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Full text of "Der Sagenschatz des Bayernlandes. Bdchn. I"

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DER SAGENSCHATZ 
DES 
BAYERNLANDES: 


BDCHN. |. 





26EZ 02. ua | 





Harvard College Librarv 


FROM THE FUND OF 


CHARLES MINOT 


(Class of 1828). 


Received 2% VUnr. 15% l 


— 10may ‚1526 





m. 


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Der Sagenſchatz 


des 


Bapernlandes. 


I. Bändchen. 


Kreis Unterfranten. 


Würzburg. 
Verlag der J. Staudinger’fhen Buchhandlung. 
1877. 


26362,22 


15129 1881 — Woa.120, 1896- 
Munee per 


\ . 
i 


Paul Eheiner’s Buchdrucktrei, Würgburg. 


Bormwort. 


Die Sage ijt die eigentlihe und echte Volfspoejie ; 
fie ift ein treuer Spiegel, in welchem ih des Volkes 
innerfte8 Sinnen und Xeben, Glauben und Lieben 
offenbart. Sie hat aljo für das Volk einen unjhätbaren 
jittlichen Werth; denn fie lehrt durch die Macht des Bei- 
ſpiels, das Böſe zu fürdten. 

Ehedem hat man das, was dad gutmüthige Wolf ala 
Sagen, Märchen und Legenden im Munde führte 
und erzählte, als Lug und Trug, als Aberglaube und 
Fabelwerk gebrandmarft. 

Es mwurde blos erzählt, um den Leſern einen Spaß 
zu bereiten. Mit der Zeit aber fand man, daß in diejen 
Iheinbaren und verachteten Stleinigkeiten ein reicher Fond 
verborgen liege und man ging daran, diejelben zu jammeln, 
zu ſichten und zu ordnen. | 

Die vor etwa 25 Jahren erjhienenen Sammlungen 
find aber dem Volke um deöwillen unzugänglich geblieben, 
weil der Anfaufspreiß zu theuer war. 

Dur die Herausgabe dieſes Werkes nun, welches in 
zwanglojen Lieferungen von 5 Druckbogen erſcheint, foll den 
Minderbemittelten Gelegenheit geboten werden, jih den 
Sagenſchatz allmählig anzueignen. Möge derfelbe 
eine freundlihe Aufnahme und alljeitige Verbreitung finden. 


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I. Das Aſchaffthal. 


l. Der Geufelsritt. 


Zu Soden, einem Drte, welcher jegt zum königlichen Bezirks- 
amt Dbernburg gehört, wohnten einmal Leute, welche fih mit 
Schatzgraben abgaben. Sie mußten indeffen im Schäßefinden 
nicht glücklich gewejen fein, denn fie waren arm an Geld und Gut 
und nur reih an Hoffnungen, welche nie in Erfüllung gehen 
wollten. Defienungeachtet wühlten fie unermüdlich in der Erde herum. 

Auf einem Berge zwiihen Soden und Schmweinheim 
ielte nun auch ein Scha vergraben fein. Ob fich eine Gluth 
dort gezeigt, ob ein Lichtehen zur Nachtzeit dort geleuchtet oder ein 
Flämmchen dort getanzt hatte, weiß man nicht; die einfältigen 
Leute glaubten aber ihrer Sache ganz gewiß zu fein und machten 
Üh darum einft um Mitternacht auf und gruben nach dem Schate. 

Wer aber Schäße graben und heben will, muß fchweigen 
können ; denn auf das erjte unbedachte Wort finkft der Schaf tief 
hinuter in den Abgrund der Erde, wo ihn feines Menihen Arm 
mehr erreicht, Das wußten auch die Sodener wohl, und ſchweigend 
Ihafften fie jo emfig, daß fie bald ein tiefes Loch ausgegraben 
hatten. Auf einmal gab3 einen dumpfen Klang; der Spaten hatte 
auf Eijenblech geſchlagen, das konnte nichts anderes, al3 eine Truhe 
und in dieſer mußte der Schatz fein. Sie machten Anftalt, die 
Truhe herauszubringen, da ſchlug es in langgedehnten dumpfen 
Klängen zwölf Uhr. Da hörten fie plößlid Huffchläge, welche 
ihnell näher famen und .ein Haufen Neiter fprengte daher, gerade 


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auf die Schatgräber zu und im Galopp jaufte er über ihren 
Köpfen weg. Die Schatgräber aber waren feine Leute, welche 
gleich davonliefen, wenn etwas Unheimliches fam, fie ließen fich 
darum auch nicht von den gejpenjtiihen Neitern irre machen ; 
fonnten fie ihnen doch nicht? thun, fo Lange fie nur ſtill ſchwiegen. 

Zulegt fam noch einer geritten, aber — auf einem Bejen. 
Es war, jo viel man beim hellen Lichte des Mondes jehen fonnte, 
ein altes Männlein mit fchlotternden, dürren Beinen, das fih gar 
jehr abmühte, um auf feiner hölzernen Mähre weiter zu kommen; 
e3 ging aber nur langjam vorwärts. Der Bejenreiter, fragte die 
Schatzgräber wiederholt, wohin die erjten Neiter geritten jeien, 
befam jedoch Feine Antwort. Da wurde das Männlein unwillig 
und ſprach: „hr braucht mir gerade feine Antwort zu geben, ihr 
grobes Bol, ich hole die Reiter doch ein! Und nun hob er jeinen 
Galopp wieder an, wie ein Knabe auf feinem Stedenpferd und 
humpelte jo dem Walde zu. Einem der Schaßgräber kam aber 
dieje Reiterei jo ſpaßhaft vor, daß er hell auflachte und rief: „Ja 
Blaſen!“ Klatſch! Hatte er eine ungeheure Ohrfeige, daß er wie 
vom Blike getroffen, zu Boden fiel. Der Schatz in der eijernen 
Kifte aber war verfhwunden und ift bis heute noch nicht wieder 
aufgefunden worden. 

Der Berg aber, wo er fih gezeigt hatte, heißt bis zur 
Stunde noch 


„der Teufelsritt“. 


Moral: Sei zufrieden mit dem, was du hajt. Deine Ver- 
hältniſſe kannſt du nur verbeffern durch Umſicht, Fleiß und weile 
Spariamkeit. Sei nicht fo thöricht, dich durch einfältige Mittel, 
3. B. durch Schaggraben, durch Hülfe des Teufels und der böjen 
Geifter bereichern zu wollen ! 


2, Im Kachofen. 


Sn der Nähe von Shweinheim, einer Gemeinde, welche 
zum Bezirksamt Aichaffenburg gehört, liegen zwei Berge, das 
Erbig und der Erbjenrain genannt. Wenn man nun zwijchen 
diefen Bergen hindurchgeht, gelangt man an eine tellerförmige Ver— 
tiefung, welde „im Badofen“ heißt. Dort wohnte vor vielen 
Jahren ein Bäder, der war fein ehrlicher Mann. Sn 
theueren Zeiten mijchte er, wie e3 vielleicht heutigen Tages noch 
manhe Müller und Bäder thuen, Schweripat, Gips, Sand und 
dgl, unter das Mehl und betrog auch jonft noch die Leute, wie 
und mo er nur fonnte. Er ward zwar reich davon, allein auch 
an ihm erwahrte fich das Sprihwort: „Unrecht Gut gedeiht nicht.“ 
Als im Dreißigjährigen Kriege die Schweden famen, warb jein 
Haus verbrannt, er verlor feine ganze Habe und ftarb als ein 
Bettelmann. 

Viele Jahre vergingen, e8 dachte Fein Menſch mehr an den 
böjen Bäder. Da fuhr einmal ein Mann hinaus, um einen Ader 
zu pflügen, welcher gerade an den Plaß ftieß, wo das Bäderhaus 
geitanden hatte. Der Mann war guten Muthes, er pfiff und fang. 
Wie er aber mitten im beften Pflügen ift, hört er ein eifriges 
Schaffen und eine Stimme, welche ganz deutlich rief: „Milch das 
Brod, Frau, daß wir bald einſchießen fönnen!” und ähnliche Reden. 
Der Mann bleibt ftehen, hört dem jonderbaren Treiben ein Weile 
zu, fürchtet fich aber nicht. Er pflügt den Adler hinauf und hinunter 
und al3 er wieder binfommt, wo fih die Stimme hatte hören 
laffen, ruft er fröhlih: „Na, badt mir auch einen ſchönen Kuchen!“ 
63 war freilih nur ein Spaß und er dachte nichts Arges dabei. 
AS er aber mit feinem Pflug und Geſpann wieder herunter fommt, 
liegt am Ende der Furche ein jchöner Kuchen, 

Set wird es dem Manne aber doch unheimlich. Eilig fährt 
er mit jeinem Pfluge beim, nimmt aber unwilllührlid den 
Kuchen mit, 


Daheim erzählt er feiner Frau die Geſchichte; es wird ihr 
ganz unheimlich, allein der Kuchen riecht gar jo gut und beide 
können ſich nicht enthalten, davon zu efjen. Nah drei Tagen 
waren beide tobt. 

Moral: Ueb’ immer Treu und Redlichkeit, bis an dein fühles 
Grab, und weiche feinen Finger breit, von Gottes Wegen ab! 

Sei enthaltjam und denke, daß man nit von Allem 
haben und genießen muß. 


3. Das Muttergottesbild zu Schweinheim. 


In der KRapuzinerfirche zu Mainz ftand jeit zweihundert Jahren 
ein liebliches Muttergottesbild. Als nun in den Jahren 1792 und 
1793 die Franzojen unter dem General Güftine in der Umgegend 
von Mainz hauften, benüßten fie die Kapuzinerkirche zu Aſchaffen— 
burg als Pulvermagazin und warfen alles hinaus, was darin war 
und ihnen im Wege ftand. Dieſes Loos traf auch das Liebliche 
Muttergottesbild. Fromme Leute brachten es nah Hochheim, wo 
e3 bi3 zum Sabre 1803 verblieb, zu welcher Zeit es Aſchaffen— 
burger Schiffer abholten und wieder nah Aſchaffenburg braten. 
Hier ftand es ein ganzes Jahr ın einem Haufe der Fiichergafje und 
wurde dann der Kirche von Schmweinheim überlaffen. 

In der Nacht nach der Aufitellung des Bildes jah der Nacht: 
wächter, — jo erzählt die Volksſage — die Kirchenfenfter hell er- 
leuchtet. Er glaubte, der Kirchner möchte nad der Abendbetftunde 
vergeſſen haben, die Lichter und Kerzen in der Kirche auszulöfchen ; 
er ging daher hin und wedte ihn. Der Kirchner verficherte aber, 
daß er die Kerzen jelbjt ausgelöjcht habe, der Nachtwächter Tieß 
aber nicht ab, und der Kirchner ging mit ihm gegen die Kirche. 

Schon von ferne jahen fie die helle Beleuchtung des Gottes- 
hauſes. Da wurde es dem Kirchner ganz angjt und bange zu 
Muth, denn er wußte ganz gewiß, daß er die Kerzen ansgelöſcht habe. 
Dennoch entjchließt er fich, die Kirchenthüre zu öffnen. Als fie aber 


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hineintraten, war keine Kerze angezündet; alles war dunkel. In 
der folgenden Nacht hörte der Nachtwächter einen Knall, wie von 
einem Flintenſchuſſe, in der Kirche. Er machte zwar in ſeiner Angſt 
keinen Lärm; am andern Tage wurde es aber dennoch bekannt und 
es kamen viele Leute zur Kirche, um zu ſehen, was da vorgegangen 
ſei. Da fand man denn, daß der Himmelskönigin der Szepter 
fehle, welcher irgendwo verloren worden war. Ein neuer Szepter 
machte die Vernachläſſigung wieder gut und man hat ſeitdem nichts 
mehr geſehen und gehört. 


N. Der verhinderte Meineid. 


Ein Bauernburihe von Schweinheim hatte vertrauten Umgang 
mit einem Mädchen von da und war gejonnen fie zu heirathen. 
Allein noch ehe die Kirche den Bund geheiligt und gejegnet hatte, 
wurde das Mädchen Mutter. hr Verlobter brach nun allen Umgang 
mit ihr ab, weigerte fich, durch die Che wieder gut zu machen, 
was er ihr Böſes gethan und läugnete jogar, der Vater zu dem 
Kinde de3 Mädchens zu jein. 

Das Mädchen war gezwungen, zur Nettung ihrer Ehre eine 
gerichtliche Klage gegen ihren Verführer anzuftellen. Im Bertrauen 
darauf, daß er nicht fo gottlos fein werde, einen falichen Eid zu 
ſchwören, ſchob fie ihm den Eid zu, daß er nicht der Vater ihres 
Kindes jei. 

Damals gehörte der Drt Schweinheim zum Amt Beſſenbach, 
von wo der Beamte jede Woche einmal nah Schweinheim kam und 
auf dem Rathhauje dajelbit einen Gerichts: oder Amtstag abhielt. 
An dem biezu bejtimmten Tage erichienen die Klägerin und der 
"Beklagte auf dem Nathhaufe. Das Schwören fam aber in früherer 
Zeit nicht jo häufig vor, al3 in der unferigen ; die Abnahme eines 
Eidſchwures war aljo nicht nur eine ſehr feierliche, jondern auch 
ehr jeltene Handlung. Der Tiih auf dem Nathhauje war mit 
einem großen ſchwarzen Tuche behängt worden, -zwei Leuchter mit 


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brennenden Kerzen ſtanden darauf und zwiihen denjelben das Bild 
des Gefreuzigten — das Eruzifir. Vor Allem machte der Richter 
den Beklagten auf die Wichtigkeit des Eides aufmerkſam, belehrte ihn 
über die Folgen des Meineids und warnte ihn vor Ablegung eines 
falſches Eides. 

Allein alles rührte den Burſchen nicht und er beſtand darauf, 
daß er den Eid ableiſten könne und ableiſten wolle. Schon 
hatte er die 3 Finger der rechten Hand in die Höhe gehoben und 
ſchon hatte er die vom Richter vorgeſprochenen erſten Worte der 
Eidesformel nachgeſprochen: „Ich ſchwöre“ — da ſtürzte ein Theil 
der Zimmerdede herab auf den Kopf des Beklagten. Vor Schrecken 
brad er zujammen und lag unter Schutt und Staub halb ver: 
graben. Er war zwar unverlegt, aber jein Gewiſſen war ergriffen, 
Ehe er fich noch erhob, rief er: „Ich bins! Ich bins! Ich hätte 
talih geihworen“. „Zieje, ich heirathe Dich !“ und jo geihah es aud. 

Moral: Liebe die Unihuld und den Frieden deiner Seele! 
Hüte dih ferner vor einem falihen Eidſchwur! 


5. Der Bürgermeilters-Fuchs. 


In Schweinheim war einmal ein Bürgermeijter — (Gemeindes 
Einnehner) — der Hatte rothe Haare wie der, den man den Judas 
Sicharioth nennt, und war auch jeinem Charakter nach nicht viel 
Jejler, als diejer. Den Herrn und Heiland hatte er zwar nicht 
verrathen, aber dejtomehr die Gemeinde, und mander Thaler, 
welder in den Gemeindejädel hätte fommen jollen, hatte den Weg 
in jeinen eigenen gefunden. 

Wenn die Drtsleute von ihm redeten, nannten fie ihn nur 
den „Fuchs“ und fie nannten ihn jo nicht nur jeiner rothen Haare, 
jondern auch jeiner Schlauheit wegen. Endlih ftarb er. Nach 
ihm fam ein anderer Bürgermeijter. An dieſem traf aber das 
Spridwort ein: „Es fommt nicht bejjeres nad) ;“ der neue Bürger: 
meijter war noch jchlimmer, wie der alte. Eines Tages — es 


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war jchon tief in der Nacht, — ſaß der neue Bürgermeifter mit 
dem Schulzen — Vorjteher — auf dem Nathhaufe und fie berath- 
ihlagten ji, wie fie der Gemeinde ein X für ein U weiß machen 
wollten. 

Da jpringt plöglich mit einemmale die Stubenthüre weit auf 
und herein tritt ein riejiger Fuchs mit einem langen Schwanze. 
Lange ichaut er den Bürgermeifter und Schulzen, denen der falte 
Angſtſchweiß ausbricht, ftarr an, dann jpricht er mit einer Stimme, 
nicht wie ein Fuchs, jondern wie ein Bär: 

„zur Strafe meiner Diebereien muß ich jegt, wie ihr mich 
Teht, herum wandern. Wenn ihr jo fortfahret, ohne euch zu bejjern, 
geht? euch eben jo. Bellert euch! Beſſert euch!“ — Geſagt — 
und fort war er. Der Bürgermeifter und der Schulze ließen es 
fi nicht umfonft gejagt fein. Sie gingen zwar etwas in fich, aber 
der große Fuchs ſoll fih dod von Zeit zu Zeit wieder haben 
ſehen laſſen. 

Weil nun dieſer Fuchs ein Leben ohne Ende hat, ſo pflegen 
die Jäger, wenn bei einem Treibjagen ein Fuchs die Schützenlinie 
entlang läuft und überall hübſch gefehlt wird, zu ſagen: 

„Das muß der Bürgermeiſters-Fuchs ſein!“ 

Moral: Diejenigen, denen der Gemeindeſäckel anvertraut iſt, 
ſollen hübſch ehrlich jein. 


6. Das Obernauer Kapellchen. 


Zu Obernau lebte ein Mann, welchen Gott reichlich mit zeit: 
lihen Gütern gejegnet hatte. Seinen Reichthum genoß er aber 
nicht mit dankbarem Herzen gegen den Geber, fondern er trachtete 
in jeiner umerjättlihen Habjuht nur darnadh, immer noch mehr 
Geld aufzuhäufen. Er gönnte fih Nachts kaum einige Stunden 
ruhigen Schlaf, um nur früh und jpät bei der Arbeit zu fein. 

Am Feſte Maria Geburt hatte er ſich vorgenommen, des 
andern Tags zu mähen. Um gewiß nicht zu ſpät zu fommen, 


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ftand er lange vor Tags auf und begab fi hinaus auf jeine 
Miele, die an den Wald ftieß. Unter einer Eiche dängelte er im 
hellen Mondicheine jeine Senſe. Es war noch nicht Mitternacht 
vorbei und es wurde der Feiertag durch jeine Habſucht entweiht. 
Als er noch bei dem unheiligen Werke war, kam fein Nachbar vor- 
über, mit dem er ſchon lange in ‚heftiger Feindſchaft lebte. Der 
Nachbar hatte bis jpät in die Nacht in einem nahen Dorfe gezecht, 
und, wie man im Sprihmwort jagt, jein Kopf war ihm warm. Da 
war der Streit ſchnell entbrannt ; fie warfen fih rauhe Worte 
und Schimpfreden zu, von Worten kam es zu Thätlichkeiten und 
der Nachbar erichlug den reihen Mann mit feiner eigenen Senje, 
die er ihm im Handgemenge entwunden hatte. 

Zur Sühne der doppelten Unthat ftifteten die Verwandten des 
Erſchlagenen ein Muttergottesbild, welches an dem Eichbaum auf- 
gejtellt wurde, wo die Mordthat geichah. 

Niemand ging vorüber, der nicht ein Baterunjer für die 
Geelenruhe des Erjchlagenen gebetet hätte. Als der Jahrestag 
der unjeligen That heramnahte, hörten die Frommen in der Nähe 
des Bildes von unfichtbaren Händen dängeln und dieſes wieder— 
holte fich jedes Jahr 8 Tage vor und 8 Tage nach Maria 
Geburt. E3 wurde nun ein Kapellen unter oder neben der Eiche 
erbaut und das Muttergottesbild darin aufgeftellt. 

Das iſt das Dbernauer Kapellhen, an dem Wege von DObernau 
nah Gailbah und der Volksſage nach hört man das unheimliche 
Dängeln noch jedes Jahr 8 Tage vor und 8 Tage nah Maria 
Geburt. 

Moral: Treibet eure Habſucht nicht zu weit; denn euern 
Mammon müfet ihr ja zurüd laffen! Lebet mit Niemand in Feind: 
ſchaft und laſſet euch nicht im Zorn zu einem Verbrechen verleiten ! 


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1. Die wunderbare Rettung. 


Zur Zeit des dreißigjährigen Krieges, wurde auch das Dorf 
Dbernau — welches aber damals noch Dbernheim hieß — von 
einem Bejuhe der Schweden bedroht. Den Schweden war ein 
böjer Ruf vorausgegangen; fie würden Niemand verjchonen, weſſen 
Geſchlechts und Alters er auch jei. 

Deshalh entflohen bei ihrer Annäherung alle Einwohner mit 
ihren Kindern und ihrer beiten Habe. Nur ein altes Mütterlein 
blieb zurüd. Sie war jo jehr mit Gicht behaftet, daß fie nicht 
einmal das Fahren ertragen, gejchweige denn gehen konnte. Sie 
empfahl ſich, jo meldet die Volksjage, dem Schutze der Mutter: 
gottes, ließ jich in einen großen Bund Stroh einhüllen und in 
einen Scheuerwinfel legen. Die Schweden famen, zogen aber nad 
einigen Tagen wieder ab. Als die Bewohner von Dbernau wieder 
zurücfehrten, fanden fie die Frau noch am Leben und unverlept. 
Sie ließ jpäter aus Dankbarkeit für den fo auffallenden und 
wunderbaren Schuß der Muttergottes ein Bild derjelben anfertigen 
und unter dem Bogen des Thores, durch welches man nad Ajchaffen- 
burg gebt, aufftellen. 

Moral: Gott jhüßt diejenigen oft in augenſcheinlichen Gefahren, 
die ihre Zuflucht zu ihm nehmen und ihr Vertrauen auf ihn jegen. 


8. Der Scloßberg. 


Bon einem Vorſprunge des Spefjart3 zwiihen Soden und 
Ebersbach ſchaute in alter Zeit ein feſtes Schloß in das Mainthal 
hinab. Es ift ſchon gar lange her, denn damals dampfte die 
Saline nod im Sodener Thale und zwiichen Sulzbach und 
Dbernau jtand noch das alte Dorf Reuchelsheim. Die Saline 
ijt jpurlos verſchwunden und die Salzquelle war lange nur eine 
ſchmutzige Pfütze *). 

*) Jetzt iſt Soden ein aufblühender Curort. 


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Reuchelsheim verging ſchon vor Jahrhunderten und es 
blieb nichts übrig, als die Pfarrkirche, welche der heiligen Margaretha 
geweiht war, und auch dieje Kirche, nebjt der dabei geftandenen 
Einfiedlerwohnung wurde im Jahre 1787 abgebrohen, und von 
dem Scloffe find faum noch erfennbare Trümmer vorhanten. 

Wie das Schloß geheißen, weiß man nit; die Namen 
Schloßberg, Altenburg, Sodenburg, womit man das 
Schloß bezeichnet, find nicht feine eigentlichen, jondern nur ange: 
nommene Namen. Wer das Schloß bewohnte, ift gleichfalls unbe- 
fannt. Reihe Leute müſſen es aber gemwejen fein, denn die 
Volksſage läßt im Innern des Schloßbergs einen großen Schat 
verborgen Sein. 

Der Schloßberg ijt mit Wald bewachſen gewejen. Eine arme 
Frau kam nun einft dahin, um ſich eine Laſt dürres Holz zu juchen. 
Gie trug dabei ihr jüngftes Kind, welches noch nicht ein Jahr alt 
war, auf dem Arme. Da jah fie plöglich auf einem freien Plage 
in den Ruinen einen großen Haufen glühender Kohlen. Schnell 
bejonnen und ahnend, was dieje jein möchten, ſetzte fie ihr Kind 
nieder und raffte jo viele Kohlen, als fie in ihrer Aufregung faſſen 
konnte, in ihre Schürze, trug fie bei Seite und leerte fie aus; — 
Elingende Goldmünzen bededten den Boden. Eilends lief die Frau 
zu der Kohlengluth zurüd, aber — der Kohlenhaufen war fort — 
mit ihm aber auch ihr jüngjtes Kind. 

Alles Suchen, alles Rufen, alles Weinen, alles Jammern war 
vergeben? ; das Kind war und blieb verſchwunden. In der Angſt 
ihres Herzens lief die Frau zu dem Herrn Pfarrer nad Sulzbach 
und Eagte ihm ihr Elend. 

Der Herr Pfarrer, ein frommer und kluger Mann, jtellte ihr 
vor Augen, wie jehr fie ſich verfehlt und wie jchwer fie gejündigt 
habe, daß fie aus Habſucht ihr Kind vergeſſen habe und gab ihr 
den Rath, durch Wohlthätigfeit einigermaßen wieder gut zu machen, 
was fie verbrochen, indem ihr das Glüd die Mittel dazu in die 
Hand gegeben habe. Nach einem Jahre und zwar an demſelben 
Tage solle fie fih dann wieder auf den Schloßberg begeben ; 


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vielleicht finde fie dann ihr Kind wieder. Die Frau that, wie ihr 
gerathen wurde. 

Nach einem in Jammer und Schmerz, in Furcht und Hoffnung 
verbrachten Jahre betrat fie an demjelben Tage und in berielben 
Stunde die Ruinen wieder, und blühend, wie eine friſch aufgebrochene 
Roſe, Fam ihr das verloren gewejene Kind entgegen. Wo es geweſen, 
erfuhr fie nicht, denn dag Kind konnte noch nicht ſprechen. 

Der Scha in den Ruinen aber hat ſich jeitdem nicht wieder 
gezeigt. 

Dieje Volksſage enthält eine jehr tiefe Moral: fie 
hält jenen Eltern die große Gewifjenlofigfeit vor Augen, deren fie 
fih Ichuldig machen, wenn fie aus Habſucht ihre Kinder ver- 
nahläjjigen oder fie gar dem böjen Feinde, dem Berführer 
zum Dpfer bringen. D ihr Eltern! vergeffet e3 nie, welchen Schaf 
euh Gott dur eure Kinder in die Hände gelegt hat! Vergeſſet 
do nie, welche große Berantwortung und Rechenſchaft ihr einft 
darüber ablegen müſſet! 


9 Die Kirdiweih zu Koßback. 


Zu Roßbach, einem Dorfe, ſaßen einmal am Kirchweihfeite die 
jungen Burſchen im Wirthshauie beiſammen und ſprachen bei einem 
Glas Wein von diefem und jenem. Es war bereit3 tiefe Dunfel- 
beit’ eingetreten und unfreundliches abjicheuliches Wetter. Die 
Schneefloden tanzten in der Luft, als wenn fie auch Kirchweih 
hätten. Der Sturmmwind machte den Spielmann und blies Die 
böchften und ſchauerlichſten Töne. Bei einem jolchen Hundemetter 
ift e8 Einem nirgends wohler, al3 bei dem warmen Dfen — und 
die Spuckgeſchichten von Geipenftern, Geiftererfcheinungen 2c. machen 
fih von felbft. So kamen auch die Roßbacher Burfche auf der: 
gleihen Gejchichten zu Sprechen und es wurde Mandhem ganz 
ihuderig (ihauerlih). Der lange Hans aber, von feiner Körper: 
größe und Stärke jo genannt, machte fich nicht3 daraus und lachte 


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feine Kameraden nur aus. Er hatte mehrere Jahre beim Militär 
zugebracht und da war ihm der dumme Glaube an Heren, Gejpeniter, 
Geifterericheinungen 2c. genommen worden. Er jagte: „Sch fürchte 
mich vor nihts. Wenn mir Jemand begegnen jollte, jo iſt es ein 
Menih und zwar ein guter oder ein böjer, denn daß man bie 
Geiſter nit jehen kann, habe ich als Kleiner Knabe jchon in der 
Schule gelernt. Ein guter Menſch thut mir nichts, und mit einem 
böfen werde ich ſchon fertig. Auf diefe Gefahr Hin gehe ich zu 
jeder Zeit und überall hin, es mag der Drt auch noch jo verrufen 
ſein.“ „Ei“, — ſagten die Andern — „wenn du fo beherzt bift, 
jo gehe nah Haujen nnd hole uns eine Giehfanne vol Wein. 
Der Wirth von Haufen fol vom beften Sodener Neuen haben. 
Hans ließ e3 fich nicht zweimal jagen und machte fich alsbald auf 
den Weg. Als Hans fort war, ſprach der Lenzenveit: „Den Hans 
wollen wir für fein loſes Maul einmal bögen — (evichreden,“ 
furchtſam machen). Ich habe zu Haufe eine Dchjenhaut, die will 
ih umbängen und mic) auf die Höhe ftellen. Wenn der lange 
Hans zurüdtommt, trete ich ihm in den Weg. Was gilt, ich jage 
ihn in den Wald!" Bon Roßbach nach Haufen ift eine halbe 
Stunde. Der Weg dahin führt über einen mäßig hohen Berg, 
oben auf der Höhe ift e8 aber eben. Dort ift eine größere Dedung, 
die bejäet mit Steinen. Nur einzelne verfrüppelte Kiefern und 
Wachholderbüſche vermag der unfruchtbare fterile Boden zu ernähren. 

In der Mitte diejer jteinigen Dedung ftand dicht am Wege 
ein alter fteinerner Bildftod. Man nannte ihn das Pulzbild, 
warum? ift unbefannt. Der Drt ift unheimlich genug und es - 
mag ſich bei einem weniger" beherzten Menjchen das Haar jchon 
etwas heben, wenn er in einer ftodfinfteren ftürmifchen November 
naht dort vorüber geht. Hinter diefen Bildftod ftellte ſich der 
Lenzenveit. Er hatte die Dehjenhaut um fich gehängt und den 
Kopf derjelben mit den großen Hörnern jo über den Kopf gezogen, 
daß er dem Gottjeibeiung ähnlicher jah, als einem Chriftenmenjchen. 
Es dauerte auch nicht lange, jo kam der lange Hans von Haufen 
zurüd. Der Lenzenveit trat ihm fchmweigend in den Weg. Nach 


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Soldatenmanier rief aber der lange Hans beherzt und furdtlos: 
„Wer da?" Bit du ein gutes Weſen, oder ein böſes?“ Der 
Lenzenveit aber gab feine Antwort, denn der lange Hand würde 
ihn jofort an der Stimme erfannt und den Scherz errathen haben. 
Da ergriff Hans die kleine Art, welche er beim Weggehen von 
Roßbach zu ſich geitedt hatte und führte einen wuchtigen Streich 
auf das behörnte Haupt der Eriheinung, daß fie lautlos zuſammen— 
janf. Hans fümmerte ſich nicht weiter um das Gejchehene, jondern 
legte feinen Weg nah Roßbach fort und brachte den „Neuen“ 
feinen Kameraden. 

Mer beichreibt aber den Schreden, al3 der lange Hans feinen 
Kameraden erzählte, daß ihm am PBulzbild Jemand den Weg ver: 
treten, dat er ihn angerufen aber feine Antwort von ihn erhalten 
babe, daß‘ er ihm mit feinem Beile eines zwijchen die Hörner ver: 
jebt habe, daß er lautlos zuſammengeſunken und liegen geblieben 
fi? Bol Schreden eilten die Kameraden mit Laternen an die 
Unglüdsftätte, fanden aber vom BEMBÜNSH und jeiner Bermummung 
. feine Spur mehr. 

Db bei dem Verſchwinden Veit3 die Hand des böjen Feinds 
mit im Spiele gewejen fei, weiß man nicht. Das Volk aber glaubte 
e3, denn die Leute jagten allgemein: „Man ſoll den Teufel nicht 
in fein Handwerk pfujhen !! — — 

Wenn nun auch der Glaube an Hexen, Geipenfter, Geilter- 
erjcheinungen und Teufelsipud nach und nach verfchwindet und nur 
noch in den Köpfen jolcher dummen Lente jpucdt, welche noch taufend 
Meilen in der allgemeinen Cultur zurücgeblieben find, jo joll man 
denn doch Feine Scherze veranstalten, welde ein jo trau— 
riges Ende nehmen können, wie der oben erzählte „Man ſoll 
den Teufel nicht an die Wand malen!” jagt ein altes Sprichwort. 


10. Bei den drei Kreuzen. 


Unmeit de3 Dorfes Haibach ftand im Alterthum eine Burg 


auf welcher der Junker von Haydebach haufte. Er war ein junger 
Sagenſchatz, 1. Bändchen. 2 


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leichtfeinniger Sant, aber von hübſcher Geftalt und in allen ritter- 
lihen Künften, als: Fechten, Reiten, Sagen ꝛc. ſehr erfahren. 
Kein Wunder aljo, daß fich das Mieder manches hübſchen Mädchens 
höher hob, wenn der fchöne junge Mann in feinem jeidenen Wamms 
und feinen weißblaurothen Federn auf dem Sammtbarett vorüber: 
iprengte. * Aber auch der Junker hatte fein Herz von Stein in 
feiner Bruft, jondern ein zartfühlendes wachsweiches Herz, in welches 
jedes hübſche Frauenantlig einen tiefen Eindrud machte, es mochte 
von einem hohen Burgjöller oder aus einem jchmalen Hüttenfenfter 
ſchauen. 

Zwei der Hinterſaſſen des Junkers hatten bildſchöne Töchter. 
Sie hießen Marie und Gertrude (Treutchen), fie waren Nachbars- 
finder, waren miteinander aufgewachjen und liebten fich gegenfeitig 
fo berzlih und innig, wie 2 Schweitern. Der Junker hatte bisher 
noch feine von ihnen gejehen; einft aber, al3 er nach Aichaffenburg 
reiten wollte, nahm er unweit des Weges eine weibliche Gejtalt 
wahr, jo jchlanf und jo reinlih und nett gekleidet, daß er fich 
nicht enthalten Konnte, fie näher zu betrachten. Sie war, ihrem 
Stande gemäß, mit landwirthichaftlihen Arbeiten bejchäftigt : fie 
fihelte Gras für ihr Vieh. Er ritt zu ihr Hin nnd grüßte fie 
freundlid. Da erhob fih Marie vom Boden und vor dem Junker 
ftand das holdſeligſte Mädchen. Mit hohem Erröthen wagte jie 
faum die Augen aufzuichlagen. Sie kannte den Junker wohl und 
hatte dem hübſchen jungen Manne jchon oft nachgejehen "und ge= 
jeufzt, wenn er an der Hütte ihres Vaters vorüberritt. Ein 
bitterer Schmerz bemächtigte ſich ihrer, wenn fie bedachte, daß fie 
fein Edelfräulein jei und daß der Junker jo Hoch über ihr ftehe 
und daher für fie unerreichbar wäre. — — 

Der Junker war ganz entzüdt über Marien Liebreiz und die 
Unſchuld, die aus jedem ihrer Blide leuchtete uud aus jedem ihrer 
Worte jprad. Aber er war Hug genug und im Umgange mit 
dem zartem Geſchlechte zu erfahren, um einzufehen, daß er mit 
einen jo frommen, unverborbenen Kinde zart umgehen müſſe und 
darum ritt er nach kurzem Zwiegeipräch wieder feines Weges. Nur 


19 


zu bald aber hatte der Junker ausgefundichaftet, welche Gänge 
Maria zu machen pflege, und da auch fie ihm nicht auswich, jo 
fanden fie fich wie zufällig, jchon in den nächſten Tagen wieder 
und bald waren ihre Zuſammenkünfte nicht mehr zufällig. 

Maria hatte anfangs ihrer Freundin Gertrude nichts davon 
gejagt, was zwiihen ihr und dem jchmuden Junker von Haydebach 
vorgegangen war ; denn die erjte Liebe wird, einem koſtbaren Edel— 
fteine gleich, forgfältig eingeichlojfen in den Heiligenjchrein des 
jungfräulichen Herzen?. 

Als aber der jchlaue Junker das gutmüthige Mädchen mit 
dem Verſprechen bethört hatte, daß er ihr ewige und treue Liebe 
ſchwur, als fie fich bereit3 im Geiſte als Burgfrau von Haydebach 
ſah, da konnte ihr Herz die Fülle ihres Glüdes nicht mehr in fi 
verſchließen; jetzt erft machte fie die Freundin zur Vertrauten ihrer 
Liebe, ihrer Hoffnungen, ihres vermeintlihen Glüdes. Treutchen 
war zwar ein gutes Mädchen, aber nicht frei von jener Eitelfeit, 
welhe in dem Herzen jedes Weibes ein Plätchen findet. Sie 
hielt fih für jchöner, als Marie und dieſe jollte nun Edelfrau 
auf dem Schloß Haydebach werden und Treutchen vielleicht ihre 
Magd? Das war ein Stachel, welcher fie quälte in furdtbarer 
Weile bei Tag und bei Nacht. 

So leidenihaftlih nun der Junker Marie liebte, jo war feine 
Liebe doch Feine edle; an das Heirathen eines armen jchlichten 
Bauernmädchens dachte er nicht. Zudem war Maria jo tugendſam, 
daß ihm wohl klar jein mußte, jie jei der Verführung unzugänglich 
und fo erkaltete nach und nach jein Gefühl für bad brave tugend— 
jame Landmädchen. 

Treutchens Schönheit war dem Junker neu, die Lebhaftigfeit 
ihres Geiftes, die Munterfeit ihres ganzen Weſens fagte dem Leicht: 
fertigen mehr zu, als Mariens jtile Tugenden und da Treutchen 
ihm auf halbem Wege entgegen kam, jo veritanden fie ſich bald 
und wußten fich zu finden, ohne daß Maria dabei war. 

Die Untreue des Junkers Tonnte aber Marie nicht lange ver- 


borgen bleiben; es kamen ja die Beitellungen nicht mehr, die des 
2* 


20 


Junkers Diener jo ſchlau auszurichten gewußt hatte. Verlaſſen von 
dem Geliebten, betrogen von der Freundin, welcher fie ihr Geheimniß 
geoffenbart hatte, getäujcht in ihren jchönjten Hoffnungen, verwandelte 
fih ihre Seele gänzlich: das janfte Lamm wurde zu einem blut- 
dürftigen Tiger. 


Ihr ganzer Haß wendete ſich gegen die faljche Freundin, denn 
von diejer glaubte fie, daß fie durch geheime Künfte ihr den Liebften 
geraubt habe; denn für diefen weiß das ſchwache Frauenherz immer 
eine Entihuldigung. Marie wollte nur erſt Treutchen in heimlicher 
Zuſammenkunft mit dem Junker überrafchen und dann Rache an 
ihr nehmen. Auf melde Weile? das mußte fie jelbit noch nicht. 
An einem ſchönen Abende jchlic die abgehärmte Marie jchweren 
Herzens dem Hügel zu, wo der Junker fie zum erjtenmale ange— 
ſprochen und wo fie jpäter jo oft in feinen Armen geruht hatte. 


Sie hatte den Diener des Junkers mit Gertruden jprechen 
fehen und wahrgenommen, wie leßtere jelbjt mit einer Sichel und 
einem Grastuche jich aus dem Orte entfernte. Sie fonnte verfichert 
fein, daß Treutchen eine Zujammenfunft mit dem Junker habe, 
und darum war jie auch ſchnell entjchloffen, ihr mit Sichel und 
Grastuh zu folgen. An dem ihr jo wohl befannten traulichen 
Pläschen jah fie den Junker nicht, wohl aber Gertruden, welche 
finnend und träumend auf dem Raine jap. 


Marie Fonnte fih nicht Halten, — das Blut fochte in ihren 
Adern. Mit der Röthe des Zornes auf ihren blafjen abgehärmten 
Wangen ftürzte fie auf die ihr verhaßte, faljhe Freundin zu. Sie 
warf Gertruden ihre Faljchheit, ihren Verrath an der Freundichaft 
vor, fie nannte fie eine leichifertige Dirne und erhob in der Hitze 
jogar die Hand mit der Sichel, um Gertruden einen Schlag zu 
verjegen. Da ergriff der Zorn auch Getruden, fie wich dem Schlage 
nicht aus, jondern ichlug dagegen, und dauerte diejer erbitterte 
Kampf jo lange, bis zwei Herzen aufgehört hatten zu jchlagen, 
welche furz zuvor in jo inniger Yiebe ſich zugethan waren. ALS 
der Junker fam, fand er zwei in Blut ſchwimmende Leichname mit 


21 


verzerrten Zügen und weit aus den Höhen herausgetretenen er: 
ftarrten Augen. 

Die Kunde diejes jchredlihen Doppelmords verbreitete fich 
Tchnell in der Umgegend und allgemein bezeichnete man den Junker 
al3 den Urheber derjelben. 

Er erhielt deswegen eine Ladung vor das peinliche Gericht ; 
Daß aber ein Beweis für jeine Mitihuld an der blutigen That 
nicht erbracht werden konnte, das wußte er wohl, Allein eben jo 
gewiß war, daß er fich einem Gottesurtheile unterwerfen mußte, 
wie es damals Sitte war. Seine Hände waren zwar rein von 
Blut, aber fein Herz nicht rein von der Schuld, denn fein 
Leichtſinn, feine Treulofigfeit hatte 2 Mädchen zum Tode geführt. 
Wie durfte er alfo erwarten, daß Gott ſelbſt jeine Unschuld bezeugen 
werde ? Er folgte der Ladung des peinlichen Gerichtes nicht, jondern 
verließ näcdhtliher Weije die Burg jeiner Ahnen, die Gegend und 
das Land, und pilgerte in einem härenen Bußgewande zuerft nad) 
Nom und dann ins gelobte Land ans heilige Grab. 

Mehr als 40 Jahre waren verfloffen. Die Burg und die 
Güter des Junkers waren Lehen des Stifts Peter nnd Alerander 
zu Aihaffenburg und der Junker der lebte feines Geſchlechtes. Als 
er Jahre lang verichollen war, hatte das Stift das Lehen einge: 
zogen und die Burg brechen lafjen. Wo Marie und Gertrude ihren 
Geift ausgehaucht hatten, wurden zwei fteinerne Kreuze errichtet, 
auf denen je eine Sichel eingehauen war. Niemand dachte mehr 
an ben Junker. 

Da fand man eines Tages zwiſchen den 2 Kreuzen einen 
Pilger mit jchneeweißen Haaren und einem Mufchelhut. Er jchien 
zu ſchlafen, aber al3 man ihn weden wollte, ftand er nicht mehr 
auf, denn er schlief den ewigen Schlaf. ES war der ehemalige 
Junker von Haydenbad. 

Das Alter, die Neue und die Gefahren feiner langjährigen 
Pilgerihaft hatten jeine Haare gebleiht und feine Lebenskraft 
gebrochen. Für ihn wurde dann das dritte Kreuz gejeht, denn 
der Tod verjöhnt und einigt ja Alles. Ob die drei Kreuze noch 


22 


ftehen und wie lange ift eine Frage der Zeit. Die Feldgewanne 
beißt und wird aber zu allen Zeiten den Namen behalten: „Zu 
den drei Kreuzen.” 


U. Der Schatgräber auf dem Lufthof. 


Da, wo die Feldmarfung der Gemeinde Winzenhohl an die 
Markungen von Haibah und Straßbeſſenbach ftößt, lag vor Alters 
ein ftattliher Hof. Der Wind hatte dort überall freien Paß und 
wurde deshalb der Lufthof genannt. Der Beliger desjelben 
war lange Zeit ein rechtichaffener, fleißiger, frommer und braver 
Mann. Darum war er au gejegnet, es jchlugen ihm alle Unter- 
nehmungen zu Glück und er wurde nach und nach jehr reich und 
wohlhabend. 

Das blieb aber nicht jo: fein Herz wendete fih vom Herr 
ab und hängte fih an den Mammon. Was er bejaß, jo viel es 
auch war, genügte ihm nicht mehr, jondern er ftrebte immer nad) 
größeren Reichthümern. 

Es ging damals unter den Leuten das Gerede, dab vor vielen 
Jahren aus dem Schmerlenbacher Klofter ein großer Schag an 
Gold und Edeljteinen geraubt und im Keller des Lufthofes ver- 
graben worden jei. Der Räuber ſei auch ein Beliger des Luft: 
hofes gemwejen, aber gejtorben, noch ehe er die vergrabenen Reich— 
thümer und Schäte habe genießen fönnen und darum liege der 
Schatz noch im Keller. Einzelne Lente wollten auch gehört haben, 
wie in einer Kellerede unter Nechzen uud Stöhnen das geraubte 
Geld gezählt worden fei. Kein Wunder aljo, wenn der Lufthöfer 
Bauer in feiner Habjuht große Begierde nach dem verborgenen 
Schate befam. Tag und Nacht grübelte er darüber nach, was für 
ein großes Glück e3 für ihn wäre, wenn er das viele Geld und 
Gut in jeine Gewalt befäme. Seine Habjuht wuchs von Stunde 
zu Stunde und endlich Fonnte er ihr nicht mehr miderftehen. In 
einer Nacht grub er in einer Ede nach, in welcher das geijterhafte 


23 


Geldzählen gehört worden fein ſollte. Stundenlang war feine Mühe 
vergebens, der Schweiß rann ihm in Strömen vom Angejicht. 
Endlich ftieß fein Spaten auf eine eijerne Truhe Der Schatz— 
gräber wollte fie fafjena da jprang ihm ein zottiges Ungeheuer 
entgegen. Schwefelgeſtank verpeitete die Luft und der Schaggräber 
fiel" ohnmädhtig zu Boden. Als er gegen Tagesanbrud wieder zu 
fich Fam, lag er auf der Kellertreppe und von all feiner Arbeit 
war nicht3 mehr zu jehen. Gelähmt an allen Gliedern und ver— 
drehten Hauptes war er jo todtmatt, daß er fich nicht mehr er— 
heben fonnte. Auf fein Jammern kam jein Gefinde herbei, welches 
ihn auf fein Lager brachte, wo er noch an demje.ben QTage jtarb. 

Seine Dienftboten ahnden aber doch, was vorgegangen war 
und e3 mochte von da an fein Knecht und feine Magd mehr auf 
dem Hofe bleiben. Kinder hatte der Luftbauer nicht und jo verfiel 
der Hof. 

Nach vielen, vielen Jahren, als Niemand des Vorgangs mehr 
gedachte, bauten die Nonnen des Kloſters Schmerlenbach wieder 
einen Eleinen Hof an die Stelle des alten. Die Beliter fühlten 
ſich aber dort nicht behaglid. Der legte brach die Gebäulichkeiten 
ab und verjegte fie nah Winzenhohl. Der Lufthof findet fich nur 
nod auf älteren Landkarten. Wo er geftanden, bläjt jegt der Wind 
über magere Felder. 

Moral: Diene dem Herrn in Treue und Einfalt des Herzens, 
jei mit Wenigem glüdlih und zufrieden und juche dein Heil nicht 
im Bejite großer Neichthiümer. Zufriedenheit ift der größte Schat. 


12. Der Teufelsbeſchwörer. 


Zu Keilberg lebten vor mehr als hundert Jahren zwei 
Nachbarn, Hans und Peter mit Namen. Beide hatten von ihren 
Eltern ganz hübſche Gütchen ererbt, worauf fie fih wohl hätten 
ernähren können. Peter nährte fich auch gut; er war ein fleißiger, 
thätiger, unternehmender und fparfamer Mann, der Erſte aus den 


24 


Federn, der Lebte in Feld, Hof und Stall; darum ftanden feine 
Felder auch am Beiten, darum hatte er auch das jchönfte Vieh im 
ganzen Dorfe. Hans dagegen war lieber hinter dem Weinfruge, 
als Hinter dem Pfluge und wenn er ja einmal zu Haufe blieb, 
— (mwa3 aber nur jehr felten geſchah), — So ftöberte er in 
einem alten Buche herum, das er in irgend einem Winkel gefunden 
hatte und das von Schafgraben, Geifter: und Teufelsbefhwörungen, 
Herenkünften und anderem albernen Zeug handelte. 

Feld und Vich waren fremden Leuten überlafien, fein Wunder 
alſo, wenn eines von beiden fo mager war, wie das andere. So 
fam Hans immer mehr in Rückgang, während Peter täglich wohl: 
habender wurde, obgleich er von Eltern aus nicht mehr hatte, als 
jener. Wenn nun Hans die vollen Getreide: und Erntewagen 
ſeines Nachbars, mit ftrogenden Kühen befpannt, nad Haufe führen 
ſah, während fein eigenes Vieh mühjam ein armjeliges Führden 
berbeijchleppte, jo erwachte in ihm ein folcher Neid, daß er ſich 
nah und nach zum unverjöhnlichften Haffe gegen feinen glück— 
lihen Nachbarn fteigerte. Sein. jehnlihfter Wunſch ging dahin, 
daß jein Nachbar wenigſtens jo arm, als er jelbft werden möge, 
er verſuchte jogar öfters, ihn in Schaden zu bringen, aber Alles 
mißlang. Eines Tages, als er ſich wieder recht jehr über das 
Glück ſeines Nachbars erboft hatte, beſchloß er, beim Teufel jelbit 
Hülfe zu ſuchen. 

Er ſchloß fein altes Teufelabudh auf und Tas laut die Formeln 
ab, die den Teufel zu feinem Dienfte zwingen follten und der 
Teufel, welcher immer nahe jein joll, wenn der Menjch feines 
Gottes vergißt, erſchien wirklich. Hans, welcher doch nicht jo recht 
an eine Wirkung feiner Bejhmwörungen und an ein Ericheinen des 
Teufels geglaubt hatte, erichrad jo jehr, daß er feine Worte finden 
fonnte. Als ihn aber der Teufel grimmig aufforderte, zu reden, 
da er ihn doch einmal gerufen habe, bat er zitternd, bebend und 
zähneflappernd um ein Mittel, den Wohlſtand jeines Nachbarn ohne 
Gefahr für ſich jelbit zu vernichten. Der Teufel erklärte fich 
hiezu bereit, jedoch nur unter der Bedingung, daß Hans veriprad), 





25 


nah 10 Yahren fein eigen zu werden. Hans verſprach es in feiner 
Todesangft und der Teufel bezeichnete ihm ein Kraut, welches er 
um Mitternaht unter Anrufung des Teufel3 holen und auf das 
Biehfutter feines Nachbarn werfen ſollte. Darauf verſchwand er 
im Schwefeldampf. 

Hans that, wie ihm geheißen wurde und am andern Tage 
war das ſämmtliche Vieh des Nachbarn gefallen. 

Peters Wohlſtand war durch den Verluſt ſeines ſämmtlichen 
Viehes gänzlich zerrüttet, ſeine Freude war dahin und er grämte 
ſich ſo ſehr, daß er ſtarb. Da erwachte in Hans die Stimme des 
Gewiſſens. Es kam ihm die Einſicht, wie ſchändlich er gehandelt 
habe. Er verabſcheute nicht nur ſeine ſchlechte Handlungsweiſe, 
ſondern noch mehr ſich ſelbſt. Er entſagte allen Freuden der Erde 
und flehte ganze Nächte auf ſeinen Knieen Gott und die Seele 
ſeines Nachbars um Vergebung ſeiner Miſſethat an. So verfloſſen 
unter Gram und Schmerz und harter Buße die 10 Jahre, nach 
deren Ablauf Hans das Eigenthum des Satans werden ſollte. 

Der verhängnißvolle Tag war gekommen. Zu derſelben Stunde, 
in welcher vor 10 Jahren der Pakt geſchloſſen wurde, erſchien der 
Teufel und ergriff den zitternden halbtodten Hans. 

Da jchwebte im Glanze des Himmels der jelige Geilt Peters 
hernieder und ſprach zu dem Teufel: „Weiche von hinnen, Satanas! 
Du haft feinen Theil an ihm!“ 

Eine zehnjährige Reue und Buße hat jeine Schuld getilgt. 

„Der Herr hat ihm verziehen, wie ih ihm ſchon längjt ver: 
geben habe, was er an mir gethan hat.” Darauf ließ ihn ber 
Teufel los und fuhr mit einem Gepolter, al3 wenn ein Blipftrahl 
das ganze Haus zertrüimmert hätte, davon. Auch der jelige Geiſt 
verihmwand. Auf das entjeglihe Gepolter famen Leute herbei, 
welche Hanjen am Sterben fanden. Kaum vermochte er ihnen noch) 
zu erzählen, was vorgefallen war, — dann verjchied er. Bon der 
Gegend im Walde, wo in des Teufeld Namen da3 Zauberfraut 
gejucht wurde, meldet die Volksſage, = e3 heute noch nicht 
geheuer dort jei. 


26 


Moral: 1. Suche durh Fleiß und Sparjamkeit dein zeit- 
fihes Vermögen zu erhalten und zu vermehren. 2. Sei nicht neidig, 
wenn dein Nachbar mehr hat, als du. 3. Nehme dir ein Bei- 
ipiel, wie weit e3 mit einem Menjchen fommt und zu was e3 
führt, wenn man Neid und Bosheit in jeinem Herzen auffommen 
läßt. Wenn auch der Teufel feinen Menjchen von der Erde weg: 
holt, fo fommen doch Leute, welche in der Bosheit ihres Herzens 
dahin ftreben, nach ihrem Tode zu jenem, dem fie in diefem Leben 
gedient und dem jie jich durch ihren jündhaften Lebenswandel ver: 
ichrieben haben. 


13. Die Aedtiffin im Schmerlenbacher Walde. 


Im Kloſter zu Schmerlenbach, welches im Jahre 1240 ge— 
gründet und im Sahre 1807 wieder aufgehoben, (jäcularifirt) 
wurde, lebte einmal eine Aebtiſſin, die war alt und eben jo 
geizig, als häßlich. Man erzählte, daß fie die Bettelleute mit 
Hunden von der Klofterpforte habe verſcheuchen lafjen und wenn 
ein Armer gewagt habe, im Klojterwalde dürres Lejeholz zu ſam— 
meln, jo habe ihn der Förjter einfangen und ins Klofter führen 
müſſen, wo ihn die Aebtiffin in den tiefiten Keller einfperren und 
dur Hunger und Froft für feinen Frevel büßen ließ. 

Die Nachricht von diejen unmenſchlichen Graujamleiten der 
Aebtiſſin fam endlih zu den Ohren des Erzbiſchofs in Mainz. 
Er war ein gottesfürdhtiger Mann, der fich insbejondere der Armen 
jehr annahm. | 

Er begab fih nah Schmerlendbah, um eine PVifitation des 
Kloſters vorzunehmen und zwar durch alle Räume, vom Speider 
bis hinab in den tiefiten Keller. Dahin führte man ihn freilich 
nicht gern, allein dem Herren Erzbiſchof mußte man ſchon gehordhen. 
Da fand er nun in den falten und feuchten Kellerräumen mehrere 
halb verhungerte arme Leute, welche nichts begangen hatten, als 
daß fie im Walde des Kloſters dürres Leſeholz gejammelt hatten, 


— —⸗⸗ 


27 


um ſich eine warme Stube zu machen. Augenblicklich mußte ihnen 
die Freiheit gegeben, und ehe ſie entlaſſen wurden, mußten ſie 
von der Aebtiſſin reichlich mit Speiſen und dem beſten Wein 
bewirthet werden. So lange der Herr Erzbiſchof in den hlg. 
Räumen des Klofter3 weilte, mußte die Aebtiſſin zum böjen Spiel 
eine gute Miene machen; al3 aber der Herr Erzbiichof fort war, 
da brach ihr Zorn los. Sie fluchte und tobte, al3 wenn ie vom 
Teufel beſeſſen wäre. 

Sie gerieth in eine ſolche Wuth, daß fie vom Schlage getroffen 
wurde und todt war. 

Das Ableben der geizigen und hartherzigen Xebtiffin erregte 
freilich unter den armen Leuten mehr Freude, als Trauer. Sie 
wagten fich wieder in den Wald, um dürres Lejeholz zu ſammeln, 
aber. wie erichraden fie, als fie die geifterhafte Aebtijiin im Walde 
wandern ſahen? Böſes konnte fie den armen Leuten jet nicht? 
mehr thun, im Gegentheil, — wo fie fich zeigte, da fanden die 
armen Leute reichlich dürres Holz und darum blieb die geifterhafte 
Erſcheinung der Nebtijfin lange Zeit ein günftiges Zeichen für 
die Armen. | 

Moral. So wenig der Diebjtahl gebilligt werden kann, jo 
lieblos ift e8, die Armen zu bedrüden, und dieje himmel— 
Ihreiende Sünde muß ſchwer gejtraft werden in die ſer und 
in jener Welt. 


IA. Das Wunderkreu;. 


Eine halbe Stunde von Aihaffenburg an der Straße nad 
Goldbach Liegt der untere Gartenhof und nicht weit von dieſem 
ein kegelförmiger, waldbewachſener Hügel, auf welchem man noch 
die Spuren eines alten Gemäuers erblidt. Es find die Ueberreſte 
der Burg Kuglenberg, dem Wohnfige der Edlen gleichen 
Namens. Sie find ein ehrwürdiges Denkmal der innigſten Vater: 


28 


und Gejhmifterliebe, weshalb auch die Volksſage erhalten zu 
werden verdient, welche fih an dieſe Stätte knüpft. | 

Zu Anfang des 13. Jahrhunderts haufte auf dem Kuglenberg 
ein Ritter, welcher zwar mehrere Söhne aber nur eine einzige 
Tochter hatte. Sie war das Ebenbild der früh verftorbenen Mutter 
und daher der bejondere Liebling ihres Vaters. Ihre hervorragende 
Herzensgüte, ihre große Sanftmuth und ihre Mildthätigfeit gegen 
die Armen erwarben ihr aber auch die Xiebe ihrer Brüder und 
Aller, die fie fannten, jo wie den Segen aller Kranken und Preß— 
haften in der Umgegend. 

Nachdem das liebenswürdige Kind zu einer blühenden Yung: 
frau herangewachſen war, wurde fie einem ebenbürtigen Ritter 
Namens Veit verlobt. Das ehelihe Bündniß follte durch die 
Kirche eingejegnet werden, jobald die Fehde beendigt war, an welcher 
Ritter Veit zur Erfüllung jeiner Lehenspfliht hatte Theil nehmen 
müſſen. Sie war geendet. Siegreich und freudigen Herzens kehrte 
Veit mit feinen Reifigen zurüd; Tollte ja das Feſt feiner glücklichen 
Rückkehr und feiner Vermählung gleichzeitig gefeiert werden. Wie 
fröhlich flatterte das Banner der Helmenroth’ihen Reiſigen im 
Morgenwinde, wie hell Eangen die Trompeten durch die Fluren, 
wie leicht tanzten die feurigen Rofje der Heimath zu! Bald it 
Veit am Fuße des Kuglenberges angelangt. Mächtig jchallt das 
Horn des Thurmmwächters durch die Auen, wenige Minuten und 
die holdſelige Braut ericheint auf dem Söller der Burg, dem 
Bräutigam mit einem weißen Tuche dem Willlommgruß entgegen 
winfend. Herz und Sinn des Bräutigams weilen bei der 
geliebten Braut, er vergißt, daß das feurige und muthige Pferd 
auf der fteinigen Bahn den Zügel braucht, das Roß ftrauchelt und 
Kopf über ftürzt Veit in der ſchweren eijernen Rüftung jo hart 
zu Boden, daß er todt bleibt. Durh das Burgthor, das zum 
feftlihen Empfang des geliebten Bräutigam3 mit Blumen und 
Laubgemwinden geihmücdt war, bradten die trauernden Knappen 
auf einer Tragbahre die Leiche ihres Herrn und Gebieters. Wer 
bejchreibt den Schmerz, als das Burgfräulein an der Leiche ihres 





29 


Verlobten ohnmächtig zufammenfintt? Lange Zeit war nöthig, bis 
da3 Burgfräulein fih von feinem namenlojen Schmerz erholte. 
Kein Lächeln fam mehr in ihre Züge, ftil und in frommer Ergebung 
verbarg fie das unbejchreibliche Wehe in ihrem jo ſchwer geprejiten 
Herzen. | 

An der Stelle, wo die Erde das Blut ihres Bräutigams 
getrunken hatte, ließ fie ein Kreuz aufrichten mit dem Bilde des— 
jenigen, welcher für die Sünden der Welt freiwillig den bitterften 
Tod gelitten hatte. Wenn nun der Schmerz jie zu übermannen 
drohte, dann wandelte fie, tief verjchleiert und in die Farbe der 
Trauer gekleidet, zu dem Kreuze und flehte in heißem Gebete zu 
Gott dem Almächtigen um den Frieden ihrer Seele. Gefnidt und 
gebrochen jagte fie fi von der Erde los und nahm den Schleier 
der Gijterzienjerinen im Klofter Hain, melde die Edlen von 
Kuglenberg drei Jahre früher (1218) geftiftet hatten. 

Die Edlen von Kuglenberg verließen auch bald den Drt, 
welcher jo traurige Erinnerungen in ihnen wach rufen mußte, 
Am Main, oberhalb Fechenbach, erbauten fie fich eine neue Burg, 
welche zuerjt gleichfalls Kuglenberg, jpäter aber Kollenberg 
genannt wurde, 

Das an der. Stätte des Unglüds errichtete Kreuz wurde aber 
der Zuflucht3ort aller Armen und Bedrängten der nächſten Umgegend. 
Da aber das Gebet, welches ein gläubiges Herz vertrauensvoll 
zum Himmel jendet, nicht ungehört verhallt, jo fanden Viele Troft 
und Hülfe in förperlichen Leiden und das Kreuz erhielt hievon 
den Namen Wunderfreuz. Die Aufichrift des Kreuzes lautete: 

1221. 
Uf frei Belde 
blieb bir tod 
Der veit Mann 
Beit von Helmenroth 
Bitt Gott für jein Seel. 


30 


15. Die letten Tempelritter. 


Die Tempelherın, auch Tempelritter genannt, ein geiftlicher 
Nitterorden, waren in Frankreich ihren Feinden erlegen. König 
Philipp der Schöne hatte gegen fie gewüthet mit Feuer und Schwert 
und der legte Großmeifter: Jakob Bernhard von Molay war den 
Flammentod gejtorben auf einem Scheiterhaufen. Die meijten 
der Ritter, welche jo glüdlich waren, dem Tode zu entrinnen, traten 
in den Kohanniterorden. Nur wenige jahen ihre Ordens: 
gelübde als ungelöft an und flohen in ferne Länder, wo fie als 
Bertriebene Theilnahme und gaftfreundlide Aufnahme fanden. 
Auch der Churfürft von Mainz nahm fie in feinem Lande auf und 
gewährte ihnen da und dort eine Freijtätte. 

Mehrere derjelben überwies einen Berg bei Rottenberg, 
um fich daſelbſt häuslich niederzulaffen. Sie erbauten fich eine 
Eleine Burg und lebten dort, ihren Ordensregeln treu, von dem, 
was fie aus dem großen Schiffbruch gerettet hatten. Das Land- 
volk nannte den Tempelhof wegen des Elöfterlichen Lebens feiner 
Bewohner, „das Kloſter.“ — Es war damals in Deutichland eine 
gar arge und ſchlimme Zeit. Die Churfürften von Mainz, Trier 
und Brandenburg, jowie der König Johannes von Böhmen hatten 
Ludwig den Bayer, — der Churfürjt zu Köln, der Herzog zu 
zu Sachſen und der Pfalzgraf am Nhein aber Friedrih den 
Schönen zum Kaiſer gewählt. Gin hartnädiger Kampf entbrannte 
in allen deutichen Landen; dazu bradte ein Mikjahr eine jolche 
Hungersnoth, daß die Leihname der Miffethäter von den Galgen 
geftohlen und verzehrt worden jein follen. 

Endlich Fam aud noch die Peſt. Alle Bande der Ordnuug 
und der Gejeglichfeit hatten sich gelöft, Fein Menih war r wehr 
ſeines Lebens oder auch nur ſeiner Habe ſicher. 

Dem Kloſterberge gegenüber, nur getrennt durch jenes ſchmale 
Thal, in welchem das Dörfchen Rottenberg liegt, erhebt ſich ein 
Berg, der Gräfenberg genannt. 


31 


Auf dieſem Berge ſtand die feſte Burg der drei Brüder von 
Grifenberg. 


Sie waren aus einem edlen Geſchlechte und genoſſen hohes 
Anſehen. Auch die drei Brüder galten vor der Welt als ehren— 
hafte Ritter und die Templer auf dem Kloſterberge ſchloſſen ſich 
freundnachbarlich an fie an und ſchloſſen ſogar ein Schuß: und 
Trugbündniß mit ihnen ab. Der Verabredung gemäß wurde auf 
jeder Burg ein Thürmchen errichtet und eine Glode darin aufge: 
hängt. Das Läuten diejer Glode in der einen Burg jollte das 
Signal fein, daß die Bewohner in großer Gefahr und der Hülfe 
benöthigt jeien und das Läuten der Glode in der andern Burg 
follte das Zeichen fein, daß die Hülfe nahe wäre. 


So glaubten ſie vor jedem räuberiſchen Ueberfalle ſicher 
zu ſein. 


In einer ſtürmiſchen Winternacht erſcholl nun das Glöcklein vom 
Kloſterberge, laut und klagend wimmerte es durch die Luft, — auf 
dem Gräfenberg aber blieb alles ſo ſtill, wie im Grabe. Immer ſchwächer 
und ſchwächer wimmerte das Kloſterglöcklein und verhallte endlich 
mit ein Paar leiſen Klängen, gleich den letzten Seufzern eines 
Sterbenden. Das Kloſter war von Räubern überfallen worden, 
aber nicht von fremden, ſondern die Grifenberger hatten es erſtiegen. 
In dem Wahne, daß die Tempelherren große Reichthümer beſitzen 
muüßten, hatten fie die Templer überfallen, erſchlagen und ausge— 
raubt. Als die Landleute am andern Morgen auf den Klofterberg 
famen, um der big. Mefje beizumwohnen, fanden fie nur Leichen. 
Jene des dienenden Zaienbruders hielt in der erjtarrten, frampfhaft 
geichlofjenen Hand noch das Seil des Glöckchens, womit er die 
verrätheriichen Bundesgenofjen zur Hülfe herbeirufen wollte Die 
Anftrengungen der Landleute, die von ihnen als Wohlthäter gelieb- 
ten Templer wieder ins Leben zurüdzurufen, waren vergeblich. 
Nur der greife Prior, deſſen filberweißes Haar über und über mit 
Blut bedeckt war, wurde, jedoch nur auf einige Augenblide, wieder 
jeiner Sinne mädtig. 


32 


Deutlihb und beftimmt Fonnte er die Räuber und Mörder 
nennen. Ein dunkles, jedoch nicht geglaubtes Gerücht Hatte bie 
Grifenberger jchon früher al® geheime Räuber bezeichnet, ihre letzte 
Schand- und Frevelthat rief laut um Nahe. Der Churfürft Peter 
von Mainz ließ den Gräfenberg ftürmen, die Raubmörder hin— 
richten und die Burg dergeftalt zerjtören, daß fein Stein mehr auf 
dem andern blieb. 

Der Tempelhof auf den Klofterberge ward nicht mehr bewohnt. 
Er verfiel als eine unheimliche Stätte, erhielt fich jedoch noch eine ' 
Zeit lang in jeinen Ruinen, bis die Steine derjelben von den 
Landleuten abgebrochen und zu anderen Gebäuden verwendet wurden, 
jo daß auch von ihm nicht mehr viel zu jehen if. Die Volksſage 
meldet, daß von Zeit zu Zeit drei finftere Geftalten des Nachts 
auf dem Gräfenberge wandeln, aber nicht im ritterlihen Schmude, 
fondern vermummt wie Räuber und Banditen, in dunfeln 
Gewändern mit großen Schlapphüten. 

Moral: 1. Bertraue feinem Menichen, von deſſen Freundſchaft 

du nicht ganz vollkommen überzeugt biſt! 

2. Entnehme aus dieſen Volksſagen, zu welchem Verbrechen 
die Habſucht führt. 

3. Es iſt kein Fädchen ſo fein geſponnen und kein Verbrechen 
ſo heimlich begangen, es kommt einmal an die Sonne, 
und keine Frevelthat entgeht der verdienten Strafe des 
weltlichen oder göttlichen Richters. 


16. Das Eichenberger Rapellcen. 


Nicht weit von Eichenberg ſteht eine kleine Kapelle mit einem 
Muttergottesbilde, zu dem die Bewohner der Umgegend in vielen 
Leiden und Bedrängniſſen ihre Zuflucht nehmen. Dieſes Mutter: 
gottesbild ſtand früher unter freien Himmel; als ſich aber die 
Zahl der andächtigen Verehrer und Hülfeſuchenden vermehrte, 
wollte man eine Kapelle bauen und das Bild hinein ſetzen. Es 





33 


wurden die nöthigen Vorbereitungen dazu getroffen, ein paſſender 
Bauplatz ausgewählt und das Bauholz und die Steine beigefahren, 
aber immer wurde da3 Holz nächtlicher Weile fortgetragen, ohne 
daß man hätte angeben fönnen von wem? und an den Platz des 
Gnabenbildes gelegt; dort wurde nun auch endlich das Kapellden 
aufgebaut. 

‚Moral: Die von unfern Boreltern erbauten Kirchen und 
Kapellen find uns und allen Nahfommen ein rühmendes Zeugniß 
von der Pietät und dem frommen Sinne derjelben. Wie weit hat 
ſich unjere Zeit von dem Wejen unferer Vorfahren entfernt ! 

Welche Lauheit herrſcht unter vielen Leuten, mit welcher 
Beratung Iprechen viele Leute von Allem dem, was einem guten 
Ehriften ehrwürdig und heilig jein muß. Laſſet euch, ihr Frevler, 
von den fjtummen Zeugen der Gottesfurdt eurer frommen 
Voreltern ermuntern, andere Menjchen und beijere Chriften zu 
werden. 


IX. Die Kirche des heiligen Kippolitt zu Dettingen. 


Wenn man von Aichaffenburg aus mit der Eiſenbahn oder 
auf der Landſtraße nah Hanau und Frankfurt reift, jo kommt 
man zuerſt nah Kleinoftheim und von da nah dem Dorfe 
Dettingen, wo eine, dem heiligen Hippolit geweihte Kapelle 
jtand, welche Kaijer Karl der Große erbaut haben jol. So lange 
fich derjelbe in Nahen aufbielt, mwallfahrtete er jährlih einmal 
nah Dettingen. Er fam zu Schiff den Main herauf, und da, wo 
die Flurmarkungen von Dettingen und Welzheim aneinans 
der ftoßen, wurde der Kaijer von der Geiftlichfeit und der Gemeinde 
feierlich eingeholt. Ein Stein auf der Markungsgrenze, etwa 30 
Schritte vom Maine entfernt, bezeichnet die Stelle und heißt heute 
noch der Karlftein. 

Die Wallfahrten nah Dettingen am Sankt Hippolitstage (13. 
Auguft) aus den Main und Rheingegenden waren — ſehr 

Sagenſchatz, 1. Bändchen. 


34 


zahlreih. Von welcher Bedeutung fie geweſen, ergiebt ſich daraus, 
daß die Aihaffenburger Schiffer es als ein bejonderes Vorrecht 
anjahen, die Wallfahrer allein den Main binabführen zu dürfen, 
und daß das Opfer an Getraid, welches der Kirche dargebracht 
wurde, zumweilen 30 Malter betrug. Die Kornopfer wurben eigen 
thümlihher Weile zum Theil in Weiberhauben dargebradt und 
leßtere dann an die Armen vertheilt. In neuerer Zeit hat die 
Wallfahrt jehr abgenommen. 

Moral: Wenn gefrönte Häupter und die Großen der Erde 
fich nicht Scheuten, ihre Gottesfurdt und Pietät ‘äußerlich zu erkennen 
zu geben, jo ift e8 auch für geringere Leute feine Schande, ihrer 
innerlichen Frömmigkeit einen äußerlihen Ausdruck zu geben. 


18. Der Hame Afchaffenburg. 


Einer der reizenditen Punkte am Untermain ift unftreitig Die 
Stadt Aſchaffenburg, welche trogdem, daß fie in neuerer Zeit jo 
ihwere Schidjalsichläge erleiden mußte, zu immer größerem Wohl: 
jtande emporblüht. Die Ufer des Mainſtroms waren ehebem, 
das beißt vor Jahrtaufenden, nichts als Wald. Als nun hier die 
erfte Anfievelung begann, bedurfte man Land zum Feldbau. Da 
aber das Fällen des Urmwaldes mit der Art eine Arbeit war, 
welcher fich die Anfiedler nicht gewachſen glaubten, fo ftecdten fie, 
um jchneller zum Ziele zu kommen, den Wald in Brand. 

Das ganze Aichaffthal ward von Bäumen entblöft, die Aſche 
lag aber jo dicht in demfelben, daß der Bah ganz davon bededt 
war. Die Anfiedler nannten ihn deshalb Asgaffe oder Ascaffa, 
von den altdeutihen Worten asga — Aſche, und affa — Fluß, 
jonah Aſchenbach. Die Aſchaff floß zu jener Zeit durch Die 
Stadt, weswegen fie Ajchaffenburg genannt wurde. 


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19. Die Kiefenpflüge. 


In uralter Zeit war der Main bei Aihaffenburg in 2 Arme 
getheilt. Ein Arm floß da vorbei, wo jett Ajchaffenburg fteht und 
- ein anderer ging oberhalb Nilfheim ab und vereinigte ſich unterhalb 
Leider wieder mit dem erjteren. Bei Dettingen theilte fich der 
Fluß jogar in 3 Theile. Der eine floß links an Kleinwelzheim 
vorbei, der zweite im jetigen Mainbette, jo daß Kleinwelzheim auf 
einer Inſel lag und ber dritte floß über die jog. Pfaffenwieſen am 
Häuferader Hof vorbei. | 

Der letzte war der ftärkite, auf welchem die Schiffe, aber nur 
nothdürftig fortflommen konnten. Der Weg von dem nun ausge— 
trodneten Hümmelfjee nach Großmelzheim heißt deshalb Heutigen 
Tages noh der Schiffsweg. 

Damals war das ganze Mainthal mit Sümpfen bebedt und 
der Landmwirthichaft und dem Feldbau ganz unzugänglid. Nur der 
Ur Haufte in den Wäldern, Die Höhen des Mainthals waren 
von riejenhaften Männern bewohnt. Um nun den . guten Boden 
des Mainthals für den Aderbau zu gewinnen und eine ordentliche 
- Schiffahrt möglich zu machen, unternahmen es dieje Riefen, ein einziges 
Flußbett herzuftellen. Zu diefem Zwecke loderten fie mit Rieſen— 
pflügen in dem einen Arme den Grund der Art auf, daß fich das 
Waſſer in den anderen Arm ergoß, fo daß der erftere troden ge 
legt wurde. 

Bon den. Niejenpflügen wurden zum ewigen Andenfen eine 
Schaar und eine Segge aufbewahrt, welche lange Zeit unter dem 
Thorbogen des Schloffes Johannesburg zu Afchaffenburg aufge: 
“hängt waren. 


20. Das Benediktinerklofter in Alcaffenburg. 


Zur Zeit der Geburt Chrifti hatten die Römer bis in bie 
Mitte des Speffarts ihre Vorpoften vorgefhoben. Zu Aſchaffenburg 
3* 


86 


ftand eines ihrer Gajtelle. Eigenthümlich ift e8, daß die Nömer 
ihre Caſtelle da anlegten, wo ein Eleinerer Fluß in einen größeren 
einmändete, wodurch das Caſtrum auf 2 Seiten einigermaßen einen 
natürlihen Schuß Hatte. Im vierten und fünften Jahrhundert 
wurden fie aber vom rechten Rheinufer verdrängt. Hunnen, 
Bandalen, Franken, Alemannen 2c. bejegten die Gegend und ver: 
tilgten mit der Herrichaft der Römer auch die Blüthe des Landes. 
Shre ftolzen Gajtelle wurden zertrümmert, fortwährender Hader 
und Kampf unter den Franken und Alemannen lichtete die Bevölfer-' 
ung der Art, daß nur wenige Familien übrig blieben und teı 
Wald wucherte wieder aufs Neue, wo früher reiche Ernten gereift, 
waren. | 

Auch zu Aſchaffenburg waren das Gaftell und die übrigen. 
Anfiedelungen der Römer zerftört worden. Im achten Jahrhundert: 
n. Chr. ftand an der Stelle der Stadt nur ein halbverfallene 
Dianentempel und die Raben oder Ravensburg mit einigen, unter 
ihrem Schuge errichteten Hütten. Dieje Burg fol aus de: 
Trümmern eines Römerwerkes, welches unfern des Caſtells, jedod 
durch eine tiefe Schlucht von demjelben getrennt lag, erbaut worbeı * 
jein und ihren Namen von den vielen Raben erhalten haben, welche 
die Ruinen bevölkerten. 

Der heilige Bonifazius, der Apoſtel der Deutſchen, kam — 
nach Aſchaffenburg, um daſelbſt das Chriſtenthum zu verbreiten. 
Er ließ den römiſchen Dianentempel auf dem Badberge zu einer 
chriſtlichen Kirche herrichten und weihte dieſelbe ein. Sie wurde 
dem hlg. Martin geweiht und war das erſte chriſtliche Gotteshaus 
zu Aſchaffenburg. Deßwegen führt auch die Stadt den hlg. 
Martinus, mit dem biſchöflichen Ornate angethan, heute noch in 
ihrem Siegel. (Ein Bild der Göttin Diana aus geſchlagenem 
Kupfer, welches in dem genannten heidniſchen Tempel ſtand, wurde 
ſpäter auf den Thurm zwiſchen den Thoren verſetzt, welcher davon 
den Namen Dingesthurm erhielt.) Ä 

Die Sankt Martinzkapelle war arın und hatte feinen. eigenen 
Geiftlihen. In dem Feljen, worauf der Pavillon im jchönen 


37 


ı Thale jteht, befand ji) damals gegen den Main zu eine Grotte, 
“ welche nun zugemauert it. Dort wohnte ein frommer Einfiedler, 
welcher die priefterlihde Weihe empfangen hatte und den Gottes: 
dienft in der Sankt Martinskirche verfah. Die Kapelle bejtand, 
wenn auch baufällig, bis zum Jahre, 1770, wo fie in einen 
Pferdeftall umgewandelt wurde, Die Volksſage erzählt, daß bie 
‚Pferde, welche man in den Stall eingeftellt hatte, dergejtalt gejchlagen 
und getobt hätten, daß ſie zu Grunde gingen und es gab keine 
Ruhe, bis der Canonikus, dem die Benützung des Stalles zuſtand, 
der Stiftskirche den Sankt Martinsaltar geſtiftet hatte. 


Dieſer Altar ſtand bis zum Jahre 1813, wo er abgebrochen 
wurde, um Platz für das Denkmal bes Churfürften Friedrih Karl 
Joſeph zu gewinnen. 

Karl der Große weilte gerne an den Ufern des Mains, an dem 
‚feine Burgen und PBaläfte, feine Maierhöfe und Jagdſchlöſſer Lagen. 
* Auch die Ravens- oder Rabensburg diente dem Kaiſer und 
—* Jagdgefolge zur Wohnung, wenn er im Speſſart des edlen 

aidwerks pflegte. Den Speſſart liebte er ſo ſehr, daß er ihn 
vorzugsweiſe ſeinen Wald nannte. Der Speſſart erſtreckte ſich 
damals bis an die Mauern der Sankt Martinskapelle und der 
abensburg. 

8* Bei einer dieſer Jagden im Speſſart war der Kaiſer bei 
Verfolgung eines Wildes von ſeinem Gefolge abgekommen; nur 
ein Knappe war noch in ſeiner Nähe. Je mehr ſie ſich Mühe 
gaben, das Gefolge wieder aufzufinden, deſto mehr wurden ſie irre. 
Die Nacht brach herein und der Kaiſer mußte ſich entſchließen, 
im Dickicht des Waldes zu übernachten. Die Verirrten banden 
ihre Roſſe an zwei Lindenbäume und ſtreckten ſich unter ihr 
Blätterdach; der Kaiſer machte das Gelübde, daß er da, wo ihm 
der erſte Menſch wieder begegnen würde, ein Kloſter ſtiften wolle. 
Dann ſchlief er ruhig ein. Bei dem erſten Strahl der Sonne 
wurde er durch die Schläge einer Art geweckt; ganz in feiner 
Nähe war ein Mann mit Holzfällen beichäftigt. Der Kaifer, 


38 


welcher fich tief im Speffart wähnte, hatte in nicht großer Ent: 
fernung von der Ravensburg übernachtet. 

An jener Stelle baute der Kaijer, welcher kurz vorher auch 
das Benebiktinerflojter zu Neuftadt am Main geftiftet hatte, 
gleichfalls ein Benediktinerklofter, und Aichaffenburg hatte nun einen 
geregelten Gottesdienft, welcher die erjte Veranlaſſung zur Ver: 
größerung der Stadt gab. 

Der Kreuzgang ded neuen Klofter® wurde um diejenigen 
Lindenbäume geführt, welhe dem Kaifer und jeinem Knappen 
Shug gewährt hatten. 

Im Verlaufe der Jahrhunderte ftarben die Lindenbäume ab, 
aber e8 wurden immer wieder neue gepflanzt, auch dann noch, als 
das Benediktinerkloſter jchon längſt in das Gollegiatftift zu Sanft 
Peter und Alerander umgewandelt war. Die legten Bäume wurden 
im Jahre 1574 gepflanzt, wie diejes eine Inſchrift am Kreuzgange 
„ Tiliae sunt pactae 1574 * bemweijt. Der eine fiel im Sahre 
1811, der andere im jahre 1841 duch den Sturmwind. 

Das Geichleht der Edlen von Ravensburg blühte bis ins 
13. Sahrhundert. 

Daß Karl der Große den Holzhauer, deffen Artichläge ihn 
gewect, zum Ritter gejchlagen habe, wie die Volksſage mittheilt, 
ijt nicht glaubbar, vielmehr ift anzunehmen, daß er ihn mit jonftigen 
Geſchenken überhäuft hat. 


21. Die wandernden Reliquien. 


Die Stiftskirche zu Aſchaffenburg bejaß früher jehr Foftbare 
Reliquien. Unter dieien befanden fich auch zwei foftbar gefaßte 
Köpfe von den eilftaufend Sungfrauen. Dieje Reliquien waren 
unter großem Gepränge von Köln nah Aichaffenburg gebracht 
worden und jedes Jahr das Gedächtniß der heiligen Jungfrauen 
in der Stiftskirche feierlich begangen. Im Laufe der Zeit aber 
wurde ihrer wieder vergeflen und die Feier unterlaffen. Im Jahre 


39 


1183, und zwar an demjelben Tage, an welchem jonjt das 
Felt gefeiert wurde, waren die Stiftsherrn in dem Frühchor ver: 
ſammelt. 

Da kamen plötzlich hinter dem Hochaltar zwei weiß gekleidete 
Jungfrauen hervor, ſchwebten an den Stiftsherrn vorüber, vor 
denen ſie ihre Häupter neigten und verſchwanden ſodann aus der 
Kirche. 

Erftäunt und theilweiſe erſchrocken ſahen ſich die Stiftsherrn 
einander an, konnten ſich aber die Erſcheinung nicht erklären. 

Da äußerte einer der älteren Chorherren die Vermuthung, 
es möchten vielleicht die beiden Jungfrauen ſein, deren Gedächtniß 
man jo ſehr in Ehren gehalten, aber ſpäter jo ſehr vernachläſſigt 
habe, daß an dem Tage bes Feſtes Niemand mehr ihrer gedenke. 

Man jah unter den Reliquien nad, fand aber die Häupter der 
beiden Jungfrauen nicht mehr. Auf eine in Köln geftellte Anfrage 
erhielt man die Nahriht, daß an dem bezeichneten Tage zwei, 
al3 Reliquien gefaßte Köpfe auf dem Altare der Kirche zur hlg. 
Urfula gefunden worden jeien. 


— nn nn — — 


22. Das Nachtläuten. 


Im ſtrengen Winter vom Jahre 1185 bis 1186 verirrte ſich 
eines Abends ein Graf von Rineck im Speſſart zwiſchen Lohr und 
Aſchaffenburg, ohne ein Aſyl finden zu können. Glücklicher Weiſe 
wurden ſie von den Wölfen, deren es damals im Speſſart noch 
ſehr viele gab, nicht angefallen. Um ähnlichen Unfällen vor— 
zubeugen und den verſpäteten oder verirrten Wanderern anzu— 
deuten, wo ſie ein ſchützendes Aſyl zu ſuchen hätten ordnete 
der Kurfürſt Conrad J. im Jahre 1186 an, daß allabendlich, und 
zwar im Sommer um 9 Uhr, im Winter um 8 Uhr eine Viertel: 
Hunde zu Aichaffenburg auf dem Glodenthurm am Markte, dem 
Dingesthurm, und zu Lohr auf dem Rathhauſe geläutet werden 
jolle. Als der Dingesthurm zu Aſchaffenburg im Jahre 1777, 


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abgebrochen wurde, ging die Verbindlichkeit zum Läuten der Nacht— 
glode in Aichaffenburg auf die Muttergottespfarrfirche über, mo 
fie heute noch erfüllt wird. 

E3 iſt ein eigenthirmliches Gefühl, wenn in fpäter Abend: 
ftunde die Klänge der Gloden durch die Nacht fchallen und unwill— 
führlih erinnert man fih an jene Unglüdlichen, die vielleicht 
hungrig, erſchöpft und ermattet vom rechten Weg abgefommen find 
und durch das Glocdenzeichen ermuntert werden, ihre legten Kräfte 
aufzubieten, das rettende Aiyl zu erreichen. 


23. Der Pilgerbrunnen und das Elifabethenfpital 
| zu Afcaffenburg. | 


Bor vielen Hundert Jahren wanderte ein Pilger auf der 
Straße, welche aus dem Speſſart nah Aichaffenburg führt. Sein 
abgenüstes Kleid und die Mujcheln auf jeinem Hute und an jeinen 
Kleidern verfündeten, daß er über das Meer gefommen. Sein 
Antlik war noch jugendlih, aber troß der brennenden Sonne lag 
eine krankhafte Bläffe darauf, Erihöpft und mühjam jchlich er 
an feinem Stabe dahin. Als er an das Stadtthor fam, konnte 
er ſich kaum mehr aufreht erhalten und als er die Stiftäfirche 
erreicht hatte, jant er ohnmächtig zufammen. Man Hob ihn mit: 
leidig auf und bot ihm zu feiner Stärkung und Erquidung einen 
Becher Wein an; allein er lehnte ihn dankbar ab, weil es gegen 
fein Gelübde fei und bat um einen Becher friiches Waſſer. 

Die obere Stadt hatte damals noch feinen Brunnen und es 
dauerte ziemlich lange, bis man jeinem Wunfche willfahren Eonnte. 
Als er fich erfriiht und gelabt hatte, verjuchte er, unter freund: 
lihen Danfesverfiherungen meiter zu fommen. Da fam der 
Burggraf mit feinem Gefolge des Weges bergeritten. Auf den 
erften Blick erkannte er, daß der Pilger von einer heitigen Krank— 
beit befallen fein müffe und bot ihm, da deſſen edle Züge jein 


41 


Herz doppelt rührten, eine Herberge in feiner Burg an. Der 
Pilger mußte fie annehmen, denn feine Füße trugen ihn nicht 
mehr. Kaum angelangt in der gaftlihen Burg, jauf er auf das 
Sranfenlager, von dem er erft nach mehreren Monaten erjtande 

Während er, von böjen Fieber bis in's Mark durcrüttelt, 
geiftesabmwejend da lag, hatte er in des Burggrafen einziger Tochter 
Eliſabeth eine treue Pflegerin gefunden. Sie wich mit der Erlaubniß 
ihres Vaters nicht von feinem Kranfenlager und jo fiel der erſte 
Blid cus den Augen des wiedergenejenden Pilger auf die Jung: 
frau, velche ihm wie ein Engel des Himmels erſchien. Der 
Schritt nom Dank zur Liebe war bald gethan und dieje wuchs 
mit der rücfehrenden Lebenskraft des Pilgers. Mit dem Feſte 
der völligen Genejung wurde auch das Verlobungsfeft gefeiert, 
dem der Burggraf mit Freuden jeinen Segen gab. Der fremde 
Pilger war nämlich niemand anders, als der tapfere Junker von 
Schönborn. Bei einem Jagen auf den Höhen des Wefterwaldes 
hatte er unbedacht einen Speer geichleudert und diejer hatte 
unglücklicher Weife einen Mann, Vater einer zahlreichen Familie, 
auf den Tod getroffen. Zur Sühne und Abbüßung diejer unfreis 
willigen Miffethat hatte er eine Pilgerfahrt zum hlg. "Grabe nad) 
Jeruſalem gelobt und war nun auf der Rückkehr zum väterlichen 
Schloſſe. 

Der Verlobung folgte bald eine glückliche Ehe. 

Der Junker von Schönborn vergaß aber im fernen Weiter: 
walde, auf dem die Burg jeiner Ahnen lag, der Stätte nicht, wo 
er nebſt einer liebreihen Pflege auch jein Glück gefunden. 

Bor der Stiftsfirhe ließ er einen Brunnen errichten und eine 
reihe Duelle von dem nahen Berge dahin leiten, und zum Gedächt— 
niß, daß einft ein verſchmachtender Pilger bier mit einem Becher 
friſchen Wafjer3 gelabt und gerettet wurde, nannte man ihn den 

„Bilgerbrunnen.“ 

AS des Junkers Weib die Erbin der reichen Güter ihres 
veritorbenen Vaters geworden war, ftiftete er zu Aichaffenburg ein 
Spital, welches er unter den Schub der hlg. Elifabeth ftellte, 


42 


Erjt mehrere hundert Jahre darnach errichtete das edle Geſchlecht 
der Grafen von Schönborn fih in der Stadt ein ftattliches 
Herrengebäude, das heute noch den Namen „Schönborner Hof“ 
trägt. 

Die Dankbarkeit ift eine edle Tugend; fie ift aber noch 
rühmlicher, wenn fie auch von Jenen geübt wird, welche mit dem 
Adel des Namens auch den Abel der Geſinnung ver: 
binden. 


24. Die Monnen im fhönen Thale. 


Im Jahre 1218 ftifteten die Mdeligen von Kuglenberg ein 
Frauenklojter zur blg. Maria im Hain oder Hagen, einem Dorfe, 
welches unmittelbar. bei Aichaffenburg lag. Die eigentlihe Stadt 
beichräntte fih damals auf den Hügel vom Scloffe bis zur 
Stiftskirche. Unfern des Thores befand fich ein ftiftiiches Hofgut, 
welches von allen jtäbtiihen Steuern, Umlagen und jonftigen 
Giebigfeiten befreit war und deshalb „Freihof“ genannt wurde. 
Dann fam das Dorf Hagen, welches, wenn e3 noch ftände, an das 
Sandthor grenzen würde. Das Klofter war von Gifterzienferinnen 
bewohnt, blieb aber nur 22 Jahre hier, denn ſchon im Jahre 1240 
wurde e3 aus der Nähe der Stadt und nad Schmerlenbach verlegt 
und zugleich viel ftrengeren Drdensregeln unterworfen. Während 
jener 22 Jahre waren aber mehrere Nonnen gejtorben und dieſe 
fanden Feine Ruhe in ihrem einjamen Grabe. Die Klofterficche 
im Hain wurde zerjtört und auf ihren Trümmern die Kirche zum 
hlg. Grabe erbaut. Auch dieje ift fehon feit mehr als zweihundert 
Jahren eine Ruine. Der Kloftergarten und der Friedhof des 
Klofters wurden in einen Park umgewandelt und bilden nun den 
freundlichiten und romantiihften Theil des „ſchönen Thals.“ 
Die Nonnen aber, jo meldet die Volksſage, wandeln immer 


43 


noch allein oder zu zweien, manchesmal am hellen Tage auf jener 
Stätte, wo fie (vielleicht nicht jo Fromm, als fie es gerolt hätten) 
lebten und ftarben. 


— 


25. Die Sandkirche zu Aſchaffenburg. 


Die zweite Hälfte des breizehnten Jahrhunderts war eine 
ſchlimme Zeit für Deutjhland. Es war nämlich fein Herr im 
Rande und fein Kailer im Reiche, aber deito mehr Zank und 
Streit und überall lagerte wildes Kriegsvolf, eine Plage für 
Bürger und Bauern. 

Auh im Walde vor den Thoren von Aſchaffenburg Hatte fich 
ein jolcher Haufe eingerichtet. 

Eines Tages ſahen die — drei weiße Lilien unter 
den Büfchen blühen. Die Lilien waren jo wunderſchön von Geitalt 
und Farbe, daß fie jelbft’dem verwilderten Kriegsvolke auffielen. 
Sie braden fie ab, allein am 2. Tage waren wieder 3 Lilien 
erblüht und als auch diefe abgebrochen wurden, am dritten Tage 
abermals 3. Die Kriegsjüldner, welche in einem fernen Laude zu 
Hauje waren, gruben die Erde auf, um die Blumenzwiebel heraus- 
zunehmen und das feltene Gewächs in ihre Heimath zu verpflanzen ; 
allein! fie fanden ein Muttergottesbild. Dasjelbe wurde 
in die Stiftskirche gebracht, allein am andern Morgen fand es fi 
wieder da, wo e3 ausgegraben worden war. 

E3 wurde nun eine Eleine Kapelle dariiber gebaut, aber dieſe 
fonnte die große Zahl der Andächtigen bald nicht mehr fallen, 
weshalb im Jahre 1273 eine größere Kirhe: — „Die Sandkirche 
zur weißen Lilie” — erbaut wurde. Diejelbe wurde in ben 
Sahren 1517 und 1757 erneuert uud in dem leßtgenannten Jahre 
auch durch Zuziehung des Sandpfortenthurmes mit einem Glocken— 
thurm verjehen. Der Hochalter diefer Kirche befindet fich eben da, 


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wo das Bild aufgefunden wurde. Das Bild ift noch in dem 
Zuftande, wie es aus ber Erde gegraben wurde, denn ein Anſtrich, 
welchen man demjelben zur Verſchönerung geben wollte, fiel wieder ab. 
Das Bild iſt heute noch ein Gegenftand frommer Verehrung, zu 
welchem Viele vertranensvoll ihre Zuflucht nehmen. 


26. Der Spuk im Schloßgarten zu Aſchaffenburg. 


Zu Anfang des 16. Jahrhunderts ſaß Uriel von Gem: 
mingen auf dem erzbiihöflihen Stuhle zu Mainz. Er war nicht 
nur ein gelehrter, jondern auch ein, durch viele fürftlihe Tugenden 
ausgezeichneter Herr. Nur einen Fehler hatte er, der jeine 
Tugenden verdunfelte: er war zum Jähzorn geneigt und in dieſem 
feiner jelbjt nicht mächtig. Diejer Jähzorn führte auf eine traurige 
Meile jein Ende herbei. Ein altes Manuſcript meldet hierüber 
folgendes: 

Erzbiichof Uriel war ein genauer Herr, welcher das Seinige 
trefflich zu Rathe hielt. Als er nun einftmals einen jeiner Keller: 
meijter de3 Nachts zu Aſchaffenburg im Schloßkeller erwijchte, wie 
er vom beiten Hörfteiner Wein aus dem Keller geftohlen, babe er 
fih darüber jo jehr erzürnt, daß er den zur Hand habenden 
Büttnerfchlägel ergriffen und damit des ungetreuen Knechtes Hirn 
ſchale eingejchlagen habe, daß derſelbe darüber tobt zur Erbe fiel. 
Dieje unglücdiihe That habe ihn aber fo jehr gereut, daß, als er 
etlihe Tage darauf in Mainz anlangte, er vor großer Betrübniß 
jeinen Geift aufgegeben habe. Eigentlich habe er fih nur jo 
gejtellt, ala wenn er geftorben wäre, und fei aljo an jeiner Statt 
der Kellermeifter mit fürftlihem Pomp zur Erde beftattet worden. 
Er jelbjt aber fei unerkannt in ein Garthäuferklofter gegangen 
und habe dort nach großen und ſchweren Bußübungen jein Leben 
beſchloſſen. 


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Von diefer Zeit war e3 im Schloffe zu Aſchaffenburg nicht 
mehr recht geheuer. Der Geift des erichlagenen Kellermeifters, 
welder in jeinen Sünden dahingegangen war, wandert. Das alte 
Schloß, in welchen die jchredlihe That geihah, wurde, nachdem 
Churfürft Johann Schweikard das neue erbaut hatte, im Jahre 
1767 abgebrochen, aber der Geiſterſpuck zeigte fih auch im neuen 
Schloſſe. Man vermuthete Betrug, und um demjelben auf die 
Spur zu kommen, ließ der Großherzog Karl im Schloßgarten am 
Eingang in den Keller, wo der Spud am häufigften fein Unmejen 
trieb, eine Schildwache aufitellen, allein man fand mehrere Schild: 
wahen bei der Ablöfung ohnmächtig und halbtodt und z0g deshalb 
den Poſten wieder ein. 

In das Kleid der Sage ift bier die gute Lehre gekleidet, 
niemals Unreht zu thun. Zugleich wird aber auch gewarnt 
vor dem Jähzorn, welcher oft die jchredlichiten Folgen nad 
ſich zieht. 


— — — — 


2. Die Rettung der Stadt Aſchaffenburg durch 
einen Kapuziner. 


Obgleich der 30jährige Krieg, im Munde des Volkes auch 
Schwedenkrieg genannt, ſchon länger als 200 Jahre beendigt iſt, 
ſo ſpricht man doch noch immer von den Gräueln und Verwüſt— 
ungen, welche diejer jchredliche und langjährige Krieg im Gefolge 
datte. 

Am 16. Oktober 163 Hatte Guftav Adolf, König von Schweden, 
die Stadt Würzburg eingenommen und 2 Tage darauf, am 18. 
Dftober auch den Marienberg, die Eidatelle von Würzburg erftürmt 
ud zog nun mit feinem Heere auf beiden Seiten des Mains dem 
Rheine zu. Miltenberg war nach furzer und vergeblidher Gegen: 


46 


‘ 


wehr gefallen, jett kam Aſchaffenburg an die Reihe. Die Schweden 
hatten zu Würzburg und Miltenberg bös gehauft: Plünderung, 
BZerftörung und Brandihagung waren überall in ihrem Gefolge, 
ja nach der Erftürmnng der Citadelle Marienberg hatten fie weder 
Weib noch Kind verihont und jogar die Priejter vom Altare 
hinweg gerifjen und erichlagen. Die Nachricht von diejen Gräuel— 
thaten ging vor ihnen ber und jo fam e3, daß auch die Bewohner 
der Stadt Aihaffenburg mit großem Schreden erfüllt waren und 
wer nur immer fonnte, floh mit Hab und Gut aus der Stabt. 
Die Behörden flohen nah Mainz, die Stiftsherrn in die jpanijchen 
Niederlande, die Jejuiten nah Frankreih; nur die Kapuziner 
hielten treuli aus. Der Bater Guardian, Bernardus, aus 
Trier gebürtig, deſſen Name für die fernften Zeiten bewahrt zu 
werden verdient, ließ durch feine Patres die Stiftskirche, ſowie die 
Muttergottespfarrlicche bejegen und nahm ſich, als ein energifcher 
Mann, auch des weltlihen Negiments an. Endlich am 25. Nov. 
nahte der gefürchtete Feind. Der Pater Guardian, begleitet von 
einigen muthoolleren Mitglievern des Stadtrath3 oder Magiftrats, 
überreihten ihm jenjeit3 der Mainbrüde Inieend die Schlüffel der 
Stadt, für diejelbe um Gnade bittend. Wohl war der König etwas 
befremdet über den Stadtlomuandanten in der ärmlichen braunen 
Kutte, er runzelte anfangs die Stine, aber er bewunderte den 
Muth des Mannes und es freute. ihn die Offenherzigkeit und das 
Vertrauen, welches diejer ihm gegenüber fund gab. Freundlich 
ſprach er zum Guardian: „Pfäfflein, Du gefällt mir! Wo wohnft 
Du?” und nachdem ihm dieier jein beſcheidenes Klöfterlein genannt 
oder gezeigt hatte, gab ihm der König das Verſprechen, daß er 
vor Allen bei ihm einfehren werde. | 

Während des Einzugs ging der Guardian neben dem Roſſe 
des König3 einher. Der König erkundigte fih nach allen Ber: 
bältniffen der Stadt und erfuhr nun, daß die hurmainziichen 
Beamten und die Stiftsherren die Stadt verlafjen hätten. Der 
König war am Schlofje angelangt. Voll ‚Bewunderung jprad er: 
„Ein feines Schloß. Wenn Räder daran wären, würde id es nad) 


47 


Schweden führen laſſen. Da es aber nicht transportirt zu werben 
vermag, jo find wir gemeint, das Schloß unjerm Kriegsvolfe preis 
zu geben.“ Da entgegnete der bejonnene Guardian: „Euer 
Majeftät wollen geruhen ſich zu überzeugen, daß das Schloß mit 
mehr als hundert Rädern verjehen ift” — und deutete dabei auf 
da3 Mainzer Wappen, welches oberhalb aller Fenfter des Haupt— 
geſchoſſes und auch jonft am Schloffe angebracht ift, — „es fehlt 
aljo nur die Beipannung.” „Pfäfflein, Bfäfflein,“ ſprach der 
König, „Du biſt eben jo jchlau als ‚herzhaft. Um Deinetwillen 
wollen wir der Stadt und dem Schloffe Gnade angedeihen laſſen.“ 
Darauf z0g der König in das Klojter, wo ihn alle Kapuziner feier: 
lih empfingen; jpäter nahm er feine Wohnnng im Scloffe. Die 
Stadt mußte zwar eine Brandichagung erlegen, wurde aber im 
Berhältniß gegen andere Städte ſehr glimpflich behandelt. 


— — — — — 


28. Der geſpenſtige Küfer. 


In dem Keller des Shönborner Hofes zu Aichaffenburg, 
unter jenem Bau, welcher zunächſt des Freihofes liegt, befand 
fih vor Jahrhunderten ein Weinlager. Der Küfermeifter, welcher 
dasjelbe zu beaufiichtigen hatte, war aber jo dienfteifrig, daß er 
alle8 Andere darüber vergaß; er hämmerte oft an den Fäſſern 
herum bis tief in die Nacht hinein und dabei wird er wohl das 
Trinken nicht vergellen haben. So trieb er es auch einmal am 
heiligen Weihnachtsabend und die Leute, welche in die Chriftmette 
hinein unddie, welde Heraus famen, hörten ihn noch im Keller 
Elopfen. Zur Strafe hiefür bat er aber feine Ruhe. Jetzt noch, 
wenn e3 zur Chriftmette läutet, fängt er zu Elopfen an und man 
fann, wie die Volksſage erzählt, das geifterhafte Klopfen hören, jo 
lange die Chriftmette dauert. 

Moral: Ihr jollt diegebotenen Sonn und Feier: 
tage halten! 


29. Die verlorenen oder vergeflenen Heiligenbilder. 


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Am Eingange zum Schloffe Johannisburg zu Ajchaffenburg 
stand urjprünglich ein Portal, und auf diejem Portale jtanden die 
fteinernen Bildjäulen des heiligen Martinus, des Patrons des ' 
Erzitift3 Mainz und des heiligen Johannes des Täufers, des 
Patrons des Schlojjes, in äußerft hübſcher und kunſtreicher Arbeit. 
Da aber das Portal und die darauf ftehenden Figuren die Aus- 
fiht ftörten, fo ließ der Churfürft Emmerih Joſeph das 
Portal abbreden. Die Bildjäulen wurden bejeitigt und im Laufe 
der Zeit hatte man ihrer vergeflen. 

In einer der ſchönen Spätjommernähte des Jahres 1811 
ging ein alter Fiſchergäſſer aus der Weinſchenke heim, in welcher 
er täglich jeinen Schoppen zu trinken pflegte. Dieje Weinjchente 
befand fih in dem Edhaufe zwiichen der Karlsftraße und dem 
Biehberge. Der weinjelige Fiihergäfler nahm aber jeinen Weg 
nit den Viehberg hinunter am Maine Hin, jondern an dem 
Bauhofe und Schloffe vorbei durch die neue Anlage. Bon dem 
Baubofe zieht fich eine Mauer gegen das Schloß und darin ift ein 
zugemauerter Thorbogen. ALS der alte Fiicher dahin kam, ſah er 
unter dem Thorbogen einen Biſchof im vollen Drnat ftehen mit 
Inful und Stab. Diejer erhob die Hand und jprach im feierlichen 
Tone: „In diefem Gewölbe Hier liegen die heiligen Bildjäulen, 
welche vom Schloßthore abgebrochen worden find. Sie follen nicht 
länger gleich altem Gerümpel in Schutt und Moder liegen, jondern 
wieder ans Tageslicht fommen und Du jollit diejes mein Gebot 
verfündigen.“ Darauf war die Eriheinung verihmwunden. 

Des folgenden Tages überlegte der Fiſcher die Gejchichte. 
Die Naht war ganz hell gewejen, der Fiſcher hatte den Biſchof 
ganz deutlich gejehen und jeine Worte wohl vernommen; allein die 
Erſcheinung war jo jchnell vorüber, aber — gerade am gejtrigen 
Abende Hatte er einen Schoppen mehr getrunken: er war darum 
nicht ficher, ob ihm nicht der Wein einen jchlimmen Streich gejpielt 
babe und beichloß daher, vor der Hand über die Sache zu jchweigen. 








— —ü 


49 


Sie ging ihm indeſſen den ganzen Tag im Kopf herum und erſt 
am Abende in der luſtigen Geſellſchaft des bekannten Weinhäuschens 
vergaß er ihrer. 

Zur gewöhnlichen Stunde, e8 war aber nicht die frühefte, ging 
er heim. Er dachte an nichts, als an den guten und wohlfeilen Wein, 
welchen er getrunfen. Der berühmte Elfer war zwar damals noch 
nicht- im Faß, aber der vorausfichtlihe reihe Herbit zwang zum 
Fortichaffen der Meinvorräthe. Als der Fiſcher am Bauhof vor: 
bei war, blickte er jchen nad dem zugemauerten Thorbogen und 
fiehe! — die geifterhafte Erjcheinung des Biſchofs ftand wieder 
dort und ſprach diejelben Worte. 

Jetzt konnte der Fiſcher nicht mehr zweifeln, daß er wirk— 
(ih eine Ericheinung aus der Geifterwelt gejehen. Wäre e3 nicht 
ipäte Nacht gewejen, er hätte die Anzeige gleich gemacht; jo mußte 
er ji aber bi$ zum andern Tage gedulden. Im Strahle der 
aufgegangenen Sonne jehen indeſſen alle Dinge anders aus, als 
beim Sternenlichte. Der Fiſcher befam am andern Tage wieder 
Zweifel und er trug fie jo lange in fich herum, bis es Nacht war. 
Und zum dritten Male ging der Mann am Thorbogen vorüber 
und zum dritten Male ftand der Biſchof davor, jeßt aber zürnen— 
den Antliges. Er jprah: „Wenn du mein Gebot wieder nicht 
verkündeſt, jo ift diejer Tag dein letzter!“ 

Da Hatte nun alles Zögern ein Ende. WUugenblidlih machte 
der Fiicher die Anzeige. Das vermauerte Gewölbe, welches früher 
su einem Sohlenbehälter gedient hatte, wurde aufgebrochen und e3 
fanden ſich darin die Bildfäulen der Heiligen Martin und Johan— 
nes in unverjehrtem Zuſtande. Sie wurden im jchönen Thale 
unfern der Kirchenruine aufgejtellt und dort ftehen jie noch, Freilich 
jegt jehr verſtümmelt. 


Moral: Mes Heilige jol man auch Heilig Halten. 


— — — — —— 


Sagenſchatz, 1. Bändchen. 4 


_ 





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0. Die Kindsmörderin. 


Im Jahre 1759 ftürzte ſich ein Mäbchen, melches in einer 
unbewachten Stunde überrafcht worden war, mit ihrem neugeborenen 
Kinde in den Main, um fich und den armen Zeugen ihrer Schande 
in den Wellen zu begraben. Der Trieb der Selbfterhaltung, dem 
fie im Augenblide der Todesgefahr unbewußt folgte, führte fie 
wieder an das Ufer — das arme Kind aber war ertrunfen. 

Das Schöffengeriht zu Aſchaffenburg verurtheilte fie als 
Kindsmörderin zur Abhauung der Hand, öffentlicher Enthauptung 
und Einiharrung unter dem Galgen. Das Dbergericht aber be- 
fahl, daß fie wegen ihres ftet3 tabellojen Lebenswandels und weil 
fie die jchredlihe That nur in der Verzweiflung begangen, 
vor Tagesanbruh und ohne Zuſchauer nicht auf dem Richtplag, 
fondern auf dem Ziegelberg mit dem Schwerte hingerichtet werden 
Tolle, und daß fie nicht die Hand des Scharfrichter3 berühre, jondern 
einer der Stadtdiener ihr die Augen verbinde, worauf ihre Leiche 
auf dem Kirchhofe zu beerdigen ſei. Das Urtheil ward in diejer 
mildernden Meije vollzogen ; das arme verführte Mädchen, welches 
übrigens nicht den höheren Ständen angehörte, ftarb, von Vielen 
bemitleidet und es ward zu ihrem Andenken auf einer der Wein 
berggmauer am Ziegelberg ein jteinernes® Kreuz errichtet. Das 
Kreuz wurde nad) vielen Jahren erneuert, das Fußgeftell ift aber 
noch immer da3 alte, die Inſchrift darauf ift aber jo verftümmtelt, 
daß fie nicht mehr gelejen werden kann. 

Moral: Bedenke wohl bei jeder That, was jie vielleicht Für 
Folgen hat. 


91. Das Erucifix in der kleinen Allee zum ſchönen Bufch. 


In der fogenannten fleinen Allee, welche von der Stadt 
Aſchaffenburg zum ſchönen Busch führt nud zwar zunächſt des 
Letzteren, ſteht ein ſteinernes Crucifix, vor welchem ein Ritter in 


51 


voller Rüftung Eniet, jedoch unbedeckten Hauptes. Neben ihm liegt 
der Turnierhelm. . Das Fußgeftell hat die Inſchrift: 

„Anno 1627 den 6. Februarii ist an diesem Orte 
erbärmlicher und unversehener Weise mit 4 tötlichen 
BOHORRON: TON zur ermordet worden der 
Wohlerwürdige und Wohledle herr Johann Walter von 
Kerpen, 8t. Johannesordens - Ritter in dem 25 Jahr 
seines alters. Dessen Seele der allmächtige Gott gene- 
dig und barmherzig sein wolle und haben seine sämmt- 
liche trauerige Herrn Brüder zur ewigen gedechtnus 
der an ihrem liebsten Herrn Bruder seelichen verübten 
schandtlichen mortaht dies Epitaphium allhier aufrichten 
lassen, so geschen anno 1628.“ 

Die Namen auf der oben mit Punkten bezeichneten Stelle 
find an dem Poftamente theil3 ganz herausgemeijelt, theils fo 
verftümmelt, daß fie nicht mehr lesbar find. Was did Mörder, 
welche aus adeligen Geſchlechtern geweſen jeinjollen, zu der ſchändlichen 
Zhat verleitete, ift unbefannt. Als fie gejchehen war, lief das 
Rob des Erichlagenen nah Aichaffenburg und gab hiedurch Kunde, 
dak jeinen Herrn ein jchweres Unglück widerfahren ſei. Man 
folgte den Spuren feiner Hufe im Schnee und fand die Leiche 
des Nitters und dabei auf den Knien den Einen feiner Mörder, 
welchen tiefe Reue an jeiner Flucht verhinderte. 

Die Leiche des Nitters wurde nach Lohr geführt (mo fein 
Bruder Johann Ludwig von Kerpen Dberamtmann war) und dort= 
jelbit beerdigt. In der Pfarrkirche befindet fich jein Grab und 
darauf ein Grabmal, welches einen Ritter vorjtellt mit jeinem ade- 
ligen Wappen. Unter der Umfchrift find noch weiter folgende 
lateinische (in die deutihe Sprache überjegte) Verſe enthalten: 
Deutihland hat mich geboren, 

Ruhmvoll waren meinen Ahnen und Waffen 
Ein Ritter war ih von Malta 
Und ein Schirmer des Reichs. 


Den Muth gab mir Mars, 
4* 


52 


Die Künſte die Mufen, 
Die Feldzeihen Johannes, 
Rom den Glauben, 

Lohr das Grab, 

Der Himmel den Si. 

Moral: Das Later und das Verbrechen ift ſchändlich, von 
wem e3 begangen werden möge. Noch jchändlicher aber ijt eg, 
wenn es von Jemand begangen wird, welcher mit dem Adel der 
Geburt aud den Adel der Gejinnung verbinden follte. 


92. Das Siecen-Rapellcen. 


Che die Chaufjfee von Aſchaffenburg nah Frankfurt gebaut 
war, ging die Landſtraße über Leider. Zwiſchen diefem Orte uud: 
Aſchaffenburg ftand eine Herberge, in welcher aber die Wirthichaft, 
wegen der Nähe der Stadt, nur ſchlecht ging. Deilenungeachtet wurde 
aber der Wirth täglih wohlhabender. Man wunderte ich wohl darüber, 
da, aber er und jeine Familie, wenigſtens äußerlih, jehr frommı 
und ehrbar waren, jo fiel Niemand etwas Unrechtes ein ; er fonnte 
ja duch eine Erbſchaft oder ſonſt wie auf rechtmäßige Meile zu 
jeinem: Wohljtand gelangt fein. Einen Schaß Hatte er nicht ge= 
funden, aber die Schäße. anderer Leute wußte er zu finden: die 
Herberge war eine Räuber: und. Mörvderhöhle. Da nur wenige 
Neijende bei ihm einfehrten und dieje meift geringe Leute 
waren, welche der billigen Zeche wegen vor der Stadt über- 
nachteten, jo konnte der Wirth bei jeinen Gäſten nicht viel holen. 

Dagegen war die vorüberziehende Handelsftraße jehr belebt 
und nicht jelten kamen Reiſende mit vielen Gut zur Nachtzeit 
vorbei und dieje fielen gewöhnlich in die Hände des Wirthes und 
feiner Spichgejellen. Er hatte nämlich Schnüre über den Weg 
geipannt, an welchen im Hauje eine Glode angebradht war. Bes 
rührten nun, wie dieſes unvermeidlich war, die Reifenden die Schnur, 
jo läutete die Glode und die Wirthsleute überfielen den Wanderer, 


53 


mordeten ihn und beraubten ihn feiner Habe. Die Leihe wurde 
im Keller vergraben und alle Spuren der That jorgfältig verwiſcht. 
Da3 ging eine geranme Zeit jo fort. Einft fiel auch ein Ritter 
in die Hände der Räuber. Er murde ermordet und wie Die 
Anderen im Keller verſcharrt. Sonſt pflegten die Wirthsleute auch 
die Kleider der Erſchlagenen und ihre kenntliche Habe zu vergraben, 
der Ritter trug jedoch einen Harniſch, welcher viel zu foftbar war, 
al3 daß ſich die Räuber davon hätten trennen können. Sie ließen 
ihn nach Frankfurt bringen, um ihn dort zu verlaufen. Dan er- 
Tannte ihn aber und forichte den Berfäufern nad. Da fam man 
bald darauf, wer fie waren, und daß fie den koſtbaren Harniſch 
niht auf redlihe Weile erworben haben fonnten. Die Herberge 
wurde durchſucht und e3 fanden ſich die verjcharrten Leichen mit 
vielem geraubten Gute. Den Raubmördern geſchah ihr Recht, die 
Herberge wurde jo von Grund aus zerftört, daß auch nicht ein Stein 
auf dem andern blieb, und zur Sühne für die vielen, an diejer 
Stätte begangenen Berbrehen wurde von dem aufgefundenen Raub- 
gute, deifen Eigenthümer nicht mehr zu ermitteln waren, hier eine 
Kapelle erbaut. Wie almählig das Gedächtniß der begangenen 
Miſſethaten erloich, verfiel auch die Kapelle. Es ftanden zuleßt 
nur noch einige Trümmer von thren Chor. Im Anfang des 16. 
Jahrhunderts erbauten die Aichaffenburger, jedenfalls mit Bewillig- 
ung der Gemeinde Leider, auf deren Gemarkung die Kapelle ftand, 
wegen der häufig wiederkehrenden Pe it neben den Trümmern der 
Kapelle ein Siehenhaus und Ba dieſe Trümmer zu 
einer neuen Sapelle. 


Bei den vielen Kriegszügen, welche im Mainthal ſtattfanden, 
wurde das Siechenhaus zerſtört. Die Stadt hatte, nachdem ſich 
die Peſt verloren, keinen Grund, dasſelbe auf's Neue zu errichten 
und ſo verſchwand es bis auf das Fundament, auf welches man 
hie und da noch beim Pflügen kommt. Die Siechenkapelle aber 
wurde auf Rechnung des Siechenfonds, (des älteſten Armen— 
fonds der Stadt) bis auf die neueſte Zeit erhalten. 


54 


Moral: Die Volksſage hat hier offenbar die Abſicht, zu be— 
weiſen, wie alles Schlechte einmal an den Tag kommt, und wenn 
es noch ſo lange dauert; denn: 

„Es iſt fein Fädchen jo fein geiponnen, es kommt einmal ar 
die Sonnen.” 


—no 


30. Am guten Alann. 


Am Linken Mainufer, wo der von Großejtheim kommende 
Radbach aus dem ſchönen Bush kommt und fih in den Fluß er— 
giebt, ift jumpfiges Land. Der Weg von Leider nad Stodjtadt 
führt dort hindurh und wird wegen des jumpfigen Landes ge— 
fähr lich, noch mehr aber dadurch, daß der Graben nur an einer 
ſchmalen Stelle überichritten werden fonnte. Einem veripäteten 
Wanderer drohte dann, namentlich in finfteren Nächten die Gefahr, 
daß ihm ein Unfall begegnen und er vom rechten Wege ablommen 
fonnte. In jener Gegend eriftirt aber, wie die Volksſage meldet, 
ein guter Geift, welcher den Verirrten zurechtweilt. Gr hat nichts 
Auffallendes in jeiner äußeren Erjcheinung, fieht vielmehr in jeiner 
blauen Jacke und jeinen furzen Beinkleivern einem Landmann 
völlig ähnlich, und da er fih dem Wanderer nur gleihjam zufällig 
nähert, als wenn er eben auch des Weges ginge, io mag er jhon 
Manchen geführt haben, ohne daß diejer den mwohlthätigen Geift in 
ihm erkannte. 

Bon ihm heißt die Stelle: 

„am guten Mann.‘ 

Moral: Wer wird durch dieje Volksjage nicht erinnert an 
den Glauben an einen Shußgeift — Schutzengel, welder 
den Menſchen auf jeinem, an Gefahren jo reihen, Wege dur das 
Leben begleitet und ihn beihügt vor den Gefahren des Leibes und 
der Seele? Folget ihm aber aud! 


34. Das Kungerbrünnden, 


In der Markung der Gemeinde Schweinheim liegt eine 
Weinbergslage, Biſchberg genannt, ehemals aber Biſchofs— 
berg gebeißen, weil der Erzbiijhof von Mainz viele Weinberge 
dajelbjt hatte. An diefem Hügel, im erften Weinberge von ber 
Stadt aus gerechnet, links des Weges nach Dbernburg, befindet 
jih in einer Mauer ein fteinernes Bild der jchmerzhaften Mutter 
“ Gottes, das mehrere hundert Jahre alt ift. Wenn unterhalb dieſes 
Bildniſſes ein Brünnlein hervorſprudelt, jo tritt ganz gewiß 
eine Hungersnoth ein. Die Duelle hat fich glüdliher Weile 
eine lange Reihe. von Jahren nicht mehr gezeigt, deshalb denkt 
man felten mehr daran und der Name des Hungerbrünndens, den 
tie führt, wird oft fälihlih auf eine andere Duelle übertragen, 
welche weiter unten, gegen Obernau zu, ihr klares Waller ergießt. 

Eine halbe Stunde weiter mainaufwärts, gleich oberhalb 
Dbernau, ijt ein trodener Graben, der Hungergraben genannt. 
Wenn aus dem Gebüjche diejes Grabens eine Duelle hervor bricht, 
deutet es gleichfalls auf ein Hungerjahr und im Jahr 1816 iſt 
diefe Duelle zum legtenmale geflofjen. Zur damaligen Zeit fojtete 
der Laib Brod einen Gulden. 

Moral: Mit dem Gedanken an die Gefahr einer Hungers— 
noth, ift auch der Gebanfe nahe gelegt, in guten Zeiten zu 
jparen, damit man in theueren Zeiten etwas zu leben hat. 


39. Der Eitel. 


Neben dem Wege nah Schweinheim Liegt der Neuhof. In 
uralter Zeit war es ein Epital, in welchem Peſtkranke unterge- 
bracht waren, jpäter war e3 ein Militärlazareth, ein Spital für 
kranke und‘ verwundete Soldaten. In dieſem Spital war einmal 
ein Verwalter Namens Eitel. Die Volksſage erzählt von ihm, 
daß, wenn ein Kranker ins Spital fam, und es wurde für ihn 


— 


56 


vorausbezahlt, derſelbe bald geſtorben ſei, der Eitel aber habe ſeinen 
Profit dabei gehat. Der Eitel blieb ein böſer Mann bis an ſein 
Ende. Nachdem er geſtorben war, hatte er ſelbſt im Grabe keine 
Ruhe; im Neuhof hat er gewewert — gewandert — und wenn 
er Jemand einen Poſſen und einen Schabernack anthun konnte, ſo 
hat er es gethan. Die Leute, welche der Weg des Nachts am Neuhof 
vorüber führte, wurden von ihm irre geführt, daß ſie die ganze 
Nacht umhertappen mußten, ohne auf den rechten Weg zu kommen. 
Kaum glaubten ſie den rechten Weg gefunden zu haben, ſo waren 
ſie auf einer ſumpſigen Wieſe und ſind tief eingeſunken und 


manchesmal waren ſie ſo verblendet, daß ſie den Hohlweg nicht 


geſehen haben und ſind hinunter geſtürzt und haben den Hals 
gebrochen. 

Einmal in einer — Nacht ging ein frommer Mann von 
Aſchaffenburg nach Schweinheim. Wie er am Neuhof 
war, kam ein anderer Mann zu ihm, der war ſchwarz angezogen, 
wie ein vornehmer Bürger aus der Stadt. Aber der ging nicht 
auf dem Erdboden, ſondern ſchwebte in der Luft und der Mann, 
der aus der Stadt kam, bekam deswegen große Angſt. Das Ge— 
ſpenſt führte den Mann um den Hof herum und dieſer mußte mit— 
gehen, ob er wollte oder nicht. Neben der Mauer war ein offenes 
Grab fichtbar und darin lag ein Mann, der hatte ein ſchwarzes 
Geſicht und war mit einem. Todtenhemd befleidet. Da jagte das 
Geſpenſt mit hohler Grabesftimme: „Diejen habe ich lebendig 
begraben in feinen Todjünden, für den lafje eine big. Meſſe leſen, 
damit er aus dem Feuer fommt!" Nachdem es dieje Worte ge— 
jproden, war e3 wie ein Rauch verſchwunden. Der Mann raffte 
fih in feinem Schreden auf, ging nah Haufe .und ließ für den 
lebendig Begrabenen einige hlg. Meſſe lejen. Der Schreden ift 
aber jo in den Mann gefahren, daß er einige Tage darauf ftarb. 

Noch Ärger war es im Neuhof jelbit. Wenn Jemand 
in den Keller ging, lief ihm ein feuriger Hund entgegen, jo groß 
und fürchterlih, daß er vor lauter Schreden bald gejtorben ift. 
Auf dem Speicher polterte es, al3 wenn das wilde Heer droben 


. 


57 


wäre und nicht einmal das Vieh im Stalle hat Ruhe gehabt, 
e3 wurde jo geplagt, daß es fih von der Kette losriß und im 
Hofe umberlief. Nachdem e3 die Leute gar nicht mehr aushalten 
fonnten, ließen die Leute einen Rapuziner kommen. Nachdem diejer 
viele fronıme Gebete geiprochen hatte rief er laut und feierlich: 
„Eitel, erſcheine!“ Da erzitterte da3 Haus in feinen Grundfeiten, 
die Fenſter Elirrten und es war, al3 wenn ein heftiger Sturmmwind 
durh das Gebäude braufe. Eine fircchterliche Stimme rief! „Da 
bin ih!” Der Kapuziner fragte: „Eitel! kannt du erlöft werden?“ 
— „Nein,“ antwortete der Eitel, „meine Sünden find zu groß 
und ich muß ewig dafür in der Hölle leiden.” — Darauf 
iprah der Kapuziner: „So verſchwöre ich dich auf neunundneun: 
zig Jahre in den Schornftein undwerbiete dir, die Leute zu plagen.“ 
Darauf hat der Geift aeflucht und einen Spektakel vollführt, daß 
ſich alle gefürchtet haben, aber der Eitel mußte folgen. Im Advent 
Nahts um 12 Uhr, hat man manchesmal jeinen Kopf aus dem 
Schornftein heraus ſchauen gefehen. Dbmwohl es im Haufe Ruhe 
war, ging der Eitel auf dem Wege immer noch um. 

ALS einst drei Bauernmädchen in der Woche nach Allerheiligen 


Nachts von Schweinheim nah Aihaffenburg gingen — es war 
Vollmond und glodenhell wie bei Tag — ging in der Hohl eine 


Weile ein Mann vor ihnen her, auf einmal war er weg. Auch 
ein Mann, welcher Naht? von Schweinheim in die Stadt ging 
um dort feine Frau abzuholen, welche von einer Reife zurückkam, 
ſah plöglich einen Mann vor fich hergehen. Da es ihm unheim— 
lich zu Muth war, freute er fih, Geiellihaft zu befommen und 
fragte treuherzig und zutraulih: „Gehen wir miteinander, lieber 
Freund 2” 

„In Gott fein mer alle gute Freund” — fagte der Andere, 
und im Augenblid war er verſchwunden. 

Moral: Mer in feiner Ungerechtigkeit dahin ftirbt, wird im 
Grabe und in der Ewigkeit feine Ruhe haben. Belafte alio 
deine Seele niht mit ungerehtem Gute! 


zrw— 


I. Sagen aus dem Kahlgrumd. 


l. Das rothe' Kreuz. 


Nicht, weit vom Orte Krombah, am Saume eined Waldes, 
fteht ein Kreuz, von einzelnen Bäumen bejchattet; die Straße nad 


— 





Gelnhauſen führt dort vorüber. Das Kreuz ift in der ganzen | 


Umgegend unter dem Namen „rothes Kreuz“ wohl bekannt und 
nad eingebrochener Dunkelheit geht Niemand gern vorbei, denn mie 
die Volksſage meldet, ſpuckt e3 dort und jchon öfter Hat fich dort 
eine weiße Geſtalt jehen laffen. 

Einft ging ein Mann von Gelnhauſen herüber nad 


Krombad. Er Hatte fich verjpätet und jo jehr er ih auch 
eilte, wurde es doch Nacht, bis er an das vothe Kreuz fam. Schon 


unterwegs hatte er mit Angft daran gedacht; wie wird ihm aber 
erit zu Muthe, als er dort eine weiße Geftalt wandeln jah? 


Dbwohl es Naht war, leuchteten doch die Sterne jo hell, 





daß er deutlih wahrnehmen fonnte, die Geftalt babe ſchwarze 
Füße und trage etwas in ihren Händen. Der Mann getraute ih 


nicht, vorwärts zu gehen, aber eben jo wenig umzufehren, denn 
vas Geipenft hätte ja nachkommen fönnen. Während er jo daftand 


undihm die Angft den eisfalten Schweiß austrieb, hörte er das Geipenit - 


mit einer Grabesftimme jagen: „Wo fol ih ihn Hinjegen? Wo ſoll 
ih ihn hinſetzen?“ Da jprah der Mann mit dem Muthe der 
Verzweiflung: „Wo du ihn herausgenommen haft!” In demjelben 
Augenblide war das Schwarze an den Füßen des Gejpenjtes ver: 
ſchwunden und das Geipenft jelber zerfloß in die Luft. 


59 


Der Geiſt mochte in feinem Leben wohl ein Feldſchieder geweſen 
jein und als jolcher einen Grenzftein verrücdt haben. Zur Strafe 
mußte er am Orte der That wandern, bis es Jemand. wagte, ihm 
Antwort zu geben. Seitdem ijt er nicht mehr geliehen worden. 

Moral: Wer in feinem Leben Unrecht thut, hat nach feinem 
Tode feine Ruhe, bis das Unreht gefühnt und der Schaden gut 
gemacht iſt. Obwohl der Glaube an Heren und Gefpenfter nur 
no in den Köpfen dummer und abergläubiicher Leute ſpuckt, jo 
hatte,er einjt doch auch jein Gutes. Die Leute waren abends 
ſchön zu Haufe, es famen feine nächtliche Ruheſtörungen, feine 
Körperverlegungen, feine Aufpaffereien und dergleihen vor. Mit 
dem Eintritte der Naht war es in allen Dörfern fo ftille, fo ruhig 
und To frievlih, als wenn diefelben menjchenleer wären. Die 
Weibsperſonen ſaßen am Spinnrade und fpannen, die Kinder ſaßen 
am Tiihe und lernten, die Mädchen legten ſich zu rechter Zeit 
zur Ruhe nieder und jelten eder gar nie fam etwas Ungehöriges 
vor. Was zur damaligen Zeit die Furcht von Heren und Ge— 
Ipenjtern bewirkte, könnte heutigen Tages dem guten Willen ftrenger 
Eltern und dem Gehorfam guter Kinder gelingen auch ohne die 
läherlihe Furcht vor Heren und Geipenftern. 


— — — — — — 


2. Die Waflernixe. 


In der Nähe von Schimborn Hört man zur Aöventszeit in 
ſtiller Naht „Hoho, Hoho“ ſchreien. Obwohl e3 faſt wie eine 
Menihenftimme Elingt, jo wirds doch denen, die e3 hören, unheim— 
ih, denn der Ruf kommt von der Wajjernire, weldhe in der Kahl 
wohnt. Gejehen hat fie zwar noch Niemand aber ihre Falichheit 
und Tüde ift wohlbefannt und darum geht ihr jeder aus dem 
Wege, wenn ihr Ruf erihallt, und nicht leicht wagt es Jemand, in 
der Nähe der Kahl über fie einen Spaß zu machen. 

Einjt zur Adventszeit hatten fich einige Männer von Königs- 
hofen vor Tagesanbruch aufgemacht, um ihre Bejen auf den Markt 


60 
! 


nah Aſchaffenburg zu tragen. Es war bitter kalt, Alles gefroren 
and die-Kahl jah aus wie ein Gletiher. Die Leute hatten ichwere 
Laſten zu: tragen. und mußten. tief im jandigen Schnee waden. 

Als fie an der Kahl ankamen, waren fie bereit3 ermfidet, 
warfen daher ihre Laften ab und ruhten eine Weile aus. Da 
hörten jie plößlih ein lautes Gepolter auf dem Eiſe der Kahl. 
Erihroden ſprangen fie auf, denn jie dachten Alle zu gleicher Zeit 
an die Waflernire. Um aber ihren Weg fortzujegen, mußten ie 
über die Kahl, es wollte aber feiner von ihnen auf dem Gtege 
der Erfte und feiner der Letzte ſein. Ein junger Mann fagte 
endlich ſcherzend: „Der. Hannes joll vorausgehen, der it ein 
frommer Mann, vor weldem die Wajjernire Reſpekt hat. Der 
Letzte will ich jelbft jein, denn die Wafjernire und ich find alte 
Freunde.” Und jo beichritten fie den Steg, ALS fie bald hinüber 
waren, rief derjenige, welcher zulegt ging, den Webrigen ſpottend 
zu: „Habt Acht, daß euch die Waflerfrau nicht Holt. Hohe, 
hoho “ 

Kaum hatte er aber dieſe Worte geſprochen, ſo ergriff ihn, 
wie die Volksſage erzählt, eine unſichtbare Hand und zog ihn hinab 





durch das Eis in die kalte Fluth der Kahl. Die andern Männer befiel 
ein folder Schreden,, daß fie zwar lautlos ihren Weg fortiegten, 


aber nah dem Berkauf ihrer Bejen auf einem anderen Wege 
heimfehrten und den Steg bei Schimborn niemals mehr betraten. 
Bon dem Manne, welcher in die Kahl verjant, hat man nichts mehr 


gejehen, ein Wafferwirbel ſoll aber die Stelle bezeichnen, wo ihn die 


Kahl verſchlang. 


In diefer Volksſage ift eine tiefe fittlihe Wahrheit enthalten. 


Die Waffernire bedeutet die jinnlihen Begierden und Lei: 
denſchaften, welche den Menſchen in ven Strudel des zeitlichen 
und ewigen VBerderbens hinab ziehen, wenn er ſich nicht vor 
ihnen bütet. 


61 


3. Die Glüdiseuthe, 


Gewöhnlich verftehen abergläubijche Menjchen darunter eine Ruthe, 
welche die Eigenichaft habe, daß fie in der Erde verborgene Schäße 
andeute. Unter der Glücksruthe aber, von welcher hier die Rede 
it, wird eine Nuthe verjianden, welche. auf Befehl ihres Eigen- 
thümers Einen, ev mag noch jo nah oder ferne fein, ohne Zuthun 
einer Menſchenhand, windelweich driiht. Um nun zu einem foldhen 
Stode zu gelangen, muß man in der Heiligen Chriſtnacht im den 
Wald gehen und. dort um zwölf ihr unter Herjagung gewifjer 
Sprühe eine junge Eiche abſchneiden. Man darf aber auf dem 
Hin: und. Herweg nicht bejchrieen. (angeredet) werden, ſonſt hat 
der Stod feine Kraft uud es fann Einem auch jonft ein großes 
Unglück widerfahren. Gelingt es und gewinnt Einer durch den 
Frevel einen fräftigen Stod, jo mag ein rachſüchtiges Gemüth 
diejes wohl für ein Glüd anjehen; ob es aber jeiner Seele Gewinn 
bringt, das mag derjenige am bejten willen, der dem Stode den 
Segen gibt. 

Der Hanzkurt (Johann Konrad) von Edelbach im oberen 
Kahlgrund Hatte auch ein eben jo rachjüchtiges Gemüth; er konnte 
e3 nie vergeljen, wenn ihn Jemand beleidigt hatte und wenn die 
Beleidigung auch nur eine eingebildete war. Einſt hatte jein 
Vetter von ihm eine Kleine Summe Geldes, weldhe er jenem ſchuldig 
jein jollte, gefordert. Hanskurt leugnete die Schuld, mußte jie 
aber, al3 der Better klagbar wurde, bezahlen. Das wurmte den 
Hanskurt jo jehr, daß er nicht mehr jchlafen konnte. E3 ging 
gerade auf die Weihnachtsfeiertage zu. Hanskurt hatte auch von 
ver Glüdsruthe gehört und wußte, wie man ihrer habhaft werde, 
Cr nahm fich vor, eine zu jchneiden und dann auf den. Rüden 
ſeines Better einen Verſuch damit zu machen. 

Am heiligen Chriftabend begab ſich Hanskurt auf den Weg 
in den nahen Wald. Am Eingange in denjelben traf er einen 
Jäger, welcher zwei große Hunde bei ſich hatte. Der Jäger ſprach: 
„Suten Abend Hanzkurt! Wo hinaus jo ſpät?“ Hanskurt ſtutzte, 


— 
I 





62 


al3 er fih mit feinem Namen anreden hörte; denn ed war mond- 
hell und der Jäger ftand in vollem Lichte, aber Hanskurt Fannte 
ihn nicht. Verbrüßlich darüber, daß jein Zwed vereitelt worden 
ſei, erwiderte er Kleinlaut den Gruß, murmelte etwas von einer 
unverjchieblichen Reife, worauf er feinen Weg fortſetzte. Als er 
in der ftilen Winternadt die Gloden von Ernſtkirchen läuten 
hörte, jchritt er zum Werke, und bald hatte er den Stod in den 
Händen. | 

Eben kehrte er fih um und wollte den Rückweg antreten, 
da ftand hinter ihm der Jäger, dieiegmal aber nicht zum freund: 
lihen Gruße, jondern mit gräulihem Geſichte; er ergriff den 
Hanskurt am Kragen, fuhr mit ihm hoch in die Lüfte, drehte ihm 
den Hals um und warf ihn mit jolcher Gewalt zur Erde, daß fein 
Knochen an ihm ganz blieb. Wie die Volksſage erzählt, wächft 
an dieſer Stelle, wo diejes geichehen, heute noch fein Halmen 
Gras. 

Moral: Auch in dieſer Volksſage iſt eine ſittliche Wahrheit 
enthalten: 

„Wer Andern eine Grube gräbt, fällt meiſtens ſelbſt hinein.“ 


X. Der Teufelsgrund. 


Bon Dörnfteinbah und der Dberihur (einem Weiler) zieht 
ein einer Grund gegen da3 rechte Ufer der Kahl hinab. Dieſer 
Grund ſucht in Bezug auf mwildromantiijhen Charakter jeines 
Gleihen und wer einmal im Sommer morgen3 gegen drei Uhr 
diejes Thal beſuchte und den Schlag der hier niftenden Nachtigallen 
hörte, dem wird diefe Stunde unvergeßlich fein. Dieſes Thal 
heißt Teufelsgrund und die Mühle in vemjelben Teufels 
mühle. Bor langen Jahren, noch ehe die Teufelsmühle gebaut 
war, jtanden im Teufelsgrund noch einige Kleine Hütten. Die 
Leute jagten, fie jeien von Zigeunern bewohnt, in die Hütten ſelbſt 
mochte aber Niemand gehen. 


63 


Einft wurde ein neuer Förfter aus dem Hochſpeſſart in den 
Kahlgrund verſetzt. Auch er hörte von den Zigeunern erzählen 
und meinte, wer fih im Speflart nicht vor dem wilden Jäger 
gefürchtet habe, brauche auch feine Zigeuner zu jcheuen, und er dachte 
ihnen deshalb einen Bejuh zu. Als ihn jein Dienft wieder an 
den Hütten vorbeiführte, betrat er diejelben: die erfte, die zweite, 
die dritte und die vierte, allein! alle waren leer. Der Förſter 
war nun überzeugt, daß die Erzählung von den Zigeunern nur 
eine Erfindung müßiger Leute jei und dachte nicht weiter daran. 
Einige Zeit darnach befand fi der Waidmann in einem Walde» 
diftrifte unfern des Teufeldgrundes, als ein fürchterliches Unwetter 
hereinbrah. Der Wind heulte, daß man fein eigenes Wort nicht 
hörte, der Negen fiel wolfenbruhähnlid vom Himmel und e3 
wurde jo ftocjinfter, vaß man jeden Augenblid in Gefahr war, an 
einen Baum zu laufen. Der Yäger erinnerte ſich an die leeren 
Hütten und nahm jeine Zuflucht in die erjte befte, um das Ende 
des Unmetter3 abzuwarten. Obwohl die Hütte Feine Bequemlich- 
feiten bot, jo war es in derjelben doch behaglicher als draußen. 
Der furchtloje Jäger machte ſich ein Lager zurecht, und da er ſehr 
ermüdet war, ſo ſchlief er bald ein. 

Um Mitternacht erwachte er von einem Geräuſche um ſich her. 
Als er die Augen aufſchlug!, glaubte er zu träumen. Das ganze 
Hüttchen war mit einer unzählbaren Menge von Heinzelmännchen 
oder Gnomen angefüllt. AS fie den Jäger erblidten, welcher jo 
unberufen in ihre Wohnungen eingedrungen war, fielen fie über 
ihn ber und fneipten, biffen und fragten ihn jo jehr, daß an jeinem 
ganzen Körper fein heiler Fleck mehr war. Sie ließen auch nicht 
08, jondern trieben ihr Unweſen, bis zum erjten Hahnenſchrei. Plötzlich 
waren fie verjchwunden. Der Jäger dankte Gott, daß er doc 
wenigftend mit dem Leben davon gelommen war, hat aber in der 
Folge die Hütten nie mehr betreten. 

Der Glaube an Gnomen oder Heinzelmännchen ift jehr alt 
und verliert fich im grauen Alterthum; doch wird ftet3 angenom— 
men, daß fie den Menschen geneigt find und im Dienjte der: 


*5 


64 


ſelben ſtehen. Sehr ſchön beſchreibt der Dichter Kopiſch ihr 
Leben und Wirken in dem Gedichte: „Die Heinzelmännchen in 
Köln,“ auf welches der Kürze wegen Bezug genommen wird. 





