Das Grosshirn der Papageien in
anatomischer und physiologischer ...
Otto Kalischer
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DAS GROSSHIRN DER PAPAGEIEN
IN ANATOMISCHER UND PHYSIOLOGISCHER
BEZIEHUNG.
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VON
Dr. OTTO KALISCÜER
AUS DEM ANHANG ZI' DEN ABHANDLl" N< ■ E N DER KÖNIGL. PREUSS. AKADEMIE DER
W1SSENSIII AKTEN VOM JAHRE 1916.
MIT 6 TAFELN.
BERLIN 1905.
VERLAG DER KÖNIGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
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Vorgelegt von Hrn. Wald ey er in der Sitzung der phys.-math. Classe Bin 6. April 1905.
Zum Druck verordnet am 4. Mai. ausgegeben am 24. Juli 1905.
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1 ' K
Du. vorliegenden Untersuchungen wurden in Jen letzten fünf Jahren nn
etwa 60 Papageien vorgenommen, um über die Bedeutung des Großiii rns
bei diesen Vögeln in anatomischer und physiologischer Beziehung Auf-
schluß zu gewinnen. Uber die ersten orientierenden Versuche habe ich
bereits vor einigen Jahren berichtet: 1 es war mir damals gelungen, im
Anschluß an die Exstirpation bestimmter Teile einer Hemisphäre Läh-
mungen auf der gegenseitigen Körperhälfte zu erzeugen, außerdem von
bestimmten Punkten der Großhiraoberiläche aus durch fnradische Reizung
Bewegungen der Beine, der Fuße, der Flügel usw. hervorzurufen. Bei den
systematischen Untersuchungen, welche ich den Vorversuchen folgen ließ,
kam es mir in erster Linie darauf an, einen genaueren Einblick in das
Sprechen und das Sehen der Tiere zu erhalten und die Lokalisation dieser
Funktionen zu ermitteln.
Aber auch die Bcwegumrs- und Empfindimgsstörungen, welche ich
beobachtet Latte, galt es genauer zu erforschen und auch hier, wenn möglich,
die Abhängigkeit von bestimmten Gehirnstellen klarzulegen; besonder»
lag mir daran, Aber den Freßakt, dessen Störungen so häufig und immer
am ehesten bei tieferen Schädigungen des Großhirns aufzutreten pflegen,
näheres zu erfahren und die Teile des Großhirns zu bestimmen, deren
Exstirpation eine Schädigung dieser wichtigsten Funktion bedingen.
Untersuchungen in lokalisatorischer Richtung sind bisher nicht in
systematischer Weise bei den Vögeln vorgenommen worden. Die physio-
1 O. Kalischer, Uber Grußhirnrx^tirpationen bei Papageien (Sitznngtber. d. Kg).
Preuß. Akad. d. Wis*. zu Berlin, Sitzung vum 5. Juli 1900). und Weitere Mitteilung zur Groß,
hirnloknlisation bei den Vögeln (Sii7ung»l«-r. (1. Kgl. Preuß. Akad. d. "Wiss. zu H>rlin, Sitzung
»«m 11. April 1901).
I
4 0. Kalischeb:
logischen Versuche hatten im wesentlichen darin bestanden, eine oder
beide Hemisphären namentlich bei Tauben zu exstirpieren und die Ausfalls-
erscheinungen vornehmlich in bezug auf das Sehen festzustellen. Allerdings
hatte u. a. besonders Schräder 1 auch bei anderen Vogelarten Teilexstirpa-
tionen ausgeführt und gewisse Unterschiede je nach der Stelle des Ein-
griffs beobachtet; aber zu einem bestimmten Resultate war dieser Forscher
sowenig gekommen, daß er zusammenfassend sich dahin Äußerte, »daß eine
funktionelle Ungleichartigkeit der einzelnen Abschnitte des Vogelgehirns
nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden könnte«.
Die anatomische Untersuchung des normalen Papageigehirns, welche
ich den physiologischen Versuchen vorausgehen ließ, hatte gezeigt, daß
sich im Großhirn des Papageis verschiedene, deutlich voneinander abgrenz-
bare Abschnitte sowie distinkt verlaufende Faserzüge unterscheiden lassen.
Die Funktion und Bedeutung dieser verschiedenen GebUde suchte ich gleich-
falls bei meinen Versuchen zu ermitteln.
Die anatomische Untersuchung wurde im Anatomischen Institut in
Berlin, die physiologische Untersuchung im Physiologischen I>aboratorium
der Tierärztlichen Hochschule in Berlin ausgeführt, mit Hilfe von Mitteln,
welche mir von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften
sowie von der Medizinischen Fakultät aus der Gräfin Bose -Stiftung gütigst
zur Verfügung gestellt waren.
1 M. E. G. Schräder, Zur Physiologie des Vogelgchirns (Pfluger« Archiv, Bd. 44),
und Ul*r die Stellung des Großhirns im Reilexmeclinriismu« des zentralen Nervensystems der
Wirbeltiere (Aich. f. experim. Pathol. u. Phannaknl. Bd. 39).
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Das Großhirn der Papageien.
I. Anatomischer Teil.
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1. Einleitung.
Während der Anatomie de» Großhirn* der Papageien . wenn man von vereinzelten
Bemerkungen und Abbildungen der Oberfläche und einiger Durchschnitte durch das Gehirn
absieht, keine eingehendere Berücksichtigung seitens der Anatomen bisher zuteil geworden
war, hat Kd Inger 1 in seiner im Jahre looj erschienenen Arbeit «über das \ nrderhim der
V ögel, auch da.* Gehirn der PajMigeien zum \'ergleiclie herangezogen. Da» Bedeutungsvolle
dieser Arbeit Edinger*, in welcher derselbe auch eine ausführliche Ubersicht Ober die Lite-
ratur des Großhirns der Vögel gibt, besteht besonders darin, daß er auf den trotz allerlei
Verschiedenheiten im Grunde übereinstimmenden Bau des Großhirns bei mannigfachen
Vogeiarten hingewiesen, die Anklinge an das Reptiliengehirn betont und auf Grund dessen
eine Grundlage für die Einteilung des VogelgroDhirn» in verschiedene Teile gegeben hat.
Die Übereinstimmung war nicht immer leicht festzustellen , da bei den verschiedenen Vogel-
arten die Lage der einzelnen Teile des Großhirns nicht dieselbe ist, und auch die Größe
der einzelnen Teile variiert, so daß mancher Teil bei der einen Vogelart einen großen I m-
fang einnimmt, während derselbe bei einer anderen Vogelart nur mit Mühe aufzufinden ist.
