechtwinkelig zur Längsachse der 
Kirche und sind in der Umgebung der Pfeiler, sowie in den Achsen der 
Pfeilerstellungen mit durch Sand geschliffenen aber nicht polirten röthlichen 
schwedischen Granit- und grünlichen Syenitstreifen eingefasst 

2. In der Vierung vor dem Pfarr-Altar besteht die Mosaik-Arbeit aus 
einer sinnreichen Gruppirung allegorischer Darstellungen. Die Vierung ist 
durch einen breiten Fries umgrenzt. In dieses Quadrat sind geometrisch 
genau noch zwei kleinere Quadrate, ein Kreis und in diesen ein grosser 
zwölfzackiger Stern eingezeichnet. Den Hittelpunkt des letztern bildet die 
Sonne, welche durch ein nach Westen blickendes Gesicht dargestellt ist 
und von den vier Mondphasen umkreist wird. Zwischen den Mondvierteln 
reichen genau in den vier Himmelsrichtungen vier mit langen Gewändern 
bekleidete Figuren an die Sonne heran, welche die vier Tageszeiten dar- 
stellen. Die Morgenröthe ist im Begriffe, einen Schleier vom Haupte zn 
ziehen, der Mittag ist ganz enthüllt, der Abend hält mit beiden Händen 
den Sohleier vor sich, und die Nacht ist ganz in denselben eingehüllt. 
Ausserhalb des Sternes sind zwischen den Ecken die zwölf Sternbilder dar- 
gestellt und der Stern selbst ist von einem Wolkenkreis umgeben. Um 
den Kreis ist ein quadratischer Fries gezogen, und in den von den Be- 
rührongs-Punkten und dem Umfang des Kreises gebildeten Feldern sehen 
wir in Brustbildern die vier Temperamente : Cholericus, Sanguinicus, Phleg- 
maticus und Melancolicus dargestellt. In den zwischen dem erwähnten 
und dem nächstfolgenden Quadrate liegenden Flächen sind die vier Wind- 
richtungen durch menschliche Figuren versinnbildet, umgeben vonThieren, 
die in den einzelnen Himmelsgegenden leben. Die äussersten Flachen ent- 
halten in grossen Feldern die Darstellungen der vier Elemente : des Feuers 
mit der Fackel, des Wassers mit Fischen, der Erde mit einem Bündel Korn- 
ähren und der Luft mit Vögeln in den Händen. 

3. Auf dem Chor zeigt der Bilder-Cyklus, im Westen beginnend, den 
Eintritt des Menschen in's Leben und das Ansscheiden des Greises aus dem- 
selben. Die beiden Reihen der Mosaik-Medaillons, durch die Grabplatten 
der Erzbischöfe getrennt, enthalten zwischen den Darstellungen des Tages 
und der Nacht die Schilderungen der verschiedenen Lebensalter des 
Menschen, desgleichen zwischen Erde und Meer die Thätigkeiten des 
Menschengeschlechtes. Den Abschluss im Osten bildet das Glücksrad, das 
den Wechsel der menschlichen Geschicke andeutet. Auf dem um eine 
Stufe erhöhten Räume zwischen den Chorstühlen und der grossen Altar- 
treppe ist der Zusammensehl uss der Menschheit zu Nationen und zu grossen 
christlichen Gemeinden und Kirchen dargestellt Die Mitte des Pres- 
byteriums nimmt die auf dem Throne sitzende Gestalt des Papstes als 
Repräsentant der geistlichen Macht ein, umgeben von den personificirten 
vier Paradiesflüssen, welche das aus Urnen fliessende Wasser zu einem 
Strome vereinigen , der, vom Altare ausgehend , die Darstellungen dar 



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- 147 — 

christlichen Kirche und der in ihr vereinigten Nationen durchfliegst und 
in Gestalt von darin schwimmenden Fischen den Weg zum Altare zeigt. 
Zu beiden Seiten des Hochaltars die sieben geistlichen und die sieben 
weltlichen Stände. Auf der Nordseite vor dem erzbischöflichen Throne 
die sieben typischen Figuren der geistlichen Würdenträger; in der Mitte 
der Papst, umgeben von den Darstellungen des Kardinals, des Erzbischofs, 
des Kanonikus, des Priesters, eines Mönches und eines Einsiedlers. An der 
Südseite des Hochaltars die sieben weltlichen Stände: zur Seite des 
Kaisers zunächst die Gestalt des Fürsten, des Ritters, des Kaufmannes, 
des Kunsthandwerkers, des Landmannes und des Bettlers. Die Mitte dieses 
Mosaikbodens nimmt die typische Gestalt des Kaisers als Repräsentanten 
der weltlichen Macht ein, umgeben von den sieben freien Künsten: 
Dialektik, Rhetorik, Musik, Arithmetik, Grammatik, Geometrie und 
Astronomie, dann in den Ecken des um den grossen Kreis gezogenen 
Rechtecks in Vierpässen die Personifikationen der vier Flüsse Tiber, Rhein, 
Donau und Seine, mit folgenden Inschriften: 1. Tiber: Sancti circum luit 
Tiber is Vaticani pedes (der Tiberfluss umspült den Fuss des Vatikan). 
2. Rhein: Sacratas martyrum sanguine undas volvit Rhenus per litora 
saepe concupita (der Rhein wälzt die durch das Blut der Märtyrer ge- 
heiligten Finthen längs der oft begehrten Ufer. 8. Donau: Iter monstrat 
Danubius in terram sanctam (die Donau zeigt den Weg nach dem heiligen 
Lande). 4. S e i n e : Quot refiectis Sanctuariarum imagines Sequana felix 
(glückliche Seine, wie viele Heiligthümer spiegeln sich in dir l). In den 
Feldern nördlich und südlich neben dem mittleren Felde ist die Verbreitung 
des Christenthums bei den verschiedenen Nationen und Volksstämmen durch 
Frauengestalten versinnbildet. Die erste Gestalt, die italienische Nation 
darstellend, trägt die Abbildung der Peterskirche in Rom mit der Inschrift 
„ Auream (sc. basilicam) donat aureaRoma" (Diese herrliche (Basilica) schenkt 
das glänzende Rom), und auf einem Spruchband befinden sich die Worte „Fulget 
in monte Vaticano domus S.Petri" (auf dem vaticanischen Berge erglänzet S. 
Petri Dom). Die französische Nation ist durch die Krönungskirche in Reims und 
die Inschrift „Remorum civitas* bezeichnet, die spanische Nation durch die 
Wallfahrtskirche von San Jago di Compostella mit der Inschrift „Mona- 
sterium Sancti Jacobi u , die deutsche Nation durch die dem Märtyrer St. 
Gereon gewidmete St. Gereonskirche in Köln mit der Inschrift „Sacra 
Colonia Romae filia, Germaniae Roma", die ungarische Nation durch die 
Primatialkircbe in Gran mit der Inschrift „Strigonium Sedis Primatialis" 
und die slavische Nation durch die den Slaven-Aposteln Cyrill und Method 
geweihte Kirche in Welehrad in Böhmen mit der Inschrift „Welehrad 
Apostolorum Slavorum Requies*. Der Vereinigung mit den christlichen 
Kirchen Europa's harrend, sind die Sophienkirche in Konstantinopel »Aya 
Sophia" und die h. Grabkirobe in Jerusalem mit der Inschrift „Hierusalem 
Christi sepulcrum w den christlichen Nationalkircben Europa's hinzugefügt. 

Vom Hochaltar ausgehend und die gesammten Mosaikbilder einfassend, 
wird der von Fischen belebte Strom des Lebens geführt, als Symbol des 
von der Kirche ausgehenden Gnadenstromes. 

4. Der Chorumgang bringt in 13 grösseren Mosaikfeldern, jedes mit 
5 Wappenschildern, umgeben von vegetabilischem Ornament und einigen 
kleinern Feldern, die Geschichte des Erzbisthums Köln zur Darstellung. 



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- 148 - 



Die Roihonfolgo der Erzbischöfi'. und Kurfürsten ist durch Wappen unter Beifügung 
der Namen und Rogiorungszoiten angedeutet. 