5. Die Womburg. 


Die allenthalben reichbegüterten Grafen von Rieneck hatten 
auch zu Mömbris am linfen Ufer der Kahl eine Burg, welche die 
Womburg genannt wurde. Syn jpäterer Zeit befamen die Adeligen 
von Geylingen, von Gonsrode und Andere Theil daran, fie be- 
wohnten dieſelbe aber nicht jelbit, jondern hatten ihre Burgmänner 
darin. 

Im 14. Jahrhundert ſank ſie zu einem Räuberneſt herab und 
wurde deswegen vom deutſchen König Ruprecht im Jahre 1404 
nebſt den Burgen zu Waſſerlos, Hüttengeſäß und Hauenſtein ein— 
genommen und abgebrochen. Von der Womburg ſieht man alſo 
nur noch einige Trümmer. Unter denſelben zieht ein weites tiefes 
Gewölbe hin, worin ſich nach der Volksſage ein großer Schatz 
befinden ſoll. Schon mancher geldgierige Menſch ließ ſich durch 
ſeine Habſucht verleiten, in das Gewölbe hinabzuſteigen, um den 
Schatz zu heben, aber keiner kam mehr zurück — und ſo unterblieb 
jeder weitere Verſuch. Einſt flog eine Henne in das Gewölbe und 
ein beherzter Schulknabe ſtieg hinab, dieſelbe zu holen. Im Ge— 
wölbe angekommen, ſah er daſelbſt viele Kiſten ſtehen. Auf einer 
derſelben ſaß ein Mohr, welcher dem Knaben mürriſch zurief: 
„Was thuſt du hier?“ Der Knabe, welcher ſich in ſeinem guten 
Rechte wußte, antwortete: „Ich ſuche unſere Henne.“ Der Mohr 
ſprach eben ſo mürriſch: „Die iſt nicht da!“ und ſchon ſchickte 
ſich der Knabe an, wieder heraus zu klettern, ohne ſich um die 
Kiſten zu kümmern, welche, wie er bei einem Seitenblicke bemerkt 
hatte, ganz voll Geld waren. Da rief ihm der Mohr nach: 
„Siehſt du das Geld nicht gerne?“ „O ja!“ antwortete der 
Knabe. „Was iſt dir lieber, das gelbe, das weiße oder das rothe?“ 


65 


„Das rothe“ entgegnete der Knabe. Da hob der Mohr eine große 
Kifte vol Kupfermünzen auf und brachte fie zu Tage, worauf er 
verihwand. Obwohl es nur Kupfermünzen waren, fo waren es 
doch jo viele, daß der Knabe ein reicher Mann wurde. Wäre er 
nicht jo beicheiven gewejen, jo wäre er wohl nie mehr ans Tages: 
licht zurückgekehrt. 


— — —— — 


6. Die ungerechten Feldjcieder. 


Sn der Kertelbachswieſe, einem Thale zwiſchen der Michelbacher 
und Kälberauer Markung ift eine Kleine Anhöhe, auf welcher vor mehreren 
hundert Jahren ein Schloß ftand. In dem Keller diejes Schlofjes befindet 
fih ein großer Keſſel, welcher, wie die Volksſage meldet, bis zum 
Rande mit Goldmünzen angefüllt if. Dabei fteht ein Tiſch und 
auf demjelben ein Glas Wein, und an dem Tiiche fißt ein graues 
Männlein, welches bejtändig rechnet, das Geld zählt und wieder 
in den Keffel wirft. Das Männlein wird nicht älter und das 
Weinglas wird nicht leer, obſchon viele Jahrhunderte darüber hin= 
gegangen find. Und wenn e3 Mittag wird, da klopfts im Keller; 
das Männlein jchlägt eilfmal auf den Dedel des Keſſels, worin 
es jeinen Schat geborgen hat und es erwachen drei ſchwarze 
Geftalten, die in einem Winkek des Kellers jchlafend lagen und 
gehen, freilich nicht jedem Menſchen fichtbar, hinaus aufs Feld 
an ihre Arbeit, mefjen die Grundftüde, Schlagen Pflöde, und ſetzen 
die Steine, welche fie ehedem verrüdten, an ihren rechten Drt. 
Mit dem zwölften Glodenjchlage verihwinden fie in ihre unter- 
irdiihe Behaufung und ſchlafen wieder bis nachts 11 Uhr, um 
datın abermals an ihre ewig vergebliche Arbeit zn gehen. Zur 
Rachtszeit aber find fie feuerig. Schlägt die Mitternadhtsftunde 
aus, jo fehren die feuerigen Feldihieder zu dem Männlein zurüd, 
in deffen Sold fie falſch maßen und Steine jehten. Das Männ- 
lein empfängt fie mit höhniſchem Grinfen und fängt auf neue 
an zu rechnen und zu zählen, während die Feldmeſſer in ihrem 

Sagenſchatz, 2. Bändchen. 5. 


TE 


66 


Todesichlaf ſinken. So ſchaurig e8 drunten im Schloßfeller au 
ausjieht, die Habjucht bat es doch veriuht, dem Männlein fein 
Geld mwegzuholen. 

Erſt in den 30er Jahren wagten es fede Leute, in den Hügel 
zu graben. Sie fanden verjchiedene Geichirre, warfen fie verächt: 
lich bei Seite, jahen diejelbe aber nie wieder. 

Endlih jtießen fie auf den gejuchten Keſſel. Da entitand 
ein Braufen, als wenn die Hölle jich entleert hätte. Greuliche 
Stimmen aus der Tiefe jchleuderten ihnen Drohungen und. Ber: 
wiünjhungen entgegen. In feiner Todesangſt jtieß einer Der 
Schaßgräber ein paar Worte aus und der Kefjel verjank, 

Es ift tief im Herzen der Menſchen begründet, daß diejenigen, 
welche in diejem Leben ihre Seele mit ungerechtem Gut beichwerten, 
nach ihrem Tode nicht ruhen Fönnen, und gewiß joll dadurch Jeder— 
mann die Lehre nahe gelegt werden, durch ſchnödes Gold ſich nicht 
zu einer Ungerechtigkeit verleiten zu lajjen. | 


X. Das Erdloh bei Külderan. 


Seht man von Mihelbah aus, dem Laufe des Kahlflufjes 
folgend, jeine Wanderung fort, jo gelangt man nach dem freund- 
lihen Dertchen Kälberau, mit einer jehr alterthümlihen Kiche auf 
einer Anhöhe am Ende des Ortes, wo vor vielen Sahrhunderten 
eine Beguinenklauje ftand. Steben der Kirche fteht der Klauſen— 
hof. Auf einem, zu diefen Hofe gehörigen Ader, auf. dem Achs— 
oder Naßlande gelegen, befand fich ehedem ein tiefes Loch, welches 
nicht mit Erde ausgefüllt werden konnte. 

Darin lag ein Schat. Drei Männer aus Kälberau gruben 
darnach und fanden eine große Kifte von Eichenholz mit eijernen 
Henkeln. Sie machten fie von der Erde frei, um fie heraus zu 
nehmen, fie war aber nicht von der Stelle zu bewegen. Während 
fih die Schaßgräber im Schweiße ihres Angeficht3 vergeblih ab— 
mübten, ftand auf einmal eine dunkle Gejtalt in einer Mönchskutte 


67 


vor ihnen und ſprach mit dumpfer ſchauerlicher Stimme: „Lafjet 
ab von eurem Beginnen, ihr Menjchenkinder! Der Schak gehört 
urterirdiihen Mächten, die jich ihn nur duch ein großes Opfer 
ablaufen laſſen. Ihr werdet aber ſchwerlich den Muth haben, 
diejes Opfer zu bringen. Nur Menjchenfleifch ift im Stande, euch 
die Geijter geneigt zu machen. Wollt ihr alio wirklich den Schab 
heben, jo müfjet ihr drei Pfund Menſchenfleiſch, nicht mehr oder 
weniger, von einem Todten unbejchrien und ohne ein Wort zu 
iprechen, auf dem Kirchhofe holen und diejes hierher in die Grube 
bringen und denen opfern, die um des Schageswillen erichlagen 
worden find.” 

Die Shatgräber waren dur den Anblid der großen und 
ungeheuer jchweren Kijte in einen förmlichen Rauſch verjegt worden, 
jo daß fie zu Allem fähig waren. Sie eilten einzeln auf Ummegen 
auf den Gottesader auf einem Berge bei Alzenau, wojelbit die 
Verjtorbenen von Kälberau beerdigt werden, wo fie fich wieder 
zujammenfanden. Es wurde ihnen doch recht granfig zu Muthe, 
als fie ein Grab öffnen, den Todten in jeiner leßten Ruhe 
ftören und einen jo jchweren Frevel an der Leiche begeben jollten. 

In der Angjt ihres Herzens warfen jie ji vor dem großen 
fteinernen Cruziſix nieder und flehten in ihrem Wahnfinn zu dem 
Gefveuzigten, daß ihnen das gottloje Werk gelingen möge. Da 
fam eine Eule geflogen, fette fih auf das Cruzifix und ſtieß ein 
ſo greuliches Geſchrei aus, daß die Schaßgräber eine namenloje 
Angft befiel und fie fih in eiligfter Flucht davon madten. Unter: 
wegs fielen fie vor Erihöpfung ohnmächtig nieder. ALS fie wieder zu 
fih gefommen waren, dankten fie Gott, der ihnen in der Geftalt 
eines Nachtvogels einen Warner gejendet uud fie dadurch vor den 
Falftriden desBöjen bewahrte. 

Die Kifte aber war verſchwunden und ift ſeit diefer Zeit nie 
mehr gejehen worden. 

Dieſe Volksſage erinnert uns an jenen Warner, welden 
Gott in das Herz eines jeden Menjchen gejegt hat — das Ge: 


wijjen Wie ein jchükender Engel jucht es den Menjchen von 
5* 


65 


allem, auch dem geringiten Böen abzuhalten, denn: wenn Jemand 
den böſen Feind den Kleinen Finger reiht, jo hat er bald die 
ganze Hand. D ihr Alle, die ihr diejes leſet, höret bei Allem, 
was ihr zu thun unternehmet, auf die Stimme eures Gewiſſens! 


8. Alzenau. 


Am Eingang von der oberrheiniichen Tiefebene in das Kahl- 
thal liegt der freundliche Marktflecken Alzenau, der Sit eines 
Bezirksamts und Landgerichts. An dem Linken Ufer der, Kahl 
lag im 14. Sahrhundert das Dorf Wilmundsheim mit Kirche, 
Pfarrhaus und Schule und unfern davon die Randenburg, von 
den Edlen gleihen Namens bewohnt. 

Der damalige Burgherr Tebte mit jeinem hübjchen jungen 
Weibe in der glüdlichften Ehe, indem er fich ferne hielt von jenen 
unaufhörlien Fehden, welche damals im Freigerichte, wie in 
anderen Theilen des zerifjenen deutſchen Vaterlands zwiichen dem _ 
Sdel ausgefämpft wurden. Aber auch er und jein Glüd blieben 
nicht von den Stürmen der Zeit verjchont. 

Die mächtigſten Herren im Freigerichte waren die Edlen von 
Ronneburg Sie waren im Freigerichte zu ſolch hohem Anz 
jehen gelangt, daß das Amt des Landrichter3 von Einem auf den 
Andern überging durch die freie Wahl. Aber fie arteten aus, ver— 
fauften und verpraßten Hab und Gut und aus Ehrenmännern wurden 
— Räuber zur großen Plage der Märkerſchaft und der ummohnen= 
den Edlen. 

Der Ritter von Tandenburg hatte zwar die Ronneburger nie= 
mals beleidigt, aber durch feinen wohlgeorbneten Haushalt war 
er wohlhabend genug geworden, um die Habgier der ritterlichen 
Räuber zu reizen. Sie überfielen mit einem zahlreichen Haufen 
von Reijigen die Randenburg und der Burgherr, welcher zu einer 
Fehde gar nicht gerichtet war, Fonnte, da er ihnen nur wenige 
jtreitbare Knechte entgegenzuftellen vermochte, keinen Widerftand 


69 


Teiften und die Burg mit Allen, die darinnen waren, mußten fich 
auf Gnade und Ungnade den Ronneburgern ergeben. 


Der Ritter von Randenburg bat nur um freien Abzug für 
feine Gemahlin, was ihm auch gewährt wurde mit der Befugniß, 
alles mitzunehmen, was fie tragen könne. Die Wahl wurde ihr 
nicht jchwer, fie belaftete fih mit ihrem Eheherrn und trug ihn 
aus der Burg. Die Ritter von Ronneburg machten jauere Gejichter, 
als fie das jahen, denn fo hatten fie es nicht gemeint. 


Indeſſen verbot ihnen doch die gegebene Zujage und der 
Teste Reſt des ritterlihen Sinnes, ihr Wort zu brechen und fie 
ließen die Burgfrau ziehen. Das ſchwache - zarte Weib unterlag 
faft der ſchweren und ungewohnten Laſt; nur die Liebe gab ihr 
genügende Kraft, dag begonnene Werk zu vollenden. So trug fie 
ihren Eheherrn durch Wilmundsheim über die Kahl die Anhöhe 
hinauf. Den Nitter jammerte fein feuchendes Weib, er bat fie, 
ihn gehen zu lafjen, da er lieber ſelbſt verloren fein, als fie ver: 
lieren wolle. Allein das treue Weib, dent der Athem zu vielen 
Worten fehlte, entgegnete nur: „Allzunah,“ und ichleppte fich mit 
dem Ritter über die Höhe bis an den Rand des Waldes, wo fie 
den Augen ihrer Feinde entihwand und in Sicherheit war. Das 
Maß der Raubritter war nun vol. Die Märferihaft (Einwohner 
des Freigeriht3) waren ſchon lange der Pladereien müde; Die, 
gegen die Ritter von Nandenburg verübte Gewaltthat brachte fie 
zu einem raſchen Entſchluſſe. Am 24. April 1386 wurde unter 
der großen Linde zu Wilmundsheim ein gebotenes Märkergeding 
(Gericht) abgehalten; e3 erſchienen Geiftlihe, Nitter, Bürger und 
Bauern. Der Landrichter Johannes von Ronneburg und feine 
zwei Brüder Friedrih und Konrad wurden bes Weberfalls, der 
Pünderung und Erpreffung öffentlich angeklagt, der Erftere nad) 
abgehaltenem Gericht feiner Stelle entjegt, überhaupt die ganze 
Familie von der Märkerſchaft ausgeftoßen. Einige verfielen dem 
Kirchenbanne, andere dem geheimen Vehmgerichte und verſchwanden 
bald gänzlich. 





70 


Nah der Vertreibung der Nonneburger kehrte der Nitter 
von Nandenburg zurüd, feine Burg war aber unterdejjen über- 
wältigt und verbrannt worden und er hätte jie von Grund 
aus wieder neu bauen müſſen, wenn er fie wieder hätte be— 
wohnen oder beziehen wollen. Er ließ fie in ihren Trümmern 
liegen, erbaute fih da, bis wohin ihn jein Weib getragen, eine 
neue Burg, welche er zu bejtändiger Erinnerung an eheliche Liebe 
und Treue Allzunah nahe, welcher Name ich im Laufe der 
Zeiten in den Namen Alzenau umänderte. Die Einwohner von 
Wilmundsheim bauten fi allınählihd am Fuße der Burg an. 
Dieſe Anfiedelung erhielt gleichfall3 den Namen Alzenau und der 
Name Wilmundsheim verichwand gänzlich. 

Die Burg Alzenau *) fteht größtentheils noch unverfehrt und 
e3 befinden fish die Näumlichkeiten des Landgerichts in demjelben. 
Von der Nandenburg aber fieht man am weftlichen Abhange des 
Hahnenkamms unfern des Dorfes Waſſerlos auf einem Vorſprunge, 
welcher jett den Namen „Rammerigsküppel” (Kuppe oder Hügel) 
führt, nur noch den Wallgraben. 

So furze Zeit die Nonneburger auch die Nandenburg inne 
gehabt hatten, es war ihnen doch gelungen, große Schäße und 
Meinvorräthe darin zu lagern. Bei der Gritürmung der Burg 
waltete die Rache, nicht die Habſucht, und die Rache ſucht nicht 
nah Schätzen, jondern jchlug die Nänber mit dem Schwerte und 
warf dann den brennenden Pechkranz in ihre Höhle Es ward 
nichts aus derjelben gerettet und die Schäße liegen tief in der 
Erde, überdedt von den Trümmern der Burg und (nach der Volks— 


*) Die Burg Alzenau war im Jahre 1404 Eigenthbum des Neinbard 
und Johann von Hanau, im Jahre 1410 des Ullrih von Bergen, genannt 
Schwer, im Jahre 1426 des Henne von Bellerhein, ti. %. 1431 des Edard 
von Fiſchborn, i. J. 1435 des Frank von Gronenburg, i. J. 1436 des 
Jriedrih von Wajen, i. J. 1463 des Hans und Heinrih von Moſpach, 
i. J. 1452 des Rudolph von Schwalbach und i. J 1527 des Melchior 
von Schöllfrippen. Das Schloß wurde dann faſt unausgefegt von Amt— 
leuten bewohnt. 


71 


ſage) bewacht von den Geiſtern der Erſchlagenen. Die Fäſſer find 
längjt vermodert und der edle Wein lagert jeit mehr als 400 
Jahren in feiner eigenen Haut. Es wäre da ein großer Fund zu 
machen, aber die Wächter laffen Niemand ungejtraft nahe. Als 
die Auinen der Burg noch nicht jo gänzlich vernichtet waren wie 
jegt, weideten einmal Hirten mit ihren Heerden in den Ruinen; 
da fanden fie eine Kelleröffnung, aus welder das Aroma 
des Meines emporftieg. Sie ließen, um die Tiefe zn erforichen, 
einen Knaben an einem Seile hinab, fie zogen aber nur jeine 
Leiche heraus. E3 wagte fih von da an Niemand mehr in die 
Nuinen und jest ijt auch die Kelleröffnung verichwunden. 

Ein Mann aus dem Dorfe Mömbriier Hohl, welcher vom 
Kirihenmarkt in Hanau zurücdtehrte, mußte am Rammerigshügel 
vorbei. Als er dorthin gefommen war, mußte er nicht, wie ihm 
geſchah — er fannte fih nicht mehr aus und jah, obwohl er den 
Weg Schon Hundermal gemacht hatte und es noch heller Tag war, 
den Weg nicht mehr, auf dem er gefommen. „Qräume ich, oder 
was iſt ſonſt mit mir vorgegangen?” fpra er zu fich jelbit. 
„Nein, ich wache, und weiß doch nicht, wie mir gefchieht.” Indem 
er nun nach allen Seiten um Sich jchaute, da umfloß ihn ein 
jonderbares Licht und er jah am Boden eine prachtvolle Blume, 
wie er fie nie in jeinem Leben, weder auf Bergen, noch auf Wiejen 
oder in Wäldern und Gärten gejchaut. Die Blume lachte ihn 
gleihjam lieblich an und verbreitete einen köſtlichen Duft. „Diele 
wilf ick mir abbrechen und mitnehmen“ dachte er, thats auch und 
in demjelben Augenblide geiha ‚ein jo furchtbarer Schlag, daß 
die Grundfejten des Berges erbebten. Vor ſich jah er plöglich ein 
prachtvolles ehernes Thor; es öffnete ſich von jelbit, er trat im 
ein weites Gewölbe und jein Auge war geblendet von all den 
Schägen, welche er hier aufgehäuft jah. Ganz verwirrt von ihrem 
Ölanze weiß er nicht, was er zuerft betrachten ſoll, greift bald 
nach diejem, bald nach jenem, läßt aber dabei die Blume auf den 
Schäten liegen. Da hört er ganz deutlich aus der Tiefe des Ges 
wölbes eine Stimme rufen: „Nimm nur das Beite! Nimm nur 


De 
2 TR 7 


72 


das Beſte!“ — Aber was ſoll von Allem das Beſte ſein? Das 
kann er nicht erkennen. Endlich glaubt er in zwei prachtvollen, 
mit Perlen und Edelſteinen reich beſetzten Leuchtern das Beſte 
gefunden zu haben, nimmt ſie in ſeine beide Hände und geht damit 
der Eingangspforte zu. Die Stimme ruft noch eindringlicher, er 
hatte die Blume vergeſſen. 

Kaum ſtand er über der Schwelle, als wieder ein furchtbarer 
Schlag ertönte; die Erde erzitterte und das Prachtgewölbe mit 
ſeinen unendlichen Schätzen ſank in die Tiefe. Er hörte noch eine 
klägliche Stimme, die jammerte: „Wehe! wehe! du haſt die Blume 
vergeſſen! Das war der Schüſſel zu meiner Erlöſung, der Schlüſſel 
zu allen meinen Schätzen. Dieſe Blume blüht nur alle tauſend 
Jahre. Wehe! wehe! meine Trauer will nicht enden. Verbannt 
muß ich nun wieder tauſend Jahre ſitzen. Wehe! wehe!“ Als ſich der 
Bauer von ſeinem größten Schrecken erholt hatte, erkannte er ſeinen Weg 
wieder und wanderte ſtill und in ſich gekehrt weiter, von Schmerz 
erfüllt, daß er die leidende Seele nicht erlöſt und ſein Glück vers 
Iherzt hatte; denn auch die Leuchter mit Perlen und Edeljteinen 
waren aus jeinen Händen verihmwunden. 


| 


III. Sagen aus dem Thale der Kinzig. 
I. Der Madltein. 


Bor mehreren hundert Jahren und lange vor dem dreißig: 
jährigen Kriege lebte zu Drb*) eine junge Magd, welche wohl 
mit Schönheit und Tugend, aber nicht mit Glüdsgütern gejegnet 
war; denn wäre fie reich geweſen, jo hätte fie nicht al3 Magd zu 
dienen gebraudt. Vater und Mutter waren geftorben und Veroni 
(Beronifa) mußte durch Magdsdienſte ihr Leben friften; ſie pries 
ſich glücklich, daß fie Herr Hans. Riemer als Hausmagd Ddingte; 
denn er hatte Geld und Gut genug und war auch jonft ein ange- 
jehener Mann. Wegen feines jcheinbar ehrlichen Lebenswandels 
und wegen jeiner. großen äußerlihen Frömmigkeit hatten ihn die 
Orber zum Bfleger ihres damals jehr bedeutenden Kirchenftiftungs- 
Vermögens gewählt. 

Herr Hans Riemer war jchon bei Jahren und Wittwer; jeine 
Kinder. hatten aus Drb hHinausgeheirathet und jo hauſte er allein 
mit jeinen Dienftboten. Dadurh Fam er mehr in Verkehr mit 
den Mägden, als e3 bei einem beweibten Manne hätte geichehen 
mögen — und das war nicht gut für Herrn Hans, denn jeine 
Augen waren nicht blind für weiblichen Liebreiz, und die jchönfte 
Jungfrau in Orb war jeine Magd PVeroni. 

„Das Alter ſchützt nicht vor Thorheit;“ das war auch bei 
Herrn Hanfen der Fall: er entbrannte in heißer Liebe und Ber 
gierde nach feiner jchönen Magd. Veroni hielt die Freundlichkeit, 
mit welder fie von ihrem Herrn behandelt wurde für väterliche 





* Orb ift zwar jeßt preußiſch, gehörte aber biß 1866 zu Bayern. 


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74 


Zuneigung, denn fie ehrte ihn ja auch al3 Vater, aber jie jollte 
ihres Irrthums bald gewahr werden. Als die leijeren Andeut- 
ungen der frevelhaften Wünſche von der reinen Jungfrau nicht 
verjtanden wurden, begehrte Herr Niemer geradezu Unziemliches 
von ihr. PVeroni wies eine folche Zumuthung gebührend zurüd 
und drohte, daß fie, wofern er jie wiederhole, augenblidlich jein 
Haus verlaſſe. Zu einem öffentlichen Aergerniſſe durfte es Herr 


Niemer nicht fonımen laffen-und Veroni hatte fortan ihre Ruhe 


— nicht aber ihr Herr. In feiner Bruft kochte es Tag und Nacht, 
und, wie diejes oft zu geichehen pflegt, jeine jündhafte Liebe ver: 
fehrte fich in tödtlihen Haß: 

Sp vergingen mehrere Monate in jcheinbarem Frieden. Da 
gerieth an einem Sonntagmorgen ganz Orb in die größte Auf: 
regung. Der Kirchner hatte, als er die Pfarrkirche zum Dienite 
des Herrn öffnete, das Muttergottesbild der zahlreichen Gold: und 
Silbermünzen beraubt gefunden, momit die frommen Leute der 
Stadt Drb dasjelbe geihmüdt hatten. Solch ein frevelhafter 
Kirchenraub war in Orb noch nie vorgefommen und um jo auf: 
fallender, al3 die Kirchenthüre wohl verjchloffen und auch ein Ein- 
bruch nicht fichtbar war. Erft hatte man gar feinen Verdacht, 
wer wohl den unerhörten Frevel begangen haben möge; dur 
eifrige Nachforſchungen aber ergab fi, daß Veroni nicht nur am 
Abend vor der That jpät in der Kirche gewejen, jondern daß aud) 
fie allein vor dem Muttergottesbilde kniend geiehen worden jei. 
Der Centgraf ließ daraufhin ihre Habjeligfeiten durchſuchen und 
zu unterjt in ihrer Truhe fanden fich die jämmtlichen geraubten 
Münzen. | 

Veroni betheuerte zwar ihre Unſchuld; allein den vorgefundes 
nen Beweiſen gegenüber war alles vergeblih. -Der Frohnbote 
führte jie in den Kerker und am nächften Gerichtstage wurde fie 
vor Gericht gejtellt. Der Kichenpfleger mußte als Kläger auftreten 
und da er auch zugleich Dienjtherr war, jo fiel jeine Anklage 
doppelt Schwer ins Gewicht. Der Spruch der Schöffen war bald 
gefällt. Der Richter verkündete das Urtheil: daß die Angeklagte, 











75 


als des Kirchenraubes jchuldig, das Leben verwirkt habe, daß aber 
wegen ihres bisherigen guten Lebenswandels die Strafe des 
Strange in die weniger Ichimpfliche des Schwertes umgewandelt 
werde. 

Veroni hatte in förmlicher Betäubung dem Gerichte beigewohnt. 
Eine Verurtheilnng war ihr, da fie ſich doch ihrer Schuldlofigkeit 
bewußt war, gar nicht in den Sinn gelommen; jie dachte nur ar 
den Schimpf, in Gegenwart einer großen Menjchenmenge vor 
Gericht zu ftehen. Als aber der Richter daS Todesurtheil verkün— 
dete, und jedes Wort die arme Vroni wie ein Donnerſchlag traf, 
da ſank fie mit einem herzzerreigenden Aufichrei zu Boden. Man 
eilte ihr zu Hülfe und als fie wieder zu fich kam, flehte fie den 
Richter an, das ungerechte Urtheil zurück zu nehmen; es ſei doc 
bimmelichreiend, daß eine Unſchuldige durch Henfershand jterben 
jole — und daß fie unschuldig jei, müßten ihr Gott und alle 
Heiligen bezeugen. Der Richter aber ſprach: „Thörigtes Mädchen ! 
glaubt du, ein Urtheil, welches ehreuhafte Männer wohlerwogen 
gefaßt, laffe fih wenden und drehen wie eine Wetterfahne auf dem 
Kirhthurme? Dein Recht ift dir geiprochen, und jo wenig du im 
Stande bift, jenen Stein von feiner Stelle zu verrüden, jo wenig 
wirt du eine Aenderung des Urtheils erwirken!” Unfern von der 
Nalſtätte lag ein Stein, von welchem der Nichter das Todesur- 
teil auszurufen pflegte. Er war jo groß, daß zehn Bferde ihn 
wicht von der Stelle. gebracht hätten. Auf dieſen Stein zeigte der 
Richter. 

„Du Heilige im Himmel“ — rief Veroni, „du kennſt meine 
Unſchuld, du weißt es, daß ich lieber mein Leben gelaſſen, als 
mich an deinem Gute vergriffen hätte. Die Richter auf Erden 
ſind ſo hart wie Stein; aber dein Herz, das dereinſt auch in 
Schmerzen gebrochen, hat Gefühl für arme Menſchenkinder. Steh 
du mir bei in meinem großen Leid!“ — Und muthig ſchritt ſie 
zu dem Steine, welcher, von unſichtbaren Kräften getragen, an eine 
ganz andere Stelle gelegt wurde. Wer beſchreibt aber das Er— 
ſtaunen der Richter und der übrigen Zuſchauer? Wo Gott jo 


76 





deutlich geiprochen hatte, hörte das irdiſche Gericht auf. Im Feit- 
zuge, wie eine Heilige, ward die Jungfrau nad Drb zurüdgeführt. 
Der Vorfall ſelbſt aber wirkte auf den Kirchenpfleger jo entieglicd, 
daß er jelbft fein eigener Ankläger wurde. Zerknirſcht geftand er 
ein, daß er jelbit die Münzen vom Muttergottesbild entwendet und 
aus Nahe in die Truhe jeiner Magd gelegt habe — Ihm murde 
fein Recht. 

Der Stein aber, durch den die unjchuldige Veroni vom Tode 
durch Henkershand gerettet wurde, heißt heute noch der Maoftein. 


2. Die Rettung am Mladlftein. 


Im Jahre 1634 famen die Schweden auch nah Orb. Der 
Krieg hatte ſchon 16 Jahre gewüthet und in diejer langen Zeit 
waren die Kriegsknechte jo vermwildert, daß fie reißenden Thieren 
gliden. Gemaltthätigfeiten zwiichen Frauen und Jungfrauen waren 
an der Tagesordnung und eine ehrbare Frau oder Jungfrau 
fonnte nichts beſſeres thun, als daß fie dem. wilden Kriegsvolk aus 
dem Mege ging. 

Damals lebte zu Drb ein alter Mfarrberr , deſſen Haus: 
weien jeine Nichte, ein hübiches Mädchen Namens Marie führte. 
Als die Schweden im Anmarih waren, flüchteten fich viele Be: 
wohner von Drb tiefer in den Spefjart, aber der Pfarrherr verlieh 
jeine Heerde, welche er jo viele Jahre gehütet hatte, nicht, und 
bei ihn blieb auch feine junge Nichte; war doch der Pfarrer ein 
ſchwacher binfälliger Mann, welcher der Pflege bedurfte und fie 
in dem Kriegesgetümmel von Niemand erhalten konnte, wenn nicht 
von feiner Nichte. Bei Tage thats zur Noth gut, denn unter 
den ſchwediſchen Hauptleuten waren doch manche, welche eine 
unbejcholtene Jungfrau nicht ungeftraft Fränfen ließen; aber Nachts 
war nicht zu trauen. Deshalb ſchlich ſich Marie allabendlich aus 
dem Haufe und blieb die Nacht über zu Lettgenbrunn; dorthin 
waren damals noch feine Schweden gefommen. 


77 


Eine Weile gings. Endlich aber mochten duch die Kriegsleute 
gemerkt Haben, daß ſich das junge hübſche Mädchen allabendlich 
aus dem Städtchen entfernte — und eines Abends Hatte fie es 
faum verlafjfen, als jie fih von mehreren Schweden verfolgt jah. 
Maria eilte, jo jehr fie konnte, auf dem Wege dahin, aber die 
Schweden näherten fich immer mehr und jchon glaubte fie ſich in 
ihrer Gewalt, als fie an den Madſtein gelangte. Da fiel ihr 
ein, wie durch diejen Stein die heilige Jungfrau ſchon einmal die 
Unihuld gerettet habe. Sie warf ſich händeringend auf die Knie 
und erflehte unter heiligen Thränen den Schuß der Heiligen. Und 
der Stein that jich, wie die Volksſage erzählt, auf und umſchloß 
Marien, bis die wüſten Gejellen fich entfernt hatten. 

Dieje beiden Sagen jollen uns zeigen, wie wunderbar Gott 
und jeine Heiligen diejenigen in Schuß nehmen, welche zur Rettung 
ihrer Unschuld jich vertrauensvoll an fie wenden. Sollte alſo einmal 
in eurem Leben eurer Unſchuld Gefahr drohen, jo nehmet ver- 
frauensvoll eure Zuflucht auf Gott, auf die heilige Jungfrau und 
auf die übrigen Heiligen und fie werden euch ganz gewiß in ihren 
Schutz nehmen. | 


9% Der wilde Jäger. 


In den Wäldern des Spefjarts haujt, wie die Volksſage er= 
;ählt, der wilde Jäger. Der fromme Köhler (Kohlenbrenner,) 
welher feinen danıpfenden Kohlenmeiler hütet, der harmloje Wan— 
derer, welcher jeinem ehrlichen Erwerbe nachgeht, die jchuldlojen 
Kinder, welche im Walde Erd: und Heidelbeeren ſuchen, jehen ihn 
nicht; aber er jtellt fich überall ein, wo die Sünde ihm die 
Pforte öffnet, und wehe demjenigen, der Böſes jinnend, ihm in den 
Meg kommt, wenn er in wilder Jagd mit hölliſchem „Halloh!“ 
über die Baummipfel hinbrauſt. — Bejonder3 am Tage ‘Petri 
Stuhlfeier (22. Februar) treibt er jein Unweſen; da ift fein Holz- 
dieb fiher, daß er nicht mit gebrochenen Armen oder Beinen 


* 





75 


heimfommt; darum haben an dieſem Tage der Wald und der 
Förjter ihre gute Ruhe. 

So gefährlich es aber auch ift, dem wilden Jäger zu begeg— 
nen, gibt es dennoch Frevler, die ihn und jeine Hülfe jogar auf: 
fuhen. Wer Freifugeln gießen will, der muß ihn dabei haben ; 
denn nur jein Segen gibt den Kugeln die Gabe, niemals zu fehlen. 
Freilich thut ers nicht umſonſt; aber wer nur der Gegenwart lebt, 
denkt nicht an die Zukunft. 

Zu Anfang des 17. Kahrhunderts lebte in Drb ein Mann, 
welcher einen gottlojen Lebenswandel führt. Als Knabe war er 
Tag für Tag neben die Schule gegangen, und als Jüngling und 
Mann ging er der Arbeit aus dem Wege, deſto fleißiger aber ins 
Wirthshaus. Er war arm. Sein älterliches Vermögen hatte er 
die Gurgel hinab gejagt und borgen mochte ihm Niemand, er war 
alio, um nicht Hungers fterben zn müfjen, gezwungen, auf irgend 
einen Erwerb zu denen. 

Als Kriegsknecht hätte er ihn ſchon finden können, denn ber 
gräuliche dreißigjährige Krieg verwüſtete ganz Deutichland jchon 
feit Jahren und das Kriegsvolk führte ein eben jo wenig erbau— 
liches Leben wie er; aber der Kriegspienft war ihm zu gefährlich 
und beihwerlid. Drb iſt ringsum von großen Forſten eingeſchloſſen, 
welche damals überreihd an Wild waren. Mit einiger Vorficht 
fonnte man jchon einen Hirſch oder Rehbock gefahrlos erlangen 
— und der Mann wurde ein Wilderer. 


Wenn man jo in der Dämmerung auf ungebahnten Braden 
dur den Wald jchleiht, laſſen ſich mancherlei Befanntichaften 
machen und auch der Mann von dem wir jpreshen, mußte fie ge— 
macht haben, denn er verſchoß nur noch Freifugeln. 

Nun lebte er mehrere Jahre in Saus und Braus. Ein ein- 
ziger Schuß aus ficherer Ferne gab ihm täglich die Mittel, feinen 
Gelüften zu fröhnen und er that diejes, unbefümmert darum, was 
nachfommen werde. j 


Ein fräftiger Fluch war fein beſtes Vaterunfer. 


79 


Da Fam das Jahr 1634 und mit ihm alles Unheil über Drb. 
Die Schweden überfielen die Stadt, plünderten fie und erichlugen 
alle diejenigen, welche fich widerjegten. Die armen Einwohner 
litten den bitterften Mangel an Allem, und im darauffolgenden 
Sahre wurden jie jogar von Der Peſt heimgejucht. Dieje anſteckende 
Kranfeit wüthete jo jchredlih in der Stadt Drb, daß fie bis auf 
10 Familien und den Pfarreiverweſer ausitarb. (Der alte Pfarrer 
war kurz zuvor auch gejtorben.) Die Leichen mehrten fich derart, 
daß fie nicht mehr im Friedhofe begraben werden konnten und 
baufenweije auf dem Marktplaße lagen. Man beerdigte fie außer: 
halb der Stadt auf einem Acer, welcher heute noch der „Peſtacker“ 
heißt. Faft taujend fanden hier ihr Grab. 

Auch der Wildihüge wurde von der Peſt befallen. Seine 
Verwandter drangen in ihn, den Pfarreiverwejer rufen zu laſſen 
und die Schreden des herannahenden Todes bewogen ihn auch, in 
ihr Begehren zu willigen. Als aber der PBiarreiverwejer Fam, 
hatte jich der Wildihüge jchon in feiner Kammer erhängt. 

Die legten Bürger von Drb, welche täglich morgens vor dem 
unteren Stadtthor zujammen famen und deren e3 täglich weniger 
wurden, trugen die Leiche des Wildihügen auf den Peſtacker. Aber 
unterwegs jchlugen, wie die Volksſage erzählt, auf einmal Feuer: 
flammen aus dem Sarge, jo daß die Träger venjelben fallen ließen. 
Man fand jpäter den Sarg gänzlich verbrannt und die Leiche allein 
auf dem Boden liegend. Man begrub jie zwar, allein am andern 
Morgen lag fie wieder unbededt auf dem Ader und blieb dafefbit, 
bis fie ein Raub der Verwejung wurde. 


Diefe Volksſage Toll euch lehren, wie weit e3 mit einem 
Menihen kommt, welcher fih durch Sünde und Lafter dem 
Zeufel ergibt. Er ſinkt immer tiefer, bis er zeitlich und ewig 
verloren if. Es möge fi daher Jedermann an der Gejchichte 
vom Drber Wildihügen ein warnendes Beilpiel nehmen. 


80 


4. Der Fuchsftein. 


Der wejtphäliihe Friede Hatte im Jahre 1648 dem dreißig— 
jährigen Kriege ein Ende gemacht und das blutgetränfte deutfche 
Reich jah einer befjeren Zukunft entgegen ; allein die Rachwehen 
des Kriege waren noch viele Jahre fühlbar. Ganze Schaaren 
abgedankter und entlajlener Söldlinge durchzogen das Land, brand- 
ihagten, plünderten und mordeten auf eigene Rechnung, wie fie 
e3 früher auf Rechnung ihrer Herren gethan hatten; es dauerte 
Jahrzehnte bis das Gejeh wieder vollftändig in Kraft trat und 
die Straßenräuber dem Galgen überlieferte oder aus dem Lande 
ſcheuchte. 

Auch im Sinn- und Joßgrunde trieb noch im Jahre 1665 
eine Räuberbande ihr Unweſen. Einer der verwegenſten Strolche 
derſelben war ein gewiſſer Peter von Orb. Er zeichnete ſich ins— 
beſondere durch große Kaltblütigkeit aus, mit welcher er die 
Opfer ſeiner Habgier abſchlachtete und ſtand deswegen unter den 
Leuten ſeines Gelichters in großem Anſehen. 

Seine Frechheit wuchs mit jedem Tage, überlieferte ihn aber 
endlich den Händen der ſtrafenden Gerechtigkeit. Er wurde über— 
fallen, nach verzweifelter Gegenwehr gefangen, gefeſſelt und in den 
Kerker geworfen, um alsbald den wohlverdienſen Lohn zu em— 
pfangen. | 
Untveit von Orb erhebt fi der Molfenberg. Auf dem- 
jelben jtand jchon damals der Thurm, deſſen Ruine jetzt noch 
fichtbar ift. Dort ſchloß man den Räuber ein. Der Thurm war 
fo feft und did, daß an ein Entfommen gar nicht zu denfen war. 
Die meijten Spießgejelen Peters waren im Kampfe erjchlagen 
worden, darum ward auch die Bewahung des Thurmes etwas 
lälfig gehandhabt. 

So tolfühn und verwegen Peter früher geweien war, jo 
fleinmüthig wurde er, als ihn die Eiſenketten umfingen. Er ah 
feine Möglichkeit der Flut und wußte, daß er dem qualvolliten 
Tode entgegen ging. 


sl 


Die Verzweiflung erfaßte ihn und er beichloß, fich felbit das 
Leben zu nehmen. Da er aber zu dieſem Verbrechen keine Waffen 
bejaß, jo rannte er mit dem Kopfe wieder die dide Mauer, um 
fih den Schädel einzuftoßen. Halb bejinnungslos fiel er zu Boden. 
Da hörte er unter jich in der Erde jcharren. Es war ihm nicht 
anders, al3 es würde jein Grab gegraben; entjegt laujchte er den 
unheimlihen Tönen. Sie kamen immer näher, immer näher, bis 
endlich der Kopf eines Fuchſes aus dem Boden ſchaute. Der 
Räuber war früher Wildſchütz gewejen und hatte einen eingefangenen 
jungen Fuchs gezähmt, der ihm dann wie ein Hund überall nach: 
lief. Diejer hatte ausgewittert, wo jein Herr verborgen lag und 
fih unter dem Fundament des Thurmes zu ihm durch gegraben. 
Dem Räuber ward ed nicht jchwer, die Deffnung zu erweitern, 
die Ketten konnte er, da er ganz abgemagert war, abjtreifen und 
bald war er in Freiheit. 

AS man jeine Flucht inne geworden war, wurde er eifrig 
verfolgt und es gelang auch, ihn wieder ausfindig zu machen. 
Die Verfolger waren aber nicht ſtark genug, es waren ihrer zu. 
wenige, um diejenigen, die jich aufs Neue zu ihm gefunden hatten, 
zu übermwältigen; er entfloy und wurde von da an nicht mehr in 
der Gegend gejehen. Den Fuchs aber jchlug einer der Landsknechte 
nieder, er wurde in diejelbe Deffnung veriharrt, welche er in den 
Thurm gegraben hatte nnd ein jchwerer Stein darauf gemälzt, 
welcher heute noh „der Fuchsſtein“ heißt. 

Moral: 1. Mancher Menſch entzieht fich lange der ftrafen- 
den Gerechtigkeit, welche ihn aber endlich doch erreicht. 2. Wie 
befhämt wird mancher undankbare Menſch von einem unvernünf: 
tigen Thiere, wie 3. B. in diejer Volksſage von dem Fuchs, welcher 
jeinem Herrn das Leben rettete! 


5. Die Hölle, 
In Orb lebte einmal ‚ein Mann, welcher, wie noch viele 
andere Männer, ein jehr böjes Weib Hatte Er war ein armer 
Sagenſchatz, 2. Bänden. 6 





82 


Holzhauer, welcher den ganzen Tag im Wald arbeiten mußte, um 
fih und feine Familie zu ernähren. Er hätte auch mit feinem 
Verdienſte zufrieden jein können; wenn er aber müde und hungrig 
nah Haufe fam, da fing fein Kreuz erit reht an. Die Frau 
fochte ihm nicht nur feinen ordentlichen Bilfen, jondern zankte und 
rumorte im Hauſe herum, wie ein leibhaftiger Satan. Und jo 
war es Tag für Tag, jelbjt nachts mußte er ihr Schimpfen an— 
hören. Es kam die Heuernte heran und der Mann mußte jeine 
Wieſe mähen“ Da diejelbe ziemlich weit vom Städtchen entfernt 
war, blieb der Mann über Mittag draußen, um nicht viel Zeit 
zu verjäumen mit dem Hin und Herlaufen. Die böje Frau 
brachte zwar ihrem Manne etwas zu efjen, weil er aber ein wenig 
ausruhen wolle, fing fie das Schimpfen an, bie ihren Mann 
einen Faulpelz, der jeine Familie hungern laſſe ꝛc. So geiferte 
fie fort, bis der Mann jo in Zorn gerieth, daß er jein Efjen 
mwegwarf. nnd rief: „Da möchte man doch lieber des leibhaftigen 
Teufels werden, als ein jolches Leben fortführen. Ich wollte mid 
lieber dem Teufel verjchreiben, wenn ich nur meine Ruhe hätte.“ 

Kaum Hatte er aber dieſe unüberlegte Nede beendiget, jo war 
der leibhaftige Teufel da und halber in der Angjt und halber im 
Zorn jtellte er eine Verſchreibung aus, daß ihn der Satan nad 
Sahr und Tag holen ſolle, wenn ihm jeine böje Frau jo lange 
Ruhe ließe. Wie es der Teufel anfing, das weiß man nicht, aber 
die Frau war von da an jo janft, wie ei Lamm. Bon dem Jahre 
verging nun ein Tag jchneller wie der andere, der Mann aber 
dachte nicht mehr daran, daß er fih dem Teufel verjchrieben hatte. 
ALS das Jahr herum war, befand ſich der Mann wieder auf der 
Wieſe, um jein Gras zu mähen. Da fteht plößlih der Mann 
vor ihm, padt ihn am Kragen und nimmt ihn mit fid. 

Das Loch aber, wo der Teufel mit ihm in die Unterwelt 
binabfubr, jieht man heute noch, und im Munde des Volkes heißt 
es: „die Hölle.“ 

Moral: Möchte jedes böje Weib, welches ihrem Manne nur 
eine bejtändige Dual ijt, aus diejer Volksſage eine gute Lehre ziehen. 


83 


MWenn der Mann und Familienvater müde von der Arbeit abends 
nad Hauje kommt, findet er jeine liebjte und angenehmfte Erholung 
im Kreiſe jeiner Familie, an der Seite feines braven Meibes 
und im Kreije jeiner geliebten Kinder. Manche Frau, oder bejjer 
gejagt, jedes böje Weib macht aber ihrem Manne das Haus zur 
Hölle, weil fie ein wahrer Hausdradhe und Teufel if. Der Mann 
"Sucht dann fein Heil außer dem Haufe, er wird, um jeine Grillen 
zu vertreiben, ein Säufer, ein Spieler und ein Verſchwen— 
der, mit einem Worte ein jchlehter Menih, und am Ende. geht 
er für Zeit und Emigfeit verloren; mit ihm aber auch mandhesmal 
jeine Kinder, weil ihnen feine gute Erziehung zu Theil wird. 


6. Der Happesküppel. 


Niht weit von dem, bei Drb liegenden Dorfe Kaſſel 
erhebt jich ein einzeln ftehender Berg, im Munde des Volkes der 
Happesfüppel genannt. Auf diefem Berge nun ftand vor 
vielen vielen Jahren eine ftattlihe Burg. Hohe, dide Mauern 
umjchloffen geräumige Wohngebäude, Ställe und Vorrathshäufer, 
und ein mächtiger Thurm, von welchem aus man jhon in weiter 
Ferne den nahenden Feind erichauen konnte, blicte ftolz ins Thal 
herab. In der Burg aber haufte ein gewaltige und mächtiges 
Geichleht, wohl edel dem Stamme und Namen nad, nicht aber 
nach jeinem Thun. Mord, Raub, Entführung, Brandftiftung und 
Gemaltthaten aller Art waren ihr Geſchäft. Das Flehen miß: 
bandelter Frauen rührte fie eben jo wenig, al3 die Drohungen 
gefränkter Männer. Gegen die Einen jchüßte fie ihr gefühllojes 
Steinherz, gegen die anderen die ftarfen Felſenmauern ihrer 
Burg. Am Fuße des Burgberges Hatte fih eine arme Wittme 
mit ihren beiden Kindern angefiedelt.e. Wie eine Taube im alten 
Gemäuer am Meeresitrande friedlih neben dem Thurmfalfen 
nijtet, jo lebte die Wittwe ungeftört neben dem Horjte der adeligen 

6* 


84 





Näuber; denn fie hatte ja nichts, was die Habgier der Erfteren | 
hätte reizen können. Ein paar Ziegen war ihr ganzer Reichthum. 

Einft an einem heißen Sommertage übte fi der zehnjährige 
Sohn des Burgherrn "vor dem Thore der väterlichen Burg im 
Armbruftihießen. Die beiden Ziegen der Wittwe liefen in den 
fühlen Gebüjchen, welche an dem Berge wuchſen, umher, um ihre 
Nahrung zu fuchen. Immer höher und höher Eletterten fie, bis 
fie endlich in die Nähe des Kleinen Schüßen kamen. Diejer war 
ſchon lange des Schießens nad einer leblojen Scheibe überdrüßig ; 
in den beiden Ziegen fand er, jeiner Meinung nah, ein meit 
jchöneres Ziel für feine Kunft und zwei Bolzen ftredten die beiden 
Ziegen nieder. 

E3 war Abend geworden und die Wittwe ging, ihre Ziegen 
heim zu holen. 

Sie pflegten fih Tonjt nie weit von der Hütte zu entfernen, 
aber die Wittwe fand ſie diejesmal nicht an den gewohnten 
Stellen ; fie fticg höher und höher und kam endlih an die Stätte, 
wo der Knabe feinem Vater jubelnd die Opfer feiner gelungenen 
Schüſſe zeigte. Weinend fniete fi die arme Wittwe neben ihre 
verendeten Lieblinge, die Geipielinnen und Ernährerinnen ihrer 
Kinder. „O Barmberziger im Himmel“ — rief fi, — „wie 
fonnteft du es zulafjen, daß ein ruchloſer Bube in feinem Weber- 
muthe einer bedrängten Mutter ihre legte Stüße raubte? Nun 
fann ih meine arme Kinder nicht mehr ernähren und es bleibt 
uns nichts ührig, als Hungers zu. fterben.“ — „Hoho!“ — ſprach 
der unge, „wozu diejes Geſchrei und Jammern hier? Was ift’s 
fir ein Unglüf, wenn deine Rangen verhungern? Ihr, ſeid ja 
nur Banernpad, und wie man nicht weiß, woher ihr gefommen, 
fo fümmert3 auch Niemand, wo ihr hin kommt !“ 

„Meinft du" — rief das ergrimmte Weib — „fleißige 
Bauern und eine arme Wittwe hätten feinen größeren Werth als 
ein räuberiiher Junker? In deinen und deines Vaters Augen, 
welcher für deine jchändlihe That nur ein Hohnläheln bat, mag 
der Bauer oder der Arme freilich nichts gelten, aber der Rächer 


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alles Unrechts wird euch gewiß dereinft zur ftrengen Rechenſchaft 
ziehen. Ich bin nur ein armes, ſchwaches Weib, aber der, welcher? 
über und wohnt, wird meinen Worten Kraft verleihen. Verflucht 
feift du, übermüthiger Bube, und dein ganzes Gejchlecht! Berflucht 
jei das Haus, in welchem du geboren wurdeſt, verflucht jei dein 
Name und deines Namens Gedächtniß.“ 

Eben begann fich ein Gemitter zu entladen, welches jchon 
früher heraufgezogen war. Ein Blisjtrahl nach dem andern zerriß 
das finftere Gewölf und die Donnerſchläge erihütterten die Erde 
jo jehr, daß fie in ihren Grundfeiten erbebte. Der Ritter und 
jein Söhnlein, jo wie die Wittwe eilten hinweg, die Erjteren mit 
Rachegedanken in ihre jchübende jtolze Burg, die Legtere trojtlos 
m ihre arme Hütte. . 

Bis tief in die Nacht tobte das fürchterliche Gewitter, als 
gegen Mitternacht ein greller Bligftrahl die Wolfen zerriß und in 
der Burg einſchlug. Am andern Tage war hie Burg ein Trümmer: 
haufen; das Feuer des Himmels hatte fie verzehrt mit allen ihren 
Bewohnern. Wie fie fih nannten iſt unbekannt. Der Fluch des 
armen Weibes ging in Erfüllung, der Name der Burg ift ver- 
ſchollen; nur einige Mauerrejte geben Kunde, daß hier einjt Ritter 
und Burg gemweien. Für die Kinder der Wittwe aber wird der 
gejorgt haben, der die Lilien des Feldes kleidet und die Raben 
ernährt. | 

Moral: Arme Wittwen und Waiſen bedrüden ijt eine him: 
melichreiende Sünde und wer fie begeht, ruft den Flach des Himmels 
auf jein Haupt herab. a 





IV. Aus dem Kinzigthale. 
L. Die Raifereice. 


Der nachmalige Kaijer Friedrih Barbaroſſa, der Rothbart, 
hielt jich oft in einer Burg auf, die oberhalb der jegigen Stadt Geln- 
hauſen lag und feinen Vater, dem Herzog Friedrich von Schwaben: 


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gehörte. Hier lernte er die. ungemein jchöne Tochter eines Burg: 
mannes, Namens Gela fennen, und entbrannte in jo heißer Liebe 
zu ihr, daß er nur ihr lebte, und alles Andere darüber vergaß. 
Auch Gela war dem Heldenjünglinge in inniger Liebe zugethan 
und jo verfloß Beiden ein Jahr jo ſchnell, wie ein ſchöner Traum. 
Da zog Kaijer Konrad III., jein Oheim, ins gelobte Land und 
‘ Friedrich der Rothbart mußte ihm dahin folgen, fo ſchmerzlich ihm 
auch die Trennung von Gela fiel. Als Friedrich entfernt war, 
fam Gela, von treuen Freunden belehrt, zur Einficht, welche Kluft 
fie von dem Geliebten trenne. Zu fich erheben konnte der Herzog 
von Schwaben die Tochter eines einfahen Burgmannes nicht; er 
mußte zu ihr herunterfteigen, aber dann waren auch alle Hoffnungen 
vernichtet, weldhe ganz Deutichland damals jchon auf den edlen 
Hohenjtaufen ſetzte. Zu einer freiwilligen Trennung würde fich 
Friedrich nie und nimmermehr verftanden haben. Sie mußte ihm 
deshalb eine unüberfteiglihe Scheidewand ſetzen; tie brachte dieſes 
ungeheuere Opfer und ging als Nonne in ein Kloſter. — Als 
Friedrih aus dem gelobten Lande zurückkehrte und die Nahricht 
vernahm, war es ihm, als habe ihn der Bli getroffen; doc 
mußte er fi) ins Unabänderliche und Unvermeidliche fügen. Was 
er gelitten, wer wagt e3 zu beichreiben? Geine Liebe zu Gela 
erlojch nie, jelbjt dann nicht, al3 er zum Kaijer gewählt worden 
war. Er gründete am Fuße der Burg eine Stadt, weldhe er Gelas— 
haujen nannte und baute daſelbſt einen Reichspallaft, von deſſen 
Pracht die Trümmer noch heute Zeugniß geben. 

So oft e3 die Regierungsgeichäfte erlaubten, hielt jich Friedrich 
Barbaroſſa in Gelashaujen nuf and machte von dort aus, der 
Jagd wegen, größere und Kleinere Ausflüge in den Spejlart und 
den heutigen Büdinger Forſt. Im Spefjart fam er nad Schöll: 
frippen, wo er fich ebenfalls ein Jagdſchloß erbaute. Zwiichen 
Kafjel und Höchſt (auf der Haisbahshöhe) ftand auf einem freien 
Plage im Walde eine Eiche, bei der man die Ausſicht auf Gelas— 
haujen hatte. Dort ruhte der Kaijer auf jeinen Jagdzügen aus, 
indem jein Gefolge fih von ihm zurüdziehen mußte, und träumte 


2 . 


87 


nocheinmal den jüßen Traum feiner Jugend. Wie mit Gewalt 
mußte er von bier weggebracht werden und nie verließ er die 
Stelle, ohne daß man ihm angejehen hätte, wie ſchwer ihm dieje 
Trennung fiel. Die Eihe ftand noch viele Hundert Jahre und 
wurde im Munde des Volkes nur die Kaijereihe genannt. Als 
fie aus Alter verfiel, wurde an ihre Stelle eine andere gepflanzt, 
welche das Gedächtniß des ritterlichen Kaijerd noch heute bewahrt 
und eben auch die Kaijereiche genannt wird. 

Moral: Jede Jungfrau, welche den herben Schmerz einer Tren— 
nung nicht fühlen will, möge ihre Augen nicht erheben zu einem Manne, 
welcher zu weit über ihr ſteht; und Feine hochgeitellte Beriönlichkeit 
möge vergeſſen, dafür zu jorgen, daß fein edles gutes Herz durch 
fie gebrochen wird. 


2, Das blaue Wunder, 


Auf einer Jagd im Büdinger Reichsforite gerieth der Kaifer 
duch einen Hinterhalt, den ihm jeine Feinde gelegt, in große 
Lebensgefahr. Ein Edler aus dem Gejchlehte, der „Forftmeiiter 
von Gelnhaujen” Fam ihm zu Hülfe und rettete ihn. Zum Dante 
ſchenkte ihm der Kaijer io viel Wald, als er in einem Tage umreiten 
fonnte. In diejem Bezirke bauten die Forſtmeiſter das Schloß Kinzig- 
baujen. E3 liegt an der Kinzig und dieje überſchwemmt nicht jelten 
das ganze Thal. Einft ftieg das Waſſer bis an das Dach des nicht 
jehr hohen Schlofjes und Jedermann glaubte, die Fluth werde e3 
mit hinweg nehmen. 

Als aber das Waſſer ſich verlaufen hatte, ſtand das Schlöß— 
chen noch. Da jagten die Leute: „Das ijt ein blaues. Wunder, 
daß das Schloß jtehen blieb!" Davon befam das Schloß den 
Namen: „Das blaue Wunder.“ 





88 


9%. Die Gründung des Freigericts. 


Friedrih Barbarofja hatte in Stalien und Deutichland viele 
Kämpfe zu beftehen, bis es ihm gelang, das gejunfene Anſehen 
des Kaiſers wieder herzuſtellen. Es konnte ihm darum auch nicht 
an Feinden fehlen. Einſt zog er, nur von einem ſchwachen Gefolge 
begleitet, auf der alten Heerſtraße dahin, welche auch die Birken— 
hainer Straße heißt. Auf dieſem Zuge wurde er von ſeinen 
Feinden überfallen und jo tapfer ſich ſeine Leute wehrten, würden 
ſie doch der Ueberzahl ihrer Feinde erlegen ſein, wenn ihnen nicht 
die Bewohner der angränzenden hohen Mark zu Hülfe geeilt 
wären. 

Die Feinde des Kaiſers wurden in die Flucht getrieben und 
es wurden ihrer hiebei jo viele erjchlagen, daß fich, wie die Volks: 
fage erzählt, ein vorbeifließender Bad von ihrem Blute roth gefärbt 
babe, weshalb er den Namen Rothenbach erhielt. 

Zum Danf biefür verlieh der Kaifer den Bewohnern der 
„bohen Mark” die ausgedehnteſten Freiheiten. Insbeſondere hatten 
fie feine andere Giebigfeiten mehr zu entrichten, als alljährlid 
einen Magen mit Heu —- (geziert mit einem lebendigen Hahn) — 
den fie nad Gelnhaufen zu liefern hatten. Bon diejer Zeit an 
wırde die hohe Mark das Freigeriht genannt. Zum vor: 
deren Freigericht rehnet man die Drtichaften: Hörſtein, 
Waſſerlos, Alzenau, Kälberau, Michelbah, Albftadt zc., zum hin: 
teren Freigericht die Drte: Somborn, Altenmittlau, Altenhas: 
lau, Ober: und Unterrodenbah 2. Das Freigericht bejtand in 
diejer Verfaſſung bis ins 18. Jahrhundert. 


V. Der 3oß- und Sinngrumd. 
l. Die Öwerge im Joßgrund. 


Zwerge, Gnomen und Erdgeifter find in der neueren Dämono— 
logie Glementargeijter, welche dem Reiche der Erde vorjtehen, im 





89 


Schooß derjelben wohnen und dajelbit die Schätze des Mineralreichs 
bewaden. Die deutſche Mythologie faht unter dem Namen 
Gnomen alle die Geihöpfe der Unterwelt zujammen, welche unter 
den verjchiedenften und wechſelndſten Namen in der Volksſage auf: 
treten. Es gejören dahin die Bergmännden und andere Spuf: 
geftalten der Bergmannsjagen, die Kobolde, die Heimchen, die 
Wichtel und viele andere. s 
Weitaus das volksthümlichite aller diejer Wefen ift der Rübe— 

zahl des Riejengebirges. Allen gemeinichaftlich ift die Kleine 
zwerghafte Geftalt, durch welche fie in der Mythologie den Gegenjat 
zu den Rieſen bilden. Der Boltsjage nah können fie die ver: 
fchiedenften Gejtalten annehmen und jich bald ſchön, bald häßlich 
zeigen; fie könnten den Menjchen übel und wohl thun, die Gabe 
der Weisiagung und die Kenntniß geheimer Naturfräfte im Stein= 
und Pflanzenreich beſitzen, Sie jollen ein eigenes, ganz abgeichlofjenes 
Bol mit eigener Sprache jein, welch leßtere das Echo bildet. 

' Nah einigen Sagen fliehen jie den Glodenton, nach anderen 
hielten fie unter der Erde oder in Kirchenruinen ihren geheimniß: 
vollen Gottesdienit. 


Ein Völkchen diejer geheimnißvollen Zwerge oder Gnomen war 
auf der Wanderichaft. Sie hatten in der Gegend, von wo fie 
famen, den Menschen redliche Dienfte geleiftet, hatten für fie ge- 
arbeitet, jo emfig wie Leibeigene, fie hatten gegraben, gejäet, geerntet 
und eingeheimft, Neues gebaut und Altes, niedergerifjen, aber jie 
hatten von all dem nicht? gewonnen, als nur die Weberzeugung, 
daß jenes uralte Sprihmwort wahr ift: „Undank ift der Welt Lohn.“ 
Darum hatten fie jene Gegend verlafjer und waren auf der Wander: 
Ihaft. Sie fonnten den Undank nicht mehr länger ertragen und 
wollten lieber in ein fremdes, ganz unbewohntes Land ziehen und 
allen Umgang mit den Menſchen aufgeben, ſo jchmerzlich fie den- 
jelben auch vermifjen würden; denn die Zwerge oder Gnomen haben 
die Menichen jehr Lieb, wohnen bei ihnen und gehen mit ihnen um, 
10 lange es nur immer möglich ift. 


* 





90 


Auf ihrer Wanderichaft waren fie von fernen Gegenden auf 
in den Joßgrund gekommen. *) 

Damals war der Spefjart noch nit in dem Maße bevölkert, 
wie jet, und tage: und wochenlang waren die Zwerge auf ihrer 
Manderjchaft gezogen, ohne auf eine menjchlihe Wohnung oder 
Anfiedelung zu ftoßen. Die wenigen Mundvorräthe, welche fie mit 
auf die Reiſe genonmen hatten, waren bald aufgezehrt, der mehr 
als taujendjährige dichte Eichwald ließ in feinem Schatten weder 
Früchte noch genießbare Wurzeln wachſen und die Kleinen Zwerge 
litten Noth und bitteren Mangel. Sie ichleppten fih mühjam 
weiter, jo lange die matten Beine fie tragen konnten, und als es 
nicht mehr ging, da lagerten fie jih in das hohe Heidefraut und 
ſahen ruhig und ergeben ihrem Tode, ihrer Auflöjung entgegen. 

Da fam ein ſchlichter Bauersmann des Weges. Er hatte ſich 
im Walde eine Laſt Holz geholt und kehrte eben nach Haufe zurüd, 
Da ftraudelte fein Fuß über einen der Fleinen Zwerge, welchen 
er unverjehens fait zertreten hätte; denn obwohl fie jchon längſt 
ihre Nebeltappen abgemworfen hatten und deshalb ſichtbar waren, 
verbarg fie doch das hohe Heidefraut feinen Augen. Erſchrocken 
prallte er anfangs zurüd, bald aber erfüllte ein tiefes Mitleid jeine 
Seele, als er den erbärmlichen Zuftand der Zwerge jah. Er braudte 
gar nicht zu fragen, was ihnen fehle, der Hunger ſchaute ihnen jo 
zu jagen aus den Augen. Er hatte nicht3 bei fi, um die armen 
ermatteten Zwerge erquiden und jtärken zu können und forderte fie 
daher auf, ſich noch einmal aufzuraffen, ihre legte Kraft zujammen 
zu nehmen und ihm mit nad Haufe zu folgen. Er jei zwar ein 
recht armer Manı und mehr mit Kindern, al3 mit irdiſchen Glücks— 
gütern gejegnet, aber ein Stücdlein Brod werde fich für fie finden 
und in jeinem Keller jei auch Plag genug zu ihrer Wohnung. Die 
Zwerge wurden duch die Hoffnung auf ihre nahe Rettung neu 
belebt und folgten dem Manne zu jeiner Hütte. Dort quartirten 
fie fih im leeren Keller ein und erhielten vom Bauersmann fo viel, 


*) Der Joßgrund iſt ſeit 1866 preußiſch. 


91 


al3 er nach jeinen ärmlichen Verhältniffen und jeiner eigenen Dürftig- 
feit entbehren fonnte und nach einigen Tagen hatten fie fich wieder 
erholt. 

ALS die Zwerge aus dem Keller hervorfamen und jahen, wie 
ih der Mann abmühte, um im Schweiße jeines Angeſichts auf 
einem fteinigen Felde ein Baar Getreidhalmen zu erzielen, wie er 
fih plagte, um im Walde oder aus dem jumpfigen Grunde eine 
fleine LZaft Gras für die mageren Kühchen, — deren Milch feinen 
zahlreichen Kindern die farge Nahrung gab, — zujammen zu bringen, 
hatten fie alle Unbilden vergejjen, welche ihnen die Menjchen ans 
gethan. Sie hatten anfangs mit einem einfachen: „Vergelt's Gott!” 
von dem braven, gutherzigen Mannne Abſchied nehmen wollen, 
allein! nun bejannen fie ſich eines Beſſeren. Sie beichlofjen, bei 
ihm zu bleiben, ihm ihre Dankbarkeit zu erweiſen und ihn zu unter- 
jftügen. Sie jpradhen daher zu dem Manne: „Da haſt Theilnahme 
mit ung gehabt, al3 wir nahe daran waren, im Elend umzufommen ; 
du haft uns eine Herberge gegeben und uns mit dem geipeift, mas 
du dir und deinen Kindern am Munde entzogen haft! Das werden 
wir dir fortan vergelten. Wir find nicht jo ſchwach, als du viel- 
leiht glaubit; in uns lebt nur ein Wille und wir find darum jo 
ftarf, wie die Niefen. Wir werden dich in deinen Arbeiten unter: 
jtügen und du wirft mit und zufrieden jein. Bleibe aber auch in 
Zufunft jo freundlich gegen ung, wie du es bisher gewejen bijt.“ 
Der Bauerdmann hatte zwar fein großes Vertrauen auf die Rieſen— 
fraft der kleinen Bürſchchen, allein er date: „Wenn's auch nicht 
viel nüßt, kann's doch nicht ſchaden“ -- und ließ fie nach ihrem 
Gutdünken jchalten nnd walten. 

Am Tage blieben die Zwerge in ihrem Keller; aber jobald 
e3 Nacht geworden, wurde es lebendig, wie in einem Ameifenhaufen 
— und wenn der Bauersmann morgens aus feiner Hütte trat, 
fand er bald einen hohen Haufen des beiten Grajes vor jeiner 
Hausthüre liegen, bald eine Arte Holz; bald jah er einen großen 
Sumpf mit Abzugsgräben verjehen und zu den beiten Wieſen an— 
gelegt, bald ein großes Stüd Wald gerottet und von Steinen und 


92 


Wurzelwerk gereinigt, jo daß er es nur einzuſäen brauchte, um 
einer guten Ernte gewiß zu fein. So vergrößerte jich jein Beſitz— 
thum von Tag zu Tag; er Fonnte ſich einen größeren Viehſtand 
anihaffen, er fonnte jein Vieh bejjer ernähren, die Zwerge bauten 
ihm die Stallungen, das Vieh gedieh bei dem ausgeſuchten Futter 
wunderbar, und als die Zeit der Ernte fam, fiel legtere jo reichlich 
aus‘, daß jeine Scheune viel zu Klein war. Auch da halfen die 
Zwerge; fie bauten ihm eine jo große und jchöne Scheune, wie er 
noch feine in Traume.gejehen. est jehnte ſich der Bauer auch 
nach einem größeren jchöneren Hauje und die Zwerge bauten ihm 
zwei Häujer, die Baläjten glichen. 

Der Dann wurde bald der reihfte Mann im Spejjart und 
er nahm, obgleich er ihrer, der Zwerge wegen, nicht bedurft hätte, 
Knete und Mägde an und freute ſich eines nie geahnten Wohl— 
ftandes. Die Zwerge aber wohnten nach wie vor in dem Keller 
der urſprünglichen Hütte und begnügten ſich mit der gewohnten 
einfahen Koſt. So vergingen einige Jahre. Als die Zwerge nichts 
mehr für den Mann zu thun hatten, famen fie zu ihm und baten 
ihn, er möge ihnen geitatten, daß fie ſich auf jeinem Eigenthum 
ein Haus für fich jelbit erbauen dürften; der Keller, in welchem 
fie jeither gewohnt, jei gar jo dumpf und unfreundlid. Allein! 
— der Reihthum, der Wohlitand, hatte den Mann Hart und lieblos 
gemacht. Zornig und mit rauhen Worten fuhr er fie an, was jie 
nit dem Hauje machen wollten, welches ihm zu viel Platz weg: 
nehme. Hätten fie jeither im Keller gewohnt, könnten fie auch ferner 
da wohnen. Ein neues Haus jei für fie eine reine Verſchwendung. 
Ein kleines Völkchen brauche fein großes Haus, und wenn ihnen 
ihre jegige Wohnung nicht vecht jei, jo könnten fie fich weiter paden, 
er babe fie ohnedies ſchon jo lange gefüttert. 

Die Zwerge waren überraicht von dieſer Antwort, welche fie 
nit im Entfernteften erwartet hatten. Zum zweiten Male mußten 
fie fühlen, wie hart der Undank der Menſchen jei. Diejes weckte 
den Groll in ihrem Herzen: fie verließen den Keller und zogen in 
eine benachbarte Mühle. Bon dort famen ſie nächtlicher Weile 


93 


herüber und holten das Getreide aus der Scheuer de3 Bauern, 
denn die lieben Gottesgaben wollten fie nicht verderben. Sie mahlten 
e3 auf der Mühle und verichenkten das Mehl an arme Leute, 
Dann zündeten fie die Wohnungen, Echeuern und Stallungen des 
Bauern an und die Flanımen verzehrten fein Hab und Gut. Die 
Felder aber, melde fie ſelbſt geruttet hatten, bemarfen fie mit jo 
vielen Steinen, daß der Bauersmann drei Menjchenalter (99 Jahre) 
gebraucht hätte, um ſie wieder alle wegzujchaffen. Die Abzugsgräben 
auf den Wieien warfen fie wieder zu, jo daß der alte Sumpf 
wieder entitand. Das Glüd verließ den Bauern auf allen Seiten 
und der Bauer war bald wieder der arme Mann, der er vormals 
war und der nicht3 bejaß, als jeine ärmliche Hütte, fein fteiniges 
Feld und ein Paar magere Kühe, der jein fümmerlihes Brod aß 
und Wafler trank bis an feines Lebens Ende. Die Zwerge aber 
wanderten weiter; wohin fie famen, ift nicht befannt geworden. 


toral: Dieje Volksſage ift eine der Ichönften, die es gibt. Sie joll 
euch zeigen, wie das Glück im menjchlichen Leben jene Leute begleitet, 
welche theilnchmend und mwohlthätig gegen die Armen und Hilfs: 
bedürftigen find, wie aber auch das Glück jene Leute verläßt, welche 
fein Mitgefühl für fremde Noth haben. Dieje Volksjage joll uns 
ferner zeigen, wie jo oft im menschlichen Leben das Glüd die Leute 
-übermüthig, hart und lieblos macht. Seid daher auch mit Wenigem 
zufrieden. Seit dankbar gegen Diejenigen, die euch und euern 
Kindern Wohlthaten an Leib und Seele erweijen und werdet im 
Glücke niht übermüthig! Vergeſſet das Sprichwort nit: „Wer 
hoch jteigt, kann hoch herab fallen!” 

Der deutihe Dichter Kopiich hat das Leben und Treiben der 
Heinzelmännden Jum Gegenftand eines jchönen Gedichtes gemacht, 
welches hier eine Stelle finden joll: 

Wie war zu Köln es doh vordem 
Mit Heinzelmännden fo bequem |! 


Denn war man faul — man legte fich 
Hin auf die Banf und pflegte fi: 


” 


94 


Da kam bei der Nadıt, 
Ehe mans gedadt, 
Sie Männlein und ſchwärmten 
Und Eopften und lärmten 
Und rupften 
Und zupften 
Und hüpften und trabten 
Und pußten und fchabien 
Und ehe ein Faulpelz noch erwacht, 
War al fein Tagwerf bereit gemadht. 


Die Zimmerleute ftredten ih 
Hin auf die Spän’ und redten ſich. 
Sndeflen fam die Geijterichaar 
Und fah, was da zu zimmern war. 
Nahm Meikel und Beil : 
« Und die Säg in Eil’: 
Sie ſägten und ftadhen 
Und bieben und braden, 
Berappten 
.„ Und fappten 
Pifitirten wie Falken 
Und festen die Balken, 
Eh’ fih’3 der Zimmermann verjab, — 


Klapp! ftand das ganze Haus jhon fertig da. 


Beim Büdermeifter war nicht Noth, 
Die Heinzelmännden badten Brod. 
Die faulen Burjche legten id — 
Die Heinzelmännden regten fih — 
Und ächzten daher 
Mit den Säden ſchwer! 
Und kneteten tüchtig 
Und mogen e3 richlig, 
Und hoben 
Und jchoben 
Und fegten und badten 
Und flopften und hadten. 
Die Burſche ſchnarchten noch im Chor: 
Da rüdte jhon dad Brod — da3 neue, vor. 


” 


— 
> 
> 
= au 


Ada. 


Beim Fleiicher ging es juft jo zu: 
Geſell und Burſche lag in Ruh’; 
Indeſſen famen die Männlein ber 
Und hadten das Schwein die Kreuz und Quer. 
Das ging fo geihmwind, 
Mie die Mühl im Wind. 
Die flappten mit Beilen 
Die ſchnitzten an Eeilen, 
Die jpülten 
Und wübhlten, 
“ Die mengten und mijchten 
Und ftopften und wiichten 
Und that der Gejelle die Augen auf: 
Wapp! hing die Wurft ihon da zum Audverfauf. 


Beim Schenfer war e3 fo; ed tranf 
Der Küfer, bis er niederjanf; 
Am hoben Faſſe jchlief er ein, 
Die Männlein forgten für den Wein 
Und jchwefelten fein 
Alle Fäſſer ein, 
Und rollten und hoben 
Mit Winden und Kloben, 
Und jchwenften 
Und jenften / 
Und goſſen und panjchten 
Und mangten und manjcten. 
Und ehe der Küfer noch erwacht, 
War ſchon der Wein geihönt und fein gemacht. 


Einſt hatt’ ein Schneider große Bein: 
Ein Staatsrod jollte fertig fein; 
Warf hin das Zeug und legte fich 
Hin auf das Ohr und pflegte fich. 
Da ſchlüpften fie friich 
An den Schneidertiich 
Und jchnitten und rüdten 
Und nähten und flidten 
Und faßten 
Und paßten 
Und ftrihen und gudten 
Und zupften und rudten; — 





96 


Und eh das Schneiderlein noch erwacht, 
War Bürgermeiſters Rock ſchon fertig gemacht. 


Neugierig war des Schneiders Weib 
Und macht ſich dieſen Zeitvertreib: 
Streut Erbſen hin die andre Nacht, 
Die Heinzelmännchen kamen ſacht; 
Eins fährt nun aus 
Schlägt hin im Haus, 
Die gleiten von Stufen 
Und plumpen in Kufen 
Die fallen 
Mit Schallen, 
Die lärmen und fchreien 
Und vermaledeien! 
Sie jpringt herunter auf den Schall 
Mit Licht! huſch, huſch, huſch, huſch! verſchwinden all. 


O weh! nun ſind ſie alle fort 
Und keines ift mehr hier am Ort! 
Dean fan nicht mehr, wie jonjten ruhn, 
Man muß nun Alles jelber thun! 
Ein jeder muß fein 
Selbſt fleißig fein 
Und fragen und jchaben 
Und rennen und traben 
Und jchniegeln 
Und bügeln 
Und flopfen und baden 
Und kochen und baden 
’ Ach, dak ed noch wie damals wär! 
Doch fommt die jchöne Zeit nidyt wieder her. 


2. Der Seylitein. 


Etlihe Stunden von dent jeßt preußiichen ehemaligen Salinen- 
ſtädtchen Orb entfernt, liegt das Dorf Lettgenbrunn und 
zwiſchen diefem und dem Dorfe Villbach eine teile Bergfuppe von 
Bajalt, der Beylitein genannt. Auf dieſem Berge ftand früher 


97 
eine jteile Bergkfruppe von Bajalt, dev Beylftein genannt. Auf 
diejem Berge jtand früher eine Burg. Wer fie gebaut hat, weiß 
man nicht, fie muß aber ftattlih gewejen fein, denn es hatten 
mehrere Herren Antheil an derjelben, namentlih auch die Erzbi- 
Ihöfe von Mainz. 

In der Mitte des 14ten Jahrhunderts war der Antheil des 
Erzbisthums Mainz an Hans Bylftein,*) an Die von Tungende, 
(Thüngen) Friedrih Forftmeifter und Andere verpfände. Wann 


und von wem die Burg Beylitein zeritört wurde, ift ebenfalls uns 
bekannt. 


Seit vielen Jahren bezeichnen nur kaum erkennbare, mit Ginſter 
überwucherte Mauerreſte und Trümmer ihre Stätte. Die Volks— 
ſage ließ große Schätze im Beylſtein verborgen ſein; die Habſucht 
verleitete daher Viele, nach Schätzen zu wühlen. Sie fanden aber 
nichts als Pfeilſpitzen, Waffenſtücke und dergleichen Dinge, aber 
kein Gold und Silber. Die Reichthümer, welche man in den Ru— 
inen zu finden glaubte, liegen tiefer, im Innern des Berges, wohin 
keine menſchliche Macht zu dringen vermag und wo ſie von Erd— 
geiſtern bewacht werden, welche ſie aufgehäuft haben. 

Einſt am frühen Morgen ging ein junger Mann von Lettgen— 
brunn nah Villbach. Als er an den Beylſtein kam, ſah er eine 
wunderſchöne Blume. Erfüllt von dem Verlangen, ſie zu beſitzen, 
brach er ſie ab und ging ſeines Weges. Bald kam er an ein 
hohes gewölbtes Thor, welches in das Innere des Beyhlſteins 
führte. Unter dem offenen Thorbogen jtanden drei Jungfrauen 
von überirdiiher Schönheit in jtrahlenden Gewändern, welche dem 
jungen Manne freundlich zuminkten. Obwohl überrajht von der 
wunderbaren Erjcheinung fühlte jih doc der Jüngling unwider— 
jtehlich fortgezogen. Er trat dur das Thor in eine weite hohe 
Halle, und folgte den Jungfrauen durch eine lange Reihe geräum- 


*) Nahfommen derer von Beylftein kommen unter dem Namen 
Bildftein in Möndberg, bei Klingenberg vor. Diefelben waren Be: 
fißer der Dammmiefe, mehrerer Eifenhämmer u. dgl. 


Sagenſchatz. 7 





95 


iger Gemächer, welche durch ein unbekanntes Licht prächtig beleuchtet 
waren. Da glänzte und glikerte e3, daß dem Jüngling fait die 
Sinne vergingen. In dem einen Gemache lagen große Haufen 
gediegenen Goldes, im anderen ganze Haufen von Edelfteinen in 
allen Farben des Regenbogens. Anfangs hatte in der Seele des 
Sünglings nur die Bewunderung der nie gejehenen Schäge Raum, 
bald aber trat die Habjuht an ihre Stelle; er warf die Blume 
weg und begann, feine Tajchen mit Gold und Edeljteinen zu füllen. 
Kaum hatte er ſich aber etwas genommen, jo fand er immer noch 
ein Stüd, das ihm jchöner zu jein dünkte und das er nun auch 
mitnehmen mußte. Endlich glaubte er, genug der Schäße zu be— 
figen und jchwer bepadt eilte er dem Ausgange zu. Die drei 
Sungfrauen hatten dem Jüngling bisher in tiefem Schweigen und 
mit betrübten Mienen zugefchaut, er hatte fie gar nicht mehr be- 
achtet. Nun ſprach die Eine: „Bergi das Beſte niht!" Er 
fümmerte fich aber nicht darum und eilte weiter. Da rollte ein 
langer, ſchwerer Donner durch die Hallen, daß die Erde in ihren 
Grundfejten erbebte; die Dede und die Wände wankten und drohten 
dem Einſturz. . Der Jüngling war aber noch weit vom Ausgange 
weg. Immer näher fam ihm die Gefahr, verjchüttet oder erdrückt 
zu werden, denn die Wände rüdten auch gegen einander. 

In der Angft feines Herzens warf er ein Stüd jeines unge- 
heuren Schaßes nad) dem andern von fich und eben hatte er das 
Letzte hinweggeworfen, als fi das Gewölbe mit einem neuen Donner: 
Ihlage ſchloß. Der Jüngling ſchaute fi noch einmal um, allein 
das Geftein des Berges ſah aus, wie gewöhnlich und e3 war vom 
Eingang auch nicht einmal eine Spur zu finden. 

Seit diejer Zeit hat Niemand mehr die Wunderblume gejehen 
und Niemand mehr den Eingang in den Berg gefunden. 

Dieje Volksſage ift reich an bildlihen Momenten. Die Wun- 
derblume ift die Unſchuld unjrer Seele, welche Gott jedem 
Menſchen verleiht. Die geheimnißvolle Burg ift das menjchliche 
Leben, auf dem uns drei himmliſche Jungfrauen begleiten: der 
Glaube, die Hoffnung, die Liebe. Im Leben lernt aber 





99 


der Menich die verichiedenen Genüffe fennen und er eilt vom einen 
zum andern. Da ipriht das Gewiſſen mit lauter Stimme: „Ber: 
gif das Beite nicht! Nur eins ift Noth: Nette deine Seele!” Da 
geht der Menich im fich und verläßt die Stätte feiner Irrthümer 
und Thorheiten. Da rüden ihm die Wände näher, er ſieht die 
Grenze jeines Lebens vor fih: — den Tod. Mit einem leßten 
Donnerihlage ſchließt ich das geheimnifvolle Gewölbe, der Menſch 
tritt vom Schauplaß des Lebens ab hinüber in die Ewigkeit. Auch 
du, freundlicher Lejer! jtehit in diejer geheimnißvollen Burg. Die 
Reize und Genüfje des Lebens jchillern dir entgegen in täufchender 
Pracht. Laſſe dich von ihrem Glanze nicht blenden und: Vergiß 
das Beite nicht! Nette deine Seele! 


3. Die Perlen. 


Vor uralter Zeit waren im nordmweitlichen Theile des Spefjart 
die Edlen von Jazza (Joſſa) rei begütert. Allenthalben lagen 
ihre Schlöjjer, ihre Dörfer und Meierhöfe. Gyjo von Jazza, damals 
das Haupt der Familie, hatte mehrere Söhne, rüjtige Haudegen, 
aber nur eine einzige Tochter, jchön wie eine Roſe, unſchuldig und 
rein, mie eine Lilie, demüthig und bejcheiden, wie ein Veilchen. 
Sie war jo lieblih, daß fie für die rauhen Höhen des Speſſarts 
gar nicht gejchaffen zu jein jchien, und jo zart, daß fie, faum zur 
Sungfrau erblüht, jchon wieder der himmliſchen Heimath zureifte. 
Um jo wärmer liebten jie der Vater und die Brüder und jeder 
Wunſch, den fie ihr an den Augen anjahen, wurde ihr gewährt. 

Mit gleicher Innigkeit liebte die holde Jungfrau ihren Vater 
und ihre Brüder und e3 war ein Familienleben, jo innig und jo 
ſchön, wie es in den rauhen Zeiten des Fauſtrechts nur ganz jelten 
vorkam. 


Die ſtolzen Ahnenſchlöſſer zu Hauſen und auf dem Adlers— 
berg (Alsberg) ſagten der ſtillen Jungfrau nicht zu; ihr liebſter 


7* 


5 dere 


100 


Aufenthalt war die Burg im heimiſchen Wiejenthale der Jazza, 
von welder die Ritterfamilie ihren Namen führte. Hier war fie 
geboren, hier wollte fie leben und hier wollte fie auch fterben. 

Charitas, (fo hieß die holde Jungfrau), liebte es, zu ihren 
weißen Gewändern feinen andern Schmuck zu tragen, als Berlen, 
welche ihr die Mujcheln der Jazza (Joſſa) boten. Man war des— 
wegen eifrig bemüht, ihr die ſchönſten, welche man fand, zu ver: 
ihaffen, und Seder, der ihr eine von reinen Glanze bringen fonnte, 
hatte einen glüdlichen Tag. 

Die Anıme des Fräuleins, melde in einer der zerjtreuten 
Hütten des Dörfleins Jazza wohnte, hatte einen Sohn, Walter mit 
Namen, welcher, gleichen Alter mit Charitas, ihr Jugendgeipiele 
gewejen war. Er dachte nicht daran, in jeiner Armuth und Nie: 
drigfeit jeine Augen zu der edlen Jungfrau zu erheben, aber er 
liebte und verehrte jie, wie eine Heilige, und hätte jein Leben hin— 
gegeben, ihr eine Freude zu bereiten. 

Charitas jiebenzehnter Geburtstag nahte heran. Der Jüng— 
ling wollte ihr zum Angebinde eine Berlenjchnur überreichen, jo 
schön, wie fie noch feine bejejlen hatte. Deshalb fiichte er überall 
nad) Muicheln, welche eine reiche Beute zu geben veripraden. 

Die Joſſa, (jonft Jazza), tft ein mäßig ſtarker Bach, welcher 
janft und kryſtallhell dahin gleitet. Kein Geſträuch umdunkelt ſeine 
Ufer und die Sonne wärmt die Muſcheln, welche in dem reinen 
Sande ſeines Bettes liegen. Um die Burg Jazza war aber ein 
breiter und tiefer Graben gezogen, welchen die Gewäſſer des Baches 
füllten. 

Am Rande des Burggrabens aber fanden ſich die ſchönſten 
Muſcheln; Walter ging ihnen weiter und weiter nah, der Sund 
wich unter jeinen Füßen. Der Jüngling jank in den Burggraben 
und mußte jämmerlich ertrinken. 

Der Tod des Jünglings blieb in der erften Zeit den Fräulein 
verborgen, weil man ſie nicht betrüben wollte. Zwei Tage darnach, 
an einem Sonntage, ging Charitas in die Kirche nach Oberndorf. 
Nah beendigtem Gottesdienjte nahte ſich ein Trauerzug, welcher 


101 


eine Leiche zur ihrer letzten Ruheſtätte begleitete. Charitas jah 
binter dem Sarge ihre Amme wanfen, heiße Thränen vergießend. 
Ahnungsvoll nahte fie fich ihr und fragte fie, wen fie begrüber 
und das Mutterherz fonnte den Sammer nicht in fich verichließen. 
Sie erzählte dem Burdfräulein, wie jehr ihr Sohn im Stillen fie 
geliebt, und daß er für fie in den Tod gegangen fei. Der Gedanke, 
daß ein Menschenleben eines eitlen Schmudes wegen für fie ge— 
opfert worden jei, fuhr ihr wie ein falter Morditahl ins Herz und 
leblos janf Charitas, wie eine gefnickte Blume, in den Schooß ihrer 
Amme. 

Charitas mar ohne Abſchied von ihrem Vater und ihren 
Brüdern in ein bejjeres Jenſeits geſchieden; fie hatte ihnen nicht 
einmal gedankt für die innige Liebe, welche fie ihr jo viele Jahre 
geweiht. Darum 309 es die Seele der früh Vollendeten zu der 
väterlihen Burg und man jah häufig in ftiller Nacht eine weiße 
Geitalt mit freundlihem Antlig durch die Gemächer wandeln. 

Sahrhunderte find inzwiichen vergangen. Das Geſchlecht der 
Ritter von Jazza (Joſſa) ift ausgeitorben; die ftolze Burg zu 
Hanjen, welche jpäter von den Herrn von Hutten, au von den 
Churfürjten von Mainz bewohnt wurde, ift in Trümmer zerfallen. 
Die Burg Joſſa hat ein neues Gebäude erhalten, das nun auch 
alt ijt, und bewahrt nur in dem zugejchütteten Burggraben, in den 
Ringmauern und in dem eingejtürzten Thurme. die Erinnerung an 
längit vergangene Tage. 


X. Rengersbrunn. 


Der deutihe Kaijer Friedrich Barbarofje, der Rothbart, hielt 
mebrere Reichsveriammlungen zu Gelnhaufen. Da er nun jelbit 
ein eifriger Jäger und Freund des Waidwerks war, jo fanden fi 
auch unter den verjammelten Fürjten und Edlen Viele, welche 
gerne der Jagd oblagen; es wurden daher nicht jelten große Jagden 
bis tief in den Spejlart veranftaltet. In einem Nebenthale des 


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Sinngrundes derart verjtedt, daß fie nur ein Jäger auffinden 
fonnte, entjpringt eine reiche Klare Duelle. Dort pflegte der Katjer 
mit jeinen Gäjten zu ruhen und jich mit einem fühlen Trunfe zu 
erfriihen, welcher labender war, als der edelite Wein. Die Quelle 
erhielt daher zum Gedächtniß an die öftere Gegenwart des Königs 
duch eine auch jonjt gebräuchliche Verbindung von lateiniichen und 
deutihen Worten den Namen „Regisborn — Königsbrunnen, 
welcher auf das jpäter erbaute Dörfchen überging und fich allmählig 
in Rengersbrunn ummwandelte. 

Mehrere hundert Jahre ipäter, jo erzählt die Volfsjage, hütete 
in der Nähe von Rengersbrunn ein Schäfer jeine Heerde. Der 
Hund des Schäfers froh in einen nahe jtehenden Haſelnußſtrauch 
und die Schafe warfen jich ringsherum auf die Knie. Der Schäfer 
wollte weiter treiben, aber Hund und Schafe waren nicht fortzu— 
bringen. Er durchſuchte den Strauch genauer und fand ein Bild 
der Muttergottes mit dem Sejukinde auf dei Armen, in Holz ge: 
Ihnißt. Das Bild wurde damals in die einzige Pfarrkirche der 
Umgebung, nah Burgiinn gebradt und da es für den dazu 
auserwählten Platz zu hoch war, und der untere Theil des Bildes 
ohnehin nur aus einem rauh behauenen Kloße bejtand, jchnitt man 
einen Theil davon ab. Am andern Tage aber jtand das Bild 
wieder ganz und unverjehrt am Brunnen. Die Leute von Rengers— 
brunn wollten nun. an dem Brunnen eine ordentliche Kapelle auf: 
führen, ihre Armuth gejtattete ihnen jedoh nur die Aufführung 
eines Gebäudes aus Holz, nämlich aus Balken und Brettern. Anz: 
fangs wallfahrteten blos die Leute aus der nächſten Umgebung zu 
dem Wunderbilde, al3 aber viele Bedrängte dort Trojt und Hülfe 
fanden, famen auch fromme Chriften aus der Ferne, um die Für— 
bitte der heiligen Jungfrau anzuflehen. 

Trogdem, daß reihliche Opfer floffen, dauerte e3 dennoch lange, 
bis der Bau einer Kirche unternommen wurde, wie fie dem Bedürf— 
niß entipradd. Etſt im Jahre 1777 wurde die jeßige, wenn auch 
nur mäßig große Wallfahrtskirche errichtet, wahrjcheinlich durch eine 
Beiſteuer der Grafen von Noftiz, welche damals Herren von Riened 


103 


waren, denn ihr Wappen befindet fich an der Kanzel. Das Gnaden— 
bild jteht über dem Hochaltare. Es ift angemeſſen befleidet, um 
den unvollendeten Theil desjelben zu beveden; im Webrigen blieb 
e3 in dem Zujtande, wie e3 aufgefunden wurde. 

Nur im Gefichte desjelben iſt ein kleiner Brandfleden fichtbar. 
Yın ‚dreißigjährigen Kriege warfen nämlich die Schweden das Bild 
ins Feuer, um es zu vernichten, allein es blieb unverjehrt bis auf 
das Mal, welches es zum Andenken der erlittenen Unbild jeßt 
noch trägt. 

An den Marienfejttagen und am zweiten Bfingitfeiertage iſt 
gegenwärtig noch ein großer Zufammenfluß von Wallfahrern. 

Der Königsbrunnen wurde gefaßt und trägt das Bild des 
Eurfürften Lothar Franz: Das Waſſer fließt in zwei Röhren aus 
der Bruſt eines fteinernen Bildnifjes der heiligen Jungfrau; der 
Brunnen Heißt deshalb jekt der Marienbrunnen und das demjelben 
entjtrömende kryſtallhelle Waller „Liebfrauenmilch“. 





9. Das Kreuz auf dem Sodenderge. 


Die erite Gemahlin des fränkiſchen Kaifers Karl des Großen 
war eine Gräfin von Reineck (Niened). Die Geichichte nennt fie 
nicht mit Namen, jondern bezeichnet fie nur als die „Unbefannte 
aus Franken.” Gie war des großen Kaiſers erjte Liebe, darum 
blieb er auch nad ihrem frühzeitigen Tode ihren Brüdern mit be- 
jonderer Gunſt zugethan, verlieh ihnen weitläufige Befigungen im 
Speſſart und anderen deutichen Gauen und erbaute ihnen auf einem 
jteilen Hügel, an den romantijchen Ufern der Sinn, ein ftattliches, 
überaus feſtes Schloß, welches zuerjt Reineck genannt wurde, in 
der Folge aber, gleich den Grafen den Namen Rieneck annahm. 

Die Burg iſt zwar verfallen, mit Staunen erblidt man aber 
noch die Trümmer eines Thurmes, deſſen Mauern eine Dicke von 
etwa 3 Meter Haben. So gelangten die Grafen von Niened fchon 
in einer Zeit, wo viele der jpät berühmt gewordenen Gejchlechter 





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faum genannt wurden, zu großer Macht und hohem Anjehen. Sic 
vergaßen der Schwägerihaft des mächtigen Kaiſers niemals und 
jahen mit Stolz auf andere Edle, denen das Schickſal ein bejchei: 
deneres Loos zugewiejen hatte. 

Diejen Stolz theilte indejfen der junge Graf Gerhard von 
Rieneck nit. Er war ein tapferer und vritterlicher Kämpfer, der 
ſowohl im KRampfipiele 'als auch im erniten Streite eine Lanze zu 
brechen vermochte. Wenn er aber den eifengepanzerten Bruftharnifch 
abgejchnallt hatte, war er nur der anfpruchslofe, freundliche und 
liebenswürdige Züngling, welcher überall, wohin er nur fam, in 
den Hütten der Hirten und Köhler, wie in den Burgen der benad): 
barten Edelleute gleich gerne gejehen wurde. Und wollte er ein 
freundliches Geficht jehen, jo mußte er herabfteigen aus dem Schlofje 
der ftolzen Ahnen, denn dort herrjchte der Ernjt und die abgemefjene 
Sitte und nur jelten verirrte fih dorthin ein Gaft, weil er zwar 
eine reihe Bewirthung aber feinen berzlihen Willkomm fand. 

Eine Kleine Strede oberholb Riened, da wo die Aura fi in 
die Sinn ergießt, liegt Burgfinn. Die Edlen von Synna hatten 
dajelbit im 9. Jahrhundert jchon eine Burg erbaut. Im Jahre 
1001, dl3 das Gejchleht der Edlen von Synna ausgejtorben war, 
erwarb fie der Ritter Hildof von Thüngen. Sein Geſchlecht war 
alt und ruhmvoll, wie das bejte im ganzen Frankenlande. Dennoch 
hielten ich die Grafen von Niened beijer und die Herren von Thüngen 
mieden daher in gerechtem Unwillen die Grafen von Rieneck, jo 
daß beide Familien ganz außer Verkehr blieben. Nur Gerhard 
bejuchte von Zeit zu Zeit Burgfinn und ward freundlich von dem 
biederen Burgherrn, noch freundlicher aber von feiner hübſchen und 
liebenswürdigen Tochter Gifela aufgenommen. Gerhard bewarb 
fih bald um die Hand der jchönen Gijela und ihre vereinten Bitten 
bewogen den alten TIhüngen, daß er, obwohl höchſt ungern, dem 
Bunde jeinen Segen gab. 

Bei feinem eigenen Vater fand Gerhard fein jo freundliches 
Gehör. AS er ihn um feine Einwilligung bat, erklärte ihm ber 
ftreiige Mann, daß er niemals die Vermählung jeines Sohnes mit 





105 


einer nicht ebenbürtigen Jungfrau zugeben werde; Gerhard folle, 
wenn er nicht den Zorn feines Vaters auf fich laden wolle, nie 
mehr ein Wort davon fprechen. Gerhard Fannte feinen Vater zu 
gut, al3 daß er hoffen durfte, er werde je anderen Sinnes werden. 
Mit tiefbetrübtem gebrochenem Herzen mußte er feiner Braut und 
ihrem Bater mittheilen, welchen ungünstigen Erfolg jeine Bitte bei 
jeinem Bater gehabt habe. Der alte Tüngen gehörte einem Ge: 
ihlehte an, das vom Volk der Gegend nicht mit Unrecht „pie 
Wilden” genannt wurden. Er entbrannte ob der ihm angethanen 
Unbild im heftigften Zorn gegen alle Rieneder und verbat ſich ſo— 
gar Gerhards ferneren Umgang mit jeiner Tochter Gijela und — 
die Lieben jchieden von einander fürd ganze Leben. 

Der Kilianftein auf dem Sodenberg bei Hammelburg csehörte 
damals den Herren von Thüngen und war inhaltlih eines alten 
Weisthums „Aller deren von Thüngen, So leben vndt geboren 
werdten, Gahn-Erben-Hauß.“ Dorthin führte der alte Thüngen 
feine Tochter Gijela, damit jie außer Verbindung mit dem jungen 
Nieneder bleibe. Gerhard nahm daher das Kreuz, ging als Kreuz: 
ritter nach Paläftina und nach Jahren verbreitete ſich die Kunde, 
daß er bei Erftürmung einer Veſte unter den Erjten die Mauern 
eritiegen und dort ruhmvoll gefallen fei. Gijela ließ zum Andenken 
an ihn unter den alten Buchen des Sodenbergs ein fteinernes Kreuz 
errichten und flehte bier um die Vereinigung mit dem ihr im Tode 
Porausgegangenen, welche Bitte ihr auch nur zu bald gewährt wurde. 
Der Kummer brach ihr das Herz. Das Kreuz, welches im Jahre 
1515 von Philipp von Thüngen reftaurirt wurde, fteht wohl heute 
noh und ift unter dem Namen „des heiligen Kreuzes" ein Gegen: 
ftand bejonderer Verehrung und die Zuflucht zahlrehher Wallfahrer 
aus nah und fern. Auch das Schloß zu Burgſinn hat ſich in ſeiner 
alterthümlichen Form erhalten und wird, wenn auch zum Theil 
verfallen, noch bewohnt. 

Außerdem hat Burgſinn noch zwei Schlöſſer, das neue 
Schloß, erbaut 1620 von Konrad von Thüngen, dem „Wütherich“, 
und das Frohnhofer Schlößchen, das ſeinen Namen von 


® 


106 


einer ausgeitorbenen, zu Burgſinn begütert geweienen Familie dieſes 
Namens trägt und ein Zeugniß gibt, daß die, „die Wilden“ ge 
nannten Herrn von Thüngen im häuslichen Leben auch recht zart: 
jfinnig fein Fonnten. Das Schlößchen trägt nämlich über einen 
Eingang die Inſchrift: 


166% 

Mit Gottes Hülfe zu feiner Ehr 

Hat Herr edel und veſt Werner 

Bon Thüngen Regent zu Burkiinn 

Seiner ehelihen Hausfram Philipin 

Agatha von Thüngen geborn von Stein 

Ihr und ihren Erben allein 

Dies Haus von Grund gebawet nem 

Zum Zeugnis ihrer lieb und Trew 

Ihr erblich gebn und thun jchenfen. 

Gott geb ihr mwiderum dagegen 

An Leib und Seel Glüd Heil und Segen 

Das jtolze Grafengejhleht der Herren von Thüngen iſt nad) 

einer glänzenden und ruhmwollen Bergangenheit dahin. Die Burgen 
derjelben Liegen in Schutt, und die Trümmer derjelben geben ver 
Nachwelt Kunde von der untergegangenen Macht und Größe ihres 
Hauſes. 


VI. Das hal der Tohr. 
l. Die Seiligkreuzkapelle bei Frammersbach. 


Wenn man von Frammersbah nah Wiesthal gehen will, 
führt der Weg über einen hohen Berg, auf welchen die Heiligkreuz- 
fapelle jteht, wohin alljährlich mehrere Prozeſſionen wallfahrten. 
Bor vielen hundert Jahren hütete dort ein Hirtenfnabe jeine Schaf: 
heerde. Er jpielte vor langer Weile im Sande und fand bei diejer 
Gelegenheit ein Kleines Kreuz, welches er mit fih nah Hauſe nahm. 


— 107 


Am andern Tage aber war es verſchwunden. Als der Junge einige 
Zeit darauf wieder mit ſeiner Heerde auf den Berg kam, fand er 
das Kreuzchen wieder im Sande und nahm es zum zweitenmale 
mit, allein! es kam ihm wieder abhanden. Die Sache wurde unter 
den Leuten bekannt und man beſchloß, ein kleines Kapellchen zur 
Verehrung des hlg. Kreuzes auf der Stelle des Berges zu erbauen, 
wo das Kreuzchen immer wieder gefunden wurde. Dieſes geſchah 
auch, allein die Zahl der frommen Verehrer des hlg. Kreuzes ver— 
mehrte ſich bald ſo ſehr, daß man eine größere Kapelle daſelhſt 
erbaute und zu Ehren des hlg. Kreuzes einweihte. Vor der Kapelle 
ſtand ein Opferſtock und die freiwilligen Gaben der frommen Ver— 
ehrer floßen ſo reichlich, daß die Kapelle zu einem anſehnlichen 
Vermögen gelangte und ihr die Mittel zu einer nochmaligen Er— 
weiterung gewährt wurden. Dieje jcheint im Jahre 1484 vorges 
nommen worden zu jein; denn eine zugemauerte Thüre, welche 
früher den Eingang in die Kapelle bildete, trägt die obige Jahrzahl. 

Die heilige Kreuzfapelle ift älteren Uriprungs, als die Pfarr: 
eien von Wiesthal und Frammersbadh. Sie war eine der ältejtei 
Kirhen im Speſſart weit und breit, und alle 14 Tage wurde ab- 
wechielnd durch den Pfarrer von Lohrhaupten und durch einen 
Stiftsgeiſtlichen von Ajchaffenburg Gottesdienſt dajelbit gehalten, 
dem die zerjtreuten Katholiken‘ des Spejjarts eifrig beimohnten. 
Gegenwärtig findet noch Gottesdienſt ftatt am Feſte Kreuzerfindung, 
an welchem Tage die Pfarreien Frammersbach, Wiesthal und Wiejen 
dahin wallfahrten, dann am Feite Kreuzerhöhung, wo nur die Pro: - 
zeiltonen von Frammersbach und Wiesthal fommen, dann no an 
einigen anderen Tageıt. 

Möchte diefe Kapelle noch viele taufend Jahre bejtehen als 
ein jprechendes Zeugniß von dem frommen Sinne der alten biederen 
Spejjartbemohner! Möchte aber auch dieje heilige Stätte nie und 
nimmermehr entweiht werden durch Ausbrüche des Zorns und der 
Rohheit, durch Fluch: und Läfterworte, durch die Lafter der Trunk— 
luht, der Unlauterfeit u. dgl. mehr. Wer den Ort nicht heilig 
halten will, der bleibe bei Prozeſſionen lieber zu Hauje! 


103 


2. Die Rupfermühle bei Frammersbad. 


Dberhalb Frammersbah, und zwar in dem Thale, welches 
gegen Zohrhaupten hinauf zieht, lag vor vielen Jahren ein Kupfer: 
hanımer. Der Befißer, ein vermögender und reiher Mann, war 
Wittwer und hatte nur einen einzigen Sohn, und diejer war wohl“ 
gebildet und Hoffnungsvol und des Vaters einzige und größte 
Freude. Nur den einzigen Fehler hatte er an ſich, daß er Lieber 
dem Waidwerk, der Jagd nachging, als dem väterlichen Gejchäfte 
und das hatte dem redlich gejinnten Vater jchon entjeglichen Kummer 
bereitet. Nicht nur, daß durch das Jagen das Gejchäft des Vaters 
litt, fondern derjelbe befürchtete noch ein anderes Unglüd, und, wie 
wir jehen, nicht ohne Grund. Die reich begüterten Grafen von 
Niened, welche auf der nahen Burg Partenftein jaßen, waren feine 
Herren, die lange mit fih jpaßen liefen. Die Jagd und das 
Waidwerk, das Umberftreifen in den prachtvollen Speflartforjten 
waren aber dem jungen Manne jo jehr zur Leidenjchaft geworden, 
daß die Abmahnungen des Vaters feine andere Folge hatten, als 
dieje, daß der Sohn nun heimlich trieb, was er früher öffentlih 
gethan hatte. 

Einjt war der junge Mann wieder im Forjte auf dem Wildern. 
Da eilte ein jtarker Hirich, ein Zmwölfender, deren es jet noch im 
Spejjart viele giebt, an ihm vorüber. Ein mohlgezielter Schuh 
von der Armbruft des geübten Schüten ftredte ihn todt darnieder. 
Als er fih aber niederfniete, um das Wild auszumweiden, fam auf 
ſchaumbedecktem Pferde ein Neiter gejprengt, welcher auf der Ber: 
fulgung des Hirjches begriffen war. Er jprang vom Pferde und 
ftellte den jungen Kupfermüller mit rauhen und barſchen Worten 
wegen Verlegung des Jagdrechts zu Rede. Doch der junge Kupfer: 
müller blieb ihm feine Antwort jchuldig, und in der Hiße des 
Streites ſchlug der Neiter nah dem Schützen. Ergrimmt ſtieß 
diejer mit dem langen Waidmeſſer nach ihm und er janf entjeelt 
zu Boden. 

Der Erjtohene war ein Sohn des Grafen von Niened zu 


109 


PBartenitein, und al3 diejer Kenntniß erhielt, von dem, was ge— 
ihehen war, ließ er durch feine Knappen und Reifigen die Kupfer: 
mühle umjftellen, den Sohn herausholen und in Beilein des Vaters 
vor der Mühle aufhängen. 

Der Vater entjegte und grämte ſich ſo ſehr, daß er Hab und 
Gut verließ und nicht weiter mehr geſehen wurde. Won dieſer 
Zeit an war es, wie die Volfsjage berichtet, in und bei der Mühle 
nieht mehr geheuer; e3 mochte Niemand mehr darin bleiben, fie 
verfiel und lag viele Jahre in Trümmern. Erjt nach langer Zeit 
erwarb ein Fremder das Land und errichtete einen Eiſenhammer, 
der noch befteht. i 

Der Sohn des Kupfermüllers ift im Speſſart nicht der einzige 
Wilderer geblieben und im dunkeln Forjt hört man manches mal 
eine Büchſe Inallen, mit welcher ein verbrecherijcher Wilddieb die 
Kugel nad) dem verbotenen Wilde jendet. Doch die „Grünen“ 
iind eifrig hinter ihnen her und viele Wilderer, welche der wohl— 
gemeinten Warnung ihrer Frauen nicht hören wollten, müfjen im 
Zuchthaus jahrelang für ihre Leidenjchaft büßen, während zu Haufe 
das Vermögen zum Kukuk gebt. 

Bei dieler Gelegenheit jol eines Gaunerſtückchens gedacht wer: 
den, welches Wilderer zu W. verübten. Sie hatten nämlich einen 
Sirich erlegt und das war den „Grünen“ verrathen worden, Ein 
Theil von ihnen umftellten das Haus, in welchem er aufbewahrt 
wurde, während Audere die Hausjuhung vornahmen. Dabei famen 
jie auch) in die Nebenfammer, wo jcheinbar auf den Stroh eine 
Leihe lag. Sie war mit einem Betttuche zugedeckt, ein Licht brannte 
daneben und die Geſchwiſter umftanden laut weinend und wehtlagend 
den Berjtorbenen. Theilnahmsvoll fragten die Jäger: „Was fehlt 
euch? Warum weint ihr jo bitterlih?" „Ah“ — antmworteten jie 
— „warum jollten wir nicht weinen, unjer Bruder ijt gejtorben 
und liegt auf dem Stroh.” „Wir dürfen ihn dod wohl auch ein- 
mal ſehen?“ fragten die Jäger; alle.n die Gejchwifter baten, man 
nöge doch dem Verjtorbenen jeine Ruhe lafjen, überdieß jei er io 
ſehr entjtellt und ſchrecklich anzuſehen. Doc die Grünen ließen 


fih, wie man im Sprichwort jagt, fein X für ein U vormachen; 
troß aller Widerjekung jeitens der Gejchwifter zogen jie das Leichen— 
tuh weg und unter demjelben lag ein prachtvoller Hirſch, welchen 
das Gemweih bereit3 abgenommen worden war und, welcher in der 
andern Naht nad Ajchaffenburg verbracht werden ſollte. Die 
Wilderer ereilte die wohlverdiente Strafe im Zuchthaus. — Speſ— 
jarter und alle Leute! bleibt bei eurem redlichen Erwerb und laßt 
das Schlingenftellen und Wildern fein! Es nimmt über furz oder 
lang fein gutes, wohl aber ein jchlimmes Ende! 


110 


3. Dus Dunkel. 


ı Menn man von Lohr nad Nechtenbah geht, Führt der Weg 
recht3 der Straße an eine Stelle, welche „das Dunkel” beißt. Tie 
Bolksiage erzählt hierüber folgendes: Im Dunkel find böje Geiſter 
verijhworen. Wenn man da binfommt und man weiß den Meg 
nicht recht, jo wird man von den böjen Geiftern in das Steingeröll ' 
bineingeführt, daß man nicht mehr heraus kommt. 

In diejes Dunkel ift auch der alte Hirichenwirth von Lohr 
verſchworen. Der hat die Leute überliftet und betrogen, wo er nur 
gefönnt hat. Als er gejtorben war und begraben werden jollte und 
der Sarg jhon im Hausgang ſtand, jagte leije ein Mann: „Nun, 
jest habt ihr einmal diejen böjen Mann!” Der alte Hirſchenwirth 
aber hat oben zu einem Dachfenſter herausgeihaut, eine weiße 
Zipfelfappe aufgehabt und gerufen: „Nein, ihr habt ihn noch nicht!“ 

Da es aber im Hauje nicht geheuer war und der alte Hirſchen— 
wirth fich bald auf diejem bald auf jenem Hausgange, bald Hinter 
dem Mehlfaften, bald an einem andern Drte des Hauſes ſehen 
ließ, jo ließen jeine Hinterblichenen einen Mann kommen, welher 
ihn in einen Waflerfrug bannte und Nachts in einem Sade hinaus ; 
in das Dunkel trug, wo er ihn auf einen großen Stein ftellte. 

Allein auch hier wurde der alte Hirichenwirth geiehen und 
eine3. Tages Fam eine Frau von der Glashütte (von Rechtenbad;) | 


5 


111 


in den Hirſchen und fragte: „Warum holt ihr denn euer Herrle 
(euern Großvater) nicht? Drauß im Dunkel ſitzt er auf einem 
großen Stein und iſt ganz erfroren.“ Wie ſo viele andern Volks— 
ſagen hat auch dieſe den Zweck, vor Ungerechtigkeiten aller 
Art zu warnen und an die Strafen hiefür im Jenſeits zu erinnern. 


= 


4, Der Bunnkeller. 


Unweit vom alten Schloß, dem Landgeriht und Forftamt in 
Lohr, ftehen mehrere Scheunen, unter denen der jogenannte Banns 
feller fich befindet. Die Volksſage erzählt von demielben, daß 
fih namentlih in der Adventszeit ein geijterhaftes Hämmern und 
Klöpfen in diefem Keller vernehmen ließe und Groß und Klein 
geht dann, nicht ohne das Gefühl der Furcht oder Zaghaftigfeit zu 
empfinden, an diejem Keller vorüber. Ein Küfer joll nämlich einft, 
während der heiligen Chriftnaht, während die übrigen Leute in 
der Ehrijtmette verjammelt waren, in diejem Keller die heilige Nacht 
entweiht haben. Zur Strafe hiefür müſſe er während der Advents- 
zeit im jogenannten Bannkeller wandern, daher das geifterhafte 
nächtliche Klopfen in der Adventszeit. 


9. Der Beisfup. 

Unterhalb Gemünden am rechten Ufer des Mainftroms liegt 
in einer langgejtredten Häujerreihe da8 Dorf Langenprozelten. Bor 
vielen Jahren hörte einmal ein Fiicher von Langenprozelten auf 
der gegenüberliegenden Hofftettener Seite rufen: „Fährer, hol’ 
über!" Es war eine fürchterlihe Winternacht; dichte Finfterniß 
und ein heftiges Schneegeftöber ließen faum die Hand vor den 
Augen erbliden und der Sturm heulte mit einer Wuth, daß man 
faft jein eigenes Wort nicht hörte. Der Fiſcher hatte Mitleid mit 
dem Armen, welcher bei einem joldhen Unwetter auf die Heberfahrt 


112 


barrte, er bereitete fich daher vor, den Nufer abzuholen. Er war 
noch nicht mit feinem Kahne am Linfen Ufer gelandet, da jprang 
ein kräftiger großer Mann, in einen fchwarzen Mantel gehüllt, zu 
ihm hinein und der Nahen ſank augenblidlih jo tief ins Waſſer, 
daß faum ein fingerbreiter Rand an demfelben übrig blieb. Den 
Schiffer überlief es eisfalt, um jo mehr, als der geheimnißvolle 
Fremde auch nicht ein einziges Wort vernehmen ließ. Er ruderte 
aus Leibesfräften, um den unheimlihen Gaft ans Land zu Teen 
und diejer jprang auch, fobald er an das rechte Mainufer Tam, 
hinaus, und eilte ohne Dank und Lohn davon. Der Schiffer war 
nur froh, daß der unheimliche Mann fort war und verzichtete gern 
auf den Fährerlohn,; am anderen Morgen ‘aber betrachtete er ſich 
die Stelle, wo der Mann ans Ufer geiprungen, und fand im harten 
Gejtein einen Geisfuß tief eingedrückt. " 

Es wird vielleiht noch lange Zeit währen, biß der Glaube 
an Teufelsipuf und die Macht des Teufel3 über die Menjchen unter 
denjelben verihmwinden wird. Möchten doh alle Menſchen den | 
Dämonen der Leidenjhaften-den Eingang in ihr Herz ver— 
jchließen, dann würden fie den Himmel in ihrem Herzen jtet3 be— 
wahren. 


Das Chal der Hafenlopr. 
l. Die Bertraudenquelle. 


« Die Verbreitung des Chriſtenthums in den fränfiihen Gauen 
verdanken dieje dem heiligen Bonifazius, welcher in der eriten 
Hälfte des achten Jahrhunderts den heiligen Burfadus aus Eng— 
land nach Deutichland berief, um ihm bei der Ausbreitung des 
Ehriſtenthums Hülfe zu leilten. Der heilige Burfadus folgte willig 
diejen Rufe und Fam in die Gegend von Neuftadt, wo der damalige 
fränfijche Major domus Garl Martell ihm und jeinen Gefährten 
ein, den fränkijchen Königen gehöriges Jagdſchloß zur Wohnung 


113 


einräumte. Es hieß Rohrlaha und lag auf dem Hügel bei Neus 
ftadt, wo jeßt die, dem heiligen Michael gemweihte Kirche ing Main= 
thal herniederſchaut. Der heilige Burfadus errichtete Hier die erite 
Schule in Franken, lehrte hier und in der Umgegend das Chriften- 
tum und der Ruf feiner Gelehrjamkeit und Frömmigkeit verbreitete 
ih weit umher. Zur damaligen Zeit wohnte die heilige Gertrude, 
eine Schweiter Carl Martells auf der Karlburg, dem jehigen 
Städtchen Karljtadt gegenüber. Sie hatte wahrgenommen daß den 
frommen Männern zu Rohrlaha ein Gebäude zur Abhaltung des 
Gottesdienftes — eine Kapelle, fehle. Sie lie deshalb die Kirche 
bauen, deren Weberrefte jett noch neben dem alten Pfarrhaus zu 
Neuftadt am Main fichtbar fein jollen. Die Heilige Gertraud in— 
terejjirte fich jehr für den rajchen Fortichritt des Gebäudes und 
fam häufig mit einer Magd, welche Brod, Wein und jonftige Er: 
friſchungen trug, nah Rohrlaha. Sie ging ſtets über das Gebirg 
zu Fuß. Einft an einem heißen Sommertage fam "fie mit ihrer 
Magd wieder des Wegs. Die Sonnenftrahlen fielen verjengend 
hernieder und fein Lüftchen fühlte die Gluth. Die heilige Gertraud 
glaubte verſchmachten zu müfjen und etwa in der Mitte des Weges 
zwiihen Waldzell und Erlach konnte fie vor Müdigkeit nicht weiter. 
Sie flehte zu Gott um Stärkung und fie fam an eine Duelle, wo 
fie fih auf einem großen Steine niederließ. Mit neuer Kraft ges 
ſtärkt konnte fie von hier aus ihren Weg wieder weiter fortjegen. 
Die Quelle bejteht heute noch und führt den Namen „Getrauden- 
Brünnlein” oder „Gertraudenquelle” und ihr Waffer hat Manche, 
welcher fih im Vertrauen auf die Hülfe des Herrn und die Fürs 
bitte der hlg. Gertrudis damit wuſch, ein körperliches Uebel hin- 
weggenommen. Neben der Duelle fteht die Gertraudenfapelle Auf 
dem großen Steine neben der Duelle follen aber die Spuren zu 
ſehen jein, welche die hlg. Gertrude bei ihren öfteren Wanderungen 
auf demjelben Hinterließ. 

Die Volksſage erzählt ferner, daß fih ein Mann aus der Ge- 
gend über den frommen Glauben der Leute geärgert und ſich des— 
halb vorgenommen habe, die Spuren der hlg. Gertrude zu vertilgen. 

Sagenſchatz. 8 


Mit einer ſchweren Haue verjehen, begab er fih an die Duelle 
Als er aber die Haue zum vernichtenden Schlage erhob, entfuhr fie 
feinen Händen, eine Windsbraut tofte daher und warf den Frechen 
Frevler mit einer foldhen Gewalt zu Boden, daß er gelähmt und 
betäubt big zum Morgen liegen blieb. Hiedurch befehrt, joll der 
Mann Später ein reuiges Leben geführt haben. 

Die heilige Gertrud ftarb in dem Klofter, welches fich damals 
zu Karlburg befand. Karl der Große jtiftete jpäter die berühmte 
Benediktinerabtei Neuftadt, aus welcher mehrere Biſchöfe Würzburgs 
hervorgingen und welche bejtand bis zum Jahre 1803. Die ur: 
ſprüngliche ehemalige Kloſterkirche wurde als Pfarrkirche benützt, 
bis ſie von einem Blitzſtrahl getroffen und eingeäſchert wurde. Die 
erlauchte Frau Fürſtin von Löwenſtein hat die Pfarrkirche wieder 
neu aufbauen laſſen. Der Mantel der hlg. Gertrudis ſoll als 
Reliquie ins Kloſter Neuſtadt gekommen ſein. Viele Frauen, welche 
ſich vertrauensvoll mit demſelben bekleidet hätten, wären mit dem 
erflehten Kinderſegen beglückt worden. Derſelbe, von weißem Atlas 
verfertigt, ſoll noch zu Neuſtadt aufbewahrt werden. Ein aus dem— 
ſelben geſchnittenes Stück ſoll der Kaiſerin Maria Thereſia geſchenkt 
und geſendet worden ſein. 

In Neuſtadt ſoll, wie die Volksſage berichtet, auch die Feld— 
binde Kaiſer Karl des Großen, aus gelber Seide gewebt, aufbewahrt 
jein. Der jchwarze Reichsadler mit.rothen Krallen fol in derjelben 
eingeftict jein. Andere vorhandene Reliquien jollen im 30jährigen 
Kriege von den Schweden geplündert oder graubt worden jein. 

Neuftadt am Main aber bleibt für Jeden Katholifen Frankens 
und Deutihlands einer der ehrwürdigiten Drte, denn von hier aus 
verbreitete fich nicht nur das Licht des ChriftenthHums, jondern auf) 
Bildung und Civilifation über unjre lieben fränkiſchen Gauen. 

Mer ſich aber für die Geichichte'und Vergangenheit des Klofters 
Neustadt lebhafter interejfirt, den verweife ich auf die Gejchichte 
defjelben von Herrn Pfarrer Link in Neuftadt. 





114 


Kaiſer Karls Gericht. 


Die Vollsjage erzählt von Kaiſer Karl dem Großen, daß der: 
jelbe getrennt von feiner Gemahlin gelebt habe und daß feine 
Tochter Gertrudis, ebenfalls von ihm verftoßen, ihrer Mutter frei: 
willig in die Verbannung gefolgt ſei, ihr ganzes Leben der Gott: 
feligfeit und Kindespflicht zu widmen. 

Schon Seit langer Zeit war Gertrudis bemüht, den erzürnten 
Bater mit der Mutter zu verjöhnen, doch all ihr Streben war ver: 
geblih, nicht einmal eine perſönliche Zuſammenkunft der Eltern 
fonnte fie erwirfen. So lebten beide jtil und zurüdgezogen auf 
dem Homburger Schloß, auf dem ein Oheim Schirmherr war. Da 
erhielt die trauernde Tochter vom Oheim die erfreuliche Kunde, daß 
der kaiſerliche Vater zur Bejichtigung der neuen Schloßwerfe auf 
der Karlburg angefommen jei und am nächſten Tag nach Homburg 
reiten werde. Schnell war ihr Entſchluß gefaßt, zur Verſöhnung 
der beiden Eltern das Aeßerſte zu wagen. Sie begab ſich mit ihrer 
Mutter an den Weg, auf welchem Kaiſer Karl der Große von 
Karlburg nah Homburg kommen mußte, und dort warteten die 
beiden Frauen, hinter einer großen Eiche verftedt, die Ankunft des 
Kaiſers ab. Sie harrten nicht lange. Mit einigen Edelleuten jeines 
Gefolges ſich beiprechend, wollte eben der Kaiſer an der Eiche vor: 
überreiten, als plöglich die verjtoßene Gemahlin und Gertrudis fich 
vor ihm auf die Knie warfen. Erregt und erzürnt im hohen Grade 
wollte er jhon, von der erkannten Kaijerin ſich abmwendend, fein 
Pferd auf die Seite lenken, da jprang Gertrudis auf und fiel dem 
Roſſe des Vaters in die Zügel, um mit eifrigen Worten der Mutter 
Unſchuld und Leiden zu jchildern und von dem Kaijer, dem Schüßer 
des Rechts und der Gerechtigkeit, für die ſchuldlos Verftoßene das 
ihr gebührende Recht zu fordern. Strengen Ernft im Antlige, aber 
Baterliebe für die treue und muthige Tochter im Auge, beftimmte 
Kaijer Karl mit wenigen Worten, daß ein Gericht abgehalten wer— 
ben jolle, und zwar an einem fejtgejegten QTage unter der Eiche, 
wo jie fich befanden. Kaiſer Karl ritt hierauf nach Homburg, 

8* 


116 


Gertrudis und ihre Mutter aber begaben ſich in das Klofter Neuftabt. 
Der vom Kaijer feſtgeſetzte Gerichtstag erihien. Die Gerichtsſchöffen, 
aus den Edeljiten des Landes genommen, verjammelten fi, der 
Kaijer jelbjt hatte fich ala Kläger auf der Malftätte eingefunden 
und vor die Schranken trat ald Angeklagte die gebeugte Kaiferin, 
begleitet und gejtüßt von ihrer Tochter Gertrudis, welche der be— 
ängftigten Mutter Fürſprache führte. Nach althergebrachtem Weis- 
thum ſprachen die Gerichtsſchöffen endlih das Recht und erfannten 
die Kaijerin für unjchuldig. Der Kaijer, hocherfreut über ihre Un— 
ſchuld, vereinigte fich nach jahrelanger Trennung wieder mit ihr 
und verordnete, daß auf dieier Stätte Fünftighin das Gericht des 
Landes jollte gehalten werden. 

Kaijer Karl führte jeine Gemahlin heim nach der Karlburg, 
Gertrudis aber trennte ſich von ihren Eltern und fehrte zurüd nach 
den: Klofter Neuftadt, um in härenem Bußgewande Gott für die, 
an der Mutter bewieſene Gnade zu danken. 

Schon war der Abend eingetreten, als fie Neuftadt gegenüber 
an den Main gelangte. Keine Fähre, (fein Schiff zum Ueberfahren) 
war zu jehen und doch mahnte das Heulen der Wölfe und das 
Brummen der Bären ringsum in den dichten Wäldern zur eiligen 
Heimkehr. In dieſer Noth, vertrauend auf den Schuß und die 
Hülfe des Allmächtigen, unternahm das ſchwache Kaijerfind das 
Wagniß, den Main zu durchichreiten — aber fiehe! die Wellen 
verdichteten fich unter ihren Tritten und trodenen Fußes ging die 
Gottbegnadigte über den Main. Die Spuren ihres Ganges blieben 
zurüd und heutigen Tages jol man durch die gefräufelten hellen 
Wellen des Mainftroms die Fußtritte der Kaiferstochter jehen. 

Unweit Remmlingen, in der Marfung von Greußenheim neben 
dem Fußpfade von Birkenfeld nach Hettjtadt, ift die Stätte, wo 
über die Kaiferin Recht geſprochen und dann Sahrhunderte lang, 
nach des Kaijers eigener Anordnung, Gericht gehalten wurde, bis 
zur heutigen Stunde durch Steine gezeichnet. Sie führt nicht nur 
im Munde des Volles, jondern auch im Flurbudh den Namen: 
„Kailer Karla Gericht.” 





117 


Die Geiſterjagd im Heuftadter Forft. 


Die Klofterheren zu Neuftadt am Main verjahen auch den 
Gottesdienft auf der, eine Stunde unterhalb Neuftadt am rechten 
Mainufer gelegenen Burg Rothenfels. Sie waren bei den 
gaftlichen Amtleuten freundlich aufgenommen und e3 fam manches 
mal der jpäte Abend herbei, bis fie die Burg verließen. Einjt an 
einem Feiertage, nach bereit3 eingetretener Dunkelheit, jchritt ein 
Kloftergeiftliher von Rothenfels am Maine hin gegen Neuftadt. 
Da hörte er aus jener Gegend, wo Würzburg liegt, luftigen Hör: 
nerſchall herüberſchallen, welcher erft jehr entfernt war, dann aber 
immer näber fam. Der Kloftergeiftlice ftand wie feitgebannt und 
laufchte den feltiamen, ungewohnten Klängen. Weber den Main 
herüber fam ein glängender Jagdzug: voraugreitende Jäger mit 
den jchallenden Hörnern, dann Ritter, Hoch zu Roß, die Jagdipeere 
in den Händen, dann Karofjen mit glänzenden Frauen, endlich ein 
großer Troß, Berittene und Unberittene, mit Jagdgeräthen, die bell: 
enden Nüden und Braden an der Leine. Der Zug ſchwebte, ohne 
Land und Strom zu berühren, an dem erfchrodenen Kloftergeiftlichen 
vorüber und verlor fih in dem großen Speflarter Klojterwalde. 
Im darauf folgenden Sahre traf e3 fich, daß der nämliche Klofter- 
geiftlihe an demjelben Feiertage wieder den Gottesdienit auf der 
‚Burg Rothenfels abhielt. Auch diejes mal ging er in der Nacht 
zurüd nad Neuſtadt. Und wieder hörte er den Hörnerklang und 
wieder erjchien der Jagdzug und verlor fi, wie das erfte mal, im 
Neuftadter Klofterwald.: Daheim im Klofter erzählte der Klofter- 
geiftlihe, wa8 er nun jchon zweimal erlebt hatte und hörte, daß 
vor vielen Sahren eine Gejellihaft von Hohen Herren und 
Rittern aus Würzburg acht Tage im Klofter fich aufgehalten hätten, 
um die, Jagdluſt zu genießen, und daß fie jelbit am Feiertage die 
Jagd nicht ausgejegt hätten, weßhalb fie wohl auch nad ihrem 
Tode die Geifterjagd abhalten müßten. 





118 


E3 war nämlich in: früheren Zeiten im Volke der Glaube tief 
gewurzelt, daß dem Tage de3 Herrn eine würdige Feier gebühre, 
und daß diejenigen eine ſtrenge Strafe verdienten, welche ihn ent: 
heiligen. Das ift nun leider in vielen Orten und bei vielen Leuten 
ander8 geworden. Der Tag de3 Herrn wird zu einem Tag der 
Böllerei, der Unzucht und der Ausfchweifungen gemacht und in einer 
Weiſe entheiligt, daß man fragen möchte, warum Gott nicht mit 
feiner jtrafenden Gerechtigkeit einſchreite. Doch auch bei Gott ift 
aufgeichoben nicht aufgehoben. 

Du aber, freundlicher Leer, nimm dir vor, nicht nur jelbft 
den Tag de3 Hertn und die Feiertage nicht zu entheiligen, jondern 
auch andere davon abzuhalten. 


Der Bildstoh bei Kothenfels. 


Am Wege von dem Städtchen Rothenfel3 nach der Burg hin- 
auf fieht man auf einem jteinernen Bildftode die Darftellung einer 
weiblihen Gejtalt, welhe nah einem, vom Himmel kommenden 
Strahl emporſchaut. Der Volksſage nach hat dort vor vielen Jahren 
ein, zum chrijtlichen Glauben befehrtes Judenmädchen gejammert 
und gebetet, daß fie durch ihren Mebertritt alle Reichthümer und 
irdiichen Güter verloren habe. Da ſenkte fich plöglich ein Strahl 
des Himmel auf ihr Haupt und fie vernahm deutlich die Worte: 
„Dafür Haft du nun Gott.” Zur Erinnerung daran fei dieſer 
Stein errichtet worden. 


Möchte doch jeder Menſch erkennen, wie nichtig der Befit großer 
irdiſcher Schäße, wie reich dagegen Jeder ift, der Gott in feinem 
Herzen hat. 








Das Schäcerloc. 


Im Steinmarler Gemeindewald fieht man einen natürlichen 
Schacht, welcher 3 bis 4 Meter ſenkrecht hinabfteigt und fi dann 


119 


feitwärts wendet. Bor dem Schadhte Tiegen, wie riefige Wächter, 
drei große Felsblöde Von dieſem „Schächerloch“ — wie es bie 
Volksſprache nennt, erzählt die Volfsjage folgendes: In der uralten 
Zeit haben die Leute oft gejagt: „Da draußen im Schädherlod da 
ift viel Geld verftekt; wenn wir das hätten, da könnte ſich die 
Gemeinde einen Gemeindewald faufen.” Da jagten die Stein— 
märker: „Nun, das Geld werden wir bald haben.“ Eines Tages 
find fie nun mit ihrem Pfarrer hinausgegangen, um in den Beſitz 
des Geldes zu gelangen, welches in dem Schachte verborgen jein 
follte. Als fie nun an Ort und Stelle famen, bielten fie Rath. 
„Bor Allem müſſen wir eine Wache vor die Deffnung ftellen, da— 
mit wir in unfrer Arbeit nicht geftört werden. Dieje drei jollen 
außen ftehen bleiben und Wache halten, die Anderen aber, dann 
der Schulze und der Pfarrer, gehen in den Shaht und graben das 
Geld oder den Schag heraus. So geihah es aud. Wie nun die 
drei auf der Wache jo da ftanden, famen auf einmal viele Zimmer: 
leute und fingen an, zuerjt Balken zu beichlagen und dann aus 
diejen einen Galgen aufzurichten. Die drei Wächter jahen erftaunt 
zu, getrauten ſich aber nicht, zu fragen, weil fie wußten, daß man 
beim Schaßgraben nichts reden dürfe. Aber auch diejenigen, welche 
‚den Galgen aufbauten, ſprachen fein Wort, bis der Galgen fertig 
war. Sept fragten fie: „Nun, welchen knüpfen wir zuerjt daran 
auf? Den mit dem rothen Wamms!“ — Als das die Wacheiteh- 
enden hörten, daß man fie alle aufhängen wolle, liefen fie voll 
Angft und Schreden nah Haufe und ſchrieen: „D ihr Leute, der 
Schulze, der Pfarrer und die Anderen alle find gehenkt mworden- 
Man bat von allen nicht3 mehr gejehen und gehört.“ 

Bon diefer Zeit an hieß man den Schadt das „Schächerloch.“ 
Auch fliegt von diejer Zeit, wenn man ein Baterunfer betet, aus 
dem Schadt ein Vogel heraus, und fliegt dreimal um einen herum 
und dann wieder hinein. Es ift ein grauer Vogel, hat aber feinen 
Schwanz. Im Schäherloh wohnt aber der Alte, der den Eiwen— 
baum hat. Diejer Alte ift lichtſcheu, wie eine Nachteule, hat feurige 
Augen und jchreit auch, wie eine Nadhteule. Wenn einer einen 


120 


Zweig vom. Eibenbaum befommen fönnte, der hätte die rechte 
Wünſchelruthe, mit welcher man alle Schäte findet. 

‘hr kennt ja das Sprihmort: „Bor dem Eibe fein Zauber 
fann bleibe.” 

Der Glaube an Heren, Gejpenfter, Schatgräberei, Teufelsipuf 
und dergleihen ftamınt aus einer Zeit, wo das Volk in tieffter 
Unmiffenheit und Dummheit darnieder lag. Diefe Zeit der Finſter— 
niß wird dem Lichte einer vernünftigen Bildung und Aufklärung 
des Bolfes weichen. 


Die zwei Geldlöcher zu Steinmark. 


Zu Steinmarf, einem Dörfhen des Landgericht3bezirks 
Stadtprozelten, war einmal ein Doktor, fein ftudirter, jondern ein 
fogenannter Duadjalber, welcher Menſchen und Thiere, eines wie 
das andere furirt hat, alfo ein Doktor Eijenbart. Diefer war nun 
der Meinung, daß die Kräuter, welche er zu jeinen Tränklein ver: 
wendete, fräftiger und beifer wären, wenn er fie an einem boben 
Feiertage ſammle. So ging er denn einmal am erften heiligen 
Diterfeiertage, al3 e3 gerade in Ejjelbah zum Hochamt zufammen: 
läutete, hinaus ins Feld, um Kräuter zu jammeln. Wie er in 
der beften Arbeit ift, jchaut er auf einmal auf, da fteht oben am 
Rain ein Mann in einem langen jhwarzen Rod, und ficht ihm 
eine Meile ganz jtillichweigend zu. Nach einer Weile jagte er zu 
ihm: „Biit du aber ein dummer Kerl, daß du dich mit den Kräu— 
tern da herum plagft und mijerable Tränflein Fochft, mit denen du 
Menſchen und Vieh vergifteft. Wie du die Hand herumdrehft, bift 
du ein reiher Mann. Da unter dem Steingeröll liegt jchweres 
Geld, (ein Schat) vergraben, und heute ift gerade der rechte Tag, 
ihn zu heben. Du darfit nur die Steine mwegleien.“ 

Da denkt der Duadjalber bei fih: „Der Menſch ift aber grob! 
Meil er aber grob ift, muß etwas an jeiner Sache fein.” Und 
nun fing er an, Steine aufzulefen. Er ijt noch nicht tief gelommen, 


121 


da hört er3 Elingeln, juft al3 mwenn es Kronenthaler wären und 
denkt: „Jetzt wird e3 kommen!“ Und er lieft und lieft Steine, 
daß ihm der Schweiß in Strömen von der Stirne rinnt. Und ala 
er müde wurde und aufhören wollte, da Elingelt es wieder, ärger 
al3 zuvor, und er jchafft aufs neue. 

Endlih geht die Sonne hinter den lieben Spefjartbergen unter 
und in Efjelbah läutet e8 Ave Maria. Der Duadjalber hatte ein 
Loch ins Steingeröll hineingeleien, jo tief, daß er nicht mehr dar- 
über hinaus fehen Tonnte, — das Geld aber fam immer noch nicht. 
"Da verliert er die Geduld, er ipringt aus dem Xoch heraus, auf 
den Rain hinauf, und jchaut fih nach dem jchwarzen Mann um, 
der aber ijt fort und nicht weit und nicht nah zu finden. 

Sept dreht fih der Mann um, und ftatt einer Deffnung im 
‚Steingeröll erblidt der Mann deren zwei, eines jo tief, wie das 
andere. Da fommt dem Duadjalber eine Angit an, daß er ji 
nicht zu helfen weiß, denn er dachte, der ſchwarze Mann müfje der 
böje Feind gemejen fein, und er läuft nach Haufe, jo jchnell jeine 
Beine nur laufen können. Dahein erzählt er, was ihm begegnet 
it und wie er das Geld ſchon habe Elingeln hören und daß er den 
Schatz gewiß gefunden hätte, wenn jeine Augen nicht verblendet 
gewejen wären, daß er zwei Löcher gejehen, aber nicht gewußt 
hätte, welches das rechte wäre. 

Da lachte jein Sohn, der einige Jahre in der Stabt gemwejen 
und Latein gelernt hatte, laut auf. Altklug jprah er: „Mir wäre 
das nicht paſſirt, ich hätte in einem Loche jortgegraben und hätte 
ih da drinnen nichts gefunden, jo wäre ich ins andere gejtiegen ; 
in einem muß doch das Geld fein. „Gehe hinaus, jagte der Vater, 
und mache e3 befjer, wenn das Ei gejcheidter jein will, als das 
Hinkel (die Henne). Der Junge geht auch richtig hinaus. Wie 
er aber die zwei Löcher fieht, jo tief, daß man hätte glauben mögen, 
e3 hätten 10 Männer Steine gelejen, da fträubten fich feine Haare, 
daß ihm die Kappe vom Kopfe fiel und er lief noch eiliger nad) 
Hauje, als jein Vater. Die zwei Löcher aber find Heute nod). 
Man fieht fie neben dem Weg, wenn man von Steinmarf nad 





122 


Ejielbah geht. Die Volksſage behauptet, daß man fie nicht aus— 
füllen könne, und jelbft wenn man fie ausfüllen würde, wären fie‘ 
‚am andern Tage wieder leer. 


So alt, wie die Welt, jo alt ift das Verlangen der Menichen, 
ohne Arbeit und Mühe zu Reihthum und Schägen zu gelangen. 
Möchten fie doch des jchönen Spruches eingedenf jein: „Die rechte 
Goldgrub ift der Fleiß, für den, der ihn zu üben weiß.“ 


Die ‚MWetterburg. 


Oberhalb Wertdheim, bei dem Dorfe Bettingen, macht der 
Main eine Krümmung, welche bei dem Dorfe Eichel fait wieder 
zu ihrem Anfangspunft zurüdfehrt und einen länglich jchmalen 
Bergrüden auf drei Seiten umjhließt. Auf diejer waldbewachjenen 
Landzunge des linken Mainufers jieht man einen Freisförmigen 
Graben, inter welchem fi ein alter Erdwall erhebt. Das find 
die legten Refte der Wetterburg, in welcher ein ſtolzes Grafen: 
geſchlecht hauſte. Die Volksſage erzählt von der legten Befigerin, 
fie jei jo geizig gemwejen, daß fie die Armen * Hunden von ihrer 
Burg habe hetzen laſſen. 