Leider basiert die genauere Durchforschung des Vogclgchirns im wesentlichen auf Unter-
suchungen der Taube, wie auch fast alle Degeneralionsversuche von Wallenburg, dem
Mitarbeiter Edinger«, an der Taube ausgeführt sind. Aus mannigfachen Gründen eignen
sich jedoch die Tauben sehr wenig für diese Untersuchungen. Oberilichliche Verletzungen
des Gehirns, tum Zwecke der Degenerationsmelhode vorgenommen, fuhren durch Zirkula-
tionsstörungen leicht zur Schädigung tieferer Teile. Ferner findet man die einzelnen Faser-
zilge sowie die verschiedenen Abschnitte des Gehirns bei den Tauben weit weniger deutlich
Voneinander geschieden wie bei anderen Vögeln , insbesondere wie bei den Papageien , bei
denen deswegen die anatomische Untersuchung des Gehirns auch auf geringere Schwierig-
keiten stößt. Bei der Zusammenfassung seiner Ergebnisse kommt Edinger zu demselben
Resultate, zu welchem mich schon meine im Jahre 1901 veröffentlichten physiologischen
Versuche geführt haben, insofern ich damals auf den bedeutenden Unterschied hinwies, der
zwischen dem Großhirn der Tauben bzw. Hühner und der Papageien besteht. »Die Tauben-,
führte ich aus, -entsprechen den niederen, die Papageien den höheren Säugern.« In ähn-
licher Weise sagt Edinger: -Die Grundlinien (des Großhirns) sind zwar Oberall die gleichen;
aber es kommen solche Differenzen in der Ausbildung vor, daß man wohl sagen kann, sie
seien nicht geringer als bei den Saugern. Das Gehirn der Taube ist von dem der Gans
1 L. Edinger, Untersuchungen Uber das Vorderhirn der Vögel. Abhandlungen der
Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft, Bd. XX, Heft 4.
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0. Kalischeb:
I
mindestens so unterschieden wie dasjenige de» Kaninchens von dem Gehirn de» Hundes;
ja von dem I'apageigehirn steht das Gehirn der Taube reichlich so weit ah wie etwa das
Hundegehirn Tom Affengehirn.«
Die vorliegende Beschreibung des Großhirns des Papageis nebst den beigefügten Ab-
bildungen soll vornehmlich dazu dienen, das Verständnis für die von mir ausgeführten Ex-
stlrpationen zu ermöglichen und damit die anatomische Grundlage für die Versuche 7.11 bilden.
Auf manche anatomische Einzelheit bin ich deswegen nicht naher eingegangen; auch habe
ich nur die wichtigsten Punkte hervorgehoben, in welchen meine Ergebnisse mit denen von
Edinger nicht übereinstimmen. Zum Studium des normalen Papagelgehirns wurden Serien-
schnitte durch dasselbe in horizontaler, sagittaler und frontaler Richtung angelegt. Die
Färbung der Schnitte wurde mittels der Weigertschen Hämatoxylituncthode und der
Nißl sehen Zellfärbemethode vorgenommen. Die von verschiedenen Papageiarten 1 herrühren-
den Serienschnitto zeigen, wenn man von der Größe absieht, im wesentlichen übereinstim-
mende Bilder. Die hauptsächlichsten und charaktcristischtrn dieser Schnitte, welche ich
auch bei den Exstirpalionen als Wegweiser benutzte, habe ich auf den Tafeln zur Abbildung
gebracht; sie sollen dazu dienen eine Wiederholung der Operationen zu erleichtern. Die
anatomische Untersuchung des normalen Papagelgehirns, welche den physiologischen Ver-
suchen vorausging, wurde später in mancher Richtung vervollständigt durch die nach den
Exstirpationen mittels derMarchischen Degenerationsmethode gewonnene Kenntnis der Faser-
zilge und ihres Verlaufes. Ein Teil der Gchirnschnitte wurde, um eventuelle Zelldegcnerationen
und Zellschwund in den Ganglien des Thalamus und Mittclhirns zur Darstellung zu bringen,
nach Nißl gefärbt; schließlieh kam auch die Weigert sehe Markschcidcnnu-thode dort zur
Anwendung, wo sehr lange Zeit nach der Operation vergangen war. Wenn auch öfter
Zweifel bei ihrem Gebrauch entstanden, so gab doch das Ergebnis der Marc bischen Me-
thode den Hauptanhaltspunkt bei der Entscheidung der Krage nach der zentrifugalen oder
zentripetalen Natur der Nervenbahnen. Krfolgte die Degeneration sehr schnell — etwa
Ii Wochen bis 3 Wochen nach der Exstirpation — . so war der zentrifugale Charakter der
Faserzuge mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen; bei sehr spät einsetzender Degeneration da-
gegen (a — 3 Monate nach der Exstirjwition) durfte man auf den zentripetalen Charakter der
betreffenden EaserzOge schließen. Nur in der Zwischenzeit mußte mau zweifelhaft sein; und
hier konnten Übung und Erfahrung, die für die Deutung und Handhabung dieser Methode
nicht zu entbehre» sind, oftmals entscheiden; die physiologischen Resultate dienten dabei
als Stütze ftlr die anatomischen Feststellungen.
Manche l'instünde erschwerten leider die Verwertung der bei der Benutzung dieser
Methode erhaltenen Ergebnisse. Da die Tiere meist doppelseitig von mir operiert wurden, so
fehlte erstens, was gerade bei der Marchischen Metbode von größter Wichtigkeit ist. die
Möglichkeit eines Vergleiches mit der normalen Seite. Zweitens wurden die Tiere meist
länger am Leben erhalten, als ftlr die Ausführung der Methode vorteilhaft ist, da die kli-
nische Untersuchung häufig eine längere Beobachtungsdauer erforderte. Dadurch wurde
auch die Feststellung der letzten Endigungen der d«T»enerierten zentrifugalen Bahnen er-
schwert, da io den feinsten Endfasern die Schwärzung der Schollen und Punkte, durch
welche die Degeneration bei dieser Methode hervortritt, allmählich durch Resorption schwindet.
In den stärkeren Faserz (igen dagegen bleiben, auch wenn die größeren .Schollen verloren
1 Besonders folgende Speiies wurden bei der Untersuchung verwendet: Androylossa,
Ptiitotophut, Sittace.
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Da* Großhirn der Papageien.
7
, noch feine schwarze Punkte und Vakuole«
. welche den Verlauf i
In dieser Arbeit, in welcher es mir zunächst nur auf die anatomische Darstellung des
Großhirns ankam, habe ich davon abgesehen, den Verlauf der Großhirn bahnen durch Tha-
lamus, Mittelhirn usw. genauer zu schildern und durch Abbildungen zu illustrieren. Um
*o mehr, als die letzte Eodigung vieler Zuge noch nicht mit genügender Sicherheit fest-
steht. Die Erkennulis derselben ist auch dadurch erschwert, daß die Zage meist nicht ein-
heitlich endigen, sondern in den zahlreich vorhandenen Ganglien sich aufsplittern; die
Schwierigkeit wird ferner dadurch erhöht , daß eine Identifizierung vieler Ganglien im Tha-
lamus und MitteJhirn mit den entsprechenden Ganglien der Sauger ebensowenig bisher ge-
lungen ist wie die Identifizierung der verschiedenen Großhirnteile; ich habe es daher auch
i, die meisten Züge, deren allgemeinen Verlauf ich charakterisiert habe, mit be-
Namen z
2. Die äußeren Formverhältnisse des Großhirns.
Zur Kenntnis der äußeren Fonnverhältnis&e dienen besonders die Abbildungen auf Taf. I
Fig. i — 6. Die Lage des Gehirnes in der Schldelhöhle ist in der Abbildung Taf. I Fig. 6
dargestellt; wir sehen in der rechten Schideth&lfte das Großhirn von oben freigelegt und in
der linken zum Vergleiche die unerßffnete Schädclkapsel, die an ihrer Oberfläche nicht
ganz glatt ist. sondern mehrere Eindrücke aufweist, welche von dem daruntergelcgenen Gehirn
herrühren.
