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Full text of "Forschungen zur deutschen Geschichte"

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ZUR DEATSCHEN 
GESCHICHTE 





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Forſchungen 


zur 


Deutſchen Geſcſhichte. 


Achtzehnter Band. 


AUF VERANLASSUNG HERAUSGEGEBEN 
UND MIT DURCH DIE 
UNTERSTÜTZUNG HISTORISCHE COMMISSION 
SEINER MAJESTAET BEI DER 
DES KÖNIGS VON BAYERN KÖNIGL. ACADEMIE DER 
MAXIMILIAN II, WISSENSCHAFTEN. 





Göttingen, 
Verlag der Dieterichſchen Buchhandlung. 
1878. 


Inhalt. 





Kurfürft Joachim II. von Brandenburg im Schmallaldiſchen — 


on Axchivſectr. Dr. Chr. Dleper ım Idſtein. . S. 1 
Denkverſe bei II He GUeEET. en Geichichtäichreibern ge ammelt don Hi 
bliothefar Dr. 9. Dejterley in Breslau. . . .— 1 


ur Ouellenfritit des Nauclerus. Von Dr. 9. Fonig m Bremen. _ 
zn. 1. in dem Gonflicte zwiſchen dem peu hen Orden in Preu⸗ 
Polen, beionders ın den J. 15135—15 Bon Prof. 
; Be in Greifswald. . a — — 84 
Die Kaiſeru nden de cchivs der Stadt 2a.d.! . Mit: 
getheilt von ( F ? ; 






von beusfelben. . nr... — 18 
u Lex Salica XXVI. 





Fünf une — Kaiſerurkunden aus dem IX. bis XII. Jahr 
— SR II 1b. Boerz in Gobleng. _ — 199 
Sieb atjerurtunden, _Fittgelfeili_bon Prof, Weiland ın 
Sieben. . ee, 204 
Unebdirte umben . Rai er Karla IV. mb önig. Wenzels. 
Auszügen mit — von Archivſecx. Dr. 





Kritik der nveſtilurver andlungen im Ja * 111. "Don | Dr. 


. Etußer in Braunichtweig. . . R — 223 
Beikrär ge zur uellenfritif der Gebenzbe hreibung gen de Bi 50 3 m 

. bon Bamberg. Bon Dr. ©. Haag in Sketin.. . . .. — 24l 
Heinrich von Huntingdon. Won Dr. tebermann ın Berlin. . — 26: 


Sur © ttoriographie des 14. Jahrhunderte. Bon Dr. H. Stmon® 
eld ın München. 
. Zur Cheonit Heinrichs von Dieffenhoven.. - » .» .: ....— 299 
2. Zur Kırchengeichichte deg Tolomeo von U ee. 814 


IV 


Kleinere Mittheilu gen. 
fin welchem Monat des Jahres 9 n. Chr. fiel die Schlacht im 
eutoburger Walde? Von Dr. Chm. Meyer in Berlin. . ©. 325 
Zur Kritik der älteften bayerifchen Seh hichte. — — arrer 


agel in Mrnberg. .» » i 0. — 339 

Ginhard und Die Annales Fuldenses. Bon Sch, — G. 
Waitz in Berlin. . . ER .... — 354 
— 362 






Ueber Regino von Prüm. Don Dr. J. 





Zur Kritif von Peter daf iz’ Microchronologieon. Von Dr. 

‘. Heidbemann m Berlin. . . . = 392 
Ueber bie im Saloh ©pies wiebergefunbenen Scyei ften des iwet 

mariſchen General: Majord und Tyranzöftichen General⸗-Leu 


nants Jo ann ubioie von Erlach von Gaftelen, Gouverneurs 
der Fe ng Breiiah. Bon Nationalrat Dr. dv. Bonzen- 

bach in Bern.. . — 409 
Ueber bie 2 Nuztwechslung des Ihwebilchen Feld Nariehalle € Suffad Hom 
gegen den Taiferlicen und churbaieriichen ‚yelbmarjhall- Keutenam 
ean de Werth. Bon Nationalratd Dr. Aug. v. Gonzenbad 

in Bern. . i EEE — 419 
Der Wiener Congre "von 1515 und die Politik Moyimiliand I. 





Reife e che aus alien umb anderes zur beuff u itali hen Veſchi öl. 
son Hoft. Prof. E. Winkelmann IE Heidelberg... » » » ..— 469 
Gbeifarb von Wulda unb bie Ratfenunkumben bes Shit Won Dr. 


p ın Wien . . . . en. 0. — 493 
iſchen Geichichte. Don Archibraih ‚ Rie 
Donaueldingen. . . ETF N 
Ueber Dent verje_ im Mi alter. Ton Dr. D. König in Fremen. — 559 
Heber die Passıo Sanctorum Quatuor Coronatorum. Von Dr. 
Edm Meyer in Berlin. . 2 2: 2 2 2 2 en 2. 577 
Kleinere 














urg. . — 607 
Ueber Mipo. Won Dr. 3. Hartfung in Tübingen und Paof 

‚ Day in Prorzheim. . . . — 612 
Der Münzort „Mere”. Don of 9. Der eh im Bonn. ..— 635 
leber die Stiftung sur nde des Nrämonftratenterklo] er3? Broda. 

Bon Dr. &. Blatner in Göttingen. . . — 629 
Noh ein Beitrag zur We Naeldichte_ Karls V. Non Piaf. 

iſste ın Xemberg. . i — 632 
Zur Geſchichte des Au aaburger Reiche age 3. Won demfelben. — 638 
Berichte über Franz von Sidingens Gmbde und die darauf fol- 

genden Greignifie._ Mitgetheilt von Geh. Archivr. Fr. db. 

Deech in Garlörube. eu ae a ee a A 








Nachtrag von 3 ui ae S. Riezler in Donaueſchingen.. 
e ” [3 [3 * * [3 ” . * ® * . 


Kurfürft Soachim IL. von Brandenburg 
im Schmaltaldifchen Kriege. 


Von 


Chriftion Meyer. 


XVII. 1 


Die Haltung, welde Kurfürft Joachim IT. von Brandenburg 
im Schmalfaldiichen Kriege den ftreitenden Parteien gegenüber einge= 
nommen hat, ijt bisher noch nicht Gegenftand einer eingehenderen 
Unterſuchung gewejen. Es iſt dies allerdings leicht begreiflich, wenn 
man bedenft, daß derjelbe in feiner Weile tiefer in den Gang jenes 
Krieges eingegriffen hat. Doc) jo gering auch feine active Theilnahme 
gewejen fein mag, fo gibt uns das Studium der auf fie bezüglichen 
Briefe und Aktenſtücke eine Reihe intereffanter Auffchlüffe nicht nur 
über Joachim jelbjt und den Charakter feiner Politik, fondern auch 
über die beiden Häupter der großen feindlichen Parteien, Johann 
Sriedrih und Moriz von Sachſen. Bei dem großen Intereſſe, das 
von jeher und namentlich) in den letten Jahren die geichichtliche Er— 
ſcheinung des lettgenannten Fürſten mit Recht in Anspruch genommen 
bat, dürfte es fich rechtfertigen, wenn ich an der Hand bisher unbe— 
fannten Materials! auf die Stellung Joachims im Schmalfaldiichen 
Kriege etwas näher zu ſprechen komme. 

Die Stellung des brandenburgischen Kurfürften zu den Eriegfüh- 
renden Parteien iſt zu Aufang des Krieges eine andere gewejen als 
im Ausgange dejjelben: aus einer ftreng eingehaltenen Neutralität ift 
fie zu einem engen Anschluß an die Faiferliche Partei geworden, ja, 
was noch bedenklicher ift, fie hat ihre urfprüngliche aus freien Ans 
trieb ergriffene humane Aufgabe einer alljeitigen Friedensvermitt— 
fung um materiellen Gewinnes wegen zu Gunjten einer felbjtthätigen 
Bekämpfung der Glaubensgenoſſen verleugnet. 

Schon gleich zu Anfang des Schmalfaldiichen Krieges hatte Kur— 
fürſt Joachim IL den beiden Häuptern des protejtantiichen Bundes, 
Johann Friedrid von Sachſen und Philipp von Heſſen, feine Dienfte 
als Friedensvermittler angeboten?, wurde aber von ihnen mit dem 
Bedeuten abgewiefen, daß der Friedensabichlug Sache ſämmtlicher ei— 
nungsverwandter Stände fei?. Zu Anfang des Jahres 1547 wider- 


1 Außer anderen Briefen und Alten des Berliner Geheimen Staatsarchivs 
in&befondere ein daſelbſt befindlicher Kopialbaud betitelt: „Wechjelichreiben und 
Fertigunge an hurfurft Johans Friderichen zu Sachſen kurz vor feiner nider- 
lage vor Mulberg ergangen ꝛc.“. 

2 Joachim an Philipp 27. Jan. 1547. 

s Johann Friedrich) an Joachim 18. Jan. 1547. 


1 * 


4 


holte er feine vermittelnden Bemühungen, vorerft bei dem Kurfürften 
von Sachſen. Neben feiner thatfächlichen Friedensliebe waren es dies— 
mal auch Erwägungen reeller Natur, die ihm die fchleunige Herbei— 
führung eines allgemeinen Friedens wünfchenswerth erjcheinen laſſen 
mußten. Seine Yande waren den friegführenden Parteien aufs em» 
pfindlichjte ausgejegt. Wer auch immer Sieger blieb, jtet8 mußte 
Joachim den feindlichen Ueberzug feines Gebiets durch denfelben fürdten. 
Den eifrigen Proteftanten, al8 deren Führer jett der Kurfürft von 
Sachſen den Kampf gegen die von Karl V. verfuchte Unterdrüdung 
der reichsftändischen und- religiöfen Freiheit aufgenommen hatte, war 
die laue Halbheit, welche der brandenburgifche Kurfürft von Anfang 
jeiner Regierung an den protejtantischen Tendenzen gegenüber an den 
Tag gelegt Hatte, jchon längft ein Stein des Anftoßes. Keine Frage, 
daß fie nad) Niederwerfung des Herzogs Moriz fich gegen die bran— 
denburgischen Brüder — der jüngere von ihnen, Johann von Küftrin, 
ftand fogar im offenen Bund mit den Habsburgern gegen feine Glau— 
bens- und früheren Bundesgenoffen — gewandt haben würden !, 
Aber auch zu Moriz ftand Joachim in feinem freundlichen Verhältniß. 
Er Hatte von Anfang an das Hinterliftige und gewaltthätige Verfahren 
bejjelben bei der Beſchlagnahme der Yande feines Vetters mißbilligt 
und die von Moriz auf Grund eines befonderen Vertragsschluffes ? 
vom vorigen Jahre verlangte Hilfeleiftung mit dem Bedeuten abge= 
lehnt, daß jener Schußvertrag nur für den Fall wirkffam fein folle, 
daß die Schmalfaldener gegen den Kaiſer fiegreich fein und feine 
(Zoahims) und Moriz Yande feindlich überziehen würden? Ein 
weiterer Grund, warum Joachim den Frieden wünfchen mußte, war 
fein Plan, die Bisthümer Magdeburg und Halberftadt für feinen 
zweiten Sohn zu erwerben, was vorausfichtlicd; dann vereitelt wurde, 
wenn einer der beiden jächjischen Bettern die Oberhand iiber den an— 
dern gewann, Denn gerade die Erlangung jener reichen Stifter war 
einer der hauptjächlichiten Gründe der Entzweiung der Yeßtgenannten 
gewefen. Keiner von ihnen konnte zu ihrem Befige kommen, weil 
ihm der Andere hindernd im Wege jtand. Nachdem Yohann Friedrich 
in dem von ihm vermittelten Wittenberger Vergleich zwifchen dem 
‚Erzbifchof Johann Albrecht und der Stadt Halle einen bedeutenden 
Vortheil über Moriz erlangt hatte und die jchirmherrlichen Anjprüche 
des Letzteren für immer bejeitigt fchienen, verjtand e8 Mloriz bei ſei— 
nen Unterhandlungen mit Karl V. auf dem Pegensburger Reichstag 
von 1546, die Magdeburgiiche Frage fo in den Vordergrund zu jtellen, 
dag in der Bündnißurkunde vom 19. Juni die Uebertragung der 
Schirmherrſchaft über die beiden Bisthümer die erjte Stelle einnimmt. 
Und als Yohann Friedrich Ende 1546 aus Oberdeutjchland feinen 


1 Diefer Befürchtung ift in einem Briefe Joahims an Moriz (13. Yan. 
1547) deutlicher Ausdruck gegeben, 

2 Bertrag zwilchen Joachim und Moriz vom 11. Dctober 1546. 

’ Joachim an Moriz 13. Jan. 1547. (Vgl. Droyfen II, 2, S. 305). 


5 


hwerbebrängten Landen zu Hilfe fan, war die Einnahme der Bis— 
thümer eine feiner erjten Kriegsoperationen gegen den Vetter. 

Kurfürft Joachim konnte daher nur mit Mißbehagen von den 
rafchen und großen Fortichritten Kenntniß nehmen, die Johann Fries 
drih zu Anfang des neuen Jahres gegen feinen Gegner machte. 
Jetzt galt e8, einem weiteren Vordringen dejjelben, wenn auch nicht 
fofort durch einen Friedensſchluß, jo doch durch Anknüpfung auffchie= 
bender Unterhandlungen Einhalt zu thun. Am gleihen Tage (13. 
Januar) giengen an beide jtreitende Theile fowie an deren Land— 
ihaften Gefandte ab: an Johann Friedrich Hans von Arnim und 
Euftahius von Schlieben, an Moriz Albrecht Georg von Stolberg 
und Lippold von Klitzing. Während die AYuftruction für die an Jo— 
hann Friedrich gefandten Räthe einfach die Bitte um Geſtattung güt— 
licher Zwiichenhandlung enthält, befchäftigt fich die für Moriz bes 
ftimmte vorerjt damit, jede Urfache eines Mifverftändniffes wegzu— 
räumen. Wir haben bereit8 bemerft, daß Moriz alsbald nach den 
ersten erfolgreichen Operationen feines Gegners die vertragsmäßige 
Hilfeleistung Joachims beanfpruchte. Aus dem Eingang der Inſtruc— 
tion erfahren wir mm näher, welche Stellung Joachim diefem An— 
finnen gegenüber eingenommen hat. Er theilt Moriz mit, daß er 
zur Erledigung feiner Forderung feine Pandichaft eilends zufammenges 
rufen habe, da dieje auch bei dem Abſchluß des Schutvertrages zu 
Rathe gezogen worden ſei. Nachdem nun dieſelbe nicht habe befinden 
fönnen, daß der Bündnißfall gegeben fei, müffe er von der verlangten 
Hilfeleiftung Abjtand nehmen. Auch habe er vom Kaifer feinen Auf: 
trag erhalten, offenjiv gegen die Schmalfaldener vorzugehen, wie es 
ihm auch bedenklich erjcheine, daß Moriz den größeren Theil der kur— 
fürftlihen Yande ohne feinen Rath und Vorwiſſen angegriffen und 
eingenommen habe, welche er (Joahim) nun mit befchwerlichen Un— 
fojten erhalten helfen ſolle. Zudem lagere der Kurfürft an ben 
Grenzen feines Pandes, während auf der andern Seite die Pommern 
und die Seeftädte friegsgerüjtet nur auf den Moment feines Weg- 
zuges warteten, um verheerend in jein Gebiet einzubrechen. Und erft 
ganz am Schluß feines Schreibens, nachdem er glaubt, die ihm miß— 
günstige Stimmung des Herzogs zerftreut zu haben, kommt er mit 
feinem Antrage auf Geſtattung einer Friedenszwifchenhandlung hervor. 
Zur jchleunigeren Betreibung der Angelegenheit werde er ſich nad 
Deifau begeben, um dajelbjt die Antwort der beiden Fürften entgegen- 
zumehmen. 

Die Antwort Yohann Friedrichs! wendet fich zuerft im heftigen 
Ausdrüden gegen Moriz’ Hinterliftige und gewaltthätige Handlungs= 
weife und rühmt dagegen die Offenheit der eigenen Abdichten. Seine 
jeßige Kriegführung ſei nur ein Akt der Nothwehr. Trotzdem habe 
er feine friedliche Gefinnung bereits früher an den Tag gelegt, als 
er dem Yandgrafen von Heſſen vor feinem Abzug ing Oberland güt— 


ı d. d. Krautheim 18. Januar 1547, 


6 


liche Handlung mit Moriz eingeräumt Habe, die diefer jedoch, unge— 
achtet er fich vorher dem Landgrafen und den proteftantiichen Kriegs— 
räthen gegenüber eines Anderen erboten, rundweg abgeichlagen, da= 
gegen den erjteren von dem proteftantiichen Bündniß abzubringen und 
mit dem Saifer zu verjöhnen gejucht habe. Georg von Anhalt und 
die Herzogin Eliſabeth von Rochlitz hätten Moriz bereit ihre Ver— 
mittlerdienjte angeboten: der erjtere habe jedoch gar feine, die letztere 
eine weitläufige, Spitige und unfreundliche Antwort erhalten, deren 
Anhalt ſich dahin zufammenfaffen liege, dag Moriz den gänzlichen 
Verzicht auf Yand und Leute fordere. Trotzdem wolle er der Frie— 
densvermittlung Joachims nicht entgegen fein, wie er auch die Beizie— 
hung des Herzogs Heinrich von Meclenburg und Georgs von Anz 
hale billige. Sollte aber Moriz die Handlung ablehnen, fo verfehe 
er jih von Joachim der in den Grbverträgen ftipulirten Hilfe— 
leiſtung. 

Die Antwort Moriz’ ſucht im Eingang die von Joachim gegen 
die verlangte Hilfeleiftung erhobenen Einwendungen zu entfräften. 
Aus dem Umftande, daß ihr gegenfeitiger Schußvertrag mit Rath der 
furfürjtlichen Landſchaft aufgerichtet worden iſt, folge nicht, daß man 
diefelbe num auch bei jedem gegebenen Bündnißfall noch einmal um 
ihre Zuftimmung angehen müſſe, fondern vielmehr, daß der Kurfürft 
und die Yandichaft ihm ohne allen weiteren Verzug die im Vertrage 
ftipulirte Anzahl Hilfstruppen zufenden müßten. Die brandenburgis 
ichen Gefandten würden fid) wohl der mit feinen Räthen zu Zojfen 
gepflogenen mündlichen Verhandlungen erinnern. Uebrigens habe er 
bei der Einziehung der Yehenslande des geächteten Kurfürften nicht 
für fich ſelbſt, ſondern lediglih im Gehorſam gegen kaiſ. Majeftät 
gehandelt, daher wer ihm hierin Widerftand leifte, ihn vom Gehorfam 
gegen letztere abbringen wolle. Cine Unterftügung in diefem feinem 
Vorgehen fünne nicht als eine offenfive Hilfe ausgelegt werden. Auf 
die Erbverträge dürfe fih Joachim in diefem Falle gar nicht zurück— 
ziehen, da diefe die kaiſ. Majeftät in alle Wege ausnehmen. Zudem 
habe der Kaifer den Schugvertrag ausdrücklich betätigt und Joachim 
noch) befonders bei Vermeidung ſchwerer Strafe eingefhärft, ihm Zu— 
zug gegen den Achter zu leiften?. Nachdem der Kurfürft feine Reiter 
bereits in tapferer Anzahl verfammelt habe, jo erwarte er vorerft die 
Zufendung der ftipulirten Hilfstruppen, ſpäter auch das Nachrücken 
Joachims mit gefammter Macht. Durch die drohende Nähe der 
feindlichen Truppen möge er fich nicht beirren laſſen: follten diefelben 
in die furfürftlichen Yande einfallen, jo werde er eiligft zur Hand 
fein. Die angebotene Friedensvermittlung weiſt Moriz ziemlich kühl 
ab. Zwar fei auch er einem Frieden nicht abgeneigt, aber das Vor— 
gehen des Kurfürften von Sachſen mache jede eruftliche Abficht zu ei— 
nem folchen jcheitern. 


ı d.d. Chemnitz 23. Ian, 1547. 
2 Mandat Karls V. an Joachim d. d. Heilbronn 1. San. 1547. 


7 


Trotz diefer Verfiherung feiner Friedensliehe find wir zu ber 
Annahme berechtigt, daß er nicht entfernt daran dachte, durch einen 
halben Frieden ſich die Vortheile entwinden zu laffen, die fein ener- 
gifcher Geiſt ihm als Preis für fein Ausharren — fei e8 auch durd) 
Mißerfolge der einjchüchternditen Art hindurch — in Ausficht ftellte. 
Denn das zeichnet Moriz feinem Nebenbuhler Johann Friedrich ge 
genüber aus, daß er fich zu beicheiden wußte, wenn Zeit und Um— 
jtände ihm die Erreichung des Gewollten unmöglich; machten, durd) 
bloße Widerwärtigfeiten aber ſich nicht leicht in feinem Thun irre 
machen ließ. Johann Friedrich war eine wahrhaft groß angelegte 
Natur, voll jelbjtlofer Hingabe an das einmal Erfaßte, das immer 
auch das Gute war, überzeugungstreun und muthig; aber fein Muth 
war nur ein paffiver, ein ftandhaftes Tragen deſſen was eine höhere 
Hand über ihn verhängt hatte: jein fpätere8 mehrjähriges Martyrium 
in der Gefangenschaft feines grimmigften Feindes ift ein fortlaufendes 
glänzendes Zeugniß hiefür. Dagegen fehlte ihm jede Energie und 
Ausdauer, wo es ſich um Ergreifung und Felthalten äußerer Vor— 
theile handelte; hier wurde ihm feine Selbftlofigfeit zum Hinderniß 
jeder fräftigen Wahrnehmung des augenbliclichen Intereſſes; er war 
bedachtſam, wo er zugreifend, nachgiebig, wo er hartnädig fein follte, 
Wenn dagegen Moriz ınit Eigenfchaften gerade entgegengefegter Art 
das Feld gegen ihn behauptet hat, fo ift das ein neuer Beleg für die 
alte Wahrheit, daß die edeljten Eigenschaften und Fähigkeiten im 
Kampfe um äußere Vortheile fid) häufig als werthlos, ja fogar ſchäd— 
(ih für ihren Inhaber ausweilen. Es gibt wenige Erfcheinungen in 
der Sefchichte, die, wie Moriz, den ganzen Inhalt ihres Lebens auf 
das eine Endziel: Befriedigung ihrer egoiftifchen Machtgelüjte gerichtet 
haben. Aud) nicht der leifefte Zug von dem, was wir Sdealität zu 
nennen gewohnt find, tritt uns in dem Bilde dieſes Mannes ent= 
gegen, ber trotzdem, wenn aud nur für wenige Jahre — ich glaube 
nicht zu viel zu jagen — die Seele der europäifchen Politik gewefen 
ift. Er ijt dies geweſen durch die Kühnheit feiner Entwürfe, durch 
den Erfolg, den er mit feltener Willenskraft und Ausdauer an feine 
Ferſen zu Heften verjtand. Hätte ihn nicht das Scidjal mitten in 
der Arbeit abgerufen, Europa, vor allen unfer deutfches Vaterland, 
würde durch ihn eine andere Gejtalt erhalten haben. 

Welch ein Meifter in der Kunft der politischen Intrigue er war, 
das vermögen wir redjt deutlich an der Haltung zu erfennen, die er 
den Friedensbemühungen Kurfürjt Joachims gegenüber beobachtete. 
An ein Eingehen auf biejelben hat er — wie wir bereit8 bemerft 
haben — nicht im entferntejten gedacht, aber er iſt doch fo Hug, bei 
dem Mittelsmann den Schein zu erweden, als ſei er, der überhaupt 
nur gegen feinen Willen in die ganze leidige Angelegenheit hineinge- 
rathen fei, der gerne zum Frieden Geneigte und werde an der Ver— 
- wirflihung diefer Abfiht nur durd) die Unduldfamkeit und graufame 
—— des Gegners gehindert. Es iſt bei Charakteren von Moriz' 

rt immer eine und dieſelbe merkwürdige Beobachtung zu machen: 


+ 


8 


fie verftehen ihre Abfichten hinter der Maske der Gleichgiltigfeit ver- 
borgen zu halten und fich zur Ausführung derfelben gleichham wider 
Willen drängen zu laffen, während fie in der That die Fäden des 
Spiels feinen Augenblid aus der Hand gelajjen haben. So kommen 
fie ohne viel Geräufh ans Ziel, während Andere, indem fie die Mo— 
tive ihres Handelns aller Welt offen legen, leicht feindliche Gegenbe= 
wegungen veranlaffen. So hat aud) Moriz feinerfeits feinen Anlaß 
zu dem gegenwärtigen Krieg gegeben; wenn er in benfelben einge— 
treten, fo iſt dies nur gefchehen im fchuldigen Gehorſam gegen kaiſer— 
liche Majeftät, den zu verweigern Hochverrath it. Seltſame Aeuße— 
rung in dem Munde eines Mannes, der wenige Jahre fpäter diefe 
faiferliche Majeftät wie ein gehettes Wild in den tirolischen Schluchten 
vor fich her trieb! | Ebenfowenig trägt er Schuld an der grauenvollen 
Verwüſtung des blühenden Heimathlandes durch diefen Krieg, Welch) 
ein Unterjchied ift doc) zwifchen feiner Kriegführung und der feines 
Gegners! Dort lediglidy) möglichfte Abwendung Schadens und Ge— 
fahr, hier Kriegsgräuel, wie fie Ärger auch die verrufenten Nationen 
nicht zu verüben vermöchten! Und dann wie fein berechnet it jener 
Paſſus des Antwortjchreibens, in welchem er, gleichlam den Schwer- 
beleidigten fpielend, die Zulage der Hilfeleiftung Seitens Joachims 
als etwas Selbjtverftändliches Hinzuftellen verfucht, während in der 
That auf Seite des Yetsteren nicht entfernt eine Verpflichtung hiezu 
vorlag. Das Angebot der Friedensunterhandlung endlich weift er 
nicht geradezu von der Hand, aber der Gegner wird es ihm voraus— 
fichtlic) unmöglich machen, feine friedlichen Beftrebungen verwirklichen 
zu fünnen, während faktiſch Niemand fo fehr den Frieden herbeifehnte 
und fogar nad) glänzenden Erfolgen zu beträchtlichen Opfern erbötig 
war als gerade Yohann Friedrich). 

Der Erfolg diefer Operationen war, fo weit Joachim in Be— 
tracht fam, denn auch ein vollftändiger. Was Moriz in erjter Yinie 
von dieſem zu erreichen trachtete, war, ihn von einem Anfchluß an 
die Schmalfaldener abzuhalten, der dann leicht zu befürchten ftand, 
wenn feine auf nacte Eroberung und Beraubung gerichteten Pläne 
dem brandenburgiichen Kurfürften offenkundig waren. Man mag die 
Fähigkeiten und den Charakter Joachims auch nod) fo niedrig anjchla= 
gen, das eine wenigitend wird man ihm nicht abjprechen dürfen, daß 
er in allen feinem Vornehmen eine Art ritterlicher Gefinnung gerne 
zum Ausdrucd brachte. Häufig veranftaltete er ritterliche Feitlichkeiten, 
prächtige Bankette; zu den Reichstagen begab er ſich mit zahlreichen 
Gefolge, deſſen Koften feine Mittel bei weitem überjtiegen. Unauf— 
hörlich finden wir ihn bauen, Schlöffer in den Städten, Jagdhäuſer 
in der Tiefe der Gehölze, an den breiten Gewäſſern, die hie und da 
dem Lande eine gewiffe Anmuth verleihen, Kirchen und Dome mit 
hohen Thürmen und weitichallenden Gloden!. Ich erinnere weiter 
an feinen Halb abenteuerlichen Feldzug nad) Ungarn gegen die Os- 


ı Hanke, Deutfche Geſchichte im Zeitalter der Reformation IV, ©, 107. 


9 


manen, beifen jchlimmer Ausgang allerdings am wenigiten feine 
Schuld gewefen war. Mit diejer ritterlichen Gefinnung, die fich über— 
all gern zum Schützer des bedrängten Rechts aufwarf, mußte Moriz 
rechnen, wollte er Joachim für feine Zwecke benugen. Und er hat 
meifterlich mit ihr gerechnet, indem cr den Kurfürften nicht nur an 
der Unterftügung der Schmalfaldener zu hindern, jondern fogar auf 
feine Seite herüberzuziehen verjtand. 

Borerit ließ fih Joachim durd) den Mißerfolg feiner Friedens» 
bemühungen nicht abjchreden, mit ihnen weiter fortzufahren. Moriz 
hatte feine Zuftimmung zu einer Gonferenz von Bevollmächtigten 
von feiner, Johann Friedrichs, Philipps von Hejjen und Joachims 
Seite gegeben, aber auch hieran wieder Bedingungen gefnüpft, von 
denen er im Voraus wiſſen mußte, daß fie von den Kurfürften von 
Sachſen niemal® angenommen werden würden. Joachim fcheint dies 
fegtere vorausgejehen zu haben, da er für den Fall der Ablehnung 
Johann Friedrich die Anknüpfung direkter Verhandlungen mit dem 
Kaifer und König anräth und zu diefem Behufe eine Reihe von 
sriedensartifeln überfhidt, von denen er glaubt, daß fie von dem 
Kaifer als eine genügende Bafis für Friedensverhandlungen erachtet 
würden. Die Artifel find folgende: 

1) Aufhebung aller in Religionsſachen eingegangenen Bünd— 
nijfe, 

2) Beobachtung der Reichsabſchiede und Friedensftände, 

3) Reform des Kammergerichts, 

4) Erledigung und Keftitution des Herzogs Heinrich von Braun— 
ſchweig gegen genügende Verfiherung, gegen die Schmalfaldener nichts 
Feindliches unternehmen zu wollen und feine Händel mit Goslar und 
Braunſchweig mit gebührlichen Necht oder vor kaiſerlichen Commiſſa— 
rien auszutragen, 

5) Verwendung der eingezogenen Kirchengüter zu Kirchen» und 
Schulzweden , 

6) Verbot aller gehäffigen Ausfchreiben und Druckſchriften, 

7) Demuthsbezeugung gegen den Kaifer, mit der Erflärung, 
man wäre der Meinung geweſen, al8 wolle der letztere die Freiheit 
der Religion und Nation unterdrüden, hätte fich aber jett eines An— 
dern überzeugt, nachdem der Kaiſer andere proteftantiiche Stände der 
Religion halber verfichert Habe. 

Dagegen glaubte Johann Friedrich, im Einvernehmen mit feinen 
NRäthen und nah Billigung Seitens der brandeuburgiichen Abge— 
jandten, folgende Modificationen anbringen zu müſſen: 

ad 1) AZulaffung von Religionsbündniſſen für den Nothfall, 

ad 2) Insbeſondere Aufrechthaltung des Speierjchen Neichsab- 
ichiedbes von 1544, jedoch ohne Ausdehnung deijelben auf die Seften, 

ad 3) Beſetzung des Kammergerichts in Gemäßheit der in diefem 
Abichied vorgefehenen Bejtimmungen , 

ad 4) Reftitution Heinrichs von Braunfhweig nur in den 

status quo nunc. Die Verfiherung müſſe durch zwei fürftliche 


10 


Bürgen erfolgen; doch follten alle gegenfeitigen Gebietswegnahmen 
wieder zurückgeftellt und dieſe Neftitution aud) auf die beiderjeitigen 
Helfershelfer ausgedehnt werden, 

ad 5) Wo ein Uebermaaß vorhanden, darf daſſelbe auch zu an— 
dern gemeinnützigen Zwecken verwandt werden. 

ad 6) Geſchärfte Cenſur namentlich für Schriften dogmatiſchen 
Inhalts. 

Aufrichtung eines beſtändigen Friedens auf dieſen Grundlagen, 
vollſtändige Amneſtie für alles während des Kriegs Vorgefallene, 
Wiederaufleben der alten Verträge. 

Auch an Philipp von Heſſen hatte Joachim jene Präliminarar— 
tikel geſandt und bei dieſem eine noch größere Empfänglichkeit für 
ſeine Friedenspläne gefunden. Nur in wenigen Punkten iſt der er— 
ſtere mit der Faſſung der Artikel nicht ganz einverftanden !: 

ad 1) Daß Niemand der Religion halben über die Augsbur— 
giſche Confeſſion hinausſchreiten folle: „es konten wol ding fein, die 
got gefellig und in folcher confeſſion nit begriffen weren, wir aber 
wollens doc fo hoch nit ftreiten, .dieweil unfer religion mit uf Jolcher 
confejlion, fondern dem gotlichen wort ftehet und gegrundet it“. 

ad 4) Mit Heinrih von Braunschweig Habe er auf Vertrag 
handeln laſſen, daß die beiderjeits aufgelaufenen Koften und Schäden 
gegen einander aufgerechnet, der Herzog und feine Söhne alle von 
der proviforischen Negierung vorgenommenen Handlungen anerfennen 
würden, die Acht über Goslar aufgehoben und die Goslarer im Be— 
fit des Holzes gelaffen werden follten, wie fie fi) des mit der Wol- 
fenbüttler Regierung vertragen hätten. Weigerten fid) der Herzog 
und feine Söhne deſſen, fo folle Herzog Moriz unter Zuziehung eines 
oder zweier Fürften mit Güte oder zu Hecht erfennen. Das Gleiche 
ſolle bez. Braunſchweigs gelten. Heinrich ſei mit alledem einverſtanden. 

Freilich konnte nur eine ſo ſanguiniſche und leichtgläubige Natur, 
wie ſie Joachim beſaß, ſich der Hoffnung hingeben, ſeine Friedensbe— 
mühungen würden bei Karl V. und Ferdinand eine günſtigere Auf— 
nahme finden als bei Moriz. Was wir oben über die Ausfichtslofig- 
feit gütlicher VBergleihshandlungen auf Seiten Moriz' bemerkt haben, 
gilt ganz ebenſo auch für den Kaifer und feinen Bruder. Namentlich 
dem erfteren galt diefer Krieg nicht al8 ein gewöhnlicher Kampf, bei 
dein es ſich höchitens um ein Mehr oder Weniger äußerlihen Macht— 
befites handelte, fondern als der endliche Ausbruch eines Yahrzehnte 
lang maſſenhaft aufgehäuften Zündjtoffes, der für die fünftige Geftal- 
tung der höchſten Yebensintereffen, ja geradezu für die ganze Eriftenz 
enticheidgebend war. 

Der an König Ferdinand abgefandte Dr. Chriftof von der 
Straßen? kehrte ohne befriedigende Antwort nach Haufe zurück?. 


ı Philipp an Joachim 6. Febr. 1547. 

8 er über ihn Opel in den Neuen Mittheil. des thüring.-jähl. Vereins 
XIV, 187 fig. 
3 Joachim an Joh. Friedrich s. d. 


11 


Nunmehr reifte Joachim in eigener Perfon ar das Fönigliche Hof- 
lager nad) Auffig, nachdem er vorher noch den Kurfürften von Sachſen 
von dem unginftigen Ausfall der Gefandtichaft benachrichtigt und ihm 
empfohlen hatte, die Friedensartifel in einer für den Kaiſer und Kö— 
nig mehr annehmbaren Weife umznändern. Die Reife follte verhängs 
nißvoll für feine Haltung gegenüber den friegführenden Parteien wer— 
den. Welhe Mittel Ferdinand in Anwendung brachte, den branden— 
burgiſchen Kurfürften aus feiner bisherigen Neutralität heraus auf 
jeine Seite zu bringen und zu einer activen Theilnahme am Kriege 
zu veranlafjen, erjehen wir aus feinem Berichte über die Auffiger 
Zufammenfunft an den Kaiſer!: e8 war das Verſprechen, Joachims 
zweiten Sohne bei feiner Bewerbung um die Coadjutorfchaft der 
Bisthümer Magdeburg und Halberftadt behilflich zu fein. Jetzt er— 
flärte fih Joachim dem Kaifer gegenüber bereit, 400 Reiter unter 
der Führung feines Kurprinzen drei Monate auf feine Koften unter— 
halten und, im Falle eine ftärfere Hilfeleiftung ſich als nothwendig 
erweiſen follte, aud) eine folche bewilligen zu wollen. Won einer per= 
fönlichen Theilnahme am Feldzug müffe er dagegen, im Ginverftändniß 
mit dem Könige, Abjtand nehmen, indem es für die gemeinfamen 
Operationen vortheilhafter fei, wenn er in feinen Yanden bliebe, um 
von hier aus namentlich) auch die VBerproviantirung des Feindes zu 
hindern ?, 

Von jett ab erlahmt das Intereſſe Joachims am der Herſtellung 
des Friedens im fichtlihem Maaße. Was ihm zumeijt das Zuftandes 
fommen eines folchen wünfchenswerth machen mußte, die Ausſicht ei= 
ner leichteren Gewinnung der genannten Bisthünter, Fam jetzt nicht 
mehr in Anschlag, nachdem ein Mächtigerer ihm den Erwerb derjelben 
garantirt hatte?. Zwar unterläßt er es nicht, nach der erfolgten 
Wahl feines Sohnes auch den ſächſiſchen Kurfürften als den that- 
jählihen Inhaber der Stifter um Ausantwortung derjelben anzu— 
gehen *, aber er ift fich dabei des Auffallenden feiner Bitte wohl be= 
wußt und fommt, nachdem Johann Friedrich ihm Fühl geantwortet 
bat, nicht weiter auf diefe Angelegenheit zurüd. Die Correfpondenz 
Beider nimmt jest mehr und mehr einen unerquidlichen Charakter 
an. Es gereicht dem guten Willen Johann Friedrichs zu nicht ge= 
ringer Ehre, daß er ſich auch durd jo glänzende Erfolge, wie die 
Gefangennahme des Markgrafen Albreht von Brandenburg in Roch— 
fig, nicht blenden läßt und nach wie vor bereit ift, wofern nur Ehre 
und Gemijjensfreiheit nicht geichädigt werden, die möglichiten Zuges 


! Buchholz IX, ©. 408. 

2Joachim an Karl V. 19. Febr. 1547 (noch aus Auffig, alfo unmittel- 
bar nad) jeiner Ankunft dafelbft, da er erft am 13. von Deffau abgereift war). 

’ Mol. aud das Fürſchreiben Ferdinands an den Papft in Sadjen des 
jungen Markgrafen bei Bucholz IX, ©. 415. 

Joachim an Joh. Friedrich 16. März 1547. 

5 %ob. Friedrih an Joachim 30. März 1547. 

6 Derjelbe an denfelben 5, März 1547. 


12 


ftändniffe behufs Wiederherftellung des theuren Friedens zu machen ". 
Aber gerade jene von ihm jo ängftlich behüteten Punfte waren es, 
an welchen ihn die Gegner tödtlich treffen wollten. Die Vernichtung 
feiner fürjtlichen Ehre und der Freiheit feines evangeliichen Bekennt— 
niſſes war ihre Abſicht. Was nütte e8, daß er Joachim gegenüber 
in feinen übrigen Vorbehalten Schritt vor Schritt zurückwich und eine 
werthvolle Garantie nach der andern zum Opfer bradte: immer 
wieder tönte ihm das Noch nicht genug! entgegen. 

Zuletzt zieht fi Joachim ganz aus dem Spiele. Das lette Stück 
feiner Gorrefpendenz mit Johann Friedrich ift ein Verſprechen, ein 
Schreiben des letteren an König Ferdinand durch feinen Kurprinzen 
übergeben und befürworten laffen zu wollen. Ob es jemals an feine 
Adreife gelangt iſt? Wir milfen darüber ebenfowenig wie über 
den Berbleib eines ähnlichen Schriftitiides, das der unglücliche Fürſt 
noch kurz vor der Mühlberger Kataftrophe an den Kaifer gerichtet 
hat?. Dagegen ift uns das eigenhändige Concept eines Briefes er— 
halten, den Joachim unmitttelbar mac) der enticheidenden Schlacht an 
Karl V. geichrieben hat*. Es ift ein fürmlicher Triumphgeſang, ein 
Macte imperator!, das ein proteftantiicher Reichsfürjt in dem Au— 
genbficke anftimmt, al8 die Neichsfürftenehre und die evangeliiche Ge— 
wiffensfreiheit tief in den Staub hinabgetreten waren, ein Tprechendes 
Zeugniß der furzlichtigen Politik feines Schreibers. Und fo laſſe ich 
es mit Weglaffung des Eingangs zum Schluffe hier wörtlich folgen : 
— — „Und naddeme id dieſe tage bericht worden, das gott der 
almechtige E. Key. M. wider ire feinde glucklichen ſieg gegeben, alſo 
das ſie dieſelbigen biß ufs haupt erlegt, den haubtechter und etliche 
furnehmen ſeins anhangs gefangen, welches ich mit beſondern freuden 
und wolwünſchung ſolches E. Key. M. obſiegens vernohmen und 
got dem almechtigen dafur hochlichen dankbar bin, und zweifel nicht, 
es werde E. Key. M. zu hochſtem ruhm und preiſe und meniglich 
underdan zu guther wolfart, fride, ruhe, auch einem beſtendigen behar— 
lichen friden und abwendung des langen miſſtrauens des heiligen 
reichs gereichen, und wünſche, auch bitte von gott, E. Key. M. dotz 
hohes glücke und ferner obſiegen wider den uberigen anhang dieſer 
bundnus, unterthenigit bittende, &. Key. M. geruhe mid) iren gehor— 
famen furfurften gnedigſt zu vormerfen und mein allergnedigfter Feifer 
und herre fein und bleiben. Das bin umb €. Key. M. ich unter- 
thenigfts gehorſams zu vordienen willig“. 


ı Derielbe an denfelben 15. März 1547. 

2 Koahim an Joh. Friedrih 25. März 1547. 

3 Beide Schreiben find datirt vom 10. März. Bol. Anhang Nr. I. 
* d.d. 28. April 1547. 


13 
Anhang. 
I. 
Kurfürſt Johann a a; Ferdinaud 10. März 


Allerdurchleuchtiger groſmechtiger konik! Nachdeme E. K. M. 
wol wiſſentlich und unverborgen iſt, das E. K. M. und ich uf vor— 
ſchienen reichstag zu Speyr mit vorwiſſen und bewilligunge kay. Mat. 
aller und jeder irrungen und gebrechen, ſo ſich zwiſchen E. K. M. 
und mir erhalten, und alſo nit allain mit E. K. M., ſundern auch 
mit kay. Mat. zu grund gentzlich entlich und ewig vertragen ſeind 
worden vermmge und inhalt des vertrags, jo daruber ufgericht, aud) 
E. K. M. ſelbſt und kay. Mat, fonderlichen ratification. Und ob id) 
wol dorauf gegen fay. und E. 8. M. jonder rhum allerunterthenig- 
fait und gehorfams erzaigt und gehalten, mid) aud) die zeit mainer 
regirung zum hochiten und fo vil mir muglich gewejt gevliffen, an 
fay. und E. K. M. ainen gnedigſten kayſer und fonige, do e8 one 
vorletzung gotts worts und rechter criftlicher religion bejcheen mugen, 
zu erlangen und zu haben, in maſſen dan aud) baide vortrege zum 
Caden und Wien und mains thails nicht one groſſe muhe und koſten 
zuvor erfolget, und E. K. M., aud) die ergangnen Handlungen werden 
mir das zeugnus geben muſſen, das mains tailhs an allem dem, jo 
mir Cadaniſchen und Wienifchen vortrege halben zugeftanden und ge= 
burt, nicht mangel geweſt. So hab id) mains tailhs gemelten Spey— 
riihen vortrag one rhum nicht weniger volge gethan und ungerne an 
mir wollen erwinden lajfen, wie e8 dan auch, fovil das clojter Do- 
brilug betrifft, nicht gemangelt. Aus was urjachen aber ich bedenken 
gehabt und mich nicht ſchuldig achten mugen aus ſolchem vortrag und 
deffelben verjtand furen zu laffen, das hab ih E. K. M. rath hern 
Hanfen Hoffeman durch meine vethe nad) der lenge und notturftiglich 
ſampt meinem erbiethen anzaigen laſſen, und bin in Hoffnung geitan= 
den, ſolchs ſolte nicht fo gar hindan gefatt worden fein, dan ich je 
an liebſten gewolt, das vilgemelter vortrag het in wirden und unumb— 
geitoffen bleiben nungen, wie er dan uf ewigfait gerichtet, domit es 
anderer und waiter vortrege nicht bedurfte. Dan ob wol allain des 
ainigen artickels des Dobrilugs halben, aber one main vorurfachung, 
ein mijvorjtand furgefallen, hab ich mich doc, des vertrags gehalten 
und nicht vormutet, das darumb der gange vertrag hat follen umbge— 
ftoffen werden, und aus folchen und dergleichen mehr urſachen nicht 
glauben wollen, do ich fur ainen jar bericht worden und mir furkom— 
men, als folte der fayier igo willens und furhabens fein, mid) und 
meine aynungsvormwanten mit der that und heeresfraft anzugreifen 
und zu überziehen, bis mir letlich die fay. refolution und antwort 
uf beſcheenes erfuchen und onlangen zu handen komen, als Hab ich 
jolh8 weiter auch in fain vorachtunge fegen wollen und mich, nach— 


14 


dein ic) und mayne aynungsvorwanten es dafur gehalten, das wir 
domit in anfehung der ufgerichten vortrege fride frideſtende und reichs— 
abjchiede billic) verjchonet wern worden, umb friegsvolf beworben und 
im namen gott zu unjer aller erijtlichen defenfion gegenwehr und 
rettung auch vorfajt gemacht und den zug im aigner perfon vorgan— 
gend ſomers ins oberland gethan und furgenomen, des aber ich und 
maine mitvorwanten — das wais gott — vil lieber uberig wolten 
geweit fein, do wir bey gemelten vortrag fride und frideftenden und 
reichsabſchieden hetten muegen gelaffen werden. Und wolt gott, das 
ic) allain zu mainer entfchuldigung, wie ſich allem rechte nad) je bilfich 
geburt, erfordert und allen dingen gehort worden were, fo folte fich, 
ob gott will, befunden Haben, das mein unſchult des auferlegten uns 
gehorjams offentlid vermarft worden. Dieweil aber gleihwoll ſolchs 
nicht gejcheen, mir und maynen mitvorwanten des babjts bundtnus und 
anders, al8 das mit diefem furgenomenen uberzuge im grunde unfere 
wahre criftliche religion gemaint were, jo glaublichen furbracht worden, 
und von fage zu tage mit der that wider maine land und leute vor= 
fahren und noch, haben E. K. M. zu erachten, das ich nicht unter= 
lafjen mungen, mic) der naturlichen gegenwehr auch zu gebrauchen, und 
das fi) darunter allerlay Friegshandlung zugetragen, der ich mains 
tail8 lieber ubrig geweſen, hoffe ih, das mir ſolchs nicht ſoll zuges 
mejjen fein, dan ic) je darzu nicht urfach gegeben. Und wie gern ich 
vor dieſer zeit die fachen hette zu gleichmeiligen billichen vortrag kom— 
men lajfen und noch, das it dem churfurjten zu Brandenburg und 
andern wiſſentlich. Dieweil aber diejelbe bifhero nicht hat wollen be= 
trachtet nad) eingereumbt werden, jo hette ich, aud) meyne mitvor= 
wanten wol urſach, die ding got dem almechtigen zu befehlen, hoffe 
auch, er wurde mir und dem meinen, wie er fich dan unlangjt gne— 
diglich bewiejen, weiter ſieg, gluck und hayl vorleyhen, dan ich mich 
fur gott und der welt aynigs ungehorfams zeitlicher und prophan 
ſachen halben gentzlich unſchuldig wais, one was bemelter chriftlichen 
defenfion halben, darzu ich uber angeregten vortrag ufs eufjerjte ge= 
drungen, bejcheen fein mag. Und es aber, wie id) von etlichen orten 
bericht worden, meinethalben furnemlich umb ein zimliche demutigung 
gegen der fay. und E. K. M. folle zu thun fein, do ich doch nicht 
wais nocd mic erinnern fan, weihalber die felbige von mir billich 
bejcheen folle. Domit nun E K. M., aud) meniglich je zu fpuren 
und zu vormerken, weil ich hierinnen one ruhm nichts anders gefucht 
und gemaint, auch nachmals fuchen und maynen, dan gotts wort und 
feiner almechtigkeit glori und ehr, auch das warhaftige criſtliche reli— 
gion, in ſonderhait aber das ich, die mainen und meine mitverwanten 
durch ſeiner almechtigkeit hulf darbei und bei der lobliche freyhait 
Deutſcher nation bleiben, deſglaichen das widerumb friden und ruhe 
in Deutſcher nation gepflanzt, auch ferner eriſtlich blutvorgieſſen abge— 
want, uf das gemainer crijtenhait erbfind dem Turcken deſter ſtad— 
licher widerſtand beſcheen mag, darzu das es ſolcher demutigung halben 
an mir, das alles, wie obenberurt, ungeachtet, nicht mangeln ſolle, und 


15 


das ich mich nicht allain aus jolchen, fondern auch aus andern umb 
gotte8 worts und criftlicher religion willen und zu vorhutung blut= 
vorgieſſen und ferner vorderben der lande durd) feiner almechtigfait 
gnad wol uberwinden fan, fo iſt an E 8. M. main unterthenige 
bitt, diefelbig wollen fich nicht bejchweren, volgende maynung an die 
fay. Mat, gelangen zu laffen und mic, fegen J. M. zu vorbitten: 
nachdeme ic) und meine mitvorwanten im eingang dieſes Handels be= 
riht worden, das J. Kay. M. folt willens gewejt fein, die criftliche 
religion und der Deutſche nation frayhayt zu vordruden, wie aud) 
ſolchs jo mancherlei und vielfaltig an mich und fie gelangt, das wir 
dajjelbige, weil wir ung gegen J. M. kains ungehorfams zu erinnern 
gewuft, derwegen auch nie bejchuldigt und uberfommen, zudeme das 
ih mit J. M. aller prophan fachen halben vortragen, das wir dem: 
jelben hetten glauben geben mueſſen; dicweil wir aber numere bericht 
worden, das S. M. andere ftende der religion halben verjichert, das 
auh J. M. wille und gemuth nicht fein folle, diefelbige auszureutten 
und zu vordruden, wie dan aud) S. M. uns ſolchs genugfam vor= 
fihern wolte, neben deme das auch J. M. nicht gemaint, die frai- 
hatt und Loblich herfommen der Deutſchen nation zu vortilgen, und 
fih aber gleihwol in deme allerlai zugetragen, das von ums nicht 
anders dan zu erhaltung unfer religion und der freihayt der Deutjchen 
nation gemaint. Ob nun deihalben S. M. ainige ungnad geſchopft, 
jo beten E. 8. M. von main und mainer aynungs- und mitvor= 
wanten jtende wegen, J. M. geruhete folche ungnad gegen uns allen 
aus vaterlichen allergnedigften willen Hinzuftellen und fallen zu lajjen, 
unjer allergnedigiter kayſer und herr zu fein umd uns bei gotlichem 
wort, unjern landen und leuten ruig bleiben zu lajfen, und dieſen 
furstehenden vorberblichen krieg widerumb zu ftillen. So wolten wir 
auch mwiderumb neben andern jtenden des reihe S. M. fachen, und 
das diejelben wider feine und der ganken criftenhait erbfeinde dem 
Zurden ftatliche hulfe beicheen mochte, im allerbejten befurdern und 
ſich als getrewe und gehorfame des kayſers und des reichs churfurften 
furften und unterthanen in allem jchuldigen und muglichen gehorfam 
und unterthenidait vorhalten, ſolchs auch umb J. Kay. M. vordie- 
nen. So were aud) ich erbettig, do jemands in werendem friege 
etwas eingenommen, denjelben ſolchs widerumb einzureumen, doch das 
es widerumb in gleichnis fegen mir, mainen ainungsvorwanten und 
denjenigen, die bei uns im difem zuge geweit und was vorlorn, aud) 
alfo gehalten werde. So wollen wir uns aud) gegen denjenigen, die 
in unjer hende gefangen worden, auf den fall auch gerne der billicait 
vornehmen lajjen. Hierauf und auf E. 8. M. furbitt und furwen— 
dunge hoffe ich unterthenig, J. M. foll und werde ſich nach gelegen= 
hait der jachen der gebur und billigfait finden laffen und mich und 
meine aynungs- und mitvorwanten, do wie berurt ainige ungnade 
vorhanden, zu gnaden annemen und zuforderjt neben unſrer unfchult 
bedenken, zu was entlichem vorderb diefe beſchwerliche friege der gangen 
Deutjchen nation geraichen wollen, deigleichen was den Remiſchen kay— 


16 


fern und fonigen, die vom Haufe zu Oſterraich gewejen, vom Haufe 
zu Sachſen des hurfurftlichen ftams und in welung der igigen fay. 
Mat. von meinem vettern herzog Friderichen feliger gedechtnus wider- 
faren, welche wolthat der fay. Mat. indenk zu fein und ſolchs in kain 
vorgejjen zu jtellen, fondern freundfchaft und gnaden zu bejchulden fich 
oftmal8 erboten, des den vil S. M. aigen handſchrift vorhanden 
fein. Im vall aber das ſolchs alles nicht wolte bedacht, funder wider 
mi und maine aynungsvorwanten, wie e8 dan fur ift, furtgefahren 
werden, fo thue ich hiemit gegen E. 8. M. und meniglich bezeugen, 
das ich dasjenige gethan, fo nad) gejtalt der ſachen muglic und thun— 
(ih hat fein wollen, und dieweil man es nit anders haben fonte, 
fo mujften ic) und mayne ainungs- und mitvorwanttn uf unfer beites 
auch dohin gedenken, wie wir bei gott8 wort und criftlicher religion 
mit feiner almechtigfait hulf bleiben und davon mit der that nicht 
gedrungen werden mochten, und uns unfer unfchuld, aud) des getroften, 
das es an und nicht gemangelt, der unzweifelichen zuvorficht, der al— 
mechtig got werde mid) und meine aynungs- und mitvorwanten, wie 
er bisher gmediglich gethan, nicht vorlaffen, ſundern gnediglich bey— 
ftehen ſchutzen und erretten, dan feiner almechtigfait ending mit vilen 
oder wenigen den fieg zu geben. Vorſehe mid) auch gentlichen, wo 
alsdan hieraus weiter criſtlich blutvorgieffen, auch vorherung und 
vorderbung der lande, wie freilih nicht wurde vorbleiben konnen, 
erfolgen und alfo die Deutfche nation und die furften derjelben der= 
maffen gemubdiget und erjchopft werden ſolten, das fie gegen dem 
Zurfen widerftant zu thun und nicht zu helfen vormochten, ich und 
meine aynungs- und mitvorwanten wollen gegen gott jedermeniglich 
und der ganten welt derhalben entjchuldigt fein. Das hab €. K. 
M. ich nicht unangezaigt zu lafjfen wiſſen, und were Derjelben vil 
lieber, do ich dabei mochte gelaffen werden, unterthenige und gehor= 
fame dienfte zu erzaigen willig. 

Datum Geythen, Dornftags nad) dem fontag veminiscere, den 
X. Marty, anno 1547, 


11. 
Antwort des Hurfurften zu Saren. 


Margraf Johans zu Brandenburg belangend : wie wol derjelbe 
%. Chf. ©. in zweyen aymıngen vorwant und er ſich gleychwol zu 
feyj. Ma. begeben, 3. Chf. ©. abgejagter feynd wurden, zudem vor 
andern im lager J. Chf. ©. in allen iren geſcheften behindert, vieler 
geheifiger und fpigiger wort auf J. Chf. ©. ſich vornehmen laſſen, 
dorauf J. Chf. G. wol orſach hetten, widerumb feyntlich kegen jene 
zu trachten, aber gleychwol unferem g. hern dem churfurften zu freunt— 
licher wilfarunge, die weyl J. Chf. G. bericht, das er fid) nach kegen 


17 


5%. hf. G. zu Herzogen Morizen in jundere Hulf eynlaffen wolle, 
wo darum margraf Johans abjtehen wolt, jo wolt auch J. Chf. ©. 
widerumb die dinge anjtellen. 

Den biſchof von Lebus belangend: wie wol derfelbe nicht wenig 
wider %. Chf. ©. mit Haufung und Hegung irer abgejagten feynde 
gehandelt: die weyl aber derfelbe unjerem g. 5. dem churfurften zu 
Brandenborg ſchutzes halben vorwant, wo nun derjelbe wider J. Chf. 
G. nicht rathen noch helfen wirdet, jo wollen jenen J. Chf. ©. uns 
jerem g. 5. zu freuntlichem gefallen auch verjchonen. 

Die graffen betreffende: hetten fich diefelben zu erzogen Moriz 
in Hulf eingelaffen, und wie fie 3. Chf. ©. aus dem lager darvor 
. .. . fo weren doh %. Chf. G. von den grafen jpitige antworten 
begegent, und dieweyl J. Chf. ©. die. .... grafichaften under- 
wegen geweft, hetten 3. Chf. ©. die grafen zu geburender haltung 
der heridaften, fo fie von Herzog Morizen hetten, erfordert: die weyl 
aber diejelben nicht erfchienen, fo hetten auch J. Chf. ©. orfach ge= 
hagt ire herichaften eynzunchmen. Es hette aber des von Schwarz- 
borgs gemahel ſich erboten, ir Herre ſolt in 8 tagen erjcheynen hoel= 
dunge thuen; ſolche zeyt were lengeft vorflojfen: wo nun der graf 
nachmalen queme, die Haldung! thete, jo wolten ime J. Chf. ©. zu 
ſeynen berichaften widerumb kommen laſſen. 

Alſo hette ſich auch graf Wolf von Stolberg zur haldung er— 
botten: wenn das von ime und den anderen beſchege, wolte J. Chf. 
G. ienem auch die herſchaften widerumb zuſtellen. 

Regenſteyns halben hette furſt Wolf zu Anhalt mit J. Chf. G. 
handelung gehapt und ſich erbotten, das ſeyn ſon die haldunge thuen 
ſolle: des weren auch J. Chf. G. zufriden und hetten ime dorauf die 
gefangene von Saltza widerumbloſgeben laſſen. 

Was aber der grafen Stolberg und Regenſtein lehenſchaften, ſo 
under J. Chf. G. zu lehen ginge, belangent, derſelben wolten J. Chf. 
G. in alle wege verſchonen. 

Lippolden von Klietzing: wo derſelbe in maſſen andere im ſtifte 
S. Chf. G. haldunge thuen worde, ſo wolten ime J. Chf. G. auch 
umb unſeres g. h. vorbitten willen bey ſeynem vorſchriebenen pfant— 
ſchilling an den heuſſern Jutterboth und Dahme bleyben laſſen. 

Dieterich Spiegel: wie wol ſich derſelbe in leychtfertige hand— 
lunge eyngelaſſen, beyneben den feynden J. Chf. G. land und under— 
thanen beſchediget, deſhalben wol eyne ſtraffen vordienet, ſo wolten 
ime doch J. Chf. G. auf unſers g. h. vorbitten aus dem thorm 
laſſen und auf weyter erfordern. 

Unſers gnedigiſten hern rethe und diener, wo dieſelbe wider J. 
Chf. G. nicht dienen oder rathen werden, wollen ſie J. Chf. G. 
auch verſchonen. 


ı di. Huldigung. 


XVII. 2 


Denkverſe 
bei mittelalterlichen Geſchichtsſchreibern 


geſammelt 


von 


H. Oeſterley. 


2* 


Die nachfolgende Sammlung von Denkverfen mittelalterlicher 
Chroniften erhebt feinen Anſpruch auf VBolljtändigfeit, ſondern ent— 
hält nur das, was mir bei meinen! Quellenftudien bekannt geworden 
it; nichtsdejtomeniger Hoffe ich, daß fie gelegentlich einen willlomme— 
nen Anhaltspunkt bei dem Auffuchen von Quellennachweiſen darbieten 
wird, und das ift ihr einziger Zweck. 


l. Adorant Christum tres reges Jam Romanorum, 
Non sunt Tharsenses, nec Arabes, nec Sabinenses. 
Andr. Ratisb. a. 1410, Eccard Corp. Hist. I, 2145. 
la. Aceidit in urbe Salis, vestalis quod monialis 
Intumuit tantum, ne transeat ipsa per antrum. 
Ann. Reinhardsbrunn. a. 1296 ©. 256 ed. Wegele. 
2. Anglia quem genuit, Willehadum Brema recepit, 
De Karoli manibus castrum tenet hoc Willehadus. 
Wolter Chron. Bremens., Meibom SS. II, 22. 
3. Anni dum Domini fluxissent mille ducenti, 
Octavo numero completo septuageno, 
Dum sol in geminis fuit, Augustique Kalendis, 
Inelytus Ockacorus rex, hostibus eius amarus, 
Succubuit bello, pugnans cum rege Rudolfo, 
Non vi multorum (Swevorum) cecidit, sed fraude suorum. 
Versus Babenb., SS. XVII, 639. Andr. Ratisb., Ecc. I, 2089 
4. Annis centenis millenis ter quoque denis 
Post Christum natum Schowenborch tenet initiatum. 
Lerbeck, Chron. ep. Mind. 15, Leibn. SS. II, 169. Chron. 
Mind., Meib. I, 560. Cyr. Spangenberg, Holft. Chron. a. 1030, 
©. 13 (2 und 3 nongentis ftatt millenis). 
5. Annis conpletis octo et mille trecentis, 
Rex est Albertus gladiorum morte peremptus, 
Contigit hoc Jacobi festo sanctique Philippi. 
Joh. Vitodur. a. 1308, ed. G. von Wyss ©. 43. Eyr. Span- 
genberg, Sächſ. Ehron. S. 473. 
6. Annis ducentis tibi denis mille retentis, 
Facta Stralesundis fuit urbs, habens nomen ab undis,. 
Korner a. 1210, Ecc. II, 833. 


‚+ Mehrere Nachträge und Berichtigungen find von Mitgliedern der Re: 
daction hinzugefügt; jene als la u. ſ. mw. bezeichnet, 


9a. 


10. 


11. 


12, 


13. 


14. 


15. 


22 


Annis M duo C bis quadraginta duoque 
Symonis et Iudae Nova Stargard sternitur hoste. 
Notae Colbaz., SS. XIX, 719. 


. Annis M quoque tria C vinctis septuaginta 


Exurge, quare prope Rudouse bella notare: 

Schinnekop marschaleus tune ruit terre miratus, 

Cum famulis milites duo C pariter quoque fratres; 

Certus Sethwinis abest unus quoque Ruthenis, 

Et qui fugerunt geluque fame perierunt. 
Detmar a. 1370, Graut. I, 293. Korner a. 1371, Ecec. II, 
1119. Conr. Bitschin, SS. rer. Pruss. III, 480. 

Annis M ter C Christique triginta duoque 

Marchia pro parte depactatur, spoliatur, 

Dux Barnym de te Wedelensis turba gravatur 

Ac devastatur, Padahucum grexque necatur 

Augusti mense profesto Vincula Petri. 
Ann. Colbaz., SS. XIX. 718. 

Annis M ter C tres X simul L dato sexque 

Sex Ydus mensis Julii tunc straverat ensis 

Pravorum ducem Lewpoldum, cui dare lucem 

Omnipotens que pya dignatur virgo Maria etc. 
ont. Zwetl. quarta, SS. IX, 689. 

Annis M tria C, L, bis X, sex superadde 

Eufemie nocte Tanklem perit igne repente. 
Korner a. 1376, Ecc. II, 1127. 

Annis millenis Domini pariterque ducentis 

Atque nonagenis octo Martisque Kalendis 

It dux Austrorum, turba comitante suorum, 

Ad Romanorum regem, qui vi cadit horum. 

Processi Jacobi dux fit rex, dantur et illi 

De virtute Dei dyademata Bartholomei. 

M semel et tria C simul octo patitur ve! 

Al. Romanorum, quoniam cadit ense suorum 

Philippi Jacobi, rogo det Deus veniam illi. 
Can. Sambiens. ann. a. 1288, SS. XIX, 700. Ep. gest. 
Pruss., SS. rer. Pruss. II, 279. 

Annis millenis duodenis adde ducentos, 

Tune multi pueri sunt effecti peregrini, 

Et fugat Ottonem Fridericus anno sub eodem. 
Ann. Elwang. a. 1212, SS. X, 20. Chron. Elwac. a. 1211, 
SS. X, 37. 

Annis millenis tercenis bisque vigenis 

Lapsis, octavo terre motus fuit anno, 

Luce Deus Saulum cum fecit fore Paulum. 
Versus Babenb., SS. XVII, 639. 

Annis millenis terdenis et octo trecentis 

Judaicus populus tunc temporis est trucidatus. 
Andr. Ratisb., Ecc. I, 2104. 

Annis millenis transactis octo ducentis 


16, 


21. 


23 


Et nonaginta, Processi Martinian], 

Prevalet Albertus rex, lite necatur Adolfus. 
Ann. S. Udalr. a. 1298, SS. XVII, 434. 

Annis millenis trecentis binis minus annis 

In Julio mense Adolfus rex cadit ense 

Per manus Austriaci Processi et Martiniani. 
Martin. minor. a. 1292, Eec. I, 1633. Joh. Vitodur. a. 1298, 
ed. Wyss ©. 42. Engelhus., Leibn. SS. II, 1124 (Mille- 
nis trecentis binis minus annis etc.). Vgl. auch Rr. 66. 


. Annis nongentis centenis ter quoque denis 


vgl. Annis centenis, millenis ter etc. 
Annis nongentis Mölnbeck duo bis minus annis 
Folckrat et Hiltborg simul exstruxere Drogone. 
Chron. Mind., Meib. I. 558. 
Annis nongentis, terdenis atque ducentis 
Christi carnati Rhenus ardore coactus, 
Rhenus siecatur, sicco pede transpeditatur. 
Andr. Ratisb., Ecc. I, 2076. 
Annis terdenis biscentum mille novenis 
Junius intrabat, cuius lux tercia stabat, 
Sol obscuratus fuit, orbis obtenebratus, 
In media luce coepit fore sol sine luce. 

Ann. Calten. a. 1239, Murat. SS. XIV, 1097. 
Annis ter denis minus octo, mille trecentis 
Actis, Ludwicus vineit, capitur Friderieus, 
Ante diem festum Michahelis quod scio gestum. 

Ann. S. Udalr. a. 1322, SS. XVII, 436. 


2la. Annis transactis octo cum mille trecentis, 


Rex ruit Albertus Walpurgis ab ense Johanni. 
Henr. de Rebdorf, Fontes IV, 511. 


22. Annis undenis demptis de mille ducentis, 


23. 


25. 


Christus ut est natus, transit mare rex Fridericus. 
Cod. Paris., SS. XXII, 367. Chron. Urspergense a. 1189, 
SS. XXIII, 363 (transit pater et natus, dux et rector Fri- 
dericus). 

Anno M duo C Hoyensis fit comecia. 
Lerbeck Chron. ep. Mind. 27, Leibn. SS. II, 181. Chron. 
Mind., Meib. I, 563. 


Anno milleno bis C cum bis quadrageno 
Et quinto Domino nostro de virgine nato, 
Quidam Diethrieus Holtzschuch, truphator iniquus, 
Cesar et iniustus idem, fuit ignibus ustus, 
Quem dedit hiis penis Rudolfi jussio regis. 
Ann, Maurimon. a. 1278, SS. XVII, 182. 
Anno milleno bis C et octoageno 
Octavo faci Wuring memor es Bonefaci. 
Ann. Agripp. a. 1288, SS. XVI, 737. 


. Anno milleno biscenteno duodeno 


A duce victa fuit Legia quanta fuit. 


27. 


28. 


29. 


31. 


32. 


33. 


34. 


24 


Exeidii gestis crucis est inventio testis, 
Festo namque crucis urbs ruit en celebris. 
Ascensus Christi se festo iunxerat isti, 
Dux in Marte tuo festa fuere duo. 
Ann. Parchens, a. 1212, SS. XVI, 606. 
Anno milleno bis centeno duodeno 
Per mundum pueri vadunt loca sacra tueri. 
Ann. Leob. a. 1212, Pez I, 802. 
Anno milleno bis centeno minus uno 
Res dietu mira, pro pane Dei caro visa 
Creditur Augustae; sit ob hoc tibi gloria, Christe! 
Chron. Elwac. a. 1199, SS. X, 37. 
Anno milleno CCC, bis quoque deno 
Et bino, sancto Wenetzlay quoque festo 
L. rex prevaluit, F. rex cito vinela subivit, 
Sic quoque preclarus dux Heinrieus frater eius, 
Turbaque baronum vinclatur magna suorum ete. 
Contin. canonic. S. Rudberti Salisb. a. 1322, SS. IX, 823 
Anno milleno CD semel Lque secundo 
Carolus rex Svecie predo fuit Scanie. 
P. Olai ann. a. 1452, Langeb. SS. I, 195. 
Anno milleno CD simul X triplicato, 
Anglica Philippa Wadsteen dormit tumulata 
In festo regum, linquens mundi data legum. 
P. Olai ann. a. 1430, Langeb. SS. I, 194. 
Anno milleno D quater et semel octo, 
Septembri mense, XXIII die, 
Leodii gentes lacrimosi nunc modo flentes, 
Sunt gladio caesi, corporibus undique laesi, 
Per Hollandrinos prostrati Burgundiosque, 
Triginta milia quinque plus adde virorum. 
Andr. Ratisb., Ece. I, 2129. 
Anno milleno C septenoque vigeno 
Walckenred struitur, Christus ubi colitur. 
Engelhus. Imper., Mader 61. 
Anno milleno C ter uno septuageno, 
Nocte puellarum monos et data mille sacrarum 
Muros conscendunt, Luneburg subvertere tendunt, 
Sie oceiduntur, velud in sacco capiuntur. 
Korner a. 1371, Ecc. II, 1119. 


. Anno milleno centeno bis duodeno 


Friburg fundatur, Conradus dux dominatur. 
Engelhus., Leibn. SS. II, 1098. 


Anno milleno eenteno bis duodeno 
In Premonstrato formatur candidus ordo. 
Can. Sambiens. ann. a. 1124, SS. XIX, 700. Ann. Dune- 


mund. a. 1124, SS. XIX, 708. Ep. gest. Pruss., SS. rer. 
Pruss. II, 279. 


25 


31. Anno milleno centeno bis duodeno 
Sub patre Nortberto Praemonstrati viget ordo. 
Andr. Ratisb. Ece. I, 2075. Chron. Osnabr., Meib. II, 210. 
Engelhus, Leibu. SS. II, 1097. Flor. v. Wevelink, Chron. 
Münst., Münft. Geld. Du. I, 106. 
38. Anno milleno centeno cum nonageno 
Tune Almanorum surrexit nobilis ordo. 
Can. Sambiens. ann. a. 1190, SS. XIX, 700. Ep. gest. Pruss., 
SS. rer. Pruss. II, 279. 
39. Anno milleno centeno quo minus uno 
Jerusalem Franei capiunt virtute potenti. etc. 
Ann. Elwang. a. 1099, SS. X, 19. Chron. Elwac. a. 1099, 
SS. X, 35. Ann. Zwifalt. maj, a. 1099, SS. X, 55. Cod. Paris., 
SS. XXII, 365. Ann. Admont. a. 1099, SS. IX, 576. Contin. 
Claustroneoburg. prima a. 1099, SS. IX, 609. Chron. 
Urspergense a. 1189, SS. XXIII, 363. 
40. Anno milleno centeno septuageno 
Anglorum primas corruit ense Thomas. 
Ann. Eloon. maj. a. 1170, SS. V, 15. Auctar. Vindob. a. 
1170, SS. IX, 723. 


41. Anno milleno centeno septuageno 
Septeno donis claruit urbs Veneta etc. 
Andr. Dandolo 31, Murat. XII, 304, 
42. Anno milleno centeno ter quoque quino 
Silyam Welponis perfudit linpha cruoris. 
Ann. Dunemund. a. 1115, SS. XIX, 709, 
43. Anno milleno centeno ter quoque quinto 
Silvram Welfonis perfuderat unda cruoris 
Salvi Saxones Francones atque Thuringi, 
Henrici regis exereitus est superatus. 
Engelhus Imper., Mader 55. 
44. Anno milleno centeno terque triceno, 
Hiis quinquaginta si misces, tunc bene disces, 
Austria quod tota sit principibus viduata, 
Terraque cornuto discet servire tributo. 
Ann. Stad. a. 1246, SS. XVI, 371. Otto Frising. cod. 10, 
SS. XX, 104. Auct. Vind. a. 1260, SS. IX, 724. Detmar 
a. 1246, Grant. I, 123. Komer a. 1248. Ecc. II, 888. 
45). Anno milleno centeno tessera deno 


Et septem pariter ceperat istud iter. 
Ann. Elwang. a. 1147, SS. X, 19. Chron. Elwac. a. 1147, 
SS. X, 36. Chron. Urspergense a. 1189, SS. XXIII, 363. 


45a. Anno milleno C eum primo nonageno 
Bernnam fundasse dux Berchtoltus recitatur. 
Ann. Bernenses a. 1191, SS. XVII, 271. 
46, Anno milleno cum centeno minus uno 


Iherusalem scribo captam duce sub Godefrido. 
Ann. Stad.a. 1099, SS. XVI, 317. Ann. Albian. (= Hamb. SS. 
XVI) a. 1099, Langeb. SS. I, 202. Korner a. 1099, Ecc. II, 634. 


26 


47. Anno milleno ducenteno duodeno 
Ad mare stultorum tendebat iter puerorum. 
Herm. Altah. ann. a. 1212, SS. XVII, 386. 
48. Anno milleno ducenteno duodeno 
Signati pueri vadunt loca sancta tueri. 
Auctar. Vindob. a. 1212, SS. IX, 723. Contin. praedic. 
Vindob. a. 1212, SS. IX, 726. 
49. Anno milleno ducenteno nonageno 
Octavo, sancti Processi et Martiniani, 
Rex fuit Adolfus pro regni sede necatus. 
H. de Rebdorf a. 1298, Boehmer Fontes IV, 509. 
50. Anno milleno ducenteno quoque nono 
In Viti festo Lubek perit igne molesto, 
Quinque tantum edes remanserunt ibi stantes. 
Detmar. a. 1276, Grant. I, 153. Korner a. 1209; it. 1276, 
Ecc. II, 832; it. 927. 
5l. Anno milleno, duo CC septemque viceno 
In fontis capite cecidit gens Danica lite, 
Magdala quando pia scandit super astra Maria. 
Hie quoque tune gratus fratrum fuit ordo locatus, 
Et datur, o Criste, locus aptus fratribus iste. 
Lerbeck, Meibom I, 510. Kormer a. 1227, Ecc. II, 859. 
52. Anno milleno, quarto quoque, si bene penses, 
Ac octogeno sunt orti Karthusienses. 
His ortum tribuit excelsus Bruno magister, 
Consul hie inde fuit papae pariterque minister. etc. 
Andr. Ratisb. Ecc. I, 2072. Anon. Leob. a. 1092, Pez 
I, 775 (nur Bers 1 und 2), 
53. Anno milleno quatrincentenoque deno 
Prutenorum vis it Kracoviensium ab ense. 
Ann. Veterocell. a. 1410, SS. XVI, 46. 
54. Anno milleno ter C bis decemque secundo, 
Quando Wenezlai clerus canit ac Adonai, 
Tune rex Ludwieus conflixit cum Friderico, 
Quem captivavit, Australes et superavit, etc. 
Ann. S. Udalr. a. 1322, SS. XVII, 436. 
55. Anno milleno ter C bis X duodeno 
Tune fuit in Reno de multo copia vino. 
Quod dieebatur bodewiin. 
Ann. Agripp. a. 1332, SS. XVI, 737. 
56. Anno milleno, ter C, LX, duodeno 
Margar Zusatum laeso fuit igne crematum. 
Chron. Osnabr., Meib. II, 221. 
57. Anno milleno ter C quater X quoque bino 
In Jacobi festo magni Reni memor esto. 
Ann. Agripp. a. 1342, SS. XVI, 737. 
58. Anno milleno ter C sic septuageno 
Quinto, profesto Crispini, tune memor esto 


59. 


66. 


67. 


68, 


27 


Valdemar decessit rex, cum Christo requieseit. 
P. Olai ann. a. 1375, Langeb. SS. I, 192, 

Anno milleno ter C, X depone primi 

Fratres marini incurrunt forma peregrini. 
Ann. Agripp. a. 1309, SS. XVI, 737. 

Anno milleno tercenteno quoque seno 

Et quinquageno denascenti bene Christo 

In sancti Lucae festo fit motio terrae, 


Hac Basilea cadit, mortem gens acrius adit. 
Ann. Matseen. a. 1356, SS, IX, 830. 


. Anno milleno ter centeno quoque seno 


Hic in pyr vertit templum conversio Pauli. 
Ann. Engelb. a. 1306, SS. XVII, 280. 


. Anno milleno ter centum ter quater uno 


Austria quos pavit, hos ense Bavaria stravit 
Martiris in festo Theodori; sic memor esto. 
Gamelstorf villa felieior ergo sit illa. 
Ann. Ensdorf. a. 1313, SS. X, 8. 
Anno milleno triceno parque secundo 
Bavarie terre domini tune imposuere 
Pro capite talem stewram pecudum generalem 
X bis bos et equus pecus hoc x datque iumentum, 
Nummos tres poreus dat, ovis, caper ac similiter agnus, 
Sed non habens annum animal non dat preter agnum. 
Cont. Herm. Altah. a. 1302, Böhm. III, 560. 
Anno milleno treceno quoque trino 
Philippi festo nivis venti memor esto 
Et marescentes segetes facte virentes. 
Ann. Veterocell. a. 1303, SS. XVI, 44. 
Anno milleno tricenteno minus octo 
Est per Flandrenses Hayonia suppeditata, 
Cum cujus comite capto Franci remeare. 
Tractat de pace discurrens inter eos dux. 
Ann. Blandin. a. 1292, SS. V, 34. 
Anno milleno trecenteno minus uno 
In Julii mense rex Adolphus cadit ense. 
Per manus Austriani, Processi et Martiniani. 
Mathias Nuewenb., Böhmer Fontes IV, 170. Joh. Latom. Catal. 
archiep. Mogunt. a. 1299, Mencken III, 523. Eyr. Spangen- 
berg, Sächſ. Chron. a. 1298, p. 468. 
Anno milleno tricentenoque triceno 
Quinto sub ternis Novembri mense Kalendis 
Affuit absque mora tempeste noctis in hora 
Turba ventorum, que fundamenta domorum 
Valde quassavit et campanilia stravit etc. 
Notae Colbaz., SS. XIX, 719. 
Anno milleno trecenteno quoque deno 
Secta fuit ficta Leyson fratrum maledicta. 
Lerbeck, Meib. I, 514. 


28 


69. Anno milleno trecenteno quoque quino 
Vredberch in patria sunt maxima signa peracta, 
Festum sanctarum dum coluit plebs animarum. 
Tune pluit ignitas de celi culmine petras; 

Urna velud una fuit harum eversa ruina; 
In qua parte pluit, terra perusta fuit. 
Ann. Colbaz., SS. XIX, 716. 

70. Anno milleno tricenteno quadrageno 
Octavo, Pauli Conversio cum fuerat tunc, 

Terre motus erat et clara luce lucescat. 
Versus Babenb., SS. XVII, 640. 

70a. Anno milleno tricenteno quoque seno 
Et quinquageno de nascenti bene Christo, 

In sancti Luce festo fit motio terre, 
Hac Basilea cadit, mortem gens acrius adit. 
Ann. Matseens., SS. XI, 830. 

71. Anno milleno trecenteno sine bino 
Mars creat Albertum regem, nece stravit Adolfum; 
Judeos sub eo mactavit tempore Franco. 

Versus Babenb., SS. XVII, 639. 

72. Anno milleno trecenteno vicesimo nono 
Idibus Augusti ternis, simul hii duo justi 
Facti sunt digni propter suspendia ligni 
Et penam mortis celestis munere sortis. 

Istorum preeibus nos munda, Christe redemptor, 
A vieii fecibus, pene mortisque peremptor. 
Ann. Colbaz., SS. XIX, 718. 

73. Anno milleno trecentis bis minus anno 
In Julio mense rex Adolfus cadit ense. 

Eyr. Spangenberg, Sächſ. Chron. a. 1298, S. 468. Paral.chron. 
Ursperg. ed. 1609 ©, 342. 

74. Anno milleno tria C des et tria deno, 

Tune obiit Henricus cesar, pietatis amicus. 
Engelhus, Leibn. SS. II, 1125. 

75. Anno milleno tria C nono quadrageno 
Gens perfidorum concrematur Judeorum; 

Et flagellantes per mundum suntque meantes, 

Clerum pervertens, fidem non recte tenentes. 

Marchio Volmarus cum Saxone regnat avarus; 

Marchio Friderieus moritur virtutis amicus. 
Versus Babenb., SS. XVII, 639. 

76. Anno milleno tria C quadrageno secundo 
Braxedis tantam Babenberch homo vidit undam: 
Multos submersit, turrim cum ponte depressit. 

Versus Babenb., SS. XVII, 639. 

77T. Anno milleno tria C quater X quoque nono 

Sunt interfecti Judaei die Benedicti. 
Andr. Ratisb., Ecc. I, 2105. 


18. 


19, 


81. 


82, 


86. 


87. 


29 


Anno milleno tria C tricesimo primo 
Babenberch feroces prostravit Steph regis hostes ; 
Streczinweg pugnam perfidei monstrat iniquam; 
Pacem spreverunt, trinitati sic perierunt. 

Versus Babenb., SS. XVII, 639. 

Anno milleno tria C tricesimo quinto 
Nareissi festo venti rabiem memor esto. 

Versus Babenb., SS. XVII, 639. 

Anno milleno tria C viceno secundo 
Recta potestate Ludewicus rex superavit 
Australem ducem Wenezsalay Fridericum. 

Versus Babenb., SS. XVII, 639. 

Anno monos mille cum quadraginta ducentis 
Eclypsim ponas Octobris pridie Nonas. 

Chron. Magn. presb. cont. a. 1241, SS XVII, 528. 
Anno quo Christus de virgine natus, ab illo 
Transierant mille decies sex tresque subinde, 
Pisani cives celebri virtute potentes 


Ecclesie matris primordia dantur inisse etc. 
Ann. Pisani a. 1063, SS. XIX, 238. 


. Annos Verbigene MD semel X legis octo 


Tegmine sub cupri noseitur aula tegi 
Roskildis, summa Christierno sceptra tenente, 
Antistes Lago doctor et ingenuus. 
P. Olai ann. a. 1518, Langeb. SS. I, 196. 


. Annus ab humano Christi millesimus ortu 


Et decies denus sublatis quinque meabat, 

Tum populo blandis quem mittit Gallia campis 

Curia solemnis Clara mandatur in urbe. 
Chron. Elwac. a. 1095, SS. X, 35. 


‚ Annus erat Domini millesimus atque ducenta 


Quattuor et quinque, junge triginta simul; 
Tereia lux Junii metibus doloribus orbem 
Involvit, gemuit territus omnis homo. 
Non fuit hoc mirum; periit lux clara diei, 
Est radius solis visus et ipse mori etc. 
Barthol. Scrib. ann. a. 1239, SS. XVIII, 190. 
Annus erat Domini semel MCDque secundus 
Roskildis Jubileus ovans donis fit habundus. 


‚ Stella cometa rubet satis ingens nec sine signis etc. 


P. Olai ann. 1402, Langeb. SS. I, 193. 

Annus millenus centenus septuagenus 
Primus erat, primas quo ruit ense Tomas. 
Quinta dies natalis erat, flos orbis ab orbe 

Vellitur, et fructus incipit esse poli. 


Rob. de Monte Chron. a. 1171, SS. VI, 519. Die beiden erften 
Berfe Ann. Hamb. SS, XV], 382, Brem, XVU, 856. Bgl. Nr. 40, 


30 


87a. Annus millenus, centenus et octuagenus 


88. 


89. 


90. 
91. 


92. 


93. 


94. 


95. 


96. 


96a. 


97. 


98. 


Septimus in fine Julii vincis, Saladine. 

Ann. Veterocell. 1187, SS. XVI, 43, vgl. 113. 
Annus millenus centenus septuagenus 
Ternus erat Christi, quod Colbaz facta fuisti. 

Notae Colbaz., SS. XIX, 719. 

Augustae corvum hoc tempore vidimus album; 
Illo candidior nulla columba fuit. 

Ann. August. a. 1086, SS. III, 132. 

Augustus moritur; fugit hinc pax, lis reparatur. 

Ann. Zwifalt. maj. a. 1198, SS. X, 57. 

Austri vexillum virtute Dei necat illum, 
Qui rex ante fuit, jam necis arma luit. 
Contin. Vindob. a. 1298, SS. IX, 721. 
Bellicus antistes pugnaci cohorte Lupoldus 

Imbelli movit bella cruenta papae. 
Auxilio fretus regis quandoque Philippi, 
Qui lupus ante fuit, denique factus ovis. 

Joh. Latom. Catal. archiep. Mog. a. 1209, Mencken SS. III, 514. 
Berno, Brunwardus, Fridericus, Teodericus 
Wilhelmus, Rodolfus. 

Ann. Stad. a. 1249, SS. XVI, 372. 

Bis duo C post M Burckhart trigintaque septem 
Hobnstein prostrabat, vinclis injuste gravabat 
Semipolis cives, sed et armigeros et heriles, 

Hujus consortes, Stolberg, Schwartzburgque cohortes. 

Cyr. Spangenb. Sächſ. Ehron. a. 1437, p. 543. 

Bis quinquaginta cum septem bisque triginta 
Cum male prostratum fuit M gaudendo levatum. 
Ann. Placent. Guelf. a. 1167, SS. XVII, 418. 
Bis quinquaginta duos cum septem bisque triginta 
Cum mille prostratum fuit Mediolanum gaudendo. 
Manip. Flor. 201, Murat. SS. XI, 648. 
Bis sexcenti septuaginta tresque stetere 
Anni, Lausannae dum sex et papa fuere. 
Nauclerus p. 965. 
Bis sex centenus annus Domini quadragenus 
Est et tredenus tibi, Flandria, vulnere plenus; 
Nam Zelandia te vicit, censum tulit a te 
C prima mensis Julii fuit hie ferus ensis. 
Ann. Blandin. a. 1253, SS. V, 31. 
Bis sexcentos septuaginta tres noto Cristi 
Annos, quando rex factus, Rudolfe, fuisti, 
Frankaefurt festo Michahelis stemate septus, 
Magnatum regni Romani culmen adeptus. 
Papa sedet decimus Gregorius; hie quoque primus 
Ruodolfus rex est, si gesta notare velimus. 
Cod. Paris. SS. XXI, 367. Conradi de Morae Commenda- 
titia, Kopp Acta Mur. 5.312. Felix Faber, Hist. Suev. I, 13 


9%, 


100. 


101. 


10la. 


102. 


103. 


104. 


107, 


31 


Caesar ab hoc mundo migravit tereius Otto, 
Vivat ut in celis, ubi vivit quisque fidelis. 
Cosmae Chron. Boem. a. 1002, SS. IX, 58. 
Caesar Friderieus primo bonus, hine iniquus, 
Annis terdenis regnat, tribus associatis, 

Post mille duo CC solo L ruit ipse. 

Joh. Craws, Mader Ant. Brunsw. p. 98. 
Caesaris Henrici mortem plangamus amici. 
Qualiter hie vitam finivit per Jacobitam. 
Per corpus Christi venenum tradidit isti. 
Hic in laude Dei moritur in Bartholomaei, 
Est Pysani latus et cum fletu tumulatus 
Auno milleno trecenteno ter deno. 

Mart. Fuld., Ece. I, 1722. 

Cesar Ludwicus princeps pacis et amicus 
Venandi studio obiit lapsus ab equo. 

Ann. Halesbr. SS. XXIV. 

Celtica Roma dehine voluit cepitque vocari, 
Augustidunum demum concepta vocari, 
Augusti montem quod transfert Celtica lingua. 

Sigeb. V. Deod. 17, SS. IV, 477. 


Christi post annos MC duo septuaginta 

Octo, die terna post festum Bartholomei 

Rex fuit oceisus a Roma. rege Bohemus. 
Ann. Siles. sup. a. 1278, SS. XIX, 553. 

Christum millenos natum centumque sub annos 

Ili credebant qui Jerusalem capiebant. 

Lux prior Aprilis nam phase tunc dedit illis. 
Auctar. Garstense, SS. IX, 568. 

Circulus annorum post sexaginta duorum 

Mille cum centum patet M. digammate vietum. 
Ann. Colon. max. a. 1162, SS. XVII, 775. Ann. Placent. 
Guelf. a. 1162, SS. XVIII, 413. Manip. Flor. 189, Murat. 
SS. XI, 643. | 


.Coneilium fit Lugduni; gens Tartara sacre 


Jura subit fidei, fit gratia consona Rome. 
Ann. Veterocell. 1275, SS. XVI, 44. 


« Concilium Rome famosum, grande, celebre 


Hac fuit etate, caruit tamen utilitate. 
Ann. Zwifalt. maj. a. 1179, SS. X, 56. 


Congreditur bello Tuwingin Welp cum palatino. 
Ann. Zwifalt. a. 1164, SS. X, 56. 


1072. Consilium vanum destruxit Mediolanum. 


108, 


Ellenhard, SS. XVII, p. 137. 


Crispini eis cras Margareta necis bibit urnas. 
P. Olai ann, a. 1412, Langeb. SS. I, 199, 


109. 
110. 


III. 


112. 


113. 


114. 


1144. 


115. 


116. 


1164. 


117. 


118. 


119. 
120. 


121. 


32 


ide: Sr post cras noster — fit Erick mas. 
. Olai ann. a. 1406, Langeb, SS. I, 193, 
Cruda virensque Deo Kerhilt, seniore sed aevo, 
Fungitur in claustris reserans ergastula carnis. 
Ann, Sang. maj. a. 1008, SS. I, 81. 
Cum fuerint anni transacti mille trecenti 
Et deciens seni post partum virginis alme, 
Tune anticristus regnabit demone plenus. 
Notae Colbaz., SS. XIX, 720. 
Cum quinquagenus Domini tibi ducitur annus, 
Tercia pars hominum transiit ad Dominum. 
Lerbeck Chron. ep. Mind. 31, Leibn. SS. II, 191. 
Cum Salvatoris venientis transit ab horis 
Annus millenus centenus et octoagenus 
Septimus, in fine Julii vincis, Salatine, 
Et servit fano Jerosolima capta profano. 

Contin. Cremif. a. 1187, SS. IX, 547. Bgl. Nr. 87a. 
De Reme claustrales Vlotow quando redierunt, 
Ducenti mille bis quadraginta vel octo 

Sunt anni Domini, Prothasiique dies. 

Lerbeck Chron. ep. Mind. 31, Leibn. SS. II, 185. 
Dudum passa scacum mactavit Aquis Juliacum, 
Dumque Quiris peditem captat, capit ipse Quiritem. 

Chronic. Sampetrinum a. 1277, ed. Stübel p. 117. 
Dum nongentenus terdenus ducitur annus 
Exstitit a Christo, tunce rex magnus fuit Otto. 
Magdeborch anno fuit huius structura secundo. 

Lerbeck Chron. ep. Mind. 11, Leibn. SS. II, 166. Chron. 

Mind., Meib. I, 559. Anon., Mader Ant. Brunsv. 160. 
Dum viget Hermannus Pragensi pontificatu, 

Est sublimatus Silvester presbyteratu. 

Mon. Sazav. cont. Cosm. a. 1116, SS. IX, 155. 

Dux Bertoldus obit, ventus quoque plurima lesit. 

Ann. S. Trudperti 1218, SS. XVII, 293. 

Dux post M post C post nonaginta novemque 
Bardewik destruxit, Simonis sol quando reluxit. 

Lerbeck, Meib. 1,507. Engelhus, Leibn. SS. II, 1105; Imper., 

Mader 71 (septuaginta). Chron. Osnabr., Meib. II, 214. 
Dux puer en patribus apponitur hie Heremannus, 
Signa capit tum res vir huieque sororius Ernest. 

Ann. Sang. maj. a. 1012, SS. I, 82. 

Ecce fames qua per saecula non sevior ulla. 

Ann, Sang. maj. a. 1005, SS. I, 81. 

Eece Moguntinae almae dat episcopus urbis 
Culmen metropolis, quod erat tibi Quarmatiensis. 

Joh. Latom. Catal. archiep. Mog. a. 729, Mencken III, 2147. 
Eelypsis solis, undenis facta Kalendis 
Octobris mensis, mansit ferme tribus horis. 

Ann. Zwifalt. maj. a. 1093, SS. X, 54. 


129, 


130. 


131. 


132. 


133. 


134. 


33 


. Ein M, drey Wörste, ein L, twe X, Otto Förste, 


Eins myn, ek melde, all’ hilgen wint Alevelde. 
Engelhus, Leibn. SS. II, 1130. 


. Eine Meyse, drey Creyen, drey Vinken, viset den hunger 


Engelhus, Leibn. SS. II, 1125. 


. En septingentis octoginta simul annis 


Eeclesiae Mindae locus aptus conditur inde. 
Anon. b. Mader, Ant. Brunsv. 160. Chron. Mind., Meib. 
I, 555 (1 Heram. mehr). 


. Ense Geroldus obit presul, dum dimicat ense, 


Perplacet ergo chorum, non adiisse forum. 
Joh. Latom. Cat. archiep. Mog. a. 723, Mencken SS. III, 438. 


. Est Schowenborch natum MXXX tribus initiatum. 


Lerbeck, Chron. ep. Mind. 15, Leibn. SS. II, 169. Chron 
Mind., Meib. I, 561. 


. Exiit Aprilis bis quatuor ante Kalendis 


De muris urbis plebs tristis Mediolanensis. 
Manip. Flor. 189, Murat. SS. XI, 643. 


. Exurgunt reges Algard, Kynstod, duo fratres, 


Cumque subintrarent Sambenses et spoliarent, 
Mox juncti pariter, Winricus nempe magister, 
Schindkop marscalcus, preceptores simul ejus 
Hos debellarunt, captis multisque, necarunt 
Ex his undena perversis milia plena, 
Sed proh, marsalcus tune corruit, ut leo vivus. 
Conr. Bitschin, SS. rer. Pruss. III, 480. 
Filius eximii Frideriei nascitur in Lipczk, 
Dietus voce patris, indole consimilis. 
Ann. Veterocell. a. 1412, SS. XVI, 46. 
Gurgitis exigui rex invietus perit hie vi, 
Sceptri sublimis fata stupenda nimis. 
Ann. Zwifalt. maj. a. 1191, SS. X, 57. 
H. quartus mille tria C minus X obit ille 
Mangnus in hiis annis Sle. Cra. San. dux Johannis. 
Ann. Siles. sup. a. 1290, SS. XIX, 553. 


Hamborch, du bist erenvast, 

De van Lubeke voren den badequast. 
Chron. d. Nordelb. Sass. a. 1427, Duell.» Samml. d. ſchlesw.⸗ 
Helft. Gef. III, 126. 

Heinrich in Italiam, lecto quoque milite, Romam 

Egre spectatus fertur caesarque creatur. 

Compositis rebus, velut aestimat, inde reversus, 

Ipsius et terrae populi mox defieit a se 

Pars, post Hartwinum jam sceptra diu temerantem. 
Ann. Sang. maj. a. 1013, SS. I, 82. 


Henricum gentes regem multe pavitantes, 


Hic censu ditat Grecus, hie Apulus diademat. 
Ann. Zwifalt. maj. a. 1194, SS. X, 57. 


XVIIL. 3 


135. 


136. 


137. 


138. 


139. 


139a. 


140, 


141. 


143. 
144. 


34 


Hie quatitur totus terrae globus undique motus, 
Horrida ceu fissis portenta sonant in abyssis. 
Ann. Sang. maj. a. 1021, SS. I, 82. 
Hie situs est Nero, laycis mors, vipera clero, 
Devius a vero, cupa repleta mero. 
Vit. pont. Baluz., Murat. III, 2, 548. Henr. de Hervord. 
a. 1341. (Korner a. 1343, Ecc. Il, 1062). Gyr. Spangenb., 
Querf. Chr. S. 352. 
Hier is gekamen in dit Land 
Van Hallermont Bischop Willebrand, 
De hefft gebracht over ein 
Rodes, Reineborg, Wedegenstein, 
Chron. Osnabr., Meib. II, 245. 
Hince post M ter C superadde triginta monosque, 
In festo fratrum fuit hie incensio fratrum. 
Chron. Oldenb., Meib. II, 152. 
Hosti gentili data sancti terra sepulchri 
Hic est; mundus ob id totus in arma ruit. 
Ann. Zwifalt. maj. a. 1189, SS. X, 57. 
Ignibus est leta, pestes fert rara cometa, 
Nuncia bellorum mutat dyademata regum. 
Hist. ann. 1264 sqq., SS. IX, p. 649. 
Immo Verona dedit verumptamen vivere, Roma 
Exilium, curas Ostia, Luca mori. 
Bern. Guid., Murat. SS. III, 1, 476. Amalr. Aug., Murat. 
SS, II, 2, 375. Bgl. 148. 
In Christi sexta natalis maximus hora 
Est terre motus per mundi climata factus. 
Cujus in adventum liquido concussa fuerunt 
Omnia, que telus portat vel sustinet orbis, 
Anni cum Domini ceurrebant mille ducenti, 
His tamen adjungas bis denos atque bis unum. 
Ann. Placent. Guelf. a. 1222, SS. XVIII, 438. 


. In Julio mense rex Adolfus ceeidit ense 


Per manus Australis, Processi, Martiniani. 
us, Leibn. SS. II, 1124. gl. Mart. min. 1292, Eccard 
In Praemonstrato formatur candidus ordo. 
Engelhus, Leibn. SS. II, 1097. 
Insolito more tristes arsere cometae, 
Tempora longa quidem, per loca non eadem. 
Nunc medium mundi, nunc interiora sub austri, 
Nunc se post gelidos occeuluere polos. 
Consequiturque lues sine nomine corpora perdens, 
Visceribus fervens, inde cruore fluens. 
Ann. Sang. maj. a. 1013, SS. I, 82. 
Intonat arce poli, nostri jaculantur ab igni, 
Nemo tamen lesus, laus tibi, Christe deus. 
Ann. Sang. maj. a. 1000, SS. I, 81. 


35 


146. Juniis in nonis festum venerabile nobis 
Advenit, exultant fratres cum ceivibus in quo, 
Tune quia caelorum meruit Bonifacius alta 
Scandere, perpetuam mercatus sanguine vitam. 
Presbyt. Traj. V. S. Bonifacii a. 755, Jaffe, Bibl. III, 506. 
147. Jure dolet mundus, quod Jacobita secundus 
Judas nunc extat; mors cesaris hoc manifestat. 
Dum fuerint anni transacti mille trecenti 
Et decimi trini, crastino sancti Thimothei 
Ocecidit Heinricus infectus tabe veneni, 
Glorius imperator, Germane gentis amator, 
Justicie cultor, viduarum strenuus ultor. 
Ann. S. Udalr. a. 1313, SS. XVII, 435. 
147a.Kunig Wenczel waz ein liebt unde gab nicht schein, 
Dorumb ist er beraubt der eren sein. 
Ann. Hailsbr., SS. X, 10. 
143. Luca dedit lucem, Luei, tibi, pontificatum 
Hostia, papatum Roma, Verona mori. 
Chron. Urspergense 1183, SS. XXI, 359. Ann. Stad. a. 
1185, SS. XVI, 851. Bern. Guid., Murat. SS. III, 1, 476. 
Amalr. Aug., Ecc. II, 1746; Murat. SS. III, 2, 375. Anon. 
Leob. 1178, Pez I, 796 (abweidend). 
149. Lucifer et Luna cum dejicerentur ab una 
Mitra papati sub concilio generali, 
Quintus Alexander praecellens valde magister 
De Graecis natus est, Pisis papa creatus 
Post M CCCC quatuor, tria post haec si referas ter 
Lothan in festo, cuius sancti memor esto, 
Chron. Magdeb., Meib. II. 352. Engelhus, Leibn. SS. II, 
1138. Andr. Ratisb., Ecc. I, 2129. 
149a. Lucius hac luce discedens morte vocatus 
Urbano summam dimisit pontificatus. 
Ann. Zwifalt. 1186, SS. X, ©. 57. 
150, MCD, quater X sunt 8, Christoforus rex. 
P. Olai ann. 1448, Langeb. SS. I, 195. 
151. MCDXL quater X Christiernus morte ruit rex, 
His unum jungas Junii Kalendas. 
P. Olai ann. 1481, Langeb. SS. I, 195. 
l5la.MC sex decies annosque recollige binos, 
Tune Petrus sparsit istius odore libri nos; 
Addideris si forte novem, quod passio Thomae 
Pontifieis fit ibi, quem cantat Cantua pro me. 
Ann. Hamb. SS. XVI, 382. 
152. MC ter, L minus I nova crux surrexit Ebrei, 
Truncatur presul, Agrippinus perit exul. 
Ann. Agripp. a. 1349, SS. XVI, 738. 
153. M, C ter, X quater, quinque semel, Cosme quoque noctu 
Holla. Zelantque gemit, comitem quoque Frisia demit. 
Gesta abb. Trud. cont. III, 2, a. 1845, SS. X, 425. 


3 * 


154. 


160. 


161. 


162. 


163. 


36 


MD post Christum, Juliane luce secunda, 

Holsati sunt prostrati, dolo superati, 

Dytmaricus proprium dum vult defendere nidum. 
P. Olai ann. 1500, Langeb. SS. I, 196. 


. MDX gemina rex Danorum sceleratos 


Christiernus Suecos ense peremit heros. 
P. Olai ann. 1520, Langeb. SS. I, 196. 


. M ducenteno sexto quoque septuageno 


In Viti festo Lubek perit igne molesto. 
Detmar a. 1276, Graut. I, 153. Korner a. 1276, Ece. 
1I, 927. 


‚ M duo C sancta eonfertur erux Alemannis. 


Engelhus, Leibn. SS. II, 1112, 


‚.„ MetterC et L do schloch de doet de lude vill schnell. 


Chron. Osnabr. a. 1350, Meib. II, 221. 


. M semel et tria C simul octo rex patiturve 


Al. Romanorum, qui cecidit ense suorum 
Philippi Jacobi, rogo det veniam Deus illi. 
Mart. Fuld. a. 1308, Ecc. I, 1722. 
M simul et tria C, LL, X, I removete, 
Pasche luce reus Pragae perit igne Judeus. 
Engelhus, Leibn. SS. II, 1134. 
M ter C denis tribus X tribus I quoque quinque 
Annis locuste per Bawariam volavere. 
Ann. Matseen. a. 1338, SS. IX, 829. 
M. ter C LXVIII quondam cum scripta fuere, 
Oldenborgenses comites cecidere per enses 
Frisonicae gentis hostiliter hunc ferientis, 
Quo ruit armatus simul ipsorum comitatus. 
Hujus et obnixe miserere, Jesu crucifixe! 
Praxedis in festo caedis hujus memor esto! 


H. Wolter Chron. Brem., Meib. II, 67. Chron. Oldenb. a. 
1368, Meib. II, 159. 


M tercenteno cum nono septuageno 

Quae sata donat, si grandinat ira Dei, 

Mindae distrietus conterrent fulminis ictus, 

Penteque profesto quinta feria memor esto ! 
Chron. Mind., Meib. I, 569. Lerbeck, Chron. ep. Mind. 45, 
Leibn. SS. UI, 193 (3. 2 fehlt). . 

M trecenteno ter X quoque sub anno 

Aspice multorum fuit afflictus Judeorum. 
Ann. Agripp. a. 1330, SS. XVI, 737. 


. M tres X tria C post octo venere cicade. 


Engelhus, Leibn. SS. II, 1126. Eyr. Spangenberg, Sädjf. 
Chron. a. 1338, ©. 482. 


. Machmet paganos a fide fecit prophanos, 


Talmud Judeos, sed Huss decepit Bohemos. 
Non prophetarum praesagiis, sed poetarum 
Fabulis jam credunt, omnes a fide recedunt. 


37 


Salve nos, Christe, rex regum, tu benedicte, 
Quos redemisti sanguine de nece tristi! 
Andr. Ratisb., Ecc. I, 2143, 
167. Maxima tres annos pressit fames hine Alamannos. 
Ann. Zwifalt. maj. a. 1196, SS. X. 57. 
168. Mille ducentenis octogenisque duobus 
Annis Heinricus Simon Egidius Lodowieus 
Albertus capti sunt in Thorenburgque redacti. 
Insuper hoe ipso rex est Willelmus in anno, 
Frisonibus multis oceisis despoliatis 
Captis, translatus ac in Middelburg tumulatus. 
Ann. Egmund. a. 1282, SS. XVI, 479. 
169. Mille post annis duo C domini celebrantes, 
Sicut asseritur, cum tribus assoeiatur, 
Hoya dominium sumsit initium. 
Anon. b. Mader, Ant. Brunsv. 162. Bgl. 171. 
170. Mille quadringentis Augusto mense fit annis 
Bawarus electus Romanorum rex, homo rectus. 
Andr. Ratisb., Eec. I, 2125. 
11. Mille sub annis duo C domini celebrantur 
Hoye dominium sumpsit initium. 
Lerbeck, Chron. ep. Mind., Leibn. SS. II, 181. Chron. Mind. 
Meib. I, 508. gl. 189. 


172. Mille ter centeno, ter terno, bis quadrageno 
Matthie festo magne letis memor esto, 
Alberti regis captivi dum cadit egis, 
Dumque suus natus Ericus fit superatus, 
Cum tripliei comite, cum multo milite rite, 
Armigeri numerus quotus est, vix novit Homerus. 
P. Olai ann. a. 1389, Langeb. SS. I, 192. 
173. Mille trecentenis decies quinis simul annis 
Hie hominum necifex locat aör milia bis sex. 
Chronic. Sampetrinum a. 1350 ed. Stübel ©. 182. Cyr. 
Spangenberg, Sächſ. Chr. 1350, S. 491. 
174. Nille tribus demtis annis nonaginta ducentis 
In festo fratrum fuit hie inceptio fratrum. 
Chron. Oldenb, a. 1287, Meib. II, 152. 
175. Millenis quadringentenis uno minus anno 
Otto bellavit, Lymborch Vörst suppeditavit, 
Sunt captivati quasi centum connumerati. 
Engelhus, Leibn. SS. II, 1136. 
176. Millenis trecentenis bis quattuor annis 
In Majo mense rex Albertus perit ense 
Perque ducem Suevum Johannem. Rumor in evum. 
O Deus, hoc factum furtum fuit in Padis actum, 
Festum Walpurge facit hoc facimusque notare. 
Christus ab eternis defendat eum modo penis! 
Ann. S. Udalr. a. 1308, SS. XVII, 435. 
176a. Millenis trecentenis ete. ſ. oben 16. 


177. 


178. 


179. 


180. 


180a. 


181. 


182. 


183. 


184. 


185. 
186. 
186a. 


187. 


38 


Millenisque trecentenis sed sex minus annis 
Annus erat Christi quod Mergywolt facta fuisti. 
Tempus idem cunctas inibi serpentibus undas 
Infinita rane replebant flumina plane etc. 
Notae Colbaz., SS. XIX, 720. 
Milleno bis centeno cruce Teutonicorum 
Pallia signantur, cum regnavit pius Otto, 
Engelhus, Leibn. SS. II, 1112. 
Milleno bis centeno deno cadit anno 
Sevis seva, piis pia facit amica Mathildis. 
Ann. Parchens. a. 1210, SS. XVI, 606. 
Milleno bis centeno deno Minor ordo, 
Postea septeno coepit qui praedicat ordo. 
Engelhus, Leibn. SS. II, 1112. 
Milleno centeno quindeno ruit anno 
In Welpsholt mense Februo gens Saxonum ense. 
Ann. Veterocell. 1115, SS. XVI, 42. 
Milleno centeno quindeno necat anno 
In Welspholt fortes Heinriei Saxo cohortes. 
Hinc post quindenum strages Behem fuit annum 
Gentis Teutonice, fortesque ruunt ibi mille. 
Cod. Paris., SS. XXII, 366. 
Milleno ducenteno nono nonageno 
Remigii sunt suspensi bis quinque magistri. 
Engelhus, Leibn. SS. II, 1124. 
Millenum tricentenum quinum quoque denum 
Annum transactum die post verbum caro factum, 
Quum fame plere pecus ac homines periere. 
Post Noe non vere clades talesque fuere. 
Ann. Egmund. a. 1315, SS. XVI, 479. 
Moguntinensis, Treverensis, Coloniensis, 
Quilibet imperii fit cancellarius horum, 
Et palatinus dapifer, dux portitor ensis, 
Marchio prepositus camere, pincerna Bohemus: 
Hii statuunt dominum cunctis per secula summum. 
Mart. Oppav. SS. XXII, 466. Joh. Victoriens a. 1209, 
Böhmer Font. I, 326. Chron. Colmar. a. 1298, SS. XVII, 
267. Henr. de Hervord. a. 1000. Joh. Craws, Mader, Ant. 


Brunsv. 85. 98. der Sächſ. Weltchronif S.170N. Cod. Paris., 
SS. XXII, ©. 367, wo andere Stellen nachgewieſen. 


Mors populos stravit, subita quos peste necavit. 
Ann. Zwifalt. a. 1094, SS. X, 54. 
Motum dant Luce sex culi, quatuor ve. 
Ann. Marbac. a. 1356, SS. XVII, 179. 
Multi gaudebant, venit rex quando Rudolphus ; 
Plures plangebant, rex dum venisset Adolphus. 
Ann. Reinhardsbrunn. a. 1295, ed. Wegele ©. 273. 
Navibus instructis, remis velisque paratis, 
Transiit hoc anno mare, fisus milite multo, 


188. 


189, 


39 


Consul Willelmus multa virtute notatus; 
Anglos constanti victor virtute subegit, 

Et caput a scapulis regis mucrone revulsit ; 
Hoc ita perfecto, merito diademate sumto, 
Ipse coronatus, rex est de consule factus. 

Ann. S. Columb. Senon. a. 1066, SS. I, 106. 
Nomina bina bona tibi sunt, preclarus amictus, 
Papa Bonifacius modo, sed quondam Benedictus. 
Ex re nomen habe: benefac, benedic, Benedicte; 
Aut cito perverte: malefac, maledic, maledicte. 

Eberh. Ratisb. ann. a. 1303, SS. XVII, 599. Contin. 

Weichard. de Polhaim, SS. IX, 817. Korner a. 1343, Ece. 

II, 1062. 

Non est urbs Acharon, quam quilibet estimat Achon, 
Illa Philistea, Ptolomaida dieitur ista, 
Annal. Saxo a. 1105, SS. VI, 741. 


189a.Non intrant tuti, jussum papale secuti, 


190. 
191. 


1%, 


193. 


194. 


196, 


Nostri cornuti, nec prodest eornibus uti, 

Cum pressentur uti pecudes jaceantque voluti 

In squalore luti. Mors est vicina saluti. 
Ann. Hamb., SS. XVI, 382; cf. Ann. Thur. SS. XXIV, 40. 

Nox Cosme luxit Hollos, quos Frisia flixit. 
Gest. abb. Trud. cont. III, 2, a. 1345, SS. X, 425. 

Octo, C bis, mille venerabilis ineipit ille 

Ordo majorum, reverendus et ordo minorum. 
Engelhus, Leibn. SS. II, 1112. 

Octoginta ducenti necnon milia quinque 

Constant omnes anni tempus usque hoc Adam. 
Mar. Scot. Chron. a. 1098, SS. V, 560. 

Omne dieit Jesus fieri non stabile regnum 

In se dividuum et nil dissociabile firmum; 

Hinc dolus, anxietas, tibi, formosissima tellus, 

Hinc labor exoritur, quondam Pannonia felix. 
Ann. Fuld. V, a. 884, SS. I, 400, 

Orbem perstringens rex Carolus imperat ingens 

Post Christum CCCD jungas, et superadde 

Decem cum quatuor, Carolus rex moriebatur. 
Chron. Mind., Meib. I, 557. 


. Otto dux Renum tunc deserit et petit Enum, 


Nec trahit hie scacum Rudolfus itque Monachum. 
Contin. Vindob. a. 1298, SS. IX, 721. 

Otto Meraniae princeps, cognomine Magnus, 

Inspruck circumdat muris, et moenia fundat 

Tricesimo quarto post annos mille ducentos 


A nato Christo; privilegia dux dedit Otto. 
En. Widemann, Chron. Cur., Mencken III, 610. 


196a. Papatus munus tulit archidiaconus unus: 


Hune patrem patrum fecit concordia fratrum. 
Hermannus Gygas 1271}, ©. 129. 


40 


196b. Pervertunt cuncta simul haec duo schismata juncta 
Regum pontificum; nec novit amicus amicum. 
en chron. Moguntin. (1200), Jaffe Mon. Mogunt. 
197. Pestis regnavit, plebis quoque millia stravit, 
Insolitus populus flagellat se seminudus, 
Contremuit tellus, populusque crematur Hebraeus, 
Inclytus atque pius princeps obiit Fridericus, 
Fit terrae dominus Fridericus filius ejus. 
Eyr. Spangenberg, Sächſ. Ehron. a. 1349, ©, 491. 
198. Pipinus moritur, consurgit Karolus acer 
Natus in Ingelenheim, cui Berta fit Ungara mater 
Pipinusque pater; chronica vera patent. 
Be Leibn. SS. II, 1060. Andr. Ratisb., Ecc. I, 2044 
nur 5. . 
199. Pons fieri coepit, Domini dum annus incepit 
Mille centenus, tria decem semi quoque denus. 
Andr. Ratisb., Ecc. I, 2078, 
200. Post annos Domini sine binis mille trecentos 
Albertus dux Australis prostravit Adolfum 
Regem Romanorum, regno successit eidem. 
Engelhus, Leibn. SS. II, 1124. 
201. Post annos mille tria C tres X duo Christi 
Creverat tibi satis de vino, quod mere gratis, 
Vel nummis quinque vix urna dabatur in urbe. 
Versus Babenb., SS. XVII, 639. 
202. Post centum mille bis denos ordo fit ille, 
Quem per Nortbertum nos credimus esse repertum. 
Engelhus, Leibn. SS. II, 1097. 
202a. Post Christum natum tria C, tot X, quoque mille 
Signis impressis, Julio quoque tempore mensis, 
Frugis et arbusta devorat quoque foena locusta. 
Chron. Salisb., Canisius ed. Barnage III, 2, 491. 
203. Post M duo C post annos ter deca sexque 
Elisabeth sancta fuerat tunc canonizata. 
Engelhus, Leibn. SS. II, 1117. 
204. Post M post duo C post nonaginta monosque 
Harliberg capitur, moritur rex, dux superatur. 
Chron. Magdeb., Meib. II, 333. Engelhus, Leibn. SS. II, 
1122 (abweichend). 
205. Post M post duo C tres annos lustra bis octo 
Symonis et Judae Stargard est capta per hostes. 
Notae Colbaz., SS. XIX, 719. 
206. Post M post tria C post quatuor X et duoque 
Wisera per Mindam tumuitque magna per undam. 
Lerbeck, Chron. ep. Mind. 39, Leibn. SS. II, 190. Chron. 
Mind., Meib. I, 567. 
207. Post M post tria C post septuaginta quaterque 
Wesera crescebat Hamelen stratasque tegebat. 


41 


Post M post quinque C et V insuper adde 
Wesera crescebat Hamelenque viasque tegebat. 
Joh. de Polde Chron. ecel. Hamel., Meib. II, 517. 
207a. Presulis emeriti tunc et flatus Godehardi 
Carnem dimisit et celica regna petivit. 
Auctarium Ekkehardi Altahense, SS. XVII, 364. 
207b. Quando post decimam numeratur linea quarta, 
De Carlo Magno processit Gisila prudens. 
Wiponis Vita Chuonradi c. 4, SS. XI (Tetralog. v. 159. 160). 

Me. Quatuor exemptis et annis mille ducentis 

Idibus Aprilis Roma secunda ruit. 
Albriei chron. a. 1204, SS. XXIII, 882. 
208. Res fit mira nimis: puero ductore marinis 
Sedibus innumeri conveniunt pueri. 
Ann. Zwifalt. a. 1212, SS. X, 58. 

209. Rex oritur Salicus, Cuonradus nomine dictus, 

Si non in pejus perdurat adhuc genus ejus. 
Ekkeh. Chron. univ. cod. 5 a. 919, SS. VI, 175. 

210. Rex vir magnificus fit dux Pomerensis Ericus 
M quadringeno Domini nono quoque deno, 
Femariam freno vietor domuit alieno. 

Haffnis psalterium statuit rex ipse legendum 
Tempore perpetuo, quo Christus regnat in ewo. 
P. Olai ann. a. 1419, Langeb. SS, I, 194. 

211. Saxonici reges tunc coeperunt dare leges, 

Rex erat Heinricus inter quos nomine primus. 
Quae stirps regnavit, ad finem dum propiavit. 
Ekkeh. Chron. univ. cod. 5 a. 919, SS. VI, 175. 
212. Scandala nova cape, quia facti sunt duo pape, 
Scilicet Urbanus Rome et Clemens in Affinione. 
Ann. Zwifalt. a. 1379; cf. a. 1440, SS, X, 62. 63. 
213. Scandit ab R. Gerbertus ad R., post papa vigens R. 
Sigib. Gembl. a. 992. Ekkeh. cod. E a. 991, SS. VI, 191. 

214. Sepius afflicta capitur Jerosolima vieta 
Et turrem Davit pagana superbia stravit, 

Non pagana parum ruit et pars christianorum. 
Contin. Lambac. a. 1239, SS. IX, 559. 

215. Septimus et denus annus cum mille ducentis 
Naufragium France conspexit in equore gentis. 
Eripuit paucos fuga, sed multos mare mersit; 

Ense cadunt vel vincla gerunt, quibus unda pepercit. 
Henr. de Hervord. a. 1217, ©. 
216. Simonis excelsi sternuntur turbine luci. 
Ann. Agripp. a. 1332, SS. XVI, 737. 
217. Stedingi sexto Junii cecidere Kalendis 
Anno Gerhardi quinto decimoque secundi, 
Lippia pontificem quem tibi Brema dedit; 
M duo C quartus ter denus tune fuit annus. 
Chron. Osnabr., Meib. II, 212. Lerbeck, Meib. I, 511. H. 
Wolter, Chron. Brem. Meib. II, 59 (3. 3 fehlt; verftellt). 


42 


218. Stirps Karoli Magni, mundo venerabilis omni, 
Ante fuit clara, coepit demum fore rara. 

Leto delente paulatim deficiente, 
Successit primus Cuonradus nominis hujus. 
Ekkeh. Chron. univ. cod. 5 a. 919, SS. VI, 175. 
218a.Sublatis annis tredecim de mille ducentis, 
Hierusalem capitur et ea gens Turca potitur. 
Robertus Autis. ed. Camissaeus p. 91. 
218b. Snccessit non laude minor nec moribus impar, 
Forma gregisque vita clarus verboque Robertus etc. 
Albrici Chron. a. 1221, SS. XXIII, 912. 
219. Sunt fere necati quadraginta millia quinque. 
Eyr. Spangenberg, Sächſ. Ehron. a. 1115, ©. 358. 

220. Sunt M, C trinum, duplex X, I quoque binum 

Wenczeslayque jugum cadit Austria sub Wabarinum. 
Ann. Ensdorf. a. 1322, SS. X, 8. 

221. Sunt octingenti post partum virginis anni 
In numero, Karolus Rome dum regnat, et unus. 
Dum nongentenus tricenus septimus annus 
Exstitit a Christo, tune rex magnus fuit Otto, 
Madeburch anno fuit hujus structa secundo. 

Cod. Hamburgensis, SS. XXII, 365. 

221a.Sus fuit inventus, quo fixit castra juventus, 

In medio tergo lanam tulit; accidit ergo, 
Nomen ut aptarent Mediolanumque vocarent. 
Chron. Sampetrin. a. 1162, ed. Stübel ©. 32, 

222. Tempore quo Caesar sua Gallis intulit arma, 

Tunc Mediomatricam superavit Metius urbem. 
Sigib. V. Deoder. 17, SS. IV, 477. 

223. Ter C milleno sexageno quoque deno 
Adolphus dietus comes in Schomborg benedictus 
Octobris pleno surgente die duodeno 
Emisit flatum Domino gratum atque beatum. 

Chron Mind., Meib. I, 568. 

224. Terram Misnensem tibi, rex Adolfe, per ensem 

Subdis, sex denis ex arce Vriberg jugulatis. 
Ann. Veteröcell. a. 1296, SS. XVI, 44. 

224a. Tot Christi nati fuerant anni numerati 
Mille ducenteni decies sex ter quoque seni, 
Cum rex Otakarus vitam finivit avarus 
Atque Bohemorum quam plurima turba suorum. 

Contin. Lambacens., SS. IX, 561. 

225. Tres ubi crescit olus, nec erant tunc sydera, solus 

Abbas Albertus posuit radiantia quereus. 
Ann. Hamb. a. 1238, SS. XVI, 383. 

226. Tria C bis mille, quo tempore primitus ille 
Sumsit tunc ortum sacer ordo Praedicatorum 
Fundatur fratrum nihilominus ordo Minorum. 

Chron. Mind., Meib. I, 564. 


43 


. Turbine ventorum fit magna ruina domorum, 


Fabrica multarum confringitur ecclesiarum, 
Deeidit et euncti generis radicitus arbor. 
Clade famis dirae plures coepere perire, 
Saeviit in miseros nimium quae quinque per annos, 
Sex denis solidis emptus tritici corus unus. 
Eyr. Spangenberg, Sädjf. Chron. a. 1196, ©, 409. 


. Una Sunamitis nupsit tribus maritis. 


Rex Heinrice, ÖOmnipotentis vice 
Solve conubium triforme dubium! 
Annal. Saxo, a. 1046, SS. VI, 687. Ann. Palid. a. 1045, 
SS. XVI, 68. 
Undecies quinque junctis numeris cum mille ducentis 
Et tribus annexis duodecima nocte Novembris, 
Cum sine nube fuit celum nituitque serenum 
Luna diu latitans, cum debuit esse rotunda 
Visibus humanis se totam [subtrahit atra ?] etc. 
Ann. Januens. a. 1258, SS. XVIII, 241. 
Undenis demptis annis a mille ducentis 
Christus ut est natus, transit mare rex Fridericus. 


Ann. Elwang. a. 1189, SS. X, 19. Chron. Elwac. a. 1189, 
SS. X, 36. 


. Urbanus morte rerum summa spoliatur, 


Pro quo Gregorius in Petri sede locatur. 
Ann. Zwifalt. a. 1188, SS. X, 57. 


. Urtellus tumido profugus dat tecta Leoni 


Qui locuples terris exit inopsque suis. 
Joh. Otho, Episc. Brem. a. 1512, Mencken III, 813. 


Ut lateat nullum tempus famis, ecce cucullum 
(CVCVLLVM). 
Ann. Agripp. a. 1315, SS. XVI, 737. Ann. Marb. a. 1315, 
SS. XVII, 179. Lerbeck, Chron. ep. Mind. 38, Leibn. SS. 
SS. II, 190. Engelhus, Leibn. SS. II, 1125. Andr. Ratisb., 
Ecc. I, 2101. Korner a. 1315, Ecc. II, 982. Cyr. Spangen- 
berg, Sächſ. Chron. a. 1315, ©. 477. 


Ut valeas esse monachus, tibi crede necesse 
Rostrum porcinum, et dorsum fac asininum 


Osque columbinum, cor ovinum crusque bovinum. 
Ann. Ensdorf. a. 1322, SS. XVI, 8. 


234a. Victrix Roma dolet, nono viduata Leone, 


235. 


Ex multis talem non habitura patrem. 
De Vita Leonis IX. I, c. 14, Watterich Vitae pontif. 
Virginis a partu, Domini qui contigit ortu, 
Anno milleno centeno minus et uno 
Hierusalem Franei capiunt virtute potenti, 
Cujus magnifico regnum cessit Godefrido. 
Ann. Elnon. maj. a. 1099, SS. V, 14. 


44 


236. Vixit Alexander post concilium tribus annis, 
Et moritur, post quem Lucius eligitur. 
Ann. Zwifalt. maj. a. 1182, SS. X, 56. 
237. Westphalus a fallo de Feylen dicere mallo, 
Westphalus est sine re, sine pa, sine pi, sine vere. 
‚Engelhus, Leibn. SS. II, 1061. 


Die in vorftehendem Verzeichnis angeführten Stüde find im Fol= 
genden nad) den Jahren geordnet auf die fie jich beziehen, einige ohne 
bejtimmte Jahreszahl, die ſich leicht einordnen, in Klammern beigefügt, 
nur ſolche die jeden beſtimmten Anhalts der Art entbehren übergangen; 
wo zwei verſchiedene Ereigniſſe deſſelben Jahres vorkommen, ſie durch) 
einen Strich getrennt. G. ©. 


780: Nr. 124. 1177: Nr. 41. 

80: „ 221. az; „107. 

814: „ 19. (1182): „ . 236. 

86: „ 18. (1185): „ 149a. 

(919): „ 211 1187: „ 87a. 113. 218a. 
930: „ 118. (1188): „ 231. 

987: „ 21. 1189: „ 22.230.(130). — 
(1002): „ 99. (139). 

100: „ 17 (= 4). 1190: „ 38. 

1033: „ 126. 1191: „ 45a. 

(1054): „ 234a (1197)., 09. 

1063: „ 82 1199 „ 28. — 117. 
(1066): „ 187. 1200 „ 23. 171 (vgl. 173). 
1084: „ 52. — 157. — 178. — 
1095: „ 84. 226. 

1099: „ 39. 46. 235. 1203: „ 173 (f. 1200). 
1100: „ 1204: „ 207e. 

1115: „ 42.43.180a. 181.11208: „ 191. 

(219) 1209 „ 50. 

1120: „ 202 1210 „ 6. — 179. 

1124: „ 35. — 36. 37. 1212 „ 12. 27. 47. 48. 
1127: „ 33. (208). — 26. 
1130: „ 4. — 19(?). res „ 189a. 

11355: „ 19. 1217: „ 180. — 215 
1147: „ 8. san: „  116a. 

1162: „ 105. (127). — (1221): „ 218a. 

15la. 1222: „ 141. 

(1164): „ 106. 1227: „ 5l. 

1167: 95. 1234: „ 196. 217. 


m 98. 1236: „ 208. 
1170: „ 40. 1239:  „: 20. 85. 
„ 87. 1öla. 1240: 
„88. 1241: „ 


1310: 
1313: 


1315: 
1322: 


1329; 


1330: 
1331: 


2 2 3 232 33 202323 


a 3332 332 2053 


2 


2a 22 3 3 


= 
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| 


62, — 74. 101. 


3 
2 


2 za 2 2 2 2 2 2 3 3 3 zz 2232 2 2 2 3 2 2 


= 


za 2 33 3 2 3 3 3 2 zz 2 33 2 


x dar 
| 
& ee: 
= 
| 


153. 

101a. 

13. 0, 
75. 77. 182. 
158. 173. 
60. — 70a. 186. 
111. 

162, 

122. 

8. — 223. 
34. 

56. 

207, 

58. 

10. 

165. (212). 
9a. 

172. 

175. 

170, 

86. 

Sn. 
149, — 160. 
63. 

210, 

Bl. 

94. 


150. 


Zur Quellenkritik des Nauclerus. 


Von 


D. König, 


Die Chronif des feiner Zeit als Hector und Kanzler der Unis 
verfität zu Tübingen in hohem Anjehen ftehenden ſchwäbiſchen Hu— 
maniften Johannes Nauclerus hat vor Kurzem durch Eric; Yoachim ! 
die erfte fritifche Bearbeitung erfahren; manches bislang unbefannte 
Onellenmaterial ift bei diefer Gelegenheit zu Tage geihafft: ausführ- 
lihere Sindelfinger Annalen, eine in ihrer Zuſammenſetzung räthſel— 
hafte Chronik eines Jacob von Mainz, eine der fogenannten Klingen— 
berger Chronik ähnliche Gefhichtscompilation, und ſchließlich eine Chro— 
nit aus St. DBlafien. Eine eingehende und ſachgemäße Beurtheilung 
fand diefe durch ihren friichen Ton anmutende Monographie durch 
Reiland?, der manche Behauptungen Joachims zurückwies, andere 
auf ein bejcheideneres Maß zurüdführte und andere Fragen anfnüpfte, 
die zur erneuten Unterfuhung des Autors anreizten. 

Wir werden und daher in der folgenden Erörterung vornehmlic) 
mit den beiden Vorgängern zu bejchäftigen haben und hie und da eine 
von ihmen abweichende Anfiht zı begründen verſuchen. Wir be— 
ginnen? mit der 


Chronitvon St. Blajien. 


Vorläufig erfcheint fie in eim myſtiſches, wenn aud nicht Hoffe 
nungslofes Dunfel gehüllt. Diefes zu lüften muß Zrithemius dienen, 
freilih mehr in handlangerifcher Weife, al8 daß er felber den Knoten 
löſen Hilft. Trithemius und Nauclerus berühren fi) manchmal nahe; 
das „Wie“ ſoll Später gejagt fein. 

Zum Jahre 1360 erzählt Naucler den Feldzug, ben Kaifer 
Karl IV. im Verein mit Schwäbischen Neichsftädten gegen die Grafen 
Eherhard und Ulrich) von Wirtemberg unternahm, welche lettere mit 
Herzog Rudolf von Defterreich fich verbündet hatten. Trithem be— 


ı E. Joahim, Johannes Nauclerus und feine Chronik. 1874. Göttinger 
tt, 


ı Im der Hiftorifchen Zeitichrift XXXIV, ©. 423—430. 

Die Geſchichtscompilation des Jacob von Mainz wurde mit Abficht nicht 
weiter berührt, da der Ber. über fie im einem bejondern Aufſatz zu handeln 
gedentt, 

* Naucleri Chronicon, Coloniae 1589, S. 1015. 


XVII. 4 


Diffe 


50 


findet fi in feinen Annalen? — feine Chronit Hat diefe Nachricht 
nicht — teilweife in Uebereinftimmung mit Naucer. Dieſer citirt 
inmitten der Erzählung diejes Feldzugs eine Chronica S. Blasii, und 
©. 1016, nachdem er einige Artikel aus dem Friedensinftrument ans 
geführt hat, beruft er fich nochmals auf dieje feine Quelle, welche 
mehr derfelben enthalte. 

Ein beſonderes Intereſſe gewährt die Nachricht wegen eines 
Verstoßes gegen eine hiftorifche Tatfadhe, den v. Stälin in feiner 
Wirtembergiſchen Geſchichte? Schon bemerkt hat, ohne hier die Frage 
nad) dem Berwandtichaftsverhältnis zwiſchen Trithem und Naucler näher 
zu erörtern. Bei diefem heißt e8 ©. 1015: Anno Domini 1360. 
Eberardus comes de Wirtemberg preses Sueviae seu advoca- 
tus provincialis super 24 civitates imperiales a Carolo et ante- 
cessoribus suis imperatoribus constitutus, cepit easdem civi- 
tates illieitis exactionibus praegravare etc.; eine Bemerkung, 
weldhe in den Annalen des ZTrithemius zweimal (II, 240. 241) 
wiederfehrt. Hier Hat — und Stälin fchreibt Trithem den Fehler 
zu — eine Verwechſelung zwifchen der niederfchwäbiichen Land— 
vogtei des Grafen Eberhard und den fchwäbiichen Yandvogteien über- 
haupt ftattgefunden, von denen die oberjchwäbiiche damals der Graf 
von Helfenjtein bejaß. Indes noch weitere Differenzen finden fich : 
nad) Zrithem?, welcher hier mit dem Speirer Chroniftent die Bi— 
ihöfe von Conftanz, Augsburg und Speier als Friedensvermittler 
auftreten läßt, neunt Naucler an Stelle des Conftanzer den Biſchof 
von Straßburg. Beachtenswerth ift, daß in der Aufzählung der Frie— 
densbedingungen fich zwifchen Trithem und Naucler eine Kleine Ver— 
Schiedenheit findet. Wir bezeichnen zunächſt die Punkte, in denen fie 
übereinjtimmen : 

1) Die Grafen von Wirtemberg löſen ihr Bündnig mit dem 
Herzoge von Dejterreid). 

2) Eben diejelben leiften Verzicht auf die Reichsvogtei über die 
ſchwäbiſchen Reichsſtädte. 

3) Die Grafen ſollen den ſchwäbiſchen Städten zu Recht ſtehen 
vor dem Kaiſer oder ſeinem Stellvertreter. 

- 4) Der Herzog von Ted und der Schenk von Limpurg werden 
wieder zu Genaden angenommen wie alle übrigen Grafen der Gegen 
partei mit Ausnahme der Herzöge von Defterreid). 

5) Sicherheitverfprechen der Grafen von Wirtemberg für die 
Grafen, welche auf Seite des Kaijers ftanden. 

6) Nücgabe der Gefangenen und Auslieferung der eroberten 
Burgen und Feſten an die Grafen von Wirtemberg mit Ausnahme 
von Alen mit Zugehörungen, 


Ann. Hirs. II, 241. 242, 

Bd. III, 264 N. 4, 

Stälin a. a. O. III, 269 Nr. 2, 
Würdtwein, Noya subsidia I, 180. 


>» = wm 


51 


Die einzelnen Punkte des Vertrags find nicht in der gleichen 
Reihenfolge bei beiden angegeben; Trithem ijt im Einzelnen voll 
ftändiger und Hält fich offenbar mehr an den Wortlaut der Urkunde, 
deren Schluß er beifügt. Im Unterichied von Naucler hat er den 
Artikel befonders aufgeführt, nach welchem Graf Eberhard dem Reich 
und Karl IV. treu und gehorfam zu fein verjpricht; Naucler dagegen 
bemerft noch, daß das zu 3) Gefagte auch für die Söldner und Helfer 
der Grafen von Wirtemberg gelte, und daß dieſe ferner feine Grafen, 
Barone, Edle und Minifterialen in Sold nehmen dürfen, um fie 
gegen das Reich zu verwenden. Zu 4) erſcheint der Schenk von Lim— 
burg nicht in den Artikeln des Vertrages beim Trithem. 

Bergleichen wir jett mit dieſer Ueberlieferung die im deutjcher 
Sprache abgefahte Urkunde ?, jo bemerfen wir, daß diefelbe von beiden 
Schriftjtellern abweicht. Die Reihenfolge der Artikel in der vom 31. 
Auguft datirten Urkunde ift diefelbe wie bei Naucler, nur daß die 
Verzichtleiſtung der Grafen auf die Reichsvogtei und die Beſtimmung 
fi nicht findet, daß die Grafen aud) den von den Meichsftädten in 
Sold oder zu Hilfe genommenen Leuten zu Recht ftehen, feinen Grafen 
oder irgend einen andern Edlen in ihren Sold nehmen follten zum 
Kriege gegen das Reich und nicht gegen die Grafen, welche auf Seiten 
des Raifers geftanden hatten, ſich feindfelig zeigen wollten. Dagegen 
hat die Urkunde die bei Trithem gefundene Beftimmung, nad) der 
die Grafen von Wirtemberg Treue und Gehorfam gegen Kaifer und 
Reich versprechen, und außerdem noch einige Anordnungen, die wegen 
der Auslöſung gewiſſer Pfänder durc den Kaifer getroffen werden. 

Wir fehen, wie Trithem und Naucler nicht wie fonft har— 
moniren und auch nicht einmal alle Differenzpunfte fi) in dem Wort— 
laute der Urkunde auflöfen: wir find veranlaßt, für Zrithem und 
Naucer eine gemeinfame Vorlage anzunehmen, nicht etwa die Urkunde 
wie fie uns vorliegt, fondern eine Faſſung derjelben, welche der Autor 
* zu dieſem Jahre zweimal eitirten Chronik von St. Blaſien 
annte, 

Damit berühren wir einen neuen Punkt in der Quellenkritik 
des Naucler. Joachim? hat nur die Hinweifung der einen Stelle in 
einer für das vierzehnte Jahrhundert unbekannten Chronik von St. 
Blafien gefunden, welche uns belehrt, daß Kaifer Karl IV. am 28, 
Auguft mit feinen Böhmen Schorndorf, der Pfalzgraf Ruprecht Grü— 
ningen befetste: eine Stelle, welche eigentümlicher Weife mit denjelben 
Vorten in der Chronif Heinrichs von Diefjenhoven wiederkehrt. 
Joahims ganz gerechtfertigter Schluß, daf hier eine neue, bisher nicht 
gelamite Gejchichtsquelle vorliege, wurde von Weiland? gemißbilligt, 
weil die Chronif nicht ſpeciell St. Blafianifhe Nachrichten bringe, 
auch einmal Chronica ad S. Blasium heiße. Er bezweifelt, daß 


4* 


52 


„dieſem Klofter damals eine fo hervorragende Leiftung entjproffen“ 
fei, und vermutet daher, wegen der Uebereinftimmung der Nachricht 
mit Heinrich von Diefjenhovens Chronik, welche nad Lorenz! vom 
Sahre 1343 an als Gollectaneenarbeit anzufehen ift, ausgeführtere 
Reinſchriften derjelben, denen wir die der Chronik von St. Blafien 
zugefchriebene Nachricht zuzuweifen haben würden. 

Dagegen ift einzumenden, daß wir bei der fpärlichen Ueberliefe— 
rung das Fehlen St. Blafianifher Nachrichten gar nicht erweifen 
fünnen; auc find wir nicht berechtigt, dem mehrmals als Chronik 
von St. Blafien durch Naucler uns vorgeitellten Geſchichtswerk we— 
gen des einmal vorkommenden Ausdruces Chronica ad St. Blasium 
jenen Ursprung abzufprechen. Der legte Ausdrud kann doch mur 
befagen, daß die Chronik der Klofterbibliothel von St. Blafien ent- 
nommen it, fchließt aber durchaus nicht aus, daß diefelbe dort verfakt 
it. Naucler kommt uns felber mit eimem Beiſpiel analoger Aus: 
drucsweife zu Hilfe: ©. 811 Heißt e8: In hac generatione circa 
annum Domini 1100. inveniunturapud monasterium Hir- 
saugiense scripta cet., worunter der fogenannte Cod. Hir- 
gaugiensis, d. h. eine Chronik der Hirfchauer Aebte, verjtanden wird, 
die nad) Helmsdörfer ? Naucler hier benutt hat. Es ſcheint ſomit 
jene Bezeichnung eine Umfchreibung für die gewöhnliche Ausdrude- 
weife Chronica St. Blasii zu fein, und wir halten daher an ber 
Eriftenz diefer Chronif von St. Blafien feit, zumal es feltfan wäre, 
wenn der um Quellenmaterial nicht verlegene Naucler nur für den 
erwähnten fleinen Pafjus die Chronit Heinrichs von Dieljenhoven 
hätte in Anſpruch nehmen wollen, Diefe Meinung unterjtügen fol- 
gende Erwägungen. Heinrich von Diefjenhoven theilt zum Jahre 
13603 gleichfall8 die Bejtimmungen der Verſöhnungsurkunde zwifchen 
den Grafen von Wirtemberg und Kaifer Karl IV. mit und ftimmt 
hier teilweiſe mit den Ausführungen des Trithem, teilweife mit 
denen des Naucler und der Urfunde bei Sattler überein, hat aber 
auch, wie das ſchon Stälin* bemerkt, einige Punkte ausführlicher ; 
fo in den Zuſatz, daß die Grafen von Wirtemberg die neuen Zölle 
aufgeben jollten, Es iſt auf den erjten Bli Far, daß Heinrich die 
Urkunde nicht in der uns befannten Faſſung vor fich liegen hatte, 
fondern in derjenigen, welche die Vergleihung des Zrithem und 
Naucler mit dem uns erhaltenen Gremplar der Urkunde bot. Ob 
nun diefe ausführlichere verloren gegangene Faffung nur Entwurf 
oder eine frühere oder ſpätere Redaction war, ijt wohl ſchwerlich zu 
ermitteln; für unſere Zwecke genügt es zu wiffen, daß die Chronik 
von St. Blafien dieje kannte und benutte, und daß auch Heinrid; von 
Diefjenhoven diejelbe Vorlage hatte. Nunmehr ftehen wir nicht an, 


Lorenz, Gefchichtsquellen im Mittelalter I, 77, 2. Auflage. 

» A. Helmedörfer, Forſchungen zur Gef. des Abtes Wilhelm von Hir- 
(hau. Göttingen 1874. 

® Böhmer, Fontes rer. Germ. IV, 119, 

A. a. O. II, 270 N. 1, 


53 


der Chronik von St. Blafien die Notiz über die Belagerung Scorns 
dorffs ſowie die zu den Jahren 1372 und 1373 mitgetheilten Nach» 
rihten zuzufichreiben!. Auffällig bleibt immerhin, daß bei Naucler 
unter den Friedensvermittlern ftatt des Biſchofs von Conftanz der 
Straßburger erſcheint. Falls nicht die Urfache in dem oben angedeu— 
teten Schickſale der Urkunde liegt, Tiefe ſich diefer Umstand vielleicht 
jo erflären, daß eine Fortjeßung des Mathias von Neuburg, die der 
von Naucler benutste Jacob von Mainz fannte, hier deifen Namen 
eingefetst hätte. 

Den zum Jahre 1360 mitgetheilten Friedensbeitimmungen fügt 
Naucler noch Hinzu, daß die Verzichtleiftungen von Seiten der Orafen 
von Wirtemberg nur dem Wort nad), nicht aber in Wirklichkeit ges 
macht feien, denn im Jahre 1373 Habe der Graf im Namen Kaijer 
Karls IV. von den Reichsftädten Um, Eflingen, Notweil, Reutlingen, 
Lindau und Conftanz große Geldfummen eingetrieben. inige aber 
waren der Meinung, daß der Kaijer den Grafen von Wirtemberg zu 
ihrer Entſchädigung dieſe überlafjfen habe secundum eandem Chroni- 
cam, d. h. nad) der furz zuvor genannten Chronif von St. Blafien. 
Naucler fügt gleich) Hinzu: „denn es ging das Gerücht, wie Jacob von 
Mainz erzählt, daß die Grafen feit ihrem Verzicht auf die Reichs— 
vogtei in Schwaben und ſeit der Zeritörung der Burgen und Yänder 
zu einer Zahlung von jährlic) dreißigtaufend Gulden verurtheilt ges 
weien jeien“. 

Die Zahlen der nad) Naucler den Neichsftädten auferlegten 
Summen jind von feiner Quelle unrichtig angegeben ?. Die andere 
Nahricht it das, für was fie ſchon Zacob von Mainz ausgegeben 
bat, fama; Trithem?, „welcher hier den Naucler benutzt, — und 
dies charakteriſirt ihn als Geſchichtſchreiber — macht ein Hijtorifches 
Faktum daraus. 

Ueber die von Naucler 1021 nach der Chronik von St. Blaſien 
zum Jahre 1372 berichtete Sendung des päpſtlichen Legaten Elias de 
Verdone findet ſich bei Trithem nichts bemerkt. 

Wir gehen weiteren Spureu der St. Blaſianiſchen Chronik nach. 
Zum Jahre 1343 erzählt Naucler 1004 von dem Streite des Grafen 
Ulrich III von Wirtemberg mit dem Hauſe Oeſterreich um den Be— 
ſitz der Herrſchaft und Stadt Ehingen, welche die öſterreichiſchen Her— 
zoge ohne Rückſicht auf begründete oder unbegründete Anſprüche der 
Wirtemberger Grafen von dem Grafen Konrad von Schelklingen im 
September 1343 erworben hatten; die Stadt Mengen wurde durch 
die Grafen von Wirtemberg zerſtört, nicht ohne beiden Parteien Scha— 
den zuzufügen, denn Graf Ulrich, welcher durch die Seinigen unter— 
‚ "Die Ehronil des Mutius, De Germanorum prima origine, moribus 
institutis etc., Basileae 1859, ©. 284, bringt zum Jahre 1360 diefelbe Er: 
Hblung, geht aber auf Naucler zurüd und ift deshalb nicht weiter zur berüd- 
fihtigen. „Es giebt noch einige Artikel von geringerer Bedeutung, die ich aber 
übergehe*, bemerlt Mutius. 

ı Stälin, a. a. DO. III, 311 N. 2. 

° Ann. Hirs. II, 262, 


54 


ftügt den Grafen von Schelflingen mit einem mächtigen Heere an« 
griff, wurde gezwungen, bei Mengen Halt zu machen. Dies bemerft 
ein Sohn Graf Eberhard", eim unerjchrodener Herr, belagert die 
Stadt und nimmt ſie ſchließlich. 

Ueber dies Ereignis ſind wir außerdem unterrichtet durch Jo— 
hann von Winterthur?, welcher indeſſen nur über den 1344 erfolgten 
Friedensſchluß Näheres mittheilt, durch Heinrich) von Dieffenhoven ? 
und Felix Faber aus Ulm“. Keiner von ihnen aber bringt, wenn 
anders meine Auslegung der Stelle richtig ift, die Nachricht von der 
Theilnahme Chberhards, des Sohnes Ulrichs. Felix Faber, welchem 
v. Stälin den beregten Srrtum, Vater und Sohn verwechſelt zu 
haben, zujchreibt, beugt, an diefer Stelle wie öfters die Chronik Heine 
richs von Diejjenhoven?. ine Vergleihung zwifchen Felix aber 
und Naucler giebt, von einem fleinen Zuſatze abgejehen, jo völlige 
Üebereinftimmung, daß man geneigt jein könnte, Faber al8 eine Quelle 
für Naucler anzufehen. Mögen die Yandsleute einander aber auch befannt 
gewejen fein, jo fpricht doch weiter nichts für die Benutung der Fa— 
- berichen Chronif durch Naucler. Diefer redet auch viel richtiger von 
einem domus Austriae, während der Ulmer Predigermönd von 
einem dux irriger Weife ſpricht, obgleich tatſächlich drei Herzöge 
von Dejterreih mit dem Grafen Ulrih von Wirtemberg in Fehde 
ftanden. Gerade der höchſt wichtige Zufat bei Naucler bewegt uns, 
im Hinblid auf die Uebereinftimmung der Tatfachen und bei der teilweise 
obwaltenden Goncordanz des Wortlautes mit Dieffenhoven, hier wie: 
derum auf eine Gemeinfamfeit der Quelle hinzuweifen, welche, wie 
es nahe liegt, die uns jeßt fchon beijer befannte Chronif von St. 
Dlafien fein würde. 

Trithem ® geht, obſchon er Naucler kennt, Wege, die von der 
hiftorischen Wahrheit abweichen. Einmal fpricht er von der Belage- 


* Naucler 1004: Nam comes suorum suppetiis adjutus comitem 
exercitu justo petiit, cui quoniam obviam venire non potuit, apud 
Mengen resedit, quod animadvertens comes Eberardus, ut erat vir 
animo imperterritus, castra obsedit ac tandem in deditionem accipiens 
devastavit. Weil e8 furz zuvor heißt: et Mengen oppidum fuit devasta- 
tum per comites de Wirtemberg, fo halte id) den zuleßt genannten 
comes Eberardus für Ulrichs Sohn, Eberhard den Greiner, und nicht für 
den mit Ulrich verbündeten Grafen Eberhard von Werdenberg-Echmalenegg. Da: 
ber wird auch die Verwechſelung der Grafen Uri und Eberhard von Wir- 
temberg ftammen, wenn Naucler fagt: Anno 1343. ortae sunt lites inter do- 
mum Austriae, comitem Eberardum de Wirtemberg et comitem 
de Schelcklingen . .. welde Stelle Trithem, Ann. II, 193, von Naucler 
übernommen hat. Etälin a, a. O. III, 227 N. 2 macht auf diefen Srr- 
thum aufmerkſam. 

2GHerausgegeben von Wyß im Archiv F Schweizergeſch. XI, S. 199. 

3 Böhmer, Fontes rer. Germ. IV, 

* Historia Suevorum, bei 33 ss. rer. Suevic., Ulm 1723, 
©. 150. 151. 

5 Lorenz, Geſchichtsquellen des Mittelalters I, ©. 77. 

® Ann. Hirs. II, 193. 194. 


55 


rung Eßlingens ſtatt Ehingens, und dann läßt er eine große Hungers— 
not ausbrechen, die jedenfall® die Belagerten zur Ergebung gezwungen 
hätte, wenn nicht rechtzeitig die Dejterreiher zu Hilfe gekommen 
wären. 

Naucler ? ftimmt, fowol was die Schlacht bei Reutlingen 1377 
al8 die bei Döffingen im Jahre 1388 anbetrifft, vollftändig, nament« 
ih auch in Zahlenangaben, mit der Chronif des Jacob Twinger 
von Königshofen ? überein. Nur in der Schilderung der Einzelheiten, 
der Erwähnung der Plünderungen und Raubzüge nach den auf beiden 
Seiten gegeneinander abgefchlojfenen Bündniſſen ift die Duelle des 
Naucler nicht erfichtlih. Hier aber Harmonirt er mit der Fortjegung 
de3 ſogenannten Martinus Minorita® — wohl auf Grund gemein» 
ſamer Quelle. 

Naucler erwähnt den Fall Ulrichs von Wirtemberg zweimal. 
Das erite Mal läßt er einen comes de Monte Leonis mit ihm 
fallen; offenbar derfelbe, welcher weiter unten comes de Lewen- 
stein — bei KRönigshofen ein grefe von Lowestein — genannt 
wird. Die pdentificirung der beiden Namen wird nicht befremden, 
da analog 3. B. ein Graf von Falkenstein aucd) ald comes de Monte 
Faleonis auftritt. Eonft iſt Naucler in völfiger Uebereinftimmung 
mit Königehofen: jener bringt die Namen der Gefallenen wie diejer, 
macht auch denjelben Fehler, indem er einen Grafen von Zollern bei 
Döffingen fallen läßt. 

Nun nimmt Joahim S. 55 an, daß Naucler den Rönigshofen 
und Stuttgarter Annalen unabhängig von einer Compilation, welche 
die Chronif des Eberhard Müller und die fälſchlich nad) diefem be— 
nannten Fortſetzungen umfaßte, benutzt und die jenen Schriftitellern 
entnommenen Nachrichten einfach in dieſe Hineingejetst habe. Wir find 
auch aus den angeführten Gründen der Meinung, daß Naucler den 
Königshofen vor fich Hatte, nicht aber in diefem Falle die Stuttgarter 
Annalen, denn die Fragmente derfelben *, welche an diefer Stelle noch 
am Ausführlichiten erhalten find, zeigen Feine Uebereinftimmung mit 
Naucler, und deshalb bin ich cher geneigt, auch im Hinblick auf gleiche 
Veberlieferung in einer ſchwäbiſchen Quelle, nämlich der Fortſetzung 
des Martinus Minorita, die Nachricht der Chronik von St. Blafien 
juzumeifen. 

Zum Jahre 1338 theilt Naucler? den Proteft Kaifer Ludwigs 
des Baiern auf dem Frankfurter Neichstag gegen Papſt Yohann XXII. 
mit und bemerft S. 1003, daß diejer überall eine große Verwirrung der 
Gemüther, befonders in Schwaben, hervorgerufen habe. In Frank— 
furt wurden die Prediger vertrieben, desgleihen zum dritten Male in 


ı 9.0.0. S. 1029. 

» Chroniken der deutfchen Städte IX, 840. 

° Bei Meufchen 141. 

- Herausgegeben von Stälin in Memmingers Würtemberg. Jahrb. 1849 


.2, ©. 13. 
» Ua. 98.1001 f. 


56 


Speier. „Auc erinnere ich mich, bemerkt Naucler weiter, gelefen zu 
haben, daß ein Graf von Wirtemberg den Befehl des Raifers im 
Yahre 1338 betreffs Ausweifung der Geiftlihen durch einen Herold 
verfündigen ließ“. 

Zrithem theilt die Urkunde nicht mit, nur bei obigem Jahre 
den Befehl des Kaiſers und dann als ficheres Factum das lekter=- 
wähnte Ereignis, freilich) mit namentlicher Erwähnung des Grafen 
Uri von Wirtemberg. Deffen Namen konnte Trithem leicht er= 
Funden, jo daß hier eine Benutzung des Naucler nicht zweifelhaft ift; 
entscheidend ift aud) Hier, daß die Chronik des Trithem die Nachricht 
nicht kennt, welche wir in den Annalen II, 184 antreffen. 

Hier fühlt jih Stälin! veranlaßt, diefe Notiz unter der Reſer— 
vation eines bejcheidenen „Soll“ und mit dem Hinweis auf die „jün— 
gern Quellen“ in feine Wirtembergifche Geſchichte mitaufzunehmen. 
In diefem Falle werden wir auch für die übrigen ſchwäbiſchen und 
befonders für die das gräfliche Haus betreffenden Nachrichten dafjelbe 
Maß der Glaubwürdigkeit in Anſpruch nehmen, wenn anders wir 
auf der rechten Fährte find, daß die zum Jahre 1338 erzählte Nach— 
richt, welche uns in den Stuttgarter Annalen nicht erhalten ift, nad) 
St. Blafien gehöre. | 

Zum Jahre 1361 berichtet Naucler von dem prächtigen Hoch— 
zeitsfeft, das Graf Eberhard von Wirtemberg in Stuttgart feiner 
Tochter Sophie gab, welche mit Johann von Yothringen verheiratet 
wurde? Der Herzog Albrecht von Dejterreih war unter der Menge 
der übrigen Fürſten, Grafen und Ritter fein Gaft; um den entfals 
teten Prunk zu charafterifiren, erzählt Naucler, daß ein Springbrunnen 
Mein gefpendet habe. Kaiſer Karl, welcher ſich jelbjt eingeladen hatte, 
erichien nicht, al® er von der bei dem Feſte anweſenden Menjchen- 
menge gehört hatte. | 

Trithem? berichtet Ddiefelbe Geſchichte mit Weglaffung des 
Springbrunnens, fügt aber al8 zweiten Grund für das Wegbleiben 
Karls an, dag diefer dem Grafen Eberhard von Wirtemberg nicht 
völlig getraut habe. 

Stälin, weldher fonft in feinen Anmerkungen den ZTrithem 
neben Naucler als Chronijten jüngeren Datums und zweifelhaften 
Werthes zu ftellen pflegt, Hat diesmal“ fonft nur „den freilic) ſpä— 
teren“ Naucler berüdjichtigt, während er ſtets den Heinrich von 
Dieffenhoven bevorzugt, der von einem Turnier in Zofingen erzählt, 
auf welchem Graf Eberhard mehrere Herren zu der feiner Tochter in 
Stuttgart zu gebenden Hochzeit einlud?, Auch hier ift die Ueberlie— 
ferung bei Naucler und Zrithem wieder fo, daß wir eher an eine 
gemeinfame Quelle als an ein näheres VBerhältuis zwijchen beiden 


ı A. a. O. II, 211. 

2 GStälin a. a. O. III, 283. 

8 Ann. Hirs. II, 245. 

* Aa. DO. II, 284 N. 3. 

5 Böhmer, Font. rer. Germ. IV, 121. 


57 


denfen, während Heinrich von Diejfenhoven nur in dem einen Factum, 
der Mittheilung der in Stuttgart abgehaltenen Hochzeitsfeier, die an- 
dern ſtreift. Es liegt,nahe, bei dem Zuftande der Ueberlieferung der 
Chronif de8 Heinrich von Dieffenhoven, auf die Weilandiche Anficht 
zurüdzugreifen.. Wenn irgend eine beſſer ausgeführte Reinſchrift 
erftirte, eine Möglichkeit, welche Weiland felber zugiebt, fo möchten 
wir in ihr die von Naucler und Trithem zum Jahre 1361 ge= 
braten Notizen wieder finden, d. h. wir würden nad) dem, was 
oben ausgeführt iſt, hier nicht eine Benutzung einer volljtändigeren 
Chronik des Diejjenhoven annehmen, fondern die Concordanz auf 
Grund der gemeinfamen Duelle finden — der verlorenen Chronik 
von St. Blafien. 

Ihr wird man vielleicht auch die Erzählung von der Befiegung 
der Schlegler durch Graf Eberhard den Milden von Wirtemberg im 
Jahre 1395 zumeifen. Nauclers kurzer Bericht ift wahrheitsgemäß, 
während Trithem! einer andern Quelle folgend fabulos wird. Er 
hat uns auch die hübſche von Uhland verwerthete Anekdote aufbewahrt, 
nad der ein ſchalkhaftes Bäuerlein angeficht8 der drei gefangenen 
„Schleglerfönige“ ausruft: „Guter Gott, hätten wir noch einen vierten, 
jo hätte der Herr uns heute ein volles Kartenspiel gegeben“. Bezeich— 
nend iſt für Zrithemins, welcher für die Unterhaltung feiner Pejer 
forgt, daß er diejelbe Gefchichte fhon zum Jahre 1367 erzählt hat?. 

Bei Naucler S. 1003 und Trithem in den Ann. Hirs. II, 
185 ijt uns eine Epifode aus dem Leben des Grafen Ulrid) von 
Wirteinberg erhalten, welche von feinem zeitgenöffifchen oder fonft gut 
beglaubigten Autor erzählt wird und welche Stälin? offenbar als 
Anekdote nur im einer Anmerkung behandelt. Im Jahre 1339 fehrt 
nömlih Graf Ulrih von einem Turnier in Met zurüd, wird unter« 
wegs bei Benfeld im Elſaß von einem Ritter von Binftingen ges 
fangen genommen und erjt gegen Zahlung von Hundert taufend Mark 
Silbers in Freiheit gefekt. So Naucler. Trithem hat — und 
Stälin zieht ihn deshalb dem Naucler vor, welcher die Summe 
feit „annimmt“ — das Löfegeld offenbar zu hoch gefunden und fagt 
mir: pro magna pecuniarum summa taxatur, fügt aber hinzu, 
dag einige die Summe auf 100000 Mark Silbers angeben. Daß 
unter dem ‘sunt qui seribant’ beim Trithem fi) Häufig die An— 
fiht des Naucler verſteckt, haben wir bereitS gefehen; bei der that» 
fählihen und wörtlichen Uebereinftimmung conftatiren wir Hier einen 
gleihen Fall. 

Alle diefe Nachrichten weifen auf eine genaue Kenntnis ſchwä— 
biiher Verhältniſſe Hin; fie zeigen ferner eine Bekanntſchaft mit 
den perjönlichen Yebensfchicjalen und den Familienverhältnijfen der 
Grafen von Wirtemberg, wie fie nach unferer bisherigen Unterfuchung 
der anonyme Chronift von St. Blafien hatte. 

! Ann. Hirs. II, 299. 300. 


? Stälin a. a. DO. III, 364 N. 1. 
’ %.a. O. II, 227 N. 5. 


58 


Wir fuchen jett das Verhältnis zwifchen 


Nauclerus und Trithemius 


näher zu beſtimmen. 

An der Quellenfritif des Naucler bemerft Joachim S. 44, daß 
biefer fi) 992 einmal auf den Abbas de Spanheim, alfo auf ein 
Werk de8 Johann ZTrithem, berufe. „Die Stelle berichtigt, fügt 
Joachim Hinzu, beiläufig einen andern Autor“, und fo liegt ihm der 
Gedanke nicht ferne, hier die verbeffernde Hand des Melanchthon zu 
bemerken, da fonft feine Spur von einer Benutzung des Trithem 
bei Naucler fich finde. Weiland hat fi in der Kritik der Joachim— 
ſchen Arbeit über diefe Aeußerung nicht ausgefprocen. 

Auf welches Werk des ZTrithem beruft fih Naucer? fragen 
wir zunächſt. Auf die Annalen oder auf die vor diefen entftandene 
Hleinere Chronif? Hier vermiffen wir eine eracte Behandlung des 
Themas: es konnte Joachim nicht entgehen, daß Trithem in feiner 
„Chronik“ manchmal mit dem zweiten Theil „der Hirfauer Annalen“ 
faft in den Nachrichten jeden Jahres übereinftimmt. 

Die geichichtlichen Werfe des Abtes von Sponheim und fpäteren 
Abtes des Schottenflofters St. Yacob zu Wirzburg find in letter 
Zeit mehrfach Gegenstand quellenkritifcher Unterfuchung geweſen, die 
fi) indes vorzugsweife auf den erjten Theil der Annalen befchränft 
hat. Die Arbeiten von H. Müller! und Paul? haben ſich auf die 
Quellenerforſchung des zweiten Theiles der Annalen nicht eingelaffen; 
Silbernagel® fügt einiges für dem zweiten Theil Hinzu, ohne zu er= 
ſchöpfen, und berührt jo wenig wie feine Vorgänger das oben von 
mir angedeutete Verhältnis zwilchen Trithem und Naucler. Erſt 
Helmsdörfer * hat bei feiner forgfältigen Unterfuchung über die Ge— 
ihichte des Abtes Wilhelm von Hirfau auf die mannigfahe Con— 
cordanz des Trithem mit Naucler hingewieſen, das Verhältnis je- 
doch, weil feine Studien einen andern Zweck befolgten, nur geles 
gentlich und anmerfungsweife angedeutet®. Er hält e8 für wahr- 
fcheinlich oder, wieer an einer andern Stelle fagt, es fchiene ihm, daf 
Trithem den Naucler, welcher damals noch ungebrudt war, benutt 
und daß er aus ihm auch nur die zum größeren Theile verloren ges 
gangenen Annales Sindelfingenses gefannt habe. 

Wir glauben, diefe Anficht zur größeren Gewißheit erheben und 


ı H. Mueller, De Trithemii abbatis vita et ingenio. Halle. Diff. 
1863. Derjelbe, Quellen, welche der Abt Tritheim im erſten Theile ſeiner 
dirſauer Annalen benutzt hat. Leipzig 1871, 

Paul, De fontibus a Trithemio in prima parte chronici Hirsau- 
giensis adhibitis. Halle. Diff. 1867. 

⸗ GSilbernagel, Johann Trithemius. 1868. S. 180 u. fi. 

* Borihungen zur Geſchichte des Abtes Wilhelm von Hirſchau. Göttinger 
Diff. — Die ältere Arbeit von Wolff befaßt ſich mehr mit der Kritik der 
Gründungsgefhichte von Hirfau, während die jüngfte Abhandlung von Mar« 
eufe den Trithemius als Theologen beurtheilt, 

sA. a. O. S. 548 N. 4. S. 115. 


59 


in ihrer Erweiterung die Behauptung beweifen zu fünnen, daß beide 
Zeitgenoffen fih in ihren gefhihtlihen Werfen gegen— 
feitig benugt Haben, und zwar in der Weile, daß der Abt zu 
St. Yacob den Tübinger Kanzler weder genannt noch feine Chronif 
ne als in den allgemeinften Ausdrücen einige Male erwähnt 
at. 

Mir beihäftigen uns zunächft mit dem Antheile, ben Trithem 
an der Chronif des Naucler hat, foferne diefer fich eiımal S. 992 auf 
den Abt von Sponheim beruft. Die betreffende Notiz aus dem Jahre 
1314 bemerft: König Ludwig der Baier habe Margarethe, eine 
Tochter des Grafen von Holland, zur Gemahlin gehabt, welche ihm 
ſechs Kinder geboren habe. Joachim, welcher diefe Nachricht als eine 
Berichtigung eines andern von Naucler benutten Autors der bejjern- 
den Hand des Melanchthon zufchreiben möchte, aus chronologifchen 
Gründen offenbar, da fie in dein zweiten 1514 vollendeten Theil der 
Hirfaner Annalen enthalten ift, Naucler aber befanntlid im Jahre 
1510 ſtarb, Joachim, fage ich, beachtet nicht, daß Trithemius auch 
eine „Chronik“ gejichrieben hat; die im Jahre 1495 begonnen durd) 
den Krieg in der Pfalz und durd die Vertaufchung feines Abtfites 
mit dem zu St. Yacob in Wirzburg im Jahre 1504 unterbrochen 
wurde und mit dem Jahre 1370 abfchliet '. 

In ihr findet man ©. 274 die obenerwähnte Nachricht, und 
jolange uns nicht hier eine Aenderung von fremder Hand auf andere 
Weiſe nachgewiefen wird, find wir nicht berechtigt zu läugnen, daß 
Naucler die ältere Chronif des Trithem benutt hat, gleichwie wir 
nach den Gitaten des Naucler an der Eriftenz einer dem Jacob von 
Mainz zugefchriebenen Gefchichtscompilation, an Eberhard Miller und 
der Chronik von St. Blafien fefthalten. Dazu kommt, daß noch an= 
dere Stellen der Chronik mit Naucler völlig im Inhalte übereinftim- 
men und auf daffelbe Verhältnis zurückgeführt werden müſſen?. 

Vergleichen wir die Chronik des Naucler mit den Hirfauer Ans 
nalen, fo bemerfen wir fowohl im erſten wie im zweiten Theile bald 
eine wörtliche, bald eine mehr in Umschreibung, Weiterausführung 
oder Kürzung der Nachrichten bejtehende Uebereinftiinmung. Diefe 
hat ihre Urfache in der Benutzung gleicher Quellen. So Naucler 
©. 801. 802. Die zum Jahre 1105 erzählte Erhebung Heinrich V. 
gegen feinen Vater und die aus ihr folgenden Kämpfe find von Trie 
them in den Ann. Hirs. I, 331 bis 334 und 337 in weit reicherer 
Faſſung als bei Naucler erzählt. An andern Stellen ijt das Ver— 
hältnis umgekehrt; jo kennt Naucler den Tag der Verhandlungen zu 
Nordhaufen am 29. Mai, während Trithem das Datum nicht 


’ 9. Müller, Quellen ꝛc. ©. 1, ift fomit nad Helmsdörfer S. 31 N. 1 
ju berichtigen. 

* Naucler 801. Chr. Trith. 131, über Naturerfheinungen zum Jahre 
1103, Die Ann. Hirsaug. haben fie nicht. — Naucler 801. 802. Chr. 
Trith. 132, über den conventus generalis in Nordhanfen. Die Ann. Hirs- 
aug. I, 331 ziehen bier die Chr. fürger aus, 


60 


mittheilt.. Dazu kommt, daß Naucler an bdiefer Stelle den Cod. 
Hirsaug. benutt, die Annalen diefes Mal lettere Quelle übergehen. 
Ein anderes Beifpiel: Naucler S. 910 erzählt die Unterwerfung Cala— 
briens und Apufiens durch Kaifer Dtto IV., die Verkündigung des 
über den Kaiſer ausgefprochenen Bannes durch Erzbiſchof Siegfried 
von Mainz md zeigt dabei wörtliche Uebereinftimmung mit den Ann. 
Hirs. I, 517. 518, nur daß diefe ausführlicher find. Für beide 
Autoren” hat man — Paul?! für die Annalen, Weiland ? für 
Naucler — die Ann. Colon. maximi als Quelle geltend gemacht ; 
indes ift es wohl fraglich, ob es dieſe allein waren, oder ob nicht, wie 
e8 bei Naucler der Fall zu fein fcheint, vielmehr eine Compilation 
zu Grunde liegt, welche mit ihnen Nachrichten aus der Urfperger 
Shronif und andern Quellen vereinigte. Dahin würde denn auch der 
von Weiland in den Ann. Colon. maximi vermißte Schlußſatz 
über die Botenjendung Dttos nad) Deutichland gehören, welcher eben— 
falls den Hirfauer Annalen fehlt. UWeberhaupt it es jchwierig, mit 
Beſtimmtheit dem einen oder anderen die Kenntnis einer Quelle ab— 
zufprechen, da neben der vorliegenden gleichen Quelle Trithem die 
Shronif des Naucler fehr häufig benutt oder bei Benutzung einer 
und derfelben Quelle doc noch die Meinung des Naucler feinen Le— 
jern mittheilt. 

Die oben erwähnte wörtliche Uebereinftimmung zwiſchen beiden 
rührt her von der Benugung des Naucler durch Trithem. Der um— 
gefehrte Fall ift aus zeitlichen Gründen unmöglich: den erjten Theil 
feiner vom Jahre 830 bis 1265 reichenden Annalen vollendete Tri— 
them im Jahre 1511, der zweite, welcher von 1265 bis 1513 reicht, 
wurde 1514 beendigt — Naneler aber ftarb 1510. Hier ijt der 
Ort, wo wir uns mit Helmsdörfer wieder vereinigen. Wir nehmen 
die von ihm angezogenen Beifpiele zum Ausgangspunkt unferer Bes 
trahtung. Die Gründungsgeihichte Sindelfingens behandeln beide 
Autoren; für den Schwaben hatte fie ein felbitverftändliches, lokalge— 
ſchichtliches Intereſſe; für Trithem war fie wichtig, weil Sindelfingen 
die erften Mönche für fein Hirfauer Kloſter gegeben haben follte nad) 
einer opinio quorundam. Helmsdörfer bemerft? mit Net, daß 
unter diefer anonymen Bezeihnung Naucler verſteckt ift, den Trithem 
hier benutzte. 

Es war zur Zeit de8 Naucler eine weitverbreitete Annahme, der 
deutfche Kaifer Heinrich IIT. fei der Schwiegerfohn, nicht der Sohn 
Ronrads II. geweien. Sie ftütte fih auf folgendes Märchen. Graf 
Lintpold von Kalm war wegen Landfriedensbruchs vor dem Kaifer mit 
feiner ichwangeren Frau in den Schwarzwald geflohen und hatte in 
einer ärmlichen Hütte ein Unterfommen gefunden. Hierhin kommt 
zufällig der auf der Jagd befindliche Kaifer in Abwejenheit des Grafen, 


1 A. a. O. S. 44. 
2 gif. Zeit. XXXIV, 426. 
.48 N. i. 


61 

dem in derfelben Nacht ein Knabe geboren wird; eine Stimme vom 
Himmel ruft dem Kaifer zu: diefes Kind wird einjt dein Schwieger- 
john und Erbe fein. Erjchredt heißt der Kaijer am andern Morgen 
zweien Dienern das Kind zu tödten, welches Vater und Mutter aus 
Furcht ſchon verlaffen hatten. Die mitleidigen Diener begnügen fich 
mit der Ausſetzung des Kindes und bringen ftatt des Herzens dejjelben 
ihrem Herrn das eines Hafen zurüd. Des Findlings erbarmt fich 
der vorüberfommende Herzog Hermann von Schwaben, erzieht und 
adoptirt ihn. Fahre vergehen: da ficht der Kaifer eines Tages bei 
dem Herzoge einen Yüngling von angenehmen Weſen und erbittet fich 
ihn, um für dejjen weitere Ausbildung Sorge zu tragen. Da fällt 
es einmal dem grübelnden Sinne Konrads ein, daß fein Schutzbefoh— 
[ener der in der ihm wohlbefannten Nacht geborene Sproß des Grafen 
von Kalw fein müſſe. Um dem ihm beftimmten Verhängnis einen 
Streich zu fpielen, trägt der Kaifer dem jungen Manne auf, feiner 
Gemahlin einen Brief zu übermitteln, welcher dem Ueberbringer den 
Tod bejtimmte. Während der ahnungsloſe Vote in Speier beim 
Defan des Domes einfehrt, zieht diefer dem Schlafenden den Brief 
aus der Taſche, lieſt den teufliichen Anschlag und ändert die auf die 
Ermordung des Jünglings bezüglihen Worte dahin um, daß der 
Kaiferin geboten wird, dem Ueberbringer des Briefes ihre Tochter 
anzugeloben. Das geihieht, und nachdem alle Irrungen aufgedeckt 
find, giebt fich der Kaijer zufrieden; an dem Orte aber, wo das Rind 
gefunden wurde, wird zum Andenken das Klofter Hirfau errichtet. 

Es ſchien uns der Mühe werth, diefe Sage, welche Gotfried 
von Biterbo der Nachwelt erhalten hat, in Kürze wiederzugeben; fie 
bildet in einzelnen Zügen ein intereffantes Seitenftüc zu den befaunten 
Sagen des Altertyums. Don Gotfried, welcher das Märchen in 
projaiichem wie poetiſchem Gewande feinen Lejern bietet, ging es über 
in die Gefchichtswerfe eined Vincenz von Beauvais, Martin von 
Zroppau, de8 Minoriten Martin und Heinrich® von Hervord: Nau— 
der ift der erjte, welcher ſich von diefer Tradition freimacht; fein 
ritiicher Geift fieht die Unmöglichfeit diefer Erzählung ein; weder 
findet fie fich, bemerft er, im Hirfauer Klofter noch ift fie durch ir— 
gend eine Urkunde beglaubigt. Seine Gründe hat nach Helmsdörfer 
Trithem gefannt und verwerthet. Wir können diefer Anficht zuftine 
men, wenn wir im Folgenden nachgewiefen haben, daß diefer auch 
ſonſt den Naucler benutzt. 

Zum Jahre 1286 wird von Naucler S. 972 berichtet, wie König 
Rudolf feinen Kanzler nad) Stalien ſchickt, welcher im Namen feines 
Herrn einzelnen italiſchen Communen Hoheitsrechte verkaufte; fo habe 
Lucca zwölf taufend, die Florentiner ſechs taujend Goldgulden bes 
zahlt; letztere hätten ſich jogleich eine Behörde, die priori delle arte 
eingeſetzt und dieſen noch einen vexillifer justitiae beigegeben. Kurz 
zuvor erzählt Naucler zum jelben Jahre, daß der zum Reichsvikar 
ernannte Princivall aus dem Haufe der Fiesco von den guelphifchen 
Kommunen den Treueid fordert. ALS diefer verweigert wird, verurs 


62 


theilt der Vicar die Florentiner zu 60000 Marf Silbers und die 
übrigen ungehorfamen Gemeinden zu entiprechenden Summen. Er 
findet indes feine Unterftügung in Italien; felbft die Ghibellinen miß— 
trauen ihm, weil er einem guelphiichen Gefchlechte entjtanımt, und jo 
fehrt er ohne einen Erfolg nad) Deutſchland zurüd. Darauf wird 
bei Naucler die obige Geſchichte erzählt. 

Trithemius dagegen confundirt in feinen Annalen II, 48. 49 
beide Nachrichten. Er berichtet ſchon bei der erjten Sendung des 
Bifars nad) Stalien, daß diefer die Florentiner zu 60000 Marf 
Silber, die Lucccheien zu 12000 Gulden wegen ihres Ungehor- 
fams verurtheilt habe. Darauf jpricht er von der zweiten Sendung 
des Vifars, aber mit Weglaffung der Zahlenangaben. Bemerfens- 
werth iſt hier wieder, wie er die Nachricht einführt: Fuerunt qui 
scriberent, worunter in erjter Linie Naucler zu verjtehen ift. 


Antonini Chroni- 
con T. III. titul. 
XX, c. VI, £. 75. 
Anno domini 
1286.  Honorius 
papa ordinavit 





















Trithemii Ann.!Naucleri Chro- 
Hirsaug. II, 48. nicon 972, 


Anno praenotato| Eodem anno Ho- 
Rudolphus rexinorius papa or- 
ad instantiam Ro-‚dinavit, ut Pin- 
mani pontificisizivalla ‘de Flisco 
vicarrium suumde comitibus Ja- 
nomine tam suonuen. de Lan- 
quam imperii mi-garna fieret vi- 
sit in Italiam, utcarius  generalis 
in omnibus locisimperii, quiet in 
jurisdietionem et/Alemaniam sta- 
Justitiam face-tim profectus ad 
ret imperialem.'Rudolphum im- 
Qui veniens in'peratorem elec- 
Tusciam, ab histum, fecit sibi 
qui Guelpharum confirmari dietum 
partium erant,vicariatum. Ve- 
civibus Florenti-rum postquam 
nis, Lucensibusin Tusciam ut 
et nonnullis aliis,/vicarius impera- 
fidelitatis et obe- toris venisset, ut 
dientiae juramen-/que jura recupe- 
tum Romano inı-'raret imperii, 
perio debitum/Florentiam in- 
exigebat. Quodgressus, in domi- 
illi cum nullobus Mozanis ultra 
pacto facere con-/Arnum prope 
sentirent, vica-jecclesiam Grego- 
rius in furorem rianam residen- 
succensus, Floren-'tiam fecisset, vo- 
tinos in sexaginta, catis Florentinis, 
millibus argenti Lucanis, Pistori- 
marcis, Lucenses ensibus, Senensi- 
vero in duodecim/bus ac aliarum 
florenorum milli-icivitatum civibus 
bus pro inobe- ‚partis Guelphae, 
dientiae demeritoexigebat ab eis 








63 


Tritbemii Ann.[Naucleri Chro-/Antonini Chroni-[Platinn, Vitae 
Birsaug. II, 48. nicon 972. con T. III. titul./Pontifieum 1479, 
XX, c. VI, f. 75.|Vita Honorii IV, 


eondemnavit; pe-Ifidelitatis et obe- ©. 162, 
cunia accepta in|dientiae jura- 
Germaniam re-Jmentum imperio 
versus est. Romano, quod 
nullo pacto facere 
voluerunt. 
Col. 49. 
Fuerunt quil Unde iratus re-| Unde iratus con- 


scriberent, Ru-icessit et in poe-tra eos vicarius 
dolpbum regeminam inobedien- predictus, recessit 
auri cupidumitise condemnavitin discordia ab 
cancellarium su-|Florentinos 60jeis. Etin penam 
um pro vicariomillibus marca-inobedientie con- 
misissein Italiam, rum argenti, etdemnavit floren- 
qui accepta pe-Isimiliter alias ci-tinos in 60 milia 
cunia populis li-vitates propor-|marcas argenti 
bertatem vende-itionabiliter. Indelet similiter alias 
ret. Eade causaiperrexit Aretium communitates 

Florentinos ex-jordinavitque, ut Tuscie, que no- 
posuisse tot ar- Florentini exiliojluerunt obedire, 
genti marcas, Lu-jmitterentur, a-| proporcionaliter 
censes quoque etimissis substantiisjmulctavit. Inde 
alioss contulisseleorum, et cumipergens Aretium, 
pecuniam, ut li jparvam haberetiordinavit, ut Flo 
bertate coemptajobedientiam pro-|rentini exilio 
imperii non sub-|pter factionemjmitterentur a 
derentur deinceps Guelpham, Gibelilmissis substantiis 
jussionibus. Quilquoque suspec-eorum. Moram 
boc factum con-tum eum habe-autem faciente 
tendunt, in argu-'bant, quia eratin Aretio, cum 
mentum assertaeex progenie Guel-|paucos sequaces 
veritatis conse-\phorum: eapro-haberet, unde et 
quentia produ-|pter reversus in parvam poten- 
eunt: quod Flo-'/Alemaniam, sineitiam, ex eo quod 
rentini mox post honore ad Rudol-Guelfi nolebant 
impetratam prophum pervenit.obedire, ne exal- 
pecunia liberta-'Rudolphus autem|taretur imperium Rhodulfusautem 
tem magistratum comparandae pe-Icontrarium Guel- imperator com- 
instituerint, quem euniae studiosus, fis. Gibellinilparande pecunie 
priores artium cancellarium su-quogque eum su-istudiosus cancel- 
vocaverint, ad-/um e gente Fliscaspectum habe-larium suum e 
ditoetalio, quemin Italiam misit,bant, quia exigente Flisca in 
velut majestatisqui populos in|progenie erat|Hetruriam misit, 
etlibertatis prae- Hetruria omnesjeorum qui fue-/qui populos om- 
conem vexillife-liberos faceret,'rant Guelfi. Ea-inesliberosfaceret, 
rum justitiae et eos potissimum propter reversuset eos potissi- 
nuncupabant. Inqui se pecunialest ad imperato-mum qui se pe- 
quem modum et/redimere cura-rem Rodulfum in/cunia redimerent. 
alias plerasqueirent. PersolvereAlemanniam sine/Persolvere autem 





urbes libertatemiautem ob eam/honore. ob eam rem Lu- 
sibi comparasseirem Lucenses 12 censes duodecim 
teferebant. - |millia nummum milia nummum 

auri, Florentini auri. Florentini 


vero sex millia, vero sex milia, 


64 


Trithemii Ann. |Naucleri Chro-|Antonini Chroni-|/Platina, Vitae 

Hirsaug. II, 49. nicon 972. con T. III. titul./Pontificum 1479, 

. XX. c. VI f. 75.|Vita Honorii IV. 
©. 162. 

ui statim liberi qui statim liberi 


omnino facti, ma- 
gistratum, quem 
priorem arcium 
vocant, addito 
vexillifero justi- 
tiae, creavere. 


omninofacti, ma- 
gistratum, quem 
priores artium 
vocant, addito 
vexilifero justicie, 
creavere. 


Eine Vergleihung der Quellen ergiebt, daß Naucler fich enger 
im Ausdrud an Antonin und Platina anſchließt als Trithem, le» 
terer mithin erjteren excerpirt hat. Wir fehen zugleich, wie ſchematiſch 
und äußerlich Naucler bei der Compilation feiner Chronik zu Werke 
geht: erjt ein Stüd aus dem Antonin, dann aus dem Platina lofe 
aneinandergereiht. Dabei würfelt er Nachrichten zufammen, wie fie 
in diefer Verbindung den urfprünglichen Quellen durchaus fremd find. 
Antonin hat feine Nachrichten wörtlic) dem Billani entnommen, mit 
welchem der Florentiner Paolino Pieri! gleihe Quelle zu haben 
ſcheint. Nach ihm werden jedoch die Florentiner zur Zahlung von 
50000 Mark Silber8 entboten und die Rückkehr des Reichsvikars 
in das Fahr 1287 gelegt?. Diejer Theil der Nachrichten ift, von 
der chronologiichen Unordnung abgejehen, durch die Güte der Quellen 
glaubwürdig. Anders verhält es ſich mit der Nachricht des Platina, 
welcher in der Angabe der den Lucccheſen auferlegten Summe mit dem 
Denetianer Paulinus, früher Jordan genannt ?, übereinftimmt %, 

Daffelbe berichtet die Istoria di Chiusi?, welche bis zum Jahre 
1595 reicht, aljo einer ſehr fpäten Zeit angehört und als Gefchichts- 
quelle daher von zweifelhaftem Werthe ift®, Nach ihr bezahlen die 
Hlorentiner eine große Menge Geld für die Erfaufung ihrer commu= 
nalen Freiheiten. Die von Platina angegebene von den Florentinern 
erlegte Summe von 6000 Marf Silbers finde ich nur bei Blondus ”, 

Für die Verarbeitung der Chronik in die Annalen bei Trithem 
ift intereffant zu wiffen, daß er in feiner Chronit ©. 259 die Nach— 
richt von der zweiten Sendung des Vifars wörtlic aus dem Platina, 
wie auch Naucler that, aufgenommen hat, er erjt bei der Herüber- 


! Cronica di Paolino Pieri von 1080 bis 1305, Rom 1755, ©, 47 
zum J. 1285. 

2 A. a. O. S. 49. 

° Simonsfeld in den Forſch. z. D. Geſch. XV, 145—153. König, Ptole- 
maeus von Lucca ©, 50. 

* Muratori Antiq. IV, 1016 c. 

5 Tartinius, SS. rer. Ital. I, 930. 

®° ©. auch Kopp, Seid. der eidgenöffischen Bünde, Bd. II, Abth.2, 2. 9. 
S. 270 N. 4. 

” Histor. ab inclinatione Romanorum Imperii Dec. Duo UI, 213, 
Venet, 1483, 


65 


nahme der Nachricht in die Annalen und bei der Vorlage des Naucler 
fh eine Menderung der Tatſachen erlaubte, 
Beiipiele wörtlicher Uebereinftimmung finden wir auf jeder Seite 
wwiſchen Naucler und Trithem, welche feinen Zweifel übrig lajjen, 
dab Yesterer den Erjteren auszieht, und dahin gehört eine Anzahl 
Stellen, für welde H. Müller ! feine Quelle ermitteln fonnte. Manch— 
mal beruht indes die Concordanz, wie ſchon oben hervorgehoben 
wurde, auf Gleichheit der Vorlage. Hierbei tritt uns ſtellenweiſe 
neues hiſtoriſches Material entgegen. 

Der 21. Mai des Jahres 1377 war ein heißer Tag; 700 
Reutlinger Bürgern, welche Tags zuvor auf Viehraub nach dem 
Uracher Thiergarten ausgezogen waren, jtellte ſich auf ihrer Rückkehr 
Graf Ulrich von Wirtemberg in den Weg; es fam zu einem blutigen 
Treffen, das eine dem Grafen in den Rüden fallende Schar Städter 
zu Ungunjten dejjelben entſchied: 70 Edle mußten ind Gras beißen, 
während die Reutlinger kaum zwei Dugend Leute verloren ?, 

Dieſes Ereignis findet in den Werfen der Gefchichtsichreiber 
lauten Wiederhall; Königshofen, die Fortfegung der Züricher Jahr» 
büher, Naucler und Trithem geben uns ausführliche Berichte; die 
beiden Letzteren in gewohnter Uebereinftimmung. Diefer bemerkt über 
jeime Quelle: Verum ut monimentis edocemur veterum ... 
jener citirt ® ausdrücklich das gleich) nad) der Schlacht verfahte Mif- 
five der Stadt Reutlingen an ihre Mitjtädte. In der Aufzählung 
der gefallenen Wirtembergiichen Edlen differiren fie ein wenig; Nau— 
cder führt unter andern auf: Johannes de Seldeneck miles; 
Longus de Frerltzhen miles — in der Fortjegung der Züricher 
Jahrbücher *: her Hanns von Saldenegg ritter, der Lang von 
Erlishain ritter, 2eßterer in dem von Gayler herausgegebenen 
Miſſive der Lang von Eroltzhaim genannt, — ferner den Sifri- 
dus de Vellenberg, Cunradus de Hoefingen, Cunradus Kyfer, 
Waltherus de Hohenfels, Suigerus de Gemingen, Scharbo de 
Bernhusen, — in den Züriher Jahrbüchern genannt: Sitz von 
Wellenberg (Miffive S. 87: Seyfrid von Vellengberg), Cuonz 
von Heningen (Miifive: Cuntz von Höfingen), Cuonz kaiser, 
(Miffive: Conradt der kyfer), Walther von Hochenfels, 
Swigger von Gassmügen (Mifjive: Schweighardt der Schwartz 
von Genningen), der Scharb von Bernhusen (Mifjive S. 87: 
Scharbe von Bernhausen). Dieje Namen fehlen in der Verluſt— 
lite des Trithem, Ann. II, 270. 271; dagegen hat er einige, die 
wir vergebens bei Naucler fuchen: fo den Conradus de Schlossberg 


A. a. O. S. 30. 31. 

’ Stälin a. a. O. III, 320. 321. 

°* Naucler 1020: Narraturque factum hoc modo ab oppidanis de 
“ellingen, et ita scripserunt rem gestam civitatibus sociis. 

* Die Chronik der Klingenberge herausgegeben von Dito Henne von 
Eargans S. 108, 

*Geſch. der Stadt Reutlingen ©. 87. 


XVIIL 6 


66 


(M.: Conradt der Kifer von Schlossberg), den Sifridus de 
Saxenheim, Mutacus de Hirstad, Thomas Wolfskel (M. 88: 
Seyfrid von Sachsenhaimb, Münch von Hainstett; den dritten 
fennt das Mifjive nicht), welche bei dem Fortſetzer der Züricher 
Jahrbücher: Cuonrad Kiner, Sifrid von Sachsenhain und der 
Münch von Haimstett heißen. Außerdem weijen die Vornamen 
einen geringen Unterjchied auf: ein Herr von Luſtnau wird bei Nau— 
cler Johannes (WM. 87: Hanns von Lustnau), bei Trithem Georg, 
ein Herr von Bonenftein bei diefem Heinrich, bei jenem Hermann, 
bei dem Fortſetzer des Züricher Yahrbudhes Hartmann, im Miſſive 
89 dagegen Hermann von Beenftain genannt. in Johannes Ried- 
esel bei Trithem tritt uns bei Naucler als Johannes esel de Lor, 
im Miffive 89 ale Hans Esel von Lor entgegen: kurz, Verſchieden— 
heiten, welche beweijen, daß Zrithem und Naucler jeder feinen eigenen 
Weg gingen, wobei diejer dem Inhalt der Urkunde noch am Nächſten 
fteht. Zugleich erinnert aber die Zahl 500 der Reutlinger Bürger, 
die entgegen der urkundlichen Weberlieferung beiden gemeinfam it, an 
das erwähnte Abhängigkeitsverhältnis. 


Der Codex Hirsaugiensis, Breitenauer Annalen 
und Martin von Troppau. 


Helmsdörfer? Hat bereit8 darauf hingewiefen, daß Naucler ein 
älteres Eremplar der Chronif der Hirfauer Aebte in feinem erften 
Theile, dem jogenannten Cod. Hirsaugiensis?, fur die Geſchichte des 
Abtes Gebhard? und die des Abtes Bruno benutzt hat. Ebenſo Hat 
Helinsdörfer * die Benugung Breitenauer Aufzeichnungen durch Nau— 
cler für die Geſchichte der Breitenauer Niederlaffung und der Aebte 
Drutwin und Heinrid mit Recht behauptet. 

Dagegen ifi auf Belanntjchaft des Naucler mit Martin von 
Troppau weder von Weiland noch von Joachim hingewiefen worden. 
Naucler citirt ihn öfter8?, und zwar nennt er ihm Martinus, während 
er die Chronik des jog. Martinus Minorita unter dem Namen Her— 
mannus anführt. Die Erzählung von der zwijchen Ungarn und 
Böhmen im Yahre 1260 gejchlagenen Schlacht möge das in Rede 
ftehende Verhältnis darthun. 


Naucleri Chr. 946. Martini Oppav. Chr., M.G. SS. 

‚473. 
Anno 1260. rex Hungarie regem! Anno Domini 1260. Rex Ungarie 
Bohemiae —— habens in|pro terris regem Bohemie bello 
exercitu quadraginta millia equi- aggreditur, habens in exercitu suo 


1 A. a. O. S. 5. 

2 Herausgegeben in der Bibliothek des literariſchen Vereins zu Stuttgart 
I, ©. 5. 9. 42. 96 ff. 

s Naucler 802, 

* 4.0.0D657N. 2. Naucler jagt 818: Haec libro in eodem 
monasterio reperiuntur diligenter conscripta. 

5 Naucler 757. 965 über die Wahl Richards und Alpbons, 


67 


Naucleri Chr. 946. 


tum, eui rex Bohemiae cum cen- 
tum millibus equitum occurrisse 
fertur, inter quos dieitur habuisse 
sex millia ferro coopertos equos. 
Pugna facta, tandem Hungari, rege 
ipsorum vulnerato, terga vertunt, 
ubi in quodam fluvio quem tran- 
sire habuerunt, circiter 14 mil- 
la dicuntur submersa. Potitus 
rietoria rex Bohemiae, Hungariam 
intrare paravit. Sed rex Hunga- 
rae per legatos pacem quaesivit, 
terras quae discordiae causa fuere, 
restituit; per aliasque conditiones 
ac per interventum matrimonii, 
ut mox dicetur, satisfecit. 


Martini Oppav. Chr., M. G. SS. 
XXII, 473. 
diversarum orientalium nacionum 
et paganorum circa 40 milia equi- 
tum. Cui rex Bohemie cum 100 
milibus equitum, inter quos dici- 
tur habuisse circa 7 milia equo- 
rum de ferro coopertorum, ad re- 
sistendum occurrit. Cumque in 
confiniis regnorum bellum inchoa- 
tum fuisset, ex collisione equorum 
et armorum tantus pulvis de terra 
surrexit, ut media etclara die vix 
homo hominem cognoscere po- 
tuisset. Tandem Ungari, rege ip- 
sorum graviter vulnerato, terga 
vertentes, cum cedentes festinarent 
fugere, in quodam fluvio profundo, 


quem transire debuerant, preter 
alios occisos circa 14 milia homi- 
num submersa dicuntur. Sed rege 
Bohemie victoria habita Ungariam 
intrante, rex Ungarie per legatos 
pacem querit, terras, que’ discor- 
die causa fuerant, restituit, et in 
futurum amiciciam mediante ma- 
trimonio confirmavit. 


Klingenberg oder Gundelfingen? 


Vor Kurzem hat Karl Rieger in einem Aufſatze! „Heinrich 
von Klingenberg und die Geichichte des Haufes Habsburg“ auf die 
Uebereinftimmung der Nadjrichten in der Neimchronif des Steirer 
Dttofar, der Chroniken des Fürftenfelder Mönches und des Abtes 
Johannes von Viktring mit der Chronik des Mathias von Neuburg 
aufmerfam gemacht und ift durch jorgfame Vergleihung einer bisher 
unbefannten Quelle auf die Spur gefommen, welche er nach Lorenz’ ? 
Lerfiherung mit vollem Recht als die um das Jahre 1278 abgefaßte 
historia comitum Habsburgensium des Protonotars und fpäteren 
Biſchofs von Conſtanz, Heinrich) von Klingenberg, bezeichnet. Zu den 
obenerwähnten Quellen treten nocd Hinzu die von Kern publicirte 
Konitanzer Weltchronit?, die Sammlung von Züricher Nachrichten, 
welde unter dem Namen der Klingenberger Chronif von Henne von 
Sargans edirt worden ift, und die bislang nur in Heinen Bruchſtücken 
befannte, mit dem Jahre 1476 abjchließende „üfterreichiiche Gefchichte“ 
des Konftanzer Heinrichs von Gundelfingent. Alle diefe Chronifen 


I Im Archiv für öfterreich. Geih. 8b. XLVII, S. 305—355. 
2 Lorenz, Geichichtsquellen im Mittelalter I, 64. 

’ Im der Zeitichrift für Geſch. Freiburgs Bd. I. 

+ Handichriftlich auf der Wiener Hofbibliothek Nr. 516. 


5% 


68 


beichäftigen ſich feit dem Emporfommen der Habsburger mit ber Ge⸗ 
nealogie dieſes Geſchlechtes, und Rieger! leitet die genealogiſchen An— 
gaben auf die rg des Klingenbergers als ihre Quelle zurüd. 
Es handelt ſich für unfere Zwede zunächſt um die Abſtammung der 
Habsburger von dem um 1144 aus Rom vertriebenen Geſchlechte 
der Perleonen, der Grafen de Aventino monte; eine Nachricht, 
welhe wir bei Matthia® von Neuenburg im 1 C., in der ältejten 
Faffung der fogenannten Klingenberger Chronif, die wir beſſer als 
die Sprengeriche Chronif bezeichnen ?, und bei Heinrich von Gundel— 
fingen? antreffen. 

Daſſelbe Bedürfnis, fich über die genealogischen Verhältniſſe des 
habsburgifchen Haufes klar zu werden, fühlt mit den genannten Schrift: 
ftellern Naucler *. Indes bei der Verfchiedenheit der Angaben der 
Autoren wagt er feine Entſcheidung; er will das Anjehn des Königs 
lieber nad) feinen Thaten als nach feiner Abftammung beurteilen, 
obſchou dieſe gewiffermaßen ein Spiegel für die perfönlice Tüchtig- 
feit eines Mannes fein könne. Er berichtet darauf die Herkunft der 
Habsburger von den Perleonen, gejtügt? auf die Zeugniffe nicht 
gerade verwerflicher Schriftſteller. 

Es wäre voreilig, auf dieſe einzige Angabe hin die Benutzung 
der verlorenen Klingenberger Chronik bei Naucler behaupten zu wollen. 
Bielleiht führt aber die folgende Erörterung uns näher zu ihr hin. 
Naucler hat nämlich einen ausführlichen Bericht über den von König 
Rudolf im Jahre 1275 zu Augsburg abgehaltenen Hoftag®, auf 
welchen König Ottofar von Böhmen und Herzog Heinrich von Baiern 
geladen waren, nachdem beide auf dem Tage von Wirzburg nicht er» 
Ichienen waren. Sie famen aud) diesmal nicht, fandten jedoch Ver— 
treter,, diefer den Propjt Heinridy von Dettingen, jener den Biſchof 
Wernhard von Sedau, welder in einer fo heftigen Weife die Wahl 
des Habsburgers angriff, daß der Unwille der Fürſten laut wurde 
und der dreilte Prälat nur der ſchützenden Hand Rudolfs die Rettung 
ſeines Lebens verdankte. Einige wenige Schriftſteller haben uns dieſe 
Nachricht außer Naucler aufbewahrt: es ſind der Abt Johann von 
Viktring? und der Steirer Ottokar. Jenen können wir außer Acht 
laſſen, da er meiſtentheils dieſen benutzt hat, 


1A. a. O. S. 824 u f. 

2 Henne ©, 18. 

® Cod. Ms. 516 ae 30 nad; Rieger ©. 321. 
: A. a. O. 6.9 


A. a. O. S. 970: freti, opinor, non omnino malis authoribus, 
apud quos ejus rei fides esto. 
A. a. O. ©. 965. 966. 
' Een, Geſch. der eidgenöffischen En: 1. Abth, S. 106 u. f. 
8 Böhmer, Fontes rer. Germ. I, 304. 
4 Mahrenholt in den Forſch. 3. deutfchen Geſch. XIII, 532 m. f. Bergl. 
2 a Abt Johann von Biktring und fein Liber certarum hist. 


69 


Naucler 965. 966. 


Adveniente termino rex magna 
principum corona curiam cele- 
brans, exspectavit, si quid rex Boe- 
miae et dux Bavariae in excusa- 
tionem suae inobedientiae dicere 
vellent. Henricus dux satis se 
submisit. Comparuerunt tum regis 
Boemiae nuncii, Bernardus Seco- 
viensis episcopus, veniaque petita, 
episcopus pleno mandato suffultus 
proposuit, electionem de Rudolpho 
non valere, ut puta factam ab ex- 
ecratis et de execrato: ideo Ru- 
dolpho tamquam regi obediendum 
non esse. Addidit nonnulla alia 
sermone Latino. Cui rex: Epis- 
cope, inquit, si habetis causam ad- 
versus clericum, agatis sermone 
Latino coram episcopo; sin vero 
eontra me velcontra jura imperii, 
proponatis more solito. Sed nec 
papam fucatis vestris sermonibus 
contra me provocabitis. Inter lo- 
quendum electores laici intelli- 
gentes episcopum electionem in 
dubium revocare, vix manus absti- 
nuerunt. Itaque episcopus trepide 
abiit, ut salvum conductum a rege 
repetens, confusus ad propria 
mearit. 


Reimchronik des Dttofar, bei Pez, SS. 
rer. Austr. III, 123. 

Pischof Wernhard hin fur trat, 

Den kunig er urlaubs pat, 

Sein red für zelegen ... . 


Weil er mit kanoniſchem Rechte die 
Sache feines Herrn verfocht, verftanden 
die Fürften ihn nicht. 

Mit red macht er enwicht 

Die wal und die weler, 

Und jach, der kunig gewesen wer 
Zu der zeit in dem pan, 

Do im daz reich ward undertan 
Und auch do erdie weich enphie. 
Latein manig red ergie ut. 


Der vil wolgeporn 

Von Rom der kunig Ruedolf 
Sprach zu dem pischof: 

Habt ir icht zu schaffen 

Mit chainem pfaffen, 

Da Latein zugehor, 

Daz spart auf die chor 

Ze Maincz oder ze Trier. 

Habt ir aber gen mir 

Oder gen dem reich icht ze suchen, 
Dez magich euch aus dem puchen 
Mit worten nicht gevoligen, 

Mir wern darumb erpolgen. 

Die herren, die ir all hie seht, 
Ir seit verzic gesolher reht: 
Wann ich waiz dez die warheit, 
Daz der pabst dez niht vertrait, 
Daz ich durch ewrn geniezz 
Dez rehts lain fursten liezz 

Ew taidingen mit 

Nach dem pfeffleichen sit, 

Und daz diz herren all geleich 
Sessen vor dem reich, 

Alss torn und stummen. 

Wie ſchließlich den Laienfürften der 
Anhalt der Rede des böhmischen Legaten 
mitgetheilt wird, fährt der Pfalzgraf 
auf: das muß mit feinem Blute ver» 
golten werben, wenn ich gleich immer 
in der Hölle Glut brennen follte; Toll 
mich ein folher Menich nennen, wie 
e8 ihm beliebt? Der Tumult ift groß, 
König Rudolf rettet durch feine Klug: 
beit den Legaten: 

Manigen list newe 
Bischof Wernhart ervant, 
Damit er chom von dem land. 


‚ Eine VBergleihung ihrer Berichte zeigt inhaltlich völlige Ueberein- 
Mimmung: das Auftreten des Biſchofs, die Verteidigung feines Herrn 


710 


mit Sätzen aus dem fanonifchen echt, die Ungültigkeitserklärung ber 
Wal Rudolfs als eines zu der Zeit vom Papſt Gebannten, die treffe 
lihe Antwort des deutichen Königs, der ihm bedeutet, fein Latein für 
die Meffe zu Sparen, und feine Verfiherung, daß Wernhard durd) 
feine Schmeichelreden den Papſt nicht gegen ihn aufbringen werde, die 
Aufregung der anweſenden weltlichen Fürften, wie fie die Beanjtan- 
dung der Wal Rudolfs durch den Biſchof vernehmen, fein heimliches 
Entweichen unter dem ©eleit des Königs; — und doch find in der 
Form die Berichte untereinander jo verjchieden, daß ich nicht die Ab— 
hängigfeit des Naucler von der Heimchronif behaupten, vielmehr die 
Nachrichten beider auf eine gemeinfame Duelle zurüdführen möchte. 
Da liegt feine näher als die Geſchichte der Habsburgifchen Grafen 
Heinrih8 von Klingenberg !, aus der, wie erwiefen ift, die Reimchronik 
ihöpfte; in ihr, bei Mathias von Neuenburg und den Schweizer 
Chroniſten tritt uns der novelliſtiſche Zug derfelben lebendig entgegen. 
Es iſt daher nicht unwahrscheinlich, daß Naucler die verlorene histo- 
ria comitum Habsburgensium zu den non omnino malis au- 
thoribus rechnete, obwohl nicht ausgeſchloſſen ift, daß er die betreffen- 
den Nachrichten der Chronik feines Zeitgenofjen Heinrihe von Gun— 
delfingen entnehmen fonnte. Solange diefe nicht gedruct ift, werden 
wir jchwerlich zu einer befriedigenden Yöjung der oben geftellten Frage 
fommen; wir wenden uns daher einer andern Quelle zu, der ſoge— 
nannten 


Continuatio Vindobonensis. 


Niemand Hat bislang behauptet, daß Naucler diejelbe benutzt 
habe, und doch wird ſich eim jeder leicht überzeugen, wenn er ©. 
966 bei Naucler: Eodem anno Rudolphus rex persecutus est 
marchionem de Baden, rebellem, bis col. 967: confugientes ad 
ecclesias extrahi faciens ac trucidari mandans, d. h. Nadjrichten 
von den Jahren 1276 bis 1279 mit dem Nachrichten derjelben Jahre 
in der Wiener Gontinuation ? vergleiht. Dieſe entjtamınt der von 
ihrem Herausgeber Wattenbach mit F bezeichneten Wiener Handichrift, 
die biß zum Jahre 1267? von einer Hand gejchrieben ijt, dann bis 
zum Jahre 1327 mehrere Fortjeger gefunden hat. Die Nachrichten 
der Jahre 1279 bis 1301 finden ſich auch in dem Cod. Sancru- 
censis (A), im Cod. episcopalis Vindobonen. (E) und ferner 
in verfürzter Nedaction im Cod. Claustroneoburgensis (I). Nun 
find die von Naucler herübergenommenen Nachrichten ſehr befchnitten 
worden, und gleichwol fanı er ein Eremplar der Handichrift I nicht 
benutzt Haben, da diefe erjt in den Jahren 1512 und 1514 gefchrieben 


ı Weiland a. a. D. S. 427 fcheint Hier fchwäbifche Annalen des 12. 
und 13. Jahrhunderts, die vielleicht nad Hirſchau gehören, als Quelle zu ver: 


muthen, 
2 M. G. SS. IX, 707—_711. 
°» A. a. O. 698. 699. 


71 


it!, d. 5. zu einer Zeit wo Naucler das Zeitliche längſt geſegnet 
hatte. Er jcheint ſich alfo die Compilation aus dem Cod. F jelber 
gemacht zu haben. Daß e8 gerade diefer war, beweifen die Mittheis 
lungen, welche Naucler zum Jahre 1261 über die Verheirathung 
König Ottofars von Böhmen bringt, denn Cod. F jtimmt bis zum 
Yahre 1266 mit Cod. K (Cod. episcop. Vindobon.) überein, der 
wiederum nach den Melfer Annalen die Heiligenfreuzer Yortjegungen 
hat, in deren zweiter fid) die erwähnte Nachricht mit denjelben Worten 
vorfindet ?. 

Ob Naucler die Continuatio noch über das Jahr 1279 Hinaus 
benutzte, iſt wol fraglich, dem die Notiz über den Neichstag zu Augs— 
burg und die Einfegung von Rudolfs Sohne Albrecht zum Herzog 
von Dejterreich ift den Sindelfinger Annalen entnommen? Darnach 
it anzunehmen, dag aud) die folgende Nachricht: Similiter eidem — 
Decembri, in den verlorenen Ann. Sindelfing. jtand, die Belehnung 
Albrechts mit Steiermark, Kärnten, Krain und Pordenone betreffend, 
wern anders man nicht geneigt ift anzunehmen, daß Naucler nad)» 
läffig die Wiener Continuation benugte, wo aber von der Belehrung 
Abrechts und Nudolfs die Rede ift und Oeſterreich noch Hinzugefügt 
üt, Man vergleiche: 


Naucler 970, 

Similiter eidem Stiriam, Carin- 
tbiam, portum Naonis, Carniolam- 
que concessit mense Decembri, et 
ab eo moderni duces habuerunt 
exordium. 


Contin, Vindob. 712. 

Item dominus Rudolphus Ro- 
manorum rex apud Augustam 
filiis suis Alberto et Rudolfo ter- 
ras Austriam, Stiriam, Carinthiam, 
Marchiam, Portus Naonum contulit 
mense Decembri. 


Lehrreich für die Art der Benutzung der Wiener Continuation 
und die Arbeitsweife des Naucler iſt die Stelle, wo die Entſcheidungs— 
ſchlacht zwiſchen König Rudolf und Ottofar erzählt wird. 


Naucler 967. 
„At Rudolphüs rex cum Austra- 
lübus et Stirensibus et paucis 
Sueris, praesente rege Ungarie, 
cum tamen vix unum contra duos 
haberet, 7. Kalen. Septemb. 
anni 1278, feria sexta post festum 
8. Bartholomaei, in campo qui di- 
citur Nidersprug, ordinatis acie- 
bos, Christum pro signo habens, 
quod nomen semper antea a Co- 
manis et Ungaris pro nihilo fuit 


ı Ua. O. IX, 606. 


Contin. Vindob. 709. 

Et quia fraus et dolus non de- 
bet alicui patrocinium inpertiri, 
Rodulphus vero Romanorum rex, 
qui sic ab eo fraudulenter circum- 
ventus fuerat, cum Australibus 
et Stiriensibus peroptime expeditis 
et paucis Suevis, presente rege 
Ungarie cum suis, cum tamen vix 
unum pugnantem adhuc contra 
duos adversarios, et non nisi du- 
centos et quinquaginta dextrarios 


» M. G. SS. IX, 645 zum Jahre 1261. 


Naucler 967: Anno Domini 1282. Rudolphus rex curiam fecit 


apud Augustam civitatem Sueviae ante nativitatem Domini et ibidem 
ilium suum Albertum in ducem Austriae instituit, de consensu prin- 


cipum. Aus den Sindelfinger Ann. M. G. SS. XVII, 303. 


12 


Naucler 967. 
reputatum, acriter pugnavit. Igi- 


Contin. Vindob, 709. 
faleratos contra mille et centum 


tur hac die ab omnibus repetitis | parte ex adversa haberet, sepe- 


vicibus ‘Christus’ alta voce procla- 
matur, eratque ‘Praga’ sıgnum Boe- 


dicto regi Boemie viriliter cum 
suis paucis, in Deo ponens spem 


morum et alba stola. suam, quia Domini est salus, 
Septimo autem Kalendas Septem- 
bris, que fuit feria sexta proxima 
post Bartholomei, in campo qui 
vulgariter dieitur Ydung speugen, 
circa Marchiam ex utraque parte 
ad prelium convenerunt. Ordina- 
tisque hinc inde agminibus, rex 
Romanorum tam Comanis quam 
christianis pro signo nomen Christi 
precepit invocare, ut, ubicumque 
essent illa die, in bello pariter vel 
dispersi, hoc nomen ‘Christus Chri- 
stus’ a quolibet clamaretur. Ita- 
que nomen Dei gloriosum et bene- 
dietum ‘Christus’, quod exercitui 
regis Romanorum in signum datum 
fuerat, quod semper antea ab in- 
credulis Comanis et a semichristia- 
nis Ungaris blasphematum et pro 
nichilo fuerat reputatum, hac die 
communiter tam a Comanis quam 
a christianis invocando sepissime 
repetitis vicibus ‘Christus Christus’ 
alta voce ab omnibus proclama- 
tur. Rex vero Boemie suis exer- 
ceitibus pro signo dederat clamare 
‘Praga Praga’, et cuilibet album 
peplum circa collum ante et retro 
usque ad cingulum in modum stole 
dyaconi, sicque bellum commissum 
est ab utrisque, 


Der darauf folgende Sat: Ferunt ejus coronatione (nämlich 
des Wenceslaus) ducenta equitum millia apud Pragam ex re- 
gia curia cibos accepisse, ift der Historia Bohemica des Aeneas 
Syloins ! entnommen. Naucler hat jedoch unvollftändig excerpirt, 
beim Aeneas folgt noch: peditum vero infinitam multitudinem 
pastam. Woher Aeneas Syloius die ganze Nachricht geſchöpft Hat, 
ift mir unbefannt geblieben. 


Die Historia Bohemica des Aeneas Sylvius und 
ein Catalog Mainzer Erzbiſchöfe (Cod. Darmstad. 820). 


Schon eben ift bemerkt worden, daß Naucler die Historia Bo- 
hemica des Aeneas Sylvius gefannt und benußt Hat; er citirt die- 
jelbe col. 983, wo er nad) der Darftellung des Verhältniffes König 


" Rom 1475, Bd. II, ©. 8 (vom zweiten Buch an gerechnet, da das an: 
gezogene Eremplar nicht paginirt war). 


13 


Abrehts zu Bonifaz VIII. plötzlich die Schickſale des Wenceslaus, 
des Sohnes jenes Ottokars, der in der Schlacht auf dem Marchfelde fiel, 
erzählt; ſeine Erziehung durch den Markgrafen Otto von Brandenburg; 
ſeine Rückkehr nach Böhmen; die Heirat ſeiner Mutter mit dem böh— 
miſchen Edlen Zawiſch und die Hinrichtung des Letzteren, Wenceslaus 
Stellung ferner zu Albrecht; die Krönung feines breizehnjährigen 
Sohnes zum Könige von Ungarn und ſchließlich feinen im 33. Lebens⸗ 
jahre erfolgten Tod: lauter Nachrichten, welche teilweife an anderem 
Orte (983) in viel richtigerem Zufammenhange erzählt worden find. 
Diefe Stelle nun correfpondirt wörtlid) mit der Historia Bohemica 
I, S. 7. 8. 9. Naucler hat jedoch gekürzt, denn Aeneas erzählt, 
daß ein Wegelagerer der auf dem Grabe des Wenceslaus errichteten 
Statue eine Ohrfeige gab, zur Strafe aber ſofort erblindete, das 
Steinbild darauf im Sacrarium aufgeftellt und ſpäter durch ein ehernes 
eriegt worden ſei. Diefe Erzählung hat Naucler ausgelaffen. 

Ferner bemerfen wir col. 1016 und 1017, wo er eine Charafs 
teriftit Karl IV. giebt, von der Errichtung der Prager Hochſchule, 
der Erhebung der Prager Kirche zum Metropolitanfig fpricht, eine 
Uebereinftimmung mit der Historia Bohemica II, ©. 13; eine 
Stelle, welche deshalb eine nähere Beſprechung verdient, weil Weis 
land! bei der Frage nad) dem fogenannten Jacobus Moguntinus 
bier eine Concordanz mit einer fpäteren Mainzer Compilation aus 
dem Jahre 1507? gefunden hat, von der er zu behaupten fcheint, 
daß fie die Chronik des Jacob benutt habe. Cine nähere Kenntnis- 
nahme der Handſchrift brachte mich gerade zu der gegentheiligen Ueber— 
zeugung, daß eben Jacob von Mainz nicht der Mainzer Compilation 
als Vorlage diente, da ſpecifiſch Mainzer Nachrichten, welche Naucler 
dem Jacob entnommen hat, in der Compilation des Biichofsfataloges 
fehlen und ſich auch fonft fein Zufammengehen mit dem durd) einzig 
daftehende Nacjrichten ausgezeichneten Jacob zu entdeden ift. Zur 
Darlegung des Verhältniffes zwifchen den drei Faktoren, dem Naucler, 
dem Aeneas Sylvius und den beiden Mainzer Compilationen iſt 
eine Beichreibung der Handſchrift nothwendig. 

Sie ift eine Papierhandichrift in Quartformat und in Perga- 
ment gebunden. Auf der Innenſeite des Umfchlags lieft man hod) 
oben: Libellus Cristiani Gheverdis eolleetus per eundem Colo- 
niae anno Domini millesimo quingentesimo septimo.. Man 
Könnte alfo mit mehr Recht von einer Kölner als von einer Mainzer 
Compilation reden. Der Sammelcoder beginnt mit einem alten ſchö— 
nen Drude: Expositio Antiphone seu cantici Salve regina 
Auctoritatibus propheticis necnon Biblie et sanctorum patrum 


ı Ua. DO. XXXIV, 429. 

* Cod. Darmstad. 820. Durd) bie gütige Bermittelung bes Herrn 
Oberbibliothefar Dr. Laubmanı in Wirzburg war e8 mir vergönnt, von der 
Sandfchrift, welche das Großherzoglich Heſſiſche Staatsminifterium des Innern 
m ſiberalſter Weife zur Benutzung überließ, Einficht zu nehmen. 


74 


doctorumque dietis ac historiis decorata predicantibusque uti- 
lissima per venerabilem patrem Johannem Henlin Sacre theo- 
logie lectorem edita. Incipit. Ohne Angabe des Drucdortes und 
der Jahreszahl. Mit ©. 45 beginnt die Handichrift mit der Ueber 
Schrift in rother Dinte: Colleeta hine inde ex diversis, giebt bis 
©. 56 die fagenhafte Urgeichichte der Stadt Mainz und die Gefchichte 
feiner Biſchöfe bis auf Bonifaz, worauf eine leere Seite folgt und 
©. 57: Baldewini tempore. Item tempore hujus Baldewini 
eives Moguntinenses insurgendo contra clerum et ecclesiam 
Moguntinensem et anno domini MCCCXXXIX. die S. Lan- 
rencii destruxerunt monasteria sancti Albani et Jacobi nec- 
non ecclesiarum S. Vietoris et plurium canonicorum in et ex- 
tra eis; eine im deutfcher Sprache abgefafte Urkunde Ludwig des 
Baiern, verichiedene von ftädtiichen Behörden ausgejtellte und ſchließ— 
lic eine Urkunde König Wenzel8 aus dem Jahre 1383. Nach drei 
leeren Seiten folgt auf S. 69 eine deutich geichriebene Geſchichte von 
Mainz und feiner Erzbifchöfe bis auf Sigfried von Eppenjtein 
(S. 77). Dann zwei leere Seiten und S. 79 und 79° Epigramme, 
welche auf Steinen bei St. Alban gefunden wurden, darunter die 
Grabſchrift der zu Franffurt verftorbenen und in St. Alban beige: 
fetten Gemahlin Karl des Großen Fajtrada. 

S. 80 beginnt der Cathalogus episcoporum et archiepisco- 
porum ecclesie Moguntinensis und endigt mit der Dita des Erz 
biſchofs Bertold, Grafen von Hennenberg (geitorben am 21. De 
cember 1504). ine andere Hand jette darunter: Post Bertoldum 
de anno 1484. restant anni, in quibus archiepiscoporum suc- 
cessio desideratur plus minus 156 et sie ultra hominum me- 
moriam. Diefer Zuſatz ift alfo erft 1640 gefchrieben worden. 

Die Chronik giebt eine kurze Gefchichte der Biſchöfe und Erz 
biihöfe,; ohme die Bedeutung derjelben für die Reichsgeſchichte näher 
zu wirdigen, beichäftigt fie fich faft nur mit örtlichen Angelegenheiten 
und theilt zum Schluß jeder Vita das Epitaph des betreffenden Bi— 
ſchofs mit. An vielen Stellen find Hinweife auf das im Text Ste 
hende am Rande gegeben, häufig auch mit rother Dinte eine Hand 
gemalt und mande Stellen des Textes roth unterjtrichen, hie und da 
wurden oben und unten auf der Seite Bemerkungen eingefügt und 
halbe und viertel Blätter eingeheftet, welche Zufäge und Verbeſſe— 
rungen enthalten. Die Schrift ift die des 16. Jahrhunderts. 

Es folgen weiße Blätter. S. 146 beginnt mit der Ueberjchrift: 
Supplementum Cronice suceinetum, eine Chronif der Biſchöfe umd 
Erzbiichöfe von Mainz mit folgender Einleitung: Aurea Maguntia 
toeius Germanie metropolis annis quingentis post Trevericam 
urbem omnium cismaritimarum eivitatum est antiquissima, 
sumpsit exordium und endigt S. 196 mit der Regierung Adolf I. 
Grafen von Naffau (geftorben am 6. September 1475). 

Nach mehreren weißen Blättern finden wir ©. 198 von an— 
derer Hand einen Brief gefchrieben, deſſen Ueberjchrift in rother Dinte 


75 


fo lautet: Generoso clarissimoque domino Philippo de Duno 
et Lapide superiori nobilissimo Argentinensis ecclesie prepo- 
sito, domino suo observandissimo. Der Brief ift ohne Datum 
und Ausſtellungsort. Sclieklic folgt S. 200 bis 203 eine in 
Diſtichen abgefaßte Elegie mit dieſer Ueberfchrift im rother Dinte: 
Ad Julium secundum pontificeem maximum contra falsam Au- 
gustinensium accusationem elegia heratostica Jacobi Wym- 
pbelingii theologi. Die Handfchrift ift diefelbe wie bei dem vor— 
bergehenden Briefe. 

Wir ehren zu der oben erwähnten Notiz über den Charakter 
Karl IV. und die Errichtung der Prager Univerfität zurück, indem 
wir die betreffende Stelle aus den drei Autoren hier wiedergeben: 


l Naucler 8.1016. 1017.|II. Aeneae Sylvii Hist./III. Cod. Darmstad. 820 
Bohem. ©. 13. S. 135 (Vita Gerlaei 
archiepisc. Mogunt.). 
Carolus imperatorı Nam scola liberalium] Hie Karolus clarus 
clarıs habitus est, nisiljartium ab eo in Pragaprofecto cesar, nisi Bo- 
qud, ut aliquilerecta est, Nova Civitashemici regni gloriam 
seribunt,  Boemicilmenibus cincta, pala-Imagis quam Romani 
regni gloriam magisitium regium magnifi-imperii quesivisset, et 
quam Romani imperiiicentissimeexedificatum,!Wentzlaum etc. 
quaesirit.. Fuit enim|Monasteria multa fun- Eo tempore ecclesia 
vir magnorum operum, data, arces constructe/Pragensis ad metropo- 
qui regnum Boemiaeladmirabiles: pax totilliticum decns erecta 
tun religionis cultu,'regno reddita ..... est et monasterium La- 
tum legum ac bonorum Vicegradum novis mu-itomislense ordinis Pre- 
morum disciplina illu-/ris ac propugnaculis monstratensis in cathe- 
strart.. Nam scolacommunivit, corpus'dralem ecclesiam ordi- 
lberalium artium abjsancti Viti Pragam de-Inatum, quam Clemens 
& in Praga erecta est,ttulit, pontem Multavie,papa eidem ecclesie 
nova civitas moenibusqui ex undationibusjPragensi in suffraga- 
eineta, palatium regium|corruerat, in Praga re-neum ac Olemocensem 
magnificentissime ex-stauravit, ecelesiam/in regno Bohemie olim 
aedıficatum, monasteria Pragensem ad metro-Maguntinensis provin- 
multa fundata, arcespoliticum decus erexit,lcie. 
eonstractae mirabiles, cum antea Moguntino 
corpus S. Viti detulit'pontifici subjecta esset. 
Pragam, ecclesiam Pra-Clarus profecto impe- 
gensem ad metropoli-'rator, nisi Bohemici 
ticum decus erexit, cum/regni gloriam magis 
antea Moguntino pon-Iquam Romani imperii 
tifiei subjecta fuisset. |quesivisset etc. | 


Aus diefer Stelle ſchließen zu wollen, Naucler Habe hier die 
Mainzer Compilation benutt, ericheint im Hinblick auf den völlig 
gleihartigen Text der böhmischen Geſchichte des Aeneas Sylvius ficher- 
{id verfrüht: wir knüpfen vielmehr an den eben abgebrochenen Text 
der Letsteren wieder an und conftatiren eine weitere Lebereinftimmung 
mit der Mainzer Compilation, ohne dag wir im Naucler dazu ein 
Pendant gefunden hätten. 


Aeneas Sylvius ©. 13. | Cod. Darmstad. 820 ©. 135. _ 
Mud quoque nomini ejus non . . et Wentzlaum ex filiis suis 





76 


Aeneas Sylvius ©. 13. 
parvam inussit maculam: quod 
Venceslaum ex filiis suis natu ma- 
jorem in imperio sibi successorem 
adhuc vivens ordinare conatus est, 
idque pecunia. Nam cum princi- 
pes electores haud facile ad eam 
rem trahi possent, quod virtute 
obtinere non potuit, precio com- 
— promissis cuique Electori 

milibus aureis. Quos cum re- 
presentare non posset, publica illis 
Romane rei publice vectigalia ob- 
ligavit: perpetuum imperii macu- 
lum. Hinc Romana potestas ad 
nihilum redacta. Nec post hoc 
extollere capud imperium potuit. 
Cum principes electores omnia sibi 
retinerent imperatoremque jureju- 
rando adigerent, ne pignora revo- 
caret. 


Fürwahr! der Mainzer giebt 
rafteriftif des mittelalterlichen Reichszuſtandes! 


Cod. Darmstad. 820 &. 135. 
natu majorem imperii sibi succes- 
sorem adhuc vivens ordinare co- 
natus esset, idque pecunia. Nam 
cum electores baud facile ad eam 
rem trahi possent, quod virtute 
obtinere non potuit, precio conpa- 
ravit, promissis cuilibet electori 
centum milibus aureorum ; quos 
cum representare non posset, pu- 
blica illis Romane rei publice vee- 
tigalia obligavit perpetuo imperi 
malum; hine Romana potestas ad 
nichilum redacta, nec post hoc ca- 
put imperium extollere potuit, 
cum principes electores omnia 
sibi retinerent imperatoremque 
jurejurando premerent, ne pignora 
revocet, prout in bulla Charoli 
quam auream vocant habetur, et 
bene aurea quoad principes elec- 
tores, ad rem autem imperii non 
valet fabam. 


eine ſcharfe, aber fchlagende Cha- 
Dhne mid) auf eine 


nähere Würdigung diefer anziehenden Stelle einzulaffen, fete ich im 
Folgenden noch eine Nachricht des Naucler mit der Mainzer Compi- 
lation in Parallele, zu der fih das Geitenftü nicht beim Aenens 
Sylvius findet. Sie betrifft die Abfegung des Mainzer Erzbischofs 
Heinrih van Virneberg durch Papft Clemens VI., aus deſſen Ab» 
ſetzungsdecret Naucler den Schlußſatz mittheilt, den er offenbar der 
die Urkunde wiedergebenden Mainzer Compilation entnimmt. Im 
Cod. Darmstad. ©. 122° beginnt fie mit den Worten: Collacio 
facta in deposicionem Henrici archiepiscopi Maguntinensis 
die VII. Aprilis anno quarto!, und endigt ©. 134. Für une 
fommt nur der Schlußfag in Betracht: 


Naucler ©. 1005. 1006. 

Nlis etiam temporibus idem 
Clemens deposuit Henricum de 
Viernberg archiepiscopum Mogun- 
tinensem, qui Ludovico adheserat 
et ipsi favebat, propter quod exe- 
cratus fuerat et in execratione 
pluribus annis perduraverat, ac in 
officio, ut prius, ministraverat. 
Allegantur etiam perjurium et alia 
quaedam, ut de hoc in alio ser- 
mone. Ibi Clemens in fine ait: 


Cod. Darmstad. S. 134. 

In nomine ergo domini: de fra- 
trum nostrorum consilio in predic- 
tum Henricum licet absentem cor- 
pore, presentem tamen spiritu 
perpetue deposicionis sententiam 
preferentes, eum ab omni honore, 
potestate, dignitate et officio pon- 
tificali privamus infeudacionis, 
alienacionis et obligacionis, per 
quas de bonis ecclesie Maguntı- 
nensis presumpsit post latas in 


1 Die Urkunde ift auszugsweife gebrudt bei Theiner, Ann. Eccl. T. XXV, 
©. 377. 378. Sie ift ausgeſtellt in Avignon 8. id. April., differirt dem- 
nad um einen Tag mit dem Texte der Mainzer Compilation. 


717 


Naucler S. 1005. 1006. 
Et ne dieta ecclesia incommoda 
sue viduationis deploret, authori- 
tate Dei etc. Gerlacum filium 
comitis de Nassaw, capellanum 
nostrum, decanum dictae ecclesiae, 
praeficimus archiepiscopum, ut 
cum principibus sedeat et solium 
gloriae teneat unde postea multa 


Cod. Darmstad. ©. 134. 
cum excommunicacionis et suspen- 
sionis sententias in irritum revo- 
camus, etne dicta ecclesia incom- 
moda sue viduitatis deploret, auc- 
toritate Dei omnipotentis patris 
et filii et spiritus sancti, beate 
Marie semper virginis, beati Mi- 
chaelis archangeli, beati Johannis 


baptiste, beatorum apostolorum 
Petri et Pauli et nostra, Gerlacum 
filium comitem de Nassawe, capel- 
lanum nostrum, decanum ecclesie 
Maguntinensis, dispensantes prius 
cum eo supra etate et ordinibus 
ipsius Maguntinensis ecclesie, de 
eorundem fratrum consilio prefeci- 
mus in archiepiscopum et pasto- 
rem et de persona episcopi prefate 
ecclesie providemus: ut de cetero 
cum principibus sedeat et solium 
glorie teneat primorum primus ! 
et tandem J eternam gloriam 
perveniat, quam nobis et ipsi con- 
cedat, qui est benedictus in se- 
cula seculorum. Amen. 


secuta sunt scandala. 


Fragen mir zunächit, in welchem Verhältnis Naucler zu den 
beiden andern Quellen jteht, fo glaube ich, da gezeigt iſt, daß er die 
Mainzer Compilation bemutt ? in der Mittheilung von Nachrichten, 
weihe er aus der böhmischen Gejchichte des Aeneas Sylvius nicht 
entnehmen konnte, die Frage dahin beantworten zu können, daß ſowol 
die böhmiſche Geſchichte des Letzteren als der Katalog der Mainzer 
Biihöfe und Erzbiihöfe im Cod. Darmstad. dem Naucler als Vor— 
lage dienten. Ja dieſer fpricht es eigentlich felber aus, wenn er mit 
Berufung auf feine Quellen ſchreibt: ut aliqui seribunt. 

Diejes Rejultat giebt einen näheren Anhaltspunkt für die Ab— 
faſſung der Nauclerjhen Chronik: einige Partieen derjelben find erft 
nach dein 21. December 1504 vollendet worden, da mit diefem Da— 
tum der Cathalogus episcoporum ecclesie Maguntinensis en= 
dig. Joachim? Hatte die Ergebniffe feiner Unterfuchung über die 
Abfafjungszeit dahin zufammengefaßt, daß „die Chronik in der Periode 
vom legten Decennium des 15. Jahrhunderts bis zum Tode Naus 
ders 1510 entitanden fein wird“. Damit einverftanden, befämpfe 
ih feine Anficht, daß fie vielleicht jchon 1504 fertig vorlag. Joachim 
Ihließt dies ‚aus einer König Ludwig XII. von Frankreich angehenden 


J Die Handſchrift hat hier eine Sigle, die ich in den bekannten diploma⸗ 
then Handbüchern vergeben® ſuchte. Herr Prof. Steindorff in Göttingen war 
ho —— mid vermutungsweiſe auf die oben gegebene Löſung aufmerkfam zu 
machen. 

* (Die Url. lann er aber auch andersher gekannt haben. ©. W.) 

2A. a. O. S. 10. 


18 


Notiz: et hodie regnat anno salutis 1504. Dazu ift zu bemerfen, 
daß, wenn Naucler diefe S. 526 jtehende Stelle im Jahre 1504 
fchrieb, er nad) Art feiner Arbeitsmethode ſchwerlich feine 1121 große 
Voliodrudjeiten umfajjende Chronik in einem Jahre vollendet haben 
wird; jondern er compilierte jtüchweife nad) Zeit und Luft. 

Schwieriger iſt das Verhältnis, in welchem Aeneas Eylvius zu 
dem Mainzer Bifchofsfatalog ftcht, zu beſtimmen, da mir zur Zeit, 
wo ich den Darmftädter Coder benußte, diefe Beziehungen noch unbe 
fannt waren. Aeneas Sylvius vollendete jein Bud) laut Angabe auf 
der lesten Seite im Jahre feiner Wahl zum Papfte, aljo 1458; im 
Drud erfchien e8 erjt im Aubileumsjahre 1475 zu Nom: es ift aljo 
weit früher abgefaßt al8 der Mainzer Biichofsfatalog, und diefem hat 
folgli), wenn nad den obigen Umftänden eine Vermutung auszus 
ſprechen erlaubt ift, die Hist. Bohem. als Vorlage gedient!. Auffal- 
[end bliebe dabei die energifche Weiterführung des von Aeneas Shyl— 
vius niedergefchriebenen Gedanfens über die Beftechlichfeit der deut 
hen Rurfürften und die an die goldene Bulle gefnüpfte Bemerkung‘, 
daß fie wohl den Beinamen der „goldenen“ verdiene, wenn man die 
Bortheile der Kurfürften in ihr anfehe, für die Nechte des Reiches 
aber nicht einen Pfifferling werth fei. 

Außer den erwähnten Uebereinftimmungen zwiſchen Naucler und 
den beiden Mainzer Chronifen finden fich feine mehr. Erſterer be 
ſchäftigt ſich vorzugsweiſe mit den Beziehungen der deutichen Fürjten 
zum Auslande, kümmert fih um Mainz nur anläßlic) der Abſetzung 
des Mainzer Erzbifchofs Dieter von Iſenburg (S. 1091— 1093). 
Seine Quelle ift da mündlicher Bericht: et tantum de Moguntiaca 
captione invenire potui, audita referens, prout a fide dignis 
accepi (1093) und jehr ausführlich; die erfte der oben genannten 
Mainzer Chronifen, welche wir mit A bezeichnen, behandelt 140r. 
141 das Greigniß fehr kurz, die zweite (B) 194r. 195. 196 aus 
führlicher, beide jedoch ohne Anklang an Naucler. Diefer giebt als 
Datum für die Groberung von Mainz den 27/28. October 1462, 
Chron. B. den Tag Simon und Juda an. Den Chroniften A. 
lernen wir al8 Zeitgenofjen diefes Streites zwifchen Dieter von Iſen— 
burg und Adolf von Naſſan feinen: er jagt 140r, daß er weder je 
nen empfehlen noch diefen tadeln will. B. endet mit der Erzählung 
der Eroberung von Mainz, A. mit der Regierung des DBertold von 
Hennenberg (FT 1504). 


Der fogenannte Martinus Minorita, 
Die beiden Ausgaben der Flores temporum, die ohne Grund 


I (Dies jcheint mir nicht zweifelhaft. ©. W.). 

2 Benutzt hat dieſe Stelle des Aeneas Sylvius ein Fortjeger des Mar: 
tinns Minorita, Michael Eyienhard (bei Meufchen 140): Promisit Carolus, 
ut refert papa Pius, cuilibet electorum centum millia aureorum num- 
morum pro consensu, sed cum solvere tantum aes non posset, obliga- 
vit eis telonia, vectigalia, oppida imperialia, proprietates, item et 
jura multa titulo pignoris, 


19 


einem Martinus zugefchrieben werden, bei Eecard! und Meufchen ?, 
und eine von mir benutzte Wirzburger Handjchrift weichen vielfach) 
von einander ab und lajjen nicht mit Sicherheit die uriprüngliche Be— 
ihaffenheit des Werks erkennen. Die Nachrichten welche Naucler 
giebt ftimmen bald mit dem einen, bald mit dem andern Text überein, 
jo daß wir im ihr eine theil® verkürzte, theil8 mit Zufägen verjehene 
und vergrößerte NRedaction der urfprünglichen Flores zu erfennen 
glauben. Der populäre, unterhaltende Ton derjelben hat zu den 
Bandlungen des Textes ſicherlich mit beigetragen. 

Weiland bemerft in der Kritik der Joachimſchen Schrift, manch— 
mol habe man den Eindrud, dag Martin Naucler gegenüber nur ei— 
nen Auszug gebe, und führt die Stelle über die Ermordung des 
Grafen von Yülih an im Jahre 1278, welde Yorenz aud) noch in 
der neueſten Auflage feiner Geſchichtsquellen irrthümlich auf die Col— 
marer Annalen zurüdführt?, Joachim S. 44 den verlorenen Sindel- 
finger Annalen und Weiland dem Minoriten zuweifen möchte. Letz— 
terer aber regijtriert da8 Ereignis nur: Anno Domini MCCLXXVIIL 
comes Wilhelmus de Gulch oceisus est Aquisgrani, dominica 
Invocavit *, während Naucler dafjelbe mit allen Nebenumftänden 
erzählt. 

Die Nachricht findet fi) wieder in der Continuatio Vindobo- 
nensis, welche Naucler benugte, Joachimꝰ aber außer Acht ließ, weshalb 
er jene den verlornen Sindelfinger Annalen zuzuweiſen verfucht war, 


Continuat. Vindob., M. G. SS. 
IX, 709. 

Inelitus comes Juliacensis, dum 
ad expedicionem regis Romanorum 
ordinaverat, a civibus exigeret, 
subito lite exorta, suadente pesti- 
fero consilio, cum duobus liberis 
suis ac ducentis militibus et fere 
mille aliis hominibus suis, proh 
dolor! in quadragesima ante eccle- 
sam beate Virginis a predictis 
eciribus et vulgo est miserabiliter 
oeeisus. 


Naucler. Chr. S. 967. 


Anno Domini 1278. inclytus dux 
Juliacen. ad expeditionem regis 
Ro. veniens, Aquisgrani exactio- 
nem a rege Rom. impositam peti- 
vit, ubi subito cum duobus filiis 
ac ducentis militibus et fere mille 
aliis in quadragesima ante eccle- 
siam B. Mariae virginis est occisus. 


Auch das zweite Beispiel Weilands möchten wir nicht in feinem 


vollen Umfange acceptiren, 


Es handelt fih um ein in Regensburg 


von einem bifchöflichen Minifterialen, einem von Hohenfel®, gegen 
König Konrad IV. geplantes Attentat, welches durch die Aufopferung 


! Martini Minoritae Flor. Temporum ab Hermanno Januensi 
continuat. usque ad Carolum IV. Imp., bei Eccard Corp. hist. I, 
1551— 1641. 

° Hermanni Gygantis Ord. fr. Minor. Flores Temporum, Lugd. 
Batav. 1750. 4. 

®_ Geichichtequellen des Mittelalters I, 47 N. 2. 

* Meufhen 131. So auch Eccard 1632, 

*A. a. O. S. 44. 


80 


des mit feinem Herrn das Lager taufchenden Vertrauten, Friedrichs 
von Vensheim, vereitelt wurde. Dieſe Erzählung erfcheint bei Nau— 
cler! mit weit größerer VBollftändigfeit al8 in feiner Quelle, den 
Flores ?. 

Seine Arbeitsmethode iſt an diefer Stelle vecht erfenubar: S. 937 
hat er fchon erzählt von den Bemühungen des Bapftes Junocenz für 
die Wahl des Yandgrafen Heinrich von Thüringen, der am 5. Auguft 
1246 Konrad bei Frankfurt im die Flucht Schlägt; — offenbar nad) 
den Flores (Meuſchen 127, Eccard 1625), welche hier auch die 
erste bairische Yortfegung der Sächſiſchen Weltchronif benußt?. Ob 
die folgende Nadricht von der Belagerung Reutlingens im SYahre 
1247 und der zum Dank für die Befreiung erbauten Marienfapelle 
auch den Flores zuzuweiſen ijt oder bejjer den verlorenen Sindel- 
finger Annalen, mag ic) nicht entfcheiden. Die dann fommende No» 
tiz über Heinrichs Tod bei der Belagerung der Stadt Ulm zeigt 
wieder auf den Minoriten als Quelle. Nach Naucler wird Land: 
graf Heinrich zufällig durch einen Pfeil verwundet und ftirbt fpäter 
an Dyjenterie. Der Meuſchenſche Text hat nichts der Art; Eccard 
col. 1625 bemerft nur, daß er im Jahre der Flucht ohne Erben 
an obiger Krankheit jtarb und zu Eiſenach begraben wurde, womit 
Andreas von Regensburg * und der bairijche Fortjeger der Weltchronit 
(324) übereinjtimmen, 

Bei Naucler folgt darauf die Wahl Wilhelms von Holland, 
welcher dein Grafen Ulrich) von Wirtemberg die Vogtei über das 
Klojter Drendendorff verleiht und fchlieglih de8 Könige Tod im 
Lande der Frieſen; Nachrichten, welche wir cher den Sindelfinger 
Annalen zuweilen möchten, jchon wegen der nahen Beziehungen, in 
welchen das Kloſter zu den Wirtembergiichen Grafen jtand. Zu 
gleicher Zeit ſchaute Naucler in fein Kaiferverzeihniß und bemerkte, 
daß Wilhelm wie Konrad in Ermangelung der Krönung durch den 
Papit feine befondere Rubrik in ihm erhalten haben. 

©. 940 fnüpft Naucler an die Wahl Wilhelms von Holland 


1 Aus ihm jchöpfte Trithemius. H. Müller in feinen „Duellen, melde 
der Abt Tritheim im erften Theile feiner Hirſauer Annalen benutt bat“ 
S. 31 weiß die Nachricht nicht unterzubringen. 

2 Der Ulmer Bredigermönd Felir Faber, welcher die Chronik des Mino: 
riten benutzte, fcheint ein vollftändigeres Eremplar, als uns befannt ift, befefien 
zu haben: Hoc* intelligens quidam fidelis miles ejus dietus Fridericus 
de Eutenschaim (!), precurrit velocius et regem de lecto traxit 
et eum subter scamnum abscondit, jubens eum silere propter pe- 
riculum imminens. Indes wäre e8 immerhin möglich, daß dieje neuen aber 
aus der Tatſache ſich von felbft ergebenden Momente: das Herabnehmen des 
Königs vom Bette und das Gebot des Stillihweigens nur ftiliftifche Aus- 
fhmüdungen des einfachen Textes waren. 

:» Aa. DO. ©. 324, wo ber Tert alfo hätte Hein gedrudt werben 
müffen, 

A. a. O. S. 532. 


®* Goldast, SS. rer. Suevic., Frankf. 1605, ©. 118. 


81 


an, der aus Verſehen diesmal zum Landgrafen von Thüringen ge— 
macht wird; Papſt Innocenz verwendet ſich für feine Anerkennung 
gegen den Staufer Konrad, welcher darauf aus feinen Erblanden in 
Italien nad) Deutichland zurückkehrt und mit feinem Schwager Hein- 
rih von Baiern das Gebiet des Regensburger Biſchofs verwüftet ; 
Heinrih quartiert jich bei den Mönchen von St. Emmeran ein, 
Konrad lagert in der Kathedrale. Hier erfolgt nun am 29. Des 
cember der obenerzählte Mordverſuch gegen Yeßteren, deſſen Folge die 
völlige Zeritörung des Klojterd von St. Emmeram war; die Mönche 
wurden gezwungen, da die Schäge ihrer Bibliothek verpfändet waren, 
durch dern Verfauf eines goldenen tragbaren Altar aus der Zeit 
Heinrih IV. ihre Reiniger zu befriedigen. Sowie König Wilhelm 
mit Heeresmacht heraneilt, entflicht Konrad nad) Apulien; den Baiern- 
berzog trifft bald darauf die verdiente Strafe. 

So meit Naucer. Die VBerfuhung, zu der die obenerwähnte 
Bemerkung Weilands reizt, das Plus der Nachrichten bei Naucler 
auf eine ausführlichere Redaktion der Flores temporum oder auf 
Annalen, welde „nah Hirichau gehören“, zurüdzuführen, ift freilich 
(odend; indes zeigt die folgende Betrachtung vielleicht einen Ausweg. 

Die Mordgeihichte, welche mit ihrem romanhaften Detail an 
eine Ähnliche Epifode aus Friedrich I. Aufenthalt in Stalien erinnert, 
findet ſich von einigen Abweichungen abgejehen in den Annalen des 
Hermann von Altaic) wieder. Ein Vergleich der drei Berichte, des 
Altaichers, des Naucer und des Minorita zeigt im Allgemeinen 
Uebereinitimmung, doch iſt erfichtlih, wie Naucler aud Hier die 
Flores benugt, dagegen in Einzelheiten, welche diefen abgehen, mit 
Hermann übereinfommt. So läßt diejer das Ereignis in proxima 
nocte post festum innocentum vor ſich gehen, weldes Datum dem 
quarto Kalend. Januarii des Naucler entjpricht; in einzelnen Aus— 
drücken? fchließt er fi) näher an, Hermann. an, und ſchließlich erwäh— 
nen er und Naucler die Strafe für den Frevel, nämlich die Zerftö- 
tung des Klofters zu S. Emmeran, wobei der Altaicher wieder aus— 
führlicher ift, indem er Hinzufügt, daß der Abt Ulrich dem Unterneh- 
men nicht ferne jtand, während der Biichof von Negensburg vor den 
Zhoren der Stadt mit einer Schar Bewaffneter den Ausgang der 
Sache abwartete. Auch anderweit findet ſich mehrfache Uebereinſtim— 
mung? mit den Altaicher Annalen, mandmal eine jo wörtlihe, daf 


ı M.G. SS. XVII, 395. 

” Naucler 941: Rex — atque rex mortis periculum evadens — 

Herm. Altah. Ann. 395: Rex — valde miraculose imminens peri- 
culum mortis evasit, 

SMS: Minor. bei Meufchen 127: et sic rex per illius mortem 
erasit. 

° &o Naucler 943: Isto fere tempore — factusque est dux 
uno 1254. vergl. mit Herm. Alt. Ann. 393: Oceiso itaque Friderico — 
et conversa. 

Naucler 943: Eodem tempore Ludovicus — in Verda mit Ann. 


XVIIL 6 


82 


man eine direfte Benutzung derjelben durch Naucler annehmen möchte, 
zumal uns hier correjpondirende Nadrichten aus den Flores tempo- 


rum nicht entgegentreten: 


I. Naucler ©. 943. 

Et quia Othocarus, filius 
regis Bohemie, tunc a qui- 
busdam Australibus voca- 
tus fuit ad ducatum, ut eum fa- 
cilius retinere posset jam usurpa- 
tum, duxit in matrimonium 
Margaritam, relictam prae- 
dicti Henrici quondam re- 
gis Romanorum, et auxilio 


II. Herm. Altah. Ann. ©. 393. 

— et Otaker, filius Wen- 
ceslai regis Boemie, con- 
silio patris et vocatione 
magnatum civitatum Au- 
strie et Stirie, utrumque duca- 
tum sibi attraxit, dominam 
Margaretam,relictam Hein- 
rici quondam regis Roma- 
norum, sororem scilicet supradicti 


Friderici ducis, accipiens in 
uxorem. Ad cujus subjectio- 
nem statim tota Austria et Stiria 
cum superioribus et inferioribus 
civitatibus est conversa. 


patrissui ac quorundam no- 
bilium de Austria, terram 
sibi totam subjugavit, fac- 
tusque est dux anno 1254. 


Auch Hier vertritt Hermann wieder den volleren Tert, Naucler 
den fürzeren, während diefer wiederum ihm allein eigenthümliche Zus 
fäte hat, die wir bei jenem vergebens fuchen. Wir werden deshalb 
auch im Hinblid auf das oben Gejagte in den Altaicher Annalen 
nicht eine Vorlage des Naucler erkennen, fondern find mehr geneigt 
anzunehmen, daß die jpecifiich bairiſchen und öſterreichiſchen Nachrichten 
durch ein anderes Medium, das die Altaicher Annalen benugte, dem 
Naucler zugefommen find. Dabei dürfen wir aber nicht die Verbin 
dung diefer Nachrichten mit dem Minoriten! vergejien: wer nicht an 
eine ausführlichere NRedaction der Flores temporum oder an eine 
compilivende Thätigkeit des Naucler, wie fie ſonſt nirgends zu erjehen 
ift, denkt, möchte vielleicht beiftimmen, daß Nauclers Vorlage 
eine Gefhingtscompilation war, welde urfprünglid 
dem Altaiher Hermann und derzmweiten Heiligenfreuzer 
Fortfegung? entlehnte Nahridten in der Weije mit 
Nahridhten aus den Flores temporum verband, wie 
die Annalen von St. Uodalrid und St. Afra zeigen. 


Altah. 397 zum Jahre 1256. — Naucler 943 über den Tod Herzog Ottos 
von Baiern 1253 mit Hermann 396. 

ı Die einzige Nachricht, welche allen drei Autoren gemeinfam ift, ift die 
Erzählung von der Hinrichtung der des Ehebruchs verdächtigen Gemahlin Her- 
3098 Ludwigs von Baiern, wo Naucler noch den Zuſatz hat, daß mit derfelben 
mehrere vermeintlich” Schuldige zum Tode geführt worden ſeien. 

2 Mit dieler ift auch eine nicht zu läugmende Webereinftimmung mit 
Naucker vorhanden, obwol diefer in den chronologiihen Angaben abweicht. 
Cont. Sanerucens. II, M. G. SS. IX, 643 zum Sabre 1251: Eodem anno 
Otakorus, filius regis Boemie, duxit in uxorem Margaretam quondam 
Romanorum reginam, filiam Liupoldi ducis Austriae qui jacet in 
Campo liliorum. Und zum Jahre 1252: Supradictus Otakorus subju- 
gavit sibi totam Austriam, auxilio patris sui et auxilio quorundam 
nobilium de Austria. 


83 


Die verlorenen Sindelfinger Annalen. 


Es iſt ein Berdienft Joachims, nad) dem Borgange Böhmers in 
der Borrede zum zweiten Bande feiner Fontes, auf die Grijtenz der 
und verloren gegangenen oder doch nur ſehr fragmentariſch erhaltenen 
Sindelfinger Annalen in der Chronik des Naucler hingewiefen zu 
haben!. Sie, fomweit diefer jie benutt Hat, mit Sicherheit herjtellen 
zu wollen, möchte jchwer halten; die Flores temporum, die Chronif 
von S. Blafien, Fijtenport, Mathias von Neuenburg, Jacob Twinger 
von Königshoven, alle Haben ſchwäbiſche Nachrichten und find von 
Naucler benugt worden, ohne daß er jedesmal feine Duelle genannt 
ätte. Einer jeden gerecht zu werden, wird manchmal nur durd) 
Hilfe von VBermuthungen gelingen: ift e8 doc) Joachim begegnet, eis 
nige den Flores temporum und der Continuatio Vindobon. zuges 
hörige Nachrichten den Sindelfinger Annalen zuzuweiſen. Wir knü— 
bien an die Ausstellungen an, welche Weiland? an der Joachimſchen 
Arbeit zu machen hatte. Wenn Naucler 781 bei der Gründungsges 
ihihte Sindelfingens bemerft: in nostris etiam libris legimus, fo 
halte ich dafür, dag ihm Hirfauer Gefchichtsquellen vorlagen: er zählt 
yivor die Söhne und Töchter des Grafen Albert von Kalw auf, prout 
in Birsaugia reperitur; dann bemerkt er — legimus —, daß 
Sindelfinger Mönche nad) Hirfau verpflanzt worden feien, und bei der 
Berufung auf die libri nostri, daß Albert der Stifter des Sindel- 
finger Koſters mit feiner Gemahlin in Hirfau begraben liege. 

Vünſchenswerth erichien es, die einzelnen von Naucler den Sin— 
dlfinger Annalen entnommenen Nachrichten foweit wie möglich genau 
tujtellen. Wir verfuchen dies im Folgenden. 

Zum %. 1280: Tod des Grafen Hartmann von Wirtemberg 
auf dem Aaperg?. — Wiederherjtellung der durch Erdbeben zerjtörten 
Stadt Rotenburg am Nedart. 

„Zum 3. 1281: Beſetzung Kaltenthals dur die Ehlinger?. — 
Td Hartmanns, Sohn König Nudolfs, in den Wellen des Rheins, 

. Zum %. 1282: Reichstag zu Augsburg; Albert Sohn Rudolfs 
rd Herzog von Defterreih. — König Rudolf in Erfurt; Zerftö- 
dung von mehr al8 70 Burgen ®. 

. Zum J. 1287: Kleine Notiz über die Anmwejenheit des Prop= 
"8 von Sindelfingen auf dem Tage von Wirzburg ? — inmitten einer 
ten Flor. temp. entlehnten Nachricht. 

Zum J. 1291: Tod Rudolfs von Habsburg; kurze Schilde» 


1.0.0.6. 42—45. 

41.0.0. S. 426. 427. 

Trithem, Ann. Hirsaug. II, 41. 42, nimmt da® unrichtige Datum 
%8 Naucler aus diefem mit auf, 

* Nancler 967. M. G. SS. XVII, 302. 

° Naucker 868. M. G. 302. 

* Naucker 970. M. G. 303, 

" Naucler 973, M. G. 305. 


6* 


84 


rung feines Charakters und feiner Thaten: unter leßteren ehrt die 
©. 970 erzählte Beitrafung der Raubritter in Erfurt wieder! 

Zum %. 1293: Anwejenheit König Adolfs in Ehlingen, wo von 
allen Herren de8 Landes mit Ausnahme des Wirtemberger Grafen 
der Yandfriede beſchworen wird ?, 

Diefe Nachrichten bewegen fic) in dem Rahmen der Yahre 1276 
bis 1294, wie fie Konrad von Wurmelingen, der Kellermeifter des 
Sindelfingerftiftes, aufgezeichnet hat. Ungewiß, welcher Quelle, ob den 
Sindelfinger Annalen oder den Flor. temp. die Nachricht angehört, 
bin ich bei einer Notiz zum J. 1282, welche die Zerjtörung zweier 
am Rhein gelegenen un meldet (Naucler 968); ferner bei 
der zum jelben Yahre S. 970 erzählten Fabel von dem Löwen, den 
alle Thiere in feiner Yurg bejuchten; der Fuchs allein merkt, daß 
feiner zurückkehrt, und zieht feinen Fuß zur rechten Zeit zurüd: eine 
allegoriſche Erklärung, warum König Rudolf fein Verlangen nad) ei= 
nem Römerzuge trug. Dieſelbe Erzählung findet ſich aud in der 
erjten bairiſchen Fortſetzung der ſächſiſchen Weltchronik? mit Eöftlicher 
Naivität vorgebradit. 

Hier jcheint der Zuſammenhang mit den Sindelfinger Annalen 
etwas fichtbarer zu fein; zuvor ift das Gericht Rudolfs über die 
Naubritter in Erfurt erwähnt; daran fnüpft ſich mit folgenden Worten 
unfere Erzählung: Italos autem de industria in factionibus suis 
reliquit, und S. 976, wo er die obige Nachricht wiederholt, fügt er 
unmittelbar an: Sed Italiam ideo non intravit, quia eos pro 
majore parte rebelles fore notavit, unde in suis factionibus 
eos reliquit. 

Auch die Erzählung von der Fehde des Grafen Eberhard von 
Wirtemberg im %. 1256 mit Rudolf von Habsburg ftreift in ein— 
zelnen Wendungen die Fragmente der Sindelfinger Annalen *. 

Yoahim war ferner der Anficht?, dag Naucler Stuttgarter 
Aufzeihnungen, die gleichfalls nur in fehr dürftigen Reſten uns er- 
halten find, benugt habe. Ich kann Weiland nur beiftimmen, daß 
diefe Behauptung nicht bewiefen worden ift. 


1 Naucler 976. M. G. 306. 

2 Naueler 976. M. G. 307. 

sA. G. Deutiche Chroniken II, 1. Abth. S. 328. Der kunich was 
ein weis, chındich man, er antwurt den herren der rede also mit dem 


peispel: Es wurden vil tier geladen fur einen perch, nu chom der 
fuhs auch dar; diu tier giengen elliu in den perch, der fuhs belaib 
alain hie auzzen stan und warte, wenne diu tier herwider giengen. 
Der chom dehainz herwider auz; do wolt der fuhs in den perch niht. 
Mit dem peispel gab der künich den herren ze versten, daz vor im 
manich chunich uber daz gepirg in Waelschen lant fur, die alle dor- 
inne beliben. Dorumb wolt er ze Waelischen landen noch ze Rom 
niht. 

* Bergl. Naucler 973 und M. G. SS. XVII, 304. 305, 

3A. a. O. ©. 56. 


85 


Neresheimer Annalen oder Johann Fiftenport? 


Bei der Beiprehung der von ihm zur Darftellung verwandten 
Quellen bemerft Stälin, a. a. ©. III, 10, Naucler habe ©. 1019 
um %. 1372 die Ann. Neresheimenses benutzt. Es handelt ſich 
da wieder um eine der beftändigen Fehden des fampfluftigen Grafen 
Eberhard von Wirtemberg mit den ſchwäbiſchen Städten, die in der 
Oſterwoche 1372 ausgezogen waren, um den furz zuvor von dem 
Gegnern gefangenen Grafen Ulrich) von Helfenftein zu befreien. ber: 
hard trug den Sieg davon; den Helfenfteiner aber fand man am 
5. Mai 1372 zu Ramftein in feinem Bette ermordet !. 

So iſt der hiſtoriſch beglaubigte Hergang de8 Ereignifjes. Nach 
Raucler 1019 aber, Trithem?, den Neresheimer Annalen? und 
dem fie benutenden Fiftenport * ftirbt der Graf von Helfenjtein auf 
Neipperg; fein Tod ift die Urſache des Gonfliftes zwijchen den Städten 
und dem Grafen von Wirtemberg. 

In feiner Darjtellung des Greigniffes Hat Stälin? des 
Naucler nicht weiter gedacht. Außer als an diefer Stelle kann ich 
eine Benutzung der Neresheimer Annalen nicht entdeden. An ſich hat 
8 gewiß nichts Auffälliges, dag ein Mann wie Naucler, weldjer mit 
hiſtorijchem Material trefflic ausgerüftet war, nur diefer einen Notiz 
wegen fih ar die Neresheimer Annalen gewandt hat. Man wird 
aber mit größerem Recht einen andern Autor für den Gewährsmann 
des Naucler anfchen dürfen, wenn für diefen noch einige Wahrſchein— 
Üchkeitsgründe fprechen. Ich habe die fogenannte Chronik de8 Jo— 
bannes Fiftenport im Auge, eines Mitgliedes des Ordens des heiligen 
Örabes im Klofter zu Speier, welder aber nach Stälins Anficht ® 
nur der Abjchreiber einer Continuatio Martini et Hermanni mi- 
noritarum von den Fahren 1352—1421 war. Dieje Chronik Hat 
neben denn Chr. Elwacense aud) die Ann. Neresheimens. ausge— 
Igrieben, zum %. 1372 ift obige Nachricht bei Naucler, den Neres- 
heimer Annalen und Joh. Fiftenport mit denfelben Worten gegeben. 
Da num Naucler, wie befannt ijt, die Chronif der Minoriten für 
kine Chronik des Öfteren verwerthet hat, jo ijt die Vermuthung nicht 
ausgeihlojjen, daß er auch die Fortjegung derjelben durch Joh. Fi— 
tenport kannte und benutzte. 


Die Gesta Rudolfi. 


Bei Naucler 965 finden fich folgende Memorial» VBerfe, welche 
die Zufammenfunft König Rudolf mit Papft Gregor X. in Laufanne 
befingen und dem Lejer zum beffern Fefthalten im Gedächtniſſe mit- 
gegeben werden : 


! &tälur, a. a. ©. III, 308. 

° Ann. Hirsaug. II, 260. 

’ M.G.SS.X, 26. 

* Hahn, Collectio monument. vet. I, 397—405. 
s Ua. ©. II, 308 N. 5. 

'%. DI 7. 


86 


Bis sexcenti septuaginta tresque stetere 

Anni, Lausannae dum rex et papa fuere, 
und zwar entjtammen fie, wie Naucler angiebt, einem metrifchen Werte, 
den Gesta Rudolfi, die in der hiftorifchen Pitteratur gänzlich unbekannt 
find und die zu finden fchon mancher ſich viel Mühe gegeben hat. 

Die erfte Bairifche Fortfegung der Sächſiſchen Weltchronif! er 
zählt bei den Ende Kaifer Friedrich) IL. von dem Auftreten des fal- 
hen Friedrih zur Zeit König Nubdolfs, welches noch mehrere 
Quellen? des 13. und 14. Jahrhunderts melden. Die Worte lau: 
ten: Darnach geschach pei chünich Rudolfs zeiten, daz sich 
ainer annam, er wer kaiser Friderich. Wie ez dem ergieng, 
daz vint man in den getaten chünich Rüdolts. 
Dazu bemerkt der Herausgeber L. Weiland unten, daß weder bei der 
Geſchichte Rudolfs no im Martinus Minorita etwas von dem fal- 
ſchen Friedrich erzählt werde, wie man doch nad) obigem Gitat er- 
warten jollte. 

Zunächft denkt man daran, die Erzählung von dem faljchen Frie: 
drih da zu fuchen, wo die Thaten, d. h. die Gejchichte König Ru— 
dolfs erzählt wird; indes dort fuchen wir vergebens. Sollte der 
Autor nach wenig Yederzügen Schon fein Versprechen vergefjen haben? 
Er pflegt doch auch öfters auf früher Erzähltes oder jpäter zu Be 
richtende8 zu verweilen; jo auf derjelben Seite noch, wo von dem 
Streite Friedrid) II. mit dem Papite die Rede ift: und daz wert 
piz an den pabst Innoceneium, der in wolt vertriben haben 
und in ze panne tet, als dovor geschriben stet. An 
Sriedrih II. Tod fnüpft die Erzählung ©. 326 jo au: In den 
zeiten starp kaiser Friderich, als vorgeschriben ist, umd 
etwas weiter unten heißt eg: Nu chomen wir wider an die 
ersten rede, da diu maer gelazzen sint von kaiser 
Friderichen, wie ez sinem geslaeht sider ergangen sei. 