Um dem Zudrange von Bettlern für immer zu wehren, wollte 
ſie auch die vierte Seite des Berges mit einem Graben umgeben. 
Vergeblich flehten ihre Dienſtleute ſie an, das Unternehmen aufzu- 
geben. Sie aber zog ihren goldenen Ring vom Finger, warf den: 
jelben grollend in die Fluthen des Mainz und rief: „So wahr 
ich diejen Ring nie wieder jehen werde, jo wahr wird der Graben 
vollendet.” Nach wenigen Tagen wurde ein Fiih auf der Tafel 
aufgetragen, in welchem man den goldenen Ring fand. Defien 
ungeachtet ließ fie von ihrem Vorhaben nicht ab; da fuhr ein Blik 
vom Himmel und flug, wie die Volkzjage erzählt, die Burg mit 
allen ihren Bewohnern tief in die Erde hinab. Ein tiefer Abgrund 


123 


birgt nun das Schloß mit allen feinen Schägen. Schon mander 
Menih Hat fih, von Habgier getrieben, da hinab gelajjien, um 
Gold und Schäte zu finden. Ebenſo that e3 einit ein Schäfer. 
Diejer fam in einen Saal, und jah dort Herren und Damen ftarr 
und bewegungslos beifammen fiten. Da befiel ihn graufiges Ent— 
jegen und er Eletterte wieder aus dem Bergihoße empor; al3 er 
aber ans Tageslicht gelangte, waren fieben volle Jahre verflofien. 
Ein anderer Hirte, welcher ſich ebenfall® hinab wagte, wurde von 
einer holden Dame empfangen, weldhe ihn durch die zahlreichen 
Prunfgemächer des Schlofjes geleitete. Als fie aber das letzte 
Zimmer öffnete, erblidte er nur Todtengebeine, grinjende Schädel 
und Bilder der Verweiung. Auch dieiem waren fieben Jahre ent= 
ihmwunden, bi er wieder ins Freie kam. „Jedes fiebente Jahr er: 
jcheint die Burg in der Tiefe des Main und Goldenjonntagsfinder 
erbliden alsdann auf der Bergeshöhe einen einjamen Felien, an 
welchem ein gewaltiger Eijenring befejtigt ift, und neben demſelben 
eine tiefe Höhle. Aber noch Niemand hat fi in dieje Höhle hinab— 
gewagt. An einem jolchen geheinmißvollen Tage hat einjt ein Küfer 
oder Faßbinder jein breites Mefjer neben den eijernen Ring gelegt; 
da fühlte er einen unmwideritehlihen Drang zum Einſchlafen. Als 
er wieder erwadhte, war mit dem Ring und Feljen auch das Band— 
meſſer verſchwunden. Als er aber genau nah jieben Jahren aber: 
mals hinkam, lag e3 wieder auf derjelben Stelle. 


Dieje Volksſage enthält den, im Herzen des Volkes tief be- 
gründeten Glauben an eine göttlihe Strafgerechtigfeit, welche die: 
jenigen trifft, welche hart und lieblo8 gegen die Armen find, und 
welche nicht ſelten jchon in diejem Leben eintrifft. Lerne daher 
daraus, freundlicher Leſer, liebevoll und theilnehmend gegen die 
Armen zu jein. „Haft du viel, jo gieb viel, Haft du wenig, jo 
theile auch von dem wenigen gerne mit!“ 


ma; 
5 7 
* 


124 


Kreuzwertheim. 


Der hübſchen und freundlichen Stadt Wertheim gegenüber liegt 
am rechten Mainufer der Marktflecken Kreuzwertheim, ehemals auch 
Heiligkreuz-Wertheim genannt. Im Mittelalter wurde der 
Ort von der Peit oder vom jchwarzen Tode jo arg heimgejudt, 
daß er faft ganz entvölfert wurde. Nur acht Bewohner blieben 
übrig. Sie theilten alles bewegliche und unbeweglihe Eigenthun 
unter fih und hießen darum die Ahtherrn Als von diejen 
acht im Laufe der Zeit der Letzte am Sterben lag, befahl er feinen 
fieben Söhnen, fie jollten zur beftändigen Erinnerung an das er: 
littene Elend jährlich in den Wald ziehen, dort den ſchönſten Baum 
fällen und ihn mit Frauen und Kindern fröhlich umtanzen. Dann 
jollten fie ihn verjteigern und aus dem Erlöje für das ganze Dort 
ein Subelgelage halten, was aud bis auf den heutigen Tag ge 
ſchieht. 


Das Haßlochthal. 


Die Karthaufe Grünau. 


Der Graf Boppo von Wertheim ftarb ohne männliche Nach— 
Tommen. Er hinterließ nur drei Töchter, welchen die Hälfte feiner 
Güter, zum Theil im Spefjart gelegen, zufiel; die andere Hälfte 
fam an die nächſten Verwandten. 

Poppo’3 mittlere Tochter, Namens Elijabeth, vermählte fih 
mit Gottfried von Hohenlohe. Es mar diejes feine jogenannte 
Convenienzheirath, abgejchloffen aus ſtaatsklugen Rückſichten, mie 
fie in dem Haufe der Wertheimer Grafen nicht felten vorfamen, 
ſondern eine innige, gegenfjeitige Liebe hatte das Band geknüpft, 
welches der Segen des Prieſters heiligte und e3 war eine der glüd: 
lihiten Ehen. Jedes der beiden Gatten lebte nur für das Andere. 
Graf Gottfried, welcher jonft jo häufig in den Forft zum Sagen, 
oder auf benachbarte Burgen zu ritterlihen Spielen gezogen, ver: 


125 


weilte ganze Tage im traulichen Geſpräche bei feinem hübſchen und 
liebenswürdigen Weibe. Elifabeth dagegen übte jich im Reiten und 
Armbruftichießen, und bald tummelte fie ein flüchtiges Jagdroß ſo 
funftgerecht, daß es eine Freude war, ihr zuzujehen, und ihr Bolzen, 
von der Armbruft abgeſchoſſen, traf das -Ziel jo jiher, wie jene 
des beiten Schüßen und Jägers. Gottfried brauchte nun nicht mehr 
jein Weib zu verlaffen, wenn er auf die Jagd 309g, denn jein Weib 
war ihm eine treue Gefährtin. Einft jagten fie im Spejjartforft- 
In der Verfolgung eines aufgeiheuchten Zwölfenders — d. b. eines 
Hirihes mit 12 Enden — kamen fie auseinander; den Hirſch jo: 
wohl, wie gegenfeitig fich jelbft, hatten jic aus den Augen verloren. 
Nach geraumer Zeit hörte Elifabeth die Hufichläge eines Thieres, 
fie glaubte diejes, wenn auch in undeutlichen Unwiſſen, durch dichtes 
Gebüich brechen zu jehen, ihr Pfeil jchwirrte von der Sehne, und — 
ein fürchterlicher Wehſchrei tönte durch die Luft. Zum Tode erihroden 
eilte Elifabeth zur Stelle und fand ihren Eheherrn in feinem Blute, 
ihr Pfeil Hatte jeine Bruft durhbohrt. Der Jammer der ver: 
zweifelnden Gattin konnte das entfliehende Leben nicht zurüdhalten. 
Unfern des Dörfchens Grünau verihied Graf Gottfried in Eliſa— 
beths Armen, nahdem das Glüd ihrer Ehe kaum zwei Jahre ge— 
währt hatte. 

Eine Reihe von Jahren lebte Elijabeth nur dem Schmerz um 
den geliebten Gatten. Als die Zeit allmählig ihre lindernde Hand 
auf das leidende Herz legte, jtiftete Elijabethd im Jahre 1328 an 
der Stelle, wo Gottfried verjhieden war, die Karthbauje Neu: 
zell, welche von dem daran jtoßenden Dörfchen den Namen Grünau 
erhielt. Gräfin Eliſabeth legte, obgleih fie ein Hohes Alter er: 
reichte, den Trauerichleier nie ab. Sie hatte gleich bei der Stiftung. 
die Karthauje Grünau wohl bedacht, vermehrte aber jpäter noch mehr— 
mal3 deren Einfommen, und ihre übrigen nächſten Verwandten, die 
Grafen von Wertheim, unterjtügten jie reichlich dabei. Die Karthauſe 
blühte, bis die Reformation eintrat. Der legte Weıtheimer Graf, 
Michael III., weldher den neuen proteftantiichen Glauben angenommen 
hatte, gab ihr den Todesſtoß, indem er ihr einen großen Theil 





126 


ihrer Güter entzog und fie auch ſonſt einjchränfte. Sie erhielt ſich 
indejlen doch noch bis zum Jahre 1803, wo fie das Loos jo vieler 
anderer Klöſter theilte Cie ift nun Eigenthum des fürftlichen 
Haufes Lömenftein. Ein Theil der Kloftergebäude ift niedergeriffen, 
der Neft wird vom Gutspächter bewohnt. Aber dieje Trümmer, 
eingezwängt zwiichen hohen Bergen, auf zwei Seiten von fiichreichen 
Eren umgeben, find auch jetzt noch ein wunderſchönes Bild klöſter— 
licher Abgeichiedenheit, und wenn das Glödlein früh und abends 
von beicheidenen Thurme ertönt, dann meint man immer noch, e3 
müſſe aus dem Kirchlein auch der Ehorgeiang der Mönche erichallen. 


Dieie Volksſage möge uns belehren, wie wandelbar das Glüd 
it, und wie demſelben nicht jelten das größte Unglüd auf der 
Serie folgt. 

Dieje Volksſage joll aber auch lehren, begangene Schuld zu 
fühnen und die frommen Stiftungen aus alter Zeit zu ehren. 


Die Sankt Markuskapelle. 


Unterhalb Kreuzwertheim, ebenfalls am rechten Mainufer, anı 
Einfluß der Haffel in den Main, liegt Haßloch, ehemals ein ſtatt— 
liher Ort mit einem feiten Schloſſe. Kaiſer Karl IV. hatte im 
Sahre 1357 dem Orte die Macht und Gewalt gegeben, daß aus 
Haßloch, (Hajelo) eine Stadt gemacht werde, welche gleiche Rechte 
and Privilegien haben jollte, wie Frankjurt am Main. Karls Ab- 
fihten wurden aber nicht vollführt, das Schloß zerfiel und feine 
Stätte ift kaum noch erfennbar im nahen Walde. i 

Wenn man von Haßloh das enge, friihe Miejenthal des 
Haſſelbachs hinauf wandelt, erblidt man, etwa drei Viertelitunden 
von Haßloch entfernt, an dem Fuße eines Berges, die Sankt Markus— 
fapelle. Die Stile der romantiihen Landichaft, nur von dem 
Murmeln der nahen Duelle und dem Pochen des unfern gelegenen 


127 


Hammerwerks unterbrochen, ladet zur Andacht ein, aber die Kapelle 
liegt in Trümmern und das Bruftbild des heiligen Markus, welches 
die Kapelle geſchmückt hatte, fteht vor der Pfarrkirche zu Unter: 
wittbach in einer Niſche. Dieje Kapelle verdanfte ihre Entjtehung 
dem Wertheimer Grafen Johann mit dem Barte. Der liebte das 
Sagdvergnügen jo leidenſchaftlich, daß er jelbit den Tag des Herrn 
mit dem wilden Treiben des Waidwerks entmweihte, ja jogar am 
heiligen Diterfefte ließ er davon nicht ab. Da ſprang ein weißer 
Hirſch auf und locdte ihn immer weiter und immer tiefer in den 
Wald, Der Graf ſank verſchmachtend zur Erde. Da gedachte er 
jeiner frommen Hausfrau, melde ihn jo oft flehentlih gewarnt 
hatte, vor dem gottlojen Webermaße der Jagdluſt. Und als plöß- 
{ih tiefe Neue in ihm erwachte, hörte er neben jih ein Brünnlein 
rauſchen, und als er, gelabt und gejtärkt nun weiter jehritt, jchallte 
ein Glöcdlein ver ihm her, bis ihn der fromme Klang wieder in 
jeine Burg heimführte. Zum Dank für feine wunderbare Errettung 
vom Tode des Verſchmachtens baute der Graf an der Stätte, wo 
ihm die labende Quelle geflofjen, eine Keine Sapelle, welche er dem 
heiligen Markus widmete. 


— — — 


Moral: 1) Entweihet den Tag des Herrn nicht durch lärmende 
Zuftbarfeiten, am wenigſten die hohen kirchlichen Feſt— 
tage und 

2) hat euch Gott eine Gnade erwiejen, jo jeid ihm dank: 
bar dafür! 


Das Bannkraut. 


Die Volksſage erzählt an manchen Orten von einem Bann- 
traut, welches auf gewiffen Bergeshöhen im Waldesdunkel wächſt 
und allen Zauber löft. Wo ein anderer Menſch nur einen Haufen 
glühender Kohlen erblict, fieht der VBefiter des Bannkrauts blankes 





128 


Gold, und was vom Bannfraut berührt wird, ift der Gemalt der 
Erdgeifter entzogen. Darum bewachen fie auch diejes Kraut, und 
obwohl fie nicht im Stande find, geradezu deſſen Abbrechen zu ver: 
hindern, fo wiflen fie doch dem, der es fich ſuchen und aneignen 
will, jo viele Hinderniffe in den Weg zu legen und jo vielen ge: 
beimnißvollen Geifterjpuf zu bereiten, daß er nur äußerjt jelten zu 
jeinem Ziele gelangt. . Weberdieß ift das Kraut nur einmal im 
Jahre, und zwar in der heiligen Chriftnacht, während e3 12 Uhr 
ichlägt, zu brechen, und e3 darf derjenige, welcher es holt, auf dem 
Wege dahin nicht bejchrien — angeſprochen werden, und er jelbit 
muß jtumm bleiben, bis er nah Hauje fommt. 

Vor langer Zeit lebte in Faulenbah ein Mann; der war 
ganz verjejfen und verpicht auf Dinge, welche man beſſer uner: 
forſcht läßt, weil man ihren Schleier doch nicht lüften kann. Cr 
juchte auf den Frievhöfen in die Geheimniffe des Jenſeits einzu: 
dringen, er jpürte an verrufenen Orten den unheimlihen Weien 
nach, die da hauften, und fein Zaubermittel, fein bannender Sprud 
war ihm unbefannt. Aber jein Ziel, ſchnell ein Eröfus, das heißt 
ein fteinreiher Mann zu werden, erreichte er nicht. Er war Wirt) 
und wußte recht gut, daß es, wenn in der heiligen Chriftnacht der 
junge Wein um 12 Uhr aus dem Faße jteigt, ein gutes, wenn er 
aber finkt, ein jchlechtes Weinjahr bedeutet, aber er hatte nicht hin— 
reihend Geld, um im letteren Falle große Weinvorräthe einzukaufen. 
Gr wußte auch, daß in der heiligen Chriftnaht aus den Duellen 
und Brunnen Wein fließt, allein in den wenigen Augenbliden, in 
welchen die Mitternachtsftunde ſchlägt, läßt fich nicht viel Wein 
ihöpfen und es ift eben auch damit nicht zu jcherzen; war doch 
furz vor jener Zeit ein Mann dabei jehr übel gefahren. Der hatte 
auch in der heiligen Chriftnacht eine Duelle, aus welcher Wein 
fließen folte, glücklich und unbejchrieen erreicht, und ala es zwölf 
Uhr ſchlug, trank er und rief freudig aus: „Alleweil trink id 
Wein.“ Aber eine Krallenfauft padte ihn, weil er das Gebot des 
Schweigens gebrodhen hatte, am Genid, und eine Donnerjtimme 
vief: „Alleweil bijt du mein!” und der Mann wurde nicht mehr 


129 


gefehen. Dem Faulenbader Wirth war nun im Vertrauen gejagt 
worden, daß auf dem Kühlberg das Kraut wachſe, welches allen 
Zauber Löje. » So jehr es ihm nad feinem Beſitze gelüftete, hatte 
er doch lange gezögert, es zu holen, denn es ahnte ihm, daß er 
mit allen Schrefen der Unterwelt zu kämpfen haben werde, wenn 
er es erlangen wolle. Endlich aber überwand doch jeine Geld: 
gierde alle Bebenklichkeiten und in der nächften heiligen Chriftnacht 
machte er fih auf den Weg. Der Kühlberg ift ein mäßiger Berg 
zwiſchen Faulenbah und Stadtprozelten; die Ausſicht dajelbit ijt 
zwar eine prachtvolle, aber der Boden iſt jchleht und nährt nur 
nothdürftig Kiefern; in ihrem Schatten aber ftand dag Zauberkraut. 

Kaum hatte der Wirth den Wald betreten, da wälzte ſich ihm 
ein Ungethüm entgegen, das er nicht zu erkennen vermochte, das 
aber jo gräulich war, daß es auch einem muthigen und beherzten 
Manne Furcht und Schreden einjagen konnte. Aber er ließ fich 
nicht einfhüchtern, und als das Ungethüm bis zu feinen Füßen 
follerte, faßte er fih und jprang jchnell darüber hinweg. Ohne 
fih umgufehen, eilte er weiter, aber bald trat ihm in der Enge 
de3 Weges ein jhmwarzer Mann entgegen, noch viel größer, als 
ein Rieſe. 

Um neben ihm vorbeizuichlüpfen, dazu war fein Raum, und 
an da3 Ueberjpringen war ohnehin nicht zu denken; der Rieſe kam 
mit jo gewaltigen Schritten auf ihn los, daß feine Beine gleihjam 
einen Thorbogen bildeten und jchnell jchlüpfte der Mann durch und 
fam unverlegt davon. Schon nahte er fich der Stelle, wo das ge= 
ſuchte Kraut ftehen mußte und er glaubte jih ſchon am Ziele, als 
von allen Seiten gewaffnete Kriegsfnechte, zu Fuß und zu Roß auf 
ihn eindrangen und gegen ihn die Waffen ſchwangen. Er ließ auch 
da jeinen Muth nicht ſinken, jchlüpfte bald an einem Fußknechte, 
bald an einem Reiter vorüber, aber es ftellten fich ihm immer 
neue Schaaren entgegen, und als fich endlich ihre Reihen Lichteten 
und er eben den legten hinter fich hatte, jchlug es zwölf Uhr. — 
Der Spud verſchwand, aber auch die foftbare Zeit war verſchwunden 
und todesmatt und unverrichteter Dinge ſchlich der Wirth jeiner 

Sagenſchatz. 9 


130 





Heimath zu. AS ihn am andern Morgen fein Gefinde weden 
wollte, bebten fie entſetzt zurücd, denn der Schrecken diefer einzigen 
Nacht Hatten ihm, dem Fräftigen, im beften Lebensalter ftehenden 
Manne die Haare jchneeweiß gebleicht und ihn zu einem binfälligen 
Greis gemacht. Seinen Kindern und Enkeln hat er die Gejchichte 
oft erzählt zum warnenden und abjchredenden Beijpiel. 





Sehen wir diejer Volksſage etwas näher auf den Grund, fo 
finden wir auch für uns eine gute Lehre. Auch wir wähnen gar 
oft, das Glück Schon in der Hand zu haben und fiehe, e3 entichlüpft 
ung, wie ein glatter Aal. So geht es niht einem Menſchen, jo 
geht es Vielen; jo gebt es uns nicht einmal, jo geht es uns oft. 
Das Leben ift eben ein Kampf und zwar bis zum Ende. Da beißt 
e3 denn, die Geduld nicht verlieren. Dem Einen fliegen gleichjam 
die gebratenen Tauben in den Mund, das Glüd fällt ihm in den 
Schooß, und Andere bringen e3 zu nichts, und wenn fie fich halb 
zu todt quälen, 

Dber und aber mwaltet ein Wejen, auf das wir vertrauen 
müſſen, und das Alles zu unferm Beten wenden wird, über furz 
oder lang. 


Stadtprozelten. 


Zwiſchen Wertheim und Miltenberg liegt dicht am rechten 
Mainufer das freundlihe Städtchen Stadtprozelten, der Sit eines 
Forſtamts und Landgericht? 2c. Weber dem Städtchen erblicdt der 
Wanderer die Ruinen der Burg Prozelten. ' 

Die Burg Stadtprozelten hieß urjprünglih nit Pro: 
zelten (Brodjelten) jondern Zauffenberg, hatte aber 
auch dieſen Namen jchon im im dreizehnten Jahrhundert wieder 
verloren. Sie hatte verjchiedene Herren: die Edlen von 
Klingenberg, die Grafenvon Hanau, endlich die Grafen 
von Eberftein. Die Burg war, wie man diejes noch an deren 


131 


Ruinen fehen fonnte, eine der ſchönſten und ftärfiten in 
Deutichland und zählte im 15. Jahrhundert 25 Burgmannen, 
welche bei einer Fehde verpflichtet waren, mit ihren Reiſſigen zur 
Hülfe zu erjcheinen. Unterirdiihe Gänge verbanden fie mit Stadt— 
prozelten und Faulenbad). 

Im Anfang des vierzehnten Jahrhunderts hatte der deutjche 
Drden den größten Theil von Prozelten durch Kauf erworben. Der 
damalige Großmeifter dieſes Ordens, Siegfried von Feuchtwangen, 
war entzücdt über die Schönheit der Burg. Er ließ fie noch mehr 
befeftigen und machte es allen künftigen Befigern zur heiligen 
Pflicht, die Burg niemals verfallen zu lafjen. 

Der Antheil der Grafen von Wertheim fam durch Kunigunde, 
eine Erbtodter des Grafen Boppo von Wertheim, auf ihren 
Gemahl den Grafen Heinrich IX. von Henneberg und fpäter auf 
feinen Better, den Grafen Friedrih. Letzterer flarb im Jahre 
1422 und binterließ eine Wittwe, Eliſabeth, welche auch ihrer 
Geburt nah eine Gräfin von Henneberg war. 

Dieje Elifabeth von Henneberg bewohnte die Burg bei Pro— 
zelten ganz allein. Da fie aber kinderlos war, jo wurde e3 ihr 
unheimlich in den weiten leeren Räumen, welche ihre wenige Diener: 
ſchaft nicht auszufüllen vermochte. Sie beichloß daher, ihren 
Wohnſitz nach Stadtprozelten zu verlegen und führte diefen Vor— 
ja auch aus, indem fie eine® Tages mit allen ihren Leuten 
die Burg verließ. In derjelben Nacht um zwölf Uhr ftand dieſe 
hell erleuchtet da und dieje Beleuchtung wiederholte fich in den 
folgenden Nächten zur nämlichen Stunde. Beherzte Männer be— 
gaben fih auf die Burg, um ſich zu überzeugen, ob die Be- 
leuchtung nicht Menſchenwerk jei, aber fie fanden Niemand und 
das Licht verbreitete fi durch die öden Gemächer, ohne daß man 
wahrnahm, von wo e3 ausging. Da erinnerte .man fich des alten 
Großmeifter8 und des von ihm gegebenen Gebotes, daß der Befiter 
nie die Burg verfallen laſſen ſolle. Durch den Abzug der Gräfin 
Elijabetb war aber der erfte Schritt zum Verfall der 
Burg gejhehen. War aber der Gräfin Elifabeth ſchon vorher 

9* 


132 


der Aufenthalt in der Burg mißliebig gemwejen, fo Konnte fie es 
jet, wo die Schauer der Geifterwelt dort berrichten, noch weniger 
über fih gewinnen, ihren Wohnfig wieder darin zu nehmen. Sie 
‚ überließ daher ihren Antheil an der Burg und alle damit ver- 
bundenen Beiigungen dem jchon früher gejtifteten Hofpitale zu 
Stadtprozelten. Die Erjcheinungen hörten nun auf und Gräfin 
Glijabeth lebte ungejtört zu Stodtprozelten von ihren Einkünften, 
welche ihr aus anderen Beligungen verblieben waren, die fie aber 
ebenfalls größtentheils zu Werken der Wohlthätigfeit der Nächiten= 
liebe und Frömmigfeit verwendete. Geehrt und geliebt von Allen 
fand fie im hohen Alter ein jeliges Ende und noch lunge gedachten 
die Stadtprozelter dankbar an ihr gutes Schloßfräulein, und heute 
noch ijt die edle Heimebergerin nicht ganz vergellen. Das rohe 
Steinbild, weldes ihr Grab dedte, wurde aus der alten in die 
neue, zu Anfang des 17. Jahrhunderts erbaute Kirche verjegt. 

Bon den Abzuge der Gräfin Elijabeth begann, wie des Groß: 
meijters Geiſt vorausgejehen Hatte, der Verfall der Burg. Was 
die Zeit nicht zu leijten vermochte, thaten die Franzojen im Jahre 1688. 

Die Burg liegt nun in Trümmern, ein iprechendes Denkmal 
der Vergänglichkeit irdiicher Größe und Herrlichkeit. Die von der 
Gräfin Elijabeth von Henneberg erweiterte Spitalftiftung befteht 
heute noch und ift ihr Fundationsvermögen jo bedeutend, daß hiefür 
ein eigener Spitalverwalter von der Regierung, aufgeftellt ift. 


Die Kädten von Bollenberg. 


Will Jemand die jhönen Verſe des oft geiungenen Liedes von 
den deutichen Burgen verſtehen: 
„Ihre Dächer find gefallen 
Und der Wind ftreicht durch die Hallen, 
Wolfen ziehen drüber hin“ 
jo muß er den Mainftrom hinab fahren und ji den Kollenberg 
anjehen, ein. altes Schloß, welches etwa drei Stunden unterhalb 





133 
Wertheim am rechten Mainufer liegt. Die Ringmauer liegt zwar 
in Trümmern, allein der fteinerne Giebel des Mohnhaufes hebt 
fih noch wohlerhalten in die Wolfen und durch die leeren Feniter- 
öde fieht man das Blau des Himmels leuchten. Auf bejonderen 
Reihthum der ehemaligen Bewohner laffen die Ruinen des Schlofjes 
nicht Ichließen ; es fcheint weniger eine Burg, als vielmehr ein 
feſtes Wohnhaus gewejen zu fein, wie man fie in damaliger Zeit 
zu Shug und Truß erbaute Kühner und trogiger erhebt ich 
eine Stunde meiter ftromabwärt® am linken Ufer die Burg 
Freudenberg Sie liegt auf einem fteilen Berge und jchaut 
jelbft in ihren Ruinen und Trümmern noch übermüthig ftolz herab 
auf das badiſche Städtchen Freudenberg, welches am Fuße ber 
Burg gleiches Namens liegt. Aber die Zerftörung vollendet auch 
an ihr raftlos ihr Werk, wie die, über den Berg berabgeroliten 
Trümmerblöde beweijen. Wer nun die Kunft verjteht, den Fähr— 
leuten, welche gar häufig ihrem berühmten Standesgenofjen, dem 
„grimmen Donaufergen” der Nibelungen ähnlich jcheinen, die jonft 
ziemlich jchweigiame Zunge zu löjen, wird dann von ihnen folgende 
Geihichte zu hören befommen. 

Einft Tiebten zwei ftolze Ritter ein armes, aber fittiames und 
wunderholdes Mägdlein: der eine war der Herr von Collen— 
berg, der andere ein ftolzer Graf von Wertheim. Als nun 
der Gollenberger jein Schloß gebaut hatte, trat er vor die Jung— 
frau, überreichte ihr ein Röslein und ſprach: „Wollt ihr meine, 
ebelihe Gemahlin werden, jo ift dieſes Haus Euer Eigenthum. 
Schauet zu, ob Ihr mich lieben fönnet und nad drei Tagen jagt 
mir die Antwort!” Am jelbigen Tage erichien auch noch der 
ftolze Graf von Wertheim, ließ ein koſtbares jeidenes Kleid und 
andere werthvolle Gejchenfe, goldene Ketten und Spangen vor die 
bolde Jungfrau bringen und fagte: „Eure Schönheit und Tugend 
it in der ganzen Melt befannt, foll aber nicht länger unbelohnt 
bleiben. Ich will Euch Heimführen in mein Grafenihloß zu Wert- 
heim und Euch zu meiner ehelichen Gemahlin mahen. In brei 
Tagen werde ich fommen und Euch abholen.” 


134 





Nah drei Tagen kamen die Beiden, der von Gollenberg und 
der von Wertheim, und forderten den verlangten Bejcheid. 

Die Jungfrau aber fam, trug das Röglein in der Hand, 
ging an den ftolzen Grafen von Wertheim und feinem Gefinde 
vorbei, gab dem Collenberger die Hand und jagte: „Euch will id 
und feinen Anderen!” So ward fie denn in kurzer Zeit des 
Sollenbergers Weib und zog mit ihm in feine Burg. Obwohl fie 
feinen Ueberfluß Hatten, lebten fie doch jehr glücklich und zufrieden. 

Der ftolze Graf von Wertheim konnte e3 aber nicht vermwinden 
und vergeſſen, daß ihm der Gollenberger war vorgezogen worden, 
und damit das Weib, welches ihn verjchmäht Hatte, täglich ihre 
Thorheit und ihren Unverftand vor Augen haben möge, jagte er 
frevelnd: „Nun wollen wir das Stüdlein vom reihen Manne und 
dem armen Lazarus aufführen,” baute weiter unten am Maine 
ein ftolzes herrliches Schloß und nannte e8 Freudenberg. 
Dort heirathete er eine reihe und ftolze Landgräfin, welche ihm 
nah einem Sahre ein Söhnlein gebar, lebte mit jeinen Gejellen 
Tag für Tag in Saus und Braus und wenn es auf dem ‘Freuden: 
berg recht munter herging, wenn er fich mit feinen Gäften wohl 
fein ließ mit Singen und Trinken bis in die jpäte Nacht, deutete 
er hinauf auf den Gollenberg und jagte: „Sekt wird des Hunger 
leiders Weib merken, wo man berrlih und in Freuden lebt.“ 
Wenn er aber bie und da einmal in ihre Nähe fam, ließ er fie 
nichts merken, fondern that freundlich gegen fie und viel demüthiger 
al3 ehemal3. 

Nun begegnete einft dem Grafen von Wertheim auf der Jagd 
ein Zigeunerweib und jagte, wenn er fie gewähren laffe, werde fie 
es doch noch dahin bringen, daß des Gollenbergers Weib ihm 
hold werde. Das gefiel dem Grafen natürlich jehr wohl, weil er 
fih dadurh an dem Gollenberger rächen wollte. Er jandte das 
Weib mit einer foftbaren goldenen Kette auf den Gollenberg nebit 
einem freundlichen Gruß an die Hausfrau, und bat um ihre heim: 
lihe Gunft. Dieje aber verwies ihm. mit herben Worten jein 
fündhaftes Anfinnen, und als das Zigeunerweib deſſen ungeadtel 








I‘ 
2% 


135 


öfter erjchien und ihr Begehren wiederholte, drohte ihr endlich Die 
tugendhafte Frau im höchſten Zorne, daß, falls fie ſich noch einmal 
unterfinge, das Schloß zu betreten, jie mit Hunden hinausgehegt 
werden würde. 

Da lachte die Zigeunerin wild auf und rief: „Du Bettlerin! 
Mit Hunden willit du mich beten laſſen? Es ſoll ein Wort jein. 
Sch ſelbſt will dir die Hunde dazu Schaffen und das ſogleich, wie 
du jetzt in die Wochen kommſt!“ 

Als der Graf von Wertheim ſah, daß ihm jein jchlechtes 
Borhaben nicht glüden werde, gerieth er in großen Zorn und be- 
ſchloß, nicht eher zu ruhen, als bis er den Gollenberger von Land 
und Leuten gebradht. Er fing einen Prozeß mit ihm an wegen 
der Kirichhöfe, melde er als fein Eigentum in Anſpruch nahm, 
und als er diefen Prozeß verloren hatte, ließ er jich dadurch nicht 
irre maden, ſondern trieb des Collenbergers Leute mit Gewalt aus 
und nahm die Höfe in Beſitz. Diejer aber, im Bewußtjein jeines 
Rechts, wollte ſich das nicht gefallen laſſen, fondern brachte fo viele 
Leute auf, als er konnte und, wollte nach Ritterfitte mit ihm kämpfen. 
Als er von feinem Schlofje auszog, war fein Weib gerade ihrer 
eriten Niederkunft nahe. Das Weib hatte die Rede der Zigeunerin 
nicht aus dem Sinne bringen können, und jo geihah es, als jie 
in Abmwejenheit ihres Mannes gebar, daß fie zwei kohlſchwarze 
Hunde zur Welt brachte. Entſetzt darüber und faum wiſſend, was 
fie that, gebot fie ihrer Magd., die Hunde in einen Sad zu thun, 
und jolde, ehe ihr Mann heimfehrte, in den MWiejenbrunnen am 
Main zu verjenten. Diejer war aber an demjelben Tage mit 
dem Grafen handgemein geworden und hatte im Kampfe alle jeine 
Leute verloren. Zwar hatte er den Grafen vom Pferde gerannt 
und ihm einen Schwerthieb über den rechten Arm beigebradt, aber 
e3 waren der Feinde zu viele gewejen, und er war zulegt allein 
aus dem Kampfe entronnen. Wie er nun niedergejchlagen und 
fampfesmüde den Main herauffam, begegnete ihm die Magd, wie 
fie eben die Hunde nach der Herrin Gebot in den Brunnen werfen 
wollte. Die Magd erihrad auf den Tod, als fie jeiner anjichtig 


u, 


136 


wurde; er aber fragte: „Was trägft du da?” Sie wollte läugnen 
und Ausflüchte machen, endlich aber erzählte fie ihm die ganze 
traurige Geſchichte. 

Da jagte der Ritter von Collenberg: „Heute habe ich mein 
rehtmäßiges Eigentbum und alle meine Getreuen im ehrlichen 
Kampfe verloren; das ift Unglüds genug. Nimmermehr aber fann 
ih glauben, daß Gott einen Menſchen, den er jelber mit feiner 
Ruthe geſchlagen hat, auch noch dem Teufel zum Spotte werben 
läßt.” So trat er Hinzu und machte den Sad auf mit den 
Worten: „In Gottes Namen.” Siehe, damaren ftatt der kohl— 
Ihmwarzen Hunde zwei jhöne KAnäblein darinnen, die ftredten, 
wie nah Hülfe flehend, ihre Eleinen Händchen nad dem Ritter 
aus und lachten, als freuten fie fih, daß fein traurige® Gemüth 
wieder fröhlihd wurde — und er nahm die zwei Knäblein, trug 
fie die Treppe hinauf ins Zimmer feiner Gemahlin und ſprach 
lähelnd: „Da ſchau Dir Deine zwei Nüdten erft noch einmal 
an, bevor Du jie ins Wafjer werfen läfjeft; dann thue, was 
Dir gefällt!” 

Am Abend kehrte auch der Graf von Wertheim zurüd auf 
den Freudenberg. Als man dort des Collenberger3 Niederlage 
vernahm, herrſchte großer Jubel. Die Landgräfin hatte das Thor 
feitlih ſchmücken laſſen, fie jelbft ftand unter dem Eingange und 
hielt ihm fein Knäblein entgegen, dem fie ein purpurnes Kleidchen 
angethan und die goldene Kette umgehängt hatte, die er einjt durch 
die Zigeunerin dem tugendhaften Weibe des Gollenberger3 ange- 
geboten hatte. Der Graf nahm das Kind in feine Arme, ſchritt 
ftolzs mit ihm voran in den Ahnenjaal des Schlofjes, hielt es 
dort zum Fenfter hinaus und ſprach: „Siehe, das alles, jo weit 
bein Auge reicht, ift jeßt dein Erbe.” Da zudte es dem Grafen 
jählings im Arme und jein Sprofje ftürzte in den tiefen Abgrund. 
Zeriellt und blutend blieb e3 auf einem Felsſtück Liegen. 

Am folgenden Tage ließ der Graf dem Gollenberger jagen, 
er folle feine Höfe wieder in Beſitz nehmen, legte dann jein zer: 
fchmettertes Kind in einen Sarg und ließ die Leiche nad Wertheim 


137 


in die Ahnengruft geleiten. Hinter dem Sarge ging die Land— 
gräfin und bie Dienerjchaft des Grafen. Als alle durch das Thor 
waren, erichien zulegt auch der Graf und ſchloß eigenhändig das 
Thor zu. Als er aber herunter an den Main gelommen war, 
ſchleuderte er den Schlüfjel mitten in den Strom, fehrte fich zur 
Burg binauf, auf welcher eine große ſchwarze Fahne aufgeftedt 
war und rief: „ Sreudenberg bift du genannt, aber die Bos— 
beit hat dich gebaut, darum bift eine Trauerburg geworben; 
dih joll mein Fuß nie mehr betreten.“ 

Die Rüdten von Gollenberg aber wurden groß, ſtark und 
tapfer, dienten als wadere Kämpen im Heere des Kaijers und als 
diejer Kunde befam von dem, was ſich mit ihnen begeben, gab er 
ihnen einen ſchwarzen Hund ins Wappen und gebot, daß zum 
ewigen Andenken fie und ihre Nachkommen die „Rüdten von 
Gollenberg” fich nennen jollten, und jo wie der Kaiſer es befahl, 
jo iſt es gejchehen. 


Der Schaf auf dem Collenberg. 


Nahdem die Burg Collenberg verfallen und das dabei ge= 
legene Dorf gleihen Namens längft verihmwunden, war auf dem 
Schloſſe noh die Wohnung des kurmainziſchen Förſters. Diejer 
war ein jo freundlicher und gefälliger Mann, daß Sedermann 
gerne mit ihm verfehrte, und jo fam es, daß die Mädchen und 
Sünalinge von Fehenbah und Dorfprozelten, obwohl beide Orte 
taft eine halbe Stunde vom Gollenberg entfernt find, an hellen 
Winterabenden die Spinnftube bei dem Förjter bejuchten. 

Einft verließ ein junger Mann aus Dorfprozelten die Förfters- 
wohnung, um fih nah Haufe zu begeben. Es war jchon ziemlich 
ipät, allein der Mond gab ein jo helles Licht, wie wenn es heller 
Zag gewejen wäre, Auf einmal befand fich der junge Mann, er 
wußte jelbjt nicht wie, in einem weiten, gewölbten Gemade. Dort 
ſaß ein altes Mütterhen und jpann beim Mondenjhein an einer 


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Spindel. Bei jeinem Eintritte Fam ihm das Mütterchen entgegen 
und ſprach: „Sei mir willflommen, recht willfommen! Ich habe 
dich ſchon viele, viele Jahre erwartet. Du wirft mich erlöjen und 
der Ruhe zuführen, welche ich jchon lange erjehne. Du fiehit bier 
eine Truhe; nimm in deine Rechte diejen Blumenftrauß und hebe 
mit der Linken den Dedel von der Truhe. Wenn du diejes voll- 
bracht haft, bin ich erlöjt und es wird auch dein Schaden nicht ſein!“ 

Dabei gab fie ihm, obgleich es tief im Winter war, - und 
fußhoher Schnee lag, einen Strauß friih gepflüdter, duftender 
Blumen. Dem Jüngling war es zwar unheimlich bei dem, was 
er jah und hörte, aber er nahm doch den Strauß und jchritt der 
großen eijernen Truhe zu, welche in einer Ede des Gemaches jtand. 
Als er den Dedel ergreifen wollte, erhob fih auf ihm ein großer 
Ihmwarzer Hund und wies ihm fletichend die Zähne. Boll Ent: 
jegen wich der Jüngling zurüd, aber das Mütterchen ſprach: 
„Fürchte dih nur nit! So lange du den Strauß in Deiner 
Rechten hältſt, kann dir der Böſe nichts anhaben. Drum laß den 
Strauß nicht fallen, jonft ift das Werk meiner Erlöjung vereitelt, 
und ih muß abermals auf meine Erlöjung harren, bis wieder ein 
Süngling kommt, geboren unter den gleihen Sternen, bie bei 
deiner Geburt leuchteten. Aber zu dem Stamme de3 Baumes, 
welcher die Wiege jenes Mannes liefern wird, ift der Same noch 
nicht gewachſen. Fafle Muth und bedenke, daß es fih um mein 
ewiges und dein zeitlihes Glüd handelt!” Der Jüngling empfahl 
fich jeinen Heiligen, hielt den Strauß vor fich und ergriff mit der 
Linken den Dedel der Truhe. Heulend ergriff der Hund die Flucht. 
Der Dedel gab nah, aber er war jo ſchwer, daß ihn der Jüng— 
ling faum mit der Hand bewegen fonnte. Er wollte nun dem 
Dinge jchnell ein Ende mahen und fi mit der andern Hand 
helfen und ließ deshalb den Strauß fallen. 

Da jchlug der Dedel, der jich jchon etwas erhoben hatte, mit 
donnerähnlichen Krachen zu und die Truhe, das Mütterchen, das 
Gemah, Alles war verjchwunden und der Süngling befand ſich 
wieder auf dem Wege nach Dorfprozelten, hat auch niemals mehr 





138 





139 


den Eingang zu dem gemwölbten Gemache gefunden. Viele Jahre 
vergingen, die Förftersmohnung wurde baufällig, und die jpäteren 
Förfter wohnten in den Förfterhauje, welches man am Fuße des 
Berges erbaut hatte und welches noch jteht. Einjt hatte der Sohn 
des Förfterd einen Stamm zu Brennholz gefällt und dabei ein 
altes Goldftüd gefunden. Es war ihm darüber nichts eingefallen ; 
am Abend aber jtrahlte der Gollenberg im hellen Lichte, al3 wenn 
dort alles in Flammen ftände. Die ganze Familie des Förſters 
jah es, aber Niemand getraute ſich auf den Berg. 

Dom Tremhofe aus hat man in fpäteren Zeiten öfters an 
der Mauer des Gollenbergs eine Thüre wahrgenommen, die wag— 
recht getheilt war, wie häufig die Thüren an den Bauernhäufern. 
Wenn man fi indejjen die Stelle noch jo genau merkte, und jo= 
dann den Gollenberg bejtieg und die Thüre fuchte, fand man feine 
Epur davon. Derjenige aber, der den Schaf heben kann, wird 
wohl noch nicht geboren jein. Wie diejem jungen Manne, ergeht 
e3 vielen Menſchen, wenn jie das Glüd erfaflen wollen, entihwindet 
es aus der Hand. Es hat einmal nicht fein jollen. 


Der Engelsberg. 


Eine ftarfe halbe Stunde unterhalb Miltenberg, aber auf dem 
entgegengejegten Mainufer, liegt auf einem jteilen Vorſprung des 
Speflarts, der Engelsberg, auf ihm eine Kapelle mit einem 
Klöfterlein, zu welchem man von Großheubah auf 670 Staffeln 
gelangt. Die Kapelle ijt im Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts 
zu Ehren des heiligen GErzengel3 Michael erbaut worden. Die 
Grbauer hatten nicht die Abſicht, die Kapelle an der Stelle zu er— 
rihten, wo fie jegt fteht, jondern an einer anderen Stelle des 
Berges, und es waren hier bereit3 Steine und Bauholz beigefahren, 
allein die Engel trugen, wie die Volksſage erzählt, nachts die Bau— 
materialien wieder auf den jegigen Bauplatz. Und wenn die Engel 
ein irdiiches Haus haben wollten, fonnte es nirgends jchöner ftehen, 


140 


ala da, wo es fich jeßt befindet. Vor den Augen Tiegt eine Land— 
ſchaft ausgebreitet, ſchöner als ein Garten Gottes, und der trunfene 
Blick weiß nit, fol er in der Nähe haften oder in die Ferne 
ichweifen. Darum ſenken fih auch himmliſche Lichter auf den Bau 
herab, Engelsharmonien umtönen den Berg und fihtbar wandeln 
zu gewillen Seiten die Engel in der Kapelle. 

Auf jener Stelle, wo der Bau zuerft errichtet werden Jollte, 
eine halbe Stunde hinter der Micheld:Kapelle, wurde ſpäter bie 
Mariahülf: Kapelle gebaut. 145 Treppen führen von dem Fuße 
de3 Berges zu dieſer Capelle und 116 von da auf den Engeläberg. 

Sn der Michelsfapelle fteht ein gnadenreihes Muttergottes: 
bild, die heilige Maria zu den Engeln, welchem von den zahl: 
reihen Wallfahrern aus der Nähe und Ferne eine beiondere Ber: 
‚ehrung gewidmet wird, 

Früher ftand bei der Michaelisfapelle nur ein kleines Haus, 
die Wohnung des Kirchendieners. Im Sabre 1629, aljo zur Zeit 
des Dreißigjährigen Krieges, erhielten die Kapuziner die Erlaubniß, 
fih auf dem Engelberg anzufieveln und dieſe errichteten in den 
darauffolgenden Sahren das Kleine Klöfterlein, welches jeit dem 
Jahre 1829 von den Syranzisfanern bewohnt wird. Der Engels: 
berg it die Ahnengruft des erlauchten Gejchlechtes der Fürften von 
Löwenſtein. 


Das Elſavpathal. 


Die hohe Mart. 


Die „hohe Wart” ift eine mäßig große Waldung. faft in 
der Mitte zwiſchen den Drtichaften Oberbeſſenbach, Hefjenthal, 
Neudorf, Völkersbrunn, Leidersbach, Ebersbach und Soden gelegen, 
und gehört zu einer Hälfte der Stadt Ajchaffenburg, zur anderen 











141 


Hälfte mehreren Gemeinden des Vorſpeſſarts. In diefem Walde 
berrichte von jeher allerlei Spud. Die Waldmeifter, welche das 
Gemeindegut und das Holz veruntreuten, die Vierrichter, welche 
faliche Steine jegten, die Holzdiebe, welche das Holz klafter- und 
jftammmeije jtahlen, jomwie die gewiffenlojen Holzarter wandern in 
der hohen Wart. Insbeſondere treiben die Vierrichter ihr Weſen 
um den jogenannten Dreimärker, jenen Grenzftein, welcher die hohe 
Wart von der Gemarkung Bolfersbrunn und den Gräflid von 
Ingelheim'ſchen Walde jcheidet. 


Die Bollsjage erzählt: Ein Mann von Heſſenthal ging einft 
in der Naht von DObernburg nad) Haufe. Als er an das Hohen- 
wart-Häushen fam, ftand ein grauer Mann da, der ihm auf den 
Rücken jprang und fih bis an das erfte Haus von Neudorf tragen 
ließ. Da ſprang er ab und jagte: „Wenn du wieder zur Nacht3= 
zeit am Hohenwart-Häuschen vorübergehit, jo made hübſch ein 
Kreuz!” 


Der Klofenjodel von Neudorf fuhr nachts mit jeinen Ochſen 
die Kamjtersmühle hinaus gegen die hohe Wart, wo fein mit Holz 
beladener Wagen jtand; er wollte ihn nad Obernau führen. ALS 
er den Gründchen gleich war, erichollen Hundegebell, Schüffe und 
Sagdgeichrei, gerade jo, als wenn ein großes Treibjagen abgehalten 
würde. Zugleich erhob fich ein folder Wind, daß der Klojenjodel 
mit fammt jeinen Ochſen aus dem Wege über das Feld hinweg— 
gejagt wurde, bis an die jogenannte Kühruh, welche eine halbe 
Stunde vom Gründen entfernt liegt. Dort fam er erjt wieder 
zu fih und jeßte nun feinen Weg in die hohe Wart fort; das 
Sagdgetöfe, den wilden Jäger, hörte er aber noch Lange. 


Der Hodenjhmiedt von Heffenthal ging am hellen Tage von 
Kleinwallſtadt über die hohe Wort nah Haufe. AS er an die 
Grenze zwiſchen der hohen Wart und der Heſſenthaler Marfung 
fam, jprang ihm ein Pferd ohne Kopf auf den Rüden und fuhr 
mit ihm zum GErlenbrunnen. Dort lag ein Tränktrog für das 
Vieh, woran fih ein Mann feit anhielt und mit einer Hand 


142 


Waſſer über feinen Rüden auf das Pferd warf. Da fprang es 
ab und war verjchwunden. 

Sn der Naht vor Pfingften büteten mehrere Neudorfer 
Bauern in dem Diſtrikt Häuschenichlag und zwar in einer jungen 
Gultur, wo dag Vieh den größten Schaden anrichtete. Die Bauern 
hatten fih unter eine Buche gelegt, um zu. fchlafen; allein um 
Mitternaht erhob fi in den Neften der Bäume ein fürchterlicher 
Lärmen, als wenn Alles kurz und Kein gebrochen würde und herab 
jtürzte und Menjchen und Vieh erichlüge. Voller Angſt eilten die 
Frevler mit ihrem Vieh aus dem Walde. 

Im Sohlſchlage weideten einjt zwei Bauern von Volfersbrunn 
nächtliher Weije ihr Vieh. Da kam ein großes jchwarzes Thier, 
ähnlich einem Hund, bei dejjen Anblid das Vieh zu brüllen anfing 
und unaufhaltiam nach Volkersbrunn lief. 

Ein ſtädtiſcher Förfter fam auf feiner Nunde auch in ben 
Diſtrikt Rothenabt. Da hörte er Holz mit dem Waldhammer 
fchlagen. Er ging dem Laute nah, jah indejjen Niemand, hörte 
aber bald vor, bald hinter fich jchlagen, daß es ihm, obgleich er 
ein beberzter Mann war, ganz unheimlich zu Muth wurde. Und 
fo beweiſen noch eine Menge anderer Geihichten, daß e3 in der 
ae Wart nichts weniger, als geheuer ift. 


Das Spatenbild. 


Eines Tages ging ein Bauer von Hefjenthal aus der Stadt 
nad Haufe und nahm feinen Weg durch die hohe Wart. Er hatte 
den Weg ſchon oft gemacht, achtete deshalb nicht auf den Weg 
fondern ging in jeinen Gedanken hin. Auf einmal hört er in der 
Luft ein fürchterliches Geſchrei, blickt auf und fieht in der Luft 
zwei Raben, weldhe in einem fürchterlihen Kampfe miteinander 
begriffen waren. Sie ftiegen auf und fanfen nieder, laſſen ſich 
aber nicht aus und zerfleichten fih mit ihren Schnäbeln. Der 
Bauer blieb ftehen und wollte abwarten, was aus der Gejchichte 





143 


werde. Es dauerte nicht lange, jo wird der Kampf immer ſchwächer 
und der eine Rabe fällt unfern von dem Baume todt zur Erde nieder 
und gleich darauf auch der andere. Der Bauer will ſich die beiden 
Raben genauer bejehen, die nur ein paar Schritte von ihm auf 
der Erde liegen müfjen, fie find aber beide verihwunden. Da fällt 
dem Bauern ein, daß fih an der Stelle, wo er eben ijt, vor 
vielen Jahren zwei Männer in der Hite des Streites erichlagen 
haben; dahingeihieden in ihren Sünden, ohne Reue und Buße, 
modten fie feine Ruhe im Grabe gefunden haben. Der Bauer 
‚ließ zu deſſen Gedächtniß und damit jeder vorübergehende Wanderer 
ein andächtiges Vaterunfer für die Erſchlagenen beten möchte, einen 
Bildftod dahin ſetzen, welcher die Aufichrift hat: Hans Heinrich 
Spaß von Heslendahl 1745. 

Das Spatenbild ftcht an dem Wege von Dörrmorsbad in 
die hohe Wart unfern der le&teren. 


— 1... 


Wie die beiden Raben, jo zerfleiichen ſich mande Leute in 
ihrem Haß und in ihrer Bosheit, bis beide dem Verderben ver— 
fallen find. Lernet daher Sanftmuth, Verträglichkeit und Feindes- 
liebe! 


Heflenthal, 


In einem jchmalen Wiejenthale, welches ein Eryftallheller 
Quellenbach durcheilt, liegt das Dorf Hefjenthal. 


Der Wald zieht fi von allen Seiten nahe genug heran, aber 
in alten Zeiten befanden ſich gar nur einige Köhlerhütten an feiner 
Stelle, und ringsherum war alles mit Bäumen und Büſchen be- 
wachſen; es ift jogar alten Zeuten befannt, daß der Wald noch 
bi3 an die lebten Häuſer des Dorfes reichte. Es gab dort jo 
viele Hajelnußgefträuche, daß der Drt davon den Namen erhielt, 
denn ehemals hieß er Hafjelthal, dann Heijelnthal, und 


144 


erft in nenerer Zeit fagte man der bequemeren Ausſprache wegen 
Heſſenthal. 

Die große Staatsſtraße zwiſchen Aſchaffenburg und Würzburg 
zieht an Heſſenthal vorbei. Auf dieſer Straße, vielmehr auf jenem 
Wege, welcher von dieſer Straße durch die hohe Wart in die 
oberen Maingegenden führt, ritt vor vielen Jahren ein Ritter. 
Neben dem freundlichen Ritter ging ein armer Speſſartköhler 
(Kohlenbrenner) im traulichen Geſpräche. 

Er erzählte dem Ritter eine wunderbare Geſchichte, welche ſich 
irgendwo zugetragen hatte. Der Ritter wollte ſie aber nicht glauben 
und behauptete, es geichähen Feine Wunder mehr. Der Köhler 
beharrte aber auf jeiner Erzählung und der Ritter ergriff in jeinem 
Eifer jein Schwert, ſtieß e3 in einen Haſelnußſtrauch und rief: 
„So gewiß aus diejem Straude fein Blut fließt, jo gewiß gibt 
e3 feine Wunder.” Und fiehe, als der Ritter jein Schwert zurüdzog, 
fol e8 von Blut geröthet gewejen fein. Der Ritter war nicht 
weniger erichroden, als der Kohlenbrenner; fie bogen den Strauch 
auseinander und fanden ein Muttergottesbild mit dem Chrift: 
tindhen auf dent Arme. Der Ritter ließ eine. Kleine Kapelle an 
der Stelle bauen, wo fie das Bild gefunden hatten und dasſelbe 
darin aufjtellen. 

Die Kunde von diefem mwunderthätigen Bilde verbreitete ſich 
bald weit umher und führte viel Volk dahin. Aus den wenigen 
Hütten wurde jpäter ein Dorf. Der Ritter ließ in demjelben eine 
größere Kapelle bauen und das wunderthätige Bild in feierlicher 
Prozeflion aus dem älteren Kapellden abholen und in die neue 
Kapelle bringen. Am andern Morgen aber befand fih das 
Gnadenbild wieder an feiner vorigen Stelle und diejer Wechſel 
wiederholte fich mehreremale. Da that man das Gelübde, in jedem 
Jahre einmal und zwar am zweiten Pfingitfeiertage in feierlicher 
Prozejlion das Bild in das Kleine Kapellden zurüd zutragen und 
von jetzt an blieb das Bild in der neuen Kapelle und ift die Zus 
fluht vieler Andächtigen bis auf den heutigen Tag. Der neuen 
Kapelle, welche an einem Pfeiler die Jahreszahl 1272 trägt, 





145 
wurden von Erzbiſchöfen ꝛc. viele Abläffe verliehen, namentlih in 
ben Jahren 1293 und 1294. | 

Das Kapellchen an dem Wege in die hohe Wart ifl noch vor: 
handen und führt den Namen „Herrenbild“ — wahriceinlih von 
einem fteinernen Cruzifix, welches über dem Eingang eingemauert ift. 

Das Kapellden am Wege in die hohe Wart ift nicht mehr 
das urfprüngliche, jondern wurde wiederholt erneuert, zulett von 
Hans Löffler und Hana Fledenftein im Sahre 1670, 
Das Cruzifix hat die Jahrzahl 1551. 

Die Wallfahrt von Heſſenthal zu dem Kapellden fand ftatt, 
bis es die Franzojen in den Nevolutionsjahren entweiht und als 
Schlachthaus benützt hatten. 

Ganz nahe an der Kapelle zu Heſſenthal erbauten die Echter 
von Meſpelbrunn eine zweite größere, welche ſie zunächſt zu 
ihrem Erbbegräbniſſe beſtimmten. Viele Grabmäler der Echter 
und ihrer Verwandten zieren die Kapelle, das vorzüglichſte aber iſt 
das, welches der Fürjtbiihof Julius — der Gründer des Julius— 
ſpitals zu Würzburg, — feinen Eltern jegen ließ. Auf beiden 
Seiten eines Eruzifires Inien in Lebensgröße Vater und Mutter 
mit ihren fünf Söhnen und vier Töchtern. 

Oberhalb des väterlichen Bildes fteht: Anno Domini MDLAXVI 
Samftag nach Sebaftiani ift der Edel und Ehrenfeſt Peter Echter 
von Mejpelbrunn, jo dreyen Churfürjten zu Maink trewlich gedient, 
XXXIII Sahr Rath auch Amptmann zu Brotelden und Dyppurg 
gewejen, ehriftlih in Gott verjchieden, dem Gott genade Amen.“ 

Unter der Bildjäule: 

Der Legt von meinem Stamm war id) 

Mit Dir hat Gott gejegnet mich 

Töchter und Sohne vns gebenn, 

Die Set zu Geiftlih und weltlichem Beruff leben. 
Bon Dir zu Gott jcheid Ich mein Liebe Gemahl 
Dem ih Dich befilh in diefem Jammerthal. 

Oberhalb des Monument? oder dem Bilde der Mutter ift zu 
lein: Anno MDLXXXIL vff Freytag den 28 Tag Juni Iſt In 
Zagenſchatz. | | 10 


Sew: 
= 


Gott verjhieden die Edel und Tugendhafft Kram Gertraud Cöhterin 
von Meipelbrunn geborene von Adelgheim, Peter Echters Ehelich 
Gemahl, diejer Kinder Mutter, der Gott genedig fein wolle, Amen. 

Unter der Bildfäule: 

Mein Liebfter Mann, Mein Zuverficht, 

Dein ſcheiden mir Mein Herb zerbricht. 

Du zeugft dahin In das Rechte Batterlandt, 
Laft mich traurig in Einem betrübten ftand. 

Doh Einen Troft jehe Ich für mir 

Daß Ich baldt werd Rachfolgen Dir. 

Bon Julius Echter von Mejpelbrunn, Fürftbiihof von Würz 
burg, Stifter de3 Juliusſpitals, erzählt die Volksſage folgendes: 
Ein Bruder oder anderer naher Verwandte hatte den Fürſtbiſchof | 
gebeten, jeinen Sohn aus der Taufe zu heben, welcher Bitte er 
auch freundlich entſprach. Das reihe Pathengeſchenk jchicdte er | 
nah einen Tagen in einer großen Schachtel mit Trauben auf 
deren Boden dasjelbe verborgen war, zu den Eltern. Diejelben 
mochten feine genaue Nachforſchung gehalten Haben und waren 
äußerft aufgebracht, mit einem jo werthlos jcheinenden Pathen: 
geſchenk abgejpeift zu werden und jchidten diejelbe, d. h. bie 
Schadtel mit Trauben, mit einem nicht? weniger als höflichen 
Complimente wieder zurüd. Auf dem Boden der Schachtel aber 
war eine bedeutende Summe in Werthpapieren enthalten. Dieje 
Geldjumme jol Fürſtbiſchof Julius wieder an fi) genommen und 
mit derjelben das Juliusſpital dotirt haben. 


146 





Das hohe Kreuz von Heflenthaf. 


Oberhalb der Kapelle zu Heflenthal ftand ein Eleines Haus. 
Darin wohnte eine betagte Frau, welche Wittwe war und Einderlos. 
Sie hatte ihr gutes Ausfommen, war aber nie zufrieden und 
trachtete nur, immer mehr zu erwerben. Sie gönnte weder fid, 
noch Anderen etwas, gab feinem Andern ein Almojen und jchaffte 


147 


vom Morgen bis zum Abend, an Werk: und Feiertagen, nur um 
des leidigen Geldes willen. Denn der Mammon war ihr Gott, 
um den wahren Gott im Himmel kümmerte fie ſich wenig; daher 
fam jie auch nur ganz jelten in die Kirche, obgleich diejelbe nur 
ganz wenige Schritte von ihrer Wohnung entfernt lag. Schon oft 
hatte jie der Kleinen Gemeinde. durh ihr Schaffen während des 
Gottesdienftes Aergerniß gegeben, ſchon oft war fie ermahnt worden, 
wenigſtens die Andacht anderer Leute nicht zu ftören, aber vergebens. 
Am Samstag vor Pfingften, jpät in der Nacht war fie mit dem 
Flachsſpinnen fertig geworden. Sie war am darauffolgenden Tage 
noch jo müde, daß fie ausruhen mußte; allein ſchon am Pfingit- 
montag j&hürte fie das Feuer unter dem Keſſel an, um das Garn 
zu kochen. Eine Nachbarsfrau ging vorüber zur Kirche und jah 
durch die offene Hausthüre das Feuer unter dem Keſſel. Sie rief 
der Frau zu: „Wißt ihr denn nicht, daß es heute Pfingftmontag 
it und ſchämt ihr euch nicht vor den Leuten? Gleich wird die 
Prozeflion zum Herrenbilde abgehen: was werden die Leute dazu 
jagen, wenn Ihr da fteht und Garn kocht, ftatt daß Ihr andächtig 
jeid, wie die Anderen?” 

„Was kümmert mich Euer Pfingftmontag und Eure Wall- 
fahrt? Wallfahrt mag gehen, wer nichts Beſſeres zu thun weiß. 
SH jage: Pfingjtmontag hin, Pfingitmontag ber. Heute noch muß 
mein Garn gekocht jein.” 

Als die Prozeifion von dem Herrenbilde zurüdfam, war das 
Häuschen der Frau mit Allem, was es enthielt, verfchwunden. Nur - 
ein tiefer Schlund war fichtbar und in der Tiefe hörte man das 
Strudeln des fiedenden Waſſers. | 

Lange Zeit blieb der Schlund unbededt. Später wurde eine 
Mauer darüber errichtet und ein Cruzifix mit den Bildfäulen der 
Mutter Gottes und des heiligen Johannes darauf geftellt. In der 
Mauer blieb eine vieredige Nijche, welche feine Deffnung nach innen 
bat; man hört aber daraus immer noch das Kochen des Waſſers, 
am deutlihiten am Pfingſtmontag. 





10* 





148 


er Gedenke, daß du den Sabath heiligeſt und laſſe dich nicht 
durch Geiz und Habſucht verleiten, denſelben durch knechtliche 
Arbeiten zu entheiligen! 


— —— ——— — 


Der Ecterspfahl, 


1. 


Unter die äitejten Geſchlechter Deutſchlands gehören die Echter. 
Nah alten Turnierbüdhern nahm Wolff Echter jchon im Jahre 
1019 Theil an dem allgemeinen Turniere, welches zu Trier abge: 
halten wurde. Damals hauften fie aber noch nicht im Spejjart, 
fondern im Odenwald, namentlih im Ohrenbacher Thale, wojelbit 
fie in dem heutigen Dorfe Weckbach eine Burg bejaßen. 

ALS Kaijer Friedrich Barbatoffa (der Rothbart) den deutſchen 
Thron beftieg, war der Abel ganz verwildert. Ein Stegreifritter, 
d. 5. ein, die Reiſenden plündernder Wegelagerer zu jein, war 
feine Schande mehr, galt vielmehr für eine ritterliche Uebung und 
die Burgen und Schlöfjer des Landes, welche zum Schuße des 
Landes dienen jollten, waren der Schreden des Landvolkes und der 
reijenden Kaufleute geworden. Friedrich Barbarofja trat aber 
ernjtlich gegen die MWegelagerer auf und wer von ihnen jeinem 
Gebote fich nicht fügte, büßte ſchwer für feinen Ungehorjfam. Ges 
brochene uud zerjtörte Burgen gaben allenthalben Zeugniß von der 
strengen Gerechtigfeitspflege des Kaiſers. 

In dem Schloffe zu Wedbah wohnten damal3 — wie die 
Volksſage erzählt — Drei Gebrüder Echter, melde jung und 
thatenluftig, auch der allgemeinen Unfitte fröhnten und fich zum 
Schreden des Odenwalds gemacht hatten. Kaifer Friedrich ließ 
auch ihnen den jtrengen Befehl zugehen, das Wegelagern einzu: 
jtelen und zu unterlaffen; allein der Kaifer war oft weit und 
ihre Burg war fejt und ſicher. Sie verlahten darum die Befehle 
des Kaiſers. Da machte fich Friedrih mit einem Kleinen Heere 
auf und zog mainabwärt3, um die Echter und andere Räuber, 


149 
welche er in die Reichsacht erklärt hatte, mit dem Schwerte zu 
züchtigen. Die Echter aber getrauten fich nicht, dem gewaltigen 
Kaijer die Stirne zu bieten. Als er herannahete, verließen fie 
ihre Burg und flüchteten fich in die entfernteften Thäler des 
Speſſarts. Ihre Burg in Wedbah aber wurde verbrannt und 
zeritört. | 

Der Sicherheit wegen trennten fi die Brüder und bauten 
fih drei Kleine Häufer oder Burgen: die eine bei Bartenftein, 
die andere bei Lindenfurt und die dritte unmeit einer reichen 
Duelle, welche der Eipelborn hieß. Hier lebten fie längere Zeit 
in großer Abgejchiedenheit. Da fie fih nun öfter über ihre ge: 
meinihaftlihen Familienangelegenheiten und dergleichen bevathen 
mußten, jo famen jie von Zeit zu Zeit an dem Plage zufammen, 
wo jebt das einjame Jaghhaus — der Jodel — (an der 
Staatzftraße zwiihen Würzburg und Aſchaffenburg) liegt. Ihre 
Roſſe banden fie an einen Pfahl, welcher davon den Namen 
„Echterspfahl“ erhielt. Als der Zorn des Kaifers fich gelegt und 
diejer die, gegen jie verhängte Acht zurüdgenommen. hatte, Tehrten 
fie wieder in den Odenwald zurüd. Zum Gedächtniß ihres Lebens 
int Speffart aber führten fie von nun an einen filbernen Pfahl 
mit drei blauen Ringen im Wappen und die Stelle, wo die drei 
Brüder ihre Zufammenfünfte hielten, heißt heute noch der „Echter3- 
pfahl.“ 


Mehrere hundert Jahre ſpäter, als die Echter ſchon lange 
wieder im Beſitze von Eſpelbrunn, oder wie es der an die 
Quelle gepflanzten Miſpelbäume wegen ſpäter hieß, Meſpel— 
brunn, waren, trat ein Ereigniß ein, welches den faſt in Ver— 
geſſenheit gerathenen Namen des Echterspfahls wieder auf eine 
recht traurige Weiſe auffriſchte. Die Beſitzungen der Grafen von 
Rineck und der Echter ſtießen im Speſſart zuſammen. Die Rinecker 
Grafen waren, ebenſo wie die Echter, hitzige Jäger und fo geſchah 
e3, daß die Jagdgrenzen nicht immer ftrenge eingehalten wurden. 
Insbeſondere ließ fich ein junger Echter durch jeinen Jagdeifer 


PR £ Pa RE, 


150 


häufig zur Verlegung des Nineder Yagdgebietes verleiten. Der 
Graf von Rined, welder die Echter zu feinen Bafallen zählte, 
hatte den jungen Echter ſchon mehrmals verwarnen laffen, aber — 
vergebend. Da ſchwur der Graf, daß er dem Echter, wenn er ihn 
auf feinem Sagdgebiete antreffe, den Kopf abſchlagen und vielen 
zur Warnung Anderer an der Grenze auffteden laſſen werde. Es 
dauerte nicht lange, jo verfolgte der junge Echter wieder ein Stüd 
Wild auf Rineder Gebiet. Der Graf jagte eben auch in feinem 
Reviere. 

Der junge Graf fiel dem Sagdgefolge des Rinecker Grafen 
in die Hände und legterer erfüllte buchjtäblich feinen Schwur und 
ließ dem jungen Echter den Kopf abjchlagen und auf einem Pfahle 
an der Grenze auffteden. Die Stelle, wo die blutige That geſchah, 
war eben auch am Edhterspfahl. 





Moral: Es hüte fih Jedermann, etwas Unrechtes zu thun, 
dann werden auch die ſchlimmen Folgen ausbleiben, welches das 
Unrecht im Gefolge hat. 


Meſpelbrunn. 


Wer einen hübſchen Punkt des Speſſarts beſuchen und ſehen 
will, der begebe ſich an einem ſchönen Sommertage durch die 
ſchattigen Buchenwälder nach Meſpel brunn, dem Stammſchloſſe 
der Echter, der Geburtsſtätte des Fürſtbiſchofs Julius Echter von 
Meſpelbrunn, dem Stifter des Juliusſpitals in Würzburg. Die 
Echter von Meſpelbrunn ſtanden meiſtens im Dienſte der Cur— 
fürſten von Mainz. So auch Haman Echter im Anfang des 
15. Jahrhunderts. Er war der bevorzugte Liebling des Curfürſten 
Johann, welcher ihn zum Vicedom von Aſchaffenburg ernannt 
hatte und Haman mußte den Curfürſten ſtets auf ſeinen Jagdzugen 
in den Speſſart begleiten. 


151 


Am 1. Mai 1412 wollte der Eurfürft die Hirihjagd im 
Speflart eröffnen. Obwohl ein Maitag, war es doch ſchon fo 
heiß, als wäre man mitten im Juli gewefen. Der Morgen jchien 
dem Waidvergnügen nicht günftig zu fein; nirgends ließ ſich ein 
Wild erbliden. Als aber die Sonne am Höchſten ftand, ward ein 
ftarfer Hirſch aufgetrieben. Der Eurfürft, ein Fühner Reiter, jegte 
ihm fo raſch nach, daß feine Leute ihm nicht folgen fonnten; nur 
allein Haman Echter blieb nicht zurüd. Ueber Berg und Thal, 
durch Gebüſch und Hochwald ging die Parforcejagd ftundenlang. 
Die Roſſe waren mit weißem Schaume bededt und das eble ver- 
folgte Thier feuchte nur ſchwankend noch weiter. Endlich brach es 
zuſammen. Der Gurfürft fing es ab, jebt aber verließ auch ihn 
die Kraft. Der Durft quälte ihn dergeftalt, daß er verſchmachten 
zu müſſen glaubte. Haman Echter, der den &urfürften nicht ver: 
laſſen hatte, war nicht viel weniger vom Durfte gepeinigt; dennoch 
raffte er fih auf und juchte nach einer Duelle, mehr für den ges 
liebten Herrn, als für fich ſelbſt. Die fandfteinreihen Höhen des 
Speflart3 laben feinen Durftigen; darum mußte Haman einen 
weiten Weg in ein entlegenes Thal mahen; dort fand er, was 
er ſuchte, unter Mifpelbäumen verftedt einen frifchen Brunnen. 
Er fühlte zuerft feine lechzende Zung ab und eilte dann, jeinen 
Herrn herbei zu Holen, weil ihm jedes Gefäß fehlte, worin er ihm 
einen labenden Trunk hätte bringen können. Haman fand den 
Eurfürften halb ohnmächtig im Schatten einer Buche liegen; er 
hatte nicht mehr die Kraft, zu ftehen, noch weniger vermochte er 
in das Thal hinabzufteigen. Da entſchloß fih Haman fchnell, Tud 
den Gurfürften auf jeine Schultern und trug ihn mit der leßten 
Anftrengung feiner Kräfte die weite Strede bis zur Duelle. Dur) 
die Labung mit friſchem Wafler hatte fich der Eurfürft in kurzer 
Friſt erholt und ein ftummer Händedrud ficherte dem Echter zu, 
daß ihm der Herr den geleifteten Liebesbienft zeitlebens nicht ver- 
geſſen werde. 

Als ſie nach gehaltener Raſt die erfriſchten Roſſe beſtiegen 
und das Thal entlang ritten, fanden ſie einiges Mauerwerk. Es 





152 





waren die Trümmer de3 Haufes, welches 250 Jahre vorher ein 
Echter errihtet und Ejpelbrunn genannt hatte. Der Drt felbit 
zeigte dem Curfürjten den Weg, wie er dem Haman Echter jeine 
Dankbarkeit angemeſſen beweijen konnte und kaum angelangt in 
feiner Refidenz zu Aichaffenburg, ließ der Curfürft einen Brief 
oder eine Urkunde ausfertigen, diejes Inhalts: 

„Wir Johann, dur Gottes Gnaden Curfürſt von Mainz, 
befennen und thuen fund, daß mir angejehen haben die trewen 
. Dienfte, die und und unſerm Stifft Haman Echter unjer Vitz— 
thumb zu Aſchaffenburg und lieber getreuer gethan hat und nod 
in künftigen Zeiten thun jol und mag, und darum um fonderliche 
Gunft und Gnade, die wir zu ihm und Annen, feiner ehelichen 
Hausfrau haben, jo haben wir ihm und ihren Erben geben zu 
Eigen die Wüftung und Hofftätte — genannt der Eſpelborn.“ 

Bei der Wüftung und Hofftätte mar aber auch der fchöne 
Wald, welder zu Mejpelbrunn gehört. 

Haman Echter baute fich ein ftattlihes Schloß nad) Meipel: 
brunn. Bon dieiem Schlofje fteht indeffen nur noch der Thurm; 
das jegige Wohngebäude ward von Peter Echter, dem Vater des 
Fürſtbiſchofs Julius Echter errichtet und die Ueberſchrift am Ein: 
gang lautet: 

1569. 


Chelih Lieb uud ftete Treu 
Bringt Glück und Segen ohne alle Reu. 
Mit Ernft und Fleiß haben wir Gott vertraut 
Den Unjern zu guet dieſes Haus gebaut. 
Darunter find die Bruftbilder des Erbauers Peter Echter und 
feiner Gemahlin Gertraud, geborenen von Adeltzheim, ausgehauen 
mit dem Beiſatze bei ihm: alt 49 — bei ihr: alt 44 Jahr. 


1 — 


153 


Der Bettler zu Mefpelbrunn. 


Meipelbrunn ift von dichten Forften umgeben,. welche reich mit 
Wild bevölkert waren, font noch reicher, als jegt. Kein Wunder 
aljo, wenn die Burgheren, gleich ihrem Ahnherrn, Freunde des 
edlen Waidwerks maren und wenn die Jagdluſt auf den Sohn 
forterbte. Der Sand Ditilientag eines Jahres hatte prächtiges 
Wetter gebradt. Das trübe Gewölk, welches wochenlang am 
Himmel gehangen, hatte einen friichen Schnee in den Forſt gelegt, 
daß man die Fährte oder Spur des Wildes nicht verfehlen Fonnte. 
Ein leiter Dftwind fühlte die Bruft des Jägers und heil ftrahlte 
die Sonne am Himmel, daß der Schnee funfelte, als wäre er mit 
Diamanten bejäet., Im Burghof zu Mejpelbrunn ftand alles zur 
Jagd bereit. Das edle Roß de3 Burgherrn ftand gejattelt und 
Iharrte unruhig den Boden, indem es zwei Dampfjäulen aus den 
Nüftern blies. Die Braden, Jagdhunde, zogen Fläffend an den 
Riemen und die Hörner der Jäger riefen wiederholt den Herin, 
welcher heute länger als gewöhnlich verweilte. Endlich fam er 
aus dem Schlofje und jehte den Fuß in den Bügel, um daß Roß 
zu befteigen. Da kam ein alter Bettler und bat tiefgebeugt um 
eine milde Gabe. „Komm’ ein andere® Mal,” ſprach der Ritter, 
„du fiehft, daß es mir jet an Zeit gebricht.” — „Herr“ flehte 
der Bettler, „der kleine Aufihub ift bald eingebracht; ich habe 
feinen Biffen Brod und bin jehr hungrig.” „Hungrig?” rief ge 
reißt der Ritter, welcher eben einen guten Imbiß zu fich genommen 
hatte, „und es ift faum die Sonne aufgegangen? Will denn das 
Bettelvolf vom frühen Morgen bis in die ſpäte Nacht fortefien ?“ 
„Herr“, ſprach demüthig der Bettler, ich habe auch geftern nichts 
gegeſſen.“ „Laſſe mich mit deinem Mährlein”, zürnte der Ritter 
und ſchwang -fih auf fein Roß, laß mich und gieb Raum, ſonſt 
zermalmt dich meines Rappen Huf.” — Und jeßt bliejen die Jäger 
ein Iuftiges Stüdlein, das wilde Roß war nicht mehr zu halten 
und unter Rüdengebell, Hörnerſchall und Peitſchenknall braufte die 
wilde Jagd zum Burgthore hinaus in den Wald, daß der Bettler 


nur wie durch ein Wunder unverleht davon fam. Die Jagd war 
ergiebig, mit dem Jagdglück wächſt aber aud die Jagdluſt und jo 
wurde fortgejagt, bis die Sonne den Berg binabftieg. Die Waid- 
männer hatten den ganzen Tag feinen Biffen gegefjen und feinen 
Tropfen getrunfen. So lange fie gejagt, hatten fie alles darüber 
vergeflen; als fie ſich bei einbrehender Dämmerung um ihren 
Herrn fjammelten und deſſen Befehle zur Heimkehr erwarteten, 
meldeten fich zwei ungeftüme Gäfte: der Hunger und der Durft. 

Da zog no ein Itolzer Sechzehnender unfern von ihnen vor= 
über. Kaum erblidte ihn der Burgherr, jo ſprengte er ihm nad), 
obmwohl- der erfahrene Jäger nicht auf die Hirihjagd ausgezogen 
war. Die Leute des Nitterd blieben zurüd, denn fie jahen voraus, 
daß erfterer mit feinem ermüdeten Rofje bald die unnüte Ber: 
folgung des Hirfches aufgeben und zu ihnen zurüdtehren werde, 
aber der Ritter kehrte nicht zurüd; er folgte dem Hirſche, der 
gar Feine Eile zu haben jchien, immer weiter. Auf einmal ver: 
ſchwand der Hirſch und in demſelben Augenblide rifjen alle Riemen 
am Sattelzeuge des Reiters zujammen, al3 wenn fie von Zunber 
geweien wären. Er mußte ſchnell vom Pferde fpringen, um nicht 
herabgejchleudert zu werden. Da ftand der Ritter rathlos, wie ein 
Heines Kind. 

Das wilde Roß war nämlih ohne Sattel und Baum gar 
nicht zu reiten und Meipelbrunn, jo wie jede andere menjchliche 
Wohnung, lagen zu ferne, um fie bald erreihen zu können und 
überdies eilte auch die jchmale Sichel des Mondes ihrem Unter: 
gange zu, und dann war ed im dunklen Forft unmöglich, den Pad 
finden zu können. Im Walde zu übernadhten, war es zu kalt, und 
den Ritter quälten nunmehr Hunger und Durft nicht weniger, ols 
jeine Jagdgenoſſen. Während. der Nitter fein Mißgeſchick ver: 
wünfchte, erſchien der Bettler, welcher am Morgen in Meipelbrunn 
gewejen. Stilihweigend nahm er feine Halsbinde ab, zerichnitt 
fie in jchmale Streifen und befeftigte mit ihnen, gleich ftarfen 
Riemen, Sattel und Zeug des Roſſes, welches jonft kaum zu 
bändigen war und nun ftilleftand, wie ein fanftes Lamm. 





154 


155 


In ſprachloſem Staunen hatte der Ritter zugejchaut; erit als 
der Bettler ihm die Zügel in bie Hand gab, und ihm auf das 
Roß half, fand er die Frage: „Wer bift du?” Aber der Bettler 
beantwortete fie nicht, fondern ſprach in glei demüthigen Tone, 
wie am Morgen: 

„Herr, Shr habt nun felbft gefühlt, wie e3 einem Manne zu 
Muthe ift, in deifen Eingeweiden der Hunger wühlt? Ihr werdet 
wohl feinen hungrigen Bettler mehr fortjagen.“ Er ſprachs und 
war verichwunden. 

Mit der Schamröthe auf den Wangen ritt der Burgherr 
feines Meges und gelangte nad) einigen Stunden zu den Seinigen. 
Er ftiftete demnächft eine jährliche Brodvertheilung an die Armen, 
eine Stiftung, welde von Frau Maria Dttilia, dem legten Sproſſen 
der Echter von Meipelbrunn und der Stammfrau bes edlen Ges 
ichlechtes der Grafen von Ingelheim im Jahre 1701 vergrößert 
wurde, Dieje Stiftung befteht heute noch und ihr zufolge werden 
jedes Jahr am Dittilientage, d. h. am 13. Dezember, im Ingel— 
beimer Hof zu Aichaffenburg das Brod von drei Malter Korn an 
die Armen vertheilt. 





Moral: Schäte dich glüdlih, freundlicher Zeiler, wenn dir 
Gott Mittel verliehen hat, den Armen Gutes thun zu Tönnen. 
Wende dann deine Augen nicht von dem Bedürftigen ab und be= 
denke jtet3, daß da8, was man einem Armen thut, jo angejehen 
wird, ala habe man e3 Gott felbft gethan. Der Hartherzige hat 
fih ſchon oft einen nagenden Wurm an jein eigenes Herz gelegt. 


Pie Stau Zulle. 


Zwiichen Heimbuchenthal und Wintersbach liegt ver Shellen- 
berg, und auf diefem ftand in alter Zeit ein Schloß, und im 
Schloßhof ein Lindenbaum. Der war jehr groß und ſchön und es 
ging die Sage, je lange der Lindenbaum ftehe und grün fei, 





156 


werde das Schloß auch ftehen. Wenn er aber dürr und abgängig 
würde, würde auch das Schloß verfallen und die SHerrenleute 
würden ing Abweſen gerathen. In dem Schloß auf dem Schellen- 
berg lebte nun einmal ein Scloßherr, der hatte zwei Söhne. 
Der ältefte war groß und jchön, der jüngfte aber klein und häßlich. 
In jeiner Jugend hatte er bei einem jähen Sturz das Bein ge: 
broden und man nannte ihn darum nur den frummen Jakob. 
Als nun der Schloßherr jein Ende nahe fühlte, ließ er fie beide 
vor fein Bett fommen, übergab dem Einen, als dem Erftgebornen 
da3 Schloß und überdies noch eine große Kijte mit Geld und er- 
mahnte ihn, den Jakob bei fich zu behalten, ihm zeitlebens brüderlich 
zu begegnen und an nicht? e3 ihm fehlen zu laſſen. Das verſprach 
nun auch der Neltefte mit Hand und Mund. Als aber der Vater 
gejtorben war, hielt er fein Verſprechen nicht, vielmehr behandelte 
er jeinen jüngeren Bruder jchlechter, als den geringiten Taglöhner. 
Er ließ ihn nit mit fih an einem Tiſche eſſen und nicht in 
feinem Schlofje wohnen, jondern er mußte mit den Hunden aus 
einer Schüfjel eſſen und bei den Pferden im Stalle jchlafen. Als 
nun der jüngere Bruder dieſen Sammer nicht länger ertragen 
fonnte, ging er eines Tages zu feinem älteren Bruder und ver: 
langte fein väterliches Erbe, denn er wolle jein Glück weiter juchen. 
Der Schloßherr aber gab ihm nichts, ſchlug ihn und ließ ihn zum 
Schloſſe hinaus werfen. 

So verließ nun der arme frumme Jakob die Burg jeines 
Vaters, ging traurig fort in den Wald, immer zu, Berg auf, 
Berg ab, und wie er ins Thal fam, wo die Karthaufe ftand und 
die alte verfallene Kirche, war e3 Abend, und er jekte fi unter 
einem Baume nieder, legte den Kopf in jeine Hände und meinte 
bitterlih. Als er aber wieder aufftehen will, jist ihm gegenüber 
auf einem Stein ein altes Weib mit grauen Haaren und runz- 
lihem Geficht, die fpinnt, und wie fie das Rad tritt, nidt fie in 
einem fort dazu mit dem Kopfe; — das war die Frau Hull, 
Sie hatte eine Feine Platthaube auf dem Kopf, wie fie die alten 
Weiber fonft in die Kirche aufzujegen pflegten und eben ein ſolches 


> Sa re 


157 


ſchwarzwollenes Mützchen, das nur bis knapp unter die Ellenbogen 
ging, und darunter vom Gllenbogen bis an bie Hände weiße 
Stauden. Sie fragte ihn, warum er fo traurig fei, er aber ant— 
wortete: „Ihr könnt mir ja doch nicht helfen!" und wollte jeines 
Weges weiter gehen. Sie aber erſuchte ihn, zu bleiben, und jagte: 
„Ich kenne dich und deinen Bruder jehr wohl. Du bift der krumme 
Jakob vom Scellenberg und wenn du mir Zutrauen jchenten 
willit, jo fann und werde ich dir helfen. “Da ging dem krummen 
Jakob das Herz auf, denn jeit feines Vaters Tod hatte Niemand 
mehr freundlich mit ihm geredet. Er klagte ihr nun, wie ihn 
fein Bruder mißhandelt, ihm jein Erbe vorenthalten und ihn wie 
einen Bettler aus dem väterlihen Schlofje hinausgeworfen habe. 
Die alte aber jagte: „Komm mit mir; nach drei Jahren wollen 
wir wieder zu deinem Bruder gehen, vielleicht reuts ihn bis dahin 
und er gibt dir dein Eigenthum.“ 

Der Jakob ließ fich das gerne gefallen und fie nahm ihn mit 
fih in ihr Häuschen und gab ihm auf, ihren Nosmarinftod zu 
gießen, ihre Kate zu füttern und ihr Flachsfeld zu bauen, und 
im Winter mußte er Pfahlſtecken jchneiden für die Weinbergs— 
bauern und Sciffsftangen für die Sciffsleute, und im Frühjahr 
trug er fie an den Main, um fie zu verlaufen. 

Wein die rechte Zeit dazu gefommen war, nahm die Frau 
Hulle ihren Spinnroden in die Hand als einen Gehjtod und ihren 
Hockkorb auf den Rüden, padte ihr Garn hinein, um e3 aud) 
zu verkaufen und ging mit, und wenn dem Jakob die Pfahljteden 
und Schiffsftangen zu ſchwer wurden wegen jeines lahmen Beineg, 
nahm fie ihm die Laft ab und warf fie mit ihren dürren Armen 
oben auf die Köße, jo leicht, als wenn es Strohbürden wären. 
Zwiſchen Hasloch und Faulenbach aber ijt hart am Weg ein Stein, 
dort ruhte fie. jedesmal aus, und wo ihre Kötze mit den Füßen 
aufftund, find die Löcher davon heute noch zu jehen. So hatte es 
der Jakob recht gut bei ihr; dabei lehrte fie ihn alle Bauern- 
arbeit, jo daß er fich zulegt befjer darauf verftand, als ein ges _ 
borener Bauer. 


ST 
158 


Als nun die drei Jahre herum waren, jagte die Alte: „Komm, 
nun wollen wir zu deinem Bruder gehen !" und nahm ihren Spinn: 
roden in die Hand und die Kötze auf den Rüden und der Jakob 
ging mit. 

Den Bruder fanden fie im Schloßhof unter der Linde fiben, 
denn e3 war an dieſem Tage jehr ſchwül, und die Linde blühte 
und gab einen großen Fühlen Schatten und die Vögel jangen 
lieblih in den Zweigen. Wie fie heran famen, fragte er fie nad) 
ihrem Begehr, die Frau Hulle nimmt aber dad Wort für den 
frummen Jakob und fagte, jein Bruder jei da und wolle, was 
ihm gehöre. Der Schloßherr aber Flucht und jagt, wenn fie nicht 
gleih von der Stelle gehe, werde er ihr ihren alten waceligen 
Kopf herunter reißen und dem Krummen auch noch da3 andere 
Bein lahm jchlagen. Da wurde die Alte jehr zornig, nahm ihren 
Spinnroden, ftieß denjelben in die Linde, und alsbald, wie dieies 
geihehen, fliegen. die Vögel auf und der Baum fängt an zu zittern 
von der Wurzel bis zum Gipfel und aus dem Stanım, aus den | 
Heften und Zweigen läuft der Saft und tropft auf den Boden, 
die Blätter werden gelb und fallen ab und die Frau Hulle jagt: 
„DO du armer Böjewicht, fieh her! Wie diefem Lindenbaum jo 
ſoll es dir gehen und deinem Haufe; du jollft verborren und 
verihmachten und abfterben und fein Glüd mehr haben, jo lange | 
du lebſt!“ Dann ging fie mit dem Jakob von bannen. 

Wie fie prophezeit hatte, jo geihah es. Als der Lindenbaum 
verdorrt war, da hielt auch das Schloß nicht mehr. So oft es 
ftürmte, fiel aud ein Stüd des Thurmes oder einer Mauer ein 
und auch die Steine verſchwanden, daß man nicht3 mehr aufbauen 
fonnte. Kein Menſch wollte und fonnte mehr im Schloffe bleiben | 
nnd der Schloßherr wohnte im Keller; dort jtand die Geldfifte 
und von der wollte er fich nicht trennen, jondern hütete fie Tag 
und Nadıt. | 

Zulegt, al3 vom Schloſſe nicht? mehr übrig war, als der 
Keller und der verdorrte Lindenbaum, welcher im Hofraum ftand, 
kam auf Martini in der Mitternacht ein großer Sturm nnd warf ' 


159 


den Lindenbaum auh um. Der fiel gerade vor die Kellerthüre 
und fperrte den Ausgang. Der Schloßherr konnte die Thüre nicht 
mehr aufbringen, wie er fih auch dagegen anftemmte und nad 
Hülfe jchrie, und mußte elendiglich auf jeiner Geldfifte verhungern. 

Die Frau Hulle aber wußte das Alles gar wohl und den 
Tag nah jeinem Tode fam fie, bob den Lindenbaum binmweg, 
öffnete die Kifte und jchied das Geld in zwei gleiche Theile. Den 
einen ließ fie liegen, den andern nahm fie mit, und wie fie aus 
dem Keller trat, ftürzte auch dieſer zujammen. Daheim gab fie 
dem Jakob das Geld und fagte: „So, jeßt hat jedweder das 
GSeinige, er und du, wie ed der Vater vor jeinem Tode befohlen hat. 

Nimm, was dein ift, aber eines rathe ich dir: jchlage dir den 
Edelmann aus dem Kopfe! Werde ein Bauer, als joldher kannſt 
du noch Glück haben. Set lebe wohl! Mi wirft du nicht mehr 
fehen.“ 

Da nahm der Jakob Abſchied von der Frau Hulle, baute ſich 
von jeinem vielen Gelde einen großen Bauernhof auf dem Hunds- 
rüd bei Altenbud, nahm eine Frau, viele Knechte und Mägde und 
ward ein großer Bauer. Keine Seuche fam in feinen Stall, feine 
Raupen auf jeine DObftbäume und fein Hagelichlag über jeine 
Felder. In der Erntezeit, wenn die Dienftboten alle Hände voll 
zu thun hatten, damit das gute Erntewetter benüßt wurde, geihah 
e3 öfter, daß, wenn fie früh aufs Feld kamen, daß die Arbeit wie 
von Heinzelmännden ſchon gethan war, daß die Garben alle ge- 
Ichnitten, gebunden und auf Haufen geftellt waren, jo daß man jie 
nur nah Hauje zu fahren brauchte. Die Leute jahen ſich erjtaunt 
einander an, Jakob aber wußte gar wohl, wer e3 gethan hatte. 
Als ihm fein erftes Kind geboren wurde, wollte er in der Freude 
feines Herzens aud der Frau Hulle Nachricht davon geben und 
machte jich daher zu ihr auf den Weg. Wie er aber auch juchte 
und fi die Augen rieb, er fonnte weder ihr Häuschen finden, in 
welchem fie gewohnt hatte, noch das Thal, in welchem es jtand, 
und nachdem er einen ganzen Tag vergeben? im Walde herum 
gelaufen war, fand er fi abends, als man die Lichter anzündete, 


160 


wieder in jeinem Bauernhof. Endlich ift er in hohem Alter ges 
ftorben. 





Halte deine Hände rein von ungerechtem Gute, denn es bringt 
Niemand Segen ! 2 


Der Scarftein. 


Bor vielen Zahren lebte, wie die Volksſage erzählt, in Heim 
buchenthal ein Müller, welcher eine einzige Tochter hatte. ES war 
dieſes ein jo Hübjches und liebes Mädchen, daß ihr die Buriche 
von zehn Stunden Wegs zu Gefallen gingen. Das Mägdlein 
meinte anfangs, der ſchlanke Bäden- Philipp von Krauſenbach jei 
unter allen der jchönjte und gab ihm ihr Herz. Als aber bald 
darauf auch der krummhalſige aber fteinreiche Schulzendid von da 
ihr gar ftark das Neujahr anſchoß und eine Brege, jo groß wie 
ein Pflugrad in den Fenſterſchlag hing, da war er der Außer: 
wählte. Beide Burſche waren zuvor gute Freunde mit einander, 
nun aber jahen fie ſich gegenjeitig an, wie Hund und Katze. Doch 
auch dem Schulzendiden brachte die Liebe feine Rojen. E3 kam 
die Faſtnacht, welche viele Fremde nah Heimbuchenthal brachte. 

Die Nothenbücher Amtsichreiber tänzelten das ſchöne Müllers: 
töchterlein den ganzen Nachmittag herum und Abends kam der neue 
Forftgehülfe von Rohrbrunn, der war ein äußerſt hübjcher, junger 
Mann, und mweltluftig, aber doch fein Leichtfuß, wie die Schreiber. 
Er hatte von der Müllerstochter gehört, wie fie jo ſchön, reich und 
brav jei, und ihr zu lieb machte er den ziemlich weiten Weg dahin. 
Wie er fie zum erften Male fieht, denkt er: „Das iſt wahrhaftig 
ein nette® Mädchen und wenn ihr Herz jo Kar iſt, mie ihre 
blauen MWeugelein, jo mag fie wohl mein Weibchen werben.“ 
- Darauf tanzt er mehrere Reihen mit ihr, nimmt fie dann neben 
fih Hinter den Tiſch, flüftert ihr heimlich viel Schönes ins Ohr, 
wie fie jein Schätzchen fein, vielleiht gar fein Weibchen werden 
jollte und wie er fie an Maria Geburt aufs Kohrbrunner 





men rn 


161 


Scheibenſchießen führen wolle und dergleihen. Da Elopft dent eitlen 
Mädchen das Herz höher und von Stund an fieht fie auf die 
Anderen herab, als wenn fie wirklih ſchon Frau Förfterin wäre, 
Der Schulzendid mit feinem vielen Geld befommt Feiertag und 
macht dafür ein Gefiht, wie die Kate, wenns donnert. Dem 
Mägdlein aber hängt der Himmel vol Baßgeigen, und als das 
KRohrbrunner Schießen kam, da wurden fie geipielt, aber nicht der 
Schönen Müllerstochter, denn der Jäger ließ fie fiten. Er hatte 
unterdeilen gehört und gejehen, daß fie nicht weit her jei und 
meinte, jo ein Stückchen Hausrath tauge nicht in feinen Kram, 
Das hätte fich aber die ſchöne Müllerstochter nicht träumen laſſen. 
Sie dachte, der Förfter Habe jie nur deswegen nicht geholt, weil 
fie den Herrenleuten gegenüber nicht nobel genug gekleidet gewejen 
fei, und vertröftete fich daher auf die Heimbuchenthaler Kirchweih. 
Dieje kam 14 Tage darauf. 

Die Mufilanten trugen Naritätsftüdhen vor und auch der 
Rohrbrunner Förjter jab wieder auf jeinem alten Platz hinter dem 
Tiſch. Nicht weit von ihm, an der Thüre, ftand, aufgepugt wie 
ein Pfau und glühend, wie eine Feuerroſe, das hübſche Müllers— 
töchterlein und einmal ums andermal liebäugelte fie zu ihrem 
Jäger hinüber; der aber that, als jehe er nichts, und die andern 
mochten fie heut auch nicht anjehen. So mußte fie. denn an der 
Thüre ftehen bleiben und eine müßige Zuſchauerin bleiben. Da 
fommt auf einmal raſch die Stiege herauf der Bäcker-Philipp mit 
einer Pflugſchar, welche er bei dem Schmied in Heimbuchenthal 
hatte dengeln lafjen. Zu ihm: tritt das Mädchen mit Crokodills— 
thränen in den Augen und jagt, fie habe jhon jo lange auf ihn 
gepaßt, jie wolle jortan mit feinem andern tanzen, als nur mit 
ihm; fie habe fehr Unrecht gethan, daß fie ihn verlaffen habe, 
aber es müfje ihr von böjen Leuten angethan worden fein, daß fie 
dem reihen Krummhals babe nadhlaufen müfen. Mit tem Jäger 
babe fie nichts, und doch machte fie jo verliebte Augen zu ihm 
hinüber, daß man meinte, fie wollte ihn das Herz aus dem Leibe 
ftehlen. Obwohl das der Bäden-Philipp recht gut jah, jo machte 

Sagenſchat. 11 


162 


ihm die Thorheit doch das Herz warm unb er dachte bei fid: 
„Dem Schulzendid könnte ich wohl ein Bein ftellen, daß er einen 
Purzelbaum jchlüge, bei dem verwünjchten Grünkittel dahinten 
gehts Halt doch nicht jo leiht. Der darf nur wieder einmal 
jeinen Eleinen Finger ausjtreden, jo padt ihn das loje Ding bei 
der ganzen Fauft. Aber ich will fie ihm heute Nacht ftengen, wäre 
nur ein Kraujenbacher bei mir.” Dann erfaßt er mit einem lauten 
Sauchzer jeinen alten Schak und tanzt mit ihr bis zum Abend, 
und al3 das abgemadht war, geht er hinaus, um fich nach jeiner 
Pflugihar umzujehen, welde er in der Fenſterecke draußen ver: 
ftedt hatte. 
Wie er dabei zum Fenjter hinaus ſchaut, fieht er den Schulzen: 
did hemdärmlig und triefend vor Schweiß aus der Schmiede ftrads 
auf das Wirthshaus zulaufen, ebenfalls eine frijchgedengelte Pflug: 
ſchar unterm Arm. Der Bäden:Philipp war froh mit ihm und 
denkt: „Zum Zujchlagen ift der gut, wenn ich ihn auch jonft nicht 
mag.“ Er ſtellte ſich daher freundlich gegen ihn, trat ihn bis zur 
Hausthüre entgegen und ſprach: „Bruder, es ift gerade recht, dab 
du kommſt. Gieb mir deine Hand, und jei mir wieder gut! 
Komm, wir trinten einen guten Schoppen Sodener da neben im der 
Schenke!“ Drauf jagt er ihm, leije flüfternd ins Ohr: „Bruder, 
du biſt ein glücklicher Menſch! Das Müllersgrethen hat mid 
bintangefegt und dich erwählt. Ich verdenfe es ihr auch nidt, 
denn du bift reich und fannjt alle Tage heirathen, aber der ver: 
wünſchte Jäger dort hat dir deinen Schag abmwendig gemacht und 
lacht auch noch darüber. Bruder, bedenks! einem Fremden und 
noch dazu einem Jäger läßt du das nicht hingehen. Du mußt 
heute Nacht noch dem Grünfittel ein Halseifen legen, daß er ſich 
darin zu Tod zappelt.“ Dem Schulzendiden kommt der Einfall 
gut vor. Aus lauter Eiferfuht vergift er das Müllersgretchen, 
dem er doch zu Gefallen gegangen ift, und nur ein Gedanke ging 
ihm wie ein Mühlrad im Kopfe herum: wie er jeinen Erzfeind, 
den Förfter, aus der Welt jhaffen könne. Der Plan war bald 
zuwege gebracht, und al3 ver Bäden- Philipp heimlich unter vier 





163 


Augen von der hübſchen Müllerstochter Abjchied genommen. und 
dabei noch einmal den Jäger mit jeinen Bliden durchbohrt Hatte, 
nahm jeder der Burſche feine Pflugichar unter den Arın, und jo 
ftellten fie fih, die Hölle im Herzen, zwiichen Heimbuchenthal und 
Krauſenbach in einer Eichenhede auf, der eine oben, der andere 
unten, und lauerten auf den Jäger. Der aber trank in Heim: 
buchenthal noch einen Schoppen Klingenberger Rothen und geht 
danı guten Muthes auf die Ejelshöhe zu. Da zupft ihn auf 
einmal Jemand am Slintenriemen ; er ſieht jich furchtlos um und 
Frau Hulle fteht vor ihm und feucht: „Kehrt um, oder jchlagt 
euern Weg recht3 über die frumme Buche ein; der Gang über die 
Gielshöhe wäre Euer legter!" Damit war fie verichwunden. Ob: 
wohl der Förfter, wie alle Jäger, feine Furcht fannte, blieb er 
dennoch fiehen, überlegte fi die Sahe und dachte: „ch habe 
zwar einen Fuchsſchwanz an meiner Seite, der giftig trifft; damit 
fönnte ich ſchon ein paar Spigbuben falt legen, aber wenn man 
nicht gezwungen ift, joll man fein Menjchenblut vergießen.“ Er 
folgte aljo dem Rath der Frau Hulle, welche ihm kürzlich ſchon 
aus einer argen Noth gegen die Weibersbrunner Wild: 
diebe geholfen hatte und er fam glüclich heim. Frau Hulle aber 
war jegt unvermerft bei den zwei MWegelagerern. Die paßten und 
paßten und die Luft zum Würgen plagte Einen von ihnen mehr 
als den Andern. Da fängt es auf einmal ganz nahe bei ihnen 
zu bellen an, genau wie de3 Jägers Hund. Der aber lag ichon 
lange zu Haufe hinter dem Dfen; es that3 Frau Hulle Wie ein 
Pfeil fährt der Bäden- Philipp oben aus dem Gebüjche und 
der Schulzendid unten, es raujht wie ein Hagelwetter, 
„Spisbuben! Mörder!” hört man jchreien, und jeder ftürzt wie 
ein Drade mit hochgeſchwungener Pflugihar auf das Rauſchen 
und Brüllen los, in der Meinung, er habe es jegt mit dem Förfter 
zu thun. Ein Streid, ein Mark und Bein durchdringender Schrei, 
ein halbmannshoher Sat von beiden zugleich und jeder ftürzt mit 
gejpaltenem Hirnjchädel zu Boden. 


— — — — — — — — — 


11* 


164 


Der Morgen graute und des Müller® Töchterlein ging auf 
die Ejelshöhe, um Buchenlaub zu reden. Sie ſah gedanfenvoll vor 
fih hin und dachte gerade an den hübſchen Nohrbrunner Jäger 
und meinte, wenn er nur jeßt daher fäme Auf einmal ift es ihr, 
als jtehe er leibhaftig vor ihr, wie fie aber verwundert die Augen 
aufhebt, ſieht jie zwei Leichen, furdtbar entjtellt, zu ihren Füßen 
in einer Blutlache liegen, jeder eine jcharfe Pflugſchar in feiner er— 
ftarrten Fauft. Da jtehen dem Mädchen die Haare zu Berg, ihr 
Herzſchlag ſteht jtill, dunkel wirds ihr vor: den Augen und ein 
namenlojes Weh erfüllt ihre Bruft. „Der Philipp!” fchreit fie 
und fällt ohnmächtig neben ihm nieder. Als fie wieder zu ſich 
fommt, lehnt die alte Hulle auf ihrem Stödchen neben ihr und 
jagte mit vor Zorn bebender Stimme: „Kennft Du dieje zwei da 
mit ihren blutigen Bilugiharen? Die waren für den Kopf des 
Jägers bejtimmt, aber es ijt anders gefommen. Du aber und des 
Teufel Großmutter, ihr jeid jchuld daran. Du haft mit deinen 
Lügen dem Bäden: Philipp das Herz wieder warm gemacht, jelbige 
Beitie hat daran gejhürt und den Mordbiffen darin gebraten und 
der Schulzendid in jeiner Dummheit hat Antheil daran genommen. 
Denke Deiner Lebtage daran, bejonders wenn Dir Heirathsgedanfen 
kommen!“ und mit diejen Worten humpelte die Alte davon. Das 
Mädchen hatte aber von Stund an feinen frohen Augenblid mehr: 
ein quälender Wurm nagte an ihrem Herzen, bis der Tod jie von 
ihrem Kummer und ihren Xeiden erlöfte. 

An dem Plate aber, wo die zwei Kraujenbader jih auf eine 
jo entſetzliche Weiſe erihlugen, jegte man zur bejtändigen Erin— 
nerung an die blutige That einen Stein. Der ijt geformt wie 
eine Pflugſchar, fteht heutigen Tages noh am Wege zwijchen 
Kraufendbah und Heimbuchenthal und Heißt der Scharftein. 
Seder Menjch aber, dem der böje Feind den Teufel der Eiferjucht 
ins Herz gejegt hat, der möge unjeren Herrgott recht injtändig 
darum bitten, daß er ihn wieder aus jeinem Herzen vertreibe und 
möge fich recht oft erinnern. an die entjegliche Blutthat am Schar— 
ftein. 





IL. ut en 


165 


Die Hachtmahlskannen. 


Ehe das Schloß Wildenftein an die Grafen von Rieneck kam, 
gehörte es den Münzenbergern. Vielleicht haben dieje Herren ihren 
Namen davon befommen, daß fie, wie die Volksſage wiſſen will, 
eine eigene Münzftätte hatten auf dem Berge oberhalb Eſchau, 
welchen man heutigen Tages noch die „Münzplatte“ heißt, 
denn fie waren jehr reihd. Wenn fie aber Jemand gefragt hütte, 
wie fie zu dem vielen Gold und Silber gefommen wären, welches 
da oben gemünzt wurde, würde die Antwort nicht jchön gelautet 
haben. Mander Kaufmann wußte davon zu jagen, welchen jein 
Meg dur den Speſſart oder den Main hinunter führte, manches 
Dorf und mandes Städtlein, das ihren Zorn einmal unverjehens 
gereizt und die armen Unterthanen auch, mit denen fie fein Er— 
barmen hatten. Es ift vielleiht auch mander unter den Herin 
gemwejen, der gerade nicht jo jhlimm war, der Letzte aber, welcher 
auf dem Schloſſe haujte, ehe e3 an die Nieneder fam, war noch 
einmal ein üchter Münzenberger: trogig, waghalſig, raubjitchtig 
und geizig. Weil -aber nun jein Gejchleht das Maaß erfüllt 
hatte, hub nun auch das Gericht über ihm an, und wie daß er— 
füllt wurde, weiß man heutzutage noch zu erzählen. 

In feinen jungen Jahren nämlich hatte diejer lebte Schloß— 
herr von Wildenftein einmal ein Dorf angezündet und ausgeplündert 
und hernach wollte er das geraubte Gut theilen laſſen. Wie nun 
feine Knete vor ihm auf einen Haufen legen mußten, was ein - 
jeder gefunden, brachten fie auch die zwei Nachtmahlsfannen her— 
bei, welche fie aus ber Kirche geraubt hatten. Dieje wollte er für 
fih behalten, denn fie waren von purem Golde und gar jauber 
gearbeitet. Da trat der Pfarrer herzu und riethb ihm ab, er 
möchte jih daran nicht vergreifen, denn e3 könnte ihm nimmer: 
mehr Glück bringen, — weder ihm, noch feinen Kindern. Er aber 
ließ fich nicht einreden, jondern frevelte noch dazu, indem er jagte, 
er wolle e3 erft abwarten. Wenn ihm die Kannen Unglüd ins 
Haus brädten, dann könne er fie ihm wieder ſchicken, wenn aber 


166 





nicht, jo follten fie bei ihm gut aufbewahrt jein und er wolle 
denfen, fie jeien ihm bejchert und beſtimmt geweſen. Wie er heim- 
fam aus dem Krieg, verbarg er die Kannen im Keller unter einem 
Steinhaufen und wenn er zuweilen binunterging, um fie fich an: 
zujehen, durfte Niemand mit, al3 jein großer ſchwarzer Fanghund, 
welcher niemals von feiner Seite fam, jo daß Niemand erfahren 
hat, wo fie denn eigentlich lägen. 

Da geihah es nun, daß der Schloßherr durch Unrecht, Ge 
walt und Bebrüdung von Jahr zu Jahr reicher wurde, und als 
jeine Söhne herangewachſen waren, von denen die zwei ältejten jo 
wild waren, wie der Vater, der jüngfte aber der Mutter nachge— 
fahren war und ein gutes Gemüth hatte, — konnte er jedem von 
ihnen ein Schloß bauen. 

Dem ältejten, Eberhard mit Namen, baute er eines an den 
Künigenberg im Wildenjeer Grund und gab ihn überdies noch un- 
geheure Schätze an Gold und Silber, denn ihn hatte er am liebiten, 
Auch ließ er ihm einen großen Hirſch von lauterem Golde maden 
und jtellte ihn über das Schloßthor, den jah man glänzen und 
blinken jchon von weither. Dem zweiten, Hugo, baute er eines in 
den Heßgrund neben das Dorf Hedbah, und dem dritten, Gott— 
fried mit Namen, baute er eines auf die Wieje oberhalb Unter: 
aulenbah. Es jah nicht aus, als wenn ein Unglüd fommen wollte 
über den Schloßheren und feine Kinder, und er war jo ficher und 
wohlgemuth, wie der Frömmſte. 

Als er nun einmal abends in feiner Stube jaß und durchs 
Fenſter ſchaute, flog ein Nabe heran und fchlug mit jeinem 
Schnabel ans Fenfter. Der ſchwarze Hund ftand auf und fing 
an, .Häglich zu heulen, und als er es ihm wehren wollte, that & 
einen Schlag, daß das Schloß in feinen Grundfeften erzitterte und 
der Burgherr fih am Stuhle halten mußte. Folgenden Tages 
fam die Schredensnahridt, daß das Schloß am Künigenberg 
geftern Abend um dieje und diefe Stunde mit allen Leuten unter 
gegangen ſei: nur der Schlot gude noch heraus, und aus dieſem 
fomme der Schloßbrunnen gefloffen, wie aus einer Röhre. 


167 


Eine Weile ging ihm der Untergang feines Sohnes und des 
Schloſſes hart nah, denn er dachte an die Nachtmahlskannen und 
an den Pfarrer, er war ftill und im fich gefehrt und war nicht 
mehr jo hart und graujam gegen die Leute. 

Nah etlihen Monaten aber ftarb fein Weib, die ihn von 
mandem Böien zurücdgehalten hatte und er nahm eine Haus 
hälterin, Elſe mit Namen, welche eben jo hartherzig und geizig 
war, wie er jelber. Bald war jein Gewiſſen wieder ftill geworden 
unb er triebs wieder, wie zuvor. 

Seht kam ein großer Krieg ind Land. Der Feind fam und 
haufte mit Sengen und Brennen jo übel, daß e3 zum Erbarmen 
war. Gerade um diejelbe Zeit, als der Feind heranzog, hatte der 
Schloßherr auf Wildenftein einen böfen Traum. Es kam ihm 
nämlich vor, al3 ob das Schloß, welches er im Heßgrunde gebaut 
hatte, auch nicht ftehen bleiben wolle, jondern fich jenfe, und wie 
es ſchon ſtockwerks tief eingejunfen, erſchien ſein Sohn am Fenſter 
und rief: „Vater, daran jeid ihr Schuld, weil ihr das Haus auf 
Sand gebaut und fein Kreuz darauf geftedt habt, und weil die 
Kannen noch unter dem Steinhaufen liegen. 

Als er, in Angftihweiß gebadet, erwachte, ſchickte er jogleich 
einen Boten nah Hedbah, er jolle jehen, was jein Sohn made 
und als er dem Boten nahjihaut, fteigt Hinter dem Berge, wo 
Heckbach Liegt, eine große Rauchſäule auf. Da wird es ihm noch 
mehr bange. Endlich aber fommt der Bote zurück und meldet, 
der Feind babe das Dorf abgebrannt und fei weiter gezogen, das 
Schloß aber ftehe noh und fein Sohn ſei wohl und laſſe ihn 
grüßen. Da wurde es ihm wieder leichter und er meinte, es habe 
ihn blos ein böjer Traum erichredt. Wie er aber Abends in feinem 
Zimmer fit, heulte der Hund wieder, ‚gerade wie damals, und 
wie er zum Fenſter hinausfieht, fommt der Rabe wieder geflogen, 
langſam mie ein Bogelgeier, aber gerade aus, wie ein Pfeil, jchlägt 
mit dem Schnabel ans Fenfter und e3 kracht wieder als wenn die 
Erde auseinander fahren wollte. Da war das Schloß im Heß— 
grund auch untergegangen und als er fih am folgenden Tag den 


168 


Drt befieht, war vom Schloß feine Spur mehr zu fehen, nur ein 
großer leerer Platz, wo es geftanden und dabei die Mauern von 
dem verbrannten Dorfe, gerade jo, wie man e3 heutzittage noch 
zwiichen dem Haidekraut und Gebüſch jehen kann. Diefesmal war 
e3 dem Schloßherrn doch zu arg geworden: er konnte die Worte 
de3 Pfarrerd nicht aus dem Sinne bringen und vertraute die 
Sache von den Nahtmahlsfannen der Elfe, — mo er fie aber 
verftedt hatte, das fagte er ihr nicht. Dieje aber wollte ihm zu 
Gefallen reden und jagte: „Hin ift hin! Eure Söhne kommen doch 
nicht wieder, der dritte aber ift ein Betbruder, bem wird es nicht 
Ichaden. wenn ihr auch die Kannen behaltet.“ 

Das gefiel dem Münzenberger wohl, denn der Geiz hatte jein 
Herz in einen Kiejelftein verwandelt und er that wieder, wie zuvor, 
doch ſprach er ſchier mit Niemand mehr ein Wort, al3 mit der 
Elje und feinem Hunde, lachte auch nicht mehr, jondern war ſtumm 
und finiter. 

Wiederum jaß der Schloßherr eines Abends in feinem Zimmer, 
Sein jhmwarzer Hund war frank geworden und eben im Verenden 
begriffen. Mit einem Male fteht er auf, ftößt ein entjegliches Ge— 
heul aus, dann fällt er um und ftredt alle Biere von fih. Der 
Schloßherr fährt erjchroden zujammen und läuft ans Fenfter. 
Richtig, da kömmt der Rabe wieder geflogen, gradaus wie ein 
Pfeil, diefesmal aber nicht langjam, jondern ſchnell, daß die Luft 
pfeift, und jchlägt mit feinem Schnabel ans Fenfter, daß die 
Scheiben flirten. Da that der Münzenberger einen mark- und 
beindurchbringenden Schrei, und rief: „Zwei find hin, jegt fommt 
e3 an den Dritten. Gilet, was ihr könnt, und holet den Pfarrer, 
denn ih will und muß beiten!” Die alte Elje eilte nah Eſchau, 
um den greifen Pfarrer zu holen. Als er ankam, war e3 bereits 
dunkel geworden und wie ihn die Elje ins Herrenzimmer führt, 
waren die Lichter bereit3 angejtedt, der alte Münzenberger aber 
liegt in einem Seſſel und jchreit mit berzzerreißender Stimme: 
„Zwei find hin, jegt kommts an den Dritten!” Der Pfarrer be— 
ruhigte und ermahnte ihn, daß er fich dag Herz erleichtern möge, 


169 


und der Schloßherr winkt und jtöhnt: „Die Kannen — find — 
im — im” — weiter kömmt er nicht. Seine Kinnbaden fingen 
an zu arbeiten, als wenn er noch etwas jagen wollte, konnte es 
aber nicht mehr herausbringen. Der kalte Schweiß trat ihm auf 
die Stirne, dann jchnappte er noch einmal nah Luft und — aus 
wars mit ähm. 

Wie er mın jo mit offenem — Munde daliegt, als 
wenn er immer noch etwas zu ſagen hätte, hui! da klirrt das 
Fenſter, die Scheiben fahren auf den Boden, der Rabe ſchießt 
herein, fliegt kreiſchend durchs Zimmer und ſchlägt mit ſeinen 
Flügeln die Lichter aus, daß es ſtockfinſter im Zimmer wurde. 
An demſelben Abend aber wurde die alte Elſe närriſch. Der alte 
Schloßherr wurde begraben, und da der jüngſte Sohn nicht hinauf 
ins Schloß ziehen wollte, blieb ſie allein darin wohnen. Bei Tag 
ging ſie niemals heraus, in mondhellen Nächten aber kam ſie 
herunter ins Dorf an den Brunnen und wuſch ihre Wäſche. Wenn 
ihr Jemand begegnete, ſo grüßte und dankte ſie nicht und wenn 
man ſie fragte: „Wie geht es Elſe?“ — dann blieb ſie ſtehen, 
ſah die Fragenden mit ſtarren Augen an und murmelte: „Es wirft, 
es wirft, es wirft im Keller mit Steinen, — man kann kaum 
bleiben vor dem Werfen.“ 

Nun war noch der jüngſte Sohn des Schloßherrn übrig; der 
war ein rechtſchaffener, leutſeliger Mann und hatte ſich verheirathet, 
Kinder aber hatte er nit. Sonjt gings ihm gut und alle Men- 
ſchen gönnten es ihm und er lebte noch lange in Glüd und Freude 
mit jeinem tugendhaften Weibe. Da zog der Krieg wieder heran 
und alle auf einzelnen Gehöften wohnenden Leute flüchteten, und 
jo wollten denn die beiden Herrenleute auf Schloß Wildenſtein 
binabziehen nah Eihau. Ihre Habe hatten fie zujammen gepadt, 
die Pferde waren angejpannt und ftanden im Hofe, im Weiten 
aber 309 ein Gemitter auf. Gerade, als fie über die alterthüm: 
lihe Schloßbrüde fuhren, brach das Unwetter los, e3 donnerte und 
bligte, die Pferde wurden ſcheu und jprangen mit dem Wagen in 
den See. Die Herrenleute mußten jämmerlih darin ertrinfen. 


170 


Den Grund, der ihnen gehörte, heißt man heute noch den Herren— 
grund, die Wieje, wo ihr Schloß ftand, die Herrenwieſe, 
und den Brunnen, der dort quillt, den Herrenbrunnen. 

Das Schloß der Miünzenberger aber verfiel ganz und gar 
und aus den Trümmern wurde ein Haus in Unteraulenbach ges 
baut. Das Amt Wildenftein aber fam an die Grafen von Riened, 
weldhe ein edles Geſchlecht waren und noch viele Jahre regierten. 

Der Künigenbrunnen im Wildenjeer Grund, dort, wo das 
Schloß mit dem vielem Gold und Silber verfunfen ift, fließt heute 
noch und jpült hie und da etwas vom Golde aus. Vor vielen 
Sahren kamen fremde Leute von weit her und holten Sand aus 
diefem Brunnen und nad einem Jahre noch einmal, aber Niemand 
wußte, woher fie waren und was fie damit wollten. Als fie jpäter 
zum dritten Male kamen und Sand Holten, jagten fie: „Jetzt 
fommen mir nicht mehr, wir haben nun Gold genug. Wenn die 
Leute wüßten, was in dem Sand märe, könnten fie alle reich 
werden.“ Man vermuthet, es jeien Bergleute gemwejen. 


— — — — 


Durch Ungerechtigkeit erworbenes Gut gedeiht nicht, es bringt 
weder Glück noch Segen, jondern verwandelt ſich in den Händen 
desjenigen, welcher es beſitzt, in tauſendfachen Fluch. Und doch 
fragen Geiz und Habſucht gar oft nicht darnach, ob das Verlangte 
auf rechtmäßige Art zu erwerben iſt, oder nicht. Und welche Folter— 
qualen peinigen dann den Unglücklichen in den letzten Stunden 
ſeines Lebens, da er weiß, daß er in wenigen Stunden oder 
Tagen vor dem Gerichte ſeines allwiſſenden und allgerechten Gottes 
zu erſcheinen hat, um aus feinem Munde das Urtheil der Ver— 
dammung zu vernehmen. D ihr Thoren, die ihr glaubt, daß Geld 
und Gut glücklich mache, jchredet zurüd vor aller Ungerechtigkeit 
und bevenfet, daß Gott mit der verdienten Strafe gar oft nicht 
wartet, bis der jchlehte Menſch ftirbt, jondern daß er gar oft 
ſchon in diefem irdiſchen Leben feine Hand fühlen läßt. Und wer 
fo unglüdlih war und fi vom böſen Feinde verführen lieh, feine 


[2 





171 


Hand nah ungerehtem Gute augzufireden und fich ſolches anzu— 
eignen, der möge e3 recht bald zurüderftatten, beſſer heute, als 
morgen, weil Niemand heute weiß, ob er den morgigen Tag er— 
lebt. Noch größer aber ift der Frevel, wenn man, wie diejes jchon 
oft geichehen, jeine Hand nah Gott geweihten Dingen ausftredt 
und fich diejfelben unrechtinäßiger Weife aneignet, oder fie gar ent= 
heiliget. 


Der Hansjakob von Kobbadı. 


Weit von dem Drte unjerer Volksſage, zu Neuftadt an der 
Aiſch, im heutigen Kreiſe Mittelfranfen, bat einmal ein liftiges 
Schneiderlein, al3 die Feinde das Städtchen belagerten, einen guten 
Einfall gehabt. Er ließ fih nämlich in eine Bodshaut einnähen 
und unter luftigem Mäder auf der Stadtmauer. jehen, bis die 
Feinde in der Meinung, die Bürger müßten noch Nahrungsmittel 
genug haben, voll Nerger und Verdruß abzogen. Das war aller: 
dings ein gejcheidter Burſche, dieſer Neuftadter Schneider, allein! 
der Hansjafob von Hobbach, von dem unſere Volſsſage erzählt, 
war auch nicht auf den Kopf gefallen. 

Wenn man von Eihau nah Hobbad geht, kommt man an 
einem Berg vorbei, auf dem das Wildenfteiner Schloß lag. Jetzt 
find nur noch Trümmer davon vorhanden und im Hof ift noch der 
Keller zu jehen und ein ehemals tiefer Brunnen, welcher aber mit 
Steinen ausgefüllt if. Vor mehr als hundert Jahren wohnte 
noch der Jäger im Schloß und der Schäfer. Seitdem aber ijt e3 
öde und verlaflen. Im Hofe meiden Kühe das Gras ab und auf 
dem Gemäuer haben die Vögel Bogelbeeren ausgeſäet. Daß es 
bier einmal jo ausjehen werde, hätten die Grafen von NRiened, 
welche in dieſem jtolzen Schloſſe hauften, gewiß nicht geglaubt, 
außer der letzte, welcher, als jeine Leute im Schlofje alle geblieben 
oder aus demjelben entflohen waren, mit dem Pfarrer durch den 
unterirdifhen Gang fich retten wollte, ſich aber in fein Schwert 
ftürzte, al3 er den Ausgang dort, wo man es die Badjtube heißt, 


172 


vom Feinde bereit3 bejeßt. fand. Sonft waren die Grafen von 
Niened lange Zeit reihe und hochgeachtete Herren, welche Grund 
und Boden, Geld und Gut genug hatten, und auch heute noch 
jollen in ihren verfallenen Burgen große Schäte zu heben fein, 
wenn man nur wüßte, wie und wo? — So aber werben fie liegen 
bleiben müfjen, bis fie vielleicht einem Glückskinde zu heben ver: 
gönnt find. 

Geld und Gut Hilft auch nicht immer und ein guter Einfall 
ift mancdesmal mehr werth, als Gold und Silber. Das haben 
die Grafen von Niened einmal recht deutlich erfahren, als fie 
einmal einen Streit mit dem Gurfürften von Mainz auszufechten 
hatten. Diejer hatte die ganze Umgegend mit feinen Leuten belegt, 
fo daß fich Fein Nieneder mehr aus dem Sclofje wagen durfte. 
Dieje tummelten aber ihre Roſſe im Schloßhofe, damit fie nicht 
fteif werden jollten, hielten die Faſtnacht im Ahnenjaal und warteten 
getrojt auf befjere Zeiten. Als aber die Frühlingsionne den Schnee 
ſchmolz, die wilden Hochwaſſer fich verlaufen hatten und man juft 
auf die Märzenveilchen wartete, jiehe! da kamen eines Abends die 
Mainziihen in hellen Haufen das Thal herauf und legten jih vor 
das Schloß. Da machten die Rieneder große Augen. Zwar hatten 
fie Mannſchaft genug, auch waren die Mauern hoch und der 
Graben tief, aber mit den Lebensmitteln, mit dem Proviant, jah 
e3 jchleht aus und fie mußten wohl, daß wenn der Magen leer 
it, auch die Kraft jchwindet und der Arm nicht mehr zujchlagen 
fann. Anfangs bofften fie zwar immer noh, der Feind würde 
wieder abziehen, wenn er fih an den feiten Mauern den Kopf zer— 
ftoßen werde; aber es war nicht jo. Die Birken befamen Blätter 
und der Kukuk fing an zu jchreien, aber nach wie vor lagen die 
Mainzer im Thal und der Rauch jtieg aus ihrem Lager, jeden 
Tag dreimal, gerade, wie wenn fie daheim wären. Das war den 
Rieneckern ein bitterer Anblif, denn bei ihnen war Schmalhang 
Ihon lange Küchenmeifter, Mehl und Fleiſch waren dem Ende 
nabe, obwohl fie auf Viertelsrationen gefegt waren und ohne ein 
Rechenmeiſter zu jein, Fonnten fie auf3 Haar jagen, wenn fie den 


173 


legten Zaib Brod anjchneiden würden. Die Mainzer mußten einige 
Ahnung von dieſem Zuftande haben, denn als einmal der Graf 
von Riened mit feinem Knechte, dem Hannsjakob über die Schloß- 
‚mauer hinab ins Thal jchaute, da hörten fie, wie unten dicht an 
der Mauer zwei Mainzer mit einander ſprachen: „Sie haben nichts 
mehr, jett wird das Neſt bald unjer fein.“ | | 

Der Haunsjakob aber war, wie ſchon geſagt, nicht auf den 
Kopf gefallen. Als er die Betrübniß jeines Herrn jah, ging es 
ihm durchs Herz und es fam ihm ein guter Einfall. Er ging 
nämlich hinunter in den Stall, holte das einzige noch vorhandene 
Schwein, warf es nieder und kniete fich darauf, jo daß es zu 
ſchreien anfing, als wenn es gejchlachtet werden jollte. Da ipigten 
die Mainzer die Ohren und lachten, denn fie meinten, jet müßte 
es bald zu Ende gehen. Wie ers aber nach drei Tagen wieder 
that und nad drei Tagen abermals und jo fort, da jagten fie: 
„Sie ſchlachten ſchon wieder ein Schwein, fie müfjen noch vollauf 
haben im Schloß." Da hieß der Rieneder feine Leute noch einmal 
ich jatt zu efjen und jagte: „Wir müſſen nun doch bald jterben.“ 
Der Hannsjafob aber ging wieder in den Stall und blödte bald 
wie ein Kalb, bald brüllte er wie eine Kuh, die Mainzer draußen 
aber ſagten: „Die Schweine find gejchlachtet, jeßt fommen fie ang 
Rindvieh.“ 

Die im Schloſſe aber wußten es beſſer. Sie waren am Ver— 
hungern und eines Tages, wie von ihrem Schweine nur noch der 
letzte Schinken übrig war und ſich kaum noch Jemand auf den 
Beinen halten konnte, da trat der Graf von Rieneck unter ſeine 
Leute und ſprach zu ihnen: „Habt tauſend Dank, daß ihr ſo lange 
männhaft ausgehalten habt, bis zuletzt. Jetzt aber iſt unſer letztes 
Stündlein gekommen. Morgen werden wir mit des Seilers 
Töchterlein copulirt, (am Strick gehenkt) und werden luſtig im 
Winde baumeln, denn wir ſind nur noch wie Gerippe.“ 

Und als er dieſes ſagte, gab er jedem ſeiner Leute die Hand 
und ihm und Allen floſſen die hellen Thränen aus den Augen. 
Nur der Hannsjakob allein ließ den Muth nicht ſinken, er wollte 


174 


einen legten verzweifelten Verſuch machen. So führte er denn tie 
legte Kuh aus dem Stalle, von deren Milch fie jeither fich noch 
nothdürftig nährten, band ihr den legten noch übrigen Schinken 
zwiihen die Hörner und um denjelben einen vom Scloßfaplan 
gejchriebenen Zettel, dann trieb er die Kuh zum Thore hinaus. 
Als die Mainzer die Kuh daher kommen jahen, die ftrad3 dem 
Thale zujchritt, wo fie in beſſeren Tagen jo oft auf den fetten 
Wieſen meidete, ftußten fie; endlich aber fingen etliche Söldner die 
Kuh ein, und mwidelten den Schinfen von den Hörnern ſammt dem 
Zettel, auf welchem gejchrieben war: 


„Sp wenig die Kuh den Schinken frißt, 
So wenig die Feſtung euer ijt.“ 

Da machten die Mainzer große Augen, jahen verdußt einander 
an und bradten die Kuh ihrem Kommandanten. Dem war jchon 
feit etlihen Wochen die Zeit und Weile lang geworden und er 
wäre ſchon längjt gerne abgezogen, wenn er nicht gehofft hätte, der 
Hunger werde die Burg in jeine Gewalt bringen. Wie er aber 
die Kuh ſammt dem Schinken jah und die Schrift auf dem Zettel 
la3, ſagte er: „Blaft zum Aufbruch, deun da verhungern wir eher, 
al3 daß den Rienedern da droben die Koft ausgeht.“ 


Den andern Morgen zogen fie ab, mit Sad und Pad, das 
Thal hinunter. Die Rieneder jahen ihnen zuerjt mit Elopfenden 
Herzen nad, wagten aber nicht, fih zu mudjen. 


Als aber der leßte der Mainzer das Thal verlaſſen hatte, da 
ging der Jubel [os an allen Eden und Enden. Der Conftabler 
ſchickte ihnen ſogar einen Karthaunenſchuß nad, aber einen blinden, 
damit fie nicht umkehren möchten und der Thurmvogt blieg vom 
Thurme herab, al3 wollte er ji) die Seele herausblajei: „Nun 
danfet alle Gott!" Der Graf von Niened aber zog jeinen Helm 
ab, legte tief gerührt jeine Hände zujammen, bis der Choral be= 
endet war, dann jtrich er ſchmunzelnd jeinen langen Schnauzbart 
und jagte: „Das hat uns Gott gerathen. So oft ich aber eine 
Kuh brüllen und ein Schwein jchreien höre, will ich an den Hans— 





175 


jatob von Hobbach denken und an feinen glüdlihen Einfall.“ — 
Und was er gelobte, hat er treulich gehalten. — — — 


Wenn dieie Vollsjage auh an mander Unwahrjcheinlichkeit 
leidet, jo joll fie doch zeigen, welchen großen Vortheil ſchon mander 
glüdliche Einfall eines reioluten Menichen gehabt hat, und wäre 
er auch nur aus dem gewöhnlichen Bauernjtande gemwejen. 


Die ungleihen Brüder. 


Droben im Wald, wo die Tannen ans Wildenfteiner Feld 
ftoßen, beißt man den Bla „beim Haubenjchneiver”. ES gab 
nämlich einit einen Mann, der jo genannt wurde, und an dem 
Drte, wo man noch einen Steinhaufen ſieht und ein Viereck, wie 
von einer abgebrochenen Dauer, dort ijt jein Häuschen geftanden, 
in welchem er einige Jahre lebte, und dann jtarb. Davon erzählt 

nun die Volksſage folgendes: 

| Zu einem Amtmann auf dem Wildenftein, dem man nicht 
viel Gutes, aber dejto mehr Böjes nachredete, kamen einmal vor 
Zeiten zwei Brüder, mweither aus dem Schmabenland gebürtig, 
welche daheim mweggezogen waren, um fi ein Unterfommen zu 
fuchen. Der ältefte derjelben hieß Erasmus und war ein Schreiber, 
der jüngere trug eine Geige bei ji und war ein Mufilant und 
Iuftiger Sänger. Doch nannten ihn die Leute auch den Hauben- 
Schneider, vielleiht weil er das Handwerk gelernt hatte und fich 
zumeijt damit zu ernähren pflegte. 

AZ jih der Amtmann lange mit ihnen beſprochen batte, 
nahm er den Erasmus zu jeinem Schreiber an und ward von Tag 
zu Tag mehr Freund mit ihm, denn der Erasmus war ein fluger 
und jchlauer Kopf, und der Amtmann merkte bald, daß er ihm 
zu jeinen böjen Streihen wohl helfen könne. Den Mufifanten 
fonnte er zwar nicht brauchen, aber er hieß ihn auch dableiben ; 


176 


denn er hatte ihn gerne um fih und ließ fi manchesmal em 
Stüd vorjpielen oder ein Liedchen fingen, um fich die böſen Ge— 
danken zu vertreiben. 

Da wollte diejer auch einmal ein geiftliches oder Kirchenlied 
fingen, welches aljo beginnt: 

„O mwüjter Sünder, denkſt du nicht, 
Was dein verruchtes Leben 

An jenem großen Weltgericht 

Für Lohn dir werde geben?“ 

Darüber wurde aber der Antmann jo entjeglih böje, daß er 
aufiprang, ihm die Geige zujammenschlagen wollte und ihn anfuhr, 
er jolle nur gleich weiter gehen und ihm niemals mehr unter die 
Augen kommen. Der Haubenfchneider ließ fih das nicht zweimal 
jagen, er nahnı jeine Geige und jeinen Steden und trat die Reiſe 
an. Sein Bruder Erasmus gab ihm das Geleite ALS fie nun 
durch Wildenftein gegangen und aus dem Walde getreten waren, 
wo man unten im Thale die Hejjelsmühle liegen fieht und Links 
im Thale Eſchau, da nahmen fie von einander Abjichied und der 
Haubenjchneider jagte: „Crasmus, wir werden uns in diejer Welt 
wohl nicht mehr jehen, aber einft zu deinem Vegräbniſſe werde ich 
fommen. Lafje mich dann Gutes von dir hören. Du bift in feine 
guten Hände gerathen und Gott verhüte, daß du wieder auf deinen 
alten böjen Weg geräthſt.“ Das ging den Erasmus durchs Herz, 
er reichte jeinem Bruder die Hand zum Abjchiede, weinte und ver— 
iprah ihm alles Gute. So ſchieden fie von einander, Als der 
Erasmus aber. von jeinem Bruder getrennt war, war es, al3 wenn 
ſein guter Engel von ihm gewichen wäre; jeine guten Verſprech— 
ungen hatte er bald wieder vergeſſen. Durch die Vermittlung des 
Amtmanns kam er herunter nah Eſchau und wurde zum Korn 
meſſer gemacht. Nun that er, was ihm wmohlgefiel, hielt den Amt— 
mann, die Herrihaft und die Unterthanen ganz gleih, das heißt 
er betrog fie alle drei mit falihem Maße und wurde je länger, 
dejto ärger und jchlimmer. Es kamen Noth- und Hungerjahre, 
und in der ganzen Gegend wurden ihm die Leute ſchuldig. Als 


177 


aber jpäter jene Schuldleute kamen, denen er in der theueren Zeit 
Vorſchüſſe geleiftet hatte und Eniefällig um Geduld und Nachjicht 
wegen der Nüczahlung baten, da fannte er Fein Erbarmen: er 
ließ ihnen die einzige Kuh aus dem Etalle führen, das Hemd vom 
Leibe ziehen und fie ins Elend treiben. Wenn fie weinten und in 
ihrer Verzweiflung Verwünſchungen ausftießen, daß ihre und ihrer 
armen Kinder Thränen ihm einmal auf der Seele brennen müßten, 
jo meinte er, dieje würden jchon ablaufen, wie die Negentropfen 
von einem Ziegeldad. 

Ssreunde hatte er feine, vielmehr jeufzten und jchrien Die 
Leute wider ihn zu Gott, bis der fie endlich von ihm erlöfte, 
In einer Naht hörte man ihn fürchterlich jchreien, bald im untern, 
bald im obern Stod, bald im vordern, bald im Hintern Theile 
des Haujes. Zu Hülfe fam ihm Niemand; am Morgen fand man 
ihn todt auf dem Fußboden, das ganze Geficht blau unterlaufen. 

Keine Thräne floß um ihn, bei jeinem Begräbniß aber it es 
ſeltſam zugegangen. Als nämlich der geſchloſſene Sarg vor dem 
Haufe ftand, der Pfarrer und der Lehrer da waren, die Leute das 
Todtenlied fangen und die Träger den Sarg aufheben wollten, 
jhaut der Erasmus oben zum Bodenlodhe heraus, wie er geleibt 
und gelebt hat. - 

Alle Anmwejenden haben ihn gejehen und tjt ihnen vor Schreden 
und Entjegen das Singen vergangen. Nur der Pfarrer gab vor, 
nicht3 gejehen zu haben, ſonſt wäre er nicht ehrlich begraben 
worden. So aber trug man ihn hinaus auf den Gottesader. 

Wie nun dort der Pfarrer die Leiche eingejegnet hatte und 
die Leute das Lied anftimmten: „Nun laßt uns den Leib begraben,“ 
da fam ein fremder Mann gegangen, warf drei Schaufeln voll Erde 
ins offene Grab und er war der einzige, dem eine Thräne in den 
Augen jtand. Es war der Haubenjchneider, der fein Verſprechen 
gehalten hatte und zu ſeines Bruders Begräbniß gefommen war. 
Er war auch alt und grau geworden, aber er hatte noch jeinen 
treuen Gefährten, feine Geige umbängen, gerade wie ehedem. Als 
das Grab gejchloffen war, jtedte er das Kreuz darauf und ging 

Sagenſchatz. 12 


178 


mit den Leuten zum Gottesader hinaus. Er fragte nad, wie fich 
fein Bruder either aufgeführt habe, allein da hörte er böje Dinge. 
Das ging ihm durchs Herz und wie er genug und übergenug ges 
hört hatte, brachte er blos die Worte hervor: „Es ift alio doch 
wahr!” ging rechts ab von den Leuten hinüber nad dem Blake, 
wo er von jeinem Bruder Abjchied genommen hatte, baute fich 
dort von feinem Eriparten ein Häuschen und wohnte daſelbſt viele 
Sabre. Er war das Gegentheil jeine® Bruders, freundlih und 
dienftfertig gegen Jedermann, aber er ſprach nicht viel mit den 
Leuten, jondern war meiftens ftill, verichloflen und allein. Nur 
auf feiner Geige hörte man ihn jpielen jeden Morgen und Abend. 
Einmal war er krank und eines Abends hörte ihn ein Mann, der 
mit einer Laft Holz aus dem Walde fam und an feinem Häuschen 
ausruhte, mit ziemlich ſchwacher Stimme das Lied fingen: 

„Valet will ich dir geben, 

Du arge, falihe Welt, 

Dein jündhaft böjes Leben 

Mir gar nicht mehr gefällt. 

Im Himmel ift3 gut wohnen, 

Dahin fteht mein Begehr, 

Dort wird Gott ewig lohnen 

Den, der ihm dient allhier.” 

Dem Holzhauer traten, als er diejes hörte, die Thränen in 
die Augen. Es war des Sängers leßtes Lied. Tags darauf fand 
man ihn todt in feinem Bette. Das Buch, aus dem er gejungen, 
lag noch aufgeichlagen auf feinem Bette, das Dellämphen war 
ausgebrannt, das Waflerfrüglein leer, und die Saiten auf der 
Geige waren gejprungen, er aber lag da, wie jchlafend. 

Dom Erasmus fagte man, er könne im Grabe feine Ruhe 
finder, auf dem Speicher meffe er oft ganze Nächte das Getraib, 
fehre e3 zufammen und trage die Säde hin und ber, am Morgen 
aber jei alle wieder in Ordnung. 

Einmal jeien Leute auf dem Speicher gewejen und hätten 
vom Erasmus geredet. Da habe einer von ihnen im revel ge= 





Teen u vo 


179 


zufen: „Erasmus komme!” Da jei er plöglich  dagejtanden. Da 
ergriffen fie, von Schreden erfüllt, die Flucht, und als fie eilends 
die Treppe binabiprangen, fiel derjenige, welcher gerufen hatte, und 
brach da3 Bein. Auch auf einem anderen Speicher fol Erasmus 
jein Wejen getrieben haben. Der Mann des Haujes hörte öfter, 
wie er einfaßte, abjtrich und in Einem fort fragte: „Wo joll ichs 
denn bintragen? Wo ſoll ich denn hintragen?” Der Mann faßte 
fih ein Herz und rief: „Trage es wieder hin, wo du e3 genommen 
haſt!“. Als er diejes gejagt hatte, war alles ftill im Haufe und 
jeitvem hat er fich nicht mehr im Hauje hören laſſen. 

Seine Bruders Name wurde hie und da noch öfter genannt, 
allein immer in Ehren, und nicht ganz ohne Grund fragten fich 
die Leute, wie es doch möglich jei, daß Srüber | in ihrem Charafter 
einander jo unähnlich jein könnten. 





Ihr Eltern aber, welchen diejes Büchlein in die Hände fommen 
jollte, nehmt euch vor, Alles aufzubieten, euren Kindern eine 
gleihmäßig gute Erziehung zu geben. Das ijt der größte 
Schaß, den ihr ihnen auf die große Lebensreije mitgeben könnt 
und den ihnen feinen Menſch rauben Fann. 

Ihr aber, die ihr jo großes Verlangen habt, auf unredt- 
mäßige Weije in den Beſitz von Reichthümern zu gelangen, denfet 
recht oft an das unjelige Ende des Erasmus in Eſchau. 


Die verwünfhte Frau vom Schloß Wildenftein. 


Als die Grafen von Riened auf Schloß Wildenftein ausge: 
ftorben und auch der Amtmann herab ins Dorf gezogen war, 
wohnte im Schloſſe der Schäfer. Der hatte ein Stüd Aderfeld 
für fih und einen Weideplag für feine Schafheerbe. 