Die Abbildung Taf. 1 Fig. l zeigt da« Gehirn von oben. Die ha\A optici sind bei
den Papageien vollständig von den Großhirnhemisphären Oberdeckt, wahrend sie bei vielen
anderen Vogelarten frei zutage treten. Wir können an dem Großhirn des Papageis nach
rein äußerlichen Gesichtspunkten, wie ich es schon früher angegeben habe, 1 einen Stirnteil,
einen Schläfenteil, einen Scboitelteil und einen Hinlerhauplsteil unterscheiden; die weitere
Untersuchung wird ergeben, wie diese Teile zusammengesetzt sind.
In unserer Dorsalsnsicht des Großhirns wird der Scheitelteil durch den Wulst
(«) dargestellt, der als markante Partie hier hervorragt; er beginnt vorn schmal und wird
nach hinten zu breiter, um sich dann wieder etwas zu veraciunllern. Lateralwärla ist der-
selbe durch eine Furche abgegrenzt, in welcher eine große Vene (e) verlauft. Die Furche
bildet die Grenze gegen das Hyperstriatum. welches,
die Oberfläche tritt. Die Vene (Vena cerebralis aut., wie wir sie i
des VenensTstenis des Gehirnes bezeichnen müssen), welche für die Orientierung bei den
Operationen von erheblicher Bedeutung ist, kommt vom Stirnteile <*<) her und gibt auf dem
Wege nach hinten Seitenaste ab, die siel) am Wulst und an den lateralen Partien des Ge-
hirnes verzweigen.
Der Wulst, welcher das Ausbreitungsgebiet der Septumfsserung bildet, reicht bei
manchen Vogelarte« viel weiter nach vom und erstreckt sich dann bis tief in den Stirnteil
des Gehirns hinein; die Bezeichnung .Scheitelteil, erscheint alsdann nicht paasend. Wie die
physiologischen Erfahrungen im Verein mit den anatomischen Befunden wahrscheinlich i
» O. Kalischer. Weiter« Mitteilung zur Groflhirelokalisation beim Papagei. Fort-
, Bd. XVIII. 1900, Nr. 33.
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0. Kausche*:
Ist der Seheiielteil der Papageien, sofern ein Vergleich zulässig ist. dem Schcitcllappen -f
Zentralwindungen der Sauger gleichzusetzen.
Medialwirts geht der Wulst in seiner ganzen sagittalen Ausdehnung in das Septum
Ober. Die mcdialstv Partie des Wulstes ist in der ganzen Langsauxclchnung durch den
Ventrikel (s. unten) vou dein darunter befindlichen Gehirn (Strlatum) getrennt. Die mehr
lateralen Partien des Wulstes sind dagegen mit dem darunter befindlichen .Strialuin fest ver-
wachsen; doch ist die Wreinigungvstelle in den Frontalschnitten deutlich zu sehen. An der
Stelle des Uberganges von dem Wulste zum Septum findet sieh eine sagittal verlaufende,
schwach ausgeprägte Furche, die vorn an der Spitze des Wulstes beginnt. Nach hinten
laßt sich diese Furche um den Hinterhauptsteil herum in horizontaler Richtung (s.Taf.I Fig. 5)
verfolgen und grenzt hier den oberen massiven Teil des Großhirns von dein uuteren Teile
ab, welcher (letzterer) durch ein freies Pallium (Ventrikeldrcke) uud den darunter befind-
lichen Ventrikel auxgezeichnet ist. Die Furche endet Im Schlafenteile de* Gehirns (s. Ab-
hildung Taf. I Fig. 3 und 4). In dieser charakteristischen Furche sieht man oft eine Vene
Am ganz frischen Gehirn erscheinen die von der freien Vcntrikeldecke bedeckten
Teile etwas dunkler als die Umgebung. Viel deutlicher treten eben diese Teile hervor,
wenn bei der Operation eine Blutung in den Ventrikel stattgefunden hat oder auch, wss
nicht selten zu beobachten ist, wenn durch sUrkere FOUung mit seröser Flüssigkeit der
Ventrikel blasenartig vorspringt
Ganz vorn an den Stirnteilelt de* Großhirns sieht man die Lobi olfactorii (o) an* dem
Oehirne hervorgehen. Die Stirnteile selbst (ar) sind zum Teil hinten durch den vordersten
Teil des Wulstes begrenzt; die Abgrenzung wird vervollständigt durch die nur schwach an-
gedeutete Sylvisehe Furche </), in der eine kleine Vene sichtbar ist.
Der Schlafenteil des Großhirns tritt in dieser Abbildung nicht hervor, wohl dagegen
der Hinterhauptsteil (A). Schließlich wlre noch auf das Kleinhirn (le), das im wesentlichen
aus dem Wurme besteht, hinzuweisen.
Wenden wir uns jetzt zur Unterfllche des Gehirns, zur .Gehirnbasis- (T»f. 1
Fig. »); vgl. auch die Textttgur S. 56. Im vorderen Abschnitte der Gehirnba*i* (m), welcher
von dem hinteren Abschnitte durch die tiefe Sylvisehe Furche geschieden ist, sehen
wir die Unterziehe der Stirnteile mit den I<obi olfactorii; hinter dem Stirnteile, durch eine
zarte Furche Ton demselben getrennt, einen wichtigen Hirnteil: das Mesostriatum. In der
genannten Teztfignr ist das MesoBtriatum in seiner ganzen Ausdehnung durch gestrichelte
Linien dargestellt. Hinten ist dasselbe durch den Schlafenteil (t) und das Chiasina (cAl be-
grenzt; lateral» ärts erstreckt es sieh nicht Ober die ganze Unterllacbe, sondern greint hier an die
hintere untere Partie de» Stirnteiles. In Edingers Abbildung der Hirnbasis eines Papageis sind
diese Verhältnisse, worauf ich unten zurückkomme (S. 18), nicht richtig dargestellt. Beschreibung
und Abbildung Edingers entsprechen sich nicht, was seinen »Lobus parolfactorius • betritt.
Auch von dem Vorhandensein der Fovea und Fissura limbica, Edingers habe ich
mich beim Papagei nicht überzeugen können. Wohl kann man die von markbaltigen Nerven-
fasern bedeckte Unterfllche des Gehirne» von der äußeren Umrandung des Stirnteiles, die
etwas nach unten Oberhingt, deutlich unterscheiden; es wird dadurch eine Art Grube <Ba-
salgrubc) gebildet. Doch bieten sich hier mikroskopisch zur Annahme einer Furche keine
Anhaltspunkt«. Sicherlich handelt es sich hier nicht um die Abgrenzung einer Großhirn-
rinde, worauf Edinger Wert legt Die Form und die Entstehung der Basalgrube rührt wohl
von der Ausbildung der darunter gelegenen Augenhöhle her.
Dag Großhirn der Papageien.
Schließlich wäre in der Abbildung der Großhirnhasis noch auf die Lobi optici (/o), d«s
Chlaama icA), auf die im hinteren Winkel des Ohinsma gelegene Hypophysis und »uf die
Medulla oblougata hinzuweisen.
Dir Abbildungen (Taf. 1 r'igg. 3 und 41 zeigen Seileaansichten des Gehirnes, und zwar
die Abbildung (Fi«- 3) da» Uehirn mehr von unten, die Abbildung (Fig. 4) das Gehirn mehr
von oben. In beiden Abbildungen tritt besonder« der Schiifenteil (#) klar hervor, der bei den
Papageien eine so erhebliche rlntwickelung erkennen laßt Von dem Mesostriatimi (m) und
dem Sllrnteile (<i) ist derselbe durch die Sylvisehe Furche geschieden.
Kndlich seilen wir in der Abbildung (Taf. 1 Fig. 5) das Gehirn von hinten dargestellt.