Im nördlichen Tueil des Chorumganges beginnend, entwickelt sich 
der Belag nach Osten und Süden in nachstehender Reihenfolge : Das Fold vor dor 
Sakristei besteht in soinoin lluuptthuilo aus einem Medaillon von 1,70 in Durch- 
messer, welches die mit Stab und Mitra bekleidoto Figur des Erzbisehofs liildebold 
enthält. Lotzterer wurde im Jahro 785 zum Bischof orhoben, war der Vertraute 
Karl's des Grossen, starb im Jahre 8I8 und ruht in der St. Gereons-Kirche. Die 
in Mosaik überaus kunstvoll ausgeführte Figur des Erzbischofs Hildebold sieht nach 
Wösten. Als mutmasslicher (?/ Begründer des alten Domes ist er dadurch go- 
kennzei hnet, dass vor dem Bischof eine männliche und eine weibliche Figur 
knieon, weh he ihm das Bild dos alten Domes vorhalten. Rings um dieses Haupt- 
medaillon roihon sich 2ä kleinero Modaillons mit Bischofsstab und Inschriften 
aneinander, wolcho die Rogiorungsieit dor orsten 25. Bischöle von Köln antoben: 
IL Maternus, Schüler dos Apostols Petrus, der orsto Bischof von Köln (88—128), 
IL Paulinus (128-175), Aquilinus (III. Jahrhundert , IL Maternus IL (285-315), 
Euphrates (um 344), H. Severin nun 34»), H. Evorgislus (399— 418\ Domitian 
(um 536), Charentinus (um 570), iL Ebiegisil (um 600), Solatius (um 614), 
Sunnoveus (? , Romedius (? , IL Kunibert (623-663), Botadus (663-674), Stephanus 
(674-6^0), Aldwinus (680— 691). Giso (691—711), Anno (711 —715), Faiamuud 
(717), Reginfried (720-737), H. Agilolf (747—751), Hildigor (f 753), Berothelm 
(768), Richolf (um 777; llildibald (782—819). 

Dan zweite Mosaikfeld gegenüber der Sakristei. Nach Weston be- 
findet sich das alleinstehende Wappen des Erzbischofs H ad o bald (f842). 

Daran schliessen sich im Kreise weitere fünf Wappenschilder, und zwar 
diejenigen dor Erzbischöfe Gunther (-j- angeblich iL Juli 873), Willibert (+ IL Sep- 
tember 889), Horimann 1^ der Fromme (f IL April 925), Wikfriod (+ 9. Juli 
953), sowie des h. Bruno 1^ Herzogs von Sachsen (-}■ IL October 965). 

Nach Osten zu ist alleinstehend das Wappenschild des Erzbischofs Folkmar 
(f hL Juli 969 > angebracht. 

Das dritte Feld neben dem Kreuzaltar enhält folgende Wappen: Gero, 
Markgraf der Lausitz (967 — 976), Warinus (976 — 984), Evergerus (984 — «99), 
IL Heribert, Graf von Rotenburg a. d. Tauber (999-1021), Pilgrim (li>21 — 1036». 

Zwischen dem 2* und L Feldo das Wappenschild von Hermann IL, Graf von 
der Pfalz 1036-1056). 

Das vierte Feld vor der Engolbertskapello enthult folgende Wappen : 
IL Anno IL (1056—1075). Hildolf (1076—1079), Sigewin (U>79— 1089), Hormann III., 
Graf von Nordheim, (1089—1099), Friedrich L von Kärntben, Markgraf von Friaul 
(1100—1131). 

Zwischen dem L und 5, Feld alleinstehend das Wappenschild Bruno IL, 
Graf von Berg (1131-1137). 

Fünftes Feld vor dor Maternuskapelle : Hugo, Graf von Sponheim (starb 
vier Wochen nach seiner Ernennung 1137), ArnoldusL von Randorath (1137— 1 IM), 
Arnoldusll., Graf von Wiod (115 1—1156), Friedrich II., Graf von Borg (1156— 1158), 
Reinaldus, Graf von Dassel (1150—1167). 

Sechstes Feld vor der Johanneskapelle: Philippus von Heinsberg (1167— 
1191), Bruno III., Graf von Berj; (1192 1193), Adolphus, Graf von Altena (1194— 
1206 und wiederum von 1212-1215), Bruno IV., Graf von Sayn (1205— 1208) und 
Dietrich L, Graf von Hengobach (1208—1212). 



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149 - 



Das Mosaikfeld im Osten des Chores, vor dor Marien- (Droikönigen ) 
Kapelle, also fgenau in der Mitto des Chorumganges, enthalt in der Mitte ein 
Medaillon von 1.53 m Durchmesser. Dasselbe zeigt die Figur des Grundsteinlegers 
des Kölner Domes, Erzbischofs Konrad von Hostaden (+ 1261), welcher auf einem 
Sessel sitzt und in der linken Hand den Grundriss des Domeß hält. Au seiner 
linken Seite halt ein Mönch den Bischofsstab und die Mitra, zur rechten Seite ein 
gepanzerter Ritter das Kurfürstengchwert. In den vier Ecken de« Mosaikfeldes be- 
finden sich kleinere Medaillons mit Wappen-Darstellungen, und zwar in der nord- 
östlichen Ecke das Wappen des Hochstiftes Köln, im Südosten dasjenige der Stadt 
Köln, in der südwestlichen Ecke Stab und Mitra mit der darunterstehenden Inschrift : 
Henricns I. de Molenark (f 1238» und im Nordwesten Stab und Mitra nebst der 
Inschrift: En gel her tos I. de Berg (-{• 1225). 

Die Mosaik-Felder im südlichen Theile des Chorumsjancjes enthalten 
die Wappen folgender Erzbishöfe von Köln: orstos Feld (gegenüber der Agnes- 
Kapelle), Engelbert II. von Falkenburg 1261—1274), Siegfried von Westerburg 
(1275—1297), Wikbold v. Holte (1297-1304), Heinrich II. V.Virneburg (1304—1332», 
Walram Graf von Jülich (1332-1349*. 

Zweites Feld (gegenüber der Michaelis-Kapollo : Wilhelm von Gennep 
(1350—1362), Adolf IL, Graf von der Mark (1363, resignirt 1364), Engelbert III., 
Graf von der Maik (1364—1368), Friedrich III., Graf von Saarwerden (1370-1414', 
Dietrich IL, Graf von Moers (1415—1463'. 

Das in dor Mitte zwischen dor Michaelis- und der Stophans-Kapello allein- 
stehende Feld stollt das Wappen des Erzbischofs Rupert, Graf von der Pfalz 
(1464-1480) dar. 

Drittes Feld (gegenüber der Stephanus-Kapelle) : Hermann IV., Landgraf 
von Hessen «1480— 1508), Philipp II., Graf von Dhaun - Oborstein (1509-1515), 
Hermann V., Graf von Wied (1515, resignirt 15 47, + 1552), Adolf HL, Graf von 
Schauenburg (1547-1556', Anton, Graf von Schauenburg (1556—1558). 

Viertes Feld (gogonüber dem Muttorgottos-Chörchon) : Johann Gebhard, 
Graf von Mansfeld (1558-1562», Friedrich IV., Graf v. Wied 1562, resignirt 1567, 
+ 150S , Salontin, Graf von Isenburg (1567, dankte ab 1577, f 1610). Gebhard II., 
Truchsess von Waldburg (1578, abgosetzt 1583, + 1601), Emest, Herzog von 
Bayern (1583-1612). 

Fünftes Fold: Fordin ind, Horzog von Bayern (1612— 1650 , Maximilian 
Hoinrich, Horzog von Biyörn (1650 -1688), ''Joseph Klemens. Horzog von Bayern 
(1088—1723), Klemens August L, Herzog von Bayern (1723—1761), Maximilian 
Friedrich, Graf vun Königseck-Rothenfels (I7HI-178IV 

Alleinstehend: Maximilian Franz Xavier Joseph, Erzherzog von Oostorreich, 
jüngster Sohn dor Maria Thorosia. letzter Kurfürst von Köln 1785-1801). 

Das Mosaikfeld am südlichen Eingang zum Chormngang onthalt in 
der Mitto gleichfalls in Medaillonform die Figur oinos geharnischten, nach Westen 
sehenden Ritters, wolcher oin Fähnchon halt, auf dorn oin kloinor Adlor abgebildet 
ist. Unter dem Fähnchen stehon die Anfangsbuchstaben W R, so dass der Ritter 
offenbar als Stammhaitor dos Hohenzollotnhausos aufzufassen ist. In knioendor 
Stellung noben dem Rittor ist links oino weiblicho Figur, lochts eine männliche 
Figur au sehen, welcho das Bild dos vollendeten Domes in den Handon halten, 
so zwar, dass das Dombild dio Brust des Ritters bedeckt. Oostlich Uber dem 
Medaillou sind in kloinen Feldern die Wappen der fünt letzten Erzhischofe 



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von Köln, Oraf Spiegel (1825, t 1885), Klemens August II. (1835, t 1845), 
Joh. v. Geissei (1846, 1 1864), Paulus Helchers (1866, f 1895) und Philippus Kre- 
mentz (1885). Für die späteren Bischöfe hat man sechszehn weitere Felder, 
und zwar je acht am nördlichen und südlichen Rande des grossen Medaillons 
freigelassen. Den Wappen der fünf letzten Erzbischöfe gegenüber, auf 
der westlichen Seite der Medaillonfigur befinden sich die Wappen der drei 
letzten Dombaumeister: Ahlen (t 1838), Zwirner (f 1861) und Voigtei. 