Einmal nun ftand der Schafpferch auf dem jogenannten Eleinen 
SHöhader, an welchem oben und unten das Gebüſch de3 Waldes 

12* 


180 


anſtieß. E3 war Nacht und der Schaffneht lag in feiner Pferch— 
hütte und jchlief. Da geihah plöglih eine arge Erſchütterung 
jeiner Hütte, daß er erwachte und hinausjah. Da erblidte er zu 
feinem Schreden eine weiße Frau, welche einen jchwarzen Schleier 
um den Kopf hatte und ihm beitändig winkte Der Schäfer aber 
war jo von Angjt erfüllt, daß er die Augen zubrüdte und fich in 
die Tiefe jeiner Hütte zurückzog. Des Vlorgens aber erzählte er 
dieje nächtliche gejpenjtige Erjcheinung feinem. Herrn. Dieier aber 
jprah ihm Muth ein. „Wenn jie wieder kommt, jo jprich jie an 
mit den Worten: Alle guten Geijter loben Gott den Herrn! Was 
ift dein Begehr?“ 

Die folgende Naht kam die Erſcheinung wieder und der 
Knecht that, wie ihm jein Herr befohlen. Die geipenjtige Er- 
Iheinung jprah: „Ich bin die verwünjchte Frau vom Schloß 
Wildenftein und tu kannſt mich erlöjen. Sei morgen in der Nacht 
zwijchen eilf und zwölf Uhr an der Schloßbrüde, da komm ich, 
aber nicht jo, wie jeßt, jondern als eine Schlange Ich winde 
mid an dir hinauf und reiche dir die Schlüſſel. Du darfit Dich 
aber nicht fürchten; ich thue dir nichts und kann div nichts thun!“ 

Der Schafknecht willigte ein und jprah: „Sa, ich werde 
kommen!“ 

Was ſoll ich mich fürchten? Moſes fürchtete ſich auch nicht 
vor der Schlange, die aus dem Hirtenſtabe wurde. Er faßte guten 
Muth und ſetzte einen gewiſſen Stolz darein, daß gerade er be— 
rufen ſei, die verwünſchte Frau zu erlöſen. Um die feſtgeſetze 
Stunde ſtand er am beſtimmten Orte. 

Auf einmal erhob ſich ein ſo fürchterliches Krachen, daß man 
hätte glauben können, das ganze Schloß ſei in ſich ſelbſt zuſammen— 
gejtürzt, und ein jo entjegliches Raujhen und Rollen, wie das 
Donnern eines Gemitterd. Und fiehe, im Schein des Mondes kam 
eine eisgrau jchillernde Schlange daher gekrochen, welche einen 
Bund großer Schlüffel im Maule trug. Sie fuhr auf den Schaf: 
knecht los, um fi) an ihm empor zu winden, diejen aber befiel ein 
ſolcher Schrecken, daß er laut aufſchrie und davon lief. 





181 


In demfelben Augenblide aber verwandelte fich die Schlange 
wieder in eine Frau, jammerte herzzerreißend und rief: „Wehe! 
wehe! wehe! Sept dauert e8 wieder hundert Jahre, bis ich erlöft 
werden kann.“ 

Am folgenden Tage Fündigte der Schaffnecht feinem Herrn 
den Dienft, nahm jeinen Hund und wanderte, denn eine folche 
Schreckensnacht hätte er nicht mehr erleben können. 


Tief ift im Herzen des Volkes der Glaube begründet, daß 
Verbrecher im Jenſeits feine Ruhe finden. Darum hüte dich, 
freundlicher Zejer, deine Seele mit einem Verbrechen zu belaſten. 
Trage Elend und Noth mit Geduld und Ergebung! Halte aber 
dein Gewiſſen rein von jeder Sünde! 


Der Künigenbrunnen, 


In dem Waldthale, durch welches man von Eihau nad 
Wildenſee geht, ift ein Brunnen von ſeltſamer Beichaffenheit: jein 
Waſſer iſt nämlich von bitterem Gejhmad, alſo nicht gut zu trinfen 
und foll überdies ungejund fein. Das fommt — wie eine Volfs- 
jage willen will — von den Kummmerthränen, welche einmal in 
diejen Brunnen gemeint worden find. Es ſoll nämlich in uralter 
Zeit, al3 von Eſchau noch fein Haus ftand, fondern nur das Schloß 
auf der Wieſe zwijchen dem Scleifbächlein und der Eljava, welches 
jegt ganz ſpurlos verſchwunden ift, cine Königin durch Thal ge— 
fommen jein in großem Leid. Ihr Gemahl war im Kriege ge- 
fallen, ihre Kinder alle in die Hände des Feindes gerathen. Drei 
Tage lang war fie jhon durch den Wald geirrt, ihre Kleider 
waren zerrifen und zerfeßt von den Dornen, ihre Füße waren 
wund vom harten Geftein und die Augen brannten ihr im Kopfe, 
denn fie hatte in ihrem unfägliden Schmerze noch feine Thräne 
weinen fönnen. 


182 


Da legte fie fich nieder unter den Buchen neben dem Brunnen 
und meinte, das Herz müſſe ihr zeripringen vor großem Web. 
Gott aber hatte endlih Mitleid mit ihr; fie hielt ihr brennendes 
Geſicht in den Fühlen Duell und ihre Zähren löften ſich und rannen 
binein. Seit jener Zeit jchmedt das Wafler nah den Thränen 
der Königin und heißt diejer Brunnen der Künigenbrunnen. Was 
für eine Königin es aber war, das weiß man nicht. 





Dieje Volksſage in ihrem einfahen Gewande enthält eine 
tiefe fittlihe Mahrheit. Das Unglück ehrt nicht allein in den 
Hütten der Armen ein, es pocht auch an den Baläften der Reichen, 
ja jogar an den Thronen der Fürften und Könige an. Darum 
tröfte dDih, du im Staube Geborener, nicht du allein duldeft 
Kummer und Schmerz. Wenn du aber glaubft, daß der Schmerz 
und das namenloje Weh dein Herz zeriprengen möchte, dann weine 
dich aus, das wird dein. Herz erleichtern. 


Das böfe Bewilfen. 


In Eſchau ift einmal vor vielen vielen Jahren auf Faſtnacht 
beim Tanz ein Mord geihehen und der Erjchlagene auf der Wieſe, 
bis wohin er fich gejchleppt und wo man ihn in jeinem Blute 
gefunden hatte, begraben worden. Da die That im Dunkeln ge 
ihehen war und außerhalb des Wirthshaufes, fo konnte man 
nicht jagen, wer der Thäter geweſen. Diejenigen, welche man 
al3 verdächtig eingeferfert Hatte, mußten wegen Mangel an Be 
weis wieder freigegeben werden und fo fam die blutige That nad) 
und nach wieder in Vergeſſenheit. Auf der Wieje aber, mo der 
Unglüdlide gefunden und begraben wurde, ließ die Gemeinde 
Eſchau ein fteinernes Kreuz ſetzen. 

Diele Jahre nah diefer Begebenheit predigte der Pfarrer 
eined Sonntags über das fünfte Gebot Gottes. „Du ſollſt nicht 





183 


tödten!“ dachte aber weder an den Mord, noch an den Mörder. 
Wie aber die Kirche aus war, ging ein Mann von Unteraulenbad 
auf dem Heimweg am Bach hinauf, im vollen Sonntagsanzug, 
aber — ohne Hut. Da bemerkte ihn ein Mann, der gerade das 
Bieh tränfte und rief ihm nah: „Nachbar, ihr habt ja feinen 
Hut auf! Wo Habt ihr ihn denn gelaſſen?“ 

„Ah“, antwortete diefer und fuhr fih mit der Hand über 
die Stirne, „der dumme Pfarrer bat heute gepredigt, ich hätte auf 
Faftnaht jenen Mann umgebracht, darüber war ich jo beftürzt, 
daß ih meinen Hut in der Kirche ftehen ließ.” — „Wenn ihrs 
aber nicht gethan habt, jagte der Andere, jo braucht ihr auch nicht 
zu erjchreden !” 

Der Mann ging tiefjinnig feines Weges weiter und Niemand 
bat ihn von diefer Stunde an mehr gejehen. Die Volksſage er: 
zählt, er habe daheim in feiner Scheuer fich erhängt und jeine 
Kinder hätten ihn, um die Schande von der Familie abzuwenden, 
abgejhnitten und heimlich in der Scheuer verjcharrt. 





Merke dir, freundlicher Leſer, den uralten Denkſpruch: 
„Es ift fein Fädchen jo fein gejponnen, 
Es fommt doch einmal an die Sonnen!” 


Der Schwedenkopf, 


In früherer Zeit ftand in Eſchau eine fteinerne Säule, auf 
welcher der Kopf eined Mannes ausgehauen war — der Schweden— 
£opf gebeißen. Sie ftand in der Mitte des Dorfes neben dem da= 
maligen Ziehbrunnen, zur Geite der, das Dorf durchziehenden 
Hauptitraße. Als man den Ziehbrunnen fpäter in einen Pump— 
brunnen ummandelte, ſoll dieje Säule verſchwunden fein, ohne daß 
diejelbe troß aller Mühe wieder hätte aufgefunden werben fönnen; 
denn fie galt al3 das Wahrzeichen des Dorfes und ftammte 


184 


aus einer, an großem Elend reichen, aber doch ewig denfwürdigen 
Zeit. Als nämlich in Deutichland der dreißigjährige Krieg mwüthete, " 
hatte auch das Erbach' ſche Gebiet, zu welchem damals das Dorf 
gehörte, alle Drangjale. zu erleiden, die überall im Gefolge des 
Krieges zu jein pflegen. Zuerſt famen Brandſchatzungen und Plün— 
derungen*) und dann, als nichts mehr zu plündern war, bradte 
der Krieg zwei noch furchtbarere Begleiter: den -Hunger und bie 
Veit. Alle Kirhhöfe waren damals zu Elein, denn der Tod be- 
gnügte ſich nicht mehr mit einzelnen Perſonen, jondern er raffte 
ganze Familien weg. 

Es wurden große Gruben gegraben und ohne Sang und 
Klang wurden die am Tage Geftorbenen, Mann und Weib, Yung 
und Alt, Freund und Feind zujammen eingejharrtt. Vom Herr ' 
von Fechenbach erzählte man, daß er täglich vom Thurm aus die 
Schornſteine gezählt habe, die noch rauchten. Mit jedem Tage 
wurden ihrer weniger und am Ende der Peſt — im ganzen 
Orte Sommerau nur noch drei. 

Der Graf Georg Albrecht von Erbach hatte ſeinen Unterthanen 
geboten, daß die Hausväter aus allen benadhbarten Orten jeden 
Sonntag nah Fürftenau in die Schloßkirche gehen jollten und 
ftellte ji unter die Kirchenthüre, um ſie zu zählen und zählte 
unter Thränen jeden Sonntag weniger, bis zulegt nur noch ein 
halbes Dutzend fich einftellte und dieſe jahen einem Schatten ähn: 
licher, als lebende Weſen. 

Damals wurde die obengedadhte Säule aufgerichtet. Allge— 
mein jchrieb man nämlich die jchredlihe Seuche in Deutjchland 


*) Eine alte Erbachiſche Neformationdgefhichte von Lud zählt einen 
Theil der damals verübten Gräuel auf: „Den 3. Dftober 1622 quartirte 
die ganze Eofadische Armee mit 12000 Mann zu Heubach, und das war 
die 12. Einquartierung jenes Jahres. Alle Stuben und Keller, felbit der 
Kirchhof ftanden voll Pferde. 50 Brandenftein’ihe Reiter fielen in Eihau 
ein, plünderten den Ort, öffneten die Kirche mit Hebeln, raubten den 
Kelh und Kirchenornat. Haben auch in jedem Dorf jemand. gehenft oder 
fonft ermordet.“ 








185 


‚ber Bergiftung der Brunnen zu und fo juchte man fih auch in 
Eihau durch Ausgraben neuer Brunnen zu belfen. Zuerjt grub 
man einen neuen Brunnen an der Kirchenftaffel, dann den Brunnen 
in der ſogenannten Borftadt, dann den, am jetzigen Wagnerhauie, 
welches einft die ſchöne Aufchrift trug: „Der Engel Schaar dieß 
Haus bewahr“ — aber das Mafler, welches aus allen diejen 
Brunnen floß, hatte die bekannte bläulihe Farbe und war Belt: 
waſſer. Endlich wollte man noch einen legten Verjuh machen und 
einen Brunnen in der Mitte ded Dorfes graben, allein e3 fehlte 
an Leuten. 

Als man ſchon rathlos das Unternehmen aufgeben wollte, 
fam gerade eine Compagnie Schweden ins Dit, und meil jie 
längere Zeit zu Eſchau in Quartier blieben, vielleicht ‚auch mit 
den Einwohnern eines Glaubens waren, jo erboten fie fich dienſt— 

fertig, den Brunnen zu graben und hatten ihn auch bald zu Stande 
gebradt. Man unterjuhte das Waller und fiehe! es war Klar 
und rein, wie nur jemals eine3 aus einem Brunnen gekommen. 

So jehr man fich darüber freute, konnten ſich doch die Be— 
mwohner von Eſchau nicht der Bejorgniß erwehren, e3 werde mit 
diejem Brummen auch gehen, wie mit den anderen: nach einiger 
Meile werde das Waller auch wieder vergiftet jein. Der jchwediiche 
Hauptmann aber jagte: „Da will ic) euch einen guten Rath geben. 
Laſſet einen Schwedenfopf ausbauen und an dem Brunnen an— 
bringen, dann wird er ungefährdet bleiben, denn der Schwed wird 
ſelbſt vom leibhaftigen Teufel gefürchtet.” Die Leute thaten fo, 
vielleicht auch aus dankbarer Anerkennung gegen die Jchwedijchen 
Krieger, melde den Brunnen gegraben hatten. Die Säule jelbit, 
an welche die Schweden beim Tränfen ihre Pferde banden, nannte 
man, fo lange fie ftand, die Shwedenjäule und den Kopf den 
Schwedenkopf. Der Brunnen aber gibt jein helles, klares, ge- 
fundes und gutes Waller rein und unverdorben bis auf den heutigen 
Tag. — 


186 


Dieſe Volksſage birgt eine jchöne fittliche Lehre, die Menfchlich- 
feit der Soldaten im Kriege. Wie viel muß der am Kriege nicht 
unmittelbar betheiligte Bauersmann leiden durch Einquartierungen 
und Nequifitionen, durch Verwüftung der Felder u. dgl. m. Wie 
entjeglich aber it e8, wenn die Gräuel des Krieges noch erhöht 
werden durch die Graufamkeit und Unmenfchlichkeit der Soldaten. 
hr, die ihr den Ruhm euerer vaterländiihen Waffen in fremde 
Zänder tragen jollt, jeid gegen Wehrloje, gegen Frauen und Kinder, 
nicht graufam, unmenfchlich und blutdürftig! Auch der Krieger kann 
ein weichfühlender Menſch fein und ein theilnehmendes Herz haben. 


Das glückliche Ehepaar. 


Zu Anfang des Dreißigjährigen Krieges fam ein gemeiner 
Soldat aus Weitphalenland, aber aus guter Familie ftammend, nad) 
Mönchberg*) ins Duartier und zwar zu dem adeligen Herrn von 
Spina, dem Vater einer wunderlieblidhen Tochter. 

Der fremde Soldat entbrannte in heftiger Liebe zu dem Edel— 
fräulein und auch diefes dachte: „Den, oder feinen Andern“! Nur 
der Vater dachte nicht jo; der ſagte kurz und gut: „Einem gemeinen 
Soldaten gebe ich meine Tochter nicht. Erſt ſoll er etwas Tüchtiges 
werden, dann könne er nad) jieben Jahren wieder kommen, vielleicht 
liege fih weiter von der Sache reden.” Im Grunde aber dadte er, 
in jieben Jahren könne fich gar Vieles ändern und während dieſer 
Zeit würden die jungen Leute einander vergeilen haben. Als daher eines 
Morgens die Trommler durch das Dorf rafjelten und. der biedere 
MWeitphälinger, den Tornifter auf dem Nüden, die Partiſane in der 
Hand und das Sturmband feit ums Kinn gejchnallt, zu dem alten 
Herrn von Spina ins Zimmer trat, um ihm Lebewohl zu jagen und 
für das genofjene Quartier zu danken, da fiel diefem ein Stein vom 


*) Dem Berfajler theuer als Heimathsgemeinde feiner verftorbenen 
geliebten Mutter, einer geborenen Bildftein. 


137 


Herzen, denn er dachte, das innige Verhältnig werde jekt gelöfet 
jein. Die jungen Leute aber daten: „Wir laffen doch nicht von 
einander,“ gelobten ſich gegenjeitige Treue bis zum Tode und fchies 
den, gewiß unter einem Strom von Thränen. — Sieben lange Jahre 
vergingen, ohne daß fie etwas von einander hörten, aber die gelobte 
Treue hielten jie fich dennoch, und am Tage Johanni, an demfelben 
Tage, an welchem fie vor 7 Jahren von einander gejchieden waren, 
fam der Soldat wieder. Wohl war der Rosmarin indeilen verdorrt, 
den er beim Abjchied von des Edelfräuleins Stödlein fich geſchnitten, 
wohl war das jchöne rothe Band, das fie ihm damals geichenkt 
hatte, vergilbt, aber beider Herzen waren ohne Wandel geblieben, 
nur war der junge Mann unter der Zeit — Hauptmann geworden. 
Da gab der Herr von Spina gerne feinen Segen zur ehelichen Ver— 
bindung; der Hauptmann aber nahm nun feinen Abjchied und fie 
lebten ungetrennt bei einander und eines war des andern Glüd und 
Freude. Zwölf Söhne gebar die Frau ihrem Manne und feiner 
von ihnen ftarb, Alle waren mwohlgerathen und gediehen an Xeib 
und Seele; die Söhne wurden angejehene, jtattlihe Männer, nahmen 
wadere Hausfrauen und obwohl damals die Zeit nad) dem Schweden- 
friege nicht die beite war, hatten die beiden Eheleute nur von Glück 
und Segen zu erzählen. Nur diefes brachte trübe Tage in die Fa- 
milie, al3 die Zeit des alten Herrn von Spina abgelaufen war und 
diefer zu jeinen Vätern verſammelt wurde. 

ALS fie nun ſelbſt alt und Schwach geworden waren, jagten jie 
oft zu einander, daß ihnen, nachdem ihnen im Leben alles wohlge- 
vathen jei, nur ein einziger Wunjch übrig bleibe: auch miteinander 
zu fterben, damit bier feines das andere vermiffen und feines dort 
das andere erwarten dürfe. Dieſer Wunſch wurde ihnen denn auch 
erfüllt. Im Jahre 1672 kam ein großes Sterben ins Dorf, und 
als der Tod auch im Herrenhaufe anklopfte, ging er im Schlaf— 
‚immer von einem Bett zum andern und bot den alten Leuten eier: 
abend an einem und demjelben Tage. Um das Grab jtanden ihre 
zwölf Söhne, deren Frauen und Kinder und auch ein Urenfel. Weil 
fie beide evangelifh waren, wurden fie neben der Kirche in Eſchau 


u 


begraben. Dort ift ihr Leichenftein in die Kirchenmauer eingefügt. 
Die Inſchrift desjelben lautet: 

„1672 den 22. Ditober jeind beyde Cheleut Herr Johann 
Herrmann Pfannkuch aus Weitphalen, gewejener Hauptmann, um 
Fraw Louiſe Johanna eine geborene von Spina in Gott verjchieden 
und in Ein Grab allhie nebeneinander begraben worden.“ 

Ueber der Schrift find ihre Wappen angebracht: in dem feinigen 
it ein Löwe, in dem ihren eine Feldroſe. Um die beiden Wappen 
herum ift ein Kranz ausgehauen und im Kranz ift unten ein Todten 
ſchädel und oben ein Engelskopf eingefügt, al3 wenn beide mit in 
den Kranz hineingehörten. Das follte bedeuten, daß der Kranz 
ihrer Liebe durch nichts, jelbft nicht durch den Tod zerriffen worden 
jei, jondern daß fie im Leben hier, im Tode und im Leben 
jenſeits ungetrennt bei einander geblieben und alfo ein jo glückliches 
Ehepaar geweſen jeien, wie felten ein folches gelebt habe. 


188 


Wie glücklich fönnen ſich Cheleute machen, wie können jie jid 
gegenseitig das Leben verichönern, wenn fie in Frieden und Eintracht 
leben. Welche Freude erleben Eltern in ihren gut erzogenen Kindern. 
D ihr Eheleute nehmt euch vor, dad Glück eurer Che nicht durd 
Mißtrauen, Feindfchaft, Eiferfucht, Bosheit u. dgl. zu zerjtören. 


Das Liesbethchen von Möncberg. 


Am Eingang in den Wildenfeer Grund liegt linf3 der Münz 
plattenberg, auf welchem jonft der Eſchauer Galgen ftand. Der 
Hensle ift noch dort gehenft und die Schmidts Chriftine mit dem 
Schwerte hingerichtet worden. 

Wo der Wildenjeer Grund aber nah Mönchberg hinüberbiegt, 
oberhalb der Waldmühle, auf der Mönchberger Seite, ift ein Platz, 
„der Herenbrand“ — und dabei ein Brunnen, „das Herenbrünnlein“ 
genannt, 





189 


Dort haben in einer finjteren Zeit des Aberglaubens die 
Mönchberger ihre vermeintlichen Heren verbrannt und der Plab hat 
davon jeinen Namen. Wenn die Schäfer ſonſt des Nachts auf dem 
Wirbel die Schafe hüteten, ſahen fie drüben oft ein feuer glimmen, 
fobald fie aber hinübergingen, war es aus und weder Kohle noch 
Aſche zu jehen. Gras wuchs vor vierzig Jahren feines auf dem 
Blaße, jeßt aber wird er eingejäet fein. 

Auf dem Herenbrand num liegt, — wie die Volksſage erzählt, 
— ein Mönchberger Schultheiß begraben: der Staudersjörg ges 
nannt, und das Liesbethchen von Mönchberg wäre auch beinahe da= 
hin begraben worden, wenn das Unglück hätte feinen Willen haben 
dürfen. Der Staudersjörg war zwar jehr reich, aber ein böjer 
Menſch und ein Herenmeifter, wie feiner. Obwohl es dem Amt: 
mann und den Leuten der ganzen Umgegend befannt war, wollte 
jih doch feiner an ihn wagen aus Furcht, daß er ihm etwas an- 
thun möchte, und jo wurde er, je länger, deſto feder und über- 
müthiger. Bei allen jchlimmen Händeln hatte er die Hand im 
Spiele. Endlich aber, nachdem er e8 viele Jahre ungeftraft getrieben, 
fam ein neuer Amtmann. Der war jehr fcharf und wollte dem 
Gräuel mit Ernft ein Ende machen. Bor allem hatte er es auf 
den Staudersjörg abgejehen und gab daher. Befehl, ihn einzubringen. 
ALS diefer davon hörte, mußte er recht wohl, daß es ihm ans Leben. 
gehen werde, er erwedte aber nicht Neue und Xeid, Tondern wurde 
jo. faljch und erbittert, daß er die ganze Welt umgebracht, wenn er 
die Gewalt dazu gehabt hätte. In feiner Raſerei ging er zuerit in 
den Stall und ftach die ſchönſte Kuh todt, die er hatte. Dann lief 
er hinaus and Herenbrünnlein, wo er eine Wieſe beſaß und findet 
dort das Liesbethchen, die al3 Magd bei ihm diente, mit dem Gras— 
jftumpf Futter maden. Sie war auch aus Mönchberg und ein Kind 
ganz ordentlicher Leute. Wie er ſie ſieht, jchreit er fie an, fie habe 
ihm jeine bejte Kuh verfüttert, daheim liege jie im Stall maus: 
todt und fie müſſe num ſolche bezahlen, wenn nicht, jo wolle er jie 
in den Thurm jperren und krumm jchließen lafjen, auch Vater und 
Mutter dazu und wolle ihr in der ganzen Gegend ein jolches 


190 


Geſchrei anrichten, daß fie feinem ordentlichen Menjchen mehr unter 
die Augen treten dürfe. Darüber entjeßte fih das argloje brave 
Mädchen fo jehr, daß fie die Hände rang und laut jammerte, und 
al3 er wieder fortgegangen war, weinte und jammerte jie immer 
noch und wußte fich nicht zu helfen. 

Da fteht mit einem Male ganz unvermuthet Einer neben ihr 
und fragt fie, warum fie jo entjeßlich lamentire? Ja, antwortete 
fie, jte habe ihrem Herrn die ſchönſte und beſte Kuh verfüttert und 
könne doch nichts dazu. Jetzt jolle fie die Kuh bezahlen und hätte 
doch fein Geld und ihre Eltern auch nicht. Wenns Ginem jo gehen 
fönne, müſſe doch fein Gott im Himmel fein. Der Fremde bot ſich 
ihr als Freund an und wenn fie ihm ihre Seele verjchreiben wolle, 
follte jogleich das nothwendige Geld zur Stelle jein. Weil ihr nun 
die Angit ihre Befinnung geraubt hatte, jo willigte fie ein in das, 
was er verlangte. Der Fremde aber war der Teufel. Sie wollte 
mit ihm heimgehen und unterjchreiben, er jagte aber, das jei nicht 
nöthig; Feder und Papier habe er bei fih und vom Finger laufe 
ihr ja Blut, damit könne fie auch unterfchreiben. Sie unterſchreibt 
aljo, der Teufel nimmt die Schrift, gibt ihr einen Beutel voll Gold— 
jtüde und entfernt fih. Sie aber hebt das Tud mit Gras auf 
den Kopf und geht heim. Der Weg führte fie an ihrem elterlichen 
Haufe vorüber, da hörte fie drinnen ihre Mutter wimmern, als ob 
fie recht frank wäre. Wie fie nun eilends in die Scheune tritt und 
das Gras in die Tenne wirft, fieht fie ihren Herrn vor ji baumeln: 
er hatte fih an einem Balken aufgehängt, weil er ſich nit wollte 
verbrennen laſſen. Dann ging fie in den Stall, um nad) der ver: 
endeten Kuh zu jehen und wird gewahr, daß die Kuh nicht ver- 
füttert, ſondern todt geftochen war mit Fleiß und Abjiht. Ta fällt 
es ihr zentnerfchwer aufs Herz, daß fie vergebens ihre Seele dem 
Satan verjchrieben habe, jammert nody mehr, al3 zuvor, läuft zum 
Pfarrer, erzählt ihm auf den Kinieen, was vorgefallen war und bittet 
ihn, ihr einen Rath zu geben, wie fie ihre arme Seele retten und 
von dem Böjen loskommen könne, denn ihre Verzweiflung jei namen: 
los. Der jagte, fie jolle das Geld gleich wegwerfen, ſich in die 


— ET 


191 


Kirche begeben, dort beten und diefelbe nicht eher verlaſſen, bis er 
es ihr jage. 

Sp wirft fie denn das Geld in die Scheune, nimmt ihr Gebet: 
buch und will in die Kirche gehen. Unter der Zeit war es Abend 
geworden. Wie fie nun aus dem Haufe tritt, jteht der Teufel da, 
bietet ihr einen ‚guten Abend umd jagt: „Sch habe mein Geld wieder 
Iingen hören; wo willſt du hin? Doch nicht in die Kirche?" „Zu 
meiner Mutter” — jagt das Liesbethhen — „die am Brunnen 
wohnt; laſſe mich gehen, ich fürchte mich vor dir!" Mit diefen 
Vorten will fie entfliehen. Warum haft du denn jo große Eile?“ 
fragt der Teufel, indem er neben ihr hergeht und fie am Node 
feſthält; nimm mich auch mit!” Das Liesbethchen fagt: „Ach, mir 
iſt Angſt, fie ftirbt und ich fehe fie nicht mehr in alle Ewigkeit.“ 
„Ha“ — antwortete der Teufel, fie wird wohl nicht jo Fchnell 
ſterben! — und padt fie bei der Hand. „Laß mich gehen“, bittet 
das Liesbethchen und hebt an zu weinen und zu jchluchzen und ringt 
mit ihm, aber der Teufel läßt fie nicht los; er hält fie feit, wie 
mit eifernen Krallen. Indem fängt e8 an, auf dem Kirhthurm 
Ave zu läuten, und die Mannsleute, welche noch auf der Straße 
waren, ziehen ihre Kopfbededung ab und beten; der Teufel aber 
muß vor Jedem, der betet, ftehen bleiben und fann nicht vorbei, 
als bis er ausgebetet hat. Wie dies das Mädchen merkt, fängt 
fie zu laufen an, geht aber nicht in ihr Haus, fondern will jo 
Ihnell wie möglich die Kirche erreichen. So bleibt der Teufel immer 
weiter zurüd und wie das Mädchen den Berg hinaufgefommen ift 
und auf die Kirchenftaffel tritt, ſchaut fie fich ängftlih um und 
Net den Teufel noch wie fejtgebannt unten am Brunnen ftehen: 
dort ftand ihr Vater und betete noch und fie erfannte ihn an feinen 
bellfarbigen Kleidern. Da hört das Leuten auf und in demjelben 
Augenblid kommt der Teufel, wie ein Sturmwind nad, padt fie in 
demjelben Moment, wo fie in die Kirche eintreten will, bei den 
Haaren und jagt: „ES Hilft dir nichts, Liesbethchen! Hättejt du 
dad Geſchrei bei dem Pfarrer nicht gemacht, jo hätteft du immer 
tod eine Weile gute Tage haben können; jegt aber ift3 aus. Vor 


193 


einer Stunde habe ich deinen Herrn, den Staudenjörg geholt, jetzt 
hole ih dich, feine Magd. Aber die Kirche jollit du dir noch ein— 
mal anjehen!" In demſelben Augenblid erfaßte er fie bei den 
Haaren, fährt mit ihr in die Höhe und dreimal um den Kirchthurm 
herum. Das Liesbethihen aber fängt an, in der Todesangft zu 
beten: „Herr Jeſus, dir lebe ich! Herr Jeſus dir fterbe ih!" Da 
muß der Satan fie auf die Erde niederjegen; wie ers aber gethan, 
tällt das Mädchen um und ijt todt. 

Den Staudersjörg haben die Hentersfnechte abgejchnitten und 
hinausgeführt auf den Herenbrand und dort eingefharrt. Für das 
Liesbethchen aber hat der Pfarrer Fürbitte eingelegt, und jo haben 
fie es ehrlich begraben. Ihre Mutter iſt bald darauf auch gejtorben 
ihr Vater aber von Mönchberg, unbefannt wohin? weggezogen. 

Wie lange und wie genau fich die Volksfagen im Munde des 
Volkes erhalten, zeigt ein Theil der vorerzählten; denn über den 
Staudersjörg findet fich in einem alten Kirchenbuche folgende Notiz: 

„1672 Cambftags den 20. April bat fih der Mönchberger 
Schultheiß, Georg Stauder genannt, jo 34 Jahre Schultheiß ges 
weien und manche jchlimme Händel angeftellt, in jeiner Scheuer 
jelbjt erhengt und über 8 Tage hernadher, den 27. ejusden durch 
drei Henkersfnehte auf dem Schindersfarren hinausgefchleppt und 
durch diefelben an den Ort, da man hiebevor Heren verbrannt, be= 
graben worden. it von vielen Leuten für ein Herenmeijter ge— 
halten worden. 

Nota: Defien Vorſahr vor ihm ift als ein SHerenmeifter 
öffentlich verbrannt worden und haben aljo die Mönchberger ſchlecht 
Slüd zu ihren Schultheißen.“ (Wird wohl jeit der Zeit bejler 
geworden jein). Ä 





Mit Schaudern bliden wir zurüd in jene Zeit der Finſterniß 
und des Abgerglaubens, wo. mand Unglückliche für Heren gehalten 
und verbrannt worden find, wo die Leute noh an Teufelserjchein- 
ungen glaubten u. dgl. Die Teufel, welche ihr fürchten ſollt, das 
jind eure Leidenschaften und Lafter, die euch dem ewigen Verderben 
überliefern. | 








193 


Die Maßkanne. 


Zwiſchen Eſchau und dem Klofter Himmelthal in der 
Wieſe nahe am Ufer der Elfava liegt der jogenannte Weibers- 
brunnen. Die Sage erzählt, er jei jo tief, daß man mit dem 
längiten Heubaum jeinen Grund nicht erreihe. In diefem Brunnen 
wohnten die Nunnen; jeitvem aber die Holzfuhren durchs Thal 
gehen, haben fie fich unfichtbar gemacht (find verfchwunden), Syn 
den ältejten Zeiten aber, als die Straße noch nicht gebaut war 
und das Holz noch in der Eljava geflößt wurde, als die Hirjche 
und Rehe aus den Spefjartforiten noch herunter an den Bach kamen, 
um ihren Durft zu jtillen, da famen die Nunnen oft aus dem 
Brunnen und gingen (ähnlih wie die Heinzelmännden) mit den 
Menihen um. Sie gaben den Kindern, welche beim Heumaden 
an ihren Brunnen famen, Schöne Blumen, und im Winter famen 
fie unverjehens in die Spinne oder NRodenftuben und fangen mit 
den Burihen und Mägpdlein, bis die Glode zwölf Uhr ichlug. 
Dann verihmwanden fie eben jo unverjehend, wie fie gefommen 
waren. Niemand aber durfte fie fragen: „Woher? Wohin?“ fonft 
famen fie viele Jahre nicht mehr ind Dorf. Kinder, die am 
goldenen Sonntag geboren, wurden beionders von ihnen begünftigt. 
Diele erhielten einen geheimnißvollen Ring und wenn fie denjelben 
drehten, mußten fie fommen und nach ihrem Begehr fragen. That 
man dieje® aber von Mitternaht an bis zum erjten Hahnenjchrei, 
fo war die Nunne unrettbar verloren. 

Auf der Agneshöhe wohnte eine Gräfin; dieje befaß ebenfalls 
einen ſolchen Ring und rückte ihn einmal, als es jchon zwölf Uhr 
gejchlagen hatte, weil ihr Kind plöglich fchwer erfranlt war und 
die Nunne ihm einen heilenden Trank bereiten jollte. Diejelbe Fam 
zwar und half auch dem Finde, aber fie war jehr traurig und 
fagte beim Weggehen: „Jet muß ich fterben” ; und als ſie aus 
dem Schloß gegangen, hörte man ungeheures Wimmern und Weh: 
flagen in ber Zuft und am andern Tag jah man auf dem ganzen 

Sagenſchatz. 13 


Mege vom Schloß bis zum MWeiberbrunnen die hellen Blutstropfen, 
einen am andern. 

Zur damaligen Zeit wohnte auch eine Müllerin im Klofter; 
diefe hatte ein Kleines Töchterhen, Kathrinhen mit Namen, welches 
die Nunnen ebenfalls jehr Tieb Hatten. Sie bradten ihm daher 
oft die fchönften Blumen und fpielten mit ihm. Als es größer 
ward, wurde aus dem Kinde eine ſchöne und fittiame Jungfrau. 
Als fie in die Neife der Jahre gelommen war, verehelichte fie fi 
mit einem jungen Manne, welder aus dem Maingrund gebürtig 
war. Sein Bater war ein Schiffmann, er aber übernahm bie 
Kloftermühle und ward ein Müller. 

Am Tage der Hochzeit madhten die Neuvermählten einen 
Spaziergang und wie fie jo des Abends ſpät in traulidem Geipräde 
noch am Bade fißen, kommt die Nunne und ſchenkt ihnen eine 
Maßkanne von gediegenem Silber und jagt: „Da bringe id 
Euch aud ein Hochzeitsgeſchenk. Schöpfet mit diefer Kanne jeden 
Tag Euren Abendtrunf, und e3 wird Euch wohl befommen. Zwei: 
mal an einem Tage aber dürft ihr nicht füllen, jonft wäre es Euh 
zum Unglüd!” Als fie nun am andern Tage die Kanne füllten 
und das vermeintlihe Waſſer verfofteten — da war e3 Wein und 
zwar jo gut, wie fie noch feinen getrunfen hatten. Und jo mar 
e3 jeden Tag und fie waren jehr froh und vergnügt darüber und | 
thaten genau, wie ihnen die Nunne befohlen. 

Da geichah es aber, daß am Abend vor Faſtnacht ein Mufikant 
zu ihnen kam, den man nur den luftiigen Edart hieß und bei ihnen 
zu übernachten begehrte. Er hatte früher ein Liebesverhältniß mit 
Kathrinchen unterhalten und diefe hätte ihn auch gerne zum Manne 
genommen, weil er aber nicht jehr reich war, jo mollte es der 
alte Müller nicht leiden. Gegen diefen Edart waren fie ſehr 
freundlich, brachten. ihm öfters bie Kanne zu, und mweil ihm ber 
Wein fo föftlih mundete und Edart als durftiger Mufifant eine 
trodene Leber hatte, jo war die Kanne bald leer und er beftand 
darauf, daß fie noch einmal gefüllt werden müſſe. Die jungen 
Brautleute weigerten fich zwar, allein Edart ging jelbft zum Brunnen, 


194 





195 


füllte die Kanne, ftellte fie auf den Tiih in der Stube und ber 
Wein ſchmeckte jo vortrefflih, wie vorher. Da ſchaut die junge Frau 
einmal von ungefähr in die Kanne und erfchridt, — denn der 
Mein war blutroth; fie zeigte ihn ihrem Manne und der erjchrad 
auch. Der Iuftige Edart aber jprah: „Das ift mir ja gerade 
recht, denn den Klingenberger Rothen trinte ich ja viel lieber als 
den Rüder und fie tranfen und blieben in traulihem Zwiegeſpräch 
beifammen bis tief in die Nacht hinein. Wie aber der legte Tropfen 
getrunfen war und Edart die leere Kanne auf den Tifch teilte, 
da that es plöglih einen Schlag, als wenn die Erde in ihren 
Grundfeften erfchütterte und das ganze Haus in fih zufammen- 
fürzte; die Weidenbäume am Ufer des Baches fingen an zu ächzen 
und zu ftöhnen, dag Waſſer des Baches hörte auf zu fließen, die 
Mühlräder ftanden ftil, die Uhr hörte auf zu piden und alle 
Ichauten leichenblaß und von Schreden erfüllt, einander an. Da 
ſagte das Kathrinhen: „Mir iſt's, als müßte ich fterben“ und in 
demjelben Augenblid fing eine Sichel, die an der Wand hing, an, 
fih zu bewegen. Der Mufifant fagte; „Mir ift’s, als ſcharrten fie 
mich ein, aber nicht auf dem Gottesader, fondern in eine andere 
Grube“, und bei diefen Worten hing ihm der Arm am Leibe, als 
wenn er abgeichlagen wäre und ein rother Streifen lief ihm quer 
über die Stine. Der Müller endlich fagte: „Mir iſt's, als fähe 
ich meinen Bater fterben und er ſchaute mi fo ſchrecklich an und 
ballte mir eine Fauſt“. Und als er dies fagte, fing die Kanne von 
ſelbſt zu Elingeln an und befam einen großen blutrothen Fleden. 
Am folgenden Tage wollte der junge Müller in feine Heimath 
geben, um bei jeinem Vater fein mütterliches Erbgut zu holen. 
Auf dem Wege dahin fam er an dem Brunnen vorbei. Dort jaß 
die Nunne auf einem Baumftumpf, ganz blaß und traurig, fie 
rang die Hände und meinte Wie er in feinem Schreden nad ihr 
umjah, däuchte es ihm nur noch wie ein Nebel aber in demjelben 
Augenblide hatte er die Kanne in feiner Hand und mußte gar 
nicht, wie er dazu gefommen war, Auf dem Wege zwiſchen Wildenjee 
und Stabdtprozelten kam ihm fein Vater entgegen. Als der jein 
13* 


196 


Begehr hörte, ſagte er ihm, er möge wieder umkehren, weil er jetzt 
nit im Stande fei, jeinen Verpflichtungen nachzukommen. Zwiſchen 
beiden fommt es zu einem Wortwechjel, ein böjes Wort gibt das 
andere, bis endlich der Alte im Zorne jeinen Sohn an der Bruft 
faßte. Da wollte ihm der Müller mit der Kanne wehren und hob 
fie in die Höhe, dieje aber fiel, wie von einer geheimen Gewalt 
getrieben auf das Haupt des Vaters, daß es zerjchmetterte, obwohl 
fih der Müller über das, was er gethan, die Haare ausraufte, 
Zu berjelben Zeit wollte Kathrinhen auf dem Felde nachjehen, wo 
die Magd grajte. Mit diejer befam fie einen heftigen Wortwechſel, 
jo daß die Magd den Grasftumpf erhob und tief in die linfe 
Schläfe hadte. Zum Tode getroffen, verjchied fie auf der Stelle. 
Der luſtige Edart ipielte an demjelben Tuge zu Eſchau im Wirths— 
haus und al3 unter den Burichen eine Rauferei entjtand, mijchte 
ex fih unbeionnener Weile in den Streit, wobei ihm zuerjt der 
Acmı abgeihlagen und dann der Schädel zerſchmettert wurde. Auf 
der Wiele vor dem Wirthshaufe wurde er, weil eines unehrlichen 
Todes geitorben, begraben. 

Wenn man vom Kloſter Himmelthal nah Eſchau geht, jo 
fteht eine fleine Strede über dem Klofter, gerade da, wo der Meg 
nah Sommerau abgeht, ein Kreuz; dort wurde das Kathrindhen 
mit einem Grasftumpf erſchlagen. Auf der Wieſe gegenüber dem 
Lewenwirthshaus in Eihau fteht ein Kreuz, aber nur mit einem 
Arm, dort wurde der erjchlagene Edart eingeiharrt. Auf der Höhe 
zwiſchen Wildenjee und Stadtprozelten aber jteht links am Weg 
ein Stein, auf welhen eine Maßkanne eingehauen iſt. Das er: 
innert an die verhängnißvolle Nunnentanne, mit welcher ber 
Müller jeinen Bater erſchlug. Was aus dem Müller geworden ilt, 
hat man nicht mehr erfahren ; die Stelle aber, wo ſich die fchredliche 
That ereignete, heit zum ewigen Gedädhtniß „die Maßkanne“. 





In bildlicher Weiſe enthält dieſe Volksſage die Wahrheit, daß 
gerade dasjenige, was uns zum Glück beſtimmt war, durch unſere 











197 


Unbefonnenheit und Thorheit nicht felten zum Gegenftand oder zur 
Urfahe des Verderbens wird. 


Das eiferne Pferd. 


Wie von einem Menichen, welcher Fleiih und Blut, ein Herz 
und lebendige Gliedmafjen gehabt hat, zulegt nur noch ein Skelet 
übrig bleibt, fo ift gar oft von einer lebendigen Thatiache nad 
Sahren nur noch eine todte Urkunde da. Die trodenen Buchſtaben 
lafjen wenig von den Freuden: oder Schmerzenszähren wahrnehmen, 
unter welchen die Urkunde zu Stande gefommen; doch übernimmt 
e3 mandesmal die Volfsjage, daS trodene Sfelet mehr oder 
weniger glüdlih mit Fleiih und Blut zu überfleiven. Diejelbe 
Bewandtniß hat e3 mit der folgenden Urkunde über die Stiftung 
des Klojters „Wohlperg“ (Himmelthal.) 

„Im Namen der heiligen und ungetheilten Dreifaltigkeit! Amen! 

Dem beiligften Vater in Chrifto und Unſerm Herrn, Herrn 
Siegfried, des heiligen Sites zu Mainz Erzbiichoffen, entbiete ich 
Ludwig Graf zu Niened und Adelhaid, Gräfin dajelbjt uniere 
demüthigen und ſchuldigen Dienſte. Wir haben ung vorgenommen, 
Eure Bäterlichkeit zu verfündigen und mit dem Zeugniß gegen: 
wärtiger Schrift zu bejtätigen, daß wir, aus Liebe zu Gott und 
feiner heiligen Mutter für Unjer und der Unierigen Heil, ſowohl 
derer die nun todt find, als derer die noch leben, ein Sungfrauen: 
Hlofter des Ordens der Gifterzienferinnen in Unferem, bisher „Wohl: 
perg“ genannten Landgute geftiftet, demielben aber nun dieſen 
Namen „Himmelthal“ gegeben und dasjelbe ausgeftattet haben 
mit dem dabei liegenden Dorfe Wohlperg und allen feinen Zuge: 
börungen, Wieſen, Waiden, Wäldern, Waflern, Fifchereien und 
Mühlen und den dafelbit Gott dienenden Perjonen mit einträchtiger 
Hand gegeben haben, frei und mit vollem Necht, wie wir es bisher 
bejeffen haben, zu ewigem Befit. Wir bitten Eure Heiligkeit, diefe 
Unjere Handlung beifällig aufzunehmen und zu beftätigen mit Euren 


198 


Privilegien gnädiglih, wie ihr wiſſet und könnt. Gejchehen im 
Jahr der Gnade 1233 der XI. Römerzahl. 

Die Volksſage ergänzt uns die vorftehende Urkunde, beziehungs- 
weile die Entftehung des Nonnentlofter® Himmelthal in folgender 
Weiſe: 

Als der im Eingang dieſer Urkunde erwähnte Graf Ludwig 
von Rieneck mit ſeiner Gemahlin Adelheid alsbald nach feiner Ver— 
mählung das Schloß Wildenftein bezog, fand er dort einen äußerft 
Ihlimmen Nachbar vor. Diejer haufte auf dem Thurme im Krauſen— 
bacher Thale, deſſen Trümmer jet noh in der Nähe des zum 
Theil aus feinen Steinen erbauten Jägerhauſes fihtbar find, und 
war, wie e3 in den Seiten de3 Mittelalter ja oft der Fall ges 
weſen jein fol, mehr ein gemeiner Wegelagerer, (Raubritter), als 
ein, wegen jeiner adeligen Tugenden gepriejener Ritter. Da er 
nun auch in der Gewohnheit hatte, bei jeinen Streifzügen auch 
dad Gebiet der Grafen von Rieneck heimzufuhen, jo legte ihm 
zwar der Graf bald das Handwerk, hatte ſich aber dadurdh in Dem 
gefährlihen Menichen einen verzweifelten Feind gemacht. 

Immer auf’3 neue Nahe brütend und Feindihaft übend und 
jedesmal, wenn es zum offenen Kampfe kam, niedergeworfen, wollte 
er doch von feiner Ausföhnung hören, wie oft auch der großmüihige 
Graf von Rieneck die Hand dazu bot, bis endlich diefer, um der 
Sade ein Ende zu madhen, das NRäuberneft einnahm und nicbers 
brannte, die Spießgefellen des Wegelagerers an die nächſten Eich 
bäume auffnüpfte, wo fie eine Speije der Raubvögel wurden, und 
ihn jelber nach Wildenftein jchleppte. Nach einem Jahre entließ 
er ihn aus der Haft mit einigen guten Lehren und Warnungen, 
diefer aber war faum ans Tageslicht getreten, al3 er einen furcht« 
baren Eidſchwur that, nicht abzulafjen, als bis er an feinem Tod: 
feind, dem Grafen jhredlihe Nahe genommen hätte. Da er aus 
langer Erfahrung wußte, daß er der Mann nicht jei, um dem 
Rienecker mit Stahl und Eifen beizufommen, jo machte er einen 
Bund mit dem Teufel, baute fich dicht an der Rieneck'ſchen Grenze 
zwiihen Heimbuchenthal und Hoppad einen feſten Thurm, nannte 


— 


199 


ihn drohend den „Höllenthurm“ und das feitwärts vom Thurme 
in den Wald fich hinziehende enge düftre Thal das „Höllenthal“ 
und hatte nicht3 dagegen, daß die Leute ihn den „Höllenhanns“ 
zu nennen anfingen. Der Thurm fteht heute noch und das Thal 
heißt auch noch das Höllenthal. 

Als der Graf von Riened davon hörte, wollte er ihm zeigen, 
daß er weder von feiner Nähe noch von feiner Bosheit fich irgend 
welchen Unglüds verſehe und baute ſich zwei Wegitunden weiter 
unten, im Thale der Elfava, einen Luftort, den er, dem Höllen- 
banns und feinem Höllenthal zum Truß „Wohlberg“ nannte. 
Dort verbradte er mit feinem Weibe und feinen drei Söhnen bie 
Ihöne Jahreszeit, [ud feine Freunde und zahlreihen Vaſallen öfters 
zu fröhlichen Feten, ließ feinen Armen und Fremden vorüberziehen, 
ohne daß er ihn mit Speife und Trank reichlich bemwirthet hätte, 
und Freude herrichte in der ganzen Umgegend, wenn die Zeit fam, 
wo die gräflihe Familie vom Schloß nah Wohlberg überzufiedeln 
pflegte. ’ 
Der Höllenhanns hielt fih eine Weile ftil und ruhig in 
jeinem Thurme, verſchwand aber plöglih, ohne daß Jemand wußte, 
wohin? Nah Umfluß mehrerer Jahre war er mit einem Male 
wieder da, brachte viele Reichthümer und große Schäße, auch ziemlich 
Reißige und Mannihaft mit und bezog jeinen Thurm wieder. 
Der Graf von Rieneck glaubte, nun werde der alte Tanz wieber 
angeben, aber fiehe da, der Höllenhanns ftellte fi, als ob er alle 
frühere Feindſchaft vergeſſen habe, freundlih, lud feinen Nachbar 
zu fi ein, und als der Graf von Riened ihn bejuchte, lieh er 
ihn feine prachtvollen Pferde jehen, welche er angeblih aus dem 
Morgenlande mitgebracht hatte. | 

Darunter war nun ein beſonders hübſcher Grauſchimmel, den 
man jeiner Farbe, wohl auch jeiner Stärfe und Dauerhaftigfeit 
wegen „das eiferne Pferd” nannte. Da der Graf von Riened 
ein beſonders Wohlgefallen daran äußerte, jo bot er es ihm als 
Zeihen der BVerjöhnung zum Geſchenke an und dieſer nahm es 
dankbar und hocherfreut mit nah Wildenftein. Diejes Pferd war 


200 


aber durch Teufelsfünfte beftimmt, jedem, ber es beftieg, den Tod 
zu bringen. Der ältefte Sohn des Grafen, ein fühner, verwegener 
Reiter beftieg ihn zuerft. Als er aber einft in die Fehde zeg, ftürmte 
e3 mit ihm mitten unter die Feinde, ließ fih weder ummenden 
noch aufhalten, bis er erjchlagen war, dann rannte es unverjehrt 
wieder zurüd zu den NRiened’ihen Haufen. Der Graf und fein 
Meib grämten fi ſehr über den Verluft ihres älteften Sohnes, 
allein das gewährte ihnen einigen Troft, daß er dad einen rechten 
Heldentod auf dem Felde des Ruhmes und der Ehre geftorben jei- 
Darauf ritt es der zweite Sohn. Diefer wollte auf der Jagd über 
einen Graben jeten, das Pferd aber ftürzte und der Sohn wurde 
todt in die väterliche Burg getragen. 

Als der jüngfte herangewachſen und der Graf und feine Ge 
mahlin ichon ziemlich bejahrt waren, ward ihr Sohn in das Heer: 
lager de3 Kaiſers entboten, und ritt aus mit feinen Neiifigen von 
Wildenftein um die Adventszeit. Seine Mutter und fein Vater 
ſahen ihn mit bangem Herzen abziehen und es war ihnen, als 
wenn ihnen bange Ahnungen das Herz zerfprengen wollte. Er aber ritt 
„das eijerne Pferd“ und trug die Riened’ihe Fahne Als 
er nun über die Zugbrüde geritten war, wurde jenſeits auf der 
Höhe des Berges der Höllenhanns fichtbar uud er winkte mit der 
Hand wie zum Abſchied. Kaum erblidte ihn das Pierd, io fing 
es an zu ſchnauben, fich empor zu bäumen und zu ſchütteln, dab 
die Rüftung des jungen Grafen Elirrte. Mit einem gewaltigen Rud 
Tchleuderte e3 den jungen Grafen hinab in den Schloßgraben, daß 
er augenblidlich jeinen Geift aufgab. Darauf wendet fih das Pferd 
mit hölliſchem Gewieher, wie hohnlachend rechts hinüber, wo der 
Höllenhanns ftand, welcher es ftreichelnd in Empfang nahm und 
nit ji) davon führte. Wer beichreibt aber das Entiegen und den 
Schmerz der Eltern, welche Zeugen dieſes jchredlihen Dramas jein 
mußten? Nun erft erfannten der Graf und feine Gemahlin, warum 
ihre Söhne fo elend ums Leben gefommen waren und daß ihnen 
die teufliihe Bosheit des Höllenhannes diejen grenzenlojen Jammer 
bereitet hatte. Der Gräfin aber gings am tiefften zu Herzen und 





201 


einstmals fagte fie zu ihrem Gemahl: „Wir haben nicht gut daran 
getban, als wir der Hölle und ihrer Gewalt jpotten wollten. Das 
Wohl wird Wehe, wenn e3 nicht vom Himmel ftanmt. Laß’ uns 
daher das Luſthaus, das wir dem Höllenhanns zum Truß unten 
im Thal gebaut haben in ein Klofter, im eine Stätte der Andacht 
umwandeln und ihm den Namen „Himmelthal” geben. Dort 
mögen die frommen Dienerinnen Gottes für uns beten und vom 
Höllenthal wird das Berderben ung nicht mehr erreichen“, 

So gründeten und bauten fie denn das Klofter und beichlofen 
felber ihre Tage dafelbjt in Trauer und Thränen und wurden 
endlich, als fie felig verjtorben, in der Klojterfirche begraben. Heute 
noch ift ihr Grabftein daſelbſt zu jehen, auf dem fie in Lebensgröße 
ausgehauen find und gleihjam ernſt und tieffinnig auf das Geſchlecht 
einer andern Zeit herabjehen, welches jene ehrwürdige heilige Stätte 
betritt, unter der ihre irdiihe Hülle jchläft bis zum Tage der 
allgemeinen Auferjtehung. 

In der Adventszeit aber hört man im oberen Eliavathal 
mandesmal um Mitternacht haſtige, kurz abgejtoßene, dumpfe Töne. 
Mer es nicht weiß, vermuthet das Pohen de3 Eiſenhammers zu 
bören, welcher oben unter dem Höllenthurme liegt und deßwegen 
der Höllhammer Heißt. Die Volksſage aber behauptet, daß es das 
eilerne Pferd ift, welches alljährlih, wenn die Aoventsftürme 
brauien, ſchnaubend und puſtend das Thal Hinunterftürmt, an dem 
Schloſſe vorbei, dejjen drei junge Gebieter e3 einjt in ten Tod 
getragen, big es an der Grenze des Kloftergut3 feinen Lauf endet 
und ſpurlos in Naht und Nebel gleich einem Dämon der Hölle 
verſchwindet. 





Furcht und Grauſen erfüllt uns, wenn wir die Sage vom 
Höllenhanns hören und leſen und wohl Mancher ſchätzt ſich in Ge— 
danken glücklich, daß jene ſchrecklichen Zeiten vorüber ſind, doch iſt 
unſre Zeit nicht viel beſſer als die damalige. Auch bei uns gibt 
es Menſchen, welche ſich kein Gewiſſen daraus machen, ihre Neben⸗ 
menſchen durch Verführung ins Höllenthal dem Teufel zuzuführen. 





202 


Deswegen müfjen wir vorfihtig fein im Umgang mit Anbern und 
beftrebt fein, ins „Himmeltbhal” einzugehen. 


Himmelthal, 


O holde Einfamteit, 

O ſüßer Waldesſchatten, 

Ihr grünen Wieſen, ſtille Matten, 

Bei euch nur wohnt die Herzensfreudigkeit! 


Bei dem Kloſter Himmelthal verengt ſich das Thal der Elſava, 
daß es kaum ein paar hundert Schritte breit iſt. Friſche blumen— 
reihe Wieſen füllen den jchmalen gebogenen Grund und rechts und 
links fteigen waldbedeckte Berge jäh empor und fließen das Kleine 
Thal von der übrigen Welt ab. Das Auge fieht nur den blauen 
Himmel, das jaftige, Helle Grün der Wiejen und das dunflere de 
Waldes und das Ohr hört nur das Rauſchen der eilenden Eljava, 
da3 Säuſeln des Windes in den Baummipfeln und den lieblichen 
Geſang der gefiederten Waldbewohner, der Amjeln, Drofjeln u. dgl. 
Der Frieden Gottes ruht auf diefer heiligen Stätte und das Menſchen— 
berz fühlt ein ſüßes Verlangen, aus dem argliftigen Treiben der 
böfen Welt zu fcheiden und hier in ftiler Einjamfeit dem Dienfte 
des Herrn zu leben. 

Mehrere Jahrhunderte lang - lebten die Nonnen des Klofterd 
Himmelthal in engelgleiher Unihuld und SHerzensreinheit. Die 
mächtigen Grafen von Rieneck waren des Kloſters Schirmherren und 
unter ihrer Obhut, ſowie bei dem tadellofen mufterhaften Lebens 
wandel der Nonnen gelangte das Kloſter bald zu hoher Blüthe. 
Das Dorf Eichelsbach und der größte Theil der Drtfchaften Großheus 
bad und Reiftenhaufen, die Hofgüter zu Mechenhart, das Patronat3- 
recht der Pfarrei Erlenbach und noch mande andere Befigungen wurden 
Eigentum des Klofterd. Wie aber der Reichthum überall Ueppigfeit 
erzeugt und auf Abwege führt, jo aud hier. Der Teufel der Wohl: 
luft bielt feinen Einzug im Klofter und aus der heiligen Stätte 


203 


ber Andacht wurde eine Höhle des Laſters. Diefer entieglihe Zus 
ftand fam auch zu den Ohren des Erzbiſchofs von Mainz, welcher 
einen geiftlihen Commiſſär nad Klofter Himmelthal aborbnete. Diefer 
ftellte den verfammelten Nonnen das Sündhafte und Strafbare ihres 
unverantwortlihen Treiben? in eindringliher und erjchütternder 
Rede vor und warnte fie vor den Fallfitriden, welche der böſe Feind 
al denen lege, welche nicht feft am Herrn hielten. Seine Worte 
machten einen tiefen Eindrud in’ den Herzen vieler Nonnen und 
ſchlugen auch jcheinbar fefte Wurzeln, einige andere aber lagen jo 
in den Feſſeln des böjen Feindes, daß fie von einer Sinnesänderung 
nicht3 willen wollten. Zu dieſen legteren gehörte aud eine junge 
Nonne Namens Agnes, welche ſich in ihrem Frevel jogar über den 
geiftlihen Commiſſär Iuftig machte. „Der alte Herr — meinte fie — 
babe gut reden; wenn fie einmal weißes Haar habe, wie er, werde 
fie jih auch nicht mehr um die Wohlluft fümmern. Aber jept jolle 
er ihr mit feinen Mährlein megbleiben. Mit dem Popanz des Teufels 
ſchrecke man Kinder, aber feine erwachſenen verftändigen Leute. Sie 
babe noch nie gehört, daß Jemand vom Teufel geholt worden ſei 
und e3 liefen doch viele arge Sünder in der Welt umher. Darauf 
wolle jie es ankommen laſſen“ — und was dergleichen frevelhafte 
gottloje Reden mehr find. Die Schwefter Agnes hatte bei der loderen 
Disciplin des Kloſters Gelegenheit gefunden, eine Liebichaft mit 
einem hübſchen Jägersmann anzufnüpfen. In dem Taumel ihrer 
Leidenſchaft war ihr gar nicht? mehr ehrwürdig und heilig, fie ver— 
gaß ihre Gelübde, ihren himmlischen Bräutigam, den Berluft der 
ewigen GSeligfeit und gab dem Jägersmann fogar das feite Ver: 
ſprechen, aus dem Klofter zu fliehen und ihm zu folgen, wohin es 
ihm beliebe. 

® Es war ein ſchwüler Sommertag gemwejen; mehrere ſchwere 
Gewitter waren über die Speflartforften gezogen unb hatten ihre 
Laſt ausgegofien, daß fich die engen Waldthäler hoch mit Wafler 
füllten und die Eljava wie ein wilder Strom dahin braufte. Die 
Nacht, welche diefem Gemwittertage folgte, war zur Flucht aus dem 
Klofter verabredet worden; der Jägersmann follte die Schweiter 


204 


Agned unweit des Klofter3 erwarten. Er mußte aber vorher die 
Eljava überfhreiten und das Hochwaſſer hatte doch Brüden und 
Stege weggerifjen; er ließ ſich dadurch nicht abichreden und ſuchte, 
feinem gegebenen Manneswort eingedent, durch dag Wafler zu dringen ; 
allein die Wellen ergriffen den Frevler und führten dem Maine 
feine Leiche zu. 

Unterdeffen war ed der Schweiter Agnes gelungen, aus dem 

Klofter zu dringen; die grel aufleuchtenden Blite ließen fie leicht 
den Weg zum Walde finden. An dem bejtimmten Plate glaubte 
Agnes den erſehnten Zägersmann zu fehen, fie eilte voll Verlangen 
auf ihn zu, um ihn in ihre Arme zu jchließen, ihn an ihr liebendes 
Herz zu drüden, da zudte abermals ein greller Blitzſtrahl durch die 
rabenſchwarze Gewitternaht und ein Schrei, den man durch das 
Braujen des Sturmes im Klojter hörte, gab Kunde, daß Agnes 
den Fürjten der Unterwelt — Belzebub — geiehen hatte, welcher 
die Stelle ihres frevelhaften Buhlen einnahm Am andern Morgen 
fand man nur den halbverbrannten Schleier der Schweiter. An der— 
jelben Stelle, wo man den Schleier gefunden, wurde ein Stein ein= 
gemauert, worauf der Teufel abgebildet war, wie er mit jeinen 
Krallen grimmig das Nönnlein erfaßte. Diejer Stein wurde fpäter 
in der Scheuer des Klofter3 eingemauert, Zur Zeit der Reformation 
verbreitete fih in der Gegend die Lehre Luther und fand fogar 
Eingang im Klofter. 
Eine Nonne nach der andern verließ die urjprünglich heilige 
Stätte, jo daß zulegt nur noch eine einzige vorhanden war, welche 
fih ſelbſt zur Nebtiffin wählte und nun Webtifiin und Gonvent 
in einer Perfon vorfteltee Der Churfinft von Mainz hob daher 
im Sahre 1619 das Klofter auf und ſchenkte deſſen Güter den Sejuiten, 
welhe um diefe Zeit nach Aichaffenburg gefommen waren. Dägie 
errichteten in der Mitte des vorigen Jahrhunderts alle Gebäude neu, 
jo daß vom alten Klofter faum noch eine Wand übrig blieb, Nach 
der Aufhebung der Jeſuiten fielen die Güter dem Gymnafiumsfond 
zu Alchaffenburg zu. 


205 


Eine fo grobe Schändung des klöſterlichen Heiligthums, eine 
fo grobe Verlegung der flöfterlihen Gelübde erfüllt uns mit Ab— 
Shen und Entjegen und dennod Sollen wir ung an die Worte der 
Bibel erinnern: „Wer fteht, der jehe zu, daß er nicht falle!" Auch 
und drohen Verfuhungen; wachen und beten wir daher, damit wir 
den Verſuchungen nicht unterliegen. Werden wir aber auch jelber 
nicht Mörder an der Seele unjerer Mitmenjchen. 


Der Schäfer von Elfenfeld. 


Bor mehr als hundert Jahren lebte zu Eljenfeld ein Schäfer, 
der Hirtenjürg genannt. Seine Frau hieß Ev’ und beide galten 
weit und breit für rechtichaffene und gottesfürchtige Leute. Bejonders 
wußte der Mann viele fromme Sprüche und heilige Geihichten und 
wenn er auf dem Dammesfeld die Schafe hütete, pflegte er auf 
einer Hirtenflöte geiftliche Lieder zu blajen, jo ſchön, daß den Leuten, 
die ihn hörten, das Herz davon bewegt wurde. 

Es gejchahen aber zu jelbiger Zeit in der Gegend viele er— 
jchredlihe Unthaten; die Leute wurden angefallen, erſchlagen und 
ausgeraubt, die Kirchen wurden nächtliher Weile erbroden und 
ausgeraubt und bejonder3 das Dammesfeld kam in jo üblen Ruf, 
daß fih nah eingebrochener Dämmerung Niemand mehr dorthin 
getraute, denn nicht nur einzelne Perſonen, jondern auch zwei und 
drei, welche fich veripätet hatten, wurden am Morgen todt gefunden 
und man glaubte nicht anders, al3 eine große Näuberbande müſſe 
in der Gegend ihr Unweſen treiben. Wie man e3 auch anitellte, 
den Thätern auf die Spur zu kommen, war dennoch alle Mühe 
vergebend. Wer hätte gedacht, daß der Schäfer und fein Weib jo 
gottloje Heuchler feien und fie allein alle Raub: und Mordtdaten ꝛc. 
verübten? E3 war aber doch fo und die Bolfsfage erzählt, fie hätten 
es durch die ſchwarze Kunft fertig gebradt. Wenn ihnen nämlich 
ein Kind geboren wurde, brachten fie es um, fchnitten ihm die kleinen 
Finger ab und dörrten diefelben im Badofen. Wenn fie dann einen 


206 


Einbruch, Raubmord, oder ein anderes Verbrechen begchen wollten, 
brannten fie den Finger an wie eine Kerze und jo lange er brannte, 
waren fie unfihtbar. So gewahrten denn die Leute, wenn fie des 
Nachts unter Schippah durd den Wald gingen, nichts als ein Licht 
neben dem Wege; wenn fie aber hinzufamen und an nicht? Böjes 
dachten, jchlug fie der Hirtenjürg mit einer Holzart todt, ehe fie 
noch mußten, woher die Schläge Famen. 

Mehrere Jahre vorher, ehe der Schäfer ſich verheirathet Hatte 
und ein Mörder geworden war, gingen am zweiten Oftertage drei 
junge Burſche aus Eljenfeld in die Fremde. Der erſte war ein 
Schneider, der zweite ein Schmied und der dritte, Namens Kafpar, 
war der einzige Sohn aus der Mühle und ſelbſt auch ein Müller, 
Daheim waren fie ftil und traurig fortgegangen, wie es aber die 
jungen Leute zu machen pflegen, im Wirthshaus zu Rück kehrten 
fie ein, um zum Abſchied noch ein Glas Wein miteinander zu trinfen, 
weil fie immer gute Kameraden gewejen waren. Der Wein machte 
fie munter und aufgeräumt, fie fangen nad Herzenzluft und zulett 
machten fie miteinander aus, fie wollten fieben Jahre in der Fremde 
bleiben, nad fieben jahren aber, wenn fie noh am Leben feien, 
am zweiten Ditertag wieder hier zuſammenkommen, und gemein: 
Ichaftlich, wie ihren Auszug, jo auch ihren Einzug wieder in Elfenfeld 
halten. Darauf zogen fie durchs Dorf indem fie ein Wanderlied fangen: 

„SH will mein Slüd probiren 

Und in die weite Welt marjhiren“, 
gingen den Bach hinauf, am Klofter vorbei und bei der Aubrüde 
trennten fie fih. Zwei gingen rechts und der dritte links. Syn der 
Fremde hatten fie alle drei Glüd, eriparten fich eine ſchöne Summe 
Geld, bildeten fi in ihrem Gewerbe recht aus und fo verging ein 
Sahr nach dem andern. Als die fieben Jahre zu Ende gingen, traten 
fie, wie verabredet, die Rückkehr in die Heimath an, um am zweiten 
Dftertage wieder in Rüd zufammenzutreffen. Der Müller war zuerft 
zur Stelle, dann fam ber Schmied und zuletzt der Schneider. Wie 
nun einer nah dem Andern gejund und heiter zur Thüre herein 
trat, Hatten fie eine unbefchreibliche Freude, begrüßten ſich aufs 


207 


Herzlichſte, erzählten fi ihre verjchiedenen Erlebniffe in der Fremde 
und der Becher machte fie noch munterer und fröhliher. As es 
anfing zu bämmern, brachen fie mit einander auf, um die Heimreije 
anzutreten. Draußen aber blies feit einigen Tagen ein milder Thaus 
wind, die Eliava war ausgetreten und hatte da ganze Thal unter 
Mafler gelegt und es braufte, als wenn ein noch fo großer Strom 
fih dur das Thal wälzte. 

Mie fie nun zur Kreuzmühle kommen, an die Stelle, wo ber 
große Nußbaum fteht und der Bildftod, hören fie den Schäfer blaſen: 
„Run fih der Tag geendet hat” und fagten: Das iſt der Hirten 
jürg; jeßt werden wir bald zu Haufe fein.” Plötzlich aber hörte dag 
Blafen auf und fie Sehen ein Licht, aber feinen Menſchen, der das 
Licht trägt, fondern das Licht fladert wie ein Irrwiſch in der Luft 
herum. Der Hirtenjürg hatte fie fommen hören, das Licht angezündet 
und lauerte nun hinter dem Baume auf fie; der ausgetretene Bach 
ging aber gerade bis unter ven Nukbaum Wie fie nun ftußgten 
und nicht wußten, ob fie vor= oder rückwärts gehen Jollten, fchreit 
er ihnen zu: „Legt eure Felleiſen ab, hierauf will ich jedem von 
euch jeinen Treff geben!” und zugleih jchlug er dem Schneider, 
welcher voranging, vor den Kopf, daß er taumelte. Da mußten die 
drei nicht, wie ihnen geſchah und fingen an zu bitten, er folle bie 
Felleifen und das Geld darin nehmen, nur das Leben jolle er ihnen 
lafjen. Endlich jagte der Hirtenjürg: „Meinetwegen, obſchon ich es 
nicht gerne thue, aber die Felleiſen legt ihr hierher und alle eure 
Kleider darauf und wenn ihr euch ausgezogen habt, dann fteigt 
ihr auf den Nußbaum und muckſt euch nicht, ſonſt ift es euer Letztes.“ 
Sie thaten jo und fliegen auf den Nußbaum, der Schäfer aber 
wollte mit dem SFelleifen und den Kleidern davon gehen, ließ aber 
dabei den Finger, den er angejtedt hatte, von ungefähr fallen. Der 
ging aus und in demſelben Augenblide war der Schäfer fichtbar 
und weil gerade der Mond hinter einer finfteren Wolke hervor trat, 
erfannten ihn alle drei und fchrien aus Leibeskräften: „Hirtenjürg ! 
Hirtenjürg! Da warf er die Felleifen und Kleider wieder hin und 
Ihoß einen um den Andern wie Vögel vom Baume herab, obgleich 


208 


%* 
fie aufs inftändigfte um ihr Leben baten. Bon dba an hatte aber 
der Schäfer feine ruhige Stunde mehr. Wo er gehen und ftehen 
mochte, überall hörte er das Waſſer braujen und dazwiſchen drein 
rufen: „Hirtenjürg! Hirtenjürg!" Bald riefen die drei Handwerks— 
burfhen miteinander, bald der Kaſpar allein, 

Wie aber auh das aufs feinite geiponnene Fädchen endlich 
doch ans Tageslicht fommt, fo ging es auch beim Hirtenjürg, Alle 
Verbrechen, welche er uud fein Weib verübt hatten, wurden enthüllt 
und vom Gericht das Urtheil gefällt, daß fie auf dem Damme: 
feld lebendig von vier Pferden jollten geviertheill werden. Sein 
Weib ftarb reumüthig, der Schäfer aber blieb verſtockt. Als er ſchon 
auf dem Richtplatze ſtand, fing er noch einmal gräulich zu lachen an 
und als man ihn um die Urſache fragte, antwortete er, es ſei ihm 
noch einmal eingefallen, wie der Schneider ins Waſſer gefallen ſei 
und daß es ſo geplätſchert und gegurgelt habe; das ſei ſo luſtig 
anzuſehen geweſen, daß er jetzt noch herzlich darüber lachen müſſe. 
Als die Hinrichtung vollzogen war, wurden ihre Körper auf einem 
Scheiterhaufen verbrannt und die Aſche in den Main geſtreut. 





Gar mancher Böſewicht treibt ſeine Frevelthaten lange Zeit, 
endlich aber kommt doch alles an den Tag und wenn Verbrechen 
in dieſer Welt auch nicht an den Tag kämen, in der Ewigkeit wird 
alles offenbar. Dem ewigen Richter und ſeinem eigenen Gewiſſen 
(dem ſtrengſten Richter) entgeht Niemand. 


Erlenbach. 


Das Dorf Erlenbach hat dermalen ſeine dritte Stätte. Erſt 
lag es weiter mainabwärts, die Stätte heißt noch Altdorf, dann 
ſtand es etwas oberhalb des jetzigen Dorfes, dort, wo ſich ein 
Bildſtock des hl. Urbanus befindet; endlich erhielt es ſeine jetzige 
Stätte. Was die Einwohner zu dieſem öfteren Wechſel bewogen 


209 


haben mag, ift nicht befannt. Erlenbah war nie ein großer Drt, 
aber die braven Bewohner zeichneten ſich ſchon frühzeitig durch ihre 
Treue aus. Der Kaiſer Friedrich Barbarofja hatte jchwere Kämpfe 
zu beftehen, bis er das Neich, welches er in der größten Verwirrung 
angetreten hatte, auch nur einigermaßen in Drbnung bradte. In 
jenen Zeitwirren, wo Raub und Erprefjung an der Tagesordnung 
waren, hatten die MWegelagerer ihre reihe Rechnung gefunden; fie 
alle wurden des Kaiſers erbitterte Feinde, al3 er ihnen das Hand» 
werk legte. Auf einem Zuge des Kaijer2, den er von Seligenftabt 
aus mainaufwärt? machte, mußte er in Erlenbah übernachten. 
Seine Feinde erhielten Kenntniß bievon und hatten fich verjchworen, 
‚ihn vor Anbruh des Tages in dem offenen Dorfe zu überfallen, 
aber die treuen Erlenbaher wachten über ihren Kaiſer und be— 
Ihüsten ihn. Als feine Feinde angezogen famen, fanden fie zwar 
feine verrammelten Thore und unüberfteigbare Mauern, aber fräftige 
Männer, welche bereit waren, ihr Blut und Leben für den Kaijer 
berzugeben und der Kaifer war gerettet. Dankbaren Herzens befreite 
Kailer Friedrid Barbarofja die Bewohner Erlenbachs von der 
Leibeigenihaft und der Jagdfrohnde, gab ihnen das Vorrecht, daß 
fih nie ein Jude im Drte anſiedeln dürfe und erhob Erlenbach 
zu einem Reichsdorfe, dem er die Halsgerichtäbarkeit (das Recht 
über Leben und Tod) verlieh. Zum immerwährenden Gedächtniß 
an bie bewieſene Wachſamkeit und der vom Kaiſer verliehenen 
Rechte wurde mitten in Erlenbah eine hohe hölzerne Säule mit 
einem eijernen Kreuze darauf errichtet. Auf der Spite ſaß ein 
Hahn und an den beiden Armen wurde eine Hand mit einem 
Schwerte befeftigt. 

Die hölzerne Säule vermoderte und verfiel, das Krenz mit 
‚jenen Ehrenzeichen aber wurde auf der Bedahung des Brunnens be 
feftigt. Erlenbach blieb ein Reichsdorf bis zu Anfang des 15. Jahr⸗ 
hundert3, wo e3 fi} unter den Schuß der Grafen von Werthheim ftellte, 





Eine halbe Stunde unterhalb Erlenbach, ungefähr der Mündung 
der Mömmling gegenüber lag am Main das Dorf Mainhauſen. 
Sagenſchatz. 14 


210 


Per und Krieg vernichteten im fiebenzehnten Jahrhundert feine 
Einwohner bis auf eine alte Frau, Dieje wollte zu Verwandten 
nah Dbernburg überfiedeln. Da dieje fie aber nicht aufnahmen, 
fo 309 fie nah Erlenbach. Nah ihrem Tode fiel die Markung 
Mainhaufen der Gemeinde Erlenbah zu. Nur den Erlenbader 
Gemeindewald nahm der Curfürft von Mainz in Anſpruch; allein 
e3 wurde der Gemeinde Erlenbah das ausſchließliche Recht des 
Leſeholzes und der Streu zugeftanden, welches Recht wohl jekt noch 
von der Gemeinde ausgeübt werben wird, ’ 





Zwiſchen Erlenbah und Eljenfeld liegt da Dammsfeld. Dort 
fchlugen die Römer unter Garacalla im 3. Jahrhundert eine blutige 
Shlaht gegen die Alemanen, Ein Graben, der von dort herab 
gegen den Main zieht, heißt feit jener Zeit der Blutgraben. Das 
ganze Schlachtfeld war ehemals mit alten Grabhügeln bedeckt, jebt 
find feine mehr fihtbar. Bon diefer Schlacht hat das Dammsfeld 
feinen Namen, entweder weil die Römer das Land, wo fie fo fchwere 
Berlufte erlitten, campus damnatus (verfluchtes Feld) nannten, 
oder weil die vorgefundenen Weberrefte des römiſchen Wales in 
der Sprache des Mittelalter®? Damm genannt wurden. 

Bon Erlenbach jchrieb fich ein adelige Familie. Hans von 
Erlenbach war im Jahre 1441 PVicedom zu Afchaffenburg. Diether 
von Erlenbach, der Letzte feines Stammes, ftarb um das Jahr 1508. 


Das gebannte Feuer. 


Zu Mechenhard hielten fich vor vielen Jahren mehrere Zigeuner- 
familien auf, Sie vertrugen fih gut mit den Bauern und Diele 
hatten nicht3 dagegen, daß fie ihre Wohnung in einer Scheuer 
aufichlugen, jo lange diejelbe leer ftand. Als aber die Ernte ein« 
geheimft war und die Scheuer über und über mit Heu, Stroh und 
anderen brennbaren Stoffen angefüllt wurde, wollte e8 den Mechen: 


all 


hardern doch nicht gefallen, daß die Zigeuner Feuer darin ans 
ſchürten, um ihre Igel zu braten. Die Zigeuner nahmen diefes 
wahr und führten deshalb die Mechenharder in die Scheuer. Dort 
Hatten fie ein großes Feuer angezündet, welches an dem Heu und 
Stroh hinauf flammte, ohne es anzuzünden. Die Mechenharber 
waren dadurch beruhigt und ftörten die Zigeuner nicht weiter. 
Diejelben waren dankbar biefür und feiten das Dorf, daß dort 
niemal3 ein Brand ausbrehen kann, (Deßwegen ſollen aber die 
Mechenharder doch die Vorficht nicht bei Seite ſetzen). 


Klingenberg, 


„zu Würzburg am Stein, 
zu Badharah am Rhein, 

zu Klingenberg am Main 
da wächſt der beite Wein“. 


Wenn man mit der Eifenbahn von Miltenberg längs des 
Mainftroms nah Aſchaffenburg fährt, führt ung das Dampfroß 
auh an Klingenberg vorüber. Dieſes ift ein jehr altes 
Städten, deffen ſchon im Sabre 1276 urkundlich erwähnt wird, 
Noh älter als das Städtchen ift die, über demjelben thronende 
Burg, die Klingenburg — und ehe beide fanden, trug der Berg 
ein römiſches Caſtrum. 

Die für den Feldbau beſtimmte Markung von Klingenberg hat 
einen unbebeutenden Umfang, weil größtentheil3 Weinbau getrieben 
wird; darum jagt man fcherzweife, in Klingenberg gebe e3 feine 
Spaten, weil fie fih da nicht ernähren könnten. Der Weinbau 
dagegen wurde daſelbſt ftet3 mit gutem Erfolg betrieben und der 
Klingenberger Rothwein ift weit und breit berühmt. 

Klingenberg Hatte in alten Zeiten gegen Erlenbach zu ein bes 
feftigtes Thor und daneben ftand die Kapelle zu Ehren des big, 
Pankratius, weßhalb das Thor aud das Kapellenthor hieß, In 
der Pankratius⸗Kapelle, gewöhnlich die alte Kirhe genannt, war 

14 * 


212 


ein Altar, der jchmerzhaften Muttergottes und den hlg. 14 Not: 
belfern geweiht, Das Bild der letzteren jtand auf dem Altare. 
Die erften Jahre des 3Ojährigen Krieges Hatten Klingenberg niht 
berührt, bis eine ſchwediſche Heerezabtheilung den Main heraufzog, 
Das Städthen war zu ſchwach, den Schweden das Vordringen zu 
wehren, allein jich geradezu ergeben, wollte man auch nicht, weil man 
die Schweden zu ſehr fürchtet. Da nahmen die gottesfürchtigen 
Leute ihre Zufluht zu den Beiligen 14 Nothhelfern und ganz 
Klingenberg lag vor ihrem Altare auf den Knien. Als nun die 
Schweden anlangten und das Kapellenthor berannten, ftanden zwar 
nicht die Klingenberger auf den Mauern, aber Sankt Pankratius 
mit den heiligen vierzehn Nothhelfern. Die Schweden aber wagten 
nicht, es mit diejen Kämpfern aufzunehmen; fie zogen fich zurüd 
und Klingenberg war gerettet. 





Blieb Klingenberg auch vom feindlichen Kriegsvolk verjchont, 
jo ging do ein anderer Würgengel — die Pet oder der ſchwarze 
Tod — mwelder um jene Zeit ganz Deutichland verheerte, nicht 
an dem Städtchen vorüber. Das Sterben war jo groß, daß Niemand 
wußte, ob er am Morgen jeine Freunde wiederfinden werde, melde 
er am Abend verlaffen hatte. Da verabredeten fih 32 junge Leute, 
jeden Morgen an einer Duelle vor dem Städtchen zufammenzufommen 
und da gemeinschaftlich ihren Frühtrunf einzunehmen. Täglich kamen 
weniger, am Ende nur noch zwei. Die Bankratiusfapelle, ar welcher 
fih die Jahrzahl 1516 befand, wurde im Jahre 1832 abgebrochen, 
das Bild der heiligen 14 Nothhelfer befindet ſich jeßt im der 
Pfarrkirche. 





Die Burg war einſt der Hauptſitz der Dynaſten von Chlingen⸗ 
berg, welche am Main reich begütert waren. Der erſte bekannte 
Beſitzer hieß Heinreih 1108. Im Jahre 1275 kam die Burg 
an die Dynaſten von Bickenbach, von ihnen 1455 theilweiſe an 
die Grafen von Hanau. Im Jahre 1505 war Churmainz im vollen 














mupriyreüv 


213 


Beſitz. — Außer feinem vorzüglihen Wein ift Klingenberg 
auch berühmt durch jeine vortrefflihden Thongruben, deren 
Erträgnifje in die fernften Gegenden der Erde verjendet werden. 


Die Kreuzkapelle bei Köflfeld. 


An der Straße von Klingenberg nah Nöllfeld fteht eine 
Kapelle, deren vordere Seite offen ift. Innen befindet fich ein großes 
hölzernes Gruzifir, welches die ganze Höhe der Kapelle einnimmt; 
davon hat die Kapelle ihren Namen. Ein Geländer jhüßt das 
Kreuz vor dem Zutritt und war dieſer Schuß nothmwendig, weil die 
Andädtigen, insbejondere die Wallfahrer Splitter von dem Kreuze 
abzufchneiden pflegten, um damit das Hahnmweh zu vertreiben, Das 
fraglihe Eruzifir ift jeit langen Jahren ein Gegenftand bejonderer 
Berehrung, jelbft in weit entlegenen Ländern. Einen Beweis hiefür 
liefert eine Fleine Abbildung des Cruzifixes, welche fih unter Glas 
und Rahmen neben demfelben befindet und die Unterfchrift hat: 

„Vor diefem Cruzifix jol Ferdinand II., römischer Kaijer, 
folgendes Gebet geſprochen und fogleih gegenwärtige Hülfe wunder— 
barer Weile empfangen haben,“ (Das Gebet ift num beigefügt). 

Weiter unter fteht folgendes Chronoftichun: 

HoCCe CrVCJs sIgno proteCta Theresla ViCtriX FlulbVs 
agnatls sIgna JnlMlca fVgat (1742). 

Belfonti (Schönbrunn?) in capella caes. reg die 23. May 
1777 Mathath. Cap. 

Und wirklich war das Jahr 1742 nah dem Abſchluſſe des 
Friedens mit Preußen (28. Zuli) glänzend für die Heere der nach— 
maligen Kaiſerin Maria Thereſia. Sie fiegten überall, namentlich 
auch gegen die Franzoſen. 





In jenem Kriege, dem öfterreichiichen Erbfolgelrieg, hatte ein 
franzöſiſcher Offizier zu Aſchaffenburg im Spiel all fein Geld verloren. 
Zornig über diejen Verluft und überdieß aufgeregt von dem genofjenen 


214 





Wein, warf er fih auf fein Pferd, um in fein Standguartier (bei 
Miltenberg) zu reiten. Al er am hohen Kreuz vorüber ritt, vief 
er dem Eruzifir zu: „Du bift an Allem Schuld!” und fchoß dem 
Bilde des Gelreuzigten mit feiner Piftole in das Gefiht. Wüthend 
rannte das Pferd davon und warf den Frevler mit folder Gewalt 
zu Boden, daß er jofort feinen Geift aufgab. Der Schuß, der an 
ber rehten Wange eindrang und die Unterlippe verlegte, iſt noch 
fihtbar. Solche Frevelthaten, rohe Verlegungen von Eruzifiren 
u. dgl. find ſchon öfter vorgefommen, nie aber hat fie Gott unge 
ftraft gelafjen und wenn es noch jo lange gedauert hat. Einem 
guten Chriften find nicht nur Chriftus und die Heiligen jelbft 
wert uud theuer, jondern auch ihre Bilder, und wenn fie nur 
von Holz oder Stein find. 





Örubingen. 


Nah dem Abiterben der Edlen von Chlingenberg ward bie 
Burg derjelben Eigenthum der Herren von Bickenbach. Im 14. Jahr: 
hundert unternahm einer der Leßteren, Konrad VIII, eine Wallfahrt 
nah Serujalem, hatte aber das Unglüd, in die Gefangenichaft der 
Türken zu gerathen und ſchmachtete lange in der Sklaverei. Da nahm 
er öfter jein bejonderes Vertrauen zum Erzengel Michael, flehte ihn 
um jeine Hülfe an und madte das Gelübde, daß er an der Stelle, 
wo er die Burg feiner Väter zuerft wieder erblide, dem heiligen 
Michael zu Ehren eine Kirche erbauen wolle Allein! es ſchien, als 
wenn jeine Bitte nicht erhört werden ſollte. In einer Nacht träumte 
ihm, er befinde fich wieder auf deuticher Erde und auf dem Weg 
in feine Heimath. Die Freude über feine Befreiung weckte ihn aus 
dem Schlummer und erinnerte ihn an die Erneuerung feines früheren 
Gelübdes. Sein Vertrauen ward nicht zu Schanden: er wurde durch 
ein unvorhergefehenes Ereigniß aus der Gefangenjchaft befreit und 
fam nach unjäglichen Bejchwerden und Entbehrungen wieder in feine 
Heimat. Ermüdet von den Bejchwerden der Reife verſank er nicht 





— li 4 


215 


weit von ber Burg feiner Bäter in tiefen Schlummer. Als er er- 
wachte, lag vergoldet von den Strahlen der Morgenjonne die Burg 
Chlingenberg vor ihm. Entzüdt wollte er ihr zueilen, aber jein 
Schwert fprang aus der Scheide, grub fich in die Erde ein und 
ermahnte ihn fo an die Erfüllung feines gemachten Gelübdes. Konrad 
fäumte nicht, es zu halten und nannte die, zur Ehre des h. Michael 
erbaute und eingeweihte Votivfiche Grubingen, weil ſich jein 
Schwert in die Erde eingegraben hatte, 

Dorf und Kirche Grubingen lagen eine Viertelitunde ober 
Rölfeld am Main. Grubingen wurde zur Pfarrei erhoben und Stadt 
und Burg Klingenberg, Röllfeld, Schmachtenberg ꝛc. gehörten als 
Filiale zu ihr. Das Dorf verihwand zu Anfang des 16. Jahr: 
hunderts, aus welcher Veranlaffung? ift unbefannt; die Kirche aber 
beitand bi3 zum Jahr 1778, wo fie wegen ihrer Baufälligfeit ein- 
gelegt werden mußte. Den Kirchhof benützten die Röllfelder noch 
bi3 zum Jahr 1847, in weldem Jahre fie einen größeren näher 
bei Röllfeld anlegten. Bon der Kirche fteht jet nur noch ein Kleines 
Stüd Mauerwerk, da3 einen Theil der Kirchhofsmauer bildet. In 
dem Kirchhof aber ift ein fteinernes Cruzifix erichtet mit der Inſchrift: 

„Dabier auf dem Plate ftand die Grubinger Pfarrliche ad 
St. Michaelem, wohin die Ortjchaften Klingenberg, Rölfeld und 
mehrere andere der Gegend vorhin gehörten. Im Jahre 1778 wurde 
fie wegen Alterthums abgebrochen und Alles, jo fie gehabt, nad) 
dem Weisthum von 1630 unter die beiden Pfarrfirhen Klingen- 
berg und Röllfeld getheilt.“ 

Sm der Kirche zu Grubingen lag urjprünglich der Stifter der= 
jelben, Konrad von Bidenbach begraben. Sein Epitaphium wurde 
bei dem Abbruch der Kirche in die Kirchhofsmauer verjegt, fpäter 
aber wieder herausgenommen, weil es durch die Witterung litt; 
eine jteinerne Tafel bezeichnet die Stelle, wo e3 geflanden. Seht ift 
es in der Kreuzfapelle zwiſchen Rölfeld und Klingenberg aufgeftellt. 
E3 zeigt einen in Eifen geharniſchten Ritter, der auf einem Löwen, 
dem Sinnbild der Tapferkeit fteht. Der ſchwere Helm ruht auf feiner 
linfen Schulter. Die Umſchrift ift nur noch theilmeis lesbar und 


216 


lautet: anno dm. m. CCC IXXXIUT . . . .o. conradg 
dus in Bickenbach. 





Noch ſchöner als die Dankbarkeit gegen die Menſchen ift bie 
Dankbarkeit gegen Gott, unjern höchſten Herrn, denn von Ihm 
fommen ja die größten, ja ale Wohlthaten. Die Dankbarkeit madt 
und auch wieder anderer MWohlthaten würdig. 


Die Kapelle der heiligen Maria zum Schnee. 


Bor mehreren Hundert Jahren ging der Wald faft bis zum 
Orte Röllbah. Der Hirte, der das Vieh dorthin zur Weide trieb, 
bemerkte mehrmal, daß dasjelbe, wenn es an einem Gebüfche vor: 
über fam, die Knie beugte. Er durchſuchte das Gebüſch und fand 
einen vieredigen eihenen Stod mit einer Niſche, in mwelder ein 
Bild der heiligen Jungfrau mit dem Sejulind auf dem Schoofe ſich 
befand. | 

Der Hirte fheilte das den Leuten von Röllbach mit und wollten 
diefelben eine Kapelle, aber an einem anderen Plate, bauen und 
dad, auf jo wunderbare Weiſe entdedte Muttergottesbild dort auf: 
ftelen, Es wurden Balken und Steine beigefahren und der Bau 
begonnen, allein am andern Morgen fand fich alles Baumaterial 
an dem Plate, wo das Bild gefunden worden war. Man glaubte 
anfangs, es feien bier Menſchenhände thätig geweſen; als aber die 
zurückgebrachten Steine am andern Morgen abermals an der früheren 
Stelle lagen, beſchloß man enblih, die Kapelle an dem Fundorte 
zu bauen, allein man fonnte fich nicht einigen über die Größe und 
den Punkt, wohin die Kapelle geitellt werben follte. Da fiel in einer 
lauen Naht Schnee auf die Stelle und gab den Grundriß zur Kapelle. 

Der Bau warb nun begonnen, allein der furmainzijche Amts— 
feller, zu deſſen Amtsbezirt Rölbah damals gehörte, unterjagte aus 
unbefannten Gründen die Fortführung des Baues, und um feinen 
Befehlen einen größeren Nachdruck zu geben, begab er fich ſelbſt 








217 


zu Pferd an Ort und Stelle Alein bier ftand fein Pferd wie in 
den Boden gemwurzelt und war durch nicht3, weder durch gute noch 
durh böje Worte von der Stelle zu bewegen, obwohl e3 fonft ein 
ganz lammfrommes Thier war. Als es endlich heftig geipornt wurde, 
jprang es in die Höhe, die vier Hufeilen aber blieben auf dem 
Plage liegen. Der Amtskeller wiederjegte fih nun auf diefen Vor: 
fall Hin dem Bau nicht länger. Zu welcher Zeit der Neubau aus: 
geführt wurde, ift nicht befannt. Im Jahr 1521 aber wurde das 
unjheinbar gewordene Bild neu bemalt und vergoldet. 

Die Kapelle liegt etwa 200 Schritte von Röllbach, rechts 
vom Weg, welcher von Rölbah nah Mönchberg führt. Der eichene 
Balken, in welchem da3 Bild aufgefunden wurde, ftand früher auf 
der Evangelienfeite de3 Altars und e8 waren daran die vier Hufeifen 
von dem Pferde de3 Amtskellers angenagelt; zugleich diente er als 
Dpferftod. In der Folge wurde dafelbft ein Altar errichtet und das 
merkwürdige Bild Darauf geftellt. Der Balken ift, weil die Andächtigen 
ſich Stüde davon abmachten, Klein und unfcheinbar geworden und 
es verblieb nur noch ein Stüd von etwa 2 Fuß Höhe. Viele Be: 
drängte und Leidende au3 der Gegend nahmen ihre Zuflucht zu 
diefem Gnadenorte und fanden Hülfe und Erhörung, wie die Krüden 
und andere Gegenftände bewiefen, welche früher dort aufgehängt 
waren. Die Kapelle wurde mehreremale ermeitert, namentlich im 
Sahre 1849, jo daß fie nun eine ftattlihe Kirche ift, von welcher 
die ehemalige Kapelle den Chor bildet. Sie hat eine Orgel, ein 
Thürmchen mit zwei Glöckchen, einen eigenen Fond und regelmäßigen 
Gottesdienft; neben ihr befindet fih der Friedhof. 

Als vor vielen Yahren (vielleicht zur Zeit der Peſt) in der 
Gegend ein großes Sterben war, zogen die Leute in feierlicher 
Prozeflion mit Vortragung des Sterbfreuzes (mie bei einem Leichen⸗ 
begängniffe) zur Kapelle, um dort um Abwendung ihrer Leiden zu 
bitten und fie fanden Erhörung. Von diefer Zeit und zur Erinnerung 
daran wurden alle Jahre regelmäßige Wallfahrten abgehalten, welche 
jegt noch beſtehen. 


218 





Der Hammel von Köflbad. 


Das Joſephs-Dortchen von Neudorf diente in ihrer Jugend 
auf dem Kloßhofe bei Großheubach. Am Sankt Johannestage des 
Jahres 1796 war fie auf Bejuch bei ihren Eltern zu Neudorf und 
hielt fich dort etwas lange auf, fo daß fie ſich erft am Fühlen Abend 
auf den Rückweg machte. Als fie nah Röllbach fam, war es bereits 
dunkel, die Leute jaßen aber noch, den fchönen Abend genießend, 
vor den Thüren. Da ſagte Einer zu ihr: „Mädchen, wenn du 
ftark fortgehft, befommft du Gejellihaft, der Hammel geht des 
Wegs!“ — Es war das nur ein fchlehter Spaß, den aber das 
Mädchen für Ernft nahm, und da fie des Nachts nicht allein gehen 
wollte, fo eilte fie, was fie konnte, um ihn einzuholen. Außerhalb 
des Ortes ſah fie wirklih einen Mann gehen; fie rief ihm zu: 
„Hammel, wart auf mi!” worauf er auch ftehen blieb und fie 
abwartete. Als fie zu ihm gelommen war, ſprach fie: „Jetzt gehe 
zu, daß wir heim fommen, es ift Schon fpät.” Der Mann ging 
vor ihr ber, ohne ein Mort zu ſprechen; das Dortchen verjuchte 
einigemale ein harmlojes Geſpräch mit ihm anzufangen, erhielt aber 
nie eine Antwort. Da jagte fie zu ihm: „Gelt du meinft, ich ſollte 
mid vor dir fürchten?“ Sie erhielt aber wieder feine Antwort. 
Endlih ging der Mond auf und Dortchen fah zu ihrem Entjegen, 
daß der Mann nicht auf der Erde ging, fondern darüber hinſchwebte. 
Ein eisfalter Schauber befiel fie und fie lief was fie laufen fonnte ; 
der Mann aber ſchwebte ebenjvjchnell neben ihr her. Erft da, wo 
die Markungen von Rölbah und Klokenhof zufammenftoßen, ver: 
ließ er fie. In kalten Schweiß gebabdet, an allen Gliedern zitternd, 
fam fie auf dem Klogenhof an. Ihre Dienftherrichaft fragte fie, was 
ihr fehle, worauf fie ihr erzählte, was ihr begegnet ſei. Da ſagte 
der Hofbauer, das jei eine befannte Geſchichte; der Hammel 
habe vor langer Zeit an einem hehren Feiertage die Markfteine 
zwifchen der Röllbacher Gemarkung und dem Klobenhofe verrüdt 
und müſſe nun zur Strafe an allen Feiertagen wandern. Das 
Joſephs-Dortchen hat jelbjt die Wahrheit der Geſchichte verbürgt. 








219 


Diefe Volksſage fol, wie jo mande andere ähnliche, eine 
Warnung fein, feine Ungerechtigkeiten zu begehen und die Grenziteine 
nicht zu verrüden. 


Die Delft im Speffart. 


Die Pet — auch der ſchwarze Tod genannt, weil die Kranken 
am ganzen Leibe kohlſchwarz wurden — war eine anftedende Krank: 
beit, welde vor, während und nach dem dreißigjährigen Kriege 
in unferm deutſchen Vaterlande in erjchredlicher Weile wüthete und 
ungeheure Verheerungen anrichtete, indem ganze Dörfer bis auf 
eine oder zwei Perjonen oder ganz und gar ausftarben. Namentlich 
mwüthete fie in armen Gegenden ſehr ſtark und jo war es fein 
Wunder, daß Deutichland nah dem Schwedenkriege (1618 bis 1648) 
einer großen Einöde glich. Man weiß fogar, daß in einem Drte 
des Bezirkes Neuftadt an der Saal, Namens Hollftadt, die 
Leute zur Beitellung der Felder den Plug jelbft ziehen mußten. 

Die Gemeinde Damm, eine Eleine Biertelftunde von Aichaffen: 
burg entfernt, wurde ſchon im Jahre 1606 von der Peſt derart 
heimgeſucht, daß innerhalb 4 Wochen ungefähr 350 Perſonen ftarben. 
In der höchſten Noth machten die Ueberlebenden, faum 100 an 
der Zahl, das Gelübde, den Freitag vor Michaeli als einen Buß— 
und Bettag zu feiern, wozu ein Bürger, Namens Hans Kiftner, 
ein Kapital von 40 fl. teftirte, von welchem die Zinſen zu 2 fl. 
zur Abhaltung eines Gottesdienftes verwendet werden jollen. 

Die Gemeinde Frammersbach machte zur Abwendung der 
Veit das Gelübde, daß alle Weiber an Sonn: und Feiertagen nur 
Ihwarze, die Männer aber graue Kleider tragen jollten. 

Zu Eihenberg wurde ber fogenannte Hellfeiertag am Montag 
nah Michaelis gefeiert. Die Feldarbeit mußte an diefem Tage 
ruhen, Menſchen und Vieh fafteten. 

Die Gemeinde Waldaſchaff wallfahrtete am zweiten Dienftag 
nach Maria Geburt, die Gemeinde Rothenbuch am dritten Pfingit- 





220 


feiertag, die Gemeinden Hösbach und Heſſenthal an Maria 
Verkündigung barfuß und nüchtern nach Heflentbal und zwar eben- 
falls wegen Abwendung der Peft. 

Am 16. Auguft 1666 mwallfahrtete die Stadt Lohr zum 
eriten Male wegen der zu Köln ausgebrodenen und jchon bis 
Hanau heraufgefommenen Peit in die Kapelle auf dem Valentinus- 
berge und gelobten feierlih, jedes Jahr an diefem Tage dahin zu 
wallfahrten; dag weiblihe Gefhleht vom 12. Jahre an und das 
männliche Geihleht vom 14. Jahre an, ſowie alles Vieh jollten an 
dieſem Tage bis nach abgehaltenem Frühgottesdienft nüchtern bleiben. 

Eichenberg ftarb bis auf einen Mann aus; in Hösbach 
blieben fünf, in Wenighösbad drei, in Laufach zwei Per: 
fonen übrig. 

Der Kahlgrund wurde durch Peſt und Krieg fait ganz 
verödet. In Schimborn blieb nur ein junger lediger Mann, 
Namens Glaab übrig, welcher auf dem Hauhof als Knecht gedient, 
dann aber im kaiſerlichen Heere Kriegsdienfte genommen hatte. Nach 
geichloffenem Frieden fehrte er in fein menjchenleeres Geburtsort 
zurüd, mit ihm Peter Rojenberger aus Ueripringen, welcher, wie er, 
ebenfalls im failerlihen Heere gedient hatte und Leibjäger eines 
hohen Offiziers gewejen war. Nojenberger hatte eine Frau aus Köln 
und Glaab verehelichte fih auch bald. Beide Paare begannen Schim— 
born wieder aufzubauen und zu bevölfern. 

Dörnfteinbad hatte alle Einwohner verloren. Ein Freiherr 
Geyler von Altheim, welcher Grundherr von Dörnfteinbah und 
Dffizier im faiferlihen Heere war, ſah einen Kriegsfnecht fich be— 
fonder3 tapfer halten und fragte ihn, woher er jei? Es war ber 
legte Dörnſteinbacher. Der Freiherr von Geylingen nahm ihn in 
feinen bejonderen Dienſt und nach beendigtem Kriege überließ er 
ihm die ganze Markung von Dörnſteinbach mit Ausnahme der 
Waldungen. 

Krombad wurde durch fremde Anfiedler, welche zum Theil 
aus fernen Ländern famen, wieder angebaut. So fam 3. B. die 
Familie Alig von Graubündten in der Schweiz nah Krombad). 


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221 


Zu Hörſtein, unweit Alzenau, wüthete im Jahre 1625 
die Peſt dergeſtalt, daß ihr täglich 19 bis 20 Perſonen zum Opfer 
fielen. Die Uebriggebliebenen nahmen ihre Zuflucht zu der Fürbitte 
des heiligen Bernardus und machten das Gelübde, daß am Vor— 
abende feines Feſtes und am Morgen desſelben um 5 Uhr eine 
halbe Biertelftunde mit allen Gloden geläutet werden ſolle und 
daß ein bejonderer Gottesdienft mit Umgang, Hochamt und Predigt 
gehalten werde. Jeder Einwohner jollte bei Strafe von 2 Albus- 
an dieſem Gottesdienjte Theil nehmen. Nachmittags jollte eine 
feierlihe Veſper ftattfinden. Diejer Feiertag wird noch gehalten. 

Zu Rottenberg war buch die Peſt die Bevölkerung fo 
zufammengejchmolzen, daß in dem Kleinen Kapellen zwifchen Rotten— 
berg und Mittel-Sailauf ale Rottenberger Platz hatten. Bei diefer 
Kapelle war eine Einfiebelei, worin oft 4 und mehr Einfiedler 
wohnten. Dieje Einfiedler lebten vom Termine (geſammelten Almofen) 
und Hatten die Pflicht, die Jugend zu unterrichten. Sie ftanden 
unter der Aufficht des betreffenden Pfarrer, trugen einen Habit 
und mußten jährlih zum Kapitel nach dem Klofter Marienborn 
bei Mainz, wo fie Erercitien zu machen hatten. Die Einfiedelei 
bei dem Rottenberger Kapellden war der Hauptſitz, gab aber auch 
ihre Leute an andere Drte, z. B. nah Weſtern, Sulzbad 
und Straßbejjenbad ab, wo fich kleinere Eremitagen befanden. 
Der zu der Einfiedelei (welche abgebrochen wurde) gehörige Garten 
ift jeßt eine Wiefe, heißt aber noch der Brudergarten. Der 
legte Eremit war Lorenz Holzmeifter von Sailauf, welcher 
die Schulftelle zu Straßbefjenbah bis zum Jahre 1818 verfah und 
in einem Alter von 95 Sahren ftarb. 

Das Dorf Streit war zur Zeit der Peft ganz ausgeftorben. 
63 fiedelten fih dann zwei Familien aus Stalien, Namens Gado 
und Bernard an, welche den Drt wieder bevölferten. 

Zwiſchen Streit und Schippad lag ehemald das Dorf 
Dberfhippad. Die Veit entvölferte es bis auf eine einzige 
Perſon, welche nad Schippach überfiedelte. Die Schippader nahmen 
deshalb die ganze Gemarkung von Oberſchippach in Anſpruch, dazu 


222 





auch einen Wald, auf welchen die Gemeinde Streit ebenfalls Ans 
fprüche erhob. Der Prozeß wegen diejes Waldes dauerte 104 Jahre. 

Zu Erlenbach berrichte die Veit in den Jahren 1624, 1625 
und 1632. Obſchon die Pfarrei nur Hein war, ftarben doch 125 
Perſonen in berjelben. | \ 


Bolksfagen aus der Rhön und Umgegend. 


Sündershaufen. 


Unweit Kaltennorbheim unter dem hohen Aſch, (einem Vor— 
berge des Nhöngebirges) liegt ein Rittergut mit ftattlihen Gebäuden 
und Schönen Gartenanlagen, Sinnershauſen mit Namen, das 
war vormals ein Wilhelmiterflofter, wurde aber im Bauernfriege 
(1525) zerftört und es blieb nicht3 davon übrig als die Kirche, 
welche kurz darauf zu einem Wohnhaus eingerichtet wurde. In 
diefer Kirche an der Wand nah DOften, ober der Safriftei, befand 
fih ein uraltes Bild von röthlihem Sandftein. Diejes Bild ftellte 
einen großen ftarfen Mann vor, mit länglihem Angeficht und krauſem | 
geſchorenem Haar, in einem engen Gewand ohne Falten, die Hände 
hielten einen Roſenkranz und auf der Bruft ruhte ein großer, dicker, | 
ſchwarzer Stein. Später ift dieſes Steinbild faft big zur Unfennt- 
lichfeit verftümmelt und in eine Niſche der Gartenmauer gebracht 
worden. Diejes Bild ſoll das Bildniß von dem Stifter des 
ehemaligen Klofter3 jein, von welchem uns die Bolfsjage folgendes 
erzählt: 

In den nahen Dörfern Ekkards und Fridelshauſen wohnten | 
zwei fränkiſche Grafen; diefe waren Brüder und gingen in dem 
Gefilde unter dem hohen Aſch öfter miteinander auf die Jagd. 

Da geihah es einft, daß fie wegen einer Kleinigkeit in einen Wort: 





| 223 
wechſel geriethen. Bon beftigem Zorn ergrimmt zogen fie die Schwerter, 
e3 entbrannte ein wilder Zweikampf, worin der Graf Adelbert, welcher 
zu Ekkards jaß, feinen Gegner und Bruder erſchlug. Won bitterer 
Neue erfüllt ob feiner blutigen That pilgerte er zu Fuß nah Rom, 
und der Papft machte ihm als Buße die Auflage, daß er an der— 
felben Stelle, wo er feinen Bruder erſchlagen, ein Klofter bauen, 
und den erften Stein auf jeiner Bruft und feinen Händen von 
Ekkards aus dahin tragen folle. Der reuige Graf unterzog fich 
pünftlih diefer harten Buße, erbaute das Klofter und nannte es 
„Sünbloshaujen” weil er nun feiner jchweren Sünde los war. 
Zum ewigen Gebächtniß ließ er jein Bildniß in Stein anfertigen 
und in der Klofterfirche einfegen. Er ſelbſt nahm das Ordenskleid, 
um in Sad und Aſche für fein begangenes Verbrechen Buße zu 
thun. Bor uralten Zeiten hat auch zu Sündershaufen — (urkund— 
lid Syndeloshufen, 1294) — an der Klofterfiche noch eine 
fteinerne Kapelle mit einem wunderthätigen Gnadenbilde geftanden. 





Iſt es ſchon entjeglih, wenn Jemand das Blut feines Neben- 
menſchen vergießt, fo ift es noch weit jchredlicher, in der Hite des 
Zornd ein Bruder: oder gar Vatermörder zu werden. Beherrſchet 
daher euren Born! 


Das Wolfshaupt. 


Unweit Sinnershauſen, am Bade Roſa, liegt das Dorf 
Georgenzell. Hier ftand in dem grauen Altertum, vielleicht 
vor taufend Jahren, ein Mönchsklofter, Ciſterzienſer-Ordens, viel- 
leicht das ältefte in der Gegend. Der Stifter dieſes Klofter (Zelle) 
Toll ein fränfifcher Graf, Namens Volkardts, gewejen jein, der auch 
das Nonnenklofter Völkershauſen bei Oſtheim gegründet und 
auf dem hohen Franfenberge über Helmers gewohnt babe. Ueber 
dem Kirchenthor zu Georgenzell war ein großes Wolfshaupt in 
Stein eingehauen, von welchem die Volfsjage folgendes zu erzählen 





224 


weiß: „Als man das Klofter erbaute, war, (wie dieſes die Würze: 
burger und Erfurter Chronik bejtätigt) auf drei vorhergehende une 
gewöhnlich firenge und falte Winter, eine große Hige und Dürre, 
barte Theurung und arge Sterblichkeit an Menſchen und Thieren 
eingetreten, jo dab die wilden Thiere aus Mangel an Nahrung 
aus den Wäldern liefen. Da fingen die Steinmeßen einen jungen 
Wolf, nährten ihn und machten ihn zahm. Dafür bewachte er ihren 
Bau und zum Andenken hieran bieben fie das Wolfshaupt über 
das FKirchenthor, weshalb ſpäter von Vielen das Kloſter aud 
Wolfszelle ftatt Georgenzelle genannt wurde, 


Das Fladdig. 


In der Gegend von Sinnerhaufen haben fih in der Flur: 
markung viele merkwürdige Benennungen erhalten, welche alle 
darauf hindeuten, daß dort einft eine große Schlacht ftattgefunden 
babe. Dieſes wird durch den Umftand beftätigt, daß beim Adern 
und Graben an manden Stellen der Bergrüden uralte verroftete 
Spieße, Streithämmer, Schwerter, Sporen und andere Weberreite | 
von Waffen aufgefunden wurden. Dort liegt auh eine Wüftung, | 
im Munde de3 Volkes dad Fladdig genannt. Es liegt zwijchen 
Dernshaufen, Bernshaufen und Georgenzell nordwärts. Es wird 
behauptet, dafelbft fei die dritte Schlacht zwiſchen Heinrich IV. 
und jeinem Gegenkönig Herzog Rudolph von Schwaben geſchlagen 
worden, jedoch ohne entſcheidenden Ausgang. 

Der Name Fladdig wird von den Geſchichtsſchreibern ver— 
ſchieden angegeben als: Fladechheim, Fladechen, Fladenheim ꝛc. 

Der Abt Bruno von Fulda ſchreibt von dieſer Schlacht, daß 
fie am 27. Januar 1080 ſtattgefunden habe. Kaiſer Heinrich er= 
griff glei im Anfang der Schlacht die Flut. Graf Ludwig führte 
ihn auf ungebahnten, ungelannten und verborgenen Wegen nach 
Wartberg und feine Armee folgte ihm langfam nad. In der 
Gegend von Roßdorf zeigt man noch heute einen ftarfen Aufwurf 





SE 





225 


(Wal) von ziemlicher Breite und Tiefe, welcher der Kaifer: 
graben genannt wird. Eine Anhöhe an der Flurgrenze von 
Kaltenlengfeld und Frittelshaufen heißt die Kaiferrüde. Oben 
auf dein Berge über ben Orten Depfershaufen, Frittelshaujfen und 
Hümpferöhaujen nennt man es die vordere Kaijersrüde und 
fiber Klofter Simmershaufen gegen Roßdorf hinauf die hintere 
Kaijersrüde Ueber SKaltenlengsfeld Tiegt ein breites Thal: 
die Schlag: (Schladht)eller, und darüber ein Aufmwurf, hinter 
welden die obere Sahfenaue liegt. Gegen ben Roßhof und 
Wieſenthal Hin endlich liegt ein Flurftüd von Wald und Wieſen, 
die untere Sachſenaue genannt. Aus diefen Benennungen, 
von denen die Geihichte einen anderen Grund nicht fennt und 
nennt und aus den Funden an Kriegsgeräthen, Waffen zc. läßt fich 
wohl folgern und ſchließen, daß jene Kailerichlacht in dieſer Gegend 
geſchlagen wurde, zumal nicht allzumeit bavon, bei Mellrichjtabt 
an der Streu, im Jahre 1078 ebenfalls eine große Schlacht ger 
ſchlagen wurde, 


Die Disburg. 


Unter den Baſaltkuppen des PVorgebirgd der Rhön zeichnet 
ſich vornehmli eine aus, welche fteil und ifolirt unmeit des Geba— 
berges zwiichen ben Orten Aſchenha uſen, Wolmuthhauſen und 
Oberkatza fi erhebt. Hievon erzählen die Leute der Umgegend 
folgendes: Auf dem vorerwähnten Berge ftand ein Schloß, in 
welhem ein fränkiſcher König vefidirte, doch nicht lange. Er 309g 
fort nah Frankreich, fein Schloß wurde zerftört, und aus ben 
Steinen der nahe Hutsberg erbaut, auf weldem jedoch nur 
fränkiſche Herzoge refidirten. Diefer- fränkiſche König nun, welcher 
auf Disburg jeßhaft war, fol fein anderer als Chlodio (Chlodwig) 
gewejen jein und die Disburg das von ihm erbaute Dis: 
yargum. Eine Ningwall von Bajalten umzieht den Hochgipfel 
diejes Berges und ein mächtiger Felsblod ragt auf feiner Mitte 
empor. Auch fteht auf dem Berge ein alter Grenzftein von unge: 

Sagenſchatz 15 


226 


wöhnlicher Größe, in welchem eine ſchüſſelartige Vertiefung einge: 
bauen ift, nebft dem Bilde dreier Löffel. Hier grenzten die Aemter 
Lihtenberg, KRaltennordheim und Sand aneinander 
und jollen aus diefer Schüffel vor Zeiten (einem alten Herfommen 
gemäß) bei Grenzbegehungen die drei Amtleute Suppe miteinander 
gegeilen haben. 


Die ausgewühlte Glocke. 


Auf einem Berge über dem Dorfe Wolmuthhauſen in 
der Nähe der Disburg wurde vor alten Zeiten von weidenden 
Thieren eine verſcharrte (verjunfene) Glode ausgewühlt. Da aber 
über die betreffende Fundftelle hin die Flurgrenze der Nachbarorte 
MWolmuthhaufen und Helmershaufen zieht, jo machten beide Ge— 
meinden ihr Eigenthumsreht an der erwähnten Glode geltend und 
feine Gemeinde wollte von ihrem vermeintlichen Rechte abftehen, 
Darüber wäre e3 bald zu einem langwierigen und foftipieligen 
Prozefje gefommen, wenn nicht ein alter erfahrener Bauer den Rat 
gegeben hätte, den Zufall oder das 2003 entjcheiden zu laffen, in 
weſſen Beſitz die Glode gelangen folltee Man lub fie nun auf 
einen Wagen und fpannte ein Paar blinde Ochſen davor; da dieſe 
aber nad) Helmershaufen gehörten, jo folgten fie ihrem natürlichen 
Inſtinkt und zogen die Glode nach diefem Drte hin. Dort hängt 
fie noh auf dem Thurme und fol eine uralte Inſchrift tragen. 


Ein Scmedenftüdlein. 


Das Dorf Hlimpfershaufen, im Amte Sand, ſah in den 
Sahren 1634 bis 1637, als der dreißigjährige Krieg auch in dieler 
Gegend wütete, die trübften Tage. Erft raubten, jengten und 
brennten die Groaten aufs graufamfte, dann fielen die Schweden 
ein und thaten dasfelbe ALS die meiften Einwohner aus Furcht 
ih in die Wälder geflüchtet hatten, nahmen fie den Ortsſchult— 


227 


beiffen Balthbafar Baubert gefangen und wollten von ihm 
den Aufenthalt der Geflüchteten verraten haben; allein ber brave 
Mann weigerte ſich beharrlich, diefes zu thun. Da banden fie ihm 
die Hände auf dem Rüden und goffen ihm s. v. Miſtjauche ein, 
fo viel er verſchlucken konnte, dann traten fie ihm auf ben Leib, 
bi3 er verjchieden war. Dann begaben fich die nordiſchen Gannis 
balen auf die Suche in den Sinnershäufer Klofterwald, wohin fich 
mande Leute mit ihren Kindern, ihrem Vieh und fonftigen Hab- 
feligfeiten geflüchtet hatten. 

Da trafen fie alsbald einen jungen Burſchen an Namens 
Hans Schleicher, der follte wieder jagen, wo ſich jeine Lands— 
leute verborgen bielten. Er that e8 aber nicht und aus Rache 
fnüpften fie ihn mit einem Stride an einen Baum auf. Eine 
fleine Weile darauf, als die Böjewichter von bannen waren, kam 
ein anderer Schwede, ein Nachzügler, diefer. ſah, daß Schleicher 
noch ein Paar gute Schuhe an den Füßen hatte, zog feinen Säbel, 
bieb den Strid entzwei, daß ber Erhenkte herabfiel, zog ihm bie 
Schuhe aus und ließ ihn für tobt liegen. Dem aber hatte bie 
Ihlimme Prozedur des Aufhängens an feinem Leben nichts geſchadet 
er Fam wieder zu ſich, lebte'noch bis zum Jahre 1688 und hinters 
ließ bei feinem Tode ſechs Kinder. 


Der Wald ohne Wipfel. 


Bon dem Walde bei dem Dorfe Schwarzbah und von bem 
Jagdſchloß Zillbach geht diefe Sage: Im Amte Sand wurde 
einjt eine Jungfrau der Zauberei bezichtigt und nachdem fie durch 
die Folter zum Geftändniß gezwungen worden war, zum Scheiter⸗ 
haufen verurtheilt und nah Friedelshaufen, dem Orte des Gent« 
gerichts geführt. Noch auf ihrem Todesgange und am Sceiterhaufen 
betbheuerte jie unter einem Strome von Thränen ihre Unſchuld. 
Der weit über die Gegend verbreitete Wald rauſchte ſchauerlich 
mit feinen hohen Baumfronen und mächtigen Wipfeln. Da rief 


15* 


298 

fie mebreremal: „Diejer Wald fol es zeugen, daß ihr in mir 
eine Unjchuldige gerichtet habt. Seine Wipfel jollen verborren, jo 
wahr ein Gott lebt, der meine Unſchuld Fennt.” 

Ale, welche das hörten, erichraden über diefen Fluch, aber 
ihre Herzen wurden nicht gerührt — die der Hexerei bezichtigte 
Sungfrau wurde auf dem Sceiterhaufen lebendig verbrannt. Und 
in der That war die Jungfrau ganz jchuldlos. Nach einiger Zeit 
fingen die Bäume zu fränfeln an, ftarben ab und ftanden ohne 
Wipfel da. Der junge Nachwuchs erhebt fich einige Zeit ſtolz und 
frei, aber zu einer gewiſſen Zeit, noch ehe die Bäume ein hohes 
Alter erreichen, dorren die Wipfel ab. 

Wieder Andere erzählen, der große weite Wald fei vor uralten 
Beiten durch ungetreuer Räte und Diener Hülfe und Praktiken, 
jeinem rechten Herrn, in deſſen Lande und auf defjen rechtszu— 
ftändigent Grunde er liege, abgedrungen worden und an einen 
anderen Zandesherrn gekommen, und weil darüber viel Zwift und 
Uneinigkeit fih erhoben, auch die Unterthanen des einen durch ben 
andern Befiter viele Ungerechtigfeiten, Berluft und Bejchwerbe er: 
litten hätten, jo wäre der. legtere ſchon viel taufendmal verwünſcht 
worden, deshalb könne fein Gipfel grün bleiben. — Lernet hieraus, 
nie eine Ungerechtigkeit zu begehen. 


Die Erjceinung des Hachfolgers. 


Ein ehrenwerther und wahrheitsliebender Mann von Roßdorf 
erzählte jeinen Kindern folgende Geſchichte: Mein Vater war Pfarrer. 
An einem Sonnabend fam Nachmittags noch Befuch aus ber Nachbar: 
ihaft und mein Vater ging hinauf in die Oberftube, um die Predigt, 
welche er am andern Tage zu halten gedachte, nocheinmal zu wieder: 
holen. Siehe, da findet er in feinem Lehnſeſſel einen Mann figen, 
den er gar wohl fennt, auch ein Geiftliher, und zwar in vollem 
Kirhenornat. Ruhig und gefaßt geht der bejahrte Prediger wieder 
in die Wohnftube Hinunter und erzählt und, den Eeinigen, bie 





229 


Ahnung, daß er feinen Nachfolger droben habe fihen fehen und 
daß mwahrfcheinlih fein letztes Stündlein nicht mehr ferne fei- 
Wir alle erfchraden, zumal die Mutter, und fuchten es ihm aus— 
zureben, doch getraute fih feines von ung, felbft nachzuſehen. Und 
nad einer furzen Zeit Tag unfer Vater auf der Bahre Der Er: 
blidte warb wirklich Pfarrer. Es ift aber die gleiche Erſcheinung 
im bortigen Bfarrhaufe Vielen wiederfahren und durch viele Familien 
beftätiget worden. 


— — — — —— 


Das Kuppenfrauchen. 


Auf der Stoffelskuppe, Chriſtophskuppe, welde 
fih über Roßdorf und der Umgegend in der Nähe des Bleß 
hoch und fteil emporgipfelt, ragt neben einigen niedrigeren auch 
ein hoher Bafaltfelfen nadt und fteil empor. Dieſe Feljen find 
der Volksſage nad) ber Reft eines verzauberten Schloffes, in welchem 
noch das Kuppenfrauchen wohnt. In diefen Feljen liegt ein 
großer Schag verborgen. Derielbe konnte aber bis jetzt noch nicht 
gehoben werden, weil der Eingang unfichtbar if. Das Kuppen— 
frauden ift ein verwünjchtes MWejen, welches fich von Zeit zu 
Zeit oben auf dem Berggipfel fehen läßt und einigen MWanbderern 
zuwinkt. Einft bütete dort ein Hirte, der ſah das Frauchen und 
das Frauchen jah ihn und winkte ihm. Furchtſam und zaghaft 
fchreitet er näher, folgt der Erſcheinung aufwärts, fie zieht fich 
in einen offen ftehenden Felſen zurüd, immer winkend und er folgt 
ihr nad. So fteht er denn plößlich in dem verzauberten Schloffe. 
Ringsum fieht er nichts als einen unermeßliden Reichthum ar 
Gold und Schätzen. Das Frauden gibt ihm durch Zeichen zu 
verftehen, feine Taſchen zu füllen und zuzugreifen und der erftaunte 
Hirte füllte alle feine Taſchen. Wie er wieder heraus ift und im 
Uebermaß feiner Freude nicht weiß, was er thun fol, will er ſchon 
anfangen und zählen, was er eingerafft hat und greift haftig in 
die Taſchen. Da fieht er, daß es lauter verjchimmelte Erbjen find. 


230 


Er thut einen gräuliden Fluch und wirft fie in namenlojem Horn 
fammt und ſonders auf den Boden. 

Bu Haufe vifitirt er nocheinmal feine Kleider durch und findet 
bei dieſer Gelegenheit noch einige Erbien, die fih im Futter ver 
krochen hatten. Er grübelte fie hervor und fie wurden in feiner 
Hand zu blanfen Goldftüden. Seht eilt er haftig hinauf zur Kuppe, 
an den Ort, wo er die Erbjen weggeworfen hatte. Schweißtriefend, 
faft außer Athem, kommt er oben an; ſchon von weiten fieht er 
die Stelle, und, o Freude! alles goldgelb, wie ausgeftreute Dufaten, 
Wie er aber ganz nahe hinzu kommt, find es Kleine, gelbe Schwämme, 
und weder Golderbien noch Goldftüde. Da verwünjhte er das 
Kuppenfrauden nocheinmal, am meiften aber feine eigene Einfalt. 


Die Kutten. 


In der Gegend von Roßdorf liegen einige Eleine, aber ſehr 
tiefe Seen, gewöhnlihd Kutten genannt, die ihren Urfprung Erb: 
fenfungen danfen und vom Volk allgemein für unergründlich gehalten 
werden. Eine dieſer Kutten liegt in der Nähe von Roßborf in einer, 
von Gebüjchen umgebenen Vertiefung, ganz fiill und einfam. Sie 
ift zwar ſehr fijchreich, aber e3 gelingt nur jchwer, der Fiſche hab— 
baft zu werden. Man jagt, daß Flachsknoten, welche in fie geworfen 
wurden, im Salzunger See zum Vorſchein gelommen wären. 
Eine andere Kutte ift die bei Bernshaufen, auch dag grund: 
Ioje Loch genannt, wirklih von ungeheurer Tiefe. Sie hält zehn 
Morgen im Umfang und bat ein ganz dunkles, tiefgrünes Wafler. 
Sie iſt — (ähnlih wie die oberbayerifchen Seen) — von einem 
fteilen bolzreiden Abhang amphitheatralifh umgeben und in ihrer 
einſamen Stille ſchaurig ſchön. In dieſer Kutte wächſt nicht wie 
in der Roßdorfer, Schilf und Röhrig, auch ſoll ihr Waſſer ſo friſch 
und kalt ſein, daß außer Hechten keine andere Fiſche darin ſich 
aufhalten. Alle ſieben Jahre ſchwimmt, wie die Volksſage erzählt, 
ein Rieſenfiſch darin, aber nur wenige haben ihn noch zu ſehen 
bekommen. 





231 


Eine dritte Kutte liegt eine gute Strecke von Bernshauſen 
tief unter der Stoffeläfuppe, dicht am Sandberg und wird der 
Ihöne See genannt. Das Waſſer dieſes Sees, welder aber 
Heiner ift als die Bernshauſer Kutte, erjcheint noch dunkler, als 
das vorhererwähnte. Auch in ihm jollen Knotten zum Vorſchein 
. fommen, welde in die Roßdorfer Kutte geworfen wurden, ein Bes 
weis, daß fie unterirdijch mit der genannten in Verbindung fteht. 
Seine Umgebung ift düſter und ungeheuerlid. Schon mander 
Selbftmord fol hier verübt worden jein und die Geifter der Selbft- 
mörder follen ruhelos dort umberirren. 


Dus andern. 


Bon mehreren Häufern in Roßdorf wird behauptet, daß 
es in benjelben wandere, Epucke, nicht geheuer fei), von feinem 
aber mehr, als von der Schule Ein alter Gantor (Lehrer) hat 
oft erzählt, daß ihm gleich nad Antritt feines Amtes im Schulhaufe 
viel unheimliches begegnet fei, was ihn in große Angft verjekt 
babe. Mehr als einmal habe er fich jelbit an einem gewiſſem Orte 
figen ſehen, ohne daß indeſſen eine jolche Bifion (Erſcheinung) feinen 
nahen Tod vorbedeutet habe. In feinem Schlaffabinett fei es ihm 
öfter geſchehen, daß er mit dem Glodenjchlag der Mitternadhts- 
ftunde erwacht jei, da habe er über fih an der Dede einen runden 
hellen Lichtſchimmer cerblidt, nah deſſen natürlicher Urſache er 
vergebens geforſcht, denn alles im Dorfe habe in tiefem Schlafe 
gelegen, in feinem Nachbarshaufe habe ein Licht gebrannt und es 
ſei auch fein Mondichein geweſen. Solches ſei ihm eine Zeit lang 
jede und jede Nacht widerfahren und habe ihn auf's höchſte be— 
unrubigt, Endlid habe er die Dede abreißen und die Kammer ver— 
bauen Taffen, da fei die Erfeheinung nicht wieder fichtbar geworben. 


232 


Das wüthende Heer. 


Die Leute von Roßdorf erzählen, daß in alter Zeit das 
wütende Heer mit großem Lärm und Getöje ala: Hundebellen, 
Peitſchenknallen 2c. ꝛc. nächtlicher Weile durch das Dorf gezogen fei. 
Bejonders gerne habe es feinen Durchzug da genommen, mo die 
Eingangsthüre des Haufes mit der Hinterthür in gerader Richtung 
ftand. Da fei es mit entjeglihem Getöſe hindurch geſauſt. Wer es 
hörte, mußte ſich ſchweigend verhalten, zu Boden werfen und fchlafend 
ftellen, fonft wurde er mitgenommen und wie eine Feder über Wald 
und Wipfel mit fortgeführt. Auch hört man in diejer Gegend ftets 
den Ausdrud „wütendbes Heer,” niemald wie in andern 
deutihen Gauen die Benennung „wilder Jäger”. Der Durd: 
oder Auszug des wütenden Heeres geihah ſtets vor dem Ausbruch 
eines jchweren Krieges, während nah dem Rüdzuge ſtets alsbald 
der Friede erfolgte. | 


Die ſchwerbeladenen Hachtmwandler. 


Unter der Stoffel3fuppe ift es zur Nachtäzeit nicht ge: 
heuer. Eine große Blöfe dort heißt die Kuheller, weil fie als 
Weideplatz der Roßdorfer Hirten dient. Eines Abends wandelte 
auch der Roßdorfer Schulze über dieſe Bergtrift. Da erblidte er 
im Dämmerliht zwei dunkle Männer, die in einiger Entfernung 
von einander gleihmäßig fortichritten. Da bier, wie fchon oben 
gejagt, die Gegend verrufen ift, fo war er froh, Gejelichaft zu 
finden und juchte, fie einzuholen. Seht bemerkte er, daß die Männer 
einen übergroßen ftarfen Baumftanım auf ihren Schultern trugen, 
unter defjen Laft beide zu erliegen drohten. Darüber wunderte 
fih der Schulze ſehr und er rief fie daher an: „Holah! Wer 
feid ihr? Mo hinaus?" — Die Männner aber Hörten nicht und 
gaben auch Feine Antwort. Nocheinmal rief er: „Wer jeid ihr? 
Mo geht ihr Hin? — Abermals tiefes Schweigen. Nun rief der 
Schulze zum dritten Male noch lauter: „Heda, ihr Männer! Wo 


— 


233 


wollt ihr Hin?” Da erfcholl gleichzeitig von beiden wie aus einem 
Munde mit fchredliher Stimme die Antwort: „Nah Ungnad- 
haufen.“ Sn demfelben Augenblid waren fie verfhmunden. Dem 
Frager aber fam ein mächtiged Graufen an, und er fonnte, jo 
lange er lebte, jene Worte und jenen Ton nicht vergeffen, die wie 
eine Stimme des jüngften Gericht3 erflungen war. Auch andere 
Leute haben jene ſchwerbeladenen Nachtwandler über die MWaldblöje 
im Dämmerfchein wandeln fehen, aber fie haben fich niemals ge— 
traut, diefelben fragend anzurufen. Jedenfalls waren es die ruhe: 
ofen Geifter folder Perſonen, welche fich durch bedeutende Holz- 
diebftähle viel ungerechtes Gut angeeignet hatten. Drum be— 
Ihweret euer Gemwifjen nit mit ungerehtem Gute! 


Die fliegenden Knaben. 


63 war zu Ende des fiebenzehnten Jahrhunderts — (etwa 
um das Jahr 1694) — al3 an einem Spätherbfttage drei muntere 
Knaben unweit des Städtchens Lengsfeld und zmwifchen dieſem 
und dem Baier*) auf immergrüner Waldwieje eine Anzahl Rinder 
weideten. Kaum war bie Sonne gejunfen, weldhe noch ihre legten 
Strahlen auf den hohen nahbarlihen Berg warf, fo fachten die 
Knaben nah ihrer Gewohnheit ein Feuer an, ſtachen Rafen ab, 
aus welchem ſie fich eine Bank bauen und auf welcher fie, ver: 
traulih fih am Feuer wärmend, fiken wollten. Wie es nun oft 
zu geſchehen pflegt, daß die unverftändige Jugend ſich in Lächerlichen 
. Wüinfchen ergeht, fo auch hier, Einer ſprach: „Wenn nur diejer 
Rajen ein großes Stüd Eifenkuchen**) wäre. Kaum war bdiejer 
Wunſch ausgeſprochen, jo ftand ein unbefanuter Mann bei ihnen, 
begrüßte die Knaben und ſprach zu ihnen: „Hört, ihr habt Eijen- 


*) Der Baier ijt einer der höchften Bafaltfegel am Beginn des nord— 
öftlichen Rhöngebirges, etwa 700 m hoch in der Nähe von Lengsfeld und 
Weilar. 

**) Krapfen, Waffeln, aus Mehl, Eier und Butter auf heißen 
Eifen gebaden. 


234 


fuchen gewünſcht; bier habt ihr folche. Laßt fic euch gut ſchmecken!“ 
Und er theilte eine ganze Menge Eifenfuchen unter fie aus, Freudig 
und begierig wurde die Spende angenommen und verzehrt, und 
der fremde Mann erbot fih, fie täglich mit ſolchen Eifenfuchen 
zu erfreuen, wenn er nur wüßte, auf welchem Hutplaße fie anzu: 
treffen wären. Die Knaben nannten den Plat, wo fie am nächiten 
Tage hüten würden und der Unbelannte hielt fein Wort, indem 
er am nächſten Abend die Knaben abermals mit köſtlichem Eiſen— 
kuchen bemirtete. Als berjelbe verzehrt und der Fremde hinweg: 
gegangen war, trat eine alte Frau aus Lengsfeld den Knaben 
nahe und überredete fie, mit ihr an den nahen Thalbrunnen zu 
gehen, indem fie ihnen dort etwas zeigen wolle. Die Knaben ließen 
jih überreden, wurden aber nichts gewahr. Wohl aber beiprengte 
fie die Alte mit dem Waſſer des Brunnens, indem fie unverftänd: 
lihe Morte dazu murmelte, weshalb fie lachend zu ihrer Heinen 
Heerde zurückkehrten und dieſe wohlgemuth nach Hauje trieben. 
Am dritten Tage trafen fih die drei Knaben morgend auf dem 
Wege zur Schule, grüßten fih munter und der Eine ſprach zum 
Andern : „Höre, ich fühle mich heute jo federleicht, daß ich meine, 
ih müßte fliegen, wie ein Vogel. — „Ich auch! Ih au!” riefen 
die beiden Anderen und in demjelben Augenblide hoben fie ihre 
Arme empor und flogen in die Lüfte, wie der fchnellfte Vogel. 
Sie flogen auf die Mauer, welde den Marftplag umgab und über 
diefer gegenjeitig hin und her zur größten Ergößlichleit aller ihrer 
verfammelten Schulfameraden. Die Kunde diefes wunderbaren Ereig: 
nifjes verbreitete fich mit Blitzesſchnelle im ganzen Städtchen und 
kam jelbftverftändlich auch zu den Ohren des Lehrers, welcher nad 
beendigter Schulzeit die drei Knaben aufforderte, ihre Kunft auch 
in dem geräumigen Schuljaale zu üben. Das machte ihnen ein 
großes Vergnügen; fie ftiegen auf den Tiſch und im Nu flatterten 
fie in allen Theilen des Schulſaals umher. Den Kantor befällt 
ein beftiges Graufen; er ſendet fofort einen Boten zum Pfarrer 
und läßt den geiftlihen Herrn bitten, ſich ſofort zur Schule zu 
bemühen und Zeuge eines unerhörten Wunders zu fein. Der Geift: 





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Bu 
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lihe kommt und ftaunt und nimmt die Knaben fcharf ins Verhör, 
denn er mwitterte Satand Trug und Tüde. Treuherzig erzählen die 
drei Knaben alles, was vorgefallen war und fügten diefem noch 
bei: „In der vergangenen Naht machten wir und den Spaß und 
feßten una zu dritt auf einen Schimmel, der in unferes Nachbarn 
Scheuer ftand. Kaum jpürte uns das Pferd, jo trug es ung gegen 
unjern Willen an einen Ort, wo ed uns jehr gut gefiel, dann 
brachte es ung wieder nah Haufe und darauf fühlten wir uns 
fo leicht.” Der Pfarrer ging beftürzt hinweg, um dem Gerichte 
Anzeige zu machen, damit dieſes fich der Behexten bemächtige und 
ihnen den Prozeß made. 

Mittlerweile famen die Knaben arg: und forglos und ihrer 
Fliegefraft froh nah Haufe, um ihren Eltern das Wunder ſelbſt 
zu verfündigen oder zu beftätigen. Der Bater des Einen war ber 
Nach: oder Scharfrihter und hieß Michael Weber. Diejer erzürnte 
fih fo jehr über jein, in die vermeintlihe Gewalt bes Teufels 
geratenes Kind, daß er das Richtichwert nahm und feinem Sohne 
das Haupt abſchlug. Zwei weiße Ströme Mil fprangen ftatt des 
Blutes zur Dede zum Zeichen der Unſchuld des Kindes, und dem 
Scharfrichter entjanf vor Schreden dad Schwert. 

ALS die zwei andern Kuaben diefe Schredenzkfunde vernahmen, 
erhoben fie fih in die Luft und flogen davon. Niemand hat fie 
jemal3 wieder exblidt. Der Brunnen aber, mit deſſen Wafjer die 
Knaben von der alten Frau beiprengt wurden, heißt von jener 
Zeit an der Herenbrunnen. 


Der Golddrunnen am Baier. 


Am Baier, einem Bajaltfegel am norböftlihen Ende des 
Rhöngebirges — (deſſen ſchon in den vorigen Rhönfagen erwähnt 
wurde) waren ehemal3 Bergmwerfe. Davon zeugt noch eine Kleine 
Vertiefung unweit des Hofes Fiſchbach, die Schacht genannt 
und ein Brunnen über dem Baiershof heißt heute noch der Gold— 
born. Bor vielen vielen Jahren fam alljährlihd ein Mann aus 


236 


Wälfchland, welcher mit Maufefallen und Hecheln handelte Er 
logirte auf dem Bayershof, von wo aus er feine Waaren an ben 
Mann bradte, 

Während feiner Anmelenheit verhielt er ſich fill und reblich 
und verließ nah einigen Wochen die Gegend wieder. Defter jah 
man ihn auf dem Meg zum Goldbrunnen, von mweldem bie 
Sage meldete, daß derfelbe Gold in feinem Schooße führe und 
bisweilen hervorſprudele. Eine Frau von Boineburg, die ein 
Berlangen trug, den vielbeſprochenen Goldbrunnen zu jehen, Tieß 
ih in einem Tragfeffel von Gehaus zu ber Duelle tragen und 
fand der Goldförner fo viele, daß fie ſich davon zwei ſchwere große 
Ohrenringe machen laffen konnte. Viele Jahre waren vergangen, 
während welcher ter Maufefallen: und Hechelhändler fich nicht mehr 
hatte jehen laffen, und der Pächter auf dem Baiershof glaubte 
ſchon, er ſei geitorben. 

Da fam im Spätherbft eines Abends eine prachtvolle Kutſche 
gefahren, aus welcher zwei Herren, ein alter und ein jüngerer, 
ftiegen, während ein reich gallonirter Kuticher auf dem Bode ſitzen 
blieb. Die beiden Herren gingen fogleich in das Dicdicht des Waldes, 
der Gegend zu, wo der Golbbrunnen ſich befand. Nach einigen 
Stunden fehrten die beiden Herren zu ihrem Gefährte zurück, welches 
der Pächter des Hofes, feine Familie und fein Gefinde neugierig 
umftanden. Der ältere Herr ging fogleih auf den Pächter zu, 
grüßte ihn freundlih, drücte ihm die Hand und fagte zu feinem 
Begleiter: „Diefer ift der gute und brave Mann, zu dem ich vor 
Sahren um dieſe Zeit oft gefommen bin und der mich ftet3 gaft- 
freundlich aufgenommen hat.” Der Pächter war vor Erftaunen ganz 
ſprachlos; er befann fi hin und her, wer wohl der fremde vornehme 
Herr fein möge, der fich feinen Schuldner nannte, fonnte ſich aber 
nicht auf ihn befinnen. Nun bekleidete ſich der fremde Herr mit” 
den abgetragenen jehäbigen Kleidern, welde er einftens als Händler 
getragen und eigens mitgebracht hatte. Jetzt fiel es dem Pächter 
wie Schuppen von den Augen, und er erfannte den Hechelhändler 
von ehemals, welchen er längft tot geglaubt hatte. 