Auf die Furche, welche hier in horizontaler Richtung um das Großhirn herumlauft nnd den
oberen massiven Teil derselben von dem unteren, der ein freies Pallium besitzt, trennt, ist
schon oben hingewiesen. Das freie Pallium ist fast überall «ehr dünn; nur zu beiden Seiten
des Kleinhirns 7eig» es eine etwa« erheblichere Sülrke. Die Grenze zwischen dem dickeren
und dünneren Teil ist in der Abbildung gleichfalls zu erkennen.
3. Der innere Bau des Großhirns.
A. Kurzer ÜberMick.
F.he wir jetzt an der Hand der Abbildungen die Frontal-, Horizontal- und Sagittal-
schnitte diurh das Gehirn im einzelnen besprechen, sei hier ein kurzer orientierender Über-
blick Ober die wichtigsten Abschnitte, die im Großhirn sich unterscheiden lassen, gegeben:
Zunächst wäre darauf hinzuweisen, daß hcinalieda* ganze Großhirn aus dem Stria tum besteht,
während da* Pallium fax! überall eine äußerst geringe Entwicklung darbietet. Ausschließ-
lich im Wulste ist die Kntwiekelung des Palliums etwas erheblicher; sonst bildet dasselbe
eine gan* Bünne Decke, welche entweder durch den Ventrikel von dem darunterliegenden
Striatmn getrennt ist oder dort, wo der Ventrikel fehlt, mit dem Striatum fest verwachsen
ist und daselbst wohl nur als membranartiger Überzug in Betracht kommt. In dem Teile
d.» Pallium«, welcher durch das Septuin dargestellt wird, verlaufen Nervenfasern . die vom
Wulste entspringen.
In dem Striatum selbst treffen wir eine Reihe wohlcharakterisierter Abteilungen, die
sich durch ihre Lagebeziehungen , durch die Anordnung der Ganglienzellen sowie durch die
daselbst verlaufenden Faserzltge unterscheiden. In der Benennung der einzelnen Abteilungen
folge ich. soweit wie möglich, den von Edinger gegebenen Bezeichnungen.
Zu innerst als eigentliche Fortsetzung des Thalamus, ist das Mesoatriatum zu nennen,
dessen Lage und Form wir fast in allen Abbildungen verfolgen kfinnen. Schon bei der
Schilderung der äußeren Formverhillnisse des Großhirn» haben wir hervorgehoben, daß der
vordere Abschnitt des Mesostriatums , den wir im Gegensatz zu dem hinteren Abschnitt
(Körper) als Kopf bezeichnen können . an der Basis des Großhirns in großer Ausdehnung an
die Oberfläche tritt
Qherhalh des Mesostriatums. durch eine Schicht einfachen Stria tums getrennt, liegt
das Hy perstriatiim, ein große«, sich Ober die ganze Länge des Großhirns erstreckendes
Ganglion ; vgl. den SagittaLschnitt Taf. IV Fig. 2, wo das großzellige Ganglion mit den nach N i ß 1
gefärbten Zellen besonders klar hervortritt. F.diiiger liezeichnet die ganze, oberhalb de*
Mesostriatums gelegene Partie ohne nähere Abgrenzung als Hyperatriatum. Doch lehren die
Äy*. Äbh. »u-ht «r Akad. j^Aflr. fjW/Arter. 1905. IV. 2
10
0. Kalischeh:
Nißlprlparate ohne weiteres, daß wenigstens bei Papageien eine Sonderung in dem obigen
Sinne vorgenommen werden muß.
Oberhalb des Hyperstriatums. und zwar zwischen diesem Ganglion und dem Wulste, findet
steh eine schmale Lage großer Ganglienzellen , die deutlich gegen das Hyperstriatum abzugrenzen
ist. leb habe dieselbe als >Unterwulstregiom bezeichnet, da sie nähere Beziehungen zu
dem Wulste zu besitzen scheint (vgl. die Abbildungen Taf. IL Fig. 2 und Taf. IV Fig. i).
Als weitere* wichtiges Ganglion, das auf den meisten Abbildungen in deutlicher Ab-
grenzung hervortritt, ist das Kpistriatum zu vermerken. Nach Kdinger umfaßt das Gang-
lion noch andere Teile als den in meinen Abbildungen sich scharf markierenden Kern, den
ich allein als Kpistriatum bezeichne (vgl. besonders die Abbildungen Taf. II Fig. i und Taf. V
Fig. 2. Das Ganglion liegt teils lateralwirts . teils nach hinten vom Meaostriatiim , von dem-
selben nur durch Faserzüge getrennt. Eine schmale Zunge des Epistriatuina erstreckt sich
auch, dicht am Mesostrialum entlang, nach vorn.
Ein kleineres Ganglion sitzt femer dem hinteren Teile des Mesostriatums an seiner
dorsalen Fläche dicht mif und breitet sich von hier aus in ganz schmaler Flache (Hier das
Mesostrialum nach vorn hin aus; es wird von Kdinger als Ektostriatum bezeichnet
vgl. die Abbildung des N i ß I prä|>arates Taf. II Fig. i. Auch nach hinten sendet das Gang-
lion einen Fortsatz au» (s. Taf. IV Fig. i >.
Diejenigen Teile des Striatuins, welche nichts besonders Charakteristisches zeigen,
bezeichnen wir einfach als .Striatum., und können dabei je nach der Uge von einem
Strialum frontale, parietale, occipitale und temporale sprechen. Diese Teile werden von
größeren Faserztigen nur durchzogen und dienen im allgemeinen nicht zum Ausgangspunkte
derselben, ebenso wie ihnen auch wohl nicht die besonderen Funktionen zukommen wie
den oben näher charakterisierten flirnabschnitten.
Das .Striatum frontale bildet die Fortsetzung des Strialum parietale nach vorn zu
(s. besonders die SagiltalschniUe).
Das -Striatum parietale, von Edinger mit zum Hyperstriatum gerechnet, dein es
aber wegen seines abweichenden Baues nicht angehören kann, liegt zwischen dein Hyper-
atriauim und dem Mesostriatmn und wird ebenso wie das Sti-iatiiin frontale von den Zeigen
der Schrägfaserung durchzogen.
Das .Striatum occipitale, nach hinten vom Epistriatum und Mesostriatum gelegen,
nimmt den größten Teil der hinleren Halbkugel ein. Dasselbe ist rrlativ arm an größeren
Ganglienzellen; nach dem Schläfenteile hin finden «ch dieselben jedoch in reichlicherer Menge;
man kann den Übergang zum Schläfeiileil als Striatum occiplto- temporale bezeichne».
Das Striatum temporate, als Fortsetzung des Striatum ocripito-temporale, besitzt
gleichfalls große Ganglienzellen . welche denen des Kpistriatum ähnlich sind. Dieses Strinlum
liegt direkt lateralwärts vom Epistriatum.
Beide .Striata, das Strialum temporale und das Striatum oeclpito-temporale, sind von Mark-
strahlen durchzogen , die au* dem Epistriatum hervorgehen ; beide Striata sind durch den Ven-
trikel von dem freien Pallium , das hier außerordentlich dftnn ist und keine Nervenfasern auf-
weist, geschieden.
Betrachten wir zunächst die auf den Tafeln 11 und III befindlichen Abbildungen von
zehn KronUlschnitten durch das normale Großhirn eines Papageis. Ein Teil derselben
ist nach Weigert, ein Teil nach Nißl gefärbt, um einen Vergleich der Lage der Faserzöge
B. Beschreibung der Abbildungen.
Das Großhirn der Papageien. 11
und der Zellgruppen zu ermöglichen. Zur Orientierung über die topographische Lag* dieser
Schnitte dient die hier folgend« Textfigur, welche das Großhirn von oben zeigt und eine
Reihe von FrontalschnitteD eingezeichnet enthält.