Ferner ©. 327, wo von Gonradin erzählt wird: Ditz wolt 
rechen der jung Chünrat, künich Chünrades sun, als ir 
hernach wol wert vernemen. Reiter ©. 331 ein Hin- 
weis auf Cöleftin V.: Nach pabst Nicolao wart Celestinus pabst, 
als hernach geschriben stet. 

Es find das alles fast gleichlautende, ftehende Wendungen; ein 
Hinweis dagegen auf die ‘getaten’ eines Mannes findet fich nicht. 
Der Autor ſcheint damit eine bejtimmte Stelle in einem von ihm ge: 
leſenen Buche im Auge zu haben, wie 3. B. der Verfaffer der dritten 
bairifchen Fortfegung der Welthronif? die Gefhichte Kaifer Ludwig 
de8 Baiern mit dem %. 1342 in folgendem Hinweis abbricht: Die 
geschicht und wi ez dem (dem Marfgrafen Meinhard) ging, 


ı M.G. Deutſche Chroniken II, Abth. 1, S. 325. 

? Ann. Ellenhard., M.G. SS. XVII, 103. Ferner die thüring. Fortſetz. 
der ſächſ. Weltchronif a. a. D. 303, der Fürftenfelder Mönch und im poetijcher 
Weife die Ann. Maurimonasteriens., M. G. SS. XVII, 182. 

2A. a. O. S. 348. 


87 


wer daz wissen wil, der lese der Beierischen herren Cro- 
niken, — und ähnlich S. 343 und 344 eine Verweifung auf die 
Beierschen Croniken. Und was für ein Buch wird es fein? 
Uns fallen fogleich die Gesta Rudolfi wieder ein, jenes räthjelhafte 
Verf, welches Naucler benugte und offenbar auch dem Bairifchen 
Fortfeger der Weltchronif befannt war, der die Gesta Rudolfi als 
die getaten Rüdolfs citirte. 


Wir endigen unſere Arbeit, ohne die Frage nad) den Quellen 
des Naucler abjchliegend beantwortet zu haben. Manche Partieen 
feiner Chronik, 3.3. diejenige, welche vom Herkommen der Schwyzer 
handelt, bedürfen noch einer genauern Unterfuhung; die im Großen 
und Ganzen undanfbare Arbeit möge feiner fcheuen; gerade aus den 
Verfen der humaniſtiſchen Gefchichtichreiber haben wir manche ver— 
gefjene und verlorene Duelle zurücgewonnen, wie 3. B. den Jacob 
von Main;. 

Naucler theilt mit feinen Zeitgenoffen Mängel und Borzüge. 
Unter erfteren erwähnen wir noch die Art und Weife zu citiren. 
Manchen Schriftiteller führt er an, ohne ihn anders ald aus dem 
Citat feiner Vorlage zu kennen. Die Humanijten beſonders haben 
feine Gewiſſensſerupel dabei empfunden, von diefem Prunfen mit Ges 
(ehrjamfeit den ausgedehnteften Gebrauch zu machen: unter ihnen jteht 
in diefer Hinfiht Sebaftian Frank als abſchreckendes Beiſpiel da. 
Naucler citirt mehrfach das leider verloren gegangene Werk des Ita— 
lieners Yohannes von Cremona, von dem er aber nur durch die Ur— 
iperger Chronik Kenntnis hat!. Ein Gleiches gilt von den Geſchichts— 
werten des Tolomeo von Lucca, den er einmal S. 968 Bertoldus 
Lucensis nennt. Diesmal bilden die zu Nauclers Zeit in Deutjch- 
land vielgelefenen Gefchichtscompilationen der Staliener Blondus und 
Platina da8 Medium. 


Beilage. 

Bon den Poefien des Konrad von Mure, eines um die Mitte 
des 13. Jahrhunderts blühenden Dichters, welcher als Cantor an der 
Propftei Zürich wirkte, ift wenig auf uns gefommen. Ein Gedicht, 
die Commendatitia, eine Gratulationsfhrift aus Anlaß der Wahl 
und Krönung des Könige Rudolfs?, ift gegen Ende des 15. Jahr— 
hundert von dem oben mehrfach erwähnten Ulmer Predigermönche 
Felix Faber benugt worden. Diefer jagt in feiner Historia Suevo- 
rumLib.I, c. 13 (bei Goldast, SS. rer. Suev. Franef. 1605), wo 
er die Regierung des Habsburgers behandelt: unde post electionem 
ejus quidam de anno electionis ejus haec composuit metra versu: 

Bis sexcentos septuaginta tres noto Christi 

Annos, electus dum, rex Rudolfe, fuisti. 


ı Bergl. Wattenbach, Gejchichtsquellen des Mittelalters II, 314. 
* Lorenz, Geſchichtsquellen des Mittelalters I, 67. 


88 


Et de armis suis dixit idem metrista: 
Tu comes in clipeo tuleras insigne leonis, 
Quem velut ad praedam distento corpore ponis. 
Sed rex fers aquilam, quae transvolat omnia, claris 
Signans indieciis, quod tu cunctis dominaris. 
Diefe Verfe find wörtlich den Commendatitia des Konrad von 
Mure entlehnt (vergl. Kopp, Acta Murensia ©. 312 und 313)! 


ı Sie ſtehen auch SS. XXII, ©. 367 aus einer Parifer Handſchrift; vgl. 
oben ©. 30. ©. W. 


Marimilian I. in dem Gonflicte zwifchen 
dem deutjchen Orden in Preußen und Polen 
bejonders in den J. 1513 bis 1515. 


Von 


Heinrich Ulmann. 


Bekanntlich ift dem Kampf, welcher in den letzten Tagen des 
Jahres 1519 zwifchen dem Hochmeifter des deutfchen Ordens in Preu— 
den und der Krone Polen ausbrad) , eine Periode langwieriger Ver— 
handlungen vorausgegangen. Seit 1497 der Hochmeiſter Hans von 
Ziefen die Augen geichlofjen, war die im Thorner Frieden (1466) 
ftipulirte Pehenshoheit Polens über den Orden ein bloßer Anſpruch 
geworden, der von Seiten des Berechtigten ebenjo hartnädig aufrecht— 
erhalten, wie er zäh von dem Verpflichteten verweigert wurde. ALS 
Ent 1510 der Hochmeiſter Friedrich, Herzog von Sachſen, ftarb, 
der nach einander drei polnifchen Königen gegenüber der Leiftung des 
Lehenzeides und den daraus abgeleiteten Verpflichtungen fidy entzogen 
batte, ward zum Theil gerade deswegen der Markgraf Albrecht von 
Brandenburg zu feinem Nachfolger erforen, weil man bei König Sieg- 
mund von Polen, dem Oheim des Erwählten, gewijfe Rüdjichten für 
denielben hoffte vorausjegen zu dürfen. Nur zu raſch zerfloß dieſes Wahn- 
bild; da beide Theile auf ihrem feitherigen Standpunft verharrten, ge= 
warn der Gegenſatz, gerade weil die auf die Verwandtſchaft beiderjeits 
gegründeten Vorausſetzungen als täufchend fich erwiejen, eher noch an 
Shärfe. Daß zwilchen der Erhebung Albrechts (1511) und dent be= 
reit8 erwähnten Ausbruch des offenen Kampfes eine fo lange Frift 
veritreichen konnte, erklärt fich in erjter Linie daraus, daß der Hoch— 
meiiter Verbündete fand in feinem Beftreben, die Bande zu löfen oder 
doch zu lockern, welche feinen Orden an Polen feffelten. Es foll nun 
an diefer Stelle erneut die Frage unterfucht werden, ob in der That 
der hauptfächlichite diefer Helfer, Kaiſer Marimilian L, pflichtvergeſſen 
die Sache des Ordens nur als Hebel zur Erreichung bejtimmter dy⸗ 
naſtiſcher Zwede ergriffen und dann, am Ziel feiner eigennüßigen 
Wünſche angelangt, ohne großes Bedenken hat fallen laſſen. Diefe 
Anſicht zählt nicht wenige bedeutfame Vertreter, wie denn vonvorn— 
herein gar nicht in Abrede geftelit werden foll, dag in dem Charakter 
und der Anfchaungsart des Kaijers fein Hinderniß einer Annahıne der 
Art gefunden werden kann. Aber fehr wefentlich unterfcheiden fich doch 
die Vertheidiger der lettern. 2. v. Ranke (Deutihe Gefchichte, 4. 
Aufl. I, 230) meint, daß Maximilian den Hochmeifter in feiner Wei- 
rung den Huldigungseid zu leiften durch fein faiferliches Verbot be— 
ſtärkt Babe: er findet ein Motiv dafür in dem Umftand, daß König 


92 


Siegmund von Polen durch; feine Vermählung mit Barbara Zapolya 
der Schwager und Verbündete des Mannes geworden ſei, der der na— 
türliche Gegner der Anfprücde Habsburgs auf Nachfolge in Ungarn 
war. Als danı 1515 Siegmund das Erbredt (fo faßt Ranke die 
Frage) der Habsburger anerkannte, fonnte Mar feine Neigung haben, 
ernftlich für den Orden einzufchreiten. Er erfaunte nunmehr aud) 
den Thorner Frieden an!. Ranke irrt meines Erachtens darin, daß 
er den dhnaftiichen Eigennutz des Kaifers gegenüber Siegmund von 
Polen in einem zu frühen Zeitpunkt wirffam werben läßt für bie 
Stellung des erfteren zum Hochmeifter. Aber ungleich weiter weicht 
doch Droyien (Geh. d. preuß. Politit II, 2, 58—62 (2. Aufl.) 
von Richtigen ab, deſſen Standpunft dann die Spätern faſt durch— 
gängig aufgenommen haben? Nach diefer Anficht ift Alles, was 


ı ante ftütst feine Anficht auf die Ausfage des (echten) Fugger, der um 
bie Mitte des 16. Jahrh. fchreibend vielleicht eine Mittheilung feines Vaters 
benußt hat. Auch S. Herberftein kaun hierfür angeführt werben (Selbftbiogra: 
pbie in Fontes rer. Austr. Script. I, 103), der in ganz ähnlicher Weife wie 
Fugger den „Widerwillen“ Marimilians gegen Siegmund begründet. Er ift 
Zeitgenoffe. Bis in den Auguft 1514 ftand er der Diplomatie fern, um dieſe 
Zeit wird er an den faiferlichen Hof gezogen. Bei der Zufammenkfunft in Wien 
1515 war er zugegen, bauptjächlich aber ward er 1517 verwendet, das durd 
die preußifch-polnische Frage verwirrte Verhältniß des Kaijers zum Großfürften 
von Moskau zu ordnen. Dennoch ift aud feine Kunde feine abfolut fichere. 
Mit den Worten „wie man fagt heurat halben“ Ieitet er feine Auseinan- 
derſetzung über die Gründe des Zerwürfniffes zwifchen dem Kaifer und Polen 
ein, Auch ift diefer Theil feiner Biographie offenbar viel fpäter (wenn aud) 
nad gleichzeitigen Notizen über feine eigene amtliche Thätigkeit) verfaßt. So 
beißt e8 3. 3. 1517 (S. 110) von einem Webelthäter „hat vill Jar nach dieler 
meiner Raiß gelebt“, vergl. auch S. 132 3. 8. Sehr möglich, daß ihm die be» 
wußte Aufklärung auch erft viel fpäter etwa in Polen geworden if. — Recht 
verftändig jagt der als Secretär im Dienft des Polenkönigs ſtehende, aus dem 
Elſaß ſtammende Zeitgenoffe Decius, Mar habe das Bündnif mit den Ruſſen 
geichloffen, quod annis superioribus apud Pozunaniam frustra in rebus 
Prutenicis laboratum esset atque Romano caesari paulo post ex Si- 
gismundi nuptiis negotium contractum videretur (Pistorius Polon. 
hist. corpus II, 317). Der Bole Wapowsti, damals in Begleitung des polni- 
ſchen Orators 3. Lasfi auf dem Lateranconeil, wo die preußiiche Arngelegen- 
heit auch verhandelt ward, (f. jetst Zeißberg, Johannes Lasfi, in den Situnge: 
berichten der phil. hiftor. Elaffe der Wiener Academie Bd. LXXVII, ©. 541 ff.) 
legt den Hauptnachdruck auf die Vermählung Siegmunds mit Barbara Zapolye, 
erkennt aber doch die felbftändige Bedeutung von Marimilians preußiicher Polt: 
tit an (j. B. Vapovii fragmentum in Martini Cromeri Polonia (Cöln 
1589) ©. 558 vergl. 550. Die Polen urtheilen fomit milder als die Denticen. 
Soviel ift gewiß, daß umter den Zeitgenoffen die Meinung herrichte, daß ein 
Zufammenhang beftehe zwifchen den Pladereien des Kaifers gegen Polen und 
dem Widerftand, den Johann Zapolya, Schwager des polniſchen Königs, ben 
ungarifhen Plänen des Kaiferhaufes entgegenftellte. Am Nichternften bat bis: 
* meines Erachtens J. Voigt, Geſchichte Preußens IX, 476, dieſe Frage 
behandelt. 

2 So vor Allen Liske, der denſelben zum Angelpunkt ſeines Aufſatzes 
über den Wiener Congreß gemacht hat, (Forſchungen z. deutſch. Geſch. VII, 478 
vergl. 538.) — Beſonders energiſch Cuers: De Georgii marchionis Brand. 
in aula Vladislai .... vita et consiliis politicis. Berl. Differt. 1867. 


93 


Maximilian vom Augenbli der Erhebung Aldrechts zum Hochmeijter 
bis zur Zufammenfunft der drei Monarchen in Pregburg für den 
Orden gethan, eitel Yug und Trug. Alle diefe Bindniffe, Eidſchwüre, 
laiſerlichen Machtgebote, diefe reichspatriotiihen Bemühungen für das 
„neue Deutichland“ und die Reichsfreiheit des Ordens hatten nur dazu— 
dienen jollen, auf den Polenfönig jo lange zu drüden, bis er mürbe 
wurde. Nun erklärte der Kaijer ſich bereit, die Sache des Ordens zu 
opfern, wein dafür feinem Haufe die Nachfolge in Böhmen und Un— 
gan ficher geſtellt würde. 

Den Hintergrund für diefe Betradhtungsweife bildet Droyſens An— 
jiht, daß der Kaifer, um Albrecht zur Annahme der auf ihn gefallenen 
Bahl zu bejtimmen, die „Verpflichtung“ übernommen habe, die 
ſeit Jahren behauptete Ungültigfeit des ewigen Friedens endlich einmal 
zur Anerkennung zu bringen (S. 58). Wenn der Kaiſer wirklid), 
wie Droyien (vergl. S.458) einer brandenburgiichen Denkſchrift von 
1543 entnimmt, Albrecht und feinem Vater die Bertröjtung gab, „ihn 
umd den Orden gegen die Krone Polen auf leidlihe Mittel und Wege 
zu befriedigen“ , jo liegt darin feineswegs die von Droyjen beliebte 
Folgerung einer Garantie für Befreiung vom ewigen Frieden. Aber 
ih habe fchwere Bedenfen, ob vor der Annahme der Wahl durch Als 
breit eine ſolche Vertröftung ftattgehabt haben kann. Wie dem je= 
doh auch fer, fo viel jcheint gewiß, daß die für das ganze Verhalten 
des Kailers zum Orden maßgebende Tendenz, „den Polenkönig fo lange 
zu drüden, bis er mürbe* werde, Feineswegs ſonſt bekannten Thatſachen 
entipriht !. Auf alle Fälle könnte diefe Abficht doch erft von dem 
Augenblid an vorwaltend geweſen fein, in weldem König Siegmund 
durch jeine Verfchwägerung mit Johann Zapolya die Intereſſen des 
habsburgiſchen Haufes empfindlich verlegte. Die Hochzeit mit Bars 
bara findet aber jtatt im Februar 1512, die erjten Anfnüpfungen wa— 
ren erfolgt im Dftober 1511. Aber lange vor diefem Zeitpunfte ift 
der Kaifer für den Hochmeiſter eingetreten. Bei der drohenden Hal— 
tung des über die Ausflüchte und Winfelzüge Albrechts hocherzürnten 
Polenfönigs hat auf dringendes Anfuchen des Hochmeifters der Kaifer 
bereit8 am 3. Mat 1511 den ſächſiſchen, brandenburgiichen und an— 
dern Fürſten befohlen, nötigenfalls mit ganzer Heeresmadt dem Or— 
den zu Hülfe zu eilen?. Daſſelbe gejchah wiederholt noch vor Ablauf 
defjelben Jahres, als Verhandlungen in Thorn polnifcherjeits den ei— 
genthümlichen, wohl nur als Schachzug aufzufajjenden, Vorſchlag er— 


€. 27. Auletst noch weſentlich auch Krones, Handbuch der Gedichte Defter- 
wihs II, 563, 

ı Nah dem 30. October ift nad dem beftimmten Zeugniß des Decius, 
a. a. D. 312, der Vorſchlag Siegmund gemacht worden, cf. Acta Tomiciana 
8, II, Nr. 1. Wie Liste a. a. D. 470 aus den dafelbft Anmerk. 2 citierten 
Acenftüden entnehmen kann, daß ſchon in Breslau zwiſchen König Wladislam 
und Petrus Tomidi davon die Rede geweſen, verftehe ich nit. Sicher ift, daß 
Marimilion vorher nichts ahnte und nod) nad) bereits getroffener Heirathsabrede 
dem PBolentönig eine Braut feiner Wahl offerirte. Acta Tom. II, Nr. 16. 

2 5. Voigt, Geſch. Preußens IX, 416. Für das folgende S. 420 u. 423, 


94 


geben hatten, unter anderweiter Entjhädigung Albrechts die cölibatäre 
Hochmeifterwürde fortan regelmäßig mit der Inhaberſchaft des polni— 
chen Throns zu vereinen. Nimmt man dazu, daß derjelbe Streitpunft 
ſchon ſeit 1497 Polen und den Drden entzweite, fo darf man jagen, 
daß von einer Aufreizung des Hochmeifters durch Marimiltan nicht 
die Rede fein darf. Im Gegentheil Albrecht ſucht angelegentlid) aud) 
nah Siegmunds VBermählung in perjönlicer Zuſammenkunft mit Marie 
milian zu Nürnberg, dann auf dem Reichstag zu Trier Kaifer und 
Reich gegen Polen in Bewegung zu bringen, ohne jofort Erfolg zu 
haben. Selbjt als nad) dem Scheitern des Vergleichdtages zu Pe 
trifau jeitens Polens dem Hochmeijter die Wahl gelaffen wurde zwi— 
ſchen feindlichem Angriff oder baldiger Yeiftung des Yehenseides inner: 
halb bejtinmter Frift, ſelbſt da ſchwieg trog beweglicher Bitte Albrechts 
der Kaiſer, der jelbjt anderweit volljtändig in Aufpruch genommen 
war und wußte, daß vom Reich Nichts zu erlangen fein würde. Noch 
im Lauf d. %. 1513 mußte der Hochmeiſter von wohlmwollender Seite 
ſchwächliche Nachgiebigfeit ſich anrathen laſſen. Erjt ein ganz aufer 
halb jeiner Berechnung liegendes Ereignig ſchaffte ihm Yuft: der plöß: 
liche Angriff des Großfürjten Walfilji Iwanowitſch auf das Polen 
gehörige Yithauen. Kaiſer Marimilian hat diejen vertragswidrigen 
Losbruch des Moskowiters jo wenig veranlaft, wie den daran ji) 
ichliegenden des folgenden Winters, welcher — auch Droyjen weiß 
davon — im Gang war, ehe fein Geſandter den ruſſiſchen Hof er 
reichte. Aber, wenn mich nicht Alles täuscht, hat diefe unerwartete 
Unterftügung ihm zuerst gezeigt, wie dem Orden zu helfen fei. Daß 
diefer Wunſch in ihm lebte, ift, von allem Uebrigen abgeſehen, jchon 
aus Voigts urkundlich belegter Darftellung erfichtlih. Zwar erfahren 
wir erjt am 10. Juni d. %. 1513 von einem feiten Plan in diejer 
Beziehung, deſſen Anhalt uns noch beichäftigen muß: doch war 
Marimilian offenbar ſchon in diejer Gedankenrichtung, als er am 27. 
Tebruar 1513 dem Orden das bejtimmte Gebot zufommen ließ, id) 
dem polnischen Anfinnen nicht zu unterwerfen, jondern treu zu Sailer 
und Reich zu ftehen?, Wie hier Marimilian erjt eintrat, als die 
Dinge bereit ihre beſtimmte, von feinen Wünſchen unabhängige 
Richtung genommen hatten, fo ift auch eine andere Maßregel nicht 
auf ihn in erjter Yinie zurüczuführen, ich meine den Verſuch, zwijchen 
Polen und den nach den Verträgen demjelben verpflichteten Orden den 
Papft Leo, al8 oberiten Schirmherrn des Ordens, und das eben um 
Leo verjammelte Yateranconcil zu fchieben. König Siegmund irrt, 
wenn er fpäter auch im diefer Vexation eine kaiſerliche Mafregel 
erfennt: der Schritt ging nachweislich vom Hochmeiſter aus ®. 


ı Schreiben des vom Kaifer ins Vertrauen gezogenen Markgrafen Caſimir 
bei Boigt ©. 451 Anm. 5. 

2 Acta Tomiciana H, Nr. 229. S. 188. Erwähnt bei Voigt 445. 

s Siehe das Schreiben deffelben vom 25. Mai an den Procurator in 
Rom bei Voigt 450. Nach der oben eitirten Arbeit Zeißbergs über Lasti 
wäre es Überflüffig, hier näher auf die nummehr in Folge polnischer und kaiſer⸗ 


95 


Gewiß darf man daher in der Oppofition des Meifter8 gegen 
den König nicht eine Taiferliche Intrigue erkennen. Vielmehr fucht 
der Hochmeifter von fi aus, wie jchon feine Vorgänger, der Lehens« 
abhängigfeit fich wieder zu entziehen. Dem Kaifer gab der Papſt und 
Venedig und dann letzteres und Frankreich jo viel zu denfen und zu 
thun, daß er gar fein Gelüfte trug fih in Nordoften einen neuen 
Widerſacher zu ſchaffen. Da aud das Reid ſowie die nächitgejejfenen, 
ja dem Hochmeifter verwandten Fürſten — Kurfürft Joachim von 
Brandenburg hatte fi zu Albrechts lebhaftem Mißvergnügen fogar 
vom Reichstag zu Trier fern gehalten — für allgemeine Zwede nicht 
in Bewegung zu bringen waren, hatte fih Maximilian der beweglichen 
Bitte des Hochmeifters lange Zeit taub erwiefen. Sein Verhalten würde 
als Pflichtvergefjenheit zu fchelten fein, wenn es eben nicht aus Une 
vermögen entſpränge. Wenigſtens foweit e& fi) um wirffame Hülfe 
handelte. Erſt als eine Ausficht fich zeigte durch fremde Kräfte Polen 
zu feſſeln, erit da erinnert fich der Kaifer feiner Aufgabe. Mittlere 
weile hatte auch, was ja nicht geleugnet wird, die Gegenwirkung 
Siegmunds in Ungarn der faiferlichen Politik Unbequemlichkeiten ver— 
wiaht. Um jo leichteren Herzens konnte Marimilian jet die zum 
Shut des Ordens erforderlichen Maßregeln ins Auge faſſen. Seinem 
ganz in umfaſſenden Combinationen arbeitenden Geiſt erſchien jetzt 
jeine eigene und des Ordens Sache unter demjelben Gefichtspuntte. 
Eomit ging er energiich zum Angriff über. Die folgenden Erörte— 
rungen follen darthun, daß der von Marimilian feineswegs hervor— 
gerufene Gegenſatz, von ihm auch nicht aus lediglich dynaſtiſchem In— 
terefje im jähen Wechſel mit der polnischen Freundſchaft vertaufcht 
worden iſt. Man Hat dem Kaifer pflichtvergeifene Preisgebung des 
angeblich von ihm erjt aufgejtachelten deutfchen Ordens au deſſen Tod» 
feind unter unmürdiger Bevorzugung feines Vortheild vorgeworfen. 
Wie, wenn genauere Einficht in den Verlauf der Feindfeligkeit ergäbe, 
daß er, und zwar dur die Schuld Anderer, gar nicht in der Lage 
war, feinen ernithaften Willen zur Befreiung des Ordens Polen ges 
genüber durchzuſetzen! 

Der bereits im Juni 1513 vom Markgrafen Kafımir erwähnte 
Plan Marimilians erhält im Auguft defjelben Jahres greifbare Ge— 
ftalt. Es handelt ſich um ein gegen Polen gerichtetes Bündniß des 
Kaifers, ſowie des Hochmeifters, des Königs von Dänemark und der 
Kurfürjten von Sachſen und Brandenburg mit dem ruffiichen Groß- 
fürften von Moskau zum Schub des deutfchen Ritterordens. Der 
Einfall des Moskowiters im Anfang Januar 1513 ift nicht durch 
Mar veranlaft. Wir erfahren durch den Mund des Polenkönigs 
jelbjt, dag man in polnifchen Kreifen den Angriff dem Argwohn des 


fiher Anregungen hervortretenden Schwankungen der römiſchen Politik weiter 
tinzugehen. 

* Oben Geſagtem füge ich hier noch hinzu, daß ſelbſt bei Herberftein die 

—— des Hochmeiſters wider Polen eine von Marimilians Politik unabs 
ngige iſt. 


96 


Großfürſten zufchrieb, als ob Polen gegen ihn die Tartaren aufgereizt 
habe!. Erjt am 11. Auguft 1513 beauftragte Marimilian feinen 
Rath Ritter Georg Schnigenpaumer zur Unterhandlung über ein gegen 
Polen gerichtetes ewiges Bündniß beim Groffürften von Moskau. 
Falls derjelbe bereit ift, folle er mit Schnigenpaumer feine Gefandten 
zum König von Dänemark fenden, bei dem auch feitens der übrigen 
Kurfürften und Fürften der Abſchluß erfolgen fol. Als Zweck wird 
angegeben, Polen zu zwingen von feinen unbilligen Handlungen abzu— 
ftehn und den deutjchen Orden, deffen Bedeutung für die ganze Chri- 
jtenheit in ſtarken Ausdrücden hervorgehoben wird, in Frieden und 
Ruhe zu lajfen?. Auf dem Wege follte der Gefandte mit den für 
das Bündniß ind Auge gefakten Fürſten unterhandeln. Am 24. 
September 1513 erklärten die Markgrafen Friedrich und Gafimir von 
Brandenburg - Kulmbach), Vater und Bruder des Hochmeifters, dem 
faiferlichen Geſandten auf feine Werbung, daß fie wefentlich mit dem 
Plane einverjtanden fein. Doch wünfchten fie, daß in der Inſtruction 
das Hervortreten des deutſchen Ordens vermieden, und ftatt deſſen 
die Widerwärtigfeit Polens gegen Kaifer, Reich und Chriftenheit her- 
vorgehoben würde. Es ſei nemlich zu fürdhten, daß die Auffen die 
Blüthe des Ordens nicht gern fehen und fid) dadurd veranlaft finden 
könnten lieber mit Polen einen vortheilhaften Vertrag zu fchlieen®. 
Wenig eifrig zeigte ſich ſogleich Kurfürft Friedrich) der Weife von 
Sadjen. Er erflärte, daß er als der Sache bisher unwiſſend mit den 
andern benannten Fürſten noch nicht habe Rückjprache nehmen können, 
und zog ſich hinter feine Yandftände zurück. Ohne diefelben, die nad) 
Polen und Böhmen Gewerbe trieben, und ohne feinen Bruder Herzog 
Johann könne er fich nicht entfcheiden. Er wolle dem Kaifer durch 
eine eigene Botſchaft Beicheid ertheilen. Won der Antwort der lie: 
brigen wijfen wir nichts“. Weber Preußen begab ſich Schnigenpaumer 


2 (Pojen im Januar 1513). Acta Tomiciana II, Nr. 149. Schreiben 
des Königs an Johann Laski, feinen Bevollmächtigten in Rom. Da in defien 
Begleitung Wapovius fich befand, können deſſen abweichende, fich nicht unterſtü— 
gende Nachrichten, jedensfalls nicht auf officieller Kunde beruhen. Danach ift 
Liste zu berichtigen ©. 474. Sicher ftedt Michael Glinsli hinter diefem Fried» 
bruch. Siehe über dieſen die leider nicht fo weit reichende Berl. Differt. von 
St. Warnka; De ducis M. Glinscii rebellione (1868). 

2 Credenz und Inftruction d. d. Wire 11. Auguft 1513 im Erneft. 
Gef. Arhiv zu Weimar. Letztere abgedrudt als Beilage I bei Fiedler: 
„Die Allianz zwiichen Kaifer Marimilian I. und Waſilji Ivanovic... . aus 
d. 3. 1514* (Sitsungäberichte der philof.- Hiftor. Claffe der Wiener Academie 
Bd. XLIII. ©. 183 ff.). Liske hat diefe Abhandlung überjehen. Vergl. Voigt 452. 
Unzugänglich blieb mir Karamfins Geſchichte Rußlands Bd. VII. 

3 Wiaffenburg 1513. Samstag nad) Mauricii. Erneſt. Gef. Arch. 
C. 548 Nr. 10. 

Friedrichs Erklärung: Wittenberg 1513, 3. November (Exrneft. Gef. 
Arch) Boigt 452 fälſchlich, daß fämmtlihe Aufgeforderte bei: 
getreten feien. Der Hochmeiſter war natürlich bereit. Einen kaiferlichen Brief, 
welchen Schnitenpaumer für den König von Polen bei fi) trug, übernahm er zur 
Beftellung. Acta Tomic. II, Nr. 372 bis Nr. 375 incl. Dies Schreiben 
Marimilians an Siegmund vom 22, Sept. verkündet letzterem die Abficht 


97 


ju dem ruſſiſchen Großfürften. Hier fam rafc das Bundniß zu 
Stande, viel rafcher als Marimilian gedadht. Statt, wie ihm vors 
geihrieben, eine ruſſiſche Botjchaft mit fi) nad) Dänemark zum Ab— 
ihluß zu führen, gab der Gejandte in denfbarft feierlicher Form die 
Berfiherung ab, daß der Kaifer das ſchon jetzt eigenmächtig errichtete 
Bundniß beftätigen würde. Abgejehen von der berühmt gewordenen 
Zitulaturfrage wid diefer Schnigenpaumerfche Tractat vor Allem da= 
rin von der Intention Marimilians ab, daß er den Kaifer allein, 
ohne die Bundesgenofjen, als Bertragsschliegenden namhaft machte, jo= 
wie daß er eine unbedingte Offenſiv- und Defenfivallianz gegen alle 
md jede Feinde enthielt, und bei jeder Kriegseröfinung des einen Pas 
ciecenten den anderen ohne Weiteres zur Hülfeleiftung verpflichtete. 
Es würde für unſern Zwed zu weit führen, im Einzelnen auf die, 
von Fiedler genügend aufgehellten, Schritte einzugehen, zu denen 
Maximilian durch die Eigenmächtigfeit oder Ungeſchicklichkeit Schnigen- 
paumers fich gezwungen ſah. Genug er befhwor am 4. Auguft 
1514 das geſchloſſene Bündnig, unter der freilich trügerifchen Vor— 
ausſetzung, daß Wafilji ſich zum Umtaufc der vielfach compromitti= 
renden Urkunde gegen eine dem Herfommen und dem Vortheil des 
Laiets beſſer entiprechende bewegen lafjen würdet, Der Groß— 
fürft beftand jedoch im wahrhaften Sinne des Wortes auf feinem 
Schein den Kaifer gegenüber: nur hatte er dagegen nichts einzu= 
wenden, daß das Bündniß aud auf die anderen erwähnten Yürjten 
— Auch war er bereit, ſeinerſeits den Tag in Lübeck zu 
iden. 

Im Januar 1514, Tängft che e8 zu diefer Auseinanderjegung 
Im, ja vor dem Eintreffen Schnigenpaumers hatte Wafilji wieder los— 
geichlagen. Smolensk war durch Verrat), wie die Polen fagten, in 
leine Hände gefallen. Aber dann hatte bald ſich das Glück gewendet, 
ſo daß am 8. September 1514 der Großfürft bei Orfza eine fchwere 


den Streit der Enticheidung des Papftes und Concils zu unterbreiten, offenbar 
aur um ihm recht ficher zu machen. Recht abfichtlich wird noc hinzugefügt, daß 
u diefer Entſcheidung ſowohl Polen wie der Orden von Gewalt abjehen 
müßten. 

! Siehe Fiedlera.a.DO. Nur in einem mefentlichen Punkt weiche ich von Fiedler 
a. Nicht wie er (S. 195) kann ich die in der Proteftation Peutingers (S. 
263) enthaltene Behauptung für baare Münze nehmen, daß der Großfürft zwar 
die Annahme der neuen Urkunde felbft verweigert, aber dem Kaiſer zugeftanden 
babe, daß Letzterer ſich am diefelbe halten dürfe. Abgeſehen von der politiichen 
Unbegreiflichleit eines ſolchen Auswegs, beruft ſich obendrein Peutinger zum Be- 
(eg auf eine Thatſache, welche gar nicht wahr if. Er zieht nemlich das „jeto“ 
dor demjelben Hofrath abgegebene Zeugniß der Ueberbringer der neuen Urkunde 
an: aber in deren bei Fiedler ſelbſt Beil. VI abgedrudter Relation fteht dieje 
Grflärung keineswegs. Die Proteftation des Kaiſers durch Peutinger ift eben 
kein juriftiicher,, fondern ein politischer Alt; er beweift weniger, was geichehen 
f, ala mas nad) des Kaiſers Wunſch dafür gelten follte. — Chronologiid 
Dee ich zur Berichtigung Fiedler8 (186) darauf hin, daß Schnigenpaumer vom 
& Kebr. 1514 bis 7. März in Moskau verweilte. Vergl. Strahl im 
Uchiv f. ält. deutſch. Geſch. VI, 544 f. Die vorhergehenden Unterhandlungen 
in Deutſchland erklären fein fpätes Eintreffen. 


XVII. 7 


98 


Niederlage erlitt. Nad) ruffiicher Anfchauung wäre Mar verpflid- 
tet geweſen, biß zum 24. Juni tätig in den Kampf einzugreifen mit 
ganzer Macht?. Es war auch das offenbar nur eine der Thorheiten 
Schnitenpaumers, der fi) denn auch nad) feiner im Sommer erfolgten 
Rückkehr in ehrenvoller Weife unfchädlih gemacht fah?. Nur um 
nicht das bereits Erreichte zu gefährden, entſchloß ſich nach offenbar 
reifliher Ueberlegung (am 4. Auguft) der Kaifer formell jene von 
Schnitzenpaumer entworfene Urkunde zu vollziehen, aber ſowohl zur 
Heberbringung der dafür umzutaufchenden beichränfteren Vertragsurkunde 
nad) Moskau, als zur Wiederaufnahme der Negociation in Deutſch— 
land und Dänemark bediente er fich neuer Leute. Er war den Som- 
mer über nicht müßig geweſen. Ein mit dem König von Dänemarl 
im April 1514 geſchloſſener Heirathsvertrag verpflichtete denjelben 
zur Theilnahme an dem Bund gegen die Feinde des Ordens, Mit 
Kurſachſen war diefer und anderer Sachen halber fortwährend unter: 
handelt worden‘. Mittlerweile fah fich der Hochmeijter jo im die 
Enge getrieben, daß er fich bereits entjchloffen hatte, um Schlimmerem 
zu entgehen, dem König Sigismund „zum Schein“ die gemöhnlice 
Rathspflicht zu leiften; dazu hatten ihm außer allen Gebietigern des 
Ordens fein Bruder Kafimir und der Kurfürſt von Brandenburg ges 
rathen. Am 17. Augujt trafen feine Gefandten den Kaifer zu Gmun— 
den, um deſſen Genehmigung zu diefem möglicherweije folgenreichen 
Entſchluſſe einzuholen®. Aber hier erfuhren fie, daß Mar, nachdem 
das Bündnig mit Rußland nunmehr gefchloffen, größere Hoffnung habe, 
die Coalition gegen Polen zu Stande zu bringen. Schon am fol 
genden Tage wurden die entiprechenden Entichliegungen vollzogen. 
Borauszufchicen ift die Bemerkung, daß diejelben weit entfernt 
von jener ausfchweifenden Politik Schnigenpaumers oder feiner ruf 
ſiſchen Einbläfer, auf den bejchränfteren Gefichtspunften berubten, 
welche der vom Kaiſer ausgehenden neuen Vertragsurfunde mit Ruß— 


1 Der kaiferliche Gefandte fam erſt im Februar 1514 nad) Moskau, fo daß 
nicht der Beginn, fondern erſt die Fortjegung des Kampfes als mitverurfadt 
durch die faiferliche Politik angefehen werden kann. Polniſcherſeits erfuhr man 
von dem Schritte des letzteren zuerft im Juli. Acta Tomician. III, Nr. 202 
und 216 (letzteres ein Schreiben Sigismunds an feinen Bruder König Wie 
dislaus). 

2 Antwort des Großfürften bei Fiedler ©. 258. 

3 Ein Briefconcept Friedrichs des Weiſen 1514 Torgau 27. Juni erwähnt 
den auf der Rückreiſe erfolgten Beſuch deffelben. Die im Auguft erfolgende Er: 
nennung des umvorfichtigen Diplomaten zum kaiſerl. Hausrath in Krain mit 
100 fl. Gehalt, darf man doch Angefichts der Fortdauer der Unterhandlung nur 
in dem im Xert beliebten Sinn auffafjen. 

* Marimilian an Friedrid, Kempten 4. Mai und Gmunden 4. Auguſt. 
Schon im April war in des Kurfürften Auftrag Hans von der Planit beim 
Kaifer in Linz geweſen, zugleidy mit einer dänischen Geſandtſchaft. Dajelbft war 
überhaupt ein rvege® Treiben. Zugleich mweilten auch päpftliche, engliſche und 
ipaniiche Gefandte und auferdem ſolche vieler deuticher Stände dafelbft. Drigie 
nalrelation von Montag Philippi et Jacobi (1514), Erneft. Gef. Ardiv. 

5 Boigt 464. Kurfürft Joachim Hatte für alle Verſuche des Hochmeifters 
nur Talte Abweifung gehabt. 


99 


(and eigen waren. Noch beftand lettere erjt im Wunfch des Kaiſers: 
erit Ende December erreichten ihre Ueberbringer Moskau, wo freilich, 
wie erwähnt, am urjprünglichen Vertrag feitgehalten wurde. Doch 
hat es den Kaijer Mar befanntlich nie genirt, auf etwas jchwanfender 
Grundlage umfafjende Bauten zu planen. Demgemäß enthielt die in 
feinem Namen zu Gmunden am 18. Auguft 1514 für feinen Rath 
Medior von Maßmünſter ausgefertigte Inſtruction! Folgendes. 

Da, troß der ftiftungsmäßigen Freiheit des deutjchen Ordens der h. 
Maria, Bolen denjelben in feinen Gehorfam zu bringen, auch Danzig und 
Elbing, die ihm (dem Kaifer) und den h. Neid) zugehörten, innezus 
haben fich unterſtehe, habe er ſich zum Schub gegen diefe Uebergriffe 
Polens wider den Orden und das Neid) im vergangenen Jahr um 
ein Bündniß mit dem Großfürften Bafilius, dem Herrn aller Reuffen, 
bemüht. Diefer fei auf den Plan eingegangen und habe mit des 
Kaifers Orator fofort Gefandte zu ihm gejchidt, um das Bündniß 
abzuichliegen. Das fei nunmehr gefchehen. Da er nun bei folchem 
Bündniß immer „gemeint und gemeldet“ ? habe fich felbjt nebft feinen 
Dundesverwandten, König Chriftian von Dänemark, dem Hochmeifter 
des deutfchen Ordens ſammt dem Meifter von Livland, Kurfürft Joa— 
Hm und Markgraf Friedrih von Brandenburg, Kurfürjt Friedrid) 
und Herzog Johann zu Sachſen, fowie dem Fürften der Wallachen, 
mit dem er der Sache halber in bejonderer Verhandlung ftehe, jo daß 
er denjelben zum Theil bejolden werde, befichlt Marimilian feinem 
Geſandten, "die obgenannten deutfchen Fürſten zu bewegen, fofort in fei= 
ner Begleitung ihre Bevollmädtigten zum König von Däne— 
mark zu ſchicken, um das Bündniß definitiv zu errichten, auch jogleid) 
zu bejtimmen, mit welcher Macht zu Roß und zu Fuß jeder dem 
Bund dienen wolle. Sei das geichehen, jo denke er den Polen zuerjt 
zur Rückgabe des Geraubten und zur Verfiherung künftigen ruhigen 
Verhaltens in Güte zu erſuchen. Falls das nichts helfe, müſſe man 
denfelben nächiten St. Zörgentag mit vereinter Macht angreifen. Zu der 
gütlichen Handlung fei von ihm ein Tag geſetzt nad) Yübe auf näch— 
fte Lichtmeß und Polen bereits aufgefordert. Daher follen die fürfts 
lichen Bevollmächtigten zugleich ſich mit den Befehlen ihrer Herrn 
verjehen, wie eim jeder giütlich fich zufrieden ftellen laſſen wolle. 

Das in Dänemark genau zu formulirende, auf alle Fälle zu 
ſchließende Bündniß folle ein ewiges fein: doch laſſe es fich der Kaiſer 
auch gefallen, daß es auf Lebenszeit oder bis zur Ausrichtung der 
Sache gejtellt werde. Er wolle fic) als Erzherzog und deutfcher Fürft 
mit dem gleichen Boll, wie Brandenburg, zum Dienſt de8 Bundes 
verpflichten. Den König von Dänemark habe er zum oberjten Haupts 
mann auserfehen und bitte denfelben, fi) dem zu unterziehen. Dafür 
wolle er ihm auch von Stund an 50000 fl. Rhein. auf das Heis 
rathsgut feiner Enkelin (Iſabella) zahlen. Nach Abſchluß des Bind- 


ı Erneft. Gef. Arch. (einigermaßen beſchädigt). Vergl. die Notiz bei 
Beigt IX, 466. 
° Inwieweit das wahr ift, ift oben gezeigt worden, 


7* 


100 


nifjes jollen alle Gefandten der Theilnehmer mit nad) Lübeck ziehen, 
um dort mit der polnischen Botſchaft zu verhandeln, gemeinſchaftlich 
mit einer ruſſiſchen Gefandtichaft. Fall es nicht zur Zufriedenftel- 
lung komme, werde man den Polen angreifen. 

Für die gütlihe Handlung fordert Marimilian von Reichs wegen 
die Städte Danzig und Elbing, doc) jcheint e8 (die Urkunde ift ver 
ftümmelt), daß diefe Forderung nicht als conditio sine qua non 
gelten foll. 

Um den Zufammenhang nicht unterbrechen zu müſſen, reihe id) 
hier gleich die wichtigſten Beſtimmungen einer nachträglid an Maßmün— 
jter erlafjenen Erläuterung feiner Juftruction an!. Die etwaige Abwer 
jenheit einer ruffifchen Botſchaft brauche die Bündnißverhandlung beim 
König von Dänemark zwifchen demjelben und dem deutjchen Fürſten 
nicht aufzuhalten. Dagegen könne der gütliche Tag in Lübeck nicht 
ftatthaben ohne die ruffiihen und polnischen Oratoren. Auch habe 
er jett zu letterem Ungarn aufgefordert. Den Tag, wie Ruß— 
land wüuſche, bis Pfingften der Reiſeſchwierigkeit wegen zu verichieben, 
ginge nicht an wegen des auf St. Yörgentag eventuell feitgeiegten 
Anfangs des Kriegs. Er habe, um den Ruffen den Weg im Winter 
zu erleichtern, durd) den König von Ungarn Geleit durch Polen für 
diejelben nachgeſucht: auch feine Boten nad) Rußland follten mit die: 
jer Gelegenheit heraus und nad) Lübeck kommen. Höchſtens bis vier 
Wochen vor St. Yörgentag dürfe Maßmiünfter die Eröffnung ver: 
ziehen. 

Eins fpringt in die Augen: der Ernt, mit welchen der Kailer 
fi zum Krieg gegen Polen vorbereitete, Man weiß, daß in derielben 
Zeit Polens Abgefandte nichts weniger als zuvorkommend bei Mari 
milian empfangen waren und dag auc die von Sigismund am 30. 
Auli zuerjt erbetene Fürſprache des ungarischen Königs wenig frud)> 
tete?. Das lange Zögern des Kaifers zwifchen den durch Schnitzen— 
paumer zuerjt angeregten Verhandlungen und den nunmehr in Aus 
fiht genommenen erflärt fich einfach aus dem Bedürfniß, erſt Har zu 
Sehen über ſein Verhältniß zu Rußland. Auch war inzwifchen Dänemarks 
Beitritt gefichert. Schon am Tage vor der Ausitellung der Haupt: 
inftruction hatte der Kaifer dem Hochmeijter Kenntniß gegeben, der 
num Sofort die nöthigen Schritte that. Daß Markgraf Friedrid), 
wenngleih Schwager Sigismunds von Polen, feine Schwierigkeit er 
heben würde, ließ fich nach feiner Haltung im Vorjahr denfen. Ber 
muthlich hat auf feiner Reife von Gmunden nad) dem Norden Map: 
münfter bei ihm zuerjt vorgefprochen. Es ergiebt fi) aus den Acten, 
daß er jeinen Gefandten die verlangte Vollmacht zum Abſchluß des 
Bündniſſes ertheilt hat ?. 

1Insbruck 1514. September 30. Dieielbe wird am 19. November von 
Mafmünfter aus Dorningen (Törning) au Friedrih von Sachſen gefendet. 
Erneft. Geſ. Ardiv. 

2 Acta Tomiciana III, ©. 154. Bergl. Fiedler 203 und Liste 479 f. 

s Schreiben Hans von der Planit an Friedrih von Sachſen, Dorningen 
1514 Sonntag nad Bricei (19. November). 


101 


Es wird fi nun fragen, wie find die Kurfürften von Sachſen 
md Brandenburg dem Project entgegengefommert, die als Polen nächſt— 
geieifene und dem Hochmeifter befreundete, zum Theil verwandte Fürften 
für das Gelingen wejentlich in Betracht famen. Bei der Magerfeit 
des Berliner Geh. Staatsarhivs für diefe Epoche ift e8 nun ganz 
außerordentlich erwünscht, daß die von den Ernejtinern aufbewahrten 
Acten auch auf das Verhalten Brandenburgs das hellſte Licht fallen 
laſſen. 

Der ſchon 1513 nach Schnitzenpaumers Sendung zwiſchen bei— 
den Fürſten über das bewußte Bündniß gegen Polen eingeleitete Mei— 
nungsaustauſch war reſultatlos geblieben, da er bald eingeſchlafen 
war. Inzwiſchen hatte Joachim von Brandenburg ungeſcheut und 
ohne Rückſicht auf den Kaiſer im Februar 1514 mit Polen einen 
Vertrag abgeſchloſſen, demzufolge kein Theil die Feinde des andern in 
ſeinem Yande hegen, unterſtützen oder ihnen den Durchzug geſtatten 
durfte. In Sachſen hatte man mannichfache Anliegen an das Reichs— 
oberhaupt, welche, abgejchen auch von dem Charakter des Kurfürjten 
driedrich, jede ſchroffe Eigenwilligfeit verboten. Noch nicht zwei Mo— 
note vor Makmünfters Abfendung hatte der Kurfürft fich bereit er— 
Härt, neben den kaiferlihen Gefandten den von Marimilian gewünſchten 
Hans von der Planitz des deutichen Ordens wegen nad) Dänemark 
zu beordern?. Der Kaifer hatte offenbar in Yinz Wohlgefallen an 
diefem Manne gefunden, dem zufünftig noch eine bedeutungsvolle Stel= 
lung innerhalb der furfächfiihen Diplomatie zufallen ſollte. Doch 
hatte er die vorfichtige Denkweiſe der fächfischen Brüder falſch tarirt, 
wenn er denjelben zutraute, daß fie ohne Weiteres auf eine jo weits 
tragende Politif eingehen würden. Gerade auf Betrieb Herzog Jo— 
hanns, zu den Maßmünſter zuerft Zutrauen gefaßt hatte, lautete die 
Antwort Kurfachiens, daß man willig fei, dem Anbringen entfprechend 
Planig mit nad) Dänemark zu ſchicken und treulich mitzuhelfen, ſo— 
bald es fi darum Handle, die Sache zwifchen Polen und dem Orden 
völlig beizulegen. Walls das Bündniß zur Spracde fomme, folle der 
Gefandte fie davon benachrichtigen, dann wollten fie ihrer Gelegenheit 
nad) dergejtalt fich vernehmen laſſen, daß der Kaiſer Hoffentlich daran 
Gefallen tragen würde?. Alfo der Gefandte ward (Fohanns Brief 
und die Inſtruction Laffen feinen Zweifel) in der Hauptfrage auf 
Hinterfihbringen angewiefen, ftatt ihm, was Marimilian gewollt, 
Vollmacht zu erteilen. So ausgerüftet verließ Hans von der Planit 


' Gercken, Cod. dipl. Brandenb. V, 318. Siehe Boigt 459. Dem 
Hauptinhalte nad regelt die Urkunde freilich den Eriminalprocef im Fall des 
Eonflicts zwiſchen beiderfeitigen Unterthanen. Diefer Gefichtspunft einfeitig er 
wähnt bei Buchholtz, Geihichte der Churmark Brandenburg III, 322. 

’ Marimilian an Friedrid 1514 Krems Mai 4. Letzteres Antwort 1514 

Torgau 27. Juni. Erneft. Gef. Arch. 
—  Friedrihsd Antwort auf Maßmünſters Werbung 1514 Lohan Freitag 
St. Mihelstag (29. September). Johann an Friedrid 1514 Heltberg (Held- 
burg) Sonntag St. Lampertentag (Sept. 17). Erneft. Ge. Arch. Cbendaf. 
nod ein undatirtes Schreiben Mafmünfters an Johann. 


102 


Zorgau am 4. October, um zunächit ſich dem Kurfürften von Brans 
denburg vorzuftellen. Im Auftrag Albrechts von Mainz unterrichtete 
ihn Eitelwolf von Stein, daß der Kurfürjt ihn im Klofter Zinna 
bei Syüterbod empfangen werde. Hier fand dann eine Unterredung 
ftatt, über welche fofort der Geſandte jeinem Herrn einen fehr inte 
reſſanten Bericht erftattete!. Nachdem Planig auf Befragen mitge— 
theilt, daß er beauftragt fei, den König von Dänemark zu bejtimmen, 
dem faiferlichen Begehren ftattzugeben, und ferner zur Beilegung mit 
zuwirfen, daß aber über das Bündniß fein Herr noch nichts Endliches 
beichlojfen habe, brach Joachim, der nad) feiner Erklärung in der Zeit 
feiner Regierung noch nie eine jchiwerere und wichtigere Angelegenheit 
zu entjcheiden gehabt, los. Geſandte wolle er, und zwar mit gleichen 
Befehl wie Sachſen, nad) Dänemark fenden. In feiner Weife gedächte 
er aber fih in ein Bündniß wider Polen zu begeben, da bei der 
Nachbarjchaft feines Yandes fein Verderben darauf jtehen würde. Auch 
würde, fall8 er perfönlich geneigt wäre, feine Yandichaft das nimmer 
dulden. Sr. Gn. Bettern in Franken fünnten wohl, da fie nicht fo 
nahe ſäßen, „leichtlic) zu dilfe vorpuntmus“ reden, obwohl er des 
Glaubens geweſen wäre, fie würden im diefer Angelegenheit Sachſens 
Nath eingeholt haben. Er wünsche mit Friedrich perjönlich darüber 
Rückſprache zu nehmen und warte ſtündlich der Kunde, ob deinfelben 
eine Zuſammenkunft in Wittenberg genehm ſei. Er verjehe fich, daß 
berjelbe da8 Bündniß auch nicht annehmen werde. Es ſei ihm leid» 
(ih, mit andern Kurfürjten dem Kaijer ziemliche Hülfe zu leiſten, nicht 
aber ein Bündniß zu machen; denn er wolle viel lieber einen chrijte 
lihen König an feiner Seite haben als einen Ungläubigen. Es jei 
leicht zu denfen, wie gut er und andere umliegende Fürſten es haben 
würden, wenn der Ruſſe feinen Willen erlange und Polen unter fid 
bringe. Wenn er dann Hilfe aus Franken nachſuchen müßte, würden 
Feinde und Freunde zugleidy fein Yand verwüjten. Sollte er aljo des 
Vertreibens gewärtig fein, jo wolle er e8 lieber fo darauf anforınen 
laſſen, als fich in diefes Bündniß begeben. Er hoffe aber, daß der 
Raifer fic) genügen lajjen werde, wenn auf ernftliches Erfordern er 
fich) erböte auf Erkenntniß des Reichs. 

Nach Planitz' Eindrud war der Kurfürft feſt entichloffen. Die 
Anficht fei, im Verein mit Mainz und Sachſen dem Anfinnen zu 
widerftehen. In Joachim Hat man alfo den wirkſamſten Factor der 
Dppofition zu erfennen. Er hatte zur Stüte feines Widerwillens 
die Verftändigung mit Sachſen gejucht, ehe er gezwungen wäre, Bes 
fcheid zu ertheilen auf die erwartete Werbung Maßmünjters. Die 


I Planig an Friedrich 1514 Jüterbock Freitag nad Francisci (Det. 6). 
Ganz ungenügend hierüber ift Planit’ Finalrelation, beide im Erneſt. Gef. Arc. 
Letstere, die auch zur Kenntniß der Räthe kommen mußte, ift auffällig vorfidhtig 
abgefaht. Hinfichtlich der Erklärung des Kurfürften Joachim fchreibt Planit in 
feinem Brief, wenn es Friedrich gefällig fei, wolle er die angezeigte Handlung 
in feinem Neifebericht nicht alfo Mar bringen, fondern ſich auf diefen Brief be 
ziehen. So ift e8 auch geichehen: ein intereffantes Factum für die fritiiche Be: 
urtbeilung derartiger Relationen, 


103 


Unterredung beider Kurfürften zu Wittenberg hatte ftatt. Von derſelben 
brachte Joachim, wie er felbit Planig mittheilte, die Gewißheit mit, 
daß auch Friedrich nicht in das Bündniß willigen und daß beide in 
diefer Sache für einen Mann ftehen würden. Es iſt charalteriſtiſch 
für den Kurfürften von Brandenburg, daß er bei alledem, im der 
Sorge allein und ohne Bundesgenofjen dem faiferlihen Zorn ſich 
preisgegeben zu fehen, ein gewilfes Mißtrauen nicht unterdrüden 
fonnte. Bei derfelben Gelegenheit in Berlin, bei der er dem ſächſi— 
schen Gefandten obige Mitteilung machte, 309 er denfelben an ein 
Fenſter, um ihn aufs Gewiffen zu fragen, ob er nicht von feinem 
Herrn noch einen andern Befehl hätte als den angegebenen, den auch 
Friedrich felbjt ihm bezeichnet; fowie, ob Friedrich anders zu handeln 
dähte, als er ihm zugejagt, um ihn jo aufs Eis zu führen. Das 
würde ein ungleich) und nnbrüderliches Stück fein, deffen er ſich nicht 
verſehe. Ich finde nicht, daß Planit über diefen für feinen Herrn 
wenig Ichmeichelhaften Zwiichenfall empört ift. Er bittet nur den 
Kurfürjten, den Argwohn fahren zu laffen, fein Herr werde unvers 
rüdt halten, was er ihm zugefagt . Demnach) konnte e8 nicht zwei— 
telhaft fein, welcher Beicheid feitens Brandenburge Maßmünſter ers 
theilt würde, der unterftütt durch die Botichaft des fränkiſchen Mark— 
grafen in Berlin erſchienen war. Er wolle, fagte Joachim zu Planits, 
weer zufagen noch abjagen, doc werde der Kaifer vermerken, was 
die Uhr geichlagen habe. In der That warnte feine Antwort den 
Kaiſer, deſſen Antereffe für den Orden freudig begrüßt wurde, dem 
Orden durch fein Vornehmen nicht größeren Nachtheil zu bringen. 
Der Raifer folle gnädig betrachten, daß ihm, der 20 Meilen Weges 
an Polen grenze, in diefer Sache mehr Bedenken Noth thue, al® at» 
dern. Doc wolle e8 der Kurfürft gemeinfam mit andern Kur— 
fürften und Ständen an Nichts fehlen laffen. Auf Wunsch des 
Kaiſers jchicfe er auc) einen feiner Näthe mit Makmünfter, um den 
König von Dänemark zu erfuchen, das kaiſerliche Anfinmen anzunehmen 
und dann, um auf dem Tag zu Lübeck den Frieden zu befördern ?. 
Ein Diplomat unserer Tage hätte wohl unter fo wenig aus» 
fihtsvollen Umftänden neue Verhaltungsbefehle ſich erbeten vor Fort» 
jegung feiner Reife. Was konnte aber bei den damaligen Verbin» 
dungen, Angeſichts der vorgerücten Zeit und feiner Inſtruction, 
welche behufs des firirten Lübecker Tags ein rafches Zuftandefommen 
der dänischen Negociation vorausfette, Maßmünſter Anderes thun, als 
feinem Herrn Bericht erftatten und fich, begleitet von den übrigen 
Gefandten, auf den Weg machen! Oder Hatten etwa die acht Wochen, 


ı Panik an Friedrich 1514 Berlin Donnerftag nad) Dionyfit (October 12). 
Erneft. Gef. Arch. Aus alledem erhellt, daß Ranke J, 230 im Irrthum ift mit 
der Meinung, daß Kurfürft Joachim nicht abgeneigt geweſen fei, den Hochmeifter 
Abreht zu unterftügen. 

» 1514 Donnerftag nad Dionyfii (October 12). Erneft. Gef. Arch. Der 
brandenb. Gefandte war Dr. Ketwig. Vergl. was über diefen Staatsmann von 
D. Walt zufammengeftellt ift (Forſchungen X, ©. 218). 


104 


welche er unterwegs war feit feiner Abfertigung, hingereicht, ihm gleich 
gültig zu machen gegen das Reſultat feiner Bemühungen? Seit 
faft zwei Sahrzehnten ift Maßmünfter im Militärdienft des Kaiſers 
bemerkbar. Von früherer diplomatiicher Verwendung zu felbftändiger 
Miſſion ift mir nichts befannt geworden. Am meiften fpielt in diefe 
Thätigfeit feine Stellung in den Niederlanden i. %.1497 hinein, wo 
ihn Mar als Muftermeifter zurücgelaffen hatte. Aber weder Herzog 
Albrecht von Sachſen noch die burgundifchen Räthe Erzherzog Philippe 
hatten darauf Rückſicht genommen, noch weniger aber auf feinen 
MWiderfpruch gegen die Waffenftillftandsverhandlung mit Karl von 
Geldern. Selbft feine Correfpondenz mit dem Kaifer war nicht uns 
gehindert geblieben. Das Mißtrauen der Machthaber, die befannte 
Nacläffigkeit des Kaiſers in Geldfachen gegenüber feinen Agenten 
brachte ihn in fchlimme Lage. 

%. J. 1507 hatte er an den Marfgrafen von Baden den Be— 
fehl zu bringen, eine Bewegung zur Dedung von Burgund auszu— 
führen; 1509 gerieth er, wohl in Padua, in venetianiiche Gefangen: 
Ihaft!. Am Schluß der Regierungszeit Marimilians ift er nad: 
weisbar al8 Hauptmann von Wiener-Neuftadt, wo ihm auch nad 
feines Herrn Tod die Bewahnug der Koitbarfeiten deffelben bis zur 
Ankunft des Erben oblag. Es zeigt ein durch lange, treue Dienite 
gerechtfertigte8 Vertrauen, daß ihm gerade diefer in den Kämpfen ber 
fetten Jahrzehnte wiederholt ftrategiich wichtige Ort untergeben war. 
Aber feine Laufbahn läßt nicht erfennen, wie man dazu fam, ihm 
gerade eine fo große Gemwandtheit erfordernde Gefandtichaft zu über: 
tragen. Don feiner politiichen Denkweiſe kann man, abgefehen von 
feiner Ergebenheit für den Kaifer, nichts fagen. 

Vermuthungsweiſe läßt fich hinstellen, daß ihm bei dem ihm auf 
getragenen Geichäft das Bündniß mit Rußland, wie vielen Zeit: 
genofjen, unerfreufih war. Wenigftens ruft er bei dem Auftanchen 
der Nachricht einer polnifchen Niederlage durch den moskovitifchen 
Sroffürften aus: „Wo dem alfo, ift mir laydt umb die Chriftenheit ?*. 
Daß er fih noch fpäter bei Friedrih von Sachſen nachdrücklich 
bedankt für Schenfung goldener und filberner Pfennige an feine 
Hausfrau, darf fchwerlich in dem Sinne gedeutet werden, als ob bie 
beiden renitenten Rurfürften es für zweckmäßig angejehen hätten, ſich 
der guten Dienfte Maßmünfters zu verfichern ®. 


ı ©. Mafmünfters und feines Collegen Brief v. 13. December 1497, bei 
BD. dv. Kraus, Marimilians I. Briefwechſel mit Siegmund Prüſchenk S. 111fl., 
fomwie für die Jahr 1507 und 1509 ımd 1519 Le Glay, Corresp. de Maxi- 
milien I. et de Marguerite I, 22; Kirchmaiers Denktwürbdigfeiten, in Fontes 
rer. Austr. Script. I, 429; Le Glay, Negoc. dipl. entre la France et 
Y Autriche II, 434. " 

»_ Mafmünfter an Friedrich von Sachſen bei Ueberichidung ber kaiſerlichen 
Nachtragsinſtruction aus Dorningen 19. November 1514. Während feiner 
ganzen Miffion bleibt er mit Friedrich in brieflichem Verkehr. Erneft. Gef.- 1. 

’ Mafkmünfter an Friedrich von Sachſen d. d. Lübeck 1514 December 8. 
Erneft. Geſ.-Arch. 


105 


Die vereinten Gefandten des Kaiſers, Sachſens, Brandenburgs, 
denen ſich unterwegs die des Hochmeiſters anfchloffen, zogen nun über 
Virftod nah Schwerin und von da nad übel. Ungewiß, wo 
Brig Chriftian II. fich treffen laffen wolle, ging die Reife dann 
meiter nach Holitein. Endlich wurden die Botſchafter nad) Törning 
beidhieden, wo feit dem 16. November die Unterhandlungen begannen. 
Sofort ftellte fich heraus, daß Planig und Dr. Ketwig jeitens ihrer 
Herren feinerlei Vollmacht befaßen, in das Bündniß zu willigen ; der 
Inferfihe Gefandte erflärte, er hätte fich verjehen, daß fie volle Ge— 
malt hätten, fönne e& aber auc fo nicht ändern ?, überrafchend genug 
nach einer vierroöchentlichen gemeiniamen Reife. Das Anfinnen, wenigftens 
vorläufig da8 Bündniß abzufchliegen, mußten beide furfürftliche Räthe 
gleichfalls ablehnen. So blieb dern nur der fränkische Markgraf und 
der Hochmeister übrig.‘ Da nun der Linzer Vertrag vom 29. April 
1514 nur für den Fall des Beitritt der Fürften von Sachſen und 
Brandenburg zum Bündniß Dänemark zu dem gleichen Schritt ver— 
pflihtete, da ferner dafelbft auch der Zuziehung Rußlands nicht aus— 
rüdlih gedacht war ?, konnte Chriftian II. wenig Neigung oder Ver= 
mihtung fühlen, fir die Deutſchen die Kaftanien aus dem Feuer zu 
holen. Was mit ihm Maßmünfter verhandelt, blieb den fürftlichen 
Rüthen, welche in feiner Gegenwart ihrerfeit8 gehört worden waren, 
unbefannt, da diefe Beiprechungen geheim geführt wurden dod) ift; 
über das Reſultat fein Zweifel. Die in Törning abgebrochene Uns 
terbandlung follte auf dem Lübecker Tag am 2. Februar 1515 wie- 
der aufgenommen werden. Die däniichen Näthe Hatten dort ihr 

zu thun bei den Verhandlungen, die zwiſchen Maßmünſter und 
den Geichickten der Häufer Sachſen und Brandenburg über das Bünd— 
niß nochmals gepflogen werden follten. Würden Sadjfen und Bran— 
venburg dafelbit eiumilfigen, follten auch die dänifchen Räthe laut 
des mit dem Kaifer zu Pinz getroffenen Abſchieds das Bündniß voll» 
sehen? Wenig wahrfcheinlich war jedody vonvornherein, daß jetzt 
roh etwas zu Stande fommen würde, wenigftens fo lange nicht Maris 
nilien die gefürchteten Gefahren und Opfer den Widerftrebenden in 
gend einer Weiſe vergütete. 

Der Kaiſer hat freilich auf die Kunde von der Aufnahme ber 
Verbung Mamünfters bei Friedrih und Joachim die Hoffnung 
leineswegs aufgegeben. Am Wenigſten wollte er davon wijjen, wieder 
den Reichstag mit diefer Sache zu behelligen. Er verlangte von 
Jeachim, von feiner Berufung am die Neichsftände abzuftehen und fich 


! Das Ganze nach Planitz' Relation. Maßmünfter ſchrieb am 19, No⸗ 
dember am Friedrich, die Werbung des Planitz an den König habe ihm „gueter 
mafien“ gefallen. Er hoffe, in der Hauptverhandlung werde er ſich von feines 

wegen, „noch volkomenlicher und wol dienlich zu der Sachen“ halten. 

® Lünig, Codex Germaniae diplom. I, 575 


’ Relation des Planig und „Ertract des dänifchen Abſchieds im Erneft. 
&i-Arhiv. 


106 


der Faiferlichen Politik anzufchließen. Friedrich von Sachien, der 
weniger jchroff aufgetreten war, jollte in diefem Sinne auf feinen 
Gollegen einwirken !. Beiden wurde der Schimpf vor Augen geführt, 
der dem Kaiſer durch ihren „Verzug oder Abichlag‘‘ des Biindnifjes 
beim Großfürften von Mosfau angethan würde, mit dem er im ihrer 
aller Namen und im Vertrauen auf ihre Unterftügung pactirt hätte, 
und zwar fi) verlaffend auf die Vertröftung, die Kurfürſt Friedrich 
ihm direct, und für Joachim der Markgraf Friedrich, als er jüngit 
bei ihm in Frankfurt geweien, ertheilt hätte?. Mit Hinweis auf fih 
jelbft, der zur Hilfe des Ordens die Heirath zwifchen feiner Enkelin 
und Chriftion von Dänemark gefchloffen hätte, auf die Gefahr des 
Ordens, da in Falle de8 Scheitern fich leicht der Moskowiter mit 
dem Polen zur Vertilgung des deutichen Nitterordens verbinden fönnte, 
verlangte er ernftlich, daß beide Fürften dem Bündniß ſich nicht ent- 
ziehen ſollten. Dbendrein verjehe er fich nicht, daß es durch daſſelbe 
zum Krieg kommen würde, da, wie er denfe, der Pole einlenken 
würde. Falls fie aber in der That in Folge deifelben ins Tel 
ziehen müßten, wolle er fie dafür der nächiten Hilfe, die künftig von 
den Ständen des Reichs bewilligt würde, entheben. 

Gegen derartigen Appell waren die deutſchen Fürſten der da 
maligen Zeit hinlänglich abgeftumpft. Nicht um Fingersbreite widen 
Sachſen und Brandenburg ab von der zwiichen Beiden vereinbarten 
Linie des Verhaltens. Sie hatten dazu um fo weniger Veranlaſſung, 
als fie in der That eine Zufage, wie die vom Kaifer erwähnte, nicht 
gethan hatten. Marimilian, deffen Mittel nach anderer Seite hin 
vollauf in Anfpruch genommen waren, mußte demnadh auf gänzliche 
Solirung gefaßt fein, in feinem Beftreben, dem Orden zu helfen, 
abgeſehen von den ſchwachen Kräften des Hochmeifter8 und feiner 
nächiten Anverwandten und den in, die europäiiche Politif noch nicht 
recht hineinpaffenden der Ruffen. 

Die politifch zunächſt intereffirten beutfchen Fürften, das vertrag® 
mäßig Schon gewonnene Dänemark fogar fcheute wie die Gefahr eine? 
polnischen Kriege® vor allem auch das Odium einer näheren Ver— 
bindung mit dem „ungläubigen Moskowiter. Daß der Kaifer ſelbſt 
fih im diefer für die damalige Welt auffallenden Doppelrolle eine? 
Vorkämpfers des zu Ehren der Zungfrau Maria geftifteten Ritter⸗ 


ı Mar an Friedrich von Sachen, 1514 Insbrud 20. November. Der 
ar Re Joachim von Brandenburg 1514 Insbruck 21. November. Erneft. 

eſ.⸗Archiv. 

2 Davon ift ſonſt Nichts bekannt. Jedenfalls erflärte Joachim, daß er ſich 
über die angebliche Zufage de8 Markgrafen nicht genug wundern könne, denn tt 
fönne fih nicht erinnern, mit demfelben davon geredet oder ihm feinethafben 
einen Befehl gegeben zu haben. Joachim an Friedrich von Sachfen, 1514 Cöln 
an der Spree am Abend Thomae apostoli (December 20). Erneft. Gef.-Arh- 
In einem ebendafelbft befindlichen Echreiben Herzog Johanns am feinen Bruder 
an wird gleichfalls conftatirt, daf dem Kaijer Leine Zufage gemacht ke 

514 Weida vigil. s. Thomae (December 20). 


107 


ordens umd zugleich intimen Verbündeten des als halben Heiden ! nicht 
nur ſeitens der Polen betrachteten Wafilji um fo unbehaglicher fühlte, 
je weiter fich die von ihm entfernten, welche die Yajt und das Bes 
denklihe des Vertrags vorzugsmweife hatten tragen ſollen, ijt ohne 
Zweifel. Jedenfalls fommt alle zum Theil gewiß gerechtfertigte Ent— 
rüftung über des Kaifers Parteiwechiel gegen die Erwägung nicht auf, 
mas er denn bei der Lage der Dinge hätte thun fünnen. Daß vom 
Reich als Ganzem nichts zur Rettung des Ordens zu erlangen fein 
würde, war aus dem Verlauf ſeit 1510 völlig Kar: zum Ueberfluß 
haben die jpäteren Bemühungen Albrechts bis zum Ausbruch des 
rien gezeigt, wie wenig Intereſſe für diefe deutiche Kolonie vor— 
handen war. Jedenfalls verdient alfo das Reichsoberhaupt nur inſo— 
fern ſchärfere Beurtheilung als die Reichsglieder, als die höhere 
Würde ihm größere Verpflichtungen auferlegte. Hätte Marimilian 
in diefer Frage das Reich Hinter fi) gehabt, oder au nur, woran 
er wei Jahre lang eifrig gearbeitet hat, an der Spike jenes Bünd— 
niſſes geſtanden, er hätte feine Bedingungen den Polen vorschreiben 
innen. Aber er ftand völlig allein, da der Vertrag mit den oben— 
drein Seit ihrer Niederlage im entjchiedenen Nachtheil befindlichen 
Rufen eher eine PVerlegenheit al8 eine Stüte für ihn war. 8 
fonnte unter folchen Umftänden ihn nur mit Genugthuung und heim 
licher freude erfüllen, daß durch die Aufregung über all jene that- 
fählih im Sande verlaufenen Veranftaltungen der König von Polen 
eingeihüchtert den entichiedenjten Wunſch zeigte?, fich den Kaifer zu 


! Acta Tomiciana III, 182. 185. 209, wo Siegmund es dem Papft 
gegenüber als unerlanbt bezeichnet, daß ein chriftlicher Fürft gegen einen anderen 
fh mit einem Schiematifer (qui ab infidelibus aliis feritate et perfidia 
nihil differt) verbünde.. S. 213 hat Wladislaus das doppelte Unrecht hervor- 
gehoben, das darin liege, daß ein folches Bündniß gerade gegen die Polen ge— 
Ihlofien jet: qui continuo ejusmodi hostes scismaticos quemadmodum 
et alios infideles cum ab aliis nationibus tum precipue ab ipsa Ger- 
mania arcemus. ferner wird von Seiten Siegmunds ebendafelbft III, S. 405 
Rafılji bezeichnet als homo scismaticus, nihil veteris Greci ritus preter 
barbam retinens, alienus a fide christ., hostis ecclesiae Romanae 
acerrimus. Bol. die Stelle des Decius, der, obwohl geborener Deuticher, ganz 
in der Idee von der für die ganze Ehriftenheit bedeutenden Stellung Siegmunds 
von Polen al® ‘murus et antesignanus’ aufging,, über des Kaijers Bündniß 
mit Waſilji: parum mihi cognitum est, si unguam Maximilianus a 
christiano principe longius recesserit, quam dum ethnicorum res contra 
ehristianissimum principem tutandos susciperet (S. 317). ©. über die 
ganze Anschauung die Bemerkungen Römers: De Decii vita scriptisque 
(Brei. Diff. 1874) ©. 41 ff. Die Schrift Hirfchbergs Über Decius (vergl. 
Sybels hiſt. Zeitichrift XXXVI, 268) habe ich nicht benußen fünnen. — Für 
die Deutichen ſ. oben S. 102 u. 104 die Aeuferungen des Kurfürften von 
Brandenburg, Mafmünfters u. |. mw. 

2 Zuerft wohl am 30. Juli 1514 (mwenigftens feit Siegmund von bes 
Leiſers Berbindung mit Moskau unterrichtet ift) wünfcht er durch feinen Bruder, 
den König von Ungarn, eine Befänftigung des Kaifers (Acta. Tom. II, Nr. 
268.155. Bergl. dann zum September d.%. Nr. 248 S. 209 und Nr. 254 
€. 213, Aber nie, auch nicht in diefen vertrauteften Briefen 
an feinen Bruder, giebt Siegmund eine andere Urjade der 


108 


verföhnen. ALS natürlicher Vermittler bot ſich dazu fein Bruder 
MWladislam von Ungarn. Dem geichiett genährten brüderlichen Gefühl 
des Letzteren widerjtrebte e8, in intime Wamilienverbindung mit dems 
jelben Herrſcher zu treten, der ſich als hartnädigen Gegner Sieg 
munds bewiefen hatte. Dennoch mochte er von den fajt zum Abs 
ſchluß gediehenen Verträgen nicht Lajjen, welche durch eine “Doppel: 
heirath, feiner Kinder mit habsburgiſchen Spröflingen auch feine in Une 
garn nur zu ſehr erfchütterte Stellung befeftigen follten. Bon hier ging 
daher zur alljeitigen Verftändigung der Vorfchlag einer Zuſammen— 
funft der drei Monarchen aus!. Der König von Polen wilfigte 
mit Freuden ein. Den Gedanken, den in Lübeck zur gütlichen Ver: 
handlung anberaumten Tag zu beſchicken, hatte er aufs Aller— 
entjchiedenfte von der Hand gewiefen. Hier hätte er irgend welchen 
Opfern zu Gunſten des Ordens auf Koiten Polens jchwerlicy ent: 
gehen können: indem er die profectirte Zufammenfunft annahın, gab 
er nur das zeitweilig von ihm unterftüßte ehrgeizige Streben feines 
Schwager Johann Zapolya preis zu Gunften der habsburgiſchen 
Anfprühe. So lieb Yetteres dem Kaifer fein mußte, jo weuig bat 
er doc deshalb das Ziel feiner Politik für erreicht gehalten. Auch 
nachdem Polen und Ungarn den Tag in Lübeck abgeichrieben, hat er 
fortgejett beitanden auf dem Vollzug des Bindniffes zwischen ihm 
einerfeits, dem Groffürften, dem König Chriftian II., den Kurfürjten 
von Sachſen und Brandenburg u. a. andererfeits. Noch anr 15. 
Januar 1515 verlangte deshalb Maßmünſter von Sachen fchleunige 
Sendung eines bevollmächtigten Gejandten nad Lübeck?. Der Kater 
meine, fchrieb er an den Kurfürften, daß die Eriftenz des Bündniſſes 
auf dem Tag zu Prefburg Polen zu einem für den Orden günftigen 
Vertrag drängen würde. Grit al8 auch jett die Furfürftlichen Ge 
fandten nur als zum Bericht angewiefene AZufchauer in Lübeck er- 
ſchienen, und deswegen die dänische Botichaft fich nicht weiter ein 
laſſen durfte, erklärte Maßmünſter feine Aufgabe für  erlofchen?. 
Dem Kaiſer entging dadurch der Vortheil, in Preßburg feinem Für: 
wort zu Gunften des Ordens Nachdruck geben zu fünnen, dadurd), 


kaiferlihen Feindfeligfeit gegen Polen an, als den Wunſch det 
Kaifers, den deutfhen Orden der polnifhen Botmäßigfeit zu 
entziehen. Beiläufig fei bemerkt, daß bei aller Oppofition der deutſchen 
Fürften gegen ein Bündnif auf Grund der Maßmünſter'ſchen Inftruction, die 
auch die Unterftütsung de8 Ordens als Motiv an der Stirne trug, nie, aud 
nicht in dem intimen Geſprächen zwoifchen Aurfürft Joachim und Planit, offen 
oder verftecdt der Vorwurf geltend gemadt wird, daß Marimilian nicht die 
wahren, oder nicht alle Gründe feines Bündnißplanes angebe. 

ı gisle a. a. DO. 482; vergl. Acta Tom. III, S. 166 und 259. 

2 1515 Lübel Montag vor Sebaftian. Erneſt. Geſ.A. Die Botichafter 
der vertragichließenden Mächte follen dann mit Maßmünſter ſchleunigſt nad 
Prekburg fommen. 

s Bericht des Plani an Friedrich von Sachſen, der nad dem Inhalt am 
6. Februar 1515 (Sonntag nad) purific. Mariae) in Lübed eingetroffen war. 
Gar nicht vertreten waren Rußland und der Meifter von Livland. Erueft. Geſ.A. 


109 


dar er als Wortführer einer zur Unterjtügung deffelben geftifteter 
Goalition auftrat. Der veränderten Sadjlage entſprach es denn, 
wenn jet mur noch davon die Rede iſt, Gefandte des moskowitiſchen 
Groffürjten und des Hochmeilters zur Zuſammenkunft der drei 
Monarchen zuzuziehen. Aber noh Ende Januar 1515 war auf 
Befehl des Kaifers ein polnischer Gejandter zu Hal, am Inn, anges 
halten worden, der dem Papit im Namen Siegmunds von Polen eine 
Anzahl vornehmer ruffischer Gefangener aus der Schlacht von Orfza 
zum Ehrengejchenf überbringen ſollte. Die befreiten Gefangenen wurden 
anf Anordnung Marimilians über Yübe in ihre Heimath geſchickt!. 

Sieht das aus wie die Abficht, mit Sad und Pad ins pol- 
niihe Lager überzugehen? Erſt als der Kaijer erfuhr, daß der 
Yübeder Tag ihm nicht die Waffe des Bündnifjes zur Verfügung 
ftellte, als ferner der päpftliche Hof, durch Johann Laskis Geſchick— 
lichkeit gewonnen, feine mehr neutrale Haltung ganz aufgab und durd) 
ein Breve dem Hochmeifter die Yeiftung des Lehenseides anbefahl?, 
erit da, als der Kaifer einjehen mußte, daß feinem Bejtreben, dem 
Orden zu helfen, fchlechterdings feine nennenswerthe Unterftügung von 
gend einer Seite zu Theil wurde, erjt da hat er in den Preßburger 
und Wiener Abmachungen den deutjchen Nitterorden an Polen preis- 
gegeben? Die Sadje jtellte fi) nunmehr für ihn fo dar: jollte 
er eines Zieles halber, zu dejjen Erreihung ihm (und jedenfalls nicht 
hauptjächlich durch feine Schuld) die Mittel abgingen, nun aud), die 
faft fihere Frucht langjähriger Bemühungen, den Erwerb der Krone 
Ungarns und Böhmens für fein Haus, dem Verderben oder wenigitens 
ihwerfter Gefahr ausfegen? Auf diefe Frage hat Marimilian als 
Habsburger mit Nein geantwortet. Das kann nicht bezweifelt werden, 
daß er in diefer Schlußphafe ein von ihm ſelbſt lange vertretenes, 
deutiches Jutereſſe den Anforderungen der Hauspolitif geopfert hat. 
Aber follten nicht die vorangehenden Blätter gezeigt haben, daß dem 
Kaiſer, auch wenn nicht die Stephansfrone im Spiel gewefen wäre, 
ſchon nüchterne politiiche Erwägung hätte die Ueberzeugung geben 
müſſen, daß er in diejer Frage, bei der obendrein der Gegner noch 
das Vertragsredt für ſich hatte, füglic) nicht weiter gehen fonnte, 
als er jchon gethan ? 

I Dies erzählt Decius (a. a. DO. S. 322), welcher jelbft in Begleitung 
det Gejandten war. Daß damals die Vereinigung der drei Monarchen bereits 
teftftand, jagt auch Yastı 432. 

? Schreiben Lastis an Siegmund 1515 Rom 14. Februar, Act. Tom. III, 
&. 333. Bergl. Zeifberg a. a O. 545. 

’ Zwar behauptet noch ganz neuerdings Krones, Handbuch der Gefchichte 
Oeſterreichs II, 573, es beruhe auf feinem thatjächlihen Grund, daf der Kaifer 
„NH und feine Nachkommen“ verpflichtet habe, dem Orden weder mit Rath oder 
That gegen Polen beizuftehen. Es ift jedoch unbedingt gewiß, daß der Kaifer 
ſich im diefer Weife verpflichtet hatte. Die Aeußerung von Krones beruht wohl 
au Mißverſtändniß der Ausführungen Lisles, S. 540, wo gegen Droyjen die 
Serpflichtung des Kaifers für feine Nachkommen beftritten wird. — Fälſch— 
Ka iſt aud) von Krones die Schlacht von Orsza ins 3. 1515 verlegt, 


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Die Kaiferurkfunden des Archivs der Stadt 
Limburg a. d. Lahn. 


Mitgetheilt von 


Chr. Bahl. 


Pimburg, an räumlicher Ausdehnung und Bevölkerungszahl ver- 
hältnißmäßig von geringer Bedeutung, hatte Dank feiner günftigen 
Yage ſchon frühe eine unternehmende Bürgerfchaft, der es bereits in 
der zweiten Hälfte des 135. Jahrhunderts gelang, den Dynaften 
aus dem Geſchlechte der Grafen von Iſenburg gegenüber fich eine 
freiere Stellung zu erringen. Die Streitigfeiten zwifchen Gerlach I, 
den Schwiegervater K. Adolf von Naffan, und der Bürgerichaft, 
über deren Berlauf und Dauer die Quellen nichts berichten, fanden 
ihren Abichluß in dem Bertrage vom 17. Oktober 1279. Die be- 
fändige Geldnoth Gerlahs II. (1306—-1354), des zweiten Nachfol— 
ger& des obenerwähnten Gerlach, gab der Bürgerſchaft Gelegenheit 
ihre Unabhängigkeit zu befejtigen. Gerlach, welcher bei Kaifer Ludwig 
in beionderer Gunſt ftand, erwirfte und erhielt die Kaiferliche Beſtäti— 
gung der vom ihm und feinen Vorfahren der Stadt verliehenen Rechte. 
Unter Karl IV. kam der Bürgerfchaft zu Statten, daß Erzbiſchof 
Balduin von Trier, des Kaifers Vetter, auf Grund eines 1344 Ger- 
nad gegebenen Darlehns von 28000 Gulden auf die Hälfte der 
Stadt Pfandrecht hatte. Der Freiheitsbrief, welchen dann der Kaifer 
bei Gelegenheit der Publifation der goldenen Bulle in Met der Stadt 
Yımburg gab, bildete für die fpätere Zeit die Grundlage ihrer bevor- 
zugten Stellung, und die in ihm ertheilten echte trugen im Verein 
mit dem regen Gewerbfleiß der Bürger und dem wachjenden Verfehr 
mächtig zur Hebung des Wohljtandes bei. Faſt von allen Königen 
und Kaifern, welche von Karl IV. bis Yeopold I. regierten, ließ ſich 
die Stadt ihre faijerlichen Privilegien beftätigen und hat u. A., als 
der Yandgraf von Helfen aucd die Bürger Yimburgs dem in feinem 
Gebiete eingeführten Weinzoll unterwerfen wollte, mit Crfolg vor 
Kaiſer Marimilian I. die von Karl IV. verlichene Zollfreiheit geltend 
gemacht. In der am 15. Mai 1510 in Augsburg ausgeftellten Ur— 
kunde erffärte der Kaijer, daß der dein Yandgrafen bewilligte Weinzoll 
den Dechanten, das Kapitel und die Bürger zu Limburg nicht binde, 

Bei der Bedeutung Pimburgs im Mittelalter war die Vermu— 
thung berechtigt, daß dort eine nicht unbedeutende Zahl von Archiva— 
lim fih finden müßte; war doch davon, daß die von dem Geſchichts— 
ihreiber Yimburgs, Stiftsdechant Ludwig Corden (+ 1808), citirten 
Urfunden in irgend ein anderes Arhiv, etwa das Yandesardiv in 


XVII. | 8 


114 


Idſtein, gekommen feien, nichts befannt geworden. Seit mehreren 
Sahrzehnten herrichte jedoch über den Verbleib derjelben völliges Dun- 
fl. So konnte H. Archivfefretär Dr. Beder in Idſtein in Bd. XVI. 
der „Forſchungen“ ©. 116 Anm. fchreiben: „Diefe auf Bitten 
Gerlachs III. von Iſenburg-Limburg gegebene Urkunde (ſ. unten Nr. 2) 
ift meines Wiffens nur mehr in dem mir vorliegenden, im Staats- 
Archive zu Idſtein beruhenden Copiar der Stadt Yimburg erhalten. 
Nach einer Notiz in Act. Acad. Theod. Palat. III, ©. 2. 3, wor- 
auf Fisher Bezug nimmt, fcheint freilich gegen Ende des vorigen 
Jahrhunderts noch das Original diefes Freiheitsbriefes im Stadt: 
archiv zu Limburg aufbewahrt worden zu fein“. 

Im vorigen Jahre gejtattete mir auf mein Geſuch der Gemein 
derath von Yimburg, von den im ftädtiichen Archive aufbewahrten Ur: 
funden ꝛc. Einficht zu nehmen und diefelben eventuell zu bemugen. 
Dies führte zu dem auch in öffentlichen Blättern erwähnten und in 
den Annalen des nafjauischen Alterthumsvereins von H. Archivfekretär 
Dr. Beder eingehend beiprochenen archivalifchen Funde. Bisher noch 
mit der Sichtung und Ordnung des reichen Materials bejchäftigt, 
beabfichtige ich in der Folge die wichtigeren Urkunden, welche nur zum 
geringften Theile durch den Druck weiteren Kreiſen befannt geworden 
find? — Gordens Geihichte der Stadt und Herrfchaft Yimburg und 
des Lahngaus iſt Manufeript geblieben — zu veröffentlihen. Außer 
den hier: folgenden 13 Kaiferurfunden enthält das Archiv noch 2 Orie 
ginal-Urfunden von Karl V (17. u. 22. Mai 1521), je 1 Original 
Urkunde von Ferdinand I (31. Mai 1559), Marimilian II (19. April 
1566), Rudolf IT (23. Aug. 1532), Mathias (14. Oft. 1613), 
Ferdinand II (13. Aug. 1630) und die zu Nr. 8 mehrfach erwähnte 
Bulla aurea Yeopolds I v. 19. Oct. 1663. 


1. 


Kaiſer Ludwig der Baier verzichtet auf Fürbitt Gerlachs von Lim: 

burg auf den Anſpruch, weldyen er auf die Bürgerfdaft von Lim— 

burg hat, weil diefelbe ohne feine Genehmigung einen Brüdenzoll 

erhoben und den Herren von Pimburg in Budenfhuk nidyt unter: 
Kübt hat. — Frankfurt, 1341, Zuni 29. 


Wir Ludewig von Gots genaden Römischer keiser, ze 
allen ziten merer des richs. Tun kunt || offenlichen mit di- 
sem brief, daz wir uns, durch vleizzig bet des edlen mannes, 
graf Gerlachs || von Lympurg, unsers lieben getruwen, ver- 
zigen haben der — die wir zu den wisen lüten 
den burgern gemeinlichen ze Lympurg, unsern lieben getru- 
wen, gehabt haben darumb daz si einen brugkzol an unser 
verloub willen und gunst ze Lympurg genemen habent. Und 
ouch darumb daz si dem vorgenanten graf Gerlachen die 
Juden nicht wolden helfen beschirmen, da sin not was. Also 


115 


daz wir noch nieman anders von unsern wegen umb die 
selben sache hintzin haben sullen dhein ansprache, und geben 
ouch umb die selben tat unser und des richs huld mit urchund 
diss brief. Der geben ist ze Franchenford an sand Pe- 
terstag, nach Christus geburt driuzehenhundert jar und in dem 
ain und vierzigsten jar, in dem siebenden und zweinzigstem 
jar unsers richs und in dem vierzehenden des keisertums. 
Original-Pergament. — Majeftätsfiegel mit Secretfiegel an Per- 
gamentjtreifen ift nur zum Eleineren Theile erhalten. 
Anm.: Ueber die Rechte Gerlachs von Limburg auf die Juden zu Lim: 
burg vergl. Forfhungen Bd. XVI, S, 109 Anm. 


- 


2 


Baifer Pudwig der Baier beſtimmt, daß die Bürger der Stadt Lim— 

burg nur vor dem Schultheißen zu Frankfurt verklagt werden dür- 

fen, und befreit fie von allem Boll zwiſchen Fimburg und Mainz 

und den Städten Frankfurt, Wehlar, Zriedberg und Gelnhaufen. 
Zrankfurt, 1346, Auguft 26. 


Wir Ludewig von Gotes gnaden Romischer keiser, ze 
allen ziten merer dez richs. Tun kunt offenbar an disem 
brief, daz wir den burgern gemainlichen und der stat ze 
Lympurg, durch vleizzig bet dez edeln mannes Gerlaches her- 
ren zeL,ympurg, und durch der dienst willen die er uns und 
dem riche biz her getan hat, und auch noh tun mag, und 
durch besunder gunst, die wir zu den burgern und der stat 
2€ Lympurg haben, die gnad und freyhait von unserm key- 
serlichem gewalt getan haben, daz wir wellen, daz die selben 
burger gemainlichen und besunder niemand vordern noh 
laden mag noh sol umb dheinerlay sache oder bruch, die 
iemand zu in ze vordern oder zesprechen het, fur uns noh 
für unser geriht, noh fur dhein ander geriht, dann fur 
unsern schultheizze ze Franchenfurt, also swer hintz in icht 
zesprechen habe, daz der ze Franchenfurt von in reht nemen 
sol, wie die schepphen da ertailend, ze gelicher weiz als von 
des richs burgern da selben. Ez wer dann sogetan sache, 
die uns und daz riche anrürte und gieng, und auch ob si 
den elagern reht verziehen und uzgen wolten. Auch tun 
wir den vorgenanten burgern und der stat ze Lympurg die 
besunder gnad, daz si fur den herren von Lympurg, wer 
dann herre ist, von dheinerlay schuld oder geltz wegen, dez 
er jemand schuldig ist, oder gelten sol, gemainlich oder 
besunder niht phant noh phantbaer sein sullen. Wer si dar 
uber mit phandung fur in angriffe und bekümmert, der ist 
dar umb in unser und dez richs grozz ungenad chomen und 
gevallen. Wir tun in auch von besundern gnaden und gunst 


8* 


116 


die gnade, daz si zwischen Lympurg und Mentz und zwischen 
den vier steten in der Wetrey, Franchenfurt, Wetflaren, Fri- 
deberg uud Gailnhusen, zolfrei sin sullen, und mügen da zwi- 
schen uf der selben strazz ungezollet vor aller menniclichs 
irrung varen und wandeln, an wo ez die vorgenanten vier 
stet tryfft und anget. Und dar uber ze einem urchund ge- 
ben wir in disem (fo) brief mit unserm keyserlichem insigel ver- 
sigelten. Der geben ist ze Franchenfurt an samztag nach 
Bartholomei, nach Kristes geburt driuzehenhundert jar, dar 
nah in dem sechs und viertzigestim jar, im dem zwai und 
dreizzigestim jar unsers richs und in dem nuinzehendem des 
keysertumes. 
Driginal-Pergament. — Majejtätsfiegel mit Secretfiegel an ge 
flochtenen grünen und rothen feidenen Strängen ſchön erhalten. 
Anm. Diefe Urkunde wurde bereits 1876 in Bd. XVI. ©. 116 u. 117 
der Forfchungen nad dem im Staatsarhiv im Idſtein befindlichen Copiar 
der Stadt Limburg veröffentliht. Die Copie ftimmt zwar dem Wortlaute 
nad mit dem Originale überein, bat aber die Schreibweife ihrer Zeit. — 
Diefelbe Urkunde ift in einem Vidimus der ‘Gerlacus dominus de Lym- 
urg, Petrus dietus de Lympurg, Rudigerus de Brunisberg' vom 
. 1347, 28. Zuli enthalten. 


3. 


Baifer Ludwig der Paier verwilligt dem Gerlad; Herrn von fim: 
burg für die im Rriege wider den von Böhmen und den Mark: 
grafen von Mähren zu leitende Bilfe 20000 Pfund Heller und 
überläft ihm deshalb die jährlidien Reichs-Steuern der Städte Frank: 
De Wehlar, Friedberg und Gelnhaufen und den Boll zwiſchen 
adjenburg und Mainz, bis in gedadjte Gerlad; die 20000 
Pfund eingenommen hat. Zrankfurt, 1346, Auguſt 26. 


Wir Ludewig von Gots genaden Römischer keiser, ze 
allen ziten merer des riches, bekennen offenlich mit disem 
brief, daz wir mit dem edeln manne Gerlachen herren ze 
Lympurg, unserm liben getruwen, also geret haben und ober 
ein komen sin, daz er und sin erben uns dienen und beholfen 
sullen sin mit der stat ze Lympurg und mit aller irer mabt in 
dem krieg den wir haben mit dem von Beheim und sinem 
sun, dem marhgrafen von Meren, der sich des richs annimt, 
und wider alle ir helfer und diener, und umb die selben hilf 
und dienst haben wir dem vorgenanten Gerlachen von Lym- 
purg verricht und geben zweinzig tusent phunt haller guter 
werung, alz ze Frankinford geng und geb ist. Und die sel- 
ben zweinzig tusint phunt haller haben wir im bewiset und 
verschaffet uf den vier steden in der Wetribe, zu Frankin- 
ford, Wetflaren, Fridberg und Geylenhusen, und uf die stiwre, 
die si uns und dem riche jaerlich uf sand Martinstag schul- 


117 


dig sind zu. geben. Der sehtzelenhundert mark sind guter 
werung je drei haller fur einen Colnischen pfennig ze rait- 
ten, an hundert mark, die wir der stat ze Fridberg zu irem 
baw ze ettlichen jaren, alz ir brif sagent, geben haben. Und 
die selben stet sullent dem egenanten herren von Lympurg 
oder sinen erben des geltz geben und bezalen alz hernah- 
geschriben stet: achthalb hundert mark von sant Martinstag, 
der aller nehst kumt uber ein jar, und dar nah’aber uber ein jar 
fumfzehen hundert mark der obgenanten werunge, und danne 
fürbaz alle jar uf sand Martinstag funfzehen hundert mark 
an alle geverde und furzog; wann och die jar, die wir den 
von Fridberg gelazzen haben, usgand, so sullen si die hun- 
dert mark dem oftgenanten herren zu Lympurg oder sinen 
erben zu dem andern gelt richten und geben. Und dar zu 
haben wir von unserm keyserlichen gewalt einen zol und 
geleittes gelt gemacht und geleget, die der oft genant herr 
ie Lympurg oder sin erben uf heben und nemen sullen zu- 
schen Hachinberg und Mentz, an welher stat in daz aller 
best kumt und fuegt, also dazsi von jedem pferde, daz niden 
her ufgelastet kumt, haben und nemen sullen sechs schilling 
haller, und von iglichem pferd, daz oben herab kumt, zwen 
schilling haller, und sullen die vorgenanten zolle stiwre und 
geleitt inne haben und in nemen alz lang bis der vorgenant 
herr ze Lympurg oder sin erben der zweinzig tusent phunt 
haller gar und gentzlich verricht werdent und gewert, und 
swann si der zweinzig tusent phunt verricht und gewert sind, 
von welben sachen daz kumt, so sol ir dinst aller erst an- 
gan und uns dann beholfen sin in dem vorgenanten unserm 
krige, mit der stat ze Lympurg und aller irer maht, und sol 
ouch der herre ze Lympurg, sine erben und die stat ze Lym- 
purg die wile stille sitzen und wider uns und die unsern 
niht sin. Ez ist ouch geret, ob ieman den herren ze Lym- 
purg oder sine erben benöten oder angriffen wolt, ee daz si des 
vorgenanten geltz bezalt und gewert weren, und uns oder die 
unsern umb helf monten und beten, und wann wir oder die 
unsern in oder den irn geholfen heten, so sullen si uns fur- 
baz mit der stat ze Lympurg und mit aller irer maht ver- 
bunden sin zehelfen, ob si dannoh des obgenanten geltz 
niht bezalt und verricht weren, in aller der wise, als ob si 
des geltz gar und gentzliche verricht und gewert weren. 
Auch sol sich die stat ze Lympurg verbunden ewiglichen zu 
den vorgenanten vier steten in der Wetreye, alz si dann ze 
beider sitte mit einander ze rat werdent und dar umb uber 
einkoment. Geschehe und wer ouch, daz wir ab giengen, ee 
daz der vorgenant herr ze Lympurg oder sin erben dise vor- 
genant summ geltes gentzlichen bezalt wurden, waz in dan- 
uoh des geltz us stund, daz sullen si haben und des wartten 


118 


uf des riches guten, und mügen dar umb pfenden an allen 
zorn und frevel, usgenommen der vorgenanten vier stet. Müst 
ouch der herr von Lympurg oder sin erben daz riche dar 
umb pfenden, welherlei kuntlichen schaden si dann da von 
nement, den sullen in unser nahkomen an dem riche ab tun 
und usrichten, ze gelicher wise alz umb daz obgenant gelt, 
daz in dannoh usläg, an die vier stet, die sullen si dar umb 
niht pfenden noh angriffen. Waz pfand si ouch nement uber 
die chost, die si darumb täten, die sullen unsern nahkomen 
an dem rich an dem gelt abgan. Auch sol der vorgenant 
herr ze Lympurg, sin erben und die stat ze Lympurg be- 
holfen und verbunden sin ze dinen und ze helfen wer in di- 
sem krig an unser stat were. Also wem die vier stede in 
der Wetrey gehuldigt heten und fur einen Römischen kunig 
haldent. Wann ouch der herr von Lympurg oder sin erben 
der zweinzig tusent phunt haller verricht und gewert sint, 
von welhen sahen daz köm, so sind die stiwr, der zol und 
daz geleittes gelt uns und dem riche ledig und los. Und dar 
uber ze einen urkund geben wir in disen brief versigelten 
mit unserm keyserlichem insiegel. Der geben ist ze Frankin- 
ford, an samptztag nah sand Bartholomeustag, nach Christs 
geburt driuzeben hundert jar und in dem sechs und vierzig- 
stem jare, in dem zwei und dreizzigstem jar unsers richs und 
in dem niunzehenden des keyserthums. 
Driginal-Pergament. — Siegel an Pergamentitreifen fehlt. 
Anm.: Codex Diplomaticus Moenofrancofurtanus von Böhmer ent 
hält S. 601 eine Urkunde datirt vom 7. September 1346, ausgeftellt in Franl- 
furt, welche beginnt: Wir Ludowig etc. becbennen offenlichen mit di- 
sem brief, daz wir haben verschafft nnd verschaffen ouch mit disem 
brief dem edeln manne Gerlachen umb den dienst, den er und 
sein stat ze Lymburg uns getan habent und 'tun sullent, als die 
brief sagent, die wir und der her von Lymburg under einander gege- 


ben etc. — Ihrem wejentlihen Inhalte nad) ſtimmt dieſe Urkunde mit der 
unfrigen überein. 


4 


Raifer Fudwig der Baier beftätigt die von Gerlach Herrn zu Lim: 

burg, deflen Gemahlin Runigunde und ihrem älteften Bohne Ger: 

lad; der Stadt Fimburg ausgefellten Zreiheitsbriefe. Frankfurt, 
1346, Zeptember 20, 


Wir Ludwig von Gots genaden Römischer keiser, ze 
allen ziten merer des riches, bekennen offenlichen mit disem 
brief und tun kunt allen den die in sehent oder hörnt lesen, 
das wir den wisen lüten, den schephen und den burgern ge- 
meinlichen der stat ze Lympurg, durch der edeln manne Ger- 
laches des alten herren ze Lympurg, Kunigunden siner elichen 
husfrawen und Gerlaches sines eldisten suns fleizziger bet 


119 


willen, alle die brief und hantfesten, als in die! die obge- 
nanten Gerlach herre ze Lympurg, Kunigund sin eheliche 
husfraı und Gerlach sin eldister sun geben und verschriben 
habent, mit allen stukken wortten und artikeln, die dar inne 
geschriben stent, von unserm keiserlichem gewalt bestätt ha- 
ben und bestetten in die ouch mit disem brief. Und da von 
gebieten wir allen unsern und des richs getritin vestichlichen 
und ernstlichen, wie die genant sint, das si den obgenanten 
burgern ze Lympurg die obgenanten unser bestettigunge niht 
ubervarn in dhein wise, als lieb in unser und des richs 
hulde sin. Dar uber ze urkund geben wir in disen brief 
versigelten mit unserm keyserlichen insigel, der geben ist ze 
Frankinford, an sand Matheus abent, nach Christes geburt driu- 
zehen hundert jar und in dem sechsundvierzigstem jare, in 
dem zweiunddreizzigstem jare unsers richs und in dem niun- 
zehendem des keysertums. 

2 Driginal-Pergamente, mit gleichlautendem, nur in der Schrei- 
beweife an einzelnen Stellen differireudem Texte. — Von den Ma— 
jeſtätsſiegeln mit Secretfiegel an geflochtenen grünen und vothen 
feidenen Strängen ift das eine gut erhalten, das andere Fragment. 

Anm.: In vigilia Exaltationis sanctae Crucis (13. Sept.) 1346 hat« 
ten Gerlah Herr vom Limburg, Kunigunde und Gerlad der Jüngere die 
von ihnen der Stadt Limburg ausgeftellten Freiheitsbriefe von 1328. 1330. 
1331 und 1344 in Abichrift dem Kaifer vorgelegt und die Bitte beigefügt: 
Gnediger herre herr Lodewig Romezhir keiser, dar um bidden wir uch 
vleheliche und durch unsen ewigen dinst, daz ir unsen burgern und 
unser stad zu Lympurg die brieve bestediget von uwer keiserlicher 
gewalt und milte.e Und um daz ir disses gloubet und zu eime wa- 
ren gezuignisse dar uber hat unser iglich sin ingesigele gehangen 
an dise copien und uzchrifte. (Ardiv in Limburg). 


5. 


Rönig Karl IV. nimmt auf Bitte des Erzbiſchofs Balduin von 
Brier Stadt und Stift Fimburg in feinen und des Beides 8 Wi 
beftätigt alle Briefe, welche die Stadt vom Beide, dem Erzbifdofe 
und ihren Herren hat, beſtimmt, daß die Bürger der Stadt nur 
bor dem kaiferliden — zu Trankfurt verklagt werden 
können, befreit die Bürger von Limburg von dem Boll zwifden Lim— 
burg, Mainz, Frankfurt, Friedberg, Wehlar und ———— und 
bedroht diejenigen, welche dieſen Freiheitsbrief übertreten, mit des 
Königs und des Beides Ungnade und einer Strafe von 1000 
Mark Silber. Mainz, 1354, Banuar 11. 


Wir Karl von Gots gnaden Romischer kunig, zu allen 
zeiten merer des reichs und kunig zu Beheim. Tun kunt 
allen den die diesen brieff sehen oder horen lesen, daz wir 


! Nur eine Urkunde hat als in die die, bie andere als in die. 


120 


durch vleizige bete || des erwirdigen Baldewins ertzbisschofs 
zu Triere, unsers lieben vettern und fursten, und durch er- 
ber alte wirdikeit des stiftes zu Triere, der ein erwirdiges 
gelyed ist dez heiligen reichs, und || durch stedikeit luterr truwe 
der burgere und der stat von Limpurg, unser und des heili- 
gen reichs lieben getruwen, domit sie sich mit dienstlichen 
truwen und gehorsamkeit dem obgenanten unserm vettern 
und seinem stifte zu Triere willentlich hant beweiset und 
auch tun sullen und mogen in kunftigen zeiten, dorumb so 
haben wir die selben burger und die stat von Limpurg mit 
allen iren guten, und die zu dem stifte von Limpurg gehoren, 
in unsern und des heiligen reichs schirm, frieden und gnade 
mit rechter wizze genomen, sunder alleine wyder uns, daz hei- 
lige reich, unsern vettern vorgenant und seinen stift von Triere, 
und haben darzu den obgenannten burgeren und der stat von 
Limpurg von besundern gnaden und mit Romischer kunigli- 
cher gewalt bestediget alle brieve und hantfesten, die sie von 
dem heiligen reich, unserm vettern von Triere und andern 
iren herren, recht und bescheidelich derworben (erworben in 
der andern Urkunde) hant, in allen puncten, artiklen und mey- 
nunge, als sie begriffen sein und als sie von wort zu wort 
hie inne weren geschrieben, also verre und also bescheide- 
lich, daz sie unschadelich sein und ewenclich bleiben un- 
serm vettern vorgenant und seinem stift ze Triere, an iren 
rechten, friheit und lobelicher gewonheit, und mit namen, 
daz die selben burgere von Limpurg, die itzunt sein oder 
furbaz werden, und waz in die stat gehoret, gemeinlich oder 
besunder, nyemand ansprechen, vorderin noch laden mag oder 
sal von dheinerleie sachen oder bruchen, wegen die yemand an 
sie gemeinlich oder besunder zesprechen hait oder zu elagen 
itzunt, oder furbaz in dheinen zeiten mag gewinnen, fur uns, 
daz heilige reich, noch fur unser gericht, dan alleine vor un- 
sern schultheizen zu Frankenfurt der zu zeiten ist, und also 
bescheidelich wer yet zu sprechen, vordern oder zu clagen 
habe an die vorgenanten burgere von Limpurg samentlich ! 
oder besunder, daz der oder die, wer sie sein, recht geben 
und nemen von yen, waz der scheffen zu Frankenfurt vor 
ein recht teilet und wiset, als von des reichs burgeren da- 
selbs, iz enweren dan soliche sachen, die uns, daz heilige 
reich oder des stiftes von Triere herschaft antrefen, und 
auch, ob sie den clägeren wulten uz gan unvertzogliches rechten 
in der stat zu Frankenfurt, als oben ist begriffen. Wir wul- 
len auch von besundern gnaden, daz die stat und burgere 
zu Limpurg mit allen, die darzu gehoren, unpantber sein und 
ewiclich bleiben vor den edeln Gerlach von Limpurg, seine 
kinde und erben, von scholt, gelubede, verbunt, nuzze und al- 
! gemeinlich in der andern Urkunde, 


121 


ler ander sachen wegen, wie man die benennen mag mit 
sunderlichen worten, und daz sie nymand dar vor ansprechen, 
kummern, hinderen oder ufhalten sal mit gerichte oder ane 
gerichte, in wasseren oder uff lande. Wir tun yen auch die 
besundere gnade und gunst mit Romischer kuniglicher ge- 
walt, daz sie tzusschen Limpurg, Mentze, Frankenfurt, Frie- 
deberg, Wetflar und Geilenhusin durch aller fursten, graven, 
frihen und herren stete und lant, uf wazzer oder uber lant, 
zolfrei und ane alle hindernuzze, mit alle iren guten varen 
sullen und wandelin zu irem nutze und urbar mit frihen 
willen; sunder alleine daz sie mäzelich wegegelt vor porten 
und dor der obgenanten stete, als von alter gewonlich ist, 
sullen geben. Queme iz zu solichen schulden, daz sie ymant, 
in welchen wirden daz er sei, an der obgenanten unser fri- 
heit gemeinlich oder besunder hindern, ufhalten, bekummern, 
zollen, betruben, leitigen oder schatigen wulte, oder daz selbe 
mit der tait vollenbrechte, der sol wizzen, daz er in unser 
und des heiligen reichs ungnade swerlich vervallen ist und 
dorzu dusent mark silbers entpfallen ist, der wir unser und 
dez heiligen reichs cameren funfhundert mark zu geben han 
behalten, und die anderen funfhundert mark sullen dem 
obgenanten unserm vettern und dem stifte zu Triere und 
der stat und burgern von Limpurg gemeinlich sullen schi- 
nen und gevallen. Mit urkund diess briefes versigelt mit 
unsern kuniglichem insigel. Der geben ist zu Mentze, nach 
Gots geburt drutzenhundert jar dornach in dem vierund- 
funfzigstem jar, an dem nehsten samsztag nach der heiligen 
drei kunige tag, in dem achten jar unserer reiche. 

2 Driginal-Pergamente. — Majejtätsfiegel an geflochtenen grü— 

nen und rothen feidenen Strängen Fragment. 
Anm.: Die beiden Urkunden find bis auf einige unmefentliche Abweichun: 


gen identiich. In Bd. XVI der Forſchungen ift ©. 125 N. 21 nad) dem 
Eopiar der Stadt Limburg das Negeft diefer Urkunde mitgetheilt. — 


Als Graf Eberhard von Katenellenbogen gegen die Bürgermeifter, ben 
Rath ımd die Bürger der Stadt Limburg vor König Wenzel Klage erhob, 
wurde er vor den Schultheiß zu Frankfurt verwieſen. Die betreffende Ur— 
hmde, deren Original fi) im Archiv von Limburg befindet, fängt an: Wir 
Heinrich von Gots gnaden hertzog in Slesie und berre zu Pryge, 
hofrichter dez allerdurchleutigsten fursten und herren herren Wentze- 
lawes Roemischen kunigs . . .. und fchliegt mit den Worten: Mit ur- 
kund ditzs briefs versigelt mit des hofgerichts insigel, der geben 
ist zu Duerschenreut an samstag vor sant Margaretentag, nach 
Cristes geburt driuezehenhundert jare und in dem syben und sybent- 
zıgstem jare (1377, Yuli 11). 


122 


6 


1356, Bezember 6. Raifer Barl IV. beftätigt auf Bitte des 
Erzbiſchofs Boemund von Trier die Zreiheiten und Privilegien der 
Stadt Fimburg. 


Geben zu Metze nach Cristus geburte drutzehenhundert 
Jar und darna in dem sechsundfunfftzigestem jare, an sente 
Nicolaustage, unserer reiche in dem eylften und des keiser- 
tums in dem andern jare. 
DOriginal-Pergament. — Meajeftätsfiegel mit Secretfiegel an ges 
flochtenen ſchwarzen und gelben fetdenen Strängen bejchädigt. 


7 


Raifer Karl IV. verleiht der Stadt Limburg das Recht, zum Aus: 

bau der fleinernen Brüdke und zur Unterhaltung der Wege von 

jedem Pferde, das Wagen oder Karren über die Brüde fährt, ei: 
nen großen Qurnais zu erheben. Limburg, 1357, Zuni 3. 


Wir Karl von Gots gnaden Romischer keiser, zu allen 
zeiten merer des reichs und kunig ze Beheim, bekennen und 
tun kunt uffenlich mit diesem brief allen den, die yn sehen 
odir horen lesen, daz unsir lieben getruwen, die burgermei- 
ster, die scheffen und der rait gemeinlich von Lympurg uns 
furgeleit han, daz sie die steynen brucke doselbes, die lobe- 
lich angefangen ist, nicht wol vollenbrengen mogen, noch die 
wege und lantstrazze gebezzern konnen, sunder helfe und 
steur der lantleute, die ir gut mit wagen und karren dar 
ubir furen, und hant uns mit vleizze gebeten, daz wir unsir 
volleist von des reichs wegen dor zu geruchen zu tun. Des 
haben wir genedeclich bedacht der vorgenanten von Lym- 
purg bete, daz sie zeitlich und nutzber ist und wesen mag 
dem gantzen lande und allen koufleuten, und haben mit 
rechtir wizze und volkomenheit keiserlicher macht denselben 
burgirn von Lympurg soliche gnade getan, daz sie von yg- 
lichem pherde, die last mit wagen odir karren ubir lant und 
ubir dieselbe brucke zu Lympurg furen, eynen grozzen Tur- 
nais heben mogen und nemen, und dazselbe gelt zu bezze- 
rung und bauwe der brucken und notdurft der wege, und 
zu keinen andern sachen keren und bewenden, und sal diese 
gnade werin und vollkomene macht han untz an die stunt, 
daz wir odir unsir nachkomen an dem reich, Romische kei- 
sir und kunige, daz abetun und widerrufen mit unsern offenen 
briefen. Und gebieten dor umb allen fursten, graven, freihen 
herren, stetten, gemeinden, rittirn und knechten, getruwen 
und irtanen, daz sie die obgenanten burgere von Lympurg 


123 


an diesen unsirn gnaden in dheine weis sullen odir mogen 
hindern odir irren, als liep sie in unsir hult und gnaten wol- 
len sein und verliben. Mit urckund ditz briefs versigilt mit 
unsir keiserlichen majestat insiegel. Geben zu Lympurg, nach 
Crists geburt drutzenhundert jar und dornach in dem syben- 
undfunftzgisten jar, am nehsten samztage nach dem Phingist- 
dage, unser reiche in dem eilften und des keisirtums in dem 
dritten jaren. 
Originale-Pergament. — Pergamentjtreifen ohne Siegel. 


8 


König Wenzel beffätigt die in dem transfumirten Briefe (goldene 
Bulle) Karls IV. vom 11. Dezember 1356 in Meb der Stadt Fim- 
burg verliehenen Zreiheiten und Privilegien. Frankfurt, 
28. Tebr. 1379. 


Wenzeslaus Dei gratia Romanorum rex semper augustus 
et Boemie rex notum facimus tenore presencium universis, 
quod pro parte magistrorum eivium, scabinorum, consulum 
at opidanorum communitatis in Lympurg nostrorum et im- 
perii sacri fidelium, nobis extat cum debita precum instancia 
humiliter supplicatum, quatenus litteram dive memorie sere- 
nissimi prineipis quondam domini Karoli Romani imperatoris, 
genitoris nostri carissimi, ipsis et eivitati Lympurgensi datam 
approbare, ratificare, innovare et confirmare graciosius digna- 
remur, cujus tenor per omnia sequitur in hec verba. 

In nomine sancte et individue trinitatis felieiter Amen. 
Karolus quartus divina favente clemencia Romanorum impe- 
rator semper augustus et Boemie rex. Ad perpetuam rei me- 
moriam augustalis altitudo magnifica et ejusdem excelsa 
gloria ab Altissimo pro christiani populi salute deifice insti- 
tuta et feliciter sublimata, quamquam universis fidelibus quos 
sacri imperii latitudo complectitur, grata beneficia teneantur 
impendere et tanto copiosius in subditos sue benignitatis 
donaria propagare, quanto ex hujus modi distributione lar- 
giflua corda fidelium erga sacrum imperium humili devocione 
experitur augeri, ad illorum tamen procurandos honores sin- 
gulari quodam favore inclinatur uberius, quos intemerate fidei 
firma ceonstancia et inveterati laboris diuturnitas claris testi- 
moniis recommendant. Sane pro parte fidelium nostrorum 
et imperii dilectorum, magistrorum eivium, scabinorum, con- 
sulum ae opidanorum communitatis in Lympurg Treverensis 
dioceseos oblata nostre celsitudini suplex peticio continebat, 
quod ipsis et eorum opido infra seriptas gracias de innata 
nobis benignitatis clemencia graciose facere dignaremur. Nos 
vero multiplicia merita probitatis et preclare devocionis in- 


124 


signia, quibus memorati opidani et opidum sacrum Romanum 
imperium dignis quidem honoribus venerari studuerunt, lim- 
pidius intuentes, ipsorum supplicacioni racionabiliter! annuen- 
tes, infra scriptas gracias ipsis duximus faciendas. In primis 
enim dietum opidum et opidanos ejusdem cum omnibus suis 
curiis, eurtibus, molendinis, edifieciis, agris, campis cultis 
et incultis, vineis, pomeriis, silvis, pratis, pascuis, piscariis, 
aquis, aquarum decursibus, introitibus, exitibus, viis, inviis 
locis, censibus, reditibus, utilitatibus, obveneionibus, emoli- 
mentis, rebus bonis, mobilibus et immobilibus, possessionibus, 
prediis rustieis et urbanis et aliis universis juribus, quibus- 
cumque vocabulis nuncupentur, quos seu que in presenciarum 
juste et racionabiliter possident et imposterum justis modis 
et veris tytulis absque Juris alieni dispendio poterunt adipisei; 
necnon universa et singula bona ad honorabiles prepositum, 
decanum, capitulum et ecelesiam in Lympurg quomodolibet 
pertinencia in nostram et imperii sacri proteccionem, tuicio- 
nem et defensionem ex certa nostra sciencia et deliberato 
animo recepimus et recipimus specialem. Insuper dietis opido 
et opidanis ipsius ex singulari gracia universa et singula 
privilegia sive litteras, que et quas a sacro Romano imperio, 
a venerabili Boemundo sancte Treverensis ecelesie archie- 
piscopo, sacri imperii per regnum Arelatense et Galliam ar- 
chicancelario prineipi et devoto nostro carissimo, et a suis 
predecessoribus archiepiscopis ecclesiae Treverensis et aliis 
dominis rite et racionabiliter obtinent in omnibus suis teno- 
ribus, sentenciis, elausulis et punctis de verbo ad verbum, 
prout scripta seu scripte sunt, acsi tenores omnium ? forent 
inserti presentibus, et etiam, si de hiis jure vel consuetudine 
deberet fieri mencio specialis, necnon universas ipsorum liber- 
tates et conswetudines racionabiles, et prescriptas auctoritate 
imperatoria approbamus, ratificamus, innovamus, de novo 
concedimus et de singulari benignitatis gracia tenore presen- 
cium confirmamus. Ceterum ut opidani prefati tanto amplius 
ad nostra et imperii sacri incitentur obsequia, quanto am- 
pliora se a nostro eulmine beneficia senserunt? recepisse, 
ipsis et eorum opido ex dono gracie specialis concedimus et 
presentibus liberaliter indulgemus, ut nullus, cujuscungue 
dignitatis, preeminencie, condieionis, gradus aut status fuerit, 
ipsos opidanos aut opidum cum eorum attinenciis et perti- 
nenciis universis in quacunque causa civili, criminali sive 
mixta, que eis ex nunc vel in antea communiter vel divisim 
moveretur, coram nostro, Successorum nostrorum Romanorum 
imperatorum et regum ac imperii judicio citare, impettere 
! Bull. Leopold. I.: rationabili. 


2 Bull. Leop.: eorum. 
® Bull. Leop.: seu servitia. 


125 


etin jas vocare presumat, sed quicunque in causis prescriptis 
eosdem opidanos et opidum communiter vel divisim ex nunc 
vel in antea citare, impettere aut in jus vocare voluerit, ipsos 
coram nostro et imperii sacri judicio in Frankenfurd coram 
sculteto ibidem et pro tempore existenti ceitare, impettere et 
in jus vocare debebit ad recipiendum ibidem de ipsis, prout 
scabini Frankenfordenses judicaverint, justicie complementum, 
qui scabini in hujusmodi causis, sicuti in causis opidanorum 
Frankenfordensium judicant, per omnia judicare tenebuntur. 
Exceptis dumtaxat nostris, successorum nostrorum Romanorum 
imperatorum et regum sacri Romani imperii! necnon aliis 
quibuscunque causis, in quibus opidani seu opidum Lympur- 
gense, sive actores sint aut rei, coram sculteto Frankenfur- 
densi, ut prefertur, justiciam facere recusarent, in quibus cau- 
sis exceptis pro justicia consequenda ad nostrum, dietorum suc- 
cessorum nostrorum et imperii judicium in perpetuum recursus 
babeant?. Preterea ut opidani et opidum Lympurg, qui no- 
stre serenitati temporibus modernis et nostris in imperio dive 
recordationis predecessoribus et imperio sacro integra fide et 
pure devocionis constancia multa promptitudine et indefessa 
sollieitudine complacuerunt et inantea nobis et successoribus 
nostris Romanis imperatoribus et regibus prestancius com- 
placere®, uberiora (?) gratia* a nostra majestate se sentiant con- 
solatos, de cesareae plenitudine potestatis graciose duximus 
eoncedendum, quod opidani et opidum Lympurgense cum suis 
pertineneiis et attinenciis universis pro dominorum suorum 
une aut imposterum existencium debitis, promissionibus, ob- 
ligacionibus, colligaeionibus ac aliis aceionibus seu impetieio- 
nibus, quibuscunque inpignorari, arrestari, impeti aut alias 
in jadieio vel extra non debeant® aliqualiter impediri. Ce- 
terum opidanis et opido sepedictis ex singulari gracia tenore 
presentium indulgemus, quod ipsi et eorum quilibet cum bo- 
nis, rebus et mercibus quibuscunque eorundem inter Lympurg, 
Maguneiam, Frankenford, Fredeberg *, Wetfloriam et Geylen- 
busen ae in terris et opidis prineipum, comitum et baronum et 
nobilium ibidem sine qualibet exaceione ac thelonei recep- 
cione interra et aqua absque omni impedimento libere debeant per- 
transire, eo tamen excepto, quod in civitate et opidis pre- 
seriptis competentes racionabiles et antiquas exacciones, que 
vulgariter wegelt nuncupantur, de suis bonis et mereibus si- 


‚ ." Bull. Leop.: Romani ac Ecclesiae Treverensis ac Antistitum 
Ipsius causis, 
? Bull. Leop.: habeatur. 
Bull. Leop.: potuerunt complacere. 
Bull. Leop.: uberiori gratia. 
Bull. Leop.: non valeant. 
Bull. Leop.: Friedeberg. 


a u >» m 


126 


cud alii solvere tenebuntur. Et ut premissa omnia et singula 
inviolabiliter observentur, volumus, quod, si quispiam a nobis 
et imperio sacro aliquas litteras seu privilegia contra pre- 
missa in toto vel in parte haberet, quod hujusmodi littere 
sive privilegia presentibus nostris litteris et contentis in eis, 
quas seu que in omnibus suis tenoribus et elausulis incon- 
vulse servari preeipimus, in nullo prejudicium debeant ge- 
nerare!. Nulli ergo omnino hominum liceat hanc nostre 
majestatis paginam infringere vel ei ausu temerario quomo- 
dolibet contraire, sub pena centum librarum puri auri, quas 
ab eo qui contravenire presumpserit tociens, quociens Contra- 
factum exstiterit, irremisibiliter exigi? volumus, et earum me- 
dietatem nostre imperiali camere, residuam vero partem inju- 
riam passorum usibus applicari. Signum serenissimi prineipis 
et domini domini Karoli quartiRomanorum imperatoris invictis- 
simi et gloriosissimi Boemie regis. Testes hujus rei sunt venera- 
biles Boemundus sancte Treverensis ecelesie archiepiscopus, 
sacri imperii per regnum Arelatense et Galliam archican- 
cellarius; Gerlacus sancte Maguntinensis sedis archiepiscopus, 
sacri imperii per Germaniam archicancellarius; et Wilhel- 
mus sancte Coloniensis ecclesie archiepiscopus, sacri imperi 
per Italiam archicancellarius. Illustres Rupertus senior Co- 
mes palatinus Reni, sacriimperii archidapifer; Rudolffus dux 
Saxonie, sacri imperii archimarscallus; et Ludovicus dietus 
Romanus marchio Brandenburgensis, sacri imperii archica- 
merarius, prineipes electores. Venerabiles Iohannes Argenti- 
nensis, Ademarus Metensis, Ugo Tollensis, Bertrandus Wirdu- 
nensis et Heinricus Lubucensis episcopi, Heinrieus Fuldensis, 
serenissime: Anne Romanorum imperatricis semper auguste 
et Boemie regine consortis nostre carissime archicancella- 
rius®; Androinus Cluniacensis et Everhardus Wissenburgensis 
abbates. Illustres Rupertus junior comes palatinus Reni et 
dux Bavarie et Johannes dux Magnöpolensis. Speetabiles 
Burghardus Magdeburgensis imperialis curie magister et Al- 
bertus Nurenburgensis burggravii, et alii quam plures nostri 
et imperii sacri fideles dilecti; preseneium sub bulla aurea 
typpario imperialis nostre majestatis impresso testimonio lit- 
terarum. Datum Metis, Anno Domini millessimo trecentesimo 
quinquagesimo sexto, nona indiccione, 3. Idus Decembris *, 
anno undecimo, imperii vero secundo°, 

ı Et — generare fehlt in Bull. Leop. 

®? Bull. Leop.: exsolvi. 

® Bull. Leop.: Cancellarius. 
Bull. Leop.: Regnorum nostrorum Anno. 
Bull. Leop.: subscriptum: Ego loannes Dei gratia Lutbanensis 
episcopus, sacrae imperialis aulae cancellarius vice reverendi in Christo 


patris domini Boemundi Treverensis archiepiscopi, sacri imperii per 
Galliam et regnum Arelatense archicancellarii, recognovi. 


a» 


127 


Nos supplicacioni hujusmodi favorabiliter annuentes, non 
per errorem aut improvide sed de certa nostra scieneia supra 
dietam litteram, prout in suis membris, clausulis, articulis, 
senteneiis et verborum expressionibus superius luculeneius 
designatur, Romanorum regia auctoritate approbamus, ratifi- 
camus, innovamus et tenore preseneium graciosius confirma- 
mus; presencium sub regie nostre majestatis sigillo testimo- 
nio litterarum. Datum Frankenford super Magano, Anno Do- 
mini millesimo trecentesimo septuagesimo nono, indiccione 
secunda, Kalendas Marecii, regnorum nostrorum anno Boemie 
sextodecimo, Romani vero tertio. 

Driginal-Pergament. — Majeftätsfiegel mit Secretfiegel an ge= 

flochtenen gelben Strängen zerbrödelt. 

Anm.: Das Original des von Karl IV, am 11. Des. 1356 ausgeftellten 
Freiheitsbriefes ift im Archive im Limburg nicht vorhanden; im Archiv in 
Joftein findet ſich nah einer in den „Forſchungen“ Bd. XI. enthaltenen 
Notiz nur eine Abjchrift. Es ſcheint aljo das Driginal, das wahrſcheinlich 
im 17. Jahrh. noch vorhanden war, verloren gegangen zu fein. 


9 


401, Ianuar 16. Marburg. König Ruprecht beflätigt die von 
ſtinen Borfahren der Stadt Limburg verlichenen Gnaden. 
Originals Pergament. — Majeftätsfiegel an Pergamentitreifen 

zerbrochen. 
Geben zu Marppurg, uff den sontag vor sant Anthonien- 
tag des heiligen byhtigers, nach Cristi geburt dusent vierhun- 
dert und eyn jare, unsers ryches in dem ersten jare. 


10. 


1414, December 16. Mainz. König Sigismund betätigt alle 
Gnaden etc., weldje von feinen Borfahren an dem Beidje der Stadt 
Limburg verliehen worden find, 


Geben ze Mentze, nach Cristi gepurt viertziehenhundert 
jar und dornach in dem viertziehenden jar, des nechsten sun- 
tags nach sant Lucien tag, unser reiche des Hungrischen ete. 
in dem achtundzweintzigisten und des Romischen erwelunge 
in dem funften und der cronunge in dem ersten jare. 

Driginal= Pergament. — Majeftätsfiegel an Pergamentftreifen, 

wenig verlett. 


11. 


1442, Juli 12. Frankfurt. König Triedrich III. beftätigt der 
Madt Fimburg die Privilegien etc., welche derfelben von den frü- 
heren Königen verliehen worden find, 


Geben zu Franckfurt nach Gots geburt vierzehenhundert 


128 


jare und darnach in dem zweyundvirtzigisten jare, uff sente 
Margareten der heiligen jungfrauwen abend, unsers reichs 
im dritten jare. 
DOriginal-Pergament. — Majeftätsfiegel in Holzfapfel ar geflod: 
tenen grünen und rothen feidenen Strängen fehr gut erhalten. 


12, 


1495, Auguft 11. Worms. König Maximilian beftätigt die Pri- 
vilegien etc. der Stadt Fimburg. 


Geben in unser und des heiligen reichs stat Worms, am 
eylften tag des monats Augusti, nach Christi gepurt viertze- 
benhundert und im funfundnewntzigisten, unserr reiche des 
Romischen im zehenden und des Hungrischen im sechsten 
aren. 

Driginal-Pergament. — Wappenfiegel an blausweißsrothen ge 
flochtenen feidenen Strängen zerbrocden. 


13. 


1510, Mai 15. Augsburg. Raifer Maximilian erklärt, da der 
dem Sandgrafen von Yeffen bewilliate Weinzoll den Dedant, das 
Bapitel, die Bürgermeifter, den Bat und die Bürger zu Limburg 
nicht bindet, und bedroht die Hebertreter mit kaiferlidier Angnadt, 
Strafe und einer Buße von 20 Mark lotigen Goldes. 


Geben in unnser und des heiligen reichs stat Augspurg 
am funnffzehenden tag des monats May, nach Cristi gepurde 
funnffzehenn hunndert und im zehennden, unnserr reiche des 
Romischen im funnffundzwannzigisten unnd des Hunngrischen 
im ainundzwannzigisten jaren. 

DOriginal-Pergament. — Wappenfiegel an Pergamentftreifen gut 
erhalten. 


Die Thronfolge im deutichen Reiche 
bis zur Mitte des elften Jahrhunderts, 


Don 


Iulins Harttung. 


Bei den Nordgermanen bedeutet das Wort ‘konungr’ urjprüng« 
ih wohl nicht8 weiter als „Jemand von Gefchleht“ !. Wer zu einen 
„Seihhlechtigen“ ?, zum Könige, gemacht wurde, erwarb diefe Bevor- 
zugung nicht nur für fih, ſondern auch für feine Nachkommen, die 
nımmehr die stirps (gens) regia bildeten. Solche stirps wird fchon 
nad) dem Tode Armins erwähnt; fie läßt fich nachweiſen bei Skan— 
dinaviern und Gothen, bei Vandalen, Burgundern, Yangobarden und 
Stanfen, und aud die bairischen Aigilolfinger find dahin gehörig. 
Das Königthum ftand ihr in der Weije zu, daß fie in ihrer Ge- 
jammtheit das Necht, das Einzelglied den Anſpruch darauf hatte. Die 
Wahl des Volkes erhob das jus ad rem zum jus in re, übertrug 
die fönigliche Gewalt °; da fich diefelbe aber innerhalb der Familie 
halten mußte, fo war fie nicht eine freie Wahl im weiteften Sinne, 
fondern eine beſchränkte Auswählung aus gegebener Zahl‘. Der 


! Konungr weift denfelben Stamm auf, wie kona, das Weib, in erfter 
Linie das verheirathete Weib, die Gattin; das Wort dürfte alfo genau genom⸗ 
men: der von einer rechtmäßigen Gattin Stammende bedeuten, was für bie 
Stellung der Frau in der älteften nordifch = germanifchen Volksanſchauung fehr 
bezeichnend wäre, da der Pateiner bekanntlich anders dachte, als er das Wort 
patricius, das Baterfind, bildete. Leber die fchmwierige Frage vergl. namentlich) 
Taylor, The glory of regality ©. 5 (entichieden falſch), Hildebrand, in 
Grimme deutſchem Vörterbug V, 1691 ff. (abweichend), Lexer, Handwörterb. 
I, 8.1774. Was Kemble, The Saxons in England I, S. 168, jagt: The 
Anglosaxon cyning is a direct derivative from the adjective cyne, 
generosus, and this again from cyn, genus (fügen wir nod Hinzu yown, 
die Fran), dedt fi dem Sinne nad) völlig mit dem oben Angeführten. 

2 Der allgemeine Begriff wird prägnant, wie 3. B. auch das englifche 
queen urſprünglich nit „Königin“, fondern nur „Frau“ bedeutet (Qappenberg, 
Geſch. v. England S. 564, vergl. J. Selden, Tituli Honorum &, 117, und 
das dänische „Kone”). — Das fpanifche infant und das frarzöfiiche enfant (de ° 
— in der Bedeutung von „Thronfolger“ mag gleichfalls herbeigezogen 
werden. 

Bezeichnend find die Worte: sta et retine locum ... . hereditario 
jare tibi delegatum per auctoritatem Dei omnipotentis et presentem 
traditionem nostram, welche fi ſchon in der alten angelſächſiſchen Krönunge: 
formel finden, Taylor, Glory ©. 402. Waitz, Krönungsformeln &. 43; nicht 
minder bezeichnend ift auch die bei Schriftftellern fich findende Phrafe: heredi- 
taria successione eligere; Taylor I, &. 23 Anm. 36; LL. I, ©. 141 8.5. 

* Berge. Phillips, Die deutſche Königswahl, in den Situngsberichten der 

Raif. Academie der Wiffenich. zu Wien 1857, ©. 374. Bei den Papftwahlen 


9% 


132 


Sitte nad fiel fie durchgehends auf den zunächſt Verwandten, d. 5. 
auf den älteften Sohn des letten Königs, fofern er herrichaftsfähig 
(idoneus) war!. Den Begriff der Herrichaftsfähigfeit ergaben die 
Grundfunctionen des KönigthHums: das oberfte Nichter- und Heer 
führeramt. Wer ihnen nicht vorstehen konnte war regierungsunfähig: 
Meiber mithin, Geiftlihe, Krüppel, Unzurechnungsfähige ? und an der 
Ehre nicht Volllommene. Der Wahlact fennzeichnete den Gewählten 
als VBertrauensmann des Volkes; rechtfertigte er dieſes Vertrauen nicht, 
d. h. regierte der König ſchlecht, jo vernichtete er damit das Weien 
feiner Stellung, und beim Volfe lag e8, ihn feiner Würde zu ent: 
jegen, auf das Wahlrecht zurüdzugreifen und einen regierungsfähigeren 
(aptiorem, meliorem) an Stelle de8 ‘non idoneus’ zu erheben®; 
natürlich aus der stirps regia, wenn fie einen qualificirten enthielt®, 


bedeutet eligere oft nicht mehr als „zuftimmen“ (Zoepfl, Bapftwahlen S. 149. 
71). Auch legere findet fid. 

ı In Norwegen, wo die Kirche erft ſpät zur Macht kam, erhielten fid die 
altgermanijchen Rechtsbegriffe am längften. Der Gülapingsleg zufolge, in 
der diefelben zuerft mit den jungen Forderungen des Episcopats verquidt find, 
foll derjenige König fein, welcher (ältefter) ehelich geborner (bis dahin hatte man 
feinen fonderlihen Auſtoß an der ehelichen Geburt genommen) Eohn eines nor 
wegiſchen Königs ift, ausgenommen, er leide an Bösartigkeit oder Mangel an 
Berftand, dann foll derjenige unter den Brüdern, oder, wenn deren feine leben, 
der zumächft Erbberechtigte König werden, weldher den Biihöfen und einem Aus— 
ſchuſſe weifer Männer am geeignetften erjcheint. Zorn, Staat und Kirche in 
Norwegen ©. 104. 

2Zunächſt die dauernde und unabänderliche (vergl. 3. B. Sachſenſp. II, 
54, 3); doch fam zu Zeiten aud temporäre Unzuredinungsfähigkeit in Betradit, 
3. B. Unmündigkeit, wofür die langobardiſche Geſchichte einen intereffanten Fall 
bietet. Als Kleph mit Hinterlaffung des unmündigen Authari geftorben war, 
wurde das Reich 10 Jahre lang nur von Herzögen verwaltet, dann erft erlangte 
ber nunmehr erwachſene Authari, nah gemeinſamem Beſchluſſe, die Würde feine 
Vaters. Paulus diacon. II, 31, 32. III, 16. 30. Zur Sade Wait, Berig. 
III, 241; Kraut, Die Vormundihaft S. 130. Ueber das Erforderniß der 
Tauglichkeit im norwegischen Reiche vergl. auch Dahlmann, Geſch. v. Dänemart 
U, ©. 151. 356, aus fpäterer Zeit, wo das Erbrecht längft in den Vordergrund 
getreten war. 

3 Kemble, Saxons II, 219 fifth canon: The witan had the power 
to depose the king, if his government was not conducted for the be- 
nefit of the people (Stubbs, Constitutional History of England |, 
S. 136 Anm. 4); wozu fehr gut Sachſenſpiegel, Landredht III, 54, 4 (Ho— 
meyer B. I, ©. 229) paft: ne mach deme koninge neman an sin lif 
spreken, ime ne si dat rike vore mit ordelen verdelt. ©. 134 
Anm, 2). Ueber die Sache: Löher, Das Nechtsverfahren bei König Wen— 
zels Abſetzung, im Münchener Hift. Jahrb. 1865 ©. 8. Rechtmäßige, bezw. 
als rechtmäßig ausgegebene Abfegungen von Königen finden fich bei den ver- 
fchiedenften germanischen Bölkern. Auch zum Tage von Forchheim wurde 
Heinrich IV. als zu einer Gerichtefitung berufen. Lambert, Annales 1077. 
Vergl. noch Waitz, Berig. III, 242. 243. 

* Ademar I, 54 (SS. IV, S. 114) fagt bei der Erhebung PBippins: Qui 
(Hildericus) vecors erat, sicut et frater ejus fuerat (Theodericus), se 
meliorem illo Franci non poterant invenire de prole regali. 
(Berge, Waitz, Berfg. II, ©. 68 Anm. 1); dazu Thietmar, chron. I, cap. 10. 


133 


As das Königthum aus den Stürmen der Völkerwanderung ges 
fräftigt hervorgegangen war, wurde e8 demjelben vielfach, möglich, das 
ihm unbequeme Wahlrecht des Volkes bei Seite zu ſchieben. Am 
fräbeften geichah dies bei den Vandalen, deren älteftes Hausgeſetz die 
Erblichfeit nach dem Seniorat feitfegte. Anderswo drang der Einheits- 
gedanfe des Staats nicht in gleicher Weife gegen das Familienrecht 
durh, jo zumal bei den Franken, die ung zunächſt angehen. Bei 
ihnen galt, feit Chlodovechs mächtigem Emporfommen, in der Regie— 
rungsnachfolge das Privaterbrecht, über welches die Meinungen aus— 
einander gehen; nad) der einen konnten Weiber überhaupt feine “terra 
salica’ erben, nad) der andern wurden fie durch den Mannesjtamın 
ganz ausgeichloffen, nach der dritten geichah dies nur durd) erbfähige 
Männer derjelben Stufe. Königsgut und Reichsgut fiel zufammen ; 
wie die Scholfe, welche der Pflug des Bauern durchfurchte, jo wurde 
das Reich der Franken ein theilbares „Erbe“, was wieder zur folge 
hatte, daf der Franke feine Königstreue mehr der Dynaftie zumandte 
als der Berfon, welche gerade in einem willfürlich abgegrenzten Ge— 
biete die Herrfchaft führte. Diefe Hinneigung zum regierenden Haufe 
erflärt e$, daß die Franken fo beifpiellos zähe an demfelben feithalten 
tonnten, als fich Schon längſt die Individuen, welche ihm entjtammten, 
umvirdig gezeigt hatten und die Fräftigen Karolinger eigentliche Ge— 
bieter geworden waren. Mehr als ein Jahrhundert hat fich dies 
Dilemma zwifchen einer thatfächlich unfähigen, aber ausfchlieglich be— 
rehtigten und einer herrſchensfähigen, aber nicht berechtigten Farnilie 
dingeihleppt ; es hat einer geradezu planmäßigen Entwöhnung des 
dolles vom merovingiſchen Königthume bedurft, ehe Pippin wagen 
honute, dem Gewordenen den Stempel der Berechtigung, der Sache 
den Namen beizufügen, und wahrſcheinlich unter Einwirkung angelſäch— 
fer Verhältniffe und Anfchauungen ift es geichehen ®. 

Die Sigebert von Weiler wegen Ungerechtigkeit auf regulärem 
Wege der Herrſchaft verluftig gina, fo Childebert feines Unwerthes 
halber; beides find Vorgänge, die fich durchaus innerhalb der Rechts— 
begriffe halten, dem letteren wurde noch dadurd) eine bejondere 


‚ * Lex Sal. LIX, 4. Auf die viel ventilirte Streitfrage einzugehen, ift 
Sier nicht der Drt. Die Stellen und Litteratur bei Gengler, Lehrbuch des deutſch. 
Privatrechts II, 1302; dazu Amira, Erbenfolge S. 1f., 12 ff. 222 u. a. DO, 
Sadienip. I, 17, 3: De Suave mach von wif halven nen erve nemen, 
wenne de wif in ereme slechte alle ervelos sin. Zur Sade Warnlönig 
and Stein, Franz. Reichs» und Nechtsgeih. II, S. 436. Auch das alte nor« 
weiche Landrecht kennt noch fein Erbrecht der Tochter, wenn Söhne da find, 

Imann II, S. 347. 

ee Im achten Jahrhundert endete, unter 15 Northumbriichen Königen, die 
Fegierung von wenigftens 13 auf außerordentlichem Wege, mehrere wurden ge⸗ 
Goren, wenigſtens einer (und einer von Weſſer) regulär abgeſetzt (Stubbe, 
Const. Hist. I, S. 136 f.). Auch das Hervortreten der damals eben von dem 
Ingelfachien Bonifaz regenerirten Geiftlichleit und des Papſtes weiſt in diefelbe 
Rihtung. Die Einwirkungen der Angelſachſen auf den Eontinent zeigen ſich 

ich auch in deu Krönumgsformeln, 


134 
rg gegeben, daß er unter Beirat des Nachfolgers Petri vor ſich 


” mit der Anerkennung Pippins als Herricher durch das Voll, 
der Salbung durd die Biichöfe, war der Arnulfinger an die Stelle 
des Merovingers getreten, feine Nachkommen bildeten nunmehr die 
stirps regia, waren die einzig Thronberechtigten, ſein Privatredit, 
das ripuarifche, wurde zum Königsrechte, und ihm zufolge waren 
Frauen, bezw. deren männliche Descendenz nicht ausgefchloffen, ſondern 
hatten nur vor dem ‘virilis sexus’ zurüdzuftehen (L. Rip. LVI, 4, 
vgl. unten S. 142 Anm. 2)!. Machte ſich der Einfluß einer reich und 
mächtig gewordenen Kirche bei dem Uebergange der Herrichaft geltend, 
fo verlieh auch deren Oberhaupt, Papft Stephan, dem Greigniffe jei- 
nen Abſchluß, indem er den König ſammt feiner Gemahlin nochmals, 
daneben ihre Söhne, feierlich falbte und die Großen des Reiches unter 
Androhung des Barnes in Pflicht nahm: niemals in aller Zukunft 
aus einem anderen als dem jett erhöhten Geſchlechte einen König 
zu wählen. Der Sache nad) enthielt dies nichts weiter, al& eine Un: 
terftellung des altgültigen Rechtes unter geiftlihe Schußgewalt. Die 
Erblichkeit ift da8 Erſte und Urfprüngliche, das durd) alles Andere, 
durh Weihe und Wahl, nur Bejtätigung erhielt (Waig, Verfg. II, 
234), und wenn in der Folgezeit, unter ungünftigen Berhältniffen, 
auch diefe beiden Momente mehr hervortraten, fo follte erfteres doch 
Jahrhunderte Hindurh von durchſchlagender Wichtigkeit bleiben. — 
Dies im Einzelnen darzulegen, ift der Zwed der folgenden Abhandlung. 

Das Dit - Franfenreih, auf dem das deutjche beruhte, war ein 
Theil der Monarchie Karls des Großen und behielt fomit die hier 
gültig gewefenen Normen bei: es bildete ein theilbares Erbreich; — 
verdanfte es doc dieſem Principe feine Entftehung! Ausschließlich 
von dem Thronrechte des Gefchlechtes getragen, konnte Karl III, bei 
denkbar geringften Fähigkeiten, in einer jchweren Zeit, vom Könige 
der Alemannen zum Beherrſcher des farolingiichen Reiches aufiteigen. 

Im Laufe des Jahres 887 trat unwiderleglih zu Tage, daß 
Karl frank an Körper und Geift, mithin regierungsunfähig fei, wo— 
durch meben den Zwang der Noth die Berechtigung trat, ihm durd 
einen Anderen zu erjegen?. Als Nachfolger aus königlichem Haufe 
famen in Betracht: Karl (der Einfältige), des weſtfränkiſchen Ludwig 
de8 Stammlers Sohn, der noch unmündig war, Bernhard, der na= 
türlihe Sohn Karls III, für den das Gleiche gilt, und Arnulf, ein 
uneheliher Sohn Karlmanns. Diefer, im Oft-Frankenreiche anfäflig, 
war der einzige regierungsfähige Karolinger. Demnach wurde er 


2 Doc mwohl zır beachten bleibt da8 Bemühen, neben der Legitimation des 
Haufes durch Heilige, es vermittel® weiblicher Verwandtſchaft an das der Me 
rovinger tnüpfen (Waitz, Verfg. III, ©. 69). 

Vergl. oben S. 132 Anm, 3; aud) Annal. Fuld. 853: Aquitanorum 
legati Hludowicum regem celebris supplicationibus sollicitant, ut aut 
ipse —— eos regnum susciperet, aut fililum suum mitteret, qui eos 
a Karoli regis tyrannide liberaret (vergl. noch a. 854). 


135 


denn, aus dem einft fo zahlreichen Herrfchergefchlechte, als allein taug- 
(ih (solus idoneus) befunden, das Scepter des Frankenreichs zu 
übernehmen (Regino 800). Arnulfs Mutter jtammte aus fehr vor— 
nehmer Samilie !, und für die Anſchauung der Zeit ift e8 bezeichnend, 
daß gerade der Ganonift Regino feinen Anftoß an feiner Geburt 
mimmt?, von ihm als dem natürlichen Herrn des Geſammtfranken— 


I Den Hösfuld läßt die Sage zu feinen echtgebornen Söhnen reden: „To 
werdet ihr, hoffe ih), mir nicht das Recht nehmen, meinem Sohn Olaf, der 
mütterlicherfeits von großedler Abkunft ift (storettad) 12 Unzen zu geben“, 
Wilda in Zeitihr. für deutih. Recht XV, ©. 256. Ueber den Hornung und 
Kifung und den Thyboren Sohn (Sohn einer Sclavin) ibid. 242. 

* Diümmler, Geh. des Oftfr. Reichs II, S. 304: „Arnulfs Erbredt, 
hinfällig, fobald ein befjeres gegenüber trat, galt, weil nur auf ihn die Hoffnung 
auf eine Fortiegung des Haufes Ludwigs des Deutichen ſich gründen ließ“; vergl. 
245 und Wait, Berfg. III, S. 243; V, &. 23 f. — Ueber die unehelich Gebornen jagt 
Waitz, Berfg. II, S.240: — „Im allgemeinen ward zur Nachfolge Geburt aus 
rechtmäßiger von der Kirche anerkannter Ehe gefordert, doch ift diefer Grundſatz 
nicht zu ganz ficherer Geltung gelangt”. In den älteften flandinaviichen Rechten 
und auch im langobardifchen Volksrechte — die hier, wie immer, nicht als Be— 
weiſe, Sondern nur zur Bergleichung dienen follen — nehmen die unecht Gebo— 
tenen als Verwandte eine fubfidiäre Stellung hinter den legitimen Blutsfreunden 
en, ohne im ihrer ftaat&bürgerlichen Vollberechtigung beichränkt zu fein. Rive 
in Reitihr. für Rechtsgeſch. III, S. 212; Wilda in Zeitichr. für deutſch. Recht 

X, S. 254. Jene fubfidiäre Stellung iſt in den verfchiedenen Bolksrechten 
ſcht verichieden normirt. Nach dem Jütiſchen Geſetz z. B. erhält das unechte 
Kind die Hälfte der Erbportion eines echten, find feine echten Kinder da, 
fo nehmen fie das ganze Erbe (Milda, Zeitfchr. XV, S.273). Bei den 
engobarden erhielten fie, wenn echte Kinder lebten, einen halben Sohnes Theil 
x, Wilda ©. 282. Die unehelichen Kinder Lonnten die vollen Rechte ehelich 
geborner erlangen durch Aufnahme in das Geſchlecht, Wilda S. 279; Rive 
€. 229; Amira ©. 20. 218. Zumal ift die Thronfolgeordnung König Magnus 
Lagabätirs für uns intereffant, in derjelben ſteht an fechfter Stelle des Königs 
Vaterbrudersſohn, an fiebenter der ımebeliche Sohn des Königs, erft an achter 
des Königs ehelicher Tochterſohn. Dahlmann II, ©. 356. Wie e8 denn in 
Norwegen bis ins 13. Jahrh. vortommt, daß uneheliche Söhne den Thron be- 
feigen. — Mit Ausnahme des langobardiichen Rechtes enthalten unfere deutichen 
Vollsrechte nichts über die rechtliche Stellung unehelicher Kinder, Wilda 281, 
und auh in den Decretalen Burchards von Worms ſuchen wir vergeblich da- 
nah, wenn wir nicht etwa Lib. IV, wo vornehmlich; von den Taufen gehandelt 
wird, cap. 26 hieher ziehen wollen: et ut scoenicis atque hystrionibus, 
eaeterisque hujusmodi personis reconciliatio non negetur; vergl. unten 
Sachſenſpiegel. Doch kann in deutfchen Landen die Gleichftellung unechter Kinder 
mit echten nicht fo gar felten geweſen fein, woraus folgt, daß man fie nicht für 
rechtlos anſah. Wilda S. 287; Rive ©. 214. 229. Ueber uneheliche Kinder, 
die zu Würden gelangten vergl. Waitz, Verfg. III, S. 240; wie Dttos I. echter 
Bruder Brun Erzbiihof von Köln wurde, fo fein unechter Sohn Wilhelm Erz- 
biihof von Mainz; von König Friedrichs Söhnen, aud den unehelichen, ift 
feiner al einem Fürften nachftehend zu erweilen, Fider, Vom Neichsfürftenft. 
€. 25. Bergl. auch die auf demtichen Urſprung zurücgehende Wilfina Saga, 
cap. 49. Bei den Angelſachſen finden wir fogar wiederholt, wie unmündige 
Thronerben einem erwachfenen unchefichen Eproß der königlichen Familie nad)» 
fehen müſſen. Erft die Einwirkung der Kirche brachte jene tiefe Umwand— 
hung in der Rechtsanſchauung zu Wege, wie wir fie im Sachſenſpiegel finden; 
dort heißt es ausdrücklich III, 54, 3: De koning scal sin echt unde vri 
geboren; nunmehr find uneheliche Kinder vechtlos, I, 37, 2; fie haben keinen 


136 


reiches redet (a. 888). Kraft feiner Geburt wird Arnulf eine 
Dbergewalt über die Könige, welche in anderen Theilen des Reiches 
erhoben waren, beansprucht Haben (Waitz, Verfg. V, 31. 87 f.). 
Nach feiner wie nad) Reginos Auffaffung ift im Jahre 837 nur ein 
Perſonenwechſel eingetreten, nichtS weiter. Bei dem Fulder Annaliften 
tritt die Gewaltfamfeit des Actes mehr hervor. Karl ILL. Hat ihn 
natürlich nur al8 unberechtigte Ufurpation angefehen, ſich aber darin 
al8 in Unabänderliches gefügt, ja ihn fogar öffentlich anerfannt, in 
dem er feinen Sohn mit Geſchenken an Arnulf fandte und ſich Yand- 
güter von ihm anweifen ließ (vergl. Ann. Hildesh. 887: subieit 
se... Arnulfo). Die Anerkennung und Huldigung der Großen 
fanctionirte den Wegierungsantritt des neuen Königs. Ueberhaupt 
fommen dieſe beiden Factoren, die fajt erdrüct waren, von jett an 
wieder zur Geltung, was ſich aus der großen, im Franfenreiche vor 
fich gegangenen Umwälzung erklärt: aus gehorfamen Beamten und unter: 
thänigen Grundherren hatte ſich eine machtbewußte Kirche und eine eigenwil⸗ 
(ige Laienariftofratie herausgebildet, welche neben das Erbrecht des Ge- 
ſchlechts das Wahlrecht nad) altgermanifcher Weife zu ftellen vermochte. 

Ehelihe Kinder hatte Arnulf nicht, wohl aber waren ihm von 
Beifchläferinnen zwei Söhne geboren, denen er, in Ermangelung er: 
fterer, nad Gefeg und Herfommen feine Verlaſſenſchaft (hereditas), 
wozu er ficherlih die Neichsregierung vechnete, zumenden konnte 
(Wilda, Zeitfchr. für deutſches Recht XV, 287). Im diefer Abficht 
berief er einen Reichstag, auf dem der Antrag gejtellt wurde, die 
Großen follten ſich eidlich verpflichten, fid) nicht dem Principate oder 
der Herrſchaft ſeiner zwei natürlichen Söhne Zwentibold und Ratolf 
zu entziehen?. Es iſt für die Rechtsanſchauung äußerſt bezeichnend, 
wie dieſer Vorſchlag allſeitig unter der Bedingung angenommen wurde, 


Vormund, I, 48,1; man ſetzt fie beinahe mit Räubern in eine Linie, I, 50, 3. 
Confequent war e8 demnach auch, daß fich Karl III. wegen der Nachfolge feines 
unehelihen Sohnes Bernhard an den Bapft wandte, Dümmler II, ©. 247, 248. 
Ueber die fchroffe Auffaffung in Frankreich vergl. Warnlönig und Stein, R 
und Rechtsg. II, ©. 172, 

1 Schulze, in der Zeitfchrift für Nechtegeih. VII, 1868, S. 392 Anm. 
179, dürfte diefe Stelle zu fehr vom Standpunfte des modernen Yuriften auf 
fafjen. Regino 887 nennt Arnulf einfah filius Carlomanni, während er 
3. B. von Bernhard fagt, fillus, quem ex pellice susceperat, ibid; bgl. 
Regino 880 und Erchamberti cont. (SS. II, 330); Asser, Monum. hist. 
Brit. I, 491. — Philipp von Schwaben jchreibt an Innocenz III.: quia de 
jure naturali et legali ad hoc tenebamur. Mon. Germ. LL. IV, 
©. 210. In Florentii Wigorn. chron. (ed. Thorpe I, &. 169) heißt es 
unter dem Sabre 1014: at majores natu .. ad regem Aegelredum ... 
nuntios . . . misere, dicentes, se nullum plus amare vel amaturos esse 
quam suum naturalem dominum, was im directen Gegenfatze zu dem 
Ufurpator Knut gemeint iſt. Auch die Sachſenchronik, an. 1066, ſpricht von 
dem „wahren natürlichen Rechte” Eadgars bes Kindes, dem Eroberer Wilhelm 
gegenüber. Noch entichiedener hat Schulze die Stelle Folluins misverſtanden, 
die im Zuſammenhange gelefen werden muß. 

2 Biehen wir das feit Jahrhunderten gültige Herlommen in Ermägumg, 
fo können wir faum an etwas Anderes als an eine Neichstheilung denken. 


137 


daß Dta ihren föniglichen Gemahl nicht noch mit einem Knaben bes 
Scene". 

Yudwig wurde geboren, und alle Zweifel fchienen gelöft; doch da 
der König Niemand traute, ließ er fich noc) einmal und auch feinem 
Keinen Sohne Huldigen. Derjelbe war erjt ſechs Jahre alt, als be- 
reits der Vater ſtarb. Kraft umnbeftreitbaren Rechtes ftand ihm die 
Thronfolge zu, aber ein anderes Hinderniß fam in Betracht: feine 
Unmündigfeit, und zwar um jo mehr, als in König Zwentibold von 
Yothringen ein erwachlener Sohn Arnulfs am Leben (vergl. Ann. Fuld. 
an. 900, init.) und die Zeit durchaus danach) angethan war, das 
Scepter in der Hand eines Mannes zu winjchen, der auch das 
Schwert zu führen vermochte. Nichts deſto weniger fiegte die Legiti= 
mität. Der thatfächlich Regierungsunfähige wurde zu Forchheim als 
Herriher anerkannt und mit der Krone und Föniglichen Gewändern 
geſchmückt auf den väterlichen Thron gejett , — Auch Ludwig jtarb 
finderlo8, nachdem ihm bereits Zwentibold und wahrjceinlich aud) 
Ratold vorangegangen waren. 

Im Weiten beftand noch die von Karl dem Kahlen begründete 
tarofingiiche Linie, welcher rechtlich nunmehr der nächſte Anſpruch auf 
die Krone des ojtfränfischen Neiches zufam, und daß dem fo fei, 
wußte jie (vergl. Richer I, Cap. 14, 20—24 u. N. Schulze S. 393). 
Ir Repräfentant war Karl, den man den Einfältigen zubenannt hat, 
ein kraft und wmachtlofer Fürſt, von großen Anfprücen und ges 
ringer Fähigkeit. Gab dies ſchon zu Bedenken Anlaß, die feiner Er— 
bebung im Wege ftanden, jo nicht minder der Gegenſatz zwifchen 
deutih und romaniſch Redenden?; denn fchon für damalige Zeit* 


ı Im fchonifchen Rechte Heißt e8 (Sk. L. I, 14): „Hat ein Mann un« 
ehte Kinder und will er ihnen Alles zuwenden, was er Hinterläßt, fo gehe er 
zum Zing, kündige es und laſſe e8 ihnen auf; dann nehmen fie Alles, was er 
hinterläßt, fie möchten entweder in der Were oder außerhalb derfelben fein. Be— 
fommt der Bater aber nachmals noch echte Kinder, nachdem er e8 beim Ting 
gefündigt hat, fo erhalten die unechten Kinder nicht mehr als einen halben Anz 
teil, im Verhältniß zu den echten Kindern“, 

2 Mehr fteht nicht bei Regino, und feine Duelle weiß von einer Salbung. 
Bir werden e8 hier mit einem Acte, ähnlich jener jpäteren feierlichen Inthros 
nation in Aachen (Waits, Berfg. VI, S. 158) zu thun haben. Andere Wait, 
Brig. V, S. 32. Nehmen wir mit diefem (ibid. Anm. 2) den Brief Hattos als 
nicht ganz werthlos an, fo giebt uns derfelbe für unfere Auffaffung die Folie: 
man erhebt Ludwig, quamvis parvissimus, obgleich dem feine Jugend im 
Eege fteht, um das Recht des Herfommens zu wahren und keine Neuerung ein— 
zuführen. Berge. Richer I, 12, wo Karl der Einfältige fich befchwert, daß er 
hen das fünfzehnte Jahr erreicht habe und noch ein Anderer die Krone trage. 

® Dümmler, Geſch. d. oftir. Reichs II, S. 571. Wider I, 20: Cui rei 
cum admodum intenderet, Germanorum Gallorumque juvenes lingua- 
ram idiomate offensi, ut eorum mos est, cum multa animositate ma- 
ledietis sese lacessere coeperunt. 

* Doch darf man in ftreng juriftifcher Folgerichtigkeit nicht jo weit gehen 
w Sagen: Karl fer al8 Fremder für unfähig zum Richteramt und deshalb zur 
Vaigewürde angefehen, indem nah dem Sachſenſpiegel III, 52, 1 fogar zur 
Königsmwahl feine Nicht-Deutichen zugelaffen wurden, Noch im 11. Jahrhundert 
beftand jene Auffaſſung des Sachſeuſp. nicht zu Recht, noch im 13. wurden 


138 


darf man dem fpäteren Worte Thietmars ein gewiſſes Gewicht nicht 
abiprechen, daß es der größte Verderb fei, wen Fremde ans Ruder 
kämen (Thietmar, Chron. I, 10). — Demnad) blieb der Karolinger 
unberückſichtigt; doch nicht alſo die farolingische Verwandtichaft von 
weiblicher Seite, weder die Yindolfinger ! noch die Konradiner, die 
hieher gehören. 

Viele Feinde bedrohten da8 Reich. Dtto, das Haupt der Yindol- 
finger, war entſchieden mächtiger und weniger beneidet als der frän- 
fiiche Konrad, und es lag fomit nahe ihn zuerft für die Krone auf- 
zuerfehen, was denn auch nach Widukind geichehen ift?. Dod er 
war alt umd verzichtete zu Gunften des Frankenherzogs, der in Forch— 


Alfons von Aragon und Richard von Cornwallis zu deutichen Königen erhoben 
und der Idee nad war Oft: und Weftfranten im 9. Jahrhundert noch Ein Reid. 

ı Auf die Stammbaumconftructionen H. Böttgers (Die Brimonen ©. 
343 f.) ift bier fo wenig, wie auf viele feiner anderen zu geben. — Durd die 
gediegene Unterſuchung von Waitz (Jahrb. des deutſch. Reichs unter Heinrich L, 
Ercurs IS. 185— 194) ıft die Verwandtichaft der Efbertiner mit den Karo- 
lingern außer Zweifel gerüdt (S. 189), mit welchen erfteren wieder die Lindel: 
finger, wenn auch wahricheinfich nur von weiblicher Seite, verwandt find. Der 
Umftand, daf die Stiftung Efberts ſich fpäter in Liudolfs Händen befindet, läßt 
vermuthen, daß feine Söhne erblos geftorben und fo das Beſitzthum der Fa— 
milie — folglid) audy deren Rechtsauſprüche — auf Lindolf übergingen (vergl, 
©. 192. 193). Das Berhältnif zu den Karolingern wurde dann durch die 
Kinder Liudolfs noch enger geknüpft, indem deſſen Tochter Findgarde mit Ludwig 
dem Jüngeren vermählt wurde und einer feiner Söhne eine Enkelin von Kö— 
nigen, d. h. eine Tochter aus karolingiſchem Geichlechte, zum Weibe hatte (Agius, 
Vita Hathum. SS. IV, S. 167). Leider läßt ſich micht ficher feftftellen, ob 
wir Brun oder Dtto al8 den betreffenden Sohn anzusehen haben. (Für bie 
Frage find heranzuziehen die lirf. Harenberg, Hist. ecel. Gandersh. Diplom. 
&.63—65. Wüßten wir fiher, in welchem Jahre die Vita Hathum. gefchrieben 
ift, fo könnte das Präfens in der oben citirten Stelle ausgiebig werden). Gani 
unbeadhtet darf auch nicht Richer I, 14 bleiben: Ubi etiam Heinricum 
regio genere inclitum, ac inde oriundum, ducem omnibus 
praefecit. Derfelbe Gedante wird bei Adalbold, Vita Heinr. cap. 5, näber 
auegeführt: omnibus placuit, ut de ducatu transduceretur ad regnum 
(Heivricus Il.), de vexillo extolleretur in solium hereditarium, Here- 
ditarium dieimus, quia audivimus a Karolo Magno ex parte patris 
decimam septimam, ex parte matris decimam sextam lineam propa- 
gationis tenebat. Daß Konrad I. dem farolingifchen Haufe durch Verwandt. 
haft nahe ftand, bedarf feiner Erwähnung mehr. Wait, Verfg. V, ©. 59. 
Auch das Anreht Svend Eſtrithſons auf den dänischen Thron ging allein vom 
Weiberftamme aus, während Harald der Harte von der Schwertfeite ftammte; 
wie denn auch in Norwegen Magnus V., der Sohn einer Tochter Sigurd Jor— 
falafars, den männlicherfeits von Harald Schönhaar abftammenden Hakon Her- 
dabreid verdrängt. Dahlmann, II, S. 147. 149. 163. Das Chron. Laur. 
fagt von den Etaufern: a quo (Cunrado II.), ut ajunt, processit adhuc 
permanens imperialis prosapia. SS. XXI, ©. 406. 

® Die Nachricht bei Widufind wird befanntlich vielfach angezweifelt, vergl. 
Waitz, Heinrih J. S. 195—198. Dümmler, Geh. des ofifr. Re. II, ©. 
571 Anm.3. Waitz, Verfg.V, S. 58. Widukind I, 16 hat: omnis populus 
Francorum atque Saxonum quaerebat Oddoni diadema imponere regnl, 
was, wie fo oft, „die Deutſchen“ heißt, und Thietmar ſetzt auch richtig an die 
betreffende Stelle: omnes regni principes. 


139 


heim zum Könige erhoben und als folcher von geiftlicher Hand gefalbt 
wurde, Dies legtere ijt ein Act, der — fo weit wir ſehen — nod) 
on feinem der früheren oftfränfifchen Könige vollzogen wurde. Der 
Grund für eine derartige Neuerung liegt nahe: die Vorgänger Kon— 
res ftammten aus der männlichen Descendenz Karls des Großen, 
waren Rarolinger; nunmehr fam ein neues Geſchlecht, das der Kon— 
radiner, zur Herrichaft, welches, ebenfo wie einft das Arnulfingifche, 
zweddienlich fand, fi durd die Weihe von Prieiterhand noch eine 
befondere Sanction geben zu laffen. Dürfte e8 unmaßgeblich erfcheinen, 
daß Konrad an der Spite des fränkischen Stammes ftand, fo iſt es 
andererjeit8 durchaus bezeichnend — nicht etwa befremdlich (Diimmler, 
Ditfr. R. II, 572) —, daß beim Uebergange der Krone auf den 
sranfen des Baiernherzogs gar feine Erwähnung gefchieht, obwohl 
fin Stamm feit Qudwig dem Deutichen ein hervorragendes Anfehen 
behauptet hatte; es ergiebt fi) aus dem Umſtande, daß er feine ka— 
rolingiihe Berwandtichaft in gleicher Weife geltend machen konnte ?, 

Mit dem Emporfommen Konrads follte ein Verluft für Deutiche 
fand verbunden fein: Lothringen, das alte fränfifhe Stammland, 
welhes in manchen Beziehungen dem Weftreiche näher ftand, als den 
Vlterichaften,, die rechts vom Rheine anfäfjig waren, mit denen es 
au noch micht lange und durch das Schwert verbunden geweſen, hatte 
fih auf die Seite der Legitimität, zu Karl IV. gefchlagen. 

’ Unfere Auffaffung dedt fid) mit der Rankes, Deutiche Geſchichte I, ©, 
13 (vergl. Leibniz, Annal. Imp. II, ©. 246). Es dürfte nid ſchwer in's 
Gewicht fallen, daf Konrad die letzten Könige nicht al8 feine Verwandten, fon- 
dern nur als feine Borgänger bezeichnet, da wir es mit einer einfach übernom- 
menen Formel der königlichen Kanzlei zu thun haben, überdies damals die ur« 
kandliche Betonung der VBerwandtihaft nicht in dem Grade üblich gewelen zu 
fein" ſcheint als fpäter (vergl. Wait, Berfg. V, S. 59). — Im der deutichen 
Geſchichte findet ſich zweimal faft derfelbe Vorgang: Dtto von Sachſen erhält 
die Krone angeboten, er verzichtet zu Gunften des finderlofen Konrad. Sener 
Kırbt, und zwiſchen feiner Descendenz und Konrad breden Zerwürfniffe aus; als 
au diefer vom Tode abgerufen wird, fommt Ottos Descendenz auf dem Thron, 
von dem letzten Könige bdefignirt. Ein Jahrhundert fpäter trägt man dem 
greifen Dtto von Kärnthen die Herrihaft an, er lehnt ab zu Gunften des kinder: 
loſen Heinrih II; er ftirbt, und zwiſchen feiner Descendenz und Heinrich 
brechen ebenfalls Zerwürfnifie aus, und gleichfall® gelangt nach dem Tode def- 
jelben die Descendenz Ottos zum Throne, wahrſcheinlich defiguirt von Heinrich 
(vergl. meine Studien zur Geſch. Konrads II., Bonn 1876, S. 195). Danad) 
mödte man faft zu der Annahme neigen, daß jener erfte Verzicht nur für die 
verſon des Betreffenden galt; ob es rüdfichtlich feiner Descendenz ganz bedin» 
gungslos gefchehen, darf immerhin zweifelhaft bleiben, Wäre es nicht der Fall 
geweſen, jo ließen fich trefflicy die erbitterten Kämpfe zwiichen den Konradinern 
und Heinrich I., ja, fogar der Anſchlag auf das Leben des Letzteren erflären. 
Eberhard war eben Konrads Bruder und regierungsfähig. 

° Bergl. bier bie Aeußerung, die Graf Lüder gegen Effehard gethan haben 
tl, Thietmar IV, 32. Waitz, Berfg. VI, ©. 125. Was es zu bedeuten 
hatte, daß ein Thronbewerber aus königlichem Geichlechte ftammte, zeigt Sigeb. 
Cont. Gembl. an. 1138, zu einer Zeit, wo das Rechtsgefühl ſchon unter dem 
Drude des Parteitreibens ſtart alterirt war: non ferentes principes Teuto- 
nei regni aliquem extraneum a stirpe regia sibi dominari, re- 
gem constituunt sibi Conradum virum, regii generis, 


140 


Die Regierung des Konradiners geftaltete fich wenig glanzvoll, 
feine Che blieb finderlos, und es lag demnach nahe, feinen Bruder 
Eberhard al8 denjenigen anzufehen, welchem der vornehmfte Anfprud 
auf die Thronfolge im Heiche zuftehe‘. Derjelbe war aber beim 
Bolfe unbeliebt (Ekkeh. Cas. S. Gall. cap. 3, SS. II, 103) und 
es jcheint ihm auch, nad) Konrads eigenem Urtheil, gerade das gefehlt 
zu haben, was den wahren König ausmacht: jenes Herrjchertalent, 
wodurd das Glück gefejfelt wird. Bei dem jüngeren Bruder Dtto, 
der im der Geſchichte umverhältnigmäßig zurücktritt, dürften nod) 
größere Bedenken zu erwägen geweſen fein. Zwieſpalt drohte im Reiche 
auszubrechen (Cont. Regin. a. 919), da faßte der fterbende König 
den Entſchluß, die Succeffionsrechte, welche etwa feine Cognaten bean« 
Ipruchen konnten, an die verwandten ? Pindolfinger, deren Stammhalter 
mächtig, beliebt und befähigt war, zu übertragen. Er berief feine 
Brüder und die Großen der Franken zu ſich und ließ durch fie dem 
Sachſenherzoge die Neichsinfignien bringen. Eberhard zeigte fich als 
der im den Vordergrund tretende Führer diefer Geſandtſchaft. Als er 
dein Bevorzugten die Kleinodien eingehändigt, ſich und all das Sei— 
nige ihm tradirt hatte, waren durch diefen ſymboliſchen Act auch feine 
Anfprüche auf die Regierung an denfelben übergegangen. Zu Friklar 
traten Fürften und Senioren zufammen und vor den Augen der Ans 
weſenden defignirte der Franke den Sachſen. Die Berfammlung, dem 
Willen der Zunäcjtbetheiligten und den Zeitumftänden Rechnung tra 
gend, erkannte Herzog Heinrih durch Acclamation als Herrn umd 
König an?, der ſich der Salbung entzog, welche ihm die Geiftlichkeit 


1 Fehlte in der Privaterbfolge die erfte Parentel, fo ward das Erbe in 
die zweite hinaufgezogen, d.i. 1) die Eltern; waren biefe nicht mehr am Leben, 
fo 2) die Geſchwiſter. (Marnlönig und Stein, R. u. Rechtsg. II, ©. 446; 
Gengler, Lehrb. d. deutich. Privatrehts II, S. 1314), Solch ein Fall Tiegt 
bier vor, denn noch konnte Eberhard den Thron, farolingifcher Tradition gemäß, 
vom Privateigen wenig verfchieden erachten. Die gleiche Auffaffung ergiebt fih 
aus Widufind, I, 25, wo Konrad zu Eberhard fagt: quod ad te maxime 
respicit, Francorum toto regno (da8 ganze oftfränfiiche Reih!) consu- 
lito. ®ergl. Ekkeh. Cas. S. Gall. cap. 3, SS. II, &. 103: Chuonradus 
Eberhardum . . .. fratrem habens ad regni gubernacula, si sibi su- 
perviveret, aspfrantem. Liutprandi Antap. IV, c. 22. 

2Heinrich nennt Eberhard feinen propinquus, dilectus consanguineus 
noster (Kremer, Orig. Nass. II, ©. 63. 64), ſpricht aber nur bon einem 
comes Eberhardus. Dies darf fein Bedenken erregen, da die Bezeichnung für 
Männer feiner Art damals noch ſchwankend war, fie hiefen: comes, dux und 
marchio; aud werden ihre Machtbefugniſſe umfchrieben, 3.8. bei Hrotsuitha, 
De primord. coen. Gand. v.309: Liudolfus suscepit primum propria® 
gentis dominatum. Obige Urkunde wird hübſch commentirt durch zwei Gan⸗ 
dersheimer Diplome (Harenberg, Hist. ecel. Gand. ©. 64. 65), wo es in 
dem von Ludwig dem Jüngeren berrührenden heißt: Brun et Otto nostri 
fideles comites.. . tradiderunt nobis .. . monasterium . . . qu 
Liutolf genitor eorum ... . aedificare coepit. In der Beftätigungsurkunde 
Ottos I. hingegen ift die Mede von Liutoltus proavus noster... . dux 
Saxonum . filii Otae, duces Brun et Otto adierunt Ludowicum. 

° Es if befannt, wie ſich die Sage dieſes Stoffes bemächtigt hat. Pit 


141 


durh ihren Primas, den Erzbifchof von Mainz, anbot!. Er mochte 


om meiften jachgemäße Darftellung dürften der Cont. Reg. 919 und Thietmar 
1, 5 geben. Widufind trägt entſchieden die Spuren von Hörenfagen an ſich, 
mebr noch Lindprand und Effehard (vergl. Tümmler, Geſch. d. Oftfr. Re. II, 
&.613 Anm. 31). Bei dem ausführlichen Widufind, dem man mit Vorliebe zu folgen 
pflegt (I, c. 25. 26) geht die Erhebung Heinrichs als ein Act privater Natur, 
ausgeführt von Heinrich und Eberhard, vor fi, während die thatiächliche Be: 
tbeiligung der Großen, die doch erft da8 jus ad rem zum jus in re machen 
leante, ganz wegfällt. Eberbard tradirt fi) Heinrich, die Großen treten in 
griglar zujammen, wo E. den H. zum Könige defignirt und der Erzbiichof von 
Reinz ihm die Salbımg anbietet, die nicht angenommen wird. Dies gefällt 
kr oniversa multitudo und dextris in caelum levatis nomen novi re- 
gis cum clamore valido salutantes frequentabant; was dod nur heift: 
de Dienge rief dem neuen Könige Heil zu, nicht aber: fie rief ihn zum neuen 
Könige aus, was ihr (dem Umſtande!) ja auch gar nicht zufam. Mit anderen 
orten, von der eigentlich rechtlich verbindlichen Handlung, die ſich 3. B. bei 
der Erhebung Dttos I. im Porticus zutrug, weiß Widulind bier nichts, wir 
hören nur von der mebenjählichen Acclamation durch das Volk (vergl. Widuf, 
I, 1: Ad haec omnis populus dextras in excelsum levans, cum cla- 
more valido inprecati sunt prospera novo duei), und jelbft von der viel- 
lacht niht am richtigen Drte. 
ı Widuf. I, 26 läßt Heinrich jagen: penes meliores vero nobis 
unetio et diadema sit. Bei Thietmar I, 5 finden wir Heinrich zu 
Friglar gefrönt und ihn nur die biihöflihe Salbung abweifen. Thietmar 
Ihreiht allerdings 50 Jahre jpäter als Widufind, hat aber über Heinrich I. fehr 
beaditenewerthe Nachrichten, er intereffirt fich für obige Sache fpeciell, und fein 
Beriht dedt ſich in dem Hier in Betracht Kommenden mit dem der Bifton 
der heil. Afra, wie fie uns Gerhard in feiner Vita Oudalrici cap. 3 überlie- 
fer. Dort heißt e8: Die regi Heinrico, ille ensis qui est sine capulo 
significat regem, qui sine benedictione pontificali regnum te- 
nebat, capulatus autem, qui benedictione divina regni tenebit 
gubernacula. Gerhard ſteht chronologiſch Widulind fehr nahe, Wir wiffen, 
dat bei der erften Krönung Ludwigs des Frommen und Lothars feine Salbung 
Statt gefunden hat, auch bei Ludwig dem Kinde heißt es nur, daf die Opti« 
maten den Gekrönten und mit den Föniglichen Abzeichen Geſchmückten auf den 
Thron festen. — In den Documenten, die Wahl Chriftian I. und Karl Knudſens 
betreffend, wird nur die Krönung nicht aber die Weihe genannt. Werlauff in 
Kongl. dansk. Vid. Selsk. Afh. V, ©. 63 Anm. 1. Erling Statte konnte 
fh ansdrüdtih die Salbung feines Sohnes vom Erzbiſchof erbitten (smyria 
hann til velldis), Heimskr. III, ©. 435; ja, es ſcheint, als ob die Schotti- 
Ihen Könige bis Robert Bruce, d.h. bis zum Jahre 1306, gekrönt worden find, und 
zwar theilweife durch die Hand eines Laien, de8 Clans Macduff, nicht aber die 
Salbung eınpfingen. Burton, History of Scotland II, S. 23. 241, — In 
dem Krönungeformular, welches dem Biſchofe Egbert von Mork zugeichrieben 
wird, ift die Betheiligung der Laien an der Krönung noch ſehr weſentlich, 3. B. 
überreichen pontifices und principes gemeinſchaftlich das Scepter (Martene, 
De antig. eccl. rit II, ©. 214); in einem wahrſcheinlich gleichzeitigen Liede 
über die Krönung Athelftans (an. 924) heißt e8 ausdrücklich: conveniunt pro- 
teres et componunt diadema (Wilh. Malm. Gesta reg. Angl. ed. Hardy 
1, &. 211, vergl. Kemble, Sachſen II, S. 31; ja nod) in Betreff Haralds ifl 
8 äufßerft wahricheinlih, daß er fich jelbft die Krone auf das Haupt fette 
(an. 1037), da fich die Biſchöfe e8 zu thun weigerten, oder daß es feine Partei» 
gänger thaten. Vergl. Encom. Emmae, in Langebeck, SS. rer. Dan. II, ©. 
496 mit Roger von Wendov. (ed. Coxe I, ©. 473), Wilh. Malmesb. Gest. 
Reg. (Hardy I, ©. 319), Bromton (Twysden, Hist. Angl. SS. I, S. 932). 
Ju etwas fpäterer Zeit können wir drei Arten von Krönungen nachweiſen, von 


142 


ſich durch Verwandtichaft, Defignation, Wahl und durch feine Macht 
genugjam legitimirt erachten, um fie entbehren zu können. 

Als Heinrih feinem Ende entgegen ging, hatte er drei Söhne, 
die Anſpruch auf die Nachfolge erheben durften: Thankmar war der 
ältejte, aber mit der Hadeburg gezeugt!, Dtto, der ältefte Sohn der 
Mathilde, geboren, als Heinrich noch nicht die Königswürde erlangt 
hatte, und Heinrich, der uach diefem Zeitpunfte zur Welt gefommen 
war. Dem fränfifchen Rechte zufolge, das für die Ottonen fo gut 
wie für ihre Vorgänger, die Karolinger, galt*, hätte jeder der Söhne 
einen Theil des Reiches erhalten müſſen. Da nun aber dafjelbe von 
fünf Königen ununterbrochen als einheitlicher Staat beherrſcht, dieſe 
Negierungsform mithin zur Gewohnheit geworden war, die Geiſtlich— 
feit, welche jtet8 für Einheit des Neiches gewefen, ſehr mächtig da— 
ftand, und das ganze Staatswejen durch das Emporfommen der 
Stammesherzöge fid) umgewandelt hatte, jo durfte Heinrich und wollte 
er auch wohl nicht wagen, auf die alte Succeffionsform zurüdzu 


denen die eine darin befteht, daß der krönende Prälat dem Betreffenden feierlich 
die Krone aufjeßt, ohne ihn zu ſalben; aud in Byzanz find Krönungen ohne 
Salbung nicht Selten. Näheres hierüber in meiner „Entwidelungsgefcdichte der 
Krönungen“. (Bergl. noch Stubbs, Const. Hist. I, S. 475 Anm. 2). € 
möchte mithin wohl zu erwägen fein, ob wir hier nicht den von Widulind ab- 
weichenden Berichten zu folgen haben. Bergl. Wait, Heinrich J. S. 40 u 
2. Aufl. S. 42. — Ufinger, in Hirſch Iahrb. des deutjchen Reichs unter Hein 
rih II, Bd. I, &. 430. 431, fcheint mir Thietmar miszuverftehen. 

ı Iſt Thanfmar als legitimer Sohn anzufehen oder nicht? vergl. Köple— 
Dümmler, Kaifer Otto der Große S.15. Hrotſuitha kennt Thankınar gar nit, 
ebenjo findet er feine Erwähnung bei Widulind I, 31, doch tritt er II, 9. 11 
ohne Weiteres als Sohn Heinrichs und Bruder Otto® auf. II, 4 fagt Hein- 
rih den Slaven Krieg an, weil fie den Gefandten feines Sohnes Thankmar Gr 
walt angethan haben. (Bergl. dagegen II, 9: Thiadboldus, nothus Cobbo- 
nis). Selbft Thietmar, der die Eheverhältuifje Heinrichs am ausführlichften be 
handelt, läßt die Frage zweifelhaft. Heinrid und Hadeburg haben die Ehe je: 
denfalls in allen Formen Nechtens geichloffen und als legitim angefehen, was 
fi) daraus ergiebt, daß Heinrid dem Sprößling aus diefer Ehe den Namen 
feines älteren Bruders beilegte und er die Güter der Hadeburg als ſich zugehörig 
betradhtete. Erft als fein Sinn fi der Mathilde zumandte, erklärte er die Ehe 
für umerlaubt, es war die® ja der einzige Weg, auf dem er zu der neuen Ge— 
liebten gelangen konnte. Thanlmars Benehmen ift nicht das eines Baſtardé, 
und wie er werden die Laien überhaupt gedacht haben; anders watürlich die 
Hochkirchlichen, die eine Verbindung mit einer Nonne nicht anerkennen konnten. 
Unfere Ueberlieferung ift bier faft ausichlieglih aus geiftlichottoniicher Feder ge 
floffen. Ein ähnlicher Fall, wie der vorliegende, ift der mit Pippin, dem älteften 
Sohne Karls des Großen, vergl. Wait, Berig. III, S. 240. 

2 Schulze in der Zeitichr. für Rechtsgeſch. VIL, S.391.401— 405; Kraut, 
Vormundſchaft S. 114 (vergl. meine Studien zur Geh. Konrads II. S. 4 
Anm. 3). Auch dürfte Widufind II, 11 als Beweis heranzuziehen fein: (Otto) 
Thiadricum et tres amitae illius filios, qui Thankmaro manus iunxe- 
rant, lege Francorum dampnatos strangulo fecit deficere. Xhiadri- 
cus und feine Bettern waren, fo weit wir jehen, Sachſen, der König ftrafte fie 
als Hocverräther nach fränkiſchem Recht (Berge. Köpte— Dümmler, Kaiſer 
Otto I, S. 75. Anm, 2). Die Dotirungen, von denen Schulze S. 404 redet, 
laſſen ſich natürlich mehren, wir erinnern nur an Kunigunde, die Gemahlin 
Heinrichs II. Vergl. Wait, Berfg. VI, S. 204 Aum, 3, 


143 


greifen. Wie hätte er über einen jener mächtigen Herzöge noch einen 
Regulus ſetzen können ! So berief er denn eine Verſammlung der 
Großen nach Erfurt, um die Angelegenheiten des Neiches zu berathen 
(Vita Math. prior cap. 7) und über feinen Nachfolger Beitimmungen 
teffen zu lajjen (Widuk. I, 41. Vita Math. post. cap. 7)?, Dort 


Noch bei der Erhebung Knuts von England 1016 heißt es: at illi 
eoeperunt dicere se procul dubio scire, quod rex Eadmundus fratribus 
zullam portionem regni sui nec vivens, nec moriens commen- 
dasset. Chron. Rogeri de Hoved., Rer. Brit. Ser. Nr. 51, I, &.85. Wie 
das angelſächſiſche Reich durch die dänischen Eroberungen thatſächlich auseinan« 
dergerifjen ward, iſt befannt. Zwei Jahrzehnte nach Heinrich I. ftarb König 
Ludwig von Frankreich, zwei unmündige Kinder hinterlafjend. Mit Unterſtützung 
dugos und Bruns wurde der Ältere der beiden zum König der Weſtfranken er— 
hoben, doch llagte der jüngere Karl fpäter, als er mündig geworden war: licet 
enim a fratre de regno pulsus sum. Pater nos duos fratres su- 
perstites reliquit. Frater regnorum dominium totum possidet, nihil 
mihi concessit. Richer IV, 9; vergl. III, 91. Wir fehen daraus, wie Ile: 
bendig noch der Gedanke eines theilbaren Reiches war, und daß dies für Deutichland 
ziht minder als für Frankreich gilt, dürfte aus Nuotger, Vita Brunon. cap. 
19 erbellen: (Lindolf und Konrad) etiam parta, ut ipsi jactabant, divi- 
tarım et regni gloria... inde cunctis regni finibus facile se im- 
peraturos arbitrantes. Ja fogar zur Zeit Heinrich IV. konnte noch an eine 
Nassthelung gedadt werden (Wait, Berig. V, S.132). Bergl. noch Dümmler, 
Offrit, R. II, ©. 498. 499, vielleicht auch Eberhards Worten bei Liutprand, 
Ant. V, cap. 22. Auf die Idee des Einheitsftaates wirkte vielleicht auch 
das Vertild Frankreichs und Englands ein, 

. "Bir befigen eine ganze Reihe von Nahrichten, die den Uebergang der 
Herrihaft von Heinrich auf Otto berühren und fi in zwei Gruppen zujam« 
menfafien lafjen. Der einen zufolge, gebildet aus den ottonisch-höfiichen Widu— 
Kad and Hrotfuitha, wird Dito vom Vater defignirt und folgt ohne Schwierig» 
tet in der Herrſchaft; nad) der anderen, die eine ganze Reihe Quellen, von fehr 
verichiedenem Werthe umfaßt, jft die Sache nicht fo glatt abgegangen. Wir fol 
gen der zweiten Gruppe, und zwar aus folgenden Gründen: 1) weil die Schrift: 
Reller der erften Gruppe, vom Hofe beeinflußt, fehr leicht im Intereſſe deffelben 
I&rieben und verſchwiegen; 2) weil die Verichterftatter aus der zweiten 
Gruppe theilweife von einander ganz unabhängige Nachrichten haben, die fid 
gegenfeitig aber auf das Befte ergänzen, bisweilen ſich auch deden; 3) weil die 
Angaben derfelben durch die fpäteren Ereigniffe commentirt werden und e8 an 
ich auffallend fein muß, daß Heinrich (und Thanfmar?) beim Ableben des Va— 
rd und für die Dauer des Interregnums ganz ftill gejeffen haben follte, wäh: 
end Heinrich Schon — nad Widufinds eigenen Worten II, 12. 15 — wenige 
Jahre nachher unter wenig günftigen Verhältniffen „von Begierde nad) Herr: 
Haft“ entflammt ift und ein verzweifeltes Ringen um die Krone beginnt. Bein: 
ne Jugend (er war ungefähr 16 Jahre alt, al® der Vater ftarb) läßt ſich da— 
gegen nicht geltend machen, indem er mit 15 Jahren miündig geworden war 
und das Gefchleht der Ditonen überhaupt zu den frühreifen gehörte. (In wie 
aunlih jungen Jahren man im zehnten und elften Jahrhundert mit allen 
Frötenfionen des Mannes auftrat, zeigt zumal die däniich-norwegiiche Geſchichte). 
Us cine mitberüdfichtigte Duelle der zweiten Gruppe fteht die Vita Mathildis 
posterior da, obwohl Wait äußert (Nachrichten von der Georg : Augufts -Uni- 
vrftät 1852, S. 226), daß von ihr für obigen Gegenftand nicht mehr die Rede 
kin dürfe. Wir würden uns diefem Ausipruche unbedingt anſchließen, wenn 
dt Vita Math. post. allein wäre, was aber nicht der Fall ift. Gegen Wait’ 
Anfihten über die hier einichlägige Flodoardftelle find Zweifel laut geworden, 
vergl. Köple Dümmler Ottol. S.25 Anm. 2. — Thietmar I, 12 kann nicht 
ganz in Wegfall kommen, obwohl er wahrjceinlic die Vita vor ſich gehabt hat, 


144 


foll er von den Anweſenden zu Rathe gezogen fein, welchen feiner 
Söhne er für den regierungsfähigiten Halte. Er entjchied ſich für 
Otto, den er defignirte!. Damit aber verftieß er gegen die Wünſche 
jeiner Gemahlin, die gern ihrem jüngeren Lieblingsjohne Heinrich die 
Krone zugemwendet hätte?, und vor Allen gegen die Wünsche diejes 
Heinrich jelbft, der ſich nicht entblödete — gleichſam ſcherzweiſe, wie 
uns überliefert wird? — feinem Bruder Otto, in Gegenwart de 
Vaters und der Fürften, in's Geſicht zu fagen, er fei der edlere von 
ihnen beiden (Vita Godeh. cap. 4). Zu einer förmlichen Erhebung 
Dttos ift e8 in Erfurt nicht gefommen; König Heinrich) mußte zu: 
frieden fein, ihn defignirt und feine anderen Söhne mit Yand und 
Leuten ausgejtattet zu haben. Auf diefe Weife war dem Bevorzugten 
ein entfchiedenes Uebergewicht gefichert, was jedoch nicht Hinderte, dag 
nad) Heinrichs Tod zwijchen feinen Söhnen um die Nachfolge ge: 
ftritten wurde (Flodoard. An. 936). Viele meinten, Heinrich müje 
die Negierung erhalten, da er im föniglichen Palafte geboren fei’; 


denn einerſeits berichtet er mehr als fie und, amdererfeits ift er über Mandes 
jelbftändig gut unterrichtet und fteht er Heinrich II. nahe. Letzteres gilt aus 
für den Verfaffer der Vita felbft, die, wie jhon Waitz S. 220 bemerkte, durd- 
aus nicht rein panegyrifc für Heinrich if. Was fonft gegen fie geltend gemadıt 
worden: der Aufput mit fremden federn, berührt das von uns Bemerfte nid. 
Aud will e8 uns bezüglid) der dem Sulpicins Severus entlehnten, für Ottol. 
äuferft compromittirenden Stelle bedünfen, daß man fie zur Zeit jeines Sob 
nes in ein Werk, weiches auf defjen Geheiß verfaßt worden, nicht einzig 
aus Bergnügen am Sate aufnehmen konnte; vielmehr jcheint e8 uns mit dielet 
wie fo oft mit Entlehnungen zu gehen; fie trifft die Sade nur halb, bew. 
ſchief! — Die widtigften vielfah von einander abweichenden Darftellungen der 
Erhebung Dtto8 I. find: Köpke in Rankes Jahrb. des deutich. Reihe I, 2, ©. 3; 
Gieſebrecht, Geſch. d. deutich. Kaiferz. I, ©. 238, 241— 243; Waitz, Jahrb. 
des deutſch. Reichs unter Heinrih I, S. 177. 178 (vergl. Verfg. V, ©. 72); 
Köpfe — Dümmler, Otto I. S. 21—26. Bergl. oben S. 145 Anm. 1. 

1 Obwohl nur die fpäten Annales Palid, diefe Notiz bringen, fo fceint 
fie doch auf guter Weberlieferung zu beruhen. Vergl. Widulind I, 41; Waih, 
Heinrid I, S. 178 Anm. 1, dazu Köpke Diümmler, Otto I S. 24 Anm. 2. 

2 Ein gutes Gegenbild bietet uns etwa 100 Jahre fpäter die Geſchichte 
Franfreihs. Hugo der Große, der Thronfolger, ift geftorben. Sein Vater Kir 
nig Robert enticheidet fid) für die Nachfolge feines nunmehr älteften Sohnes 
Heinrich, während die Mutter Robert, dem jüngeren, die Krone zumenden will, 
Auf einer Verſammlung der Großen zu Reims fetzt der Vater feinen Candidaten 
duch (Berge. Rod. Glaber III, 9 u. U). Aehnliche Fälle finden fich auch 
anderswo, zumal ift die Thronfolge der Söhne Svend Eftrithions ausgiebig, 
bei der wir fehen, wie das Alter neben der Descendenz von Wichtigkeit, aber 
durchaus nicht der einzige in Betracht kommende Factor ift. 

s Vita Math. post.9, vergl. Liutpr. Antap. IV, 18. — Nad dem Tode 
des angeljächfiihen Königs Eadgar fam es im Jahre 975 zu Zioiftigfeiten über 
die Thronfolge, die Mehrzahl war für den älteften Sohn, einige Große des 
Reiches wollten aber das Wahlrecht behaupten und ſtimmten für dem jüngeren, 
da weder der Vater noch die Mutter des älteren bei feiner Erzeugung 
gekrönt gewesen ſeien. Lappenberg, Geld. dv. England I, ©. 4l4. Eine 
ähnliche Anfhauung zeigen die Worte des jungen Heinrich) III. von England 
nad) feiner Krönung, wo er e8 billig findet, daß fein Bater ihm diene: 
ego enim sum filius regis et reginae, ipse vero non. 
thaei Paris. Hist. Angl. in SS. Rer. Angl. Nr. 44, I, ©, 353. 


145 


die meiften und angefehenften Fürften des Reiches aber hielten zu 
Otto und brachten durch die Vorftellung, daß Heinrich) noch durch 
Anderes als die väterliche Erbihhaft, etwa durch ein Herzogthum, ent= 
ihädigt werden fünne, auch Mathilde zur Nachgiebigfeit (Thietinar J, 
11)1. Dies. mag auf einer Zujammenfunft gejchehen fein, die der 
Zhronbefegung wegen nad) dem Tode Heinrich I. ftattgefunden hat 
(Widul. II, 1. Thietm. II, 1). Als man in Aachen zur Definitiv- 
wahl ſchritt, war die Nachfolge Ditos eine alljeitig entjchiedene That- 
ſache. Der Haß der Brüder gegen den Begünftigten aber blieb und 
machte fich Luft in verheerenden Bürgerfriegen. 

Wir dürften bier den altgermanifchen Rechtsfa, daß dem Ges 
hlechte die Nachfolge, dem Einzelnen der Anfpruc auf diefelbe zu» 
ehe, praftiich verwirklicht jehen. — Defignation und Wahl des 
Volles entihieden für Otto, der auch der beſt berechtigte war?. Sehr 
treffend jagen daher die Quedlinburger Annalen (936): kraft feines 
Erbrehts wird Otto erforen im den väterlichen Reichen nachzufolgen. 

Was Heinrih I. am Ende feiner Regierung gethan, das voll- 
führte Otto mitten im bewegten Yaufe der feinigen. Er befignirte 
den Sohn Lindolf zum Nachfolger und erwirkte, daß die Großen ſich 


'! ®ibuf. II, 2: Sigifridus...nutriens juniorem Heinricum secum 
tenuit, Heinrich war ſchon 16 Jahre alt, und brauchte deshalb feinen Pfleger 
mehr) Sollten bier nicht politiihe Gründe vorliegen? das teneri fo ganz 
freiteillig gewefen fein? Bergl. ©. 143 Anm. 2. 

I Leider läßt fi) nad) Widukind nicht ficher enticheiden, aus welchen Grüns 
ben Heinrich I. Otto deſignirte. An der betreffenden Stelle I, 41 heißi e8: qui 
marimus et optimus fuit; fol das heißen: der der Aeltefte und Tüchtigfte, 
oder der der Größte und Beſte war? — Letzteres nad) Analogie von Jupiter 
optimus maximus. Widuf. jagt II, 1: defuncto.... maximo optimo 
Beinrico, II, 36 aber: dominus rerum, fratrum natu maximus optimus. 
Liudpr. Antap. IV, 15 bat: Heinricus ... potissimum ac religiosissi- 
mum natorum suorum regem constituit. Hrotsuitha Gesta Oddon. v. 
37. 38: Hie aetate prior fuerat, meritis quoque major Congruus et scep- 
ttis defuncto patre gerendis. Vita Math. post. cap. 9: alii vero desi- 
derabant Ottonem, quia aetate esset major et consilio providentior 
(ergl. Thietm. I, 11). Alfo auch dort, wo feine frühere Geburt angeführt wird, 

wir feinen überragenden Werth betont, bei Liutprand nur letzteren. So 
Inappe Notizen wie Ruotger, Vita Brun. cap. 5, Flodoard, Ann. 936, find 
unansgiebig. — Am 13. Sept. 936 ftellte Dtto eine Urkunde aus, worin fol» 
gende Stelle vorlommt: si aliquis generationis nostrae (— meine Nadlom« 
menihaft!) in Francia vel Saxonia regalem potestativa manu possideat 
dem, in ejus defensione sit monasterium cum sanctimonialibus. Sin 
autem alter e populo eligatur rex, ipse quidem in eis suam regalem 
teneat potestatem, sed nostrae cognationis qui potentissimus erit ad- 
vocatus loci habeatur. Hierauf dürfte nicht zu großes Gewicht gelegt werden, 
md zwar, weil das Wort ‘cognatio’ darauf zu deuten fcheint, daß der Fall 
angenommen, wo feine Agnaten mehr am Leben jeien. (Mer ftand aud dafür, 
dab Dttoß Gefchlecht immer der Krone würdig bleibe, daf nicht jene Vollswahi 
nettwendig werde?). Weberdies fällt die Urkunde ganz in den Anfang der Re 
tung des neuen Königs, als fid) rings die Schwierigfeiten erhoben; da mag 

einer eine niedergeichlagene Stimmung bemächtigt haben, im der er jene 
Vorte {hreiben ließ. Es fomme was da wolle, die Advocatie über das ihm 
deifige Stift ſoll den Lindolfingern bewahrt bleiben! — 


AVIIL 10 


146 


eiblich verpflichteten, ihm nad) feinem Tode die Treue zu wahren. 
Sehr bezeicdhnend ift, daß wir in unferen maßgebenden Quellen das 
Wort ‘eligere nicht finden, e8 war eben feine Auswahl da, Liudolf 
war einziger Sohn und bereits mündig '. " 

Ganz anders geftalteten fich die Verhältniffe, al8 durd) Ottos Ver— 
mählung mit der jugendfräftigen Adelheid eine weitere Nachkommenſchaft 
in Ausficht fam. Noch war der Gedanfe der Individualſucceſſion nicht 
über Anfechtungen erhaben (vergl. S.143 Anın. 1), noch viel weniger 
der der Erftgeburt, und als num die Schöne Stiefmutter und Heinrich von 
Baiern, der gehaßte Onfel, das entjcheidende Wort beim Könige erlang- 
ten, als gar das Gefürchtete eintrat, Adelheid einen Sohn gebar, und 
man ſich zuflüfterte, daß Otto dieſem fein Reich zuzumenden gedenfe *, da 
hielt ſich Lindolf nicht länger; er warf das Schwert für feine Aufprüche 
in die Wage, der Gemahl der Schweiter, Friedrich von Mainz, viele aus— 
gezeichnete Männer und ein nicht unbedeutender Theil des Volfes hielten 
zu ihm (vergl. Ruotger, Vita Brun. cap. 19). Aus ſachlicher Er- 
wägung und perfönlicher Berbitterung hat er den Kampf begonnen und 
verzweifelt hat er ihn geführt; doc der Sieg verblieb dein Vater und 
bald erlofchen mit dem Tode des Sohnes feine Befürchtungen, 

Als Otto beſchloſſen Hatte feinen zweiten Romzug anzutreten, 
fammelte er eine große Anzahl von Getreuen in Worms, wo mit 
einmüthiger Zujtimmung der Großen des Reiches und des ganzen 
Volkes fein Sohn gleihen Namens zum Könige erwählt wurde 
(Cont. Reg. a. 961). Es gefchah die8 contra morem, weil er in 
gleiche Würde neben feinen noch lebenden Vater trat und er erſt das 
fiebente Jahr erreicht Hatte, mithin noch regierungsunfähig war. Ob— 
gleich Lindolf einen Sohn Hinterlaffen hatte, der mit dem nunmehr 
Erhobenen gleichen Alter8 war, fo hatte diefer doch, nad) dem Sate 
„nächſt Blut nähft Gut“, der aud im fränfifchen Rechte galt, den 
vornehmften Auſpruch auf die Krone, welchen Otto I. alsdann, wie 
bemerkt, ratificiren ließ; doch mag nicht ganz ohne Einwirkung ge= 
blieben fein, daß damals im jächfifchen echte die Beltimmung durch— 
gejetst wurde: der Sohn eines verftorbenen Sohnes fei neben dem über- 
lebenden Sohne gleich erbberehtigt®. Der Vater ließ dem Neuerforenen 
Schon jet die Salbung durch Priefterhand, mit ihr den Nimbus gött« 


ı So umgehen Widufind III, cap. 1, Wuotger, Vita Brun. cap. 18, 
Gerhard, Vita S. Oudalr. cap. 10, Hrotſuitha, Gesta Oddon. v. 442, unb 
ber bier beſonders präcije Flodoard, Ann. 953, den Ausdrud; dagegen faun der 
fpätere Thietmar II, 2: Unde pater (Liudulfum) communi tocius se- 
natus electione honoris consortem atque laboris decerneret successo- 
remque firmaret, um fo weniger geltend gemacht werden, als Thietmar 
bier nicht unabhängig von Widufind zu fein fcheint und e8 mit bem consors 
honoris atque laboris an ſich ein problematiih Ding ift. 

® Flodoard, Ann. 953: ferebatur eidem puero rex regnum suum 
promittere. Bergl. dazu Hrotiuitha v. 746 und die Geſch. Ludwigs d. Fr. 

* Wibufind II, 10; vergl. Sachſenſp. I, 5, 1: dazu Lex Wisig. IV, 
5, 4; cf. IV, 2, 18; Gengler, Privatreht II, S. 1313; Köpfe, Widufind 
S. 90. 140. Amira, Erbenf. S.123; Warnlönig und Stein, Franz. R. und 
Rechtsg. U, S. 442; Dahlmann II, S. 347. 


147 


fiher Weihe, und fpäter auch die Kaiferwürde zu Theil werden; Otto 
II. bereitete feinem Neffen durch die Uebertragung zweier Herzogthit« 
mer eine fajt königliche Stellung. 

Kaum war Otto J. geftorben, al8 man feinen, nunmehr erwach- 
jenen, Sohn auch als Alleinherrfcher begrüßte. Es berief derfelbe, 
zehn Jahre fpäter, einen großen Reichstag von italienischen und deut» 
hen Großen nad) dem lombardifc » färnthnifchen Verona, wo aber- 
mals der mos' in folcher Weife gebrochen werden follte, daß der noch 
nicht vierjährige Otto (III.) zum Könige erwählt wurde. Nachdem 
8 geihehen, warb der Knabe über die Alpen gebracht und von den 
mbiihöfen von Ravenna und Mainz in Aachen gejalbt. Noch weilte 
man beiſammen, da brad plötzlich die Schredenskunde herein, geſtor— 
ben jei der Vater, verwaift fei das Kind und wie diefes das Reich! 

Heinrich der Zänker übernahm als nächſter Schwertmage die 
Sormundichaft (Thietm. IV, 1. Ann. Quedl. 984). Doc als näd» 
tem Schwertmagen ftand ihm auch der nächfte Anfpruch auf den Thron 
zu, jobald e8 gelang den „unmündigen Otto, der wegen feines zarten 
Üterd nicht regieren konnte“ (Richer III, 99), bei Seite zu 
dieben. Er widerftand der Verfuhung nicht, fammelte ſich einen 
Anhang, vornehmlich aus geiltlichen Fürften beftehend, und arbeitete 
num entihieden dahin, die Negierung bei eigenen Hulden zu erlangen. 
Shen war er von feiner Kartei zum Könige ausgerufen, ein Tedeum 
erſchalte zu feiner Ehre!; das legte Ziel mußte die feierliche Salbung 
und Krönung fein. — Mit Heinrid) in gleicher Linie von Seiten der 
Spindel ftand Lothar? von Frankreich, der Sohn der Gerberge; biefer 
{rat gegen Heinrich, als deſſen ehrgeizige Pläne rucdhbar wurden, auf 
und nahın ſeinerſeits die Vormundſchaft in Anſpruch, aus felbftfüche 
tigen Motiven, wie fein Nebenbuhler. Doc zwiſchen beiden erhob 
ih eine dritte Partei, die weder den Franzofen noch den Zänfer im 
deutſchen Neiche wollte regieren fehen. Sie bewahrte dem legitimen 

inde die Krone und wandte die Mundichaft der Mutter zu. 

Es dürfte hier daran zu erinnern fein, daß nım diefe Zeit in England 
Unmündigteit wiederholt als Hinderungsgrund zur Erlangung der Krone ange- 
ben wurde. Vergl. Lappenberg, Geſch. v. Engl. I, ©. 391. 461. 532. Die 
emmwirtung des vielfach mehr entwidelten angelſächſiſchen Reiches auf Deutichland 
wırd bedeutender geweſen jeın, als fich im Einzelnen erweifen läßt. Der gegenfeitige 
Serkehr reicht nämlich ſchon bis im die Zeit der römischen Herrihaft hinauf, 
Ouos des Großen Gemahlin Edith war befanntlich eine Engländerin, und der- 
be Herricher ſchloß mit Aedgar ein Friedensbiindniß. Um das Jahr 1000 
fuden wir die Deutichen bereits in ungewöhnlich begünftigtem Rechtszuſtande 
in London (Lappenberg, Stahlhof S. 1. 2), wie denn auch der Zufammenhang 
engellähfticher und deutſcher Krönungsformeln durch Waitz nachgewieſen  ift. 
Reis, Krönungsformeln S. 19. Auch der Umftand, daß ſowohl Heinrich II. 
At and Konrad II. ihre Brüder zwangen im den geiftlichen Stand zu treten, 
Bängt gewiß mit der Furcht zufammen, fie könnten bei einem vorzeitigen Tode 
mr gegen etwaige noch unmündige Kinder al8 Kronprätendenten auftreten. 
Brun von Braunfhmweig, der uneheliche Enkel Heinrichs J. kommt gegen 
diſe fegitimen Verwandten nicht in Betracht. Vergl. noch Dronke, Tradit. S.142: 
——— de Saxonia regali stirpe progenitus, Hertac no- 
Zune \ 


10* 


148 


Hatte Schon Otto IT. ausgeſprochen, daß ihm von Gott feine 
Herrſchaft kraft väterlicher Succeffion verliehen fei (Waitz, Verfg. VI, 
123), fo rief auch erbert als kundiger Hofınann feinem Zöglinge, dem 
dritten Dtto zu: du übertriffit die Griechen an Herrfchaft und regierft die 
Römer nad) Erbredt!. Die Krönungsformel, deren man fich in diefer 
Zeit bediente, hob an mehr als einer Stelle das erbliche Recht bei der 
Nachfolge hervor (Wait, Verfg. VI, 125). Es fann feinem Zweifel 
unterliegen, daß dafjelbe in Deutfchland wie in anderen Yändern fiege 
reich durchgedrungen wäre, wenn bie einzelnen Dynaftien won längerer 
Dauer gewejen, doch kaum Fonnten fie mit ſolchen Anfprüchen offen 
auftreten, und der Tod ſchritt ein, al8 Übermächtiger Verbündeter dei 
alten Rechtes der Auswahl. 

Auch noch auf einen Umftand muß Hingewiefen werden, der gan; 
dazu angethan war, die Nechtsbegriffe zu verwirren. Er bejteht in 
dem Hereinziehen Staliens in die fränkiſch-ſächſiſche Monarchie, dei 
königlichen Italiens fowohl als auch des Faiferlic) - päpftlichen, um 
zwar nicht als eines bloßen Nebenlandes. — Mag eine Partei de 
Staliener* und mag Dtto I. die Herrſchaft über die Apeninlände 
als eine folche betrachtet haben, die, durch da8 Schwert erworben, fid 
nur durch das Schwert behaupten Laffe, jo lenkte doc) fchon fein Sohn 
vermittelt der Tage von Verona und Aachen in jenes andere, engere 
Verhältniß hinüber, das ſich vorerft zu Gunften des Südens geſtal— 
tete?, Die intellectuelle Ueberlegenheit deſſelben machte fich geltend, 
Otto III. weilte in Rom und Ravenna als in ftändigen Reſidenzen, 
er zog die gebornen Römer feinen Deutfchen in Kath und That vor 
Gesta ep. Cam. II, 113)* und wollte gar das römiſche Recht zum 

aiferrechte ausweiten. Der Nachfolger Heinrich I. war jett nidt 
mehr König des Dft-Frankenreiches, er war eine internationale Größ 
geworden ?, die fich felber den angeftammten fcharf umgrenzten Rechts— 
boden unter den Füßen wegzog. Eine leidenfchaftlihe Unzufriedenheit 


! Olleris, Oeuvres de Gerbert ©. 298. Vgl. auch ep. 27: rem hr 
rilis vestri pueri, und: regem, heredem regni, regno privasti, bi 
Hirſch, Iahıb. I, ©. 437. 

3 Im der Grabichrift Benedicts VII. (Watterich, Pont. Rom. Vitae, S. 
86) heißt e8: Hic primus repulit Franconis spurca superbi |] Culmina qui 
invasit sedis apostolicae. 

s Giehe das ftolze Selbftgefühl in den Versus de Ottone et Heinrico 
(Dümmler, Anfelm der Peripat. S.81): Regum creatrix maxima |] Ce 
mat jam Italia. Die meiften Ouellen nennen bei der Krönung Ottos Ill 
nur den Primas von Italien, aud) bei Thietmar IV, 15 fteht Johannes von 
Ravenna voran. 

* Schr beadhtenswerth dürfte die Zufammenftellung in den Bezeichnungen 
Romanus, Saxonicus, Italicus fein, die Otto III. urkundlich auf fich bezogen 
bat. Waitz, Berfg. VI, ©. 111. 

5 Ein eigenthümlicher Beweis für die univerfelle Bedeutung des Kailer- 
thums möchte ſich auch darin finden laffen, daß im franzöfifchen KHanptkiofter, 
dem des heil. Martin von Tours, noch in weit fpäterer Zeit nad) Regierung 
jahren der Kaifer und der franzöfifchen Könige gerechnet ward, vergl. das Chron. 
Turonens. Magn., in A. Salmon, R&cueil de Chroniques de Touraine. 


149 


entwidelte fich gegen den fetten der Dttonen, bie ſich fogar auch auf 
jein Geſchlecht erſtreckte, wie bei feinem vorzeitigen Tode empfindlich 
zu Zage treten jollte, | 

Durd das Ereigniß von Paterno erlangten Heinrich) von Baiern 
und deifen jüngere Brüder, welche al8 Geiftliche endeten, die nächſten 
Anprüde auf die Krone!. In Betreff der Verwandtichaft von weibs 
iher Seite hätte man an die Söhne der Mathilde, Ottos III. Schwe— 
ter, denken fünnen, doch waren biejelben noch nicht erwachien, übers 
dies in einer Ehe erzeugt, die anjtößig gewefen zu fein fcheint, da 
Nathildens Gemahl, Pfalzgraf Ezzo, feinen Urfprung nur aus einem 
dten Minifterialengefchlechte herleiten fonnte?. Sie durften alfo nicht 
ernitlich in Betracht gezogen werden. Anders verhielt es fich mit 
Otto, dem Sohne der Piutgarde, welcher bedeutende Stammgüter bes 
af und dem Herzogthume Kärnthen vorftand. 

Da berichtet nun Thietmar (V, 16), daß diefer Otto von Hein- 
rih wegen des Anrechtes der VBerwandtichaft? und des Alters und 
ob feiner reifen Qrefflichkeit zum Könige auserfehen worden, daß er 
N diefe Laſt aber bejcheiden verbeten und Heinrich) als den fähigeren 
(aptiorem) erflärt habe, ihm aud) fortan immer getreufich freund 
gedlichen jei.. Das Anerbieten als folches darf nicht angezweifelt wer— 
den, dito mehr aber, ob Heinrich e8 ernft damit gemeint hat; er 
war det Sohn feines Vaters, war nad altem Frankenrechte der beffer 
berechtigte, war der mächtigere (Thanfmar, Vita Bernw. cap. 22), 
Wehrſcheinlich ſtellte er das Anerbieten in der ſicheren Vorausſetzung, 
deß es abgelehnt werde; er gewann dadurch den damals modiſch um— 
worbenen Heiligenſchein der Demuth und, was wichtiger war, die 
ihere Unterftügung des Kärnthners, deren er dringend bedurfte; denn 
gegen die Nachfolgeberechtigten hatte ſich ein ernfter Widerjtand erho« 
ben; wollten fie die Sache des Gefchlechtes retten, fo galt es, zuſam⸗ 


: Gesta ep. Cam. I, 113: Heinricum .. sibi legunt ... defuncti 
mperatoris proxime consanguineum. Ann. Quedl. 1062: Heinricus ad 
Quem summa imperii pertinebat. 

? Bergl. meine Studien zur Geſch. Konrads II, S. 19 Anm. 1. 

Thietmars Worte find: jus consanguinitatis. Würden wir fie mit 
„Borrecht feiner Verwandſchaft“ überfegen, fo fämen wir auf den fpäteren Grund« 
lag: „nächſt Blut, nächft Gut, der nächfte zur Sippe, der nächſte zur Erbſchaft“. 
in feinem ganzen Umfange, da Dtto von Kärnthen dem BVerftorbenen um eine 
nie näher ftand, als Heinrich von Baiern. Dies jedoch widerftreitet der An« 
Kenung, wie fie in den fränkischen Volksrechten niedergelegt if. Vergl. oben 
©. 133. 134. Hier mit harmonirt auch das Auftreten Heinrich® des Zänfers 
Diio III. gegenüber und die Stelle der Gesta ep. Cam. I, 113 u. A. Das 
Forftethingagefets ftellt in die erfte Erbfaffe den Sohn, in die zweite Tochter 
md Sohnesjohn ꝛc. Wilda in Zeitfchr. für deutſch. Recht XV, 252. Biel: 
lt begann um die hier in Betracht kommende Zeit die alte firenge Norm 
det Kranken ſchon in der Weife ins Schwanken zu gerathen, daß bei einer 
durch mehrere Zwiſchenglieder getrennten Bermwandtichaft, wie die Ottos und Hein- 
ns, ſich allen Ernſtes Zweifel erhoben, ob nicht beide gleichwerthig in Ber 
— fonnten, Vergl. Warnlönig und Stein, Fr. R. und Rechtsg. II, 


150 


menzuhalten. Ob Otto bedingungslos zurüdgetreten ift, wer mag 
das ergründen? (Vergl. S. 139 Anm. 1). 

Schon ehe die obigen Verhandlungen gepflogen fein können, be: 
nahm Heinrich fi) al8 “hereditarius successor’, dem die Regierung 
des Reiches zuftche!. Er empfing die Faiferliche Leiche ſammt den 
Inſignien und fegte Heribert von Köln, der aus Privatintereffe die 
heilige Lanze vorausgeſchickt hatte, gefangen, bis er fich zur Heraus: 
gabe bderfelben bequemte?. Die Begleiter der Yeiche, von denen er 
wußte, daß jie unter dem Einfluffe des ihm abgeneigten Erzbiſchofs 
ftanden, fuchte er durch Verſprechungen für feine Succeffion zu ge 
winnen; — nur fo fonnte einem Bürgerfriege vorgebeugt werden. 
Die Antwort, welche er erhielt, war ausweichend. 

ALS die Yeichenfeier in Aachen begangen, erklärte die Mehrzahl 
der Anweſenden Heinrich) wegen vielerlei Eigenfchaften ungeeignet (non 
idoneus) das Neid zu erlangen und zu beihüken (tueri) um 
erhob deshalb Hermann von Schwaben, der, mächtig dajtehend, wahr: 
ſcheinlich auch durch einen complicirten Stammbaum feine ferne Ver: 
wandtichaft mit Karl dem Großen darthun konnte. Die Thatſache, 
daß zuerjt Heinrich berücjichtigt wurde, läßt zur Genüge erkennen, 
daß man in ihm den zunächſt Berechtigten ſah; da er aber nicht als 
König erwünfcht war, fo berief man fi) auf die einzige rechtliche 
Möglichkeit, durch welche das Reſultat erreichbar fchien: man erklärte 
ihn regierungsunfähig. Vielleicht hat Mancher hier nad) befter Ue— 
berzeugung gehandelt, denn Heinrich war durchdrungen von der mön— 
hifchepietiftischen Anfchauung, die im Haufe der Ottonen zum guten Ton 
geworden war. — Wie am Rheine zeigten fi) Viele im Oſten geſonnen, 
auch dort trat in Effehard von Thüringen ein Thronbewerber auf. 

Es drohte augenicheinlih die Gefahr, das nad) Ungebundenheit 
ringende Fürftenthum werde das übel berathene Reich aus den Fugen 
Iprengen, indem Hermann, wenn er auch officiel und vorerjt wohl 
noch allen Ernftes nach der Krone der deutſch-italieniſchen Monarchie 
ftrebte, doch den bejcheidneren Hintergedanfen hegte, bei einem etwaigen 
Mislingen wenigftens die unabhängige Herrihaft über einen Theil 
derfelben und zwar die über Schwaben und Elſaß herauszufchlagen 
(Ann. Sang. maj. a. 1002. Hirſch, Jahrb. I, 217 Arm. 6). 
Längft fhon wurden die Herzogthümer als Neiche bezeichnet (Waitz, 
Verfg. V, 132 Anm. 3)°, und Heinricy hat im nächſten Jahre ur= 
kundlich ausgefprochen, daß ihm mit Gottes Beiftand die einmüthige 


! Annal. Quedl. an. 1002. Vergl. Wait, Berfg. VI, ©. 124— 126. 
Ufinger in Hirfh, Sahrb. I, ©. 438—446. Boehm, Quemadmodum ab 
Ottone I. etc., Berolini 1865, ©. 50 f. 

2Vergl. Sigeb. Gembl. a. 1002: Insignia regni ab eo violenter 
extorsit, quasi jure hereditario sibi competentia. 

° Auch die Auffaffung, welche fih im Sachſenſpiegel III, 53,1 findet, ift 
fiherlich nicht erft zur Zeit Eifes von Repgo entftanden; ihr zufolge waren 
Sachſen, Baiern, Franken und Schwaben urſprünglich Königreiche, die, von den 
Römern bezwungen, ihre Bezeichnung in die von Herzogthümern ummandelten. 
Die Kaifer thaten ihnen fpäter Abbruch, 


151 


Wahl von Völkern und Fürften und die erbliche Nachfolge im Neiche 
ohne irgend eine Theilung gewährt worden fei (Hirſch, I, 438; 
&uig VI, 122). 

Bir haben in diefen Worten, neben der Andeutung einer wohls 
begründeten Befürdtung, den alten Grundfag des erblihen Wahl» 
reiches! — Das Recht ftand auf Heinrichs Seite, es war Pflicht, 
dafielbe geltend zu machen, wenn nicht ander8 — mit Gewalt! An 
eine Zufammenbringung einer allgemeinen Neichsverfannnlung durfte 
bei der obwaltenden Zerfahrenheit nicht gedacht werden: fo brad er 
dern, nach fait jechsmonatlihem Interregnum, mit Eriegerifchen Ans 
jange gegen den Rhein auf, um „in Mainz feine Einfegnung zu 
empfangen“. Erzbifchof Willigis, wenn er nicht ſchon der intellectuelle 
Urheber dieje8 Unternehmens war, zeigte ſich ihm günftig gefinnt ; 
unter feinen Aufpicien wurde Heinrich in einer Parteiwahl erhoben 
und eiligjt von ihm zum Könige gekrönt. Es gelang dem letten Liu— 
dolfinger, fi fowohl in Sachſen als auch in Lothringen Anerkennung 
zu verihaffen?, und bald Huldigte auch Hermann von Schwaben. 
Devet, wie Heinrich war, ließ er aufzeichnen, daß die fromme Hand 
Gottes ſchnell und in gutem Frieden die Rebellion unterdrückt habe 
(Schöpflin, Alsat. diplom. I, S. 146). Wieder einmal hatte die 
Segitimität liber praftiiche Bedenken gefiegt. 

WVenn ſich unter Otto III. die enge Verbindung zwiſchen Ita— 
lim und Deutfchland zu Gunften des erfteren gejtaltet hatte, fo änderte 
ih dies feit der Regierung Heinrichs II. Alle unzufriedenen Ele— 
mente waren gewaltiam erplodirt; noch war fein Monat ſeit dem 
Greignifje von Paterno verfloffen, als fchon Arduin von Sorea, ein 
entſchiedeuer Gegner der deutjchen Dynaſtie, die Krone Italiens em— 
hing. Seine erfte Urkunde ftellt er aus als König durch göttliche 
Vorſehung, nach dem Willen Gottes des Retters und unferes Bes 
freiers®; die Ottonen erfennt er nicht als rechtmäßige Vorgänger an“. 


! Zu Werla ruft maxima multitudo einſtimmig: Heinricum Christi 
sdjatorio et jure hereditario regnaturum. Thietmar, Chron. V, 2. 

” Bergl. Waitz, Berfg. V, ©. 106. Auch Konrad I. wurde erft nadj- 
rägih in Sachſen und Lothringen gehuldigt (man denke aud an Konrad I. 
und Heinrich I), was mit dem Selbftändigfeitsbemußtjein der Herzogthümer zus 
lummenhängt. Dielelbe Sitte findet ſich im flandinavifchen Norden. Einen auf 
km atta fylknaping in Drontheim zum Könige erwählten fehen wir eine 
Rundreife durch das ganze norwegiſche Reich machen, um fid) an jeder einzelnen 
Dingfätte das Königthum befonders beftätigen zu laffen. K. Maurer, Belch- 
rung des normweg. Stammes zum Chriftenth. I, S. 281. Bergl. Beda, Hist. 
eceles. II, 16. Ueber die Reife der Meromwingifchen Könige bei ihrem Regie— 
tungsantritt, auf der fie den Unterthaneneid in Empfang nahmen, Maik, Berfg. 
I,&. 158. Stubbs, Const. Hist. I, &. 148, vergl. Kemble, Die Sachſen 
ir (deutſch von Brandes) I, 124. Grimm, Deutſche Rechtsalterthümer 

237. 


’ Provana, Studijcrit.sovra la storia d'Italia ai tempi del re Ar- 
doino. Ap. Ar. 21: In nomine.... Arduinus rex divina providente 
dementia secundum voluntatem Dei Salvatoris nostrique liberatoris. 
Salvator fommt auch fonft vor, liberator ift mir nur hier aufgeftoßen. 

* Provana Nr. 21 fagt Arbuin: per hoc nosſtrum regale praecep- 


152 


Er ift ein nattonal italienischer König und fühlt ſich als folcher, jei- 
nen Anhang findet er wejentlich in dem niederen Adel, den Bürger: 
ſchaften mehrerer lombardifcher Städte? und einem Theile der niederen 
und mittleren Geiftlichkeit?. Petrus von Como, der unter Otto IIL 
das Erzfanzler-Amt für Italien verwaltet hatte, der vornehmſte Be— 
amte im Lande, ftand vonvornherein auf feiner Seite. Dod wenn 
Arduin alfo als nationaler König galt, fo trat Heinric) auf als Rechts 
nachfolger der Dttonen*. Die Mehrzahl der hohen Geiftlihen (Hirſch, 
Sahrb. II, 364) und Manche aus der Yaienariftofratie hielten zu 
ihm. Schon am 16. November 1002 läßt er an Stelle des italie- 
nischen Biſchofs von Como den deutſchen Willigis als Erzfanzler für 
Stalien fungiren?; drei Monate fpäter, zu einer Zeit mithin, wo er 
noch nicht jenfeitS der Alpen gewejen und feine Sachen durch die Nie: 


tum, prout justeet legaliter valemus, confirmamus, quemadmodun 
a tertio Ottone (weder Titel noch praedecessor etc.) praeceptali auc- 
toritate confirmata sunt omnia. — Provana Nr. 24 übergeht Arduin 
Otto gefliffentlich, er jagt nur: quapropter ... ecclesiae.. . confirmare 
concedere dignaremur. In der Urkunde Nr. 25 zählt er Herrſcher von 
Karl dem Großen bis auf Berengar, mit ihren Titeln, als feine Borgänger auf, 
ohne etwas von den Ottonen wiffen zu wollen. Vergl. Tatti, Annali saeri 
di Como II, ©. 813 und 821. 816. 819. 825 umb die Privilegien Kon 
rads Il. S.840 und 842, wo fogar alle drei Dttonen genannt werden, auf melde 
Heinrich II. folgt, während Arduin übergangen if. Wie Otto III. und Hein 
rich II. jet aud; Arduin den großen Königsbann von 1000 Pfund Gold an. 

! (Arduinum) secundos veromilites pene,omnes in perjurii crimen 
atrociter coegisse, Provana ©. 344. 

* Das mächtige Mailand hat Arduin wahrſcheinlich ſchon anerkannt, be 
vor ber Erzbiichof von feiner griechiichen Reiſe zurückgekehrt war (Giulini, Me- 
mor. sulle stato di Milano III, ©. 24). Aus Thietmar VI, 7 könnte man 
auf antideutiche Geſinnung in Mailand fchließen. Nod am 27. Februar 1004 
urkundet Arduin dort. Prov. ©. 376. Aud Stadt und Geiftlichleit von Ber 
celli, deffen Biſchof doc die erhaltenen Alode Arduins (Prov. ©. 356) zu be: 
baupten hatte, dürften ihm nicht feindlich geweſen fein. (Ueber die in Vercelli 
ausgeftellte Urkunde vom Ende Januar 1005 vergl. Hirſch Jahrb. U, S. 373 
Anm. 3). Schon zur Zeit des Conflict mit dem Biſchof von Ivrea hielten «6 
viele Bürger der Stadt mit dem Markgrafen. Prov. S. 340. In beionders 
naher Beziehung fland er zu feiner Krönungsftadt Pavia (Prov. S. 362, 370, 
873), woraus fid die verbitterte Stimmung der Einwohner erflärt, bie den 
furchtbaren Aufftand zu Wege brachte; daß derjelbe nicht durd Heinrichs Gerech 
tigfeitsliebe entftanden ift (vergl. Thietinar), bedarf kaum der Erwähnung. Hirſch, 
Sahrb. II, S. 373— 375. 

8 Gotefredus Mediolanensis ecclesiae presbyter ift Arduins Kanzler, 
Provana ©. 376. Im Jahre 1003 ſchenkt Arduin dem Propft der Stifte 
fire von Bercelli (t), feinem Kanzler (!), Höfe. Vergl. Hist. patr. Mon. Chart. 
I, ©.415; Chron. Novaliciens., SS. VII, &. 128; Hirſch, Jahrb. II, &. 368. 
Die italieniihen Königscataloge rechnen von 1002—1004 Arduin als König; 
auch fie find von Geiftlichen geichrieben. 

* Bom Standpunkte der continuirlichen Dauer des Meiches, als deſſen 
Vertreter er erhoben war. Konrad II. jagt zu den Pavefen (Wipo, cap. 7): 
si rex perlit, regnum remansit; bdiejelbe Auffaffung liegt im Sachſenſp. IL, 
54, 2: alse man den koning küset, so scal he deme rike hülde don. 

°_ Eine tiefgreifende Aenderung, die befauntlid) in der Weiſe Beſtand er- 
hielt, daß die Würde an den Erzftuhl von Köln geknüpft wurde, 


153 


derlage Ottos von Kärnthen dort fchlecht ftanden, ließ ihn fein Ges 
treuer Siegfried von Parına fern in Nymwegen durch einen andereit 
Getrenen, den Markgrafen Thedald, angehen, ihm die Abtei Nonantula 
zuugeitehen, was Heinrich auch kraft faijerlicher “auctoritas’ ! gethan hat. 

Italien, von Außen durch Griechen und Saracenen bedroht, im 
Innern durch Zwietracht und eigenwillige Ungebundenheit zerrijfen, 
bot nicht Confijtenz genug für einen einheimischen wo Arduins 
Königthum friſtete ein kümmerliches Daſein; der Papſt mußte über 
die Alpen eilen und ein deutſches Heer in's Land rufen. — Bei ber 
nächſten gemeinfamen Königswahl, die bald darauf Statt fand, wurden 
die Italiener als Bürger des Reiches ebenfo erwartet, wie Sadjen, 
Sothringer und Slaviſche Markbewohner ?; aber nicht, wie vor jahren, 
trat man in Verona zufammen, fondern beim fränfifchen Kamba, und 
einzig in Betracht kommend war nunmehr die Stimme der Deutichen. 
Ohne auch nur einen Anſpruch auf felbftändige Kur oder auf Zuſtim— 
mung zu erheben, zogen Große und Stadtbewohner Staliens nad) 
Conſtanz und Zürih, um Konrad II. zu Huldigen, oder mit ihm zu 
verhandeln ?. Als dann wenige Jahre fpäter, wie einft dem unmün— 
digen Sohne Ottos II., jo jet dem des eriten Salierd das König» 
thum übertragen werden follte, vereinte fich wieder auf deutfchem Bo— 


! Imperialis auctoritas in der Urkunde neben nostra imperialis con- 
cessio. Orig. Guelf. I, ©. 516. Oſtern 1025 (Breflau, Kanzlei Konrads II. 
Nr. 2%), alfo noch ehe die italienischen Großen dem Könige Konrad gehuldigt 
batten, weilte fchon der Abt von St. Pontian bei Lucca bei ihm in Augsburg 
amd erbielt die Rechte jeines Klofter® von ibm beftätigt. In der Urk. vom 14. 
Juni 1026 heißt e8: rex Francorum, Longobardorum et ad imperium de- 
signatus Romanorum. Breflau, Kanzlei Nr.62. Im der Bulle Johanes XI. 
vom 31. Dftober 994, aljo bevor Otto nad) Italien fam: per interventum d. 
Ottonis excellentissimi regis nostrique spiritualis filii et futuri Dei 
gratiaimperatoris. Jaffe, * Pont. Rom. Nr. 2950 (ob echt). Wipo im Te- 
tralogus v. 111: (Heinricus III) caesar future. Diefer auf einer Bleibulle 
spes imperii genannt. Steindorff, Jahrb. d. deutſch. Reichs umter Heinrich III. 
2.1,8.17. Arduin nahm, fobald er zum Könige erhoben war, den Titel eines 
Cãſar an. Hirſch, Jahrb. II, S. 356 Anm. 2, vergl. ebdj. Anm. 1. Eine von 
ihm geihlagene Münze trägt die Aufichrift imperator, Provana 7, Beadjtend- 
wertb ift au, daß Robulfus Glaber die Begriffe de8 Imperium und Re- 

um — unterſcheidet. — Vergl. Waitz, Verfg. V, S. 112 Anm. 3; VI, 
. 103. 173. 

’ Wipo cap. 2: Italiam transeo, cujus principes in brevi conve- 
nire ad regiam electionem nequiverunt. Weber Burgund Hingegen bemerkt 
tt: Burgundia enim nondum Romano imperio, ita ut nunc, acclivis fue- 
rat. Bon einer zweiten Krönung Konrads in Mailand berichtet er nichts, viel« 
leicht weil fie ihm zu nebenſächlich erſchien. Arnulf. Gesta, SS. VIII, &.12, 
a 1024: Heribertus adiit Germaniam solus ipse regem electurus 
Theutonicum, läßt durchblicken, daß er fich zu unmittelbarer Theilnahme an 
der Königswahl zu Kamba berechtigt hielt. Daß die Italiener wirklich Geſandte 
nah Deutichland in der Wahlangelegenheit gefchidt hatten, fieht in dem Briefe 

von Reichenau. Giefebreht II, S 674. — Eine ganz andere Anſchau— 
ung war zur Zeit Eiles von Repgo herrichend, der im Sachſenſpiegel III. 52, 1 
aufzeihnete: De Düdeschen scolen den koning kesen dor recht. 

? Arnulf von Mailand gelobte Heinrich erft auf italienifhem Boden, doch 
noch vor der Krönung zum italienischen Könige, eidlich Treue, Thietmar VI, 5. 


154 


den eine große Verfammlung, die Sowohl das deutſche Reich als ver- 
muthlih auch Ytalien und Rom repräfentirte!, Solche gemeinfchaft- 
lich unternommene, oder doch fo geplante, gemeinfam verbindende dfs 
fentlihe Handlungen zeigen, daß Nord und Süd nicht in voller Sons 
derung geblieben waren, daß die Nachfolger Ottos I. nicht über zwei 
getrennte Reiche, fondern der dee nad) über eine große einheitliche 
Monarchie herrichten ?. Vollkommen und alffeitig verwirklicht iſt dies 
jer Gedanke allerdings niemals, der Gegenfäge waren zu viele und zu 
große?, die Alpen ftemmten ſich ihm entgegen, und lebendig zitterte 
nach der Gedanke eines felbftändigen italienischen Königreiches. Wider 


ı Steindorff, Jahrb. d. deutfch. Reichs unter Heinrih III. I, ©. 15. 

2 Bon diefem Gefichtspuntte aus konnte Konrad Il. den ein amberes 
Prineip vertretenden Pavefen jagen, das Reich verharre in feiner Dauer, wenn 
auch der König fterbe (Wipo cap. 7), wo nidjt an da® regnum Italicum zu 
denken if. Wie der Benetianer Johannes nur von einem Diadem der Reid 
weiß (regnorum ... diadema), das Heinrich II. rechtlich empfangen habe 
(SS. VII, &. 35), fo der Hofe und Familienhiftoriograph Wipo nur von einer 
Krone Konrads II. und von einer Heinrichs III. (cap. 23, SS. XI, ©. 263: Nam 
dum in superioribus annis duas coronas, id est patris et matris suse, 
mundus veneraretur, nunc tercia (Heinrici) addita; zu der Zeit war Kon 
rad ſchon Kaifer). Ein Poet in der Umgebung Leos von Bercelli fang, lange bevor 
Heinrich in Rom gelrönt wurde: Enricum sine sanguine praefecit monar- 
chiae. Höfler, Die deutichen Päpfte I, 331. Im Briefe Berno® von Reiche: 
nau (Siefebreht II, S. 674) werden die Italiener gemahnt, nicht übereilt zu 
handeln, fondern zu warten, quatinus nunc iterum unius regis cura jun- 
gat societas.. . quos hactenus nulla Alpium potuit se gregare 
asperitas, nec publica aut privata causarum sequestrare necessitas, 
wo klar und beftimmt die Zufammengehörigkeit der Reiche ausgeſprochen if. 
Das Gleiche wollen und nicht wollen ift Bernos Ideal in Betreff Deutichlands 
und Italiens, Im diefelbe Richtung dürfte es weifen, wenn das deutjche Kärn- 
then durch das italienische Verona und Aquileja vergrößert wurde. Auch da 
rauf mag aufmerkſam zu machen fein, daß ſich auf den Bamberger und Fuls 
difch-Eberhardifchen Handzeichnungen eine dreizadige Krone als fändig ver 
wendetes Attribut findet (auch auf den Köpfen der perfonificirten Provinzen x); 
diefe Thatfache und die Zeit der Entftehung in Betracht gezogen, können wir laum 
umbin an eine myſtiſche Deutung zu denken: die Dreiheit weift auf die Dreiti- 
nigfeit, diefe dürfte wieder eine Anfpielung auf die drei Haupttheile des Rei— 
ches fein, auf Germania, Italia (Roma) und Gallia, genau wie fie und das 
eine der Bilder überliefert. Giefebreht II, S. 601, 95; Cod. Eberhardi ım 
Marburger Staatsarh. Aus allem diefem dürfte fid) ergeben, daß der Einwand, 
bie Italiener feien nur als perfonal mit den Deutichen Uniirte zur Kur gelommen, 
nicht ftihhaftig ift. Der Begriff der Perfonalunion dürfte fogar den Deutſchen 
des elften Jahrhunderts fremd geweſen fein. — Auch das ift zu beachten, mit 
in Italien und Deutfchland die richterliche Thätigkeit des Königs für unſert 
Zeit in gleicher Weiſe durchaus an das Hofgericht geknüpft iſt, wie noch in ber 
ftaufiihen Periode fich ein Richten des Kaiſers nad; Urtheil der Großen findet, Fälle, 
bei welchen auch in Stalien in rein italienifchen Angelegenheiten nad) der im deut- 
{chen Hofgerichte üblichen Weife geurtheilt wurde. Ficker, Forſch. J, $. 160. 162. 609. 

3 Wir dürfen uns jedod auch nicht die Verbindung der einzelnen demt- 
{hen Stämme irgendwie eng denfen, jeder derſelben bildete ein regnum füt 
fi, lebte darin mit eigenen Dialekten, Trachten, Rechten und Gewohnheiten, haßte 
und verachtete den Nachbarn gewöhnlich mehr als erſprießlich war. Waiß, 
Berig. V, ©. 147, 148, dazu z. B. Widufind II, 15, wo die Lothringer une 
friegerifch genannt find, Thietmar VI, ©. 32, der ihnen unbeftändige Gefinnung 


155 


denjelben machte fich feit dem Tode Ottos III. die robufte Kraft 
Deutihlands geltend ?: der Erzfanzler Staliens war ftehend ein Deut: 
iher, die Thätigkeit des Pfalzgrafen, der ftetS ein italienijher 


wand gewohnter MWeife Unrecht vorwirft; die Alemannen find verruchte, zum 
Rauben nur zu jehr aufgelegte Menfchen, Thietmar V, 7; die Baiern begnit: 
gen fich daheim mit Wenigem, find aufer Landes aber unerlättlih, Thietm. V, 
11 (VI, 8). Bet foldhen Gefinnungen war es natürlich nichts Seltenes, daR 
gefährliche Kaufereien entftanden, fobald verfchiedene Völkerſchaften zuſammenla— 
men: auf dem Reichstage zu Tribur, 875, geriethen Sachſen und Franfen au 
einander, Annal. Fuldens. an. 875; während Konrads II. Aufenthalt in Hil: 
desheim ftießen die fächfiichen Getreuen des Biſchofs mit dem gewiß im MWefent- 
lihen fränkischen Gefolge des Königs zufammen, Vita Godeh. prior cap. 26, 
SS. XI, S. 186; bei der Krönung Kunigundens die Baiern mit den Sachen, 
Thietm. VI, 11. — Demnad ift e8 als eine weile Vorficht zu betradıten, daß 
Heinrih II. die Alemannen, Franken und Lothringer außerhalb Pavias gelaffen 
bat. Bergi. Thietnar VI, 6; Widuf.II,6.— Wie man in den Zeiten Arnulfs 
meiteln konnte, ob eine Ehe unter den Angehörigen verichtedener Stämme nad) dem 
Rechte des einen vollzogen eine rechtmäßige ſei (Waitz, Berfg. V,S.149), jo tagte 
aud der Mönch Gottſchalk, daß die Zeugen, welche gegemmwärtig waren, als feine 
Eltern ihn für das Klofter beftimmten, nicht wie er aus ſächſiſchem Stamme, 
ſendern aus fränkischen gewefen, mithin der vorgenommene Act ungültig 
ki. Hraban, im Einne der univerjellen Kirche, ermiderte, daß e8 vor Allem 
auf die Glaubwürdigkeit und Rechtichaffenheit der Zeugen anfomme. Kunftmann, 
Htab. Magn. Maur. S. 70. Im derfeiben Richtung fiel eine Enticheidung des 
Cencils von Tribur. Waitz, V, S. 149 Anm. 4. — Waren die Gegenfätze 
eines deutichen Stammes gegen den anderen fchon groß, fo waren die zwilchen 
Deutihen und Stalienern im Rechts» und focialen Leben doc; noch größer. Thiet« 
mar findet fie beftechlich, III, 8; gottlos, V, 16 und im Böſen einig, VI, 5. 
Cie verziehen Gerbert nie, daß er im Dienfte des Barbarenkaiſers geftanden 
hatte, ep. 11, 5. Vergl. Gfrörer, Kirchengeih. III, S. 1406 u. A. Sclugen 
die Deutichen mit dem Schwerte drein, fo wehrten fich die Staliener mit den 
unbeimfihen Waffen der Unterdrüdten, mit Gift und old. 
I Der Inhalt von Bernos Schreiben (Giejebr. II, S. 674) fcheint mir 
im Wefentlichen darauf hinauszulaufen, daß er den Stalienern eine Nolle über: 
weit gleich derjenigen der übrigen Provinzen. Bon folhem Standpunkte aus 
müflen fie fich natürlich ebenfo wie diefe vor übereilten Schritien hüten, dürfen 
fie nicht einfeitig vorgehen. Was der Convent bei Kamba beichließt, wird ber 
Geſammtmonarchie zu Nut und Frommen gereichen. Vergl. Pabft in den Forid. 
V, S. 343. 346; Waitz, Berfg.V, S. 108 Anm. 4. — Zu diefer Auffaffung 
ſtimmen die Bamberger Zeichnungen. Auf der einen Huldigen vier weibliche 
Geftalten dem Könige Heinrih: Roma (Stalien), Gallia (Fothringen) Ger- 
mania und Slavia (das rechtselbiiche Deutichland mit den Marken und Böh- 
men, vergl. Wipo cap. 2: adjacentes Sclavi). Hier find alfo die vier Be— 
Randtheile des Reichs in eine Linie geftellt ; Hielten Gallia, Germania und 
Slavia, d.h. die nordalpinischen, wefentlich deutichen Theile deffelben, zufammen, 
oder auch nur die compacte Maffe von Germania und Slavia, fo war ihre 
Ücberlegenheit gegen das vereinzelte Roma von jelber bedingt, wodurch ſich je 
ned andere Bild ergiebt, im deffen Mitte die blonde Germania fteht, Scepter 
und Weltfugel, die Infignien der Herrfchaft, in der Hand haltend, zur Rechten 
Roma, zur Linken Gallia, während ſechs weibliche Halbgeftalten, flaviiche 
Stämme, Tribut bringen. Gieſebrecht II, S. 601, 95 und Titellupfer; Förfter, 
Geſch. d. deutih. Kunft I, S. 68. Doc bleibt zu beachten, daß Italien einen 
Erzlanzler — allerdings einen deutichen — hatte, während es für Lothringen 
feine eigene Kanzlei gab; bezw. nur kurze Zeit gegeben Hatte. Dümmler, Oftfr. 
8. U, ©. 407. 499. 


156 


weltlicher Großer gewefen war, als Vorfigenden im königlichen Hof 
gerichte hörte auf, und am feine Stelle trat der Kanzler; mafjenhaft 
wurden italienische Bifchofsfite, wahrfcheinlich auch reiche Abteien, durch 
Deutſche beſetzt; die Königsboten für Italien und die Kanzler deſſelben 
ſcheinen überwiegend jener Nationalität angehört zu Haben, und Hein— 
rich III. erhob gar eine Reihe von Deutfchen zu römiſchen Päpiten !, 
Das König = Kaiferthum ging abermals von national = deutfcher Baſis 
aus, was ald natürliche Folge ergab, daf ſich in dem nicht deutichen, 
doc beherrichten Italien ein Ruͤckſchlag gegen dajjelbe hervorbildete. 
Er erfolgte durch den toscanifchen Bauernfohn (?), der als Gregor 
VIL den Stuhl Petri beftiegen hatte?. Wie dieſer das Verhältnif 
von Sid und Nord durchaus umgeftaltete, fo war er e8 auch, ber 
jener Tendenz einer erblichen Thronfolge, die in Deutfchland im 
Er immer wieder durchzubrechen fuchte, principiell den Garaus 
machte. 

Vorerſt eilte die Dynaſtie der Lindolfinger ihrem Ende zu; nicht 
nur Otto TIL, auch Heinrich IT. ftarb, ohne Kinder zu Hinterlaffen, 
und der einzige ihm überlebende Bruder war Biſchof von Augsburg. 
Es ergab ſich daraus, daß die Anfprüche auf die Krone den Vers 
wandten von weiblicher Seite zufielen, welde aus den Söhnen Ezzos 
bejtanden, die nunmehr erwachſen waren, und zwei Konraden, den 
gleichfalls felbftändigen Enfeln Ottos, jenes Kärnthner Herzogs, deſſen 
Jus consanguinitatis ihm einft das Anerbieten der Thronfolge ein: 
getragen hatte. Die mißliebige Che der Mathilde und der Umſtand, 
daß es den Pfalzgrafen nicht gelang, einen Ausschlag gebenden Anhang 
zu gewinnen, mußte fie gegen die Konrade zurücktreten laffen. Um 
diefe jammelten ſich die Parteien, und zwar in der Weile, daß Pili⸗ 
grim von Köln mit den Lothringern zu dem jüngeren hielt, während 
Aribo von Mainz mit dem größeren Theile feiner Suffragane und 
der mächtigen Familie der Luxemburger fich auf die Seite des älteren 
ſtellte. Ob Kaifer Heinrich einen von den beiden defignirt hat, läßt 


Ficker, Forſch. zur Reichs- und Nechtsgeih. Italiens 8.171. 178. 322. 

2Intereſſant für die auch bereits anderen Ortes auftauchende Aenderung 
ber Anſchauungen ift der Bericht Anfelms in den Gesta ep. Leod. cap. 58, 
SS. VII, ©. 224. Wiger von Ravenna wird wegen verichiedener Vergehen 
1046 nad) Aachen vor König Heinrich III. gerufen. Das Urtheil der dort ver: 
fammelten Bifchöfe ward gefordert; respondentibus quibusdam ad volunta- 
tem imperatoris, quibusdam vero hesitantibus, venitur ad Wazonem 
episcopum (Leodiens.), illo multum excusante, Italicum episcopum 
nequaquam a se cisalpino debere judicari, imperator iterum, 
ut ammonitus per obedientiam super hoc acto judieii sententiam edi- 
cat, vehementer insistit. Darauf Hin wendet Wazo feine Einrede, e8 handle 
ſich um Kirchliche Angelegenheiten, deren Enticheidung dem Papſte zuftehe; Waʒo 
mochte fühlen, daß es mit feiner erſten Ausflucht übel ſtehe. Wir haben bier 
alfo die zwei Anfhauungen: Heinrich III. und ein Theil der Berfammlung will 
über den italienifchen Bifchof wie über einen Angehörigen deſſelben Reiches ge- 
urtheilt wiſſen, Wazo fcheidet zwiſchen italienifchen und dentichen Stantsange- 
a — Steindorff, Heinrich III. I, S.296; Wider, Forſchungen II, 


157 


fh nicht ficher beantworten, wahrfcheinlich ijt dem jüngeren die Be— 
vorzugung zu Theil geworden 1, 

Die verwidelten Verhältniffe bewirkten, daß abermals, wie nad) 
ku Tode Dttos III., die Mächtigeren das Haupt erhoben und nad) 
den Höchſten oder doh nach Hohem ftrebten. Daß dennoch bei der 
Definitivwahl nur die Nachfommen der Lindgarde ernftlich in Betracht 
gezogen wurden, zwei Männer, die fi an Befitthum bei weiten nicht 
mit den Stammiesherzögen meſſen fonnten, zeigt klar wie nichts An— 
deres, was es ausmadıte, daß ein Zröpfchen vom Blute des großen 
Karl in ihren Adern rollte?, denn noch waren die Deutfchen nicht 
dahin gediehen, fi) aus Politik machtlofe Könige zu ſetzen. Bekannt— 
(ih fiel die Entjcheidung bei Kamba zu Gunften des älteren Konrad, 
des würdigjten?, des ärmeren. Konnte e8 doc) fogar im Auslande 
heißen, es jtehe derart mit ihm, daß er nichts zu verfchenfen habe +, 

Der erſte Salier hielt es mit jeinem Sohne wie der erjte Dtto, 
und Heinrich IV. folgte umangefochten als unmiündiges Kind feinem 
Toter. Während der Minderjährigfeit deſſelben erftarfte der hohe 
Adel zufchends, doc die Schlacht an der Unftrut entſchied das Ueber— 
gewicht des Königs, welches er unter Anderem in der Weife zu nuten 
wuhte, daß er die Thronfolge feines einjährigen Konrad durchſetzte. 
E ſchien, al8 ob die Erbfolge des Erftgeborenen das Recht der Aut» 
wählung erdrüden folle, und doch beitand gerade darin eine der we— 
jentlihjten Handhaben für die anmaßlich auftretende Ariftofratie. Wollte 
fie fi diefelbe wahren, jo mußte fie die Praris durchreißen. 

Schon beim Tode Dttos III. hatte die revolutionäre Fürſtenge— 
walt mit dein altehrwürdigen Thronfolgerechte des Geſchlechts den 
offenen Kampf begonnen; fie war unterlegen, und nicht befjer ſollte 
es ihr bei den Verſuchen ergehen, die fie zwei Jahrzehnte fpäter 
machte. Erjt jest, da fie fich nicht entblödete, mit dem furchtbarften 
deinde des König-⸗Kaiſerthums, mit dem regenerirten Papſtthume ſich 
zu verbünden, erft jest gelarig es ein Weiteres durchzufegen. In 
Forchheim wurde in Gegenwart zweier apoftolifcher Pegaten laut alle 
gemeiner Zuftimmung für Necht befunden und durch die Auctorität 


! Bergl. meine Studien zur Geſch. Konrads II. S.19—27. Zu ber dort 
©. 27 Anm. 2 geäufßerten Möglichkeit bezügl. der Uebergabe der Infignien 
dürfte Thietmar V, 9 als analoger Fall gezogen werden, wo e8 heißt: Bern- 
hardus igitur dux, accepta in manibus sacra lancea, ex parte omnium 
regni curam illi fideliter committit. Heinrich II. hatte die Lanze fchon feit 
Monaten von Heribert in Händen. 

? Bergl. meine Studien S. 24 Anm. 3. 

’ Wipo cap. 2: propter virtutem et probitatem .. . pene omnes 
eligerant. Wipo iſt allerdings nicht ganz unpartetiich, bei dem jüngeren Kon- 
rad betont er nur deffen potentia und ambitio. Auch die Worte bei Gotfried 
von Biterbo (SS. XXI, S. 243) find troß ihrer Jagenhaften Einkleidung für die 


Sache als ſolche herbeizuziehen: Cuno ... interrogatus, quis ad imperium 
aptior videtur. 
* Wilhelm von Aquitanien ſchreibt an Leo von Bercelli: Cunon ... . ne- 


que posse donare fertur, nec aliquid auferre in regno Italiae. Bou- 
quet X, ©, 484, 


158 


des Vicars Chrifti beftätigt, daß die königliche Gewalt Niemanden mehr 
durch Erbrecht zukommen dürfe, wie es bisher Rechtsgewohnheit ges 
weſen, fondern ausfchlieglid durch freie Wahl der Fürften zu verges 
ben fei (Bruno cap. 91. Paulus Bernr. cap. 95). Die Zufage 
Rudolfs von Schwaben, feinem Sohne nicht ſchon bei feinen Yebzeiten 
die Krone zuzumenden, liefert dazu den praftiichen Commentar. 

Das Belieben der Keichsariftofratie hatte Geftalt gewonnen ; 
die Yegitimität nahm den Kampf auf und führte ihn durch zwei Jahr— 
hunderte. Ein neuer Abjchnitt der deutjchen Gejchichte war eröffnet: 
die blutige Epoche der Gegenkönige. Aber wenn aud ein König von 
Fürften und Papftes Gnaden geloben fonnte, dem Nachfolger Petri 
treu und gewärtig zu fein, das deutjche Volk bewährte dennoch, daß 
es ein Volk des Rechtes fei. 

Wohl felten ijt in einem wenig confolidirten Reiche, unter bei— 
fpiello8 ungünftigen Berhältniffen, jo zähe und folgerichtig an einer 
ſtaatsrechtlichen Gewohnheitsfagung feltgehalten, wie in deinjenigen, 
welches fich zeitweife von der Nordfee bis gen Apulien erftredte, an 
dent Rechte der Familie auf die Thronfolge ; lange Jahrhunderte war 
und blieb dort die Erblichfeit das Erjte und Urfprüngliche, wejentlich 
nur als Regulator derjelben diente die Kur. 


Kleinere Mittbeilungen. 


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—— 


— 


Berje ans der Huflitenzeit. 
Mitgetheilt von R. Peiper. 





Die nachſtehenden Gedichte fand ih, nad) Rhythmen aus der 
Zeit des Verfalls ſuchend, um in ihnen Aufſchlüſſe über Erzeugniffe 
früherer Zeit zu gewinnen, in dem ums Jahr 1702 zumeift aus 
Handiriften der Pauliner-BibliotHef in Yeipzig zufammengetragenen 
‘Opus miscellaneum’ des evangelischen Pfarrers Chr. Ezedjiel, eines 
für die ſchleſiſche Geſchichtsforſchung wichtigen Sammlers, über dejfen 
Leben md Schriften kürzlich Dr. Markgraf in der Zeitjchrift des 
Vereins für Geſchichte und Alterthums Schlefiens, XII, 163—195 
(1874), ausführlich berichtet Hat. Dort ift aud) S. 179 jenes Opus 
mise. erwähnt, welches fich heut im Beſitz der Breslauer Stadtbi- 
iothef befindet. In dem dritten (einft fünften) Bande deffelben jte- 
hen die folgenden Gedichte ald Nr. VII, VII, XIX, XXXVII und 
XXXVIII auf Bl. 127°, 1297, 207°, 448”, 45lr. 

Ueber die Dichter, denen IL und V zugefchrieben werden, Johann 
von Weglar und B. de Marojchis Habe ich nichts in Erfahrung 
bringen könnn; die jchlechten Bere, zumal de& erfteren, laſſen fie aud) 
einer mühſeligen Nachforſchung wahrlich nicht werth erjcheinen. 

Die Abſchrift Ezechiels ift reih) an Fehlern, deren BVerbefferung 
nicht überall jofort zur Hand war; oft genug mag die jchledhte Schrift 
der Vorlage die Schuld daran tragen, aber zur Erklärung von Feh— 
lern wie 3. 3. IV 1, 1 promere et usque reidjt eine foldhe Ans 
nahme nicht aus; wir finden ja im III und in den in der Anmer— 
fung dazu angeführten Liedern Huffitifchen Inhalts, wo mehrere Hands 
Ihriften zu vergleichen geftattet war, Uebereinſtimmung der letzteren 
in den meiften Fehlern und müſſen diefelben alſo auf Rechnung man— 
gelhafter mündlicher und fchriftlicher Weberlieferung fegen. 

Dem Gedicht I ift der befannnte Hymmus de ceruce domini 
des Claudianus Mamertus zu Grunde gelegt, IV der alphabetifche 
Hhmnus des Sedulius: A solis ortus cardine; V der Johannes— 
hymnus des Paulus Diakonus; die Vorlage für III ijt viel jünger; 
von ihr wird weiter unten Mittheilung gemacht werden. 


XVII. 11 


1. 


2. 


| Hymnus, quem Bohemi Pragae in celebratione festi Johannis 


Huss decantarunt. 


Pange lingua gloriosi 
Praelium certaminis, 
Quo bellantur studiosi 
Vi divini numinis 
Contra dolos eriminosi 
Et perversi agminis. 


Virum gignit virtuosum 
Bohemorum regio; 


Castum, pium, fructuosum, 


Suo fovet gremio; 
Viva fide animosum 
Transmittit concilio. 
Ibi legis veritatem 
Forti mente profitens, 
Tectam cleri vanitatem 
Clara voce detegens 
Ac vivendi puritatem 
Per scripturas astruens: 


4. Tanquam privus condem- 


natur 
Verus a fallieibus, 
Vinelis diris mancipatur 
Justus a scelestibus, 
Sanctus igne concrematur 
Saevis a tortoribus. 


. Sie fidelis coronatur 


Servus vitae laurea, 
Et honore sublimatur 
In caelorum patria, 
Quitriumphat, dum luctatur 
Mundi cum malitia. 
Patri summo atque nato 
Laus sit et imperium 
Spiritui ac beato 

Ultra aevi terminum, 
Qui fideli tribulato 
Suum donat gaudium! 


Versus hexametri de inceineratione haereticorum Hussonis et 
Jeronymi a M. Joh. de Wetslaria compositi. 


Jam breviter mundus mendacem dicere totus 
Juste censetur Hussonem Parce ministrum 
Et deceptorem fallacem tot animarum, 
Ille haereticus combustus et incineratus 
Est in concilio Constantiae rite parato 
Anno milleno C quater decimo sexto. 
Audivi dici, et est mihi saepe relatum, 
Cum hie haereticus Husso duceretur ad ignem, 
A viris doctis et magnis est sibi dietum 
Neenon consultum: tantum remaneret inultum 
Hoc malum, jam actum per eum et saepe patratum, 
Si reclamaret; ab igne se liberaret, 
Si tamen haec fieret praesenti synodo sancta. 
Illis dicebat respondet atque ajebat: 
15. ‘Nobiles jam multos populos et agmina multa 
Petro fidem illam traxi, imo et stabilivi; 
Hac mihi de causa non reclamare licebit'. 


10, 


I, 4,, Vineulis 9f 


II, 15 populosor die Abſchrift, pplosor am Rande. 


163 


II. Carmen s. rhythmi Latini de haeresi Bohemorum. 


l.Omnes Christicolae 
mentes advertite, 
statum mundi cernite, 
mox ex hoc perpendite, 
messem esse prope. 

2. Fides — catholica, 
orthodoxa ecclesia, 
papa cum fratribus 
ac dominis praesulibus 
simulque totus elerus. 

3.Hen male despieitur, 
dum per vim subjieitur 
seculari gladio; 

inmn hujus mundi studio 

‘  aufertur honos deo. 

4.Montibus pellueidum 
sol abstraxit radium, 
quem nunc a convallibus 
humiliumque eordibus 

_ tredo recessurum. 

‘| 9 Fides fugit Asiam, 

J derelinquit Africam, 
eaul est Bohemiae 
‚simulque Moraviae 
in finibus Europae. 

‚His jam in confinibus, 
diversis scismatibus, 
varlis haeresibus, 
perversis dogmatibus, 
errores renovantur. 