237 


„Richt wahr? Nun kennt ihr mich. wieder, mein waderer Freund! 
rief der alte Herr aus dem Magen, in welchen der junge num auch 
wieder einftieg. Unter dieſer armjeligen Kleidung war ich öfter bei 
Euh und holte mir den Anfang und Grund meines Reichthums 
aus dem euch bekannten Goldborn. Diejer bier ift mein Sohn, 
welcher aus Venedig mit mir hierher gereift ift, und dem ich bie 
Stelle gezeigt habe, welcher ich jo vieles verdanke. Lebt wohl, 
denfet manchesmal an mich, denn nun fehen wir uns niemals wieder, 
Zum Abjichied und Andenken überreichte er dem Pächter ein wert— 
volles Geſchenk, die Kutſche rollte fort und verwundert jahen alle 
Umftehenden dem Wagen mit langen Hälfen nad, bis er ihren 
Augen entihmwunden war. 

Jetzt aber eilte, wie von einem Gedanken getrieben, alles 
nad dem Goldborn, um dort auch geſchwinde Gold und Neichtum 
zu finden, allein mit Schreden nahmen die Getäujchten wahr, daß 
der Goldborn nur noch eine jumpfige Pfübe war. Man erzählte 
fih ſpäter, der Venetianer habe die Duelle durch Duedfilber, das 
er hineingeworfen, verdorben und den Goldborn zu einem Sumpfe 
gemadht. 


Merke Dir aber, freundlicher Lefer! uud präge es Deinem 
Herzen tief ein: Der Mammon, das Geld, madht nicht glüdlich, 
jondern die Zufriedenheit. Das ift der rechte Goldborn. 


Die Bofdfinder. 


E3 waren einmal zu Lengsfeld einige Bürger, die fanden 
am Baier gold: und kupferhaltige Steine und bald verbreitete fich 
das Gerücht von ihren Glüd im Orte und fam auch zu den Ohren 
der hohen Obrigkeit. Da wurden diefe Bürger vorgefordert und 
nebft einer Anzahl von Zeugen, welche um die Sache mußten und 
fie weiter verbreitet hatten, abgehört. Der Erfte der Finder gab 





238 


zu Brotofol: „IH ging einit in der Dämmerung von Dberalba 
nah Lengsfeld über den Baier, jah im Walde unweit des Weges 
ein Feuer brennen und ging darauf zu in der Abficht, meine Tabaks— 
pfeife anzubrennen. Auch vernahm ich Kinderftiimmen, ſah aber 
weder Kinder, noch verftand ich, was fie riefen. Da that ich felbft 
einen Ruf und in demjelben Nugenblide war das Feuer vor meinen 
Augen hinweg und alles war fill, Nur war es mir, als hörte 
ich deutlich neben mir Jemand jagen: „Hier ift der Ort, wo Gold 
und Silber liegt!" Doc jah ich Niemand und es fchauderte mid. 
E3 war diejelbe Stelle, wo die Herren von Boyneburg nah Erz 
graben. Ich nahm mir jo viele Steine mit, als ich tragen konnte 
und bradte fie nah Haufe, doch enthielten fie fein Gold.” 

Der Zweite deponirte: „Ich ſuchte am Baier Einbeeren, welche 
gut gegen die ſchwarzen Blattern find; da fand ich einen Stein, 
der glänzte wie Silber.“ 

Der Dritte fagte aus: „Am Baier fand ich ein Zoch, darin 
waren Steine, wie Zuffiteine, voller Glanz, fnietief unter der 
Erde verborgen. Ich dedte das Loch zu, weil das Vieh täglich 
darüber ging, fand es aber dann jelber nicht mehr.“ 

Ein Zeuge ſagte aus: „Der erjte Finder hat in feiner oberen 
Stube einen Laborirofen, worin er das Gold jcheidet, und hat auch 
ein Buch über dad Schmelzen und Scheiden ber Erze. Auch bat 
er mir eröffnet, daß er jetzt die rechte, Gold- und Silberader wiſſe 
und bat mir ein Stüd reines Gold, fo groß wie ein Hühnerei 
gezeigt und babei gejagt, daß er biejes ſchon ausgeichieden habe. 
Ein Goldihmied aus Salzungen fagte aus, der zweite Finder fei 
zu ihm gefommen und habe ihm Erze oder Mineralien zum Kauf 
angeboten, wovon das eine ſchwarz, das andere wie Zinn und das 
dritte wie grauer Sand ausgeſehen habe, welche Gold enthalten 
folten. Er babe ihn gefragt, was der Zentner wert ſei und 
ihm angeboten die Steine auf der Kapelle zu prüfen und zu 
faufen; er fönne gewiß fein Glüd damit machen. 

Alle befragten Finder aber leugneten zitternd und mit blafjem 
Gefihte vor den Gerichten, daß fie Golb gefunden hätten. 


a — 
a * 





239 


Die MWunderblume am Baier. 


Ein Kößenmader*) ging einft am Baier vorüber und zwar an 
der Stelle, welche man die Shadht nennt. Da fand er eine 
Blume von außergewöhnlicher Geftalt und unbejchreiblider Schön 
beit. Er pflüdte fie ab und als er an die Wand der Schadt kam, 
jo öffnete fih eine Thüre zu einem weiten und geräumigen Gewölbe, 
Der Mann trat hinein und jah eine Menge großer Fäffer, welche 
alle mit Erbſen, Waizen, Korn, Gerfte und anderen Getreidearten 
gefüllt, in langen Reihen daftanden. Er legte die Blume, welche 
er in der Hand hielt, auf ein Faß, und füllte feinen Brodſack voll 
Erbien, welde ihm ein willkommenes Gericht abgeben follten. Als 
er fich lange genug verwundert in dem einfamen Gewölbe umgejehen 
hatte, jchicdte er fih an, wieder fortzugehen ; da hörte er plöglich 
eine geilterhafte Stimme rufen: „Vergiß nur ja das Befte 
nicht!" — Darüber erſchrack der Kötzenmacher jo ſehr, daß er eilend 
hinausfprang, aber die Wunderblume auf dem Faße liegen ließ. 
Mit fürchterlichen Donnerkrachen ſchließt fich Hinter ihm der Berges: 
eingang und ein großer jchwarzer Fanghund ſchießt jählings._hinter 
ihm ber. Boll Angft und um fchneller entfliehen zu können, jchüttete 
ber Mann feinen Sad mit Erbjen aus und der Hund fraß fie alle 
auf. Zu Haufe.angelangt Elingelt noch etwas im Sad. Er fchüttelt 
ihn aus und es rollen einige goldene Erbjen auf den Dielen herum. 
Hätte er die Blume nicht vergeflen, könnte er überreich geworden fein. 


Der Rodienftuhf. 


Bei Geyſa auf einem Berge lag einft ein Schloß, Roden: 
ftuhl mit Namen; dieſes wurde zerftört, als der ftreit- und fehde- 
ſüchtige Abt Bertho 11. von Fulda gegen die Raubritter der Um: 


"*) Tragförbe von verfchiedenen Formen mit Achjelbändern zum Tragen 
auf dem Rüden. 


240 


gegend auszog und 25 ihrer Raubnefter zerftörte. Heutzutage fieht 
man vom Rockenſtuhl faft nichts mehr; nur die Stätte, wo bie 
Burg fand, ift noh vorhanden auf dem Berge gleihen Namens, 
ein freier Pla mit geringer Ummallung. Aber Berggeifter und 
Kobolde, in Geftalt grauer Männlein erfcheinen dort und treiben 
ihr Unweſen und oft fährt mit feinem Lärm und Getöfe und mit 
wilden Hunbegebell der wilde Jäger über den waldigen Rodenftuhl 
dahin. Der Berg ift fteil, jpig und Hoch und wie alle Kuppen 
der Rhön bafaltfteinig. Den Namen jol Burg und Berg erhalten 
haben von einem bucdonijchen Grafen Namens Roggo, welcher 
dem heiligen Bonifazius die Mark Ratisdorf abtrat. Auf Schloß 
Rockenſtuhl (beffer Roggoftuhl, NRoggosfig) wohnte noch im 17. 
Sahrhundert der Fürftabt Konrad IV., Graf von Hanau, dann 
ward es abgebrochen und fein Material nad) Geyſa geführt, wo 
e3 zur Erbauung des Schloffes verwendet wurde, 


Der Engelsberg. 


Ueber dem Stätthen Tann, dem Stammfige der Familie 
Tann, liegt auf einem hohen Berge, (welcher der Engelöberg heißt) 
eine Wüftung. Man findet noch Gewölbe und Spuren ehemaliger 
Wohnungen. Ein Schäfer von Frievrihghof, welcher dort feine 
Heerde hütete, jah einft eine weiße Jungfrau wandeln, welche aber, 
al3 er fich näherte, plößlich verſchwand. An der Stelle, wo fie 
geftanden, lag eine goldene Kette. Die Umwohner erzählten, daß 
in den Gemwölben allerlei Hausgeräth, darunter auch ein Spinnrad 
gefunden worden fei, und daß das Dertchen, welches droben gelegen, 
in einem verheerenden Kriege zerftört worden ſei, wahrjcheinlich im 
Schwebdenfriege. 


Der Stordsbrunnen. 


Am Fuße des Baier Liegt das Dorf Untermweid, Dajelbft 
befindet fich eine gefaßte Duelle, welche den Namen Storchs— 


241 


brunnen führt und eine abjonderlide Eigenfchaft hat, welche den 
Bewohnern als Wetterprophet dient. Wenn nämlih das Wetter 
noch fo ſchön ift und das helle, friſche Waffer des Brunnens ver: 
liert jeine Klare Farbe, jo regnet e8 binnen 24 Stunden. Sobald 
es aber bei anhaltendem Regen wieder Klar wird, jo hat man binnen 
24 Stunden helles und ſchönes Wetter zu erwarten, wenn auch der 
Regen noch fo ftark fällt. 


Das Landgrafenbrünnden und die Landwehr, 


Nahe bei dem Dorfe Untermweid liegt ein hoher Berg, der 
Ellenbogen, und auf ober an bendfelben im Erbenhäuſer 
Forst eine Elare Duelle, neben welcher drei Bajaltfteine ftehen. 
Diefe Duelle Heißt das Landgrafenbrünnden, weil aus 
ihr ein gewiſſer Landgraf, der in diefer Gegend jagte, getrunken 
haben fol. Auf den drei Steinen aber, fo meldet die Sage, ſaßen 
einft drei Grafen von Henneberg, als fie im Begriff waren, den 
Wald um den Ellenbogen gegen einen Erbzind an die Gemeinde 
Dbermweid zu verſchenken. 

Ehemals war über dem Landgrafenbrünnden ein kleines Haus 
erbaut, das Rhönhäuschen genannt; es ift aber theils durch 
die Zeit und das Wetter, theild durch böſe Menfchen zeftört worben, 

Merkwürdig ift auch in bdiefer Gegend die alte Landwehr, 
welche dort vorüberläuft und vor Zeiten das Ländchen der Grafen 
von Henneberg wie eine Schugwehr umgab. Sie beftand aus einem 
breiten und tiefen Graben und einem hohen Wal und wurde um 
das Jahr 1426 dur den Grafen Georg I. in Gemeinfchaft mit 
den Markgrafen von Meiffen deshalb errichtet, um die Länder 
gegen die Einfälle fehdejüchtiger Raubritter zu fihern. Noch im 
Sabre 1540 wurde eine ſolche Landwehr auf dem Stautenberge, 
dem Ellenbogen gegenüber, aufs Neue angelegt, was durch den 
Grafen Wilhelm von Henneberg und die Edlen von Tann geſchah. 
Eigene Wächter, Höhlmänner genannt, hatten die Auffickt über 

Sagenſchatz. 16 


242 


die Landwehr und mußten darüber wachen, daß diefelbe nicht an 
anderen Stellen durchbrochen wurde, al3 nur an den gewöhnlichen 
Durchgängen. 


Der Meiberwethzſtein zu Kaltenweftheim. 


Kaltenweſtheim ift ein Dorf zwiihen Kaltennordheim 
und Oberweid weftwärt3, weit und breit befanıt wegen des 
Meibermepfteined. Bon diefem jchreibt ein Hennebergiicher 
Hiftorifer (Geihichtsihreiber) folgende Relation: 

Wenn man oben zum Dorf hinein fommt, fo fteht linker Hand 
der Straße ein Sandftein, wie eine vieredige Säule gehauen, etwa 
3 Ellen Hoch, welcher vor nicht gar langer Zeit erft errichtet wurde, 
weil ein Schalt zur Nachtszeit den alten heimlich entfernt hatte. 
Das iſt der fogenannte Weibermwegftein, an welchem aber 
Niemand aus Schabernad oder Nederei wetzen darf; denn wenn 
fih Jemand unterjteht, diefes zu thun, jo fommt von Stund an 
die ganze Weiberſchaar des Dorfes, welche eine Frau als Oberhaupt 
fommanbdirt, die Steinihulzin genannt, welche lediglich zu dieſem 
Amte gewählt wird, mit ihren Waffen, ald Beißzangen, Gabeln ꝛc. 
berbei gelaufen. Dieje veriolgen nun den Malifitanten jo lange, 
bi3 fie ihn erhaſchen. Nun wird er mit hölzernen Zangen an— 
gefaßt, und zum Waſſer geführt, wo er gebadet wird, ob er will 
oder nicht. Wehrt er fih, jo befommt er noch Püffe und Stöße 
dazu und muß hernach doch die Beration mit Geld ablöjen. Ihm 
wird überdies ein Strohkranz aufgejeßt und ein Bund Heu vor: 
gelegt.” Das Privilegium der Weiber von Kaltenweftheim fol 
ihnen vom Grafen Heinrich von Henneberg verliehen worden fein. 
Als derſelbe nämlich mit feinen Vettern in Fehde lebte und dieje 
das Schloß Kaltennordheim belagerten, follen fich die Weiber 
von Kaltenweftheim bei der Verteidigung jo ausgezeichnet und 
mutig verhalten haben, daß die Feinde unverrichteter Sache wieder 
abziehen mußten. Als Graf Heinrich fie aufforderte, fich eine Gnade 


243 


biefür zu erbitten, hätten fie nicht3 mehr verlangt, als das erwähnte 
Privilegium und ſolches aud erhalten. Wie die Volksſage meldet, 
„babe der Herzog Johann Georg von Sachſen-Eiſennach öfter zu 
feiner Ergögung vorerwähnte ſpaßhafte Erefution an untergeordneten 
Verjonen feiner Suite ausführen laſſen. 

Nebfivem hat der Wetzſtein auch dieſes für fih, daß ihn 
Niemand loben noch fchelten darf, jo lange er im Dorfe ift. Daher 
fagt man dort im Sprihwort: „Man muß ihn nur gehen laſſen 
wie den Kaltenmweftheimer Mepftein, das ift: man darf ihn weder 
loben noch ſchelten. Ebenjo jagt man von einem wunbderlichen und 
morojen Menjchen, dem ed Niemand recht machen kann: „Du bift 
wie der Wepftein zu Kaltenweftheim, den man nicht anrühren darf.“ 





Burg Auersberg. 


Auf einem Bafalthügel zwiiden Tann und Hilders, doch 
dem letzteren Orte näher, ftehen noch die Ruinen der ehemaligen 
Burg Auersberg. Ein reiches Geſchlecht Toll diefelbe bewohnt 
und die Gegend beherriht haben: die Herren von Nithardis: 
haufen. Im Sabre 1554 erbaute Bijchof Albrecht von Würzburg 
bier ein neues Schloß, worauf die Herren von der Tann ipäter 
als Amtleute wohnten. Die Vollsjage erzählt, daß der letzte Sproffe 
des Geſchlechts eine kinderloſe Wittwe war, welche einjam in der öden 
Burg wohnte. Eine Tages hatte fie in der Gegend eine Spazier: 
fahrt gemacht und kehrte heim, als ein ftarfes Gewitter fich in das 
Ulfterthal ergoß, wodurch der Kleine Fluß — die Ulfter — mädtig 
anſchwoll. Schon ſah fie ihren heimatlihen Sitz vor fich liegen 
und gebot ihrem Kutjcher, den Fluß an der gewohnten Stelle zu 
durchfahren. Dieſer aber weigerte fich deflen, weil die Ulfter aus: 
getreten und die Ueberfahrt gefährlih war. Die Herrin aber Hielt 
ihn mit rauhen Worten an, hindurchzufahren und fo gehorchte er — 
aber zu ihrem Verderben. Die Wellen riffen den Wagen um. Der 
Kutſcher rettete fih und die Pferde nur mit Not, aber die legte 
Frau von Auersberg ertranf, 

16* 


244 


Nah einer andern Sage aber Hatte es mit dem Tode ber 
legten Herrfhaft folgende Bewandtniß: Im Schwedenkriege nahm 
der legte katholiſche Befiber eine Abtheilung der Truppen, welche 
gegen die Schweden kämpften, in fein Schloß auf. Darüber auf— 
gebracht, berannten die Schweden die Burg Auersberg und nahmen 
fie ein. Die Gemahlin des Ritters entflob, fand aber in den Fluten 
der angeichwollenen Ulfter ben Tod. Ein fteinernes Kreuz bezeichnete 
die Stelle, an welcher fie mit ihrem Wagen verjant, Der Ritter 
aber, welcher mit wahrem Heldenmut bis aufs Aeußerſte fein 
Schloß verteidigt hatte, ſuchte auf der Flucht zu entlommen und 
fprengte mit feinem Schladtroffe in die Tiefe, wobei er feinen jähen 
Tod fand, 


Der lette Kerr von Anersberg. % 
(Bariante der vorheritehenden Sage). 


Der legte von den Befitern der Auersburg, melder bie 
jeßt zertrümmerte Fefte bewohnte, gehörte der Iutheriichen oder 
evangeliichen Kirche an. Eines Tages fuhr er mit feinem Kuticher, 
der aber fatholifch war, über Feld. Da überraſchte fie ein furcht— 
bares Gewitter. Der Kutſcher betete und befreuzte fich, der Herr 
aber fluchte. Immer ärger tobte das Gemitter und der Kutjcher 
ſprach: „Bott helfe ung, fonft find wir verloren; ich kann nicht 
weiter fahren.“ Darauf rief der Herr zornig aus: „Der Teufel 
wird dich nicht gleich holen; fahre zu ins Teufel? Namen!“ Der 
Kuticher feufzte und ſprach: „So will ich denn hinfahren, doch 
nit ins Teufels» fondern in Gottesnamen. Bald fam ber 
Wagen in eine Stromjchnelle, der Kutſcher fchnitt die Zugftränge 
entzwei und rettete jo auf einem ber Pferde fein Leben. Der gott: 
loje Schloßherr aber mußte elendiglich ertrinfen. 

Auf dem Schloffe wohnten lange Zeit würzburgiihe Amtleute, 
daher wurde auch ehedem das Amt Hilders nad diefem Schloſſe 
„Amt Auersberg“ genannt. Sn einer Ede der Ruine ſoll ein 


245 


großer Schatz verborgen fein. So kam denn vor Jahren eine Ge: 
ſellſchaft von Schaggräbern dahin, um diefen Schaf zu heben, wurden 
aber allefammt von einer erjchredenden Erjcheinung vertrieben und 
ſoll der Schag nicht mehr zu holen und zu heben jein. 


Das Marienbild auf dem Battftein. 


Süpöftlih von Hilders*) liegt das Dorf Batten und babei 
der Battftein, eine hübſche Bajaltfelfengruppe, wo ein, von ber 
ganzen Umgegend verehrtes Marienbild fteht, wie die Mutter Gottes 
das Jeſukind auf dem Schoße hält. Vor vielen Jahren wurde es, 
wie die Volksſage erzählt, von mweidenden Thieren aus der Erbe 
gewühlt und von den Hirten, welche es fanden, auf den Felſen 
geftellt. Dort jah es der Schullehrer von Batten. Den dauerte das 
hübſche Bild, wie e3 fo den Stürmen des Wetters und dem Ber: 
derben preis gegeben war, und aus Pietät nahm er das Bild und 
trug es in die Kirche von Batten. Am andern Morgen war das 
Bild fort und man fand es wieder an feinem alten Drte auf dem 
Battftein, Diejes wiederholte fich mehreremale. Da merkte man, daß 
die Mutter Gottes auf diefer Stelle verehrt fein wolle. Man ließ 
es daher auf jenem Plate und ed gejhahen dafelbft viele Gebets— 
erhörungen. Aus allen Orten der Umgegend kommen fromme Waller 
zu dem Bilde und vielen bat ſchon ihr Glaube geholfen. 


— — 


Die Milſeburg. 


Die Milſeburg iſt ein mächtiger Klingſteinberg der Rhön, 
den man ſchon in weiter Ferne wegen ſeiner eigenthümlichen Form 
über die Nachbarberge emporragen ſieht. Dieſe Form gleicht einem 
der hochbeladenen Heuwagen, welche im Juni ſo zahlreich von den 
grasreichen Flächen des Hochgebirges hinab in die Thäler fahren 
und heißt deshalb „das Heufuder.“ 


*) Hilders, früher bayeriſch, ſeit 1866 zu Preußen gehörig. 








246 


Er gleicht aber auch einem Sarge und wird deswegen Die 
Todtenlade genannt. Diefer Berg dient den Bewohnern der 
Umgegend als Wetterprophet. Wenn nämlich die Miljeburg raucht, 
oder nach dem Provinzialausdrud „Klöfe kocht,” jo darf man mit 
Beftimmtheit Regenwetter vorausfagen. Viele Heilkräuter und fonftige 
feltene Pflanzen wachſen auf diefem Berge und viele Sagen gehen 
von ihm im Munde des Volkes. Da der heilige Gangolf diefen 
Berg zu feinem Lieblingsaufenthalt gewählt hatte, jo heißt er aud 
Gangolphsberg und die auf feiner Höhe ftehende Wallfahrts— 
fapelle, weldhe im Jahre 1493 gebaut worden fein fol, ift dieſem 
Heiligen geweiht. Im grauen Altertum ftand auf der Höhe diefes 
Berges eine Nitterburg, bewohnt von vielen wilden Raubgejellen, 
welhe auf dem von der Natur durch faft unerfteiglihe Klippen 
geſchützten Feljenhorft lange ungeftraft ihr Unweſen trieben. Wer 
dieſe Burg erbaut bat und wann fie erbaut wurde, ift nicht mit 
Beftimmtheit anzugeben. Im Jahre 980 geichieht ihrer in einer 
Urkunde des Kaiſers Dtto II. Erwähnung Zu Anfang des 12. 
Sahrhundert3 war fie im Beſitze des Landgrafen Ludwig von 
Thüringen. Diejer nahm im Jahre 1114, als die Wartburg 
von Kaifer Heinrih V. hart belagert wurde, den im Gefolge des 
Kaiſers befindlichen Abt Wolfhelm von Fulda gefangen und hielt 
ihn drei Jahre auf der Miljeburg in ftrengem Gewahrfam, Später 
gewann ein tapferer Abt Namens Erlof mit bewaffneter Hand dieje 
und noch eine andere, dem Hochflift entriffene Burg, bejegte beide 
mit treuen Mannen und befeftigte fie von neuem, Als aber jpäter 
die Milfeburg wieder in Feindeshände gefommen war, jo wurde 
fie nochmals belagert, bie Bejatung, welche ſich nicht ergab, aus: 
gehungert und hierauf, als fein Vertheidiger mehr am Leben war, 
die Burg zerftört und ber Erde gleich gemacht, jo daß feine Spur 
mehr von ihr zu fehen ift und nichts von ihr übrig blieb, als 
der Name, das Echo des Rufes der Vergangenheit. Unter der 
Milfeburg liegt die Lydenkuppel, auf welder ebenfalld vor 
Zeiten eine Burg ober Warte geftanden haben fol. 





— * A = 
2 


247 


Der Baunollibeunnen, 


Nachdem der Gangolfsberg der Lieblingsort für die Vers 
ehrer des heiligen Gangolf3 geworden war, erſchien es noth— 
wendig, daß zur Labung der armen unbemittelten Pilger und 
Walfahrer mindeftens ein Brunnen am Berge fließe. Da fam nun 
eines Tages der Heilige nah Fulda und ſah da in dem Garten 
eines Bürgers einen überaus frifchen und Klaren Brunnquell ſpringen, 
den er für die Milfeburg geeignet hielt. Er trat daher zu dem 
Eigenthümer des Gartens mit der Frage, was der Brunnen foften 
jolle? Der Fuldaer Bürger aber war ein Schalf; er lachte innerlich 
über dieje Frage und dachte bei fich felbit: „Den Brunnen fannft 
du ihm mwohlverfaufen, aber nicht den Bla. Er forderte daher 
einen leidlihen Preis für den Brunnen, der Heilige zahlte, was 
jener forderte und ſprach: „Nun ift der Brunnen mein!“ „Sa, der 
Brunnen ift dein, antwortete höhniſch der Bürger, aber der Plak, 
worauf er quillt, ift mein und bleibt mein, den habe ich dir nicht 
mitverkauft.“ Er meinte Wunder wie er den heiligen Gangolf an- 
geführt babe, doch der heilige Gangolf ging in die Stadt, faufte 
fih ein großes Gefäß und ließ e3 von dem Waſſer des Brunnens 
vol laufen. Kaum war das Gefäß vol Waffer, fo hörte der Brunnen 
auf zu laufen zu des Bürgers größtem Schreden. Ohne diejen weiter 
eined Wortes zu würdigen, fchaffte der Heilige fein Gefäß mit 
Waſſer auf die Milfeburg und goß es eine gute Strede unterhalb 
des Gipfel aus. Da entitand alsbald jener fühle, klare und ers 
quidende Brunnen, welcher unverfiegbar und in der ganzen Gegend 
weit und breit berühmt ift und heute noch der Gangolfäbrunnen 
heißt. Er wird vom Volke hoch in Ehren gehalten. Er joll befonders 
beilfam für leidende Augen fein und noch die Eigenſchaft haben, 
unfruchtbaren Müttern zu Kinderfegen zu verhelfen. 


Der Bangolfskeller. 


Der Volksſage nach befindet fih auf der Milfeburg auch der 
Gangolfsfeller, an welcher Stelle aber, das weiß Niemand zu 


! 


248 


fagen. Er ift angefüllt mit großen Schäßen, aber verwunfchen und 
verſchloſſen. Keiner weiß ihn zu finden. Einft war eine alte Frau 
jo glüdlich, mittelft einer Schlüffelblume diefen Keller zu entdeden. 
Sie ſah ihn plöglich offen ftehen, fürdhtete ſich aber, denſelben zu 
betreten. Sie beeilte fih daher, anderen Leuten dieſe Mitteilung 
zu machen. Viele folgten der Alten, geleitet von Geldgierde und 
Habjucht, als fie aber an den Drt famen, war der Eingang zum 
Keller wieder verjchloffen und die Alte wußte ihn nicht mehr zu finden. 


Muttergottesbild am Fels. 


Wenn man unten von der Tanzwieje und dem Hof, welder 
denjelben Namen führt, zu den fchroffen und fteilen Felſenklippen 
der Miljfeburg empor fteigt, wo feltene Blumen und Kräuter wadjien, 
fo führt ein ſchmaler und fteiniger Weg, welder ber Kirchweg heißt, 
zum Gipfel. Dem Wanderer fteht dann zur Linken des Pfades und 
zwar ganz nahe an demſelben, frank und frei an einem Felsblod 
ein Kleines, fteinernes, farbig bemaltes Bild, welches die Mutter: 
gottes, den Heiland auf dem Schoofe, darftellt. Fromme Leute haben 
e3 mit Perlen und Kränzen geihmüdt, fonft ift es aber allen Un 
bilden der Witterung auf diefer rauhen und unmwirtbaren Höbe 
ausgeſetzt. Einft gedachten einige fromme Gläubige, dieſes Bild 
beſſer zu ſchützen, damit e3 nicht Schaden leide von Sturm und 
Wetter, und mwölbten nur wenige Schritte davon, aber auf ber 
rechten Seite des Felfen- Pfades, eine ſchützende Niſche. In biele 
verlegten fie mit Andacht das kleine Bildniß. Als man aber am 
andern Tag nachſah, ftand es wieder auf feiner alten Stelle. Dieſes 
geihah dreimal nacheinander. Da ließ man dasſelbe ferner unan- 
getaftet. Das Bild jelbft trägt unten am Fuße den Namen Georg 
Stepling und die Jahrzahl 1664. Mächtig ſchützt der Segen ber 
heiligen Yungfrau und Gottesmutter den Drt und die Wallfahrer 
zur Höhe. Obgleich an gewiffen Tagen Taufende diefe fteilen und 


a 
PN 
. * 


249 


zerflüfteten Klippen und Schluchten befteigen und erfleitern, jo hat 
man doch noch von feinem gehört, daß er einen gefährlichen Fall 
gethan oder an feinem Leibe Schaden genommen habe, 


Der fromme Einfiedfer auf dee Milfeburg. 


Auf der Höhe der Milfeburg lebte vor vielen Jahren ein 
frommer Einfiedler Namens Johannes. Das Volk, welches häufig 
zu ihm auf den Berg fam, um jeinen Segen, wie feinen guten 
Rat oder heilfame Kräuter von ihm zu empfangen, nannte ihn 
nur den Milſehans. Er war es, welcher zuerft auf dem einfamen 
Gipfel des Berges aus rauhen Steinen und Felstrümmern eine 
feine Kapelle erbaute. Mühſam trug er die ſchweren Steine zu: 
jammen und wenn ihm bdieje harte Arbeit recht ſauer wurde, da 
rief er die Fürbitte des Heiligen Gangolf an und die Arbeit ging 
wieder beſſer von ftatten. Nahe am Gangolfsbrunnen hatte ber 
Eremit feine Zelle erbaut. Als die kleine Kapelle fertig war, be: 
ſchloß der Einfiedler auch ein mächtiges hohes Kreuz auf der Miljes 
burg zu errichten. Er ließ dasfelbe in Fulda herftellen und auf 
den Berg bringen. Eine Menge Zugthiere waren notwendig, e3 
auf die beträchtlihe Höhe hinaufzuſchaffen, wo es als ein Zeichen 
der himmliſchen Gnade in die Wolfen empor ragt. Der fromme 
Einfiedler ift auf dem Berge geftorben, aber Niedmand kennt die 
Stätte, wo er begraben ift. 


Bom Böllenhörner. 


Den vorgenannten frommen Einfiebler Johannes verwechjelt 
die Tradition des Volkes mit einem weit fpäteren Berg:Anachoreten, 
welcher auch Melsberghans oder Göllenhörner (Goldenhörner) ges 
nannt wurde. Diejer war ein reicher Wirth „zum goldenen Horn“ 
in Fulda, den das Unglüd in die Wildniß trieb. In dem, für 


250 


ganz Franken und Deutihland verderblichen Schwebenfriege verlor 
er nicht nur Hab und Gut, ſondern auch all die Seinigen. Won 
Schmerz und Kummer überwältigt faßte er den Entſchluß, fich in 
die Wildniß zu begeben, der Welt zu entjagen und ein beihauliches 
Leben zu führen. 

Er wählte die Nähe des Gangolfsbrunnens, baute fich dafelbft 
eine Hütte, lebte dort als Einfiedler, wo die Eremitage feines halb» 
vergefjenen Vorgängers ftand, deſſen Andenken er erneuerte, bis ihn 
der Tod abrief in feiner beſchaulichen Stille. 


Der Teufelsftein und die Geufelswand, 


Aeßerſt viele und wunderbare Bafalt: und Phonolitfeljen- 
bildungen zeigen die Gipfel des‘ Nhöngebirges, deren Entftehung 
(nach der Volksſage) dem böfen Feinde zugejchrieben wird, fo ganz 
nahe der Milfeburg der Teufelsftein, ähnlich deu Nuinen einer 
alten Burg mit einer aufragenden Thurmpyramide. Als nämlich 
der Teufel merkte, daß man auf der Milfeburg eine Kirche baue, 
verhieß er einem Bewohner der Gegend, auf einem Berge der 
Umgebung ein Wirtshaus zu bauen und diejer verichrieb ihm fich 
und feine Seele, wenn cr das Wirtshaus nur einen Tag früber 
vollende, al3 die Kirche. Da aber das Kirchlein auf der Miljeburg 
unter dem Schuß und Beiltand des big. Gangolf erbaut wurde, 
jo war das Kirchlein eben in dem Augenblide fertig, al3 der böje 
Feind mit dem letzten Stein durch die Lüfte fuhr. Kaum ſah er, 
daß die ihm verpfändete Seele für ihn verloren war, jo jchleuderte 
er den mächtigen Felsftein auf das Wirtshaus herab und zer: 
trümmerte feinen ganzen Bau, der noch alfo zu ſehen if. Die 
Felfen liegen übereinander her, als wie gejpaltene Eihftämme in 
einem Holzhaufen. Der Teufels: oder Steinwand wird ein 
ähnlicher Urſprung zugeſchrieben. An ihr ftehen Bajaltfäulen von 
20 bis 30 m ſenkrecht empor und fie gleicht einer großen alten 
Mauer, Dort findet ih auch die Teufelsktanzel und die Milch— 


© 2 


.- ı. 
ge. 





251 


kammer, Felſenbildungen eigentümlicher Form und ungeheure 
Trümmermaſſen mit Baſaltgeröll vermiſcht, welche man wegen ihrer 
Wildheit für die Wohnung des böſen Feindes halten möchte In 
der That aber war die Rhön vor Jahrtauſenden ein weites Krater: 
feld mit feuerjpeienden Bergen, daher dieſe fhauerlihen Trümmer 
und Felsgebilbe. 





Dieſe Volksfage enthält einen tiefen Sinn: fie lehrt ung, wie 
machtlos die Tüde des böſen Feindes ift, wenn man unter dem 
Schutze Gottes und feiner Heiligen ftebt. 


Toll Dittges. 


Zwiſchen der Milfeburg und der Hohen Rhön liegt ein 
mwohlhabender Dit Namens Ditges, in der Volksſprache Dittis 
genannt, von deſſen Einwohnern fich die Leute in der Runde viele 
feltfame Schnurren und Schnafen erzählen. Der ganze Ort dient 
dem Volswitz der Rhönbewohner feit langen Jahren zur Zielicheibe 
und es fol fih in ihm das Lalenbürgerthum erblich niedergelafen 
haben. Alle erdenklichen Krähwinkler, Schildbürger:- und andere 
dumme Streihe werden auf die Rechnung der Gemeinde Ditges 
geichrieben und fo ruht auf ihnen fort und fort der Fluch bes 
Lächerlichen in Schimpf und Spott. 

Nicht in der Abficht, die guten Leute von Ditges zu kränken 
oder zu beleidigen, fondern des Scherzes halber folgen bier einige 
Volksſagen von dort. 


Das Dittifer Beläute. 


Die Dittifer mögen fich gegen die ihnen aufgebürdeten Lalen: 
ftreiche fträuben, wie fie wollen, es hilft ihnen nicht®, denn ihre 
eigenen Kirchengloden rufen es ihnen allfonntäglih zu, was fie 
nicht gerne hören: 


252 


„Tal Dittis! Tall Dittis! Eu Narın!“ 
das heißt: Toll Ditges! Tol Ditges! Ihr Narın!* 

Wie es aber gefommen it, daß das Dittifer Geläute diefen 
Ipöttifhen und höhnenden Klang angenommen, mag wohl feinen 
Grund im Kirhenbau zu Ditges haben, von dem auch einige Volks— 
jagen erzählt werben. | 


Der Kirchenbau zu Ditges. 


Als die Kirche zu Ditges vollendet war, fand man, daß bie 
Fenfter vergeffen waren und jo fam es, daß Niemand vor Duntfel- 
heit darin aus einem Buche fingen oder beten konnte. Es würde 
nun lange hin= und berberathen, wie es wohl anzufangen jei, den 
Tag in die Kirhe zu bringen. Bon dem weiſen Ortsrat 
wurde nun beichlofien, einen erpreffen Boten nach Fulda zu ſchicken, 
damit diefer dem Magiftrat dortſelbſt die große Verlegenheit der 
Gemeinde Ditges mündlich vortrage oder fchriftlih überreihe und 
eriteren erjuche, ihm den Tag für die Kirche mitzugeben. Der Bote 
hatte, wie die guten Leute von Ditges alle, ein ſchlechtes Gedächt: 
niß; dennoch richtete er jo gut es ging, feinen Auftrag aus. Der 
Magiftrat in Fulda brauchte lange, um vor Lachen in die Beratung 
der Dittijer Angelegenheit einzutreten, gab aber dem Boten bie 
mündlide und jehr verftändige Antwort: „Sage den Dittifern 
unfern Gruß und fie ſollten nur hohe Fenfter in ihre Kirche machen, 
fo werde dann der Tag, welcher ſich nicht auf Wägen oder in 
Säden verſchicken lafje, ſchon von felbft Hineinfallen. Der Bote, 
dem diefer Sat für jein furzes Gedächtniß zu lange war, gedachte 
fih Hauptfählid das Hauptwort Fenfter zu merken, und immer 
vor fich Hinfprechend „Fenfter, Fenfter, Fenſter“ langte er auf dem 
großen Hutraſen oberhalb Ditges an, ftolperte und in demſelben 
Augenblide entfiel ihm auch noch das legte Wort, das er merken 
wollte. Als er wieder aufgeftanden war, juchte er eine ganze Weile, 
fonnte aber das Wort nicht wiederfinden. Traurig kehrte er nad 
Ditges zurüd und klagte feinen herben Verluſt. Da machte ſich 





253 


das ganze Dorf auf mit Haden und Schaufeln und grub nad dem 
verlorenen Wort. Es wurden tiefe Löcher gewühlt, bis fie endlich 
das Wort wieder fanden und den Tag in die Kirche nach Ditges 
brachten. Auf dem Hutrafen fieht man noch die Löcher, aus denen 
die guten Dittijer den Tag gruben. 





Die Weiberftühle, 


Bei dem berühmten Kirchenbau zu Ditges geihah es auch, 
daß ein großer Zweifel darüber entftand, wie breit die Stühle der 
Weiber zu machen feien und weil darüber guter Rath theuer war, 
fo wurde in ber Gemeinde beſchloſſen, die Stühle nach den Weibern 
abzumeljen. Daher mußten die jämmtlihen Frauen des Dorjes in 
der neuen Kirche ſich verfammeln, ſich auf die Bänfe ſetzen, und 
nun maßen Zimmermann und Tijchler dadurch ab, daß fie zwijchen 
zwei Frauen einen Strih mit Kreide machten, worauf die Schranken 
von Holz eingezogen wurden. Diejes that zwar eine Zeit lang gut, 
als aber jpäter manche Frau wegen des zu erhoffenden Kinder: 
ſegens ſehr Eorpulent wurde, und als die früheren Befikerinnen 

> allmählig abftarben und einem jüngeren Geſchlechte Pla machten, 
da war oft große Noth; denn manche dide Frau mußte fih nun 
mit fnapper Not, mit Aechzen und Stöhnen in den allzuengen 
Sitz hineinzwängen. Darum erfcholl fo prophetifch die Glodenftimme, 
al3 zum erjtenmale das volle Geläute vom Thurme erflang: | 
„Tall Dittis! Tal Dittis! Eu Narın!" 


— —— —  — nn 


Die verlorenen Steuerfimpla. 


Die Gemeinde Dittges bejaß an liegenden Gründen ein 
fehr großes Vermögen, war daher auch Hoch in der Steuer an— 
gelegt. Als nun einftens die hohe Landesohrigfeit neun Simpla 
der Steuern ausſchrieb, wurde ber Gemeindediener (wahrfcheinlich 


254 


derjelbe, welcher in Fulda den Tag holen follte und dem am Hut: 
rafen das Wort entfiel) zur Stadt gejandt, die geforderten neum 
Simpla einzuzahlen. Sein Weg führte ihn an einem tiefen Weiher 
vorüber. Es war fehr heiß und es drohten Gewitter. Im Teich 
ſchrien die Rühlinge mit ihren Häglihen Stimmen: „Acht! aicht! 
nicht! aiht! — Der Bote glaubte, fie wollten mit ihm bisputiren 
daß er blos acht Simpla trage und fehrie: „Nicht aicht, fondern 
nün!” (neun). Die Rühlinge fchrien aber immer fort: „Aicht, aicht, 
aicht, aicht!“ Darüber erbofte nun der Bote fo ſehr, daß er ben 
Geldfad nahm und ihn in den Teich warf mit den Worten: „Wenn 
ihrs beſſer wiſſet, ſo zählt e8 felber! Nün finds und nit aicht!“ — 
ALS nun von dem Falle des Beutel3 in das Wafler die Rühlinge 
plöglih verftummten, da rief der Bote triumphirend aus: „Nicht 
wahr, nun jehet ihr, daß ich Necht hatte und haltet das Maul!“ 
und fehrte zufrieden beim. Da nun aber damit keineswegs bie 
Steuerſchuld bezahlt war, fo ſchmerzte es die Leute jehr, daß ber 
Bote das Geld in den Teich geworfen hatte und gingen daher 
öfter hin und blidten wehmüthig hinein. Einft begab es fi, daß 
ein Dittifer an einem hellen Sommertage in ben fpiegelllaren Teich 
blidtee Da ſah er eine Schafheerde, (welche fih von einer nahen 
Anhöhe in der ruhigen bellen Fluth abſpiegelte. Voller Freude 
eilte er ind Dorf und verkündete, daß eine Schafheerde in dem 
Teiche fei. Wer bejchreibt den Jubel der Gemeinde Ditges? Als— 
bald beſchloß man, ſich für die verlorenen neun Steuerfimpla an 
den Schafen zu regrefliren und flugs zog der weile Rath von 
Ditges, den Schulzen an der Spike, dem Teiche zu. Ein Kleiner 
Nangftreit darüber, wer zuerft den Sprung in den Teich unternehmen 
müffe, wurde dahin entſchieden, daß diefe Ehre dem Schulzen ge: 
bühre. Diefer fprah: „Wenn ich rufe „Kommt!“ jo ſpringt ihr 
ale nah!” Damit jprang er hinein und das Waſſer ſchallte Plombs“ 
Die Dittifer hörten falfch und vermeinten, ihr Schulze habe „Kommt!“ 
gerufen und mit einem Satze fprang die ganze Sippſchaft nad. 
Keiner von ihnen kam wieder heraus und Schafe, Steuern und 
Gemeindeältefte blieben verloren. 


Der Boinzeküppel. 


Unweit Ditges Liegt ein Holzreiher, der Gemeinde gehöriger 
Derg, der Bonzenberg genannt, den das Volk fpottweife den 
Boinzefüpel heißt. Diejer Name fchreibt fi, wie die Volks— 
fage meldet, von folgendem Dittiſer Streihe her: Als einft auf 
diefem Berge das Gemeindeholz geſchlagen war und nun an die 
Nachbarn verteilt werden jollte, erhob fih ein Streit über das 
Längenmaß der Scheiter, welcher endlih dahin verglichen wurde, 
daß der Schulze fih auf jeden Stamm der Länge nah hinlegen 
folte, wo dann nad jeder Länge ein Zeichen eingehauen werden 
müſſe. Diefer Schulze (Vorfteher) führte num aus befonberen, den 
Dittifern mwohlbefannten Urjfahen den Spignamen Boinz Wie 
er nun mehreremal mit feinem Körper die Holzftämme zu richtiger 
Abklafterung gemefjen hatte, geſchah es, daß ihm ber Holzhauer, 
(ob aus Rachſucht und Bosheit oder aus Verſehen ift nicht befannt) 
den Kopf abſchlug. Da fiel der Körper vom Stamm, ber Kopf 
aber rollte den Berg hinab. Die Dittifer aber jchrien: Boinz oben, 
Boinz unten! Boinz hats Haid (Haupt) verloren!” und jeit jener 
Beit heißt der Berg oder Hügel der „Boinzefüppel.“ 


Die Ruh-Eier. 


Bor Zeiten gab es in Ditges noch feine Kühe, jondern lauter 
Ochſen; fein Wunder alfo, wenn fie auch gerne Kühe gehabt hätten, 
Siehe! da kam eines Tages ein Mann mit einem Sciebfarren in 
das Dorf und ruhte beim Brunnen aus. Da fragten ihn die Leute, 
was er denn in dem Korbe auf feinem Kopfe habe. Der liftige 
Schelm antwortete ihnen „Kuh-Eier.“ Darüber wunderten und 
freuten fih die Dittifer und riefen: „Ei! Ei! Kuh-Eier?“ Nun 
fragten fie auch nad dem Breife und der Fremde antwortete: „Ich 
laffe mi billig finden.“ Damit dedte er den Korb auf und bie 
frifchen weißen Quarkkäſe lachten die Dittifer an. Man wurde 


en —— 


256 


des Handels einig und die fchönften ausgeſucht. Unentgeltlich gab 
der Fremde noch die Belehrung, wie die Ausbrütung vorzunehmen 
jei, nahm feine Zahlung und fuhr von dannen, Nun wurde al3bald 
ein Neft gebaut und die Frau Schulzin und noch andere Fräftige 
Meiber als Bruthennen auserforen. Das Neft lag auf dem Berge 
über dem Drt. Als einige Tage während der gräßlichften Hitze 
gebrütet waren, entjtanden an den Käjen Maden, die Maden wuchſen 
zu großen Würmern und dieje biffen die brütende Frau Schulzin, 
jo daß diefe unruhig bin: und berrüdte, wodurch eines der Eier 
den Berg hinabrollte und in eine Hede fiel. In diefer Hede Hatte 
aber ein junges Häschen gejchlafen. Diejes jprang alsbald auf und 
ergriff in feiner Furcht eilig die Flut. Die Frau Schulzin aber 
vermeinte, e3 jei ein junges Kälblein, und lief und ſchrie ihm nad: 
„Händchen hierher! Hänschen hierher ! Kennft'n dine Moitt'r nich?“) 
Aber das Häslein ließ fich nicht aufhalten. Die übrigen Eier waren 
alle verbrütet, daher für diefesmal die Ditlifer noch feine Kuhfälber 
erhielten. 


— und Kilianskof. 


Im Amtsbezirk Biſchofsheim vor der Rhön liegt ein Berg» 
fegel, der Kiliansktopf, mandesmal auch Kilmannskopf 
und Kilbigskopf genannt. Dieſer Berg empfing feinen Namen, 
wie die Volksſage behauptet, davon, daß der heilige Kilian, als 
er die Chriftuslehre nah Franken brachte, auf diefem Hügel das 
Kreuz aufrichtete und den Einwohnern der Umgend das Evangelium 
verfündigte. Erſt gegen das Ende des 17. Jahrhunderts entftand 
dur; den Anbau öder Plätze der jegige Weiler „KRilianshof.“ 


Der Kreuzberg. 


Der himmelanragende Hochgipfel der Nhön, das ftolze weit» 
gekannte Niefenhaupt dieſes Gebirges ift der Kreuzberg. Er 


— — 





*) „Kennft du denn beine Mutter nicht?“ 





257 


wird der Urſitz des Lichtes der Chriſtuslehre genannt, deſſen Strahlen 
von.ihm aus über das alte Franfonien fich verbreiteten. 

Eine fromme Sage läßt den heiligen Kilian mit feinen beiden 
Gefährten Eolonat und Totnan zuerft diefe Gegend betreten, den 
heidniſchen Kult verdrängen und vernichten und das Sinnbild des 
Hriftliden Glaubens — ein Kreuz — auf den damals unwirtbaren 
Gipfel des Gebirges aufpflanzen. Doch vergingen Jahrhunderte, 
bis dieſer Berg feinen jegigen Namen empfing. Aſchberg nannte 
ihn das Volk, und e3 wäre nicht unmöglich, daß er ald Ajenberg 
in der Heidenzeit der germanijchen Frühe jchon den Ummohnern 
zu ihrem einfachen Naturtempeldienft, gleih andern Hochwarten 
deuticher Gebirge heilig geweſen ift. 

ALS das Jahr, in welchem St. Kilian mit feinen zwei Gefährten 
in biefer Gegend erihien, wird 668 angegeben. Sie fanden am 
Fuße des Berges friedliche Anfiedler, welche die Fremden, die famen, 
um das zu befehrende Land zu überſchauen und fennen zu lernen, 
gaftlich aufnahmen und mit offenen Gemütern den Verfündigungen 
laujchten, weldhe ihnen die heiligen Männer brachten. Bald ftrömten 
Hörer ihrer Lehre aus den Nahbargauen herbei und das Chriftentum 
begann Wurzel zu jchlagen. 

Und als die Gottesmänner in Würzburg den Martyrertob 
erlitten hatten, al3 dag Heidentum den jungen Baum der Chriftuß: 
lehre dort wieder mächtig überwucherte, jol in den Wäldern und 
Hainen um den Kreuzberg ſich die neue Chriftengemeinde heimlich 
zufammengefunden und den Heiland unter einem Kreuze ba gedient 
haben, wo jeßt das Kreuzbergkloſter fteht. 

Noh wird der Kilianshof am Fuße des Kreuzberges als die 
Stätte bezeichnet, welche dem Heiligen ein ſchirmendes Obdach ver: 
lieh, noch zeigt man den Kiliangfopf, wo er gepredigt, und den 
Heilbrunnen, aus welchem er die Heiden getauft haben fol. 

Die Jahrhunderte zogen vorüber, auch das Kreuz auf dem Aſch— 
berge ſank und erjt nach der Reformation ließ der glaubengeifrige 
Fürſtbiſchff von Würzburg Julius Echter von Mefpelbrunn ein 
neues fteinernes Kreuz an der Stelle des chemaligen errichten und 

Sagenſchatz. 17 


258 


verorbnete, daß an kirchlichen Feittagen einige Priefter auf dem 
Berge Gottesdienft halten follten, dem dann fromme Wallfahrer in 
Schaaren zuftrömten. Eine einfache dürftige Kapelle erhob fid 
und in ärmliden Hütten mußten fich die Geiftlichen gegen die oft 
rauhe Witterung fehirmen. Im Jahre 1644 erbaute Fürftbijchof 
Johann Philipp Graf von Schönborn ein Kleines Klofter in Bi: 
ſchofsheim für ſechs Franziskaner, welche im Winter dort, im 
Sommer aber auf dem Kreuzberg wohnen follten, und im Jahre 
1679 wurde unter dem Fürftbiichof Peter Philipp von Dermbad 
eine räumlichere Kirche und ein Klojter für zwölf Conventualen am 
nördlihen Bergesabhang, nahe dem Gipfel erbaut. Die Wallfahr: 
ten wuchſen und das Kiofter blieb erhalten als ein Denkmal der 
Einführung des Chriftentums durch den Apoftel des Frankenlands. 
E3 wurde im Laufe der Zeiten verbeflert und erweitert und ift 
heute noch, wenn auch mit bedeutend verminderter Anzahl der 
Patres (nur noch zwei) den Frommen eine hochverehrte Stätte, 
den Naturfreunden ein willkommenes Aſyl und Hoſpiz, mo jeder 
Fremde, ohne Unterfchied der Confeffion, mit der banfenswerteften 
Baftlichkeit und Freundlichkeit fich aufgenommen und bewirtet fieht. 
Ein riejengroßes Holzkreuz, welches von Zeit zu Zeit der Erneu: 


erung bedarf, ragt viele Meilen weit fihtbar vom höchſten Punkte 


des Berges empor und gibt der alten Sage, daß von dieſer Höhe 
dad Ehriftentum den Bewohnern Frankens eben jo geleuchtet, wie 
von der über Altenberga im Thüringerwald durch Bonifazius den 
Thüringern, eine würdige und jchöne Beftätigung. 


Bilhofsheim vor der Khön. 


Nahe am Kreuzberge liegt, von drei Seiten von hohen Bergen 
umſchloſſen, das uralte Städtchen Biichofsheim (mit dem Beinamen 
„vor der Rhön“ zum Unterfchied von dem Stäbthen Bilchofsheim 
an der Tauber.) Als der heilige Kilian mit feinen Gefährten das 
Ehriftentum in dieſe rauhen Gegenden brachte, fand er, der Sage 


er 


4 





259 


nach, zuerft hier ficheren Aufenthalt und friedliches Obdach. Darum 
wurde das Haus jener Anfiebler, die den hoben Fremdling beher: 
bergten, das Biſchofshaus genannt und als die Zahl der 
Häufer zu einem Orte erwuchs, empfing diefer den Namen Bi- 
\hofsheim Auch in jpäterer Zeit genoß Biſchofsheim rühm— 
liher Auszeichnung dadurch, daß Lioba, die fromme Schweiter des 
beiligen Bonifazius, fih von ihrem Aufenthaltsorte Kiffingen dort: 
bin begab und eine Zeit lang dort mohnte Bon dem hohen 
Altertum des Städtchens, welches Ihon im Jahre 1270 mit Mau 
ern umgeben war, zeugt noch ein Thurm im byzantiniſchen Bauftyl 
am Nentamtsgebäude, welcher wohl früher ala Kirchthurm zugleich 
diente. 


— 1 — — — 


Abt Fingerhut. 


Eben im vorerwähnten Jahre 1270 reſidirte zu Fulda ein 
wackerer Abt, Bertho II. aus dem adeligen Geſchlechte von Lei« 
polz, welcher zuerſt ein Spott, ſpäter aber ein Schrecken der 
die ganze Rhöngegend bedrückenden und unſicher machenden Raub— 
ritter war. Wegen ſeiner kleinen Geſtalt gaben fie ihm den Spott: 
namen Fingerhut und trieben ihr zügellojeg MWeien ohne Scheu 
fort. Der Abt, der gerne jeinen Unterthanen Ruhe verihaffen 
wollte, wandte fih, um Hilfe bittend, an den Fürftbiichof von 
Würzburg, jedoh ohne den gewünſchten Erfolg, Da fammelte er 
feine Dienftmannen, und da ihm verfundichaftet wurde, daß dieſe 
Nitter zum Zeil unter fich ſelbſt uneins jeien, und gegen den 
Nitter Hermann von Ebersberg verbunden, fih in Bifchofsheim 
verjammelt hielten, von wo aus, als einem ficheren ummauerten 
Drte, fie ihre Raubzüge auch hinüber ins Fulda’iche Gebiet unter: 
nahmen, jo rüdte er raſch vor Biſchofsheim, eroberte das Städtchen 
und nahm die Schnapphähne (NRaubritter) jammt und ſonders 
gefangen. 

Er ließ die Gedbemütigten zwar am Leben, prägte ihnen aber 
mehr Reſpekt vor dem Eigentum Anderer und vor feiner, zwar 

17* 


260 


fleinen, aber mutigen und tapferen Perſon ein, fo daß fie gelobten, 
in Zufunft vor dem Abt Fingerhut alle mögliche Scheu zu tragen. 
Ihrem Verſprechen kamen fie aber nicht nah. Dieſer tapfere Abt 
zerftörte daher die Bergichlöffer Niederichleiz, Frankenftein bei 
Salzungen, Wartenburg in Franken, Schwarzenfel3, Eiſenbach, 
Rodenftuhl bei Geifa und Blantenwald. Die Burg Haſſelſtein 
faufte er und andere Burgen befeftigte er durch Gräben und Um— 
wallungen. | 


* 


Die Oſterburg. 


Am Fuße des Kreuzbergs, gegen Biſchofsheim hin, liegen 
die geringen Ueberreſte einer Burg, welche einſt, nach ihrer Umwal— 
lung zu ſchließen, einen bedeutenden Umfang gehabt haben muß. 
Die Geſchichte dieſer Burg iſt in Dunkel gehüllt; eben ſo wenig 
kennt man ihre ehemaligen Beſitzer. Doch will die Volksſage 
wiſſen, daß ſie das Stammſchloß des Biſchofs Heinrich IV. von 
Würzburg geweſen ſei, welchen man feiner ſparſamen Hofhaltung 
wegen „Käs und Brod“ nannte Sie fand ihren Untergang in 
den Zeiten wilder Fehden, welche die Beſitzer diefer und der Nachbar: 
burgen miteinander führten, deren Streben fein anderes zu jein 
ſchien, als fich gegenfeitig aufzureiben. 

Die genannte Dfterburg erhielt ihr Trinkwaſſer von einer 
Duelle des nahen Arnöberges, welche an der Stelle entiprang, wo von 
Hafjelbah aus der Weg nah Wildfleden führt. Als nun ber 
Feind die Burg, wiewohl lange vergebens belagert hielt, fand ſich 
ein alte® Weib, (welches von den Nittern der Dfterburg mochte 
gefränkt oder mit Geld beftohen mworben fein), welches den Bela: 
gerern die unterirdiihe Wafjerleitung entdeckte. Hierauf grub ber 
Feind den Belagerten das Waller ab und zwang fie jo zur Weber: 
gabe, worauf die Burg bis auf wenige Trümmer zerftört wurde. 

Die Bewohner der Gemeinde Oberweiſſenbrunn (Filialdorf von 
Biichofsheim) erzählen die Sage verändert alfo: Lange lagen bie 
Belagerer vor der jehr feſten Ofterburg und vermochten nicht, fie 





261 


zu erobern. Da geichah es, daß das Pferd eines Reiters, der an 
einer gewiſſen Stelle hielt, zufällig beftig ftampfte, wodurch ein 
Teil ded Bodens unter ihm einſank. So wurde die Wafferleitung 
entdedt, vom Feinde abgegraben und die Burg zur Uebergabe ge: 
zwungen. Eine Strede vor dem Stadtthore zu Biichofsheim wurde 
noch ein Säulenfapitäl gezeigt, welches von der zerftörten Ofter: 
burg und aus der Zeit des achten oder neunten Jahrhunderts ber: 
rühren fol, 


Die Schwedenfchanze. 


Nicht ſehr weit von Biichofsheim liegt auf ziemlicher Berges: 
böhe die Shwedenfhanze in Form eines Sechsecks, mit Wällen 
und einem über den Semmelberg ſich meithin ziehenden tiefen Gra— 
ben, welcher nielleicht ala Laufgraben benüßt wurde, noch heute bes 
merfbar. In dieſes Lager hatten die Schweden, welche als bie 
graujamften Barbaren in Feindes- wie in Freundesland hauften, 
und, obgleich fie zum Schuß der Proteftanten nach Deutichland ge: 
führt worden waren, bei ihren greuelvollen Mißhandlungen der 
Bewohner deutfcher Länder feinen Unterjchied zwiſchen Katholiken 
und Proteftanten machten, ſich zurüdgemworfen, nachdem fie bei Nörd— 
lingen unterlagen und 1634 aus Würzburg, Schweinfurt und Kö: 
nig3hofen vertrieben worden waren. Bon bier aus führten fie, dur 
das Gebirge und ihre ftarfe Verfhanzung geſchützt, noch bis zum 
Sahre 1648, in welhem Sahre bekanntlich der Weſtfäliſche Friede 
geichloffen wurde, ihre Raubzüge, Erpreffungen und rohe Erzefie 
aus und es ift nicht zu wundern, wenn auch in biejer Gegend das 
befannte Sprüchlein als Schredenswort gegen biejen rohen unb 
unmenfchlichen Feind verbreitet war: 

„Bet' Kindle bet’, 

Jetztund kommt der Schwed', 

Jetztund kommt der Drenftiern, 

Wird die Kindle bete lehr'n.“ 
i Die ſchwere Schwebennot lehrte übrigens auch die alten Leute 
eten. 


262 


Die Glocke von Burg Kavenſtein. 


Nahe dem Kreuzberg und dem Dammersfeld liegen die Raven: 
fteine oder Rabenſteine, auf denen nad der Volksſage ehedem 
Burgen ftanden, von denen jeßt nicht mehr als wüſte Trümmer: 
haufen zu fehen find. Es waren Raubnefter, welche in den Kämpfen 
des Mittelalterd zerftört wurden. Einft geichah e3, daß ein Wild: 
ihmwein anf der Ravensburg eine Glode aus der Erde mühlte, 
welche einen beionberen Klang hatte. Nach manigfahem Streit der 
Nachbarorte, welche alle Anipruh auf die Glode machten, wurde 
biefelbe nah Schondra verbradt, wo fie heute noch geläutet werden 
wird. 


Die verfunkenen Dörfer. 


Auf dem Rüden der hoben Rhön, da wo jet das rote und 
das ſchwarze Moor ihre weiten und grundlojen Sumpfitreden aus: 
breiten, lagen vor alter Zeit zwei Dörfer. Das auf dem roten 
Moor hieß Poppenrode, von welchem die Volksſage meldet, 
daß es in Folge fittenlojen Lebens feiner Bewohner oder in Folge 
eines ausgeiprochenen Fluches verjunten jei. Das auf dem ſchwar— 
zen Moor hieß ſchlechtweg Moor. E3 joll auf gleiche Art unter: 
gegangen jein, wie Poppenrode. Es iſt nichts mehr davon übrig, 
als eine Art baſaltiſchen Pflafters, das die Ahönbewohner nur die 
fteinerne Brüde nennen und die fogenannte Moorlinde, die 
man als die Dorflinde des verjunfenen Dorfes betrachtet. 

Früher zeigten fih, wie die Volksſage berichtet, des Nachts 
auf beiden Mooren die jogenannten Moorjungfrauen in Ges 
ftalt glängender Lichterſcheinungen. So ſchweben oder flattern fie 
über die Stätte ihre ehemaligen Wohnfiges. Oft famen auch ihrer 
zwei oder drei nah Wüſtenſachſen und mifchten fich unter die 
Kirchweihtänzer, fangen auch wohl gar lieblich, blieben aber nie über 
die zmwölfte Stunde. Wenn die Zeit ihres Bleibens herum war, - 
fam jedeömal eine weiße Taube geflogen, welcher fie folgten. Singen 


263 


wanbelten fie in den nächften Berg hinein und entihwanden den 
Augen der Nachblickenden oder neugierig Nachfolgenden. 





Es ift tief im Rechtsgefühl der Menichen begründet, daß für 
das fittenloje Leben einer Gemeinde eine gebührende Strafe ſchon 
auf dieſer Welt folgen müffe. Es möge daher jedermann den ſchönen 
Spruch beobachten: „Thue Recht und fürchte Gott!“ 


Die Mloortänzerinnen. 
(Variante der vorhergehenden Eage.) 


Aus dem verfunfenen Dorfe Boppenrode waren nur zwei 
tugendhafte Jungfrauen übrig geblieben, welche daher Gottes Straf: 
gericht verjchont hatte. Einft aber gingen fie nah Wüſtenſachſen 
zum Tanze, ließen fich allaufehr vom Vergnügen verloren und da— 
rauf find fie auch plößlich binmweggefommen. Sie wurden eifrig 
geiucht, waren aber nirgens zu finden. Den Suchenden erjchien ein 
Engel, der ihnen offenbarte, daß ihr Suchen vergeblid jei. Sie 
follten vielmehr eine Rute nehmen und mit berfelben in's rote Moor 
Ichlagen. Wenn fih Blut darin fände, wäre alles Suchen vergebens. 
Man thats und fiehe! es zeigte fich in der That Blut, Die Jung: 
frauen wurden nie wieder gejehen. 


Bon der Sildenburg. 


Ueber den Dörfern Haufen und Stetten, dem Gipfel ber hohen 
Rhön nahe, und da, wo man nach den beiden Mooren geht, Liegt 
ein Bauerngut, der Hildenberger Hof, auch Hillerhof, 
Hilmerer Hof genannt, neben der NRuinenftätte der alten Hil- 
denburg, eines Schloffes, da3 feinen Namen von der frommen 
Hiltiburg erhalten haben joll, welche dem gelehrten und berühmten 


264 


Abte von Fulda Rabanus Maurus beträchtliche Güter in der Rhön 
und im Niedergau ſchenkte. Auf der Hildenburg baufte ein 
Dynaſtengeſchlecht, welchem der ganze Bezirk der Würzburg’ichen 
Landgerichte Hilderd und Fladungen und dad Sahfen-Weimar-Ei: 
ſenachſche Amt Lichtenberg gehörte. Doch das reiche Gejchleht er: 
loſch. Sein letter Sproß, eine Tochter, Adelheid mit Namen, 
wurde die Gemahlin Dtto 111. Grafen von Henneberg-Botenlaube, 
welcher ein Minnejänger und der Gründer des Klofterd Frauenrode 
war. Auch dieſe beiden Gatten entiagten den Freuden der Welt 
und wibmeten fih in Klöftern dem geiftlihen Stande, Ihre Namen 
find verflungen und die Volksſage erzählt nur von Schäßen, welche 
unter dem Ruinenſchutt der Hildenburg vergraben fein jollen, von 
mwandelnden Männern und Frauen in Mönchs- und Nonnentradt, 
welche bisweilen über die langgedehnten Bergeshalden und Triften 
ber hohen Rhön nach den Mooren und von dba nad) der Burg zu— 
rüdfchreiten und denen Feuermänner fladernd voranleuchten. Zange 
fol die Hildenburg geftanden fein, big fie im Bauernfriege 1525 
mit anderen Henneberg'ſchen Schlöffern zeritört wurde und zwar 
aus Nahe der Bauern von Baftheim, bei denen man nad 
Luther geforjcht hatte, um ihn aufzuheben. 


Der Bangolfsberg und das fteinerne Haus. 


Zwiſchen der Hildenburg und Oberelsbach liegt der Gangolfs— 
berg mit den Trümmern des Gangolfsflofters ober einer 
natürlichen Felfengrotte, welche der Gangolfskeller heißt, Auch 
dieſes Klofter wurde im Bauernkriege zerftört. Nicht weit davon 
ift das fteinerne Haus, über dem Dörfhen Ginolfs bei 
Weißbach gelegen. 

Es ftellt jich hier eine Bafaltzertrümmerung in höchſt maleriſch 
übereinander aufgehäuften Säulen in großer Negelmäßigfeit bes 
fünf: und ſechskantigen Gefteins dar, bas zu 14 mı hoch aufge- 


265 


gipfelt if. Von dieſem fteinernen Haufe erzählt die Volksſage 
folgendes : 

Einft wollte man: unten im Thale eine Kirche bauen. Darüber 
ergrimmte der Teufel dermaſſen, daß er jede Nacht eben fo viele 
Steine vom Bauplage hinweg auf dieſe Bergeshöhe ſchaffte, wo er 
fie jo nebens und ineinander jchlichtete, wie wir fie jeßt jeben, daß 
man feinen davon hinwegnehmen konnte und fein Menſch vermochte 
die Steine wieder hinweg zu ſchaffen. — 

Im Sabre 1803 erfror in der Nähe des fteinernen Hauſes 
ein armer Taglöhner aus Willmars, Namend Mathäus Rottmann 
mit feiner fünfzehnjährigen Tochter Marie Katharina. Sie hatten 
auf der armen Rhön gebettelt. Die treue Tochter hatte dem fterbenden 
Bater ihre Haube aufgejegt, ihn mit ihren bürftigen Kleidern und 
mit ihrem Körper bevedt und mit ihren Armen umfchlungen. Als 
man ihre Leichen fand, hingen noch die Zähren Eindlicher Liebe ge: 
froren an ihren Wangen. Sie ruhen in Oberelsbach begraben. 

Welch' ſchönes Beiipiel treuer Kindesliebe! 


Die Teufelsmühle. 


Etwa eine Stunde von Bifchofsheim liegt in einer ſchauerlichen 
Gebirgsſchlucht an einem Bergbache, der fich zwiichen dem Holzberg 
und Bauersberg über eine mehr als 25 m hohe Feldwand als 
Waſſerfall herabftürzt und das Schwarzbacher Wajfjer bildet, 
ein tiefes SFeljenbeden — die Teufelgmühle In demielben 
werben oft bei angejchwollener Flut große Steine zermalmend und 
unter wilden Strudeln und Wirbeln umgetrieben. Man mill bei 
Gemittern oft einen rieligen jchwarzen Mann geichäftig die Fels: 
wand auf: und abklimmen und in wilden Sprüngen um jeine 
Mühle rennend gefehen haben. 

Sollte ſich dieſer Müller, wie fo manche andere, betrügerifcher 
Meile am Mahlgut vergriffen haben und nach der Meinuug bes 
Volks nach feinem Tode feine Ruhe haben? 





266 


Der Spiel- oder Loosberg. 


Als auf Befehl des Abtes Bertho II. von Fulda das Haupt 
des Ritters von Eberöberg unter dem Schwerte des Scharfrichters 
gefallen war, ſchwuren nit nur die Brüder des Hingerichteten: 
Albert und Heinrih von Ebersberg, diefem Abte blutige Rache, 
jondern fie reizten auch alle ihre Freunde und Genofjen an, Teil 
nehmer dieſer Rache zu fein. So ſchloſſen ſich ihnen an die Ritter: 
Gyjo von Steinau, Albert von Brandau, Gyſo von Schentwalb, 
Eberhard von Spala, Konrad und Berthold von Lüpplen und 
Konrad von Rasdorf. Durch einen Eid verbanden fie fih ben 
Abt Berthold 11. zu ermorden, und wäre e8, wenn fie nicht anders an 
ihn fommen fönnten, ſelbſt am Hochaltar. Der Sage nah mür: 
jelten oder looften die Verſchworenen darum, welder von ihnen 
jeine Hand an den Gejalbten des Herrn legen ſolle. Insgemein 
wird von dem Volke die Stätte einer alten Warte unweit Ebers— 
berg, der Wachtküppel genannt, als diejenige bezeichnet mo 
diejes frevelhafte Spiel ftattgefunden habe, weswegen der Wacht— 
füppel von manden auh Loosberg genannt wird. Wieder andere 
behaupten aber, dag Würfelipiel habe am Abtsroder Gebirg 
auf der hohen Waſſerkuppe ftattgefunden, weshalb diefer Berg aud 
den Namen Spielberg oder Pfaffenberg erhalten babe. 
Endlich aber nennt die, über die Thatiache des Spieles feftwurzelnde 
Sage auch die Burg Steinau, wo an einem Brunnen gewürfelt 
worden fei, an welcher Stelle nah geichehenem Meuchelmorde 
nie wieder ein Grashalm gewachſen jei. 


Die Kitter von Steinau, 


Die Burg Steinau, wo ſich nach einer glaubhaften Sage bie 
Ritter zum Mord des Abtes Bertho II. verſchworen, lag nörblid 
von Fulda im Buchoniichen Gefilde und jah in ihren Mauern viel 
des Berderblihen und Blutigen. Gyfo von Steinau war es, 


ORT > ER | 


267 


den das Loos traf, Mörder des Abtes zu werden, doch gelobten 
alle Verbündeten ihre blutige Hülfe. 

Am 15. April 1271 kamen die Verſchworenen in Fulda zu: 
jammen und traten, unter dem Scheine, beten zu wollen, in bie 
Kapelle des heiligen Jakob, welche der Abt Bertho erjt kurz zuvor 
hatte erbauen laffen und in welcher er ſoeben das Hochamt bielt. 
Auf ein Zeichen des Ritters Gyfo von Steinau wurde der Abt 
überfallen, ein Schwert nah dem andern bohrte fich in feinen Leib 
und von 26 Stichen getroffen verblutete er am Altare. Eilig 
warfen fih die Mörder in der entjtandenen Verwirrung auf ihre 
zur Flucht bereitftehenden Roſſe und ritten nah Steinau, wo fie 
Schuß fanden aber nicht lange; denn raſch hatte der Convent von 
Fulda in feiner Bedrängnis einen neuen Abt gewählt: Bertho III. 
von Madenzel, welcher mit gewaffneter Hand fih aufmachte, das 
Blut feines Vorgänger an feinen Mördern zu rähen. Da fi 
diefelben in der Burg Steinau nicht zu halten vermochten, jo flohen 
fie nah Hafel und Hajelftein, wo das Schickſal fie erreichte. Zwar 
wurde in diefem Kampfe die Burg Steinau nicht zerftört, weil Gyſo's 
Bruder genannt Hermann der Lange, feinen Anteil an dem Meuchel: 
mord genommen hatte, Doch erwachte in Hermann das Gefühl der 
Rache für jeinen graufam bingerichteten Bruder. Er begann Fehde 
gegen den Abt von Fulda, in deren Folge jein Anteil an der Burg 
feiner Väter zerftört wurde. Noch fteht in dürftigen Weberreften 
ein Teil der ritterlihen Feite, von armen Anjievlern bewohnt und 
es erzählt die Sage, daß die Stube des einen Bauern die ehemalige 
Burgfapelle geweſen jei. 

Unter einem Eckſtein des Hauſes, etwa einen Meter über dem 
Erdboden, welder das räthjelhafte Zeichen 80 M (adhtzigtaufend) 
trägt, fol ein Schaf von fo viel taufend Gulden verborgen Liegen, 
dazu beftimmt, das alte Schloß neu aufzubauen. 

Auh wird immer noch der Brunnen gezeigt, um welchen 
herum fein Gras wächſt. 


Kein Verbrechen bleibt ungeftraft. Haltet daher eure Hände 
rein von jeder Schuld! 





268 


Bon der Burg Haſelſtein und der Kitter Schmad. 


Unter den buchoniſchen Vorbergen ber Rhön zeichnet fich ber 
geſchichtlich denkwürdige Hafelftein als Stätte einer ehemaligen 
Nitterburg, über dem Dorfe Hajel, durch feine fteile Pyramiden: 
form, feine ifolirte Lage und feine pittoregt — romantifhe Aus: 
fiht aus. Nur geringe Mauerreſte zeigen noch den ehemaligen 
Wohnſitz des längft verichollenen Rittergeſchlechtes, das einft dieſe 
Burg bewohnte, die eine der älteften Buchoniens war. Auch die 
Bewohner diejer Burg waren Straudpritter (Wegelagerer) und 
Abt Erlolf war e3, der jene Ritter vertrieb, nachdem er ihre und 
die Milfeburg erobert hatte, Doc verjöhnten fi die Ritter 
von Hafelftein mit der Kirche und erlangten ihren Wohnfig wieder. 

Dit wechſelnd war jpäter die Burg Hajelftein bald in dem 
Befige der Ritter, bald in dem des Abtes von Fulda, der fie in 
die Obhut bejonderer Burgmänner gab. In der unglüdlihen Abt: 
fehde geihah ed, daß die Mörber des Abtes Bertho II. auf dem 
Hafelftein eine Zuflucht ſuchen wollten, ala ber tapfere Abt Bertho III., 
fie verfolgend, ihnen mit feinen Mannen hart auf ben Ferjen 
war. Der ganze Haufen, den fie mit ihren Anhängern und Knechten 
bildeten, beftand aus 22 Berittenen und 30 Leuten zu Fuß. Sie 
fielen fjogar mit Pferden in die Kirche des Dorfes Hafel und 
beraubten dieje, verjpäteten fich aber hiebei jo, daß der nachſetzende 
Abt ſie dort überfiel. Zwar verrammelten die Raubritter bie 
Thüren des Gotteshaufes, aber die Verfolger fprengten biejelben 
und es wütete num in den heiligen Räumen des Gotteshaujes ein 
furchtbares Blutgeriht und Gemetel unter den Eingejchloffenen. 
Gyſo von Steinau war ber erfte, der feine Schuld mit dem Leben 
bezahlte, indem er vor der Thüre erfchlagen wurde. Härtere Schmach 
traf die Gefangenen: fie wurben in Ketten nach Frankfurt gebracht, 
wo fie auf Befehl des Kaifers lebendig geräbert wurden. Darauf 
wurde verfügt, daß alle Nachkommen aus dem Geichlechte Ebersberg 
ftatt ihres bisherigen Wappens brei Räder führen und fich nicht 
mehr von Ebersberg fondern von Weyers nennen jollten und 


369 


die von Steinau mußten ihren Namen in Steinrüd um— 
wandeln, 

Die Burgen Hafelftein und Ebersberg wurden gefchleift 
und der Erde gleich gemadht. 


Burg und Dorf Poppenhaufen. 


Poppenhaujen liegt dit am Fuße des Ebersberged. Dort 
bauten die Herren vom Eberöberg in Verbindung mit denen von 
Steinau, als ihre Burgen zerftört und verlafjen waren, eine neue 
Burgfefte, welche fie auf alle mögliche Weije ſtark und unangreif- 
bar machten, obmohl fie nicht auf einer Bergeshöhe lag. Die 
Ritter, welche dieſe Burg bewohnten, vergaßen die blutigen Nieder: 
lagen und jchimpflichen Demütigungen, welche ihren Ahnen (Bor: 
fahren) widerfahren waren und trieben gleich jenen, wieder Straßen: 
raub und gefährlihe Schädigung im Fuldaifhen, Fränkiſchen und 
Thüringiſchen. 

Das Schloß in Poppenhauſen war ſo feſt, daß es den 
zur Unterdrückung der Raubritter 3 Verbündeten: nämlich dem Land— 
grafen von Thüringen, dem Biſchof Gerhard von Würzburg und 
dem Abt Konrad von Fulda nicht gelang, ſie zu überwältigen. 

Erſt im Jahre 1459 gelang es dem Abt Reinhard, Sieger 
über die Raubritter zu werden und ihr Schloß zu Poppenhauſen 
zu erobern und zu brechen. 

Späterhin hat ſich der genannte Ort zu gutem Wohlſtand er— 
hoben und heißt heutigen Tages wegen ſeiner vielen Wirthshäuſer 
und ſonſtiger Qualitäten — Munterkeit der Bewohner — in der 
ganzen Umgegend nicht mehr Poppenhauſen ſondern Poppen— 
luſtig. 


Das wackere Edelfräufein. 


Auf der Eberszwackel, dem Auersberg und noch einer britten 
nachbarliden Bergfefte ſaßen einft drei Ritter, von denen die 


270 


beiden erften fih gegen den britten zu Kampf und Fehde verbunden 
batten. Sie eroberten deſſen Burg, zündeten fie an, und töteten 
alles, was vor ihr Schwert fam. Nur einer treuen Magd gelang ed, 
obihon verwundet, den Sohn ihres unglüdlihen Herrn zu retten, 
indem fie mit demfelben entfloh. Sie gelangte auf die Rhön, 
wo fie nicht weiter zu gehen vermochte, jondern mit dem Kinde 
fterbensmüde niederfiel. Schon glaubte fie fih und das Kind 
verloren, da jandte Gott einen Franzisfaner des einfamen Weges. 
Der fand die Todkranke, hörte fie Beichte und empfing von ihr 
das hülfloje Kind. Bon ihm gejegnet ftarb fie. Der Mönch über: 
gab das Kind, ein roſiges Knäblein, einem Bauern zur Pflege ber 
es groß 309. | 

ALS Jüngling kam er in die Dienfte eines alten Ritters, der 
ihn jehr lieb gewann und nicht wußte, daß jener der Sohn jeines 
Feindes war, deſſen Burg er jelbit zerftören half, denn er war der 
Ritter von Ebersberg. Er Hatte auch eine junge liebreizende 
Tochter. Zu diefer entbrannte der Edelfneht in übergroßer Liebe. 
Dieje liebte den jungen Edelknecht ebenfalls, ohne zu wiſſen, daß er 
der Sohn eines ebenbürtigen Ritterd war und wurde von ihm eben jo 
beiß mwiedergeliebt. Da brach eine heftige Fehde gegen den Fürften: 
abt von Fulda los, an welcher auch der junge Grafenjohn teilnahm. 
Die Fehde fiel zum Nachteil der Ritter aus, denn fie wurden faft 
alle gefangen, darunter auch der Geliebte de3 Edelfräuleind. Die 
liebende Jungfrau jedoh war ftarf und mutig und es gelang ihr, 
den Geliebten aus dem Kerfer zu befreien. Später fam er noch— 
einmal in Gefangenfhaft und wurde zum zmweitenmale durch die 
entichlofjene Thatkraft des Edelfräuleins gerettet. Später wurden 
beide dur den Segen der Kirche ehelih verbunden und lebten viele 
Sabre in ungeftörtem Glücke. 


— — — — — — 





271 


Dom Guck-Ei. 


In der Nähe von Meyers liegen viele Einzelhöfe. Einer der- 
jelben beißt Gudei und von ihm weiß die Volksſage folgendes 
zu berichten: 

Es lebte dort in der Nähe ein junges Liebespaar. Der 
Süngling, der ein armer Menich war, wohnte auf den Einzelhofe. 
Das Mädchen aber war die Tochter des reichen und ftolzen Ritters 
von Ebersberg, genannt Weyhers, welche den armen aber bildfchönen 
Süngling über alle Maßen liebte. 

Die beiden Liebenden gaben ſich manches trauliche Steldichein 
in einem Wäldchen zwilchen dem Hofe und der Burg des Ritters. 
Lange wußte feine Seele von diejer heimlichen Liebe, allein endlich 
fand fih doch ein Verräter, der fie entdedte und den Vater des 
Mädchens davon in Kenntniß ſetzte. Dieſer ließ Sich jeboch 
nicht3 merken und feine Tochter nur heimlich beobachten. Doch auch 
diefe nahm wahr, daß ihre Liebe entdedt worden jei und verab— 
redete ein Zeichen mit dem Geliebten, nah welchem er fich richten 
und vor Gefahr hüten ſollte. Wenn fie, wie gewöhnlih, ihren 
Spaziergang außer der Burg machte, jpähte fie Togleich umher, ob 
ihr Fein Laufcher nachichleihe und barg jedesmal, wenn Gefahr 
drohte, an einer beftimmten Stelle ein Ei unter einem Steine, worauf 
fie fich fogleich entfernte. Fand nun der Freund das Ei, jo ent: 
fernte auch er fi eilig; fand er aber feines, jo eilte er in die 
Burgnähe in die Arme feiner Geliebten. Eines Tages geihah es, 
daß der Ort ber ftillgeheimen Liebe mit Spähern umftellt wurde, 
bald nachdem das Fräulein fih nach jener Stelle begeben und das 
Ei unter den Stein gelegt hatte. Diesmal war man ihren Schritten 
gefolgt, neugierig ſahen die Reiffigen umher. Einem derjelben fiel 
der Stein auf, er jchritt darauf zu, hob ihn auf, erblicdte dag Ei 
und rief voll Erftaunen: „Gud’n Ei!" nahm auch das Ei hinweg 
und verzehrte ed. Bald darauf fam der LXiebende, erhob ebenfalls 
den Stein und fand an dem fehlenden Ei das Zeichen der Gefahr: 
lofigkeit. Ahnungslos näherte er fich dem traulihen Wäldchen. Dort 


2372 


ftürmten die Neiffigen mit dem wilden Geſchrei: „Bud Ei!” auf 
ihn ein und durchſtachen den Wehrlojen mit ihren Spießen. Er fiel 
in jein Blut und gab auf der Stelle feinen Geift auf. Als das 
Fräulein die Schredensfunde vernahm, durchſtach fie fih das Herz 
und ftarb, Später wurde dort der Hof erbaut und nad biejer 
traurigen Begebenheit Gudei genannt. Die Volksſage erzählt, 
daß der Schatten der beiden Liebenden dort noch wandere. 


Dom großen Auersberg. - 


Der große Auersberg, der fich neben dem Dammersfeld über 
den Silberhöfen nah Brückenau zu erhebt, ift für die Rhönbewohner 
einer ihrer vielen Wetterpropheten. Wenn fein Gipfel dampft, ja 
wenn nur das geringfte Nebelwölkchen in Geftalt einer Kleinen 
Rauchſäule auffteigt, jagen fie: „Aha, die Gräfin Karolina kocht 
wieder Kaffee!" Das heißt, wir befommen Negen. Wer aber dieſe 
Gräfin Karolina gewejen, läßt fich nicht ermitteln. Häufiger hört 
man von diefem Berg noch den Ausipruh: „Hat der Auergberg 
einen Dunft nur jo groß wie ein Butterfaß, jo macht er den Bauern 
den Budel naß.“ 

Eines Tages wurde am Auersberg eine auffallende und jeltene 
meteoriihe Erjcheinung wahrgenommen und zwar im Juli bes 
Jahres 1797 mittags gegen 12 Uhr. Da bildete fich bei heiterem 
Himmel faft oben auf der Kuppe, auf der Seite des Ginngrunds 
zu ein Fleiner blauer Dunft, dev fich plöglich unter einem fürchter- 
lihem Knall, gleich dem beftigiten Donnerſchlag entzündete und in 
einem Augenblid einen ftarfen Plagregen, den ein brüllender Sturm 
begleitete, in da3 Sinnthal goß. 


Burg Ebersberg oder die Eberszwachel. 


Eine Stunde von Gersfeld liegt auf einem bochragenden Ba— 
Jalthügel die weit fichtbare und jchöne Ruine von der ehemaligen 


— — — 


273 


Burg Ebersberg vom Volke auch Eberszwackel genannt. 
Hier hauſte in der Vorzeit ein tapferes Rittergeſchlecht, welches ſich 
nach dieſer Bergfeſte ſchrieb und nannte. Unter allen dieſes Ge— 
ſchlechts zeichnete ſich beſonders als einer der trotzigſten Her mann 
von Ebersberg aus. Dieſer war es auch, welcher fort und 
fort mit dem Abt Bertho II. von Fulda, den die Ritter wegen 
feiner fleinen Geftalt jpottweife nur Abt Fingerhut nannten, 
in Kampf und Fehde lag, aus welcher endlich für alle jeine Ge— 
nofjen und Verbündeten, wie nicht minder für den Abt jelbft, das 
Berderben entiprang. Hermann von Ebersberg war ein tapferer 
und gewaltiger Degen, welcher nad der Unfitte jener Zeit der 
Fehdeluft und Rachſucht mehr ergeben war, als von ben Landbe⸗ 
wohnern erduldet werden konnte. 


Der tapfere Abt Bertho 11., welcher ſchon gegen die in Bi— 
ſchofsheim verfammelten Ritter fiegreich gewejen war, als fie felbft 
fih gegen den genannten Hermann verbündet hatten, griff nun aud 
diejen an und war jo glüdlih, denjelben als Gefangenen in feine 
Hände zu befommen. Da die übrigen Straudritter (Wegelagerer), 
welche er in Bifchofsheim frei gelaffen hatte, ihr Verſprechen, Friebe 
zu balten und die Unterthanen nicht mehr zu ſchädigen, nicht er— 
füllten, fo beſchloß Abt Bertho, ein abjchredendes Beifpiel zu fta« 
tuiren: Er ließ jeinen Gefangenen durch ein Gericht zum Tode ver: 
urtheilen und ihm durch Gerlach Küchenmeifter zu Fulda auf öffent: 
lihem Markte den Kopf abſchlagen. Weber diele zwar gerechte, 
doch als Graujamkeit angenommene That erhob fi eine ſolche 
Spannung und Zwietracht, daß ſowohl Abt Fingerhut ald auch 
viele Ritter und Edle das Leben darüber lafjen mußten und auch 
die Burg Eberäberg zerftört wurde. Erſt im Jahre 1368 erlangte 
ein Ritter von Ebersberg vom Fuldaiihen Abt Johann von Merlau 
die Erlaubnis, die zerftörte Burg wieder aufzubauen. Doch Abt 
Reinhard von Wilnau brach fie zum zweitenmale und ſeitdem zieren 
nur noch ihre Trümmer die Gegend. Nach dem Volksglauben jollen 
in den unterirdiichen Räumen noch viele geraubte Schäße verborgen 


Sagenſchatz. 18 


es... 


274 


ltegen. Ein unterirdiiher Gang fol von der Burg hinab nad 
Weyhers geführt haben. 


Die nelpenltigen Ritter von Burg Ebersberg. 


An einer Abdahung des Ebersberges ift ein Kleiner Moorfled. 
Aus diefem kommen, wie die Volksſage meldet, befonders in den 12 
heiligen Nächten, vor Weinachten, große gejpenftige Feuermänner 
mit Wehr und Waffen, die jo beftig mit einander kämpfen, daß 
man in den naben Höfen, welde am Fuße bed Berges Liegen, 
deutlih das Schwertgeklirr und Kampfgetöje vernimmt. Diejer 
Kampf dauert vom Einbruch der Nacht bis zur Morgendämmerung 
und zum Hahnenſchrei. Gewöhnlich ziehen ſich die ftreitenden 
Flammengeftalten bis zur Ruine Ebersberg hinauf, wo fie, immer 
beftiger fechtend, in einem offen ftehenden Thurme unter fürchter: 
lihem Getöje verjchwinden. Die Bewohner der Umgegend jagen, 
e3 ſeien die Geifter der in jenen wilden Kämpfen um die Burg 
und bei deren Vertheidigung erichlagenen und gefallenen Ritter. 


Der Todtemannsberg. 


Unter den ſchwarzen Bergen, welche fih ſüdlich vom 
Kreuzberg düfter bewaldet erheben, liegt eine Höhe, der Todte- 
mannsberg geheißen, von dem die Volksſage folgendes meldet: 

Ein Reiſender verirrte fih zur Winterszeit bei tiefem Schnee 
in diefer unwirthbaren öden Gegend, in welcher die Dörfer ziemlich 
vereinzelt und fehr entfernt liegen. Die Nacht übereilte ihn, er 
ſuchte Schuß gegen die Kälte, fand aber feinen andern als einen 
Buſch, in welchen er, da er vor Ermattung nicht weiter konnte, 
fih niederfauerte und einſchlief. Er erwachte nicht wieder aus jeinem 
Todesichlafe, denn der arme Mann war erfroren. Niemand wußte, 
wohin der Mann gefommen je. Er warb überall geſucht, und 





275 


fein Signalement in verſchiedenen Zeitungen ausgeichrieben, allein 
vergebenz: er kehrte nicht wieder zurüd. Erft im Frühjahr, als 
die Sonne den Schnee jchmolz, erblidte man in den Aeſten eines 
Baumes die Leiche eine® Mannes. Derjelbe hatte die Aeſte eines 
Baumes, der faft bis zum Gipfel zugefchneit war, für einen Buſch 
gehalten, und dort Schuß gegen die Kälte gejucht. Als dann im 
Frühjahr der Schnee ſchmolz, blieb fein Leichnam in den Aeſten 
liegen. 

Bon diefem Borfall hat der Berg den Namen „Todtemanns: 
berg.“ 


Hagen aus dem Streu- und Elzthale. 


Oftheim vor der Rhön. 


Eines der älteften Drte ift das Städtchen Dftheim vor der 
Rhön, welches ſchon in Urkunden des neunten Jahrhunderts als 
Billa genannt wird. Zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts 
ſchrieb fich bereits ein ritterliches Gefchleht nach diefem Ortsnamen 
und trug Zehen von reichbegüterten Grafen von Henneberg, haupt: 
fählih aber das Truchſeſſen- uud Schenfenamt. Außer diejen, die 
als Schenken von Dftheim lange in der Hennebergiihen Geſchichte 
fi behaupteten, waren aber an diejem Orte in früheren Zeiten fo 
viele ritterliche Inſaſſen, wie faum in einem anderen Orte gleicher 
Größe, ja die Sage will, daß das Städtchen zunächſt aus lauter 
adeligen Höfen .entftanden fei. Neun ummauerte Burgen zählte 
Dfiheim, die den Familien der Schenfe, von der Kehre, von 
Griesheim, von Zufraß von Buttlar (genannt Neuen: 
burg), von ber Tann, von Steinau, von Weyhers x. 
ihren Urjprung verdanlten. 

Auch bie Kirche zu Dfiheim war (oder ift noch) burgähnlich 
ummauert und diefe Mauer mit hohen Thürmen verjehen. Die 

18* 


276 


Mauer war jogar doppelt und enthieli nah innen viele fogenannte 
Gaden; auch ſchirmten fie Wall und Graben. Es fol ein unter: 
irdiijher Gang von der Kichtenburg bis herab auf den Kirchhof 
führen. In früheren Zeiten hatte Dftheim (im Weingartenthal) 
ftarfen und berühmten Weinbau. Diefer Weinbau wird jekt längft 
nicht mehr betrieben, dagegen ift Oſtheim berühmt durch feine 
vorzügliden Kirſchen. Ein Oftheimer Arzt, Dr. Chriftian Kling: 
hammer ging im Spanischen Erbfolgelrieg als Feldarzt mit dem 
faiferlihen Heere und fand dieſe Sorte Kirſchen in der Sierra 
morena. Er bradte von dort Stämmchen mit, pflanzte fie an, 
fie gediehen, wurden vermehrt und verichaffen jegt den Einwohnern 
jährlich eine jehr bedeutende Einahme, 


Bergfchloß Pichtenberg bei ®ftheim. 


Ueber dem vorgenannten Städtchen Dftheim thronen auf ziem- 
lich fteilem Felstegel die Ruinen der Burg Lichtenberg, einft 
Wohnſitz Hennebergifher Grafen. Sie war jehr feit, hatte einen 
fehr hohen Thurm, war weit fichtbar und jehr alt. Der Wald, 
welder die Burg faft von allen Seiten umgibt, heißt der Hain. 

Sn Oſtheim geht die allgemeine Sage, daß, als man die 
Lihtenburg erbaute, die Steine hiezu jammt und fonder® aus 
Fulda zu gleiher Zeit angefahren worden feien und der Wagen 
zug jei jo lang gewejen, daß, als gerade der erite Wagen an ber 
Bauftätte anlangte, der lekte aus dem Thore von Fulda- fuhr, 
Soviel ift indeffen gewiß, daß die Burg aus ganz anderen Steinen 
erbaut ift, als in der Nähe gefunden und gebrochen werden. Auf 
der Höhe am Lihtenberger Hain unweit der Grenze hat man 
Spuren alten Mauerwerf3 gefunden. Man nennt dieje Stelle: 
auf der Königsburg, vielleiht daß dieje Bezeichnung von einem 
noch älteren Königsfiß herrührt. Auf der Südfeite liegt ein Buch: 
wald — da3 Gefträup genannt, — dort wurde unter einer großen 
Linde, auf einem freien Platz, ehedem das Gentgericht gehalten. 


277 


Im Bauernfriege wurden alle Henneberg’ihen Schlöffer, dar: 
unter au die Lihtenburg, zeritört. Nur die Mauern und 
zwei fefte Thürme blieben ftehen. Später wurte daran erneuert 
und in bedrohlidher Zeit folche Friegeriich befeftigt, aber fie liegt jetzt 
in Trümmern und an ihr altes Gemäuer find — Schwalbenneitern 
gleich, dürftige Hütten armer Leute angeflebt. 


Der FSrickenhäufer See. 


Deitlih von dem Dorfe Frickenhauſen, Bezirksamt Mell- 
rihitadt liegt auf einer Anhöhe ein tiefes und ftilles Waſſer — 
der Sridenhäujer See. Die Vollsjage meldet von ihm, er 
jei unergründlih, denn ein in denjelben eingelegtes Senkblei habe 
feinen Grund gefunden. Sein Waſſer ift hell, von natürlichem 
Geſchmack und wird, ungeadhtet des geringen Abfluffes, nicht faul. 
Bieles wiſſen die Leute der Umgegend von dieſem See zu erzählen. 
So behaupten einige, der See trage auf feiner Oberflähe durchaus 
feinen Körper, fondern verjchlinge ihn urplötzlich; allein angeitellte 
Berfuhe haben das Gegenteil bewieſen. Andere wieder wollen un— 
geheuer große Fiſche in demſelben gejehen haben. Wieder andere 
mwollen von ihren Voreltern gehört haben, der See werde bereinft 
mit Gewalt ausbrechen und ganz Franken überſchwemmen, denn er 
jei eine Aber des Meeres. Deshalb beteten auch viele Bewohner der 
Umgegend zu Gott, er möge fie den Ausbruch diejes Sees nicht erleben 
lofien. Es getraue fih auch niemand, mit einem Sahne das ver: 
rufene Waſſer zu befahren. Es ſollen ſich wohl jehr große Filche 
in demselben aufhalten, aber ſich nicht an der Oberflähe bliden 
laſſen. Im Sahre 1793 babe ein Jäger aus der Nachbarſchaft einen 
Fiſch gejehen der an Größe einem ausgewachſenen Schweine nicht 
viel nachgab. Die Kunde von diefem Rieſenfiſch verbreitete ſich 
weitumber und viele Leute kamen herbei, denjelben anzujtaunen, er 
war aber nicht mehr zu jehen. Ein anderer Jäger ſchlief am Ufer, 
fein geladenes Gewehr neben fich liegend. Ein heftige® Geräuſch 





278 


wedte ihn aus dem Sclafe und, auf ben See blidend, jah er 
zwei Filchungeheuer auf der Oberfläche des Sees. Er gab Feuer 
auf fie, worauf fie plöglih untertaudten. Bon dem Getroffenem 
Ihwammen einige Schuppen auf dem Wafler, jo groß mie ein 
Teller. Der Jäger fiichte diejelben auf und zeigte fie den Leuten. 

Dft wird das Waller diejes Sees trübe, wenn auch in der 
ganzen Gegend fein Regen fällt und ſelbſt bei der anhaltendſten 
Dürre nimmt er nicht ab, obwohl man glaubt, daß die bei Sturm: 
wetter fich trübende ſtarke Duelle, welche im Streugrund bei Mittel: 
fireu mit ftarfem Braufen hervorbriht und gleich bei ihrem Ur— 
fprung einige Mühlen treibt, ein unterirdifcher Abfluß jenes Sees jei. 


Schlitöhrcen. 


In dem Streufluß, welcher bei Melpert3 entipringt und bei 
Heuftreu in die fränfifhe Saale mündet, fol ein neckiſcher und 
bo3hafter Waflergeift haufen, Schlitzöhrchen mit Ramen, welcher 
namentlih zwiſchen Mellrihftabt und Oberftreu jein Unweſen treibe. 
Mer dort zu einer gewiffen Zeit an der Streu oder über diejelbe 
gehe, babe zu gewärtigen, daß Schligöhrchen herausfahre und ihn 
in die Streu binabziebe, | 

Alle werden aber nicht vom Schligöhrchen hinabgezogen vorden 
fein, jondern ihr Kopf wird vom Weingeift jchwer geworden 
fein und das Webergewicht befommen haben. Es nahm fich daher 
jeder in der Gegend vor dieſem Schlitzöhrchen in acht. 


Das Alpdeücen. 


Zu Wechterswinkel im Klofter diente ein junger bild: 
jhöner Mann als Knecht. Den brüdte oft nahts das Alp und 
er wußte gar feinen Rat, dem Uebel abzubelfen. Darum Elagte er 
einem weilen Manne der Umgegend feine Not und dieſer jagte ihm, 


279 


e3 ſei nichts leichter, al3 das Alp zu bannen. Er follte nur, wenn 
das Alp ihn wieder drüde, herzhaft dahin greifen, wo er es fühle 
und das fefthalten, was er ergreife und einjperren. Dieſen Rat 
bejolgte der Kneht und als ihn das Alp wieder drückte, jo griff 
er rajch zu und faßte — eine Flaumfeder Obſchon er nicht 
glaubte, daß ihn dieje leichte Flaumfeder gedrüdt haben könne, jo 
war es ihm doch plöglich feberleicht zu Mute, der jchredliche Drud 
war weg, er ſprang aus dem Bette und jchloß die Feder in ein 
bölzernes Schächtelchen. Am andern Morgen ging ein Geſchrei durch 
das Kloſter, es fei eine Nonne in ihrem Bette erftidt. 

Zufällig begegnete der Knecht am andern Morgen dem meiien 
Manne und erzählte ihm das mit der Flaumfeder und ala Neuig* 
keit, daß eine Nonne im Klofter erftidt fei. Da ſprach der weile 
Mann: Um Gottes Willen gehe jchnell nah Hauje, öffne das 
Shädtelden und lafje die Flaumfeber fliegen. Der Knecht thats 
und fiehe! Die Feder flog dem Klofter zu und durch das offen= 
ftehende Fenfter in die Zelle der Nonne, und zur Stunde murde 
legtere wieder lebendig. Der Knecht aber hatte nie wieder Alp: 
drüden. 





Diejes Alpdrüden, welches von abergläubifchen Leuten als ein 
Machwerk der Heren gehalten wird, ift weiter nichts, als ein krank— 
bafter Zuftand, welcher von Vollblütigleit oder Weberladung des 
Magens vor dem Schlafengehen herrührt. Der Traum hört ſo— 
fort auf, wenn der Stöhnende aus dem Schlafe gewedt wird. 


Gründung des Klofters Frauenrod. 


Graf Dtto von Botenlaube und feine Gemahlin Beatrix hatten 
beichlofien , zur Ehre der Gottesmutter Maria ein Klofter zu bauen 
und zu ftiften, Tonnten aber nicht einig werben über den Ort, wo 
fie es bauen wollten. Sie beihlofjen daher, die Entjcheidung der 
Fügung des Himmels zu überlafjen. 


280 


Eine Tages luftwandelten Graf Dito und feine Gemahlin auf 
dem Söller ihrer Burg Botenlaube. Da ließ Beatrir ihren Schleier 
fliegen mit dem Gelübde, an der Stelle, wo ber Schleier gefunden 
werde, jolle das Hlofter erbaut werden. E3 wurden Boten ausge— 
ſandt und nad drei Tagen fand man ben Schleier an einem bläh— 
enden Roſenſtrauche an der Stelle bes Drtes Frauenrode. ALS 
der Graf und die Gräfin von dem Fund Nachricht erhielten, begaben 
fie ſich fofort perjönlih an Ort und Stelle, legten alsbald zu dem 
Klofter den Grund, begabten es ſehr reichlich und als beide nad 
einem frommen gottjeligen Leben ftarben, zuerft der Graf, darn die 
Gräfin, wurden beide in der Klofterfirche vor dem Hochaltore be= 
graben und e3 wurden ihnen fteinerne Denkmäler errichtet, welche 
noch heute zu ſehen find. Auch mehrere Grafen von Herneberg 
fanden in der Kloſterkirche Frauenrode ihre legte Ruheſtätte, weil 
fie dem Klofter reihe Stiftungen zugewendet hatten. 

Die Gebeine der Stifter jollen nachmals wieder ausgegraben 
und in Glaskäftchen auf den Altären der Kirche aufgeftellt worden 
fein. 

An einem dritten Glaskaſten wäre der Schleier ber Gräfin 
aufbewahrt gemwejen. 


Die luftige Brücke. 


Bei der alten Klofterftätte zu Frauenrode ift e3, der Sage 
nad, nicht geheuer. Lodernde Feuer oder bläulihe Flämmchen werden 
in gewiſſen Nächten brennend auf dem Kirchhofe oder in der Nähe 
der Kloſterkirche erblidt, welche einen dort vergrabenen großen 
Schag anzeigen follen. Nicht weit von der Kirche erhebt fih ein 
Hügel, auf weldem im Mittelalter eine Burg und jpäter ein Teil 
der Stloftergebäude geftanden fein jolen. Won dort führte ein be= 
bedter Gang hinüber nach der Kirche, über welchen die Nonnen 
jhreiten mußten, wenn fie im Chor fich veriammelten, um die 
Tageszeiten (Horas) zu fingen. Man jieht über dem Portal noch 
die vermauerte Oeffnung. 


281 


Aljährlih in den 12 heiligen Nächten vor Weihnachten erblickt 
man dieien Gang durch die Kuft und den Zug geipenitiger Nonnen. 

Die Kirche ift erleuchtet, doch ift es nicht gut, diefelbe zu be— 
treten, denn die Geifter halten darin Mette und es fnien vor dem 
Hodaltar die Geftalten des Stifter und der GStifterin nnd hinter 
demjelben alle, welche in der Kirche begraben find. Bon dem Haupte 
Beatricend weht der weiße Schleier und auf dem Haupte des Grafen 
rauhen die Blätter eines welken Lorbeerkranzes geifterhaft im 
Haude der Naht. Nach beendigter Mette ziehen ſich die Nonnen 
wieder alle in's Kloſter zurück und verſchwinden in Nebel, fobald 
fie dem Hügel fich nähern. 


Bolksfagen aus dem FTauer-, Sinn- und 
Saalthale. 


Das verwünfhte Sckloß Dreiltel;. 


Nicht weit von dem, feiner Naturichönheiten wegen berühmten 
Bade Brüdenau (Lieblingsaufenthalt des ehemaligen Königs 
Zudwig J. von Bayern) erhebt ſich ein Berg, Dreiftelz genannt. 
Jetzt Liegt auf ihm ein Hof, Der Dreiſtelzhof; vormals aber 
jtand dort ein prädtige® Schloß und zwar auf der Höhe nad 
Brüdenau zu. In diefem Schloffe wohnten drei elternloje Damen, 
welche man nur die Stolzen nannte, nicht nur wegen ihrer aus— 
nehmenden Schönheit, jondern auch wegen ihrer Hoffart und Pracht: 
liebe. Ihr Schloß hieß Dreiftolgenihloß, aus welchem 
fpäter der Name Dreiftelz wurde Sie felbit führten ein üp— 
pige3 Wohlleben, waren aber lieblos und Hartherzig gegen bie 
Urmen und gegen ihre Untergebenen. Eines Tages, als es jchon 
dunfelte, fam ein Pilger vor das Schloß und bat um Einlaß, um 
einen Imbiß und ein Nachtquartier. Non dieien drei Bitten wurde 


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282 


ihm aber nur die erſte gewährt. Ein Imbiß und ein Nachtquartier 
wurden ihm verſagt. Man hieß ihn einfach gehen und als er dieß 
nicht gutwillig that, hetzten ihn die lieblofen Diener mit Hunden 
fort. Der Pilger aber erhob in gerechtem Zorn feinen Stab und 
ſprach einen greulihen Fluch aus über das Schloß und feine hart- 
herzigen Bewohner und al3bald verfant das Schloß mit feinen 
Bewohnern hinab in den Schoo8 der Erde, 

Noch immer ift am Dreiftelz die Stätte zu jchauen, wo das 
Schloß geitanden und an gewiſſen Tagen hören Sonntags Kinder 
einen Hahn krähen, denn das verjunfene, verwünſchte Schloß fol 
noch unter der Erde ftehen. Darinnen aber jollen die Fräulein 
jchlafen bis zum jüngften Tage. Alle drei Jahre aber, an dem 
Tage, an welhem das Schloß verwünjcht wurde, kräht der Hahn 
ftatt einmal dreimal. Da wachen die Schläferinnen im Berges: 
ſchoos auf, beten ein Ave Maria und bereuen ihre Mifjethaten. 
Manche Leute erzählen auch, daß die verwünjchten Fräulein aus 
dem Berg auf Kirchweihen gefommen jeien und fich unter die Tänzer 
gemischt hätten, aber nicht länger bis zwölf Uhr geblieben jeien. 
Doh hätten fie ftet3 äußerſt blaß, leidend und fummervoll ausge 
ſehen. 


Der feurige Mann. 


Ein Bauer, welcher in der Abventzeit bei jtodfinfterer Nacht 
von Stangenroth (unter den ſchwarzen Bergen) nah Woll- 
bad hinab ging, frevelte im trunfenen Webermute und that in 
Gedanken den Wunſch: „Wenn nur ein feuriger Mann käme und 
mir heimleuchtete“. Kaum hatte er diejes gedacht, jo ftanden zwei 
große Lichter vor ihm, da3 eine zur rechten, das andere zur linken 
Seite des Weges. Um nicht irregeführt zu werden, ging er zwijchen 
beiden hindurch, worauf die beiden Lichter zufammenfuhren und 
einen feurigen Mann bildeten, der ihm voranleuchtete. Als fie an 
dem Haufe anfamen, fagte diejer zu jeinem geipenftigen Begleiter: 
„Hier bleibe ftehen, weiter babe ich nicht verlangt, daß du mit 


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283 


mir gehen ſollſt!“ Da mußte der feurige Mann ftehen bleiben, 
welcher jonft unfehlbar ing Haus mitgegangen wäre. 





Im trunfenen Webermute fpricht und thut mancher Menſch 
etwas, was ihm zum Verderben gereichen kann. 


Bolksfagen aus dem Grabfeld und Baalthale. 


Bon Königshofen. 


Königshofen ift ein uralter Ort des Grabfeldgaues, und 
war, wie jchon fein Name anzeigt, ein Königshof (villa regia), 
E3 hatte ſchon im Jahre 770 eine Pfarrei. Urſprünglich hieß 
e8 Chunigeshoven. 

Der Sage nad fol ein fränkiiher König Pharamund oder 
Dagobert dort einen Königshof gehabt haben, den ein Major domus 
verwaltete. Dieſe Sage gewinnt um jo mehr an Wahrjcheinlichkeit, 
da auf der nur 4 Stunden entfernten Salzburg oft die deutichen 
Könige Karl der Große zu Ende des 8. und im Anfang des 
9. Zahrhunderts und feine Nachfolger weilten, Kaiſer Ludwig 
der Fromme 840, König Arnulph 895 und andere. 

Im Jahre 1245 waren die reichen Grafen von Henneberg 
im Beſitze der Stadt. 

Bei der Theilung der drei Hennebergifhen Erbtöchter (1353) 
kam die Stadt an den Grafen Eberhard von Württemberg, welcher 
fie ein Jahr darnah an das Hodftift Würzburg verkaufte (um 
90,000 Gulden). 

Im Sahre 1412 kam fie faufsweife wieder an die Grafen von 
Henneberg, bis fie Rudolf Bifhof von Würzburg mit 12000 Gulden 


ni angehen ee. 


284 


wieder einlöfte, obgleih die Grafen noch mande Lehen dajelbft be: 
hielten. — 

Im Jahre 1631 wurde ſie von den Schweden geplündert und 
dann abgebrannt, 1635 ihnen aber durch den Grafen von Hatzfeld 
wieder entriſſen. 

Im Jahre 1830 wurde mit der Demolirung der Befeftigungen 
begonnen. 


— — — — 


Königskofen im Buuernkrieg. 


ALS fich der Bauernfrieg anhob 1524/1525, lagerte fich ein 
Haufe beim Klofter Bildhauſen, dejien Abt nah Königs: 
hofen geflüchtet war. Die Bürger von Königshofen errichteten 
unter fih eine Bürgerwehr, fperrten ihre Thore, verproviantirten 
die Stadt, namentlih mit Mehl, und ermahnten den Bildhäufer 
Haufen zur Ruhe und Ordnung Den zu Würzburg auf den 
2. Mai 1525 ausgefhriebenen Landtag beihicdten die Bürger 
von Königähofen mit ihrem Stadtichreiber Johann Martell, 
der in feiner Rede, womit er im Namen der Landichaft da An: 
Ichreiben des Fürftbiichof3 Konrad von Thüngen beantwortete, mit 
allem Freimut und aller Offenheit darlegte, daß die Empörung ber 
Bauern veranlaßt worden fei durch den unleidliden Drud der fürft- 
lihen Verwalter, ſowie der Geiftlihen und Adeligen. Sedenfalls 
hatte fih die Stadt Königshofen jehr jelbftändig an der Empörung 
beteiligt nnd mußte fie zur Entihädigung an die durch den Bauern: 
ftand geichädigte Ritterſchaft 21227’ Gulden, damals eine jehr 
bedeutende Summe, in drei Zielfriften entrichten. Nachdem der 
Aufitand gedämpft war, fam Biſchof Konrad am 28. Juni auf 
feinem fürchterlihen Strafzuge auh nah Königshofen, um Stadt 
und Ant, ſowie die Aemter und Schlöffer Wildberg und Rother 
jftein auf's neue in Befit zu nehmen. Bei viejer Gelegenheit wurden 
10 Bürger hingerichtet. 

Das peinlihe Geriht wurde außerhalb der Stadt, beim Braus 
Haus vor dem Mittelthore, auf dem jogenannten Brügel unter 


Br 
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285 


freiem Himmel abgehalten. Der Delinquent wurde gegen 8 Uhr in 
einen Stod geſchloſſen und eine Stunde lang wie an einem Pranger 
ausgeftellt. Dann führte man ihn auf den mit Schranken umgebenen 
Richtplag, dabei jchrie der Knecht des Nachrichters (der Beinlein) 
dreimal ihr und fein Verbrechen aus: einmal beim Herausnehmen 
aus dem Stod, zum zweitenmal am Mittelthor und zum dritten: 
mal vor den Schranken, mit folgenden Worten, je nahdem das 
Vergehen war: 
Dieb, Dieb ja! 
Mörder, Mörder ja! 
Brenner, Brenner ja! 
Waffen, Waffen heut über mein Räuber, Räuber ja! 
und dieß Landes— Fälſcher, Fälicher ja! 
Berräter, Verräter ja! 
Ketzer, Ketzer ja! 
Kindsmörder, Kindsmörder ja! 
Die Richtſtätte befand ſich auf einer Höhe gegen Herbſtadt zu. 
Nach dem Bauernkriege, als die Bauern die unglücklichen Folgen ihrer 
Empörung recht hart fühlten, lebte ein Reim im Volke, welcher die 
Namen der Haupträdelsführer nennt: Schnabel, Schaar und Schippel 
brachten die Bauern aus gefütterten Röcken in leinene Kittel. 


Die Schweden in Königshofen. 


Königshofen war am Ende des 16. Jahrhunderts ſchon 
eine ftarfbefeftigte Stadt, welche bei Beginn des 30 jährigen Krieges 
eine Bejagung von 300 Mann erhielt. Commandant berjelben war 
Houptmann Tobias Eberlein, welcher im Jahre 1631, als die Schweden 
fiegreih in Franken einbraden und vor Köniashofen eilten, ohne 
Schwertſtreich furchtſam die Stadt übergab, obgleich er Weberfluß 
an Proviant und Munition hatte und zog fih aufs Schloß Trim— 
berg zurüd. Die Schweden plünderten und brannten; ſchon ihr 
bloſer Anblid war den Bürgern jchredlih. Sie rauchten nämlich 


—— 


286 


Tabak und als die Königshöfer das zum erftenmal ſahen, glaubten 
fie, die Schweden hätten Feuer im Leib, weil ihnen der Rauch zum 
Hals Heraus ging. Auch ſetzten ſich die Schweden in der Stadt 
feft und erweiterten die Feſtungswerke. Die Stadt mußte entjeh: 
lich leiden. Die Contributionen nahmen fein Ende. Als fein baares 
Geld mehr aufzutreiben war, mußten die Einwohner ihr filbernes 
Hausgeräthe einliefern und es kamen Hiebei 119 filberne Becher 
und 28 filberne Löffel zufammen. Bier Jahre und zwei Monate 
batte Königshofen ſchwediſche Einquartierung. Zuletzt entftand noch 
ein Aufruhr, bei welchem jech Bürger von den Schweden erjchoflen 
wurden. 

Nah Abzug der Schweden famen Kroaten, bei denen noch viel 
ſchlechtere Manneszucht herrfchte, als bei den Schweden. Sie haufien 
in katholiſchen Drten fo ſchrecklich, wie in proteftantifchen. 


Altes Schloß zu Ipthaufen. 


Auf einem Berge bei Ipthauſen, fol ein altes Schloß geftanden 
haben, von welchem man feine Spur mehr findet. Doch heißt nod 
‚ ein binaufführender Pfad ter Ejelspfad, weil durch einen Eſel 
das den Burgbewohnern notwendige Waller Hinaufgeichafft wurde, 
Herren von Blankenburg jollen Befiger und Bewohner diefer Burg 
gewejen fein, die vielleicht nach dem Eingehen berielben nah Wal: 
ter8haujen zogen und ſich dann nad diefem neuen Wohnfig nannten 
und jchrieben, 


Der Iudenhügel. 


An der Straße von Königshofen nah Schweinfurt liegt 
das Pfarrdorf Kleinbardorf und bei diefem der fogenannte 
Judenhügel, die Begräbnisftätte der Siraeliten aus der ganzen 
Umgegend, etwa von 20 bis 24 Ortſchaften. 


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287 


Da den Yuden ihr Geſetz verbietet, in einen jchon benüßten 
Grabhügel wieder andere Zeichen zu beerdigen, jo wächſt auf biefer 
Höhe die Zahl der Gräber zu Taufenden an und die Eleinen weißen 
Grabfteine mit ſchwarzer hebräiiher Inſchrift gewähren einen eigen- 
tümlihen Anblid. Diejer Friedhof zahlt an die dort begüterten 
Herrn von Guttenberg einen hohen Zins und fo oft eine Er- 
mweiterung notwendig ift, muß jedesmal eine Grundfläche um teueren 
Preis erworben werben. 


Die Münner von HWenigen - Öttilhaufen. 


Nicht weit von Ottelmannshauſen, auch Dörfles ge 
nannt, und in der Nähe der jogenannten Aubftädter Linien: 
müble, gegen die Milz zu, lag vor Zeiten ein Dörfhen Namens 
Menigen Ottilhauſen, weldhes dem Klofter Veßra und 
der Familie von Waltershaufjen zinsbar war. Wann es 
mwüfte geworden, weiß niemand. Doch meldet die Sage, daß es nur 
aus 12 Einwohnern beftanden babe, welche unter fich jo feindjelig 
geweien jeien, daß fie fich gegenjeitig umgebracht hätten. Die 
Flurmarfung dieſes Dörfchens jei von den Gemeinden Aubitadt, 
Golmuthhaufen und den Befitern des Schulerhof3 geteilt worden. 





Wie heutigen Tags gab es ſchon damals recht böfe von Haß 
erfüllte Leute, | 


Bom Kloſter Sankt Iohannis. 


Etwa einen Kilometer vom Dorfe Sulzfeld und am Fuße des 
Trümmerſchloſſes Wildberg liegt der vormalige Klofterhof Sankt 
Johannis. Dort befand fich ein Eifterzienjer Nonnenklofter, welches 
von Gopra, einer Pfalzgräfin im Jahre 1209 geftiftet wurde, 
Eine Aebtifjin diefes Klofterd, Namens Hedwig, joll im Rufe der 
Heiligkeit dort geftorben fein. An ihrem Grabe jollen Wunder ges 


288 





ichehen jein. Vor dem Hochaltar der großen Kirche (das Kloſter 
hatte auch eine Eleinere, zum ausjchließlihen Gebraude der Nonnen) 
war das Grab des hier verjtorbenen heiligen Gumbertus, 
Seine Reliquien jollen beſonders an jenen Berfonen Wunderfraft ge 
übt haben, welche von der Waſſerſcheu befallen waren. Der heilige 
Gumbertus wird ein Sohn des Herzogs Go3bert von Franken ge: 
genannt, unter welchem der Franfenapoftel Kilian mit feinen Gefähr- 
ten in Würzburg den Martyrertod erlitt. Auch beißt er der erfte 
Graf von Rotenburg und war Gründer des Stift Onolzbach. Frei- 
lich joll er auch dort geftorben und begraben worden fein, doch fehlen 
die dofumentirten Nachrichten darüber, welcher von beiden Orten 
fih mit dem meiften Recht die Gebeine diejes Stift3heiligen (denn 
eine päbjtlide Heiligiprehung wurde Gumbertus nicht zu Teil) ans 
eignen mag. Die örtlihe Sage von Sankt Johannis unter Wild: 
berg will, daß auch die Hirnichale des Heiligen Gumbertus im 
Klofter vorhanden gemwejen ſei und als Trinkſchale gedient habe. 
Aber auch im Reliquienfaften zu Onolzbach befand fi ein Du: 
plifat diejesg Hauptes, wie ein dortige Inventar ausfagt. 
„Nemblich 
1. Ein Trüglein (kleine Truhe) mit Meſſing beſchlagen, da: 
rinnen St. Gumbrechts Haupt. Mehr 
2. Aus einem Trüglein mit einem grünen Deckhel, ein Haupt— 
oder Todtenkopf ſo zerlegt und dabey ein Rören von einem 
Arm, jo auch für St. Gumprechts Haupt und Arm-Rörn ge: 
halten worden ift, dieſes grüne Trüglein ift hier geblieben ꝛc.“ 
Ob nun das ächte Haupt nad Köln, wohin jene Onolzbacher 
Reliquien im Sahre 1612 gejchafft wurden, gefommen, ober ob es 
in Onolzbach geblieben ift, wo des Heiligen Epitaphium und 
Sarfophag gezeigt wird, oder ob es in Sankt Sohannis unter 
Wildberg befindlich, dieſes ift eine Frage, welche wir eben jo un: 
entſchieden al3 unerörtert laſſen wollen. 


289 


Schlob Mildberg. 


Die Dynaften von Wildberg zählten fich unter die älteften 
Adelsfamilien des Frankenlandes. Wie die Grafen von Henneberg 
waren auch fie Gaugrafen des Grabfeldes und zwar in jo naher 
Verwandtichaft zu erfteren, daß diejelben nach dem Erlöſchen des 
MWildberger Stammes ohneweiters in deren Erbe eintraten, woburd 
die Grafichaft Henneberg einen bedeutenden Zuwachs erhielt. 

Die Dynaften von Wildberg waren hauptfählid im Haß— 
gau begütert, dem fie vielleicht al8 Gaugrafen bejonders vorftanden 
und jo erbauten fie ihr ftattliche Schloß auf einem jchöngelegenen 
Berge de3 ſüdlichen Abhanges eines Kleinen Gebirges, welches ben 
Namen der Haßberge führt. Der legte Sprofje dieſes Gefchlechtes 
hieß Konrad und ftarb i. 3. 1305. Im Klofter St. Johannis 
war die Gruft oder das Erbbegräbnis; doch wie das Klofter ver: 
Ihwand, jo find mit ihm auch alle Grabmäler verſchwunden. 

Viele Klöfter in der Umgegend von Wildberg wurden von 
diefen Dynaften reich begabt. Schon am Ende des 13. Jahrhun— 
dert3 hatten die Grafen von Henneberg eine Hälfte der Burg Wild: 
berg inne Später fam dur die Verſöhnung ein Teil an das 
Hochſtift Würzburg, bis endlih das Schloß gänzlih in Würzburg’ 
ſchen Belit gelangte. Auch die Herren von Truchſeß bejaßen eine 
Zeit lang Schloß und Amt, bis Biſchof Rudolf von Scherenberg 
alles wieder einlöfte und zum Hochſtift bradte. Würzburg jeßte 
Amtleute auf das Schloß, unter denen die Truchſeſſe von 
Wetzhauſen die vornehmiten waren. 

Am Bauernfriege wurde die ftattliche Feſte zerftört und feitdem 
liegt fie in Trümmern. Die Amtleute zogen auf den uralten Zind- 
hof, welcher in früheren Zeiten „Billa zu den Lynden“ hieß. 


Schloß Thundorf. 


Nicht weit von Stadtlauringen nah Münnerftadt zu, 
liegt über dem Orte Thundorf die Ruine gleihen Namend. Es 
ESagenidag. 19 


vorn 
Kr 


290 


war einft die Stammburg be3 altfreiherrliden Geſchlechts derer von 
Thundorf, welche fich gleichen Urſprungs mit den fränkiſchen Grafen 
von Wildberg rühmten und die Orte Stadt: und Oberlauringen, 
Thundorf und Bundorf, Maßbach, Wettringen, Theinfeld und Völkers- 
haufen bejaßen. Bon dem ftattlihen Schloffe ift jegt nichts mehr 
übrig, al3 die Trümmerftätte. In ihrer Tiefe jollen, der Sage nad), 
große Schäße ruhen. Große Kellergemölbe voll des edelften Weines 
follen fi, jedem Auge verborgen, darunter befinden. Bon Zeit zu 
Beit wandelt einfam und traurig eine weiße Jungfrau über die Stelle, 
wo einſt dad Schloß ftand und hofft auf Erlöjung Dieje kann 
aber nur von einem bewirkt werden, welcher in der Nacht nad 
dem goldenen Sonntag geboren wurde, und, wenn er dreimal fieben 
Sabre alt, grüßend zu der Jungfrau tritt und fie dreimal küßt. 
Dann geht die erlöfte Jungfrau zur ewigen Ruhe ein und ber 
mutige Jüngling gelangt in den Befig der verborgenen ungeheueren 
Schätze. 


Das Wahrzeihen von Münnerftadt. 


Außen an der Pfarrliche zu Münnerftadt erblidt man 
das in Stein ausgemeijelte Bild eines Wolfes, der eine Senne 
frißt. 

Man ſagt, die Henne bedeute die Grafſchaft Henneberg, zu 
welcher Münnerſtadt früher gehörte und der Wolf das Hochſtift 
Würzburg, welches ſich allmählig, die Verarmung des Grafenhauſes 
benützend, ein Stück des Henneberg'ſchen Landes nach dem andern 
zu eigen gemacht habe. 


Die heilige Jungfrau beſchützt Münnerftadt. 


Am 30 jährigen Kriege und zwar im Jahre 1641 wurde das 
Städten Münnerftadt von den Schweden unter Anführung des 
Meimarichen Generals Roſa belagert und Hart bedrängt. Auf dem 
Karlsberg Hatten die Schweden ihre Berjehanzungen angelegt und 


BR 4 


291 


begannen von bier aus bie Beichießung der Stadt. In diefer war 
eine Bruderſchaft „zum heiligen Roſenkranz“, welche in diefer Not 
heiße Gebete um Rettung zum Himmel ſandte. Ihr Gebet wurde 
erhört. Als nun die Kanonade vom Karlsberg am beftigiten war, 
offenbarte fich ein göttliches Wunder. Die heilige Jungfrau erſchien 
in ihrer Herrlichkeit, von einer großen Schaar heiliger Engel umgeben, 
in einem langen weißen Kleide und himmelblauen Mantel auf den 
Mauern und fing die feindlichen Kugeln auf, Auch die Schweden 
ſahen diejes Wunder. Es entſetzte fie fo jehr, daß fie die Belagerung 
aufhoben und von dannen zogen. Zum Gedächtniß diefer wunderbaren 
Rettung feiert die Stadt jährlih ein Dankfeft mit Prozeflion und 
feierlihem Gottesdienftt. Am Marienaltar der ſchönen Pfarrkirche 
fünden wohlflingende lateinijche Diftichen der Nachwelt das wunder: 
bare Ereigniß. 


Steinerner Bund an der Pfarrkirche zu Münnerftadt. 


Am nördlichen Eingang zur Pfarrkirche, oben linker Hand, ift 
das Steinbild eines Hundes eingemauert. Man erzählt, daß dieſes 
Bild den Hund des Baumeifterd der Kirche vorjtelle, welcher, wie 
alle Tiere feiner Art, feinem Herrn überall nachgelaufen ſei. Als 
nun einft der Baumeifter hoch oben am Dachſtuhl arbeitete, fam der 
treue Hund auch hinauf und ſprang, da ihn fein Herr bedrohte, die 
beträchtliche Höhe herab, ohne ſich im minbeften zu bejchädigen. 

Zur Erinnerung an diejen jeltenen Sprung habe der Baumeifter 
das Bild feines treuen Hundes gefertigt und an der Stelle eingeſetzt, 
wo es ſich jetzt befindet. 


Die ſcharfe Schere. 


Außen an der Pfarrkirche zu Münnerſtadt ſieht man einen 
Grabſtein, auf welchem eine Schere eingehauen iſt. Der unter 
dieſem Grabſtein Ruhende war ein äußerſt frommer Schneider, der 
eben deswegen ſehr oft in ſeiner Andacht vom Teufel geſtört wurde. 

19* 


* 


292 





Der Schneider klagte ſeine Not einem frommen Manne, welcher 
ihm den Rat gab, er ſolle eine recht ſcharfe Schere nehmen und, 
wenn der Teufel ſich wieder einfinde, ihm den Schwanz abſchneiden. 
Das that der Schneider und als der Teufel ſich wieder einfand, 
ſchnitt er ihm rups und kahl feinen Schwanz ab. (Bravo!) Der 
Teufel ſchrie Zedermordjo, allein die jchredliche That war begangen 
und nicht ungeſchehen zu machen, Unter Flüchen und Verwünſch— 
ungen verließ der Teufel den Ort der That. Die fraglide Schere 
blieb viele Jahre als Erbftüd im Befig der Familien. Auf dem 
Grabftein grub man zum Gedächtniß ihr Bild ein. Seitdem fid 
diefe3 zu Münnerftadt begab, geht nun der Teufel ohne Shwanz 
umber und deswegen follen fich viele Leute nicht mehr fo ſehr vor 
dem Teufel fürchten wie zu der Beit, wo er noch den ftattlichen 
Schwanz halte. 


— 


Schloß Kuhnberg. 


Ueber dem DOrte Nüdlingen, zwiſchen Münnerftadt und 
Kiffingen gelegen, ift eine alte Burgftätte auf einem ziemlich 
hoben Hügel fihtbar, welde Huhnberg genannt wird, vor Alters 
aber Henneberg genannt Baer wie dies eine Urkunde vom 
Sahre 1243 beweift. 

Cum vir nobilis Hermannus Comes de Hennenberg 
in monte dietu Hennenberg sito super villam Nutte- 
ling edificia — excessisset. 4. Mart, 1243. 


Den Namen fol die Burg von einem zahmen oder Haushuhn 
erhalten haben, das auf die Burgjtätte ein Ei gelegt habe. Zur 
Unterfheidung von dem weit früher ſchon erbauten Stammſchloß 
Henneberg habe man es Huhnberg genannt. Das Wappen 
der Burg Huhnberg war eine zahme Henne, das Mappen 
de3 Stammſchloſſes Henneberg eine Wildhenne. 

Die Sage verkündet, daß alle 100 Jahre, von Erbauung ber 
Burg an gerechnet, Mittagd und Mitternahts auf dem Schloßberg 


BR 9, \- 


293 


dreimal ein Huhn freudig jchreiee Ein alter Chronikſpruch von 
dem Huhnberg verkündet: 

Hier hat gelegt das Huhn ein Ei 

Daß Berg und Burg benennet jei. 


Die Schäte auf der Kuhnburg. 


Noch ſoll in den verjchütteten Gewölben und Kellern der Huhn: 
burg viel Geld und föftlicher Wein verborgen fein. Die Leute er: 
zählen: jeder, der den Schloßplat bejuche, finde bei jeinem erjtma- 
ligen Kommen (wenn er nicht an die Schäße denfe und nicht auf 
deren Hebung ausgehe) eine Kleine Deffnung, welche in die Tiefe 
binabführe. Benüße er dieſes Glüd, jo fönne er reich werden. 
Zum zmeitenmale biete fich aber die Gelegenheit nicht wieder. Wer 
die Deffnung finde und einen Stein hinabwerfe, höre diejen nicht 
auf den Grund fallen, jo tief jeien die Gewölbe. 

Berfuche, dieſe Schätze zu heben, feien ftet3 fruchtlos geblieben, 
denn ein feuriger Hund bewade fi. Auch von der einjchlägigen 
Dbrigfeit jeien die Nahgrabungen unterjagt worden. So harten 
die Schäße, wer weiß wie viele Jahrhunderte oder Jahrtauſende, 
noch auf den Glüdlichen, der fie findet und zu Tage fördert. 


Ausgewühlte Glocke auf Huhnburg. 


Auf dem Schloßplage bei dem vormaligen Brunnen der Huhn— 
burg wurde lange nach der Zerftörung des Schloſſes von Schweinen 
eine große Glode ausgemwühlt, welche in dem Thurm der Kirche zu 
Nübdlingen aufgehängt wurde. Diefe Glode fol eine wunderbare 
Eigenſchaft gehabt haben. So weit ihr heller Schall hörbar war, 
gab es weder Fröfte noh Gewitter. Später fei dieje große 
Glode gegen zwei Kleinere nah Würzburg (?) vertauſcht worden, 
wodurch die Gegend jener heilſamen Wirkungen verluftig wurde, 


294 


Das Godtenläuten zu Hüdlingen. 


Zu Nüdlingen berrihte ehedem ein jonderbarer Braud: 
Zum Andenken an den Stifter der Kirche und deſſen Begräbniß 
trugen vier Männer einen fünften, welcher ben Stifter vorftellen 
follte, jedesmal am erften Pfingftfeiertag auf dem Schloßplaß herum, 
zu welchem Alt auch die vorerwähnte wunderbare Glode geläutet 
wurde. Sener Umzug wurde zwar eingejtellt, aber nicht das Läuten, 
denn als ein Pfarrer des Drtes, Namens Glaubrecht dasfelbe 
verbot, läutete die Glode von felbft. Eine unnennbare Angft befiel 
ben Pfarrer und verfolgte ihn fo lange, bis er jein Verbot wieder 
aufhob. Dieſen Gebrauch bezeichnet im Drt noch immer die Redens— 
art: „ES wird zum Todten geläutet.” 


Burg Steine. 


Hart über dem Kleinen Dörfhen Roth an der Saale fieht 
man die Trümmer der ehemaligen Burg Steined. Diefelbe 
wurde von Rittern bewohnt, welche ein gottlojes Leben führten, 
raubten, zechten, fluchten und weder an Gott noch an eine ewige 
Vergeltung glaubten. Dieſen Rittern diente eine alte, fromme, 
gottesfürdhtige Magd, welche in den langen Winterabenden den 
Tummelplatz roher Zuftbarkeiten und Lafter verließ und hinab nad 
Roth ging, wo fie bei einfachen braven Bauersleuten fich mit 
Spinnen beihäftigte. Einft an einem Chriftabend, welcher auf 
Burg Steined gänzlich ungefeiert blieb, ging die alte Magd in 
die Chriftmette, um fich der gnabenreichen Geburt des Weltheilands 
zu freuen. Als fie nah Mitternacht wieder den Rückweg zur Burg 
antrat und in deren Nähe kam, war es ihr befremblich, daß fie 
nicht wie ſonſt ſchon von weiten wüſtes Geſchrei, Geſang und Becher: 
Hirten börte, Noch größer aber wurde ihre Verwunberung, als 
fie fein erleuchtetes Fenfter ſah. Endlich mifchte fih in ihrem 
Innern Schred, Erftaunen und Grauen, als fie die Burg gar nicht 





295 


wiederfand, jondern an ihrer Stelle nur zerbrochene Außenmauern 
und einen wüjten Trümmerhaufen. Gottes Strafgeriht war über 
die Ritter, deren Schänblichfeit in dieſer Nacht ihren Gipfelpunft 
erreicht hatte, geflommen: — fie war mit allen darin aufdehäuften 
geraubten Schäßen verjunfen. Auf der Trümmerftätte der Burg 
aber ift e3 nicht geheuer. Gejpenfter treiben dort ihr unheimliches 
Weſen, bejonder3 aber in der heiligen Chriſtnacht und doch joll es 
nur in dieſer Nacht möglich fein, die Geifter zu erlöjen und die 
Schätze zu heben, welche im tiefen Gewölbe der Burg ruhen. Es 
fol ſchon verſucht worden fein, jei aber noch niemand geglüdt. 


Der heilige Salzflup. 


Zwiſchen den Wohnfigen der Hermunduren und Gatten 
ftrömte ein falzreiher Fluß, um deſſen Befig ein blutiger Krieg 
zwiſchen beiden Völkerſchaften ausbrach. Derjelbe endigte zum Nach: 
teil der Gatten, und die Hermunduren, welche als Sieger aus dem 
Kampfe hervorgingen, opferten, dem Gebrauche heidniicher Völker 
gemäß, alle gefangenen Feinde. Viele behaupten, daß die fränkifche 
Saale der heilige Salzfluß gemweien fei. Andere halten dafür, 
daß es die Werra gewefen ſei, an deren Ufern heute noch manche 
Saline blühen fol. 

Noch wird bei Neuftadt a. d. S ein Brunnen gezeigt, aus 
defien Wafler zur Zeit der Karolinger Salz gefotten worden jei. 


Der goldene Brunnen. 


Am Fuße des BVBeitsberges in der Nähe von Reujtadt 
an der Saale quillt ein Brunnen, welcher der goldene genannt 
wird. Sein Waller ſoll das befte in der ganzen Gegend weit und 
breit jein, beſonders heilfam für die Augen. Früher ftand, wie 
die Volksſage erzählt, auf dem Veitsberg ein Nonnenklofter und 


296 


von da kamen die Nonnen herab an den goldenen Brunnen, um 
Waſſer aus demjelben zu holen. 

Auch jetzt noch jehe man an gewiſſen Tagen und zu gewiſſen 
Stunden die Geftalt einer Nonne herab oder hinauf wandeln. Wer 
fie hinauf wandeln fieht, dem ftehe Glück bevor, wer fie aber 
herab wandeln jehe, dem ftche Unglüd bevor. Kinder, die an 
diefem Brunnen jpielten, follen jhon goldene und filberne Münzen 
dort gefunden haben, Erwachſene aber niemals. 


Die frünkifhe Saale ſchiffbar. 


Die fränkiſche Saale ift bei Neuſtadt noch ein ziemlich kleines 
Flüschen, von dem man e3 nicht glauben möchte, daß jelbes einmal 
ſchiffbar geweſen ſei. Und dennoch trugen jeine Wellen einft den 
Kaifer Karl den Großen, da er von Worms aus nah der Saalburg 
oder Salzburg jhiffte im Jahre 790, wo er den Herbft zu feiner 
Erholung zubradte. 

.Nach einer Behauptung des Geſchichtsforſchers Georg von Eck— 
bart ließ Karl der Große auf einer der Salzburg gegenüber gelegenen 
und von der Saale gebildeten Inſel am rechten Ufer der Saale 
einen Palaft erbauen, weil die Räumlichkeiten und Gebäude der 
Burg auf dem Berge zur Aufnahme und Beherbergung eines großen 
Hofftantes zu beichränft waren. Der Dichter Saro, welcher die 
Reife des Kaiſers beichreibt, jagt, daß ein noch mäßiger Arın des 
Saalfluffes den Balaft umgeben habe — „Fluminis hujus rivus 
adbuc modicus haec ipsa palatia cingit.“ 

Diejer Königshof mußte alfo einen Teil jener Fläche einge: 
nommen haben, auf welcher das Städtchen Neuſtadt erbaut ift. 

Der um diefen Königshof durch Anfieblung der Faiferlichen 


Dienftmannen, Gewerböleute, Bauern zc. entftandene größere Ort 


bieß Oberſalza, welcher in einer Urkunde vom Jahre 1058 
bereit3 oppidum — befeftigter Pla -- und in einer Urkunde 





297 


vom Anfang des 13, Jahrhunderts „Neuftadtunterder Salz: 
burg“ genannt wird. 

Später hat man nicht mehr vernommen, daß ber Salzfluß 
mit Schiffen befahren worden ſei. 


— — ou. 


Die Salzburg. 


Ueber dem Städtchen Neuftadt an der fränkiichen Saale, nahe 
dem aufblühenden Badeort Neuhaus erblidt man eine der älteften, 
ehrwürdigſten und berühmteften Ruinen des Frankenlands — bie 
Salzburg — vor mehr al3 taufend Sjahren ein Balaft der 
fränfiihen Könige. Wer diejelbe erbaute, iſt in Dunfel gehüllt. 
Hier war e3, wo der heilige Bonifazius im Sabre 741 drei 
Biihöfe weihte: Burfardus für Würzburg, Witta für Bura- 
burg in Heſſen, Adalar für Erfurt in Thüringen. (Siehe Archiv 
des hiſtoriſchen Vereins für Unterfranfen Band 29 Seite 5 und 6.) 
Im darauffolgenden Jahre 742 veranitaltete Bonifazius ein National- 
fonzil auf der Salzburg, bei welchem auch Herzog Karlmann zugegen 
war. 

Im Jahre 793 empfing bier Karl der Große Pipin, den 
König der Longobarden und Ludwig den König von Aquitanien. 
Sm Jahre 803 ſchloß er Hier den Frieden mit den unruhigen 
Sadien und im gleichen Jahre den Vergleich mit dem morgenlän- 
diſchen Kaifer Nikephorus, deffen Abgefandte hier waren. Um 
dieje Zeit fam auch Fortunat, der Patriarch von Grodo, der 
eine Menge Eoftbarer Geſchenke und Reliquien mitbradhte, nad 
Salzburg, um Hülfe gegen Venedig zu erbitten. Im Jahre 840 
beſuchte Karl der Große furz vor feinem Tode die Salzburg noch: 
einmal, bei welcher Gelegenheit er mit feiner Gemahlin Judith 
zufanmentraf. Auch von jeinen Nahfolgern hielten ſich mehrere 
auf der Salzburg auf, jo Ludwig der Fromme 840, Ludwig der 
Deutiche 841, Ludwig der Jüngere 877 und 78, König Arnulph I. 
895, König Heinrih I. 927, 931, Kaifer Otto der Große 940, 





298 


947, 948. Zur Erinnerung an die im Jahre 741 vom heiligen 
Bonifazius bier vorgenommene Bifchofsweihe wurde im Jahre 1841 
die eilfhundertjährige Yubelfeier begangen, welcher Seine Majeität 
unfer höchftieliger König Ludwig J., fowie die hochwürdigſten Biſchöfe 
von Würzburg, Eihftädt und Fulda beimohnten, bei welder 
Gelegenheit der Grundftein einer neuen Kirche gelegt wurde an 
Stelle der alten vom heiligen Bonifazius damals benüßten Kirche. 