5. In den 7 Kapellen ist der Fussboden mit reicher Plattenmosaik 
geschmückt, die aus verschiedenfarbigen Marmorarten kaleidoskopisch zu- 
sammengesetzt ist. 

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Besteigung des Domes. 

Jeder, welcher sich ein einigermassen richtiges Ver- 
ständniss von der Grossartigkeit des Domes verschanzen will, 
sollte nicht versäumen, den Ban zu besteigen, denn oben auf 
seinen Gallerien muss man umher gewandelt sein, um den 
richtigen Einblick zu erhalten in die riesigen Verhältnisse 
des ganzen Baues sowohl, wie der wundervollen Harmonie 
der einzelnen Architekturtheile unter einander. Jedem, er sei 
Laie oder Fachmann, sei daher eine Besteigung der äusseren 
Gallerien und der Thürme dringend empfohlen. Auf einer 
in dem östlichen Eckpfeiler des Südportals sich befindlichen 
bequemen und hinreichend erhellten Wendeltreppe gelangen 
wir auf 101 Stufen auf die 50,53 Meter langen und 0,78 Meter 
breiten Portalgallerien, und auf weiteren 36 Stufen zu der 
ca. 1 Meter breiten durch eine zierliche, durchbrochene Brüstung 
geschützte äussere, den ganzen Bau umfassende Gallerie. Von 
hier sehen wir in den Wald der Strebepfeiler und in die Reihe 
der kühn geschwungenen, Druck und Gegendruck ausgleichen- 
den Schwibbogen. Hier haben wir Gelegenheit, die Phantasie 
zu bewundern, die sich in den zu Wasserspeiern gemodelten 
Ungethümen und sagenhaften Unholden ausspricht, das zier- 




liche, mannigfaltige Blattwerk, welches Fialen und Wimperge 
umzieht, die Blumen, welche die Gesimse schmücken und die 
kolossalen Figuren, welche die Aufsätze der Strebepfeiler zieren. 



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- 152 — 




Es ist „architektonische 
Musik", die aus diesen 
lebendig gewordenen Stei- 
nen zum Himmel empor- 
strebt. Auf einer Wan- 
derung durch diesen 
Säulenwald wird uns die 
innere Bedeutung der 
Volkssage klar, welche 
den Tlan zu diesem Wun- 
derbau überirdischen Ge- 
walten zuschreibt. 

Der äussern Galler ie 
entspricht in gleicher 
Höhe eine Gallerie im 
Innern, von der man in 
die Kirche hinabblickt ; 
ein herrlicher Anblick, 

von dem der Dichter Victor von Strauss vorahnend 
begeistert spricht: 




Ich klomm auf deinen Zinnen, 
Sah' deines Chores Pracht, — 
Und schaute tief dich innen, 
Nachdem dein Bau vollbracht: 

0 Wölbung, kühn geschlossen, 
Wie schwebend in der Luft, 
Geheimnisvoll durchflössen 
Vom heil'gen Weihrauchduft. 

0 Pfeiler, himmelragend, 
Umspielt von farb'gem Licht. 
Das Ungeheure tragend 
Als trüget ihr es nicht. 



O Riesenblum', aus Klippen 
Wie ein Gewand gewirkt, 
Durchbroch'ne Felsenrippen 
In Rosen ausgezirkt. 

0 Well', im Meer des Schönen 
Emporgerauscht zum Herru, 
Und wie von Donnertönen 
Gebannt in Felsenkern. 

Das ist kein ird'scher Meister, 
Der solchen Tempel denkt; 
Das hat der Geist der Geister 
In Menschenbrust gesenkt. 



Weitere 98 Stufen derselben Wendeltreppe führen dann 
auf die am Fusse des Daches liegende oberste Gallerie, die 
in einer Länge von 500 Metern (1593 Fuss) den Bau uro- 
fasst. Von der Grossartigkeit der einzelnen Theile, die von 
unten in den zierlichen Verhältnissen erscheinen, erhalten 
wir hier einen Begriff, wenn wir den, den First des Daches 
krönenden vergoldeten Kamm betrachten, dann das die äusserste 
Spitze des Chores schmückende Kreuz. 

Der Kamm des Daches ist 1,41 m (4tyj Fuss) hoch — Das Kreuz hat. 
bei einem Gewicht von 694 Kilo, 8,S9 m (20 Fuss 9 Zoll» Höhe, wovon 
2,09 m (6 Fuss H Zoll) auf das Stück vom Dach bis zur Kugel kommen; die 
Kugel ist 1,25 m (4 Fuss breit und 0,03 (2 Fuss) hoch; jede der vier grösaeieu 



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— 153 




Konstruktion des Dachstnhls 
und des Mittelthurnies. 



Lilien, in welche das Kreuz auslauft, 
ist 0,68 (2 Fuss) lang und 0,55 m (1 Fuss 
0 Zoll) breit; die vier kleineren Lilien 
am Durchschnitt des Kreuzbalkens 
haben eine Länge von u,32 in (1 Fuss); 
der Querbalken des Kreuzes ist 2,72 m 
(8 Fuss 8 Zoll) lang; die Kreuzstange 
wird aus vier Rundstäben gebildet, 
wovon die breite Seite 0,17 m (6Va Zoll), 
die vordere 0,13 m (5 Zoll) hat. 

Das Kreuz ist wahrscheinlich das- 
selbe, welches bei Vollendung des 
Chores 1322, oder kurz nachher errich- 
tet wurde, neu vergoldet wurde es in 
den Jahren 1547, 1588, 1821, 1882. 

Wir gelangen jetzt zu dem 
in Eisen konstruirten Dachreiter 
oder Mittelthurra, der sich über 
der Vierung erhebt und den 
Dachfirst noch um 48,3 Meter 
überragt. Nacli den Plänen 
Sulp. JBoisseree's war derselbe 
grossartiger in Stein gedacht. 
Auch der erste Zwirner'sche Ent- 
wurf hatte vor diesem die Gefäl- 
ligkeit der Form voraus, indem er 
vom Viereck in s Achteck sich 
entwickelte, während der jetzige 
als Achteck aus dem Dache em- 
porwächst. Die Befürchtung, die 
4 Pfeiler der Vierung würden die 
Steinmasse nicht A-agen, gab zur 
leichteren Eisenkonstruktion 
Veranlassung. Eine eiserne 
Wendeltreppe führt zur offenen 
Galleric des Dachreiters, von 
welchem sich eine unvergleich- 
liche Aussicht dem Auge dar- 
bietet. Der ganze Bau in seiner 
Grundlage liegt unter uns, wie er 
sich aus derKreuzform mit seinen 
Massen erheb t,um in den zierlich- 
stenTheilgliederungen emporzu- 
wachsen und in der Alles besie- 
gelnden Kreuzblume zu endigen. 



- 154 - 

Sehr schön sagt der Dichter A. L. Folien in einer 
poetischen Behandlung der Domsage: 

Das Kreuz, gesenkt im Grunde nieder, 
Als S&alenwald ersteht es wieder, 
Das lebenreiche Samenkorn : 
Das Kleeblatt quillt aus seinem Schosse, 
Die Lilie steigt, es flammt die Rose 
Aus seinem unerschöpften Born. 

Die Slulenäst, im Dach ver woben, 
Wie eine Brust in Schmerz gehoben, 
Gen Himmel athmend, steigt das Chor; 
Wie mit Gesang hinausgeschwungen, 
Wie im Gebet erstarrte Zungen, 
Steh'n tausend Blumenthtirm' empor. 

Von der Gallerie in den Thurm zurückgelangt, fährt 
uns eine Wendeltreppe in den Eckpfeilern derThürmeauf das 
Krongesims des Oktogons an den Fuss des 
emporstrebenden Steinhelmes. Hier hört 
die Wanderung auf. An der Aussenseite 
beider Steinhelme führt allerdings noch 
eine kupferne Leiter durch die Kanten- 
blätter der Kreuzblumen hindurch bis zum 
äussersten Knauf der Thürme empor, über 
welchen der Blitzableiter in die Luft ragt; 
dieselbe dient jedoch nur dazu, diesen von 
Zeit zu Zeit untersuchen zu können. — 

Von der Stelle, wo der Steinhelm be- 
ginnt, übersehen wir nochmals den Wunder- 
bau mit seinem Wald von Strebepfeilern, 
Fialen und Wimpergen und gemessen 
die ausgedehnte Aussicht auf Stadt und 
Land, Strom und Gefilde; das Häusermeer 
Köln's mit seinen Kirchen und Thürmen, 
die sich immer mehr entwickelnde Neu- 
stadt und die sich immer mehr aus- 
dehnenden Vorstädte mit ihren grossen ge- 
werblichen Anlagen liegen vor unsern 
Blicken, eine fruchtbare Ebene, mit Dör- 
fern und Weilern liegt rings wie eine 
Karte vor uns ausgespannt, die der Rhein mit seinen 
mächtigen Fluthen durchzieht, umrahmt von den Höhen des 
Bergischen Landes und des Vorgebirges, das im Süden seinen 
reizenden Schlusspunkt in den Höhen des Siebengebirges 
findet, welches am fernen Horizont aufblauet und seine Grüsse 
zu uns herübersendet. 