1, Error ibi Arrii 
simulque Nestorii, 
malitia Eunomii, 
scelus Macedonii 
ac Euticis perversi, 

8. Pelagii malitia, 
Ebonitae nequitia 
Wiclefque stultitia, 
simul Huss maleficia 
ac haeresis perversa. 


— in 


9. Anno millesimo 
| quatercentesimo 
' additoque decimo 
orta est haec scissio 
in Pragensi clero. 


10. Stipes hujus haeresis 
cum suis fallaciis 
est Wiclef auctor sceleris, 
degens nunc in inferis 
cum dogmate perverso. 
11.Ex quibus post ortus est 
et Johannes Husinecz 
Johannesque Biskupez, 
Nicolaus Kunrateez, 
Christianus Jacobellus. 
12. Haec sunt primogenita 
in ista malitia, 
qui sanctorum merita 
cum sua nequitia 
noverunt postergare. 
13.Ex quibus post orti sunt, 
qui hanc sectam astruunt, 
veritatem neseiunt 
sanguinemque sitiunt; 
hoc est genus perversum. 
14. Horum jam recensita 
maledicta nomina 
sunt in baratro nota, 
quorum signatio tota 
est maledictio plena. 
15. Hi regnant in aetheris 
sieut cancer in aquis, 
quorum hic memoria 
sine omni gloria 
non est laude digna. 
16. Horum jam novissimus, 
Ruckizanus pessimus, 
Panista scelestissimus, 
nequam astutissimus, 
haeresis defensor. 
17.Hi de stirpe Canaan, 
pater quorum est Satan, 
genuit quos Jesabel, 
Tschieth gym vladne 
ydiabel 
in regno Acherontis. 
18. Romanam ecclesiam 
asserunt adulteram, 
papam Christi vicarium 
et coetum cardinalium 
Pseudo nominantes,. 


1l® 


164 


19. Omnesque articulos 23. Heu caput nostrum ceecidit, 
hos Wicklef erroneos quod huic sectae restitit, 
dieunt salutiferos, Ladislaus occubuit, 
heu Christo consonos, totus orbis doluit 
false condemnatos. de tanti regis morte, 
20.Hi ambulant in griseis 24. Jesu rex in aethere, 
tunicis, caputiis in brachio potentiae, 
cum longis liripipiis nutu tuae clementiae, 
in summitate verticis, in regno Bohemiae 
cussinam differentes. fidem tuam defende. 
21. Haec secta fortissima 25. Mater misericordiae, 
est et validissima pietatis et gratiae, 
caput habens validum, nobis fer spem veniae, 
Podiebrath Georgium, in valle hac miseriae 
regem hunc modernum. populum defende. 
22. Hine sanctus apostolus 26.Omnes devotae animae, 
claret ex sie) baronibus, Vestro posco juvamine: 
imperator validus errorem hunc ut valide 
cum caeteris principibus deus misericordiae 
secum pepegit foedus. conculcet, exorate! 





K. Höfler, Geſchichtſchreiber der Huffitifchen Bewegung in Böh— 
men I (Fontes rerum Austriacarum. Erſte Abth. SS. IL Band), 
hat S. 558—560 denfelben Rhythmus als ‘cancio de autoribus 
bohemieci scismatis aus der Handichrift der Prager Univerfitäts 
bibliothet XI C 8 in etwas anderer Geſtalt herausgegeben. Beide 
Texte liefern gegenfeitig fo manche Verbefjerung und Ergänzung. Ich 
bezeichne Höflers Text durch P, den Text Ezechiels durch L. 

Die Breslauer Abſchrift enthält die Notiz: compositum fuit 
hoc carmen circa a.C.1463. vid. Cod. 841 Libb. Coll. Prine. 
Maj. pag. Cat. Feller. 381. “Diejelbe bezieht ſich auf das bekannte 
Tellerfche Verzeihniß, in welchem ich auch angezeigt finde: Rhytbmi 
de morte Wenceslai Imperatoris; M. Joh. de Wezlaria versus 
de ineineratione Bohemorum Hussonis et Hieronymi, ©. 363 
Nr. TI und ©. 404. 

1,, mente L ,ethoc L 2,, nunc fehlt P , cum suis fr. P, 
lie® domnis 3,, displicitur L_ , in mundi hujus P „honorP 4, 
pellueidis L_ perlucidis P. Reim und Sinn fordern pellucidum , que 
convallium L , cordium L 5,, dereliquit P 6 Error ibi Arii ift 
vor V. 1 geftellt aber als Anfang von 7,, dort wiederholt 6,, dimersis L 
7, AriiP , que] etP „ac fehlt P 8,, Ebeonite P „ que] ibi P 
« Hus simul P ,„ heresi P 9,, quadringentesimo P quatercensimo L 
10 Ex quo mox exortus est ift hier in P vor Vers 1 gefetst, derielbe 
Bers bildet dort den Anfang von Str. 11. , est zu tilgen; oder sceleris 
und inferis zweifilbig zu lejen sa scelerum zueft L 4 inferum zu⸗ 
eft L 11,, Ex quo mox exortus est P Ex quibus post omnibus L 
a et fehlt P Joh. deH. P Huspenitz L „BiscopitzL , Commenitz L 
s Christiannus P Jacubellus L 12,, que P ,„ postergia L poster 
gare bedeutet contemnere; f. Ducange 13,, orta P „ et ver 


165 


tatem L et fehlt P. Die Strophenorbnung ändert ſich in P, e8 werden außer 
einer Anzahl böhmifcher Strophen mit einzelnen lateinischen Worten, die ich durch 
Kreuze bezeichne, vier lateinische Strophen (Sternchen), welche in L fehlen, ein« 
geihoben, dagegen zwei, die L hat (Str. 21 und 22) mweggelaffen; die Ordnung 
it folgende: 
. 13 +17 15 **r 14 y * 16 * 20 18 19 23 bis 26. 

14,, incensita L_ ,—, quorum signacio | tota est maledictio [| plena P 
quae insignatio tota | est maledictione plena L 15,, memoria] zuerft 
romina L 16, , Rokyzcana P , sclestisimus P , nequam] ribal- 
dusP ,„ heresin defenditP haeresis desordesL 17,, HiceP 17,, 
Czert gymi wladne v diabelP „ achirontis au P 19,, que] hii P 
‚hos] hus P erroneus zuerfi L_ , heu ift zweifilbig, es fehlt P Christi 
legi consones P 20,, cusinos P deferentes P 22,, suis iſt zu tilgen 
23,, sectae] heresi P „sic P fehlt L tota urbs, darüber orbis L 
%4,, O Jesu P ,nutritorP „in regno hoc B.P 25,, Mater P 
Jesus L 25,, brachiumque extende P 26,, deposco L Amen P. 


Unfer Gedicht ift einen Schon ein halbes Jahrhundert früher ver- 
faßten Rhythmus gleichermaßen Huffitiichen Inhalts nachgebildet, den die 
befannte Handfchrift des Nicolaus de Coſla, feit 1414 Francisfaners zu 
Gaſla, (Breslauer Univerfitätsbibl. I, D. 466) uns aufbewahrt hat: 

Omnes attendite, 

animadvertite, 

quidnam sit plangite 

et mentes avertite 

ab errore tali. 

Es iſt nicht dactylifcher Rhythmus, wie man leicht meinen Fönnte, 
berim vierten und fünften Verſe dem trochäiſchen Platz macht, fondern 
durchgehends trochäiſche Schhsfilbler, die nad) Belieben durch Anacrufis 
zu Siebenfilblern erweitert werden, ein Zeichen tiefen Verfall® der rhyth— 
miſchen Kunſt, den auch die entjetliche Mißhandlung des Accents be= 
zeugen mag. Man hüte fih V. 111 ff. zu betonen: 

licet ipsa flüctuet 

räta semper permanet, 

audi tü seismätice 

ätque tü heretice 

non tamen mergetur. 
man würde fich in einer gewaltigen Täufchung betreffs des wahren Rhyth— 
mus befinden!. — Ich glaube die Gelegenheit benuten zu dürfen, ei» 
nige Ungenauigkeiten der früheren Abdrüce dieſes Rhythmus aus der 
Breslauer Hdf. durch J. Feifalit? und H. Palm?, denen, ohne feine 
Vorgänger zu fennen, K. Höfler einen Abdrud der Thunſchen Hdſ. 
folgen ließ *, zu berichtigen bez. zu ergänzen; ic) bezeichne des Nicolaus 
HU. durch B, die Thunfche, von der id, da fie in Bezug auf den 


ı Diefelben Eigenthümlichkeiten weift das kürzlich im N.Ardiv II, 422 von 
Vattenbach herausgegebene Lied (in anderer Strophenform) auf. 

* Situngsberichte der Wiener Alademie XXXVI, Heit 2. 

: Abhandlungen der fchlefiichen Gefellihaft für vaterländifche Cultur, phi« 
isf.hift, Abth. 1862, Heft 2 Nr. VIII. 

Geſchichtsſchreiber der Huffitiichen Bewegung IL, S. 93 (1865), 


166 


m weniger Werth befittt, nur einiges Beachtenswerthe mittheile, 
durch T. 

V. 16 f. Exponens argenti | copiam et auri: jo lee id 
de8 Reimes wegen im Anfchluß an T, nur daß diefer aurique hat. 
20 adimpleri bedeutet aucd) das conpendium in B. 26 eius 
cuius BT 29 ducum gibt T, ac jtatt et BT 42 dolus B 
V. 50—55 ftehen von erjter Hand hinter V. 125, find aber durd 
Zeichen derfelben Hand an ihre richtige Stelle verwieſen. 56 cleri- 
euli T. 65 hier jtand in B zuerjt lex est desolata, während V. 70 
ganz fehlte; eine jpätere Hand hat jenes durchjtrichen, und das ride 
tige hier wie V. 70 am Rande nachgetragen. 72 nam sibi hoe 
placet BT. 75 defendat T. 89 jtatt ineipati lies mancipati. 
V. 81—95 find am untern Rande von der genannten fpäteren Hand 
in B nacdjgetragen und durch ein Kreuz vor V. 96 an ihre Stell 
gewieſen. In T fehlen diefe drei Strophen ganz und gar, ebenjo die 
vier Strophen V. 101—120, von denen die erite V. 101—105 in 
B erft am ande nachgetragen iſt ohne ein ihre Stelle andeutendes 
Zeichen; die beiden Strophen, die allein nod in T nach) V. 70 jtehen, 
folgen in umgefehrter Ordnung auf einander: 121—125, 96—10. 
Wenn die Lesart von B in 101 f. Conjunget (fo!) eivibus suis 
celestibus und in 105 tueatur von Palm umgeändert werden, um 
durch tueare diefe Strophe mit der folgenden im Schlußreim aus 
gleichen, fo ift das nicht zu rechtfertigen. Denn das Verfahren, zwei 
Strophen durch Reim am Schluffe zu verbinden, ift in diefem Gedicht 
nicht durchgeführt, in dem von mir herausgegebenen wird es gar; 
vermißt, fo aud) in dem bei Feifalik S. 155 abgedruckten; ferner 
liegt uns das Lied nicht in urfprünglicher, fondern erweiterter Geitalt 
vor, wie die Uebereinſtimmung der erjten Hand von B mit der Thun: 
hen Hd. gegenüber den Strophen zweiter Hand in B erweilt, wie 
vor allem die Strophe 116 ff. verglichen mit 56—60 bezeugen fanı; 
ja wäre vom Berfaljer wie vom Snterpolator der Reim mit Strenge 
durchgeführt, fo früge es fich doc immer noch, ob nicht der zweite 
Schreiber eine Strophe zu wenig zur Seite notirt habe. 

Bon Aeufßerlichkeiten notire ich, daß B Hinter den meiften Stro— 
phen ein W’ wie T ein V gibt; in B finden fid) 94 katholica, 
120 condemnati ohne p. 

Der einzige Vers, der aus metrifchen Gründen anzufechten fein 
dürfte, it V. 116: nirgends erjcheint wie hier eine doppelte Anacrufis. 
plures érant scismatici. 

Ich glaube, eine Erklärung ift hier cher am Plate, al8 eine Aen— 
derung, 3.3. von erant in sunt. Die Doppelfilben ia, ie u. ſ. w. 
werden jchon im früheren Jahrhunderten durch Verdichtung des i zum 
Conjonanten vereinfacht, wir finden das in den böhmischen Liedern jehr 
häufig angewendet; griseis wird zweifilbig gebraucht (oben Str. 20,1). 
Die Funftlofe Dichtung, mit der wir e8 eben zu thun haben, geht 
weiter: fie weiß ſelbſt zwei durch Conſonanten getrennte Vofale in ei— 
ner Silbe zu einen, und irren werden wir ſchwerlich, wenn wir der 


167 


Beweglichkeit der ſlaviſchen Zunge einen guten Teil an diefem Verfah- 
ren beimejfen. Ohne dieje — iſt mit dem einfachen Schema 
v) — v — V — v 
in dem obigen Liede nicht durchzukommen; wir müßten dann einen 
beliebigen Wechſel zwiſchen drei und vier Trochäen dem Verfaſſer zu— 
geben. Als Beiſpiele dieſer Verſchmelzung führe ich zunächſt Str. 16 
auf, deren Superlative ſämmtlich jo zu kürzen fein dürften, daß si für 

das Ohr jchwindet ; ferner en 

204 cum longis liripipjis — s in summitate verticis 

22, cum ceteris prineipibus — 23,ı heu caput nostrum cecidit 
2%, omnes devotae animae — » vestro Posco juvamine 


s errorem hunc ut valide. 

Ein zweites Lied derjelben Form Hat Feifalit a.a. DO. S. 155 aus 
einer Prager Hdf. mitgeteilt. Es fteht dem unfrigen in Inhalt und 
Ausdrucksweiſe jo nahe, daß man beide einem Verfaſſer zuweifen möchte, 

Es beginnt: O’rdo catholicus 

et apostolicus 

vergit noster penitus 
ätque corrüptus 
destruitur cünctus. 

V. 4 ift zu kurz; vielleicht: atque prorsus corruptus. In 
2. 20 (hec sunt in auita) lies inanita, der Punkt dahinter ift zu 
tilgen. V. 30 lies fide postergata oder postergiata (vgl. oben 
Er. 12,5) 45 lies feruntur 49 candidati cunctique prelati 
56 Horrores 90 fert] fertur, fervet, furit: eins davon wird richtig 
fin. 115 ac nunquam. 


IV. 
Hymnus in profligatione Vietorini Bohemi nefandi Georgü 
Hirsiei primogeniti. 


1. A solis ortus cardine hyreineis dat Hyrsicum, 
ad usque caeli aethera quando suseipit filium. 
laudes confer, oro, Christe,!5. Elisa est potentia, 
natus Maria virgine. fortis ave Phetonia, 

2. Beatus ergo pontifex, atlethae ferens stigmata, 
Paulus Secundus ordine, perfers,quodPaulussenserat. 
Christi redemptum populum |6. Caeno jacere compulit 
curavit, ut ne perderet. Victorinumque vinxerat, 

3. Clausa potenter moenia Pannoniae inelytus id 
diri Bohemi subiit, Hyrsicus adhuc esurit. 
armisqne gens acta sensit|7. Gaude chorus terrestrium 
flagella, quae non noverat. et angeli canant deo; 


4. Domus ruit praefulgida, ruit Sathan divinitus, 
nam caesar almus heremis laus sit creatori Amen. 


1,, eardine] promere Hoſ. „ ad] et Hbf. 4,, hereni HD]. 





168 


Versiculus: 
Laqueus contritus est Alleluja. 
Et nos liberati sumus Alleluja. 


Oremus: Perfice quaesumus, omnipotens deus, ut quae sacris 
sunt inchoata primordiis pugiles tui Sanctorum Petri et Pauli 
muniti vexillis feliceem consequantur effectum, per ete. etc. 


V. 


Hymnus in processione vietoriae de Tureis et Bohemis profligatis. 


1, 


Vt queant laudes decantare tuas 

voces obstrusi populique fessi, 

assit benignus spiritus e caelo, 
Christe, emissus. 


. Audiant patres proceresque tui 


Petrus et Paulus, qui saepe suas 
clavis et ense protexere partes, 
inclyta Roma. 
Traxerat Sathan Bohemusque plures, 
qui Christi spreta concione sancta 
bona templorum rapere non veriti 
consurrexerunt. 


. Morat et sectam perfidam Turcarum, 


quae sacrum dogma Christi quasi signum 
temere calcans et elata minis 
te, Jesu Christe. 


. Sed, Christe, verax fideique tutor, 


Paulum pastorem gregis erexisti, 


. qui zelo tui haeresim tenentes 


premeret ausus. 


. Namque dum Turcos Machimetis videt 


cornua tendentes, Hungarum ciet, 
Venetos hortatur, ut tuos hostes 
sternere pergant. 


. Hunc, sacri vates caelicique caetus, 


praesulem nostrum precibus juvate, 
ut summo patri palmam, quam concepit, 
integram reddat. 


Post Communionem. 


O admirandum divinitatis opus, glorificata est nune sancta 
Mater ecclesia, quando gentilis hereticaque turba confusa jacet. 
B. de Maroschis, Sanctissimi Domini nostri Papae Depo- 


sitarius composuit. 


4,, perfidem Hbf. 6,, Machimetes Hbf. hugarum Hdſ. 
7," Innatao Abjdrift, ’ 





Heinrich von Herford und Petrus von Herentals, 
Don C. Müller. 





In den Forihungen XI, 257 hat Lindner auch die in Baluze, 
Vitae paparum Avenionensium, aus Petrus von Herental® entnom— 
menen Vitae beiprochen. Er erfennt in der Vita Johannis XXI. 
einen Auszug aus dem Werf des Bernardus Guidonis, nimmt dann 
aber für die folgenden Abjchnitte an, daß in ihnen feine andern Quel— 
fen benutst worden feien, als Urkunden und perjönliche Erfundigungen. 
Das letztere iſt nicht richtig.‘ Schon in der Vita Johann XXL. 
und noch mehr im den folgenden des Benedict XIL., Clemens VI. 
ud Innocentius VI. finden ji) unverfennbare Spuren von Heinrid) 
von Herford. Meift find die Stellen faft wörtlich abgeſchrieben, wie 
fi bei einem Vergleich folgender Stücke ergeben wird: 

$n der Vita Johannis XXII (Baluze ©. 182 unten) 
Unde dominus Durandus bi8 per regem Franciae defensatus’ 
vergl. mit 

Heinr. Herf. (ed Potthast) ©. 255 unten: “Item dominus 
Durandus bi8 Franciae defenditure. Sodann: 

Betr. Her. a. a. DO. ©. 183 ‘Item anno Domini 1334’ bis 
zum Schluß mit 

Heinr. Herf. 255 “Vicesimo anno bis supradictis expira- 
vit, wobei nur P. H. die von H. H. theilweife gegebene Bulle voll- 
fändig giebt und dafür einen fleinen Sat aus H. H. wegläft. 
Ferner ift: 

Vita Benedicti XII. ©. 237 mit Ausnahme des Sates 
im Eingang ‘multa in principio bis vietum et vestitum’ voll- 
ſtändig aus 

Heinr. Herf. ©. 256 ‘Cui Benedietus XII. bis ‘apostoli elec- 
tus’ und “Vicesimo primo bi8 sieut hereticus habeatur’ und S. 265 
‘Vieesimo septimo bi8 repleta mero’. 

In Vita Clementis VI: Der Anfang ©. 309 f. Cle- 
mens VI. bis anno Domini 1342. mit 

De Herf. S. 265. “Vicesimo octavo’ x. 

äre uns der Theil des Werkes von Petrus von Herentals zu= 
gänglich, welcher die Kaifergefchichte enthält, jo würde fi) wohl aud) 
die Schilderung der Geißlerzüge finden, die H. H. ©. 280 giebt. 


170 


In der vita deutet Petrus S. 316 nur ganz kurz auf diefelbe Hin 
und verweijt für das nähere auf das, was er unter Karl IV. (‘Ka- 
rolus magnus ultimus imperator’ heißt derfelbe) gejagt. 

Die Vita Innocentii VI. enthält S. 361 in dem erjten 
Heinen Abjchnitt das, was H. H. S. 286 über die Yaufbahn des 
neuen Papſtes fagt. 

Endlich) kommt auch noch das Stüd in Betracht, das Watten- | 
bad) im Ardiv für öjterr. Geih. Bd. XLII, ©. 516 ff. veröffentlicht | 
hat: Hier ift die Schilderung der Uebergabe der Reichsinſignien 
‘Anno autem L. Karolus bis recepit ab angelo’ ebenfalls aus 
9. H. S.284 entnommen, nur mit dem Unterjchied, dag H. H. dad 
jelbe Ereigniß zum Jahr 1349 erzählt. 


Theodoricus von Silva benedicta. 
Ein Beitrag zur Gejhichte Kaifer Friedrichs I. 
Don Hermann Grandaner. 





In einem um das Jahr 1168 abgefaßten Briefe erzählt Johann 
von Salisbury von einem. Karthäufer, der im Februar 1168 nad 
den durch den Ausbruch der Peſt fo verunglücten Zuge Kaiſer Frie— 
drihs gegen Rom einen vergeblichen Verfuch machte, ihn mit der Cu— 
Te auszuföhnen. „Vor den Augen der ganzen Welt“, berichtet er, 
„as Feind der Kirche Chrijti geitraft und gebrandmarft, rings um— 
tobt von dem Aufruhr in den lombardifchen Städten, die zuletzt ein 

von gegen zwanzigtaufend Mann wider ihn auf die Beine ftell- 
ten, während dagegen die Zahl feiner Anhänger und Vertheidiger ftet8 
abnahm, ſei Friedrich ſcheu wie ein gehetttes Wild von Burg zu Burg 
geeilt, im feiner länger dem zwei bis drei Tage verweilend und nur 
jo feinen Berfolgern entgehend. Da in diefer angftoollen Lage habe 
er religiöfen Vorſtellungen ein bereitwilligeresg Gehör geichenft und 
namentlich einem gewiſſen Laienbruder der Chartreufe, einem vertraue 
ten Freunde der vorfchismatischen Zeit, der nun neuerdings vor ihm 
ericheinend im beredten Worten auf das Verderbliche jenes Wagniffes 
und den allein zum Heile führenden Weg der kirchlichen Wiederver- 
ſöhnung hinwies, feine Bitte um fofortige Berufung von Vermitt— 
Iungsboten, nämlich des Priors der Chartreufe, des Abts von Citeaux 
und des von den Kaiferlichen verjagten Biſchofs von Pavia, nicht ab— 
zuichlagen vermodt. Nach dem Berichte des Engländers machten fich 
auch die Berufenen fofort auf den Weg, bis auf den Abt von Citeaux, 
der erfranft war und defhalb Gaufried von Aurerre, den frühern Abt 
von Clairvaur, ſchickte. Doch ihre Mühe war ebenfo fruchtlos wie 
des Kaiſers Vorgeben eitel Lug und Trug und ein bloßes Blendwerk 
ſchnöder Politit und Kriegslift. Denn diefe Verhandlungen follten nur 
andere decken, bie inzwifchen in des Kaiſers Namen von Marfgraf 
Wilhelm von Montferrat mit feinem Verwandten und des Kaifers 
deinde, dem Grafen Humbert von Maurienne, angefnüpft waren und 
die freie und ungehinderte Rückkehr über die Päffe der Weitalpen nad) 
Burgund bezweckten. Das Mittel gelang vollftändig; nicht nur daß 


172 


die Lombarden über die eigentliche Abficht oder die Sendung des Marl: 
grafen in Unkenntniß blieben, fondern fie ftellten auch in Erwartung 
eines für fie ebenfo wie für die Kirche gültigen, wenigſtens vorläufi— 
gen Friedensſchluſſes ihre Verfolgungsanftalten größtenteil® wieder ein: 
War hierdurd dem Kaiſer eine freiere Bewegung ermöglicht und zus 
gleich die Unterhandlungen wegen des Durchzugs durch allerdings große 
Zugeftändniffe zum raschen Abſchluſſe gediehen, fo brach er fofort auf, 
die dargebotenen Vortheile zu benützen und fich feinen Yeinden durch 
Ichleunige Flucht zu entziehen ; den Friedensboten aber gab er die Antwort: 
fie würden vergeblid) kommen, außer fie brächten einen Engel des 
Himmeld mit oder kämen mit Wundergewalt über Ausfägige und 
Todte ausgerüftet !, 

Für diefe feine Mittheilungen beruft ſich Johann von Salisbury 
auf den Karthäuferbruder felbft, und wenn auch die Einzelheiten nicht 
zu verbürgen find, it doch an dem Kern der Erzählung kaum zu 
zweifeln. Auch Pruß hat fie für feine Darftellung verwerthet, befennt 
aber über den Karthäufer felbjt nichts Näheres angeben zu Können: 
„wie er hieß, wilfen wir ebenfo wenig als wie und wo er früher mit 
dem Raifer in Berührung gefommen ift“. Faſt fcheint e8, als ob er 
ihn der Gertoja bei Pavia zujchreiben wollte; denn dorthin ſetzt er den 
von Johann von Salisbury ebenfalls erwähnten Prior der Karthaufe?, 
Aber die Certofa bei Pavia ift erft über 200 Jahre fpäter von Gian 
Galeazzo Visconti gegründet worden ®, 


ı Joannis Saresberiensis epist. ad Baldwinum Exoniensem archi- 
diaconum Nr. CCXLIV bei Giles II, 130; Migne Tom. CXCIX, col. 281. 
— Nr. LXXIV Bouquet-Brial Tom. XVI, ©. 582, D: quia eum Lum- 
bardi congregato exercitu usque ad 20 millia militum prosequebantur 
et obsidere decreverant. — Giles II, 131; Migne col. 282 — Bouquet- 
Brial XVI, 583 A--B: Est autem in domo Carthusiensi vir admodum 
religiosus, quondam familiarissimus imperatori, qui ab eo pridem re- 
cesserat ob conscientiam schismatis, et ei plurimo compatiebatur af- 
fectu. Hic ergo accessit ad eum cum lacrymis, sibi pro certo inno- 
tuisse asserens, quod pacem non erat habiturus, nisi ecclesiae Dei red- 
deret pacem; institit autem et obtinuit, ut evocaret per litteras suas 
priorem Carthusiensem, abbatem Cisterciensem et episcopum Papiensem, 
quem expulerat, et promitteret, se consilio eorum in omnibus acquie- 
turum, dummodo illi in se reciperent periculum juramenti, quod 
contra papam Alexandrum fieri fecerant. — Giles 132; Migne, col. 
282 — Bouquet 583, B-C: Viri autem religiosi, quos evocaverat, arri- 
puerunt iter, excepto abbate Cisterciensi, qui gravi detentus infirmi- 
tate, vice sua misit dominum Gaufridum Antissiodorensem, qui Cla- 
revallensis fuerat abbas, praemittens [praemittentes: Bouquet] fratrem 
quemdam, qui a tyranno exploraret, ubi et quando eorum vellet uti 
colloquio. At ille, audito adventu eorum et litteris, jam de exitu suo 
certus, induciis impetratis, respondit, eos ob hanc causam frustra ven- 
turos esse, nisi angelum de coelis secum patenter adducant, aut ve- 
niant in potestate faciendi miracula, ut possint mundare leprosos et 
mortuos suscitare; et sic illi ad propria reversi sunt. Hoc mihi idem 
conversus Carthusiae, qui legationem gesserat, retulit. 

2 Kaiſer Friedrich I. Bd. II, 103. , 

3 Bgl. Francesco e Gaötano Durelli, La Certosa di Pavis, Mi- 


173 


Jener Karthäuferbruder ift indeſſen nicht fo unbekannt, als es 
nah Prutz erfcheinen fünnte.e Schon der franzöfiiche Herausgeber hat 
in einer Note zu der foeben citierten Stelle aus Johanns Briefe die 
Pentität des conversus Carthusiae vom Februar 1168 mit dem mehr 
dern neun Jahre fpäter noch beim Abjchluß des Venetianerfriedens (Juli 
1177) thätigen und darum vom Kaiſer in feinem Schreiben “Ad 
Abbates et Fratres Cistereiensis ordinis’ neben den zwei Haupt— 
vermittlern aus diefem Orden dankbar erwähnten Karthäufermöndhe 
Theoderich richtig betont. Schon im Vorjahr (September, vielleicht 
don Auguft 1176) erjcheint Theodorih in einem an den einen der 
beiden Giftercienfer, den Abt Hugo von Bonnesvaur, gerichteten Briefe 
Friedrichs; er iſt e8, mit dem lekterer, al® mit einem engen Vertraus= 
tn, des Abts PVerföhnungsgutachten beſpricht und den er mit neuen 
Mitteilungen an den Abt betraut?, Demnach hat Theodoric) zwei— 
mal in fritifchen Lagen des Kaiſers, das einemal, als die Peſt das 
deutihe Heer vernichtete, da8 andere Mal nad) der verhängnißvollen 
Shlaht von Pegnano, ein Verſtändniß mit der Curie herbeizuführen 
uht und alſo auf die Geſchicke des Neich einen, wenn auch ver: 
borgenen, dennoch tiefgehenden Einfluß ausgeübt. In welch' hohem 
Grade er fic das Faiferliche Vertrauen errungen haben muß, bezeugt 
feine wiederholte Berufung zu den Piacenzer und Gonftanzer Fries 


lano 1863, fol., introducione S. 1: La certosa di Pavia & dovuta alla 
munificenza di Gian Galeazzo Visconti, Conte di Virtü o Vertus, primo 
Duca in Milano. Nel giorno 8 settembre dell’ anno 1396 ne pose egli 
steso la prima pietra colla piü grande solennitä. 

! Bouquet-Brial Tom. XVI, S. 583 Note a: Vocabatur is Theo- 
derieus, uti videre est in epist. Frederici Imp. ad Cistercienses, apud 
Gerrasium Dorob. inter Angliae scriptores X, col. 1440. Entweder hier 
oder ipäter bei Bouquet-Brial im gl. Bande ©. 698, D, Ep. Frederici: No- 
tum autem vestrae religioni facimus, quoniam operantibus dilectis 
nostris viris magnae sanctitatis atque devotionis P. episcopo Claro- 
montano et abbate Bonae-vallis, et fratre Theoderico converso Carthu- 
siae, qui studiose et efficaciter pro pace et concordia inter nos et jam 
pominatum A. Romanae eeclesiae pontificrem laboraverunt, discordia 
et lis, quae diu viguerat, penitus est consopita, et dilectio, quae inter 
nos perierat, ipsis mediantibus, est reformata. Bei Pertz Legg. II, 154 
ſteht ein gleicher Brief, nur mit dem fachlichen Unterjchied, daß feine Adrefje fich 
an die Erzbiichöfe, Biichöfe, Aebte und andere Bäter (‘et aliis patribus') des 
Ciftercienjerordens richtet und die Verdienfte des dritten Vermittlers, des ‘frater” 
eonversus Carthusiae, nicht erwähnt werden. 

ı Ep. (Rr. XXIII) Frederici ad Hugonem abbatem Bonae-vallis, 
bi Bouquet-Brial XVI, &.698, B: Et quoniam de prudentia tua bene 
enfdimus, consilium tuum de reformanda ecclesiasticae pacis unione 
teptabiliter suscepimus; et inde, quantum hoc tempore potuimus, 
pro consilio familiarium nostrorum cum fratre Theoderico contulimus, 
quse per eum tibi intimanda commendavimus. Für die Zeit ift maßge— 
dead der folgende, gleichfalls an Hugo gerichtete Brief Fr's. Ep. XXIV, ©. 
698, C: Dilectionem vestram attente rogamus, ut in proximo sancti 
Michaelis festo praesens ad nos in Lombardiam venias, quoniam illie 
0 tempore finaliter tractandum est ecclesiae negotium, cui tractatui 
te specialiter cupimus interesse. 


174 


densverhandlungen im Jahre 1183 und die defhalb für ihn, den Bi— 
ihof Wilhelm von Ajti und den Markgrafen Enrico-Guercio von 
Savona ausgeftellte Urkunde mit unbegrenzter Vollmadjt, die in äu— 
ßerſt jhmeichelhafter Weife auf ihre frühere jo erfolgreiche Thätigfeit 
Bezug nimmt !, Der Raifer hatte ſich nicht verrechnet; die Männer, 
welche er berufen, fanden fofort den richtigen Weg und vereinbarten 
zu Piacenza mit den Lombarden wenigjtens einen vorläufigen Frieden, 
wofür beiderjeit® eidliche Bürgschaft, von Theodorich dagegen als Kart: 
häujerordensmann ein bloßes Gelöbniß geleitet ward ?. Selbit in 
der definitiven Friedensurkunde von Gonftanz finden fich ihre Namen 
und dießmal bei Theodoricd) jogar die Angabe feines Wohnorts: der 
Rarthaufe Silva benedicta°., 

Die ehemalige Karthaufe Silva benedieta oder Silve benite 
liegt in der Dauphine, im jegigen Departement Yjere und Arrondii: 
jement la Zour du Pin, der alten Baronie, erbaut im Walde (daher 
Silva b.) und am Südweſtufer des Sees von Paladru, eine Strede 
vom See entfernt; Paladru ift gegenwärtig ein Dorf von über 800 
Einwohnern®. Der Weg von ihr zur großen Karthaufe im Südoſten 
iſt etwas länger als wie der zwijchen letterer und Grenoble, beträgt 
alfo etwa vier Heine Stunden; nad) dem in %. 1510 zu Baſel er 
ſchieuenen Verzeichniß ſämmtlicher Karthaufen gehörte fie zu den Klö— 


1 Pertz Legg. II, 167, lin. 14—18; Vignati, Storia diplomatica 
della Lega Lombarda ©. 344: Fridericus Dei gratia Romanorum im- 
perator et semper augustus dilectis ac fidelibus suis Astensi episcops, 
marchioni Henrico Guercio et fratri Theodorico, gratiam suam et b+- 
nam voluntatem. Quia vestre devocionis ac studii fidem in multisre 
rum experimentis probatam nobis et cognitam habemus, magna im- 
perii negoeia industrie vestre sincera fidelitate tractanda committere 
non dubitamus. Itaque etc. 

3 Vignati ©. 371: Et frater Teodoricus, qui eandem licentiam 
et potestatem habebat, ut in ipsis litteris ibi lectis continebatur, quod 
ipsi tres juraverunt, promisit in suo ordine bonitate et legalitate per 
stipulationem domino Guidoni de Landriano rectori. — Statuta an- 
tiqua ordinis Cartusiensis II, cap. 21,9 = Holstenius codex Regularım 
I, 355 unt. M.: Qui vero quae dicit, jurando simplieiter per deum, 
per fidem suam, per Christum, sic deus me adjuvet aut alio simili 
modo, audiente uno vel pluribus, affirmaverit, statim, ubicumque sit, 
veniam accipiat; et si hoc pro consuetudine faciat, gravius puniatur. 

3 Pertz Legg. II, 179, lin. 8-11; Vignati ©. 392—393: et sicut 
per mediatores pacis, videlicet Wilielmum Astensem episcopum, Hen- 
ricum marchionem Saonensem et fratrem Thidericum de Silva bene- 
dieta et Rodulfum camerarium nostrum una cum eis bona fide in- 
tellexerimus. 

* Hitter geographifchftatiftifches Lerifon 6. Auflage II, 322 Art. Paladru, 
wo fi) aber über die Karthaufe feine Angabe finde. Der See jelbft hat eine 
Länge von vier Kilometern und als Zu und Adfluß die Sure; vgl. Dietionnaire 
universel g&ographique, statistique, historique et politique de la France 
Tom. IV, ©. 33 Urt. Paladru (Paris 1804). — Als Lartographiiche Hülit- 
mittel dienen die Tabula Delphinatus et vicinarum Regionum in Histoire 
de Dauphing von Fabri und Barillot, & Geneve 1722, zu Anfang des 2. 
Bandes und das Blatt Nr. 62 (Departement de L’Isere) im ‘Atlas Na- 
tional de France". 





175 


ftern der burgumbifchen Provinz!, Wir geben nun im Folgenden eie 
nige Notizen über ihre Gründung, da fie unferm Sarthäufer größten- 
teils ihren Urfprung verdanft und als mit feinen Scidjalen aufs 
enagfte verbunden erjcheint. Die Quellen, die wir hiebei benüten, find 
erſtens Chorier, Histoire generale de Dauphine, & Lyon 1672, 
und brieflihe Nachrichten de8 Herrn Arhivars J. J. A. Pitot zu 
Grenoble, die wir der gütigen Vermittlung der HH. P. Pius Game 
D. ©. B. in Münden und Mas - Latrie Sous- directeur des ar- 
ehives zu Paris verdanken; die legtern find aus einer Handichriftlichen 
Chronik der Karthäufer entnommen. 
As Gründungsjahr für Silve benite gibt Chorier 1166 an, 
Iheint aber in feiner ſpätern Darftellung diefen Vorgang erſt ins 
Jahr 1168, nämlich) in die Zeit der kaiſerlichen Rückkehr oder Flucht 
duch Savoyen über Genf nad) Bejangon und bald nad) jenen von 
Theodorich eingeleiteten, aber erfolglofen Friedensverhandlungen, mithin 
aljo in den März des obengenannten Jahres zu fegen?. Wie er be- 
richtet, war Theodorich ein naher Blutsverwandter des Kaiſers, viel 
leicht ſogar fein natürlicher Sohn; für ihn ward, um ganz dem Ge— 
bete und feinen religiöfen Betrachtungen leben zu können, an ödem, 
waldreihem Orte das Klofter Silva Benedicta gejtiftet und mit Mön— 
ans der nahen Chartreuſe bevölkert. Reichlich gewährte der Kaiſer Als 
et, was zu feinem Baue und zum Unterhalt feiner Bewohner nöthig 
erichien. Auch Papſt Alerander IIL wollte nicht an Freigebigfeit hinter 
dem Raifer zurückbleiben und beftätigte oder vermehrte die Schenkung ®. 
Die Heine Stadt Ars, an den Ufern des Sces von Paladru belegen 
md den neuen Anfiedlern feindlich, büßte ihre abgeneigte Gefinnung 


ı Das Berzeihniß findet fi) Hinter den damals gedrudten ‘Statuta et 
privilegia ordinis Cartusiensis’, in einem allerdings feltenen und im vorigen 
Jahrhundert, da noch mehr Karthaufen beftanden, ebenfo theuer bezahlten wie 
kart gefuchten Buche, 

’ ©. 17; vergleiche dagegen fpäter S. 67—68. ©. 42 nennt er beim 
Verzeichniß feiner Ouellen aud) ‘Archivia Conventus Silvae-benedictae Or- 
din. Cartus’. 

> &, 67: Quoy que l’on tächät de deshonnorer Frideric, et .de le 
perdre, il est vrai qu’il &toit un grand Prince, et fort Chrötien, pas- 
sant & travers cette Province pour aller à Besangon, Terric Prince de 
son Sang, et que m&mes l’on croit avoir (S. 68) 6té son fils naturel, 
luy proposa la pensde qui luy étoit venu de se donner tout a fait a 
Diea, et il ne l’en dissuada pas. Le desert de la Silve-benite avoit 
plü ou & sa devotion, ou à sa me&lancholie: il y appella des Religieux 
de l’Ordre des Chartreux, et leur y fit bätir un Couvent. L’Empereur 
fournit abondamment tout ce qui &toit necessaire pour la construction 
de la maison, et pour l’entretenement des Religieux. Le Domaine Royal 
7 fut employ@, et augmenta celuy de Jesus-Christ. Le Pape Alexandre 
approuva cette fondation, et adjoüta A la liberalit& de l’Empereur. 
Terrie, lat. Terricus, ift nur eine abgefürzte Namensform für Theodoricus, 
Theodericus, Thidericus, Dietericus, Dietricus, Tierricus, cf. Index ono- 
masticus bei Bouquet XII, ©. 857 und Index rerum in M. G. SS. VI, 
&. 830, hauptſächlich aber in SS. X, &.648, Entſprechend auch im Deutfchen 
Dietrich, Dieter für Theodorid). 


176 


mit völliger Plünderung und Zerftörung, wobei ſelbſt die Kirche nicht 
dem allgemeinen Verderben entging. Um das Maß des Unglücks voll- 
zumachen, ward den armen Einwohnern auch nod ihr ganzer Grund 
und Boden genommen und zur Klofterdomäne erflärt und Theodorich 
verfäumte nicht, diefen unrechtinäßigen Befig vom Papfte, als der 
höchſten geiftlichen Macht, und den beiden zuftändigen Territorialge- 
walten, der geiftlichen und weltlichen, d, i. vom Erzbifchof Robert von 
Vienne und Graf Humbert III. von Savoyen, in eigenen Urkunden 
ſich noch beſonders verbriefen zu laſſen?). 

Nach dem oben erwähnten Archivbericht dagegen iſt Silve bénite 
bereits im Jahre 1116 begründet worden, und der erjte Prior war 
Dinger; aber die Anfänge der Karthaufe waren gering, und fie ges 
wann erſt Bedeutung durch Theodorich und Kaifer Friedrih. Der 
Letztere ließ fie von Grund aus neu aufbauen, ftattete fie mit Ein- 
fünften aus und gewährte ihr Privilegien. CEs eriftirte darüber eine 
Urkunde vom Jahre 1167, in welcher er Theodorich bezeichnete als “Teer- 
ricum carissimum et fidelem nostrum de progenie mea oriun- 
dum’; in einem Schreiben vom Fahre 1170 gab ſich Theodorich felbft 
folgende Bezeichnung: “Terrieus frater conversus ordinis Cartu- 
siensis de domo et progenie Magni Priderici'. Der Karthäufer 
hatte ſich dann einflußreicher Verwendungen bei dem Erzbifchof von 
yon und den Päpiten zu erfreuen, die ihm wichtige Privilegien ver— 
ſchafften. Wiederholt bediente ſich der Kaifer der Dienſte Theodorichs, 
und der Papſt jandte ihn an König Heinrich II. von England ?, um 
firchliche Reformen dort durchzuführen. Theodorich lebte (nad) dem 
Ardiobericht ?) noch im Jahre 1185, wo er einen Streit zwijchen dem 


ı ©.68: elle (la ville d’Ars) fut sacagde et ruinde: 1’Eglise 
möme n'en resta pas debout. Tout y perit, et ces mal-heureux ayant 
ôté exterminez, leurs fonds n’eurent plus de possesseurs. — Terric de- 
manda à Alexandre pour cette maison, qui &toit l’oeuvre de ses soins, 
le Territoire de cette Ville renversde, et l’obtint facilement. — Nean- 
moins, il falut que quelques anndes apres Robert Archevöque de Vi- 
enne, et Humbert Ill. Comte de Savoye, favorissassent de leur autho- 
rit& cette donation. Ils donnerent chacun de son chef A la Chartreuse 
de la Silve-benite le lieu d’Ars, comme s’il ne l’eut point encore 6t£. 
Die Schenkung Humberts an die Karthanfe wird aud erwähnt bei Samuel 
Guichenon, Histoire genealogique de la Royale maison de Savoye, & 
Lyon 1660, I, ©. 236 aus Molini chronicon Cartusianum msp. Nach 
Guichenon, Histoire de Bresse et de Bugey, a Lyon 1650, I, S. 101 
unt. M. war Moulin (Molinus) Prior von Silva benedicta und Berfafler ci 
ner ziemlich verlälfigen (asses exacte), damals noch ungedrudten und jeither 
wie es ſcheint ganz verichollenen Ordenschronit. Deren Wiederauffindung wäre 
auch für die Geſchichte Theodorih8 von großem Werthe. 

2 Hier jcheint eine Verwechſelung mit einen andern Theodorich vorzufiegen, 
deſſen ſich Alerander III. 1173 und 1174 mehrfach in den englifchen Angeler 
genheiten als Vermittlers bediente. Bouquet XV, ©. 927. 940. Migne CC, 
©. 966. Diejer Theodorich wird als Karthäuferprior bezeichnet; welche Kar: 
thaufe er leitete, habe ich nicht ermitteln können. 

: Das Archiv läßt ſich hier ergänzen; Theodorich erfcheint auch nod in 
einem für das Klofter Chiaravalle bei Mailand ausgeftellten Schutzbrief Kaifer 


177 


Abt Hugo von Bonnevaur und Zancelinus, Prior der großen Rarthaufe, 
zur Dermittlung brachte. Am 23. Mai 1185 wurde darüber eine 
Urkunde ausgeftelit, in welcher unter den Zeugen auch Theodorich ge= 
nannt it. So weit der Archivbericht, der fich, wie erwähnt, auf eine 
bandigriftliche Chronik ſtützt. Won den weiteren Schidfalen des Klo— 
ſters hat für unfern Gegenftand nur ein Intereſſe, daß in der ftür- 
miſchen Revolutiongzeit am 1. und 2. Auguft 1789 Silve benite von 
bewaffneten Schaaren aus den umliegenden Orten überfallen wurde; 
man plünderte die Karthaufe und verbramnte ihre Urkunden. Damals 
gingen auch die Diplome Friedrichs I. unter, welche man bis dahin 
mit größter Sorgfalt bewahrt Hatte. 

Auf jene Diplome geftügt haben die Karthäufer gemeint, daß 
Zheodorich ein natürlicher Sohn Kaifer Friedrichs geweſen fei. Die 
Urkunden find nicht mehr vorhanden, und wir fünnen daher über ihre 
Echtheit nicht urtheilen,; ein beſtimmter Anhalt, diefelben zu bezwei- 
feln, liegt nit vor. Die Worte Friedrichs über feine Verwandtſchaft mit 
Xheodorich und Theodorichs eigenes Zeugniß über diefe Berwandtichaft 
verdienen hienach, auch wenn die Schriftftücfe felbft jetst fehlen, Be— 
achtung, zumal ſich aus ihnen vielleicht die eigenthürnliche Rolle des 
Karthäuſerbruders am bejten erflärt. Aber die Worte ‘oriundus de 
progenie mea’ fünnen unmöglich Theodorid) als Sohn Friedrichs be— 
ihnen; im ftrengften Sinne ließen fie ſich nur auf einen Enfel deu— 
ten, md diefe Annahme Schließen die Alterverhältniffe unbedingt aus. So 
wird man progenies nur im weiteften Sinne auf Familie deuten können, 
Es ift wohl auch die Meinung aufgeftellt worden, daß Theodorid) ein 
natürlicher Sohn Herzog Friedrichs II. von Schwaben gewefen ei, 
aljo ein Bruder des Kaifers!, Aber, obwohl der Karthäufer etwa 
ein Altersgenofje des Kaiſers geweſen zu fein fcheint, deutet doch Feine 
Epur auf ein fo nahes Verwandtichaftsverhältnig, und der Name ift 
überdied ganz ungewöhnlich in der jtaufichen Familie. Dagegen iſt 
er jehr gewöhnlich in dem Haufe der Herzoge von Oberlothringen, 
mit dem Kaiſer Friedrich durch feine Schwefter Judith, Gemahlin des 
Herzogs Matthäus von Lothringen, verſchwägert war. Ein Sohn ber 


Friedrichs vom 10. Februar 1186 nebſt mehreren andern als Zenge zu Pavia, 
ber Prutz, Kaifer Friedrih J. II, ©.391 oben (‘frater Teodoricus de Silva 
Benedicta'). 

! &o von Raumer, Geich. der Hohenftaufen Bd. 1 (2. Aufl.), in der bie 
Stommtafel der Hohenft. enthaltenden vierten Beilage; er nennt hier einen ger 
wifen, an. 1177 Karthäufer gewordenen Territus als natürlichen Sohn des 
an. 1147 verftorbenen Herzogs Friedrichs II. von Schwaben und als Bruder 
Barbarofjas; gleichwohl verräth ein beigefetstes Fragezeichen feinen Zweifel an 
der ganzen Perfönlichteit; die von ihm hierfür citierte Duelle Tromby, Storia 
del ordine Cartusiano, Nap. 1775, 10 vol. fol., IV, 151, ftand uns nicht zu 
Gebote. — Ueberhaupt hat das Fehlen des Wortes ‘conversus’ bei ‘frater’ in 
den Urkunden des 3. 1183, wovon die Stellen bereits citirt find, zu manchen 

ümern Anlaß gegeben; fo macht Raumer II, 288 Anm. 1 den Theodo- 
th zum Bruder des Markgrafen Enrico Guercio, während dagegen Vignati die 
Korte ‘et fratrem’ vor "Thidericum’ ©. 393 ganz ftreihen und als Gloſſem 
betrachtet wiſſen will, 


XVMI. 12 


178 


Judith, Theodoric; mit Namen, war 1173—1179 erwählter Biſchof 
von Met und mußte dann wegen fehlender Weihen refigniren; Kaifer 
Friedrich wird ausdrüdlih als fein avunculus bezeichnet!. Es Täge 
nahe, ihn mit dem Karthäuſer zu identificieren, wenn nicht Biſchof 
Theodorich ſchon 1180 geftorben fein ſollte, während der Karthäufer 
erweislich noch mehrere Jahre lebte. Auffällig ift, daß fi) unter 
den Brüdern des Matthäus fein Theodorich findet, da der Name fonft 
bei diefer Familie in jeder Generation wiederfehrt; vielleicht war der 
Rarthäufer ein Bruder des Herzogs. Aber zu ficheren VBermuthungen 
wird man ohne neues Material fich nicht erheben fünnen, denn der 
Name war auch in dem Gefchlechte der Grafen von Bar und in den 
ri anderer lothringifher und burgundiſcher Gefchlechter nicht 
elten. 


i Gesta episcoporum Mettensium Cont. I., M. G. SS. X, ©. 546, 
lin. 6: Successit huic filius ducis Lothoringiae Theodoricus. Cujus pa- 
ter dux Matheus etc. lin. 12—14: Sedit annis 6 et paulo amplius, sub 
papa Alexandro et Friderico imperatore avunculo suo. Qui et alia for- 
tasse annalibus digna gessisset, nisi ejusdem Alexandri Ill. manum 
sensisset validam, sua ob hoc electione cassata ab illo, quia infra or- 
dines fuerat celebrata. Bgl. Cohn, Stammtafeln 3. Geſch. der deutjchen 
Staaten und der Niederlande, Tafel 29. 


Ueber eine Handſchrift des Wahldecrets Papft Nicolaus IL. 
Bon G. Waitz. 


Da in dieſer Zeitſchrift ſo oft von dem Wahldecret Papſt Nico- 
laus IT. die Rede war, inſonderheit welcher der beiden Texte vorzu— 
sehen ſei, jo mag hier furz von einer Handjchrift berichtet werden, 
die bisher überhaupt nicht, oder doch nicht in meuerer Zeit (vielleicht 
in dem Drud, der den Concilienfammlungen zu Grunde liegt) benutzt 
worden ift. 

Sie findet fi) in der Parifer Bibliothef Nr. 10402 (Suppl. 
Lat. 271), wo fie ſchon vor vielen Jahren von dem verftorbenen 
Knuft, neuerdings aufs neue von mir benutt worden ift. Der Tert 
ift im wejentlichen der, den ich in meiner Abhandlung (IV, ©. 105 ff.) 
als IT bezeichnet habe und fortwährend für den urfprünglichen halte. 
Das Bemertenswerthe ift, daß diefer Text als Beilage einer ftreng 
faijerlichen Ausführung De papatu Romano beigefügt ift, die nad) 
dem %. 1084, zu einer Zeit da Heinrich monarchiam regni gla- 
dio potenti et invieto gubernat, gejchrieben. Während es bisher 
jo ftand, daß II von Anhängern der Kirche, I von denen des Kaifers 
Derliefert erichien, jo hat jener Text num doppelte Beglaubigung. 
Lie Worte ‘non papa, sed sathanas, non apostolicus sed apo- 
staticus ab omnibus habeatur’, auf die man zu Gunften von I Gewicht 
gelegt, fehlen auch hier, werden aber in der vorhergehenden Abhand⸗ 
lung angeführt: sub anathemate roboratum, universo reclamante 
et collaudante concilio, videlicet ut, quisquis deinceps partes 
de apostolatu faceret vel absque electione et assensu predic- 
torum imperatorum Henrici patris et filii se intromitteret, non 
jam papa vocaretur, sed sathanas, non apostolicus, sed apo- 
staticus diceretur; und Hinzugejegt: Et expleto anathemate 
dixerunt omnes: fiat! fiat! Hieraus ergiebt fich, daß diefe Worte _ 
als Anhalt oder Folge des Anathems ' mündlih auf dem oneil 
von dem Papſte gebraucht find, wie auch wenigſtens der zweite Theil 
bon ihm fpäter angeführt ift (a. a. DO. ©. 109). Der Urkunde 
aber brauchen fie deshalb nicht angehört zu Haben. Ihr Fehlen in 
U erſcheint mir hiernach nicht mehr, wie früher (a. a. O. ©. 117), 


12* 


180 


ein Grund, diefe Faſſung ebenfalls für nicht ganz authentiſch zu hal— 
ten, der Zufag vielmehr in I ganz der Annahme entſprechend, daß 
bier ein interpolierter Text vorliegt, der einen Sat aufnahm, auf 
den man, wie wir hier fehen, auf Faiferlicher Seite ein bejonderes 
Gewicht legte. Der Wortlaut fchließt fi im übrigen mitunter dem 
de8 Hugo von Flavigny an; namentlich lautet der Schluß wie hier 
zufammenfafjend: Et ceteri episcopi numero 122 (Hugo falic) 76) 
cum presbiteris et diaconibus subscripserunt. Häufiger jtimmt 
er aber auc mit andern Handjchriften überein, mehrmals ſelbſt mit 
dem Chron. Farf., defjen Text al8 der befte Repräjentant der andern 
Claſſe angejehen werden muß, deſſen Varianten (2) Perg mur jehr 
unvolljtändig angegeben hat; fo fehlen beiden die Worte S. 179 (N. a) 
et — ostendant; aber ©.178 3.14 verus, das 2 allein Hat, fteht 
auch Hier nicht. Einzelnes ift von allen abweichend. Ich hebe nur 
noch hervor: auch hier ‘promovendi’, was wohl beizubehalten if; 
in der Stelle, die Perk S. 178 N. 1 giebt: beati predecesson 
Leonis, ‘episcopi’ fehlt vor procul dubio, doch ftehen die Wort 
‘cardinales pr.d. auf Rafur; ſpäter S. 178 3.11: ubi congruun 
judicaverunt; ©. 178 3. 28: hujus nostrae decretalis, 3. 3 
jtatt ‘Rome’ quiescentium: hie q., was als urfprünglich erjcheinen 
kann; in der Unterfchrift: Ego Nicholaus; nachher: Ostiensis aer 
clesiae episcopus. Auffallend it ©. 178 3. 23: subiciatur mi 
1 und 4 gegen abieiatur der andern, wie e8 der Sinn zu fordern 
Scheint ; e8 wird eine Verderbung im urfprünglichen Text geweſen fein. 


Urkunden aus Karolingiicher Zeit. 
Mitgetheilt von G. Waitz. 





1. Schenkung an Würzburg 810 -832. 


Traditio Eginonis eomitis et uxoris eius Wentilgartae 
de Arinebrunno et de aliis locis. 


(In no]mine Patris et Filii et Spiritus sancti...... Be 
(sempliterna. Quapropter ego in Dei nomine Egino comes 
nee non et conjux mea Ventilgart, ambi pariter coglitantes 
pro terrenis lucra ri] eterna bona retributione, propterea do- 
namus et tradimus aliquas res nostras ad reliquias sancti 
[Salvatoris et sancti Kili/ani] martyris, ubi venerabilis Wolfger 
episcopus et rector praeesse videtur. Donamus igitur et do- 
natum in perpetuulm volumus alodem nostram in pago Wald]- 
sazi, in loco nuncupante Harnobrunno, cum eurtilis, eurticlis, 
domibus, aedificiis, ma[nJeipiis, terris, silvils, campis, pratis, 
pascuis], aquis aquarumque decursibus, vineis, pomeriis, pe- 
euniis, pecoribus, omnia cum omnibus, quiequid in ips[o loco 
Narnobrunno nostra videjtur esse possessio vel dominatio. 
Simili modo tradimus in pago Hirnizgawa in loco vocato 
Rezzistat, quifequid............vel aldquisivit in vineis, in 
eartilis, ma[nJeipiis, terris vel quantumcumque sua videtur fuisse 
possessio, item in Sclavis..... ........ [Ura]ha et Gusibah cum 
cartilis, aedificiis, mancipiis, terris, silvis, campis, pratis, pa- 
scuis, aquis aquarumque decurlsibus......... atque] cum omni 
integritate. Ergo et in Graffeldum in villa Barethorf, quic- 
qud Cristan ibi habebat et in Wanc........... [eum] curti- 
lis, domibus, aedifieiis, silvis, campis, pratis, pascuis, aquis 
aquarımque decursibus, mancipiis, farrinariis........[adj]a- 
tentiis, vel quantumcumque in supra nominatis locis vel vil- 
is nostra videtur esse possessio vel dominatio, de nostr[o jure 
in possessione atque dominjatione sancti Salvatoris et sancti 
Kiliani martyris soeciorumque ejus donamus et tradimus atque 
in omnibus dominatlioni ejus nuncuplamus; in ea ratione, 


182 


ut ego Egino et conjux mea Wendilgart eandem traditionen 
beneficiali prestatione [retinere valeamus usque ad o]bitum no- 
strum, excepta tua loca, id est Uraha et Barcthorf; et hoc 
a die presente stabilis permaneat ; post nostrum [vero ex hac vita 
discessum pars] praedictae ecelesiae habeat, teneat atque pos- 
sedeat, ita ut deinceps amodo et usque in sempiternum hacc 
We atque traditio permajnere possit inconvulsa, stipr 
atione subnixa. Mancipiorum vero nomina haee sunt. 
Diefe Urkunde liegt mir in einer Abjchrift von Per vor nad 
einer Copie des 10, Jahrh. auf einem einzelnen Blatt, deilen 
Lucken zu Anfang und Ende derfelbe in der hier wiedergegebenen Weiſe 
auszufüllen gefucht Hat. Die Zeit ergiebt jid) aus der des Biſchoft 
Wolfgar von Würzburg, der von 810—832 den bifchöflichen Stuhl 
innehatte (vgl. Chron. Wirzb., SS. VI, ©. 27). Der Onf 
Egino wird Trad. Fuld. 405 in einer Urfunde von 8%, 
die fich auf den Salagewe bezieht, als erjter Zeuge genamt; 
ebenda 662 finden fi) wie hier neben einander Rezzizstat un 
Barchdorf. Dieſe und die andern genannten Orte zu beftimmen 
muß id) den Localgiftorifern überlaſſen. Der pagus Hirnizgaws 
fommt meines Wiffens überhaupt nicht vor; ob er mit dem aud 
nur einmal viel jpäter in einer Urk. Heinrichs II. (Stumpf Nr. 149) 
begegnenden pagus Pfirnigowe zufammengebradht werden kann, lail 
ich dahingeftellt; Landau, Gaue II, S. 155, bezieht diefen auf du 
Heffische „Verne“, und Menke fcheint damit übereinzuſtimmen. 





2. Teſtament der Erkanfrida, um 860. 


[Com]memoratorium qualiter et quibus presentibus [Er 
kanfrilda res suas disposuit atque in manus inlustrium virorun 
disponendas contradidit post suum discessum. 

Convenientibus itaque in unum nobilibus! viris eg 
Erkanfrida in eodem conventu adveniens in loco nuncı- 
pante Steinfelt, commendavi Adalardo venerabili comiti nec- 
non et Waldoni, Folcuino atque Beretlando duobusque 
Huodilbertis quiequid habere visa sum hereditatis in comi- 
tatu Treverensi, in pago Bedinse, in loco qui vocatur Pel- 
finga, et in comitatu Ardinense, in loco nuncupante Wan- 
bahe, et in tercio loco qui appellatur Mariscus, super ripan 
Alsuntiae illum mansum dominicum et omnem illum fiscum 
ad eum pertinentem, ex[ceplta illa aecclesia sancti Michaelis 
cum omni integritate quae [modo a]d eam pertinet, quod 
mihi senior meus Nithadus in dot[em] [dedi]t, quam tradid 
ad Sanctum Maximinum, et feci consc[ribere] [testa]mentum, 
quod ibidem sceriptum ? veraciter et racionabilliter habeltur. 
Ea videlicet racione liberaliter in manus [illorum sup]radietas 


ı nibilibus Urk. 2 scrictum Urf. 


183 


res fransposui, ut, si ego desiderarem, illas [per illo]rum manus 
vel saltim unius illorum ad me reverti faciam; s]ı vero non, 
similiter per illorum manus statui secun[dum dJisposicionem 
supradieti senioris mei, ut, si nepotes sui, filii scilicet sororis 
saae Irginiburgae mares 6 et filius fratris sui Rimigarit nomine 
Reginboldus, et soror ejus nomine Thiodrat et filius secunde 
sororis suae Thietbirge adquirere vellent, inter hos novem 
100 libras inter aurum et argentum post discessum meum die 
quadragesimo persolverent, et precium inter 20 monasteria, 
id est ad Sanctum Maximinum 100 solidos, ad Sanctum Petrum 
similiter, ad Horream similiter, ad Palacium similiter, ad Me- 
&olacum similiter, ad Toleiam similiter, et inter Sanctum Eu- 
charium et Sanctum Paulinum et Sanctum Quiriacum ad 
Attauanam sol. 100, ad Hornbahe similiter, ad Malmundarias 
similiter, ad Stabulaus similiter, ad Indam similiter, ad Sanc- 
tun Hucbertum similiter, et inter Sanctum Goarem et Appola 
monasterium sol. 100, et inter Castorem et Sanctum Alexan- 
drum et Sanctum Eventium 100 sol., ad Sanctum Cyriacum 
so. 100, ad domum Wormaciae similiter, ad Sanctum Naza- 
num similiter, ad Wizenbure similiter, ad domum Spirae si- 
niliter, ad Sanctum Leonem similiter sol. 100, singillatim in 
memoriam mei et genitorum meorum vel conjugalis mei Ni- 
thadi dividerent; et ipse res nullatenus illis ante traderentur, 
qlonsque precium statutum sub die memorato persolvant et 
banc villam inter se aequa disposicione dividerent; quod si 
precium supradietarum rerum persolutum non fuerit, similiter 
decrevi, ut supra memorati venerabiles testes in elemosinam 
ıostram ipsas res ad loca sanctorum traderent atque trans- 
funderent. Sequestravi autem ad Sanctum Maximinum Tre- 
verensem aecclesiam sancti Michaelis ac dotem aecclesiae ab 
eorum tradieione vel conventione, quoniam ego ipsa in me- 
moriam conjugalis mei et meam ipsam post discessum meum 
loeis sanetorum delegavi, id est ad Sanctum Maximinum. De 
hoc vero quod in Peffingis habui statui sub tali convenientia, 
ut, siBernardus 30 libras precii ex hoc persolverit, post meum 
discessum illi tradatur et illud precium Prumiae monasterio 
deferatur, ut inde agantur dies anniversarii nostri, quamdiu 
haec pecunia substiterit. Quod si et precium non dederit, 
nee illi quicquam de his rebus detur, sed locis sanctorum, id 
est Prumiae, condonetur in memoriam nostram. Quod vero 
adWanbahc habuit senior meus, disposuit dari filiis Bernardi 
preter illam aecclesiam et illas res quas Burgiridus eidem se- 
üori meo in villa nuncupante Skizzang dedit. Hanc eccle- 
sam vel illas res, quas memoratus Burgiridus ei dedit, jussit 

monasterium Prumiae dari. 

De reliquo obsecro vos propter Deum obnixe et testificor 
coram Deo et Christo Jhesu, qui judicaturus est vivos et 


184 


mortuos, ut supradictam hereditatem cum mancipia et pecu- 
nia supra taxata, id est supra scripta, sic dividatis et ordi- 
netis per loca denominata, qualiter racionem vultis reddere, 

ro cujus nomine ego de vestra caritate fisa me ipsam vestrae 
Hei credidi commendatam. 

Diefe Urkunde befindet fi) in der von Sir Thomas Philipps 
hinterlafjenen Bibliothek zu Cheltenham unter Nr. 16385, wo id) jie 
in diefem Herbit abgejchrieben habe. Es ijt Fein Original, aber alte 
Gopie des 9. oder 10. Jahrh. Auf der Nückjeite fteht von einer 
Hand des 12, 13. Yahrh.: Testamentum Erkenfidae de ec- 
clesia de Mersc et de aliis circumquaque dividendis. Cie 
befand fi im Jahre 1861 im Beſitz des Antiquars Troff, der 
fie durch Baer in Frankfurt verfteigern ließ. Daher erwähnt jie 
Goerz, Mittelrhein. Regeſten Nr. 751, I, ©. 215, ohne das 
weitere Schicjal zu fennen. Derjelbe verzeichnet Mr. 579 die hier 
erwähnte Schenkung der Erfenfrida an S. Marimin vom Yahr 
853 (MR. Urkb. J, Nr. 83) und 750 einen Brief Ansbalds von Prüm 
an diejelbe. 

Bei diefer Gelegenheit bemerfe ih, daß fi in den Samm— 
[ungen der Monumenta aud) eine Abichrift der Urf. MR. Urkb. 154, 
©. 218, aus dem Original auf der Barifer Bibliothek befindet. Sie 
hat das von Goerz, Regeſten S. 237, angezweifelte ‘Karoli vero 
regis9., und auch fonft ftimmt der Drud aus dem Copialbuch von 
St. Marimin wefentlicd überein, nur find im Original wie in der 
entfprechenden Urk. Nr. 153 die Namen der mancipia aufgeführt; 
die andern Namen lauten 3. 7: Ensilinga, 3. 10 u. 17: An- 
strudae, 3.14: in pago Moslensi in comitatu Liutardi, 3. 15: 
Burmiringa, 3.23: Eberhardo, 3. 24: Waberto ... Motario. 


3. Zreilaffung (um STOP). \ 

Cum christianissimus ac religiosissimus! imperator Hludo- 
vicus celestis protectionis ope suffragante? invictissimus augu- 
stus sanctam matrem ecclesiam ad meliorandam instantissime 
subveheret, hoc ei inter cetera sanctae devotionis suae studia 
exhibuit, ut usus valde inolitus atque reprehensibilis, qui di- 
gnitatem ejus® magna ex parte fuscare videbatur, eo quod 
scilicet servilis et originarie* conditionis persone contra statuta 
canonum sacris divinisque ministeriis eatenus applicarentur, 
sue auctoritatis precepto ab ea pelleretur, et qualiter dehine 
hujuscemodi conditionis homines ecclesie utilitati idonei re- 
perti nexu servitutis eriperentur et ad hanc dignitatem pro- 
moverentur, una cum consensu° pontificum et obtimatum im- 
perii sui statuere® procuravit, id ipsum quoque veneranda 
proles ejusdem imperatoris invictissimus rex ? pari voto 

! religionissimus Hſ. ? suffragare Hſ. ° euius Hſ. * origi- 
nare Hſ. * cosensugfj., ° stature Hſ. 7 Ieerer Raum in d. Hl. 


185 


honorificentie sancte ecelesiae annuit. Igitur ego in Dei no- 
mine N. gratia Dei abbas ecclesie martiris Christi Simforiani 
juts memorati augusti preceptum te clericum nomine illum, 
a'flia ejusdem monasterii progeniem®? ducentem, in pago 
Aurelianensi, ° villa, ante sanctum altare et presentiam 
nobiliorum virorum et deprecatione domini N. ceterorumque 
fratrum, qui* condictam villam ad usus proprios possedissent, 
a vineulo servitutis ob amorem et honorem domini nostri 
Jesu Christi, ad cujus militiam degeris, publice absolvo ci- 
vemque Romanum instituo°, ut abhine Christo favente in tuo 
jıre et potestate consistens, ita vivas ingenuus eivisque Ro- 
manus, tamquam si a liberis fuisses ortus parentibus, neque 
successoribus nostris seu senioribus ipsius ville quicquam no- 
xialis debeas servitutis, sed sub integra plenaque ingenuitate, 
quam propter sacri ordinis dignitatem accipere mereris, tem- 
pore vite tue permaneas, quatenus catenas servitutis, cui 
nascendo actenus obnoxius extitisti, per hanc absolutionem ® 
ereptus, securius liberiusque atque honestius divine potentie, 
eu manciparis, Domino adjuvante, famulari valeas. Ut vero 
absolutionis hujus titulum pro reverendis cultibus venerabilis 
sollemnitatis *, quam celebramus, firmum omni tempore incon- 
vulsumque obtineat vigorem, manu humilitatis nostrae subter 
roboravimus, nobilissimoque cenobie ® sancti Simforiani ad sti- 
pulandum promtissime? destinavimus. 
Signum Hugonis comitis ejusdem monasterii abbatis. 
Das vorjtehende Stück, wohl cher eine Formel als eine Urkunde 
zu nennen, hat Böhmer im %.1835 aus der Handichrift zu Yeiden 
Voss. Nr. 17 abgejchrieben. Es fcheint in die Zeit Karl des Kahlen 
zu gehören; der Graf und Abt Hugo kann wohl nur der 886 verjtor= 
bene Welfe fein; bei dem Kloſter St. Simphorian möchte ich 
am erjten an das zu Autumn denken. Der Tenor entipricht am 
meilten der Formel 71 bei Roziere I, ©. 76, die aus Append, 
Marculfi jtammt. 


4. Baufvertrag. 


‚ Domino magnifico Vidale et uxori sue Ermenberga pa- 
nter emtores, nos enim Issimbard et uxor suo Routrus pariter 
Yinditores, constat nos vobis vindedissemus, quod ita et feci- 
mus, hoc sunt res proprias nostras, qui de ereditate nobis 
obvenerunt: ressident ipsas res in vicaria Cantoiolo inter 
Raturiode villa i. olamato !° majore, inipso terraturio vindimus 
vobis campos duos, prato uno [et!! unus campus]; ille pratus 
' et 9. 2 progenie Hſ. *Leerer Raumind.Hf. * apudS$i. 
° instituto Hf. 6 absolutione Hſ. ” venerabiliter sollem- 
niter ? Hi. m cenobii Hſ. ® promitissime Sf. 10 undentlich. 
über der Zeile nachgetragen. 


186 


finis abent!: inde duos latus prato Jaucberto, de tercio rivo 
Efcarto ad ipsos emtores; unus campus fines abet: de duos 
latus terra Gaucberto, de uno rivo Efcarto terra de ipsa ere- 
ditate; infra istas fines totum vobis vindimus, unde accepimas 
de vos precium, sicut inter nos convenit, sol. 7, et nos pro 
ipsa precia de nostro jure in? vestram traimus dominacionem 
ad abendi, vindendi, donandi seu liceat comutandi, ut post ac 
die in omnibus abeatis potestatem a faciendum quiquit volue- 
ritis. De repeticione vero: sane si quis nos emutatas volun- 
tates nostras, an ullus eres noster, an ullus omo, vel amissa 
persona, qui contra vos vel contra carta ista ulla calumnia 
generare presumserit, hoc ei non liceam vindicare quod petit, 
set insuper conponat vobis auri lib. 1 et quod petit nihil 
aquirat. 

Facta carta ista die sabati mensse Octubris anno T. re- 
gnante Loddovico rege. 

Sign. Issimbard. Sign. Reitrudis qui carta ista scribere 
vel firmare rogoverunt. 

Sign. Icterio. Sign. Salomone. Sign. Eliaudo. Sign. Alal- 
fred. Sign. Airardo. 


Ingelftus scripsit. 


5. Schenkung. 


Dnio fratribus Girbalt elerico, dilecto senior, vester no- 
men Eldolf presbiter in amore et bonevolienciam ea que cor- 
tra te abeo, proterea pro ipsa amore dono tibi curtilo et vi- 
nea cum manso et exsio et salteo et campo insimul tenem- 
tem cum vitis et arboribus, qui est situs in agro Pociacens 
in villa Bociago a vinea Sendran, terminat a mano via pu- 
blica, a medium die et a sero terra Sancte Columba et terra 
Biliart, a cercio terra Sanct. Vincent et sancti Petri et sol 
terre, infra istas terminaciones totum et integrum tibi dono, 
dumodo vivit Eldolfus usum et fructum et pos meum obitum 
Girbalt clerico perveniet abere, tenere sine nullo contradicen- 
tem, et faciat quiquit facere voluerit in omnibus. Si quis 
vero, si ego ipsi, ullus omo, an ullus de eredibus meis, qui 
contradicere an calumniare voluerit, de auro uncias 2 liberas 
conponat, firma e stabilis permanead, constibulacione sutnixa. 
Actum Eldolf, qui docione ista fierit et firmare rogavit. sn. El- 
dolf. sn. Atalart. sn. Bellem. sn. Gervis. sn. Elidegrim. 
sn. Teot. sn. et ita sn. et ita Eldolf. sn. Avelonius ro- 
gatus escrissit, datavit die Veneris in mens. Setimber, anno 
8. rengante Looi rege. 


ı abet corr. abent. 
2 in vesirum am Schluß umb Anfang der Zeile zweimal gefchrieben. 


187 


Borftehende beide Urkunden Habe ich ſchon im Jahre 1840 zu 
Paris abgefchrieben. Meines Wilfens find fie bisher nicht ges 
druckt. Ueber ihre Heimath vermag ich nichts ficheres anzugeben, 
und auch die Zeit bleibt ungewig. Ohne Zweifel gehören fie zuſam— 
men; die ſehr barbarifche Sprache erinnert an die Rätiſchen Ur— 
finden, die und unter den Traditionen von Sangallen erhalten 
jind; doch weder die Bezeichnung vicaria nod) die genannten Kir— 
hen oder Klöfter weifen dorthin. Klöfter von St. Columba, St. 
Bincenz und St. Peter zufammen finden fi in Vienne, und aud) 
die vicaria würden für diefe Gegend paſſen; dagegen fällt die 
deutfche Bezeichnung Raturiode in dem romaniſchen Burgund auf. 
Iſt gleihwohl an diejes zu denfen, würde ich unter dem König 
Yudwig den „Blinden“ verjtehen und die Urkunden alfo in bie 
Jahre 907 und 908 fegen. 


Die Fräukiſche Völkertafel in fpäterer Umarbeitung. 
Mitgetheilt von G. Waitz. 





Der nachitehende Tert findet ſich im einer Handichrift der Bod— 
leianifchen Bibliothek zu Oxford 648 (2291), chart. saec. XV, mo 
fol. 47. Deseriptio orbis terrarum cum regnis et populis 
et nacionibus diversis fteht, zu der das Folgende gehört, was 
Hr. Prof. Pauli abgefchrieben hat, als wir im vorigen Herbſt dort 
gemeinichaftlicd arbeiteten. Daß der Tert des Nennius ec. 17 zu 
Grunde liegt, it auf den erjten Blick Har. Willfürlicd) genug hat 
der Verf. dem feine Zufäge eingefchaltet. 

Fol. 4%. Alanus quidem de genere Japhet primus venit 
in Europam et eum tribus filiis inhabitavit, videlicet Isichion, 
Armenon et Nengo. Ab Alanio Alani dieti sunt, qui Sithis 
inferioribus, id est Sarmathis, Sathis, Gothis et Swethiis impe- 
rant. Ab Isichion Isaci vocantur, qui aquilanaribus in occeano 
dominati sunt. Ab Armenon Armenii Germani. A Nengo 
Nenii, id est Northgwegienses. Filii Isichion: Romanus, a quo 
Romani, qui in Italia dominantur; Allemannus, a quo Alle- 
manni, qui Swevis, Norieis, Bajoariis, Saxonibus, Danmarchiis, 
Tewtonibus, Turingiis, Coloniensibus imperant. A Franco, 
Isichionis filio, Franei vocantur, qui Cumbris, Lugdunensibus, 
Narbonensibus, Provincensibus, Bituricensibus, Aquitanicis, 
Normannis, Armorieis, Morinis et Menesohiis presunt. A 
Britanno, Isichionis filio, Britones dieti sunt, qui Cambrie, 
Cornubie, Loegrie, Albanie, Scocie, Hibernie, Eladibus, Or- 
chadibus, Mannicis presunt. Filii Armenon: Gothus, a quo 
Gothi; Gwalegothus, a quo Gwalegothi; Gepidus, unde Ge- 
pidi; Burgundus, unde Burgundi; Longobardus, unde Longo- 
bardi. Sunt filii quoque Nengo: Saxo, a quo Saxones; Ba- 
garus, a quo Bogari; Wandalus, a quo Wandali; Tarinecius, 
a quo Tarinci, id est Cantabri, dietisunt. Ab hiis disseminata 
OBE. IUUFODE: 5.0.0 ae Brito ergo, filius Isichion, 
filii Alanii, de genere Japhet, Britannie, ut putatur, primo 
nomen dedit, 


Zu Lex Salica XVI. 
Bon Paul Winogradoff. 





Gewöhnlich fucht man den Sat “letus qui apud dominum in 
hoste fuerit’ dadurd zu erflären, daß die Freilaſſung zu vollem 
Rechte urſprünglich vor dem Heere jtattfinden mußte. Mit beſon— 
derer Entjchiedenheit ftellt die entiprecjende Deutung Sohm, Fränkiſche 
Reichs- und Gerichtsverfaffung 47 f., auf, im Gegenjage zu Waig, 
der den Zufat für umverftändlich erklärt. Sind aber durch Sohms 
Annahme wirklic) alle Schwierigkeiten gehoben? — „Die Gelegenheit, 
si litus apud dominum in hoste fuerit“, jagt er, „ijt die Gelegen— 
hit den Yiten per denarium freizulajfen“. Er hat dabei die An— 
weienheit des Heeres, das die Freilaſſung bezeugen foll, im Auge, 
vergißt aber die unangenehme Gegenwart des rechtmäßigen dominus. 
Jh glaube faum, daß diejenigen, welche anderer Leute Hörige une 
rechtmäßig freiließen, in der Regel verfuchten,. das in unmittelbarer 
Nähe der eigentlichen Herren zu thun. Viel eher läßt ſich denken, 
daß entlaufene Liten, wenn fie ſich als freie Volksgenoſſen legitimiren 
wollten, grade in Abwejenheit ihrer Herren, wenn auch vor dem 
yet, freigelafjen wurden. Man kann aber das bejtimmte ‘apud 
ominum’ nicht aus den Augen lajfen, und muß eingeftehen, daß 
8 eine Deutung des Zuſatzes unmöglich madt. So wie er jet 
vorliegt, ift der Zuſatz wirklic; „dem Sinne (dev Hauptbejtinmung) 
in feiner Weife entiprechend“. 

Ich glaube, der Fall gehört zu denjenigen, wo eine Emendation 
des Textes dringend noth thut, und fie läßt jich auch wohl ohne Ge— 
waltfamfeit durchführen. Man lefe den ganzen Paragraphen fo: Si 
quis homo ingenuus alienum letum, qui a domino suo in 
hoste dimissus fuerit, ingenuum dimiserit — — solidos C 
eulpabilis judicetur. Die bejte Bejtätigung gewährt, nad) meiner 
Anfiht, die oft angezogene Paralleljtelle L. Alam. Pact. II, 48, 
welhe auch bloß von einer Freilaffung zum Yiten vor den heris ge- 
nerationes ſpricht. Statt einer ſchwankenden Analogie hätten wir 
einen vollfommenen Parallelfall. 

Es iſt kaum mothwendig, ſich über den Sinn des Satzes, wie 
ih ihn leſe, zu verbreiten. Der Zufag bezeichnet nicht die Gelegen- 
beit, wenn eine unrechtmäßige Freuaſſung ftattfinden konnte — was 


1% 


da8 Geſetz auch feineswegs angeht — fondern die Qualification, 
welche da8 Verbrechen fteigert: Lite und Sflave werden in den zwei 
Paragraphen nicht bloß gejondert aufgeführt — e8 wird auch gejagt, 
was den einen vom anderen unterfcheidet. Auch in diefer Beziehung 
2 der Tall genau mit dem in der Lex Alamannorum zu ver- 
gleichen. 

Es iſt auch nicht Schwer zu errathen, wie die verborbene Lesart, 
weldhe wir in den Handfchriften haben, entjtanden ift. Abſchreiber 
wurden dur die Wiederholung — dimissus — dimiserit — ent= 
weder zu einem Wlüchtigkeitsfehler oder zur Ausscheidung eines ver— 
meintlih unnöthigen Wortes veranlaßt. 


Achtzehnte Plenar -Berfammlung 
der biftorifchen Commiſſion bei der königlich 
bayerifchen Akademie der Willenfchaften. 
1877. 


Beriht des Secretarints, 


Münden, im Dftober 1877. Die Hiftorifche Commiffion hielt 
in den Tagen vom 27. bis 29. September ihre diesjährige Plenar- 
verlammlung. An den Sigungen nahmen Theil der Vorftand der k. 
Alademie der Wiſſenſchaften Stiftspropft und Neichsrath von Döl- 
liuger, der Vicepräfident der Ef. £. Akademie der Wiſſenſchaften zu 
Vin und Director des geheimen Haus-, Hof» und Staatsarchivs 
Ritter von Arneth, der Director der preußiihen Staatsardive Pro— 
kffor von Sybel, der Geheime Regierungsrat Wait aus Berlin, 
der Reichsarchivdirector Geheime Rath von Löher, der Klofterpropft 
Freiherr von Lilieneron aus Schleswig, der Reichsarchivrath Muffat, 
der Geheime Haus: und Staatsardivar Rodinger, der Hofrat) Pro= 
feſſer Sickel aus Wien, die Profejforen Cornelius, Dümmler aus 
Halle, Hegel aus Erlangen, Kluckhohn, Wattenbach aus Berlin, We- 
gele aus Würzburg und Weisfäder aus Göttingen. In Abweſenheit 
des Borftandes Geheimen Regierungsrathes von Ranke leitete der 
ftändige Secretär der Commifjion, Geheimrath von Giefebrecht, die 
Verhandlungen. | 

Nach dem vom Secretär erftatteten Bericht find im abgelau- 
fenen Gefchäftsjahre die Arbeiten nach allen Seiten mit dem größten 
Eifer fortgeführt worden. Abermal® mußte mit befonderem Danke 
die überaus bereitwillige Unterftütung anerfarınt werden, mit meldjer 
die Vorjtände der Archive und Bibliotheken die Nachforfchungen der 
Commiffion unterftügen. Seit der vorjährigen Plenarverfammlung 
famen folgende neue Publicationen der Commiſſion in den Buchhandel: 

1) Geſchichte der Wilfenfchaften in Deutſchland. Neuere Zeit. 

Bd. XVI — Gefhichte der Aftronomie von Rudolf Wolf. 

2) Deutfche Reichstagsacten. Bd. III. — Deutjche Reichstags- 

acten unter König Wenzel. Dritte Abtheilung. 1397 1400. 
erausgegeben von Yulius Weizfäder. 

3) Die ie und andere Akten der Hanjetage von 1256—1430. 

B 


d. IV. 

4) Briefe und Akten zur Geſchichte des dreißigjährigen Krieges 
in den Zeiten des vormaltenden Einfluffes der Witteldbacher. 
Bd. III. Der Julicher Erbfolgefrieg. Bearbeitet von Moriz 
Ritter. 

5) Forſchungen zur Deutfchen Gedichte. Bd. XVIL. 

XVIIL 13 


194 


6) Allgemeine Deutfche Biographie. Lief. XIX—XXVIL 

Aus den Berichten, welche im Fortgauge der Verhandlungen die 
Leiter der einzelnen Unternehmungen erftatteten, ergab ſich, daß eine 
Me Anzahl neuer Publicationen für die nächſte Zeit zu erwarten 
teht. 

Die Regifterarbeiten für die neue Ausgabe des Schmeller'ſchen 
Mörterbuchs und für die von J. Grimm begontene Sammlung der 
Weisthümer find endlich fo weit gediehen, daß die Vollendung diefer 
Unternehmungen nahe bevorfteht. Das von Dr. 8. Frommann be: 
arbeitete, jehr umfängliche Regifter zum Schmeller’fhen Wörterbud 
iſt Schon zum größeren Theile gedruckt und wird bis Jahresſchluß 
vollftändig in den Buchhandel fommen. Das von Profejior 8. 
Schröder hergeftellte Sadjregifter zu den Weisthümern ift fo weit 
vollendet, daß es jett der Prefje übergeben und mit dem bereits ge 
dructen Namensregilter bald der Deffentlichfeit übergeben werden 
fann; das von Profeſſor Birlinger in Bonn bearbeitete Wortregifter 
wird fid) dann Hoffentlich unmittelbar anschließen. 

Bon der großen durch Profeſſor C. Hegel herausgegebenen 
Sammlung der Deutichen Städtechronifen ift der vierzehnte Band 
im Drud nahezu vollendet; er bildet den dritten, abjchließenden 
Band der Cölner Chroniken und enthält den Schluß der allgemeinen 
Einleitung über die Verfafjungsgeichichte der Stadt Cöln vom Her: 
ausgeber, fodann den zweiten Theil der großen Koelhoffichen Chronil 
bis 1499 (mebit vier Beilagen) in der Bearbeitung von Dr. H. 
Gardaung in Cöln, das Gloſſar für den zweiten und dritten Band 
von Profeffor Birlinger und zwei Regiſter für diefelben Bände von 
Dr. Cardauns. Der fünfzehnte Band der Sammlung, welcher im 
Laufe des nächiten Jahres zum Drud kommen foll, wird die baye 
riſchen Chronifen von Münden, Regensburg, Landshut und Mühl— 
dorf bringen. 

Das von Brofejfor J. Weizfäcer geleitete Unternehmen der 
Reichstagsacten fchreitet nach verſchiedenen Seiten raſch vorwärts. 
Der zuletzt publicirte dritte Band, vom Herausgeber ſelbſt bearbeite, 
umfaßt die letten Jahre K. Wenzels, feine Abfegung und die Er 
wählung K. Ruprechts; binnen Kurzem hofft man den vierten Band 
veröffentlichen zu fünnen, welder die Regierungszeit Ruprechts er: 
öffnet und bei deſſen Bearbeitung auch Dr. E. Bernheim in Göt- 
tingen betheiligt ift. Inzwiſchen Hat auch bereit8 der Drud de 
fiebenten vom Bibliothefar Dr. Kerler in Erlangen herausgege— 
benen Bandes begonnen, welcher ſich auf die Anfänge der Periode 
Kaifer Sigmunds bezieht. Auch mit dem Drud der Akten Kailer 
Friedrichs III. fol nicht gewartet werden, bis alle vorhergehenden 
Adtheilungen veröffentlicht find; um die Arbeiten für dieſe Periode 
möglichft zu fördern, ift der frühere Mitarbeiter Dr. Fr. Ebrard in 
Straßburg wieder gewonnen worden; mit ihm ift auch Dr. H. Witte 
dafelbft fiir diefe Abtheilung thätig. 

Von der Sammlung der Hanfereceffe, bearbeitet von Dr. K. 


195 


Koppmann, reicht der jüngft erfchienene vierte Band bis zum Jahre 
140. Der fünfte Band, deſſen Drud noch in diefem Jahre be= 
gonnen werden joll, wird die Receſſe von 1400—1415 umfajjen. 

Als Fortfegung der Jahrbücher de8 Deutfchen Reiches fteht zu— 
nähft der zweite Band der von Profefjor E. Winkelmann in Hei— 
dilberg bearbeiteten Geſchichte Philipps und Dttos IV. in Ausficht ; 
der Druck diefes Bandes wird in den mächiten Tagen feinen Anfang 
nehmen. Es ift zu hoffen, daß Profeſſor Winkelmann nad) Beendi— 
gung diefer Arbeit auch die Jahrbücher Kaifer Friedrichs II. abfaffen 
wird. Herr Profefjor E. Steindorff in Göttingen ftellt den Drud 
des zweiten, abjchliegenden Bandes der Jahrbücher Kaifer Heinrichs IIL. 
für das nächſte Fahr in Ausfiht. Bon den Jahrbüchern Kaifer Lo— 
thars, bearbeitet von Oberlehrer Dr. W, Bernhardi in Berlin, lag 
ein großer Theil in Manufcript vor, fo daß der Drud auch diefer 
Abtheilung vorausfichtlih bald wird unternommen werden fönnen. 
Mit der Bearbeitung der Geichichte Kaifer Konrads II. ift Profefjor 
9. Breßlau in Berlin unausgejett beichäftigt. Die Fortſetzung der 
von S. Abel begonnenen Jahrbücher Karls des Großen hat Profejjor 
2. Simfon in Freiburg übernommen. 

Von der Geſchichte der Wiſſenſchaften ift der ſiebzehnte Band, 
Geſchiche der Mathematit von Director Gerhardt in Eisleben, im 
Truf weit vorgejchritten. Won der durch den verftorbenen Geh. 
deftath O. Peſchel verfaßten Gejchichte der Geographie ift eine zweite 
Inflage unter der Preffe, welche Profeffor S. Ruge in Dresden be- 
arbeitet hat. In den nächſten Tagen wird aud die Geichichte der 
Hiteriographie von Profeſſor Wegele der Preſſe übergeben werden; 
die Geſchichte der Geologie, der klaſſiſchen Philologie und der Medicin 
werden dann fchnell folgen. Die Verhandlungen, um an Stelle des 
beritorbenen Generallieutenants Freiherrn von Troſchke einen geeigneten 
Bearbeiter für die Gefchichte der Kriegswiffenichaften zu gewinnen, 
find feider bisher erfolglos geweſen. 

Die Allgemeine Deutſche Biographie wird unter der Redaction 
des Freiherrn von Pilieneron und des Profeffors Wegele ununter- 
rohen fortgeführt. Mit der 25. Lieferung ift der fünfte Band zum 
Abſchluß gefommen; vom fechiten Bande iſt die 26. und 27. Liefe— 
tung bereit8 erfchienen, und eine neue Lieferung wird demnächjt aus— 
gegeben werden. 

Die Zeitfhrift: Forſchungen zur Deutſchen Gefchichte wird in 
der bisherigen Weife unter Redaction des Geh. Regierungsraths Waitz, 
kr Profefjoren Wegele und Dümmler auch ferner fortgefegt werden. 
Der Drucd des achtzehnten Bandes hat bereits begonnen. 

Die Arbeiten. für das umfaffende Unternehmen der Wittelsbach'- 
Iben Correſpondenz im fechszehnten und ftebzehnten Jahrhundert find 
nah allen Seiten gefördert worden. Für die ältere pfälzifche Abthei— 
lung, namentlich für die Correipondenz des Pfalzgrafen Johann Ga- 
fmir, hat Dr. Fr. von Bezold die Acten des Marburger Staats- 
archivs und der Hiefigen Archive weiter durchforſcht; überdies ergab 


196 


fih ihn ein fehr reiches Material bei einem längeren Aufenthalt in 
Paris. Nach einer abermaligen Reife nad Franfreih, die er in 
nächiter Zeit auszuführen gedenft, wird die Publication der Gorre 
Ipondenz Johann Caſimirs fofort in Angriff genommen werden. Für 
die unter der Leitung des Geheimraths von Löher ſiehende ältere bay: 
riſche Abtheilung hat Dr. von Druffel die Nachforſchungen fortgefekt. 
Der Drud des zweiten Bandes der „Briefe und Akten zur Geſchichte 
des jechzehnten Jahrhunderts“ hat bisher noch nicht begonnen werden 
fünnen, da ſich in den hiefigen Ardiven noch ein umfängliches Ma- 
terial vorfand, welches einer forgfältigen Bearbeitung bedurfte. Aud 
find noch einige Kleinere Reiſen erforderlich), nad) deren Beendigung 
dann ſogleich mit dem Drud begonnen werden wird. Für die jün— 
gere pfälzische und die jüngere bayriiche Abtheilung, beide von Pro: 
feffor Cornelius geleitet, waren Profefjor M. Ritter in Bonn und 
der hiefige Privatdocent Dr. 8. Stieve thätig. Der Erftere hat mit 
den drei von ihm Heransgegebenen Bänden der „Briefe und Akten 
zur Geſchichte des dreigigjährigen Krieges“, welche die pfälzische Corte 
Ipondenz von 1598—1610 umfafjen, feine Arbeiten vollendet. Der 
vierte Band des genannten Werfs, bearbeitet von Dr. Stieve, befinde 
ſich jett im Drud. Er giebt eine Darlegung der bayrifchen Poli! 
in den Jahren 1591—1607, begleitet von den wichtigiten Aftenftüden. 
Unmittelbar daran follen fid) darın zwei weitere Bände ſchließen, welde 
die Gorrefpondenz vom Yahre 1607 an enthalten werden. 

Noch find nicht zwei Decennien verflojjen, feit König Mari: 
milian II. die hiſtoriſche Commiffion in das Leben rief, und ſchon 
find mehr als Hundert Bände von derfelben der Deffentlichfeit über: 
geben worden. Die Verhandlungen der diesjährigen Plenarverjam 
lung zeigten, daß eine lange Reihe weiterer PBublicationen in Vorbe 
reitung fteht. Wie viel Bayern und Deutjchland der Hochherzigen 
Fürforge der bayerifchen Könige für das Studium der nationalen Ge— 
ichichte zu danken Hat, wird jchon jegt aller Orten empfunden und 
wird fih in Zukunft noch klarer herausjtellen. 


XVII. 


KRaiferurfunden. 


14 


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Fünf ungedrudte Kaiferurfunden aus dem IX. bis XIL. 
Sahrhundert. 


Mitgetheilt von Ad. Goerz. 


Die vier erften der nachftehenden Kaiferurfunden befinden ich 
chihtiftlich in den Habel’ihen Sammlungen zu Miltenberg am Main 
unter den Manuferipten des frühern rheingräflicen Regierungs- und 
Ardidraths Schott, welche Profefjor Bodmann in Mainz angefauft 
hatte, und zwar Nr. 1 unter Nr. 21 der Diplomata Ringraviorum; 
%.2.3 und 4 als Beilage Nr. 3. 4 und 7 in Schotts Manu— 
kript „Ueber. den Hunsrücken“. Nr. 5, die Urkunde Kaiſer Fries 
drihe L, ift noch in einem prächtigen Original gut erhalten im- fai- 
krlihen Bezirfs- Archive zu Met. 


1 


König Ludwig der Deutſche ſchenkt dem Albansklofter bei Mainz 

iskalifhes Ackerland mit Bugehörungen zu Kreuznach im Hahegau, 

meldes fein Bafall Reginbert — Lehen hatte. Worms, 868, 
ni 22. 


In nomine sancte et individue Trinitatis. Ludowicus 
livina favente gratia rex. Si liberalitatis nostre munere lo- 
eis Deo sacratis quiddam conferimus beneficii, id nobis ad 
tam eternam felieiter obtinendam profuturum liquido eredi- 
ns, Quapropter comperiat omnium fidelium nostrorum pre- 
&tium seilicet et futurorum solertia, qualiter nos ob nostre 
herredis augmentum et pro remedio anime domini avi ac dive 
Demorie genitoris nostri concessimus atque contulimus ad 
Monasterium S. Albani extra muros Moguntine civitatis con- 
Kruetum tres mansos arabilis terre ex fisco nostro in villa 
Creiniaco in pago Nahguve, quos fidelis et vassus noster 
“ginbertus antea in beneficium tenuit, cum omnibus ibidem 
adjacentiis in mancipiis, terris, vineis, pratis, pascuis, silvis, 
Aquis aquarumve decursibus, totum et ad integrum ex jure 
14* 


200 


et dominatione nostra in jus et dominationem fratrum in pre- 
dieto monasterio Deo sanctisque jugiter famulantium tradimus 
atque transfundimus, ea videlicet ratione, ut ab hac die et 
deinceps pro nostra salute Domini clementiam devotissime 
exorent. Et ut hec auctoritas largitionis nostre inviolabilem 
obtineat firmitatem, manu propria nostra subter eam firmavi- 
mus et annuli nostri impressione assigniri jussimus. 

Heribertus notarius ad vicem Grimaldi archicapellani re- 
cognovi et subscripsi. 

Data 11. kal. Junii anno 36. regni domini Ludowiei se- 
renissimi regis in orientali Francia regnantis, indiet. 1. Ac- 
tum in eivitate Wormatia. In Dei nomine felieciter Amen. 

Bekannt find 2 Urkunden König Ludwigs des Deutichen vom 

23. und 25. Mai 868 zu Worms ausgejtellt (vgl. Böhmer, Rx. 
der Karolinger Nr. 823. 824 und Sidel, Beiträge zur Diplomati, 
2. Stüd, ©. 70). Diejelben find von dem Canzler Heberhard tr 
cognoscirt, während in obiger Urkunde als Necognoscent der Notarius 
- Heribert unterjchreibt, welchen Sidel 1. c. noch nicht verzeichnet bat. 


2. 


Baifer Otto I. ſchenkt dem Convent der Abtei 3. Mazimin bei 
Srier feine beiden Höfe Emmel und Winterid) im ZMofelgau in 
der Graffdaft des Grafen Berthold. Köln, 966, Ban. 8. 


In nomine sancte et individue Trinitatis. Otto divina 
favente clementia imperator augustus. Quidquid sancte Dei 
ecclesie pia devotione conferimus beneficii, premium nobis 
apud Deum in eterna beatitudine recipere confidimus; qua 
propter omnium fidelium nostrorum tam presentium quam fü- 
turorum noscat solertia, qualiter nos interventu dileete con- 
jugis nostre Adelheidis fidelisque archiepiscopi Theodorit 
quasdam curtes nostras Emmele et Winteriche in pago Mu- 
selgowe, in comitatu Bertholdi comitis, ad altare S. Maximin 
in usum fratrum Deo ibidem famulantium cum omnibus sus 
pertinentiis, id est mancipiis, edificiis, vineis, silvis, pratis, 
pascuis, agris, terris eultis et incultis, aquis aquarumve de- 
cursibus, quesitis et inquirendis, in proprium donamus, ea VI 
delicet ratione, ut predicti fratres liberam habeant potestaten 
possidendi, seu quidquid eis libet in utilitatem sue ecelesie 
faciendi. Et ut hec nostra traditionis auctoritas stabilis per- 
maneat etinconvulsa, hanc cartam inde conscribi et sigilli no- 
stri impressione jussimus insigniri. 

Signum domini Ottonis invictissimi imperatoris august. 

Liudulfus cancellarius ad vicem Wilbelmi archicancellarıi 
recognovi. 

Data 6. id. Januar. anno dominice incarnationis 966, 1n- 


201 


diet. 9, anno regni domini Ottonis 31, imperii vero4. Actum 
Colonie in Dei nomine felieiter Amen. 
Dereit8 Tags vorher Hatte Hierjelbft die Abtei vom Kaifer 2 
Urkunden erhalten, vgl. Goerz, Mittelrhein, Regeſten I, 286 
(Stumpf Nr. 392. 393). 


3. 


Rönig Otto III. fdrenkt dem Convent zu St. Gonr die Güter zu 

Werlau und Yungeroth im Trechirgau, in der Graffdaft des Grafen 

Berthold, welche an ihm durd; den Tod feines Bafallen Yaridjo ge: 
kommen waren. Ürier, 992, Mai 30. 


In nomine sancte et individue Trinitatis. Otto divina 
providente clementia rex. Noverit omnium fidelium nostrorum 
tam presentium quam futurorum industria, quod nos ob inter- 
ventum venerabilis Egberti Trevirensis ecclesie archiepiscopi 
omnia hona, que ad nos ex obitu Harichonis fidelis no- 
sti in Werelawe et in Hunzerode in pago Drechari, in 
comitatu Bertholdi comitis, pervenisse dinoseuntur, ecclesie S. 
Goaris et fratribus ibidem Deo sanctisque jugiter famulanti- 
bus in proprietatis usum concessimus, cum maneipiis utrius- 
que sexus, edifieiis, terris cultis et incultis, pratis, silvis, pa- 
seuisete, ete., cum omnibus eorundem pertinentiis, tali videlicet 
tenore, ut libera deinceps fruantur licentia hec tenendi, dandi, 
commutandi seu quiequid sibi libuerit inde faciendi. Et ut 
hee nostri presens auctoritas precepti firmior stabiliorque 
permaneat, hanc inscriptionem fieri manuque propria subtus 
toboratam annuli nostri impressione jussimus sigillari. 

Signum domini Ottonis gloriosissimi regis. Hildeboldus 
episcopus et cancellarius vice Willigisi archicapellani recognovi. 

Data 3. kalend. Junii anno dominice incarnationis 992, in- 
diet, 5, anno autem tertii Ottonis regnantis 9. Actum Tre- 
viris felieiter in Dei nomine Amen. 

Am Tage vorher hatte hierjelbft König Otto der Abtei S. Mari- 

min bei Trier eine Urkumde ertheilt; vgl. Stumpf, Kaiſerregeſten 
Nr. 967; Goerz, Mittelrhein. Reg. I, 318. 


4 


Raifer heinrich II. fchenkt dem Abt Hrold von Prim das Gut 
zu Monzelfeld im Mofelgau, in der Grafſchaft des Grafen Berthold, 
welches ihm der Erzbiſchof Heribert von Cöln gegeben hatte, 

Frankfurt, 1016, Oct. 17. 


In nomine sancte et individue Trinitatis. Heinrieus Dei 
gratıa Romanorum imperator augustus — — unde pateat 
notitie omnium Christi fidelium presentium et futurorum, qua- 


202 


liter nos pro remedio anime nostre, necnon pro salute con- 
jugis nostre Cunigunde videlicet imperatrieis: auguste illnd 
predium, quod nobis venerabilis Herebertus Celoniensis ar- 
chiepiscopus dedit in yilla et marca Munzervelda, in, pago 
Muselgowe, in comitatu Bertholdi comitis, domino Uroldo ab- 
bati Prumiensis monasterii in proprium dedimus, cum edificiis, 
mancipiis, vicis, villis, areis, terris cultis et incultis, agris, 
silvis, pratis, pascuis, aquis aquarumve decursibus, viis et in- 
viis, exitibus et reditibus eum omnibus utensilibus, que vel 
scribi vel nominari possunt, in perpetuum possidendum, Et 
ut hec nostre traditionis auctoritas firma permaneat et ineon- 
vulsa, hanc paginam inde conscribi et sigilli nostri impres- 
sione insigniri jussimus. 

Signum domini Henriei Romanorum imperatoris augusti. 

Guntherus cancellarius vice Erchenboldi archicapellari 
recognovi. 

Data 16. kalend. Novembr. anno dominice incarnationis 
1017, anno vero domini Heinriei secundi regnantis 15, m- 
perii autem 3. Actum Franconefurt felieiter Amen. | 

An demfelben Tage und Orte hat der Abt vom Kaifer einen 

zweiten Gnadenbrief erhalten ; vgl. Stumpf Nr. 1679; Goerz, Mit 
telrhein. Regeften I, 337, | 


5 


Roifer Friedrich I. beftätigt * Erwählten (Bifhof) Friedrid 
von Metz und deffen Kirche den Befik des Schloſſes Sanrbrüden, 
Anden, 1171, Sept. 4. 


In nomine sancte etindividue Trinitatis. Frederieus divina 
favente elementia Romanorum imperator augustus. “Ad hot 
divina ordinante elementia ad imperialem excellentiam per- 
moti cognöscimur, ut ecclesiarum perpulsemus injurias et ea- 
rundem jura manutenere, tueri ac defendere non dissimule- 
mus. Eapropter notum facimus universis imperii fidelibus tam 
futuris quampresentibus, quod nos Metensem ecclesiam sub 
umbra alarum nostrarum protegere cupientes, ejusque pell- 
cionibus ac dileeti nostri Frederiei Metensis electi majestatis 
nostre assensum clementer inclinantes, predecessorum nostro- 
rum, videlicet Ottonis! imperatoris et Heinriei? regis, deerev!- 

1 Kaifer Otto III. ſchentte zu Rom 999 Apr. .14 die Burg Sanrbrüden 
dem Hochſtift Mes, nad; der Urkunde bei Kremer, Geſchichte des Ardenniſchen 
Geſchlechts 284 (Mittelrhein. Regeften I, 326). 

® König Heinrich IL. ‚hatte auf einem Kriegszuge gegen den Biſchof von Me 
1009 die Burg Snarbrüden erobert (Annal. Altah. maj. ap. Pertz, 88. XJ, 
790), welde exft König Heinvid; IV. 1065 Apr. 3 zu Mainz dem Hodfift 


Met zurüdgab; vgl, Urk. bei Kremer 1. e. 287 (Mittelrhein. Regeften I, 359 
und 395), 


203 


mus inherere vestigiis, ne ipsius ecclesie possessiones per eos 
collate et contradite a violentis invasoribus injuste distrahan- 
tur, utilitatibus ecclesie subtrahantur; castrum itaque Sare- 
bruggen eidem ecclesie et dilecto nostro Frederico Metensi 
eleeto ejusque successoribus libere et quiete perpetuo jure 
possidendum nostra imperiali auctoritate contradimus et con- 
firmamus, sicut ab eisdem inclite recordationis predecessoribus 
nostris predicte ecclesie confirmatum fuisse privilegia ipsorum 
declarant. Statuimus itaque et precipimus, ne prefatus electus 
vel ejus successores seu aliqua persona secularis vel ecclesi- 
astica prefatum castrum a potestate sive Metensis ecclesie 
utilitate in aliam personam transferre presumat; et quicunque 
facere attemptaverit, centum libras auri purissimi pro satis- 
factione componat, dimidium camere nostre et religquum Me- 
tensi ecclesie. Et ut hec rata et inconvulsa omni evo per- 
maneant, presentem inde paginam conscribi et sigilli nostri 
impressione jussimus insigniri. Hujus rei testes sunt Arnol- 
dus Trevirensis archiepiscopus, Rudolfus Leodiensis episeopus, 
Godefridus Trajectensis episcopus, Erlembaldus abbas Sta- 
bulensis, Florentius Indensis abbas, Reinfridus abbas S. Vin- 
centü, Godefridus dux Lovanie, Heinricus comes de Gelra, 
Theodericus comes de Cleva, womes Engelbertus de Berga, 
comes Eyerardus de Seine, Egidius comes.de Durachio, Hein- 
riengs comes de Dietze, F'olmarus archidiaconus Treverensis, 

Willlmus circator Metensis, Fridericus Metensis ecelesie ca- 
tonicus, Symon Metensis canonicus, Poncius dapifer Metensis, 
Burkärdus de Crispi, Rikardus de Castello, Hugo scabinus 
Metensis et Barsilius, filius ejus, et alii quam plures. 

Me Signum domini Frederici Romanorum imperatoris invic- 
imi. Ä 
Ego Heinricus cancellarius vice Cristiani Moguntini ar- 
chiepiscopi et archicancellarii recognovi. 

'. Acta sunt hee anno dominice incarnationis 1171, indic- 
tione 4, regnante domino Frederico Romanorum : imperatore 
gloriosissimo, anno regni ejus 20, imperii vero 18. Dat. 
Aquisgrani 2. non. Septembris.  Feliciter amen. 

Das Original befindet fih im kaiſerl. Bezirksarchive zu Miet. 


Sieben Kaifernrfunden. 
Mitgetheilt von 8. Weiland. 


Die nachfolgenden Urkunden find ſämmtlich aus Handfchriften 
der Gießener Univerfitätsbibliothef, über die im N. Archiv der Ge 
jellihaft für ältere Deutſche Gefhichtsfunde näher Nachricht gegeben 
werden wird, entlehnt, 


1. 


K. Zriedrid II. beftätigt dem Rlofter zur hl. Ratherina in Dortmund 
die Schenkungen feines Vaters, insbefondere das Gut Rönigskamp, 
erlaubt denen, welche Binsgut vom Reiche haben, das Rlofter davon 
zu beſchenken, ſchenkt demfelben Holz von vier Yufen Reichswald. 
Vrechenbergh, 1218, Zuni 20. i 


In nomine sanctae et individuae trinitatis. F'redericus 
divina favente clementia Romanorum rex et semper! augl- 
stus et rex Sieiliae. Religiosam vitam eligentibus regale 
convenit adesse praesidium et protectionis nostrae suffragium 
impertiri, ne forte cujuslibet incursus aut eos a proposito 
revocet aut robur, quod absit, sacrae religionis infringat. 
Ad notitiam ergo omnium fidelilum praesentium et futuro- 
rum devenire volumus, quod nos ad imitationem Henrieci sexti 
patris nostri bonae memoriae Romanorum imperatoris et Te 
gis Siciliae, pro remedio animae suae ac nostrae etiam pro 
salute, terram curiae nostrae et imperii in oppido Tremonia® 
adjacentem dedimus ad constructionem officinarum monaster), 

uod ibidem ad honorem sanctissimae virginis et wartyris 
atbarinae est constructum, ipsumque cum omnibus bonis 
suis et praediis suis, quae nunc possidet vel imposterum Do- 
mino concedente poterit adipisci, sub speciali protectione n0- 
stra recipientes, ea sibi stabilitate perpetua confirmamus & 


! imperator Hbf. 


205 


praesentis scripti privilegio communimus. Volumus siquidem, 
ut ordo canonicus, qui secundum Dei timorem et beati Augu- 
stini regulam ibi Deo authore institutus esse dignoseitur, per- 
petuis ibidem temporibus inviolabiliter observetur. Praeterea 
quascunque possessiones, quaecunque bona in terris, vineis, 
mancipiis, censibus, decimis, molendinis, aquis aquarumve 
deeursibus, pratis, pascuis, nemoribus, campestribus, collibus, 
vallibus, terris cultis aut incultis, aut quibuslibet aliis rebus, 
quae eadem ecclesia inpraesentiarum juste possidet aut in 
futurum concessione pontificum, largitione regum vel prinei- 
pum, oblatione fidelium aut aliis justis modis Deo propitio 
poterit adipisei, firmiter eis! earumque successoribus illibata 
permaneant. Ad haec paci ejusmodi providere optantes, re- 
gali authoritate inhibemus, ut nulla ecclesiastica saecularisve 
'persona jam dietam ecclesiam et ejus ambitum vi vel fraude 
oecupare aut religiosae conversationis sorores exinde audeat 
removere. Decernimus ergo, ut nulli omnino hominum liceat 
eandem ecclesiam temere perturbare aut ejus possessiones 
auferre vel ablatas retinere, minuere aut aliquibus vexationi- 
bus fatigare, sed illibata omnia integra conserventur, earum, 
pro quarum gubernatione ac sustentatione concessa sunt, usi- 
bus omnimodis profutura. Firmissima etiam stabilitate con- 
frmamus et observari praeeipimus, ut, quieunque fidelium utrius- 
que sexus Tremoniae vel extra Tremoniam degentium man- 
808, agros, prata, pascua, domos sive molendina, quae ab im- 
perio sub pensione possident, praefatae ecelesiae sacratisque 
Deo personis eonferre voluerint, a nostra regali munificentia 
liheram et efficacem habeant conferendi facultatem; ita tamen 
ne curia nostra debita pensione privetur. Praedium vero 
Königskamp in vulgari nuneupatum, quod pater noster sae- 
pedietae ecclesiae contulit, collatum clementer annuimus et 
perpetua libertate communimus, advocatiam bonorum ipsius 
ecelesiae nobis successoribusque nostris, nulla persona media, in 
perpetuum reservantes. Ligna etiam quatuor hubarum in re- 
gio nemore ad usum ancillarum Christi pro salute animae 
nostrae nec non pro terreni nostri imperii stabilitate ipsis 
in perpetuum largiri praeeipimus. Si quae ergo in futurum 
ecclesiastica saecularisve persona contra hanc constitutionis 
nostrae paginam temere venire tentarit, secundo tertiove com- 
monita nisi praesumptionem suam congrua satisfactione cor- 
rexerit, indignationis nostrae poenam sentiet, centum libras 
auri compositura, medietatem camerae nostrae, alteram me- 
dietatem praefatae ecelesiae. 

Hujus rei sunt testes: Conradus Spirensis et Metensis 
episcopus, imperialis aulae cancellarius; Cuno Voldensis ab- 
bas; et Elwacensis; Ludovicus dux Baugariae, palatinus 

' Cor, aus ejus Hdſ. 


206 


comes Rheni; Theobaldus dux Lotharingiae; eomes Ludovieus 
de Cigenhagen; Ulricus de Mencenbergh; Wernerus de Bo- 
lantia, regalis aulae dapifer; Philippus, frater ejus; Conradus 
ne de Tramonia; Henrieus de Scharfenbergh et alii quam! 
plures. 

Datum apud Vrechenbergh?, anno dominicae incarnatio- 
nis millesimo ducentesimo decimo octavo, duodecimo calendas 
Julii, indictione sexta. | 

Aus einer Abſchrift s. XVIII, in der Handſchrift Nr. 226 

der Univerfitätsbibliothef in Gießen, fol, 1°. 


2 


®. Zriedrid II. empfiehlt das St. Katherinenklofter F Bortmund 
den Schuhe des Erzbiſchofs ne Köln. Frankfurt, 1220, 
pril 16. 


F. dei gratia Romanorum rex et semper augustus et 
rex Siciliae dilecto prineipi suo E. sanctaeꝰ Coloniensis ec- 
elesiae archiepiscopo gratiam suam et omne bonum. Quia 
monasterium sanctimonialium in honore beatae* virginis et 
martiris Catharinae Tremoniae fundatum speciali amore com- 
lectimur, advocatiam illius nulli omnino personae porrigere 
ecrevimus, illam nobis successoribusque nostris, nulla persona 
media, in perpetuum reservantes. Cum autem honus impe- 
rialis moderaminis nos saepius ad diversas trahat partes et 
remotas°, ne idem monasterium ex absentia nostra maligno- 
rum gravetur incursibus, ipsum cum bonis suis tuae commil- 
timus protectioni, rogantes et in Domino exhortantes, quate- 
nus cum ® nostri intuitu tum pro salute animae tuae circa bona 
ejusdem monasterii solertem curam et vigilem adhibeas, nulli 
unquam hominum eidem monasterio irrogare injuriam per- 
mittas. u 

Datum apud Franckenfurt, anno dominicae incarnationis 
1220, 16. cal. Maji, indictione 8. 

Aus einer Abſchrift s. XVII, in der Handfchrift Nr. 226 

der Gießener Univerfitätsbibliothef, fol. 3. 


3. 
®. Friedrich IT. ertheilt dem Viſchofe von Hildesheim das Kecht 
die zu Lehen ausgegebenen Bogteien einzulöfen. Parma, 1226, Juni. 
Fridericus Dei gratia Romanorum imperator, semper au- 


I! aliguam Hbf. A 
° ort. aus Urechenbergh Hbf., vielleiht Vrethebergh, Friedberg. 
’ 8. Hbf. 4b. Hbf. 5 remoras Hdſ. °s fehlt Hdſ. 


207 


gustus,, Jerusalem etSieiliae rex. Per praesens scriptum notum 
facimus ‚universis imperii fidelibus: cum magna sint merita 
fdei venerabilis Hildesemensis ! episcopi, dilecti prineipis no- 
stri, in conspectu nostro, tanto magis idem episcopus spe- 
ciali debet praerogativa gaudere et a nobis grata praemia 
reportare, quanto majori. stabilitate” praceminet ‚fides ejus, 
maxime cum ab ipso nonnisi gratum et fidele servitium reco- 
lamus omni tempore recepisse. ‘ Et ideirco sibi gratiam spe- 
cialem ‚volentes facere, damus licentiam. sibi plenam, ut ad- 
vocatias infeudatas tam ipse quam ecelesia sta lieite redi- 
mere possit ac emere vel alio modo, sicnt .potuerit melius, 
valeat revocare vel adipisci, justitia mediante, auctoritate 
praesentis seripti districte praecipientes, quatenus ® nullus sit 
ausus, qui praediecto episcopo, dileeto prineipi nostro, vel suis 
suecessoribus aut eccelesiae suae super hoc impedimentum vel 
eontrarietatem opponat,  sieut confidit de nostrae gratia ma- 
jestatis. 

Datum apud Parmam anno dominicae incarnationis mil- 
lesimo ducentesimo vicesimo sexto, mense Junii, 14. indiet. 

Aus einer Abfchrift s. XVIII der Handſchrift Nr. 492 der Uni— 

verfitätätsbibliothef zu Gießen, fol. 158. 


4, 
Zeinrich (VIL) erwählter Römiſcher Rönig nimmt die Abtei zu 
Zürich in feinen Schuß und beftätigt der Aebtiſſin insbefondere 
das Recht die niederen Hofbeamten felbhändig ein= und abzufehen. 
(1220, April 23 — 1222, Mai 8). 

H, dei gratia Suevorum dux in Romanorum regem elec- 
tus abbatie Turicensi in perpetuum. Per presens sceriptum 
notum facimus tam presentibus quam futuris, quod nos de 
solita gratia et consulta benignitatis nostre clementia abba- 
tiam et ecclesiam in Turego, Constanciensis diocesis, sub no- 
stra .speciale proteetione. et defensione recepimus, tam perso- 
nas ibidem divino servicio maneipatas quam ceteros. homines 
suos nec non et omnia bona tam fixa quam mobilia et jura 
ad eandem abbatiam pertinentia, confirmantes ipsis omnes 
bonas consuetudines, quibus uti hactenus consueverunt. Spe- 
cialiter autem decernimus, ut cuilibet abbatisse predieti loci, 
que* pro tempore fuerit, in minoribus offieiis, coci, pistoris 
videlicet et carpentarii ac reliquis, instituendo ofliciales et 
destituendo, prout sibi et ecelesie expediat, absque contradic- 
tione qualibet, disponere liceat et ordinare. Mandamus ergo 
firmiter statuentes, ut nullus ammodo prefata loca super ali- 
quo predietorum presumat offendere vel molestare. Si quis 


! Hildesem. Hbf. 2 stibilitate Hbf. ® quantumvis Hbf. 
* qui Sp]. 


208 


autem quod absit hujus nostri edieti transgressor extiterit 
penam proscriptionis! se noverit incursurum. Datum®... 
Aus einer Abfchrift s. XVIII in der Handichrift Nr. 226 der Uni« 
verjitätsbibliothef zu Gießen, fol. 72. Der Copiſt bemerft: „Ex 
archivis abbatissae prineipis. Das Siegel von rothem Wachs 
hanget an Pergament und ift dem folgenden gleich“. 


| 5. 
Heinrich (VII.) erwählter Römiſcher Rönig meldet den Bidtern 
und Bathmannen in Bürid) den in feiner Gegenwart ergangenen 
Rechtsſpruch, daß die Acbtiffin dafelbi die niederen Hofbeamten 
abfehen dürfe, gebietet ihnen diefelbe in ihrem Rechte zu ſchühen 
(1220, April 23 — 1222, Mai 8). 

H. dei gratia Suevorum dux in Romanorum regem elec- 
tus dileetis fidelibus suis judieibus et consiliariis in Turego 
gratiam suam et omne bonum. Causa ventilata in presentia 
nostra de jure abbatisse in Turego, procuratores predicte ab- 
batisse obtinuerunt in sententia, quodipsa debeat mutare co- 
cos, pistores et carpentarios et omnes ofliciales suos, si ipsa 
sibi eos non utilescognoverit. Inde est, quod nos mandamus 
vobis et per gratiam nostram precipimus, ut vos predicte ab- 
batisse jus suum conservantes in hiseam non permittatis ul- 
terius molestari. 

Aus einer Abſchrift s. XVII in der Handichrift Nr. 226 der 
Univerfitätsbibliothef zu Gießen, fol. 72. Der Copiſt bemerft: 
„ohne datum. Das Siegel in rothem Wachs hanget an Pergament“. 
Die beigefügte genaue Abzeihnung des Siegeld zeigt eiuen Ritter 
auf Sprengendem Pferde mit Schild und Fahne. Auf letteren find 
je 3 rückwärtsblickende Löwen. Von der Umfchrift find nur noch 
erhalten: THEIN .. „2.0.4 e. 


6 


RB. Wilhelm gibt dem Abte Wilhelm von St. Trond und deflen 
Madjfolgern die zur Graffdaft Holland achörige Vogtei über die 
Leute des Rlofters in Aclberg zu Lehen. Anden, 1250, Juni 9. 
Wilhelmus Dei gratia Romanorum rex semper augustus 
et comes Hollandiae universis praesens scriptum visuris im- 
perii fidelibus gratiam suam et omne bonum. Cupientes ex 
liberalitate regia virum religiosum Wilbelmum Dei gratia ab- 
batem S. Trudonis, dileetum capellanum nostrum, favore pro- 
sequi speciali et ipsius ecclesiae praecavere dispendiis et jac- 
turis, notum facimus® universis, quod nos advocatiam nostram 
de....* ac hominibus ecelesiae S. Trudonis in Alburgh et 
I preseriptionis Hbf. * ft nicht ausgeſetzt“ bemerkt der Eopift. 
® fecimus Hdſ. 
Angedentete Heine Lücke in der Hdf., vielleicht ift zu ergänzen praediis. 


209 


in villis adjacentibus, quae ad nos ratione comitatus Hollan- 
diae nosceitur pertinere, cum suis pertinentiis praedieto abbati 
et suis successoribus jure feudali concessimus perpetuo ac li- 
bere possidendam, quod abbates praedictae ecclesiae, qui pro 
tempore sunt futuri, homagium et fidelitatem nobis et succes- 
soribus nostris comitibus Hollandiae facere et pro requisitione 
sive relevatione praedicti feudi unam marcam argenti et non 
amplius persolvere tenebuntur. Adjicimus etiam, si praedic- 
tam ecclesiam S. Trudonis aut homines ipsius super dieta 
advocatia aut bonisad ipsam pertinentibus a quocunque con- 
tigerit molestari et abbas praedictae ecclesiae ad nos et suc- 
cessores nostros recursum habuerit, nos dietam ecclesiam ac 
homines ipsius ab omni violentia et injuria defendemus, ut 
semper protectione nostra gaudeat speciali nec molestatione 
aliqua perturbetur!. Ut autem hujusmodi concessio robur 
obtineat firmitatis, praesens scriptum sigilli nostri munimine 
fecimus roborari. 

Testes hujus sunt nobiles viri Arnoldus de Diest, Willel- 
mus de Brederode, Giselbertus de Armestelle, Gerhardus frater 
suus, magister Arnoldus prothonotarius et quam plures alii. 

Datum apud Aquisgranum anno Domini millesimo ducen- 
tesimo quinquagesimo, quinto id. Junii, indietione octava. 

Aus einer Copie s. KVIIL der Handichrift der Univerfitätsbibliothet 

zu Gießen Nr. 549, fol. 140°. Der Copijt bemerft: et appendebat 
sigillum. Collatione facta cum literis originalibus in perga- 
meno concordat, quod testor Joannes Henr. van Langenacken 
publ. caes. in supremo consil. imperiali aulico admissus no- 
tarius manu propria. Dgl. übrigens Acta imp. selecta Wr. 358, 


7 


K. Heinrich; VII. beflätigt den Stiftungsbrief K. Albredits I. für 
den königlichen Altar der hl. Jungfrau in der Kirche zu ZSpeier. 
Speier, 1309, März 13. 

Heinricus Dei gratia Romanorum rex semper augustus 
universis sacri Romani imperii fidelibus presentes literas in- 
Speeturis gratiam suam et omne bonum. Accedentes nostre 
majestatis presentiam honesti viri Rudolffus et Joannez, ca- 
pellani regalis altaris beate virginis in ecclesia Spirensi con- 
structi per inclyte recordationis Albertum Romanorum regem 
antecessorem nostrum, nobis humiliter supplicarunt, ut privi- 
legium ejusdem Alberti super fundatione, dicatione et dota- 
tione ipsius altaris confectum innovare et confirmare de be- 
nignitate regia dignaremur. Cujus privilegii tenor sequitur 
in hee verba: Nos Albertus Dei gratia ete’ Nos igitur die- 
torum Rudolffi et Johannis, capellanorum altaris predieti, quod 


! perturbentur Hbj. 


210 


constructum esse dinoseitur pro dive memorie omnium impe- 
ratorum et regum Romanorum illustrium antecessorum et suc- 
cessorum nostrorum salutis augmento et remedio animarum, 
votivis supplicationibus gratiosius inclinati, memoratum privi- 
legium et omnia que continentur in ipso innovamus, Confir- 
mamus et presentis scripti patrocinio communimus. Nulli 
ergo omnino hominum liceat hane nostre innovationis et con- 
firmationis paginam infringere vel ei ausu temerario contraire; 
alioquin qui secus attemptare presumpserit, indignationem 
nostram et offensam gravem se noverit incurrisse. In cujus 
innovationis ‘et confirmationis nostre testimonium presentes 
literas conseribi et majestatis nostre sigillo feeimus communiri. 
: Datum Spire, 3. idus Martii; indietione septima, anno 
Domini millesimo trecentesimo nono, regni vero nostri anno 
primo. | 
Aus einer Abſchrift s. XVIII in der Handfchrift Nr. 226 der 
Univerfitätsbibliothet zu Gießen, fol. 122. 


Als Anhang theilen- wir mit: 


Konrad TI. König von Jeruſalem und Sirilien, Herzog von 
Schwaben beftätigt dem Orden des hi. Antonius zu Memmingen 
die Schenkungen feiner Borfahren. Bonftanz, 1266, September 18. 

In nomine sancte etindividue Trinitatis amen. Conradus 
secundus Dei gratia Jerusalem et Sieilie rex, dux Suevie, om- 
nibus presens scriptum intuentibus salutem in vero et salu- 
tari. Pium esse dinoscitur et non solum presentis vite sola- 
tium prestat, verum etiam in futuro premium eterne retribu- 
tionis largitur, cum religiosarum personarum devotio respieitur 
et eorum necessitatibus largifluis misericordiae ac operum 
donationibus subvenitur. Inde est, quod nos, consideratis 
hine inde eircumstantiis ordinis gloriosi sancti Anthonü, ege- 
state ac necessariorum defectu, quem fratres ejusdem ordinis 
in Memmingen Augustensis diocesis propter tribulationes di- 
versas sunt perpessi, nos de nostre liberalitatis munificentia 
et in remedium anime divorum progenitorum nostrorum colla- 
tionem et donationem videlicet per domnum Fridericum quon- 
dam imperatorem, Hainricum et Cunradum natos suos, prae- 
dietos progenitores nostros, eidem ordini in ecclesia Mem- 
mingensi factam et eorum privilegiis confirmatam damus, con- 
cedimus presentibus et confirmamus. In cujus rei memoriam 
et roboris perpetui firmitatem presens privilegium conseribi 
jussimus et nostre majestatis caractere consigniri. 

Datum et actum apud Constantiam, anno Domini 1266, 
14. kl. Octobris, nona indictione. 

Aus einer Abfchrift s. XVIII der Handfchrift Nr. 226 der Unis 

verjitätsbibliothel in Gießen, fol. 78. 


Unebirte Hrfunden Kaiſer Karls IV. und König Wenzelß. 
In Auszügen mitgetheilt von Arthur Wyß. 


Die nachſtehenden Urkunden bilden den Anhang einer in der 
Univerſitätsbibliothek zu Gießen aufbewahrten handſchriftlichen Mainzer 
Chronik, welche ich durch die gütige Vermittlung des Herru Oberbi— 
bliothekars Prof. Dr. Noack benutzen konnte. Das Manuſecript 
(Adrian Catalog Nr. 499 -500) ſtammt aus der reichen Bucher⸗ 
ſammlung des Frankfurter Schöffen 3. C. von Uffenbach, der es im 
Jahr 1715 nad) einer alten ihm von Johann Ernft von Glauburg 
aus dem zum Jungenſchen Archive mitgetheilten Vorlage fertigen ließ. 
68 find zwei Quartbände mit zufammen 4640 bejchriebenen Seiten, 
von welchen die Chronik 1507 einnimmt. Dann folgen 31 Urkunden 
ans den Jahren 1288—1515, ſämmtlich auf die Mainzijche Patri— 
tierfamilie der zum Jungen bezüglich, darunter die 15 Nummern, welche 
ih hier gebe. Der Schreiber des Meanuferiptes hat bei diefen letz— 
teren nicht die Originale vor fich gehabt, fondern feine Abſchrift nad 
einem Copialbuch gemacht, wie die. :mit herübergenommenen: alten Anz 
gaben über die. Befiegelung einzelner Stücke beweiſen. Heinz : zum 
Jungen, Bürger zu Mainz und lange Zeit Schultheiß zu Oppenheim, 
der Empfänger von 14 der im Folgenden mitgetheilten Urkunden, war 
ein angejehener und einflußreicher Mann, der zu Kaifer Karl IV. 
mehrfache Beziehungen hatte‘. Was aus dem zum Jungenſchen 
Archive, welches im vorigen Jahrhundert in Befi der Frankfurter 
Batrizierfamilie von Glauburg ſich befand, geworden ift, vermag ich 
nicht zu jagen. Wenn einzelne Stüde, welche einjt diefem Archive 
—** haben müſſen, ſich bei Baur Heſſiſche Urkunden abgedruckt 

fo werden ſolche nicht aus dieſem Familienarchive, ſondern 
ed mit Deainzer Archivalien an das Staatsardiv zu Darm— 
ftadt gelangt fein. 

Ueber. die vorausgehende Chronif, Antiquitates Moguntinenses 
betitelt, zu welcher die Urkunden in feiner Beziehung ftehen, mag bier 
nut bemerft werden, daß fie nicht eine Geſchichte der Mainzer Erz. 


I Bot. Huber Regeften Karls, wo Being nicht felten genannt wird, 
2z. B. Baur II, 513 Nr. 1427 


212 


bifhöfe, fondern der Stadt Mainz enthält. Namentlich berüd- 
fichtigt fie die VBerfaffungsfämpfe und Aenderungen im Stadtregiment 
und bringt dafür eine beträchtliche Anzahl wichtiger Documente bei. 
Sie begimmt mit einer deutjchen Weberfegung des befannten von Erz- 
biſchof Adalbert I. der Stadt Mainz im Jahre 1135 ertheilten Frei- 
heitsbriefes und endigt mit einem Altenftük vom Jahre 1452 über 
die Irrungen zwijchen dem neuen Rathe und der Pfaffheit zu Mainz 
mit den Worten: undt den burgern wol dinen. Der Verfaſſer 
ijt für die jpäteren Abjchnitte, etwa von 1400 an, Zeitgenofje. Die 
Chronik ift identifch mit der in der Stadtbibliothek zu Frankfurt a. M. 
befindlihen Handſchrift „Sagen von alten Dingen der erlichen Stadt 
Menge“, welde von Joannis, Schaab, Droyfen und Hennes theil 
weife benutzt worden iſt!. 


J. Kaiſer Karl IV. 


1 


1356 December24. Meg. Karl erhöht den Zoll zu Mainz 
mit zwei großen Turnoſen und bejcheidet davon dem Heinrich zum 
ungen, Bürger zu Mainz und Scultheißen zu Oppenheim, andert- 
halben in gleicher Weife, wie derfelbe anderthalb Turnofen zu Oppen— 
heim gehabt hat, die er dem Kaijer auf feine Bitte überlafjen hatte, 
Den übrigen halben Turnos giebt er der freien Stadt Mainz auf 
fo lange, als er oder feine Nachfolger am Reich die Pfandichaft zu 
Oppenheim und was dazu gehört von der genannten Stadt nicht 
wieder löſen?. 

G. zu Metze 1356, an dem heyligen Cristabend, unsers(!) 
riche in dem eylfften und des keysertums in dem andern 
iare. Registr. Herwicus. 

Das Majeftätsjiegel Hieng an eyner pirmenten priesse. 
2, 1508. 


2 


1357 März; 10. Sulzbad. Karl giebt demfelben mit 
Rückſicht auf feine fleifigen und getreuen Dienfte 2000 Kleine Gulden 
Florenzer Münze, alſo daß er ihm bejcheidet auf dem Zolle zu Mainz 


ı Joannis SS. rerum Mogunt. Bd. III; Schaab, Geſch. d. Erfindung 
d. Buchdruderfunft Bd. I u. II; Droyjen, Ueber Eberhard Winded, in den Ab- 
handlungen d. kgl. Sächſ. Geſellſch. d. Wiſſenſchaften, philol.-hiſtor. Ciaffe I, 
147 - 229; Hennes, Ueber der Reichsſtadt Mainz wichtigſte Verfaſſungsänderung, 
in den Periodiſchen Blättern der Vereine f. Heſſ. Geſch. 1854 Nr. 2, S. 52-57. 

2 Die Berpfändung von Oppenheim, Odernheim, Schwabsburg, Nierfteiit, 
Dber- und Niederingelheim und Winterheim nebft Zubehör an die Stadt Mainz 
gefhah am felben Tage. Bgl. Huber, Regeften Karls 206, 2555. 


213 


anderthalben alten großen Turnos je von dem Fuder Weins und von 
aller Kaufmannfhaft nad) „Martzal“ fo lange, bis er oder feine 

folger am Reiche ihm die 2000 Gulden gänzlich bezahlen. Für 
der dall, dar die Prandichaft zu Oppenheim nebjt Zugehör wieder 
an da8 Reich gelöft wird und alsdann die Bürger von Mainz den 
genannten Heinrich im Bezug der 1'/. Großen vom Zolfe zu Mainz 
nicht ſchützen, weiſt er demfelben den gleichen Betrag auf den Zoll 
ju Oppenheim an. 

G. zu Sultzbach 1357, am nehsten frittag vor dem sonn- 
tag in der fasten so man singet Oculi, unserm rich(!) in dem 
eilften und des keysertums in dem andern jare. Per domi- 
num magistrum curie Nic. de Cremsir. Registrata Herwicus. 

Das Majeftätsfiegel hieng an eyner syden snur swartz und 
gele. 2, 1513. 


3. 


1357, October 9. Prag. Karl befennt, daß er demfelben ! 
wegen feiner getreuen Dienfte anderthalben alten großen Turnos auf 
dem Zolle zu Mainz je von dem Fuder Weins und von anderer 
Raufmannschaft nad) der „Margzal“ gegeben habe, und beftätigt ihm 
auh als König von Böhmen, des heiligen Reiches oberjter Schent 
und Kurfürft, die Faiferlichen Briefe, die er ihm darüber gegeben hat 
er noch geben wird. 

G. zu Prage 1357, des nehsten montags vor sant Gallen 
tag, unser reiche in dem zwolfften jar und des keysertums 
in dem dritten. Per dominum cancellarium Johannes de 
Glatz. Registr. Johannes. 

Das Siegel hieng an eyner permenten pressen. 2, 1510. 


4, 


1358, Juni 2. Sulzbad. Karl fchlägt demfelben wegen 
des im Dienfte des Reiches an Hengiten, Pferden und fonft erlittenen 
Schadens, der auf 4000 Gulden von Florenz zu achten ift, diefen 
Betrag auf die anderthalb große Turnofen am Rheinzoll zu Mainz, 
auf welche ihm bereits 2000 Gulden verjchrieben find, bis zur Be— 
Ahlung der Gefammtfumme von 6000 Gulden und ohme daß der 
Ertrag der Turnojen von diefer Summe abgerechnet werden ſoll. 

..6. zu Sultzbach 1358, am nehsten sonnabent nach Gotis 
Lichams tage, unser riche in dem zwolfften und des keyser- 
tums in dem vierden jare. Per dominum imperatorem Ru- 
dolphus de Frideberg. 

Das Majeftätsfiegel Hieng an eyner syden snur swartz und 
gele. 2, 1517. 


ı Nur erfcheint der Borname Hier und im den folgenden Urkunden in ber 
dorm Heinz. 


XVII. 15 


214 


5. 


1360, Dctober9. Mainz. Karl ſetzt Henne zum Jungen, 
Bürger zu Mainz, in Anfehung feiner getreuen Dienfte und gehabten 
Koften in einen „Engelihen“ an feinem (Karls) Theile Geldes des 
Zolles zu Mainz, der jetst ledig ift oder nächſtens ledig wird, bis zur 
Zahlung von 500 Gulden von Florenz und ohne daß von diejer 
Summe der Ertrag des Engelihen abgerechnet werden foll. 

G. zu Mentze 1360, an sanct Dionisius tag, unser riche 
in dem funfftzenden und des keysertums in dem sechsten 
jare. Per dominum magistrum curie Conradus de Gysinheym. 
Registrat. Johannes Budwitz. 

Bemerkung über das Siegel fehlt. 2, 1561. 


6. 


1372, Juni 8 Mainz. Karl verpfändet dem Heinz zum 
ungen, feinem Schultheißen zu Oppenheim, für 4000 Gulden, die 
derjelbe ihm bei feiner Anmwefenheit in Mainz geliehen hat, feinen Theil 
de8 Zolles zu Mainz, Oppenheim Burg und Stadt nebft dem Zole 
und allen Turnofen dafelbft, Odernheim Burg und Stadt, Schwabt: 
burg, Nieritein, Ober- und Niederingelheim und Winterheim mit allen 
ihren Aemtern und Renten, 

G. zu Mentze 1372, uff den nehsten dinstag nach sanct 
Bonifacien tag, unser riche in dem sehs und zwentzigstem 
und des keysertums in dem achtzenden jare. Ad relacionem 
domini de Kelditz! de registro transsumpta cum addicione 


aliquorum verborum Nic. Camicen. pus?, nr &c. de Crisenh.’ 
Regist. Johannes Saxo, 

Das Meajeftätsfiegel hieng in eyner permynten presse. 
2, 1522. 


1 


1372, Juli 14. Miltenberg. Karl erhöht die 4000 
Gulden, die er Heinzen zum Jungen, Schultheißen zu Oppenheim, 
feinem und des Reiches Amtınanne, vormals verfchrieben hat*, um 
700 gute Heine Gulden, die ihm der jelbe Heinz geliehen hat. 

G. zu Miltenberg 1372, an der nesten mittwochen nach 
sant Margreten tage, unsir riche des Romischen in dem sie- 
benundzwentzigstem, des Beheimischen in dem sehsundzwent- 
zigstem und des keysertums in dem achtzehendem jare. Per 


ı Lies Koldit; vgl. Huber, Regeſten Karls S. XXXIX. 

2 2ies Nicolaus Camericensis prepositus; vgl. Huber a. a. O. S. XLV. 

s Verſtümmelt für: notarius Conradus de Gisenheim; vgl. Huber 
a. a. O. ©. XLIII. 

Bgl. Nr. 6. 


215 


dominum de Kolditz Nie. Camericensis prepositus. Registr. 

Johannes Saxo. 

j Das Meajejtätsfiegel Hieng an eyner permynten priesse. 
1526 

; 


8 


1373, Mai 25. Mühlberg. Karl befennt, daß Heinz 
zum Jungen, Scultheiß zu Oppenheim, ihm 1000 Gulden geliehen 
hat, und will, daß derfelbe diefe Summe auf den kaiſerlichen Renten 
und Gülten zu Mainz und Oppenheim aufhebe gleih den andern 
4000 Gulden die er ihn (Karl) zu Mainz geliehen. 

G. zu Molberg 1373, an dem heyligen Uffart abent, un- 
ser riche in dem siebenundzwentzigstem und des keysertums 
in dem neunzenden jare. Per dominum de Colditz Jo. Ja- 
men!. Registr. Jo. Saxo. 

i — Majeſtätsſiegel hieng an eyner permynten presse. 


9 


1374, December 8. Nürnberg. Karl bekennt, daß er 
Heinzen zum Jungen, Schultheißen zu Oppenheim, ſeinem und des 
Reiches Amtmanne, 613'/s Gulden ſchuldig ſei, die dieſer ihm uff 
dieser reyse, do wir nu uff dem Reyn gewesen syn, geliehen 
hat, und weift ihm diefe Summe an auf feinen Zöllen und Aemtern, 
die Heinz won ihm und dem Reiche auf dem heine inne hat. 

G. zu Nurenberg 1374, an unser Frauwen tage, den 
man nennet Conceptio, unser riche in dem nunundzwentzig- 
sten und des keysertums in dem zwentzigstem jaren. De 
mandato domini imperatoris Nicolaus Camericensis prepositus. 
Registr. Wilhelmus Kortelangen. 

R — Majeſtätsſiegel hieng an eyner permynten presse. 
1530. 


10. 


1376, Mai 17. Nürnberg. Karl bekennt, daß Heinz 
zum Jungen, etwan Schultheiß zu Oppenheim, ihm die Pfandſchaften 
Oppenheim, Odernheim Burg und Stadt, Schwabsburg, Ober- und 
Niederingelheim mit Zöllen und allem Zubehör abgetreten hat, und 
verpfändet demfelben zum Erjfag dafür die vier alten großen Zurnofen 
auf den Zolle zu Mainz, die ihm vormals verpfändet waren, bis 
jur Tilgung der demfelben fchuldigen Summe. Und zwar foll Heinz 
von je 1000 Gulden, die der Kaifer ihm ſchuldet, von den genannten 


ı Ich finde unter dem Perfonal der von Huber a. a. O. S. XXXVI— 
XLVI behandelten Kanzlei Karls IV. diefen Namen nicht; wahrſcheinlich Liegt 
eine Entftellung des Originales vor und ift Petrus Jaurensis zu leſen. 


15* 


216 


Zurnofen 100 Gulden jährlich) und von 10 Pfennigen einen Pfennig 
nach „Marckzale“, ohne allen Abjchlag von der Hauptjumme der 
Schuld erheben; was aber darüber fällt, foll er an der Hauptjumme 
abſchlagen. Tragen die vier Turnofen jährlich nicht den zehnten Theil 
der Schuld ein, jo foll das Fehlende auf die Hauptfumme aufge: 
Ichlagen werden. Auch foll Heinz alle Schreiber, Zöllner, Amtleute 
und Diener am Zolle zu Mainz jegen, jo lange ihm die Turnoſen 
verpfändet find. Wenn König Wenzel von Böhmen zum Römiſchen 
König erwählt und gefrönt wird, fo foll er dem Heinz die vier Tur— 
nofen gleichfall8 verbriefen. Weitere Verleihungen der vier Turnoſen 
jolfen nicht ftattfinden, nur joll Herbord von Hexheym! einen der» 
jelben auf Lebenszeit aufheben. 

G. zu Nurenberg 1376, an dem nehsten sonnabende vor 
dem sonntage als man singet Vocem jucunditatis, unser zu 
in dem| drisigsten und des keysertums in dem zweyun 
zwentzigsten are) Per dominum de Colditz Theodor. Da- 
merow. Regist. Wilhelmus Kortelangen. 

Das Majejtätsfiegel hieng an eyner syden snur swartz und 
gele. 2, 1532. 


II. 

1378, März 6. Heidelberg. Karl ſchlägt dem Heinz 
zum Jungen, Bürger zu Mainz, 1000 guter Kleiner Gulden Mainzer 
Währung auf die vier alten großen Turnoſen, die er demfelben vor- 
mals am Zolle zu Mainz verfchrieben hat. 

G. zu Heydelberg 1378, an dem nehsten sunabend vor 
dem suntage Invocavit, unser riche in dem zweyunddrissig- 
sten und des keysertums in dem dry und zwentzigsten jaren. 
De mandato domini imperatoris Nicolaus Camericensis pre- 
positus. Registr. Johannes Lust. 

Dos Majeftätsfiegel hieng an eyner permynten presse. 
2, 1550. 


I. König Wenzel. 


12. 

1376, Juli 16. Mainz Wenzel verpfändet dem Heinz 
zum ungen, etwan Schultheißen zu Oppenheim, zum Erſatz für die 
zurückgegebenen Pfandichaften Oppenheim, Odernheim Burg und 
Stadt, Schwabsburg, Ober» und Niederingelheim vier alte große 
Zurnofen auf dem Zolle zu Mainz. 

G. zu Mentze 1376, an der mittwoch[en] nach sanct 
Margreten tage, unser kunigriche des Behemischen in dem 


1 Hechtsheim bei Mainz. 


217 


viertzenden und des Romischen in demersten jare. Ad man- 
datum dömini imperatoris! Theodor. Damerow. Registr. 
Wilhelmus Kortelangen. 

Das Siegel hieng an eyner permenten pressen. 2, 1541. 
Die Urkunde ift ganz gleichlautend mit Nr. 10, weshalb ich mic) auf 
das dort mitgetheilte ausführlichere Regeſt beziehe. — Am gleichen 
Zage verpfändete übrigens Wenzel dem Heinz zum Jungen noch einen 
weiteren Turnos auf dem Zolle zu Mainz. Baur, Heffiihe Ur- 
kunden III, 513 Nr. 1427. 


13. 


1380, April20. Franffurt am Main. Wenzel fchlägt 
feinem Diener Heinz zum Jungen, Bürger zu Mainz, die 1500 
gute Feine Gulden, die derfelbe ihm gelichen hat, auf die demfelben 
bereit8 früher verfchriebenen fünf alte große Turnoſen auf dem Zolfe 
zu Mainz, die er fo lange ohne Abichlag an der Hauptfumme be= 
siehen ſoll, bis dieje bezahlt ift. 

G. zu Franckfurt uff dem Mewn 1380, an dem nehsten 
frytag vor sant Gorgentag, unser riche des Behemischen in 
dem siebenzendem und des Romischen in dem vierten jare. 
Per dominum magistrum curie per Joannem (sic!). Reg. 
Wilbelmus Kortelangen. 

Das Majeftätsfiegel hieng an eyner syden snure swartz und 
gele. 2, 1553. 


14, 


1380, Zuli 4. Frankfurt am Main. Wenzel erlaubt 
dem Heinz zum ungen, Bürger zu Mainz, um feiner getreuen 
Dienjte willen, die fünf Turnofen auf dem Zolle zu Mainz, die ihm 
von Kaiſer Karl und ihm (Wenzel) verpfändet find, ganz oder theil— 
weile einem andern zu verfegen. 

G. zu Franckfort uff dem Mewen 1380, an sant Ulrichs 
tage, unser riche des Behemischen in dem achtzehenden und 
des Romischen in dem vierden jaren. Per dominum Petho- 
nem de Eyascolowitz Martinus Sueymen Dathu. Registr. 
Wilhelmus Kortelangen. 

r — Majeſtätsſiegel hieng an eyner permenten snure. 


15. 
‚1398, Januar 14. Frankfurt. Wenzel erlaubt dem 
Heinz vom(!) Zungen, Bürger zu Mainz, den Engeljchen, welchen 


! Demmad) ift die Urkunde aus der Kanzlei Karls, nicht aus der Wenzels 
hervorgegangen. 


218 


mweiland Kaiſer Karl IV. Hennen zum ungen für 500 Gulden auf 
dem Zolle zu Mainz verſetzt hat!, an fich zu löfen. 

G. zu Franckfort 1398, des montags vor sant Anthonii 
tage, unsir riche des Behemischen in dem fünffunddryssigsten 
und des Romischen in dem zweyundzwentzigisten jaren. Per 
dominum Lampertum episcopum Bambergensem Franeiscus 
canonicus Pragensis. Registrat. Petrus de Wischow. 
ra über das Siegel fehlt. 2, 1564 und nochmals 


2,1 


1 Bel, Nr. 5. 


Regeſten Sigismunds. 
Mitgetheilt von H. Breßlau. 


Nachdem zu den mir von Prof. Pellegrini zu Belluno ſchon 
früher überſandten Regeſten Sigismunds, welche deſſen Beziehungen 
zu den Städten Belluno und Feltre betreffen, durch weitere liebens— 
wirdige Mittheilungen noch einige andere hinzugekommen find, glaube 
ih mit deren Publication nicht länger zögern zu follen. Es find im 
ganzen 38 Stücke aus den jahren 1412 bis 1419, von denen bis— 
ber nur 12 bei Piloni und Verci gedrudt find. Da Sigismund 
delluno im Dec. 1411 in Befit nahm, e8 aber ſchon im April 
1420 wieder an die Venetianer verlor, fo dürfte das dort für feine 
Gefchichte vorhandene Material mit diefen Urkunden erfchöpft fein. 


1. 1412, Mai 21, Budae, 
verleiht den belfunefischen Adelsfamilien Miari, Doglioni und Foro 
das Recht, den Adler in oberen Schilde ihres Wappens zu führen. — 
Copie im Beſitz des Prof. Fr. Pellegrini zu Belluno. 

2. 1412, Mai 21, Budae, 
nimmt den Edlen Johannes Antonius Miari zu feinem familiaris 
an. — Cod. authogr. continens fragmentum historiae G. Pi- 
loni f. 239 im Museo civico zu Belluno. 

3. 1412, Mai 23, Budae, 
verleiht den Miari und Doglioni das Recht der Repreffalien gegen 
a — Gedrudt: Verci, Marca Trevig. XIX, doc. 2103, 


4. 1412, Mai 24, Budae, 
beftätigt die Privilegien, Ordnungen und Statuten der Stadt Bel- 
luno. — Gedrudt Piloni, cart. 103. PVollftändiger in den Atti 
del notajo Barcelloni mss. I, 118 zu Belluno. 

5. 1412, Dec. 29, Udine, 
befiehlt feinem Vicar in Belluno, einen gewiffen, von ihm eingefer- 
ferten Chriftoph di Agrone, der mit königlichen Geleitsbrief verjehen 
it, in Freiheit zu ſetzen. — Im Liber B. provisionum magni- 
ficae communitatis Beluni f. 22 im Stadtarchive zu Belluno. 


220 


6. 1413, San, 1, Udine, 
beglaubigt Mil fo (!) di Gemiffe, Hauptmann von Sol (Zohl), bei dem 
Rath der Edeln von Belluno. — Liber B. provisionum f. 72*, 

7. 1413, Yan. 1, Udine, 
beauftragt den Vorgenannten, die Güter der Venetianer und ihrer 
Anhänger im Gebiete von Belluno zu confisciren. — Liber B. pro- 
visionum f. 72*, 

8. 1413, Ian. 2, Ubine, 
befiehlt den Städten Belluno und Feltre ihrem Biſchof Heinrid 
Scarampi die Hälfte der Bußen zu zahlen. — Liber B. prov.f. 73. 

9. 1413, Yan. 3, Udine, 
befiehlt denen von Belluno ihrem Biihof Heinrich, den er als Ge 
fandten anderswohin bejtimmt hat, 200 Ducaten Gold zu zahlen. — 
Liber B. prov. f. 73*. 

10. 1413, April 17, Feldlager bei Gaftelletto in Friaul, 
verfündigt dem Rath von Belluno den auf fünf Jahre mit Venedig 
gefchloffenen Waffenftillftand. — Lib. B. prov. f.75*; ital. Copie im 
Cod. Corretioni et aggiunte alla hist. Pilona f. 11, im Museo 
eivico zu Belluno, gedrudt Verei XIX, doc. 2111, ©. 66. 

11. 1413, Juni 4, Belluno, 
befiehlt dem Biſchof und Capitel zu Feltre, dem Clemens, Sohn des 
Paul Miari, Canonicus zu Belluno, eine Pfründe zu verleihen. — 
— zu Nr. 2 erwähnten Coder im Museo Civ. zu Belluno 


12. 1413, Juni 5, Belluno, 
ernennt Johann, Sohn de8 Paul Miari zu feinem familiaris. — 
In dem zu Nr. 2 erwähnten Cod. f. 241*. 

13. 1413, Juni 23, Feltre, 
verleiht dem Grafen Heinrich von Görz für fein Guthaben von 16000 
Goldflorinen die Hauptmannſchaft und die volle Gerichtsbarkeit über 
die Städte Belluno, Feltre, Serravalle u. ſ. w. — Liber B. f. 17, 
gedrudt Verci XIX, doc. 2113, ©. 67. 

14. 1413, Juni 25, Trient, 
fchreibt dem Rath der Edlen von Feltre zu Gunften der Billa Pri- 
molano. — Gedrudt Verei XIX, doc. 2114, ©. 69. 

15. 1413, Sept. 22, Chur, 
befiehlt dem Nath der Edlen von Belluno bei Strafe von 4000 
Ducaten, die Brüde von Gapodiponte wieder herzuftellen. — Liber 
B. prov. f. 76. 

16. 1413, Nov. 15, Como, 
befiehlt den Bellunefen abermals, die Piavebrücde von Plasprud (Ca 
podiponte) ohne Verzug herzuftelfen. — Liber B. prov. f. 78. 

17. 1413, Nov. 20, Como, 
befiehlt den Bellunefen, dem Grafen Heinrich von Görz zu gehorden. — 
Liber B. prov. f. 77°, gevrudt Verei XIX, doc. 2118, ©, 7. 

18. 1413, Dec. 21, Laude Pompeja, 
intervenirt beim Nath von Belluno zu Gunften des Gebannten 


— — —— 


221 


Mario di Bafa. — Liber E. provisionum im Stadtardiv zu 
Belluno f. 80*. 

19. 1414, Febr. 4, Cremona, 
giebt dem Grafen von Görz auf, die Privilegien und Rechte der 
Stadt Belluno zu refpectircen. — Lib. B. f. 80, gedrudt Verei 
AR, doc. 2122, ©. 79. 

20. 1414, Febr. 23, Piacenza, 
beftehlt den Belluneſen nochmals die Herftellung der Brüde von Ca— 
podiponte, widrigenfall® der Graf von Görz die angedrohte Strafe 
einziehen werde. — Lib. B. f. 81. 

21. 1414, Mai 1, Aſti, 
Ihreibt an Hauptmann und Vicar zu Belluno zu Gunften des Bi- 
ſchofs Heinrich. — Lib. B. f. 81*. 

22. 1414, Juni 17, Ponte Sturiae, 
ihreibt an den Rath von Belluno zu Gunften von Francesco da 
Ponte und Mario da Pafa. — Lib. B. f. 83*. 

23. 1415, Juni 26, Conftanz, 
ernennt Ulrih Scala von Piezz zu feinem Generalvicar in ben 
Städten Belluno und Feltre. — Lib. B. f. 91*, gedruckt Piloni 
cart. 209. 

24. 1415, Juli 2, Conftanz, 
Beichle für den Rath zu Feltre, die dem zu Belluno mitgetheilt 
werden jollen. — Lib. B. f. 90. 

25. 1415, Yuli 3, Conftanz, 
befreit die Bellunefen für alle Zukunft von jeder Schuldverpflichtung 
wm des jährlichen Genfus an den Grafen von Görz. — Lib. 

: 92°, 


26. 1417, Febr. 28, Conftanz, 
befiehlt den Belluneſen, das Caſtell zu befeftigen und beglaubigt den 
Vicecaſtellan Abardo von Adlar bei ihnen. — Lib. B. f. 96. 
27. 1417, März 1, Conftanz, 
verwendet ſich bei Rath und Volk von Feltre für 32 Gebannte diefer 
Stadt, feine Getreuen. — Lib. B. f. 97. 
28. 1417, März 1, Gonftanz, 
\hreibt an den Rath von Belluno zu Gunften des feltrenfifchen Ge— 
dannten Antonio Donati da Carve, Vicar von Mel. — Lib. B. f. 98. 
29. 1417, März 1, Conſtanz, 
bewilligt dein Georg Doglioni ein neues Stemma: — Gedrudt Pi- 
loni cart. 212. 
30. 1417, Yuni 2, Conftanz, 
befichlt dem Kath zu Feltre, den jährlichen Cenſus zu zahlen, das 
Caſtell mit allem Nothwendigen auszurüften und mit dem Gajtellan 
Öymram von Mrazenym (!) in Frieden zu leben. Lib. B. f. 110. 
31. 1418, Januar 16, Conftanz, 
befiehlt dem Kath von Belluno, dem Gaftellan von Serravalle 300 
Ducaten zu geben und die Mishelligkeiten zwiſchen ihm und den 
Bürgern von Serravalle zu fehlichten. — Lib. B. f. 116. 


222 


32. 1418, Januar 16, Conſtanz, 
befiehlt dem Gaftellan und den Söldnern von Serravalle, mit den 
Bürgern diefes Ortes Frieden zu ſchließen. — Lib. B. f. 116. 

33. 1418, October 17, Ingolſtadt, 
ernennt Rudolf Becze (!) pr Statthalter über Belluno, Feltre und 
Gerravalle. — Lib. E. f. 54, gedrudt Piloni cart. 214. 

34. 1419, Juni 20, Cassaviae, 
beftätigt den Miari und Doglioni das Recht der Repreſſalien gegen 
die Venetianer. — Gedruckt Verci XIX, 111N. 2143. 

35. 1419, Juni 20, Cassaviae, 
ſchickt dem Rath von Belluno durch Michele Miari 2250 Florinen, 
um 300 Mann Fußvolk zur Vertheidigung des Thals von Belluno 
anzuwerben. — Lib. E. f. 92*, 

36. 1419, Oct. 1, Varadini, 
meldet dem Rath von Belluno, daß er im Begriff iſt, Dionys v. 
Mardali, Ban von Stavonien, mit Truppen zur DVertheidigung ihrer 
Stadt abzuſchicken. — Lib. B. f. 124, gedrudt Verei XIX, 115, 
N. 2148, 

37. 1419, Oct. 5, Augustae, 
empfiehlt feinem Vicar zu Belluno, Xodovico Se Vorſicht in 
der Bewachung der Stadt. — Lib. B. f. 126* 

38. 1419, Oct. 5, Augustae, 
verfpricht dem Rath zu Feltre baldige Hilfe und empfiehlt ihm, ihrem 
Söldner Jacob von Frankfurt während feines ee bei Hofe 
den Sold nicht vorzuenthalten. — Lib. B. f. 126*. 


Zur Kritit der Inveftiturverhandlungen 
im Sabre 1119. 


Von 


E. Stuber. 


Das rege Antereffe, welches in unferer Zeit den‘, hiftorifchen 
Studien zugemandt wird, hat fich nicht zum mindejten in der Periode 
des ſog. Inveſtiturſtreits thätig gezeigt, um jo mehr, da grade für 
diefe Zeit eine Fülle wichtigen Hijtorifhen Materiald neu gewonnen 
it. Die Bedeutung Gregors, der ganze Charakter des welthiftorifchen 
Streits, dejfen allmähliche durch das Zufammentreffen verjchiedener 
Momente bedingte Entjtehung, fein vorläufiger Abſchluß — alles dies 
it im eim neues und unzweifelhaft helleres Licht geftellt. Nicht ge- 
nügend beachtet dagegen erjcheint mir eine — wenn man fo fagen 
ſoll — Epifode jenes Streits, für die neue Quellen zwar nicht er= 
Ihloffen find und die aud) an und für fich feine pofitive Entfcheidung 
gebracht hat (welche zwei Umftände vielleicht grade die weniger ge— 
naue Behandlung derjelben veranlagt haben), die aber doch für die 
Beurtheilung des Ganzen jehr wejentlich ift: ich meine die im Jahre 
1119 gepflogenen Unterhandlungen. Auf diefe möchte ich die Auf- 
merffamfeit Hinlenfen, um jo mehr, da auch bei ihnen die verjchie- 
denen Anfichten fchroff ſich gegemüberftchen,, die durch das Werk v. 
Giejebrechts aber am Weitejten verbreitete mir in einigen Punkten 
unrihtig, in anderen ungenau zu jein jcheint. 

Bergegenmwärtigen wir uns furz den Verlauf des Inveſtitur— 
ftreits 6i8 zu jenem Momente!. Durdaus nicht nad) einem be— 
mußten, forgfältig vorbereiteten Plane handelnd, jondern vielmehr durch 
rein örtliche Conflicte (den Streit um das Mailänder Erzbisthum) 
gedrängt nahm Gregor den allerdings unvermeidlich gewordenen Kampf 
mit dem Staate auf. Es handelte ſich in ihm anfangs nicht bloß 
um jene drei Momente der Simonie, der Inveſtitur und des Gölibats, 
jondern zugleich um die beiden großen den Geift der Menfchheit aus= 
drüdenden Principien des imperium und sacerdotium felbjt. Erſt 
ald allmählich diefer Prineipienfampf fich erichöpfte, als man in ihm 
zur Erfenntniß gelangt war, daß die Gegenfäge in ihrer Schroffheit 
nicht neben einander beftehen fünnten, fondern auszugleichen feien, da 
fonnte der andere Act de3 großen Drama beginnen, da8 man von 
num am erft mit Recht den Amveftiturftreit nennen kann. Denn jet 
trat wieder jener eine Factor, von dem der Kampf urſprünglich aus— 


Bgl. Bernheim, Forfhungen XVI, 281 ff. 


/ 226 


gegangen war, in den Vordergrund: die Inveſtitur, und um die praf- 
tiiche Yöfung diefer Frage handelt es fih vom Hegierungsantritt 
Heinrichs V. an. Doch jchwer war es für die beiden Mächte, die 
jo lange im jchroffiten Gegenfag, im heftigiten Streit gejtanden hatten, 
eine joldhe zu finden, und diefe in der Natur der DVerhältniffe liegende 
Schwierigfeit wurde noch unendlich vergrößert durd den Charakter 
der dad imperium und das sacerdotium vertretenden Männer. 
Einem jchwanfenden, unfelbjtändigen, aber an den Lehren feines 
Herrn und Meifters Gregor mit zähem Eigenfinn feithaltenden Papſte 
ſtand gegenüber der nicht minder zähe, dabei herrichlüchtige, energijche, 
hinterliftige Heinrich V. Die beiden Gegner traten fi), nach mehr» 
maligen vergeblichen Unterhandlungen, ohne einander das Geringite 
nachgegeben zu haben, zuerſt in dem verhängnißvollen Jahre 1111 
gegenüber. Es ift hier nicht der Ort, näher auf jene befannten Er— 
eigniffe einzugehen, durd) die der Papft gefangen und dann gezwungen 
ward, dem Kaiſer feierlich; mit einem ide die volle Inveſtitur zuzu« 
gejtehen, alſo das aufzugeben, worauf jo lange alle Bejtrebuugen der 
Kirche Hinzielten. Die unbefangene Gefhichtsforihung wird in Be— 
treff der Beurtheilung jener Vorgänge al8 das Wichtige anerfennen 
müſſen, daß Paſchalis' Plan, die Kirche follte auf die Regalien! ver: 
zichten, nicht etwa von tief religiöfer, idealer Anficht eingegeben war ?, 
oder gar eine Lit fein follte um den Kaifer zu fangen ®, fondern ein- 
fach) von einer mit auf der Beichränftheit des heiligen Vaters beru— 
henden“ Verzweiflung dietirt war, und daß Heinrich in fchmählicher 
Weife letztere benutzte, um den Papft einen Vertrag eingehen zu 
lajjen, von deifen Unausführbarfeit er überzeugt war, durd) den er 
dann aber ſich allein den Vortheil fihern wollte”. — Co ſchien man 


ı db. das vom Reich herſtammende Gut, nicht (mie Fider, Eigenthum 
des Reihe am Reichskirchengut S. 58 ff. meint) alles weltliche Gut; |. Wait, 
G. ©. 4. 1873, S. 821; Berfaffungsgeih. VII, 196 ff. 

* Mie dies Zoepfl (nam. in den NAiterthümern des deutſch. Reichs und 
Rechts II, 18 f.) und Hefele (Coneiliengeſch. V, 267 fi.) ausgeiprocden haben; 
beide, nam. aber Erfterer, in höchſt unangemefjener Form, durch die fie nur fiber 
fi, felbft urtbeilen. 

* Diele Anfiht haben fich nicht geſcheut aufzuftellen Menzel (Geſch. der 
Deutichen III, 865), Gervais (Geſchichte Heinrichs V., S. 40 ff.; dieler aber 
zweifelnd) und Sugenheim (Geſch. des deutih Volls II, 298 f.). 

Wie dies Schon Guido von Vienne erfannte; vgl. Mansi XXI, 75. 

5 Welche Anficht nam, Stengel (I, 634 f.) und v. Gieſebrecht (III, 4. Aufl. 
810 f.) gut darlegen. Gregorovius (Stadt Rom IV, 322.) betont in manchen 
Einzelheiten viel zu wenig, daß Paſchalis nur in verzmeifelter Hoffnungslofig- 
keit handelte. v. Gieſebrecht jcheint mir in Bezug auf die Quellentritil in der 
Erzählung der Kämpfe zwiſchen Römern und Deutichen (nam. S. 816 und 817) 
dem Petrus Casinensis (SS. VII, 799) zu fehr zu folgen, deffen Zu: 
thaten zu dem Bericht des registrum neben manchen wichtigen Nachrichten doch 
bei jenen Kämpfen grade rein rhetoriihe Ausihmüdungen enthalten, die mit 
der Darftellung des registrum, Effeharde, der vita Paschalis u. a. durdaus 
nicht harmoniren. Auch die Paderborner Annalen (Sceffer-Boihorft S. 123— 
125) find, fo anfchaulich fie die Sachen darftellen, ebenfalls von rhetoriihen 
Ausihmüdungen in kaiſerlichem Sinne nicht frei (mas Scheffer-Boidorft S. 89 


227 


dur die Refultate diefes Verſuchs, die Inveſtiturfrage zu löfen, um 
keinen Schritt vorwärts gefommen. Aber doc hatte fich bei ihm 
grade deutlich gezeigt, daß die Kirche die Negalien nicht entbehren 
fonnte und wollte, fie hatte jelbit, wenn auch wider Willen, einges 
ftehen müjjen, daß der Staat Rechte an der Einfegung der Biichöfe 
habe. Dieſe waren durch einen gewaltfamen Staatejtreid) einfeitig 
zu Gunſten der einen Partei durchgeiett: daher war e8 nur natürlic), 
dak von Unterhandlungen zunächit feine Rede war, daß vielmehr die 
firhlihe Partei, durd; den unerwarteten Sieg des Staates aufs 
Aeußerſte erbittert, zumächit die durch die Schwäche ihres Dberhauptes 
ihr geichlagene Scharte auf alle Weije wieder auszınvegen fuchte und 
abfihtlih alle Kräfte ins Feld führte, um das, was das Schwert 
gewaltfam durchgefett, mit Schwert und Bann wieder zu entreißen. 
Und da war e8 von großer Bedeutung, daß die deutfchen Fürften, in 
Oppofition gegen den Kaiſer, der Kirche die Hand zum Bunde 
reichten. Der Doppelfampf mit Papjt- und Fürſtenthum, dem einjt 
der Vater unterlegen war, follte auch den Sohn in ſchwere Gefahren 
fürzen: immer mehr verbreitete fid) der Bürger» und Religionskrieg, 


nicht genug hervorgehoben); v. Gieſebrecht (S. 818) hat daher, wenn er aud) 
einmal ein „ſoll“ Hinzufegt, auch ihmen vielleicht zu viel entnommen. Ent— 
ſchieden unrichtig ift aber, wenn die allein von Wilhelm. Malmesbur. (SS. 
X, 479 u. 480) berichtete Verleihung des Patriciats® an Heinrich von v. Giefts 
breht in der Anmerkung S. 1199 bezweifelt (e8 ift aber fein Grund angegeben) 
und im Texte gar nicht erwähnt wird. Wilhelm folgt hier David; diefer war 
Augenzeuge und konnte foldyes Factum unmöglich erdichten. Wenn auch fonft 
einzelne Angaben Wilhelms (mie die: ad columnas, quae sunt in foro; eine 
andere Unrichtigleit weiſt v. Gieſebrecht S. 1211 nad) zu verwerfen find, fo 
fiegt doch bei dieſer nicht der mindefte Grund dazu vor, wie aud) geurtheilt 
haben Stenzel (I, 645), Gregorovius (IV, 334), Hefele (V, 280) und neuer- 
dinge Maik (Berfaffungsgefh. VI, 198). Bielleiht wird aud die Angabe 
Wilhelms beftätigt durch einen bei Petrus Casinen. ſich findenden Zujat; 
diejer fügt nämlich (SS. VII, 782, Zeile 14) nad; den Worten des registrum 
(cf. Leges II, 71, Zeile 45) beim Verſprechen auf der mammaeiihen Brüde: 
et regnum et imperium (adjuvabit) hinzu: et patriciatum. Weshalb ift 
dieier Zuſatz gemacht? Stenzel (I, 643 N. 1) findet ihn als bei Petrus allein- 
Rehend merkwürdig und fett hinzu: „von dem WBatriciate wollte man ipäter 
Nichts hören”. Diele Angabe findet ſich aber meines Wiffens in den Quellen 
nirgends; denn die Worte Effchards: quamvis nonnulli longe aliter inde 
sentiant, fönnen fid) doch nur auf die Art und Weiſe der Kaiſerkrönung (die 
ja ungewöhnlich genug war; vgl. Wait, BVerfaffungsgeih. VI, 191) beziehen, 
und von dem BPatriciate ſpricht ja Eklehard gar nicht. — Gregorovius (IV, 
331) nimmt die Worte des Petrus in den Text, bemerkt aber Nichts dazu; 
Heiele und v. Giefebrecht übergehen fie ganz. Hat nun Petrus jene Worte hin« 
zugefügt, eben weil er wußte, daß Heinrich der Patriciat übertragen ſei? Er 
weht jonft vom Wortlaut des registrum nur ab, indem er einestheils bei den 
Verträgen indirecte Rede anwendet, anderentheil® beftändig imperator und im- 
perium ftatt <rex und regnum fagt (S. 778 Zeile 49; 779, 3. 1; 5—9; 
19—14;, 37. 780, 3. 22; 781, 3. 44; 782, 3. 8—15); jonft aber hat er 
me in die Aftenftücde mehrere Worte (wie hier et patriciatum) eingefchoben. 
Und würde er dies an diefer Stelle gethau Haben, wenn Heinrich nicht die 
Würde des patricius empfangen hätte? 


228 


immer jchroffer jtanden fich die Parteien einander gegenüber, fogar 
einen Gegenpapft ftellte der Kaifer auf; und was Paſchalis trog feines 
Eidbruches nie gewagt, vollführte fein Nachfolger: er bannte Gegen 
papit nnd Kaijer. Als aber diefer Bann weit und weiter verbreitet 
und jo der Krieg aufs Neue entflammt ward, da erfannten Papſt 
und Fürften, daß e8 an der Zeit fei, den Kampf zu einem Abſchluß 
zu bringen, wenn nicht bei dem in Kirche und eich herrichenden 
Zwiejpalt ihre eigenen wichtigften Intereſſen follten gefährdet werden. 
Und lettere entjchieden. Calixt II., eine wejentlicy politiihe Natur, 
wenn er al8 Biſchof unter den Eifrigen der Eifrigfte geweſen, zeigte 
jest als Papſt jofort ji) nicht abgeneigt, die Unterhandlungen zu 
beginnen. Und hierzu, fowie zur Wiederordnung des Reichs überhaupt, 
forderten die Fürſten felbft den Kaifer auf. Das deutiche Fürften- 
thum trat jetzt als vermittelnde Macht auf, — ein bedeutfames Zeichen! 
Zu ZTribur, wo fo oft jchon über des Neiches Wohl und Wehe be- 
ichloffen war, ward Ende Juni 1119! ein allgemeiner Reichsfrieden 
feſtgeſetzt, die Entiheidung über die kirchlichen Angelegenheiten aber 
einem allgemeinen Goncil vorbehalten. So ſtanden ſich Kaifer und 
Papft aufs Neue gegenüber zu enticheidenden Verhandlungen; e8 mußte 
ſich jetst zeigen, ob Beide aufrichtig gewillt waren, die beiderjeitigen 
Rechte anzuerkennen und billig auszugleichen und jo die alle Streit- 
punkte genau und unbefangen behandelnden theoretiichen Erörterungen, 
wie fie in dem Tractat de investitura episcoporum ? und in den 
Schriften des franzöfifchen Clerus, namentlicy eines Ivo von Chartres 
und Gottfried von Vendôme, längft dargelegt waren, aud in der 
Praris durdyzuführen. 

Unfere Hauptquelle über die folgenden Ereigniffe, die den eigent= 
lichen Gegenftand unjerer Erörterungen bilden jollen, ift der Straß- 
burger Scholaſticus Hejjo?, und feinen Bericht haben wir zunächſt in 
den Hauptjachen kurz wiederzugeben. — Zu Straßburg kamen der 
Biſchof von Chalons und der Abt von Cluny mit dem Kaiſer zuſam— 
men. Erſterer jtellte Heinrid) vor, wie er ohne irgend eine Vermin— 
derung feiner füniglichen echte auf die Inveſtitur ganz verzichten 
könne; denn aud) in Frankreich würden die Bilchöfe vom König nicht 
invejtirt und dienten ihm doch in Bezug auf alle jtaatlichen Rechte 
ebenjo treu wie die deutjchen Biſchöfe feit jener unheilvollen Inve— 
ftitur. Der König erklärte, mehr wolle er nicht, beſprach ji dann 
mit feinen Fürften und gelobte endlich durch Handichlag, wenn er 
beim Papfte Treue fände, auf die Inveſtitur zu verzichten; dajjelbe 
befräftigten die anmwejenden Fürſten. Die beiden Unterhändler be= 
richteten zu Paris das Verfprechen des Kaifers dem Papſte; diefer 
meinte: „möchte es doch ſchon geichehen fein, wenn es ohne Hinterlift 


ı Mie dv. Giefebrecht (III, 1218) richtig hervorhebt gegen Stengel (II, 
332) und Gervais (S. 257); aud) Hefele (V, 312) folgt der falſchen Anſicht 
Beider. 

2 ©. Bernheim a. a. DO, 

s SS. XU, 422—428, 


229 


geſchehen könnte“, berieth fich mit feiner Umgebung und fandte zur 
nohmaligen Verhandlung jene beiden Boten ſowie den Bifchof von 
Dita und den Gardinal Gregor zum Kaiſer zurück, den fie zwifchen 
Mes und Verdun trafen. Es ward nun ſchriftlich aufgejetst, daß der 
Kaifer auf die Inveſtitur aller Kirchen verzichte, daß er und der Papft 
ih gegenfeitig ihre Beſitzungen zurüdgeben würden und daß wahrer 
Frieden herrjchen ſolle. Dieſe Verträge jollten am 24. October in 
Mouzon abgeichlojfen werden. Eilig Ffehrten die Gefandten nad) 
Reims zurück, wo am 18. October ein allgemeines Concil eröffnet 
ward; der Papft ließ der Verſammlung von den beiden Bifchöfen die 
mit dem Kaiſer gepflogenen Unterhandlungen berichten und verkündete 
am folgenden Tage, daß er nun felbjt zu ihm aufbrechen werde. — 
Zu Mouzon angelangt beſprach er ſich nochmals mit feiner Umge— 
bung, und man fand für gut, die Urkunden genauer zu interpretiren, 
um einer etwaigen liftigen Auslegung des Kaiſers vorzubeugen. 
Man erflärte, dag man bei dem Ausdrude „Inveſtitur der Kirchen“ 
auch die Kirchengüter mit einbegriffen habe, und daß der Papſt, wenn 
er wahren Frieden verfprocden, die Gegenbiſchöfe und abgefegten Prä- 
laten ausnähme. Dem gegenüber erklärte der Kaiſer fofort, Nichts 
davon verfprochen zu haben; und als er daran erinnert ward, daß jene 
Urkunde doch beſchworen fei, gab er dies zu, beflagte ſich aber, daß 
mar fo ihm Meichsrechte vermindern wolle. Auf Weiteres ließ er 
fih nicht ein, fondern verlangte Auffhub der Verhandlungen. “Der 
Papit, an einer Verftändigung faſt fchon verzweifelnd, fandte trogdem 
nochmals an Heinrich; diefer erklärte aber, nur auf einer allgemeinen 
Reiheverfammlung könne die Sache entjchieden werden. Da begab 
ih der Papſt fofort hinweg, ließ fich auch durch eine Aufforderung 
Heinrichs nicht zu längerem Bleiben bewegen, fondern eilte mit größter 
Schnelligkeit nad) Reims zurüd. Auf dem Concil verbot er jodann, 
neben anderen Beitimmungen, die Inveſtitur ſämmtlicher Kirchen und 
Kirhengüter durch Yaienhand, ward aber durch den allgemeinen Wider- 
and genöthigt, das Verbot nur auf die Inveſtitur der Bisthümer 
und Abteien zu beſchränken. Am Schluſſe des Concils wurden neben 
bielen anderen auch Kaifer Heinrih und der Gegenpapft excom— 
municirt. 

Heſſo jagt am Schluſſe diefes feines Berichtes: quae vidi et 
audivi, fideliter — deseripsi, und die Wahrheit diefes “fideliter’ 
üt von den meiſten Forfchern * im Allgemeinen anerfannt. Allerdings 
gehört Heſſo der ftreng kirchlichen Partei an? und ift dem Kaifer 
nit weniger als wohlgefinnt *; aber thatfächliche Unrichtigkeiten oder 


13.8. Wattenbach, SS. XII, 422; v. Gieſebrecht III, 1218. 
? Gradezu fagt er dreimal von den päpftlichen Unterhändlern: nostri. 
Doch darf man dafür nicht mit Stenzel (I, 691) und nameutlich Ger- 
vas (S. 259 und 271) anführen, daß Heinrich) von Hefjo immer rex genannt 
ki, welher Ausdrud mir vielmehr ohme jede Abfichtlichkeit gebraucht zu fein 
cheint. Denn wie zwiihen regnum und imperium nie fireng unterjchieden 
wird (vgl, Waitz, Berfaffungsaeih. Vl, 364), jo finden ſich imperator (was 


XVII. 16 


230 


Unwahrjcheinlickeiten können ihm nicht nachgewiefen werben. Sein 
rein fachlich und ohne jeden Schmud der Darftellung gehaltener Beridt 
ift völlig glaubwürdig " und muß bei der Beurtheilung jener Ereigniffe 
allein zu Grunde gelegt werden. — Wie war e8 möglich, fo müſſen 
wir und fragen, daß nad) fo langen, blutigen Kämpfen, bei dem all: 
gemeinen Wriedensbedürfnig, bei der ſchon längſt theoretiſch ausge 
Iprochenen und in England bereits 1107 praktiſch durchgeiegten Lö— 
fung des Inveſtiturſtreits dennoch wiederum die beiden Gegner feind- 
lid von einander fchieden und der Kaifer fogar abermals gebannt 
ward? Warum ward der fid) jo leicht darbietende und nach drei Jahren 
auch in Deutjchland eingejchlagene Weg zur Löſung nicht fchon hier 
betreten? — Die Antworten lauten verjchieden. Stenzel ? meint, die 
päpftlichen Geſandten hätten Heinrich Hintergehen wollen, diejer jedoch 
hätte fich in feiner Klugheit zweideutig ausgedrückt und ſich nicht von 
ihnen betrügen laſſen wollen, und hierüber erzürnt, hätten jene die 
Verhandlungen abgebrochen. Gervais? glaubt, daß Beide den Ber: 
trag zu ganz entgegengejetter Nußanmwendung zweideutig ließen, fcheint 
aber — joviel man aus feinem langen, oft unklaren Raifonnement 
Ichließen darf — dem Papſt den größeren Theil der Schuld zuzu— 
jchieben. Gregorovius ? (der die Ereignijfe nur fehr kurz berührt) 
jagt: „Heinricd) zögerte (mit dem Ausgleich) indeß noch voll Schlau 
heit, er ſchien — wieder auf eine Papftjagd zu ſinnen“.  Hefele® 
(der ebenfalls eine eingehende Beurtheilung nicht giebt) glaubt, daß alle 
Zweidentigfeit allein vom Kaifer ausgegangen, daß diefer habe be— 
trügen wollen. Mücke? faßt alles zufammen in das Wort: „30,000 
Krieger lagerten, um den unverjchämten Zumuthungen der Fremd: 
linge gegenüber die deutiche Ehre mit dem deutichen Schwert zu ver: 
theidigen“. v. Giefebrecht endlich meint ®: „kaum ließ fich bezweifeln, 


auch wohl ſchon vor der Kaiferfrönung gefagt wird, 3. B. Adam Brem. Il, 
59. Arnulf, Hist. Mediol. III, 22) und rex ohne beftimmtere Untericheidung 
fowohl bei Gejchichtsichreibern (3. B. Ekkehard, SS. VI, 250 u. 252) als in 
Briefen (3.8. Mansi XXI, 75). — Wohl aber ift der zweimal zur Bezeichnung 
des Kaiſers gebrauchte Ausdrud ‘homo ille’ bemerfenswerth. 

Einiges hat Gervais ohne Grund dagegen angeführt, 3. B. daß fid 
Heſſo durch das Wort ‘condescendentes’ „jelbft verrathen“ habe (6 284; man 
wird dies aber nicht mit Gervais überjeten dürfen: „Ne ſtimmten ihren Ton 
herab“, jondern : „fe ließen fid) herab“, was befjer in den Zufammenhang 
paßt und ganz im Sinne des Autors ift) oder durch den Ausdrud ‘quorundam' 
verglichen mit ‘communi consilio' „abſichtlich gemildert“ habe (S. 291; aber 
e8 heißt ja auch: et multorum laicorum). &o fann man Gervais wie in 
vielen anderen Dingen fo auch in diefem Zweifel an der Zuverläffigfeit Helios 
(den in neuerer Zeit A. Miüde, Kaifer Heinrih IV. und V., Halle 1870, ein 
populär gehaltene® Schriftchen, "wiederholt hat) nicht beiftimmen, 
‚691 fi. 
©. 261 ff. 
Bol. nam. ©. 277 und 289. 
1V, 372. 
V, 312—319. 


— 220-224 ; es finden fi hier übrigens manche Widerſprüche. 


on a ma am a» m » 


231 


daß ſich die gänzliche Befeitigung der Laieninveftitur würde verkünden 
laſſen“ und!: „von beiden Seiten hatte man ohne Zweifel aufrichtig 
den Vertrag gewollt“. Wem aber eigentlich das gänzliche Scheitern 
der Verhandlungen beſonders zur Yajt zu legen fei, darüber enthält 
er fi jedes bejtimmten Urtheils. — Man fieht, die Anfichten jtehen 
ih ähnlich gegenüber wie bei den Vorgängen des Jahres 1111, und 
doch fann Hier wie dort unferer Meinung nad) das Nichtige nicht 
zweifelhaft fein. 

Im Concordate von Sutri 1111 war beftimmt?: rex refutabit 
omnem investituram omnium ecclesiarum. Setzt gejtand der Kaiſer 
in der zwiſchen Met und Verdun aufgefegten Urkunde zu ®; dimitto 
omnem investituram omnium ecclesiarum. Er wiederholte alfo 
wörtlich das Concordat von Sutri. Diejes war aber nicht zu Stande 
gelommen; denn die regalia, auf die ſich eben das oberhoheitliche 
Recht der königlichen Inveſtitur gründete und gegen deren Abtretung 
allein aljo der König die Inveſtitur aufgeben fonnte, diefe regalia 
fonnte die Kirche nicht entbehren, wie der allgemeine Tumult bewies, 
der ji beim DVerlefen jenes Decrets erhob. — Alſo müffen wir aud) 
bier doc) irgend eine nähere Beſtimmung erwarten; denn ohne jolche 
war ja die Sache num geradezu umgekehrt: der Kaifer verzichtete auf 
köwede Inveſtitur bei jeder Kirche; die Laieninveftitur war gänzlich 
bejeitigt, die jo lange bejtrittene Forderung der Kirche mit einem 
Schlage zugeftanden. Wo bleiben da aber die Rechte, die der Raifer 
und da8 Reich auf die regalia hatte? Sollte er fie aufgeben ? 
Verzichtete er jetzt plöglih darauf? Wir müffen hierüber eine 
nähere Beſtimmung erwarten, aber eine folche findet fih in den 
Urkunden nirgends. Die beiden Gefandten in Straßburg jtellen 
ale vor, wie in Frankreich die Biſchöfe überhaupt Feine Inve— 
fitur erhalten vom Könige und diefem doc in Bezug auf die ftaat- 
lichen Rechte treu dienen, dann fordern fie: dimittere te oportet 
investituram. Es jollte aljo in Deutfchland grade fo werden wie 
in Sranfreih*: wie hier die Kirche die Inveſtitur mit Ring und 
Stab verboten hatte, dabei allerdings die Rechte des Staats ſtillſchwei— 
gend anerkannte, jo jollte jett in Deutichland der Kaifer auf die biß- 
ber geübte Inveſtitur mit Ring und Stab verzichten, feine ftaatlichen 
Rechte allerdings und namentlich die Fortdauer der Peiltungen an das 
Reich ſollten nicht beeinträchtigt werden. Der Kaifer follte alfo jeg— 
liche Inveſtitur aufgeben, nur das kann wie 1111 fo auch jet der 
Sinn der urfundlichen Worte: dimitto omnem investituram om- 
nium ecclesiarum fein. Der Kaijer ließ alfo feine Rechte nur ftilf» 
ſchweigend anerfennen und überlieg fomit die Fortdauer der fo höchſt 
wihtigeg Leiftungen der Kirche mehr oder minder dein Belieben der> 


ı II, 915. 

% Mon. Leges II, 66 Zeile 22. 

° SS. XII, 424 Zeile 21. 

4 Ueber die dortigen Berhältniffe, die Echmidt in der Geſchichte Frankreichs 
ur oberflädlich berührt, vgl. Pland IV, 2, 24 ff. 


16 * 


232 


felben!. Von einer urkundlichen Fixirung der dem Staate für bie 
regalia zu leiltenden Pflichten nahm er ganz Abjtand. Dies muß 
bei einem Manne wie Heinrid) auf das Höchſte befremden. Noch 
auffälliger aber ift fein nachheriges Verhalten. Die firdhliche Partei 
fand e8 nämlich fpäter für nöthig, dem Kaiſer ausdrücklich zu er: 
klären, daß fie die Worte in jenem Sinne auffafje, nicht etwa unter 
ecclesiarum nur die kirchliche Würde verjtände, fondern - vielmehr 
jede Inveſtitur, auch die auf die Kirchengüter, meine. Und der 
Kaifer? Er erwiderte hierauf, Nichts dergleichen verfprochen zu haben; 
und als man ihm vorhielt, er hätte doch jenen Vertrag im Sinne 
der kirchlichen Partei geichloffen, mußte er dies zugeben, beflagte ſich 
aber über jene Rathgeber, die ihn zu einem die Rechte des Staats 
Ihädigenden Vertrage bejtimmt. Wie fonnte er aber jene Rathgeber 
anklagen? Diefe hatten ihm ja ausdrüdlid erklärt: wenn er aud 
auf jede Inveſtitur verzichte, follten doch die ftaatlichen Rechte nicht 
beeinträchtigt werden! So bleibt nur eine Erklärung übrig: der 
Kaiſer hat ſich abjichtlic) jener Worte bedient, denen zufolge Jeder 
meinen mußte, er verzichte auf jegliche Inveſtitur, die er aber fpäter, 
wenn der Vertrag angenommen, jophiftiich interpretirt und nur auf 
die Kirchenwürde, nicht auch auf die Kirchengüter bezogen hätte. Cine 
etwaige Einrede, das Verhältnig der letteren jei durch das mündliche 
Verſprechen der Unterhändler ja gefidhert, war, wie auf der Hand 
liegt, ehr leicht zu befeitigen. Man hätte dem Kaifer dann jene 
Worte feiner eigenen Urkunde von 1111 entgegenhalten können, und 
er gab ja auch jelbjt zu, dag man unter jenen Worten nur das meinen 
fönne, was die firchliche Partei darunter verſtehe?. Folglich hat er 
nicht aufrichtig jenen Vertrag gewollt, fondern fuchte Hinterliftig durch 
Zweideutigfeiten und Sophiftereien ſich wiederum allein den Vortheil 
zu fihern. Denn fo wäre ja das Verhältnig im Wefentlichen beim 
Alten geblieben. — Wie kam es aber, daß die Firdhliche Partei über 
haupt nicht von Anfang an Anſtoß nahın an einem foldyen Vertrage, 
durch den der Kaifer feine guten Rechte preisgab ? Wollte fie felbit- 
ſüchtig nur ihre eigenen Intereſſen verfolgen, da8 Recht des Staates 
nicht beachtend? Auf diefe Fragen müffen wir zunächſt Antwort 
geben. 

Nachdem die beiden Abgejandten von Straßburg mit der Zus 
fiherung Heinrich, auf jede Inveſtitur verzichten zu wollen, zum 
Bapft gelangt find, wird ihnen auf ihren Bericht geantwortet: utinam 
jam factum esset, si sine fraude fieri posset! Der Papſt hegt 
alfo fehr jtarfen Zweifel an dem Zuftandefommen des Vertrags; er 
mußte verwundert fein, daß der Gegner der Kirche plöglih im alle 
Forderungen derfelben willigen, gänzlich auf die Inveſtitur verzichten 
wollte. Zweifel mußten in ihm aufjteigen, ob die Boten recht be 
richtet oder ob der Kaiſer aufrichtig verfahren — und derartiges hatte 


ı ©. über diefen Punkt Fider, Eigenthbum des Reichs S. 143 ff. 
2 Tandem conpulsus est confiteriquod prius negaverat, jagt Hefio. 


233 


auch der Bifhof von Chalons felbft vorhergefehen; denn er hatte fich 
vom Kaifer die Erfüllung der Zufage durch Handſchlag verfichern 
loffen (mas bei einem Fürjten einem Eide gleich galt‘), ut domnum 
pspam ad exequendam pacem facilius inclinarent, während man 
doh erwarten jollte, daß jolcher Vertrag, falls die Aufrichtigfeit der 
anderen Partei nicht bezweifelt ward, fofort ohne Bedenken angenom= 
men wurde. — Daher fandte der Papjt wiederum an den Kaiſer, 
um die capitula diligentius retractare, und zwar nicht jene zwei 
Boten allein, fondern mit ihnen den Gardinal Gregor und den Biſchof 
Fambert von Oſtia, letterer ein Vertrauter des Papftes und fpäter 
mit einer der Wortführer des Concils zu Reims ?; — alles dies 
weilt darauf hin, daß Galirt einestheils dem Verfprechen des Kaiſers 
durhaus nicht traute, anderentheil® aber die Verhandlungen jedenfalls 
fortgefetst zu ſehen wünſchte. Sie führten jedoch wirklich zur Auf— 
fegung jener Urkunden, und Galirt ging, nachdem er dem Goncil die 
Sache vorgelegt, zum Kaiſer. Glaubte er jett wirklich, dag Hein— 
th aufridhtig den Frieden unter jenen ihm offenbar jo ungünftigen 
Bedingungen ſchließen wollte? Nach dem Berichte des Heffo zu urs 
theilen mit Nichten; denn offen fprac er feinen Argwohn vor dem 
Concile aus, und nur das Verlangen, noch vor Schluß deffelben den 
lange erfehnten Vergleih mit dem Kaiſer zu erreichen und überhaupt 
eine Entjcheidung herbeizuführen, mochte ihn dazu bewegen, diejent 
perfönlicy gegemüberzutreten. Und fein Miftrauen ward volllommen 
beitätigt,, als er in Mouffon anlangte?; denn man fand den Kaifer 
in der Nähe von einer nicht unbedeutenden Heeresmacht begleitet, und 
unwillkürlich mußte fich den Glerifern die Erinnerung an das Yahr 
1111 qufdrängen. So ließ man den Papft nicht einmal perjönlich 
mit Heinrich zufammenfommen und hegte allgemein ſolches Mißtrauen 
in die aufrichtige Erfüllung des Vertrags von Seiten des Kaijers, 
dag man fich zu jener genaueren Interpretation veranlaßt ſah. Und 
wie gerechtfertigt die Beforgnijfe waren, bewies die Antwort des 
Kaifers Hinlänglih. — So zeigt der Bericht des Hejfo deutlich, daf 
Calixt von Anfang an* mißtrauifch war, wenn gleich der Scholafticus 


2 Bol. Waitz, Verfaffungsgeih. VI, 381. 

! Ordericus Vitalis, SS. XX, 69— 75. 

° Hier kommt Ordericus Bitalis mit in Betracht, der fonft mehr die 
ftanzöſiſchen und englifchen Angelegenheiten berüdfichtigt. Er erwähnt in der 
Rede des Johann von Crema (auf die ich fpäter zurückkommen werde), daß 
Htinrih cum ingenti exercitu von faft 30,000 Mann gelommen fei. Auf 
die Zahl ift nun Nichts zu geben; denn belanntlich fpielen die 300, 3000, 
30,000 bei den mittelalterlichen Schriftftellern ein große Rolle, — wegen ber 
befannten Bedeutung des trecenti. Um nur ein Beifpiel anzuführen, ſoll 
Heinrich ebenfalls mit 30,000 Mann nad) Italien gezogen fein (Ann. Disibod. 
83. XVII, 20). Daß aber Heinrich ein größeres Heer bei ſich hatte, daran if, 
wenn auch Hefjo ganz davon ſchweigt, nicht zu zweifeln. 

* Dies hat v. Giefebrecht III, 911 nicht berüdfichtigt, nam. ganz die 
Borte Ealirte im Paris übergangen; und daß der PBapft „hocherfreut“ die 
Boten zurüdgefandt, ift aus Heſſo nicht zu entnehmen; wenn er fagt: quibus 
applaudens, jo fanı dies doch nur heißen: fie belobend (wegen ihres Eifers). 


234 


ſich jeder näheren Erklärung enthalten Hat; der Natur der Sache nad), 
bei folher gänzlichen Sinnesänderung des Kaiſers, dann aber wieder 
bei dejjen befanntem Charakter, mußte der Papſt fofort Argmwohn 
hegen. Daß er aber trogdem die Unterhandlungen fortjette, ja ſo— 
gar perfönlich in die Nähe Heinrichs ſich begab, iſt einestheilß eben 
fall8 in der Natur der Dinge begründet: man jehnte jich eben nad) 
Frieden; anderentheil® aber werden hierauf die beiden Straßburger 
Unterhändler von Einfluß geweſen fein. 

Heſſo läßt ala Wortführer und eigentliche Hauptperfon ſowohl 
in Straßburg als ſpäter in den Verhandlungen bei Mouſſon den 
Biſchof Wilhelm von Chalons erſcheinen; der Abt Pontius von Cluny 
tritt ganz zurück. So ſehr nun Erſteres auch begründet ſein mag, 
fo wenig kann man Letzteres glauben. Vielleicht verdankte Heſſo das, 
was er audivit', grade dem Biſchof oder Einem aus feiner Umge— 
bung, oder er jtand überhaupt mit ihm im irgend welchen näheren 
Beziehungen, fo daß er deshalb ihn die Hauptrolle fpielen läßt. Daß 
aber mindeftens ebenfo wichtig bei jenen Unterhandlungen der Abt 
Pontius war, fcheint mir nicht bezweifelt werden zu können; und mur 
zufällige Umftände werden veranlaßt haben, daß er bei Heſſo nidt 
befonders hervortritt. Pontius !, Verwandter des Kaifers und fomit 
auch des Papites, von Yetterem 1109 zum Abt geweiht, hatte von- 
jeher in fehr nahen Beziehungen zu Heinrich gejtanden, die auch be 
wirkten, daß er 1115 zum Unterhändler mit Rom ausermählt 
ward — melde Miffion ihm jedoch im Wejentlichen mißlang. Denn 
Paſchalis Tieß ſich auf Unterhandlungen gar nicht ein; und dab er 
Heinrich nicht bannte, verhinderten nad) bejtinmten Zeugnifjen ® viel 
gemwichtigere Perfönlichkeiten al8 der Abt. So hören wir von ihm 
in nächfter Zeit wenig; daß aber grade er jett bei den wieder begin 
nenden Verhandlungen eine Rolle fpielte, ift ficherlich nicht zufällig 
geſchehen. Ihm, dem jehr eitlen, ftolzen Manne, der durch feine 
Hoffart am Schluſſe des Reimfer Soncilg noch ärgerliche Scenen ver⸗ 
anlaßte, mußte das damalige Scheitern der Unterhandlungen höchſt 
demüthigend fein; jest aber glaubte der „Abt der Aebte“ 3 die Zeit 
gefommen, um als Friedensitifter zwifchen Raifer und Papſt auftreten 
und das vor drei Fahren Verfäumte oder Mißlungene gut machen zu 
fünnen. Wenn aud, feine beftimmten Zeugniffe dafür vorliegen, fo 
wird es doch nicht unwahrſcheinlich gefunden werden können, daß er 
ſich Calixt, der ja damals länger in Cluny verweilt hatte, zum Un— 
terhändler anbot, und dieſer hatte nicht wohl einen Grund, ihn zurück— 
zumeifen. Daß e8 nun aber dem Kaifer, der mit dem Entichluffe 
fam, durch liftige Zmweideutigkeiten zu täufchen, nicht fchmer werden 
konnte, feinen hochfahrenden, eingebildeten Verwandten und den grunds 
gelehrten (und alſo wohl für praftifche Politik nicht befonders be 


2 Bol. über ihn v. — III, 866. 
2ELxkkebard 1116, SS. VI, 25 2, 
® Petrus Casinensis IV, 60. 


235 


gabten) Biſchof über feine Anfichten gründlih zu täufchen und fie 
glauben zu machen, er wolle wirflich auf jede Inveſtitur verzichten, 
das wird ihm, dem „Meiſter in der Verſtellungskunſt, wie es We— 
nige gegeben“ ?, wohl dreijt zugetraut werden fönnen. Und daß es 
ihm gelang, beweiſen ja eben die folgenden Verhandlungen ; die beiden 
Doten werden dem Papſt die fcheinbar unerflärliche Nachgiebigfeit 
Heinrih® weniger unerflärlich zu machen geſucht haben — waren fie 
es doch, die noch zuletst, al8 man jeder Hoffnung auf einen Vergleich 
entiagt hatte, abermals zum Kaifer gingen, da fie eben fich noch nicht 
überzeugen fonnten, daß er wirflic) zweidentig mit ihnen verfahren 
ſei. — Auf folche Weife jcheinen mir alle Borgänge ſehr wohl erklärt 
werden zu fünnen. Dod noch ein Umstand ijt zu berückſichtigen in 
Betreff des Verhaltens des Papſtes: die Amwejenheit Adelberts von 
Mainz auf dem Reimſer Concil. Diefer, ein Charakter von ſchnei— 
dender Härte und in diefer Beziehung Heinrich würdig zur Seite ſte— 
hend, einem Adelbert von Bremen (vom dejjen Yiebe zum Baterlande 
er feine Spur in ſich trug) an Hoffart und Ehrgeiz, einem Anno 
von Cöln an Nückjichtslofigkeit und Frevelmuth gleich, wird jedenfalls 
Galirt in Reims vor Heinrich, feinem jegigen Todfeinde, gehörig 
gewarnt haben. Und Galirt jtand mit Adelbert in den engjten Be— 
ziehungen: er meldete ihm, dem apojtolischen Yegaten in Deutjchland ?, 
jeine Wahl ſofort in einem Schreiben * und ließ ihm bei feinem Ein— 
juge in Reims den Grafen von Troyes mit Eriegerifcher Mannſchaft 
freundichaftlichit * entgegengehen. Und lieſt man bei Anfelm?, daß 
dissensu quorundam invidorum lux pacis perturbatur, und bei 
Dito von Freifing® gradezu: sententia quoque anathematis — 
suadente Alberto Moguntino in eum datur, fo kann nicht zwei— 
telhaft fein, daß Adelbert, wie fpäterhin beim Wormfer Concordat ?, 
jo auch bei jenen Berhandlungen eine bedeutendere Rolle fpielte, als 
wir aus den uns vorliegenden Berichten abnehmen fönnen. Sicher 
wird der Bapit mit feinem freunde die Urkunden in Reims nochmals 
durchgegangen haben und wohl jofort von Abdelbert vor der Lift 
Heinrich® gewarnt fein; daß er diefe nicht vor dem Concil näher ans 


ı Worte dv. Gieſebrechts. 

2 Bol. Kolbe, Adelbert von Mainz, Heidelberg 1872, ©. 68. Sonft han— 
delt er über diefes Jahr wie überhaupt über Adelberts Antheil am Inveftiturftreite 
änferft kurz. Eine Schrift von Huperz, die Kolbe bedauert nicht gelefen zu 
baben (es ift ein Programm des Eorsfelder Gymnafiums, 1859), erzählt in 
torrectem Latein nur die alleräuferlichften Facta. 

® Ekkehard, SS. VI, 254. 

* amicabiliter, wie Ordericus jagt. 

° Im der Fortjegung des Siegbert; v. Gieſebrecht III, 1219 hat darauf 
anfmerffam gemacht. Doch find die Worte wohl nicht allein auf die Verhand— 
lungen zu beziehen. 

6 Chron. VIl, 15 (SS.XX, 255), welche von Stenzel (I, 695), Gervais 
(S. 276), Hefele (V, 326), Kolbe (S. 95) beadhtete Stelle v. Giefebrecht unbe» 
rüdfichtigt läßt. 

S. Bernheim, Lothar und das Wormſer Concordat (1874) S. 6 fi. 


236 


deuten und überhaupt nicht, ehe er beftimmte Beweiſe hatte, deutlicher 
feinen Argwohn fundgeben Fonnte, liegt in der Natur der Dinge. 
Vielleicht Hat grade Adelbert durch feine Warnung jene genauere In— 
terpretation veranlagt; — wir fünnen eben auch hier nicht hinter die 
Couliffen fehen, fondern müffen die Vorgänge auf dem Welttheater 
nad unferen bdiejelben mehr oder weniger in ihrem Zufammenhange 
durchichauenden Berichterftattern möglichit dem Verlaufe der Begeben- 
heiten entiprechend zu erklären fuchen. Und dies jcheint mir nur in 
der gegebenen Weife geichehen zu können. 

Wir haben oben das Verfahren des Raifers allein nach dem 
Wortlaute der Urkunde und nach feiner fpäteren Erklärung beurtheilt. 
Beiden zufolge Hat er nicht aufrichtig den Vertrag gewollt, jondern 
die Kirche follte durch zweideutige Pift betrogen werden. Und dieſes 
Urtheil über die Handlungsweije Heinrichs wird durch eine Reihe an- 
derer Momente nur nody mehr, und meiner Anficht nach unzweitelhaft, 
beftätigt. Zunächſt wird wohl Niemand zu behaupten wagen, dak 
jenes Verfahren mit dem Charakter des Kaiſers nicht harmonire, 
vielmehr wird fo die längft erkannte und dargelegte Denf- und Hand» 
lungsweife defjelben leider in gar Fein anderes Licht treten können. 
Der Mann, welcher feinen fchon von dem älteiten Sohne verrathenen, 
von der Gattin ſchmählich verlajfenen, durd) Elend und Kummer ges 
beugten Water ſchändlich verrieth und in den Kerfer warf, welcer 
heuchlerifc; den Fürften und der Kirche gegenüber Demuth zeigte, 
biefer dann aber durd einen in der Geichichte fait beifpiellofen Ges 
waltaft gegen ihr Oberhaupt Schimpf anthat, welcher feinen Reichs— 
fanzler und erften Erzbiichof wie einen Knecht überfallen, in Feſſeln 
werfen und dann im Kerfer bis zum Sfelett abmagern ließ, welcer 
in ähnlicher Weife auf feinem Hochzeitsfefte gegen Yudwig von Thü— 
ringen verfuhr — biefer Mann follte Bedenken getragen haben, den 
Papft durch Zweideutigkeit, im Nothfall durd; Gewalt, zu überliften ? 
Und zwar den Papft, der einft als Erzbifchof es zuerjt gewagt, den 
Bann gegen ihn zu jchleudern, der ihm aller Orten Gegner erregt, 
gegen den er einen erbitterten Haß hegte!?. Man Fönnte verfucht 
fein zu behaupten, daß e8 wunderbar wäre, wenn ein Heinrich V. 
ſolchen Gegner nicht erft zu überliften geftrebt hätte, um fo mehr, da 
ihm die erfte Lift gegen den heiligen Vater von 1111 fo trefflich ge- 
lungen. Wie dort mit roher Gewalt, jo wollte er jett mit Zweideu—⸗ 
tigfeit feinen Zwed erreichen, und wäre Calirt von ähnlicher Be— 
ichränftheit gewefen wie Paſchalis, und nicht vielmehr ein politifcher 
Kopf, der die Art und Weife feines Verwandten wohl fannte, fo 
hätte er ihn wohl ficher erreicht. Deshalb von Anfang an feine 


1 ©. das Schreiben an die burgundiſchen Großen bei Stumpf, Acta 
imper. ©. 468, was doch wohl mit diefem in die Zeit von 1116 zu ſetzen ifl, 
nicht mit v. Giefebreht (III, 1201) in das Jahr 1112; denn im Heinrichs 
Munde darf man den Ausdrud ‘contemptor apostolicae auctoritatis’ wohl 
on fo genau nehmen, um fo weniger da noch darauf folgt: et imperatoriae 
et divinae, 


237 


Gautelen, si fidem et justitiam apud domnum papam inveniret 
u. a.; deshalb führte er eine bedeutendere Heeresmacht mit ſich, die 
fonft gänzlich überflüffig war. Vollends deutlich aber offenbarte er 
feine Umaufrichtigkeit bei jenen Berhandlunden in Beureliacum (bei 
Mouffon), wie das Orderieus Vitalis fchon fehr unzweideutig aus» 
Ipricht !, — Als er hat zugeben müjjen, daß er jenen Vertrag bes 
Ihworen, will er erft mit den Fürſten fich berathen und „ihre Herzen, 
wenn's möglich wäre, zur Ausführung des Verfprechens bewegen“ ?; 
er thut alfo, al8 ob er, nachdem die Gefandten ihn über den eigent» 
lichen Sinn feiner urfundlihen Worte belehrt, auch jo damit einver= 
itanden fei und nur fürchte, feine Fürften möchten das nicht zugeben 
wollen! Der fchlaue Kaijer fah eben ein, daß er doc) der Arglofig- 
feit feiner Gegner zuviel zugemuthet; fah ein, daß der Papſt die 
deutichen Krieger von 1111 noch nicht vergeffen und ſich deshalb gar 
nicht in ihre Nähe gewagt hatte. So fuchte er, indem er bei feiner 
Heuchelei blieb, die Unterhandlungen Hinzuziehen, vielleicht * in der 
Hoffnung, Calixt doch noch perjönlich gegenübertreten zu fürnen. Als 
diefer aber dann eiligjt zurückwich, da fandte diesmal er ihm Boten 
nah mit dem Versprechen, er würde alfes thun, was er jo oft abge- 
wielen. Und ficher würde er num andere Saiten aufgezogen, grade 
über die regalia ein Abkommen getroffen haben, — aber da war es 
zu Spät. — Auch die von den Raiferlichen plötlid) wegen der Abſo— 
Iution des gebannten Kaifers erhobene Frage*, die gar nicht in jene 
Verhandlungen gehörte und auch bisher nicht im Mindeften berührt 
war, scheint darauf hinzu deuten, daß der Kaifer wohl ernſtlich die 
Unterhandfungen wieder begonnen haben würde und nur fi) vorher 
über die Stimmung gegen ihn und über die Anſprüche der Kirche 
verfichern wollte. Die Antwort konnte dann allerdings den Kaifer 
niht grade noch mehr antreiben. 

Endlich hat der Kaiſer felbft beim Abfchluß des Bertrages feine 
Abfiht mehr oder weniger verrathen — foviel wir nämlich ſchließen 
fönnen. Es zeigt dies ein bisher meines Wiſſens noch nicht beachteter 


! Im der Rebe, die er dem Abt von Erema in den Mund legt (SS. XX, 
72 und 73). Allerdings muß bei dieſer in Etwas Gervais (S. 287) Recht 
gegeben werden, daß Orbdericus abfichtlich die Stimmung gegen Heinrich erbittern 
wollte, Mecht gefliffentlich hebt er die Größe des Heeres, die Drohungen ber 
Krieger, die Hinterlift des Kaifers hervor, fpricht vou einem formidabilis ty- 
rannus u. a., wie dergleichen Uebertreibungen von den Elerifern nachher wohl 
mit Vorliebe erzählt wurden. Daß dennod „wichtige Nachrichten‘ bei Orde- 
tıcus ſich finden, fagt v. Giefebreht (S. 1219) mit Recht; nur hat er felbft 
diejelben in Bezug auf die dem Kaifer in den ftärkften Ausdrücken fhuldgege- 
bene Hinterlift nicht gehörig benukt. 
‚.. ” BHesso: ad exequendum promissum, si posset, eorum corda 
inflectere, 

’ DOrbdericus fpricht dies beflimmt aus: praesentiam papae ut eundem 
taperet — operiebatur. 

..* Die 5.8. von Müde (S. 233) in ein gänzlich falfches Licht geftellt 

wird. Ein zweites Canofja war jhon damals unmöglid). 


238 


Sat des Heſſo felbit: exegit etiam ipse a nostris, eodem modo 
firmari sibi, quod si in ipso non remaneret, eadem die dom- 
nus papa quae in scrjpto suo eontinentur adimpleret!. Dieſe 
Beitimmung macht der Kaiſer, al8 zwiihen Meß und Verdun jene 
zwei Urkunden ausgeftellt werden. Die Kaiferlichen haben gejchworen 
und der Raifer mit Handichlag verfprochen, daß er die Urkunden am 
24. October bei Mouffon mit dem Papfte auswechjeln werde; nun 
verlangt Heinrich von den Päpftlichen, daß auf diefelbe feierliche Weile 
ihm verfichert werde, daß an demfelben Tage auch der Papit jene 
Beitimmungen erfülle, si in ipso non remaneret. Was bedeuten 
letztere Worte? Auf wen beziehen fie jih? Augenfcheinlich auf den 
Raifer; denn domnus papa fommt als Subject ja erjt Später. Was 
heißt aber “in ipso non remanere’? Es ſcheint dies nur örtlid 
verstanden werden zu fünnen, aber an dem Ausdrude muß Anitof 
genommen werden. Cine folche Ellipſe des ‘loco’ möchte ſonſt faum 
vorfommmen, und Heſſo ſelbſt fagt weiter unten: in eodem loco ma- 
nere. Hat er ſich nun hier nur ungenau ausgedrüdt? Das fommt 
aber ſonſt in feinem ganzen Berichte nirgends vor, obichon die Aus: 
drucksweiſe ſtets etwas fteif ift?. Ohne allen Zweifel hat Heſſo aud 
an jener Stelle eine fchriftliche Vorlage gehabt, aus der er den Wort: 
laut nicht nur der beiden Verträge jondern auch des Verſprechens dei 
Kaiſers nimmt, folglich alſo auch des DVerfprechens der Päpitlichen. 
Entweder hat fich nun der Kaifer ungenau ausgedrüdt, fo daß Heilo 
die Vorlage unflar war, oder Petsterer hat ein ‘loco’ o. ä. ausgelaſſen. 
Auf alle Fälle aber muß fich hier Einem die Heberzeugung aufdrängen, 
daß jener Zufag mit der Zweideutigfeit und dem Vorhaben des Kaiſers 
in Zufammenhang fteht; deshalb macht er ihn nur, nicht die Päpit- 
lichen. Höchſt wahrscheinlich fahte Heinrich eben den Fall ins Auge, 
daß der Papft wirklich nicht wagen würde, in feine Nähe zu kommen, 
weil er Argwohn Hegte. Leider können wir aber jenen einen Satz 
nicht genügend ficher erflären — und dies eben, fowie noch mehr der 
Umftand, daß eben diefer Sat in dem vom Raifer verlangten Ver- 
fprechen fich findet, find auf alle Fälle ein weiterer Beweis für die 
vom Raifer beabfichtigte Ueberliftung. 

Was aber die Beurtheilung des Verfahrens der päpftlichen Partei 
betrifft, fo blieb Galirt, als ihm Heinrich jo gegenübertrat, eben nur 
auf feinem Standpunkte ftehen, und wollte ebenfalls fich allein den 
Vortheil fihern. Beide Parteien handelten nicht aufrichtig, aber in 
dieſem Falle lag die Schuld alfein am Kaifer. Cr hat durd) feine 
Zmeideutigfeit das Scheitern der Verhandlungen bewirkt, ihm allein 
muß die Hauptfchuld beigemeffen werden. — Nur auf folcdhe Weile 
fcheinen mir jene Vorgänge genügend erflärt werden zur können. Zus 
gleich tritt aber auch die fchlieliche Löfung des Streits im Wormfer 


1 SS. XII, 424 Zeile 19 und 20. 
2 Bol. 3. B. die viermalige Wiederholung des Ausdruds: capitula di- 
ligentius retractare. 


239 


Concordat fo in ein anderes Yicht. Die jüngfte Forfchung ! hat dar- 
auf Hingewiejen, wie ungenau und diplomatifc » zweideutig die Faſſung 
der päpitlichen Urkunde von 1122 ift, und die Curie deshalb der 
mala fides geziehen. So wenig nun Vebteres geleugnet werden kann, 
ebenjowenig darf aber verfchtviegen werden, daß es Heinrich war, der 
mit der mala fides in den Borverhandlungen den Anfang gemacht 
hatte. Beide Parteien fahen ſich gedrängt, in der Inveſtiturfrage 
einen Ausgleich zu treffen; feine wollte aber die Rechte der anderen 
unzweideutig anerfennen, fondern fuchte durch diplomatische Schlau— 
heiten ji den Bortheil zu fichern — und zwar war e8 der Kaiſer, 
der zuerjt in folcher Weile mandvrirte, dem dies aber freilih, wie 
jeinen Nachfolgern, in ſpäteren Zeiten reichlich von dem Gegner ver- 
golten ward. Der ganze Berlauf des Inveſtiturſtreites aber bietet 
wohl das deutlichjte Bild von der fteten, wechielfeitigen Spannung 
und dem Schwanfen, in dem da8 ganze Verhältniß des imperium 
und sacerdotium ſich befand. Auf der Ymdividualität der jedesma— 
ligen Gegner beruhte ftet8 der Ausgang des Kampfes; derfelbe war 
wejentlih immer ein perjönlicher. Dies aber, fowie der Umſtand, 
daß die Rechte des deutichen Kaiſerthums nicht feit beftimmt, fondern 
jtets im Schwanfen begriffen und den wechſelndſten Einflüffen preis- 
gegeben waren, bedingten hauptfächlich den Ausgang des Kampfes zwi- 
jhen imperium und sacerdotium. 


! Bol, nam. Bernheim, Lothar und das Wormſer Eoncordat S. 1 ff. 
Bitte, Forfchungen zur Gefchichte des Wormſer Eoncordats I, (1877) ©. 8 ff. 


Beiträge zur Quellenkritik 
der Lebensbeichreibungen 
des Biſchofs Otto I. von Bamberg. 


Von 


Georg Hang. 


Als ic; meine Unterfuchung über „Quelle, Gewährsmann und 
Alter der älteſten Lebensbeichreibung des Pommernapojtel® Dtto I. 
von Bamberg“ ! abjchloß, wußte ich jehr wohl, daß dieſe Unterſuchung 
in den Abjchnitte über den Verfaſſer der in Priefling gefchriebenen 
vita Ottonis nicht jo fejt begründet jei, um nicht entgegenjtehenden 
Anfihten noch Spielraum zu laſſen. Im Wefentlichen ift e8 nur 
eine, allerdings eine jehr bezeichnende Stelle, in welcher die vita Ot- 
tonis mit der gleichfalls in Priefling verfaßten vita Theogeri wört= 
lihen Gleichlaut bietet?., Aus ihr folgerte ich die zeitliche Priorität 
der vita ÖOttonis vor der nad) Jaffés Argumentation ſpäteſtens 
1144 verfaßten vita Theogeri, ferner die Identität des Verfaſſers 
für jene beiden Prieflinger Schriften. 

Den Herren W. Arndt und P. Ewald, welche die übrigen Re— 
fultate meiner Unterfuhung in der Senaifchen YLiteraturzeitung ? und 
in v. Sybels hiftorifcher Zeitichrift* einer anerfennenden Beſprechung 
unterzogen, fühle ich mich gedrungen hier auszuſprechen, daß ich jelbit 
die Identität des Verfaſſers für jene beiden Yebensbejchreibungen von 
Anfang an nur al8 eine Vermuthung im die wiljenichaftliche Welt 
werfen wollte. Klempin ſelbſt, der Begründer der Forſchung über 
die vitae Ottonis, weldyer meine Unterfuchung entjtehen ſah und dies 


ı Feftihrift der Gejfellichaft für pommerſche Geſchichte und Alterthums— 
Kunde zu ihrem 5Ojährigen Jubiläum am 15. Juni 1874, Stettin, zugleid) als 
Differtation erfchienen Halle 1874. 

2 Die Stellen lauten: 


Vita Ottonis Priefl. IT, 19, SS. XII,, Vita Theogeri I, 8, SS. XII, ©. 451, 
896 


Sed ejus ecclesine (Julinensis)]| Neque enim ignorare magistri 
curam sacerdos quidam Adalbertus | (Theogeri) facta discipulus (Erbo) 
nomine, qui illi terra marique | poterat, qui illi nonsolum domi 
comes et forisque comesindividuus, verum 
In peregrinatione tota so-jetiamin peregrinatione tota 
cius ac consolator extiterat, consolator ac socius eum 
episcopoo adhuc vivente suscepit. | usque sub ipsas suscepti pontificii 

infulas est prosecutus,. 


’ Nr. 49, ©. 865 des Jahrgangs 1875. 
Erſtes Heft des Jahrgangs 1876, ©. 178 - 180. 


244 


jelbe, wo er nur irgend fonnte, durch feinen ftet8 wohlbegründeten 
Widerfprucd zu möglichit ficheren Reſultaten förderte, ermunterte mid, 
diefe Vermutung lieber fcharf formulirt Hinausgehn zu laſſen, als 
daß ich das auch nad) diefer Richtung gewonnene Beobachtungsmoment, 
d. 5. die wörtlich gleichlautenden, auffälligen Stellen der vita Theo- 
geri und der vita Ottonis einfach unterdrüdte oder nicht im Zu— 
jammenhang meiner Unterfuchung verwerthete. 

Nun hat mir P. Ewald entgegnet: „wer im Leben Ottos das 
Berhältnig Heinrichs IV. zu feinen Caplänen und zur Inveſtitur der 
Biſchöfe derartig geichildert hat, fann nicht in der vita Thheogeri 
vom entgegengejetten päbjtlihen Standpunkte aus den ſchärfſten 
Zadel über die Maßregeln Heinrichs ausiprechen“. Daß diefe Ent: 
gegnung fowie, was Ewald über die von mir behauptete Gleichheit 
des Stiles in den beiden Schriften bemerkt, zutreffend erfcheine, darf 
ich nicht läugnen, und fo ziehe ich jene Vermuthung über die Identität 
des Berfajjers hiermit zurüd. Wird doch, wie W. Arndt ausdrüd- 
lid) anerfennt, „auch bei Annahıne verichiedener Verfaſſer das für die 
5 ofallungögeit der vita Ottonis gewonnene Reſultat unberührt 
bleiben“. 

Neben anderen Reſultaten meiner Unterfuhung hat Hr. von 
Zittwig aus Yauban in diefen Forſchungen! auch meine Aufjtellung 
über die zeitliche Priorität des Prieflingers berührt. Ich betone gleid) 
hier, daß 3.? die Beweismomente, aus denen ich die zeitliche Prio— 
rität der vita Ottonis vor den Schriften Ebo8 und Herbords fol- 
gerte? — im Gegenſatz zu jenen beiden Gelehrten — faft völlig ig- 
norirt und nur die allgemeine Bemerkung ausgeiprochen hat: „das 
Verhältniß zwifchen diefer Schrift und der vita Theogeri, welde 
nad) Haag von demjelben Verfaſſer fein follen, ift durch die eine gleich— 
lautende Stelle und den behaupteten’ gleichen Stil zu wenig aufgehellt, 
um daraus irgend welden Schluß auf die Abfaffungszeit zu ziehen“, 
a. a. O. ©. 334. So halte ic) diefer ohne Gründe gegebenen Be 
hauptung gegenüber um des Tenors meiner übrigen Nejultate und 
um der für meine Behauptung beigebrachten verfchiedenen Gründe 
willen meine Aufftellung über die Abfaffungszeit der vita Ottonis 
Priefling. einfach aufrecht. 

Die Confequenz meines wichtigſten Ergebniffes, daß der Prief- 
finger Biograph Ottos die alte von mir wieder entdeckte Quelle für 
das I. Buch der drei Biographen Ottos viel treuer und eingehender 
benutt hat ald Ebo und Herbord* — diefe Confequenz drängte mid) 


ı Die drei Biographien Ottos I. von Bamberg nad ihrem gegenfeitigen 
Verhältniß, ihren Quellen und ihrem Werth unterfudht. Korichungen zur 
deutſchen Geſchichte XVI. Bandes 2. Heft, S. 299 — 334. 

2So hat der Kürze wegen ſtets die Redaction geſetzt. 

:s ©. 95—104. 122 meiner Unterfudung. 

* Auf die Bemerkung von 3.: „ohne Grund, wie uns fcheint, ſchließt 
Haag das 34. Eapitel der vit. Priefl. lib. I, von der Denkſchrift aus“, er 
widere ih, daß ich dies aus zwei Gründen that, 1, weil ich in ihm nichts 


245 


aud) einem Gewährsmann für den Bericht des Prieflingers über die 
Reifen Ottos, die er in vielen Punkten abweichend von den andern 
beiden Erzählern und mit ganz eigenthümlichen Zügen berichtet, nach— 
jujpüren und ſo auch das II. und III. Buch des Prieflingers von 
der Geringſchätzung zu befreien, welche jeit Klempins Unterfuchung 
auf ihnen lag. Ich zeigte, wie in des Prieflingers Reifebericht eine 
genauere Bekanntſchaft mit den pommerfchen Orts-, Eigen- und 
Kirhennanten hervortrete, als wir jie bei Ebo und Herbord finden, 
ja ein Verſtändniß der pommerjc = flavischen Sprade, eine genauere 
Kenntniß von den Vorgängen während der I. Mifjionsreife in Wollin, 
von einer Wolliner Yocalfage, die jich gleich) während Dttos Aufent- 
halt in Pommern noch gebildet haben muß und die uns weder Ebo 
noch Herbord, ſondern nur noch der um vier Jahrhunderte ſpätere 
Bugenhagen (ein: Wolliner von Geburt) berichte, der des Prieflingers 
Schrift gar nicht gefannt hat; ich zeigte, wie hier viele Einzelheiten 
der Reifen Ottos mit der Treue des Selbiterlebten erzählt jeien, 
Einzelheiten auch über jonftige pommerfche Verhältnijfe, welche Ebo 
und Herbord nicht fennen, auch über polnifche Neifebegleiter Ottos 
Momente, die fi) bei Ebo und Herbord nicht finden, dann über des 
eriten Bischofs Adalbert Stellung in Wollin Genaueres als Ebo und 
Herbord wiſſen; endlich) daß der Prieflinger an verfchiedenen Stellen 
gerade diefen Geijtlichen befonders hervorhebe. 

So konnte ich mit Sicherheit das Vorhandenfein eines bejtimmten, 
wohlunterrichteten Gewährsmannes, der mit Pommern und Wollin 
bejonder8 genau vertraut fein mußte, folgern, ganz im Cinflang mit 
des Prieflingers eigener Bemerfung: ea tantum quae vel ipsi pro 
certo cognovimus vel quae a notis religiosisque personis no- 
bis sunt comperta narramus, ita laboris nostri exspectantes 
a Deo mercedem, sicut puram et simplicem historiae exequi- 
mur veritatem. Prolog. ad libr. I. Man beachte doch wohl: dies 
Refultat meiner Unterfuchung ijt völlig ficher, daß hier — und für 
die I. Reife läßt e8 auch 3. gelten — ein Beitand von trefflichen 
Nachrichten, die auf Eine Quelle zurücdgehen, vorliegt. Diefe Quelle 
floß dem Prieflinger, wie ich aus zwei Aeußerungen unferes Autors 
ſchloß!, mündlich, nicht fchriftlich zu. Ueber die Perſon des Gewährs- 
mannes gab ich die Vermuthung, die nad) meinen eigenen Worten 


fachlich Neues und Bemerfenswerthes oder für ſolche Denkichrift Nöthiges ift, 
2) weil nur der Prieflinger, nicht Ebo, nicht Herbord, nicht das Neuenkirchner 
Frogment oder das in SS. XII, ©. 908 diefen Abſchnitt aufweiſt. — Bei 
diefer Gelegenheit erlaube ich mir um Correktur eines ſchlimmen, ohne meine 
Schuld eingedrungenen Drudiehlers in meiner Unterfuhung zu bitten. Die 
Borte ‘Nam et’ find von S. 41 aus dem Tenor des Andreanifchen Ebo in 
den des Prieflingers auf S. 40 an der entiprechenden Stelle zu jegen. 

ı Sn der eben wiedergegebenen Aeußerung des Prieflingers ift ‘comperio' 
im Sinne mündlicher, nicht fchriftlicher Keuntnignahme gebraucht. Ebenſo III, 
13: Miraculum quod apud ipsam Julinensium civitatem accidisse com- 
perimus, quia ad praesens memoriae occurrit, dignum putamus in- 
serere. 


XVIII. 17 


246 


S. 9. 91 nie mehr als eine Bermuthung fein follte, daß jener erjte 
Biſchof Adalbert von Wollin, früher Caplan Herzog Boleslavs von 
Polen und Dolmetscher Ottos auf feinen Reifen, diefer Gewährs— 
mann gewejen!. Gerne will ich diefe VBermuthung preisgeben, wenn 
mir Jemand diefen Gewährsmann anders md jicherer beftimmen will. 
Daß ſich aber die gute Quelle des Prieflingerse nur im IL. Buche 
deſſelben, nicht aud) für das dritte nachweilen laſſe, wie 3. behauptet ?, 
ift einfach) unrichtig. Gerade im III. Buche bietet der Prieflinger 
die Nachrichten über das, was während der zwiſchen Ottos beiden 
Reiſen verlaufenen Zeit in Pommern vorfiel, d. h. Dinge, die weder 
Udalrich noch Sefrid felbjt erlebten, jondern nur der in Pommern 
gebliebene Adalbert. Gerade über Adalbert fteht hier im III. Buche 
c. 8 die Notiz, daß er damals, als der Verfaſſer jchrieb, noch Bi— 
ihof von Pommern war. Die Schreibung der erft auf der II. Reiſe 
befehrten Drte Chozgo, Timin (Gügfow, Demmin) tritt nur bei dem 
Prieflinger III, 4 unlatinifirt auf, ganz wie die Ortsnamen im Be— 
richt der erjten Meife. Ebo hat Chozegowa, Timina, Herbord gar 
Sozgaugia. Nur der Prieflinger III, 4 giebt den Namen der pom— 
merſchen provincia Wnzlo an; nur er III, 10 hat von feinem pom— 
merjchen Gewährsmann, gleidyviel ob es Adalbert oder ein Anderer 
war, die eigenthümliche Nachricht, das Wort „Otto“ habe im Munde 
des Stettiners Wirisca ® wie das pommerſche Wort Otta' (Väterchen) 
geflungen. Geſetzt auch, die Namen Wizlo, Chozgo, Hologoit, Timin 
ftauden jchon als projeftirte Neijeftationen in jenem „Reiſetagebuche“, 
welches 3. uns als Quelle für den Bericht der drei Biographen 
über die I. Reiſe — wir werden freilich fehen, mit welchem Er— 
folge — nachzuweiſen verfucht hat, fo konnten die Nachrichten über 
die Zeit zwifchen den beiden Reiſen, fo konnten Wortformen wie 


* Schon aus den Citaten in meiner Unterfuhung (S. 96 Anm. 5) hätte 
3. erjehen können, daß der Tod dieies Adalbert, ſpäteren erften Biſchofs der 
Pommern, nicht vor 1160 angelegt werden darf, wie er e8 ©. 334 ıhut. Ju 
jener Anmerkung batte ich die Worte Klempins aus deffen Urkundenbuch (S. 25) 
wiedergegeben: „der Tod des Biſchofs Adalbert kann früheftens 1160 und ſpä— 
teften® 1162 erfolgt fein, weil fein Nachfolger Conrad noch bei Lebzeiten des 
— Alerander (f 1181 den 30. Auguſt) fein zwanzigſtes Pontificatejahr 
rechnet“. 

» „Er iſt Haag völlig entgangen, daß die guten Nachrichten über Pom— 
mern fi nur in der VBeichreibung der erften Reife befinden” a. a. DO. S. 326. 

° Wie wenig forgfältig 3. hier den Text feiner Quellen betrachtet bat, 
zeigen uns die mechlelnden Formen diefes Namens Wirtsca oder Wirisca. 
Id hatte ausdrücklich in meiner Unterfuchung S. 75 betont, daß bei Ebo in 
verichiedenen Handjchriften die Wortformen Wirieus, Wirtiscus, Wirtschachus, 
bei Herbord ftet# nur die Form Witscacus, nur beim Prieflinger die Form 
mit pommerich-flavischer Endung Wirtsca (corrumpirt aus Wirisca durd die 
Abjchreiber) fi, finde. 3. aber ſchiebt dem Ebo die Bhantafieform Wirtisca, 
dem Herbord gar die form Wirtschachus, die nur Ebo in der Handicrift 
bes Andreas bat, unter! a. a. D. S. 332 Anm. 1. Daß dies fein Irudiehler 
ift, beweift die frühere Aeußerung S. 311: „die Thätigleit Wirtſchachs — wie 
ihn Herbord nennt‘, 


247 


Otta und Wirisea unmöglich fchon im jenem „Tagebuche“ der 
erſten Reife Stehen, da fie einzig erjt bei Greiguiffen der IL. Reife 
ihre Stelle finden fonnten. Auc die von bo eigenthümlicd) ab— 
meichende Erzählung über den zwiſchen 1125—1127 fallenden Kirchen= 
brand in Wollin, welche bei beſſerer Anordnung des Stoffes nicht 
im IL. Bude ec. 17 und 18, fondern im III. Buche ihre Stelle 
hätte erhalten müſſen, weilt auf eine Quelle für den Prieflinger, die 
dem Ebo und Herbord nicht floß. So finden wir demm im diefen 
Nachrichten des III. und den dahin gehörigen Nachrichten des II. 
Buches ganz denfelben fpecififchen Charakter, welchen wir ſchon für 
die Quelle des II. Buches herausfanden: deutlihe Spuren eines 
pommerjchen Gewährsmannes, die — im Falle jenes Tagebuch der 
I. Reife, welches 3. al8 Quelle der drei Autoren fordert, ſich als illu— 
joriich erweift — es uns unmöglich machen, für das III. Bud) des 
Prieflingers eine andere Quelle anzunehmen als für das zweite. 

Cine ganz andere Frage iſt e8: woher fonımt die Dürftigfeit 
de8 II. Reifeberichtes bei dem Prieflinger? Gerne räume ich ein, 
dag meine eigene Unterfuchung hier, jofern ich dieſes kümmerliche 
Fließen des Berichtes über die IL. Reife nicht erklärte, noch eine 
Lücke bot. 

Wer die geringere Neichhaltigfeit des IL. Neifeberichtes bei dem 
Prieflinger nicht mit mir aus der Kürze des Aufenthaltes erklären 
will, den Biſchof Adalbert von Wollin in Bamberg genommen, der 
wird immerhin anerkennen müffen, daß, wenn nicht Adalbert jelbit, fo 
doch ein pommerfcher, dem Biſchof Adalbert nahejtehender Gewährs- 
mann unter allen Umjtänden angenommen werden muß, wenn ſich 
jenes von 3. al8 Quelle des II. Buches der drei Biographen ange— 
nommene Reiſetagebuch Sefrids al8 eine unhaltbare Annahme heraus: 
geitellt Haben wird. Als ſolche hoffe ic) dies „Reiſetagebuch“ zu ere 
weiſen; dann aber ift feine Frage, daß der zu fordernde, pommerſche 
Gewährsmann, felbft wenn es nicht Adalbert gewefen wäre, uns ges 
nau die Anſchauungen des, wie man aus verjchiedenen lobenden Aeuße— 
rungen fieht, von dein Gewährsinanne hochverehrten Biſchofs Adal- 
bert wiedergiebt. Für Adalbert, der ja fchon nach der I. Reife dejig- 
nirter Bifchof von Pommern war, hatte die II. Reife Dttos ficherlic) 
nicht mehr das Intereſſe, und die reine apoftolifche Bedeutung, wie 
die I. Reife, welche als die grundlegende doch immer die Hauptjache 


1 &. meine Unterfuhung S. 87—94. — 3. a. a. D. ©. 326: „Ohne 
anf die Gezwungenheit der Haagichen Hypotheje näher einzugehen, wollen wir 
nur bemeifen, daß der defignierte Bifchof ein wunderbar ſcharfes Gedächtniß 
müßte bejeffen haben, wenn er nad) 16 Jahren noch die Zahl der in Cammin 
Getauften jo genan wußte‘. — Warum ſoll fich ein Seelenhirt diefe wenigen 
Zahlen über die erften Taufen in feinem Sprengel in einem noch keineswegs 
Ihreibjeligen und daher aud nicht gedächtnißfaulen Zeitalter nicht genau ge— 
merft Haben? Mancher Ländliche Hirte weiß die Zahl der im jeiner Heerde 
Jährlich gemorfenen Lämmer dod für viele Jahre genan anzugeben. 3. fcheint 
gering zu denken von der Macht geiftigen Iuterefjes, welche dem Menichen auch 
eine Reihe folher Zahlen unauslöſchlich einzuprägen verinag. 


17* 


248 


blieb, während diefe zweite jchon die eigene Thätigfeit Adalberts in 
feinem Sprengel in Schatten ſtellte. Gerade aber Adalbert wird 
Priefl. III, 8 als die rechte, fichere Hand des rathlojen Otto and: 
drücklich hervorgehoben. Außerdem iſt zu bedenken, daß 3. B. Daten 
über die Zahl der an diejem oder jenem Orte Getauften jchon darum 
in dieſem Neifeberichte nicht mehr angebracht find, weil jetzt Alle ge 
tauft wurden und die Bekehrung al8 auf alles Volk ſich erſtreckend 
bezeichnet wird. So fagt Ebo von der Belehrung zu Gütfow II, 
12: populo sacre regenerationis lavacro in sinum matris ec- 
clesie congregato, fo von der Berfammlung der Fürften und Edlen 
Pommerns in Ujedom III, 7: baptizatis principibus unpiversis; 
fo Priefl. II, 4 von der Belehrung in Uſedom, Wolgajt und 
Gützkow: baptizatis omnibus quos invenit. Auf folche Art hat 
man die geringere Fülle des II. Reifeberichtes bei dem Prieflinger zu 
erflären, nicht aber dur die Annahme 3.8, die gute Duelle der 
drei Autoren für die I. Reife, das „Reifetagebud) Sefrids“, habe dem 
Prieflinger für den Bericht über die II. Reife naturgemäß nicht mehr 
dienen können, hier habe er nur überall umlaufende Anekdoten wieder 
gegeben. 

Man beachte ferner in diefem Zufammenhange zwei für die Re— 
daction der Prieflinger vita fehr wichtige Stellen, Prolog. ad libr. 
II: Sufüicere — — arbitratus sum, sitantum excellentia nota- 
rentur, cum quidem et lectoribus fuerit consulendum, ne quid 
his pareret rerum copia congesta fastidium; dann Priefl. 
III, 12: Super his autem et super aliis, quae quidem digna 
——— esse viderentur, episcopus sanctus firmissimum 

iseipulis indixit silentium, docens eos de Domini pietate 
presumere, non de suis actibus superbire. Dieje letzteren 
Worte al8 eine „unglückliche Nachahmung“ von Math. 8, 4 (wo 
Chriftus zu dem Geheilten ſpricht: „Siehe zu, fage ee Niemanden“) 
zu verdächtigen (v. Zittwig a. a. O. ©. 331), iſt völlig unzuläffig 
bei einem Autor, dem man wohl Ungeſchick und Wunderglauben, aber 
gar nirgend abjichtlihe Ausihmüdung oder Waltenlaffen der eigenen 
Phantajie im Stile Herbords nachweiſen kann, bei einen Autor, der 
von ſich jelbit fagen fanıı: ita laboris nostri (exspectamus) a 
Deo mercedem, sieut puram et simplicem historiae exequimur 
veritatem. Praefat.libr.I. Ganz anders hat doch Ebo die obigen 
Worte des Prieflingers betrachtet, ja jogar deutliche Polemik in der 
Einleitung feines III. Buches gegen fie geübt. Gerade weil dein 
Ebo felbft die geringe Zahl von Nachrichten im IT. Neifeberichte des 
Prieflingers auffiel und er die Motive für diefe Enthaltfamfeit in 
den obigen zwei Stellen des Prieflingers fucht, polemifirt er (Anfangs 
de8 III. Buches) jo dagegen: nefas judicavi tam laudabilia (Ot- 
tonis) gesta infructuoso tegi silencio. Unde non pre- 
sumtionis, sed pocius intime caritatis spiritu ductus, de se- 
cundo ejus apostolatu in Pomerania, sieut fidelis cooperator 
ipsius Udalricus presbiter S. Egidii michi innotuit, scripto 


249 


tradere curavi; nam de primo alias seriptum est. Legat 
ergo qui voluerit; invitum et fastidientem nemo legere 
compellit. „Gewiß eine feltfame Einleitung!“ ruft 3. aus. „Selt= 
ſam bejonder8 der lette Sat!" Nur dem feltiam, ber hier Ebos 
Unwillen über das bei dem Prieflinger herrfchende silentium, der 
hier Ebos Betheuerung, zum Schreiben dränge ihm nicht die bei deu 
Prieflinger verpönte presumptio, fondern die Liebe, der hier endlich 
Ebos Gleichgiltigkeit gegen die Rückſicht des Prieflingers auf ein et= 
waiges, aus zu langwieriger Lektüre entipringendes fastidium feiner 
Leſer nicht Flar ausgeiprochen fieht! Ich nehme Hier einfach Alt da= 
von, daß in diefen Worten Ebo8 ein neuer, um jo ftärferer Beweis 
für die zeitliche Priorität des Prieflingers vor Ebo liegt, da 3. die 
in meiner Unterfuhung ©. 95 ff. gegebenen Momente für dieje 
Priorität ignorirt hat. 

Seltjam findet 3. in diefen Worten Ebo8 auch den Hinweis auf 
Udalrich als feinen Gewährsmann, da auch dies fchon in der Einlei— 
tung zum I. Buche ähnlich gejagt ſei. Seltſam findet er weiter, daß 
die Beichreibung Stettins, des Triglavbildes, die Angabe über Page 
und Namen der zwei Stettiner Kirchen hier erft, nicht Schon im II. 
Bude auftrete, jeltfam auch, daß Ebo den Abfall der Städte Yulin 
und Stettin, den er ſchon am Schluß des II. Buches angedeutet, am 
Anfang des III. Buches noch einmal mit ganz ähnlichen Worten 
aufführe . Aus diefen Momenten folgert er, das dritte Buch müffe 
eher verfaßt fein als das erjte und zweite, a. a. D. S. 305. 306. 

Nun wollte aber doch Ebo ohne Zweifel hier im III. Buche in 
der Beichreibung der II. Reife, deren Bericht er gerade dem Udalrich 
verdankte, alle diefe Nachrichten genau und peinlich getreu jo zuſam— 
men niederjchreiben, wie er fie aus dem Munde Udalrich® vernommen, 
um dergeftalt, was er den Gewährsmännern des I. Reifeberichtes und 
was er dem Udalrich verdanfte, fauber auseinanderzuhalten. Darım 
hat er hier im III. Buche nicht nur Stettin und feinen Haırpttempel, 
wie 3. bemerkte, fondern auch den Haupttempel Julins und die Lanze 
Cäfars darin, wie ich bemerfe, (III, 1) zuerft bejchrieben?. Da aber 


..* Nam due precipue illie eivitates Julin et Stetin instinetu ini- 
mici apostasiam incurrerunt, abjectoque veri Dei cultu, priscis demo- 
niorum ritibus se perdendos prostituerunt. Ebo II, 18. Bgl.: due ex 
nobilissimis civitatibus, i. e. Julin et Stetin, invidia diaboli insti- 
gante ad pristinas ydolatrie sordes rediere. Ebo III, 1. 

* Bielleicht find die Worte im II. Buche Ebos (cap. 9 ed. Jafle ©. 631): 
que (urbs Stetin) principatum omnium Pomeranie civitatum obtinens 
— quatuor montes suo ambitu inclusos habet, erft durd Abt Andreas im 
XV. Jahrhundert oder duch einen früheren Abfchreiber hier in das II. Bud 
berübergenommen aus dem Berichte Udalrichs im III. Bude, wo fie lauten: 
Stetin vero amplissima civitas et major Julin tres montes ambitu suo 
eonelusos habebat, denn hier erft im III. Buche fchließt fi an dieſe Einlei- 
tungsworte, die im II. Buche als Parenthefe nur eingeichaltet find, eine genaue 
Schilderung des anf dem mittleren Hügel liegenden Triglavtempels. Hält man 
aber jene Worte im II. Buche, fo wie fie Abt Andreas und das Stargarder 
Fragment mit der Schreibung ‘quatuor montes’ unabhängig von einander 


250 


gewiß einige Zeit zwifchen dem Niederichreiben des II. und dem bes 
III. Buches verftrich, und da ein folch epifches, einfültiges Zeitalter 
wie das de8 Ebo Wiederholungen des Wortlautes nicht forgfältig zu 
vermeiden fuchte, wie wir es vermeiden, jo brauchte Ebo ähnliche 
Wendungen, due precipue civitates dort, due ex nobilissimis ci- 
vitatibus hier. Macht doch Ebo auch Udalrih nicht nur im TIL 
Buche, fondern fhon im zweiten ganz mit ähnlichen Worten als 
feinen Gewährsmann wieder namhaft, wie er es ſchon im eriten ge— 
than. II, 1 ed. Jaffe ©. 616: Hujus autem (primi) aposto- 
latus que fuerit occasio scire volentibus aperiam, sicut ex ore 
servi Dei Udalriei, sacerdotis ecclesie beati Egidii, quam idem 
pius Otto construxit, audivi; cujus reverende maturitati et 
spectate coram Deo et hominibus fidei ita me necesse fuit 
credere, acsi propriis oculis ea que dicebat vidissem. Ajebat 
ergo: quia episcopus!ete. Die zwei eriten Gapitel des II. Buches 
füllt dann diefer Bericht Udalrichs über die occasio, der wieder mit 
Anklängen an die obigen Worte fo ſchließt (ed. Jaffe ©. 621): 
hac igitur occasione pius Otto Pomeraniam evangelizandi 
gracia adiit. — Und doch wird Niemand aus diefer Wiederholung 
ähnlicher Ausdrücke über Udalrich im II. Buche folgern, dies Buch 
müffe früher verfaßt fein als das erite. 

So bleibt denn feine Seltfamfeit mehr im Cingang des IIL 
Buches, die uns nöthigte, dies Buch ums früher verfaßt zu denfen 
als die beiden anderen. 

Noch aber werden jene Einleitungsworte Ebos zum IIT. Buche von 3. 
benutst ?, um daraus die Eriltenz einer zufarımenhängenden Aufzeich— 
nung über die I. Reife, die dem Ebo, dem Prieflinger und Herbord 
al8 Quelle diente, zu folgern. Nur auf das Werf eines anderen 
Verfaffers vermag 3. das ‘nam de primo alias seriptum est’ bei 
einem Schriftsteller zu beziehen, der „ſonſt und unmittelbar zuvor von 
fich in der erſten Perſon Schreibt”. In umftändlicher Auseinander: 
ſetzung vergleicht er dann den Erzählungsftoff der I. Reiſe bei den 
drei Biographed, um Beweismomente für das Vorhandenfein folcher 


üiberliefern, als ächt eboniſch feft, fo gewinnen wir einen noch ftärkeren Beweis 
für unfere Erflärung: der Gewährsmann für den I. NReifebericht läßt Stettin 
auf vier, Udalrich unzweifelhaft auf drei Hügeln liegen (ba letterer von einem 
mittleren Hügel redet), und beide Berichte wollte Ebo eben als von zwei verfchie- 
denen Berichterftattern herrührend auseinanderhalten. — Diele zwei. auffallenden 
Stellen hat 3. für feine Beweisführung nicht bemerft, wenigftens nicht erwähnt 
oder verwerthet. 

ı Aus diefem ‘ajebat ergo’ im II. Bude fieht man, wie getreu Ebo fid 
an den Bericht feines Gewährsmannes hält, daher wir berechtigt find, das Auf- 
tauchen der Drtsichilderungen von Stettin und Wollin erft im III. Buche, ob- 
wohl fie beffer ins zweite gehörten, eben daraus zu erflären, daß er hier ben 
ii Neifebericht Udalrichs genau fo geben will, wie jener ihn mit 
geteilt. 

2 — — de secundo ejus apostolatu in Pomerania, sicut fidelis 
cooperator ipsius Udalricus presbiter Sancti Egidii michi innotuit, 
scripto tradere curavi; nam de primo alias scriptum est. Ebo III, 1. 


251 


gemeinfamen Quelle zu gewinnen. — Ich erfläre aber vonvornher- 
ein, daß Folgerungen aus fo verſchwommenen, unficheren Spuren von 
Gemeinfamfeiten in dem Neifebericht der drei Autoren, foweit diefe 
fi) nur im Stoffe nachweiſen laffen, ohne jede Beweiskraft find. 
Ohne Frage werden immer und überall bei drei Autoren, welche die= 
ſelbe Reife erzählen, gewiſſe, ja jehr viele Gemeinſamkeiten des Stoffes 
ji finden müffen, nur daß der Eine manches fürzer und unflarer, 
der Andere dafjelbe eingehender und forgfältiger als Jene berichten 
wird. Für eine gemeinfame fchriftliche Quelle der drei im IT. Buche 
würde nur eine auffallende Gemeinſamkeit irgend welcher Kor, 
d. h. der Zahldaten oder des Wortlautes, deutlich reden. 

Wie foynte beim Vorhandenfein diefer Quelle, dieſes Reiſetage— 
buches, dann Herbord II, 8 Otto am 24. April zur erften Reife 
von Bamberg aufbrechen laffen, wofür Ebo gar fein Datum, der 
Prieflinger IL, 1 gar den Juni angiebt? Wie kann dann Ebo . 
II, 4 den Aufenthalt Dttos in Gnefen auf 3 Wochen ausdehnen, wo 
Priefl. II, 2 nur von 8 Tagen fpriht? Wie konnte dann Ebo 
II, 4 den Bug durd den Grenzwald zwiſchen Polen nnd Pommern 
T Tage währen lajfen, wofür der Prieflinger (bei der Rückkehr Ottos 
nad Polen) III, 1 nur 3 Tage, Herbord II, 10 aber 6 Tage an— 
giebt 1? Wie dann Priefl. II, 2 dem Wartislav beim Empfange 
Ottos ein Gefolge von 300, Herbord II, 11 eines von 500 Mann 
beigeben ? Wie follte dann ferner Herbord II, 17, wenn Ebo II, 5 
den Otto 14 Tage in Pyrit bleiben läßt, ihm dort einen Aufenthalt 
von 20 Tagen geben, wie dann der Prieflinger II, 4 die Zahl der 
Zäuflinge in Pyritz auf 500, Herbord II, 17 fo abweichend auf 
7000 angeben können, wenn beide derfelben älteren fchriftlichen Quelle 
hierüber folgten? Wie dann Herbord II, 36 den Dtto mad) der 
Belehrung Stettins noch fait 3 Monate, alfo, wie 3. felbjt aus- 
rechnet, noch vom 25. October bis in den Januar, dort verweilen 
lajjen, da er nad) Ebo II, 8, Priefl. II, 8 überhaupt nur 9 Wochen 


I Wenn 3. S.320 Anm. 1 aus Ebo I, 4. 5 für den Weg von Ufjchtich 
nah Pyritz 9 Tage, für den von Belgard nach Uſchtſch aber aus Priefl. LIT, 1 
nur 3 Zage anfegt, fo bemerfe ich" 1) daß fchon ein flüchtige Betrachtung 
der Karte 3. von letsterer Annahme zurückgebracht haben würde, da die Di« 
fanz zwiſchen Belgard und Uſchtſch in der Luftlinie faum 15—20 Kilometer 
Heiner ift als die Diftanz zwifchen Uſchtſch und Pyritz; dann aber 2) bemerfe 
ih, daf der Prieflinger III, 1 ausdrüdtih nur dem Grenzwald, nicht dem 
ganzen Wege von Belgard mac Uſchtſch die Ausdehnung von 3 Zagereifen zus 
Ipridt, ja daß er mit Haren Worten Dttos Zug von Belgard nad) dem Grenz- 
wald angiebt, bevor er den Biſchof diefen Grenzwald in dreitägigem Zuge durch- 
wandern läßt. (Episcopus) versus Poloniam iter tetendit, quam a con- 
finio Pomeranorum horrenda quaedam ac vasta admodum solitudo 
disjungit. Quo cum in capite jejunii pervenisset, tria offieia trium 
dierum illius hebdomadae, qui reliqui erant, una cum officio ejusdem 
diei per singulos sacerdotes cantari fecit, eo quod haec suo ordine 
celebrari tum propter horrendam eremi vastitatem, tum propter la- 
tronum incursum non posse praevidit. Tandem vero eadem solitudine 
peragrata ad civitatem Uzdam — — pervenit: 


252 


in Stettin bfieb? Wie könnte dann der Prieflinger II, 4 von nur 
2 Gontinen (Tempeln) in Stettin, Herbord II, 32 von deren 4 
reden? Wie dann Herbord II, 25 den Aufenhalt Ottos vor Wollin 
auf 15 Tage ausdehnen, wo Ebo II, 6 Priefl. II, 7 nur 8 Tage 
notiren, wie endlich Herbord II, 42 den Otto ſchon vor dem Palm— 
fonutag in feinen Sprengel zurücktehren laffen, während Ebo II, 18 
und Priefl. III, 2 den 29. März (dem Oftertag) als den Tag von 
Ottos Rückkehr bezeichnen ? 

Wenn das „Reifetagebuch“, in welches 3. zufolge Sefrid „die 
hauptſächlichſten Erlebniffe, die Dauer des Aufenthalt® in den ein— 
zelnen Drten, die Zahl der Getauften u. ſ. w. eintrug* S. 329 — 
wenn diefe Quelle ſolche Daten im Zweifel und unerwähnt ließ, was 
— außer für ſolche Unterfuhung ungreifbaren Gemeinfamfeiten der 
Erzählung — Stand denn überhaupt darin? Wie verdiente dieje 
Aufzeihnung danı den Namen eines „Reifetagebuches*? — Wo bleibt 
denn aber nun die Fülle der gemeinjamen Reiſedaten bei allen drei 
Autoren ? 

Den 25, Oftober als Tauftag der Söhne des Domazlav be— 
richtet nur der Prieflinger Il, 9, nur er den 11. Februar als den 
Zag der Rückkehr an die polnische Grenze III, 1, nur er, daß bie 
Nückreife bis Ufchtfch drei Tage währte, III, 1. — Er allein II, 4 
fennt die Zahl der Getauften in Chamin: 3585, er allein II, 2 be- 
ziffert das Gefolge des polnischen Geleitsmannes für Otto, des Grafen 
von Zantof (60 Mann). Er allein weiß II, 3 von dem zwei Ges 
leitsmannen, welche Wartislav dem Biſchof Otto mitgab, ſowie (II, 6), 
dag Otto den Yulinern ihre heilige Lanze für 50 Talente abfaufen 
wollte und (II, 8), daß die Zahl der Clerifer, welche Otto in Stettin 
noh um fich Hatte, 18 betrug. 

Eine andere Reihe von Zahlen bietet uur Ebo: fo nur er die 2 
Tage für die Dauer von Dttos Aufenthalt im Breslauer Bisthum 
II, 3, nur er II, 3 14 Tage für die Reife von Bamberg nad) 
Gnefen, nur er II, 5, daß man vom Grenzwalde aus am dritten 
Tage Pyrig erreichte, nur er Il, 9 läßt Stettin auf 4, bezw. 3 
Hügeln liegen. Den 24. Juni al8 den Ankunftstag in Camin bietet 
nur er IL, 5, etwa den 2. Februar als Tag des Aufbruchs von 
Wollin nur er II, 18. 

Die dem Ebo und dem Prieflinger gemeinfamen Zahlenangaben 
find gar wenige, fo die Geſammtzahl der auf der I. Reife Getauften: 
nach dem Priefl. II, 20 find es 22165, nad) Ebo IL, 11 etwas ab- 
weichend 22156; fo die Dauer des Aufenthaltes in Camin, welde 
Ebo II, 5 auf „14 Wochen oder mehr“, Priefl. II, 4 auf „volle 
drei Monate“ angiebt; jo die Dauer des Anfenthalte® vor Wollin, 
die beide (Ebo II, 6; Priefl. IL, 7) auf 8 Tage angeben, die Dauer 
des Aufenthaltes in Stettin, weldye nad) Ebo IL, 8 und Priefl. II, 8 
im Ganzen 9 Wochen dauerte, endlich der 29. März (der Ojftertag) 
als a. der Rückkehr Dttos nad) Bamberg (Ebo II, 18; Priefl. 


I, 


253 


Da Herbord die Gefammtzahl der Getauften gar nicht bietet, 
für die fibrigen aber, zwiichen Ebo und dem Prieflinger gemeinfamen 
Zahlenangaben andere Daten berichtet, fo folgere ich mit Redt: in 
diefern Zahlen folgt Ebo dem Prieflinger, Herbord aber hat die ab» 
weichenden Zahlen einfach, wie jo vieles Andere, erfunden !. 

Wunderbar wäre ferner bei Benutzung der gemeinfamen Quelle 
durch alle drei Autoren, daß der Prieflinger allein die ältefte pom— 
merfche Schreibung der Orts- und Cigennämen durchweg feitgehalten 
haben follte, daß nur er Peris, Piris (Pyritz), Chamin, Belgrod, 
Cloden, Chozgo, Timin, Domazlavus, Wirisca fchreibt, während 
Ebo Piriscum, Gamin, Belgroensis urbs, Clodinensis locus, 
Chozegowa, Timina, Domizlaus, Wirtiscus (oder Wirtschachus), 
Herbord aber Pirissa, Camina, Belgrada, Clodona, Gozgaugia, 
Timina, Domizlaus, Witscacus geben ; noch wınderbarer, daß Ebo 
und der Prieflinger in den Namen der pommerfchen Kirchen fo aufs 
fällig von einander abweichen und doch beide diefelbe Quelle hiefür 
benugt haben follten! Priefl. II, 13 nennt die Stettiner Wallkirche, 
wie fie noch heute heißt, die Peter-Paulsfirhe, Ebo TIL, 1 nur Pe— 
trifirche; der Prieflinger II, 16 läßt die Kirche in Wollin den Hei— 
ligen Adalbert und Georg (noch zu des Wolliners Bugenhagen Zeit 
hieß fie Georgenfirhe!), Ebo II, 15 den Heiligen Adalbert und 
Wenzel; der Priefl. II, 19 die Kirche außerhalb Wollins dem Hei— 
figen Michael (mie fie wiederum zu Bugenhagens Zeit noch hieß !), 
Ebo II, 15 hingegen dem Heiligen Petrus geweiht werden. Herbord 
III, 16. II, 37 nennt in Stettin und Wollin immer nur eine von 
den zwei am Orte befindlichen Kirchen mit Namen: bei beiden Städten 
giebt er nur den Namen der Adalbertsfirche, in welcher Benennung 
er den Ebo und den Prieflinger iübereinftimmend fand, und fchmeigt 
ganz von den anderen Kirchennamen, weil er bei ihnen abweichende 
Berichte feiner Vorgänger vor ſich Hatte. Lag ihn das „Reifetage- 


! Nur etwa die Zahlenangabe Herbords, in welcher er mit Ebo und dem 
Brieflinger übereinftimmt, daß das Götenbild Triglavs 3 Köpfe gehabt, darf 
man als völlig ſicher gelten laffen. Zahlen, welche nur Herbord bietet, find 
folgende. 18000 pommerſche Krieger find im lebten polnifchen Kriege vor 
1124 gefallen, 8000 Frauen und Kinder von Boleslav III. in die Ges 
fangenichaft geführt II, 5. — Bis 200 Schritt vor Gneſen hinaus zieht Bo— 
leslav mit feinen Magnaten dem Biſchof Dtto entgegen II, 9. — In den pom« 
merihen Dörfern zwiſchen Pyritz und der Grenze tauft Dito 30 Menfchen 
I, 13. — In der eliten Stunde des Tages nähert ſich Otto der Burg Pyrits, 
woſelbſt 4000 Menſchen zu einem heidniſchen Feſt verfammelt find II, 14. — 
3 Taufbeden läßt Dtto in Pyritz herftellen II, 15. — In Kamin weilt Otto 
40 Zage II, 20. — In Kamin mweilt Otto 50 Tage II, 24. — Der pommer« 
Ihe Fürft Wartislav hatte 24 Kebsweiber II, 22. — Bor Wollin, weiß Her: 
bord genau, erhält Otto 3 Hiebe, nicht mehr noch minder II, 25. — Boles: 
lad beftimmt 300 Mark Silber als jährliche Tributfumme den Bommern, und 
je 9 pommeriche Familienväter follen im Kriegsfalle zum Beiftand für Polen 
immer den zehnten Mann ausrüften II, 30. — 9 Langen find e8, zwiſchen 
denen das Stettiner Dralelpferd immer Imal hin und hergeführt wird II, 33. — 
900 Familienväter zählte die Stadt Stettin II, 34. 


254 


buch“ vor — gefett, daß Ebo und der Prieflinger aus beffen reiche— 
ren Kirchennamen ihre abweichenden Benennungen gezogen haben 
follten —, warum 309 Herbord diefe Kircheunamen daun nicht zu 
widerfpruchslofer Volljtändigfeit daraus? 

Halten wir uns nicht an wenig greifbare Gemeinfamfeiten des 
Erzählungsstoffes, fondern an diefe reellen, nüchternen Differenzen der 
Daten, fo wird ſchon aus dieſer trodenen Zufammenftellung deutlich, 
dag nicht einmal von dem Vorhandenſein einer dürren Notizenreide 
über die Daten der I. Reife Ottos als gemeinfamer fchriftlicher Duelle 
der drei Autoren geredet werden fan. Hätte num gar ein derartiger 
Reiſebericht auch mur in fo zufammenhängender Erzählung, wie wir 
fie bei dem Prieflinger ? finden, exijtirt, fo müßte ſich doch irgendwo 
die Benutzung derjelben durch identischen Wortlaut in dem II. Bude 
der drei verrathen. Zeigen ſich doch je im I. Buche der drei, wo 
von ihnen jene Denkichrift über die Stiftungen Ottos in langen, zus 
fammenhängenden Abjichnitten ausgeschrieben it, fo überreiche Spuren 
gleichen Wortlautes! Gerade aber im Il. Buche findet fi) eine ſolche 
wörtliche Uebereinſtimmung nirgend als da, wo wirklich eine gemein 
ſame Quelle benutt ward, d. h. wo jener Hirtenbrief Ottos von Ebo 
II, 12 und Priefl. II, 21 völlig wörtlich ausgefchrieben ift. — Diele 
Nothwendigkeit identiichen Wortlautes laffe ich mir nimmermehr fo 
furz abweilen, wie e8 3. ©. 328 gethan, wo er als Erflärungs 
grund für diefen Mangel wörtlicher Uebereinjtimmung nichts anzıe 
führen weiß als: Ebo und Herbord haben diefe Quelle „ſichtlich jehr 
frei“ benugt. Mit diefem „Tichtlich fehr frei“ ift freilich allen Be— 
hauptungen über Eriftenz, Umfang und Inhalt einer jo hypoſtaſirten 
Duelle Thür und Thor geöffnet. Für das I. Buch der drei Otto: 
biographen erwies ich da8 VBorhandenfein der gemeinfamen Duelle, 
indem ich ihre Fragmente als noch in zwei völlig verichiedenen Hand» 
ichriften außerhalb der vitae Ottonis vorhanden aufwies, S. 49— 
52. 58 meiner Unterfuchung. — Zeige man mir doc) die Fragmente 
der für das II. Buch behaupteten Duelle als nod irgendwo außer: 
halb der vitae Ottonis erfeunbar! — Doc ich will mid) auch ſchon 
mit Nachrichten über diefelbe zufrieden geben, wofern nur diefe Nach— 
richten unzweidentig von folder Quelle Zeugniß ablegen. Ein der- » 
artige8 Zeugniß findet 3. in den Worten Ebos III, 1: de secundo 
ejus apostolatu in Pomerania, sicut fidelis cooperator ipsius 
Udalricus presbyter S. Egidii michi innotuit, scripto tradere 
curavi; nam de primo alias seriptum est. Aber es giebt Bei- 
fpiele genug, daß ein Schriftfteller mit ‘alias’ oft einen früheren oder 
fpäteren Abfchnitt in feinem eigenen Werke bezeichnet. So fagt der 


I ‚Der Prieflinger hat fich fichtlich mehr an die Einzelheiten gehalten und 
diefe wohl in engem Anſchluß aud an den Ausdrud feiner Duelle, zwar oft 
recht ungefchict, aber doc; im Ganzen trem wiedergegeben, daher denn auch feine 
Erzählung des rechten Zuſammenhanges entbehrt und ähnlich der im II. Bude 
Ebbo8 den Eindrud lofe an einander gereihter Dittheilungen macht‘. So meint 
3.0.0.9. S. 330. 