Die Salzburg ift auch die Geburtsftätte der heiligen Liutbirg. 
Diejelbe war wahrscheinlich die Tochter eines kaiſerlichen Hofbeamten. 
Sie ftarb als Klausnerin zu Michelſtein im Harzgebirg nad) 
einem bußfertigen, ftrengen und heiligen Zeben. 


Wie die Salzburg an Würzburg kam. 


63 war im Jahre 1000, als Kaifer Dtto III. auf Fürbitte 
der Erzbiihof3 Heribert von Köln und des Sachſenherzogs Bernhard, 
die Salzburg und alle dazu gehörigen Ländereien dem Bijchof 
Heinrih von Rottenburg zu Würzburg jchenkte, einesteild wegen der 
großen Berdienjte diejes Biſchofs, andernteild zum Seelenheil feines 
Bater3 und feiner Mutter, der vermwittweten Kaiferin Teophania. 

Die Biihöfe von Würzburg. an melde die Salzburg als 
Schenkung übergegangen war, übergaben fowohl den Schuß ber 
Burg, wie die Gerichtsbarkeit in den im Laufe der Zeit in ihren 
Bejig gelangten Drten einem Adeligen, welcher als Advocatus, 
Voigt, Rechtspflege und Verwaltung leiten mußte. Ihm waren 
Amtmänner und Oberamtmänner unterftellt. Den Voigten von Salz: 
burg war Anfangs ftatt einer firen Bejoldung das Nutznießungsrecht 
von gewiſſen Grundftücden eingeräumt und ein Theil der Salzburg 
als Wohnung lehensweife überlaffen. Sie mußten jedoch dafür eine 
beftimmte Anzahl reifiger Knete und Pferde halten, um die Burg 
zu verteidigen und jene ihrem Herrn in Kriegszeiten zuführen. Zur 
Unterftügung bei Verteidigung der Burg waren ihnen mehrere 
Adelige beigegeben. Diefe Burgmänner ober castrenses, wie 


299 


fie in Urkunden genannt werden, hatten ihre Wohnſitze auch in ben 
Burggebäuden und waren mit Gütern und Einkünften belehnt. 
Die erjten in Urkunden von 1161, 1184, 1193 und 1199 genannten 
. Boite von Salzburg waren aus dem Geichlechte der Flieger. 
Der vorerwähnten adeligen Anfite von Burgmännern waren in 
der Salzburg fünf und zwar: 
1. Der Voite von Salzburg, 
2. Derer von Brende und ded Wolf von Dumrod, 
3. Derer von Steinau und von Walbadh, 
4. Derer von Eberftein und Steinau, 
5. Derer von Schneeberg und von Thüngen. 


Jud Schwed, oder das Wahrzeihen von Kiffingen. 


Am Rathaus der Stadt Kiffingen ſchaut oben ein bärtiger 
Mannskopf herab, welcher ſich in den Haaren rauft. Dieſes Stein: 
bild nennen die Bewohner den Jud Schwed und erzählen von 
diefem Steinbild folgende Sage: 

Im dreißigjährigen Kriege, als die ganze Gegend von Schweden 
überſchwemmt war, wurde auch Kifjingen von ihnen belagert und 
hart bedroht. Die Einwohner verteidigten ſich tapfer und die Stadt 
wäre in der That nicht erobert worden, wenn fie nicht von einem 
Juden verraten worden wäre. Dieler wußte einen geheimen Aus: 
gang durh die Mauer und dort führte er die Feinde ein. Doch 
empfing er biefür feinen verdienten Lohn und zum Andenken wurde 
fein Bild, wie er fih aus Reue die Haare ausrauft, am Rathaus 
befeftigt. SHiernah kam es auch, daß man ihn und alle Juden 
nicht mehr bei ihrem wahren Familiennamen rief, jondern Schwed. 





300 


Kiſſingen von Bienen gerettet. 


Ein anderer fteinerner Kopf am Kiffinger Rathaus ift, wie die 
Sage will, dem Andenken eines Bürgers Namens Beter Heil 
gewidmet. 

Es war eben au im Schwedenfriege und zwar im Jahre 1643, 
Die Schweden hatten bereit3 von ihrem Lager bei Biſchofsheim 
aus die ganze Umgegend verheert und geplündert und bedrohten 
nun unter ihrem Anführer Reihmwald auch die Stadt Kiffingen 
mit einem heimlichen Weberfall, der gelegentlich eines Jahrmarktes 
ausgeführt werden ſollte. Die Schweden hatten fih in dem nord— 
öftlihen Bergmwalde verborgen, wo fie von vorüberziehenden Krämern 
entdedt wurden und den Bewohnern von Kifjingen die ihnen drohende 
Gefahr entdedten. So fam es, daß der Feind tapferen Wiberftand 
fand, der nun die Stadt mehrere Tage lang beichoß und fie dur 
einen Sturm zu erobern juchte. Kaum vermocdten die fampfesmüden 
Bewohner dem immer heftiger andringenden Feind Widerftand zu 
leiten. Da war e& der Bürger Peter Heil, welder den Rat 
gab, die zahlreihen Bienenkörbe, welche die Bürger bejaßen, von 
den Mauern hinab auf den anftürmenden Feind zu ftürzen. Das 
geihah und die ergrimmten Bienen fielen über die Schweden ber 
und verurjachten eine ſolche Verwirrung, daß fie unverrichteter Dinge 
abziehen mußten. Zum ewigen Andenken wurde das Bild des Peter 
Heil, der durch feinen guten Einfall die Stadt gerettet hat, am 
Rathaus eingejet. 


Die Ilgenwieſe bei Killingen. 


Wenn man von Kiflingen aus durch das ſchöne und roman- 
tiiche Kaskadenthal hinauf nah dem Forſthaus Klaushof 
wandelt, jo gelangt man im anmutig fehattigen Walde auf eine 
gar ſchön gelegene, Wieſe, weldhe die IIgenwieſe genannt wird, 
An diefer Stelle joll ehedem ein hübſches Dorf geftanden fein, Namens 
Breuersdorf. Wie die Volksſage erzählt, war es von böjen 


— 


301 


Leuten bewohnt, einer Art Zigeuner, welche die Bewohner der ganzen 
Umgegend nedten und beftahlen. Den Leuten in Kiffingen verdarben 
fie die Felder und aderten in einer Naht aus Tüde und Schaber- 
nad ganze MWiefen um. Als ihre Uubilden nicht mehr zum Er: 
tragen waren, wurden fie gewaltſam verjagt und ihr Dorf dem 
Erdboden gleich gemadt. Des Nachts wollen Leute auf der Ilgen— 
wieje irrende Lichter umher flattern gejehen haben. 


Der Liebfrauenfee. 


Bei der romantiſch gelegenen Kapelle bei Kifjingen liegt ein 
tiefer See, der Liebfrauenfee genannt, deſſen Abfluß eine 
ftarfe Mühle treibt. Von diefem See erzählen fich die Bewohner 
der Umgegend Nehnliches, wie von dem Fridenhäujfer See in ber 
Nähe von Wächterswinkel. Er fol in Verbindung ftehen mit dem 
Meere und ein ungeheuer großer Fiſch darin gefangen worden jein. 

Einem liebenden Jüngling, der aus Gram und Verzweiflung 
darüber, daß er ein geliebtes Mädchen nicht fein nennen follte, 
fih einft in diefen See ftürzen wollte, erihien warnend und in 
Verklärung über dem Waſſer ſchwebend „Unfere liebe Frau”, fo 
daß er von feinem frevelhaften Vorhaben abftand und die wunder: 
bare Erjcheinung allenthalben verfündete, So erhielt der See den 
ſchönen bedeutungsvollen Namen. 


Die Eilingsburg bei Kiffingen. 


Die Saale fließt an einem Berg vorüber, die Patzeleiten 
genannt. In dem öftlichen fteilen dichtbewaldeten Abhang jteht der 
Sanpfteinfelien zu Tag. Dieſer Plaß heißt Eilingsburg. In dei 
Selfen führt die Wichtelshöhle, an deren Eingang foll ein hohler 
Raum fein, gleich einer Kammer, von welhem aus ein jchmaler 
niedriger Gang bis Aura führen und, nach alter Sage, ganz Kleinen 


302 


Leuten, Wichteln gerrannt, zum Aufenthalt gedient haben fol, An 
der rechten Seite der von Kiffingen nach Euerborf führenden Straße 
ift eine Tafel angebracht mit der Auffchrift: „Zu den Wichtelhöhlen.” 

In der Lindesmühle lebte in alter Zeit ein Müller, welchen 
diefe Wichteln zu einem reihen Manne gemacht hatten, denn fein 
Speiher war immer voll Getreide. Einft ftieg eine Wichtel über 
die Treppe nah dem Speicherboden. Obſchon er nur eine Korn: 
ähre trug, jo kreiſchte er doch wehleidig und unaufhörlih. Darüber, 
wurde der Müller unmillig und zornig und rief: „Du Blutfröt wie 
freifht du über dei Aerla Kom!" Auf diefe Rede trugen Die 
MWichteln alles Getreid fort und machten den Müller zu einem armen 
Manne, 

Daß vom Schloß Aura ein unterirdifcher Gang abzieht, jagt 
Erzähler, ift gewiß; denn einft wollten junge Ebdelleute den in dieſen 
Bängen verborgenen Schatz ſuchen; wie fie aber vordrangen, jahen 
fie drei Geftalten um einen Tiſch fißen, welcher ganz mit Gold be: 
det war, Darüber erihraden fie in der Art, daß fie die Flucht 
ergriffen und zwar jo jchnell, daß fie übereinander nieberfielen. 


Burg Botenlaube, 


In der Nähe von Kiffingen erhebt fich die Burgruine Boten: 
laube, Hier lebte im Mittelalter der Graf Dtto von Boten: 
laube, welder wie Walther von der Bogelmweide und Hugo von 
Trimberg ein Meifterfänger war. Er ftammte aus dem Gejchlechte 
der Grafen von Henneberg und dichtete fchöne Xieder von denen 
viele auf unjere Zeit gefommen find. Früher hatte er die Burgen 
Lichtenberg bei Dftheim und Habesberg bei Meiningen in 
Befig, welche er aber verkaufte oder vertaufhte und dafür bie 
Botenlaube erwarb. Als tapferer Kreuzritter 309 er in's ges 
lobte Land, kämpfte dort gegen bie Sarazenen und erwarb fid 
nicht nur den Ruhm eines Helden, fondern auch eine Braut, Bea: 
trir, die Tochter eines Grafen von Courtenay und Fürften von 


ee 7 


303 


Edeffa, die mit den Königen von Jeruſalem nahe verwandt war, 
weldhe er als feine Gemahlin mit auf die heimatliche Burg nahm. 
Dort lebten fie in größter Eintracht, übten der frommen Werke viele 
und ftifteten das Klofter Frauenrod. Die Burg Botenlaube 
wurde im Bauernfriege zerftört. Der Haufe von Aura griff fie 
an, aber ihre feften Mauern wieberftanden jedem Angriffe und der 
Würzburg'ſche Burgmann, der darin jaß, aus dem Gejchlechte derer 
von Steinrud verteidigte fie tapfer. Da fand fich ein feiler Ver— 
räter, welcher gegen hohen Lohn den Bauern verſprach, zur Nachts: 
zeit das Burgthor zu öffnen. Zum Zeichen, daß dieſes gejchehen, 
wollte er auf dem Küchenbrett baden. So wurde die Burg dur 
Verrat den Feinden überliefert. Die Bauern jelbft gaben dem Ber: 
räter den verdienten Lohn: fie ftahen ihm die Augen aus und 
warfen ihn in bie Flammen der brennenden Burg. Sein ruhe: 
loſer Geift kann feine Ruhe finden und wandelt, da er feine Er: 
löfung finden Tann, in den öden Räumen ber zerftörten Burg. In 
ftürmifchen Nächten hört man das graufige Haden auf dem SKüchen- 
brett. 


Arnshaufen. 


Weſtlich von Kiffingen, etwa eine Stunde davon, liegt bag 
Dorf Arnshaufen. Dabei ftand der Sage nah auf einer Eleinen 
Anhöhe über der Saale, eine Burg, von ber nicht3 mehr zu fehen 
it, als einige grabenartige Vertiefungen. Der Name diefer Burg 
fol Eyringsburg, Euringsburg gewejen fein und die alte Stätte 
heißt heute noch fo. Unweit Arnzhaufen in einem anmutigen Thals 
gründen fteht eine Kapelle, welche ein wunderthätiges Marienbild 
umſchließt. Um die Kapelle herum waren Krüden und Fetten aufs 
gehängt von ſolchen Lahmen und aus der Gefangenichaft Erlöften, 
welche gläubig und andächtig zu diefem Gnadenbild gebetet hatten. 

Einft ſpottete ein Freigeift dieſes Bildes, er wolle nimmer 
glauben, daß jemand durch die Fürbitte der göttlichen Gnadenmutter 


* — 7 


304 


geheilt worden ſei. Beim Herausgehen aus der Kapelle brach er 
ein Bein. 

Nahe bei der Kapelle entſpringt eine ſilberklare Quelle, welcher 
die Bewohner der Umgegend Heilkraft zuſchreiben, namentlich bei 
Augenleiden. Kein Tag vergeht, an dem man nicht Andächtige 
vor der Kapelle knieend erblickt. Oefters ſolb man die Kapelle 
nachts erleuchtet Jehen und beim Borübergehen einen jphärenhaften 
Geſang gehört haben. 


Euerdorfs Mame. 


Zwiſchen Kiffingen und Hammelburg liegt da3 Städtchen Euer: 
dorf, einft Sit eines Amtsgerichtes. ALS dieſes Städtchen noch 
feinen Namen hatte, fragte man eine vorübergehende alte Frau, 
welden Namen man dem Städtchen geben jollee Unmutig gab 
fie dem Fragenden die Antwort: „Was kümmert mich euer Dorf?” 
Bon diefer Stunde habe der Drt Euerdorf geheißen. 


Schlob Amalberg. 


Sn der Nähe der alten Stadt Hammelburg ftand in grauer 
Vorzeit ein Schloß, welches Amalberga, eine Königin von Thüringen 
gebaut haben fol, wovon auch das Städthen Hammelburg feinen 
Namen erhielt. Bei den Trümmern diefer Burg hütete einft ein 
Shäferjunge feine Heerde und da es ein heißer Sommertag war, 
fo jchlief er im Schatten einiger Bäume ein. Da träumte ihm, 
er jehe ein wunderſchönes Frauenbild, das winkte ihm geheimnisvoll, 
ihr zu folgen. Arglos und ohne Furcht folgte er. Bald famen 
fie in ein prächtiges Schloß, und die jchöne Frau winkte ihm, von 
Zimmer zu Zimmer ihr zu folgen, jo daß fie alle Prachträume 
durhwandelten. Rechts und links ftanden große Truhen voll Gold 
und glänzenden Ebdelfteinen, von denen zu nehmen die geheimnig- | 
volle Frau dem Knaben durch Zeichen gebot. 


305 


Nah aM diefen Schägen hatte er aber fein Verlangen; ihn 
reizte nur eine Blume, welche auf einem Marmortiih lag. Die 
ſchöne Frau reichte fie ihm, um damit feinen Schäferhut zu ſchmücken. 
Dann gingen fie wieder aus dem Schloß. Plötzlich erwachte der 
Knabe und merkte, daß er nur geträumt hatte und dennoh — auf 
feinem Hute war die Blume. befeftigt, die von lauterem Golde 
mar. 


Der Thurm auf der Burg Saale. 


Auf der Burg Saaled bei Hammelburg fteht noch ein großer 
runder Thurm. Bon diejfem erzählt die Sage, daß Königin Amal: 
berga von Thüringen ihn gebaut und daß fie in denjelben junge 
edle Ritter, welche fie argliftig zur Befriedigung ihrer Sinnenlujt 
dorthin gelodt und nachdem fie dieſe gebüßt, auf elende Weile ver: 
hungern ließ. Darum iſt es dort oben nicht geheuer uud man 
erblickt des Naht3 um den Thurm irrende blaue Flämmchen und 
auflodernde Feuer. 


Die Saalnixe. 


An dem Ufer der Saale jaß eine liebreizende Nire, beichäftigt, 
mit ihrer Angel Filchlein zu fangen. Das ſah von weiten ein 
Säger, und war entzüdt von der Schönheit ihres Angefichtes und 
dem Xiebreiz ihrer Geſtalt. Schnell eilte er hinunter in's Thal 
und gefellte fih zu der anmutigen Fiicherin. Er bemwunderte ihr 
Geſchick, Fiichlein zu fangen und jchmeichelte ihr mit Schönen Worten. 
Das Mägpdlein aber lächelte ſchalkhaft und meinte, daß fie noch 
befjere Angeln als dieje verwahre, wer damit gefangen werde, ber 
fönne fich nimmer entledigen, Das verjtand der Jäger gar wohl, 
denn er merkte bereits, daß er jelbft mit feinem Herzen an dieſer 
BZauberangel gefangen worden jei. Indeſſen ſchätzte er ſich äußerft 
glücklich, die Liebe diejer boldjeligen Waflerjungfrau gefunden zu 

Sagenidhap. 20 


306 


* 


haben und wollte eben den erſten Kuß von ihren Lippen rauben 
als die Nixe in den Wellen der Saale verſchwand. Da ſtand nun 
enttäuſcht der arme Liebesjäger und ſah der Treuloſen nad. Und 
noch heute wandelt der Jäger einſam im Thale auf und ab und 
klagt in vernehmbaren Schmerzenslauten ſein trauriges Schickſal. 


Die Maid von Sodenberg. 


Auf dem Sodenberg bei Hammelburg ftand vor alter Zeit 
auch ein Schloß, darin wohnte eine Zofe, welche nıit einem Knappen 
(Edelfneht) von Burg Reuffenberg, von welchem auch nur noch 
Trümmer jtehen, ein heimliches Liebesverhältniß unterhielt. Da 
aber die Entfernung zwiſchen beiden Burgen eine halbe Stunde 
betrug, jo blieb ihnen für ihre Zuſammenkünfte nicht viel Zeit. 
Die Maid wünſchte fich daher, hinüber auf den Reufjenberg durch 
die Zuft zu ihrem Buhler fahren zu Fönnen. Da trat der böſe 
Feind vor fie und verlodte fie, einen Pakt mit ihm zu machen, 
fraft deſſen er fie in Geftalt eines Ziegenbodes, fo oft fie es wollte 
durch die Luft führen mußte. Da nun der Pakt oder die verein: 
barte Zeit verfloffen war, mollte der Böſe feine Beute mit fich 
führen. Die arme Zofe aber flammerte fih jo jehr an einen Bild: 
ftof an, daß die Spur ihrer zehn Finger darin ftehen blieb. Doc 
alleg war vergebend. Die Arme wurde vom Satan in die Hölle 
geführt. Der Bildftod trug früher eine Steintafel, auf welcher die 
Begebenheit abgebildet war. Die Zeit hat zwar das Bild vernihtet, 
do der Eindrud der zehn Finger foll noch fihtbar fein. 


Wolfsmünfter. 


Nicht weit vom Dorfe Wolfgmünfter ftand einft ein Klofter, 
wohl das ältefte der ganzen Gegend, welches dem weit Ipäter ent- 
ftandenen Orte erjt den Namen gab, Noch wenige Reſte find davon 








307 


zu jehen. Der zweite Abt vom Klofter Fulda, Gangolf, deſſen 
Namen noch in verjchiedenen Rhönſagen fortlebt, (Gangolfsbrunnen, 
Gangolfskeller 2c.) welcher durch feine Bemühungen viele Orte zum 
Stift Fulda bradte und den Grund zum Petersberg in Fulda, 
der früher Eulenberg hieß, legte, — baute, als fein Klofter dort 
die wachſende Zahl der Mönche nicht mehr faßte, eine Zelle, wo 
er zurüdgezogen von der Welt und ihren verführerifchen Freuden 
die legten Sabre jeines Lebens zubringen wollte. So entftand das 
Klofter Baugolphsmünſter, aus welhen Namen fich mit der 
Zeit Wolfsmünſter bildete. Im Jahre 802 legte Baugolph 
die Abtwürde, welche er 23 Jahre lang jegensreich begleitete, frei: 
willig nieder und übergab diejelbe jeinem Nachfolger Rathger. 
Er ſelbſt aber beihloß in klöſterlicher Stille und Einſamkeit fein 
beſchauliches Leben. 


Der Schaf bei Wolfsmünlter. 


Am Ufer der Saale bei Wolfsmünfter lag ein großer verrufener 
Stein. Ein Zimmergejelle, welcher öfter nachts von der Arbeit 
beimfehrend dort vorüber fam, vernahm jedesmal, wenn er an den 
Stein fam, ein jeltiames Getöfe, gerade fo, als wenn ein Faß den 
Berg herab rolle. Da meinte der Zimmermann, er fönne nichts 
befjeres thun, als den Stein hinwegichaffen. Er hob ihn und ftürzte 
ihn in die Saale, worauf er von dannen ging und von da an au 
fein Geräufch mehr vernahm. Gr ahnte aber nicht, daß unter dieſem 
Stein ein großer Schat verborgen lag. Später gingen zwei Ge- 
jellen miteinander des Naht am andern Ufer der Saale hin. Da 
erblidten fie an berjelben Stelle einen großen Haufen glühender 
Kohlen. Gerne hätten fie, um den Schag zu bannen, etwas darauf 
geworfen, wenn der Fluß es nicht verhindert hätte Der Schaf 
it bis heute ungehoben und fol fih manchmal zeigen. Er joll 
aus dem alten Klofter herrühren. | Ä 


20* 





308 


Seifriedsburg. 


Bor vielen Jahren Tebte ein Knabe, Fri mit Namen, den 
feine Kameraden, weil er die Schweine bütete, den „Säufrig“ 
nannten. Einft hütete er jeine Schweine am Ufer ber Saale. Da 
ſah er dem Fluſſe einen Greis entfteigen, der ihm einen glatien 
Kiefelftein gab und ihm fagte, daß er, wenn er diefen Stein bei 
fih trage, hieb- und ftichfeft jei. Als erwachlener Jüngling zog 
Frig in den Krieg und im Bemwußtjein feiner Unverwundbarfeit that 
er wahre Wunder der Tapferkeit, wofür er zur Anerkennung be: 
deutende Geldjummen erhielt und vom Gaugrafen die Erlaubnis, 
fih eine Burg zu bauen, wohin er wolle. Er wählte biezu feine 
Heimat und feine Burg nannte man zur Erinnerung an jeinen 
Yugendfpignamen: (freilich mit dem unfhönen Namen) „Säufritz 
burg” woraus fich in jpäterer Zeit der fchönere Name „Seifrieds- 
burg“ bildete. 


Untergang der Seifriedsburg. 


Hundert Jahre ftand die Burg, als einft die Bewohner ber: 
jelben in der Woche nah Johanni damit beichäftigt waren, die 
Heuernte einzuheimjen. E3 war eim jehr heißer Sommertag, ala 
gegen Mittag ein heftige Gewitter aufftieg. Während das übrige 
Gefinde angſtvoll nach Hauje eilte, blieb eine fede Magb auf ber 
Wieſe und rief: „Ei ed mag donnern und bligen, jo muß ich meinen 
Heuhaufen jpigen.” In demjelben Augenblid fuhr ein Blitzſtrahl 
aus dem Gemwölf, der die Magd niederſchlug und die Burg in 
Brand ftedte. Seitdem liegt die Seifriedsburg in Trümmern, dod 
das Dorf führt den Namen fort. 


Bindwurm. 
Zwiſchen Seifriedsburg und Schönau an der Saale 


liegt ein Wäldchen, welches den Namen Lindwurm führt. Sm | 


309 


der Nähe Haufte, wie die Volksſage meldet, ein gräulicher Lind— 
mwurm, welcher von einem Beliger der Seifriedsburg erlegt wurbe. 

Es wird bier ein überraſchendes Zufammentreffen mit jener 
urdeutihen Sage vom gehörnten Siegfried wahrgenommen, 

Auch dort erft niederer Stand, dann Dradentötung, Unver: 
wundbarfeit, große Thaten, reiher Hort. Auch die Sage jchreitet 
in mannigfadher Verwandlung durch die Jahrhunderte, wie fie einft 
durch die Länder fehritt; aber ihr Leben iit ein unfterbliches und 
fie jelbft ein unverwundbarer Siegfried, den weder der Speer falfcher 
Aufklärung, welche gegen’ bie Sage als wahnvolle Fabelei anfämpfen 
zu müſſen glaubt, noch die polirte Doldhipige des Hohns zu fällen 
vermag. 


Hohenburg an der ern. 


Auf einem Berge über der Wern liegen die großartigen 
und weitläufigen Trümmer des Schloſſes Hobenburg. Darin 
bauften zuerſt Ritter, welche fich nach diefer Burg nannten, dann 
fam leßtere an die Herren von Bidenbad. Diejelben waren 
fromm und gut und bevrückten ihre Untergebenen nicht. Aber fie 
verarmten und mußten ihr Schloß an das Hochſtift Würzburg ver: 
faufen. Im Bauernfriege 309 ber helle Haufen, der mit feiner 
Hauptmaht am Rodenberg, etwa eine Meile von Hohenburg lagerte, 
nachdem er die Burg auf dem Keufjenberg gebrochen hatte, am 
Mittwoch nach Misericordia au vor die Hohenburg und for: 
derte die Beſatzung zur Webergabe auf, allein der Haufe ward mit 
tapferer Hand abgewehrt und feine Macht zerichellte an den Mauern 
der ftattlih bemwehrten Veſte. Später fam die Burg allgemach in 
Verfall. Einer der legten, die Burg bewohnenden Amtleute des 
Hohftifts Würzburg war Philipp von Thüngen, welder nebft 
dem Amtmann von Trimberg der einzige adelige Vaſall 
war, ber nah Würzburg kam, als die von ihrem Herrn, dem 
Fürftbifhof von Würzburg Friedrich von Wirsberg verlafjene, 
duch den Raubritter Wilhelm von Grumbach eingenommene Stabt 


310 


in großer Gefahr jchweble Von Hohenburg führten, wie die Volks— 
fage meldet, unterirdiihe Gänge nah der Reuſſenberg, da 
beide Burgen auf einem und demjelben Berge liegen, Reufjenberg 
auf dem Gipfel, Hohenburg auf der jüdlichen Abdachung auf freier, 
das Wernthal überichauender Höhe, jegt ein Sit der Eulen und 
Geier, der Marder und Iltiſſe, jelten bejucht, mit zerfallenen 
Thürmen und verödeter Kapelle, 


Bemündens Hame. 


Beim Städtchen Gemünden vereinigen fih die beiden Flüffe 
Sinn und Saal, morauf fie in ven Main münden. Daraus 
ift der Name des Stäbthens Gemünden entitanden, zum Unter— 
jhied von anderen Städten dieſes Namens 3. B. Schwäbiſch— 
Gemünd auch Fränfiih: Gemünden genannt. Frühzeitig ſchon 
mögen an dieſem günftig gelegenen Punkte Anfiedelungen ftattge- 
funden haben. Als ältefte Befiger werben urkundlich die Grafen 
von Rineck und die Herrn von Bidenbadh genannt» Dicjelben waren 
im Waldfaffengau reich begütert und erbauten auf dem Berge bei 
Gemünden eine Burg — die Slobe auch Burg Scherenberg ge: 
nannt. Die Burgmauern zogen fi den Berg herab bis zum 
Mühlthor und bis zum Main und wurden durch fie die Häufer 
der Borftadt von der übrigen Stadt getrennt. 


Der Buckenberg. 


Derielbe liegt bei Gemünden und gebt von demielben ähnlich 
wie vom Barbarofja im Kyffhäufer die Sage, daß vor langen 
Beiten ein Kaiſer mit feinem ganzen Hofitaate in denjelben verjunfen 
jein jol. Nun figt er darin an einem fteinernen Tifhe und wenn 
jein Bart dreimal un den Tiſch gewachſen ift, wird der Kaiſer mit 
jeinem Gefolge wieder aus dem Berge hervortreten. 


311 


Einft fam ein armer Knabe, welcher in der Umgegend Sem: 
meln zum Berfaufe trug, auf den Berg. Dort traf er einen ftein- 
alten Mann mit einem jchneeweißen langen Barte Der ſprach 
freundlich mit dem Knaben und letterer klagte ihm fein Leid, daß 
er fo wenig verkaufen könne und daß fein Verdienſt jo gering jei. 
Der alte Mann tröftete ihn und ſprach: „Höre Kleiner! ich will 
dir einen Ort zeigen, wo du alle Tage fo viele Semmeln verlaufen 
fannft, als du zu tragen vermagft. Du darfft aber niemand etwas 
davon jagen!" Darauf führte der Mann den Knaben in einen 
Berg, wo ein ungeheueres Leben herrſchte. An einem Tiſche jaß 
der Kaiſer, deſſen Bart jchon zweimal um den Trih gewachſen ift. 
Dahin brachte der Knabe alle Tage jeine Semmeln und empfing 
dafür uralte Silbermünzen. Da aber bald im Städtchen viel von 
diefen Geld in Umlauf war, jo wurden die Leute ftußig und drangen 
in den Knaben, zu jagen, wo er diejes Geld befäme. Ungeachtet 
der empfangenen Warnung offenbarte er feinen einträglichen Handel. 
Ein Kamerad de3 Knaben drängte fih ihm fpäter als Begleiter 
auf, in der Abfiht, auch die Herrlichkeit im Berge zu hauen, allein 
fie fanden den Eingang nicht mehr. 


Sondheim bei Arnltein. 


An der Nähe des Städtchens Arnftein fteht in einem jchönen 
Wieſenthale eine alte Kirche, die Pfarrfirhe der Stadt, welche den 
Namen Sondheim führt. Vor Zeiten fol dort ein ganzes Dorf 
diefes Namens geftanden, aber untergegangen und nur die Kirche 
fihtbar übrig geblieben ſein. In diejer Kirche wird von Oftern bis 
Allerheiligeg Gottesdienst gehalten. Bon Arnftein führt eine ſchöne 
Dbftbaumallee Hinüber. Der Kirchhof dajelbft nimmt die in der 
Stadt Berftorbenen auf und hat wie die Kirche jelbft, manche 
fehenswerte Monumente und Grabfteine. Eines derjelben wird das 
der befehrten Here genannt. Es lebte nämlich vor alter Zeit 
in Arnftein eine begüterte Frau Namens Cordula Bed, deren Reich: 


312 


tum den dortigen Bewohnern nicht erflärlich ſchien und der finftere 
Aberglaube jener Zeit bezeichnete die Frau geradezu als eine Here. ALS 
e3 mit ihr zum Sterben gekommen, fol fie viel Grauenvolles und 
Schweres in der Beicht geoffenbart, ihr Gewiſſen erleichtert haben 
und mit Gott verjöhnt in die Ewigkeit binübergegangen fein. Ihr 
anjehnliches Vermögen vermachte fie zu mohlthätigen Zmweden, zur 
Unterftügung für die dortigen Lehrer, für arme Studenten und 
Gewerbölehrlinge. Auf dem Sondheimer Kirchhof wurde ihr ein 
Monument gejegt. 


Die Dtelshaufer Blocke. 


Nicht weit von dem Städten Werned, dem ehemaligen Luſt— 
ſchloſſe der Fürftbifchöfe von Würzburg, jett Srrenanftalt, breitet 
fih eine weite Flurebene aus, auf welcher Fein Haus, Fein Hof uud 
fein Dorf fteht. Mitten in diejer Flurmarkung ſoll einft, wie bie 
Sage erzählt, ein Dorf geftanden fein, Namens Dtelshaufen. In 
grauer Vorzeit joll es eine Stätte heidnifchen Cultus geweſen fein. 
Zwar gelang e3 den chriftlihen Glaubenzpredigern, die Bervohner 
zum Chriftenthume zu befehren, aber nicht für die Dauer — fie fielen 
nach einiger Zeit wieder in’3 Heidentum zurüd. Zur Strafe hiefür 
jol der Drt untergegangen fein. Die Flurmarfung wurde unter 
die nächitgelegenen Ortſchaften Schwanfeld, Eßleben, Waigolshaufen 
und Theilheim vertheilt. Lebtere Gemeinde habe das Meifte er: 
halten. 

Auf der Markung von Theilheim wühlten einft die Schweine 
eine Glode aus der Erde, welche die Bewohner von Theilheim als 
Eigentum in Beſchlag nahmen, und in ihrer Kirche aufhängten. Zum 
Andenken an dieje Begebenheit habe Theilheim eine Gfode in fein 
Gemeinbefiegel aufgenommen. 


313 


Waldaſchach. 


Zwiſchen den beiden Geſundbädern Kiſſingen und Bocklet, an 
dem Ufer des Saalfluſſes liegt der Ort Aſchach, zum Unterſchied 
von Gauaſchach bei Arnſtein, Waldaſchach genannt. Dort 
erhebt ſich auf geringer Anhöhe über den Ort ein althennebergiſches 
Grafenſchloß, in welchem ſpäter die blühende Steinguifabrif des 
Herrn Sattler von Schweinfurt betrieben wurde. Dasſelbe iſt 
jetzt Eigenthum Seiner Excellenz des Herrn Regierungs-Präſidenten 
Grafen von Luxburg. Von den Grafen von Henneberg ging es 
an die Biſchöfe von Würzburg über, welche es als Sommer: 
aufenthalt benüßten. Später war es die Wohnung der Oberamt- 
männer des Amtes Aſchach. Die Sage meldet, daß auf dem Linf3 
an der Saale gelegenen Teile de3 Berges ebenfalls ein henne— 
bergiihes Schloß geftanden habe, die Altenburg genannt‘, wes— 
halb der Berg heute noh der Altenberg genannt wird. Graf 
Hermann von Henneberg, dem das ftattliche Schloß Aſchach in der 
Teilung mit jeinen Brüdern zufiel, machte hierauf diejen Reim: 

„Am beiten mir gefällt das Haus Aſchen, 
So ih von meinen Brüdern hab’ erhafchen, 
Denn es kann füllen Faß und Flajchen 
Und aud Geld geben in die Taſchen.“ 

Dort ift das Bild eines ſehr großen Fiiches auf eine Tafel 
gemalt zu erjchauen, welcher einft in der Saale gefangen wurde. 


Sagen aus den Bapbergen. 


Der Kirchenbau zu Königsberg. 


An der Schönen Pfarrkirche zu „Unferer lieben Frau” zu 
Königsberg erblidt- man außen zwei fomijche Steingebilde, von denen 


— —— 
314 


die Volksſage folgendes zu erzählen weiß. Der Kirchenbau, bereits 
im Jahre 1397 begonnen, ſchritt nur äußerſt langſam fort und 
verzögerte fih auf 67 Jahre Man hatte da Bauwerk einem 
fremden Baumeifter übertragen, welcher aber von dannen z0g und 
anderswo arbeitete. Umſonſt ließ er fich lange mahnen und drängen, 
doh den Bau zu vollenden. Darüber entitand nicht nur großer 
Unwille über den Meilter, jondern auch viele üble Nachreden. 
Beſonders erbittert waren zwei Bürger und Natsherren, welche der 
Kirhe gegenüber wohnten. Dieje fonnten ihres Schimpfend und 
Scheltens fein Ende finden. Eine® QTages erblidten die Wächter 
eine große Männerjchaar, die ih von Haßfurt her der Stabt näherte 
und ftießen in die Lärmhörner, denn es dünkte ihnen, ein bewaffneter 
Haufe beabfichtige den Ueberfall der Stadt. Die Bürgerichaft griff 
zu den Waffen, ſchickte fih an den Feind abzuwehren und jandte 
einen Abgeordneten entgegen mit der Frage, was des Haufens 
Begehren jei. Da ftellte e3 ſich heraus, daß es der beftellte Bau- 
meilter mit nicht weniger als 400 Gefellen war, die er herbeiführte. 
Als er aber erfuhr, wie böswillig die 2 Bürger und Natsherren, 
von ihm gefprochen, brachte er ihre Garrifaturen an der Kirche an. 


Hergſchloß Königsberg. 


Südlich vom Städtchen Hofheim liegt eine Enclave von Hild— 
burghaujen, da8 Amt Königsberg. Ueber der Stadt liegt das 
Schloß Königsberg, welches jchon vor Chrifti Geburt erbaut worden 
jein fol und jpäter der Sig eines. fränkiſchen Königs geweſen fei. 
Eine fräntiihe Königin fol den Thurm, eine andere dag Schloß 
erbaut haben. Eine alte Kemnate neben dem Thurme deutete in 
ihrer Bauart auf die Zeit Heinrich des Voglers Hin. 

Das Schloß Königsberg war früher Eigentum der Herzoge 
von Meran, hierauf Eigentum de3 Faiferlichen Stiftes Bamberg, 
auch eine Zeitlang Wohnfig des Fürftgrafen von Henneberg, Berthold, 
welches derjelbe nebit der Stadt vom Kailer Ludwig dem Bayer 


315 


zu Lehen empfing. Heutzutage ift von den Reiten diejes alten 
und ftattlihen Schlofjes nicht mehr viel übrig, Die Sage meldet, 
ein unterirdiicher Gang habe vom Schloß bis zum Rathaus herab 
geführt. Das Schloß erlag feiner feindlichen Gewalt, ſondern die 
Fahrläfligfeit der Beamten und die Ebbe in den herrichaftlichen 
Kaſſen habe es allmählich verfallen Lafjen. 


Der Auelorden. 


Zu Königsberg war vor Alters auch ein Nonnenklofter, 
welches bereit3 in Jahre 1269 Mönche des Auguftinerordens inne 
hatten. Darauf that fich im Jahre 1391 zu Königsberg auch eine 
Schweſterſchaft andächtiger frommer Frauen zulammen, welche 
fih zur „Agelblume” nanıte und dem Mönchskloſter anfehnliche 
Gaben und Unterftübungen zumandte. Es durften nad) den Ordens— 
ftatuten der Schweftern nicht mehr al3 31 jein. Die einunddreißigite 
hieß die Königin, welche nach ihrem Ableben durch eine neugewählte 
erfeßt wurde. Zum Habit des Ordens gehörte eine filberne und 
vergoldete Agleiblume, welche jede eingekleidete Schweiter am Gewand 
tragen mußte. Wenn eine ohne dieje Blume angetroffen wurde, 
ward fie gebüßt (geftraft) um ein halbes Pfund Wachs, aus welchem 
Kerzen gefertigt wurden, welche die Strafbare vier Wochen lang 
vor dem Hochaltare während der Mefje anzünden und in der Hand 
tragen mußte. 

Jede Schwefter durfte fich vor ihrem Ableben eine unbejcholtene 
Nachfolgerin wählen, welche aber vier Ahnen haben mußte. 

Daher finden ſich im Drdensregifter viele gräfliche und frei- 
herrliche Namen aus den berühmteften fräntifhen Familien. 


Die kühne Magd. 


Am Breitweg zu Königsberg, wo man auf Altershaufen 
zugeht, ftand rechter Hand eine Kapelle, welche zur Ehre „Unferer 


316 





lieben Frau” erbaut, im Jahre 1535 aber wieder abgebrochen 
wurde. Bon diejer Kapelle wird folgende merkwürdige Geihichte 
erzählt: 

Bor dem Haffurter Thor in der Vorſtadt hatten die jungen 
Mädchen eine Spinnftube Eines Abende kam die Sprache auf 
dieje Kapelle, von der man immer fagte, daß e3 dort nicht geheuer 
ſei. Das mutwillige Völkchen aber iprah: „Wer zur Kapelle 
läuft und zum Beweis ein Wahrzeichen zurüdbringt, befommt ein 
neues Kleid." Eine kühne Magd lief aud in der ftodfinfteren 
Naht ohne Begleitung zur Kapelle, vor welcher fie ein Pferd mit 
einem aufgeſchnallten Bündel erblidt. Aus der Kirche ſelbſt vernahm 
fie Winjeln und Wehllagen. Mit dem Bündel eilt fie heimmärts. 
Unterdefjen fommt ihr ein Neiter im fcharfen Trab nachgeritten 
und die Magd verbirgt fih in ihrer Angft hinter einem am Wege 
lagernden hohen Düngerhaufen. Als der Reiter vorbeigefprengt 
war, eilte die Magd, jchredensbleih und am ganzen Leibe zitternd 
in die Spinnftube, wo fie den Bündel öffnete. Da finden fid 
darin allerlei Koftbarfeiten als Gold, Perlen und dergleichen wie 
auch Briefe, aus denen fie erjahen, daß eine reiche Dame verreifen 
wollte, aber von ihrem Begleiter, einem treulojen Edelfnechte, in 
der Kapelle ermordet wurde. 


Die Mäſtung Erbrectshaufen. 


Ueberm Schloß Königsberg gegen Often, wo man nad 
Bramberg und Ebern geht, zwijchen dem Sperbersheig und Roßberg, 
einem Walde, liegt einfam in der ebenen Feldflur ein Schafhof 
und über ihm die Trümmer einer öden Kapelle. 

In der Nähe diefes Hofes ftand einft ein Dorf, Erbrechts— 
haufen mit Namen, welches nah der Ummohner Sage verſunken 
ift. Noch fteht unweit des Hofes die Dorflinde neben einem Brünnlein. 
Die Kapelle hieß die Sankt Jakobskapelle und gehörte zum Dorfe 
Erbrechtshauſen. In der Nähe der Kapelle jah man längere Seit 





317 


mehrere alte Leichenfteine, deren Schrift aber nicht lesbar war. 
Auf diefer Stätte ſoll es nicht geheuer fein. In gewiſſen mond: 
hellen Nächten jehe man noch das Dorf Erbrechtshauſen wieder fo 
daftehen, wie es vordem ftand und Schaaren von Männern und 
Frauen in die Kapelle zum Gottesdienft eilen. 


Schloß Kramberg. 


Auf dem Bramberg, ber höchſten Höhe unter denen, welche 
in ber Gegend von Königsberg aufragen, liegen die Trümmer 
einer Burg gleichen Namens, rings umwaldet und jchmwer erreich- 
bar. Hat fich aber der Wanderer durch das Geftrüpp des Eichen: 
waldes und das mächtige Steingerölle empor gearbeitet, fo belohnt 
eine reizende Fernficht die Mühe des Aufſteigens. Er erblidt den 
Thüringerwald, das Nhöngebirge und den Steigerwald. Düjter 
ragt das alterdgraue Mauerwerk der Ruine empor, gemieden von 
Furt und Aberglauben, jelten von einem menschlichen Fuße be— 
treten. Es war einft Burg Bramberg ein Raubneft, da auf Be: 
fehl des Kaiſers Friedrich Barbarofja zerftört wurde, weil von ihm 
aus der Friede der ganzen Umgegend geftört worden fei. Den 
Berg machte er dem Hochitift Würzburg zum Gejchent und verbot, 
die Burg je wieder zu erbauen oder zu erneuern, Die Bewohner 
ber Umgegend glauben zwar, daß diefe Burg im Bauernfrieg 
zerftört worden fei, allein e3 ift nicht glaubhaft anzunchmen, daß 
die Burg ohne Genehmigung des Kaiſers Barbarofja wieder erbaut 
murde, noch weniger, daß das Hodftift Würzburg diejes geduldet 
babe, auch finden fih in urkundlichen Nachrichten Feine fpäteren 
Beliger. 


Das Kirfhbüumchen auf dee Burg Kaueneck. 


Bon dem Bergſchloſſe Rauened geht die Sage, daß dort 
ein großer Schat verborgen jei, der von einem ruheloſen auf Er: 


318 


löfung hoffenden Geift bewacht werde. Auf der Mauer dieſer 
Burg fteht ein Kirihbaum, aus deſſen Holz eine Wiege gemacht 
werde. Wer nun in diefer Wiege als Sonntagskind gejchaufelt 
werde, jei berufen, als erwachſener Mann den Geiſt zu erlöien 
und dem verborgenen Schaß zu heben, wenn er jeine Herzensreinig: - 
feit bewahrt habe Wenn das Kirihbäumdhen vom Sturme gefnidt 
wird, jo muß der Geift wieder jo lange auf Erlöjung barren, bis 
wieder ein Vogel einen Kirſchkern zur Stelle trägt und dieſer zu 
einem Baume wird, 


— — — — — 


Burg Altenftein. 


Unter den Burgtrüimmern des öſtlichen Frankens ift die von 
Altenftein eine der berühmteften und bejuchteften. Eie bildet 
mit den Ruinen Lichtenftein und Nauened ein Dreied. Hohes 
Alter und hübſche Lage zeichnen fie gleich jehr aus. Auf feinem 
nordöftlihen Abhang Toll noch eine Veſte geftanden fein — die 
Heidenburg uud dieſe fol die eigentlihe Stammburg der 
mweitverzweigten Adelsfamilie derer „von Stein zum Alten: 
ſtein“ gemwejen jein. Später war die Burg Eigentum des Hoch— 
ſtifts Würzburg, welche Burgmänner darauf hielten. Das ftatt: 
lihe Schloß, in feinen Trümmern noch groß, ſoll im Bauernkriege 
zerftört worden jein. Es fiel duch Verrat, meil der damalige 
Buraherr: Klaus Ludwig von Stein zum Altenftein als Feldhaupt— 
mann am Rhein abwejend war. 

Viele Bürger von Ebern und Bauern aus Maroldsweiſach 
jollen bei der Plünderung und Zerftörung der Burg thätig geweſen 
jein, wofür fie im darauffolgenden Jahre hätten hart büßen müſſen. 
Doch wurde das Schloß von der Familie noch bis zum Jahre 1703 
bewohnt, worauf fie ihren Wohnſitz nach Pfaffendorf verlegte, 
welches der vorgenannte Klaus Ludwig von Stein zu "bauen be- 
gonnen Batte, der den Bau jedoch nicht vollenden konnte, indem er 
von den Maroldsweiſacher Bauern erichlagen wurde. 


319 


Die zwölf gerichteten Ritter auf Burg Altenftein. 


Zu derjelben Zeit, als Biſchof ring von Nheinftein den 
bifhöflihen Thron von Würzburg einnahm, jaßen auf dem Schloſſe 
Altenjtein dreizehn Ritter, Brüder des altadeligen Geſchlechts, welche, 
von Friegerifcher Art, öfter in das fürftbiichöfliche Gebiet einfielen 
und defjen Unterthanen beunrubigten. Der Biſchof, auch ein kriegs— 
Iuftiger Mann und tapferer Haudegen, verjammelte feine Vajallen 
und Lehenzleute und zog vor den Altenftein. Hier jah er bald 
genug, daß die unüberwindlihe Burg und ihre Beſitzer ihm lange 
genug Troß bieten würden, denn die zwölf Ritter (der dreizehnte, 
Seifried mit Namen, war ald Kohanniterritter abweſend,) wehrten 
fih männlih und ſchlugen jeden Angriff ab. Da nahm der Biſchof 
feine Zuflucht zur Lift, denn e3 war ihm um jeden Preis darum 
zu thun, Die Altenfteiner zu demütigen und zu bändigen. Gr bot 
ihnen friedlihen Vergleich an und dieſe gewährten ihm dieſen 
Wunſch. Sie öffneten dem Biſchof mit einigen feiner Dienftmannen 
die Burg und bemwirteten ihn reihlih und köſtlich. Nach der 
Mahlzeit ging der Bilchof in fein Gemach und begehrte, mit jedem 
der 12 Brüder allein zu verhandeln. So mie nun einer der 
Brüder in das Gemach des Biichof3 trat, ward er unverjehens 
durch einen Schwertitreich meuchlings ermordet. Schon waren eilf 
der Brüder gefallen und nur noch der legte übrig. Den mochte 
eine dunfle Ahnung befallen haben. Bewaffnet trat er in das 
Gemach des Biſchofs. und al3 auch er angefallen wurde, jeßte er 
ih zur Wehre und warf fein ſcharfes Waidmeſſer nah dem Bilchof, 
welches ein Stück der Naje hinweg nahm. Dann ſank auch der 
legte Bruder zu Tod getroffen, in jein Blut. Im Klofter Lang: 
heim jollen die 12 ermordeten Brüder beerdigt fein. 


Al der dreizehnte Bruder Seifried aus dem Felde heimfam 
und die jchredlihe Nachriht von der Ermordung feiner 12 Brüder 
vernahm, entbot er dem Hochftift Würzburg Fehde und ruhte nicht 
eher, bis er in das Erbe jeiner ermordeten Brüder eingejcht war. 
Man erzählt, Seifried habe fich nach jeiner Rückkehr längere Zeit 


320 


nicht zu erkennen gegeben und in feiner Armut als Maurer gear: 
beitet, weswegen fih im Wappen der Xbeligen Stein zum Alten: 
ftein drei Sämmer befinden, 


Es ift gewiß jehr fraglih, ob ein Bilchof feine Hand mit 
dem Blute von zwölf ermordeten Brüdern befledt hat. Eher werben 
die zwölf Brüder als erwieſene Raubritter ihr Leben unter dem 
Schwerte des Scharfrichter3 beendigt haben. 


Das Gedächtniß der böſen Chat. 


Es konnte nicht fehlen, daß die jchredlihe That des Biſchofs 
Sting von NRheinftein ſich in der Familie derer von Altenftein 
forterbte. Jene That joll um das Jahr 1254 verübt worden jein, 
Nun gefhah es, daß im Sahre 1539 ein Domberr Hans von 
Stein zu Würzburg mit Tod abging. Den legten feine Amt3brüder 
in der ſchönen gothiichen Grabfapelle in eine Gruft, darin ein 
Domherr des Geſchlechtes von Rheinftein (1393 geftorben) begraben 
lag. Als das Endres von Stein, ein Bruder des Verftorbenen — 
Amtmann auf Schloß Waldburg bei Eltmann — erfuhr, kam 
derjelbe nah Würzburg und beftand darauf, daß fein Bruder 
wieder ausgegraben werde, denn nie und nimmermehr würde et 
zugeben, daß ein Rheiniteiner und ein Altenfteiner in einem Grabe 
ruhen würden. Da aber die Domberren die Ruhe der Todten 
nit ftören wollten, jo mußte die Erhumirung (Ausgrabung) unter: 
bleiben. Doch litt der Amtmann nicht, daß das Wappen beider 
auf einem und demjelben Stein vereinigt werde. Er ließ daher 
für jeden der beiden Verftorbenen einen gefonderten Grabftein mit 
deſſen Familienwappen anfertigen. 

So erbt fih das Andenken einer ruchloſen Blutthat durch 
Jahrhunderte fort zur Schande deſſen, der jie begangen hat und 
jeiner ganzen Familie. 





321 
Klofter Theres. 


Da, wo jpäter das Klofter There errichtet wurde, zwifchen 
Haßfurt und Schweinfurt, lag vor alten Zeiten ein ftattliches 
Schloß, welches dem Grafen Adelbert von Babenberg gehörte und 
den Namen Sonderishus führte. Dort habe Adelbert ein Klofter 
gegründet. Alte Geihichtichreiber haben ausgejagt, daß Graf Adel: 
bert, der durch des Mainzer Biſchofs Hatto ſchändlichen Verrat in 
feines Feindes Gewalt gefommen war, dort in feinem eigenen Haufe 
enthauptet worden jei. Andere wiederfprechen diefes und behaupten, 
Adelbert jei im Feldlager unterhalb der Babenburg enthauptet und 
jein Leichnam in die Fluten des Maind geworfen worden. Die 
Bewohner des Sclofjes aber hatten Kunde von der Unthat, zogen 
den Leichnam, den die Wellen trugen, aus dem Wafler und riefen 
weinend: „Der ift3! Der iſt's!“ und darnach jei der Ort Theris, 
Ipäter Theres genannt worden. In der Klofterlirche wurde Adel: 
bert feierlich beerdigt und ihm ein ftattliches Denkmal errichtet. 
Es ftand auf der linken Seite des Hochaltars an der Wand. Der 
Graf war in Lebensgröße darauf abgebildet, ftehend- auf einem 
liegenden Löwen, darunter die Worte: „Anno Domini DECCCVIIL 
obiit nobilis Albertus comes, de Babenberg, qui hie jacet in- 
cinneratus monasterii hujus fundator opum quantam dator, 
cujus anima requiescit cum sanctis. Amen.“ Zu deutſch: „Im 
Sabre des Herrn 908 ftarb der edle Albert Graf von Babenberg, 
defien Aſche hier beigelegt wurde, dieſes Klofter Gründer, ein 
Geber reicher Güter, befjen Seele mit den Heiligen ruhe, Amen.“ 


Adelberts, des Sabenbergers Grab. 


Bon Adelberts Grab Hat fich die Sage erhalten, daß dasjelbe 
ein Eoftbares und mit reihen Schägen gefülltes, aber noch nicht 
aufgefunden worden jei. Alte Leute geben an, wenn man im 
Thore des Klofterhofes geftanden und zwiſchen zwei Säulen, Die 

Sagenſchatz. 21 





322 


einen Betjtod gebildet, hindurch geſchaut babe, jo habe man bie 
Richtung gehabt, in melcher fih das Grab befand. Noch ift der 
alte doppeltfäulige Bildftod unweit des ehemaligen Klofter3 vor— 
handen, man weiß aber nicht mehr recht, ob er noch auf der alten 
Stelle fteht und jo wird Adelbert3 Grab wohl für immer unauf: 
gefunden bleiben. 


Der Silbaher Krieg. 


In der Nähe der Stadt Haßfurt, zwiſchen dieſer und dem 
Dörfhen Sil bach wird eine Stelle gezeigt, wo im dreißigjährigen 
Kriege viele Menichen umgelommen find. Es war im Jahre 1632, 
als alles Unglüd über Stadt und Amt Königsberg kam. Erft 
wurde die Stadt am 5. März von den Völkern Tyllis erobert 
und drei Tag lang geplündert, dann in Brand geftedt und thaten 
dabei die feindlihen Nachbarn den -meiften Schaden. In diejem 
Unglüdsjahre fiel ein Kroatenhaufe, aus Eltmann fommend, jammt 
einer Anzahl Haßfurter Bürger in Rügheim und Holzhaufen ein, 
bieben -die Bewohner unbarmherzig nieder und trieben das geraubte 
Vieh nah Hakfurt. Als die Nahricht hievon nad Königsberg 
fam, wurde Sturm geläutet und mit Kanonen vom Schloß ein 
Signal gegeben, worauf die Bürger aus der Stadt und die Bauern 
aus den nächiten Dörfern Unfinden und Hellingen ihren 
Nachbarn zu Hülfe eilten und die Feinde mit Spießen, Senjen, 
Herten, Dreichflegeln und anderen Waffen verfolgten. Inzwiſchen 
trieben die Soldaten das Vieh aus Haffurt über die Mainbrüde 
und machten, dur eine andere Partie verftärkt, einen Hinterhalt. 
Die Königsberger jeßten nach big an die obere Mühle bei Haßfurt 
da fielen die Kroaten und Haßfurter in ftarker Zahl aus ihrem 
BVerited. 

Die zu Pferde waren, entflohen, die zu Fuß aber wurden zwifchen 
Haßfurt und Silbah jämmerlich niedergehauen, erftohen und 
erihoffen. Es blieben ihrer etlihe achtzig auf dem Plage. Nach 
der Niederlage Fam eine Partie Schweden von Schweinfurt ber 


323 


und brannte die Brüde über den Main ab, durch welche der 
Gegend alles Unglüd zuging. Das Andenken an dieſe Begebenheit 
lebt noch heute im Munde des Volles unter dem Namen des 
Silbader Krieges und mande wollen in gewillen Nächten 
auf der fraglichen Stelle ein Geichrei vernommen haben, wie von 
einem Heere von Kämpfenden. 


Bon dee Burg Schmactendery. 


Eine halbe Stunde von dem Städten Zeil und anderthalb 
Stunden von Eltmann tronen auf einem hoben Berggipfel die 
Trümmer der ehemaligen Burg Shmadhtenberg, melde in 
den ältejten Zeiten ein Königshof geweſen jein fol wie Königshofen 
im Grabfeld. Dieje Burg hieß damals Castrum Zilanum — die 
Heiler Burg. Dieſe Burg hatte drei hohe Türme, von denen aus 
man einer ganzen Menge von andern Burgen und Schlöffern Feuer: 
zeihen geben konnte. Im Jahre 1525 drohte der Burg Schmadten= 
berg die Gefahr der Zerftörung durch die aufrühreriihen Bauern. 
Schon mar die Burg Schmadtenberg berannt und von ihr aus 
follte das Städtchen Zeil bezwungen werden, als der oberfte Haupt: 
mann des Bundesheered: Georg Truchſeß von Waldburg, von 
Haßfurt aus anrüdte, die Stabt rettete und die aufrührerifchen 
Bauern vertrieb. An der Folge aber erlag die Burg den wilden 
Truppen des Markgrafen Alcibiades von Brandenburg, welche fie 
plünderten und verbrannten. Später brad man die Steine zur 
Erbauung des Kaftenhof3 (Rentamts) in Zeil von der Burg und 
e3 blieben nur die Ringmauern, die Refte zweier Rundtürme und 
ein Kellergewölbe übrig, Später wurde die Burg Beligtum der 
Grafen von Schönborn-Wiefentheid und wurde durch hübſche Parks 
anlagen und fonjtige Verfchönerungen ein prachtvoller Aufenthalt. 
Wie die Sage meldet, jollen unter den Türmen ungeheure Schäße 
ruhen. 


21* 





324 


Die Magdalenen - Kapelle bei Baunab. 


Die Berglapelle bei Baunach ift die Ruheſtätte bes heiligen 
Viktor mit dem Zunamen Ueberkom, welchen die Stadt Baunach 
im Leben als Mitbürger und nad feinem Tode al3 Heiligen ver- 
ehrt. In der Kapelle befindet fich deffen Grab und feine Geſchichte 
ift aus einem Gemälde an der Wand, dem Eingang gegenüber 
dargeftellt, in den Hauptzügen folgende: Viktor war von früher 
Jugend an jehr fromm und fuhr oft mit zwei Pferden nah Rom 
und auch nach Compoſtella. Im Alter kehrte er nach Haufe zurück 
verwendete jein erworbenes Vermögen nad der Lehre Chrifti zu 
Werfen der Wohlthätigfeit gegen die Armen und entjchlief mit 
dem Nahruhm der Heiligkeit. Als man ihn vor feinem Tode 
fragte, wo er beerdigt jein wolle, befahl er, jeine Leiche von den 
Pferden ausfahren zu laſſen und wo dieje ftille ftehen würden, 
ihn zu beftatten und darüber aus jeinem Vermögen eine Kapelle 
zu Ehren der heiligen Magdalena zu bauen. Dabei ereignete fich 
ein Wunder. Diejenigen, denen die Erfüllung ſeines letzten 
Willen? aufgetragen war, fingen aus irgend welchem Grunde ben 
Bau der Kapelle an einem anderen Orte an, als welchen die ftille 
ftehenden Pferde bezeichneten. Allein alles, was während des Tages 
aufgebaut worden war, wurde in der Nacht von Engeln an die 
von den Pferden bezeichnete Stelle getragen. So befolgte man 
endlich den Willen des Verftorbenen und baute die Kapelle zu dem 
Grabe des heiligen Viktor. Hinter der gegenwärtigen Kapelle, auf 
der Flähe des Hügels, fteht heutigen Tages noch die fteinerne 
Kanzel des zuerft begonnenen Kapellenbaues. 





325 


Bolksfagen von Schweinfurt und Umgebung. 


Urſprung und Alter der Stadt Schweinfurt. 


Bieljeitig wird erzählt und behauptet, Schweinfurt habe ſchon 
länger al3 zwei hundert Jahre vor Chriftuß geftanden. Seinen 
Namen habe e8 von den Sueven (einem deutichen Volksſtamme) 
empfangen, welche an dieſer Stelle eine Furth über den Mainftrom 
gehabt hätten und hievon ſei der Ort Suevenfurt genannt 
worden. 

In einer Urkunde vom Jahre 790, in welcher Hiltrih und 
feine Ehefrau Hruadunna dem SKlofter Fulda ihr Eigentum auf 
der Markung Suinfurt verichrieben, dann in einem Dokumente 
vom Sabre 803, in weldhem Gerhart dem Klofter Fulda Güter 
in Swinfurtin und Geltersheim übergibt, dann vom Jahre 865, 
in welchem Reginhard 54 Morgen Land zu Smwinfurt an das: 
felbe Klofter jchenkt, wird zuerft des Ortes als Billa erwähnt. 

Im 10. Jahrhundert ftand die Stabt unter verjchiedenen 
Herzogen, von denen Berthold aus dem Geſchlecht der Henne- 
berg 955 den Titel eines Markgrafen von Schweinfurt erhielt, 
Defien Sohn Hezilo führte mit Kailer Heinrih Il. Krieg, welcher 
aber unglüdlih endete; er mußte nah Polen flüchten. Seine 
Mutter Eila oder Eilica blieb in Schweinfurt und wurde in dem 
von ihr geftifteten Klofter begraben. 

Schweinfurt wurde in Folge des Aufftandes des Markgrafen 
Hezilo 1003 belagert, feiner Thore und Ringmauern beraubt. 
Mit Eberhard Biihof zu Eichftädt 1112 ftarb das Gejchlecht der 
Markgrafen von Schweinfurt aus und die Stadt fiel dem Reiche 
zu, allein das Stift Eichftädt wollte fih im Befig erhalten und 
gab ihn nur gegen die Stadt Greding auf (1125). Die Stadt wurde 
in der Folge troß ihrer Privilegien (Vorrechte) gleich andern Reichs— 
ftädten vielfältig von den Kaifern verpfändet und jo in manche 





326 


Streitigleiten verwidelt. In einem Kriege der Grafen von Henne: 
berg gegen den Bilhof ring von Würzburg wurde fie im Jahre 
1254 von dem Bilhofe nah einjähriger Belagerung erobert und 
zeritört, jo daß fie nur Shweinfurt im Elend hieß. Nach 
pier Jahren wurde ihr Aufbau wieder begonnen, jedod an einer 
anderen Stelle. Die Stelle, wo die Stadt Schweinfurt früher 
ftand, heißt heute noch die alte Stadt. Nah und nad erholte 
fie fih wieder. In den Sahren 1446 und 1513 fanden heftige 
Kämpfe zwiſchen dem Rate und ber Bürgerjchaft ſtatt. Im Bauern» 
triege 1525 wurde fie vom Bildhäufer Haufen, doch bald darauf 
von Georg Truchſeß befegt. Im Sahre 1552 fand bier eine 
Fürften:Berfammlung ftatt behufs Beiprehung über einen Religions 
frieden. Im folgenden Jahre bejegte Markgraf Albrecht die Stadt. 
1554 murde fie vom vereinigten KHeere des Herzog von Braun: 
ſchweig, der Bilhöfe von Bamberg und Würzburg und der Stadt 
Nürnberg angegriffen und geplündert. Während des 30 jährigen 
Krieges war fie zuerft 1625 in den Händen Wallenfteins, dann 
am 12. Dftober 1631 im Befite des Königs Guftan Adolf von 
Schweden, welcher ihr 17 Dörfer ſchenkte, welche fie jpäter freilich 
wieder herausgeben mußte, weiter nah 5tägiger Belagerung 1634 
im Befige des General3 Dctavio Piccolomine, 1647 im Befige 
Wrangels. In Folge des Lünneviller Friedens 1802 verlor fie 
die Reichgunmittelbarfeit und wurde an Bayern,. 1810 durch Taufch 
an dag Großherzogtum Würzburg, 1814 durch den Parijer Frieden 
wieder an Bayern übergeben. (Stumpf). 


Die alte Studt. 


Wie ſchon in der vorigen Nummer erwähnt, lag die alte 
Stadt Schweinfurt nit da, wo fie jet liegt, fondern weiter 
aufwärts am Main, da, wo man noch eine Anzahl von Ges 
bäuden und Weinbergen bie alte Stadt nennt. Diele der 
Weinbergslagen Haben heute noch die einftigen Benennungen, 


327 


weldhe die Häufer führten, als da noch Häuſer jtanden, wo jet 
Neben: und Obftbaumpflanzunaen grünen, jo 3. B. die „Her d— 
gaſſe“ vielleicht von den Viehherden, „die langen Schranken“ 
wo ſich ehemals der Turnierplag befunden haben jol. Dort fteht 
auch im Tannengarten „die grüne Tanne”, welche den Pla bes 
zeichnet, wo vor Zeiten das Wirtshaus zum Tannenbaum ftand. 

Unter der alten Stadt follen noch große Schäge und Koft- 
barfeiten vergraben fein. Wer wird wohl fo glüdlich fein, dier 
jelben zu finden? 


Bom Bösen Lollus. 


Im Bereih der alten Stadt Schweinfurt und zwar nicht 
weit von „den langen Schranken”, ift ein Platz gelegen, welchen 
das Bolf Lollus oder Lollo nennt; ein anderer aber, näher 
gegen die jetige Stadt zu, in der Nähe des Mainftromd, wo vor 
Alters ein Wald gejtanden haben joll, wird „das kleine Löhlein“ 
genannt. 

In diefem Hain ſoll ehedem in einer Umzäunung ein ehernes 
Gögenbild geftanden haben, welches von den Einwohnern ver: 
ehrt wurde und Opfer an Wein und Feldfrüchten empfing. 
Diejes Bild hieß Lolus und war dargeftellt als ein nadter auf: 
geihürzter Süngling mit blondem Lodenhaar, einen Kranz von 
Mobhnjamen um den Hals und über die Bruft. Mit dem Daumen 
und Zeigefinger der rechten Hand hatte er die Spige der Zunge 
gefaßt und in ber linken hielt er einen Pokal, aus welchem Ges 
treideähren bervorftanden. Ueber dieſes Bild wurde viel geichrie- 
ben, es it aber abhanden gekommen, niemand weiß wohin? Man 
vermutet, es jei in die Fluten des Mains verſenkt worden. 


Sankt Kiliansberg. 


Auf dem Kiliansberg bei Schweinfurt predigte der heilige Kilian 
und verbot die heidnijche Götzenverehrung. Davon hat der Berg 





328 


feinen Namen. Viele Einwohner befehrten ſich zum Chriftentum, 
und dieſe waren es, welche das heidniſche Gößenbild in die Fluten 
des Mains verjentten. Nachdem aber der heilige Kilian mit feinen 
2 Gefährten in Würzburg den Martyrertod geftorben war, fielen 
die meilten Bewohner der Gegend wieder in's Heidentum zurüd, 
ließen fich ein neues Gößenbild verfertigen und ftellten e8 an bem 
Drte zur Verehrung auf, den man jet das Eleine Löhlein nennt. 
Später jedoh wurde auch dieſes Gößenbild vernichtet und auf 
dem Kiliansberg erhob ſich ein Kirchlein, das aber im Laufe ber 
Sahrhunderte auch wieder verſchwunden ift. 


I) 


Die Markgrafen von Schweinfurt. 


Aus dem Dunkel der Geihichte treten die Namen einiger 
Markgrafen, welche im Nordgau herrſchten, als Befiger von Schwein: 
furt. Hezilo oder Heinridh, Sohn des Markgrafen Berthold, 
hatte feine Refidenz meiftens in Schweinfurt, während jein Vater 
in Bamberg Hof hielt. Ein zweiter Sohn desjelben hieß Bur— 
fard. Hezilo war ein ehrgeiziger Mann, Als der Bayernherzog 
Heinrich — (Heinrih des Zänkers Sohn) fih um die Krone 
Kaifer Otto 111. bewarb, 309 er auch den Markgrafen durch Bes 
gabungen und Verheißungen in fein Intereſſe. Hezilo durfte hoffen, 
Herzog von Bayern zu werden, fobald Heinrich die Kaijerfrone 
auf’3 Haupt ſetzte. Diejes erfolgte im Jahre 1002, nicht aber die Er— 
füllung von Hezilos Hoffnung, wie treu und anhänglich diejer auch 
dem deutjchen Könige diente. Hezilo, müde des vergeblichen Harrens 
auf die Herzogöfrone, fiel von Heinrich II. ab und verband fich mit 
den Herzogen von Böhmen und Polen gegen den Kaiſer. Die 
Ausführung ihres Planes aber, Heinrich zu entthronen, mißlang; 
die Veften des Markgrafen wurden belagert und erobert, Hezilo 
entfam mit feinen Anhängern nah Cranach. Doch auch dort hart 
bedrängt ftedte er dieſe Veſte jelbit in Brand und entfloh nad 


Böhmen. 
* — 





329 


In Schweinfurt lebte Hezilod Mutter, Gaila, und erbaute 
dort auf der PBetersftirne ein Klofter und eine Kirche. Da 
nahten die Krieger des Kaiſers, um auch Schweinfurt zu vernichten. 
Gaila öffnete ihnen die Thore und bat um Schonung, mwidrigen« 
falls fie drohte, fih unter den Trümmern ihrer Kirche begraben 
zu laffen. Da wurde denn die Kirche verjchont und nur die Mauern 
eingeriffen und viele Gebäude der Stadt verbrannt. Später de— 
möütigte fih auch Hezilo vor dem Kaiſer und bat um Gnade. 
Heinrih der Fromme ließ ihn aber fofort gefangen auf den Gie— 
bichenftein abführen. Das Herzogtum Bayern erhielt Hermann von 
Zuremburg, ein Bruder von Kaiſer Heinrichs Gemahlin Kunigunde. 
Hezilo wurde auf dringende Fürbitte des Biſchofs Gottſchalk von 
Freifingen freigelafien; er eilte nah Schweinfurt und baute wieder 
auf, was im Kriege zerftört worden war. Seine Gemahlin hieß 
Gerberga. Er jelbit ftarb zu Schweinfurt und wurde im Klofter 
dafelbjt begraben. Hezilos Sohn, Dtto mit Namen, findet fich 
ebenfalls jpäter im Beſitze des Marfgrafentums Schweinfurt und 
erwarb fih den Ruhm eines gerechtigfeitsliebenden Herrſchers. 


Die Entführung. 


In demfelben Klofter, welches die Markgräfin Gaila zu Schwein 
furt geftiftet hatte, wurde die Tochter des Markgrafen von Schwein” 
furt erzogen, Jutta mit Namen, ein Wunder von Schönheit, deren 
Auf fih in ferne Lande verbreitete. Dieſer Auf drang auch zu 
den Ohren des Böhmenherzogs Sohn Brzetislav. Diefer machte 
fih auf und fam an den Hof der Grafen von Henneberg. Er 
bradte es dahin, die vielummworbene Schönheit Jutta zu jehen 
und entbrannte jo jehr in Liebe zu ihr, daß er alles daran zu jeßen 
beſchloß, fie fein Eigen zu nennen. Er warb um ihre Hund, da 
er aber fein geneigtes Gehör fand, jo beichloß er, fie mit Gewalt 
zu entführen. Mit noch einigen Gefährten betrat er als Reiſender 
das Klofter, erlauerte den günftigen Augenblid, wo Jutta in die 





330 


Kirche ging, hob fie auf feine Arme und trug fie den Berg Hinab. 
Sn der Nähe, wo ein Brünnlein quoll, harrten die Gefährten mit 
gejattelten Pferden. Das beitürzte Klofter fandte jofort die Schreckens— 
botihaft an den Kailer Konrad, Juttas nahen Verwandten und- 
und es drohte dem Lande Böhmen ein verberbliher Krieg. Doch 
Brztislav erlangte Verzeihung, da Jutta perſönlich fußfällig den 
Kaijer darum gebeten hatte. 


Die drei Jungfrauen auf der Betersltien. 


Das Nonnenklofter auf der Petersftirn wurde ſpäter in ein 
Mönchsklofter umgewandelt und im Sabre 1283, als dasſelbe 
ſchon ganz zerfallen war, wurde ed an den Deutichherrnorden 
abgetreten, welcher ein Drdenshaus daraus machte. Auf der Stelle 
des ehemaligen Kloſters joll ein großer Scha verborgen jein. 
Viele Leute hätten ſchon zu verichiedenen Zeiten nnd Stunden drei 
Sungfrauen in jchneeweigen Gewändern auf den Mauertrümmern 
figen oder ftehen jehen. Einer Frau aus Schweinfurt follen einft 
diefe drei Jungfrauen im Traume erjchienen fein nnd fie aufge 
fordert haben, auf die Petersſtirn zu gehen und dort den Schaf 
zu heben. Frübzeitig erwachte die Frau, kleidete jih an und als 
fie zur Petersftirne fam, jah fie im Glanze der aufgehenden Morgen: 
fonne die drei Jungfrauen auf ber Petersftirn genau fo, wie fie 
ſolche im Traume gejehen hatte, freundlich winfend, Aber der wunder: 
bare Anblick dieſer geifterhaften Weſen erfchredte die Frau jo ſehr, daß 
fie bewußtlos niederjant. ALS fie nach einiger Zeit wieder zu fi 
fam, blidte fie jogleich nach der Petersftirne, von den drei Jungfrauen 
war aber nichts mehr zu ſehen. Als fie nah Haufe zu ihrem 
Manne zurüdtehrte, jhmähte fie diefer gewaltig, daß fie nicht mehr 
Mut gezeigt habe, den Sungfrauen zu folgen, fie hätte ihr und 
fein Glück gemadt, Auch einem Bürger aus Schweinfurt jollen, 
als er auf der alten Straße fuhr, in einer ſtürmiſchen November: 
naht die drei Jungfrauen verjchleiert auf der Mauer ftehend er: 


® 


331 


fchienen fein. Er erichrad aber über die Ericheinung fo jehr, daß 
er eiligft vorüber fuhr, 


Die gekrönte Schlange. 


Auf der Petersftirne ift ſchon oft eine Schlange erblidt worden, 
welche auf dem Haupte eine goldene Krone trägt. Einſt ging ein 
Häcker (Weinbergsmann) den Berg hinauf, da raujchte ihm eine 
große glänzende Schlange entgegen, welche auf dem Haupte eine 
goldene Krone, im Munde aber einen filbernen Schlüſſel trug- 
Entjegt hob der Häder feinen Karft in die Höhe, um die Schlange 
zu töten. Diefe blidte ihn aber jo wehmütig an und bezauberte 
ihn mit ihrem Blide derart, daß er regungslos daftand. Plöglich 
war die Schlange in der Erde verſchwunden, ohne daß eine Deff- 
nung in berjelben zu erbliden gemejen wäre. 


Ausgehadte Frölce. 


Ein Häder von Schweinfurt war unter der Petersftirne mit 
feiner Frau bejchäftigt, feinen Weinberg umzugraben. Auf einmal 
badte die rau bei jedem Schlag in die Erde einen Froich heraus, 
So modte fie wohl ſechs Fröſche heraus gehadt haben, als es 
ihr auffiel und fie zu ihrem Manne fagte: „Pfui, was find das 
für garftige Fröſche.“ Jetzt famen feine mehr zum Vorfchein. Der 
Mann trat näher und büdte fih, um die Fröſche auch zu fehen, 
fah aber feine. Wohl aber funfelten ihm fo viele Goldftüde ent— 
gegen, als Fröſche aus dem Boden gehadt worden waren. Die 
bob er auf, ftedte fie vergnügt ein, zankte aber feine Frau tüch- 
tig aus, daß fie nicht ftillfchweigend fortgehadt hatte. Beide hadten 
und braten den ganzen Tag damit zu, — e3 famen aber feine 
Goldfröihe mehr zum Vorſchein. 





332 


Die langen Schranken. 


Im Bereih der alten Stadt liegt ein ſchöner ebener Platz. 
Von diefem fagt man, daß bier ehedem jene Kampfipiele äbge— 
halten wurden, welhe man Qurniere nannte, daher der Name 
„ange Schranken.“ Einft war wieder ein ſolches Turnier 
anberaumt und hatten fi viele Grafen und Ritter dazu einge: 
funden, jo daß es ein äußerft glänzendes war. 

Einer der Ritter erblickte unter den anmejenden zahlreichen 
Danıen eine, welche wohl auch fremd jein mochte, deren blendende 
Schönheit ihn fo beftridte und bezauberte, daß er fich zu ihrem 
Kämpfer weihte und jedem den Handichuh vor die Füße warf, der 
ihr nicht den Preis der Schönheit zugeftehen wollte. Er blieb auch 
wirflih Sieger und ftredte alle jeine Gegner in den Sand. Als 
er fih nun fittig der fchönen Dame nahte, um den ihm zuerfannten 
Preis aus ihren Händen zu empfangen, lädhelte fie ihn liebreich und 
holdſelig an, aber wie erſchrack er, ald er vernahm, daß fie grüne 
Zähne habe. Er bebte entiegt zurüd, fie aber ftieß einen mark: 
durchdringenden Schrei aus, verwandelte fich jofort in ein Seeweib: 
fein und rutfchte auf ihrem Schlangenleib dem Maine zu, auf deffen 
Dberflähe fie eine Weile fortſchwamm, bis fie plößlich untertauchte 
und den Bliden aller Unwejenden entihwand. Da legte der Ritter 
feine Rüftung ab und trat in einen der ftrengiten Mönchsorden. 


Wahrzeichen der Stadt Schweinfurt. 


Unter dem Mühlthore, wo e3 nah Mainberg hinaufgeht, war 
in der linfen Seitenwand ein alter Adler, da3 Wappen der Stadt, 
dad noch von den Markgrafen herrühren fol, eingemauert. Diefer 
Adler war das Wahrzeichen der Stadt. Die Leute nannten ihn nur 
„die Eule“ und jeder Handwerksburſche mußte die Eule fennen, 
welche auf die Frage: „Eule! was mahft du?" Nichts antwortet, 
wenn er zu Schweinfurt in Arbeit geftanden haben wollte. Diejes 


re 
= _ 
wi ——— 
* 





Herfommen war Urjahe, daß man oft Kinder davor ſehen konnte, 
welche fragten: „Eul’! was machſt du?” 

Noch ein anderes Wahrzeichen jol am Balkon des Rathaufes 
fein, nämlich ein in Stein ausgehauenes Schwein, welches auf den 
Namen der Stadt Schweinfurt hindeuten fol. 


333 


Wolfsyaffe und Wolfsbrunnen. 


Einft an einem äußerft falten Wintertage — der Schnee lag 
fußhoch auf den Straßen — fam, jebenfall3 vom Hunger getrieben, 
ein Wolf zum obern Thore von Schweinfurt herein. Eine große 
Menge bemwaffneter Leute besten und verfolgten ihn. Er nahm 
jeinen Weg in die erſte befte Gajje und fprang, al3 er feinen 
andern Ausweg mehr ſah, aus Angft in einen Brunnen. 

Zum Gedächtniß an diefe Begebenheit erhielten Gaffe und 
Brunnen den Namen Wolfsgaſſe und Wolfäbrunnen. 

Ueber dem Brunnen wurde ein in Stein ausgehauener Wolf 
aufgeftellt. 


Die Alte mit dem Krüglein. 


In ber Nähe von Schweinfurt ift eine Wieje, die Grafenrhein 
felder Wiefe genannt. Ein Mann aus Schweinfurt, der mit feiner 
Tochter über Land geweſen war, ging eines Abends in der Däm- 
merung über dieſe Wieſe nah Haufe. Sie mußten über einen 
Steg gehen. Der Bater hatte denielben bereits betreten, die Tochter 
war etwa zwanzig Schritte zurüd Da vertrat ihr plößlih ein 
altes Mütterlein, welches ein wunderlich geformte ZTrinffrüglein 
in der Hand hielt, den Weg. Diejes Krüglein hob e8 zum Munde 
des Mädchens mit dem Bebeuten, daß es daraus trinken jollte, 
Das Mädchen aber wehrte ab, weil ihr ein ſolches Zumuten nicht 
anftand. Die Alte bot ihr aber immer wieder zum Trinken an 
und ſchien ihr gleihjam den Trunk aufdringen zu wollen. Sekt 


J 
334 


wurde das Mädchen unwillig und rief: „Laſſe mich, ich habe keinen 
Durſt!“ In demſelben Augenblicke war die Alte mit ihrem Krüg— 
lein verſchwunden. Erſchrocken eilte jetzt das Mädchen ihrem Vater 
nah, erzählte ihm, was ihr begegnet war, und fragte ihn, ob er 
die Alte nicht geiehen, und ob er fie nicht gefannt habe. Da ſchalt 
fie ihr Vater mit harten Worten auß, weil fie nicht mindeftens 
einige Tropfen gefoftet habe. Dadurch hätte fie nicht nur Die Alte 
erlöfen, jondern auch ihr eigenes Glüd machen können, denn auf 
der Wieſe fei es nicht geheuer und es müſſe ein großer Schaf dort 
vergraben fein, weil man auch in der Nähe eines alten Baumes 
oft Irrlichter tanzen jebe. 


Dinze - Künfele. 


In einem Haufe auf dem Marftplage zu Schweinfurt wohnte 
vor vielen Jahren ein Kaufmann,- welcher einen Zadendiener hatte, 
welchen man den Hinze: Hänfele nannte. Er war jchon ziemlich 
alt, galt aber alles ſowohl bei jeinem Prinzipal, als auch bei den 
übrigen Leuten im Haufe. Eine eigentümliche Geftalt und Klei— 
dung, (ein rotbraunes breitihößiges Nödlein) machte ihn Fenntlich 
bei Alt und "Jung. Als Hinze-Hänjele endlich geftorben war, ver: 
breitete fich das auffällige Gerücht, daß es im Haufe feines Herrn 
umgehe. Warum? wußte niemand zu jagen. Auch im jogenannten 
Wehrwäldchen, dem beliebteften Spaziergange der Schweinfurter am 
Main, wollten ihn viele, welche fich des mageren ſchmächtigen Männ- 
leind in jeinem rotbraunen Rödlein wohl erinnerten, geliehen haben, 
Ungeachtet ſeiner Magerfeit aber machte er ſich jenen Perſonen, 
denen er ſich aufhodte, (welches eine abjcheuliche Liebhaberei des 
Geipenftes war) jo ſchwer bemerkbar, daß fie ihn faum fortichleppen 
fonnten. Deswegen fürchtete fich jedermann vor diejem Gejpenfte 
und jo wie die Dämmerung eintrat, ergriff vorzüglich die jpielenden 
Kinder eine große Furcht vor dem Hinze-Hänjele und fie verließen 
das Wehrwäldchen. Das fraglide Kaufhaus am Markt mwurbe 


335 


ſpäter, hauptſächlich wegen der Spukgeſchichte um den halben Wert 
verkauft. 

Es ift dasjelbe, von welchem die Sage meldet, daß dort vor 
langer Zeit drei Könige an einer Tafel fpeiften, weswegen zum 
Gedächtnis hieran in der Wand besfelben eine Schrifttafel einge— 
lafjen worden. 

An einem ſchönen Nachmittage ging ein Mufifant von Schwein- 
furt an den Weiher im Wehrwäldchen, um zu angeln. Gegen Abend 
auf dem Heimmege gejellten fih noch mehrere junge Leute zu ihm 
und bei ihrer Unterhaltung fam die Sprahe auch auf den Hinze— 
Hänjele. Da dünkte fih der Mufifant klüger, al3 die anderen 
und rief: „Schweigt mir doch von dem Hinfe: Hänjele, dem dummen 
Kerl!" In demfelben Augenblide Hing ihm eine Luft auf dem 
Rüden, jo ſchwer, wie ein Mehlſack. Er ſchüttelte fih, wie ein 
gebadeter Pudel und rieb fih an den Bäumen, um feine Laft weg— 
zubringen, aber vergebend. Wie er an die Stadt fam, jprang es 
von ihm, unverjehens wie es gelommen war. Froh aufatmend 
wiſchte er fih den Schweiß von der Stirne, jchimpfte aber nie 
wieder über den Hinze-Hänſele. 


Die drei MWafferjungfrauen. 


An dem Wehrwäldchen lag ein ftilleg Waſſer, welches man 
mit einem allerdings unſchönen Namen „das ſchwarze Loch“ 
nannte. Man bielt es für unergründlih, denn die Sage meldet, 
ein Fiiher habe drei Fahrbäume aneinander gebunden und damit 
. feinen Grund gefunden. Ja er ging noch weiter: er kaufte fich 
einen großen Knäuel Bindfaden, befeftigte eine ſchwere Bleikugel 
daran und lich fie hinab. Das Knäuel lief zu Ende, und nod 
war fein Grund gefunden. Derjelbe Fiſcher erzählt: Als einft 
in Sennfeld am Sohannestage Kirchweih war, wurde im Wirths⸗ 
haus wacker getanzt, wozu ſich auch viele junge Herren von 
Schweinfurt eingefunden hatten. Gegen Abend kamen drei 


336 


wunderſchöne fremde Jungfrauen. Die jungen Herren forderten fie 
zum Tanze auf und fie tanzten alle drei Iuftig mit bis eilf Uhr. 
Da ſprach die eine: „Wir müfjen und aufmachen, denn bis Mitter: 
naht müſſen wir zu Hauje fein!” Die jungen Herren aber baten, 
fie möchten doch bleiben, fie wollten fie in einer halben Stunde 
nah Haufe begleiten. Einer derjelben Iuftigen Gejellen ging an bie 
Uhr und richtete fie heimlich zurüd, Die drei Mädchen tanzten mit 
neuer Zuft weiter und jahen aber dabei öfter nach der Uhr. Als 
dieje zwölf zeigte, ſchickten fie fih an, mwegzugehen und diejenigen 
der drei Junggeſellen, welche am meiften mit ihnen getanzt hatten, 
begleiteten fie. Wie nun die Jungfrauen in die Nähe des ſchwarzen 
Lochs famen, baten fie ihre Begleiter zurüd zu bleiben, melde 
ihnen nun geitanden, daß fie die Uhr zurüdgeftellt hätten. Darüber 
entiegten fich die Jungfrauen ſehr und jagten: „Nun müſſen wir 
auf ewig von euch Abſchied nehmen, obgleich wir euch veriprachen, 
im nächiten Jahre wieder zu fommen!” Mit diefen Worten eilten 
fie Dem Wafler zu und verſchwanden darinnen. Die jungen Männer 
lauerten noch eine Zeit lang Hinter den Bäumen und als der 
Morgen dämmerte, gingen fie zum ſchwarzen Loch und fiehe, ba 
quollen aus der Tiefe drei große Blajen auf, die blutigrot gefärbt 
waren. Die drei Jungfrauen waren gerichtet und niemals kamen 
fie wieder. 


Die auferftandene Frau. 


Auf dem Schweinfurter Gottedader war ein alter Grabftein 
mit dem lebensgroßen Bildnis einer vornehmen Frau zu jehen, 
welche ein eingemwideltes Kind zu ihren Füßen liegen hatte. Diefe 
war die Ehegattin eines Sindicus Albert. Die Sage meldet 
von ihr, daß fie jehr ſchnell nud plößlich geitorben jei und als 
ihr Tod erfolgt war, wurde fie unter einen Schwibbogen, wo fi 
ihr SFamiliengrab befand, beigejegt. Ihr zurüdgelaffener Gatte 
betrauerte fie jehr innig und aufrichtig. Der Todtengräber, ein 
habgieriger Mann, hatte jedoch an dem Finger der Berjtorbenen 








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einen ſehr Eoftbaren und wertvollen Ring bemerft, den er fih an— 
eignen wollte. Er machte ſich daher des Nachts heimlich auf, 
öffnete die Gruft, hob den Sargdedel weg und wollte der Leiche 
den Ring vom Finger ziehen. Aber, o Entjegen! Die Frau im 
weißen Todtengewande erhob fih und entjtieg ihrem Sarge. . So 
fam fie vor ihr Haus, wo fie anläutete. " Eine Magd fieht zum 
Fenſter heraus „Wer iſt da?“ ruft fie, „Sch bin’s, antwortete die 
Frau. Deffne mir!” Schreiend ftürzt die Magd zu ihrem Herın: 
„Die Frau ift unten an der Hausthüre, ich habe fie an ihrer 
Stimme erkannt!” Der Herr jchüttelt ungläubig den Kopf und 
läßt feinen Diener hinaus ſehen. „Deffne mir um Gottes Willen, 
ih komme um vor Kälte” Da eilte auch der Diener zum Herrn 
und rief: „ES ift wirflih Eure Frau, ich erkenne fie an ihrer 
Stimme!” Der Herr aber fagte: „hr ſeid beide Thoren und 
dümmer, wie das Vieh. Wenn meine Pferde zum Fenjter hinaus 
fähen, würden fie gejcheidter antworten, als ihr!” Kaum ift es 
geiproden, jo kommt es mit Gelärm und Gepolter die Treppe 
herauf und ftampft und trappt und wiehert, — die Pferde ſind's — 
zur Stube herein, und fie fteden ihre Köpfe durch die Fenfter, daß 
die Scheiben Elirren und die Flügelbänver brechen, und beide ſehen 
vom Vorſaal hinab zum Fenfter hinaus und mwiehern. Nun läßt 
der Herr, auf's äußerfte erfchroden, ſchleunigſt öffnen und die halb: 
erftarrte Frau wird zu Bette gebracht und genejet bald darauf, 
eines Töchterleins. Doch Mutter und Kind lebten nicht lange mehr 
und erftere wurde zum zmeitenmale begraben. Zum Andenken 
wurde beiden der Grabftein geſetzt. Alle Jahre am erjten Oftertage 
ift eine wahre Wallfahrt nach dem Gottesader, der dann mit herr: 
lihen Blumen prädtig gefhmüdt ift, aber das erfte, was man 
den Kindern zeigt und was fie fehen wollen, ift die wiebererftandene 
Frau mit ihrem Kinde. 


337 


Sagenſchatz. 22 


338 


Der entrückte Mühlknappe. 


Folgende Wundermähr berichtet eine alte geichriebene Schwein: 
furter Chronif: Anno 1648, den 3. September, ift Michael Stephan 
Bedenknecht in die Mühle gegangen. Da wurde es ihm fo bange, 
daß ihm der falte Schweiß von der Stirne rann. Um Luft zu 
ſchöpfen, ging er zum Brüdenthor hinaus bi3 zum Main und da 
e3 ihm befjer wurde, ging er zurüd in die Mühle, um zu malen. 
Kaum ift er hinein, wird e3 im wieder übel. Um fich wieder zu 
helfen, ging er abermal3 an den Main, nimmt eine Hand voll 
Waſſer und wäſcht fih damit das Geſicht, worauf es ihm abermals 
beſſer wurde. Wie er nun zum Thore hinein will, Tommt ein 
Wind und führt ihn in der Luft 5 gute Meilen nah Mainbern: 
beim in jeine Heimat. Als er am andern Morgen zu fich kam, 
liegt er außerhalb der Stadt im Gottesader zwiſchen zwei neuen 
Gräbern, mit Winden an Händen und Füßen an ein dabei ftehendes 
Kreuz feſt angebunden, nicht mwilfend, wo er war. Als er aber 
früh den Thürmer blafen hört, wird er inne, daß er in Mainbern: 
beim auf dem Gottesader liegt. Als ein Mann vorübergeht, hört 
er ihn jammern und winjeln, fieht hinein und meldet es in Main: 
bernheim der Drt3obrigfeit. Da wurde er los gemacht und feinen 
Eltern zugeführt, denen er erzählte, was ihm geichehen war: Es 
jei ihm vorgefommen, es gehe Vieh um ihn herum und rupfe 
Gras und wie er losgebunden wurde, habe er eine Stimme gehört, 
welche iprah: „Gehe hin und reiße ein anderesmal mehr aus!“ 
babe aber niemand gejeben. 


Der reihe Rüffer. 


Zur Zeit der Reformation zog ein ſehr reiher Mann, Balt- 
Hajar Nüffer mit Namen, von Würzburg nah Schweinfurt und 
ließ fih dort häuslich nieder. Die Stadt befand ſich damals in 
großer Not: ſie ſollte, wie es damals oft geſchah, Geld erlegen. 





er 


339 


Da aber vielfahe Feinde ſchon alles abgeprejit Hatten und bie 
Stadt an vier Enden angezündet werben jollte, jo erbarmte fich 
der reihe Rüffer und gab drei Säde mit Geld her, wodurd er 
die Stadt Schweinfurt erlöfte.e Um ihm biefür dankbar zu jein, 
wurde er und fein Geichlecht unter die Patricier der alten Reichs— 
ftadt aufgenommen und durfte fortan ein adeliges Wappen führen, 
drei volle Säde, welche die Geldfäde bedeuteten, womit er bie 
Stadt erlöft hatte, feiner waderen That zum dankbaren Gedächtnis. 
Diejes Wappen ift noch heute an einem ehernen Monument in 
der Sankt Johanniskirche zu ſehen. Balthaſar Nüffer lebte in 
hohen Ehren und ftarb als gefeierter Richter und Reichsvogt der 
freien Reichsſtadt Schweinfurt. 


Die Sage von 1 alten Jucenſchule. 


Zu Schweinfurt fteht ein Haus, welches früher dadurch aus» 
gezeichnet war, daß man an ihm einen gräulichen Drachen oder 
Lindwurm abgebildet erblidte. Diefes Haus foll vor Zeiten die 
Judenſchule oder Synagoge geweſen fein. Die Sage erzählt manches 
Grauenhafte von diefem Haufe, insbejondere graufame Kindermorde, 
welche in biefem Haufe verübt worden fein jollen. Niemand ging 
beöwegen nachts gerne in diejes Haus, weil allgemein die Rede 
ging, daß e3 darinnen abſonderlich ſpucke. 

Das Mlerabionderlihite aber, was man von diefem Haufe 
erzählte, war diejes: daß fich dasſelbe in jeglicher Nacht zur Mitter- 
nadtsftunde innen im Hofe umdrehe und fich in einen Garten 
verwandle, in welchem die Geifter der Gemordeten fich ergingen,. 





Bielfah find ſchon die Juden des rituellen Chriftenmord3 bes 
fchuldigt worden (daher der Haß, den man gegen die Juden hegt) 
fonnte ihnen aber nie bewiejen werben. 


22* 





340 


Der Iungfernkuf. 


Auf der Baftei zu Schweinfurt ftanden die Trümmer eines 
alten runden QTurmes, welcher allgemein der Jungfernkuß hieß. 

In den barbariihen und graufamen Zeiten des Mittelalters 
ftand in diefem Thurme, jo geht die Sage, eine eijerne Jungfrau, 
welche in jeder Hand ein Scharfe Schwert hielt. Mit diefer wurde ein 
Thauderhaft geheimmnisvolles Strafgeriht ausgeübt. Hatte nämlich 
ein Verbrecher, freiwillig oder durch die Folter dazu gezwungen, 
fein Verbrechen eingeftanden und wurde dieſes für todeswürdig be= 
funden, jo wurde er in jenen Thurm geführt und ihm befohlen, 
die eijerne Jungfrau zu füffen. So wie er aber auf die Stufen 
trat, um fih dem Bilde zu nahen, jo Ichlugen die zwei Schwerter 
zuiammen und jchlugen das Haupt des Verbrechers ab, welches 
fammt dem Körper in einen Wafjerbehälter fiel, der unter dem 
Turme war. Sah man nun manchmal das Waſſer diejes Teiches 
gerötet, jo jprah man jchauernd: „Die Jungfrau hat gearbeitet” 
und betete für die Seele des Gerichteten. 

In manden Folterfammern find noch die fchredlichen Inquiſi— 
tionswerfzeuge der damaligen Zeit, wie Daumenjchrauben und der: 
gleihen aufbewahrt und zu jehen. 


Der Beilterbanner. 


Am Eck der Fleiſchbank zu Schweinfurt fteht ein Haus, welches 
vor vielen Sahren die Wohnung des Bürgermeifter® war. Nach 
feinem Tode polterte nnd lärmte es in diejem Haufe derart, daß 
die Wittwe und die übrigen Bewohner namentlih zur Nachtszeit 
feine Ruhe mehr hatten. Bald hieß es allgemein: „der Bürger: 
meifter geht um” und man ließ deshalb einen Mann kommen, dem 
man die Kunft zuichrieb, Geifter zu bannen. Die ganze Verwandt: 
Ihaft fam im Haufe des Bürgermeifterd zuſammen, begab fich mit 
der Dienerichaft und allen übrigen Hausgenofjen in. das Staat- 


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341 


zimmer und erwartete ängftlih die Stunde der Mitternacht. Der 
Meifter ſchickte fih an, jein jchweres Werk zu beginnen Er ganz 
allein trat dem Spuk entgegen. Zuvor fah man nichts, bald aber 
hörte man ein mißtöniges Gejchrei, wie das Krähen eines Hahnes 
und der Meifter Hujchte dann mit einem Sade auf dem Rüden 
zur Thüre hinaus. Alles im Haufe war ftill und die verfammelte 
Familie getraute fih nicht, ein Wort zu ſprechen. Sie blieb im 
Gebet verjunfen, bis der Meifter wieder zu den Berfammelten 
bereintrat und berichtete, er habe den Geift in der Geftalt eines 
Hahnes gefangen und in den Main getragen, es würde nun ruhig 
im Haufe jein. Der Geifterbanner wurde nun reichlich beichenkt 
und jeitdem blieb in der That alles ruhig im Hauſe. 


Sei den drei Kreuzen. 


In dem Walde, durch welchen die Straße von Schweinfurt 
nah Königshofen im Grabfeld führt, flehen nebeneinander drei 
fteinerne Kreuze und dieje Waldpartie wird von den Bewohnern 
der Umgegend „zu den drei Jungfern” genannt. Bor vielen Jahren, 
jo erzählt die Sage, warteten an diejer Stelle drei Jungfrauen 
auf ihre Geliebten, welche Jäger waren. Allein dieje Jäger hatten 
einen heimtücdifchen Feind, der ihnen Rache geihworen hatte. Diejer 
trat plöglih und unvermutet aus dem Didiht des Waldes hervor 
und ermordete die arglos Harrenden- Bald darauf famen die drei 
Säger, fanden die drei Mädchen tot in ihrem Blute und begruben 
fie an derjelben Stelle, wo die Mädchen den Tod gefunden. Allein 
da die drei Jungfrauen ohne Beicht und Abjolution dahin gefahren 
waren, jo fanden fie feine Ruhe, bis die drei Kreuze auf ihre 
Gräber gelegt waren. 

Um diefe Kreuze ſchweift zur Mitternachtsftunde der Geijt des 
verruchten Mörders, der im Grabe Feine Ruhe finden kann. 


342 


Brunnen um Schweinfurt. 


Die Volksſage ummebt jelbit die Brunnen der Fluren mit 
ihrem traulichen Geflüſter. Auf berjelben Straße, unweit welcher 
bie drei Kreuze ftehen, welche das Volt die drei Jungfern 
nennt, ſpringt ein wafjerreiher Duell auf der fogenannten breiten 
Wieſe. Dieje Duelle wurde einft von drei Linden bejchattet, wes— 
wegen man fie dad Lindenbrünnlein nannt, Neben der 
offenen, zu Tage tretenden Duelle, zu welcher man auf einigen 
Stufen binabfteigt und die oft dem durſtigen Wanderer Erfrifchung 
beut, ift eine rund ausgemauerte Brunnenflube, welche mit einem 
alten Mübhlfteine bebedt ift. Dieſes Lindenbrünnlein wird befonders 
von der unſchuldigen Kinderwelt hochgeſchätzt, denn aus ihm ſchöpfen 
die Ammenfräulein in filbernen Schalen die Heinen Finder und 
feine Flut ift nicht Waller, ſondern Mild. Wenn die Kleinen 
dahin kommen zu dieſem „Kindleinsbrunnen,” fo fehen fie dur 
das Loch des Mühlſteins hinab auf fein ftilles Wafler, welches ihr 
eigene Bild zurüd ipiegelt und glauben dann, ein Brüderden 
oder Schweſterchen gejehen zu haben, welches ihnen recht ähnlich 
fiebt. ’ \ 

Eine andere Duelle auf der Schweinfurter Flur und nur eine 
halbe Biertelftunde von der Stadt entfernt, ijt dag Teuerbrünnlein. 
Diejem Brünnlein wird eine prophetifche Kraft zugeichrieben. Läuft 
die Duelle ftarf, fo fteigen die Getreidpreife, läuft fie fpärlich oder 
verfiegt fie auf einige Zeit, fo hat man wohlfeiles Getreide und 
ein fruchtbares Jahr zu hoffen. Viele glauben feft an die prophes 
tiſche Eigenschaft be8 Teuerbrünnlein?,. 


Ein Enthaupteter läuft. 


Sn Schweinfurt lebte vor Zeiten ein Mann, welchem bie 
Sorge für die Waiſenkinder der Stadt übertragen war, weswegen 
man ihn den Seelvater nannte Er war aber ein jchlechter 


JIuz 
er 














343 


Haushalter und betrog nicht allein die Stadt um das ihm anver« 
traute Gut, fondern er ließ auch die Waiſenkinder darben und 
ſchmachten, indem er fich jo wenig um ihre Seelen, wie um ihre 
Leiber kümmerte. Endlich kamen feine Webelthaten zur Kenntnis 
der Richter und er wurde zur Enthauptung dur dad Schwert 
verurteilt, Wie üblich, wurde ihm geftattet, fich vor der Hinrichtung 
eine Gnade auszubitten. Da bat er fi denn aus, jeinen Erben 
oder Hinterbliebenen jo viel urbares Land zu gewähren, als er 
erlaufen werde, wenn fein Haupt vom Numpfe getrennt ſei. Diejes 
feltfjame und ungewöhnliche Begehren glaubten die Richter dem 
armen Sünder unbedenklih gewähren zu können und jo wurde er 
bald darauf hinaus zur Richtſtätte geführt. Er wurde enthauptet 
und fiehe! der Körper ohne Kopf lief eine lange Strede Weges, 
bis er hinſank. Das ihm auf dem Gnadenweg gegebene Verſprechen 
fonnte nicht wiederrufen und mußte gehalten werden. Die Hinter: 
bliebenen erhielten das von dem Gerichteten erlaufene Grundftüd 
und noch heute nennt man einen Weg in jenem Diftrift, wo die 
Erefution ftattfand, den Seelvaterweg und das Stüd Land 
felbft den Seelvaterader. 


Das Buciümahl. 


Zu Schweinfurt Tebte einft, wie die Sage berichtet, eine reiche 
und dabei jehr fromme und wohlthätige Frau, Lucia mit Namen. 
Dieje rettete einft in einer ſehr bebrängnisvollen Zeit (mie ber 
reihe Rüffer) die Stadt Schweinfurt, welche entweder verpfändet 
oder in Feindes Händen war, dur das freiwillige Opfer einer 
großen Summe Geldes. Zum Andenken an diefe große Wohlthäterin 
wurde auf den Namenstag derjelben vom alten reichsftädtifchen 
Magiftrat die Ratswahl verlegt und diejelbe ſehr feftlich, mit einem 
Aufzuge und einem Feftmahle gefeiert, welch’ leteres das Luciäs 
mahl hieß. Unter dem Schalle von Trompeten, Paufen und 
Pfeifen wurde die blaue Stadtfahne mit dem weißen Adler darin 





⁊* 


344 


aus dem Zeughauſe geholt, dann zogen die Ratsherren in die 
Kirche, während deſſen die Bürgerwehr (Stadtmiliz) paradierte. 
Nach dem Gottesdienſte verfügte ſich der Zug in gleicher Ordnung 
wieder auf's Rathaus zurück, woſelbſt die Herrenwahl vor ſich ging. 
Daun wurde das Luciämahl gehalten und auch an die Kinder 
„Röckelein und Obſt“ verteilt. 


Dom Schloß Mainberg. 


Das Schloß Mainberg früher Mainburg genannt, liegt 
etwa eine Stunde oberhalb Schweinfurt über der Straße und 
Eiſenbahn nach Bamberg in wohlerhaltener Altertümlichkeit. Unten 
im Thalgrunde, wo man nach Uechtelhauſen geht, ſoll in der heid— 
niſchen Vorzeit ein Opferplatz geweſen ſein. Eine Gräfin von 
Henneberg, welche dort eine uralte Eiche ausroden ließ, (wobei 
altgermaniſche Opfergeräte aufgefunden wurden) ließ an derſelben 
Stelle eine Kapelle erbauen, welche ſie der heiligen Jungfrau 
weihte. Dieſelbe ſoll der Quelle an der Schenkelsleite gegenüber 
geſtanden ſein, die ein beſonders gutes Waſſer bietet, von welchem 
die Umwohner jagen, daß es in Krankheitsfällen Geneſung verſchaffe, 
wo ſonſt kein Arzt helfen könne. Aus der Dorfkirche von Mainberg, 
die am Fuße des Schloßberges liegt, habe, wie die Sage meldet, 
ein unterirdiſcher Gang hinauf auf die Burg geführt und zwar in 
ein Brunnengewölbe. Auch Mainberg war Eigentum der Mark— 
grafen von Schweinfurt und bereits im Jahre 1259 führte ein 
gepflaſterter Weg vom Schloſſe nach der Stadt. Zu Anfang des 
14. Jahrhunderts beſaßen es die Grafen von Grundlach als ein 
Reichslehen und verkauften es an den Grafen Walther von Barby 
um 2000 Goldgulden. Einer derſelben verſchwägerte ſich mit dem 
Grafen von Henneberg und ſo blieb die Burg wieder bei dieſem 
berühmten Hauſe, bis ſie mit den dazu gehörigen Amtsdörfern 
und allen Grundſtücken von Henneberg an das Hochſtift Würzburg 
verkauft reſp. vertauſcht wurde im Jahre 1541 gegen die Würz⸗ 


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burgihe Stadt und da3 Amt Meiningen und in Geldſumme 
von 170,000 Gulden. Die Verhandlungen hierüber leitete vor: 
nehmlich der fränfifche Edle Wilhelm von Grumbach, damals Würz- 
burg’iher Rat und Amtmann, bald darauf Marſchall des Fürftbi: 
ſchofs Konrad von Bibra. 

In den tiefen und geräumigen Kellern des Schloſſes Mainberg, 
worin früher die Grafen von Henneberg ihre Weinvorräte lagerten, 
und wo jpäter die herrſchaftlichen Weinzehnte lagerten, joll es 
früher ftarf geipuft haben. Oft hörte man des Nachts rumoren, 
al3 wenn eine Anzahl Küfer darin arbeiteten und Reife an Die 
Fäfler antrieben. Sah man aber nah, jo war alles totenftill und 
nicht3 zu erbliden. 

Diefe ftattlihe Burg wurde, als fie bereits zu verfallen anfing, 
vom Kaufmann Herrn Sattler zu Schweinfurt käuflich erworben, 
welcher fie wohnlih und im Geſchmack des Mittelalter wieder 
reftauriren ließ, eine Farben- und Tapetenfabrik in derjelben ein- 
richtete und viele intereffante Sehenswürdigfeiten jammelte und 
dort aufitellte. 


345 


Würzburger Hagen. 


Der heilige Kilian. 

Bis zur zweiten Hälfte des fiebenten Jahrhunderts war dag 
heutige Kriftlihe Franken eine Stätte heidniſcher Gößenverehrung. 
Da kam im Jahre 685 aus Schottland ein Miffionär, Biſchof 
Killena (Kilian), um den heidniihen Franken das Evangelium zu 
verfünden. Er far aus dem rauhen NRhöngebirge. In jeiner 
Begleitung befand fich der Priefter Kolonat und der Diakon Totnan. 
Shren Auftrag und die Beftätigung ihrer apoftoliichen Miſſion 
hatten fie in Nom erholt. Damals herrſchte im Namen des fränk— 


346 





iſchen Königs Herzog Gozbert über Franken, (ein Sohn Her 
tans). Diejer beichloß, den Apoftel der Chriftuslehre an jeinen 
Hof zu rufen und deſſen Lehre zu vernehmen. 

Herzog Gosbert hatte feine Reſidenz auf jenem Berge bei 
Würzburg, welcher heutigen Tages Marienberg (Feitung) beißt, 
wo aber damals eine der heidniſchen Göttin Diana geweihter Tempel 
ſtand. 

Der Herzog Gozbert zeigte ein für die Chriſtuslehre ſehr 
empfängliches und offenes Gemüt. Er hörte mit Anteil und 
Aufmerkſamkeit die Unterweiſungen des heiligen Kilian und ge— 
ſtattete, daß die heidniſchen Götzenbilder auf dem Schloſſe und in 
der Stadt Würzburg in den Main verſenkt wurden. (Dieſe 
Götzenbilder wurden ſpäter bei Erbauung der Mainbrücke aufge— 
funden. Wohin ſie aber verbracht wurden, ob und wo ſie noch 
vorhanden ſind, weiß niemand.) Hierauf führte der heilige Kilian 
die Anbetung des einzigwahren Gottes ein und Herzog Gozbert 
bekannte ſich freudig zur chriſtlichen Lehre. Eines aber erregte die 
Unzufriedenheit des glaubenseifrigen heiligen Mannes: Gozbert 
hatte nämlich die Frau ſeines Bruders, welche Gailana hieß, ge— 
ehelicht, was den Geſetzen der chriſtlichen Lehrer zuwieder iſt. Der 
heilige Mann war aber ſo vorſichtig und klug, daß er nicht ſogleich 
mit ſeinem Anſinnen hervortrat, denn er mußte wagen, des Landes 
verwieſen zu werden. Er wartete alſo einen günſtigen Zeitpunkt 
ab, bis Gozbert ſchon mehr im Chriſtentum befeſtigt war. Dann 
aber deutete er dem Herzog eben ſo beſcheiden als entſchieden an, 
er müſſe ſeiner unrechtmäßigen Gattin entſagen und ſich von der— 
ſelben trennen. Dieſes Anfinnen des frommen Gottesmannes über: 
raſchte den Herzog ſehr, denn da Gailana ein ſehr hübſches Weib 
war, jo war er ihr mit leidenichaftlicher Liebe zugethan. Dennoch ent: 
ſchloß er fih nah einem langen und fchweren Kampfe, das von 
ihm geforderte große Opfer zu bringen. Seinen Entihluß würde 
er auch ausgeführt haben, wenn ihm nicht wichtige Regierungs— 
geihäfte auf eine Zeit lang von feiner Nefidenz abgerufen hätten. 
Der Herzogin Gailana aber war der Entjehluß des Herzogs nit 


— 
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347 


unbefannt geblieben. Es erfaßte fie ein tiefer unauslöfhlicher Groll 
gegen bie heiligen Männer und fie ſann auf blutige Rache. Auch 
den heiligen Männern wurde ihre nächte Zukunft geoffenbaret. 
In einer Naht hatten die Sendboten die Ericheinung eines an 
Geftalt und Kleidung ſchönen Mannes, der ihnen ihr nahe be- 
vorſtehendes Martyrium vorausſagte. Als dieſe Erjheinung vers 
ſchwunden war, drangen die von Gailana gedungenen Mörder herein, 
Die heiligen Männer lagen gerade in inbrünftigem Gebete. Die: 
felben enthaupteten die heiligen Männer Kilian, Kolonat und Tot— 
nan. Dieſes gefhah am 8. Juli des Jahres 688. Gailana bot 
alles auf, die Spuren ihres Verbrechens zu verwiſchen, ihre Un— 
that geheim zu halten. Sie ließ die Ermordeten am Drte ihres 
Todes in eine gemeinfame Grube legen und in dieje zugleich alles, 
was biejelben an Büchern, geheiligten Kleidern und Gefäßen be— 
faßen, einfchließen. Niemand wußte um das Geheimnis, als die 
Thäter und eine chriftlide Matrone, Burgunda mit Namen, 
welche unweit der Stätte, wo die fchredlihe Gräuelthat verübt 
wurde, noch in andädhtigem Gebete verharrte. 

Dem verbreheriichen Weibe aber ließ ihr böſes Gewiſſen 
feine Ruhe. Die Stätte des Mordes ließ fie in einen Pferdeſtall 
verwandeln, und diejes ift der Ort, wo heute noch im Neumünfter 
in der Krypta tie Grabftätte der Martyrer gezeigt wird. 

Ueber die Mörder aber erging ein jchredliches Gottesgericht. 
Einer derjelben wurde mwahnfinnig und bekannte lautjchreiend die 
Teilnahme am Mord der frommen Priefter. Er tobte und mütete 
über ale Maßen, fiel fein eignes Fleifh an und gab in der 
Wut jeinen Geift auf unter unausfprehlihen Qualen. Der zweite 
Mörder wurde ebenfalls rajend und erdolchte ih. Auch Gailana 
verfiel in tobenden Wahnfinn und jchrie unter fürchterlihem Ge: 
heul aus, daß fie den Mord an den drei heiligen Männern an: 
geftiftet habe. Unter den Folterqualen des Wahnſinns entfloh ihre 
verruchte Seele au dem Leibe. 

Nach dem Tode der drei heiligen Männer fielen viele Franken 
wieder in den Gräuel be3 Heidentums zurüd, bis Gott den heiligen 


— En; 


348 


Winfried ſandte, welcher dem Franfenlande ein zweiter Apoftel 
und Glaubensheld ward. 


Vom Bilhof Bruno (Braun) zu Mürzburg. 


Braun war ein bochgelehrter, frommer und einfichtSpvoller 
Fürft. Einmal mußte er den Kaifer Heinrih II. auf einem 
Heereözuge nach Ungarn begleiten. Al das. Schiff, auf welchem 
fih der Kaifer mit Bifhof Braun befand, gerade den Donau 
ftrudel bei Grein paflierte, erhob fich plößlih auf der Spitze des 
Felſens am rechten Ufer eine geipenftige Erfcheinung in Geftalt 
eines unförmliden ſchwarzen Mannes, welcher dem Schiffe mit 
ſchrecklicher Stimme zufhrie: „Hörft du, Biſchof Braun! wo willft 
du Hin? Du wirft mir nicht entfliehen, wohin du auch gehft, bleibft 
du doch mein!“ Zwar habe ich diesmal nichts mit dir zu Schaffen, 
doch werde ih in Kürze wieder bei dir ſein!“ — Alle, die auf 
dem Schiffe waren, erihraden heftig über dieſe Anrede und be— 
zeichneten fich mit dem heiligen Kreuzzeihen, worauf das Gejpenit 
verijhwand. Abends nahm der Kaiſer fein Abfteigguartier im 
Schloſſe Loiſſenburg. Als er nun nah dem Abendejlen in Gejell- 
ſchaft des Biſchofs Braun, des Abtes Almann von Senjenftein und 
der Hausmwirtin Gräfin Reichhilt in einem Sommerhaufe nächſt der 
Donau fih an der friihen Luft und der reizenden Ausficht erfreute, 
brach mit einem Male der morjche Boden des Sommerhauies ein 
und die vier Perfonen fielen in den untern Stod hinab, wo fich 
eine Babeftube befand. Kailer Heinrich fiel mitten in eine mit 
Waſſer gefüllte Badewanne, Bifchof Braun aber ftarb 8 Tage nach— 
ber am 27. Mai 1045, 


Das Eyriakus - Panier. 


Nah dem Tode des Biſchofs ring von Reinftein (im Januar 
1266) hatte daS Domkapitel eine neue Biſchofswahl vorgenommen. 











2 —— N 


349 


Es waren aber auf die Grafen Konrad von Trimberg und 
Berthold von Henneberg gleihe Stimmen gefallen und beide 
bemühten jich eifrigft, in den Vefig des fränfifhen Herzogtums 
zu gelangen. Während Konrad nah Rom gereift war, beftürmte 
Berthold das Domkapitel, ihn als Biichof anzuerkennen. Dieſes 
wies jedoch jeinen Antrag entſchieden zurüd und ftellte einftweilen 
den Domdehant Berthold von Sternberg zum Bistums: 
verweſer (Stiftspfleger) auf. 

Bornentbrannt verließ der Henneberger die Stadt, um bald 
mit einem mächtigen Heere wiederzufommen. Unterdeſſen war auch 
der Stiftöpfleger nicht müſſig und traf gute Vorbereitungen, dem 
ungerechten Angriffe eines Feindes tapferen Wiederftand zu leilten. 
Bald zog die Schaar der Würzburger in's Feld. Eine große, mit 
dem Bilde des heiligen Kilian gejmüdte und im Dom gemeihte 
Standarte wurde vorangetragen. Es mar am 8. Auguſt, dem 
Tage des heiligen Cyriafus, als die Würzburger den an Zahl 
weit überlegenen, ſorglos gelagerten Feind bei Kitingen angriffen. 
Nah heißem Kampfe wurde das Heer des Hennebergers gejchlagen. 
In wilder Flucht ftürzten fie über den Main, der fih vom Blute 
der Erichlagenen gerötet hatte. Darauf zog der Stiftäpfleger im 
Triumph in Würzburg ein und ließ die geweihte Fahne als Sieges— 
zeihen im Dom aufhängen. Aljährlih wurde zum Andenken die 
Cyriakusprozeſſion gefeiert. 

Das Cyriakuspanier aber wird noch heute im biftorifchen Verein 
aufbewahrt. 


Wer das Glük hat, führt die Braut heim. 


Auf einem Kriegszuge König Ludwig des Deutjchen gegen Die 
Mähren befanden fich auch die Franken in jeinem Heete, angeführt 
vom Biſchof Arno von Würzburg. Diejelben bewiejen im Kampfe 
große Tapferkeit und bewirften auch den errungenen Sieg. Zufällig 
hatte damals der Herzog von Behaim feine Tochter mit dem Herzog 
von Mähren vermählt und die fürftlihe Braut befand ſich auf der 





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Reiſe in das Land ihres Bräutigams. Dies erfuhren der Bilchof 
Arno und der Vogt Rudolf von Bayern von Gefangenen, überfielen 
den in jorglojer Fröhlichkeit daherfommenden Brautzug, töteten dies 
jenigen, welche Widerſtand leijteten, nahmen die Braut ſamt .ihren 
Brautjungfrauen gefangen und erbeuteten den ganzen anfehnlichen 
Brautſchatz. 

Der Herzog von Mähren aber wartete vergebens mit Sehn: 
ſucht, jamt den feſtlich geſchmückten Hochzeitsgäften, auf die Ankunft 
feiner geliebten Braut und Hatte umfonft die Zurichtungen zu deren 
Empfang und Bewirtung gemacht, denn Biſchof Arno lieferte die 
gefangene Braut an den König aus. Die Nachricht von dieſem 
gelungenen Handftreich verbreitete fih bald in ganz Deutichland 
und weil der Biſchof ungeladen zur Hochzeit gefommen und die 
Braut weggeführt hat, enitand das Sprichwort: „Wer das Glüd 
bat, führt die Braut heim.“ 


Bultao Adolf vor dem Iuliusfpital. 


Im breißigjährigen Kriege, der von 1618 bis 1648 mütete 
und Deutihland in eine wüſte Einöde verwandelte, kam Guſtav 
Adolf König von Schweden, weldher den Proteftanten zu Hülfe 
kam, auch nah Würzburg, Unter dem Schalle der Trompeten 
hielt er mit einem Zeil feines Heeres feinen Einzug, Groß mar 
der Schreden der Bewohner vor den nordiichen Kriegern, Denen 
ein jchlimmer Ruf wegen ihrer Graufamkeit vorausgegangen war. 
Ueberall raubten die Soldaten und verurſachten überall, wohin 
fie famen, großen Schaden. Durch bedeutende Krieggleiftungen 
war Würzburg jchon fehr verarmt und in große Not gefommen. 
Mit äußerfter Bejorgnis ſah man daher, wie Guftav Adolf zu dem 
Spitale ſchritt. Doch ein frommer, aber mutiger Priefter war bes 
Stiftes Hüter und Retter. Er trat dem König entgegen und jprad: 
„Raube nit und hab’ Erbarmen, des Stiftes Gut gehört. ben 
Armen und würdeſt Du dich daran vergreifen, jo wäre. es Gottes 


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raub.” Unterthänig reichte er dem König ein beichriebenes Per— 
gament — e3 war die Stiftungsurfunde des Fürftbifchof3 Julius. 
Mit fihtbarem Unmut nahm es der König und las am Schlufje 
der Urkunde die Worte: 

„Breifet je mit gierigen Händen jemand nah dem Spital: 
ſchatz, um e3 andern Zweden zuzumenden, den will ih am jüngiten 
Tage vor Gottes Thron verklagen, Fluch beſchwör' ich auf fein 
Haupt. Emwig fol es fo verbleiben, wie es hier geichrieben fteht, 
Fluch demjenigen, der fich eine Aenderung erlaubt!” 

Da ſprach der König betroffen: „Sch belaffe euch eure Güter, 
feinen Pfennig rühre ih davon an. Gott behüte, mit dieſem Pfaffen 
mag ich drüben in der Ewigfeit nichts zu ſchaffen haben!“ 


Kiſchof Konrads Mainfahrt. 


Die Fürftbiichöfe von Würzburg hatten in dem, eine Stunde 
unterhalb Würzburg am Main gelegenen Veitshöchheim eine, mit 
herrlihen Anlagen umgebene Sommer:Refidenz, wohin fie öfter mit 
ben höheren Geiftlihen des Domkapitels Luftfahrten unternahmen, 
um die Negierungsforgen zu vergefjen und fich Erholung zu gönnen. 

So fuhr auch an einem ſchönen Sommernachmittage der Fürft- 
biſchof Konrad mit feinem Domdechant nach Veit3höhheim. Unter: 
wegs ftattete der Bifchof jeiner Schwefter, welche Aebtiffin im Frauen 
Elofter Unterzell war, einen Beſuch ab. 

Dieſe ſah ſchon von weiten das Schiff nahen. Aber fiehe! 
war ed Täuihung oder Trug? Am Vorderteil des Schiffes jah 
fie einen mit langen jchwarzen QTüchern behangenen Sarg, auf 
welchem die Inſignien des Biſchofs, Inful und Stab, lagen. Da 
fie ihren Sinnen nicht traute, rief fie die übrigen Nonnen des 
Kloſters herbei, allein diefe erblickten nur den Biſchof, den Dechant, 
fonft nichts. Don einer furchtbaren Ahnung erfüllt, daß ihrem 
Bruder ein naher Tod bevorftehe, eilt fie in den Chor, um in 
inbrünftigem Gebete für denfelben zu bitten, Nachdem der Bifchof 


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einen frohen Nachmittag verlebt hatte, ritt er heiter und jeelenver: 
gnügt in die Stadt und in fein Schloß auf dem Marienberg zu: 
rüd und fiehe, die furdtbare Ahnung vor dem nahen Tode des 
Biſchofs ging in Erfüllung. Der Biichof wurde noch in derſelben 
Naht vor den Richterftuhl Gottes abgerufen. 


Bilhof und Marfcall. 
(Ton F. 3. Freiholz.) 

Niht immer wohnt Tapferkeit unter dem buntfarbigen ge 
ihmücdten Kleine des Kriegerd. Auch mander in geiftlichem Kleibe 
zeigte ſchon großen Mut in Gefahren. Diejes beweift folgende 
Begebenbeit: 

Der franzöliiche General Türenne fam einft auf feinen Kriegs: 
zügen vor die fränfiihe Hauptſtadt Würzburg, welche ihm aber 
ihre Thore verjhloffen hatte und ihm den Einzug verwehrte. Darüber 
late der Marihall: „Ha, bei Gott! Die ſollen's noch beklagen!“ 
Zum Spott ließ er dur einen Adjutanten dem Bifchof jagen, daß 
er morgen jelbft bei ihm eintreffen werde, um mit ihm die Martins: 
ganz zu eſſen. 

Fürftbiichof Johann Gottfried ließ ſich aber nicht einihüchtern 
Er berief jeine Franken und rebete fie in folgender Weile an: 
„So lange ih auf eure Treue und Tapferkeit bauen fann, fol 
auh mein Mut nicht wanken. Den Kelch vertauſch' ich mit dem 
Schwert und ſchütze euch und eueren Herd!" Jubelnd vernahmen 
fie diefe Anſprache und fofort griff alles zu den Waffen. Den 
Marſchall aber ließ der Fürftbiichof durch feinen Abgelandten jagen: 
„Es ift für ein köſtliches Mittagamahl viel Gänfebraten vorhanden 
und weil in Franken das Gaftrecht gilt, find wir auch bereit Dich 
würdig zu bemwirten. Kommft du aber als Feind zu und, fo if 
unjere Einladung ander gemeint, dann gibt es Gäns von Eijen, 
Und weil zu Gangbraten auch ein guter Trunf gehört, jo werben 


za 


wir dir blutig roten Wein kredenzen, den jchenfen tapfere Kano— 
niere ein. (Blut).” 

Da ftugte der Marſchall, als er dieje Einladung vernahm, hatte 
aber feine Zuft, derjelben Folge zu leiften. Ihm jelbft überfam 
eine Gänſehaut und jo machte er fih aus dem Staube. 


353 


Das Wunder des heiligen Makarius zu Würzburg. 
(Bon Gropp.) 


Daß Jeſus, unjer göttlicher Heiland, auf der Hochzeit zu 
Kanaan durh ein Wunder Waller in Wein verwandelt bat, ift 
und befannt. Ein ähnliches Wunder wirkte der heilige Mafarius 
zu Würzburg: er verwandelte Wein in Wafler. Die fromme Sage 
erzählt hierüber folgendes: Der heilige Makarius, urſprünglich 
Mönd des Schottenklojters in Regensburg fam als Abt des Schotten: 
kloſters Sankt Jakob nach Würzburg. Alsbald nah feiner Ankunft 
verbreitete fi der Auf feiner Heiligkeit. Eines Tages kam er 
in Angelegenheiten jeine3 Ordens zum Bifhof Embrico, welder 
ihn nit nur ſehr freundlih empfing, fondern ihn auch einlud, 
mit ihm ein Glas Wein zu trinfen. Makarius aber, feſt ent— 
jchlofjen, feiner Ordensregel entſprechend, bei feiner ftrengen Lebens: 
weile und dem Abbruh von Wein zu verharren, entichuldigte 
fih ehrfürdtig mit den Worten, daß er feinen Wein trinke, 
weil es ihm feine Ordensregel verbiete.” Der Bifchof aber ver: 
jeßte: „So befehle ih Dir aus heiligem Gehorfam und bitte 
dich auch, daß du zur Ehre des Heiligen Kilian mit mir etwas 
Weniges von diefem Weine verkoſteſt.“ Aljo ftand Makarius zwiichen 
den zwei Tugenden des Gehorſams und des Abbrudß, 
zweifelhaft, welcher von beiden er folgen folle. Und fiehe! er 
nimmt den dbargereihten Becher und trinkt etwas Weniges. Als: 
dann ſpricht er den Bilhof an: „Hohmürdiger Vater, hr werdet 
aus gleicher Liebe mir aus diefem Becher Beſcheid thuen.“ Embrico 
nimmt jolden von dem Abte und merkt fofort, daß es Waſſer ftatt 

Sagenſchat 28 


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Mein if. Hocherftaunt ruft er feinen Diener herbei, welcher be: 
teuert, daß er vom beiten Weine aus dem bijchöflichen Keller ge: 
holt und gebradt habe. Es war ein Wunder geichehen, aus 
Mein war Waller geworden, welches alsbald in der ganzen Stadt 
befannt mwurbe, 


Das Vermächtnis des Minnefängers. 


Der Minner(Liebes-)Sänger, von welchem bier die Rebe ift, 
war Walther vonder Vogelweide. Er war geboren zwijchen 
1165 und 1170. Seine Wiege .ftand in Tirol. Obwohl aus 
abeligem Geichlechte, war er unbegütert. Er ſuchte daher die Höfe 
ber Fürften und Könige auf und führte etwa 20 Jahre lang ein 
unftetes Wanderleben. Walther von der Vogelweide war der größte 
und gefeiertfte unter den mittelhochdeutfhen Lyrifern. Seine Did: 
tungen galten insbeſondere der Herrlichkeit Gottes und der jeligften 
Jungfrau, der Schönheit der Natur, der Vergänglichkeit aller irdifchen 
Dinge, der Ehre und dem Wohle feines Volfes und den Zuftänden 
und Ereignifjen jeiner Zeit. 

Bon Kaifer Friedrih II. erhielt er ein Eleines Leben bei 
Würzburg wodurh ein von ihm lange Jahre gehegter Wunſch 
erfüllt wurde. Bon da an hielt er fih in Würzburg auf, wo er 
etwa im Sabre 1230 ftarb. Lange zeigte man im Lorenzgarten 
de neuen Münfterd jein Grab. Bor jeinem Tode machte er 
folgendes Vermächtnis: „Ein flacher Stein foll meinen Leichnam 
beveden. In die vier Eden desſelben meifelt vier Höhlen ein, 
welche täglid mit friſchem Waſſer zu füllen find. In die Mitte 
de3 Steines ftreuet Waizen zum Futter der Vögelein!" Der legte 
Wille des Minnefängers joll aber nicht lange erfüllt worden fein. 


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Das Grab im neuen Miünfter. 
(Von Auguft Stöber.) 


Im Lorenzgarten liegt ein Stein 

An einer fühlen Stelle, 

Da ſchwirren die Vögel aus und ein 
Und pfeifen und fingen belle. 


Es iſt ein alter Leichenftein 

Bon Trauerweiden bejchattet, 
Darunter liegt im engen Schrein 
Ein Sängerberz beftattet. 


Die Vöglein waren jeine Luft 

Er hörte gern ihr Singen, 

Und büpfte jelber in ber Bruft, 
Wie munt’re Vöglein ſpringen. 


Der Sänger lauſchte mit Acht und Müh', 
Der Lerhe Ton zu lernen, 

Auch ſchallt jein Lied wie morgenfrüh 
Aus himmelblauen Fernen. 


Er lernte von der Nachtigall 

Das inniglide Kojen: 

Drum fingt er oft mit füßem Schall 
Bon Liebesluft und Roſen. 


Auch liebt er, wie die Vögelein 

Ein Wanderleben zu führen, 

Und Gärten und Felder aus und ein 
Die Flügel friſch zu rühren. 


So ftreift er über den Wieſengrund 
Und über die Bergesgipfel, 
Bis er ein warmes Neftchen fand 
Auf einem ftolzen Wipfel, 
23* 








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An Vögel mahnt des Sängers Nam, 
Ein Böglein jaß im Schilde, 

Und als es nun zum Sterben fam, 
Bedacht' er fie gar milde. 


„Bier Löcher höhlt in meinen Stein, 
Und ſenkt darein vier Tröglein, 
Und ſchüttet Waffer und Körner ein 
Für meine lieben Bögelein!” 


Doch erlebte dies Vermächtnis 
Leider nur ein nahes Jahr, 
Ob's zu ewigem Gedächtnis 
Gleich unlängft erjt geftiftet war. 


Denn der Stiftsherrn böjes Geizen 
Unterbrah der Spende Lauf, 

Und fie fammelten den Weizen 
Für fih ſelbſt zu Kuchen auf. 


Auch das Waller ließ man fehlen, 
Das behielten Duell! und Bad), 
Jene mweingewohnten Kehlen 
Sehnten nimmer fih darnad. 


Die Rache des Malers. 


Zu Würzburg lebte einft ein Maler, feiner hübſchen Bilder 
wegen weit und breit befannt, doch nennt feine Chronif feinen 
Namen. Da war denn zu derielben Zeit im Klofter der Reurer 
ein Prior. Der ließ den Maler fommen und fragte ihn: „Welchen 
Lohn verlangft du, wenn du für unjere Kirche einen Heiland 
malft?" „Zweihundert Gulden” antwortete der Maler, doch ver: 
lange ih zwanzig Wochen Zeit, das Bild zu malen. Der Prior 
verſprach ihm den verlangten Lohn und der Maler ging rüftig an 


357 


feine Arbeit. Als nun das Bild meifterhaft vollendet war, wollte 
ber Prior dem Maler die Hälfte abziehen. Dieſes verfeßte den 
Maler in fo gerehten Zorn, daß er fein Bild fofort vernichtete, 
Aber er fann auf bittere Rache und bald follte ihm auch Gelegenheit 
werben, diejelbe zu ſtillen. Es wurde dem Maler der Auftrag, 
für den Dom ein Bild zu malen, wie Pilatus unfern Heiland dem 
Judenvolke vorftellt mit den Worten: Ecce homo! Gebet einen 
Menſchen! worauf die Juden ſchrien: „An's Kreuz mit ihm! an’s, 
Kreuz!” Mitten in das Volk der Juden malte der Künftler einen 
Reurer mit brauner Kutte, weißem Mantel und geichorenem Haupte, 
das Geſicht aber ift das leibhaftige Porträt des Neurer Priors. 
Das war die Rache des Malers. 


Stift Hang. 
(8. Baader.) 


Als die Stifthauger Kirche erbaut werden follte, machte fi 
der Baumeifter verbindlich, ein jchönes Gotteshaus mit hoher Kuppel 
zu erbauen, ähnlich der Petersfirche in Rom. Auch machte er fi 
anheiſchig, feinen Lohn zu verlangen, wenn dad Werk mißlänge. 
Mit Hülfe des Teufels vollendete er das herrlihe Gebäude. (?) 
Ald man nun das Baugerüft entfernte, ſenkte ſich der Bau mit 
joldem Krachen, daß der Baumeifter jelbft glaubte, der ganze 
Bau jtürze zufammen. GEilends ſchwang er fih auf fein Pferd 
und jprengte den Galgenberg hinauf. Hier wurde er aber vom 
böfen Feind eingeholt und in Befit genommen. Seinen Lohn ver: 
langte er nicht und jo wäre — mie die Sage meldet — das 
Gotteshaus bis heute nicht bezahlt. So oft etwas an der Kuppel 
auszubefjern ift, muß ein Arbeiter das Leben einbüßen, was im 
Sabre 1827 das legtemal der Fall geweſen fein fol. 


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Das Geufelsthor. 


Zu ber Zeit, als Würzburg noch Feſtungseigenſchaft beiaß, 
hatte die Stadt Würzburg etwa 6 bis 7 Thore, welche militäriſch 
beiegt waren und zur Nachtzzeit zu einer bejtimmten Stunde ge= 
ſchloſſen wurden. Eines diejer Thore führte den odiofen Namen 
Teufelstbor. Der Soldat, der mit jcharfgeladenem Gewehr 
Wache fteht, wird beim Militär „Poſten“ genannt. Einit fteht 
am Teufelsthor ein Soldat auf Poſten, als ihm gegen Mitternacht 
ein fürchterlich großer Pudel entgegen fommt, der den Laut eines 
Menſchen von fih gibt. „Zurück!“ ruft laut der Poſten, doch der 
Pudel weichet nit. „Zurück!“ ruft der Poſten zum zweitenmal, 
doch der Pudel weichet nicht. „Zurück, oder ich ſchieße!“ ruft der 
Poften zum drittenmale, aber auch diefer Zuruf bat Feine Wirkung. 
Da legt der Poften an und jchießt dem Pudel in's Geſicht, daß er 
zulfammenftürzt. Und als man am andern Morgen den jcheinbaren 
Pudel genauer betrachtet, war e3 ein Student, der fih ein Ber: 
gnügen machen wollte, den Poſten zu erſchrecken oder zu necken. 
Noh jetzt ſpukts um Mitternacht an der Stelle, wo die jchredlidhe 
That geſchehen if. Seit der Zeit hat aber niemand mehr den 
Poften am Teufelsthor genedt. 


Die Keſidenz zu Mürzburg. 


Weit und breit berühmt ift der Prachtbau der Refidenz zu 
Würzburg mit ihrem herrlihden Hofgarten. Als der Prachtbau 
vollendet war, trat der Baumeifter vor den Fürſtbiſchof und forderte 
den bedungenen Lohn. Doch dieſer jcheute fich nicht, denfelben zu 
bejchneiden, dieje® und jenes davon abzuftreihen. Der Baumeifter 
geriet hierüber fo in gerechten Zorn, daß er wütend augrief: 
„Der Bau jelbft Toll daran erinnern, daß er nicht ganz bezahlt 
ift; er wird nicht vollendet, wie herrlich er auch ftrahlt. Darauf 
trat er zu feinen Gejellen und jprach zu dieſen in befehlendem 








A - 


359 


Tone: „Ein Fenfter gegen Norden bleibt unvollendet dort!" Und 
die Gejellen thaten, wie ihnen befohlen ward. Das Gefimje bes 
bezeichneten Fenſters ward nicht einmal behauen und noch zu dieſer 
Stunde ift3 unvollendet dort. Der Geift des wutentbrannten Meifterg, 
er wandelt nachts am Ort. Verſucht e3 ein anderer Meifter, das 
Tenfter auszubauen, jo kann er's am andern Morgen wieder im 
alten Stande fchauen. 


Das Kreuz im neuen Münlter. 


Am Neumünfter ift ein Kreuzbild, von welchem die Sage 
folgendes erzählt: 

Als die Schweden in Würzburg hauften, (während des breißig* 
jährigen Krieges) ftieg ein ſchwediſcher Soldat zur Nachtözeit in 
die Gruft jener Kirche hinab in der Abficht, fich des goldenen 
Kreuzbildes zu bemächtigen, welches feine Habgierde gereizt hatte. 
Doch fiehe! wie er die gottesräuberiihe Hand nach demjelben aus— 
firedt, löſen fich die beiden Arme vom Kreuze, umfaſſen den frechen 
Gottesräuber und halten ihn feſt, jo viel er Flucht und läſtert 
und fih mit Gewalt davon losmaden will. Syn diefer Stellung 
mußte er verharren bis zur frühen Morgenftunde Da nahte fich 
ein Priefter, hörte das Winjeln nnd Wehklagen des Frechen Frevlers 
und bewirkte durch jein Gebet die Befreiung desjelben. Das Kreuz: 
bild aber wird zur beitändigen Erinnerung im Neumünfter auf: 
bewahrt. 


Der Scornfteinfeger am Fiſchmarkt. 


Auf einem Schornftein des Fiichmarktes zu Würzburg war 
früher ein Schornfteinfeger abgemalt zu ſehen. Hievon erzählt die 
Sage folgendes: Im dreißigjährigen Kriege nah der Schlacht 
bei Nördlingen verfammelte der ſchwediſche Heerführer feine Leute 
auf dem Fiſchmarkte und verfündigte ihnen in ſchwediſcher Sprade, 
daß es die Würzburger nicht verftehen jollten, was bei Nördlingen 








360 


vorgefallen war und daß man fich ſchleunigſt aus Würzburg zurüd 
ziehen. müſſe; vorher jedoch follte die Stadt vollitändig geplündert 
werden. Dieje Anrede hörte jonjt niemand als ein Schornfteinfeger, 
welcher unbemerkt aus dem Kamin berausgeichaut und gelaufcht 
batte, Er war früher in Schweden auf der Wanderjhaft und hatte 
fih dort während ſeines mehrjährigen Aufenthalt3 die Kenntnis 
der ſchwediſchen Sprache angeeignet. Sofort benadhrichtigte er die 
Bürgerihaft von der ihr drohenden Gefahr. Diefe trafen alsbald 
bie notwendigen Maßregeln und jo mußten diejesmal die Schweden 
mit leeren Taſchen aus Würzburg abziehen. Zum fteten Andenken 
wurde ein Schlotfeger auf dem Schornftein des Haujes am Fiſch— 
marft gemalt, 


Der Hlutftein in der Feſtungskirche. 


In der Kirche der Feftung Marienberg wird an den Stufen 
des Hochaltar ein Stein gezeigt, welcher von Blut gefledt ift. 
Die Sage erzählt: ALS die Schweden im Jahre 1631 nah Würz 
burg famen und das Schloß des Fürftbiihofs (jekt die Feitung 
Marienberg) erftürmten, drang ein wütender Haufe in die Kirche, 
wo gerade ein ehrwürdiger Kapuziner das heilige Meßopfer dar: 
brachte. Bei dem Anblide des würdigen Priefters ergrimmt die 
rohe Schaar und Haut ihn am Altare nieder. Das Blut des 
Prieſters floß auf die Stufen des Altars und kann nicht abgewafchen 
werden. 


— — — — — 


Die Geiſter auf dem Marienberg. 


Früher wurde jeden Abend ſtatt des Gebetläutens das Ave 
Maria getrommelt. Dieſer Gebrauch ſoll daher gekommen ſein, 
weil ſich ein Geiſterzug um Mitternacht mit ſolchem Lärm und 
Getöſe vernehmen ließ, daß die Soldaten der Beſatzung und alle 
anderen Leute in Furcht und Schrecken gerieten und die Schläfer 
aus ihrer Ruhe aufgeſcheucht wurden. Man wußte nicht, ob es 


— — — 
—X 


361 


die Geifter erjchlagener Schweden oder der von den Schweden 
Erihlagenen war, Das Ave Maria hat fie zur Ruhe gebradt. 


Die verfunkene Mühle. 
(Von P. J. Freihol;.) 