Fy. /.
Der Frontalsehnitt (T«f. II Fig. 3) -•• Weigertprfparat — ist durch den Stirn-
teil des Großhirns etwa bei a (b. obige Textfigur) gelegt. Eine Ergänzung zu diesem Schnitte
bildet ein nach Nißl gefärbter, ungefähr durch die analoge Stelle des Gehirns gelegter
Frontalschnitt (Taf. II Fig. 4).
In beiden Abbildungen finden wir bei <? die Pars frontalis des Hyperstrialums , in
welches von unten (<•( her die Markfasern (6) in großer Zahl einstrahlen. Der Gehimteil,
den sie durchqueren müssen, ist das StrUtum frontale. In dem Nißlprtparate flllt uns
außerdem das vorderste Ende des Ventrikels (rf) auf.
Der folgende Frontalschnitt (Taf. III Fig. ■) — Weigertpriparat — ist durch
das Gehirn etwa zwischen b und c |s. obige Textfigur) gelegt. Wir befinden uns hier schon
im Psrietalteile des Gehirns. Der mittlere Teil dieser Abbildung (o) entspricht in seinem
Charakter dem obigen Frontabschnitte; wir sehen hier nitnlicb erstens die Fortsetzung des
Hyperstrialums In), darunter zweitens, durch eine feine Lioie von demselben getrennt, als
Fortsetzung des S tri» tum frontale, das Striatum parietale. Es sind nun zwei neue Teile In
diesem Schnitte hinzugekommen:
1. Oberhalb des Hyperstriatums <o) der Wulst (61, von welchem (bei ei Faser* Qge
ausgeben, die im Septum abwlrts verlaufen, /wischen dem Hype rstri» tum und dem Wulste
befindet sich ein Netzwerk von Fasern, das der UoterwulstregioD angehört.
z. Unterhalb des StrUtum parietale tritt als neuer Gehirnteil das große an der Buis
des Gehirns gelegene Mesostriatum (rf) auf. Dasselbe ist nach oben und sertwirts (o) von
2*
12
0. Kaliscuer:
Kaserzftgen begrenzt. Die Lamiua horizontal!.« bildet die Grenze gegen das Striatum parietale.
Innerhalb des Mesostriatums sehen wir, schräg getroffen, einen Fasexzug {f) t welcher, wie wir
später erfaliren werden, den Stirnteil des Großhirns mit der Medull» oblongata verbindet.
Bei « wäre noch des Ventrikels zu gedenken.
Eine Ergänzung dieses Weigertpräparats bilden die beiden Nißlpräparate (Taf.il
Figg. S und 6), die ungefähr der gleichen Stelle de* Gehirn* entsprechen. In dein einen
derselben (Fig. 5). der etwas mehr «ach vorn von dem Weigert praparat durch das Gehirn
gelegt ixt, sehen wir da» vordere Knde des Mesostriatums (a). Letzteres ist nach innen durch
den Faserzug (A), nach oben durch den Faserzug (c) von den Nachbarteilen (Striatum frontale
b/.w. parietale) abgegrenzt.
In dein anderen Nißlpräparate (Fig. 6) verhalt sich dagegen das Mcsostriatum ebenso
wie in dein Wcigertpräparstc; hier reicht das Mcsostriatum nach innen bis an die Me-
In beiden N ißt präparalcn sehen wir das durch «eine großen Ganglienzellen ausge-
zeichnete Uyperstriatum (r); unter ihm das von Fiiserzögen durchzogene Strlatuui parietide
(d); (Iber ihm den Wulst /, und zwischen dem Uyperstriatum und dem Wulst außerdem
noch eine schmale Schicht größerei - üanglletixellen, die wir in dem Weigert praparat«, wo
statt der Zellen ein Netzwerk von Fasein sichtbar ist, als ljnterwulstregion bezeichneten.
Kndlich wäre noch der Ventrikel bei g zu nennen, welcher bis zu dem Wulst (/)
sich erstreckt.
Die folgende Abbildung (Taf. 111 Fig. Jl — Weigert priiparat — entspricht einem
zwischen r und d (s. TexMigur S. 11) durch das Gehirn gelegten I'runlnlschiiitt- Das Bild ist
Shnlich dem rlwn beschriebenen Weigert präpnrate und unterscheidet sich von demselben
nur dadurch, daß hier der Schlafenteil des (iroßhirns (1) hinzugekommen ist. In dein
Schläfenteile sieht man nach der Oheriltche des Cehiins zu verlaufende feine Fasern, welche
aus dem Kpistiiatnm hervorgehen, einem Großhituganglion, das wir in den nächsten Frontal-
schnitte» tu ich deutlicher erkennen können.
Bei a haben wir das Uyperstriatum; unterhalb desselben, durch eine feine Linie ge-
trennt, das Striatum parietale, das bis an das Mcsostriatum (d) heranreicht; bei c den Wulst,
von dem dir Scplumfasrning ausgeht; unterhalb de» Wulstes die durch ein feines Netzwerk
sich auszeichnende Unterwulstregion, welche uninittellmr an das Uyperstriatum grenzt; !>ej f
den Ventrikel; bei / den gleichen Faserzug wie im vorigen Schnitte.
Es folgt als nächster Frontalschnitt, entsprechend dem Niveuu bei d (». Textfigur
S. 11) die Abbildung Taf. III Fig. 3.
In diesem Weigert jiräparat treffen wir viele Atnchuitte wieder, die wir schon in den
vorigen Abbildungen kennen gelernt haben; manches Neue ist aber hinzugekommen.
Der Schl&fenteil ist erheblieh größer geworden; wir sehen denselben überdeckt von
dem Ventrikel (m), über demselben die dünne Venn ikeldeeke (n); die obere Grenze des
Ventrikel» ist durch ein t bezeichnet. Wir sehen, daß die aus dem Kpistriatum (*) her-
vorgehenden Markstrahlcn (i) unterhalb des Ventrikels (ra) endigeji. Das in dein vorigen
Bilde schon angedeutete Epistriatmu tritt hier viel deutlicher hervor, und man kann seine
Lagebeziehung zum Mesustrinliiin (rf) und den dasselbe umgebenden Faserzugen (o) er-
kennen.
Bei a bemerken wir das Hyperstriatum , darunter bei t das Striatum parietale. Ober-
halb des Hyperstriatum* bei A die Cntcru ulstregion und bei b den Wulst selbst, aus welchem
bei e und c' die Septuinfaserung (r) hei vorgeht.
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Das Großhirn der Papageitit.
Von Nervenzügen fallen besonders auf:
i. Die -.Sclirigfaseruiig. (f), deren Züge tte) zum Teil da» Mesostriatum durch-
queren, inti alsdann durcli das SlriaUiin parietale hindurch da» Hypcrstriatum ia) und die
l'nlerwulstregion (Ai zu erreichen. Andere Nervenfasern endigen ün Mesostriatum selbst;
einen Teil der Züge (u) sieht man daselbst auch (piergctroffen.
i. Die Septumfascrung (r ); das hier sichtbare starke Bündel bildet die Vereini-
gung eine» großen Teils der Fasern, die vom Wulste hei «Wiehe«; da* Bündel sieht man
unten in der Abbildung in zwei .Spitzen auslaufen, die zwei verschiedenen , von hier aus
einen anderen Weg einschlagenden Faserztlgen entsprechen.