255 


Prieflinger III, e. 10: Sed de hoc alias (sc. agetur); nune re- 
liqua agemus, und fhon im 12. Gapitel erzählt er dann das Er— 
eigniß, welches er nad) c. 10 alias, d. h. an anderer Stelle, er- 
zählen will. 

Außerdem aber wird alias nicht felten gleichbedeutend mit alio 
tempore, ja mit alia condieione und aliter gebraucht, und auch in 
diefen Bedeutungen läßt nufere Stelle fi) ungeswungen auf das II. 
Bud des Ebo beziehen. Zumal nachdem wir gejehen, daß die Exi— 
ftenz weder eines notizenhaft dürren noch eines in zufammenhängender 
Erzählung gefchriebenen „Reiſetagebuches“ annähernd genügend be= 
wiejen werden fonnte, fo haben wir feinen Grund, in den bezeich- 
neten Worten Ebo8 dem ‘alias’ einen anderen Sinn beizulegen als 
einen der drei: alio loco mei operis, alio tempore oder alia con- 
dieione (aliter). „Ueber die zweite Reife“, ſagt Cbo, „will ich nad) 
dem Berichte des Reiſegenoſſen Udalrich fchreiben (die8 muß ich hier 
ausdrücklich erwähnen), denn die Erzählung über die erite Reife ge= 
ſchah unter anderen Umſtänden“ (als diefe hier, d. h. unter Benutzung 
anderer Gewährsmänner). Wir müſſſen daher lateinisch jo ergänzen: 
nam de primo alias (a me) scriptum est (quam nunc scrip- 
turıs sum hoc libro et hoc locupletissimo teste). 

Ro wirflih in Ebo8 Reisebericht außer dem Bericht des Udal— 
rih umd der Prieflinger vita eine ältere fchriftliche Duelle anzuneh— 
men ift, wie bei der genauen Angabe der durd Otto in Franken zum 
Beginn der I. Reife vollzogenen Kirchenweihen und der Stationen 
beider Reifen, Soweit fie im Bamberger Sprengel lagen, da mögen 
dem Ebo Bamberger Annalen vorgelegen haben, eine Art von Quelle, 
die Schon Klempin für Ebo forderte. „Zum Theil erzählt er, was 
er aus der Chronik feines Klofters geihöpft hat“, a. a. O. ©. 122, 
Auch leugne ich keineswegs, daß Ebo von Sefrid oder anderen Reiſe— 
gefährten Ottos über die I. Reife mündliche Nachrichten erhalten habe. 
Jedenfalls galten fie ihm aber nicht für fo ficher wie fein Gewährs— 
mann Udalrich für die II. Reife, fonft würde er fie namhaft machen. 
Gerade aber, daß Herbord den Sefrid in feinem Dialoge die Reifen 
jelbft erzählend einführt, fpricht gegen das Vorhandenfein eines fchrifte 
lichen Reifeberichtes von der Hand Sefrids. Vermeidet ja dod) fonft 
Herbord in feinem Schriftitellerdinfel peinlich; jede Andeutung über 
die Benugung von Vorgängern; fo fecretirte er im feinem Werle 
durchweg Ebo und den Prieflinger, obwohl er beide, wie 3. 
jelbit einräumen muß, kannte und vielfach benutzte. Wohl weiß ich, 
dat nad) Ebo II, 3 Udalrich den Sefrid als Neifebegleiter, qui 
etiam cartis in itinere cum necesse est scribendis promtus et 
impiger erit, dem Bifchof Dtto vorichlägt. Aber bei dem Prief— 
linger die Bezeichnung Sefrids als eines „Secretärs des Biſchofs 
Otto“ zu finden (3. a. a.D. S. 329), ebenfo wie die Behauptung, 
diejen „Secretär“ mache der Prieflinger „zum eigentlichen Befehrer 
der Kinder Domazlavs* (S. 328), ftütt fi) auf ein Mißverjtändnig 
folgender Stelle des Prieflingers II, 9: Pueri isti secretarium epi- 


256 


scopi Dei nutu frequentare coeperunt et crebro cum ipso con- 
ferre sermonem. Quibus episcopus, quantum illa patiebatur 
aetas, de fidei illuminatione, de judieio futuro, de immortali- 
tate, de spe resurrectionis, de gloria beatorum breviter com- 
modeque disseruit. Offenbar ift dody mit den Worten ‘cum ipso' 
der Biſchof felbjt gemeint. Außerdem — wo fteht hier etwas davon, 
daß diefer „Secretär“ Sefrid geheißen? und heißt denn secretarium 
hier iiberhaupt „Seheimfchreiber, Secretär“? Du Gange u. a. mögen 
bezeugen, daß secretarium hier nicht eine PBerfon, fondern ein Ge: 
mad; (penetrale episcopi) bedeutet! 

Ein anderer Punkt, in dem ich unmöglicd die Aufftellungen 3.'8 
gelten laffen darf, ift das Verhältniß Ebo8 zu dem Prieflinger. Ich 
zeigte aus verfchiedenen Gründen, daß der Prieflinger früher als Ebo 
und Herbord gejchrieben. Für Herbord geiteht es 3. zu, für Ebo 
leugnet er es, ohme aber auf meine Gründe einzugehen. Ich führe die 
hauptjächlichjten Gründe in meinem eigenen Wortlaute noch einmal 
furz auf. 

1) Nur der Prieflinger, nicht Ebo oder Herbord, entichuldigt, 
daß er zu einer Theilung des Erzählungsftoffes in drei Bücher ges 
ſchritten. Priefl. prolog.ad libr. Il: Unde nec in unum omnia 
coartavi, sed in tres partes, quarum prima ufcunque jam 
edita est, suis capitulisque suisque praefatiunculis praenota- 
(tam) distinxi, quominus fastidiosa sit lectio, cum a novo 
fuerit repetita prineipio. Bei Ebo und Herbord finden wir die 
Dreitheilung fchon ala etwas Selbitverftändliches und den Stoff zwi— 
ſchen Buch II und III fachgemäßer und gejchiefter vertheilt als bei 
dem Prieflinger, der den Schluß der I. Reiſe erjt am Anfang des 
III. Buches erzählt. 

2) Ebo III, 22 und Herbord III, 29 berichten zwei Wunder 
des Presbyters Bodens, die er, wie Ebo jagt, in urbe Games 
dieta, in einer ganz fabelhaften Stadt, verrichtet habe. Der Prief: 
(inger fennt von diefen zwei Wundern nur erft eines (III, 13). 
Dieſes eine Wunder erzählt er ähnlich wie Ebo und Herbord, er 
ſchickt aber ausdrüdlic; folgende Worte vorauf: Aliud quoque mi- 
raculum , quod apud ipsam Julinensium civitatem accidisse 
comperimus, quia ad praesens memoriae occurrit, hoc in loco 
dignum putamus inserere. Nach den fchon oben aufgeführten 
Stellen müſſen wir ‘comperire’ vom Hören mündlichen Berichtes 
verjtehen, zumal ‘quia ad praesens memoriae occurrit’ dabei— 
ſteht. Wie aber könnte der Prieflinger von mündlichem Bericht über 
dies Wunder reden, wenn ihm Ebo hier vorläge, in welchem dies 
Wunder ausführlich erzählt it? Erzählt aber der Prieflinger hier 
wie fonft, was aus feiner Juliner Quelle ihm zufloß, und begegnen 
wir furz vor diefem Wunderberiht (3 Gapitel früher) einer Stelle, 
wo er mit Ebo gleichen Wortlaut hat, fo ift jet der Schluß zwin- 
gend, daß nicht er der Abjchreiber ift, fondern Ebo. Es find die Ge— 
betsworte Wiriscas im dänischen Gefängniß, Priefl. III, 10: Do- 


257 


mine Deus, qui gentem nostram per eundem episcopum ad 
agnitionem tui nominis venire fecisti. Ebo III, 2: Domine 
Deus omnipotens, qui nos ad cognitionem tui nominis per 08 
sancti patris nostri Ottonis episcopi venire tribuisti. Wie 3. 
meint, „Find diefe Worte doc) zu geringfügig, um daraus irgend et= 
was zu Schließen”, a. a. D. ©. 332. Ya, wären dieje gleichlau- 
tenden Worte bei irgend einer anderen Beranlaffung, nicht bei der- 
jelben, wo fie der Prieflinger bietet, von Ebo gebraucht, jo würbe 
ih nimmer in diefen Worten ein Beweismoment für Abhängigkeit des 
Einen vom Andern erfennen. So aber fommen diefe Worte bei Bei— 
den aus dem Munde dejjelben Mannes (des Wirisca), bei derjelben 
Situation (im Gefängnig) und find beidemale an Gott gerichtet. 
Manchen mag bier für die Unabhängigkeit Ebos ftimmen, daß 
er doch gerade im III. Buche den Bericht des Augenzeugen Udalrid 
wiedergebe, alfo bier gewiß erjt recht felbjtändig ericheinen müſſe. 
Den Wunderberidht aber, in welchem ich jener gleiche Wortlaut fin- 
det, verdanft Ebo auf feinen Fall dem Udalrich, jowenig wie manche 
anderen Wunderberichte des III. Buches. Deutlicdy läßt fich dies An 
den Bodeuswundern nachweiſen. Angenommen, der Ort des Bodens 
wunders, den Ebo Games (der Prieflinger Julin) nennt, ſoll Gamin 
bedeuten, jo begeht Ebo einen chronologiſchen Verſtoß, Otto am Tage 
diejes Wunders, am 10. Auguft, in Camin verweilen zu lajfen, Wie 
Köpfe zuerft betomte?, weilte Otto zu diefer Zeit ja gar nicht in Ca- 
min, fondern in Stettin. Bodens aber iſt hier presbyter ex co- 
mitatu pii Ottonis genannt, und als er fünf Tage darauf (am Feſte 
der Aſſumption der Mutter Gottes) ein zweites Wunder an einer 
Frau vollbringt, welche den Feiertag durch Feldarbeit entweiht, ſendet 
Otto die Frau, der die Hand erſtarrt iſt, zur Heilung in die Adal— 
bertöfirche. Nirgend ſonſt wird eine Caminer Adalbertsfirche erwähnt, 
jo daß auch diefe Angabe auf Wollin, wo nad dem Prieflinger das 
Wunder geichieht, oder auf Stettin Hindeutet, wo Otto damals weilte. 
Chronologisch und topographiich jo verwirrte Angaben find dem 
Ebo von dem jonjt jo genauen UÜdalrih, dem Zufammenfteller des 
eodex Udalriei, unmöglich zu Theil geworden. Diefe Anfäge einer 
Sagenbildung famen erjt ipäter, geraume Zeit nad) Ottos Miffions- 
reifen, nad) Bamberg, Mithin haben wir allen ‚Grund, dem bo, 
der nicht minder wunderfüchtig als der Prieflinger war ?, ja der hier 


2 Andererfeits hielt e8 3. als weiteren Beleg für die Abhängigkeit Her- 
borde von Ebo doch nicht für zu geringfügig aufzuführen, daß dem Herbord, 
der fonft den Wortlaut Ebos faft immer geſchict mit anderen Worten um» 
Ichrieben bat, gerade in ber a de „eine ſonſt nicht gerade häufige 
Bhraie (des Ebo) entjdjlüpft iſt“! Bei Ebo III, 2 und Herbord III, 15 iſt 
Birisca im Kerfer ‘in somnum resolutus'! 

: SS. XII, ©. 875 Aum. 67. 70. 

u Kleinpins Urtheil über Ebo a. a. DO. S. 142: „Schon das Natürliche 
nimmt in feiner Auffafjung den Stempel des Wunderbaren an. — Das Außer: 
gewöhnlihe —, dies durfte er ja nur der Wunderkraft feines Heiligen zuſchreiben“. 


258 


(III, 21 und 22) in Einem Athen fünf Wunder Dttos berichtet, 
wo wir bei dem Prieflinger davon nur erjt zwei finden (III, 12 und 
13), dieſe Abhängigkeit in Wumnderberichten von anderen Gewährs— 
männern und Berichteritattern als Udalrich zuzutrauen. So müſſen 
wir dabei beharren, daß Ebo dem Prieflinger den gleichen Wortlaut 
in dem Wiriscawunder entnommen hat, zumal ich jetst im Anfang 
des III. Buches Ebos eine ganz auffällige Stelle der Polemik gegen 
den Prieflinger enthüllt habe. 

Noch bleiben einige Einwände, die 3. machte aus Anlaß meines 
Benühens, die Mifverftändniffe, denen wir bei dem Prieflinger bes 
gegnien, aus dem kurzen Aufenthalte Adalbert oder überhaupt feines 
pommerſchen Gewährsmannes in Bamberg zu erklären. „So mi 
verjteht er auch“, äußerte ich mich, „den Gewährsmann bei Erzäh— 
(ung des Weges, den Dtto bei der erften Reife von Polen nad) 
Pommern nahın Hier erwähnt er allein (IL, 2), daß Otto den 
Warthefluß paſſirte. Gewiß hatte der Gewährsmann mur erzählt, 
Paulus, der polnische Geleitsmann Ottos, ſei Graf von Zantok an 
der Warthe geweſen (mur der Prieflinger nennt Paulus als comes 
Zntochanus). Der Prieflinger aber mißveriteht fo, als habe num auf 
der pommerſche Fürft Wartislav Otto Schon an der Warthe getroffen, 
während der Ort der Zufammenfunft erjt an der faulen Ihna, der 
alten Grenze zwiichen Polen und Pommern, war, wie Klempin gezeigt 
hat“ (Klempin, Einleitung zu Kratz, Die Städte der Provinz Pon- 
mern S. XXV Anmerfung). 

Zunächſt habe ic) hier nicht, wie von 3. S. 327 gejagt wird, be— 
hauptet, die faule Ihna fei „die älteſte“, fondern „die alte Grenze zwiſchen 
Pommern und Polen“. Scon Klempin betonte mir mit echt, daR, 
ſoweit urfundliche Zeugnifje reichen, die faule Ihna immer als die 
Grenze hier erjcheine, wie fie denn feitdem die Grenze zwifchen Pom— 
mern und der Neumark geblieben ift. Dann aber ift für mic der 
Beriht Ebo8 II, 4 über den Zug DOttos aus Polen nah) Pommern 
nicht die gleiche Autorität wie für 3., der mit Ebo den Bilchof über 
Uſchtſch, nicht, wie der Prieflinger, über das viel weftlichere Zantot 
nad) Pommern ziehen, ihm dann in der Burg Ztarigrod (Ebo II, 4) 
noch jüidlic) von dem Grenzwalde mit dem pommerſchen Fürjten War: 
tislav zufammentreffen läßt und unter Berufung auf die Berichte des 
Martinus Gallus (bei. II, 17) über die ponunerfc- polnijchen Kämpfe 
um Zantof und Nafel annimmt , daß auch im Jahre 1124 „noch 
hier und da (unweit der Worthe) eine pommerſche Burg (wie Ztari— 
grod) beitand, die (erjt) ſpäter verloren ging“, S. 327 Anmerf, — 
ft num glaublich, daß Otto von Uſchtſch aus den unwirthlichen, pom— 
merſchen Grenzwald der Länge nad) von Dit nad) Welt durchzog, um 
ſchließlich in Pyrig die erfte Stadt Pommerns zu betreten, während 
er von Zantof aus den nur Halb fo langen Sidnordweg aus dem 
befreundeten Polen nah Pyrig nehmen fonnte? Die Entfernung 
von Zantok nah Pyrig beträgt in der Puftlinie etwa 60 Kilometer 
(8 Meilen), die Entfernung von Uſchtſch mac Pyrig in der Yuft- 


259 


linie 120—125 Kilometer (über 16 Meilen). Schon dies allein 
Ipriht für die Reijeronte Zantof-Pyrig. Wollen wir aud) dem bo 
glauben, Wartislav habe Dtto jchon jüdlic) von dem Grenzwald in 
der von ihm erwähnten Burg Ztarigrod zuerjt begrüßt, fo kann dies 
doh im J. 1124 feine pommerjche Burg mehr gewejen fein. Nennt 
doh Ebo jelbit (IL, 5) Piriscum das primum castrum Pome- 
ranie, welches Dtto erreicht habe. Mag auch M. Gallus! von 
einer Burg berichten, welche die Pommern al8 eine Art Trutz-Zan— 
tof im den meunziger Jahren des 11. Jahrhunderts gegen Zantof er— 
richtet hatten, — nad) den vernichtenden Schlägen, die Boleslav III. 
1119—1121 gegen Pommern geführt, kann von einer pommerjchen 
Burg ſüdlich von dem Grenzwalde feine Rede mehr fein. Aus allen 
Nahrichten der Dttobiographien geht unzweifelhaft die Suzeränität 
Polens über Wartislav von Pommern hervor. Wenn aber Nafel und 
Zantof, d. h. die Hauptfeften am Nordufer der Nee und Warthe, 
um diefe Zeit in den Händen der Polen find, wie fann man da an- 
nehmen, daß noch um diefe Zeit die Grenze zwijchen Pommern und 
Polen „längs der Netze“ lief? Dehnte ſich doc nördlich von diejen 
Selten noch ein Grenzwald von mindeſtens 3 Tagereiſen Ausdehnung 
(Priefl. III, 1). Wie wir num die polnischen Feten füdlich diefes 
Waldes finden, jo haben wir die pommerſchen nördlich deifelben zu 
juhen. Damals aber, wie heute noh, muß 5—6 Meilen nördlich 
von Zantof die faule Ihna Greuzfluß gewejen fein. Dahin glaubte 
ih daher die Zufammenkunft im Einverjtändnig mit Klempin ver— 
legen zu müſſen. Heute muß ich mich anders entjcheiden. Aus— 
drücklich läßt der Prieflinger den Biſchof Dtto erft zu Graf Paul 
von Zantof gelangen und von diefem erſt zu Wartislav geleitet 
werden; die Zujfammenfunft muß dann ummweit der Warthe ſelbſt 
(juxta Wrtam jagt der Prieflinger) in einem polnischen Burgwall 
Ztarigrod (Ebo Il, 4) nördlid) von Zantof jtattgefunden und War— 
tislav alfo ſchon ſüdlich vom Grenzwalde den Biſchof mit pommer- 


! Nuntiatum est, Pomoranos exivisse eosque contra Zantok regni 
custodiam et clavem castrum oppositum erexisse ed. Bandtkie S. 168. 

-—Wenn Ebo II, 4 Uzda in confinio utriusque terrae liegen läßt, fo 
if dies nicht fo au verftehen, als ob Uzda unmittelbar an der Grenze gelegen 
babe; dem widerſpräche Schon die ausdrüdliche Nachricht des Prieflingers III, 1, 
daß Polen gerade in diefer Gegend von Pommern (a confinio Pomeranorum) 
durch eine wilde Einöde getrennt ſei. Wichtich ift da nur als Grenzort bezeichnet, 
fo wie wir heute wohl Königsberg als öſtliche Grenzfefte gegen Rußland be: 
zeichnen, ohne daß es unmittelbar an der Grenze liegt. — Zum Weberfluß ei— 
tire ich noch Roepell, Geſch. Polens I, S. 253. 263. 634. Auch Roepell be» 
merkt, daß „in der päbftlihen Beftätigungsurkunde des pommerichen Bisthums 
v. 3 1140 Vyritz der füdlichfte Ort ift, welcher im diefer Gegend al® zur pom— 
merſchen Diöceſe gehörig genannt wird‘, und daß „dieſe Lanpdftriche füdlicd von 
Pyritz bis zur Warthe und Nee in politifcher Beziehung unmuttelbar mit Polen 
(durch Boleslav III.) vereinigt wurden‘. — Daß dagegen in der Gegend der 
Barthemündung bis ins XIII. Jahrhundert hinein noch pommerſche Befigungen 
fih befanden, ift mir aus Urkunden wohl befannt und keineswegs hier von mir 
überjehen. 


260 


fchen Geleitsmannen verfehen haben. Alle Umftände wohl erwogen, 
muß ich demnach an der Route Zantok: Pyrig feithalten, nur daß ich 
die Burg Ztarigrod nicht wie Ebo bei Uſchtſch liegend glaube, aud 
nicht für ein damal® noch pommerjches castrum halte, wie 3. will. 

Das Neue, was 3. noch erwiejen zu haben meint, will id) mit 
feinen eigenen Worten herjegen (S. 315. 316): 

„Stellen wir die Ergebniffe unferer Unterfuchung über Ebbos 
und Herbords drittes Buch zuſammen. 

1. Ebbo! hat ſein drittes Buch urſprunglich als beſondere 
Schrift verfaßt und es erſt ſpäter mit den jetzt voraufgehenden ver— 
bunden“. 

Dieſen erſten Punkt aber erkaunten wir als eine keineswegs 
gerechtfertigte, am allerwenigſten gegen Widerſpruch geſicherte Ver⸗ 
muthung. 

2. „Es beruht dies Buch (Ebos), was die zweite Reife Ottos 
betrifft, durchweg auf den Meittheilungen des Augenzeugen Udalrich“. 
3. a. a. O. ©. 315. 

Dies wär aber längſt ein gründlich bewieſenes Ergebniß der 
Forſchung Klempins. Balt. Stud. IX, 1, ©. 126: „Bei weiten 
den wichtigften Theil feiner Biographie hat Ebo aus dem Munde des 
Priefters der St. Uegidien-Kapelle Udalrich, namentlich die Erzählung 
von dem jpanifchen Mönche Bernhard im II. Buche und die ganze 
zweite Reife des Biſchofs nad) Pommern im III Buche“. Nur 
habe ich noch Hinzuzufegen, daß nad unferer obigen Ausführung Ebo 
in den Wundergefchichten der II. Reife noch anderen Quellen als dem 
Udalrich gefolgt ift. 

3. „Herbord hat dies (Ebos III. Buch), aber, wie aus feiner 
Jugendgeſchichte Ottos hervorgeht, auch Ebos erjtes — „a deſſen 
ganzes Werk, gekannt und benutzt“. Z. a. a. O. ©. 

Dieſer Bunkt wurde indeß fchon feit dem —— F Monu- 
menta Bambergensia, aljo feit dem Jahre 1869, als ein ficheres 
an. Jafféſcher Forſchung betrachtet und lautet in Jaffés Latein 
(S. 697) jo: Tertius liber (Herbordi, welches Buch auch die 
Sugenbgefichte Dttos enthält) paene omnino ex Ebonis opere 
manavit. 

4. „An mehreren Stellen (im III. Yuche Herborde) zeigt fi 
eine überaus auffallende Uebereinftimmung Herbords mit dem Prief 
linger“ 3. a. a. O. ©. 310. 

Gerade aber die einzige Stelle wörtlicher Uebereinftimmung zwi⸗ 
ſchen dem Prieflinger und Herbord, welche 3. im Drucke wieder: 


ı ‚Nebenbei verweiſe ih Z. auf jene wohlbegründete Bemerkung Jaffés, 
ſeit der von jedem Forſcher die Schreibung „Ebbo“, welche er durchweg jefige- 
halten ai: unmeigerlid vermieden und dafür , Ebo⸗⸗ geſetzt werden mußte. 
Jaffé, Mon. Bamberg. S. 580: Nomen ejus in saeculi XII necrologio 
S. Michaelis et in codice lat. Mon. 23582 saec. XIV sic scriptum est: 
‘Ebo'. Andreas demum abbas $. Michaelis exeunte saeculo XV hac 
nominis forma: ‘Ebbo’ utebatur. 


261 


giebt, Hat zuerft Klempin (Balt. Stud. IX, 1, ©. 225) erkannt! 
und dann weiterhin noc eine Reihe von Punkten aufgeführt, in denen 
Herbord mit dein Prieflinger übereinkommt. 

Gehen wir zum fünften Punkte diefer Ergebniife: 

5. „Herbord hat jeine Quellen, befonders die Schrift Ebbos, 
derartig benutt, daß er nicht blo8 dem Ausdruck änderte — was ihm, 
wenige, verrätheriiche Stellen ausgenommen, gut gelungen iſt —, ſon— 
dern dag er ſich auch vielfach, Entjtellungen des Inhalts hat zu Schule 
den kommen laſſen. Dieje Entjtellungen find theils Ausſchmückungen 
und Uebertreibungen, dieje bejonders in Zahlenangaben, theils bejtehen 
fie in Unterdrüdung, ja jogar in Fälſchung des ihm befannten Ma— 
terials. Unterdrüdt hat er namentlich) das üble Verhältniß zwijchen 
Otto und Norbert, von dem feine beiden Quellen meldeten, ferner den 
Namen des Grafen von Sulzbad) in der Beichreibung von Ottos 
Inveſtitur, endlich die politifche Abjicht der Gefandtichaft des Bären. 
Sefäliht Hat er die beiden von ihm mitgetheilten Briefe an Pa— 
Ihalis und von diefen und — damit wir dies hier wiederholen — 
die Leichenrede im erften Buche“. 

Dies Ergebniß aber lautet wiederum in Jaffes Latein (S. 697 ff.) 
jo: In quo quidem Herbordus, quae (ex Ebonis libro) adhibet, 
nimirum sie sermone mutare nititur, ut alia esse videantur. 
Neque vero eflieit ubique quod intendit. Nonnunquam enim 
ipsa Ebonis verba orationi Herbordianae inhaeserunt. Of. 
Ebo III, 10 cum Herbord. III, 8; Ebo III, 9 cum Herbord 
III, 8. — Herbordus quo magis opus suum ab opere Ebo- 
niano differret, mendaciuneulis historiam aspersit. Of. Ebo 
I, 9 — Herbord III, 39; Ebo III, 15 — Herbord III, 11 
(Uerania insula); Ebo III, 2 — Herbord III, 18 (sermo 
Witseaei); Ebo III, 16 — Herbord III, 18 (nugatoriae Ste- 
tinensium appellationes). ©. 699 erhärtet dann Yaffe des Weis 
teren, warum die Veichenrede auf Otto, welche Herbord dem Biſchof 
Embrico von Würzburg in den Mund legt, nicht wirklich fo gehalten 
jein fönne, fondern eine Erfindung Herbords ſei. Dann entwickelt 
Yaffe die Gründe, durch welche fi) die Darftellung der Inveſtitur 
Ottos und der Briefwechſel zwiſchen Paſchalis und Otto, wie fie 
Herbord giebt, al8 eine abfichtlihe Erfindung fennzeichnen. Danu 
Ihlieft Yaffe: satis multa haec esse debent ad intelligendum, 
quod fuerit Herbordi ingenium, quae voluntas, quod genus 
historicum secutus sit. Wir meinen, diefe von Jaffé gegebenen 
Thatfachen mußten zu der Erfenntniß genügen, daß Herbords Dialog 
Ipäter als das Werk Ebo8 verfaßt, daß er „dem choro fallacium 
librorum beizuzählen, bei Dingen, die Herbord und Ebo gemein— 
Ihaftlich berichten, immer jener diefem nacjzufegen und, was Herbord 
Eigenes hat, mit der höchſten Vorfiht und nirgend ohne genauere 
Unterfuhung (neque usquam sine deliberatione) aufzunehmen jei“. 


1Treulich habe ich in meiner Arbeit S. 99 aufgeführt, daß wir die Beo- 
bachtung dieſes gleichen Wortlautes Klempin verdanten. 


XxVIII. 18 


262 


Was jett von diefen in Punkt 2—5 aufgeführten Ergebniſſen 
v. Zittwigicher Forihung über Ebo und Herbord übrig bleibt, be: 
fchränft fich auf einige Beläge zu jenen von Klempin und Yaffe zus 
erit gefundenen und ſchon vollgejicherten Ergebnijjen, wie 3. B. daß 
Herbord Norberts Verhältnig zu Otto, daß er. den Namen des 
Grafen von Sulzbach unterdrüdt habe u. dgl. 

Mir war nad) Yaffes meijterhafter Beweisführung die Infe— 
riorität Herbords als hiſtoriſcher Duelle eine fo ausgemachte Sadıe, 
daß ich es für wenig fruchtbar halten mochte, die Abhängigkeit Her 
bords auch von dem BPrieflinger mehr noch zu zeigen, als es der 
Zweck und Fortfchritt meiner Arbeit über den Prieflinger gebot: id) 
hielt die weitere Ermittelung des Erzählungsftoffes, wie er richtiger 
bei Ebo und dem Prieflinger als bei Herbord dargeftellt fei, jetzt mehr 
für die Sache des darjtellenden Hiftorifers als für die einigermaßen 
noch lohnende Aufgabe einer eigenen, quellenkritiichen Unterſuchung. 
Gewiß wäre e8 eine lohnende Aufgabe hiſtoriſcher Sachfritif, jett eins 
mal wieder, wie e8 Volckmann feiner Zeit gethan, da® Facit für die 
Geichichtsdaritellung aus den Unterfuchungen über alle drei vitae 
Ottonis zu ziehen. — Will man es aber auch als eine löbliche, ob- 
ſchon nad) Yaffes Vorgang verhältnigmäßig leichte Leiſtung bezeichnen, 
die Fehler Herbords möglichjt volljtändig zu verzeichnen, jo muß man 
ihm doc nicht Fehler unterfchieben, die er nie gemacht hat. Solches 
ift 3. u. A. auch begegnet. 

Wenn Herbord II, 1 ein Land Flavia neben Ruseia und 
Pruseia im Oſten Pommerns liegen läßt, fo rechnet ihn 3. ©. 324 
dies al8 argen, geographiichen Fehler an und belehrt uns, unter 
Flavia fönne „nichts anderes gemeint fein als Polabien im heutigen 
Mecklenburg“. Daß aber wirklich Flavi, wie Herbord behauptet, in 
einem von Pommern öftlichen Gebiete wohnten, das hätte 3. jchon 
aus Jaffé s Monumenta Bambergensia entnehmen fönnen, da 
Kaffe ©. 446 zu den Worten im Codex Udalriei: Flavos qui 
vulgari nomine Valwen dicuntur, die Bemerfung jegt: Flavos = 
Cumanos. 

Bei dem Anſpruch auf Volljtändigfeit, den 3. für diefe feine 
Unterfuhung über die Quellen und den Werth der drei Ottobiogra- 
phien macht, wundern wir ung drei andere Elemente von Ebos Er: 
zählung ! nicht berückſichtigt zu finden. 

„Ebo erzählt, was er aus der Chronik feines Kloſters ges 
ſchöpft“, jagt Klempin a. a. DO. ©. 122 und verweift dafür auf 
Ebo I, 1, wo fic die Achte des Klojters Michelsberg aufgezählt 
finden. In der That, wie Yaffe zeigt (Mon. Bamb. ©. 589), ilt 
diefe Aufzählung zum Theil jelbit in ihrem Wortlaut aus den Necro- 
logien und Annalen dieſes Klojters geichöpft. 

2. Choerzählt auch, „was er als Augenzenge felbft erlebt hat“, 
Klempin S. 122. Dahin gehört, wie Klempin richtig beinerft, was 


ı In dem Ehlufrefume feiner „Ergebniſſe“ gar nit und aud jonft 
höchſtens nebenher. 


263 


Ebo III, 19 berichtet über Ottos Verhältniß zu dem Kloſter Michels» 
berg, über die treue Gebetshülfe, die ihm die Bewohner dieſes Klo» 
fters während jeiner Abwejenheit leiften, dahin die Viſion iiber Ottos 
Ehren im Himmel, über Ottos Woplthätigfeit III, 25 und Ottos 
Ende III, 26, dahin zum guten Theil, was er I, 18—22 von dem 
Abt Wolfram berichtet. 

3. „Einen andern Theil feiner Nachrichten über das Yugend« 
(eben Ottos jcheint Ebo aus den anefdotenartigen Erzählungen geſam— 
melt zu haben, welche in feinem Klofter von Mund zu Mund gehen 
mochten“, Klempin a. a. DO. ©. 125. Hierher rechnet Klempin aud) 
die Geſchichte vom Pſalmbuch Kaifer Heinrich des IV. (I, 6), dann, 
wie die Kinder dem Kaiſer den Rath ertheilen, Dtto zum Bijchof 
von Bamberg zu machen I, 7, hierher die Geſchichte vom Speierer 
Bürger Anshelm I, 5. „Daß dergleichen Begebenheiten, wenn fie 
auh nicht müſſig erfunden find, dem geringiten Glauben verdienen, 
liegt in der Natur der Sache“, Klempin a. a. DO. 

Nachdem wir die Grundlofigfeit der Annahme einer fchriftlichen 
Quelle für den I. Reiſebericht bei Ebo erfannt, müſſen wir aud 
hierin zu Klempins Aufftellung zurüdkehren, dem Ebo habe für die 
Erzählung der erjten Reife der mündliche Bericht „anderer Gefährten“ 
als des Udalrich gedient. Dieſer machte ja die erjte Reife nicht mit. 
Aus den widerfprechenden Angaben diefer Gewährsmänner erklärt 
Klempin S. 140 mit Recht die „verworrene und widerfpruchsvolle“ 
Darftellung der I. Reife bei Ebo. Mithin haben wir nicht nöthig, 
diefe Widerfprüche, wie 3. S. 319. 320 will, aus unachtſamer Be— 
nugung der ohne Grund angenommenen Quellenſchrift zu erflären. 

Faffen wir aber ein Gejammturtheil über den Werth der Ebo- 
hen Schrift im II. Buche, fo iſt jest das Nefultat der v. Zitt- 
wigichen Unterfuchung iiber Ebo, diefer zeige fi „in dem von ihm 
Gegebenen überall zuverläffig“ (a. a. D. ©. 333), wieder einzu- 
Ihränfen auf das von Klempin S. 140 gegebene Urtheil, wofern 
man nur ftatt des Anonymus (Herbord) in dem Klempinfchen Ur— 
theil den Prieflinger fegt: „Man muß überall, wo des Ebo II. Buch 
mit dem Anonymus (vielmehr dem BPrieflinger) in Widerſpruch tritt, 
dem letsten Bericht mehr Glauben jchenfen, doch erſtreckt fich dies nicht 
foweit, daß micht manche einzelne Nachrichten, die Ebo außer dem 
Anonymus (Prieflinger) angiebt, glaubwürdig fein fünnten“. Ueber— 
all da aber, wo Ebo ausdrücklich auf Udalrich fich beruft, wie in dem 
Bericht über des Bernhard Miffionsverfucd (im II. Bude) und im 
Bericht der II. Reife (außer den Wundergeihichten), nicht minder da, 
> Ebo als Augenzeuge redet, ijt er ohne jede Frage die erfte 

uelle. 

Auch in der Zeitbeſtimmung über die Abfaſſung der Eboſchen 
Schrift liefert Z. einen Rückſchritt hinter das von Jaffé ſchon er— 
zielte Reſultat. „Für die Zeit der Abfaſſung ergiebt ſich als frühſtes 
Jahr 1147, da Ebo in dem ſpäter verfaßten Theil der Schrift den 
Abt Hermann als verſtorben bezeichnet“, 3. a. a. DO. ©. 333. — 


18* 


264 


Kaffe Hingegen weift auf des Ebo Bericht über den Abt Wignand 
hin: cujus abbatis et vivendi rationem et mortem, quam die 
18. Maji 1151 accidisse liquet, adeo coneitato animo prose- 
cutus scriptor est, ut librum non ita multo post factum esse 
oporteat. Mon. Bamb. ©. 581; cf. Ebo II, 17. 

Weil „Herbord über die I. Reiſe nad) Pommern allein ausführ- 
lichen Aufichluß giebt“, meint 3. ©. 334, „müſſen wir ihm haupt- 
fächlich folgen, doch ift er in den Einzelheiten, befonder8 in den Daten 
und Zahlen, überall durch Ebo und den Prieflinger zu controllieren 
und, wo ſich Widerfprüche finden, zu verwerfen“. Dagegen fordert 
Jafféè (S. 703), man dürfe auch das was Herbord allein bietet 
„nur mit der höchſten Vorficht und nirgend ohne Bedenken“ anneh- 
nen. Wir fönnen dem nur beiltimmen und meinen, daß man redjt 
thun wird, felbft in der Verknüpfung der Ereignijfe und im Inhalt 
der Erlebnifje nit nur in den „Daten und Zahlen“ nur Ebos und 
des Prieflingers Bericht über ‚die I. Reife als ficheren Stoff zu 


geben. 

Erheblichen Fortfchritt in der Erforjhung der vitae Ottonis 
wird uns, ich bemerfe dies zum Schluſſe, nur die Herbeiziehung oder 
Auffindung neuen Material® bringen. So bradıte und die Entdedung 
des Herbordoriginales im %. 1865 durd Wilhelm von Giejebredht 
die von Yaffe gezogenen Folgerungen über den geringeren Werth 
Herbords im Vergleiche zu Ebo, jo ermöglichte die Herbeiziehung 
jener Denkichriftfragmente aus Mon. Germ. SS. XII und des in 
meiner Unterſuchung veröffentlichten 17. Capitels aus dem I. Buche 
Ebos die Reconftruction einer gemeinfamen Quelle für das I. Bud 
der drei Autoren und die von mir gezogenen, fiheren Schlüffe über 
die Unabhängigkeit des Prieflingers von Ebo und Herbord, 

Solange uns nicht der volljtändige, originale Ebotert ebenfo als 
Hermaion zu Statten fommt, wie der Originaltert Herbords feiner: 
zeit, fünnen die Akten — über Ebo wenigitens — noch nicht als ge— 
Ichloffen betrachtet werden. Noc haben wir feine Gewißheit darüber, 
ob nicht der fpäte Abt Andreas, der Contaminator de8 Ebo — und 
des Herbordberichtes, Manches, was wir gar nicht ahnen, im Ebotert 
verändert oder außsgelaffen hat. Ich betone zum Schluffe, daß die in 
Bamberg lagernde, deutfche Bearbeitung Ebos, die Jack im Archiv 
für deutſche Gefchichtsfunde VI. Band, S. 65, beichrieben hat, jetzt 
endlich veröffentlicht werden muß. Möglich, da dann Manches fich 
noch anders ſtellt, al8 bei den mir zugänglichen Mitteln mir zu fols 
gern möglich war. 


Heinrich von Huntingdon. 
Bon 


F. Liebermann. 


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— — 


— —— ae — 


Heinrich) von Huntingdon hat für die anglolateinische Literatur— 
geihichte des 12. Jahrhunderts in dreifacher Beziehung hohe Bedeu— 
tung: als Dichter, dann als Compilator gejchriebener und mündlicher, 
engliſcher ſowohl als Lateinischer Nachrichten zur angelſächſiſchen Ge— 
ſchichte, endlich als ſelbſtändiger Hiſtoriker ſeiner Zeit, des zweiten 
Viertels des zwölften Jahrhunderts. 

Wir kennen ſeine Lebensgeſchichte nur aus ſeinen Werken. Auch 
was von letzteren ungedruckt iſt, ergiebt nur wenig mehr als feine 
bisherigen Biographen boten, Der erſte derſelben, Johannes Cap— 
grave!, ſchrieb ſchon unter Heinrich VI., der legte, Sir T. D. Hardy?, 
faßt viele frühere Forſchungen zuſammen und fügt zuerſt einen z. Th. 
ausführlichen Bericht über 45 noch vorhandene Handſchriften bei. 


J. 


Heinrichs Geburtsjahr wird nicht vor c. a. 1080 anzuſetzen 
jein (da er noch 1155 literarifch arbeitete, 1094 “puerulus’ gewejen 
fein und feinen 1092 verftorbenen Diöceſan-Biſchof Remigius „nicht 
mehr gefannt“ haben will), und nicht Später als c. a. 1085, da er 
1110 Ardidiacon wurde, noch vor 1123 nicht mehr adolescens 
oder juvenis, fondern fchon vir gewefen ift, ſich 1135 senex nennt 
und jhon von 1087 an vorgiebt zu erzählen quae vidimus aut 
audivimus?, 

Sein Vater hieß Nicolaust. Er wurde von jenem Remigius 
von Lincoln, der fonft faft ausnahmslos Ausländer? anftellte, zum 


! Liber de illustribus Heinricis (Rolls Ser. 7) ec. 10. 

* Descriptive Catalogue of Mss. rel. to the Hist. of Great-Britain 
(Rolls Ser. 26) II, &. 269, im Folgenden citirt als H. — Die Londoner, Or« 
forder und Cambridger Hdfj., etwa 29, habe ic) eingeichen. Wo „Arundel” ger 
nannt ift, ift die Sammlung des Britt. Muf., nicht des Herald’s Office (Col- 
legium Armorum) gemeint. 

® Aus Epist. de Cont. mundi, Prol. u. c. 1 uud Hist. Anglor. 
Prol. ad L. VII. 

* Aus Obigemn erhellt, daß er vor der normannifchen Groberung geboren 
war. Unter den Angelfahien war der Taufname Nicolaus ungebräudlid). 

’ 4 ©. die Namen in Cont. mundi c. 1: von etwa 30 find 28 cons 
nental. 


268 


Arhidiacon Über drei Graffchaften geſetzt. Beides Ipricht dafür, daß 
er dieſſeits des Canals geboren ſein wird. Heinrichs eigenen Vor⸗ 
namen, einige Gallicismen! in ſeinem Latein, die Schwierigkeit, die 
ihm das Angelſächſiſche machte, ſeine Anſicht über die normanniſche 
Eroberung wage ich doch nicht, als zwingende Gründe für die Annahnie 
feiner continentalen Abſtammung anzuſehen. — Aber die Mutter, 
deren Heinrich als Sohn eines Geiſtlichen nirgends erwähnt, wird 
Engländerin geweſen ſein: ſeine Liebe für das engliſche Volk im Ge— 
genſatz zu den Normannen, für deſſen Geſchichte, Sagen und Geſänge 
wäre ſonſt unerklärlich. 

In oder nahe Huntingdon wird Heinrich geboren fein: dort 
war fein Vater fchon vor 1092 Archidiacon; die Diöcefe Lincoln 
allein feunt er auffallend genau, befonders den Fen-Diſtrict, und für 
fie allein zeigt er Yocalpatriotismus,. 

Dort, in der Abtei Ramſey?, ift er zwiichen 1091 und 1102 
erzogen worden. Früh erhielt er, was angehende Glerifer damals all- 
gemein erjtrebter, einen Plag im Gefolge eines Prälaten, nämlich 
des Robert Bloet, der Kanzler des Groberers? uud Wilhelms II., 
dann feit 1094 Biſchof von Yincoln und bis furz vor feinem Tod, 
1123, einer der erjten Staatsmänner Heinrichs I. war. Durd) 
den Glanz diefe8 neuen Patrous wurde unfer Heinrich geblendet *: 
ein Beweis, daß er aus feiner großen Familie war. Robert ver— 
ſammelte neben Rittern und vornehmen Yünglingen — ein Bajtard 
des Königs war unter ihnen — aucd Gelehrte um fih. Den Als 
binus Andegavenfis, der Schon von Remigius am Dome von Lincoln 
angeftellt war, bezeichnet Heinrich al® magister meus®. Die Yin= 
colner Domherren jener Zeit hat Heinrich oft im Chor gejehen und 
nennt dem Domdechanten decanus noster®. Dod folgt daraus 
nicht, daß er felbft Domherr geweſen ift. 

Nod bevor Nicolaus „der Stern des Lincolner Clerus, ſchön an 
Leib und Seele“ ?, wie ihn der Sohn befingt, 1109/10 ftarb, war 
Cambridgeſhire von der Diöcefe Lincoln abgetrennt worden. Für die 
beiden übrigen Grafichaften Huntingdon und Hertford erbte Heinrid) den 
Erzdiaconat: nicht felten ging damals noch ein Kirchliches Amt vom 
Vater auf den Sohn über. Yu diefer Eigenfchaft beitätigte er als 


! Servicium magni aa (service de grand coüıt), nadger 
wiefen von D’Adhery, ib. c. 6. — ‘Werra’, Hist. Angl. s. a, 1111, beweift 
nichts: auch die agf. Annalen s. a. 1140 brauchen das Wort. 

Cont. m. ce. 6: Ealdwine ‘dominus abbas meus'. Nicht Regi- 
_ ift Heinrichs .‘preceptor’ geweſen oder gar ‘friend’. Im Gegentheil. 
i 


h na c. 2. Eonft nur als Kanzler Wilhelm II. bekannt. 
mr 
— J c. : — hat dieſe Nachricht nicht aus Unedirtem! 
—— 


8 c. * A. s. a. 9 Henr. I; Nicolaus unter den zur 
Translation der h. Etheldreda von Abt Richard en) Ey eingeladenen Prälaten : 
Hist. Elyensis (ed. Anglia Christiana) &. 289 


269 


‘quidam litterarum peritissimus, senio atque canitie veneran- 
dus’, wie ihn der Hiftorifer von Ely rühınt, dem amico carissimo 
Alexandro priori Elyensi (diefer begegnet, wie es fcheint, nicht 
viel vor 1154), daß Nicolaus der Erzdiacon von Cambridge oder 
feine Vorgänger niemal® von einem ottesgeridhte in Elys Immu— 
nität8bereiche Sporteln bezogen hätten. ; 

Nach feiner Selbitihilderung in den Epigrammen erfreute er fich 
eines behäbigen Wohlſtandes. Auch wurde er von feinen Bifchöfen 
öfterd ins Vertrauen gezogen: a. 1122 hörte er Robert bei Tafel 
bitter über den Verluſt der königlichen Gnade Hagen. Deſſen Nach— 
folger Alexander hat er 1130 die engliſche Geichichte gewidmet. Er 
theilte mit diefem und mit defjen Familie, die das ganze 12. Jahrh. 
hindurch einen Hauptantheil an der Regierung gehabt hat, die Vor» 
liebe für die Partei der Kaiferin. — Als er den Erzbifchof Theobald 
1139 auf der Romreiſe begleitete, die diefer Ende Januar mit meh: 
reren Prälaten zum April» Concil antrat?, hat er wahrfcheinlich in 
Aleranders Auftrage gehandelt und Innocenz II. Privileg für Lincoln 
vom 28. April? erwirft. Möglich, daß Alerander fchon damals den 
Boden am föniglichen Hofe wanfen fühlte — er ward im Juni mit 
feinen Verwandten gejtürzt — und deshalb in Nom einen Rückhalt 
juchte: wie denn feine Familie im Auguft offen den Papft gegen den 
König anrief. 

Auf diefer Reife nah Rom begegnete Heinrich in Bec dem 
Mönche Robert von Torigni“, theilte ihm feine englische Gefchichte 
mit und machte ſich dagegen einen Auszug aus Gottfried Arthurs 
(von Monmouth) Historia Britonum. 

Auch fonft Scheint er nicht immer an feinen Amtsfprengel gebun— 
den gewefen zu fein und nicht bloß die Kirchen des öftlichen Mittel- 
Englands, fondern auch York, London, Winchefter gejehen zu haben. 

Zum Hofe hatte er feine näheren Beziehungen: zwar widmete 
er Heinrih I. fein ‘De serie regum’, befingt die Könige und ihre 
Gemahlinnen Friechend genug; doch die heftigen Angriffe gegen die 
Unfittlichfeit des Thronerben Wilhelm und feiner Umgebung, der 
Spott? gegen Glerifer, die nah Magnatengunft buhlen, während fie 
Weltveradhtung predigen, der Mangel an Intereſſe für politifche 
Actenſtücke, endlich das Nicht» Vorkommen feines Namens auf (ge- 
drudten) Urkunden jener Zeit würden fid) bei einem clericus regis 
nicht erklären laſſen. — Die Baffet und Nidel, denen er „einft gern 


! Ib. ©. 170. | 

2Johann von Herhbam; Contin. des Florenz von Worcefter s. a. 

® Jafle, Reg. Pontif. 5724. Seinrich® Begleiter, der Biſchof von Co: 
ventry, erhält feine Bulle auch erſt am 18. April, ib. 5711. 

_ Defien Ehronit ed. Delisie (Soc. de l’hist. de Normandie) I, 

5. 


® Cont. m. c. 1 und bie Satire ‘Carmen puerile’, Und doch ärgert 
er ih, daß die Großen, im Gegenfate zu Harthacnuts viermaligem Tafeln, 
nad) ‘consuetudo nostri temporis semel in die tantum suis escas ante- 
ponant', 


270 ” 


gefällig war“ !, mag er auf deren Richterreifen fennen gelernt, durch 
Geſchenke ſich vor ihren Chicanen geichütt haben. 

Heinrich ftarb in der zweiten Häfite des Jahres 1155 ?, wenige 
Monate nad) der Krönung des erjten Anjou-Königs, mit welcher das 
lete, zehnte Buch der Historia endet. Er beabfichtigte diefem ein 
neues, eilftes Buch? zu widmen, als ihm der Tod die Feder entwand. 


II. 


Heinrichs frühefte Cchriften, deren er doch auch im Alter noch 
gern gedachte, find die — feit Lelands Zeiten wie es jcheint verlo- 
renen — ſechs Bücher Epigrammata jocunda’*, verfchiedenen Me» 
trums und Inhalts, ‘ridieulosi, religiosis non adeo utiles’, dar= 
unter ‘In amorem, Proelia Veneris. Won einem bei Wright 
(Biogr. Britann. liter. II, 169) ‘On herbs’ betitelten und ihm zu= 
folge dem Macer — damit ift wohl der Arzt Odo gemeint — nach— 
geahmten Carmen citirt Yeland zwei Eingangspdiftichen, eine Widmung 
an Phöbus und die Mufen. Wielleicht bilden einen Theil diefes Ge— 
dichtS die in MS. Br. Mus. 24061 zwifchen Ende der Historia und 
Explicit eingefchalteten 34 Herameter über Medicinen, namentlich 
Kräuter zur Augenheilung®. 

Genen ſechs Büchern folgten einft die wol noch von Heinrich 
felbjt der Historia Anglorum al® Bud) 11 und 12 angehängten 
Epigrammata seria. Bud, 11° enthält einige zwanzig Satiren und 
Epigramme im Gefchmade des Horaz und Martial. Zum Theil ſcharf 
pointirt, verfpotten fie den Geizhals, den Verleumder, den Neidifchen, 
warnen vor Liebesleidenfchaft und Ruhmfucht, oder erzählen aufchaue 
(ih, 3. Th. nachweislich nach eigenen Erlebniffen, des Tages Thor 
heit. Die Diftihen reimen hier und da; ein Klageruf über Englands 
Unglüd zu Stephans Zeit ijt in furzen modernen Verſen. — Ein 
Epigramm auf Robert Bloet findet ſich in der Historia s. a. 1123 


ı Cont. m. c. 6. 

2 Cont. m. erwähnt noch den am 5. Juni 1155 gemeihten Robert II. 
von Ereter; aber im jelben Jahre findet fih als Erzdialon von Huntingdon 
Nicolaus de Sigillo. Der Borname ift zwar der von Heinrich® Bater. Doc 
hält Stubbs (Vorr. zu Radulf de Diceto I, S. XXXV) ihn verwandt mit dem 
Biſchof Robert de Sigillo von London. Und eines Ardidiaconus Eohn hätte 
chwerlih auf des Vaters Stand fo geiholten, wie Nicolaus nad) Johann von 
Salisbury Ep. 166 that. 

s MSS. Reg. 13 B. VI u. Coll. Magd. Ox. 36, s. XIV, enden, ähnlich 
wie Buch VII, ‘et jam regi novo novus liber donandus est’, und MS, 
Corp. Chr. Cambr. 280 fügt dem Hinzu ‘Explicit liber X. Hie incipit 
liber XI. de Henrico juniori’. 

* Prol. u. Epil. zu Cont. m.; Prol. zu 8. XI; namentlich aber zu 
B. XI. | 
5 Das Orakel der Diana bei Hardy II, S. 2704 ift dagegen aus Got«- 
fried von Monmouth. 

° Ed. Wright in Anglo-Latin Satirists (Rolls Ser. 59) nah MS, 
Lambeth 118. Zahl und Ueberfchriften ftimmen mit MS. Coll. Job. Cambr. 
G. 16; nne müfjen die zwei letzten Berfe von De Superbia II, 166 ein be» 
jonderes Epigramm ‘De inani curia’ bilden. 


271 


nochmals. Das iſt neben mander Stylähnlichfeit’ ein Beweis, daß 
die anderen zahlreichen Epigramme in der Historia — die übrigens 
im Ganzen gezwingener und jtereotyper find — ebenfall® von Heine 
rich felbjt herrühren, aud) wo er feine Autorfchaft nicht deutlich an— 
giebt. Nur einmal nennt er als Verfajjer des Epitaphs auf Wilhelm 
von Flandern den Walo versificator ?, und in der geographiichen Ein: 
leitung führt er Verje aus einem Gedicht zum Preife Englands an, 
von denen die zwei erſten aud in einem an gleicher Stelle bei Tho— 
mas Dtterbourne eingefchalteten, übrigens anders lautenden Gedichte 
vorkommen; dieſes hat ſeinerſeits wieder einige Verſe mit dem im 
N. Archiv I, 1876, S. 600 gedrudten gemeinfan. Zu diefer Stelle 
bringt MS. Reg. 13 B. VI die Randuotiz 8. XIV. ex. ‘Isti sunt 
versus Alfredi’. — Fälle, in denen Heinrich „aus lateinischen Poeten, 
die nicht mehr vorhanden find, citirt“, find jedenfalls nicht „häufig“. 
In einigen Sammlungen gleichzeitiger Gedichte (MSS. Cott. Tit. 
DXXIV, s. XII. ex. und Bodl. Laud. 86) jtehen Epigramme aus 
der Historia neben Hildebert von Ye Mans und find daher dieſem 
irrig zugeidhrieben worden. 

Das eilfte Bud) ift einem Jugendfreunde, Namens Walter, ges 
widmet, mit dem er zujammen im Lincolner Dome fungirt hat: laut 
dem Prologe zu dem ebenfall® an ihm gerichteten aber erit nad) 
Walters Tode vollendeten Briefe De contemptu mundi. Unrichtig 
hat man diefen Freund mit dem Archidiaconus Walter Calenius von 
Orford (von dem Gottfried die feltifche Vorlage feiner Historia 
Britonum befommen haben will) identificirt: von letzterem Walter 
ipricht der Brief al® ‘superlative rhetorieus’? entſchieden in dritter 
Perfon. Und Heinrid; würde die gefuchte Brittengeſchichte dod) eher 
in Oxford bei feinem Freunde al8 in Bec gefunden haben! Over 
man hat an Abt Walter von Ramſey gedacht; diefer jtarb aber erft 
1161, mehrere Jahre nad) Abichluß des Briefes De contemptu. 

Das zwölfte Buch enthält einen herametriihen Hymnus auf 
Gott als Wunderthäter im alten Bund, als Chriftus, als Erlöfer; 
dann eine Ode im dritten asclepiadeiichen Metrum auf Chriſt als 
Zilger der Erbſünde, dann wieder ſchwungvolle Herameter auf Gott 
in der Natur und auf Chriftus als im alten Teftament Verheißenen. 
Hierauf folgt eine Dde* auf der Tugend „Duft, ſchöner denn alle 
Wohlgerühe“. — An Umfang und Bedeutung ift das Hauptjtüd 


Bol. das Lob auf Königin Adeliz mit dem auf Heinrich II., das er mit 
‘sic diximus’ einleitet. 

* Epigramm eines Magifter Walo bei Giraldus Cambrensis, De in- 
vect. I, 3. Gedicht eine® Gualo an Gerbert, der dem Gualo, dem Ohme des 
Dichters, im Bisthum Paris nachfolgt, in Opp. Hildeberti Cenomannensis 
ed. — — S. 1325. — An Gualo Brito, den Verfaſſer der Invectiva 
in monachos zu denken, iſt ohne Grund. 

3 Aehnlich Gottfried, Prol. ad Hist. Brit. ‘vir in oratoria arte atque 
eıteris historiis eruditus’, 

BEE: nn ns ſ u ae Mr 


ws 


272 


dieſes Buches: ‘De amore virtutis per allegoriam’. Es beginnt 
und endet mit je drei Strophenpaaren, von denen jede Einzeljtrophe 
aus zwei Diftichen befteht. In der Mitte ftehen zwei Strophenpaare, 
jede Einzeljtrophe zu act Diftichen; fo daß alfo da8 Ganze 112 
Bere zählt. — Diefes Zwiegeſpräch zwifchen amicus (dileetus) und 
amica hat von feinem Original, dem Lied der Lieder, die concrete 
Plaftit fo. gut bewahrt, daß nur der Titel an eine Allegorie erinnert. 
Die Bilder find der Zahl nach vermehrt, aber die lebenswarme Aus» 
führung fehlt; in dem Mittelſtück ift die bibliiche Farbe durch pedan— 
tiihes Prunken mit feltenen Namen von Naturgegenftänden — die 
dann oft falfch deelinirt und gemeſſen find — verwifcht. Endlich 
ermübdet die Regelmäßigfeit, womit einer Strophe ſtets die Gegen- 
ftrophe genau gleiche Wendungen und gleiche Zahl von Gedanken 
folgen läßt’, 

Schon der erften? Ausgabe der Historia Anglorum folgt eine 
Betrachtung über Vergänglichkeit alles Ardiichen und des Weltende — 
Heinrih Hält es mit dem Bifchofe Herbert Yofinge von Norwich, 
deſſen Schriften er auch fonft citirt?, noch nicht für nahe bevorſte— 
hend. — Diefes Stüc giebt ſich als 1130* verfaßt und bezieht ſich 
auf die Historia. In den fpäteren Ausgaben leitet e8 drei zwiſchen 
1130 und 1155 bearbeitete Briefe ein und zählt mit ihnen unter 
dem Titel De summitatibus® rerum als adte® Bud. Doc 
bringen ſchon einige alte Handfchriften die Geſchichte Stephans von 
der vorhergehenden ungetrennt als achte® Buch und nennen dann die 
Briefe Buh 10%. — Den Schluß jener Einleitung hat Capgrave 
a. a. D. abgejchrieben: nur da ift er gedrudt. Gefondert erjcheint 
weder das ganze Buch noch ein Theil daraus in alten Handfchriften ?. 

Der erfte jener Briefe ift die nad 1131° an Heinrich I. ge= 


ı m alten Hoff. begegnen biefe Gedichte nirgends feparat, fondern flet® 
als 8. 11 u. 12 f. H. und dazu MS. Coll. Joh. Cambr. G. 16 s. XIV. 

° MS. Hengwrt 101. Coll. Om. Anim. Oxfd. 31. 

® Gont. m. c. 6. Bale kennt von ibm De fine mundi und De pro- 
lixitate temporum. 

* a. 30 Henr. I. Hengwrt. u. Om. An. ®Die folgenden Zahlen, nam. 
a. 1163, mehrmals, aud) in MS. Br. Mus. 24061, müſſen corrumpirt fein: 
damals waren ja der als Tebend angeredete Alerander und Heinrich felbft tobt. 
Bielleiht find fie erft bineincorrigirt auf Grund der Erwähnung des Lucius 
Berus als vor einem Jahrtauſend. Denn fpätere Ausgaben (H. II, 180), MS, 
Joh. Camb., Trin. Coll. Camb. R. 5, 42, Sidney Coll. Camb., Vespas. 
A.XVIII, Bodley. 564 und Capgrave geben conjequent a. 35. Henr. I. und 
a. g. 1135. 

a db. i. abbreviatio; cf. Hist. Angl. Ende von Bud) 5. 

® &o MS. Trin. Camb.; Joh. Gh: Sidney; Lambeth 118 u. 
179; Otho D. VII s. XIIL in.; Br. Mus. 21088; Harley 64. 

” Ramb. 179 bringt die Ginleitung hinter De Cont. m. Sie ſchließt 
aber ‘Expl. lib. de Summ. Rer.’ Hier hat alfo eine fpätere Umorduung und 
Meglaffung der Briefe 1 u. 2 flattgefunden. 

® (Innocentium II.) tu apud Carnotum opportune (Arund. 48; Reg. 
13 B. VI; optime, Br. Mus. 24061) suscepisti. 


273 


richtete und wieder angeficht8 der vergangenen Größe zum Streben 
nad dem Himmelreiche ermahnende Aufzählung der Patriarchen, Kö— 
nige und Kaiſer mit dürftigen hiftorischen Notizen. Urfprünglic) 
muß diefer Katalog ‘De serie regum’ mit Lothar von Sachſen! ge— 
endet haben, wurde bei feiner Aufnahme in die Historia, zuerjt zur 
Herausgabe von 1139? bis Konrad, qui vixit ann. 2, nondum ta- 

men Romam venit, fortgejett und blieb allein in diefer Form über- 
all erhalten?, — Sr ift ungedrudt. 

Deijelben 8/10 Buches zweites Stüd ift der 1139, etwa im 
Februar zu DBec gefertigte Auszug aus der Historia Britonum des 
„Salfridus Arthur“. Der in diejem Briefe als vir comis ac fa- 
cete’, am Schluſſe ‘carissime’ angeredete Warinus Brito hatte in 
der Historia Anglorum die brittiiche Gejchichte vermißt. — Auf— 
fallend bleibt immer, daß Heinrich ein Werk in England vergeblich) 
fuchte und zu Bec fand, deſſen Quelle fein Oxforder College geliefert, 
aus dem der DBerfaffer ein Stüd, die Prophetia Merlini, dem Diö- 
cefanbifchofe gewidinet, und das einen Engländer zum Autor hatte, der 
feinerjeit8 Heinrichs hiſtoriſche Arbeit recht wohl kannte. — Den 
Auszug nahm Robert von Zorigni, der bis zum Jahre 1147 die 
Historia Anglorum vielfach ausjchreibt, mit Einjchaltung feines ei— 
genen Namens und des Jahres 1139 in feine Chronif s. a. 1100 
auf*; er befigt nur litterarifchen Werth. 

Der letzte Brief des 8/10 Buches ift an jenen Walter gerichtet 
und De contemptu° (al. appetitu) ® mundi betitelt; er ijt 11357 
verfaßt, aber in diejer eriten Ausgabe nicht erhalten. Zu den Aus— 
gaben von 11398, 1148 und 1155° wurde er ſtellenweiſe nicht 
durchgängig fortgeſetzt und interpolirt und zeigt daher im Druck !° 


1 Deſſen Regierungsjahre blieben in mehreren Hdſſ. unausgefüllt: fo 
24061; Reg. 13 B. VI. 
. 2 Br. M. 24061; nit zur Ausgabe von 11301 

:» Sm Coll. Trio. Oxfd. 64 s. XIII; in den oben u. bei H. genannten; 
außer Bibl. Publ. Cambr. Dd. 1. 17 ce. a. 1400, einer von einem 9. an 
Heinrich III. gerichteten Königsgeneaiogie, die gegen Ende den Ailred von Rie— 
vaur finnlos abfürzt. 

* Berhmanns Ausg. M. G. SS. VI gibt nur Anfang und Ende; bei 
Delisie ſteht er vollfändid. MS. Bibl. Publ. Cambr. F. f. 1. 31 bringt 
den Brief jeparat, ift aber nur Ercerpt aus der Historia. 

5 Nicht De viris illustribus. Mit diefen Worten beginnt vielmehr das 
neunte Bud. 

o MS. Trin. Camb.; Reg. 13. B. VI. 

7 0.5, Ende: (Henricus 1.) 35 annis jam regnavit .. jam non 
per biennium regnaturum vir Dei praedixit, quod si feri potest, 
absit! 

® &o MS. Corp. Camb. 280; Br. M. 24061; Domit. A. VIII, s. XIII. 

; Tebsteres enthält den Brief jeparat, ift doch aber nur ein aus der Historia 
—— Stück, da es a art Exemplar autem epistolae tertiae. 

» MS. Reg. 13. B. VI; drei Lambeth MSS.; Joh. Camb.; Trin. 
Camb. 

io Mad) Jumieges D’Achery Spicileg. 4. VIII, S. 178 (wiederholt fol. III, 
503 und Bouquet XIV, 265) und aus zwei Lambeth Hdfj. bei Wharton, An- 


274 


nad) der legten Form viele hronologiiche Widersprüche. Diefe mögen 
es verjchulden, daß er noch zu wenig benugt wird. Er enthält das 
jpätefte Datum, 5. Juni 1155, deſſen Aufzeichnung durch Heinrich wir 
fennen (vgl. S. 270%). — Zeitgenöjjiiche Könige, Fürften, Prälaten, 
Staatsmänner, litterariihe Größen, die Amtsbrüder der Diöeeſe Pin- 
coln ziehen wie in einem Zodtentanze vor dem Auge des Greiſes 
vorüber. Hie und da nennt er leere Namen, meift fügt er einige 
bezeichnende Epitheta hinzu, einzeln führt er gelungene Charakteriftifen 
aus, 3. Th. ähnlich", meiſt aber, 3. B. betreffend Heinrich I., weit 
rücjichtslofer, als er in der englifchen Geſchichte gewagt hatte. — 
„Eitelkeit der Eitelfeiten!* ijt das tete Grundthema diefer Schrift: 
im erſten Gapitel wird dies am Lincolner Glerus, im zweiten an 
Fünglingen von glänzenden Anfängen, im dritten an der Weisheit 
diefer Welt, im vierten am Ruhm, im fünften an der Fürjtenhoheit, 
im jechsten an der Magnatengröße demonjtrirt. 

Das neunte, urfprünglich „vorlegte* Buch der Sammlung heißt 
Liber miraculorum und copirt im Zufammenhang die in Bedas 
Historia Ecelesiastica zerftreut vorfommenden Wundergeichichten, 
meift im gleichen Wortlaut, nur ftarf gekürzt. Doch find auch ſpä— 
tere englifche Heilige furz erwähnt, daher auch der Titel De moder- 
nis Sanctis Angliae. — Im dritten und vierten Buche der Hi- 
storia verweift Heinrich ſchon auf dieſes Werk, indeſſen find die 
Worte ‘in Ely statuti sunt episcopi’? wol nicht vor dem Amts— 
antritt des zweiten Biſchofs, 1133, geichrieben; mit der Ausgabe 
von 11393 iſt es schon verbunden. — Nur das vorlegte Gapitel, 
enthaltend Namen und Ruheſtätten fpäterer angelfähjiicher Heiligen, 
ijt gedruckt: Robert hat es nämlich hinter jenem Briefe an Warin 
feiner Chronik einverleibt. — — In der Vorrede ſchilt Heinrich die 
Mönche, welche aus Gemwinnfucht, den Pöbel, der aus Yeichtglänbigfeit 
erlogene und unbewiefene Wundergefhichten von Heiligen verbreitet. 
Qui enim de veritate non vere loquitur, ipsi veritati — dies 
wol aus Anſelm — quae Deus est, ingratus et infidus apparet. 
Unbewiejenen Wundern gegenüber zwar nicht ‘“contradixero, nisi 
aperte frivola sunt’; er jelbjt erzähle aber meijt nur nad) Bedae 
auctoritas firmissima. Doch citirt er zum h. Albanus miracula 
seripta in Saint Albans — vielleicht eine Vorlage des Wilhelm 
(H. I, ©. 4 ff.) —, zum 5. Germanıs des Gildas Sapiens hi- 
storia de rebus gestis hujus provinciae’, womit Nennius gemeint 
ist, zu den H.h. Eadmund martyr, Dunftan, Aethelwold, Aelfeah 
u. A. Biographien jedesmal aus ihren Kirchen. — Neue Thatſachen 


glia Sacra II, 694. Wichtige Bariante: c. 2. Achery: Gilbertus Univer- 
salis dum scholas regeret juvenis; Wharton: Nivernis. 

2 Bol. 3. B. den Tod Roberts von Meulant und des Kanzlers Randulf, 
in Hist. Ang. a. 1118 resp. 1123, mit Cont. m. c. 3 resp. 4. 

? Leland Colleetanea II, 261 (ed. Hearne 1770, III, 304). 
= NY Br. M. 24061. — 68 fteht (außer bei H.) aud) Coll. Joh. Camb, 


275 


(ehrt dies Werf wenig: das Stüc über die h. Etheldreda, zu deren 
Translation ja Heinrichs Vater eingeladen war, ijt der Historia 
Eliensis verwandt. — Zu feiner Zeit, die zwar lafterhaft aber nicht 
von Gott abtrünnig fei, geichähen Wunder allerdings felten; als 
glänzendes Beifpiel aber führt er — am Schluffe des Buches, der 
auch zur 1155er Ausgabe feine Aenderung erfuhr — den „noch les 
beuden“ Wlfric Loricatus (F 1154) an. 

Im dritten Buche feiner Geſchichte läßt der Verfajfer beim Er- 
cerpiren des Beda, wie die längeren Wundergefchichten, fo auch die 
ausführlicheren Actenjtücke aus. Für das Goncil Theodors a. 673 
(vgl. Beda IV, 5) ‘decreta in ultimo librorum ponentur’. Sein 
Plan war alfo, an den Schuß der Historia Anglorum ein Bud) 
Decrete zu ftellen ; vielleicht auf dieſes fpielt er an bei der Fort- 
laffung der Antworten Gregor I. auf Auguftins Fragen (L. III, 
Anfang, vgl. Beda I, 27): rescripta papae quia prolixa sunt, 
in decretis vel canonibus lector quaerat et inveniet. — Ich 
finde nur diefe einzige Spur eines zweiten verlorenen Werkes oder — 
was bei der Fülle der Copien der übrigen Bücher der Historia wahr- 
Iheinlicher ift — eines unansgeführten Planes. Die Nechtsdenf- 
mäler, die mit der Historia in alten Handichriften verbunden er= 
Iheinen, gehören nicht hierher: es find das Gejege Cnuts, des Be— 
fenners, Wilhelms. 


III. 


„ Während des Tetten BVierteljahrhunderts feines Lebens arbeitete 
Heinrih an feinem Hauptwerfe, der “Historia Anglorum’!. Nad) 
der Widmung an Alerander von Lincoln ift fie durch diefen, der 1123 
Biſchof wurde, veranlaßt. Bei der Beurtheilung des noch lebenden 
Heinrih® I. in De Contemptu ce. 6 vertheidigt fi) der Verf. wegen 
der abweichenden, günftigeren Darftellung in der Historia. Könnte 
man jchon daraus die Annahme einer „erjten Ausgabe vor Heinrichs I. 
Tode“ beweifen, fo folgt mehr noch, ihre Exiſtenz jchon 1130, aus 
der Einleitung zu Buch VIIL?, die 1130 Alerandern anredet: ad 
quem .historiam praesentem dirigimus. 

Hardy entdecte mit gewohnten Scarffinne das 1129 endende 
MS. 101° der Hengwrt Sammlung, die jest Wim. W. E. Wynne 


I &o citirt der Berf. ſelbſt. Das vor einigen Hdff. erfcheinende Ber: 
zeichniß des Inhalts der Bücher und der Gapitelinder für Buch I find nicht 
original. Später wird natürlich der Zitel mannichfady geändert: um 1200 cis 
tiren ihn Zuſatznoten eines Hoveden Ereinplars, Arundel 69, aus Bury ©. 
Edmunds als liber chronicorum Henr. a. de Hunteden. Hoveden edit. 
(Rolls Ser. 51) I, S. CIV. 

* Nicht aus dem Briefe De serie! Dieſer beweift nur, daß das erfte 
Buch zu Lebzeiten Heinrich® I. geichrieben war. 

° Mir danfenswerthefter Bereitwilligkeit fandte der Herr Befiger dielen 
Schatz für mich nad) London. 


276 


Esq. zu Peniarth in der Wallifer Grafichaft Merioneth gehört, ſei 
vielleicht diefe erjte Edition. Folgende Unteriheidungsmerfinale gegen= 
über der gedrudten Ausgabe von 1147, die bis 1155 fortgejegt wurde, 
machen das unzweifelhaft: in der geographiichen Einleitung des erjten 
Buches ſteht 1) die Zahl der Shires ald 33, 2) fehlen die Worte 
[comitatus tricesimus] quintus illa regio, in qua est [3)] novus 
episcopatus Carleoli; 4) it demgemäß die Zahl der Bisthümer 
nur 16; 5) find die Bemühungen des Bisthiuns S. Davids um 
das Pallium unerwähnt. Berner iſt 6) zum Ende der Kreuzzugsge— 
ihichte 8. a. 1096 die Reihe der Könige von SYerujalem nicht bis 
zum zweiten Anjou geführt, fondern endet hinter Balduin II. mit 
Gaufridus (fo aud anderswo und in allen! Hoff. ftatt Fulco). 
Geichrieben ijt dieſes MS. kurz? vor 1197°. Der Tert ift ſchon 
oft verderbt, und daher ſcheint mir ein zweites MS. diefer erjten Aus— 
gabe — unter Londoner, Cambridger und Oxrforder Hdff. das ein- 
jiget — Wr. 31 in All Souls College, Oxford, obwohl erjt 
8. XV, von unabhängiger Bedeutung. Dieſes giebt feinen Prolog, 
und aud auf dem fehlenden erften Blatt von Hgt. 101 fann fein 
Plag für einen folchen gewefen fein. Eine Zert-Collation des Druds 
mit legterem von a. 1064— 1129 gab materiell feine neuen That- 
ſachen. 

Eine zweite Edition der Historia ſchloß mit Heinrichs J. Tode. 
Denn Robert von Torigni citirt s. a. 1100 eine ſolche [wiewohl er 
ipäter ein bis 1147 fortgeiegtes Exemplar (beide find verloren) be= 
nutte und für Mont St. Michel abjchreiben ließ], und eine hand— 
Schriftlihe Spur derjelben it die Rubrif im MS. Corp. Coll. Camb. 
280 ‘contexta 1135’®, das nur Einen Anjou unter den Jeruſalem— 
fönigen und a. 1123 Rogerius qui justiciarius est’ erwähnt, 
aber nicht 1135 jondern 1154 endet und die Briefe aus der Form 
von 1139 bringt. 

Schon der Epilog des 7. Buches “in tanti regis (sc. Hen- 
riei 1.) fine finem libro praesenti dieabimus’ verräth den Plan 
der Fortſetzung. ine ſolche liegt vor in der dritten und vierten 
Edition, die überall mitten im Buche enden. Die dritte fliegt 1139, 
erwähnt, daß S. Davids dad Pallium ‘nostro tempore recepit', 


ı Nur Lamb. 327: Fulco, wol Correctur des Schreibers. 

2 Mad dem Schriftcharafter. 

s Dies wird in fpäterer Randnotiz als das laufende berechnet. 

« MS. Advoc. Edinb. 33. 5. 4 endete nad) Hardy urjprünglid) an der 
jelben Stelle. 

5 Diefe Abichrift ift Bibl. nat. lat. 6042. So Delisfe in Rob. Tor. 
I, ©. LIX u. II, S. XV, gegen Hardy. 

6° &o audy MS. Ashburnham App. 111 (nur B. 1 mit Widmung an 
Alerander) und Br. M. 24061, 

So auch Saviles Bartante; Roger wurde 1138 geftürzt. 

® Br.M. 24061; Coll. Armor. Arund. 30 Fragment. — Im Sidney 
Coll. Camb. MS. find einfad) jpäter mehrere Blätter ausgeriſſen; der zweite 
Anjon ift hier erwähnt. 


277 


3 

fügt aber nicht, wie die fpäteren Ausgaben thun, ‚hinzu: statim 
tamen amisit. — Als vierte faſſen wir die von 1145! — dieſes 
Jahr blieb in der Rubrik für alle fpäteren Fortfegungen als Ab— 
faljungszeit ftehen — zufammen mit der eilf Zeilen jpäter in a. 
12 Stephan und der nad) a. 13 Stephan? fchliegenden Ausgabe. — 
Je nachdem jenes Buch der drei Briefe vor oder hinter B. 9 de 
miraculis gejtellt ift, bildet diefe Fortjegung der Historia in den 
Handichriften das zehnte oder achte Buch; heut Heißt fie allgemein 
3.8. Deſſen Schluß, Englands poetiicher Glückwunſch an den neuen 
König Heinrich II., beendet die letzte, 5. Edition®, 

Saviles erjter Drud der adıt Bücher der Historia in Rerum 
Anglicarum SS. post Bedam praecipui, Lond. 1596 fol., ift jelten. 
Es giebt zwei Nachdrucke: der Wechelſche, Frankf. 1601 (aus dem 
Bouquet XI ı. XIII excerpirt) ift nicht gleich gut; der Mignefche, 
Patrologiae Latinae Curs. compl. T. CXCV, wimmelt von Drud: 
fehlern im den Eigennamen. Sonſt läßt ein Vergleich mit Robert 
de Monte, Roger Hoveden und frühen Handfchriften vermuthen, daf 
der Tert dem Originale fehr nahe fteht. Nur die erften 5'/s Bücher, 
bi8 a. 1066, find nad) MSS. Arundel 48; Grosvenor; Corp. Chr. 
Camb. 280 (f. o.) und Reg. 13 B. VI, s. XIV in Monumenta 
hist. Britann. 1848 von Petrie edirt*, davon B. 3 nur ſtückweiſe. 

Die Historia Anglorum ift in acht Bücher getheilt, und zwar 
jo, daß das Ende eines jeden mit einer geichichtlichen Epoche zuſam— 
menfältt. Nach einem Prolog beginnt das erfte Bud, mit der phy- 
fitalifchen, politiſchen und kirchlichen Geographie und der Ethnographie 
Britanniens, der nach kurzer Erwähnung feltifcher Sagen von Brutus 
und über Irland ein Abriß der römiſchen Cäfaren folgt. Das zweite 
Bud ‘de adventu Anglorum’ (S. 718 E) bricht den annalifti= 
Ihen “Tractatus’ (S. 722 A) mit a. 686 ab, den dann (nachdem 
das dritte, mit Ausjcheidung der Wunder und Actenftüde (f. o.), 
‘de conversione Anglorum’ (©. 715 B) gehandelt hat) Bud 4 


! Nur MS. Edinbg. Adv. 33. 5. 2. 

2So auch Coll. Joh. Cambr. s. XIV; Lamb. 118; Grays Inn.; Bodl. 
Laud. 565. Nicht 1145! Ebenfo Lamb. 179 (s. XIII, läßt den Kreuzzug 
1096 aus); Reg. 13 A. XVIII (ohne Prolog). Harl. 64 s. XIV. ine. (Der 
Rand dieſes letztern mit Stellen aus Malmesburyg bededt; Prolog fehlt; nur 
B. 9 moderne Abichrift),. Dem MS. Coll. Joh. Camb. ift eng verwandt Trin. 
Camb. R. 5. 42, (liber fratris Roberti de Popultone precii 20. s. Diefer 
ift vielleicht der Compilator von MS, Paris 4126 (aus Huntingdon und Bes 
verlen), das Hardy Il, S. 170 beichreibt). 

3 Diefe vollftändige Geſchichte fteht in Reg. 13 B. VI (bringt im erften 
Kreuzzug zu den Worten ‘Ascalon in scelere perseyerat’ die Note: Nunc 
Ascalon a christianis inhabitata subditur per omnia Christo); All 
Souls Oxf. 36 (giebt zur Standartenihlaht 1138 das in den X SS. Angl. 
ed. Twysden veröffentlichte Bild, das aljo nicht Phantafie ift!); Arundel 46 
(Erfter Kreuzzug fehlt, Buch 7 auch ſonſt ftark gekürzt; feine Buchabtheilung); 
Vatican Christ. 587 und (Ardiv XII, S. 306) 732 (ohne Bud) 10, chart.). 

* Darauf beziehen fi die nachf. Eitate der paginae. — Der fpätere 
Theil ift nad) dem Jahre citirt. 


XVII. 19 


278 


bis zur Begründung der englifchen Monarchie fortſetzt. Das 5. 
Bud) ‘bella Danorum’ reicht von a. 837 bis c. a. 1000; das 
6. ‘de adventu Normannorum’ von der „verhängnißvollen“ Che 
Emmas bis zum Tode des Groberers, das 7. handelt über dejjen 
Söhne, das 8. über Stephan. Beſſerer Ueberſicht halber fteht 
am Ende von B. 2. 4. 5. 6 eine “Recapitulatio’ (“Abbreviatio’) 
der Könige, die alfo nicht einer felbitändigen Regententafel! folgt. 

Die Yahreszahlen rechnet H. jelten nad) Chrifti Geburt, ſondern 
ſchon feit a.519 omnium aliorum tempora regnorum ad (West- 
sexiae) reges applicare libet (cf. 714 C), daneben, joweit Bedas 
Chronik reicht, nad) den Kaifern. Daher ift vielfach arge Verwirrung 
in feiner Zeitrehnung. Der augelſächſiſchen Chronologie jedoch hilft 
es nichts, im Huntingdon Ordnung zu ſchaffen; es kann nur auf 
feine Vorlagen, die ja vorhanden find, anfommen. Wo ihn dieje 
verlaffen, ift er nicht etwa geneigt, eine Yüce zu conftatiren, jondern 
jet das Ereigniß zu einem felbjt combinirten Fahre. Offenbar auf 
diefe Art ijt 3. B. der Untergang Aelfreds Hinter den Tod König 
Hardeenuts verfhoben. Für genauere Daten hat er wenig Sinn, 
und zwifchen a. 1075—1085 hat er fogar die Jahre mehrfach bei 
der Ueberjegung fortgelaffen. — Uebrigen® bedeutet annus sequens 
oft nicht das zeitlich, jondern in der Annalen-Ausfüllung nächſte Fahr. 

Dagegen für das zwölfte Jahrhundert ift die Chronologie gut 
und, namentlich) wo er gleichzeitig arbeitet, forgfältig nach den Faiten 
der Neichstage geregelt; fie fühlt fofort deren Aufhören a. 1140. — 
Er beginnt das Jahr mit Weihnachten. 


IV. 


Man Hat lange Zeit geglaubt, im Huntingdon einen reichen 
Schatz originaler Ueberlieferung zur angelſächſiſchen Geichichte zu 
befigen, und ihn andererfeits die Benugung zahlreicher noch vorhan— 
dener Quellen zugetraut. Beides wird noch mehr zu bejchränfen 
fein, al8 in den legten Jahrzehnten ſchon gejchehen ift. 

Für die römische Geſchichte jchöpft er aus Solin, der Epitome 
aus Aurelius Victor, die er als Gesta mirabilium virorum 
©. TOLD citirt, dem Eutrop, der Historia Miscella, die er als 
Paulus, anderswo Historia Romana citirt. Den Sueton nennt er 
einmal ©. 699 C, wo er den Eutrop benugt. Diefen Schrift- 
ftellern entnimmt er die laus authentica eines jeden Kaiſers. Der 
hronologische Faden ftammt dagegen aus Bedas Chronik, die er nir— 
gends von der Kirchengefchichte ſcheidet. Oft finden ſich beide in dem— 
ſelben Sate mit den angeljächfiichen Annalen verarbeitet. Den Beda 
verehrt er überaus: regibus ipsis non inferior dignissime regum 
in ordine quasi rex ponatur (725E. 726 A). Von ihm nimmt 


ö a; So auch Theopold, Krit, Unterf. über die Quellen zur angelj. Geſch. 


279 


er als lex historiae (727 A) an ‘simpliciter id quod fama 
vulgante colligitur, scribendo posteris notificare. Dem Beda 
folgt er nicht nur von dem eriten Sage an größtentheil® wörtlich, 
nur mit der Tendenz, zu fürzen — er hat auch die Anlage des 
Buches, die geographiiche Einleitung von ihm gelernt. Weniger 
in Buch 2, aber fait ohme Zuthat im 3. beruht Huntingdon auf 
Beda; manchmal vergißt er beim Copiren, daß er nicht mehr zu 
Bedas Zeit fchreibt; dagegen läßt er bei der Erwähnung der Gefete 
Ethelberts von Kent den Zufaß der Hist. ecel. II, 5 ‘hactenus ha- 
bentur et observantur’ aus und bemerkt S. 694 C, die Picten 
jeien ausgeitorben. 

Daneben benutt er namentlich für geographijche Nachrichten und 
teltiiche Sagen von Brutus, Vortigern, Arthur im erjten und zweiten 
Buche den Nennius. Er kannte diefen Namen nicht, alfo auc nicht 
die verdäcdhtigen Prologe, und citirt ihn mit einem feiner Zeit häu— 
figen Irrthume S. 712 C als Gildas. — Er trennt (694 D. 
695 D) ſcharf ‘quod in Beda inveni’ von diefen Wallifer Nach— 
richten und nennt fie (695 E) ‘non certissima’. — Den Gottfried 
Arthur Hat er Hier nicht bemußt (ſ. o.). Vielleicht aber fannte er 
die Weilfagung Merlins in einer früheren! Form. Zum Anfang 
des 6. Buches findet ſich nämlich die Prophezeiung, erjt die Nor— 
mannen, dann die jo veradhteten Scoti würden dereinft den Englän— 
dern gebieten, eine Aenderung der Kleidung ? eintreten, 

Wo ſich Huntingdon von Beda verlaſſen fieht, will er ‘quae in 
seriptis veterum (vgl. 728 B. 732 D) diligenti scrutinio 
eolligendo invenire potuimus’ bringen. Aehnlich?ꝰ citirt er 755 D 
historiae veterum, 745 C Anglici seriptores und meint damit die 
angelfächfiichen Annalen, die er von a. 477 an bis c. a.‘ 1127 be- 
nut, aljo vierzig Jahre länger als man vermuthen follte nad) feinen 
Worten zum Jahre 1087: Hactenus de iis quae vel in libris 
veteribus legendo reperimus vel fama vulgante percepimus. 
Nunc de his quae vel ipsi vidimus vel ab iis qui viderunt 
audivimus® pertractandum est. In Wahrheit bringt er für 
Wilhelm I. und II. wenig Neues®: für den legten fajt nichts als 
eine Nachricht über Lincoln und zwei Anekdoten über die Großartig- 
feit des Könige. 

Um eine gleihmäßige Geſchichte zu erhalten, hat Heinrich zu den 


1Auch Ordericns Bitalis (ed. Le Prevost) IV, 490 benutt eine ſolche. 

ı Bol. San Marte, Sagen von Merlin S. 22. 

9 Uber nirgends wie Malmesbury 3. B. als Chronica. 

+ Jedenfalls endet die Benutung vor a. 1131, dem Beginne der lebten 
Hand in den Beterborongher Annalen. 

5 Menn er über die Briccius-Meffe 1002 ‘in pueritia nostra quosdam 
vetustissimos loqui’ gehört hat, jo braudjt er nicht nothwendig Augenzeugen 
— Solche müßten über hundert Jahr geweſen ſein, wenn ſie Heinrich 
noch ſprach. 

‚ Für die Unſittlichleit des Königs braucht er nur ſchärfere Worte ale 
die Annalen, die wol dafjelbe meinen. 


19* 


280 


früheren Theilen der Annalen, wo diefe ſehr mager find, reiche Zu— 
fäte gebradht, dagegen im zehnten und eilften Jahrhundert ſtark ge- 
fürzt!. Mande Mißverftändniffe, oft nachgewiefen (vgl. aud) 711 A), 
zeigen, wie fehr die angelſächſiſche Sprache veraltete ?; beſonders die 
Uebertragung ? des Siegesliedes von Brunanburh, an einigen Stellen 
überrafchend glücklih und fogar den Stabreim nadhahmend (deeus 
ducum), läßt doc) oft merfen, welche Schwierigkeit er fand im den 
‘extraneis tam verbis quam figuris’ (S.745 C). Andere häufige 
Tehler entftanden durch Verlefung des angelſächſiſchen w als p in den 
Eigennamen. — Heinrid) hält nicht wie Beda daſſelbe lateinifche Wort 
für denfelben englischen technifchen Begriff confequent feſt; auch jucht 
er mehr einen vollflingenden als juriftiich genauen! Ausdruc, Spricht 
auch ohne Weiteres von barones und justitiarii ſchon in angelſäch— 
fifcher Zeit. Wenn er ad a. 755 Siegbert von Weſſex durch pro- 
ceres et populus?° abjegen läßt, fo iſt daraus eine Theorie ber 
Anmwejenheit des Volkes in der Reichsverſammlung wahrlich nicht 
zu folgern: Heinrich überfeßte einfach ‘“witan’. Ebenſowenig verdient 
er angeführt zu werden für den Untergang des Cynewulf und Chyne— 
heard (731 A); das ift auch ganz aus den Annalen. 

Man Hat bisher angenommen, Heinrichs Vorlage fei verloren 
und habe den Annalen von S. Auguftin (Canterbury), d. i MS. 
Cott. Tib. A. VI, bis a. 977 genannt B, oder denen von Abingdon, 
d. i. Cott. Tib. B 1, bis a. 1066 genannt C, nahe gejtanden, fei 
aber weiter fortgeſetzt geweien. 

Aber wenigftens nothwendig ift das nicht. Das fog. MS. E, 
Bodl. Laud. 636, aus der, Huntingdon nicht fernen, Abtei Peter- 
borough, reiht bis a. 1154 und dedt ſich für 1087—1100 fait 
völlig mit der Historia Anglorum. Und nicht bloß dieje E eigen: 
tümlihe Fortſetzung hat Heinrich bemutt. Auch für viele früs 
here Fahre find ihm ganze Säte, einzelne Worte, Schreibfehler, im 
Gegenfat zu allen übrigen Hdff. der agf. Annalen, mit E gemeinjam; 
3.8. a. 1079° der Name Gerberoi; 1077 Normann.sfranz. Ver: 

trag; 1041 Hardecnuts Grab; 1039 Haralds I. Sciffegeld; 933 


e ı Historiarum abbreviationem in unum (codicem) contraxi. 8. 8 
nde. 
® Earle, Two of the Saxon Chronicles parallel S. LXIII. 

2 Earle S. 113 drudt fie neben dem Original mit Hervorhebung der miß— 
verftandenen Stellen. 

* Ein gegen feinen König jure gentium spreto aufrührerifcher dux 
jure Dei occiditur ©. 730 B. Wilhelm erbt England secundum jus gen- 
tium ©. 751 D, Stephan nimmt feinen Vaſallen a. 1144 in der curia ge 
— gegen jus gentium. Ein klarer Begriff iſt damit offenbar nicht ver—⸗ 
unden. 

5 Bor der Standartenichlaht a. 1138 werden in einer Anrede ‘pro- 
ceres.. Normannigenae’ au die Befiegung Englands erinnert. Darauf 
jauchzt ‘omnis populus Anglorum'’! 

°_ Iahrzahlen E.'s; Lesarten nur in Thorpe, The Anglo-Saxon 
Chron. (Rolls Ed. 23), 


281 


Edwin Aetheling ertrinft und u. A. drei Fälle, die ſehr wahrſchein— 
(ih machen, daß Huntingdon das Laudfche MS. brauchte: a. 991 
Gwie (jtatt Gippeswic, Ipswich); a. 892 Awldre (jtatt Apul- 
dre); 692 Nithred (ftatt Withred). Doch hat Huntingdon neben 
E nod) eine andere der angelfächfiichen Chronifen gehabt. Denn er 
bringt, was nicht in E fteht: 1) ©enealogien der Könige; 2) a. 
891 nnd 894—920 (die Slanzperiode angelſächſiſcher Gefchichte und 
Geihichtsfchreibung, die bei E faſt ganz fortgelaffen iſt; 3) die An— 
nalen der Aethelfleda a. 902—924; 4) das Yied von Brunanburh; 
5) die Eroberung der Fünf Burgen a.942; 6) a. 943; 7) a. 1006 
den Namen Cholsey; 8) a. 1011; die Worte ‘micel on Ham- 
tunseire’ fehlen E, find aber bei Hunt. überſetzt. 

Keiner diejer Zufäße fteht im MS. F, das auch wohl jünger 
iſt als Huntingdon felbft. In D, Cott Tib. B. IV, aus Wor— 
ceiter, stehen die Annalen der Nethelfled bereits verarbeitet mit dem 
übrigen Text, nicht mehr in dem urfprünglichen Zufammenhang. — 
Dem MS. B fehlt aus diefen Annalen das Jahr 921; auch endet 
es jhon a. 977. — MS. A, Parfer CCCC, CLXXIIL wenigftens 
zulegt in Canterbury fortgejett, hat jene mercifchen Annalen gar nicht 
und von 1005—1017 eine Lücke. 

Können ihm aljo alle diefe Hdfjf. weder einzeln noch zufammen 
jene Hinzufügungen zu E geliefert haben, fo muß man an C denken. 
In der That enthält das MS. aus Abingdon ! alle obigen 8 Zuſätze. 

Hat alfo Huntingdon E und C benukt, jo doc das erjtere 
öfter. Außer den oben erwähnten Fehlern fett er auch zu a. 1012 
das Dänengeld, ftatt mit C auf 48000 ®., mit E auf 8000 L. an. 

Daß er fonftige angeljächjtiche Schriften herangezogen hat, ift 
unwahrſcheinlich — außer etwa die, übrigens auch anderwärts über» 
lieferte Genealogie der Könige von Effer?, S. 712 C. 

Aber allerdings verdankt er einem anderen hochwichtigen Annalen— 
werf, das jett verloren ift, einige Notizen zur fränfifchen Geſchichte 
des achten und zur nmorthumbrifchen des neunten und zehnten Jahre 
hunderte. 

Hinde?, Stubbs* und Pauli Haben aus verfchiedenen Durhams 
hen Gompilationen des 12. Yahrhunderts, den angelfächfifchen An— 
nalen und dem Chronicon von Melrofe die Spuren der Gesta ve- 
terum Northanhymbrorum, einer bi8 802 reichenden annaliſtiſchen 
Fortjegung des Beda, nachgewiefen. Diefe Gejten nun wurden, wie 
ih glaube, ftylijtifch überarbeitet und nad) der normannifchen Crobes 
rung wie eine ganze Reihe füidenglifcher Annalenwerke verbunden mit 


! Dem northbumbr. Schlußſatze defjelben entnimmt er die Heldenthat des 
Rorwegers zu Stamfordbridge, 1066, nicht einem Liebe. 

® Florent. Wigorn. App. (ed. Thorpe I, 250) mit einer Berfdjie- 
denheit. — Alle fonftigen Genealogien bei Huntingdon ftehen auch in der 
Sachſen · Chronil. 

Ausg. des Simeo Dunelm. (Surtees Soc. 1868) I. Praef. 

* Ausg. bes Hoveden I. Praef. 

*Forſch. 3. D. Geld. XI, 137. 


282 


den Annalen von Rouen. Dieje kann man reconftruiren aus den 
Cadomenses ! und den Uticenses ?; erft um 1100 wurden fie nad) 
England gebracht, denn fo weit reichen locale Nachrichten aus Rouen 
in den ungedrudten Jahrbüchern des 12. Yahrh., 3. B. denen von 
Wincheſter, Worcefter (?), Rocefter, Southwarf, Bury S. Edmunds, 
Plyınpton, Battle, Canterbury ?. 

Ferner wurde jene lleberarbeitung bis mindeftens a. 943 dürftig 
fortgefett, und zwar mit Benutzung der angeljächliichen Annalen, denn 
a. 886 heißt e8: Alfredus Lundoniam .obsedit, ftatt, wie Florenz 
überfett, fundavit; was nur aus einem Mißverftändnifje des ‘“gesette’ 
für ‘besaet’ erffärlih ift. Sie wird dann als Huntingdons und der 
Melroſe Chronik gemeinfchaftlihe Duelle mindeften® in allen jenen 
Stüden zu betrachten fein, two dieje beiden von einander unabhän— 
gigen Werfe wörtlich gleichlautend von den agſ. Annalen, dem Flo— 
renz, der fog. erſten Simeonfchen Compilation, der Historia post 
Bedam (d. i. Hovedens Vorlage) abweichen; f. 3.8. a. 737. 740. 
744. 839 (= Hunt. B. V, Anf.), 943, fowie die continentalen 
Notizen a. 768. 769. 775. 799. Zu der leßteren Glaffe, d. h. den 
auch im jenen füdengliichen Annalen nachweisbaren Rouener Nachrichten, 
gehören auch die bei Huntingdon, nicht in der Melroſe Chronik ſte— 
henden Güte: a. 780. Karolus Romam ivit; a. 786. Apparauit 
signum crucis in vestibus (nad) Heinric ein Vorzeichen des Kreuz: 
zuge8). — Jedenfalls aber darf die Melrofe Chronif* nicht als blok 
aus der Durhamer Compilation und den agi. Annalen entjtanden 
betrachtet werden. 

Auch mehrere Mißverftändniffe, für die Huntingdons Ueberſetzung 
bieher verantwortlich gemacht wurde, erfcheinen fchon im jener gemein- 
ſamen Vorlage: fo fennt auch die Melrofe Chronif (a. 766) einen 
Fridewaldus episcopus ‘Cestrensis’ ftatt Candidae Casae'. Die 
Duelle, repräfentirt durd die angelſächſiſche Chronik D, E, F, hatte 
nämlich angegeben, er fei zu Geaftre (Morf) geweiht. 

Bon geichriebenen Quellen hat Heinrich ferner gehabt: eine 
franzöfifche Megentenreihe, von Antenor bis Ludwig VI., die wohl 


! Duchesne, SS. Norm. 1015. 

» Le Vrovoſt und Delisles Ausgabe des Orbericus Band V. 

® MS. Claud. C. IX, mol aus Worcefter, zeigt Winchefter Iocale Nach⸗ 
richten. Es ift vielleicht Quelle für Rocheſter Reg. 4 B. VII. Aus Ietsterem 
ober beiden ſchöpft Vespas. A. XXII, ebenfalls Rochefter. — Southwark, Fau- 
stina A. VIII hat nachweislich bis Mitte s. XII folche füdengl. Vorlage. — 
Annal. S. Edm. in Harley 447. — PBlompton in Addit. 14250, für 1066— 
1080 aus Rouen, — Wegen Battle f. Harley III, 23. — Aus Christ Church ifl 
Nero C. VII, aus dem Nero A. VIII nur abgefürzt iſt — Bollftändigfeit iſt 
bier a beabfihtigt, ohme fie aber eine zuverläffige Genealogie der Jahrbücher 
unmöglich. 

* Ich Fonnte fie im Göttingen in der feltenen Ausgabe Stevenjons (für 
den Bannatyne» Club), benugen und fage bei biefer Gelegenheit gern ber 


ei Univerfitätebibliothet für die auch an mir bewährte Liberalität meinen 
anf, 


233 


ihon für De serie regum benutt war und in das fiebente Buch 
eingefchaltet wird; die Gefchichte des erften Kreuzzugs, eingefligt zum 
Jahre 1096 „eine vermuthlich abgeleitete Copie der Gesta Franco- 
rum ohne alle Bedeutung !*, und vielleicht den römischen Brief Enuts, 
der die einzige Urkunde zu jein Scheint, die er je direct benukt hat. 
Selbft die reihen Archive der nahen Klöfter Ramjey, Ely haben der 
Historia Anglorum ebenfowenig gedient als die localgefchichtlichen 
Arbeiten diejer Stifter. Die in den Annalen von Peterborough bes 
gegnenden Schenkungs-Urkunden läßt fie bei der Ueberjegung aus— 
nahmslos fort. — Wie fie die firchlichen Decrete der angelfächfifchen 
Zeit nicht mit aufnahm, wie fie zeitgenöffifche Goncilien furz übergeht, 
fo zeigt fie auch fein utereffe für Staats» Acten. Kein Zeitgenoffe 
hat die wichtige zweite Krönungs-Charte Stephans fo entjtellt als 
Huntingdon: er Hagt, die verſprochene Abfchaffung des Dänengeldes 
und Forftrechts fei nicht gehalten worden; in Wahrheit war fie nie 
zugefagt. Namentlich durch diefen Fehler iſt er als Gefchichtsquelfe 
bei Weiten nicht jo ausgiebig al8 feine beiden ſonſt jo verfchiedenen 
dortfeger Hoveden und Nemwburgh. 

Daß Huntingdon, wie behauptet worden, den Florenz von Wors 
cefter benutt hat, habe ich nirgends finden können?: aud zur Eins 
nahıne von Canterbury 1012 hält ſich erjterer wörtlich an die Elegie 
in E, während letzterer eigene Kunde hat. Ebenſowenig wird aus 
der Characterijirung der Regierung Cadgars 747 B eine gemeinfame 
lateiniſche Quelle zu folgern fein. Hier weilt Florenz weit länger 
bei Dunftan, von dem Hunt. nur die wunderbare Rettung und den 
Tod, beide® aus E, kennt. Und Dunſtans Unglüdsprophezeiung für 
Ethelreds Regierung knüpft Florenz an die Krönung, Heinrich an bie 
Verunreinigung des Taufwaſſers : letzteres offenbar ein fortgefchrit= 
tenes Stadium der Legendenbildung. 

Vielmehr hatte Heinrich ein weit bejchränftere® Quellenmaterial 
als die anderen zeitgenöfjischen Hiftorifer: er kennt nicht einmal den 
Cadmer, geichweige normannifche Hiltorien. Bietet er daher weniger 
bunt unterhaltenden Stoff als die Mönde von Malmesbury und 
Duches, fo iſt er dafiir ftrenger einheitlich beim Thema feiner Ge— 
ſchichte geblieben. 

Doch ift nicht Huntingdon der Percy des zwölften Jahrhunderts, 
* unermüdliche Sammler und Ueberlieferer altangelſächſiſcher Bal— 
aden? 


1 Sybel, Geſch. des erſten Kreuzzuges S. 40. 

2 Bunt. hätte auch manchen Üeberſetzungsfehler nicht machen können, 
wenn ihm Florenz vorlag, z. B. a. 1010 überſetzt H. Myranheafod, Mähren- 
haupt, mit caput formicae (mira Ameiſe), Fl. caput equae; a. 920 nennt 
er Aelfwyn soror Adelfled ftatt Tochter; 912 den Aethelred pater 
Edelfled ftatt Gemahl; 941 den Eadmund I. filius ftatt Bruder Kethelflans, 
Sehler, vor denen ihn Florenz Stammtafel hätte bewahren können. 

Daſſelbe erzählt Matthäus Paris ad a. 1166 von Johann. 


284 


Zwiſchen ben J. 617—823 fügt Huntingdon zu fechs! furzen 
Schlahtnotizen des Beda und der angelſächſiſchen Annalen ein jede 
mal mit “unde dieitur’ eingeleitetetes Citat von 1—3 Zeilen bei, das 
in der lateinischen Form deutliche Spuren englifchen Stabreims, im 
Anhalt, der ſtets an die Dertlichkeit anfnüpft, den Charakter alter 
Poeſie erkennen läßt. 

Man Hat nun angenommen, auch zu jenen anderen 30—40 
Schlachtberichten, wo H. feine profaifche Vorlage ohne jene Merk: 
male erweitert, habe er 3. Th. Volkslieder benutzt. An eine bereits 
aufgezeichnete Sammlung hat man dabei kaum gedacht, wohl weil H., 
der ja fonft feine Gewährsmäuner angiebt, eine foldhe doch einmal 
genannt hätte, ihr fpurlofes Verfhwinden und ihre Benugung gerade 
durch einen Autor, der verhältwigmäßig wenig Bücher brauchte, auf 
fallen würde. Und die Cäſarſchen, die britifchepictiichen Kämpfe fin 
den heute feinen Vertheidiger. Aber verdient denn die für die Taktik 
der Barbaren auffallende Belagerung von Anderida (a. 490, ©. 710C) 
mehr Glauben, weil jie anfchaulicher ift, weil fie mit ‘locus tantum 
nobilissimae urbis (destructae) transeuntibus ostenditur deso- 
latus’ ſchließt? Oder die Schladht bei Burford a. 752, ©. 728C, 
weil fie zu den gewohnten antifen Phrafen (securibus Amazonieis!) 
einmal hinzufügt: (erant) arma pro veste, ossa pro carne: eine 
Wendung die, vielleicht germanifcher Poejie angehörig, leider ſchon 
halb verbraucht ijt für — eine britifch = pietifche Schlacht vor Ans 
funft der Deutſchen! S. 706 A, ımd weil fie außer den allgemeinen 
Berhältniffen, die den agl. und north. Annalen entnommen find, den 
Ethelhun zum Feldzeichenträger macht, der den feindlichen vexillifer 
tödtet, worauf erft ‘acies sibi offenderunt’ — ein Zug, der ftarf 
an den Beginn des Kampfes von Senlac ©. 763 B erinnert ? 

Im Zufammenhang betrachtet zeigen jene dreißig Huntingdon— 
ihen Schilderungen folgende Bedenken: 

1. Zu jeder Schlacht der agf. Annalen weiß er Einzel» 
heiten. 

2. Er kennt feine einzige Schladht, die in den Annalen uner— 
wähnt wäre. 

3. Keine feiner Einzelheiten widerfpricht den Annalen. 

4. Und doc fügt er nie a) einen neuen Perfonen » Namen, 
b) einen Ort, ec) ein Datum (etwa die Yahreszeit!), d) eine 
Zahl bei. 

5. Höchſt felten ift eine Einzelthat erwähnt. 

6. Nirgends erjcheint ein individueller Charakter; natürlich, 
jene Krieger find alle kühn, tapfer, wild, blutig. 

7. Die Schilderungen find meift fo fchablonenhaft wie heutige 
Schlahtgemälde aus dem Atelier; fie betonen faft nirgends die Oert— 


ı a. 617. 633. 634. 642. 654. 823 reſp. ©. 715 D. 717 B. 720 D. 
721 A. 721 A. 733 B. 


285 


lichleit (f. o.), während Huntingdon diefe bei den Kämpfen feiner ei— 
genen Zeit genügend hervorhebt. 

8. Dreifahe Schlachtordnung, antife Kampfweiſe fpielen eine 
verdächtige Rolle. 

9. Formell find fie im Gegenfag zu den obigen Liederfrag- 
menten a) nirgends mit *ut dieitur’ eingeleitet, b) neben verein- 
zelten, nirgends als beabjichtigt nachweisbaren, Alliterationen mit an— 
tifen Wendungen ? geipidt. 

10. Sie haben ihm nicht vor gröbiten Mifverftändniffen der 
angelfächftichen Annalen bewahrt, wo 3. B. Higbalds Tod im felben 
Jahre aber ohne Znfammenhang mit Ines Kampf gegen Wales ge— 
meldet wird, fabelt H.: im Anfang der Schlacht fiel Higbald; fpäter 
wendete fich der Walliferfönig mit den Seinen zur Flucht und ließ 
Waffen und Spolien den Verfolgern, S. 724 B, zu a. 710. 

11. Wo die Annalen unbezweifelt gelehrte Combination geben, 
begleitet fie die angebliche Yiederquelle dennod) 3.9. a. 501, wo Port 
in Portsmouth (!) landet. 

12. Die meijten Stüde gehören nicht etwa der Glanzzeit an— 
gelſächſiſcher Geichichte und Poeſie an; im Gegentheil, nur für das 
5. bi8 6. Jahrhundert fließen fie reichlich. 

13. Nirnends fagt Hunt. oder läßt merken, daß ihm die Ueber— 
jegung folcher Poeſien Schwierigkeit machte, während er das Lied von 
Brumanburh, alfo die Sprache des 10. Yahrh., wie er ausdrücklich 
hervorhebt, voll von ‘extraneis tam verbis quam figuris’ findet, de8= 
halb de ‘verbo in verbum’ übertragen will, dabei aber die wunder- 
bariten Fehler mad, f. o. ©. 280 N. 3. 

14. Eben diejes Lied kannte er nicht aus dem Volksmund ſon— 
dern aus ‘Angliei seriptores’ (d. h. den Annalen). 

15. Wenn er viel derartiges brachte, warum entichuldigt er 
„hier die Einführung des quasi carmen causa recreandi“ und 
trennt e8 von der ‘historia’? 

Nein! wir haben e8 mit einem Autor zu thun, der nicht Ges 
ſchichte fälſchen will, aber einen lesbaren Zufammenhang der nadten 
Wahrheit vorzieht, mit der Thätigkeit eines Hirns, das (für die 
Kritit glücklicher Weife!) zu wenig Phantaſie befittt, um mit erborgten 
Phraſenfetzen die Dürre des Annalengerippes verhülfen, geichtweige ihm 
Leben einhauchen zu können. Auch gegen folche Ausführungen, bei 
denen ausnahmsweiſe nicht alle unfere 15 Bedenken zutreffen, 
wird Mißtrauen daher gerechtfertigt fein (Ueber das wenige Uebrig— 
bleibende ſ. u. „Zradition“). 

Auch daß jene Schilderungen auch nur fünftlerifch wahr (ich 
meine, wenn nicht wirklich, doch für die betreffende Umgebung möglich 
oder gar bezeichnend) wären, ift fehr unmwahrfcheinlich: faft nirgends 
betont H. dem einen, von der Culturgefchichte doch nothwendig vor— 


1 Garle 1. c. LXI beuft an Drofius. 


286 


auszufetenden Unterſchied zwiichen der Kampfesweiſe der Barbaren 
des 6. Jahrh. uud der Anglo-Normannen. 

Mit unferer Abweifung diefer rhetorischen Baftarde aus jpät- 
lateinischem Bombaft, theologiicher Salbung ! und germanifcher Waffen: 
luft des 12. Jahrh. verliert nur die Einzeldarjtellung, nicht die willen» 
ſchaftliche Geſchichtsbetrachtung: für dieſe bleibt die Thatſache des 
heißen Ringens der verfchiedenen Racen um den Boden, der Kleinen 
deutihen Stämme um die Begründung eines mächtigen Einheitd- 
Staats. 

Iſt fomit der felbftändige Werth der erften ſechs Bücher der 
Historia ſehr herabgefegt, fo beger nen doch beiläufig einige intere]- 
fante Notizen: fo gleich zu Anfang über den rheinischen Eilber-Erport 
gegen Englands Fleiſch, Fiih und Wolle S. 691 C. Sonſt finden 
jih in diefer geographifchen Einleitung: einige in Nennius Anhang 
fehlende britische Städte S. 697 A, eine Erwähnung von Stone: 
henge S. 694 A und den Römerftraßen ©. 694 B, der Heptardjie 
und den 35 Shires ©. 692 C. Dem Antiquar bietet H. im 
Ganzen wenig Ausbeute: doch erklärt er zweimal (S. 753 A und 
a. 1085) das Wort hide, feufzt zur Anfegung des Dänengelds: 
modo persolvimus ex consuetudine ©. 749 B, bringt einige 
Etymologien von Ortsnamen (Huntingdon? ©. 153 E, Colcheſter 
©. 702 D, Belgien S. 691 E) und YPocalfagen von London und 
Colcheſter S. 703 B. Beſonders rei find die topographiichen 
Nachrichten, mit Angabe über Ruinen °, Koftergründungen * ac. in 
H.'s Nahbarichaft. Hierher gehören endlich die Notizen über das 
Schlachtfeld von Fulford S. 762 A, die Yage von Anderida (f. o.), 
die domus belli (Belagerungsmafchine Wilhelms I.) in Ey ad a. 
1071, das Domesdayboof (ad a. 1085), den Londoner Dom— 
bau (ib.). 

Heinrich Schreibt durchweg Reichs-, nicht Localgeſchichte: auf den 
Streit zwiſchen Lincoln und York geht er 3. B. nicht näher ein; 
doch bemerkt er Romreiſen, Amtsantritt, Todesfälle feiner zeitgenöſſi⸗ 
ſcheu Biſchöfe und widmet ihnen einige Verfe und eine Charafter- 
fchilderung. Aus ähnlichem Intereſſe mag er die zwei Anefdoten 
(S. 760 A und C) über Earl Siward von Huntingdon und Nor— 
thumberland eingefügt haben: die eine, daß derielbe bei der Nachricht 
vom Fall des Sohnes nur fragte, ob er die Todeswunde vorn em— 
pfangen, Klingt ebenfo antit wie einige Erzählungen über die Landung 


ı Fromme Betrachtungen * hier übergangen; ſie finden ſich natürlich 
häufig mit Bibelſtellen z. B. 717 

2 Weber die Anſetzung des Siffgefbes S. 753 A weiß er nicht mehr 
als E. 

s Er erffärt mons venatorum, vgl. Freeman I, 428. Kemble nimmt 
die Endung a8 identifch mit tun, Zaun. 

* Weber Huntingbon S. 692 B. 

sVUeber die Stifter des Fen:Diftriet® S. 747 E, Ueber Stom S. 760D. 
Ueber die Stadt Pincoln S. 720 0. Auch daß der erſte Sachſenſieg a. 449 
bei Stamford erfochten ſei, könnte Localſage fein. 


287 


Wilhelm I.?, zeichnet aber doch den fpartanifchen Geift des Kriegers; 
und noch charakteriftifcher ift die andere, der alte Däne-habe es be— 
fagt, wie eine Kuh, micht im Kampfgetöfe enden zu follen, vollge— 
waffnet Habe er den Geiſt ausgehaucht; — gewiß eine echte Erinne- 
rung germanischen Heidenthums. — ine naturwüchfige Yocalfage ift 
auch die vom Helden von Balsham S. 753 D, der auf den Thurm— 
ftufen de8 Gotteshaufes, quod adhuc ibidem stat, ſich gegen ein 
ganzes Dänenheer wehrt. Wie klingt da® anders als jene obigen 
Schlachtberichte! Selbitändige Nachrichten iiber ausländiiche Geſchichte 
hat H. im Bergfeihe zu Wilheln von Malmesbury, Florenz von 
Worceiter oder gar Orderich äußerft felten?. Kaiſer Yothar und Frie= 
drih I. werden gar nicht, die gleichzeitigen Päpfte mur kurz gelegentlich) 
erwähnt. 

Nachdem ſchon die Nachricht von der Ermordung Wilhelms III. 
per proditionem regis Franciae ©. 746 B, wo Ea. 942 nur 
das Factum des Thronmwechield fennt, normannifchen Nationalhaf 
verrathen Hat, durchbricht für die Jahre 1000 bis 1067 der Strom 
zweifello8_ normannifcher ® Weberlieferung an etwa fieben bis acht 
Stellen die auf den angelſächſiſchen Annalen und englischen Berichten 
ruhende Erzählung. Hierher gehören: 1) Ethelred II. Hilfegefuch an 
Rihard den Guten S. 753 A, 2) das Eril der Königin» Wittwe 
Emma in Flandern, weil ihr Großneffe Wilhelm unmündig * und da= 
ber‘Normannia fiscus regalis’ war — dies ein bezeichnender Irr— 
tfum, entftanden aus Uebertragung normannifchen Lehnrechts, 3) die 
doppelte Decimation der Gefährten des Melfred Wetheling 759 A, 
4) Wilhelms Siege bei Val &8- Dunes und Mortemer ©. 760 C, 
5) der Eid Haralds, England für Wilhelm zu erhalten, und die Ver— 
(obung mit feiner Tochter S. 760 E, 6) die Pift des Wilhelm von 
Breteuil, welche die Normannen zum Zuge gegen England bewegt, 
S. 762 A, 7) Harald II. erfährt zu York beim Bankett Wilhelms 
Landung, 8) die Schlaht von Haftinge ®. 

Die zu Grunde liegenden Thatfachen hat Freeman erichöpfend 


ı Er gleitet aus, ein Soldat ruft “Tenes Angliam’, Malmesbury $. 238; 
ähnfih Roman de Rou. Hardys Anm. bezweifelt die Anekdote mit vollem 
Recht; die Verbrennung der Schiffe, die Wace meldet, nimmt auch Freeman 
II, 407 nicht auf. 

2In De Cont. M. c. 5 über Magnus den Geblendeten von Norwegen. 

s Die Gründung von Eontances durch Conſtantius Chlorus vielleicht aus 
einer Legende von der 5. Helena, da auch bei Orbericus II, 334 mit letzterer im 
Berbindung. — Der Bericht von Eoel, der Eolchefter gegründet S. 702 D, 
vol. 703 B (f. a. Wait in M. G. SS. XXII, S. 287 zum Gottfried von Bi- 
terbo, der von Huntingdon unabhängig Achnliche® weiß) vielleicht aus einer 
Vita 8. Albani (über deren Benutung f. o. zu ®. 9); ein Coel dux Col- 
cestriae und Helena filia ejus fommen in einer foldhen vor, laut Hardy I, 
&. 19. — Die Sage von der Erlöfung Trajans aus der Hölle auf Gregor I. 
Fürbitte, fchon von Johann Diaconus II, 5 als fpecififch englifch bezeichnet, 
and) bei Johann v. Salisbury Polyer. V, c. 8 

* Ausnahmsweife eine glüdlihe Combination. 

5 Bu Wilhelms Rede vol. die Anmerk. in Bouquet XI, ©. 208. 


288 


erörtert. Huntingdon fteht für die erfte Nachricht allein; materiell 
unmahrfcheinlih ift fie nicht. Für diefe und die vierte wird es 
freilich fchwer, bloße Tradition als feine Quelle anzufehen. Alles 
Uebrige aber Fonnte er, der bald nad) 1100 am normannischen Hofe 
eines Lincolner Biſchofs Iebte, vom Hörenfagen haben. — Am 
nächiten fteht dem Huntingdon für einige jener Nachrichten, nam. die 
6., der Roman de Rou!, und doch weicht er anderswo wieder zu fehr 
ab, als daß ich eine gemeinfame Quelle annehmen möchte. Die 
fiebente ift im dem letteren nicht fo ähnlich mit Huntingdon erzählt 
al8 in der Historia von Ramſey c. 120, die mit H. den NYorker 
Aufenthalt irrig auf den Schladhttag von Stamfordbridge fett und 
fait diejelben Worte braucht wie er. Ich glaube, daß fid) doc) alle 
jene Nachrichten dadurc al8 mündliche Tradition zu erfennen geben, 
daß ſich bei nicht zwei der zahlreichen Hiltorifer jener Periode meh: 
rere von ihnen — ja aud) nur eine einzige — mit gleicher Jahres— 
angabe, gleichen Einzelheiten, gleicher Bollftändigfeit finden. Und nur 
in diefen alle wäre eine verlorene Duelle anzunehmen. 

Alle nicht unter die bisherigen Rubriken fallenden Nachrichten 
Huntingdons bis zum Jahre 1100, wo feine eigene Erinnerung bes 
ginnen wird, können leicht al8 mündliche englifche Tradition gelten. 
Es find dies folgende: a) über König Offa ©. 730°? b) Xethel- 
wulf fei einst Priefter geweien S. 737 C, eine Sage, hier zuerit 
erſcheinend und aus den clericalen Neigungen des Königs entfprungen?, 
c) das Martyrium Cadwarde IL., mit ‘dieitur’ eingeleitet S. 748 E; 
d) die Briccius-Meffe ſ. o. S. 279 N. 5; e) Eadric Streones Berrath 
an Edmund Eifenfeite durch den Ausruf Flet Engle, ded is Ed- 
mund! ©. 756 B zur Schlacht bei Aſſaudun“. Dieſelbe Erzählung 
jetst Florenz zu einer anderen bejtimmten kurz vorhergehenden Schlacht, 
der Ramſey-Hiſtoriker e. 72 zu einer ungenannten. Wir haben alfo 
vermuthlich troß der engliichen Worte fein Lied vor und, da ein 
ſolches die Dertlichfeit bewahrt hätte; f) das Duell zwiſchen mut 
und Edmund S. 756 C. Unmöglich iſt diefe Tradition, wie be= 
hauptet wird, entjtanden, indem dem zweideutigen ‘comon togaedere’ 
der angelſächſiſchen Chronif ein hostiliter irrig unterfchoben wurde; 
denn fie findet fich nicht bloß bei Huntingdon und Aethelred, der ihn 
benutt, jondern auch in den Gesta Cnutonis und bei Malmesbury. 
Die Wahrheit der Tradition will ich damit nicht vertheidigen ! 
g) Eadries Hinrichtung; Freeman I, 647 verfolgt genau das all 
mählihe Anwachſen der Ausihmüdung; h) Godwins Heldenthat 
gegen die Wenden S. 757 B; i) zwei Anekdoten von Ennts Demuth 


ı Bol. Körting, Quellen zum Roman de Rou ©. 56. 

2 Theopold 1. c. S. 96 denkt ebenfalls an mündliche Tradition. 

3 Pauli, König Aelfred ©. 52. 

Außer diefem einen Zuge ift darin ebenfowenig echte Weberlieferung wie 
in jenen obigen Schlachtſchilderungen. Bei Florenz flieht Edmund, bei Hunt. 
Enut in dreifaher Schlahtordnung; außer dem in den Annalen Gebotenen haben 
fie nichts gemein; man darf alfo nicht combiniven. 


289 


gegen Gott S. 757 E, wie e8 jcheint mönchiſche Erfindungen ; 
j) unter Enuts drei größten Thaten, außer den Kriegen, ‘primum 
est quod filiam suam imperatori Romano cum ineffabilibus 
divitiis maritavit’. In Wahrheit fand die Heirath erjt nad) Cnuts 
Zode ftatt, und war Heinrich III. damal® nur rex. — Wenn Hun— 
tingdon iiber Cnut ziemlich viel weiß, jo mag dies mit des Königs 
Vorliebe für den Fen-Diſtrict zufammenhängen, wegen welder aud) 
die Hiltorien von Ely und Ramſey gern ! über ihn berichten; k) bei 
dem Untergange Aelfreds (ſ. S. 287 3. 8 v. u.) ift der Heiratheplan 
Godwins nicht nur falich, jondern macht fogar den Eindrud der Er- 
findung durch Huntingdon ſelbſt, fogut wie die Zeitanjegung ges 
lehrte Combination iſt; I) aber die Huntingdonfche Anſchauung über 
Godwin und feine Söhne fand ſich bereits 3. Th. im den ihm ja 
auch vorliegenden Abingdon= Annalen. Daß fie richtig ift,  bejtreitet 
Freeman durchaus. Die einzelnen ihr entipringenen Anekdoten : 
m) über Toſtigs Streit mit Harald an des Könige Tafel und 
n) über die Unmenschlichfeit Toſtigs ©. 761 A find zweifellos uns 
hiſtoriſch; aber bewußte Fälihungen find fie doch ſchwerlich. Min— 
deſtens verfolgt Huntingdon keineswegs einen Parteizweck in ihrer 
Wiedergabe: wie wenig er etwa antigodwiniſch war, folgt aus dem 
Berichte h), ſ. o. und daraus, daß er bei der Ueberſetzung der agſ. 
Erzählung über die Verbannung des Aelfgar S. 760 D, der ein 
Sohn Peofrics, folglid” Haralds Gegner war, die Entlajtung von 
der Schuld des Hochverraths ausläßt. — 0) Des Eroberers Fluch 
gegen der aufrühreriihen Sohn ad a. 1079 fonnte ebenjo leicht 
combinirt werden als Glauben finden; p) ebeuſo oft bejprochen ift 
der Tod Wilhelms des Rothen. 

Das Bild von Heinrichs Art, Gefchichte zu fchreiben, wäre un: 
vollftändig ohne den Hinweis auf feine oftinaligen Gombinationen, die 
nur meiſt (wieder für die Kritik glücklicher Weije!) durchfichtig find. 
Er kennt 3. B. aus den Annalen einen giünftigen Charakter von 
König Eadgar und deſſen Verheernng der Inſel Tanet: folglich fügt 
er jelbftändig hinzu ‘quia jura regalia spreverant’ ©. 748 A. 
Achnlich werden S. 723 B aus Einem Kenter König zwei, 730 A 
aus einem Erzbiichof von Ganterbury ein Morfer. — Zum Jahr 1000 
erzählen die Annalen, Ethelred verheerte Cumberland; Huntingdon 
ihiebt S. 750 A als Grund ein, dort fei der Hauptjig der Dänen 
geweien. — Die Annalen melden die Königs-Wahl der Stiefbrüder 
Harald und Hardienut, Huntingdon Hilft fich über die Schwierigkeit 
fort: Harald jollte dem Bruder ‘regnum conservare’ (vgl. Free— 
man I, 540). 

Nur zur Hebung des Styls bringt er Gitate aus der Aeneis ?, 


ı 9. verteidigt ©. 754 E die PVerftümmelung der Geifeln durch Knut 
damit, er habe das ihm verbündete und von den Engländern verheerte Lindfey 
rächen wollen. Dagegen bedauern die Annalen diefe Brovinz als von Cnut 
treulo® verlaſſen. 

» S. 697 D ift Georgic. II, 25 aus Nennius mitentlehnt, 


290 


den Amores, Horaz Satiren, Lucan, Juvenal und — nicht eben viele 
aus der Bibel. — Die eingefchobenen Panegyrifen in hochtrabenden 
Herametern auf die Mächtigen feiner und früherer Zeit wollen nicht 
wörtlich verjtanden fein, ebenfowenig die rhetoriichen Schilderungen 
(3. B. über die Greuel der Schottenfriege, a. 1138). — Stereotupe 
Einzelphrafen (‘Marte et Vulcano comitantibus’; eine Würde, eine 
Waffe die weniger den Mann ziert als durd den Träger gehoben 
wird) kehren immer wieder und rauben, dicht neben einfacher Anna— 
lenſprache ftchend, dem im Ganzen gewandten und logiich flaren, wies 
wohl im Sagbau unclaffishen Style die Einheit. Von eigenthüm— 
liher Schärfe find einzelne kurze Urtheile, im Gewande einer rein 
thatfächlichen Meldung: 3. B. als Heinrich® I. Leiche geöffnet wird, 
der Arbeiter vor Gejtanf jtirbt; “Hic est ultimus e multis quem 
rex Heinriceus oceidit'. 

Die langen Reden im achten Buche werfen zwar durch Anſpie— 
lungen mehrere Schlaglichter auf die Perfonen der Zeit, bieten aber 
font nicht bloß den Worten, auch dem Gedanfengange nach nur Hune 
tingdons Erfindung: fo bilden 3. B. die zwei vor der Schladht von 
Lincoln genaue Gegenjtüde. Für den einzelnen Wall lernen wir nur 
die Thatſache, dag und von wein geiprochen wurde, für die Gulture 
geichichte vielleicht, daß ſolche Auſprachen das Heer an feinen und der 
Bäter Ruhm zu mahnen, den Gegner zu verhöhnen pflegten. 

Nach ihrem Fortfall aber bleiben auch im achten Buche, das 
doc) allein im ftrengften Sinne gleichzeitig, wiewohl auch nicht Yahr 
für Jahr! gearbeitet ift, ziemlich dürftige Annalen, denen e8 nur zu 
Gute fam, daß ſich die Hauptereigniffe jener Zeit gerade um Lincoln 
abipielten. 

Wahrſcheinlich einfeitig ift der junge Heinrich II. geichildert: 
unfer Verfaffer hat mehrfach von lebenden Perfonen (Heinrid I. 
3.3.) nur die Pichtfeite gezeigt und erft nad) ihrem Tode die Schatten- 
jtrihe aufgefegt, die das Bild total verändern. Außerdem hegt er, 
obwohl jelbjt einmal warnend, man möge die Vergangenheit der 
ihlimmen Gegenwart wegen nicht überfchägen, parteiiiche Abneigung 
gegen Stephan, die fich herichreibt aus deſſen Verhaftung von Cleri— 
fern, und vielleicht aus den harten Forftprocefien, die ihn Heinrich 
gleich) zu Anfang der Regierung dicht bei Huntingdon abhalten jah 
(a. 1135). 


V. 


Im übrigen färben ſich die Urtheile eines damaligen engliſchen 
Hiſtorilers je nach dem Hintergrund feiner Anſchauung von der nor— 
manniſchen Eroberung, von Kirche und Staat. 

Huntingdon hält das Wolf der Angelſachſen als ſtaatlich or— 
ganiſirt für untergegangen, aber als Stamm, der Abkunft nach 


1Gleich der Anfang iſt erſt nach Stephans Unglück geſchrieben. 


291 


‘Britanniam (adhue) obtinent’, während die ‘Daci deperierunt’ — 
eine für Ojt- England, wo ſich ja Dänenthum feſt eingeniftet hatte, 
merkwürdige Aeußerung. Jene Vernichtung Habe Gott verhängt zur 
Strafe der Unfittlichfeit, auch der politischen: die northumbrifchen 
Thronftreitigfeiten, die Parteifämpfe unter Edward III. gehören dazu. 

Die ‘Dei vindices’, die Norinannen, beginnen zur Vergeltung 
ihrer WildHeit, jobald nur die Unterwerfung des Yandes vollendet 
ift — wie in der Normandie, Stalien, Antiohia — auch in Eng— 
land einander felbft aufzureiben. ‘Impraesentiarum Anglis domi- 
nantur’; da feit Wilhelins I. Ende fein *princeps (Magnat) de pro- 
genie Anglorum’ übrig, der Name Anglicus’ “opprobrio’ geworden 
it, fällt Adel und Normannen zufammen. Mit bitterem Haß verfolgt 
Huntingdon dieſe “proceres immo proditores Angliae’, dieje ‘per- 
Juri Normanni’, die Bedrücker des engliſchen Volkes. 

Dagegen die Dynaſtie Cerdic usque ad nostra tempora du- 
rat, Wilhelm ift nicht ein bloßer Eroberer, fondern ‘heres’ der ‘mo- 
narchia’ Eadgars durd) jus gentium, jus cognationis’, weldes ſich 
auf Aethelreds Heirat}! mit Emma gründet; er hat drei Klageredhte 
gegen Godwins Sohn: wegen der Ermordung des Aetheling Alfred, 
der Austreibung der Normannen =» Partei unter dem Bekenner, des 
Treueides, den ihm Harald einjt geleijtet. Letzterer hat die Thronbe— 
fteigung von Edinund Eiſenſeite's Enkel verhindert, diadema invasit, 
doch heißt er ‘rex Angliae’, vermuthlich wegen der formell unanfecht- 
baren Krönung, nicht (wie in der normannifchen Kanzleifprache) 
comes ®, 

Vielleicht Löft fi jo der fcheinbare Widerſpruch? in Hunting- 
dons Anficht von der normannifchen Eroberung: er betrachtet den 
angelſächſiſchen Staat als untergegangen, die Dynajtie rechtmäßig 
fortgefett, die regierenden Claſſen als normannifch, das englische Volk, 
dem er fich angehörig fühlt, al8 erhalten. — Die heutige Wiſſenſchaft 
verneint davon wohl nur dem zweiten Punkt und bejchränft den 
eriten. 

Sämmtlihe Schriften Heinrichs durchzieht die Mahnung zur 
Weltflucht S. 690 E. 707 A. 720 A: Mönd) zu werden ijt eines 
Königs ruhmvollite That (S. 723 E. 725 B. 727 B und 2. 9 
Prol.); auch Gelehrfamteit jei ohne Verachtung des Irdiſchen unmög— 
ih. Auch in ihm ſchlägt leiſe eine Neformader: er eifert in der 
Satira communis gegen Ausjchweifung, Habgier, Nadjläffigfeit des 
Glerus, auch gegen allgemeine Mifbräuche in der Kirche, wie die amt— 
lojen Pfründen, die Verpachtung der Seeljorge, den Bisthumserwerb 
durh Kauf, VBerwandtichaft, Staatsamt. Er verurtheilt die ehrgeizige 


ı Diele fol (Anfang B. 6) geichloffen fein ‘ad tuitionem regni’ nad) 
Ausg. MHB, gegen frühere Lesart ‘ruitionem”, 

» Aus 2 C. 732 E. 751 D. 761 D. 

°_ Freeman nennt 9. absolutely without english feeling in (Ha— 
rald8) great controversy; Carle rühmt ihn: not one of the early chro- 
niclers shews so much of an Englishman. 


292 


Politif der Prälaten, die er mit Net für die unglückliche Thron- 
folge Stephans verantwortlid madt (a. 1135. 1152). — Man 
hört den Weltgeiftlichen, wenn er, wie auf Zehnt- und Beichtpflicht 
der Laien, auf die Lmverleglichkeit der Clerifer (a. 1139. 1143), 
deren Bruch er Stephan nie verzeiht (a. 1152), fo auf Schutz der 
Pfarreinfünfte gegen Ordensübergriffe dringt. Den Inveſtiturſtreit 
erwähnt er mit feiner Sylbe und der von Anfelm verfochtene Cölibat 
(a. 1002) „ſchien „einigen“ (des Geiſtlichen Sohn redet) gefährlich“. 
Er bringt faft Nichts von allgemeiner Kirchengeſchichte. Römiſcher 
Habjuht (a. 1148), römijhen Legaten (a. 1125) und römiſchen 
Appellationen (a. 1152) iſt er gleich) jehr abhold. — Er will die 
Poefie von den Theologen nicht verachten laſſen — das hieße ja die 
Plalmen findiih nennen!. — Lieber als von Goncil&verhandlungen 
erzählt er, wie * ‘terribiliter et pulcherrime’ auf einander 
ſtoßen (S. 715 C). 

Die Klagen der Geiftlihen gegen die Unfittlichfeit bei Hofe 
finden ſich bei Heinric (a. 1100. 1120) auch, und deutlicher al8 an» 
derswo ; ebenfo die allen am Exchequer Unbetheiligten gemeinjamen 
Beichwerden gegen das Dänengeld (a. 1135, ſ. 0.) das Korjtredt 
(a. 1135), die Procegfniffe des Fiscus und den gierigen Beamten- 
Clerus (a. 1123). — Das Redtsiprichwort ‘Regia res scelus est 
(Cont. m. c. 5), d. h. Griminalfälle gehören dem föniglichen Gericht, 
deutet er wörtlich, im bitterem Zorn gegen die Regierung. Denuoch 
hegt er tiefe Ehrfurcht vor dem gejalbten Haupte auch des gefan: 
genen Stephan (a. 1141). Er verlangt eine ftarfe Regierung, miß— 
billigt die unpolitifche Milde gegen adliche Aufrührer (a. 1135) und 
(wie wir fahen, feinem Temperament nach fein Gegner des Kriege), 
die unblutigen Scheingefechte, die faulen Waffenftillftände zwiſchen 
Thronprätendenten, die nur die Krone zum Spielball des Naubritter 
thums machen (a. 1141. 1153). — Englands Heil hofft er von 
der Perfon des Herrichers, den er fid) regelmäßig von der Curia des 
hohen Glerus und Adels umgeben vorftellt (a. 1140). Ihre poli— 
tiſche Bedeutung ift ihm nicht eingefallen; wenn er auch den Einfluß 
einiger mächtiger Barone, Bifchöfe, Kanzler auf die Entſchließung des 
Königs kennt. — An eine politiiche Betheiligung des Volfes, eine 
eonftitutionelle Beſchränkung der Krone denft er nicht: für die Auf- 
bewahrung alter angelſächſiſcher Geſetze?, neuer normannifcher reis 
heitscharten mangelt ihm aller Sinn. — So vertritt er eine ‘Periode, 
die eine ftarfe Gentralgewalt auf der Inſel gegenüber den auflöjenden 
Tendenzen in der Arijtofratie vor Allem brauchte. 

Welches auc feine Abftammung und die Quelle feiner Hift o— 


ı Epigramm de veritate libri. 

2 Und do nennt er ©. 694 C die vier NRömerftraßen ‘saneiti edietis 
regum, scriptisque verendis legum'. Die vier Namen begegnen nur im 
franzöf. Zert der Gefetge Wilhelms I. (I, 26) und in den fog. Leges Edwardi 
Confessoris (12 Pr. $. 7 Geſetze der Angelſachſen ed. Schmid 1858). Bgl. 
oben ©. 279 3. 9. 


293 


rifhen Anfihten fein mögen, — für feine Zeit fühlt er vollfont« 
men md nur als englifcher Patriot. Mag fein Intereſſe für alte 
Yieder ein nur antiquarifches fein; es iſt bezeichnend für feine englifche 
Gefinnung, wenn ſich feine Urtheile über Miterlebtes (3. B. über 
Euſtach a. 1153) aucd da mit denen des legten angelſächſiſchen Hi— 
ſtorilers decken, wo diefer aufgehört hat, feine Quelle zu fein. Trotz— 
dem er die Thronfolge Stephans ungern fieht und e8 als ‘malum 
signum’ (a. 1135) politiſcher Unfittlichfeit betrachtet, wie ihn ganz 
England fofort anerkannte, jo ijt ihm doch der Schottenfönig, der 
für die Gegenpartei ficht, ein bloßer Yandesfeind (a. 1138). — 
Stolz auf die Segnungen feiner Inſel, auf die Schönheit feiner 
Yandsleute (693 C) weiß er vom Gontinent wenig und entfchuldigt 
es, wenn er vom Thema der englifchen Geichichte jo weit abweicht — 
den erjten Kreuzzug zu erzählen (a. 1096). 

Heinrich hegt eine hohe Meinung vom Werthe ber Geſchichte: 
Homers trojanischer Krieg — es ift ein Citat aus Horaz’ Epifteln — 
lehre beſſer Moral als die Philoſophen. Durd die Geichichte erkennt 
der Mensch die Zukunft aus der Vergangenheit, durch fie erhebt er 
ji über das Thier; fie gibt unter allen literariihen Studien am 
meilten Erholung und Troſt!. 

Freilich müjfen wir Huntingdon den Namen bes Hiftoriferd in 
höherem Sinne verfagen — um jo mehr bewundern wir an einzelnen 
Stellen die glückliche Wahl des aufzunehmenden Stoffes (3. B. der 
Aelfredichen Zeit, des Lieded von Brunanburh), die Heranziehung 
jener Volksgeſänge, die Ausicheidung der Wundergefchichten, den phi— 
loſophiſchen Blick für Entwickelungsepochen?. 

Sieht er auch in den Vorgängen meiſt nur directe Vergeltung 
Gottes für moraliſche? Eigenſchaften der Menſchen, fo iſt doch das 
Streben feines Werkes, aus der Annalenform herauszuwachſen, logi- 
ie Gejchichte zu werden, unverfennbar; es ift dies die Fortfegung 
der Tendenz ſchon der jpäteren angelfähjiichen Annalen, die dann von 
Wilhelm von Newbury durd Einführung zufammenhängender Capitel 
vollendet wird. — Huntingdons Intereſſe für Eurialfaften bewahrt 
die andere Fortführung der Hiltoria: die de8 Roger von Hoveden. 

Huntingdon ift nach Ethelward, Florenz und Simeon der lekte 
annaliſtiſche Ueberjeger der angelfächliichen Jahrbücher; er it im 
Gegenfag zu feinen Zeitgenofjen Malmesbury und Orderich der 
erite, der wallififche Ueberlieferung ohne die nöthige Skepſis behan— 
delte. Nur zu bald überfluthete dann deren Strom die echte Geichichte; 
der kritiſche Proteſt Wilhelms von Newbury Half nichts. — Andere 


! Prolog zur Hiftoria. Die beften Gedanken daraus find benußt vom 
&. Albans Opus Chronicorum. 

2 &o die Büchereintheilung; vgl. auch eine meifterhafte Vergleichung der 
fünf Eroberungen Englands im Prolog zu B. 5. 

* Die Eroberung von Liffabon gelingt dur das Volt, nit durch Mo— 
narchen, weil Gott die Niederen zu erhöhen liebt, Grundlos ift in diefer Aeuße— 
rung demofratifher Sinn gewittert worden; fie ift rein geiftlich. 


XVII. 20 


294 


Keime Huntingdons, die der Anekdotenbildung, wurden durch Bromton 
zu üppigen Ranfen gezogen; nur die vereinzelten Accorde alter Lieder 
fingen bei feinem Fortſetzer weiter. 

Für die Geſchichtswiſſenſchaft der nächſten Zeit hatte Hunting— 
bon eine bejondere Bedeutung, die er heut verloren Hat: nur durd 
ihn war der Stoff der angelfächfischen Annalen in der Peterborough 
Fortſetzung bis 1128 bekannt. Schon Gottfried von Monmouth 
nennt ihn neben Wilhelm von Malmesbury als Gejchichtichreiber der 
englifchen Könige; noch der zeitgenöffifche Abt von Rievaux und der 
Mönd von Durham gebraudten ihn. Des leteren Historia post 
Bedam, vor 1161 verfaßt, jchöpft für a. 752—866 und 1121— 
1148 lediglih aus feiner Edition von 1148. Sie ift dann Hove— 
den's! Grundlage, der neben dem anderen Fortſetzer, Wilhelm von 
Newbury, die Bibliotheken Nord-Englands beherrſchte (Stubbs). Der 
fog. Benedict entnahm aus Huntingdon nur einige ftyliftiiche Wen: 
dungen. In Frankreich benußten ihm zunächſt Robert von Torigni 
und Johann von Marmoutier, im füdlichen England Gervas von 
Canterbury, Radulf de Diceto, der Armalift von Waverley und Roger 
Wenbover ?, 

Noh im zwölften Jahrhundert wurden Huntingbons Werke 
unter dem Namen des Marianus Scotus ? abgejchrieben : diefer Srr- 
thum hat weniger Grund als bei Marians Fortjegern Florenz und 
Johann von Worcefter, da Heinrich den Marian nicht bemutst hat, ent» 
ftand aber 3. B. in der Vorlage des Walter von Coventry darauf, 
daß fein Werk für 1131—1154 als Fortfekung Johanns ver: 
wandt wurde. 

Gleichzeitig wurde Heinrichs geographifche Einleitung einzeln ab- 
geichrieben, oder mit dem Nennius* verbunden, und gilt dann u. d. 
T. Descriptio Britanniae fälſchlich als befonderes? Werk. Und 
manches Epigramm aus feiner Hiftoria wurde ercerpirt und geht heut 
unter Hildeberts ® Namen. Die Yobverfe auf England’ wurden oft, 
namentlid) auf Cinbandblätter, eingetragen — vieler Ercerptfamme 
lungen ®, und gar derer des 16. bis 19. Jahrh., nicht zu gedenken. 

Schlieglih finden fi) — wie anderwärts im Mittelalter hiſto— 
riſche Aufzeichnungen in Rechtsbücher — fo in Heinrichs Hijtoria 


1 Gtubbs Ed. I XXXI. 

2 Bielleicht klingt auch Dialogus de Scaccario I, 11 an den Prolog zu 
B. 5 an. — Unter fpäteren ift nur Bartholomaens Cotton als Benuter des 
Huntingdon genau unterfucht: von Luard, Borr. zu Rolls Ser. Nr. 16. 

® &oinBibl. publ. Cambr. Dd.I, 17; Bodl.521; Coll. Magd. Ox. 36. 

— MS. Ashburnham Appendix 104 s. XIV und Coll, Arm. Arund. 30 

s. in. 

5 Bol. Eave, der ein Cambridger Bibl. publ. MS. fennt, wol Mm. V, 
29 e. X. 

° MS. Bodl. Laud. Latin. 86. 

” MS. Corp. Chr. Coll. Oxford 256. 

® MS. Cott. Claud. D. VII s. XII, ans Malmesbury und Humtingdon 
ef, Hardy IH, ©, 148 und Pits, De illustribus Angliae SS. ©. 212, 


295 


Geſetzſammlungen eingefügt. Zur Gefchichte Enuts, vor der Erwäh— 
nung von feinem Tode 1035, fteht in MS. Lambeth 118 von c. 
1200 und in zwei Cambridger! Hdjf. s. XIV, die von einer ge= 
meinfamen Vorlage abgefchrieben find: “Ineipit lex, que Anglice? 
Danelage est vocata, Latine vero lex Dacorum est interpre- 
tata, ab invictissimo et glorioso rege Anglorum? Dacorum 
Noragenorumn Suevorum Kannuto* instituta et diligenter cu- 
stodita. Nach diefer mißverjtändlichen Weberjchrift folgen die geift« 
lien und weltlichen Geſetze Cuts in einer ungedrudten, der Colber- 
tina am Nächiten verwandten Verfion?, die an einigen Stellen den 
angelſächſiſchen Text am Zreuften wiedergiebt. Es folgt jodann der 
jog. Pieudo-Enut, im ZTert® der Colbertina näher, aber an derjelben 
Stelle abbrechend wie Textus Roffensis und Harley 746. 

Wichtiger noch find die ebenfalls unedirten Anhänge zu Christina 
587 im Batican und 118 und 179 Lambeth Erſteres gibt 
hinter den 12 Büchern (laut Bethmann ?) ‘Guilelmi regis Angliae 
leges; catal. ducum ac regum Angliae’, was vielleicht identiſch 
it mit? Wilhelms I. 10 Artikeln, denen die „Geſetze des h. Ead⸗ 
ward, welche fein Erbe Wilhelm beftätigte“ folgen mit der angehängten 
normannifchen Genealogie? feit Rollo. Aus! einem fo vermehrten 
Eremplar wird wol Roger von Hoveden 8. a. 1180 die Artikel und 
die Leges Confessoris geſchöpft haben. 


Coll. Joh. G. 16 und Trinity R. 5, 42 = Bernard 158 (21). 
Anglie. Tr. und Joh. 

ab inv. Ang. re. et glo. Tr. 

Kanrico. Tr. 

® ]J, c. 12: Scotum ad luminaria, lithigescot; ebenfo II, c. 1 eigen« 
tbümlih. Bor zwei Jahrhunderten hat ein Antiquar Randnotigen über feine 
Collation des Coll. Joh. MS. mit dem Textus Roffensis dazu gemacht. 

° II, e.12: Hec sunt consuetudines regis quas habet in Westsexe 
super omnes homines; mundbrece i. e. forisfacturam — hamsocne — 
forestal — ferderpite — ein verlefenes angelfächfijches w. 

’ Ardiv 1872, ©. 296. 

® Decreta Willelmi regis qui Angliam conquisivit (Tr. quesi- 
vit), legum mutationes et emendationes, quas in Anglia composuit. 
Dann wie Hoveden II, 216: Hic intimatur; Variante wie Thorpe: infra 5, 
nit 15 im Artifel III. 

Ju Lamb. 118 und 179 bis Stephan, in Lamb. 118 von fpäterer 
Hand bis Edward I. fortgeſetzt. Eine Hand s. XIV hat hier nochmals die erften 
6 Artikel Wilh. I. zugefügt. Und nur diefe ftehen aud) in Trin. R. 5, 42. — 
Lamb. 179 enthält auch eine Tafel von engliſchen Rechts-Ausdrücken, franzöfifch 
überfegt „nad; Alerander archid. Sarum* (Salop?, Swereford wird gemeint 
fein); fie ift von fpäterer Haud und Abfaffung als Hovedens ähnliches Lericon, 
mit dem fie ſich nur zum Heinen Theil dedt. 

Das umgekehrte Verhältniß ift vielleicht aus paläographifchen Gründen 
und jedenfalls deshalb nicht möglid, weil Lambeth Lesarten mehrfach originaler 
zu fein fcheinen. 


— zur" — 


20* 


Zur Hiftoriographie des 14. Jahrhunderts. 
Bon 


9. Zimonsfeld. 


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4 
— — 
= — 


Il. Zur Chronit Heinrichs von Diefjenhoven. 


Unterfuchungen über das Verhältniß zwiſchen der Weltchronik des 
Frater Paulinus, Bischofs von Puteoli, von welcher ich ſchon früher 
in diefer Zeitichrift (Bd. XV, ©. 145 ff.) gehandelt habe, einerfeits 
und der Kirchengeichichte de8 Tolomeo von Yucca andererjeits, fowie 
die Abhandlung wmeines Freundes H. Dr. D. König: „Ptolomäus 
von Yucca und die Flores Chronicorum de8 Bernardus Guidonis“ 
(Würzburg 1875) gaben mir Veranlaffung, auch der Chronik des 
oben genannten deutſchen Gejchichtfchreibers, Heinrichs von Dielen» 
hoven, etwas mäher zu treten. Konnte id) ja dabei auf der hiefigen 
Hof- und Staatsbibliothet die einzige bisher bekannte Handichrift 
diefer Chronik benußen; und ift diefelbe auch nach diefem Codex 
(Um 59, jest Cod. lat. Monac. 21259) bereits zweimal heraus— 
gegeben !, eine nochmalige theilweife Vergleihung ergab doch einige, 
wie mich dünkt, nicht unwichtige Reſultate. Hubers eingehende Er— 
Örterungen in derVorrede zum 4. Bande der Fontes (S. XI—XX) 
haben insbejondere bei Dttofar Lorenz Widerſpruch gefunden, welcher 
in feinen „Geſchichtsquellen“ unferem Autor einen eigenen Artifel ges 
widmet hat, der aus der erften Auflage unverändert in die neue zweite 
übergegangen iſt? und eben deshalb zu wiederholter Unterfuchung der 
trittigen Punkte anregt. 

Bor Allem die Frage jcheint mir bisher nicht endgültig gelöft 
zu fein, warn denn Heinrich® fchriftitellerifche Thätigkeit ihren Anfang 
genommen. 

Es fei zumächit daran erinnert, daß Heinrichs Chronif nad) feinen 


ı Buerft von E. Höfler in den „Beiträgen zur Geſchichte Böhmen“, 
Abth. I Quellenſammlung, Anhang zum II. Bd., Prag und Leipzig 1865; 
dann von A. Huber in Böhmers Fontes Rer. German. IV, S. 16—126. 

? Dort ©. 56—60; hier Bd. I, S.73—77; cf. Bd. II, S. 248 N. 3 
und ©. 335. Leider find auch zwei Drudfehler ftchen geblieben, weldye zu 
Mifverftändniffen Anlaß geben könnten. Die beiden von Heinrich nad) Kap. 15 
eingeihobenen Briefe find nicht an Clemens V., fondern an Clemens VI. ge: 
richtet, und zum Jahre 1353 fpricht Heinrich nicht von einer Verlobung zwi: 
[hen einer Tochter des Markgrafen Johann Heinrich mit einer Tochter, ſondern 
— a Sohne Herzog Albrechts von Defterreihh (cf. Fontes IV, ©. 39 
und 87). 


300 


eigenen Worten! eine Fortſetzung der Kirchengejchichte des ZTolomeo 
bon Lucca fein foll; und zwar umfaßt die felbjtitändige Arbeit Hein- 
rih8 die Jahre 1333—1361. Denn daß der erfte Theil des Lebens 
Johanns XXI. bis zum Jahre 1323 (Fontes IV, ©. 16—17) 
nicht von Heinrich felbjt herrührt, geht deutlich aus der Ueberſchrift 
des erſten Kapitel® hervor “Hic incipit liber XXV. conscriptus 
a domino H. dapifero de Diessenhoven — — excepto primo 
capitulo hujus libri’, wie dies zuerjt Th. Lindner im eben dieler 
Zeitihrift (Bd. XII, S. 241 Anm. 1) betont hat. In jenem 
Umfange (1333—1361) nun ift die Fortjeßung Heinrichs, foviel 
wir wenigſtens bis jett willen, nur im der obenerwähnten Ulmer 
Handichrifterhalten ; während ein Theil derfelben von 1333—1337(8) — 
mit geringen Abweichungen — noch in anderen Handichriften über» 
liefert und daraus öfters publicirt if. So aus einem oder der 
Baticana (Nr. 3766) ftüchweife von Raynald in den Annales Eccle- 
siastiei zu den Jahren 1333— 1337, und vollftändig im Zuſammen— 
hange von Papebroh in den Acta Sanctorum tom. V Maji; 
ferner von Baluze, der aber wie leider öfters die von ihm benutzte 
Handſchrift nicht angibt, im den Vitae Paparum Avenionensium 
tom. I, ©. 175—178 als ‘quinta Vita Johannis XXI’ und 
©. 219—226 als ‘tertia Vita Benedieti XII’, und endlid) von 
Muratori in den SS. Rerum Italicarum tom. XI, col. 1211— 
1216, aus einer Handichrift der Ambroſiana. „Es ſcheint“, jagt 
nun Huber deshalb (S. XIX), „daß von dem erjten heile der 
Fortſetzung noch vor der Niederfchrift der folgenden Partieen eine 
Abichrift gemacht wurde“. Achnlih König (S. 68): Heinrid) von 
Dieffenhoven habe feine Chronit anfänglich nur bis zum Jahre 
1337(8) fortgeführt und publicirt. Diefe an fi ja ſehr einfache 
und ganz natürliche Erklärung jenes Verhältniffes zwijchen der ganzen 
Vortfegung und dem erften Theile hat fir Huber und König nur 
deshalb Schwierigkeiten, weil Beide annehmen, daß Heinrich erit, 
nachdem er Canonicus in Conſtanz geworden — und als folder iſt 
er feit 1341 urkundlich nachweisbar —, daß er alfo erjt Anfang 
der vierziger Jahre fein Gefchichtswerk überhaupt begonnen habe (jo 
daß der erfte Theil von Gonjtanz aus auf irgend welche Weife in 
jene italienischen Handfchriften Eingang gefunden haben müßte). Der 
Hauptgrund ober vielmehr der einzige Grund diefer Annahme hin= 
wiederum liegt ihnen darin, daß bei dein Jahre 1335 jchon auf 
Benedikts XII. Nachfolger, auf Clemens VI. hingewiefen wird, mwelcer 
erft im Jahre 1342 den päpftlichen Thron beſtieg. Es Heißt nämlich 
dort (Fontes IV, ©. 22): Insuper voluit (Benedietus) exami- 
nari quibus providebat, in quo imitatus fuit eum successor 
suus Clemens VI. Bona consuetudo utinam non obmittenda 


ı Fontes IV, ©. 87: — ut supra in libro XXV. patet intuenti, 
qui est additus cronice precedenti per me H. de Diessenhoven docto- 
rem decretorum canonicum Constantiensem. 


301 


per pontificees Romanos. un fehlt aber gerade diefer Paſſus bei 
Muratori und in den anderen Ausgaben des erſten Theiles; und 
wenn man dies auch den Schreibern der verfchiedenen Handfchriften 
oder dem Schreiber des Archetypus derſelben zur Yajt legen könnte, 
jo ijt man doc) ebenfogut berechtigt, die Folgerung daraus zu ziehen, 
daß jene Worte von Heinrich erſt fpäter hinzugefügt wurden. Da 
ferner in dem erſten Theile der Fortſetzung Heinrichs fonft fein Hin— 
weis auf ein fpäteres Datum vorfommt, fo jteht, wie ich glaube, 
nichts im Wege, die von Huber (und König) gegebene Erklärung da= 
hin zu modificiren, daß man jagt, es fei nicht ſowohl eine Abſchrift 
von dem erjten Theile vor der Niederfchrift der folgenden Partieen 
gemacht worden, fondern vielmehr: derfelbe iſt überhaupt früher, iſt 
vor dem Anfang der vierziger Jahre, iſt mit einem Worte entjtanden, 
bevor Heinrich in Conftanz Canonicus wurde. 

Dafür laſſen fich noch weitere Beweisgründe geltend machen. 
Heinrich hat befanntlich (ef. Fontes IV, ©. 16) die Würde eines 
Kaplans bei Johannes XXII. am päpftlihen Hofe zu Avignon bes 
Heide. „Er dürfte fih hier“, fagt Huber (Vorrede S. XII) von 
1333 bis 1337 aufgehalten haben, da er die Vorgänge diefer Jahre 
offenbar al8 Beobachter in Avignon darjtellt“. Und zum Jahre 
1338 bemerft derjelbe (S. 27 Anm. 1; vgl. Vorr. S. XIII. XIV), 
dar der Verfaffer feinen Standpunkt in Avignon verlaffe und ihn in 
der Didcefe Conftanz nehme. Denn während in jenem eriten Theile 
vorzugsweife Vorgänge an ber päpitlichen Kurie berichtet werden, 
nimmt die Erzählung vom Jahre 1338 ab eine entichieden locale 
Färbung an. Ungereimt fcheint mir nun aber, daß Heinrich als Ca— 
nonicus in Conftanz (in welcher Stellung er ja nad) Huber fein Ge— 
ſchichtowerk erjt begonnen) die Jahre 1333—1337(8) vom Stand- 
punkte eines in Avignon lebenden Beobachters dargeftellt haben ſoll. 
Viel näher liegt doc) vonvornherein die Annahme, daß Heinrich den 
Bericht über jene Jahre noch in Avignon jelbjt zur Zeit feines dor— 
tigen Aufenthaltes und nicht erſt in Gonftanz niedergefchrieben habe. 
Und der Autor gibt uns felbit die befte Beitätigung fiir eine ſolche 
Vermuthung. Sagt er doch an folgender, bisher nicht genügend bes 
achteter Stelle (Fontes IV, S. 86—87): Eodem mense Decem- 
bris anno Domini 1352, 15. kal. Januarii electus fuit in pa- 
pam — Innocentius VI. Inicium seribendi tribuet anno 53, 
quod ab ejus actibus merito incipiet, et utinam bonum finem 
dabit seribendis per me, que incepi tempore pape Jo- 
hannis XXIl.!, ut supra in libro XXV. patet etc... Jo— 
hannes XXII. ftarb am 4. December 1334 (Fontes IV, ©. 21); 
vor diefem Zeitpunft muß alfo Heinrich feine Fortſetzung der Kirchen- 
geihichte begonnen haben. Und da wir gejehen, daß feine felbitän- 
dige Arbeit mit dem Jahre 1333 anhebt, fo bezeichnen wir nunmehr 
diefes als das Anfangsjahr feiner fchriftitelleriichen Thätigfeit. — 


ı Könnte vielleicht auch heißen „von der Zeit Johannes an“? ©, W. 


302 


Damit ftimmt auf das Beſte folgende Stelle. Das 18. Kapitel des 
23. Buches der Kirchengefchichte jchließt in der Ambrofianifchen Hand: 
Ihrift mit einem größeren Paffus (Muratori t. XI col. 11740 — 
1175 A: Habuit et alium fililum — debet poni), welcher von der 
Ermordung König Albrehts I. und der Stiftung des Klofters Kö— 
nigsfelden handelt und offenbar ein Zuſatz Heinrichs von Diefjenhoven 
ift. Die Schlußworte nun dieſes Zufages, in welchen des Aufent« 
haltes der Tochter Albrechts, der früheren Königin von Ungarn 
Agnes, im diefem von ihr vollendeten Klofter gedacht wird, lauten in 
der Ulmer Handichrift etwas anders als bei Muratori. Denn hier 
heißt e8: quae nunc ibi moratur, et sanctam vitam dueit 1333. 
anno, et qui vidit, testatur praemissa. Et inde (vide?) infra 
ista (sic!) lib. XXIV, cap. XXXVII, et ibi ista additio debet 
poni; die Ulmer Handichrift aber liest hier (fol. 252€) folgender: 
maßen: quae nunc ibi moratur et sanctam vitam ducit anno 
Domini 1333, quo hec addicio scripta fuit, sed 
monasterium fundatum est 1308. Et qui vidit testatur pre- 
missa. Et vide infra li. XXIV, capitulo XXVII (sie! falid 
ftatt XXX VII), et ibi ista addicio debet poni. 

Darnach Scheint mir fein Zweifel mehr darüber bleiben zu 
können, daß Heinrich von Dieffenhofen wirklich ſchon in Avignon Hand 
an feine Fortſetzung gelegt hat, indem er höchſt wahrjcheinlich im ein 
Exemplar der Kirchengefchichte des Tolomeo von Lucca fowohl feine 
Zufäge zu einzelnen Stellen derjelben als auch den Anfang feiner eis 
genen Fortfegung von 1333—1337 (8) einfügte. Bon Avignon aus 
fonnte auch wahrlich diefer erſte Theil leichter in andere, italienische 
Handfchriften übergehen, als von Deutichland, von Gonftanz aus. 
Hier als Canonicus hat dann Heinrich fein Gefchichtswerf weiter 
geführt, dabei aber zu dem Vorausgehenden noch einzelne Zufäte, 
wie den obenerwähnten “Insuper voluit — Romanos’, gemadjt und 
einige Aenderungen vorgenonmmen, wie fie und mun in der fchließ- 
lichen Reinſchrift des Ganzen, in der Ulmer Handfchrift, vorliegen. 
Spuren einer jolchen Umarbeitung zeigen namentlich die Kapitel 7 
und 8 de8 25. Buches (im Vergleich zum 43. Kapitel des 24. 
Buches bei Muratori), bei welchen ic; etwas länger verweilen muß, 
weil gerade hier der erfte Theil bei Muratori und in den anderen 
Ausgaben fchlieft. 

Es beginnt Kap. 7 (Fontes IV, ©. 25) mit der Entjcheidung 
der quaestio visionis durch Benedikt XII. am 29. Januar 1336 
(4. kal. Februarii), der Frage nämlich, ob die Seeligen Gott von 
Angefiht zu Angeficht ſchauen (Anno autem — publicari man- 
davit). Dann wird die Zurüdnahme der Erlaubniß erwähnt, die 
firhlichen Zehnten für den verabredeten Kreuzzug, zu welchem fid) 
namentlih Philipp VI. von Frankreich verpflichtet Hatte, zu verwen 
den (Revocavit eciam papa — Fuit autem revocatio facta 
anno supradieto — d. i. 1336 — 17. kal. Januarii, alſo am 
16. December 1335). Soweit ftimmen auch Muratori und die An— 


303 


deren überein. Nun aber folgt in der Ulmer Handfchrift fogleich 
als Schluffag von Kap. 7 ein Paſſus, der gewifermaßen die Hand» 
lungen Benedift8 XII. in feinem Pontififat bi8 zum Jahre 1336 
zufammenfaffen fol. Er bejagt nämlih, Benedikt Habe feit feiner 
Erwählung (December 1334) bis zum Ende des genannten Jahres 
1336 außer dem vorher Erzählten ſonſt nichts befonders Denkwür— 
diges vollführt; nur kurz wird noch feiner Bauten in Avignon ges 
dadit (A tempore autem sue creationis usque ad annum 36. 
completum papa Benedictus XII. preter premissa nichil dig- 
num relatione fecit — alta existit)., Dieſer ganze Paſſus folgt 
bei Muratori und den Anderen erſt ſpäter. Dafür haben fie an 
diefer Stelle, unmittelbar nach der Revocatio decimarum einige 
Sätze mehr (die Huber in Klammern eingefchloffen), von denen der 
erite meldet, daß am 3. März 1336 Philipp VI. mit Benedikt eine 
Unterredung über den Kreuzzug Hatte, der am 1. Auguft des ver- 
floffenen Jahres hätte angetreten werden follen (quod debebat in- 
cepisse kal. Augusti proxime preteriti)!. Werner werden die 
Nachıtheile Hervorgehoben, welche aus dem Scheitern des Kreuzzugss 
planes bejonders den Armeniern erwuchſen. Endlich) wird nod) die 
im Jahre 1337? erfolgte Abjolution Herzog Heinrichs von Nieder- 
baiern erwähnt. 

Mebereinftimmend mit Muratori zc. erzählt ſodann Kap. 8 
(Fontes IV, ©. 26) zuerft von der freundlichen Aufnahme der Ab- 
geiandten Kaifer Ludwigs des Baiern durch Benedikt in Avignon (am 
3l. Januar 1337) und hierauf von der Meſſe, welche Benedikt am 
30, März 1337 celebrirte, bei welcher Gelegenheit er dem einen 
jener Gejandten, dem Pfalzgrafen Rupert, Herzog von Baiern, Lud⸗ 
wigs Neffen, die goldene Rofe verlieh ?.. Der andere Geſandte war 
der Graf Wilhelm von Jülich, deffen Taufname hier in der Ulmer 
Handjchrift gar nicht, bei Muratori ꝛc. aber fälſchlich Konrad ge- 
nannt wird. Auch über den Tag der Ankunft der franzöfifchen Ge— 
jandten differiven die Ulmer Handſchrift und die Ausgaben; denn 
jene jet fie auf den 3., diefe auf den 1. April 1337. Das find 
num freilich Verfchiedenheiten, die nicht nothiwendig dem Autor zuges 
Ihrieben werden müffen, fondern leicht von den Schreibern herrühren 
Önnen. Anders ift e8 mit dem Bericht über die abjchlägige Ant— 
wort, welche Benedikt jchlieglih (am 11. April 1337) den erwähnten 
Sejandten Ludwigs ertheilte. Denn während diefelbe in der Ulmer 


* Eben biefe Bemerkung zwingt uns aber, mit Raynald ad ann. 1337 
Nr. 22 die Unterredung in das Jahr 1337 zu verlegen, da der Antritt des 
Kreuzzuges anf den 1. Auguft 1336 feftgefetst worden war, wie aus Raynald 
ad ann. 1336 Nr. 43 hervorgeht. 

* Nad) Böhmer, Reg. Imper. 1314—1347 ©. 228 Nr. 142, am 20. 
Oltober 1337. 

® Nur diefer kann unter dem ‘duci praedicto' (Fontes IV, ©. 26) 
er fein; Ruperts Bater, Rudolf I., war befannlid) ſchon früher ge- 

en. 


304 


Handichrift etwas ausführlicher mitgetheilt wird, befchränft fich bei 
Muratori zc. der Bericht auf ein paar Worte und auf die Hervor- 
hebung des Grundes, warum Benedikt fi) weigerte, Ludwig vom 
Banne Loszufprehen (Col. 1216 D: Item 3. idus Aprilis re- 
spondit praedietis nuntiis, quod dominus eorum non esset pe- 
nitens, et ideirco ad presens ipsum non posset absolvere). 
Unmittelbar daran fchließen fich bei Muratori ꝛc. die in der Ulmer 
Handichrift fehlenden Worte: Et sic nunquam absolvit eum papa 
Benedictus XII., quia moriebatur sub anno Domini 1342. 

So wird aljo in dem eriten Theile von Heinrichs Fortſetzung 
doch noch ein fpäteres Datum erwähnt! wird man vielleicht jagen und 
al8 Argument gegen meine obigen Auseinanderfegungen über die Ab» 
faffung dieſes Theiles in Avignon vorbringen. Ich will dagegen 
nicht nochmals auf die pofitiven Zeugnijfe, die ich oben angeführt, 
verweilen, ſondern möchte nur fragen, warum denn gerade dieſe 
Worte in der Ulmer Handichrift fehlen. In Avignon kann fie Hein- 
rich auch nicht gefchrieben haben, weil er ja wenigiten® feit 1341 
Canonicus in Gonitanz war; man wird fie daher nothwendig ale 
einen Zuſatz eines Anderen erklären müſſen, vielleicht desjenigen, der 
zuerſt die Kirchengejchichte mit der Fortſetzung Heinrichs copirte und 
auch wohl oben den falfchen Namen Konrad bei dem Grafen von 
Jülich zugefett hat. — Etwas anders liegt die Sadje bei den oben 
(S. 303) angeführten Säten zum Jahre 1337 (Unterredung Phi— 
(ipps VI. mit Benediftt — Abfolution Heinrich® von Niederbaiern), 
die ja gleichfall8 in der Ulmer Handichrift fehlen. Hier könnte man 
vermuthen, daß Heinrich fpäter bei der Umarbeitung, wie er die von 
Benedift den Geſandten Yudwigs ertheilte Antwort weiter ausführte, 
jo jene Sätze geitrichen habe. 

Auffallend iſt ferner die Stellung des in der Ulmer Handſchrift 
den Schluß von Rap. 7 bildenden Sates ‘A tempore autem suae 
creationis — alta existit’ (cf. oben). Bei Muratori ꝛc. folgt 
derjelbe nämlich erjt hier nach den Worten “Et sic nunquam ete. 
und fchließt die ganze Fortfegung des Tolomeo (bei Baluze die 
“tertia vita Benedieti XII). Dabei ift noch zu bemerfen, daß es 
bei Baluze ftatt “usque ad annum 36. completum’ heißt “usque 
ad annum septimum completum’. Da aber die anderen Hand- 
Ichriften und auch ein Coder der Barberinifchen Bibliothef in Rom 
(Nr. 181), den ich eingefehen, die erftere Yesart Haben, halte ich das 
‘septimum’ für eine Aenderung von Baluze, welche er vielleicht des⸗ 
halb fich erlaubte, weil aus dem Jahre 1337 noch verfchiedene Er- 
eigniffe erzählt find. Denn freilich, iſt „1336“ die richtige Yesart, 
jo gehört der Sat dahin, wo er jett in der Ulmer Handfchrift fteht, 
an den Schluß von Kap. 7. Auf die Frage aber, warum bei Mu— 
ratori ꝛc. der Sat eine andere, unrichtige Stellung erhalten hat, 
möchte man mit der DVermuthung antworten, daß Heinrich feine 
Fortfeung zuerft mit den Jahre 1336, und zwar eben mit jenem 
Sape ‘A tempore — existit’ abgefchloffen und dann die Ereignifje 


305 


des Yahres 1337 am Rande feines Eremplars der Kirchengefchichte 
beigefügt habe, der Schreiber aber, der dieje zuerjt copirte, unbedacht- 
famer Weife die Ereignilfe des Jahres 1337 in das Jahr 1336 
hineinzwängte. Man fann für diefe Anficht ſogar ein jcheinbar recht 
gewichtiged Moment anführen. Raynald jagt nämlich (ad ann. 
1335 Nr. 67), daß im dem von ihm bemugten Manufeript der Kirchen- 
geihihte — nad) Huber eben Cod. Vaticanus Nr. 3766 — fid) 
folgende Schlußnotiz finde: Finitus est liber iste anno Domini 
1337, die 14. Januarii. Damit würde jener Schlußſatz ‘A tem- 
pore suae creationis usque ad annum 36. completum ete. 
vortrefflich ftimmen. Aber abgejehen davon, daß Naynald wohl aus 
der nämlichen pay jpätere Daten des Jahres 1337 anführt 
(ad ann. 1337 Nr.5, 22) — die man als fpätere Zujäge erklären 
müßte — ber Cod. Vatic. 3766 enthält, wie mir H. Dr. Ewald 
auf meine Anfrage mitzutheilen die Güte hatte, jene Schlufnotiz gar 
nicht. Dagegen ftehen fie in der nämlichen Faſſung in dem bereits 
itirten Cod. Barberinus (Wr. 181); nur jtand zuerft da ‘anno 
Domini MCCCCXXXVI. Das lette C aber ift durchſtrichen, und 
an den Rand hat eine andere Hand die Bemerkung zugejegt: per 
scriptorem qui copiavit illum. Ob nun Raynald aus diefer 
Handfchrift oder aus einer anderen jene Notiz aufgenommen hat, man 
wird ihr jedenfalls fein beſonderes Gewicht beilegen dürfen. 
Endlich iſt noch ein Paſſus zu beſprechen, der vielleicht geeignet 
it, die früher angenommene Grenze der Arbeit und des Aufenthaltes 
einrichs in Avignon weiter Hinauszurüden. “Der erjte Abſatz von 
ap. 9 in der Ulmer Handichrift (Fontes IV, ©. 27) berichtet von 
der Zufammenkunft Kaifer Yudwigs des Baiern mit König Eduard 
von England im Auguft 1338 zu Koblenz: Anno Domini 1338. 
Johannes (faljch ſtatt Eduard) rex Anglorum transfretavit de 
mense Augusti et venit in Confluentiam, quod dieitur Co- 
blenez, dyoc. Magunt. (faljch ftatt Trier), ad Ludewicum ete. 
(sic!), ubi erant electoresomnesexcepto rege Bohe- 
miae, et ibi firmaverunt se ituros contra regem Ludewicum 
(falſch ftatt Philipp) Francie, et aggressionem se facturos et in- 
cepturos in proximo festo sancti Georgii, sed minime com- 
pleverunt. Dies kann eigentlich nicht vor dem April 1339 ges 
Ihrieben fein. Bis dahin müßte fich alſo Heinrich in Avignon aufs 
gehalten Haben ; denn der nämliche Paſſus findet ſich Schon in dem 
Cod. Ambrosianus (Muratori col. 1213 E) und, wie mir 9. 
Dr. Ewald gefälligſt mitgetheilt, ebenfo im Cod. Vatiecanus 3766 ! — 
in beiden Handichriften jedoch an einer ganz anderen Stelle, als in 
der Ulmer Handſchrift: nämlich eingefchoben zwifchen die Erzählung 
vom Tode Johanns XXII. (4. December 1334) und dem darauf- 
folgenden Gonclave (13. December 1334)! Man wird diefen auf- 


Ob auch in ber Barberinifchen Handſchrift, weiß ich nicht; Baluze und 
Papebroch haben ihn weggelafien. 


306 


fallenden Uinftand kaum anders erklären können, als durch die An— 
nahme, daß Heinrich diefen Paſſus in feinem Exemplar der Kirchen- 
geichichte ohne Nücdficht auf den Zufammenhang am Rande flüchtig 
notirt hatte, der Schreiber der Ambrofianifchen Handihrift aber (oder 
des Archetypus derjelben) bei der Abjchrift ebenſo gedanfenlos ver— 
fuhr. — Zu verwundern ift, wie man bisher gänzlich überjehen Hat, 
dag Heinrich) von Diejjenhoven diefe Zujfammenkunft Ludwigs mit 
Eduard zweimal erzählt: das erſte Mal an der angegebenen Stelle 
(Fontes IV, ©. 27) und danı nad anderen Vorfällen des Jahres 
1338 nicht eben viel ſpäter (S. 29) in folgender Weife: Anno 
predicto 38. mense Augusti Edewardus rex Anglie cum sua 
milicia numero quatuor milia equitum transfretavit et sexa- 
ginta milia peditum. Et venit ad predietum Ludewicum in 
Confluencia, et erant ibi omnes electores excepto archiepiscopo 
Coloniensi, sed frater suus comes Juliacensis loco suo erat 
cum pleno mandato. Ibi eciam aderat rex Bohemie. 
Sed ceteri principes et plures alii promiserunt se ituros post 
festum sancti Georgii contra regem Francie .cum domino Lu- 
dewico et rege Anglie, qui magnam pecuniam predictis prin- 
cipibus promiserat et partim jam dederat. Et ob banc cau- 
sam mare remeare disposuit, ut aggressio predicta cicius ex- 
pleretur. Daraus gewinne ih ein neues Argument für meine 
Behauptung, Heinrich habe jenen erjten Theil von 1333—1338(9), 
wie wir nun richtiger jagen müſſen, noch in Avignon verfaßt. Warum 
hätte er ſonſt dajjelbe Faktum zweimal erzählen follen? Er Hat 
offenbar, wie er als Canonicus in Gonftanz feine Arbeit fortführte, 
die Darjtellung bei dem Syahre 1338 wieder aufnehmend VBeranlafjung 
genommen, über die Zufammenfunft ausführlicher zu berichten. 

Hier bietet ſich uns Gelegenheit, die Erörterung einer anderen 
Trage anzufnüpfen: diefer nämlich, ob die Ulmer Handſchrift wirklich, 
wie Lorenz meint, von Heinrich felbft angelegt it. Dann müßten 
freilich feine Zuſätze zur Kirchengeſchichte auch äußerlich als ſolche 
ſichtbar ſein; dies iſt jedoch nicht der Fall: ſie ſind in der Ulmer 
Handſchrift bereits in den Text übergegangen. Aber vielleicht iſt dieſe 
eine von Heinrich verfertigte Reinſchrift? Vergleicht man die beiden 
Berichte über die Zuſammenkunft von 1338, ſo fällt außer der 
größeren Reichhaltigkeit, welche die zweite Verſion auszeichnet, nament— 
lich eine Differenz fofort auf. Sie betrifft den König Johann von 
Böhmen, von dem es an der erſten Stelle heißt, er ſei in Coblenz 
nicht zugegen geweſen, während an der zweiten das Gegentheil davon 
behauptet wird. Daß aber das Erſtere der Fall war, dafür bedarf 
es, glaube ich, kaum eines urkundlichen Nachweiſes, wiewohl es auch 
an einem ſolchen nicht fehlt. Denn faßt man den Ausdruck ‘eciam’ 


ı In der am 5. September 1338 zu Coblenz erlaffenen Urkunde, in 
welder Ludwig die zu Coblenz beſchloſſenen Reichsgeſetze verlündigt (Böhmer, 
Fontes I, ©. 219) wird er (jowie der Erzbifchof von Eöln) nicht aufgeführt. 


307 


und die Worte Sed ceteri prineipes’ der zweiten Stelle ins Auge, 
fo erhellt daraus, daß Yohann von Böhmen, wie der Erzbiſchof 
Walram von Cöoln, nicht anweſend war, und daß es jtatt Tbi 
eciam aderat heißen jollte Thi eciam aberat rex 
Bohemie. 

Wenn ih nun diejen Irrthum nicht Heinrich, fondern einem 
Schreiber zur Laſt lege, wird man vielleicht entgegnen, daß aud) der 
Autor bei einer Reinſchrift ſich eines ſolchen Schreibfehlers ſchuldig 
machen konnte; wie wir jchon früher (S. 9) einen anderen gerügt 
haben, indem bei der Additio zu 1. XXIII e. XVII in der Ulmer 
Handihrift Fälichlih auf 1. XXIV c. XXVI jtatt XXXVII ver- 
wiefen wird !. Aber faum möglich ift diefer Einwand, wenn es bei 
dem Zufat Heinrichs zu Albreht I. (l. XXIV ec. XXXVII) in der 
Ulmer Handſchrift fol. 255 heißt (ef. Fontes IV, ©. XVII): Ad- 
dieio domini H. Dapiferi de Diessenhoven, qui historiam 
continuat a morte Johannis pape XXIL, cujus ca- 
pellanus fuit. Denn dies iſt thatſächlich unrichtig; Heinrichs Fort— 
ſetzung beginnt anerkanntermaßen mit dem Jahre 1333, alſo noch 
während des Pontificates Johanns XXII., nicht erſt mit deſſen Tode. 
Dieſer Irrthum, der überdies in Widerſpruch ſteht mit der Ueber— 
ſchtift von J. XXV c. I, wo nur dies erſte Kapitel als nicht Hein— 
rich jelbft angehörend bezeichnet ift — diefer Irrthum, fage ich, ift 
zu groß, als daß man ihm dem Autor felbjt zujchreiben könnte. 

Die Hand, welche diefen Zufag gejchrieben hat, ijt aber aud) 
entihieden die nämliche, von welcher die vorausgehende Kirchengefchichte 
und die nachfolgende Fortjeßung zum Theil herrührt. Böhmer hat 
gemeint (cf. Fontes IV, ©. XVII), daß diefe urfprüngliche Hand 
nur bis fol. 272 (bis zum Jahre 1345) reihe, und dat fol. 273 
bei veränderter Liniirung eine etwas abweichende Schrift beginne. 
Diefer Anficht kann ich mic ebenfowenig anfchliegen als Huber, 
welcher (ibid. Anmerkung) auch diefen Theil bis fol. 281d (bis zum 
Jahre 1349) der erften Hand zufchreibt. Und dies gewiß mit Recht. 
Es beginnt mit fol. 273 (mit den Worten “in bonis predicti co- 
mitis’ Fontes IV, ©. 48 3. 13 v. u. mitten im Sage!) lediglich) 
ein neuer Quaternio; daher die veränderte Yiniirung. Ya, Doceu, 
welher zuerſt die Handfchrift beichrieben, geht jo weit (Archiv d. ©. 
f. ä. d. G. Bd. I, ©. 31), ſelbſt den folgenden Theil von fol. 282 
bis fol. 287 (von 1349—1354 Fontes IV, ©. 74 3.6. v. u. 
‘Reservati attem fuerunt — ©. 95 3. 12 v. o. die Thome 
apostoli’) der erjten Hand zuzuschreiben; und fie zeigt allerdings noch, 


Henricus Kuyghtons Notiz (ibid. ©. 191 cf. S. XXI), daß der Erzbischof 
von Cöln damals die Meſſe celebrirt habe, kann alfo nicht richtig fein. Vgl. 
Johannes Bictorienfis (Fontes I, ©. 432): — — presentibus Moguntino, 
Treverensi episcopis. 

Aeyhnlicher Flüchtigfeitsfehler finden fich jehr viele; 3. B. heißt es in 
der Addicio zu c. XLI ftatt ‘Recedente Ludovico de Pisis’ (col. 1210 C) 
in der Handichrift ‘Rec. Lud, de ipsis’! 


308 


wie Böhmer fagt, die Heine rundlihe Schrift aus Yudwigs des 
Baiern Zeit!, aber dod) einen von der erjten Hand etwas verſchie— 
denen Charakter. Vollends bei dem legten Theile von fol. 287 an 
fann fein Zweifel darüber beitehen, daß man es mit einer ganz ans 
deren Hand zu thun hat. ch vermag nun aber nicht mit Yorenz 
einzufehen, warum Böhmer Borausjegung jo verfehrt fein ſoll, daß 
Heinrich fih (im Alter) feine eigenen Notaten habe kopiren lajjen. 

pricht Yorenz ja jelbjt die Vermuthung aus, daß „Heinric während 
der erjten zwei oder drei Jahre feines Gonftanzer Ganonicatd eine 
Fortſetzung des Ptolemäus Lucenſis redigirte, diefe Arbeit aber fallen 
ließ, und fich dann damit begnügte, die ihm befannt gewordenen Er: 
eigniffe der Zeit annaliſtiſch und ganz gelegentlich, wahrſcheinlich unter 
jeiner Auffiht von mehreren anderen Perſonen verzeichnen zu 
laſſen“. Von dem erjten Theile aber bis fol. 281d (bis zum Jahre 
1349) glaube ich nachgewiejen zu haben, daß er nicht von Heinrichs 
eigener Hand gejchrieben. In dem zweiten Theile, wenn ich fo fagen 
darf, fand ich eine beachtenswerthe Raſur, deren bei Huber nicht ges 
dadıt wird. In dem Abjchnitt ‘De quibusdam que astronomus 
quidem Parysiensis (fo die Handfchrift mit der gewöhnlichen Ab- 
fürzung p) futura esse scripsit’ (Fontes IV, ©. 76) heißt e®: 
— — Item anno L. quarto recuperabitur terra sancta et 
Constinopolim (jo die Handichrift) et multi Latini eicientur. 
Item anno LXX. septimo duo erunt pape, unus Londenensis, 
alter Rome, et se mutuo excommunicabunt, sed Londenensis 
justus, alter, id est Romanus, injustus. Das LXX num it 
Raſur, und es ijt noch deutlich fichtbar, daß zuvor nur L da jtand. 
Meberdie8 macht eine Hand und das Wort Nota' am Rande aus— 
drücklich auf diefe Stelle aufmerkſam, welche in ihrer veränderten Ge— 
jtalt offenbar auf John Wiclif anfpielt, gegen den die Kurie eben im 
Jahre 1377 energiicher auftrat (vgl. R. Pauli, Bilder aus Alteng- 
land, 2. Aufl. 1876, ©. 240 ff.). Da Heinrid von Diefjenhoven 
\hon 1376 jtarb (Fontes IV, ©. XIII), jo kann er jelbjt die Aen— 
derung nicht mehr vorgenommen haben. Ich war Anfangs geneigt, 
fie der Hand zuzuschreiben, welche den letzten Theil geichrieben; aber 
ic) wage dies nicht zu enticheiden. — Aus diefem legten Theile ver— 
dient bemerft zu werden, daß die drei Abjchnitte des Jahres 1360 
(Fontes IV, ©. 118—119 ‘Item quod imperator — episcopum 
Constantiensem’) in der Handſchrift an einer anderen Stelle ftehen, 
als es nad) der Ausgabe den Anjchein hat. Sie folgen nämlich dort 
erst am Schluß des Werfes auf einem eigenen Blatt (fol. 296) und 
darüber ftehen mit Mennig gefchrieben die Worte: ‘Gesta trium men- 
sium subscriptorum deberent stare, si in loco debito starent, 


in anno LX, ubi reperitur hoc signum o PB, quod si invenire 
1) 


* Lorenz hat diefen Ausſpruch Böhmers fälſchlich auf dem erften Theil bis 
1341 (sic!) bezogen. 


309 


vis, verte duo folia et in tercio fere in fine invenies. Und 
dem entfprechend ftehen zwei Blätter weiter vorne (fol. 295d) bei den 
Worten ‘remanserunt usque ad’ (Fontes IV, S. 117) am Rande 
folgende: Gesta trium mensium require in fine libri hoc 


signo Bo. — Alles dies von der legten Hand. Ob man e8 hier 


d 
mit einem Verfehen des Schreibers zu thun hat, oder ob der Bericht 
über die Vorgänge jener drei Monate erjt ſpäter abgefaßt worden, 
bleibt fraglich. 

Doch wenden wir und mun zu ber Anjicht von Yorenz über 
Heinrichs Chronik felbft, die ſchon in dem vorher mitgetheilten Sage 
angedeutet ift. Es jcheint Lorenz nicht zweifelhaft, daß „Heinrich® 
im ftrengeren Sinne redigirte Arbeit wit dem Jahre 1343, d. 5. 
mit dem Rap. 15 (Fontes IV, ©. 38) ſchließt“, welches übrigens 
nicht vor dem Jahre 1345 gejchrieben fein fan, da in dem voraus— 
gehenden Kapitel (14), wie Lorenz felbjt betont, bereit8 auf ein Er— 
eignig des Jahres 1345 Hingewiefen wird!. Denn mit diefem 
Jahre 1343 fchließe die Kapitelbezeichuung (in der Ulmer Handſchrift) 
a. Dabei hat Lorenz aber überjehen, daß es mit der Kapitelbezeich- 
nung überhaupt eigenthümlich beftellt ift, daß fie eine ungenaue, feh— 
lerhafte ift. Denn das auf Kap. 7 folgende Kapitel ift in der Hand- 
\hrift „gar nicht numerirt; Hierauf wird mit Kap. 6—9 weiter ge= 
fahren; dann find vier nicht numerirt, hierauf kommt Kap. 10, dann 
wieder zwei ungezählte, weiter Kap. 1I—15, morauf die Zählung 
ganz aufhört“ (Huber, Fontes IV, ©. XVII). Ob man gerade 
bierin Zeichen einer ftreng redigirten Arbeit erblicen darf, möchte 
fraglich fein?, Wenig ftichhaltig fcheint mir auch folgende Begrün- 
dung. Lorenz fagt nämlich ferner: „Erwägt man überdies, wie es 
gewiß fein Zufall fein dürfte, daß eben um die Zeit, wo der redigirte 
Theil des 25. Buches fchließt, unfer Heinrich eine veränderte Lebens— 
fellung erhalten Hat, indem er eben um das Jahr 1340 Canonicus 
in Conjtanz geworden ift, jo mag man die Annahme für gerechtfertigt 
finden, daß der neue Ganonicus eben nur noch Zeit gewann, feine 
Notaten zwei bis drei Jahre fortzufegen, um dann das Scidjal 
feiner italienifchen Chronit anderen Händen anzuvertrauen“. Ganz 
abgeiehen davon, daß Lorenz hier von zwei bis drei Jahren fpricht, 
während er doch felbft früher bemerkt, daß das Kap. 14 nicht vor 
1345 gefchrieben: aus der „veränderten Pebensftellung“ läßt ſich — 
wenn man diefelbe überhaupt als Argument benugen will — wohl 


I 8 ift dort in Kap. 14 nämlich von dem am 19. San. 1343 (Fontes 
IV, &. XIV) gefchloffenen Waffenftiliftand zwifchen England und Frankreich 
ht Rede und wird zugleich defien Bruch erwähnt, der im Sommer 1345 er« 

te, 


So iſt 3. B. auch der Schluß von Kap. 3 (S. 18 anno Domini — 
Epiphaniam) in der Handichrift in den Anfang von Kap. 4 geſetzt! Es folgen 
ter nad) Epiph. noch die von Huber ausgelaffenen Worte: et conclusit ut 
supra, 


XVIII. 21 


310 


eher der umgekehrte Schluß ziehen. ine neue Xebensftellung läßt 
im Anfange wohl eher feine Zeit übrig, eine derartige Arbeit fortzu: 
fegen, vollends gar „im ftrengeren Sinne zu redigiren”. 

Grinnern wir uns vielmehr (cf. oben S. 300), daß in der Ulmer 
Handichrift bei der Erwählung Benedikts XII. bereit8 auf deſſen 
Nachfolger Hingewiefen wird (Fontes IV, ©. 22 Insuper — Ro- 
manos); erwägen wir ferner, daß (ibid. ©. 29) bei der Verleihung 
der Kardinalswürde an den Erzbifchof Petrus von Rouen im Jahre 
1338 ebenfalls ſchon feiner fpäteren Erhebung auf den päpftlichen 
Thron (al8 Clemens VI.) gedacht wird, daß unter demjelben Yahre 
(ibid. ©. 30) Heinrich die allzu große Strenge Benedikts tadelt, der 
niemal® aud nur auf furze Zeit das über Deutjchland verhängte 
Interdikt habe fuspendiren wollen — was nicht vor Benedikts Tod 
(im Yahre 1342) gejchrieben fein fann — und daß bei dem Jahre 
1339 (ibid. ©. 32) bereit8 auf die Bermählung Ludwigs des Bran- 
denburger8 mit Margaretha Maultaſch (ebenfalls im Jahre 1342) 
angejpielt und Hinzugefett wird ‘ut infra dicetur tempore oppor- 
tuno’: jo werden wir mit Huber den Beginn von Heinrichs Arbeit 
in Conftanz in eben die Zeit feen, in welcher er jie nad) Lorenz 
fallen ließ, das Heißt in die Zeit nad) Mitte 1342 (am 7. Mai 
1342 wurde Clemens VI. gewählt, ibid. S. 37); vielleicht fogar im 
Hinblid auf das nicht vor 1345 gejchriebene Kap. 14 (cf. oben) 
und auf Kap. 10 (ibid. ©. 31), wo Heinrich von der väterlichen 
Bürforge Herzog Albrechts II. von Deftreich für feine beiden unmün— 
digen, 1344 geftorbenen, Neffen Friedrich und Leopold fpricht !, erit 
in da8 Jahr 1345. Von diefem Jahre an fchreibt Heinrich, wie 
Huber im Einzelnen nachgewiejen, faft ganz gleichzeitig. 

Nur eine Bemerkung muß ich mir gegen diefen noch erlauben. 
Das Interdikt, welches von Johannes XXIL. (1324) über Ludwigs 
Lande verhängt worden war, hatte daſelbſt allenthalben Spaltungen 
hervorgerufen. In den einzelnen Städten ftanden Bürger und Mis 
noriten der Geiftlichkeit und den Predigermönchen gegenüber. Die 
unerquidlihen Zuftände, die fi) aus diefem Schisma entwidelten, 
ſchildert Heinrich fpeciell von Conftanz an mehreren Stellen (Fontes 
IV, ©. 30. 38. 50. 65. 71. 73). Die Bürger vertrieben bie 
Predigermöncde aus der Stadt, nur wenige fchismatifche blieben zus 
rüd. Von diefen fagt Heinrih (S. 65) zum Jahre 1348: novem 
annos prophanaverunt, dum hoc sceripsi? „Da num“, fett 
Huber (S. XIV) erflärend Hinzu, „die Nichtachtung des Interdiktes 
in Conftanz Anfangs 1339 begonnen hatte (S. 30; vgl. ©. TI), 
jo zeigt fih, daß der Verfaſſer dies ganz gleichzeitig niedergefchrieben 
hat“. Soll dies joviel heißen, daß Heinrich bereits 1339 mit feiner 


! Quos dux Albertus nutrivit ut filios, quamvis et ipse filium 
genuisset nomine Rudolfum (geboren im Nov. 1339, Fontes IV, ©. 33), 
ıpsos tamen paterne prosecutus est. Ihr Tod wird berichtet S. 45. 

” Im der Handidrift fol. 278c: novem annis prophanaverant dum 
hec scripsi. 


311 


Arbeit begonnen, fo würde dies mit Hubers fonftigen Ausführungen 
in entjhiedenem Widerfpruch ftehen. Doch zweifle ich, ob Huber den 
Ausdruck dum heec scripsi’ dahin verftanden hat, ob man ihn über- 
haupt in dem Sinne abfoluter Gleichzeitigfeit auffaffen muß. Nicht 
unerwähnt darf ich laſſen, daß der Zuſatz, der fi in l. XXIV 
c. XX der Kirchengeſchichte über den Kardinal Neapolio de Urfinis 
in dem Cod. Ambrosianus und nad gütiger Mittheilung des 9. 
Dr. Ewald aud) im Cod. Vaticanus 3766 findet und fo lautet 
(Muratori col. 1194 E): qui adhuc superest anno Domini 
MCCCXXXVIIL in Epiphania Domini, in der Ulmer Handſchrift 
(fol. 258d) geändert ift in: qui adhuc superfuit anno Do- 
mini MCCCXXXIX. in E. D. Und im 37. Kapitel des 
24. Buches der Kirchengefchichte, wo Heinrich in einer längeren Ad- 
dicio die Söhne König Albrechts I. nennt, findet fich zu Albrecht IL 
bon Oeſtreich (Mur. col. 1204 CD) in der Ulmer Handſchrift die 
beachtenswerthe Notiz (fol. 262b): qui omnibus (sc. fratribus 
suis) supervixit. Von den fünf anderen Söhnen Albrechts I. 
ftarb Rudolf im Jahre 1307, Leopold 1326, Heinricd 1327, Frie- 
drih 1330, Otto aber nad Heinrich® eigener Angabe (Fontes IV, 
©. 31) am 16. Februar 1339 (14. kal. Marcii). Don deffen 
Tod hat Heinrich eben wahrſcheinlich erft in Conftanz Kenntniß er- 
halter und daraufhin jene Worte Hinzugefügt !. 

Auch diefe beiden Stellen fcheinen mir eine VBeftätigung meiner 
Arfiht zu enthalten, die ich in Kürze dahin zufammenfaffen möchte: 
Heinrich, von Dieffenhoven beginnt feine Fortfegung der Kirchengefchichte 
ded Tolomeo von Lucca noch in Avignon im Jahre 1333 und führt 
fie bier fort bis zum Jahre 1338(9). Von hier, von Avignon aus, 
findet diefer erfte Theil Eingang in andere (italienifche) Handichriften 
der Kirchengeſchiche. In Conftanz, wohin Heinrich) vielleicht im 
Jahre 1339 ſchon übergeſiedelt, fett er Anfangs oder Mitte der vier- 
nger Jahre feine Arbeit fort, den Baden der Erzählung bei den Er— 
eigniffen des Jahres 1338 wieder aufnehmend und im Vorherge— 
henden einzelnes ändernd, anderes zufegend. Die in der Ulmer 
Handihrift vorliegende Reinſchrift aber hat er nicht ſelbſt beforgt ®. 

Endlich ift noch der Irrthum Lorenz’ zu berichtigen, daß in der 
Umer Handfchrift „mit großer Genauigkeit alle von Heinrich ges 
madten Zufäge zum Ptolemäus als folche bezeichnet fein follen“ ®, 
Der Sag ‘et ipse Rodulphus — reperiuntur’ in 1. XXI 
e. III (Muratori col. 1166 C) 3.8. ift meiner Anficht nach eben= 


Sollten fich vielleicht auf diefe Zufäte die Worte ‘dum hec scripsi’ 
beiehen? oder darauf, daß Heinrich etwa 1339 mit der Abſchrift der Kirchen 
geihichte beginnen ließ? 

Weilands Hypothefe (in Sybels Hiftor. Zeitf hr. XXXIV, 429), daß von 
Heinrichs Chronik ausgeführtere Reinſchrifien eriftiren könnten, fcheint mir des: 
halb nicht vecht plaufibel. 

’ Aus dem in unferer Handfchrift fehlenden Theile der Kirchengefchichte 
halte ich den Paſſus ‘Quod hodie apparet — Papam’ 1. XII c. VII (Mu- 
satori col. 933 A) für einen Zufag Heinrichs von Diefjenhoven. 


21* 


312 


falls ein Zufag Heinrichs, ohne daß derfelbe in unferer Handichrift 
als folcher bezeichnet wäre. Bei der ſchon beiprochenen Addicio zu 
l. XXIII c. XVII (Muratori col. 1174C) — 1175 A Habuit 
et alium — debet poni) ijt nicht erwähnt, daß fie von Heinrich 
jei; auch wird der Anfang nicht ausdrücdlic; angegeben. Ebenſo be» 
trachte ic) als Zufag Heinrichs ibid. c. XX die Worte ‘nomine 
Elisabeth, quae sibi filiium nomine Rodulphum, qui fuit rex 
Bohemiae, genuit ete. — comiti de Oetingen’! und ebenda- 
jelbft ‘quem (sc. Ludovicum) papa Joannes XXII. crebro ex- 
communicat' (Muratori col. 1175 E und 1176 A); ferner 
1. XXIV ec. XX die gleichfalls ſchon von mir citirten Worte ‘qui 
adhuc — Domini’ (Muratori col. 1194 C)?. Daß Heinrid in 
den Bericht über den Römerzug Heinrihs VII. ibid. c. XL einige 
Worte eingefchoben hat (col. 1206 B ‘inter quos fuit dux Au- 
striae nomine Lupoldus’; D “nter quos dominus Lupoldus 
dux Austriae et Stiriae, filius regis Alberti, cum suis mag- 
nam stragem fecit'; 1207 D ‘dioecesis Basiliensis’) — dies 
hat bereits König (S. 69) hervorgehoben; jowie, daß die Verſe auf 
Heinrichs VII. Tod (col. 1209 A) von Heinrich) von Diefjenhoven 
berrühren, der in der vorausgehenden Addicio (col. 1208 D) ja 
Ihon von der angeblichen Vergiftung des Kaifers ſpricht. Vielleicht 
find auch die Verſe auf Kaifer Albrecht (Muratori col. 1204 D), 
welche in der Ulmer Handichrift wörtlich gleichlautend bereits bei 
Adolfs Tod in den Text (col. 1198 C vor ‘Regnavit autem') 
eingefügt find, Heinrich zuzuschreiben, und ift die Grabjchrift auf 
König Rudolf (col. 1198 A) erjt von ihm zugefet worden. Doch 
farın darüber nur eine Vergleihung älterer Handſchriften der Kirchen: 
geſchichte ficheren Aufſchluß geben; ebenjo darüber, ob — was id) für 


ı Statt ‘Lupuldum ducem Austrise, qui fuit amicus papae Jo- 
annis XXI.’ Tiest die Ulmer Handſchrift natürlich richtig: Joannis XXII. ®r 
rade dieſe ſicherlich erſt nach Leopolds Tod (Februar 1326) gemachte Bemerkung 
veranlaßt mich, den ganzen Paſſus Heinrich zuzufchreiben. 

2Nachtrag. Ich bin in der Lage, für meine oben ausgeſprochene 
Bermuthung, daß col. 1175 E ff. der Paffus ‘“nomine Elisabeth — comiti 
de Oettingen’ und ‘qui dux — Bavariae regem’ Zufäte Heinrichs von 
Dieffenhoven feien, Handichriftliche Belege beizubringen. Die bezeichneten Worte 
fehlen nämlich in der von Muratori benutten Handſchrift der Kirchengeichichte 
des Zolomeo zu Padua, melde fich noch dafelbft in der Bibliothek der Cathe— 
drale befindet und jetzt die Signatur A 41 (cod. chart. 4. s. XV) trägt. — 
Außerdem beſitzt die Univerfitätsbibliothel (jetzt Bibliotheca Regıa) in Pa 
dua eine allerdings jimge, dem 17. oder 18. Jahrhundert angehörende Abſchrift 
der Kirchengeihichte (Nr. 854 chart. 4.), welche aber deshalb wichtig, weil fie 
eben eine Abichrift des Cod. Patavinus Muratoris if. Fraglich, ob gerade 
von der erwähnten Handichrift der Caihedrale -Bibliothef, von welcher fie nas 
mentlich darin abweicht, daß das 25. Bud; hier gleichfalls in Kapitel — 47 au 
ber Zahl — getheilt ift. Auch schließt fie, wie Muratoris Ausgabe (col. 
1212 C) mit den Worten ‘a suo confessore digno fide’ fetst aber noch hinzu 
‘praedicatore tamen’!. Hingegen flimmt fie mit jener überein col. 1166 C, 
1174 C und fpeciell noch an der citirten Stelle col. 1175 E; jedenfalls ift 
fie bei einer neuen Ausgabe der Kirchengeſchichte genau zu vergleichen, 


313 


ſehr wahrfcheinlich halte — 1. XXIV c. XLI, wie der Paſſus Re— 
eedente autem — tractabatur’ (col. 1210 C), fo aud) folgender 
Heinrichs Eigentum ift, der in der Ulmer Handſchrift (fol. 264b) 
nad den Worten ‘per ducem Bavariae et detentus’ (col. 1209 B) 
folgt und fo lautet: duobus annis et 6 mensibus in castro 
dieto Truweaniht (sic!) in Bawaria situm, in quo ad ipsum 
venit spiritus malignus volens ipsum abduxisse, si se ei com- 
misisset, quod renuit facere; tandem per compositionem libe- 
ratus uterque se regem Romanorum intytulabat. Endlich fei 
erwähnt, daß die Ulmer Handichrift in 1. XXIV ec. XXXVI (fol. 
261d) nad) den Worten ‘rex Angliae in mari victoriosus effi- 
eitur’ (col. 1203 C) nod folgenden Paſſus enthält: Item se- 
cundum aliam cronicam hic Bonifacius natione de 
Anania sedit annis 8, mensibus 9, dies 10. Cessgt episcopa- 
tus dies 20. Hic Benedietus primo vocatus est qui longam 
habuerat eurie experientiam; prius in curia advocatus, pape 
notarius, postea cardinalis; propter quod in cardinalatu ex- 
pedicior ad casus collegii terminandos et extraneis ad re- 
spondendum nec habuit in hiis parem, sed ex hoc factus est 
fastuosus et arrogans omnes contempnens. Unde factus pon- 
tifex predecessorum suorum Nycolai et Celestini gratias revo- 
cavit. Abeuntem Celestinum ad heremum detinuit et in cu- 
stodia posuit ad cautelam vitandi diseidii, quia aliqui inusi- 
tabant (sic! musitabant), quod cedere papatui non potuit 1295. 
De Neapoli Romam vadit et Celestinum recludit. Eodem 
anno statuit festa Apostolorum’ (ete. Muratori col. 1203 D). 
Diefer Paffus ift deshalb wichtig, weil er beftätigt, daß die 
Kirhengeichichte de8 Tolomeo von Lucca eben mit den Worten ‘sed 
rex Angliae in mari vietoriosus efficitur’ abſchloß (cf. darüber 
Muratori ©. 750; König ©. 5)!. Welche Chronif aber unter 
jener „anderen“ verftanden ift, ob aus diefer Chronik auch die weitere 
Fortjegung der Kirchengefchichte entnommen, ob man aus diefem 
Ausdrud "Item secundum aliam eronicam’ nicht eigent- 
{ih folgern follte, daß Heinrich ſelbſt mit diefer anderen Chronif 
(zu welcher er noch feinerfeits Zufäge machte) die Kirchengefchichte 
fortgefetst habe, oder ob er bereit8 in dem von ihm benußten Exem— 
plar der Kirchengefchichte die Fortſetzung bi® zum Jahre 1323 (col. 
1203 D — 1211 D) vorfand und nur bei der Reinfchrift feiner 
eigenen Arbeit jene Worte zur Erflärung hinzufügte: das find Fragen, 
ju deren Beantwortung ebenfall® die Heranziehung weiteren hand- 
Ihriftlichen Material8 nöthig fcheint. Hier fei nur noch bemerft, daß 
König (S. 65 ff.) den Bernardus Guidonis für den Fortjeger der 
Kirchengefchichte bis zum Jahre 1323 Hält, und allerdings jtimmt, 
wie König richtig vermuthet und zum Theil ſchon gezeigt hat (S. 64), 
das von Kaifer Ludwig dem Baiern handelnde Kapitel 41 der 


ı Berfaft ift fie befanntlich fpäter; vgl. darüber dem folgenden Abfchnitt. 


314 


Kirchengefchichte (Muratori col. 1209 B ff.) faft wörtlich mit dem 
entfprechenden Abichnitt in der Kaiferchronif des Bernardus. Die 
anderen Partien aber vor und nad) diefem Kapitel fcheinen mir eine 
größere Uebereinftimmung mit den ‘Anonymus Venetus’ bei Baluye 
(Vitae Paparum Avenionensium tom. I, col. 85—94 uud col. 
169—172) und mit der Chronif des „Jordanus“ (Muratori Anti- 
quitates tom. IV col. 1019 ff.), das heißt! mit der dritten Re 
daftion des Gefchichtswerkes jenes Biſchofs Paulinus von Rıuteoli, 
und eine noch größere mit deifen zweiter Redaktion zu bejigen, wor: 
über ich in einem anderen Jufammenhange, in einer Arbeit über diejen 
Paulinus, zu handeln gedenke, jobald mir das nöthige handſchriftliche 
Material vollftändig zu Gebote fteht. 


I. Zur Kirchengeſchichte des Tolomeo von Lucca. 


Ich gebe im Folgenden zu dieſer eine Anzahl von Varianten 
aus der Ulmer Handſchrift, welche den Muratoriſchen Text mannig— 
fach verbeſſern und vielleicht für ſpätere Vergleichungen anderer Hand- 
Schriften als Anhaltspunkt dienen können. 

Zuvor möchte ich jedoch einige Worte über die Abfaſſungszeit 
diefer jo überaus wichtigen Quelle einfchalten. Man hat aus dem 
MWidmungsbriefe des Tolomeo an den „Presbptercardinal“ Wilhelm 
von Bayonne (Muratori ©. 751) fehr richtig gefolgert, daß die 
Kirchengefchichte zwiſchen 1312 und 1317 verfaßt ſei. Denn erſt im 
December 1312 erhielt der Genannte die Kardinalswürde, während 
er andererfeits von Tolomeo nicht als Biſchof von Sabina bezeichnet 
wird, was er erjt im Jahre 1317 wurde. (Ganz irrig ift, wenn 
in der Einleitung zu der neuen Ausgabe der Annalen Tolomeos in 
den Documenti di storia italiana tom. VI, ©. 19 behauptet wird, 
die Kirchengefchichte müjfe vor dem Jahre 1312 abgefaßt fein, weil 
Tolomeo den Wilhelm von Bayonne nicht Kardinal nenne! Und 
doch heißt es ausdrücklich Muratori S. 751 — Domno Guilhelmo 
de Bajona tituli Sanctae Caeciliae presbytero cardinali 
frater Ptholomaeus). König meint nun aber (S. 36), der Wid— 
mungöbrief fei erft ſpäter zugefetst, die Kirchengefchichte felbft bereits 
1311 abgeſchloſſen worden, weil Bernardus Guidonis fie in feiner 
erften Ausgabe der Flores Chronicorum vom Jahre 1311 benukt 
babe; und in Folge deſſen ift er ſogar geneigt (S. 68), das 35. Ka- 
pitel des 24. Buches (Muratori col. 1202), welches die Kanonifation 
Cöleſtins V. behandelt, und in welchem Clemens V. als bereits ge- 
ftorben erwähnt werde, für einen Nachtrag von Bernardus Hand zu 
halten. Allein, abgefehen davon, daß ich Klemens darin nirgends als 
gejtorben erwähnt finde — denn die Ausdrücke Suo autem tem- 


2 Bol. meine Differtation (1876) „Andreas Dandolo und feine Gejchichtt- 
werte” S. 116 und 117, 


315 


pore’ (D) und ‘Hujus etiam pontifieis tempore’ (E) find doch 
auf Göleftin zu beziehen — fo gut als Tolomeo nad) Könige Anficht 
den Widmungsbrief erſt fpäter, nad) dem December 1312, zugeſetzt 
hat, ebenfowohl konnte er die nur wenige Monate fpäter! erfolgte 
Ranonifation Cöleſtins felbjt noch zuſetzen. Denkbar wäre ferner, 
dog Tolomeo im Jahre 1311, wo Bernardus Guidonis angeblich) 
die erite Ausgabe feiner Flores Chronicorum veranitaltete, die Kirchen 
geihichte erft bi8 Kap. 34 geführt hatte; denn ob Kap. 35 und 36 
(bis col. 1203 D) ebenfalls von Bernardus benutzt find, ift aus 
König nicht erfihtlih. Endlich kann ich felbft gegen den Abſchluß der 
eriten Ausgabe der Flores im Jahre 1311 ein gewiſſes Bedenken 
nicht unterdrücken. Denn wenn auc die Vorrede zu der erſten Aus— 
gabe im Cod. Paris. 4976 (Bouquet, Recueil t. XXI, ©. 693 
Anm. 1; König ©. 34) fo fchlieft: usque ad tempora domini 
papae Clementis quinti, qui hodie, scilicet in crastino Annun- 
ciationis dominicae, quo haee scripsi, sedet in cathedra 
saneti Petri, cujus pontificatus anno sexto Avinioni consistens 
in Romana curia sine curis, anno Domini MCCCXI. hoe con- 
seripsi opus . . .', jo enthält doch der nämliche Cod. 4976 nad) 
Recueil S. 691 Anm. 2 bereits die Widmung an Johannes XXIL. 
und am Schluß derjelben die Yahreszahl 1319. Aus den Worten 
diefer Widmung aber ‘Jam pridem — floseulos collegi — us- 
que ad obitum felicis recordationis domini Clementis pape 
quinti’ möchte ich fchließen, daß Bernardus die erjte Ausgabe der 
Flores noch bi8 auf Clemens Tod (1314) geführt habe. Ich ſetze 
aljo mit K. Krüger „Des Ptolomäus Yucenfis Leben und Werfe“ 
(1874 ©. 82), der feine Anficht freilich nicht gehörig motivirt, die 
Abfaſſung der Kirchengefchichte in die Zeit zwifchen 1313 und 1317. 

Es beginnt die Kirchengefchichte in der Ulmer Handjchrift (Cod. 
lat. Monac. 21259) auf fol. 243 leider erſt in lib. XXII und 
liest nun alſo: 


ec. 8(Mur. col. 1145 B) ftatt in dominio Florentino — in dyocesi Flor. 
» > » C > et comitem — ut comitem. 
» Zingheriae — Zinghene. 
e. 9 » a Saxonibus — a Frisonibus 
» apud Florensulam — apud Feronsolam. 
c. 10 c. 1146 A fl. quem totum canonistae — quasi totum quem can. 
» et auctoritate — et auct, pape. 
e. 11 » D » aggravantes — generatas. 
12 c. 1147 C » hodie extant — hodie currit. 
c. 13 E » de Anagnia — fehlt. 
1148 A > quo pauperes — quod p. 
cardinalis de Florentia — de diocesi Florentinensi, 
Ezelinus — Acolinus (sic!) 
B >» auctoritates — auctores. 
D » Alexandri anno III—IV. 


c. 14 


oO 
vuvxv 


c. 15 c. 1149 
c. 16 


" Mad; Baluze, Vitae P. Av. I, col. 19, am 5. Mai 1313. 


.18 c. 


c. 18 c. 


soee 


.19 c. 


20 


. 22 c. 


23 c. 
24 


.25 o. 


.29 c. 
29 c. 
.80 c. 
. 310. 
. 32 c. 


. 33 c. 


c. 34 0. 


eePeP 


35 


.86 c. 
.37 0. 


40 c. 
4l ce. 


.42 c. 


.43 0 


5c. 


1150 D f. 


1150 D > 
1151 B>» 


D 
1152 E 
1153 B 
D 


SM MVUHG 


Vyvwyvvuuy ws 


— 

— 

— 

= 

—2 
e— —— 


. 1165 B fi. 
. 1166 C » 


» D>» 
1167 A > 


1167 C >» 


316 


ad naturalem experientiam — ad particularem 
experientiam. 
fecit librum ubi — f. 1. de coequevis. 


cum ense et lancea — c. e. et 1. jure pontificalis 
Germanice. 

vel circa — vel citra. 

fecit casus — f. causas. 

de civitate Trecensi — d. c. Tortensi. 

sub initio textu — sub miro contextu. 

glossanda — abservanda (sic!) 

Doctor sanctus — D. scilicet 

Mathematicam — Methonomicam. 

contra Jordanum — c. comitem J. 

partem ecclesie omnino deficere — omnino eccle- 
siam def. 

circa honoris augmentum — contra hon. a. (sic!) 

virtuose se habuit — v. s. h. et gratiose. 

Auxiensis episcopus — Anisiensis ep. 

circa regionem Regni — c. regimen regale. 

quod non deberet — quod debet (sie!) 

sibi promissis — sibi provisis. 

castra munitissima — c. m. et gente nobilissima. 

belligerantes Romano more — b. antiquorum Ro- 
manorum more 

Sancto Elobro — S. Elloro. 

elapsis IV mensibus — obsesso IV m. 

castrum de Mutrone — c. d. Mucrone. 

Finale — Fiennale. 

combinari non potuit — obviari n. p. 

atque certas partes — atque circa partes. 

apud Austuram — ap. Auscuriam. 

de quo supra est facta mentio — fehlt. 

Certacarus — Certacarne. 

jam epidemia — jam dictus ep. 

Neapolitanum — Tyrapolitanum (sic!) 

MCCLXX — MCCLXX III (sic!) 

XLIX — XLVIII. 

XLVI — XLVI. 

XXIII a Primo — a Pipino. j 

in festo Sancti Aegidi — i. f. S. A. hoc est in 
principio Septembris,. 


Lib. XXIII. 


et addextravit — et ipse petidando (peditando) 
destravit. 

et ipse Rodulphus — et iste R. 

circa partes Basileae — positus c. p.B. quam ipse 
tunc obsidebat. 

Lausanam occurrit eidem — Laus. LXXV (1275) 
II. Nonas Octobris oceurrit ei ibidem. 

quod prius contendebat cum Richardo — qui 
pen contend. Rodolfo sicut contendebat 

ichardo. 

Imperio etiam vacante — I. e. v. licet Rudolfus 

esset electus 


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317 


sine arbitris — sine armis 

eumque multis ictus — e. inermem m. ict. 

cum multa sua utilitate — c. m. subtilitate, 

domini de Ceccano — d. d. Cycano (sic!) 

quemque ego probavi — quam e. pr. 

corpus transferri — c. transvehi. 

doctrinam assumit — d. asseruit. 

dominus Martinus — d. Marinus. 

dictus Matthaeus — dominus M. 

ad judicium sanctitatis — ad indicium se. 

frater Raymundus — fr. Rynaldus,. 

alii dicunt XLIV — a. d. XLVIII. 

et creaturis — et creature. 

super philosophiam, videlicet de coelo, et de ge- 
neratione — 8. ph. et super decreta et super de 

vacione (sic!) 

Petrus de Alvernia — P. d. Alverina 

de rationibus fidei — de ratione f. 

quia omne quod movetur — q. o. bonum q. m. 

quomodo fuerunt — q. sunt. 

tractatus de infantibus qui sic incipit: Quomodo 
circa naturam verbi — tr. de instantibus q. se. 
i.: Quomodo omnem duracionem. Item tractatus 
de verbo quod sit quisic incipit: Quoniam circa 
naturam verbi. 

secundus habitus est — sermo h. e. 

super librum de divinis nominibus — s. 1. Dyo. 
de d. n. 

librum de caussis — super L. d. c. 

sed inde subtractum — s. i. subtractus. 

ac praesente rege Carolo — ac pr. r. nostro C. 

Hartinanus — Hartmannus, 

vietorioso — victoriosus. 

Habuit et alium filium primogenitum — H. e. a. 
f. secundogenitum. 

Albertum secundogenitum filium — A. primoge- 
nitum f, 

Acharim — Ararim. 

praebendam sibi sufficientem — praebendas s. suf- 
ficientes. 

habebatur — habeatur. 

ab uxore — ab u. nomine Elyzabeth 

vitam dueit etc. — cf. oben ©. 302. 

et XX dies — et IX dies. 

et ad tempora ordinationis — et ante t. o. 

constitutionem Gregorii de reformatione cardina- 
lium — c. G. de restrictione o. 

Joannis XXI. — J. XXI. 

Rex Hungariae — in margine manu alia saec. XV 
vel XVI: quintam vero dedit regi Bohemie. 

MCCLXXVII — MCCLXXVI. 

in distinetione — in discretione. 

mitis tantum in moribus — minus cautus in moribus 

descripsit Valerius — diffinit Valentinus (sic!) 

Joannes Numoms — J. Numonis. 

dominus Manoellus — d. Numio genere (sio!) 

sic arctatur — sic portatur. | 


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318 


. 1178 B ft. juxta palatium — preter p. 

. 1178 E » sine vassallagio — sive vassallus. 
„1199: D 
. 1180 B 


de Tuderto — de Turcheto 

absolvere ab officio magisterii. Quatuor — ab. a. 
o. m. et sic ipsum dimittens in suo statu nec 
ulterius de patriarchatu molestans in dieto officio 
magisterii iste III. 

fieri domum — f. domos. 

censeatur, videlicet dominus, vel capitaneus — 
censeatur dominium, ut capit. 


» 96 dist. 63 — 96 dist. et di. 63. 


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quarum reliquiarum pars quaelibet in propria ca- 
psa erat — qu. r. qu. i. p. c. erant. 

et custoditis ibidem — et c. in die ib. 

pravitatis haereticae — inquisitionis h. 

suam fecit audientiam — constituit aud. 

Paschali papae I — P. p. I qui in ordine ponti- 
ficum est. C. 

et attentatio et cogitatio — hec cogit. 

tertiam partem — certam p. 


Lib. XXIV. 


fuit aggravata turbacio — f. aggenerata t. 

sex cardinales institut — V c. i. 

dominum comitem Mediolanensem tituli SS. Mar- 
cellini et Petri — fehlt. 

Sed illi regi suceurrit Palaeologus — sed illo 
mortuo successit ei P. (sic!) 

ne sua victualia perderentur — ne sui v. perderent 

cum suis destreriis — c. s. dextariis, 

virum humanitatis — v. humilitatis. 

mantellos sbarratos — m. subauratos. 

quae Gerunda vocatur — qu. Gerenda voc. 

cum D militibus — cum CL m. (cf. Guilelm. de 
Nangis ad a. 1285). 


Joannes Claricove — J. Daricorce. 

dominus de Vigella — d. de Nigella. 

nimis erant necessaria — minus (sic!) e. n. 

decanus Pisanus — d. Parisiensis. 

dominus Anteis — d. Anchorius. 

de civitate Asculo — d. c. Excule (sic!) 

Aprilis fuit — A. f. Et vacavit sedes ann. II et 
mens. III. 


adhuc superest MCCCXXXVII — adh. superfuit 
MCCOXXXIX (cf. oben ©. 311). 

homo religiosus — bonus religiosus. 

praefata multa mala — mala predicta. 

Fecerant enim armatam — P. e. armaturam. 

et aliquos spoliabant — et aliquando sp. 

Libelletum — Gybellectum. 

Surti — Suri. 

Jacha — Sacca. 

Arseinferum castrum — Archiufferum C. 


c. 29 ec. 


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c. 35 c. 
c. 36 c. 


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D 
1203 A 


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319 


Boceronel — Botrone castrum fortissimäm. 

Nemphinum — Nefinum castrum nobilissimum. 

Nagatum — N. castrum potentissimum. 

Templariorum — T. castrum nobilissimum. 

Haec omnia — Omnes igitur diete civitates et castra 

MCCLXXXIX oritur discordia — MCCXC or. d. 

strenuitatem; unde habebat versus super suo epi- 
taphio — str. et quamvis fuerit parvus comes 
dietus de Habspurg dyocesis Constantiensis. Unde 
versus descripti super ipsius epitafio sic habent. 

anno mille — a. milleno (sic!) 

de Nassau — de Nassowe. 

paucos habebat introitus — pauperes h. i. 

Hasembuel — Hasenbuhel; vor Regnavit — unde 
versus: Alberhtum lacrimosa dies Veneris tumu- 
lavit Adolfumque regem sibi terna dies sociavit. 

in passione Romae moritur — in parascefe R. m. 

in quodam saxo — in quadam saxa 

dominus Pandulphus — d. Landolfus. 

de Brocho — de Glotho. 

in quibus curiales — in q. curie. 

recitat et confirmat — autenticat et conf. 

a VI. kal. Julii — a VII. K. J. 

vel circa — vel citra. 

dubitatur — inusitabatur (sic !) 

Fumonis — Firmonis (sic!) 

S. Petri Coelestini confessoris — S. Petri conf. 

Bajonensium — Baronensium, 

MCCXCV. — MCCXCIV. et ab Urbe condita 
MMLXXXV. 

ad casus declarandos — ad causas d. 

ad exteros respondendum — ad exteris r. 

nad efficitur — Item secundum aliam cronicam 
etc. (cf. oben ©. 313). 

nah catalogo sanctorum — Eodem anno (i. e. 
1296) fecit publicari VI”, 

Hic fecit alios cardinales — Hic f. inter a. c. 

Joannem de Mo. .. — J. d. Mo. (Morone ?) 

fuerit Guillielmus de Nugareto, Hungareco — fuit 
G. de Ungareto. 

videre — intuere. 

in dyocesi Const. — dyocesis. 

Kengefuelt — Kunigfuelt. 

Agnetem — A. filiam predicti regis. 

Albertum — A. qui omnibus supervixit (cf. oben 
©. 311). 

Haberspurg — Hapspurk. 

nad unde versus — de hoc supra de Rudolfo. 

MCCCII. — et ab Urbe MMXCIII. 

nad) sedit autem — in kathedra Petri. 

et cessat — et cessavit episcopatus. 

Nicolaum de Pruto — N. de Prato. 

ac libertates restituit — ac l. regi Franciae. 

nah MCCCV. — et ab Urbe condita MMXCVI. 

MCCCVII. — et ab Urbe condita MMCCCV. (sic!) 

operibus factisgque — tam op. quam f. 


c. 1206 A 


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c. 40 c. 1206 C 
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320 


seque velle restituere universis pacem — nitens 
injuriam passis restitucionem, universis pacem 
in ingressu in Lombardiam — ingresso ex Lom- 
bardia et Tuscia. 
et materiam tradidit regiminis. Pietatem — et 
meram trad. regiminis potestatem. 
sperare et qui — sp. remeare qui (sic!) 
Guido de Turre — G. d. Turri lature. 
ne pro Matthaeo — ne per Mathei. 
ost unum mensem — uno mense 
inde instabilem fieri — inde Guido inst. f. 
ab archiepiscopo — a dyocesanies. 
cuncta perpetrata — c. paccata. 
retributionem — contributionem. 
informis summa taxata est — C”,. florenorum 
8. t. e. 
caesar prosilire suos jubet — cesaris principes 
prosiliere cum suis 
Matthaei filius — Maphei f. 
pacem frangentes — p. fingentes. 
nulla mearum — n. me horum (sic 
ad bas terbinum commotiones — has turbines 
commutacionum. 
Nonne Italia diu lacerata — En It. d. concussa. 
nos refugit — huius ref. 
et Guelfum non admitti — G. non (sic!) abradant 
Cremonensium placationem curavit; at caesar — 
Cr. pl. indixit et c. 
propter praeteritos casus — pr. pr. contemptus. 
exponunt — deponunt. 
nihbil quam fidelitatem solam petunt et navigiorum 
copiam — nulla quam (sic!) fidelitate solam pe- 
tunt nav. cop. 
comitem de Homburg — c. de Honberk. 
Sed vix itinere coepto — 8. v. cum centum. 
Gammatesa — Gambachesa. 
cum militum praesidio — c. m. subsidio vel praes. 
evocatis illuc nobilibus — ev. absque dicta 
(sic!) nob. 
quid nuntii celeres — q. n. celebres. 
A Clemente papa tres — a Cl. p. missus tr. 
Frustra nego missus u — Fr. ergo mis. 
qui advocatus adveni 8., vocatus adv. 
quo fulcientibus vobis adveni id edat optio singu- 
lorum — quod f. v. adjuver id edat oppinio s. 
Nicolaus de comite — N de milite 
Joannes de Sabello — J. de Sabellis. . 
Theobaldus de Campoflore — Th. de Campofloris. 
privata quaeque odia — pr. quoque od. 
suscipere arctatus est. Deinde — suscepit; arta- 
tus deinde. 
confluunt — confluebant. 
et forte istud — et f. iste. 
et hie dedit — et hoc d. 
sub speciebus panis — in sp 
et die XXIV — et diebus X v. 
Conradinus — Cunradus (sic ) 


e. 40 c. 1209 A > 


c. 41 c. 1209 B 


C 
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c. 1210 A 


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321 


traditur isti — tradidit isti. 

Hic in laude Dei moritur in die — Hinc i. J. D. 
m. die, 

Est Pisam latus — E. Pisani |. (sic!) 

terdeno — terideno. 

MCCCXIUI. — MCCCXUL. 

nad) detentus — duobus annis etc. (cf. oben). 

sui vendicans — sibi v. 

Ludovicus autem imperium suscepit — L. ipsos susc. 

MCCCXXII. — MCCCXXUN. 

competebat aut competierat — nur competebat. 

veris tempore — verno t. 

se ostentavit — ostentari. 

legibus etiam latis ordine perversis — leg. et or- 
dine perversis. 

Raymallurii — Raymallucii (sic!) 

Reatinensis dioecesis — Reacine d. 

qui uxorem habebat, habuerat et adhuc habet, 
Joannis Matthaei filiam — q. ux. habuerat et 
adhuc habuit Johannam M. (filiam fehlt). 

ecclesiae praesidem — e. praesidentem. 

non esse etiam papam — non esse p. 

audita essent horori — auditui sunt h. 

O insana — O insani est capitis, 

furor furiens — f. furens. 

non volens sed nolens — non nolens sed volens (sic!) 

quo hoc scripsimus — q. hec sc. 

de Pisis — de ipsis (sic!) 

antipapam cepit — a. c. praedictum. 

antipapa — papa (sic!) 

in dieto palatio — in praedicto p. 

beati Galli — sancti G. 


Kleinere Mittheilungen. 


In welhen Monat ded Jahres 9 n. Chr. fiel die Schladt 
im Teutoburger Walde ? 


Bon Edm. Meer. 





Das große Intereſſe, welches die Schladht im Teutoburger Walde 
zumal nach dem detaillirten Berichte des Dio Caſſius (LVI, 18—22) 
nothiwendigermweife für uns haben muß, Hat nicht verfehlt, Unter- 
fuhungen auch darüber hervorzurufen, an welchem Tage des Jahres 
9 fie geliefert fei. Allein wenn es ſchon an Zeugniſſen fehlt, welche 
ung das Jahr durch Angabe der Confuln oder nad) Olympiaden oder 
ſonſt wie direct überliefern, fo find wir Hinfichtlich des Monats 
und Tages gänzlih auf Combinationen angewieſen. Denn wermn 
Ludwig Jahn — der Turnvater — in feinem „teutfchen Volksthume“ 
als Tage für allgemeine Nationalfefte neben den Zagen der Schlacht 
bei Merfeburg und des Augsburger Religionsfriedensg auch den Tag 
der Hermannsichlacht vorichlägt und diefe nad Florus IV, 12 mit 
der Schlacht von Cannä auf ein Datum — den 2. Auguft — fallen läßt, 
jo hat er die Stelle des Florus nicht richtig verftanden. Florus 
jagt: Varus perditas res eodem quo Paullus Cannensem diem 
et fato est et animo secutus. Das heißt aber offenbar nichts 
anderes als: Varus machte e8 in der Schlacht ebenfo wie Paulus 
am Tage von Gannä, d. h. verzweifelte und nahm ſich das Leben. 
‘Dies’ jteht mithin für ‘clades’ und fann nicht im Entfernteften an— 
deuten, daß beide Schlachten gleiches Datum Hatten. 

Des Curioſums wegen fei erwähnt, was wejtfälifcher Localpa— 
triotismus auch hier geleiftet hat. Der Paſtor Peterſen in Weitmar 
(zwiſchen Bochum und Dortmund), der das Schlachtfeld in der Nähe 
jeines Pfarrdorfes ausfindig gemacht hat, glaubt als Tag der Schladht 
den 15. Auguft deshalb annehmen zu dürfen, weil diefer Tag, an 
dem die Kirche die Himmelfahrt Mariä feiere, ficher ehemals ein 
großes heidniſches Feſt geweien ſei. Da nun auf ein foldhes in 
Weitmar die noch immer alljährlich daſelbſt ftattfindende Kirchweihe 
verbunden mit Jahr- und Viehmarkt hinweiſe, jo fei anzunehmen, 
daß jenes heidniſche Feſt dem Andenken der bei Weitmar gelieferten 
Schlacht gegolten Habe. 

Mejentlih anders fteht e8 mit der Kombination von Eduard 


XVII. 22 


326 


Schmid, welcher in der Heinen Schrift „Beſtimmung de8 Tages der 
Hermannsſchlacht“ (Jena 1812) und fpäter in dem Artikel „Herman“ 
der Enchelopädie von Erich und Gruber (2. VI, 221) die Tage vom 
9—11. September als Tage der Schladyt hat erweifen wollen. Da 
fein Anja mehrfach acceptirt ift, z. B. von Klrafft?) in dem Ars 
tifel „Arminius* in Paulys Nealenchel. d. cl. Alterth., und da aud) 
diejenigen, welche die Beitimmung des Tages für unmöglich halten, 
doch wenigjtens bei den September jtehen bleiben, jo ſcheint es der 
Mühe werth, Schmids Beweisführung näher zu betrachten. 

Schmid ſucht zuerft nachzuweien, da Arminius, von dem es 
bei Bell. II, 118 Heißt, er habe die Zeit des Ueberfalls vorher feit- 
gejett, wohl einen Neumond als den Zag bejtimmt Habe, an dem 
loszubrechen jei. 

Denn Tacitus Germ. c. 11 fage, die Deutjchen Hätten die Zeit 
nad) Nächten berechnet und wichtige Angelegenheiten am Voll- oder 
Neumond vorgenommen; und fo erzähle auch Cäſar (B. G. I, 5l), 
den Deutjchen des Ariovift fei von ihren Priefterinnen verboten wor: 
den, vor dem Neumond anzugreifen. Sei letzteres Verbot vielleicht 
auch nur für den bejonderen Fall gegeben worden, fo beweije c& dod), 
wie viel die Deutjchen gerade auf den Neumond gaben. Darum 
werde Arıninius wohl den Ueberfall lieber auf einen Neumond als 
auf einen Vollmond angeordnet haben. 

Nah Dio 1. 1. aber hätten die Deutfchen zu gleicher Zeit re 
mit einem Male ($Earuvaios) und von allen Seiten (mavzagoder 
angegriffen: wie hätte eine folche Uebereinftimmung bei einem noch jo 
ungebildeten und unter fich getrennten Volke herrichen follen, wenn 
nicht eine fo ausgezeichnete und fo befannte Naturerfcheinung zu Hülfe 
genommen wäre ? 

Sodann glaubt Schmid als wahrfcheinlichen Monat den Sep— 
teinber auf Grund folgender Angaben der Alten annehmen zu dürfen. 

Erftens fage Vellejus II, 117 Varus habe den Sommer mit 
Gerichthalten und Kechtiprechen zugebradit. 

Ferüer fei nach Tacitus (Germ. 26) der Winter in Deutſch— 
land jehr früh eingetreten, jo daß weder der Name des Herbites 
nod) feine Güter befannt gewejen feien. Negen und Wind, die nad) 
Dio den Römern fo verderblicd) wurden, beftätigten dies, 

Drittens werde erzählt bei Dio (LVI, 23), Tiberius, der joeben 
die Unruhen in Pannonien beigelegt hatte und nach Rom geeilt war, 
habe jogleid) mit einem neu geworbenen — nach Gallien eilen 
müſſen, um einem etwaigen Vordringen der Deutſchen entgegenzutreten. 

Endlich werde ebenfalls bei Dio LV, 18, 1 gemeldet, daß Au— 
guſtus, als die Nachricht von der Niederlage nach Rom gekommen 
ſei, die Spiele unterſagt habe, die alljährlich an feinem Geburts— 
tag — dein 23. September — gefeiert ſeien. 

Hiernach ſei e8 Mar, daß die Schlacht nicht früher als im 
Auguft und nicht fpäter als im September ftattgefunden haben Fönne. 

Nach aftronamifcher Berechnung fei aber der zunehmende Mond 


327 


im J. 9 zuerft am 8. September Abends fichtbar geworden: Halte 
man nun die Zeit von etwa 13 Tagen für genügend, damit die Nach» 
riht am 23. September in Rom fein konnte, jo werde die Schladit, 
die drei Tage dauerte, wohl am I—11. September gejchlagen jein. 

Obwohl man nicht recht einfieht, wie das Zuſammenfallen der 
Schlaht mit dem Ende des pannonifchen Aufftandes zur Beſtimmung 
des Monats beitragen foll, fo wird man Schmid Argumentation 
das Lob nicht verfagen fünnen, welches fein Lehrer Yuden, Geld). d. 
teutſch. Volks I, 602 2°, ihr giebt, daß jie ſinnreich jei; ja es ijt be= 
merkenswerth, daß Luden nichts weiter gegen fie einzumenden hat, als 
daß die Deutfchen nicht alles in der Hand gehabt hätten, um fich die 
Schlachttage zu wählen. Und in der That würde der September als 
Monat der Schlacht unzweifelhaft von Schmid erwiejen jein, wenn 
es rihtig wäre, daß die Nachricht von der Niederlage am 23. Sep 
tember in Rom eingetroffen wäre. Allein hier hat fih Schmid ge— 
irrt: davon jteht bei Dio nichts, das Felt, welches nicht gefeiert 
wurde, ijt vielmehr das, welches wegen glüdlicher Beendigung des 
pannoniſchen Krieges durch Tiberius begangen werden follte: lei— 
der giebt Dio aber hier fein Datum an. — Dies hat Schmid wohl 
auch bald jelbft eingejehen, denn im dem Artifel „Hermann“ bei Erich 
u. Gruber 1. 1. ift er auf diefen Punct nicht wieder zurückgekommen. 

Damit aber fällt jeder weitere Anhalt für den September. 

Denn wenn Bellejus fag: Varus aestiva trahebat 
mit Rechtiprechen u. ſ. w., fo bezieht fich dies auf die ganze Zeit, 
die Barus in Deutfchland war (7—9); und jelbjt wenn es fich auf 
das J. 9 bezöge, braucht e8 noch nicht zu heißen, der Sommer ei 
vorüber geweſen. 

Die Angabe des Tacitus aber, die Deutfchen hätten den Herbft 
und feine Güter gar nicht gekannt, ift einmal gewiß im Sinne des 
Stalieners zu verftehen, der an das Einbringen der Herbftfrüchte und 
namentlich an die Weinernte dachte, und wäre dies aud) nicht der Fall, 
wir wiſſen aus einer Notiz des Bellejus (II, 105) aud) für jene Zeit, 
dag die Witterung mitunter bi® in den December hinein jo mild war, 
daß fie ein Verbleiben des Heeres in den Sommerquartieren geftattete. 

Der Sturm und jtrömende Regen, deren Dio allerdings zweis 
mal Erwähnung thut, erinnern freilich an die Stürme des Herbit- 
äquimoctiums, die ja Häufig ſchon Anfangs Septeinber eintreten: aber 
kommt nicht ähnliches Wetter in unjerer Norddeutichen Ebene zu 
allen Jahreszeiten vor? Wer auf einen folchen Umſtand eine genauere 
— gründen wollte, würde doch in der That in die Luft 

uen. | 

Schmid hat aber bei Erſch und Gruber a. a. D. noch ein neues 
Zeugniß für den Herbft beigebracht, das er in feiner Schrift noch nicht 
hatte. Nach Bellejus (TI, 120) ſei nämlid L. Aſprenas, VBarus’ 
Neffe und Legat, Schon in die Winterquartiere gegangen gewefen. — 
Allen auch aus diefer Stelle ift gerade das Gegentheil zu entnehmen. 
Sie lautet, nachdem unmittelbar vorher nicht etwa die Rede von der 


22% 


328 


Schlacht geweien, fondern von Tiberius' Maßregeln zur Sicherung 
des Rheines: reddatur verum L. Asprenati testimonium, qui 
legatus sub avunculo suo Varo militans gnava virilique opera 
duarum legionum, quibus praeerat, exercitum immunem tanta 
clade servavit matureque ad inferiora hiberna descendendo 
vacillantium cis Rhenum sitarum gentium animos confir- 
mavit. 

Wenn die Völker auf dem linken Aheinufer ſchon wanften, jo 
liegt auf der Hand, daß Ajprenas erft nach der Niederlage des Varus 
in die Winterquartiere am untern Rhein gegangen ijt, und zwar wird 
man aus dem ‘mature’ entnehmen müljen, daß es eigentlich nod) 
nicht die Zeit war, in die Winterquartiere zu gehen.. 

Möglicherweife heißt aber ‘mature’ hier geradezu „Ichleunig“, 
welche Bedeutung es bekanntlich mehrfach hat; e8 mag nur an das 
befannte ‘primum omnium consulito, sed ubi consulueris, ma- 
ture facto opus est’ bei Salluft erinnert fein. — Ganz verfehrt 
ift e8 deshalb, aus der Stelle folgern zu wollen, Varus habe fid 
nicht bei Zeiten in die Winterquartiere begeben, ſei von der jchlechten 
Jahreszeit überrafcht worden und habe dadurch feinen Untergang ver- 
jchuldet. Denn man müßte alddann annehmen, daß Varus während 
des Winters ſtets aus Deutjchland heraus an den Rhein gegangen 
jei. Aber er — und, wie Puden ſchon mit Recht bemerkt, wohl der 
Kaiſer ſelbſt — hielt Germanien für fo gefichert, daß er es eben 
ganz nad) Art einer römischen Provinz einzurichten unternahm !. 

Wenn nun jchon Fiberius, dem eigentlich die Unterwerfung Nord- 
weſtdeutſchlands zu verdanken war, fein Heer “in mediis Germaniae 
finibus ad caput Lupiae fluminis’ überwintern ließ (Bell. II, 105), 
fo fann man von Varus unmöglic) annehmen, daß er jeden Winter die 
Provinz fich ſelbſt überlaffen habe und an den Rhein zurückgekehrt 
fei. MUeberwinterte doch auch Cäfar in Gallien immer inmitten des 
neu eroberten Landes! Es fommt dazır, daß Dio LVI, 18, 2 aus 
drücklich ſagt, es hätten römische Truppen damals in Deutichland 
überwintert. — Wäre übrigens das Unglücd des Varus vorzugsweile 
als eine Folge feines zu langen Verweilens im Sommerlager ange 
gefehen worden, fo würden wir das ſicher auc deutlich ausgeſprochen 
finden, da man mit Vorwürfen gegen den Unglüdlichen durchaus 
nicht zurüdhaltend war. Es wird ihm aber nur zur Laſt gelegt, 
daß er denen nicht geglaubt habe, die ihm von der Verſchwörung des 
Arminius Mittheilung machten, und daß er fein Heer nicht jo zu— 
ſammen gehalten habe, wie e8 in Feindesland nöthig war. 

Für den Herbft des J. 9 kann daher auch nicht geltend gemacht 
werden, daß Varus, als er überfallen wurde, in ber Richtung von 
Oſten nad Weften gezogen fei, d. h. nad dem Nhein zu im die 


1 Luden fagt mit gutem Grund, Barus werde nicht auf eigene Hand, 
fondern auf ausdrückliche Inftruction des Auguftus Deutihland regelrecht haben 
zur Provinz machen wollen, 


329 


BDinterquartiere. Er wollte wicht nur gar nicht in die Winterquar- 
tiere an den Rhein, wie wir eben nachwiefen, fondern die Richtung 
ſeines Zuges wurde lediglich; durd) den Ort beftimmt, an welchem 
der Aufitand ausgebrochen war, durd den ihn Arminius nach einer 
beitimmten Richtung Hin engagiren wollte. — Xeider wilfen wir ja _ 
trog aller Unterfuchungen doch nichts Genaues über den Ort der 
Shladht und über den Punct, von dem Varus auszog; es ift aljo 
die Richtung von Oft nah Weit, die Varus angeblich innehielt, 
ganz unficher. An ſich ift fie aber nicht wahrſcheinlich; Arminius 
wird ihn doch nicht nach dem heine zu haben loden wollen, fon» 
dern vielmehr vom Rheine weg an die nördliche oder füdliche Grenze ! 
des Gebiets, welches in der Machtſphäre der Römer lag. 

Es ftehen fomit weder die von Schmid vorgebradhten Gründe, 
noh die anderen eben bejprochenen einer früheren Datierung ent— 
gegen: zu einer folchen glaubte aber genügenden Grund zu finden 
9. Brandes, in der Zeitichrift Im neuen Reich 1875, I, 746, wo 
er anläßlich der bevorjtehenden Enthüllung de8 Hermannsdenfmals 
darauf hinwies, daß als Jahr der Niederlage das Fahr 9 Fäljchlich 
angenommen werde, da e8 nad) Dio vielmehr das %. 10 fei?. 

Tiberius, deducirt Brandes, jei noch im Jahre der Schladht 
jelbft mit einem neugeworbenen Heere an den Rhein gegangen. Das 
Heer zufammenzubringen aber fei ſchwierig geweſen, da Dio berichte, 
Anguftus Habe dabei folchen Widerftand gefunden, daß er gegen bie 
Renitenten nicht nur mit Güterconfiscationen vorgehen mußte, fon- 
dern ſelbſt mit Hinrichtungen. Sei aber hieraus zu folgern, daß das 
Aufbringen des Heeres nur langjam von Statten ging, jo habe Ti- 
berius unmöglid) noch in demfelben Jahre an den Rhein gelangen 
fönnen, wenn die Schlacht im September ftattgefunden habe; fie 
werde aljo in den Auguft zu fegen fein. — Brandes würde voll- 
fommen Recht haben, wenn es in der That feſtſtünde, daß Tiberius 
noch im Fahr der Schladht am Rhein war. Aber das wird nirgends 
bezeugt. Denn wenn Dio ihn edIus und orovdH an den Rhein ab» 
gehen läßt, jo muß das, wie ſchon Hot, Röm. Raifergefh. II, 78, 
richtig bemerkt, in Relation zu der Marſchbereitſchaft des neuen Heeres 
verftanden werden. 

Und noch weniger fönnte man fir Brandes etwa anführen, Dio 


ı Nach Dio läßt Arminins eins der ferneren (Tv anwder olxovvıwy, 
l. 1. 19, 4) Bölfer ſich erheben. 

? Kür das Jahr 10 ift auch, ohne Angabe von Gründen, Mommſen 
(C.I. III, 2, 280); aber es ift durchaus am 3. 9 feftzuhalten. Die Frage ift 
in Jahns Jahrb. f. Phil. und Pädag. 1876 in vier Meineren Auflägen von 
Gardthauſen, Arm. Schäfer, Lüttgert und Schrader erörtert worden; am einfachften 
und präcifeften hatte das Richtige ſchon dargethan Abraham in dem Progr. 
der Sophienrealjchule in Berlin von 1875 ©. 12.— Herr Dr. D. Gruppe hat mid) 
freundlichft daranf aufmerkfam gemacht, daf das Jahr 9 auch aus der Ehrono- 
logie der ovidiſchen Triftien und Briefe aus P. bervorgehe. Das ift richtig und 
Ihon von Maffon in feinem Leben Dvids bargethan sub a. Ch. IX, U. C 
DCCLXIL ID, 4. 


330 


erzähle das Abrücen des Heeres noch in demſelben Jahre, in welchem 
er die Schlacht erzählt hatte. Die Anordnungen zur Bildung des 
neuen Heeres, an welche Dio die Meldung von Tiberius’ Abreife an 
den Rhein anfchließt, fanden ja jedenfalls noch im J. 9 ftatt; es 
würde ein leicht erflärliches und fehr entjchuldbares Uebergreifen in 
da8 folgende Yahr fein, wenn er zwei fo eng zu einander gehörende _ 
a wie die Bildung des Heeres und fein Ausrücen zufanmen 
erzählt. 

Allein noch durch eine andere uns zufällig überlieferte Thatſache 
könnte man Brandes’ Anficht ftügen wollen: er felbft konnte fie nicht 
für fi) vorbringen, da er für die Schladht das Jahr 10 annimmt. 
Wir wiffen nämlich durd die Faften von Pränefte, daß Tiberius am 
= Januar des J. 10 in Rom war und den Goncordientempel 
weihte. 

Da e8 nicht wahrfcheinlich ift, fann man fagen, daß Tiberius 
erft nach dem 16. Januar nad) Deutſchland abging, fo muß er aus 
Deutichland fchon wieder zurückgekehrt geweſen fein, wie er ja meift 
den Winter nah Rom ging, um die Regierung des alternden Kaiſer 
nicht in Bahnen gerathen zu laffen, die ihm nicht genehm waren. 
Und eine Beftätigung diefer Anficht Fünnte man aus der Meldung 
de8 Dio entnehmen, daß Auguftus die Feier aller Feſte unterfagt 
habe. Sollte er daher die Einweihung des Concordientempels zuge: 
laffen haben, bevor Tiberius an. den Rhein abging? Sie fcheint 
eher begreiflich, wenn Tiberius bereit3 die Rheingrenze gefichert hatte 
und der Raifer ruhiger fein konnte. 

Jedoch auch diefe Argumentation ift unfiher. Denn derſelbe 
Dio erzählt uns, Auguftus habe fich beruhigt, als er erfahren, daß 
die Deutfchen nicht daran dächten, den Rhein zu überfchreiten. Daß 
aber diefe Nachricht bald nad) Rom gelangt fein wird, darf man 
kaum bezweifeln: Auguftus hatte nicht umfonft jo viel Sorgfalt auf 
das Syſtem der Militärftraßen und den cursus publicus verwendet, 
Einrichtungen, die er unter die “instrumenta regni’ zählte, um von 
jedem Vorfall in der Provinz möglichit fchnell und zuerft unterrichtet 
zu fein. Wie fchnell aber die Fuftitution der Staatspoft functionirte, 
wiffen wir daher, daß Tiberius, als er im J. 9 v. Chr. aus Ober: 
Stalin an das Krankenbett feines Bruders Drufus eilte, in 24 
Stunden 200 Millien, d.h. 40 geographiiche Meilen, zurücklegte, und 
nod) dazu ‘per modo de victam barbariem’, wo die Straßen nod) 
nicht fo gut waren wie im übrigen Reiche (Val. Mar. V, 5,3). Lange 
wird e8 aljo nicht gedauert haben, bis Auguftus’ Furcht vor einem Angriff 
der Deutfchen verfchwunden war. — Und wenn man fagt, e8 fei nicht 
wahrfcheinlich, daß Tiberius erjt nach dem 16. Januar des folgenden 
Jahres an den Rhein gegangen fei, fo fcheint dein Sueton gegenüber 
zu ftehen, der mit Beziehung auf die Beendigung des pannonifchen Auf⸗ 
ſtandes von Tiberius fagt: proximo anno repetita Germania. 


ı Tib. c. 18, 


331 


Man denkt eben gar nicht au die Möglichkeit, daß die Schlacht 
noch fpäter als am 9—11. September ftattgefunden Haben fönnte. 
Und follte man nicht gerade vermuthen, daß Arminius auc die 
Ihlehte Jahreszeit und die längeren Nächte mit in feine Berechnung 
gezogen habe? 

In der That fcheint fi) ein Umftand anführen zu laffen, der 
für eine ziemlich fpäte Datierung der Schlacht ſpricht. 

Wie bereitd erwähnt, jteht e8 aus dem übereinftimmenden Zeug— 
niß des Dio und Vellejus feſt, daß die Schlacht furze Zeit vor die 
Beendigung de8 pannoniſchen Krieges fällt, fo daß die Nachricht fünf 
Tage nach Beendigung des Krieges bei Tiberius eintrifft. 

Nun fallen aber nach Dios jehr ausführlicher Erzählung in das 
legte Fahr des Krieges fo viele Ereignijfe, daß man geglaubt hat, fie 
auf zwei Fahre (9 und 10) vertheilen zu müſſen. Das geht jedoch nicht 
an; alsdann bleibt aber nichts übrig, als den Krieg ſich bis fpät in 
den Herbit des J. 9 Hinein erjtreden zu laffen, und es wirde noth- 
wendig fein, auch die Schlaht im Teutobitrger Walde gegen das Ende 
des September hinabzurüden. 

Auguftus war im %. 8 mit der ficheren, aber ſehr vorfichtigen 
Kriegführung des Tiberius nicht zufrieden gewefen, fondern hatte ihm 
vorgeworfen, den Krieg abfichtlic, in die Yänge zu ziehen, und ihm 
deshalb den Germanicus an die Seite geitellt; im J. 9 Hatte er 
diefem fogar allein die Führung des Krieges übertragen, indem er 
Tiberius in Rom zurück behielt (Dio LV, 31). 

Germanicus belagerte und nahm nun im %.9 zuerjt einige dal= 
matische Bergfeften, aber nicht ohne Schwierigkeit (Dio LVI, 11). Ins— 
bejondere widerftand das feſte Splaunon feinen Belagerungsmafchinen 
ebenfo wie wiederholten Stürmen und wurde endlich nur durd) einen Zur 
fall genommen; die Burg hielt fi) aber noch längere Zeit, nachdem die 
Ortichaft felbit fchon in den Händen der Römer war. — Es folgte 
die Belagerung eines andern Caſtells, Rhätinum; aber auch diefe 
ſcheint nicht jehr Schnell beendigt worden zu fein, da Dio fagt, die Römer 
jeien dabei felbjt in große Gefahr gerathen. Gleichzeitig mit Rhäti— 
num war zwar eine dritte Feſte gefallen, die Tiberius einſt vergeblich 
belagert hatte, Seretion, aber der Widerftand der Dalmater dauerte 
fort. Da ſich mithin, fagt Dio, der Krieg in die Ränge 
309, Jah ſich Anguftus dennoch wieder genöthigt, den Ziberius auf 
den Kriegsichauplag zu fenden. Diefer fand bei jeiner Ankunft die 
Soldaten über die lange Dauer des Krieges fehr mißmuthig; fie 
wollten fich, heißt es, allen Anftrengungen unterziehen, wenn nur der 
Krieg bald endete. Allein in dem fchwierigen Terrain war mit einem 
fühnen Schlage nichts zu machen, und Ziberius, von dem Vellejus 
rühmt, daß nie ein Feldherr weniger fi) von den Wünſchen des 
Heeres habe leiten Laffen, griff daher den Krieg fyftematiih an. Er 
theilte fein Heer in drei Corps, die in verfchiedenen Theilen operirten 
und das Pand gewiffermaßen ausfegen follten. Er felbjt übernahm 
dabet die ſchwierigſte Aufgabe, den Kampf gegen den Defidiaten Bato, 


332 


der die eigentliche Seele des Krieges war. — Die beiden anderen 
Armeen wurden denn auch jchneller mit ihrer Aufgabe fertig als Ti 
berius: er mußte den Bato durch das ganze Land hindurch von 
einem Orte zum andern treiben, was natürlich faum im furzer Zeit 
möglid war. Endlih mußte Bato fi) in das von Natur auferor- 
dentlich ſtark befeftigte Andetrium ! bei Salona zurückziehen, das Tiberius 
num belagert. Alleines madhteihm gewaltige Mühe — dewäc 
Errovnoev jagt Dio —, und bie Belagerung wird fich daher wiederum in 
die Länge gezogen haben. Trotzdem aber ſah Bato jett ein, daß län« 
gerer Widerſtand auf die Dauer vergeblih ſei. Er fuchte deshalb 
die Befagung zu Verhandlungen mit den Römern zu bewegeu, allein 
umfonft. Als fein Rath nicht befolgt wurde, verließ er die Feſtung 
und betheiligte fich wicht mehr am Kriege, obwohl er nad) vielen 
Puneten, wo noch Widerftand ftattfand, eingeladen wurde. — Jetzt 
dachte Tiberius leichteres Spiel mit der Feltung zu Haben, aber au 
ihn verließ einmal feine fonjtige Vorfiht: ein Sturm, den er unter 
nahm, brachte die angreifenden Truppen in die höchſte Gefahr; nur 
eben zur rechten Zeit konnte Ziberius, der den Kampf genau verfolgt 
hatte, ihnen Hülfe ſenden. Damit wandte fi) aber das Blatt: die 
Römer befegten einen Felfen, der den Dalmatern die Rückkehr in 
die Stadt abſchnitt, und fie ſahen fich genöthigt, in den Wald zu 
flüchten. Hierhin verfolgten fie die Römer und machten alles nieder, 
damit der Aufftand nicht neue Kräfte gewänne. Allerdings ergab ſich 
die Fefte jett, aber der Krieg war immer noch nicht beendet. 

Germanices follte ihn zu Ende führen. Diefer nahm das eben- 
falls fehr feſte Arduba, freilich nur, weil in der Befagung ein Zwie⸗ 
ſpalt ausgebrochen war; fonft hätte, jagt Dio, auch ein viel größeres 
Heer die Feſte nicht bezwingen fünnen. 

Der Fall diefer Feſtung fcheint dann die letten Poffnungen der 
Dalmater vernichtet zu haben: denn die umliegenden Gajtelle ergaben 
fich ohne Widerftand, und Germantcus fonnte die Reſte des Auf- 
ftande8 dem Poftumins überlaffen, um ſelbſt zu Ziberius zuriüdzus 
fehren. Da ergab ſich endlich auch Bato, nachdem er durch feinen 
Sohn mit Tiberins Verhandlungen angefnüpft und die Zuficherung 
der Straflofigfeit erhalten hatte. Auf einem Throne figend nahm 
ZTiberius offenbar mit großer Feierlichkeit feine Unterwerfung ent 
gegen, und der Krieg war beendet (Dio 1. 1. 16). 

Allerdings muß nad) diefer Reihe von Ereigniffen der Krieg ſich 
bis tief im den Herbft des J. 9 hineingezogen haben; fiel dann aud) 
die Schlaht im Teutoburger Walde fpäter, jo wäre wohl begreiflic, 
warum Tiberius erft nad den 16. Januar an den Rhein abgehen 
fonnte. 

Bei diefen verfchiedenen mit einander ftreitenden Momenten 
könnte e8 vielleicht da8 Beſte ſcheinen, fich zu befcheiden und einzuges 
ftehen, daß mit den uns zu Gebote ftehenden Quellen eine genauere 


ı &o bie Imfchriften, Dio nennt e8 Anbderion, 


333 


Datierung der Schlacht im Teutoburger Walde unmöglich fei. Allein 
Ale, welche fi) mit dem pannonifchen und deutjchen Kriege des J. 9 
beihäftigten, haben überfehen, daß über den pannonifchen Krieg ein 
Zeugniß vorhanden ift, welches auf fein Ende und damit auch auf 
das Datum der Schlaht im Zeutoburger Walde ein neues Licht 
wirft. In den Faften von Antium (C. I. L. I, 326 ff.) lejen wir 
folgende Inſchrift. 

IIL NON. AVG. TIL AVG. INLYRICO VIC. d. h. Ti— 
berius fiegte in Illyricum — denn fo ift offenbar zu verbeffern — 
am 3. Auguft. 

Die Confuln, in deren Jahr der Sieg ftattgefunden haben foll, 
find freilich nicht angegeben, aber es kann feinem Zweifel unterliegen, 
daß die Inſchrift auf den großen pannonischen Aufftand von 6—9 
und zwar auf fein Ende geht, wie denn Mommfen auch dazu in den 
Comment. diurnis (C. 1. I, ©. 398) bemerft: spectant haec ad 
bellum gestum in Dalmatia (nam hanc ea aetate Illyrieum 
appellatam notum est) a.p. C.6—9' = u.c. 759—762, intel- 
legiturque omnino extremi a.762 vietoria, qua facta Bato se 
dedidit honoresque ducibus Romae decreti sunt. 

Allerdings hatte Tiberius fhon einmal in den %. 12 und 11 
v.Chr. (u. c. 742—743) in Pannonien einen nicht unrühmlichen Krieg 
geführt; ja fein Verdienit war es, daß Pannonien überhaupt unter— 
worfen und zur Provinz gemacht war. Vellejus II, 96 rühmt daher 
die gloriosissimae multiplicesque vietoriae dieſes Krieges, für 
welhe Tiberius die Auszeichnung des Ovation erhalten habe. Den 
noch ift eine Deutung der Infchrift auf diefen Krieg abzulehnen. 

Denn troß jenes Ausdrucks des Vellejus ift ſchwerlich eine 
Schlacht des Krieges von folher Bedeutung geweſen, daß man fi 
hätte veranlaßt fühlen können, fie in den Faften zu vermerken; viel— 
mehr hätte fich Vellejus ficherlich nicht die Gelegenheit entgehen laffen, 
feinen Helden Tiberius hier ganz befonder8 mit Nennung des Factums 
zu preifen. Ebenſo wenig wie Vellejus erwähnt aber auch Dio einer 
einzelnen hervorragenden Schlacht, und Dio ſcheint über die Feldzüge 
de8 Tiberius nicht Schlecht unterrichtet. 

Doch die Inſchrift fünnte auch den Sinn haben: Tiberius be— 
endete den Krieg [743] fiegreidh. Diefe Bedeutung von vincere, 
der jaan und für fich nichts entgegenfteht, wird ficher geitellt durch die 
Verwendung des Subftantivs vietoria und des griechiſchen vixn 
in dem Sinne von „fiegreiche Beendigung“. Vellejus II, 96 jagt 
gerade mit Rückſicht auf den erjten pannonifchen Feldzug des Tiberius, 
ohne, wie vorhin bemerkt wurde, von einer einzelnen Schlacht ge= 
Iprochen zu Haben: hujus viectoriae compos ovans triumphavit, 
und in gleicher Weife jagt Dio, von der Beendigung des großen pan— 
nonischen Aufftandes fprechend: aunyyads ımv vienv ö Teguavızdg 


ı Damals hielt Mommfen noch an dem 3. 9 für die Schlaht am Teu- 
toburger Walde feft. 


334 


(LVI, 17, 1). — Aber wen man auch das ‘vieit’ der Inſchrift in 
dieſem Sinne nimmt, die Inſchrift paßt dennoch nicht zum erften 
Kriege des Tiberins. Denn wer die fiegreihe Beendigung diejes 
Krieges melden wollte, würde vermuthlid in großer Verlegenheit um 
einen beftimmten Tag geweſen fein, an weldem der Krieg beendet 
fein follte; wollte er überhaupt etwas von diefem Kriege aufzeichnen, 
jo hätte wohl der Tag, an welchem ZTiberius in Rom feinen feinen 
Triumph feierte, am nächſten gelegen, und wir würden ‘ovavit’ in 
der Inſchrift finden, nicht vicit'. 

Es kommt dazu, daß die Bedeutung des erften pannonifchen 
Krieges feinen Vergleich aushält mit der des zweiten. Der von aller 
Uebertreibung gänzlich freie Sueton nennt den leßteren (Tib. 16) 
‘gravissimum omnium externorum bellorum post Punica’, und 
wenn für ung feine Gefährlichkeit nach den Darftellungen des Dio 
und Vellejus nicht ganz jenem Ausdrude des Sueton entſprechend 
hervortritt, jo liegt da8 wohl nur daran, daß jene beiden Schrift: 
jteller vom römifchen Standpuncte aus fchreiben und den Erfolgen der 
_ tapferen Bergvölfer nicht volle Gerechtigkeit widerfahren ließen. Das 

gegen bejtätigen die Nichtigkeit von Suetons Urtheil einige unzweifel 
hafte Thatſachen. Als der Krieg ausgebrochen war, erklärte der Kaiſer 
im Senat, der Feind fünne in zehn Tagen vor Rom ftehen, wenn nicht 
die energiichiten Mafregeln getroffen würden: e8 mußten daher von 
allen Bürgern, Männern wie Frauen, nad) Maßgabe des Genfus 
Sclaven zum Eintritt in das Heer freigelaifen und mit Vorräthen 
für ſechs Monate ausgeftattet werden. Der Kaiſer jelbft ging noch im 
J. 8 nah Ariminum, um in größerer Nähe des Kriegsichauplates 
zu fein; außerdem gelobte er für die glückliche Beendigung des Krieges 
Feſtſpiele und ließ die Nitterprüfung ausfallen (Dio LV, 31). Und dem 
entiprechend wurden ZTiberius und Germanicus in Rom vom Senat 
mit jo reichen und großen Ehren bedacht, daß Auguftus für Tiberius 
einen Theil derjelben zurückwies. Wird man es hiernach als ſicher 
annehmen können, daß die Inſchrift auf den großen pannonijchen 
Aufftand von 6—9 geht, fo ift dagegen nicht fofort erfichtlich, auf 
welches Ereigniß des Krieges fie zur beziehen ift. Indeſſen wird ſich 
leicht erweifen laffen, daß nur ein Ereigniß gemeint fein kann, welches 
mit dem Ende des Krieges in naher Beziehung ftand. Das hat Momunfen 
auch richtig gefehen, obichon feine Erklärung fonft nicht genau: ift. 