In einer Mühle am Mainftrom jaßen einft vier reijende 
Handwerföburfchen, zechten, fangen wüſte Lieder und fluchten auf 
Gott und Teufel, auf Zeit und Emigfeit. Da pochte ed an ber 
Thüre, daß den wilden Gejellen der Angſtſchweiß von der Stirne 
floß. Nur einer lachte über die Feigheit und Furcht der andern 
und öffnete fe die Thüre. Da fteht draußen zitternd in einem 
ärmlichen Kleide mit bittenden Augen ein bildſchönes Mädchen. 
Da jubelten die wüſten Gejellen in wildem luftigem Chor. Doch 
das jchüchterne Mädchen ſprach: „O gebt mir doch Speije und 
Trank und lafjet mich dann weiter ziehn, Jh muß heute noch 
nah Würzburg hinein!“ „Ho! Ho!” du mein blöde Täubchen!” 
fchreit der erfte und lacht; „jo jchnell wirft du mir nicht entwilchen, 
du bleibft bei mir heute Naht!" — „Ho! Ho!“ jchreit der zweite, 
„tomm’ Mädchen und trinfe mit mir. ch verlange nicht3 meiter 
von dir, al3 einen Kuß von deinem rofigen Munde!” — „Ho! 
Ho!” ſchreit der Dritte, „ih wünfche ein Tänzchen mit dir, komm, 
jchwarzlodiges Mädchen, und tanze eins mit mir!” In der Bruft 
des vierten aber waltete reiner Liebe Gewalt, nicht die rohe Luft, 
die jchnöde Begierde. „DO komme!“ rief er, „ich will dein Beſchützer 
und Begleiter jein.” Da neigte fich, füß errötend zu ihm bie herr: 
lihe Maid. So hält er fie feſt umjchlungen und ruht an ihrer 
Bruft jo jüß und warm, Da lodert in der Bruft der übrigen die 
Flammen der Eiferfuht. „Lafje dein Beute!” ſchrien fie, „denn 
fie ift allgemein! Es hole fich jeder felber, was er für's befte 
hält.“ In kurzer Zeit entitand ein heftiger Streit, ein blutiges 
Ringen und fie ftießen wutenbrannt die ſcharfen Meffer ſich in die 
Bruft. Und mährend fie einander morden, enttommt das Mädchen 


362 


zum Main. Hier fpringt fie in die Fluten, in's nafje falte Grab. 
Da bebte es in der Runde, weit öffnete fih der Main und 309g 
die verrufene Mühle in feine Tiefe hinab. Da fteht fie nun noch 
unten und treibt ihr Rad noch heut. Gar viele hörten ſchon ihr 
geheimnigvolles Rauſchen zur mitternächtigen Zeit, drum beten alle 
Schiffer beim unterirdiihen Haus ein ftilles Vaterunſer für Die 
Seelenruhe der Böſewichter. An Stelle der verjunfenen Mühle 
jollen die Wellen des Mains viel lauter rauſchen und viel höher 
ſchlagen. 


Die niefende Jungfrau. 


Auf einer Wieſe zwiſchen Heidingsfeld und Würzburg ftanden 
drei PBappelbäume. Dort fahen einmal in einer Vollmondnacht 
zwei heimfehrende Häder von Heidingsfeld ein wunderſchönes Fräu— 
lein mit einem weißen Schleier figen. Als fie dicht an ihr vorüber: 
famen, hörten fie diejelbe dreimal niefen. Beide jagten auch drei» 
mal, wie es in Franken Gebrauh ift: „Helf Gott!” und das 
Fräulein antwortete: „Ihr Habt mich erlöft!” Bon diejer Stunde 
bat ſich das Fräulein mit dem meißen Schleier nicht mehr jehen 
laſſen. 


Das wilde Heer bei Würzburg. 


Bor einer langen Reihe von Jahren fuhr einmal ein Heden- 
wirt aus Würzburg von Nanderdader aus, wo er Wein gekauft 
hatte, nach Haufe zurüd. Es war ſchon jpät in der Nacht, denn 
das Meinproben in NRanderdader Hatte ihn lange aufgehalten. 
Auf dem halben Wege hörte er plötzlich ein unnatürliches Geichrei, 
welches immer näher fam — es war da3 wilde Heer. Als es 
ihm ganz nahe war, hielt er mit feinem Wagen ftill und verkroch 
fih unter demjelben, indem er fich auf den Boden legte. Als das 
wilde Heer an den Wagen beranfam, zapfte e8 die Fäſſer an und 
alle tranten nach Herzensluft. Als er nach Haufe kam, brachte er 


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feine halbleer geglaubten Fäfjer in den Keller nnd als er denfelben 
feinen Gäften verabreichte, war derielbe jo gut, daß fie feinen 
andern Wein mehr trinken wollten. Was aber noch auffallender 
war — die Fäſſer wurden nicht leer. Endlich wurde der Wirt 
übermütig und erzählte feinen Gäflen, daß feine Fäſſer nicht leer 
würden und was auf dem Wege von Randersader nah Würzburg 
vorgegangen war. Als er aber wieder in den Keller fam, fand 
er alle jeine Fäſſer leer. Der Hedenwirt hat aber oft bereut, 
daß er nicht reinen Mund gehalten "hatte, aber e3 hat nichts 
geholfen. 


Der irrende Kornmeffer. 


Hinter der Reurerkirche ift eine Straße, welche den Namen 
„Korngaſſe“ trägt. In diefer Gaſſe ift ein Schütt: oder Korn- 
boden, welcher der Stadt gehört. Bor mehreren hundert Jahren 
war einmal in Würzburg eine große Theuerung und Hungersnot. 
Biele arme Leute ftarben Hungers, weil fie fein Brod hatten und 
fein Geld, fich folches zu kaufen. Da ließ nun der Magiftrat 
den Kornboden öffnen und Getreide abgeben , damit für die armen 
Leute Brod gebaden werden fonnte Ein Kornmefjer hatte die 
Auffiht darüber. Derjelbe. war aber ein Betrüger und verkaufte 
des Nachts ganze Wägen voll Getreid an die Heidingsfelder Juden. 
Aus Furt, daß ihm feine Abjolution zu Teil werde, verjchwieg 
er dieje Sünde in der Beiht und muß nun jeit jeinem Tode als 
Gejpenft irre gehen. Jedesmal am Gründonnerftag Nachts zwiſchen 
11 und 12 Uhr läßt er fich jehen, einen jchweren Getreidjad auf 
der Schulter und eine Metze Weizen in der Hand tragend. So 
geht er bis an die Reurerkirche und wieder zurüd. Und dieje 
geipenftige Wanderung muß er jo lange fortfegen, bis ihm ein 
Sonntagsfind feinen Sad und jeine Metze abnimmt und ihn erlöft. 
Bis jet mochte e3 noch niemand thuen, weil fich jedes vor ihm 
fürchtet, denn jeine Augen find jo groß wie Fenfteriheiben und 
glühen wie Feuer. 





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Das Eroatendörfchen. 


Bor Zeiten, in der eriten Hälfte des 19. Yahrhundert3 gab 
e3 in Würzburg einen Stadtteil mit Eleinen, ärmlichen Häufern, 
welcher das „Croatendörfchen“ hieß. Als nämlich im dreißig: 
jährigen Kriege die Schweden von den Failerlihen Truppen aus 
Würzburg verjogt wurden, waren unter den legteren auch einige 
Compagnien Croaten, Truppen, zweifelhafte® Wolf, denen, weil 
niht3 vor ihnen ficher, nicht zu trauen war, In der Stadt fonnte 
man dieſes Volk nicht laffen, deswegen quartierte fie ihr General 
in jene Eleinen Häuschen vor der Stadt. Diefe befamen ben 
Namen „Croatendörfchen“ und behielten denſelben jo lange, ala 
jener Stadtteil beftand. 


Das Keurer Srehglöckle. 


Im Reurer Klofter war vor vielen Sahren ein Bruder Sa— 
friftan (welcher die Safriftei, das Ankleiven der Patres zu be- 
jorgen Hatte.) Derjelbe hat aber gar nicht gerne gebetet, weil er 
den ganzen Tag nur efjen wollte Wenn er nun mittags zwölf 
Uhr Ave Maria läuten mußte, jo läutete er immer zu furz, nur 
um immer eher zum Ejjen zu fommen. Das trieb er bis zu jeinem 
Tode. Nah jeinem Tode mußte er ald Geſpenſt irre gehen, bis 
vom neuen Safriftan alle Ave Maria nachgeholt waren. Weil aber 
dieſes Glödlein jo hell Elingt, daß man e3 unter allen Würzburger 
Gloden heraus hört, jo nennt man es noch zur Stunde „das 
Reurer Freßglödle.” 


Die Todtenmeſſe in der Mlarienkapelle. 


In der Marienkapelle am grünen Markt Iniete einmal ein 
einfacher Landmann. Da er weit bergefommen jein mohte, war 
er müde und jchlief ein. Als er erwachte, war es Naht und als 
er ſich aus der Kapelle begeben wollte, fand er die Thüre ver⸗ 





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ſchloſſen. Er Hopfte und fchrie, aber niemand hörte ihn. Der 
Mann jekte ſich alfo wieder in feinen Stuhl und jchlief von neuem. 
Nachts um zwölf Uhr wurde er plöglich aus dem Schlafe gewedt 
durch ein Glodenzeiben, wie es gegeben wird, wenn ber Priefter 
zum Altare geht. Und in der That jah er, wie ein Priefter mit 
den Miniftranten aus der Safriftei an den Altar ging, um ein 
Amt zu halten. Die ganze Kirche war hell erleuchtet und alle 
Stühle Inieten vol Andächtigen. Die Töne der Orgel klangen 
aber jo jonderbar, wie er es noch nie gehört Hatte. Bon all den 
Perjonen aber, die er jah, kannte er niemand, denn alle jahen fo 
geifterhaft aus, ald wenn fie dem Grabe entftiegen wären. 

Als es ein Uhr ſchlug, war die Kirche wieder ftodfinfter und 
die Erſcheinung war verfhmwunden. Der Landmann zitterte an 
allen Gliedern. Erft beim Frübgebetläuten fonnte er die Kirche 
verlafien. Er ging nah Haufe, legte fich frank zu Bette, empfing 
die Sterbjaframente und nah acht Tagen war er eine Leiche. 


Das farblofe Ehriftusbild. 


Sin der oberen Gruft der Neumünfterfirche fteht ein Kreuzbild, 
unjer Heiland am Kreuze, wie er die Arme übereinander hält. 
Diejes Bild ift darum merkwürdig, weil es feine Farbe annimmt. 
Einmal befam ein Maler den Auftrag, das Bild neu anzuftreichen. 
Dazu braudte er einen ganzen Tag, als aber am andern Tage 
die Leute wieder in die Gruft famen, ftand das Bild ohne Farbe 
da. Bon jener Zeit hat ſich niemand mehr getraut, das Bild 
anzuftreichen. 


Die Fußtapfen auf dem Meg zum Küpelle. 


Dben auf dem Käpelle, wo die ehrwürdigen Väter Kapuziner 
ein Klofter haben, wird insbeiondere das Feſt des beiligften Namen 
Jeſu jehr feierlich begangen und Tauſende von nah und ferne be: 


— — 


366 


ſteigen an dieſem Feſttage den Berg. Wie die Volksſage erzählt, 
beſtieg auch die Mutter Jeſu mit dem Jeſukinde dieſen Berg, an 
allen Stationen vorüber. Zum ewigen Andenken daran ſind auf 
der linken Staffelſeite zwei Fußtapfen in eine Platte eingedrückt. 
Dieſelben ſeien jetzt noch zu ſehen. 


Das Maäahrzeichen von Mürzburg. 


Auf der alten Mainbrüde zu Würzburg ftehen 12 über Leben: 
größe in Stein gehauene SHeiligenbilder, ſehenswerte Kunſtwerke. 
Wenn vor Alter3 ein mwandernder Handwerksburſche von Würzburg 
nah Karlftadt fam und wurde gefragt, was die Heiligen auf der 
Würzburger Brüde machen und er Ffonnte nit jagen: „Ein 
Dugend” jo wurde er nocheinmal nah Würzburg geihidt, um 
ih das Wahrzeichen der Stadt anzujchauen. 


Der Keihenzug im Kreuzgang des Doms. 


Im Kreuzgang des Doms haben einmal Würzburger Knaben 
geipielt. Sie nahmen nämlich eine Todenbahre, legten einen ihrer 
Kameraden darauf und thaten, als wenn fie ihn begraben wollten. 
So wallten fie im Kreuzgang herum. Auf einmal aber öffnete 
fih die Thüre des Kreuzgangs auf eine geheimnisvolle Weiſe und 
weg war die Todtenbahre mit jammt dem daraufliegenden Knaben 
und die Thüre war wieder zu. Kein Menſch wußte, wohin ber 
Knabe gefommen war; er war weg und fam auch nicht mehr zum 
Vorſchein. 


Die Langgaſſe. 


In der Nähe vom Grafeneckartsturm führt eine ſchmale Gaſſe 
hinauf gegen den Markt und gegen die Marienkapelle — die 








m. 
wi. 





367 


Langgaſſe. Bor. vielen Jahren ging durch dieſe Gafje früh 
vor dem Gebetläuten ein Ratsherr der Marienkapelle zu. Als er 
am Grafenedartsturm vorbei ging, ftand ein ſchwarzer Mann da. 
Ehe fih der Ratsherr verfah, ſchwang fih der ſchwarze Mann 
auf feinen breiten Rüden und ließ fih von ihm tragen. Der 
Ratsherr konnte aber wegen der jchweren Laſt faum weiter. Die 
Straße fam dem armen Manne jo entjeglich lange vor und dicke 
Schweißtropfen perlten ihm von der Stirne. Endlich, als e3 in 
der Kapelle Ave Maria läutete, fam er an das Ende des Gäßchens. 
Wie er das heilige Kreuzzeichen machte, fiel die entjegliche Laſt 
von feinem Rüden und verſchwand. Von jenem Tage an bie 
die Straße „Langgaſſe“ und Heißt heute noch jo. 


Der Engelszug bei Würzburg. 


Auf dem Käpelle droben kamen einft alle 50 Sabre die 
Engel mit brennenden Kerzen über den Berg herübergemwallt, gingen 
in die Kirche und jangen wunderſchöne himmliſche Lieder. In der 
erjten Hälfte des 19. Jahrhunderts fam dies zum leßtenmale vor. 
Da haben fie jo jchön gefungen und haben die Kirche jo Hell er- 
leudtet, daß es die Leute am Fuße des Käpelle gehört und ge= 
fehen baben. 


Des Teufels MWindsbrant. 


Ein Würzburger Häder befand fich einft in feinem Weinberg 
bei der Arbeit. Neben feinem Weinberg befand ſich ein Kleeader, 
auf welchem eine Dienftmagd Klee auf Haufen zufammenrechte. 
Auf einmal kam eine Windsbraut (ein Wirbelwind) und warf 
alle Kleehaufen durcheinander. Unwirſch und voll Aerger rief die 
erzürnte Magd: „Da fol aber gleih der Teufel nei fchlagen!” 
In demjelben Augenblide wurde die Magd vom Sturmmwinde in 
die Höhe geworfen und verſchwand. Dem Weinbergamann aber, 


368 


der am Wege jaß und fein Dreiuhrbrod verzehrte, nahm ber 
MWirbelwind Käje und Bapier aus der Hand. Da aber nach einiger 
Zeit dasjelbe Papier wieder zur Erde fiel, rief er: „Haft du den 
Käs gefrefjen, fannft du auch das Papier behalten.” Nach einiger 
Zeit fiel aud ein Schub der Magd zur Erde, von ihr aber hat 
man nichts mehr gejehen und fein Menſch erfuhr, wohin fie ge— 
fommen: ift. 


Die Heuban - Uhr. 


Die Neubau: Uhr war fonft diejenige Uhr, nad welcher die 
übrigen Uhren der Stadt Würzburg gerichtet wurden. Einmal 
jollten in der Neujahrsnaht alle Uhren nachts um 12 Uhr nad 
der Neubau: Uhr gerichtet werden, aber fiehe da, um zwölf Uhr 
war unſre Neubau: Uhr ftehen geblieben. Der alte Diener, welche 
diefelbe zu bejorgen hatte, wurde deshalb aus dem Dienfte gejagt 
und in der nächſten Naht mußte die Neubau : Uhr ſtatt einmal 
zweimal die Stunde jchlagen. Und heute noch fchlägt die Neubau: 
Uhr jede Stunde doppelt. Weil aber der mweggejagte und brodlos 
gewordene Diener dielelbe verfluchte, bleibt die Neubau-Uhr To 
oft ftehen, was noch heutzutage troß allen Reparirens der Fall ift. 


Der Schwedenturm. 
(Bon Guftav Schwab.) 


Zu Würzburg fteht ein grauer Turm 
Weit ab vom luſt'gen Maine, 

Sn feinen Balken pict der Wurm, 
Es nagt dad Moos am Steine. 


Die hohle Bruft durchröchelt ſchwach 
Ein roſtig Uhrwerk ſtöhnend, 

Sein Stundenſchlag iſt auch noch wach, 
Doch nur die Zeit verhöhnend. 





Sagenſchatz 


Denn wenn die Glocken alle ruh'n 
Ein Viertel vor der Stunde, 
Beginnt er ein verkehrtes Thu'n 
Mit eh'rnem Lügenmunde. 


Ob ſeinem frühen Schlage quält 
Sich, was auf Märkten handelt, 
Der Kranke, der die Stunde zählt, 
Der Reiſende, der wandelt. 


Wie dulden es die Städter nur, 
Den Lügner ſtets zu hören 

So mwißt: fie mögen feiner Uhr 
Den alten Fluch nicht ftören. 


Denn in dem breißigjähr'gen Sturm 
Im langen Jammerfriege, 

Da war der falihe Schwebenturm 
Einft eines Gräuels Wiege. 


Verſchwörer ſaßen dort verftedt 

Sin feiner Glodenftube; 

Ein dumpfer Streih ward ausgehedt 
In luft'ger Mördergrube. 


Als dumpf die Stadt in Frieden ſchlief 
Die unbewehrte Rechte 

In ſicherm Schlummer ſenkten tief 
Des Reiches treue Knechte; 

Ein Viertel hub vor Mitternacht 

Der Turm an irr' zu reden: 

Zwölf Schläge dröhnten da mit Macht, 
Laut riefen ſie den Schweden. 

Und der verſtand das Zeichen wohl, 
Ein Pförtlein fand er offen, 

Das Blut in allen Kammern quoll, 
Die Schlummerfiffen troffen. 


24 


369 


370 


Der Strom empfing als tiefes Grab 
Der Leihen ſchwer Gerölle, | 
Doch Jubel jhol vom Turm herab 
Hoch oben jauchzt die Hölle. 


Ihr Sieg war kurz, ihr Stachel ward 
Geknickt durch fchnelle Rache; 

Dem Turm verrätheriicher Art 

Ließ man des Truged Sprade. 


Im Räderwerk der Wahnfinn fnarrt 

So fteht er grau, zerfallen 

Muß, bis man ihn als Schutt vericharrt 
Bon feiner Sünde lallen. 





Der Küfer im Hofkeller zu Mürzburg. 


Als das große Faß im Hoffeller, welches über 660 Eimer 
hält, zum erften Male mit ausgezeichnetem Steinmwein gefüllt wurde, | 
foll fi der damalige Hofbüttner, welcher das Faß felbft hergeſtellt 
hatte, dem Teufel verjhrieben haben, unter der Bedingung, dab 
er, jo oft dasſelbe angezapft oder aufgefüllt werbe, fich einen Rauſch 
trinfen dürfe. Dieſes war auch der Fall, weil er jede Weinfüllung 
zu bejorgen hatte. Als er fich einft bei einer ſolchen Füllung 
wieder einen Raufch getrunfen hatte, flürzte ihn der Teufel die 
Treppe hinab, daß er den Hals brad. So oft nun aus biejem 
Faſſe Wein abgelafjen oder in dasjelbe neu gefüllt wird, Hören 
die dabei beichäftigten Küfer ein gieriges Schlürfen, denn es it 
der Geift des Hoffüfers, der von dem föftlihen Meine trinkt. 

Wohl mit Bezug darauf mahnt eine alte Inſchrift an jenem 
Fafle: 

Du aber, der du trinkſt, leb' wohl und denk dabei, 
Daß Gott von diejer Gabe der höchſte Schöpfer fei. 


— — — — — 
— 
4 


Pipin auf der Krücke. 


Auf der Mainbrücke zu Würzburg ſteht eine Statue des heiligen 
Pipin, welche bei den alten Würzburgern in hohen Ehren ſtand. 
E3 fol nämlich der heilige Pipin an diefer Statue guten Nat 
und Aufklärung erteilt haben. Hatte ein Bürger eine häusliche 
Angelegenheit, in welcher er Rats beburfte, jo ging er abends auf 
die Brüde und betete dreimal: „O beiliger Pipinus! Was fol 
ih thun?“ — Bis zum andern Morgen hatte ihm der heilige 
PBipin guten Rat gegeben und er wußte, welden Entſchluß er 
fafjen ſolle. Wenn daher heute noch jemand in "einer Sache nicht 
Ihlüffig werden kann, jo hört man jagen: „Gehe auf die Brüde 
und frage den beiligen Pipinus!“ - 


371 


Der Hexenturm. 


Im Zwinger an der Stadtmauer fteht ein alter Turm, der 
Herenturm heißt, In diefem Turme wurben einftend die Heren 
eingeiperrt und gefoltert, um fie zum Geftändnis zu zwingen. Syn 
gewiſſen Nächten vernimmt man in diefem QTurme ein fchauerliches 
Achzen und Stöhnen. Das find die Geifter von jenen Hexen, 
welche viele unjchuldige Bürgersfrauen als Heren angaben und zum 
Feuertode brachten. Auch will man ſchon öfter im Zwinger graue 
Spufgeftalten mit Dfengabeln in der Hand auf: und abwandeln 
gejehen haben. 


Die Kloſterfrau Renata in Unterzell. 


Sn den Gebäuden des ehemaligen Prämonftratenjer Nonnen: 
£lofter3 Unterzell ſpukt oft in heiligen Nächten eine verjchleierte 
Nonne Sie trägt dann einen Rojenftrauß in der Hand und 
wandelt geijterhaft langſamen Schrittes durch die dem Gottesdienft 
entfrembdeten Klofterhallen. Das ift der Geift der am 21. Juni 1749 

24* 





372 


auf dem Herenbrudh bei Würzburg als die lekte Here in Franken 
und in ganz Deutſchland verbrannten Maria Renata Singer von 
Moſſau. 

Jedesmal, wenn fie bei ihrer nächtlichen Geiſterwanderung 
eine Roſe aus ihrem Strauße pflüdt und zu Boden fallen läßt, 
ſoll es anzeigen, daß in Würzburg bald ein geiftlicher Höher Würben- 
träger fterben werde. 


Das Marienbild auf der Feſtung. 


Auf dem norböftlihen Turme der Feſtung Marienberg befindet 
fih ein Marienbild. Als im Schwedenkrieg die Feltung von den 
Schweden erftürmt worden war, fletterten einige Schweden auf 
den Turm, um das Marienbild, welches fie wegen ſeines Glanzes 
für Gold hielten, zu rauben. Als nun einer die Höhe erreicht 
hatte und das Bild anfaßte, rief er freolerifh: „Da haben wir 
die H—.“ In demjelben Augenblide fürzte er herab und brad 
den Hals. Erſchreckt fliegen jeine Kameraden herab und wollten 
von einem Raube des Muttergottesbildes nicht3 mehr wiſſen. 


Der wandelnde Türmer. 


Am Grafenedartsturm fteht öfter nachts ein grauer Mann unten 
an ber Straßenede. Wenn man ihn anfieht, verlängert er auf 
einmal jeine Geftalt und wird fo groß, daß er mit feinem Kopfe 
bis an die Turmuhr reicht, welche er dann mit der Hand ergreift. 
Das ift der Geift eines pflichtvergefjenen Stadttürmerd, welcher 
einft die Sturmglode nicht anjchlug, als einft in dem Hauſe eines 
ihm feindlihen Bürgers nachts ein Brand ausgebrochen war. 


u 


373 


Die Burkardsmwecke. 


Der heilige Burkardus, der erfte Bilhof von Würzburg, ließ 
einft während einer Hungersnoth Wede baden und ſolche täglich 
unter die armen Leute verteilen. Deshalb feierte die Stadt Würz- 
burg lange Zeit am 14. Dftober jeden Jahres fein Andenken mit 
einer alten Sitte. Bon den Bädern wurden Wede von einer 
eigentümlichen Form, nämlich der eines Ringes, am Feſttage des 
heiligen Burkardus unter dem Namen Burkardswecke gebaden und 
Freunde, welche ſich zufällig am jelbigen Tage begegneten, grüßten 
fih um einen Burkardsweck, welchen derjenige befam, welcher dem 
andern mit diefem Gruße: „Guten Morgen um einen Burkardsweck“ 
zuvorgefommen war, Set noch werben foldhe Burkardswecke von 
ben Bädern im Mainviertel gebaden; aber die Sitte, fie zu ver- 
ſchenken, ift außer Brauch gekommen. 


Die Michelswecke und der Bichtbraten. 


Die Handwerker, Gewerbgleute, feierten jonft in Würzburg 
den Tag de3 Erzengel Michael, den Belieger des Fürſten der 
Finfternis dur ein Feſtmahl. Da mußte den Handwerkögejellen 
von ihrem Meifter ein Braten zum Beften gegeben werben, welchen 
man den Lihtbraten nannte, weil bie Gejellen am andern Tage 
die Abendarbeit bei Licht beginnen mußten. Auch mwurben zu dieſem 
Feſte eigene Wede gebaden, welche man die Michelswede nannte, 
Heutzutage werben bie Michelswecke am 29. September in eigen: 
tümliher Form noch von allen Würzburger Bädern gebaden, ber 
Lichtbraten aber auf den vorhergehenden oder nachfolgenden Sonn: 
tag verlegt. 


Der Mallfiſch zu Mürzburg. 


Die Liebe zu Mufif und Gefang war ehedem zu Würzburg 
fo fehr zu Haufe, wie heute, Damals zogen die berühmten Minne: 


374 





und Meifterfänger im Lande herum. Wo fie nur hinfamen, ftimmten 
fie ihre Lieder an, wurden beswegen überall gut aufgenommen 
und auf's Beſte bemwirthet und gepflegt. Da fteht zu Würzburg 
in ber Bankgaſſe ein Haus, worin jet eine Wirthichaft ift. In 
biefem Haufe nun ſprach einmal ein fahrender Sänger ein und 
wurde herzlich aufgenommen. Dem Wirthe gefiel ganz bejonders 
ein Lied vom Propheten Jonas im Bauche des großen Wallfiſches, 
welches er gar nicht oft genug fingen konnte. Drei Tage lang 
behielt der Wirth den fahrenden Sänger im Haufe Am Ende 
des dritten Tages veranftaltete der Wirth dem fremden Sänger 
zu Ehren einen feftlihen Abſchiedsſchmaus, zu welchem er alle feine 
Freunde einlud. Der fahrende Sänger fang beim Weggeben, er 
fomme jetzt nach drei Tagen wie der Prophet Jonas aus dem 
Bauche des Wallfiſches. Bon diejer Zeit an nannte man das 
Haus „zum Wallfiſch.“ Später hieß es das „weiße Rob“. 


Die eilerne Hofe. 


Hinter der Marienkapelle fteht ein Haus, welches den Namen 
„eiferne Hofe“ führt. In diefem Hauje wohnte im Jahre 1525 
der befannte Ritter Götz von Berliingen mit der eifernen Hand, 
jo lange er als einer der Anführer des Bauernheeres in Würzburg 
verweilte. Da hielt er auch einen Domberrn gefangen, den er in 
eine eijerne Hole ftedte, welche er eigens machen ließ, um ihn zu 
zwingen, den Drt anzugeben, wo er feine Geldſchätze verborgen 
babe; allein der geiltlihe Herr blieb ftandhaft. Nach Beendigung 
des Bauernfrieged ließ leßterer zur Erinnerung an feine ausge— 
ftandenen Leiden ober der Hausthüre an die Wand eine eiferne 
Hoje malen und von diefer Zeit nannte man das Haus zur „eilerngn 
Hofe” Das Bild ift zwar verjchwunden, aber der Name des 
Haufes war geblieben. 


m Tran 


375 


Das Korenbrünnlein. 


Außerhalb des Burkarder Thores an der Straße gegen Hei— 
dingsfeld jammelt eine, vom Nikolausberge herabfommende Duelle 
in einer Kleinen von der Kunft gebildeten Grotte ihr gutes Waſſer. 
Diefes Brünnlein, an dem fo mancher müde Wanderer ausruht 
und fih an feinem frifchen, guten Waſſer erquict, heißt dad Horens 
brünnlein. Diefen Namen erhielt es, weil an demſelben zwei 
Mönde aus dem nahen ehemaligen Andreasklofter ihre Horas 
zu beten pflegten und bie Duelle geweiht hatten. Das Waſſer joll 
heilende Eigenschaften für Bruftleidende befigen. 


Der Miühlgeilt. 


Sn der Kanalmühle jol man zeitweilig nachts ein großes 
Poltern und Jammern hören. Das ift der Mühlgeift, welcher fich 
in der heiligen Nacht neben dem Mühlrade fehen läßt. Ein Mahl: 
burjche aus diefer Mühle liebte ein Mädchen, in welches auch der 
andere Mühlburfche verliebt war. Mit einem fchredlichen Fluche 
ftieß er bdenjelben in dag Mühlwerk binab und muß nun zur 
Strafe bid zu feiner Erlöjung ald Mübhlgeift wandern. 


Die Heujahrsrofen. 


In Würzburg war einmal ein Fürftbiihof, welcher die Roſen 
ungemein liebte. Immer mußten diefe Blumen feine Tafel ſchmücken 
und ihr Duft feine Zimmer erfüllen. Einft war ein ungeheuer 
kalter Winter, Alle Blumen in den Gewächshäufern erfroren, da 
die Gartenkunft noch feine fo hohe Stufe erreicht hatte, als heut 
zu Tage Das that dem Fürftbifchof ungemein leid, daß er jeine 
Lieblingsblumen entbehren mußte. Dieſes war auch den Würz- 
burgern befannt und die Bürger traten in Beratung, wie fie am 


376 


Nenjahrstage ihrem geliebten Fürftbiichof feine Roſen erſetzen 
fönnten. Blühende Rojen maren nirgends aufzutreiben. Da ver: 
fiel ein Bäder auf den Gedanken, Roſen aus Badwerk zu formen 
und dem Fürften ald Neujahrsgeichent zu überreichen. Der Gedanke 
fand Beifall. Am Neujahrstage brachte jeder Bäder dem Fürft: 
biſchof eine friſch gebadene Roſe. Der Fürftbiihof war über diefe 
Aufmerkſamkeit und den guten Einfall jehr erfreut und verlieh 
den Bädern mehrere Privilegien. Seit jener Zeit baden die Würz: 
burger Bäder Neujahrsroſen, welche fie als Neujahrsgefchenke an 
ihre Kunden geben. 


Der helm. 


Etwa eine Stunde unterhalb Würzburg am rechten Mainufer 
erblidt man die Auinen des Schenkenturms. In diefem Turme 
bauft ein Lindwurm und ein Zwerg. Die Beliger des Schenken: 
fchlofjes waren Raubritter. Bon der Burg führte ein geheimer 
Gang herab an den Main. Ein Drabtzug, welcher mit ciner 
Glode verbunden war, verkündete, wenn reiche Kaufleute mit ihren 
Waaren des Weges zogen. Tief in dem finfteren Schadte des 
verfallenen Gemäuers liegt noch viel von dem geraubten Gut, von 
einem Lindwurm bewadt. Um Mitternacht kommt aus dem nahen 
Gehölze ein Zwerglein dahergeritten und führt auf einem Kohl: 
Schwarzen Rappen neben fi ein Elapperndes Gerippe in Elirrenden 
Ketten nah dem Turme. Da befommt dad Gerippe wieder Fleiſch 
und wird von dem Lindwurm umfaßt und zu Staub gepreft Cs 
fteigen Flammen auf und verzehren das Gerippe nebſt dem Lind: 
wurm. Aus der Aſche kommen jcheußlide Würmer, welche fi 
gegenjeitig jelbit aufzehren. Unten aber ſiedets und brauftS und 
züngelnde Feuerflammen umziſchen den alten Turm. Wenn der 
Bollmond fi vor dem nahenden Tage.verbirgt, befteigt das Zwerg: 
lein wieder feinen Rappen und reitet in's Gehölze zurüd, wo es 
verſchwindet. 


—B 
* — EN: 
V⏑—— 





377 


Der mwandelnde Spitalvermalter. 


An der Kellerthüre des Bürgerſpitals hört man in gewifjen 
Nächten ein ſtarkes Klopfen. Dann kommt ein Geift aus dem 
Keller und wandelt — eine Weinflafhe in der Hand — durch 
alle Gänge. Das ift, wie die Vollsjage willen will, der Geift eines 
Spitalverwalters, welcher während feiner langjährigen Verwaltung 
die Stiftung um mehrere taufend Bocksbeutel betrogen hat und nun 
bi3 zu feiner Erlöjfung umgehen muß. 


Der Pudel im Scenkenfchlop. 


Einft bemerkten mehrere Mebgerjungen, welche um den Schenten- 
turm herum ihre Hammel hüteten, einen halb verfallenen Eingang 
in den Keller unter dem Turme. Sie krochen hinein, weit hinab 
und fanden eine ſchwere eiferne Kifte, auf welcher ein Pudel jaß. 
Stillſchweigend erfaßten fie die Kifte und jchleppten fie mühjam 
heraus. Als die Kifte oben war und die freie Luft fie begrüßte, 
ba rief einer von ihnen: „Gott ſei Dank!” Kaum waren dieſe 
Morte jeinem Munde entfahren, jo entfiel die Kifte ihren Händen 
und ſank in eine ungeheure Tiefe hinab, aus welcher ein jchredliches 
Geheul herauf ſcholl. Als fpäter die Mebgerjungen den Eingang 
wieder ſuchten, konnten fie ihn nicht mehr finden. 


Der Dflafterer auf dem HKofplat. 


Auf dem Hofplak hören oft die Soldaten der Hauptwache 
nachts ein eigentümliches ftarfes Klopfen, gerade, ald wenn Pflafterer 
bei ihrer Arbeit find. Die Volksſage erzählt hierüber: folgendes: 
Als die Pflafterer-Arbeit auf dem Nefidenzplag vergeben murbe, 
erhielten fie mehrere Meifter. Einer von dieſen habe fich nachts 
aus Mißgunſt an Ort und Stelle begeben und das Pflafter der 


7 ar * 


378 



























andern wieder aufgeriſſen, damit er am meiſten verdiene. Deshalb 
ſei er von den andern verflucht und verwünſcht worden und müſſe 
nun als Geiſt umgehen bis zu ſeiner Erlöſung. 


Der letzte Hieb. 


Bor Alters wurden in Würzburg öfters herumziehende Zigeuner 
aufgegriffen, gegen welche man ein ſehr ftrenges Verfahren beobadj: 
tete. Sie wurden zuerft auf dem Pranger ausgeftellt und dann 
auf den Galgenberg, wo jeßt der Kugelfang ift, und damals ber 
Galgen ftand, geführt und aufgefnüpft. (Die Zigenner waren 
nämlich arge Diebe und dem fremden Eigentum fehr gefährlih) 
Bevor fie auf den Pranger binauftraten und ehe fie wieder von 
bemjelben berabftiegen, erhielten fie derbe Autenftreihe auf entblöfte 
Körperteile. Dann wurden fie dur die Stadt nach dem Sander: 
thore, um einen Teil der Stadt und dann den Galgenberg hinauf 
geführt. Zum Rennweger Thore hinaus durfte der Zug nicht gehen, - 
weil er fonft bei der fürftbiichöflihen Reſidenz vorbeigefommen 
wäre, wo fie die Gnade des Fürften hätten anrufen können. Auf 
diefem Wege zur Richtftätte waren mehrere Stationen beftimmt, 
wo die Deliquenten anhalten mußten und mit Nuten gepeiticht 
oder mit glühenden Zangen gezwidt wurden. Einft waren mehrere 
Zigeuner am Pranger audgeftellt, worunter fi auch ein Frauen- 
zimmer von ausnehmender Schönheit befand. An ihrem Schmud, 
den fie trug, erkannte man, daß es eine LBigeunerlönigin war. 
Deswegen wurde fie vom umftehenden Volke auf’3 innigfte bemit- 
(eidet. Als fie nun auch auf ihren entblöften zarten Rüden Rutens 
ftreihde empfangen follte, traten mehrere junge Mannsperjonen aus 
der Menge hervor und erboten ih, die Autenftreiche für fie aus- 
zuhalten. Allein das Anerbieten wurde nicht angenommen und bie 
gefühllojen graufamen Henkersknechte ertheilten der Zigeunerfönigin 
die diktirte Anzahl von Hieben. Schon bei den erften Streichen 
rann das Blut in Strömen von ihrem Rüden. Ihr Wehgejchrei 


Br 
* 


379 


erfüllte die Zuſchauer mit Schauder und Entſetzen. Auch auf dem 
Wege zum Galgen wurde das Anerbieten der jungen Leute nicht 
angenommen. An der Stelle, wo jetzt der Felſenkeller „letzte 
Hieb“ Liegt, von wo aus man eine jo unvergleichlihe wunder: 
Ihöne Ausfiht auf die Stadt genießt, und von wo ſchon mander 
einen tüchtigen Hieb nah Haufe getragen bat, follte fie ihre 
legten Hiebe erhalten. Schon Hatte der Henker die Hand zum 
wuchtigen Schlage erhoben, da murmelte die Zigeunerfönigin einen 
leifen Fluch, die Geißel entfiel feiner Hand, diefelbe war gelähmt 
nnd blieb gelähmt. Bon jener Zeit nannte man diejfe Stelle „ven 
legten Hieb.” Seht hat König Gambrinus dort einen Tempel 
und von den vielen Taufenden, welche fich dort bejonders im Sommer 
am jchäumenden Bierkrug laben, denkt oder weiß fein einziger, wo— 
von ber „legte Hieb“ feinen Namen hat. 


Der Studentendbad. 


Durh grüne Wieſen und Rebenhügel drängt fi nah Würz: 
burg berein ein murmelnder Bach, durchfließt die alte Frankenſtadt, 
treibt mehrere Mühlen und mündet nach feiner Vereinigung mit 
einem anderen Bade — der Pleichach — in den Main. Diejer 
Bah Heißt die Kürnach oder der Studentenbad. Ein Profeſſor 
der Hochſchule fol einft große Aehnlichkeit dieſes Baches mit der, 
durch den römischen Dichter Horaz jo herrlich beſungenen Blandufi: 
jhen Quelle gefunden haben, jo daß er nicht nur felbft feine 
Mufeftunden dort zubrachte, fondern auch feinen Höreren ben Aufent: 
halt an jenem Bade empfahl. Seitden kann man oft am Ufer 
diefes Baches Luftfneipende Studenten lagern jehen, welche im 
weichen Graje die Gedichte des Horaz und Birgil ftudiren, auch 
wohl über die Launen des Glückes nachdenken, welches dem einen 
jo viel und mieder andern fo wenig zugedadht hat. Deswegen 
beißt der Bach auch Studentenbad. 


380 


Bas Riliansbrünnlein. 


An der untern Gruft der Neumünfter Kirche iſt neben der 
Grabftätte des heiligen Franfenapoftels Sankt Kilian ein Brünnlein, 
aus welchem der heilige Mann mit feinen Gefährten getrunfen 
haben fol. Auch fol mit dem Waller aus diefem Brünnlein der 
Frankenherzog Go3bert mit den Seinigen getauft worden jein. 
Obwohl diejes Brünnlein im Jahre nur einmal — am Tage bed 
heiligen Kilian benügt wird, wird deſſen Wafler doch nicht faul. 
Es fol bei Augenleiden Heilfräfte befigen und unfruchtbaren Frauen 
ehelihen Segen bringen. Daher jagt man noch jegt den Kindern 
in Würzburg, wenn fie Kleine Brüderhen und Schwefterchen bes 
fommen, biefelben jeien aus dem Kiliansbrünnlein geholt worden. 





Der Maiengang. 


Ehedem wurde in Würzburg und in ganz Franken ber erfte 
Mai als ein Volksfeſt gefeiert. Die Mädchen verfammelten fi 
in Kleine Gruppen und zogen von Haus zu Haus durch die Stadt. 
Die größte trug eine junge Birke, melde man den Maienbaum 
nannte, mit farbigen Bändern geziert. Um diefen Baum fchloffen 
fie, Hand in Hand geſchlungen, tanzend und fingend einen Reihen, 
empfingen in jedem Haufe ein Geldgejchent, welches gefammelt und 
wovon ein Kinderfeft gefeiert wurde. Das bei diefem Anlaß ge 
fungene Volkslied hieß jo: 

Der Maie, der Maie 

Is gar e ſchöne Zeit, 

Da ſoll man nur recht fröhlich fein 
Luſtig und fröhlich fein. 

Das Patſchen, das Patſchen 
Gefällt uns gar zu wohl 

Es muß ein reicher Kaufmann ſein, 
Der uns ernähren ſoll. 





381 


Laßt die Jungfern fpringen, 
Laßt die Vögel fingen. 
Der Maie, der Maie, 
Is gar e ſchöne Zeit. 

Auf dem flahen Lande war ed Sitte, vor den Häufern des 
Herren Pfarrers, des Lehrerd, und Bürgermeifterd, auch anderer 
Perſonen, denen man eine befondere Ehre erweifen wollte, in der 
Naht oder am Abend vor dem erften Mai einen großen mit 
Kränzen geſchmückten Baum — einen Maibaum — zu jegen. Bon 
diefer Sitte rührt das Sprichwort ber: „Wem man nicht wohl 
will, jegt man feinen Maien.” Diefelbe Sitte wurde auch be- 
obachtet bei der Neuwahl eines Schulzen (Vorſtehers, Bürgermeifters). 


Die Urbanusfeier der Winzer. 


Am 25. Mai jeden Jahres, am Tage des heiligen Urbanus, 
feierte man in Franken das Feſt der Winzer. Auf dem Marfte 
wurde ein Tiſch aufgeftellt, berielbe mit einem Teppich belegt und 
auf demſelben mwohlriehende Kräuter geftreut und Blumenkränze 
gelegt. In der Mitte des Tiſches ftand eine Statue des heiligen 
Urbanus, welche reichlih mit Wein übergoffen und ſonſt wie ver: 
ehrt wurde, War e3 an diefem Tage jonniges jchönes Wetter, 
fo war dies den Winzern (Hädern, Weinbauern) das Vorzeichen 
eines guten Weinjahres. Negnete es aber, jo galt das als Bor: 
zeichen eines ſchlechten Herbftes. 


Das dJohannesfeuer. 


Am Vorabend des Johannestages, alfo am 23. Juni feierte 
ehemals das fränkiſche Landvolk wie faft alle deutfchen Provinzen 
ein beionderes Bolfsfeft. Unter dem Rufe „Steuer, Steuer, zum 
Kansfeuer!“ durchzogen die größeren Schulfnaben das Dorf (die 





— 


382 


Stadt) und ſammelten Wellen, Stroh und Holz, wovon ſie einen 
großen Scheiterhaufen errichteten und denſelben anzündeten. Syüng: 
linge und Mädchen, Hand in Hand, umtanzten oder überjprangen 
denjelben. Man befränzte fich mit Kräutern und Blumen, bejonders 
mit Beifuß und Eifenfraut und in der Hand trug man Blumen 
(Ritterfporn). Dieje hielt man vor die Augen, wenn man in’ 
Feuer jehen wollte und glaubte dann, das ganze Jahr von allen 
Augenleiden befreit zu bleiben. Wenn man nach Haufe ging, warf 
man die Kränze, mit denen man fich geihmüdt hatte, in's Feuer 
und jagte dabei: „Mit diefen Kräutern ſoll alles böje Geſchick 
verbrennen und von mir ferne bleiben”, 


Die Alchermittmocsfeier. 


Bor Alter verfammelten am Aſchermittwoch die erwachjenen 
Jünglinge alle Mädchen, welche das Jahr über auf dem Tanzboden 
erſchienen waren, jegten fie auf einen langen niedrigen Leiterwagen 
und zogen fie unter Muſik und Gefang in einen Fluß oder See. 

Das Beftreuen mit gemweihter Aſche mag aljo damals zur 
Sühne der Ausgelaffenheit bei der Faftnachtsfeier ohne dieje Reis 
nigung nicht genug gewejen fein. 


Die Dreikönigsfeier. 

Am Tage der Heiligen drei Könige (am 6. Januar) bereitete 
vor Alters jede Hausmutter in Franken den Teig zu einem Honig: 
fuhen, welchem fie eine Silbermünze beimiſchte. War der Teig 
gebaden, fo wurde er in fo viele Teile geteilt, ald Mitglieder der 
Familie waren. Derjenige, in deſſen Teil fih die Silbermünge 
fand, war König bes feftlihen Tages. Man ſetzte ihn auf einen 
Stuhl und Hob ihn dreimal unter Jubelrufen in die Höhe. Er 
orbnete. für den ganzen Tag alle Feftlichkeiten und Ergöglichkeiten. 


EEE N j 


Be 








383 


Sein erſtes Geihäft aber war, alle Thüren des Haufes mit drei 
Kreuzen zu bezeichnen, zwiſchen denen die Buchftaben C. M. B. 
ftanden. Man glaubte, daß diejes Zeichen alle Heren und Geipenfter - 
abhalte. 


Die Schwedenzeit. 


Mehrere Jahre Hatten die Schweden in Franken gehauft, 
diefes reiche und fchöne Land ausgejogen, ausgeplündert und viele 
Drtichaften in rauchende Trümmerhaufen verwandelt. In Holl: 
ftadt, einer großen Gemeinde des Bezirksamts Neuftadt an der 
Saale mußten die Leute bei Beftellung der Frübjahrsjaat den 
Pflug jelber ziehen, weil die Schweden alles Vieh geraubt Hatten. 
Aus jener jchweren Zeit ftammt das Schwedenlied, welches noch 
viele Jahre nah Beendigung des Krieges gejungen wurde: Der 
Schwed is fumma, hat alles genumma, hats Fenfter neigeichlaga, 
hats Blei mweggetraga, hat Kugel draus goſſa und die Bauern 
derſchoſſa. Die eben genannte Gemeinde Hollftadt feiert alle fieben 
Jahre den Pflugzug zur Erinnerung an jene jchredliche Zeit. 


Die Turmdäher der Burkarduskicce. 


Al die zwei Türme der Burkardusfiche mit Schieferfteinen 
gededt werden follten, ftand der Baumeifter mit feinem Töchterlein 
unten, den Bau betradhtend. Da fiel eine Schieferplatte herab 
auf den Kopf des Mädchens und verwundete dasjelbe jchwer, Da 
ſchwur der Baumeifter: das fol aber auch der legte Schieferftein 
fein, der vom Turme gefallen ift. Er ließ nun die beiden Türme 
bi3 an die Spite ganz von gehauenen Steinen aufführen und noch 
heut zu Tage fällt von den Burfarder Kirchtürmen fein Schiefer: 
oder Biegeljtein vom Dache. 








384 


Der Todtenzug. 


Am Sonntag Lätare, (den 3. vor Dftern) wurde ehedem in 
vielen Orten Frankens der jogenannte Todtenzug gefeiert. Die 
Jugend verfertigte ein Phantom (Trugbild) von Stroh, welches 
den Tod vorftellen follte und trug es auf einer Stange im Dorfe 
herum, bis es an einem abgelegenen Plate verbrannt wurde. Man 
glaubte, wenn dieje Feierlichfeit unterbliebe, würde ein allgemeines 
Sterben folgen, oder in dem Haufe, wo biejes Bild ftehen bleibe 
müſſe im Laufe des Jahres jemand fterben. Um dieſes Stehen: 
bleiben zu verhüten, ging man bem Bilde mit Dpfergaben entgegen, 
welche gewöhnlich aus Erbſen und dürren Zwetſchen beftanden. 


Das verzanberte Kilfen. 


Sn der Reibeltsgafje ſpukte einft der Geift eine» reihen Wein: 
bändler3, der feinen Bruder um fein ganzes Vermögen gebradt 
hatte. Ein frommer Kloftergeiftliher bannte den Geift in ein Kopf: 
fiffen, worauf dieſes in eine Hede geworfen wurde, wo e3 ein 
Bauer von Theilheim fand und auf feinen Wagen mit nah Haufe 
nahm. ALS fi nun nachts die Bäuerin auf dasjelbe legen wollte, 
wurde diejelbe mit Gewalt in die Höhe gefchleudert. Sie warf 
daher das Kiffen vom Bette in eine Ede der Schlafftube, deſſen 
ungeachtet hatte die Familie die ganze Nacht feine Ruhe; ein 
furchtbares Getöje verjheuchte den Schlaf der Familie Da ſah 
der Bauer, daß er einen fchlechten Fund gemacht habe. Er nahm 
daher am Morgen das verzauberte Kiffen und brachte es wieder 
in die Hede, wo er es gefunden hatte. 


385 


Das wütende Heer. 
(Von Ruttor.) 

Ein Würzburger Häder ging eines Nachmittags hinaus in 
feinen Weinberg. Als er das Stadtthor verlafjen Hatte, jah er 
diht am Wege eine große ſchwarze Katze ſitzen, die eine prächtige 
Halsfraufe von Spigen anhatte. Die Kate kam auf ihn zu, er 
ftreichelte ihr jchmeichelnd den Rüden und ſprach: „Kätle, haft 
du aber eine ſchöne Halskrauſe an!" Auf einmal rollte die Katze 
ihre großen feuerigen Augen, fie jelbit aber ſchwoll zu einer un 
geheueren Größe an, erhob fih in die Luft und jaufte der Walds— 
fugel zu. Gleich darauf fam ein Sturm und ein Donnermetter, 
daß man glaubte, der jüngite Tag jei angebrocdhen. Das war aber 
das wütende Heer, denn in zehn Minuten war wieder das 
ſchönſte Wetter. 


Der Tod des Minnefängers Konrad von Würzburg. 

(Bon Auguft Schnezler.) 

In die ſtille Klofterzelle 

Blinkt der Abendſonne Licht 

Auf die jchlichte Lagerſtelle, 

Auf ein todtenbleich Geficht ; 

Zu dem Bruder Dom’nikaner 

Der ſchon Sahre lang hier wohnt, 

Trat der ftrenge letzte Mahner, 

Melcher feines Alters ſchont. 


Um den Sterbenden fniet leife 
Seiner Ordensbrüder Zahl, 
Aber aus dem braunen Kreife 
Glänzt auch mancher Ritterftrahl ; 
Freiburgs edler Herren viele, 
Madre Bürger auch dabei, 
Meifter in dem Saitenipiele, 
Schließen auch fih an die Reih! 
Sagenſchatz. 25 


ver I- 
L. 
— 4* 


386 


Ale kamen fie zu laufen 
Konrads letztem Atemzug, 

Konrads, der fo Hoch einft raufchen 
Ließ des Liedes Adlers Flug; 
MWürzburgs ruhmbekränztem Sohne 
Bringen ſie den Scheidegruß, 

Der ihn zu des Höchſten Throne 
Liebend noch begleiten muß. 


Doch der Lebensmüde richtet 
Noch einmal das Haupt empor, 
Seine Blicke, neugelichtet, 
Brechen durch des Todes Flor, 
Und er winket, aufzuſchließen 
Seiner Zelle Fenſterlein, 

Daß ihn voller noch umfließen 
Mag der Sonne letzter Schein. 


D'raus im Blau, im wolkenloſen, 
Sieht man her vom Dome blüh'n 
Seiner Pyramide Roſen 

Sn der Purpurſtrahlen Glüh'n 
Und die eh'rnen Zungen regen 
Sih nun auch zu dem Choral, 
Der den frommen Abendjegen 
Betet über Berg und Thal, 


Dürftend hangen Konrad’3 Augen 
Am. verflärten Münfterbild, 

Klänge ſcheint fein Ohr zu faugen 
Aus der Engel Luftgebild; 

Seine legten Kräfte ſammeln 
Nochmal fih zum neuen Schwung, 
Leifen Mund's, doch ohne Stammeln 
Spricht er mit Begeiſterung: 


„Brüder, Freunde aus der Runde! 
Seid voll Dankes mir gegrüßt, 
Daß ihr mir die bitt’re Stunde, 
Noh durch eueren Troft verfüßt! 
Euerer Gebete Schwingen 

Laſſen aus dem Erdenband 
Leichter meinen Geiſt ſich ringen 
Nach dem ew’gen Baterland. 


Bon hinieden ſcheid' ich gerne: 

Diefe fampfestrübe Zeit 

Hült des Sängers jchönfte Sterne 
Tiefer ſtets in Duntelbeit; 

Ale Zügel läßt erichlaffen 

Sie der Blinden Leidenichaft, 

Nur in Schmah noch übt die Waffen 
Fürftenftand und Ritterichaft. 


Keines Ruhmes Ziele Ioden 

Die verirrte Jugend mehr, 
Zudt und Sitte flieht erichroden 
Bor der Lüfte wildem Heer. 
Rohe Lieder nur noch ſchallen, 
MWüfter Spaß und Becherklang, 
Mo font in den Ritterhallen 
Tönte keuſcher Minnejang. 


Wo nur noch die Fauſt ſich Recht ſchafft, 
Da erlahmt des Harfners Hand; 

Wo nur Tyrannei und Knechtſchaft 

Er noch ſieht im Vaterland, 

Wo er nirgends mehr noch Pflege 
Hoffen darf für ſeine Kunſt, 

Sucht er auf dem Himmelswege 

Rettung aus der Erde Dunſt. 


25* 


387 


388 


Darum hatt’ ich bier in's Klofter 
Mich geflüchtet aus der Welt, 
In den Port, wo ſturmdurchtoſter 
Seelenhimmel fich erhellt; 

AN’ mein irdiſch Sinnen ftreifte 
Ab ich vor dem Friedensthor, 
Denn in meinem Bujen reifte 
Heiß mein höchftes Lieb empor. 


Und ich ſchuf die gold'ne Schmiede, 
D'rin mein Herz mit vollfter Glut 

Zu Maria’ Ruhmesliebe 

Hat verihmolzen all fein Gut: 

Was nur Köftliches mein Seelen: 

Schacht umſchloß an Erz und Stein, 
Gold und Silber und Juwelen 

Schmiedet ich in’3 Lied hinein. 


Nehm’t die Pergamentesrollen 
Dort hervor aus jenem Schranf; 
So nur, Brüder, Freunde! zollen 
Kann ich euch noch meinen Danf 
Für die Liebe, die dem greifen 
Mönche ſtets bewahrt ihr habt: 
Wenn an diejer Lieder Weijen 
Ihr nah meinem Tod euch labt. 


Was jo kühn ich jetzt geſprochen 
Nehmt es hin ald Schwanenlied ! 
Mein Gerät ift morjch gebrochen, 
Selbft zufammen bricht der Schmied, 
Bon den anderen Sängern neide 
Ich nur einen einz'gen, dich, 

Walter von der Vogelweide 

Du warſt glüdlicher als ich. 


389 


Denn bein Grab ift Würgburgs Erbe, 


‚, Meiner teuern Baterftabt 


Und auf feinem Futterherde 

Ißt ſich manches Vöglein jatt. 
Sei's auch in der Fremde Grunde 
Schläft der Sänger ſanft und kühl, 
Lebt er fort im Freundesmunde 
Und in feines Volks Gefühl. 


Aber Euch, ihr jüngern Meifter 

In dem edlen Sangesipiel! 

Mögen reine, gute Geifter 

Zeiten zu dem behrften Ziel! 

Strebt zum Lenz des höhern Lebens 
Aus dem Winterfturm ber Zeit; 

Baut auf Gott! — und nicht vergebens 
Ringt ihr nach Unfterblichkeit. 


Konrad’ Worte ftil verklingen 

Mit der Glode lektem Zug, 

Mit des legten Strahles Schwingen 

Nimmt fein Geift den Himmelsflug. 

Auf den Schag der „goldnen Schmiede" 
Drüden alle heiß den Mund: 

„Friede feiner Aſche, Friede, 

Tönt aus jedem Herzensgrund. 


Der Geufelsfpuk im geiftlihen Seminar. 


Auh im geiftlihen Seminar zu Würzburg wurde früher ein 
Teufelsſpuk wahrgenommen. Dort war ein Zimmer, welches ba3 
„Todtenlämmerlein” hieß. Wenn nachts dort einer von den 
Alumnen vorüberging, öffnete fich die Thüre und der Teufel jprang 
in Geftalt einer alten Frau heraus, fprang ihm auf den Rüden 





390 


und ließ fih durch ben ganzen Gang durch tragen. Diejes ge 
ihah beſonders denjenigen, die aus ftrafbarer Nachläſſigkeit ihr 
Brevier nicht gebetet hatten. 


Die Kullefrau. 


Heute noch erzählen alte Leute von der Frau Hulle In der 
Chriſtnacht Schlurdhte fie auf den Straßen umber, hatte eine unge: 
heuer große Haube auf dem Kopfe, war in einen weißen Mantel 
gehült und hatte eine dide Rute in der Hand. Wo in einem 
Haufe unfolgſame böfe Kinder waren, öffnete fie die Thüre und 
ftedte die böfen Kinder in einen Sad und trug fie in den Main. 
Zwar jchleiht die Hullefrau jet nicht mehr herum, aber in der 
Chriftnacht kommen vermumte Geftalten, welche die böfen Kinder 
jhreden und züchtigen. Dieſe Geftalten nennen die Würzburger 
Hullefrau Hullepotz. 


Die Kinder des Fürftbifhofs Iulius. 


Als Fürſtbiſchof Julius, Echter von Mefpelbrunn zum Reis: 
tage nad Regensburg am 10. Mai 1594 abreifte, berief er bie 
Delane der vier Fakultäten und die Mitglieder des Domtapitels 
und ſprach zu ihnen, die (von ihm gegründete) Univerfität jei gleich- 
jam feine Tochter und das von ihm gegründete (und nach ihm 
benannte) Spital fein einziger Sohn, er empfehle diefe als feine 
Kinder, ihrem bejondereren Schutze, und möchten all ihr Anſehen, 
ihre Liebe zur Kirche, zum Hochſtift und zu den Wifjenfchaften auf: 
bieten, um ihren Fortbeftand zu fihern, wenn er ftürbe. Sie ver: 
ſprachen es ihm und haben ihr Verſprechen treulich gehalten. 








391 


Die eiferne Jungfrau im Schneidturm. 


Im Schneidturm, welcher eine Zeitlang ala Fronfefte (Gefängniß) 
benügt wurde, war vor Alters eine fogenannte eiferne Jungfrau. 
Durh eine Fallthüre wurde der zum Tod verurteilte Verbrecher 
in die Arme einer mit Dolchen bewaffneten eifernen Jungfrau ges 
ftürzt, in deren Umarmung er, gejpießt und zerichnitten, fterben 
mußte. 

Wenn dann das Wafler, da3 unter dem Turme floß, von 
Blut gerötet war, pflegte man zu jagen: „Die Jungfrau hat wieder 
einmal ihr Amt verrichtet.” 


Die Gründung des Bürgerfpitals. 


Fürſtbiſchof Eginhard, ein geborener Graf von Roten- 
burg, gründete ein Spital und übertrug dem Stephaner Klofter 
befien Pflege. Zum Unterhalte desjelben, das den Namen des 
„hoben Saales” führen ſollte, ſchenkte Eginhard dem Klofter eine 
Pfarrei mit allen Zugebörungen und verordnete, ein Mönch diejes 
Klofters jolle täglich dreimal, morgens, mittags und abends auf ben 
Straßen der Stadt alle obdachsloſen Kranken aufſuchen und im 
Spitale mit Speife, Trank und Arzneien erquiden. Die Stiftungs: 
urfunde ſchloß mit einer furchtbaren Drohung: den frevelhaften 
Verleger der darin enthaltenen Vorſchriften jollten die jchredlichften 
Dualen der Hölle treffen. 


Das graue Männlein im Bünfeftall. 
(Ruttor). 

Sn einem Haufe der Rojengafje ipielten einmal die Kinder 
Verſteckens. Ein Kleines Mädchen von 5 Sahren froh in den 
Gänſeſtall unter der Stiege. Wie e3 drinnen war, fam ein graues 
Männlein dazugelrochen und blieb neben ihm fiten. Das Kind hat 


fih nicht gefürdtet und das graue Männlein bat ihm auch nichts 
zu Leid gethan. Am Abend hat das Kind feiner Mutter die Ge: 
Ihichte erzählt und die naive Frage geftelt: „Gelt Mutter, es is 
nir unrecht3, wenn a graues Männla zu em in Gänsftall kriecht?“ 





392 


Die Trauben als Patengefcenk. 


Der gute Fürftbifchof Julius, der für alle Zeiten durch feine 
Stiftung de3 Juliusſpitales bei allen Würzburgern im guten An: 
benfen bleiben wird, wurde einmal von einem Adeligen zu Paten 
gebeten. Wohl mochte denjelben auch Habſucht geleitet haben, den 
Fürſtbiſchof zu Gevatter zu bitten, Der Fürftbifchof ſchlug die Bitte 
nicht ab und hob das adelige Kind aus der Taufe. Abends jchicdte 
er jeinen Kammerbiener mit einen Käftchen von Ebenholz und ließ 
dazu jagen, biejes ſei das Patengeſchenk. Der Vater öffnete jofort 
das Käftchen und fiehe! e8 war voll Trauben. Der Vater, der 
ſich ein reiches Geldgeſchenk geträumt hatte, geriet über dieſe jchein- 
bare Rüdficht3lofigkeit in großen Zorn. Er gab dem Kammerdiener 
das Käftchen zurüd und ließ dem Fürftbiichof jagen, wenn er nichts 
bejleres habe, fönne er die Trauben behalten, er habe deren felber 
genug. Der Fürftbiihof ſaß mit feinem Gefolge gerade bei ber 
Abendtafel, ald der Kammerdiener das Käftchen wieder brachte und 
den ihm gegebenen Auftrag wörtlich ausrichtete. Ganz ruhig fagte 
er: „Was ich meinem Paten ſchenken wollte, jollen jegt die Armen 
haben und aus der Tiefe des Käftchens entnahm er die Schenf: 
ungaurfunde über jein jchönftes Schloß. Davon ftiftete er das 
Juliusſpital. 


Pater Athanaſius Kirchers merkwürdige Bifion. 


Im Sabre 1631 lebte im Sefuiten: Collegium zu Würzburg 
der durch ſeine naturwiſſenſchaftlichen und Sprachkenniſſe hochbe— 
rühmte Profeſſor an der Juliusuniverſität, Pater Athanſius 


—— 
ch 
4 
— 





393 


Kircher, geboren 1602 zu Gylo im Stift Fulda. E3 war eine 
ſehr bewegte Zeit und mit großer Beforgnis ſah man dem Zu: 
fammenftoße der in Sachen fich drohend gegenüberftehenden Heere 
der Schweden und der Liga entgegen. In allen Kirchen waren 
öffentliche Gebete für den Sieg der katholiſchen Sache angeordnet, 
denn e3 ging da3 Gerücht, Guſtav Adolf, der nordiihe König, 
wolle jeinen Heereszug auf der „Bfaffenftraße” dur Franfen 
nach dem Rhein lenken. Gegen Mitternacht nach der blutigen 
Schlacht bei Leipzig am 7. September erwachte Pater Kircher plöß: 
lih aus dem Schlafe, und da er vor innerer Unruhe nicht jchlafen 
fonnte, jo fidnd er von feinem Lager auf und jah durch das ge: 
öffnete Fenfter feines Zimmers hinab in den Garten des Collegiums. 
Siehe: da erblickte er denjelben ringsum von magiſchen Feuer: 
flammen beleuchtet und mitten in demfelben zwei Haufen Krieger: 
geftalten zu Roß und zu Fuß in einem heftigen aber geräuichlojen 
Kampfe begriffen. Spradlos vor Schreden wollte er den Superior 
des Gollegium3 von der wunderbaren Erfcheinung benachrichtigen, 
ftand aber wieder davon ab, aus Beſorgnis, feine erhigte Phantafie 
fönne ihm ein Trugbild vorgefpielt Haben. Noch zweimal wieder: 
holte fich die wunderbare Eriheinung, welche beim drittenmale zu 
fchwinden begann. Am folgenden Morgen erzählte der Profeſſor 
das nächtliche Schredbild feinen Studenten in ber Vorlejung mit 
dem Bemerfen, es drohe dem Collegium der nahe Verfall, Und was 
er voraus befürchtei Hatte, traf ein. Pater Kircher floh mit den 
andern Gliedern feines Orden? nah Stalien, ging für die Hoch 
fchule verloren und ftarb in einem Alter von 78 Jahren zu Rom 
im Jahre 1680. 


— — — —— — 


Speifet mit den Engeln im Dom! 


Zu der Zeit, al3 der Dom im Bau begriffen war, gingen 
einmal die Geldmittel aus und die wohlhabenden Bürger wurden 
um Beiftener gebeten. Da kam ein Bürger auf den fonderbaren 
Einfall, die Bürger jollten die Weberbleibjel von der Mittagstafel 


— 


394 


zujammentragen, biejelben im Bruderhof verlaufen lafjen und das 
daraus erlöfte Geld ala Beiftener zum erfchöpften Baufond ſpenden. 
Der Vorſchlag fand Beifall und fam zur Ausführung. Da ereignete 
es fih öfter, daß in manden Familien bie Söhne, welche Schul- 
arreft hatten oder fich beim Spielen auf der Straße vergefjen hatten, 
zu jpät zum Mittagefien kamen. Da bieß es dann: „Gebet hin 
und jpeijet mit den Engeln im Dom!“ 

Seitdem ift diefer Spruh zu einem Würzburger Sprichwort 
geworden und wenn in ſolchen Familien in denen auf ftrenge 
Hausordnung gejehen wird, jemand zu jpät zum Effen kommt, fo 
beißt e8: „Gebet hin und fpeifet mit den Engeln im Dom!“ 


Der gelegnete Bienbuum. 


In der Nähe des Chehaltenhaufes fand ehedem in einem 
Garten ein alter Birnbaum welcher jedes Jahr zweimal Früchte 
trug. Sobald die erften Birnen reif waren, prangten an allen 
der Zweige neue Blüten und aus diejen famen die zweiten Früchte, 
welche zwar nur halb jo groß wurden, als die erften, font aber 
den gleichen Gejchmad hatten. Bon diefem Birnbaum erzählt man 
fih folgende Sage: 

In einem unfruhtbaren Obſtjahre lag ein frommer Fürft: 
bifchof ſchwer frank darnieder. Da verordnete ihm ber Leibarzt 
friſch gepflüdte Birnen, allein die Dienerſchaft konnte lange feine 
auftreiben. Endlih fand ein Gärtner einige wenige Birnen in 
feinem Garten. Er pflücdte fie und bradte fie dem Fürftbiichof, 
der fie aß und bald darauf gejund wurde. Nach feiner Genejung 
befuhte er den Gärtner und ließ fih den fragliden Birnbaum 
zeigen. Sn der Freude feines dankerfüllten Herzens ſprach er den 
biichöflichen Segen über denjelben aus. Bon diefer Zeit an trug der 
Birnbaum in jedem Jahre zweimal Früchte. 





395 


Das Teufelsthor zu Würzburg. 


An einem Thore der Stadt Würzburg wohnte vor mehreren 
hundert Jahren ein Häfner, welcher in feinem Geſchäfte ungeheueres 
Unglüf und großen Berluft hatte. Entweder zeriprang ihm fein 
Geſchirr oder e3 nahm eine andere Form und Geftalt an. Das 
erregte ben Zorn bes Häfners und reizte ihn zum greulichen Sluchen : 
„Da fol aber gleich der Teifel neiſchlag!“ Seine brave Frau gab 
ihm die beiten Worte und ermahnte ihn, doch das greuliche Fluchen 
zu meiden, er werde es gewiß jo weit bringen, daß der Teufel 
einmal komme und ihn hole. Und was fie vorausjagte, traf wirt: 
lih ein. Einmal da der Häfner wieder fo fchredlich fluchte, kam 
der Teufel, drehte ihm den Hals um und führte ihn zum Thore 
hinaus. Niemand bat ihn mehr gejehen. Seitdem heißt das Thor 
Teufelsthor. 


— ·—— —— —— 


Der verzeihende Heiland. 


Sn einer Gruft der Neumünfter Kirche fteht ein großes Cru— 
zifir, an welchem unſer Heiland feine Arme über der Bruft zu— 
jammen ſchlägt. Zu Würzburg lebte einſt ein Mann, welcher viele 
Sabre lang ein recht. fündhaftes Leben führte. In der Faſtenzeit 
wohnte er einmal einer Predigt bei, in welcher von den Leiden 
unferes Heilands für die Sünden der Menjchen gepredigt wurde. 
Er wurde von den Worten des Prieſters jo tief gerührt, daß er 
von ber bitterften Reue erfaßt wurde. In diefem Seelenzuftande 
fniete er fih vor das Cruzifix und bat unter beißen Thränen 
unjern Heiland um Verzeihung. Da löften ſich die Arme unſeres 
Heilands vom Kreuze und umfaßten den Sünder mit den Worten: 
„Sei getroft mein Sohn, deine Sünden find dir vergeben!" Er ging 
von dannen und that als Einfiedler- ftrenge Buße, 


396 


Der Balmenefel. 


Zu Würzburg war es vor Alters unter ber Schuljugend Brauch, 
daß am Palmenjonntag jeder Knabe zum erftenmale etwas Neues 
anbhaben mußte. War diejes nicht der Fall, jo mußte der Pal men⸗ 
eſel auf ihm reiten. Es hatten nämlich einige Schneidersfnaben 
einen von Tuch gemachten mit Stroh ausgeftopften Palmeneſel, 
welchen fie mit Kreide beftrichen hatten, jo daß fie für Jedermann 
gezeichnet waren. 

Diefer Brauch ift längft verpönt, und al3 vor Jahren einige 
loje Schneidersbuben die erwähnte Lynchjuſtiz wieder unter ber 
Schuljugend einzuführen verſuchten, mußte der Schulftod Einhalt 
thun. 


Der blaue Montag. 


Die Würzburger Schneiders: und Schuhmachersgeſellen gerieten 
einmal an einem Sonntag Abend miteinander in Streit, welcher, 
da allen die Köpfe warm waren, in einen erbitterten Fauftlampf 
ausartete. Die Schneider wurden, weil die Schwächeren, befiegt 
und gingen am andern Tage alle mit blauen Mälern im Gefichte 
herum. Da fie fi zum Arbeiten unfähig fühlten, fo feierten fie 
am Montag, was fpäter ziemlich allgemeine Verbreitung fand. 
Wenn daher einer am Montag nichts arbeitet, jo jagt man: „er 
macht blauen Montag.” Noch heut zu Tage will fich der blaue 
Montag nicht allein bei den Schneidern, ſondern auch bei andern 
Gewerben nicht verbannen laſſen. 


Die Arlandsquelle. 


Eine halbe Stunde von Würzburg entfernt, von Rebenhügeln 
umgeben, entſpringt in der Nähe von Gerbrunn, jedoch noch im 
Weichbild der Stadt Würzburg, aus einem Felſen eine kühle Duelle, 


—— 
Pr 








397 


deren Wafjer einen fteinigen Grund durchfließt und fich Heidingsfeld 
gegenüber in den Main ergießt. Diefe Duelle bat den Namen 
Arlandsquelle, Diesquelle, die Leute aber nennen fie gemeinhin „das 
Gefundbeitsbrünnlein”. 

Bor alter Zeit fol, wie die Sage erzählt, ein frommer Kapu— 
zinerbruder, Namens Arland, mit dem Waſſer diefer Duelle von 
Zahnweh und mancherlei anderen Uebeln und körperlichen Leiden 
geheilt worden fein und daher die Duelle ihren Namen erhalten haben. 
War jemand mit Zahnweh geplagt, jo mußte er den Mund voll 
Wafjer nehmen, dasjelbe eine zeitlang im Munde behalten und 
dann in dag Bächlein ausſpeien, damit e3 fortfloß und dazu ſprechen: 

Sch gehe in den Grund, 

Nehm Wafler in den Mund, 
Und halt! e8 in mein Mund, 
Und fpei e8 in den Grund 

So werden meine Zähne 

Im Namen Jeſu wieder gejund. 

Dieſes mußte er dreimal thun und wenn er es mit gläubigem 
Vertrauen that, wurde er von ſeinem Uebel geheilt. 


Der Flußgott des Mains. 


Dem Kloſter Himmelspforten gegenüber ragt ein gewaltiger 
Felſen in den Mainfluß. Schneller taucht der Schiffer ſein Ruder 
in die Flut, wenn er in die Nähe dieſer Stelle kommt und wenn 
ſich ein Wanderer nächtlicher Weile verjpätet hat, fo beflügelt er 
feine Schritte, um dieſer Stelle den Rüden zu fehren. Dort hauſt 
nämlich in der Tiefe der Flußgott des Main? und man glaubt feine 
Stimme zu bören, wenn der Sturmmwind braußt und die Wellen 
bes Stromes ſchäumend an den Felſen jchlagen. Man jagt, jedes 
Jahr von Johanni bis Petri (24. bis 29. Juni) fordere der Fluß: 
gott ein Opfer. Deswegen hütet man fih, in dieſen Tagen an 
jener Stelle zu baden. 


398 


Der Steinberg bei Würzburg. 


Mer bat noch nit von dem Steinwein gehört, der am 
Abhang des Steinberge® wählt und mit teurem Gelbe bezahlt 
wird, 

Einft famen fremde Bergleute zum Fürftbifhof von Würzburg 
und baten um die Erlaubnis aus dem Steinberg Gold zu graben. 
Der Fürftbiihof aber wies fie lahend ab mit dem Beicheid, der 
Steinberg trage ſchon Gold genug in feinen Trauben. 


Der Ebracher Schaf. 


Sm Schwedenkriege flüchteten die Mönche des reichen Klofters 
Ebrach mit ihrem Klofterfhaß, beftehend aus filbernen und goldenen 
Gefäßen und Koftbarkeiten aus ihrem Klofter in den Ebracher Hof 
zu Würzburg. Der Brief des Ebrach'ſchen Amtmanns enthielt die 
Beiheinigung über den Empfang und die Bezeichnung des Ortes, 
wo er den Schat vergraben habe. Diefer Brief ging durch Un: 
achtfamkeit de Boten verloren und geriet in die Hände der Schweben, 
welde den Schat aus feinem als ficher geglaubten Verſteck hervor: 
zogen und nah Schweden entführten. 


Benennung des Hikolausberges. 


Zwiſchen dem Marienberge, auf deſſen Scheitel die Feftung 
thront und dem Berge, auf welchen das Käppele fteht, drängt ſich 
ein enges Thal ein, aus defjen Tiefe der jogenannte Mafitelesturm 
bervorfhaut. Die Sage erzählt, der Abt von Sankt Andreas 
habe in diefer Thaljhluht, hart am Fuße des Berges einen Hof 
mit einer dem heiligen Nikolaus gemweihten Kapelle erbauen laffen 
und bievon habe der Berg den Namen Nilolausberg erhalten. 





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Die Kegende von dem wunderthätigen Marienbilde 
auf dem Küppele bei Mürzburg. 


Auf dem Nikolausberge bei Würzburg erhebt fich eine, der 
feligften Jungfrau Maria gewidmete Kirche, das Käppele genannt, 
mit einem SKapuziner- Hofpitium. In diefer Kirche ift ein wunder: 
thätiges Muttergottesbild, welches die feligfte Muttergottes darftellt, 
welche den Leichnam ihres Sohnes auf dem Schoße trägt. Diejes 
Bild ftand früher, vor mehreren hundert Jahren in der Mitte des 
Berges, wo der enge Weg zwilchen den Ellern und den Weinbergen 
fih hinzog, in einem ganz funftlos aus rauhen Steinen aufgemauerten 
Häuschen. Das Bild aber blieb in jeiner Einjamfeit nicht unbe- 
achtet. Gar oft wurbe es von Felbhütern und Weinbergsleuten, fo- 
wie von Mebgersjungen, welche in der Nähe ihr Vieh hüteten, im 
Sommer mit Sträußen und Kränzen geihmüdt, im Herbft mit den 
Erjtlingen der Trauben behangen. Als mehrere Leute, die lahm 
waren, wieder genafen, als fie bei dem Bilde ihre Andacht ver: 
richteten, wurde eine Kapelle dort erbaut. Später ereigneten fich 
fieben wundervolle Erjheinungen, die in den Urkunden der Pfarrei 
Sankt Burkard überliefert wurden. 

Die erfte Erjcheinung, welche die Wachtpoſten und Offiziere 
der gegenüber liegenden Feltung Marienberg wahrgenommen zu 
haben beteuerten, gejhah am 21. März 1685, an welchem Tage 
um 12 Uhr in der Mitternacht und um 4 Uhr früh ein Glödlein 
eine Biertelftunde von der Kapelle herübertönte. 

Das zweite MWahrzeihen wurde fichtbar in der Naht vom 
28. Juni 1687, wo die Feſtungswachen die ganze Kapelle wie in 
Flammen ftehen fahen und gegen Morgen die Glode wie zum 
Ave Maria läuten hörten. 

Die dritte Erfcheinung, welche am 20. Dezember 1688 vom 
Frauenberge aus beobachtet wurde, erregte neues Aufjehen. Wilhelm 
Vornhag, Schlofler, zeigte an, baß er und feine Frau am Montag 
nah dem lebten goldenen Sonntag früh gegen 5 Uhr, als er auf: 
geftanden fei, eine Menge brennender Yadeln aus ber Kapelle 


400 


babe hervorkommen ſehen, welche ſich gegen 6 Uhr wieder verloren 
hätten, bis auf zwei. Auch babe er fchon öfter die Kapelle mehrere 
Stunden lang erleuchtet gejehen. 

Ein viertes wundervolles Creigniß wurde am 5. April 1689 
beobachtet und zwar von Soldaten auf der Feltung und vom Vize: 
Gommandanten. Diele jahen, wie fih eine Menge brennender 
Fadeln aus der Kapelle den Berg hinab bis zum Zimmerplag 
am Fuße des Berges bewegten und ſich dort in einem Kreiſe auf: 
jtellten. Dieſe Erjcheinung wiederholte fih in jener Naht nod 
zweimal. Aehnliche wunderbare Erjcheinungen wiederholten fid) 
am 10. September 1689, 11. Dftober 1692 und 25. Juli 1693. 
Abends 8 Uhr ſah man eine Feuerflamme aus dem Qurme der 
Kapelle auflodern, jo daß man jeden Augenblid den Einfturz der 
ausgebrannten Kirche fürchtete. Man eilte herbei, um zu löfchen, 
al3 man aber zur Stelle fam, war nicht3 mehr zu jehen. 


Wunderbare Kelhügung des Käppele. 


Der im Jahre 1835 verftorbene Kapuziner Superior Pater 
Johann Nepomuk Keilbert, welcher im Sahre 1800 das Käppele 
während der Belagerung der Feltung durch die Franzoſen nicht 
verließ, erzählte oft mit Thränen in den Augen, welde Angft und 
Sorge er damals um die arg gefährdete jchöne Kirche ausgeftanden 
habe. Insbeſondere bemerkte er, e& habe ihm der Offizier, welcher 
das dort aufgeftellte feindliche Piquet befehligte, ein fein gebildeter 
junger Holländer, mehreremals erzählt, wie er eine Frau gejehen, 
welche mit ihrem weißen Schleier die Kugeln aufgefangen habe. 


Die Beilterjagd auf dem Baradeplat. 


Auf dem Paradeplag zu Würzburg befanden fich urfprünglid 
einige uralte Linden, unter deren weitverzweigten Aeften einft von 








f 
401 


den Schöffen der Stabt öffentlich Gericht gehalten und von den 
jungen Bürgern der Stadt Tänze aufgeführt wurden. Auch jeßt 
ift diefer Pla Hinter dem Dom vor dem Poftgebäude mit jchattigen 
Bäumen bepflanzt und mit bequemen Ruhebänken verjehen. Die 
Sage erzählt, daß fich in gewifjen Nächten eine Geifterjagd zeige, 
indem die Geifter mehrerer Gerichtsichöffen von den Geiftern zweier 
unſchuldig Verurteilten verfolgt und herumgetrieben werden. Die 
Schöffen hauen fih alle drei Schritte um und einer ihrer Verfolger 
halt ihm die Abichrift feines ungerechten Urteil bin. Vergeblich 
bemühten fih die Schöffen, ihren Verfolger los zu werben und 
fih ihrer zu ermwehren. 


Das Andreasklöfterlein zu Mürzburg. 


Bor dem Burfarderthor zu Würzburg fteht auf einem hohen 
Piedeſtal eine Bildjäule des Heiligen Andreas. Wie die Sage 
meldet, ftand an diefer Stelle das Andreasklöfterlein, von welchem 
aber nicht die geringfte Spur mehr vorhanden ift. Diejes Klöfterlein 
ftiftete in Folge eines Traumes der erfte Biſchof Würzburgs, der 
heilige Burkardus, der einen Biſchofsſtab ftatt von Silber oder 
Gold, von Hollunderholz hatte In dieſes Klofter ſoll er jelbit 
als Mönch eingetreten fein, um den Reizen der Welt zu entjagen 
und einzig jeinem Gott und Herrn zu dienen. 


Die Stiftung der Karthaufe Engelgarten. 


Zu Würzburg war einft ein Garten, den man den Teufels: 
garten nannte Dem Befiber dieſes Gartens träumte mehrere 
Nähte nacheinander, er ſehe einen Dbftbaum und zu jeder Seite 
desielben einen Engel ftehen. Diejes betrachtete er als eine Auf: 
forderung des Himmels und er entſchloß fih, feinen Garten zur 
Stiftung eined Karthäuſer-Kloſters zu verwenden. Diejes Klofter 


wurde im Sabre 1352 vollendet und erhielt den fchönen Namen 
Sagenſchatz. 26 





402 


„Engelgarten.” Das Siegel der Karthauſe zeigt daher einen Obft- 
baum, an jeder Seite einen Engel. 


Der Sprung des Raubritters Eppelin von Bailingen. 


Ein äußerft gefürchteter Schnapphahn (Raubritter) des Mittel: 
alter3 war Eppelin von Gailingen. Bejonderd wurde ihm 
nadhgerühmt, mit welcher Fertigkeit er feine Flucht bemerfitelligte, 
wenn er von feinen Verfolgern bebrängt wurde. Dieſer Eppelin 
von Gailingen, welcher den Nürnbergern fo viel zu jchaffen machte, 
trieb einmal eine Zeitlang auf dem Steinberg feinen Unfug. Dort 
pflegte er den, den Mainjtrom hinab fahrenden Kaufleuten und 
Schiffern aufzulauern und fie auszurauben. Da überfielen ihn 
eined Tages die Würzburger mit überlegener Macht und trieben 
ihn jo in die Enge, daß ihm fein anderer Ausweg übrig blieb, als 
fih zu ergeben, oder mit feinem Pferde von der Höhe des Feliens 
hinab in den reißenden Strom zu fjprengen. Eppelin, der wohl 
wußte, welches Loos ihm bevorftand, wenn er als Gefangener in 
die Hände feiner Verfolger fiel, bejann ſich nicht lange, ein Sprung. 
— und Roß und Mann waren in den Fluten des Maind ver: 
ſunken, um am jenjeitigen Ufer unverlegt wieder zum Vorſchein zu 
fommen. Ein Kreuz am Steinberg bezeichnet die Stelle des Halg« 
brecheriſchen Sprunges. 


Der Iudenpfad bei Würzburg. 


An dem ſüdweſtlichen Abhang des Marienbergs ſenkt fi von 
der Höchberger Straße ein, faum anderthalb Schritte breiter Fuß: 
pfad in das Thal hinab. Die Volksſage erzählt, daß im Jahre 1298 
der fanatiihe Bauer Rindfleifch, der dortmald von Würzburg 
aus den großen Maflenmord der Juden leitete, eine große Zahl 
Mürzburger Juden in diefen Pfab getrieben und auf einmal alle 
nadheinander den jchmalen Pfad binabgejagt habe, wo fie unten 


403 


von feinen Spießgejellen mit ſcharfen PBartifanen aufgeipießt oder 
niedergehauen wurden. Deswegen heißt man biefen Pfab Heute 
noh den Judenpfad und die Leute fchenen fih, in der Nacht 
benfelben zu begehen, weil e3 dort nicht geheuer fein fol. Die 
Geifter der erichlagenen Juden gingen dort um. 


Das Loh unter der alten Mainbrüce. 


Auch bei dem Bau ber alten Mainbrüde joll der Teufel nicht 
gefehlt haben. Das Hochwaſſer und der Eisgang hatte die vorige 
Brüde mit fortgeriffen und e3 mußte eine neue gebaut werben. 
Da fam denn aud der Teufel und bot dem Baumeißer feine 
Hülfe an unter der befannten Bedingung, wenn ihm berjelbe Leib 
und Seele verſchreibe. Der Baumeifter war aber ein gottesfürrchtiger 
Mann und wollte mit dem Teufel nichts zu Schaffen haben. Hierüber 
ergrimmt, ſuchte der Teufel den Brüdenbau auf jede mögliche 
Weile zu hemmen. Nach deſſen Vollendung wollte der Teufel die 
Pfeiler untergraben, um fie von den Wogen megreißen zu laſſen. 
Da die Brüde aber ſchon durch die kirchliche Weihe geſchützt war, 
fo vermochte er zwilchen zwei Pfeilern nur ein Loch auszuhöhlen. 
Dieſes Loch bildet einen gefährliden Strudel, deshalb pafliren 
Schiffe nur jelten diejen Strudel, jondern nur die Fichtelberger 
Flöße. So oft dieje das befannte Zoch unter der Brüde pafliren, 
beten fie ein Baterunjer zu Ehren des heiligen Johannes von Ne— 
pomuf, deſſen Steinbild auf der Brüde fteht. 


Die Martinsgans. 


Der Sanft Martinstag (11. November) war von älteften 
Zeiten ber in Franken für Geiftlihe und Laien ein ber Freube 
bejonder8 geweihter Tag Man kann ihn als den allgemeinen 
Kirchweihtag in Franken anfehen, denn die meiften Gemeinden 
Frankens feiern am Sonntag nah Martini ihr Kirchweibfelt. 

26* 





404 


Nebft diefem Urjprunge war die damalige Lage der Geiftlichkeit 
und der Umftand, daß gerade um dieſe Zeit der Herbſt beendet 
und man fi nun aller Gaben der ländliden Natur erfreuen 
fonnte, die verichiedenen Gebräuche beftimmend, welche zur Feier 
dieſes Feſtes üblich waren, 

Da die Geiftlihen fait alle nah Art der Mönde in einem 
gemeinſchaftlichen Klauftrum lebten und zur Zeit des Advent 
jowohl als bald nah Weihnachten bis Oſtern fafteten, jo wurde 
den Konventsbrüdern, Kaplänen und Kirchnern, melde ſich das 
Jahr über mit geringerer Koft begnügen mußten, erlaubt, vor 
Beginn des Advents an einem Abend ſich etwas gütlicher zu thun, 
al3 font. Damit fie im Stande waren, dieſes zu thun, trugen 
ihnen die*Laien Gänje, Enten und Hühner zu. Mander Pfarrer 
batte fich auch bei Verpachtung feiner Pfarrgüter eine Martinsgans 
als Zins ausbedungen. 

Andere Leute machten es den Geiftlihen nach und faum war 
ein Haus zu finden, wo nicht eine Martinsgans oder ftatt derielben 
ein Schweinsbraten verzehrt wurde. Auch wurde an diefem Tage 
zu den genannten Braten der erjte neue Wein getrunfen. Weiter 
beftand früher in Würzburg der jchöne Gebrauh, auch die Armen 
an ber Freude Teil nehmen zu lafjen. In vielen Häufern wurde 
Mein an die Armen verteilt. Die Küfter in den Stiftern erhielten 
von jedem Chorherrn und die Handmwerfäleute von ihren Kunden 
einen Krug Wein. 

Zur Erhöhung der allgemeinen Freude wurde im Brubderhof 
ein öffentliches Schaufpiel veranitaltet. Für die Domherren waren 
Tribünen errichtet und eine Menge Site für die Zuſchauer aus 
dem Bolfe. In diefem Cirkus, welcher mit Stroh belegt war, 
wurden zwei oder mehrere wilde Schweine aufeinander gehekt. 
Das Fleiih mwurde fodann unter die Domherrn und unter das 
Volk verteilt. Den Domberren wurde neuer Moft präfentirt und 
einer reichte dem andern den Becher. 

(Shöppner Band Il Nr. 729.) 





= 2 Ahr: 


405 


"Das verwünfhte Hans. 


Hinter dem Arbeitshaufe, wo der hintere Wachtpoſten auf: und 
abmwandelte, ftand ein Haus ohne Dad. Bon diefem Haufe erzählt 
die Volksſage folgendes: 

In diefem Haufe lebte ein Vater mit feinen zwei erwachjenen 
Kindern. Dieje waren jehr unfolgiam und ungeraten. Einftmal 
vergaßen fie fi jo jehr, daß fie fih an ihrem Vater vergriffen, 
das heißt ihn thätlich mißhandelten. Darüber geriet der Water 
jo in Wut, daß er in der Hiße des Zorns ausrief: „Wenn euch 
nur der Teufel das Hirn einſchlüge!“ Kaum hatte er diejen jchred- 
lihen Fluch ausgeſprochen, erſchien jogleich ber Teufel, padte die 
ungeratenen Kinder und warf fie mit ſolcher Gewalt an die Wand, 
daß fie mit zerjchmetterten Köpfen tot niederfielen. Den Vater 
reute jein Zornesausbruch jo fehr, daß er aus Gram feinem Lebens: 
ende entgegen fiehte. Bor feinem Tode aber verwünfchte er das 
Haus und ließ es einreißen, damit niemand mehr darin leben 
könne. Später wollte man an die fraglice Stelle wieder ein 
Haus bauen, brachte aber Feines zu Stande. Was bei Tag gebaut 
wurde, wurde vom Teufel nachts wieder zerftört. Das vermag 
der Elternfluch über ungeratene Kinder! 


Der wandelnde Sterngucker. 


Auf der Sternwarte auf dem Neubauturm ſpukt ein Stern- 
guder (Aftronom), der jedesmal in einer Vollmondsnacht auf der 
Sternwarte mit einem großen Tubus (Fernrohr) auf: und abwandelt 
und alle Minuten den Mond bejchaut. Diefer war einft unzu: 
frieden über feine aftronomifchen Inftrumente, weil er mit denselben 
die Bejchaffenheit des Mondes nicht ergründen konnte. Er bejchwor 
deshalb den Teufel und fandte ihn nach dem Monde, um ihm 
bie erjtrebte Kunde zu bringen. Allein der Teufel fam nicht wieder 
zurüd. Seit jener Zeit muß der Geift des gelehrten Aftronomen 





406 


auf der Sternwarte umgehen, bis ihm der Teufel die verlangte 
Kunde bringt. 


Die nächtliche Ratsverfammlung. 


Im großen Rathausjaale, wo die unterfränkiſchen Schwurge: 
richtsfälle verhandelt werden, bis das neue Juſtizgebäude bezogen 
wird, fieht man oft des Nachts eine unheimliche Beleuchtung aus 
den Fenftern ſchimmern. Da halten Bürgermeifter, Rat und Viertel: _ 
meifter, welde fih am 9. Mai 1525 durch einen feierlich pupli« 
zirten Beichluß zum Anſchluß an die Aufftändifhen im Bauern: 
friege verpflichteten und die Stadt Würzburg zur Haupiſtadt des 
„armen Konrad“ des Bauernbundes erklärten, ihre nächtliche 
Geifterverfammlung. Biſchof Konrad, welchem fie den Schwur der 
Untertanentreue gebrochen hatten und der damals jein Vaterland 
als Flüchtling verlaffen mußte, bat feinen Fluch über die Würz: 
burger Ratsherren ausgeſprochen. So lange diefer Fluch nicht zu: 
rücdgenommen wird, jo lange müfjen die geifterhaften Ratsverfamm: 
lungen fortbeftehen. 


Der wandelnde Kaufmann. 


Auf dem Marktplag ftand früher ein Kaufhaus, in welchem 
alle Jahre während der Adventzeit der Kaufmann umging, weil 
er durch falſches Maß und Gewicht viel ungerechted Gut an ji 
gebracht Hatte. Der Laden durfte nah dem Aveläuten nicht mehr 
aufbleiben, jonft wurden alle Lichter im Haufe ausgeblafen und 
wenn Leute in's Haus wollten, fanden fie die Thüre verjchloffen. 
Als der Spuf gar zu arg wurde und die Leute nachts feine Ruhe 
mehr hatten, wurde der Spufgeift von einem Geiftlihen in ein 
Käfthen gebannt, welches ein Soldat nah Rom bringen mußte, 
wo der Papſt durch Meßopfer und Gebete ben unglüdlichen Geift 
erlöjen mußte. Bon jener Zeit hat der Spuk aufgehört. 





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Der Spuk in der Univerfitätsbibliothek. 


In den Räumlichkeiten der Univerfität, in denen die Manu: 
feriptenfammlung, das beißt die gefchriebenen Urkunden aufbewahrt 
werden, ſpukt ein graue? Männchen, welches eine Papierrolle unter 
dem Arme trägt. Das ift der Geift des Bibliothefdieners, welcher 
den Schweden den Drt verraten haben fol, an dem bie wertvollen 
Manuſcripte der Univerfitäts-Bibliothef aufbewahrt wurden, welche 
dann von den Schweden geraubt und von diefen in ihr Vaterland 
geſchickt wurden. 


Das Keurer Küchenlatein. 


Im Reuererklofter war einmal ein Koch, welcher nicht ftubiert 
hatte, aber oft von den Patres manchen lateinifhen Broden hörte 
und auffing. Dann hatte er nichts eiligeres zu thun, als diefelben, 
obſchon er fie meiſtens mißverftand, feinen Küchenjungen mitzuteilen. 
Einſt fam unbemerkt der Herr Prior in die Klofterfühe und ver: 
nahm, wie der gelehrte Koch feinen Küchenjungen die aufgeſchnapp— 
ten lateiniihen Broden docirte. Da ſprach der Prior lächelnd: 
„Wenn einer Tann zwei Wort Latein, jo will er ſchon ein Doktor 
jein.” Seit jener Zeit jagen die Profefjoren zu ben Studenten, 
welche viele und große Böcke in ihren lateinifchen Ueberſetzungen 
haben: „Das ift Neuerer Küchenlatein!” 


Der fpukende Mlünzer. 


Die Fürftbiichöfe von Würzburg hatten das Münzrecht. Das: 
felbe übten fie auch aus in einem großen Haufe, von welchem die 
Straße den Namen Münzgaſſe erhielt. Dort geht es, wie bie 
Volksſage erzählt, heute noh um. In den 12 heiligen Nächten geht 
in dem Münzgebäude ein graues Männlein um, welches unter dem 
Arme ein Kiftchen mit Gold trägt. Es ift der ungerechte Münzer, 


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welcher den Fürftbifchof, feinen Herrn um fchweres Geld betrogen 
bat und nun zur Strafe umgehen muß, bis ihm ein goldenes 
Sonntagskind das Goldkiſtchen abnimmt und ihn erlöft. 


Friedrih Barbaroffa im Katzenwicher. 


An Würzburgs alten Straßen, 
Da ftand ein alt!’ Gebäud’, 
Das prangt' als ein Gedächtnis 
An Deutichlands KRitterzeit. 


Die Fenfter war'n verfallen 
Die Zimmer ftanden öd' 

Und dur die alten Gänge 
Der kalte Sturmmwind weht! 


Die Raben auf dem Dache 
Die krächzten hohl ein Lied, 
Bon einem alten Kaiſer, 

Der tot durch Deutichland zieht. 


Er zog durch alle Reiche, 

Die ihm einft unterthan | 
Und fing ob Deutſchlands Trennung 
Stets neu zu weinen an, 


Und fam er hin nah Würzburg 
Und jah das ftolze Haug, 
Dann hört’ er auf zu weinen 
Und ſah jo fröhlich aus. 


Und ſchönere Gefühle 

Durditrömten feine Bruft, 
Er jah des Haufes Zinnen 
Bon ferne ſchon mit Luft. 


Und um bie Geifterftunde 

Kam er jo jeven Mond 
Durchſchritt dann al’ die Zimmer, 
Die einftens er bewohnt, 


Und in dem Saijerfaale 
Da ſaß er ftundenlang, 
Da klang's in feinen Ohren 
Wie himmlifher Gejang. 


Er dacht' vergang’ner Freuden 
Und dacht' vergang’ner Luft 
Und unter feinem Panzer 
Schlug höher ihm die Bruft. 


Hier ward vor vielen Jahren 
Sein Weib ihm angetraut 
D’rum warb er da fo fröhlich 
Und feine Freud’ fo laut. 


Er mochte nimmer jcheiden, 
Da wollt’ er immer fein, 

Doh mit dem Hahnenrufe 
Mußt er ins Grab hinein. 


Das war ber alte Kaiſer 

Das war ber tapfre Held, 
Friedrich Barbarofja 

So nannte ihn die Welt.*) 


409 


) Der Kagenwider war ein hochintereffantes altes Gebäude, 
in welchem der Kaifer Friedrich Barbarofja (Rotbart) feine eheliche Trau: 
ung mit Beatrir von Burgund feierte im Jahre 1156, 


410 


Der Darlafex: 

In der Walburgisnacht jeden Jahres kam ehedem des Nachts 
zwifchen eilf und zwölf Uhr in einer prächtigen, mit vier Rappen 
beipannten Kutſche der Parlafer durch die Stadt Würzburg gefahren. 
Zum Sanderthor kam er herein und al’ den Leuten, die fich dem 
Teufel verjchrieben hatten und deren Zeit abgelaufen war, drehte 
er den Hal um und nahm fie in jeiner Kutſche mit fort. Der 
Parlafer war aber niemand anders als ber Teufel jelber. Seit: 
dem ein Pabit alle Heren und Geipenfter in bie Hölle verbannt 
bat, kommt er nicht mehr nah Würzburg. 


Die Reuerer kommen hinten nad. 


Es war einmal vor alter Zeit ein Fürftbifchof, der war jehr 
reih und dabei jehr luftig und freigebig, mit einem Worte ein 
kreuzbraver Herr. Als er gewählt war, veranftaltete er eine große 
Feftlichkeit, an der auch fein Volk Anteil nehmen jolltee Aus dem 
Brunnen auf der Domftraße floß der befte rote und weiße Wein, 

Da ift in ganz Würzburg fein jeliger Menſch nüchtern ge: 
blieben. Für die Geiftlihen, die Beamten und vornehmen Herren 
war in der Refidenz ein Gaftmahl hergerichtet. Ä 

Wie dasfelbe vorbei und alles aufgezehrt war, weil es ben 
Herrn gar vorzüglih jchmedte, kamen auch die Patre aus dem 
Reuerer Klofter. Da ſprach der Fürftbichof zu ihnen: „Aber warum 
fommt ihr Herrn zu ſpät?“ Der alte Prior antwortete: „Gnädiger 
Fürft, wir haben erft unſer Brevier gebetet!" Der Fürftbifchof war 
in äußerft guter Zaune und ſprach: „Ich Tann nicht Helfen, es ift 
alles aufgezehrt, warum jeid ihr nicht eher gelommen!" Dann for: 
derte er die Geiftlichen auf, mit lauter Stimme nachzuſprechen, was 
er vorfage: „Die Neuerer kommen immer binten nad.” Und 
wenn jemand etwas bereut oder thut, wenn e3 zu fpät ift, jo ruft 
man ihm zu: „Die Neuerer (die Saumfeligen) kommen immer 


hinten nach!” 





* 
f 
* 
- 


411 


Der Baumeifter des Boms, 


Der Baumeifter des Würzburger Doms vollendete feinen Tem: 
pelbau wie jo viele andere Baumeifter mit Hülfe des Teufels. (Es 
ift doch jonderbar, daß der Teufel bei jo vielen Dom: und Tem: 
pelbauten mitgeholfen haben fol). Um fich zu verewigen, hatte er 
im rechten Seitenihiff des Doms in ftolzem Hochmut fein Bild und 
jenes jeiner Frau an der Dede abgebildet. Beim Herabfteigen 
vom Gerüft verrenkte er fich den Fuß. Er verfluchte feine Sculptur, 
dafür holte ihn der Teufel. 


Der wandelnde Spitalvermalter. 


An der Kellerthüre des Bürgeripital® hört man in gewiſſen 
Nächten ein ftarfes Gepolter. Das ift nach der Volksſage ber Geift 
jene3 ungerechten Spitalverwalters, der die Stiftung um viele hun: 
dert Flaihen Bodsbeutel betrogen hat und deshalb umgehen muß. 
Deswegen wandelt er durch alle Gänge des Spital3 mit einer 
Weinflaſche in der Hand. 


Das graslofe Plägchen im Hofgarten. 


Auf der norböftlihen Seite des Hofgartens ift ein von Ka— 
ftanienbäumen umgebenes Plätzchen, auf bem fein Gras wächſt. 
Dort fol der Sage zufolge ein Krieggmann aus Eiferfucht feine 
Geliebte erftochen haben. Den Geift der Gemordeten wollen alte 
Leute mit fliegenden Haaren und blutiger Bruft bei nächtliher Stille 
Hagend umberwanbeln gejehen haben. 


412 


Bolksfagen aus anderen Arten Hnter- 
frankens. 


Amorbadı. 
I. Amorsbrunn. 


Sn ber Nähe des Städtchens Amorbah im Odenwald liegt 
auf einer waldigen Anhöhe ein Hof Namens Amorsbrunn mit ber 
jogenannten Berglapelle, einem Gebäude oder befjer einer Trümmer: 
Hätte. Hier ftand vor Zeiten ein Klöfterlein, weldes von den 
Söhnen des heiligen Amor erbaut wurde für die frommen Schweitern, 
welche fi in der Nähe anfievelten. Die Sage meldet, daß ein 
unterirdiicher Gang von der Abtei unten im Thale hinauf in das 
Klöfterlein auf dem Berge geführt Habe, Die Schweden zerftörten 
im breißigjährigen Kriege das Klofter, welches fich ſeit jener Zeit 
nicht wieder erhoben hat. Die frommen Nonnen hatten fich wieber: 
jegt, die ſchändlichen Lüfte der Unmenſchen zu befriedigen und die 
Klofterihäße zu verraten. Aus Nahe wurde das Klöfterlein in 
einen Schutthaufen verwandelt, die Nonnen aber in durchnagelten 
Fäffern den Berg hinab gerollt. | 


2. Der Schat von Amorbadı. 


Als bei der Aufhebung der Klöfter im Jahre 1803 die berühmte 
Benediktiner: Abtei Amorbah von den geiftlihen Herren geräumt 
werden mußte, beftellte der Abt eine große Anzahl Laftträger, 
weldhe in ein Gewölbe geführt wurden, das ganz mit jilbernen 
und goldenen Geräten und Koftbarkeiten (von denen viele mit 
Evelfteinen beſetzt waren) als Kelche, Monftranzen, Rauchfäſſer 
und dergleichen angefüllt war. Dieſen Trägern wurden vorher die 
Augen verbunden, dann bekam jeder ſeine Laſt auf die Schultern. 


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413 


Einer mußte fih am andern anhalten und fo mwurbe ber ganze 
Zug von einem Mönche Treppen auf und nieder durch weite Gänge 
geleitet, bis er fich endlich in einem feuchten Gewölbe befand. 
Hier mußten die Träger ihre Laſten ablegen, worauf ſich der Zug 
wieder in berjelben Weije zurüd bewegte. Als den Leuten darauf 
die Binden von den Augen genommen wurden, befanden fie fi 
zu ihrer großen Verwunderung in ber Abteifirche, aus welder fie 
reichlich beſchenkt entlaffen wurden mit der Weilung, tiefftes Still: 
Ichweigen zu beobachten. Wenige Tage darauf mußte der Abt fein 
Klofter übergeben. 

Man hatte gehofft, ungeheure Reichtümer zu finden und jah 
ich auffallend getäujht. Die Mönche aber, welche lange Zeit die 
Hoffnung hegten, wieder in ihre verlaffenen Klofterhallen einzuziehen, 
ftarben bald nacheinander und jo joll dann mit dem leßten das 
Geheimnis von dem Schage begraben worden fein. Schon oftmals 
wurde demjelben nachgejpürt aber ohne Erfolg. 


Ansbach bei Rothenfels. 


Das ſteinerne Kreuz. 


Zur Zeit der Kirchenſpaltung waren auch die Bewohner von 
Ansbach bei Rothenfels von der katholiſchen Religion abgefallen 
und bekannten ſich zur neuen Lehre des Martin Luther. Fürſtbiſchof 
Julius (Echter von Meſpelbrunn), welcher nur über Katholiken 
regieren wollte, ſtellte im ganzen Umfang ſeines Fürftbistums 
Würzburg den katholiſchen Gottesdienſt wieder her. Doc mit dem 
äußeren Belenntniffe war nicht allenthalben die innere Er— 
neuerung der Neugläubigen vollbracht und es bedurfte lange Zeit, 
bis die Gebräuche der katholischen Kirche wieder gewifjenhaft be: 
obachtet wurden. So war einft ein Bauer von Ansbach mit feinem 
Sohne in den Wald gefahren, um eine Fuhr Holz zu holen. Die 
Glocke läutete zur heiligen Wandlung und der Sohn erinnerte 


414 


den Vater, mit der Arbeit einzuhalten und im Geifte die heilige 
Handlung mitzufeiern. Dieſer aber antwortete brutal: „Gewandelt 
bin, gewandelt ber, reiche mir nur das Holz her!" Unbekümmert 
um da3 Glocdenzeihen Iud er den Wagen voll Holz und fegte fih 
darauf, um nah Haufe zu fahren. Da wurden plöglich die Ochſen 
iheu und rannten unaufhaltjam durch das Didiht des Waldes. 
Der Bauer fiel vom Wagen und brach ben Hals. 

An der Stelle, wo das Unglüd geſchah, mwurbe ein Bilbftod 
errichtet und neben demſelben ein fteinernes Kreuz. 

Moral: Lieber Leſer, lafje did warnen vor jedem frechen 
Trevel ! 


Aub, 


l. Der Commandanten-Pöpel zu Aub. 


In Aub ift ein Haus, welches urſprünglich von den Wittwen 
der Rojenberg’ihen Familie, jpäter don verjhiedenen Beamten 
bewohnt wurde. In diefem Haufe entftand zn verichiedenen Zeiten 
ein gräulicher Tumult, welcher die Bewohner desjelben in großen 
Schrecken verjegte. Es wurde an die Thüren geklopft und wie 
mit großen Steinen geworfen, jo daß dieſer Tumult nicht allein 
von den Hausbewohnern, jondern auch von vielen außenſtehenden 
Leuten vernommen wurde. 

Man jeßte den Kaplan des Grafen von Gleihen-Hakfeld in 
Kenntnis, welcher unter andächtigem Gebete alle Räume des Haujes 
mit Weihwaſſer beiprengte. Bei den Patres zu Laudenbach wurden 
drei heilige Meſſen für die Seelenruhe des unglüdlihen Geiftes 
gelejen. Daraufhin blieb der Geift drei Tage aud, aber am 6. 
und 7. Januar 1667 zeigte er fich auf’3 neue. Der obenerwähnte 
Kaplan mweihte nun in der Kirche drei Degen, mit welchen er, in 
der linken Hand ein Eruzifir tragend, in allen Eden bes Haufes 
herum ftah und bieb. Hierauf rief der Kaplan den Geift an, 
womit ihm zu helfen, wodurch er zu erlöfen fei, ob etwa mit drei 


> 
—— 








415 


heiligen Mefien? Darauf habe der Geift mit weinerliher Stimme 
geantwortet: „mit fünf.“ Der Kaplan habe weiter gefragt, ob 
fonft noch etwas geichehen müſſe, wenn er ben Ort verlaffen wolle, 
worauf der Geift geantwortet habe: „Almojen geben.” Hierauf 
feien vom 8. Januar an fünf Tage nacheinander die fünf heiligen 
Mefien gelefen worben, denen alle Einwohner von Aub mit großer 
Andacht beigemohnt hätten. Auch ſei in dem fraglichen Hauie 
reichliches Almofen gegeben, auch eine fromme Stiftung gemacht 
worden, dab alljährlid am 3. Tage nah Joh. Evang. für alle 
armen Seelen drei heilige Mefjen gelefen und nach denjelben Al: 
moſen ausgeteilt werden folle, 


2. Das Siebenuhrläuten in Aub. 


Unweit Aub am Saume des Waldes Herrnholz liegt die 
Ruine der Reichelsburg. Hier Haufte in früherer Zeit ein 
berühmtes mächtiges Rittergeſchlecht. 

Einmal in einer rauhen Winternacht ſtieg ein Burgfräulein 
von der Reichelsburg hinunter in den nahen Wald, wo, wie ſie 
wußte, ein geliebter Ritter ihrer harrte. Sie verirrte ſich aber 
vom Weg und fand den Geliebten nicht. Dichte Schneeflocken 
flogen vom Himmel, ſo daß endlich keine Spur mehr vom Wege 
zu ſehen war. Da wurde die Arme von großer Angſt und Furcht 
befallen und rief ein- um das anderemal um Hülfe. Aber nichts 
ließ ſich hören, ſelbſt die Tiere des Waldes hatten ſich in ihre 
Höhlen verkrochen, denn der Sturm heulte fürchterlich und beugte 
die Wipfel der mächtigften Bäume Sn ihrer Seelenangft warf 
fih das Fräulein auf den jchneebededten Waldboden und flehte 
unter beißen Thränen zu Gott aus biejer Gefahr. Während fie 
noch betete, kam es ihr auf einmal vor, als höre fie den Silberton 
eines Glöckleins, da3 von einem nahen Dotfe zu ihr herüber tönte. 
Freudig laufchte fie, ob nicht der Sturm ihre Sinne trüge, aber 
es war wirklih jo: Das Glödlein ließ fort und fort feine Silber: 


416 


ftimme erklingen. Freubigen Mutes ging das Fräulein der rettenden 
Stimme des Glödleind nah und gelangte bald aus dem dunklen 
Walde zur Gola, an deren Ufer ſich die Neichelaburg erhob. 
Da hörte das Glöclein auf zu läuten, die Jungfrau war gerettet, 
denn jeßt konnte fie den Weg nicht mehr verfehlen. Danfbaren 
Herzens ftiftete fie das Siebenuhrläuten von Martini bis zum 
22, Februar, um verirrte Wanderer auf den rechten Weg zu führen. 


Aufitetten. 
Der Hügel im Wald bei Aufftetten. 


(Bon B. Bader.) 


Im Wald bei Aufftetten ift ein mit einem Graben umgebener 
Hügel, auf welchem vor dem Schwebenfrieg ein Schlößhen geitanden 
baben ſoll. Als vor vielen Jahren eine Frau nach dem Abendläuten 
da vorüberging, jah fie auf diefem Hügel einen goldenen Meßkelch 
ftehen. Höchlich verwundert trat fie näher, jah aber neben dem 
Kelche einen Schwarzen Pudel liegen, worauf fie fich eiligit entfernte. 

Eine andere Frau hörte beim Vorübergehen dreimal niejen, 
Da fie aber niemand fah, fagte fie nicht, ſondern ging ſtillſchweigend 
weiter. Da fing e3 an zu weinen und ſprach: Warum haft du 
nicht: „Helf Bott!“ gejagt? Jetzt muß ich noch warten, bis dieſes 
Eichbäumchen fo groß wird, daß aus feinen Brettern eine Wiege 
gemacht if. Das Kind, welches in dieſelbe zu liegen kommt, 
fann mich erft erlöfen! 


Biebelried. 


Das Irrliht im Küferholz bei Biebelried. 


Im fogenannten Käferhölzhen in der Nähe von Biebelried 
wurden zwei Männer von einem feurigen Männlein irre geführt. 


417 


Diejelben famen einft ipät in der Naht von Biebelrieb her und 
gingen dur das Käferhölzchen. Als fie eine Strede weit gegangen 
waren, ſahen fie plöglich ein feurige® Männlein aus einem Bufche 
beraushüpfen, und dieſes lief immer zehn Schritte vor ihnen ber. 
Sie konnten immer nicht an das Ende des, faum eine halbe Stunde 
langen Hölzchens fommen, dennoh wanderten fie die ganze Nacht 
bindurh rüjtig weiter. Endlich früh beim Gebetläuten erreichten 
fie das Ende des Wäldchens und das Feuermännlein verſchwand. 
Aber fiehe! nun waren fie wieder bei Biebelried, genau an ber 
Stelle, wo fie das Wäldchen betreten hatten, benn das feurige 
Männlein hatte fie irre geführt. 


Biebercehren. 


l. Das Mallfahrtskreuz bei Hieberehren. 


(Von ©. N. Marſchall.) 


Auf einer Anhöhe bei Bieberehren ragt ein Kreuz empor, 
zur Seite von jchattigen Bäumen umgeben und Betitühle davor. 
Zu diejem Kreuze wallfahrten viele fromme Beter, um Hülfe in 
ihren Nöten von Gott zu erflehen. Ueber die Entftehung diejes 
Kreuzes erzählt die Sage fogendes: 

Auf einem nahe gelegenen Felde war ein Landmann bejchäftigt, 
mit zwei jungen mutigen Pferden die Sommerfaat zu beftellen. 
ALS er fein Tagewerk ſchon bald vollendet Hatte, blieben die Pferde 
plöglih jtehen und weder Schläge noh Drohungen waren im 
Stande, fie weiter zu bringen. Plöglih begannen fie im Sturmlauf 
davon zu jagen. Außer Stande, die Hand von den Bügeln zu 
befreien, jchleiften fie den Landmann in ungeftümem Laufe dem 
Rande eine® nahen Abgrundes entgegen. In höchſter Todesnot 
betet der Bauer: „O Gott, erbarme dich meiner!" Doch waren 
die Pferde nicht mehr zu halten, fie raften mit dem Bauern in's 


offene Grab hinein. Ein Schredensruf entfährt den Leuten, welche 
Sagenſchatz. 27 





* — 
| 


Zuſchauer dieſer Ächredlichen Szene waren und teilnehmend eilen 
fie herzu. Doc welch ein Wunder! Tief unten in der Kluft kniet 
betend der gerettete Bauer. Zum Andenken an diejes jchredliche 
Ereignis, aber auch an feine wunderbare Rettung errichtete er das 
Kreuz, von dem fein Beter ohne Troft und bimmlijchen Frieden 
von bannen gebt. 


418 


2. Der Ritter von Thalberg bei Bieberehren. 


Der Thalberger war ein wilder Mann, der nicht nachzugeben 
gelernt hatte, wenn er fich etwas in den Kopf gejegt hatte. Eines 
Tages fuhr er mit feiner Tochter Margaretha und jeinem Knechte 
von einem Beſuche nach feiner Burg zurüd, Bieberehren zu. Unter: 
wegs erhob fih ein furchtbares Gemitter. Der Regen fiel in 
Strömen vom Himmel und verwandelte das Gollachflüßchen in 
einen reißenden Strom. Dahinüber mußte der Ritter, wenn er 
heute noch Bieberehren erreichen wollte. Scheu und zitternd jtanden 
die Pferde am Ufer bes reißenden Stromes. Auh dem alten 
Knehte war nicht wohl zu Mut. Als der Nitter diefes bemerkte, 
brannte jein Zorn in hellen Flammen auf und mit barfchen Schelt: 
worten befahl er dem Knechte, ſogleich durch den Fluß zu fahren. 
„Run denn, in Gotted Namen!” ftammelte der Knecht und ergriff 
zitternd die Zügel der Pferde, dem Willen feines Gebieters Folge 
zu leiten. Da ergrimmte der Ritter über den Beweis jolcher 
vermeintliher Zaghaftigfeit und rief: „Nein, in's Teufel Namen!” 
entriß dem Knechte die Zügel und trieb die fih aufbäumenden 
Roffe in den reißenden Strom. Aber faum waren dem Ritter 
ſeine frevelnden Worte entfahren, ſchlugen auch ſchon die Wogen 
über dem Wagen, den Pferden und den Reiſenden zuſammen und 
verſchlangen den Ritter, ſeine Tochter und den Knecht. Von der 
Wahrheit dieſer Geſchichte gibt ein Steinbild Zeugniß auf dem 
Wege von Röttingen nach Bieberehren an der Stelle einer Fuhrt 
durch das Gollachflüßchen. Oben ſieht man den gekreuzigten Hei— 
land, unten die Worte: 


419 


Anno dm. m.c.c.c.c. XXXII (1432) uf Samstag nad 
arnolf Sit der feft und geftreng bernhard vo talberg riter und mit 
eine treuen Knecht genannt Wilhelm und gebnen Jungfraue genannt 
Margreth u waren bie in Wafjersnoth verjchiede den got gnat. 


Birkenfeld bei Hofheim. 


Die Fußeiche bei Birkenfeld. 


Im Walde bei Birkenfeld an der Hofheimer Straße werden 
mehrere im Kreife herum laufende Fußtritte gezeigt. Bon diejen 
erzählt die Volksſage folgendes : 

Zwei abelige Brüder von Fuchs gingen eines Tages zufammen 
in den Wald, um Vogelnefter zu ſuchen. Da erblidten fie zu gleicher 
Zeit in den Zweigen einer hohen Eiche das Neſt einer wilden 
Taube. Jeder wollte es haben. Darüber entftand ein wütender 
Streit, in welhem der jüngere den älteren Bruder erftah. Daran 
hatte der Teufel großes Wohlgefallen, fand fih auch fofort an 
der Stelle ein und trat die Fußtapfen der beiden Brüder nad), 
um fie unvertilgbar zu machen und das Andenken an den Bruder 
mord zu verewigen. Das ift ihm auch gelungen, denn noch heutigen 
Tags wird eine Vertiefung gezeigt, wo ber erftochene Bruder zu⸗ 
Jammenftürzte: 


Biſchwind. 
Wandelnde Frau auf Rauened. 


E3 war im Jahre 1187, als der Ritter Poppo von Rauened 
als Kreuzritter in's gelobte Land zog, um felbes der Gewalt ber 
Türken entreißen zu helfen. Seine Gemahlin übergab er dem 
Schutze eines Edelfnappen und eines Knechtes, auf deren Treue er 
fih verlaffen zu dürfen glaubte. Nicht lange hatte ſich Poppo von 
jeiner Burg entfernt, jo wandte Ludmilla, die Gattin des Ritters 

27* 





420 


ihre Gunft dem Ebelfnappen zu. Das Verhängnis aber wollte, daf 
der Knecht von dieſem ehebrecheriihen Verhältnis und von dem 
Drte ihrer geheimen Zuſammenkünfte Kenntniß erhielt. Zwei Sabre 
dauerte die Abweſenheit des Ritters. Nach feiner Rückkunft wußte 
der Knecht nicht? Eiligere® zu thun, als feinem Herrn von ber 
Treulofigkeit feiner Gattin Kenntniß zu geben. Der Ritter geriet 
in rafende Wut, noch mehr aber, als er Gelegenheit hatte, ſich 
von der Wahrheit vollflommen zu überzeugen. So fchredlich wie 
jeine Enttäufhung, jo jchredlich jollte jeine Rache fein. Den Edel: 
Inappen ließ er in's tieffte Burgverließ werfen, wo er ohne Speiie 
und Trank verhungern und verburften mußte. Seine treuloje Gattin 
ließ er in einem entlegenen Raume der Burg einmauern. „Hier“, 
ſprach er zu ihr, „haft du Gelegenheit deine Wohlluft zu büßen!“ 
Ihr Geift bat noch feine Ruhe gefunden, denn man bat fie fchon 
oft als Gejpenft zur Mitternadhtsftunde in den Ruinen herum: 
wandeln jehen. 


Maria Buchen. 


l. Die Sage vom Klofter Maria Kuchen. 


Eine Stunde von dem Stäbthen Lohr a/M, entfernt liegt in 
prachtvoller Waldeinfamkeit das Kapuzinerflofter Maria Buchen, 
welches nach einem neben dem Hochaltar angebrachten Votivbilde 
von den Herren von Hutten geftiftet wurde aus Dankbarkeit für 
die wunderbare Rettung aus einer augenjcheinlihen Lebensgefahr 
aus einem Sturm aus dem Meere. Dieſes Klofter war viele Jahre 
lang nur von einem Klofterbruder bewohnt, bis es durch die Mu- 
nifizen? Seiner Majeftät des Königs Ludwig I. von Bayern wieder 
neu mit mehreren Patres bejett wurde. Bon diefem Klofter geht 
folgende Sage: 

An der Stelle des jegigen Klofters ftand vor vielen Jahren 
ein Bucenjtamm, vor dem fein Jude vorbeigehen konnte. Er mußte 
wie von einer geheimen Gewalt feftgebannt ftehen bleiben. 


a 





421 


Einmal fam ein Jude des Wegs daher, dem e3 erging, wie 
feinen andern Glauben3brüdern. Bol Born und Ingrimm riß 
er aus der Tafche fein langes Schächtmefjer und ftieß e3 mit aller 
Gewalt in den Baum Hinein. Da erihol aus dem Innern bes 
Baumes dreimal das jchredlihe Wort: „Wehe! Wehe! Wehe!“ 
Der Jude fieht fein Mefler mit Blut befledt und finft neben dem 
Baume ohnmädhtig zu Boden. Bald darauf kamen Chriſten des 
Wegs und vernahmen aus feinem Munde bie jeltiame Gejchichte. 
Nun wurde der Baum unterfuht, und da fand man im innern 
desjelben ein einfaches jchlichtes Veiperbild, die Muttergottes, den 
toten Heiland auf ihrem Schoße. Alsbald gelangt die Nachricht 
von dieſer jeltjamen Begebenheit zur Kenntnis des Biſchofs Johann 
von Brunn, welcher über dem Drte eine Kapelle erbauen ließ, welche 
nachmals von dem Fürftbiihof Julius von Mefpelbrunn vergrößert 
und erweitert wurde. Die fraglihe Kirche ift ein vielbejuchter 
MWalfahrtsort und eine Menge Bilder und Wachsfiguren geben 
Zeugnis von den vielen Gebetserhörungen. Mehrere hohe Kirchen- 
fürften, melde im Sommer dieſes Klofter beiuchten, fanden die 
Umgebung desfelben jo jhön, daß fie laut den Wunſch äußerten, 
bier leben und fterben zu können. 


2. Proteftanten in Maria Buchen. 


Die Proteftanten haben bekanntlich die innige Verehrung der 
Mutter Gottes nicht, wie die Katholiken, es dürfte daher folgende 
Begebenheit von Intereſſe jein: 

Einmal ritten etlihe Proteftanten durch den Steinfelder Wald- 
Anfangs Hatten fie gute Wege, und fo gelangten fie wohlgemut 
bi3 an den Kreuzweg, der von Sendelbah nah Steinfeld führt. 
Hier überfiel fie plöglih ein Regenſchauer. Sie wollten daher 
eilig zum nahen Klofter Maria Buchen reiten, um bort befjere 
Witterung abzuwarten. Dben bei dem Bildfiod am Weg rief 
einer von ihnen: „Nun kommen wir gleich hinunter nah Maria 


J— 





422 


Buchen, wo die Maria ihre Windelwäſche hat.“ Kaum hatte er 
dieſe Worte geſprochen, ſo blieben die Pferde wie feſtgebannt auf 
dem Platze ſtehen. In der Meinung, daß Ermüdung die Urſache 
wäre, ſpornten ſie die Pferde ſchärfer, aber dieſelben gingen keinen 
Schritt weiter. Je ſchärfer ſie geſpornt wurden, deſto ärger bäumten 
ſie ſich in die Höhe. Als alle angewandte Mühe vergeblich war, 
dachte der Aelteſte von ihnen: „Wer weiß, ob dieſes Ereignis nicht 
eine Strafe für unſern Frevel iſt!“ Zur Sühne will ich ein Gelübde 
machen, alljährlich mit den Wallfahrern zu Fuß nach Maria Buchen 
zu gehen. Kaum batte er dieſes Gelübde gemacht, als die Pferde 
leihten Fußes ihre Reiter nah Maria Buchen trugen, gleichjam 
ald wollten auch fie ihren Teil dazu beitragen, um den Keitern 
Gelegenheit zu geben, ihren Dank und ihre Andacht vor dem Bilde 
der Muttergottes abzuftatten. 


Burgerroth. 


2. Die Kunigundenkapelle zu Burgerroth. 


Etwa zehn Minuten von dem Eleinen Dörfchen Burgerroth 
fteht nahe der Kante des gegen das Gollachthal abſchüſſigen Berges 
auf freiem Felde eine Kapelle und daneben ein uralter Lindenbaum. 
Schon die Bauart der Kapelle weift auf ein mehr als taujend- 
jähriges Alter hin. Wer fie erbaut bat, erzählt folgende Sage. 
Die fromme heilige Kaiferin Kunigunde gelobte, drei Kirchen zu bauen, 
die Auswahl der Drte wollte fie aber der göttlichen Fügung über: 
lafjen. Bon dem hoben Söller ihres Schloffes in Bamberg ließ 
fie daher drei weiße Schleier fliegen. Wo diefelben gefunden würben 
jollten die drei Kirchen erbaut werden. Einer der drei Schleier 
blieb an dem Lindenbaum neben der Kapelle hängen, wo aud Die 
Kunigundenfapelle zu bauen begonnen wurde. Da aber auch die 
Bewohner von Buch die Kapelle als Pfarrkirche haben wollten, (wo: 
rauf die Kaiferin ihres Gelübdes eingedenk nicht einging) jo ſchafften 
die Bewohner von Buch die zum Bau zugerichteten Steine in ihre 





Gemeinde, allein von einer unfihtbaren Gewalt wurden die Bau: 
materialien wieder an ihren alten Drt gebradt. Ein Zimmer: 
mann, welcher diejes geheimnisvolle MWegichaffen der Steine durch: 
aus nicht begreifen wollte, legte fich einmal des Nachts auf die 
Steine zu Bud, aber fiehe, am Morgen befand er fich nicht mehr 
zu Buch, fondern mit ſammt den Steinen am Ort des Kirchenbaues. 
Als das die Bewohner von Buch erfuhren, ftanden fie von der 
Trandferirung des Gotteshauſes in ihre Gemeinde ab. 

Sn der Nähe der Kapelle zeigte man einen Stein, in defjen 
Mitte man zwei Vertiefungen fieht. Die Volksſage meldet, daß 
am Tage der Einweihung diefer Kapelle Kunigunde auf dieſem 
Steine ihre Andacht verrichtet und zur fteten Erinnerung die 
Spuren ihrer Kniee in den Stein eingedrüdt babe. 


2. Der Heflismann oder der Unfug in Burgerroth. 


In Burgerroth lebte vor Zeiten ein Mann, welcher durch eigene 
und fremde Schuld ganz in Abwejen geriet. Wie er fih nun nicht 
mehr zu belfen wußte, nahm er einen Strid, ging in die Scheuer 
und erhängte jih. In diefer Scheuer hat es von da an jede Nacht 
gerumpelt und gelärmt, als wenn das wilde Heer darin wäre und 
bat fih niemand mehr getraut, nachts in die Scheuer zu gehen. 
Nur ein Schlotfeger erbot fi, den Unfug zu vertreiben. Er nahm 
einen Krug mit in die Scheuer, in welchen er den Unfug bannte 
und ihn unter einen Weidenbaum vergrub. Einige Zeit darnach 
fanden zwei Bauern von Bieberehren den Krug und weil er nicht 
zerbroden war, jo nahmen fie ihn mit. Unterwegs wurde aber 
der Krug immer jchwerer, jo daß fie ihn zulegt nicht mehr zu jchleppen 
vermochten. Da ahnte ihnen nichts gutes und fie trugen deshalb 
den Krug wieder an jeinen alten Plat. Bald nachher ift der 
Unfug in der Aeſſi umgegangen. Wenn e3 Nacht wird, fieht 
man ihn zwijchen zwei MWeidenbäumen ſitzen oder auf dem freien 


424 


Feld berumlaufen und ſchon oft bat er die Leute in einen Graben 
geworfen oder fie doch wenigftens irre geführt, 


Burghaufen bei Arnftein. 


Das Marienbild und der Schäfer. 


Auf einem Berge bei Burghauſen, Amtsgericht3 Arnftein, 
ftand in der Blende eine Baumes ein Muttergottesbild. Eines 
Tages trieb ein Schäfer mit feiner Heerde vorbei, da war es ihm 
plöglih, als Halte ihn jemand an den Füßen feft, daß er nicht 
weiter konnte. Erſchrocken über diefen jonderbaren Zufall nimmt 
er feinen Hut ab, und fängt an zu beten. Da ehren fich wie 
auf einen Wink alle feine Schäflein gegen das Marienbild, welches 
rober Mutmwille in der Nacht zuvor faft gänzlich zerftört hatte. 
Der Schäfer erkennt hieran einen Fingerzeig von oben und macht 
mit lauter Stimme das Gelübde das Bild wieder heritellen zu laſſen 
und zieht hierauf mit feiner Heerde unbehindert von dannen. Er 
bat auch jein Gelübde gehalten und gerne gehen die Leute von 
Burghaufen und der Umgegend an diejen Ort, um ihre Andacht 
zur Muttergottes zu verrichten. 





Gaftell. 


I. Die drei Waufferjungfrauen im Örundleinslod. 
(Bon Banzer.) 

Am Fuße des Gafteller Berges, eines der Vorberge des Stei— 
gerwalds, bricht in der Ebene zwiſchen Caſtell und Rüdenhaujen 
aus dem Gypägeftein eine mächtige Duelle hervor und füllt mit 
ihrem Haren Waffer einen mäßig großen Keſſel. Das Wafler 
fommt aus großer Tiefe dur das unregelmäßig zerflüftete Ge: 
ftein mit folder Macht herauf, daß es Gegenftände, welche ein bie 


ERDE 


iii 
* 


en v 
— * 


425 


Waſſerſchwere nicht ſtark überwiegendes Gewicht haben, nicht zu 
Boden läßt. Der Grund des Waſſers iſt nicht zu erforſchen, weil 
es durch Krümmungen heraufbricht, und die Quelle heißt des— 
wegen in der Umgegend der grundloſe Brunnen oder das 
Gründleinsloch. Auf der Höhe des Caſteller Berges ſteht 
noch eine Turmruine von dem alten Schloſſe der Grafen von 
Caſtell, deren wohnliches (ſchönes) neues Schloß am Fuße des Berges 
liegt. Das alte Schloß wird von der Sage mit der Quelle in 
Verbindung geſetzt. 

Zu jenen Zeiten nämlich, wo das alte Schloß noch ſtand, 
feierte ein Graf von Caſtell ſeine Hochzeit in den Sälen dieſes 
Schloſſes und aus der Nähe und Ferne waren die edelſten Familien 
als Gäſte zu dieſem Feſte geladen. Mit dem Anbruche der Nacht 
begann der Tanz und Jünglinge und Jungfrauen ergötzten ſich in 
feſtlicher Luſt. Muſik und Feſtesjubel tönte den Berg hinab weit 
in bie Ebenen hinein. Da um Mitternacht traten plötzlich leiſe 
drei AJungfrauen von blendender Schönheit in weißen langen Ge— 
wändern in den Tanzfaal und erfüllten die jubelnden Gäfte zu: 
erft mit Staunen, dann mit Bewunderung, die Herzen der Jüng⸗ 
linge aber mit der Sehnfucht der Liebe. Die Anmut und Schön- 
beit der Frauen hatte bald den erften Schauder überwunden. 
Man zog fie in den Tanz und mit wunderbarer Zierlichkeit jchlangen 
fie fih dur die Reihen. Die Stunden flogen hin und je näher 
der Morgen rüdte, defto mehr wurde eine gänzlihe Bejorgnis in 
den Augen der jchönen Jungfrauen fihtbar und als die Morgen- 
dämmerung anbrad, baten fie dringend um Entlaſſung. Es waren 
die Niren aus dem grundlofen Brunnen. Da die laute Luſt bes 
Feftes zu ihnen gedrungen war, hatten fie inftändig und dringend 
ihre Mutter gebeten, an dem Fefte Teil nehmen zu bürfen, was 
ihnen endlich nach langer Weigerung gewährt wurde, jedoch unter 
ber Bedingung, vor dem erften Hahnenſchrei zurüd zu fein. So 
waren fie denn aus dem Elaren ftilen Waflerjpiegel aufgetaucht und 
ein alter Jäger hatte von der Waldecke ber die lieblichen Geftalten 
über den Wiejenpfad berfommen unb den Berg hinauf fchweben 





426 


ſehen. Deshalb erfüllte fie der nahende Morgen mit bangem Ent: 
jegen. Die Leidenschaft der Liebenden Jünglinge hielt fie aber wider 
Willen zurüd. Da krähte der Hahn und mit dem Blide des Ent: 
ſetzens ftürzten fie aus dem Saale durch die Höfe mit fliegender 
Eile den Berg hinab, daß die Jünglinge ihnen nicht zu folgen ver: 
mochten. Sie fahen fie nur in rafender Eile der Duelle zuſchweben 
und als fie dort angefommen waren, fi in bdiejelbe ftürzen. 
Entjegt eilten die Sünglinge hinzu und ala fie in den flaren 
Waſſerſpiegel hinein ſchauten, wallte ihnen ein warmer Blutſtrom 
aus der unbeimlihen Tiefe entgegen. 

Mit unbejchreibliher Schönheit werden in diejer Sage die 
Folgen des kindlichen Ungehorſams gegen die Eltern verfinnbildet. 


2. Caſteller Rechte. 


(Bon Luca.) 


Bon dem alten Bergichloß Gaftel in Franken melden alte 
Geſchichtsſchreiber: Unten am Berge liegt das Dorf Caſtell. Ein 
Kelter: oder Bauernhof in demjelben hat das Recht, daß fich ein 
Verbrecher drei Tage ungefährdet dort aufhalten darf. Wenn die 
jelben vorbei find, darf er drei Schritte aus dem Haufe thun und 
wieder Hinter fich in dasjelbe zurüdtehren, jo hat er abermal drei 
Tage Freiheit und fo fort. | 

In diefes Amt gehörte das Dorf Wiefenbronn, welches bie 
peinliche Gerichtsbarkeit d. h. das Net Hatte, da& die Einwohner 
einen überführten Dieb felbft an einen Baum aufhängen durften, 
jedoch mußten alle den Strid angreifen. 


Dettelbad. 
l. Der Steinklopfer bei Dettelbacd. 


Mehrere Geichäftsleute gingen einmal mit einander bei Mitter: 
naht von Dettelbah nah Würzburg auf die Mefle. Unterwegs 








427 


bemerften fie in der Ferne ein Licht und hörten auch immer näher 
und ftärfer ein Klopfen. Da fagte einer aus ihnen: „Das ift der 
Steinklopferle, der fich oft jehen läßt. Als fie näher famen, jahen 
fie einen Mann, der auf einem Steinhaufen jaß und Steine Elopfte. 
Er hatte einen dreiedigen Hut jo tief in's Geſicht gedrüdt, daß 
man nicht? von demfelben ſah. Ihm zur Seite befand fich eine 
brennende Laterne. Als fie an ihm vorüber wollten, zerbarft die 
Zaterne, er jelbjt aber verjhwand mit einem Gejchwirre, wie von 
einem Trupp aufgeicheuchter Feldhühner. E3 fol die ein wan— 
delnder Siebner fein, der die Markfteine verrüdt bat. 


2. Das Marienbild zu Dettelbah und die Schweden. 


Die Schweden waren bei ihrem Eroberungszuge dur Franten 
auch nach Dettelbadh gefommen. In der Hoffnung nach reicher Beute 
waren fie auch in da3 dortige Franzisfanerklofter eingefallen und 
hatten jogar die Gräber durchwühlt; allein die Mönche hatten fich 
ſchon bei Zeiten geflüchtet. Das wunderthätige Marienbild in der 
Kloſterkirche ließen die Feinde unverjehrt liegen, weil fie nach näherer 
Befihtigung feinen bejonderen Werth daran zu finden hofften. 
Mehrere Einwohner von Dettelbah beteuerten, fie bätten die 
bimmliihe Jungfrau, das Sejufind auf dem Arme tragend, über 
der Wallfahrtskirche ſchweben jehen. 


Dimbach bei Volkach. 
Das Marienbild zu Dimbac. 


(Bon ©, Gropp.) | 
E3 war im Jahre 1312, als ſich eine Bäuerin von Dimbach 
fammt ihrem Knäblein hinaus auf das Feld zur Arbeit begab. 
Wie das bei den Bauersleuten jo üblich ift, hatte fie das Kind 


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in das Gras geſetzt. Während fie nun der Arbeit oblag, fam ein 
Wolf und trug es davon. Mit Entjegen vernahm die Mutter 
das Geſchrei ihres Kindes, aber ftatt dem Wolfe nachzulaufen und 
ibm das Kind abzujagen eilt fie jpornftreich3 zum nahen Kirchlein 
an den Altar, reißt der Muttergottes da3 Jeſukindlein vom Arme, und 
beteuert, daß fie e3 nicht eher zurüdgeben werde, als bis fie ihr 
eigenes Kind aus den Klauen des Raubtieres zurüd erhalten hätte. 
Damit verläßt fie die Kirche und läuft mit dem Sejufindlein im 
Arme verzweiflungsvoll wieder dem Felde zu. Und fiehe! das grim: 
mige Raubtier fommt der Berzweifelnden entgegen und legt ihr das 
Söhnlein wohlbehalten zu Füßen. Darauf bringt die Mutter voll 
Dank und Jubel das Jeſukindlein der Muttergottes zurüd, nur, 
daß fie es ftatt auf den linken, auf den rechten Arm ſetzte. 
Die Nachricht von diefer Begebenheit verbreitete fih alsbald durch 
ganz Franken und viele Andächtige famen nach Dimbach zur Ber: 
ehrung des wunderthätigen Muttergottesbildes. 


Eibelftadt. 
Eibelltadt's Mame. 

(Bon F. J. Freiholz.) 
„Ro, Bärbele, was eilft’ denn jo 
Mit deiner jchweren Köße 
Es hält ja grad a Mage bo 
Da kannſt dich aufi ſetze; 
Die Annemie fährt auch noch mit 
Und lieber fahr ih Schritt vor Schritt 
Als daß mit meine müde Bee 
Sch do den weiten Weg noch geh! 
Ich hab a ſchöns G'ſchichtle g’hört, 
Die will ich dir verzehl! 
Denn wann mer jo minaner fährt, 
Därfs nit am Plaudern fehl! 
Doch ehr als ich die Leut augricht, 


Verzehl' ich dir a annre Gſſchicht. 

Du weht daß uner neue Stabt 

Noch nit emal en Nome hat, 

Wir ham und all minaner b’junne 
Und kens bat noch was getlis g’funne 
Und bat a ens emal was g'ſagt 

So hams die Annern ausgeladt ; 

's i3 für die jchöne Stadt nor Schad 
Daß fie fen jchöne Name Hat.“ 

„Ei wele Stadt?" fengts Bärbele a 
„Ihr braucht euch aufzublaje, 

Da dent fe Menſch mei Lätti dran 
Das Neſt a Stabt zu haße 

Ihr ment vielleicht weils Mauern bat 
Und Törm auf alle Seite, 

Das kann doch wärli noch fe Stadt, 
Ihr Eſelsköpf bedeute, 

Ihr wöllt halt immer obe naus 

Ei wel e Stadt! da wird nis draus!” 
Sept weß ich wie mers heße kann 
Fängt auf e mal a Ann’te an, 

So wie’ es Bärbele g'heße hat, 

So heße mir’3 a: Ei wel Stabt! 
Mer wöll'ne ſcho die Grig vertreib 
Der Spottnam’ fol ne immer bleib!“ 
Es jen ſcho mehr wie hundert Johr 


Seit die G'ſchicht ging bei Werzberg vor 


Doc jeit der Zeit im Frankeland 
Werd Eibelftadt der Ort genannt 
Wenn er glei Törm und Mauern hat. 
Helt n fe Menſch no für e Stadt. 


429 


a 


430 
Erlabrunn. 


Erlabrunns Hame. 