Der nächstfolgende Frontalschn i tt — Taf. II Fig.: — < Weigert praparat) ist
durch das Gehirn im Niveau zwischen tl und e <s. Textfigur S. 11) gelegt.
Ebenso wie in dem letzten Frontalschnitte sehen wir hier die WuLstregion fe), darunter
die Unterwulsli-egion mit dein Netzwerke von Fasern; unter dieser das hier schon etwas
verschmälerte llyperslriatum ia) und. durch eine feine Linie (o) getrennt, das Striatuin pa-
rietale; ferner das Mesostriatum. und zwar den Körper desselben, der gegenüber dem vorigen
Schnitte erheblich an Größe abgenommen hat. Weiter ist das Kpistriatutn <k) mit den ans
demselben ausstrahlenden Markfasern (i) zu erwälinen. Dos ICpigtrintuin tritt hier noch deut-
licher wie im vorigen Schnitte hervor. Die Markstrahlen sieht mau im Strlatum tenijioraJc
und nicht in der •Rinde« endigen. Daß dieser Kndpuukt der Fasern als Striaton! zu Im».
zeichnen ist. geht deutlich daraus hervor, daß er zunächst von dem Ventrikel (m) und darüber
von der dünnen Ventrikeldeckc umgeben ist.
Als neues Ganglion erscheint in diesem Schnitte das Ektostriatum l/i, das auf dem
vorigen Schnitte nur undeutlich zu erkennen war; in diesem Wcigcrtpräparat erkennt man
es an dem dichten Netzwerke von Fasern. Dasselbe ist dem Mesostriatum eng beuaehbarl-
Was alier in diesem l*rä|tarate besonders auffällt, das ist die hier zum ersten Mal«
auftretende, sehr starke Querfaserung (y), welche man zum großen Teile mit dein Epi-
siriatum (Ar) im Zusammenhange sieht. Ein Teil der dieser Querfaserung angehörigen Nerven-
bündel strebt nach der anderen Seite hinüber, und zieht, uachdeui er sich in der Querfaserung
mit den entsprechenden Bündeln der anderen Seite gekreuzt hat, kaudalwärls; ein zweiter
Teil (q ) wendet sieh, ohne vorher zu kreuzen, direkt nach abwärts und verläuft hier zu-
sammen mit den Bündeln di r anderen Seile, die in der Querfaserung sich gekreuzt haben.
Außer dieser Querfaserung haben wir in diesem Präparat als zweites System von
Fasern die Seh rägfaseru ng (I). welche hier hauptsächlich mit dem F.ktosü ialum (I) in
Verbindung steht. Aus dem Ektostriatum gehen wieder Fasern hervor, welche in das Hyper-
slriatum (o) eindringen.
Wenn wir noch die von dem Wulste (e) ausgehenden Fasern, die als Tractus cortico-
habenularis in das Ganglion hahcnulae zieiien, erwähnen, so haben wir das Wesentlichste,
was diese Abbildung vom Großhirn zeigt, hervorgehoben. Der Schnitt hat aber uoch einen
Teil des Thalamus l«> getroffen, und wir linden hier die Spitze des großen Thalamuskernea,
de? Nucleus rotundus (<), aus welchem man Fasern gegen das Großhirn ausstrahlen sieht;
ferner «picrgetrofTen den Traclus cortice -septo-spinalis («), welcher der im vorigen Schnitte
besprochenem Septumfascrung angehört; darüber sebrüggetroffen einen Nervenzug, welcher
vom Mittelhirn durch den Thalamus zum Slirntcile des Großhirns aufsteigt.
Bei m, f, f und e" treffen wir den Ventrikel.
Als wichtige Ergänzung dieses Weigeiipräparatc* dient das Nißl präparat — Taf. 11
Fig. i— . welche» ungefähr dem gleichen Niveau wie der Weigert schnitt entstammt. Es
11
0. Kalischer:
bedarf diese Abbildung kaum einer besondere» Erklärung. Wir «eben hier die verschiedenen
Ganglien außerordentlich deutlich abgegrenzt: das Hypcrstriatuin (o». die l'nterwulstregion
(6), den Wulst (cc'l. das kleine Eklostriatum </>, dos Epistriatura <*i, das Mesostriatum (/);
ferner zwischen Mesostriatum und Hyperstriatum das Striatum parietale. l»/>|; weiter die
Qucrfaserung (71; im Thalamus den in diesem .Schnitte schon deutlicher hervortretenden Nu-
eleu» rotundus <*).
Ungefähr in derselben Ausdehnung wie irn Weigert präparate findet sich hier der
Ventrikel im, e).
Endlich als letzten Fron talsch ni tt betrachten wir wieder ein Weigert präparat
(Taf.IH Fig. 4). Dieser Schnitt ist durch das Gehirn im Niveau von e oder etwas dahinter
(vgl.TextfigurS.11) gelegt. Derselbe unterscheidet sich vom vorhergehenden Weigert-
präparate besonders dadurch, daß das Mcsostriatutn (0 erheblich an Grüße abgenommen hat;
und daß die dasselbe durchziehende Schrägfaserung nur noch unbedeutende Faserzuge auf-
weist. Aber auch die Zöge der Qucrfaserung <o| haben sich im Vergleich zum vorigen
Schnitte außerordentlich verringert; sie sind durch die Fasern ly) vertreten, welche hier alle
mit dem Eplslriatum (*) in Verbindung stehen. Aus dein verkleinerten EpifctriaUiin treten
feine Fasern d> heraus, die in da» Striatum oeeipito- temporale, wie man diese Strlatum-
partie hier nennen muß, ausstrahlen, aber nicht das Pallium in) erreichen können, da das-
selbe durch den Ventrikel {mi vom Striatum getrennt ist.
Das EktosU'iatiun l/l ist eher etwas größer als im vorigen Schnitte; aus ihm heraus
ziehen in reichlicher Zahl feine Fasern in das Hyperstriatum.
Der Wulst (c|, der Ventrikel bei t und m verhalten sich wie in dem vorigen Schnitte.
Die tiefer liegenden Gehirnleilc (Thalamus und Mittelhirn I sind von dem Schnitte
gleichzeitig getroffen. Wir sehen den N. rotundus (s) in seiner grüßten Ausdehnung: ferner
aus demselben Fasern (r> zum Großhirn hervorgehen; weiter die Tlialainusganglien <G); den
Lobus opticus (/.Ol und außerdem verschiedene <)uergctroflc.ne Nervenzügc, von denen wir
den Tractus eortico-seplo -spinalis (e) und den Zug zum Stirnleil des Großhirns («e> schon
im vorigen Schnitte angetroffen haben. Neu erscheint hier das • motorische Feld. <f*), welches
die motorischen Zuge der Querfasening in sieh scliließt und in gleicher Lage weiter kaudal-
wirts bis in die Med. obl. zu verfolgen ist.
Das Bild, welches wir von dem Bau des Großhirns des Papageis durch die Kombi-
nation der beschriebenen Frontabschnitte gewinnen, wird vervollständigt durch die Abbildungen
einiger Horizontal- und Saglttulschuilte.