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- 155 - 

Die das engere Bild umspannende neu geschaffene Um- 
wallung mit den weit hinausgeschobenen neuen Befestigungen 
erinnert daran, dass das alte Köln nicht allein die Metropole 
des rheinischen Handels und Gewerbefleisses ist, sondern 
auch neben Strassburg, Metz, Mainz, Koblenz, eine jener 




Strebebogen der Südseite und Ansicht den 8. Stockwerkes des Süd-Thurnies. 

mächtigen Grenzfesten, die das neu erstandene Reich gegen 
einen übermüthigen Nachbarn schützen sollen. 

Genaue Angaben über den Aufbau des Oktogons, der Tburmbelme 
und der Kreuzblumen finden sich Seite 72—74. 



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156 - 



Entweder beim Aufstieg oder Abstieg besuche man die 
grossen Sälen gleichenden Gelasse der Thurm Etagen, von 
welchen das zweite Geschoss des Nordthunnes die Dom- 
bibliothek seit dem Jahre 1894 beherbergt, die dritte 
Etage des Südthurmes den Glockenstuhl mit sämnitlicheu 
Glocken bereits 1876 aufgenommen hat. Das grosse Stern - 
gewölbe dieser grossen Hallen, aus reich profilirten Rippen 
aus Haustein und sorgfältig ausgeführten Kappen aus be- 
hauenen Tuffsteinen konstruirt, überdeckt bei einer diagonalen 
Spannweite von 15 Metern (ca. 48 Fuss) einen Flächenraum 
von 50,4 □ Meter. Die Gesammthöhe der Halle des Glocken- 
stuhles misst ca. 22 Meter. Der eiserne Glockenstuhl mit 
der Last sämmtlicher Glocken wird von einem Central« 
pfeiler getragen. 

Die Dombibliothek. 

Die Anzahl ihrer Handschriften beläuft sich auf ungefähr 200 histo- 
rische und kanonistische Werke. Man findet darunter sehr merkwürdige 
sowie eine grosse Anzahl alter Handschriften von Kirchenvätern. Viele 
dieser Manuskripte sind der Domkirche von Karl dem Grossen ver- 
macht worden. Der Codex canonum primitivae ecclesiae ex versioue 
Dyonisii exigui, in Folio, trägt die Notiz: ex bibliotheca Caroli magni 
veuit ad ecclesiam metropolitanam Coloniensem; Krzbischof Hildobold 
(t 819) hat seinen Namen hineingeschrieben. 

Die Bibliothek wurde im Jahr 179t vor den anrückenden Franzosen 
nach der Abtei Weddinghausen geflüchtet und gelangte 1812 nach Darm- 
stadt, wo sie im grossherzoglichen Museum aufbewahrt und trotz aller 
Reklamationen zurückbehalten wurde. Erst in Folge des Friedensvertrages 
nach dem Kiicge von 1860 wurde sie der preussischen Regierung für den 
Dom zur Verfügung gestellt und gelangte im Jahre 1868 nach Köln zurück.') 

Der von PI». Jafle und Wilh. Wattenbach angefertigte Katalog führt 
218 Codices aus dem 7.-16. Jahrhundert auf, fast sänimtl ich auf Pergament 
geschrieben. Viele enthalten kostbare Initialen und Miniaturen. 

Einige besonders werthvolle Codices, alle auf Pergament, mögen 
Iiier in chronologischer Ordnung aufgeführt werden: 

Collectio canonum, in gr. Fol., auf fol. 1 mit reich ver- 
schlungenen altirischen Initialen und Einfassungsborten, in denen die 
verwiekeltsten Thier- und Bandverschlingungen, und mit mehreren kleinen 
Anfangsbuchstaben auf den folgenden Blättern. 7. Jahrb. In gepresstes 
Leder gebunden. Anf. 16. Jahrh. Catalog CCX1II. 

Lectionar ium, in kl. Fol., mit die ganze Seite einnehmenden 
Miniaturen auf fol. 3, unten den Erzbischof Evergerus darstellend, der anf 
dorn Boden liegt und einen goldenen Manipel in der Hand hält, welchen er dem 

') Verl. F renken: das Schicksal der Wertbgegenstände des Kölner 
Domes, Köln 1868. — Jaffe und Wattenbach, ecclesiae metropolitana*- 
Colon. Codices manuscripti. Berlin 1874. 



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- 15t - 

auf dem gegenüberstehenden Blatte sitzend gemalten Apostel ftirsten reicht. 
Bilder wie Initialen sind mit Borten eingefasst. 10. Jahrh. Catalog CXLIII. — 

E v an ge liari u ra , in kl. Quart, mit Goldinitiale J auf fol. 1, worin 
2 ganz gleiche nackte Pigürchen, die mit den Fussen gegeneinanderstehen. 
10. Jahrh. Catalog CXLIV. - 

Evangelia qaatuor, in gr. Fol., auf sechs verschiedenen Seiten 
mit den gemalten Bildern des b. Hieionymus, der h. Jungfrau und der 
vier Evangelisten, die säromtlich von gemuht eilen Streifen eingerahmt 
erscheinen. 10. Jahrh. Catalog XIV. — 

Liber p o ntificalis, in kl. Fol., auf fol. 5 die heilige Jungfrau 
mit dem Kinde, später die Verkündigung mit eigenthümlichen etwas wild 
geworfenen flatternden Gewunduti^«'ii. Schi. 10. Jahrh. Catalog CXLL — 

Evangelia quatuor, in gr. Fol., mit vielen kostbaren Initialen 
auf Purpur und mit sehr edlen Miniaturmalereien auf 6 verschiedenen 
Seiten, die merkwürdigsten auf fol. 16, den Kanonikus Hilliuus darstellend, 
wie er dieses Buch dem h. Petrus überreicht, darüber der Plan vom alten 
Dom. Der dem Schi, des in. Jahrh. augehörige Lederband zeigt auf der 
Vorderseite eine ältere gegossene Hirschfigur. Ii. Jahrh. Catalog XII. — 

Quatuor e v a ngel iorum Codex, aufs eleganteste geschrieben 
und mit den miniirten Figuren der Evangelisten und manchen neu*testameu- 
talischeu Darstellungen auf 12 verschiedenen Seiten. Alter llul/.band, aber der 
ursprünglichen Ausstattung gänzlich beraubt. 11. Jahrh. Catalog CCXVI1I. — 

Hieronymi epistolae et opusoula, in gr. Fol., mit einem 
snhr reicht u Hiniaturgeinaldu auf fol. 1, Christus, daruuler Krzbischof 
Friedrich I. (109ti— 1131/ darstellend, von verschiedeneu Propheten und 
Aposteln umgeben, iu den Ecken die vier Kardinal! ugenden, siimintliuhe 
Figuren mit Spruchbändern. 12. Jahrh. Catalog L1X. — 

Ordo missarum per annum, in Quart, fol. 1(> mit dem sein 
edlen würdevolleu Miniaturbild Christus auf den Wolken iu Mandorlaeiu- 
fassung und mit den Symbolen der Kvangelisteu in den Ecken. Auf der 
gegenüberstehenden Seite reiche Initialen. 12. Jahrh. Catalog CCXII. — 

Breviarium Franconicum, in gr. Fol., mit Miniaturdarstel 
lungen des letzten Abendmahls«* auf fol. 82 und des Engels am Grabe, 
hinter dem romanische Architektur und unter welchem die hb. Frauen 
auf fol. 88. Das gegenüberstehende unvollendet gelassene Blait stellt in 
einem Thurm einen Propheten dar. Sämmtlicbe Figuren in einem eigen- 
thümlichen Parallelgefält behandelt. 12. Jahrh. Catalog CCXV. — 

Canon seu ordo missae, in gr. Fol., auf fol. 51 unter 3 reich 
vergoldeten Baldachinen die Darstellung des Gekreuzigten zwischen Maria 
und Johannes in edelster Gewandung sorgfältig ausgeführt, in den Ecken 
die vier Evangelistensymbole, gegenüber ganz klein die Veranschaulicbuiig 
eines celebrirenden Priesters mit erhobene! Hostie, unten ein knieender 
Engel mit Kreuz, zu dem eine Taube Hiegt. Anf. U. Jahrh. Catalog CXLIX. — 

Canon Missae, in kl Fol., auf fol. 10 das Bild des Gekreuzigten 
mit Maria und Johannes. 15. Jahrh. Catalog CLL — 

Missale Dioecesis Coloniensis, in gr. Fol., in Paris gedruckt 
i:*20 von Vuulffgaugo hopylio, in Köln zu kaufen in pingui gallina, mit 
reichem Holzschnitttitelblatt in Farben und vielen meistens unkolorin^n 
Initialen. Catalog CCXVII. - 

OMIIHO 



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Dan Domyelüute. 