Bei der großen Bedeutung, die, wie wir fahen, der Krieg Hatte, 
wird es an und für ſich das Wahrfcheinlichite fein, daß man dasjer 
nige Ereigniß in den Faſten vermerfte, welches das von Soldaten, 
Volk und Kaifer lang erfehnte Ende des Krieges bezeichnete, und das 
wird noch wahrscheinlicher, wenn man fieht, daß große Feldſchlachten 
in dem Kriege, mit Ausnahme der im erjten Jahre an den Bolcäifchen 
Sümpfen gelieferten gar nicht vorfommen, und im diefer hatte nicht 
Tiberius gefiegt. 

Denn offenbar hatte der Krieg jehr bald den Charakter einer Gue- 
villa angenommen, wozu das Land ja wie gejchaffen war; und wenn man 


335 


bedeuft, daß Vellejus, der die Schlacht au den Volcäiſchen Sümpfen 
mit Ausführlichkeit beipricht, von Tiberius, den er fonjt lobt, wo er 
num irgend kann, feine einzige Waffenthat meldet, dafür aber mehr- 
mald hervorhebt, daß er ſtets das Nitsliche dem Glanzvollen vorge— 
zogen und das Sicherfte für das Ruhmvollſte gehalten habe, aud) 
niemals von dem Willen des Heeres gelenkt jei, — jo kann man 
fiher fein, daß der Krieg ſich m einer Reihe Heiner Kämpfe und in 
der Belagerung fefter Buncte abgefpielt habe, jo etwa, wie die Kriege 
Cäſars in Gallien. 

Allein man fünnte die Inſchrift deuten wollen auf ein Ereigniß 
des %. 8, welches infofern nicht ohne Bedeutung war, als es dent 
einen Theil des Krieges, dem in Bannonien, ein Ende machte. Unter dem 
Namen Yllyricum begriff man nämlich in weiterem Sinne auch Pan» 
nonien *, und die Unterwerfung Pannoniens, d. h. des Landes zwi« 
hen Drau und Sau, erfolgte im J. 8 derart, daß die Völferfchaften 
am Fluſſe Bathinus ? feierlich die Waffen ſtreckten. Leider kennen wir 
diefe Thatfache nur aus einer kurzen, aber mit der Yobpreifung des 
Ziberius verbundenen Notiz bei Vellejus II, 114, da bei Dio gerade 
im %. 8 eine große Lücke iſt; aber die Bedeutung der Unterwerfung 
erhellt nicht nur daraus, daß Vellejus fie hervorhebt, fondern vor allen 
Dingen daraus, daß, wie ſich aus Dio nachweifen läßt, Tiberius ſich 
veranlagt ah, den Germanicus mit der Nachricht von diefem Erfolge 
nah Rom zu ſchicken. Denn indem- er davon Spricht, daß Germa— 
nicus im J. 9 die Nachricht von der glücklichen Beendigung des 
ganzen Krieges nad) Nom überbradht habe, fagt er (LVI, 17, 1): 
adyıyysıls dd xal zors ınv viamv Ö Tsguavızdc. 

Das xas, welches die Erflärer mit Stillfchweigen übergehen, 
zeigt, daß Germanicus fchon einmal eine folche Siegesnadhricht nad) 
Kom überbracht hatte und daß dies von Dio erzählt war: da ſich 
aber in Dio fonft nichts davon findet, muß er es in jenem verlo= 
renen Stücke mitgetheilt haben, welches die Ergebung der Pannonier 
enthielt. Und hierzu würde das Datum des 3. Auguft gut paſſen: 
denn Vellejus jagt, die Unterwerfung am Fluſſe Bathinus habe im 
Sommer ftattgefunden. Hierauf würde, da Vellejus die zum Krieg 
geeignete Jahreszeit meiſt als aestas dem Winter entgegenftellt, nicht 
viel zn geben fein, wenn nicht gerade an unferer Stelle ‘aestate’ im 
Gegenfage zu einem bald darauf folgenden “auctumno’ ftände, jo daß 
man allerdings annehmen darf, jene Unterwerfung habe im Hoch— 
jommer ftattgehabt. 

Trotzdem ift die Deutung der Inschrift auf dieſes Ereigniß nicht 
wahricheinlih. Denn derjenige, welcher dieje Thatſache für wichtig 
genug hielt, um fie im dem Faſten zu vermerken, würde dann das 
Ende des ganzen Krieges erſt recht verzeichnet haben: in diefem Falle 


ı S. Mommfen, C. I. L. III, 1, 279. 

2 Den fonft nicht weiter erwähnten Bathinus übergehen die neueren Bes 
arbeiter der alten Geographie; darum mag darauf hingewieſen fein, daß ein 
füdlicher Nebenfluß der Drau Bodeja, auf älteren Karten Bedeja heißt. 


336 


aber würde er ſich des Gegenjages zwijchen den Kriegen in Illyricum 
und Pannonia gewiß deutlich bewußt geweſen fein und von dem in 
Pannonien beendeten Kriege ſicherlich nicht in Illyrico vieit 
gejagt haben, fondern “in Pannonia’. 

Zritt doc der Unterſchied der beiden Yandichaften gerade für 
diefen Krieg nicht nur bei den gleichzeitigen Schriftftellern und Dio, 
fondern auch noch bei dem fpäten Florus hervor. 

Wir werden fomit auf die Ereigniffe hingewiefen, die den Krieg 
abjchloffen, und hier, fahen wir, ſpricht Mommfen von dem legten 
Siege des Tiberius, der die Ergebung des Bato herbeigeführt habe. 
Jedoch Bato, deſſen Unterwerfung aud für Mommfen offenbar erit 
den eigentlichen Abſchluß bildet, hat fich nicht in Folge eines bes 
ftimmten von Tiberius errungenen Sieges ergeben, ſondern im wahriten 
Sinne des Wortes als der lette feines Volkes, al8 alle Bergfeiten, 
in denen noch Widerftand geleiftet war, in die Hände der Römer ges 
fallen waren. — Inſofern iſt Mommfens Bemerkung nicht erac; 
ja, e8 muß überhaupt auffallen, daß er nicht geradezu das Greigniß 
nennt, welches für den „letzten Sieg“ des Tiberius angeſehen werden 
fönute, die Einnahme von Andetrium. Wir fahen S. 332, daß hierbei 
allerdings ein größerer Kampf ftattfand, der faft mit einem erhebliden 
Unfall der Römer geendet hätte; demnach würde man die Yuschrift 
auf diefen Kampf beziehen fönnen, aber nur unter der Bedingung, daf 
es wirklich die letzte entjcheidende That des Krieges gewejen. Aus Dive 
Darftellung ergiebt fich das freilich nicht, nad) ihm leiften vielmehr 
noch andere Gaftelle Widerftand, die Germanicus und Poftumius er- 
obern müffen; dennoch ift e8 möglich, daß hier ein eigentlicher Kampf 
nicht mehr ftattgefunden, daß e8 vielmehr nur des Erfcheineng des rö- 
mifchen Heeres bedurft hat, um die Befagungen zur Ergebung zu ver- 
mögen. So fcheint e8 wenigſtens bei dem nad) Andetrium von Germa- 
nicus belagerten Arduba gewejen zu fein: von einem Kampfe vor dem 
jehr feiten Orte fagt Dio nichts, während er ausführlich von dem 
unter der Beſatzung ausgebrochenen ſpricht. Es wird danad) wohl 
anzunehmen fein, daß das Eintreffen des Germanicus vor der Feſte 
den Zwiefpalt unter der Beſatzung herbeigeführt hat, welcher die Er- 
gebung des Platzes zur Folge hatte. — Man würde bei obiger Er- 
klärung der Inſchrift wohl ferner anzunehmen haben, daß die von 
Dio nad der Einnahme von Andetrium gemeldeten Ereigniſſe in für 
zejter Zeit, aljo bald nad) dem 3. Auguft, geichehen feien. 

Allein die Anschrift läßt ſich vielleicht auch noch anders deuten. 

Es muß bei Vellejus II, 117 auffallen, daß er, der felbft als 
Legat des Tiberius den Creignijfen beimohnte, das volljtändige 
Ende des Krieges (consummatum belli opus) auf einen ganz be» 
ftimmten Tag fallen läßt, von dem ab er den Tag als den fünften » 
zählt, an welchem die Trauerbotfchaft aus Deutichland eintraf. Was 
aber oben von dem erften ilfyriichen Kriege bemerkt wurde, daß bei 
der Art defjelben ein Tag als Ende dejfelben jchwer zu bejtimmen 
geweſen fein möchte, muß auch für den großen illyriſchen Krieg gelten, 


337 


wenn nicht ber Tag, mit dem der Krieg gänzlich beendet war, ein 
iharf marfirter war. Ein fo ſcharf marfirtes Ende gewann aber 
der illgrifche Krieg mit der Ergebung des Bato, die Tiberius offen« 
bar im feierlicher Audienz; — auf einem Tribunal figend, fagt Div — 
entgegennahm. — Bato war der gefährlichjte Gegner der Römer ge= 
weſen, weshalb Dvid, indem er fich den Triumph des Ziberius in 
Gedanken ausmalt, von ihm fagt: belli summa caputque Bato. 
Seine Ergebung war daher nicht bloß ein wirfliher Triumph für 
Ziberius, fondern bezeichnete, wern irgend Etwas, das Ende des Krieges. 
Von diefem Tage aus wird alfo Vellejus gerechnet haben; mithin 
fonnte er gewiß auch in den alten vermerkt werden als Ende eines 
jo hartnädigen und gefahrvollen Krieges. Und daß die glückliche Be- 
endigung des Krieges recht wohl durch vicit' ausgedrückt werden 
fonnte, ift oben nachgewieſen. 

Aber noch eine dritte Erflärung wäre denkbar. Wie mehrfad) 
erwähnt, fanden in Rom zu Ehren des Tiberius und Germanicus 
Feſtlichkeiten ftatt, welche durch das Eintreffen der Nachrichten von 
Barus unterbrochen wurden: dawn ug ayyella dxwWivos oyas 
dssopracas, jagt Div. Ohne Zweifel hatte der Senat eine sup- 
plieatio decretirt, wie fie zuerjt dem Cäfar und zwar in der Daner 
von funfzehr Tagen (Später von 20) zuerfannt war. Es wäre mög« 
ih, daß der 3. Auguft der Anfangstag diefer Feiertage geweſen 
wäre. Dies könnte um fo wahrjcheinlicher fein, als die Vergleichung 
der Notizen in den Faſten von Antium mit den gleichen Notizen an— 
derer Falten lehrt, daß die der Faften von Antium aus den offiziellen 
römischen gekürzt find. 

Zum 2, Auguft geben die Faſten von Amiternum: 

FERIAE || QVOD EODIE C.CAES.C.F. IN HISPANIA 
CITER. ET QVOD IN PONTO EOD. DIE REGEM 
PHARNACEM DEVICIT. 

Daß fo etwa die officielle Form der römischen Faften lautete, 
ſcheint beftätigt zu werden durch Notizen einiger Faſten über andere 
Schlachten. So heißt e8 in den Faſten von de la Valle über diefelbe 
Schlaht: FERIAE QVOD HOC DIE 1MP. CAESAR HISPA- 
NIAM CITERIOREM VICIT, und in gleicher Weiſe in den Fajten 
von Pränefte zum 6. April: F(ERIAE) Q. E. D. C. CAESAR 
IN AFRICA REGEM (IVBAM) V(ICIT). 

Uebereinftimmende Form findet fich in den Falten von Amiternum 
zum 9. Auguft (Schlaht bei Pharjalus) und in den Notizen über 
die Schlachten von Actium (2. September) und von Naulochus (3. 
September). 

Zum 2. Sept. heißt e8 noch insbefondere: feriae ex S. C. 
und zum 3. Sept. werden neben feriae aud) supplicationes apud 
omnia pulvinaria erwähnt. 

Der in den Faften von Amiternum zum 2. Augujt erhaltenen 
offiziellen Norm gegenüber geben die Taten von Antium aber nur 
DIVVS IVLIVS HISP. VICIT. 


338 


Wenn diefelben Falten nun zum 3. Auguft nur TL AVG. IN 
ILLYRICO VICIT Haben, jo liegt die Vermuthung nahe, daR «8 
in ben offiziellen Faſten hieß: FERIAE QVOD EO DIE TI. 
AVG. IN ILLYRICO VICIT. 

Womit dann faum ein anderes Feſt als jenes von Dio er— 
wähnte, in jo trauriger Weiſe unterbrochene, gemeint fein könnte. 

Nimmt man den 3. Auguft als Tag der Einnahme von Ande— 
trium, jo würde die Nachricht von der Niederlage im Teutoburger 
Walde — fünf Tage nach der Beendigung ded ganzen Krieges — 
etwa um den Beginn des leßten Drittel de8 Augujt bei Tiberius 
eingetroffen fein, wenn man für die Operationen des Germanicus und 
Poſtumius nod) etwa vierzehn Tage rechnet. — Deun daß Vellejus jagen 
will, die Nachricht fei fünf Tage nad) Beendigung dee Krieges bei 
Tiberius eingetroffen, — nit in. Rom, wie meijt und felbjt von 
Gardthaufen 1. 1. geglaubt wird — ergiebt fic) aus dem Zufammenhang. 
Bellejus müßte ein jchlechter Stilift fein, wenn er meinte: faum 
hatte in Yllyrien Tiberius den Krieg beendet, als fünf Tage darauf 
in Rom die Nachricht eintrifft. Offenbar ift für den Sat die Eins 
heit des Ortes fejtzuhalten, und dies wird bejtätigt, wenn Vellejus 
nad) der Epijode über die Schlaht c. 120 fortfährt: His auditis 
revolat ad patrem Caesar. Traf aber die Nachricht bei Tiberius 
um den 20. Auguft ein, fo wird die Schlacht felbft im dem letzten 
Tagen des Yuli oder den erften des Auguft jtattgefunden haben. 

Noch früher, wohl in die erjte Hälfte oder um die Mitte Juli, 
wiirde fie anzujegen fein, wenn man die anderen Erklärungen der 
Inſchrift annimmt, wonach einmal die Botjchaft bei Tiberius am 
8. Auguft, das andere Mal in Rom in der erften Woche des Auguft 
eingetroffen wäre. 

Welche Erklärung aber auch die wahrjcheinlichere fein mag, man 
wird immer von der Schmidfchen Berechnung Abjtand nehmen und 
die Schladht in den Hochſommer ſetzen müjfen, und das ift der une 
ficheren Begründung Schmids gegenüber immerhin ein Gewinn. 

Es bleibt nur noch übrig, nachzuweiſen, wie mit der verhältniß— 
mäßig frühen Beendigung des pannonifchen Krieges die Darftellung 
de8 Dio zu vereinigen ijt, mach welcher es fcheinen mußte, daß der 
Krieg bis tief in den Herbſt hinein gedauert habe. Allein mit Be 
ziehung auf diefen Punkt hat Schon Abrahaın, Zu den germ. und 
pannoniſchen Kriegen unter Auguftus S. 13, darauf hingewieſen, 
daß die Kämpfe de8 Germanicus wohl noch ins %. 8 gehören: ent» 
weder habe jie Dio ſchon im feiner Vorlage an falfcher Stelle ge 
funden oder fie bei feiner verwirrten Art, Kriege zu erzählen, und der 
gefährlichen Manier, Creigniffe aus Nom und in den Provinzen 
durch einander zu erzählen, an unrechter Stelle eingefchoben. — Je— 
denfalls darf Dio feinen Einwand abgeben gegen ein fo ausdrüde 
liches Zeugniß, wie e8 die Inſchrift dafür bietet, daß der pannoniſche 
Aufſtand am 3. Auguſt entweder jein Ende erreichte oder demjelben 
ganz nahe war. 





Zur Kritik der älteften bayeriſchen Geſchichte. 
Bon Fr. Nagel. 





Die Salzburger Breves notitiae berichten zum Jahre 702: 
Interea vero Theodo infirmabatur commendavitque filio suo 
Theodberto ducatum Bavariae!. Der uubefangene Lefer wird 
diefe Worte nicht anders verjtchen, denn als einen Bericht über den 
Tod des Herzogs Theodo II. Allein „es bedarf nur der einfachen 
Annahme, dag Herzog Theodo von jener Krankheit genejen fei“, 
werden wir belehrt?. Denn derjelbe Herzog foll im Jahre 716 nad) 
Rom gewallt fein und nod im Yahre 722 den Heiligen Corbinian 
in Regensburg empfangen haben. Wenn letteres Datum auch noch 
vielfältig beftritten wird, jo gilt doch das erjtere für dejto ficherer. 
Denn eine ummittelbare Folge der Romreiſe Theodos foll die Abord— 
nung einer päpftlichen Gefandtichaft nad) Bayern gewejen fein, deren 
Injtruftion uns noch vorliegt, wenn gleich von dem Eintreffen der 
Geſandten im Bayerlande oder von irgend einer Thätigfeit derjelben 
anderweitig feine Spur zu finden ift®. 

Es iſt nun freilich jehr nwahrſcheinlich, daß Abgeordnete des 
römiſchen Stuhles mit ſo bedeutenden Vollmachten, wie ſie das ſoge— 
nannte Kapitulare Gregors II. enthält, ihre Sendung umverrichteter 
Dinge aufgegeben Hätten, ohne zum Mlindeften durch Hervorrufung 
des heftigjten Widerjtandes die Spuren ihrer Anwejenheit für lange 
Zeit erfennbar dem Yande eingeprägt zu haben. Darum hatte En— 
huber* im der Ueberzeugung, daß ein jolches Unternehmen des rö- 
mischen Stuhles unmöglic im Sande verlaufen könne, auf das Ka— 
pitulare Gregors II. fofort auch jein erjtes bayeriiches Nationalconcil 
vom Jahre 716 gebaut. Zwar hat bereits Winter® diefes Concil 
„wieder in fein Nichts, aus dem es mit vieler Mühe herausgezogen 
wurde“, zurücgewiefen; aber neuerdings ließ J. Merkel? daſſelbe 


Indiculus Arnonis und Breves notitiae ed. Keinz ©. 29. 
Rettberg, Kirchengeſchichte Deutſchlands II, 210. 

Nettberg a. a. ©. II, 212— 213; Monum. Germ. LL. III, 236, 
Conceil. Ratisb. brev. recens. ©. 4 ff. 

Vorarbeiten zur bayer. —— II, 2. ©. 39 fi. 

Mon. Germ. LL. III, 237—239 


a mn =» = wm - 


340 


nicht bloß wieder aufleben, fondern glaubte fogar die Akten defjelben 
in jenen Regensburger Synodalbejchlüffen finden zu follen, welche be» 
reit8 Frobenius Forfter ! in das fünfte Dezennium des achten Jahr— 
hunderts verwiejen hat. 

Die Gründe, welche Merkel zu diefer Annahme beſtimmen, be- 
ftehen zumächit darin, daß in den Regensburger Synodalaften mehrere 
Beitimmungen der statuta Bonifacii vermißt werden, welche nad) 
feiner Meinung nicht fehlen würden, wenn jene Regensburger Sy 
node fpäter fiel, als die Verabfaffung jener statuta; und weiterhin 
findet er in den Beitimmungen der Regensburger Synode über die 
Duatemberfaften fein Hinderniß für die frühere Abfafjungszeit, weil 
diejes Kirchengebot doch bereits durch das Kapitulare Gregors nad 
Deutfchland gebradjt gewejen fei. Allein die Regensburger Synode 
fonnte, aud) wenn fie in das fünfte Dezennium des 8. Jahrhunderts 
fällt, vecht wohl ihre guten Gründe haben, mancherlei Bejtimmungen 
der -statuta Bonif. vor der Hand zurüdzuftellen; und wie es mit 
den Kapitulare Gregors II. ſich verhalte, werden wir noch zu unter 
ſuchen haben. Einen ficheren Anhaltspunkt für die Zeit dieſer Syne 
dalakten giebt unferes Bedenkens bloß die Stelle in cap. 2: absti- 
neant se a fornicationis malo, pro quo maximae istas pati- 
mur tribulationes et pressuras, quae novae nobis et insolite 
superveniunt. In der That ſtammte alles Unglücd, welches Bayern 
in den Jahren 720—750 traf, aus fornifatoriichen Verbindungen: 
Grimoalds Verhältnig zu Pilitrud war die eigentliche Urſache, melde 
ihon 725 und 728 den Karl Marteli ins Land rief; und die Em: 
pörung Odilos von 743 mit all ihren traurigen Folgen war aud) 
angezettelt von einer Concubine (Karl Martells) ?, der bayerifchen 
Sonidilde. Und was in Folge diefes Aufitandes über Bayern fam, 
das war allerdings neu und unerhört. Nad dem Märzfelde von 
743 hatten ſich Karlmann und Pippin gegen Bayern aufgemacht, den 
Odilo troß der Einſprache des päpftlichen Legaten Sergius? am Lech 
geichlagen, Bayern 52 Tage lang verwüſtet, und endlich Herzog Odilo 
als Gefangenen mit ſich fortgeführt*. In dem von dem Aoareneit: 
falle von 738 her noch erjchöpften Bayern? mußten die traurigiten 
Zuftände entftehen. Hierauf wird die Synode von Regensburg Be: 
zug nehmen, und aljo in die Jahre 743 oder 744 fallen, nicht aber 
in das Jahr 716, wie J. Merkel will (denn in dieſem Jahre war 
gar fein gejchichtlicher Anlaß zu folder Klage über tribulationes et 
pressuras), noch aud) in das dritte Jahrzehnt, wie er eventuell zus 


Mansi, Coll. coneil. XIII, 1025. 

Annales Mettenses, in Mon. Germ. SS. I, 327. 
Ibid. 328. Fredegar contin. 112. 

Breves notitiae cap. 7 ed. Keinz ©. 33, 

5 Hubbard, Bayer, Geſchichte S. 272. (Diefer Avareneinfall beruht nur 
auf der angeblichen Urkunde Arnolfs für den Biſchof Wihing von Paffau vom 
9. Sept. 898, Mon. Boica XXVIII, S. 119, einer der Lorſcher Fäl— 
ſchungen. €. ©.) 


> w 1 


341 


geben wiirde, denn die Demüthigungen, welche Bayern unter Grimo« 
ald erlitt, waren noch nicht noyae et insolite, wie die zu Odilos 
Regierungszeit. 

Müffen wir ſonach befennen, daß die Megensburger Synodal- 
aften ich nicht dazu eignen, und eine Wirkung des Gregorianifchen 
Kapitulare von 716 aufzuzeigen, jo werden wir deſto genauer der 
angeblichen Beranlafjung diefer Yegation, nehmlich der Romreiſe des 
Herzogs Theodo II. jelbjt, nachzuſpüren habe. 

Ueber diejelbe befiten wir zwei Nachrichten hochangefehener Ge— 
ſchichtsquellen: die eine in der Vita papae Gregorii II. des Liber 
pontificalis!, die andere in der Hist. Langob. des Paulus diaco- 
nus? Der leichteren Beurtheilung wegen beginnen wir mit der 
zweiten, Paulus erzählt uns, daß gegen Herzog Faroald von Spo— 
leto fih deifen Sohn Tranſamund empört, die Gewalt an fich ge= 
riſſen und den Vater im den geiltlihen Stand gejtedt habe. Dieſe 
Umwälzung wurde bereit8 von Cäſar Baronius® auf das Yahr 726 
berechnet, ift aber in das Jahr 723 oder 724 zu fegen. Im un— 
mittelbaren Anfchluffe daran erzählt Paulus weiter, daß Herzog Theudo 
von Bayern „in diefen Tagen“ nad) Rom gewallfahrtet jei. Es ift 
nun unbeftritten, daß Theodo das Jahr 724 nicht mehr erlebt habe. 
Es ift weiter befannt, daß derartige Zeitangaben bei Paulus, wie 
"his diebus’ oder ‘hoc tempore’, wie fie aud hier zur Verbindung 
ber beiden Notizen dienen, für Zeitbeſtimmungen niemals enticheidend 
fein dürfen‘. Aber man macht ſich die Sache zu leicht, wenn man 
diefe Sachlage mit M. Büdinger dahin fteigert, daß eine derartige 
Einführung bei Paulus „gar nichts bedeute“ ®. Irgend welche An— 
halte: oder Anfnüpfungspunfte hat er in feinen Quellen für feine 
Hronologifchen Reihen immerhin gejucht, nur daß diejelben ſich ihm 
manchmal verichoben haben, oder undentlich gemwejen find. Wenn aljo 
in unferm Falle fejtfteht, daß die Romreiſe Theodos falich eingereiht 
wurde, fo werden wir die Anfnüpfung an den Namen Tranſamunds 
nicht einfach wegwerfen, fondern in erjter Linie der Gonjeftur Raum 
geben, daß Paulus hier den jüngeren Tranſamund von Spoleto, den 
Sohn Faroalds, mit dem ältern Tranſamund, dem Vater Yaroalds, 
der im Sahre 703 geftorben iſt, verwechjelt habe®, und demgemäß 
den Schluß ziehen, daß nah den Duellen des Paulus Herzog 
Theodo II., wenn feine Romreiſe nicht 724 fallen kann, vor dem 
Jahre 703 die ewige Stadt beſucht Haben wird. 

Aber Paulus foll ja feine Notiz über diefe Romreiſe einfach aus 


Mansi, Coll. concil. XII, 227. Muratori, SS. rer. Italic. III, 154. 
Paulus diac. hist. Langob. VI, 2. 

Annal. eccles. IX, 79. 

Bergl. Bethmann in Pertz' Archiv X, 282. 314. 

„Zur Kritik altbairifher Geſchichte“ in Wiener Sitzungsberichten 


a » m KM — 


XXIII, 387. 
° Hist. Langob. VI, 30. 


XVII 23 


342 


der Vita papae Gregorii II. abgefchrieben haben!. Und e& fit ja 
eine allbefannte Sache, dak Paulus die Vitae pontifieum in der ans 
giebigften Weife als Gejchichtsquelfe benutt Hat. Aber Hiemit iſt 
noch nicht bewiefen, daß nothwendig alle Nachrichten, welche Paulus 
mit der uns vorliegenden Rezenſion des Lib. pontificalis gemeinfam 
hat, aus letzterem abgefchrieben feien. Iſt e8 doch unbeſtritten, daf 
der Liber pontificalis, jo jehr er aud) vom Anfange des 8. Jahr— 
hundert8 an als eine gleichzeitige und in den meiſten Fällen glaub: 
würdige Gefchichtsquelle anzufehen ift?, doc) noch bis zum Ende des 
9. sec. allmählic) die eine und andere Zuthat empfangen hat, bie er 
die ung gegenwärtig vorliegende Geftalt erhalten hat?. inzelne No: 
tizen deffelben erfordern daher immerhin noch eine kritiſche Beleuch— 
tung. Vergleichen wir daher zunächſt die fragliche Stelle des Paulus 
mit der Nachricht der Vita papae Gregorii II. über Theodos Rom- 
reife. Es berichten: 


Paulus diac. h. Long. VI, 44: Vita Gregorii II. papae: 

Contra hunc Faroaldum ducem | Hujus temporibus signum in 
filius suus Transamundus insur-|luna factum est indictione 14, 
rexit, eumque clericum faciens, lo-|et visa est cruentata usque 
cum ejusinvasit. Hisdiebus Teudo | mediam noctem. Eo itaque tem- 
Bajoariorum dux gentis orationis |pore Teudo dux gentis Bajoario- 
gratia Romam ad beatorum apo- rum ad apostoli beati Petri limina 
stolorum vestigia venit. primus de gente eadem occurtit, 

orationis voto. 


MWiüfte man nit, an welchem Orte diefe beiden Nachrichten 
jtehen, ſo hätte die Kritik feinen Augenblick gezaudert, die Priorität 
der erfteren Relation zuzugeftehen; denn die zweite charafterifirt ſich 
felbft durch die Einleitung ‘eo itaque tempore’ jowie durch den 
Beiſatz ‘primus de gente eadem’ als Gorrectur, wenn vielleicht auch 
nicht Speziell der Nachricht des Paulus Diaconus, fo doch einer derfelben 
gleich oder ähnlich lautenden, fo daß alfo ebenfowohl Paulus wie der Liber 
pontif. aus einer dritten Quelle gefchöpft haben würden. Es fommt 
hinzu, daß in der indiet. 14 der Vita Gregorii II, alfo im Sabre 
716, feine bis Mitternacht andauernde totale Mondfinfterniß ſich bes 
geben hat*. Don den beiden totalen Mondfinfterniffen diejes Jahres 
wird die eine auf den 13. Januar Abends 6'/s Uhr berechnet, endete 
alfo fhon vor 9 Uhr, während die andere am 9. Yuli Mittags ein- 
trat. Dagegen fand ſowohl in dem vorhin fchon genannten Jahre 
723 am 20. Auguft Abends 9 Uhr eine totale Mondfinfterniß ftatt, 
deren Dauer ſich bis 11 Uhr erftredkte, al® auch am 16. April 702 


ı Mon. Germ. LL. III, 236 annot. 94. 

* Bergl. Giefebrecht, Ueber die Quellen der früheren Papftgeichichte, in 
Allgem. Monatsichrift f. W. u. 2. 1852, ©. 259, 

® (Der Text des Lib. pont. fteht in diefer Zeit doch foweit feft und das 
Verhältnis des Paulus zu ihm ift ein fo conftantes, daß die hier vorgetragent 
Anfiht ſich m. E. nicht wird aufrecht erhalten Taffen. -G. W.) 

* L’art de verifier les dates I, 315 (ed. Saint-Allais, Paris 1818). 


343 


eine Eklipſe des Mondes eintrat, auf welche das 'visa est ermentata 
usque ad mediam noctem’ volljtändig paßt, denn diefelbe erreichte 
ihre Höhe um 10'/s Uhr Abends und dauerte aljo genau bis Mit- 
ternacht. Hatte daher die von und angenommene gemeinfame Duelle 
jowohl den Zranfamundifchen Regierungswechſel in Spoleto als 
auch die Romreife Theodos mit einer totalen Mondfinfternig in Ver— 
bindung gebracht, wie jolches auf das Jahr 702 paffen würde, fo ift 
leicht erflärlih, wie Paulus diejelbe Thatſache auf 723 oder 724 
jegen konnte, während ein Anderer die herzogliche Romreiſe mit der 
ihm anderweitig befannten Mondfinfternig von 716 in Verbindung 
jegte und zur Ausſchmückung der leßteren verwerthete. Betrachten 
wir endlich nod) den Zufammenhang der Erzählung in der Vita Gre- 
gorii, jo müßte nad) der ganzen Anſchauungs- und Schreibweife jener 
Zeit dur) die Erwähnung der Mondfinjternig der Bericht eines 
ihweren Unglüds eingeleitet fein, als welches die Thronentſetzung 
des orthodoren Kaijers Anajtafius II. gelten mußte. Es ijt eine dem 
Gedanfenzufammenhang volljtändig unterbrechende Einjchiebung, wenn 
jwiihen dem umnheilverfündenden Zeichen und der Erzählung des un— 
lücklichen Feldzuges des Anaftafius jet der Bericht über den für 
om jehr erfreulichen Beſuch des erjten Bayernherzogs eingejchoben 
wird. Der letztere giebt ſich daher ſelbſt als eine jpätere Interpo— 
lation zu erfennen. Iſt diejelbe (von ‘usque ad mediam’ bis ‘ora- 
tionis voto’) zu ſtreichen, jo ijt die Mondfinfternig vom 13. Januar 
116 ganz an ihrem Plage, um die im Januar 716 erfolgte Thron- 
entſetzung Anaftafius Il. einzuleiten. 
Wir nehmen diejes um fo unbejorgter an, als auch noch an— 
dere Zahlen und Daten im erften Theile der Vita Gregorii II. 
eine mit der Wirklichkeit nicht übereinjtimmende Umarbeitung erfahren 
zu haben jcheinen. Denn wenn die Vita Constantini papae be» 
richtet hat, daß diefer unmittelbare Vorgänger Gregors II. ‘sepultus 
est 5. Id. April. indiet. 13, Anastasio augusto, et cessavit 
episcopatus dies quadraginta’, jo ergiebt fich für die Inthroni— 
firung feines Nachfolgers der 19. Mai 715. Und wenn ebenfo die 
Vita Gregorii II. als Begräbnißtag des letzteren ‘die 3. Id. Febr. 
indiet. 14. angiebt, jo fann unmöglich die Zeitangabe der Regie— 
rungsdauer Gregors II., mit welcher feine Vita beginnt, ‘sedit an- 
nos 16, menses 8, dies viginti’ richtig fein. Denn nad) diefer 
müßte er jchon am 21. Mai 714 den päpftlichen Stuhl bejtiegen 
haben. &8 liegt aber auf der Hand, daß die Angaben der Todcs- 
und Begräbnißtage ſowie der Dauer der Sedisvacanzen in diefen of— 
fiellen Papftgefchichten eine nahezu unbedingte, zum Mindeften aber 
eine größere Ölaubwürdigfeit beanfpruchen dürfen, als die Berechnung 
ihrer Negierungsdauer !, 


ı Nur die ſtärkſte Voreingenommenheit kann biejes Verhältniß umtehren, 
wie es 3.8. behufs Rechtfertigung der Vita S. Corbiniani auctore Aribone 
geichehen if. Vergl. Sulzbeck, Leben des Hi. Corbinian S. 5, und Lertha 
(Thaler), St. Eorbinian ©. 5. 

23* 


— 


344 


Sonach werden wir nach den Ergebniffen unferer bisherigen 
Unterfuhung zwar die Romreiſe Herzogs Theodo II. von Bayern 
fefthalten, aber wir werden fie in den Eommer‘des Jahres 702 zu: 
rücdatiren — wenn nicht die leßte und gewichtigite Inſtanz, welche 
für diefelbe angeführt wird, uns wieder auf 716 vordrängt. Diele 
it da8 mehrerwähnte Kapitulare Gregors II, weldjes einer, in Folge 
jener Romreiſe fofort nad) Bayern abgeordneten päpftlichen Yegation 
als Anftruftion mitgegeben worden jein will. 

Daffelbe ! trägt am Schluffe die Zeitangabe: Datum jussione 
Idus Mad. imperante domino augusto Anastasio a Deo co- 
ronato magno imperatore anno tercio pontificatus ejus. An 
dem Ausdrude ‘pontificatus’ anftatt imperii' wird fich fein des 
Sprachgebrauches jener Zeit Kundiger ernſtlich ftoßen?. Anſtoßreich 
dagegen ift die Zeitangabe ſelbſt. Welches Jahr ift mit dem dritten 
des Anaftafius IL. bezeichnet? Der Vorgänger dejjelben, Bardanes 
Philippifus, war mit der Ermordung AYuftinians II. im Dezember 
711 Kaiſer geworden. Nad einer Regierung von 1 Jahre und 6 
Monaten wurde er geblendet. Die freie Wahl des Senates und des 
Bolfes erhob den Geheimjchreiber Artemius zum Kaijer, welcher den 
Thron am 4. Juni 713 als Anaftafins II. beſtieg. Aber bereits im 
Januar 716 mußte er nad) der blutigen Schlacht bei Nicäa von 
Theodofius III. da8 Leben mit der Tonſur erfaufen? War mun 
713 da8 erfte Regierungsjahr Anaftafius IL, fo war 715 fein 
drittes, und die Id. Mad. feines dritten Jahres können nichts an- 
dere al8 den 15. Mai 715 bedeuten, Am felben Tage des Jahres 
716 war Anaftajius nicht mehr Raifer, und fonnte alfo die päpft- 
7 Kanzlei überhaupt nicht mehr nad) feinen Regierungsjahren 
zählen *, 

Es möchte auffallend erjcheinen, warum troß diefer Klaren Sad- 
lage Binterim? der Einzige gewefen und geblieben ift, welcher das 
Datum des Kapitulare mit 715 überjegte, wenn wir nicht wüßten, 
daß alle andern Forjcher durch die Rückſicht auf Papjt Gregor IL, 
deſſen Regierungszeit ihnen geläufiger war als die des oftrömijchen 
Kaifers, fi ohne Weiteres für 716 beftimmen ließen. 

Nun Haben wir vorhin bereit8 nachgewiefen, daß Gregor II. 
am 19. Mai 715 inthronifirt wurde; ebenfo, daß Kaiſer Anaftafius II. 
im Januar 716 aufhörte zu regieren. Nach der Ueberfchrift des 


ı Mon. Germ. LL. III, 451--454. 

2 Mergl. Du Cange, Glossar. V, 649 s. voce ‘pontificium'. 

® Paul. Diac. hist. Long. VI, 32. 34. 36. Gibbon, Hist. of the 
fall etc. VIII, 333 (ed. Basil). 

* Der Beleg, weldien Jafſs (Bibl. III, 131. Forſchungen X, 404 f.) 
dafür gefumden zu haben meinte, daß unter Umftänden die Päpfte ihre Urkunden 
noch nad) bereit8 verfloffenen Regierungen datirt hätten, ift duch Düngelmann 
dadurch hinfällig gemacht worden, daß derjelbe (Forſchungen XIII, 14 f.) für 
die betreffenden Briefe des Bonifacius (Jaffs 48 und 49) das Jahr 743 alt 
Abfaffungsjahr nachgewieſen hat. 

*Pragm. Geſch. d. deutſchen Concilien II, 8. 


345 


fraglichen Kapitulare ift baffelbe ‘a Gregorio secundo papa urbis 
Romae’ ausgefertigt, nad) der Unterfchrift am 15. Mai zur Zeit 
des Kaiſers Anaſtaſius II., in der That aber hat Gregor II. ale 
Papit mit Anaftafius IL. als Kaifer gar feinen 15. Mai erlebt — 
abgejehen davon, daß des Anaftafius drittes Jahr bereit8 715 und 
nicht 716 war. So enthält alfo das Datum dieſes Schriftſtückes 
im Zujammenhalte mit feiner Ueberfchrift eine gefchichtliche Unmög— 
lichkeit, welche auch dadurd noch lange nicht aufgehoben wird, daß 
man für ‘Id. Mad.’ ein ‘Id. Mart.’ conjicirt, wie fchon frühzeitig ge— 
ihehen ift?, um mit dem vermeintlichen 15. März 716 der noch 
bejtehenden Regierung des Anaftafius II. näher zu kommen, 

Auch im weiteren’ Verlaufe der Ueberfchrift erfcheint es jehr aufs 
fällig, daß Georgius nur al$ ‘presbyter sanctae sedis apostolicae’ 
und ebenfo Dorotheus nur als ‘subdiaconus praedietae sedis’ be— 
zeichnet werden. Denn jeder Presbyter in Rom gehörte ebenjo wie 
jeder Diafon einer beitimmten Kirche an. Geiſtliche Würdenträger 
lediglih zum Dienfte des römischen Stuhles wurden nicht ernannt. 
Aus der päpftlichen Kanzlei fann daher diefe Ueberjchrift nicht ſtam— 
men; denn dort wußte und beobachtete man alle Zeit, daß bereits 
can. 6 de8 conc. Chalcedon. das xsıgorovsiv anokvrwg ver= 
boten hatte. 

Allein die Heberfchrift- iſt noch fein fo integrivender Theil des 
ganzen Aktenſtückes, daß diefelbe nicht möglicherweife ein fpäterer Zus 
ag fein könnte. Auch die Datirung am Schluffe könnte vielleicht 
Ipäter erjt im täufchender oder aufklärender Abficht zugefügt fein (wie 
diefelbe ja auch wirklich in der Aldersbad - Münchener Handjchrift 
fehlt). Wir Haben daher den Inhalt des Kapitulare im Einzelnen 
zu prüfen, um die wirfliche Zeit feiner Abfaffung aus inneren und 
äußeren Merkmalen feftzuftellen. 

Es ift mit Recht darauf verwiefen worden?, daß in der Bulle 
Papſt Leos III. vom 11. April 800° von der Errichtung eines 
bayerifchen Erzbisthums gejagt ift, daß es ‘a multis temporibus ab 
ista sancta sede fuit praeordinata, sed diversarum rerum 
eventu impediebatur usque temporibus nostris’. Dieſe Stelle 
lann fehr wohl auf cap. 4 unjeres Kapitulare bezogen werden und 
beweift dann, daß letteres im Fahre 800 zu Nom befannt und an— 
erfannt war. Aber wir haben ein noch früheres, wenn auch indi= 
reltes Zeugniß für diefes Kapitulare. Da nehmlich tit. VII, 1—3 
der Lex Bajuwariorum*, welche durd) cap. 13 der synodus Aschai- 
mensis® aus den Jahren 755—760 unzweifelhaft in Bayern ihre 
geiegliche Gültigkeit erlangten, in den Ehehinderniffen bereits trengere 


Bergl. Mon. Germ. LL. III, 454 z. d. St. 
Rettberg, Kirchengeſch. Deutichl. II, 212. 
Kleimayrn, Juvavia, append. 58. 

Mon. Germ. LL. III, 297, 

Ibid, ©, 458, 


= >» m me 


346 


Beitimmungen treffen, als cap. 6 unferes Kapitulare, jo iſt ſicher, 
daß lesteres vor dem Jahre 755 verfaßt fein muß‘. 

Diefes Kap. 6 des Kapitulare enthält aber in Betreff der ver- 
botenen Verwandtichaftsgrade jo wenige Beſchränkungen, dag eruftlid 
bezweifelt werden muß, ob jemals feit dem fechsten Jahrhundert die 
reft von Rom aus folche Conzefjionen gemacht worden feien. Hier 
wird die Che bloß mit der Gattin (Wittwe) des Vaters, Vaterbrus 
der und eigenen Bruders, fowie die mit der eigenen Schweiter, oder 
der Schwefter des Vaters und der Mutter, oder mit der Schweſter⸗ 
tochter (Nichte), endlich mit der (Stief)-Tochter des Vaters oder der 
Mutter verboten. Alle andern VBerwandtichaftsgrade erjcheinen als 
erlaubt. Man leſe nun dagegen nicht mur die auderen, von Rom in 
gleichem Betreffe ausgegangenen, ächten Dokumente, fondern auch die 
entrüfteten VBerwahrungen der fpäteren Päpfte dagegen, al8 ob jemals 
an eine ſolche Erlaubniß hätte gedacht werden fünnen ?, und die aus: 
drücliche Verfiherung, daß ſich eine derartige Conzeſſion aus den 
päpftlichen Archiven nicht erfinden laſſes; man nehme noch Hinzu, daf 
dem hl. Corbinian bei feinem Kampfe mit Grimoald und Bilitrud 
eine Berufung auf eine derartige Beitimmung noch micht im den 
Sinn fam, während fie ihm doc fehr gelegen gewejen fein müßte, 
wenn er fie gefannt hätte (und follte man demfelben, wern man ihn 
nad) Aribos Behauptung in Rom zur Rückkehr nad) Bayern drin 
gend ermahnte, von ber bereits für Bayern erlaffenen Inſtruktion 
nicht8 gefagt haben ?)*: fo wird man der Autorfchaft Gregors II. 
und des Jahres 716 für diefes Kapitel nicht mehr ficher fein können. 

Den Inhalt von Kap. 7—13 findet man gewöhnlich fehr paſ⸗ 
fend für ein junges Chriftentfum?. Uns jedoch fcheint das Chriften- 


ı Ibid. ©, 229. 

2 Bergl. die Antwort des Papftes Zacharias an Pippin über die Be 
banptung, daß fein Borfahr die Ehe im 4. Berwandtichaftsgrade (canoniſchet 
Computation) erlaubt habe, bei Jaffs IV, 18—31. Der Inhalt von ep. 63 
(Jaffé) ift nah Düngelmann (Forſchungen XIII, 18) in innigem Zuſammen⸗ 
bange mit dem römischen zur Verurtheilung des Aldebert und Clemens beru« 
fenen Eoncil vom Jahre 743. 

In der angeführten Bulle Papft eos III. vom 11. April 800 führt 
derfelbe wörtlich al® Aeuferung feines Vorgängers Zacharias an: Sed neque 
hoc silendum est, quod in Germaniae partibus divulgatum est — 
quod quidem in archibo sanctae ecclesiae scriptum non repperimus, 
ipsis tamen asserentibus hominibus de Germaniae partibus didici — 
quod beatae recordationis sanctus Gregorius .. . licentiam illis de- 
disse in quarta sese copulari generatione. Er fpielt hierbei wohl auf bie 
in jener Zeit vielfältig von der germanichen Welt citirten, fogenannten cano- 
nes Gregorii M. an. Aber es fällt durch diefe Abläugnung doch aud) ein ei- 
genthümliches Ficht auf die Taktik des römischen Stuhles, welcher in derfelben 
Bulle unfer Kapitulare anerkennt, wo cap. 4 bdeffelben zu feinen damaligen Ab- 
fihten paßt, von einer Conzeſſion, wie fie in cap. 6 deſſelben enthalten ift, aber 
im ganzen Archive nichts gefunden zu haben behauptet. 

* Aribonis Vita Corbiniani cap. 15 u. 19, 

5 Mettberg, Kirchengeſch. Deutſchl. II, 213, 


347 


tum, für weiches diefe Kapitel gemünzt find, nicht mehr fo ganz jung 
gewejen fein zu können. 

Eben erit bekehrten Heidenchriften, insbeſondere deutſchen, welche 
in ihrem Heidenthume von einem Unterfchiede der Speijen nicht® ge— 
mußt hatten, wußte in Kap. 7, wenn es ji) einmal um Speijeges 
bote handeln follte, vor Allem eingefchärft werden, daß fie fich des 
Sötenopferfleifches zu enthalten hätten!. Wenn aber hier bereits 
davor gewarnt wird, den Begriff des Unreinen weiter al8 auf das 
Götzenopfer auszudehnen, jo richtet fich diefe Warnung gegen eine 
hyperchriſtliche, jüdiſch-asketiſche Gefeglichkeit, die in eine bereits be= 
jtehende Kirche eingeführt werden wollte ?, 

Die Kapitel 8 und 9, welche gegen die Ueberlieferungen heidni- 
ſchen Aberglaubens in Zeichendeuterei und Tagewählerei gerichtet find, 
waren ebenjowohl jhon 715 wie noch um 800 zeitgemäß ?; fie wer» 
den aljo für unfere Unterfuchung außer Anfag bleiben müſſen. 

Kapitel 10 handelt von den Firchlichen Falttagen. Es wird aber 
durchaus nicht, wie man jungen Gemeinden gegenüber erwarten jollte, 
auf die Beobachtung der pofitiven Faftengebote gedrungen, ſondern 
bloß einer übertricbenen Ausdehnung des Faftens auf Sonn= und 
Feſttage entgegengetreten. 

Kap. 11 wendet fich zunächft gegen jede Aeußerung der chrijt« 
lichen Piebesthätigkeit, welche nicht innerhalb der Beitimmungen der 
firdlichen Ordnung ſich bewegt, fett aljo eine bereits vorhandene 
reichliche Yiebesthätigkeit voraus. — Wer im zweiten Sate dieſes 
Kapitels unter den ‘desidentes’ zu verftehen fei, deren Oblationen in 
der Kirche ‘priusquam reconeilientur’ nicht angenommen werden 
jollen, ift nicht ausgemacht. Iſt desidentes in feiner claſſiſchen Be— 
deutung zu nehmen, fo bedeutet es die müffigen, gleichgültigen Glieder 
der Kirche, welche fi) an Gottesdienſt und Gnadenmitteln nicht mehr 
betheiligen,, durch ihre Abgaben aber immerhin noch ihre äußerliche 
Rechtszugehörigkeit zur Kirche wahren wollen. ine ſolche Beſtim— 
mung wird in einer jungen Miffionskirche, wie e8 die bayerifche im 
Jahre 715 ſicherlich noch war, ziemlich überflüffig fein, hätte aber in 
einer Maffenkirche, wie die bayerifche durch die Bonifacianifche Or- 
ganifation geworden war, ihren guten Grund. Wäre aber vollends 
desidentes gleich dissidentes zu faffen*, wie es ſchon die Wein- 
gartener Handſchrift und nad) ihr alle älteren Drude in Erinnerung 
an coneil. Carthag. IV can. 935 thaten, fo wäre hier gegen hä— 
retiſche Elemente angefämpft, welchen ihre Zugehörigkeit zur Kirche 
beftritten werden mußte, und wir hätten uns nad) derartigen Ketzern 


ı Of. Act. apost. 15, 29. 

° Cf.S. Pauli I, Cor. 10, 28; I, Tim. 4, 4. 

° Cf. conc. Rispacensis ct Frising. anni 796 can. 15 in Mon. 
Germ. LL. IH, 471. 

* Reschius, Annal. Sabion. sec. VIII annot. 41, und Mon. Germ. 
l. c. annot. 23. 

5 Mansi, Conc. III, 958, 


348 


umzuſehen, wenn wir die zeitgejchichtliche Stellung diefes Kapitels er» 
mitteln wollten. 

Zur Ermittelung ſolcher Keter aber zwingt uns das 13. Ra- 
pitel. Diefes wendet fi in feinem zweiten Theile gegen die Lehre 
von der anoxardoracıg nravıov: Ipsum quoque Satanam cum 
angelis suis atque eultoribus aeterno incendio concremandum, 
neque secundum quorundam sacrilegam dispu- 
tationem ad pristinam, id est angelicam dignitatem, unde 
cecidit, reducendum. Etwas Ungeichiefteres, al8 vor Neubefehrten 
eine Polemik gegen die Lehre von der Wiederbringung aller Dinge zu 
eröffnen, ließe fich kaum denken. Wer auf dem Jahre 715 oder 
716 für die Abfaffung des Rapitulare befteht, kann aber bei diejem 
Kapitel an keine andere kirchengeichichtliche Erfcheinung denfen, als an 
Drigenes oder die Manichäer!. Mir glauben aber, daß die jung 
befehrten Bayern für diefe Sekten cbenfowenig Verjtändnig und Ems 
pfänglichfeit gehabt haben werden, wie für Bar Subdaili, den jüngjten 
Srrlehrer diefer Art, welchen wir vor dem Jahre 716 kennen?. 

Viel einleuchtender ftellt fi die Sache, wenn wir unfer Augen— 
merk auf das fünfte Dezennium des 8. Jahrhunderts richten. In 
biefem fpielten vornehmlich; die Kämpfe des Bonifacins mit dem 
Schotten Clemens und mit Aldebert (Adalbert), Wie weit jich der 
Einfluß und der Wirkungsfreis diefer letzteren erſtreckt habe, jteht 
zwar noch nicht feft. Es läßt ſich nur vermuthen, daß Aldebert in 
Neuftrien, Clemens in Auftrafien gewirkt haben?. Bei den engen 
Beziehungen, in welchen die bayerifche Kirche verınöge ihres Urſprunges 
(Salzburg von dem auftrafiichen Worms, Freifing von dem neuſtri— 
chen Chartres) mit den kirchlichen BVerhältniffen in beiden Reiche: 
theilen ftand, bei der notorijchen ausgedehnten Wirkfamfeit, welche die 
irrfchottifchen Mönche in Bayern entfalteten*, bei dem Umftande, daß 
eine Yeengemeinfchaft des im Jahre 736 in Bayern abgejegten Erem- 
wulf mit Clemens nicht wohl geleugnet werden fann?, ift eine De 
fümpfung diefer Clemens-Adalbertſchen Irrthümer auf bayerijchem 
Boden wohl begreiflich. 

Ebenſo gerechtfertigt wird zu der beregten Zeit in einem bayeri- 
Shen Aktenſtücke die Bezugnahme auf eine kirchliche Partei ericheinen, 
welche Bonifacins allerdings zunächit am fränfifchen Hofe® fand, mit 
welcher er aber bis fpät im die vierziger Jahre des achten Yahrhuns 


! Reschius, Annal. Sabion. sec. VIII annot. 43, auf welden fid 
auch die Mon. Germ. a. a. D. beziehen. 

» Herzog, Realencyclopädie XV, 204 f. 

°» Rettberg, Kirchengeich. Deutſchl. I, 324. 

* War dod) das Erfte, wovor Gregor TII. die Bifchöfe der neuorganifirten 
bayerischen Kirche warnen mußte: gentilitatis ritum, et doctrinam vel ve- 
nientium Brittonum vel falsorum sacerdotum et hereticorum, sive 
adulteros, aut undecungque sint, rennuentes ac prohibentes abiciatıe. 
Jaffe, Mon. Mogunt. S. 103. 

8 Rettberg a. a. O. I, 347. 

®° Jaffe, Mon. Mog. ©. 158. 


349 


derts zu kämpfen Hatte, und welcher er vorwirft: . . falsos sacer- 
dotes et hypochritas, . . . offerentes populis et docentes no- 
vas sectas et diversi generis errores: quidam abstinentes 
a cibis, quosDeusad pereipiendum creavit, quidam 
melle et lacte proprie pascentes se, panem et ceteros abiciunt 
eibos. Iſt uns nun in diefen Klagen des Bonifacius der zeitges 
iichtliche Anlaß der Bejtimmungen in Rap, 7 unferes Rapitulare 
aufgehellt, jo Liegt in der Firlichen Nichtung jener Iroſchotten über- 
haupt Veranlaffung genug für den Wortlaut von Kap. 10. Denn 
die ſämmtlichen angeljächftichen Bußordnungen würden nicht fo heftig 
gegen das Faſten au Sonn» und Feiertagen eifern !, wenn fie nicht 
in der von ihnen befämpften iroſchottiſchen Kirchengemeinfchaft jo ge— 
gründeten Anlaß dazu gehabt hätten, 

Diefen Schotten ſammt ihrem Anhange, welche ihre Zugehörig- 
feit zur Kirche nicht bloß behaupteten, ſondern jehr rege in Werfen 
der Liebe zu bethätigen pflegten?, wollte Bonifacius die kirchliche Be— 
rehtigung abſprechen, und hHiezu eignet ſich Kap. 11 des Kapitulare 
vortrefflih, wenn anders desidentes im Sinne von dissidentes 
zu verſtehen iſt. 

Zum 12. Kapitel aber (Ut poenitentiae remediis nemo 
se non egere putet pro quotidianis humanae fragilitatis ex- 
eessibus) könnten wir einen erwünſchteren Commentar nicht mehr 
finden, als ihn Bonifacius ® ſelbſt in feinen Klagen über Aldebert 
ung darbietet: Venienti enim papulo ... et cupienti confiteri 
peccata sua dixit (Aldebertus): Scio omnia peccata vestra, 
* mihi cognita sunt occulta vestra, non est opus con- 
teri ®. 

Und wenn mir endlich aus dem Munde des Bonifacius gegen 
den Schotten Clemens die Beihuldigung erheben hören: Qui contra 
fidem sanctorum patrum contendit dicens, quod Christus filius 
Dei descendens ad inferos omnes, quos inferni carcer deti- 
nuit, inde liberasset, ceredulos videlicet et incredulos necnon 
eultores idolorum. Et multa alia horribilia de praedestina- 
tione Dei contraria fidei catholicae adfirmat —,, fo ift von 
bier aus bis zu der Lehre von der Wiederbringung aller Dinge, 
melde in Rap. 13 unferes Kapitulare befämpft wird, ein ſehr Heiner 
Schritt, den jeder Schüler des Klemens thun fonnte, ja den wohl 
Glemeng jelbft Schon gethan hatte, wenn er jeine Speculation unter 
diefen Prämiſſen auch auf die Prädeftinationslehre ausdehnte. 

Aldebert und Klemens wurden aber auf Betreiben des Boni— 


ı Wafferfchleben, —— S. 167. 195. 227. 488. 608. (Canon. 
—— Theodor. I, 11 8. 2. Bed. VIII, 8. Mart. 59 8. 5. Cumm. 
I, 8) 
2 Bergl. Ebrard, Miffionsfirhe 138—146. 
® Jafie, 1. c. epist. 50 ©. 140. 
. Bergl. bierzu Rettberg a. a. O. I, 315 f. 
°® Jafle, 1. c. ©. 140. 


350 


facius von der Synode von Ejtinnes im März 743 verdammt uud 
mit Hülfe Karlmanns zur Haft gebracht!. 

Und in diefe Zeit der zur Enticheidung drängenden Kämpfe mit 
diejen „Ketzern“ paſſen auch die erften Kapitel der uns beichäftigenden 
Juſtruction. Man hat fich zwar bisher allgemein durch die Freude, 
in Rap. 3 eine jo genaue Bezugnahme auf bayeriiche Verhältniffe zu 
finden, leichtgläubig täufchen laſſen. Allein ein ſolches Vorgehen bei 
der Organifirung einer entitehenden Landeskirche, wie es in diejem 
Kapitel fich zeigt, Hat Rom ſich niemals zu Schulden fommen lajjen. 
So ind Blaue hinein, ohne zuvor über die gute Begründung der 
biſchöflichen Site jich vergewiffert zu Haben, hat Rom niemals ein 
Erzbisthum errichtet. Erinnern wir uns dagegen, mit welchen Schwie- 
rigfeiten Bonifacius bei der Organifirung der bayeriichen Bisthümer 
zu kämpfen hatte, wie er den einzigen Vivilo von Paſſau als rite 
ordinirt vorfand?, von den übrigen Biſchöfen aber ſich bloß Ermbredt 
von Freifing zur Annahme der römifchen Ordination verftand, wäh. 
rend für Negensburg und für Salzburg Gegenbifchöfe ernannt werden 
mußten ®, erinnern wir uns, daß Bonifacius im Jahre 744 e8 wie 
der geichehen lajjen mußte, daß der Salzburger Stuhl mit dem iro— 
Ichottiichen Virgilius befegt wurde, welcher die Annahme der römijchen 
Drdination lange verweigerte*, fo begreifen wir, wie Kap. 1—4 
diefer Inſtruktion gefchrieben werden fonnten, um einerſeits die völ- 
(ige Unterwerfung der ſämmtlichen bayerischen Biſchöfe unter die rö- 
miſche Ordnung als ein altes Geſetz erfcheinen zu laſſen, andererſeits 
denjelben Biſchöfen das erzbiichöfliche Pallium als verlodenden Yohn 
ihres Wohlverhaltens in Ausficht zu ftellen. Denn aud), daR der 
Sitz des in Ausfiht genommenen Erzbisthums in fo unbejtimmten 
Dunfel gehalten ift, entipricht weniger der römiſchen Praxis, als es 
auf eine gewiſſe Abficht hindeutet. 

Hiermit ift dann auch die fchwierige, oftmals aufgeworfene und 
doc) niemals geniigend beantwortete Frage? gelöft, warum dod in 
diefer Yuftruftion der Name Ruperts von Salzburg gar nicht er- 
wähnt werde? Die Auffrifhung feines Gedächtniffes konnte dem 
Fälſcher in Feiner Weiſe opportun erjcheinen. 

Endlich beſtärkt uns im unferm bisherigen Refultate auch nod) 
Rap. 5 dieſer Inftruftion. Daffelbe enthält die befannte constitutio 
Gelasii, welche al® ‘synodale, quod aceipit episcopus’, oftmals 
hinausgegeben wurde, befonder8 auch von Gregor II. unter dem 1. 
Dezember 723 an Bonifacius®, Aber in unferm Kapitel finden 
fih) — abgefehen von dem Schlußſatze, welcher hier die allgemeine 
Unterwerfung unter die römifhe Ordnung noch ausführlicher umd 


Rettberg I, 361. 

Jaffe, 1. c. &. 105. 

Nettberg, a. a. O. I, 348—351 und II, 233. 
Nettberg, a. a. DO. II, 233—237. 

Ibid. Il, 209. 213. 

Mansi, Coll. conc. XU, 239 f. 


a an » © 1 m 


351 
eimbringlicher betont, als fonft fchon zu gefchehen pflegte — zwei cha= 


rakteriftiiche Abweichungen : 


Constit. Gelasii: 
ne... aut expoeuitente, vel cu- 
riae aut cuilibet conditioni ob- 





‚Capitul. Gregorii: 
ne aut expenitentem vel cui- 
libet conditioni obnoxium atque 


noxium notatumquesacros or- | notatumı sacros ordines permittat 
dines permittat accedere accedere .... Afros.. nulla ra- 
Afros .. nulla ratione suscipiat, | tione suscipiat, quia plerique 
quia aliqui eorum Mani- illorum Manichaei rebapti- 
chaei, aliqui rebaptizati | zati saepius sunt probati. 

saepius sunt probati. 


nn. 0. 8 


Die letztere Abweichung zeigt uns zur Evidenz, daß diefes foge- 
nannte Rapitulare Gregors II. aus der päpftlichen Kanzlei nicht her— 
vorgegangen fein fan. Denn dort hätte man die Manichäer, welche 
von einer Wajfertaufe überhaupt nichts wiſſen wollten, nicht der 
Wiedertaufe bezichtigt; dort wußte man ficher, daß Gelafius mit den 
aliqui rebaptizati die Novatianer und nicht noch einmal die Ma— 
nihäer befämpft hat. Außerhalb Roms, in glaubenseifrigen, aber 
nicht gründlich) theologiich gebildeten Kreifen, in Yändern, in welchen 
e8 niemal® Novatianer oder Manichäer gegeben hat, war ein folcher 
dogmengefchishtlicher Unfinm allerdings möglich. Und giebt uns dieſe 
abweichende Lesart eine Andeutung über den Ort der Abfaffung, fo 
wird uns die erfte notirte Bariante auf die Zeit der Abfaſſung führen. 
Denn daß jenes ‘vel curiae’ (obnoxium notatumque) ausgefallen 
üt, dürfen wir feineswegs auf Rechnung eines leichtfinnigen Abſchrei— 
ber& jchieben, jondern wir werden hierin eine Abficht merken dürfen. 
Eine folche erklärt jid) aber bloß in einer Zeit, in welcher c8 ent» 
weder opportun erichien, diefe Beihränfung momentan fallen zu lafjen, 
weil man auch Minijterialen für den Dienft der Kirche gewinnen 
wollte, oder in welcher die firchlichen und politischen Verhältniſſe eine 
Erwähnung der curia überhaupt mißlich ericheinen ließen. 

Und dieß war eben in der Zeit von 743 auf 744 in Bayern 
der Fall. Der aufitändiihe Bayernherzog Odilo war fanımt feinem 
jungen Söhnlein in die Gefangenfchaft weggeführt, Bayern aber dod) 
von dem fränfifchen Reiche noch nicht völlig verichlungen worden: das 
Schidjal des Landes, des herzoglichen Hofes und feiner Minijterialen 
bieng noch in der Schwebe. 

Alsbald nad) Beendigung des bayerischen Feldzuges im Jahre 
743 hatte Bonifacius fich wegen der bayeriichen Kirche wieder nad) 
Rom gewendet und von Papſt Zacharias d. d. 5. November 743 
die Antwort erhalten: Quia, si deberes in Bajoariae provinciam 
jus habere praedicationis, sciscitasti annon, quam a deces- 
sore nostro habuisti concessam. Nos ... quae tibi largitus 
est... . praedecessor noster, non minuimus, sed augemus etc. !. 
Jetzt hielt Bonifacius die Zeit für günftig, um fein Kirchenorgani- 


ı Jaffe, ep. 49 ©. 135. 


352 


fationswerf in Bayern, das im Jahre 739 noch keineswegs zu feiner 
Zufriedenheit fich geftaltet hatte, um einen Schritt weiter zu führen. 
Er hielt fie doppelt für günftig, weil gerade um diefe Zeit Pippin, 
der bisher feine Hoheitsrechte betreffs der Concilienberufung jo ängſt— 
lic gewahrt hatte, gemeinfchaftlich mit Karlmann den Bapft um An— 
ordnung und Peitung von Goncilien in ihrem Gebiete angegangen 
hatte!. Das vom Papfte ſchon längft angeordnete, aber immer noch 
nicht zu Stande gefommene bayerische Provinzialconcil juxta ripam 
Danuvii’? wurde nad) Regensburg ausgefchrieben — jo fünnen wir 
jest conjiciren, nachdem wir die Akten diefes Concils im Cingange 
unjerer Abhandlung fejtgeftellt haben. Zur Vorbereitung der rechten 
Stimmung und zum Hinterhalte für die al8 unerläßlich betrachteten 
— — wurde dieſes angebliche Kapitulare Gregors II. 
gefertigt. 

Nur um ein Mißverſtändniß abzuwehren, bemerken wir noch 
ausdrücklich, daß wir diefe Fälfchung feineswegs dem Bonifacius felbft 
zufchreiben, Sondern einem feiner Gefinmings- und Kampfgenoſſen, 
und zwar einem der begabteiten. Denn es dofumentirt ebenfoviel 
Geſchicklichkeit, wie politifche Klugheit. Hat es doch in dem allezeit 
heiflen Kapitel von den Ehefachen feine weiteren Hindernifje aufzu= 
nehmen ſich beichieden, al8 welche durch den bisherigen Gang der baye— 
rischen Geſchichte an hervorragenden Beiſpielen al8 gemeinverderblich 
zu erweifen waren. 

Mit der Echtheit diefes Kapitulare fällt aber der lette Anhalt 
für das Yahr 716 als Wallfahrtsjahr Herzog Theodos II. von 
Bayern. Es hindert nichts mehr, diefe Wallfahrt auf 702 zu fegen. 
Und felbft den Tod Theodos II. können wir jett getroft nad) den 
Salzburger Breves notitiae und ihrer erften Ueberarbeitung, dem 
Sermon?, auf 702 annehmen. Denn das aus dem 14. Jahrhun— 
dert ſtammende Auctarium Garstense, welchem Büdinger * eine be= 
jondere Glaubwürdigkeit zufprechen wollte, hat mit feiner Angabe ® 
zu 717: Theodo dux Bajovarie obiit, pro quo Theodoaldus 
et Grimoaldus filius ejus, feinen weiteren Werth, al8 den einer 
hijtorifchen Combination. Und die Inſtanz, welche aus Aribos Vita 
S. Corbiniani cap. 10 beigebracht wird ®, wonad) Corbinian 7 Yahre 
nach feinem erften Befuche bei Bapft Gregor II. den alten Theodo II. 
noch am Leben getroffen haben foll, wird bei fritiicher Sichtung des 
biftorischen Gehaltes diefer Vita auch hinfällig. Denn da in ſämmt— 
lihen uns bisher befannten Redaktionen diefer Vita Corbinian nad) 
feiner Rückkehr von Papft Gregor II. den im Dezember 714° ver— 


Jaffe, in den Forſchungen X, 410. 
MNettberg, a. a. DO. II, 223-224. 

Canisius, Lection. antiqu. IH, 3, ©. 357. 

Zur Kritik zc. a. a. O. ©. 389. 

Mon. Germ. SS. IX, 563. 

Rettderg a. a. O. II, 209 f. 

Annal. S. Amandi, Tiliani, Laubacenses, Petaviani, in Mon. 


00 m >» © 1 mi 


353 


ftorbenen Pippin von Heriftal noch am Leben getroffen haben foll, fo 
it allgemein anerkannt, daß „man alfo nur die Wahl hat, Hier ent— 
weder einen früheren Papſt oder einen fpäteren Sranfenherricher han— 
deln zu laffen“ ?. Wir unfererfeits halten dafür, daß Aribo in feiner 
Vita Corbiniani mit den ihm befannten gefchichtlichen UWeberliefe- 
rungen überhaupt jehr frei umgegangen fei, um Alles, was ihm aus 
dem Ende der Regierungszeit Theodos und feiner Söhne befannt war, 
in feinen Heiligen-Roman zu verweben. Die Vita Corbiniani harrt 
noch auf eine, freilich ebenfo mühjame wie undankbare, fritiiche Be— 
arbeitung. 

Zum Schluſſe fajjen wir das Reſultat unſerer Unterfuhung in 
folgenden Sätzen zufammen : 

1) Herzog Theodo II. von Bayer iſt im Jahre 702 geftorben, 
wie die Salzburger Breves notitiae berichten. 

2) Die mehrfältig erwähnte Romreiſe bdejjelben fällt in das 
Yahr 702. 

3) Das angebliche Kapitulare Gregors II. für die nad) Bayern 
abgehende Gefandtichaft wurde im Jahre 743 in Deutichland verfaßt. 

4) Auch die in den Mon. Germ. LL. III, 455 neu ebdirten 
Regensburger Synodalakten ftammen aus dem Jahre 743 oder 744. 


Germ. SS. I, 6. 7. Ebenfo Annal. Lauresbamenses, Alamanuici, Naza- 
riani, ibid. ©. 24 und 25. 
ı Mettberg, a. a. DO. II, 215. 


Einhard und die Anmales Fuldenses. 
Bon G. Waitz. 
An Herren Profeffor Wattenbadh. 





Auch in der neueften Auflage Ihrer „Geſchichtsquellen“ S. 184, 
folgen Sie zunädhft der von B. Simſon vertheidigten Anficht von 
dein Verhältniß der Annales Sitbienses zu den Fuldenses, ſtellen 
ihr dann die neuerdings von Dünzelmann entwicelte wieder abwei— 
chende zur Seite, ohne ſich über die Richtigkeit derjelben zu entſchei— 
ben, „ihre Nachprüfung weiterer Forſchung vorbehaltend“. Gerne 
wäre ich, nachdem ich über die, wie ich gemeint habe und noch im— 
mer meinen muß, im ganzen einfache Frage dreimal gehandelt habe, 
einer jolhen überhoben gewejen, fie einem andern überlaffend. Da 
es ſich nun aber bald aufs neue darum handeln muß, ob und in 
welcher Weife in die für Band XIII der Scriptores bejtimmten 
Nachträge die Sithienses aufzunehmen find, habe ich geglaubt, mid) 
der wenig erfreulichen Arbeit nicht entziehen zu dürfen und dafür, 
wie auch jchon einmal früher, die von mir geleiteten hiſtoriſchen 
Uebungen benutzt, und habe mich da bemüht, die Unterfuchung fo uns 
befangen wie möglich, ohne nähere Rückſicht auf die früheren Darle- 
gungen, führen zu lafjen. 

Wir fnüpften an den Sat an, ben Sie ald Grund des Be- 
harrens bei Ihrer Anficht anführen: Simſon habe den Nachweis gege- 
ben, daß den Annales Sithienses gerade alles dasjenige fehle, was 
die Annales Fuldeuses den Laurissenses minores entnommen ha= 
ben, da doch unmöglich angenommen werden könne, daß gerade alle 
diefe Zufäge bei einem Auszuge weggelaffen wären. Hier darf id 
anführen, daß ich ſchon in der erjten Erörterung über den Gegenjtand 
(Nachrichten v. d. Gef. d. Will. zu Göttingen 1864, ©. 68) diejen 
Beweis für einen ic) möchte jagen das Auge täufchenden erklärt 
habe, indem Simſon bei feinem Paralleldruck auch ſolche Stellen 
der Ann. Sithienses, deren Nachrichten auf die Laurissenses mi- 
nores zurückgehen, durch den Drud von diejen unterjcheidet, wo fie im 
Wortlaut näher mit den Fuldenses übereinftimmen, und jo den Schein 
hervorruft, al8 wenn diefe aus zwei Vorlagen zufanunengefett wä— 
ren, wo das Berhältniß in Wahrheit nur das ift, daß die Sith, 


355 


einen Theil der Fuld. wiedergeben. Mit Rückſicht darauf hieß es 
mohl im der vorigen Ausgabe der GO. (I, ©. 372) „Daß aud) 
in den Ann. Sith. die Benußung der Ann. Laur. min. fenntlich 
fei, it von Waig freilid behauptet, aber durchaus nicht erwiefen“. 
Sind diefe Worte auch jet nicht wiederholt, jo glaube ich doc an— 
nehmen zu müſſen, daß diefe Anficht nicht aufgegeben ift, und ich 
meine daher vor allen Dingen verfuchen zu jollen, eben jene Behaup— 
tung zu erweifen. 

Dabei wird es freilich darauf ankommen, ſich darüber zu ver— 
ftändigen, warn ein folcher Beweis für erbracht gelten fan, Nah 
meiner Anficht dann, wenn in Annalen, die doch Niemand al8 glei) 
zeitig oder auf urjprünglicher Kenntnis der Dinge beruhend betrachten 
lann, fih Nachrichten finden, die fich auf feine andere uns befanmnte 
Quelle zurücführen laffen oder mit feiner jo genau in der Form 
übereinftimmen. Denn nur mit dem vorhandenen Material können 
wir operieren und müffen es meines Erachtens, fo lange e8 ausreicht, 
um die vorliegenden Erſcheinungen zu erklären; auf unſichere Mög— 
lichkeiten haben wir erft einzugehen, wenn auf jenem Wege fein Re— 
jultat zu erzielen. Von einem zweiten Grundjaß, daß wir ohne Noth 
nicht verfchiedene Quellen zu ftatuieren haben, wo wir mit einer aus— 
reichen, will ich zunächjt wenigſtens an diefer Stelle feinen Gebraud) 
mahen, alfo nicht, wo für die Fuld. allenfalls die Wahl zwifchen 
Annahme einer Benugung der Ann. Laur. min. und Sithienses 
bliebe, mich für jene entjcheiden, weil anderswo ihre Benugung un— 
zweifelhaft it. _E8 gilt aljo nur den gemeinfamen Beſtand der Ann. 
Sithienses — denn einen beſonderen haben dieje ja überhaupt nicht 
— und Fuldenses an Nadrichten in ihrem Verhältniß zu den Laur. 
min. zu prüfen. 

Da zeigt fi) für die erften Jahre, daß, mit Ausnahme einzel- 
ner Stellen, auf die ic nachher zurückkomme, alles aus den Ann. 
Laur. min. genommen fein fann, aber, da die Form eine freiere, 
und der mwejentliche Inhalt fich auc anderswo, d. h. in den Laur. 
maj., die Simfon ald Quelle betrachtet, findet, ſich dies nicht 
mit voller Sicherheit behaupten läßt. Auf einige nähere Uebereinjtim- 
mung mit jenen, wie 741 ‘dividunt’ (maj.: diviserunt); 747 ‘mutato 
habitu’ (min.: religionis habitum suscepit; maj.: se totondit) 
will ic) fein Gewicht legen. Aber es gibt auch ſolche Stellen, wo 
in der That fein Zweifel fein faun. 752, wo die Sith. mit den 
Fuld. fagen: Stephanus papa Romanus (fo zu leſen) auxilium 
contra Langobardos petens, in Franciam venit. Gripho, fra- 
ter regis, cum Italiam petere conaretur, a comitibus fratris 
in Burgundia oceisus est, haben nur die min.: Stephanus papa 
Romanus venit ad Pippinum regem postulans adjutorium et 
defensionem adversus Aistulfum regem, und vorher: Gripho 
Italiam cupiens penetrare a Thedoino comite in valle Mau- 
rienna obprimitur. Die majores haben in dem erjten Sat nicht 
die Bezeichnung ‘Romanus’ für den Papft, fie jagen nicht, gegen 


356 


wen er Hilfe fuchte, fondern ftatt deffen für wen: pro justitia 
sancti Petri. Ueber Grifo haben fie eine ganz andere Nachricht: qui in 
Wasconiam fugatus est, nichts von dein Ort feines Todes. Das 
‘in Burgundia’ ftatt des genaueren “in valle Maurienna’, das die 
Ann. Fuld. beibehalten, ijt ganz in der Art, wie die Sith. auch ſonſt 
verfahren, Kleine Veränderungen bei der Beichreibung von Yocalitäten 
— Ich erwarte auch nicht die Einwendung, daß die Ann. 
Sith. hier zu der Quelle der Aun. Laur. min., der Cont. Fre- 
degarii zurüdgegangen feien, für deren Kenntniß gar nichts jprict, 
die auch den Sat iiber Stephan nicht hat. 
Yın Fahr 754 heißt es: 

Ann.Laur. maj.JAnn. Laur. min.| Ann. Fuld. Ann. Sith. 
Stephanuspapa Stephanus papa Stephanuspapa, Stephanus papa 
reductus estadRomam rever-duce,Hieronimo Romam _rever- 


sanctam sedem titur. fratre Pippini, titur. 
per missos d. Romam rever- 
regis Pippini, titur. 
Folradum et 
reliquis qui cum 
eo erant. 


Hier fünnte ich den Einwurf erwarten, nicht daß die Sith. die 
Laur. min. nicht benugt, fondern vielmehr, daß fie es direct gethan, 
nicht durch Vermittelung der Fuld., deren ganz abweichenden Zuſatz 
fie nicht Haben. Aber folhe Weglaffungen, wie ich e8 aufehen muß, 
finden fih Jahr für Jahr: jedenfalls bleibt mir fein Zweifel, daß 
das Gemeinfchaftlihe auf die min. zurückgeht. 

Zweifelhaft kann e8 fein bei der Stelle 756, wo es von dem 
Langobardenfönig Aiftulf heißt: in venatione quadam equo ca- 
dens mortuus est; in den Laur. min.: Heistulfus in venatione 
equo lapsug regnum cum vita perdidit; in den maj. nur: quo- 
dam die venationem fecit et percussus est Dei judicio, vitam 
finivit. Sicher können diefe hier nicht die Quelle fein. Dagegen 
laſſen ſich als ſolche allenfall8 die jog. Ann. Einhardi in Anschlag 
bringen, die ähnlich wie die min., nur ausführlicher als dieje und 
die hier beiprochenen Ableitungen, berichten: Heistulfus autem post 
abscessum ejus, cum meditaretur, quomodo sua promissa non 
tam impleret quam dolose ea quae impleta fuerant commu- 
taret, in venatione de equo suo casu prolapsus est, atque ex hoc 
aegritudine contracta, intra paucos dies vivendi terminum 
fecit. Es ijt nicht zu zweifeln, daß die Worte, welche die Sith. 
mehr haben als die Fuld.: ac deinde post reditum Pippini in 
Franciam jid) auf die Einh. ftügen. Aber diefe überhaupt und aud) 
für die Fuld. als Quelle anzunehmen, ift wenigjtens bedenklich, da 
hier Aiftulf nicht gleich, fondern erjt in Folge einer Krankheit nad) 
dem Wall ſtirbt. 

Nur den Laur. min. fönnen die Worte 764: Hiems valida 
et praeter solitum prolixa entlehnt fein; Facta est hiems valida 


357 


a. D. 764; maj. und Einh. haben nichts davon, die Petav., die 
hier wie anderwärts in Betracht kommen fünnten, ganz abweichend: 
gelus magnus; andere Aufzeichnungen: hiems (oder hibernus) 
grandis et durus. Ganz wörtlid) den Laur. min. entlehnt ift 
772; Adrianus Romae pontificatum suseipit. 

Diefe Stellen genügen, um die Behauptung zu begründen , daß 
nicht die Sith. nur folche Nachrichten haben, welche nicht auf die 
Laur. min. zurücdgehen; daß es nicht nöthig, ja gar nicht möglich 
it, anzunehmen, jene hätten alle jene Stellen („Zufäge“ darf man 
es wohl überhaupt nicht nennen) bei ihrem Auszug weggelaffen. Sie 
haben manches weggelajjen, was aus diejer, wie anderes, das aus 
anderer Quelle jtammt. Sie haben auch viel mehr beibehalten, was 
wir allen Grund haben auf die min. zurüdzuführen, was nur ähn— 
lich ſich auch anderswo findet, und deſſen Quelle bei der fürzeren 
und veränderten Faſſung fich eben nicht mit Sicherheit angeben läßt, 
wie e8 bei der nahen Verwandtichaft und großen Uebereinjtimmung 
der verjchiedenen in Frage kommenden Annalen nicht Wunder neh- 
men kann. 

Iſt alfo diefer Einwand nicht ftihhaltig, fo werden alle jene 
Gründe Geltung erhalten, die ic) früher weitläuftig genug dargelegt 
habe und die Niemand zu widerlegen verfucht, die ich hier deshalb 
auh feinen Anlaß habe zu wiederholen. Nur den Sat glaube 
ih noch einmal hervorheben zu follen, daß es bei der Frage 
nah dem Verhältniß zweier Texte zu einander vor allem darauf atı= 
fommt, welcher der Quelle näher jteht. Alles andere, muß ich jett 
wie früher (Nachr. 1873, ©. 595) jagen, jcheint mir unficher, ſub— 
jectiver Auffajjung unterworfen. Und da kann doc) wahrlich fein 
Zweifel bleiben. ‘Die Fuld. fpredjen 792 mit den Quellen von der 
conjuratio Pippini, die Sith. von einer conspiratio. “Die Fuld. 
nennen die Hauptitadt des Yangobardenreichs 756 wie die Quellen 
Papia, die Sith. Tieinum; wo jene von regiones der Huni, wie jie 
mit vielen Autoren der Zeit die Avaren nennen, jprechen (791), ma— 
hen die Sith. unpajfend aus dem vorhergehenden “Pannonias ingressi’ 
Pannoniorum regiones; das Land fonnte mit dem alten Römiſchen 
Namen bezeichnet werden, jo gut wie Einhard die von den Slaven 
bewohnten Lande öftlic; der Elbe zu Germania rechnet, aber nicht 
die Bevölkerung, und die Quellen haben nichts der Art. Wo die 
Sith. einen Zufag machen, ift er nichtsjagend wie 754: Haistulfus rex 
Langobardorum in Langobardia superatur; oder 779: Hilti- 
brandus Langobardorumdux Spolitanus. Oder er beruht auf 
Misverftändnig. Dahin gehört das ganz verfehrte'aFraneis’ in dem 
Sat 768: Vaifarius dux a Francis interfectus est, was Abel 
allein für ausreichend hielt, um die ganze Streitfrage zu entjcheiden, 
und was wahrlid) durch Simſons „unzählige Möglichkeiten“ der Er— 
Märung (Ludwig d. Sr. I, S. 402) nicht gebeijert wird. Ganz der= 
ſelbe Zuſatz findet ſich 809: castrum Essesfleth trans Albiam a 
Franeis aedificatur. Er it hier unfchuldiger, da er nicht wie 


XVII. 24 


358 


dort etwas ganz unrichtiges in die furze Notiz hineinbringt, aber ge: 
nau kann man den Ausdrud auch nicht nennen, da die Quellen, aud) 
die Ann. Fuld., nur jagen, Karl habe befohlen das Caſtell zu bauen, 
der Bau ſelbſt offenbar zunächit den Umwohnern, den befiegten Sadjien 
oblag. Biel übler iſt der Sat 794: in qua heresis Feliciana 
iterum a suo auctore condempnata est. Das ‘iterum’ 
iſt an die Stelle des tercio' getreten, das die Fuld. mit der Quelle, 
den Laur. maj. gemeinfchaftlih haben und das die Sith. änderten, 
weil jie 792 wegließen, daß Felix zum Papſt geführt denuo eam 
confessione facta damnavit’; das ‘a suo auctore’ aber ift will 
fürlih und unrichtig eingefügt, da es fich hier nicht wie 792 um den 
Widerruf des Felix, jondern die VBerurtheilung durd) die Synode han- 
delte (}. Capit. Francof. 794. c.2; Chron. Moissiac. SS. I, ©. 301 
und die Acten Mansi XIII). 

Es trifft fih unglücklich, daß dies gerade das Jahr ift, von 
dem an neuerdings Dünzelmann eine wejentliche Aenderung des Ber: 
hältniffes der Sith. zu den Fuld. annimmt (N. Arch. II, ©. 502), 
indem er bi8 793 mit mir diefe als Quelle, nachher umgefehrt als 
Ableitung der Sith. anſieht. Wie wenig Wahrfcheinlichfeit an fid 
eine folche Anficht Hat, bedarf Feiner Ausführung. Hier glaube id 
jagen zu dürfen: die angeführte Stelle widerlegt fie allein fchon. Und 
nicht anders ift e8 mit dem J. 796. Ich habe früher ausgeführt 
(Nadır. 1864, ©. 64), wie aus den "Worten der Ann. Einh.: 
regia, quae... hringus, a Langobardis autem campus voca- 
tur, in den Fuld. geworden: campus eorum, quem vocant hrin- 
gum, und wie die Sith. dann im gewöhnlicher Weife abkürzend 
gefagt: campus Hunorum. Simſon hat faum eine Cinwendung ge 
macht, nur gemeint, wenn das Verhältnis iiberhaupt jo fei, wie er 
annehme, — und dazu gehört, worauf ich zurückkomme, daß die Fuld. 
nicht die Ann. Einh. benugt —, fo müfje auch hier der Ausdrud 
der Fuld. nicht auf diefen, fondern auf einer Verbindung (er jagt 
„Vermifhung“) der beiden als zu Grunde liegend angefehenen Ele— 
mente (Ann. Laur. maj. und Sith.) beruhen. Daſſelbe wiederholt 
nun Dünzelmann ©. 503. Die Sith. follen alfo, wie Simfon für 
möglich hielt, einen Langobarden zum Berfalfer haben? — Aber ih— 
rem Autor ift paffiert, daß er gar nicht gewußt oder in gedankenlo— 
ſem Excerpieren vergefjen, was der hringus oder campus war. 
Denn er fagt, fi) von allen andern Berichten entfernend: Campus 
Hunorum ... subaetus est, als wenn e8 ein Gefilde, ein Land 
gewejen, dad man unterwarf, während die Fuld. das richtige “aditus 
et captus est’ haben (die Ann. Einh., welche die doppelte Einnahme 
getrennt berichten, das eine Mal ‘spoliata’, nachher ‘ex toto destructa’). 
Ich denke hiernad) genügt e8 zu bemerken, daß im übrigen das Ver: 
hältniß nad) 793 ganz dafjelbe iſt, wie vor dem Jahre: daß die Sith. 
die Fuld. abfürzen, wie ganze Säte, jo einzelne Worte weglaffen, die 
in diefen wie in der Quelle ftehen (3. B. 799 juxta Tharsaticam 
Liburniae eivitatem; Sith.: juxta Th. civitatem), oder einen 


359 


Ausdrud ändern, weil er der abgefürzten Faſſung nicht entfpricht 
(797 Fuld.: Bareinona Hispaniae civitas, quae jam pridem a 
Francis defecerat, per Zatum Sarracenum praefectum ejus Ca- 
rolo reddita est; Sith.: Barcinona Hispaniae oppidum per 
Zanum Sarracenum Carolo tradita; ‘tradita’ nit ‘reddita’, 
weil der Abfall weggelafjen; “reddita’ aber aud) fowohl die Laur. 
maj. wie Einh.), daß fie endlich aus den Ann. Einh. einzelne Zu— 
fäge machen, und fo aud einen Fehler der Fuld. (817) vermeiden. 
Daß die Ann. Einh. ſowohl jelbjtändig in den Sith. wie in 
den Fuld. benußt, habe ich früher behauptet; das legte hat Simfon 
(Forſch. IV, ©. 580) bezweifelt, indem er meint, alle Stellen, welche 
jene nicht aus ihren ficheren Quellen, den Laur. min. und maj., ha= 
ben, ließen fich einfacher aus den Sith. ableiten. Aber bei allen ift 
da8 feineswegs der Fall. Da Laur. maj. und Einh. vom %. 801 
an befanntlich weſentlich zufammenfallen, it die Vergleichung allerdings 
eine beſchränkte. Aber wenigitens 783: Eodem anno rex Fastra- 
dam duxit uxorem; 785: partim caecitate liegt e8 am nächſten 
an dieje zu denken. Dünzelmann bat an der legten Stelle die Ann. 
Lauresham. als Quelle der Fuld. angefehen. Und manches ſcheint 
allerdings dafür zu jprechen, daß auch jie zu den hier benußten 
eg zu rechnen find. So heißt e8 in der Handfchrift, welche 
uhesne benußte, jegt Christ. 213 (N. Ard. U, ©. 329), SS. 
I, &. 33: et filio Aregiso inde in ospitatum recepit; Ann. 
Fuld.: Grimaltum, filium Aragisi ducis Beneventanorum in 
obsidatum accepit, wo denn die Sith. fid) wieder weiter von der 
Quelle entfernen, wenn fie fagen: in obsidatum regi datur!, 
ebenfalls haben aljo die Fuld., wie ein jeder erfennt, als größeres 
hiſtoriſches Werk über die ältere fränkische Gefchichte angelegt, eine 
Reihe ihrem Autor zu Gebote ftehender Werke benutt, von den ung 
befannten die Ann. Laur. min. und maj., dann die Einh., weiter 
die Petaviani und vielleicht die Laurishamenses: ein Apparat, der 
für den knappen Abriß der Sith. an fic gewiß wenig Wahrjchein- 
lichkeit Hat. Aber auch noch anderes uns unbekanntes Material müfs 
jene jene gehabt haben, da fie einige Nachrichten bringen, die vor de= 
nen der angeführten Annalen abweichen. Etwas davon findet fich 
auch in den Sith., und Simſon hat das für feine Anficht geltend ge= 
macht, indem er meint, daß diefe ald Duelle angenommen die Nach— 
rihten der Fuld. erflärten. Ich habe dagegen ſchon früher bemerft, 
daß jo die Erklärung nur weiter hinausgefchoben wird, da es an ſich 
gerade jo auffallend, ja bei dem ganzen Charakter der Sith. viel 
anfallender ift, wenn fie eigenthümliche Nachrichten bringen. Dazu 
lommt, daß fie wieder feineswegs alles haben, was die Fuld. geben. 


I Dagegen fteht die Stelle über die Sonnenfinfternis nur in dem ganz 
abweichenden Zert der andern Handfchrift. Und auch fonft bleiben Zweifel; die 
Nachricht iiber die Hruotrud 787 fteht Lauresh. 781; das Webrige kann aud) 
den Ann. Einh. entlehnt, 792 der Ausdrud Gothia für Septimania von dem 
Autor gejetst fein, dem diefe Bezeichnung von 732 und 736 her geläufig war, 


24 * 


360 


Unter den %. 754, wo beide abweichend von’den Laur. min. und 
maj. jagen, daß Karlmann zu Lugdunum gejtorben, erzählen fie weiter, 
daß Papft Stephan ‘duce Hieronimo fratre Pippini’ nad Rom 
zurücgeführt jei; woher das eine ftammt, daher doch ohne Zweifel auch 
das andere. Ebenſo ijt die Notiz 756, daß die Lebergabe von Ra— 
venna und der Pentapolis ‘per Folratum missum suum’ erfolgte, 
die fi) nicht in den Sith. findet, gewiß mit Wahrjcheinlichkeit 
derjelben Quelle zu vindicieren. Zeigt ſich Verwandtfchaft mit der 
Vita Stephani, jo iſt diefe doch jchwerlich direct benutzt. 

Ich erlaube mir hieran eine Bemerkung zu knüpfen, welche die 
Ueberfchrift diefer Erörterung und in gewiſſem Maße überhaupt das 
Zurüdfommen auf diefe Frage rechtfertigen mag, indem fie aud 
ihrerfeit8 darauf Hinweift, daß diefe Unterfuchungen doch noch feines 
wegs für ganz abgejchloffen gelten können. Dünzelmann (S. 590) 
hat noch einmal auf die VBerwandtfchaft Hingewiefen, die im Ausdrud 
der Ann. Fuldenses mit den Ann. Einh. an zahlreichen Stellen 
ftattfindet, wo jonft fein Grund wäre, die Benugung anzunehmen, 
was Simfon und ſelbſt Sie (3. Aufl. S. 150) faft geneigt machte, 
an eine Benugung der Sith. auch in der Ueberarbeitung der großen 
Reichsannalen, die wir unter Einhards Namen citieren, zu denken. 
So unmöglich; mir das fcheint, fo wenig abgeneigt wäre ich, einen 
Zufammenhang zwijchen der Entftehung des erften Theils der Fuld. 
und jener Annalen anzunehmen. Auch mid hat e8 fchon oft gereizt, 
bei dem “hbucusque Enhardus’ des einen Goder der Fuldenses ;. J. 
838 an Einhard zu denken, ohne daß ich das Werk oder einen Theil 
des Werkes, wie es vorliegt, diefem ſelbſt vindicieren möchte, wenn 
derjelbe aud, biß zum J. 840, aber in dem fernen Blandinium, lebte. 
Konnte Rudolf in Fulda aber nicht ein jenem angehöriges oder ihm zu 
gefchriebenes Werf fortjegen, vielleicht im erften Theil mit Zufägen, 
die fich auf Fulda bezogen, verfehen, und das dem fpäterem Schreiber 
Anlaß zu jener Randbemerkung geben ? 

Die Ann. Sith. gehen nur bis z. J. 823; e8 liegt nahe anzu 
nehmen, daß das Eremplar, dem fie folgten, ſich auch nicht weiter er- 
ſtreckte. Sithiu (St. Bertin) liegt nicht weit entfernt von Blandi⸗ 
nium (S. Peter bei Gent), und leicht konnte ein Goder von hier 
dorthin wandern. Man fünnte fagen, der Auszug möchte vielleicht 
von demjelben gemacht fein, der das ausführlichere Werk zufammen: 
geftellt, wenn nicht die vorher hervorgehobenen Misverjtändniffe und 
Verderbnifje dies al8 unmöglich ericheinen ließen. Immerhin ſcheint es 
mir beachtenswerth, daß einiges in den Ann. Fuld. und Sith. aud 
da Verwandtichaft zeigt, wo fein unmittelbarer Zufammenhang ob— 
walte. So nennen jene 784 in einer Stelle, welche Sith. nicht ha- 
ben, den gleichnamigen Sohn Karl d. Gr. Karolus junior, und die. 
jelbe Bezeichnung brauchen die Sith. 808 und 811, hier abweichend 
von den Fuld. Es mag daneben bemerkt werden, daß das oben her: 
vorgehobene Tieinum jtatt Papia der Sith. ſich wenigftens 774 aud) 
in Einh. findet. Später find e8 zum Theil Heine, aber immerhin 


361 


bemerfenswerthe Zuſätze oder abweichende Ausdrücde, die Sith. mit 
Einh. gemein haben, 801 maximus zu terrae motus, 803 per in- 
seripfionem, 804 Aquis, 806 comes ftatt praefectus; während 
außerdem beſonders nur Notizen über Himmelserfcheinungen diefen 
entiprechend find. 

Wir würden auf unferm bisherigen Standpunkt fagen müffen: 
aus Einh. aufgenommen find. Will man ftatt dejjen eine Duelle 
ftatuieren, noch verjchieden von den Fuld., aber diefen aufs nächfte 
verwandt, die aber auch jenes Plus jchon enthielt und deren Excerpt 
dann in den Sith. vorläge, jo läßt fich dagegen nur jagen, daß die 
Gründe für eine jolhe Annahme wohl nicht zwingend find, daß aber, 
da neuere Entdeckungen gezeigt, in wie mannigfadjen, unter ſich nahe 
verwandten Formen damals der gleiche Stoff verarbeitet ift, es ja 
immerhin fehr wohl möglich ift, daß eine folche eriftiert habe. Ob fie 
dann mit Einhard in Verbindung zu bringen, ift eine Trage, die ich 
hier nicht weiter verfolge. Aber ihm die Fuld. in ihrer jeßigen Ge— 
ftalt bis zum J. 792 zu vindicieren, find wir ficher nicht berechtigt, 
noch weniger, die Sith. direct mit ihm in Verbindung zu bringen, am 
wenigften, um es noch einmal zu fagen, die Sith. al8 Duelle der 
Fuld. anzufehen. 


Ueber Regino von Prüm. 
Don 3. Harttung. 





In der praefatio, die Regino feiner Chronik vorangehen läft, 
jagt er: (chronicam) in duobus libellis distinxi, exordium 
capiens a primo incarnationis dominicae anno, et consum- 
mans coeptum opus usque jn praesentem annum, qui com- 
putatur a praefata incarnatione Domini nongentesimus octa- 
vus. ©enau interpretiert, zeigen fich Unklarheiten in diefen Sätzen. 
Regino giebt einerfeitS an: feine Chronif beginne mit Chrifti Geburt, 
worauf zunächſt erwartet werden muß, er berichte andererfeits: fie 
ſei fortgeführt bi8 da und da Hin, d. h. ſchließe mit dem und dem 
Jahre. Dem entspricht denn auch die Accufativwendung usque in 
praesentem annum (908), nicht aber das ‘consummansg’ Statt ‘per- 
ducens’ oder dergl., da es fich doc faum anders als mit „fertig 
werden“ überfegen läßt. Nur diefe Stelle berücfichtigt, werden wir 
e8 demnach in der Schwebe lafjen müſſen, ob Regino Hier hat jagen 
wollen, er habe fein Werk bis 908 geführt, oder er habe es 908 
zum Abjchluffe gebracht; mit anderen Worten, ob er den terminus 
ad quem im Sinne gehabt hat, oder den terminus quando. 

Gehen wir jett zu feinem, durch die Vorrede eingeleiteten, 
Werke über, jo bietet fich in Betreff des Schluffes eine andere Schwie- 
rigfeit. Die Mehrzahl der Codices läßt auf das Jahr 903 gleih 
905 folgen, die erfte Hand des Codex 1 jedoch, ferner Coder 2 umd 
5 geben 904 an: da num die erfte Hand des Coder und der Coder 
2 von entichiedener Wichtigkeit find, jo muß es als fraglich erichei- 
nen, ob nicht ihre Angabe die urfprünglichere gemwefen; von Seiten 
ferner heranzuziehender Quellen ftehen dem feine entfcheidenden Gründe 
im Wege, und wir perſönlich halten e8 auch für das wahrfcheinlichite. 
Anders fteht e8 mit der Anfegung des nächſten Jahres, hier haben 
alle Codices 906 bis auf Nr. 5, der dagegen nicht in Betracht 
fommen kann!. 


ı Dimmler, Geſch. d. oftfr. Reichs II, ©. 537, Anm. 50, macht darauf 
aufmerffam, daf die Zahl 905 in feiner Ueberfetung des Regino ein Drudieb- 
ler fei; jo auch Büdinger im Vorwort der Ueberfegung des Cont. Reg. II, 
Anm. 3; wo jedoch, ftatt 995, 905 zu leſen ift. 


363 


Es fehlt alfo die Darftellung der Ereigniffe eine Jahres, wo— 
bei ſich fogleich die Frage aufdrängt, welche Gründe mögen dafür 
anzunehmen fein? Regino erzählt hier nur Gfleichzeitiges, und zwar 
reiht er in gewiffenhafter Weife ein Jahr ftätig an das andere. Die 
Annahme, e8 habe fid) in dem Jahre 905 (?) nichts zugetragen, was 
er der Ueberlieferung werth erachtete, wird jchwerlich zuläffig fein, wohl 
aber ift in Erwägung zu ziehen, daß eime große Lücke unter dem 
Jahre 892 erfichtlich macht, Reginos Chronik habe in der erften Zeit 
ihre® Beitehens fein ſonderlich gutes Schickſal erfahren!, wonach 
es möglich wäre, jene Lücke zwiſchen 904 und 906 falle einem 
Abſchreiber zur Laſt. Sicjerheit wird fich hier fchwerlich gewinnen 
laſſen. Das nächſte Fahr, welches im Texte des Gefchichtswerfes 
fehlt, ift 875; es liegt alſo der Zeit, wo der Chroniſt ausarbeitete, 
ichon fern, ohne daß e8 ihm darım an genügender Kunde gemangelt 
hätte. Der legte unter 8374 mit eodem anno angefnüpfte Sat fteht 
nit am richtigen Orte, fondern gehört in das Jahr 875, woraus 
fi, jedoch bei Reginos chronologiſcher Ungenanigfeit feine Folgerungen 
ziehen lajfen. Abweichend gejtalten ſich die VBerhältniffe vor 855. 

Scieben wir die Wahrfcheinlichkeit bei Seite, daß jene Lücke 
zwiſchen 904 und 906 ? von jemand anders herrühre, al8 von Re— 
gino felber , und halten wir uns ganz allein an feine Berfon, fo er- 
geben fich abermals zwei Möglichkeiten für ihr Entftehen, die nämlich, 
daß der Hiftorifer fein Werk eigentlid) nur bi8 904 hat führen wol- 
len und fich dann bewogen fühlte, da8 Yahr 906 mit feinem interef- 
fanten und wichtigen Inhalt nachzutragen; und die, daß er 906 oder 
vielleicht gar 907 als das Endjahr feiner Chronik angefehen hat, jene 
unter 906 erzählten Thatjachen aljo nicht als eine Art von Nachtrag 
daftehen, fondern das Jahr 905 direct als Ausfall anzufehen  ift. 
Für erfteres ließe fih der Umftand anführen, daß das Jahr 906 
unverhältnigmäßig viel ausführlicher gehalten worden, al8 feine näch— 
ften Vorgänger; für letteres müſſen wir nad bejonderen Gründen 
fuhen, und da ftoßen wir zunächſt auf die große Vorficht Reginos, 
die Schon äußerlich darin Hervortritt, daß er vom Jahre 892, d. h. 
von feiner Abſetzung als Abt an, dürftiger in den Nachrichten ift, 
al8 zuvor, obwohl er fich doc dem Zeitpunfte feiner Aufzeichnungen 
immer mehr nähert und es an Stoff wahrlich nicht gebrach. Be— 
ſtimmt formuliert wird jene Vorficht überdies in den Worten der Ein- 
leitung, in welchen es heißt, er Habe Sorge getragen, von Vielem Weni- 
ges aufzuzeichnen, von da an aber, wo er zur Gegenwart überginge, 
habe er fich beſchränkt, um nicht gewiſſe Yeute zu beleidigen, die noch 
am Leben feien. Aehnlich fpricht er fich unter dem Jahre 892 aus®: 


ı Mäheres darüber weiter unten. 

2 Die obigen Auseinanderfegungen bleiben im Wefentlichen auch be: 
fiehen, wenn man, wie bisher, das Jahr 904 ausgefallen fein läßt. 

s Anders lautet die Bemerkung hinter an. 813: ubi vero ad nostra 
tempora ventum est, latius sermonem narrationis protraxi; Pertz 


SS. I, ©, 567. 


364 


er habe beſchloſſen über die jüngfte Zeit zu jchweigen, weil, wenn er 
die Wahrheit der Dinge fließend darftelle, er ſich ohne Zweifel Haf 
und Unwillen gewiffer Leute zuziehen würde, die noch am Leben ſeien 
(vergl. auch an. 899). 

Fragen wir nun, wer diefe gefürchteten quidam find, fo liegt 
es nicht fern, an die Stelle zu denken, wo Regino von feiner Abje- 
gung fpridt: in regimine tamen non diutius immoratus, ae- 
mulis agentibus, Richarium, fratrem Gerhardi et Mathfridi, 
invidiosum mei negotii successorem sustinui. Wer die aemuli 
find, fteht auch Hier nicht, zupörderft glaubt man natürlich Richard 
jelbft, Gerhard und Matfried!. Doc, fogleich erheben fich einige 
Schwierigkeiten. ft es denkbar, daß diefe Grafen mit ihrem Brubder, 
dein Abte, dermaßen weitherrfchend find, daß Negino, als er wohlge— 
borgen unter dem Schute feines Erzbifchofs in St. Marimin weilt, 
fi geradezu gezwungen ſieht, Manches, was er gern erzählte, mır 
anzudenten, Anderes zu verjchweigen, furz die ganze Geftalt feiner 
Jahrbücher dadurch beeinfluffen zu laſſen? Und wie verträgt es ſich 
mit der Berfchweigungstheorie, wenn zum Jahre 906 von der Ge: 
waltfamfeit der Grafen Gerhard und Matfried, deren Bitte um Frieden 
und Achtung durch den König berichtet wird? Wollen wir dies nicht 
durd die etwaige fpätere Nachtragung des Jahres 906 erklären, jo 
müffen wir offenbar an mächtigere Perfonen denken, die Regino Furcht 
einflößen. 

Da fommt uns nun eine eigenthümliche Notiz in des Trithemius 
Chronicon Hirsaugiense zu Statten. Es heißt dort unter dem 
Jahre 899: Regino abbas Brumiensis, vir certe doc- 
tissimus, jussione Caroli regis Gallorum a sua 
dignitate deponitur, propterea quod cum Rı- 
perto, duce Galliae Celticae, fratre quondam Ot- 
tonis, sentire videretur. Quod verumne fuerit an 
falsum, scire non possumus, maxime cum ipse Regino depo- 
situs in chronica sua ita inter caetera dicat: ‘Anno Domini 
899 Richarius abbas monasterii Brumensis Constituitur. Qua- 
liter autem erga me actum sit, ideirco in hoc loco adnotare 
distuli, ne forte injuriis provocatus, ultra quam christiana 
patientia permittit, persecutionis meae causas exaggerasse 
viderer'. Reginone per regem, sicut diximus, injuriose depo- 
sito, Richerus monachus ejusdem coenvbii abbasin 
locum ejus ordinatus est, qui partes regis secutus, tan- 
dem ab eo in episcopum Leodiensem, abrogato Hiltuino ejus 
loci praesule, fuit sublimatus. 

Woher diefe Nachrichten ftammen, ift nicht gefagt; daß fie dem 
Text der Reginofchen Chronik nicht entnommen find, zeigt die Art ih: 
rer Erwähnung. Prüfen wir den Inhalt derfelben im Einzelnen, jo 
finden wir ihn durchaus glaubhaft; im Jahre 899 regierte der weit: 
. — Dümmler Ueberſetzung, Einf. S. VIII; Geſch. des oſtfr. Reichs II, 


365 


fränfifche Karl, Odo war 898 gejtorben, aljo richtig ‘quondam fra- 
ter’ Roberts, der zugleich der Erbe feiner Anfprüche geworben. Richer 
erlangte 920 das Bisthum Lüttich. Auffallen muß es zunächſt, da 
Regino jussione Caroli abgefegt fein foll, da Lothringen im Jahre 
899 doch noch nicht zum wejtfränfifchen Neiche gehörte; wir kommen 
ipäter darauf zurück, prüfen vorerft, ob Reginos Chronik felber An— 
haltspunfte dafür bietet, dag König Karl die gefürchte Hauptperfon 
eweſen. 

esots ergiebt fih, daß an. 878 von Karl nur einfach an— 
gegeben ift, er fei geboren umd ihm der Name feines Großvaters bei— 
gelegt, während bei feinen Halbbrüdern auf deren jchöne Geftalt und 
Beherztheit Hingewiefen wird. Bei der Erhebung Odos (an. 888) 
erfahren wir von dejien Thatkraft, Schönheit und Weisheit, diejenige 
Karls wird blos dürr berichtet, ohme jede Nebenbemerfung über die 
Perfon, dafür aber im Sate vorher über Ddos Krankheit, Tod und 
Begräbniß gefprochen. Karls Herrſchaft iſt zu Odos Lebzeiten eine 
angemaßte (an. 893), fie beruht auf Abfall der Fürften (an. 892); 
daß Karl kraft Erbrechts die nächſten Anfprüche auf die Krone hatte, 
daß im feinen Augen und in denen der rechtöfundigen Zeitgenoffen 
(wozu die Fürften in erfter Pinie gehörten) Odo der Ufurpator war, 
davon weiß der gelehrte, Canonift Regino nichts. Die Siege Odos 
über Karl werden vegiftriert, eine Aeußerung des Unwillens bei dem 
Ueberfalle der Gefandten des letteren (an. 895) findet ſich nicht; bis 
zu feinem Tode wird Odo der Königstitel beigelegt, während Karl 
bis zu feiner zweiten Wahl nichts derartiges erhält. Vor Allem aber 
muß bemerkt werden, daß Karl mit dem Jahre feiner Erhebung fo 
zu fagen aus dem Gefichtsfreife des Chroniften verfchwindet, da doch 
von König Odo ziemlich regelmäßig Bericht abgeftattet war; nur noch 
einmal unter an. 903 geſchieht bei Gelegenheit der Wirren, die we— 
gen der Abtei St. Vaaſt ausbrachen, nebenher auch des Karolingers 
Erwähnung. 

Diefe Thatfachen, mit den Andeutungen NReginos über feine un— 
freiwillige Schweigjamfeit und mit der Angabe des Trithemius zu— 
Jammengeftellt, können faum noch Zweifel übrig laffen, wer der ge- 
fährlichfte „Jemand“ gewefen. Und ziehen wir nun die hiftorifchen 
Ereigniffe näher in Betracht, fo zeigt fich, daß eben in dem Jahre, 
welches Reginos Abfegung vorausging (an. 898), jener Zug König 
Karls gegen Zmentibold ftattfand, das Vordringen des erfteren bis 
Aachen und Nymwegen; daß Karl auf feiner Rückkehr juft nach 
Prüm kam und fich alsdann mit Zwentibold verftändigte. Wie aus- 
gezeichnet gerade in diefen Rahmen das von Trithemius Mitgetheilte 
paßt, liegt jo auf offner Hand, daß faum noch darauf verwiefen zu 
werden braucht. Regino wird gegen den feindlichen, weit in Loth— 
ringen vorgedrungenen Karolinger confpiriert und dabei hoffnungsvolf 
jeine Augen auf den mächtigen, hochitrebenden Robert gerichtet haben, 
was Karl ihm bei dem Friedensfchluffe anrechnetee Der Umftand, 
daß Regino, obwohl ein oftfränfifcher Unterthan, dennoch ein größeres 


366 


Intereſſe für weſtfränkiſche Angelegenheiten als für die feines eigenen 
Landes zeigt, ift hier anzumerken. 

Wird num aber das bisher Dargelegte zugeftanden, fo zeigt ſich 
auc noch ein Ferneres wahrfcheinlich, dasjenige nämlich, daß Keginos 
Furcht dermaßen triftige Gründe Hatte, daß der Beweis davon 
bis auf den heutigen Tag in ber Vernichtung der näheren Umftände 
feiner Abſetzung (an. 899) erhalten geblieben. Schon Dümmler 
hat vermuthet (Ueberf. Ein. S. VII), hier feien bereits Zeitge— 
nofjen thätig geweien, wofür ja auch die früheften Codices zeugen; 
nur fügt er bei, daß vielleicht die Trägheit der Abjchreiber, denen der 
betreffende Bericht unwichtig erfchienen, die Schuld daran trüge. Er- 
wägen wir, wie viel Umwichtiges und für einen Geijtlihen Uninterej 
fanteres die Abfchreiber überliefert haben, wie zu Reginos Zeit im 
weitfränfifchen Neiche das viel beeinflußte Kind Yudwig und in Loth— 
ringen bald darauf Karl felber herrichte, wie rückſichtslos man im 
Mittelalter überhaupt oft mit Schriftftiicken umgegangen ift, jo dürfte 
die Annahme mehr für fich haben, daß hier nicht Trägheit, fondern 
Abſicht, daß Gewalt maßgebend gewejen, wofür aud) die völlig mitten 
aus dem Text herausgerifjene Art des Fehlenden zeugt. 

Dod wir find noch nicht am Ende. Im zweiten Buch Cap. 8 
von Anselmi Gesta ep. Leod. heißt es: Regino abbas Prumien- 
sis, ita seribens in chronieis suis, quae a primo incarnationis 
dominicae auno usque in nongentesimum octavum ejusdem 
Domini annum extendit (Pertz, SS. VI, S. 19). Selbjtändig 
bringt ZTrithemius die Notiz (S. 44): (Regino) scripsit inter cae- 
tera ingenii sui opuscula ad Adalberonem Metensis eccle- 
siae praesulem chronicon satis conveniens a nativitate 
Domini usque ad annum ejusdem nongentesimum octavum. 
Die Magdeburger Genturiatoren geben (Cent. X, S. 660) an: serip- 
sit historiam de rebus Francorum etGermanorum 
a primo nativitatis dominicae usque ad sua tempora, annum 
videlicet 908, eamque Adalberoni Trevirensium ! episcopo in- 
seripsit lib. 2. Die Abweichungen in den beiden legten Nachrichten 
und der Mangel des Citats zeigen an, daß die Genturiatoren hier 
unabhängig von ZTrithemius und Anfelm find. Alle drei mal heißt 
e8 aber, daß Reginos Gefchichtswerf bis 908 geführt fei, es müßte 
aljo dreimal felbjtändig das ‘consummans’ der Reginojchen Einleitung, 
deren Verwandtichaft mit obigen Angaben augenſcheinlich ift?, in dem 
Sinne von ‘perducens’ genommen fein, oder ein Exemplar vorgelegen 
haben, welches wirklich noch die Ereignijfe des Jahres 907 enthielt. 

Zur letteren Annahme würde man fi) nur im äußerten Noth— 
falle entfchliegen, nun gar hier, wo die zahlreichen uns erhaltenen 


ı Cober 5 hat episcopo treverensi ; Adalbero war befanntlich Biſchof 
von Würzburg. 

2 Es muß jedoch bemerkt werden, daß die Sache ſich nicht viel anders 
ausdrüden läßt, als es an den drei Stellen gefchehen, mithin ein Zurüdgehen 
auf die Einleitung immerhin etwas gewagt ift. 


367 


Codices, die aber offenbar auf einen einzigen bereits verjtümmelten 
zurüdgehen, dagegen zeugen, wie in gleicher Weife der Anfang des 
Continuator Reginonis und der Annalista Saxo, der befanntlich 
Regino fehr ſtark ausgefchrieben Hat. Nichtsdejtoweniger Tiefe ſich 
auch etwas dafür geltend machen, nämlich eine Notiz der Magdebur: 
ger Genturiatoren. Es heift in derjelben von Negino, cum munere 
suo aliquamdiu cum laude functus esset, et ipse invidiam 
suae virtutis comitem habuit. Nam Richarii ceujusdam dolo 
dignitate sua privatur, non sine ignominiae nota, quasi 
videlicet pessima fide res sui coenobii admini- 
strasset: ut ex epistola quadam Reginonis libro 
adjecta videre est. 

Die Centuriatoren citiren Reginos Ganonesfanımlung nur nad) 
der kurzen unausgiebigen Notiz bei Trithemius (Trith. ©. 44), ha- 
ben feine epistola de harmonica institutione, die auch feine hie- 
her gehörigen Nachrichten bietet, überhaupt nicht gekannt, während fie 
jeine Chronif, oder wie fie jagen, feine 2 Bücher historiae de re- 
bus Francorum et Germanorum (der Titel vielleicht beachtens— 
werth!) vor fic hatten; danach ijt fajt jede andere Möglichkeit aus— 
geichloifen, als diejenige, daß die Genturiatoren hier mit dem liber, 
welden der Brief beigefügt fei, eben die Chronit meinen. Was 
aber dann? die bisher gefundenen Handichriften wiſſen nichts von ei— 
nem folchen. 

Fragen wir, wie die Notiz der Genturiatoren über den Brief 
mit der Angabe des Trithemius von der Abjegung Reginos zuſam— 
menhängt, deren Quelle ji) gleichfalls unſerem Blicke entzieht, fo 
werden wir uns dahin enticheiden müſſen, daß die Möglichkeit, letzte 
rer habe ebenfall3 aus dem Briefe entlehnt, nicht abzumeifen ift, jo 
wenig fich auc der Bericht der Genturiatoren mit dem des Trithe— 
mius det. Ausfchliegen thut der eine den andern ebenſowenig. 
Die Abfegung wird eine ziemlich verwicelte Sache gewefen fein, bei 
der man ſich ſcheute, Reginos Parteiftelung gegen Karl als offenen 
Grund anzugeben, und deshalb dolo', wie es bei den Genturiatoren 
heißt, die jchlechte Verwaltung des Klofter8 (der Kloftergüter ?) hervor— 
holte. Rider und jeine Brüder dürften die Vollftreder, Karl ber 
eigentliche Leiter gewejen fein. Regino wird fein Mißgeſchick im Ein- 
zelnen entwidelt haben, woraus dann Trithemins einer- und die Gen- 
turiatoren andererjeit8 ihre dürren Angaben ſchöpfen mochten; doc) 
darf ebenſo wenig verfannt werden, daß Trithemius, der mehrfach 
uns verlorene Quellen benußt hat, auch hier eine folche ausgejchrieben 
haben fann, die mit dem Briefe nicht identifc war. 

Der Einwurf, es fei unwahrſcheinlich, daß Regino zwei mal 
von feiner Abjegung, einmal in der Chronif und einmal in einem 
ihr beigefügten Briefe, geredet, ift beachtenswerth, jedoch in doppelter 
Beziehung nicht ftichhaltig. Erſtens, weil Regino fid) überhaupt nicht 
vor Wiederholungen ſcheut, feine Abſetzung ihm auch fo bitter nahe 
ging, daß er fie dermaßen breit in fein doch die großen Weltereigniffe 


368 


enthaltendes Werk einfügte, daß er fürchten mußte, der Bericht ermüde; 
und zweitens weil wir an ſich zu wenig Pofitives über den Brief 
wifjen, ob er in der Art eines abjchliegenden Nachworts gehalten, ob 
er überhaupt zu der Chronik direct in Beziehung geftanden, oder ob 
er felbftändig gewejfen und nur zufällig in einem oder beigefügt 
wurde. 

Völlige Sicherheit fehlt noch) durchaus; immerhin dürften aber die 
Nachrichten des Trithemius und der Centuriatoren derartig fein, daß 
fie unfere Aufmerffamkeit auf fich lenken. Hoffen wir auf weitere 
glückliche Funde, die das gewünjchte Licht verbreiten. 


I — ie 


Die Gründer von Raſtede und ihr Zujammenhang mit 
Ya von Elsthorpe und dem Oldenburger Grafenhanfe. 


Bon 8. €. H. Kranfe. 


Für die Verwandtſchaftsverhältniſſe des Grafen Huno, des 
Gründers von Raſtede, ſagt Lappenberg!, ſei ein lehrreicher Anhalie⸗ 
punkt dadurch gegeben, „daß uns vielfach mitgetheilt wird, daß Graf 
Huno, deffen Sohn unbeerbt blieb, die Vogtei über die Abtei Raſtede 
dem Grafen Egilmar, Sohne feiner Schweiter, übertragen habe“. 
Lappenberg nimmt diefe Schwejter für die Mutter Egilmars II., alfo 
die Gemahlin Egilmars J., d. h. für Rikence, die Tochter Idas und 
des Grafen Etheler, des Meißen, von Dithmarjchen. Darnad) wäre 
dann Graf Huno ein Sohn oder Stiefjohn der Ida von Elsthorpe. 
Als ich die Verwandtſchaft der letteren aufs Neue unterſuchte?, habe 
ic, diefen angeblihen Zufammenhang unbeachtet gelaffen, da mir ein 
jolher überhaupt nicht vorhanden zu fein jchien, jett mag die ge= 
nauere Beweisführung hier verjucht werden. 

1. Daß die VBerfchwägerung des Grafen Huno und eines der 
beiden Grafen Egilmar „vielfach mitgetheilt“ ſei, ift irrig; feine be= 
fannt gewordene Urkunde bietet fie. „Vielfach“ ift nur die Ueberlie- 
ferung erhalten, daß Graf Huno mit feiner Gemahlin Willa und 
feinem Sohne Friedrich das Kloſter Raftede gegründet habe*; und 
einmal (in der päbftlichen Beftätigung von 1124, Sept. 27)4 die 
fihere Nachricht, Graf Huno habe den Vater des Grafen Egilmar II. 
als jeinen Nachfolger in der Advocatie über das Klofter beftimmt®. 
Alle ſpäteren Beltätigungen ftammen aus diefer Quelle und der Ur— 


ı CEhrentraut, rief. Archiv II, S. 231. 

2Forſchungen z. D. Geſch. XV, S.639—648. Neuerdings hat fich mit der 
Abſtammung Idas beihäftigt und glaubt andere Reſultate zu — Ahrens, 
in Zeitfchr. d. hiftor. Vereins für Niederſachſen 1876, S. 66 

s Ehrentraut bat fie, nad) Lappenberg und Seiberk, l. c. "u, S. 289 fi. 
rer 

* Hamb. Urk.⸗B. I, Nr. CXXXVII ©. 127 ff.; daraus Ehrentraut 
l. c. ©. 292. — Bielleicht aud noch jelbftändig in der Urkunde Erzbiſchof 
Abalbero® von 1135. 

5 Samb,. Url.-®. 1. c. S. 129: sibi providerat in advocatia suc- 

ere. 


370 


funde Adalberos von 1135. Da aber, wegen diejer Nachfolgebeftim- 
mung durch den Gründer, der Pabſt Galirtus II. ohne Weiteres 
wieder den Grafen Egilmar II. al8 Kirchenvogt anerfennt und diejes 
Recht für alle Zeiten auf den Erjtgebornen der männlichen! Linie 
dieſes Gejchlechtes überträgt, fo wird anzunehmen fein, daß ſchon 
Huno in der verlorenen Stiftungsurfunde diefes Erbrecht gefchaffen 
habe, und ſomit anzuerkennen, daß Egilmar I. in irgend einem Erb— 
verhältniffe zu Huno ſtand. Mit Ausnahme diefes, foweit urkundlich 
bezeugten, Verhältniſſes liegt überhaupt nur die Nachricht in der 
‘Fundatio Rastedensis’ bei Chrentraut? vor: Comes Egilmarus, 
ut dieitur, filius sororis comitis Hunonis, und diefer Egilmar 
it als Gemahl der Eylifa, aljo als Egilmar II., beftimmt. 

Diefer Stelle allein folgt Zappenberg in der oben angeführten 
Darlegung der VBerwandtichaft?, während er früher den älteren Egil- 
mar, den Gemahl der Kifence, einen Sohn einer Schweiter des Huno 
fein ließ, ohne indefjen weitere Beweismittel zu haben. 

2. Es kommt demnad) alles auf die Unterfuchung der Glaub- 
wiürdigfeit diefer einzigen Nachricht an. 

a. Die Stelle felbft, wie fie Lappenberg 1. c. hat abdruden 
lajjen, ift nach feiner Angabe nicht von der alten Hand der Historia 
fundationis, die er vielleicht nody dem 13. Jahrhundert angehörig 
nennt; aber die Schrift ſei ſehr alt’. In der Beichreibung der 
Handichrift jagt er, fie fei von etwas jpäterer Hand ®; ebenfo fpricht 
er aus, daß der Verfaffer der Fundatio zu Ende des 13. oder An— 
fang des folgenden Jahrhunderts Tebte?. 

Der letzte Abt, von dem die ältefte Hand noch berichtet, iſt Gott: 
half, der nur 2%/s Yahr regierte und 1292 vorfoınmt®. Einige 
andere, verjtecktere Zeitbeftimmungen finden ſich noch für dieſen 
Schreiber: 3. DB. die Erzählung vom Abt Dietrih von Stade, deſſen 
Tod als befannt vorausgefegt wird: er ftarb 1281°. Ebenſo wird 
vom Abt Dito eine Bewirthung der Archidiaconen von Friesland 
(Ruftringen) berichtet und Hinzugefügt, von feinen Nachfolgern hätten 
einige dafjelbe gethan, andere fich dejjen geweigert ). Das jet min- 
deſtens vier Nachfolger voraus, und da Gottſchalk erft der zweite nad) 
Graf Otto von Oldenburg war, noch mindejtens Heinrich von Nien- 
burg als todt und Arnold als entweder noch regierend, oder auch 


Ib.: major natu in eadem parentela. 
Ehrentraut Il. c. ©. 253. 
Ib. ©. 231 und ©. 253 N. 20. 
Hamb. Urk.-B. Nr. CL ©. 137 N. 6. 
Ehrentraut J. c. ©. 253 N. 19. 
Ibid. ©. 241, aus Per Ardiv VI, ©. 750 ff. 
Ibid. ©. 242, ebendaher, 
Ibid. S. 237. 
Ibid. S. 271. 272. 

io Ibid. ©. 281: quidam abbates, sui successores, postea fecerunt, 
quidam autem — illud facere noluerunt. 


a so a » 0 2 


371 


verftorben. Der lettere kommt als Abt vor 1302—1315!. Vor 
ihm kann alfo die ältefte Schrift nicht angefetst werden. Die Notiz 
über Egilmar II. iſt daher noch jünger eingetragen, ſicher nicht vor 
dem zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts, und ein älterer Nach— 
weis für ihren Anhalt eriftirt nicht. Der erfte, früheftens im erjten 
Jahrzehnt emfig zuſammenſuchende Verfaſſer hat ihm jedenfalls noch 
nicht gekannt. Auch der Nachtragende wußte felbit nicht, daß Egil- 
mar II. der Schweiterfohn Hunos gewejen, das verräth fein ‘ut di- 
eitur’ deutlih, während er von der Advocatie nad) den Urkunden ? 
fpriht (“in privilegiis continetur’) und auch noch eine Schenfungs- 
urfunde über Kojtbarfeiten von Egilmar II. und feiner Gemahlin 
Eylifa (von Cappenberg) ihm vorgelegen haben muß. Auch die Be— 
gräbnißftätte beider, Yadelo, fannte er noch, läßt freilich bei ihrem 
Tode fälſchlich ſchon Dominikaner dort haufen. 

Nach allem ift zu fchliegen, daR, weil man in Klofter aus ben 
Verbriefungen nur den Grafen Egilmar II. und die Eylifa fannte, 
weil man aber aus benjelben Urkunden erfah, daß ein Verwandtichafts- 
Verhältnig zwifchen Graf Huno und ihm beftanden haben müffe, und 
doh Egilmar I. nicht directer Erbe habe fein fünnen, man einfad) 
einen wahrjcheinlichen Verwandtſchaftsgrad erfand, diejes aber durch) 
jenes ‘ut dieitur’ andeutete. Es ijt anzunehmen, daß das ganze 
Klofter fih an der Ausarbeitung jeiner Gefchichte mehr oder minder 
betheiligte, und die geichichtliche Unkunde, welche Lappenberg? dem 
eriten Verfaſſer nachgewieſen hat und deren Beiſpiele fich leicht ver- 
mehren laſſen“, fällt damit auf den ganzen Gonvent, aljo aud) auf 
den Nachtragichreiber. 

b. Augenſcheinlich ift die ganze Historia fundationis nicht 
aus einem Guſſe. Die Like, welche durd die faljche Verwandtichafts- 
notiz über Egilmar II. 3. TH. gefüllt wurde, ijt gewiß nicht durd) 
Ausreifen einiger Blätter zu erflären?, da ja eine halbe und nod) 
die folgende Seite (vielleiht nocd die zweitfolgende) urfprünglich leer 
gelaffen war, Der erſte Schreiber hat aljo diefen großen Perga= 


1 Ibid. ©. 237. 

2 Er meint die oben genannte päbftliche Beftätigung von 1124. 

3 GEhrentraut I. c. S. 242, doch rechne ich dahin nicht ohne Weiteres 
das bekannte genealogiſche Räthſel duas sorores de Schodis’ (Ehrentraut 
©. 274 f.) trotz der Nachweiſungs-Verſuche in v. Hodenberg, Calenb. Urk.B. 
und deren Aufnahme in die Dldenburgiiche Genealogie durd) v. Bippen, Bres 
miſches Jahrb. IX, S. 147 und Taf. 8. 

* So läft er den Abt Konrad von Raſtede dem Dietrich von Stade nicht 
nadeifern, der doch erft Ipäter Abt wurde. Auch in der Didenburger Genen: 
logie find Verwirrungen. Nicht minder im der Zeit verfchoben ift die Fehde 
der Grafen Dietrich und Milo von Ammenesleven gegen das Kloſter, die nad) 
1124 fallen foll, während Dietrih ſchon 1120 ftarb. 

5 Ghrentraut S. 253 N. 21; wo aber dur einen Drudfehler S. 47 
(R. 43) ſteht, während ib. ©. 241 3. 12 auch ſeltſamer Weife „S. 45” 
(f. ge berdrudt ift, wie 3. 15 ergiebt. Die Zifferzeichen der Handſchriftfolien 

e na. 


372 


mentraum von 1'/s oder 2°/, Seiten, der nachher durch jpätere 
Hände ausgefüllt ift, ſich abſichtlich offen erhalten. 

Er hatte augenfcheinlich zunächſt eine ältere Vorlage ; dieje ältefte 
Fundatio fchrieb er nur ab, fie jchließt offenbar mit den Worten: 
quam gratiam eis concessit, qui sine fine vivit et regnat in 
secula seculorum. Amen! Daran wollte er eine Kloſtergeſchichte 
fügen und. fing fie an, brach aber nad) den einleitenden Worten ab. 
Was er befchreiben wollte und wofür er das Jahr augenblidlich nicht 
mehr wußte?, läßt ſich nicht feititelen; zu ſpäterer Ergänzung lieh 
er den Raum offen und begann dann mit der Abtsreihe: De abba- 
tibus hujus monasterii etc. °. 

Wann jenes ältefte Stüc verfaßt fei, ift nicht zu jagen ; jeden- 
fall8 vor der Erhebung der Gebeine der Gründer durd) Abt Gott- 
ſchalk“‘, was aber auch an ſich feitftände.. Man könnte noch anführen, 
daß die weitfälifchen Güter der Fundatio weniger zur päbjtlichen Be- 
ftätigung von 1124 als der Hadrians IV. von 1158 ftinmen ?, 
deren Holthof' wahrjceinlicd das wegen des Namens Huning, Huno 
abfichtlihh in der Fundatio voraufgeftellte Huninchove iſt. Das 
ergäbe immer noch den Zeitraum von 1158—1290, 

Da aber jchwerlid jemand, trotz Yappenbergs vorjichtiger Be— 
handlung, den Yöwenfampf des Grafen Friedrich für mehr als Sage 
halten wird, die Löwengejchichten aber in unferem Norden erjt nad 
Heinrichs des Löwen Kreuzzuge allmählid) mehr ins Volk drangen, 
jo kann diefe Sage fih faum vor dem zweiten Jahrzehnt des 13. 
Jahrhunderts jo feſt gebildet haben, daß der Verfaſſer diefer Fun- 
datio fie volljtändig gläubig aufnahm. 

3. Sclojjen die Mönde im Anfange des 14. Jahrhunderts, 
weil fie einen Egilmar als Inhaber der Advofatie über das Klofter 
aus den Urkunden Fannten, deſſen Vater nicht mit Namen genannt 
war, und der augenjcheinlich nicht im directen Mannesjtamme mit 
art zufammenhing, aber doch im irgend einer verwandtichaftlichen 

eziehung ftehen mußte, auf den Grund der Advocatie= Uebertragung, 
jo lag es am nächſten, auf des einen bekannten Egilmar Herkunft aus 
einer Verſchwägerung zu rathen. Es möchte daraus zu jchlieken 
fein, daß ſchon damals andere Urkunden nicht mehr vorhanden waren. 
Die erfchloffene, vielleicht auc) noch in der Tradition erhaltene Ver— 
ſchwägerung übertrug der Verfaffer, der die Mutter Egilmars II. 
nicht kannte, auf deifen Vater, während nad) den detaillirten Angaben 
Alderts von Stade® es feinem Zweifel unterliegt, daß Rikence, die 
Tochter der da, nicht einen Bruder Huno Hatte. Wollte man felbft 


ı 1. c. ©. 252 unten. 
2 Ibid.: Anno autem ab incarnatione Domini M..... mortuis 
etc. Vielleicht ſuchte er nach dem Todesjahre des Grafen Friederich. 
l.c. ©. 253 


“ Um 1292 — 1. c. ©. 287, verglichen mit &. 151 f. 
5 Ibid. S. 250 und 294. 
®°° Bergl. meine Ausführung in Forſchungen 1. c. 


373 


an eine zweite Bermählung Egilmars I. denken, fo Könnte wieder 
Egilmar II. nit aus diefer Ehe ftammen !; überhaupt Iprechen auch 
die Zeitintervalle dagegen. Ein Stiefbruder der Rikence, aljo ein 
Sohn Ethelers oder auch Dedos von Dithmarschen, kann Huno eben 
jowenig gewefen fein, denn dann hätte die cometia in Dithmarſchen 
ſchwerlich auf das Stader Grafenhaus, die Markgrafen der Nord- 
marf, übergehen fünnen. 

Iſt daher die Schlußfolgerung des Schreiber8 oder die damals 
ſchon zweihundertjährige Tradition nicht überhaupt abzumweifen, jo muß 
auf die ältere Yappenbergfche Anficht zurückgegangen werden, wonach 
Egilmars I. Vater mit Hunos Schweſter vermählt war?. Thatfächlich 
liegt aber ein anderer Beweis als die Uebertragung des Erbes der 
Advocatie nicht vor. 


— ——— — — — — — ñ r— 
Huno F vor 1091 filia ? 
ux. Willa F vor 1091 mar. N. 


— — — — 
Egilmar I. F c. 1112 Giſelbertus 
ux. Rikence + nad) 1108 
idericus 


T nad) 1091, vor 1120 
Chrijtianus Egilmar I. Gertrud 
7 vor 1112 ux. Ehylika 


v. Gappenberg 


4. Zur Erledigung des hiſtoriſchen Materials würden noch ge- 

hören 

a) der Nachweis über die cometia Hunos; 

b) die Erklärung der Erbanfprüche der Ammeneslebener; 

c) die Gründe, weshalb Huno die Rafteder Advocatie dem 
Egilmar I. und nicht feinem Sohne Friedrich übertrug; 

d) endlih das angebliche Vorkommen der Willa in einem 
Intſcheder Denkmal. 

a. Die Fundatio nennt Huno comes Rustringiae und 
ebenjo feinen Sohn Friedrih?. Die Gründungsurfunde der St. Ul« 
rihsficche zu Najtede vom 11. Sept. 1059 * nennt den erfteren nur 
gloriosus comes, und diefe Bezeichnung kehrt des Eingenden Titels 
wegen in der Fund. öfter wieder. Seine Gattin heißt dafelbjt aeque 


ı rk. von 1108 bei Möfer, Osnabr. Geſch. II, docum. S. 55, daraus 
bei v. Halem ©. 455, dort find aud) "die Brüder der beiden Egilmar angegeben. 
Ehriftinus ift aber wohl mit Recht von v. Bippen 1.c.&. 138 1) und Taf. II 
in Chriſtianus geändert, Aus der oben S. 370 N. 1 angeführten Thatſache er: 
Beilt, daß diefer Ehriftian ſchon vor 1124, und aus dem Erbfolgefriege Egil: 
mars II. um die Güter der Ida, daß er ſchon vor 1112 geftorben war. 

ı ©. oben S. 370 N. 4. 

° CEhrentraut 1. c. ©. 246. 

*« Hamb, Urk⸗B. Nr. LXXXI; daraus Ehrentraut 1. c. 


XVIII. 25 


374 


venerabilis Guilla. Die fpäteren Urkunden nennen die Graficaft 
überhaupt nit. Da Huno und Willa die Ulrichskirche bauten, 
weldyer dann Erzbifchof Adalbert einen Sprengel zuwies, fo fcheinen 
fie in Raſtede vorzugsweile ihren Sig gehabt zu Haben, aljo im 
Ammergau. Sicher haben fie auch das Nonnenſtift an diefer Kirche, 
in welches Willa als Witwe eintreten wollte !, aus ihren Gütern do— 
tirt. Dagegen nennt die Fundatio als den Machtbereich diejer 
Grafen „in waldiger Hand“: Rustringia, Stedingia, Ambria, 
partem Saxoniae et Westphaliae et prope Wmnam terram. 
Ein Einblid in die Urkunde Calixts II. von 1124 ergiebt, daß diele 
Namenlifte nur aus dem dortigen Negifter der Güter entnommen ift, 
die aufgezählt werben “in Ambria, Frisia, Steringeng, Westpha- 
lia, juxta Wemno, in Bardinge, Bardewich, Luneborch’”. Es 
find aljo der allgemeine Name Frisia und der unbekannter gewordene 
Steringeng (Sturgau) durch die dem Schreiber geläufigen Rustrin- 
gia und Stedingia, die freilich jene nicht decken, erjekt. 

Die bedeutenden Weftfäliichen Güter werden durch die Fund. 
einem Geſchenke des Kaifers, alſo Heinrichs IV., in Folge des fabel- 
haften Löwenkampfes zugefchrieben, von ihnen hätte aljo Huno vorher 
den Grafentitel nicht führen fünnen. Ebenſo Mar ift, daß die come- 
tia in dem zerftreuten Lüneburgiſchen Beſitz nicht gefucht werden kann. 
Wie eine cometia des Huno in Ruſtringia eriftirt hätte, die doch 
zu vollem Eigenthume? an das Klofter übergegangen fein foll, it 
überhaupt nicht einzufehen, das Klofter hatte dort nur zerftrente Güter 
und feine aus der Grafichaft herzuleitenden Rechte. So bliebe nur 
die cometia im Ammergau und Sturgau übrig, die ebenfalls zu der 
cometia gehört Haben follen, welche fpäter Hunos und dann des 
Klofters EigentHum wurde. Gerade hier, wiſſen wir aber urfundlid, 
hatte Markgraf Udo die Grafichaft, die 1062 befanntlid; mit dem 
ganzen Stader Comitat vom Kaifer der Hamburg-Bremer Kirche ver 
liefen und darnad) wieder im Lehnsbefite der Stader war?. Später 
lieg Udo ihn durch den Grafen Friedrid) von Stade verwalten, aljo 
fiher auch, feine Machtbefugniß tm Ammergau, bis diefer die Grafen- 
gewalt ſelbſt an ſich riß. Als der Mönd) jchrieb, war die Bedeu— 
tung der alten cometia aud in dem zäheren Norden ziemlich vers 
ſchollen; daß aber eine foldhe von Huno nicht ohne weiteres als Allo- 
dium veräußert oder verfchenft werden konnte, wußte man damals nod 
recht gut. Das reich gewordene Klofter, deſſen Abt die Mitra trug‘, 
mochte aber, dem Erzſtift Bremen nadheifernd, auc gern im Beſitz 
einer Grafſchaft fein; das ausjterbende Geſchlecht des Huno, deſſen 
ganzer Allodialbefig dem Kloſter zufiel, follte ihm daher auch die co- 


1 Ehrentraut 1. c. II, ©. 251. 
2 Ebeuda ©. 250: postea in perpetuam liberam et de omni jure 
inpheodationis imperii ipsam excluserat et exemit. 


Hamb, Urk⸗B. XCH. Bergl. Dehio, Geſch. des Erzbistums Hamburg: 
Bremen I, ©. 231 ff. 


fl 
* Mel. von 1130 Hamb, Urk⸗B. CXLII, 


375 


metia mit übertragen haben. Und nur deshalb ift die fabelhafte Be: 
Ihenkung für den Löwenkampf in Weftfalen noch überboten durch die 
Erzählung von der gleichzeitigen Schenkung der früher als Lehn ge— 
tragenen undefinirbaren Grafichaft; während andererjeitS das volle 
Alodialrecht des Klofters doch immer wieder mit den üblichen Aus— 
drüden faiferlicher Beftätigungen betont wurde, jchon zur Sicherung 
gegen event. Ansprüche der Oldenburger Herren. 

Während alfo u urfundlich comes heißt, iſt doch feine co- 
metia aus den Urkunden nicht nachzuweifen; wo das Klofter fie 
Juden wollte, hatte er fie ficher nicht; wenn ein Schluß nad) dem 
unten folgenden erlaubt ijt, fo war fie am ehejten in Weftfalen. Das 
Kofter aber hatte nie eine befeffen. 

Wollte e8 indeffen mit ſolchem Befige großthun, fo mußte der 
Titel unverfänglich fein; im Ammergau hatte man die gefürchteten 
Oldenburger zu beachten, namentlich feit der Abfindung Egilmars II. 
durch Friedrich von Stade war hier ihr Machtbereih. Nur Rus 
ftringen war verhältnigmäßig wenig verfänglich, fo fabelte man den 
comes de Rustringia; und vielleicht trug dazu noch bei das Ab» 
handenfommen der Raftedichen Güter in Friesland, welches vor dem 
Beginne des 14. Jahrh. eingetreten fein muß ?, ohne daß wir weitere 
Kunde davon hätten. Man fuchte Rechte für günftigere Zeiten zu 
behaupten. 

b. Nach dem Ausfterben de8 Hunonifchen Geſchlechts erhoben 
die Grafen Dietrih umd Milo von Ammenesleben? Anfprücde auf 
defjen dem neuen Klofter Raſtede geſchenktes Allod* als rechte Erben. 
Diefe Anfprüche müffen, da Dietrich urkundlich mit genannt ift, fchon 
vor 1120 erhoben jein. - Aus Adalberos Urkunde von 1135 erhellt, 
dag die Ammeneslebener den Befit des Klofters ziemlich volljtändig 
eingenommen hatten, zulett aber die Güter mit einer anfcheinend nicht 
bedeutenden Zulage wieder herausgaben, worauf eben Adalbero das 
Klofter "neu ordnete. Adalbero wurde 1123 Erzbifchof, 1126 fiel 
Milo, von 1123—1126 müßte alfo die Reftitution und der Verzicht 
dur Milo allein gefchehen fein. Augenfcheinlich Hatte aber Adalbero 
eine jet verlorene Urkunde von Dietrich und Milo zuſammen vor 
Augen; auch beruft er fi) auf die lange Verwilderung des Kloſters 
unter feinen Vorgängern. Die Erzählung der Fund. ftimmt daher 
nit mit den Thatjachen, die Aınmeneslebener haben jpätejtens 1120, 
wahricheinlich früher, verzichtet. Wäre der Plural „Vorgänger“ zu 
urgiren, fo fümen wir mit der Slojterverwilderung, aljo der Fehde 
Dietrichs, ſchon in die Zeiten des Erzbischofs er und Hunos 
Sohn Friedrid) wäre vor 1104 verjtorben. In Rom nahm man 


1 © 374N. 2. 

2Ehrentraut 1. c. ©. 240. 

ı Die Quellennachweiſe daf. S. 232 N. 7. 

* Dominium ebenda ©. 255; patrimonium 1135. Hamb. Urk.B. CL, 
Ehrentraut S. 299. Der Bericht der Fundatio if nur eine Umfchreibung 
der Url. von 1135. 


25 * 


376 


freilich 1124 feine Notiz vom Ende des Krieges, vielleicht hatte Abt 
Sweder in der unfreiwilligen Fremde nicht einmal davon erfahren, 
er fcheint auch die Beftätigung von 1124 weſentlich mit gegen den 
Erzbiſchof erwirkt zu haben. 

Die Verwandtichaft der Ammeneslebener Herren mit Huno weilt 
nah Weitfalen hinüber, und fo lafjen fich die angeblid) vom Kaijer 
geſchenkten Neichsgüter etwa al8 eine von weiblicher Seite eingelom- 
mene Grbjchaft betrachten; vielleicht aus Salmſcher Sippe, welde 
dann auch das Hereinziehen eines „Kaiſers“, wenn auch richtiger nur 
eines Königs, in die Sage erflärliher machen würde. Theoderich 
(Dietrih), der zweite Gemahl der Amulrada (der Nichte Biſchof 
Suidger8 von Bamberg, der fi) als Pabjt Clemens II. nannte, 
7 9. Oct. 1047) wurde durd) feine Gemahlin Herr von Ammenes- 
leve. Er wird aber vom Ann. Saxo ad a. 1040 Schweiterjohn 
des Königs Hermann (Allium) von Salm genannt; fein Sohn war 
Milo. Diefe Beziehungen fonnten fih in Anfnüpfung an die Löwen- 
fage leicht fo gejtalten, wie in der Fund. Natürlich giebt es aud) 
andere Möglichkeiten, und es foll daran erinnert werden, daß Amul 
radas DVaterbruder Hanulf von Ammenesleve genannt wird. Yautete 
der Name etwa richtiger Hunolf, fo läge eine bedeutfame Namens- 
wiederfehr vor. 

Wahrſcheinlich ift Holthof in Weftfalen Huninchove ber 
Fund.', das von Milo dem Klofter übergebene Sühngefchent, denn 
diefes Gut fehlt noch in der Urk. von 1124, kommt aber in der 
Giüteraufzählung von 1158 vor. 

Iſt Friedrich, welcher die Einweihung der Nafteder Kirche durch 
Biihof Hartwicd von Verden wünſchte, Sunos Sohn, wie nidht zu 
bezweifeln, fo wird der Zufammenhang mit König Hermann nod) 
wahricheinlicher. Denn Hartwich war einer der Führer feiner Partei 
unter den Biſchöfen Sadjjens ?, 

c. Weshalb übertrug Huno bei Abtretung feines Allodialbefiges 
an das Klofter deſſen Advocatie nicht feinem Sohne Friedrich), der 
doc nad) dem Mönchsbericht erjt im Höheren Alter geftorben ift, und 


ı Höllinghofen, Lappenberg bei Ehrentraut 1. c. S. 250 N. 11. 

2 Außer den befannten neueren Werken allgemeineren Inhalts fei bier auf 
Pfannkuche, Weltere Geichichte des vorm. Bisth. Verden ©. 61 f., vermieden. 
Wenn dort indeffen nah Meibom SS. rer. Germ. Il, ©. 95, d. h. nad) dem 
neueren Chronicon Rastedense, angegeben wird, daß Hartwich 1091 bie 
Klöfter Raſtedt, Stade und Harfefeld, die beiden letzteren auf den befonderen 
Wunſch des Grafen Friedrid; von Stade, weihete, fo find da brei Irrthümer: 
St. Georg zu Stade weihete Erzbiſchof Adalbero 1137 oder jedesfalls zwiſchen 
1132 und 1137; der Kirche Bremen war dies Klofter übertragen auf befondert 
Bitte des Pfalzgrafen Friedrih; Hamb. Urk.:B. CLV. Klofter St. Marien 
vor Stade entfteht erfi um 1147. Harſefeld ——— weihete 1001 der Ery- 
biſchof Libentius jelbft; Adam Brem. II, c. 31. Hamb. Urk⸗B. LVII. Ends 
lich paßt Graf Friedrichs Zeit nicht für Harjefeld; der Friedrich aber, welcher 
Hartwich veranlaßte Naftede zur weihen, war nicht Friedrih von Stade (meldyer 
ber Zeit nad) möglich wäre) ſondern Friedrid, Hunos Sohn. 


377 


dem biefelbe als nächften Erben zuftand, fondern feinem muthmaß- 
lichen Schweiterfohne Egilmar 1.7? Allerdings liegen uns nur die 
Urkunden von 1124 und 1135 vor mit der Anerkennung des jchon 
ererbten Rechtes Egilmars II., und e8 ließe fich denken, daß im Do— 
nations⸗Inſtrument Hunos, das bei Austellung der Beitätigung Ca- 
lirts IL. 1124 und bei Abfaffung von Adalberos Urkunde 1135 vor- 
(ag, eine Eventualbedingung („falls fein Sohn Friedrich unbeerbt ver- 
fterben ſollte“) geftanden hätte, welche in den obengenannten Urkunden 
nach Friedrich Tode wieder aufzunehmen überflüffig war. 

Aber dann mußte immer ein Grund vorliegen, weshalb Huno 
die Erblofigfeit Friedrichs vorausfegte. Bei der Schenkung der auf 
Hunos Eigengut erbauten Pfarrkirche von Naftede wird nur Huno 
und feine Gemahlin Guilfa genannt, kein Sohn oder rechter Erbe. 
Die Vollendung des neuen, der 5. Jungfrau geweihten, damit wohl 
auch der Hamburger Kirche überwiefenen Kloſters erlebten jene beiden 
nicht, fie find alfo vor 1091 geftorben. Unter diefen Umftänden 
würde man jogar an der Exiſtenz eine® Sohnes zweifeln, wenn nicht 
die Adalberonifche Urkunde ihn mit Beſtimmtheit nennte, 

So liegt nur eine doppelte Möglichkeit vor: entweder der erft 
nad) 1159 geborene einzige Sohn war franf und unzurechnungsfähig, 
als feine Eltern die Schenfung machten, oder er war geiftlich ge= 
worden, eine Annahme, die nicht allzu nahe liegt. Won einer. Schen= 
fungsurfunde diefes Friedrich ift daher weiter feine Nede. Sein Lö— 
wenfampf und die übergroße Frömmigkeit mit allem Zubehör ift eitel 
Einbildung der Mönchsphantafie; das ganze Gut Hatten ſchon die 
Eltern vergeben. Friedrichs Tod benutten dann Dietrich) und Milo 
zur Erhebung ihrer Erbanfprüche, die zugleich Fehde gegen den Vogtei- 
Inhaber werden mußte. Iſt Friedrich wirklich ziemlich alt geworden, 
d. h. höcjitens über 53 Jahr, fo fällt fie nicht mehr in die Zeit 
Egilmars L., fondern in die Jahre von 1112 bis 1120, die Zeit der 
Wirren in der Grafichaft Stade, in welcher Egilmar II. fi) vom 
Stader Grafen Friedrich eine Abfindung für das Erbe feiner Groß- 
mutter Ida ertrogte. Genaueres ift nicht anzugeben. 

Beiläufig fei erwähnt, daß der Name Friedrich nachher in dem 
mit dem Oldenburgiſchen Haufe nahe verbundenen der Herrn von Ans 
vorde vorkommt. Ggilmars II. Tochter Beatrir heirathete der Edle 
Friedrich aus diefem Gefchlechte ?. 

Pappenberg giebt an, daß fih an die Gräfin Willa eine 
Erinnerung in der Kirche zu Intſchen (Intschede) in einer Inſchrift 
erhalten habe, wonach die Kirche zu Wiljtede an der Wörpe in ber 


! (Egilmarus) cujus patrem comes Huno sibi providerat in ad- 
vocatia succedere a. 1124. Hamb. Url.-B. OXXXVIU; Ehrentraut 1. c. 
©. 138. Diefelben Worte nur fl. succedere: successorem 1135 Hamb. 
Urf-B. CL; Ehrentraut S. 302. 

°2 Ehrentraut 1. c. &. 266. Beatrir ift Hamelmanns „Heylke“, 
alfo Heilwig. Die Namen find als einfache Ueberſetzungen identisch; fie hieß 
nad) ihrer Mutter Eylika, welches auch Heilwig ift. 


378 


Grafſchaft Wölpe von ihr gejtiftet fei!. Lappenberg folgte aber nur 
einer Behauptung v. Spilders. 

Das unter dem gefchenkten Erbe Hunos und der Willa befind- 
liche Willftedt hatte noch 1124 Feine Kirche, denn die würde fo gut 
genannt fein, wie die übrigen. Es war eine curia mit der volleren 
Namensform Willinstede ?, deren noch ältere Willianstedi in der 
Vita S. Willehadi, Mon. SS.II, ©. 387, vorkommt. 1190 hatte 
e8 dagegen ſchon eine Kirche erhalten? v. Roth jagt in feiner 
Geographie der Herzogthüümer Bremen und Verden (1718) * darüber: 
„Die Kirche hat zum Patron S. Königl. Majeftät von Däne— 
marf der Grafihaft Oldenburg (wegen), vielleiht darum, weil 
Gwilla, eine Gräfin von Oldenburg, diefe Kirche gebaut. Denn in 
einer Kirchenagenda von Inſchen find diefe Worte zu lefen: Gwilla 
Comitissa in Oldenburg fundavit Gwillstede apud Wurpam. 
Daraus hat v. Spilder und nachher v. Kobbe die Nachricht genom— 
men, wie früher Pratje?. Die Nachricht ftammt ohne Frage aus 
dem Chron. Rastedense®. Heute fcheint in Intſchede nichts Aelteres 
vorhanden zu fein als ein Kirchenrechnungsbuch von 1593 und das 
ältefte Kirchenbuch von 16097, Das Kirchenpatronat zu Willjtedt 
aber datirt von der Säcularifirung des Kloſters Raſtede. 

Die Nachrichten über das Geſchlecht Hunos zeigen, wie gering: 
fügig unfere Kenntniß von den alten Dynaftengeichlechtern ift. Bon 
diefem hat nur die Stiftung des Raſteder Klofters uns dunkle Kunde 
erhalten, wie ebenfo dunfle über den Grafen Hed und das Ausjterben 
feines Gefchlehts die Gründung des Klofters Heslingen (Zeven) in 
deinfelben erzbiichöflichen Sprengel®. Die beiden darüber jprechenden 
Urkunden Halte id) aus vielen Gründen für unecht“, die Ottos IIL 


ı Ghrentraut 1. c. ©. 232. 

2 Das unter den Befigungen “juxta Wemno’ (fo Hamb. Urf.-B., Eh—⸗ 
rentraut drudte: ‘Wemmo') genannte Widagheshude ift Filcherhubde. 

° Hamb. Urf.-B. CCXCII ©. 260. 

* Bon mir jetzt herausgegeben: Archiv des Vereins f. Geſch. und Alterth. 
in Stade VI, ©. 215. 

5 9, Kobbe, Bremen und Berden I, ©. 54 Anm. 

° Bei Meibom 1. c., nad Lappenberg: verfaßt von Wolters, 

? Beitichr. des Hift. V. f. Niederfahlen 1865, S. 328. 

8 Geftiftet 961 nad der Randbem. zu Ann. Stad., SS. XVI, 312 d. 
und p., 323 N. 2. Thietmar, SS. III, 756. Adam, SS. VII, 309. Bergl. 
v. — Zevener Urk. B. S. IX ff, und meine Bemerkungen Archiv des 
Bereins f. Geſch. zc. zu Stade I, 20 N. 7. 21 f.; Waitz bei Dönniges, Jahrb. 
I, 3, ©. 227; Dehio 1. c. I, 114. Daß Hed zu den Dithmarfiihen Grafen 
gehörte, ift mir zweifelhaft; daß Ebert ein Graf von Dithmarſchen geweſen 
(ib. frit. Ausführ. XX, S. 70), habe ich ebenfalls angenommen; Forſch. 3- 
D. Geſch. XV, 642. 

2. Die von Dehio citirte Urk. Adaldags s. a. ift augenscheinlich Fälfchung. 
v. Hodenberg ſetzt, Geſchichtsq. III (Zevener Urk.B.) Nr, 1, die Schrift ins 12, 
Ehrentraut II, 343 „ohne Zweifel“ ins 10. Jahrh. Es ift der Verſuch, eine 
gefälichte Urkunde Ottos I. herzuftellen, S. meine Bemerkung in Archiv des 
Vereins zu Stade VI, 198. Auch die Urk. Ottos III, 986, März 17, bei 
v. Hobdenberg 1.c. Nr. 2, Stumpf 894, habe ich dort ſchon als gefälfcht bezeichnet. 


379 


hat bie viel befprochenen „Yamundlinge“ ! nur aus den Verbriefungen 
für das Erzbisthum aufgenommen. 


Erft während des Drudes finde ich, daß Wilmans, Die Raifer- 
urkunden Weitfalens I, ©. 388 ff. die Herkunft Hunos unterfucht 
und ihn mit Widufind in Verbindung gebracht hat. Ich vermag dem 
ebenfowenig zu folgen, wie v. Hammerftein, Bardengau ©. 14, der 
Ida von Elsthorpe wieder als Hunos Mutter annehmend den Najteder 
Beſitz auf die Immedingiſche Glismod zurücführen möchte. Auffal- 
[end iſt Hunos großer Befis in und um Lüneburg und Bardowik, 
hier namentlid) der census von der Brüde, der wichtigen und ein= 
zigen alten Heerftraße zur Uebergangsftelle über die Elbe bei Artlen- 
burg. Daß die Lüneburger Memorie: 4. Id. Aprilis O. Hun com. 
nicht mit Wedelind (und wieder v. Hammerftein) auf den Grinder 
von Raſtede fic beziehen fan, der nicht am 11. April fondern am 
2. Nov. ftarb, Hat fchon Yappenberg (Pers Archiv VI, 751) mit 
Recht hervorgehoben. Die großen Lüneburgifchen Befigungen fcheinen 
aber einen Zufammenhang mit den Billungern anzudeuten, namentlic) 
auch der verhältnigmäßig bedeutende Antheil an der Süße: 6 Pfannen 
d. h. 1'/ Sülzhäuſer von den 50; denn den alten Beſitz der Sülze 
fheint v. Hammerftein S. 134 ff. für die Billunger nachgewiefen 
zu haben, trotz der entgegengejetten Anficht Volgers (Geſch. der Lüneb. 
Sülze, im Püneb. Ofterblatt 1862 ©. 8). Vermuthlid führt auf 
Hunos Befig einer der uralten Namen der 50 Siedehäufer Lüne— 
burgs zurüd: Huninge, Huning, der ſchon 1231 vorkommt; v. Ho- 
denberg, Verd. Geſch. Quellen II, 89; Volger 1. ec. S. 14 Anm. 
Daß H. auch al8 Gründer des Lüneburger Kirchdorfs Rade gefeiert 
werden follte (v. Hammerftein 194), it wohl nur Yefe- oder Schreib- 
fehler Gebhardis. 


2 Ich erinnere daran, daf die Ältefte Form nur ‘jamundling’ heißt, bei 
Dtto I, 937, Hamb. Urk,:B. Nr. 31, mo Lappenberg das Wort ale aus 
einer farolingiihen Urkunde flammend anſieht. Ihm folgt Ehmd, Brem. 
Url.-B. I, S. 11 (Böhmer 78. Stumpf 67). Hier paßt aber Grimme Ans» 
nahme, RA. 311, ausgezeichnet, daß das Wort aus jam mundling entftanden 
fei. Die fpäteren beclinirten Formen find ſämmtlich aus der citirten Urfunde 


geflofjen. 


Eilo von Repgow und der Sachjenfpiegel. 
Bon F. Winter. 


—— — — 


Wenn ich zu meiner im 14. Bande der Forſchungen S. 303— 
345 veröffentlichten Abhandlung einige Nachträge und Berichtigungen 
hinzufüge, jo wird das Hoffentlich nicht den Schein auf diefelbe 
werfen, als ob fie mit nicht geniügender Sorgfalt gefchrieben worden 
ſei. Bei einer Unterfuhung, die aus Hundert Kleinen, zerjtrenten ur: 
fundlichen Notizen ihre Refultate zu ziehen fuchen muß, gilt recht eis 
gentlih die Erfahrung: dies diem docet. Befouders ift mir aber 
in dem zweiten Bande des Codex diplomatieus Anhaltinus manches 
pre Material geboten worden, welches auf unfere Frage Be— 
zug hat. 


1. Das Geſchlecht der Herrn von Repgow. 


Wenn ih a. a. O. S. 305 und 306 die Vorfahren Eifos als 
im Gau Serimunt angefejfen und auf dem Landgericht diefer Graf- 
Ihaft zu Wörbzig anweſend nachgewiefen habe, jo vermag id) dies 
auch von einigen fpäter lebenden Sproſſen diejes Geſchlechts. Als 
Graf Heinrih I. am 29. Yuli 1253 in Wörbzig zu Gericht fit 
und die Vebereignung von Freiengut in den Dörfern Görzig, Reine- 
dorf, Glauzig und Maasdorf unter Königsbann beftätigt, erjcheinen 
unter den Schöffen auch Ludeko von Reppichau und Dietrich von 
Reppihau!. Einer von beiden dürfte Eikos Sohn gewefen fein. 
Daß damals Eifo ſchon geftorben war, ift ein nahe liegender Schluß, 
ber auch fonft durch die Jahre feines urfundlichen Auftretens ges 
ftügt wird. 

Daß Gero der ältere von Neppichau 1287 bei einem placitum 
de8 Gaues Serimunt zugegen ift, wurde a. a. O. ©. 311 und 
312 fchon erwähnt. Die Urkunde ift jegt auch im Cod. Anbalt. 
II, 441 gedrudt. 

Wir wollen Hinzufügen, daß derfelbe auch auf dem Grafendinge 


' Cod. dipl. Anhalt. II, 155. gl. darüber Magdeburger Geidicts- 
Blätter X, ©. 12. 


381 


der Graffhaft Mansfeld, das am 31. Auguft 1264 zu Eisleben ab» 
gehalten wurde, als Gero miles de Repchowe anfcheinend als han- 
deinder Schöffe erfcheint!. E8 Handelt ſich Hierbei um Uebereignung 
von Gütern, welche die Edelherren von Friedeburg in Polleben, He— 
deröleben und Straußhof an das Klofter Wiederftedt verkauft hatten. 


2. Die urkundlihen Nachrichten über Eiko. 


Wenn ih a. a. DO. ©. 310 aus der Urkunde von 1219 ge— 
folgert habe, daß Eiko neben feiner Eigenſchaft als ſchöffenbar Freier 
auch im Minifterialenverhältniß zu den Fürjten von Anhalt geftanden 
habe, jo wurde ich zu diefem Schluß dadurch bewogen, daß Eifo hier 
hinter Konrad Schlihting und — von Redern ſteht, welche ſonſt 
als Miniſterialen erſcheinen. So wird in der Urkunde von 1215 
Hugold von Redern ausdrücklich unter den Miniſterialen geuannt, 
während Eiko zu den Edlen geſtellt wird. Allein Ficker hat in ſeiner 
Schrift vom Heerſchilde S. 169 ff. mit Recht die Anſicht ausge— 
ſprochen, daß nicht überall in Sachſen Miniſterialität und Schöffen— 
barkeit fi ausſchloſſen, und daß es aljo ſchöffenbare Minifterialen 
gab. Erſcheinen diefe im Gefolge ihres Vehns -(Dienft)= Herrn, fo 
führen fie, wie wir aus den Urkunden Oſtſachſens glauben gefunden 
zu haben, das Prädicat: Miniſterialen. Erjcheinen fie aber in den 
Urkunden anderer weltlicher oder geijtlicher Fürſten, fo ftehen fie mit 
den ihöffenbar Freien in gleihem Range. in Gleiches gilt auch für 
die Gegenwart auf den Grafendingen. Die Urfunde von 1219 
ſcheidet nun micht namentlich zwiichen Freien (Cdlen) und Miniſte— 
rialen; fie prädicirt Hoier von Valfenjtein als Grafen, Hermann 
von Wettin als Burggrafen, alle andern find ohne Standesbezeich- 
nung, wenn man von der Bezeichnung „Truchſeß“ abſieht. Nun find 
bis Konrad Maketſerf unbejtritten Edle genannt; unter den übrigen 
fieben ift Eifo von Repgow ſonſt ftets als fchöffenbar Freier uns ent= 
gegen getreten. Der am legten genannte Konrad von Mandere fcheint 
ebenfalls einem fchöffenbar freien Geſchlecht anzugehören; denn um 
1200 erfcheint Stepo de Mandre mitten unter Freien. Aber auch 
der an vorletter Stelle genannte Helembert von Hedlingen ift noch 
1223 jchöffenbar frei. Er und fein Bruder Friedrich und Helembert 
der Yüngere verfaufen eine Hufe zu Klein Winningen an das Lieb⸗ 
frauenftift im Halberjtadt®, Daß dies Freiengut war, geht daraus 
hervor, daß fie e8 im Grafending zu Ajchersleben übereignen. Graf 

inrih von Anhalt nennt fie dabei zwar feine fideles, beftätigt den 
erfauf aber nicht als Lehnsherr, fondern als Graf. 

Auch Conradus dapifer comitis Ascariae, hier Konrad von 


! Cod. dipl. Anhalt. II, 214. Aud 1265 und 1266 fomnıt Gero de 
Repchowe mit dem Prädicat dominus vor; Cod. Anhalt. II, 220. 234. 

2 Cod. dipl. Anhalt. I, 543. 

® Ibidem II, 53. 55. 


382 


Waldeſer genannt, erfcheint 1215 und fpäter an der Spike von 
ichöffenbarfreien Zeugen. Derſelbe gehörte einem Gejchlechte an, das 
von Winningen feinen Namen führte !, 

Nach allem dem müffen wir annehmen, daß Eifo von Repgow 
aud) in der Urkunde von 1219 unter fchöffenbarfreien Mannen er 
Scheint. Und ift dies der Fall, fo fann allenfalls auch diefe Urkunde 
auf einem Grafending ausgeftellt fein. 


3. Die Vorrede von der Herren Geburt. 


Zu dem Nachweis, daß diefe Vorrede fpäteftens 1240 abgefaft 
fein muß, den ih a. a. O. ©. 312 ff. geführt Habe, filge ich noch 
folgende beftätigende Notizen hinzu. 

Unter des Reiches Schöffen von ſchwäbiſcher Geburt iſt auch 
angeführt: Hynriec, Judas von Snetlinge nad) Homehers Yesart, 
nad) anderer Hynrie Judases. Nad) letzterer Pesart muß es Eine 
Perfon gewejen fein: Heinrih, Judas' Sohn von Schneidlingen. 
Nun fommt 1223 auf dem Yandgericht zu Afchersleben vor: Hein- 
ricus Judas sen. unter den Schöffen *. Derfelbe erjcheint ohne 
weiteren Gefchlechtsnamen, aber e8 dürfte feinem Zweifel unterliegen, 
daß eben damit jenes Gefchlecht der — von Schneidlingen gemeint 
und daß in der That Hynric Judas nur eine Perſon iſt. Wäh— 
rend alſo in einer andern Urkunde von 1223 Henricus et filius 
suus de Snetlingen auf den Grafending zu Ajchersleben erfcheinen, 
wird hier der Vater allein und zwar unter dem Namen Hein- 
ricus Judas sen. genannt. Wenn die Vorrede des Sachjenfpiegeld 
nur von einem Heinrid Judas von Schneidlingen ſpricht, 1223 aber 
nad zwei Urkunden Vater und Sohn lebten, welche beide im der 
Lage waren, beim Grafengericht zu erfcheinen, fo ift auch hiernach der 
Schluß nahe liegend, daß die Vorrede erjt nach 1223 abgefaßt if. 

Albdreht von Spandau und Konrad von Schneidlingen habe id 
bereit8 auf S. 314 mit Wahrfcheinlichkeit al8 Brüder und zugleid 
Albrecht als fungirenden Schultheißen nachgewieſen. Ich füge Hinzu, 
daß in einer andern Urkunde von 1223 Conradus scultetus vor 
fommt, in dem ich eben jenen Bruder Albrehts von Spandau aus 
dem Geſchlecht der Schultheißen von Schneidlingen jehe?. 

Das Geſchlecht von Giersleben fonnten wir auf S. 352 nur 
für das zwölfte Jahrhundert als fchöffenbarfrei nachweiſen. Auch 
jet vermögen wir unter diefem Namen für das dreizehnte Jahrhun— 
dert Fein Glied dieſes Gefchlechtes aufzuführen. Dagegen erfcheint 
1258 in einer zu Bernburg ausgefteliten Urkunde des Grafen Bern 
hard I. von Anhalt: dominus Scerfo*. In diefem Marne finden 


! Cod. dipl. Anhalt. II, 15. 55. Bgl. über den Zuſammenhang mit 
ben Herren von Winningen Cod. Anhalt. II, 350. 

2 Ibidem II, 55. 

® Ibidem II, 53. 

* Ibidem II, 181. 


383 


wir Scrapen kind von Jersleve wieder. Daß derfelbe erſt jetzt 
ung entgegentritt, ift ſehr natürlich, denn zur Zeit der Abfaffung der 
Vorrede war er noch ein Kind, das aber feines Vaters Namen führte, 
Scerfo ift die mitteldeutiche Form, welcher im Niederdeutfchen Scerpo 
entfpricht, aus welcher der im Magdeburgifchen häufig vorfommende 
Name Scherping abzuleiten ift, im Volksmunde noch jet Scharping 
geſprochen. Mit Verſetzung der Buchſtaben wird daraus Scrapo, 
Serape, mitteldeutfch Schraphe, Schrafe, wie die mittelhochdeutichen 
Handicriften des Sachſenſpiegels theilweis lejen. 

Es iſt ſehr erflärlich, weshalb dies Gefchlecht nicht mehr unter 
dem Namen von Giersleben erfcheint. Es nahm den Namen Scerfe, 
Scherp an. Am 3. Mai 1274 erfcheint al8 erfter unter den ‘scha- 
bin’ Albertus Schrape, auf dem Landding zu Aichersleben, am 
26. Januar 1275 ebenfo an zweiter Stelle als Albertus Scrape, 
1276 zu Ballenftedt ebenfalls als Schöffe Albertus Schrape, am 
18. Januar 1280 wieder unter den Schöffen zu Ajchersleben. Der 
1279 als einfacher Zeuge erfcheinende Albertus famulus dietus 
Serape jcheint fein Sohn gewefen zu ſein!. 

Hermann von Mehringen vermögen wir auch jetzt nicht nachzu— 
weiſen. Heinrih von Mehringen kommt 1228 und 1269 vor. 
1279 erfcheint der Ritter Heinricy von Mehringen in dem genannten 
Orte mit einem feften Hofe angefeffen?. Ob derjelbe fchöffenbarfrei 
war und ob derjelbe ftammverwandt mit Hermann v. M. war, er- 
hellt nicht ?, 

Wir wolfen noch) darauf hinweiſen, daß 1162 unter den Schöffen- 
barfreien der Grafichaft Seehaufen Dietrich von Muringen (Murigge) 
vorfommt; indeß e8 fcheint uns zweifelhaft, ob unter diefem Namen 
da8 Gefchlecht der Herren von Mehringen zu verftehen iſt. 

Ebenſo haben wir Heidolf von Winningen bisher nicht in den 
Urfunden entdecken können. Während von 1186—1199 die Brüder 
Abreht und Heinrich von Winningen anfcheinend als Freie vorkom— 
men?, begegnet uns fodann längere Zeit hindurch unferes Wiſſens 
fein Herr von Winningen. Das Schweigen der Urkunden im diefer 
Zeit würde indeß fehr beredt beftätigen, was der Sachſenſpiegel fagen 
zu wollen fcheint: Heibolf war früh geftorben und feine Kinder waren 
noch nicht jo weit heran gewachſen, um als Zeugen bei Urkunden 
auftreten zu können. 1254 tritt uns ein Otto miles de Winninge 
entgegen, der vom Grafen Heinrich II. von Aſchersleben in Groß- 
und Klein-Winningen Pehngut hat. Der Umftand, daß er nicht mi- 
les noster heißt, fünnte immerhin auf eine fchöffenbarfreie Stellung 
hinweifen. 1267 kommt dominus Johannes de Winnige vor“. 

Zu S. 330 bemerken wir, daß die Herren von Gnied ihren 


Cod. dipl. Anhalt. II, 316. 325. 355. 363. 366. 
Ibidem II, 26. 261. 363. 

Ibidem I, 476. 518. 543. 

Ibidem II, 159. 235. 


>» — ww m 


384 


Namen von Gnetſch Hatten, unter welchen Namen zwei Orte zwiſchen 
Defjau und Bernburg vorhanden find. 


4. Vermiſchtes. 


Zum Schluß will ich noch von den inzwifchen über die Grafichaften 
in Oſtſachſen, in denen Eiko von Repgow vorkommt, erſchienenen Ab— 
handlungen eine Zuſammenſtellung geben. 

Die Grafſchaft Mühlingen iſt behandelt in den Magdeburger 
Gefhichts - Blättern IX, 282—300; ein Nachtrag dazu findet ſich 
ebendort X, 416. 417. 

Die Graffchaft Wörbzig (oder die Grafſchaft im Gau Seri— 
munt) iſt behandelt ebendaſelbſt X, 4—18 und 419 und 420. 

Die Grafihaften Eilenburg und Wettin jind behandelt im Archiv 
für — Geſchichte, Neue Folge 3. Band (1876), S. 116—132 
und 134-140 

Von Intereſſe wird es fein zu erfahren, daß in der Stadt Aken 
nicht, wie ih S. 341 nad) unzulänglichen Nachrichten mittheilte, nur 
ausgeprägtes Mitteldeutich herricht, ſondern daß die untere Bevölle— 
rung niederdeutſch Tpricht. 

Für Hoier von Valfenftein dürfte folgende Urkunde noch von 
Bedeutung fein: 1246 am 19. Juli verkauft Erzbiſchof Wilbrand von 
Magdeburg eine Curie des Stifts, quam nobilis homo comes 
Hoierus de Valkensten in feodo quondam de manibus no- 
stris tenebat et quam postea nobis resignavit '. Hoier muß 
demnach zeitweis, vielleicht für längere Zeit, in Magdeburg gewohnt 
haben. Damit ftimmt es aud), daß er am 22. Yanırar 1241 in 
einer Urkunde des Erzb. Wilbrand, die allem Anfchein nad) in Magde- 
burg ausgeftellt ift, als Zeuge erjcheint?. Daß er auch nad) ber 
Nefignirung feiner Magdeburger Curie noch in nahen Beziehungen 
zum Erzitift Magdeburg blieb, zeigt die Urkunde von 1254, worin 
ihm vom Erzbifchof Rudolf jährlih 4O Mark Be werden, 


! Cod. dipl. Anhalt. II, 134. 
2 Magd. Geſchichts⸗ Blätter VI, 146. 
° MNene Mittheilungen des Thür. Sächſ. Vereins IX, 2, 37. 


Zur Geſchichte Kaifer Sigismunds. 
Bon H. Breßlau. 





Mit gütiger Erlaubnis des Herrn Prof. Pellegrini zu Belluno 
theile ich im Nachjtehenden drei von ihm bei Gelegenheit einer Hoch— 
zeitsfeier 1875 veröffentlichte Berichte des bellunefiichen Gefandten am 
—* Kaiſer Sigismunds zu Conſtanz, Michele Miari, mit. Der 

weck der Geſandtſchaft waren wahrſcheinlich Beſchwerden gegen den 
Grafen von Görz, dem Sigismund am 23. Juni 1413 die Städte 
Belluno und Feltre für 16000 Goldgulden überlaſſen hatte, und gegen 
deſſen Statthalter Kaſpar Kuchmeiſter. 

Die drei Berichte ſind in dem Liber provisionum B. der 
Commune von Belluno erhalten; der Text iſt theilweiſe ſehr ver— 
derbt; einige offenbare Schreibfehler ſowie die Orthographie habe ich 
ſtillſchweigend verbeſſert und die Interpunction hinzugefügt: an an— 
deren Stellen weiß ich keine Abhilfe. Das Intereſſanteſte an den 
Briefen, in denen die Klagen über die immer ſich wiederholende Ver- 
zögerung der Geſchäfte nicht weiter auffallen können, find die czechi— 
ihen Schmähmworte Sigismunds, al8 er die Abreife des feltrenfischen 
Gefandten erfährt. Sie find fo gemein, daß man fie dem Kaiſer 
faum zutrauen würde, wenn nicht Miari als Ohrenzeuge berichtete. 
Ich verdanfe ihre Deutung der gütigen Vermittelung Dr. Bachmanns 
in Prag: diefelbe jtammt von Conſt. Sirecef. ‘Na ser& luzo’ an der 
erften Stelle würde heißen: Na, gemeines Gefindel. Wahrfcheinlicher 
aber ift zu lefen ‘naseru luzo’, was dann noch viel ärger fein und 
bedeuten würde: „ich jh . . . auf das Gefindel“. Schlimmer nod) 
ift die zweite Stelle. Es ift zu lefen ‘na, vuti mare’, vut = 
eunnus, mare — robyla, Stute — alfo ein wahres Stallfnechts- 
Schimpfwort !. 


1417. 18 Augusti. Constantiae. 


Instantius® alteri profeeto negocio quam presenti inten- 


! Bergleihen mag man das deutiche Hundsfott. 

2 Der Anfang ift unverſtändlich. Pellegrini fehlägt vor zu leſen: In- 
stantius alteri profecto negotio quam praesenti intendere neque magis 
in id pervigilare non possem. (Bielleiht nur: in hoc ©. W.). 


386 


dam, quo magis in non(?) pervigilare possem ingenio, [patres) 
spectabiles et egregii; ad quod, credite, dupliei causa moveor, 
publica vestra et privata mea. Publica res nostra nescio si 
unquam eguit ac nunc egeat his infinitis expensis, quibus 
maxime presenti legatione vexata est; que utinam previderi 
potuissent! Compacior edepol, et valde, ac doleo, quia ex 
tam facilire, qua huc profectus, tam diu frustratus sum, licet 
nostram cum plurimis parem contrastat mora causam. Pre- 
stolabar ex avidissima mihi et celeri expeditionem a nobis 
vilius?! reeipi, et amplecti gaudio et affatibus, que amodo, 
quandocumque licentiatus abiero, earebo, quia nullum tante 
principalis ımunificentie beneficium mecum feram aut gratiam, 
quam non mea luctuosa ardeat ac sumptuosa procrastinatio. 
Privata?*: quia tempus amitto, quod preponderat omni lucro, 
licet id parvum faciam. Cum enim hoc onus assumpsi, ex- 
plicandum bino mense putabam; jam autem? est sextus, et 
utinam°®) Tus non effluat! Crebre effunduntur querele et 
ululatus eorum, qui, dum desperatam expeditionem morati 
sunt, evacuatas bursas queruntur. Credebatur pridie, gratam 
supervenisse horam. Dixerat enim serenissimus dominus 
noster: ‘Domine Rodulfe *, tempus est, ut vos expediam’. Quare’ 
sperabatur, tunc conclusisge ®se bellum moturum cum df[uce]'. 
Quod minime factum est, et an adhuc fieri id habeat, scıri 
pro certo non potest. Sompniasse nunc video. Venerat enim 
dux huc prope per 15 miliaria ad quoddam castrum, ubi 
hucusque moratus est, inde legatos suos miserat, et hine illuc 
rediere, qui huc iterato reversi sunt. Diu indie videor® ten- 
tabitur res hec, hujus finis lodii® boni optimus nobis fiat. 
Feltrenses videntes se multo nostris majoribus sumptibus gra- 
vari, revocarunt dominum Laurentium de Guslinis, unum ex 
oratoribus suis, cujus discessus preter licentiam, non dubito, 
notificabitur per exiticios Feltri aut malivolum alium prelibato 
domino nostro, et consequenter ille Ypoliti!°, ob quem petar, 
et responsio parata est. Tanta invite legationis unitate vin- 
cimur, quod comunem causam secum participare videmur. 
Recepi die 15. presentis literas vestras per Guielmum del 
Focho, quibus non desinitis aliquantulum me mordere, cur 


Pellegrini: a vobis, melius,. 
Hdſ. utrum; autem Pellegrini. #2 Hbf. privati. 
Hbf. utrum; utinam Bell. 
Rudolf Becz, Laiferliher Bicar in Serravalle (Pell.). 
Hd. quia; quare Pell, 
Hbf. condusisse; conduxisse Bell, 
—— von Oeſterreich (Pell.). 
innlos, Pell. diu videre videor, was aber auch nicht befriedigt. 
So Hdſ. finnlos, Pell. laudi. 
Hippolytus Doglioni, Miaris College, der ſchon im Juli zurücbe⸗ 
rufen war. 


soo so aa >». m —- 


— 


387 


non expediar: credentes forte desidie gratia! aut modice sol- 
lieitudinis illud accidere. Non est, sed lapide durius, quod 
fieri non potest. Imaginabar, cum frugi non fuerit expeditioni 
vacare, hac forte uti cautela fore utilius, ut literam compo- 
nam, quam fingam a vobis tunc nuperrime recepisse ipsam- 
que presentare prelibato domino et supplicare ut legat aut 
legam ipse; ea sit tenoris hujusmodi in effeetu: Quod, quia 
videtis perspicue, me, quantis nostra comunitas presentialiter 
ac diversimode sumptibus aflligatur, parumper inspicere ac 
indulgere fatis, dum habende celeri expeditioni non vacem, 
quam mea desidia distuli nunc habere, cognoscentes, gratiam 
regiam tantam esse et mira benivolentia ac caritate vos fo- 
vere et fidelitate ex prompto amplecti, quod, si per me ei 
vestra fuisset patefacta necessitas, certos vos redditis, fuis- 
sem jam diu integraliter expeditus; propterea notum facitis, 
quod a die receptionis presentium in antea deliberatio facta 
est, mihi non de cetero subvenire, ita ut amodo sciam, quod, 
si huc quantumcumque restavero, id faciam propriis meis 
sumptibus et expensis etc. Sicque, si non proficiant facta, 
veniemus ad artes. Vos tamen estote mei memores, precor, 
ut sine pecunia hic non degam. Plura de novis scriberem, 
que viarum discrimina reticeri malunt. 

Post predicta, que vobis per Polidorum mittere opinabar, 
lator presentium supervenit, qui mihi tres vestras literas pre- 
sentavit, unam in forma brevis, quam presentavi prelibato 
domino nostro, aliam reverendo domino episcopo nostro, ter- 
tiam mihi scripsistis. Cum diu itaque, patres egregii, non 
tantum me mihi, verum etiam patrie natum fore meminerim, 
[ut] his, que honoris ejus, commodi, status pacifici et aug- 
menti sunt, meus omnis perpetuo spiritus vacare teneatur, 
nec ejus tantum sed vestrum singulis; eo tunc magis, cum 
per vos, laudabiles rei vestre publice defensores, jussibus im- 
positum sit. Nullis igitur modis, inventionibus, obsecrationi- 
busque, quos scivi et valui, non defui, quin prefatus dominus 
episcopus noster annueret votis vestris ac filialibus condescen- 
deret — acquiesceretque a vobis annuatim reci- 
pere loco partis dimidie condempnationum vestrarum libras 
200 parvorum, propositis sibi causis quam pluribus, quibus sua 
paterna benignitas ad hoc Dei intuitu tenebatur. Et cum 
istud absque suo proprio et ejus etiam gravi dispendio se 
assereret posse non facere, ultro citroque multa verbositate 
confecta, ejus, licet ante ferrea, mollis tamen effecta paterna 
caritas in istam firmam sui propositi deliberationem descen- 
dit, ut, etsi obventura dieta condempnationum annualis di- 
midia majori sit emolumento pensanda, paterne vobiscum 


ı Hbf. quam; gratia Pell. 


388 


vestros participans labores contentus est, detis ac dare et 
solvere debeatis annuos pro sepe dieta dimidia dietarum con- 
dempnationum ducatos 40, hac addita paetione, ut hujus com- 
positionis vinculum duorum annorum in capite dissolvatur, 
qui in kalendis mensis instantis Augusti inicium sumant: 
quos conatus sum in principio mensis preteriti principiari. 
Non profuit. Quo interim ad vossperat felicibus successibus 
profieisci, ubi de reliquis factis precationibus vobiscum taliter 
paciscetur, quod utrimque parentisin filios et filiorum in pa- 
trem benivolentia et obedientia vincientur caritate majori. 
Acquieseite, queso, patres honorandi, prediete conventioni pa- 
cifice, que omni excogitato fine gratior esset, dum et carior, 
nec vobis cum antistite vestro dissensionem eligite, quia, licet 
nunc in prelibati domini odio habeatur, non modicum in con- 
cilio veneratur, ex quo speratur, quod Superni gratia mediante, 
cum mater etiam fecundabit, altiorem sedem conscendet, cum 
quo filialiter si fueritis conversati, futuris in nostris- necessi- 
tatibus sua amicieia apud creandum pontificem nobis esse po- 
terit valde grata; nec si per manus prelibati domini nostri 
tractandum esset negotium antedietum, cum ad presens vix 
suppetat sibi ipsi et ultra solitum sponte aut invite agendis 
majoribus implicetur, unquam vel cum difficultate gravissima 
optinerem: causas amodo nimia sermonis prolixitas preter- 
mittit. Compensandum! esset hoc, aid plus dabitis in 
lagio? ducatorum, in liberis expensis necessario, que licet de 
facto ad modicum servarentur, superveniente novo papa va- 
loris modici censerentur. Ista non eredatis, quod aut spe ali- 
cujus futuri premii loquar aut animi forte pusillanimitate, ut 
pro vobis vel pro patria melius nolim mihi inimicum assu- 
mere aut diffieili honeri et labori terga retraham, sed ad 
futura prospectum mitto. Super his omnibus ultra [per] lite- 
ras suas prefatus dominus episcopus informavit Polidorum, 
qui vos alloquuturus venit, quibus etiam si consenseritis an- 
ne, precor, velitis et placeat me per vestras literas certum 
facere. Vestri insuper contemplatione et amore promisit mihi 
ınutuare in fine mensis florenos 50 de camera, quorum, precor, 
tot ducatos restitui faciatis Zampetro de Ramponibus ejus 
factori. Taliter mihi provideo pro incerto tempore mansionis. 

O que et quanta convicia etopprobria die ante applica- 
tionem latoris presentium ingessit in dominum Ulrieum Scala 
prelibatus dominus noster, cum ipse notificaturus venisset re- 
cessum dicti domini Laureneii. Dieit ipsi domino Ulricus: 
Ambaxiatores Feltri volunt recedere. Respondit in Boemico: 


ı Hbf. Compensante; Pell. compensatum. 


” agio; die Ducaten hatten ein Agio von 8 Soldiz 40 Ducaten waren 
aljo gleich 216 Lire, während die Stadt 200 geben wollte (Bell.). 


389 


'na sera lusso’ — et in eum figens rigidum supereilium, re- 
dixit: ‘na futi mare’: — Et hoc fuit in presentia multorum 
baronum, militum et nobilium, quorum in ambitu eram ego. 
Et iterum in proxima nocte comparente ipso domino Ulrico 
coram eo et aliqua forte petente, iterum inquit: O traditor, 
como a tu ardimento de vignirne davanty? EI non a man- 
cado per ti, de farme perdre el mio honore in quelli luogy 
que te comese: che se altro ne seguisse de quelli la qual 
colsa (cosa ?) penso che vigneria per toa caxone, e te faro tayar la 
testa, traditor, ete mandie, che facessi rasone, e tuse andado 
a robera e a tuor denary, e da l’altra parte tu se vignudo 
a nuy per denari. Sel non fosse che guardo per altro re- 
specto, adesso te faria tayarel capo. Vame davanti, traditor”. 
Et ista fuerunt astantibus pluribus, quorum aliqui eredebant, 
quod ex verbis ad facta procederet. Ista vobis scribo, ut 
cognoscatis, qualiter tractetur in curia, et si ventus est illuc 
an ne. Valete felices. 
Datum Constancie die 18. mensis Augusti 1417. 
Vester ad mandata paratus 

Michael de Miliario cum recommendaecione. 
A tergo — Spectabili et Egregiis viris dominis Vicario et 
Rectori, Consulibus et Consilio Civitatis Belluni, majoribus 
suis honorandis. 


1417. 31. Octobris. Constantiae. 


Spectabilis et Egregii majores honorandi. Post missionem 
Corradi seripsi vobis bis, primo per quemdam Marchianum 
amicissimum domini episcopi nostri, qui per Caput-pontis! 
transire debebat, secundo per quemdam fratrem minorem so- 
lütum ibi morari, et si verum existimo, Romanus est: per 
utrasque illas literas latissime vobis multa scripsi cum de 
novis que illucusque obvenerant, tum etiam respondendo ad 
illas vestras per familiares Abarti? latas. Hic ergo restat, 
ut vos dulei aliquo pascam. Proximis hiis diebus res saluti- 
fera ac sanctissima Deo propitio facta est. Nam ut per pre- 
dietas vobis scripseram, cum restaret solummodo de modo 
gerendo electionis summi pontificis, quod inter collegium car- 
dinalium et nationes plurimas et grandes dissidias attulit, 
communi eorum concordia convenerunt et decreverunt, ut de 
quaque natione eligantur viri sex, qui una cum cardinalibus 
conclavim intrent electuri futurum eligendum antistitem, quod 


Capodiponte norböftlih von Belluno; UWebergangspunft über die Piave, 
2Abardo von Adlar, Schloßhauptmann von Belluno (Bell). 


ZVIL 26 


3% 


decretum publica facta!. die proximo precedenti sessione fir- 
matum est. Istud amodo restat, ut unaqueque natio suos 
eligat, quod facillimum erit, deinde conelavim intrabunt. Non 
eredo dies 12 elabantur?. Cum hec itaque facta coneilii quasi 
ad caudam venerint, pro quibus serenissimus dominus noster 
tociens insudavit, ettot et tantas lugubrationes et incommoda 
est perpessus, credo firmissime, nostris amodo vacabit nego- 
tiis, qui cum aliquos dies hine affuerit, eitissime redditurus, 
nos existimo primitus expediendos suseipiet: signa palpavi- 
mus hujus rei, dietim meliora. Valete. Sub compendio ta- 
liter vobis scribo, ut absque suspitione aliqua possit lator iti- 
nerare presentium. 
Constancie die ultimo Octobris 1417. 
Michael de Miliario vester 
cum recommendatione. 
A tergo — Spectabili et Egregiis viris dominis Vicarıo 
et rectori . .... Consulibus et Consilio Civitatis Belluni. 


1418. 3. Februarii. Constantiae. 


Spectabilis et Egregii majores honorandi. Scripsi vobis 
pridie per quemdam nuncium de Sancto Salvatore, quod spe- 
rabam, post datam earum habere recedere absque expeditione 
aliqua transactis sex diebus. Verum cum pro hodierno die 
me disposuissem ad iter, et die precedente ivissem ad reve- 
rendissimum dominum patriarcham notificavissemque me pre- 
dieto die recessurum esse, ex causis pridem ei notificatis, et 
insuper ut dignaretur vos communitatemque vestram commit- 
tere serenissimo domino nostro, ac ipsam et me pro sepe 
dicto recessu prelibate majestati reddere justissime excusatos 
supplicassem etc., idem me instantissime est hortatus, ut vel- 
lem usque ad diem dominicum differre, saltem cum senserit 
prelibatum dominum nostrum et alia expediturum esse. Ego 
vero tum prefati hortatu, cum etiam, ne manibus vacuis re- 
deam, sed potius quid vobis salutare ac jucundum optatum- 
que mecum feram in tanta temporis frustratione et intolera- 
bilibus vestris sumptibus, existimavi salutiferum fore illue 
usque differre et ultra aliquantisper, si certissime expedien- 
dus ero; aliter die lune proxime sequuturo Deo duce discedam. 
Concordia sive unio injecta est pratice, que diu tractata fuit 
inter prelibatum dominum nostrum, et dominum ducem Me- 
diolanum (sie), adeo quod hiis pauculis sequentibus diebus 


! Rn factum ? 
°» Die Wahl Martins V. erfolgte in der That am 11, November, 


391 


cn. ET ! ambassiata Mediolanum, in qua 
nominati sunt tres nobilissimi viri, primus dominus episcopus ! 
r . nuper creatus imperialis . cancellarius mortuo 
priore, "secundus dominus Brunorius de la Scala, tercius Co- 
mes Utinus. Et inter cetera, que facturos fertur, accepturi 
sınt a prelibato domino duce juramentum fidelitatis. Hee 
igitur diu tractata tanta negotia, cum plurimum prelibatum 
dominum nostrum tenuerint occupatum, nunc feliciter expe- 
dita, ad alia etiam infima sua expedienda negocia amodo 
ipsum manus inicere satis comode relaxabunt. Valete. 


Constantie die Jovis 3. Februarii 1418. 
Michael de Miliario 


cum recomendatione. 
A tergo — Spectabilibus et Egregiis viris.... . . Vicario, 
Consulibus, Consilio et communitati Civitatis Belluni majo- 
ribus honorandis. 


ı güde in der Handſchrift. 


26* 


Zur Kritil von Peter Hafftiz’ Microchrenolegicen. 
Don 3. Heidemann. 


Unter den von Riedel gefammelten und im 1. Bande der 4. Abs 
theilung feines Codex diplomaticus Brandenb. veröffentlichten 
Quelleniriften für die Gefchichte der Mark Brandenburg befindet 
ſich auch ein umfangreiches Annalenwerf unter dem Titel Microchro- 
nologicon, weldes nad der von Riedel zum Abdrude benugten 
Handihrift vom Jahre 1411 an!, nad anderen Handjchriften von 
1388 ab bis gegen das Ende des 16. Jahrhunderts Nachrichten über 
die Fürften und Bewohner der Marf Brandenburg enthält. Leber 
den Verfaſſer des Werkes Beter Hafftiz, welcher von 1560 bis 1574 
an ber Nicolaifchule zu Berlin und dann von 1576 bis 1589 an 
der Betrifchule zu Köln an der Spree das Rektoramt bekleidete, ſo⸗ 
wie über die wiſſenſchaftliche Thätigkeit und Zuverläffigfeit des Mannes 
find bereit8 im dem Auffage über die Märkiſche Chronik des Engel 
bert Wuftermwig ? Mittheilungen gemacht worden, auf welche hier ver- 
wiefen werden kann. In jenem Auffage wurde ferner dargethan, daß 

afftiz für den Zeitraum von 1388 bis 1423 die eben genannte 
hronif in fein Werk aufgenommen und daneben für einzelne jener 
Jahre Angaben aus den Rerum Marchicarum Breviarium von 
Andreas Angelus entlehnt habe. In den folgenden Blättern foll hier 
die Frage erörtert werden, woher die Nachrichten ftammen, welde 
das Microchronologicon zu den Jahren 1426 bis 1592 dar- 
bietet. 

Als Hafftiz feine Chronik zu fehreiben begann, war fein Zeitge 
noffe Andreas Angelus, damals Prediger in Strausberg bei Berlin, 
nachdem er 1590 bis 1592 ebenfalls ein Lehramt in Berlin befleidet 
atte, mit dem Abfchluffe eines umfaſſenden Geſchichtswerkes über die 

art Brandenburg, der Annales Marchiae Brandenburgicae, be 
ſchäftigt?, welches 1598 zu Frankfurt a. DO. bei Johann Hartmann 
in Folio auf Koften des BVerfaffers gedrudtt wurde. Aus dem Mas 


! Cod. dipl. Brand. IV, I, ©. 47 bis 167. Diefem Abdrucke Tiegt 
ein Autographum des Berfaffers vom 3. 1597 zu Grunde. 

8 — zur Deutſch. Geſch. XVII, 530—538, 

’ Cbend. ©. 527. 


393 


nuferipte dieſes Werkes Hatte Angelus bereit8 1593 einen kurzge— 
faßten Auszug angefertigt und unter dem Titel Rerum Marchica- 
rum Breviarium in Wittenberg bei Chriftoff Arin druden Laffen !, 
wie er in der Vorrede des Buches fagt, „denen zu gute, fo weite 
feufftigere Schriften zu leſen nicht Yuft oder Gelegenheit haben“. Er 
verfolgte mit diefer Publication aber auch den Nebenzwed, die Haupt⸗ 
refultate feiner Forſchungen über die brandenburgische Geſchichte dem 
Publicum zur Prüfung und im Jutereſſe feines Hauptwerfes zur Bes 
richtigung darzubieten. „Bitte demnach alle und jede — fo heift es 
in der Borrede — denen dies Werclein fürfömpt, jo fie etwas haben, 
das zur Beilerung meiner vorgedadhten Annalium March. Brand. 
nüß und dienftlic, oder auch, das darin möchte zu corrigiren fein, das 
fie unferm Vaterland zu befondern Ehren, auch dem Werd jelber zum 
beften, mich candide fhrifftlih oder mündlich dejfen verjtendigen und 
mir die hilffliche Hand darin unbeſchweret reichen wollen“. Sein 
Breviarium war in der That das erfte lesbare Handbuch der bran- 
denburgiſchen Geſchichte. Es beginnt mit dem Jahre 416 vor Chr. 
und endet mit dem 1. November 1592. Die Form des Werkes ift 
die annaliſtiſche, und fait alle einzelnen Angaben beginnen mit der 
Formel: Anno Chriſti“ oder „Im folgenden Jahre“. Der Inhalt 
ift ein mannigfaltiger und bunter, denn er umfaßt Nachrichten von 
dem Leben und den Thaten der brandenburgifchen Fürften, von Städte- 
und lojtergründungen, von Seuchen, Bränden, theuren und wohl« 
feilen Zeiten und dergl. 

Durch dieſes Werk angeregt faßte um 1595 Peter Hafftiz, das 
mals al8 Privatgelehrter in Berlin lebend, den Entſchluß fih als 
Chronograph um die Mit- und Nachwelt Verdienſte zu erwerben. 
Sein Mierochronologicon erjdien im Jahre 1595, wenn man diefen 
Ausdrud hier verwenden darf, denn Hafftiz veröffentlichte fein Wert 
überhaupt nur handichriftlih, aber in der Weife, daß er daifelbe 
jährlidy mehrere Male abichrieb, die einzelnen Exemplare an fürftliche 
und adliche Gönner und die Magiftrate der brand. Städte verfchenfte 
oder verkaufte und dabei je nad der Würde des Empfängers fein 
Werk fürzte oder erweiterte. Nach feinem um 1602? erfolgten Tode 
fetten Andere die BVervielfältigung feiner Chronif durch Abfchreiben 
fort. ine der Handichriften des Mierochron., melde die Königl. Bi— 
bliothef zu Berlin befigt (Mnfer. in 4. Nr. 186), ift noch im Jahre 
1724 angefertigt. Die märfifhen Geichichtsforfcher benutten das 
Werk vielfah als Quelle, und G. ©. Küfter fchrieb e8 mit eigener 

and ab. Die Handihrift der eben genannten Bibliothek Menfer. in 
. Nr. 24 enthält die Vorbemerfung: Ex variis Manuscriptis 


ı Das Bud umfaßt 179 Duartfeiten und trägt auf dem Xitelblatte bie 
Jahreszahl 1593. Das Hier benugte Eremplar war der Königl. Bibliothek zu 
Berlin entnommen. 5 

2 In einer Handfchrift der Breslauer Univerfitäts -Bibliothef (f. Riedel 
IV, I, 148) wird noch der 9. October 1601 erwähnt, was in dem oben er- 
wähnten Aufjoge (Forſch. XVII, S. 530) überfehen if. 


394 


Hafftitii manu beati G. G. Kusteri Rectoris Berolinensis. 
Riedel endlich ſprach dem Microchr. den Werth einer originalen 
Duelle zu, indem er es im die 4. Abtheilung jeine® Cod. dipl. 
Brand. aufnahm. In der That machen dajjelbe die Auszüge werth- 
voll, welche Hafftiz der jet verlorenen Märkiichen Chronik des Wu— 
fterwig entnahm und in fein Werk einfügte. Damit aber dürfte auch 
fo ziemlich das Lob erichöpft fein, welches dem Microchron. gebührt, 
denn der Hauptiheil des Werkes, der die Yahre 1426 bie 1592 be— 
handelt, hat feinen Anſpruch auf einen Pla in der Reihe der mär— 
kiſchen Quellenfchriften. Bereits in dem Auffage über die Märkiſche 
Chronif des Wufterwig hatte ich darauf hingewieſen, daß Hafftiz 
diefen Theil feiner Chronit auf Grund des Breviarium von Ans 
gelus gearbeitet habe, infofern dieſes Werf ihm dem zu bearbeitenden 
Stoff angab. Diejes Urtheil, welches für Hafftiz viel zu jchonend 
und für die Art feiner Quellenbenugung viel zu unbeftimmt lautet, 
gründete ſich auf die Vergleihung de8 Breviarium mit dem Ab» 
drude des Microchron. bei Riedel und nur einer ungedrudten 
Handfhrift des Hafftiz. Bei der Ungleichheit des Maaßes der Mite 
theilungen in den verfchiedenen Handſchriften de8 Microchron. war bie 
Möglichkeit nicht ausgeichlojfen, daß Hafftiz in einzelnen Eremplaren 
feines Werkes ausführlichere Angaben veröffentlicht und vor allem 
mehr jelbjtändig gearbeitet habe, als es in den zuerit genannten Hand» 
Schriften der Fall war. Zu einem ficheren Urtheile über den Werth 
des Microchron. fonnte daher nur die Vergleihung möglichft vieler 
Handichriften führen, und dazu bot die Königl. Bibliothek zu Berlin 
dur) eine Collection von neun Handſchriften die befte Gelegenheit 
dar!. Außer dieſen find noch verglichen worden drei Handichriften, 
welche die Bibliothek des Magiftrates zu Berlin beſitzt?, und ferner 
drei andere aus dem Nachlaife Friedrich Nicolais, jetst im Beſitze der 
Erben Guftav Partheys. Die Vergleihung hat hinfichtlich der Jahre 
1426 bis 1592 faft durchgehends eine Webereinftimmung der Hand» 
fchriften mit dem Abdrude bei Riedel? umd wejentliche Abweichungen 
nur am Anfange und Schluffe des Microchron. ergeben. Auf Grund 
diefer Thatjache nun muß das obige Urtheil dahin modificirt werden, 
daß ber Abichnitt des Microchron. von 1426 bis 1592 nichts anderes 
ift al8 eine Wiedergabe des Breviarium von Angelus mit Auslaſſung 
einzelner Stellen, ftiliftiicher Aenderung von anderen und mit Zu« 
fügen, die entweder dem Autor jelbft angehören oder von ihm ande— 
ren Schriften entlehnt find. Den Beweis für diefe Behauptung 
würde am einfachiten und überzeugendften die Gegenüberftellung der 
Texte des Breviarium und Mierochron. ergeben; der Umfang beider 
Schriften jedoch geftattet ein derartiges Verfahren an diefer Stelle 


ı 8 find die Handidriften im Fol, Nr. 23. 24. 28. 461. 475. 689, 
in Ouart Nr. 24. 186. 187, 

° In Fol. Nr. 4 und 5, in Quart Mr. 16. 

 Gime Reihe von Angaben, welche nur im einzelnen Handſchriften ſich 
vorfinden, hat Riedel feinem Wobrude in Heineren Lettern beigefügt. 


395 


nicht, und es muß daher die Vergleichung demjenigen überlaffen blei= 
ben, welcher in die Lage kommt, Nachrichten aus dem bezeichneten Ab- 
ichnitte de8 Microchron. benuten zu müffen. Auch Handelt e8 fich hier 
nicht etwa um eine erjt mit Mühe und Kritif zu erweiſende geſchickte 
Berarbeitung des Breviarium durch Hafftiz zu einem jcheinbar neuen 
und felbjtändigen Werke, jondern um eine handgreifliche, grobe und 
zweifelloſe Hinübernahme des Breviarium in das Mierochron. und die 
Identität ganzer Partieen beider Schriften. Zu diefen gehören die 
Abichnitte über die Jahre 1426 bis 1439, 1441 bis 1449, 1451 
bi8 1463 (mit Auslaffung von einzelnen Notizen), 1465 bis 1470, 
1472 bis 1500 (mit Zuſätzen zu den Jahren 1486. 1488. 1499); 
und erjt vom Jahre 1510 an mehren fich die von Hafftiz ſelbſt her» 
rührenden Erweiterungen und Zugaben. Die Abhängigkeit dieſes Au— 
tor8 von dem Breviarium erjtredt fich aber nicht auf den Tert allein, 
fondern auch auf die Quellenhinmweife des Angelus, welche daher im 
Munde des Hafftiz nichts find als eitel Flunkerei. 

Indem wir von den mit dem Breviarium gleichlautenden Ab- 
fchnitten des Microchron. abjehen, wenden wir uns zu der Frage, in 
welcher Weife Hafftiz die Angaben jener Schrift abgeändert habe, und 
was von den von ihm gegebenen Erweiterungen feiner Quelle zu 
halten fei. 

Eine der bemerfenswertheften Aenderungen, welche er mit dem 
Stoffe des Breviarium vornahm, beiteht in der Beſeitigung aller 
Notizen, welche geeignet Schienen, die von ihm ausgeichriebene Duelle 
zu verrathen. Angelus hatte nämlich in dem Breviarium auch über 
fich ſelbſt und das Schickſal feiner Familie Mitteilungen gemacht und 
ferner feinem Werke dadurd den Charakter einer Strausbergiichen 
Localgeſchichte aufgeprägt, daß er oft von den Geſchicken erzählte, von 
welchen feine Baterjtadt Strausberg im Laufe der Jahre betroffen 
worden war. Hafftiz hielt es für gerathen, alle Angaben des Bre- 
viarium, welche Angelus und feine Familie betrafen, zu unterdrüden 
und die Notizen aus der Gejchichte Strausbergs biß auf eine jehr ge— 
ringe Zahl zu beichränfen, dafür aber andere aufzunehmen, welche 
feinem'Microchron. das Anfehen einer Chronik der Stadt Berlin ver- 
fiehen. So meldete Angelus zum Jahre 1561: „Sn diefem Jahre 
am 16. Tage des Wintermonats (November) ift zu Straußberg ges 
born M. Andreas Engell, diefer Chronographbien Autor“. 
Die letzten Worte fonnte Hafftiz in fein Werf natürlich nicht aufneh- 
men, aber er hätte den Verfaffer des Breviarium nennen fünnen, 
wie er fo manchen anderen von den märfifchen Geiftlichen und Ges 
(ehrten erwähnt hat; indeſſen er zog es vor, die ganze Stelle zu 
unterdrüden, als fcheute er fich des Mannes überhaupt zu gedenken, 
deifen Werf er fich aneignete. — Nur aus dem Beſtreben des Hafftiz, 
feine Quelle zu verbeden, ift ferner eine Aenderung zu erklären, melde 
er au einer Notiz des Breviarium zum 24. Juni 1569 vorgenom= 
men hat. Angelus nämlich fchreibt: „Am Tage Johannis Baptiftae 
fing e8 an zu regnen und regnete aljo die ganze Ermdte über, daß 


396 


auch groß Schade am Getreyde geihah. Der Wein ward dermaffen 
von vielfeltigem Regen verderbet, daß auch in allen Bergen vor 
Straußberg niht über aht Tonnen zufammen gelejen 
wurden“. Bei Hafftiz unter demfelben Datum I (autet dagegen bie 
Stelle: Anno Chriſti 1569 am Zage S. Johannis Baptijtae fing 
es an zu regnen die ganze Erndte über, daß auch großer Schade am Ge— 
treide geihadh, und ward der Weinwachs dermajjen verderbt, daß man 
ſich dejien wenig zu getröjten und zu erfreuen hatte“. 
Hier ift die für einen Strausberger Chroniften ganz angemejjene und 
natürliche Hindentung auf den fchlechten Ertrag der Weinlefe in 
Strausberg durch eine höchſt triviale Phrafe erſetzt, um die locale 
Färbung der Duellenfchrift zu verwiſchen. Die gleiche Abficht endlich 
muß man aud in dem Umſtande erkennen, daß Hafftiz, während er 
bein Breviarium eine ganze Menge durchaus unbedeutender Sachen 
nachſchrieb, folgende die Stadt Strausberg betreffende Notizen feiner 
Duelle in dem Microchron. vollftändig unterdrüdte: 1451 wies Kur« 
fürjt Friedrich II. die Strausberger an, die jährliche Orbede von 34 
Schock böhm. Grofchen fortan an die Karthäufer zu Frankfurt a. O. 
zu bezahlen, denen er diefelbe verpfändet hatte; 1464 raffte eine Epi- 
demie in Strausberg viele Menfchen hinweg; 1486 am Egidiustage 
verlieh Kurfürft Johann der Marienkirche zu Strausberg mehrere 
Renten und Zinfen; 1510 im November übergab Kurfürft Joachim I. 
der Stadt Strausberg das Gericht dafelbft mit allen Zinfen, Renten, 
Ruthen und Gerichtsgefällen; 1515 verlieh ihr derjelbe ein Zollpri— 
vilegium; 1521 am 14. October brad zu Strausberg im Haufe des 
Bürgermeifters Belendorff Feuer aus, welches 23 Wohnhäufer in 
Aſche legte; 1524 wurde in Strausberg die Marienkirche rejtaurirt 
und das Rathhaus erweitert; 1541 im Februar wurde der zu Straus- 
berg geborene Matthias Schüge als der erfte lutherifche Prediger in 
feiner Vaterſtadt angeftellt; 1549 wiüthete in Strausberg eine peft- 
artige Seuche, und ebenfo im Jahre 1575, in welchem 600 Berjonen 
ftarben, darunter Angelus’ Eltern ſammt feinen drei Brüdern und 
zwei Schweitern; 1584 forderte dafelbft die Bräune unter den Kin- 
dern zahlreiche Opfer; 1588 am 28. Februar wurde von „vielen 
Leuten zu Strausberg“ ein feltfames Geftirn am Himmel beobadhtet ; 
1588 am 22. Mai ertranf ein Zimmerman bei dem Baden in ei- 
nem bei Strausberg belegenen See nad) begangener grober Gotteslä- 
fterung; 1591 erhob ſich die Strausberger Gemeinde gegen den Rath 
der Stadt, fo daß die Yandesregierung einfchreiten mußte, um die 
Ruhe mwiederherzuftellen. Alle diefe Notizen fucht man in dem 
Microchron. vergebens, al8 habe Hafftiz fich vor dem Namen der Stadt 
Strausberg nicht minder al8 vor dem des Angelus geſcheut. An ein 
abfichtslofes Ueberfehen jener Mittheilungen ift um fo weniger zu 
denken, als Hafftiz die denjelben vorangehenden und nachfolgenden An 
gaben des Breviarium faft überall aufgenommen hat. Als Erjag 


» Riedel IV, I, 126. 


397 


für den Ausfall bot Hafftiz dem Leſer zuweilen Nachrichten, welche 
Berlin betreffen. An Stelle der oben erwähnten Verleihung eines 
Privilegiums an die Stadt Strausberg durch Yoahim I. im %. 
1515 erzählt er von einem „Widerwillen“, welcher ſich 1515 zwifchen 
der Gemeinde und dem Rathe Berlins erhob! und von dem das 
Breviarium nichts meldet. 

Wenn binfichtlih der obigen von Hafftiz übergangenen Stellen 
Zwed und Tendenz unverkennbar find, jo ilt es dagegen jchwer zu 
ermitteln, aus weldem Grunde er andere Notizen des Breviarium 
überging, die fi) auf damals angefehene Perfönlichkeiten in der Marf 
Brandenburg bezogen. Einzelne freilich mochten ihm nicht bedeutend 
genug fcheinen, um einen Pla in feiner Chronik zu finden wie wenn 
er die Mittheilung feiner Quelle verfchmähte: „1451 in Vigilia cor- 
poris Christi ijt geftorben &leuterus, Herr zu Cotbus, und im 
Klofter zu Cotbus begraben“. So wenig wie wir heute wird aud) 
Angelus etwas Näheres über diefen Herrn Eleuterus gewußt haben, 
und ihre Aufnahme in das Breviarium wird nur erflärlich durch die 
Annahme, daß fie in den von Angelus oft citirten, bis jet verlo= 
renen Annales Cotbusiani fi) vorfand und mit anderen Notizen 
in jenes Werf überging. Für Hafftiz mochte die Stelle zu unerheb⸗ 
lich ſein, um Berückſichtigung zu finden. Anders aber ſteht es mit 
den folgenden biographiſchen Notizen ſeiner Quelle, die ſich in ſeinem 
Microchron. nicht vorfinden: 1525 am 28. März wurde zu Soltwedel 
Abdias Prätorius geboren, „ein fehr gelehrter Mann“, wie Angelus 
bemerkt (im übrigen Hafftiz perſönlich ſehr wohl befannt)?; 1525 
am 23. October ferner wurde zu Frankfurt Chriftoph Stymmelius 
geboren, „der fih um Kirchen und Schulen wohl verdient gemacht“ ; 
1515 Bartholom. Rademann, fpäter Profeffor an der Univerfität zu 
Frankfurt und Erzieher des Kurfürften Johann Georg von Branden= 
burg. 1579 am 13. Dec. ftarb der Domprobit Cöleftinus zu Kölln 
an der Spree, „ein fehr ehr= und geldgieriger Mann“, nad) dem Ur- 
theile de8 Breviarium. 1586 jtarben zu Frankfurt die ‘Professores 
et lumina Academiae’, wie Angelus jagt, Matthäus Hoftus, Pro— 
feffor der griechiſchen Sprache, Wilhelm Hilden, der Herausgeber des 
Organon des Aristoteles, und Jacob Jociſcus, Profejfor der Mes 
dicin; 1585 aud der oben erwähnte Rademann und 1573 Abdias 
Prätorius. Die Geburts- und Sterbejahre diefer Männer hat Hafftiz 
nicht genannt und bei der Erwähnung anderer die Urtheile des An— 
gelus über diefelben nicht wiederholt. In feinem Berichte über Dr. 
Georg Sabinus, den erjten Rector der neu gejtifteten Univerfität Kö— 
nigsberg, einen Schwiegerfohn Melaucdhthons?, fehlen die Worte des 
Breviarium: „der bey dem Hauß Brandenburg feiner Geſchicklich— 
feit halben in groffem Anfehen war“, wie dann auch jpäter die Er- 
wähnung ſeines Todes am 1. December 1560. 


ı Stiebel a. a. > ©. 86. 
ı Ebend. ©. 1 
s: Gbend, ©, 106. 


398 


Daß die Nihterwähnung jener hervorragenden märktichen Ge— 
lehrten bei Hafftiz auf bloßer Willfür in der Auswahl des Stoffes 
beruhen follte, davon wird man fich ſchwerlich überzeugen, wern man 
fieht, wie er ſonſt Schritt für Schritt dem Breviarium folgt und 
fogar alle in diefem enthaltenen feltfamen Himmelserjcheinungen und 
Geipenftergefchichten nacherzählt. Ich vermuthe daher, daß fein 
Schweigen auf perfönlichen, unfreundlichen Beziehungen zu jenen 
Männern, oder mindeften® zu einigen von ihnen, beruhte und folglich 
als ein „beredtes“ Schweigen bezeichnet werben darf. So gehörte der 
Juriſt Dr. Rademann, welchem zu Ehren Angelus fpäter in feinen 
Annalen! eine Stammtafel des Rademannfchen Gefchlechtes veröffent- 
lichte, einer 1573 von dem Kurfürften Johann Georg ernannten Com— 
milftion an, welche die von dem Rektor Hafftiz geleitete Nicolaifchule 
in Berlin einer Prüfung unterwarf, die Zuftände in derfelben nicht 
tadellos fand, die Schule reformirte und in das zum grauen Klojter 
genannte Gymnaſium ummandelte und ihren bisherigen Yeiter nö— 
thigte, wider Willen feinen Abfchied zu nehmen. Es fonnte daher 
feine freundliche Erinnerung fein, die der Name Rademann in Hafftiz 
erwedte, weßhalb er über denfelben ſchwieg. Wilhelm Hilden ferner 
ftand jenem Gymnaſium als Rektor von 1581 bis 1586 vor und 
nahm ſomit eine Stelle ein, deren Verluſt Hafftiz niemal® vers 
fchmerzt hat. Gegen Abdias Prätorius theilte Hafftiz vielleicht die 
Antipathie, mit welcher die ftrenglutheriiche Partei in der Mark unter 
der Führung des Generalfuperintendenten Andreas Musculus jenem 
Vertreter einer bejonderen theologischen Richtung begegnete ?, fo daß 
er fi) in der Frankfurter Univerjität troß der Gunst des Kurfürften 
Joachim II. nicht zu halten vermochte und nach Berlin überfiebelte, 
wojelbft der Kurfürft ihm ein Haus zur Wohnung überwies. Unter 
dein Nachfolger Joachims II., Johann Georg, gelangte die Partei des 
Andreas Musculus vollitändig zur Herrichaft. — Bon Hafftiz’ Be— 
ztehungen zu dem Domprobft Göleftinus, über welchen Augelns ein 
fo herbes Urtheil fällte, ift nichts bekannt. Hafftiz jcheint jenes Ur— 
teil gebilligt zu haben, aber die Rückſicht auf den kurfürftlihen Hof 
gebot ihm über dem Hofprediger zu ſchweigen. In diefer Hinficht ift 
alfo das Microchron. als eine nad) den perfönlichen Lebensverhält- 
niffen des Autors mobdificirte Bearbeitung des Breviarium zu bes 
zeichnen. 

Fragen wir nun weiter, was Hafftiz zur Ergänzung und Er— 
weiterung feiner Quellenjchrift Neues herbeigebracdht hat, jo begegnet 
und zunächit eine Reihe von Zufäken, welche man für mißverftänd- 
liche Auffaffungen und verfehlte Deutungen der Worte des Brevia- 
rium erflären muß. Zum Jahre 1477 erzählt Angelus von einem 
verheerenden Einfalle des Herzogs Hans von Sagan in das märkiſche 


1 ©, 282, 
* Nähere Angaben über die berührten Lehrftreitigkeiten enthält die Bio- 
graphie des Andr. Musculus von Spieder. 


3% 


Ddergebiet, durch welchen Frauffurt Schwer zu leiden Hatte, während 
die fleinen Drte Reppen und Drofjen fich der Angriffe des Herzogs 
hinter ihren Mauern tapfer erwehrten und die Belagerer mit Verluft 
zurüdjichlugen. Angelus hebt dieſen Erfolg der Städter mit der 
Iprüchwörtlichen Nedensart hervor: „da fie ihn danı (wie man 
jagt) mit heifjem Brey von der Stadtmauer getrieben“. 
Hafftiz an diejer Stelle dem Breviarium wörtlid) folgend nimmt den 
ſprüchwörtlichen Ausdruck im eigentlihen Sinne und erzählt ohne 
weiteres Bedenken, die Einwohner von Drojjen und Reppen hätten 
den Herzog von Sagan vertrieben „mit heiſſem Brey, fo fie 
von der Mauer auf die Soldaten geihüt“!. — Wenn 
ferner Angelus ſich begnügt zu melden: „Anno Christi 1525 hörte 
man offtinal8 die Kreen in der Lufft mit einander friegen, und fielen 
auch etliche von ihnen todt herunter auf die Erde“, jo bemerft Hafftiz 
dazu: „welchs jonder Zweifel des Aufflauffs und Tumults der auff— 
rhüriſchen Pauren, jo dis Jahr darauff erfolgt, ein Fürfpiel ift ges 
weſen?“. Ganz im derjelben Richtung bewegt ſich aud die Deutung 
eine® im Breviarium zum Jahre 1590 erzählten natürlichen Vor— 
ganged. „Zu Blumberg bei Bernau — jo ſchreibt Angelus — find 
in diefem Jar drey Knechte im einen nmeugegrabenen Brunnen, ehe fte 
halb Hinuntergelommen, erftict und geftorben, das man zur Stunde 
niht wijjen faun, wie ed mag zugangen fein“. Unbe— 
fannt mit den gefährlichen Eigenſchaften der Grubengafe wie feine 
ganze Zeit enthält ſich Angelus, die Urſachen des für ihn überra- 
fchenden VBorganges zu erörtern; Hafftiz dagegen ijt fühn genug, fich 
in Bermuthungen über den Vorfall zu ergehen, und findet, „es 
babe ein Bajilifchfe oder Unde alda feine Wonunge*“. 
Die Befangenheit, mit welcher er feiner Quelle gegenüber fteht, 
und die Ungefchiclichkeit, mit welcher er ihre Worte verwendet, üben 
zumeilen eine geradezu erheiternde Wirkung auf den Peler aus. Man 
iſt zwar gewöhnt, Hafftiz von vielen jeltiamen und wunderlichen Dingen 
erzählen zu hören, aber deſſen ungeachtet fühlt man ſich überrafcht 
durch die bedenkliche Simplicität eines Schriftitellers, welcher ohne 
einen Anflug von Zweifel jchreiben Fonnte: „Es iſt aud den 27, 
April (1547) ein groß Faß“ fast eine itundenlang am Himmel ge— 
fehen, welchs hernach herunter gefallen. Darauf it Herr Johann 
Friedrich, Churfürft zu Sachſen, bei Miülberg an der Elbe geſchlagen 
und gefangen, die Stadt Wittenberg belagert mit Verheerung und Ver— 
wüjtung de8 Sachſenlandes“ u. j. w. Sicht man fich daraufhin 
feine Quelle an, fo liegt feiner Darjtellung des Mirakels folgender 
Sat des Breviarium zu Grunde: „Den 23. April (1547), welches 
war der Tag zuvor, ehe der Churfürft zu Sachſen, bey Mülberg an 
der Elbe von Keyſerlicher Majeftät Carolo V. gefangen ward, fahe 


1 Riedel a. a. DO. ©. 72. 

ı Ebend. S. 90. 

⸗Ebend. ©. 147. 

* Ebend, S. 109 und fo auch in den Handſchriften. 


400 


man einen groffen Stern faft ein ftundelang, welcher darnach 
herunter fiel“. Auch diefer Bericht ftreift da8 Gebiet de8 Wunders, 
aber das Wunderfame darin ift wenigftens in ſich anſchaulich und 
beziehungsvoll, denn der finfende Stern foll auf den bevorftehenden 
Tall des Kurfürften Hindeuten. Die unfchöne Verwandlung des 
Sternes in ein Faß bei Hafftiz macht unmwillfürlich den Verdacht 
rege, daß fie dem Worte „Faft“ Hinter Stern ihren Urfprung ver— 
danfe, indem das Auge ded Autors dadurch irretirt wurde. 

Diefe Stelle ift jedoch nicht allein durch den feltfamen Irrthum 
bemerfenswerth, welchen Hafftiz bei ihrer Reproduction beging und im 
feinen Handfchriften ftetig wiederholte, fondern auch dadurch, daß fie 
ung eine bejondere Art und Weile der Bearbeitung des Breviarium 
durch jenen Schriftiteller fennen lehrt. Angelus hatte nämlich dem 
auf die Schilderung der märkiſchen Verhältniffe gerichteten Zwecke 
feines Buches gemäß der Niederlage des Rurfürften von Sachſen bei 
Mühlberg nur in einem Nebenfate feines Berichtes gedacht und da= 
mit offenbar Hafftiz nicht genug gethan. Diefer hielt e8 vielmehr 
für geboten, umfafjendere Nachrichten über den ſchmalkaldiſchen Krieg 
bis zur Rückkehr Karls V. nad) Augsburg im Sommer 1547 in fein 
Werk aufzunehmen, und dem entfprechend trennte er die Stelle des 
Breviarium in einen befonderen und eben dadurd) im Microchron. 
beziehungslofen Bericht über da8 vom Himmel herabgefunfene Faß und 
in einen zweiten über den Krieg von 1547. Bei diefem aber ſcheint 
ed ihm wiederum vorwiegend auf eine Darlegung der Wirkjamfeit 
des Kurfürften Joachim II. von Brandenburg angefommen zu fein, 
denn er berichtet, daß bderfelbe die Gemahlin de gefangenen Johann 
Friedrich, Sybilla von Jülich-Cleve, aus dem belagerten Wittenberg 
zum Kaiſer geleitet habe, da fie deſſen Gnade für ihren Gatten an— 
flehen wollte; ferner daß fie von dem Kurfürften von Brandenburg 
auch wieder nad) Wittenberg zurüdgeführt worden fei u. ſ.w. Dieje 
Stelle ijt jedoch nicht die einzige, welche zu bemweifen vermag, daß ihm 
da8 Breviarium aud da als Directive diente, wo er den Anflug zu 
einer felbftändigen Darftellung nahm. Aus der Angabe diejes Wer- 
fes: „Anno Chriſti 1483 (in welchem Lutherus am 10. November 
zu Eißleben geboren) war in Sadjfen und hier zu Lande eine große 
Theurung“, machte er zwar nicht wie im obigen Falle zwei Süße, 
aber er erweiterte die eingejchaltete Notiz über Luther durch eine all= 
gemein gehaltene Schilderung von deſſen Wirkfamfeit um mehr als 
das Dreifahe!. Dagegen ließ er es fich nicht entgehen, die Mitthei- 
fung des Breviarium: „Anno Chrifti 1530 (in welchem die Augſpur⸗ 
nische Confeſſion Keyferlicher Majeftät Carolo V. ijt übergeben wor=- 
den) ift Margareta — Joachims I. Tochter, Herzog Georg in Pom- 
mern vermählt worden“, in zwei befondere Berichte zu fcheiden ?, deren 
einer fi) auf die Vermählung bezieht, während der andere über bie 


ı Niebel a. a. D. ©. 74. 
» Ebend. S. 94. 


401 


Vorgänge in Augsburg Handelt. Ein derartiges Verfahren brachte es 
mit fi, daß Hafftiz bald Hier bald da in Relativ» und ſonſtigen 
Nebenfägen Bemerkungen in den Text feiner Quelle einfchaltete, die 
zum Theil als unmefentlihe Erweiterungen, wie in den zuletzt ges 
nannten Beifpielen, zum Theil al® bemerkenswerthe Ergänzungen ans 
zufehen find. So meldet er!, über den Bericht des Breviarium 
hinausgehend, hinſichtlich des Brandenburgifchen Biſchofs Hieronymus 
Schultz, des erſten Vorgeſetzten, mit welchem 1517 Luther zu thun 
befam, daß derſelbe ein überaus beredter Mann geweſen ſei, weshalb 
ihn der Kurfürſt Joachim J. von Brandenburg auch vielfach als 
„Drator und Legat“ verwendet habe. — Zu dem Berichte vom Tode 
de8 genannten Kurfürjten am 11. Yuni 1535 fügt er hinzu, der 
Kurfürft jet kurz zuvor von der Jagd frank in das Hoflager zurück— 
gekehrt ?; die Anzeige von der Geburt des Markgrafen Georg Friedrich 
von Anſpach am 5. April 1539 begleitet er mit den Worten: „itzt 
regirender Herr dajelbit?“; das Breviarium berichtet zum Jahre 
1563 von einem Sturm, weldyer die Kirhthürme zu Stendal und See= 
haufen jtarf beſchädigte; Hafftiz ergänzt, daß durch denſelben Sturm 
auch die Marienkirche zu Berlin ihrer Thurmſpitze beraubt worden 
fei*. Andere feiner Zugaben find topographijcher Natur, Angaben 
der Ortsentfernungen (aber von Berlin, nicht von Strausberg aus)?, 
Münzreducirungen® und dergleihen. Daneben aber fehlt es auch nicht 
an Erweiterungen — vornehmlich bei der Erzählung von Wundern 
und fenfationellen VBorfällen —, welche der ausmalenden Phantafie des 
Hafftiz ihren Urfprung verdanken und deutlich den Standpunkt eines 
Autors verrathen, der nicht Selbjterlebtes oder Selbſterforſchtes mit— 
theilt, fondern ſich Mühe giebt, über jchon Gejagtes noch etwas Be— 
fondere® zu äußern. Bei dem Mangel an realer Sachkenntniß, der 
Hafftiz harakterifirt, kann es daher auch Niemanden befremden , daß 
diefer Autor fo überaus leicht in Irrthum verfiel und in Namen 
und Zahlenangaben, wie jett die Vergleihung feines Mierochron. mit 
den Breviarium erweift, nicht wenige Fehler beging. So berichtet 
er’, daß am 6. Yuni 1554 zu Sranffurt a. O. der Dr. Hierony- 
mus Schunftins geftorben jei, „ein fürtrefflider, gelerter, 
berhümter und geredter Juriſt“. Ein Hiftorifer, der im 
Intereſſe einer Gelehrtengefchichte, durch jenes ob angeregt, e8 unter= 
nähme, über Herfommen, Yeben und Schriften des Dr. Schunftius 
Näheres zu ermitteln, würde aud bei dem größten Fleife und im 
Befige des umfafjendften Quellenmateriales nicht das Geringjte üher 
denjelben in Erfahrung bringen, denn das Breviarium belehrt ung, 
daß es fi) gar nicht um einen Dr. Schunftius Handelt, jondern um 
den Genofjen Luthers Dr. Hieronymus Schurf, welchen Angelus mit 


Riedel a. a. O. ©. 83, 

Ebend. S. 90. 

Ebend. S. 96. 

Ebend. S. 122. s &b. 73. °s &b. 72, 
Ebend, S. 116. 


402 


Recht das obige Lob fpenben durfte. — Nach den Annales Cotbu- 
siani berichtet Angelus, daß 1468 „am Gorgoniustage oder 
auff dem neunden Zag des Herbſtmonates“ (9. Sep 
tember) ein großer Brand faft die ganze Stadt Kottbus in Aſche 
legte. Ungeachtet diefer umjtändlichen Datirung nennt Hafftiz! dod 
als den Tag des Brandes den 4. September. — Der erftere ferner 
erwähnt des Ablebens des erjten Herzogs von Preußen Albrecht im 
Jahre 1568 zu Tapiau (bei Königsberg); der andere nennt den 
Drt Tapſaw“?. — Bei einer ſolchen Art der Verwendung feiner 
Duelle ift es begreiflih, daß Hafftiz auch die notorischen Irrthümer 
derjelben nicht nur wiederholte, ſondern durd feine Nachläffigkeit jo 
gar vergrößerte. in ſehr bezeichnendes Beiſpiel davon ift feine eben— 
jowohl gegen die gejchichtlihe Wahrheit überhaupt wie gegen den 
Wortlaut de8 Breviarium niedergefchriebene Mittheilung, daß im 
Yahre 1440 die Bürgerichaft Berlins fih) gegen dm Kurfürjten 
Friedrich empört habe und in Folge deſſen um ihre politische 
Selbjtändigfeit gekommen fei?. Die Stelle des Breviarium, welde 
diejer Mittheilung zu Grunde liegt und zugleich erjt die übrigen von 
Hafftiz zum Jahre 1440 gegebenen Nachrichten verſtändlich macht, 
lautet folgendermaßen: „Anno Chrifti 1440 (in welchem aud die 
edle Kunſt der Buchdruderey in Deutjchland erfunden) hat ſich die 
Bürgerjhafft zum Berlin wider den Raht dafelbjt empöre 
uud jind dadurd) um ihre Freyheit gefommen, denn Marggraff Frie- 
drich der Churfürjte hat die Stadt eingenommen und ein Schloß dar: 
ein gebauet. (Etliche jeten das folgende Jar. Aber das es im fol 
genden Jar nicht gefchehen, fchließe ich daraus, weil Margraff Frie—⸗ 
drich — damals jchon todt gewejen. Denn wie ein Brieff Marg 
graffen Friederichen, des Churfürjten Sohn, im 1440 Jar Mittwochs 
nad) ©. Francisci gegeben an die Strausbergiichen, darin ihnen auff 
erlegt wird, auf die Mittwoch nad) St. Yucä zum Berlin zu er 
fcheinen und die Erbhuldigung zu thun, ausweifet, fo ift ja Marggraff 
Friedrich der Churfürft nicht allererft 1441, fondern 1440 gejtorben. 
Der Brieff fol von Wort zu Wort in den grofjen Commentariis* 
gejet werden)“. Angelus bewegt fich hier in der irrigen Annahme, 
daß der erjt im Jahre 1442 ausgebrochene Zwift der Städte Berlin 
und Kölln an der Spree, welcher dem Kurfürften Friedrich IL. die 
Handhabe zu einer folgenreichen Einmiſchung in die ftädtifchen Ans 
gelegenheiten bot, bereits in das Jahr 1440 falle, und er fucht jeine 
Meinung fogar durch urkundliche Gründe zu fügen. Hafftiz, von 


ı Riedel a. a. O. ©. 68. 

2 Ebend. S. 126. Andere Abweichungen von dem Breviar. find viel 
leicht auf die unleferlihe Schrift des Hafftiz zurüdzuführen. So nennt das 
Microchron. (Riedel S. 99) den erften Iutherifchen Prediger in Kottbus Lu⸗ 
derus, das Breviar. aber Lüdide; Hafftiz muß alfo Ludecus gejchrieben Haben, 

® Ebend. ©. 62. 

* Gemeint ift fein größeres Werk, die Ann. March. Brand, 

*VBergl. Fidiein, Hiſt.dipl. Beiträge III, 117 u. fg. 


403 


bein Beweiſe vollfommen überzeugt, folgt ihm daher blindlings, macht 
aber auf eigene Hand aus der Erhebung der Bürgerfchaft gegen den 
Kath eine Empörung derjelben gegen den Kurfürſten. Nach 
einer Schilderung des Schloßbaues in Kölln an der Spree und deijen 
Folgen berichtet er dann ferner: „Eben in demjelben Jahr (1440) 
iſt die Löbliche Kunjt der Druderei erfunden und Marggraff Friedrich), 
Ehurfürft zu Brandenburg, gejtorben, wiewohl Juſtus feinen Tod ine 
folgende Fahr fett. Aber aus gewiſſen Documentis und briefflichen 
Urkunden ift offenbar, daß er im 40. Jahre gejtorben“. Alle dieje 
Notizen beruhen, wenn auch Hafftiz jelbjtändig den Chronijten Juſtus 
nennt, ausſchließlich auf den oben mitgetheilten Worten des Brevia- 
riam. Wenn Hafftiz von Documenten und Urkunden im Plural res 
det, jo ijt das in feinem Munde nichts als eine bloße Nedensart, 
und man kann ficher jein, daß er Urkunden über Friedrich I. weder 
gejucht noch gefehen hat. Denn feine Mlittheilungen über diefen 
Kurfürften würden fonjt anders ausgefallen fein. — Berichtigungen 
des Breviarium aus einer anderweitigen UWeberlieferung find in dem 
Microchron. überhaupt jo jelten, daß ich augenblicklich nur eine ans 
zugeben vermag, und die betrifft leider nur eine Geſpenſtergeſchichte. 
ch dem Breviarium fah man im Jahre 1559 nicht weit von 
Berlin 15 Männer ohne Köpfe Hafer mähen; nad) Hafftiz! aber 
trug fi dies Wunder zu „auff dem großen Leude? bey 
Bellin an der Fehre“, d. h. bei dem heutigen Fehrbellin in der 
Gegend von Rathenow. — Eine überrafchende Sorglofigfeit in den 
Zahlenangaben bekundet Hafftiz jogar in Berichten, welche feine eis 
gene Perſon mitbetreffen. 1561 erjchienen in Berlin der Biſchof 
von Zakynthus Johannes von Farnefe und ein Jeſuit, um den Kurs 
fürften Joachim II. zur Beſchickung des 1562 wieder zu eröffnenden 
Eoncil8 zu Trident einzuladen. Der Kurfürft nahın die Gelegenheit 
wahr und veranjtaltete eine Disputation zwifchen jenen Geiftlichen 
und feinen Theologen, von denen er zu diefem Zwede Johannes 
Agricola, den Profejjor Abdias Prätorius von der Frankfurter Uni— 
verfität und Peter Hafftiz berief. ‘Die Disputation fand am 2. Fer 
bruar des genannten Jahres ftatt, wird aber von Hafftiz unter dem 
2. Februar 1555 berichtet ?, obgleich) in dem letteren Jahre von einer 
derartigen Einladung nicht die Rede fein konnte. 
Es erübrigt hiernady noch, auch diejenigen Zuſätze des Hafftiz 
zum Breviarium zu charafterifiven, welche er nicht durch bloßes 
Dehnen und Deuten feiner Quelle gewann, fondern entweder einer 


ı Riedel a. a. DO. ©. 120, 

° Peuche oder Luh = Sumpfwieſe. 
A. a. O. S. 117. Hafftiz bezeichnete den Iefuiten als einen fpitfin- 
digen Kopf, den Biſchof aber mit der Bemerlung: ut pari ipsius dicam, 
ald einen indoctus Alberus per omnes gradus comıparationis. Das Wort 
pari im obigen Saße hat feinen Sinn; jedoch läßt nur der Abdrud bei Riedel 
den hafftiz unklar reden, denn andere Handjchriften de8 Microchron. haben richtig: 
ut pace ipsius dicam, fo daß der Sag unſerem „mit Verlaub“ entſpricht. 


404 


anderen mündlichen oder fhriftlichen Quelle oder feiner perfönlichen 
Erfahrung verdanfte. Sie betreffen faſt ausnahmslos Berlin und 
das brandenburgijche Fürftenhaus. Cs ijt felbftverftändlich, daß Hafftiz 
bei feinem langen Aufenthalte in der märfifchen Hauptitadt Mancherlei 
jehen und erfahren mußte, was der Aufzeichnung in einer Chronik 
werth war; aber man würde fich der Täuſchung ausfegen, wenn man 
in feinem Microchron. Aufſchlüſſe über die Bolitif der brandenburgis 
ihen Regenten, ein verjtändnißvolles Urtheil über Stadt und Yand 
oder aud nur Aeußerungen einer wie immer gearteten individuellen 
Auffaffung der Dinge erwartete. Seine Darftellung erſtreckt ſich wohl 
in die Breite, fteigt aber nie in die Tiefe, wo die wirfenden Urſachen 
zu fuchen find, jondern faßt nur den äußerlichen Verlauf der Creig- 
niffe und Handlungen ins Auge. Sein Microchron. berichtet daher, in 
welchen Jahren Braud, Sturm oder fonjtige Unglüdsfälle die Stadt 
Berlin, ihre Kirchen und ihr Rathhaus betroffen haben, warn Miß— 
wachs und theure Zeiten gewejen, welche fremden Fürjten zu den Hoch— 
zeits- und Tauffeſten am Berliner Hofe ſich einfanden, mit welchen 
Förmlichkeiten und an welchem Drte die gejtorbenen Mitglieder der 
furfürftlihen Familie bejtattet wurden, wie man ſich bei den Zur« 
nieren und Volksfeſten in Berlin vergnügte u. dergl. Hafftiz hat 
ferner in einzelnen Handjchriften die Geſchichte des Roßtäuſchers Hand 
Kohlhaſe aufgezeichnet, welche durch das Dichtertalent Heinrichs von 
Kleijt jo populär geworden ift, und die ımartervolle Hinrichtung des 
jüdischen Kaufmannes Yippold zu Berlin im Jahre 1573 be 
ſchrieben. 

Dieſe Zuſätze haben eine gewiſſe Bedeutung für die Geſchichte 
Berlins und des brandenburgiſchen Hofes. Sobald aber Hafftiz eine 
Schilderung der politiichen Verhältniſſe oder eine Charafterzeichnung 
der Yandesfürften unternimmt, giebt ſich auch fofort die Unzulänglich— 
feit feiner Ermittelungen über diejelben wie feines Urtheiles fund. 
Der erjte größere Abjchnitt, den er felbftändig den Mittheilungen des 
Breviarium hinzufügte, betrifft die Thaten und Qugenden des Marl: 
grafen Albrecht Achilles!, welcher 1470 feinem Bruder Friedrich I. 
in der Regierung deg Kurlandes folgte. Es iſt befannt, daß derjelbe 
nach wenigen Jahren die Verwaltung der Mark feinem Sohne Jo— 
hann überließ und diefer ſich bald in fchwere Kämpfe mit den bes 
nachbarten Fürſten und in einen bedrohlichen Conflict mit den mär— 
kiſchen Ständen verwidelt jah. Dieje Verhältniffe darzulegen war 
eine dringende Pflicht, wenn auch eine nicht leichte Aufgabe des mär— 
fischen Chroniften. Wer jedoch bei Hafftiz Auffchlüffe über jene bes 
merfenswerthe Epoche der brandenburgifchen Gejchichte fucht, wird 
deſſen Microchron. arg enttäufcht bei Seite legen, denn e8 fchildert nur 
die rittermäßigen Qugenden des Markgrafen Albrecht Achilles und 
feine Händel mit Nürnberg und den bairijchen Fürften bis um das 
Yahr 1460; und Hafftiz geht dann zu den Mittheilungen des Bre- 


ı Riedel a. 0. O. S. 69 u. fg. 





405 


riarium mit ber Wendung zurüd: „Daß ich aber in diefem Theil 
nicht möge zu lange verharren, hat Marggraff Albrecht — Churfürft 
zu Brandenburg — einen Krieg angefangen mit dem Herzogen in 
Pommern“ u. f. w. Ueber die Verhältnijje der Mark Brandenburg 
ſchweigt er, indem er nur das Breviarium reden läßt. Glücklicher 
Weiſe hat er felbft die Gründe feines feltiamen Verfahrens verrathen, 
indem er angiebt, daß für den von ihm gelieferten Abjchnitt über Als 
brecht Achilles die Commentare des Aeneas Sylvius feine Quelle 
waren, und diefe reichen nur bis zum Jahre 1463. — So wenig 
wie über Albrecht, haben ihm über Joachim II., feinen Zeitgenoffen, 
deſſen er nicht felten im felbjtändigen Berichten gedenft, befondere märz» 
kiſche Quellen zur Benutzung vorgelegen. Dies ergiebt ſich nament= 
üih bei der von ihm verfuchten Erörterung der für alle damaligen 
Bewohner der Mark wichtigen Frage, warum der protejtantifche Jo— 
achim IL. 1546 fi nicht an dem Kampfe feiner Glaubensgenofjen 
gegen den Kaijer und die Katholiken betheiligt habe, zumal da der 
Landgraf Philipp von Heſſen perjönlic in der Mark erfchien, um 
den Kurfürften zu einem Bündniſſe mit Heſſen und Kurfachjen zu 
bewegen. Wie wir heute aus v. Rankes Genefis des Preuß. Staa— 
tes? entnehmen können, wurde Joachim II. zu einer neutralen Haltung 
während des Schmalfaldiihen Krieges vor allem durch fein wenig 
freundliches Verhältniß zu dem Kurfürften Johann Friedrich von 
Sadjen und durch feine reichsfürftlihe Hochachtung für Karl V. und 
das Haus Defterreich bewogen. Dieſe machte ihn bedenklich, überhaupt 
die Waffen gegen den deutjchen Kaifer zu erheben; eine Vergrößerung 
Kurjachjens aber widerſprach jo jehr dem brandenburgifchen Intereſſe, 
daß Joachim II. ohne Zögern die Sache der Religion dem Geſichts— 
punkte der Politif unterordnete. Motive anderer Art für das Ver— 
halten des Kurfürften hat Hafftiz angegeben?. Nachdem er zunächſt 
der Unterredung dejjelben mit Philipp von Heſſen auf der Lochauer 
Haide bei Jüterbock gedacht, läßt er jenen das Anerbieten eines Binde 
niſſes mit nl und Sachſen mit den Worten ablehnen: „So bitte 
et zum fleißigften, man möchte ihn in die Verbündniß nicht fo hart 
nötigen und zwingen, denn wenn das Unglück zufchlüge (wie mans ſich 
vermuten mußte), daß dies Spiel einen widderwertigen Ausgang hette 
und der Keyfer die Leberhandt behielte, jo hetten fie an ihm einen 
Friedemacher, welcher den zornigen Siegesfürften zufrieden fprechen, 
die Brücke niddertreten, den. überwundenen Gnade erwerben und fie 
widder ausfönen könnte“. Es ift ſchwer zu glauben, daß Joachim II. 
jo beftimmt die Niederlage der Proteftanten vorhergefehen und bereits 
vor dem Beginne des Krieges den Fürften von Sachſen und Heffen 
feine guten Dienfte als „Friedemacher“ angeboten habe. Die Worte, 


I Er citirt died Werk unter der Bezeichnung: Aeneas Sylvius in sua 
Europa, welden Titel die Ausgaben von 1490 und 1699 führen. Auch des 
Antonins Sabellins (geft. 1506) gedenft er ©. 71. 

ı ], S. 163—165. 

2 Riedel a. a. O. S. 106. 


XVMI. 27 


406 


welche Hafftiz ihm in den Mund legt, find ohme Zweifel nach Maf- 
gabe der jpäteren Greigniffe und entjprechend der vermittelnden Thä- 
tigfeit des Kurfürften frei concipirt, worüber an ſich nicht weiter mit 
dem Chronijten zu rechten iſt. Es ergiebt fi) dann aber, worauf es 
bier beſonders anfomınt, daß feine Nachrichten über die Verhandlungen 
auf der Yochauer er der quellenmäßigen Grundlage entbehren und 
für die hiſtoriſche Forſchung allen Werth verlieren. 

Unter den fonjtigen von Hafftiz benugten Quellen find noch fol 
gende nachweisbar oder vermuthungsweie zu nennen. “Die bekannte 
Erzählung, daß der Kurfürjt Johann Cicero vermöge jeiner großen 
Rednergabe einjt Frieden zwifchen den zum Kriege gerüfteten Königen 
von Ungarn und Polen geitiftet Habe, führt Hafftiz auf eine Mittheis 
lung Melanchthons zurück, der diefelbe unter Berufung auf den Kur 
fürften Johann Friedrich von Sachſen als feinen Gewährsmann „mit 
großer Luft in publica lectione“ vorzutragen pflegte!. — Eine ein 
gehendere Daritellung ferner als das Breviarium widmete Hafftiz 
der in Berlin 1510 an 38 Juden vollzogenen eg wegen 
Entweihung von Hoftien, Chriftenmord und dergl. Die von ihm hier: 
bei benugte Quelle ift ohne Zweifel eine unter dem Titel „Hijtoria 
von der Jüden erfhredlidher Uebelthat“ erfchienene Schrift, 
welche auch Angelus nicht bloß feinen Mittheilungen zu Grunde legte, 
jondern 1598 in feinem Annalenwerfe ſogar volljtändig abdruden 
ließ?. Auch die Volfspoefie hatte ſich des Gegenftandes bemächtigt, 
denn Angelus berichtet: „Es hat aud damals einer ımit Namen 
Jacob Winter ein Pied von diefer Gefchichte gemacht und zum Drud 
verfertigt, welches ich, weil mans nicht viel mehr findet, dem günfte 
gen Leſer zu gute auch hierher feten will“. — Aus einer befonderen 
Schriftquelle endlich muß die von Hafftiz mitgetheilte, an fich nicht 
jagende Erzählung von einem böfen Geifte entnommen fein, der dem 
Mainzer Erzbifchof Albrecht, dem Zeitgenofjen Luthers, in Geftalt 
einer Kate gedient haben follt. In diefem Abjchnitte kommen näm⸗ 
lich Wortformen einer älteren Sprachbildung vor, deren ſich Haffti 
in feinem Microchron. jonft nicht bediente, wie: do für da, hefft für 
hatte, Ruge für Ruhe, fumpt für fommt, Gefhwurm für 
Schwarm, furdern für fordern und andere. Die Erzählung ſcheint 
aus einem Buche abgejchrieben zu fein, welches die Wirffamteit des 
Kurfürften Albrecht ſchilderte und wahrſcheinlich zu Luthers Zeiten 
erjchienen ift. Bei der Hinübernahme derjelben in fein Microchron. 
übte Hafftiz die ihm eigene Fertigkeit des Abſchreibens in der Weile, 
daß er ſich nicht einmal Mühe gab, die Archaismen feiner Duelle zu 
bejeitigen und in feinem Werke eine Gleichheit der Diction herzus 
ftellen. Im Uebrigen bemerkte ſchon Riedeld, dag die obige Etzäh— 


ı Riedel a. a. O. ©. 75. 
2 ©. 269-277. 

® Ann. ©. 277. 

* Riedel a. a. O. ©, 107. 
5 Ebend. &. 108, 


407 


fung in fehr vielen Handjchriften fehle, was durchaus richtig ift; fie 
fehlt aus leicht erflärlichen Gründen in den für den Berliner Hofe 
freiß beftinmten Exemplaren, unter anderen auch in denjenigen, welches 
Hafftiz dem Kurfürften Joachim Friedrih 1598 widmete. Dagegen 
hielt e8 Hafftiz für umverfänglich, dem Rathe von Templin, dem die 
von Riedel abgedrudte Handjchrift gewidmet war, zu erzählen, daß 
ein Mitglied des Hohenzollernfchen Haufes mit böjen Geiftern in Ver— 
bindung gejtanden habe. 

Ziehen wir nun das Reſultat diefer Erörterungen, fo ergiebt 
fih, daß da8 Microchron. im Wejentlihen aus der Märfifchen Chro— 
nie des Engelbert Wujterwig und dem Breviarium des Angelus be= 
fteht und erjt vom Jahre 1593 ab eine jelbjtändige Arbeit des Hafftiz 
durch die Zugabe von einzelnen Notizen wird, welche in dem knappen 
und farblojen Tone des Breviarium fortgeführt find. Hinfichtlich 
der Jahre 1426 bis 1592 Hat Hafftiz ein fremdes literariiches Ei— 
genthum im folder Weije für feine Zwecke verwendet, daß jein Ver— 
fahren ein Plagiat im vollen Sinne des Wortes genannt werden 
darf. Wie wenig er im Ganzen auch jelbitändig für das Mi- 
erochron. gethan hat, jo hat er doch beitimmt und dreift ſich felber 
das Verdienſt der hiltoriichen Forſchung für jenes Werk zugeichrieben, 
denn in der Vorrede zu einer dem Brandenburgiichen Prinzen Chri— 
tan Wilhelm gewidmeten Handjchrift? führt er aus, daß, wie fein 
feliger Vater, der in Berlin geboren und erzogen fei, in der Marf 
viel gefehen und verzeichnet habe, jo habe auch er jelbjt darin 50 
Yahre hindurch „viel objervirt“ und von feinen Discipeln, die in 
Kurfürftlichen Aemtern oder als Präceptoren bei dem Adel oder als 
Schreiber in den Städten und Fleden jett fungirten, „allerhand 
glaub- und denfwürdige Nachrichten“ eingezogen. Die Empfänger 
feiner Handſchriften fonnten aljo feiner anderen Meinung fein, als 
dag fie ein von Hafftiz ſelbſt verfaßtes Werk in die Hände befämen, 
und fie werden dem entjprechend ihren Dank und ihre Belohnung be= 
meſſen haben. Hafftiz erndtete alfo ein, was einem Anderen zu em— 
pfangen gebührte. Sein Verfahren erjcheint um jo miderwärtiger, je 
mehr er ſich mit feiner Schrift an die höchiten Perfonen des Yandes, 
den Kurfürften und die Mitglieder der kurfürftlihen Familie heran— 
drängte und in langen falbungsvollen Vorreden von dem religiöfen 
und moralifchen Werthe geſchichtlicher Studien handelte. 

Sobald man die Art der Entjtehung des Microchron. erwägt, 
wird man auch manche diefer Schrift anhaftende Eigenheiten begreiflic) 
finden. Zu diefen gehört vor allem die nur handſchriftliche Verviel= 
fältigung und Verbreitung, die das Werk erfahren hat. Früher nahm 
man an, daß Hafftiz perfönlic arın gewejen ſei und die Koften einer 
Bublication feines Microchron. durch den Drud nicht Habe beitreiten 
können, ferner daß es ihm nicht gelungen ſei, einen Verleger zu fin— 
den. Indeſſen ift e8 eine auffallende Erſcheinung, daß Hafftiz in 


ı Handſchr. der König. Bibl. zu Berlin Fol, Nr. 24. 
27° 


408 


feiner jeiner vielfach modificirten Vorreden über die Ungunft feiner 
Berhältuiffe und den Mangel eines Verlegers Klage führt, was ihm 
doch nahe genug lag, wenn er wirklich die Abficht gehabt hätte, fein 
Werk durd den Drud befannt zu machen. Und follte jich denn unter 
allen feinen Gönnern nicht einer gefunden haben, der die Koften bes 
Drudes zu übernehmen fich bereit erflärt hätte, wenn er darum ges 
beten worden wäre? — Ich vermuthe daher, daß Hafftiz von vorn 
herein gar nicht den Plan gehabt habe, fein Microchron. druden zu 
laffen, da fonft die von ihm begangene Täufchung ohne Zweifel bald 
entdeckt worden wäre. Als Handichrift vertrieben und im die fürfte 
lihen und ftädtiihen Ardive aufgenommen, entzog fi) dagegen das 
Werk leicht der öffentlichen Controle; und diefem Umſtande dürfte es 
auch zuzufchreiben fein, daß Angelus in der Vorrede zu feinen Ans 
nalen 1598 nicht von dem echte der öffentlichen Anklage gegen 
Hafftiz wegen Verwendung feines Breviarium Gebraud machte. 

Eine andere Abjonderlichkeit der Schrift des Hafftiz liegt in ih— 
rem ungewöhnlichen Titel Mierochronologicon oder auch Mierochro- 
nicon, wie ihn einige Handjchriften führen, ohme ſich wejentlid von 
anderen zu unterfcheiden, die den erfteren an der Spige tragen. Die 
Titelnamen indeß verlieren fofort den Charakter des Ungewöhnlicen, 
jobald man berüdjichtigt, daß das Breviarium Hafftiz’ Hauptquelle 
war und dejjen Name von ihm durch eine Gräcifirung verjtedt 
wurde, Die Unfelbjtändigfeit und Entlehnung der Bezeichnung Mi- 
erochron. ergiebt fi) auch daraus, daß fie ebenſo unpaffend für Hafftij 
Chronik, wie der Name Breviarium zwedentiprechend für das Bud 
de8 Angelus gewählt worden it. Das legtere jtellt nämlich in allen 
feinen Theilen einen furzen Auszug aus dem großen Annalenwerte 
bejjelben Autors dar und giebt auszugsweife auch die in diefes Werk 
aufgenommenen Abjchnitte der Märkiſchen Chronif von E. Wufterwit 
wieder; das Microchron. dagegen ijt nicht ein Auszug aus einer ume 
fafjenderen Schrift deijelben Verfaſſers und giebt jogar jene Märkiſche 
Chronik in einer viel vollftändigeren Weife wieder als Angelus Ans 
nalen. Gerade die auf Grund jener Quelle niedergejchriebene jehr 
detaillirte Darjtellung der Märkischen Geſchichte um die Wende des 
14. Jahrhunderts, die einen jehr erheblichen Theil des ganzen Mi- 
erochron. bildet, macht es unwahrſcheinlich, daß Hafftiz aus fich felbit 
und ohne Nüdfiht auf das Breviarium feiner Schrift den Titel 
eined kurzen Zeitbuches gegeben habe. 

Das Microchron., dejjen Verfaſſer fich als ein fchwacher Kopf 
und bedenklicher Charakter enthüllt, muß demnach al8 eine unerfren- 
lihe Erſcheinung im der älteren Hiftorifchen Literatur der Marl 
Brandenburg bezeichnet werden. Den Werth einer für die märkiſche 
Geſchichte bedeutfamen Quelle, den Riedel dem Werke durch Aufnahme 
in den Codex diplom. Brandenb. zuerfannte, können nur noch jene 
Abfchnitte für fih in Anfpruch nehmen, in denen entweder der ältere 
Chroniſt Wufterwig oder Hafftiz felber redet. 


Meber die im Schloß Spiez wiedergefundenen Schriften 

des weimarifchen General Majord nnd franzöfiihen Ge: 

neral-Leutenants Johann Ludwig von Crlad von Caſtelen, 
Gonvernenrs der Feſtung Breyſach. 


Bon Auguft v. Gonzenbad). 





Der General Yohann Ludwig von Erlach von Gaftelen ftarb 
am 26. Januar 1650 in Breiſach. 

Seine Frau, auch eine geborene von Erlach, zog mit ihren drei 
Töchtern Satharina Sufanna, Maria und Johanna Loyſa nach Schloß 
Gajtelen, das fie ihrem Manne zugebracht hatte. Die Leiche des 
Generals wurde feinem Wunfche gemäß in der Kirche zu Schinznach, 
ber Piarrfirde von Caſtelen beigefett, wo ihm die Wittwe ein jchö- 
nes Denkmal errichten lieh. 

Bei diefem Anlaß find auch die vom General hinterlaffenen 
Schriften nad) Gaftelen gebracht worden; zweifelsohne in guter Ord— 
nung — da in des Generalgouverneurs Kanzlei eine mujterhafte Ord— 
nung geherricht hat. — Die Wittwe folgte fünf Jahre fpäter 1655 
ihrem jeligen Marne im Tode nad). 

Schloß Caſtelen fam in Folge deffen in den Befit der drei 
Töchter, von welchen beim Tode der Mutter noch feine verheirathet war. 

Daß diefe fih um die Hinterlaffenen Schriften de8 Generals 
nicht fonderlich befümmerten, iſt ſelbſtverſtändlich — daher, wie Röſe 
erwähnt, einzelne Urkunden zerrilfen und von Mäufen benagt wor= 
den fein mögen !. 

Daß der General aber diefelben in beiter Ordnung hinterlafjen 
habe, dieſes bezeugt der Herausgeber der Me&moires historiques con- 
cernant le General d’Erlach, Gouverneur de Brisach etc. 
Herr Albreht von Erlach von Spieß, und daß diefelben heute noch 
jehr gut erhalten find, davon kann ſich jeder überzeugen, der diejelben 
befichtiget. 

Da alle drei Töchter des Generals fi) außer Yandes verheira- 
teten, fo ftand feit dem Jahr 1659 das Schloß Gajtelen mit feinen 
literariſchen Schägen von feinen Eigenthlimern verlajfen da. 


ı Siehe Röfe, Herzog Bernhard der Große Bd. IL, Vorwort ©. IV, 


410 


AZuerft hatte fi) im Jahr 1656 Maria verheirathet mit bem 
ſchwediſchen Oberſten Arel von Zaupadel aus dem Heſſiſchen — 
dem Sohn des Generalleutenants und Kriegsgefährten ihres Vaters 
Georg Ehriftoph von Taupadel. 

Im Jahre 1659 verheirathete ſich Catharina Sufanna mit 
dem Freiherrn Johann Cafpar von Döringenberg zum Hirzberg eben- 
falls im Heifiihen, und im gleichen Jahre noch Yohanna Loyſa an 
den Freiherrn Yohann Friedrih von und zum Stein, hurpfälziichen 
Rammerherrn. 

Die Freifrau von Döringenberg hatte zwei Kinder, einen Sohn 
Wilhelm Ludwig, Herrn zu Wildenftein und Hirzberg, und eine Tochter 
Charlotte Sophie, welche den Herrn Georg von Riedeſel, Freiherrn 
zu Eiſenach und Hermannsburg, ehlichte. 

Diefe beiden Kinder ihrer verjtorbenen Schwefter Catharina Su: 
fanna, Freiin von Döringenberg, fette die Frau von Stein mitteljt 
Teftaments vom 20. Aug. 1701 zu %/s und !/s als ihre Erben ein, 
fid) bei diefem Anlaß zum legten Mal ale Frau von Gajtelen und 
Auenftein unterfchreibend. 

Dreißig Jahre fpäter, am 11. Yan. 1732, hat die Regierung 
von Bern Schloß und Herrſchaft Gaftelen von Johann Ludwig Ried: 
ejel, Freiherrn zu Eifenah und Hermannsburg, Königlich ſchwediſchem 
und hochfürſtlich Heſſen-Caſſelſchem geheimen Kriegsrath, im Namen 
der übrigen Erben handelnd — für die Summe von 90000 Thaler 
oder 21600 Louisdor und 400 Louisdor Trinkgeld angefauft und 
einen Amtsfig daraus gemacht. 

Bei diefem Anlaß wurden die mehrerwähnten hinterlaffenen 
Schriften de8 General® Johann Ludwig von Erlady von Gaftelen 
durch den damals regierenden Schultheigen Hieronimus von Erlad) 
von Hindelback behändiget. 

Durch deſſen Sohn aber, den Schultheißen Albrecht Friederid) 
Herrn zu Hindelbaef-Fägiftorf-Mattjtetten-Urtenen u. f. w. find die: 
jelben dem Herrn Albrecht von Erlach Freiherrn von Spieß ausge: 
händigt worden, welcer aus diefen Schriften, während er Gajtellan 
zu Frutigen war, im Jahre 1767 dasjenige Memoire in der „Tel—⸗ 
lenburg“ zufammenftellte, deſſen auch Röſe erwähnt, und das er zus 
nächft für feinen Sohn bejtimmt Hatte, dann aber aud) für die Def 
fentlichkeit, wenn es eine andere Geftalt erhalten haben würde?. 