Betrachten wir zunächst die zwei Sagittalschniiie iTaf. IV), welche beide unge-
fähr dem gleichen Niveau de» Gehirns (s. Orientieriingsfigur S. 1 1 Linie ß) entnommen sind
und sich gegenseitig ergänzen, indem die eine Abbildung die Kaserzüge, die andere die Zell-
■nassen hervortreten läßt. In dem N iß [praparat sehen wir das durch seine großen Zellen
ausgezeichnete Hyperstriatum (aa 1 ) in seiner gariien Llngsausdohnung. Am voluminösesten
erscheint die pars frontalis (o); nach hinten zu verschmälert sich das Ganglion. Zuhinterst
grenzt es an den Ventrikel, der in der Abbildung als feine weiße Linie markiert ist. Ober-
halb des Hyperstriatums sehen wir den Wulst le), an dessen vorderer (irenze (%) sich eine
Furche mit dem Durchschnitt einer grüßen Vene I'V. cerebr. ann befindet. An dem Wulste
selbst kann man zwei Teile deutlich unterscheiden: der obere Teil (c) ist die eigentlich«
Das Großhirn der Papageien.
15
Wulstregion und enthält die Ausbreitung der Septumfaserung; der untere Teil <*». welchen
ich als Untcrwulstregion bezeichne, ist, was schon in d«> Frontalsdmitteu hervortrat, durch
eine dichte Anhäufung von Ganglienzellen charakterisiert. An seinem hinteren Ende geht
der Wulst (bei t) in «Im durch den Ventrikel von dem Striatum getrennte Pallium (<•') über.
Je weiter man es nach hinten verfahrt, um so mehr sieht man das Pallium «ich verschinälern ;
es stellt hier die außerordentlich dünne, an Nerveneleiuenteii arme • Ventrikehleckc« dar.
In dem dieses Nlßlpr¶t ri-gänzcnden W c i g e r t präparate sind die Konturen des
Hvperstriatuois <oo') schwerer zu erkennen; doch führt ein Vergleich mit dem NiÜl prä-
parate zum Ziele. Wir sehen sowohl in das llrperstriatum wie in die Unterwulslregion ig)
zahl reiche Nervenfasern (A) einstrahlen. Dieselben durchziehen zunächst das Mesostriatum <<),
erfahren darauf zum Teil in dein am oberen Rande des Meso«triatiuns gelegenen Ekto-
atriatum eine Unterbrechung und gelangen alsdann durch die zwischen dem Mr.so- und
llyperstriatum befindliche Striatuinpartie (>'i ßlprä parat rfrf') in da» Hvperslriatum und in
die Unterwulslregion, wo sie endigen.
In beiden Präparaten sehen wir das Mesostriatum (<■), dessen vorderen Teil ich als
• Kopf*, dessen hinteren kleineren Teil ich als • Körper» bezeichne. Der Köpfte) tritt an
der Untertttche des Gehirns in großer Ausdehnung frei zutage, liegen die Nachbarteile
ist das Mesostriatum durch Markfaserzftge <//'; Nißlpraparat) allgegrenzt: auch an der Basis
des Kopfes sieht man in sagittalrr Richtung verlaufende Nervenfasern l». Im ganzen Meso-
striatum, besonders jedoch im Körper desselben, treffen wir die .Schrägfasrnmg..
Indem etwas »eiler medial gelegenen Ni Ol präparate sehen wir den Lohns opticus (/) noch
im Zusammenhang mit dem Großhirn: in dem etwas weiter laleralwärts gelegenen Weigert-
Präparate findet "«Ich dagegen schon ein Durchschnitt durch den freien Teil des Lobus
opticus (*).
Betrachten wir schließlich die Horizontalschnitte (Taf. V und VI) . die von be-
sonders großer Bedeutung für die Exstirpationsversuche sind: der Horizonlalschnitt (Taf. VI)
— Weise rtpräparat — und der Horizontalschnill iTaf. V Fig. i) — Nißl priiparat — ent-
sprechen einander ungefähr und ergänzen sich in bezog auf Zellen und FaseniJge; die-
selben sind beide nahe der Basis durch das Großhirn gelegt. Während die hauptsächlichsten
Verhältnisse, die sich hier darbieten, bei Berücksichtigung der FrontaUehnitte ohne weiteres
zu verstehen sind , sei doch noch auf folgende charakte ristische Punkte besonders hinge-
wiesen, die in den Krontalschnitten nicht deutlich hervortreten. Von dem Weigert präparate
sind beide Hälften, die sonst übereinstimmen , zur Abbildung gebracht, um die Kommissur,
welche beide Köpfe der Mesmtrials (c und c ) verhindet, darstellen zu können; in den
FrontaUchnltten ist diese Kommissur nicht zu verfolgen, da sich nur Quer- bzw. Schräg-
schnitte derselben daselbst vorfinden. Gleichzeitig mit den Konimissurenfasern gehen von
den Köpfen der Mcsostriata noch Faserzfige aus, die sich hinter der Kommissur ic) kreuzen,
um hierauf kaudalwärts zu ziehen. Besonders wichtig ist ferner die mit t bezeichnete Stelle
(linke .Seile des Weigert präparate»), wo du Mesostriatum frei an die Oberfläche tritt; diese
Stelle ist auch, da sie einen Kreireiingspurikl der verschiedensten Nervenbahnen bildet, für
die Ezstirpalionsversuche wichtig. Unter den sich kreuzenden /.ilgen läßt sieh besonders
gut der schon oben kurz erwähnte Faserzug, welcher vom Mittelhirn bzw. von der Medulla
oblongata zum Slirnteilc des Großhirns heraufsteigt, in seinem vordersten Verlaufe verfolgen
(*•", linke Seile des Weigertpräparates). Die Fasern dieses Zuges sieht man hier deutlich
nach innen von den Assoziationsrasern (trt) liegen, welche den Stirnteil mit dem Epistria-
tum bzw. dem .Striatum teiii|>urale verbinden.
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O. K a l i s c n e b :
Ferner sei hier noch kurz auf den allrrvordersten Teil des Hyporstrialuins hingewiesen,
der hier im Querschnitt (Al sichtbar ist; weiter auf du Mesostriatum (m). welches von der
•Schiragfaserung. durchzogen wird; auf das Eju'striatum . das in dein Weigerlpräparat wenig
deutlich (e). um so deutlicher in deen Nißl prä parat (r) in »ein«« sauren Umfange hervor-
tritt; man brachte wie die Gauglienzellen zwischen die Faserzüge weit nach innen (fr) sieh
erstrecken. Kerner »ei auf den Ventrikel (f) hingewiesen, welcher vorn bei # beginnt und
lieh um den ganzen hinteren Teil der Hemisphäre herumzieht; die Ventiikcldeeke ist Überall
sehr dfinn. nur an wenigen Punkten zeigt sie sich ein wenig stärker.
In dem Weigertpräparale sehen wir endlich neben der schon erwähnten Schrägfase-
ning die mächtige Querfaxcning mit ihren verschiedenen Zügen . von denen die einen (fr)
mit dem Epistriatum (/•) In VeH>indung stehen, während andere, die von vorn her kommen,
direkt in die Querfasenmg einmünden. Aus dem Epistrialutn (r) sieht man die zahlreichen
feinen Markfasern (/) hervorgehen, die in (Iiis unterhalb des Ventrikels gelegene Striatum
ausstrahlen.