Das Dom flaute, welches aus der Tonfolge D G A H C besteht, 
zählt folgende Glocken: die Kaiserglocke (Gloriosa), Ton D, an Gewicht 
540 Centner oder 27,000 Kilo. - Pretiosa, Ton G, Gewicht 22t Centner, — 
Speciosa, Ton A, Gewicht 125 Centner. — Dreikönigenglocke, Ton H, 
Gewicht 75»' 4 Centner. — Ursula-Glocke, Ton C, Gewicht 50 Centner. 

Die Kaiserglocke (Gloriosa) überbietet an Grösse und Gewicht alle 
ihre berühmten Schwestern Sie wurde von Andreas Hamm in Franken- 
tlial im Jahre 1875 zum Preise von 21,000 Mark nach dreimaligem Um- 
giessen hergestellt. Der Grundton sollte C sein, nach dem Gutachten der 
Prüfungskommission neigt derselbe aber nach Cis und der f Dirigent des 
Domchors, Prof. Koenen nannte ihn D. 

Die senkrechte Höhe der Glocke beträgt 4,40 Meter, (bis zur Krone 
2,75 Meter), der untere Durchmesser 3,50 Meter, (im Schlagring 3,42 Meter), 
der Umfang 10,85 Meter. Die Glocke hängt an einer Schraube; an dieser 
Schraube ist auch der Klöppel angehängt. Die Schraube 500 Kilo, d. i. 
10 Ctr., der Klöppel ist lang 3,30 Meter und wiegt 800 Kilo, d. i. 16 Ctr. 
Der Glockenmantel ist dick: unten 27 Cm., oben 10 Cm. Zum Guss der 
Glocke waren an Metall nöthig: 22 grosse Kanonenläufe (im dentsch-fran- 
zösischen Kriege erbeutet) und etwa 100 Ctr. Zinn. Die Kaiserglocke hat 
nach obigen Angaben also mehr Gewicht, wie die Glocke von Toulouse, 
welche 510 Ctr. wiegt. (Die Glooke auf dem Stephansturme in Wien, die 
1711 aus eroberten türkischen Kanonen gegossen, wiegt nur 368 Ctr., die 
zu Erfurt, 1497 gegossen, 281 Ctr., die zu Breslau, 1508 gegossen, 220 Ctr., 
die zu Santiago di Compostella 300 Ctr., die der Domkirche en Mailaud 
300 Ctr., die des Münsters in Bern 240 Ctr., die 1563 zu Moskau gegossene 
440 Centner.) 

Die sechs Arme, welche die Krone der Kaisergiocke bilden, sind mit 
Engelsköpfen geziert und laufen unten, wo sie sich auf die eigentliche 
Glocke stützen, in Löwenklauen aus. Zunächst unter der Krone, in drei 
rund um die Glocke sich hinziehenden Zeilen, ist in gothischen Buchstaben 
folgende Inschrift ausgeführt: 

Guilelmns, augustissimus Imperator Germanorum, rez Boruasorum 
pie memor coelestis auxilii accepti in gerendo felicissime conficiendoque 
uuperrimo, hello Gallico, instaurato imperio Germanico, bellica tonnen ta 
captiva aeris quinquaginta millia pondo jussit conflari in campanam sus- 
pendendam in hac admirandae structurae aede exaedincationi tandem proxima. 

Cui victoriosissimi principis pietissimae voluntati obsecuta societas 
perficiendo huic templo metropolitano constituta F. G. Pio P. IX. V. Pon- 
tifici Romano Paulo Melchers Archiep. Colonien, A. D. MDCCCLXXIV. 

In deutscher Uebersetzung: 

Wilhelm, der allenturcblauchtigste Deutsche Kaiser und König von 
Preussen, in frommer Erinnerung an die himmlische Hülfe, die ihm bei der 
so glücklichen Führung und Beendigung des jüngsten französischen Krieges 
zu Theil wurde, hat nach Wiederaufrichtung des deutschen Kaiserthnms 
aus eroberten Geschützen im Gewichte von 50000 Pfund eine Glocke zu 
giessen befohlen, die auf diesem herrlichen, seinem Ausbau endlich nahe 
gerückten Gotteshaus aufgehängt werden solle. Solchem frommen Willen 



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— 159 — 

des siegjekrönten Füreton entsprechend, hat der zur Vollendung dieses Domes 
gegründete Verein dieselbe herstellen lassen unter dem römischen Papst Pius IX. 
und dem Erebischof von Köln Paul Melchers, im Jahre des Herrn 1874. 
Ueber dem Bildniss des h, Petrus liest man folgende Inschrift: 
Voce mea coeli populo dum nuntio sortes 
Sorsum corda volant aemnla voce sua. 
Patronus qui voce mea templi atria pandis 
Janitor et coeli limina pande simul. 
In deutscher Uebersetzung : 
Kttnd' ich mit meiner Stimme dem Volk die himmlische Botschaft, 
Schwingen die Seelen sich auf, stimmen voll Eifer mit ein. 
Der Du durch meine Stimme des Tempels Hallen erttfinost, 
Ueffno des Himmels Thür, himmlischer Pförtner, zugleich. 
Dem Bildniss des Kirchonfttrsten gegenober ist das prachtig gelungene 
deutsche Reichswappen angebracht mit dem zugehörigen Verse: 
Die Kaiserglocke heiss ich, Des Kaisers Ehre preis ioh, 
Auf heil'ger Warte steh' ich, Dem Deutschen Reich erfleh' ich, 
Dass Fried und Wehr Ihm Qott bescheer ! 
In der erstgenannten Inschrift erblickt man noch das erzbischöfliche Wappen, 
ausserdem werden die Sinnspruche durch zwei Guirlanden in Zeichnung und Guss 
gelungener gothischer Arabesken geschmückt. Die wohlgefällige Form der Glocke 
wird noch durch parallel hervorspringende Ringe gehoben. 

Die Zeichnung der Kaiserglocke ist vom Dombaumeister Voigtei entworfon. 
Die Modolle zu dem Bildniss des Apostel Petrus, dem Reichsadler und den sonstigen 
Ornamenten wurden von Professor Fuchs angefertigt. 

Zum Lünten der Kaitergloeke sind 28 Personen erforderlich. 

Die Pretiosa hat den Gruudton G, ist gegossen im Jahre 1848 und misst 
im Durchmesser 2,40 m, in der Höhe bis zur Krone 1,88 m. Sie tragt im Glocken- 
mantel als figürlichen Schmuck die Bilder der h. Jungfrau mit dem Kindo, der hh. 
drei Könige und des h. Petrus, und hat folgende zweireihige gothische Majuskel- 
Inschrift : 

Insignis. Status. Ecclesie. Providusq'. Senatus. 

Concilii. Sancte. Pariles. Votis. Civitatis. 

Huius. Cum. Reliquis. Gemini. Sexus. Deo. Nobis. 

Denuo. Conflari. Dant. Me. Simul. Et. Renovari. 

Summe. Cristifere. Petri. Regum. Sub. Honore. #*# 

Cantum. Reddo. Choris. Vetitum. Pro. Singulis. Horis. 

Terq' Reformata. Qnarto. Preciosa. Vocata. 

Mille. Qnadringentis. Quadragenis. Octo. Donatis. 

Dum. Sono. Triatatur. Demon. Xps. Voneratur. 

Brodermann. Heinrich. Cloit. Cristian. Hant Gemachet Mich. 
In deutscher Uebersetzung: 
Der erlauchte Klerus der Kirche, der weise Swiat auch, 
Mit den Wünschen des Raths dieser heiligen Stadt sich vereinend, 
Jeden Geschlechtes die Uebrigen, welche Gott nur l>ekannt sind, 
Liessen mich wiederum giessen, zugleich mich wieder erneuen, 
Christustrftgerin, dir, den Königen, Petras zu Ehre. 
Wied erbring ich dem Chor den versagten Gesang fOr die Stunden, 
Dreimal umgoformt, zum vierten als köstlich gepriesen, 



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- 160 - 

Als eintausend vierhundert und aehtundvierzig goztlhlt ward, 
Wenn ich töne, botrübt es don Teufel, bringt Christus die Ehre 
Brodennan Hoinrich, Cioit Christian habon gemacht mich. 
Zum I Muten der (Hocke sind Vi Personen er/orderlieh. 