= Siehe deutſches Spruchbuch ©. ©. ©. S. 667 im bernifchen Staatd- 
archiv. 
» Siehe Röſe Band II, Vorwort S. IV. Dieſe Schrift führt den Titel 
M&moires pour servir à l’histoire de la vie du General d’Erlach et 
de l’armee Weymarienne sous les Rois de France *Louis XII. et 
Louis XIV. Das Original ift hier bei dem handſchriftlichen Nachlaß des 
General® Johann Ludwig von Erlach. Eine Abichrift davon ift im dem 2Oger 
Jahren dieles Jahrhunderts dem Großherzog Carl Auguft von Sadjien-Weimar 
mitgetheilt worden, und eine andere fehr fchöne Abſchrift davon befigt gegen 
wärtig Herr Alt-Großrath Fritz Bürki in Bern. 


411 


Diefer gleiche Herr Albrecht von Erlach ordnete fodann die ihm 
übergebenen Schriften und ließ diefelben in 104 Folio- Bänden, nad) 
Materien geordnet, binden. 

Später im Jahre 1784 hat derfelbe Herr Albrecht von Erlad) 
von Spieß die urjprünglic nur für feinen Sohn ? beftimmte Zuſam— 
menftellung des Lebens des Generals Johann Ludwig von Erlach von 
Gaftelen für den Drud uıngearbeitet und in Iverdun in 4 Bänden 
herausgegeben. 

Das Werk führte nun den Titel: Me&moires historiques con- 
cernant le General d’Erlach, Gouverneur de Brisach Pays et 
Places en dependantes Pour servir etc. à l’histoire de la fa- 
meuse guerre de 30 ans et des regnes de Louis XIII. et 
Louis XIV., und wurde vom Berfaffer, der im gleichen Jahre 1784 
ftarb, dem Großherzog Carl Auguft von Sachſen Weimar gewidmet ®, 

Seit 1784 fcheinen diefe Originalaften, auf welche die vorer- 
wähnten Me&moires historiques ſich jtüßen, im Schloß Spiet 
gelegen zu haben, ohne daß diefelben je wieder jchriftitelleriich ver— 
wendet worden wären *. 

Aus dem Vorwort Röfes zum zweiten Band feines Herzog Bern- 
hard des Großen muß jedoch geichlojfen werden, daß im Yaufe der 
jwanziger Fahre diefes Jahrhunderts dein Großherzog Carl Auguft 
von Sachſen Weimar ein Theil diefer Akten abſchriftlich mitgetheilt 
worden iſt. 

Röfe, deſſen Buch im Jahre 1829 erichienen iſt, fagt näm— 
[ih auf Seite IV des Vorworts zum zweiten Band: „es bleibe un— 
beitimmt, wie viel von den in dem Erlachiſchen Familienarchive in der 
Schweiz aufbewahrten Nachrichten auf Verlangen des verjtorbenen 
Großherzogs (Carl Auguft) dem großherzoglichen Geheimen Hof» und 
— vor einigen Jahren in Abſchrift überliefert wor— 

ei“. 

Im Jahre 1829 wußte man demnach noch, daß die hinterlaſſe— 
nen Schriften des Generals Johann Ludwig von Erlach von Caſtelen 
im von Erlachiſchen Familien-Archiv (zu Spieß) aufbewahrt ſeien. 
Später fcheint ſich diefe Tradition gänzlich verloren zu haben. 

So führt Herr Wilhelm Feticherin-Lichtenhahn, welcher im Jahre 
1861 eine Biographie des Generald Johann Ludwig von Erlach von 


* &iehe Mémoires historiques, concernant le Général d’Erlach 
Iverdun 1784. Preface ©. IX. 

’ Diefer Sohn ift der fpätere Landvogt in Laufanne Gabriel Albrecht von 
Erfah, ein fehr verdienter bernifcher Staatsmann. 

° Siehe die Dedication à Son Altesse Serenissime Monseigneur 
Charles Auguste.Duc r&gnant de Saxe Weymar. 

* May de Romainmotieu, Hist. milit. Suisse, Lausanne 1788, der dem 
Marſchall von Erlach einen längeren Artikel widmet, bemerkt nur, daß ihm der 


Driginalvertrag der Weimarifhen Armee vom 20. Sept. 1639 gezeigt worden 
fei, die Hinterlaffenen Schriften aber hat er nicht benugt. 


412 


Gaftelen im Berner Tafchenbuch veröffentlicht Hat, unter den Quellen 
in erjter Linie die eben erwähnten Memoires historiques von 1784 
an und bemerkt dabei, das Werf enthalte in 4 Bänden einen Auszug 
aus den handichriftlihen Memoiren und der Aktenſammlung des Ge: 
neral®, welde nach den Göttinger gelehrten Anzeigen des Yahres 
1785 aus 104 Bänden beitanden haben foll!. 

Daß aber diefe 104 Bände Original» Akten noch im Archiv zu 
Spieg eriftiren, fcheint er fo wenig als andere bernifche Hiftorifer 
geahnt zu haben. 

Erſt als im Jahre 1875 (am 15. und 16. Sept.) im Schloß 
Spiet die dortige Bibliothek zur öffentlichen gerichtlichen Verſteige— 
rung gebradht wurde, kamen die hinterlajjenen Schriften des Generals 
Johann Ludwig von Erlad wieder zum Vorſchein, und zwar fcheint 
dje Steigerungsbehörde feine Ahnung von dem literarischen Werth 
biefer Schriften gehabt und überhaupt nicht gewußt zu haben, woher 
die „alten Schriften“, unter welcher generellen Bezeichnung die 104 
Solianten ausgerufen wurden, ftammten. 

Daß am erften Steigerungstag am 15. Sept. 1875 näm— 
lih, aud) das fteigernde Publicum, in dejfen Mitte fich doch Gelehrte 
befanden, nicht wußte, um was es fich eigentlich handle — ſcheint aus 
dein Umftand hervorzugehen — daß nicht weniger al8 12 Folio-Bände 
diefer Sammlung, welche in ihrer Gejammtheit entweder von ber 
Familie von Erlad) oder von der Stadt» Bibliothef von Bern gleid> 
fam um jeden Preis hätte erfauft werden follen, an franzöfiidhe 
Bücherliebhaber, deutſche und fchmeizerifche Buchhändler und Antiquare 
verfauft worden waren, nebit einem Band Original-Correjpondenzen 
des Marſchalls Turenne in Quart gebunden. Durd den Ber 
fauf der Briefe QTurennes iſt man in Bern erft darauf aufmerkſam 
geworden, daß die „hinterlafjenen Schriften“ de8 Generals Yohann 
Ludwig von Erlach von Gaftelen in Spieß verfteigert wurden; denn 
unter diefen nur konnten fi) jene Original= Correfpondenzen Zur 
renne® befinden. Glüclicherweife ift e8 denn auch dem Verfaſſer 
diefes Aufſatzes gelungen, am 16. Sept. 1875 die noch übrigen 90 
Bände der „hinterlafjenen Schriften“ für ein Mitglied der Familie 
von Erlad) zu erfteigern. Seither find von den mehrfach erwähnten 
104 Folio-Bänden durh Rückkäufe 100 Bände in Bern wieder ver- 
einigt worden. 

Bon den 4 nocd fehlenden Bänden hat ein einziger hiſtoriſche 


ı Siehe Berner Taſchenbuch auf das Jahr 1861, Borwort ©. 2. Doch 
ift dabei zu bemerken, daß der General Johann Ludwig feinerlei „handfchriftliche 
Memoiren“ hHinterlaffen bat. Er mar bis zu feinem Tode viel zu be 
ſchäftigt, um auch nur Zeit zu finden, Notizen über feine Erlebniffe niederzu⸗ 

reiben. 
” 2 Siehe Nr. 283 umd 290 des in Bern erfcheinenden Zeitungsblattee 
„Bund“ dd. 14. und 21. Oct. 1875, wo erwähnt wird, daß je 30 Bände 
vereinigt für 10 Fr. gewerthet und jo ansgerufen worden find. 


413 


Bedeutung. Derfelbe ift betitelt: Lettres du General du Hallier 
et du Duc de Longueville!, 

Zu beffagen bleibt indejjen immerhin der Verluſt des Quart- 
Bandes der Original-Correfpondenz des Marſchalls Turenne, der nicht 
mehr zurüdgelauft werden fonnte?., — 

Was nun ben Hiftorifhen Werth der aus dem allgemeinen 
Schiffbruch geretteten hundert Bände betrifft, jo iſt derfelbe fehr ver- 
fchieden, indem fi) darunter eine Menge Correfpondenzen abminiftra- 
tiven oder finanziellen Inhalts befinden, wie 3.3. die Correfpondenzen 
mit den unter dem Befehl des General» Gouverneurs von Breyſach 
ftehenden Commandanten anderer Feltungen und Plätze, wie Hohen— 
twiel, Lauffenburg, Rheinfelden, Freiburg, Stollhofen u. ſ. w. 

Aber auch die Frage ift ſchwer zu enticheiden, ob denjenigen 
Bänden, welche wirflich hiftorifhen Werth Haben, viel Neues werde 
entnommen werden fünnen, und zwar aus dem Grunde, weil hier- 
feit8 nicht befannt ift, welche und wie viele der vorhandenen Docu= 
mente feiner Zeit abſchriftlich nach Weimar mitgetheilt und von Höfe 
bereit8 benußgt worden find. 

; Daß fehr viele diefer Aktenſtücke abfchriftlih im Weimarifchen ge— 

heimen Hof» und Staats» Archiv liegen, ift aus der Angabe Röſes 
erſichtlich, welcher bezeugt, daß daſelbſt in ſechs Abfchnitten fünf 
ftarfe Folianten folher Abichriften vorhanden feien. Ohne Zweifel 
find zunächſt wohl alle diejenigen Briefe und Gorrefpondenzen ab» 
ſchriftlich nach Weimar mitgeteilt worden, welde vom Jahr 1635 
bis zum Tode Herzog Bernhards den °/ıs. Juli 1639 direct an 
diefen gerichtet worden find, 

Diefe Correfpondenzen füllen aber in der Hiefign Sammlung 
allein ſchon 3 Folianten, überjchrieben : 

Band I Lettres & SA. le Duc Bernard de Saxe- Weimar 
1635--1637. 

Bad I „ „ » » ” „9 ) 


— II „ „ „ „ „ »» „ 


Daß dieſe Correſpondenzen im Jahr 1642 dem Kammerjunker 
Heinrich Philibert von Kroſigk nicht ſammt der übrigen, laut Röſe 
im Archiv zu Gotha liegenden Canzlei Herzog Bernhards und den 


ı Die drei andern Folio⸗Bände, welche fehlen, find: 

1) Ein Band betitelt Lettres de Mr. d. Mollondin. Biefer war Se— 
eretär und Dolmeticher bei der franzöfiichen Ambaßade in Solothurn und heißt 
Jaques d’Estavayer Seigneur de Mollondin, Häufig nur Molendanus 

enannt, 
: 2) Ein Band Revue du Regiment d’Erlach betitelt. Diefe beiden Bände 
befinden ſich im Beſitz des Hrn. Gaiffe, Befiters des Schloſſes Oron. 

3) Ein Band Eorrefpondenz der Frau von Erlach, gebornen von Mülinen, - 
der Mutter des Generals, im Beſitz des Herren Fürſprech Mofer in Biel. 

2 Auch diefer befindet fich im Beſitz des Herren Gaiffe. 

° Siehe Röfe Bd. I, Borwort S. IV. 


414 


ihn gehörigen Mobilien übergeben worden find, ift ebenfo aufs 
fallend, als daß die drei Brüder Bernhards, die Herzöge Wilheln, 
Albrecht und Ernft, wie Röſe bezeugt!, in den weitläufigen und noch 
vorhandenen Verhandlungen mit dem General-Major von Erlach jo 
wohl als mit der franzöfifchen Regierung wegen ihres Bruders Ver 
lafjenschaft diefe Correſpondenzen nie erwähnt haben. 

Ein vierter Band, der feinem Hauptinhalte nad) wahriceinlic 
ebenfalls nach Weimar mitgetheilt worden ift, führt den Titel: Lettres 
entre Son Altesse le Duc Bernard et Mr. d’Erlach Siege de 
Brisach 

In diefem Band find indefjen mehrere eigenhändige Schreiben 
und Fuftructionen Herzog Bernhards enthalten, die nicht für die 
Memoires historiques benutt worden find und die weder Röſe noch 
Molitor zu kennen feinen, wie 3. B. die Inſtruction für den Ges 
neral-Major, ganz von der Hand Herzog Bernhards gefchrieben , bei 
Anlaß der Ernennung von Erlachs zu diefer Stelle, fowie die In— 
ftructionen, welche Herzog Bernhard in Pontarlier furze Zeit vor 
feinem Tode und nad den Beiprehungen mit Guebriant für den 
Abſchluß eines neuen Vertrages mit Franfreich entworfen hat. 

Ein fünfter Band, der zuverläffig in Abichrift nad Weimar mit- 
getheilt worden ift, führt den Titel: Tractaten mit Frankreich und 
Schweden vor und nah dem Tode Herzog Bernhards; derjelbe ent 
hält die von Herzog Bernhard am !P/gs. April 1635 und am 27. 
October 1635 mit Frankreich abgeichloffenen Tractate im Original. 

Diefer Band enthält namentlich auch die Verhandlungen, die 
bei Anlaß der Erneuerung der Verträge der weimarifchen Armee mit 
Frankreich ftattgefunden haben, ſowie da8 Original der beiden am 
er endlich abgeichloffenen Verträge, mit den Original =» Unter: 
fhhriften von drei Directoren (Reinhold Rofen war damals in Boll: 
weiler) und von ſechs Oberjten veriehen. 

Auch die damals mit der Krone Schweden, mit dem Reichs— 
fanzler Oxenſtirn und dem Feld» Marichall Banner gewechſelten 
Schreiben find in diefem Bande enthalten ?. 


ı Siehe Röſe Bd. II, Vorwort S.IX. Röſe irrt, wenn er auf S. VII 
des Vorworts die Bermuthung ausfpricht, diefe Schriften feien erft bei Abho- 
lung der Leiche des Herzogs Bernhard am 12. Sept. 1655 von Breiſach nad 
Weimar gebradjt worden. Im Jahre 1642 haben die drei Brüder Milbelm, 
Albreht und Ernft von Sachſen dem General-Major für alle dem Kammerjunter 
von Krofigk übergebenen Mobilien und Schriften quittirt. Einzig das Silberge- 
ſchirr und ein paar ganz genau befchriebene Juwelen follten als Pfand für 
die ihm fchuldige Penfion von 20,000 Reichsthalern in der Hand des General: 
Majors verbleiben, welcher deren Auslöfung wiederholt den Herzogen angeboten 
bat, dabei bemerkend, „dieſelben feien zu niedrig geichätst, er aber fei nicht reich 
genug, diefelben zu behalten“. Die bezügliche Note Röfes zum Teſtament Her- 
309 Bernhards Bd. II, S. 555 und 556 bedarf daher mehrfacher Berichtigung. 

2Daß diefe letztern abjchriftlich nad Weimar mitgetheilt worden find, er- 
giebt fi, aus Note 1 und 2 zu ©. 64 von Dr. Molitors Berrath von Brei- 
ſach, aus NR. 2 zu ©. 62, N. 2 zu ©. 68, 0.2 zu ©. 64 u ſ. w. 


415 


Außer diefen fünf Bänden, von welchen angenommen werben 
darf, daß diefelben durch die in Weimar liegenden Abfchriften und 
deren Verarbeitung durch Röfe und Molitor ihrem Hauptinhalte nad) 
bereit8 befannt find, gewähren noch 17 andere Bände hiftorifches 
Intereſſe. Vieles daraus ift zwar in den Memoires historiques 
bereit8 verwendet worden, Manches aber auch bisher unbeachtet ge= 
blieben. Bon diefen 17 Bänden find: 


5 Bände betitelt: Lettres de toutes Parts, und enthalten die mwichtiaften 
Eorreipondenzen des Generald von Erlach vom 1. Jan. 1639 bis zum Schluß 
des Jahres 1648. Weniger wichtig aber doch manches Intereffante enthal- 
tend find: 

3 Bände betitelt: Schriften von 1630 bis 1639 und Schreiben von 1645 
bis 1648. ‚ 

Bon großem biftorifchen Werth dagegen ift: 

1 Band betitel: Lettres du Roi de la Reine et de la Cour. 

Die wihtigften Briefe dieſes Bandes find indefjen bereits in den M&moi- 
res historiques abgedrudt worben. — Sehr wichtig ift auch 

1 Band betitelt: „Weimar“, die Eorrefpondenz Herzog Bernhards und 
des General:Majors von Erlach mit den Herzogen Wilhelm, Albreht und Eruſt 
von Sachſen-Weimar-Gotha enthaltend. 

Wichtig für die Kriegsgeichichte find ferner: 

2 Bände beiitelt: Schreiben von und zu der Armee. 

1 Band betitelt: Schreiben vom und zum Feind. 

1 Band betitelt: Generals» Berfonen, allerhand Obrifter und DOfficieres 
Schreiben. 

3 Bände — überichrieben, Gefangene Offiziere. I. Bd. Baßompierre und 
Sperreuter. II. Bd. Feldmarſchall Horn und Feldmarſchall-Leutenant Jean 
de Werth. III. Bd. Schaffelizti. 


Hieraus ergiebt fi, dag von der ganzen Sammlung 104 Bände 
beiläufig der vierte Theil, nämlich 22 Bände, mehr oder weniger hi- 
ftorifches Intereſſe darbietet; wozu indeſſen noch ein Duartband kommt, 
Driginal » Correfpondenz der Marichälle Turenne, de L'hopital und 
d’Harcourt mit dem General von Erlach von 1643—1649 enthaltend. 

1 Band interceptirter Briefe enthält das Euriofum einer eigenhändigen 
Unterfchrift Jean de Werbts. 

Unter dem militärifchen Correſpondenzen befinden ſich auch: 

3 Bände betitelt: Papiers de la Chancellerie du Général Bek trou- 
ves & la Bataille de Lens 20. Aug. 1648. 

1 Band betitelt: Lettres de Mons. le Baron d’Oisonville famt dem 
Lothringiſchen Einfall in das untere Elſaß. 

1 Band betitelt: Lettres lorsque Mons. d’Erlach comandait l’Armde 
du Roi 1649. 

Diefer letztere enthält manches Intereffante, 

Siebenzehn weitere Bände find mehr politifhen Inhalte. 


416 


Die Titel berfelben find folgenbe : 

1 Band Lettres de Messieurs les Plönipotentiaires de Münster et 
d’Osnabrük. 

Da der General von Erlach zum erften Bevollmädtigten Frankreichs bei 
der Bollziehungscommiffton für den mweftphälifchen Frieden ernannt worden war, 
die fi In Nürnberg verfammelte, ohne daf er fich indeffen je dorthin begeben 
fonnte, fo theilten feine Eollegen ihm ben Verlauf der Verhandlungen ſchrift⸗ 
lich mit, 

2 Bände Lettres des Ambassadeurs du Roi à Soleure, Caumartin, 
de la Borde de l'Isle, von 1640 an. 

3 Bände Eorrefpondenzen mit den Kantonen Züri, Bern, Baſel, Schaff- 
haufen, Solothurn, mit den zugewandten Graubündten und Mühlhaufen und 
mit den Bilhöfen von Chur und Conſtanz von 1641—1647. 

3 Bände betitelt: Fürften und Grafen Würtemberg, Baden, Eberftein, 
Sulz, Fürftenberg von 1639 - 1650. 

2 Bände betitelt: Vergleich mit dem Markgraf zu Baden und Markgräflid 
Badiſche und Herzoglid) Würtenbergiſche Schreiben von 1639— 1642. 

3 Bände betitelt: Reichsſtädte Straßburg, Colmar, Schlettftadt u. |. w. 

2 Bände betitelt: Bisthum Bafel von 1642 —1650. 

1 Band betitelt: Geiftliches und geiftliher Perfonen Schreiben. 

Acht Bände enthalten hauptfählich Eorrefpondenzen über finanzielle Ange 
Tegenheiten, nämlich: 

1 Band betitelt: Eorrefpondenz mit Hrn. von Rehlingen 1639 — 1642. 

1 Band Lettres de Messieurs Herwart, Banguiers in Lyon. 

2 Bände Sollicitations en Cour von 1639 bis 1649. 

1 Band Herrn Zieglers Schreiben von Schaffhaufen und Lyon 1646-41. 

1 Band Comptes avec Mr. d'Oisonville. 

2 Bände betitelt: Komiffarius ER. 

35 Bände find hauptſächlich adminiftrativen Inhalte. Sie enthalten die 
Eorrefpondenz mit den Kommandanten der Feftungen und Plätze, die unter dem 
Befehl des General» Gouverneurs von Breyſach ftanden oder fonft nahe Bezie 
hungen zu demjelben hatten, Davon betreffen: 

5 Bände die Feftung Hohentwiel. 

2 Bände Lauffenburg, Selingen und Waldshut. 

2 Bünde Rheinfelden. 

2 Bände Freiburg und Offenburg. 

3 Bände Breyſach, Decreta, Juftiz und Kammerſachen, Bergwerle. 

1 Band Kirchhofen, Kenzingen, Endingen. 

1 Band Mahlberg, Gengenbadh, Zell 1639 und 1640, 

4 Bände Dadıjftein und Molzbeim 1639 —1649, 

5 Bände Stollhofen von 1645— 1649. 

1 Band Altkirch und Plünderung von Kinzheim. 

2 Bände Neuenburg und Enfisheim 1639 —1649. 

4 Bände Tann, Enfisheim, Mürbach, Wildenftein, Gebweiler 1640 —1649. 


417 


2 Bände Toul und Mümpelgard, Belfort 1641— 1648, 

1 Band Benfeld 1638—1645. 

Bon wenig Bedeutung find folgende vier Bände, theild militärifhen und 
abminiftrativen, theils politiſchen Inhalte. 

1 Band betitelt: die Einguartierung der Negimenter von der Armee 1647, 

1 Band Schreiben der Offiziere von des Generals v. Erlach Regiment zu 
Pferd 1650. 

1 Band betitelt: Artillerie, Schanz: und Proviant-Sadıen. 

1 Baud Lettres de Mr. d’Etoy à Mr. d’Erlach Ambassadeur de la 
Seigneurie de Berne 1628. 

Sieben Bände endlich find überfchrieben: Privatfahen und berühren Red) 
numgs-Berhältniffe und Familien-Angelegenheiten von 1626—1656. 

Dahin ift auch zu zählen: Ä 

1 Band betitelt: Copies et Minutes de Demarchais et Laroche. 

Es waren dies die franzöfifhen Privat-Sekretäre des Generald von Erlad). 


Dies find die Titel der geretteten 100 Bände von den hinter— 
laffenen Schriften des Generals Johann Ludwig von Erlach von 
Gajtelen. 

Wir wünfchen ſehnlich, daß dieje reiche Sammlung von Ori« 
ginal-Eprrefpondenzen von den deutjchen Geichichtichreibern, die über 
die Zeit des dreißigjährigen Krieges jchreiben, gewiſſenhaft benutzt 
werden möge. — Schiller, Röſe, Barthold, Wolfgang Menzel u. ſ. w. 
würden den General- Major von Erlady viel günjtiger beurtheilen, 
wenn feine hinterlaffenen Schriften ihnen zur Verfügung geftanden 
wären, und Dr. Molitor Hätte in diefem Fall feine Brochüre wohl 
kaum gefchrieben. 


Ueber die Auswechelung 
des ſchwediſchen Feld-Marſchalls Guftav Horn 
gegen den kaiſerlichen und churbaieriſchen 
Feldmarſchall⸗Leutenant Jean de Werth. 


Von 


Aug. v. Gonzenbach. 


XVIIL 23 


Kurze Zeit nad Abführung des im zweiten Treffen vor Rhein— 
felden am = * 1638 in Kriegsgefangenſchaft gerathenen Jean de 
Werth nach Frankreich! hatte Herzog Bernhard den franzöſiſchen 
gl darüber jondiren lajlen, ob man geneigt wäre, die Mheinfelder 

efangenen (Jean de Werth und Enfeforth) gegen den Feldmarſchall 
Horn auszumwechjeln ?, der feit der Schlacht von Nördlingen 5. Sept. 
1634 in Ingolſtadt als SKriegsgefangener feitgehalten wurde. Allein 
der König fcheint Bedenken getragen zu haben, Sean de Werth frei 
zu geben; daher er rieth, die bezügliche Anregung der Krone Schwe- 
den für jegt und bis nad Ablauf des gegenwärtigen Feldzuges une« 
beantwortet zu laſſen. 

In diefer Auffaffung wurde der König durd feinen Gefandten 
in Stodholm d'Avaux beftärft, der die Beſorgniß äußerte: die Rüde 
fehr des Feldmarſchalls Guſtav Horn könnte mit Rückſicht auf die 





ı Am a 1638 begfeitete Rittmeiſter Starrſchaedel mit 150 Pfer- 


den von bes Herzogs Bernhard Leibeompagnie die beiden Generale Sean de 
Werth und Adrian von Enteforth von Benfeldt nad; Marfal in Lothringen, wo 
biefelben einer franzöfiihen Escorte übergeben wurden. Siehe Journal ber 
Weimariſchen Armee aus den Jahren 1837 und 1838 unter den binterlaffenen 
Schriften des General-Majors Johann Ludwig von Erlach von Eaftelen. Dieſes 
Journal if höchſtwahrſcheinlich eine Abichrift des vom General:Adjutanten Jo- 
hann Ehriftoph von der Grün verfaßten Journals, welches Röſe in dem Bor- 
wort zum I. Thl. S. XII und XIII feiner Biographie Herzog Bernhards des 
Großen von Sadjfen-Weimar erwähnt. 

2 Siehe umter den binterlaffenen Schriften des General-Majors von Er- 
lad) den Band , überfchrieben Lettres entre S. A. le Duc Bernard et Mr. 
d’Erlach. Siege de Brisach, fol. 5l. In einem Schreiben ohne Datum 
und Unterfchrift, aber zuverläffig im Monate Juli 1638 von der Hand bes 
franzöfifchen Secretär® des Herzogs, Feret, gejchrieben, wird dem General-Major 
von Erlach, damals Gejandten Bernhards in Paris, gemeldet: Je vous envoye 
cette d&peche par un expres pour plus grande surete, d’autant qu’il 
y en & deux pour le Roi et Mssr. les Ministres que vous prendrez la 

ine de delivrer; l’une concernant la dötention de Mr. le Mardchal 

orn, duquel la Reine et Couronne de Sutde m’ont dcrit pour &ssayer 
de procurer la libert6 par le moyen des prisonniers considerables qui 
furent pris en la bataille de Rhinfeld; à quoi je n’ai voulu donner 
röponse, que je ne sache les volontes de Sa Majesto. 


28* 


422 


innern Angelegenheiten Schwedens eher ungünftig wirken; im Felde 
aber fünne derfelbe dermalen aus dem Grunde nicht verwendet wer— 
den, weil bei der Armee feine Stelle für ihn offen ſei!. 

Bereitwilliger jcheint der Churfürjt von Baiern für die Aus- 
wechslung Horns gegen Sean de Werth damals geftimmt gewejen zu 
fein; Hatte er doch mit Schreiben vom 5. Dechr. 1638 Jean de 
Werth Ehefrau die Verficherung ertheilt, die Auswechslung ihres 
Ehewirths wäre längjt erfolgt, wenn es nicht am Gegentheil erman— 
gelte?, Wirklich fandte der Churfürft dann neuerdings einen Trom— 
peter mit bezüglichen Anträgen an Herzog Bernhard ®, welcher feiner 
Seits fich bereit erklärte, den Generalleutenant Jean de Werth, den 
Generalfeld » Wachtmeifter Adrian von Enfeforth und den Feldzeug— 
meifter Bafjompierre gegen den Feldmarſchall Horn, den General- 
major Zaupadel und den General-Commiſſär Scaffelizfi auszu— 
wechſeln. 

Herzog Bernhard konnte indeſſen dießfalls nicht ſelbſtändig han— 
bein, ſondern hielt ſich für verpflichtet, den von ihm geſtellten Aus— 
wechslungs-Antrag dem König von Frankreich zur Genehmigung vor= 
zulegen. 

In Frankreich wußte man aber dadurch neue Verzögerung in 
die beantragte Auswechslung zu bringen, daß man fich weigerte, die 
faiferlichen Generale aus Händen zu geben, bevor man fi) mit 
Piccolomini über das Löfegeld einiger anderer in kaiſerliche Kriegsge— 
fangenſchaft gerathener franzöfiicher DOfficiere, unter welchen ſich der 
Marquis de Feuquières befand, verftändigt haben werdet. 


ı Siehe Röfe Bd. II, Urkunde 55, S. 552. Der König antwortet auf 
die vorftehende Anregung betreffend die Auswechslung des Feld-Marihalle Horn 
am 18. Juli 1638 mie folgt: Pour le second point qui est la proposi- 
tion faite pour l’öchange du mare&chal Horn contre les Barons Jean 
de Vert et Enkefort, que vous avez pris à la bataille de Rheinfelden, 
considerant ces prisonniers comme les votres, vous me trouverez pret 
& les remettre en votre disposition, quand vous le desirez, neanmoins 
je juge apropos pour le bien de la cause commune, que vous differiez 
e reponse à cette demande le plus que vous pouvez, ensorte que 
vous laissez &couler le tems de cette campagne, durant lequel les éne- 
mis, qui ont peu de chefs parmi eux, pourroient tirer avantage de la 
delivrance de ces prisonniers, particulierement de Jean de Vert, que 
j’apprends qu’ils considerent beaucoup. &iehe aud) Barthold, Geſchichte des 
großen deutichen Kriege Bd. II, ©. 388. 

2 Barthold Il, S. 389. 

s Siehe Schreiben Biqueforts an Herzog Bernhard d. d. Bafel !?/,,. 
Nov. 1638. 

* Eiche Röfe Bd. II, Urkunde Nr. 55, ©. 551. Graf Guebriant, 
welcher im Frühjahr 1639 zu Herzog Bernhard nach Pontarlier gefandt wurbe, 
erhielt folgenden Auftrag: S’il parle de Jean de Wert, il faut lui dire que 
le Roi demeure d’accord que lui et Hinkefort (Entefortb) soyent 
changes pour le Mar&chal Horn, Tubal (Zaupadel) et Chevalisqui 
(Schaftelizty), mais que 8. M. ne desire pas quils sortent de ses mains 
quen même tems que Piccolomini, qui veut avec grande passion ra- 
voir le dit Hinkefort, soit d’accord de delivrer en möme tems les 


423 


In gleichem Sinne fehrieben Oberjt Betz und Hugo Grotiug 
in Briefen, die erft nad dem am ®/ıo. Tag erfolgten Tode Herzog 
Bernhards in feinem Hauptquartier ankamen‘, Durch den Tod 
Herzog Bernhards fam diefe Auswechslungs = Angelegenheit begreiflic) 
noch mehr ins Stoden, objchon die durch das Teſtament des Herzogs 
mit der Führung feiner Armee betrauten vier Directoren, nämlich der 
General-Major Johann Ludwig von Erlach, Oberſt Bernhard Ehm, 
Oberſt Graf Wilhelm Dtto von Naſſau und Oberjt Reinhold von 
Roſen, an der Thatjache feitzuhalten trachteten, daß die im zweiten 
Treffen von Rheinfelden gefangenen Officiere ihrer Armee gehörten 
und daher auch nur gegen Gefangene ihrer Armee ausgewechjelt wer« 
den ſollten. 

Allein die franzöfiichen Unterhändler Graf von Guebriant, 
Staatsrath Choify und Baron d'Oiſonville weigerten fi, dießfalls 


eine Bejtimmung in den am — Zt 1639 mit den Oberften der 
weimarischen Armee abgeichlojjenen Vertrag aufzunehmen, und bes 
Ihränften fi, ohne Jean de Werth und Enfeforth ausdrücklich zu 
erwähnen, auf die Erflärung, der König werde fich angelegen fein 
lafjen, für die Befreiung des General-Majors Taupadel und General: 
Commiffärs Schaffelitsfy das Mögliche zu tun ?, 





prisonniers quil a au Roi, non en dchange pour ceux lA, mais pour 
l'argent, selon qu’il se pratique entre le Cardinal-Infant et les troup- 
pes de S. M. 

! Siehe unter den hinterfaffenen Schriften des General-Majors von Er- 
lad den 3. Band überfchrieben: Lettres à S. A. le Duc Bernard de Saxe Ja— 
nuar — Yuli 1639. Lettres du S.A. Colonel Betz, Baris 12. Juli 1639, und 
Lettre de Hugo Grotius, Paris 24. Juli 1639, in melden beiden die Erfolg- 
lofigleit aller bezüglichen Bemühungen angezeigt wird. — Bet ſchrieb: Le 
Cardinal me dit qu’il rendrait Jean de Wert a V.A. mais puisque ce 
malbeur &toit arrive que Mr. de Feuquitre &toit prisonnier avec quan- 
tite d’officiers, quil prioit V. A. d’avoir un peu de patience jusqu’ à ce 
qu’ils soyent d’accord pour la rancon de leurs prisonniers, craignant 
que Jean de Wert 6tant relache * enemis leur feraient payer au 
double etc. etc. Hugo Grotins aber jchrieb am !*,,. Juli an den Herzog 
in bolländifcher Sprache, wie gewöhnlich, was Hier ins Franzöſiſche überfett 
folgt: Monsieur le Colonel Betz n'a pas neglige de faire tout ce qui 
est possible pour que le maréchal Horn soit mis au plütot en liberte 
par l'intercession de V. A. ce qu'on desire en Sudde autant que chose 
au monde. Non obstant tout le zele avec lequel on a agi dans cette 
affaire nous n’avons pü obtenir de la cour qu’une röponse ambigue: 
qu’on rendra à V. A. les prisonniers qui sont ici apres qu’on aura 
traite de la delivrance de Mr. de Feuquieres, ce qui pourra tarder en- 
core longtems; ainsi pour Mr. le mar&chal Horn etpour ceux qui desi- 
rent sa libert& il n’y a d’autre ressource que la patience, Personne 
ne doute que V.A. continuera de faire dans cette aflaire tout ce qui 
pourra servir à la rdussite d’une si bonne chose. 

» Siehe unter den Hinterlaffenen Schriften des General:Majors von Ers 
lady den Band überschrieben: Zractaten mit Schweden und Frankreich vor und 
nad dem Tode Herzog Bernhards, Die franzöfifhen Unterhändler erklärten: 
Nous vous osons bien assurer que S. M. fait une telle &stime du Gé- 


424 


Im Laufe des Jahres 1640 wurde indeflen von Seiten Schwe- 
bens, und zwar ſowohl durd den ſchwediſchen Feld-Marfchall Banner 
al8 durch den ſchwediſchen Gefandten Hugo Grotius in Paris, die 
Auswechslung des Feld-Marjhalls Horn gegen Jean de Werth neuer- 
dings eifrig betrieben. 

Bereit8 war Jean de Werth nad Nancy und der Feld-Marfchall 
Horn von Ingolſtadt, wo er gefangen gehalten wurde, bis Lindau 
geführt worden, um demmächft ausgemwechfelt zu werden, als durch 
den am 9/20. Mai 1641 erfolgten Tod des Marichalls Banner, 
alles wieder rücdgängig wurde, indem der Kaiſer und der Churfürft 
von Baiern es verhindern wollten, daß Horn das Commando der 
ſchwediſchen Armee an Banners Stelle übernehme; aber aud) von 
Seiten Frankreichs fcheinen Schwierigkeiten gemacht worden zu fein, 
indem der Gefandte d'Avaux in Stodholm nicht darein willigen wollte, 
daß beide ausgewechfelten Generale fofort wieder in Dienſt-Activität 
treten dürften. 

Unter folhen Verhältniffen wurde Feld -Marichall Horn von 
Pindau wieder in fein altes Gefängniß nad) Ingolſtadt zurückgeführt, 
was von Seiten des Churbaieriihen Minifteriums Sean de Werth 
mit Schreiben vom 26. Juni 1641 nad) Nancy mitgetheilt worden ift. 

Bon welcher Seite einige Monate jpäter die bezügliche Unter- 
handlung wieder aufgenommen wurde, iſt aus den uns zu Gebote 
ftehenden Akten nicht erfichtlich. 

Unter den bis in die neueſte Zeit im Schloß Spies (einer alten 
Beſitzung der Familie von Erlach) verwahrten ! zahlreichen Schriften 
und Correfpondenzen des General» Major Yohanı Ludwig von Er— 
lach von Eajtelen befinden fich nämlich zwei Folio-Bände überfchrieben : 
„Gefangene Officiere“. 

An dem einen diefer Bände find die Correfpondenzen rüdjichtlich 
der Auswechslung des Faiferlichen Feldzeugmeiſters Bafjompierre 
(Neffe des Marfchalls) und des kaiſerlichen General = Wachtineifter® 
von Sperreuter enthalten. 

Der andere Band, der hier zunächſt benutt werden foll, enthält 
die Verhandlungen und Gorrefpondenzen, die bei Anlaß der Auswechs— 
lung des ſchwediſchen Feld-Marſchalls Guftav Horn gegen den faifer- 
fihen und churbaierifchen Feld - Marfchall » Peutenant Sean de Werth 
gepflogen worden find ®. 

In den legten Tagen September 1641 überbradhte eine Ejtaf- 
fette des Gouverneurs von Nancy, General® du Hallier, ein Schreiben 
d.d. 22. Sept. nad) Breifach, die Anzeige enthaltend: Jean de Werth 


neral-Major Dobalt (Zaupadel) et du General-Comissaire Chevalisky, 
qu’elle ne refusera aucuns moyens honnötes et raisonnables pour les 
mettre en libert6 et avec Vous. 

ı ©. vorher ©. 409 ff. 

» Siehe hinterlaffene Schriften des General-Majors Johann Ludwig von 
Erlad; Band II, überfchrieben: Gefangene Officiere. — Wir werden diefen 
Band nur mit G. D. citiren. 


425 


folfe aus Auftrag des Minifters Grafen Chavigny nach Breiſach ge« 
bracht werden, daher der General» Major von Erlad eine Eskorte 
nah St. Die enden möge, um den hohen Kriegsgefangenen dort in 
Empfang zu nehmen, nachdem er zuvor den Tag der Uebernahme bes 
jtimmt haben werde. 

Betreffendb die Sicherheit des Transportes war nad) du Halliers 
Anfiht um fo weniger zu beforgen, als die Truppen des Herzogs 
von Lothringen fern feien, zwei feiner Angeftellten ſich aber gegen 
wärtig am Hoflager des Königs befänden !. 

Der General-Gouverneur von Breiſach kannte den franzöfifchen 
Hof und namentlich den Gardinal Richelieu zu genau, um in einer 
fo wichtigen Angelegenheit irgend etwas zu verfügen, bevor er ent— 
weder directe Befehle oder doc) Abfchriften der dießfalls an du Hallier 
gelangten Inſtructionen würde erhalten Haben. 

Er jchrieb daher zunächſt um Verhaltungsbefehle an den Hof 
und erfuchte mit Schreiben vom 28. Sept. den General du Hallier, 
ihm, da er direct nicht avifirt worden, die bezüglichen königlichen Be— 
fehle mitzutheilen. 

Bevor indejfen dies Schreiben an feine Beſtimmung gelangte, 
traf ein vom 30. Sept. datirtes Schreiben du Halliers ein mit ber 
Anzeige: „er habe, vom Hof gedrängt, Jean de Werth bereits nad) 
Saverne escortiren laffen, wo der General» Major von Erlach den: 
felben baldinöglichft in Empfang nehmen möge, da der König wie ber 
Gardinal die Auswechslung der kaiſerlichen und bayerifchen Kriegs- 
gefangenen gegen den Feld-Marſchall Horn zu beichleunigen wünſchen. 

Die von Breiſach ausgefandte Escorte traf fodann in Dadau 
mit derjenigen zufammen, mit welcher Hauptmann de Patiniere den 
Jean de Werth begleitete und die aus 5O Pferden und 50 Musque- 
tären beftand. 

Am 5. October überlieferte Hauptmann de Patiniere dem Ge- 
neral-Gouverneur von Breifad Jean de Werih gegen übliche Quittung, 
in welcher bezeugt wurde: der hohe Kriegsgefangene werde jo lange 
in Breifah in Verwahrung behalten werden, bis der König über 
denfelben verfügt haben werde?. 

Unmittelbar darauf begannen die Unterhandlungen für die beab- 
fichtigte Auswechslung, und zwar wurden diefelben nicht nur durch di- 
recte Correfpondenzen zwifchen dem General-Gouverneur von Breiſach 
und den churbaieriichen und franzöfiihen Miniftern betrieben, fondern 
auch durch Correfpondenzen der beiden friegsgefangenen Generale. 

Feld⸗Marſchall⸗Leutenant Jean de Werth injiftirte theils fchrift- 


ı ©. O. Bd. II, Fol. 39. 

» Siehe ©. D. Bd. II, Folio 42: Certifions que le Sieur de Pati- 
niere Capitaine au Regiment de St. Etienne a satisfait à ses ordres 
et nous a remis et livrd le dit Baron de Werth ce jourdhui, lequel 
nous garderous ici jusqu’& ce que nous recevions ordre ou commande- 
ment de ce qu’il plaira à S. M. d’en ötre fait... . En foi de quoi 
avons signe ce present certificat fait a Brisac le 5. Oct. 1641. 


426 


(ich theil® mündlich) durd feinen Secretär und feinen Pagen beim 
churbaieriſchen Minifterium für feine möglichft baldige Befreiung, und 
Feld⸗Marſchall Horn unterhielt eine nicht weniger lebhafte Correſpon⸗ 
benz in gleicher Abficht mit dem General-Gouverneur von Breiſach 
und mit dem ſchwediſchen Reſidenten Friedrich Richard Mokel in 
Benfeld, auch fandte er bald feinen Secretär Georg Suoilsfy, bald 
feinen Diener Matthias Hilgartner an den ſchwediſchen Feld-Marſchall 
bir an Mofel oder an den General-Major von Erlad nad) 
reiſach. 

Schon am 6. Oct. 1641 Hatte ſich der General-Major von 
Erlach bezügliche Befehle von Seite der Minifter Desnoyers und 
Chavigny erbeten, dem Pagen aber, den Jean de Werth! mit dringen- 
den Schreiben an das churbaierishe Minifterium nad) München fandte, 
gab der General- Major ein eigenhändiges Schreiben an ben Felde 
Marſchall Horn mit, um diefem feine Freude darüber zu bezeugen, 
ihn endlich am Ziele einer jo langen und harten Kriegsgefangenichaft 
zu wiſſen, ihn dabei, geftütt auf ihre alte Befanntichaft und Freund» 
ſchaft, verfichernd, daß er feiner Seits nichts unterlaffen werde, was ber 
baldigen Auswechslung förderlich fein könne ?, 

Beinahe gleichzeitig, mit Schreiben d. d. Stodholin den 9. Det., 
ſprach der Ganzler Orenftirn feine Zuverficht gegen den General-Major 
von Erlach aus, daß er bereit fein werde, „an feinem mwohlvermögenden 
Ort“ zur Befreiung des Feld-Marſchalls Horn, „der allezeit fein guter 
Freund geweien“, feiner Seits mitzuwirken. 

Das Schreiben des Reichskanzlers ilt in Form und Inhalt 
wichtig, indem aus demjelben ſich abnehmen läßt, weſſen man fich da- 
mals in Schweden von Seiten des General-Majors von Erlad) 


verjah ®. 


ı Siehe ©. D. Bd. II, Folio 43: Schreiben vom 6. Det. 1641. 

» G. 0. Bd. II, Folio 44: Je n’ay voulu laisser partir le page 
du Baron de Werth, sans l’accompagner de ce petit mot, pour vous 
reiterer les assurances de mon tr&s humble service, et vous t6moigner 
la joie que je ressens de vous voir en termes de sortir d’une si longue 
et ennuyeuse captivite, vous suppliant, de croire, que je n’obmetterai 
rien de tout ce qui sera en mon pouvoir, pour faciliter à avancer le 
dit change, et n’avez qu’a me commander ce que desirez que je fasse 
a ce sujet, et j'y travaillerai avec autant de zele et de franchise 
comme l’honneur de notre ancienne connaissance et amiti6 m’y ob- 
lige, dont j'espere bientöt vous assurer de vive voix et t6moigner par 
tout que je suis veritablement etc. (Schreiben des General» Major von 
Erlach an den Feld-Marihall G. Horn in Ingolftadt), 

2 Seit Abſchluß des Bertrags der Directoren der Weimarifchen Armee 


mit Franfreih am 5 Sr 1639 waren zwei und ein halbes Jahr ver» 


floſſen: hätte der Reichslanzler Drenftirn jene Verhandlungen ähnlich beurtbeilt, 
wie dieß im neuerer Zeit wiederholt, namentlih von Dr. Earl Molitor, geſchehen 
ift, fo hätte er faum in diefem Ton an den General» Gouverneur von Erlach 
geichrieben. Das Urtheil Orenftirns ift aber im vorliegenden Fall um fo ent« 
ſcheidender, als der Reichslanzler zunächſt durch den Bertrag der Directoren 





427 


Wir glauben daher da8 Schreiben feinem ganzen Inhalte nad) 
bier aufnehmen zu follen. Daſſelbe lautet: 

„Wohledler geftrenger und vefter, inſonders freundlich geliebt und 
geehrter Herr General - Major. 

Darnad) ich vernehme, daß es mit Meines geliebten Herrn 
Schwiegerſohnes des Herrn Feld - Marjchallen Gujtaff Horn Erledi- 
gung und Auswechiel ſoweit kommen, daß auf der K. Majejtät zu 
Frankreich nunmehr erfolgten gnädigiten Conjens, der Bayeriſche Ge— 
neral Jean de Werth ehilter Tage von Nancy naher Zabern und 
jo fürters nacher Breyſach überbracdht werden folle, um dem Aus— 
wechfel mit wohlgedahtem Herrn Feld-Marſchall dejto näher zu fein, 
und Ich mich bemebft der mit dem Herrn General-Majoren hiebevor 
alfezeit gehabter guter Converſation, auch feiner gegen Mir jederzeit 
temoignirten guten Affection erinnere, au weiß, daß der Herr Ges 
neral-Major wohlgedachtenes Meines geliebten Herrn Schwiegerjohnes 
des Herren Feld» Marfchallen Horns, guter Freund allewege gewest, 
jo habe ich das gute Vertrauen zu dem Herrn, Er werde von ſich 
jelbiten dasjenige was Er dißfalls Ihm zu gute und Freundſchaft 
erweijen fann, gerne befördern helfen; Ich hab’ aber gleichwohl aud) 
nicht unterlaffen fünnen, dem Herrn General- Major, mit dieſem 
Meinem Schreiben, gedadhten Meines geliebten Herrn Schwiegerjohng 
Sade und Erledigung zum beften zu reccomandiren, freundlich den= 
jelben erjuchend: Er möge an feinem wohlvermögenden Ort dahin 
cooperiren helfen, daß Hochgedachter Ihrer Königlichen Majeſtät gnä- 
diger Verordnung in diefem passu gebührend gelebet, und jo fürder- 
lichſt als möglich ſolcher Auswechjel fortgejegt werden möge, Der 
Herr General-Major wird dadurd Mid und die Meinigen, infonder- 
heit aber wolbemeldten Herrn Feld-Marſchall Horn zum Höchiten 
obligiren. Selbiger auch es mit allen angenehmen Dienſten zu er— 
fennen unvergeijen fein. Was auch Ich für Meine particulare dem 
Herrn General-Major an angenehmen guten Willen und Freundjchaft 
erweifen kann, dazu wird Er mid) jtets bereit finden, als der Ich 
ftet8 verbleibe ! 

Des Herrn General- Major 
dienftbereitwilliger 
Axel 
Oxenſtirn. 
Datum Stockholm den 9. Oct. anno 1641*. 


fi) hätte verletst fühlen müffen, wenn ein „Verrath“ darin lag, wie er denn 
feiner Zeit durch den Vertrag Herzog Bernhards von 1635 mit Frankreich 
wirffich verlegt worden ift. 

ı Siche G. O. Bd. UI, Folio 45. Die Adreffe des Briefes, der mit dem 
DOrenftirnifchen Wappen in rothem Siegellad verfiegelt war, lautet: Dem Wohl« 
edein, Geftreng und Beften Herren Hank Ludwig von Erlach, der Königlichen 
Majeftät zu Frankreich beftalltem General: Major und Gouverneuren der Beftung 
Bryſach, Meinem infonders freundlich geliebten aud) geehrten Herrn. — Das 
vorftehende Schreiben ift dem General-Major von Erlach durch den ſchwediſchen 
Refidenten Friedrich Richard Mokel in Benfeld übermittelt worden, Es ift dieß 


428 


Während die beiden FKriegsgefangenen Generale mit Ungeduld 
ihrem  bevorftehenden Auswechjel entgegenfahen, ſcheinen fich neue 
Schwierigkeiten erhoben zu haben, die man franzöfifcher Seits durch 
die Drohung: Yean de Werth an Schweden auszuliefern, wenn fein 
Auswechſel nicht beichleunigt werde, zu befeitigen hoffte. 

Durch fünigliches Schreiben d. d. Nesle den 17. Oct. erhielt 
der General-Major von Erlach nämlich den Befehl, dem Churfürften 
von Baiern zu eröffnen: „man werde Jean de Werth, Schweden als 
Pfand für die Piberirung des Feld-Marfchalls Horn zuführen, wenn 
der projectirte Auswechjel nicht bald erfolge“. Der General» Major 
beeilte jich dem erhaltenen Auftrag nachzukommen, allein bevor fein 
bezügliches Schreiben in Miinchen angekommen fein konnte, wurde 
durch ein Schreiben des Feld-Marſchalls Horn d. d. Ingolſtadt 
Yo. Nov. die eingetretene Verzögerung dahin aufgeklärt: 

„daß die Römiſch Kaijerliche Majeftät bei demfelben Anlaß ei— 
nige andere im jchwedifche Kriegsgefangenschaft gerathene faiferliche 
Dfficiere ansgewechfelt zu fehen wünfche“. 

Feld-Marſchall Horn hatte in Folge deffen feinen Secretär Georg 
Snoilsky an die Schwediiche Generalität abgefertigt, um bei derjelben 
auf Eutfprehung zu dringen. 

In Erwiederung aber auf das obenerwähnte Schreiben des Ge— 
neral-Majors von Erlach d. d. 8. Oct. hatte der Feld- Marfchall 
diefem wörtlich geichrieben : 

„Wohlgeborner Herr! 

Daß mein hochgeachteter Herr in feinem vom 8. Oct. au mic 
erlajienen geliebten Schreiben fid) unferer alten Connaiſſance und 
Freundſchaft erinnern umd die Continuation derfelbigen in möglichiter 
Beförderung meiner Erledigung dergejtalt wohlmeinentlich temoigniren 
wollen, dejjen bedanken gegen denfelben mich ganz dienftlichen, mit 
Bitte ſich gänzlich zu verfihern, daß ich nichts Mehreres, als die 
Gelegenheit zu erlangen wünjche, meinem Herrn hinwiederum anges 
nehme Dienfte zu erweijen“ ?, 


derfelbe, welcher im Jahr 1639 bei Erneuerung der Berträge der weimarifchen 
Armee mit frankreich den General:Major von Erlach „franzöfifcher Gefinnung“ 
beichuldigt hatte. Im Bewußtſein vielleicht, dem General Unrecht gethan zu 
haben, jchrieb Mokel bei Ueberjendung des obigen Briefes des Reichslanzlers an 
von Erlach: „Die fonderbare favorable und eifrige Affection, weldje mein groß- 
günftiger Herr General: Major, feit die erften Aviſen von Herauslieferung des 
Herrn Generald von Werth eintommen, zu Abvancirung des hochdefiberirten 
Auswechſels durch fleißige Communicationes an Herrn Obrift Mofer und fonften 
in der That bewiefen, ift allzit mit jchuldigem Ruhm an die Kron Schweden 
berichtet worden, und ich ſoll nicht unterlaffen derjelben Continuation an all 
denjenigen Orten zu bepraebiciren, wo id) verfichert bin, daß mein hochgeadhteter 
Herr General-Major fonderlihe Ehre und herzlichen Dank damit meritirt“. 

ı Mit Schreiben aus Chaulne hatte Graf Chavigny dem General-Major 
von Erlach geichrieben: Die Krone Schweden verlange, daß ihr Jean de Werth 
als Pfand für die vom Churfürften von Baiern immer wieder hinausgeicho- 
bene Erledigung‘ des Feld-Marſchalls Horn zugeführt werde. 

’ ©. O. Bd. I, Folio 49. Feld-Marihall Horn ſchließt fein Schreiben 


429 


Die gemachte Andeutung, als könnte Jean de Werth unter Um— 
ftänden nad) Schweden abgeführt werben, fcheint indefjen bei dem 
hurbaierifchen Minifterium nicht die gewünfchte Wirkung gehabt zu 
haben, vielmehr richtete Feld-Marſchall Horn in einem eigenhändigen 
Schreiben d. d. Ingolsſtadt "9/25. Nov. 1641 an den General» 
Major von Erlach die dringende Bitte: 

die angedrohte Transferirung Jean de Werths wenigitens bis 
zur Rückkehr feines Secretärs aus dem ſchwediſchen Feldlager zu ver- 
ſchieben, damit nicht feine fo lang gehoffte und nunmehr jo nahe ges 
brachte Eliberation abermals ins Stoden gerathe!. 

Bon Seiten des Churfürften von Baiern war nämlich dem Feld— 
Marſchall Horn durch den Hof» und Kriegsrath Johann Kitner er— 
öffnet worden, daß der Churfürft e8 bei dem, was hinfichtlich feiner 
Auswehslung gegen Jean de Werth beichloffen worden, wolle be= 
wenden laffen, „Römiſch Kaiſerliche Majeftät aber die befagte Aus- 
wechslung nicht wolle wirklich effectuirt haben, es jei denn die Aus— 
wechslung des Herrn Grafen Buchheimb und Herrn von Hofkirchen 
folhermaaßen, wie fich Herr Feld-Marſchall Bannier feelig den nächſt— 
vergangenen Frühling erklärt gehabt, zuvor adjujtirt“. 

Diefe ihm günftige Stimmung des Churfürften von Baiern be= 
forgte der Feld-Marſchall durch die Androhung, Jean de Werth nad) 
Schweden abzuführen, beeinträchtigt zu ſehen; allein er fcheint fich 
darin geirrt zu haben. 

Bald darauf kamen nämlich ganz beruhigende Schreiben in Brei— 
fah ein, indem der churbaierifche Minifter Graf Khurz: Sean de 
Werth meldete, feine Auswechslung hänge einzig noch von der Her— 
beibringung beider KRaiferlicher Kriegsofficiere von Hoflirh und Buch— 
heimb ab, „daher er nicht wolle hoffen, daß um dieſes geringen Ver— 
zugs willen (dafern e8 anders der Krone Frankreichs Herrn Feld⸗ 


an den General-Major von Erlach wörtlich wie folgt: „Meinem Herren babe 
ih durh dieß wenige meine Schuldigkeit bezeigen und deſſelben beharrlichen 
Freundſchaft mich ganz dienſtlich reccomandiren wollen, verbleibende meines 
Hochgeehrten Herrn 
Dienftwilliger 
Guftaf 


Horn 

Ingolsftadt den !/,,. Ibris 1641. 

Diefem Schreiben war eine Abichrift desjenigen Schreibens an den feld: 
Marihall ZTorftenfohn beigelegt, das fein Sekretär Georg Snoilsky ins ſchwe— 
diſche Hauptquartier überbringen follte und mittelft deffen der Feld - Marichall 
Horn empfahl, dem Wunſch des Kaiſers um gleichzeitige Auswechslung des Feld- 
Marihall-?eutenants von Hofkirchen und des General-Majors Grafen von Bud- 
heim zu entipredhen. 

ı GSiche Schreiben des Feld» Marihalle Horn fammt Beilagen, ©. DO. 
Bd. H, Folio 53. Dieß Schreiben war ſammt demjenigen des churbaiertichen 
Minifters Marimilion Graf Khurz an Jean de Werth d. d. Münden 1%/,,. 
Nov. 1641 durch einen Trompeter des dhurbaierifchen Kavallerie» Oberften von 
Neuenel aus dem Feldlager vor Hohentwiel an den Gonverneur der Feftung 
Breiſach überbracht worden. 


430 


Marſchalls Horn Libertät zu befördern Ernft fei) fie den Herrn 
Feld-Marichall-Leutenant wieder zurüdführen werden“ !, 

Noch zuverjichtlicher lautete ein Schreiben God. von Banrs, des 
Secretärs Jean de Werths, den diefer jeinem in München erkrankten 
Pagen Chriftoph Kugler nachgefandt hatte. Dieſer meldete nämlich ?: 
„es jei fein Zweifel, weilen die Kron Schweden des Feld-Marſchalls 
Horn Erledigung fo hoch defiderire, fo werde man Tags und Nachts 
die Sache fo fehr avanciren, daß der Herr Feld-Marjchall-Leutenant 
das Fünftige neue Jahr in Freuden auf freiem Fuß anfangen 
werde“. 

Biel mißtrauiſcher Scheint man indefjen in der Umgebung des 
Feld-Marſchalls Horn gewefen zu fein. 

So ſchrieb deifen Sekretär Georg Snoilsfy aus Nürenberg an 
den ſchwediſchen Nefidenten Mokel in Benfeld: 

Churbayern habe überaus jchlechte Luft, den Feld-Marſchall 
loszulaſſen, falls e8 nicht durch emfiges Betreiben von Seiten Sean de 
Werths und von den Kaiferlichen gleichſam forcirt werde“ ®, 

Dieje letztere Andeutung Snoilskys bezieht fi) auf den Bruder 
des Grafen Buchheim, welcher Oberfämmerer des Kaiſers und da= 
dur im Fall war, fi zu Gunſten des gefangenen General-Majors 
zu verwenden. 

Auch Refident Mofel war fortwährend voller Mißtrauen und 
zwar nach beiden Seiten: von Baiern erwartete er nicht® Gutes, 
weil der Feld-Marſchall ſelbſt wenig Vertrauen in die Aufrichtigkeit 
der Gefinmungen des Churfürſten jete, und daß auch auf Frankreich 
nicht zu zählen fei, hatte ihm das Auftreten des Gejandten d'Avaur 
in Stodholn im Laufe diefer Unterhandlung mehrfach bewiefen. 

Der General- Major von Erlady, der dieſes Mißtrauen durch- 
ſchaute, fette demfelben die größte Offenheit entgegen und theilte dem 
Refidenten Mofel in der Regel die eingelangten GCorrefpondenzen im 
Originale mit. 

Diefes loyale Verfahren ift ihm von Seite des ſchwediſchen Re— 
jidenten wiederholt angelegentlich verdankt worden. 

Diefelben Zweifel in die Aufrichtigkeit Frankreichs ſcheint auch 
der Feld-Marſchall Horn getheilt zu haben, und man darf fid) daher 
nicht wundern, daß der Reſident Mokel ſich glücklich fchätte, ihm im 
Laufe December8 eine Anftruction des Cardinals Richelieu an den 
franzöſiſchen Gefandten d'Avaux in Stodholm übermitteln zu können, 
welche feinen Zweifel mehr darüber auffoınmen ließ, daß Frankreich 


! Siehe G. DO. Bd. II, Folio 61: Schreiben des Grafen Khurz d. d. 
Münden 19. December 1641. 

2 Eiche G. DO. Bd. II, Folio 63: Schreiben Banrs d. d. Münden 21. 
November 1641. 

’ Siehe ©. D. Bd. II, Folio 51: Schreiben Snoilsfys d. d. */,,.Nov. 
an dem Mefidenten Mokel in Benfeld und Schreiben Snoilsfys vom gleichen 
Datum an den General:Major von Erlach Folio 57. 


431 


dermal die Auswechslung des Feld-Marſchalls gegen Jean de Werth 
wirklich wünfche ®. 

Auh von Minden lauteten die Nachrichten günftig; ein am 
10. Dec. aus dem Feldlager von Hohentwiel abgefertigter Neuenef- 
jcher Trompeter überbradjte Briefe des Grafen Khurz d. d. 3. 
Dee., die Nahricht enthaltend, daß der Churfürft geneigt fei, Straß— 
burg als Auswechslungeort anzunehmen, und aud) von Jean de Werths 
Pagen famen Briefe, die eine baldige Erledigung hoffen liegen ?, 

Noch einläklicher ſchrieb Graf Khurz am 17. Dec. an Jean de 
Werth, ihn verjichernd: „man fei berechtigt, vom ſchwediſchen General 
Torftenjohn, der dermal in Braunfchweig ftehe, demnächſt die Adju— 
ftirung der Gefangenen zu gewärtigen, auch fei Alles jchon worbe- 
reitet, um dem Feld-Marſchall Horn glei) nad) der Rückkehr feines 
Sefretärd nad) Straßburg abführen zu laſſen, daher er hoffe, dem— 
nächſt feinen Pagen, der wieder genejen, mit guten Aviſen an ihn ab= 
fertigen zu können“ ®, 

In Uebereinftimmung damit meldete Jean de Werths Secretär 
Banr mit Schreiben vom 1. Yan. 1642, daß durch den Kammer— 
diener des Grafen Buchheim eigenhändige Schreiben des Feld - Mar- 
ſchalls Zorjtenfohn nah Münden gebradht worden feien, das Ber- 
Iprechen enthaltend: „daß, ſobald Feld-Marfhall Horn ledig oder an 
einen unparteiiihen Ort geführt worden fei, aljobald auch Graf 
von Buchheim und Herr von Hofkirch nebſt Jean de Werth frei und 
ledig herüber convoijirt werden follen“ *, 

ieje frendige Neujahrsbotichaft konnte allerdings durch den 
Sieg, welden Graf Guebriant an der Spike der weimarifchen und 


1Dieſe Inftruction Richelieus an d'Avaur, melde dem Refidenten Motel 
von Stodholm zugelandt worden war, ift vom 27. Oct. 1641 datirt und lautet: 
Outre qu'en raison de l’6tat de l’armde de Sutde je desire grande- 
ment que Mr. le marechal Horn soit delivre, il n’y a rien que je ne 
voulusse faire pour le respect de Mr. le chancelier Oxenstiern que 
j’honore particulierement. Il le verra bien, je m’assure, en cequ’il y 
a d6ja quelque temps, que le colonel Jean de Vert est à Brisach, oü 
on l’a fait avancer, pour faciliter plus aisement l’&change qui doit 
ötre fait de sa personne avec le dit mardchal Horn. Il est honteux 
à ceux qui ont promis cet echange de la part de Monsieur le Duc 
de Baviere, d'avoir donn€ leur paröle d’une chose qui ne s’execute 
pas. Pour nous je m’assure, qu’on remarquera en toute la suite de 
cette guerre, que si nous sommes consideres à promettre nous sommes 
promts à exdcuter ce à quoi nous nous sommes engages. Giche G. D. 
Bd. II, Folio 68. 

» Siehe ©. DO. Bd. II, Folio 65 und 66, fowie den vom Faiferlichen 
Kriegsrath, Kämmerer und Feldzeugmeifter, beftellten Obrift zu Roß und Fuß, 
dem Neuenelſchen Negiments-Trompeter ausgeftellten Paß nad Breiſach, ſowie 
das Begleitichreiben des Oberſt von Neuenel an den General-Maior von Erlad) 
Folio 69 und 70. 

2 G. 0. Bd. II, Folio 71. 

* Siehe ©. DO. Bd. II, Folio 72: Schreiben Gob. von Banrs d. d. 
Münden 1. Jan. 1642 und Schreiben des Grafen Khurz d. d. 14. Januar 
1642, 


432 


beifiichen Truppen am 17. Yan. 1642 bei Kempen, in der Nähe von 
Grefeld, über die Generale Lamboy und Caſpar Mergi, die beide ge- 
fangen wurden, erfochten hatte, wieder in Frage geftellt werden. 

Auch wurde ſchwediſcher Seits gleich wieder das Mißtrauen wach, 
al8 dürfte der Churfürft von Baiern die Liberirung Mergis an die 
Erledigung des Feld-Marſchalls Horn knüpfen wollen !, 

Auch diefes Mißtrauen war unbegründet, konnte doch der General⸗ 
Major von Erlach wenige Tage ſpäter dem Reſidenten Mokel ein 
Schreiben des Grafen Khurz an Jean de Werth d. d. 28. Jan. 
1642 abſchriftlich mittheilen, die Verſicherung enthaltend: „daß nad) 
der Rückkehr des Sefretärs des Feld-Marjhalls Horn, der bei Toriten- 
john gute Satisfaction erhalten haben foll, der Feld-Marſchall Horn 
unfehltbar nah Straßburg abgeführt werden folle“. 

Der ſchwediſche Nefident, feiner Seits ſtets zum Mitrauen geneigt, 
war durch diefe Mittheilung Hoc) erfreut und antwortete, nachdem er 
diefelbe geziemend verdankt: „er hab fie auch alfofort, nicht weniger 
al8 andere bisher erwiejene große Zeugnüffe meines hochgeneigten 
Herrn General-Majors dem Herrn Feld-Marfchall Horn und deſſen 
vornehmer Familie zu tragender fonderbarer Affection, an höhern Ort, 
da e8 mit würflicher Gegenbezeugung Mehrers erkannt werden könne, 
gelangen Lafjen“ ® 

Endlich) (angte in München aud die förmlihe Zuftimmung des 
— zur Auswechslung des Feld-Marſchalls Horn ein. 

Um 29. Yan. 1642 theilte Kaifer Ferdinand III. den Chur: 
fürften Maximilian von Baiern nämlich die Antwort mit, welche 
Feld-Marſchall Torſtenſohn dem Grafen Schlif rüdfichtlich der Freie 
gebung der beiden kaiſerlichen Officiere von yore und Graf Bud 
heim hatte zufommen lafjen, und fügte in Betreff der Auswechslung 
Horns wörtlich bei: 

„Nun erinnern Wir ums zwar wohl derjenigen Bedenken, fo 
vorhin wegen Yoslaffung gedachten Horns nad) erfolgten Todesfall 
de8 Bannoͤrs fürgefallen fein, allweilen aber feither das Schwediſche 
Corps ein ander caput, nämlich ermeldten Torftenfohn, befommen, 
und dieß, wenn er fchon losgelaſſen wird, doc an fich jelbiten nicht 
Mehreres wird fchaden können, als was ohne das die nod übrige 
Schwediſche vires auf des Reichs Boden ohne ihr zuthun ver= 
mögen, als wollten wir Uns nicht zuwider fein laffen, zum Fall 
anderft Euer Liebden auch Ihres theils dawider fein Bedenken 
hätten, dag mehrermeldter Horn gegen deu von Werth ...... 
möge ausgemwechjelt und dimittirt werden, weilen ohne Zweifel her— 


ı Siehe ©. DO. Bo. II, Folio 73: Schreiben Mokels, durch welches er 
bie Schreiben abſchriftlich mittheilt, weldhe Graf Buchheim aus Cafſel an ben 
Ambafjador Wolf und an den Grafen Schlil richtete. 

G. O. Bd. J Folio 74. 


*BG. O. Bd. I, Folio 75: Schreiben Motels d. d. Benfeld den . 
Februar 1642. 


433 


nach wenn folches bejchehen der Dorjtenfohn feine paröle in acht 
nehmen, und den von Hofkirch und Buchheim auch losgeben wird, 
darauf wir diegorts trauen und uns verlajfen wollen, und wollen auch 
Euer Liebden ehijte Erklärung darüber erwarten“ !, 

Diefe Faiferliche Erflärung hat der Churfürjt dem Feld-Marſchall 
Horn am 17. Febr. 1642 mitgetheilt und ihm gleichzeitig eröffnen 
lafjen: er werde demmächit jemanden nach Ingolſtadt abordnen, 
der ihn nad) dem Ort feiner Auswechslung begleiten werde. 

Bald darauf am 26. Febr. fchrieb der Churfürft an Feld-Marſchall 
Horn: „daß nunmehr die Sache wegen Auswechslung feiner Perfon 
gegen den Feld-Marſchall-Leutenant Johann von Werth wie auch bei- 
der Cavalliere von Hoffirh und Grafen von Buchheim  beiderfeitig 
arretirt fei, zu welchen Ende Er (der Churfürft) feinen Truchſeſſen 
Renatum Ypphofen abgefertiget habe, ihm an dem Ort der Auswechs— 
lung aufzuwarten“, 

Dabei „congratulirte“ der Churfürft dem Feld-Marſchall Horn 
zu feiner Eliberation, die er ihm wohl gönne und gewünſcht hätte, 
diejelbe wäre jchon längſt erfolgt ?. 

Die vorjtehenden Schreiben, welche dem General- Major von 
Erlad abermals aus dem Teldlager vor Hohentwiel zugefandt worden 
waren, theilte er fofort dem Reſidenten Mokel in Benfeld mit, bei« 
fügend, daß er leider feine neueren Befehle, diefe Auswechslungs-An— 
gelegenheit betreffend, vom franzöfifhen Hof erhalten habe. 

Das lette Schreiben, welches der General-Major dießfalls em- 
pfangen hatte, war vom 26. Oct. 1641 batirt und befchränfte fich auf 
die Weifung: den durch den General du Hallier auf des Königs Be— 
fehl nad) Breiſach geführten Baron Jean de Werth fo lange daſelbſt 
in DVerwahrung zu behalten, bis ihm weitere Befehle zugehen 
würden ®, 

Diefe in Ausficht geftellten Befehle waren bis dahin nicht einge— 


ı © O. Bd. II, Folio 76. Siehe dort Abichriften des Schreibens des 
Kaifers an den Ehurfürften von Baiern vom 29. Jan. 1642 und der Schreiben 
des Ehurfürften von Bayern d. d. 17. und 26. Febr. 1642 an Feld-Marihall 


ort. 

* Barthold II, S. 392 dürfte fi) daher doch wohl geirrt haben, wenn 
er annimmt, die Befreiung des von Hofkirchen fei mit dem Erledigungségeſchäft 
Johannes von Werth nicht in Berbindung geftanden, 

: ©. D. Bd. II, Folio 48. Das Schreiben des Königs d. d. Berberye 
26. Dct. 1641 lautet wörtlich: 

Monsieur d'Erlach 

ayant seu comme le Sieur du Hallier a envoy& le Baron de Werdt 
& Brisach, &estimant que le maréchal Horn y pourroit &tre arriv6 pour 
faire l’6change qui a &t& convenu de leurs personnes: J’ai bien voulu 
vous t&moigner par cette lettre que j'approuve que vous l’ayez 
regu et que mon intention est que vous le fassiez garder avec la su- 
ret6 requise jusques-a nouvel ordre etc, 


Louis, 
Sublet, 


434 


getroffen, daher der General Major die Auswechslung vorher nicht 
hätte über ſich nehmen dürfen. 

Der ſchwediſche Nefident Mofel erfuchte in Folge diefer ihm ge— 
machten Mittheilung den General= Major, einen Expreſſen nad) Hof 
zu jhiden, um die nöthigen Befehle zu erwirfen, und erbot fich die 
dadurch erlaufenden Koften zu übernehmen !. 

Diefem Wunſch entfprad der General-Major, indem er am 3. 
März an die Herrn Herwart in yon eine Staffette abgehen ließ 
mit dem Auftrag, die überbradhten Schreiben fofort durch Expreſſen 
an die Herrn Des Noyers und Baron d'Oiſonville zu fenden und 
die zu gewärtigende Antwort ihm mittelft feines Couriers fofort wies 
der zufommen zu laffen. 

Allein bevor die Schreiben des General-Majors an ihre Adreffe 
gelangt waren, trafen Befehle des Königs und des Grafen Chavigny 
in Breijad ein, welche geeignet waren, nad) allen Seiten Beruhigung 
zu verbreiten. 

Der König eröffnete nämlich mittelft Schreibens d. d. Valence 
26. Febr. dem General- Major: der päpftliche Nuncius habe dem 
Churfürften von Baiern angezeigt, daß man franzöjifcher Seit zur 
Auswechslung des Marfhalls Horn gegen den Baron de Werth be= 
reit ſei, daher diejer legtere feine Yiberation beim Churfürften be= 
treiben möge, wie denn alles dem König genehm fei, was diefe Aus— 
wechslung beſchleunigen werde ?. 

Im gleichen Sinn hatte Graf Chavigny ebenfalld am 26. Febr. 
aus Lyon an den General-Major gefchrieben ®. 


ı Siehe G. DO. Bd. II, Folio 77: Schreiben des Nefidenten "Motel an 
den General-Major von Erlady d.d. Benfeld *%/,,. Febr. 1642. Mofel fchrieb: 
„Er zweifle nicht, es werde der großgünftige Herr General-Major durch ſolche 
courtoisie fowohl die ganze Krone Schweden als infonderheit den Herrn Feld- 
Marſchall und deffen gefammte Familie zu immermwährender Dankbarkeit aufs 
Höchſte obligiren“ zc. 

2Siehe G. O. Bd. II, Folio 89. Das Schreiben des Königs lautet: 

Monsieur d’Erlach. 

Le Sr. Nonce de Notre Saint Pere le Pape en cette cour a fait 
savoir & mon cousin le Duc de Baviere qu'il ne tient pas & moi, que 
l’öchange du Baron de Vert ne se fasse pour le mardchal Horn, qui 
est prisonnier de guerre entre ses mains, et ndanmoins jene vois pas, 
que cette affaire s’avance comme je le desire bien fait. C'est ce qui 
me donne sujet de vous &crire cette lettre, pour vous dire que vous 
donniez avis au dit Baron de Vert de faire de son cot& tout ce qu’il 
pourra, pour faire resoudre promptement le dit Sr. Duc à cet change, 
à quoi vous contribuerez aussi de votre part tout ce que vous jugerez 
y pouvoir etre utile. Vous assurant que vous me rendrez en ce fai- 
sant service tres agréable. Sur ceje prie Dieu qu’il vous ayt, Monsieur 
d’Erlach, en Sa Sainte garde. 

derit a Valence ce 26. Fevrier 1642, 

Louis. 
Bouthillier. 

: Eiche G. DO. Bd. II, Folio 79. Chapigny ſchriebt Comme S.M. a 

cette affaire fort à coeur, vous lui rendrez service tr&es agreable de 


435 


Allein während man dergeftalt in der Zuverficht beftärft wurde, 
daß von Seite Frankreichs feine neuen Schwierigkeiten zu erwarten 
feien, erwedten zwei Schreiben, die Feld-Marſchall Horn heimlicher 
Weife mit verjtellter Schrift und unter falſchem Namen aus feinem 
Gefängnig an den Nefidenten Mofel hatte gelangen laſſen, bei diefem 
wieder lebhafte Bejorgnifje über die Abfichten Churbaierns. 

Feld-Marſchall Horn jchrieb am 18. Febr. nämlid unter dem 
Namen Michael Brumeyer und in verdedter Weife dem Refidenten 
Mokel: den bayerifchen Verſicherungen fei nicht zu trauen, daher der 
General-Major von Erlad) aufgefordert werden folle, Jean de Werth 
nicht frei zu geben, bevor der Feld-Marſchall ihm übergeben fein 
werde, überhaupt aber, je näher er ride, um jo mehr folle er auf 
feiner Hut ſein!. 

Diefe beiden Schreiben theilte Reſident Mofel dem General- 


Major am mn 1642 im Original mit und wiederholte gleich- 


zeitig die Bitte um Abjendung eines Expreſſen an den König, „damit 
der großgünftige Herr General-Major die Ehre und den hohen Ruhm 
erhalten möge, zur Erledigung eines jo ehrlichen und vornehmen 
Gavaliers das Allermehrite und Beſte gethan zu haben“. 

Während durch diefe beiden anonymen Schreiben des Feld-Mar- 


contribuer tout ce qui vous sera possible pour la faire rdussir, si vous 
en savez quelque moyen etc. 

ı Siehe ©. D. Bd. II, Folio 81 und die dazu gehörigen Beilagen Folio 
100 und 101. 

Der Brief Horns ift an „Ferdinand Pendt“ gerichtet, welches ein zwiſchen 
ihm und Refident Mofel übereingeflommener Name zu fein ſcheint. In dem 
Brief wird ein Berlauf einer Waare fimulirt, unter weichem der Auswechſel 
der beiden Gefangenen verftanden wird. Der „Michael Brumeyer“ umnterzeich- 
nete Brief, den Reſident Mofel mit den zu feiner Berfländniß nöthigen Auf- 
ichlüffen dem General» Major im Driginal zugefandt hat, lautet: „Mit dieſen 
wenigen Zeilen aber will ich den Herrn gebeten haben, daß er auf Alles gute 
Acht gebe und mitdem „bewußten guten Herren in der Nachbaurſchaft“ (jo wird 
General: Mojor von Erlady bezeichnet) wegen der bewußten Sache vertrauliche 
Eorrefpondenz pflegen und fie ermahnen wolle, daß fie durch einige guten Mie- 
nen und ftarfe Beriprechen und Aufichneiderei der „Schwäger‘ (jo wird EChur- 
baiern bezeichnet) oder derjenigen fo fie dieſesfalls expreß der Dexter einſchicken 
nicht wollen abufiren und zur Sicherheit oder Unachtſamkeit bewegen laffen, 
fondern mit Fleiß dahin vigiliren, daß die „bewußte Waare“ (fo wird Jean de 
Werth bezeichnet) wohl verfichert bleibt, bi® die contente Bezahlung davon er 
folgt fein wird‘ ac. 

Das andere Schreiben Horns, ebenfalls vom 18. Febr. datirt, ift viel weit— 
läufiger, aber nicht unterichrieben, und giebt unter verdedten Namen Kunde von 
der Einwilligung des Kaiſers zur Auswechslung; auch darin wird die größte 
Borficht empfohlen. Der Auswechſel Jean de Werths wird bezeichnet mit „Be— 
zahlung der niederländiſchen Waare“. Der Ehurfürft von Baier heißt Herr 
Wilhelm, Ber Kaifer Herr Rudolph. Zorftenfohn unfer Advocat. Hof 
tirch umd Buchheim heißen beide Stüd. Smoilsfy Heißt Better Jacob. Die 
kaiferlichen und baierifhen Gefangenen heißen die mothleidenden Vupillen. 
Motel Heißt Herr Factor. von Crlad heißt der Bormund im SOberhaus 
n. |. w. 


XVIII. 29 


456 


ſchalls in Benfeld und in Breiſach allerlei Zweifel erweckt wurden, 
war indejjen Feld-Marſchall Horn bereit8 von Ingolſtadt abgeführt 
worden, um dem Auswechtlungsplat näher zu fein. 

Allein diefe Zweifel wurden durch ein am 5. März in Breiſach 
eingelangte8 und vom 2. März aus Rain datirtes Schreiben des 
Churbaierischen Hauptmanns und Truchſeß Renatus von Ypphoven 
wieder weſentlich beſchwichtigt. 

In dieſem Schreiben wurde der General-Major nämlich erſucht: 
„ermeldten Herrn von Werth zu der bevorſtehenden Auswechslung 
ohne Verzug nah Straßburg zu liefern, allwo man fich der weitern 
Auswechslung Halb vergleichen werde“. Gleichzeitig wurde der Ge— 
neral-Major gebeten: „ſich darüber vernehmen zu laſſen, wie jtarf 
man mehrerwähnten Johann von Werth; auf den Auswechslungsplag 
zu bringen gedenfe, damit der churbaierifche Comiſſär ſich mit noth- 
wendigen Gavallieren und Reutern in gleihmäßiger Quantität gefaßt 
machen fönne“ 1, 

Tags darauf am 6. März traf der Diener des Feld-Marſchalls 
Horn Mathias Hilgartner mit einem eigenhändigen, ebenfall® von 
Rain 2. März datirten Schreiben feines Herrn an den General- 
Major von Erlady in Breiſach ein, welches die Anzeige enthielt: 
„Der Churfürit beabfichtige ihn (Horn) zum Zwed des Auswechſels 
nah Tübingen zu transferiren, von dort aber nicht eher aufbrechen 
und dein Auswechslungsplag näher rücen zu laſſen, man habe denn 
zuvor gewijfe Nachricht erlangt, daß der Herr Feld-Marjchall-Yeutnant 
Johann von Werth zu Straßburg wirklich angelangt fei* ?. 

Gleichzeitig erfuchte Feld-Marjchall Horn, feinem Abgefandten in 
Allem, was er mündlid) vorbringen werde, vollen Glauben beizu— 
mejjen. 

Worin diefe mündlichen Mittheilungen beftanden haben, ift nicht 
zu ermitteln, jedoch irren wir faum in der Annahme, daß der Diener 
Horns den auch im dem itberbrachten Schreiben ausgeſprochenen Wunſch 
unterftügen follte, daß der Auswechslungsplat dieſſeits Rheins, aljo 
auf dem rechten Rheinufer, bezeichnet werden möge. 

Auch auf Beihleunigung follte derfelbe wohl dringen; dieſem 
letztern Wunſch aber ftanden dienftlihe Rückſichten im Wege. 

Die Zumnthung, daß der Feld» Marjchall » Yeutenant Jean de 
Werth vorerjt nad) Straßburg gebracht werden folle, lehute der Ges 
neral-Major am gleichen Tage (am 6. März) dem Hauptmann von 
Mphofen gegenüber mit aller Entjchiedenheit ab, „da er ein ſolches 
Vorgehen nicht verantworten könnte, e8 wäre denn, daß der Feld— 
Marſchall Horn zugleich nach Straßburg gebracht und nur Egalität 
darin gehalten werde, auch der Auswechjel in jelbiger Stadt vollzogen 
würde; und fönnte auf folchen Fall ermeldte Stadt fi reverfiren, 
feinen von obgedachten Herrn [08 zu laffen, bis beide dahin fommen 


' Siehe ©. D. Bd. II, Folio 83. 
» Siehe ©. O. Bd. II, Folio 82. 


437 


und zugleich auf freien Fuß gejtellt würden, demjenigen auch, fo zuerft 
dahin gelangen würde, falls der Andere wider Verhoffen nicht Hin- 
eingebracht werden follte, wieder zurüdführen zu laffen“. 

Für den Fall, daß ein ſolches Vorgehen baierifcher Seits nicht 
beliebt würde, jchlug der General-Major noch einen andern Weg vor, 
der darin bejtände, „daß beide oftgedachte Herren zwiſchen Breiſach und 
Dffenburg an einen gewijfen Ort begleitet und dafelbjt im freien 
Felde gegeneinander ausgewechfelt würden, wejjentwegen man fich denn 
beiderjeitig vergleichen möchte, mit wie viel Pferden es gefchehen folle, 
mit der Offerte, fi im Namen feines allergnädigften Herrn und J. 
K. M. Soldatesca dahin zu verobligiren, daß Alles aufrichtig und 
redlih, ohne alle Arglift und Auffag zugehen foll, auch ohne Hinde— 
rung diefer Partie mit ermeldtem Herrn Feld» Marfchall frei ficher 
dahin gelangen, und hingegen J. von Werth nad) bejchehener Aus- 
wechslung ſicher wieder zurücführen zu fönnen, verhoffend, daß fie 
ebenmäßig ihrerjeits ein Gleiches thun wollen“. 

Sclieglid wurden dem Hauptmann von Mphoven vorgejchlagen : 
„bis Alles vichtig gemacht würde, den Feld - Marfchall Horn in die 
Nähe, entweder nach Offenburg oder nad Stolihofen zu begleiten, 
wodurch viel Zeit gewonnen und die Sache beſſer exrpedirt würde !*”. 

Dem Feld-Marfchall Horn gab der General-Major von feinen 
Vorſchlägen Kenntniß und bemerkte dabei: „den ihm gemachten Vor— 
ſchlag, daß Herr Feld-MarfchallsLeutenant von Werth querit nachher 
Straßburg gebracht werden folle, finde er gar zu inegal, und könnte 
er auch, wie der Herr Feld» Marjchall felber ermeſſen würde, gegen 
% 8. M. nicht verantworten, fonderlich weil ſolches wider die Re— 
putation laufen würde“ ?, 

In der Zwijchenzeit war Feld-Marſchall Horn bis Tübingen 
escortirt worden, wo die beiden vorgenannten Schreiben in Empfang 
genommen wurden. 

Hauptinann von Mphofen wagte begreiflich von ſich aus nicht zu 
entjcheiden, welchen der beiden WBorjchläge des General - Majors 
der Vorzug zu geben jei, fondern fandte den Pagen Jean de Werths, 
Chriſtoph Khugler, damit nad) München an den Churfürften ®. 


I Siehe ©. D. Bd. II, Folio 90: Schreiben des General» Majors von 
Erlach à Mr. d'Yphofen Capitaine au Service de S. A. de Baviere, Brisac 
6. Mars 1642. 

» Siehe ©. DO. Bd. 1I: Das Schreiben des General- Majors von Er— 
lad) an den Feld⸗Marſchall Horn d. d. Breifad den 6. März 1642, al® Ant 
wort auf das durd Mathias Hilgartner überbrachte Schreiben. Es wird darin 
wiederholt: „daß der General- Major von Herzen wünſche, daß der vorhabende 
Auswechſel eheft Fortgang gewinne, und er zu feiner höchſt befiderirten fis 
bertät ohne ferneren Aufenthalt gelangen möge, dazu er denn feines Theils 
allen möglichen Borihub zu thun, und fein vormaliges Anerbieten feiner 
Sculdigkeit nad in dem Werk zu erweifen ganz begierig und gefliffen ſei“ ꝛc. 

: Siehe ©. DO. Bd. II, Folio 87: Ein Driginal-Schreiben Feld-Marihall 
Horns an den Mefidenten Mofel d. d. Tübingen 6. März 1642, in welchem 
die Abfendung Khuglers nad) München erwähnt wird. Schreiben Motels d. d. 
Benfeld °/,,. März 1642, 


29 * 


438 


Während des dadurd) veranlaften mehrtägigen Aufenthaltes in Tü— 
bingen fcheinen im Feld-Marſchall neue Bejorgniffe aufgetaucht zu 
fein, veranlaßt durd das Gerücht, daß zwiſchen Straßburg und Brei— 
ſach franzöfiiche Truppenzufammenzüge ftattfänden, daher er den Reſi— 
denten Mokel erjuchte, von Seite des General- Majors von Erlad) 
einen fürmlichen „in optima forma außgeftellten Geleits-Brief (Salva= 
Gonduct) zu erwirfen“ ?, 

Allein der General: Major beichränfte ſich darauf zu erwidern, 
er habe dem bayerijchen Commiſſarius bereits alle wünſchbare Sicher— 
heit angeboten ?. 

Wirklich ſcheint man denn aud) in München weniger Beforgniffe ges 
habt zu haben als in Tübingen, zumal der Churfürft Marimilian am 13. 
März das nachfolgende Schreiben an den Hauptmann von Mphofen erliek, 
das hier feinem Wortlaute nad) aufgenommen wird, weil daraus die Ver- 
Schiedenheit des Styles der fürftlicen Ganzleien, wie er damals in Deutſch— 
land und in Frankreich üblich war, deutlich erfehen werden kann. 

„Wir haben dein (jo jchrieb der Churfürft an feinen Truchjeß von 
Mphofen) ans Tübingen von 10. diefes Uns zugethanes Schreiben 
ſammt den Driginal-Beilagen empfangen und daraus vernonmen, was— 
geftalt, fowohl unfer Feld-Marjchall-Yientenant der von Wörth felbft, 
als auch der General-:Major von Erlach vorfchlagen und fürs Beſte 
erachten, daß der bevorjtehende Auswechjel zwiichen ihnen von Wörth 
und dem Feld-Marfchall Horn nit zu Straßburg, fondern bei Yahr 
auf der Höhe geſchehe“. 

„Die weilen wir dann an ſolichem Vorſchlag fein Bedenken, als 
wollen wir auch gejchehen lagen, dag du ihnen Horn zu ſolchem Ende 
dahin nad Offenburg überbringeft, dem von Erlach de8 Horn An— 
funft nad) befagtem Offenburg commmunicireit, den Tag und Stunde, 
warn auf angezogenem Berg bei Yahr die Auswechslung gefchehen 
folfe, avifireft und vergleicheft, und weil der von Erlach die Anzahl 
beiderjeit8 mitkommender Reiter dir heimgeftellt, fo haft neben dem 
Neuenkirchiſchen Oberjtleutenant von den befchriebenen 150 Reutern allein 
100 auf Auswechſelplatz mitkommen, die übrigen 5O aber ins Quar- 
tier zurücgehen zu laffen,. Auch jolche mitfommende Anzahl der 100 
Neuter dem Erlach, damit er feinerjeitS auch foviel und mit mehr 
hide, in angeregtem deinem Schreiben zu notificiren. Ihme bei— 
neben zu bedeuten, daß man mit feiner gethanen Obligation, dag Alles 
aufrichtig, vedlich, ohne Arglift und Auffag zugehe ze. zufrieden, auch 
darin feinen Zweifel mache, uud ji) diejjeites allerdings zu einem 
gleichmäßigen obligirt haben wolle :c. 

Datum München, den 13. Martii. 

Sig. Marimilian, 
Scott, Secretär“. 


! Siche ©. D. Bd. II, Folio 92 und 93: Schreiben des Refidenten 
Motel d. d. Benfeld 9. März 1642, 

2Siehe ©. D. Bd. II, Folio 93: Die Antwort des General: Majors 
auf vorficheudes Schreiben. 


439 


Diefer Erlaß des Churfürſten ift durch den eng von Yp⸗ 
hoven mit Schreiben d. d. Weilerſtadt den %/ıs. März dem General— 
Major von Erlach abſchriftlich mitgetheilt und dabei bemerkt worden: 
er habe den ſchwediſchen Feld-Marſchall Guſtaf Horn mit einem 
Obriſtleutnant zwei Rittmeiſtern und 100 Pferden nach Stollhofen 
begleitet, „daher den Herrn General-Major erſuche, den Feld-Marſchall⸗ 
Yentnant Herrn Yohan von Werth dur ebenmäßige Officier und 
100 Pferd nad Yahr auf benannte Höhe und Mealftatt, um beider 
Herren Generalen relaration zu effectuiren, zu begleiten, ſowohl den 
Tag und Stund, um alldort unfehlbar zu erjcheinen, baldmöglichit be= 
deuten zu laſſen“. 

Dies Schreiben ſchließt mit folgender Verſicherung: „ALS thue 
im Namen der Römiſch Kaiferlichen Majeftät, ſowohl Churfürftlic) 
Durchlaucht in Bayern vor deren ſämmtliche Soldatesfa gutiprecden, 
und daß dießſeits feine Zreulofigfeit verübt, aufrichtig procedirt, 
Herr Feld» Marjchall » Yeutnant von Werth ungehindert jicher von 
Ahnen nad) Yahr oder auf den zum tauglichiten findenden Pla und 
Herr Feld» Marjchall Horn wieder ficher zurückgeführt, ja Alles mit 
gleihmäßigem Candor und gutem teutſchem Vertrauen zugehen folle, 
fraft dieſes meines hiemit an Verſicherungs jtatt verfertigten Schrei: 
bens erflären, und dießſeits feitzuhalten allerdings mich verobligiren“ 1, 

Am gleihen Tage hatte Feld: Marihall Horn wieder feinen 
Diener Mathias Hilgartner mit Schreiben d. d. Weilerjtadt P/ıs. 
März an den General- Major abgefertigt, die Bitte enthaltend, Ort 
und Tag der Auswechslung zu bejtimmen, und mit diefem Entjcheid 
den Hilgartner beförderlichit nach Stollhofen zurüdzufenden ?, 

Dieß Drängen fette den General-Major jedoch in etwelde Ver— 
legenheit, zumal fein durch die Vermittlung der Banquiers Herwart 
m 3. März nad Hof gefchiefter Courier noch nicht zurückgefehrt und 
aud) vom Baron d’Difonville, dem er am 6. März die von Rain 
anı 2. März erhaltenen baterifchen Auswechslungs-Vorfchläge mitge- 
theilt hatte, noch feine Antwort erfolgt war ®, 


1G. O. Bd. II, Folio 99: Schreiben des Renatus von Yphoven an 
ben General-Major d. d. Weilerftabt den 16. Martii 1642 in originali und 
demſelben abjchriftlich beigelegt das —— des Churfürſten Marimilian 
ke 5 bei — Erbtruchſeſſen ꝛc. d. d. Münden 13. Martii 1642, 

. O. Bd. II, Folio 90. 

3 ein ° 'o. B. II, Folio 89: Das Schreiben an d'Oiſonville d. d. 
6. März lautet: 

ar Je vous &cerivis il y & trois jours par un extraordinaire 
et vous priai de vouloir solliciter en Cour un ordre comme j'aurais à 
me conduire en ce rencontre. Depuis est arrive ici le valet de cham- 
bre de mon dit Sr. Horn qui m’a present deux lettres dont je vous 
envoye cy-joint les copies...... or nonobstant quil y ait bien à 
redire aux propositions que vous verrez dans la lettre du capitaine 
d’Yphofen commissaire du Duc de Baviere, et que je ne sois pas si 
sot, que d’envoyer Jehan de Vert en un lieu neutre avant que je 
sois assurdE que le Sr. Horn y vienne, aussi je ne laissai pas de les 
entretenir toujours en traitant jusqu'à ce que je regoive réponse A mes 


440 


Unter ſolchen Verhältniffen blieb dem General- Major nichts übrig, 
al8 den Auswechslungstermin fomweit Hinaus zu rüden, dag in ber 
Zwilchenzeit die verlangten Verhaltungs- Befehle noch eintreffen konnten. 

Er nahm um fo weniger Anftand, dieſes Auskunftsmittel zu er= 
greifen, als ber ſchwediſche Nefident Mokel ihm empfohlen hatte: 
„fh wohl zu hüten, weder dem Herrn von Werth oder den Sei- 
nigen, und noch viel weniger den bayeriichen Comiſſariis in einig 
Weg zu entdeden, als ob die Sachen dießorts anftänden, ſondern allein 
ob dem was neulich und unbillig . . . - - des Auswechjelplages wegen 
zugemuthet worden, erhebliche Urſach zu nehmen, daß bis zur Einfunft 
einer gehofften erfreulichen Refolution aus Franfreih die Zeit mit 
Hin- und Widerfchreiben und Scicden gewonnen, ſolches aber ber= 
maßen menagirt werden möge, daß ja die Bayerischen feine geuugſame 
Urſach daraus ergreifen mögen, mit dem Herrn Feld-Marſchall wieder 
zurüdzulauffen“ ?, 

Den vorftehenden Rath des fchwedifchen Reſidenten befolgend, 
jandte der General-Major den Mathias Hilgartner am gleichen Tag, 
an welchem er in Breiſach angefommen war, am °/ıs. März nämlich, 
mit feiner Antwort an den Hauptmann von Mphoven zurüd, in 
welcher er den Auswechslungstag bis auf den !*/sı. März hinaus: 
ſchob, obſchon in der plöglichen Unpäßlichkeit Jean de Werths und in 
der fchweren Erfranfung Torftenfons ein Grund mehr für Beichleu- 
nigung ber Auswechslung zu liegen fchien. 

Der General-Major fchrieb nämlich dem baierifchen Commiſſarius: 
„daß ihm der gethane Vorfchlag in Allem beliebig; feine jchriftliche 
Gegen-Verfiherung, daß alles redlich ohne Falſch und einige Argliſt 
zugehen folle, nehme er gleichfalls auf Cavalliers Parole an, welche 
er fi laut feines vorigen Schreibens ebenmäßig ohne Betrug auf- 
richtig zu halten nochmals obligire. Auch wolle er den Feld⸗Marſchall⸗ 
Leutenant von Werth, mit einem Obriftleutnant zwei Kittmeiftern 
und 100 Pferden zum beſtimmten Wechfelplag begleiten laſſen, wo fie 
künftigen Montag ben 4. März Morgens um 9 Uhr gewiß au« 
fommen folfen. in Rittmeifter famt einem Trompeter und 4 Pferden 
folfen eine halbe Stunde vorangehen, die Gelegenheit des Ortes zu be= 
fichtigen, deßgleichen der Herr Hauptmann von feiner Seite zu thun 
auch belieben wolle, damit beide Parteien fich vorderift, wo die Truppen 
ftehen und auf welchem Plat zwifchen denfelben beide Herrn Generale 
gegeneinander ausgeantwortet werben folfen, vergleichen mögen“ ac. 

Am Ya. März, aljo drei Tage vor den feſtgeſetztem Termin, 
kam endlich der langerfehnte Courier mit Briefen vom Hof zurüd. 
Und zwar überbrachte derfelbe nicht nur Schreiben des Königs und 


— — de ne donner sujet de plainte aux ministres de la Reine 
e Suede. 
! Siehe ©. DO. Bd. II, Folin 86: Schreiben Molel® d. d. Benfelb 


5. März 
23. Sehr. 1642, 


441 


des Minifters Desnoyers d. d. °/ıs. März aus Narbonue, ſondern 
auch ein aus Agde vom *ıs. März datirtes Schreiben des Cardinals 
Richelieu, worauf der General-Major den größten Werth legte, da er 
des Beifalls dieſes legtern ficher fein wollte. 

Der König befchränfte fi darauf, zu wiederholen, daß er die 
Auswehslung, bisher durch die Feinde verhindert, beſchleunigt zu 
jehen wünſche!. 

Das Memoire, ebenfalls vom König unterzeichnet, jtellte die Art 
und Weife, wie diefe Auswechslung geschehen folle, ganz und gar der 
Klugheit und Vorjicht des General-Majors anheim und gab einige 
Direetionen, wie man ſich dem Feld-Marſchall Horn gegenüber zu 
benehmen habe, dem eröffnet werden jolle, daß der König alle andern 
Anträge in Betreff der Piberirung Jean de Werths abgelehnt habe ; 
im übrigen folle dem Feld-Marſchall Horn völlige Freiheit gelajfen 
werden, ſei e8 nach Frankreich zu kommen, wo er einen guten Em— 
pfang erwarten dürfe, ſei e8 direct nad) Schweden zu reiſen?. 

Das Schreiben des Minifters Desnoyers bejtätigte den Inhalt 
der Füniglihen Schreiben ®. 

Der Cardinal Richelien aber empfahl ausdrücklich, den Feld-Mar- 
ichall mit allen ihm gebührenden Ehren zu empfangen und denfelben 
der hohen Achtung zu verfichern, in welcher er auch bei ihm ftehe®. 


ı Siehe ©. O. Bd. II, Folio 94. Das Schreiben des Königs lautet: 
Monsieur d’Erlach. Vous verrez par le mémoire que vous recevez 
avec cette lettre, quelle est mon intention touchant l’&change du Ba- 
ron de Vert avec le mar&chal Horn. Sur quoi n’ayant & vous faire 
savoir d’avantage, je vous dirai seulement que je serai bien aise que 
cette affaire soit ex&cutde apres tant de retardement que les enemis 
y ont aporte. Priant sur ce Dieu quil vous ait Monsieur d’Erlach en 
Sa Sainte Garde. 

Ecrit & Narbonne le 13. Mars 1642, 

Louis. 
Sablet. 

2 Siehe ©. DO. Bd. II, Folio 95. Im Memoire wurde gejagt: 

L’intention du Roi est que l’&change du Baron de Vert se fasse 
effectivement avec le Sr. mardchal Horn, S. M. voulant donner à la 
Reine et Couronne de Sutde ce temoignage de la part quelle prend 
a Ses interöts, outre quelle considere en cela le Sr. Oxenstern grand 
Chancelier de Suede, dont le dit Sr. mardchal Horn est si proche, et 
le merite particulier du dit Sr. mardchal. Sa Majeste commet cette 
affaire & la prudence du dit Sr. d’Erlach, ne doutant point quil ne 
sache bien prendre ses pr&cautions pour la faire avec sureté en sorte 
quil ne soit point tromp& par les enemis. Quand le dit Sr. mardchal 
Horn sera hors de leurs mains et en liberte, le dit Sr. d’Erlach lui 
fora entendre avec quelle impatience Sa. Majeste a désiré sa delivrance 
et avec quelle fermöte elle a refuse diverses propositions qui ont été 
faites, pour celle du Baron de Vert sans cet échange etc. 

s Siehe G. DO. Bd. II, Folio 97. Das Schreiben Des Noyers, ebenfalls 
wie da8 Memoire aus Narbonne vom 13. März datirt, ift eine bloße Wieder: 
holung defielben. 

* Siehe ©. DO. Bd. II, Folio 96. Das Schreiben des Cardinals Niche- 
fieu, das aud im 3. Bande der M&moires historiques ©, 44 abgebrudt ift, 


442 


Kaum hatte der General» Major diefe verichiebenen Schreiben 
eınpfangen, durch welche das legte Hinderniß bejeitigt wurde, das ber 
beabfichtigten Auswechslung noch entgegenftand, als er diejelben im Ori— 
ginal dem Reſidenten Mofel nad) Benfeld überfandte, feiner Ueber— 
zeugung getreu, daß, je größer das Mißtrauen, um fo größer aud) 
die Offenheit fein müffe, durch welche jenes bekämpft werden foll. 

Der ſchwediſche Refident, der urfprünglich ficherlicy nicht zu den 
Berehrern de8 General-Majors gehörte, antwortete denn auch darauf 
wörtlich folgendes': 

„Hochwohlgeborner Geftrenger Herr General, 
Großgünftiger Höchftgeehrter Herr! 

Für die großgünftige Communication hiemit wiederfommender 
Driginalien, auch Alles was zur Entledigung des Herrn Feld-Mar— 
ſchalls Guſtaf Horns bishero jo gutmüthig und eifrig angewendet 
worden, fonderlich aber für die erwiinfchte resolutiones, jo der Herr 
Obriſte Mofer mündlich mitgebracht, fag ich ganz dienftlichen und ge— 
horfamen Dank, Hab folches Alles nicht weniger gegen die fünig- 
liche Majeftät zu Schweden, Meiner allergnädigften Königin und 
Fräulein jelbit, al8 gegen Dero und Ihrer Reiche Kanzlern, der ſchul— 
digen Gebühr nad) bereits uffs Höchfte angerühmt, und werde es 
ferner zu preifen ohnabläffig continniren, ift auch an dein Danf, fo 
darauf erfolgen würdt, durchaus nicht zu zweifeln; Wie folhen dern 
Hochmohlermeldter Herr Feld» Marjchall zum forderjten perjönlich 
ablegen wiürdt, warn Ihm Gott die Guad verleihet, vollends anhero 
zu kommen, und ein oder andere Nothwendigfeit zur vorhabenden 
Reis in Frankreich an Hand zu bringen. Jenes verhoffen wir 
heute, diefen Tag zu erleben, und fein eben in Bereitſchaft, deßwegen 
nach Rheinau entgegen zu ziehen, den Reitern fo die Convoi thun eine 
falte Küch mitzubringen, und die erfolgende Freude anf den Abend 
mit Löſung etlicher Canons allhier zu bezeugen. Darneben bitt id, 
ganz dienftlih umb nur ein wenige Andeutung, was wegen des 
Courriers fo diefe gute Brief von Hof gebracht für Ohnkoſten aufge= 
gangen, folle der Gebühr nad dankbarlich refundirt werden. Reco— 


lautet: Monsieur. Le Roi Vous envoyant ordre de faire l’&change du 
general Jean de Vert avec Monsieur le mar6chal Horn, je prends la 
plume pour vous faire connoitre particulierement que S. M. sera tres 
aise que vous fassiez le dit dchange avec toute la courtoisie et la ci- 
vilit& qu'il se pourra et que vous tdmoignez à mon dit Sr. marechal 
Horn l’&stime qu’Elle fait de sa personne. Vous m’obligerez aussi 
beaucoup de l’assurer de mon aflection et de mon service et du desir 
que jai de lui en rendre des preuves aux occasions qui m’en donne- 
ront lieu. En votre particulier Vous croirez, s’il vous plait, que je 
n’en perdrai aucune de vous faire voir en effet que je suis veritablement, 
Monsieur, 

d’Agde 14. Mars 1642. 

Votre tres affectionnd Serviteur 
Le Cardinal de Richelieu. 

" Siehe ©. O. Bd. II, Folio 100: Schreiben des Refidenten Mokel in 

Benfeld an den General-Major bon Erlach, Gouverneur der Feftung Breiſach ac. 


443 


mandire Meinen Hochgeneigten Herrn General hiemit der Huld Gottes 
und mic, feiner beharrlichen gratia. Datum Benfeld Marty 
1642 


Meines Hochgeneigten Großgünftigen 
Herrn Generales 
Gehorſam willigfter Knecht 
und Diener 
Friedrich Richardt Mokhel“. 

So brach denn endlich der für die Auswechslung beſtimmte 
14/94. März an. 

Früh Morgens an diefem Tag fetten ſich Obriftlentnant ofen 
mit zwei KRittmeiftern md 100 Pferden, in deren Mitte der Feld— 
Marichall-Leutenant Jean de Werth, in Bewegung und ritten aus der 
Feſtung Breiſach bis auf die Höhe von Yahr, wo fie unweit Mahl: 
berg an der für die bevorjtehende Auswechslung bejtimmten Brücke 
anhielten. 

Durd) die beiderfeits vorausgeſchickten Nittmeifter war verabredet 
worden, daß beide begleitenden Esforten auf der Seite der Brücke 
ftehen bleiben jollten, von welcher fie auf die Brücke zugeritten waren, 
während die auszuwechſelnden Generale allein die Brücke überjchreiten 
und fi unter den Schuß der jenfeitigen Escorte ſtellen jollten. 

Opriftlentnant Roſen, der zuerjt auf dem Plage angekommen 
war, hatte feine Escorte dieffeit8 der Brücke bereits gehörig aufges 
ftelft, al8 von der andern Seite die baierifche Escorte mit dem Feld— 
Marſchall Horn ſich näherte. 

Kaum erblicten die zuerjt anfommenden Baiern ihren alten hoch— 
verehrten General in Mitte der Roſenſchen Reiter jenfeits der Brücke, 
als fie von ihren Pferden jprangen und zu Fuß mit dem Feld-Mar— 
Ihall Horn über die Brüde hinüber famen, Jean de Werth umrin- 
gend und freudig begrüßend. 

Die biefjeitige Escorte unter des Obriftleutnant Rofen Commando 
verblieb dagegen im Sattel, fo daß es ihr ein Leichtes gewejen wäre, 
wenn fie nicht durch Gavaliers- Parole gebunden geweſen wäre, bie 
jenfeitige Escorte, die ohne Führer daftand, in die Flucht zu 
ihlagen, und den baieriichen Commiſſär famt feinen Officieren mit 
beiden Generalen in die Feftung Breiſach zu führen. 

Jean de Werth war der einzige unter den Seinigen, welcher den 
Fehler fühlte, den die baierifche Escorte begangen hatte; er war es 
denn auch, der zum Aufbruch drängte. 

Nachdem man fich gegenfeitig falutirt, ritten beide Escorten, den 
——— General an ihrer Spitze, nach ihrem Standquartier 
zurück!. 


Dieſe Darſtellung iſt dem offieiellen Bericht wörtlich entnommen, welchen 
der General: Major von Griah den Miniftern Des Noyers, Chaviguy am 
16/4. März 1642 erftattet hat. Siehe ©. D. Bd. II, Folio 98. Das Thea- 
trum Europaeum 3b. IV, S. 961 und auch Barthold II, S. 392 laſſen 
die beiden Generale über Kriege: und Friedenszeitungen ſich unterhalten und in 


444 


Der Gouverneur von Breiſach war dem Feld-Marſchall Horn 
bis Kenzingen entgegengeritten, ihm freiftellend, ob er nad) Benfeld 
oder nach Breifach geleitet fein wolle. 

Nachdem der Feld-Marſchall ſich für Breifach entfchieden Hatte, 
ritt er dort unter dem Donner der Gefchüte ein, und wurde da= 
febft mit allen militärischen Ehren und Auszeichnungen empfangen, 
die feinem hohen Rang zufamen. 

Der General-Major von Erlach, der wahrzunehmen glaubte, 
Teld-Marfchal Horn hege ſtets noch ein gewiſſes Mißtrauen, als fei 
Tranfreich feiner Auswechslung abgeneigt gewefen, handelte ihm gegen- 
über in gleicher Weife, wie gegen den Refidenten Mofel, indem er 
dein Feld-Marſchall feine ganze bezügliche Korrejpondenz im Original 
vorlegte und ihm auf feinen Wunſch jogar Abjchriften der königlichen 
Schreiben gab. 

Dadurch jcheint der Feld-Marſchall jo jehr befriedigt worden zu 
fein, daß er fich entjchloß, dem König und dem Gardinal Richelieu 
feinen Dank perfönlih darzubringen. 

Der König empfing ihm mit großer Auszeichnung im Yager von 
Perpignan und beſchenkte ihn mit einem mit Diamanten reich bes 
jetsten Degen. 

Die vom General-Major von Erlach im Yaufe der Unterhand- 
lung wiederholt ausgefprochene Anficht aber, daß Frankreich von der 
Befreiung des Feld-Marſchalls Horn größere Vortheile, al8 von der: 
jenigen Sean de Werts Nachtheile zu gewärtigen habe, Hat jich nicht 
bewährt; zumal der Feld- Marjchall Horn nicht mehr an die Spike 
der fchwedifchen Armeen getreten it, während Jean de Werth den 
franzöfifchen Feldherren und Armeen noch ſchwere Schläge beigebracht 
hat; dein Marjchall Guebriaut bei Rothweil und Zuttlingen 1643, 
dem Herzog von Enghien vor Freiburg 1644 und Qurenne bei 
Dachau, wenige Tage vor der Proclamirung des Friedens von Münfter 
und Osnabrüd im October 1648. 


ritterlicher Höflichkeit erfi von einander fcheiden, nachdem reichlich gemoffener 
* ihr Geſpräch immer mehr belebt hatte? Der officielle Bericht erwähnt 
nichts davon, 


Der Wiener Congreß von 1515 
und die Politik Marimiliand I. gegenüber 
Preußen und Polen. 


Bon 


Xaver Liske. 


I. 


Seitdem ich im J. 1867 im VII. Bande der Forſchungen 
meine Studie über den Wiener Congreß von 1515 veröffentlicht, 
haben ſich meines Wiffens die Quellen für diefes jo wichtige Ereigniß 
nicht wejentlich vermehrt. Cine Bemerkung des Prof. Hirih (SS. rer. 
Prussicar. Band V, ©. 469) hat aber meine Aufinerkjamfeit auf 
zwei bisher nicht benutzte Handichriften gelenkt, welche neues Material 
für diefe Zufammenkunft enthalten follten. Prof. Hirſch Schreibt näm— 
[ih an der citirten Stelle: „ein ausführlicher Bericht über diefe Ge— 
jandtfchaftsreife Eberhard Ferbers nad Krakau und auf den Congreß 
zu Preßburg mit vielen intereffanten Einzelheiten von der Weder eines 
Theilnehmers diefer Reife findet ſich theils in Bornbachs Sammlung 
der Randtagsreceife Tom. IV, ©. 728—818, theil® in einer Hand» 
Ihrift der ehemal. Delrihsfchen Bibliothek (jet in der Bibliothek des 
Joachimsthaliſchen Gymnafiums in Berlin, 8. Nr. 78), 82 Seiten, 
welhe den Zitel führt: De itinere regis Polon. seripsit E. F. 
aut Mgr. A., und in lateinischer Sprache denfelben Gegenjtand fürzer 
und theilweife wenigſtens in felbitändiger Auffaffung darftellt, Die 
Bemerkung am Schluſſe, daß diefe Handichrift am 13. Sept. 1515 
in Wien auch gedruckt veröffentlicht ſei, fcheint ſich auf ein anderes 
Bud) zu beziehen“. | 

Diefer kurzen Erwähnung bin ich nun weiter nachgegangen, und 
es ift mir gelungen, durch die Zuvorfommenheit des Prof. und Dans 
jiger Stadtarchivars Herrn R. Boeszoermeny eine von ihm collatio« 
nirte Abschrift des Bornbachſchen Receſſes! zu erlangen und durch 
die Piberalität des Vorftandes der Joachimsthalſchen Bibliothek Herrn 
Oberlehrer8 Dr. von Bamberg die Berliner Handirift hier an Ort 
und Stelle in Lemberg benugen zu dürfen. Diefen Herrn erlaube 
ih mir auch Hier nochmals meinen verbindlichiten Dank auszufprecen. 

Welche Ergebnifje liefern mun die beiden ebengenannten Hand« 
Ihriften ? 


ı Die Bornbahihe Sammlung der Landtagsreceffe gehört befanntlich der 
Uphagenſchen Bibliothel in Danzig an, fie befindet ſich aber jetst feit längerer 
Zeit im Danziger Stadtardiv. 


448 


Der Name Stenzel Bornbachs (er lebte von 1530—1597) ift 
zwar nicht ſeit langer Zeit, aber jet fchon wohl befannt in der 
preußifchen Hiftoriographie. Unter feinen Werfen, die er im Ma— 
nufeript hinterlajfen, nehmen den wichtigſten Pla ein: feine Samm 
lung preußifcher Yandtagsreceffe, von der jetzt nur noch leider 6 Bände 
aufgefunden worden find, und feine große preußiiche Chronik, heute 
theil® in der Berliner föniglichen, theil® im der Danziger Uphagen- 
hen Bibliothef. Die legtere hat Prof. Hirfch ausgiebig für die SS. 
rer. Pruss. verwerthet. 

Nicht geringere Bedeutung Hat die Sammlung der Landtagsre- 
ceffe, zumal da die Originalreceffe diefer Yandtage und Zagfahrten, 
welche fich heute noch in den preußifchen und vor Allem den Danziger 
Archiv befinden, zahlreihen Schädigungen und Verftümmelungen unter 
legen find, fo daß man fie nur allzu Häufig allein aus der Born 
bachſchen Sammlung ergänzen kann!. 

In diefer Sammlung, und zwar in Band VI, ©. 727—819, 
findet fich ein vorwiegend im deutfcher Sprache gejchriebene® Tage⸗ 
buch) der Zufammenkunft zu Preßburg und Wien im Jahre 1515. 

Es fragt ſich nun, wie fo kommt ein folches Tagebuch in eine 
Sammlung, die doch ausfchlieglic den Landtagsreceifen der preußifchen 
Stände gewidmet iſt? Dieſe Frage läßt ſich meines Erachtens ohne 
Schwierigkeit beantworten. | 

Als König Sigismund L von Polen beichloffen hatte nad Pref- 
burg zu fahren und in Krakau über diejenigen Angelegenheiten ver 
handelt werden follte, welche fpäter auf dem Congrefje mit dem Kö— 
nige von Ungarn Wladislaus und dem Kaifer Marimilian den Ges 
genftand eingehender Erwägungen bilden follten, da wurden auch durd) 
den füniglichen Abgefandten Haphael Leszezynski, Starojten von Schlochau, 
die preußischen Stände aufgefordert, ihre Deputirten nad) Krafau ab- 
zuordnen, die nöthigenfall® den König auc nach Preßburg begleiten 
dürften. Die preußifchen Stände beriethen darüber auf dem Landtage, 
welcher fihh am 21. Januar 1515 verfammelte, und erwählten dem 
königlichen Willen gemäß Deputirte, darunter als Vertreter Danzigs 
den Eberhard Ferber?. Werber begab ſich fodann nad) Krakau am 


2 Weber Bornbachs Perfon und die Wichtigkeit feiner Sammlungen ver: 
gleihe: Preußische Sammlung (Danzig 1747) Band I, 307—321; Caſpat 
Weinreichs Danziger Chronik heransgeg. u. erläut. von Th. Hirſch und Voß 
berg (Berlin 1855) S. XXIV und XXVI; Th. Hirſch, Danzigs Handels- umd 
Gewerbsgeſchichte unter der Herrichaft des deutichen Ordens (Leipzig 1858) 8.71; 
SS. rerum Prussicarum, wo in dem Inder zu Band V alle auf Bornbad) 
bezüglichen Stellen namhaft gemacht find. 

ı SS, rer. Prussic. V, ©. 468. 469. Chriftoff Beyer der Aeltere ſchreibt 
darüber fo in feiner Danziger Ehronit: „Die land und flette bilden auch ein 
tagefahrt auf Agnetis (21. Januar 1515) zur Neumark im binderland, dor 
den ein jendbote vom bern konige der herr Raphael hauptman zu Slochau fo- 
men war, und von Dantzke gefant woren herr Gfert Ferber burgermeifter, Phi 
lipp Biſchoff ratman und magifter Ambroſius der jecretarins. Alda war gt 
handelt erftlich von wegen der notturft des landes und darnach, mas man vor 


449 


8. Februar 1515 zugleich mit dein Stadtjecretär Ambrofius Sturm!. 
Bon Krakau fuhr er mit dem Könige nad) Preßburg, dann nad) 
Wien, und fehrte am 29. Auguft 1515 nad) Danzig zurüd. 

Während feines Aufenthaltes in Krakau, Preßburg und Wien 
führte er ein ausführliches Tagebuch, in welchem er die hervorragen— 
deren Begebenheiten verzeichnete. Da ihn auf diefer ganzen Reife der 
Secretär Ambrojius Sturm begleitet hat, jo läßt es fich nicht ent— 
ſcheiden, wer bei diefer Aufzeichnung die Feder geführt hat: Werber 
jelbjt oder Sturm. Dies ift übrigens ein nebenfächlicher Umftand, 
jedenfalls geſchah dies mit Wiffen und Willen Ferbers, jodaß wir 
das Tagebuch als fein Werf betrachten dürfen. 

Als fie nun am 29. Auguft nad) Danzig zurückgekehrt waren, 
verſammelte fich bald darauf der preußifche Yandtag, auf den 30. No— 
venber nad) Marienburg berufen. Auf diefen Yandtag wurde wie— 
derum von Danzig Werber abgefandt, daß er vor den preußijchen 
Ständen einen Bericht über die Preßburger und Wiener Verhand— 
lungen erftatte?. Zu diefem Zwede ließ er aus feinem Zagebuche 
einen Auszug anfertigen, und diefen legte er den Ständen als jeinen 
Bericht vor. Ä 

Diefen Bericht fand Bornbah in den Danziger Alten vor und 
verleibte ihn im einer Abichrift feiner Sammlung der Yandtagsreceife 
ein. Ein Fragment des Originalauszuges Ferbers, welches bis zu 
der Ankunft des Cardinals von Gurk in Preßburg reicht, befindet 
fih nody heut zu Tage in dem Danziger Stadtardiv, nimmt 17 Fo— 
liofeiten ein und bricht mit den Worten (deficiunt 30 folia’ abs. 

Aller Wahrjcheinlichkeit nah alfo Hat Bornbach eben diefen 
derberfchen Driginalreceß in feiner Sammlung abgejchrieben (die 


gelandten len Crokau auf den reichstag ſchicken wolte auf befehl fgl. Mat., fo 
duch den herr Raphael geſchach. Alfo war do geforen erftlic) von wegen der 
lande herr Zörge von Bayſen und herr Ludwig von Mortangen, von der ftete 
wegen aber als von Thorn herr Saufel burgermeifter und von Danczt herr 
Efert Ferber burgermeifter. Diele folden ziehen auf die große tagefahrt fen 
Krofe und vortan mit fol. Mat. und jeinen rethen fen Preßburgt oder wo es 
weiter von thuende fein wirt“. 

ı Chriftoff Beyer der Aeltere beichreibt die Abreife Eberhard Ferbers fo 
(SS. rer. Prussie. V, 469): „Herr Efert Ferber machte ſich auf die fart mit 
magiftro Ambrofio des donnerstages nad) s. Dorothee (8. Februar) und rü— 
ftete ſich hüpſch und fertig zu mad feinem ritterlichen ftande, dem fenige zur eh- 
ten, nam mit fih 16 beyreiters, 4 hupfche braune pferde vor feinem wagen, 
6 pferde vor dem fpeifewagen und noch 2 wagen mit ſoldners, puchſen und 
Tpiffen, jeder wagen zu 3 pferden, umd des kochs wagen hatt auch 3 pferde, 
fumma das in alles war 35 pferde; dorneben zogen mod; mitte etliche burgere 
und burgerfinder, als herr Pegnis, Hanus Nimptſch und andere mehr, alle 
wol gezieret und zum ernft wol geruſt“. 

2Chriſtoff Beyer der Aeltere (SS. rer. Prussic. V, 473) evzählt: „Es 
war zur tagfart geforen der herr Efert Ferber, auf das er mochte vor land und 
fetten relation einbringen aus der tagfart von Presburgk und Win, wie die 
— vorhandlunge zuegegangen were noch laut des receſſes, ſo daruber ge— 
macht iſt“. 

®° Diefe Nachricht verdanke ich der Güte des Herrn R. Boeszoermeny. 


450 


Bornbachſche Kopie ftimmt nämlich wörtlich mit diefem Fragment 
überein) und die weiteren entlehuten 30 Folioblätter nicht mehr den 
Archiv zurückgeſtellt. 

Ich habe bereits erwähnt, daß Ferber während ſeiner ganzen 
Reiſe ein ausführliches Tagebuch geführt und den Ständen nur einen 
Auszug aus demſelben vorgelegt hat. Daß dem ſo war, davon wer— 
den wir uns überzeugen, wenn wir die Berliner Handſchrift näher 
betrachten. Hier aber muß ich ſchon im voraus ſagen, daß aller 
Wahrſcheinlichkeit nach jenes urſprüngliche Tagebuch Ferbers ganz in 
lateiniſcher Sprache abgefaßt war, und daß den den Ständen vorge— 
legten deutſchen Auszug nicht er ſelbſt angefertigt hat, ſondern viel— 
leicht einer der Secretäre unter ſeiner nicht ſehr ſorgfältigen Controlle. 

Ich ſchließe dies daraus, daß in dem von Bornbach copirten 
Auszuge an einer Stelle (fol. 795 der Uphagenſchen Handſchrift) 
Erzherzog Karl „nefe“ Marimilians genannt wird und an einer ans 
deren (fol. 810) Erzherzog Ferdinand „Ichweiterjoen“ des Kaiſers. 
Es ijt durchaus nicht vorauszujfegen, daß Werber nicht gewußt hätte, 
die Erzherzöge Karl und Ferdinand feien Enfel Marimilians geweien, 
wie er fie übrigens au anderen Stellen jelbft nennt, und jene irr- 
thümliche Ausdrucsweife konnte nur dadurch entjtehen, daß der, 
welcher den Auszug anfertigte, einen lateinischen Text vor ſich hatte 
und die Bezeihnung nepos durd) „nefe“ und „Ichweiterfoen“ wie— 
dergegeben hat. Zrogdem jcheint der Auszug im Allgemeinen correct 
zu fein. Er ijt übrigens nicht von Anfang bi8 Ende im deutjcher 
Sprache gefchrieben, jondern längere Abjäge find in der lateinifchen 
wiedergegeben. 

In diefem Tagebuche, fo wie wir es jet in der Uphagenſchen 
Haudichrift haben, erzählt Ferber nur das, woran er perfönlich Theil 
genommen, oder wenigitens das, was er von den hervorragenditen 
Perjönlichkeiten, dem Könige, feinen Minijtern oder anderen polnifchen 
Großen erfahren. Es it dies aljo eine Quelle erjten Ranges, die 
in ihr mitgetheilten Nachrichten ſtammen vorwiegend aus erfter Hand. 

Menn mir den JInhalt unſeres Tagebuches mit den uns bes 
fannten Diarien der Zufammenfunft zu Preßburg und Wien ver 
gleihen, aljo mit Bartholin und GCufpinian, jo werden wir ohne 
Zweifel zugeben, daß das Werberiche Tagebuch in Bezug auf politiiche 
Bedeutung bei Weitem höher zu ſtellen ift als die beiden fo eben 
genannten. Bartholin und Gufpinian bejchäftigen ſich beinahe aus— 
ſchließlich mit den Aeußerlichkeiten der Zuſammenkunft: den Feſtlich— 
feiten, VBergnügungen, Gelagen, Gejchenfen, öffentlichen Sitzungen; von 
den Verhandlungen und Berathungen findet fi) bei ihnen beinahe 
fein Wort. Ganz anders Werber, fiir ihm Handelt es ſich vor Allen 
um die politische Bedeutung der Monardenzufammenkunft, um das 
was verhandelt und berathen wurde, darüber alfo breitet er ſich des 
Weiteren aus. Bisher, wenn wir über diefe Berathungen und Ber: 
handlungen Aufichluß erhalten wollten, waren wir genöthigt, beinahe 
als einzige Quelle die in den Act. Tomician. abgedrudten Briefe 


451 


des Königs Sigismund zu benußen, und in ihnen waren mur einzelne 
abgebrochene und dürftige Beinerfungen darüber zu finden. Jetzt aljo 
haben wir in dem Tagebuche Ferbers neues Material, welches unfere 
bisherigen Nachrichten erheblich ergänzt. Von Allem, was die Ver— 
handlungen über die preußifche Angelegenheit anbetrifft, liefert ung 
Ferber jehr ausführliche und ausgiebige Nachrichten, und darauf beruht 
auch vor Allem die Bedeutung feines Tagebuches. An diefen Ver— 
handlungen hat er, fo viel ich jehe, ohne Ausnahme perfönlich Theil 
genommen, zu wiederholten Malen jelbjt das Wort ergriffen, in meh— 
reren Audienzen darüber mit dem Könige, dem Kanzler und Unter- 
fanzler Rath; gepflogen. Ebenſo finden wir bei ihm über die Vorbe— 
reitungen zu der Tagfahrt, über die Berathungen, welche vorher in 
Krakau zwifchen dem Könige Sigismund und feinen Räthen geführt 
wurden, Nachrichten, die wir vergeblid in einer anderen Quelle fuchen 
würden. So erjehen wir, daß die polnische Regierung jpeciell für die 
bevorstehende Zufammenfunft mit dem Kaiſer durch den in den preußis 
ſchen Angelegenheiten von dem polnischen Hofe häufig verwandten 
Spanier Garcias Quadros ein bejonderes, die Drdensjache betreffen- 
des ausführliches Memorial ausarbeiten ließ, welches in einer Sigung 
des polnischen Rathes, an der aud) die preußiichen Abgeordneten Theil 
nahmen, vorgelefen und näher erörtert wurde. Das Ablefen diejes 
Shriftftücles nahm allein zwei Stunden in Anfprud. An der Dis- 
cuffion betheiligten ſich von preußifcher Seite Georg von Baifen, 
Yudwig von Mortangen, Konrad Hitfeld und Eberhard Ferber, und 
wir finden ihre Reden in dem Zagebuche ausführlich angeführt, am 
ausführlichiten die Ferbers. Werber wußte fih eine Abjchrift diejes 
Memorial in Prefburg zu verichaffen und Hat fie dem Danziger 
Rath übergeben, in dem Tagebuche findet fi aber nur eine Ynhaltsr 
angabe !. 

Intereſſanter noch iſt das, was uns Ferber über die in Pref- 
burg in der preußifchen Sache gepflogenen Unterhandlungen erzählt, 
und er ift auch Hier al8 Theilnehmer an diejen Unterhandlungen aufs 
beite unterrichtet. 

Wo er aber nicht perfönlich Theil genommen, da fußt er aus— 
ſchließlich auf offiziellen Berichten der Theilnehmer, wie 3.3. des Car— 
dinal8 von Gran. Aus diefer ganzen, bei Ferber lang ausgeſponne— 
nen Darftellung (fol. 769 und 770, 773—775 der Uphagenfchen 
Handihrift) erjehen wir, daß fich die polniihe Diplomatie mit Ein- 
ſchluß Ferbers gegenüber dem Verlangen des Cardinals von Gurf, daß 
in die die preußische Sache jchlichtende Urkunde folgende für Polen 
jehr fatale Worte aufgenommen werden follten: Salvis his, quae 
debentur Romano imperio, im Allgemeinen ziemlih mürbe 
bewies (charafteriftiich ijt vor Allem die am 11. April in dem fö- 
niglichen Nathe von Werber gehaltene Kede) und daß, wenn der Gar- 


* Dieſe intereſſante Verhandlung vom 28. Februar 1515 findet ſich fol. 
—745. 


XVIIL. 30 


462 


dinal und der Kaijer auf dieſem Zufage entfchieden beftanden, fie ihn 
aller Wahricheinlichkeit nach auch durchgeſetzt Hätten. 

Nicht jo viel und nicht jo wichtiges weiß Werber über die Che 
unterhandlungen zu erzählen, aber auch hier findet fi) für den Kun— 
digen manche intereffante Nachricht, wie 3. B. die (fol. 771) über 
eine „echtihaft die Lande Dejterreih und Stewermarf aljo zu vor- 
jegen oder zu vorfchreiben, das fie an die crone Ungern, Polen und 
Behemen folden vorfallen“. 

Am alferwenigften finden wir über die moskowitiſche Sadıe. 

Die Mdoptionsurfunde wird auch nicht mit einem Worte er- 
wähnt, augenjcheinlich war ſie nur dem gefrönten Häuptern und ihren 
nächjiten Nathgebern befannt. Aber auch diefes Tagebuch bejtärkt 
mic in meiner in der Studie über den Kongreß ausgejprochenen Ber 
muthung, daß über diefes fonderbare Schriftjtüd erft in Wien ver- 
handelt wurde, daß der Kaiſer dadurd feinen Gäften ein für ihn fehr 
billige8 und dem Anfcheine nach äußert glänzendes Geſchenk anbieten 
wollte, um ſich auf diefe Weife theils dankbar zu beweiſen, theild 
is die Könige noch tiefer in feine Pläne und Abfichten Hineinzu- 
ziehen. 

Wenn ich num noch hinzufüge, daß wir auch manches culturges 
Ihichtlich wichtige Detail in diefem Tagebuche finden, wenn wir aud 
diefe Einzelheiten nicht jo hoch ftellen, wie die die diplomatifchen Uns 
terhandlungen betreffenden Nachrichten, zumal Bartholin und Cuſpi⸗ 
nian in diefer Hinficht viel reichhaltigeres Material bieten, und daß 
uns Ferber einen eingehenden Bericht über die Rückreiſe des Königs 
Sigismund I. von Wien nad) Krafau liefert und auch dadurd) eine 
Lüde ausfüllt, fo habe ich wohl in allgemeinen Zügen die Tragweite 
diefer bisher unbefannten und unbenugten Quelle hinlänglich charafterifirt. 


Unter den Handichriften des Joachimsthalſchen Gymmafiums in 
Berlin befindet fi) ein Heiner ungebundener Quartband (VII, On. 
78), der aus der ehemaligen Bibliotheca Oelrichsiana in die Gym- 
nafialbibliothef übergegangen: ift. 

Er zählt 44 unpaginirte Blätter, von dieſen das letzte unbefchrieben, 
und ift von Anfang bis Ende von derjelben Hand gefchrieben ; die 
Schrift hat viele Abbreviaturen, ift aber fonft leſerlich und deutlich 
und gehört nad meinem Dafürhalten ihrem Character nach in die 
zweite Hälfte des XVI. oder den Anfang des XVII. Jahrhunderte. 
Das Waſſerzeichen des Papiers ftellt einen Adler dar mit ausgebrei: 
teten Flügeln, nad) rechts gewandtem Kopf und geöffnetem Schnabel. 
Die ganze Handfchrift befteht aus vier Yagen, die erfte von 8, die 
drei folgenden von je 12 Blättern, in Summa 44 Blätter, 

Sie enthält ein in lateinischer Sprache gejchriebenes Tagebuch 
der Prefburger und Wiener Zufammenkunft vom J. 1515, abgefakt 
nicht von einem Augenzeugen, fondern von einem am Ende des XVL 
oder am Anfange des XVII. Yahrhunderts Lebenden Compilator. 


453 


Diefer Name Compilator harakterifirt vollfommen die Thätigfeit des 
Berfaffers, denn dieſes Tagebuch ift eine Compilation aus zwei an— 
deren Tagebüchern, und zwar dem urjprünglichen Tagebuch Ferbers 
und dem des Richard Bartholinus. 

Die Entftehung diefes Tagebuches witrde ich auf folgende Weife 
erflären, In der zweiten Hälfte des XVI. oder am Anfange des 
XV. Yahrhumderts lebte eine uns übrigend nicht näher befannte 
Perfönlichkeit, welche das handichriftliche urfprüngliche Tagebuch Fer- 
ber8 und den aus dem Jahre 1515 ftammenden erften Drud des 
Bartholinſchen Tagebuchs befeffen hat. Aus diefen beiden Tagebüchern 
beſchloß unfer Compilator ein neues volljtändigeres zuſammenzuſetzen, 
und zwar wo möglich mit den Worten feiner beiden Quellen. 

Zu welchen Zwede er diefe Arbeit unternommen, weiß ich nicht 
zu jagen, es fcheint aber nicht dazu, um fie zu druden. Die Be— 
nugung feiner Quellen hat er übrigens nicht verheimlicht, fondern 
führt die Namen derjelben häufig an, theild auf dem Rande, theils 
im Zerte jelbft. Sogleih an der Spige feiner Compilation hat er 
urfprünglid; die Worte verzeichnet: Locupletius nonnulla 
de itinere Regis Poloniae scripsit E. F. (das ift au— 
genſcheinlich Eberhard Ferber) aut magister A, (was nur Am⸗ 
brofius Sturm. bedeuten kann) anno domini 1515, ut se- 
quitur. Dann aber hat er die beiden erften Worte (Locupletius 
nonnulla) ausgeftrichen und nur den Reſt belafjen. 

Das ganze Tagebuch befteht aljo nur aus Abjchnitten aus dem 
urfprünglichen Ferberfhen und dem Bartholinfhen Tagebuche. Da 
das lestere Tagebuch bereits zu wiederholten Malen gedrudt worden ift, 
jo würde die Arbeit des Compilators heute für uns gar feinen Werth 
haben, werm wir das urjprünglice Tagebuch Ferbers beſäßen. Da 
wir aber mur jenen Auszug befigen, den Ferber den preußifchen 
Ständen in Marienburg vorgelegt hat, jo gewinnt die Arbeit des 
Compilatörs an Bedeutung al8 dankenswerthes Supplement zu dem 
Verberichen Auszuge. 

Daß aber Ferber wirklich außer jenem Auszuge in Krakau, 
Prefburg und Wien ein bei Weiten ausführliceres Tagebuch geführt 
bat, und daß unfer Sompilator aus ihm ganze Seiten ausgefchrieben, 
daran kann Niemand zweifeln, der den Text der Joachimsthaler 
Handichrift mit dem Bornbachſchen Receſſe verglichen Hat. Stellen- 
weife ftimmt unfere Compilation wörtlid) mit Ferbers Auszuge über« 
ein, an anderen Stellen aber ijt fie viel reichhaltiger und ausführ- 
licher ; eine ganze Neihe von Tagen, vor Allem der Anfang der Reife 
Königs Sigismund, welche in dem Ferberichen Auszuge entweder ganz 
ausgelaffen oder nur kurz ſtizzirt find, finden ſich hier eingehend dar- 
geftellt. Im Betracht diefer Aehnlichkeiten und Unterfchiede dürfte 
vielleicht Jemand zu dem Glauben verleitet fein, daß unſer Compilator 
drei Quellen benutt hat: den Ferberſchen Auszug, das Bartholinfche 
Tagebuch und noch eine dritte uns Heute unbekannte, von beiden ver— 
fchiedene. Eine folhe Vermuthung hätte vieles für fi, wenn unfer 


30* 


454 


Compilator bei der überwiegend größern Zahl der Stellen, welche id 
in dem Ferberfchen Auszuge nicht befinden und auch aus Bartholin 
nicht entlehnt find, nicht die Buchſtaben E. F. Hinzugefetst hätte oder 
noch ausführlier: ut E. F.seribit, oder endlid), wie glei am 
Anfange: seripsit E. F. aut magister A. ut sequitur. 

So kann es alfo feinem Zweifel unterliegen, daß unſer Compis 
lator nur zwei Quellen benutzt hat: das Tagebuch Ferbers und Bar: 
tholin. Da wir aber trogdem bei ihm eine Menge von Abſätzen fin- 
den, die wir in dem oben befprochenen Ferberſchen Tagebuche verge- 
bens fuchen würden, fo fönnen wir dies nicht anders erklären, als 
eben durch die Annahme, daß Ferber während feiner Reiſe ein aus 
führliches Tagebuch) geführt und den Ständen in Marienburg nur 
einen Auszug vorgelegt hat, den Bornbad in feiner Sammlung ab— 
gejchrieben. 

Diefes urfprüngliche Tagebuch Ferbers war aber aller Wahr- 
Icheinlichfeit nad in lateinischer Sprache gefchrieben. Einen Beweis 
habe ich bereit8 oben angeführt. Die Joachimsthalſche Compilation 
beftärft mich in diefer Meinung, fie enthält nämlich auch nicht den 
geringften Pafjus in deutfher Sprade und giebt Reden und Ge- 
ſpräche, die lateinifch gehalten wurden und die in dem Ferberſchen 
Auszuge deutjch gegeben werden, in lateinifcher Sprache, und zwar fo, 
daß fie ohne allen Zweifel nicht aus dem Deutſchen zurücküberſetzt, 
fondern fofort urſprünglich lateinisch niedergefchriebeu worden find. 

Der Compilator hat aber feine Quellen nicht immer gleichmäßig 
behandelt. Anfangs fchreibt er ganze Seiten (S. 1—13 der oa- 
chimsth. Handfhrift) wörtlic aus Ferbers Tagebud) ab, und das ift das 
Werthvollſte in feiner Compilation, denn gerade diefe Stellen finden 
ſich zum alfergrößten Theile nicht in dem Auszuge Ferbers. Dann 
nimmt er Bartholins Tagebuch vor und bringt nun vom 11. de 
bruar an (S. 13 der Handichrift) eine Compilation zu Stande, in 
der Abfäge aus Werber mit entweder wörtlich aus Bartholin entnom— 
menen oder auch abgefürzten und nur hie und da etwas veränderten 
fürzeren und längeren Abjchnitten abwechjeln. Im weiteren Verlauf 
feiner Compilirung aber wird er entweder diefer Mofaifarbeit über- 
drüffig, oder es zieht ihn die Bartholinfche Beichreibung mehr an, 
furz je weiter vorwärts, je weniger wird Ferber benutzt. Mit S. 52 
hat er ſchon beinahe ganz Werber bei Seite gejchoben, fo daß wir 
S. 52 bis 60 nur einen beinahe wörtlichen Auszug aus Bartholimus 
finden. ©. 61 und 62 fehrt er aber wieder zu Ferber zurüd umd 
giebt und aus ihm einen längeren Paſſus, welcher wiederum nur 
theilweife in dem Auszuge erhalten if. In der Mitte der ©. 62 
wird endlich Ferber ganz im Stiche gelaſſen, und jetst Mitte der 
©. 62 bis 86, d.h. der legten bejchriebenen, giebt er uns nur einen 
Auszug aus Bartholinus, und das Ferberſche Tagebuch ift ihm in 
Folge diejes fo langen Ausfchreibens aus Bartholin der Art aus dem 
— entſchwunden, daß er zum Schluß feiner Compilation hin 
zufeßt : 


455 


Hieronimus Vietor hoc opus Richardi impressit Viennae. 
Quod impressioni 14. Cal. Septemb. datum est. Absolutum 
vero Idibus Septembris A. domini 1515. 

Augenfcheinlich bezieht ſich diefer Zujag auf das befannte Ho- 
doeporicon Bartholins, welches wirklich im J. 1515 zum erjten 
Male gedrudt wurde, und nicht auf die Compilation der Joachims- 
thalſchen Handichrift, wie Prof. Hirſch anfänglich geglaubt hat. 

Wir fünnen alfo den Text der Joachimsthalſchen Handichrift in 
drei Kategorien eintheilen. Die wichtigiten Stellen find die, welche der 
Compilator zwar aus Ferbers Tagebuch entnommen hat, aber die ſich 
in dem heute befannten Auszuge nicht finden. Viel weniger Werth 
haben die Stellen, welche der Compilator abgefürzt oder wörtlich 
ebenfalls dem Ferberſchen Tagebuche entlehnt hat, aber die fich aud) 
in dem uns bekannten Auszuge finden: einige von ihnen find ganz 
werthlo8, andere wiederum, wie 3. B. die urfprünglich lateinifch ge> 
haltenen Reden, die der Compilator auch lateinifch giebt, verdienen 
Berücfichtigung, da der Ferberfche Auszug fie nur in einer nicht 
immer gelungenen deutfchen Ueberſetzung enthält. Zur dritten Kategorie 
gehören die wörtlich) oder gefürzt aus Bartholin entnommenen Abfäge, 
diefe haben jelbftverftändlich feinen Werth. 

Der Compilator Hat fich übrigens beinahe ſklaviſch an feine Vor- 
lagen gehalten, wichtigere Veränderungen hat er eigentlidy gar nicht 
vorgenommen, nur einzelne Abfchnitte, die ihm nicht intereffirten, Hat 
er ausgelajjen, andere gekürzt und einzig und allein Ausrufe und 
Bemerkungen religiöfer Natur Hinzugefügt, aus denen wir erjehen 
fönnen, daß er eifriger Proteftant gewejen, dem die Geremonien der 
katholifchen Kirche gründlich mißfielen und als tenebrae antiqui tem- 
poris, wie er an einer Stelle fagt, erjchienen. 

Es unterliegt weiter, meiner Anfiht nad), feinem Zweifel, daß 
ne Joachimsthaler Handichrift das Originalmanufeript des Gompi- 
ators ijt. 

Dies ift aus verfchiedenen Gorrecturen erfichtlih, die der Ver— 
faffer in feinem Claborat bewerkſtelligt. An manden Stellen hat er 
bereit8 begonnen einen Sag aus Bartholin abzufchreiben, dann be— 
finmt er ſich eines befferen, ftreicht die begonnenen Worte aus und 
Ihiebt einen anderen Sat aus Bartholin oder Ferber ein. 

Was die Nationalität des Compilators anbetrifft, fo läßt ſich 
die Vermuthung aufftellen, derſelbe fei ein Deutfcher gewefen: die 
deutichen Namen fchreibt er correct, ausländifche zum Theil mit deut- 
her Orthographie. 

Aus diefer Compilation können wir am beiten erjehen, um wie 
vieles reichhaltiger das urfprüngliche Tagebuch Ferbers als der oben 
beichriebene Auszug gewefen ift. Der Auszug befhäftigt fi, da er 
den preußifchen Ständen als Bericht vorgelegt wurde, vorwiegend mit 
der preußiichen Sache. Das urſprüngliche Tagebuch Ferbers dagegen 
enthielt überhaupt eine Befchreibung der königlichen Reife, der Verfaſſer 
theilte die gehaltenen Reden mit, bejchrieb die Luftbarkeiten, Gelage 


456 


verbreitete fi über anderweitige Unterhandlungen, copirte Corre⸗ 
fpondenzen, berichtete über Geipräce, verzeichnete mit einem Worte 
Alles, was er gejehen und gehört, Alles dies hat Ferber in feinem 
Auszuge weggelafien. 

Der Verfaffer der Joachimsthaler Handichrift, den die preußiſche 
Sache augenscheinlich nicht jo viel interejfirte, hat nun wiederum die 
dieſe Angelegenheit betreffenden Berichte weggelaffen und dagegen folde 
abgefjchrieben, die vorwiegend culturhiftoriiche Bedeutung haben, aber 
auch päpftliche Schreiben, Briefe des Kaiſers, de8 Cardinals von 
Surf. So bildet aljo diefe Compilation ein dankenswerthes Suppler 
ment zu dem Ferberſchen Auszuge, und erſt wenn wir beide neben ein 
ander jtellen, fönnen wir jehen, wie reich) an Nachrichten das ur 
fprüngliche Tagebuch Ferbers geweſen fei. 

Beide Tagebücher nun, ſowohl den Ferberſchen Auszug, wie die 
Compilation der Berliner Handſchrift, habe ich in den Schriften der 
Krakauer Akademie veröffentlicht, mit polniſchem Titel, polnischer Ein 
leitung und polnischen Noten, den Text ſelbſt in der Sprade der 
Handihriften, und zwar in dem im Laufe diefes (1878) Jahres 
ericheinenden Bande des Archivs der hiſtoriſchen Commiffion dieſer 
Afademie ; einige wenige Separatabdrüde find unter dem Titel: Dwa 
dyaryusze kongresu wiedenskiego z roku 1515 (Zwei Tage: 
bücher des Wiener Congrejjes von 1515) bereits erjchienen. 


Il. 


Das Berhalten Marimilians I. gegenüber Preußen und Polen 
in den Jahren 1513—1515 ift jüngft von Brof. H. Ulmaun (Forid). 
z. D. ©. XVII, 89—109) zum Gegenftande einer befonderen Ab» 
handlung gemacht worden. Bisher herrſchte darüber die beinahe ein 
müthige Meinung, daß Marimilian die Sache des deutſchen Ordens 
fo lange lau betrieben habe, al8 nicht feine dynaftischen Intereſſen in 
Colliſion mit dem Auftreten des polnischen Hofes gerathen waren; 
erst da rafft er fich plöglich zu einer äußerſt energiſchen Thätigfeit 
auf, arbeitet an dem Zuftandefommen eines großen Bündniſſes gegen 
Polen, theil® um dadurch den deutichen Orden von der Huldigungs 
pflicht zu befreien, theil$ aber und dies vor Allem, um feine dynafti- 
ſchen auf Böhmen und Ungarn gerichteten Beftrebungen ins Werl 
zu fegen und Polen abzuhalten, ihm hierin Hinderniffe entgegenzu- 
jtelfen. Als er diefes Ziel erreicht, als König Sigismund zu Preß— 
burg und Wien in die Ehebündnijfe zwifchen den faiferlichen Enteln 
und den Kindern des Königs von Ungarn eingewilligt, ſchwenkt er 
plöglih um, läßt den Orden und feinen früheren Verbündeten, den 
Großfürften von Moslau, im Stiche und wird aus einem Gegner 
Sigismunds fein aufrichtigfter Freund. Diefe Anficht habe aud) ic 
in meiner Studie über den Wiener Congreß von 1515 (Forſch. VII) 
vertreten oder, wie Hr. Prof. Ulmann fagt, ich habe fie zum Angels 
punkt diefes meines Aufjages gemacht. Prof. Ulmann bemüht ſich 


457 


nun, die Sache fo barzuftellen, als ob Kaifer Marimilian bei einem 
folhen Gebahren ſich nicht von dynaſtiſchen Intereſſen Hätte leiten 
laſſen, ſondern von der Rüdficht auf das Wohl umd Wehe des deut- 
chen Ordens, als ob e8 ſich für ihm vorzugsweife oder vielleicht aus— 
ſchließlich darum gehandelt hätte, den Orden von der polnifchen Ab- 
hängigfeit zu befreien, und endlich al8 ob er diefe Beitrebungen erft 
dann verlaffen, al& er fich überzeugt, daß das deutfche Reid) ihn voll- 
jtändig im Stiche lajfen werde. 

Ich glaube jo in allgemeinen Zügen richtig die beiden entgegen- 
gejetsten Meinungen charakterifirt zu haben: die einen jtellen bei Mari- 
milians Gebahren die dynaftiichen Beftrebungen an den erjten Platz, 
Ulmann jchiebt fie ganz in den Hintergrund. 

Die Streitfrage iſt — glaube id — nicht jo Leicht zu entjchei- 
den, es handelt fi) hier vor Allem weniger um den Sachverhalt, 
mehr um Beweggründe, und auf diefem Felde hängt die Entſcheidung 
doch wohl jtet8 bedeutend von der Subjectivität des Autors ab. 

Aber ein richtiger Thatbeftand muß auch naturgemäß zu richti= 
geren Motiven führen, und wenn die Vertreter jener oben jfizzirten 
Anfichten jo jtark divergiren, fo wird e8 wohl zum großen Theil dem 
zuzujchreiben fein, daß bisher der Thatbeftand noch nicht mit völliger 
Sicherheit feitgejtellt ift. 

Ich gebe vollkommen zu, daß, wenn ic) heute, elf Jahre nad 
dem Erfcheinen meiner Studie über den Kongreß von Wien, über diejes 
Ereigniß ſchreiben follte, die Einleitung in vielen Stüden ander aus— 
fallen würde, als es damals der Fall war. Seitdem find neue 
QDuellenpublicationen und zumal in der polnischen Literatur zahlreiche 
Monographien erjchienen, welche manchen einleitenden Punkt in einem 
klareren Lichte daritellen, ich würde daraus und aus meinen eigenen 
weiteren Studien Vortheil ziehen und könnte hie und da zu einer ab- 
weichenden Anficht gelangen, aber der „Angelpunft“ würde dennod) 
verbleiben. 

Soll die Anficht, welche auch ich vertreten habe, daß Marimilian 
bei feinem Verhalten dem deutichen Orden gegenüber ſich vorwiegend 
von feinem dynaſtiſchen Intereſſe leiten ließ, ftichhaltig fein, jo muß 
in feinem Gebahren ein Wendepunft wahrzunehmen fein und diefer 
kann nur dort liegen, wo das Verfahren des polniichen Hofes biefen 
dynaſtiſchen Antereffen in den Weg zu treten fchien. Bekanntlich ift 
diejer Zeitpunkt die Vermählung Sigismunds I. mit Barbara Z&- 
polya, der Schweiter jenes ungariſchen Magnaten, welcher vor Allen 
die antiöfterreichiiche Partei vertrat. Wann diefe Vermählung zu 
Stande fam, ift allgemein befannt; aber warm begannen die erſten 
Unterhandlungen über diefe Verbindung? Das wäre der erjte Streit- 
punft. U. fagt nun (a.a.D.©. 93 Note 1): „Wie Liste a. a. O. 
470 aus den dafelbft Anm. 2 citierten Aktenftücden entnehmen kann, 
daß Schon in Breslau zwifchen König Wladislaw und Petrus To— 
midi davon die Rede geweſen, verftehe ich nicht. Sicher ift, daß 
Marimilian vorher nichts ahnte und noch nad) bereits getroffener 


458 


Heirathsabrede dem Polenkönig eine Braut feiner Wahl offerirte. 
Acta Tomic. II, Nr. 16*. Ein aufmerfjamer Lejer wird aber wahr» 
uehmen, daß ich an der angeführten Stelle aus den dafelbft citierten 
Aktenſtücken gar nicht das herausgelefen habe, was U. will: ich Habe 
©. 470 Note 2 nur die betreffenden Aktenſtücke angeführt, welche 
beweifen follen, daß Petrus Tomidi im März 1511 an Wladislaw 
nad) Breslau gefchieft wurde, und darauf habe ich die Bermuthung 
aufgeftellt: „hier fcheint die Heirath zum erjten Male befprochen wor: 
den zu fein“. Diefe meine aus der allgemeinen Sadlage und nicht 
aus jenen Aktenjtücen gefhöpfte Vermuthung bejtätigt ſich aber jetzt 
vollfommen. 

Den Gefandten wurden gewöhnlich öffentliche und geheime In— 
ftructionen mitgegeben, und in der Acta Tomiciana betitelten Samm- 
lung finden ſich auch in der Regel beide veröffentlicht. Bei der ftrei- 
tigen Gejandtihaft Tomidis aber finden wir nur die öffentliche In— 
ftruction abgedruckt, ſei e8 aus Nachläffigkeit' des Herausgebers, jei 
es, daß diejelbe in dem von ihm benutzten Goder gefehlt hat. Nun 
hat aber vor langen Jahren Engel in v. Schedius Zeitihrift von 
und für Ungarn (Peith 1802) eine Abhandlung unter dem Zitel: 
„Actenmäßige Skizze der Unternehmungen Joh. Zäapolya’s v. 1507— 
1515“ veröffentlicht. Derfelbe hat bei der Abfaffung diefes Auffates 
ein ihm vom Grafen Offolinsfi geliehenes Ereinplar der Acta Tomic. 
benugt und zum größten Theil für diefe Frage excerpirt. Nachdem 
er num (I, 162) die Gefandtihaft Tomidis nad) Breslau vom J. 
1511 wörtlich nad) den uns bekannten Inſtructionen und Reden be- 
fchrieben, fchreibt er weiter: „Allein Tomicki hatte auch geheime Auf- 
träge, und dieje beftanden darin, daß fih Sigmund entichloffen habe 
zu heirathen, und zwar, um feine Eiferfucht unter den Polen zu er: 
regen, eine Ungarin, zu deren Auswahl er fi zum Schein Wladis- 
laws Rath erbat. Die Wahl war indejfen ſchon getroffen, fie war 
auf Barbara, Yoh. Zuͤpolyas Schweſter und Tochter der Hedwig 
Zaͤpolya, gebornen Fürftin von Zeichen, gefallen. Es fam nur dar: 
auf an, dem König Wladislam in einer von feinem Kanzler unbe: 
wachten Stunde die Einwilligung abzuloden. Tomicki entledigte ſich 
feines Auftrags meifterlih; Michael Hammel, Beichtvater Wladislams 
und Burgpfarrer von Dfen, gewonnen von Sigmund und den Zäpol- 
yanern, wußte ihm die herrlichen Eigenjchaften der Barbara und der 
Hedwig jo fehr Herauszuftreichen, wußte fi hiebei fo Hug auf die 
diesfalls von der verftorbenen Gemahlin Wladislaws, der Königin 
Anna, öffentlich gefällten Urtheile zu berufen, wußte Gafimirs, Her- 
3098 von Teſchen, Bruder der Hedwig, dringende Empfehlung fo 
geltend zu machen, daß Wladislaw, gleich als obs aus eigener Be- 
wegung gefchähe, dem Tomidi in einer geheimen Audienz die Barbara 


ı Siehe darüber die Abhandlung W. Keträunsfis in den polnischen Jahr- 
büchern der Pofener Gefellihaft der Wifjenichaftsfreunde Band VI und meine 
Kr in dvd. Sybels Hiftor. Zeitihr. XXVI, 494 und 495; XXXVII, 


459 


Zapolya vorfhlug und mit diefem Vorfchlag auch den Herzog Ca— 
fimir von Tefchen und den Burgpfarrer von Ofen Michael Hammel 
nad) Krakau ziehen ließ. Die Zäpolyaner eilten fogleich, durch den 
Herzog Caſimir Alles ins Reine zu bringen und den Heirathscontract 
zu unterzeichnen“. So Engel. 

Wir erjehen aljo hieraus, daß Engel außer der uns heute be» 
fannten öffentlihen Inſtruction Tomickis nod eine zweite geheime 
und wahrſcheinlich nocd einen uns heute auch nicht mehr befannten 
Brief vor ſich hatte. Es kann demnach feinem Zweifel unterliegen, 
daß ſchon im März 1511 in Breslau die Berhandlungen wegen der 
Heirath Sigismunds begonnen haben. Deffentlich, officiell, mag der 
Vorſchlag erft nad) dem 30. October, wie Decius (S. 312) erzählt, 
dem Könige Sigismund gemacht worden fein; Decius weiß überhaupt 
nie Etwas von geheimen Unterhandlungen, zu feiner Kenntnig ges 
langen diplomatische Negotiationen erit, wenn fie bereit8 größeren 
Kreifen befannt geworden find. Es waren aljo Fleinlihe Mittel, mit 
denen ınan den König Wladislam zu einem fo wichtigen Schritte be- 
wogen, aber auf eine folche Fleinliche Perfönlichkeit, wie der ungariiche 
König, konnten auch nur Heinliche Mittel wirken, und diefe wirften 
vor Allem; wenn man die fentimentale Saite bei ihm anſchlug, er= 
langte man gewöhnlich Alles, was man wollte. 

Im März 1511 begannen aljo die Unterhandlungen wegen der 
Heirat Sigismunds, Anfang November wurde der offizielle Antrag 
dem Könige Sigismund gemadht, am 2. December 1511 fam der 
Heirathsvertrag zu Stande, und am 7. Februar 1512 wurde die Ehe 
zwijchen Sigismund und Barbara gefchloffen. 

U. behauptet nun, Maximilian hätte vor dem öffentlichen Antrag 
nichts davon geahnt, und glaubt einen Beweis dafür darin zu fehen, 
daß er „noch nach bereit8 getroffener Heirathsabrede dem Polenkönig 
eine Braut feiner Wahl offerirte*. Mit einer ſolchen Deduction 
fann ic durchaus nicht übereinftimmen, ich würde im Gegentheil eine 
ſchnurſtracks entgegengeiegte Schlußfolgerung für natürlich und allein 
entjprechend halten. Gerade das Gebahren Marimilians zeigt, daß 
er jehr früh von diefer ihm unliebjamen Gefchichte Wind befam und 
fofort die ihm gutdünfenden Maßregeln dagegen unternahm. Georg 
Sterk wird darauf vom Kaifer nach Polen gefandt, um dem Könige 
Sigismund eine der beiden Töchter des Herzogs Ludwig von Gonzaga 
zur rau anzubieten?, doc wohl nicht defhalb, weil der Kaiſer von 
Sigismunds Heirathsplänen nichts „geahnt“ hätte, fondern nur deß— 
halb, um noch jet, womöglich, den Anfchlag zu Hintertreiben. Doc) 
die Sendung fruchtete nicht. Ein zweiter Abgefandter des Kaijers 
kommt zu Wladislam, um ihn zu bearbeiten, erreicht aud) feinen 


* Hirfhberg in feiner Monographie über Decius (o Zyciu i pismach 
J. L. Decyusza, &. 100), welche, wie fo manches Andere, Prof. Ulmann „nicht 
— konnte”, bat zuerſt dieſe intereſſante Stelle aus Engels Aufſatz ver- 
werthet. 

2Sitehe meinen Aufſatz über den Congreß S. 470. 


460 


Zwed bei dem wankelmüthigen und ſchwachen Wladislaw, der fofort 
einen Hofcavalier nach Polen ſchickt, um feinen Föniglichen Bruder 
noh in der zwölften Stunde von der Heirath mit Barbara abzu⸗ 
bringen. Aber auch dies fruchtet nicht. König Sigismund bleibt 
ftandhaft, die Heirath wird nicht rückgängig gemacht. Marimilian 
fieht nun ein, daß alle feine Beftrebungen vergeblich waren, und jetzt 
erft wird er zum entjchiedenften Gegner Polens. Hier tritt aljo der 
entjchiedene Wendepunkt in feinem Verhalten gegen Polen und ben 
deutichen Orden ein. 

U. behauptet zwar (S. 93): „lange vor diefem Zeitpunfte ift der 
Kaifer für. den Hochmeifter eingetreten“, und beruft fi) auf das von 
Boigt, Geſch. Preußens (IX, 416), citirte Nefeript des Kaiſers vom 
3. Mai 1511, womit er „ben fächfischen, brandenburgifchen und an— 
dern Fürften befohlen, nöthigenfall® mit ganzer Heeresmacht dem Orden 
zu Hilfe zu eilen“, umd darauf, daß er dafjelbe wiederholt noch vor 
Ablauf deffelben Jahres getan. Dies ift Alles wahr, aber was be— 
weilt da8? Meiner Anficht nah: Nichts. Die Breslauer Zuſam— 
menkunft fand im März 1511 ftatt, auf diefer Zufammenfunft kam, 
wie wir bereitS gefehen, die Heirathsangelegenheit zur Berathung. 
Maximilian hatte am ungarifchen pol: fo zahlreiche ihm durchaus 
ergebene Seelen, unter Anderen ben Reichsfanzler felbft, und jo zahl- 
reiche Zwifchenträger, daß er bi8 zum 3. Mai fehr gut über den iu 
Breslau gefaßten Anfchlag unterrichtet fein konnte, und deßhalb unter- 
nahm er einen doppelten Schachzug dagegen, einerſeits die Aufforde 
rung an die deutfchen Fürften, andererfeits die Geſandtſchaft an Si- 
gismund und Wladislaw und das Anerbieten der Primzeffinnen Gonzaga 
zu Gemahlinnen für Sigismund und Wladislaw. Beide Mittel follten 
vereint wirken, zuerft kam alfo die Kriegsdrohung vom 3. Mai und 
dann fpäter die Geſandtſchaft: eingefchüchtert durch die erſtere ſollte ſich 
Sigismund defto bereitwilliger der zweiten erweifen. Die Schwenkung 
bereitet fi) aljo fofort nach der Breslauer Zuſammenkunft vor, fie 
tritt immer entfchiedener hervor und kommt zu ihrer volltommenen 
Evidenz nad dem Abſchluß der Heirath Sigismunde, als alle Gegen- 
mittel fehlgefchlagen hatten. Da wird fofort am 27. Februar 1513 
(am 7. Februar hatte die Hochzeit Sigismunds ftattgefunden) dem 
Drden ber entfchiedenfte Befehl zugefchtett, unter feiner Bedingung ber 
Krone Polen fich zu unterwerfen und die Petrifauer Vereinbarungen 
nicht zu erfüllen, fondern treu zu Raifer und Reich zu ftehen. Hec 
est totalis nostra voluntas et severa intentio !, ſchließt ber 
Kaifer, und fchon im Juni 1513 weiß Markgraf Kafimir von dem 
großen Plan des Kaifers, einen Völkerbund gegen Polen zu ſchließen 
und dafjelbe mit Krieg zu überziehen. So hat er nie vorher ges 
ſprochen, und er hat auch nie vorher fo gehandelt, wie er von nun 
an dem Orden und Polen gegenüber handelt. Stimmt dies nicht 
Alles genau überein mit unferer Anficht, daß ihm bei diefem Ver— 


! Acta Tomic, II, Rr. COXXIX. 


461 


halten vorwiegend ober vielleicht fogar ausſchließlich das dynaſtiſche 
Intereſſe leitete? Vergleichen wir doch nur fein jetziges Gebahren 
mit dem früheren. Marimilian jaß ja ſchon feit vielen Jahren auf 
dem Throne, der Streit zwifchen dem Orden und Polen 309 fich ja 
ſchon feit dem Tode Tieffens, d. 5. feit dein Jahre 1497, Hin, zahl- 
reiche Unterhandlungen hatten bereits ftattgefunden, zur Zeit bes 
Hocmeijters Friedrih von Sadjen hatten jic die Verhältniſſe bereits 
jo geichärft, daß die Polen ein Heer zufammenzogen, um den Wider- 
fpänftigen mit Krieg zu überziehen, und nur äußere Gefahren, aber 
nicht von Deutjchland her, Hatten dies verhindert: und war denn ir— 
gend ein Mal der Kaiſer mit der Eutjchiedenheit aufgetreten, mit der 
er jest auftrat? In dieſem ganzeu Zeitraume ift fein Betragen lau, 
er hat nur unentjchiedene Phrafen im Munde, möchte den Streit vor 
fih und des Neiches Forum ziehen, möchte ein Schiedsgericht zuſam— 
menrufen, jelbjtverjtändlich jteht er auf der Seite des Ordens; aber 
nie denft er daran, ernitlih mit Polen darum zu brechen, einen Krieg 
mit dem polnischen Könige anzufangen, oder gar einen Kriegsbund 
gegen das Polenreich zufammenzubringen, der Deutfchland, Dänemarf, 
Rußland, den Orden im Kampfe gegen Polen verbinden foll !. 

Ich glaube, man braucht diefe Sachen nur objectiv ins Auge zu 
faffen, um zu dem Refultate zu gelangen, daß das Verhalten des 
Kaiferd vor der Heirath Sigisinunds mit der Schweiter Zäapolyas 
ein durch und durch anderes ift, wie das, welches er nach diefer * 
rath befolgt. Es iſt, als ob ſeit dieſem Zeitpunkte eine andere Per— 
ſönlichkeit auf dem deutſchen Kaiſerthrone ſäße. 

U. ſagt nun zwar, daß erſt der Angriff des moskauiſchen Groß— 
fürften dem Kaifer gezeigt hat, „wie dem Orden zu helfen fei“: es 
joll aljo daraus wohl folgen, daß der Kaiſer früher auf diefe Weiſe 
ben Orden nicht hätte helfen fünnen. Aber war denn dies der erjte 
Angriff Moskaus auf Polen? Standen die Dinge während des Auf- 
ruhrs Glinskis nicht viel fchlimmer für Polen? Warum Hat denn 
damals der Kaifer nicht an einen Bund mit Mosfau zu Gunjten 
des Ordens gedaht? Auch damals nahm ja den Hochmeifterjtuhl 
ein Fürſt ein, welcher Polen die Huldigung verjagte und ſich um die 

ülfe des Reiches und des Kaijers gegen feinen Lehnsherrn bewarb. 
noh mehr. Im %. 1508 bemühte fich der Gropfürft von 
Moskau, indem er fih Glinskis als Vermittlers bediente, mit Mari- 
milian ein Bündniß zu fchliefen?. Im folgenden Yahre bemühte 
fih Glinsli, den dänischen König gegen Polen aufzureizen?. Am An— 


1 Ich babe bieje Berhältniffe eingehender —— — meiner polniſch 
geſchriebenen Monographie über die Tagfahrt zu Poſen 1510. 

2 Karamſin, Geſch. des ruſſiſchen Reichs VII, * —* deutſch. Ueberſ., 
VI, 35 des ruſſiſchen Originals. Wie ſo einem Gelehrten von der Stellun 4 
Prof. Ulmanns die ins Deutiche überfetste, und in allen größeren Bibliothef 
befindliche Geſchichte Karamſins „unzugängfich“ fein fonnte, it mir nicht er: 
tlärlich. Befindet fie ſich nicht in Greifswald, fo ift fie in Berlin und anderswo, 

® Akty zapadno) Rossii (ruſſiſch) II, Nr, 57, 1. 


462 


fange des Yahres 1511 ſchickte Georg Herzog von Sachſen den Chri« 
ftoff von Schleinig an die Meifter von Preußen und Liefland und 
an den Großfürften von Moskau, um einen gemeinfamen Bund gegen 
Polen zu fchliegen!. Warum hat denn da der Kaifer nicht mit ein 
gegriffen, wenn er von je her die Ordensſache zu feiner eigenen zu 
maden gewohnt war? Die Gelegenheit vom %. 1513 war alio 
nicht die erjte, aber in jenen Zeitpunkten waren die dynaſtiſchen ne 
terefjen des Kaifers nicht im Spiele, der König von Polen hatte fid 
= * Familie Zapolya nicht verſchwägert, alſo wurde er im Ruhe 
gelafjen. 

Was diefe preußische Angelegenheit anbetrifft, jo ſtimme ich übri- 
gens U. (S. 93) bei, daß die Anficht Droyſens, al8 ob Marimilian, 
um Albrecht von Brandenburg zur Annahme der Hochmeifterwahl zu 
beitimmen, die Verpflichtung übernommen hätte, die Ungültigfeit des 
ewigen Friedens von Thorn zur Anerkennung zu bringen, unhaltbar 
it. Das Brandenburger Memorial von 1543 ijt doch ein zu 
ſchwacher Beweis fir diefe Behauptung. 

Ich gebe auch zu, daß der Hochmeifter Albrecht von Seiten des 
Kaiſers Feiner Aufreizung bedurfte, um fich gegen Polen jtörrifch zu bes 
weifen, aber die Widerjtandsfähigfeit des Hochmeifters wäre doc eine 
viel geringere gewejen, wenn ihn feit der Heirat Sigismunds mit 
Barbara der Kaifer nicht immer wieder in derſelben bejtärft hätte. 
Bereit3 war Albrecht mehrfach auf die polnischen Forderungen einge: 
gangen und wich jedesmal zurück, al8 der entjcheidende Zeitpunkt her— 
anfam, und dies hätte er nicht gethan, wenn er nicht auf des Kaijerd 
Hilfe und Berfprechen gezählt. Voigt und auch U. fehen zwar dieſe 
Vereinbarungen Albrehts mit Polen, alfo aud) die Petrifauer, mur 
als Ausflüchte an, aber fie wurden zu Ausflüchten und Verzögerungen 
nur in Folge der Zureden und Befehle des Kaiſers. Inſofern alio 
faın man von Aufreizung feiten® Marimilians fprehen. Der Or 
den war viel zu ſchwach, und dies wußte Albrecht wohl, als daß er 
allein ſich Hätte Polen länger widerfegen können, und wenn Albrecht 
jpäter dennoch zum Schwerte greift, fo geſchieht es unter dem Einfluſſt 
der Stellung, die der neue Kaifer Karl zu der preußischen Frage ge 
nommen, und bewogen durd die Hilfe, welche ihm vom Reiche ver- 
fprochen und auch wirklich gewährt wurde. Das Richtige Liegt alio 
hier meiner Meinung nach in der Mitte: Albrecht war an und für 
fich ftörrifch gegen Polen, wäre aber gewichen, wenn ihn feit Mai 
1512 der Kaifer nicht immer wieder in dieſer Störrigfeit beftärkt 
und fogar zu ihr angetrieben hätte. 

Weiter wird von den Gegnern unferer Anficht durch den Mund 
Us. behauptet, daß auch in den vertrauteften Briefen König Sigis— 
munds an feinen Bruder König Wladislaw feine „andere Urſache 
der faiferlichen Peindfeligfeiten gegen Polen angegeben werde, als nur 


2 Diefes und das Vorhergehende bei A. Hirfchberg in feiner Monographie 
über I. 8. Decius S, 104. . — 


463 


der Wunfc des Kaifers, dem deutjchen Orden der polnijchen Bot— 
mäßigfeit zu entziehen“, und daß auch in den Aeußerungen der deut= 
hen Fürften, troß ihrer Oppofition gegen Marimilians Pläne, fein 
Verdacht gegen feine Aufrichtigkeit durchſchimmere. Dies ift richtig, 
aber beweilt Nichts. König Sigismund durfte bei der Geiſtesſchwäche 
feines Bruders und mit Rückſicht auf deffen zum großen Theile dem 
Kaiſer ergebene Umgebung nicht immer oder vielmehr nie in feinen 
Briefen die reine Wahrheit jagen, wenn er auch den Kaifer im Ver— 
dacht gehabt hätte, es Handle fi) für ihn nur um feine dynaſtiſchen 
Pläne. 

As er jene Briefe jchrieb, wollte er die Familienverbindungen 
zwijchen den Kindern Wladislaws und den Enfeln des Kaiſers nicht: 
hätte er dem Bruder gejchricben, dies fei der wahre Beweggrund der 
Feindſchaft des Kaijers, jo hätte er ihn ohne allen Zweifel gerade zu 
einer ſolchen Verbindung getrieben, und dieje wollte er ja Hintertreiben, 
da er damals ganz den Zäapolyanischen Beftrebungen angehörte. Es 
wäre aljo von feiner Seite unpolitiich geweien, mit einer ſolchen 
Dffenheit in feinem wenn auch vertrauten Briefwechſel aufzutreten. 
Mas aber die deutjchen Fürften anbetrifft, jo durchſchauten fie viel- 
feicht nicht die eigentlichen Pläne Marimilians, oder aber e8 würden 
wohl dergleichen Vermuthungen auch von ihrer Seite hervortreten, 
wenn wir nur genauer wüßten, wie die Verträge von 1515 in 
Deutichland aufgenommen wurden und was damal® zwijchen den 
Fürften über das Verhalten Marimilians vor dem Wiener Congreß 
geredet wurde. Daß nämlich die Meinung, der Kaifer ließe fich bei 
jeinem Auftreten gegenüber dem Orden und Polen von jeinen dyna— 
ſtiſchen Zielen leiten, im der damaligen Welt verbreitet war, davon 
überzeugen uns die Urtheile der gleichzeitigen Schriftiteller. U. führt 
fie ja jelbjt zum großen Theile an, jo alfo von den Deutjchen Fugger 
und Herberftein, von den polnischen Schriftitellern Decius, Wapowski 
(welcher hier weniger in Betracht fommt, da er bis zum %. 1516 
nur den Decius paraphrafirt) und Görsfi, den Sammler der Acta 
Tomiciana, welcher (A. T. II, 1) jagt: Acerbe id (d. i. die 
Weigerung Sigismunds in die vom Kaiſer vorgefchlagene Ehe zu 
willigen) tulit Maximilianus et hostilem animum adversus 
Sigismundum regem induit, contra quem Cruciferos de Prussia 
cum eorum magistro Alberto, marchione Brandeburgensi, in- 
stigabat, et cum duce Moscovie fedus iniit ad societatem 
belli Sigismundo regi inferendi. 

Endlid) behauptet noch U. (S. 108 und 109), daß auch Mari» 
milians Auftreten noch in den letten Tagen vor dem Zuftandefommen 
der Zufammenfunft in Preßburg beweife, daß er nicht „mit Sad 
und Pak ins polnische Yager überzugehen“ gedachte, oder, um dies 
anders auszudrüden, daß es ihm um des Ordens Sade zu thun 
war, die er nur nmothgedrungen verlafjen. 

Dafür foll Sprechen einerjeit8 der Umftand, daß er noch am 
15. Januar 1515 den Abſchluß jenes Bündniſſes gegen Polen ver— 


464 


langte, und andererfeits, daß er noch Ende Januar 1515 den polni- 
hen Gefandten mit den ruffifchen Gefangenen in Hall am Inn an 
halten ließ. Aber fpricht dies Alles nicht eben für die von und dem 
Kaiſer zugejchriebene Tendenz? Ein Bündniß des Kaifers, der deut» 
hen Fürften und des Königs von Dänemarf, gegen Polen geſchloſſen 
und gerichtet, mußte auf der Zufammenfunft zu Preßburg überhaupt 
allen Forderungen bes Kaiſers Nachdruck verleihen und braudte 
durchaus nicht nur die Ordensfache zum Ziele zu haben. Marimi- 
lian an der Spike eines folden Bündniſſes konnte in Prekbur 
den polnischen Forderungen gegenüber eine ganz andere Stellung ein 
nehmen, als allein, von allen deutfchen Fürſten vwerlaffen ; er font 
feine eigenen Hausintereffen mit größerem Nachdrude vertreten, als 
ohne einen ſolchen Bund. Wie ließ fich ein ſolches Bündniß mader 
ausnügen? Man brauchte ja nur den Bolen in Preßburg zu fagn: 
werdet mürbe, gehet auf die Wünfche des Kaiſers ein, denn jomf 
droht euch eine ungeheure Gefahr von Seiten dieſes Bundes; werke 
ihr aber die Wiünfche des Kaiſers erfüllen, fo wird diefer Bund im 
Sande verlaufen. Aeußerſt natürlich ift alfo der Wunſch des Kate, 
no im Sanuar 1515 den Bund zuſammenzuſchweißen, und ji 
ganzes Gebahren ein durchaus confequentes. 

Auch ich zweifle nicht daran, daß der Kaiſer am der Spike dieet 
Bundes ſich wohl auch nicht in der Ordensfache fo lau und gefchmeidig 
in Prefburg und Wien gezeigt Hätte, wie er fich ohne ihr gezeigt bet. 
An der Spige diefes Bundes hätte er nicht nur feine Wamilienplin 
erreichen können, fondern auch manches andere Zugeftändniß von Pole, 
zumal ja auch, wie wir bereit8 oben gefehen, die polnifche Diplomat 
in Preßburg in der preußiſchen Angelegenheit feine entfchiedene Stan» 
haftigfeit bewies. Und lieber, angenehmer wäre es jedenfalls für der 
Kaifer geweſen, zugleich mit feinen Familienplänen auch irgend et 
Zugeftändnig für dem Orden zu erringen; follten aber dieſe veriät- 
denen Intereſſen in Collifion gerathen, jo ftanden für ihn, WER 
jelbjt von ſich jagte, er habe „fein Yebtage gearbeitet, fein Haus 
zu machen“, die dynaſtiſchen Errungenfchaften hoch oben am, und de 
Intereſfe des Ordens und feines moskowitiſchen Verbündeten mut 
vollfommen verschwinden. 

So enthält auch das noch Ende Januar vom Kaifer anbefoh 
lene Anhalten des polnischen Gejandten nichts mit feiner Zenden 
unvereinbares. Der Kaifer wußte ja damals noch nicht, zu welchen 
Nefultate die anberaumte Zufammenfunft führen würde, er mi 
nicht, ob fich die bald zu beginnenden Unterhandlungen nicht überhaupt 
zerichlagen würden, ja noch mehr, er wußte überhaupt noch nicht, IE 
fein ganzes fpäteres Zögern beweift, ob er ſelbſt perſönlich auf dieſet 
Zuſammenkunft erfcheinen würde: ganz natürlich alfo, daß er im je 
nuar 1515 noch in dem Großfürften von Moskan feinen Berbin 
deten und in der polnifchen Gejandtichaft feinen Gegner ſah ud | 
— Gegner anhalten und die ruffifchen Gefangenen be— 

eien ließ. 


465 


Einen Streitpunft bildet endlich noch der Antheil des Kaifers 
an dem moskowitiſchen Kriege. 

Ich Habe in meiner Studie über den Congreß (S. 474) den 
Markgrafen Albrecht und den Kaiſer für den Yosbruc des Groß— 
füriten von Moskau verantwortlich gemacht. Dies ift nicht richtig. 
Vie ich heute fehe, ftellt fi) die Sache doch theilweife anders, und U. 
hat hier im Allgemeinen das Richtige getroffen, 

Wir müfjen in dem rufjischen Kriege von 1512 —1514 drei 
Phafen unterfcheiden. 

Mit Ende des Jahres 1512 bricht der Groffürft in Litthauen 
em. Als Gründe dieſes Losbruches werden von ruffischer Seite 
angegeben: Vergewaltigung der Königin Helene und Aufreizung der 
Zartaren zum Ueberfall des moskowitiſchen Yandes im J. 1512 durch 
den König von Polen. Ob, wiell. verinuthet, Glinski Hinter diefem 
Friedbruch ftecke, ift nicht auf Grund der bisher befannten Materia— 
lien mit Sicherheit anzugeben, aber jedenfalls fehr wahrjcheinlich. 
Dieſer erfte Feldzug ift für den Großfürjten entjchieden ungünftig; 
Idon in der zweiten Hälfte Februar 1513 muß er ſich wiederum 
nah Mosfau zurüdziehen. 

Ende Yuni oder Anfang Yuli 1513 bricht der Großfürft wie- 
drum gegen Polen los, aber auch dieje zweite Phafe des Krieges. ift 
für ihn total ungünftig; im der erjten Hälfte November ift er wie— 
derum gezwungen, die Grenzen Polens zu verlaffen und nach Moskau 
zurückzulehren. 

Endlich beginnt im Frühlinge des Jahres 1514 die dritte und 
letzte Phaſe des Krieges, welche dem Großfürſten zwar den Erwerb 
Smolensks, aber auch die totale Niederlage bei Orsza einträgt!. 

Für die beiden erjten Phaſen ift Maximilian nicht verantwortlich 
ju machen, aber die dritte ift fein eigenftes Werk, Im Auguft 1513 
hatte er Schnitzenpaumer nad) Moskau gefandt, am 2. Februar 
1514 aber kam derfelbe erjt in Moskau an, und es gelang ihm, die 
bereit8 begonnenen Unterhandlungen zu Hintertreiben und den Groß- 
fürften zu dem dritten Losbruch zu bewegen. 

So ftellt fi) meiner Anficht nad) das Verhalten Marimilians 
vor dem Wiener Congreſſe dar. Nun ift das bleibende Verdienft der 
Ahandlung Us., daß er die unterdeß in Deutfchland betriebenen Un— 
terhandlungen klar dargelegt hat und die ganze Reichsmiſere offen 
aufgedeckt hat, daß er gezeigt, wie die deutjchen Fürſten hierbei nur 
ihr Privatinterefje im Auge zu haben pflegten, ohne fich um das 
Wohl des deutfchen Ordens irgendwie zu befümmern. 

Wenn mın aber U. daraus den Schluß zieht, daß das Reiche- 
oberdaupt nur infofern jchärfere Beurtheilung als die Reichsglieder 
verdiene, als die höhere Würde ihm größere Verpflichtungen aufer= 


" Siehe darüber die eingehende, auf erjchöpfender Kenntnif der polnifchen, 
tuffjhen und deutſchen Ouellen beruhende Darſtellung Hirfchbergs in feiner 
oben eitirten Monographie über Decius S. 104—109, 


466 


fegte, fo fünnte ich) mich damit mur dann einverftanden erklären, wenn 
ih mit U. annähme, daß Marimilian in Wirklichkeit für den Orden 
und nicht für feine dynaftiichen Jnterejfen gearbeitet. Daß dem aber 
nicht fo war, glaube ich oben gezeigt zu haben. 

So kam alſo endlich die Zeit der Prekburger Zufammentunft 
heran, und aud hier wiederum unterfchiebt U. in feinem Vertheidi— 
gungseifer dem Saifer ein Motiv, welches in Wirklichkeit nicht eri= 
jtiren konnte. Er behauptet nämlich, den Kaifer hätte zum Preis— 
geben des Drdens in Prefburg und Wien auch der Umſtand bewogen, 
daß „der päpftlihe Hof, durch Johann Laskis Gefchiclichkeit ge— 
wonnen, feine mehr neutrale Haltung ganz aufgab und durd ein 
Breve dem Hochmeifter die Leitung des Yehenseides anbefahl“. Es 
ift mir nicht erflärlich, wie U. und auch v. Zeifberg (Johannes Laski 
und fein Tejtament ©. 545) aus dem Briefe de8 Erzbifchofs Laski 
vom 14. Februar 1515! herauslefen fonnten, daß der Papſt ein 
ſolches Breve an den Hochmeifter abgejandt hat. Der Erzbifchof 
jchreibt hier wörtlid): Perpuli deinde ipsum sanctissimum pontifi- 
cem, ut, dum obtinere minime potui interdictum dari, tamen pol- 
licitus est duo brevia, alterum ad imperatorem, alterum 
ad magistrum. In altero cohortari debet cesarem, ut illos 
captivos omnino remittat, alterius vero tenor is esse debet, 
siservabuntur, que mihipromissa sunt, ut magister 
Prussie prestet debitum juramentum vre. Serme. Mti. Hec 
omnia quomodo scripta erunt, siquidem scribentur, curabo, ut 
videam priusquam hinc exierint et dimittantur, haud enim 
ambigo, quin factum istud (d. h. die Befreiung der ruſſiſchen für 
den Papft beitimmten Gefangenen) permoturum sit pontificem ad 
aliquam acerbitatem. 

Diefes Breve iſt nie zu Stande gelommen. in ſolches Ver- 
iprechen Hat die römische Curie den polnischen Botjchaftern nicht nur 
dies Mal gegeben, aber nicht gehalten. 

Laski fpridht hier nur von einem Verſprechen und fett jelbit 
hinzu: si servabuntur, que mihi promissa sunt. In den ſpä— 
teren Briefen Laskis vom 19. und vom 27. März, im dem Breve 
des Papites von 24. März? findet fi auch nicht ein Wort darüber, 
daß der Papſt fein PVerfprechen gehalten hätte, es ijt alſo bei dem 
Verſprechen geblieben, die That iſt nicht nachgefolgt und konnte aljo 
Marimilians Verhalten auf dem Wiener Congreſſe nicht beeinflufjen. 

Auf dem Congreſſe ſelbſt ließ fi) aber dann Marimilian mit 
folder Yeichtigfeit von der preußifchen und mosfowitiichen Sade ab— 
wenden, daß König Sigismund fogar in einem Briefe an feine Ge— 
mahlin (Acta Tomie. III, Nr. 532) feinem Erjtaunen darüber in 
den Worten Luft macht: Caesarea Mtas. se a magistro Prussie 
et a Mosco facile abstrahi passa est. 


! Acta Tomiciana III, &. 332 und 333. 
? Acta Tomiciana II, Nr. 474. 479 und 480, 


467 


Was nun die in Wien zu Stande gekommenen Abmachungen 
anbetrifft, jo beruft fi Krones (Handbuch der Geſchichte Defter- 
reichs IL, 571) noch immer darauf, daß mit den Heirathspacten auch 
ein gegenfeitiger Erbvertrag verbunden worden fei, „wie ihn die gut 
unterrichtete venetianische Diplomatie verbürgt“. Wenn im J. 1515 
in Wien ein venetianischer Gefandter anwefend gewejen wäre, und 
wenn wir von ihm einen gleichzeitigen Bericht vor uns Hätten, in 
welchen eine ſolche Nachricht ftünde, jo würde auch ich vielleicht troß 
alfer anderen Bedenken Krones zuftimmen; aber dieje ganz unhaltbare 
Nahricht ift ja nur in dem Berichte Marino Cavallis enthalten, und 
diefer wurde erft 1541 an den Hof des Königs Ferdinand gefchict 
und hat erft im December 1543 feinen Bericht vorgelegt. Gegen- 
über dem Mangel aller fonftigen Nachrichten alfo muß ich auch heute 
an meiner früheren Anficht fefthalten und kann nur auf meine Be— 
weisführung (Forſch. VII, 501 ff.) verweifen. Wenn man aber 
dieſe Sache jo auffalfen will, wie dies U. (S. 92) thut, nämlich 
dag Sigismund durd die Einwilligung in die Wiener Heirathen fac= 
tiſch auch das Erbreht der Habsburger anerkannte, ohne einen be= 
fonderen Erbvertrag, am allerwenigiten einen gegenfeitigen aufzufegen, 
jo kann auch ich damit übereinjtimmen. 


XVII. 31 


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— — 


— — — 


Neifefrüchte aus Italien 
und anderes zur deutich-italiichen Geſchichte. 


Von 


Ed. Winkelmann, 


31* 


Die nachfolgenden Mittheilungen ergaben fich mir bei einer im 
vorigen Jahre unternommenen Reife nah Sicilien und Süditalien, 
über welche das „Neue Archiv“ Bd. III, Heft 3 ausführlichere Nach- 
richten gebracht hat. Ich beinerfe deshalb Hier nur, daß der über 
Erwarten erreichte Zwed der Reiſe vornehmlich die Vervollftändigung 
des urfundlichen Materials für die Zeit Friedrichs II. geweſen ift. 
Daß andere Quellen dabei nicht außer Acht gelajfen worden find, 
zeigen diefe Mittheilungen, aber ebenjo jehr auch, daß auf eine bedeu— 
tendere Vermehrung derjelben für jene Periode von dort her faum 
noch zu Hoffen ift; ein paar kleinere aumaliftische Stücke werden in 
den Monumenta Germaniae bekannt gemacht werben. 

Es ſchien wegen der Verwandtfchaft des Inhalts zweckmäßig, 
dieſen Reiſefrüchten aus Italien einige von $ Dr. Liebermann in 
England entdeckte und mir freundlichſt zur Verfügung gejtellte Ge— 
dichte anzureihen, welche auf den literarischen Verkehr Friedrichs II. 
neues Yicht werfen. 


1. Neecrelogia Panormitana. 
I. 


Bibl. Panorm. municip. Mss. Qq. E. 2: Martyrologium 
capellae regiae Panorm. sec. XI. XII. membr. 8., jest 260 ©., 
doch jcheint ein erftes Blatt zu fehlen. An den Rändern mancherlei 
Eintragungen von verjchiedenen Händen, deren frühejte wohl noch der 
eriten Hälfte des 12. Jahrhunderts angehört. Diefe Notizen find 
zum Theil volljtändig abgegriffen und nicht mehr leferlich, zum Theil 
nachher wieder getilgt, zum Theil beim Einbinden fortgefchnitten. 
Die angemerkten Sterbefälle und Ereigniffe gehören, foweit ich fie im 
Augenblide zu beftimmen vermag, den jahren 1090—1270 an. 
Eine (ungenügende) Abjchrift hat Dom. Schiavo, durch den die Hand— 
ſchrift in die Commmmalbibliothef von Palermo kam, im Sammel- 
bande derjelben Qg. F. 34 Nr. 9 Hinterlaffen. 


4 non. jan. Depositio domini...regis pii Rogerlii] (1194). 
8 idus febr. Depositio Elvire regine Sicilie et Italie (1135). 
14 kal. mart. . Eodem die obiit dominus Parisius elericus ca- 


9 kal. mart. 
4 kal. mart. 


2 non. mart. 
17 kal. apr. 
2 kal. apr. 
16 kal. maji. 


4 kal. maji. 


6 non. maji. 


3 non. maji. 
8 idus maji. 
idus maji. 


4 idus junii. 


9 kal. juli. 


472 


pelle regie Panorm., qui indicavit [pro] an- 
niversario pro quolibet anno tarenos quin- 
decim ..... 5 
Depositio Rogerii ducis Apulie (1111). 
Obitus Adelasie. 
— et magnifici Ro]gerii regis 
Sieillie, ducatus Apulie [et prilncipatus Capue 
IIII anno se ejus, anno djomini] 
MCLIIII, [ind.] 11°. 
Obitus ducis Rolgejrii, fili magni regis 
Guillelmi (1161). 
Hic decessit Tancer[edus] princeps Barensis, 
Gr Rogerii regis. 
odem die obiit Beatrix] regina, uxor feli- 
cissimi regis Rogerii, [anno] MCLXXXV. 
Hic obiit Adelasia regina, mater domini re- 
gis (1090?). 
Obiit Adeildis [. . .]?. 
Eodem die dedicatio ecclesie s. Petri, capelle 
regie Pan., facta fuit tempore gloriosı et 
magnifici regis Rogerii anno dominice incar- 
nationis MCXL. Omnibus vero christianis 
ad eam ecclesiam venientibus in die dedica- 
tionis prephate dati sunt pro indulgentia quo- 
libet anno sex anni et totidem quarantane 
de peccatis omnibus, de quibus veraciter fue- 
rint confessi. 
Ling]uens terrenas, milgravit] dux ad amenas 
ogerius sedes, nam celi [detlinet edes 
(1149?). 
Eodem die obiit m....... capelllanus] 
regis. 
Anno domini millesimo ducentesimo septua- 
gesimo dedicata est ecclesia s. Andree. 
Transitus Grim[oaldi]. 
Anno ab incarnatione domini MCLXXX[X] 
obiit mal[gnilficus ac tr[fium]phator er 
Federicus. 
Vigesimo tertio die [men sis junii, die jovis, 
anno ab infcarn]latione domini nostri Jesu 
Christi MCCXXII, indietionis X, obiit [Con- 
sta ]ntia, illustrissi[ma Roma norum imperatrix 
semper [augusjta et gloriosissilma rejgina 


ı Bon viel jüngerer Hand. 
? Shiavo glaubte noch zu leſen: avia domini regis, 


17 kal. aug. 
10 kal. aug. 
2 kal. aug. 


14 kal. sept. 
4 kal. sept. 


2 non. sept. 
4 idus sept. 


15 kal. octob. 
93 kal. octob. 


4 kal. octob. 


6 idus octob. 


5 idus octob. 
4 kal. nov. 
14 kal. dec. 


Sch. julii. 


>» = m m 


Undeutlich. 


473 


Sieilie, plosita] in sarcofaco sex[to deeilmo 
die mensis |... .]! prefate indictionis. 
Eodem die obiit Robertus Guiscardus dux 
Apulie et Calabrie (1085). 
Hie obiit Man. marchisius, avus [comiltisse 
avie domini [regis]. 
Eodem die obiit Mar[garilta regina [Sicilie] 
et Italie, mater gloriosisslimi re]gis W. se- 
cundi, fanno] dominice incarnationis MCL 
. ..) indietione X[.) (1183). 

odem die hf[obliit Henrieus canonicus ca- 
pelle domini. 
Eodem die obiit Henricus fijlius] magnifiei 
[regis] Rogerii ?. 

Rogelrii regis viventis ordine legis 

lm Henriceus [stell]las transivit amicus. 
Hic obiit Seg[ellgarda comiti[ssa] de Mil...) 
(r 1090). 
Eodem die depositura Heſ. . .| confessoris et 
canonici. 
Obitus Jordani [filii comitis Ro|gerii. 
Eodem die obiit Julita, filia magni comitis 
Rogerii. 
Obitus Symeonis, filii Rogerii magni (1101). 
Anno ab incarnatione domini nostri Jesu 
Cristi MC nonagesimo VI|I] obiit Henri[eus] 
magnificus ac [trium]phator Romanorum im- 
perator semper augjustus] et rex Sicilie, vi- 
cesimo octavo [die] mensis septembris, [prijme 
indictionis, sex|to imperii anno]. 

Prineipis Amphosi n[unec] transitus est ani- 


m|osi], 
Octobris deno no... „rebus ameno (1144). 
[.. . Honjrius ....... fidus amicus 


[mu]ndum cum fastu dijvi]no liquerit astu 
Vicesimo [nono] die mensis octobris Pelf....] 
vend?.... obit. 

[Anno ab] inc[arnatione domini] MC — 
simo nono, indictionis octave, obiit rex 
secundus, magnificus ac thriumphfaltor, filius 
mag|ni] regis W., oct[a]vo decimo 9 men- 
sis novembris, positusque in sarc[o|phago 
ventura [die] prime lune. | | 


Die folgenden Berfe von anderer Hand. - 
Die Einzeihnung könnte auch zu 10 kal. oct. gehören, 


4714 


3 kal. dee. Vicesimo octavo die mensis novembris, die 
sabbati, anno ab incarnacione domini nostri 
Jesu Christi MC nonagesimo oc[tavo], indie- 
tionis secunde, obiit Constancia illustrissima 
Roma[norum] imperatrix semper auguslta] 
et gloriosa regina Sieillie], positaque in sar- 
cophago sequenti die do[mijnice. 

idus de. Anno dominice incarnationis MCCL, 

die mensis dec., none indietionis, obiit domi- 
nus noster imperator Fredericus, filius magni 
imperatoris quondam Henriei, et fuit positus 
I sar]chophago vicesimo quinto [die] mensis 
ebruarii eiusdem incarnationis in ceivitate 
Panormi in matre Pan. ecclesia. 
Eodem! die obiit dominus Aquinus pres- 
biter...... sancti Angeli, qui [ilndicavit pro 
anniversario suo ex [pro]ventibus jardini in 
quolibet anno tarenos quatuor. 


II. 


Bibl. Panorm. municip. Mss. Qq. F. 34 fol. Nr. 10 ent— 
hält in Abſchrift Schiavos aus einem Pergamentcoder der capella 
Palatina (dort nicht mehr vorhanden) folgendes Necrologium, deffen 
Eintragungen nicht über das 12. Jahrhundert herabgehen. Ganz 
vereinzelt fcheint im Original noch der Tod der Kaiſerin Konftanze 
1222 augemerft gewejen zu fein. 


8 idus febr. Depositio Elvire regine Sicilie et Italie (1135). 
9 kal. mart. Hic obiit Adelasia avia domini regis Rogerii. 
4 kal. mart. Depositio regis Rogerii (1154). 
17 kal. april. Hic obiit Tancredus princeps Barensis, filius 
Rogerii regis. 
2 kal. april. Depositio regine Beatricis (1185). 
16 kal. maji. Obitus Adelasie regine et Adeleis eius avie. 
3? kal. maji. Eodem die dedicatio ecelesie sancti Petri, 
cappelle regie Panormitane (1140). 
6 non. maji. Linquens terrenas migravit dux ad amenas 
Rogerius sedes, nam celi detinet edes. 
idibus maji. Transitus Grimoaldi. 
9 kal. junii®. 1101. Obiit Rogerius maximus comes Sicilie 
et Calabrie mense junii. 
9 Kal. juli 0000.“ — 


1 Das Folgende von jüngerer Hand. 
2 sic. ° sic 


* Sc. fett auf biefe Zeile gleich da8 Folgende Anno 1186 ꝛc. Er bat 
offenbar eine Notiz über Konftanze II. ausgelafien. s 


475 


Anno 1086, ind. 9, mense julii, 17. cal. aug. 
obiit Robertus Guiscardus dux Apulie et Ca- 
labrie (1085). 


2 non. sept. Transitus Seguelguarde comitisse de Molisio. 
14 kal. oct. Hic obiit Jordanus, filius comitis Rogerii. 
13. kal, oc. Eodem die regina Sybilla obiit (1150?) 

6 idus oc. Depositio principis Amfossi (1144), 


2. Necrologium Salernitanum. 


Bibl. Panorm. munieip. Mss. F. 34 fol. Nr. 11 enthält in 
Abfchrift Anton. Amicos Notizen ex libro anniversariorum ecele- 


sie 8. 


Matthei de Salerno, die, ohne erfennbare Regel gegeben, 


hier nad) den von Amico (aus der Handfchrift ?) mitgetheilten Jahren 
geordnet find, denen ich zum Theil die rectificirten Jahrzahlen in 
Klammern beigefügt Habe. 


1086. 
1110. 
1111. 


1120. 
1135. 
1144. 
1150. 
1153. 
1159. 
1160. 


1163. 
1166. 
1170. 
1177. 
1182. 


1183. 
1184. 


1304. 


Dominus Robertus Guiscardus dux obiit (1085). 
Depositura! domini dueis Rogerii (1101). 

Depositura domini Rogerii ducis, filii magnifiei regis 
Rogerii (1149). 

6. julii obiit dominus Gulielmus dux (1160). 

6. februarii depositura illustris regine Albirie. 
Depositura domini Amphusi Capuanorum prineipis. 
Depositura domine Sibille illustris regine. 

Depositura domini Rogerii magnifiei regis (1154). 
Obiit dominus Adrianus papa IV. 

Dominus Romualdus Guarna archiepiscopus Salerni- 
tanus (1181) et 1180 Robertus Guarna archidiaconus 
ejus frater et 1166 Petrus Guarna eorum pater ?. 
Dominus Teodorus domini regis magister camerarius. 
Depositura domini Gulielmi magnifici regis. 
Depositura domini Henrici Capuanorum prineipis. 
Obiit Jacobus Guarna dominus Castelli maris. 
Depositum ® domini Riecardi, filii domini Roberti co- 
mitis Caserte, 5. januarii. 

1. augusti domina Margherita illustris regina Sicilie. 
Simon Guarna miles, filius domini Luce Guarne ju- 
stitiarli. 

Dominus Rogerius de Bonnomasco cappellanus pape 
et electus Montis regalis. 


. 21. januarii obiit rex Robertus (1343). 
. 26. maji obiit dominus Ludovicus rex Sicilie. 


sic. 
Der Name bes Vaters war bisher ınbelannt, 
Hier jo ausgeſchrieben; fonft abgelürzt -tu. 


476 


3. Necrolegium Liciense. 


Neapel Brancacciana Mss. 4. E. 2 sec. XVI, fol. 38: Ex 


libro martirologii monasterii s. Nicolai et Cataldi existentis 
penes nob. Franeiscum Colletta 1. januarii, VII. ind., 1549. 
Der Abfchreiber hat fchon nicht mehr Alles lefen Können, und feine 
eigene Schrift ift ebenfalls ſehr undeutlich und verblaft. Er hat 
ferner die Daten nicht immer vollftändig ausgejchrieben, an einzelnen 
Stellen fie auch wohl verdorben. 


9 kal. jan. 


7 kal. jan. 
5 kal. [jan.?] 


8 idus jan. 
4 febr. ?. 
7 kal. febr. 


6 kal. febr. 


3 kal. [mart.]. 
15 [kal.?] mart. 


10 kal. [apr.] 
6 kal. |apr.] 
7 idus apr. 
6 idus [apr.] 


primo maji. 


18 kal. julii. 


10 kal. julii®. 


a a we 


Obiit rex Rogerius, filius domini regis Tan- 
credi a. d. 1194, ind. 12. 

Obiit comes Robertus de Gravina. 

Obiit Gullelmus, ducis Rogerii bone memorie 
filius et frater domini Rogerii. 

Obiit rex Carolus a. d. 1285'. 

Obiit comes Alexander de Gravina. 

Obiit rex Tancredus fundator istius monasterii 
a. d. 1194, ind. 12. 

O regine Sicilie nostre 
egregie. 

Obiit rex Rogerius bone recordationis (1194). 
Obiit Gualterius dux Athenarum, Brenne et 
Litii comes 1311, ind. 9. 

Obiit Cecilia Modania, mater regine Sibilie. 
Obiit Sibilia regina Sicilie ®. 

Obiit Rogerius Bellus episcopus Litiensis. 
Obiit comes Goffridus Litiensis. Obiit Sire 
Urso Castaldo #, 

Obiit Gulielmus episcopus ...... densis 
anno 1251. 

Obiit Fulgo epise & bee Litiensis a. 12. 

Obiit Corus Accardus Litiensis. 

Obiit dux Rogerius bone memorie, pater do- 
mini regis Tancredi (1149). 

Obiit Carolus secundus Hier. et Sicilie rex 
1309, ind. 7. 

Obiit comes Gualterius anno domini 1205, 
ind. 8. 

Obiit domina nostra imperatrix Constantia. 
(1222). 


eg Einzeichnung fteht in der Hdſchr. obenan. 


Wohf die Gemahlin des Königs Tancred. 
Den folgenden Eintragungen ift fein Datum — 


junii Hoſchr. 


Das richtige Datum iſt 9. kal. julii. 


477. 


[. .?] idus aug. Obiit domina Agnes, uxor domini Guilielmi 


de Canın 1265. 
5 idus aug. Obiit dominus Ugo comes Brenne et Litii 


a. d. 1296. 

3 kal. [sept.] Obiit Tancredus archiepiscopus Hydrontinus 
(ec. 1219). 

primo sept. Obiit domina Isabella comitissa Brenne et 
Litii. 


7 idus [sept.?]. Obiit Octavianus primus abas monasterii 
1194, ind. 12. 
11 kal. [oct.?]. Obiit domina M. abatissa s. Joannis de Litio 
an. 1271. 


4, Berfe auf König Manfred und Karl von Anjon. 


In der von Agnello beichriebenen Brieffanmlung des 14. 
Jahrhunderts, im Beſitze de8 Principe di Fitalia, folgen der gegen 
Manfred gerichteten Bulle Aleranders IV. von 1259 April 10 (Ca— 
pajjo Nr. 310) diefe Verſe, S. 28 


Rex novus eveniet totum ruiturus in orbem, 
ut donet eterne matris honore plagam, 

ex inexperato properans de montibus altis 
ac cavernosis mitis et absque dolo, 

5 pauper opum, dives morum, ditissimus almi 

pectoris ob meritum, cui deus augur erit. 
Hie Siculos pravamque tribum sevi Frideriei 
conteret, ulterius nec sibi nomen erit. 
Cuncta reformabit, que trux Fridericus et ejus 
10 cuncti soboles seu suosque sequaces. (sic) 

Es folgt dann Manfreds Brief! an die Römer 1265 Mai 24 
(Sapafjo Nr. 460) und weiter S. 32° diefe Notiz: 

Versus de cometa apparente tempore domini dieti regis 
Manfredi, que quidem cometa apparuit parum ante casum 
ejusdem: 

Mirandum signum visum fuit ex oriente, 
stella micans radiis resplenduit una repente, 
quam referunt homines et firmant esse cometam. 
Regibus ista solet vel tollere vel dare metam, 

5 de qua sic legimus libros recitare Sibille: 


ı Der moderne Abjchreiber des cod. Fital. in ber 
Sir Palermo, Bibl. comm. Mss. fol. F. 706.33, bemerft ſehr naiv über 
diejen Brief: Haec Babe non a — tum quia de summi pon- 
tifieis potestate male olebat, tum quia potius a viro furiis agitato ac 
ex omni parte odium spirante conscripta fuerat, ideoque ex industria 
omissa fuit. 


478 


Postquam transierint annorum tempora mille, 

visibus humanis splendebit stella cometa, 

‚queque novum regem signat, quoque regna quieta. 

Die Veneris, sexto februarii, none indictionis, prope Be- 

neventum interfectus fuit in bello predictus rex Manfredus a 
rege Karolo et! exereitu suo, et sepultus postmodum fuit 
apud pontem Valentinum, et erat anno? domini millesimo du- 
centesimo sexagesimo quinto. 


5. Nachträge zu den Kaiferregeiten. 


982 Aug. 2. in Calabria. Otto II. (sup. disp. prov. Rom. imp. aug.) 
beftätigt cuidam monasterio in Apulia vocabuli s. Angeli in Vultu 
die Befigungen. Johannes canc. ad vicem Petri epi et archic. Mit 
Data 4 non. aug. 984, regn. 25, imp. 15, ind. 10. Actum in Cala- 
bria juxta flumen quod dieitur Lagrinum. Orig. Napoli, Bibl. naz., 
Mss. I, Aa 39 (Nr. 2). Beftätigt von Heinrich VI., ibid. (Nr. 3). Bol. 
St. 822. 823. 

(1037) Padelbrunnen. Konrad I. St. 2083. Neuere Abjchrift: Napoli, 
Gr. Arch., Processi di regio padronato vol. 116, &. 19, mit ind. 5, 
ohne Tag. 

1038 Juni 19. juxta Sangrum. Konrad II. ſchentt auf Fürbitte der Kai- 
ferin Gifela, feines Sohnes König Heinrich und deffen Gemahlin Kunigund 
der Abtei s. Marie in insula maris nominata Tremiti genannte Güter. — 
Kadelous vice Hermanni. Mit 1038, ind. 6, regnil4, imp.13. Act. 
juxta Auvium Sangrum in loco qui dieitur Peranum. Beglaubigte 
Abſchr. von 1779, ibid. vol. 89, ©. 21. 

NB. Der Graf von Termoli Transmund filius Landulfi für Tremiti 
1038 Juli, regn. Conr. imp., a. imp. in Italia 13, ibid. ©. 16. 

1054 Mai 31. Heinrich III. auf Fürbitte der Kaiferin Agnes und feines 
Sohnes Heinrih für Tremiti. — Gunterus vice Hermanni. d... kal. 
junii 1054, ind. 7, ord. 27, r. 15, imp. 8. Actum...ibid. ©. 38. 
(Das Tagesdatum nad) Napoli, Bibl. naz., XIV. A. 27 f, 4°). 

1055 Mai 27. Florentie. Heinrid III. St. 2473. Neuere Abſchr. ibid. 
vol. 116, ©. 23, nod) mit a. ord. 28. 

1137 Aug. 18. Salerni. 2othar III. St. 3352. Neuere Abſchr. ibid. S. 27: 
Riccardus vice Henr. Mit ind. 15, 15 kal. dec. 

1150 März 14. Nuremberge. Konrad II. St. 3569. ibid. S. 30. Mit 
ind. XIII, 1150, regni 13. 

1185 Sept. 18. ap. Cucurionem. Friedrich J. St. 4433. ibid. ©. 34: 
apud Cuc. in territorio Spolet. — ind. 3, r. 34, imp. 32, 

1194 Olt. 28, ap. Messanam. Heinrid VI. verleiht Meffina Handelsfrei- 


ı ab Hdſ. ® anni Sf. 


479 


beiten, Unterthänigfeit des Landes von Lentini bis Patti u. ſ. w. Z.: Hein: 
rih B. dv. Worms, Walter B. v. Troja, Ludwig H. dv. Baiern, Konrad 9. 
v. Spoleto, Markwald Reichstruchſeß, Heinrich Marſchalk, Heinrich Schenk. 
Actum a. d. i. 1194, ind. 3, regn. 24. Data ap. Mess. 5 kal. Nov. 
p. ın. Alberti imp. aule prothonot. — Messina, Arch. municip. Privi- 
legienbuch (neue Abſchr. aus dem Stadtrehtsbuche von Trapani f. 29. Bol. 
&t. 4887. 

1194 Dec. 13 Panormi. Heinrih VI. St. 4890, 3.: Mattheus Erzb, v. 
Capua, Heinrih B. dv. Worms, Bonifaz Mfg. v. Montferrat, Philippus 
frater noster, Hubert de Dune, Vollſt. Abſchr.: Palermo, Bibl. comm, 
Mss. Qq. H. 11 ©. 305. 

1194 Dec. 30. Panormi. Heinrich VI. St. 4894: in palatio Panormi. 

1195 Ian. ... SHeinrih VI. St. 4900. Orig. Palermo, Arch. di 
stato, fehr Hein, überall bis an deu Rand befchrieben. Ortsangabe fehlt 
aud bier, Siegel nicht mehr vorhanden. 

1195 März 6. ap. s. Maurum. Heinrich VI. St. 4907. Bollftändig in: 
fr. Jacobus cognomento Graecus Syllaneus, Joach. abb. chronologia, 
Cusentiae 1612, ©. 118, 

1195 März; 30. ap. Barum. Heinrich VI. beftätigt dem Kloſter s. Angeli 
das eingefchaltete Privileg Ottos II. (j. o. 982) und die Berleihungen der 
Könige Roger und Wilhelm. Orig. Napoli, Bibl. naz., Mss. I, Aa 39 
(Nr. 3). Der untere Rand mit dem Siegel ift abgefchnitten. 

1195 April 13. ap. Barolum. Heinrich VI. St. 4922. Auch im Diplo- 
matarium 8. Laurentii, Mss. von 1746 bei 9. Prof. Capaſſo. Z.: Mate 
theus Erzb. v. Capua, Heinrich B. v. Worms, Philippus frater noster 
dux Tuscie, Bonifaz Migr. v. Montferrat, Konrad 9. v. Spoleto, Konrad 
Migr. v. Molife, Marloald Senefhalt, Robert v. Durne, Heiurich Marſchall 
v. Ralindin, Diopuld von Rocca Ardis (Rocca d'Arce). Mit 1195, regmi 
Teuton. a. 25, Sic. 1, imp. 2. 

1195 Juni 18. ap, Comum. Heinrich VI. giebt dem Abte Palmerins vom 
Klofter s. Stephani de Monopoli ein fehr ausführliches Privileg. 3.: 
Mattheus Erzb. v. Capua, Wilhelm Erzb. v. Ravenna, Heinrich B. v. 

Worms, Philippus frater noster, Kourad Herzog dv. Spoleto, Vilar des 
Königreichs Sicilien, Konrad Migr. v. Molife, Marloald Reichstruchſeß, 
Heinrich Marſchall. Ego Conradus .... una cum Gualterio Trojano 
ep. Dat. ap. Cisonam (Cijonam) p. m. Alberti protonot. In Beftäs 
tigung der Kaiferin Konftanze 1197 Ian, 5. Neuere Abſchr. Palermo, Bibl, 
eomm. Mss. Qq. H. 15; Girgenti, Bibl. Lucchesiana; Napoli, Gr. 
Arch., Processi vol. 220, f. 19, 

........ Heinrich VL für s. Maria de Tropea. Dat. Panormi 
Olt. 8. ind. 13, 11951 (Bon der Regentichaft ausgeftellt?) Neuere Abſchr. 
Palermo, Bibl. comm. Mss. Qq. H. 10 £. 175. 

1197 April 28. (Panormi). Heinrich VI. beurkundet das Stadtredt Meffinas, 
3.: archiep, Ragusie (?), Marloald Reichsſeneſchall Herzog dv. Ravenna 


480 
und’Marfgr. v. Ancona, Konrad Herz. v. Spoleto, Wilhelm Graffus Gr. v. 
Malta u. Admiral, Gr. Bartholomens de Luce, Gentifis de Palearia Gr. v. 
Manupello, Leo Gr. v. Ealvi. Ego Conr. Hildesh. ep. Actum 1197 
. vicesimo octavo .... Regni vero ... . (üden). Messina, 
Arch. municip., Privilegienbud) (f. 0.) f. 27. Bol. St. 5064. 

1197 Sept. 25. Messane. Heinrih VI. für den Genuefen Marinus de Ma— 
rino und feinen Sohn Mattheus., Mit 1195 (?), ind. 1. Neuere Abfchr. 
Palermo, Bibl. comm. Mss. Qgq. H. 13 f. 13, unter vielen gefäljchten 
Königsurkunden für italifche Familien. 


1311 April 19. Mediolani. Mag. Bartholomeus de Vargiana Bonon. et 
Mag. Arnaldus de Puteo Placent., medici d. regis, übergeben im Auf— 
trage des Königs Heinrich VII. dem Kloſter des 5. Ambrofius zu beftändiger 
Aufbewahrung die ‘coronam ferream lauream', mit der er am 6. Januar 
vor dem Altare des Heiligen zum Könige von Italien gefrönt worden ift. 
Rom, Bibl. Vitt. Eman. Mss. Nr. 101 (früher s. Croce Nr. 186) 
f, 464°. 


6. Nachträge zu den Regeften der Kaiferin Konftanze 1. 


(Bol. Toeche, Heinrich VI. ©. 694; Winkelmann, Philipp von Schwaben 
S. 497). 


1195 Dec. Panormi. beftätigt Schenkungen früherer Grafen von Lecce an das 
Bisthum Lecce. Mit ind. XII. Napoli, Gr. Archivio, Processi di 
regio padronato vol. 18 f. 10. 

1196 Ian. Panormi. beflätigt der von ihrem Bater gegründeten Kirche von 
Eefalu ihre Güter mit allen Rechten wie zur Zeit Wilhelms II, Mit 1196 
ind. XIV; Henr. a. regni 25 (27?), imp. 5, Sie. 2, Orig. Palermo, 
Arch. di stato, Scuola paleogr. Das Siegel fehlt. 

_ — — beſtätigt dem Biſchofe von Cefalu eine von der Nichte 
des Königs Roger Abdelicia gefchenkte Mühle, pro salute dni Henr. .... 
karissimi viri nostri et ut felicitatem suam deus custodiat tempori 
longiori et pro salute nostra, des Königs Roger umd der Adelicia. Mit 
denfelben Daten. Orig. Palermo 1. c. Siegel fehlt. 

— — — für die Johanniter von Meſſina. Mit denſelben Daten. 
Abſchr. Palermo, Bibl. comm. Mss. Qq. H. 12 fol. 14. 

1197 Ian. 5. Panormi. beftätigt das eingerüdte Privileg Heinrihs VI. von 
1195 Juni 18. für ©. Stefano di Monopoli, Mit 1197, ind. 15, a. regni 
Henr. 26 (28?), imp. 5 (6?), Sic. 2 (37). Abſchr. daſelbſt H. 15; Gir- 
genti, Bibl. Lucchesiana; Napoli, Gr. arch,, Proc. di regio padron. 
vol. 220 f. 19. 


1197 San. 13, Panormi. für s. Maria in valle Josaphat, p. m, Conradi 


431 


Brunswicensis not. — d. Pan. p. m. Matthei Capuani aepi 1196, 
ind. 15, imp. 6, Sic. 2 (3?). Abſchr. daſelbſt: H. 11 ©. 306. 

1197 April 25... . beftätigt eine Schenkung des verftorbenen Grafen Ro- 
bert von Lecce für das -Bisthum. Mit 1197 ind. XV, Napoli, Gr. 
arch., Processi vol. 18 f. 9. 

——— . ſoll zuſammen mit ihrem Sohne Friedrich dem Otto Frangi- 
pani principatum Tarenti cum tota terra Idronti verliehen haben. j. 
Sunocenz IV. 1249 Mai 29. Huill.-Breholles VI, 734. 

eo 00. fol dem Kanzler Walther von Palear den Garten eines Scedid 
in Palermo gejchenft Haben. Amato de princ. templo Panorm. ©, 127 
in der Urk. Walthers von 1209 April. 

1198 Oft. 24. Panormi. für den Biſchof Urfo von Girgenti. Auszug ohne 
Daten bei Pirrus I, 703. Bollftändige Abſchr. Girgenti, Arch. cattedr. 
Priv. eccl. Agrig. Tom. III, ©. 41. 


7. Neue Nachträge zu den Regeſten Manfreds. 


(Bl. Forſch. 3. d. Geſch. XII, 381 fi; Capasso, Hist. dipl. regni Siciliae. 
Napoli 1874. 4.). 

-1254 Dec. 3. Fogie. Böhmer, Reg. Manfr. 6; Capasso Nr. 183. Mit 
Ort und Tag Palermo, Bibl. comm. Mss. Qq. H. 13 ©. 35, 

........ Manfred erneuert im einem Umfjchreiben au die Juſtitiare das 
Studium zu Neapel, wie e8 unter feinem Vater beftanden, und bebt alle 
übrigen Particnlarfchulen auf, mit Ausnahme der mediciniſchen zu Salerno. 
Ad regie — publicare. Martene II, 1219. 

........ M. beruft einen Lehrer der Decretalen an die Univerfität zu 
Neapel. Inter alia — observari. ibid. ©. 1218. 

1258 Aug. ... B. 14. 15; Capasso Nr. 285. In Palermo, Bibl. comm. 
Mss. fol .F. 69. Tom. I, 355, heißt der Ort Burgilmercusium und ift nad) 
Hartwig in Hif. Ztſchr. 1876 Heft 3, S. 255 — Menfri zwiſchen Selinunt 
und Sciacca. 

1259 März 5... . M. beftätigt ein Privileg feines Vilars Percival Doria 
für Rocca in der Mark Ancona. ſ. Ardiv d. Gefellih. XL, 553. 

1259 Juli in castris prope Piscariam. M, beftätigt Fabriano das Privileg 
des Reichsvilars Gualter de Manupello 1250 Sept. 12, die Beftätigung 
Friedrichs II. 1250 Olt., und das Privileg feines Generalvilars BPercival 
Doria 1259 März 5. — p. m. Gualterii de Ocra regn. Hier. et Sic. 
canc. — Collez. stor. Marchigiana II, 231. 

1260 Nov. Fogie. M. beftätigt dem Nonnenklofter s. Maria zu Meſſina das 
Privileg feines Vaters 1210 Mai, auf Bitte der Aebtiſſin VBeatrir, feiner 
consanguinea; p. m. Gualterii etc. — Erwähnt: Palermo, Bibl. comm, 
Mss. Qq. H. 10 £. 173. 


482 


1263 ..... M. urkundet für s. Martino delle Scale zu Palermo. ibid. 
Grande Archivio, Prov. s. Martino. 

1263 Juni... M. beftätigt dem Matteo Pipitone von Palermo bort gewiſſe 
Häufer gegen Zins. Orig. ibid. 


Fälſchungen. 
. ....... M. urkundet als König für Gualter de Caltagirone. — p. m. 
Rainaldi secret. — d. in castris ap. Bentecorum regni Neapolis. 


1253 April 14., ind. 15. Neuere Abichr.: Palermo, Bibl. comm. Mess, 
Qq. H. 13 ©. 6. 

FERN ... M. deögl. für Russus Rubeus baro Martinorum. — p. m. 
Rain, secret. — d. in castris ap. Barlectam regni Neapolis 1257, 
April 14., ind. 15. ibid. ©. 21. 

—— M. giebt die entſprechende Anweiſung an die Juſtitiare. d. in 
castris ap. Barolum regni Neapolis 1258, April 14, ind. 15. ibid. 
©. 23. 

—— M. urkundet für die Roſſi in Bezug auf eine Geldſchuld Fried- 
richs II. d. ap. Barolum p. m. Perroni de Jecuemio (?) secret. et 
not. 1258, April 14, ind. 15. ibid. 

........ M. Schreibt dem Stratigot von Meffina wegen fchlecdhter Amıte- 
führung. d. in castro Nöle p. rev. patrem confessorem et canc. no- 
strum Julianum aepum Beneventi 1272, Juli 4. Messina, Arch. mu- 
nicip., Privilegi (Neue Abſchr. aus d. Stabtrehtsbuche von Trapaui) f. 36, 
Bgl. B. reg. Manfr. Nr. 30 zu 1262; Capasso ©. 326. . 

........ M, in gleicher Sache. d. Capue per rev. etc. 1275 Mai 3, 
ibid. f. 38. Es folgt f. 39° die bei Capasso S. 327 gebrudte Fälichung, 
äber mit 1278 Aug. 4. 


8 Drei Gedidhte Heinrihd von Avrauches an Kaiſer 
Friedrich IL 


Den Bemerkungen, mit welchen Hr. Dr. Liebermann die Freund- 
fichfeit hatte mir die folgenden Gedichte zuzufenden, entnehme ich zu= 
nächſt Einiges über die Herkunft derfelben. Sie finden ſich auf fol 
32 col. 1— fol.33® col. 1 der Handfchrift der Univerfitätsbibliothet 
Cambridge Dd. XI, 78, welche in St. Albans gefchrieben iſt und jo 
ſchon zur Zeit des Mattheus Parif. beiſammen war,. da der Band 
in der Hist. major ed. Luard III, 43 als fein Eigentum citirt 
wird, quem habet de versibus Henrici de Abrincis. In Wirf- 
lichkeit befteht aber der Band aus drei gefonderten Stüden, welche 
indejjen ſämmtlich Arbeiten des genannten Dichters enthalten, der ſich 
wiederholt al$ Henricus und Normannus bezeichnet, u. A. auch dem 
Biſchofe Peter von Wincheſter f. 114 eins feiner Werfe widmet. Der 


483 


dritte Theil des Bandes wird ganz von feinem Leben des h. Franz 
eingenommen. Ueber die fpäteren Scidjale des Dichters bringt ein 
jetst der Handfchrift beigehefteter Brief de8 Baron Perche mancherlei 
auf Quellen geftügte Angaben, aus welchen hervorzuheben ift, daß 
der versificator jeit 1245 in dem Kampfe zwifchen Heinrich IIL 
und den Baronen für den König Partei ergriff, 1250 für fein ver- 
(orenes Gedicht gegen die Barone archipoeta ward und eine Penfion 
erhielt, mit dem Satirifer Michael Blancpain in Streit gerieth 
und ficher bis 1264 gelebt hat. Vgl. Hist. litter. de la France 
XVII (1835), ©. 530. 

Was nun die Gedichte an Friedrich IL. betrifft, fo fcheint es 
mir feinem Zweifel zu unterliegen, daß fie ebenfalls von Heinrid) von 
Aoranches herrühren. Dafür fpricht, abgefehen von ihrer Stellung 
in der Handfhrift unter feinen Werken, im zweiten V. 23 ff. bie 
Beziehung des Autors zu dem Bifchofe von Winchefter Pierre des 
Roches und noch mehr, daß er. 70 fich felbft Henris nennt. Ihre 
Abfafjungszeit aber läßt fich wenigitens annähernd bejtimmen. 

A — Reditfertigung des Faiferlihen Vorgehens gegen die Lom— 
barden und Verheißung des Sieges über diefelben — ift, wie V. 84 
zeigt, abgefaßt nad) dem Tode des Michael Scotus. Es iſt mir 
leider nicht gelungen, das Todesjahr dejjelben, der nur bis 1228 nach⸗ 
weisbar ift, feitzuftellen; fiir diefes wird umgekehrt aus unſerem Ge— 
dichte wenigjtend ein terminus ante quem fid ergeben. Denn es 
ift gefchrieben, als Sriedrih II. zum Kampfe gegen die Lombarden 
entjchieden war, ihn aber noch nicht begonnen Hat, aljo 1235 oder in 
der erften Hälfte des Yahres 1236. 

B — das Nnerbieten des vom ungemejjenften Selbftlob über- 
fließenden Dichters, in den Sold des Kaiſers zu treten — wird wegen 
diefes Inhalts wohl etwas früher angefegt werden müſſen als das 
vorangehende Gediht. Immerhin war nad V. 24 ſchon einige Zeit 
feit den Kreuzzuge Friedrichs verfloffen. Mag num der Dichter hier 
um feines Zweckes willen die wijjenfchaftlichen Beftrebungen Friedrichs 
übertrieben haben, wir lernen doch aus ihm, wenn ich fo fagen foll, 
den literarifhen Ruf fennen, in welchem bderfelbe bei feinen Zeitge— 
noſſen jtand, und die Anziehungskraft, welche er auf fie ausübte. 

C — Mahnung an Friedrid, eine Summa der unüberjehbaren 
leges, d.h. des römiſchen Rechts, herftellen zu laffen, als Seitenſtück 
zu der von Gregor IX. unternommenen Godification des canonifchen 
Rechts — enthält jo deutliche Beziehungen auf Gregors Bulle vom 
5. Sept. 1234, mit welcher leßterer feine Defretalenfammlung publis 
cirte, daß das Gedicht jedenfall® nad jenem Datum entftanden fein 
wird. Dürfte man bei dem domesticus hostis®. 44 an den Auf« 
ftand Heinrichs VII. denken, jo würde es beftimmter ins Jahr 1235 
gefett werden müſſen. Indeſſen ift dieſer Feind doch wohl fein an= 
derer als die gens una rebellis ®. 61 oder die Lacii cives V. 
72, unter welchem Ausdrude auch ſchon A. V. 88 ff. die Lombarden 
zu verftehen waren. Die Abfaffungszeit des dritten Gedichtes dürfte 


XVII. 32 


"484 


alſo von der bes erjten nicht ſehr weit entfernt fein, mit Friedriche 
Aufenthalt in Deutſchland 1235—1236 zufammenfallen, und man 
könnte deshalb vermuthen, daß der Dichter bei Gelegenheit der Ver— 
mählung Friedrichs mit Iſabella II., der Schweſter des englifchen 
Königs, Beziehungen zum Kaifer gefucht und gefunden habe. 

Indeſſen ift er wohl kaum damals zuerft nach Deutſchland ge= 
fommen. Schon in einem an den Erzbifchof von Canterbury Stephan 
Laugton (geft. 9. Yuli 1228) gerichteten Gedichte, das in der er- 
wähnten Handſchrift den Kaifergedichten unmittelbar vorangeht und 
das ganz unzweifelhaft Heinrih von Avranches zum Verfaſſer hat !, 
Hagt er darüber, daß in England Niemand feine Verſe belohne; er 
wünſcht Mittel zur Bezahlung feiner Schulden zu Haben, um ſich 
dann nach Deutfchland begeben zu fönnen?. Wann aber hat er dieſe 
Abficht ausgeführt? Wenn ein Gedicht an den Erzbiſchof von Köln, 
das fich in dem zweiten Theile der Handſchrift £. 191 findet, eben- 
fall8 von unferm Dichter Herrührt, wie ich vermuthe, fo dürfte er 
nad) den dort gegebenen Andeutungen ? fchon 1232 oder wenig fpäter 
in Köln geweſen fein, als der Erzbiſchof Heinric) von Molenark von 
einer zu feiner Rechtfertigung unternommenen Reife an den päpjt= 
lichen Hof zurückgefehrt war, vgl. Ann. Col. max. ©. 843. 


A. 


Ad imperatorem Friethericum], cujus commendat pru- 
denciam. 


Coram prineipibus nisi multis ceca favorem 
Indignis fortuna daret, regeretur honeste 
Auctorisque sui splenderet ymagine mundus. 
Sed paciuntur opes quocunque sophismate falli, 

5 Utque methaforice loquar infortunia regum, 
Sunt hominum eure quasi fluctus, rex quasi navis, 
Verba susurronum quasi venti, credere dictis 
Palporum quasi naufragium. Quociensque sinistris 
Aceidit alitibus, quod, adulatoris iniquo 

10 Princeps consilio blande seductus, omittit 


ı Der Dichter jagt da: 
Quid mihi profecit, vestro donasse priori 
Sancti scripta Thome miracula 
Diefe miracula aber, mit denen die Handfchrift beginnt, find ald versus ma- 
gistri H. rubricirt. 
Sic facio versus, quos nemo remunerat. O si 
Anglia Theutonie me saltem redderet album! 
Sed cum me teneant captivum debita, non est, 


Qui redimat etc. 

r Presul Agrippine, vir magne, vir inclite, qui ne 
Invidia tristi —— infamis, adisti 
Vtaliam sponte e 


Der presul wird weiterhin als yachlolger Engelberts gelennzeichnet. 


485 


Id quod agi debet, vel agit quod debet omitti, 
Iminet exicium populis, populacio regnis; 

Cum requirendum prius est in principe, quod sit 
Diseretus: nec enim princeps rudis arte regendos 

15 Arte reget populos verbisque fidelibus aures 
Non inclinabit, sed plus simulata placebunt. 
Cujus tanta rudem premit ignorancia sensum, 
Nee sibi nec populis existet idoneus: unde 
Est opus ut sapiat; alioquin, pace soluta, 

20 Principis et regni pavor est utrobique molestus. — 

Hoc non simplieiter premisi, sed quia laudis 
Argumenta tue, Fretherice, probancia sensu 
Opposito: quod te divina sciencia rebus 
Preficit humanis, in te sua dona coronans. 

25 Obstupefecit cum mundum prudencia quondam 
Ytala, nunc Ytalos tua sie excellit, ut, in qua 
Ipsi vincebant omnes, vincantur ab uno: 

Nullus adulator, nullus te palpo fefellit, 
Nullus amicicie simulator, et omnia cautus 

30 Perfidie fingmenta notas, nec multa minaris, 
Immo dissimulas animi secreta profundi. 

Quantus is est sensus! Princeps, si quando minatur. 
Inde minoratur, tacitusque preoccupat hostem. 
Ingenioque tuo non suflicit ars moderandi 

35 Imperium: quin ipsa scias archana sophie, 
Consultis oculo libris, non aure magistris. 

Nullus in orbe fuit dominans et in arte magister: 
In te perecipitur instancia. Se tibi mundus 
Subdit, at ars subicit; donans Deus omnia, quid cui 

40 Maius vel melius, maiori vel meliori 
Immo pari similive dedit, tibi quoslibet uni 
Et regere effectus datur et perpendere causas. 
Cum sic ergo tuos prudencia dirigat actus, 
Plebsque tibi, sicut* Pan Phebo, sicut Aragne 

45 Palladi, cisma gerat, causas oblita priores, 

Si commota semel nudaverit ira mucronem, 
Imperiale decus et avita tuebere iura; 
Felle carens, milvos aliquando columba repellit. 

Neve putes, quod adinveniens presagia fingam; 

50 Si qua mathematici prefantur enigmata rerum, 
Arte movente sua numerum, numeroque movente 
Astrorum seriem, mundumque moventibus astris; 
Si qua super causis doctrina latentibus aure 
Auguris aut oculo fit aruspicis aut meditatu 

55 Arioli: quedam de te presagia, cesar, 


° sic Hbf. 
32% 


486 


A Michaele Scoto me percepisse recordor, 
Qui fuit astrorum serutator, qui fuit augur, 
Qui fuit ariolus, et qui fuit alter Apollo. 
Hunc super imperio cum multi multa rogarent: 
60 Esse sibi, dixit, certa ratione probatum, 
Quod status imperii, te supportante, resurget. 
Prelatis adhibere fidem nolentibus illi, 
Addidit hiis verbis formalem pandere causam: 
‘Hac princeps, et non alia, ratione regendis 
65 Preficitur populis, ipsius ut una voluntas 
Unanimes faciat populos, sua jussa sequentes. 
Sic opus est; nec enim poterit consistere regnum - 
In se divisum, sed desolabitur. Hoc est 
Ergo: quod imperii rupisse videtur habenas 
70 Princeipis ad nutum plebs dedignata moveri. 
ed sic est — celum si non mentitur, et astra 
Si non delirant, et mobilitate perhenni 
Corpora si sequitur supracelestia mundus —: 
Excellens alias prudencia principis hujus 
75 Cisma voluntatum dirimet, populosque rebelles 
Conteret et legum dabit irresecabile frenum. 
Nec tamen arma feret spontanea, sed spoliatus 
In spoliatores, quos talio puniet equa: 
Omnia dat qui justiciam negat arma tenenti’. 
80 Veridicus® vates Michael, hec pauca locutus, 
Plura locuturus, obmutuit, et sua mundo 
Non paciens archana plebescere, jussit 
Ejus ut in tenues prodiret hanelitus auras. 
Sic acusator® fatorum fata subivit. 
85 Neve fide careant tanti presagia vatis: 
Ytala Theutonico fraus est ferienda furore ; 
Illius insultu populi populaberis istum ; 
Et postquam Lacias in humum prostraveris arces ® 
Imperioque tuo servire coegeris urbes, 
90 Sicut Theutonicos Laciis, sic euilibet hosti 
Oppones Latios fiesque monarchior orbis, 
Quam fuit Augustus, minimeque resistere tanti 
Principis impetui poterit quantuslibet hostis. 
Hiis igitur restat, tua qui rapuere, timendum, 
95 Ne sua tu rapias. Nec enim lex equior ulla est 
Quam dare mercedem pro merce, nocere nocenti, 
Ledere lesorem, clavoque retundere clavum. 
Sed taceo; nec enim, quid oporteat, ipse requiris: 


b 


. —— im Text. Am Rande Veridieous. 
0 
NUeber artes iſt T [vel] ces ubergeſchrieben, alſo aroes. 


487 


Consilii satis est in te tibi. Teque monendo, 
100 Ut sapienter agas, fluctus maris augeo stilla 
Fluminis et lucem solis juvo luce lucerne. 





B. 


Captat et probat dominum Fr[ethericum] fore sibi pla- 
cabilem. | 


Principis ut summi sinat excelleneia, dicam ; 
Applicet o placidas dignacio cesaris aures! 
Suntque* modi duo: prosa-metrum, quibus omnia constant, 
Que loquitur vel que scribit homo. Sine pondere prosam 

5 Et sine mensura profert humana voluntas; 
Est autem metrum species divina loquendi. 
Utque Deus numero, mensura, pondere, mundum 
Feeit eisque tribus essencia quinta refulget, 
Sie data lex Moysi, sic sermo propheticus omnis, 

10 Sie ewangelium loquitur, precisaque® pulchrum 
Verba sonant: metitur enim modus iste loquendi, 
Ponderat et numerat voces et tempora° vocum. 
Hunec ex Hebraico vir Adonius et Sapha conjux 
Transtulit ad Grecos; Greci miseri Latinis. 

15 Qui prosam conferre? metro contendit, et antra 
Deserti poterit domibus componere regni: 
Fit quasi desertum, cum sermo deserit artem, 
Fitque quasi regnum, cum voces arte reguntur. 
Hujus ego regni jus et moderamen adeptus, 

20 Hispida prosarum reliquis deserta reliqui 
Jamque poetarum teneo fastigia solus. 
Extitit® ista tuam faciem mihi causa videndi: 
Wintoniensis! enim michi dixit episcopus olim, 


° que halb ausradirt. b_ precisog: a vom berfelben Hand über« 
geſchrieben. ° pignora Hdſ., am Rande von derſelben Hand —— 

d transferre Hdj,; am Rande con. e Extitat Hdf.; am Rand 
in derfelben Hand extitit. 


2 BVierre des Roches, Biſchof von Wincheſter. Bol. Geſch. K. Friedr. II. 
Bd. I, 296, 3, 305, 2. Röhricht, Veitr. 3. Gefch. d. Kreuzzüge I, 18. Die 
Ann. de Dunstaplia bei Luard III, 126 bezeugen ihm, daß er im heiligen 
Lande adeo se strenue habuit, ut tam apud Rom. ecclesiam quam apud 
Fred. gratiam promeruit et favorem. Et cum essent ad invicem ad- 
versarli, inter eos esse meruit mediator et quasi lapis inter parietes 
oppositos angularis. Ann. de Theokesberia, ibid. I, 76: pacificavit 
pam et imperatorem. Auch Matth. Paris hist. minor II, 409 rühmt 
den Bifchof bei Gelegenheit feines Todes (9. Juni 1238) al8 mediator zwiſchen. 
Papft und Kaifer, LE FT F | 


488 


Qui fuit in Syria peregrinus et advena tecum 

25 Et bene te novit, et eum puto quod bene nosti, 
Quod pocius placet ille tibi, quo* nullus habetur 
Major in arte sua, seu sit mechanica, sive 
Libera. Tanta tui micat excellencia cordis. 

Si sit equus celer ut Bucifal, aut mucro cruentus 

30 Ut Duredal, aut hasta rigens ut Pelias, aut si 
Fabricet arma Ciclops, quorum rigor® Hectoris ictus 
Spernat et Ajacem species opponat° Ulixi, 

Et tibi conveniunt et talia solus habebis, 
Constatura licet precio quantilibet auri. 

35 Si tubicen canat ut Perseus, tibicen ut Athlas, 
Aut fidicen sicut Orpheus, tuus ut sit, oportet, 
Arbitrioqgue tuo silvas et saxa movebit. 

Si sit arismeticus‘, qui norit plurima, sicut 
Ysidorus, logicus ut Plato, rethor ut Ancus, 

40 Seu sit gramaticus® ut Donatus, geometerve 
Qualiter Euclides, aut! musicus ut macilentus 
Pitagoras, aut astrologus quasi rex Tholomeus — 
Non est argentum, propter quod omittere velles, 
Quin conviva tuus civisque domesticus esset. 

45 Inde probo, quod me venerari jure teneris, 
Quotquot sunt preter tres componuntur® usie: 
Quiequid enim simplex in usiis, aut Deus, aut est 
Angelus, aut anima. Deus hujus et illius auctor: 
Hunc intellectu perfecit et hanc ratione. 

50 De ratione nichil ad presens! Sed quia voce 
Intellectus habet intellectuque notari 
Res, dignum duxi premittere de tribus istis. 

Est "intellectus, quem non fantasmata turbant, 
Optima pars anime, perfeccio demonis, ipsum 

55 Nata videre Deum; res est quodeunque videmus; 
Voxque quod audimus, Intellectusque videntur 
Et res et voces tres optinuisse m[on]barchi: 

Prima Deo, tibi cura sequens, michi tercia cessit. 
Jure subalterno preest intellectibus ille, 

60 Tu sub eo rebus, ego sub te! vocibus. Actu 
Namque Deus semper intelligit omnia, rerum 
Ille* monarchiam tibi contulit, et michi vocum. 


® qui corr. in quo. Der Eorrector ift ber Schreiber wahrſcheinlich 
überall und gas an den meiften Stellen ſelbſt, nur jchreibt er am Rande 
— ta Hd. Am Rand rigor. © apponat corr. in opp. 
Gramaticus am Rand. ° arismeticus ut Arestes am Rand. 

ut corr. aut. 5 Go in der Abfchrift. 

N Hinter m zwei Buchftaben durch Wachsfled unleſerlich. 
i sb te zwifchen den Zeilen; am Rande geändert in nonnisi. 
k ılle eſchrieben vero Hbf. 


489 


O quam dissimiles! Tua permanet, et mea transit. 
Orbis enim semper, vox nonnisi dum sonat; orbem 
65 Lis elementorum faeit infinita perhennem, 
Vocem motive necat* interrupceio cause. 
Ergo, cum sit apud voces essencia pauper, 
Me, qui pauper eram, fecit Deus inde monarchum. 
Et, ne sim monachus, me litera sola tuetur. 
70 Hine vocor Henris?: Hen' — in; ‘ris’ —- risus; dicitur 
Henris 
‘In risu’; — non in risu, quo rideo, sed quo 
Rideor et toti sum factus apostropha vulgo®, 
Coram quo mea ridiculum me fecit egestas. 
Rerum dicior est esseneia; dicior ergo 

15 Preesse monarchus eis parili ratione tenetur; 

Cumque sibi pacis prefigant omnia metam, 
Causa Deus rerum primaria noluit ipsas 
Rege regi nisi pacifico, te scilicet; at, ne 

Dicar adulare, Lacio memorabile vulgo 

80 Sit pro teste michi nomen Frethericus amicum! 
Est adhibenda fides rationi nominis hujus 
Compositi Fretherich: duo componencia cujus 
Sunt Frithe® — rich: ‘Frithe' quid nisi pax? ‘Rich’ 

quid nisi regnum ? 
Ergo per endiadin Frethericusf quid nisi vel ‘rex 

85 Paeificus’, vel ‘regia pax’? Pax pacificusque 
Est idem®, pax emphatice, sed regia tantum ; 
Pacificus proprie, sed rex et gloria regum, 

Quos tibi conferri tua si dignacio ferret, 
Istud qua fieret habitudine, vix reperirem. 

90 Cuiquet sat est regum' sua pars aliquantula mundi; 
Augusto satis est Augusta domuncula mundus. 
Sanguis, honor, sensus, pietas, virtusque decenter 
Sullimavit eos. Sed non ita sanguis eorum 
Preclarus, vel honos celsus, vel sensus inundans, 

95 Vel pietas dulcis, vel virtus est preciosa. 

Sunt ut sidera, sunt ut frondes, sunt ut harene, 
Vel sunt ut cere, vel sunt ut marmora quedam — 
Tu quasi sol, quasi flos, quasi fons, quasi mel, quasi 
Jaspis! 
Quocirca sic inter eos excellis, ut inter 
100 Sidera sol, inter frondes flos, inter harenas 


® necat im Xert; am Rande erfetst dur) fact. P Henricus corr. 


Henris, ° mundo corr. vulgo. adulare im Xert; e halb 
ausradirt. Am Rande ri. ° de corr. the. t Fre mit überge- 
ſchriehenem i. g Am Rande erfegt durch pariter. 


b que am Rande. i regnum corr. regum. 


490 


Fons, inter ceras mel, et inter marmora jaspis! 

Cum tua sic alios premat excellencia reges, 

Simque poesis ego supremus in orbe professor, 

“ Dicendi, licet equivoce, sumus ambo monarchi, 

105 Et summum reputo, quod in hoc communico tecum. 

Ergo, si qua polo pietas, si Jupiter equus, 

Si quid habent voces domino venerabile rerum, 

Ex quo tantus apex tibi me confederat, unum 

Inter utrumque dabis, nulla mediante repulsa: 
110 Aut princeps in carminibus non esse probabor, 

Aut tua me tanquam socium decorabit honestas! 


C. 
Item ad Fr[etherieum] imperatorem quedam persuasio. 


Ne quando tua gesta vacent, o maxime rerum 
Cesar, et o nostri decus admirabile secli, 
Excercenda tibi committitur utraque Pallas. 
Nonnisi supremus rex supremusque sacerdos 

5 Condere jura potest: quod enim quantuslibet altus 
Constituet, quamvis justum, gravitate carebit. 
Canonicum jus papa novat; civile novari 
Debet pocius, cum sit diffusius. Ex quo 
Ergo tua refert leges componere, sicut 

10 Et pape jus canonicum. Dispendia quare 
Differs in summam conferre? volumina legum, 
Que correptorem nisi te diffusa requirunt? 
Est labor exiguus, famamque mereberis illo 
Perpetuam; nec habebis opus suplere minuta, 

15 Immo sufficiet resecare superflua, quorum 
Vix homo diluvium toto percurreret evo; 
Ante senectutem leges vix perleget infans. 
Tu solus patrare potes compendia, tanto 
Humani generis finem positura labori, 

20 Et mundi renovare statum diffusaque tantis 
Scripta voluminibus modico perstringere libro !. 
Neve laborantes obdicat inercia sensus: 
Assignabo modum, quo possunt jura doceri. 
Optima doctrine via pretermittere causas 


2 Bol. die Bulle Gregors IX, vom 5. Sept. 1234, mit welcher biefer 
Bapft die Dekretalenfammlung des Raimund de PBennaforte publicirte, Potth. 
Nr. 9693: Diversas constitutiones .... ad communem et maxime 
studetium utilitatem in unum volumen, resecatis superfluis, 
providimus redigendas etc. 


491 


25 Et perhibere prius: quia, qua, propter quid, ut ergo 
Cedat in exiguum prolixa scientia corpus. 
Argumenta vacent nimiis pregnancia verbis; 

Et veniat facieque mera similisque puelle 
Eloquio suceincta brevi conclusio. Summam 

30 Insinuang breviter, quam vix liber explicat unus, 
Assumat multas nova compilacio tales, 

Quas in corpus ubi liber ille redegerit unum, 
Destruet antiquam nova lux caliginis umbram. 
Quoque sit hoc firmum: si leges astruat omnes 

35 Esse coequivocas* alicujus opinio, sensu 
Indiget aut pena. Nam quedam sunt ibi prime, 
Quas per se notas non est aliunde probari; 
Sunt alie, quarum ratio dependet ab istis, 

Sicut ab igne calor; quod si consideret utens, 

40 Ex aliis alias habitudo probabit eorum, 

Cumque sit in sese completa scientia legum, 

Nulla procul dubio foris argumenta requirit. 
Forte recusabis huic insudare labori, 

Quem diversa trahunt vexatque domesticus hostis. 

45 Excidat hec ratio! Licet indignere latenter, 
Nunquam subjectos dignabere cesaris ira. 

Esto, quod iratum te provocet hostis ad arma — 
Resque dedere suas hostes tibi, non metuendo 
Usurpare tuas; quis enim tibi marte resistet ? 

50 Guischardus, David, Cesar, vel Karolus, omnes 
Oppugnaret eos, paucis si viveret annis: 

Regi Guiscardo Romana potencia cessit, 
Philistea David, Cesar pessumdedit omnes, 
Karolus ydolatras; quantum® restat agendum? 

55 Tu Guiscardus apud Sieulos, tu Cesar haberis 
Rome, tu David Acon, tu Karolus Aquis! 
Qualiter obstabunt tibi, cum sis quatuor isti, 
Qui non obstarent uni de quatuor istis! 
Unum bisextum contingere quatuor annis 

60 Invenit Julius, eivilis tempore belli: 
Tu, Julio major, si te gens una rebellis 
Provocat ad lites, in se divisa nichilque 
Constituens certum, pregnantibus undique membris, 
Hacne resignabis blandam ratione sophiam ? 
Esto, quod totus te marte lacesseret orbis! 
Hoc solum reor esse bonum, quod omittere nolles, 
Si quid omittendum contingentibus esset. 
Ergo supradictum tua magnificencia, cesar, 
Agrediatur opus, cui si® propensius instes, 


* coequas Hbf. b ergänge: tibi. ° god Hhf. 


492 


70 Nil summum tam de facili complere valebis, 
Nullum majorem prestare scolaribus usum, 
Nullis® plus armis Lacios affligere cives. 
Tunceque per ebdomadam poterit plus scire jocando 
Quilibet auditor, quam nunc discendo per annum. 
75 Parvulus iste labor totique salutifer orbi; . 
Laudis erit quasi summa tue, mansura per evum, 
Et per secla tibi dabit indelebile nomen ! 


* nullus Hbf. 


Eberhard von Fulda 
und die Kaiferurfunden des Stifte. 


Bon 


R. Solk, 


Der Urkundenvorrath des Klofters Fulda wurde um die Mitte 
de8 XII. Yahrhundert8 im Codex Eberhardi zuerſt abſchriftlich 
gefammelt, deffen Original ſich jest im Staatsardive zu Marburg 
befindet . Das Werk ift in Anlage und Schrift einheitlih. Der 
Schreiber nennt fi), e8 ift Bruder Eberhard unter Abt Marfward; 
nur die erjten Blätter (f. 3—11 prima) fcheinen von einem anderen 
oder etwas früher gejchrieben. Der erfte Theil ift nicht vor 1155 
entitanden, denn er enthält eine Urkunde von 1155—1159, wol 
aus dem Jahre 1155 °, der zweite Band ift früheftens 1158 ° volle 
endet, noch zu Zeiten des Abtes Markward (1150—1165), wol vor 
1162, denn es fehlt eine Urkunde diejes Jahres, die Eberhard wegen 
ihres Inhaltes gewiß eingetragen hätte *. 

Anordnung des Stoffes. | 

Erjter Band. I. f. 1—69. Päpftliche Privilegien in zwei 
Reihen, bi8 1155—1159. 

Il. f. 70—135. Königliche Präcepte: Verleihung oder Bejtä- 
tigung von Immunität, freier Abtswahl, Wildbann und anderen Vor- 
rechten, bis 1151. 

III. f. 136—178. Schenkungen Privater, Fortfegung der II. 
Abtheilung des II. Bandes; zum Schluß Notizen über einige zu 
Fulda gehörige Kirchen. 

Zweiter Baud. I. f. 1-82. Schenkungen der Kaifer und 
Könige, fowie einzelner Großen. 

II. f. 83—115. Kleinere Schenkungen Privater, in Negeften, 
topographiic geordnet, ein Auszug aus den Godicellis des IX. Yahr- 
hunderts 


III. f. 116—131. Tauſchhandlungen, viele angeblich in Gegen⸗ 
wart des Königs oder vom König beſtätigt. 

IV. f. 132 -157. Zinsbuch des Kloſters, Verzeichniſſe von 
Hörigen, von Lehensleuten. 


2 Bol. die Beichreibung des Coder in Dronkes Vorrede zu den Tradi- 
tiones et antiquitates Fuldenses und Karl Roth, Beiträge II, 66. 

® Dr. 820. — Id citire mit Dr. die Nummern von Dronle® Codex 
— — und ſeine Traditiones nach Capiteln. 


* Dr. 829, 


496 


V. f. 158—190. Schenkungen an die Brüder fpecielf. 

v1. f. 191—195. Bericht des Abtes Markward über feine 
Berwaltung. 

Welchem Zwede die Anlage dieſes Buches dienen follte, das ift 
Kar ausgeſprochen. Das Klofter hatte im XI. und XII. Jahrhun⸗ 
dert Vieles von feinen Befigungen, feinen Einkünften und Rechten an 
die weltlichen Herren verloren!. Abt Markward bemühte fich, fie 
wiederzuerlangen. Den Kirchenräubern follten die Bannbullen von 
mehr als vierzig Päpiten, die Schugbriefe der weltlichen Autorität 
entgegengehalten werden. Man wollte eine Weberficht gewinnen über 
die rechtlih zu begründenden Anfprüche des Kloſters. Den Laien 
gegenüber vertheidigt Eberhard das Berechtigte, die Nothiwendigkeit 
weltlicher Einkünfte für die Brüder; das Flingt in den einleitenden 
Worten wie in feinen Zufägen bei mancher Urkunde durh?. Aber 
auch im Gegenjage zum Abt fucht er die Rechte der Brüder zu 
mehren. Das bejtärkt mid) in der Annahme, daß wir diefen Mönch 
nicht für ein bloßes8 Werkzeug des Abtes halten dürfen, daß die Zus 
fäge nicht Markward zugefchrieben werden müffen, fondern daß Eber- 
hard aus eigenem Antrieb und um die redtlihe Stellung der 
Brüder vor allem beforgt neben der mechanischen Thätigkeit des Ab- 
ſchreibens auch jene umfafjende geiftige Arbeit verrichtete, das ganze Ur— 
fundenmaterial in einer beftimmten Abficht zuzurichten und zu verfälfchen. 

Ueberhaupt muß man mit den von Eberhard überlieferten Texten 
feine Vorreden und Markwards Verwaltungsbericht zufammenhalten. 
Daß er an den Urkunden mancde Willkür geübt, ift fchon mehrfach 
hervorgehoben worden?. Über daß der Zwed, welder ihm bei An— 
lage der Sammlung vorfchwebte, ihn auch zu ganz fyjtematifcher und 
umfangreicher Fälſchung verleitete, ift nod) nicht genügend dargelegt 
worden*. Die gewaltthätigen Eingriffe in die Rechte des Klofters, 
welche fich die großen und Heinen Herren im XII. Jahrhundert er= 
laubten, follten ſchon Jahrhunderte vorher durd Königliche Vorſchrift 
ausdrücklich verboten fein? Dieſe Stellen dürfen wir von vornher⸗ 


I Rambert von Hersfeld zu 1063, M. G. SS. V, 164. 

2 Dronke Trad. IX Borrebe Eberhards; Cod. dipl. Nr. 158 Schluß; 
Dr. 524: abbas fratresque . . adeuntes . . retulerat (sic); Dr. 623 ab- 
bas una cum turba monachorum; Dr. 716 Precipimus etiam .... 
Dr. 718 Preterea precipimus ... Dr. 738 Hoc tantum caveant... 
observentur. B. 1236a abbas . . necnon et monachi ejusdem congre- 
gationis . . suggesserunt ... . tenerent fratres F. monasterii ac possi- 
deant .... ut postulaverunt fratres .. . confirmantes eis... 

3 &idel, Beitr. z. D. II, 141; IV, 627; A.K. II, 213. 

* Dronke, Trad. Borrede S. XIII, leugnet es durdaus. Er fagt, die 
Zuſätze feien ganz harmlofer Natur. Zeitihr. f. heſſ. ©. u. 2. (1847) IV, 
381. Kunſtmann, in Gel. Anz. d. Münd. Alad. 1849 Mr. 138, weift die Be» 
zeichnung “falsarius’ zurüd, muß aber doch zugeben, daß auch bei Eberhard an 
Nachläffigkeiten und Irrthümern fein Mangel ſei. Gegenbaur, Das Klofter 
gute im Rarolinger » Zeitalter I, 51. 95, will die Schuld Hauptfählih auf 

berhards Borlagen ſchieben, and auf fein gebanfenlofes Abfchreiben. 

° Man mollte mit den in den Privilegien angedrohten Höllenfirafen anf 


497 


ein mit Mißtrauen anfehen. Iſt die Vergleihung mit den Drigis 
nalen noch möglich, fo lafjen ſich die Zuſätze leicht erkennen; für die 
andern Fälle bieten Kanzleigebrauh und Sprache der Zeit ein Kris 
terium. Viele Einfhübe find an unrechter Stelle angebracht, etwa 
nad) der corroboratio, fie verrathen ſich fogleidy durch andere Tinte 
im Original= Coder. DBeijpielsweije hat diefer bei St. 769 zum 
Schluß einen Sag, welcher in der Urfchrift fehlt: Preterea preci- 
pimus et confirmamus, ut nemo hominum ulla affinitate pre- 
diorum suorum fretus de eodem foreste aliquod novale sibi 
facere audeat absque Fuldensis abbatis licentia. Scire au- 
tem debent omnes affines et comprovinciales, quia termini 
Fuldensis ecclesie non solum precepto regum, sed etiam banno 
apostolicorum ceterorumque sanctorum patrum, etiam et ip- 
sius sancti Bonifacii interdicto comprehensi sunt, ut nullus 
se de his temere intromittere audeat. Quod si quisquam 
hominum aliquod ibi novale posuerit, abbas habeat potesta- 
tem in utilitatem sue illud ecclesie accipere. Si autem quis- 
quam, quod absit, aliqua potestate fretus resistere et temere 
aliquid possidere temptaverit, anathema sit. Und Abt Marf« 
ward flagt, daß die ärmeren Yeute “faciebant sibi novalia et vil- 
las in nemoribus et forestibus s. Bonifacii’ !. 

Zum Belege bringe ich num das Ergebniß der Collation des 
Cherhardfchen Textes mit einer Anzahl von Originalen. Daß diefe 
auch feine Vorlagen waren, fann man nach feinen eigenen Worten 
annehmen; für die Kritik ift es gleichgiltig, ob eine oder die andere 
Verderbniß des Wortlautes ihm oder einem früheren Copiften zur 
Yaft fällt. Alle wichtigen Interpolationen weijen auf ihn und auf 
feine Zeit. Ach gehe von der Gollation der Nummern St. 612. 
650. 756. 769. 820 auß?. 

In der Orthographie läßt ſich Eberhard von der Vorlage nicht 
beeinfluffen. So ift ae verfchwunden, neben e tritt aud) e an deſſen 
Stelle. Conſequenz fehlt hier fo gut wie bei ti oder ci vor Vocalen, 
bei n oder m vor Yabialen, bei Eigennamen. Perſonen- und Orts⸗ 
namen jchreibt er nach dem Gebrauch feiner Zeit. Genauigfeit in 
Heinen Dingen darf man von ihm nicht erwarten. Daß er für 
ac et fchreibt, für deinde oder dehinc: deinceps, für antefati 
oder prescripti: prefati, für prefatum: eundem, für venerandi: 
venerabilis, für aspicientibus: pertinentibus, für disponente 


die Bebränger wirken. Einen ähnlichen Gedanken entwidelt ein Mönch von 
Bobio im zehnten Jahrhundert. Mabillon, AA. SS. ed. Ven. Il, 48: Ad 
208 qui res s, Columbani injuste suis obsequiis deputant. 

ı Dronke Trad. &. 153. Doch geſchah dies oft mit Zuftimmung des 
Abtes. Gegenbaur II, 23. 

2 Dr Ähnlichen Ergebniffen gelangt Sidel, A. K. II, 214, indem er von 
den Originalen der erften Karolinger ausgeht. Namentlich auf dieje bezieht fich 
die Klage des Eopiften, daß er Manches nicht leſen konnte; hier ift die Möglich: 
keit von Lefefehlern am größten. | 


498 


gratia nur dispensatione, für munitatis: immun., für domina- 
tionis: donationis oder auctoritatis, für breve: carta, für jussi- 
mus assignari: insigniri precepimus, daß er ein scilicet, videlicet 
ausläßt, das oder ähnliches fommt bei jeder Urkunde vor. Auch än- 
dert er gern an der Wortftellung, aus suaeque devotionis ob 
amorem madjt er: et oba. 8. d.; firmior temporibus, humiliter 
nostram, fidelibusque suis, vocatione divina, possint invenire 
ftellt er um. Der Königstitel wird durch Zufäge erweitert. Die 
Schlußformeln (X—XI) fallen oft weg, wenn der Raum zu knapp 
wird, alſo befonders dann, wenn der Urkunde nur eine Seite zuge: 
wieſen ift; die Diplome beginnen faſt alle oben auf der Seite. Bor 
dein Namen des Kanzlers fteht immer Ego. Was auf feinen Titel 
folgt (ad vicem N. archic.) wird ausgelaffen, nur das Schluß⸗ 
wort (recognovi) wieder gejett. Vom Datum bleibt meift nur der 
Kalendertag und eine Yahresangabe, 3. B. Indiction, zurück, ferner 
das Actum und, wenn der Raum reicht, die Apprecation. Läßt der 
Copift auf den Titel des Kaifers einen Gruß folgen, wie: omnibus 
Christi fidelibus tam futuris quam presentibus gratiam et sa 
lutem eternam, gratiam et salutem in domino, gratiam in 
Christo, fest er nad) confirmavimus am Schluß noch Hinzu: atque 
conscripsimus nostri nominis caracterem, ac nom. nostri car. 
inposuimus, fchreibt er ftatt anuli nostri impressione signari 
jussimus u. f. w.: sigillo nostro juss. insigniri — fo hat das 
zwar der Diplomatifer zu beachten, aber für die Rechtsverhältniſſe 
des Kloſters waren ſolche Veränderungen ohne Bedeutung. Auch 
nicht, wenn er in St. 612 nad Thuringiae zufegt: et Orueiburc 
totumque Milinge, denn diefe Güter werden gleich darauf auch im 
Original wieder genannt. Anders in St. 756, wo nad) viam per 
flumen (concessimüs) eingejchaltet wird: ei in flumine piscationis 
potestatem, oder in St. 769 (f. oben), oder in St. 820, wo Dito 
den Königszins von der villa Medenheim dem Kloſter jchenft: 
Fuldensem ecclesiam de regio et imperiali censu absolvimus 
[omnia loca et villas Fuldensis abbatig| quam exactores de 
villa M... redigere soliti fuerant, eundem censum [non so- 
lum ab illa villa sed etiam a ceteris villis abbatis] trad[imus 
et omnia loca ejusdem jene ab hoc tali fisco penitus absol- 
vimus]. Jubemus ut nullus . . exactor [seu quecumque judi- 
ciaria persona eundem Fuldensem locum immo et omnia ip- 
sius monasterii loca per aliquam offensionem vel calumpniam 
inquietare presumat vel familiam ejusdem ecclesig ad aliquod 
servicium et injustam exactionem compellat, neque aliquis 
regius vel publicus exactor] a pref. [monasterii] abbate .. 
censum . . exigere . . presumat. 

Mit Yuterpolationen kargt Eberhard nicht. Willkürliche Ver— 
änderungen der Namen von Aebten oder Königen find ihm mehrfach 
nadhzumweiien!. Warum follte er nicht auch durch Bertaufhung von 

ı In 8. K. 87 wird aus Baugulfus: Rabanus. Gidel, A. K. U, 


499 


Ortsnamen aus einer alten Urkunde eine neue fabricirt Haben? So 
it das spurium Fuldense 4 entjtanden. Eberhard ſchrieb II, 64 
die Schenfungsurfunde Karls d. Gr. über Hamalumburce (S. K. 
60) in feiner Weife ab und machte dann durch Raſuren an den 
Namen aus Hamalanburce: Clingemburc, aus Salegowe: Rinec- 
gowe, aus Salaha: Sulaha. 