Ein Graf von Rieneck Hatte fi einft auf der Jagd ermübet 
und konnte nirgends feinen brennenden Durkt ftillen. Endlich ent- 
bedte ein Jäger in der Nähe des Mains eine von Erlen beichatiete 
Duelle von grünen Rajenplägen umgeben. Dem durftigen Grafen 
behagte es an biefer Stelle jo jehr, daß er dort ein Dorf bauen 
ließ, welches biß auf den heutigen Tag den Namen Erlabrunn 
führt. | 


Gaurettersheim bei Bütthard im Ochſenfurter Gau. 


Die Kirche zu Baurettersheim und die Kapelle 
bei ®berwittighaufen (in Baden). 


Bon der Pfarrkirche zu Gauretteröheim erzählt die Sage, 
daß diejelbe von Rieſen erbaut worden jei. (Die neue Pfarr: 
firhe wurde vom Baumeifter Michel von Marktbreit erbaut). Jene 
Sage wurde dadurch beitärkt, daß jowohl an der Pfarrkirche ala 
auh am Turm feine Spuren von Baugerüfte-Deffnungen zu jehen 
waren, und eine auf dem Boden der Kirche hängende Rippe eines 
vorfintflutigen Tiere® vom Volk für eine Kiejenrippe gehalten 
wurde, weswegen das Dorf im Altertum Gauretteräheim an 
der Rippe geheißen babe. 

Nah vollendetem Bau der alten Pfarrfirhe zu Gauretters: 
beim habe ein beim Bau beichäftigter Rieſe feinen Hammer in 
die Luft geworfen und gelobt, an dem Orte, mo derſelbe wieder 
gefunden werde, eine Kapelle zu erbauen. Das gejhah auf einer 
Anhöhe bei dem badischen Drte Oberwittighauſen, etwa andert- 
halb Stunden von Gaurettersheim. Dieje Kapelle (eine Rotunde) 
ift eine der interefjanteften altertümlichen Kapellen, die es gibt. 
An der Außenfeite der Kapelle find eiferne Ringe in der Mauer 





431 


befeftigt und die Sage erzählt, daß vor alter Zeit aus weiter 
Ferne Wallfahrer hierher geritten jeien und an dieſen Ringen ihre 
Pferde angebunden hätten. Diele Kapelle ift eines Bejuches wert. 


Giebelftadt im Ochſenfurter Gau. 
Graf Beyers od. 


Das Gejchleht der Edlen von Geyer, deren Stammburg heute 
noch in Giebelftadt zu ſehen ift, und von Nachkommen der be— 
rühmten Familie von Zobel bewohnt wird, blühte im 16. fahr: 
hundert in mehreren Linien im alten Tauber: und Gollachgau. 
Ein Graf von Geyern ſaß zur Zeit des Bauernfriegd 1525 auf 
der Burg bei Bieberehren, 

Eines Morgend in aller Frühe zog eine Schaar bewaffneter 
Bauern gegen dag Schloß heran. Noch lag der Ritter mit feinen 
Leuten im tiefen Schlafe, als auf einmal der Schrei des Wärtels 
durch die Räume der Burg drang: „Die Bauern! Die Bauern!“ 
An Widerftand war nicht zu denken, denn der Graf hatte erft vor 
wenigen Tagen faft alle feine Leute zum Heere des Fürſtbiſchofs nach 
Würzburg abgehen lafjen. Als nun die Bauern bereits zu ftürmen 
begannen und ſchon die jchweren Arthiebe am Burgthore erdröhnten, 
faßte die heldenmütige Frau des Ritter den kühnen Entichluß den 
Bauern entgegen zu treten und ein Wort des Friedens mit dem wüten- 
den Bauernhaufen zu reden. Die Gräfin war weit und breit als eine 
gütige und menjchenfreundliche Frau und Herrin befannt und mochte 
wohl ſchon manchem aus dent Bauernhaufen eine Wohlthat erzeigt 
haben. Aljo trat fie zu den Bauern hinaus uud bejchwor fie, ihres 
Obdachs und Lebens zu fchonen. Sichtbar ergriffen von dem 
Anblick der edlen Frau gelobten die Bauern, ihrer Perſon fein 
Leid zu thun, aber die Burg jammt der ſchwachen Bejagung zu 
Grunde zu richten. Kein Bitten und Reden half, die Wütenden 
von ihrem Vorhaben abzubringen, nur jo viel erlangte die Edel: 


432 





frau, daß fie fo viel mit fi nehmen dürfe, als fie in einer Butte 
tragen könne. Gewiß war ber Graf ihr Liebftes, daher war fie 
auch nur auf feine Rettung bedacht. Mit Anftrengung all ihrer 
Kräfte gelang es der ſchwachen Frau, die verbedte Laft aus ber 
Burg in einen nahen Wald zu ichleppen, wo der Graf unter einem 
dichten Gebüſche jo lange ein ficheres Verſteck zu finden hoffte, bis 
die Bauern wieder abgezogen wären. Aber bald tobte die rohe 
Horde mit Flühen und Verwünjhungen durch den Wald daher, 
denn fie juchten den Grafen, der ihnen entlommen war. Der hielt 
fih ruhig in feinem Verſteck und wäre der Verfolgung feiner Feinde 
entgangen, wenn ihn nicht das Bellen jeines treuen Hündchens ver: 
raten hätte. Sogleih drangen die Unmenſchen auf den Entdedten 
ein und ftachen ihn unter hölliſchem Jubelgeſchrei nieder. Ein ftei- 
nerned Kreuz, deſſen Inſchrift durch die Länge ber Zeit vermwittert 
ift, hart an der Mündung des Steinbaches in die Tauber joll die 
Stelle des graujamen Mordes bezeichnen. 


Gicbelftadt ift die Geburtsftätte Florian Geyers, des 
Anführer des fogenannten ſchwarzen Haufen im Bauern 
friege (ber andre Haufen der Bauern bieß der belle Haufen). 
Der erftere war befler organifirt und hatte tüchtigere Leute, Nah 
ber Schlacht zwijchen Giebelftadt und Sulzdorf mußte Florian Geyer 
mit dem Fleinen Reſt jeiner Leute die Flucht ergreifen, wurde aber 
Ihon 5 Tage darnach, am 9. Juni 1525 von jeinem eigenen Schwager 
Wilhelm von Grumbad auf dem fogenannten Speltig, einer 
waldigen Anhöhe unweit Hall überfallen, wo er mit den Seinigen 
im hoffnungsloſen aber ehrlihen Kampfe erlag. 

Bon den in der Schlaht bei Ingolſtadt nah Giebelſtadt 
verfprengten Bauern waren fieben, welche fih in ein Gebuſch im 
Schloßgraben verkrochen, wohin ihnen die bündiſchen Reiter nicht 
zu folgen vermodten. Dieje legteren riefen ihnen daher zu, dem: 
jenigen von ihnen, welder die andern ſechs erfteche, fol das Leben 
geichentt werden. Und in ber That war einer unter ihnen, ber 











433 


fünf der andern erftah. Mit dem ſechſten wurde er handbgemein 
und beim Ringen ftürzten fie in den Schloßgraben, wo beide er: 
tranfen, | 


Grabfeld bei Königshofen. 


Hungersnot im Grabfeld. 


Einft herrſchte im Grabfeld, das fonft eine jo reich gefegnete 
Gegend ift, (die Zeit wird von der Sage nicht angegeben) eine große 
Hungersnot. Die Bauern hatten weder Brod noch Korn und hau— 
fenweife verließen fie Haus und Hof, um in die Welt hinaus zu 
wandern. Da war denn nun ein Bauer, der mit feiner Frau und 
einem Knaben von 4 Jahren, auch vom Elend gezwungen, feine 
alte Heimat Thüringen aufzujuhen im Begriffe war. Unter— 
wegs kamen fie durch einen Wald, Alle drei wurden jo von ent: 
ſetzlichem Hunger gequält, daß der Vater den jchredlichen Entſchluß 
faßte, jeinen Knaben zu ſchlachten, um dem Hungertode zu entgehen. 
Schon hatte er, wie einft Abraham, das Mefjer gezüdt, als ein 
Wolf mit den Heberreiten eines geraubten Schafes in die Nähe fam, 
Diejem jagte er feine Beute ab und ftillte mit derjelben feinen 
und der Seinigen Hunger, worauf fie neugeftärkt weiterzogen, 


— 


Hafenlohr unterhalb Rotenfels. 


Der Trautberg. 


Zum Stiftungsgute des berühmten Kloſters Neuſtadt am Main, 
welches nach Ausweis der Stiftungsurkunde von Karl dem Großen 
geſtiftet wurde, gehört auch der Trautberg bei Hafenlohr, 
welcher von den Leuten der Umgegend nur mit einer gewiſſen Scheu 
betreten wird Nach der Volksſage hauſen in dieſem Berge die Ritter 


von der Tafelrunde und harren auf Erlöſung. Vor Jahren be— 
Sagenſchatz. 28 


434 


fand fih in Hafenlohr eine Knabe, welcher öfters Erjcheinungen 
diefer geifterhaften Ritter Hatte. Während des Schulunterridt3, 
wohl auch auf dem Schul und Kirchenwege, geriet er plößlich in 
eine Art Verzüdung, aus welcher er erft nad) einiger Zeit wieder 
zur Befinnung fam. Auf Befragen, was mit ihm vorgegangen jei, 
antwortete er: ed war mir, als würde ich in der Zuft fortgetragen 
in einen Wald — den Trautberg. Plötzlich öffnete fich dieſer Berg 
und ih wurde in mehrere prächtige Zimmer geführt. In einem 
derjelben jaßen zwölf Ritter in glänzender Rüftung um einen runden 
Tiih. Diefelben redeten mih an und eröffneten mir, daß bald 
ein großer Krieg entjtehe, wodurch das deutſche Reich befreit werde. 
Da dieje Mitteilungen das Intereſſe der geiftlihen und weltlichen 
Obrigkeit erwedten; jo wurden folche zu Protokoll genommen und 
die Akten beim Amtsgericht Rotenfel3 aufbewahrt. 


Haßfurt. | 
l. Des Bilchofs Iagd. 


(Von Ludwig Braunfels.) 


Ehedem pflegten die Biſchöfe als paflionirte Jäger des edlen 
Waidwerks. Zeuge davon find die fchönen Jagdſchlöſſer, welche 
fie fih in wildreihen Forjten erbauten, welche heute noch zu jehen 
find. So ging einft ein Biſchof auf die Hajenjagd und brauchte 
lange, bis fih ein Häslein ſehen ließ. Bis aber der Biſchof fein 
Jagdgewehr von der Schulter und zum Anſchlag bracte, hatte der 
flinfe Haje fein Heil in der Flucht gefucht. „Haſ' furt!” rief er 
jeufzend. Zum Denkmal an dies große Werk wurde das Städtchen 
Haßfurt erbaut. Und als er ſchon den Mut verlor, daß ihm 
ein anderer Haſe zun Schuß fomme, ſah er plöglich zwei Hafen: 
Löffel hinter einem riefigen Krautfopf hervorſchauen. In der Mein: 
ung, daß es derjelbe jei, der ihm vor wenigen Minuten entgangen 
jei, rief er hocherfreut: „Der is! der is!” Zum Denkmal für dies 
große Werk baute er das Klofter Theres. Da e8 am Tage 








Rn | a 


435 


der Jagd ſehr heiß war, und die eingeladenen Jäger einen großen 
Durst, wohl auch Hunger hatten, ſprach der Biſchof zu ihnen: 
„Seht heim!” Zur Erinnerung an dies große Werk baute er das 
Dörflein Gädheim. 


2. Der Beilterzug in der Ritteckapelle zu Kapfurt. 


In der Naht vor dem Georgistage (23. April) bewegt fich 
gegen Mitternacht aus der Ritterfapelle zu Haßfurt ein großer Zug 
von Nittern. Sie kommen in ihren blinfenden Stahlharniichen, 
mit Schild, Schwert nnd Speer und ziehen mit jaufendem Waf— 
fengeflirr in die benachbarten Eichenforfte des Steigerwalds, wo 
fie wie im Mittelalter, ein großes Turnier abhalten. Es find bie 
Kitter, deren Wappen in der Nitterfapelle in Stein ausgehauen 
zu erbliden find, Erſt beim Hahnenrufe kehrt der Zug in bie 
Kapelle zurüd und trägt in feiner Mitte die Krone des heiligen 
römischen Reich deutſcher Nation. 


Haßloch. 
Der KSaßlocher Meinbergsmann. 


Sn Haßloch bei Wertheim am Main wächſt bekanntlich ein vor- 
zügliher Wein. Bor vielen Jahren war einmal ein fo reiches Wein 
jahr, daß die Winzer nicht Fäſſer genug hatten, den reichen Wein: 
jegen unterzubringen. Ein Häder fuhr mit hellem Pferbegeflingel 
und übervollen Beerkuffen nah Haufe Da ftand am Wege ein 
Greis in Silberhaaren und bat um einige Trauben. Der geizige 
Winzer aber ſchwang die Peitiche, drehte fih herum und fuhr, 
ohne auf die Bitte des Armen zu hören, weiter. Da fluchte ihm 
der Greiß: „er möchte mit fammt feinen Trauben verſinken.“ So» 
fort öffnete fich die Erde und Winzer, Pferde und Kuffen waren 
im Nu verjunfen; aber auch der Bettler war nicht mehr zu jehen, 
Jedes Jahr zur Zeit der Traubenreife will der verfunfene Winzer 

28* 


436 


heraus und nach feinen Trauben jehen, knallt mit der Peitiche und 
bie Glöclein der Pferde Elingen jo belle aus der Erbe hervor, daß 
allen, die ed hören, das Herz voll Freude ſchlägt. Je Heller es 
Klingt, defto befjer wird der Wein. 


Heidingsfeld bei Würzburg. 


l. Das Synagogenwappen. 


Zu Heidingsfeld haben fih einmal die Juden eine Synagoge 
gebaut. Als diejelbe fertig war, wollten fie das SHeidingsfelder 
Stadtwappen daran anbringen, allein der Magiftrat, der die Juden 
nicht leiden konnte, unterjagte e3 ihnen. Da wandten fie fih an 
den damaligen Fürftbiihof von Würzburg und verflagten ihren 
Magiftrat. Der Fürft war gerade jehr gut gelaunt und befahl 
ihnen, fein eigene® Wappen an der Synagoge anzubringen. Der 
Fürft aber hieß Adam Frievrih von Seinsheim und führte 
in jeinem Wappen zwei Schweine. Bei der Einweihung der Sy: 
nagoge erflärte der Rabbiner die Schweine für fojcher und feit 
der Zeit jollen die Häßfelder Juden das koſchere Schweinefleifch 
jo gerne ejjen und alles, was daraus gemacht ift. 


2. Der Beidingsfelder Habel. 


Einft lagen die Heidingsfelder Bürger mit den Würzburgern 
im Streit. Die Heidingsfelder als Bürger einer böhmifchen Stadt 
wollten etwa vor den Würzburgern voraus haben und fuchten 
ihre Mundart vornehmer zu machen. So fol der Bürgermeifter 
dort einen diden Nebel, der über dem Mainthale lag, mit dem 
vornehmeren Nabel benannt haben. Wenn man nun beutzutag 
die Würzburger Kinder fragt: „Wie weit geht der Nebel?” fo 








437 


antworten fie: „bis Häßfeld, denn dort ift der Nabel.“ (Gleiche 
Volksſage von Lohr am Main). 


9. Das FSenermännlein und der Sciffer. 


(Ruttor.) 


Bor Alters kam einmal an’ Heidingsfelder Duerfahr ein 
feuriges Männlein und rief dem Schiffer, er jolle es hinüber nach 
Heidingsfeld fahren. Furchtſam und zitternd fuhr der Schiffer 
hinüber und fuhr das feurige Männlein in feinem Schelch (Kahn) 
über den Main. Als das Männlein ausftieg, wollte e3 dem Fährmann 
fein Fährgeld in die Hand geben; diefer aber ſagte, er folle es 
nur aufs Bänkle hinlege. Wie ber Fährer am andern Tag nad 
feinem Geld ſah, war es ein Golbftüd. 


Ingolſtadt im Ochienfurter Gau. 


Hiftoriih merkwürdig ift die große emtjcheidende Niederlage, 
welche die aufrühreriihen Bauern am 4. Juni 1525 zwiſchen 
Ingolſtadt und Sulzdorf erlitten haben, nachdem einige Tage vorher 
ein anderer Haufe der Bauern bei Tauberfönigshofen aufs 
Haupt geihlagen worden war. 

Der erjte Angriff von Seite der bündiſchen Truppen bei 
Sulzdorf geſchah jo unvermutet, daß die Bauern nicht mehr im 
Stande waren, ihre Reihen zu ordnen. 5000 Bauern murden 
erichlagen und da fie fih vor der Schlacht verabredet Hatten, 
feinen Pardon zu geben, jo wurde auch ihnen fein Pardon gewährt. 
So wurden auf Befehl des bündifhen Hauptmann? nad ber 
Schlacht 60 Gefangene niedergemadt. Die tapferften und kriegs— 
erfahrenften von den Bauern zogen fih in das Geyernfchloß zu 
Ingolſtadt zurüd, wo fie fih zwar tapfer zur Wehre ſetzten, aber 
ohne Erfolg. Bei der Einnahme diefes Schloffes blieben nocheinmal 
206 Bauern. 





438 


Karlburg. 


l. Die St. Iohannisnaht auf der Karlburg. 


Gegenüber dem freundlichen Städtchen Karlburg, das aud 
biftorifch berühmt ift, thront auf einem fteilen Felſen die Ruine 
der mehr als taujendjährigen von Karl dem Großen erbauten und 
feiner Schwefter bewohnten Karlburg. Dort blühte, einer duften: 
den Roſe gleih, ein Fräulein an Schönheit, Adel und Tugend 
gleih. Der Auf davon war weit und breit verbreitet. Da kamen 
denn einft zwei Ritter gezogen, um die jeltene ‘Perle zu werben. 
Da aber nur einer von ihnen der Begünftigte fein konnte, fo 
wurde der andere mit bitterem Groll erfüllt. Blutige Nahe im 
Herzen lauert er am Thore feinem begünftigten Nebenbuhbler auf 
und als diefer heraus tritt, fordert er ihn zum Zweikampfe auf 
Leben und Tod heraus. Wie Blite zuden die Klingen — ein 
Schrei — ein Fall — und der Süngling ftürzt getroffen in feinem 
Blut die zadigen Felſen hinunter. Darum macht aljährlih in 
ber Johannesnacht auf der Karlburg ein Zug die Runde durch die 
öden Ruinen, Ein Leichenzug geht ftil und ſtumm mit des Süng- 
lings Sarg in der Burg herum. 


2. Der Kaiſerzug auf dee Karlburg. 


Bon der einit jo ftolzen Karlburg fteht nur noch eine Fable 
Wand mit leeren Fenfterbrüftungen. Kaiſer Karl hielt fih da bei 
jeinen Mainfahrten auf und verwahrte feine reihen Schäße. 

Jedes Yahr einmal und zwar in einer Vollmondnacht des 
Monat Mai erftehbt die Burg in neuer Pracht. Kaifer Karl 
fommt mit jeinem Gefolge den Main herab, und in vollem Prunk 
begibt fih der Kaiferzug um Mitternacht nach der Burg. Dort 
figt der Kaifer auf feinem Throne und hält Gericht über feine 
Vajallen. Sobald aber der Hahn kräht, bricht der Zug wieder 





439 


auf, die Geftalten verfchwinden und die Burg erſcheint wieder 
in ihrer nadten öden Geftalt, ein trauriges Denkmal entſchwundener 
Fürftengröße und Herrlichkeit. 


8. Die Bertraudenkapelle. 
(8. 3. Freiholz.) 

Bon der Tochter des fränfiihen Königs Pipin, die auf ber 
Karlburg wohnte, erzählt die Sage, daß jie in der Nähe ihrer 
Burg eine Kirche habe bauen lafjen. Um fih von dem Fortgang 
des Gotteshausbaus durch eigenen Augenfchein zu überzeugen, habe 
fie fih oft zu Fuß dahin begeben. - Einftens als der Sonne 
Strahlen heißer ſanken auf die Flur, fühlte fie des Durftes bittre 
Dualen. Doch nirgends war ein kühler Schatten, nit ein Duell, 
der Labung bot. Kaum war fie noch im Stande, den Wanderftab 
zu halten. Bittenden Blides jchaut fie zum Himmel empor, da 
fpringt plöglih aus der dürren Erde ein frifher Quell hervor. 
Nicht nur labt heute noch die Elare Duelle den durftigen Wanderer, 
fondern ihr Waller ſoll auch manden Kranken Heilung geben. 


4. Die Kirfhen von Karleburg. 


E3 war an einem heißen Yulitage, als ein Handwerksburſche 
den Weg ging, welcher auf dem linfen Mainufer von Mühlbach 
nad Karleburg hinab führt. Er trug ein ſchwer bepadtes Felleijen 
auf dem Rüden, bide Schweißtropfen rannen ihm von der Stirne 
und die Zunge Elebte ihm vor Durft an dem lechzenden Gaumen. 
Es war ein Freitag Nachmittag und allenthalben waren am Wege 
Leute beichäftigt, Kirichen zu pflüden, welche am andern Tage auf 
den Markt nah Würzburg gebracht werden jollten. Der Hand: 
werksburſche kam von Würzburg, wo er Arbeit zu erhalten gehofft, 
aber feine gefunden und jeine legten paar Kreuzer für Zehrung 


440 


und Nachtlager ausgegeben Hatte. „Herr, ſchenkt mir eine Hand 
voll von euern Schönen Kirichen, denn ich bin jo durftig, wie ein 
von Hunden gehektes Wild!” bat er einen behäbigen Bauern, 
der am Wege Kirfchen pflüdte, „Du dauerft mich in der Seele“ 
erwiderte mit erheucheltem Mitleid der Angeredete „doch wirft du 
befjer daran thuen, dih an meinen Nachbar bort zu menden, 
deſſen Kirfchen füßer und ſaftiger find, als die meinigen.“ Mit 
diefen Worten drehte er fih um, indem er dem Bittenden ben 
Nüden zeigte und ihm feine weitere Beachtung mehr ſchenkte. Von 
diefem Hohne fchmerzlich berührt, ging der Bittende zum nächiten 
Ader, wo er bei einem andern Bauer in beicheidenem und fittfamen 
Tone feine Bitte wiederholte. „Meint du, ber liebe Gott ließe unire 
Kirihen dazu wachſen, daß wir fie an hergelaufene Stromer und 
Zandftreicher verſchenken? Pade dich und verfuche dein Glück anders: 
wo!” Abermals ging er enttäujcht weiter an den nädhften Acer wo 
eine Frau ebenfalls mit Kirichenpflüden beichäftigt war, Wielleicht 
mochte er wohl denfen, bat diefe ein bejjeres Herz und mehr Gefühl 
und bradte feine Bitte abermals vor, Allein fie erwiderte: „Wir 
armen Bauersleute müfjen gar jchwere Steuern zahlen und unjer 
Rentamtmann in Karljtadt fragt nicht darnah, woher wir das 
Geld nehmen. Sei Gott befohlen und zieh nur immer Deines 
Weges!" Mit namenlofem Weh und unjagbarer Bitterfeit im 

Herzen über die Lieblofigkeit und Härte diefer Menjchen, welche 
einem faſt verſchmachtenden Wanderer nicht einmal ein paar Kirſchen 
gönnten, jeßte er jeine Wanderung fort. Hochauf bob er feine 
Hand mit dem Wanderftab gegen die Bäume und rief mit weithin 
Ichallender Stimme: „So mögen denn eure Bäume verflucht fein für 
immer und ihre Früchte dem Wurme verfallen!” Und fiehe, diejer 
Fluch erfülte fih. Noch Heute follen die SKarleburger Kirfchen 
wurmig fein und auf dem Marfte gejcheut werden, während die 
Karlftadter Kirihen vom gegenüber liegenden rechten Mainufer 
Lob und Preis haben. 





441 


Karlshöh im Speflart. 


Der Schaf auf der Karlshöhe. 


Auf der Karlshöhe im Speflart ift ein Platz, den man die 
Schaßgräberei nennt. Hier find eine filberne Glode und 
unter derielben ein großer Schaß vergraben. Eine Nonne ift jchon 
oft ala Gefpenft auf dem Plage und deſſen Umgebung geſehen 
worden. Zu einem Köhler, der in der Gegend Kohlen brannte, 
fan fie heran, zeigte ihm einen großen Schlüfjel, den fie in der 
Hand trug und gab ihm durch Zeihen und Winfe zu verftehen, 
ihr zu folgen. Der Köhler aber, von Angft erfüllt, blieb in jeiner 
Hütte zurück, worauf fih der Geift, fihtbar traurig, hinweg begab. 
Schon mehrmald haben Leute der Umgegend nah dem Schaß ge: 
graben, aber jedesmal vergeben?. 


— — — —— — — 


Kitzingen. 
J. Die Grändung der Stadt Kitzingen. 


(Bon Dr. Zöllner.) 


Es war in einer jchwülen Septembernadht de3 Jahres 746. 
Da ſaß Adelhaid, des Königs Pipin Töchterlein an einem Fenfter 
des Schloſſes Shwanen: oder Shwamberg und blidte in 
die hell vom Vollmond bejchienene Gegend. Ihre Blicke waren nad) 
dem Städtchen Iphofen gerichtet, denn dort haufte der Ritter Karl, 
dem fie in glübender Liebe ihr Herz geichenkt hatte. Täglich bei 
eintretender Nacht ftellte er fich unter Adelhaids Fenfter ein, doch 
heute fam er nicht. Immer dunkler wurde die Naht. Sie jang 
ein ernjtes Lied und fpielte dazu auf der Leier; aber der Heißer: 
fehnte erjchien immer nicht. Umſonſt juchten die fie umgebenden 
Edelfräulein fie zu tröften. 

Endlid um Mitternacht erjchien der Ritter Karl und erzählte 
der Harrenden, wie er in Marktfteft geweſen, wo ein munteres Völk— 


442 





lein jein erftes Kirchweibfeft gefeiert, wie er dort in einem ritterlichen 
Turniere den erjten Preis davongetragen und aus den Händen der 
Ihönften Dame empfangen habe, auch der Ehre gewürdigt worden 
fei, die Holde zum Tanze zu führen. Darob regte fich im Herzen 
der Königstochter der Stachel der Eiferfuht. Auch der König Pipin 
ſchwur in jeinem Zorne, nie jolle der Verräter hoffen, die reine 
Hand der Prinzeffin zu erhalten. Traurig zog ſich der Ritter Karl 
auf feine Burg zurüd nnd hatte nur noch den einzigen Troft, nad 
dem Berg zu bliden, wo die Teuerfte feines Herzens wohnte. Trau: 
tig ging auch für Adelhaid am andern Tag die Sonne auf. Der 
Sturm der Leidenihaft hatte fich gelegt, e8 war alles fo öde, aber 
der Zorn des Vaters vernichtete jede Hoffnung. Sie entihloß ſich 
daher, ein Klofter zu gründen und jelbft als Nonne in dasjelbe ein: 
zutreten. Die Auswahl des Platzes ftellte fie der Fügung des Himmels 
anheim. Deshalb warf fie von der Zinne ihrer Burg einen Hand: 
ſchuh Hoch in die Luft. Wo er gefunden wurde, da wollte fie ihr 
junges Leben vertrauern. 

Am Saume eines Waldes wohnte ein Zäger, Namens Chie;. 
Dieſer fand den Handſchuh, hielt ihn aber für einen im Lager 
ihlafenden Hafen und ſchoß auf ihn, jo daß er ganz durchlöchert 
war. So überreichte er ihn der Prinzeflin. Ihrem Gelübde ent: 
Iprechend baute Adelhaid das jpäter jo berühmt gewordene Nonnen: 
kloſter, in welchem fie fi unter dem Namen Thekla als Aebtiffin 
weihen ließ. Das Klofter nannte fie nad dem Namen des Jägers 
Kitzingen. Bald gefellten fih andere fromme Jungfrauen zu ihr, 
um das Kloſter fiedelten fih Handwerker, Bauern und andere Leute 
an und fo entitand im jahre 745 das Städtchen Kigingen. Als 
Ritter Karl die fchredliche Kunde erhielt, daß Adelhaid für ihn auf 
ewig verloren fei, fiebelte er fich mit mehreren Getreuen auf dem 
linfen Mainufer an und nannte den Drt, zum Beweiſe, daß ihm 
Aebtiſſin Thella, die Geliebte feines Herzens, auch ald Nonne noch 
etwas gelte, Etwashaujen. Bon der Klofterfiche zu Kitzingen 
jol unter dem Main bindurh ein unterirdifher Gang in die Kreuz: 
fapelle zu Etwashaujen geführt haben. 





443 


% Schaf bei Kitzingen. 


Eine Frau von Kikingen jah auf dem Felde zur Nachtzzeit 
einen Haufen glühender Kohlen. Ahnend, daß es ein Schaf jei, 
füllte fie die Kohlen in ihre Schürze. Da erblicdte fie ihren längſt 
abweſenden Bruder über das Feld herfommen. In der Freude ihres 
Herzens, die fie nicht zu unterdrüden vermochte, rief fie: „Heinrich! 
wo fommft du her?“. In demſelben Augenblide waren Schaß und 
Bruder verſchwunden. 


Knetzgau bei Eltmann. 
Das Grab der Liebenden. 


Kuno von Haßberg galt mit Recht weit und breit als einer 
der mädhtigften Herrn aus ber fränkiſchen Ritterſchaft. Da veran- 
ftaltete er einft zur Feier des jechzehnten Geburtstages jeiner hübjchen 
Tochter Minna ein feftliches Jagen. Auch Minna nahm auf einem 
prädtig geſchmückten Zelter Teil daran. Unverſehens war fie beim 
Berfolgen eine® Hiriches von dem Gefolge abgefommen. Nach 
langem Hin: und Herrennen ftieg fie ermüdet vom Pferde, um auf 
einem mosbewachſenen Plägchen ein wenig auszuruben. Da kracht 
e3 plößlih in den Zweigen und ein gewaltiger Eber (Wildſchwein) 
nahte fih dem erjchrodenen Fräulein. Entſetzt rief fie um Hülfe. 
Noch ein Augenblid, jo hätte fie der Eber mit feinen furchtbaren 
Hauern getötet. Da jchwirrte ein Jagdſpeer durch die Luft, von 
ftarfer Hand gefchleudert, und die Beftie röchelte in ihrem Blute, 
Ein Ebdelfnappe ihres Vaters, Adolf mit Namen, war der Retter 
ihres Lebens. Noch lag Minna ohnmächtig am Boden. Adolf richtete 
fie auf und Blide des innigften Dankes begegneten ihm. Bon dieſer 
Stunde an war zwijchen beiden ein ftiler Bund geſchloſſen. Minna 
hielt e8 für eine Sünde, einem Andern, als ihrem Lebensretter ihre 
Hand zu reihen. Lange Zeit blieb diejes innige Verhältnis den 
Augen der Welt verborgen. Einmal bei einem Fejtmahle kam es 


444 


zu Tage, als das Ebelfräulein mit Hintanjegung anderer Ritter 
dem Edelknappen untrügliche Beweile ihrer Zuneigung gegeben hatte. 
Kaum gelangte die Kunde davon zu den Ohren ded Baters, als 
der unglüdliche Edelfnappe jofort aus der Burg des Vaters ver: 
ftoßen, Minna aber auf einige Wochen in die Haft ihres einſamen 
Kämmerleins verwiefen wurde, um ſich die fträflichen Gedanken aus 
dem Sinne zu fchlagen. Indeſſen Hatte die Strenge des Vaters 
nicht3 beffer gemacht. Die beiden Liebenden fanden Gelegenheit zu 
heimlichen Zufammenfünften, aber auch der Vater erhielt Kenntnis 
bievon. Um fo mehr beeilte er fich, jeine Tochter Minna mit einem 
ebenbürtigen Ritter zu vermählen. Als der Tag der Vermählung 
herangelommen war, wurde das Edelfräulein mehr tot al3 lebendig 
in die Burgfapelle geführt und ihre Hand in die Rechte des Bräu- 
tigams gelegt. Leichenblaß verließ fie den heiligen Ort. Während 
des Feftmahles fand fie Gelegenheit, fih unbemerkt zu entfernen, eilte 
auf die hohe Zinne der Burg und ftürzte fich hinunter. Auf Die 
Kunde ihrer Verlobung Hatte ſich Adolf in die Nähe der Burg ge— 
ſchlichen, um jeine Geliebte wenigftens noch einmal zu jehen oder von 
ihr begrüßt zu werden, fand aber ihren zerjchmetterten Leichnam 
in einer Lache von Blut. Wilde Verzweiflung erfaßte ihn. Noch ein: 
mal umarmte er die furchtbar entjtellte Leiche und drückte einen langen, 
legten Kuß auf ihre falten erftarrten Lippen, dann ftürzte er ſich, um 
wenigſtens mit ihr im Tode vereint zu jein, in jein eignes Schwert. 
Als der Vater die jchredliche Nachricht erhielt, fiel er vor Schreden 
tot zu Boden, mit ihm ftarb der letzte Sprofje eines berühmten 
Geſchlechts. Die beiden Liebenden wurden in ein gemeinfames Grab 
gebettet und ihnen im Tode gewährt, was ihnen im Leben verjagt 
war. Heute noch wird eine Stelle als das Grab ber Liebenden 
bezeichnet. 





445 


Lengfurt. 


Die Kettung des Grafen Michael von Meriheim. 


Graf Michael von Wertheim lag, wie dies im Mittelalter fo 
oft vorfam, mit mächtigen Feinden in Fehde. Lange Zeit war ihm 
das Kriegsglüd in Heinen Gefehien und Scharmüßeln günftig,. heute 
aber im Enticheidungsfampfe jollte fich dag Blättlein wenden. Mitten 
im Kampfe ergriffen die Reißigen des Grafen die Flucht, der Graf 
allein wollte nicht weihen und fam endlich in Gefahr, von den 
Seirigen abgejchnitten und von feinen Feinden umzingelt und ge— 
fangen zu werden. In diefem entjcheidenden Augenblide machte er 
fih durch wuchtige Schwerthiebe Luft und entkam noch zu rechter 
Zeit durch die Schnelligkeit feines Pferdes dem Gedränge der Feinde, 
die ihn bis an die Thore von Lengfurt verfolgten. Leider fanden 
fie diejelben gefhloffen, er beſann ſich indeß nicht lange, ftieg auf 
jeinen Schimmel und ſchwang fih mit einem kühnen Sabe über 
die Mauer. Drüben ſah ihn ein Lengfurter Bürger mit nicht ge— 
ringer Verwunderung auf diefem feltfamen Wege in das Stäbtlein 
einrüden. Der Graf gab ihm ſchnell zu verftehen, welches Geſchick 
ihn heute betroffen habe, wie ihm jeine Feinde auf den Ferfen 
wären und er jolle ihm, wo er nur wäre, zu einem Unterfommen 
verhelfen. Nun mußte der Lengfurter in feiner Beftürzung feinen 
andern Rat, als der Herr Graf möge im Stalle bei den Pier: 
füßlern Quartier nehmen. In diefem BVerfted würden ihn feine 
Feinde gewiß nicht juchen. Geſagt, gethan. Kaum waren einige 
Minuten verfloffen, da kamen auch ſchon die Feinde des Grafen 
angeiprengt. Auf ihre Frage, ob nicht eben einer durch Lengfurt 
oder vorbei gefommen, wußte der Bürger guten Beſcheid. Er babe 
allerdings einen ftattlihen und mwohlgerüfteten Reiter in den Wert: 
beimer Farben durchreiten jehen, derjelbe habe aber den Main durch— 
ſchwommen und jei am jenjeitigen Ufer verſchwunden. „Hätte ich 
gewußt, daß ich euch zu Nutzen jein könnte, fo hätte ich das Vög— 
lein gefangen.” Darüber erzürnten fich die Kriegsleute gar fehr, 
Ihhalten ihn wegen feiner bewieſenen Dummheit und prügelten ihn 





446 


wader durch, was der gute Zengfurter für feinen Herrn tapfer er: 
duldete. 

Des andern Tags, als die Feinde in Lengfurt arg gehauſt 
hatten und mit großer Beute beladen abgezogen waren, eilte der 
Lengfurter an ſeinen Stall, riß die Thüre auf und verkündigte dem 
Herrn Grafen, daß er gerettet ſei und aus ſeinem Verſteck hervor: 
kommen könne, Da umarmte der Graf jeinen edlen Retter. Da: 
rauf fam Alt und Yung aus dem Orte zufammen und freute fid 
ihren Grafen und Herrn jo wohlerhalten zu feben. Der Graf 
gebot, die Familie feines Netterd in Zukunft „Die Frommen“ 
zu benennen und verlieh ihnen ein Wappen. Endlich follte die 
Familie für alle Zeiten von jeglichen Abgaben befreit fein. An 
der Thüre des Hauies ließ der Graf fein eignes Wappen anbringen. 
Darauf ließ er ein fröhliches Feſt veranftalten, an welchem ganz 
Zengfurt Teil nehmen mußte. An ber Stelle, wo der Graf mit 
jeinem Pferde über die Mauer jegte, wurde ein Denkftein angebradt. 


Lohr am Main. 


l. Die Treutleinsüpfel. 


In einer alten handſchriftlichen Chronik von Lohr wird erzählt, 
es hätten alljährlich zu Lohr in der heiligen Chriftnacht drei Bäume 
in der Nähe der Stabt Blüten und Früchte getragen. Einer diejer 
Bäume ftand am Mege zur Kälberwiefe, ein anderer auf einem 
Grasplage bei der Papiermühle und der dritte am Weg zur 
Balentinusfapele. Die Treutleinsäpfel wurden auf dem Schnee 
liegend gefunden. Um der Sage auf den Grund zu fommen, ftellte 
man einmal Wahe an die Bäume, da trugen dieſelben weber 
Blüten, noch Früchte, während folche im nächſten Jahre, da man 
jie unbewacht ließ, wieder Blüten und Früchte trugen. Im Sabre 
1680 wurde über die Sache nah Würzburg berichtet, worauf von 
Seite des Jeſuiten-Collegiums, ſowie vom Stlofter zu Neuſtadt 
Prieſter zur Unterſuchung abgeſandt wurden. 


447 


Ueber da3 Ereignis dieſer Unterfuchung wurde aber in der 
Deffentlichfeit nie etwas befannt. 


2. Beltcafte Unbarmherzigkeit. 


In der Amtskellerei zu Lohr war eine Frau, welche jene 
Armen, die vor ihrer Thüre bettelten, mit den harteften Schimpf- 
worten binmweg jagte und die Weberrefte von den Mahlzeiten ftatt 
den Armen den Schweinen zu geben befahl, Als nun dieje hart: 
berzige lieblofe Frau geftorben war, da bemerfte man, daß da, wo 
ſechs Schweine gefüttert wurden, plötzlich auch ein fiebentes mit fraß. 
Bald wurde e3 in der Stadt ruchbar, daß die verftorbene Amts: 
fellerin für ihre beijpielloje Härte und Unbarmberzigfeit mit den 
Schweinen freffen müfle. Auch fpufte es fonft in der Amtsfellerei. 
Die beftürzten Hausbewohner wandten fih an den frommen alten 
Herrn Dechant. Bon diefem, welcher mit dem Befprechen der Geipenfter 
und böjen Geifter umgehen fonnte, wurde die arme Seele in einen 
Efiigkrug gebannt und diejer in die „Dunkel“ gebracht, worauf 
Ruhe im Haufe war. 

In die Dunkel bei Rechtenbach wurde auch der alte Hirſch— 
wirt von Lohr gebracht, welcher bei jeiner Beerdigung oben zur 
Dachbodenlucke heraus ſah, während unten auf dem Marftplaß die 
Zeidtragenden verſammelt waren. 


3. Die Hexenftübcen. 


Auch in der Stadt Lohr hielten die Herenprozelfe ihren Ein: 
zug und insbejondere waren es alte Weiber, denen durch die Folter, 
Daumenjhrauben 2. das Geftändniß ihrer Schuld abgedrungen 
wurde, Die Akten über die Hexenprozeſſe in alter, faft unlejer: 
liher Schrift geichrieben, wurden in der Negiftratur des Kath: 
hauſes aufbewahrt und der Verfafler diejes hat als Knabe oft aus 








448 


Neugierde in den vergilbten balbverfaulten Blättern berumgeftöbert. 
Während der Unterfuchung bis zur Erefution wurden die der Hererei 
Beichuldigten in zwei Räumen untergebradt. Der eine befand ſich 
unter der NRathausftiege, in welchem ſpäter das Kehricht gelammelt 
wurde. Der andere Raum befand fi unter dein Rathhaufe, war 
mit einem dicken eifernen Gitter verjehen und gegen den Markt: 
plag offen. Später mußten in diefem NRaume jene Knaben ihre 
Strafe abbüßen, welche wegen Schulabjenten bejtraft worden waren. 
Die Heren wurden auf mächtigen Scheiterhaufen verbrannt. 


Lohr bei Ebern. 


Beltrafte WMWucherer, 


Im Walde von Lohr, Antsgericht3 Ebern laſſen fih zu Zeiten 
zwei Bauern fehen, welche auf dem Boden unter dem Laube emfig 
etwas zu juchen jcheinen. Es find die Geifter von zwei Bauern, 
weldhe in einem Hunger: und Tenuerungsjahre ihr Getreide um 
ungebenere® Geld verkauften und es bier im Walde vergruben. 
Zur Strafe für ihren Wucher müſſen fie umgehen bis zum jüngften 
Tage, müſſen fich aber zur Warnung für andere Wucherer von Zeit 
zu Beit fehen laſſen. 


Maingrund. 
l. Die Peſt oder der ſchwarze Tod im Maingeunde, 


Im Jahre 1356 wütete in ganz Franken die große Peft, der 
Ihwarze Tod, auch Würgengel genannt, welche furdtbare Krank: 
beit beſonders in den Ortſchaften des Mainihald mwütete, wo fie 
zahlreihe Dpfer jeden Alters und Geichleht3 aus allen Ständen 
oft nur nach einigen Stunden hinmwegrafften. Im Dorfe Haßloch 
jollen nur noch drei Bewohner übrig geblieben fein, welche fih nad 


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449 


Beftenhaid flüchteten. In dem Dorfe Eichel folen nur fieben 
Männer übrig geblieben fein, welche abends zufammen kamen und 
fih mit dem jogenannten Mühlſpiel unterhielten, um fich ihrer 
trübjeligen Erinnerung zu erwehren. In Kreuzwertheim ftarb 
die Bevölkerung bis auf acht Perſonen aus, welche dad Vermögen 
der DVerftorbenen unter fich theilten und deswegen zu großem Reich— 
tum gelangten. Man nannte fie die Ahtherrn. Zum Andenken 
an dieje große Not erhielten fie den Brauch, alljährlih in den 
Wald zu ziehen und den jchönften Baum zu fällen, den fie ver- 
fauften und den Erlös verjubelten. 

Aus jener Zeit ftammen viele Bittgänge, welche die Gemeinden 
verlobten, um Gott zu bitten um Beendigung der fchredlichen 
Sterblichkeit, fpäter um Gott zu danken für die Erhörung ihrer 
Bitten. So mwallten die Bewohner der Stadt Lohr entweder auf 
den Balentinusberg oder in das Klofter Maria Buchen. 


2. Der BDeltoogel. 


Als die Veit Tange im Maingrund gewütet hatte und Taufende 
von Menſchen jeden Alters, jeden Geſchlechts und jeden Standes 
binweggerafft Hatte und fein Mittel gegen dieſes furdhtbare Uebel 
mehr belfen wollte, wanfte der letzte Mann fieh und elend dur 
die ftillen, öden, mit hohem Gras bewachſenen Gafjen feines Dorfes, 
Auf einmal ſah er auf dem Giebel eines benachbarten Hauſes 
einen Vogel von jeltiamem Ausjehen, wie er in feinem Leben noch 
feinen gefehen hatte. Füße und Schnabel waren ſchwarz, der übrige 
Körper jchneeweiß. Der Vogel fing aber an zu fingen, eigentlich 
mehr zu ſprechen: „Wiefenbimpernell heilt die Krankheit fchnell.“ 
Diejer Ruf Hang wie ein Hoffnungsftrahl vom Himmel in die Seele 
des Mannes. Sogleich raffte er feine letzten Kräfte zufammen, ging 
hinaus auf die nächſten Wiefen und fuchte jo lange, bis er das 
Kräutchen gefunden hatte. Bald war er mit Gottes Hülfe genejen 


und da er auch den Leuten der Umgegend das genannte Kräutchen 
Sagenſchatz. 29 


450 


empfahl, jo war bie fchredliche Krankheit bald aus dem Mainthal 
verschwunden, 


Marttbreit. 


Der Lindwurm zu Marktbeeit. 


Am Rathaus zu Marktbreit ift ein Lindwurn abgebildet, wie 
er von dem Ritter Sankt Georg getötet wird. Im Stadtgraben 
von Marktbreit Tag ein ſolches Ungetüm und forderte alle paar Tage 
ein Menſchenopfer. Kein Menſch getraute fich, den Kampf mit ihm 
zu wagen, bis endlich ein fremder Held, der feinen Namen und jeine 
Heimat nicht offenbarte, das Ungetüm erlegte und die Stadt von 
demſelben befreite. 


Miltenberg. 
Die Rielenfäulen. 


Bei Miltenberg oder Kleinheubah auf einem Gebirge im 
Wald liegen neun große gewaltige fteinerne Säulen, welche Rieſen 
zugerichtet hatten, um über den Main eine Brüde zu bauen. So 
haben wenigſtens die ältejten Leute ihren Kindern und Enkeln er: 
zählt. 


Münnerftadt. 
Der blaue Storch. 


Bor Zeiten, al3 die Umgegend von Münnerftabt noch mit 
dichten Wäldern umgeben war, hielt fih in ber Nähe des diden 
Thurmes ein blauer Storch auf. Mit diefem Vogel hatte e8 eine 
eigene Bewandtnis: ehrlichen Leuten war er ein treuer Führer; 
fam aber einmal ein Dieb oder Spigbube des Wegs, jo zwadte 
er ihn gewaltig in die Hand. Einmal gingen zwei brave Kinder 
in den Wald, um Erdbeeren zu juchen. Ermüdet legten fie ſich 


— 
»i 


451 


nieder und fhliefen ein. Ihnen legte der blaue Storch Goldperlen 
in die Hände, Beſonders war er ein guter Freund eines Einfiedlers, 
welcher beim diden Thurm feine Einfiedelei oder Zelle hatte. 
Eines Tages fand man ihn mit auögebreiteten Flügeln tot auf 
dem diden Thurm liegen. 


Neuſtadt am Main. 


I. Der Klofterf hat im Breitenftein. 


Im 3Ojährigen Kriege flüchteten Benebiktiner bes Kloſters 
Neuftadt ihre Eoftbaren filbernen Kirchengeräte als Monftranzen, 
Kelche, Rauchfäſſer, Speiſekelche u. |. w., um joldde vor der Habſucht 
der raubgierigen Schweden zu hüten, an verichiedene Orte. Gie 
ließen durch einen Maurer ein unterirdiſches Gewölbe errichten. 
Damit er den Drt nicht verraten könne, wurde er mit verbundenen 
Augen bin und wieder weggeführt. Eine ganze Fuhre folcher 
Koftbarkeiten wurden in ben Klofterwald gefahren und zur Nachtzeit 
von Kloftergeiftlichen vergraben und zwar da, wo die MWaldabthei- 
lungen Hundshütte und Breitenftein- aneinander grenzen. 
Dem Fuhrmann wurden die Augen verbunden und der Wagen 
auf einem andern Wege nah Neuftadt zurüdgefahren. Dort liegt 
nun der Klofterfha vergraben. Leute, die einen Erdipiegel haben, 
ſahen ihn 5 Meter tief unter der Erde. Alle Verſuche, den wert- 
vollen Schatz zu finden und zu heben, find fruchtlos. Oft ſchon 
jollen Holzhauer beim Graben von Stöden auf einen großen vier: 
edigen Stein gefommen fein, aber jobald fie mit Andern vedeten 
oder jpäter wieder in den Wald gingen, um den Stein zu juchen, 
fanden fie ihn nicht wieder. Des Nachts wurde dort ſchon ein 
ichwarzgefleideter Mönch gejehen, der in der einen Hand ein Buch, 
in ber andern einen Bund großer Schlüfjel hatte Ganz in der 
Nähe des Breitenfteing gegen Lichtenau zu, wurde zu Ende des 
18. Jahrhunderts aus Furcht vor dem Einfall der Franzojen der 

| 29* 


nn, in 
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452 


gefammte wertvolle Schmud der Muttergottespfarrfirche von Afchaffen- 
burg verborgen ; derſelbe ſoll aber bis heute noch nicht wieder zurüd- 
gefommen fein. 


2. Die Heuftadter Glocke. 


In dem untern Kirchturm der ehemaligen berühmten Benebif: 
tiner Abtei Neuftadt am Main befand ſich bis zum Brande derjelben 
im Sabre 1857 (dur einen Bligftrahl verurfacht) eine uralte 
Glocke, welche die Jahrzahl 1289 trug. Das Klofter jelbft war 
von Karl dem Großen mit jenem Teile des Speſſartwaldes dotirt, 
welcher nun dem erlaudteiten Fürften von Löwenftein : Wertheim 
gehört. Aber die adeligen Schußvögte des Klofter3 riffen, vom 
Fauftreht begünftigt, einen Teil vom Klofterwald um den andern 
an fih, machten fih unabhängig vom SKlofter und eigneten Die 
Burg Rotenfels, welche auf klöſterlichem Grund und Boden erbaut 
und ein Lehen der Abtei Neuftadt war, dem Hodftift Würzburg 
als Amtsfig zu. Wiewohl das Klofter Neuftadt den Waldbeſitz 
jo gering actete, daß es um den Beſitz einer Kugelbüchie einen 
ganzen Wald, (der heutigen Tags noh Büchſenſchlag Heißt), 
austauichte,. jo machte e8 doch jederzeit feine Anſprüche gegen das 
Hochſtift Würzburg geltend und erregte dadurch den hochgradigen 
Groll desſelben. Diefe mußten ſich dafür nicht beifer zu rächen, 
als daß fie die Thurmgloden vernagelten, jo zwar, daß durch den 
Boden der älteften Glode ein eiferner Nagel geſchlagen war. 
Deflenungeadhtet war das Geläute der alten Abteifircche bis zum 
großen Brande bderjelben das ſchönſte und harmoniſchſte im ganzen 
Mainthal*). 

*) Wer fich für die hochintereſſante Gefchichte der mehr als taufend- | 
jährigen Benedikftiner Abtei Neuftadt interefjirt, wird auf die Geſchichte 


derjelben von dem hochwürdigen Herrn Pfarrer Link in Neuftadt am 
Main, verlegt von %. Staudinger in Würzburg, aufmerffam gemadt. 





453 


3. Die Honnen im Lömwenfteiner Wald. 


Eine halbe Meile feitwärts von Efielbach beginnt der Wildpark 
Seiner Durchlaucht, des Herrn Fürften von Lömwenftein, der dort 
mehrere Jagdſchlöſſer befikt, eines jchöner als das andere gelegen, 
als: Silvan, Aurora, Diana, Karlshöhe. In jenem Thale, das 
von der Karlshöhe zum Lindenfurter Hof führt und von der 
Hafenlohr durchfloſſen wird, find ſchon öfters Nonnen gejehen 
worden. Unweit ber Hafelbrüde erblidte einft ein Mann eine 
weiß gefleidete Nonne mit einem Bund Schlüffel in der Hand. 
Sie winkte ihm mit der Hand und gab ihm dadurch zu verftehen, 
ihm zu folgen. Er that es auch, allein die geheimnisvolle Erſchein— 
ung jeßte ihn jo in Angft, daß er fie bald wieder verließ. Einft 
übernachteten zwei Sagbliebhaber im Spefjart. Auch diefen begeg: 
nete nächtlicher Weile die gejpenftige Nonne. Der eine der Jäger 
erihrad über die Erſcheinung jo ſehr, daß er die hinfallende 
- Krankheit befam, an welder er nach einiger Zeit ftarb. 


Oberſchwarzach. 


Nicht weit von Oberſchwarzach, im Bezirksamt und Amtsgericht 
Gerolzhofen, liegen die Ruinen der Burg Stolberg. In der: 
felben lebte ein wunderjchönes Edelfräulein, Adelgunde mit Namen, 
welche mit einem tapferen Ritter verlobt und mit dem Kaiſer 
Friedrih Barbaroſſa als Kreuzritter nach Paläftina gezogen war. 
ALS fie nach mehrjähriger Abwejenheit desjelben die ſichere Kunde 
von jeinem Tode erreichte, beſchloß fie, feinem anderen Ritter die 
Hand zu reihen, fondern den Schleier zu nehmen (Nonne zu 
werden). In dem Augenblide aber, wo fie eingefleidvet wurde, 
fiel fie, von einem Herzſchlag getroffen, entjeelt zu Boden. 





454 


Ochſenfurt. 
l. Der Schmied von Bcfenfurt. 


Der jugendliche Conradin von Hohenftaufen war von der Burg 
Hohenſchwangau aus nach Stalien gezogen, um dort ein Erbland 
in Befig zu nehmen. Sein Heer wurde von Carl von Anjou 
befiegt, er jelbft aber gefangen genommen und enthauptet. Ein 
junger Schmied von Ochjenfurt, die Sage nennt ihn Stod, war 
nach Stalien gereift, um fih dem Heere Conradins anzujchließen. 
Gr fand aber nur ein beftürztes Heer, durch dejjen Reihen bie 
Nachricht von der Gefangennehmung des unglüdlihen Gonradin 
lief. Da er nun demſelben ähnlich ſah, wie ein Ei dem andern, 
jo hielt ihn das Heer in der That für Conradin und veranlaßte 
ihn, fih an die Spike des führerlojen Heeres zu ftellen. Der 
junge Schmied, durch die Umftände dazu gezwungen, that es und 
führte das geichlagene Heer über die Alpen. Dort angelommen 
ließ er am Fuße der Alpen das Heer zur Mujterung aufftellen, 
gab fich dem Heere zu erkennen und kehrte dann in feine Baterjtadt 
und zu feinem Gejchäfte zurüd 


2. Die MWolfgangskirhmweih oder das Sratwurſtfeſt. 


Dasjelbe wird am zweiten und dritten Pfingfttag gefeiert 
und war jeit dem Sabre 1464 eine blos kirchliche Feier. Am 
dritten PBfingftfeiertag kamen die Bauern aus dem Ochſenfurter 
Gau geritten und umkreiſten die St. Wolfgangsfirche dreimal mit 
‘ihren Pferden, während der Geiftliche mit dem Sankttiffimum unter 
der Hauptthüre ftand und den Vorbeireitenden den Segen erteilte, 
damit fie in diefem Jahre von Unglüd und Krankheiten bewahrt 
bleiben möchten. Zum Anbinden der Pferde waren am Kirchlein 
jelbft und an ber dasfelbe umgebenden Mauer viele eiferne Ringe, 
angebradt. Als in meuerer Zeit dieſe Sitte abgeftellt wurde 


= j z 23 De 


455 


famen deſſen ungeachtet die Gaubauern hierher und umfreiften mit 
ihren Pferden früh vor Tag das Kirchlein. Der Zufammenfluß 
jo vieler Leute z0g auch Bäder, Mebger, Schankwirte und Zuder: 
bäder 2c. herbei. Die einfache Gelegenheit zur Labung artete jedoch 
‚aus, die Wirthe 2c. zogen ſich in das nahe Wäldchen zurüd, fpäter 
jogar in die Stadt jelbit und die fie umgebenden äffentlichen 
Bärten und Bierkeller, welche immer von Einheimischen und Fremden 
an diefem Tage ſehr ftark bejucht werden, wo unter den Klängen 
der Muſik eine Unfumme von Bratwürften, Braten und Bier von 
den hungrigen und durftigen Gaubauern verzehrt wird. 


3% Die Klöpfleinsnadt. 


Eine weitere Sitte in Ochſenfurt war es, daß an den drei, 
dem Weihnachtsfeſte vorausgehenden Donnerstagen die AYugend 
beiderlei Geichleht3 in den Abendftunden von Haus zu Haus lief, 
um duch Klopfen an die Hausthüre und das Abfingen froher 
Lieder die Ankunft des Weltheilands zu verkündigen. Auch der 
Rat feierte die Klöpfleinsnaht auf dem Rathauſe mit einem 
luftigen Schmaus, bis berjelbe am 30. November 1600 abgeitellt 
wurde. 


N. Der Kauz oder der Millkomm. 


Zur Zeit der Weinlefe war in Dchjenfurt ein Domberr an- 
weſend, welcher die Einnahme des Weinzehnts beforgtee Da ging 
e3 denn gar luftig zu, weil der Herbſtherr gewöhnlich jehr galt: 
freundlih war. Bei jedem Feitmahle, das gehalten wurde, wurde 
ein Trinkgefäß frebenzt, welches etwa dritthalb Liter (Maß) bielt, 
von Silber war, eine Eule darftellte und Kauz genannt wurde. 
Wer im Stande war, diejes Gefäß auf einen Zug zu leeren, durfte 
feinen Namen in ein eigenes Buch (Kauzenbuch) nebft einem Trink: 
ſpruch einfchreiben. Der Kauz ift (unbefannt wohin) abhanden 





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gefommen, das Kauzenbuch aber mit einer Menge der interejjanteiten 
Trinkiprüche 2c. wird im hiftoriihen Verein zu Würzburg aufbewahrt. 


9. Wie ein Bauer ans Rußland gen Echſenfurt 
gefahren. 


E3 war im Jahre 1812, als Napoleon 1. Kaiſer von Frankreich 
mit‘ einem ungeheuren Heere nah Rußland z0g. Eines Abends 
fam eine Abteilung Franzojen auch nad Ochſenfurt, um dajelbit 
zu raften. Bald Hatten fie ermüdet ihre Quartiere erreiht und 
ließen fi’ bei den Bürgern recht wohl jein. Ginige Bauern, 
welche bisher Vorſpann geleiftet hatten, jpannten ihre Pferde aus 
und Ffehrten über die Franzoſen jchimpfend nad) Haufe zurüd, 
andere aus Ochſenfurt jelbft mußten ihre Stelle vertreten. Unter 
dieſen war ein Fuhrmann, der mit feinem Wagen und feinen 
Pferden die Marodeure (die Ermüdeten) fortfahren mußte. Nach 
einem kurzen Abſchied von Frau und Kindern fuhr er am nächften 
Morgen von dannen mit der frohen Hoffnung im Herzen, bald 
wieder zurüd zu kehren. Als er nun an der beftimmten Station, 
wie feine LZeidensgefährten, umfehren wollte, ließen ihn die Fran: 
zojen nicht fort, denn es fehlte noh an einem Magen für bie 
Kranken. Im Ungehorfamsfalle wurde ihm mit Erichießen ge: 
droht. Darum war e3 ihm doch nicht zu thun Was wollte 
er machen? Durchgehen fonnte er nicht, er mußte aljo wohl oder 
übel mit über die Grenze. So fam er mit nah Rußland. Wie 
jonderbar war e3 ihm aber zu Mut, da er als paffiver Zufchauer 
ben erften Gefechten und Scharmüßeln beimohnen und den Brummbaf 
der Kanonen und das Pfeifen der Gewehrkugeln anhören mußte. 
Mehrere Monate waren fo bingefloffen, da erfaßte ihn doch das 
Heimweh nah Frau und Kindern und zwar fo jehr, daß er in 
heißem Gebete um baldige glüdliche Rückkehr gelobte, der Mutter: 
gottes jo viel Wachskerzen zu opfern, als fein Wagen und feine 


Em a * —— 


457 


Pferde zufammen wiegen würden. Wie er nun am andern Morgen 
aufwachte, lag er zu Hauje in jeinem Bette; im Stalle ſcharrten 
und wieherten die hungrigen Pferde, der Wagen ſtand im Hofe, 
die Frau traute ihren Augen faum und die Kinder jchrien und 
jubelten. Bald war der Freudenraufch vorüber, da fiel dem Fuhr— 
mann fein gemachtes Gelübde zentnerfchwer aufs Herz, Woher 
das viele Wachs nehmen? Es blieb nicht? anders übrig, als die 
Sade dem Pfarrer zu offeriren. Der riet ihm, Pferde und Wagen 
einmal wiegen zu laſſen. Mit Flopfendem Herzen ließ e3 ber 
* Fuhrmann gejchehen und Pferde und Wagen zujammen wogen nicht 
mehr ala ſechs Pfund, (?) 
Shöppner Band III Seite 310 und 311. 


Brölsdorf. 


Die Jungfrau zu Spielhof. 


Bei Prölsdorf im Amtsgeriht Eltmann fieht man noch die 
Ueberrefte einer Burg. Dort ftand ehedem das Schloß Spielhof, 
welches die Freiherrn von Münfter bewohnten, welde zu Wuſt— 
viel bedeutende Befigungen hatten. | 

Eberhard von Münfter lag mit dem Fürftbiichof Julius 
beftändig in Hader, weil er auf feiner Burg einen proteftantijchen 
Prediger unterhielt, Als nun Eberhard im dreißigjährigen Kriege 
ohne männliche Nachkommen geftorben war, fam einjt eine Rotte 
ſchwediſcher Landsinehte auf die Burg. Nur 6 Fräulein, bie 
Töchter des Ritterd waren auf der Burg. Die Wüftlinge wollten 
die Fräulein zwingen, ihrer ſchändlichen Luft zu dienen, aber die 
Sungfrauen wiederjegten fih und fielen als Opfer barbarifcher 
Wut unter dem Schwerte der Unmenſchen. So verborrten auf 
einmal alle Zweige des edlen Stammes, 





458 


Nandersader. 


Das wilde Heer am Spilberg bei Randersadker. 


Im Innern des Spilbergs befindet fih, wie die Volksſage 
erzählt, ein ſchönes Schloß. In dem Saale desſelben fißen bie 
Geifter um den Tiſch. Einft hörte der Mainguerführer von dem 
jenjeitigen Ufer herüber ein Braufen und Winfeln. In der Meinung, 
es wolle jemand über den Main gefahren fein, fuhr er mit feinem 
Kahne nah dem andern Ufer. Da beftieg der wilde Jäger mit 
feinem Gefolge die Fähre. Als das wilde Heer übergeihifft war, 
hörte der Fährmann eine Stimme nah dem Fährerlohn fragen, 
vor Angft konnte er aber fein Wort ſprechen. Da warf das wilde 
Heer Feuer in die Fähre, daß die Kohlen auf dem Boden herum: 
rollten. Einer aber vom wilden Heere konnte nicht folgen. Derfelbe 
rief: „Wär ich gegürtet und geſchürzt, könnt ich auch mit!” 
— Das hörte ein Mann am Ufer. Der band ihm einen Stroh: 
gürtel um, da konnte der Geift nachfolgen. 


Neihenberg. 


Die weiße Frau im Schloß zu Keichenberg. 


Dber dem Dorfe NReichenberg, welches im Amtsgericht Würzburg 
an der badiſchen Grenze liegt, thront auf einem Berge das noch 
bewohnte, den Herrn von Wolfzfehl gehörige Schloß Reichenberg. 
Sn diefem Schloffe läßt fi, jo oft ein wichtiges Familienereigniz, 
insbejondere ein Todesfall bevorfteht, die weiße Frau, eine 
Frau in langem weißen Gewande jehen. Sie thut feinem Men: 
ihen etwas zu Leib und fpricht niemand an, Es Hat fich aber 
auch noch niemand getraut, fie zu ftellen und anzuſprechen. 





459 
Netzbach. 


Maria zu Ketzbach im grünen Thal. 
(Höfling). 

Die Grafen von Thüngen hielten einmal bei Retzbach ein 
Jagen. Da flüchtete fich ein bereit angeſchoſſener Haſe in eine 
Höhle mit ganz fchmalem Eingang. Man grub auf und fand außer 
dem Haſen ein anderthalb Meter hohes fteinernes Muttergottesbild. 
Das bielten die Ritter für einen Wink vom Himmel und gelobten, 
auf diefer Stelle eine Kirche zu bauen, Sie erfüllten ihr Gelübde, 
viele Andächtige ftrömten herzu, deren Anzahl ſich immer mehr 
vermehrte und jo nahm die Wallfahrt Nebah im grünen Thal 
ihren Urſprnng. 


Nined. 
Die Mainzer vor Rinek. 


Beim Städtchen Rineck am Ufer der Sinn hatten die reich be- 
güterten und berühmten Grafen von Rined eine ftattliche äußerft 
fefte Burg, von welcher noch die Ruine auf einem fteilen Felſen 
thront. Ein Mainziicher Heerhaufen zog einft vor diefe Burg, um 
dieje ftolze Vefte zu brechen und den Nilter fammt feinen Leuten 
gefangen zu nehmen. Die Zahl der Belagerer war eine überlegene 
und die Burg war Hart bebrängt. Die Belagerer hatten guten 
Borrat an Wehr und Waffen, dagegen waren die Belagerten nur 
ſchlecht mit Lebensmitteln vorgejehen. Eine Zeitlang hatten fich die 
Nineder tapfer verteidigt und alle Angriffe abgeſchlagen, aber was 
half aller Heldenmut, wenn fich der Hunger den Feinden zugejellte ? 

In diefer argen Bedrängnis, wo guter Rat teuer war, brachte 
die Schlauheit eines Knechtes Hülfe Es war nämlich nur noch 
eine einzige lebendige Kuh und ein Schinken auf der Burg. Nun 
machte der Knecht den Borichlag, den Schinken an einer Stange 
auf die Mauer zu jteden und die Kuh daſelbſt jpazieren zu laſſen. 


a. 





460 


Alſo geihah es und noch dazu warb eine große Tafel aufgehängt, 
auf welcher zu lejen mar. 

So wenig die Kuh den Schinken frißt, 

So wenig Burg Nined euer ift. 

Mit großem Erftaunen nahmen die Mainzer die Kuh und den 
Schinken wahr, denn ſolche vortrefflihe Dinge waren nicht einmal 
bei ihnen mehr vorrätig Alfo zogen fie in aller Stille davon und 
nahmen den Spott der Rineder mit auf den Weg. 


Nimpar. 


Der Kimparer Jäger. 


Zu Rimpar war einmal ein Jäger, der hätte gerne des Kirchen: 
pflegers ſchöne Tochter geheiratet, allein der Vater war dagegen. 
„Der arme Teufel befommt dich nicht!" Das waren jeine Worte, mit 
denen er die Bewerbung abwies. Das mwurmte den Jäger gar ehr 
und in feinem Zorne bejchwor er den Teufel und verjchrieb ihm Leib 
und Seele, wenn er ihm zur Ausführung feines Planes verhelfe, 
Bald darauf fand der Jäger im Walde einen Schag und nun gab 
der Bater feine Einwilligung. Dreißig Jahre lebten die jungen 
Leute in glüdlicher Ehe, denn Meichele, des Kirchenpflegers Tochter, 
war eine gar ehrbare, brave und fromme Hausfrau. Sekt war 
die Zeit abgelaufen, nach welcher der Jäger des Teufels Eigentum 
werden jollte. Aber als der Teufel fam, fein Eigentum zu holen, 
betete das fromme Meichele jo andächtig und machte fo oft das 
heilige Kreuzzeichen gegen den böjen Feind, daß derfelbe unver: 
richteter Sache die Flucht ergriff. Als aber der Jäger geftorben 
war, mußte er zur Strafe im Walde umgehen und wenn ein Mädchen 
in den Wald fam, welches an diefem Tage noch nicht gebetet hatte, 
jo befam es eine Tracht Prügel, aber nicht von Holz. So muß 
der Rimparer Jäger, wie die Volksſage meldet, umgehen bis zum 
jüngften Tage. 





461 


Noßbrunn. 


Koßbrunns Hame. 


Es reſidirte einmal in Würzburg ein Kaiſer, welcher in den 
umliegenden Wäldern dem Waidwerk, der Jagd, oblag. Eines 
Tages beim Verfolgen eines Wildes verirrte er ſich. Vergebens 
ritt er umher, auf die rechte Fährte zu kommen. Indeſſen brannte 
die Sonne ſo heiß, daß er vor Durſt bald verſchmachtete. Ermattet 
ſtieg er vom Pferde und ſtreckte ſich auf den Boden. Während er 
ſo dalag, erhob das Pferd ſeine Nüſtern, als wittere es in der 
Nähe eine Quelle. Da ſetzte ſich der Kaiſer auf, ließ ſeinem Roß 
die Zügel und kam bald an eine Stelle, wo das reinſte und beſte 
Waſſer aus dem Boden ſprudelte. Zum Andenken wurde jenes 
Dörflein, das ſich nachmals um dieſen Brunnen erhob, Roßbrunn 
genannt. 


Nöttingen. 


1. Der Koimann im Bürgermald. 


Bor Zeiten, ala die Feier des Sonntags noch mehr galt, als 
zeitliher Gewinn, fuhr Sonntags früh ein Fuhrmann mit einer 
großen Ladung Wein dem Bürgerwald bei Röttingen zu. Die Leute 
warnten ihn, den Sonntag nicht zu entheiligen, der Weg jei jchlecht 
niemand auf dem Felde, wenn ihm ein Unglüd zuftoße, ſei feine 
Hülfe in der Nähe. Diejer aber entgegnete, es werde ſchon geben, 
wenn ihm die Leute nicht helfen Fönnten, follte ihm unjer Hergott 
helfen und wenn ihm dieſer nicht helfe, jolle ihm halt der Teufel 
helfen, es fei ihm eind. So fuhr er feine? Wegs. Ueberall läu— 
teten die Glocden zur Kirche, der Fuhrmann dachte aber nicht an's 
Beten, jondern trieb unter Fluchen und Schelten und dem öfteren 
bei Fuhrleuten üblichen „Hoi! Hoi!“ auf gefährlihem Wege bie 
Roffe voran. Da plöglih an einer abſchüſſigen Stelle reißt eine 
Kette, der Wagen rollt donnernd dem Abgrunde zu, der Fuhr⸗ 


462 


mann will eine andere Kette einlegen, ruft jet Gott und alle Hei: 
ligen um Hülfe und Beiftand an, und eben läutet von Nöttingen 
herüber die Glode zur Wandlung ; doch das Rad erfaßt ihn und 
queticht ihm den Kopf vom Rumpfe Im Abgrund zerichellt Tiegen 
Roß und Wagen. - 


Seit diefem Unglüde hört man zu gewiſſen Seiten, wenn die 
Leute nah Haufe gehen, nachts vom Walde herüber ein Hilf» und 
Angſtgeſchrei, beſonders die raſch und angftvoll wiederholten Rufe 
„Hoi! Hoi!” und ein Gelnalle und Stöhnen dazwiſchen, doch Fehrt 
ih niemand daran und jeder geht jchnell feines Weges. 


2. Die Schönfteinfage. 


Etwa ein halbes Stündlein von Röttingen an der Tauber 
gegen Stalldorf zu, Liegt ein Waldbezirt, welcher den Namen 
Shönftein führt. Hier fol einft ein Schloß diejes Namens ge: 
ftanden jein, von welchem die Volksſage folgendes erzählt: Bor 
mehreren hundert Sahren war ein fchöner junger Schäfer, der wei: 
dete oft in der Nähe des ſchon damals verfallenen Schloſſes jeine 
Heerde. Eines Abends hörte derſelbe einen traurigen Gelang wie 
von einer zarten Frauenftimme aus dem Sinnern der Burg erichallen. 
Vergebens ſpähte er nach allen Seiten hin, die Sängerin der jchönen 
Lieder zu entdeden. Diefes wiederholte fich mehrere Abend nad 
einander, bis einmal der Hirt von feinem Verftede aus das holde 
Fräulein, von welchem der Gejang herfam, auf dem verfallenen 
Gemäuer des Schlofjes umberwandeln ſah. Anftatt beherzt darauf 
loszugehen und die Erſcheinung anzureden, ergriff der Schäfer, von 
geheimer Furcht überfallen die Flucht, eilte geraden Weges nad 
Haufe und erzählte die gehabte Erfcheinung feinem Pfarrer. Diefer 
Ipra ihm indefjen Mut ein und gab ihm den Nat, follte er die 
Erſcheinung wieder fehen, fogleich darauf loszugehen, fie anzureden 


463 


und zu fragen, was ihr Begehr jei und womit ihr geholfen werben 
könne. 

Das that der Jüngling, betete inbrünſtig zu Gott und allen 
Heiligen um Beiſtand, das gute Werk zu vollbringen und zog dann 
gutes Muts wie alle Tage mit ſeiner Heerde in die Nähe des 
Schönſteins. Es währte auch nicht lange, ſo ließ ſich der trau— 
rige Geſang von Neuem hören und es ließ ſich eine weibliche Ge— 
ſtalt ſehen, in ein weißes Gewand und einen weißen Schleier ge— 
hüllt. | 

Da faßte fih der Jüngling ein Herz, fchritt keck auf fie zu 
und frug fie in Gottes Namen, was ihr Begehr jei und womit ihr 
geholfen werben könne. Das Fräulein antwortete, fie jei hierher 
verbannt und müſſe einen großen Schatz hüten, jo lange bis ein 
unſchuldiger Jüngling käme und fie erlöfe. Zu diefem Werte habe 
fie ihn auserfehen, nur folle er den Mut nicht verlieren und fich 
gefaßt machen, einen ſchweren Kampf zu beftehen. 

Am Walburgistag folle er wiederfommen, jedoch feine Heerde 
zu Haufe laffen, alsdann folle er, ohne umzufehen, furchtlos nach 
der Burg eilen, fi durch feine Trugbilder und Erjcheinungen ab: 
ſchrecken laſſen und von ihrem Halje einen Schlüffel nehmen, wo: 
durch fie erlöft und für ihn der Schatz erhoben werde, 

Der Jüngling veriprad, diefen Worten genaue Folge zu leiten. 
Darauf verihwand das Fräulein, der junge Schäfer aber machte 
fih nachdenklih auf den Rückweg und erzählte wieder alles feinem 
Pfarrer. Diejer ermunterte ihn. auf3 neue, Mut zu fallen. Da 
er niht nur ein gutes Werk vollbringen, fondern fih auch einen 
reihen Zohn erwerben könne. Als nun der feftgefegte Tag heran: 
gefommen war, machte fi der Schäfer beherzt auf den Weg nad) 
dem Schlofje Schönftein. Wie er fih nun dem Walde näherte, ließ 
ih plöglih ein mächtiger Geier auf ihn herab und umkreiſte fein 
Haupt unter wilden Gekreiſch und mächtigem Flügelſchlag. Das 
fümmerte aber den Schäfer wenig, ftil und gottvertrauend ging 
er des Weges weiter. Gleich darauf jprang ein Wolf, die Zähne 
fletihend vor ihn auf den Weg, während ſich eine grüne Schlange 


464 





auf den Boden hinwand und in ben Lüften dag wilde Heer unter 
einem Höllenlärm vorüberbraufte. Dazu rollte der Donner und 
ichredlih zudten die Blitze, wildes und jcheußliches Gewürm um: 
froch feine Füße, jo daß er feinen Schritt weiter zu thun glaubte, 
Doch alles biejes war nicht im Stande, feinen Mut zu erjchüttern, 
keck fchritt er auf die Jungfrau zu, die er auf dem Gemäuer 
ftehen jah. Aber, welch ein Anblid! Um ihren Hals ringelten fi 
zwei Schlangen, welche fich zifhend hin und ber bewegten und 
einen goldenen Schlüffel in ihren Ringen fefthielten. Aus diejem 
Knäuel follte der Süngling den Sclüffel nehmen; dazu gehörte 
wohl mehr als menſchliche Herzhaftigfeit. Schon war er Willens, 
wieder umzukehren, al3 ihn ein Blid auf die arme ftill duldende 
Jungfrau noch einmal mit friſchem Mute erfüllte. 

Alfo wagte er's, den legten Schritt zu thun und ſchon ſtreckte 
er eine Hand aus, den Schlüſſel vom Halfe zu nehmen, da fährt 
die eine Schlange zifchend und feuerfpeiend auf ihn los, der Jüng⸗ 
ling taumelt entjeßt zurüd — und in demſelben Augenblid find 
Schlangen und Schlüffel verfhmunden und die Jungfrau fteht 
allein und wehklagend vor dem betroffenen Süngling. 

Darauf nahm fie eine Eichel vom Boden, ftampfte jolche mit 
dem Fuße in die Erde und ſprach: „ich pflanze dieje Eichel, aus 
diefer wird ein gewaltiger Baum, dieſer Baum wird gefällt und 
aus feinen Bretteru wird eine Wiege gezimmert, in diefer Wiege 
liegt ein Knäblein, diejes Knäblein reift zum Süngling und erfl 
diejer Süngling kann mich erlöfen. Nach diefen Worten verſchwand 
die Jungfrau, der arme Schäfer aber ftand mie vernichtet im 
Walde und dachte an die unglüdlihe Jungfrau und an fein ent: 
ſchwundenes verjcherztes Glüd. Noch oftmals weidete er am Schön: 
ftein feine Schafheerde, aber die unglüdliche Jungfrau ſah er nie 
wieder. 











465 


3. Die alte Burg. 


Außerhalb des Hundheimer Thores an der Straße nad 
Tauberrettersheim fieht man ein Kreuz in der Weinbergsmauer 
eingemauert, an welchem eine weibliche Figur erkennbar ift. Dieſem 
Denkfteine gegenüber auf dem jenfeitigen linfen Ufer der Tauber 
erhebt fich eine Kleine Anhöhe mit Spuren übergraften Mauerwerf3, 
Dort ftand vor Zeiten eine Burg, melde ein Ritter mit feiner 
Tochter bewohnte. .Traurige Schidiale hatten die Seele des Ritters 
fo mit Unmut verbültert, daß er an nichts mehr Freude hatte, als 
der Jagd obzuliegen und Hirſche und Wildſchweine zu Tode zu heben. 
Seine Toter war jhön und engelgleih an Gemüte, aber fie hatte 
feine guten Tage, denn allen Unmut und alle trübe Laune ihres 
Vaters mußte fie über ſich ergehen lafjen. Ein edler Süngling 
aus der Nahbarihaft gewann ihre Zuneigung, allein der Vater 
hatte anders beichloffen, fie jollte im Frauenklofter Schäftersheim 
den Schleier nehmen. Die Jungfrau aber fühlte feinen Beruf 
dazu, vielmehr erwiderte fie mit aller Glut die Liebe des Jünglings 
in der Hoffnung, der Vater werde jchon jeine Einwilligung geben. 
Allein der Vater beharrte hartnädig bei feinem Entichluffe, ja er 
nahm fich jogar vor, beim erften Anlajje das Liebesglüd mit Ge- 
walt zu zeritören. 

Eine® Tages war der Vater wieder auf die Jagd geritten 
und fehrte früher wie gewöhnlih nah Haufe zurüd. Als er nad 
feiner Tochter verlangte, war diejelbe nirgends zu finden, endlich 
Hinterbradte man ihm, daß da3 Fräulein in traulidem Zwie— 
geiprähe mit ihrem Geliebten am Ufer der Zauber luſtwandle. 
Eilends griff er nach jeinem Geſchoſſe, eilte jogleich vor die Burg 
und durchbohrte den Süngling mit einem Pfeile, jeine Tochter aber 
ließ er ohne Rührung von Barmherzigkeit lebendig einmauern. 
Er jelbft fand auf Erden feine Ruhe mehr, eine Tages war er 
ipurlos verſchwunden. Seine Burg fiel in Schutt und Trümmer, 


Sagenſchatz— 30 


466 


X. Begende von der heiligen Hoftie. 


Yuden in Röttingen überredeten und beftahen den Kirchner 
der Stadtfirhe, ihnen gegen eine Geldjumme eine heilige Speije: 
hoſtie zu verſchaffen. Dieſe durchſtachen die Juden, worauf fie 
aus derſelben Blut fließen jahen. In ihrer Angft wußten fie nicht, 
was fie damit anfangen jollten und warfen jie in die Tauber. 
Langjam jhwamm die heilige Hoftie die Tauber hinab. Da Hatten 
Nonnen vom Klofter Schäftersheim (eine Stunde unterhalb Röttingen) 
ein Traumgefiht, es käme eine von Juden durchſtochene beilige 
Hoftie die Tauber herab, fie ſollten fie aufnehmen und der ges 
bührenden Verehrung weihen. Da erhoben fich die Nonnen, gingen 
zum Fluſſe und fanden bier wirklich, hell ftrahlend und von zwei 
brennenden Lichtern geleitet, die Heilige Hoftie auf dem Waſſer 
Ihwimmen. Sie fnieten nieder und beteten inbrünftig, worauf ſich 
die heilige Hoftie dem Lande näherte, und fie diefelbe mit einem 
weißen Tuche auffingen und in ihr Klofter trugen. 

Tags darauf wurde beim Pfarramt Nöttingen die Anzeige 
gemacht, worauf der Herr Pfarrer ſogleich die Pfarrgemeinde zus 
jammenrufen ließ und ihr den Vorfall mittheilte, worauf beichlofjen 
wurde, die heilige Hoftie in feierliher Prozeſſion in Schäftersheim 
abzuholen. Der Stadtkirchner und die Juden wurden jogleich feit- 
genommen und es entitand ein großer Haß gegen fie, welcher aber 
nicht fogleih zum Ausbruch fam. Als aber gegen Abend die heilige 
Hoftie in Prozeſſion zur Stadt getragen wurde, jah man plößlich 
dad Dah des Judenhauſes in hellen Flammen ftehen. Jetzt ob 
des fichtbaren Zeichens der Strafe Gottes konnte fich das Volk nicht 
mehr halten, ftürmte es von Grund aus, daß fein Stein auf dem 
andern blieb und vertrieb die Juden noch denjelben Tag aus Röt— 
tingen. Der Kirchner und die beiden Juden jollen jpäter verbrannt 
worden fein. Die heilige Hoftie ſei nah Rom gejchidt worden. Ges 
ſchichtlich wird beftätigt, daß früher Juden in Röttingen wohnten 
und eine eigene Gajje inne hatten, ſowie daf fie gewaltiam aus 
NRöttingen vertrieben wurden. Noch vor einigen Jahrzehnten durfte 





— 


467 


ſich an Sonntagen fein Jude in Nöttingen ſehen lafjen ohne Ger 
fahr mißhandelt zu werben, 


9. Das Kundheimer Thor bei Köttingen. 


Zu NRöttingen ftand ehedem ein Schloß, in weldem dermalen 
das Rentamt ift. In die Gartenmauer diejes Gebäudes find zwei 
Steine eingehauen; auf dem einen ein vorwärt3 gebeugter Hund, 
auf dem andern eine halbe weibliche Figur mit der Grafenfrone 
auf dem Kopfe und die Hände über den Kopf zufammenichlagend. 
Nebenan fteht ziemlich verwifcht die Zahl 1300. 

Die Volksſage erzählt folgendes: In benanntem Schloſſe lebte 
ein Graf mit jeinem gegen die Armen äußert hartherzigen Weibe. 
Ihr ſehnlichſter Wunſch, männlihe Nahfommen zu haben, war big 
jegt unerfüllt geblieben. Eines Tages, als der Graf wieder, mie 
gewöhnfih auf die Jagd geritten war, fam eine Zigeunerin und 
flehbte um eine Gabe, weldhe ihr von der Burgfrau unter harten 
Worten verweigert wurde, während im Hofe jieben Hunde aus 
Shüfjeln ihr reichliches Futter fraßen. Ergrimmt über jolche bei: 
Ipielloje Hartherzigkeit fluchte das Bettelweib der Gräfin, daß fie 
fieben Knaben auf einmal zur Welt bringen jolle. Diejer Fluch 
ging nur zu bald in Erfüllung Bevor no ein Jahr verflofen 
fam die Gräfin mit fieben (?) Knäblein nieder. Darüber erichrad 
fie heftig und ließ fjogleich eine alte Frau rufen, welcher fie den 
Auftrag gab, ſechs von den Knäblein an die Tauber zu tragen 
und im berjelben zu erſäufen. Wenn fie aber unterwegs gefragt 
würde, was fie in ihrem Korbe trüge, jo folle fie antworten: junge 
Hunde. Die Alte hatte indefjen ſelbſt Mitleiden mit den jchönen 
Knaben und als fie nun mit ihrem Korbe der Tauber zuging, traf 
e3 fih, daß ihr gerade der Graf begegnete. Auf feine Frage, was 
fie im Korbe trage, antwortete fie nach erhaltenem Befehle, fie trage 
junge Hunde in's Waſſer, öffnete dagegen jogleich bereitwillig ihren 
Korb, dem Grafen die armen Gejchöpfe zu zeigen. Da gebot ihr 

30% 





468 | 


ber Graf, die ſechs Knaben mit in ihr Haus zu nehmen und im 
Stillen zu erziehen, er werde ſchon für alle Sorge tragen, nur 
müßte fie über alles ſchweigen, wofür er fie reichlich belohnen 
werde. 

Als nun fein einziger zurücbehaltener Sohn zum erftenmale 
die heilige Communion empfangen follte, mwünfchte der Graf, daß 
alle Knaben feines Alters die Feier mitbegehen jollten, und jo 
famen denn auch jene ſechs Knaben in die Burg und noch dazu 
alle ſechs fo gekleidet, wie der Sohn des Grafen. Auch waren 
zum jeltenen Feſte viele vornehme Gäfte und Freunde eingeladen. 
Als nun alles in großem Feitesjubel beim Tiſche verfammelt mar, 
fragte der Graf fein Weib, melde Strafe einer Mutter gebühre, | 
welche ihre ſechs Kinder umgebracht habe? Bei diefen Worten 
wurde die Gräfin leichenblaß, denn eine furchtbare Ahnung mußte in 
ihr aufgeftiegen jein. Mit jcheinbarer Faſſung antwortete jie: 
„Ihr gebühret, daß man fie lebendig begrabe.“ „Nun wohl!” 
ſprach der Graf in furchtbarem Ernfte, „vu haft dir dein eigenes 
Urteil gefproden!" Wie du gejagt, jo fol dir geſchehen.“ Und nun 
führte der Graf die ſechs Knaben feiner Gattin der Reihe nad 
vor. Das jchredliche Urteil ift in der Wirklichkeit vollzogen worden. 

Bon dieſer Begebenheit joll jenes Thor, welches nad) Tauberretters- 
heim führt, den Namen „Hundheimer Thor” erhalten haben. 





6. Der Schwedenbien zu Köttingen. 


Im ehemaligen Schloß (jet Rentamtsgebäude) jaß hinter einem 
Steinwappen ein Bienenftod, von welchem die Sage meldet, er be= 
finde ſich ſchon zur Zeit des Schwedenfrieges daſelbſt, weswegen er 
der „Schwedenbien” heiße. Wenn er im Frühjahre einen jungen 
Schwarn befommt, jo ilt e3 ein Zeihen, daß in demijelben ein 
reiches und gutes Weinjahr zu eıhoffen ift. 








469 


Schonungen. 
Spielende Bauern. 


Die Hazardipiele waren verboten und auf die Webertretung 
des Verbot3 eine ſchwere Strafe feſtgeſetzt. Reihe Bauern von 
Schonungen bei Schweinfurt, welche nit vom Spiel lafjen fonnten 
und doch die große Strafe fürdteten, fanden ein Auskunftsmittel: 
fie feßten fich zufammen an einen Tiſch und jeder legte eine gewiſſe 
Summe Geldes vor fih hin. Auf weſſen Häuflein ſich zuerſt eine 
Fliege niederließ, war der glückliche Gewinner des übrigen Geldes. 


Speilart. | 
Die Baubermufcel. 


Sn dem fonft jo unmwirtfamen Spefjart ftand ein Schloß, in 
welhem ein Ritter haufte, welcher eine wunderſchöne Tochter jein 
eigen nannte. Darum war der Vater bemüht, feine Tochter ihrer 
Schönheit entiprehend mit goldenem Geſchmeide zu jhmüden. Doch 
diefe ſprach: „Lieber Vater! es ziemt fih nicht, Reichtum und 
Pracht zu zeigen, wo ringsum die Bevölkerung jo arm if. Gieb 
mir ein Armband von Muſcheln!“ Das hörte ein Yüngling, von 
armen Eitern, welcher jhon lange im Stillen die bolde Jungfrau 
verehrte und ihr gerne ein Zeichen feiner Liebe verehrt hätte, Er 
fammelte die ſchönſten, derer er habhaft werden fonnte; nur ein 
Stüd fehlte, das jollte von allen das jchönfte fein. Diejelbe lag 
aber im tiefften Grunde. Die wird doch dein!” rief er und fprang 
von der Brüde in die Tiefe, wo er in den Wellen verjanf. Den 
Schmud von Muicheln erhielt das Fräulein und mit demjelben die 
Nachricht von der heimlichen und glühenden Liebe des Jünglings. 
Als man feine Leiche zu Grabe trug, begleitete fie diefelbe weinend 
zu ihrer legten Rubeftätte. Nur ein Jahr lang trug fie den jeltenen 
boppeltteueren Schmud, auch fie war tot, bevor auch nur ein Jahr 
verrann. (Kaufmann) 


470 





Steinbad). 


Zu Steinbah in ber Graffhaft Wertheim fpufte lange Zeit 
ein feueriger Mann, von dem die Sage meldet, auf welche Weile 
er erlöſt wurde. Ein Bauer jenes Ortes fam in einer ftodfinfteren 
Naht vom Wege ab in einen tiefen Graben und rief dem feuerigen 
Mann, ihm zu leuchten. Diefer kam auch wirklich und blieb fo 
lange bei ihm, bis der Wagen aus dem Graben herausgefchafft 
war. Da ſprach der Bauer: „Set haft bu mir geholfen, nun 
fage mir au, wie ih dir helfen kann. Da ſprach der feuerige 
Mann: Nimm von diefem Ader drei Schaufeln Erde und werfe 
fie auf des Nachbars Ader, wo ich fie genommen habe!” Der Bauer 
thats und wurde dadurch erlöft. Der feurige Mann wurbe nies 
mehr gefehen. 


Steinfeld. 


Der Huimann oder der wandelnde Scüfer. 


- Der Steinfelder Wald, welcher eine Stunde lang und ebenfo 
breit ift, war früher Gegenftand eines langwierigen Prozeſſes 
zwifchen der Gemeinde Steinfeld ind den angrenzenden Gemeinden. 
In Ermangelung anderer Beweiſe, Aftenftüde und Urkunden, mußte 
der Prozeß dur einen Eidſchwur beendigt werden. Die ber 
Gemeinde Steinfeld nahe gelegenen Gemeinden ſprachen Holz und 
Meiderehte an, welche die Gemeinde Steinfeld in Abrede ftellte, 
Den oben benannten Eidſchwur leiftete ein Schäfer, welder auf 
feinen Hut einen großen Schöpflöffel ftedte und in feine Schuhe 
einige Hände voll Erde that und fo dann ſchwur: „So wahr der 
Schöpfer über mir ift, fo wahr ftehe ich auf Steinfelder Erbe.” 
Diefer Shwur war falſch und zur Strafe muß er, namentlich in 
der heiligen Adventzeit, umgehen. Als nedender Geift führt er die 
Leute irre und läßt nachts den fchaudererregenden Ruf bören: 
„Hoi! Hoi!” An der Grenze des Waldes in der Nähe der oberen 











471 


Mühle bei Haufen fteht ein Grenzftein, welcher noch heutigen Tages 
der „Huimannftein” beißt. 


Veitshöchheim. 


Die Ravensburg. 


Dber dem Dorfe Veitshöchheim erhob fih einfi auf einem 
Berge die Ravensburg, welche von den Bürgern Würzburgs 
am 3. Dezember 1203 zur Sühne ded an ihrem Bifchofe begangenen 
Mordes zerftört wurde, Von der Burg find nur noch ganz geringe 
Mauerrefte vorhanden, an denen der Wanderer achtlos vorüber 
eht. 
” Diefe Burg war von Raubrittern bewohnt. Wenn reichbes 
ladene Schiffe den Main hinab fuhren, um damals die Frankfurter 
Meſſe zu beſuchen, fo erichollen vom Wartthurm drei Trompetenftöße 
und der AKnappendroß flürzte nach dem Mainufer und beraubte die 
Borüberfahrenden. Das Verſteck der Wegelagerer in der Nähe des 
Mainſtroms wurde noch lange nachher gezeigt. 


Bersbad. 
Des Dörfhens Hame. 


(Ruttor). 


Sn der Nähe von Würzburg bauten einmal die Leute ein 
Dörfhen und mußten nicht, was für einen Namen fie ihm geben 
follten. Da hat einer den Teufel beihmworen, er jolle ihm einen 
Namen jagen, weil er glaubte, er würde dann zum Schulzen ge= 
wählt. Nun traf es fih, daß gerade ein Geiftlicher durch's Dorf 
zum Kranfen ging. Wie diefer des Teufels anfichtig wurde, fing 
er an zu beten und oft das heilige Kreuzzeichen zu machen. Als 
dad der Teufel jah, ergriff er fchleunigft die Flucht und als er 


Tr ⸗ 
u. = 


472 


über den Bach jprang, ift er mit feiner linken Ferſe in den Bad 
getappt. Davon nannten fie das Dörfhen „Versbach“. 


Volkach. Vogelsburg. 


J. Die Kirche oline Fenſter. 


Die Vogelsburg unweit Volkach auf einer beträchtlichen Anhöhe 
gelegen und auf zwei Seiten vom Main umfloſſen, ehemals Eigentum 
des Karmelitenkloſters zu Würzburg, hatte eine Kirche ohne Fenſter. 
Eine in der Umgegend verbreitete Volksſage gibt als Urſache 
dieſes Umſtandes an, weil dieſelbe ohne die Einwilligung und 
Erlaubnis des Fürſtbiſchofs von Würzburg von dem Grafen Hermann 
von Caſtell erbaut worden ſei. | 


2. Graf Herrmann von Eaftell anf der Bogelsburg. 


Der vorgenannte Graf Hermann von Gaftell war mit einem 
Kreuzzuge nah Paläftina gezogen, wo er in türkiihe Gefangen: 
Ihaft geriet, von einem Karmelitermönd aber aus derſelben befreit 
wurde. Aus Dankbarkeit nahm er einige Mönde vom Berge 
Karmel mit in jeine Heimat, ftiftete dajelbft ein Karmelitenklofter 
und übergab den Mönchen die ihm gehörige Vogelsburg bei Volkach 
zum Aufenthalte. 


9. Duya! 


Als einmal einige Handelsleute auf den Volkacher Markt 
gingen, führte fie ihr Weg durh dad Volkacher Wäldchen. Es 
war beim erften Morgengrauen, als fie in der Ferne ein Licht 
bemerften und beftändig den Auf hörten: „Huya! Huya!” welcher 


= 
3 * 
* R 
— 2 


473 


die Fremden, oft auch Einheimifhe irre führte. Als fie unmeit 
des Wäldchens an den See famen, fuhr es plößlich in den See, 
daß e3 plätjcherte und verichwand. 


Meibersbrunn im Spefart. 


Urfprung und Hame. 


Das Dorf Weibersbrunn im ehemaligen Amtsgericht Rothen- 
buh fol feine Entjtehung im Schwedenfrieg genommen haben, 
Als nämlih die Schweden im Maingrund hHaujten, follen viele 
Frauen mit ihren Kindern in die dichten Speflartwaldungen geflüchtet 
fein, während ihre Männer teild Kriegsdienite genommen hatten, 
teil3 den häuslichen Herd bewahen mußten. Die Weiber hielten 
fich dort bei einem Brunnen verborgen, fiedelten fich dort an und 
gaben Beranlafjung zur Entitehung des Dorfes Weibersbrunn. 


Wipfeld. 


Das wilde Beer bei Wipfeld. 


Wipfeld liegt nahe am Main. Einftmal hörte der ehemalige 
Veberfährer Miteffer bei Sturm und Regen von dem jenfeitigen 
Ufer berüber ein Wimmern nnd Winfeln, und glaubte, es wolle 
jemand übergefahren jein. Er fuhr hinüber, wer bejchreibt aber 
feinen Schreden, al3 das wilde Heer feinen Kahn beftieg? 

Es waren fihhtbare Geilter, große und kleine, feine Furcht war 
jo groß, daß er fie nicht genau zu betrachten wagte. Wie nun 
das wilde Heer übergefahren war, fragte einer, was fie jchuldig 
feien, der Fährmann getraute fi aber nicht, etwas zu fordern 
und ſchwieg. Da wurde ein Knochen auf die Bank im Kahne ge= 
legt. Wie fie die Fähre verlaſſen hatten, rief ein zurüdgebliebener 
Geift nah: „Wäre ich geichürzt und gegürtet, jo fönnte ich auch 





474 


mit!” Das hörte ein Mann, der oben am Haidgäßchen einen 
Maizenader hütete. Er nahm ein Strohfeil und band es dem Geift 
um den Leib und ſprach: „So, jet kannt du auch nah!” Der 
Geift gab dem Gerftenhüter eine ganze Hand voll Gold. Nun eilte 
aud der Fährer Mitefjer hinab, um feinen Knochen zu holen, fand 
ihn aber nicht mehr. 

Das wilde Heer fam von Altach einem vormaligen Wald 
und 309, nahdem es über den Main gefahren war, das Haidgäßl 
binauf. 

(Shöppner Bd, I, S. 223). 


SBabelftein. 
Die Ellufort. 


In einem ſchönen Thale des Steigerwaldes liegt eine Ruine, 
welche vormals ein herrliches Schloß gemweien, Befigtum ber be 
rühmten Grafen von Spies. m Munde des Volkes lebt noch 
die Sage von dem Untergange dieſes Schlofjes und feines legten 
Bewohners. 

Ullrich von Spies war der letzte Sproſſe dieſes edlen Stammes. 
Sein Sohn war in einer Schlacht gefallen und ſeine Tochter Ella 
war die einzige Freude ſeines Alters. Dieſe hatte ein heimliches 
Liebesverhältnis mit dem jungen Ritter Rudolph von Zabel— 
ſtein. Als Ullrich entdeckt hatte, daß Ella zum Sohne ſeines 
Todfeindes, der ihm in einem Turniere die Ehre des Tages ge— 
raubt hatte, Neigung hege, that er vor dem Bilde des Gekreuzigten 
einen Schwur, er werde nimmermehr zulaſſen, daß ſich das Geſchlecht 
der Zabelſteiner mit dem ſeinigen verbinde. Seine Ella müſſe in 
einem Kloſter den Schleier nehmen, wo nicht, ſo ſolle ſie der Fluch 
des Vaters treffen. Es währte aber nicht lange, ſo war der alte 
Spies eine Leiche, ſeine Tochter beharrte um ſo mehr im Bunde 
mit ihrem Zabelſteiner. Schon war der Tag zur kirchlichen Trauung 
feſtgeſetzt, da ſoll ſich des Vaters Leiche aus dem Grabe erhoben 


475 


und noch einmal den furchtbaren Fluch über feine Tochter geiprochen 
Baben, da jei ein gewaltiger Sturmwind gefommen und das ganze 
Schloß in den Erdboden verfunfen. Noch Heute nennen die Leute 
den Drt „Ellafort”. In hellen Mondnächten erfcheint dort 
Ella’s Geift, jammert und klagt und hält ein Kreuzbild umfchlungen. 
Menn der Mond untergeht und. die Sterne erbleihen, breitet Ella 
noch einmal ihre Arme aus und verschwindet auf der Trümmer: 
ſtätte. 


2. Graf Kugo von Zubelſtein. 


Graf Hugo von Zabelftein war durch allerlei Unglüdsfälle in 
große Armut und Noth gefommen und fuchte feine Schwermut auf 
der Jagd zu verjcheuchen. Einmal verließ er in einem Anfalle von 
Derzweiflung gerade am heiligen Chriftabende die Burg, um draußen 
im Eichenforft fein Gemüt zu erheitern. Umsonst beſchwor ihn fein 
edles frommes Weib, in diefen heiligen Stunden doch nicht den Wald 
zu durdftreifen, Gott erhalte den Wurm im Staube und die Vög— 
lein in der Zuft, er werde auch ihn nicht zu Grunde gehen Lafjen 
und ihm in der höchften Not hilfreich fein. Der Ritter ließ fich 
aber nicht aufhalten. In trübes Sinnen verloren, zog er einſam 
durch den dämmernden Forft, manden jchrediihen Fluch durch die 
Lippen knirſchend. Wie er nun jo in dem menfchenleeren Walde 
allein war, ſah er auf einmal einen ftattlichen Jäger auf fich zu— 
fommen, der ihn anredete: Ich kenne deine ſchlimme Lage, dir fann 
geholfen werden. Alle deine Wünſche jollen erfüllt werden, wenn 
du gelobft, mir nah 10 Jahren als Eigentum zu geben, was jeßt 
noch als Geheimnig auf deiner Burg verborgen ift. Der Ritter 
war e3 zufrieden und unterichrieb den Vertrag mit jeinem eignen 
Blute. Sogleich erhielt er jo viele Goldftüde, als er zu tragen 
vermodte. Schwerbeladen eilte er dem Zabelftein zu. Doch welcher 
Schrecken befiel ihn, als ihm feine Frau bedeutete, daß er fein eigenes 
Kind im Mutterleib dem Teufel überliefert habe. Bon Schmerz 
und Gram aufgerieben gebar die Frau vor der Zeit und bezahlte 


EL FREE, n 
* are * 
— 


das Leben eines Töchterleins mit ihrem eigenen. Der Graf lebte 
von nun an in Saus und Braus und gedachte nicht mehr des 
hölliſchen Pakts. Als aber das holde Mägdlein zehn Jahre alt 
geworden, da drang der Teufel auf Erfüllung des Vertrags. Da 
ſoll der Vater ſein eigenes Kind in der Chriſtnacht von der Burg— 
mauer hinabgeſtürzt haben. In der Chriſtnacht des darauffolgenden 
Jahres erſchien um Mitternacht ein langer Zug von Geiſtern 
und Todtengerippen auf der Burg, die ſchleppten in ihrer Mitte 
die zerſchmetterte Leiche des dem Teufel überlieferten Kindes. Sie 
ergriffen den Ritter und zogen ihn mit fort zur Burgkapelle. Dort 
angelangt hielten fie ein feierliches Todtenamt am ſchwarzbehangenen 
Altar, während vor demſelben der Sarg mit der Leiche aufgeftellt 
war. Darnach verließen fie wieder die Kapelle und begannen einen 
grauenhaften Todtentanz durch die Hallen der Burg. Der Graf 
wurde in dem Wirbel mit fortgerifjen, aber er hielt es nicht mehr 
aus. Er drängte fih auf die Zinne der Burg und ftürzte fi 
fluchend in den Abgrund. Seitdem — jo erzählt die Volksſage — 
fährt im jeder Chriftnaht Graf Hugo von Zabeljtein mit dem 
Todtenzuge aus dem Gemäuer der Burg durh den Eichenwald. 
Auch vernimmt man die Gejänge der Todten aus der Burgfapelle, 
(Shöppner Bd. III, ©. 77). 





476 


Bell bei Würzburg. 


l. Maria Renata, die legte Hexe im Klofter 
Unterzell. 


Von der Hexengeſchichte diefer Nonne teilt der Abt Oswald 
Boſchert des Prämonftratenfer = Klofters Oberzel als Augenzeuge 
folgendes mit: Maria Renata Sänger war ungefähr im Jahre 
1680 in Münden geboren und trat im Jahre 1699 in’s Kloiter 
Unterzell ein. Renata lebte anfangs ftrenge nach den Regeln des 
Ordens, zeigte aber jpäter eine auffallende Unzufriedenheit mit 


477 


ihrem Stande, welche fpäter in einen völligen Groll ausartete, als 
ihr im Sahre 1738 der Propit des Kloſters die vielen Katzen, 
mit denen fie fi umgeben. hatte, entfernen ließ. Ihr Gemüt 
wurde dadurh auf's tiefite verbittert und fie begann von da 
an ihre Künfte gegen diejenigen Perfonen zu richten, die fich 
ihren Haß zugezogen hatten. Bon diefem Augenblide an mar 
der Friede aus dem Klofter gewichen und e8 wurde der Schaus 
plaß der jeltiamften Ereignifie. So fam im Klofter allerlei vor, 
was gerechte Aufiehen erregen mußte. Die Nonnen wurden in 
ihren Betten gedrückt, gejchlagen, gezwidt und gemwürgt, jo daß fie 
ſich am Morgen nicht mehr regen fonnten, bis man nach allen 
möglihen Exorzismen e3 dahin bradte, daß eine der Klofter- 
frauen gegen Renata: zeugte und diejelbe al3 Zauberin und als die 
Urjache alles Webels im Klofter bezeichnete. Der Abt des Klofters 
Dberzell leitete eine Unteriuhung ein und nachdem biejelbe ganz 
erfolglos blieb, gelang e3 dem Beichtvater des Klofterd, Renata zu 
einem Geftändnis zu bringen, in welchem fie befannte, eine Zauberin 
zu jein. Renata wurde daraufhin nah Schloß Marienberg bei 
Würzburg gebraht und der eigentliche Herenprozeß eingeleitet. Die- 
jelbe wurde zum Feuertode verurteilt, das Urteil aber vom da— 
maligen Fürftbiichof von Würzburg dahin gemildert, daß fie zuerft 
enthauptet und dann ihre Leiche auf dem Scheiterhaufen verbrannt 
werden jollte Die Hinrihtung geihah am 21. Januar 1749 
durch den Kitzinger Scharfrichter. Wie die Gefchichte meldet, jei 
die Enthauptung mit einer ſolch ungemeinen Geichidlichfeit vor 
fih gegangen, daß alle Umiftehenden das vollfte Vergnügen über 
diefen jo glüdlihen Vollzug geäußert haben. Während der Exe— 
fution babe fich ein Geier oben in der Luft aufgehalten, welcher fo: 
gleich hernach verſchwunden jei. Nach der Enthauptung wurde ihr 
Kopf auf eine Stange geftedt, das Geficht gegen Zell zu gerichtet 
und ihr Leichnam an die Stelle gebracht, wo vorher ſchon Heren 
verbrannt wurden und von dem Wald gegen Waldbüttelbrunn zu 
liegt. Che aber das Feuer angezündet wurde, hielt P. Gaar 8. J. 
als Galgenpater auf Befehl des Fürftbiichofs eine halbſtündige 


478 


Anrede an die Anweſenden, worauf der Scheiterbaufen an vier 
Eden angezündet und das Feuer bis abends jeh3 Uhr unterhalten 
wurde. Die Enthauptung der Maria Renata geihah in der mitt: 
leren Bajtei gegen Höchberg zu. 


2. Der frevelnde Bäcker. 


In der heiligen Chriftnaht dürfen die Bäder nichts baden. 
Da war denn einmal ein Bäckergeſelle in Zell, dem der Teufel in 
den Sinn gab, er werde, wenn er in der Chriftuacht bade, einen 
großen Schag finden. Er ftand aljo in der Chriftnaht auf, um 
fich zum Baden zu richten. Wie er aber berunter in die Badjtube 
fam, fand er, daß jein Meifter das Mehl in den Kaſten einges 
Ichlofien hatte. Wie er da3 juh, wurde er gleich zornig und fluchte: 
„Jetzt Toll doch gleich der Teufel neiſchlagen.“ Jetzt trat er vor 
die Schlaffammer feines Herrn, Elopfte und rief: „Meifter, ihr Habt 
dag Mehl eingeihloffen und ih will doch miſchen!“ „Heute wird 
ja nix gebaden!” ermiderte der Meifter zornig. So fam er no 
zweimal. Beim letten Male wurde der Meifter aufgebracht, reichte 
dem Gefellen den Schlüffel zum Mehlfaften und rief: „So gehe in 
drei Teifeld Namen und miſch!“ Der Gejelle nahm den Schlüffel 
in Empfang und entfernte fih. Eine Weile darnah hörte der 
Meifter in der Badjtube jammern und wimmern und als er hins 
abfam, fand man auf dem Boden von dem Bädergejellen nur ein 
paar Knochen und ein paar Feßen von feinen Kleidern; er hatte 
ein jchredliches Ende genommen. 


3. Der wandelnde Problt vom Kloſter GOberjell. 


Im Klofter Oberzell (jet König und Bauer'ihe Maſchinen— 
fabrick) geht in heiligen Zeiten im Kreuzgang ein Geift um. Das 
ift der Probſt vom ehemaligen Klofter Oberzell. Als im 30 jährigen 


22 
“ 
— 
—— 





479 


Kıieg die Schweden nah Franken famen, fengten und brannten 
und alles ausplünderten, find alle Mönche aus dem Klofter Ober: 
zel davongelaufen. Zuvor bat der Probſt alle® Geld an einer 
heimlihen Stelle vergraben, den Drt aber feinem Menjchen anver: 
traut. Als die Schweden famen, wurde das Klofter niedergebrannt. 
Später wurde das Klofter wieder aufgebaut, der Probſt aber war 
geitorben. Weil er feinem Menichen anvertraut hat, wohin er das 
Geld vergraben oder verborgen hat, jo muß er als Geift umgehen. 
Wenn man ihn fieht, jo hebt er die rechte Hand in die Höhe. 


A. Das feuerige Männlein. 


Zur Adventszeit haben einmal aus einem Haus unten am 
Main zwei Knaben zum Fenfter binausgeihaut. Da iſt auf einer 
Wieſe jenjeit3 des Maines ein feurige® Männlein herumgehüpft. 
Dem riefen fie zu: „Hänsle, geh’ rüber!" Dieſer ließ fich nicht 
vergeben rufen und kam alsbald über den Main herüber. Wie 
ihn die Knben kommen jahen, befiel fie eine große Furcht und 
ſchloſſen fie ſchnell ihr Fenſter. Das feuerige Männlein ift aber 
durch's Fenfter in die Stube hereingehüpft, hat das Licht ausge: 
blaien und die zwei Knaben entjeglih zugerichtet, jo daß beide 
mehrere Wochen frank darnieder lagen. Bon diejer Zeit an hat 
fein Menſch mehr dem feurigen Männlein gerufen. 


Inhalts - Verzeichniß. 


Aus dem Aſchuffthal. 


Seite 
Der Teufelsritt (Soden) - . 2: 2 2 2 2 56 
Am Badofen (Schweinheim) . . En er ee en a 7 
Das Muttergottesbild zu Schweinheim ae er ae ne SE une 8 
Der verhinderte Meineid (Schweinheim) . » 2 2 2000. 9 
Der Bürgermeiſter-Fuchs isn ee a a er 10 
Dad Dbernauer Kapelden . . a ae a 11 
Die wunderbare Rettung (Obernau) » > 2 2 200 13 
Der Schloßberg (Soden Eberräbah) - » > 2 20.0.1314 15 
Die Kirchweih zu Roßbach re er er u. er 
Bei den drei Kreuzen —— ee ea A RU BE 
Der Schabgräber auf dem Lufthof et ar 
Der Teufelöbefhmwörer (Keilbere) 22 2 2326 


Die Aebtifjin im Schmerlenbader Wald . . 2.2 020. . 26—27 
Das Wunderfreuz (Goldbach > 2 m 27729 
Die legten Tempelritter (Rottenbrg) » >» 2 2 00.20. .930—-3 


Das Eichenberger Kapellden . . een 63233 
Die Kirche des heiligen Hippolit Dettingen . .383-34 
Der Name Aihaffendug - . . a 34 
Die Riefenpflüge (Aichaffenburg) a he ee A ee 35 
Das Benediktinerflofter (Aſchaffenburg) u en. 85—38 
Die wandernden Reliquien (Ajchaffenburg) fe en, 38 
Das Nadtläuten (Aichaffenburg und Lohr) . . 39—40 
Das Elifabethenfpital und der — aͤſcoendurs 

und Lohr) . . 40 —42 
Die Nonnen im fhönen Thal (Aidaffenburg) . 0.0. RB 
Die Sandfirhe zu Aſchaffenburg . . 20.0. 43-4 
Der Spuf im Schloßgarten zu Adaffenburg . ’ 44 


Die Rettung der Stadt a — den Guardian der 
Kapuziner . . ee. 446 


Der geipenftige Küfer (Aichaffenburg) j 

Die vergefienen Heiligenbilder (Achaffenburg) . 

Die Kindsmörberin (Aſchaffenburg) ; 

Das Cruzifix in der Bufchallee (Acaffenburg) 
Das Siechenfapellden (Leider und Alchaffenburg) . 
Am guten Mann (Großoftheim und ee 
Das Hungerbrünnden (Schweinheim) . 

Der Eitel (Schweinheim) . j 


Kahlgrund. 
Das rote Kreuz (Krombad)) se % 
Die Waſſernixe (Schimborn) 

Die Glüdrute (Edelbadh) 

Der Teufeldgrund (Dörnfteinbad). 

Die Womburg (Mömbris) R 

Die ungerechten Feldjchieder (Rätbern, wigeihech 
Das Erdloch bei Kälberau 

Alzenau und die Randenburg — er 
Gründung des Freigeridt8 . . 


de 
Der Madſtein (Orb) . . es 
Die Rettung am Madſtein (Ott) . ae eh 
Der wilde Jäger (Spejjartwald) 
Der Fuchsſtein (Orb) . 
Die Hölle (Orb) 
Der Happedfüppel (Orb) a. ms 
Die Kaifereihe (Gelnbaufien) » - : 2 2. 
Das blaue Wunder (Gelnhaufen) . 


. * 


dohernud 
Die Zwerge im Joßgrund 
Der Beylſtein (Orb, Retgenbrunn) 


Die Perlen . . — 

Rengersbrunn a 

Das Kreuz auf dem Sobenberg Ber 
Lohrthal. 


Die Heiligkreuzkapelle bei Frammersbach .. 
Die Kupfermühle bei Frammersbach . . 
Sagenſchatz. 


482 


Das Dunfel (Lohr und en 
Der Bannfeller in Lohr 
Der Geisfuß (Rangenprozelten) 


Hafenlohrthal und Umgegend. 


Die Gertraudenfapelle (Waldzell) . 

Kaifer Karld Gericht (Homburg) R 

Die Geifterjagd im Neuftadter Forft (Neuftadt: Rotpefes) 
Der Bildftod bei Rotbenfell8 . . . 

Das Schächerloch (Steinmarf) . ee ee 

Die zwei Geldlöder zu Steinmarf ae TEE 

Die Wetterburg (Wertheim:Bettingen) 

Die Veit in Kreugwertbim  . 2 nn 


Haßlochthal und en 


Die Karthaufe Grünau . . ; ; 
Die Sanft Marfusfapelle (Gebt) u V—— 
Das Bannfraut Er ne 
Stadtprozelten —— ee tt 
Die Rüdten von Gollenberg Fe N 
Der Schaß auf dem Collenberg ) 

Der Engelöberg (Groß und Kleindeubad) 


Gljavathal. 


Die hohe Wart (Heffenthal, a! u, an 

Das Spapßenbild — 

Heſſenthal .. 

Das hohe Kreuz von beſenthei 

Der Echterspfahl 

Meſpelbrunn 

Der Bettler zu Meipelbrunn 

Die Frau Hulle vom Schloß Sgelenbers Geimbicheithai— 
Wintersbach) 

Der Scharſtein (Heimbuchenthal) .. 

Die Nachtmahlskannen (Wildenjtein) . 

Der Hansjafob von Hobbad) 

Die ungleichen Brüder (Wildenftein) . 

Die verwünſchte Frau von Schloß Wildenftein 

Der Künigenbrunnen (Eihaus®Wildenfe) . » . . 





Das böje Gewiſſen (Eſchau) 

Der Schwedenfopf (Eſchau) 

Das glüdlihe Ehepaar (Mönchberg) 

Das Lisbethchen von Möndberg 

Die Maßkanne (Eihau, Himmelthal) . . 

Das eiferne Pferd und die Stiftung des Kloſiers Hmmeihat 

Klofter Himmelthal und die Nonnenjtrafe . ; 

Der Schäfer von Eljenfeld 

Erlenbad . / 

Das gebannte Seuer (AMechenhart) 

Klingenberg 

Die Kreuzkapelle bei Rölfeld, Strubingen ; 

Die Kapelle der heiligen Maria zum Schnee Gollbach 

Der Hammel von Rölbadh . . 

Die Belt im Kreiſe Unterfranfen (Sonftadt, Damm, Seummierde 
bad, Eichenberg, Waldaſchaff, ——— aa 
Krombach und dgl.) : 


Rhön und — 
Günderöhauien . 
Das Molfshaupt (Simmershaufen) A 
Das Flattig (Simmeröhaufen) 
Die Disburg (Aſchenhauſen zc. ꝛc.) R 
Die ausgewühlte Glode (Wohlmuthaufen) 
Ein Echwedenftüdlein (Hümpfershaufen) 
Der Wald obne Wipfel (Schwarzbad)) j 
Die Erfcheinung des Nachfolger (Rofdorf) . 
Das Kuppenfrauden (Rofdorf) .» ; 
Die Kutten (Nofvorf) . 
Das Wandern (Rofdorf) . 
Tas wütende Heer (Nofdorf) . 
Die Shwerbeladenen Nachtwandler 
Die fliegenden Knaben 
Der Soldbrunnen am Baier 
Die Goldfinder (Tengöfeld) 
Die Wunderblume am Baier 
Der Rodenftuhl (Geyſa) 
Der Engelöberg bei Tann 
Der Storhöbrunnen (Untermweid) 
Das Landgrafenbrünnlein und die Yandmwehr (Unterweib) : 


31* 


483 


Eeite 


484 


Der Weiberweßftein von Kaltenwejtheim 
Burg Aueröberg (Tann, Hilders) 

Der lette Herr von Aueröberg . 

Das Marienbild auf dem ae (Ratten) . 


Die Milfeburg ee ’ 
Gangolfäbrunnen . Fe 
Gangolföfeller . - —— —4 


Das Muttergoitesbild am Fels 

Der fromme Einſiedler auf der Milſeburg Bed erg 
Vom Göllenhörner (Milſeburg... 
Der Teufelsſtein und die Teufelswand 

Toll Dittges — 

Das Dittgeſer Seläute 

Der Kirchenbau zu Dittges 

Die Weiberftühle (Dittged) 

Die verlorenen Steuerfimpla (Dittges) 

Der Boinzefüppel (Dittges) 

Die Kuh-Eier (Dittged) . - ; 
Kilianskopf und Kiliandhof GBiſchofsheim) > 

Der Kreuzberg (Biſchofsheim) 

Bilhofsheim vor der Rhön 

Abi Fingerhut (Fulda) u u 

Die Ofterburg (Bifhofshen). - -» — 

Die Schwedenihanze Giſchofsheim) ur 
Die Glocke von Burg Ravenſtein. 
Die verfunfenen Dörfer (Poppenrod) . 

Die Moortänzerinnen (Boppenrod) 

Don der Hildenburg . . 

Der Gangolföberg und dad feiern Haus cberashach 
Die Teufelsmühle (Biſchofsheim) 

Der Spiel: oder Loosberg ET u a: 
Die Ritter von Stenau . . 

Die Burg Hafeljtein und der Nitter Soma. 

Burg und Dorf Poppenhaufen r 

Das wadere Edelfräulein . 

Vom Gud:Ei ; —W 

Vom großen Auersberg (Brüdenau) 5 

Burg Eberäberg oder die Eberszwackel 

Die geipenjtigen Ritter von Burg ne i 

Der Todtemanndberg 





Streu: und Elzthal und Umgebung. 


Ditheim vor ber Ahön . ; 
Bergihlo Lichtenberg bei Oſtheim 

Der Frickenhäuſer See ee 
Schlitzöhrchen (Streugrund) 

Das Alpdrüden (Wedterdwinfel) . 
Gründung des Klofterd Frauenrod 

Die luftige Brüde (Frauenrod) 


Sinn, Lauer: und Saalthal. 


Das verwünſchte Schloß Dreiſtelz (Brüdenau) 

Der feurige Mann (Stangenroth, a 

- Königähofen im Grabfeld . 

Königshofen im Bauernfrieg 

Die Schweden in Königähofen 

Das alte Schloß zu Ipthauſen 

Der Judenhügel bei Kleinbardorf . 

Die Männer von DOttelmanndhaufen . . 

Das Klofter Sanfi ee bei nn 

Schloß Wildberg . ; 

Schloß Thundorf 

Das Wahrzeichen von Münnerftadt ae 

Die heilige Jungfrau befhügt Münnerftadt 

Der fteinerne Hund an der Pfarrlirche zu Dünneriab 
Tie iharfe Schere (Münnerftadt) . 
Schloß Huhnberg (Nüdlingen) 

Die Schätze ber Huhnburg 

Ausgewühlte Glode der Huhnburg a ——— 
Das Todtenläuten zu Nüdlingen. 
Burg Steine (Roth an der a 

Der heilige Salafluß . . 

Der goldene Brunnen Meuſtadt an der Saal) 

Die fräntiihe Saale ſchiffbar . . 

Die Salzburg (Neuftadt a. d. Saal und Rehau) 
Wie die Salzburg an Würzburg fam . . 

Jud Schwed oder dad Wahrzeichen von rifingen 
Kiflingen von Bienen gerettet 5 
Die Ilgenwieſe bei Kiſſingen . 

Der Liebfrauenfe - » > 2 20. 


486 


Die Eilingöburg bei Kiffingen 

Burg Botenlaube bei Kifjingen 

Arnshaufen und die Eyringsburg 
Euerdorf3 Name ? 

Schloß Amalberg (Sammeldurg) 

Der Thurm auf der Burg Saaled 

Die Saalnire . . ; 
Die Maid vom Sobenbere (Semmelsurg) 
Klofter Wolfsmünftr . . . . . 
Der Schaf bei Wolfsmünfter 
Seifridäburg . . R 

Untergang der Seifriedsburg s 

Lindwurm (Seifriedsburg) 

Schloß Hohenburg an der Wern 
Gemünvdend Name Fr 

Der Gudenberg (Gemünden) . 

-Sondheim (bei Arnjtein) 

Die Otelshäuſer Glode 

Waldaſchach (Aihadh) . 


Haßberge. 
Der Kirchenbau zu Königsberg 
Bergſchloß Köninbrg . . 
Der Agelorden zu Königsberg 
Die kühne Magd (Königdberg) . - 
Die Wüftung Erbredtshaufen (Bramberg: &bern) . 
Schloß Bramberg . . i 
Das Kirihbäumden auf der Burg Rauened ; 
- Burg Altenftein ; j 
Die zwölf gerichteten Nitter * Burg Altenftein : 
Das Gedächtnis der böſen That en) 
Klojter Theres u 2 : . 
Der Silbacher Krieg Hakfurt) 
Burg Schmadtenberg (Zeil) 
Die Magdalenenfapelle bei Baunad) . 


Schweinfurt und Umgegend. 


Urjprung und Alter der Stadt Re 
Die alie Stadt 








om Götzen Lolus . . i 
Die Marfarafen von — . 
Die Entführung ; 5 
Die drei Jungfrauen auf de Petersſtirn 
Die gekrönte Schlange Ar 
Ausgehadte Frühe » » u. 
Die langen Schranfen x 
MWahrzeihen der Stadt Schweinfurt 
MWolfsgaffe und Molfährunnen i 
Die Alte mit dem Krüglein . . 
HinzerHänfele . —W 
Die drei Wafferjungfrauen 
Die auferftandene Frau ae — 
Der entrückte Mühlknappe a ae rl tg 
Der reihe Rüffer . . j 
Die Sage von der alten Zubenfgule ; 
Der Sungfernfuß . ; 
Der Geifterbanner Dee a ae Br 
BE Den Drei ROEBIER s> 5:E ed 
Brunnen um Schweinfurt. tt. 
Ein Enihaupteter läuft 
Das Luciämahl . 
Dom Schloß Mainberg 


Würzburger Sagen. 
Der Deilige RiENn 33. 2.05 3 ie a a 
Dom Biihof Bruno 
Das Eyriafus-Banier . 
Wer das Glüd bat, führt Die Braut heim ; 
König Guftav Adolf von Schweden vor dem Sutiuspitat 
Biihof Konrade Mainfahrt ». » . ; 
Biſchof und Marihall ee Ar 
Das Wunder des heiligen Mafarius . 


Das Vermächtnis des Minnefängerd Walther von Be Vogelweide 


Die Rache des Malers Br 
SEE DRUE 
Das Teufeläthor ee he ar er be 
Die Refidenz en De he ee ee 
Das Kreuz im Neumünfter i i 





488 


Der Schornfteinfeger am Fiſchmarkt 
Der Blutftein in der Feftungsfirhe . 
Die Geifter auf dem Marienberg 

Die verfunfene Mühle. 

Die niefende Jungfrau 

Das wilde Heer 

Der irrende Kornmeſſer 

Das Kroatendörfchen 

Das Reuerer Freßglöckle i 
Die Todtenmeffe in der Marienkapelle 
Das farbloſe Chriſtusbild. Er 
Die Fußtapfen auf dem Weg zum Rippee a Gary 
Das Wahrzeihen von Würzburg . . — * 

Der Leichenzug im Kreuzgang des Dom — 

Die Langgaſſe 

Der Engelszug auf dem Käppele 

Des Teufeld Windbraut 

Die Uhr auf dem Neubauthurm 

Der Schwedenthurm R on 
Der geipenftige Küfer im Hoiteller qu Würzburg a 
König Pippin auf der alten Mainbrüde i 

Der Herenturm . En ae 
Die legte Here Renata — Klofter Unterzell . a 
Das Marienbild auf der Feſtung. 2 2. 
Der wandelnde Thürmer vom Grafenedart3thurm 

Die Burfarbusmwede ; 

Die Micheldwede und der Sihtbraten s 

Der Walfiich zu a 

Die eiferne Hofe . . — — 

Das Horenbrünnlein. 

Der Muͤhlgeiſt 

Die Neujahrsroſen 

Der Schenkenturm Eh 
Der wandelnde Verwalter vom Burgerſpital FOR u 
Der Pudel im Schenkenſchloß : 

Der Plafterer auf dem sei 

Der legte Hieb | j 

Der Studentnbadd . . 2. 

Das FKiliansbrünnlein De Der 

Der Maiengang ’ 





Die Urbanusfeier der Winzer . 

Das Johannesfeuer 

Die Aſchermittwochsfeier 

Die Dreifönigäfeier 

Die Schwedenzeit 

Die Dächer auf der Burkarber Rirhe . 

Der Todtenzug in Franken i 
Das verzauberte Kiffen 

Da3 wütende Heer 

Der Tod des Minnefängers Konrad von Wirgburg 
Der Teufeldfpud im geiftlihen Seminar 
Die Hullefrau . . i 
Die Kinder bed Furſtbiſchofs gJulius 
Die eiſerne Jungfrau im Schneidturm 

Die Gründung des Bürgerſpitals. 

Das graue Männlein im Gänſeſtall 

Die Trauben als Pathengeſchenk 

Pater Athanaſius merkwürdige Viſion 
Speiſet mit den Engeln im Dom! 

Der geſegnete Birnbaum 

Das Teufelsthor zu Würzburg 

Der verzeihende Heiland .. 

Der Palmeneſel Sn 

Der blaue Montag 

Die Arlandsquelle : 

Der Flußgott des Mainz . 

Der Steinberg bei Würzburg . 

Der Shab vom Klofter Ebrady 
Benennung bed Nifolausberges : 
Vom wunderthätigen Marienbild auf dem Käppele 


Wunderbare Beihüsung der Gnabdenfirhe auf dem au j 


Die Geifterjagd auf dem Paradeplah . 

Dad Andreadflöjterlein zu Würzburg . 

Die Stiftung der Karthaufe Engelgarten . i 
Der Sprung ded Raubritterd8 Eppelin von Sailingen 
Der Judenpfad bei Würzburg . . 

Das Loch unter der eriten alten Mainbrüde 

Die Martindgand 

Das verwünidhte Haus 

Der wandelnde Sternguder 





490 


Die nähtlihe NRatsverfammlung 

Der wandelnde Kaufmann ; 

Der Spud in der Univerſitäts— Bibliothet 
Das Neuerer Küchenlatein 

Der ipufende Münzer . : 

Kaifer Friedrich Barbarofjja im Kabenwider 
Der Parlafex. . . ; 

Die Neuerer fommen Kintenan 

Der Baumeijter der Domkirche 

Der wandelnde Spitalvermwalter ’ 
Das grasloſe Plätzchen im Hofgarten . 


Bollsjagen aus anderen Orten Unterfrankens. 


Armoröbrunn bei Amorbad 
Der Schatz vom Klofter Amorbah 


Das fteinerne Kreuz im Wald von Ansbach (bei Kotpenes) : 


Der Commandanten: Röpel zu Aub 

Das Siebenuhrläuten in Aub oo a nn 
Der Hügel im Wald bei Aufſteteee. 
Das Irrlicht im Käferholz bei Bibelried 

Das MWallfahrtöfreuz bei Bieberehren . . 

Der Ritter von Thalberg bei Bieberehren . 

Die Fußeiche bei Birkenfeld (Hofheim) 

Wandelnde frau auf Rauened ; 

Die Sage vom Klofter Maria Buchen —W 
Proteſtanten in Maria Bucheenn. 2 aa 
Die Kunigundenkapelle zu Burgerrotd . . . 

Der Aeſſismann oder der Unfug in Burgerrotb 


Das Dearienbild und der Schäfer (Burghaufen bei Arnſtein) 


Die drei Waſſerjungfrauen im — ——— 
Caſteller Rechte 


Der Steinklopfer bei Dettelbach —— —W 
Dad Marienbild zu Dettelbach und die Schweben 1: 
Das Marienbild zu Dimbad) . rn wie 
EIDeItaDtB Rain: : a > ee 


Erlabrunnd Name 

Die Kirchen von Gaurettersheim * Obermittighaufen 
Graf Geyerd Tod — on 
Giebeljtadt 


Hungerdnot im Grabfeld . 

Der Trautberg bei Hafenlohr . 

Des Biihof3 Jagd bei Haffurt r 
Der Geijterzug in der Ritterfapelle zu Habt 
Der Haßlocher Weinbergamann 

Da3 Eynagogenwappen von bedinsied 
Heidingsſelder Nabel . i P 
Das Feuermännlein und der Schiffer 
Ingolſtadt im Ochſenfurter Gau 

Die Johannesnacht auf der Karlburg . 
Der Kaijerzug auf der Karlburg . 

Die Gertvaudenfapelle . 

Die Karleburger Kirichen . 

Der Schap auf der Karlshöhe 

Gründung der Stadt Kitzingen 

Schatz bei Kitingen 

Das Grab der Liebenden . 


Die Rettung ded Grafen Michael ı von Werken i 


Die Treutleinsäpfel 

Beitrafte Unbarmherzigkeit 

Das Herenftübchen 

Beitrafte Wucherer 

Die Beit im Maingrund . 

Der Beitvogel . ; 

Die Neuftadter Glode ; 
Die Nonnen im Lömenfteiner Wald 
Die Burg Stollberg bei Oberſchwarzach 
Der Schmied von Odhfenfurt . . 
Die Woligangskirchweih daſelbſt 

Die Klöpfleinsnacht 

Der Kautz oder der Willtomm 


Wie ein Bauer von Ochſenfurt aus Rußland — 


Die Jungfrau zu Spielhof 

Das wilde Heer am Spilberg 

Die weiße Frau im Schloß zu Weichenderg 
Maria zu Retzbach im grünen Thal 

Die Mainzer vor Rineck 

Der Rimparer Käger . 

Roßbrunns Name e 
Der Hoimann im —— 7 von Roltinoen 


491 


Eeite 


436 


492 


Die Schönfteinfage en: ee. Se 
Die alte Burg Dh Er N a SER 
Legende von der heiligen Hoftie de ee 
Das Hundheimer Thor bei Röttingen 
Der Schwedenbien zu Röttingen 
Spielende Bauern . — 
Die Zaubermuſchel er 
Steindbadd.. . . ur 
Der Huimann oder ber wanbeinde Schäfer Pr 
Die Rvendburg 2 rn 
Des Dörfhens Name . . . 
Die Kirche ohne Fenſter ’ — — See 
Graf Herrmann von Gaftell auf ber wogeisburs De Sa. 
Sıml. „ “5 , R 
Urjprung und Name von Weibershrunn. FOR? ea ae a" 
Das wilde Heer bei Wipfelb en 
Die Ellafort . Be — 

Graf Hugo von Sabelftein 
Maria Renata, die legte Here im aloſier Unterzell 
Der frevelnde Bäder — tz 
Der wandelnde Probſt vom ion Obere re 
Das feurige Männlein . -» ri A 





Im Verlage der 3. Staudinger'ſchen Buchhandlung in Wiürz- 
Burg find ferner nachſtehende, von der Preſſe höchſt anerfennend be= 
urteilte Bücher erjchienen und durch jede Buchhandlung zu beziehen: 
Beilhack, M. Handbud der Geſchichte, mit Berüdjichtigung 

der Geographie, für Mitteliehulen und zum Selbjtunterricht. 

Preis 4 Mark. 

Bon den vielen, überaus günftigen NRezenfionen, welche diejes Buch erfuhr, 
erwähnen wir nur diejenige der Blätter für bayeriſche Gymnaſien und Real— 
ſchulen; es heißt darin u. A.: Gute Gefhichtsbücher fiir die Schule find nod) 
immer jeltene Artifel. Ach freue mich, heute von einem jolchen reden zu fünnen, 
welches aus ber Feder eines auch auf dem Gebiete der Dichtkunſt rühmlichſt be— 
Fannten Berfafjers und Amtsgenofjen ftammt ꝛc. ꝛc. Ganz bejonders wird noch 
das mit großem Fleiße gearbeitete alphabetifche Regifler gerühmt, jowie auch der 
Vorzug, daß das geographiiche Element in dem Werfe mehr gewürdigt wir, 
als in anderen guten Geſchichtsbüchern. Der Stoff ift mehr in pragmatiicher 
Weile geordnet und das chronologiiche Element in den Hintergrund gebrängt. 
Der Herr Rezenient ſchließt damıt, daß er „Beilhbad, Handbuch der Gejchichte“ 
allen Amtsgenofjen auf's Wärmijte empfiehlt. 

— —, Deutſche Geſchichte in Verbindung mit den Haupt: 
momenten der bayerijhen Geſchichte, im Anſchluß an einen 
Überblid über die alte Geihichte in Fragen und Antworten 
für Mittelfjhulen. 2. Aufl. Preis 2 Marf. 
Eine Anpreifung dieſes gebiegenen Buches erachten wir für überflüfjig, da 

die erſte Auflage faſt allgemein jehr günjtige Aufnahme fand und dasjelbe in 

vielen Lehranftalten Bayerns eingeführt ift. 

Berwind, %., Der kleine landwirtihaftlide Buchhalter, 
Eine Furze Anleitung zur landwirtichaftliden Buchführung, 
5. Aufl, Preis 75 Pig. 

- Borft, F. Die Rundſchrift und ihre Anwendung. Spite- 

matijche Anleitung zum Selbjtunterricht und zum Gebraude in 
Schulen mit Anfügung diverſer Zierjchriften, Preis 80 Pf. 

Gejehesfunde, populäre, in Tragen und Antworten. Inhalt: 

I. Bänden: Das NReihsftrafgejet vom Jahre 1876, 
Preis 60 Pf. 

11. ä Strafprozegordnung des Deutjchen Reich3 

vom Sabre 1877, Preis 90 Bf. 

111. R Civilprozeßordnung. Preis 1M. 50 Pf. 
Haſelmayer, Franz, Dichteriſche Bilder aus der deutſchen Ge- 

ſchichte der neuen und neueſten Zeit. Preis 1 M. 20 Pf. 

Die vorliegenden Bilder unterſcheiden ſich von ähnlichen Sammlungen da— 
durch, daß ſie ſich auf einen kleineren Zeitabſchnitt lediglich der deutſchen Ge— 
ſchichte beſchränken, den betr. Zeitraum in möglichſt zuſammenhängenden Bildern 
mit thunlichſter Berückſichtigung aller Hauptfiguren vor Augen führen, ber ſpeziell 
bayeriſch-wittelsbachiſchen, wie der Geſchichte der Hohenzollern ihr Recht ein= 
räumen und endlid) den poetiihen Bildern fachdienliche Erläuterungen beigeben. 
Dieje werden nicht nur dem Echüler, jondern auch dem Lehrer recht willflommen 
fein. Auch das Nolfslied hat die gebührende Berücdfichtigung gefunden. 

(Allg. D. 8:39. 1880 Nr. 15.) 


wi ie 
— 





Haſelmayer, J. Ev., Neues Aufſatzbuch zum Gebrauche an 
höheren Schulen und zum Selbſtunterrichte. Preis 2 M. SO Pf, 
Der Autor dieſes Werfes, ber jeit nahezu 20 Jahren an jtaatlichen Lehr: 
anjtalten wirft und fich in dieſer Zeit vorwiegend dem Unterrichte in der deut: 
ihen Sprache und Litteratur gewidmet bat, ſah fih zur Ausgabe desjelben ver: 
anlaft, weil die vielen eriitierenden Aufiagbücher meijtens nur Kompilationen 

(Zuſammentragungen) bieten, die für den Schiller nicht von großen Nugen find. 

Nach den langjährigen Erfahrungen des Verfaſſers gebricht es den jungen Leuten 

viel weniger an Gedanfen, als an der nötigen Gewanbdtheit in der ſprach— 

lihen Ginfleidung und Ausführung, legteres ijt im biefem neuen 

Aufiagbuche bejonders in Berückſichtigung gezogen. 

— —, Der Geſchäftsſtil in Mujfter, Ubung und Aufgabe für 
Lernende und für Lehrer. x Preis 1 Marf. 

Diejes Buch wurde jofort nach Gricheinen im verichiedenen Handels- und 

Fortbildungsichulen eingeführt; dasjelbe enthält eine große Auswahl von Geſchäfts— 

aufiägen aller Art, Verträgen, Kojtenanichlägen, Berechnungen, Gejchäftsbriefen ꝛc., 

die mit wenig Ausnahmen dem praftiichen Yeben entnommen find. Es eignet 
fich ganz bejonders für die Hand der Lehrer des Geſchäftsſtils an Mittel und 

Fortbildungsſchulen. 

— —, Dichtungslehre (bPoetik) für die oberen Kurſe der Neal: 
ſchulen Bayerns und verwandter Anſtalten. Mit Aufgaben 
zur Übung in der Form der Dichtungen. Preis 1 M, 20 Pr. 

Keine Kompilation aus einem größeren oder verichiedenen ähnlichen Werfen, 
jondern das reife Produft eines eingehenden liebevollen Studiums des Gegen 
itandes an der Hand der beiten einjchlägigen Quellen und Fahichriften. Das 

Werfchen iſt zunächſt beſtimmt für die oberen Kurſe unferer Realichulen und 

enthält behufs beſſerer Einprägung bes Lehrſtofſes viele Aufgaben und Wieder- 

bolungsfragen zur jchriftlihen und mündlichen Pöjung. Ferner enthält e8 fort: 
laufende Hinweiſe auf die Litteraturgeichichte, indem der Entwidlungsgang der 

Dihtungsarten überfichtlich ffizziert und die wichtigiten Vertreter derſelben mit 

den einjchlägigen Mujterwerfen bezeichnet werben. So kann es recht wol auch 

als Yeitfaden der allgemeinen Litteraturgeichichte dienen ac. ꝛc. 
(BL F. d. bayer. Gymn.= u. Real-:Schulw. XIV. Jahrg. ©. 442.) 
Wir haben zwar jchon verichiedene ganz gute Yehrbücher der Poetif für 

Schulen, feines iſt aber bei der Kürze jo vieljeitig. Die vorliegende enthält 

alles wünjchenswerte und zwar in praftifcher Form ac. ꝛc. 

(Dr. Böhm, Gentralorgan f. d. Realſchulw. Deutſchl. VIL. Bd. 1379.) 


— —, MWörterverzeihniß der deutſchen Rechtſchrei— 
bung. 2. Aufl, Preis 60 Pf. 
Heindl, 3, Dienjtverhältnifje und Gebührniſſe des 
Beurlaubtenjtandes des deutichen Heeres. Nach der 
neuen Wehr: und Heerordnung und den übrigen einjchlägigen 
Beitimmungen. Anhalt: 1. Allgemein. 2. Beförderung von 
Unteroffizieren und Mannjchaften de3 Beurlaubtenitandes, 
3. Nejerveoffizier- Wipivanten. 4. Unterärzte der Reſerve. 

d, Offiziere, Sanität3offiziere und obere Militärbeamte, 
Preis 2 Mark. 


Der Sagenschatz des MI 


Widener Library 


JinnlinN 


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