Die Specioaa hat den Grnndton & , wurdo im Juhr 1849 gegossen und 
inisst 2,03 m im Durchmessor und 1,60 m in der Höhe bis zur Krono. Sie ist 
obonfalls mit dorn Bilde der h. .Imigran geziert, hat folgende Inschrift in gothischon 
Majuskeln: 

Sum. Grandis, Sonoroso. Soror. Testis. Michi. Factor. 

Cuius. Heros. Fani. Docor. Et Resonancia. Toni. 

Movit. Quod. Fiori. Dant. Me. Sub. Honore. Patroni. *** 

Ut. Sociem. Sociam. Roddendo. Tonis. Molodiam. **« 

Polio. Nimbosa. Voeor. Idcirco. Speciosa. ♦*# 

Annis. Germane. Semd. J. Junctum. Michi. Plane. »** 

Johannos. De. Vochol. 

In deutscher l'eborsotzung: 
Schwester der grossen, klangreichen bin ich (so bezeuget, der Künstler), 
Deren die Kirche beherrschende Zier und Filllo dos Tonos 
Grund war, warum man mich goss, dorn hoü'gen Patrone zur Ehre. 
Dass der GoRihrtin gosollt, ich der Töno Wohlklang gewähre 
Weil ich vortreibe die stürmischen Wolken, dio Schone ich hoisse. 
Zu den Jahren der Schwester Eins vollends. ist mein Alter. 

Johannos do Vtchol. 

Zum Läuten sind f> l'ersonen erforderlich. 

Die Dreiköuigen^locke stimmt auf den Ton H, ist 1693 aus dorn Metalle 
einer aus dem Jahre 1408 stammondon Glocke gegosson, 1S62 und 1SK0 unigogossen 
und misst im Durchmesser 1,74 m, in dor Höhe 1,4t m. Sie tragt zwischon der 
Inschrift das Bild der heiligen Jungfrau mit dem Kinde in Halbtigur. Die Inschrift 
in lateinischen Majuskeln lautet: 

Ave Maria gratia plena, Dominus tecum. benodicta tu in mulioribus et bene- 
dictus fruetus vontris tui Jesus. Cuius ineunabula Caspar Melchior Balthasar stolla 
dueo venerati sunt, Petrus filium Doi vivi profossus ost. Fusa St, MCCGCVIII. 
disrupta pro curanto Honrico Moring Pbro. Canonico magistro fabricae perloannen, 
Bourlet rofusa A. MDCLXXXXIII, Weitor unton steht auf dor einon Seito, untei 
dorn Wappen dos Erzbischolos Joseph Klemens : Iosoph Clemons Archiop. Col. S. 
R. I. Pr. El. Vtr. Bav. Dux. motallutn supplevit. 

In deutscher Uebersotzung : 

Gogrtlsset soist du Maria, du bist voll der Gnaden, dor Herr ist mit dir, du 
bist gobenedoiut unter don Weiborn und gobonedoiel ist dio Frucht doines Leibes 
Jesus, dossen Kindheit Wiego Caspar, Molchior und Balthasar, vom Sterne geführt, 
verehrten und den Petrus als don Sohn dos lebendigen Gottes bekannte. Gegossen 
im Jahro 14oN, nachdem sio zorsprungon, durch die Bomühung das Priesterkanon ichos 
Heinrich Mehring, Domkirchmeistors, umgegossen von Johann Bourlet L J. 1693. Joseph 
Klemens, Erxbischof von Küln, des heiligen römischen Reichs Kurfürst und Horzo. r 
von Bayern orgänzto das Metall. Auf der dem Marionbilde entgegengesetzten 
Soite orblickt man don h. Petrus, das Wappen des Domkapitels haltend. Nachdem 
diese Glocko also zuerst fast dreihundert Jahro (1408—1693; gehalten hatte, wurde 
ihr nach diesem erston Umguss oin Altor von fast zweihundert Jahren zu Theil 
Sio sprang von neuem 1S62 und wurde von J. Boduwo umgogosson. Hierauf be- 
zieht sich die untor diosoin Hilde dos h. Petrus angebrachte Inschrift : DisrupUi 



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- 161 - 

donao te samptibas fabricae Ecclesiao metropolitanae per Iosephum Beduwo 
Aquisgrani refusa An. MDCCCLXII. (Wioder gesprungen und auf Kosten der 
Fabrik der Metropol i tan kirche von Joseph Heduwe zu Aachen umgegossen im Jahre 1862). 
Leider war diesem Uraguss keine so lange Dauer beschieden : am Vorabende des 
Prohnleichnamsfestes 1880 sprang dioselbe »um dritten Male, und der neue Guss 
wurde von dem Olockengiesser J. O. Grosse sa Dresden ausgeführt Hierauf be- 
zieht sich das jenor oberen Inschrift nunmehr beigefügte Chronogramm: praeCLarls 
reglbVs sVM DICata tVrrlbVs perfeCtls renoVata. (Den erhabenen Königen bin 
ich geweiht, nach Vollendung der Thflrme ward ich erneut)» und der unter der 
Inschrift von 1862 beigefügte Satz: Sumptibus fabricae Ecclesiae Metropolitanae 
J. G. Grosse me refudit Dresdenae A. D. MDCCCLXX2C. (Auf Kosten der Fabrik 
der Metropolitankirche goss J. G. Grosse in Dresden mich um im Jahre 1880.) 

An weiteren Verzierungen zeigt die Glocke einige Sterne und zwei Doppel- 
kreuze, sowie einen doppelten Kranz von Laubverzierungen oberhalb und unterhalb 
der Schrift. 

In älterer Zeit hiess die Dreikönigenglocke die Blutglocke (Campana sanguis), 
oder auch Armsünderglocke. Einige Schlage von ihr gaben das Zeichen, dass ein 
zum Tode Verurtheilter in das Gebäude des hohen weltlichen Gerichts vor den 
Greven geführt und von diesem dem Nachrichter übergeben wurde. 

Zum Läuten sind 8 Mann erforderlich. 

Die Uraulagloeke stimmt auf den Ton C und wurde im Jahr 1862 zugleich 
mit dem Umguss der Dreikönigenglocke hergestellt Das Gewicht betragt 2500 
Kilo, der Durchmesser derselben 1,60 m und die Hohe bis zur Krone 1,25 m. Die 
Inschrift lautet : 

Ecclesiae metropolitanae navi perfecta ad ciendura plenioram campanarum 
concentum fabricae sumptibus fusa et Stae. Ursulae civitatis coloniensis patronae 
dedicata a. D. 1862. Jos. Beduwe aquis granensis me fudit. 

In deutscher Ueborsetzung : 

Nach Vollendung des Schiffes dieser Metropolitan -Kirche wurde ich zur Her- 
stellung einer vollkommenen Harmonie der Glocken gegossen und der h. Ursula, 
der Patronin der Stadt Köln, geweiht im Jahr des Herrn 1862. Jos. Beduwe aus 
Aachen goss mich. 

Ausserdem tragt der Glockenmantel das Kardinalswappen nebst der Inschrift: 
Joannes S. B. E. cardinalis de Geissei archiepiscopus Coloniensis. 

Zum Läuten erfordert sie 2 Mann. 

Das Domgellute ist von grossartiger Wirkung. Der Frankfurter Kunstkenner 
S. H. HOsgen gibt folgendes Urtheil (die Kaiserglocke selbstverständlich nicht ein- 
geschlossen) : „Auf meinen Reisen in Holland, Brabant, der Schweiz, Bayern, 
Oesterreich, Ungarn, im Elsass und in mehreren deutschen Städten habe ich oft 
Gelegenheit gehabt, in den berühmtesten Domkirchen und grossen Tempeln das 
Gelaute zu prüfen. Unter allen muss ich am Ende den ganz vortrefflichen Glocken 
der Domkirche in Köln den Vorzug zugestehen. Ich empfehle dieses herrliche 
Gelltute einem Jeden, der begierig ist, etwas Ausserordentliches in dieser Art zu 
hOren, und bin gewiss, er wird gestehen müssen, dass ihm nichts majestätischer, 
nichts harmonischer und reiner an Tonmasse vor die Ohren gekommen ist" 



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Die vorbenannten 5 Glocken bilden das grosse Domgelänte, ueben 
diesen enthält der Thurm noch die Mettglocke nnd die beiden Uhrglocken. 

Die Mettglocke ist 0.78 m im Durchmesser, 0,64 m hoch und hat 
folgende Inschriften am oberen Knde: „Herr Wilhelm Heinrich Gohr Thumb- 
rentmeister- 1 , am untern Ende : r Antonius Co belenz me fecit. Coloniae 
anno 1719." 

Die grössere Uhrglocke schlägt die Stunden, uiisst 1,05 in im Durch- 
messer, 0,90 in der Höhe und trägt eine Inschrift, welche daran erinnert, 
dass dieselbe früher bei der Wandlung in der h. Messe angeschlagen wurde. 
Die Inschrift lautet: 

En. Celum. Matre. Quem. Terra. Parit. Sine. Patre. 
Panis. Monstratur. Dens. Est. Caro. Viva. Levatur. 