Auh ganz neue Urkunden erfand der Fulder Mönd. Neben 
dem jo verunftalteten S. K. 60 und neben ©. K. 87 fteht Eb. II, 9 
die bei Schöttgen und Kreyfig I, 9 Nr. 23 gedrudte Urkunde, den 
Inhalt beider Schenkungen zufammenfaffend. Auf die Immunität 
Konrads J., 8.1236, folgt &b. II, 95 eine harakteriftiiche Fälſchung 
Eherhards, eine Immunitätsurkunde, die zum Theil mit Benutzung 
von B. 1236 verfaßt ift; für einen Artifel war St. 2508 Vorlage, 
das Meifte ift Erfindung Eberhards. Es verlohnt ſich nicht, das lange 
Machwerk Hier zu veröffentlichen. 

Schwieriger ift die Entfcheidung über eine Reihe von Fulder 
Immunitäten des XI. und XII. Jahrhunderts. Die Mönche haben 
die von Karl d. Gr. ihnen verliehene Immunität und freie Äbts- 
wahl von jedem meuen Herricher bald nad) deſſen Negierungsantritt 
beftätigen laffen und die Urkunden forgfältig aufbewahrt. Das Ardiv 
enthält noch die faſt vollitändige Reihe der Originale. Außerdem 
überliefert uns Cherhard 9 Immunitätsurkunden, die den neu ges 
wählten oder eingefeten Aebten gegeben wurden, von Rohing (1043— 
1047) bis auf Markward; feine einzige ift durch ein Original be— 
glaubigt,, einige find durch unpaffende oder corrigirte Namen und 
Titel des at verdächtig. Das Verzeichniß der Präcepte, welches 
der Abt 1069 an den Papft fandte, ſchweigt von ihnen gänzlih. Ahr 


214; in L. 374 aus Hugo Huggi ebenda 355. Der Name Hatto in B. 
1082 paßt nicht in Arnulfs Zeit (Br. 636), der des Kaifers Konrad nicht zum 
Abt Roding, (St. 23232, Anhang). Die Echtheit von St. 558, welches wegen 
ber Nennung Erchenbalds und anderer Widerfprühe aud von Stumpf ver 
dächtigt wurde, wird durch das in Idſtein aufgefundene Driginal- Fragment ge 
fihert. Ohne daffelbe zu kennen, ſprach fich Rieger im N. Archiv I, 528 nad den 
Formeln flir die Echtheit aus. Der Name bes Abtes muß von Eberhard verändert 
worden fein. Er ſteht im Coder zweimal, von der Haud des Schreiber, urfprüng- 
fi und nicht auf Rafur (Mittheilung von Dr. Könnede), An manden Stellen 
feines Coder radi Schreiber jelbft den urfprünglichen Namen aus und fett 
einen andern dafür bin. So in der Schenkungsurkunde Hertacs für den Fulder 
Convent, Eb. II, 159° = Dronte Trad. c. 64. Das curfiv Gedrudte fteht auf 
Rafur, daneben gebe ich in [ ] das urfprüngliche Wort; die Leſung der getilgten 
Namen ift ganz fiher. Regnabat pius imperator Otto rufus [Ludowicus] 
magni imperatoris Ottonis [Caroli] filius. Hertacus a domno Weren- 
hero [Rabano] abbate susceptus est. Facta tempore gloriosissimi im- 
peratoris Ottonis rufi [Ludowici]. Signum domni Ottonis [Ludowici] 
l. imp. Anno d. inc. DCCCCLXXYVIII Der in der Schenkung des 
Srafen Tacgolf, &b. II, 161 = Dronte 578. Facta sub Zudowico 
[Kerol.] glorioso rege [impre.] a. d. inc. [MJDCCCZXT [XI oder VI 
oder II]. Bielleicht find die Correcturen doch von Eberhard gemadit; nur in- 
diet. X ift ficher fpäterer Zuſatz. Xacgolf farb 873, die Veränderungen fchei« 
nen alſo mit gutem Grunde gemacht. 


XV. 33 


500 


Text fchließt fich zum Theil an die früheren Immunitäten an. Es 
empfiehlt fi, die Entwiclung der Jmmunitätsformeln für Fulda hier 
im Zufammenhang zu verfolgen !. 

Rarl d. Gr. verleiht dem Klofter Fulda Immunität (S.K. 31) 
und freie Abtewahl (S. K. 32 vom felben Tage). Beide Vorredte 
werden in der Folge zufammen in einem Diplom beftätigt. Die erfte 
neu ftilifirte und ſich an die allgemeine Formel anfchliegende Urkunde 
ift jene Ludwigs d. Ir. (S. L. 84). Die erjte Hälfte der Urkunde 
wird wegen des Hinzukommens der Erwähnung der Vorurfunde ums 
gearbeitet unter Yudwig d. D. (B. 730) und Lothar I. (B. 570), 
beidemale unabhängig von einander, während die dispositio mit den 
Schlußformeln unverändert bleibt. Indem die Urkunde Ludwigs 
d. D. von feinem gleichnamigen Sohne beftätigt wird (B. 886), 
tritt eine Heine Zufammenziehung des Textes ein. In diefer Form 
wird die Immunität erneuert durch Karl d. D. (B. 941la), Arnolf 
(8. 1026 und 1095), Ludwig d. 8. (B. 1173a), immer mit Bes 
ziehung auf die unmittelbar vorangehende Urkunde und mit wörte 
licher Herübernahme des Tertes, fo gedankenlos, daß auch finnft- 
rende Auslaffungen ſich wiederholen, und mit ganz geringen Variau— 
ten. Ebenfo verfuhr man unter Konrad I., als man für B. 1236 
die Urkunde Karls d. D. B. 9414 abichrieb, während man aus 
der Urfunde Ludwigs d, J. von 880, Juli 23, die Beftimmung 
über die Einhebung des Zehnten von den Hörigen des Klofterd 
zwiſchen Immunität und Abtswahl einſchaltete. Dieſe Faflung 
wird beibehalten unter Heinrich I. (St. 1), Otto I. (St. 57), 
Otto II. (St. 650) und Heinrich II. (St. 1749). Unter Konrad I. 
(St. 2023) wird die Immunitätsformel nen ftilifirt, die Vorlegung 
von Vorurkunden wird nicht mehr erwähnt, es heißt einfach: more 
antecessorum nostrorum Pippini Karli Ludowiei Chuonradi 
necnon trium Ottonum et Heinrici, fpäter auch Konrads IL 
Das “trium Ottonum’ ift wol Phrafe, wir wiſſen von feiner Im— 
munität Ottos III. für Fulda. Nach Konrads Urkunde find die von 
Heinrich III. (St. 2209 und 2508) und Heinrid V. (St. 3082) 
gefchrieben, die beiden Tetten mit einem Zufaß, daß die milites de# 
Kloſters nur dem König, aber nicht dem Grafen Heerfolge leiſten 
müßten. 

Soweit die Originale. Nebenher gehen die von Eberhard über: 
lieferten Immunitätsurfunden. Man kann fie nur nad) den Aebten 
einreihen. Die erfte ift fir Rohing vom 13. Februar 1047, Et. 
2323a, f. unten S. 512. Sie ift nad) St. 2023 ftilifirt, die Namen 
der königlichen Vorfahren, der Intervenienten, die Drtsbezeichnungen 
bei Fulda find ausgelaffen — wenn wir echte Vorlage annehmen 
wollen, vielleicht erft von Eberhard —, dagegen find in der petitio 
mehr nutbare Rechte aufgezählt, in der dispositio Säge beigefügt 
wie: decimas sibi ab apostolica auctoritate collatas accipere 


3 Bol. Sidel in Wiener S. B. XXXVI, 372. 


501 


nec laicis in beneficium tradere . . nullus eos contristet . . 
thelonea et monetas ac vectigalia reditusque agrorum. Der 
Schluß ift verkürzt. Nach diefer Urkunde find gefchrieben: St. 2986 
für Witerad (1060—1075); St. 2897 für Ruthard (1076—1095, 
wol 1089), 1. Aug.; St. 3224 für Erlolf (1114—1122, nennt 
die Vorfahren, fchiebt dabei an ungehöriger Stelle Lothar und Ar- 
nolf ein); St. 3194 für Oudalrich (1123), 1. Sept.; St. 3250 
für —— (1127—1133) von 1127 oder 1130, Mai; St. 3301 
für Konrad (1134 Oct.); St. 3588 für Marfward (1151) Sept. 
Die leten vier find in ihren erften Theilen (arenga, narratio) an-— 
ders jtilifirt, wegen des befonderen Falles der Einfegung eines neuen 
Abtes durch den Kaifer. Der Eingang von St. 3250 und 3285 
(Original) ift gleichlautend, Teßteres enthält aber feine Immunität. 
Eine Strafandrohung findet ſich nur in diefen beiden Stüden. Es 
wäre nicht unmöglih, dag St. 3250 von Eberhard aus St. 3285 
und 2323a zufammengefett wurde. Bedenken erregt auch St. 2462a 
vom 15. Dec., ind. VII (f. unten S.514). Als Kaiſer war erit vr 
rich genannt, dann Konrad, nach dem Abt (Egbert) fällt die Urkunde 
zwiſchen 1048 und 1057, nad der Indiction auf 1054, alfo unter 
Heinrich III. Bon diefem Kaifer hat Egbert 1056 eine Urkunde er- 
halten (Original), welche dem Kloſter ein neues Vorrecht betreffs der 
milites ertheilt. Dieſes wird im Original Heinrichs V. beftätigt, 
in den bloß von Eberhard überlieferten Immunitäten aber nicht er= 
wähnt. St. 24628 iſt gefchrieben nad) St. 1749, mit willfürlichen 
Zufägen Eberhards vor und in der Arenga, mit Zufammenziehung 
der alten Ymmunitätsformel und Erweiterung durch Zoll- und Münz⸗ 
recht. Der Schluß von der Beftätigung freier Abtswahl an ift nad) 
diefer Urkunde oder St. 2023 ftilifirt, deren Benugung für den 
übrigen Text nicht anzunehmen ift. Ebenſowenig kann St. 2323a 
als Vorlage gedient haben. 

Ein abjchliegendes Urtheil über die von Eberhard überlieferten 
Immunitäten zu geben ift noch nicht möglich. Bei der ſtarken Ver- 
fürzung der Daten, in welchen nur einmal ein Ausjtellungsort ges 
naunt ijt, läßt ſich natürlich fein Widerfprud mit dem Itinerar nach— 
weilen, während andererſeits nicht ausgeſchloſſen ift, daß diefe An— 
gaben einfach erfunden find. Da fie nad den echten VBorurfunden 
tilifirt find, können fie ebenfogut in der Kanzlei wie von Eberhard 
verfaßt fein. Ich stelle mic) da Lieber auf die Seite der Miftrauifchen. 

Eherhards Specialität ift die Umwandlung einer Privaturfunde 
in eine Königsurkunde. Er hat damit den Diplomatifern fchon 
manchen böjen Streich gefpielt. Wir wollen zufehen, wie er babei zu 
Werke geht. Nehmen wir Ruoggers Schenkung von 1025. Das 
Driginal findet fich auf der Kafjeler Landesbibliothek, danach druckt 
Dronfe 740. Gberhard II, 51 madıt daraus eine Tradicio Hein- 
rici imperatoris de loco Sunnebrunnen. in fönigliches Proto- 
koll wird vorangeftellt: In nomine sancte et individue trinitatis. 
Heinricus dei gratia Romanorum imperator augustus. Aus 


33 * 


502 


tam presentibus quam et futuris wird: regni nostri Christique 
fidelibus; die erfte Perfon wird zur dritten, ego (3. 1) entfällt, 
vor ante altare (3. 8) wird idem nobilis vir Ruggerus einge 
fchaltet. Die Stelle (3.12): Si autem fortuitu evenerit, ut rex 
sive abbas hanc precariam infringere temptaverit, wird umge— 
arbeitet: S. a. f.e. quod absit, ut aliquis hominum hanc carte 
_ descriptionem et nostre auctoritatis i. t., regie majestatis 
reus sit. Damit bricht der Text bei Eberhard ab, der Schluß mit 
Zeugenanführung, die Datirung und Schreibnotiz paßten nicht für 
ein Diplom. Schannat (Trad. Nr. 602) hat die Fälſchung Eber- 
hards fchon erkannt und durch Streichen de8 Eingangs und des 
Schlußſatzes wieder eine Privaturfunde daraus gemadt. Ebenſo ver- 
fuhr er in zahlreichen ähnlichen Fällen !. 

Auch bei der Schenkung der Diudeha von 1057 können wir 
Eberhards Arbeit controliven, indem wir den Text des Driginals 
Dr. 756) mit dem angeblihen Diplom St. 2977 vergleichen. Des 
aiſers Name und Titel ift vorgejett, aus der erjten Perfon wird 
die dritte, vor den Zeugen ift der Sat eingefhoben: Rogavit ergo 
celsitudinis nostre dignitatem, ut super hanc donationis sue 
oblationem nostre auctoritatis scribi Jjuberemus preceptionem. 
Precipimus igitur atque jubemus, ut nullus hominum hanc vio- 
lare audeat donationem, ut nostre auctoritatis non contempnat 
preceptionem; der Schluß ift verfürzt. 

Noch Iehrreicher ift der Taufchvertrag zwifchen Graf Stephan 
und Abt Huogge vom Yahr 900. Er ift uns in dreifacher Faſſung 
überliefert, 1. aus den alten Traditionsbüchern bei Pijtorius III, 
572; 2. bei Eberhard II, 118 etwas gekürzt; 3. ebenda I, 105 = 
Dr. 647 in angeblicher Föniglicher Beftätigung. Ich ftelle die Texte 
zur DVergleichung nebeneinander, das curfiv Gedrucdte findet fich nicht 
in der älteften Ueberlieferuug. 


1. Kaufvertrag zwiſchen 2. Taufchvertrag, jüngere]3. Angebliche königlicht 


Stephan und Huogge, äl: Veberlieferung. Beftätigung. 
tere Veberlieferung. 
Pistorius (ed. Struvius) Eb. I, 118. Eb. I, 105 = Dronke 
III, 572 647 


CCXLU. Cambium| LXXXXII. Concam-ı XXVI. Concambium 
inter comitem Stepha-|bium de Salzaha quod quod factum est inter 
numetabbatemHuogge.iest in Wetereiba. abbatem Huggi et co- 

mitem Stefanum sub 
re — de — 
za receptum 
concambio). 

In nomine domin. 
Ludowicus dei gratıa 
rex omnibus Christi fide- 
libus gratiam et salutem, 


2 Weber woilffürliche Behandlung der Texte durch Schannat vgl. Sidel 
A. K. II, 215; Gegenbaur, Fulda I, 108. 


503 


1. Tauſchvertrag zwiſchen 2. Taufchvertrag, jüngerel3. Augebliche königliche 
Stephan uud Huogge, äl- Veberlieferung. Beftätigung. 
tere Ueberlieferung. 
Pistorius (ed. Struvius) Eb. II, 118, Eb. I, 105 = Dronke 
III, 572. 647. 

Condecet inter fami-] Condecet inter fami-|Non decet inter fami- 
liaree, cum propria-|liares, quando propria-|liares sive erternos, cum 
rum commutationem/ rum commutationem|propriarum ve? ecclesia- 

rum comutationem fa- 
facere voluerint rerum, facere voluerint rerum,!cere voluerint rerum, 


vicissim tradendo vieissim composita ra-|ut vicissim sol sine te- 
tione tradendo stificatione et auctoritate 

majorum tradendoalter- 

alterutrum committere,/alterutrum equali divi-utrum committant; 
ut sione commutent res unde precipimus et regia 


suas non sine testimonio|nostra auctoritate decer- 

probatissimorum viro-Inimus, ut omnes tradi- 

rum, qualinus sub pre-jciones seu comutationes 

sub presentibus testi-sentium testificatione'sub presentibus idoneis 
bus sibi idoneam testium idoneam sibitestibus fant et quel- 
bei persona sive tradens 
seu accıipiens sibi legi- 
timam faciat confirma- 
tionem regiamque per- 
ducat ad notitiam, ne 
ne ea quae utrique tra-Ineea que utrique partiea que utrimque tra- 
dita fuerint irrita vi-tradita sunt irrita sint, dita fuerint, irrita fiant, 
deantur, sed firma sta-ised mayis firma stabi-‚sed in posterum firma 
bilitate perpetualiterilitate perpetualiter so- stabilitate permaneant. 
perseverent. Igitur no-|4data perseverent. Quallgitur notum sit om- 
tum sit omnium saga-de re notum sit omni-nium fidelium sagaci- 
eitati ideliumtam prae- bus Christi fidelibusitati tamque presentium 
sentium quam futuro-tam futuris quam pre-/quam subsequenlium 
rum, qualiter ego Ste-itibus, commemorationi, qua- 
phan humiliscomescum'qualiter ego Stevan hu-jliter nobilis comes Ste- 
venerabili abbate Ful-\milis comes cum vene-fan nomine cum vene- 
densis coenobii, vide-rabili abbate Fulden-ırando abbate Fuldensis 
licet Huogge, nobis pla- sis!) monasterii, Huggelcenobii videlicet Hügge 
eitum inivi concam-|videlicet, placitum no-|coram me sibi placitum 
bium; quod etiam cum|bis inivi concambium. |concambium secundum 
consilium principum in- 

terit, quod etiam cum 

consensu et licentia ger- consensu germani sus, 
mani mei Walahes scilicet Walohonis viri 
religiosi et aqua deum 

timenlis, idem prefatus 





faciant confirmationem, faciant confirmationem, 





facere non omisi, qui se 
ipsum in regio palatio 
quod dicitur Thribure 
de subnotatis locis, si 
in eis aliquid proprie- 
tatis haberet vel habere 
debuisset, fecit extra- 
neum adversus me, qua- 
tenus ego legitimam in 


ı Fuldendensis Cod, 


comes facere non omisit, 
qui se ipsum in regio 
palacio quod est Tri- 
bure de subnotatis lo- 
cis, si in eis aliquid 
proprietatis haberet vel 
habere debuisset, fecit 
extraneum, quatinus 
idem prefatu comes 


504 


1. Tauſchvertrag zwiſchen 2. Tauſchvertrag, jüngere[3. Angebliche konigliche 
Stephan und Huogge, äl- Ueberlieferung. Beftätigung. 
tere Ueberlieferung. ‘ 


Pistorius (ed. Struvius) Eb. II, 118. Eb. I, 105 = Dronke 
IIL, 572. 647. 

eis haberem potestatem Stefan nomine potesta- 

in meam eleemosynam tem liberam haberet de 

tradendi vel commu- suis bonis tradendi vel 

tandi seu quicquid mihi commutandi seu quic- 

de his placuisset fa- quid de his placuisset 


eciendi. Quare tradidi/Tradidiitaque ad sanc-faciendi.  Quapropter 
ad sanctum Bonifacium tum Bonifacium precio- sepedictus comes tradidit 
Christi martyrem dig- sum martirem, qui injad sanctum Bonifacium 
nissimum, qui in mona- prefato monasterio sa-|Christi martirem, quiin 
sterio Fulda sacro re-|cro requiescit corpore,|Fuldensi nıonasteriocor- 
quiescit corpore, ubiet prefatus venerabilisjporaliter requiescit, lo- 
supranotatus abbas piojabbas Hugge regimen|cum qui consistit in 
regimine pastor esseitenet fratrum regulariter\regione Wetereiba no- 
dignoscitur, locum quildeo servientium, locum/mine Salzaha omniaque 
consistitin regione We-iqui in regione Weter-jad illum pertinentia 
tareibu nomine Salzahaleiba consistit nomine loca quesita et inqui- 
omniaque ad illum per- Salzah omniaque ad il-/renda, in domibus edi- 
tinentia locis quaesitislum pertinentia culta ficiis areisagris campis 


et inquaesitis in do-er ınculta, silvis pratis pascuis mo- 
mibus aedificiis areis lendinis aquis aquarum 
agris campis sylvis pra- decursibus exitibus et 
tis pascuis aquis aqua- reditibus et omnibus 
rumque decursibus exi- legitime adjacentibus 


tibus et reditibus etiid est ubi Brahtahalhoc est ubi Brahtaha 
omnibus legitime adja-iin Kineicha defluit et fluit in Kincicha et inde 
centibus, id est! ubiliinde sursum juxtalsursum juxta Brahtaha 
Brahtaha defluit in/Brahtaha usque in Ri-jusque in Richenbach 
Kinzicha et inde sursum/chenbach usque in Vo-indeque usque in Vo- 
juxta Brahtaha usqueilenbach inde quoque in/lenbach et deinde us- 
ın Richenbah inde us-Cressenbach et a Cres-|que in Cressenbach inde 
ue in Volenbab etisenbach usque in Stei-/quoque in Steinaha et 
einde in Gressenbah'naha et inde usque in de Steinaha usque in 
inde quoque in Stei-/Kinciza; econtra acci-|Kincecha; et ab eccle- 
naba et de Steinaha;piens a supradicto ab-sia Fuldense abbate 
usque in Kinzicha, objbate cum consensu fra-|Huggi mediante recepit 
mei eleemosynam, etutitrum locum quendamjidem Stefan comes locum 
inde reciperem locum/ad sanctum Bonifacium qui dicitur Criechesfelt 
qui dieitur Crichesfeld|pertinentem nominelcum omnibus jure ad 
cum omnibus jure ad Creischesfelt cum omni-eum pertinentibus; 
eum pertinentibus, il-bus jure ad eum perti- — est autem hoc 
lum quoque accepi ainentibus, concambium cum con- 


jam dicto abbate cum sensu fratrum Fulden- 
consensu fratrum sub sis monasterii inter ab- 
ipso degentium, batem et comitem e& 


ea ratione ut utrumquelea scilicet ratione ut/condicione, ut ex utra- 
concambium sine ulliusjutrumque concambium que parte sine ulla am- 
hominis contradictioneisine ullius persone con-|bigustate seu mutabili- 
atque mutabilitate fir-itradictione firmum etitate firmum atque mu- 
mum atque munitumimmutabile perpetuo/nitum sempiterno tem- 
perpetuo persistat. consistat. pore permanest. Eiut 


ı idem Pist. 


505 


1. Xaufchvertrag zwifchen]2. Tauſchvertrag, jüngere 83. Augebliche lönigliche 
Stephan und Huogge, äl— Ueberlieferung. Beſtätigung. 

tere Ueberlieferung. 
Pistorius (ed. Struvius) Eb. II, 118. Eb. I, 105 = Dronke 

III, 572. 647. 

firmior ac stabslior hec 
traditio utrimque ın po- 
sterum permaneat, pla- 
cuit nobis eam sigıllo re- 
gie majestatis insigniri, 


Acta est haec con- Acta est autem heo 
scriptionis chartula tradicio et ex ulraque 
arte legitima commu- 

tatio presente rege et 

cunctis regni principi- 

bus, ipsoque rege preci- 

iente facta est hujus 

conscriptionis cartula 


anno dominicae in- anno dominicg incarna- 
carnationis DCCCC, in- tionis nongentesimo, in- 
dietione tertia, anno dietione tercia, anno 
autem primo Ludovici vero primo Ludewiei 
serenissimi regis, in serenissimi regis, in 
loco qui dicitur Thri- loco quidieitur Tribure, 
bure, scientibus istis scientibuse? annuentibus 
subnotatis testibus: atque faventibus cunctis 


qui aderant principibus. 
Testes sunt Hartman 4; sunt igitur testes 
Brunicho et abi. qui afuere ex utraque 
parte collecti viri reli- 
giosi veraces et deum 
limentes, quorum nomina 


Hartman Brunicho Gil- sunt hec: Hartman 
ting Thacholf Wenilo Briunicho Giltinch Tac- 
Arnolf Marcwart Sigol icholf Wönelo! Arnolf 
Ruodolf Engilscale 'Marquart Sigeloh Ru- 
Gunzo Hadeger Gerhart dolf Engelscalch Gunzo 
Gundecar Berehthelm Hadelger Gerhart Gun- 
Wenito Babo Gerhart dechar Berhthimil We- 
Albirih Ratolf Arnhelm nido Babo Gerhart Al- 
Werdant Berenger Wo- berich Ratolt Arnhelm 
nat Folcnand Hartrat Werdant Berenger Wol- 
Hartroh Berolt Otacar nant Folcnant Herrat 
item Otacar. Hartroch Berolt ÖOta- 


char item Ötäccher. 


Ich gebe num eine Zufammenftellung der Fälle, in welden Eber- 
hard einer Privaturfunde durch Ra föniglicher Betätigung 
in irgend welcher Form mehr Anſehen verſchaffen will?. 


ı Corr. aus Wönilo. 

2 Die erfte Zahl bezeichnet die Nummer bei Dronte, die zweite den Platz 
in Eberhards Coder, das folgende Datum ift das der Tradition, Danach fteht 
der Name des Königs und bie Angabe der Zeit, in welcher der Beftätigungsact 
geichehen fein fol. Dann bezeichne ich die Stellen, welche ich für interpolirt * 
wobei mir das in [ ] Geſetzte und nur zur Erklärung Beigefügte urſprünglich ſcheint. 


506 


68 2,60° (754—779) Jan. 20, Fulda. — Karl d. Gr. (769779) presente Ka- 
rolo rege (für Subfcriptionen fehlte der Raum auf dem Blatte). — Schon 
von Schannat und Dronte für Interpolation genommen. 

62 2,58‘ 779, März 9 (109) — Karld. Gr. 779 [Karolo rege] qui et ipse 
aderat et eandem traditionem suo precepto confirmavit. — Juterpo⸗ 
lation nad) Schannat und Dronke; dagegen Böhmer RK. 96. — Tert von 
Eberhards Vorlage, dem alten Copialbuch, bei Dronke, ohne den Zufak. 

75 2,79 774 oder 786, Sept. 25. — Karld. Gr. 774 oder 786 cum idem glo- 
riosissimus rex Carolus curiam haberet apud nos (fo bei Eb.) und ber 
Schluß: Et hec traditio coram rege confirmata est. 


157 2,59° 800 Febr. 3, Milze. — Karld. Gr. 800 [Carolo rege] qui et pre- 
sens affuit et sua potestativa manu hanc preceptionem fecit, ut nullus 
hominum eam irritam faceret. Signum domni Caroli (M) gloriosi 
regis Francorum. — Tert von Eberharbs Borlage aus dem alten Ehartu- 
lar bei Piftorins und Dronte. 

158 2,71° 800 Febr. 8, Milze? — Karld. Gr. 800. Diefelbe Schenkung erwei⸗ 
tert, in der Faffung einer Königsurkunde, vielleicht Son vor Eberhard um: 
gearbeitet. — Sidel spur. Fuld. 8. 


84 2,8 786 (801?) Sept. 2, Lori. — Karl d. Gr. 801. Carolus dei gratia 
imperator augustus — licentiam habeatis; devotioni vestre .. fidelis 
noster ... et a nobis stabilitam et confirmatam. Et ut hec dona- 
tio — jussimus. Signum domni Karoli imperatoris. — Sidel spur. 
Fuld. 3. 

169 2,57' 801, Juni 6, Fulda. — Karld. Gr. 801. Aderant.. rex Karolus 
magnus .. Signum domni Karoli. — Xelterer Zert bei Dronte. 

176 2,80° 802, Mai 26. — Karl d. Gr. 802. [sub Carolo] imperatore, qui 
et eandem traditionem confirmavit et sigillo suo insigniri precepit. 
Signum domni (M) Karoli imperatoris. Actum Fulde feliciter amen. 
Aclterer Text bei Dronle. 

189 2,75 (780 [800?]—802). — Karl d. Gr. (801—802). Facta est autem 
hec traditio sub Carolo imperatore, ipso presente et confirmante et 
anuli sui impressione roborante — injuriam; vielleiht ift Facta — 
imperatore urfprünglid. 

578 2,161 861.— Rarlb. Gr. 802? 806? 811? [Facta tradicio sub] Ka- 
rolo imperatore, qui et stabilivit et confirmavit eam et anulo suo 
insigniri precepit kartam inde conscriptam. Urſprünglicher Text Eber- 
hards, fpäter verändert (S. 499 N.). 

296 2,31 (803—817). — Karld. Gr. (803—814). Signum Karoli regis in- 
victissimi. Ego Karolus hanc traditionem firmavi. — Original? bei 
Schannat Trad. Nr. 289. 

323 2,120° 816, Mai2, Retzbach. — Ludwig d. fr. 816. Ego vero Ludewi- 
cus Romanorum imperator et semper augustus . . sigillo anuli no- 
stri confrmavi. Signum domni Ludewici (M) pii et invietissimi im- 


507 


peratoris Romanorum. — Ebenſo in dem Eremplar s. XII, welches in 
der Zeit Eberhards gefchrieben ifl. — S. spur. Fuld. 9, vgl. A.K. I, 190. 

488 2,129 831 Mai 1, Prüm. — Ludwig d. Fr. 831. [regnante] et mediante 
atque presente [d. Ludewico e. i.]. Signum domni Ludowici sere- 
nissimi imperatoris. Sidel A. K. I, 190 und II, 341. Simfon, Jahrb. 
X. d. fr. II, 8. 

Tr. c. 64 2,159° (822—840) ober 978. — Ludwig d. fir. (822—840). [Ludo- 
wici] cujus precepto confirmata et sigillo.consignita — fiat. Signum 
domni Ludowici (M) gloriosissimi imperatoris augusti; |. S. 499 N. 
Hertac lebte wol in der zweiten Hälfte des IX. Jahrh. Falle 370. 494. 510, 
Bol. Dronke Tr. c. 73. 74. 

530 2,30 (822—842 [840 ?]). — Ludwig b. Fr. (822—840). Facta est tra- 
ditio sub imperatore Ludowico, qui et confirmavit eam, ober minde- 
fiend qui — eam. 

565 2,130 856 Ian. 2, Fulda. — Ludwig d. D. 856. Coram ipso rege et 
cunctis principibus. Signum Ludowici gloriosissimi regis. — Die 
Anmejenheit des Königs in Fulda um 956 läßt fich micht ermeifen, aber auch 
nicht das Gegentheil. — Stumpf, Reichsk. 1, 100 Nr. 163, ift fir Urfprüng- 
keit der Namensunterfertigung. 

578 2,161 861.— Ludwig d. D. 861. Beränderung der bei Eberhard zuerft auf 
Karl d. Gr. lautenden Urkunde, |. ©. 499 N. Bol. Dümmler Oftfr. I, 328 
N. 32 und Forſch. V, 393, 

647 1,105 900 Trebur. — Ludwig d. 8. 900 (Oct) ſ. 8.502. — 8. 1177. 

648 2,131 901 Mai 8, Trebur. — Ludwig d. K. 904. [ipsorege presente et 
annuente] atque subscribente. [his testibus hoc confirmantibus]. 
+ Signum domni Ludo (M) wici gloriosissimi regis. — Ludwig feiert 
Dftern 901 (Apr. 12) in Franken. Ann. Fuld. 901. — Urfprünglicher 
Tert (anderes Eremplar?) bei Dronte. 


650 2,121’ 904 (9057), Forchheim. — Ludwig d. K. 904 (905?) Inn. d. d. 
et s. n. J. Chr. Ludowicus dei gratis rex Romanorum; noster fidelis 
ac familiaris; novalibus; fidelis noster; et ut memoria — precipimus; 
jubente ac mediante(?) Signum domini Ludowiei pii et invictissimi 
regis Francorum. — Aufenthalt Ludwigs in Forchheim ift nicht nadjzu- 
weifen. 

654 2,128 910 Apr. 6, Trebur. — Ludwig d. 8. 910. quarum — conser- 
ventur; qui et conscribi et sigillo suo insigniri jussit; et precepto 
regio confirmarent. Signum domni Ludowici gloriosissimi regis. — 
B. 1230; vgl. B. 1228 von 909 Dec. 13, Ingelheim, für Mainz. 

659 2,127 914 Yuli, Forchheim. — Konrad J. 914. Signum domni Cunradi 
regis. 

Tr. c. 66 2,162° (Handlung vor 1058, Aufzeihnung ſpäter). — Otto J. (962— 
973). Regnabat eo tempore Otto imp. .. qui omnes ejus traditio- 
nes et cenobitarum constructiones [suo confirmavit precepto — in 


508 


aliquo. — Bol. Dronke Tr. c. 60a. (Sprenger), Dipl. Geſchichte von 
Banz 3. 

Tr. c. 64 2,159° 990? 980? oder (322—840). — Otto II. 978. Was zur Beit- 
beftimmung dienen kann, fteht auf Rafur ſ. S. 499 N.. 

724 2,81' c. 1137? 983? [983— 9912]. — 983 [Dtto III.? 983—991]. [sub 
Ottone imperatore], qui et confirmavit eam et sigillo suo roborawit 
precipitque ut firma semper permaneat. 

(740) 2,51‘ 1025. — Heinrich II. (1018—1024) ober Heinrih III. 1039. 
ſ. ©. 501. Mit Formel I. II. 

749 2,55’ 1048 Dec. 19, Breitungen. — Heinrid) III. 1048. [regnante Hein- 
rico tercio imperatore], qui et hanc cartam sua potestativa confir- 
matione solidavit et sigilli sui impressione munivit. [testes:] Hein- 
ricus imperator. — ©t. 2381 zu 1049 beanftandet diefe Unterzeichnung nicht. 

754 2,79' (1048—1056). — Heinrid) III.(1048—1056). [sub H.imp.], qui 
et confirmavit eam sua auctoritate et sigilli sui impressione pre- 
cepit insigniri deditque — reus sit. 

757 2,81 1057, Fulda. — Heinrich IV. (1057). [sub Heinrico imp. IlII], at- 
que ab eo confirmata est et sigillo ipsius insignita et precepto ejus 
ita corroborata ut nullus hominum eam infringere debeat. 

Stumpf A. ined. 310 1057, Bibra (Hofbiber?). — Heinrid IV. (1057 — 
1058) j. ©. 502. — St. 2977. 

761 2,51’ 1061, Groß/-Borſchla. — Heinrich IV. 1061. Sed et regis Hein- 
riei decreto et auctoritate munita et confirmata est hec eadem carta 
et sigillo regie majestatis insignita — removere. — St. 2598. 


Ich halte auch im den legten angeführten Fällen die königliche 
Beftätigung für Auterpolation Eberhards, obwohl Stumpf diefelbe 
gelten läßt und Ficker, der ſich Beitr. I, 282 fehr vorjichtig dariiber 
ausdrückt, fie nicht unbedingt verwirft. Es handelt ji) um Beglau- 
bigung von Privaturfunden durch angekündigte Siegelung von Seite 
des Könige. Für diefe Uebung ift nur noch ein Beweisſtück aus dem 
10. Jahrh. angeführt, die Urkunde des Kölner Erzbiichofs Everger 989 
für Groß-St. Martin zu Köln. ch will den Fall gleich hier beſprechen. 

Die Urkunde Liegt uns im zwei Faſſungen vor und jede wieder 
in mehrfacher Ueberlieferung. I. Evergers Schenkung, favente et 
consentiente serenissimo tercio Ottone imperatore, mit dem 
Schluß: mea peticione interveniente imperator augustus Otto 
tercius suo proprio sigillo fecit confirmari. A. Cop. s. XIII 
in Düſſeldorf, Staatsardiv, — Yacomblet Ardiv III, 171 Nr. I; 
B. Liber antiquus s. Martini Coloniensis s. XIII m., Pfarr: 
ardiv von Groß-St. Martin, — Ennen u. Ederg I, 471 Nr. 17, 
etwas jünger aber nicht aus A unmittelbar genoinmen, mit der Ueber— 
ihrift: A. 2. Item privilegium Evergeri Coloniensis archiepi- 
scopi sigillatum sigillo Ottonis imperatoris tercii super eodem. 
Diefe Wendung beweift noch nicht, daß die Urkunde damals ein Siegel 
Ottos III. Hatte, fie ift einfach Regeſt des Schlußfates, der diejes 


509 


Eremplar kennzeichnet. — II. Diefelbe Schenkung, vermehrt durch den 
Fiſchfang auf dem Rheine und den Bann, die Kirche eines der ge= 
ſchenkten Orte, mit bejtimmter Umgrenzung eines zinspflichtigen 
Häufergrundes; zum Schluß fieht eine Strafandrohung. A. Original 
in Köln, jest Stadtardiv, mit Siegel Evergers, — Lacomblet 
Archiv III, 171 Nr. I = Lacomblet UB. I, 75 Nr. 123 — 
Ennen u. Eder I, 472 Nr. 18; B. Original in Köln, Pfarrarchiv, 
faft ganz zerjtört, mit A gleichlautend, wol von derjelben Hand, mit 
Siegel Heribert8; C. Liber antiquus s. XIII m. unter A. 1, aus- 
führliches Regeſt in Catalogus abbatum s. Martini Colon. s. XI 
in. = SS. UI, 215 = Böhmer Fontes III, 346; und in der 
Urkunde Hadrians IV. 1158 = Ennen u. Eder I, 548 Nr. 72. 
Wenn man auch an der Originalität von B zweifeln könnte, fo ift 
doc) der Tert durch A beglaubigte. Die Stilifirung deifelben Elingt 
ganz gut. Die Ueberlieferung der Faffung I läßt fich nicht über den 
Anfang des XIII. Jahrhunderts zurückverfolgen, andererjeits fcheint 
der Text älter als Il, da diejes die erweiterte Schenkung enthält; 
vermuthlich wollte Everger die erfte Urkunde dem König vorlegen, er 
erlangte aber feine Bejtätigung derfelben, worauf er die vergrößerte 
Schenkung neuerdings verbriefte. 

Bon diefen Fällen abgefehen hat auch Ficker für die Zeit ber 
farolingifchen und fächfischen Könige feine Privaturfunde anzuführen 
vermorcht, die durch den König befiegelt worden wäre. Und ic) meine, 
wir können ruhig fagen, daß dergleichen in diejer Zeit überhaupt nicht 
vorgekommen fei. 

Zu einem ähnlichen Ergebniß gelange ich bezüglich der Heriiber- 
nahme von Zeugen aus einer Privaturfunde in eine königliche Be— 
ftätigung (Beitr. I, 229). Ich fehe natürlich davon ab, dag man 
an ein Diplom eine Grenzbefchreibung anhängt oder eine Notiz über 
die Ausführung der Königlichen Verordnung. Aber die Annahme ift 
faum zuläffig, daß die von Eberhard überlieferten Bejtätigungsdiplome 
durch Zufammenfügung einer Königsurkunde und einer Aufzeichnung 
über die Zeugen der Handlung entftanden feien. Vielmehr ijt Fickers 
Bermuthung, die er zu St. 2977 äußert (l. c. 230), auf alle von 
mir oben zufammtengeftellten Urfunden auszudehnen: es hat da feine 
Königsurkunde dieſes Inhalts dem Copiſten vorgelegen, fondern es iſt 
einfach eine Traditionsaufzeichnuug in die Form einer kaiſerlichen Be— 
ftätigung gebracht, wie wir Hinzufegen dürfen, von Eberhard jelbft. 


Unterfuchungen über die Fulder Urkunden, wie ich fie als Vor— 
arbeit für die Ausgabe der Diplome durd) die Monumenta Germa- 
niae vorzunehmen hatte, machten ein näheres Eingehen auf Eberharde 
Arbeit zur Pflicht. Die Zufanmenftellungen, welche ich bei diejer 
Gelegenheit nach dem von Sidel in N. Ardiv I, 433 ff. gegebenen 
Mufter machte, füge ich bei. 

Benennungen des Kloſters. Monasterium quod a 
(Bonifatio) noviter constructum est in solitudine Boconia 


510 


juxta fluvium Vuldaha in loco quem b. m. Carlomannus le- 
gitima donatione ei concessit (Dipl. Fuld. 1); m. noncupante 
Fulda qui est constructus in honore s. Salvatoris quem s. 
Bonefatius a novo construxit opere ubi ipse praeciosus mar- 
tyr corpore requieseit (D. 2, Or.); — m. Fuldense q. e. c. i. 
h. s. domini nostri Jesu Christi ubi s. m. Chr.B. r.(D.14); — 
m. F.... in pago Graphelt super fl. ipsius Fulde (D. 7); 
ebenfo in vasta solitudine Boconie in h. s. B. m. ubi ipse pr. 
domnus et sanctus c. r. (D. 8); m. s. Bonifatii etc. (D. 9); 
m. Fulta q. e. in h. b. apostolorum Petri et Pauli in p. Graf- 
felt constructum ubi pr. corpus B. m. r. (D. 10, Or.); ceno- 
bium s. F. ecelesie in h. d. n. J. Chr. necnon et s. d. gen. 
semperque virginis Marie atque s. m. B. (D. 88); e. in h. d. 
gen. sanctique B. archiepiscopi et m. consecrata ac constructa 
(D. 98, Or.); in loci qui F. d. ubi m. sub regula monachica 
in h. s. d. g.M.ac b. B. m. in p. Pochonia c. est (D. 99, Or.). 

Diplome: 1) Sidel P. 7; 2) P. 17; 3) P. 24; 4) spur. 
Fuld. 1; 5) sp. F. 2; 6) K. 17; 7) K. 31; 8) K. 32; 9) K. 
50; 10) K. 60; 11) sp. F. 4; 12) sp. F. 5; 13) K. 73; 14) 
K. 74; 15) K. 87; 16) K. 88; 17) sp. F. 7; 18) K. 94; 19) 
sp. F. 3; 20) sp. F. 8; 21) sp. F. 6; 22) K. 224; 23) K. 
235; 24) sp. F. = Schöttgen u. Kreyjig I, 9 Nr. 23; 25) L. 
84; 26) sp. F. 9; 27) L. 114; 28) L. 141; 29) L. 288; 30) 
Böhmer 730; 31) L. 342; 32) L. 366; 33) L. 368; 34) L. 
374; 35) L. 382; 36) sp. F. 11; 37) sp. F. 10; 38) 38. 570; 
39) B. 571; 40) B. 748; 41) Dronte 554; 42) Dr. 556; 43) 
B. 605; 44) Dr. 566; 45) Dr. 602; 46) Dr. 603; 47) B. 
833; 48) B. 844; 49) Dr. 614; 50) Dr. *615; 51) Dr. 
*616; 52) 8.886; 53) Gegenbaur II, 54; 54) 8.891; 55) Dr. 
622; 56) B. 974; 57) 3. 996; 58) B. 1026; 59) Dr. 629; 
60) B. 1061; 61) B. 1082; 62) B. 1095; 63) 3.1126; 64) 
Dr. 646; 65) B. 1177; 66) Dr. 650; 67) B. 1209; 1 BD. 
1215; 69) 3. 1236; 70) spur. Konrad I. 912 Apr. 12; 71) B. 
1237; 72) 8. 1238; 73) Dr. 667; 74) Stumpf 1; 75) ©t.5; 
76) St.51; 77) St. 40; 78) St. 57; 79) St. *93; 80) St.110; 
81) St.153; 82) St. 192; 83) ©t.537; 84) St. 558; 85) Et. 
612; 86) St. 650; 87) St. 651; 88) St. 652; 89) St. 709; 
90) St. 756; 91) St. 769; 92) St. 820; 93) St. 886; - Et. 
*1569; 95) St. 1570; 96) St. 1828; 97) St. 1639; 98) St. 
1651; 99) St. 1730; 100) St. 1749; 101) St. 1823; 102) 
St. 1825. 

Acta deperdita. Ludwig d. Fr. beitätigt einen Tauſch mit 
Ratgeri (814— 817) nah Dr. 324; derfelbe ſchenkt Salzungen 
(814—840) nad) B. 571 (Sidel A. K. I, 368). Ob man aus 
der notitia Dr. 513 fchließen kann, daß ein Diplom über den dort 
erwähnten Schiedsſpruch ausgeftellt worden fei, jcheint mir zweifelhaft. 
Berloren ift eine Urkunde Ludwigs d. D. über die Schenkung von 


511 


Geismar und Borſch (825— 839) nad) S.L. 368 und eine Arnolfs 
über Folkach u. ſ. w. (896—899) nad) B. 1209. Aus den ge= 
fälfchten oder ftarf verderbten Urfunden Dr. 615. 616 läßt ſich faum 
ein Schluß auf ältere Vorlagen machen. Auch die um 1065—1069 
angelegten Berzeichniffe der Fulder Privilegien bieten wegen ihrer 
fnappen und oft fehlerhaften Angaben feine Anhaltepunfte.e Sie wur— 
den veröffentlicht von ‘Dronfe in Zeitihr. f. heil. ©. u. 2. (1847) 
IV, 360 und Gegenbaur, Fulda II, 58, vgl. ebenda I, 22. 37. 
Hergquet specimina Einleitung. 

Archivgeſchichte. Das Fulder Arhiv blieb auch nad) der 
Aufhebung der Abtei 1803 an Ort und Stelle, bis e8 1871 nad) 
Marburg übertragen ward. 

Ueberlieferung. Im Original find erhalten: D. 2. 3. 
15. 16. 25. 27. 30—32. 38—40. 43. 47—49. 52-55. 57— 
60. 62. 67—69. 71. 72. 74. 75. 78. 80—82. 85. 86. 90 -93. 
95. 98 - 101 in Marburg, 10. 23 feit 1816 in Minden, Alte 
Copien oder ziemlich gleichzeitige Fälfchungen liegen in Marburg von 
D. 1. 6. 89, jpätere Copien oder Tranſumte von D. 12. 22. 26. 
34. 79. 94. Für zwei Texte (D. 35. 64) muß der Fulder Rotulus 
zu Grunde gelegt werden, die erite Sammlung von Königsurkunden 
des Ardivs, Hundert Jahre fpäter angelegt als die ältejten Traditions- 
bücher, beſchränkt auf die Bejtätigungen der päpftlichen Zehntſchenkung 
und der Immunität. Man fchrieb die Urkunden auf Blätter von 
21— 23’ Breite und 32—40’ Höhe, welche man der Höhe nach anein- 
anderreihte, jo daß der Schluß einer Urkunde aud) auf dem nächjten 
Blatt ſtehen konnte. Der Streifen bejteht aus 10 Blättern und ift 
faum 4 Meter lang, doc) fehlen jett die erften 4 Urkunden, wie man 
aus den Nummern auf der Rückſeite erficht. Sie find jünger ale 
* — ichzeitig mit den Abſchriften entſtandenen kurzen Inhaltsangaben 

ajuskel. Die Nummern 5—11 find von einer Hand des be— 
—— X. Jahrhunderts geſchrieben, die 12. und 13. von andern 
gleichzeitigen Händen, die jüngste Urkunde ift von 912, die Abfchriften 
find gut. 

Für alle andern Diplome find wir auf die Ueberliefernng durch 
Eberhard gewiefen. Er hat mur wenige Kaiferurfunden des Fulder 
Arhivs nit aufgenommen. Bon ©. K. 60 abgejehen, welches er 
alferdings abjchrieb, aber durch Veränderung der Namen zu einer 
neuen Urkunde umgeftaltete, find dies Dr. 629 für Wigant, St. 1. 
1828. 2209. 3082, ferner St. *93 und *1569 für die Scholaftici 
von Fulda und St. *709 für Rasdorf. Neben den Driginal-Coder 
in Marburg würden die zahlreichen Abjchriften bejfelben gar nicht 
zu berücjichtigen fein, wenn micht in jenem Hin und wieder ein 
Blatt herausgefchnitten wäre. An diefen Stellen ift das Copia- 
riam III de8 Marburger Archivs zu benugen, welches zu Ende des 


ı Marum SHerquet (Specimina Einf. 1) die Anfertigung diefer Rolle 
auf Widerad um 1069 zurüdführen wollte, ift mir nicht begveiflich. 


512 


XIII. oder Anfang des XIV. Jahrhunderts angelegt wurde und in 
einem Bande von 248 Pergamentblättern in Folio den gefammten 
Inhalt des Codex Eberhardi wiedergibt. Eine Papierhandichrift, 
von Schöttgen auf einer Auction erworben, nach feinem Tode (+ 
15. Dec. 1751) verschollen, enthielt den II. Band des GCoder?. Ich 
glaubte fie in einer Papier-Handichrift in Wolfenbüttel, Extravag. 
105, wiederzuerfennen, welche eine Abfchrift des zweiten Theile von 
Eherhards Coder enthält. Doch ftimmen die Texte nicht fo genau 
überein, um dies mit Sicherheit behaupten zu können. Die Ab- 
Schrift ift nach 1710, vielleiht 1716° für einen braunfchweigischen 
Rath Koch (wol den fpäteren Helmftädter Profeffor Cornelius Die: 
trih K.) gemadht*. ine andere Abjchrift aus diefer Zeit liegt jetzt 
auf der Fön. Bibliothek in Hannover (God. 1018 aus Kindlingers 
Befiß)d. Stumpf dructe daraus Acta ined. Nr. 317. 77. 91. 94. 
99. 310, leider find die Abjchriften unvollftändig, und die von Stumpf 
aus anderen Urfunden entnommenen Ergänzungen ſtimmen meift nicht 
mit dem Texte im Original-Cobder. 

Ueber die Ausnugung des Fulder Archivs zu Urkunden-Publica= 
tionen fiehe Sidel A. K. II, 214; Gegenbaur Fulda I, 102. 

Zwei noch ungedructe Diplome feien hier mitgetheilt. 


Anhang. 
I. 


Raiſer Heinrich III. beftätigt dem Abte Being von Fulda Im: 
munität und andere Rechte (1047?%), Febr. 15. St. 2323a. 


Codex Eberhardi Fuldensis s. XII m. im Marburger Archiv, 
vol. I f. 124 (A). 


In nomine domini et salvatoris nostri Jesu Christi. Hein- 
ricus® divina favente clementia imperator augustus. Constat 
nos divina disponente gratia ceteris supereminere mortalibus; 
unde oportet, ut cujus precellimus munere, ejus studeamus 
modis omnibus voluntati parere. Quapropter omnium dei no- 
strique fidelium presentium seilicet et futurorum noverit indu- 
stria, qualiter fidelis noster Rohingus Fuldensis monasterii 
abbas adiit excellentiam nostram humiliter obsecrans, ut more 


1 Gegenbaur I, 102. 

* GSchöttgen und Kreyfig S. XI. 

® Eine Bleiftiftnotiz im Driginal:Eoder I, 122° erwähnt einer 1716 ge 
machten Abjchrift. 

* Mittheilung von Prof. Dr. O. v. Heinemann und Dr. Banl Zimmers 
mann in Wolfenbüttel. 

Bodemann, Handjchr. 205. 

® Chunradus A. 


513 


antecessorum nostrorum regum et imperatorum prefatum mo- 
nasterium, cui ipse deo donante presidet, cum rebus et homi- 
nibus et talibus bonis que ab antecessoribus nostris regibus 
vel imperatoribus et episcopis vel abbatibus vel ab aliquibus 
beate recordationis viris illuc collata sunt, in munitatibus in 
forestis in villis in deeimis! in theloneis in monetis in ad- 
vocaciis in ecclesiis in beneficiis in familiis in censualibus 
in prediis majoribus et minoribus in mancipiis utriusque sexus 
in vineis in molendinis®? in omnimodis utilitatibus, per aucto- 
ritatem nostri precepti in nostrum mundiburdium et tuicionem 
susciperemus et confirmaremus. Cujus peticioni pium sicut 
dignum fuit assensum prebentes, ob divinum amorem predic- 
tum Fuldense monasterium cum monachis et cum supranomi- 
natis bonis in nostrum mundiburdium et in jus nostre defen- 
sionis per hoc imperiale preceptum suscipimus et omni pro- 
tectionis® munimine solidamus, ea videlicet ratione ut nullus 
publicus vel privatus judex aut quilibet ex judiciaria potestate 
in ecclesias villas aut loca vel agros aut possessiones quas 
moderno tempore infra regnum nostrum prefatum possidet 
monasterium vel que deinceps divina pietas adauxerit, ad 
causas judiciario more audiendas autfreda exigenda vel man- 
siones faciendas vel servos aut colonos distringendos nee ul- 
las redibitiones vel illicitas occasiones requirendas, nostris 
futurisque temporibus ingredi audeat vel ea que supra me- 
morata sunt exigere presumat, sed abbati Fuldensis mona- 
sterii liceat totum sibi subjectum populum cum cunctis ejus- 
dem ecclesie rebus sub nostra defensione possidere et decimas 
sibi ab apostolica auctoritate collatas aceipere nec laicis in 
beneficium tradere; et quidquid de supradictis rebus jus fisei 
nostri exigere poterat, pro eterna remuneratione prefato mo- 
nasterio et fratribus deo ibi famulantibus conferimus, firmis- 
sime precipientes, ut in bonis et locis atque hominibus eorum 
nullus eos contristet; habeat ergo abbas prefati monasterii 
potestatem thelonea et monetas ac vectigalia reditusque agro- 
rum simul cum decimatione tollere et in sue ditionis utilita- 
tem redigere propter edificia facienda vel restauranda et ho- 
spites pauperesque recreandos secundum preceptum regule. 
Et si abbas monasterii obierit, fratres liberam electionis ha- 
beant potestatem. Quicumque hoc preceptum violaverit, ana- 
thema sit. 
Data id. feb. 


1 indecimis wiederholt und durchſtrichen A. 
2 ol ift Eorrectur A 
® ctio auf Rafur A. 


614 


II. 


Roifer Heinrich III. beftätigt dem Abte Egbert von Fulda Im: 
munität und andere Rechte. (1054?) Bec. 15. St. 2462a. 


Codex Eberhardi Fuldensis s. XII m. im Marburger Ardiv 
vol. I, f. 120°. (A). 


In nomine sancte et individue trinitatis.. Heinricus! di- 
vina favente ordinanteque? clementia Romanorum imperator 
augustus omnibus suis et Christi fidelibus gratiam et salutem 
in Christo. Constat nos divina® dispensante* gratia ceteris 
supereminere mortalibus ct gubernacula imperit non sine causa 
suscepisse, immo et ecclesiarum defensacula ex divina mise- 
ratione nobis commissa velle providere; unde oportet, ut cujus 
precellimus munere, ejus studeamus modis omnibus volunts- 
tem adimplere. Quapropter comperiat industria atque utilitas 
omnium fidelium nostrorum presentium ac futurorum, quia vir 
venerabilis Egbertus abbas° Fuldensis monasterii, quod con- 
structum est in honore sancti Bonifacii martiris, in quo idem 
gloriosus martir requiescit corpore sacratissimo, adiens ex- 
cellentissimum ® imperium nostrum ’, obtulit nobis antecesso- 
rum nostrorum regum et imperatorum auctoritatem Ziterasque 
decretales memorabilium preceptorum eorum, in quibus contine- 
batur, qualiter idem principes celarissimi Fuldense venerabile 
monasterium cum rebus et hominibus ad se juste pertinenti- 
bus sub sua constituissent defensione simul et auxissent sug 
donationis oblatione. Obsecravit namque prescriptus abba 
Egbertus, ut similiter ipsum monasterium cum rebus et ho- 
minibus ad se pertinentibus sub nostra etiam statueremus de- 
fensione et inmunitatis tuitione. Hujus ergo venerabilis viri 

eticionem quia justam et rationabilem vidimus, annuimus 
implere, et ideo hanc auctoritatem nostram auctoritati sanc- 
torum patrum predecessorum nostrorum adjungentes, monaste- 
rium sancti Bonifacii simul cum rebus et hominibus et cum 
omnibus sibi rite attinentibus in nostram suscipimus defen- 
sionem, ut nullus judex in ecclesias villas loca vel agros ip- 
sius monasterii vel in servos et colonos seu in familiam sancti 
Bonifacii aliquam violentiam vel injuriam facere presumat 
vel mansionem aut exactionem ab eis tollat, sed liceat abbati 


Kunradus corr. au® Heinricus A. 
ordinanteque auf Rafur, früher clementia A. 
vi corr. au® na? A. 

das Tetste e übergejchrieben A. 

das zweite b mit einem Ablürzungsftrih A. 

8s corr. aus u? A. 

nr in nrm auf Rafur A. 


a a a» W WM m 


515 


suisque successoribus cum sibi subjectis res monasterii tam 
intus quam exterius sub nostra defensione possidere; et quic- 
quid in reditibus suis seu villis aut monetis seu teloneis ha- 
bent quod ad fiscum nostri juris spectat, pro eterna remune- 
ratione prefato monasterio et fratribus deo in eo servientibus 
concedimus. Precipimus etiam atque donamus eis omnem 
decimationem de villis et possessionibus suis, habeatque pre- 
fatus abbas et ejus sequaces potestatem decimas accipere, 
monetas et thelonia ad! suam utilitatem disponere propter 
edificia perficienda vel restauranda, luminaria et odoramenta 
adolenda, et ut sibi suisque fidelibus, pauperibus quoque et 
eregrinis tempore susceptionis usus necessarios possint pre- 
ere, juxta quod sancte regule? propositum ac mandatum ju- 
bet monachos in susceptione? hospitum et pauperum semper 
esse paratos. Et siquando vocatione divina abbas monasterii 
de hac luce migraverit, quamdiu ipsi monachi tales inter se 
ossint invenire qui ipsam congregationem secundum regu- 
am sancti Benedicti ducere valeant, per hanc nostram auc-. 
toritatem licentiam habeant eligendi abbates quos sibi previ- 
derint. Et quisquis huic nostre preceptioni reniti temptaverit 
vel nostre donationis confirmationem irritam fecerit, excom- 
municationis sententiam que in privilegio Zacharig pape ex- 
pressa est experiatur. Hec vero regalis nostrg preceptionis 
auctoritas ut pleniorem in dei nomine obtineat firmitatem, 
manu propria subter eam firmavimus et caracterem nominis 
nostri inscribi jussimus, nostro quoque regio sigillo insigniri 
precepimus. 
(M.)f Signum Heinrici* imperatoris augusti°. 
Ego Winitherius® cancellarius recognovi. 
Data XVII. kal. jan., indietione VII. 


a corr. aus o A. 

e corr. aus u? ober is? A. 

e corr. aus s? A, 

Cunradi A. 
olgt in A: ad confirmationem Fuldensis ecclesie. 
untherus A. 


aa un > 0 8 


Zur älteren bairifchen Geſchichte. 


Von 


Sigmund Niger, 


34* 


1. Für die Rettung des älteften Aftenftüdes zur bairiſchen 
Geſchichte. 


Als ſolches darf man die Litterae Gregorii II. papae decre- 
tales bezeichnen, welche am beſten von Merkel in Mon. Germ. LL. 
III, 451 veröffentlicht ſind. Sie enthalten eine Inſtruction, welche 
der nad) Baiern geſchickten päpftlichen Geſandtſchaft für die dort zu 
treffenden kirchlichen Einrichtungen und Vorſchriften zur Richtſchnur 
dienen ſollte. Diefes hochwichtige Document — hochwichtig, wiewohl 
die darin ausgejprochenen organifatoriichen Pläne der Curie aus un 
befannten Urfachen damals nicht zur Ausführung gelangten — Hat 
im legten Hefte diefer Zeitfchrift Hr. Fr. Nagel! als eine im Jahre 
743 in Deutfchland in den Kreifen des Bonifazius entftandene Fäl- 
fung erklärt. Seine Gründe gegen die Echtheit aber haben mid) 
nicht überzeugt, und an eine Fälfhung aus winfriedifchen Kreifen ver- 
mag ich ſchon gar nicht zu denlen. 

1. Hr. Nagel findet zunächft Schwierigkeiten in Widerfprüchen 
des Datums fowohl in ſich al8 gegenüber der Ueberſchrift. Das Ca— 
pitulare ift datirt: idus Mad. imperante dom. aug. Anastasio 

. anno tertio pontificatus ejus. Kaiſer Anaftafins II. habe 
den Thron am 4. Yuni 713 bejtiegen und im Januar 716 bereits 
verloren. Weber die Iden des Mai 715 noch 716 könnten daher als 
Tag feines dritten Regierungsjahres bezeichnet werden. Papft Gregor II. 
aber, der laut der Weberfchrift die Inftruction erließ, habe, da er am 
19. Mai 715 inthronifirt wurde, als Papft mit Anaftafiıs als 
Raifer zufammen feinen 15. Mai erlebt. Diefe Schwierigkeit ift 
fhon früher nicht unbemerkt geblieben und gab Veranlaffung, daß 
manche Forfcher ftatt Mad. der Xefeart Mar. den Vorzug gaben, welche 
die auf einer alten, jett verlorenen Weingartener Handfchrift beruhende 
Ausgabe von Binius, Coneil. gener. et provinc., bietet. Rückt 
hiermit da8 Datum des Schriftftückes näher an die Thronentfagung 
des Anaftafins, fo wird die Wahrfcheinlichkeit erhöht, daß die Nach— 
richt der Thronummälzung damals von Byzanz noch nicht nach Rom 
gelangt war. MUeberhaupt muß man fich aber erinnern, daß Anafta= 


1 Zur Keitif der äfteften baieriſchen Geſchichte, oben S. 344—358. 


520 


ſius bei einem Seekriege gegen die Araber durch feine Schiffemann: 
Schaft geftürzt und im Anfange des Jahres 716! zur Abdankung ge 
zwungen, daß fein Nachfolger Theodofius tumultuarifch erhoben wurde, 
und daß bald darauf Anaftafius feinem zweiten Nachfolger, Leo dem 
Iſaurier, den Thron wieder ftreitig machte. Bei folder Sachlage 
läßt fi) die Möglichkeit nicht von der Hand weifen, daß die Curie 
auch am 15. Mai 716, obihon damals von den byzantinischen Bor 
gängen der legten Monate wohl bereit8 unterrichtet, doch zur Aner- 
fennung des durch einen Matrofenaufitand erhobenen Theodoſius ſich 
noch nicht entfchloffen Hatte, daß fie einen baldigen Widerruf des er 
zwungenen Rücktrittes feines Vorgängers für möglich hielt, und dag 
ihre Kanzlei daher zunächſt noch nad) den Regierungsjahren des Ana— 
ftaftius datirte. Diefe Auffaffung fcheint mir annehmbarer als die 
von Hrn. Nagel gegen fich felbft eingewendete, daß die Datirung am 
Schluffe vielleicht erjt fpäter, fei e8 in täufchender oder aufflärender 
Abfiht, Hinzugefügt fein könnte. Sicher ftammt dagegen, wie Hr. 
Nagel ſelbſt anerkennt, die Neberfchrift nicht aus der päpftlichen Kanzlei, 
und hiemit verliert e8 alles Auffällige, daß die Gefandten Georgius 
und Dorotheus hier nicht nach beftimmten Kirchen, fondern nur al 
presbyter und subdiaconus 8. sedis apostolicae bezeichnet werden. 

2. Hr. Nagel glaubt ernftlich bezweifeln zu müfjen, ob jemals 
feit dem 6. Jahrhundert direct von Rom aus folche Eonceffionen ges 
macht worden feien, wie fie Cap. 6 mit feinen wenigen Bejchräns 
fungen in Betreff der verwandtichaftlichen Ehehinderniſſe enthalte. 
Vergleichen wir aber die Ehehinderniffe, wie fie etwa ein Menſchen⸗ 
alter fpäter, in den erften Negierungsjahren Taſſilos III., als Tit. 
VII, 1 des bairishen Volksrechtes Geſetzeskraft erhielten, fo erweiſt 
ſich der Unterfchied zwiichen ihnen und den hier aufgeftellten als nicht 
fehr groß, denn man iſt nur um einen Grab der Verwandtſchaft 
weiter gegangen. Und gerade von Papft Gregor II. wijjen wir, daß 
er fich gegenüber deutihen Stämmen in diefem Punkte auch font zu 
einer gewiſſen Nachficht verjtand, wenn diefelbe auch hinter der aus 
Gap. 6 erfichtlichen noch zurückſtand. Mit Bezug auf die Thüringer 
fchrieb er 726 an Bonifazius, in tam barbara gente feien Hei- 
rathen post quartam generationem zu geftatten *, Gin weiteres 
Bedenken gegen die Echtheit diefes Capitel8 und damit der ganzen In⸗ 
ftruction erblidt Hr. Nagel darin, daß dem Gorbinian in feinem 
Kampfe mit Grimoald und Pilitrud die Berufung auf eine derartige 
Beſtimmung noch nicht in den Sinn gefommen fei. Woher aber 
ſchöpft Hr. Nagel diefe Kenntnig? Wenn aus dem Schweigen der 


ı So beftimmt die Zeit der neueſte Darfteller diefer Ereigniffe, Herz 
Geſch. Griechenlands I, 177. Nagel dagegen fetst des Anaſtaſius Thronperziät 
unter Berufung auf Gibbon auf den Januar 716. Meine Hilfsmittel geftatten 
mir nicht zu entfcheiden, ob dieſe engere Zeitbegrenzung durch die Quellen be» 
gründet wird (fe beruht auf der Berechnung von Pagi, zu Baronius Ann. 
ed. Mansi XU, ©. 716. ©, ®.). 

2 Jafls, Mon. Moguntina ©, 89, 


521 


Vita Corbiniani — und eine andere Grundlage läßt fich in der 
That nicht denken —, fo wäre dieß unter dem vielen unberechtigten 
Schlüffen, zu denen das silentium der Quellen ſchon herhalten mußte, 
einer der Fühnften. Wenn Papſt Zacharias (vergl. oben ©. 346, 
Anm. 3) nad) dem Zeugniffe Papſt Yeos III. betonte, daß er im 
ganzen päpftlichen Archive eine Erlaubniß Gregor des Heiligen, alfo 
Gregors I., zu Verwandtenheirathen im vierten Grade nicht gefunden 
habe, fo bedarf e8 faum der Erwähnung, daß hiedurch die Echtheit 
unferer von Gregor II. rührenden Inſtruetion nicht verdächtigt wer— 
ben fann, wie denn aud Hrn. Nagel feineswegs eine ſolche Folge— 
rung daraus zieht. Kin Verdacht erhebt fih hier nur gegen bie 
Curie: es ift möglich, daß fie auf den von Deutfchland aus erhobe- 
nen Einwand, Bapft Gregor habe die Verwandtenehen im vierten 
Grade geitattet, ausweichend antwortete: Papft Gregor I. hat eine 
ſolche Erlaubniß nie gegeben. Ungerechtfertigt aber ift der Vorwurf, 
wie ihn Nagel fat: es falle durch diefe Ableugnung ein eigenthüm— 
Tiches Licht auf die Taktik des römischen Stuhles, welcher in derfelben 
Bulle Gregors II. Gapitulare anerfenne, wo Gap. 4 deffelben zu 
feinen damaligen Abfichten paßte, von einer Gonceffion aber, wie fie 
in Cap. 6 enthalten, nichts gefunden zu haben behaupte. Ich kann 
nicht einräumen, daß in der Bulle Papſt Leos eine Anerkennung uns 
ferer Smftruction liege. Erwähnt Yeo, die Errichtung eines bairifchen 
Erzbisthumes fei a multis temporibus ab ipsa sancta sede prae- 
ordinata, fo muß er hiebei feineswegs Gap. 4 unſerer Inſtruction 
im Auge gehabt haben: die lange gehegte Abficht der Curie kann 
ihm aus mündlicher Tradition oder anderen Aktenſtücken befannt ges 
wejen fein. Ein andermal (S. 345) urtheilt denn aud Hr. Nagel 
vorfichtiger und richtig: diefe Stelle kann auf unfer Gapitulare be= 
zogen werden. 

3. Das Chriftenthum, für welches die Kapitel 7—13 gemünzt 
find, könne nicht mehr jo ganz jung gewejen fein. Es ſei auffallend, 
daß hier bereit8 davor gewarnt werde, den Begriff unreiner Speijen 
weiter als auf Götenopfer auszudehnen (Cap. 7); auffallend, daß 
nicht auf Beobachtung der pofitiven Faftengebote gedrungen, fondern 
bloß der ibertriebenen Ausdehnung des Faſtens auf die Sonn und 
Feſttage entgegengetreten werde (Gap. 10); auffallend, daß eine bereits 
vorhandene reichliche Yiebesthätigkeit vorausgejegt werde (Gap. 11). 
Etwas ungefchiefteres endlich laſſe ſich kaum denfen als Gap. 13 mit 
feiner Polemik gegen die Wiederbringung aller Dinge, wenn man 
annehme, daß diefe an Neubefehrte gerichtet fei. Dagegen paſſe die— 
jelbe jchr gut auf das 5. Yahrzehnt des 8. Jahrhunderts, auf die 
Kämpfe des Bonifaz mit dem Schotten Clemens und mit Aldebert. 
In der kirchlichen Richtung der ro» Schotten liege auch genügende 
Beranlaffung für den Wortlaut von Cap. 10, auf fie beziehen ſich 
auch Gap. 11 und 12. 

Hier find alfo zugleich Gründe gegen die Echtheit und für die 
Entftehungszeit der angeblichen Fälſchung zurückzuweiſen. Da fchiden 


522. 


wir denn zunächft die Erinnerung voraus, daß das Schreiben des 
Papftes nicht an das neubefehrte Volt, fondern an feine eigene Ges 
fandtichaft fich richte. Daß auf Beobachtung der pofitiven Faſtenge— 
bote zu dringen ſei, darüber brauchte dieje nicht erjt belehrt zu werben. 
Derartige allgemein bekannte chriftlihe Gebote find als ſelbſtverſtänd⸗ 
(ih) in der ganzen Inſtruction nur foweit berührt, als fie in Baiern 
auf Widerftand tiefen. Es Handelt fi hier nur um ſolche Punlte, 
bei welchen die eigenthümlichen Verhältniſſe Baierns entweder eine 
befondere Nachficht oder befondere Warnungen und Verbote veran- 
laßten. Und was diefe letteren betrifft, fo pflichte ih Hrn. Nagel 
bei, daß fie fi) auf Lehren beziehen, welche von den Schottenmönchen 
verbreitet wurden. In den Nachweifen, die derſelbe Hiefür im ein- 
zelnen beibringt, liegt das Werdienftliche feiner Unterfuhung. Er 
zeigt, daß die iro=fchottifche Schule manche Speifen für verboten hielt, 
welche, um mit Bonifaz zu fprechen, Deus ad percipiendum crea- 
vit, und er macht wahrfcheinlic),, daß fie das Faften an Sonn= und 
Feiertagen befahl. Werner aber weilt Hr. Nagel (S. 349) bei Alde- 
bert die Lehre von der Entbehrlichkeit der Beichte nach, gegen welche 
Gap. 12 gerichtet ift, und bei Clemens Anfichten, welche fich mit der 
in Cap. 13 verworfenen Lehre von der endlichen Erlöfung des Teu— 
fel8 berühren. Aldebert und Clemens wurden auf die Anklagen des 
Bonifazius »hin von einer römischen Synode 745 verurtheilt. Alfo, 
folgert Hr. Nagel, iſt unfer Aftenjtüd um 743 oder 744 entjtanden. 
Um diefen Schluß zu rechtfertigen, müßte man beweifen fünnen, daß 
Aldebert und Klemens in Baiern gewirkt haben, wofür es an jedem 
Anhalt in den Quellen gebricht, müßte vor allem aber nachweiſen, 
daß die von Gap. 12 und 13 der Inſtruction verworfenen Lehren 
von Aldebert und Clemens zuerit aufgeftellt, daß fie nicht der briti« 
ihen Schule gemeinfam gewefen ſeien. Don Clemens ift aber ficher, 
daß er ber britiichen Richtung angehörte, auch von Aldebert nehmen 
die Kirchenhiftorifer an, daß er gewilfe Eigenthiimlichkeiten derfelben 
vertrat!. Und gerade in dem Punkte, auf den es hier ankömmt, 
Derwerfung der Ohrenbeichte, war feine Lehre wahrjcheinlich Feine an- 
dere als die der Iro-Schotten. Eine Beichte vor Menſchen, urtheilt 
Ebrard?, fcheinen die Culdeer überhaupt nicht gehabt zu haben. Ein 
dritter Nachweis, der die von Hrn. Nagel gezogene Folgerung erft zu 
begründen vermöchte, der fich aber gleichfall8 nicht erbringen läßt, 
müßte uns darthun, daß die iro⸗ſchottiſche Nichtung in Baiern wohl 
um 743, aber nicht um 716 vertreten war. Man braucht nicht fo- 
weit zu gehen wie Ebrard, der Ruprecht, Emmeram, Corbinian, Er- 
hard, Pirmin der culdeifhen Schule zumeist; aber foviel dürfte feft- 
ftehen, daß die von den iro=fchottifchen Mönchen vertretene, gegen Rom 
feindfelige oder mindeſtens gleichgiltige, antihierarhifche Richtung nicht 
erst feit der Zeit des Bonifaz in Baiern in Aufnahıne kam, daf fie 


Bergl. Werner, Bonifazius, ©, 283, 
Die iroſchottiſche Miſſionskirche, S. 112. 113, 


523 


bort vielmehr feit deſſen Auftreten allmählich zurücgedrängt wurde. 
Schon 736 feste Bonifaz in Baiern den Eremmwulf ab, deſſen Ideen⸗ 
gemeinſchaft mit Clemens nad) Nettberg auch Nagel anerkennt. Die 
heftigen Klagen des Bonifazius über feine britifchen Gegner in Baiern 
zeigen, wie ftark diefelben waren, und ihre Stärke ſowie alle anderen 
Erwägungen machen ſehr wahrfcheinlih, daß diefelben ſchon geraume 
Zeit vor Bonifazius im Pande Wurzeln gefchlagen hatten. Weil wir 
durch die Briefe von und an Bonifazius zum erften Male über ihre 
Wirkfamkeit in Baiern beftimmte Kunde erhalten, darf man nicht 
ſchließen, daß dieſelbe dafelbft damals erjt begonnen habe. Wie Hr. 
Nagel folgert: die angelfächfischen Bukordnungen würden nicht fo 
heftig gegen das Falten an Sonn und Feiertagen eifern, Hätten fie 
nicht in der von ihnen befämpften irosfchottiichen Kirchengemeinfchaft 
gegründeten Anlaß dazu gehabt — fo folgern wir: unſere Inſtruction 
würde nicht gegen jo manche Abweichungen von der römischen Norm 
anfämpfen, wenn diejelben nicht in Baiern Anhänger gezählt hätten. 
Dieß allein fcheint uns ein richtiges hiſtoriſches Verfahren; dagegen 
die Behauptung, diefe oder jene Lehre fei in Baiern um 716 nicht 
vertreten gewejen, müſſen wir bei unferer dürftigen Kenntniß des bai= 
riſchen Kirchenwejens jener Zeit als unberechtigt zuriictweifen. 

Die Abweichungen endlich, mit denen Gap. 5 die constitu- 
tio Gelasii wiederhole, follen zeigen, daß daffelbe nicht von Gregor II. 
ausgegangen fein könne. Diefer hätte nicht die Manichäer, welde 
von einer Waffertaufe überhaupt nichts wiſſen wollten, der Wieder- 
taufe bezichtigt.. Auch in der Aufzählung derer, die von den kirch— 
lichen Weihen ausgefchloffen fein follen, feien die Worte ‘vel curiae’ 
abfichtlich ausgelaffen, entweder weil e8 opportun erfchien, diefe Be— 
ſchränkung fallen zu lajfen, oder weil eine Erwähnung der curia miß— 
lich erſchien. Letzteres nun fei eben in der Zeit von 743 auf 744 
in Baiern der Fall gewefen. 

Die Bedeutung diefer Einwände kömmt nur dann in Frage, 
wenn die Heinen Abweichungen von der fonft wörtlich wiederholten 
constitutio Gelasii nicht Tertverderbniffe, fondern von dem Verfaſſer 
beabfichtigte Aenderungen find. Dieß läßt fi) aber um fo weniger 
feititellen, al8 wir die Driginalaufzeihnung der Inſtruction nicht bes 
figen. Bon den erhaltenen Zerten ftammen fchon die beiden älteſten 
aus dem 9. Jahrhundert. Die Möglichkeit ift gegeben, daß ſämmt— 
liche auf einer älteren Copie als gemeinfamer Quelle beruhen, und 
daß ſich Schon dort die Auslaffungen vorfanden. Hieß e8 im Origi— 
nale, übereinftinmend mit der Vorlage: aliqui (plerique) eorum- 
Manichaei, aliqui rebaptizati saepius sunt probati, fo fonnte 
ein unverftändiger Abfchreiber durch Weglaffung des zweiten ‘aliqui’ 
den Text zu verbeffern glauben, indem er daſſelbe als irrthiimliche 
Wiederholung des vorhergehenden auffaßte. Warum die Auslaffung 
der Worte ‘vel curiae’ „Leineswegs auf Rechnung eines leichtfinnigen 
Abſchreibers gefchoben werben dürfe”, ift uns nicht Flar. Nehmen 
wir aber einmal mit Hrn. Nagel an, daß dem jo wäre, Was folgt 


524 


daraus gegen bie Echtheit des Stückes? Es ift durchaus unverſtänd⸗ 
(ih, warum die Kirche 743 eher als 716 die Abficht haben konnte, 
Dienftleute unter die Kleriker aufzunehmen. Und ebenfo unverftänd- 
lic ift e8, wenn Hr. Nagel, nad) einer anderen Auffaffung ‘curia’ 
nur auf dem herzoglichen Hof beziehend, meint, die Firchlichen und po— 
litiſchen Verhältniffe hätten eben in der Zeit von 743 auf 744 eine 
Erwähnung der euria mißlich erfcheinen laſſen, weil Datilo in die 
Gefangenschaft abgeführt war, das Schickſal des Landes, des Hofes 
und feiner Minifterialen noch in der Schwebe Hing Nah Hrnu. 
Nagels Auffaffung follte ja die Fälſchung als ein älteres Document 
ausgegeben werden, das ſich nicht auf die Verhältniffe von 743, jon- 
dern auf ältere und zwar doc) wohl die von 716 bezog. Auch mit 
der curia war alfo dann nicht die Datilo8 gemeint. Cine Erwäh— 
nung des Hofes liegt ja aud in Cap. 3 in den Worten ‘unusquis- 
que dux’ vor, aber gewiß nicht des Datilonischen, fondern mehrerer 
über das getheilte Yand regierender Herzoge. 

Sämmtlihe Gründe gegen die Echtheit erfcheinen alfo als unzu— 
länglich, und hoffentlich wird man nicht behaupten, daß durch ihre 
Summirung erjeßt werden könne, was jedem einzelnen an Gewicht 
mangelt. In einem Aftenftücde, das in unferer Ueberlieferung fo ver 
einzelt jteht und auf Zuftände anfpielt, über die wir von anderer 
Seite feine oder nur die dürftigfte Runde haben, darf man nicht in 
jeder etwas auffälligen, unjeren Erwartungen und Vorausſetzungen 
nicht völlig entfprechenden Angabe gleich einen Beweis gegen die Echt— 
heit fuchen. Doppelte VBorficht empfehlen uns die Erfahrungen der 
letsten Jahre, in denen fo manche vermeinte Fälſchung durch eine bes 
fonnene Kritik im ihre Nechte wieder eingefetst worden ift. Folgen 
wir aber einmal Hrn. Nagel auf feinen Standpunft, verfuchen wir 
das Stück als eine um 743 aus den Kreifen des Bonifazius her- 
vorgegangene Fälfchung zu betrachten. Da treten uns denn ſogleich 
unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Welchen Zweck follte die 
Fälſchung erreihen? Hr. Nagel antwortet: „fie follte zur rechten 
Stimmung für das beabfichtigte bairische Provincialconeil vorbereiten 
und für die als unerläßlich betrachteten Minimalforderungen zum 
Hinterhalte dienen“. Aber waren denn Bonifazius und feine Kreife 
nicht gut eurialiftisch gefinnt? Wollten fie 743 in einer päpftlichen 
Erffärung gegenüber der großen Maſſe des Klerus und Volkes einen 
Rückhalt für ihre Forderungen finden, fo brauchten fie zu feiner Fäl— 
hung zu greifen, fo war Papſt Zacharias, wenn ihm Bonifazius 
dieß al8 wünſchenswerth meldete, gewiß jeden Augenblick bereit, das 
bairifche Volk im einer befonderen Bulle an feine kirchlichen Pflichten 
zu erinnern. Aber noch mehr: die Inſtruction Gregors II. entipridt 
gar nicht mehr vollftändig den von Bonifazius vertretenen Forde— 
rungen, zu denen die Curie in dem Zeitraume von 716 bis 743 
nad der Befeftigung des kirchlichen Weſens in Baiern vorgeſchritten 
war. Als Bonifaz feine Wirkfamkeit in Baiern begann, waren die 
Priefterehen, die ihm als Goncubinat erfchienen, dort gewöhnlich. 


525 


Mit großer Mühe fetten er und feine Gehilfen den Cölibat durch, 
und, wie ich jchon früher in diefer Zeitjchrift machgewiejen zu haben 
glaube!, eben auf Anregung diefer Kreiſe ift e8 wohl zurüdzuführen, 
wenn das Verbot des Gölibates wahrjcheinlic; um diefelbe Zeit, in 
welhe Hr. Nagel die angebliche Fälſchung verſetzt, in das Volksrecht 
aufgenommen wurde. Und in denfelben Kreifen foll nun ein etwas 
älterer päpftlicher Befehl erdichtet worden fein, wie er in Cap. 5 une 
jerer Inftruction vorliegt, welcher im Widerfpruche mit den damaligen 
Vorderungen nicht alle Verheiratheten, fondern nur die zum zweiten 
Male und nicht mit einer Jungfrau Verheiratheten von den Weihen 
ausichlog? Die eifrigen Anhänger der Curie felbft follen ihren Geg— 
nern eine Waffe in die Hand gegeben haben, indem fie ganz unnd- 
thigerweife den Einwand herausforderten, in Rom ſelbſt habe man 
ja vor furzem über Priefterehen noch anders gedacht? 

Wenn aber Hr. Nagel fpeziellere Zwede der Fälſchung darin 
ſucht, daß durch diefelbe einerfeits die völlige Unterordnung der bairi= 
hen Biſchöfe unter die römische Ordnung als ein altes Geſetz er- 
Iheinen, andererjeit8 den Biichöfen das erzbifchöfliche Pallium als ver- 
(odender Lohn ihres Wohlverhaltens in Ausficht geftellt werden follte, 
jo vermag ich auch darin feine zureichenden Erklärungsgründe für eine 
Fälſchung zu erfennen. Die bairifchen Biſchöfe waren jeit 739 der 
römischen Kirche untergeordnet; es ift befannt, daß Bonifaz vorher 
nur einen einzigen, den Vivilo, als kanonifch geweihten, alſo eine 
Abhängigkeit von Nom anerfennenden Bischof fand. Wie hätte man 
da ſchon nach vier Jahren auf den Gedanfen kommen folfen, die Bi— 
Ihöfe über das Alter der Beziehungen ihrer Kirchen zu Rom zu 
täufhen? Und welchen Werth foll es für Bonifazius gehabt haben, 
die Biſchöfe zu erinnern oder glauben zu machen, daß ſchon 716 in 
ganz unbeftimmter Form von der Begründung eines bairifchen Erz= 
bisthums die Rede geweien fei? Es lag wenig Verlodendes in der 
Erinnerung an eine päpftliche Zufage, die nun ſchon feit mehr als 
dreißig Jahren nicht erfüllt worden war. 

Man ift im neuerer Zeit nur zu geneigt, den Bonifazius in une 
biftorifcher Weife mit einem Maßſtabe zu mefjen, der nur Epigonen 
des 16. Jahrhunderts zu Gebote fteht. Möge man nicht gegen ihn 
und feine Genofjen auch noch den Vorwurf der Yälfchung erheben, 
von dem fie bisher verfchont geblieben find! Denn es ift ja Har: 
der Angriff des Hrn. Nagel betrifft als Mitfchuldigen, wenn nicht 
Hauptichuldigen, den Bonifaz felber. Vergebene verwahrt fich dagegen 
der Angreifer, der nur des Bonifazins Geſinnungs- und Kampfge— 
noffen im Auge haben will. Wäre das Dokument in der Zeit und 
zu dem Zwecke verfaßt, wie Hr. Nagel annimmt, hätte es im der 
That der Regensburger Synode vorgelegt werden follen, jo könnte es 
zum mindeften nicht ohne Wiffen und Genehmigung des Bonifazius 
fabrizirt fein; als fehr wahrfcheinlich aber müßte man in diefem Falle 


I Yeber die Entflehungszeit der Lex Bajuwariorum, Bd. XVI, 412 f. 


526 


bezeichnen, daß es geradezu durch ihm oder auf feine Anregung ent 
ftanden fei. 

Iſt aber unfere Inſtruction echt, fo bleibt auch der Hauptgrund 
bejtehen, welcher die Datirung der Romreife Herzog Theodos auf 716 
veranlagt hat. Auch den weiteren Ergebnijfen Hrn. Nagel, daß 
Herzog Theodos Romreiſe und Tod in das Jahr 702 zu feten feien, 
fann ich daher nicht zuſtimmen. Ich kann es um fo weniger, als 
hier fchon der Ausgangspunkt fich nicht als richtig erweilt. Die 
Salzburger Breves notitiae nämlich berichten die Erfranfung Her- 
zog Theodos und die Uebertragung der herzoglichen Negierung auf 
feinen Sohn Theodebert feineswegs, wie Hr. Nagel (S. 339) be— 
hauptet, zum Jahre 702. Diefes Jahr wird in unferer Quelle 
weder genannt noch angedeutet, und überhaupt hat man, wie Bits 
dinger? mit Necht bemerkt, Fein Mittel, die Zeit jener Erkrankung 
Herzog Theodos genau zu beitimmen. 


2, Ueber die Bedeutungen des Wortes judex in Baiern 
bis zum Ausgange des 12, Jahrhunderts. 


In der Lex Bajuwariorum erſcheint judex befanntlih in 
doppeltem Sinne: im engeren für das Baiern und Schwaben eigen: 
thümliche Stammesinftitut der Michter ?, im weiteren für richterliche 
Behörde überhaupt, insbefondere für den Grafen. In diejer allge— 
meineren Bedeutung wird das Wort wohl auch jpäter gebraudht, Graf 
und Herzog 3. B. als judex, Heinrid) d. Löwe als judex provin- 
eiae bezeichnet. Die prägnante Bedeutung von judex aber wird 
in der Karolingerzeit in Baiern die des Schöffen. Es läßt ſich dieß 
nicht bezweifeln, wenn man die nun häufige Mehrzahl von judices 
im gerichtlichen Urkunden ins Auge faßt. So werden in eier Ge— 
rihtfigung des Jahres 829 in Heimhaufen bei Dachau neun judices 
genannt*, Beſonders deutlich pricht einmal ihre Siebenzahl?. Auch 
anderwärts findet ich wohl die Bezeichnung des Schöffen als judex 
neben der gewöhnlicheren scabinus; in Baiern aber (gleichwie in 
Sidfranfreih)® ift fie die ftehende, neben der mur vereinzelt die Aus- 
drüde: scabini (826) und doctores (828) ſich finden‘, Beſeler 
hat gegenüber abweichenden älteren Anfchauungen bereit8 darauf hin— 


ı Zur Kritik altbaieriicher Geſchichte S. 388, 

2 Leber diefes ſ. Befeler in der Zeitfchrift f. Rechtsgeſchichte, IX, 244 f. 
(gegen Merkel, ebend. Bd. I). 

3 Mon. Boic. V, 316; X, 18; III, 462. 

* Graf Hundt, Urkunden des Bisthums Freifing a. d. Zeit der Karo— 
linger, Nr. 14, ©. 12. 

° Meichelbeck, Hist. Frising. I, b, Nr. 124. 

° Sohm, Die altdeutiche Reichs: und Gerichtsverfaflung, I, 383, Nr. 40. 

” Meicelbed, I, b, Nr, 487. 530, Bergl. Beſeler a. a. O. 256. 


627 


ewieſen, daß das Schöffenthum in der Farolingifchen Zeit auch in 
iern eingeführt wurde, daß es hier die alten Richter verdrängte 
und daß die judices in bairischen Urkunden diejes Zeitraums als 
Schöffen aufzufaffen find. Es ift leicht zu erklären, warum in 
Baiern der Name der alten Behörde auch für die neue beibehalten 
‚wurde. Nicht nur Hatten beide in der Hauptjache diefelben Obliegen- 
heiten, fondern es wurden wohl gerade die bisherigen Richter in der 
Regel zu Schöffen beftellt. Eine analoge Erjcheinung ift es, wenn 
in den Ländern fränkifchen echtes der alte Name Radineburgen auf 
die Schöffen übergeht!. Ich möchte daher auch unter dem Ellanperht 
judex v. %. 836 (bei Meichelbed, I, b, Nr. 591), worin Bejeler 
noch einen Richter im alten Sinne und zwar deffen letzte Erwähnung 
findet, einen Schöffen verjtehen?. ben ſolche oder etwa die richter- 
lichen Behörden der Oftmark im allgemeinen hat man unter den ju- 
dices orientalium zu fuchen, die Marfgraf Aribo um 906 bei der 
Raffelitetter Zollunterfuhung zu Mathe ziehen ſoll?. 

Später werden für den Schöffen auch in Baiern die Namen 
scabinus, scabineus, scabinio, Scheffe, arbiter, causidicus ge= 
wöhnlih. So im %. 961: scabinei (Ried, Cod. dipl. Ratispo- 
nens. I, Nr. 105); in den Ranshofner Gejegen Herzog Heinrichs II. 
um 990: scabinus (Mon. Germ. LL. III, 484); im Beginne des 
12. Jahrhunderts: fere omnes legitimi arbitres hujus provincie 
Housin (Oberbayer. Ardiv, XXXII, 10); um 1140 scabini — 
Boie. I, 53); um 1180 sentencia scabiniorum in placito legit- 
timo in Reichenhall (Quellen und Erörterungen z. bayer. u. deutjch. 
Geich. I, 320); vor 1180: nobiles viri, shefen seilicet et dinclite 
(Mon. Boic. VII, 434); um 1180: audientibus viris, qui di- 
cuntur sheffen, et aliis judicialibus et questoribus et eensori- 
bus viris (l. c. 471). Im Ruodlieb, der in der erjten Hälfte des 
11. Zahrhunderts in Baiern gedichtet wurde, jigen rector und cau- 
sidiei zu Gericht (Ausg. v. Schmeller, Fragment VI, ©. 168 ff.). 

Vereinzelt aber erjcheint auch in fpäterer zeit noch judex fir 
den Schöffen gebraudt. So unter K. Heinrich) IL.: omnes judices 
vel scabiniones, qui in eodem comitatu erant, und zu denen, 
wie auch Beſeler? annimmt, der ebendort zugleich als Fürjprecher 
oder Anwalt auftretende judex Opholt gehört (Mon. Germ. SS. 
IV, 571). So bei der Feſtſtellung des bairiſchen Reichsgutes unter 
K. Konrad II. 1027, wozu außer fänuntlichen Grafen der Provinz 
electi judices entboten werden (Meichelbeck, Hist. Frising. I, a, 
©. 221). So 1131: presentibus illius comitatus judicibus tri- 
bus, Mon. Boic. XXL, 12, auch l.c. 35 und 61: judices illius 
comitatus, qui vulgo scephhen vocantur; wohl aud; Mon. Boic. 
IX, 436 


1 Sohm a. a. O. I, 383, 
2 Mon. Germ. LL. III, 480. 
Zeitſchrift f. Rechtsgeſchichte, IX, 257. 


528 


Daneben aber gewinnt judex feit dem 12. Jahrhundert eine 
dritte Bedeutung und diefe ift num die weit überwiegende. Judex 
heißt num der Unterrichter der Grafichaftsverfaffung, der früher als 
Gentenar, Centurio, Schuldheiß, vicarius bezeichnet wurde. Zu ben 
fpäteren Erwähnungen der letzteren Namen in Baiern gehören: 
Egilolf centurio zwijchen 1068 und 1091 (Mon. Boic. VI, 51); 
Eberhardus de Chinouttingen centurio, vielleicht fchon aus dem 
Beginne des 12. Yahrhunderts (Ebersberger Traditionen, Oefele, 
SS. rer. Boic. II, ©. 39, Nr. 194); und ber scultheize als 
Stellvertreter de8 Grafen 1131 (Mon. Boic. XXI, 16, 61). Ju- 
dex dagegen erſcheint im Sinne des Unterridhter8 im 12. Jahrhun⸗ 
dert an zahlreichen Stellen, von denen ich nur erwähne: 1130 Arbo 
judex comitis Ekkeberti (von Formbad und Pütten; Mon. Boic, 
IV, 521); vor 1180 Fridericus de Prunoe, judex ducis in 
Ranshofen, sub quo causa ista terminata est er c. III, 499); 
um 1180 judices et legati ducis Ottonis (l. c. VI, 133). 
Heinrich von Laufen wird 1144 zugleich als Richter und Geldwechsler 
(judex et trapezita) des Erzbiſchofs Konrad I. von Salzburg ge= 
nannt (l. c. XXIX, a, 284). Mit dem oflicialis des Pfalzgrafen, 
der an deſſen Stelle da8 Freifinger Vogtding halten fann (Meichel- 
beck, Hist. Frising. I, a, S. 360), ift wohl auch nur deffen Richter 
gemeint. 


3. Ueber den Ort, wo Emmeram überfallen wurde. 


Biſchof Arbeo von Freifing nennt den Ort, wo Emmeram von 
Lantbert ereilt und auf deffen Geheiß verftümmelt wurde, Helphindorf; 
er bemerkt, daß derjelbe miliario fere duodecimo, der Ort aber, 
wo Emmeram unterwegs ben Geiſt aufgab, miliario tertio von 
Alchheim entfernt fei!. Ebenfo nennt Meginfried, deſſen Biographie 
nur auf der Arbeonifchen beruht und feinen felbjtändigen Werth bat, 
al8 Ort des Ueberfalles Helphandorf?. Die Dörfer Groß- und 
Kleinhelfendorf liegen dicht bei einander im Landgerichtsbezirk Aibling, 
erftere8 an der früher fehr belebten Straße, die Münden und Aib- 
ling verbindet, und wahrfcheinlih an der alten Römerſtraße. Die 
angegebene Entfernung von Ajchheim ftimmt ungefähr, wenn man 
miliarium, das nad) dem Weſſobrunner Gloſſiſten gleichbedeutend ift 
mit lewa, etwa unferer heutigen Poftftunde entjprechen läßt, und wenn 
man in Betracht zieht, daß man felbjt heute noch, um mit einem 
Wagen von Helfendorf nad Ajchheim zu gelangen, wegen der ausge— 
dehnten Forſte entweder weſtlich über Perlach oder öftlih über Zornes 
ding einen beträchtlichen Ummveg einfchlagen müßte. Zu einer nod 
genaueren Ortebeftinnmung aber verhilft die Urkunde bei Meichelbed 


‘ Vita Emmerami, Acta Sanctor. Boll. Sept. VI, 477. 
2 1. c. 492, 


529 


(I, b. Nr. 1172), wonach das Bisthum Regensburg um das Yahr 
1020 in loco, qui rustice vocatur Gruoba, quo sanctus 
Emmeramus spiritum ad coelos misit, durd Tauſch 
fünf Morgen erwarb, wohl eben wegen diefer Hiftorifchen Bedeutung 
des Ortes. Die Heine Ortihaft Grub liegt ungefähr eine halbe 
Stunde füdlih von Großhelfendorf. Schwanfen die Angaben wie 
hier zwifchen einem mehr und einem weniger namhaften Orte, fo 
verdient ſchon im allgemeinen der letere cher Glauben. Ueberdieß 
wird man gerade in Regensburg gute Kunde von dem erwarten dürfen, 
was den Schutsheiligen des Bisthums betrifft. Ich nehine alfo an, 
daß Arbeo die Thatjache, vielleicht jogar die ihm vorliegende Nachricht, 
daß der Heilige bei Helfendorf überfallen wurde, ungenau wiederge= 
geben hat, und daß andererjeits die Regensburger Urkunde Grub irr- 
thümlich al8 Ort des Todes ftatt der todbrüngenden Verftümmelung 
bezeichnet. So künſtlich diefe Kombination Hingen mag, fie ift dod) 
diejenige, welche den beiden Zeugniffen am wenigften Zwang anthut. 
Durch diefelbe wird nicht unbedingt ausgejchloffen, daß die fpäter dem 
Heiligen geweihte Kirche St. Emmeram zwiſchen Ober- und Unter- 
föhring an der Iſar, etwa eine Stunde von Ajchheim entfernt, die 
Zobesitätte bezeihne. Es ijt wohl möglich, daß der Zug zunächſt bie 
far zu erreichen juchte, dann bis in die Gegend von Föhring ſich 
an deren Ufer hielt und von dort erſt ſcharf öſtlich nach Afchheim 
wandte. Arbeos tertium miliare würde dann die Entfernung freis 
(id) etwas zu weit angeben. 


4. Ueber die Abflammung des Hauſes Scheiern von den 
Huofiern. 


Die genealogifche Frage, die wir aufwerfen, gliedert ſich in zwei. 
Zunächſt ift die behauptete Herkunft der fcheirifchen Linien, Wittels- 
bad, Dachau, Vallei, von den Liutpoldingern zu prüfen, dann erft zu 
unterfuchen,, ob fich nicht Ahnen der Liutpoldinger noch höher hinauf 
erkennen oder vermuthen lajjen. Die erjtere Frage darf man unferes 
Erachtens entichieden bejahen, während man auf die zweite die in der 
Ueberſchrift liegende Antwort nur als Hypotheſe auszufprecdhen be= 
rechtigt ift. 

AS Nachkommen der Liutpoldinger bezeichnet die Grafen von 
Scheiern Otto von Freifing in feiner Chronif, VI, 20. Abt Kon 
rad von Scheiern! berichtet dafjelbe al8 ut fertur. Otto von reis 
fing hat num allerding® mit einer ähnlichen genealogijchen Behauptung 
jehr wahrſcheinlich Unrecht; nad) allen Anzeichen ift e8 nicht begrün= 
det, wenn er fein eigenes Gejchlecht, die jüngeren nordgauifchen Ba— 
benberger, auf die alten oftfränkifchen Babenberger zurückleitet. Man 


ı Mon, Germ. SS. XVII, 621, 


530 


fönnte glauben, er ſei, wie bier von dem Wunſche, feiner Familie 
alte und berühmte Ahnen beizulegen, jo dort von dem Beſtreben miß- 
feitet gewejen, die ihm verfeindeten Grafen von Sceiern in Verbin— 
dung mit einem Haufe zu bringen, von dem der hervorragendfte Ber- 
treter, Herzog Arnulf, in klerikalen Kreifen, von dem andere Angehö- 
rige wegen ihrer Beziehungen zum ungarischen Reichsfeinde auch an« 
derwärts fein gutes Andenken Hinterlafjen hatten. Aber eine ſolche 
Unterfhiebung entbehrte doc jedes ficheren Anhaltes, und fie wird 
geradezu widerlegt durch eim drittes Zeugniß für die Herkunft des 
Hauſes Scheiern von den Liutpoldingern, das, von den beiden andern 
unabhängig, ſchwer ins Gewicht fällt. Schon vor Otto von Freifing 
nennen die Annales S. Rudberti Salisburgenses ! den Verräther 
von 955, den Liutpoldinger Berchtold, Sohn des Pfalzgrafen Arnuff, 
anachroniftiich al8 einen Grafen von Scheiern, freilich mit dem irri» 
gen Namen Dtto. 

Als Hausnamen der Lintpoldinger find befonders Liutpold, Ars 
nulf und Berchtold zu bezeichnen. Von diefen kehrt im fcheirifchen 
sa nur Arnulf wieder, während Udalrich, Otto, Edehard und 

ernhard hier nen auftreten. Die Befigungen aber bieten immerhin 
einigen Anhalt. So entjprechen den Liutpoldingiichen Gütern Aiter- 
bofen und Wifchelburg noch im älteſten Wittelsbachiſchen Salbuche 
Befigungen im diefer Gegend der Donau ?. Das fchwäbiiche Reiſens— 
burg a. d. Donau, wo Berchtold, Sohn des Pfalzgrafen Arnulf, 955 
in der Verbannung lebte, erfcheint aud in Beziehung zum fcheirifchen 
Dur Ulrich von Reifenburg ift vom Pfahgrafen Otto VI. von 

ittelsbach mit Vogtei und Kirchenſatz des Dorfes Berg im Gau 
bei Schrobenhaufen belehnt ®. 

Daß aber Hufchbergs Verſuch, die Lücke der Stammreihe zwi- 
ichen den legten nachweisbaren Liutpoldingern und dem Grafen Otto 
im Kelsgau, dem äfteften ficheren Ahnen des Haufes Sceiern, aus— 
zufüllen, theils zu Mißgriffen theil® zu werthlofen Hypotheſen führte, 
hat in der Hauptſache bereits Hirſch nachgewieſen“, der mit Recht 
die Abftammung der Grafen von Scheiern von den Liutpoldingern 
gleihwohl für gefichert erklärt. 

Heutzutage wird niemand Werth darauf legen, daß der Ritter 
von Yang, fei es aus übertriebener Skepfis, ſei es aus unzuläng- 
licher Kenntniß, diefen Zufammenhang geleugnet hat. Derſelbe bemerkt 
im Hermes (1829, ©. 38) von der Genealogie der Wittelsbacher 
wie der meiften anderen Fürftenhäufer: „da fprengt man aus — 
theſen und zuſammengeklaubten hiſtoriſchen Namen Raleten in die Luft, 
denen die Menge ſo lange nachſchaut, bis ſie endlich wieder gar nichts 
ſieht“. Ein Spott, nicht übel angebracht gegenüber ſo manchen dama⸗ 


ı Mon. Germ. SS. IX, 771. 

2 Riezler, — — Baiern, ©. 296. ° Mon. Boic. X, 441. 461. 

* Seimid, IL, I, 426—428. Auch F. H. Graf Hundt, der befte Kenner 
der ſcheiriſchen Genealogie, bekennt noch in feiner neueſten Publication (Bayrifche 
Urkunden, 1878, ©. 26), die Lüide nicht ausfüllen zu können. | 


531 


ligen Berfuhen, der uns aber nicht beirren fol, noch einen Schritt 
weiter zurüd zu wagen und die Bermuthung auszufprecdhen, daß Lit» 
pold, der Stammvater der Liutpoldinger, den Huofiern angehörte, 
dem nad den Agilolfingern vornehmften Gefchledhte des alten baiu— 
warifchen Adels. Die Hypotheſe wird durd fo viele Gründe ges 
ftügt, daß man ihre Berechtigung nicht beftreiten darf. 1. Die 
Huofier wurzeln im Huofigau, der nad) ihnen benannt ift. In der 
ganzen nördlichen Hälfte dejjelben Gaus ericheinen ſpäter die Grafen 
von Scheiern als das weitaus begütertfte Gejchlecht, das etwa im nörd⸗ 
lichen Drittel des Gaus zugleich des Grafenamtes waltet. Und zwar 
ift fein Huofigauifcher Befit alter Stammbefig, wie ſich daraus er» 
gibt, daß jede der drei fcheirifchen Linien, Witteldbah, Dachau und 
Ballei, daran Theil Hat!. 2. Im befondern liegen einzelne Orte, 
die in Beziehungen zu den Huofiern genannt werden, im fcheirifchen 
Machtgebiete oder find felbjt fpäter als fcheirifche Stammgüter nach— 
weisbar. So haben zw. 788 und 798 Glieder der Yamilie Hofi 
Streit über das Eigenthum an ber Kirche des hi. Martin in Awi- 
cozeshusir ?; der Ort ift Haushaufen, B. A. Pfaffenhofen, wenige 
Stunden von Sceiern inmitten altſcheiriſcher Stammpgüter gelegen. 
849 Hält Biihof Erchanbert von Freifing, wahricheinlich ein Huofier ®, 
eine Berfammlung in Tannara (Zandern, B. A. Aichach), ubi plu- 
rimi de Hosiis...... convenerunt. Derſelbe fauft 843 Güter 
in Helidkereshusir, Chleninawa und Munninpah, heute Hilgerts« 
haufen, Klenau, Singenbad bei Aichach und Schrobenhaufen*. Alte 
diefe Orte liegen inmitten jcheirifher Güter, und in Tandern felbft 
begegnet ein wittelsbachiſches Minijterialengefhleht®. 3. In der 
nädhjften Umgebung des zum Huofigan gehörigen Freifing erjcheinen 
wie vorher die Huofier jo fpäter die Grafen von Scheiern als das 
mächtigfte Gejchlecht, und wie die Huofier dem Freifinger Bisthume 
im 9. Jahrh. wahrſcheinlich vier Biſchöfe gegeben haben®, fo find 
die Grafen von Scheiern feit ungefähr 1020 als feine erblichen 
Vögte nachzuweiſen. 4. Don den Hausnamen der Liutpoldinger 
findet ſich Lintpold ſchon bei einem Grafen des Huofigaus unter 
Rarl d. Gr. und Ludwig d. Frommen?, und der Name Arnold-Ars 
nuff ıbei jenem von 8T5—883 regierenden Freifinger Bifchofe, der 
wahrjcheinlich ein Huofier war?, 5. Nach dem Sturze der Agilol- 
finger waren bie Huofier das vornehmfte einheimifche Geſchlecht und 


1 Bergl. Niezler, Das Herzogthum Baiern, 252— 273. 

®? Meichelbeck, I, b, Nr. 129. Demſelben Heiligen weiht auch die Gräfin 
Hazaga von Scheiern ihr Klofter Fiſchbachau. 

: ©. Graf Hundt, Urk. d. Bisth, Freifing a. d. Zeit d. Karolinger, 


©. 35. 
* Graf Hundt a. a. D. 36. 
5 Herzogthum Bayern a. a. O. 262. 
° Graf Hundt a. a. O. 
7 ®Bergl. Meichelbeck, I, b, Nr. 127. 148. 170. 197. 295. 302. 305 
u. f. w. 
° Bergl. Graf Hundt, 41. 


XVII. 35 


532 


insbefondere durch die Forſchungen des Grafen Hundt a. a. O. ift 
nachgewiefen, daß fie noch im 9. Jahrhundert in mehreren mächtigen 
Zweigen blühten. Von einem Angehörigen dieſes Haufes läßt ſich 
am ehejten begreifen, daß er, wie Herzog Arnulf vermochte, zum 
Stammesherzog ſich aufichwang, indem das Bewußtjein alten Vor— 
ranges einerſeits ihn jelbjt zu jeinem Auftreten ermuntern, andererjeits 
die übrigen Großen des Landes zu bereitwilliger Unterordnung bes 
ftimmen fonnte. 

Bon den bei v. —— Herzog Luitpold, S. 98, geſammelten 
älteren genealogiſchen Verſuchen über die Liutpoldinger knüpft der 5. 
vom Grafen Dubuat in den Orig. Boic. aufgeſtellte Liutpold an die 
Huofier an, enthält jedody in den Einzelnheiten theil® Unerweisliches 
theil8 Irriges. Buchners Annahme (Baier. Geſch. II, 124), daß 
Lintpold der Sohn Engildeos und der Hiltegard fei, hat bereits 
Dümmler als unhaltbar nachgewieſen. 

Zu Gunften einer anderen, verbreiteteren Hypotheſe, daß die 
Andechſer Huofier find, läßt ſich nichts anführen, als daß diejelben 
in dem füdlichen Theilen des Huofigaues die Grafſchaft befigen, und 
mit der Annahme gemeinfamer Wurzel der Häufer Scheiern und An- 
dechs, die auch ſchon Ausdrud gefunden Hat, gelangt man vollends 
in ein Gebiet, wo Laugs Spott Berechtigung gewinnt. 


5. Meber den wegen Inceſtes verurtheilten Grafen oder 
Markgrafen Otto. 


In der Urkunde K. Heinrichs IIT. vom 10. Dezember 1055, 
Mon. Boic. XXIX, a, 123, wird ein Markgraf Otto genannt, dem 
wegen Inceſtes Güter abgejprochen wurden. ‘Da viele Confiscationen, 
die gegen bairische Große in diefen Jahren verhängt wurden, unziveis 
felhaft gegen Anhänger des geächteten Baiernherzogs Konrad gerichtet 
find, hat Gfrörer?, dem Thaufing® darin zuzuftimmen geneigt jcheint, 
auch Hier ein politifches Vergehen gewittert. Die Urfunde aber jagt 
ausdrüdlih, daß er dereinft wegen Inceſtes verurtheilt wurde, und 
dabei hat e8 zu bleiben. Es fehlt daher aud an jeder Veranlaſſung, 
ihn mit jenem Otto zu identificiren, von dem Adam von Bremen* 
berichtet, daß er das Weich unter Heinrich III. mit Unruhen erfüllt 
habe. Zitel I, c. 7 des bairischen Volksrechtes zeigt, daß gerade 
Inceſt mit Gütereinziehung beftraft wurde, und jo ijt die Urkunde, 
wie bereit8 Steindorff? bemerkt hat, ein werthvolles Zeugniß für das 


1 Jahrbücher des oftfränfifchen Neiches, II, 393. 394. 

2 Papſt Gregor VII. und fein Zeitalter, I, 427. 

® Die Neumark Oefterreich und das Privilegium Heinricianum; For 
jungen 3. Deutſch. Geſch. IV, 372, 

* Mon. Germ. SS. IX, 347. 

DdJahrbucher des dentichen Reichs unter Heinrich IIL., I, 452. 


633 


Fortleben alten bairifchen Rechtes im 11. Yahrhundert. Unter Inceſt 
aber hat das Mittelalter bekanntlich jede kirchlich verbotene Ehe ver- 
ftanden, und zu diefen gehörten auch Verbindungen zwiſchen folchen, 
die nach unjeren Begriffen nur jehr weitläufig verwandt waren. 
Ueber die Perfönlichkeit diejes Markgrafen Dtto haben jchon manche 
Forſcher Muthmaßungen geäußert, ohne nad) der Urkunde zu fuchen, 
laut welcher Dtto, wie der Kaijer erwähnt, feine Güter an die Frei— 
finger Domherren gab. Diefelbe ift wiederholt gedruckt, bei Meichel- 
bed, I, b, Nr. 1153, bei Zahn in den Fontes rerum Austriaca- 
rum, XXXI, 52; vergl. auch Graf Hundt, Urkunden des 10. und 
der 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts aus dem Bisthume Freifing, 
Oberbayer. Archiv, XXXIV, 302. Auch die Urkunde bei Meichel= 
bef, I, b, Nr. 1170 kömmt hier in Betradt. Man erfieht aus 
diefen Urkunden, daß Otto Alpen im Stubaithal, einen Weinberg in 
Bozen, Güter in Yegian (Leian inter montana) und Parpian 
füdlih von Seben, in Tihötih und Tiers, im Grödnerthale und 
fonft an vielen Orten in Tirol, daneben aber auch foldhe auf der 
bairijchen Hochebene befaß. Denn Ufehirchin ift, wie mir Herr Graf 
Hundt, auf ein Freifinger Urbar gejtügt, gütigjt mittheilt, unter den 
vielen bairifchen und Tiroler Ortſchaften Aufkirchen in der bei Erding 
gelegenen und Eparanashusa, Ebarhusin, in Ebertshaufen im X. 
G. Brud an der Amper zu fuchen. Die Urkunde für das Frei— 
finger Domkapitel ift noch unter Bischof Gotſchalk von Freifing, alfo 
vor 1007, und die weitere, die denfelben Dtto bereits als verftorben 
bonae memoriae, Meichelbet, Nr. 1170) bezeichnet, nody unter 

ifchof Egilbert von Freifing, alfo vor 1040, ausgeftellt. Könnte 
man nad dem Bisherigen noch zweifeln, jo ergibt ſich doch hieraus 
augenscheinlich die Unmöglichkeit, daß die Verurtheilung Ottos mit 
ben politifchen Greignijfen von 1053—1055 zufammenhing. Otto 
aber wird in der Urkunde vor 1007 nur Graf, nicht Markgraf ge— 
nannt, Muß die noch nicht als Widerſpruch gefaßt werden, da 
Markgrafen in der älteren Zeit ja häufig nur mit dem Grafentitel 
erfcheinen, fo liegt doch ein umverfennbarer Widerſpruch zwifchen den 
beiden Urkunden darin, daß es in der älteren heißt, Otto habe die an 
die Freifinger Dombherren abgetretenen Güter zu ewigem Eigenthum 
gegeben, dagegen den Hof Geroltespach auf Yebengzeit erhalten, wäh— 
rend die Urkunde Kaiſer Heinrichs davon ſpricht, daß er die Güter 
in Legian u. f. w. als Prefarien Hingegeben habe. Gleichwohl wird 
man, da die Orte Ufkiricha, Eparanashusa und Leian in beiden Ur⸗ 
kunden übereinftimmen, nit umhin fünnen, in dem Grafen Dtto den 
Später wegen Inceſtes BVerurtheilten zu fuchen. Daß bei der Bezeich- 
nung Ottos als Markgraf in der Urf. von 1055 ein Irrthum der 
Erinnerung vorliege, iſt bei der beträchtlichen Zeit, bie feit Ottos 
Tode damals bereit8 verjtrichen war, nicht al8 unmöglich zu erachten ; 
hat die Urkunde aber mit ihrem Titel Recht, fo dürfte Otto doc) 
wohl eher unter die Kärntner als etwa die nordgauiſchen Markgrafen 
zu rechnen fein; denn die Ottonen und Heinriche, die unter den letz— 


35* 


534 


teren im 11. Jahrhundert nachzuweiſen find, betrachtet man wegen 
des Uebereinftimmens beider Namen und wegen der Nachbarſchaft wohl 
niht mit Unrecht al8 einen Zweig der Regensburger Burggrafen. 
Chronologifc unmöglich aber geftaltet ſich durch unfern Nachweis die 
von Thaufing ! vorgefchlagene Verſetzung Ottos in die erit 1044 er- 
richtete Neumarf. Sicher gehörte Otto einem jener zahlreichen bairi- 
ſchen Gefchlechter an, deren Macht zugleich) im heutigen Altbaiern und 
in Tirol wurzelte; auch andere Urkunden zeigen ihn im Tiroler Uns 
terinnthale, befonder8 aber im Norithale reichbegütert?. Wie bereits 
Gieſebrecht bemerkte, weift die Page der Befitungen vor allen auf 
zwei Gefchlechter ?, die Grafen von Scheitern und die von Dieſſen, und 
in beiden Gefchledhtern ift auch der Name Otto gewöhnlid. Schon 
ültere Forſcher haben unfern Otto als Otto I. von Scheiern be- 
trachtet,, der 1014 al8 Graf im Kelsgau auftritt. Der Einwand, 
den Hufchberg* dagegen erhebt, daß dieſer nicht als Markgraf bekannt 
iſt, kann nicht als widerlegend erachtet werden, da man von diefem 
Dtto überhaupt fehr wenig weiß. Unmöglich aber aus chronologi- 
Shen Grunde ift wiederum die von Thaufing geäußerte Vermuthung, 
dag Otto identifch fei mit Dtto IL, dem Gemahl der Hazaga; denn 
diefer lebt noch unter den Bijchöfen Nitger und Ellenhard. Will 
man Otto in das fcheiriiche Haus einreihen, jo muß man in ihm 
entweder Dtto I. fuchen oder einen bisher unbefaunten Sprofjen einer 
Nebenlinie, etwa einen Sohn des Freifinger Vogtes Udalſchalk. Ein 
Verſuch mit der Dieffen’schen Stammreihe, durch die Befigungen eben- 
falls begründet, führt doc auch nur zu einem negativen Ergebniſſe. 
Dtto I. von Dieffen nämlich, der noch zwifchen 1057 und 1062 in dem 
Tegernſeer Giüterverzeichniffe al8 lebend genannt wird’, kann in unferem 
Otto nicht gefucht werden. Für einen älteren Dtto des Haufes aber, 
etwa einen Bruder Friedrichs I., hat auch die forgfältige Forſchung des 
jüngften Gefchichtichreibers der Andechjer fein Zeugniß gefunden ®, 


6. Meber die Herkunft des Biſchofs Gebhard I. von Eid; 
ftädt, ald Papſt Bictor 1. 
Etwa um Weihnachten 1053 übertrug 8. Heinrih IIL die 


ı 0.8. ©. 373. 

2 Bergl. Resch, Annales Sabionenses, II, 650, Nr. 638, wo jedoch 
mauche baltiofe Hypotheſen aufgenommen find. 

8 Kaiferzeit, IL, 671. 

* Geld. des Haufes Scheyern-Wittelsbadh, S. 209. 

5 Freiherr Edm. Defele, Geſch. der Grafen v. Audechs, S. 109, Reg. 13. 

° Nachdem obige Mittheilung bereits gejetst war, hat auch Graf Hundt in 
feinen Bayrifchen Urkunden aus dem 11. u. 12. Sahrhundert, S.27 ff., einge: 
hend über diefen Dtto gehandelt. Ohne feine Zugehörigkeit zum Haufe Dieſſen— 
Andechs beftimmt auszufcliegen, betont auch er in erſter Reihe die Wahricein- 
lichleit, daß Dtto im dem fcheirifchen Kelsgauer Grafen zu ſuchen, läßt aber 
— die Möglichkeit feiner Abſtammung von deu Grafen von Semt- Ebers- 
erg. offen. 


535 


den Namen nad) in die Hände feiner Kinder Heinrich, dann Konrad 
gelegte Regierung des Herzogthums Baiern thatfächlich dem Biſchofe 
Gebhard I. von Eichſtädt, der in den Geichäften der Reichsregierung, 
vornehmlich als Richter, durch Fülle des Wiſſens und Schlagfertigfeit 
des Urtheils die Aufmerffamkeit auf fich gezogen hatte Schon 1055 
zum Papjte gewählt, waltete Gebhard bis zu feinem Tode (29. März 
1057) auf dem Stuhle Petri, ohne darum fein Heimifches Bisthum 
aufzugeben. 

Eine Randbemerkung des 14. Jahrhunderts zu Gundechari 
lib. pontif. Eichstetens., Mon. Germ. SS. ‚ 245, Note c, 
nennt ihn: comes de Tollnstain et Hirsperg natus. Gundechars 
Herausgeber Bethmann aber bezeichnet diefe Angabe als einen Irr⸗ 
thum, der aus der Verwechielung mit Biſchof Gebhard II. von Eidh- 
jtädt entiprungen fei. Daß jedoch Gebhard II. ein Graf von Hirfch- 
berg war, fchließt nicht aus, daß Gebhard I. diefelbe Abſtammung 
Hatte. Die Grafen von Kregling und Dolfnftein, die fich erſt ſpäter 
nad) Hirſchberg nannten, waren vielleicht das hervorragendite Gefchlecht 
des ganzen Eichjtädter Sprengel®, ihre Burgen lagen gerade ringe 
um den Bifchoffit, und ſchon im 11. Jahrh. führten fie die Dome 
vogtei (vergl. Mori, Stammreihe und Geſchichte der Grafen von 
Sulzbach, 8. Stammtafel). So ift vonvornherein nicht unmwahr- 
icheinlih, daß diefelben dem Bisthum mehr ald einen Vorſtand 
gaben. Nach dem Anonym. Haserens. 1. c. 263 hieß Gebhards 
Bater Hartwig, feine Mutter Beliza. Nun wüßte ich nicht, daß die 
Namen Hartwig und Gebhard bei irgend einem anderen, bier mög— 
(ichermweife in Betracht kommenden Grafengefchlechte zufammen vorfä= 
men, als bei den Hirfchbergern, bei denen fie traditionell find; vergl. 
v. Lang, Baierns alte Grafihaften, 323. 324. inem gräflichen 
Gefchlechte aber wird Gebhard wohl angehört haben, da er nad) Hein« 
richs III. eigener Erklärung mit dem Königshaufe verwandt war, 
freilih nur entfernt, fo daß er felbft diefe Ehre fanft ablehnte; Ano- 
nym. Haserens. ]. c. Die Bapftfataloge bezeichnen Papft Victor II. 
daher mit Recht als: natione Noricus (Watterich, Vitae ponti- 
ficum, I, 177. 188), aber auc der Hafenrieder und der Annalista 
Saxo (SS. VI, 690) gehen nicht völlig irre, wenn fie jagen: Sue- 
via oriundus und: genere Alemannus; dann die Befigungen der 
Grafen von Dollnftein erftrecdtten fi) vom bairischen Nordgau aus 
auch auf das benachbarte, ethnographifch zu Schwaben gehörige Sua= 
lafeld. Die erft bei Brufchius und jüngeren Schriftftellern auf- 
tretende Bezeichnung Gebhards al8 Grafen von Calm, der Beth. 
mann und Game (Series episcop. 274) Glauben fchenfen, während 
fie Stälin (Wirt. Gef. I, 568) dahingeftellt läßt, ift entjchieden zu 
verwerfen, da bei den Calwern die Namen Hartwig und Gebhard 
nicht vorfommen (vergl. Stälin a. a. D. 567. 568), Gebhard aud) 
in diefem Falle weder al8 Baier noch als Schwabe bezeichnet fein 
fönnte, denn die Grafen von Calw zählten damals zu Franken. 


536 


7. Meber die, beabfihtigte Verlegung des Biſchofſihes 
Eichftädt unter K. Heinrid 1. 


Der anonyme Herrieder (Mon. Germ. SS. VII, 263) berichtet, 
Heinrich III. Habe dem Bisthume Eichftädt zur Zeit Biſchof Heri- 
bert8 (c. 1022—1042) das TFrauenklofter Neuburg a. d. Donau 
zugedacht unter der Bedingung, daß dahin die Reliquien des hl. Wis 
libald und der Bifchoffig verlegt würden; doch feiern beide Pläne nicht 
zur Ausführung gelangt, da ſowohl der Biſchof als die Neuburger 
Nonnen widerjtrebten und zulett der König felbit feinen Sinn änderte. 
Die Richtigkeit diefer Angaben wird ſchon dadurd zweifelhaft gemadıt, 
dag Neuburg im Augsburger, nicht Eichitädter Sprengel lag, vom 
erjteren aljo erjt hätte abgelöjt werden müjfen. Unmöglich aber, wie 
mir fcheint, erweiſt fie fich gegenüber der Thatjache, daß das Frauen⸗ 
Hofter in Neuburg a. d. Donau bereit von Heinrich) II. an das 
Bisthum Bamberg gejchenft worden ift (Mon. Boic. XXVIII, a, 
341). Hirſch! Hat beide Bedenken angedeutet, ohne aus ihnen die 
Unglaubwürdigfeit der Nachricht zu folgern, wie auch Steindorff? 
feinen Anftand nahm fie wiederzugeben. Meines Erachtens ift man 
aber wohl berechtigt die Trage aufzumwerfen, ob nicht beim Anonym. 
Haserens. jtatt Nuenburgens.: Nuorenbergens. zu leſen jei. 
Es kömmt in Betracht, daß der Nebdorfer Coder, die Grundlage von 
Bethmanns Ausgabe de8 Anonym. Haserens., erft aus dem Ende 
de8 15. Jahrhunderts ftammt, überdieß das Wort: Nuenbergensem 
(abbatiam) fi in ihm nicht findet, fondern von Bethmann au 
jüngeren Ercerpten eines Mönches von Blanfitetten, allerdings auch 
mit Rücfiht auf das folgende “Nuenburgenses sanctimoniales 
ergänzt wurde. Für eine gewiſſe Bedeutung Nürnbergs jchon in da 
maliger Zeit dürfte die von Heinrich III. dahin berufene Fürſtenver⸗ 
ſammlung? ſprechen. Jedenfalls zeigt diefelbe, daß gerade Heinrich II. 
die Stadt begünftigte. Im den Jahren 1050 und 1051 hat dieſer 

rrfcher dort geurfundet *, und er war es, der nad) dem urfundlichen 
eugniffe feines Sohnes, Heinrich IV., Markt, Zoll und Münze von 
Fürth nad Nürnberg übertrugd. Wenig fpäter, zum Jahre 1072, 
berichtet Lambert von dem großen Zulauf, den in Nürnberg ber Hl. 
Sebald fand®. Und wenn ſchon unter Heinrich II. Biſchof Megingaud 
von Eichftädt von den Erzeugnijfen ſeines Sprengel® meiſt ſolche ge 
werblicher Thätigfeit als Gegengabe für den Wein feines Würzburger 
Nachbarn wählt’, drängt fich die Frage auf, ob diefelben nicht bereits 
ı Seinrich IL, II, 86. 
Heinrich III. I, 166. 
Annal. Altah. major., M. G. SS. XX, 803. 
Stumpf, Nr. 2390. 2410. 
Mon. Boic. XXIX, a, 161. 


2 
3 
4 
5 
®° M.G.SS. V, 191. gl. Ann. Weissenburg., August. 1070, SS. 
II, 2. 128. 


Anonym. Haser. 1, c. 259. 


537 


aus Nürnberg und Fürth ſtammten. Andere Orte des Eichſtädter 
Sprengel8 haben ſich wenigftens auch im fpäteren Mittelalter durch 
Anduftrie nicht hervorgethan. Gleichwohl gehen Hofmann und an= 
dere ältere Forfcher (vergl. Hirih a. a. DO.) zu weit, wenn fie als 
gefichert ausſprechen, Heinrich IIII habe das Bistum nach Nürnberg 
verlegen wollen, und chronologisch unmöglich ift, wie Hirfch bemerkte, 
deren weitere Angabe, daß er dem Bisthume dort die Aegidienabtei 
zu unterwerfen gedadhte. Die Erfegung von Neuburg durch Nürns 
berg in der Nachricht des Herrieders bleibt nur eine berechtigte Ver— 
muthung, der man höheres Gewicht beilegen dürfte, wenn es gelänge, 
den Beitand eines Frauenkloſters in Nürnberg ſchon im 11. Jahr⸗ 
hundert nachzuweiſen. 


8. Meber die Marken Cham und Nabburg. 


Die Frage, ob die Namen: Mark Cham und Marf Nabburg 
zwei verfchiedene oder einen und denfelben Verwaltungsbezirk bezeich- 
nen, wird durd die Verfchiedenheit der namengebenden Burgen nod) 
nicht nach der erfteren Nichtung bejaht. Sie läßt fih nur durd 
Feſtſtellung der innerhalb diefer Marken genannten Orte entjcheiden, 
und das Ergebniß diefer Unterfuchung bejtätigt die Annahme von 
Waitz!, daß die Gebiete verjchieden find. Furt, Krawitz (Grawat) 
in deffen Nachbarſchaft, Schlamering bei Cham?, Trasenwileingon 
am Chamb°, der weiße Regen und der Keider&bad) (Chudratispach) ®, 
überhaupt was von Dertlichkeiten in der Mark Cham genannt wird, 
liegt im füdöftlichen Theile der heutigen Oberpfalz und im nörblichften 
des heutigen Niederbaiern, dagegen das zur Mark Nabburg gehörige 
Pullenreut (Pillungesried) bei Kemnath, die Dertlichkeiten um bie 
obere Haidnab u. ſ. w.? und Nabburg felbft liegen im nörblicheren 
Theile und in der Mitte der heutigen Oberpfalz. Auch liegt, was 
zur Mark Nabburg gehört, nach den Urkunden zugleih in pago 
Nortgowe, während dieſer Zuſatz bei Erwähnung der Mark Chan 
ftet8 fehlt, und dieß dürfte den alten Gauverhältniffen entfprechen, da 
das Land um den Regen, wie e8 fcheint, micht zum Nordgau gehörte, 
wenigſtens in unferen Urkunden nie dazu gerechnet wird. Man hat 
wohl vermuthet, die Mark Cham fei in näherer Verbindung mit der 
Burggrafichaft Regensburg geftanden ®; ich finde aber in feiner der 


ı D. Berf. Geſch. VII, 76. 

Mon. Boic. XII, 97. 

Ur. v. 1058 bei Büdinger, Ein Bud) ungarischer Geſchichte, S. 161. 
Mon. Boic. XXIX, a, 101. 

Mon. Boic. XXIX, a, 71 und 148, 

s Waitz a. a, D. 77. Wahrſcheinlich Tiegt Verwechſelung mit der Mart 
Nabburg vor, wo 1040 ein Graf Dito, 1061 ein Graf Heinrich erwähnt 
werden (Mon. Boic. XXIX, a, 71. 148), die man wegen der übereinftimmen- 
ben Namen einem Zweige der Burggrafen von Regensburg zumeifen will. 


mn di u —— 


538 


Urkunden, in denen dieſelbe erwähnt wird, etwas, was fidh dahin 
deuten ließe. Auch wird man nicht fagen dürfen, die nordgauifche 
Mark jei in die Marken Cham und Nabburg zerfallen. Das Ber: 
hältniß fcheint mir vielmehr folgendes zu fein. Nachdem unter Hein- 
rih IV. Dietpold von Giengen einen Marfgrofentitel geführt Hatte, 
der nur auf Verleihung durch König Heinrich beruhen und an ben 
bairiihen Nordgau geknüpft fein kann, blieb der marfgräfliche Titel 
in feinem Haufe, das Grafichaftsgebiet aber, an dem derjelbe fortanu 
haftete, entſprach Feineswegs noch der alten bairiſchen Markgrafſchaft 
gegen Böhmen, wie diefelbe unter den Karolingern eingerichtet und 
unter Otto II. erneuert worden war, umfaßte vielmehr nur mehr 
einen Theil dieſes Gebietes. Als ſolchen hat man das nad) feiner 
Hauptburg zuerjt 1040 als Mark Nabburg bezeichnete Yand im Nor: 
den und Centrum des Nordgaues zu betrachten. Daran ift nicht zu 
denfen, daß die anderen mächtigen Grafen des Nordgaues, die Sulz: 
bacher, Sreglinger u. f. w., in Abhängigkeit von diefen Marfgrafen 
geftanden wären. ‘Deren Machtgebiet kann alfo nur ein viel befchränf- 
teres gewejen fein, als ſonſt bei Markgrafichaften ber Fall war, und 
ihr Marfgrafentitel hielt nur eine hiftorijche Erinnerung feit. Eine 
bedeutende Vergrößerung erfuhr Dietpolds II. Gebiet, als ihm nad 
dem Tode des Grafen Rapoto II. von Cham und Vohburg deſſen 
Befitungen und darunter die nach ihrem Hauptorte genannte Mark 
Cham oder der Gau Campriche um Regen und Chamb an der böh— 
mifchen Grenze zufie. Der pagus Campriche und eine mit ihm 
wohl zufammenfallende Grafihaft de8 Grafen Sizo werden zuerft in 
einer Urkunde 8. Heinrichs III. von 1050 genamt!. In den Urs 
funden Heinrich III. von 1056, Yan. 19°, und Heinrichs IV. von 
1058? erfcheint dann die marcha Champiae und Kamba, ohne 
daß eines Grafen dieſes Gebietes gedacht würde, und da es in der 
letteren Urkunde heißt: Marcha Kamba versus Boemiam, que 
pertinet ad ducatum Bawaricum, als Yntervenient auch die Kai— 
jerin Agnes auftritt, in deren Hand damals das bairische Herzogthum 
lag, darf man vermuthen, daß in dem Zeitraume zwifchen den Grafen 
Sizo und Rapoto die Grafengewalt hier unmittelbar vom bairifchen 
Herzoge geübt wurde. Markgrafen des chamifchen Gebietes werden 
nie genannt, der Name Mark entbehrte hier, wie es fcheint, auch der 
biftorifchen Grundlage einer alten Marfgrafichaft, hatte demnach wohl 
feine andere Bedeutung als die einer Grafſchaft im Grenzgebiete, mo 
auch, durch manche Ortsnamen noch heute nachweisbar, ſlaviſche An- 
fiedler faßen. 1182 erjcheint dafür der Ausdrud: in confinio 
Kambe*. Für den Gebrauch des Wortes Mark ohne Markgraf- 


Mon. Boic. XI, 157; vergl. XXIX, a. 101. 
Mon. Boic. XXIX, a, 127; Stumpf, Nr. 2490. 
Büdinger a. a. D. 

Mon. Boic. XXVI, 32. 


>» = m — 


539 


ſchaft find die von Wait ! angezogenen Sellen bezüglich des böhmischen 
Grenzgebietes zu vergleichen. 


9. Namen und Vaterland des Geſchichtſchreibers Rachwin. 


Noch immer findet man theild die Form Ragewin, theil® gar 
Radewin und NRadewic, faſt nie aber die richtige gebraucht. Dieſelbe 
ift Rachwin, denn in den urkundlihen Erwähnungen, die allein ent= 
fcheidend fein können, überwiegen weitaus die Formen: Rachwin, 
Rachewinus, Rahewin (was natürlich nicht anders geſprochen wurde 
als die vorhergenannten) und Rawinus. Man fehe die von Wilmans 
in feiner Ausgabe, Mon. Germ. SS. XX, 342, gefammelten Zeug= 
nijfe, denen ich Hinzufüge: Rachwinus, Freifinger Kleriker, und Reh— 
winus, Freiſinger Kanoniker; Meichelbeck, I, b, S. 561. 563. Der 
Name, abgeleitet vom ahd. rahhön, ſagen, ſprechen (Müller-Zarncke, 
II, 547) bedeutet „Freund der Rede“ und kömmt im bairiſchen Stamme, 
als ob hier eine ſolche Charaktereigenſchaft mehr als anderwärts aufge— 
fallen wäre, im 12. Jahrhundert und vorher ſehr häufig, vereinzelt auch 
noch ſpäter vor. Ragewinus iſt nur latiniſirende Schreibweiſe, welche 
das unlateinifche h oder ch im Inlaut vermeiden will. Ganz falſch 
und auf Fehler theils von Abjchreibern theils von Editoren zurückzu— 
führen find die Formen Radewin und Radewic. H. Pruß, der für 
die Form Radewin eintritt ?, gelangt zu diefem Ergebniß nur dadurd, 
daß er den erhaltenen Handichriften von Rachwins Werfen, von denen 
doch feine als Autograph des Verfaſſers ſich nachweiſen läßt, gleichen 
Werth mit den Urkunden beilegt. Es iſt dieß um fo unzuläffiger, 
als fi) unter den Urkunden, welche Rachwins Namen nennen, vier 
befinden, melde von ihm, dem biſchöflichen Notar, eigenhändig ge— 
ſchrieben find. Dieſe zeigen die Yormen: Reguinus, Rachuwinus, 
Rahewinus, Rahuvinus. Daß Rachumini in der zweiten diefer 
Urkunden (Mon. Boic. II, 447) nur Editionsfehler für Rachuwini 
ift, hat ſchon Wilmans bemerkt, aber auch die Yejeart Radwini des 
Dupfifates der dritten diefer Urkunden darf man mit Rückſicht auf 
die Form Rahewini im zweiten Eremplar derjelben auf einen Edi: 
tionsfehler der Mon. Boic. III, 426 zurüdführen. 

Pruß geht ferner von der Identität Rachwins mit dem Kloſter⸗ 
neuburger Ruodewin aus, aber diefe von Wilmans (S. 342) be— 
hauptete, von Wattenbach wenigjtens für möglich gehaltene Gleichung 


ı 9.009. VO, 75, N. 

2 &. u. a. Mon. Boic. Kurs, 129; Ried, Cod. dipl. Ratispon. I, 
S. 249; Duellen uud Erörterungen, L 67 und 540; Hund, Metropolis Sa- 
lisburg. II, 204; Stülß, Geſch. des ‚Kiofere Bithering, 489. Bergl. auch 
Förflemann, Altdentiches Namenbud) 1028. 

Radewins Fortſetzung der Gesta Feiderici, Danzig 1873. Bol. 
W. Meyer, der gleichfalls der Form Radewin den a gibt (Situngs- 
bericht der philof.-hiftor. KL. der Münchener Alad, 1873 &, 63). 


540 


ift zu verwerfen, da Ruodewin ein ganz anderer Name als Rachwin. 
Und wenn eine Zegernfeer Handſchrift (Sigungsber. der phil. = hift. 
KL. der Münchener Akad. 1873, ©. 687) ein Gedicht enthält mit 
der Ueberfchrift: Flosculus Rahew. ad Ha. prep., fo darf man 
in dem Dichter wohl unfern Rachwin erkennen, deſſen Name hier 
wieder einmalrichtig gefchrieben erfcheint, dagegen ift die von Watten⸗ 
bach vorgejchlagene Beziehung des Propſtes Ha. auf den Propft 
Hartmann von Klofterneuburg, den fpäteren Bifchof von Briren, 
unmwahrjcheinlih. Denn am Yreifinger Hofe felbjt treten auf: 1139 
und 1144 ein Propit Hoholdus von Sen, ein Name, der fonit 
au in der Form Hahold erſcheint; 1143 ein Propſt Hainri- 
cus; 1157 endlih ein Propft Haremodus von St. Veit in Frei- 
fing ?, diefer Inhaber derjelben Pfründe, welche in feinen letzten Le 
bensjahren befanntlih Rachwin erlangte. Es liegt näher, daß ber 
Floseulus an eine diejer Perfönlichkeiten, al8 daß er an den ent: 
fernten Hartmann gerichtet ift, und hiemit fällt jeder Anhalt für die 
angenommene Herkunft Rachwins von Klofterneuburg. Vielmehr 
Scheint unfer Geſchichtſchreiber, da er felbft in lib. IV, cap. 11 die 
Vreifinger Kirche als patria sua bezeichnet, wenigſtens im deren 
Sprengel geboren zu fein. 


10. Zu den Lebensbejhreibungen des Marinus und Ania 

nnd, Erhards und Albarts, der Alrune, Udalrichs von 

Negensburg und der Aebte Berengar und Wirnto von 
Formbach. 


Die Legende von Marinus und Anianus ſtammt aus einer Te 
gernfeer Handichrift ungefähr von 1150? und ift wohl auch um dieſe 
Zeit und von einem Tegernfeer Mönche aufgezeichnet worden ; der 
Verfaſſer ift aus feiner gebildeten Kreifen, fpricht von Virgils Mes 
trum und Ciceros Proſa. Nach feinem Berichte lebten die beiden 
Heiligen in den Zeiten Pippins und Karlmanns iu Baiern dieffeits 
der Alpen zwei Meilen von einander entfernt al8 Einfiedler. Ma— 
rinus wurde von einbrechenden Wandalen, d. 5. Wenden, auf einem 
Sceiterhaufen verbrannt, mährend Anianus am felben Tage eines 
natürlichen Todes ftarb. Nach Jahrhunderten habe man ihre Ge 
beine, die ein Priefter Priamus in gemeinfamem Grabe beerdigt, nad) 
dem Klofter Rott gebracht. Schon der Verfaffer der Legende bemerkt 
ausdrüdlich, daß man den Ort, wo die Heiligen gelebt, nicht kenne. 
Der Anſpruch, den die Kirchen Wilparting und Alb am Irſchenberg 
nördlich !von Miesbach auf diefe Ehre erheben?, erfcheint demmad) 
Schlecht begründet. Iſt Schon unwahrscheinlich, daß die flavifche Sturme 


* Meichelbeck, I, b, ©. 545. 550. 547; I, a, 336. 
» M. B. I, 348—350, wo in ber Ueberſchrift faiſch Mariani ſteht. 
® Bavaria, I, 885. 


541 


fluth je bis zur Leitzach vorgedrungen, fo muß man jedenfalls mit 
alfer Beftimmtheit zurückweiſen, daß dieß erſt unter PBippin und 
Rarlmann gejchehen fein fünnte. Beſſere Kenntniß zeigt der Verfaffer 
in dem, was er über die feiner Zeit näher liegende Stiftung des 
Klofters Rott berichtet. Die Gründung defjelben durch den Pfalz- 
grafen Kuno für die Seele feines im Kriege gefallenen Sohnes wird 
durch die Stiftungsurfunde betätigt, und die Angabe, daß Kunos 
Bater Poppo geheißen habe, findet eine Stüße in der Ebersberger 
Urkunde bei Oefele, SS. rer. Boic. II, ©. 25, Nr. 49, die uns 
einen Grafen Poppo de Rota mit feinem Sohne Konrad eben in 
diefer Zeit und Gegend fennen lehrt. 


Wenig beſſer jteht e8 um unfere Kunde vom hl. Erhard, beifen 
Gebeine 1052 in Regensburg von Papft Leo IX. zugleich mit denen 
des hl. Wolfgang unter großem Zulauf erhoben wurden!. Wir be= 
figen von ihm drei Lebensbeichreibungen. Die ältefte verfaßte auf 
Anregung der Aebtiſſin Heilifa von Niedermünfter in Negensburg, 
an die Prolog und Epilog gerichtet find, Paul oder Paululus. Man 
hat an den jpäteren Bernrieder gedacht, der ja vorher in Regens— 
burg lebte und durch feine Biographien Gregors VII. und der Her- 
fufa al8 Schriftjteller eben in diefer Gattung befannt iſt. Bernhard 
Pez Hat aber bereits darauf Hingewiefen ?, daß der fogenammte Ano- 
nymus Mellicensis de scriptoribus eccles. aus dem 12. Jahr⸗ 
hundert die Vita Erhardi einem Mönde von Fulda, Namens Pau— 
(us Yudaeus, zumeife?. Nahezu gleichzeitig, wie diefe Nachricht wahr- 
icheinlich ift, verdient fie allen Glauben. Ueberdieß kömmt in Be— 
trat, daß der Anonymus wahrfcheinlich nad) Regensburg gehört *, 
aljo, wenn dieß richtig ift, über den Verfaſſer einer für dieſe 
Stadt jo wichtigen Schrift wohl unterrichtet fein Fonnte. Jeden—⸗ 
falls muß aber Erhards Biograph Paul einige Zeit in Regens— 
burg gelebt haben. Die zweite Vita ift nur eine fürzende Um— 
arbeitung der erften. Auch die dritte, von Konrad von Miegen« 
berg verfaßt, beruht auf diefer und fügt nur einige chronologijche 
Stoffen Hinzu? Das Andenken an die Erhebung der ebeine 
Erhards durch Papft Leo IX. fcheint zur Zeit Megenbergs be- 


! Annal. Altah. major. zu 1052; Notae St. Emmerammi und Auc- 
tarium Ekkehardi Altahense, SS. XVII, 572. 364. 

2 Thes. I, &. LII. 

° Gap. 64, ©. 469 ber Ausgabe bei B. Pez, Bibliotheca Benedic- 
tino-Mauriana, 1716. 

Wattenbach, Gefchichtequellen *, I, 73; vgl. II, 57. Eine gewiſſe Stüte 
findet diefe Angabe darin, daß der Anonymus gerade über die Regensburger, Arnold 
oder Arnulf von St. Emmeram, den Muſiler Aribo, die hl. Wilhelm und Udalrich, 
fomwie über die Nachbarn Arbeo von Freifing, Willeram von Ebersberg ſich gut 
unterrichtet zeigt. Allerdings fehlt Otlob, aber man weiß nidht, ob der Auony⸗ 
mus fein Werk vollendete und ob unfer Tert vollftändig ift. 

5 Die drei vitae find gedrudt in den Acta Sanctor. Boll., Jan. I, 
535 fi. 539 fi. 541 ff. 


542 


reits zu dem Irrthume verblaßt zu fein, Erhard habe zur Zeit 
Leos IX. gelebt. Megenberg widerlegt dieß, hält aber an dem Namen 
Leo feit und gelangt, indem er zwijchen diefem und dem von Paul 
als Erhard gleichzeitig genannten Pippin einen Ausgleich fucht, zu 
der Angabe, daß Erhard mit Pippin, Karlmann und Karl, aljo 
unter anderen Päpften auch mit Leo III. gleichzeitig gewejen fei. 
Für uns kömmt alfo nur Pauls Schrift in Betradht. Deren 
Quellen find leicht nachyzumweifen. Möglich, daß für die Schilderung 
des frommen Lebenswandels Erhards in etwas die Vita Godehardi 
als Vorbild diente, an die mir wenigftens einige Wendungen anzu= 
Klingen fcheinen!. Den Hiftorifchen Inhalt aber fchöpfte Paul aus 
dem Leben der hl, Dttilie, fei e8 aus dem älteren, gleichzeitigen, von 
dem wir nur ein Bruchſtück beſitzen, fei e8 aus dem zu Anfang des 
11. Jahrhunderts verfaßten?, und aus dem Leben des Hl. Hildolf 
von Trier und Moyenmontier. Im zweiten Peben Ottiliens, wo Hil- 
dolfs Name nicht genannt wird, tritt Erhard als Herhardus de par- 
tibus Bauvariorum, im Leben Hildolfs als dejjen Bruder Namens 
Hairardus auf. Der Tert der letteren Schrift iſt nun von Paul 
jtelfenweife fast wörtlich beibehalten Wo aber das Leben der Dttilie 
und Hildolfs nicht übereinftimmen, gibt Paul dem legteren den Vor— 
zug. Sed quia (cap. III, 12) in b. Hildolphi vita scriptum 
est, ipsum eam (Ottilie) baptizasse istumque sanctum virum 
(Erhard) eam de fonte levasse, negligenter hunc locum relin- 
quere visum non est, sed admonere, quid horum verius sit, 
de s. Othiliae vita quaerendum. Daß dieß in der That auf 


Benutung der Vita Othiliae zu 


ı! &o Vita Erhardi, ©. 535: 


Nam cum alii canum volucrum- 
que delectentur lusibus, hi prae- 
ceptorum evangelicorum imbui si- 
tiebant roribus, ac sancti spiritus 
aspirante gratia in cordis ejus 
plantario vitae fructificabant ger- 
mina, 


deuten, ergiebt fi) daraus, daf 


Vita Godeh. prior, M. G. SS. IX, 
171: 


Totum enim studium, quod cae- 
teri, ut id juventutis genus asso- 
let, in equorum falerumque prae- 
ciosarum quoque vestium super- 
fluitate pueriliter consumpserant, 
ipse semper legendo, cantando 
scribendove divinae servitutis cul- 
tui mancipare malebat. 


2 Bergl. über diefe Vitae Nettberg, Kirchengeihichte, II, 76. Das er- 
baltene Bruchſtück der älteren (bei Grandidier, Hist. de l’eglise de Stras- 
bourg, I, Preuves justificatives, Nr. 27) nennt Erhards Namen ſchon def» 
wegen nicht, weil e8 den Bericht über Ditiliens Taufe nicht enthält. 

3 Mabillon, Act. Sanct. Ben. saec. III, 2, 444. 

* So u. a. bei der Begegnung Erhards mit Hildolf; 


Vita Erhardi S. 536: 


Ecce, inquit, frater et carnalis 


Vita Hildulfi, A. S. Boll. Juli III, 
©, 223: 


Ecce, inquit, frater, quem diu 


et spiritualis ministerii communis | concupisti, locum tuae conversa- 
ordine, diu quaesitum et optatum | tionis habilem invenisti. 


obtines locum. 


543 


diefe Quelle bei der Taufe Ottiliens Erhard allein nennt, ſowie dar- 
aus, daß Paul von Ottiliens Erziehung im Kloſter Baume = les⸗ 
Nones (Palma) weiß, ein Umftand, den wohl das Leben Ottiliens, 
nicht aber das Hildolf8 berichtet. Für die Angabe, daß Hildolf und 
Erhard zufammen vierzehn Klöfter gegründet, beruft fi) Paul (Cap. 
II, 9) ferner auf Romanae historia bibliothecae auctore s. 
papa Leone IX., worunter der Herausgeber eine Bulle bezüglich 
der Elevation Srharde vermuthet. 

Was Paul hienach von Erhards Leben weiß oder zu willen 
glaubt, ift fehr dürftig und macht den Ausſpruch im Prologe begreif- 
(ih, eine Biographie Erhards fei nec satis studenti possibile nec 
discenti eredibile. Vom Tode Erhards in Regensburg jagen die 
Lebensbeſchreibungen Dttiliens und Hildolfs nichts; aber diejen Um— 
ftand folgert Paul wohl aus Erhards dortigem Grabe. Auch über 
Erhards Nationalität enthalten Pauls Vorlagen feine Angabe; de 
partibus Bauvariorum im zweiten Leben Ottiliens bezieht ſich ftrenge 
genommen nur auf ben Wohnjit. Hildolf aber war nad) feiner Vita 
claro Nerviorum ' genere ortus und Erhard deſſen leiblicher 
Bruder, alfo bezeichnet Paul auch ihn als Nervius civilitate, Neu 
‚und ſowohl hiezu al8 unter einander fchlecht ſtimmend find aber Pauls 
weitere Angaben, Erhard fei geweſen Narbonensis gentilitate und 
genere Scoticus. Sollte hier eine Regensburger Tradition zu 
Grunde liegen? 

In der That gab es eine folche, die von den Nachrichten über 
Erhard in den Lebensbeſchreibungen Ottiliens und Hildolfs völlig un— 
abhängig, ja mit ihnen kaum vereinbar iſt. Dieſelbe iſt in der 
Vita Albarti? erhalten und beſagt, daß Erhard in Hibernien geboren 
und Biichof von Ardagh in Irland (Attinacha) war. Er befuchte 
Abart, einen geborenen Londoner, der jeinem Freunde nad) Yrland 
folgte und dort Erzbifchof von Gajhel (Caselle) wurde. Der Ber: 
fofjer weiß von einer dreitägigen Verfammlung der Bifchöfe und 
Fürſten des Landes in der Stadt Yismore (Lesinor) zu berichten, 
wo Albart predigte und der Entſchluß zur Wanderſchaft in ihm er— 
wachte. Mit ſeinem Collegen Erhard und mit neunzehn Brüdern 
trat er die Reiſe an, die ihn und ſeine Begleiter zunächſt nach Rom 
zum Papſte Formoſus (891 -896) führte. Deſſen Namen bietet den 
einzigen, aber wohl trügeriſchen Anhalt für die Zeitbeſtimmung Al— 
barts; daß er nicht etwa Verderbniß ſpäterer Abſchreiber iſt, zeigt 


ı Man bat an eine Corruption aus Noricorum gedacht, und dieſe An— 
nahme findet allerdings eine gewichtige Stütze, weniger darin, daß Hildolfs 
Bruder Erhard in Baiern wohnte (demm die Ieibliche Bruderfchaft der beiden 
dürfte erft aus einem Mifverftändniß 2 — erwachſen fein), als darin, 
daß Hildolf jelbft nad) feiner Vita (S. 221) in Regenesbuorch die geiftlichen 
Weihen erlangt haben fol. Es ift zu beadhten, daß fi) der Name Erhart 
unter den Baiern in se 2 et" Zeit findet; Breves notitiae Salz- 
burgens. XIV, 52, ed. Keinz, ©. 

2 Pez, Thes. II, c, 181—183. 


544 


der folgende Satz, der auf ihn anjpielt: Quos Romanus pontifex 
secundum nomen suum pulchre informavit. Von Rom, wo 
fich Albart und Erhard trennten, ging der erftere mit fieben Gefährten 
über das Meer, um das Grab des Herrn aufzufuchen, und dort ruht 
einer von diejen, Gillipatrih. Auf der Heimkehr kam Albart über 
Salzburg, wo er einen andern Gefährten Namens Johannes beer- 
digte, nach Regensburg, getrieben von dem Wunfche, mit feinem ge— 
liebteften Bruder !, dem Bifchofe Erhard, zufammenzutreffen. Diejer 
aber war dort bereit geftorben und begraben. Auf Erhards Grabe 
ward dann auch Albart an einem 25. Mai todt gefunden, worauf 
man ihn neben Erhard in der Marienfirche (Niedermünfter) beftattete?. 

Pez hat die Vita Albarti aus einer, Handihrift von St. Em— 
meram, wie es jcheint, aus dem 14. Jahrhundert (quadringento- 
rum annorum) veröffentlicht. Das Material aber, das Vertraut⸗ 
heit mit irischen Verhältniffen befundet, dürfte aus dem Regensburger 
Schottenklofter ftammen. Verfaßt ift die Vita Albarti wohl nicht 
vor 1152, denn fie erwähnt des Erzbifchofs von Gafhel; Caſhel aber 
wurde erjt 1152 vom Bisthume zum Erzbisthume erhoben. Gams 
fennt dort feinen Biſchof Albart, doch in Emly, dem älteren Sige der 
Didcefe Cafhel, einen 819 verftorbenen Sectabraty. Sollte daraus 
Sanct Albart entftanden fein? Unter Ardagh nennt Gams (S. 208), 
der fich auf die Werfe von Waraeus, Cotton und Walſh ſtützt, einen 
c. 700 angejegten Bifhof Erhard. Dieß würde den Sieg der Vita 
Albarti über die Vita Erhardi entjcheiden, wenn ſich nur nachweiſen 
ließe, daß diefe Angabe in letter Reihe nicht eben auf der Vita Al- 
barti beruht. 

Un die irosfchottifhe Abkunft Erhards haben fi) dann aud) die 
fpäteren bairischen Annaliften gehalten?®. Diefe Annahme fordert die 
weitere, daß der Name Erhard erft aus einem ähnlich klingenden fs 
tischen zurechtgemacht worden iſt. Ebrard in feinem Buche über die 
iro⸗ſchottiſche Miffionskirche wies Erhard gleih Ruprecht, Pirmin 
u. a. der culdeischen Richtung zu, was freili in der Verehrung, 
welche diefe Männer fpäter von römischer Seite erfuhren, feine Wider: 
legung, aber aud) in den Quellen feinen Anhalt findet. Die oft wieder: 
fehrende Angabe, daß Erhard Biſchof von Regensburg war, bedarf 
ihon defhalb faum einer Widerlegung, da fie fich weder in den Bio— 
graphien Erhards noch in der älteren Hildolfs noch in der Albarts 


ı Wie ſich aus dem vorhergehenden Texte ergibt, darf man dieſes ‘fra- 
trem charissimum’ nit mit Wattenbach, D. Gejdichtsquellen *, II, 57, auf 
leibliche Bruderſchaft deuten. 

2 Yeber die Berehrung Erhards in Miedermünfter f. Gumpeljhaimer, 
Regensburgs Geſchichte, Sagen u. Merkwürdigkeiten, 1830, I, 130 f., wo audı 
weitere Piteratur verzeichnet iſt. Vergl. and) Öthloni Vita Wolfkangi, M. G. 
SS. IV, 533, N. 18 des Herausgebers, und Hirfh, Heinrich II., I, 12], 
N. 2 und 5, 

° ©. bie Einleitung zum II. Bande, S. LIU. 

* Games, Series episcoporum 208. 

*Bergl. Rettberg, I, 467, N. 13. 


545 


findet. Erſt die dritte Vita Hildolfi fagt, Erhard fei nach der Tren- 
nung von Hildolf nad) Regensburg, suam videlicet sedem, ge- 
gangen!. Als Hiftorifch gefichert aber dürfte faum etwas weiteres 
gelten, als daß Erhard, ein angefehener Klerifer in alter Zeit, jeden- 
fall8 vor dem 10. Yahrhundert, im Regensburger Niedermünfter be= 
graben ward. Als Zeitgenofje der Dttilie würde er dem Ende des 
T., als folder des Papſtes Formoſus dem Ende des 9. Jahrhunderts 
angehören. Diefen Widerfpruch zu Heben, feine Nationalität und Yes 
bensverhältniffe zu beftimmen, Hat und auch diefe Unterfuhung nicht 
geitattet. Immerhin wird man eben wegen der verworrenen und ums 
klaren Tradition, die ſich über ihn gebildet, für wahrjcheinlicher halten, 
dag Erhard vor Bonifaz gelebt hat, als nachher. 


Das Leben Alrunens ? dürfte in der erften Hälfte des zwölften 
Jahrhunderts in Niederaltaich verfaßt fein, wo dieje in aſtetiſchen 
Kreifen hochverehrte Wittwe ihre Nuheftätte fand. Ihr Biograph 
nennt fie eine Tochter aus dem Haufe der illustres Chambenses, 
eine Bezeichnung, die zunächlt auf die Grafen von Cham weiſt, ohne 
doc die Edlen von Cham ficher auszufchliegen. Alrunens Gemahl, 
mit dem fie in kurzer Ehe lebte, ſoll Mazelin geheißen haben, und es 
ift auffallend, daß diefer feltene Name, wahrſcheinlich Kojeform für 
Meginhard®, gerade im Haufe der Edlen von Cham auftritt. Der 
Edle, Vogt Mazelin von Cham, der um 1130 und 1134 urkundlich) 
genannt wird‘, fann jedoch als Alrunens Gemahl nicht in Betracht 
fommen, wenn anders der Biograph Recht hat, ihre Geburt in bie 
Zeit 8. Heinrichs II. zu fegen. Dem Namen Alrune bin ich weder 
je in bairifchen Urkunden begegnet, noch feunt Förjtemann ein Bei— 
fpiel dafür. Vielleicht ift er erſt durch einen Copiſten entjtellt wor— 
den; vergl. darüber auch Pez, Einleitung, LVII. Der felige Wil- 
helm, der nad) der Vita Alrunae in Rinchnach begraben ward, ift 
faum ein anderer als jener, von dem in der Historia Windbergen- 
sis berichtet wird.®, wiewohl es dort heißt, er habe in Windberg das 
Grab gefunden. 


Ueber die Entftehung der von Wilmand in Mon. Germ. SS. 
XI veröffentlichten Vita Udalriei Cellensis® gibt eine noch nicht 
beachtete Stelle in Pauls Leben der Herlufa Aufihluß. Paul fagt 
bier, er habe längft bemerkt, daß ihm Herlufa deßhalb jo viele Liebe 


ı A. Sanct. Boll. Jan. I, &, 235. 

2 Vita Alrunae; Pez, Thes. II, c. 253 f. 

s Wenigftens nennen Wipo, Vita Chuonradi imp. c. 1, und der Ano- 
nym. Haserens,, M. G. SS. VII, 259, fo den Würzburger Biſchof Meginhard, 

*« Mon. Boic. IV, 386; V, 117. 

5 M.G. SS. XVII, 561. 

“ Prior, ©, 251 f,, posterior, S. 253 f. 


546 


erwies, weil fie durch göttliche Eingebung vorausfah, daß er dereinft 
ihre Heiligkeit enthüllen, d. h. ihr Yeben bejchreiben werde. Dann 
fährt er fort: Talis praesignatio caritatis extitit erga Severum 
Sulpicium in b. Martino, erga Adalbertum Ratispo- 
nensem inclusum in moderno Udalrico Clunia- 
censis attinentiae apud Suevos praeposito, quo- 
rum alter precem, materiam sumptumque dedit 
adcomponendam vitam sui dilectoris!. Da Baul, 
bevor er in das Chorherrenitift Bernried eintrat, in Regensburg 
febte, konnte er über dortige Verhältniffe wohl unterrichtet fein. Nach 
feiner Angabe hatte aljo Udalrich in feiner Heimath Regensburg in 
einem gewiſſen Adalbert, der dort als Eingemauerter lebte, einen glü 
henden Verehrer Hinterlajjen, und auf dejjen Bitten und Koften und 
nad) den von ihm gelieferten Nachrichten entjtand, jedenfalls vor 
1130, um welches Yahr Paul fein Leben der Herlufa fchrieb, die 
Biographie Udalrichs. Und zwar wohl die nicht volljtändig erhaltene 
ältere, in der auch die bairifchen Verhältniffe Udalrichs mehr hervor 
treten. Ihr DVerfaffer dürfte in dem in Cap. 4 (S. 254) ber jüns 
geren Lebensbefchreibung erwähnten Schüler Udalrichs zu fuchen fein. 

Die cella, wonach Udalrid) benannt wird, hat Wilmans irrig 
auf Zell im Schwarzwälder Wiejenthale gedeutet, und ſeitdem hat ſich 
diefe Berwechfelung in der Hiftorifchen Literatur feitgefegt. Der Name 
bezieht fi auf das heutige St. Ulrich im Hochthale des Melinbaches, 
weftlihh vom Abhange des Feldberges im Scwarzwalde. An bie 
Stelle der dort abgegangenen Wilmarszelle ? verpflanzte Udalrich ein 
zu Grüningen geftiftetes Kloſter, deſſen Leitung er 1085 als Prior 
übernommen hatte. Grüningen, ein im 14. Jahrhundert zerftörter 
und feitdem abgegangener Ort, lag am Tuniberg bei Oberrimfingen 
zwifchen Freiburg und Breifah. In dem Stifter Heſſo dürfte einer 
der benachbarten Herren von Ueſenberg am Kaiferftuhl zu fuchen fein, 
in deren va der Name Heffo herkömmlich war. Die neue Grün 
dung am Melinbache erhielt ftatt der alten Bezeihnung Wilmarszel 
nad) dem Heiligen, dem fie geweiht war, den Namen BPeterszel, 
Cella s. Petri, fpäter aber, nachdem die Verehrung ihres Gründers 
durchgedrungen, nach diefem den Namen St. Uri, den der Ort 
noch heute trägt. Nun empfiehlt ſich nicht, von einem feligen Ulrid 
von St. Ulrich zu ſprechen, aud die alten Namen feiner Stiftung 
Wilmarszell und Peterszell kann man nicht hervorholen, den erjteren, 
weil er fchon bei Gründung des neuen Klofters fallen gelaſſen wurde, 
den andern, weil auch er längft nicht mehr üblich ift und wiederum 
nur zur Verwechſelung mit dem heutigen Peterszell bei St. Georgen 
im Schwarzwalde Anlaß geben würde; am bejten wird man daher 
Udalrich zur Unterfcheidung von feinem berühmteren Namensvetter, 
dem heiligen Bifchofe Udalrih von Augsburg, nad) feiner Heimat) 


’ Acta Sanct. Boll., April. II, 556; cap. III, 42. 
” ©. die Urf. bei Neugart, Cod. dipl. Alemanniae, U, 31. 


547 


als Ubdalrih von Regensburg bezeichnen. Neuerdings handelte über 
Udalrich Rothhelfer (Leben und Wirken des Gründer8 von St. Ul- 
rih, mit Nachworten von Bader; Freiburger Didcefanardiv, X, 
125—180), der bezüglid) der Dertlichfeit feiner Stiftung bereits das 
Richtige bemerkt Hat. 


Derſelben kirchlichen Richtung wie Udalrich und wenig jüngerer 
Zeit gehören an die Aebte Berengar (F 1108) und Wirnto (F 1127), 
die nad) einander das Klofter Formbach leiteten. Ihre kurzen Bio— 
graphien !, voll von Wundererzählungen und arm an gefchichtlichem 
Inhalt, galten bisher als ein Werk Gerhohs von Weichersberg. 
Schon Wattenbad)? hat bemerkt, daß die Wunder von Gap. 10 an 
wegen der Beziehung auf die Salzburger Mirafel von 1181 nicht 
von Gerhoh befchrieben fein fünnen. Man muß aber noch weiter 
gehen amd dem 1169, Juni 27. verjtorbenen Gerhoh die ganze 
“ Schrift abſprechen. Denn im 8. Gapitel (S. 411) wird der 1158 
vor Mailand gefallene Graf Edbert von Formbach und Pütten, In— 
haber der Grafichaft Neuburg am Inn, als marchio Neoburgensis 
bezeichnet. Nun war Ebert nicht Markgraf, wohl aber war dieß 
jeit 1173 Berthold III. von Andechs, der nad) Eckberts Tode die 
Grafſchaft Neuburg geerbt hatte. Augenſcheinlich liegt eine Verwech— 
jelung vor, die nicht vor 1173 begangen werben konnte. Da aber 
fein Grund befteht, die Abfaffung der erſten neun Capitel vom Folgen- 
den zu trennen, ift die Entjtehung der ganzen Schrift nach 1181 zu 
jegen. 


11. Zum Kürnberger. 


Wie eine ftrengere Prüfung von der literarhiftoriihen Bedeutung 
des Kürnbergers wenig übrig gelaffen hat?, fo muß man gegenüber 
manchen zu beftimmten Aeußerungen darauf hinweifen, daß wir auch 
feine Perjönlichkeit, ja feine Familie nicht feitzuftellen vermögen. Zwei 
Gefchlechter diefes Namens hat man vornehmlich ins Auge gefaßt, ein 
uffgauifches, bei Wilhering weſtlich von Yinz, und ein öfterreichifches, 
am Mankbache ſüdlich von Mel figend. Stammeseinheit der beiden 
fann aus dem gleichen Namen nod) keineswegs gefolgert werden; auch 
Sonst find ja die Namen Kürnburg und Kürnberg wenigftens in Ober: 
deutichland nicht felten. Eine Kürnburg lag bei Kenzingen im Breis— 
gau, eine fürftenbergiiche Burg des gleichen Namens beim jett ebenfalls 
abgegangenen Kiürnbergerhofe weſtlich von Bräunlingen im öftlichen 


ı Gebrudt bei Pez, Thes. I, c. 399 f., vergl. Praefatio LXXXV. 

2 Deutſchlands Gefchichtsquellen, 3. Auflage, II, 220, Anm. 1. - 

’ ©. Scherer in Haupts Zeitſchrift f. deutſches Alterthum, XVII, 561 f. 
und in den Deutſchen Studien, II, 16 f. Vollmöller, Kürenberg u. die Nibes 
ungen, 1874, | 


XVIIL 36 


548 


Schwarzwalde, eine Kürtenburg bei Eflingen, und zahlreiche Dertlid- 
feiten des Namens Kürnberg oder Kirnberg finden ſich «noch heute 
auf bairiſchem wie ſchwäbiſchem Stammesgebiete. Zu der vorgeidle 
genen Ableitung ded Namens von goth. quairmnus, Meühle?, ftimmt, 
boß wenigftens die mir bekannten Bildungen von Kürnz, Kirn- fänmt 
ih an Bächen liegende Orte bezeichnen. Die von Lachmann und 
Haupt ? offen gelajfene Möglichkeit, daß die öfterreichifche Kürnburg 
erft von dem bei Wilhering angefeffenen Gerolt gegründet wur, 
nachdem derfelbe feinen früheren Wohnfig an Kloſter Wilhering abge: 
treten, ift aus chronologifhen Grunde zu verneinen. Kloſter Wilhe- 
ting, an welches Gerolt zur Zeit feines erften Abtes Gebhard feine 
Befigung in Kürnberg vertaufchte?, ward 1146 gegründet; ſchon vor 
1138 aber ericheint ein Küruberger, den man mit Sicherheit dem 
Öfterreichifchen Haufe diefes Namens zumeifen darft. Die öfterreihi- 
ſchen Kürnberger gehörten zur Dienftmanufhaft der bairifchen, aber 
durch den Befig der Herrſchaft Schala auch in Defterreid) murzefuben 
Grafen von Burghauſen. Nicht fern von dem öſterreichiſchen Kürn- 
burg lag die Schalaburg, welche mit der dazu gehörigen Herridaft 
wahrſcheinlich erjt von der Babenbergerin Sophie, Schwejter des Mart: 
grafen Leopold III. von Defterreih, Gemahlin Sighards II. von 
— an deſſen Haus gebracht wurde (vergl. Mon. Boie. 
AXIX, b, 313). Zhaufing® bemerkt, daß Magenes von FKürnberg, 
der Bruder jenes Otto de Polan, von Polle bei Petzenkirchen unweit 
der Erlaff, ber miles des Grafen Sighard von Schala ift, gleichzeitig 
in einer Paſſauer Urkunde unter den Miniſterialen dieſes Domftiftes 
genannt werde®; aber ministeriales ecclesiae, das fich allerdings 
auf nachfolgende, nicht auf vorhergenannte Zeugen bezieht, dürfte hier 
doc faum für alle 28 folgenden gelten, unter denen der Kiürnberger 
an der 26. Stelle ericheint. Vor ihm wird Werinhere de Lohhein 
genannt, aus einer Familie, von der Dietpolt um diefelbe Zeit als Dienit- 
mann der Grafen von Burghaufen bezeugt ift’. Kam es auch vor, 
daß Brüder, ja daß ein und derfelbe Minifteriale in Dienftverhältnif 
zu verfchiedenen Herren ftand, jo find dieß doch jeltnere Bälle. 
Lachmann und Haupt a. a. DO. und Pfeiffer? haben bereits die 


2 Berg. Förſtemann, Die Deutichen Ortsnamen, 92. 119. Zahlreiche Br 
fege für den Ortsnamen Kürnberg ſammelt Bollmöller 41 f. 

2 Des Minnefangs Frühling, 229. 

:s Stuülz, Geſch. des Kloſters Wilhering, ©. 473. Diefe Befigung um 
faßte nicht den ganzen Ort, wie ſich aus den Urkunden a. a. O. 450, 492 u. 
U. 8. des Landes ob ber Enns I, 170 exgibt. 

* 11.8. bes Landes ob der "Enns, IL, 477. 

5 Nibelungenftudien: 2. Die Kürnberger und Aribonen. Oeſterreichiſche 
RE Sahrgang 1864, ©. 73 f. 

Landes ob der Euns, I, 477. 
° x. J 8 545. 
In en Germania II, 493. Dort iſt zw berichtigen: 3. 4 — I, 4 47 
. 2477; 3. 5: Urf. zw. 1146 und bald nach 1180 fi. 1155—1159; 3. 6: 
73 fl. 373; 3. 10: 1161 fi. zw. 1155—1160. 


urkundlichen Zengniffe des 12. Jahrhunderts für” Kürnberger aus 
diefen beiden Gejchlechtern gejammelt. Nachzutragen find; Ernestus 
de Curinberg, Schenker an Kloſter Wilhering, Bruder jenes Hein- 
rich de Zruma, der im derfelben Urkunde als Dienjtmann des Herzogs 
Leopold von Defterreich genannt wird!, und Hainricus de Churen- 
berch in einer Raitenhaflaher Urkunde von 1156?. Denn fo darf 
man wohl für Churenbach emendiren, da der Genannte zugleich 
mit den Grafen Sighard von Burghaufen und Heinrich von Scala 
auftritt. Nicht vor 1156 fällt auch, wie Herzog Heinrichs Titel ala 
dux Orientis zeigt, die Heinrich von Kürnberg nennende Urfunde bei 
Pez, Thes. VI, a, 354, welde Lachmann und Haupt 1150, v. 
Meiller 1155 festen. Heinricus de Chorinberch, Dienftmann dee 
Grafen Engelbert von Reichenhall und Wafferburg, wird von Zahn? 
mit Recht auf Kornberg bei Wafferburg bezogen. Konrad und Ger- 
hohe de Churnenbure aber, welche 1178 auf einem Gerichtstage 
des Grafen von Bogen in einer Oberaltaicher Sache in dem Walde 
Schahe unweit Wiare und Huntzagele auftreten *, könnten wohl zu 
einen der benachbarten Kürnberg gehören, fei e8 zu Kürnberg bei 
Stadtamhof, zu einem der Kirnberg im B. A. Regensburg oder zu 
Kirnberg im B. X. Roding? Auch Markwart von Churnberch er- 
fcheint zugleich mit dem Grafen Berthold von Bogen auf einem Ge— 
richtstage des Yandgrafen Dtto von Steffling in Regelsmais bei Ro— 
ding‘. Man darf aljo die Frage aufwerfen, ob nicht neben dem 
uffgauifchen und öſterreichiſchen noch ein drittes Gejchlecht von Kürn⸗ 
berg bairischen Stammes in Betracht kommen könnte mit dem Wohnte 
fige bei Roding oder bei der bairifchen Yandeshauptitadt, wo ja am 
Hofe der Burggrafen fo veges dichterifches Yeben herrſchte. Eben in 
den beiden Urkunden, welche diefe Vermuthung nahe legen, werben 
auch Glieder des burg- und landgräflichen Haufes von Regensburg, 
Niedenburg und Steffling genannt, 

Dem öſterreichiſchen Gefchlechte find nach der Geſellſchaft und 
den Dertlichfeiten ihres Auftretens ſicher zuzumeifen Magenes? und 
Heinrich, wohl auch Dtto, Burkhart und Markwart, wenn der letz⸗ 
tere nicht zu einem dritten Haufe diefes Namens gehören folltee Dem 
uffgauifchen find zuzuweifen Konrad (1147), Gerolt, Walther (1161), 
wohl auch Ernft. Die Erwähnung des legteren ift das einzige Zeuge 
niß, welches wegen feiner gleichzeitigen Beziehung auf das Klofter 
Wilhering und die Herzoge von Defterreic die Möglichkeit eines Zu⸗ 


ı 1.8. d. Landes ob der Enns, II, 483. 480. 
Mon. Boic. III, 112. 
U. B. des Herzogthumes Steiermark, I, 248; vergl. 790, 
Mon. Boic. XII, 56. 
5 Auf dem letzteren VBergichloffe, von dem noch Trümmer ftehen, ſaß im 
14. Zahrhundert das Geflecht der Kürn zu Kürnberg; ſ. Gfellpofer, Berhand- 
lungen des hiſt. Vereins der Oberpfalz u. vom Regensburg, VII, (1843) 100. 
© Mon. Boic. ‚129. ” 
? Diefer Borname ift im 12. Jahrh. in oftbairiichen und oftmärkischen 
Samilien häufig; ſ. u. a. Mon. Boic. III, 112; XIII, 129. 


36* 


550 


fammenhangs zwifchen den uffgauifchen und öſterreichiſchen Kürnber: 
gern eröffnet. Das Standesverhältnig der erjteren aber läßt fich nicht 
gleich dem der letzteren ficher erkennen. Walther wird Minifteriale 
genannt, fein Herr aber nicht angedeutet. Der Tauſch von Kürn- 
berg, den Gerolt vornimmt, ohne daß der Zuftinmmung eines Herr 
gedacht wird, kann zwar nach feiner Seite beweifen, da Minifterialen 
auch Eigengüter befigen, oder der urkundliche Bericht nicht erjchöpfend 
fein kann, macht aber immerhin wahrfcheinlicher, daß Gerolt ein Freier 
war. Jedenfalls berechtigen die urkundlichen Zeugniffe nicht zu der 
Behauptung Thaufings, auch die uffgauifhen Kürnberger feien in 
Dienftverhältnig zu den Burghaufern geftanden, und hiemit ift der 
Bermuthung bezüglich eines Einfluffes der Aribonen auf die Entjteh: 
ung des Nibelungenliedes auch von diefer Seite der Boden entzogen. 
Einen Oeſterreicher jchledhtweg dürfte man den Kürnberger nur dann 
nennen, wenn ſich al8 feine Heimath die Burg am Mankbache nad: 
weifen ließe. Die Gegend um Wilhering aber iſt altbairifches Ge 
biet und gehörte wenigſtens bi8 1180 auch politifch zum bairijchen 

erzogthume. Noch kurz vor 1220 wird das in der Graficaft 

teier unweit der Enns liegende Klofter Gleink urkundlich bezeichnet 
als liegend “in inferioribus Noricorum partibus Austrie conter- 
minis’!. In den Urkunden der Babenberger, wo Dietmar von Alt 
fo oft begegnet, tritt ein einziges Mal (Bez a.a.D.) ein Kürnberger 
auf, ficher einer der öfterreichiichen, da er fich im Gefolge des Grafen 
Gebhard von Burghaufen befindet. 


12, Serufalempilger und Krenzfahrer aus Baiern. 
Bor den Kreuzzügen: 


723 Wilibald, fpäter der erjte Biſchof von Eichftädt, und deſſen 
Bruder Wunibald . — Johannes, Gefährte Albarts von London, 
der mit diefem angeblich zur Zeit des Papftes Formoſus (891— 
896) nad) Rom, dann Yerufalem pilgerte und auf der — in 
Salzburg ſtarb und begraben ward (Vita Albarti, bei Bez, Thes. 
II, c, 184). — Zwiſchen 955 und 973 Judith, Tochter Herzog 
Arnulfs und Wittwe Herzog Heinrichs I. von Baiern. Sie ſchenlte 
von den heiligen Stätten mitgebrachte gg dem Klofter Nieder: 
münfter in Regensburg (Pauli Vita Erhardi, Act. Sanctor. Boll. 
Jan. I, 536 f.; vergl. His Heinrih IL, I, 121, Anm. 5). — 
Etwa um diefelbe Zeit Adalbert, Cuſtos und Pförtner von St. Ems 
meram in Negensburg (Arnold. de St. Emmeramo, Mon. Germ. 
SS. IV, 552). — Ueber Italien und Griechenland nahm der gelehrte 


ı Böhmer, Wittelsbach. Regeften, ©. 9. 
1... „Soweit keine Belege angegeben, findet man dieſelben bei Röhricht, Die 
Pilgerfahrten nach dem heiligen Lande vor den Kreuzzügen (Raumers Hiſt. Tas 
ſchenbuch, 5. Folge, 5. Jahrgang, 388 f.) 


551 


Biſchof Reginold von Eichftädt (966989) den Weg nad) Paläftina 
(Anonym. Haserensis, M. G. SS. VII, 257). — Eher im An— 
fange des 11. al8 am Ende des 10. Jahrhunderts zog Hademut, die 
Schweſter des Grafen Udalric von Regensburg, nad) dem Tode ih- 
re8 Gemahls, des kärntiſchen Markgrafen Markward, nach dem ge= 
lobten Lande, wo fie im Geruche der Heiligkeit ftarb. — Um 1051 
pilgerte von Freifing aus der heilige Üdalrich von Regensburg nad) 
Jeruſalem, Tag für Tag nicht eher fein Roß befteigend, bis er den 
ganzen Pſalter gebetet hatte. — Zwei Engländerinnen, angeblich aus 
Föniglichem Gefchlechte, die Jungfrau Salome und die Wittwe Ju— 
dith, ließen ſich nach ihrer Rückkehr aus Paläftina, wie es fcheint, 
unter 8. Heinrich IV., im Kloſter Niederaltaic einmanern!. — Im 
Jahre 1064 verbreitete fih, in fonderbarer Weife aus einer chrono— 
logischen Berechnung hervorgehend, der Glaube, daß die Welt unter— 
gehen werde, weil Oftern im nächften Jahre mit dem ſtets am 27. 
März gefeierten Feſte Resurrectio Domini zufammenfiel?, An dem 
großen Pilgerzuge, der deßhalb aufbrach, betheiligten ſich Biſchof Otto 
von Regensburg, Altmann, damals Kaplan der Kaiſerin Agnes, nach 
feiner Rückkehr Biſchof von Paſſau, Konrad, ſpäter Dompropſt zu 
Paſſau, Siegfried aus dem kärntiſchen Haufe Ortenburg, der auf dem 
Rückwege in Bulgarien ftarb?. Aventin (Annal. Boior. ed. Gund- 
ling 527) und Hochwart (Catalogus episcoporum Ratisbon., bei 
Oefele, SS. I, 182.) nennen auc) die Grafen Effehard von Scheiern 
und Friedrid) von Diejfen und Ortulf von Hohenwart. Die Theil- 
nahıne des erjteren iſt chronologisch jehr unmahrjcheinlich *; die oft 
erzählte Gejchichte vom Ekkehard Bundſchuh feheint eine der vielen 
Fabeln zu fein, welche erft die zu Ende des 14. Jahrhunderts ent= 
ftandene Fürftentafel im Klofter Sceiern in Umlauf fegte?. Nach 


! De Salome virgine et Juditha vidua, Acta Sanctor. Boll. Juni 
V, 492-498. NRöhridht 389 fetst diefe Pilgerinnen um 880, aber die als gleich- 
zeitig genannten Hiftorifchen Perfonen weifen ihnen eine um zwei Jahrhunderte 
fpätere Zeit an. Ejusque (filiam) in Cap. II, 18, ©. 496 ift auf den Grafen 
Udalrich, nicht auf deffen Bropft zu beziehen. Unter dem Herzoge Eugelbert 
von Sftrien aber, der eine Tochter des Grafen Udalrich zur Frau Hat, iſt der 
1143 verftorbene Herzog Engelbert III. von Kärnten, vermählt mit Uta, Tochter 
des Grafen Udalrich Bilrih) von Paffan, und unter dem Abte Walther von 
Altaich, zu deffen Zeit die Frauen anfamen, doc wohl Waltfer zur verftehen, der 
in der Urf. v. 1079 (Mon. Boic. XI, 159) auftritt. Die Stelle: Engilber- 
tus dux eos, qui nunc supersunt, Ortembergenses comites praeclaros, 

raeclarus avus, profudit, zeigt, daß die Schrift nicht vor Ausgang des 12, 

Babıh. verfaßt wurde, da dem Sohne Engelberts III., Rapoto I. von Orten- 
burg, der bisher allein den orteuburgischen Namen in Baiern vertrat, 1190 die 
Söhne Rapoto II. und Heinrid) folgten. 

°® Vita Altmanni, M.G. SS. XII, 230, eine für die Chronologie diejer 
Pilgerfahrt wichtige Stelle. 

v. Hormayr, Die Bayern im Morgenlande 27, ans einem Salbude von 
St. Paul im Lavantthale; v. Anfershofen, Gef. von Kärnten, II, 910. 

* Bergl. Hirich, Heinrich II., I, 424; Graf Hundt, Bayrifche Urkunden, 35. 

5 Dberbager. ia IT, 191; vergl. über diefelbe Graf Hundt, Klofter 


Scheyern, 269279, 


552; 


Deit Arnpeck (Pez, Thes. III, c, 144. 145) foll Graf Friedrich 
von Andechs (Diefjen)', genannt Roch, im heiligen Lande geftorben 
und ſchon vor ihm, angeblich 951, fein Bruder und Vorgänger, Graf 
Razzo, d.i. Rapoto von Andechs, nach Jeruſalem gepilgert fein, Ans 
gaben, deren Glaubwürdigkeit ebenfalls fehr gering ijt. Dagegen 
könnte wohl die Pilgerfahrt des Edlen Herrand von Falkenſtein am 
Jun (Mon. Boic. VII, 464) hieher zu ziehen fein. Kurz vor den 
erften Kreuzzug fcheint endlich die Pilgerfahrt des Regensburger 
Schottenmönches Clemens zu fallen, der in Serufalem feine Tage ber 
ſchloß (Vita Mariani, Acta Sanct. Boll. Febr. II, 368). 


Kreuzzug Welfs L!. 

Herzog Welf, der am 1. April 1101 aufbrad und am 8. Nov. 
1101 zu Paphos auf Eypern ftarb; Erzbifchof Thiemo von Salz 
burg, der in Gefangenfchaft fiel und dort wahrſcheinlich ein klägliches 
Ende nahm; Bifchof Udalrich von Paſſau; zwei Kanonifer des Na- 
mens Bruno aus edlem Gefchlechte, die verhungerten und verſchmach— 
teten, deren Zugehörigkeit zu Baiern freilich zweifelhaft bleibt ?; Abt 
Gifilbert von Admunt, der am 1. Oftober in Serufalem ftarb’; 
Burggraf Heinrich von Regensburg, der zu Jeruſalem ftarb (Ekkeh. 
SS. VI, 221; Mon. Boic. XXIX, b, 60); Graf Friedrid) I. von 
Bogen (Scholliner, Neue Hift. Abhandl. d. Mindener Akad. IV, 
41. 76); vielleicht Graf Ekkehard von Scheitern *; vielleicht aud 
ber in Jeruſalem geftorbene Bruder des herzoglichen Kämmerers er: 
mund aus der Gegend von Ranshofen®. Aventin (V, ec. 16; VII, 
c. 1) nennt auch einen Otto von Scheiern als Theilnehmer; doch 
ift fo viel ficher, daß Otto comes de Scirun praefecturus Hieru- 
salem im Ebersberger Schenkungsbuche (Oefele, SS. II, ©. 32) 
und bei Meichelbeck (I, b, Nr. 1291) erft zwifchen 1119 ımd 1122 
zu fegen ift®. Konrad von Sceiern (M. G. SS. XVII, 621) läßt 
einen Otto von Scheiern zwar auf einer Kreuzfahrt umkommen, doch 
ift diefe fpäte Nachricht, wenn überhaupt richtig, jedenfalls wicht hier: 
ber zu beziehen, da Dtto noch nad) 1101 urkundlich auftritt. Zu 
Aventins Angabe (VII, ce. 1), daß aud) Ottos Bruder Effehard von 
Scheiern auf diefem Kreuzzuge umgefommen, ſtimmt, daß derjelbe jeit 

ı Nöhrichts Beiträge zur Geſchichte der Kreuzzüge II, S. 297, z. Th. früher 
bei Zacher, Zeitſchr. f. deutiche Philol. VII, 125 f., find dem Berf. erft nad: 
träglich bekannt geworben und fonnten nicht mehr verglichen werden. 

2 Hist. Welfor. Weingart., M. G. SS. XXI, 462; Passio Thiemo- 
nis, 1. c. XI 58 u. metrice scripta 1. c. 29. 

s Vita Gebehardi et successorum, SS. XI, 41; Annal. Mellicens. 
u. St. Rudberti Salisburg., Auctar. Garstense, SS. IX, 500. 774. 568. 

* Graf Bernhard aber, der nad Effeharb a. a. DO. 1101 in Jeruſalem 

arb, ift faum anf den fcheirifchen zu denten, denn die Urkunden machen wahr- 
cheinlich, daß deffen Tod erft Ende 1103 oder Anfangs 1104 erfolgte; vergl. 
Graf Hundt, Bayr. Urkunden, 37. 
5 WM. B. des Landes ob der Enns, I, 215. 
® Bergl. Graf Hundt, Klofter Scheyern, 261. 


” Hmfchberg, Geſch. des 8 Scheiern: Wittelsbadh, 228 f. Graf Hundt, 
— —* ſch. des Hauſes Scheiern⸗Wittelsbach * 8 — 


553 


diefer Zeit aus den Urkunden verſchwindet. Markgräfin Ida, die 
Mutter des Markgrafen Liutpold ILL. von Oeſterreich, blieb, wie es 
fcheint, unter dem Schwerte; denn diefe, deren Theilnahme durch die 
erwähnten Salzburger, Melter und Garftener Berichte gefichert iſt, 
darf man wohl unter der marchisia N. trucidata verftehen, die 
Gffehard (M.G. SS. VI, 220) unter nostrates aufführt. Daß ein 
Sarazenenfürft mit ihr als jeiner Gefangenen den Imad Eddin Zenfi 
(Sanguineus) erzeugt habe, wie Hist. Welfor. Weingart. a. a. O 
berichtet, gehört zu ben vielen Sreuzzugsfabeln. Schon vor dem 
Weingartner nennt die Kaiferchronit, B. 16615—16629, wie Gieje- 
brecht (Kaiferzeit, IV, 472) erinnert, als Zenkis Mutter eine Hera 
zogin Agnes von Baiern, die vor dem erften Kreuzzuge nad) Jeru— 
ſalem gepilgert fei, wobei alfo wohl Verwechſelung mit der Herzogin 
Judith zu Grunde liegt. 

1126: Der Welfe Konrad, ältefter Sohn Herzog Heinrich des 
Schwarzen von Baiern, Mönd zu Clairvaur, der auf der Heimkehr 
von Paläftina zu Bari ftarb (Hist. Welfor. Weingart., SS. XXI, 463). 


Kreuzzug 8. Konrads II. 


a Heinrih XI. von Baiern; die Biſchöfe Otto von Freie 
fing, Heinrich von Regensburg, Reginbert von Pafjau aus dem Edel- 
geichledhte von Hagenau am Inn!. Die drei erjtgerannten find zus 
rücgefehrt, Reginbert ftarb in finibus Graeeiae, 10. November 
1149 (Annal. Reichersperg., M. G. SS. XVII, 464). Ferner 
Markgraf Ottofar von Steiermark; Pfalzgraf Otto V. von Wittel8» 
bad) und fein Sohn Dtto VI. ?; die Grafen Konrad von Beilenftein ®, 
Poppo und Berthold von Andechs, wahrſcheinlich auch Gebhard von 
Burghaufen %; die Edlen Adalbert von Moosburg, Vogt von St. 
Gaftulns Friedrich, Vogt von Regensburg und Oberaltaid), aus dem 
eat Bogen, Dtto von Eurasburg an der Loiſach“?, Rudolf von 

adhland in der Oftinarf®, Berthold von Schwarzenburg im Nord» 
gau?, der auf dem Zuge ftarb'. Vielleicht ift auch die Fahrt des 


ı Mon. Boic. IX, 533. 534; XXVIII, b, 227. 

2 9. Meiller, Babenberger Regeften, S. 34, Nr. 20; Zahn, U. B. von 
Steiermarl, I, 291. 292. 294. Der hier auch genannte jüngere Friedrich von 
willelsbach if dem zurüdtchrenden Bater und Bruder wohl nur bis Salzburg 
entgegengeeilt. 

3 Bahn a. a. D. 278. 

41 S. die er Bien auf dem Marſche ansgeftellten Urkunden bei Meiller 
a. a. O. ©. 33. 34; die Zeugen der Urk. = un find zu berichtigen nad 
dem Auszuge im — f. öſterr. Geſch. V, 2, 251. Graf Poppo * am 
11. Dez. und ward in Ag rg se: "Mon. Boic. VII, 3 

5 Dberbayer. Archiv, II, 18. 

6 Mon. Boic. XII, 47; Pez, Thes. III, c, 777. Die Regensburger 
Domvogtei fcheint während Friedrichs Abrwefenheit dem Burggrafen Heinrid von 
Regensburg übertragen worden zu fein, der 1147, Mai 10. urkundlich als Re: 
gensburger Domvogt bezeichnet wird; Mon. Boic. XXIX, b, 39. 

” Mon. Boic. VI, 110. Zahn a. a. O. 281. 

®° Vita Mariani, Acta Sanctor. Boll. Febr. II, 369. 

10 Lang, Regesta Boica, I, 195. 


554, 


Ortenburgers Engelbert IV. des Weißen, Markgrafen von Rraiburg', 
bieher zu ziehen. 

Bon geringeren Freien und Minijterialen: Heinrich von Brun⸗ 
nen der jüngere, bifchöflich Freifingifcher Dienftmann”; Egilolf, der 
feinen Entſchluß erjt nad) langer Veberlegung faßte?; Gozbert von 
Harde, Dienftinann Friedrihs von Bogen *; Starfrit von Iſma⸗ 
ning bei München?; Hermann von Schmidgaden bei Nabburg ®; 
Ezzo von Tandern bei Atomünfter; Hartmann von Ueberachen am 
Ann®; Wernher von Winberg, Minifteriale des Kloſters Tegernfee ’; 
wahrſcheinuch auch Adalbero von Maurbach bei Aichach °. Im Hoch— 
gebirge Walther von Malentin und ein Brixener Minifteriale Lud⸗ 
wig “; vielleicht auch jene Edlen Berthold und Bruno, die vor der 
Ausfahrt an Kloſter Garſten ſchenken2; ſicher ſodann die Steier— 
märker Rutpert von St. Georgen an "der Stiefing, Hartnid von 
Niegersburg, During aus dem Sulzbach (?) bei Adınunt, Nicher von 
Wildon, Rudolfs von Machland Eigenmann Adalram, Reginher von 
Tovernich, d. i. doch wohl Defereggen im gleichnamigen Seitenthale 
des Pufterthales, Udalrih von Holzhaufen, genannt Chalpsenge, Sig: 
frid von Gleiß und ungenannte Minifterialen von Salzburg und Ad— 
munt !®; wahrſcheinlich auch Wazaman und Berthold), Minifterialen 
bes fteirifchen Markgrafen +. in anderer Dienftmann deſſelben, 

Heinrich von Dunfelftein, ift ihon im Juni 1146 zur Kreuzfahrt 
gi Daß auch von den auf dem Regensburger Hoftage 1147 

erfammelten, welche die Urkunden bei Stumpf Nr. 3532 und 
3534—3536 ale Die dr aufführen, der größere Theil das Kreuz ges 
nommen, ift wahrſcheiklich; doc) laſſen jich hier die Kreuzfahrer , fo: 
weit fie nicht durd anderweitige Zeugniffe als folche gekennzeichnet 
werden, nicht bejtimmt von denen fondern, welche nur der Hoftag in 
Regensburg zufammengeführt hat. 

Pilgerfahrt von 1167. 

Welf VL; Pfalzgraf Friedrich von Wittelsbach; Burggraf Hein- 

rich (III.) von "Regensburg io 
Pilgerfahrt von 1172. 


Heinrich d. Löwe; die Pfalzgrafen Friedrich und Otto VII. 


1 Mon. Boic. II, 323. 2 ].c. VI, 108; IX, 404. 

® ]. c. III, 32. * Le X, 4. 5 1. c. IX, 398. 

6 Ensdorfer Schenkungsbuch bei v. Freyberg, Sammlung if. Schriften, 
II, 205. ” Amdersdorfer Urk. Oberbayer. Archiv, XXIV, 


° =. B. IX, 534. Meiller, Bab. Reg. 224 Nr. 202 dieſe Stelle 

irrig — den — Hartwig von hegenon bezogen. 
‚89. 4. 

1 hehe Beiträge 3. —8* der bifchöf. Kirche — u. Brixen, 

III, 412. 413. 426 u, Fontes rer. Austr. II, T. 34, ©. 
U. 8. d. Landes ob der Enns, I, 162. 167. 

18 Bahn, I, 279-283, wo quidam de familia nicht überjegt werden 
darf: ein Höriger. 

* 1.8. d. Landes ob der . 123. 162. 164, is Zahn, I, 252. 

"* Append. ad Ragewin,, id. SS. XX, 492, 


555 


d. j. von Wittelsbah. Der erſtgenannte diefer Brüder ift unzweifel- 
haft unter Fridericus marchio de Sudbach bei Arnold von Lü— 
bed zu verftehen!; denn die Continuatio Cremifanensis ? meldet, 
daß mit dem Herzoge duo palatini reilten, und des Pfalzgrafen 
Friedrich Teftament? ijt beim Antritt feiner zweiten Pilgerreije ab— 
gefaßt. Beide wittelsbachiiche Brüder find zurückgekehrt. Irrig läßt 
Arnold auch einen ſteiriſchen Markgrafen theilnehmen. Keinesfalls 
darf man auch mit Hufchberg * die Pilgerfahrt des Herzogs Konrad III. 
von Dadan? zu 1172 fegen. Denn jener Patriarch E., der Kon— 
rad laut jeines Schreibens in Jeruſalem begrüßte, fann nur Heraclius 
fein, der von 1180— 1187 in Serufalem regierte, und da Konrad III. 
von Dachau 1182 ftarb, fällt die Pilgerfahrt in feine beiden letzten 
Yebensjahre. 


Kreuzzug R. Friedrichs J. 


Don den Biſchöfen Konrad III. von Regensburg und Dietpold 
von Bajjau, der vor Affon fein Grab fand (F 3. November 1190) ®, 
Der Pfarrer Meginhelm von Paſſau umd fehs Dombherren des Paj- 
fauer Kapitel, Burkhard von Cham, Propſt Udalrich von Ardafer, 
Propft Markfward von St. Andreas (F 12. Sept. 1190), Rudiger 
von Aham, der Prior Konrad und der Dekan Tageno, einer der Ges 
Ichichtichreiber de Zuges, der in Tripolis ftarb und begraben ward, 
nahmen mit Dietpold das Kreuz und fanden vor ihm den Tod’. Bon 
weltlihen Fürften Markgraf Berthold von Vohburg und Berthold IV. 
von Andehs, Herzog von Meranien, der mit dem Negensburger 
Biſchofe glücklich nach Haufe kehrte, noch ehe die Belagerung Akkons 
ihr Ende erreichte. Von Grafen: Gebhard von Dollnſtein, Kuno von 
Fallenſtein, Siegfried von Lebenau, der die aber nicht wieder ſah?, 
Dietpold von Yeuchtenberg und die Brüder Konrad und Friedrich von 
Dornberg. Bon Edlen, Rittern und Minifterialen: Hartwig von 


ı M.G.SS. XXI, 116. *» 1.c. SS. IX, 546. 

3 GOberbayer. Ardiv, XXIV, 10—13. 

Gecſchichte des Haufes Scheyern-Wittelebad), 256 ff.; vergl. die bort an-« 
geführten Schreiben aus dem Münchener Reichsardive. 

5 Außer den erwähnten Schreiben ſ. die lirfunden, Mon. Boic. VI, 131; 
VIII, 393, Ietstere vom Herausgeber wohl irrig unter 1140— 1153 eingereiht. 

° Soweit fir da8 Folgende feine Belege angegeben find, finden fich die- 
felben in dem Theilnehmerverzeichniffe im X. Bd. diefer Zeitichrift, 141— 149, 
Defterreicher und Steiermärfer find von hier an nicht mehr verzeichnet. 

” Daß Drtolf von Seben, Propft des freifingiichen Klofters Innichen, nad) 
Wien gereift fer, um den Kaifer auf dem Kreuzzuge zu begleiten, bat Zingerle 
(Germania XX, 268) und vor ihm wohl Reich (vergl. Sinnader, III, 466) 
nur aus feinem Auftreten als Zeuge in der 1189, Mai 18 in Wien ausge— 
ftellten Urt. K. Friedrichs gefolgert; aber feine dortige Aumelenheit kann wie die 
anderer Freifinger Chorherren und Minifterialen nur durch den Ausgleich zwi— 
jhen dem Babenberger und dem Bisthume Freifing veranlagt worden fein. Daß 
nicht alle hier genannten Zeugen der Kreuzfahrt ſich angeichloffen, ergeben die 
Urkunden bei v. Meiller, Salzburger Regeften, S. 151, Nr. 48, und Baben- 
berger Regeften, S. 68, Nr. 49. | 

St. Emmeramer Urkunde bei Pez, Thesaurus, J, c, 106, 


556 


Angefizze, Habubrand von Arnsberg bei Kipfenberg!, Friedrich von 
Berg, jest Mitterberg, im Mühlviertel, Vogt der pafjauifchen Güter 
in Dejterreih, Yiupold von Edermanning bei Deggendorf (Ederas 
mingen), Yehensmann von Niederaltaih, der in Gefangenſchaft der 
Sarazenen geriet, der Reichsminifteriale Gottfried von Falkenberg 
aus dem Nordgau (ſ. aud) Mon. Boic. XIV, 427), Berengar von 
Gambach, Heinrich) von Grunnebach, ein Nitter von Hall oder Hals, 
der bei einem Ueberfalle in Serbien fiel, der Edle Konrad von Har— 
bach bei Vilshofen, der zurückgekehrt, ſpäter auf einer Reife nad) Rom 
in Verona jtarb (Mon. Boic. IV, 320. 279), Arnold von Horn= 
berg, der fi) bei Saloniki mit fechzehn Mann durch einen weit über- 
legenen griechiſchen Reitertrupp durchſchlug, Gottpold von Lochhaufen 
(weitlih von München), Sigboto oder Boto von Maffing bei Eggen- 
felden?, der Edle Adalbero von Bruckberg (B. A. Freifing) (Ober- 
bayer. Archiv, II, 47, Nr. 148, eine Urk., welche zeigt, daß Ansberts 
Adalbert von Pruckbach in diefer Weife zu emendiren), Karl von 
Ried, Hugo von Teisbach bei Landshut, der am 3. Februar 1190 
in einem Gefechte gegen Griechen fiel, Konrad von Wolfersborf bei 
Sreifing, der ebenfalls auf dem Kreuzzuge fein Leben verlor?, wahr: 
Iheinlich auch Wernhard, Sohn des Richters von Megling am Inn“. 


Kreuzzug Raifer Heinrihs VL, 1196— 1198. 


Konrad von Wittelsbah, Erzbifchof von Mainz, früher von 
Salzburg’; Biſchof Wolfger von Paffau‘. Mit Wolfger hatten am 
6. Dez. 1195 zu Worms das Kreuz genommen’: Bifchof Konrad IIL 
von Regensburg, Berthold IV. von Andechs, Herzog von Meranien, 
und einer feiner Söhne, Abt Manegold von Tegernfee, ein Graf 
von Bogen, ein Graf (Heinrich oder Rapoto?) von Ortenburg. Aus 
—— zogen aus Propft Heinrich und Pfarrer Ulrich mit ihren 

euten?, 


Kreuzzug des KönigsAndreas von Ungarn 1217—1219. 


— Otto von Meranien und deſſen Bruder, Biſchof Eckbert 
von Bamberg '°; Graf Liutold von Plaien, der vorher feine Graf⸗ 


ı Weber ihn f. and) Falckenstein, Cod. dipl. antiquitat. Nordgarv. 
©. 38, Er wird noch 1194 in einer Berchtesgadener Tradition al® lebend ge- 
nannt, wenn es nicht etwa ein gleichnamiger Sohn des Kreugfahrers if; 
Duellen u. Erörterungen I, 350, 

2 Bergl. Quellen u. Erört. I, 322, 

°3 Mon. Boic. IX, 555. ‘ 1. c.I, 193. 

5 Annal. Scheftlar. major., M. G. SS. XVII, 337. 

® Contin. Cremifan., M. G. SS. IX, 549. 

? Annal. Marbacens., M. G. SS. XVII, 167. (Mit dem bier ge 
nannten Grafen von Bilftein kann nicht der bairische gemeint fein, da berjelbe 
als Bruder des Grafen von Bichelingen bezeichnet wird). Ansbert, Fontes rer. 
Austriac. I, 5, 88. Bei allen diefen ift zweifelhaft, ob fie ansgezogen find. 

*Bergl. Defele, Grafen v. Andechs, 96. 171. 

° Annal. Ratispon., M. G. SS. XVII, 590. 

” Annal. St. Rudberti Salisburg., M. G. 88. IX, 780; Annal. 


557 


Schaft verpfändete und vom Pfeile eines Sarazenen im Auge getroffen 
auf der Heimfehr zu Tarvis in Kärnten ftarb!; die Grafen Albert 
oder Adalbert und Berthold von Bogen, von denen ber letztere 1218, 
12. Auguft vor Damiette ſtarb, mit 39 anderen Rittern dur Bruch 
einer Belagerungsmafchine in den Strom gefchleudert?; Poppo von 
Stierberg (wahrjceinlich von dem Drte diejed Namens im ®. U. Pegnig, 
ba er in Frantenohe B. A. Auerbach begütert iſt) iſt jchon 1216 zur 
Ueberfahrt gerüftet®. Aus Salzburg: Dompropſt Albero, der ſeit Sep⸗ 
tember 1218 zurückgelehrt iſt, der erzbiſchöfliche Burggraf Konrad und 
der erzbiſchöfliche Miniſteriale Konrad von Pfarr, heute Mariapfarr, 
der nach dem Kreuzzuge urkundlich nicht mehr erſcheint, alſo wohl den 
Tod fand. Propſt Friedrich II. von Berchtesgaden ſtarb am 27. 
Auguſt zu Brindifit. Wahrſcheinlich gehört auch hierher Grimolt 
von Leiten Liten), Dienftmann des Herzogs Ludwig (zwijchen 1197 
und 1219) °. 


Aegyptiſcher Kreuzzug des Herzogs Ludwig von 1221. 


Außer dem Herzoge Bifchof Ulrich von Paſſau, der auf der 
a am 30. Oktober 1221 ſtarb °. Diefe zwei erfcheinen am 

April 1221 mit Kaiſer Friedrih in Tarent und haben fich wohl 
zufanmen dort eingefchifft”. Graf Adalbert von Bogen zum zweiten 
Male?, Otto, Domvogt von Regensburg, aus dem Haufe der Edlen 
von Lengbach, Traiſma und Nechberg?, die beide zurückgekehrt find. 


Marbae. 1. c. 174. Wie bereits Willen (Kreuzzüge VI, 131) bemerkte, ift 
* dieſer Herzog Otto zu verſtehen unter dem von Jalob v. vitry (Bongars, Gesta 

ai = Francos, 1129) als Theilnehmer genannten dux Bavariae. Bergl. 
au 


ı Ann. St. Rudb. Salisb. l. c. 781 3. J. 1219. Magn. Reichers- 
perg., SS. XVII, 527. 

2 Ann. Salisb. l. c. Hermann v. un: M. G. SS. XVII, 372. 
Mon. Boic. XI, 185. 191; au: 74; XV, 6. 

® Mon. Boic. XXIV, 4 

* Ann. St. Rudberti — l. o. 781. Mon. Boic. II, 195. 
v. Meiller, Salzburger Regeften, Eberhard II., Nr. 186. 188 u. Noten 78. 88, 
Daß Erzbiichof Eberhard v. Salzburg ausgezogen fei, wie noch Buchner behaup- 
tete, hat fhon Hanſiz, Germ. sacra, II, 323, widetlegi 

Mon. Boic. IX, 

° Ann. St. Rudberti "Salisburg., Ann. Mellic. u. Gottwic., Cont. 
Garstens. u. Claustroneoburg. secunda, Cont. Praedicat. Vindobon. 1. c. 
782. 507. 603. 595. 623. 726. Bergl. Böhmer, Wittelebach. Negeften ©. 9, 
mo jedoch der Biſchof von Paſſau irrig Walter genannt wird. 

Huillard-Bröholles, Hist. dipl. Frid. II. 1I, 158. 160. 162. Der 
ebenfalls am 10. April 1221 in Tarent anmefende Martgraf Dietpold von Boh- 
—— und Hohenbur hat ſich wenigſtens damals nicht nad Damiette eingejchifft, 

er noch im Mai und Juni am kaiſerlichen Hofe in Meifina erfcheint. 
Haillard Bröholles 1. c. 180. 188. 

s Hermann v.Altaih, M.G.SS. XVII, 372; Mon. Boic. XII, 118. 123. 

°® 9. Meillr a. a. O. S. 537, N. 105. Ueber die Rücklehr des Dom- 
bogtes Otto j. Contin,. Garstens., SS. IX, 595. 


558 


Kreuzzug 8. Friedrichs IL. 1227. 1228. 


Hierher gehören wahrfcheinlid Graf Konrad von Wafferburg, 
der zur Zeit des Bifchofs Ulrich) von Paſſau (1215—1221) bereits 
das Kreuz genommen, aber erft unter Bifchof Gebhard (1222—1233) 
die Fahrt angetreten hat, von der er glüdlich zurückgekehrt iſt?; und 
der Richter Friedrich d. A. von Braunau , der die gelobte Kreuzfahrt 
jedoch nicht ausgeführt hat ?, wie ſich auch Abt Konrad von Scheiern 
1225 vom Erzbifchofe von Salzburg feines Gelübdes entbinden ließ ?. 
Ausgezogen aber find 1227 aus Deutfchland die Bifchöfe Gebhard 
von Paſſau, Siegfried von Regensburg, Siegfried von Augsburg, 
der am 23. Auguft 1227 in Brindifi ſtarb“. 

1233: Graf Adalbert von Bogen, Stiefbruder Herzog Ottos IL 
von Baiern?. 

Nicht genau beſtimmen läßt fich die Zeit bei dem in der Ebers— 
berger Gegend, u. a. in Taglaching (Tragaleichingin) begüterten Freien 
Rudolf (wohl Anfang des 12. Yahrhdts.; Oefele SS. II, ©. 38), bei 
Dtto von Ramsberg und Hadmar, dem Sohne feiner Schweiter (zw. 
1184— 1220) ®, bei dem Pfarrer Berthold von Sandsbach (B. A. Rotten- 
burg, Sandispach) ?, bei dem Chorherrn von St. Caftulus in Moos— 
burg, Konrad von Murr (B. A. Freifing, Muren) und feinem Bruder, 
Herrn Berchtold von Murr, bei dem Chorherrn Konrad von St. Ca- 
ftulus in Moosburg, vielleicht identifh mit dem erfteren, bei dem 
Ritter Sibot von Thulbach (B. U. Freifing, Tolbach), Minifte- 
rialen des Grafen Konrad von Moosburg, bei den drei Brüdern 

einrich und Dietmar von Moosburg und Wernher, Chorherrn von 
: t. — daſelbſt?, und bei Ulrich von Rain (B. U. Strau- 
ing)”. 


! Mon. Boic. XXVIU, b, 145. Schon 1218 erjdeint er mit dem 
Kreuze bezeichnet, Regesta Boica II, 86. 

2 1.8. d. Landes ob der Enns, I, 271; vergl. Mon. Boic.III, 306. 499. 

3 Konrad v. Sceiern, M. G. SS. XVII, 632. 

* Bergl. Röhricht, Beiträge 3. Geſch. der Kreuzzüge I, 19. 

5 Ried, Cod. dipl. episcop. Ratispon. I, 373; Mon. Boic. XI, 200. 
355; XIV, 46. 47. Bon demfelben heißt e8 1232, daß er auf Mahnung des 
Papftes Gregor mit den Deutfchherren gegen die Preußen 309; 1. c. XIV, 
43—45; aber mit der transfretatio faun nicht wohl diefer Kreuzzug ge 
meint fein. 

© Reg. Boic. II, 44. 

” Mon. Boic. XIV, 224. 

8 Fraditionscoder von St Eaftulus, Oberbayer. Ardiv, II, S. 47. 50. 
52. 67. 68. 77, Nr. 148. 159. 164. 209. 210. 250. 251; wahrſcheinlich 
rühren die Einträge aus dem Ende des 12. oder den erſten Dezennien bed 
13. Zahrh. ber. Daß Bischof Eh. von Regensburg (Konrad II., III. oder IV.?) 
und Propft H. von Rohr (Herbord, Hugo I. oder Heinrich I.? vergl. Mon. Boic. 
XVI, 95) als gleichzeitig erwähnt werden, verhilft auch nicht zu näherer Zeit« 
beflimmung. 

..” _Mon. Boic. XII, 78, dort zu c. 1232 geſetzt. Die Ortsbeftimmumng 
ergibt ſich aus Ulrichs Grumdbefit in Atting a. d. Laber (Aetingen) und den 
Beziehungen zu Oberaltaid). 





Weber Denkverfe im Mittelalter. 


Bon 


Dietrich König. 


Die lateiniihen Memorialverfe, welche der Hiftoriographie vom 
frühen Mittelalter Her eigenthümlic find, mehren fi) in den Chro— 
nifen feit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts und während des 
vierzehnten Jahrhunderts; dieſer Litterarifche Geſchmack überdauert 
jelbjt die, wie auf manchen andern Gebieten, jo auch auf dem der Ge— 
ſchichtſchreibung reformatoriich wirkende Epoche der Humaniften, we— 
nigitens in einzelnen Gejchichtswerfen, obſchon ſich fagen läßt, daß bie 
Vorliebe für die Poefie der Memorialverfe mit dem fechszehnten Jahre 
hundert jchwindet. Unter den Memorial oder Gedenkverjen verftehen 
wir wenige in heroiſchen oder leoninischen Herametern oder in Dis 
ftichen abgefaßte Verſe, welche, an ein beftimmtes gefchichtliches Ereig- 
niß, welches nach der Anficht des Autors bedeutungsvoll ift, anknü— 
pfend, dem Lejer zum Feſthalten im Gedächtniffe mit auf den Weg 
gegeben wird!. Da fam es vor allem auf genaue Beitimmung der 
Zeit an, und in einer Art von Spielerei ſuchte man die Jahreszahl 
oft auf dem Wege eines umftändlichen Rechenexempels wiederzugeben ?; 
die Liebhaberei in der Anwendung römischer Zahlzeichen ging fo weit, 
dag man eigene fonderbar Eingende Namen bildete, wie 3. B. das 
an eucullum, in dem Gedenkverſe auf die Hungersnot im Jahre 
1315: 

Ut lateat nullum tempus, ecce cucullum ®. 

Lieft man nämlich u als v und fegt für die übrigen Buchftaben die 
entfprechenden Zahlenwerthe ein (CVCVLLVM), jo erhält man durd) 
Addition die Zahl 1315, 

. Oefterley hat fi) das Verdienft erworben, eine große An⸗ 
zahl Denkverſe aus mittelalterlihen Chroniken zu jammeln*; für dem 


ı Daher finden wir am Eingang der Berfe Ausdrüde wie memor es 
oder esto. —* Forſch. z. Deutſchen Geſch. Bd. XVIII, Nr. 25. 57. 58. 62. 
64. 79. 149. 162. 163. 172. 

2 Dieſe Zahlenoperation wird eingeleitet durch Ausdrüde wie ‘si misces’ 
Ford. a. a. O. Nr. 44, oder ‘si bene penses’ Nr. 52, ferner ‘adde' Nr. 32, 
207, ‘addideris’ Nr. 15la, ‘superadde’ Nr. 138 u. 194, ‘junge’ Nr. 85, 
‘jungas’ Nr. 141. 151. 194, ‘recollige’ Nr. 151, ‘lustra’ Nr. 205, ‘si re- 
eras’ Nr. 149, ‘removete’ Nr. 160, ‘notare’ Nr. 98 und 176. 

: ©. Forſch. XVII, ©. 43 Nr. 233. 

* Im den Ford. XVII, ©. 21—44, Die Sammlung umfaßt 237 
Nummern, 


562 


praftifhen Gebrauch wäre eine andere Anordnung zu wünfchen ge 
weien, und das am Schluß der Verſe mitgetheilte Regijter kann als 
ein angenehmer, wenn auch unbequemer Nothbehelf für das, was der 
Autor unterlaffen hat, angejehen werden. 

Bon den Denfverfen waren nad) dem einmal gegebenen Titel 
Mittheilungen aus größeren Gedichten auszuschließen, ebenfo VBaticinien 
und Epitaphien, welche einer eigenen Betrachtung als dem Mittel- 
alter bejonders angehörige poetifche Erzeugnifje bedürfen; hier liegt 
dem Forſcher nocd ein weites deld offen, wie ein Bli in den Ab- 
ſchnitt „Lateinische Gedichte“ in den Gefchichtsquellen von Lorenz ! 
(ehrt, der unter dieſem Namen alle drei Dichtgattungen fo erfchöpfend, 
wie e8 das bislang befannte Material geftattete, behandelt hat. 

Die folgenden Zeilen theilen einige zwanglofe Bemerkungen mit, 
welche fich der Verf. bei der Durchficht der Sammlung von Defterley 
gemacht hat und welche gewiß von fundigeren und mit größeren 
Kenntniffen ausgeftatteten Gelehrten leicht vermehrt werden fönnen. 
Wir knüpfen an die auf König Rudolf von Habsburg und feine Zeit 
fid) beziehenden Verfe an. Ueber fein Leben und Wirken find trog 
der mannigfachen anekdotifchen Züge in demjelben verhältnigmäßig 
weniger Denkverje erhalten, als wir erwarten Om nad) der Popu— 
larität dieſes Königs. 

Deiterley giebt a. a. O. ©. 30 Nr. 98 einige Verſe über die 
Wahl und Krönung König Rudolfs: fie gehören ftreng genommen 
nicht zu den Memorialverfen, da fie einem größeren Gedichte, einer 
Gratulationsihrift aus Anlaß feiner Wahl und Krönung, nämlich) 
den Commendatitia de8 Konrad Mure entnommen wurden®, Ob 
die Verſe in Nr. 962 ©. 30, welde fih auf die Zufammenkunft 
de8 Papſtes Gregor X. mit König Rudolf in Yaufanne im Jahre 
1275, nit 1273 wie jene irrthümlicd) angeben, beziehen, nur von 
dem Humaniften Naucerus zu Beginn des 16. Jahrhunderts über- 
liefert werden, ift noch fraglich, da fie vielleicht ebenfalls einem Ge— 
dichte, den Gesta Rudolfi, werden zugewiefen werden müſſen?. 

Außerdem find noch aus dem elſäſſiſchen Klofter Maurmünfter 
Berjet vorhanden, welche den Tod des auf König Rudolfs Geheiß 
verbrannten politiichen Agitators Dietrich Holtzſchuh mit— 
theilen. 

Mehr Anregung zu dichteriſchen Verſuchen und Denkverſen bot 
der gewaltige Kampf Rudolfs mit dem Böhmenkönig Ottokar: da iſt 
es nicht ohne Intereſſe zu ſehen, wie felbft in den kurzen Verſen der 
PBarteiftandpunft des Screibers fih im fräftigen Ausdrücken geltend 
macht. Einige aus oberjchlefiihen Annalen ftammende Berfe? machen 
davon eine Ausnahme; dagegen ift leidenfchaftlicd gegen Ottokar ein= 


ı Zn ale ha mi im MA. Bd. UI, ©. 128 u. f. 2. Aufl. 
% ©. Forid. XVII, ©. . 88, 

» ©.0.0.0.© 8 687. 

S. a. a. O. S. 23 Nr. 24. 

0 S. a. a. O. S. 31 Nr. 108. 


563 


genommen ein Mönd aus dem öfterreichiichen Klofter Yambad) !; auf 
König Rudolfs Seite ijt ebenfalls die Continuatio Vindob.?; den 
„erlauchten“ Ottofar aber, „der nicht durch die Macht der Schwaben, 
ſondern durch Verrath der Seinen fiel“, preift ein Bamberger, deſſen 
Bere, nad) Bezeichnung des Herausgebers Yaffe unter dem Namen 
Versus Babenbergenses ? befamut, bei den Presbyter Andreas von 
Regensburg aus dem 16. Jahrh. wiederfehren‘, 

Wie diefe in einem Calendarium de8 14. Yahrh. verzeichneten 
Verſe bald füdlich zu den bairifchen und öfterreichiichen Klöftern ware 
derten, wird weiter unten noch Gelegenheit fein auseinanderzufegen; 
wir bemerken hier, daß die Vers. Babenberg. um zwei Verſe und 
gerade um diejenigen, welche eine Einleitung zu den folgenden bilden, 
kürzer find al8 in der Faſſung der Regensburger Chronik: im Hin— 
blif auf den fragmentarifchen Charakter der Bamberger Verje wäre 
die Annahıne eines volljtändigeren und urfprünglicheren Textes bei 
Andreas nicht ausgejchloffen. 

Bor allen verherrlichen Dttofar folgende Verſe der Hist. 
Annor.® 

Ile vir oceubuit, qui turris, qui leo, qui dux, 

Qui flos, qui gemma, quique columpna fuit. 
Den Tod König Rudolfs merken folgende Verſe an: 

Mortuus est anno milleno C triplicato, 

Sex minus atque tribus, Julii rex mense Rudolfus. 

Sie ftehen in der fogenannten Klingenberger Chronif®, im Martinus 
Fuldenſis? und in der Hist. Suevor. des Ulmer Predigerinönches 
Felix Faber?. Erſtere Chronik, nach den Unterfuhungen von Waig ? 
auf Züricher Aufzeichnungen zurücgehend, ift die ältefte Weberlieferung 
für diefe Verfe; die unter dem Namen des Martin von Fulda ge— 
hende Chronik gehört erjt dem letten Viertel des 14., Felix aber 
dem Ausgang des 15. Jahrhunderts an. Nach ihm find die Verje 
die Grabſchrift König Rudolfs und als ſolche nicht zu den Denkverſen 
zu rechnen; wir fügen hinzu, daß der Speirer Schreiber der Chronik 
des Matthiad von Neuenburg nur eine Grabſchrift des Königs in 
Proſa mitgetheilt hat !°. 


1 9.0.0.6. 42 Nr. 224a. 

° M.G. SS. IX, 721 von Defterley nicht mitgetheilt. Außerdem finden 
ſich Verſe auf König Ottolar und König Johann bei dem böhm. Abt Neplacho 
in Pez SS. rer. Austr. II, 1040. 

3 M. G. SS, XVII, 639. — ®orenz, a. a. D. Bd. I, ©. 124. 

* Thes. Anecdot. IV, 545. — Forid. a. a. D. ©. 21 Nr, 3. 

5 M. G. SS. IX, 654. Bon DOefterley nicht — 

8 Herausgegeb. von Otto Henne von Sargans ©. 4 

” Eccard, Corp. hist. I, 1715. 

8 Bei Goldast, SS. rer. Suev. Francof. 1605. 

» GBött. gel. Nachrichten 1862, ©. 80. 81. 

10 &, Studer, Matthiae Neob. Chronica, Bern 1866, S. 27. — 
Huber-Böhmer, Fontes rer. Germanic. IV, 167. 


XVII. 37 


564 


Die furze Regierung der folgenden Könige Adolf von Nafjau 
und Albrecht von Oeſterreich bot den Verfificatoren einige naheliegende 
Stütpunfte: Adolf Zug gegen Thüringen, der Kampf beider Könige 
um die Krone in der Schlacht bei Göllheim, der Fall Adolfs und 
Schließlich) die Ermordung Albrechts durch Johann von Schwaben for= 
derten das Dichteriiche Talent der Chroniften in die Schranfen !. 
Der Haß der Thüringer gegen König Adolf gab Anlaß zu einem 
größeren Gedichte, das nur in einem Bruchſtücke von fünf und funfzig 
feoninifchen Herametern in der Vita Friderici Admorsi? erhalten 
ift und feinem Urfprunge nad) auf eine verlorne Chronik von St. 
Peter zurücgeht?. Die von Oefterley a. a. DO. ©. 38 Nr. 186a 
aus den fogen. Reinhardsbrunner Annalen mitgetheilten zwei Verſe 
find nur die Anfangsverfe jenes Gedichtes und daher nad) unferer 
Interpretation der Denkverfe ftreng genommen nicht als folche aufzufaffen. 

Den Kampf Adolfs mit Albrecht jchildern eine Anzahl Chronijten 
in Denfverjen, welche auf den eriten Bli große Aehnlichkeit mit ein- 
ander im Wortlaut zu haben fcheinen und doch wohl von einander zu 
fcheiden find. Wir fnüpfen an die Verfe ©. 23 Nr. 16 an, für 
welche Defterley den fogenannten Martinus Minorita, Johann von 
Winterthur und Engelhufius als Gewährsmänner geltend madıt: 

Annis millenis trecentis binis minus annis 

In Julio mense Adolfus rex cadit ense 

Per manus Austriaci, Processi Martiniani. 

Oeſterley giebt fir den Martinus Minorita den Text nad) Eccard, 
Corp. hist. I, 1633. Es ift nit unwichtig, daß der Tert bei 
Meufhen S. 131 folgende Varianten hat: Adolfus rex und Per 
manus Austrani. In den Chroniken zweier Minoriten werden die 
Denkverfe gefunden: wer ift der Verfaffer derjelben, oder wer ijt der 
ältefte Gewährsmann für diefelben? Da nad) den Unterfuchungen 
von Lütolf“ Johann von Winterthur den Martinus Minorita erjt 
fennen lernte, als er fein Zeitbuch ſchon begonnen Hatte, doch bevor 
er die Regierung Papſt Nicolaus III. behandelte, für den er jenen 
heranzog, jo werden wir nicht fehl gehen, wenn wir Vitoduran die 
Kenntniß unferer Denfverje aus der Chronik feines ſchwäbiſchen Mit: 
bruders ſchöpfen lafjen ®. 

Zu entfcheiden, wer der Urheber der Verſe geweſen ift, wird bei 
borliegendem Material und der noch nicht abgefchlojjenen Unterfuchung 
der angeführten Quellen nicht möglich fein, doch iſt fchon ein Gewinn, 
die Heimat der Verſe annähernd beftimmen zu fünnen. Das Wert 
des Minorita und feines Interpolators weift auf Schwaben hin; Lütolf 


ı Wie Lorenz, a. a. DO. Bd. II, ©. 129 N. 7 mittheilt, war Jaffé ein 
Gedicht: De morte Alberti regis befannt. 

?2 Mencken, SS. rer. Germ. II, 934—935. 

s Wie Otto Poffe nahweift, Spuren eines verlorenen größeren Chroni- 
con Sampetrinum, Forſch. XIII, 338. 

* Im Unzeiger für fchweiz. Geſch. 1876, Nr. 2, ©. 213. 

°_ Ju dem urſprünglichen Tert der Flores finden fie fih nit. ©. W. 


565 


fucht bekanntlich den Verf. des erjten Theiles der Flores temporum 
in Eßlingen!; für Schwaben fprechen ferner die aus dem fchwäbifchen 
Klofter Zwifalten ftammenden Annalen ?, welche nad) der Anficht ihres 
Herausgebers Abel vom %. 1228 an den Eindrud machen, daß bald 
die Ereigniſſe unmittelbar aufgezeichnet wurden, bald eine fpätere Hand 
Lücken nachfülte?. Gin Beweis für dieſe Anficht ergiebt ſich aus 
dem Wechfel der Tempora, die Berje auf den Tod König Adolfs 
find im Präſens gejchrieben, aljo gleichzeitig; indes möchte bei den 
Denkverjen gerade auf diefe Argumentation wenig zu geben fein. Außer— 
dem ſcheinen in den Verſen aus Zwifalten verjchiedene Bejtandtheile 
getrennt werden zu müſſen: 

Austrie dux magnum prelio prosternit Adolfum, 

Necnon in vice regimen sibi possidet ipse. 

Millenis trecentis binis minus annis 

In Julio mense rex Adolfus cadit ense 

Per manus Austriaci, Processi Martiniani. 

Die letzten drei Verſe tragen einen anderen Charakter wie die 
beiden erften, und erbliden wir in diejen ein Produkt eines Zwifal— 
tener Klojterbruders, jo würden wir die leßten drei einer andern 
Duelle zuweifen, deren Heimat Schwaben, deren Urfprung vielleicht 
minoritifch war. 

Ders drei und vier mit unwichtiger Aenderung treffen wir in 
der Chronif des ſchwäbiſchen Humanijten Naucler S. 979* an; 
diefer hat nachweislich? die Chronik des Minoriten, von ihm Hermann 
genannt, benutzt und er übermittelte fie der Chronik eines Anonymus, 
den Paralipomena rer. memor.®. 

Nach der Schweiz weifen außer Johann von Winterthur die 
irrthüimlic den Klingenbergern zugefchriebenen Aufzeichnungen ? Hin, 
welche in dem einen Ausdrud ‘per manus Austrani’ mit dem Text 
der Flores temp. bei Menſchen übereinftimmen. 

Haft diefelben Verſe, nur in etwas erweiterter Faſſung, treffen 
wir weiter in der von Eccard herausgegebenen größeren Yandgrafen- 
geichichte?, von Poſſe als Historia Eccardiana bezeichnet, welche 
aus den Reinhardsbrunner Geſchichtsbüchern jchöpfte, denen wiederum 
ein ausführlichere® Chr. Sampetrinum als das auf und gefommene 
Eremplar zu Grunde lag’. In der Hist. Eccard. leſen wir fols 
gende Verſe: 


ı Serie. zur deutih. Geh. Bb. XV, ©. 575. 

2 Die Ann. Zwifalt. maj., M. G. SS. X, 61. 

2A. a. O. S. 53. 

* Ausgabe Kölln 1579, 

5 Korid. a. a. O. ©. 66. 

°_ Im Anhange der Urfperger Chronik gedrudt Straßburg 1537. — Vergl. 
auch Forſch. a. a. D. ©. 28 Nr. 73. 

A. a. O. ©. 47, 

® Eccard, Hist. genealogica princip. Saxoniae sup. ©. 449. 450. 

? Aus dem Chr. Sampetr. flammen aud die in Nr. 2212 mitgeteilten 
Bere, weldje die Hist. Eccard. 3. 3. 1158 ©. 385 wiebergiebt. 


37* 


566 


Post annos Domini sine binis mille trecentis 

Albertus dux Australis prostravit Adolphum, 

Regem Romanorum, regno successit eidem. 

In Julio mense rex Adolphus cadit ense, 

Per manus Australis processit machina malis. 

Diefe Verfe vindieirt Poffe einem ältern verlornen Chronicon 
Sampetrinum!, Vergleichen wir fie mit den Berjen der uns 
befannten anderen Faſſung, jo fällt fogleih der Mittelſatz Alber- 
tus — eidem auf, welcher einmal da8 am Schluß ausge- 
Iprochene Yactum vorweg nimmt, dann als ein neues Moment die 
ZThronfolge König Albrehts anreiht, zu dem dann der wiederholte 
Schlußgedanfe nicht paffen will. Aus diefem Grunde jchließe id) 
B. 2 und 3 von der originalen Faffung des Denkverfes in feiner 
urfprünglichen Einfachheit aus, ohne weiter unterfuchen zu wollen, ob 
diejelben der verlorenen Chronif von St. Peter angehörten oder ein 
Einjchiebjel des Verf. der Hist. Ececard. find. Keinenfalls find aber 
die Denkverſe in diefer, wie Grünhagen? und nad ihm Poffe? 
versucht find zu tun, in Verbindung zu bringen mit den fünf und 
fünfzig leoninifchen Herametern* der Hist. Eccard. und der Vita 
Frideriei Admorsi, dem Bruchſtücke eine8 größeren Gedichtes. 

Die Gründe, twelche Grünhagen für feine Anficht anführt, die 
Schreibung der Yahreszahlen mit römischen Zahlzeihen und diefelbe 
Art des metriſchen Ausdrucdes der Yahreszahlen, als die, welche auch 
in anderen Ableitungen aus dem verlorenen Chr. Sampetrinum vor— 
fomme, brauchen nicht weiter widerlegt zu werden, da obige Merkmale 
nicht vereinzelte Kriterien find, fondern zu dem ganzen Charafter der 
Memorialverfe gehören. 

Meine Beweisführung ſtützt fi) freilih auf ein bislang till 
ichweigend poftulirtes Argument, auf die Behauptung, dag die Schluf- 
worte obiger Verſe verderbt jind und für processit machina malis 
zu lefen ift: Processi Martiniani. Der Text der Flor. temp. bei 
Eccard? hat eine ähnliche Corruptel: processit Martiniani, während 
die Ausgabe bei Meufhen S. 131 hat: Processi Martiniani. 

Grünhagen® Hält freilich dafür, daß die lettere Yesart „weder 
einen grammatischen Sinn“ gebe noch „aus metrifchen Gründen“ 
ftatthaft fei, um jo weniger, da der Endreim auf Australis fehlen 
würde. Die Unrichtigfeit jener Behauptung braucht nicht erſt be= 
wiejen zu werden: diefe würde fich hören lafjen Fönnen, wenn Grün 
hagen den Beweis für die Originalität der Yesart “Australis’ erbrächte; 
jegen wir mit den übrigen Gewährsmännern Austriaei oder lieber Au- 
strani, fo ift der grammatifche und auch der logische Sinn wiederhergeftellt. 


Forſch. a. a. O. ©. 

— in der Brut für tür. Geſch. Bd. III. 
Forſch. a D. © 

Siehe — ©. Ir 

Corp. hist. a. a. O. ©, 1633, 

9.0.0.6, 92, 


oa u >» = = 


567 


Die Sächſiſche Chronit des Cyr. Spangenberg ©. 468 zum 
%. 1298 und die von Defterley nicht beachtete Vita Friderici Ad- 
morsi des Tentelius haben die faljche Lesart offenbar ſchon vorge— 
funden, und jene zieht daher nur den erften (mit der unbedeutenden 
Veränderung bi8 minus anno) und den leßten der oben angeführten 
fünf Verſe an, läßt alfo die Hauptjache in V. 4 aus. 

Auch bei Engeldufius finden fich die befannten fünf Verſe wieder ; 
diefer trennt aber ausdrücklich die erjten drei von den legten durch 
ein ‘item’ und hat außerdem die richtige Lesart. Da nun Engelhu— 
fins nach Poffe! aus der verlorenen thüringiichen Chronik von ©. 
Peter fchöpfte, fo haben wir damit einen Beweis dafür erbracht, daß 
die oben von uns ausgejchiedenen Verſe dem urfprünglichen Chr. 
Sampetr. fremd find und von dem Verf. der Yandgrafengejchichte 
herzurühren jcheinen. 

Aus der Chronik des Engelhufius gingen die drei erjten Verſe 
in die Meigener Annalen des Chemnigers Georg Fabricius ? über mit 
einer geringen Variation des erjten Verſes. Auf thüringifche Quellen 
weiſt auch die Sächſiſche Chronik des Cyriacus Spangenberg, in der 
die Verſe in zwiefacher Form, die eine für das %. 1299, die andere 
für das %. 1298, angegeben wird: „Etliche ſetzen diefe Schlacht ein 
jar ehe, wie diefe Berflin mit ſich bringen“; die Faſſung 3.%. 1298 
hat von Nr. 16&. 23 nur die erften zwei Verje, die zum J. 1299 
die Variante ruit ense’ und die oben angegebene Tertverderbniß. 

Aus der verfchiedenen Zeitangabe für die Schladht bei Göllheim 
dürfen wir jchliefen, daß dem Autor der fie in das J. 1299 verle- 
genden Memorialverfe die Erinnerung an jenes Creigniß nicht mehr 
frisch im Gedächtnijfe war, daß er aljo Später fchrieb als der Verf. 
der Verſe, welche die richtige Fahreszahl angeben. Bon den Chro— 
nifen, welche die Schlaht in d. J. 1299 ſetzen, können wir den 
Mainzer Bifchofsfatalog de8 1609 verjtorbenen Decans Yohannes 
Latomus an der S. Bartholomäi-Kirche zu Frankfurt und Spangen— 
bergs ſächſiſche Chronik? als jüngere Quellen außer Acht laſſen; 
größere Aufmerkfamteit beansprucht die Chronif de8 Mathias von 
Neuenburg *. 

Es entſteht die Frage, woher Mathias ſeine Verſe geſchöpft 
hat; er ſelber ſagt: De quo (Adolfo) scripti sunt versus; er 
entnahm fie alfo einer fchriftlichen Weberlieferung. Nach Soltaus® 
Unterfuchungen hat Matthias zu feiner um das %. 1353 compilirten 
Chronik treffliche Aufzeichnungen eined anonymen Bafelers ® benukt, 


ı A. a. O. S. 347. 348. 

2 G. Fabricii Chemnicensis Ann. urb. Misnae L. II, ©. 122 ad 
ann. 1302. Engelhufins wird BURN, * ſo S. 120 und 195. 

s Defterley, a. a. DO. ©. 27 Nr. 

+ Bei Studer ©. 32; Bhar Erb Font. rer. Germ. IV, ©. 170. 

5 Der Berf. ber Chronit des „Matthias von Neuenburg“, Progr. des 
Gymnaſiums zu Zabern 1877, ©. 24. 

6 Der Berf. ſcheint nur nicht gerade Heinrich Schörlin, wie Soltau S. 14 


568 


den er auch auf S. 14, wenn anders ich fein Fragezeichen recht 
deute, Cap. 33, dasjenige nämlich, in welchem die beregten Verſe fich 
finden, zufchreiben möchte. Ob die Verſe gerade der Chronik des Ba» 
jelers entnommen wurden, ift nicht auszumachen ; hingewieſen mag 
noch darauf fein, daß jene auf minoritiichen Einfluß vielleicht zurück— 
gehen, da zu Neuenburg am Rhein ein Minoritenklofter war!. — 

Die Verſe bei Oeſterley S. 22 Nr. 11 wären beſſer mit denen 
in Nr. 159 ©. 36 zu einer Nubrif zu vereinen geweſen; ein Blick 
lehrt, daß die unter der legten Nummer ıwmitgetheilten drei Verſe nur 
ein Fragment der in Nr. 11 gegebenen fein fünnen. Dieſe erzählen 
zunächſt den Zug Herzog Albrechts von Defterreidh im. 1298 gegen 
König Adolf, welcher in der Schlacht fällt; die Wahl des Defter- 
reicher zum deutfchen Könige, jeine Krönung und ſchließlich feine 
Ermordung am 1. Mai 1308. Es ſind diefe Ereignijje in 9 Verſen 
überliefert in den Annalen eines Samländer Domberren ?; die letzten 
drei Berfe hat der fogenannte Martinus Fuldensis® und die von 
Oeſterley überjehene Klingenberger Chronik *, 

Der Samländer Domherr compilirt? hauptſächlich aus den An— 
nalen von Melt, Salzburg und Admunt, bemußte die dritte Klojter- 
neuburger und die zweite Heiligenkrenzer Fortſetzung; wir dürfen da= 
her annehmen, daß er von Oefterreid her die Keuntnig der Verſe 
erhalten hat; gleichwohl werden wir nicht mit Bejtinnmtheit beweifen 
fönnen, daß ihm alle die aufgezählten Gejchichtswerfe vorgelegen haben ; 
er mochte die Nachrichten in einer Älteren, originaleren Faſſung, aus 
der diejelben erft im jene übergingen, vereinigt vorgefunden Haben ®, 
Bemerfenswerth ift jedenfalls, daß ung an der äußerften Grenze des 
Reiches, im Nordoften, Verje begegnen, deren urfprüngliche Hei— 
mat Defterreich oder die Schweiz ift. 

Der fogenannte Martinus Fuldensis, eine Chronif, welde man 
ich weiß nicht mit welchem Rechte einem Fuldaer Mönche zufchreibt, 
ift bislang einer Fritifchen Unterjuhung und Analyfe noch nicht unter- 
worfen worden. Die Chronik ſcheint mir zwijchen 1378 und 1380 
abgefaßt? zu fein, alfo in verhältnigmäßig fpäter Zeit, ſodaß fie fei- 


und 24 vermutbet, zu fein, da das Benehmen diefes Ritters im jeinem Quartier 
zu Nürnberg — Studer C. 21, S. 20 — nicht gerade der Art war, daß er 
daffelbe der Nachwelt hätte überliefern follen. Freilich wird „Vivianus nur 
mit Hinweis auf Heinrih Schörlin in die Chronik eingeführt“; diefer Umftand 
beweift aber nicht, daß Letsterer der Berf. jener Aufzeichnungen war. 

ı gütolf, a. a. O. ©. 574. 

2 M.G. SS. XVI, 700 und gleichfalls SS. rer. Pruss. I, 279 nidt 
8. II, wie bei Oefterley a. a. DO. ©. 22 fteht. 

3 Bei Eccard, Corp. hist. I, 1722. 

MA. a. O. ©. 47. 

5 M. G. SS. XVI, 696. 

° Diefer Anficht ift Mar Toeppen, der Herausgeber d. Samländer Auf. 
zeichnungen in deu SS. rer. Pruss. I, 274. 

Das mag aus der Bergleihung folgender Stellen hervorgehen: Eccard 

©. 1731 Streit um den Mainzer Stuhl zwilchen Adolf von Raffau und Lud— 


569 


neswegs mit der Klingenberger Chronik, welche im übrigen feine Ver— 
wandtſchaft mit ihr zeigt, um das Alter der Verſe ftreiten wird. — 

Memorialverfe über die Schlacht bei Göllheim und den Tod 
Adolfs leſen wir nod) in den Versus Babenbergenses (M. G. SS. 
XVII, 639) und in der Chronik Heinrich von Rebdorf, welcher in 
den fechziger Jahren des 14. Yahrh. fehrieb und den Minorita fort= 
fegte!; über den Tod König Albrechts durch Johann von Schwaben 
bei Johann von Winterthur, in den Augsburger Annalen von ©. 
Uodalrid; und S. Afra, ohne daß diefelben auf eine Verwandtſchaft 
untereinander hindeuteten. Werner find noch auf den Tod König 
Adolfs Verſe erhalten, weldye auf eine Wand der Kirche des Frauen= 
Flofters NRojenthal bei Worms gefchrieben wurden, wo die Gebeine 
des erichlagenen Königs eine Auhejtätte fanden. Sie tragen nicht 
mehr den eigentlichen Charakter von Denkverfen, ſondern gleichen eher 
einem Epitaphium. Da diejelben an einer entlegenen Stelle im kri— 
tiſchen Apparat des Buches von J. Geiffel, Die Schladht am Hafen- 
bühl u. ſ. w. ©. 110, ſich finden, mag e8 der Mühe werth fein, fie 
hier zu wiederholen: 

Heu vieibus mille, quod Adolphus nobilis ille 

Rex Romanorum, vir multorum meritorum, 

Strenuus in bellis, homo mellis, non homo fellis, 

Electus rite, concorditer et sine lite, 

Et non convictus, pro justitia necis ictus, 

Sustinuit dire magis optans laudis inire 

Mortem famose, quam vivere dedecorose. 

Divus vir factus, effuso sanguine nactus 

Tantam virtutem, quod nune conferre salutem 

Dieitur aegrotis. — Nostris, Deus, annue votis, 

Ut tua laus crescat et rex in pace quiescat. 


Wir knüpfen hier eine Beſprechung der mit Vorliebe von den 
Chroniſten des Mittelalter8 oft commentirten und angezogenen Denk— 
verfe auf den Papſt Bonifaz VIII. an, welche in einem für ihm nicht 
gerade jchmeichelhaften Wortjpiel mit feinem Papftnamen Bonifaz und 
feinem Taufnamen Benedikt bejtehen. Sie lauten jo: 

Nomina bina bona tibi sunt, praeclarus amictus, 

Papa Bonifacius modo, sed quondam Benedictus. 

Ex re nomen habe: benefac, benedic, Benedicte; 

Aut eito perverte: malefac, maledie, maledicte?, 


wig Biſchof von Bamberg vergl. aud) Chronici Moguntini miscelli fragm. 
collecta bei Böhmer, F. r. G. IV, ©. 373 zum 93. 1373 und ©. 375 3.9. 
1379. — Ferner ift der Schluß der Chronik für die Zeitbeftimmung beadhtens- 
werth, two e8 von dem Gegenpapft Clemens VII. heißt, S. 1732, daß er unter 
dem Schutze des franzöfiichen Königs Karl V. in Avignon lebe. 

i Huber-Böhmer, Font. rer. Germ. IV, 509. Die Berje klingen an 
die 3. 3. 1298 mitgetheilten an. 

2 Defterley, a. a. O. ©. 39 Nr. 188. 


570 


Mo mögen bdiefe Verſe entjtanden fein? Oeſterley weiſt fie nad 
bei dem Regensburger Arhidiacon Eberhard, bei dem Salzburger Erz⸗ 
biſchof Weihard Polhaim und bei dem Lübecker Dominikaner Her- 
mann Korner; ich finde fie weiter unter den Deutjchen bei Engel- 
huſius!, wo der letzte Vers eine unbedeutende Variante hat. Da die 
beiden letten Schriftiteller im Verhältniß zu den erjtgenannten um 
ein Bedeutendes fpäter lebten und daher außer Acht gelaffen werden, 
find den zwei übrigen noch die italienischen Chroniften des 14. Jahrh., 
vor allem der Dominikaner Franciscus Pippinus aus Bologna, gegen- 
über zu ftellen. Kamen nun die Verſe aus Stalien oder find fie in 
Deutfchland entftanden? Eberhard von Regensburg vollendete fein 
Gefchichtswert um das Jahr 1305 ?; ob er die Verfe etwa aus Al- 
taicher Aufzeichnungen entnommen oder ob er jelber ihr Verſaſſer iſt, 
läßt fih, da die Forſchung über Eberhards Werk noch nicht abge- 
Ichloffen ift®, nicht ausmachen. 

Meichard Bolhaim foll nur bis zum J. 1307 der Verfaſſer ber 
unter feinem Namen gehenden Salzburger Annalen fein‘; da nun der 
größte Theil des Werkes des Regensburger Ardidiaconus in Salz: 
burg benutt wurde?, fo mögen auch die Verfe über Bonifaz von 
Negensburg dorthin gemwandert fein. Indes ift durchaus nicht aus— 
geichloffen, daß der Erzbiſchof Weichard diejelben mit aus Nom 
brachte, wohin er gereift war, um von Saifer Heinrich VII. die Re— 
galien zu empfangen. In Italien die Heimat der Verſe zu jehen, 
Scheint mir die zunächſt liegende und natürlichjte Erffärung zu fein — 
da die italienischen Chroniften, welche die Verſe mittheilen, jpäter 
ichreiben als die deutichen, müßen fie uns zur Löſung der Trage 
nichts; — im andern Falle ftänden wir vor der eigenthimlichen Er— 
ſcheinung, daß Spottverfe auf einen Papft aus Deutjchland über die 
Alpen gewandert wären und daſelbſt eine außerordentlicd große Be— 
liebtheit erlangt hätten. 


Raifer Heinrich) VII. hat, wie Lorenz treffend hervorhebt ®, bie 
Verſificatoren beſonders angeregt; feine ritterlihe Erſcheinung, fein 
ehrenwerther Charakter, der Glanz feines Römerzuges und fein jähes, 
von merfwürdigen Umftänden begleitetes Ende mögen die Luft zum 
Reimſchmieden angefacht haben. 


Leibniz, SS. rer. Brunsvic. II. 1123. 

Lorenz, Geſchichtsquellen Deutichlands im 13. u. 14. Jahrh. I, 152. 
Lorenz, a. a. D. ©. 152, Anm. 3. 

Lorenz, a. a. D. ©. 175. 

Lorenz, a. a. D. ©. 152. 

° Lorenz, a. a. DO. II, ©. 129. — Größere und Heinere Gedichte im 
Tateinifcher und in deutfcher Sprache find mehrfach erhalten. Die nad) Lorenz 
N. 7 im Serapeum 1856, S. 247 befindlichen werben jet beffer in d. For- 
[Hungen Bd. XV, ©. 591 gelefen. Ebenda in NR. 7 muß e8 heißen: Arch. 
stor. ital. Append. IV, 160, 1847. — Ein Gebiht ‘De adventu impera- 
toris in Lombardia, in MCCCXT' ift in den Rime istoriche d’anonimo 
Genovese enthalten im Arch. stor. ital. App. IV, 50 u. f. 


u er 


571 


Ich knüpfe an die ſechs Verſe in Nr. 101 ©. 31 an, eine 
Todtenklage um dem Kaifer, welcher dur einen Dominifanermönd) 
(Jacobita) vergiftet und in Pija unter lebhafter Theilnahme der Be- 
völferung im J. 1313 beigejegt wird. So nad) den Verſen der von 
Defterleyg angezogenen Chronit des Fuldaer Martin!. Außer ihm 
finden fich diefelben Verſe nody in der Klingenberger Chronit ©. 47 
und in der Fortjegung der Kirchengefchichte des Italieners Tolomeo 
von Lucca?, welche, wie ich nachgewiefen zu haben hoffe’, von dem 
Tranzofen Bernardus Guidonis fortgefet und von dem Konftanzer 
Domherrn Heinrich von Diejjenhoven interpolirt wurde. Die Verſe 
auf Heinrid VII. Zod gehören der verbeffernden Hand des Letzteren 
an; Dieffenhoven beginnt aber erjt Anfang der vierziger Jahre des 
14. Yahrhunderts zu fchreiben*, alſo weit jpäter als der Verf. des 
ältejten Theiles der Klingenberger Jahrbücher. Welche Chronik ſich 
auch rühmen mag, jene Verſe zuerjt ihren Leſern mitgetheilt zu haben, 
jo viel ift fiher, daß die Spuren ihrer Heimat auf die Schweiz 
hinweiſen. 

Eine ähnliche Todtenklage enthalten die Aunalen von S. Uodal— 
rih und ©. Afra®; Oefterley hätte hier die Verſe bei J. Wolf, 
Lectiones I, 527, und bei %. Hocfemius® anfügen können, Sr 
ſchöpft aus Joannes Presbiter; Ni Verſe lauten fo: 

Anno milleno C ter I junctis duodeno 

Regi Romano fuit in potu male sano, 

Henrico vita privata viro Jacobita 

Mortem quod sydus sexto Julii subit idus. 

Das Datum des Todestages iſt ſowohl hier falſch angegeben als 
in den Annalen des Augsburgijchen Klofters, es fei denn daß man 
unter den Worten ‘crastino sancti Timothei’ den Feiertag des Ti— 
motheus und Apollinaris, welcher auf den 23. Aug. fällt, alſo nur 
um ar Zag von dem wirklichen Todestage abweicht, verſtan— 
den hat. 

Einen Zimotheustag als Sterbetag geben ferner folgende Verſe 
an, welche in einer mit Heinrih VIL und Clemens V. abſchließenden 
Papft- und Kaiferchronik zum Fahre 1313 am Schluſſe geleſen wer» 
den?, nachdem der Tod des Kaiſers, ohne daß eine Vergiftung er— 
wähnt wäre, erzählt worden ijt: 


1 Eccard, a. a. O. S. 172 

8 Muratori, SS. rer. —8 T. XI, 1209. 

° König, Ptolemäus von Lucca und bie Flores chronicorum des Ber- 
nardus Guidonis. Würzburg ©. 68. 

* Lorenz, Gefhichtsquellen ©. F 

Bei Oeſterley Nr. 147 ©. 

® Hist. episc. Leod. bei — II, 355, auch N Barthold, Geld. 
bes Römerzuges K. Heinrich VII. Bd. LI, Beilage 26.6 

" Im einer Handihrift des dierzehnten Schehunderte” nbr. fol. auf der 
Wiener Hof- und Staatsbibliothel 2161 (Jus canonic. 53) angeführt in Pertz 
Arhiv X, 487 und in der ur verwandten 4265 (Univ. 815), ebend. X, 513 
(Gedrudt 88. XXIV, S. 288. G. W.). 


572 


Annis millenis tria C X cum tribus I que 

Proh dolor Heinricus cesar probitatis amicus 

In festo duplici Tymothei Symphoriani, 

Toxatus calice moritur Domino miserante. 

Jure dolet mundus, quod Jacobita secundus 

Judas nunc extat, mors cesaris hoc mani- 

festat. 

In diefen Verfen wird alfo der 22. Auguft irrthümlich als To— 
deötag angegeben. Die letten zwei ftimmen mit den Anfangsverfen 
in den Slingenberger Jahrbüchern und mit der Fortfekung der 
Kirchengefchichte des Tolomeo überein; follten num die vier erjten zu 
diejen gehören? Es erfcheint mir zweifelhaft, da wir dann eine Wie- 
derholung hätten in der Angabe der Yahreszahl, de8 Tages, der Hei- 
ligen und des eigentlichen Factums der Vergiftung. Es wird daher 
der Schreiber diefer Chronif aus den uns befannten Verſen eine Pa— 
raphrafe in Gejtalt jener vier gebildet und die erjten zwei, mit denen 
die Todtenklage beginnt, ohne Veränderung Hinzugefügt haben. — 

Auf den Römerzug Kaifer — VII. und die an denſelben 
geknüpften Erwartungen gehen folgende Verſe!, welche eigentlich aus 
dem Rahmen unferer Beiprehung herausfallen, da fie feine Denk— 
verje, ſondern Prophezeiungen find. Indes findet ſich doch ein Zu— 
jammenhang mit jenen fpäter. Die Verſe lauten: 

Gallorum levitag Germanos justificabit, 

Italie gravitas, Gallo confuso, negabit. 

Annis millenis ducentis et nonaginta, 

Bis denis adjunctis, consurget aquila grandis. 

Gallus subeumbet, aquile vietricia signa 

Mundus adhorabit, erit urbs vix presule digna; 

Constantine, cades, et equi de marmore facti, 

Et lapis erectus, et multa palatia Rome. 

Papa cito moritur, cesar regnabit ubique, 

Sub quo tunc vana cessabit gloria cleri. 

Daß wir e8 mit einer wirklichen Prophezeiung, nicht mit einem 
Vaticinium ex eventu zu thun haben, lehrt der Inhalt: der Papft 
ftirbt raſch; die Franzofen werden unterliegen, das Reiterftandbild des 
Mark Aurel, welches auf „den Namen des Kaiſers Conftantin ge= 
tauft wurde, nachdem die Neiterfigur Conftantind am Severusbogen 
untergegangen war“ ?, wird fallen; überall wird der Kaiſer herrſchen 
und unter ihm der eitle Ruhm des Clerus aufhören. Wir jehen, 
der Verfaffer diefer Prophezeiung verräth große Unfenntniß der poli= 
tifchen Verhältniffe, oder feine im Spiel der Phantafie Hingeworfenen 


1 m einer Wiener Handfchrift des 14. Jahrh. mbr. fol. Rec. 676, Schn. 
U, 606, jett 447. Sie enthält die Summa dictaminis des Thomas von 
— * ber letzten Seite die Prophezeiung. Angeführt in Pertz Archiv 
» Gregorovius, Geſch. der Stadt Rom II, 388. 389. 


573 


Gedanken fpiegeln nur die Wünfche feines Franzofen- und Clerus⸗ 
feindlichen Herzens wieder, das fich bei der Kunde von dem neuen 
Heereszug über die Alpen in obigen DBerfen Luft machte. Daher 
wird ſchwerlich ein Geijtlicher ihr DVerfaffer fein. Aus dem topo= 
graphiſchem Detail auf einen Ytaliener oder fpeciell einen Römer zu 
ſchließen, wäre jicherlich übereilt, denn der Autor konnte die Bezeich— 
nung der Lofalitäten aus der Chronik des Martin von Troppau ent« 
nehmen, welcher uns in fchematifcher Weife den Stadtplan mit allen 
Thoren, Baläften und Tempeln mittheilt. Die bezüglichen Stellen 
find diefe: Item regen Constantini, ubi est quidam equus 
ereneus cum insidente, qui dieitur Constantinus, sed non est. 
Ferner bei der Zahl der Tempel: Item juxta caballos marmoreos 
fuit templum Saturni et Bacchi, ubi nunc jacent simulacra 
eorum?; der Schluß dieſes Capitels Klingt auch an die Weilfagung 
an: Hec et alia palacia multa et templa cet. 

Ein launenhafter Zufall war es, daß falt vierzig Jahre fpäter 
diefe Berje den Kapuzinermönchen im Engelberg bei Miltenberg am 
Main in die Hände geriethen; die Liebhaberei , welhe man nad) dem 
Geſchmacke der Zeit an Denkverfen und Prophezeiungen fand, erlaubte 
jelbft eine Anwendung diefer auf Verhältniffe und Zeiten, auf welche 
der Inhalt gar feinen Bezug Hatte, ja nicht einmal den Vortheil 
einer hiſtoriſchen Parallele bot. Und was mengte man da alles zu= 
jammen: Verſe auf ben Tod Königs Adolfs, mit Anklang au die 
oben beſprochenen; eine Bitte an Gott, fi der in der Schlacht bei 
Woringen im %. 12838? Gefallenen und Gefangenen gemädiglich zu 
erbarmen und fchließlic; die Weiljagung aus dem %. 1310, melde 
jest für das %. 1349 zu gelten hat, ohne daß ſich nur die geringfite 
—— Beziehung finden ließ. 

Wir ſetzen hier den Anfang dieſes hiſtoriſchen Quodlibets hin: 


Nota versus de obitu regis. 
Mille tricenteno ruit Adolffus sine deno 
Ense sub Alberti, Processi Martiniani. 
Mille tricentis Domini bis sex minus annis 
Warninch detentis parcas Deus atque peremptis! 
Anno milleno tricenteno nono deno 
Ter deno junctis consurget aquila grandis* u. ſ. w. 


In einer Ähnlichen Betrachtung über die Todesart Heinrich VII. 


ı M.G. SS. XXII, 400. 

2 M.G.SS. XXII, 402. 

°* Daß unter “Warninch’ Woringen verftanden if, bemeift auch eine 
Stelle aus den Ann. Moguntini 3. 3. 1288 in d. M. G. SS. XVII, 3, wo 
der Ort Worneg, nad) einer andern Handſchrift Wurnec genannt wird. 

* Betreff des Tertes in den Monumenten einige Bemerkungen: Das 
Komma hinter signa im 7 B. wird wohl befjer zu tilgen fein; dem Sinne 
nad) kann man aquile nod) zu succumbet, wie wohl zu (efen fein wird, 
ziehen. 


574 


wie in den oben mitgetheilten Verſen ergehen ſich die Annalen des 
alten Ciftercienferflofters Golbaz bei Stargard zum %. 1313! 

Divulgatur ita, quod prodit quidam Jacobita, 

Per virus stravit in missa, quam celebravit, 

Corpus Cesareum trideno post jubileum, 

A Juda credo non venit tanta gravedo. — 

Mir verzeichnen weitere Verſe aus der Chronif des Engelhufius ?: 

Milleno tricenteno Henricus in anno 

Octavo Domini, sine stirpe primordia regni, 

Factus rex; binis regnans cum praefuit annis, 

Subdit Lumbardos sibimet filioque Bohemos. 

Woher Engelhufius diefe Verfe entnommen, ob er fie jelber ge 
dichtet oder fie in den größeren Gedichten, deren er eine Anzahl aus: 
zugsweife uns erhalten hat, gefunden hat, wird jpäteren Unterfuchungen 
vorbehalten fein, 


Greigniffe von großer politiicher Tragweite finden im 13. und 
14, Yahrhundert lauten Wiederhall in den Denfverjen: jo die zwie— 
fpältige KRönigswahl des J. 1314, der Kampf der beiden Gegner, 
die Befiegung Friedrichs des Schönen in der Schladht bei Mühldorf 
1322. Uns mögen hier einige Verſe von gleichlautendem Texte be: 
ſchäftigen: die einen lefen wir in eincın Bamberger Galendarium, als 
Versus Babenbergenses® in der Yitteratur befannt; die andern 
ftehen am Schluß einer Aldersbacher Handichrift, welche unter andern 
die von Böhmer herausgegebene Chronica de Gestis Principum 
enthielt*, Die Verfe derfelben find nah) Böhmers Urtheil von einer 
jpäteren Hand des 14. Jahrhunderts, während jene dem 14. und 
15. angehören. 

Suchen wir die von Dejterley auseinander gerijfenen Versus 
Babenberg. wieder zufammen, jo zeigt ein Vergleich derfelben mit 
den Verſen der Aldersbacher Handichrift, wie jchledht der Text jener 
überliefert ift. Die Varianten find leicht zu finden; ich bemerfe nur, 
daß überall der Yesart Jaffes der Vorzug zu geben ijt mit Ausnahme 
einer Stelle in den DVerjen, welche das Weinjahr 1332 feiern, wo 
mir das ‘michi’ bei Böhmer paläographiich richtiger aufgelöft zu fein 
Scheint, al8 das ‘mere’ in den Bamberger Berjen ?. 

Ferner fällt auf, daß die Handſchrift aus Aldersbach einige Ge— 
denkverſe mittheilt, welche dem Bamberger Calendarium fehlen: ie 
zum J. 1356 das Erdbeben zu Bafel und z. %. 1338 die Heu: 
ſchreckenplage. Die übrigen Verfe find in beiden Ueberlieferungen 


M. G. SS. XVI, 717. Nicht bei Oeſterley. 

Leibniz, SS. rer. Brunsy. II, 1125. Nidt bei Defterley. 
M. G. SS. XVII, 639. 

Böhmer, Fontes rer. Germ. I, Vorrede S. XII. 
Defterley, a. a. D. ©. 40 Nr. 201. 


a » = DB m 


575 


diefelben, mur die Reihenfolge der Ereignifje verſchieden: wir verzeich- 
nen diefe ach der Aldersbadher Handſchrift. 

[1356 Erdbeben in Bajel]. 

1331 Kampf in Bamberg. 

1342! Wafjersnot ebenda. 

1332? gute8 Weinjahr. 

1348 ? Erdbeben. 

[1338 Heufchredenplage]. 

1335 * Octoberftürme. 

1322° Ludwigs von Bayern Sieg über Friedrich von Oeſterreich. 

Die Chronologie ift jo wirr wie möglich: anders in den Bam— 
berger Berjen, melde mit Ausnahme der Notiz 3. J. 1332, welche 
am Ende fteht, eine zeitlich richtige Reihenfolge der Ereignifje beobachten. 

Wo werden wir nun die Heimat diefer Berje juchen ? Von Alders- 
bach und feinen Mönchen wiſſen fie nichts zu erzählen; dagegen wird 
zwei Mal Bamberg als Schauplatz einer Begebenheit genannt; in 
Bamberg, dürfen wir vermuthen, wird der Autor das gute Weinjahr 
1332, wo er den Wein umfonft erhielt oder dod) fpottbillig kaufte, 
und die elementaren Creigniffe der Jahre 1335 und 1348 erlebt 
haben. Das Yahr 1322 kommt nicht in Betracht, da es fo bedeu— 
tungsvolfe Begebenheiten mit ſich brachte, daß diefe leicht einen Zeit- 
genoſſen zu einer poetifchen Verherrlichung veranlafjen konnten. Wohl 
aber ſpricht die geordnete Neihenfolge der Creigniffe in dem Bam— 
berger Galendarium dafür, daß die Verſe in Bamberg aufge- 
zeihnet wurden. 