In deutscher Uebersetzung: 
Sieh', den der Himmel jungfräulich durch die Mutter geboren, 
Gott selbst, wird in Brodsgestalt als lebendiger Leib hier erhoben- 

Die kleinere Uhrglocke zeigt die Stundenviertel an, sie ist 0.80 m 
im Durchmesser, 0,65 m hoch und trägt keine Inschrift. 

Im zweiten Thnrmgeachoss befindet sich die ira Jahr 1878 aufgestellte 
Thurmuhr. Sie ist ein Meisterwerk, welches dem genialen Erfindungsgeist 
des Uhrmachers Job. Manhardt in München alle Ehre macht. Das Gewicht 
des Laufwerks dieser Uhr ist ganz ohne Einfluss auf den Antrieb, welchen 
das freischwingende Pendel jede Minute erhält. Durch diesen Antrieb wird 
der Kraftverlust, welchen das Pendel während der verflossenen Minute 
erlitten, genau wieder ersetzt, so dass das Pendel immer gleich grosse, 
durch nichts gehemmte Schwingungen macht. Ein Excenter hebt bei Voll- 
endung seiner Umdrehung die Impulsrolle wieder in die Höhe und das 
Pendel schwingt ganz frei während der nächsten Minute, um am Ende der- 
selben wieder den ganz gleichen sanften Antrieb zu erhalten und so fort. 
Alles dies geschieht ohne Reibung, ohne Anwendung von Schmieröl, ohne 
Stoss, was bisher noch von keiner Hemmung erreicht war. Die geniale 
Art und Weise, wie das Pendel diesen Antrieb jede Minute erhält und wie 
das Laufwerk ebenso oft ausgelöst wird, ist, da sich der ganze Mechanis- 
mus in einem zierlich mit Glas durchbrochenen Gehäuse befindet, auch 
für den Laien höchst interessant anzusehen. Von demselben Meister soll 
eine gleiche Uhr im Vatikan zu Rom und im Paiiamentsgebäude zu Lon- 
don sein. 




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Abschied vom Dom. 

Ehe wir vom Dome scheiden, dessen Aeussercs wie 
Inneres wir in der Tageshelle um- und durchwandert haben, 
wollen wir noch einmal beim Sinken des Tages in seine 
hehren Hallen treten, um in feierlicher Stille den Gesammt- 
eindruck des grossartigen Baues zu gemessen. Die Sonne 
wirft ihr Abendlicht dnrch die bemalten Fenster. In magischem 
Glanz steht jetzt die ganze Säulenhalle vor dir, wie das 
Gebilde eines morgenländischen Märchens. Dies Helldunkel 
gibt erst die rechte Beleuchtung für das in Stein hingebaute 
Traumgesicht. Das ist die Dämmerung, bei welcher Jeder, 
an diesem Ort zur Andacht hingezogen wird. Das Geräusch 
des Tages verhallt, der Stundenschlag der Uhr tönt herein 
in die Säulenhalle und zittert im Chore leise nach. Du bist 
allein im steinern Eichenhain. Du stehst und lauschest. 
Es ist so still; du könntest das Aechzen der steinern Bäume 
hören. Wenn du hier Gott nicht gegenwärtig bist, so ist 
er dir niemals von aussen nahe getreten. Sieh' dir diesen 
in Felsen gearbeiteten frommen Gedanken genau an! Heiliger 
Glaube hat diesen Tempel Gottes ersonnen, felsenfeste Zu- 
versicht, die wie ein Trotz gegen die Elemente erscheint, 
ihn auszuführen unternommen. Und du siehst hier die Grösse 
Hand in Hand mit strenger Gesetzmässigkeit und künst- 
lerischer Grazie. Aus den Wipfeln dieser Bäume knospet 
überall ein buntes Frühlingsleben und Blumen spriessen aus 
der Kraft der Ungeheuern Stämme, deren gewölbte Zweige 
das Dach dieses Kirchenhimmels tragen. Das Licht, das von 
draussen durch die Scheiben bricht, wird immer blasser, aber 
die Traulichkeit im Hause wird um so süsser, das Gefühl der 
Gottesnähe um so zuversichtlicher; denn für den Gläubigen 
gibt es keine Nacht, auch wo ihn Dunkel umfängt. Tritt nur 
seitwärts, suchende Seele! Im Widerschein ewiger Wonne, 
wie zur Gemeinschaft mit dem Allerheiligsten einladend, lockt 
dich hier die stille Laube, wo Gott sich dir ganz erschliesst. 
Von dieser, in die du mit deinen Gedanken dich auf Augen- 



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blicke geflüchtet, blick' nun hinauf zu den Wölbungen, in 
die Wohnung der Seligen. Die sichtbare Welt verschwindet, 
die Sinne helfen dir nicht weiter. Schliess' also das Auge; 
nur das Ohr sei noch wach, die Gesänge der Engel zu hören. 
So ganz stumm, sterblicher Mensch, so ganz Hingebung er- 
fährst du dann an dir das Geheimniss einer in Andacht 
ihrem Gott zujubelnden Seele. 1 ) 



O, Glaube, heil'ger Engel Gottes du, 

Dein Flügel ist's, der leise mich umweht, 

Du füllst das Herz mit jener Himmelsruh, 

Die auf des Grabes Stufen noch besteht. 

Da flüsterst mir aus Bild und Liedern zu, 

Das etwas sei, das nimmermehr vergeht; 

ünd dass das Licht des Himmels und der Erde 

Am schönsten durch die Kunst verherrlicht werde *) 



*) Nach Gust. Kühne's Aufsatz in der Zeitschrift „Europa", 1847. 
*) Aus einem Gedicht auf den Dom von dem ^kölnischen Dichter 
G. S. Schier. 



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Berichtigrungren : 



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Urtheile der Presse. 

Unter den vielen empfehlenden Besprechungen dieses 
Büchleins über den Kölner Dom in den früheren Aul lagen 
lassen wir hier einige folgen: 

Kölnische Volkszeitung 1886, Nr. 331. 

„Diese zuerst 1880 als Festschrift erschienene Beschrei- 
bung hat in der neuen Auflage wesentliche Verbesserungen 
und Erweiterungen erfahren. Der umsichtige Verfasser, 
der keine der bedeutenden Publicationen über den Bau und 
seine Einzelheiten ausser Acht gelassen, bietet in kurzem 
Auszuge ein überaus reiches Material. Ein weiterer Vor- 
zug ist, dass dieser Führer bemüht ist, dem Beschauer auch 
ein klares Verständniss der schönen Bauforraen zu ver- 
mitteln. Geschichte, Technik und Aesthetik kommen zu 
ihrem Rechte, und in Beschreibung der einzelnen Theile 
dürfte kaum etwas übersehen sein. Im Uebrigen hat sich 
der neue Führer mit seinen schönen Illustrationen und seiner 
Vollständigkeit ein grosses Verdienst erworben und wird 
den Freunden unseres herrlichen Domes sehr willkommen 
sein." D. 

Kölnische Zeitung 1896, Nr. 330. 

„Dieser Führer durch den Kölner Dom ist ein ganz be- 
sonders empfehlenswerthes Büchlein für alle diejenigen, die 
mit dem Inhalte der Reisehandbücher noch nicht zufrieden 
sind. Es gibt die Geschichte des Domes, und behandelt 
die künstlerische Beschreibung des herrlichen Bauwerkes 
in durchaus sachgemässer und erschöpfender Weise. Der 
Text ist von sachgemässen, theils das Verständniss er- 
leichterndem, theils als anregende Beigabe willkommenem 
Bilderschmucke begleitet. Das Buch ist seiner ganzen 
Einrichtung nach mehr als ein Fremdenführer, den man 
nach gemachten Gebrauche in der Gasthofstube oder im 
Eisenbahnwagen liegen lässt; es hat bei der Bedeutung 
des Kölner Domes bleibenden, belehrenden Werth." 

Archiv für christl. Kunst v. Prof. Dr. Keppler (seit 
1898 Bischof von Rottenburg) 1887, Nr. 4. 

„Nun hat der schönste Dom der Welt einen Führer, der 
seiner würdig ist, mit seiner Lebens- und Leidensgeschichte 
wohl bekannt, eingelebt in seine Eigenart, eingeweiht in 
seine Geheimnisse, und vertraut mit seinen immensen 
Schätzen. Darüber darf mau von Herzen sich freuen. Denn 



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dieser Führer wird dem herrlichen Dom viele neue Freunde 
gewinnen und er wird durch seinen Anschauungsunterricht, 
zu welchem er das denkbar beste und reichste Material 
verwenden kann, vielleicht mehr wirken für Ausbreitung 
richtiger Kunstanschauungen, für Pflanzung wahren Kunst- 
sinns und reiner Kunstliebe, als viele dicke theoretische 
Kunstbücher, trotzdem er seinen ganzen Unterricht auf 
löO Seiten vertheilt. Aber diese Seiten sind wohl ausgenützt 
und reicli mit guten Illustrationen durchzogen. In muster- 
gütiger Weise ist die grosse Domliteratur zu einem feinen 
historischen und artistischem Bild verarbeitet. Die Ge- 
schichte des Baues bildet den Ausgangspunkt der "Wanderung 
um und durch den Bau Der allgemeinen Beschreibung nach 
Stil und Dimensionen folgt die Besichtigung des Aeussern, 
dann die des Innern, dann eine Besteigung des Doms und 
der Thürme. Kein Besucher Kölns möge fürderhin ohne 
die Führung des Büchleins den Dom aufsuchen; sie wird 
ihm die besten Dienste thun, ihm den doppelten Genuss 
und den dreifachen Nutzen verschaffen. Und nach seiner 
Heimkehr wird der Führer mit seinen etwa 50 Illustrationen 
ihm noch oft das schöne Bild vor die Seele zaubern und 
das Herz mit neuem süssen Heimweh füllen nach der 
schönsten irdischen Gottesheimath, welche unsere Religion, 
unser Glaube, unsere Kirche geschaffen." 



Deutsche Reichszeitung 1886, Nr. 347. 

„In knapper übersichtlicher Form belehrt uns dieser 
Führer über alles Wissens werthe, was den Besucher des 
Wunderbaues interessiren kann. Durch seine Geschichte, 
durch seine Hallen empor auf die Höhe seiner himmelau - 
stiebenden Thürme führt uns der Verfasser. Eine aus den 
besten Quellen Jedermann leicht verständlich geschriebene 
Baugeschichte lässt die einzelnen Theile vor unser m geisti- 
gen Auge einen nnch dem andern entstehen. Eine ein- 
gehende Beschreibung des Aeusseren und Inneren, deren 
Verständniss durch eine Menge zinkographischer Abbil- 
dungen unterstützt wird sowie aller Sehenswürdigkeiten 
wie des Dombildes, des Dreikönigenschreins etc. bilden den 
Hauptinhalt des Werkes. Das Büchlein kann überhaupt 
als ein Musterführer gelten. Fesselnd geschrieben, steht 
es vollständig auf der Höhe der modernen Forschung ; der 
Verfasser zeigt eine genaue Bekanntschaft mit der mittel- 
alterlichen Kunstthätigkeit, bleibt auf streng modernem 
Boden ohne deshalb in den pedantischen Ton einer steifen 
'Wissenschaftlichkeit zu fallen. Wir können das Büchleii , 
welches gewissermassen ein Compendium alles Wissens- 
werthen vom Dom ist, nur aufs Wärmste empfehlen." 



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Lateran scher Handweiser 1887, Nr. 10. 

„Die vorstehend bezeichnete Schrift unterscheidet sich sehr 
vortheilhaft von der grossen Mehrzahl ähnlicher „Führer". 
Dieselbe bezweckt nicht Mos, dem Besucher des Domes 
als Anleitung zu dessen Würdigung zu dienen ; vielmehr 
enthält sie in gedrängter Fassung alles Wesentliche, was 
Kunstfreunde in Bezug auf den Dom überhaupt zu in- 
teressiren geeignet ist. Zunächst wird eine Geschichte des 
Bauwerkes bis zu unseren Tagen hin mittelst Benutzung der 
gesammten einschlagenden Literatur gegeben. Dem Texte 
finden sich Bildnisse der, namentlich in neuerer Zeit, für 
die Dorn! ausache besonders thätig gewesenen Personen 
eingefügt. - Es folgt eine genaue Beschreibung des Domes 
in allen seinen Bestandteilen. Vom Grundriss an bis zum 
, Blattwerk hin ist dieselbe durch Abbildungen veranschau- 

licht. Nicht minder eingehend wird über die Ausstattung 
des Innern, den Inhalt des Capitelsaales, der Sacristei und 
der Schatzkammer, unter Beigabe von Illustiationen ge- 
handelt; überhaupt ist nichts übergangen, was irgend auf 
Beachtung Anspruch machen kann. 

Köln. A. Reichensperger. 

Der Kirchenschmuck 1887, Nr. 3. 

„Es ist zunächst ein handliches Büchlein für solche, welche 
Gelegenheit haben, Köln zu besuchen und dann eines 
Führers im Dome bedürfon. Aber darüber hinaus ist dieses 
Büchlein auch interessant für Jedermann, den das Meister- 
stück deutscher Baukunst im Mittelalter, dieser Gipfel der 
Leistung unserer heimischen Gothik, dieses berühmte Lieb- 
lingswerk nationaler Begeisterung — ich möchte sagen — 
ohne Unterschied der Confession, interessiren mag. Für 
eine Art Wiedergeburt der kirchlichen Kunst, für eine un- 
läugbare Neublüthe derselben ist ja der Kölner Dombau ein 
Markstein der Entwicklungsgeschichte geworden. Wie 
man im Zeichnen einen Gegenstand erst gründlich kennen 
lernt, ganz anders als beim blossen Anschauen, so hat die 
neuere Baukunst gerade bei der Restauration und dem Ausbau 
dieses Denkmals den Stil der Gothik ganz kennen, er- 
fassen und recht gebrauchen gelernt und sind — man mag 
es ruhig behaupten — eben aus seiner Bauhütte gekommen 
die Männer, welche nun, wie Deister von Schmidt in Wien, 
die Altmeister und wahren Apostel dieses herrlichen Stiles 
geworden sind. Das Büchlein hat den so für uns alle in- 
teressanten Gegenstand in trefflicher Weise abgehandelt, 
die Geschichte, Beschreibung des grossen Baues und dessen 
Inhalt, es liest sich verständlich durch zahlreiche Holz- 
schnitte im Texte unterstützt im Vortrag. Möge es dem Dome 
an Besuchern nicht fehlen und diesem seinen Erklärer an 
Lesern nicht gebrechen." 



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Oesterr. Literarisches Centralblatt 1897, Nr. 11. 

„Dieses Büchlein war im October 1880 zur Vollendungs- 
feier des Kölner Domes in starker Auflage erschienen, und 
liegt nun in bedeutend erweiterter und gänzlich umgearbei- 
teter Gestalt vor. Seine Brauchbarkeit ist also durch den Ab- 
satz der ersten Auflage bereits erwiesen, so dass zur wei- 
teren Empfehlung nicht viele Worte nothwendig sind. Jeder, 
der den Kölner Dom, dieses herrliche Meisterwerk der 



eines Führers, und einen besseren, als dieses Büchlein, 
wird er kaum finden können. Mit vollstem Rechte konnte 
der Verfasser am Eingange seiner Schrift schreiben, dass 
dieses Büchlein unter sorgfältiger Benützung eines sehr 
zerstreuten Materials entstanden ist. „In ihm wird 
der Versuch gemacht, aus der ausgedehnten, im Laufe der 
letzten fünfzig Jahre entstandenen Literatur über den Dom, 
sowie den amtlichen Bauberichten ein getreues Bild des 
grossen Hauwerkes zu zeichnen unter steter Anlehnung an 
seine grosse, bedeutungsvolle Geschichte.'* Der Versuch 
darf als ein vollkommen gelungener bezeichnet werden, 
da das Büchlein in seiner knappen, übersichtlichen Form 
als ein zuverlässiger Wegweiser erscheint, „durch die 
Geschichte des Wunderbaues, als ein treuer Begleiter durch 
seine Hallen, auf seinen Gallerien und Thürmen, als ein 
Erklärer seiner Architekturformen, seines gesammten 
Bilderschmuckes, wie seiner Kunstschätze". Circa ein hal- 
bes Hundert Abbildungen dienen zur Erläuterung des Textes. 

Nonnberg. Dr. Josef Dippel. 



Der Dom ist von Morgens früh bis zum Abend un- 
entgeltlich geöffnet, jedoch ist das Umherwandeln zur 
Besichtigung des Innern während des Gottesdienstes — an 
Wochentagen bis 10 Uhr Morgens und Nachmittags von 3 
bis halb 4 Uhr — nicht gestattet Die Besichtigung des 
Innern bis zum Chorabschluss Ist frei. Von hier ab sind 
bei einem der Domschweizer Karten zu lösen: 

I. Eine Karte zur Besichtigung des Chores, der 

Kapellen, des Dombildes und der Schatzkammer kostet 

I Mark 50 Pfg. 



2. Eine Karte zur Besteigung des Domes kostet 
I Mark. 



christlichen Kunst, besuchen 




bedart 



Notiz für die Besucher. 



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