Bon hier find diefelben nad) Süden gewandert; in Aldersbad) 
warf ein unglüdlicher Schreiber fie faleidoscopijch durcheinander und 
fügte noch eine Notiz über das Erdbeben zu Dajel in %. 1356 bei, 
welches ähnlich in den Annalen des Klofters Matfee ® angemerkt wurde, 


2 Kaft in derſelben Zeit auch in Köln, vergl. Ann. Agrippin. M. G. 
SS. XVI, 737. Oeſterley Nr. 57 ©. 26, Ebenſo Hoher Wafferftand bei 
Minden an der Weſer. Defterley Nr. 206 ©. 40. 

* Diejes merfen die Ann. Agripp. an M. G. SS. 737. Oeſterley ©. 26 
Nr. 55. — Die Versus Babenberg. ©. 40 Nr. 201 find in dem Regifter 
der Forid. S. 45 irrthümlich unter die Rubrik d. 3. 1313 gekommen. — 
Nr. 206 zeigt unter andern Beifpielen, daß zur Multiplication auch Cardinal- 
zahlen verwandt wurden. 

s Defterley S. 22 Nr. 13 und S. 28 Nr. 70 find inhaltlid) und wört— 
lich faft identiſch. 

* Defterley ©. 29 Nr. 79. Im Colbaz raſte faſt zur ſelben Zeit ber 
Sturm. Vergl. Notae Colbaziens., M.G. SS. XIX, 719. Oeſterley S. 27 
Mr. 67. 

5 Bergl. aus Salzburg ſtammende Berje in der Contin. canonic. 9. 
Rudberti Salisburg., M. G. 88. IX, 823. Oeſterley S. 24 Nr. 29 und aus 
S. Uodalrich u. S. Ara zu Augsburg M. G. SS. XVII, 436. Oeſterley 
©. 26 Nr. 54. Ferner die Ann. Ensdorf. SS.X, 8. Oeſterley S. 42 Nr. 220, 
wo ftatt jugum Wabarinum zu leſen ift: sub jugum Bawarinum, In 
Baiern wird natürlich der Schladht bei Mühldorf am meiften gedacht. 

° M. G. SS. IX, 830. Defterley S. 27 Nr. 60. 


576 


wie über den Heufchredenfchwarm des %. 1338, deffen ebendort in 
Berjen gedacht wurde !, 

So zeigt fih in der Wanderung der Denfverfe eine Litterariiche 
— zwiſchen der Schweiz und bairiſchen und öſterreichiſchen 

öſtern. 

In der Münchener Handſchrift der Chronik des Johann von 
Viktring, des Liber certarum historiarum werden f. 66a adt 
Derje gelefen, welche ſich auf die Schladht bei Mühldorf beziehen. 
Da fie fi nicht in der Sammlung von Dejterley finden, fegen wir 
fie hieher ?, Ä 

Annis millenis trecentenis atque vicenis 

Adde duos et habes aspera bella ducum 

Austri cum Bauro, Friderici cum Ludewico: 

Quis dyadema ferat Romuleum, furiunt. 

Mars animos acuit, strident acies, fremit ensis, 

De palma Baurus rexque Bohemus ovant. 

Cum Salzpurgensi cadit Auster presule victus, 

Quod dedit Octobris quarta kalenda dies. 

Es entfpricht diefe Schilderung der Darjtellung in feiner Chr 
nit; der Fall des Defterreichers iſt natürlich figürlich zu verftehen, 
und die Perfon des Erzbiihofs von Salzburg vertritt hier die “turma 
presulis Salezpurgensis’ der Chronif® oder das Banner defjchen 
nad „dem Streit zu Mühldorf“. — 

Wir fchliegen mit einigen von Defterley nicht aufgenommenen 
Verſen aus der Chronik des Minoriten Johann von Winterthur, di 
den Tod Ludwigs befingen: 

Mortuus est anno milleno, C triplicato, 

Cesar septeno Ludwicus et in quadrageno, 

Octobri mense, nullo laesus tamen ense. 

Sed dum venatur eques, casumque minatur, 

Equo detrahitur, moritur mox, post sepelitur. 

Annis ter denis regnum tenuit bene lenis, 

Et tribus, ut fatur, cum tempus ei numeratur, 

Octava tacta jam mors est luce peracta, 

Sancti Francisci confessoris benedicti. 


ı 9.a.0D.6©. 829. Oeſterley S. 26 Nr. 161. Das ‘denis’ Ihr 
bier überflüffig zu fein. Die zeitgemöffifchen Berichte fprechen alle von biee 
Ereiguiß. Spätere, wie Engelhufius und Eyr. Spangenberg, verfificirten # 
ebenfalls. Bergl. Defterley S. 36 Nr. 165. 

ke Fournier, Abt Johann von Biltring und fein Liber cert. his. 
©. 26. 
3 Böhmer, Font. rer. Germ. I, 394. 


* Böhmer, a, a. O. ©. 165. 


Ueber die 


Passio Sanctorum Quatuor Coronatorum, 


Bon 


Edm. Meyer. 


Die Legende der Heiligen Vier Gefrönten, obwohl bereit8 1563 
in dem Sanetuarium des Mombritins und 1570 in den Vitis pro- 
batorum Sanctorum des Surius gedrudt, ift einer unverdienten 
Bergeijenheit dennoch erjt durch Wattenbach entriffen worden, der auf 
fie in einem Gothaer Coder ftieß und in richtiger Würdigung ihrer 
Bedeutung danach einen neuen Text in den Situngsberichten der 
Wiener Akademie 1853 veröffentlichte. Seitdem hat fie in fo weiten 
Kreijen Aufmerkſamkeit und Intereſſe erregt, daß eine eigene Kleine 
Literatur über fie erijtirt. Neben v. Karajarı, der Wattenbachs Text 
mit einem Nachworte begleitete und darin einige wichtige Puncte der 
Legende erörterte, hat ic) vorzugsweife Mar Büdinger große Ver— 
dienfte um fie erworben, indem er nicht nur die Theologen Keim 
und Hunzifer und den Archäologen D. Berndorf zu Unterfuchungen 
über fie veranlafte, fondern ihr auch felbit eingehende Studien wid- 
mete!. Jedoch troß der Arbeiten diefer Gelehrten jcheinen die Fragen, 
zu denen die Legende Anlaß giebt, noch nicht immer richtig beantwortet 
zu fein, fo daß 3. B. die furzen literarifchen Notizen Wattenbachs in 
den Gejchichtsquellen ?, die doch aber die Quintejjenz der Forſchung 
geben jollten, weſentlich umzuändern fein dürften. Vor allen Dingen 
hat man nicht gefehen, dag man es in einen Theile der Legende mit 
einer Unterfchiebung der eigenthümlichhten Art zu thun hat. 

Die Legende berichtet und von fünf Arbeitern in einem Stein— 
bruche Pannoniens, die ſich durch ihre Gefchieflichkeit fo auszeichneten, 
daß der funftfinnige Diocletian, der einſt den Steinbruch bejuchte und 
darin eine Neihe von Bildwerfen anfertigen Tieß?, ihnen vor ihren 


1 Büdinger befprad) die Legende zuerft Fury im feiner Defterreichiichen Ge— 
ſchichte (Leipz. 1858) I, 34; feine Hauptabhandlung fteht in feinen Unterſuchungen 
zur röm. Kaifergeichichte III, 357 fi. Eben Hier befinden ſich auch Hunzikers 
Arbeiten (II, 262 ff. w. III, 3 ff.) und Benndorfs archäologische Bemerkungen 
(III, 359 ff.); auch Wattenbad hat hier auf Büdingers Anfuchen nad) befjeren 
Handſchriften einen neuen Text gegeben. Keims Abhandlung fteht in Heyden« 
heims Deutfcher Vierteljahrsſchrift III, 3 fi. — Durch Widerfpruch gegen eine 
Behauptung Büdingers ift veranlaßt die Abhandl. U. Dunders im Rh. Muf. 
1876, 440 fi. 

2 ], + 38 med. 

° In den Steinbrüchen befanden fid) häufig auch Bildhauerwerfftätten, ſ. 
Bennborf 1. c. 341. 


XVIIL 38 


580 


617 Mitarbeitern nicht nur Lob, fondern auch große Belohnungen 
zu Theil werben ließ. Sie heißen Claudius, Nicoftratus, Sympho— 
rianus, Gaftorius und Simplicius. Von diefen fünf find aber die 
vier erften heimlich Chriften, der fünfte, Simplicius, ift zwar noch 
Heide, aber durch langjährige Freundſchaft und Arbeitsgemeinichaft 
mit den Chriften fo verbunden, daß er vonvornherein von Claudius, 
der zuerft als Wortführer auftritt, al8 zu ihm und feinen chriftlichen 
Genoſſen gehörig bezeichnet wird. Das Geſchick diefer Arbeiter be— 
ruht nun eben darauf, daß fie alles in Chrifti Namen thun, und das 
Glück, welches fie in Folge deffen auch begleitet, ijt jo auffallend, daß 
auch Simplicius fich zu dem Gott befehrt, der es verleiht. Cr wird 
von dem in dem Steinbrucdhe gefangen gehaltenen Biſchof Cyrill von 
Antiochia getauft und unterfcheidet fi) nunmehr in nichts von feinen 
urſprünglich chriftlichen Genoffen. 

Die Auszeihnungen jedoch, welche der Kaifer den fünf Freunden 
hat zu Theil werden laffen, haben ſchon lange den Neid der techni⸗ 
chen Yeiter des Steinbruches erregt, und als die Chriften, nachdem 
fie viele Aufträge Diocletians ausgeführt, einſtmals auch dem wieder: 
holten Aufforderungen des Kaiſers gegenüber ſich beharrlich weigern, 
eine Statue des Aesculap anzufertigen, werden fie von den Philo- 
fophen — fo heißen die technischen Leiter — dem Kaifer als Chriften 
angezeigt. Obwohl Diocletian diefe Denunciation zuerft zurückweiſt, 
fieht er fich dennoch genöthigt, „damit nicht die Verehrung der Götter 
untergehe“ , dem Drängen der Philofophen nachzugeben und gegen die 
Chriften einen Proceß auf Saerilegium zu inftruiren. Auch hier wird 
mit großer Milde vorgegangen, aber da die Chriſten unerſchütterlich 
bleiben, ertheilt Diocletian endlich den Befehl, fie in bleiernen Särgen 
in den bei dem Steinbruch vorbeifliegenden Fluß zu verſenken. Cie 
ftarben, heißt e8, am 8. November; und nun folgt ein Stüd, de 
des beſſeren Verftändnifjes wegen volfftändig umd im Urtext mitgetheilt 
werden muß. 

In ipsis autem diebus ambulavit Dioclitianus exinde ad 
Syrme!. Et post dies quadraginta duos quidam Nicodemus 
christianus levavit loculos cum corporibus et posuit in domo 
sua. Rediens vero Dioclitianus ex Syrme post menses unde- 
cim ingressus est Romam et statim jussit in Termas Traja- 
nas templum Asclepii aedificari et in eo simulacrum fieri es 
lapide proconisso, Quod cum factum fuisset, praecepit omnes 
curas in eodem templo in praeconias cum caracteribus infigl 
et jussit, ut omnes militiae venientes ad simulacrum Asclepi 
sacrificiis seu ad thurificandum compellerentur, maxime autem 
urbanae praefecturae milites. Cumque omnes, ut dietum est, 
ad sacrificia compellerentur, quatuor cornicularii quidem, quo- 
rum nomina haec sunt: Severus, Severianus, Carpoforus et 


. ! Diefe Stadt war vorher noch nicht erwähnt, fondern nur im Allge 
meinen von Pannonien gefprocen. 


581 


Vietorinus, hi compellebantur ad sacrificandum, sed ipsi re- 
luctantes nec omnino consensum impiis praebentes. Nuntia- 
tum est Dioclitiano imperatori, quos ilico jJussit, ut ante ip- 
sum simulacrum ictibus plumbatarum caesi deficerent. Qui 
cum diu caederentur, emiserunt spiritum. Quorum corpora 
Jussit in platea canibus jactari, quae etiam corpora jacuerunt 
diebus quinque. Tunc beatus Sebastianus venit noctu cum 
Melciade episcopo et collegit corpora et sepelivit in via La- 
vicana, miliario ab urbe Roma plus minus tertio, cum aliis 
sanctis in arenario.. Quod factum est eodem tempore, sed 
cum post duos annos evenisset idem VI. Id. Nov. et nomina 
eorum repperiri minime potuissent, jussit beatus Melciades 
episcopus, ut sub nomina sanctorum Claudii, Nicostrati, Sym- 
phoriani, Castorii et Simplicii anniversaria recolatur dies 
eorum. 

Hiernah muß ſich jedem eine doppelte Bemerkung aufdrängen : 
einmal, daß unter einem Titel zwei Legenden vorliegen, die im Grunde 
jo gut wie gar feinen inneren Zufammenhang haben !, und zweitens, 
daß beide dem Titel nicht entfprechen. Denn zunächſt muß der Titel 
offenbar auf die Hauptlegende, d. h. die erjte, bezogen werden, welche 
die zweite an Umfang faft zwölfmal übertrifft ?; allein im diefer treten 
ftatt der vier Heiligen, die der Titel ankündigt, fünf auf, Mit 
Wattenbach aber dieje Differenz daher zu erklären, daß von den fünf 
Arbeitern urfprünglich nur vier Chriften waren, geht nicht an, weil, 
wie bereit8 hervorgehoben, der fpäter befehrte Simplicius nicht nur 
vonvornherein al8 zu ihmen gehörig bezeichnet wird, jondern — und 
darauf kann e8 für den Titel allein ankommen — im Puncte des 
Martyriums den vier urjprünglichen Chriften volljtändig gleich fteht. 

Der Zahl der Märtyrer nad) würde aljo die zweite Legende 
bejjeren Anſpruch auf den Titel haben, aber fie fteht Hinter der erjten 
nit nur an Umfang, fondern auch an Intereſſe derart zurüd, daf 
es nicht angeht, den Titel auf fie zu beziehen. 

Wenn hieraus zu folgern ift, daß der Titel Feiner von unfern 
beiden Legenden urjprünglich zugefommen fein kann, jo wird diefer 
Schluß noch durch einen andern Umstand beftätigt: feine von beiden 
erklärt den eigenthümlichen Namen „Gekrönte“. Denn ihn zu 
deuten = martyrio coronati (nad) einer befannten Stelle der 
Dffenbarung Joh.) ift deshalb unzuläffig, weil die Heiligen dann nur 
in ganz allgemeiner und darum nichtsfagender Weile al Märtyrer 
bezeichnet jein würden, während doch der Name durd) eine charafte- 
riſtiſche Eigenfchaft hervorgerufen fein wird. Und ebenfowenig darf 
coronati als die mit einer corona (civica, muralis) „Decorirten“ 
aufgefaßt werden. Ganz abgejehen davon, ob die Römer coronatus 
je in diefem Sinne gebraucht haben, verftand es fi) von den Flügel— 


2 Dies erkennt aud; Wattenbadh an, f. u. 
2Nach den Zeilen in Wattenbachs neuem Tert berechnet. 


38 * 


582 


männern der zweiten Legende — und auf diefe allein würde der Aus- 
druc dann bezogen werden können — doch keineswegs von jelbt, daß 
fie „decorirt“ waren, fondern mußte gejagt werden; und wie Died 
durch einen Zuſatz zu corniceularii wie “ique coronati’ leicht zu 
fagen war, fo wäre e8 ohne Zweifel auch gejagt worden, um die 
Chriſten in einem noch bejjeren Lichte erjcheinen zu Lafjen. 

Jedoch wenn auch feine der uns vorliegenden beiden Yegenden 
für die echte der Vier Gefrönten gehalten werden kann, fo ijt doch 
offenbar eine von ihnen durch irrthümliche Tradition zu dem Titel 
gefommen; und fragen wir ung, weldhe?, jo kann die Antwort nicht 
zweifelhaft fein: der Titel bezieht fi) auf die Hauptlegende, d. h. bie 
erste, zu der fi) die zweite nur wie ein Anhängſel verhält. 

Mithin wird ſich das Räthſel, das uns offenbar in der Passio 
vorliegt, in folgende Puncte gliedern: 1) wer find die wahren Vier 
Gefrönten gewejen? 2) wie ift die erjte Legende — fie mag ber 
Kürze wegen die pannonifche genannt werden — zu dem faljchen Titel 
gefommen? und 3) was hat es mit der zweiten Legende am Schluß der 
eriten für eine Bewandtniß, d. 5. was hat die Vereinigung beider 
Legenden bewirft. 

An die Löſung diefer Fragen iſt erſt Büdinger herangetreten ; 
bie Forſchung vor ihm hat fid) vorzugsweife dem fachlichen Inhalt 
der erjten Legende zugewendet, indem fie deren Glaubwürdigkeit zu 
erweifen fuchte und ſich deshalb die Aufgabe ftellen mußte, Zeit und 
Ort des Martyriums ausfindig zu machen. In Zufammenhang mit 
den obigen drei Fragen ftehen diefe Unterfuchungen zwar nicht, weil 
man aber aud) hier und zwar namentlich Hinfichtlich der Beitimmung 
der Zeit auf Abwege gerathen jcheint, verlohnt es fi), die früheren 
Anfichten einer Kritif zu unterwerfen. 

In dem Nachworte, mit welchen, wie bemerkt, Karajan Watten- 
bachs Text und Einleitung 1.1. begleitete, hatte er aus der Datirung 
von Gejegen, die uns im Codex Justinianeus nod) vorliegen, al$ 
Zeit des Martyriums das Yahr 294 p. C. zu erweifen gejucht, in 
welchem fi Diocletian von Februar bis December, alſo elf Monate, 
in Pannonien aufhielt. Das Vertrauen zu diejer Beftimmung mußte 
dadurch fteigen, daß es Karajan gleichzeitig in überrafchender Weile 
gelang, den Ort des Martyriums zu finden. Denn die in der Le— 
gende erwähnten Steinarten — thafifcher und proconnejischer Marmor — 
kommen nach den geologiſchen Unterfuchungen von Karajans afademi- 
ſchem Collegen P. Partſch im Bereiche des alten Pannoniens, d. 5. 
des Landes zwifchen Drau und Sau, nur an zwei Stellen vor: 
nördlih vom untern Yauf der Sau nahe bei ihrer Einmündung in 
die Donau in der fogen. Frufchfa Gora, und dann nördlid) vom mitt— 
leren Lauf deſſelben Fluffes in dem Pofeganer Gebirge!. Da letz— 
teres aber eben fo unfruchtbar und rauh und arm an Spuren römi— 
her Anfiedlungen ift, wie die Fruſchka Gora bebaut und reih an 


©. Rarajar, Wien. SB, S, 136 Anm. 2. 


583 


Ueberreften aus römischer Zeit — es finden ſich dort nicht nur Reſte 
einer von Diocletian gebauten Wajferleitung, ſondern in&befondere auch 
Spuren eines alten Steinbruches, und im 13. Jahrh. waren noch 
die Trümmer eines großartigen Tempels vorhanden! —, fo kann in 
ber That an der richtigen Beſtimmung des Locals nicht gezweifelt 
werden: warum follte die Zeit nicht ebenfo glücklich gefunden fein ? 

Als eine Beftätigung feiner Zeitbeftimmung fah ed Karajan ar, 
daß Diocletian nad) der zweiten Legende elf Monate von Rom abive- 
fend war, genau diefelbe Zeit, die ſich als Zeit der Anweſenheit Diocle- 
tians in Pannonien aus feinen Geſetzen ergiebt; aber auf der andern 
Seite entging e8 ihm nicht, daß drei Umftände zu feiner Datirung nicht 
jtimmen wollten. Erſtens heißt es in der pannonifchen Legende, der 
Biihof Eyrill von Antiohia, der den Heiden Simplicius getauft 
hatte, jei aus Aufregung über da8 Martyrium der fünf Chriften ge= 
ftorben, alfo aud) im J. 294. Jedoch nad) Eufebius, der den Cyrill 
ſowohl in der Kirchengefchichte wie in der Chronik erwähnt und feinen 
Zeitgenoffen nennt ?, beftieg Eyrills Nachfolger Tyrannus den bijchöf- 
lihen Stuhl von Antiochia erjt um 305, wonad denn Cyrill aud) 
erjt in diefem Jahre oder kurz vorher gejtorben fein würde. 

Sodann ift ein Aufenthalt Diocletians in Nom vor 303 nicht 
befannt, während fi) ein folcher nach) der zweiten Legende doch für 
das %. 295 ergäbe, und drittens endlich hat Melchiades, der die 
Leichname der römischen Flügelmänner beftattete, das römiſche Bis— 
thum viel jpäter innegehabt, nämlich 311—8313. Diefen letten 
Widerfprud; mit der beglaubigten Gefchichte vermochte Karajan nicht 
zu erflären, wohl aber fand er für die beiden erjten Auswege. Dem 
Cyrill, meinte er, fei vielleicht, al8 er in die Gefangenfchaft abgeführt 
wurde, der bifchöflihe Sit längere Zeit offen gehalten und für ihn 
durch Stellvertretung verwaltet worden; nad) feinem Tode könne dann 
der Ausbruch der großen diocletianiichen Verfolgung jeine Wiederbe— 
feßung verhindert Haben. Endlich den Aufenthalt Diocletians in 
Rom anlangend, jo trıig Karajan fein Bedenken, die Angabe unferer 
Legende über einen ſolchen für eine danfenswerthe Bereicherung uns 
feres hiltorischen Wiſſens zu erklären, zumal es nicht wahrfcheinlich 
fei, daß Diocletian erft zwanzig Jahre nad) feiner Thronbefteigung die 
Hauptftadt feines Neiches zum erjten Male betreten Habe. 

Indeſſen Hier hat Karajan einen Punet überfehen, der auch von 
andern nicht mit dem nöthigen Nachdruck hervorgehoben if. Wenn 
die pannonifche Yegende, wie es allen Anfchein hat, Anfpruch auf 
Glaubwürdigkeit erheben darf, fo ift fie offenbar zuerft in Pannonien 
aufgezeichnet worden, da, wie Wattenbach bereits richtig gejehen Hatte, 
derjenige, der fie aufzeichnete, mit dem technifchen Betriebe der Stein- 
brüche und mit ihrer Yocalität genau befannt war. Dagegen ijt die 
zweite Legende, die, wie wir fahen, mit der erften in feinem inneren 


ı Karajan 1. 1. S. 128 Anm. 
» Hist.eccl. VO, 32, — Chronica (ed. Schöne) S. 184—187. 217. 


584 


Zufammenhange ftand, ohne Zweifel in Rom aufgefchrieben. Haben 
demnach beide augenscheinlich nicht von Anfang an eine Einheit ge- 
bildet, jondern find erjt im Laufe der Zeit mit einander verbunden 
worden, fo fünnen die in der einen berichteten Facta weder für nod) 
gegen die in der andern erzählten zeugen; vielmehr muß jede Legende 
für fich geprüft und dabei an die Möglicjfeit gedacht werden, daß der 
Nedactor, um eine Einheit herzuftellen, fid) Aenderungen oder Zufäte 
erlaubt habe. Wie daher die zu Anfang der zweiten Yegende erwähnten 
elf Monate nicht für Karajans Jahr 294 fprechen fünnen, jo kann 
auch die Erwähnung des Bischofs Melchiades nicht gegen dajjelbe 
eingewendet werden, und einen Aufenthalt Diocletians in Rom für 
295 zu folgern ift dann ebenfo mißlic wie unnöthig. 

Anders verhält e8 ſich mit dem Auftreten des Cyrill von An— 
tiohia in der erjten Legende: Hier ift Karajans Vermittelungsverſuch, 
wie Keim richtig ſah, gezwungen und wenig wahrſcheinlich; aber Keim 
jelbft Hat nicht bemerkt, daß fich aus Eufebius’ Kircheugefchichte nach— 
weifen läßt, daß der hiltorifche Cyrill von Antiochia überhaupt nicht 
ein Opfer der Verfolgung geworden ift, wie e8 nad) unferer Legende 
der Fall fein müßte. Denn Euſebius erwähnt den Cyrill in der 
Kircengefhichte 1. c. nah den römischen Bifhöfen Eutychianus, 
Gaius und Marcellinus; von letzterem bemerkt er: öv xai adrör 6 
dswywög xareiimpev. Cr giebt dann als den genannten römischen 
Biihöfen gleichzeitig an die antiochenifchen Timäus und Cyrillus: 
von Cyrillus erzählt er, es habe unter ihm ein in der hebräiſchen 
Literatur ſehr bewanderter Presbyter Dorotheus gelebt, den er jelbit 
gefannt Habe; danı heißt es weiter, auf Cyrill ſei Tyrannos gefolgt, 
x03 oV Nruacev m ıwv Exxincıwv nohogxie. Euſebius macht 
aljo bei zwei Biſchöfen, zwiichen denen Cyrillus erwähnt wird, Be 
merfungen, die fi auf die Verfolgung beziehen, und da follte er eine 
ähnliche Bemerkung bei Eyrill unterlaffen Haben, wenn derfelbe in 
Folge feines Glaubens zu den Steinbrüden verurtheilt und in diefer 
Gefangenschaft geftorben wäre? Bedenkt man, daß für Eufebius und 
feine Lefer nichts größeres Intereſſe hatte als was fi) auf die Ver— 
folgung bezog, jo wird man hier aus dem Schweigen des Eufebius 
mit Sicherheit fliegen dürfen, daß dem Cyrill bei der Verfolgung 
nichts zuftieß, was außergewöhnlid und der Erwähnung werth ge 
weſen wäre. Es fommt dazu, daß bei Eufebius an jener Stelle 
ganz augenjcheinlicd das Streben obwaltet, die Namen der Bifchöfe 
durch irgend eine Bemerkung dem Leſer interejfanter zu machen, was 
durch Relativfäte gejchieht; und da weiß er von Cyrill nur das eine, 
daß unter ihm der gelehrte Presbyter Dorotheos gelebt habe! — 
Daß Eufebius die Gefangenschaft des Cyrill und feinen in derjelben 
erfolgten Tod hätte erwähnen müſſen, wenn diefe Facta wahr wären, 
hat auch Büdinger gefühlt, der aus dem Schweigen des Eufebius fol= 
gern will!, diefer legtere habe mit Cyrill nicht in guten Beziehungen 


ı ©. 372 f. 


585 


geitanden und deshalb abſichtlich das Martyrium deffelben verfchtwiegen. 
Das heißt in der That, die Sache am verfehrten Ende anfaſſen. — 
Wir werden demnach Hinfichtlich des Cyrill einen entſchiedenen Irrthum 
unferer Legende zu conjtatiren haben: Tiegt aber eine Verwechſelung 
vor, fo kann das Todesjahr des Eufebianifchen Cyrill nicht gegen Ka— 
rajans Jahr 294 eingewendet werden. 

Allein Schwierigkeiten ganz anderer Art hat Hunzifer erhoben. 

Nach den neueren Unterfuhungen Mommjens über die Zeitfolge 
der diocletianifchen Verordnungen ! ergab fich, daß der Kaiſer in Pan— 
nonien vom 11. Sept. 293 bi8 zum 20. Auguft 294 verweilte. 
Da nun das Martyrium der fünf Arbeiter am 8. November ftatt- 
gefunden haben foll, fo würde zunächſt das J. 293 ftatt 294 anzuneh- 
men fein. Das wäre jedoch nicht von Belang, wenn nicht nad) uns 
ferer Legende Diocletian mehr al8 neun Monate? vor dem Martyrium 
in dem Steinbruche oder in feiner Nähe gewefen fein müßte, während 
er feinem beglaubigten Jtinerar nad) faum zwei Monate dort gewejen 
jein könnte. 

Dazu kommt noch Folgendes. Der Biihof Cyrill befindet fich 
nach der Legende bereit drei Yahre in der Gefangenschaft und mit 
ihm viele andere Bekenner. Diefe große Zahl verurtheilter 
Chriften ift aber nur dann erflärlic, wenn ihre Verurtheilung bei der 
großen diocletianischen Verfolgung ftattfand: denn, wie Eufebius aus— 
drücklich angiebt?, famen vor derjelben nur vereinzelte Fälle von Ver— 
folgung vor, die mithin eine größere Anzahl verurtheilter Chriften 
ausfchliegen würden. Die große Verfolgung begann jedoch erjt im 
%. 303, und wenn der Bijchof, der den Simplicius taufte, bereits 
drei Jahre gefangen gehalten wurde, als das Martyrium gejchah, 
würde für letteres das %. 306 herausfommen. 

Aber diefer Berechnung ftellt fi) wiederum der Umftand ent- 
gegen, daß Diocletian bereit8 am 1. Mai 305 abgedanft hatte. Oder 
follte hier eine Verwechſelung mit feinem Nachfolger Galerius vor- 
liegen? — Jedoch gerade die Zeichnung des Diocletian ift in der 
Legende fo richtig, daß, wenn in irgend einem Puncte, die Yegende hier 
wahr erzählt; ja das zutreffende und mit der Geſchichte übereinftims- 
mende Bild des Kaifers iſt einer der Hauptgründe, warum unferer 
Legende eine höhere Glanbwürdigkeit zugefchrieben werden darf als an- 
deren, die den Kaifer als dem Urheber der Kirchenverfolgung ganz 
gegen die Hiftorifche Wahrheit für einen graufamen Wütherich aus- 
geben. 

Man befindet fich aljo Hinfichtlih der Zeit allerdings in einem 
Dilemma: da ift Hunzifer auf folgenden Ausweg verfallen. Diocle— 
tian, meint Hunzifer, wie er in unferer Legende auftrete, ſei nicht 
al8 der noch regierende aufzufalfen, fondern als Altkaiſer“, Au- 


ı Abhandl. d. Berl. Atad. 1860, 430 fi. 

2 Bon Hunziler berechnet 1. 1. III, 8. 

3 H.e. VIU, 4, 

* Ein fpecififch ſchweizeriſcher Ausdruck, der aber, wie man fieht, dem Ia- 


586 


gustus senior, wie er nad) feiner Abdanfung auf alten Denkmälern 
bezeichnet wird. 

Denn durch die ganze Legende hindurch fei Diocletians DVerhält« 
niß nur das des fürftlichen Arbeitgebers, der da fomme, um die be= 
ftellten Arbeiten zu befichtigen, und daher Lob und Zadel austheile; 
ja bei dem regierenden Kaifer würde es unbegreiflicd fein, daß er 
die Denunciation der Philofophen gegen die Chriften zurückzuweiſen 
ſuche. Freilich ſehe er fich fpäter genöthigt, die Anklage der Chrijten 
zu gejtatten, aber nicht eigentlich er gebe den Befehl zur Hinrichtung, 
jondern der Richter; überhaupt finde feine andere Einmiſchung von 
Diocletiang Seite ftatt, al8 die einer für den Richter maßgebenden 
Autorität, und diefe werde dem Diocletian auch nad) feiner Abdan- 
fung nicht wohl fünf Arbeitern gegenüber abgeiprochen werden fünnen, 
wenn er im J. 307 auf dem Kaifertage von Carnuntum die Ansprüche 
von fünf mit einander hadernden Kaifern verglichen habe. Aus diejer 
Kaiferzufammenkunft gehe hervor, daß Diocletian die Yahre feiner 
Muße Feineswegs in abfoluter Zurückgezogenheit zubrachte, ja es jei 
fogar nicht unmöglich, daß er gerade im %. 306 in den Donaulän= 
dern verweilt habe. Denn damals habe in Italien der Krieg gegen 
den Ufurpator Marentius gefpielt, den Diocletian vielleicht in größerer 
Nähe von Sirmium aus habe beobachten wollen. 

Obwohl diefe Anficht Hunzifers von Büdinger III, 368 adoptirt 
it und aud von A. Dunder im Rhein. Muf. 1876, ©. 446 als 
an fich ſehr ansprechend bezeichnet wird, kann man fie doch nur ale 
einen Verſuch reiner Verzweiflung bezeichnen. Denn derjenige, der 
nicht bloß zugiebt, daß der Proceß gegen die Chrijten eingeleitet wird, 
jondern der einem beftimmten Richter befichlt ihn zu führen und 
ihm noch befondere Yuftructionen ertheilt, kanı unmöglich jemand an« 
deres als der regierende Kaiſer fein, und e8 ijt unbegreiflich, wie Huns 
zifer das mit der Bemerkung fann leugnen wollen, nicht Diocletian, 
jondern der Richter ertheile den Befehl zur Hinrichtung. Es heißt 
vom Kaiſer: iratus est vehementer et nimio furore plenus 
dixit: Fiant loculi plumbei et vivi in eos includantur et pro- 
jieiantur in fluvio. Won dem Richter aber wird gejagt: et fecit 
quod jusserat Diocletianus. Et fecit loculos plumbeos et vi- 
vos omnes in eos inclusit et praecipitari jussit in fluvio. 
‘Praeeipitari jussit’ heißt e8 nur, weil der Richter nicht felbjt die 
Särge in den Fluß wirft; fonft ift der Nichter doch ala bloß Aus 
führender deutlich genug bezeichnet. — Wenn nun Dioclelian dem 
Urtheil des Richters geradezu vorgreift, indem er den Befehl zur 
Hinrichtung ertheilt, ehe der Proceß beendigt ift, jo ift das ein Ein— 
griff in die Erecutivgewalt, den ſich niemand ander als der regierende 
Kaiſer erlauben darf und den fich der ftreng confequente Diocletian 


teinifchen analog ift, um den Kaiſer nad) feiner Abdankung zu bezeichnen. — 
Augusti seniores werden Diocletian und Marimian auf alten Dentmälern 
vielfadh genannt, Budinger III, 368. 


587 


ficher nicht erlaubt hätte, er, von dem Hunziker ſelbſt nachzumeifen 
ſucht, daß er an feinem künſtlich erfonnenen Regierungsſyſtem mit 
jolher Hartnädigfeit fefthielt, daß er feinen Mitkaifer Marimian, der 
‚gern noch die Regierung behalten hätte!, zwang, mit ihm zugleich ab» 
zutreten. Mit dem Eingreifen Diocletians in die Keichsangelegen- 
heiten auf dem Fürftentage zu Carnuntum ift aber jener Eingriff in 
die Erecutivgewalt des regierenden Kaifers jchlechterding® nicht zu ver— 
gleichen. In Carnuntum handelte e8 fich nicht nur darum, den Eine 
fturz des von Diocletian ſelbſt erfonnenen Regierungsſyſtems zu ver— 
hindern, fondern das ganze Neid) vor einem Bürgerfriege zu be= 
wahren: da war es für Diocletian gebieteriche Pflicht, feine Ruhe 
in Salona zu unterbrechen. 

Daß das Todesjahr des Cyrill, wie Hunziker meint, nun zu ber 
Zeit der Legende paſſe, iſt nad) dem oben Ausgeführten eine Täufchung. 

Hunzifer würde auf eine folche Löſung der Schwierigkeiten nicht 
gefommen fein, wenn er fi auf eine Kritik der Legende felbjt einge 
laſſen hätte; er wiirde gejehen Haben, daß fih in ihr eine größere 
Reihe von Ungenauigkeiten und Ungefchichtlichfeiten findet, als man 
bisher annahm: find diefe auch nicht derart, daß man die Glaubwür— 
digfeit der Legende ganz und gar in Abrede ftellen müßte, fo erklären 
fie fi) doch nur dadurd), daß die Legende nicht unmittelbar nach dem 
Martyrium aufgezeichnet wurde, jondern erjt längere Zeit im Munde 
des Volkes umlief. 

Daß es ein unhiftorifcher Zug fei, wenn bei der erjten Züchtie 
gung, welche die halsftarrigen fünf Arbeiter erleiden, der Nichter, der 
fie anbefohlen, von einem Dämonium ergriffen wird — Wattenbad) 
fagt: vom Teufel geholt wird —, wird von allen anerkannt; richtig Hat 
dann Schon Keim bemerkt, daß es im diefelbe Kategorie der Wunder 
gehört, wenn das Glüc der Chrijten auf da8 Schlagen des Kreuzes 
zurücgeführt wird; er hätte hinzufügen fünnen, daß es diejelbe Be— 
wandtnig mit dem Segen hat, den Claudius über das Handwerkszeug 
des Simplicius ausſpricht, um ihm dafjelbe, welches in dem harten 
Geftein beftändig brach, unzerbrechlich zu machen. Ya nod) auffallen» 
der ift, daß diefer Segen nicht ſehr lange vorhält, fondern wiederholt 
werden muß, fo daß man auf den Gedanken kommt, das Unglück des 
Simpficius wiederhole fich nur, um ihn zur Befehrung zu vermögen. 

Müffen wir diefe Abweichungen von der eracten Wahrheit als 
eine Ausſchmückung durch die Tradition anfehen, fo führt auf eine 
fpätere Aufzeichnung auch die Art, wie der Bau des Tempels erzählt 
wird, in welchem Diocletian die 25 Fuß hohe Statue des Sol auf» 
ftelft, die er in dem Steinbruch hatte anfertigen laſſen. 

Eadem vero hora (wo die Statue vollendet war) ibidem in 
parte Pannoniae praecepit aedificare templum in loco qui ap- 
pellatur Ad montem pinguem? et ibidem constituit et posuit 


ı Hunzifer bei Büdinger, Unterf. II, 252 f. 
Eine Localität des Steinbruches. 


588 


simulacrum et deauravit e. q. s. Als ob der Bau eines Tempels, 
in dem ein fo großes Götterbild ftehen foll, nur befohlen zu werben 
brauchte, um fertig zu fein! Unmöglich konnte jemand fo erzählen, 
der felbjt den Greigniffen mit beigewohnt hatte. — Auch muß die 
Frage aufgeworfen werden, ob eine fo colofjale Statue de8 Sol mit 
dem reichen Beiwerf, das an ihr ausdrücklich hervorgehoben wird, aud) 
nur bei handwerfsmäßiger Ausführung in jo kurzer Zeit hergeitelit 
werden konnte, daß Diocletian, wie er thut, auf die Vollendung wartet. 
Ebenfalls muß es fchweren Bedenken unterliegen, daß der Sol mit 
Wagen und Pferden u. ſ. w. aus einem einzigen Blod gearbeitet 
fein ſoll, den ausfindig zu machen dem Scharfblid der auf ihres 
Gottes Hilfe vertrauenden Chriften gelingt. Hier ſcheint doch aud 
in majorem Dei gloriam ausgefhmücdt zu fein! Und ebenfo 
fcheint fich der VBolfsmund darin gefallen zu haben, wie um die Kunft 
der Chriſten zu zeigen, die Zahl der Arbeiten zu vermehren, die ihnen 
aufgetragen werden: denn diefe erhalten immer neue und neue Bejtel- 
lungen, ohne daß es für den Gang der Begebenheiten von Einfluß 
wäre. Man möchte jagen, die Chriften müffen alfe Arten der Kunſt— 
thätigfeit durcharbeiten, die überhaupt in dem Steinbruch geübt wer: 
den. — So würden fi) auch noch einige Incongruenzen der Compo— 
fition nachweiſen lajjen, die auf die breite Redſeligkeet mündlicher 
Ueberlieferung hinweifen ; ſah ſich doch auch Büdinger veranlaft, die 
Möglichkeit von Erweiterungen zuzulaſſen, nur daß er fie an einem 
andern Orte fucht, in den Geſprächen zwiichen den Chriften und Phi— 
lojophen über Religion. | 

Man wird daher wohl zu der Annahme berechtigt fein, daß die 
Thatfachen, die der Legende zu Grunde liegen, in einer bedeutend für: 
zeren Zeit verliefen, als die Yegende angiebt, jo daß auf die neun Mo— 
nate, die Diocletian vor dem Martyrium in dem Steinbruche ge 
weſen fein müßte, fein Gewicht zu legen ift. Werner wird man in 
dem Martyrium der fünf Arbeiter einen Fall vereinzelter Verfolgung 
fehen dürfen, der im Paufe der Zeit mit der großen Chriftenverfolgung 
zufammengeworfen wurde: das war gewiß um fo leichter, als wohl 
auch der pannonifche Steinbruch dazu gedient haben wird, verurtheilte 
Chriften in größerer Zahl aufzunehmen. “Daher denn die multi con- 
fessores, die auf da8 %. 306 Hinweifen, während für dag Marty: 
rium der fünf Arbeiter — wenn überhaupt der Pegende ein Factum 
zu Grunde liegt — die Zeit des 8. November 293 feftzuhalten ift, 
für welche die Anweſenheit Diocletians in Pannonien bezeugt ift. 

Was den Bischof Cyrill anbetrifft, fo ift recht wohl möglich, 
daß ein Bifchof diefes Namens in dem Steinbruch gefangen ſaß, mur 
war es nicht der Biſchof von Antiohia. Der Name Eyrill’war ja 
im vierten Jahrhundert fehr Häufig, und Biſchöfe gab es bekanntlich 
in großer Anzahl, da felbit unbedeutende Ortichaften Bisthümer waren. 
Wie freilich der Zufak de Antiochia in den Tert gefommen, ift 
nicht Mar; man fönnte geneigt fein, hier die Hand eines gelehrten 
Ueberarbeiters zu fehen, dem aus der Eufebianifchen Chronif des Hie- 


589 


ronymus der Antiochener befannt war und der den Cyrill der Le— 
gende ohne weiteres mit jenem identificirte. 

Im Anfchluffe hieran mag noch die Meinung beleuchtet fein, die 
Legende fei urfprünglich griechisch abgefaßt gewejen. Dieje Vermu— 
thung hatte zuerft Büdinger in feiner Oeſtr. Geſch. I, 34 Anm. aus— 
geſprochen, darauf geftügt, daß nicht nur Aesculap ftet8 in griechi— 
her Form Asclepius genannt werde, fondern daß einmal auch nad) 
griehiicher Konftruction auf einen Comparativ für quam mit ent- 
ſprechendem Caſus der Genetiv ftatt des lateinischen Ablativs vorfomme 
(peritiores horum — quam hi). — Später fuchte Hunzifer diefe 
Bermuthung dadurch zu fügen, daß er nachwies, einzelne Stellen 
ließen fih aus jchlechtem Latein in beſſeres Griechiſch überfjegen !. 
Wenn Büdinger jett auch eingefteht, daß die Form des Namens As— 
clepius, da fie in den Meonumenten der Kaiferzeit fogar überwiegt, 
zu feinem Schluffe berechtige, die andern Indicien aber nicht Be— 
weisfraft genug haben, fo kann er fich dennoch nicht ganz von feiner 
Hhpothefe trennen und Hält es für möglich, daß die erſte Aufzeich- 
nung der Legende feitens der griechischen Begleiter des Cyrillus ge— 
ſchehen ſei. — Hat fich die Legende längere Zeit nur mündlich fort« 
gepflanzt, fo wird fie wohl in der Spracde zuerjt niebergefchrieben 
fein, die in Pannonien geiprochen wurde, und das war die lateinifche ®. 

Wir fönnen nun zu den anfangs aufgejtellten Fragen zurück— 
fehren, die mit der Detailfritit in feinem Zufammenhange jtehen, und 
da liegt e8 auf der Hand, daß die beiden erjten, wer die echten Ge— 
frönten waren und wie die fünf Pannonier zu diefer falſchen Bezeich— 
nung famen, nicht aus der Legende felbjt heraus beantwortet werden 
fönnen. Zum Glüd haben wir eine Duelle, die uns auf das Rich— 
tige führt. In dem römischen Staatsfalender oder dem fogen. Chro- 
nographen von 354° iſt ein Verzeichniß der in Rom im %. 354 ge- 
feierten chriftlichen Feſte enthalten, in welchem, wie Keim zuerſt be= 
merfte*, zum 9. November fich folgende Notiz findet: 

V. Id. Nov. Clementis, Semproniani, Claudii, Nicostrati 
in comitatum. D. h. der 9. November war der feitlich begangene 


ı Sie hätten noch anführen künnen, daß einmal Diocletian als rex be- 
zeichnet wird, was im Lateinifchen ebenfo ungewöhnlih, wie im Griechischen 
Baoıleus = imperator gewöhnlich ift; man denke nur an den Spracdgebraud 
des Herodian und des Procop. — Allein beweifend ift das ebenfowenig wie der 
von Büdinger angeführte Genitiv und Hunzifer® Rüdüberfegungen. Der Ge 
nitiv findet feine Erflärung wohl aus der Volksſprache, in welcher er fi ja im 
Stalienifchen als Regel und im Franzöſiſchen und Spanijchen in einzelnen Fällen er« 
halten hat (nad) plus und moins, mas und meno). Humzifer8 Verſuche aber 
würden nur daun Beweiskraft haben, wenn die Stellen nur durd das Griechiſche 
verftändlic würden. 

2 Bol. über die Latinifirung Pannoniens Vell. Pat. II, 110. 

3 Belanntlich von Mommfen nen herausgegeben und commentirt in ben 
Abhandl. der Kgl. Sächſ. Geſellſch. d. W., hift. K., 1850. Das Wejentliche 
über ihn giebt kurz Wattenbach I *, 48. 

* Im der Anmerkung zum Schluß feiner oben angeführten Abhandlung. 


590 


Todestag von vier Märtyrern, die in einem Comitatus genannten 
Kirchhofe Roms beigefettt waren. 

Daß, der Name Syinphorianus der pannonifchen Legende ver= 
derbt werden konnte aus Sempronianus, liegt auf der Hand; einen 
Namen Symphorianus hat e8 allerdings gegeben, er it jedoch hier durch 
die auch in den Hdoſſ. wechjelnden Formen Simpronianıs, Sympro= 
nianus, Symphronianus hindurd) aus Sempronianus geworden. Dann 
aber haben wir unter den vier römischen Märtyrern des 9. November 
drei, die mit ebenfo vielen unferer pannonifchen Märtyrer ſtimmen. 
Nimmt man nun an, daß die vier römischen Märtyrer den Beinamen 
„Vier Gekrönte“ hatten, und daß im Laufe der Zeit der eine Name 
(Clemens — Gaftorius) ſchwankend angegeben wurde, fo erflärt fih uns 
ſchwer, wie die Bannonier zu ihrem falfchen Beinamen famen. Denn 
der Todestag der Pannonier, den die römifche Kirche recipirte und 
an deſſen Nichtigkeit, wie Büdinger mit Recht bemerkt, fein Grund zu 
zweifeln ift, war der Tag vor dem Feſt der Vier Gefrönten: wie leicht 
konnte ſich alfo nicht das Volk gewöhnen, beide anfeinanderfolgende 
Feſttage als ein Felt anzufehen. 

Naturgemäß mußte in dieſem Falle das Hauptgewicht auf den erſten 
Feſttag, den 8. November, fallen. Wurden dann, was ja leicht ge= 
Schehen konnte, die Heiligen beider Feite zufammengewworfen, jo war es 
wiederum wohl erflärlih, wenn die dem Volke feit lange bekannten 
vier ftadtrömifchen Heiligen die fremden und neuen pannoniſchen März 
tyrer verdrängten: fo wurde mit den Namen der Heiligen auch ihre 
Benennung „Vier Gekrönte* der Fünfzahl der pannonifchen Legende 
zum Troß auf die Märtyrer der letteren übertragen. Diefer Vor— 
gang wird noch wahrfcheinlicher, wenn man annimmt, daß eine Yes 
gende der Vier Gekrönten nie vorhanden gewejen war oder fich ver- 
loren hatte: Volk und Geijtliche mochten dann, jo zu jagen, die Ge— 
legenheit ergreifen, um ihre legendenlofen vier Heiligen mit einer fo 
ergreifenden Yegende auszuftatten, wie e8 die der fünf Pannonier war. 
Selbftverftändlich verlor fic dann der eigentlihe Tag der Vier Ge 
frönten, der 9. November, dem erften Fefttage, dem 8. November, 
gegenüber !. 

So ungefähr dürfte ſich wohl auch Dümmler den Sachverhalt 
gedacht haben?, wenn er nad einer nur in der 2. Auflage von 
Wattenbachs GQ. S. 34 befindlichen Anmerkung annahm, es jeien 
die Namen römischer Märtyrer den in Pannonien verurtheilten Ars 
beitern beigelegt worden. Auch Büdinger ftimmt im Ganzen mit 
unferer Ausführung überein, nur daß er einmal zweifelt, ob Sem» 


ı De Roffi, im Bull. di archeol. crist. 1869 VII, ©. 69b, ift ber 
Anficht, die Vier Gefrönten feien urfprüngli ohne Namen geweſen. Offenbar 
hat er dies nur aus dem eigenthümlichen Namen gefchloffen. Er kannte umjere 
Legende nicht. 

” Ich Hegte in der That eine ähnliche Anficht, die ich jedoch nicht weiter 
ge babe, weil ich die von mir gefammelten Notizen an Büdinger über 


591 


pronianus und Symphorianus ein und derfelbe Name ift, und dann 
aus der römischen Märtyrerreihe nur die beiden Namen Sempronia« 
nus und Nicojtratus auf die Pannonier übergehen läßt: er meint, 
Claudius, ein zu jener Zeit fo verbreiteter Name, habe fid) wohl aud) 
fhon in der pannonischen Legende gefunden. — Es wäre möglich, 
daß ein gleicher Name in beiden Märtyrerreihen die Uebertragung 
der römischen Namen auf die Pannonier erleichtert hätte; doch kommt 
auf ſolche Einzelnheiten nichts an, wenn man nur über die Art und 
Weiſe des Vorgangs im Großen und Ganzen einig ift. 

Um fo verfehlter ift aber Büdingers Antwort auf die Frage, 
was die Vereinigung der römischen Legende von den vier Flügel— 
männern mit der pannonifchen herbeigeführt habe. 

Er glaubt nämlich), den nächſten Anlaß zu der Verbindung der 
beiden Legenden werde man „in der unmittelbaren Aufeinanderfolge der 
Zage ihrer Verehrung, in dem Ausgangspuncte von Sirmium und ! 
im Anlajfe ihres Martyriums“ zu fuchen haben. 

Allein hier irrt Büdinger zuerft, indem cr von der Voraus— 
ſetzung ausgeht, die Legende der vier Tlügelmänner fei die echte der 
Bier Gefrönten. Freilid) war, wie wir fahen, auch Büdinger der 
Meinung, die bei dem Chronographen von 354 zum 9. November 
genannten Heiligen (Clemens, Sempronianus, Claudius, Nicoftratus) 
feien die echten Gefrönten; dennoch ift er, wenn er jett die Flügel— 
männer dafür hält, die ja ganz anders hießen, nur jcheinbar mit fich 
im Widerſpruch. 

Denn er hat richtig gefehen, daß die Namen in unferer zweiten 
Legende interpolirt find. Einmal fügen fie fich fchledht in die gram— 
matische Gonftruction ein, und dann waren fie ja aud nad) dem 
Schlußpaſſus der Legende verfchollen. Dennoch kann, wie fchon oben 
gejagt wurde, die zweite Legende nicht die wahre der Gefrönten fein, 
weil fie den Namen „Gekrönte“ nicht erklärt. 

Den zweiten Punct betreffend, daß die römische Legende ihren 
Ausgangspunct von Sirmium nehme, in deifen Nähe die erjte fpiele, 
fo fragt fi jehr, ob Sirmium vonvornherein in der zweiten Yes 
gende genannt war. 

Büdinger hat von zwei Angaben diefer Legende nachgewieſen, daß 
fie lediglich der Stlügelei eines Redactors ihre Entjtehung verdanken. 
Erjtens beruhen die auffallenden 42 Tage, nad) denen der h. Nico- 
demus die Särge der Arbeiter aus dem Fluß gehoben Haben foll, le— 
diglic) darauf, daß zwiichen dem Todestag der Märtyrer und dem 
Tage des h. Nicodemus — dem 20. December — 42 Tage liegen: eine 
jolhe Berechnung ift ganz dem Charakter der oft in alberner Spie- 
lerei fich ergehenden Combinationsluft des Mittelalters angemefjen. 

Sodann ift von einem Nedactor auch die Angabe erſt hineinges 


2 Diefes „und“ fteht bei Büdinger vor den Worten „in dem Ausgangs- 
punete“, offenbar in folge eines Drudfehlers, der in jener Abhandlung nicht 
der einzige wäre. 


592 


bracht, daß Diocletian nach elf Monaten in die Hauptftadt feines 
Reiches zurückfehre. Auf echter Ueberlieferung kann dieje Angabe des— 
halb nicht beruhen, weil Diocletian nad) feinem Aufenthalt in Panno— 
nien im %. 293/4 nicht nad) Rom, fondern in den Orient zurüd- 
fehrte!. Wenn man nun fieht, daß nad der Anfchauung unferer 
Legende die Flügelmänner ein Yahr nach den Pannoniern hingerichtet 
werden?, jo wird man nicht zweifeln, daß die elf Monate nur den 
Zwed haben, das zwijchen beiden Martyrien liegende Jahr auszu—⸗ 
fülfen: ein Monat ift auf die Neije gerechnet. 

Auf diejelbe Weife wird nun aber auh Sirmium hineingefom- 
men fein. Es muß jehr auffallen, daß Diocletian aus dem Stein« 
bruche nad) Sirmium geht, nur um fo zu jagen von dba wieder fort- 
zugehen. Zwijchen den beiden Süßen aber, die feine Reife nad) 
Sirmium und feine Abreife von da erzählen, fteht ganz unvermittelt 
die Angabe, nad) 42 Tagen habe Nicodemus die Särge aus dem Fluffe 
genommen. 

Um diefe eigenthümliche Art der Erzählung zu verftehen, muß 
man bedenken, daß der Ueberlieferung nad) die Gebeine der fünf 
Pannonier in Rom ruhten®: daß wir diefe Ueberlieferung als falſch 
bezeichnen müſſen, thut nichts zur Sache; jedenfalls durften dann die 
Särge der Märtyrer nicht in dem Fluffe verbleiben, ſondern ein Chrift 
mußte fie retten. Diefer hätte aber nicht wagen dürfen, fie aus dem 
Fluß zu nehmen, fo lange Diocletian in dem Steinbruche verweilte. 
Zudem wußte die Legende nicht, was Diocletian nad) der Hinrichtung 
der fünf Arbeiter fonjt noch in dem Steinbruch gefollt hätte, alfo ließ 
man ihn den Steinbruch verlafjen. 

Was aber nun mit ihn anfangen, da er erjt nach einem Jahre 
in Rom zu fein brauhte? Man ließ ihn nad) der berühmten Haupt« 
ftadt Pannoniens gehen, die noch dazu als Kaiferrefidenz durd ihren 
Palaft befannt wart. — Es mag hier auch nod darauf aufmerkſam 
gemacht fein, daß unfere Legende fich fo ausdrückt, als ob Diocletian 
nach PBannonien auch von Rom aus gefommen fei (rediens in- 
gressus est Romam), d. h. al8 ob er feinen bejtändigen Sig in 
Kom gehabt habe. Mithin kann in diefem Theile der Yegende von 
alter und guter Weberlieferung feine Rede fein; wir haben es hier le= 
diglich mit Füllſtücken zu thun, die eine engere Verbindung der beiden 
Legenden bewirken follen. 

Der dritte von Büdinger angeführte Bunct, daß der gleiche An— 
(aß des Martyriums, d. h. die Weigerung, den Aesculap als Gott 
anzuerkennen, zur Verbindung der Legenden beigetragen habe, kann diefe 
Wirkung allerdings gehabt haben. Dennod iſt diefe Verbindung in 
ganz anderer Weife zu Stande gelommen, als Büdinger glaubt. 

Um hier dem Richtigen auf die Spur zu kommen, muß zunächſt 


ı ©. Hunziker III, ©. 8. 

* Mir werden auf diefen Punct noch zurückkommen. 
° Auch hiervon ein Mehreres weiter unten. 

+ Mannert, Geogr. d. Gr, u. R. III, 675 f. 


58 


der Schlußpaſſus der zweiten Legende von Quod factum est' an 
richtig erklärt werden; aber wie dieſer nicht nur den ignoranten Mar— 
tyrologienſchreibern des Mittelalters, ſondern auch den gelehrten und 
umſichtigen Bollandiſten unverſtändlich geblieben iſt, ſo hat man ihn 
auch in neuerer Zeit entweder für ſinnlos erklärt! oder wie Büdinger 
falſch verftanden. 

Bidinger glaubt nämlich, er befage nichts anderes, als daß Bi— 
ihof Melciades die Verlegung des Tages der Vier Gefrönten vom 
9. auf den 8. November angeordnet habe. 

Zunächſt ift Hieraus zu conftatiren, daß auch Büdinger richtig 
annimmt, dem Autor des Echlußpajfus hätten die vier Flügelmänner 
al8 die Vier Gefrönten gegolten; aber dann ift gegen ihn zu jagen, 
daß, wenn feine Erklärung richtig wäre, der Autor eine Kenntniß 
davon verrathen müßte, daß ehemals die Vier Gefrönten ihren Tag 
am 9. November hatten. Davon tritt aber nicht nur nichts zu Tage, 
fondern der Autor ift vielmehr der entjchiedenen Meinung, die vier 
Flügelmänner hätten mit den Pannoniern einen und denjelben Tag, 
den 8. November, gehabt. 

Denn warum forfcht Melchiades bei der Wiederkehr dejfelben 
8. Novembers (cum idem rediisset VI. Idus Nov.) nad) den 
verfchollenen Namen der Flügelmänner? Offenbar, um an diefem 
Zage ihr Felt zu feiern, wie dies ganz evident hervorgeht aus der 
richtigen Erklärung der zwei Jahre, nad) deren Verlauf Melchiades 
feine Forſchungen angeftellt haben fol. Der Erwähnung der zwei 
Jahre gehen nänmiich unmittelbar voran die Worte: quod (bezogen 
auf das römische Martyrium) factum est eodem tempore. Zu 
eodem fehlt die Beziehung: offenbar aber will der Autor hinzuges 
«dacht wiſſen: wie das Martyrium der Pannonier. Wie er nun hier 
letzteres als felbftverftändlih im Sinne hat, jo geht er aud) von ihm 
aus bei der Berechnung der zwei Jahre. 

Da aber die Flügelmänner ein Jahr nad) den Pannoniern 
hingerichtet gedacht werden, jo ift das zweite Jahr nad) dem Tode 
der Pannonier das erjte nach den Martyrium der Römer, alfo will 
Melchiades die Namen der lettteren wiſſen, al8, wie ſachgemäß war, 
die erjte Wiederkehr ihres Todestages gefeiert werden follte. 

Man ertappt aljo den Autor auf der von wenig Nachdenken und 
Kenntniß zeugenden Meinung, daß das Martyrium der Pannonier 
unmittelbar nad) ihrem Tode in Nom befannt und gefeiert worden 
fei. Das würde an und für fid) höchſt ummwahrjcheinlich fein, wird 
aber als ganz irrig auch durch das Feftverzeichniß des Chronographen 
von 354 erwiejen, das am 8. November feinen Fejttag fennt. 

Wenn aljo der Autor des Schlußpaffus nicht kann fagen wollen, 
Melchiades habe die Verlegung des Feittages der Vier Gefrönten vom 
9. auf den 8. November angeordnet, was will er dann jagen? — 
Nichts anderes, als worauf jeder durch ftrenge Interpretation des 


ı So Karajan und Hunziter 1. 1. II, 264. III, 10, 


594 


Mortlautes geführt werden müßte: Melchiades befiehlt, dag der Ge— 
denftag der Flügelmänner unter dem Namen (sub nomina) der 
fünf Pannonier gefeiert werde. Da er nun, wie wir fahen, die 
Slügelmänner für die Gefrönten hält, fo heißt das nichts anderes, als 
daß die Vier Gefrönten unter den fünf Pannoniern gefeiert d. h. ver— 
ftanden werden follten. 

Es ſoll daher durch die angebliche Anordnung des Melchiades 
erflärt werden, wie e8 fommt, daß ald Vier Gefrönte fünf Hei— 
fige auftreten, d. 5. jener Widerfpruch der Zahlen in Titel und In— 
halt, der fi) auch uns al8 Problem dargeftellt hatte. Es folgt aber 
hieraus, daß der Autor, der ja die Flügelmänner als die echten Ge— 
frönten anfieht, doc die Pannonier im traditionellen Befig der Bezeich- 
on „Bier Gekrönte“ kannte: ſonſt hätte feine Erklärung feinen 

inn. 

Beruht nun aber dieſe Erklärung der von uns vorhin aufge— 
ſtellten gegenüber auf irgend welchen verbürgten Thatſachen? — Das 
wird man rundweg verneinen dürfen. Denn weder war Melchiades 
ſchon unter Diocletian Biſchof, ſondern von 311—313, noch war es 
richtig, daß die Pannonier unmittelbar nach ihrem Martyrium in 
Rom gefeiert wurden, noch können wir die Flügelmänner als die echten 
Gekrönten anerkennen. 

Wir werden es daher hier lediglich mit einem auf reiner Comes 
bination beruhenden Erklärungsverjuche zu thun haben: ijt dies aber 
richtig, jo folgt von jelbft, daß der Autor, behufs der Erklärung, die 
zweite Legende an die erjte angefügt hat, und es kann nur fraglich 
bleiben, ob er, indem er die Bezeichnung der fünf Pannonier als der 
Dier Gekrönten erklären wollte, auch die Abficht hatte, die Tradi— 
tion in der Weife zu rectificiren, daß nunmehr die nad) feiner Mei- 
nung wahren Vier Gefrönten, -alfo die Flügelmänner, wieder in ihr 
Recht eintreten follten, d. h. ob er die fünf Pannonier ihres Beina- 
mens berauben wollte oder nicht. Gleichviel aber, ob dies feine Ab- 
ficht war oder nicht: indem er die Legende von den Flügelmännern 
an die pannonische anfügte, Hat er bewirkt, daß als die Bier 
Gefrönten niht mehr die fünf Pannonier, fondern die 
vier Slügelmänner angefehen und gefeiert wurden. 

Denn daß dem fo iſt — und e8 würde dadurch unfere ganze 
Ausführung beftätigt werden —, ergiebt ſich aus Thatſachen, die Bü— 
dinger wohl befannt waren, die er aber nicht gewürdigt hat. 

Wir fahen, daß der Autor des Schlußpaffus die fünf Pannonier 
im traditionellen Befit des Titels „Vier Gefrönte* fannte. Nun 
hat aber um 600 Gregor der Große in feinem Sacramentarium oder 


ı Mie man e8 jett in Rom damit hält, wo bekanntlich no) immer am 
Nordabhange des Cälius nicht weit vom Coloſſeum die Bier Gefrönten eine 
Kirche befien und eine Straße ihren Namen trägt, ift mir nicht befannt. Aus 
Roffis Angaben in der bereits angeführten Abhandlung über die Katacomben 
von Albano, im Bull. di arch. crist. 1869 VII, 69b, möchte zu fchließen jein, 
baß noch jetzt die Gefrönten die Namen der Flügelmänner führen, 


595 


liber de sacramentis, d. h. einer Agende, die für alle Feſttage des 
Yahres die geeigneten Kirchengebete enthält, zum 8. November, der 
al8 Natale IV Coronatorum bezeichnet wird, folgendes Gebet: 

Praesta, quaesumus, omnipotens Deus, ut qui gloriosos 
martyres Claudium, Nicostratum, Symphorianum, Castorium 
atque Simplicium fortes in sua confessione cognovimus, pios 
apud te in nostra intercessione sentiamus. 

Alfo auch Gregor d. Gr. kennt als Vier Gefrönte die fünf 
Pannonier, und es iſt unrichtig, wenn der fonjt fo eracte Sollerius 
zum Martprologium des Ufuardus S. 859 jagt: in Sacramentariis 
Romanis et notanter in Gregoriano quinque priores (d. h. die 
Pannonier) nominatim et Quatuor Coronati anonymi in eadem 
missa conjuncti habentur!, 

Ebenfo aber wie bei Gregor und unferem Autor heißt es in ei= 
nem römischen Fremdenführer, der fogen. Epitome de locis sanctis 
Martyrum ?, die von Roſſi in der Roma sotterranea II, ©. XXII ff. 


2 Auf diefe Angabe des Sollerius hat ſich Büdinger offenbar verlaffen ; 
hätte er das Sacramentarium felbft nachgeichlagen, wäre er vielleicht auf das 
Richtige geleitet worden. Uebrigens findet fi) in jüngeren Codices zu jener 
Meſſe folgende Borrede: Quatuor Coronatorum nomina haec sunt: Seve- 
rus, Severianus, Victorinus et Carpophorus, quorum dies natalis per 
incuriam neglectus minime reperiri poterat; ideo statutum est, ut in 
eorum ecclesia horum quinque Sanctorum, quorum nomina in missa 
recitantur, natalis celebretur, ut cum istis eorum quoque memoria 
pariter fiat. 

Diefer Titel ergiebt ſich von felbft als fpäterer Zuſatz; in Pamelius’ Aus« 
gabe (Rituale sanctorum patrum latinorum), die auf einem alten Coder be— 
ruht, fehlt er, und ebenfo in den fehr alten Eodiced des Menard. ©. die Bor- 
rede zu deſſen Ausgabe des liber sacramentorum. — Ein ähnlicher Zufat 
bat in den Ordo Romanus (d. h. das Ritual des ganzen römischen Gottes: 
dienftes) zum 8. November Aufnahme gefunden (ed. Hittorp 1583 ©. 84b). 


Es heißt hier: 
Ordo. 


Quatuor Coronatorum nomina per incuriam neglecta Deo reve- 
lante haec sunt: Severus, Severianus, Victorinus, Carpophorus. Sol- 
lennitas tamen eorum, ut statuta fuerat, in aliorum sanctorum nomine 
celebris permansit. 

Der Ordo Romanus beruht zum Theil auf alter Tradition, die Bemerkung 
über die Bier Gekrönten giebt fi) aber als fpäterer Zuſatz ſchon deshalb fund, 
weil fie feine Ritualvorfchrift enthält, wie die Ueberſchrift Ordo verlangt und 
wie fie im Borhergehenden ſtets unter dem Titel Ordo gegeben werden. — 
Daß diefe erflärenden Notizen freilich fchon früh in die Agenden und Nitual- 
bücher eindrangen, beweift die Bemerlung in dem Liber de divinis officiis, 
das vielleicht fälſchlich Alluin zugeichrieben wird. Sie ftimmt mit der Vorrede 
in den jüngeren Eodices des Gregorianifchen Sacramentars, bat aber den Schluß: 
fa aus der angeführten Bemerkung im Ordo Rom. (S. 70 ed. Hittorp). 
Alle diefe Bemerkungen gehen, wie im Xert ſogleich nachgewieſen werden wird, 
zuletst auf unfere zweite Legende zurüd, deren Schlußpaſſus man eben nicht verftand. 

Auffallender Weile hat VBüdinger diefe Epitome mit der Stabtbeichrei- 
bung Wilhelms von Malmesbury verwecjelt, die freilich bei Roffi II, 174 in 
der Spalte nebenan fteht. 


XVIUL 39 


596 


neu edirt wurde und nad) ihm um 640 entjtanden ift, folgendermaßen: 
Juxta viam Lavicanam ecclesia est S. Helenae, ubi ipsa cor- 
ore jacet. Ibi sancti isti dormiunt: ... . Quatuor Coronati, 
id est Claudius, Nicostratus, Simpronianus (sie!), Castorius, 
Simplicius, und die gleiche Tradition findet ſich in dem ältejten aller 
uns erhaltenen Martyrologien, dem fogenannten Hieronymianifchen !. 
Diefes ift nach Roſſis Unterſuchungen (Roma sotterranea Il, XVIff.) 
auf Grund alter, aber ſehr verderbter Martyrologien in Aurerre zu 
Lebzeiten des Biſchofs diefer Stadt, Annarius oder Annacharius, um 
600 von einem unwiſſenden Geiftlichen compilirt, jedoch ſpäter, cben- 
falls in Auxerre, durch Zufäte erweitert, fo daß es die Gejtalt, in 
welcher e8 uns jest vorliegt ?, um 7OO erhalten hat. Wir befiten 
es in ſechs Handichriften, die zwei verfchiedene Recenſionen repräſen— 
tiven, in einer großen Anzahl von furzen Auszügen, den früher joge- 
nannten Breviarien, und einer fiebenten Handichrift, welche den Ueber— 
gang der volljtändigen Necenfionen zu den Breviarien darjtellt?., Für 
den 8. November fällt eine diefer Handfchriften, die zweite Gorbieer, 
fort, die vielfach) verderbten Yesarten der andern Handichrift, ver: 
glihen mit denjenigen Breviarien, welche den November haben, führen 
aber darauf, daß der Prototyp des Martyrologs, wie er um 700 in 
Aurerre entjtand, zum 8. November als römijche Märtyrer nur die 
fünf Pannonier fannte und dieje als die Vier Gefrönten. 

Eine Ausnahme macht nur die von D'Achéry im Spieil. XII 
(ichlecht) abgedrudte erjte Gorbicer Hd8., die aus dem 12. Yahrh. 
ſtammt, während die andern nicht über das 10. Jahrh. Hinabgehen: 
fie nennt neben den Pannoniern die vier römischen Flügelmänner als 
die Gefrönten. Der Uebereinftimmung aller übrigen und noch dazu 
bedeutend älteren gegenüber muß fie aber als interpolirt angeſehen 
werden. Und die Zradition der älteren Hdj. wird durd) Bedas 


1 Heransgegeben von fiorentini, Vetustius occidentalis ecclesiae 
martyrologium. 1668. Büdinger hat diefe Ausgabe gar nicht benntzt und ſich 
an den von D'Achery Spicil. XIII edirten Text einer ſehr jpäten Hdf. gebalten. 
Die Entftehungszeit hat Roifi, Roma sotterran. I, 113 und Il, S. XVI fi, 
beftimmt. 

* Genauer würde zu fagen fein, der Prototyp, welcher unfern Hand» 
jhriften zu Grunde liegt und ſich unfchwer reconftruiren Tiefe. Roſſi fcheint 
fid) mit dem Gedanken, eine neue Ausgabe diejer alten Quelle zu veranftalten, 
getragen zu haben und würde nad den umfaffenden Borarbeiten, die er für 
feine Roma sotterranea aud) auf dem Gebiet der Martyrologien machen 
mußte, leicht dazu im Stande fein. Aber ſeitdem find mehr als 10 Sabre 
verfloffen. 

3 Der Handichrift von Epternady (1. Hälfte des 8. Jahrh.), die man früher 
als die befte anfah, ſodaß die Bollandiften fie facfimiliren laffen wollten. Roſſi, 
Rom. sott., hat die Berner Hof. (aus Bongars’ Bibliothef, 8-9. Jahrh.) als 
die befte nachgewiefen, twelcher gegenüber der Cod. Blumanus (nad) dem Beſitzer 
fo genannt (von c. 770), der von Lucca (10. Jahrh.), der von Sens (9. Jahrh.) 
und die beiden Corbieer (jet in Paris, der zweite nım aus einigen Blättern 
beftehend, beide aus dem 12. Jahrh.) eine andere Kecenfion geben. 


597 


(+ 735) Martyrolog beftätigt, das anerfanntermaßen auf dem Hie— 
ronhmianifchen beruht. Bei ihm Heißt es: 

VI. Id. (Nov.) Romae Sanctorum IV Coronatorum Claudii, 
Nicostrati, Symphoriani, Castorii, Simpliecii!. 

Wenn Biidinger S. 361 zweifelt, ob hier die fünf Pannonier 
als Gefrönte bezeichnet find oder die Vier Gefrönten nur angekündigt, 
nicht mit Namen aufgeführt find, jo hat er eben die alte Tradition 
nicht erkannt. 

Diefer alten Tradition gegenüber ift e8 nun im höchſten Grade 
auffallend, daß um diefelbe Zeit, wo in Auxerre das Hieronymiani= 
ſche Martyrolog feinen Abſchluß erhielt, in Rom ein anderes verfaßt 
wurde, in dem eine neue Anfchauung über die Gefrönten auftritt. 

Es iſt dies das fogenannte kleine römische, das Erzbifchof Ado 
von Bienne (8359 — 874) in Ravenna bemugte, feinem eigenen ausführ— 
licheren zu Grunde legte und an der Spitze dejjelben wiederholte. Er 
jagt in der Vorrede zu feinem Martyrolog, es fei perantiquum et 
venerabile gewejen und von einem Papfte nad) Aquileja gefchenkt 
worden? Seine Zeit — Ende des 7. oder Anfang des 8. Jahrh. — 
ergiebt fi) aus der Erwähnung einiger römischer Kirchen und Felte, 
die jener Zeit in Rom ihren Urſprung verdanfen ®, 

In ihm heißt es nun zum 8. November: 

Romae Martyrium Claudii, Nicostrati, Symphroniani, Ca- 
storii, Simplicii. Et ipso die IV Coronatorum Severi, Seve- 
riani, Carpophori, Vietorini, quorum festivitatem statuit Mel- 
chiades papa sub nominibus quinque martyrum celebrari, quia 
nomina eorum non reperiebantur; sed intercurrentibus annis 
cuidam sancto viro revelata sunt. 

Alſo die Gefrönten find nicht mehr die fünf Pannonier, fondern 


! &o würde wohl der Tert des Hieronymianischen Prototups zum 8. Nov. 
lauten müfjen. Die fünf vollſtändigen Handfchriften geben nur die Namen der 
Baunonier, ohne den Zuſatz „Bier Gelrönte”, einzelne auch nicht alle fünf 
Namen, fondern nur vier, offenbar ift der eine nur fortgelafen, um die Zahl 
mit dem Beinamen Bier Gefrönte in Uebereinftimmung zu bringen. Denn daß 
dieſer Zuſatz uriprünglic nicht fehlte, berveifen aufer Beda die verfürzten Terte, 
von denen das Breviar. Gellonense (Hdf. der Abtei St. Guillem du Dejert 
bei 2odeve) (D’Achery, Spic. IV), das Labbeanum und das Neichenauer 
(Acta SS. VII, 2, 14. 19) die fünf als IV Gekrönte bezeichnen. Unſere Stelle 
würde für die Kritik der Handfchriften von Bedeutung fein. 

2 Die meiften Eodices des Ado haben dies römische Martyrologium nicht; 
offenbar ift es als überflüffig fortgelafien worden. — Enblid fand Rosweyde 
es in einem Kölner Eoder und veröffentlichte e8 in feinem Vetustum Rom. eccl. 
Martyrologium (Paris 1645). Allein man beftritt die Echtheit deffelben und 
erffärte es für einen bloßen Auszug aus Ado: dasjenige, von welchem Ado 
ſpreche, ſei vielmehr das Hieronymianifche. Dem gegenüber bewies Sollerius 
in der Borrede zum Martyrolog des Uſuardus, daß dennoch das von Roëweyde 
efundene das von Ado gemeinte fei, und Roſſi fand dann aud eine ganze 

nzahl von Kodices, die c8 wieder Kölner enthielten, Rom, sotterr. II, 
©. XXVIO. 

= Roffi, 1.1. 


39* 


598 


die vier Flügelmänner unferer zweiten römischen Legende, und daß die 
Aenderung gerade auf Grund diefer legteren vorgenommen ift, ergiebt 
die hinzugefügte Bemerkung über das Verlorengehen und Wiederaufs 
finden der Namen, die ja ganz offenbar auf den Schlußpajjus der 
römischen Legende zurüdzuführen ift. 

Und dies wäre nicht der einzige Fall, wo in Beziehung auf 
Feſttage durch das Heine römische Martyrolog eine Aenderung in der 
alten und richtigen Tradition herbeigeführt ift. Roſſi hebt ale bie 
Schlagendften Beiſpiele 1.1. S. XXX die Tage des Pontianus und 
Felix I. hervor. 

Das Feſt des erfteren feierte die alte Kirhe am 13. Auguft, 
das des Felix am 29. December: in dem römischen Martyrolog da= 
gegen tritt für jenen der 20. November, für diefen der 30. Mai 
auf. Der Grund diefer Aenderung ift die zweite Recenfion des Liber 
Pontificalis, die aus dem 6. Jahrh. ftammt und hier neue Daten 
hat. Wie den Liber Pontificalis hat der Verfaffer des Martyro- 
logs aber auch andere hiſtoriſche Quellen benutzt: jo des Rufinus la— 
teinijche Ueberſetzung der eufebianifchen Kirchengefchichte und, was für 
uns insbefondere wichtig ift, Märtyreracten, namentlich römijche. 

In ähnlicher Weife hat er das traditionelle römische Mlartyro- 
(og auch vermehrt, indem er nicht nur Feſte in fein Verzeichniß auf: 
nahm, die im feiner Zeit gegründet wurden, fondern auch die Pro— 
pheten des alten Teſtaments und alle bedeutenderen Perſönlichkeiten 
mit eigenen Tagen verfah, von denen die alte Kirche nichts wußte. War 
nun aud) die Berichtigung des in Rom geltenden Martyrologg — 
und die Abſicht einer jolhen wird man wohl bei dem Verfaſſer mit 
Rückſicht auf die von ihm benutten hiftorifchen Quellen anzunehmen 
haben — nicht eine officielle Arbeit, jondern nur privaten Intereſſe 
entfprungen, jo ijt doc) jehr erklärlich, daß Ado nad) der Authenticität 
feiner Vorlage nicht fragte. Daß das Meartyrolog fehr reichhaltig 
war, in einem alten Goder Stand und aus Nom ftanunte, genügte 
ihm, um es für das von der römischen Kirche recipirte zu halten. 
Und da nun fein Martyrolog die Grundlage aller fpäteren wurde, fo 
ift e8 gefommen, daß er in einem Falle, der unfere Gefrönten eini— 
germaßen berührt, als derjenige bezeichnet wurde, der die alte Tra- 
dition umgeworfen habe, während die Schuld vielmehr der von ihm 
benugten ftadtrömischen Quelle beizumefjen ift. 

Unfere fünf Pannonier waren nämlich recht befannte Heilige ge- 
worden, und da in Rom am 7. Juli der Todestag eines primi- 
serinius Nicoftratus gefeiert wurde, fo wurde er mit dem Pannonier 
gleichen Namens in der Art verwechſelt, daß nicht nur die Namen der 
andern vier an jenem Tage ſich einfanden und einbürgerten, fondern 
daß fpäter einem bderjelben, Claudius, ein ähnliches Amt beigelegt 
wurde: er avancirte zum commentariensis!, “Die blogen Namen der 


! Bei Florus, dem Fortſetzer Bedas, Acta SS. Mart. II, S. XXIV; 


vgl. Bübdinger 1. 1. &. 376, der jedoch eine Erklärung der noch anzuführenden 
Stelle Notkers nicht verfucht. — 5 & anzufäh 


599 


bier andern finden fich beim 7. Juli nun fchon in dem Heinen rö— 
mifhen Martyrolog des Ado: nichtsdeftoweniger fchiebt Notker Bal« 
bulus in feinem Martyrolog Tetterem die Schuld zu, ben Tag ber 
Pannonier vom 8. November auf den 7. Juli verlegt zu Haben. Er 
fagt zu dem genannten Tage!: 

Romae (natalis) martyrum Nicostrati primiserinii, Claudii 
commentariensis, Castorii, Vietorini, Symphoriani, quos beatus 
Sebastianus credere Christum docuit et S. Polycarpus pres- 
byter baptizavit. Quorum natalem VI. die Iduum Novembris 
eatenus nos celebrasse credidimus, donec venerabilis pater 
Ado alios et alios pro eis nobis honorandos insinuaret, de 
qnibus in suo loco vita eomite commodius disseretur. Leider 
haben wir den November bei Notker nicht; vielleicht Hatte er dort 
gefagt, dag Ado die Pannonier ihre® Beinamens „Gekrönte“ bes 
raubt habe, um ihn auf die römischen Flügelmänner zu übertragen : 
die Schuld trägt, wie wir fahen, das römische Martyrolog, dem Abo 
nur folgte?, 

Aus dem Alter der Epitome einerfeitS und des Heinen römischen 
Martyrologiums andererjeits ergiebt ſich nun auch von felbft die Zeit, 
in welcher die zweite Legende an die erfte angereiht ift: zwiſchen c. 
640 und 700. In ihr iſt jedoch noch ein Punct bemerfenswerth. 

Wir hatten oben S. 591 gefehen, daß die Namen der Flügel- 
männer interpolirt waren. Nun finden wir aber, wie Keim unter 
ben neueren Forſchern ebenfalls zuerit a. a. D. bemerkte, bei dem 
Chronographen von 354 zum 8. Auguft eine Gruppe von vier Heiligen, 
welche mit unfern Flügelmännern bis auf einen die gleihen Namen 
haben ®: offenbar find beide Gruppen auch in diefem Falle identifch, 
wie Schon Zillemont, die Bollandiften und andere ältere Forſcher 
fahen®. Da nun die Namen der vier Tlügelmänner bereits in den 
beiden Martyrologien von 700 ftehen, fo jcheint e8, daß berfelbe, 
welcher die zweite Yegende mit ihren urfprünglich namenlofen Heiligen 
anhängte, ſich bemüht hat, für lettere, die er für die Gefrönten aus— 
gab, auch noch Namen ausfindig zu machen: er fand jene Gruppe 


! Canisius, Antiquae Lect. VI. 

* Auffallend bfeibt bei Notker immer die Wendung ‘alios et alios pro 
eis honorandos insinuaret’, die auf das, was er Ado zufchreiben durfte, 
nicht paßt. 

® VI. Idus Aug. Secundi, Carpofori, Victorini et Severiani Al- 
bano. Dit Letsterem ift der fehr alte Kirchhof bei dem heutigen Albano ge- 
meint, Albano ift aus dem Standlager der Legio II. Parthica entftanden, bie 
bei der dortigen Albanım genannten kaiſerlichen Billa garnifonirte und in 
welcher das Chriſtenthum früh Anhänger gefunden zu haben fcheint. — Der 
Kirchhof wurde im 7. Jahrh. wegen der zahlreichen dort ruhenden Märtyrer 
nad) Ausweis der Epitome de locis sanctis martyr. von ben frommen 
Pilgern gern beſucht; hierüber Rofft, im Bullettino di archeologia cristiana 
1869 (VII), 65 ff. 

* Auch Roffi, 1. 1. S. 69b, zweifelt nicht, dak e8 die Namen ber Mär- 
tgrer des 8. Aug. waren, bie auf die Bier Gelrönten übertragen wurden. 


600 


vom 8. Auguft und interpolirte die Namen. Daß er dadurd mit 
ſich ſelbſt in gewiſſen Widerſpruch gerieth, wenn er die Namen, bie 
angeblich Melchiades nicht hatte ermitteln fünnen, nun doch arngab, 
fümmerte ihn wohl fehr wenig: wie man fid) im Mittelalter über 
einen ſolchen Widerfpruch weghalf, lehrt die Notiz, welche der Ver— 
faffer des Fleinen römischen Martyrologs der Erklärung halber hinzu— 
fügte: intereurrentibus annis (nomina) cuidam viro sancto re- 
velata sunt: es war eben ein Wunder gefchehen, und von denen, 
die im Mittelalter gefhahen, wäre dies noch nicht da8 wunderbarſte!. 

Das Verfahren unferes Autors, der natürlich al8 ein Geiftlicher 
zu denken iſt, läßt fich daher im Zufanmenhange jo daritellen. 

Es fiel ihm auf, daß in der pannonifchen Legende als Vier Ge- 
frönte fünf Heilige auftreten. 

Er Schloß daraus mit Recht, daß die Pannonier nicht die wahren 
Gekrönten fein könnten, und fuchte der echten Legende der Gefrönten 
auf die Spur zu kommen; dabei ging er davon aus, daf die Ueber: 
tragung des faljchen Beinamens auf die Pannonier darauf beruht 
habe, daß die Vier Gefrönten den gleichen Todestag hatten. Da traf 
er in dem Legendenſchatze der Kirche, der damals vermuthlich viel 
größer war, als wir jett nachweiſen fünnen, auf eine Yegende von 
vier namenlofen Flügelmännern. Waren diefe die Gefrönten, jo löſte 
fi) das Räthſel leicht: damit die Namenloſen ihres Gedenktages nicht 
verluftig gingen, Hatte Melchiades, von dem man im 7. Jahrh. wohl 
noch gewußt haben wird, daß er nad) der Verfolgung die Kirche in 
Rom zu reorganifiren hatte und demnach auc den Feſtkalender wieder 
einrichten mußte, die Anordnung getroffen, daß fie unter dem Namen 
der Pannonier gefeiert werden follten. Dann aber that er noch mehr 
und verjuchte feinen Heiligen zu ihrem Namen zu verhelfen: aud) 
hier gelang es ihm eine paffende Gruppe von Heiligen zu finden, 
von der man nichts wußte, und jo fchob er deren Namen in jene Le— 
gende ein. — Wir würden jett ein ſolches Verfahren mindeſtens ei- 
nen frommen Betrug nennen; dennod) kann der Urheber defjelben recht 
wohl bona fide gehandelt haben. Er Hatte im Grunde nur eine 
Combination gemacht, und zwar eine Gombination, die für feine Zeit 
gar nicht fo ſchlecht war; aber täppiich, wie die mittelalterliche Wiffen- 
ſchaft war, die von fubjectivem Glauben getragen zwiichen Möglichkeit, 
Wahrjcheinlichkeit und Gewißheit nicht unterfchied, gab er feine Ber: 
muthung als fichere Gewißheit aus und glaubte vielleicht noch einen 
fleinen Beitrag zum größeren Ruhme Gottes geliefert zu haben, wenn 
er eine Legende und vier Heilige jo gut untergebracht hatte. — 

Eine ſolche Kombination, wie fie in Obigem dargelegt ift, konnte 
natürlich zu jeder beliebigen Zeit jedem in den Sinn fommen, der fid 
mit der Legende eingehender bejchäftigte; dennoch ift es vielleicht nicht 


Es mag hierbei noch einmal auf da8 oben ©. 598 dharakterifirte un 


kritifche Verfahren bes Ye 
soiefen fein. fahren des Berfafjers des Heinen römiſchen Martyrologs binge 


601 


zufällig, wenn wir die zweite Qegende zwifchen 640— 700 an bie große 
pannonifche angehängt fehen. Es findet fi nämlich unter der Re— 
gierung Honorius I. (625—638) ein Factum, welches wohl geeignet 
war, die Beichäftigung mit der Legende der Vier Gefrönten wieder 
in Fluß zu bringen: nachdem fchon Gregor der Große von der Kirche 
der Vier Gefrönten einen geiftlichen Titel entlehnt hatte!, baute ihnen 
der erjt genannte Papft eine neue. Daß dies der Anlaß werben Fonnte, 
die Legende der Heiligen wieder dem allgemeinen Bewußtſein näher 
zu bringen, liegt auf der Hand; und wenn wir vor bdiefer Zeit und 
um diejelbe die fünf Pannonier im Beſitz des Namens „Vier Ge- 
frönte” fanden, fo mußte gewiffermaßen jeder Nachdenkende auf ben 
Widerfpruc der Zahlen aufmerfiam werden: follte da nicht auch der 
Verſuch angeftellt fein, den Widerfpruh aufzuhellen? — Daß die 
MWeihung der Kirche vor 638 gefchehen fein witrde — dem Todesjahre 
Honorius’ —, während wir noch um 640 die fünf Pannonier in 
der erwähnten Epitome als Vier Gefrönte finden (f. o. S. 596), ift 
natürlich nicht von Belang und läßt fich leicht erflären. 

So bleibt nur noch übrig, die Anficht Büdingers zu befprechen, 
daß noc zur Zeit Leos IV. eine letzte Ueberarbeitung unferer Legende 
ftattgefunden Habe: auch Wattenbah ift GO. I*, ©. 38 der Mei: 
nung, daß die beiden Legenden nur dadurch in zufällige Verbindung 
gebracht feien, daß die Meliquien der fünf Pannonier fich fpäter in 
der Kirche der Heiligen Vier Gefrönten gefunden hätten. 

Da erst Leo IV. (847— 855), der früher Priefter an der Kirche 
der Gefrönten gewefen war und fpäter diefe Kirche durch Reliquien 
heben wollte, nad) den Gebeinen der Gefrönten und ber fünf Pan 
nonier fuchte und fie auch fand?, fo würde die Vereinigung beider 
Legenden allerdings um 850 ftattgefunden haben müffen. Allein Watten- 
bachs Anficht ift nur eine nicht weiter begründete Vermuthung, bie 
unferer oben gegebenen Darftellung gegenüber eine Widerlegung nicht 
bedürfen wird: Büdinger dagegen ſtützt fich für feine Behauptung auf 
den Umftand, daß unfere Legende die Gebeine der Gefrönten in einer 
beitimmten Katafombe an der Via Lavicana beigefetst werden laffe, der 
von ihm angenommene Ueberarbeiter demnach wohl von der Auffindung 
der Gebeine der Vier Gefrönten unter Leo IV. Kenntniß gehabt Habe. 
Aber Büdinger entzieht fich felbit allen Grund und Boden, indem er 
die Bemerkung macht, wo die Gebeine ruhten, hätten fchon die Fremden— 
führer des 7. Yahrh. gewußt: alfo brauchte, damit der Ort in uns 
ferer Legende genau angegeben wurde, feineswegs die Auffindung der 


ı Gregorovius, Geſch. d. Stadt Nom II, 134. 

2 Vita Leonis IV, bei Muratori III, 236: multa corpora sancto- 
rum, quae diu occulte jacebant.... . congregavit. Nam et corpora 
sanctorum IV Coronatorum sollerti cura inquirens reperit.... et 
.. .. eorum sacratissima corpora cum Claudio, Nicostrato, Sympro- 
niano atque Castorio et Simplicio necnon Severo, Severiano, Carpo- 

— Victorino quatuor fratribus ... . sub sacro altari recondens col- 
oeavit. 


602 


Gebeine unter Leo IV. voraufgegangen zu fein. Wenn aber der Autor 
der zweiten Legende gegen die Epitome noch die weiteren gerimieren 
Beitimmungen hat, ‘miliario plus minus tertio in arenario’, jo 
weiſt das eben nur auf genaue Localkenntniß Hin, und einen Römer 
als Autor anzunehmen wird man ja ohnehin geradezu gedrängt. — 
Hervorgehoben mag noch fein, daß in der Vita Leonis IV. bei Mu: 
ratori 1. 1. die Bier Gefrönten anonym erfcheinen und nicht nur 
von den fünf Pannoniern fondern auch von den vier Flügelmännern 
geichieden werden: lettere heißen fratres. — Das ijt eine Verfion 
der Ueberlieferung, die nur auf der Unbefanntichaft des Verfaifers jener 
Vita mit den recipirten Legenden beruhen kann: denn den überein— 
ftimmenden Angaben der Martyrologien gegenüber wird man faum 
annehmen dürfen, daß Yeo IV. felbjt die Heiligen Severus, Severi- 
anus, Carpophorus und PVictorinus als eine von den Vier Gekrönten 
(d. i. den Flügelmännern) verfchiedene Gruppe angefehen habe. 

Auf Bidingers Anfiht, daß in der zweiten Legende ftatt des 
Diocletian urſprünglich der Kaifer Claudius fungirt habe !, braucht 
nicht näher eingegangen zu werden: fie iſt bereit8 von A. Duncker 
1. 1. mit Recht zurückgewiefen worden. Es mag nur bemerft werden, 
daß, wenn die Namen interpolirt find, ſich ergiebt, daß dem Interpo— 
lator ein feitftehender Text der Legende vorgelegen haben muß: fonft 
hätte er wohl die Namen im gefchiekterer Weife in den Zufammenhang 
verflodhten. Alt kann demnach die Yegende immerhin fein: welche 
Puncte fie aber urfprünglich enthielt, und welche erjt hineingebracht 
find, um fie an die pannonifche Legende anzuſchließen, wird fich mit 
Sicherheit faum feftjtellen laſſen. 

Nur zwei Vermuthungen Jordans, Topographie von Rom II, 
©. 525, mögen hier erwähnt fein. 

Erftens glaubt Jordan, der Verfaſſer der Mirabilia urbis 27, 9° 
habe in unferer Passio Thermas Diocletianas ftatt Thermas 
Trajanas gelefen. In den Mirabilien heißt es nämlich, im Palaft 
de8 Diocletian, worunter deſſen Thermen gemeint find, die im 
Mittelalter nad) ihren Rotunden Modii genannt werben, feien vier 
Tempel, des Aesculap, des Mars, des Apollo und des Saturn. Bon 
diefen Namen feien drei wohl willkürlich erfunden, der Aesculap 
aber nicht; der Verfaffer, der fi) in Märtprergefchichten wohl be- 
wandert zeige, würde vermuthlich unfere Passio gefannt, aber darin wohl 
den Text mit der oben angegebenen Wenderung gehabt haben. Indeß 
hebt Yordan die Subjectivität diefer Anficht felbft hervor („mir we— 
nigftens wahrſcheinlich“), und er bedenkt nicht, daß der Autor, wenn 
er in der That unjere Passio gefannt haben follte, immerhin einen 
Tempel des Aesculap für die Diocletiansthermen nad) Analogie eines 
folhen in den Thermen des Trajan auf Grund unferer Legende er- 
funden Haben könnte. — Selbit die Möglichkeit ift ja nicht ausge— 
ſchloſſen, daß ſich eine Tradition über einen Aesculaptempel in den 

1 ©. 368. 

” Des Iorbanfhen Tertes im Anhange zur Topographie II, 607 ff. 


603 


Thermen Diocletians erhalten hatte und Anlaß wurde, daß die drei 
andern Rotunden nun auch für Tempel gehalten und mit Göttern 
verjehen wurden. — Daß aber ein Tempel des Gottes der Heilfunde 
in Bäbderanlagen an und für ſich wohl denfbar war (in balneis 
salus!), giebt Jordan ſelbſt zu, und Bedenken wird e8 nicht erregen, 
wenn Diocletian, ehe feine eigenen Thermen fertig waren, die erft 
zwifchen 1. Mai 305 und 25. Yuli 306 geweiht wurden, in fo be= 
deutenden Bädern, wie e8 vor Erbauung feiner eigenen die des Trajan 
fein mußten, einen Tempel des Aesculap erbauen läßt. 

Ebenfowenig begründet ift die andere Vermutung Jordans, die 
milites urbanae praefeceturae jeien erft aus den Soldaten ber 
Legio II. Parthica, die bei dem kaiferlichen Albanum jtand !, von einem 
mittelalterlichen Bearbeiter der Yegende umgejtaltet: wir fahen, daß die 
Namen ſchon im 7. Jahrh. interpolirt waren. 

Zum Schluß fei noch bemerkt, daß Roffi, 1. 1. S. 69b, ber 
Anficht ijt, die Uebertragung der Namen der Heiligen vom 8. Auguft 
auf die nad) feiner Meinung urfprünglicd namenlojen ? Vier Gekrönten 
jei ungefähr im 5. Jahrh. gefchehen. Dafür führt er Beweiſe nicht 
— das Unrichtige ſeiner Meinung ergiebt ſich aus dem Obigen zur 

nüge. 


1 S. o. S. 599 Anm. 3. 
2S. o. ©. 599 Anm. 4. 


Kleinere Mittheilungen. 


Zu den Annales Sithienses. 
Bon B. Simfon. 





In feinem Auffage über „Einhard und die Annales Fulden- 
ses“ im 18. Bande der Forfhungen hat Wait das Verhältniß diefer 
Jahrbücher zu den Annales Sithienses nochmals einer Erörterung 
unterzogen. Da diejelbe zwar nicht an mich, aber wenigjtens zum 
Theil gegen mich gerichtet ift, gejtattet man mir vielleicht einige 
Einwendungen. Ich will e8 vermeiden, die Controverfe felbft von 
Neuem aufzunehmen und bejchränfe mich auf den Verfuch, gewiſſe 
Argumente, die Waig für feine Anficht anführt, zu entkräften!, 

Auf ©. 355 f. weiſt Waik auf die enge Verwandtichaft Hin, 
welche der Bericht der Ann. Sithienses zum Jahr 753 (752 ift 
Drudfehler) mit den Ann. Lauriss. min. zeige. Cr läßt dabei den 
Unterjchied unberührt?, daß, während die Ann. Lauriss. min. von 
Grifo jagen: a Theodoino comite ... obprimitur, Ann. Fuld. 
und Sith. denfelben a comitibus fratris (sui) getödtet werden laffen. 
Diejer Plural Hat feine Berechtigung nach der Fortfegung des Fre— 
degar, auf melde ich mir deshalb hier nochmals (wie bereit For— 
dungen z. D. ©. IV, 582) zu verweifen erlaube, obihon Waitz fich 
gegen eine ſolche Verweifung verwahrt. Man lieft dort (Bouquet 
V, 2):... a Theodone comite Viennense seu et Frederico 
Ultrajurano comite ... interfectus est; vgl. auch Oelsner, König 
Pippin S. TEN. 4. 

©. 356 fügt Waitz Hinzu, in der Cont. Fredeg. fehle aud) der 
Sa über Stephan, womii nad den Zufammenhange der Sag über 
die Ankunft diefes Papftes im Frankenreiche gemeint zu fein fcheint, 
Thatſächlich findet ſich diefer Sat jedoch im nächftfolgenden Gapitel 
(119 Bouquet 1. c.) der Cont. Fred.°: Ibique Stephanus papa 
Romensis ad praesentiam regis veniens, multis muneribus tam 


ı Ich glaube nicht, daß in der Sache durch die folgenden danfenswerthen 
Bemerkungen etwas geändert wird, und habe mir nur erlaubt einiges erwiedernd 
oder zuftimmend beizufügen. ©. W. 

*» Beil er m. E. gar nicht in Betracht kommt; wäre die Cont. Fredeg. 
an: jo ift das ebenfo gut, ja eher bei den Fuld. als den Sith. möglid, 


Bergl. aud) Oont. Fred. c. 121-122 zu dem was Waitz ©. 356 beſpricht. 


608 


ipsi regi quam et Francis largitus est, auxilium petens contra 
gentem Langobardorum et eorum regem Aistulfum etc. 

Auf S. 356—357 heißt e8, nur den Ann. Laur. min. fönnten 
die Worte 764. Hiems valida et praeter solitum prolixa entlehnt fein; 
„maj. und Einh. haben nichts davon“. — von habe ich einzu= 
wenden, daß die Ann. Laur. maj. und Einh. den ungewöhnlid 
ſtarken Froſt jenes Winters allerdings erwähnen (j. SS. I, 144. 
145), wenn aud) bereit8 unter der Jahreszahl 7631. Jene ſchreiben: 
Et facta est hiemps valida; diefe: Facta est autem eo tem- 
pore tam valida atque aspera hiemps, ut inmanitate frigoris 
nullae praeteritorum annorum hiemi videretur posse conferri. 
Früher wollte Wait die betreffende Stelle der Ann. Fuld. übrigens 
theilweije aus den Annales Petaviani herleiten (Nachrichten von der 
K. Geſellſch. d. Wiffenfh. zu Göttingen 1864 Nr. 3, ©. 67). 

Weiter lieft man bei Wai auf ©. 357: „Ganz wörtlich den 
Laur. min. entlehnt iſt 772: Adrianus Romae pontificatum sus- 
eipit“. Diejer Behauptung muß ein Verjehen zu Grunde liegen; 
dern die Ann. Laur. min. enthalten diefe Worte gar nicht. 

Auf derielben Seite rügt Waig, daß die Ann. Sith. 791 die 
Bezeichnung Pannoniorum anwenden. Die Yesart Pannoniorum 
beruht aber nur auf unzutreffender Ergänzung von Mone, Nach den 
Ann. Blandinienses (791, SS. V, ©. 22 lin. 42), in welchen bie 
Sith. benutzt find, ijt dafür Hunorum zu lejen?, 

Noch jtärfer tadelt Wait (S. 358) die Sith., weil fie 794 von 
der Franffurter Synode fchreiben: in qua heresis Feliciana iterum 
a suo auctore condempnata est, und zwar namentlich wegen des 
a suo auctore, „da es fid) nicht ... . um den Widerruf des Felix, 
jondern die Verurtheilung durd die Synode handelte“. Auch hier 
liegt der Fall fo, daß von dem Vorwurf nur Mlone getroffen wird, 
ber die Präpofition a ergänzt hat. Ann. Blandin. (794 1. c. lin. 
46— 47) zeigen, daß cum suo auctore gelefen werden muß ?, 

Diefe Beifpiele beweifen, wie fehr die Ausgabe Mone’s, dem 
die Ann. Blandin. übrigens noch unbefannt waren, der Berbeiferung 
bedarf. So ijt, wie diefe Annalen und die Ann. Enhardi Fuld. er: 
geben, 3. B. auch 783 ftatt Berta regina mater zu leſen: Berta 
regis mater; 795 devastat ftatt devastavit*; 800 exereitus in 
Beneventum missus est ftatt exereitum in Beneventum misit; 


! Die Laur. min. nennen aber ausdrücklich d. J. 764, das Fuld. und 
Sith. haben. ©. W. 

2 Diele beiden Berichtigungen find ganz am Plate; auf die legte war ich 
nad Einfiht von Jaffés Abjchrift nn ſelbſt aufmertſam geworden, da die 
Lücke nur dieſe Ergänzung zuläßt. G. W 

s Auch Jaffé hat a ergänzt; doch wird das cum der Ann. Bland. vor: 
zuziehen fein. Nur ift aud) das ein willfürlicher Zufag, von dem die Duellen 
nichts wiſſen, der ſich auch nicht in den Fuld. findet, wie nah Simjons An- 
nahme zu erwarten wäre. Bon dem “üterum’ ftatt ‘tercio’, das fie unrichtig 
haben, wird geſchwiegen. G. W. 

* Der leere Raum würde mehr für devastavit fpreden, ©. W. 


609 


813 consortem imperii ftatt consortem regni; 816 usa ftatt 
fisa u. ſ. w. Da überdies Jaffé eine Abjchrift des Tertes der Ann. 
Sith. aus dem Coder Hinterlajfen hat, jo wäre e8 in der That wün— 
ſchenswerth, daß die noch nicht bejtimmt im Ausficht geitellte neue 
Ausgabe im 13. Bande der Seriptores uns nicht vorenthalten würde, 
Ob die von Waitz S. 355 vorgefchlagene Emendation Romanus für 
Romanis (753) zutrifft, it mir zweifelhaft; denn auch Romanis 
giebt hier einen Sinn und die Ann. Blandinienses (743 ©. 22 lin. 
16) haben es ebenfalls!. Daß 810 pulverum sparsorum zu leſen 
ift, hat Wattenbach gezeigt (Geichichtsquellen I, 4. Aufl., S. 184 N. 3). 

Zur Begründung feiner Anficht, daß in den Ann. Enhardi 
Fuld. aud) die Ann. Einhardi benugt feien, beruft ſich Wait 
©. 360 auf die Zufammenftellung von Dünzelmann (Neues Archiv 
II, 500 f.)?. Ich darf Hier nicht geltend machen, daß nach meiner 
Anficht weitaus die meiſten diefer Nehnlichkeiten mit den Ann. Ein- 
hardi aus den Ann. Sith. in die Fuld. übergegangen find. Ich 
will auch nicht betonen, daß es wohl kaum der Annahme einer di— 
reften Benußung bedarf, um zu erflären, daß zwei Schriften, welche 
beide den Inhalt derjelben Quelle (Ann. Lauriss. maj.) wiedergeben 
und zugleich deren vohes Yatein in eim bejjeres verwandeln, bisweilen 
im Ausdruck übereinjtimmen. Dagegen bemerfe ich, daß Dünzelmanns 
Angaben theil® nicht überall richtig find, theil® zwar für eine Be— 
nugung der Ann. Fuld. in den Einh., aber niemals für das umge— 
fehrte Verhältniß, welches Waitz annimmt, geltend gemacht werden 
fünnen. Unrichtig ift e8 nämlich, wenn Dünzelmann (S. 501) be= . 
hauptet, Ann. Fuld. meldeten übereinftimmend mit Ann. Einh. die 
Niederlage der Franken am Süntel (782), weldje in den Ann. Laur. 
maj. verichwiegen wird. Ich muß vielmehr daran feithalten, daß 
Ann. Fuld. hier lediglih den Bericht der Laur. maj. wiedergeben 
und von einer Kenntniß der gänzlich abweichenden, ausführlichen Erzäh- 
(fung der Ann. Einh. feine Spur verrathen (vgl. Jahrb. des Fränf, 
Reichs unter Yudwig d. Fr: I, 403). Wie e8 fcheint, hat Dünzel— 
mann hier die Worte der Fuld.: non sine grandi clade suorum, 
mißverjtanden, indem er suorum auf die Franken bezog. Es bezieht 
fid) aber ohne allen Zweifel auf die Sachſen und entjpricht den 
Worten der Ann. Laurissenses (S. 162): et multos Saxones 
interementes. Unter den Vebereinjtimmungen im Ausdruck, welche 
Dünzelmann anführt, findet ſich ferner folgende: 


Ann. Fuld. Ann. Einhardi. 
774. Langobardi obsidione per-| Fatigatam longa obsidione civi- 
taesi. tatem ad deditionem compulit. 


Nun find die betreffenden Worte der Fuld. den Lauriss. min. 
entlehnt (775 ©. 117: Langobardi obsidione pertaesi), Will 


ı Auch die Handſchrift. G. W. 
2 Nur auf die von Dünzelmann bervorgehobene Webereinftimmung im 
Ausdrud habe ich Hingewiefen. G. W. 


610 


man alfo mit Dünzelmann und Waitz! auf diefe Uebereinftimmung 
Gewicht legen (was ic freilich nicht thue), jo wäre fie geradezu ein 
Argument gegen die Abhängigfeit der Fuld. von den Ann. Ein- 
hardi. Ich halte nad) wie vor für wahrjcheinlic, daß in den Ann. 
Einh. hier Einhards Vita Caroli (ce. 6 — quam et Desiderium 
regem, quem longa obsidione fatigaverat, in deditionem sus- 
eiperet) benugt ift. Denn Dünzelmanns kühne Ausführungen ruhen 
auch fonft vielfach auf unficherm Grunde. So läßt er u. a. die von 
Pertz, SS.I, 338, feineswegs ohne alle Berechtigung angedeutete Mög- 
lichkeit ganz unberüdfichtigt, daß in den Ann. Fuld. 751 von Ein- 
hards Vita Caroli (cap. 1) Gebrauch gemacht fei (man vergleiche 
namentlich die Worte plaustro bubus trahentibus vectus, welche 
in Ann. Laur. min. ©. 116 fehlen). Wie würde ſich aber hiemit 
Dünzelmanns Auffaffung reimen, nad) welcher der erjte Theil der 
Ann. Enhardi Fuld. in den Ann. Einh., dieje aber wieder in der 
Vita Caroli benußt wären ? 

Da Ann. Laur. maj. und Einh. vom %. 801. an zufammen: 
falten, meint Waig (S. 359), fei die Vergleihung der Fuld. mit 
beiden eine befchränfte. Allein, fo geringfügig die Abweichungen jener 
beiden Redaktionen der Reichsannalen von hier ab auch find, läßt ſich 
doc; erfennen, daß der Verfaſſer der Fulder Jahrbücher ſich auch Hier 
an die Faſſung der Lauriss. maj. hielt?. So ſchreibt er mit ihnen 
802 de pace confirmanda, 805 Lechonem, 807 tentoria atrü 
vario colore facta, 810 etiam per, während Einh. Ann. haben: 

ropter pacem confirmandam — Bechonem — tentoria atrii 
8* den Zuſatz) — etiam super. Unter 823 enthalten bie Fuld. 
ferner eine Nachricht über eine Wundererfcheinung in Gravedona am 
Comer See (S. 358 et in territorio Cometense — irradiavit), 
welche fi) auch in einigen Handichriften der Ann. Laur. maj. und 
in den Ann. Bertiniani, dagegen in feiner Haudjchrift der Ann. Ein- 
bardi, fondern nur in der editio — derſelben findet, welche 
von Suterpolationen nicht frei iſt (ſ. SS. 1, 129—130. 132. 211). 

Schon früher wiederholt und auch jest (S. 355) hat Waig die 
Ann. Sithienses al8 eine nicht gleichzeitige Quelle bezeichnet. Na— 
mentlich deutet nach feiner Meinung auf fpäteren Urfprung die Stelle 
3. J. 810, welche nad Wattenbach zu leſen ift: Magna boum pe- 
stilentia per totam Europam immaniter grassata est, et inde 
pulverum sparsorum fabula exorta est. Mone be 
merft (Sp. 5), daß die era in welche die Ann. Sith. einge- 
tragen find, aus dem 9. Jahrhundert herrühre, und ſetzt ausdrücklich 
Hinzu: „Die Schrift diefer Annalen gehört ebenfalls in das 9. Yahr- 
Hundert“. ft diefe Angabe richtig — und meines Wiffens ift ihr 
bisher nicht widerſprochen — jo find wir jedenfall® genöthigt, die 
Abfaffung der Sith. in dies Jahrhundert zu ſetzen. Was die Stelle 


ı Ich habe diefe Stelle nicht angeführt. ©. W. 
2 Daß dies regelmäßig der Fall, habe ich mie bezweifelt. ©. W. 


611 


unter 810 betrifft, jo meint Wattenbach (a. a. O. ©. 184), in di— 
rekteſtem Gegenfag zu Waitz, diefelbe weile auf einen Zeitgenofjen, 
Er geht darin vielleicht zu weit, aber Thatjache ift, daß jene fabula 
nicht etwa eine in fpäterer Zeit entjtandene Sage, fondern ein aber- 
gläubifcher Wahn war, welcher fich damals, al8 jene Rinderpeſt 
herrfchte, verbreitete. Hierüber geben die von Wattenbad) angeführten 
Stellen bei Agobard von Lyon und in den Gapitularien (LL. J, 
162. 163; vielleicht auch zu vergleichen V. Walae II, 1, SS. II, 
547: pulverum fallax adinventio) klare Auskunft. Agobard 
Schreibt in einer wenige Jahre nad) 8IO (vgl. Blügel, De Agobardi 
vita et scriptis. Halle 1865, ©. 16 f.) verfaßten Schrift: Ante 
hos paucos annos disseminata est quaedam stultitia, cum es- 
set mortalitas boum, ut dicerent Grimaldum ducem Beneven- 
torum transmisisse homines cum pulveribus, quos spargerent 
per campos et montes, prata et fontes, eo quod esset inimi- 
cus christianissimo imperatori Carolo, et de ipso sparso pul- 
vere mori boves etc. (De grandine et tonitruis). 

Am Schluffe feiner Erörterung geht Waitz auf Vermuthungen 
über den Zufammenhang zwiichen den Fulder Annalen und Einhard 
ein. Er hat dabei die Thatfache unberührt gelajfen, daß die Ann. 
Sith. in den Ann. Blandinienses benugt find. Perg (SS. V, 20) 
weiſt nad), daß diefe Ann. Blandin. auf älteren Annalen dejjelben 
Klofters beruhen, welche in einem im 10. Jahrhundert angelegten 
Zinsbuche ftanden und auch ſchon die aus den Sith. entlehnten Stellen 
enthielten. Wenigftens macht er dies jehr wahrjcheinlih. Hienach 
dürfen wir annehmen, daß die Sith. in jener ehemaligen Abtei Ein— 
hards, in St. Peter auf dem Mont Dlandin zu Gent im 10. Jahr— 
hundert bekannt waren. Merkwürdig ift, daß nur Blandin. und 
nicht Sith. unter 810 (S. 23) jchreiben: et Karolus novissime 
in Sithiu fuit — eine Nachricht, die fi zwar nicht mit dem Iti— 
nerar dieſes Kaiſers vom Jahre 810, aber beſſer mit den vom Jahre 
811 verträgt. 


XVIII. 40 


Ueber Wipo. 
Bon J. Harttung und J. May. 





I. Bon J. Harttung. 


Die Frage, wann Wipo das Leben Kaifer Konrads zum Ab: 
ſchluſſe gebracht, hat bereits wiederholt die Aufmerkſamkeit der Forſcher 
auf fich gelenkt. Schon Stenzel bemerkte, daſſelbe müjfe nad) 1046 
verfaßt fein (Geſch. Deutſchl. unter den fränk. Kaiſ. II, ©. 44), 
Perg erklärte fid) für die Jahre 1046 bis 1050 (1049?)!, Pflüger 
(N. Ar. II, ©. 133) verwies darauf, der Umftand, daß der Tod des 
Biihofs Wilhelm von Straßburg nicht in der Vita erwähnt sei, 
liege die Vermutung auffommen, fie jei zwifchen dem 25. Dec. 
1046 und dem 7. November 1047 vollendet, wofern wir uns nicht 
mit den vorhin bejtimmten Grenzen begnügen wollten. Letzteres dürfte 
hiernad unbedingt nöthig fein, weil Wipo die Angaben über Bijchöfe 
und dergl. meiſtens nur feiner Vorlage entlehnt hat, und er weit 
entfernt davon iſt, Negierungsantritt und Tod gewijjenhaft aufzu= 
zeichnen: erwähnt er 3. B. doc) nicht einmal das Ableben Aribos und 
Piligrims (vergl. aud) meine Studien S. 10 Anm. 1). Gieſebrecht 
entjchied fic) in der vierten Auflage feiner deutichen Kaiferzeit II, 
©. 562 dahin, das Werf fei vor 1045 abgefaßt, Später aber über: 
arbeitet, und zwar habe es im Jahre 1049 die uns vorliegende Ge— 
ftalt erhalten. In meinen Studien S. 18 fam ich, auf Grund der 
abweichenden Zitulaturen, zu dem Scluffe, die Abfaffungszeit der 
Vita lafje fi) nicht genau beſtimmen; c8 möge dahin gejtellt bleiben, 
ob wir an eine Interpolation, vielleicht von Wipos eigener Hand, 
denfen wollten, daran, der einleitende Brief fei ſpäter geichrieben, als 
die Ueberfchrift dejjelben, oder ob wir offen ein non liquet einge- 
ftehen müßten. Breflau hat im N. Archive Il, ©. 588 die Frage 
mit Weiterführung der von Giefebrecht angenommenen Snterpolationen 
dahin zu entjcheiden gefucht, daß die Vita vor Weihnachten 1046, 
der Raiferfrönung Heinrichs III., verfaßt, aber erjt nad) diefem Tage 
publicirt und dem Kaiſer überreicht ſei. Urſprünglich habe Wipo 


Abhandl. d. f. Alad. d. Wiſſenſch. zu Berlin 1851, ©. 230, vergl. 
Pflüger, N. Arch. II, ©. 133. teniß 3 r » DES 


613 


beabfichtigt, die Gefchichte Konrads IT. und Heinrich III. gemeinſam 
zu bearbeiten, habe dann aber feinen Plan geändert und die Vita 
Chuonradi gejondert behandelt. 

Bei diefen fo vielfach im Einzelnen abweichenden Anfichten dürfte 
es der Mühe verlohnen, die Unterfuhung noch einmal aufzunehmen 
und fo weit als möglich zum Austrage zu bringen, wobei als An- 
halt die Arbeit Breflaus gelten muß, die eingehendfte ihrer Art und 
diejenige, für welche die übrigen bereitS vorlagen. — Der einleitende 
Brief der Vita trägt die Ueberſchrift: Epistola ad regem Hein- 
rieum Chuonradi imperatoris filium, im Text des Briefes da— 
gegen ift von einem imperator Heinricus die Rede; dies fteht 
nicht im Einklange mit einander und läßt fich auch nicht durch die 
Annahme löfen, daß die Lleberfchrift von jemand anders als W. her- 
rühre, denn feine ſämmtlichen von Perg edirten Werke tragen eine 
Ueberfchrift, und in den Werfen wieder ſämmtliche einzelnen Abjchnitte: 
der Brief ftünde mithin geradezu als Ausnahme da, wenn ihm eine 
folche fehlte. Die Umftändlichkeit in der Titulatur, namentlicd die 
Beifügung des ‘Chuonradi imperatoris filium’ (Näheres unten) und 
die Fanzleimäßige Haltung weijen hier fogar noch ganz bejonders 
deutlich auf den Verfaſſer. 

In dem Prologe findet fi) das Folgende: Siquidem cum de 
publieis gestis paratus sum dicere, praecipue duorum acta re- 
gum complectar, scilicet Chuonradi imperatoris atque filii ejus 
regis Heinriei tercii.. .. Patris vero gesta quae meis 
temporibus aceiderant, prout ipse vidi aut relatu aliorum di- 
diei ... effigiabo. Acta autem clarissima filii, 
quoniam adhuc ... . superstes regnat, quamdiu vixero, con- 
gregare nondesinam. Quodsi hoc acciderit, ut, sicut 
ante regem hanc vitam mihi contigit introire, sic mihi 
accidat exire, et eo modo opus meum imperfectum dese- 
ram, obseero post me scribentem, ne pudeat illum meis 
fundamentis parietes suos superponere .. . Haec de pro- 
oemii compendio proposui, nunc ad gesta imperatoris 
venio. Hier jteht alfo, daß Wipo vorhabe die Thaten Konrads, wie 
er fie fah oder erfuhr, darzuftellen (zu geftalten, effigiare), daß er 
aber diejenigen Heinrich nicht aufhören werde zu ſammeln (congre- 
gare), um fie, fügen wir hinzu, nad) dejjen Tod (quoniam adhue 
.. . superstes regnat), aljo zeitlich ganz gejondert, gleichfalls nie— 
derzufchreiben.. Es entjpricht dies den Worten in dem Widmungs- 
briefe: et quoniam sunt quaedam quae vivente patre laudabi- 
liter egisti, eadem inter patris acta ponenda censueram, quae 
vero post obitum illius gloriose feceras, per se 
ordinanda decrevi; und ebenjo denen im 36. Cap. ber Vita: 
quod plenius in gestis regis, si Deus voluerit, exequar; des- 
halb geht denn auch Wipo im Prologe ſchließlich ad gesta impera- 
toris über, nicht ad gesta imperatoris et regis, oder ad gesta 
imperatorum. Widerſprüche laſſen ſich Hier aljo nicht entdedten, wie 


40 * 


614 


es auch kaum viel für fich haben dürfte, daß zwiſchen dem einleitenden 
Briefe und dem Prologe, zwei jahlid jo eng zufammenhängenden 
Schriftitücen, der Plan des Autors geändert fein follte, ohne daß er 
fi) die Mühe nahm, Anhalt und Aenderung in Uebereinftimmung zu 
bringen. Auf die Worte complectar und opus ein großes Gewicht 
zu legen, dürfte fich bedenklich; ausnehmen, und zwar in Betreff des 
‘complecti’, weil es bereit8 im klaſſiſchen Yatein als einfach „bes 
Schreiben, vortragen“ gebraucht wird, in Betreff des ‘opus’, weil es 
nur gefchehen kann gegen die Meinung Wipos, wie fie fi) aus dem 
Zufammenhange ergiebt, weil Wipo namentlid im Prologe einen 
verſchnörkelten Stil fchreibt, mithin wenig auf den einzelnen Ausdrud 
gegeben werden darf, und weil fich der Begriff der inneren Zuſam— 
mengehörigfeit zweier Lebensbeichreibungen von Vater und Sohn jehr 
gut mit dem unfcharfen ‘opus’ (Werf, Unternehmen, Arbeit ꝛc) ver- 
trägt. Hier den Schluß zu wagen, Wipo betrachte die gesta Kon— 
rads und Heinrichs nur als ein ‘opus’ und daraus zu folgern, jcheint 
ung unzuläjfig zu fein. 

Dieſe Thatfache hindert uns auch zuzugeben, daß deshalb die An- 
nahme nahe liege, der uns erhaltene Text Wipos jtelle ſich nachträglich 
al8 ein überarbeiteter dar, infoweit als die Aenderung feines Plans, 
die Vita Chuonradi gejondert herauszugeben, folche Ueberarbeitungen 
nöthig machte. Zwar pafjen gleich in dem erjten Capitel die Worte 
‘nune ad propositum redeo’ nicht zu dem folgenden auf Ungarn 
bezüglihen Sate, doch darf hieraus ſchwerlich ohne Weiteres ges 
ſchloſſen werden, diejer letztere fei dadurch als eingefchoben gekennzeich— 
net, um fo weniger al8 er durchaus dein Zujammenhange entipricht. 
Wipo giebt nämlich eine Art von Weberficht über die zu Deutjchland 
in Beziehung ftehenden Länder, erjt redet er von Stalien, dann von 
Burgund, dann von Ungarn. Es laſſen fich eine ganze Reihe von 
Möglichkeiten denken, was es mit jenen Worten nunc ad proposi- 
tum redeo’ für eine Bewandtnig habe: fie find nichts als eine 
Nachbildung der Wendung nunc ad inceptum redeo’, welche ſich 
cap. 4 von Sallujt8 Bell. Jug. findet, in einen Capitel, das Wipo 
auc ſonſt, namentlich im Prologe, reichlich benutzt hat, wie er ſich 
überhaupt, ganz in Widufinds Art, Salluftiischen Phrafen nur zu 
fehr geneigt zeigt. Nur wenige Zeilen höher bringt er im cap. 1 
ebenfall® eine „äußerſt ungeichieft mit autem“ zwiſchen Stalien und 
Burgund eingefchobene Aufzählung der deutichen Herzöge, die auf eine 
Interpolation gedeutet werden könnte. Entſchieden hätte fie bejjer vor 
Italien und dejjen prineipes gepaßt!, wie der Sat ‘nunc ad pro- 
positum redeo’ hinter Ungarn. 

Dod nehmen wir hier jpätere Einfchiebungen an, gegen welche 
ſich als Möglichkeit nichts vorbringen läßt. Nunmehr gilt es, folce 
auch in dem jpäteren Capiteln nachzumweifen, wofür zwei Stellen bei— 


* Borber: res petit, ut dieam summorum nomina quaedam, seu 
pontificum sive secularium principum, qui tunc in regnis vigebant, 


615 


gebracht find. Die eine findet fi im cap. 8 und lautet: Heinri- 
cus, ‘qui postea rex et augustus effectus est. Mit ihr ift zu 
vergleichen: Epistola ad regem Heinricum, Chuonradi impera- 
toris fillium, was nicht minder trivial und nichtsfagend fein dürfte; 
oder, wenn man dies nicht gelten laffen will, im Prologe: Chuon- 
radum imperatorem, patrem gloriosissimi regis Heinrici tercii, 
ferner: scilicet Chuonradi imperatoris atque filii ejus regis 
Heinriei tercii, oder cap. 1: rex Heinricus tertius, pius, paci- 
ficus, linea justicia, oder cap. 36: cum gratia Heinriei regis, 
filii imperatoris u. A. Alle diefe Stellen gehören offenbar in dies 
jelbe Kategorie, alle drehen fih um die Perfon Heinrichs ILL, und 
das it bei dem Hofmanne Wipo, der dieſem fein Buch überreicht, 
fein bloßer Zufall. Gerade hier möchte es am wenigiten angebracht 
fein, auf Snterpolationen zu ſchließen, da aud ſchon im Zetralogus 
V. 110 auf die Kaiferwürde Heinrichs hingewiefen: pie rex caesar- 
que future. 

Die zweite für Ueberarbeitung herangezogene Stelle Tautet 
(cap. 29): defuncto Misicone, Gazmerus filius ejus fideliter 
serviebat huc usque imperatoribus nostris. Sie fpridt 
ihon an ſich jo wenig für fich felber, daß wir auf nähere Erörterung 
verzichten fünnen, nur darauf machen wir aufmerffam, daß jie zu— 
fammenzuftellen ift mit: duorum acta regum complectar, seili- 
cet Chuonradi imperatoris atque filii ejus regis Hein- 
riei tertii, welche wieder zu vergleichen mit dem Titel der Carlsruher 
Handichrift: Gesta quorundam imperatorum Chuonradi et Hein- 
riei (conscripta per Wiponem presbyterum). Während hier, in 
cap. 29 und in dem einleitenden Briefe von Heinrich als Kaifer die 
Rede ift, wird er im Prologe, in der Ueberichrift des Briefes und 
an vielen anderen Stellen als ‘rex’ bezeichnet. Das Eine fteht da 
wie das Andere. 

Zum Schluffe fei noch auf cap. 36 verwiefen, wo e8 heißt: 
cives Mediolanenses ... . Heribertum usque obitum ejus cum 
honore retinuerunt, sed tamen cum gratia Heinrici regis, filii 
imperatoris, quod plenius in gestis regis, si Deus vo- 
luerit, exequar; welches das jtärfjte Argument gegen die Annahme 
ift, die gesta Konrads und Heinrich feien al8 ein Werf zu be— 
tradhten, wenn anders man auch hier nicht annehmen will, e8 laffe 
„ſich leicht ausſcheiden“. 

Schwer iſt zu ſagen, wie es mit der etwaigen Urſprünglichkeit 
des Titels der Carlsruher Handſchrift ſteht. Wir glauben, Pertz iſt 
hier mit richtigem Takte verfahren, daß er ſie nicht aufnahm; denn 
Wipo felber würde ſchwerlich Festa quorundam imperatorum’ 
geſagt haben. Auch die Erſetzung von ‘rex’ durch imperator' iſt 
bei Späteren, wo jener Begriff von dieſem überdeckt worden, alltäglich, 
das Umgekehrte dagegen nur als ſeltene Ausnahme vorkommend, wes— 
wegen wir auch der Ueberſchrift Ppistola ad regem’ ein entſchie— 
denes Gewicht einräumen müſſen. 


616 


Nach alledem Können wir nicht zugeben, daß ber Beweis erbracht 
fei, oder fich erbringen ließe, Wipos urfprürngliche Abficht ſei geweſen, 
die Thaten Konrads und Heinrichs in Einem Werke zuſammen zu 
faffen. Wir können uns hier nur den Worten Steindorffs, Yahrb. 
I, ©. 418, anfchließen, daß Wipo mehrfach ausgeiprocdhen habe, aud) 
gesta Heinriei regis zu bearbeiten, und daß anzunehmen ſei, er habe 
bereit allerlei Stoff dafür gefammelt, als er mit feinem Werfe über 
Konrad hervortrat. Dies ftimmt genau zu unferer Interpretation 
des Prologs und läßt fich trefflich mit dem Ausſpruche Mays im 
N. Arch. III, S. 412 verbinden, dem zufolge er zu der Ueberzeugung 
gediehen, daß unfer Text ein fehr mangelhafter. 

Dbwohl nun Wipo unfer vornehmiter Berichterjtatter über 
Konrad II. ift, der uns Nachrichten vom höchſten Werthe überliefert, 
fo darf doch nicht verfannt werden, daß wir in ihm feinen jo unbe— 
fangenen Schriftiteller wie Widufind oder Thietmar vor uns haben, 
vielmehr einen folchen, der der höfifchen Hrotfuith fehr nahe fteht. 
Er verfchweigt die Zugeftändniffe Konrads in feiner Eheangelegenheit, 
verfchweigt den Abfall der Italiener und die Ausbietung der italieni- 
chen Königsfrone, weiß nichts von der Flucht (?) Bruns und Hein- 
rihs vor den fchwäbiichen Aufftändifchen, nicht® von den Zerwürf— 
niffen zwifchen Vater und Sohn bei der Abjegung Adalberos von 
Kärnthen. Das Emporfommen des falifchen Haufes beruht auf uns 
mittelbarem Einwirfen Gottes, denn: non erat fas alicui in terra 
militare, quem Deus omnipotens praedestinavit omnibus im- 
perare (cap. 2 fin). Bor dem Ueberirdifchen müſſen ſelbſtverſtänd— 
(ih die auf der Erde Wallenden, namentlid) Erzbiichof Aribo von 
Mainz, zurücktreten. Wie die Thronfolge Konrads, jo färbt er den 
Rücktritt der Lothringer, welcher officielle Verhandlungen?! des Pfalz- 
grafen Ezzo nöthig machte, fo vertufcht er den Grund der Empörung 
Herzog Konradse, wo an Stelle des wahrfcheinlichen Unrechts des 
Königs der Teufel eintreten muß, fo redet er bei Konrads erjter An— 
wefenheit in Ronjtanz von ‘bene ordinato regno Sueviae, ad ca- 
strum Turicum perrexit’ (cap. 7), während wir es mit der Zeit 
zu thun haben, wo der ſchwäbiſche Aufftand entweder in hellen Flam— 
men ftand, oder bald darauf, noch im Laufe defjelben Jahres, aus: 


ı Die vornehmften weltlichen Großen Lothringens befanden fi 1025 
gegen den deutichen König in offener Oppofition, einzelne mit nachweisbaren Be 
ziehungen zu Franfreih. In Frankreich hatten ſich die Dinge feit dem Sep- 
tember derartig geftaltet, daß von dorther feine Unterftügung mehr ermartet 
werden durfte (vergl. meine Anfänge Konrads II, ©. 41). Anfang November 
1025 war Pfalzgraf Ezzo, Ottos III. Schwager, in der Pfalz zu Aachen, alio 
am officielfen Orte, ‘occupatus cum totius Lotharingiae majorum collo- 
quio. Etwa 1'/, Monate fpäter fehen wir die hervorragenbften diefer ma- 
jores, namentlich die lothringiſchen Herzöge, in eben derielben Pfalz zu Aachen 
Konrad II. die Huldigung leiſten. Danach liegt die Rolle, welche Ezzo geſpielt 
hat, völlig Mar; Hier noch die Vermuthung zuzulaffen, er fönne vielleicht mit 
‘totius Lotharingiae majores’ Privatgefpräche geführt haben, ift mehr ale 
nöthig. Anders Breßlau, in Sybels Hifi. Zeitſchr. N. F. II, ©. 138. 


617 


brach. Erft im 10. Gap. berichtet Wipo Hiervon, und zwar fehr allge 
mein und obenhin (vergl. Ann. Sang. 1025). Nur zart deutet er 
an, daß es bei der Kaiferfrönung der Giſela auch nicht ganz glatt 
hergegangen fein muß (Studien S. 12); chronologiſche Ungenauig» 
feiten find nicht jelten, auf die im cap. 33 hat bereits Waitz auf- 
merkſam gemacht (Forih. VII, ©. 397). Andere finden fich in den 
eriten Gapiteln, in cap. 8'. 12, 21 und wahrjceinlid im cap. 13 
(Studien ©. 15). 

Auh im cap. 25 hat man fachliche Fehler zu finden geglaubt 
(N. Arch. II, ©. 592). Die Stelle lautet: Qualiter dux Ernu- 
stus ducatum accepit et statim amisit. A. D. 1030. imperator 
Chuonradus apud Ingelenheim pascha celebravit. Ibi Ernu- 
stus supra memoratus dux Alamanniae, a custodia solutus, 
ducatum recepit, eo tenore ut Wezelonem militem suum ... 
quasi hostem rei publicae cum omnibus suis persequeretur, 
idemque se facturum cum sacramento confirmaret. Quod cum 
dux facere nollet, hostis publicus imperatoris dijudicatus est, 
et penitus ducatu amisso, cum paucis inde recessit. 

Die Ueberfchrift giebt hier kurz den Anhalt des Textes an: 
Herzog Ernjt empfing das Herzogthum und verlor es fogleich wieder. 
Dies wird num näher ausgeführt. Zu Ingelheim am heil. Oftertage 
erhielt er fein Herzogthum zurück, es geichah unter der Bedingung, 
dag er Werner mit ganzer Macht nachitelle, was er durch einen Eid 
befräftigen mußte (confirmaret iſt wie persequeretur von eo te- 
nore ut abhängig). Der fo wieder eingejeßte Herzog wollte nun aber 
nicht thun (facere), nicht ausführen, was er verfprocen Hatte, wollte 
Werner nicht verfolgen, worauf er feiner Würde ein für alle mal 
verluftig erklärt wurde (quod cum dux facere nollet bezieht fich 
nicht auf die Ablegung des Eides, fondern auf die Haltung deſſelben: 
idque se facturum, beidemal dajjelbe Wort; die Ausdrucksweiſe ijt 
gedrängt und etwas unbehülflich, welches letztere ganz gewöhnlich in 
der Vita ijt). Hiermit ftimmt Herimann von Reichenau überein, 
der auch unter 1030 berichtet; Ernust dux, cum exilio relaxatus 
ducatum suum recepisset, pravorum consilio usus et denuo 
imperatori refragatus ducatu privatur. Nad) diefen beiden Quellen 
kann weder über die Zeit nocd über den Hergang ein Zweifel ob— 


ı Wipo cap. 8: (Basileae) provisor ante tres menses, quam rex 
veniret, migravit a saeculo.. Da Konrad am 23. Juni 1025 in Bafel war 
(Stumpf 1892), fo ergäbe jene Notiz Ende März 1025 als die Zeit von Adal- 
beros Ableben. Dies fteht in Widerfpruch mit den Angaben des Kalendar. 
necrol. Basil., Böhmer Fontes IV, ©. 146: (Mai 12) IIII. id. Adalbero 
episcopus obiit, qui sepultus est in cripta posteriori et dedit curtes 
suas et proprietates earundem in villis et bannis Tenningen et Illen- 
kilch 1025. Offenbar verdient diefe genaue Nachricht den Borzug vor Wipos 
mehr allgemeiner Gedächtnißnotiz. Vergl. Merian, Geſch. d. Bild. v. Bajel I, 
©. 30: „Im Iahrzeitenbuche des Münfters heißt es von einem Adalbero, er fei 
geftorben den 12. Mai“. So: Gams, Series ep. ©. 261: Abalbero III. + 
12. V. 1025; S. 262 die Literatur; vergl. Stumpf, Reichel. 1877. 


618 


walten, und ebenfowenig, daß die Webereinftimmung beider auf die 
verlorene Neichsgeichichte deutet (vergl. Stud. S. 11 Ann. 2 

Nun findet fi) ein Ernastus dux — ohne Frage der unfrige — 
in einer Urkunde SKonrads vom %. 1028. Steht das mit den 
hronifaliichen Angaben in Widerfpruh? Durdaus nicht, denn 1027 
war dem Empörer nur die thatfächlihe Regierung in feinem Herzog— 
thume genommen, nicht aber feine Würde; diefe behielt er genau jo 
wie Herzog Heinrich der Zänfer, als er in Haft nad Ingelheim, 
oder Erzbiſchof Friedrih von Mainz, al® er in Gewahrjam nad) 
Hamelburg gebraht wurde. Daß dem fo ift, beweifen Wipo cap. 20, 
die Ann. Sang. maj. und Herimann an. 1027, bei denen allen nur 
die Rede davon ift, daß der Herzog mit Gefangenjegung, nicht aber, 
daß er mit Abſetzung beftraft worden. Es wird ferner durch den 
Umstand bewiefen, daß 1027 Fein neuer Herzog erhoben wurde, was 
1030 alsbald gefhah; und fchlieglih dur die Titulatur im 25. 
Gapitel Wipos, wo Ernft vor der Wiedererlangung des Herzogthums 
in der Weberfchrift und im Texte dux genannt wird; jo wie ihm 
feine Wirde genommen, ift von ihm nur als Ernustus die Rede, der 
Titel fehlt (Näheres Stud. S. 13 Anm. 2). 

Nach diefer Seite Hin ift alfo die Zeugenangabe nur eine Be— 
ftätigung unferer übrigen Nachrichten, von ſelbſtändigem Werthe wird 
jie erft für die Dauer der Haft; denn, wenn Ernft ſchon im Mai 
oder Juli 1028 in Weftfalen oder Magdeburg auf einem faiferlichen 
Diplome figurirt, jo iſt daraus zu folgern, daß er damals bereits 
feiner Haft auf dem Gibichenftein entlaffen war, womit Herimanns 
Worte jtimmen: Ernustum ... per aliquod tempus exilio de- 
putavit, die bei einem im chronologischen Dingen fo gewiſſenhaften 
Manne, wie dem Reichenauer Mönche, kaum auf Jahre zu beziehen 
find. Demnach hatte der Stiefvater alfo ſchon in der eriten Hälfte 
de8 Jahres 1028 feine faiferliche Gunst (befanntlidy im Meittelalter 
techniich) theilweife feinem Sohne wieder zugewandt, da er ihm aber 
nicht traute (vgl. cap. 28 fin.), gab er ihm das Herzogthum  erjt 
zwei Jahre ſpäter zurüd. Es wird unterdeſſen interimiftiich verwaltet 
fein, vielleicht durch Brun von Augsburg und nad) dejfen Tode durch 
Warmann von Konftanz !. 

Wie manche Ungenauigfeit Wipo ſich ſonſt Hat zu Schulden 
kommen laffen, über Ernft II, den Sohn feiner Raijerin, feinen 
wahrfcheinlichen Herzog ?, erweilt er fi) im Gap. 25 nicht Schlechter 
unterrichtet al8 in anderen. 

ı Verl. Wipo cap. 11. 19. 23. 25. Die Verwaltung Lothringens durch 
Brun von Köln war noc) nicht vergeffen, fpäter finden ſich befanntlich interimi- 
ftiiche Verwaltungen wiederholt. 

2 Märe der Krönungsleihh in Conradum Salicum bald nad) der Erhe- 
bung des Königs gedichtet, fo ließe auch er fich für die nichtburgundifche, bezw. 
für die fchmwäbifche Heimath Wipos heranziehen (vergl. Arndt, Die Wahl 
Conrad H. ©. 46). Wipos Worte cap. 8: Ruodolfus rex promissa sua 


irrita fieri voluit, find nicht gerade vom burgundifchen Standpunkte ge- 
ſchrieben; vergl, noch Tetral.120: Salve flos patriae. Näheres Stud. S, 16. 





II. Von J. May. 


Nur die Ueberfchrift der Carlsruher Handichrift, bekanntlich der 
einzigen die erhalten (im folgenden C bezeichnet), nicht der von Pi- 
ftorius in feiner Ausgabe gewählte Titel, hat Auſpruch auf Urfprüngs 
lichkeit. Die Bezeichnug ‘Gesta Chuonradi et Heinrici’ entſpricht 
der an drei Stellen (epistola, prol. und c.36) ausgefprochenen Ab» 
ficht, aud) über die Taten König Heinrichs zu berichten. 

Wipo betrachtet demnach beide Schriften als fo eng zuſammen— 
gehörig und ftellt die Abfaffung der zweiten fo ficher Hin, daß er der 
erjten eine Lleberjchrift gibt, die ftreng genommen nur für beide Bio— 
graphien zufammen paßt. Der handfchriftliche Titel iſt alfo ein deutliches 
Wahrzeichen von dem, was unfer Schriftiteller noch gewollt, aber 
wahrjcheinlich nicht mehr vermocht hat, da ihm der Tod den Griffel 
aus der Hand nahm (prol.: obseero post me scribentem, ne 
spernat stylum cadentem erigere). Der Prolog gilt überhaupt 
für die Biographien beider Könige (duorum acta regum) und jtellt 
das opus al® imperfectum dar, fall e8 dem Verf. unmöglich fein 
jollte, die gesta Heinriei zu fchreiben. 

Bon Giefebreht! und H. Breßlau? ift die Vermutung ausge⸗ 
ſprochen worden, daß die gegenwärtige Geſtalt der gesta Spuren einer 
von Wipo felbft herrührenden Ueberarbeitung an fid) trüge. 

AS wichtig gilt in diefer Beziehung ec. 1 die Stelle über Un— 
garn, welde ſich wegen der ungeſchickten Anfnüpfung mit ‘autem’ 
an das Vorhergehende als jpäteres Einjchiebjel erweilt, wenn man 
nicht mit Giefebreht die Worte “nunc ad propositum redeo’ um— 
jtellen und an das Ende diefe® Satzes verfegen will, Außerdem 
hält H. Breflau auch c. 8 die Beifügung ‘qui postea rex et au- 
gustus effectus est’ für fpäteren Zujat. Diefe Stellen beziehen 
fid) beide auf Heinrih, und es ift merfwürdig, daß gerade an den 
Aeußerungen über diefen die Weberarbeitung erfannt werden fann. 
Vergleiht man nämlid) epistol. prolog. und c. 1 mit den übrigen 
Partien, fo ift ein Unterfchied nicht blos in der Titulatur, fondern 
auch in der ganzen Charafteriftift des Königs unverfennbar. Dort 
zeigt id) ein auffallendes Hervorheben der perſönlichen Eigenjchaften 
und Verdienſte Heinrich®. Um von der epistola zu jchweigen, bei der 
fi) ein ſolches Beſtreben von felbjt verfteht, will ich nur erwähnen, 


s zen II 4, &. 562. 
2N. A. Bd. II, dt. 2, S. 590. 


620 


daß das Epitheton “linea justitiae’ in furzer Aufeinanderfolge (prol. 
und c. 1) zweimal wiederfehrt, das zweite Mal in Verbindung mit 
‘pius, pacificus”. Die burgundifchen Angelegenheiten werden ‘divina 
providentia’ geordnet und die Ungarn ‘nobili atque mirabili vic- 
toria’ bewältigt. An ſich wäre das nicht auffallend, wenn es nicht 
in fo ſtarkem Gegenfag zu dem Tenor der übrigen Partien ftände. 
Wir fehen dort Heinrich ganz fucceffive in die Weltgefchichte eintreten, 
fo daß bei der aufinerfiamen Yectüre diefed Teiles der gesta unwill— 
fürlih die Vermutung einer mit den Ereigniſſen gleichzeitigen Auf— 
zeihnung und Abfaſſung des Werfes ſich aufdrängt, in welchem Falle 
es freilich mit dem Jahre 1047 (Pflüger) nichts wäre. Die Stelle 
(e. 8) über die Simonie, foweit fie König Heinrich betrifft, wacht 
durch den Zuja ‘qui — effecetus est’ und durch die Worte “in 
omni vita’ den Eindrud, daß auch hier ein Einfchiebjel der II. Be- 
arbeitung zu conftatiren ift, da der Biograph wol erft nach einer 
längeren Regierungszeit Heinrich® behaupten fan, daß der König 
fi) zeitlebens der Simonie enthalten. Die übrigen Stellen, an 
denen von Heinrich die Nede, find doppelter Art: fie berichten ent= 
weder von den verfchiedenen Phafen feines Entwidlungsganges 
(e. 11. 23. 35. 38) oder von denjenigen Ereigniffen, an denen er 
teil8 als Begleiter der Eltern (c. 24. 30. 35), teils felbitändig Teil 
nimmt (e. 10. 26. 33. 35 Urteil über die Verbannung der Bi- 
ihöfe, 39). Die meiften Greignijfe fallen in die aetas puerilis, 
und ſelbſt die ſlaviſche Action vollbringt er noch “in puerilibus an- 
nis’. Heinrich erjcheint im IL. Teil der gesta al$ “imperii spes’ 
(e. 39), d. h. noch nicht al8 der fertige, abgejchloffene Charakter, wie 
ihn die Epitheta ‘pius, pacificus, linea justitiae’ (ec. 1) erfennen 
laffen. Die II. Partie it demnach, was Heinrich anlangt, objectiver 
und frei von jeder Ueberſchwänglichkeit, was man von der I. nicht 
behaupten könnte. Der Unterfchied ift alfo unverfennbar. Er ift 
aber auch natürlich. Wipo dachte bei der erjten Bearbeitung nicht 
daran, daß der II. Teil des opus möglicher Weife unvollendet bleiben 
fönnte, weswegen er auch immer bei den Taten Heinrich® darauf ver- 
weilt. Als er aber endlich nad) 1046 die gesta Chuonradi allein 
dem neuen Kaifer zu überreichen gedachte, hielt er jenen Fall doch für 
möglich und machte nun einige Einſchiebungen, die der veränderten 
Sachlage entfprechen. Welche find das? 

Die Adreffe der epistola ‘ad regem’ (C) fucht irre zu führen 
und die Entſtehung derſelben zurückzudatiren; da fie aber jo offen- 
bar dem nachfolgenden Text widerfpricht, fo geht daraus hervor, daR 
fie nicht von Wipo !, fondern von einem fpäteren Schreiber herrührt. 
Die epistola ift, wie aus den darin enthaltenen Zitulaturen hervor: 
geht, nach Weihnachten 1046 gefchrieben, alfo an den imperator 
gerichtet, während die Biographie felbit Schon vor 1046 fertig war. 
Als Wipo das 39. Cap. fchrieb, war Heinrich noch rex, ſonſt wiirde 


ı 9. Breflau S. 588. 


621 


er ihn ſchwerlich als “imperii spem’, d. h. als fünftigen imperator, 
bezeichnet haben. Wenn Wipo, wie aus der Gefammtüberfchrift und 
aus den Worten des Prol. ‘opus meum’ hervorgeht, beide vitae als 
ungertrennliche8 Ganzes betrachtete und auch anfänglich zufammen her— 
ausgeben wollte, jo Hat er diefen Plan vielleicht mit Rückſicht auf 
feine Kränklichkeit geändert und die Sonderausgabe beichloffen. Diefer. 
Plan ijt, wie gejagt, nad) 1046 zur Ausführung gefommen, und eben 
aus diefer Zeit datirt die Ueberarbeitung, wie auch die Abfaffung der 
epistola. Wenn eben Sranfheit als Motiv des geänderten Planes 
angegeben wurde, jo hat er daſſelbe in der epist. rhetorifc anders 
gefaßt, indem er jagt: „wenn die ruhmreichen und glänzenden Taten 
jenes nicht vorausgingen, fo würden fie von dem folgenden Glanze 
deiner Tugenden einigermaßen verdunfelt“. 

Der Prolog, in weldem fremde Gedanken! durchſchimmern, 
trägt im I. Teil — si quidem cum — einen durchaus philofophiichen 
Charakter. Der II. Zeil fpricht über den Plan des Werfes, und 
zwar fo, daß er die gesta beider Könige als zufammengehörige® opus 
(duorum acta regum complectar) betrachtet, von dem er vorläufig 
nur ben I. Teil veröffentlicht, während er den II. weiterer Forſchung 
vorbehält. Die gesta Heinriei werden alfo fpäter und für jich er= 
feinen, per se ordinanda decrevi, wie er fi) in der epistola 
ausdrückt. Wipo hat es demnach für nötig gefunden, ſich nochmals 
über die Aenderung feines Planes auszufprechen; dies konnte er aber 
erft tun, als er fich zur Sonderausgabe entjchloß, nämlich nad) 1046. 
Ich bin alfo der Anficht, daß die Stelle ‘si quidem cum — opus 
praeparatum’ zu derjelben Zeit entjtanden ift, wie die epistola. 


1 Außer Macrobius hat Wipo nad einer furzen Bemerkung von Julius 
Kaizl (Differtation über Wipo, feine Schriften, in&bejondere feine Vita Chuon- 
radı imperatoris. Wien o. 3.) die Einleitung des Sulpicius Severus zum 
Leben des bi. Martin (ed. Halm 1866) benutt. Sulpicius fagt, daß fehr 
viele (studio et gloriae saeculari inaniter dediti) das Andenken ihres Na- 
mens durch die Biographie berühmter Männer zu fihern glaubten; diefen Zweck 
erreichten fie theilweife, quia et suam memoriam, licet incassum, propa- 
gabant et propositis magnorum virorum exemplis non parva aemula- 
tio legentibus exeitabatur. Wipo wendet den Gedanken anders und findet 
den Nutzen der Aufzeichnung geichichtlicher Ereigniffe in dem Nahruhm der 
Träger derjelben und (Übereinftimmend mit Sulp.) in dem guten Beijpiel, 
das der Nachwelt gegeben werde (Rerum labentium — solet). Aber zum fe- 
ligen Leben, fährt Sulp. fort, trägt diejes eitle Streben nichts bei: aut quid 
posteritas emolumenti tulit legendo Hectorem pugnantem aut Socra- 
ten philosophantem? Wipo: praeterea videtur non licere ete. Erft 
die Biographie eines Heiligen hat den wahren Wert: quo utique ad veram 
sapientiam et caelestem militiam divinamque virtutem legentes inci- 
tabuntur. Wipo: ex qua re boni ad virtutes (sic! C) incitantur. 
Aus derepistola entjpricht der Ausdrud: ne lucerna lateat sub modio dem 
Sulpicifhen: ne is lateret qui esset imitandus. c. 39 fagt Wipo, daf er 
propter commoditatem legentis den Stoff zufammengezogen habe; denjelben 
Gedanken hat Sulp.: simul et legentibus consulendum fuit, ne quod 
his pararet copia congesta fastidium. 


622 


Geſtützt wird diefe Anficht durch den Nebenfag: quem Henricum 
lineam justitiae cuncti pene prudentiores cognominant. 

Diefe Stelle ift fiher erft fpäter Hineingetragen, als eine län— 
gere Regierungszeit Heinrichs ein definitive Urteil überhaupt zu= 
lieg. — Wenn H. Breflau c. 1 den Sat “Ungaria autem — 
sustinuit' als nachträgliches Einſchiebſel bezeichnet, „deilen Zweck 
offenbar wird, wenn man jieht, wie Heinrich III. darin gepriefen 
wird“, jo halte ich das für richtig, muß aber Hinzufügen, daß der 
voraufgehende Bericht über die Ordnung der burgundifchen Angelegen- 
heiten durch Heinrich; ganz denjelben Charakter trägt und ganz den— 
jelben Zwed hat. In einer Biographie Konrads follten doch deſſen 
Berdienfte die Hauptjache fein, und in der Tat liegt der Fall auch fo, daf 
die endgültige Einverleibung Burgunds unter Kaifer Konrad geichah; 
Statt dejjen wird Heinrich III. ‘pius, pacificus, linea justitiae’ ale 
derjenige bezeichnet, der Burgund bello et pace cum magnificentia 
beruhigt habe, und was die göttliche Vorſehung weiter getan, will er 
andern Orts mitteilen. Man erkennt deutlich, warum Heinrich ein 
fo gloriofer Anteil an der Pacification Burgunds zugefchrieben wird. 
Die Sache bleibt diefelbe, auch wenn man die Worte nunc ad pro- 
positum redeo’ hinter sustinuit ftellt. Urfprünglih ift nur der 
Sat: Burgundia enim nondum Romano imperio ita ut nunc 
acclinis! fuerat; der Zweck deffelben war, anzugeben, warum feine 
Vertreter aus Burgumd bei der Königswahl anmefend waren; die ges 
ſchichtliche Notiz aber Iteht in gar feinem inneren Zufammenhang mit 
der übrigen Auseinanderjegung. Ebenſo iſt e8 mit Ungarn. Wipo 
ftand aber noch unter dem frifchen Eindrud der Schlaht an der 
Naab (1044) und benutzt diefe Gelegenheit, den „herrlichen und 
wunderbaren Sieg“ Heinrichs zu preifen. Indem ich alfo annehme, 
daß ‘nunc ad propositum redeo’ ehemals hinter fuerat jtand, be= 
trachte ich die Stelle ‘Secundus Heinricus — sustinuit’ als ſpä— 
teres Einſchiebſel Wipos. 

Ueber den Paſſus in ec. 8 ift ſchon geſprochen. Hinfichtlich des 
letsten Sates in c. 29 wird von Breklau ebenfall® Einfchiebung an« 
genommen, obgleich dagegen geltend gemacht werden kann, daß Wipo 
der Kürze wegen in dem Ausdrud “imperatoribus nostris’ aud) 
Heinrich mit inbegriffen habe, wenn er auch noch rex war. 

Keinen ficheren Anhaltspunft bietet die Stelle in ec. 35: refe- 
rebant nobis etc. Auffallend ijt aber die Freiheit und Entſchieden— 
heit des Urteil8 über die Gefangennahme und Verbannung der drei ita= 
lieniſchen Bischöfe, indem fie wenig zu dem ergebenen Ton jtimmt, 
der in den übrigen Partien dem Kaifer gegenüber vorwaltet. In 
c. 8, wo Konrad und feine Gemahlin der Simonie geziehen find, 
wird der Kaifer durch die bewiejene Reue fogleic wieder gerechtfertigt, 
hier aber begegnet man frappantem Tadel. Wenn man aud) annimmt, 
daß in der Verurteilung der Biſchöfe der Priejter ſich verletzt ſah, fo 


1 &o Zwetl. 


623 


wird das ſchwerlich in einem Buche gejtanden jein, das möglicher: 
weife noch Konrad lefen konnte. Da aber die Stelle ſich in einem 
der legten Capitel findet, jo kann fie ſehr leicht erjt nad) 1039 auf- 
gezeichnet fein. 

Offenbar hat die Zeit auf Gejtaltung des Tertes nachtheilig einge- 
wirft; jedenfalls ift unfere Leberlieferung eine jehr mangelhafte. Die Ab- 
fchreiber haben aber auch im einer andern Beziehung das ihrige getan. 
Ihr Schlechter Einfluß läßt fich erkennen 1) an dem Weberjchriften der 
Gapitel, 2) an den reimartigen Ausgängen der Sätze. 

Die Ueberfchrift des Briefes an K. Heinrid, in C ‘Epistola ad 
Regem’, bei Pistorius ‘Epistola ad regem Henricum Chunradi im- 
peratoris filium’ lautend, muß aus einem bereits befannten Grunde als 
unecht bezeichnet werden. Nun iſt e8 auffallend, daß in zu c. 27, 
23. 34. 36. 37. 38 die Ueberjchriften fehlen. Der Text zeigt an 
diefen Stellen feine Lücke, ſondern läuft ununterbrochen fort. Bietet 
num auch C Häufig ſolche unbezeichnete Lücken, jo ift doch der Fall 
denfbar, ja fogar wahrjcheinlich, daß die betr. Stellen von Anfang an 
feine Ueberjchriften hatten. Daß fie bei Pist. nicht fehlen, beweift 
nicht viel, da wir wiljen, daß er ſich Häufig durch Gonjectur geholfen, 
Die vorhandenen Ueberjchriften werden durh 3 Momente verdächtig 
1) dadurch daß eine gauz falſch ift, 2) daß manche nur einen kleinen 
Zeil des Inhalts des Capitels angeben und 3) daß viele dem Wort- 
laute des Textes entjtammen. Ad 1 hat Breßlau! nachgewiejen, daß 
die Heberfchr. zu c. 25 an einem inneren Widerjpruch leidet. Ad 2 
bemerfe ih, daß die Ueberjchriften völlig unſyſtematiſch gemacht find. 
Wenn es dem Schreiber darum zu tun war, die Hauptpunfte durch 
Einteilung in Gapitel dem Leſer deutlicher vor die Augen zu führen, 
jo mußte er die Ueberjchriften bedeutend vermehren. ec. 8 ijt 3.8, 
nicht blos von der Einfegung eines Biſchofs von Baſel die Rede, 
jondern auch von dem wichtigen DBerhältnis Konrads zu Burgund 
und von den Verſprechungen des Königs Rudolf. ec. 9 find Mifico 
und Udalrich ebenfo wichtig wie Boleslav. c. 10 enthält 3 Punkte 
1) den Zwiſt zwiſchen König Konrad einerfeit® und Herzog Ernit, 
Kuno von Franken und Friedrid von Lothringen andererfeits, 2) die 
Vorbereitung zum Römerzug, 3) die Nejtitution Ernfts. Die Ueber- 
fchrift aber heißt ‘De inimieitia inter regem et Ernestum ducem’, 
Man fieht, da dem oberflächlichen Autor die erſten Sätze der einzelnen 
Partien genügen, um diefen ihre ganze Signatur aufzuprägen. Es 
ift unnöthig, alle Stellen zu berühren, da man jchon aus dieſen das 
ganze umnkritifche Verfahren deutlich erfennt. Nur noch c.35. Diefes 
jtellt 4 Bunfte dar, 1) die Heirat König Heinrichs, 2) den Mailänder 
Aufftand, 3) die Verbannung der drei Biichöfe und R den Tod Odos. 
Unfere Ueberſchrift handelt aber blos von 1. Und dod) hat Wipo alle 
Punkte dadurch geichieden, daß er echt annaliftisch jeden mit ‘eodem 


ı 0.00 ©. 592. 


624 


anno’ anfängt. So gut aljo bei andern Partien, die mit "Eodem anno’ 
beginnen, neue Capitel zu ftatuiren waren, ebenfo mußte dies conjequen- 
terweife hier gefchehen. Aber e8 ijt in dem ganzen Machwerf feine Conſe— 
quenz. Ad 3 wird es genügen, auf c. 4. 5. 11.14. 15. 17. 21. 26. 
'29. 30. 31. 33 und 35 hinzuweifen. 

Die Ueberfhriften ftammen, dem Vorftehenden zufolge, nicht von 
Wipo, jondern find das Werk eines Späteren, der der leichteren 
Ueberfichtlichkeit wegen vielleicht zu Schulzweden die Fülle der Creig- 
niffe fichten wollte, dabei aber unkritiſch und ſyſtemlos verfahren ift. 

Der Tert Scheint aber noch in anderer Beziehung Veränderungen 
erlitten zu haben. Der Endreim, der in der vorderen Partie (nament— 
lid) in den Reden) häufiger auftritt, als in dem eigentlich annalifti- 
ichen Zeil des Werkes, ift durch die Schuld der Abjchreiber da umd 
dort verfchoben worden. Am auffälligften it mir im Prol. Matth. 
10, 27. Wipo führt ſolche Stellen, wie die in der epist.! und 
c. 52 beweift, nicht wörtlich an, fondern gejtaltet fie metrifch um, umd 
jo wird er auch der Prologitelle den beliebten leoninifchen Charafter 
gegeben und gejchrieben Haben: — super tecta praedicate Der 
- Übjchreiber hat entweder aus DVerjehen oder der Vulg. folgend die 
Worte umgeftellt. Ebenſo, doc) nicht ganz ficher, liegt der Fall in 
andern Süßen, die einen gewiſſen rhythmiſchen Charakter mit Endreim 
haben. Häufig ift diefer durch das Streben bedingt, einen Gedanken 
mit bejonderem Nachdruck abzufchliegen, wie in der epist., wo es 
wahrscheinlich heißen muß: ne virtus memorialis obducatur rubi- 
gine oblivionis, und am Schluß: omnibus illis, favente deo 
omnipotente, obtinere merearis. Aus demjelben Grunde bin ich 
überzeugt, daß Wipo ec. 1 vor der Aufzählung der Reichsfürſten zur 
Markirung eines abjchliegenden Gedankens ſchrieb: cernitur actum — 
optimum credatur factum. 


ı Vulg.: in ore duorum aut trium testium stabit omne verbum. 
3 Vulg.: Pes meus stetit in directo. 


Der Münzort „Mere”. 
Don 9. Loerſch. 





An dem großen und verdienftlihen Werfe über die Münzen der 
ſächſiſchen und fränkiſchen Kaiferzeit beichreibt Danneuberg auf ©. 143 
vier Denare, welche ſämmtlich auf der VBorderfeite den Namen Go— 
defridus’ tragen, von denen dam zwei als Prägeort auf der Rück— 
jeite *Mere eivitas’ angeben, die beiden anderen auf diefer Seite an— 
Scheinend finnlofe Nahahmungen diejer letzteren Umfchrift zeigen!. Er 
ermittelt mit Mückjicht auf das Gepräge fowie auf den Fund, dem 
die Münzen entjtammen, als Prägherrn den Herzog Gotjried II. den 
Bürtigen von Yothringen (1044—1069) und nimmt als Prägitätte 
Meer an, ein feines zwei Meilen nördlid) von Neuß gelegenes 
Dertchen, das Gräfin Hildegund von Are 1164 dem Erzbiichof Rei— 
nold von Köln zur Stiftung eines Nonnenklofters übergab. Aus den 
Bemerkungen Dannenbergs geht nicht hervor, und er jcheint nicht be= 
achtet zu haben, daß mehrere Orte im Mittelalter mit dem Namen 
Mere bezeichnet werden; außer dem von ihn genannten nämlich nod) 
ein Hof Mere bei St. Trond und das Dorf Mere in der alten 
Srafihaft Dalheim. Es wird aljo aud) nicht ohme weiteres einer 
diefer Orte als Prägitätte herausgegriffen werden dürfen, ſondern viel— 
mehr zu erwägen fein, für welchen von ihnen die größere Wahrſchein— 
lichfeit Spricht, und da wird wohl am ehejten die Zugehörigkeit zu den 
Hausbefigungen des Prägheren einen Anhalt für die Entſcheidung ges 
währen. Es ift num zwar feiner der drei Orte durch ein directes 
Zeugniß als zu den Hausbefitungen des Gejchlechtes der Ardeunen— 
grafen gehörig bezeichnet, für das oben zufegt genannte Mere glaube 
ich aber nachweiſen zu können, daß es inmitten derjelben gelegen war. 
Für meinen Zwed gemügende Auskunft geben hier die Gesta episco- 
porum Virdunensium, continuatio cap. 9 (Mon. Germ. SS. IV, 
48 a. E. u. 49), welche die Schenkungen aufzählen, die Graf Her: 
mann, der Sohn Gotfrieds von Verdun, der Abtei St. Vannes 
machte. Hier heißt e8: tradidit beato Vitoni Rogeri curtem et 
Felsicam cum bono quod vocatur Hasluth in comitatu Bra- 
bantino, atque Munau cum dimidio Mosomensi mercatu; in 


1 Die Abbildungen fichen auf Tafel 13 unter Nr. 304306, 


626 


Harvia quoque triginta mansos cum familia magna, in Geavia 
duas ecelesias cum capella indominicata . . Godefridus etiam 
dux Fontagiam villam!. Die genauere Bejtimmung diefer Ort: 
ichaften, welche aud) die Ausgabe in den Monumenta nicht verfucht 
hat, verdanfe ich Herrn Piot, archiviste adjoint du royaume, der 
fie auf die gütige Vermittelung des Vorftandes der belgischen Archive, 
Herrn Gadhard, vorzunehmen die Sreundlichkeit Hatte. Kommt es mir 
hier nur auf eine einzige Ortsbezeihnung an, fo will ich doch ala 
Ergänzung zur Ausgabe wie zu den Yahrbüchern fünmtlihe Angaben 
des Herrn Piot folgen laſſen. Sie verwerthen deifen gründliche Ar— 
beit: ‘Les pagi de la Belgique et leurs subdivisions pendant 
le moyen äge’? und berichtigen ein älteres Bud von Ch. Du— 
vivier: “Recherches sur le Hainaut ancien’ (Brüffel 1865). 

Rogeri curtis: Rocourt, Provinz Hennegau, Canton Perwez 
(Pagi ©. 99). 

Felsica: Velſique, Provinz Oſt-Flandern, Canton Sotteghem 
(Pagi ©. 100). 

Haslud: Op: Haffelt, Provinz Oft- Flandern, Canton Neder: 
braedel (Pagi S. 98). Dupivier will S. 111.342. 371. 388. 390 
den Ort mit Elsloo, einer Dependenz von Everghen bei Gent, identi= 
ficiren. Everghem aber gehörte zu dem Heinen Genter Gau, welcher 
felbjt in dem großen pagus Mempiscus lag, Haslud dagegen wird 
in allen Urkunden (— aud) in der oben angeführten Stelle —) als 
zum pagus (comitatus) Brabantinus gehörig bezeichnet. 

Munau: Muno, Provinz Luxemburg, Canton Florenville (Du— 
vivier ©. 343). 

Mosomensis mercatus: Mouzon, Departement der Ardennen 
in Frankreich. 

Harvia: Herve, Provinz Limburg, Hauptort des Cantons 
gleichen Namens. 

Geavia: Jagnée, Provinz Namur, Canton Ciney (Duvivier, 
©. 343). 

m iiber Fontagia weiß aud) mein Gewährsmann Feine Aus— 
funft zu geben, indem er feinen der zahlreichen mit dem Namen Fon« 
taine bezeichneten Orte in Belgien als hier gemeint bezeichnen will. 

Die Thatſache nun, daß das Ardennische Grafengefchlecht in 
Herve (jet einer kleinen Stadt n.-w. von Verviers)* Grundbefig hatte, 
Icheint mir maßgebend dafür zu fein, daß die Prägeftätte „Mere“ 
derjenige von den Orten diejes Namens ift, welcher in unmittelbarer 
Nähe von Herve liegt; heute Mheer in der niederländifchen Provinz 


ı Die Stelle ift abgedrudt in den Jahrbüchern des deutichen Reichs unter 
Heinrich II., Bd. I, ©. 335 f. in der Note unter e und c. Die abweichende 
Angabe des Hugo von Flavigny, der entichieden weniger zuverläffig ift als ber 
Eontinuator, kann hier unberüdfichtigt bleiben; vgl. Jahrbücher a. a. O. 

2In den Mémoires de l’acaddmie de Belgique, 1876. 

Bgl. Delvaux, Dictionnaire geographique de la province de 
Liege 1, 207 ff. 


627 


Limburg, hart an der holländifch-belgiichen Grenze und öſtlich von der 
Maas und dem Derthen Breuft. Diefes Mere fteht nicht auf der 
Karte 32 der neuen Ausgabe des Spruner-Menkeſchen Atlaffes, wohl 
aber auf der verbreiteten Reymannſchen Karte. Bis zu Heinrich IL 
Zeiten war hier aud) füniglicher Befig, der dann durd Schenkung 
an das Achener Marienftift gelangte‘. Im fpätern Mittelalter ge= 
hörte der Ort zur Grafſchaft Dalheim oder Dalhem?, und das dor- 
tige Gericht Hatte den Schöffenftuhl zu Achen als Oberhof?. Daß 
übrigens grade in diefen Gegenden der Ort Mere zunächit zu fuchen 
fein muß, beweifen auch die beiden anderen Prägjtätten, welche allein 
auf den Münzen der niederlothringifchen Herzoge vorfommen: Löwen 
und Herftalt. 

Der Hof ‘Mere prope Halle’, jest Meer in der befgifchen 
Provinz Limburg, dürfte hier als alter Befig von St. Trond nicht 
weiter in Betracht koınmen?, da auch feine frühere Zugehörigkeit zum 
Hausbefig der Ardennifchen Grafen in feinem Zeugniß angedeutet ift. 
Jedenfalls aber ift nicht zu denfen an das von Dannenberg in An— 
ſpruch genommene Dertchen bei Neuß. Von diefem liegt die erfte 
Nachricht vor in den Urkunden von 1166 bei Yacomblet ®, und da tritt 
e8 uns entgegen als ein zum Allodialbefig der Grafen von Liedberg 
gehöriges castrum, von welchem ſich die eine Tochter des Grafen 
Hermann, nachdem es ihr in zweimal wiederholter Erbtheilung zuges 
fallen war, “comitissa de Mere’ nanıte. Vermählt war diefe Gräfin 
mit dem Grafen Lothar von Ahr, da aber ihr ältejter Sohn finder- 
[08 verjtorben war und ihre beiden anderen Kinder dem geiftlichen 
Stande angehörten, jo übergab fie das Schloß mit den Minifterialen 
und fänmtlichen Erbgütern dem Kölnischen Stuhle zur Errichtung 
eines Kloſters. Von verwandtichaftlichen Beziehungen zwischen den 
Grafen von Piedberg uud den Ardennergrafen wifjen wir nichts; über- 
haupt iſt aber auch nicht anzunehmen, daß die Beſitzungen diefer letz— 
tern Familie fich foweit bi8 an den Rhein hinunter erftredit hätten. 

Ich bin im Vorftehenden von der Annahme ausgegangen, daß 
die Münzherren auf ihren Grundbefigungen, mochten diefe nun Allod 
oder Lehen fein, prägen ließen und daher denn auch die Umfchriften 


ı Bol. Urk. Friedrich II. von 1226, Juli, bei Lacomblet, Urk.Buch II, 
72, Nr. 135. Heinrich III. verichenfte Grundbefits zu Herve, der durch Urteil 
an den König gelangt war: Urk. v. 1041, Februar 15, bei Lacomblet a. a. DO. 
I, 109, Nr. 175, Stumpf Nr. 2207; vgl. Steindorff, Jahrb. Heinrich III., I, 
102 (Herre in Note 4 daſ. ift Drudfehler). Im Jahr 1143 fchenft Graf 
Heinrich von Limburg ein Allod dajelbft an Füttih, Wauters, Table chro- 
nologique des chartes belges II, 243. 

Ueber diefe und ihre Dynaften vgl. Ernst, Histoire de Limbourg I, 

48 ff., V, 211 ff. 

° Bol. meine Abhandlung über den Achener Schöffenftuhl als Oberhof, 
zweite Beilage zu Haagen, Geſchichte Achens I, 347 fi. 

4 Bol. Dannenberg, a. a. O. ©. 95. 

5 gl. Piot, Cartulaire de St. Trond II, 217. 

o Lacomblet, Ürk.-Bud I, 285 ff. Nr, 414—416, 


XVLL 41 


628 


entnommen find. Das fcheint mir für das 11. Jahrhundert doch 
bereits das Nächitliegende zu fein. Freilich wijfen wir ja kaum etwas 
von den Gefichtspunften, nad) welchen ſich die Wahl eines beftimmten 
Ortes als Münzftätte oder auch die Wahl eines beftimmten Orts— 
namens als Auffchrift für vielleicht anderwärts geprägte Münzen ges 
richtet hat. Denkbar wäre auch, daß nod im 10. und 11. Jahr— 
hundert das Vorkommen eines Namens auf Farolingifchen Münzen 
zu fortdauernder Anwendung deſſelben Veranlaſſung gegeben hätte. 
So viel ich bei faft gänzlihem Mangel der von Wait, Verfaſſungs— 
geſchichte IV, 75 ff., angeführten Hilfsmittel hier conjtatiren kann, 
fommt übrigens der Name Mere auf einer jener älteren Münzen 
nicht vor. Yiegt es andererfeits nahe, daß auf gewilfen Königshöfen, 
welche jpäter ganz oder theilweife durch Schenkung, als Amtsausjtat- 
tung oder auf andere Weiſe in den Befig mächtiger Gejchlechter ge— 
langten, ſich die nöthigen Einrichtungen für die Prägung befanden ! 
und zur Fortſetzung derjelben Veranlaſſung gaben, jo fünnte auch das 
nur für die Annahme jprechen, daß das Mere auf den Gottfriediichen 
Münzen eben „Mere im Lande von Dalhem“ fei, wo ich königlichen 
Beſitz vorjtehend nachweiſen konnte. 


ı Ich denke hier an Ein- und Nachwirkung der bei Waitz, Berf.- Geid. 
IV, 77. 78, angeführten Kapitularien von 806 und 808, 


Meber die ann * Prämonſtratenſerkloſters 
roda. 


Von C. Platner. 





In meinem Aufſatze „über Spuren deutſcher Bevölkerung zur Zeit 
der ſlaviſchen Herrſchaft in den öſtlich der Elbe und Saale gelegenen 
Ländern“, Forſchungen XVII, 411ff., hatte ich es unternommen, ſich— 
tend die Zeugniſſe zuſammenzuſtellen, welche für einen in manchen 
Strichen des öſtlichen Deutſchland zur Wendenzeit noch vorhandenen 
deutſchen Bevölkerungsreſt mit größerer oder geringerer Beſtimmtheit 
ſprechen. Als ich dieſe Unterſuchung dann der gelehrten Welt vorzu— 
legen wagte, war ich darauf gefaßt, daß mir von mancher Seite wi— 
derfprochen werden würde, Was von den hergebrachten Anſichten über 
eine beſtimmte Trage abweicht, fordert ja naturgemäß zur Hervorhe- 
bung des Gegentheil® und der diefes ftügenden Gründe heraus. Der 
Widerſpruch gegen. meine Behauptungen hat denn auch nicht auf ſich 
warten lafjen. Ein junger Gelehrter, Georg Wendt, hat ihn in 
allen Hauptpunkten in jeiner Ynaugural-Differtation durchgeführt und 
recht eigentlich zum rothen Faden feiner Arbeit erhoben: „Die Na— 
tiomalität der Bevölferung der deutichen Oſtmarken vor dem Beginne 
der Germanifirung“. Göttingen 1878. 

Indem ich anderes anderer Gelegenheit vorbehalte, fühle ich mid) 
doch verpflichtet, jetzt jchon auf Einen Punft zurüdzufommen, bei dem 
e8 ſcheinen könnte, al8 hätte ich eine Urkunde benutzt, welche zu einem 
gültigen Beweiſe nicht mehr angeführt werden darf. 

Die Stiftungsurkunde v. 3. 1170 für das Prämonftratenfer- 
flofter Broda, in welder homines tam Slavi quam Teutonici 
auf den Kloſtergütern erwähnt werden, iſt nämlich in der Geitalt, 
wie fie vorliegt, von R. Klempin (Pommerſches Urk.=B. I, 28) für 
ein den dreizehnten Jahrhundert entjtammendes Machwerk erklärt worden 
(vgl. Wendt S. 9 gegen Forſchungen XVII, 472)!. Aber ſchon Klempin 


ı Menn die von mir (S. 481, Anm. 1) angeführte Urk. Barnims J., 
zwei Dörfer des Landes Gützlkow betreffend, ebenfalls für unächt erflärt wird, 
und zwar namentlid auch wegen der im ihr vorfommenden deutſchen Localbe- 
zeichnungen (Klempin S. 202), fo fann id) diefen Grund zur Verwerfung be» 
greiflicherweife nicht anerkennen. — Auf die Colbatzer Urkunde v. 1173 babe 
ich jelber von Haufe aus kein mejentliches Gewicht gelegt; ich habe ausdrüclich 


41 * 


630 


jelber beichränft fein Verdammungsurtheil von vorn herein auf den 
reichen Grundbefig, der dem Kloſter laut diefer Urkunde als erite 
Ausstattung überwielen wurde, und er bemerft ausdrüdlich, daß die 
uns vorliegende Fälſchung nad einem ächten Original angefertigt ift 
und daſſelbe im Uebrigen faft wörtlich) abgejchrieben haben muß. 
Hierüber erhalten wir erwünfchte Sicherheit, wenn wir unfere Stif- 
tungsurfunde mit der Bejtätigungsurfunde des pommerfchen Herzogs 


Bogislaw v. %. 1182 vergleichen. 


Iprechenden Stellen 


in der Stiftungsurkunde: 

Locum vero eundem Deo obla- 
tum cum omnibus pertinentiis suis 
a nobis alienando manumisimus, 
et ab omni exactione juris, quod 
in eo habuimus vel habere debui- 
mus, vel quisquam ex parte nostra, 
liberrimum constituimus. Absolvi- 
mus etiam eosdem fratres nostros 
et homines ipsorum, tam Slavos 
quam Teutonicos, ab omni exac- 
tione thelonei per totam terram 
nostram, tam in terra quam in 
aqua, in foro videlicet, in ponti- 
bus, in urbibus et in navibus. 


Es heißt nämlid an den ent- 


in der Beflätigungsurfunde: 

Locum vero predictum, afratre 
meo Deo oblatum, cum omnibus 
pertinentiis suis, sicut ipse fe- 
cerat, ita nos manumittimus, et 
ab omni exactione juris, quod ullo 
modo in eo habere possemus, vel 
quisquam ex parte nostra, liberri- 
mum constitulmus. Omnem etiam 
immunitatem, quam frater 
meus eisdem canonicis et homini- 
bus eorum, tam Thevtonicis quam 
Slavis, concesserat, nos simili 
devotione indulgemus, remittentes 
eis onus edificationis urbium, et 


ut per totam terram nostram ab 
omni exactione thelonei liberi exi- 
stant, tam in terra quam in aqua, 
in foro videlicet, in pontibus, in 
urbibus et in navibus. 

Die Sätze beider Urkunden laſſen die allernächite Verwandt» 
Schaft unter einander erfennen, derjenige der Bejtätigungsurfunde weijt 
auf den der Stiftungsurfunde zurüd: ganz unzweifelhaft hat der 
Schreiber der eritgenannten hier die ächte Stiftungsurfunde von 1170 
vor Augen gehabt. Sie war feine Vorlage, und es leuchtet ein, daß 
fie den von mir ausgehobenen und meiner Beweisführung überhaupt 
zum Grunde gelegten Sat in ganz ähnlicher Faſſung enthalten haben 
muß, wie die Beftätigungsurfunde ihn aufweilt; d. h. dieſer Sat 
muß in der ächten Urkunde genau ebenſo gelautet haben, wie in der 
uns vorliegenden Fälſchung. Wendt felber jcheint dies auch anzuer- 
kennen, indem er wenigftens die Möglichkeit zugibt, daß die von mir 
angezogene Stelle ſchon in der ächten Stiftungsurfunde ftand; es geht 
in der That ganz offenbar aus der Faſſung der Beltätigungsurfunde 
von 1182 hervor. In der falfchen Stiftungsurfunde, die erft jpäter 
angefertigt wurde, hat man eben, wie Klempin bemerkt, nur die dem 
Klofter angeblich gefchenkten zahlreichen Ortichaften interpolirt, auf 
deren Ginfchaltung es den Brodaer Mönchen hauptfählih ankam. 
Wir find deshalb heutzutage immer noch berechtigt, bis zu einem ge= 
wiſſen Punkte auc die gefälfchte, uns allein noch erhaltene Stiftungs- 


meine auf fie gegründete Schluffolgerung gemildert durch ein vorangeflelltes 
„\Heint“ (S. 468, 3. 26 v. 0.). en 


631 


urfunde bei einer Beweisführung zu verwenden, natürlich nur in 
Verbindung mit der Beftätigungsurfunde von 1182 und unter fteter 
Vergleichung diefer letzteren. 

Jenes in beiden Urkunden enthaltene Zeugniß für die homines 
tam Slavi quam Teutoniei auf den Gütern des neuen Kloſters 
wird nun von Wendt in Uebereinftimmung mit Barthold fo ausge: 
legt, al8 ob hier Deutfche gemeint feien, „deren Anfiedelung voraus— 
zufehen war“. Wendt (S. 10) beruft fih, um diefe Erklärung zu 
ftügen, auf die Urkunde Herzog Barnims I. v. %. 1229 (Cod. 
Pomer. dipl. I, 406, Wr. 177), in welcher ebenfalls etwas, was 
erjt in Zukunft gefchehen fünne, vorausgefagt werde. In diefer Ur— 
funde wird nämlich dem Sohanniterorden die Burg Stargard mit 
zwölf Dörfern beftätigt, und es heißt am Schluffe: hoc autem fac- 
tum est, ut fratres domus hospitalis libere possint hospites 
(Anfiedler)! qualeseunque jure teutonicali in omnibus villis 
suis collocare, Hier liegt aber offenbar die Sache ganz anders, ala 
bei jenen beiden Brodaer Urkunden; denn hier iſt die Ertheilung des 
Rechts zum Golonifiren die Thatjache, die durch die Urfunde beglau— 
bigt wird; natürlicherweife mußte die Ausübung diefes, wie jedes an— 
deren erjt ertheilten Rechts, der Zukunft vorbehalten bleiben. In den 
beiden Brodaer Urkunden dagegen werden ohne die leifefte Andeutung 
eines Vorbehalts, ohne den leifeften Unterfchied, Slaven und Deutſche 
unmittelbar neben einander genannt: und von diefen beiden Nationen 
ſoll man ſich nur die Slaven als bereit8 auf den Kloftergütern vor— 
handene, die Deutichen dagegen als erft von außen her zu erwartende 
und hereinzuführende Inſaſſen denken? — Wären wirklich unter den 
Deutfchen bloß Coloniſten der Zufunft zu verftehen, fo würde gewiß 
das angeblich in den allgemeinen Beſtimmungen beider Urkunden mit 
inbegriffene, den Brodaer Mönchen jtillfchweigend zugefprochene Colo— 
nifationsrecht Kar und deutlich hervorgehoben worden fein, fo gut wie 
in Hundert andern Privilegien, welche damals an geiftlihe Stiftungen 
im Wendenlande ertheilt wurden. 

Daß in folchen Privilegien die geiftlihen Herren, außer ihren 
altangefejfenen, auch) ihre neu herbeigerufenen Bauern von den gewöhn— 
fihen Frohnden befreien ließen, habe ich mit feiner Silbe beftritten. 
Nur aus dem Charakter diefer Frohnden, wie fie in den beiden Bro— 
daer Urkunden aufgezählt werden, namentlich des fogenannten Burg» 
werfs, habe ich gneichloffen, daß unter dem allgemeinen Ausdruck ho- 
mines in der That grumdhörige Leute — nidt etwa von 
Grund und Boden losgelöfte, wie perjönliche Diener, Laienbrüder 
oder irgend welche fahrende Leute — zu verstehen find. Die Ein- 
würfe MWendts auf S. 11 und 12 fönnen mid deshalb durchaus 
nicht treffen. Wegen der übrigen glaube ich ſchon einer vorurtheilsfreien 
und unbefangenen Prüfung Seitens meiner Leſer vertrauen zu dürfen, 
auch bevor ich mich weiter geäußert habe. 


I Meber diefe Bedeutung des Wortes hospes vgl. Forſch. XVII, 477. 


Noch ein Beitrag zur Wahlgeſchichte Karls V. 
Bon KZaver Kiste, 





Ich habe in meinem zweiten Beitrage zur Wahlgeihichte Kaifer 
Karls V. (Forſch. VIII, S. 171—176) den Beweis unternommen, 
daß das daſelbſt beiprochene Mahnfchreiben Karls V. an den Hoch— 
meifter des deutfchen Ordens Markgraf Albreht von Brandenburg 
nur ein Project geweſen fei, welches die polnischen Abgejandten zur 
Raiferwahl von 1519 bei dem neuen Kaifer durchlegen follten und 
wollten, aber dies nicht erreichten, im &egentheil erfolgte bereits im 
folgenden Jahre der Brüſſeler Mahnruf Karls, welcher jo ziemlich 
das Gegentheil davon enthielt, was man in dem Project verlangte. 
Ich habe bereits damals erwähnt, daß wir im der zahlreichen Corre— 
fpondenz aus dem Jahre 1519 nirgends auch nicht die leifefte Er— 
wähnung des fraglichen Mahnfchreibens finden. Dagegen aber finden 
fih) in den Gorrefpondenzen, welche die Acta Tomiciana enthalten, 
Erwähnungen eines anderen räthjelhaften Schriftitüdes, das von 
Rarl V. ftammen foll und welches in der unmittelbarften Verbindung 
mit dem von uns befprochenen Mahnproject zu ftehen jcheint. Dar: 
über wollen wir bier in Kürze Bericht erjtatten. 

Als Gefandter des polnischen Hofes in Spanien war im %. 
1519 und noch lange nachher Johann Flachsbinder, gewöhnlich Dane 
tiscus genannt, acereditirt. Nun fchreibt der polniſche Gejandte am 
17. Auguft 1519 von Barcellona an den Unterfanzler von Polen 
Biihof Petrus Tomicki unter anderem wie folgt: Istas literas pro 
confirmatione pacis perpetue ad pontificem facile expedivi, 
quia fugi illos, quibus negotium cognitum est, et illi ofliciales, 
quos adhibui, nesceiunt, ut novi in his rebus, quid fecerunt!. 
Die pax perpetua, von der Dantiscus hier fpricht, kann doch 


ı Acta Tömic. V, Nr. LXXXII, ©. 81. Siehe über biefes und das 
Folgende St. Lukas, Erazm Ciolek, biskup plocki, dyplomata polski 
XVI, wieku (Erasmus Ciolet, Bifhof von Plod, polniſcher Diplomat des XVI. 
Zahrhunderts, in der Zeitfchrift Biblioteka Warszawska, October:, November- 
und December:Heft 1877). Der Berfafier diefer äußerſt forgfältigen und höchſt 
interefjanten Monographie hat für dieſe Epoche die Acta Tomiciana fo gründ- 
lich durchſtudirt, wie nod Niemand vor ihm, er ift and der Erſte, welcher das 
von uns hier beſprochene Factum aufgefpürt, mitgeteilt und verwerthet hat. 


633 


nur den eigen Frieden von Thorn bedeuten: er berichtet aljo, daß er 
mit Leichtigkeit die Abfendung eines Schreibens an den Papft zur 
Beitätigung des ewigen Friedens von Thorn erlangt und zwar auf 
die Weife, daß er fich nicht an die Beamten (jelbftverftändlich der 
Kanzlei Karls) gewandt, welche fi) auf die Sache verftehen, ſondern 
an diejenigen, welche erft feit kurzem in der Kanzlei find und deß— 
halb nicht wußten, was fie thun. Wenn hier nicht ausdrücklich ftände 
literas ad pontificem, würden wir geneigt fein zu glauben, 
diefe ganze Stelle beziehe ji) eben auf das von uns in unferem 
zweiten Beitrage beſprochene Mahnproject Karls. Die angeführten 
Worte aber zeigen mit Evidenz, daß der Gefandte hier ein anderes 
Schreiben im Auge hat und zwar ein Schreiben Karls an ben 
Papit, in welchem derfelbe aufgefordert wurde, den ewigen Frieden 
von Thorn zu beftätigen!. Die Mittel, welche der Geſandte ange: 
wandt, um ein folches Schreiben zu erlangen, und die er felbit Halb 
euphemiftiich charafterifirt, waren jedenfalls feine ſtatthaften. Er hat 
fi alſo dazu neuer Kanzleibeamten bedient, welhe nesciunt quid 
fecerunt. Dadurch charafterifirt er ſelbſt am beiten fein Ver— 
fahren und zeigt, daß diejenigen Beamten, welche Einfiht in die 
Staatsangelegenheiten Karls hatten, ein ſolches Schreiben nie ausge— 
ftellt hätten, oder mit anderen Worten, daß diefes an dem Papſt ab- 
geſchickte Schreiben ein erichlichenes und aljo mindeiten® eine halbe 
Fälſchung geweſen ift. Wenn wir über diefes jedenfalls väthfelhafte 
Schriftſtück nur diefe furze Erwähnung des Dantiscus befäßen, fünnten 
wir überhaupt im Zweifel fein, ob wir auch die angeführte Stelle 
richtig verftanden haben, und ob diefe ganze Angelegenheit nicht in das 
Dereih des Fabelhaften gehört. Wenn wir aber auch leider dieſes 


ı Daraus, daß Dantiscus hier die Worte istas litteras’ gebraucht, 
alfo diefes Schreiben wie ein bekanntes und bereits beiprochenes behanbelt, 
Ihließt Lulas (a. a. DO. 376), daß er bereits früher davon an den König ge 
ſchrieben. Da er aber in feinem Briefe vom 30. Juli 1515 (Acta Tomic. 
V, Nr. LXVI, &. 70) keine Erwähnung davon thut, fo ſchließt Lukas daraus, 
daß er diefes Schreiben an den Papft in den Tagen zwijchen dem 30. Juli und 
dem 17. Auguft erlangt und auch in diefem Zeitraume den König davon benad): 
richtigt hat. Die Schluffolgerung ift im Allgemeinen richtig. Wir haben vom 
30. Juli 1515 nur den Brief des Dantiscus an den König von Polen, der 
Brief an den Unterkanzler, deffen Dantiscus in feinem Schreiben vom 17. Aus: 
guft Erwähnung thut, fehlt aber. Hier aber am 17. Auguft haben wir mieber« 
um jein Schreiben an den Unterkanzler, aber keinen Bericht an den König, und 
doch hat Dantiscus ohne allen Zweifel mit derfelben Poft auch einen Brief an 
den König abgefhidt, wie er die® regelmäßig that. Als königlicher Geſandter 
berichtet er vor Allem an den König und legt nur mebenbei Briefe am feine 
Freunde und Belannte hinzu, wie z. B. an den Unterkanzler Tomidi. So hat 
er alfo ohne Zweifel am 17. Auguft aud an den König geichrieben und in 
biefen Schreiben wird er wohl ‘istas literas’ näher beiprodhen haben, def: 
halb findet fi in dem Briefe an den Unterkanzler nur dieſe kurze Erwähnung, 
da Tomidi nähere Einficht in diefe Sache fo wie fo ans dem Berichte an den 
König belommen mußte. Im feiner Stellung als Unterlanzler durfte ihm näm— 
lich der Geſandtſchaftsbericht nicht geheim bleiben. Leider ift der Bericht dee 
Dantiecus an den König vom 17. Auguft nicht befannt. 


634 


Schreiben an den Bapft heute nicht mehr näher Kennen, fo finden wir 
doc) in anderweitigen Correſpondenzen weitere Nachrichten darüber. 

Zwiſchen dem 30. Juli 1515 und dem 17. Auguft d. J. muß 
die Abfendung diefes Schreibens aus Karls Kanzlei an den Papit ers 
folgt jein, wie wir dies bereits gefehen. 

Als Gefandter Polens war feit November 1518 an dem päpſt— 
lihen Hofe Erasmus Ciolek, Biſchof von Plod, angeftellt und ver- 
brachte damals zu Rom einen Zeitraum feines Lebens, der durchaus 
nicht zu den angenehmen zählte!. Die Depefchen diefes Gejandten 
find leider bisher zum allergrößten Theil nicht aufgefunden worden, 
nur ein Heiner Theil derjelben befindet fi in den Act. Tomie. und 
einer anderen polnischen Publication. 

In einer diefer Depefhen, vom 25. Januar 1520, lejen wir 
nun: Scripsi ego latissime in re ista (sc. confirmationis pacis 
pruthenicae) de medio Julii et postea de Augusti, in quibus 
terminis negotium consistebat et ut quam primum summa 
pollicita ordinaretur et quod sperabam literas cesaree Mtis. 
in hoc facto. Sed dum ita negligenter ordinatio ipsa auri 
curaretur, supervenerunt expectate litere cesaris, ad quas se 
pontifex referebat. Commissa fuit illico bulle expeditio, que- 
situm apud me aurum per intermedias personas, que dum ex 
defectu dilationem acciperent, supervenit dominus cardinalis 
de Medieis, cujus consilio pontifex omnia facere solet, et qui 
toto illo tempore, quo rem hanc inciperem, Florentie mane- 
bat. Protector is est magistri et sui ordinis, ut ante scripse- 
ram. — Que deinde impedimenta successerunt ex defectu im- 
pense per Bilowski, curiensem Mtis. vestre, in fine Octobris 
abunde descripsi, simul cum exemplari literarum cesaris, et 
quod jam opus esset aliam viam accipere, quam vestra Mtas. 
suis etiam literis designavit, ut videlicet pontifex aliquos ar- 
ticulos in dieto privilegio pacis contentos tanquam ex se re- 
formaret, und im derſelben Depejche an einer anderen Stelle: Ab 
illo tempore, quo dnus. cardinalis de Medicis advenit, ponti- 
fex semper est in deliberatione, quamvis satis propensus esse 
videatur ad confirmandum cum aliquorum capitulorum refor- 
matione, et itidem dominus de Medicis pollicetur. Ego ni- 
mium urgere non possum, donee informationem suflicientem 
super modo reformationis eorundem capitulorum a vestra Mte. 
accipiam; nollem enim quidquam istorum transgredi, que mihi 
committere dignatur, ex quo maxima illa opportunitas, literis 
cesaris allatis in absentia cardinalis de Medicis, ita negligen- 
ter ob defectum impense amissa fuit, prout in primis literis 


Lulas in feiner Monographie ftellt anfhaulic und Mar die zahlreichen 
Berationen dar, bie der polnifche Gefandte dort auszuſtehen hatte, vor Allem 
wegen des preußifchen Streites, zumal im folgenden Jahre, als der Krieg mit 
dem Orden bereit® ausgebrochen war. 


635 


de Octobre satis abunde progressum totius! negotii vestre Mti. 
descripsi?. 

Die hier erwähnten Depefchen von Mitte Juli, vom Auguft 
und die wichtigfte von Ende October 1519 find uns leider nicht be= 
fannt, fie würden ohne Zweifel diefe ganze Angelegenheit vollklommen 
aufklären. Noch in einer fpäteren Depejche des polnischen Gefandten 
vom 8. März 1520 finden wir wiederum eine Erwähnung diefer 
Sache; er jchreibt hier: Profecto transissent omnia ista (d. 5. 
die Sache der Beitätigung des ewigen Friedens), antequam ad no- 
titiam domini de Medicis et suam (se. fratris Nicolai Schön- 
berg) devenissent, nisi dilatio disturbasset, quae ex defectu 
ordinationis auri intervenit. Cujus vero negligentia id ac- 
tum sit, ego de his rationem dare nec scio nec possum. Unum 
hoc luce clarius est, quia in mense Majo Andreolus huc venit, 
qui primam commissionem adtulit de confirmatione ipsa pe- 
tenda et largitionibus faciendis; hie de prineipio Junii ex 
urbe discessit, per quem respondi, quid alicui promissum sit, 
et quae ordinanda forent. Jostus (i. e. Jodocus Ludovicus 
Decius) venit cum commissione ad bancam de prineipio Ja- 
nuarii (1520), qui a Junio octavus mensis estꝰ. 

Diefe hier angeführten Stellen zeigen troß ihrer Lückenhaftig— 
feit dennoch, wie fich diefe Angelegenheit in allgemeinen Zügen ver= 
halten hat. Im October 1519 befand ſich bereits das Schreiben 
Karls von Spanien, erwählten Kaifers, in om. Der Papft war 
damals allein, der Protector des deutfchen Ordens Gardinal von Mes 
dici befand fich in Florenz. 

Der polnische Geſandte wollte diefe Abwejenheit fofort aus— 
nügen, der Papſt zeigte fich bereit, das in dem Schreiben Karls 
verlangte Breve an den Hochmeiſter auszuftellen und abzuſchicken, aber 
in dem damaligen Rom war nichts umfonft zu haben. Das wußte 
der polnifche Gelandte jehr gut, und defhalb Hatte er fchon früher, 
bereit8 im Juni, eine namhafte Summe von feinem Könige verlangt. 
Diefe fam aber nicht an, der Gejandte war, wie dies gewöhnlich der 
Fall war, ohne Geld. Nun verlangte aber der römische Hof, wahr- 
ſcheinlich die Cardinäle, welchen jchon im Juni der Gefandte „Hand- 
ſalben“ verfprochen und die er in feiner damaligen Depeche namhaft 
gemacht hatte, per intermedias personas die verfprochenen 
Summen, davon war die Expedition der Bulle an den Hochmeifter 
abhängig. 

Der Gejandte konnte die Zahlung nicht leiften, die Sache ver: 


ı In dem Abdrud der Depefche: totiens. 

2 Acta Tomic. V, Nr. CXLV, S. 150 und 151. 

3 Dieje Depeiche des Erasmus findet ſich gedrudt in Wlad. Gr. Broel- 
Plater, Zbiör pamietniköw. I, &. 132 und 133. Das Datum ift in dem 
Abdrud falſch wiedergegeben, ftatt MDX[VIII] muß augenfheintich ftehen 
MDX[X]. Das Original war hier verftümmelt und ber Herausgeber hat das 
Datum jo unpafjend ergänzt; im März 1518 war Erasmus gar nicht in Rom. 


636 


fchleppte fih. Da kommen der Gardinal von Medict, Protector des 
Drdens, und der Bruder Nicolaus von Schönberg, der eifrigfte Ver— 
fechter der Sache des deutfchen Ordens, in Rom an und Hintertreiben 
das ganze von Dantiscus und Giolef fo künſtlich und gefchieft einge— 
füdelte Unternehmen. Der Papſt wird jchwierig, Ende October 1519 
hat fich die Sache bereit8 total zerichlagen, der polnifche Geſandte be— 
richtet in dieſem Zeitpunkte an feinen Hof und iüberjendet dem Kö— 
nige eine Abjchrift jenes von Dantiscus erfchlichenen Schreibens 
Karls von Spanien, ermwählten deutichen Kaifers. Im Januar 
1520 aber kommt erjt die im October 1519 nöthige Summe von 
7000 Ducaten zu den Händen des höchlich entrüfteten Gejandten an. 

Der Gefchichtichreiber Jodocus Ludovicns Decius hat fie dem 
Erasmus überbraht. So zerichlug ſich die Sache alfo an der Nach— 
läjfigfeit und finanziellen Mifwirthichaft des polnifchen Hofes. 

Nun nod eine Trage. In welchen Zufammenhange jteht diejes 
hier befprochene Schreiben mit dem von uns in unferem zweiten Bei— 
trage behandelten? Ich glaube, das Verhältniß der beiden Schrift- 
ſtücke zu einander ift ein im Allgemeinen Elares. 

Dantiscus fchreibt an den König von Polen am 30. Juli 1519: 
Accepi paulo ante literas ex conventu Francofordiense a rmo. 
dno. Vladislaviense epo. et mgeo. dno. castellano Landense, 
quibus mihi injunxerunt, ut artieuli, qui ibidem in conventu 
cum mandatariis cesaree Mtis. tractari debuerunt, per me hie 
sollieitarentur : dies follte er vor Allem deßhalb thun, weil die fai- 
jerlihen Bevollmächtigten, welche vor der Wahl erflärten zu Allem 
Vollmacht zu haben, nach der Wahl äußerten feine Vollmacht dazu zu 
befiten!. Der Brief der polnischen Gejandten aus Frankfurt an 
Dantiseus ift uns nicht näher befannt. In diefem Briefe hatten fie 
ihm aller Wahrfcheinlichkeit nach) jenes Mahnfchreibenproject, welches 
wir in unferem zweiten Beitrage behandelt haben, zugeſchickt, und auch 
wohl, wie ſich jetst zeigt, das Project eines Schreibens des Kaijers 
an den Papſt, in welchem er den Papſt aufforderte, jeinerjeits ein 
Breve an den Hochmeilter mit der Betätigung des Thorner Friedens 
zu richten. Zugleich wurde Dantiscus von den Gejandten aufgefor= 
dert, diefe beiden Schriftftüde an den Papft und den Hochmeijter 
aus der Faiferlichen Kanzlei zu erwirfen. Das erfte gelang ihm, wie 
wir geſehen, er hatte e8 erichlichen; das zweite ließ fich nicht erreichen, 
wohl deßhalb, weil e8 der Raifer offen nicht ausjtellen wollte, ein er» 
fchlichenes hätte aber beim Hocmeifter keine Wirkung gehabt. Ein er— 
Ichlichenes Schreiben an den Papſt aber, unterftügt von einer name 
haften, an die Gardinäle vertheilten Summe, konnte jedenfall® zu der 
von Polen jo jehnlichit erwünfchten Beftätiguug des ewigen Friedens 
führen. Da wir den Tenor des erfchlichenen Schreibens nicht Fennen, 
jo wiljen wir auch nicht, ob es die Aufforderung enthielt, den ewigen 
Frieden zu beftätigen oder den Hochmeifter aufzufordern, den Huldi= 


! Acta Tomic. V, Nr. LXVI, &. 69. 


637 


gungseid zu leiften. Wie wir aber aus den oben angeführten Citaten 
aus Ciolels Depefchen erjehen, hatte er im Mai 1519, aljo als die 
Unterhandlungen wegen der Kaiferwahl in der Schwebe waren, bereits 
die Aufforderung von feinem Hofe erhalten, Unterhandlungen wegen 
der Beſtätigung des ewigen Friedens am römifchen Stuhle anzuknü— 
pfen und zugleich diejenigen zu bezeichnen, die man mit Geld gewinnen 
müffe. Möglicherweiie hatte der für den König Sigismund ſo ſchmeichel— 
hafte Brief des Papftes vom 27. März 1519" die Hoffnung in ihm 
erwect, daß Seine Heil. jett vielleiht, wo ihm an der Stimme des 
Polenfönigs bei der Kaijerwahl gelegen fein mußte, fich bereit finden 
lajfen wirde, dem ewigen Frieden zu beftätigen. Im Juli und Auguft 
1519 erwartet ſchon Ciolek jenes Schreiben vom Saifer an den 
Papſt, man muß ihn aljo ſchon vorher von Krakau, Frankfurt oder 
Barcellona her in Nachricht gejetst haben. Jedenfalls erjehen wir 
daraus, daß die polnische Diplomatie die Kaijerwahl von 1519 weid- 
(ih ausbeuten wollte und daß fie damals eine Rührigkeit und Ver— 
ichlagenheit bewies, welche fie ſonſt nicht zu zeigen pflegte. Don echter 
ee Kunft ift ſpäterhin faum wo in der polnischen Geſchichte 
die Rede 


! Acta Tomic. V, Nr. XLII, ©. 42 und 43. 


Zur Gefhichte des Augsburger Reichstages 1518. 
Bon Xaver Kiste, 





Bekanntlich war auf dem Augsburger Neichstage von 1518 auch 
Polen vertreten, vor Allem deshalb, weil dort unter Anderem aud) 
über die Türfenerpedition und die Wahl des Nachfolgers Marimilians I. 
verhandelt werden follte und König Sigismund als nächiter Anver— 
wandter des minderjährigen Ludwig von Böhmen die Stimme Böh- 
mens der goldenen Bulle gemäß für fih in Anfprudy nahm. Die 
polniiche Geſandtſchaft beitand aus Erasmus Ciolek, dem Biſchof von 
Plot, Raphael Leszezynski, Gaftellan von Pad und Starojt von 
Schlochau, und Boguslav, Marſchall des GroßfürftenthHums Yitthauen. 

Am 16. Auguſt langte diefe Gefandtichaft in Augsburg an!, am 
20. Auguft hatte fie die Empfangsaudienz beim Kaiſer. Die pol- 
nischen Gefandten jendeten während ihres Augsburger Aufenthaltes 
drei Depefchen an ihren König ab, die erfte vom 30. Auguit, die 
zweite vom 12. September, die dritte und legte vom 27. September, 
in welchen fie de omnibus, quae hie fiebant, ausführlich 
berichteten. Yeider find die beiden erſten Depefchen bisher nicht auf— 
gefunden worden. Die dritte aber ift von Graf Wladimir von 
Broel-Plater in einer polnischen, der deutfchen gelehrten Welt ganz 
unbefannten Publication veröffentlicht worden. In demjelben Werke 
findet fi) auch ein Brief Marimilians an Sigiemund von Polen 
vom 14. September 1518, welcher auch feinem deutichen Forſcher 
bisher befannt war?. Es wird aljo vielleicht der Mühe lohnen, diefe 
beiden Schriftitücde hier abzudruden und jo aud den deutichen Ge— 
lehrten zugänglich zu machen. 

Der Brief Marimilians an Sigismund von Polen behandelt 
eine Angelegenheit, welche auch in der Depeſche der polnijchen Ge— 


2 ch fchliehe dies aus einem Paſſus der weiter unten angeführten De- 
peiche der polnifchen Gefandten. Wir Iefen da: Haec sunt, quae sex istis 
septimanis in eo conventu per nos acta fuerant. Da nun die Depeiche 
—* 27. September datirt ift, jo würde ihre Ankunft eben auf den 16. Auguſt 
allen. 

” WI. Gr. Broel-Plater, zbiör pamietniköw do dziej6w polskich, 
Band I, S. 94— 110 (Warfchau 1858). s mer 


639 


fandtichaft ausführlich beſprochen wird. Sie ijt für uns troßdem 
geradezu räthielhaft. 

Marimilians Schreiben nämlich enthält von Anfang bis Ende 
lauter leidenjchaftliche Anjchuldigungen und VBerdächtigungen gegen den 
in Augsburg angelangten Dominifanermönd Nicolaus von Scön« 
berg, eine in der Drdensjache thätige, äußerſt rührige und verjchla= 
gene Perſönlichkeit. Maximilian verdächtigt ihn jogar, er fimulire 
nur, als ob der Papjt ihn abgejandt, in Wirklichkeit fei er nur ‘a 
quibusdam cardinalibus Romae agentibus, nobis 
minus benevolis ac partibus nostris adversanti- 
bus’ abgefchiet worden, um die Faiferlihen Pläne zu Hintertreiben 
und den Kaifer mit anderen Fürſten zu entzweien, und doch fann es 
feinem Zweifel unterliegen, daß Nicolaus von dem Papſte ausdrücklich 
abgefandt und bevollmächtigt war!. Es iſt mir ganz unerflärlich, 
was den Kaifer und einen Theil feiner Umgebung, unter Anderen den 
befannten Ziegler, derart gegen den Mönc aufbringen konnte, Ni— 
colaus war der deutichen und der Ordensſache aufs eifrigite ergeben, 
das erjehen wir aus feinem ganzen fpäteren Gebahren, vor Allem in 
Rom in der zweiten Hälfte des Jahres 1519. 

Beinahe könnte es ung scheinen, als ob der Kaijer und feine Rath— 
geber im diejer Angelegenheit mit den Polen nicht aufrichtig handeln 
und als ob Hinter diefem fcheinbaren Groll gegen Schönberg eine für 
uns noch unverjtändliche Yutrigue ſich verberge. Vielleicht werden 
die von uns hier mitgetheilten Schriftjtüdle dazu beitragen, diefe dunkle 
Angelegenheit aufzuklären. Jedenfalls verdient es der Dominifaners 
mönd, daß man fich mit feiner Perjönlichkeit eingehender bejchäftige: 
die Acta Tomiciana und Theiner® Monumenta enthalten ziemlich 
reichhaltiges Material für feine Gejchichte, weldyes ſich wohl aus au— 
deren Sammlungen vervollitändigen ließe. 

Außer einer ausführlichen Darftellung diefer Scönbergiichen 
Epijode enthält die polnifche Depeche vom 27. September noch einen 
Bericht über die Thätigkeit des Reichstages. Yeider war die Wahl- 
angelegenheit in dem Zeitpunkte, mit welchen die Gejandten beginnen, 
bereits zu ihrem Abjchluffe gediehen, wir erfahren aljo aus diejer De— 
pejche nichts über diefelbe. Ohne allen Zweifel hatten-die Gefandten 
über fie in den beiden erjten Depefchen eingehend berichtet. Hier alſo 
beichäftigen fie fi) nurnocd, vorwiegend mit der Türfenhülfe und dem 
Abſchiede. Trotzdem aber wird, glaube ich, diejes von den Polen ent= 
worfene Bild eines Abſchnittes des Neichstages hier und da das bis— 
her Bekannte theils bejtätigen, theils aber auch ergänzen, vor Alleın 
aber ijt diefe Depeſche ein jedenfall® ziemlich belangreiches Supple= 


1Siehe 3.8. Theiner, Mon. Pol. II, Nr. 406 und 407, S. 378—380, 
wo ſich zwei Schreiben des Papftes vom 1. October 1518 finden, in welchen 
Nicolaus ausdrüdlih ‘nuntius noster’ genannt wird. In dem erften Schrei« 
ben belobt ihn der Papſt wegen der am Hofe des Groffürften von Moslau ge- 
führten Unterhandlungen, in dem zweiten fordert er ihn auf, die hriftlichen 
Monarchen zu der Türfenerpedition anzufenern. 


640 


ment zu dem von Theiner im II. Bande feiner Mon. Pol. veröffent- 
lichten Acta legationis episcopi Plocensis. 

Beide Schriftjtüde hat Graf Plater nad) den Originalen abge- 
drudt, die mit der Zeit in den Originalen entjtandenen Lücken habe 
ich mich bemüht zu ergänzen. Das Ergänzte gebe ih in Klammern. 


I. 


Kaiſer Maximilian I. an den König Bigismund I. über die In— 
triguen des Mönchs .. Em m. Augsburg 14. Sep- 
ember : 


Maximilianus divina favente clementia electus Romano- 
rum Imperator semper Augustus ac Germaniae, Hungariae, 
Dalmaciae, Croaciae etc. Rex, Archidux Ausltriae], Dux 
Burgundiae, Brabanciae etc., Comes Palatinus etc. serenissimo 
prinleipi] domino Sigismundo Poloniae Regi etc., fratri et 
consanguineo nostro chafrissimo], salutem et fraterni amo- 
ris continuum incrementum. Serenissime princeps, fralter] 
et consanguinee charissime! Significamus Serenitati vestrae, 
venisse in curiam n|ost|r[am] praeteritis mensibus monachum 
quendam ex familia de Schennperg [ab] urbe Roma, qui as- 
serebat se a pontifice missum, ut nobiscum et cum sacf[ri] 
imperii prineipibus in nostra civitate imperiali Augusta con- 
gregandis agleret] de instituta jam expeditione salutari ac 
prope necessaria contra infildeles| habereque de eo a ponti- 
fice particulare mandatum; ac ostendit modum quendam et 
viam hujuscemodi expeditionis, addebatque, se, postquam hie 
[man]data peregisset, iter habere ad Serenitatem Vestram ac 
ceteros christianos [reges] et principes, acturus de hoc eo- 
dem negotio, quo maturius perficeret[ur). Verum nunc fide 
dignis authoribus intelleximus fratrem [is|tum non jussu, prout 
simulabat, [pontifieis], verum a quibusdam cardinalibus 
Romae agentibus, [nobis] minus benevolis ac partibus nostris 
adversantibus, subornatum venisse, [qui] accessionibus nostris 
vel honoris vel cujuscunque alterius boni invideant vel indo- 
leant, ideoque praefato monacho eos in secretis mandatis de- 
jene ut inter nos tanquam Romanorum imperatorem et 
archiducem Austriae ceterosque [chrijstianos reges, electores 
et principes difficultates ingereret ac opinionum diversitates 
morasque ac impedimenta omnibus bonis consiliis et decretis 
intersereret, quod timerent praefati cardinales partibus nostris 
infesti, [ne] cum nos omnes christiani reges ceterique sacri 
Romani imperii prineipes ac rel tantum amarent, ob- 
servarent, considerent ac omnibus in rebus de no[bis] bene 


641 


sentirent, accedente praecipue favore auctoritateque serenissi- 
morum filior[fum] nostrorum, Hyspaniarum regum, ecelesiastica 
re superiores essemus, a|c ne] in nobis foret, malos mores 
consuetudinesque jam inveteratas emenda[re] ipsosque cardi- 
nales ac totum elerum ad debitum christianae religioni sta- 
tum reformare ac reducere conaremur; per quas illorum pes- 
sim[as] artes ac machinationes quis non videt quanta uni- 
versae christianae r[ei]publicae damna, incommoda, morae di- 
lationesque bonis laudabilibus ac necessariis inceptis, et e 
contra principia communium malorum, si procederent, impor- 
tarentur, quae a nullo rege aut principe negligenda sunt, 
debetque unusquisque putare, cum aliquid in commune aceci- 
dat sive boni sive mali, id accidere et regno, dominiis ac 
subditis suis. Quid enim est aliud, quod isti efficere conan- 
tur, nisi aut dilatio perturbatioque, aut omnino sublatio hujus 
sanctae et necessariae expeditionis, ex quo tidei nostrae ho- 
stes atrocissimi majorem spem sumerent ac contra rem chri- 
stianam magis animarentur, quod nos, ne aceidat, quantum 
in nobis sit, studemus avertere; cumque ceteros reges, elec- 
tures, prineipes ac status de hujus monachi dolis et machina- 
tionibus sincere fidelitergue admonendos duxerimus, Sereni- 
tati quoque Vestrae fraterne denuntiare voluimus. Et quod 
vera sint ea, quae diximus, nobis de praefato monacho com- 
perta esse, ex eo quoque ostenditur manifeste; nam primo bono 
argumento nobiscum locutas est verisimiliterque judicavit, ut 
omnes ecclesiastici contra infideles nervos jurium suorum in- 
tendere vellent, quodque illorum ope et auxilio, quod eorum 
nomine ipse nobis offerebat, aliorum praecipue christianorum 
regum, prineipum et statuum accedente suffragio, facile esse 
infidelibus resistere, ac etiam eos ultro appetere facultas esset. 
Quae eadem cum ad serenissimum filium et fratrem nostrum 
charissimum Hungariae regem profeetus primo protulisset ac 
sincere pro republica egisset aut se agere simulasset, fuit 
finis a prineipio longe diversus: in eadem fraude ac dolis, 
quibus apud nos fuerat usus, illie quoque deprehensus est. 
Cum itaque eum apud Serenitatem quoque Vestram non melius 
facturum arbitraremur, voluimus illi haec omnia nota esse, 
ut ipsa facilius cavere possit, quam etiam fraterne rogantes 
plurimum adhortamur, velit nos per eundem, qui has litteras 
attulit Serenitati Vestrae, certiores facere, quae ista omnis 
tractatio istins monachi fuit, quidve egerit in princeipio aut 
quid in fine coneludere studuerit. Quod nos seire una cum 
Serenitate Vestra omnino pertinet ad ea quae habentur de 
totius christianitatis salute consilia. In quo fecerit nobis Se- 
renitas Vestra rem gratissimam omni fraterno amore propen- 
saque voluntate vicissim cum res tulerit recognoscendam, et 
ea diu feliciter valeat. Datum in civitate nostra imperiali 


642 


Augusta die 14. Septembris anno Domini 1518, regnorum no- 
strorum Romani 33, Hungariae vero 28. 
Vester integer frater 
Maximilianus I. Imperator. 

Serenissimo Prineipi Domino Si- 

gismundo Poloniae Regi etc. fratri 

etc. consanguineo nostro cha- 

rissimo. 


II. 


Die polnifcen Gefandten Erasmus Ciolek und Raphael Leszczynski 
beridyten an König Sigismund I. über den Zortlauf des Augs- 
burger Reidjstages. Augsburg den 27. Beptember 1518. 


Serenissime Rex et domine, domine gratiosissime! Com- 
mendatis orationibus et servitiis nostris in gratiam Vestrae 
Majestatis. Scripsimus nuper de omnibus, quae hic fiebant, 
penultima Augusti, et postea de his, quae subsequenter acta 
sunt, secundis litteris de data 12. Septembris significavimus, 
quae per postam caesaris celerrime missae fuerant, in quibus 
singulos dies cum audientiis, sessionibus et actionibus hujus 
conventus satis abunde consignavimus. 

Quid deinde successit a tredecima hujus, praesentibus 
explicamus, in his praesertim, quae ad generalem expeditio- 
nem attinent, super quibus per principes, electores et alivs 
duces, qui huc multi convenerant, ac status varios in dies 
consultabatur, et, quantum notare potuimus, satis diligenter; 
conveniebant enim bis in die, et semper ad horam usque ta- 
bulae consilium durabat. 

Habet jam Vestra Majestas ante a nobis descriptum, quae in 
festo natalis Mariae [8. Scpt.] de hac materia expeditionis per 
caesarem et legatos ac oratores regum acta sunt super pro- 
positis a prineipibus, eleetoribus atque aliis statibus, qui si- 
mul consultare solent, et quod caesar cum legatis ac orato- 
ribus generalem illam oblationem prineipum acceptare noluit, 
qua se omnes offerebant in personis propris, quisque pro 
conditione cum potentia qua majori posset refutata proposi- 
tione legatorum, ut quinquaginta personae unam expedirent, 
et similiter denegata decima decimae per spirituales, contra, 
quam oblationem generalem aliae conditioues per caesarem 
et legatos proponi debuerant. 

Super quo altera die data fuit principibus propositio ista, 
ut videlicet constituerent certam aliquam summam militum 
bellatorum. Optabant vero legati quinquaginta millium equi- 


643 


tum et peditum, aut quod imponeretur erueiata, quam qui per- 
sonaliter ‚obtinere nollet vel non posset, ut certam quotam 
imponeret ad capsam pro milite conducendo, de quibus quin- 
que diebus continuis consultabant, et usque in festo sanctae 
Crueis, quae fuit 14. hujus, talem dederunt resolutionem: 
‘Nihil eos ‚constituere potuisse ad certam aliquam bellatorum 
summam ‚promittendam, quandoquidem praedecessores ipso- 
rum nunquam adhuc artari poterant per quoscunque caesa- 
res, ut eorum servitium benivolum ad certum aliquem nume- 
rum taxari debuisset, neque ipsi hoc auderent aut possent’. 

De cruciata etiam nullam mentionem facere voluerunt, 
repetentes, quae tumultuationes in Hungaria et alibi ex ea- 
dem ortae sint, et plura ad rem hanc, et quod mallent potius 
honestam aliguam pecuniarum summam ad expeditionem ip- 
sam contribuere, adhibitis cautelis oportunis, ut non ad ali- 
um effectum praeterquam contra Turcos expendantur, et pro- 
posuerant modum hunc, ut quilibet utriusque sexus commu- 
nicans daret singulis annis tribus continuis vicesimam partem 
ducati Renensis, quam summam ipsi taxabant ad unum milli- 
pnem, et quod tantum verisimiliter constituere deberet. _ 

Misit propositionem hanc Caesarea Majestas ad dominos 
legatos eadem die in Germanico s|eriptam], ubi et oratores 
omnes convocati fuerant, quae in domo domini Gajetani acta 
sunt: [quod] dum interpretaretur dominus Gurcensis et referret 
mentem caesaris, quia Suae Majestati parum videatur, itidem 
et reverendissimus dominus Gajetanus cum oratoribus appro- 
babat, quia paucum aut nullum adjutorium ex eodem tributo 
sperari debeat. 

Proposuerant demum domini legati nobiscum simul alium 
modum, et profeeto justiorem, ut, quieunque de propriis in re- 
bus mobilibus et.immobilibus non haberet supra centum flo- 
renos, solveret hoc modo partem videlicet vigesimam Renensis, 
omnes vero alii, qui supra centum florenos de suis habent, 
solverent quotannis pro expeditione ipsa tantum quantum 
unius septimanae expensa pro sua quisque et familiae suae 

rovisione valere.possit, cui etiam propositioni Caesarea Ma- 
jestas assentire videbatur, ut alii referebant. Super quo ite- 
rum [tribus] diebus sequentibus consultabant. 

Feria sexta.tandem, quae fuit 17. hujus, dederunt re- 
sponsum sutm Caesareae [Majestati et legatis] in Ger- 
manico scriptum, quod reverendissimis dominis legatis et ora- 
toribus r[egum ad manus]| Gurcensis oblatum fuit; ibi enim 
de mandato caesaris tum conven[erunt, ad] illud septima- 
narum tributum consentire eos velle, et quod totam pecuniam 
ex Germania tributum hoc tale emungeret, sed stare eos con- 
stanter in illo primo responso de vicesima parte Renensis per 
eommunicantes singulos solvenda, et quod jam ultimum sit 


XVIIL 42 


644 


hoc eorum responsum, dum eadem die dux Saxoniae et ali- 
quot episcopi primarii proponebant propter aegritudines quis- 
que suus, ut reverendissimus dominus Gurcensis referebat. 

Excanduit plurimum dominus Gajetanus, quia ita peremp- 
torium terminum assignabant, ubi neque ipsi replicare possent, 
et quod quadraginta diebus nihil actum sit in tanta christi- 
ani status necessitudine et periculo imminenti, ubi adducebat 
multa cum protestationibus contra germanicam nationem, 
commemorans pontificis curam et diligentiam pro eadem ex- 
peditione, qui mittit legatos suos ad varios principes, sine 
ullis facultatibus, allegando, quod jam quinque millia de the- 
gauro papae ipse pro se et suis stando hic et veniendo ex- 
penderit, et quod pontifex invitus tractabit rem hanc cum 
aliis regibus, Germania in sua temeritate relicta, et plura 
alia ad effectum similem. 

Replicabat reverendissimus dominus Gurcensis, quia Cae- 
sarea Majestas adhibet omnem operam suam ad principes et 
status, ut habeant dignam tantae rei considerationem, cum 
quibus importunitate nihil posset, neque eos credit retinere, 
conabitur tamen efficere, ut per diem crastinam maneant, 
prout factum erat, et quia adhuc curabit caesar, quantum- 
cunque poterit eniti et persuadere, ut magis aliquid faciant, 
verum ad illam contributionem hebdomadariam nullis modis 
prineipes conduci volunt. 

Consultabant omnes die sabbati usque ad meridiem, et 
hora vesperorum accesserunt caesarem cum responso, ubi si- 
mul in crepusculum usque manserunt concertantes rationibus, 
quamvis referebant nonnulli et nos ita credimus, quod caesar 
potuisset cum eis omnia, quae voluisset. Sed ex proposito, 
ut ante etiam scripsimus, conabatur rem diferread alium con- 
ventum, ut sic teneret pontificem et traheret eum sub ea spe 
in rem suam, ut ex ea sententia procederet actus ille elec- 
tionis. 

Dominica demum, quae fuit 19. mensis hujus, vocati 
sumus ad caesarem hora vesperorum, ubi etiam aderant re- 
verendissimi domini legati et oratores ac dominus episcopus 
Tridentinus cum cancellario imperiali et aliquot secretariis. 
His vero verbis caesar usus est: ‘Habemus jam responsum 
finale prineipum, faciunt bene aliquid magis quam ante, sed 
omnia referunt ad alium conventum, qui post quinque aut 
sex menses tenebitur. Sed omnino facient, quae promittunt, 
et forte adhuc aliquid majus’. Offerebat cedulam cum re- 
sponso dominus Czygler secretarius, quam reverendissimus 
dominus Gurcensis interpretabatur, nam et ista germanice 
scripta erat. Quae omnia a proposito sic faciebant, nam porri- 
gebantur ante aliquot vieibus chartae latinae, quarum exem- 
plar quia petebat dominus Gajetanus et nos simul, semper 


645 


t{amen] denegatum fuit, nunquam deinceps in scriptis nisi 
germanica dabantur responsa, ut eorum copia commode peti 
non posset. 

Responsum hoc continebat in summa: quia attentis tam 
gravibus periculis, quae a Turcarum potentia sie aucta Chri- 
stianitati imminent, vellet germanica natio eam se praestare, 
ut tantae tamque necessariae expeditioni non deesset. Com- 
memoratis deinde gravaminibus, quae a sede apostolica sus- 
tinent, et reformatione petita, obtulerunt a qualibet persona 
utriusque sexus communicante decimam partem auri Renensis 
ad tres annos sequentes, cautelis [ratiJone conservationis ap- 
positis, ut ad eum et non ad alium effectum collectae pecu- 
niae exponantur, [re]petitis similibus nonnullis praeteritis 
eventibus, et quod ista cum subditis eorum communicare 
[vellejnt, quorum mentes primis erroribus exacerbatae vi- 
dentur, et ne aegre ferant domini legati [banc] dilationem, 
quae necessario fit, et alia ad hunc effectum. Nescimus, 
qua astutia in ea curia laboratur, ideo cordiale hoc adjun- 
gere voluimus, neque id publicari debet. 

Aliquot diebus ante adventum fratris Nicolai Szyemberk 
venit ad nos dominus Laurentius Zaurer vicedominus Au- 
striae, perquirens inter cetera, quid de fratre illo sentiamus, 
aut quae sit de eo opinio apud Majestatem Vestram. Nos 
respondimus, quod bene de eo sentiamus, neque in alia repu- 
tatione esse apud Majestatem Vestram, quippe qui satis con- 
siderate et prudenter egit omnia cum Majestate [vestra]; sub- 
junxit ipse: ‘Aliter de eo credere debetis, est enim fraterculus 
dolis, simultatibus et omni malignitate plenus, qui fingit se 
agere et sollicitare apud reges christianos expeditionem con- 
tra Turcas, aliud tamen curat, dum ipse sit missus per ali- 
quos cardinales novos ad explorandas voluntates et delibera- 
tiones principum, si quid contra eos aut pontificem molian- 
tur propter tam numerosam creationem ipsorum; et ideo Cae- 
sarea Majestas miserat hanc informationem serenissimo regi 
vestro, ut sciat caute procedere cum eodem. Quam informa- 
tionem recepi in itinere hoc dum transirem ad caesarem, et 
videbatur mihi tutius, ut eam prius vestrae dominationes vi- 
dissent. Super quo consului caesarem, et placuit Suae Ma- 
jestati vultque, ut eam mittatis regi vestro’. Et illico obtulit 
cedulam sigillatam minori caesaris sigillo et subscriptam !, 
Nos multum admirati sumus et tensa palpaba[lmus] retia. 
Diximus tamen, nos missuros cedulam ipsam cum primis 
litteris nustris. Tribus vero diebus ante posta illa cum litte- 
ris nostris discesserat, neque commode potuimus tam repente 
eam mittere. Quarta postea die venit huc frater Nicolaus 


ı Bweifelsohne eben jener, oben von uns abgedrudte Brief Marimilians, 
42 %* 


646 


ex Ungaria et in crastino nos visitavit, quaerulans admodum, 
tanquam de eo Vestra Majestas aliquid suspecti seripsisset 
ad caesarem, et quod nos etiam de ipso pessimam relationem 
feeissemus. Stupebamus vafris illis adinventionibus et inge- 
niis perditis ac dolosis. Excusavimus quantum lieuit Vestram 
Majestatem, quae talibus levitatibus uti non solet, et nos si- 
mul, ut potuimus. Videbamus tamen hominem, ut solers est, 
subdubitare plurimum et alteri parti majorem fidem prae- 
stare; distulimus tandem in crastinum rem hanc, et perqui- 
rebamus, quae in Ungaria et apud magistrum per eum acta 
sunt; dixit aliqua superficialiter, intimum vero tangere noluit, 
suspicione hac, ut notari potuit, exacerbatus. Consultabamus 
deinde mutuo, quid magis rebus Majestatis Vestrae condu- 
ceret, an relinquere eum in illa animi amaritudine et falsis 
de Majestate Vestra narratis, aut potius manifestam facere 
malignitatem hominum et eum in fide erga Majestatem Ve- 
stram firmare. Alteram itaque partem elegimus, quae tutior 
videbatur, maxime dum intelleximus iterum ad Ungariam et 
Poloniam rediturum, ac tandem ad magistrum, ne sie irri- 
tatus mentem ad nocendum converteret, considerata etiam di- 
scretione hominis, qui seit secretis uti et credita fidei conser- 
vare. Quem die sequenti ad nos vocavimus et sigillo confes- 
sionis astrietum, aperuimus omnia et ostendimus chartam de 
eo obsignatam, quam diximus ideo ad Majestatem Vestram 
non misisse, quia nibil de fide sua dubitabamus, sed potius 
cognovimus instrumenta fuisse discordiarum, et ut persona 
sua sic in suspiecionem inducta nibil amplius Vestra Majestas 
sibi confideret. Haesit ipse et aeque ut nos stupere videba- 
tur, maledicens pessimas hominum adinventiones, et addebat, 
quod ea etiam die, antequam ad nos venisset, unus homo de 
primariis in curia caesaris firmabat hoc, quia ‘rex Poloniae 
multa mala ad caesarem de te scripsit’ etc. 

Aperuit deinde plurima, quae in Hungaria et cum magistro 
fide integerrima egisset, de quibus jam constat Vestrae Ma- 
jestati, et ipse alia adhuc referet. Consuluit demum, ut ea- 
dem charta sigillata ostenderetur pontifici, dum et illuc tenta- 
bant modis istis suspectos reddere aliquos principes, et forte 
adhuc non desistent, ut sie cognoscat Sua Sanctitas, quam 
fidem talibus adhibere debeat aut possit, et per hoc autoritas 
Vestrae Majestatis apud eum augebitur, dum sincera mente 
Suae Sanctitatis nuntios prosequitur. Mittimus igitur Vestrae 
Majestati exemplar ejusdem cedulae sigillatae, et originalis 
Romam portabitur. 

Credimus enim, quod de Vestra Majestate aliquid illue 
per malivolos suggestum sit, quae non semper mandato cae- 
saris fiunt; invident enim aliqui, quia tantus amor et obser- 
yantia 'inter- caesarem et Vestram Majestatem crescit in dies 


647 


et firmatur, euperent potius, ut ad primam malivolentiam re- 
dirent omnia, quae inter Brandenburgenses re ipsa cognovi- 
mus, et eorum totum est refuginm ad dominum Gurcensem, 
de cujus faretra tela ista prodeunt, sed brevi solum ipsum fe- 
rient. De quibus postea latius. 

Ista secretius. 

Ibidem Caesarea Majestas voluit audire vota singulorum 
super his, quae a principibus pro finali responso data sunt, 

Reverendissimus dominus Gajetanus paueis replicavit, 
quia subsidium hoc nimis sit pareum et quia incerto labora- 
tur, dum nulla vera summa designari potuit istius collectae, 
quamvis caesariani diceebant unum millionem cum medio su- 
perare debere. Finaliter dixit, quia nihil conelusive respon- 
dere sciret, donee habeat responsum in scriptis, cui etiam 
alii fere omnes innitebantur, quilibet suas rationes adducens, 
quas omittimus. 

Feria secunda [Zept.20] data fuit responsio in scriptis, cujus 
exemplar hic alligatum est. Etillieo omnes principes discesse- 
runt, et solutus est conventus, neque remansit quisquam, cui 
replicandum foret. Nos eadem die una hora ante meridiem 
audientiam octavam babuimus, in qua primum hortati sumus 
caesarem pro litteris reversalibus, aliter enim mandatum dare 
noluimus, quas ibidem commisit dandas domino Czygler se- 
eretario. Agebamus praeterea gratias Suae Majestati de no- 
vis nobis missis, et quia nihil a Majestate Vestra hucusque 
habuimus, in quantum licuit excusabamus. Declarabat domi- 
nus marsalcus oflicia et dignitates eorum, qui inter Moscos 
primarii in illo conflietu oceisi sunt, de quo videbatur pluri- 
mum contenta Sua Majestas. Petimus demum licentiam no- 
bis dari, ut alter Romam, alter ad Majestatem Vestram se 
conferat, et tertius hic maneret pro voto Suae Majestatis, 
dum jam conventus dissolveretur; ibidemque diem Mereurii 
sequentem pro expeditione nostra designavit. 

Feria quarta [|Sept. 22] assignata fuit nobis hora secunda 
noctis pro audientia et expeditione nostra; mane enim agebat 
cum reliquis prineipibus, qui discedebant, et post prandium cum 
legatis, nam in crastino caesar exire debuit versus Vels, pro- 
ut et factum est. Hora noctis adveniente conducti sumus ho- 
neste et reducti. Fuit vero eirca expeditionem nostram re- 
verendissimus dominus Gurcensis et nonnulli secretarii. Do- 
minus Andreas de Burgo dabat responsum, cujus exemplar 
per dominum marsaleum mittimus, qui etiam dicet alia plura, 
quae hie et in itinere tempore intermedio acta sunt. De quo 
hoc damus testimonium, quia fuit semper bonus et obsequen- 
tissimus socius noster, qui etiam pro virtute sua satis gra- 
tiose a Caesarea Majestate expeditus est. Reverendissimi 
domini cardinales legati commendant se et servitia sua Ve- 


648 


strae Sacrae Majestati. Credimus alterum ad Hungariam 
iturum, qui forte etiam constituetur apud Majestatem Vestram, 
expectat tamen adhuc informationem pontificis. Haec sunt, 
quae sex istis septimanis in eo conventu per nos acta fuerant, 
si quid minus debite, non nos sed illos, qui ita voluerunt, in- 
eulpabit. Cupimus Vestram Sacram Majestatem longe et fe- 
lieiter valere. Cujus gratiae nos et servitia nostra simulque 
et expensas graves commendamus. Ex Augusta Vindeliciae 
ipso die sancti Stanislai' anno Domini 1518. 
Vestrae Majestatis obsequiosissimi 
servitores 
Erasmus [episcopus Plocensis] 
Raphael de [Leschno]. 
Serenissimo principi et domino domino 
Sigismundo Dei gratia Regi Poloniae 
magno dueci Lithuaniae et domino no- 
stro gratiossimo. 


ı Die Translatio sancti Stanislai, weldhe in Weidenbachs Calendarium 
nicht angeführt ift, wurde in Polen am 27. September gefeiert. 


Berichte über Franz von Sidingens Ende nnd die daranf 
folgenden Ereignifje. 


Mitgetheilt von F. dv. Weed). 





Bei Gelegenheit einer Nachforſchung fanden fi) in dem noch nicht 
Inftematifch geordneten Theile des Pfälzer Generalien-Akten-Archives 
im eneral=Landes=- Archive zu Karlsruhe, und zwar unter einer 
Neihe von Faszifeln, welche Berichte des General8 von Wrede über 
die friegeriichen Greigniffe der 1790er Jahre enthalten, einige Blätter 
in einem Umfchlage, dem eine Hand des vorigen Jahrhunderts die 
Aufichrift gegeben hat: „Die Einnahme der Sclöffer des Grafen 
(sic!) Franz von Sicdingen und deffen Tod betr. 1523". 

Diefe Blätter enthalten die ziemlich gleichzeitige Abjchrift zweier 
Berichte des Reinhard von Neuneck, welcher mit dem Herzog Ott— 
heinrih von Neuburg den Zug gegen Sickingen mitmachte und zu den 
Kriegsräthen der verbündeten Fürſten gehörte. Seine Berichte, die 
an Adam von Törringen, Ritter, und Konrad von Nechberg, Hof: 
meifter, gerichtet find, beftätigen die bereit8 befannten Nachrichten über 
diefen Kriegszug und ergänzen und ermeitern biefelben im einigen 
Punkten. Yedenfalls find fie, al8 gleichzeitige Aufzeichnungen eines feiner 
Stellung nach wohl unterrichteten und an den bedeutenden Vorgängen 
unmittelbar betheiligten Zeitgenoffen, der Veröffentlichung wert. ALS 
Beilagen zu dem eriten Berichte Neuneds finden wir den Brief, den 
Sickingen am 6. Mai an die Fürften richtete, um die Unterhandlung 
zum Zwecke der Uebergabe von Landſtuhl anzubahnen, fowie die Ant« 
wort, welche ihm in deren Namen am gleichen Tage ihr oberiter 
Teldhauptmann, Wilhelm von Rennenberg, ertheilte. Gegen die Echt: 
heit des Wortlautes der beiden Schreiben kann wohl fein Zweifel 
beftehen. Die von Spalatin (Friedrichs des Weifen Leben und Zeit- 
gefchichte, herausg. von Neudeder und Preller, Jena 1851, ©. 177) 
mitgetheilte DVerfion ift “eben nur eine allgemeine Inhaltsangabe, 
wahrfcheinlih nad) miündlicher Ueberlieferung Rudeckens niederge- 
fchrieben. Durch den Wortlaut des Sickingen'ſchen Schreibens wird 
die Angabe Sturms (bei Münch, Sidingen Bd. II, ©. 63) be- 
ftätigt, daß Sicdingen ſich darüber bejchwert habe, daß an ihm noch 
nie „ainich fprach nod) was die von mir ze Haben begern, angezaigt“ 


650 


fei: eine Aeußerung, welche, nach den bisher vorliegenden Quellen, 
Ulmann (Sidingen S. 377 Ann.) in Abrede ſtellt. 

Als weitere Beilagen liegen dem Neunedichen Berichte Abjchriften 
der beiden Briefe bei, welde Sicdingen an feinen treuen Balthafar 
Schlör richtete. Ulman hat die (Hiffrirten) Originale in Kaſſel ge— 
jehen und auszugsweile mitgetheilt. Ich glaube, daß auch der voll- 
Ttändige Abdruck diefer Briefe gerechtfertigt ericheint, und bemerfe nur 
noch, daß der erſte, der in der mir vorliegenden Abjchrift undatirt iſt, 
nad Ulmann (S. 374 Anm. 1) das Datum Samftag nad) Jubilate 
(Mai 2) trägt. 


Her Benhart von Heunegks neue mär, her Adamen und dem hof: 
meifter des ſchlos Hanflal! halben zuegefdriben. 


Mein freuntlic dinft zuvor, lieben her Adam und hofmeijter, 
fonder gut frund. Ich han Euch vergangner tagen bei) Graf Hangen 
Schreiber geichriben, auf welhen tag die drey furjten jich fur Nanſtal 
gezogen haben. Das iſt am mittwoch) acht tag gewejen?, und weh 
fich) dazumal zu oberftem haubtman, nemblich des von Rennenbergs, 
zu verjehen geweit, auch wer zu friegsrethen verordent ſeien 2c., das 
ir ungezweifelt mumer vernommen habt, und lag Euch weiter wiljen, 
das vorgemelter von Rennenberg, oberjter haubtman, verordent und 
die friegsräth wie im nächſten briefe beftiimbt fein, und das man die 
acht tag ein vajt ernſtlichs und groß ſchieſſen gethan hat, dergleichen 
ich vormals vor ainichem schloß, ſtat oder flegken in ainer ſolhen zeit 
nit mer gehort habe. Und am mitwoch vergangen [Mai 6] nit lang 
nach mittentag, al8 man, wie vorjtet, bi8 an achten tag geichoijen 
hat, ſchigkte Frank ainen trumenfchläger aus dem ſchloß, ainen brief 
in ainer Euppen? tragend, an die drey furften lauttend, der begerte 
ain fprad) ze halten. . Alfo ward geratichlagt und zuerjt verordnet der 
von Rennenberg und ich, die ſprach aufzenemen, und zu ums aus dem 
ſchloß geichigft mit namen Wilheln von Baldegkh, Balthas vor News 
haus, PBaule von Gueltlingen, ir fueßfnecht haubtman Feirabent uiid 
ir fendrih Hans von Straßburg genannt, und was ir ſprach und bes 
geren, das man irm jungfer und ſy mit irer hab ziehen laffen ſoll, 
jo wollten ſy das ſchlos aufgeben; welhs an die furften gebracht, hin 
und wider beratichlagt und doch am leßjten, nach vil hin und wiber- 
ſchigkens von ainem teil zum andern, befchloffen ward, da man ſy zu 
guaden, und nemblich Franken und die von adel in ritterliche ges 
fengfnuß aufgenommen, die fueßknecht, deren ungeverlich bey achzigen, 
ziehen laſſen Hat mit ber verjtrigfung, in ainem monat tiber ber 
dreyer furften fainen ze bieten. Und als den andern morgen, nems 


* Nanftal, Nanftul, ift der ältere Name des Scloffes Landftuhl. 
» Afo am 29. April, * * 


° Zange, Frangholz; Lexer, Mittelhochd. Wörterb. I, 1640. 


651 


(ich an geftern frue, verorndt ward, das ſchlos einzenemen, bin ich 
erftens gefchigft worden und der gefangen zwen mit mir, mit nanten 
Wilhelm von Baldegf und Balthas vom Newenhaus. Und Hab ich 
mit Frangen, der mit ainem palfen, von ainem ſchuß auf ine ges 
falfen, in die feiten auf den tod verwundt worden was, gehandelt und 
geret, wie Ir in aim folhen fall, als der ding verftendig, wiljt zu 
bedengfen. Darnach find di drey furften auch zu ime fommen, haben 
mit ime und er mit imegeredt, doch nit vil, das fich als nit ſchreiben 
laffen will. Und gleich in derfelben jtund iſt Fran todtes vergangen, 
dem Got gerad. Und hab ich erlangt bey meinen gnedigften und gne— 
digen herren, das ſy mir vergumt haben, ine zue der erden zu be= 
ftatten und begraben ze lajjen, wie ich dann gethan Habe. Und ich 
verfich mich, das di furften ungeverlih in zwaien tagen alhie auf« 
brechen und fur andere ſchlos, nemlich meins achtens fur Hohenburg 
und Dradenfels, ziehen werden. Der vom adel im ſchloß namen 
Ir ab innliegender verzaichnus vernemen werdt. Auch ift Dietrich) 
Speten ſone ainer, Ulrich genant, ein gewachiner bueb, im fchloß ge= 
wefen, durch Frantzen uferzogen, den haben mir alle drey furften er— 
geben, und iſt ytz bey mir, wil ine feim vatter haimſchigken, und wie 
jich die fach weiter zuegetragen wirdet, Uch aud) nit verhalten. Und 
bit Euch fruntlih, wellet Euch fain bottenlon daurn laffen und mir 
auch neue zeitung fchreiben, was doben das geichray ſey, wie ſich die 
Tranden halten und ob Ir nichts weiters von Hartman von Cron— 
berg practigt gehabt Habt. Es ſeien nemlich zwayhundert pferd gen 
Bogkſperg fommen, deßhalben der Pfaltgraf reiter gen Moßbach ges 
legt hat, darımder wir Jörgen Reindel als haubtman mit aim umd 
zwaintig pferd haben, und wo die drey Churfurften und furften das 
geſchutz ſo gelegen auf Bogkiperg bringen mochten. Als daher han 
ich darfur, ſy wurden ſy am demfelbigen ort auch etwas underfteen. 
Wellet auch meinen gnedigen herren Eurs rat und guttbedungfen bes 
richten, jo man weiter ziehen wirdet, ob man fchloß gewenn, oder fo 
man in ain leger verordnet wurd, was meim griedigen herren thunlich ſey. 

Item. Der von Konigjtein, Eyienberg, Volport von der Ya 
und ich find verordniet worden, das wir follen alle ding im 8 
verwaren und beſetzen und in der dreyer Churfurſten und furſten hand 
antworten. Das iſt beſchehen, doch darneben ſey ſer geſtolen worden, 
und bin ich uberbliben. 

Item. Wo wir mit den dreyen herren lang mit einander raifen 
jollen, acht ich, das wir ainmal ſelbs zeſamen dretten und die beut 
mit bluetigen föpfen tailn werden. lat hangt am nagel, wer mir 
nimbt, dem wil ich auch nemen. Dat. im leger vor Nanftal, frey— 
tage nach Cantate [Mai 8.] anno etc. 23. 

Renhart von Neunegk 
Ritter, Pfleger zu Laugingen, Haubtman. 

An Herrn Adam von Tötringen, 

Ritter, und Chonradten von Rech: 

berg, Hofmeiſter. 


652 


Die friegsräth feien geweſen: 


Der von Rennenberg, oberjter au -- des Biſchofs von Trier 


Der von Eyſenburg wegen 


ig von ber ea 
Ain Graf von Wefterber 
Schlengk Eberhart von Erbach von des Pfalggrafen wegen. 

Her Renhart von Neunegkh von Herkog Otthainrich wegen. 

Graf von Konigſtein — 

Ainer von der Molburg, Marſchalh, von des Landtgrafen wegen. 

Der gefangen namen, die in Nanſtal betretten ſein: 

Wilhalm von Baldegk, Melhior von Schawenbergk, Balthaſar 
vom Newenhaus, Paulus von Gultlingen, Mathes von Mathenheim, 
genant Kreutter, Ludwig von Eſchenaw, Fridrich vom Han, Marſilius 
Faut, Conrad von Helmſtet, Hans Beheim, Hans Vetzer, Eberhart 
von Berlingen, Criſtoffel vom Obernſtein, Wilhelm von Segkendorf, 
Fabian Peuller, Bernhart von Stainheim an der Straß, Hans von 
Fernbergs knecht, Michel Frangkh, Fritz Schmid, Baſtian Ringk, Cri— 
ſtoffel Vogt. 


Wie Trank von Sigkingen den Churfürſten und Fürften geſchriben 
und ain ſprach zu halten begert hat. 


Euch den hochwirdigften, durchleuchtigften, durchleucdhtigen, hochge— 
bornen Churfürften und herren, herren Reicharten, Erzbiichofen zu 
Trier, des heyligen Römischen Reichs durch Gallien und das fonig- 
reich Arelat Ertcantler, herren Ludwigen, des heyligen Römifchen 
Reiche Ertdruchjäffen, und herren Philippfen, Yandgrafen zu Heilen zc. 
Embiet ic Franciscus von Sigfingen: Nachdem Eur Churfürftliche 
gnaden mich ainhelligclich uberzogen, belegert, meine behaufung, wie 
Inen wiſſen, hart befchedigt und aber noch nit an mich ainich ſprach, 
noch was die von mir ze haben begern, angezaigt, alfo das mir nit 
wijfen, weß gemut® Sy gegen mir und den meinen feyen, jo it an 
Eur Churfürftlichen, fürftlichen gnaden mein underthenig bitt, Sy wellen 
yemands der meinen ſprach mit Eur Churfürftlichen gnaden ze halten, 
Ir begern, auch weß gemuet® Sy gegen mir und den meinen jehen 
zu vernemen, mit gemuegfamer ftragfer freyet und ficher verglaittung 
zu Eurn Churfürftlichen [gnaden] und wider von dannen an ir ge- 
warſam ze fomen vergonden, Eur Churfürftlihen gnaden furftlich 
Schriftlich antwort bittend. Urfund mein aufgedrugft betichafft. Dat. 
anno etc. 23 mitwochs nad) dem fontag Cantate [Mai 6]. 


Wie dem von Sigkingen die ſprach zu halten zugefdriben if. 


Wir Wilhelm herr zu Rennenberg ꝛc. der hochwirdigiften, durch— 
leuchtigiſten und hochgeborenen fürften und herren, herren Neichart, 


653 


Ersbifchofen zu Trier, und Qudwigen, Pfaltgrafen bey Nein, baid 
Churfürften, und Philipps, Yandgrave von Heffen 2. oberfter veror« 
denter veldhaubtman, fueg dir, Frank von Sigfingen, zu wijfen, nach— 
dem du obgemelten meinen guedigiften und gnedigen herren ain fprad) 
ze halten under deinem betfchaft zugefchriben haft, das ir Churfürft- 
liche gnaden mir diefelbig mit dir ſambt irer Churfürftlichen und 
fürſtlichen gnaden viern zuegeordneten retten zu halten bevolhen hat. 
Geben dir auch ain ftund von wegen ir Churfürftlichen und fürft- 
lichen gnaden, ſolh ſprach zwifchen baiden pollwerdhen zu halten, ain 
frey ftragf gelait aus und wider in das haus bis in dein gewarfam 
ſonder alle geverde. Zu urkund under meinem Handzaichen mitwod) 
nad) Cantate anno etc, 23. 


Wie herr Renhart von Heunegk herren Adam und dem hofmaifter 
die neue märe mit den ausgebrenten ſchlöſſern zuegeſchriben hat. 


Mein fruntlich dinft zuvor, lieben her Adam und hofmeifter, 
jonder gut frundt und brueder. Eur widerjchrift, mir beym Rus 
prechten gethan und auf geftern zumacht zuefommen, hab ich nachlengs 
vernommen, und dieweil nit ſonders darinn ijt, das antwort bedarf, 
jo laß ich Euch weiter neue zeutung willen, das am montag acht tag 
vergangen [Mai 11] di furften das leger vor Nanftal verrugft, von 
dan ungeverlic; drei meyl wegs fich mit irme hörn in die borffer, 
und nemlich mein gnedigiter herr Pfalkgraf mit meinem gnedigen 
herren hertzog Ottheinrich in ain dorf Rodtalben genant, getan und 
davor den von Nennenberg, oberjter haubtman, und Scengf Eber- 
hardten von Erbach ungeverlich mit dreyhundert pferdten und zway 
fenlin knechten furgeichigft haben, die Schloß Trachenfels, ain ganer- 
benhaus, und Hohenburg, das Franten geweſen ift, aufzefordern. Und 
als ſy alfo fur Trachenfel® fommen find und dajjelb aufgefordert, 
haben fich die innhaber ain weil geſpreitzt, als wollten ſy ſich wörn, 
doch aljobald ſy geiehen, das man ſich mit dem gefchuß darfur le— 
gern hat welfen, habens das fchloß one alle wer aufgeben, dergleichen 
Hohenburg auch gethan hat. Und find die fchloß aus bevelc der 
furften ausgebrennt und geichlaifft. 

Am erchtag darnach [Mai 127 find mein gmedigifter herr der 
Pfaltgraf und mein gnediger herr herkog Otthainrich mit dem rai- 
figen zeug alher in ain dorf Schlaitenbach, ungeverlich ain meil wegs 
von Weißenburg gelegen, fommen, da ir gnaden noch ligen, und am 
aufarttag [Mai 14] die furften Trier und Heffen aus iren legern 
zu irn gnaden auch alher geritten, entlich der meynung zu underfteen, 
Neuenthann, ain Schloß von dem ftifft zue Speir zu lehen rurnde, 
auch gewaltigclich zuerobern, aber aus bit oud anfuchen des bijchofs 
von Speyr am meinen gnedigiten herren den Pfaltgrafen, als an des 
ftiffts erbverwandten fchirmherren, beichehen und ir beder gnaden 
aynungen und fruntichaft, mil ſy damit an einander gewandt find, 


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angefehen. So hats (gleihwol durch meinen gnedigiten herren. aus. 
aim trug behalten) dahin geraicht, das alle drey Churfürften und 
fürften das ſchlos eingenommen haben, ungeverlich ain monat lang 
innbehalten und alsdann dem von Speir einantworten follen, furter 
damit zu gefarn laut des lantfriden. Und fol Hainrid) von Tann, 
der des Schloß ain anheber geweien ift, dem von Trier umb fein vor— 
drung rechtens fein vor faiferliher Maieſtät fammergericht oder 
meinem gnedigften herren Pfaltgrafen oder dem Pandgrafen, ar welher 
der ende ainem es dem von Trier am bafjten gefellig it, aus diſer 
urſach, dieweil er die gefangen aus dem ftifft von Trier, darumb 
dann Franken anſprach geweſen ift, im fchloß Thaun enthalten hat. 

tem der herkog von Lottringen hat bey den fürften fein tref- 
lich botjchaft mit credents gefertigt gehabt, nemblich graf Johan von 
Salin, Adam Bairn und fein rentmaifter, fich durch diefelben gegen 
irn gnaden groſſer fruntichaft deufelben profiaud und ander notturft 
zuegeen ze lajjen, auch in feinen fürftentHumben fainerley gewerb 
oder verfamblung wider ſy zue geitatten erboten. Solhs die fürjten 
zu frumtlichem dangf von ime angenonmen, doch daneben nit under= 
laffen und den potjchaften angezaigt haben, wie mein gnedigiter herr 
Pfaltzgraf aus dem fchloß Putlburg, darinn ir herr auch ain ganerb, 
dermaſſen beichedigt und gebrennt wer worden und nemblih mit En— 
hertzhauſen, das ſy ye und fonderlicy mein gnedigſter herr nit umb— 
geen kunden, ſonder dahin geurſacht weren, zu underſteen daſſelb auch 
zu ſtraffen. Auf das ſind die rete abgetretten und haben den fürſten 
diſe antwort gegeben, wie es inen laid, das beſchedigung aus diſem 
haus, diweil ir herr ain ganerb darinnen, beſchehen were, deßhalben 
ir herr ſolhs die andern ganerben vertedingen laſſen und kain hör 
von irentwegen aufbringen würd. Und am nechſten montag hat der 
Rotenburg mit ainer anzal volks fur dafjelbe fchlos Lutzlburg gerugft, 
ſolhs, on alle wer, eingenommen und auch ausgebrennt, und find 
wenig perfonen darinnen geweſen. 

tem die von Weiffenburg, ain reichitat, obgenant, haben auch 
ir potfchaft beiy meinem guedigiten herren Pfaltzgrafen hie gehabt, im 
wein, habern und ochſen geichengft und fich dar vor, ee wir hinein, 
und profiand in das leger zugeen ze lajfen, mit ander® verjehen ge- 
habt, das man würde ir tat legern, wie dann viler mahnung war, 
aber die fürften habens zu thun nit in rat gefunden. Doch fy, die 
von Weiffenburg, fich nichts deft minder bejorgt und ungeverlich mit 
drey oder brithalb hundert fuehfnechten inen durch die von Straßburg 
zuegeſchigkt ſtergken wellen. Als mein gnedigifter herr ſolhs erkundt— 
ſchafft, hat ſein gnad inen den weg fürkommen mit ainer anzal pfer— 
den auf ſy halten laſſen. Und als dieſelben an die knecht kommen 
find, haben ſy derſelben etlich erſtochen, etlich gefangen, die ubrigen 
auseinander zerſtrat und zurugk gejagt, alſo das den von Weiſſenburg 
der knecht ye auf daſſelbmal wenig zuekommen ſind; was daraus oder 
wer das anden wirdt, müſſen wir warten. 

Die von Straßburg, biſchof und ſtat, haben ir botſchaft hie ge— 


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habt, meinen gnedigſten herren, dieweil fein gnad, auch mein gne— 
digfter herr, zu Lutzlſtein, fiben meil davon, ungeverlich mit achzig 
pferden gewefen find, mit gefunden umd nichts deß minder ir werbung 
und bitte dem hofmeilter, marjchalh und reten hie im leger eröffnet, 
die gewejen find von des Grafen von Furjtenbergs wegen, das fein 
hurfürftliche gnad denfelben mit uberziehen fol. Darauf ift noch von 
meinem gnedigften herren Fein antwort gefallen; wie mans halten 
wirdet, fol Uch nnverhalten bleiben. 

An heut ift meinem gnedigijten herren mär kommen, das fic zu 
Rotenburg an der Zauber umb drey taufent knecht verfanmelt haben 
Sollen und das geichrey, ſy gehörn dem von Braunfchweig zue, und 
ſollen ain tail derjelben auf Frangkfort und die andern auf Schlei— 
fingen ziehen; ob ime aber entlich alfo ift oder nit, wais man nit. 

Bon Frangens finder wegen find Bernhart Göler, hofmeifter, 
und her Philipps von Schwalbah, vicari zu Speier, als underthe- 
dinger, und her Philipps von Flersheim, jenger daſelbs zu Speier, 
her Philipps von Dalberg, ritter, Conrad von Sigfingen, Berchtold 
von Flerkheim, Philipps von Helmftet, Wolf von Dalwerg (sie!) 
und Dieter von Dalberg, all fründt Brangens finder, zu meinem 
gniedigen herren fommen, zu auftellung und friden zu handeln. Aber 
ſy haben von Schweigfer von Sigkingen wegen keinerlay macht gehabt; 
ob die richtumb noch gieng und wie oder was deßhalben verrer fur= 
genommen woirdet, will ich Uch auch ein wiffen machen. 

Ich Hab darfur kundt, mein gnedigifter herr mit feinem hör und 
geſchütz allein gefondert von den andern fueglid) uber Nein kommen ; 
er wurd fich ſelbs fur Bockſperg jchlahen und dem bund vorfommen. 
Datum Schlaitenbah mitwochs nad) Exaudi [Mai 20] anno 
etc. 23. 

Renhart von Neunegkh, 
Ritter, Pfleger zu Yaugingen, Haubtinan. 

An herren Adanı von Törringen, 

Hitter, und Conradten von Rech— 

berg, hofmeifter. 


Bwei Briefe Franz’ von Sickingen an Balthafar Schlör. 
I. 


Lieber maifter Balthafar. Nachdem meine feind, wie ir wiſſend, 
fur mid) gerugft, haben ſy mitwochs nechſt vergangen mit groffen 
ſtugken anfahen zu fchieffen, haben alle ding ſeer zerichoffen und alfo 
hart umbjigelich, gewaltiglid und unabjchlegig geichoffen und noch, das 
alle friegsleut, jo e8 gebraucht, jagen, ſy haben dergleichen fchieffen 
nie gehört. Doc jo hab ich nit mer dann ainen man verloren, wies 
wol mid) die jtein ain wenig geſchlagen, jchatt es mir doch nichts, 
hab von allen ain gang willig onerjchregklich gefind im Haus, bin un— 


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gezweifelter hoffnung, wir wellen mit Gots Hilf halten. Das alles 
wellet Graf Wilhelmen anzeigen, bey yme, aud andern muglich vleis 
anferen, damit furderlid; an orten, wie ir wiljt, oder wo man zum 
nuglichijten fein meint, angegriffen werd. Das will ich mic) zu euch) 
aljo verlajjen. Datum anno etc. 23. 
drang von Sigkingen. 
An maifter Balthafarı Schlörn. 


II 


Lieber maiſter Balthaſar. Nachdem meine feind ſeer hefftig 
ſchieſſen und ſo hart geſchoſſen, das niemand gemaint, das ſy in vier 
wochen ſovil maurn gebrochen hetten, wiewol es noch ſturms halben 
fein not hat, jo wellen vleis anferen, das furderlich zur ſachen gethan 
werd, und ſo man ichts von volkh bey ein hat, den nechſten allher 
gezogen uud die feind aufzeſchlagen underſtanden werd. Daun die 
nit ſtargk jonder jchwac hie vor ligen, acht, ſy haben den mererthail 
und ir bejjt volf andern orten gegen den heujern und flegfen, jo nod) 
onbezogen jein, darvor ſy ſich jchaden zue gewarten bejorgen Ligen. 
Darumb es nit hohe not haben, jonder ſy gut aufzeichlagen fein were 
den und inen das geſchutz daruber wol zenemen. Hab darfur, ſy 
haben nit mer leut hievor dann ſy zu beichirmen des geſchutz bedorffen, 
jo Ligen ſy zerjtreit in dreyen legern: in dem ainen leger gegen der 
firchen nit meer dann ain venlin knecht, gegen Kuenſpach zway venlin, 
und dag gewaltig her under der hohe, jo man zu dem brumnen, der 
vor das ſchloß gefurt ift, gegen will. Wellet in allem fürderlichen 
vleis anferen, wie ich euch vertraw. Datum Cantate [Mai 3]. 


Nachtrag zu S. 558. 


Zu den bairischen Kreuzfahrern find nocd einige Minnefinger 
nachzutragen, deren Betheiligung au Kreuzfahrten nicht durc Urkunden, 
aber durd ihre Yieder bezeugt it. Albrecht von Johannsdorf oder 
Kansdorf, aus der Paljauer Gegend, wahrjcheinlid) diefelbe Perſön— 
(ichfeit mit dem um 1180 (mit um 1155, denn Biſchof Dietpold 
von Paſſau regierte 1172—1190) in Urkunden von St. Nicolaus 
in Paffau genannten Adalbertus de Janestorf, Sohn des Albertus 
de Janestorf (Mon. Boie. IV, 264. 268), hat eher den Kreuzzug 
Friedrichs J. als jenen Heinrichs VI. mitgemadt; ſ. v. d. Hagen, 
Minnefinger IV, 252; Forſchungen X, 116. Hildebold von Schwan— 
gau (Hohenshwangau bei Füſſen am rechten bairijchen Yechufer) und 
Nithart, genannt von Reuenthal, haben ji) wohl den Zuge von 
1217 augejchlojfen, während der Tanhuſer, der eutweder der ſalzbur— 
gischen Familie dieſes Namens oder dem biichöflich vegensburgiichen 
Minifterialengeichlechte von Thonhaufen im L. ©. Riedenburg anges 
hören dürfte, durch feinen Reiſeleich eher die Kreuzfahrt Friedrichs II. 
von 1228 anzudeuten jcheint; f. v. d. Hagen a. a. O. 190. 437. 
423. Bei allen dreien iſt jedoch die Zeitbejtimmung ziemlich unficher. 
Endlich ift zum Kreuzzuge Friedrichs I. nachzutragen Graf Lintold 
von Plaien, wenn anders das Gedicht von des Yandgrafen Ludwig 
von Thüringen Kreuzfahrt (herausgeg. von v. d. Hagen, f. Regiſter, 
©. 297) nit aud hier einen feiner häufigen Anachronismen begeht 
und die jpätere Kreuzfahrt des gleichnamigen Plaiers irrig hieher be= 
zieht. Die Thaten des Grafen Yiutold auf dem Kreuzzuge wurden 
nach diefer Quelle in einem eigenen Buche aufgezeichnet; ſ. Vers 1032, 

Riezler. 


Berihtigungen. 


Die S. 179 angeführte Schrift des Pariſer Eoder ift identifch mit den von 
Floto I, S. 437 herausgegebenen Dieta cujusdam; hier fehlt aber die Ur- 
kunde Papft Nicolaus, 

Bon zwei Seiten ift die Redaction darauf aufmerfiam gemadt, daß die 
S. 204 fi. Nr. I und II von Weiland aus einer Gießener Haudſchrift mitge- 
theilten Urkunden gedrudt find aus den Originalen des Münſterſchen Archivs 
in Fahnes Urkundenbudh von Dortmund. 

©. 338 3. 3. Der Berf. bemerft in einem Aufſatz: Die Chronologie 
ber Ovidiſchen ZTriftien und Briefe aus Pontus mit Beziehung auf das Jahr 
der Schlaht im Zeutoburger Walde, 3. f. Gymnaſialw. XXXI, ©. 449, daß 
EO DIE ſelbſtverſtändlich Hier fortfallen muß. 


Drudfehler. 
Band XV. 
©. 639 3. 21. KE. © 
©. 641 3. 13 v. u. 1.: 3. 3 flatt: 2. 2. 
©. 642 3. 16 I.: co las 
Band XVIII. 


©. 335 Anm. 3. 3 1.: Bodnja — Bednja. 


Göttingen, 
Drud der Dieterihfchen Univ.»Buchdruderei. 
W. Fr. Käſtner. 














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