Der dritte und letzte H o riznn t al sch n i 1 1 (Taf. V Fig. i) ist etwas oberhalb der
beiden anderen Horizontalschnitte durch das Großhirn gelegt. Die Verhältnisse dieses
Schnittes sind denen des eben besprochenen Weigertpräparates sehr ähnlich. Nur tritt
hier da» Mejiostriatum (m) nicht frei zutage, sondern ist von dein Stirnteile bedeckt. Die
Kommissur, welche beide Köpfe der Mesostriata verbindet, ist in diesem Schnitte nicht sicht-
bar, dn dieselbe näher der Basis des Gehirns gelesen ist ; dagegen sieht min hier die Kom-
missur, welche heide Kpi«triatn verbindet. Mit derselben verlaufen andere Zuge (fr), die in
der Mitte kreuzen, um dann kaudalwfirts zu ziehen.
C. (ieiinuen- Beschreibung der einzelnen Teile des (iroßli irn*.
Nachdem wir jetzt durch die Betrnrhtiiiig der verschiedenen .Schnitte durch das Gehirn
eine Vorstellung von den LaKeheziehungcn der Teile, uns denen das Großhirn sich zu-
JMUWneiwt/.t, erhallen haben, wollen wir dazu 11 hergehen . die »ich lichten dieser Teile noch
genauer zu schildern. Wir werden dabei zuerst das Pallium . dann das Striatum mit den
verschiedenen GruBhirnganglicn. schließlich die Faserzuge und ihren Verlauf zu betrach-
ten halten.
a) Pallium.
Die Frage, ob die Vögel eine Großhirnrinde besitzen, und die eventuelle Ausbreitung der-
selben ist in vergleichend anatomischer wie in physiologischer Beziehung von der größten
Bedeutung, »um in war zu der Ansicht gekommen, daß die Großhirnrinde der VörcI gegen-
über der der Säuger ein -quantitativ und qualitativ defektes (iebilde- ist. Auch Kdinger
fand wohl die Großhirnrinde gegenüber dein Striatum nur unbedeutend; er läßt aber doch
daselbst wichtige Zflge. wie z. B. den Tractus ueeipito - tuesem-ephalicus. endigen und sieht
in diesem »Rindenzuge- eine der Kehstralihmg der Sänger entsprechende Nervenbahn, so
daß »ich nach ihm beim Vogel »die erste richtige Hinterhauptsrinde mit Sehstrahlung- vor-
findet. Auch bei anderen Teilen des Großhirns spricht Edinger von -Rinde- und läßt
daselbst Fasern entspringen und enden; er hebt speziell die kräftige Rindenfascriing der
Papageien hervor. Diese Befunde Edingers entsprechen nicht meinen Untersuchungen,
welche mich zu dem Ergebnis geführt haben, daß mit Ausnahme der Wulstfaserung , deren Zöge
eventuell als Rindenzuge aufzufassen sind, keinen anderen Bahnen Kindenursprung zukommt.
Nach meinen Ergebnissen, welche, wie wir noch sehen werden, mit den physiologischen
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Das Großhirn der Papageien.
17
i. ist das Pallium fast aberall nur il* eine ganz
dünne, an Nervenelementen arme Schicht zu betrachten, bei der von Funktion
keine Rede sein kann. Und was für die Papageien gilt, gilt wohl erat recht für andere
Vogelarten, da bei den Papageien auch nach Edingers Meinung die höchste Entwickelung
des Großhirns erreicht ist. Doch geben wir jetzt genauer auf die Ausbreitung des Pal-
liums ein. Die Schwierigkeit der Beurteilung rührt daher, daß das Pallium, welches, wie
ea die Entwickelung des Großhirns mit sich bringt, zunächst Oberall das Striatum ab freier
Mantel umgibt, später zum großen Teil mit dem Striatum fest verwächst, so daß im größten
Bereich des Gehirns ein Ventrikel fehlt. Nur am hinteren Pol und medial finden wir später
noch den Ventrikel und sehen, wie das Striatum an diesen Stellen frei in denselben hin-
einragt.
Am freien Pallium kOnnen wir entsprechend der Lage demselben drei verschie-
dene Abteilungen unterscheiden: erstens die Abteilung am hinteren Pol des Gehirns, welchen
das freie Pallium fast in seiner ganzen Ausdehnung umgibt. Es fehlen der Ventrikeldecke, wie
ich das Pallium hier nenne, die charakteristischen Eigentümlichkeiten einer Rinde vollkommen;
sie ist arm an Nervenfasern und Ganglienzellen und so dünn, daß sie ungemein leicht zer-
reißt. Das Verhallen des Palliums an dieser Stelle des Gehirns ist von Edinger in seiner
Abbildung eines Krontalschnittes durch ein Papageigehirn nicht richtig zur Anschauung ge-
bracht; es fehlt in dieser Abbildung der Ventrikel, so daß der Anschein entsteht, al» endigten
die Markstrahlen in der .Rinde-. Ich habe da» dünne Pallium, zu dessen Erhaltung ea
beim Abliehen der Dura besonderer Vorsicht bedarf, in den Abbildungen Überall genau
wiedergegeben, weil durch diese Feststellung der •Rindenursprung- mancher Nervenbündel
von vornherein zu verneinen ist. Dort, wo die Ventrikeldecke sich dem Septum nähert,
gewinnt sie etwas an Dicke; der dickere Teil, welcher mehr Nervenfasern und Ganglien-
zellen enthält, ist gegen den dünneren deutlich abgesetzt; vgl. die llorizontalschnilt« durch
das Großhirn, <« welchen diese Verhältnisse gut zu verfolgen sind. Als zweiten Teil
des freien Palliums wollen wir das Septum betrachten, welches die Fortsetzung des dor-
salen Wulstes bildet und die Nervenzüge enthält, die vom Wulste abwärts verlaufen. Das
Septum ist durch den Ventrikel von der gesamten medialen Fläche des Gehirns geschieden;
auch ihm fehlen die Charakteristika der Rinde. Den dritten und stärkst entwickelten Teil
des Palliums stellt der Wulst selbst dar; aber nur seine medialste Partie ist in der
jittalcn Ausdehnung durch den Ventrikel von dem darunter gelegenen Striatum
t; der übrige laterale Teil ist zwar deutlich von dem Striatum zu unterscheiden,
hängt aber mit demselben doch durch eine Zellschicht fest zusammen, welche ich als Unter-
wulstregion bezeichnet habe. Der Wulst ist der einzige Palliumtcil, welcher als Hirnrinde
in Betracht kommen kann. Hier finden sich große Ganglienzellen, die an die für die Groß-
hirnrinde der Säuger charakteristischen Pyrainideiizellen erinnern. Hier entspringt ferner
ein Nervenzug, der nach Lage, Verlauf und Funktion der Pyramidenbahn der Säuger ver-
gleichbar ist. Ich komme auf denseltien bei Besprechung der
Wo der Ventrikel und die freie Ventrikeldecke fehlt, überzieht, wie anzunehmen ist,
das Pallium als dünne Schicht, die fest mit dem Striatum verwachsen ist. das Gehirn. Aua
manchen Anhaltspunkten ergibt sich von vornherein, daß an vielen Stellen eine »Rinde-
nicht vorhanden »eio kann. Betrachten wir z. B. in unseren Präparaten den Stirnteil des
Großhirns, so sehen wir, daß die oberflächlichste Partie dieses Teile* die Fortsetzung der
Striatumpartie bildet, welche unterhalb de« Wulstes, mithin u uterhalb der Rinde
Abk. mcht ™r Altad. yhür. OtUhrler. 1905. IV. 3
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18
O. Ka lisch eh:
ist (s. Abbildung Taf. IV Fig. a). Es handelt sich an beiden Stellen um Teile des Hyper-
«triatuma.
Die Gleichartigkeit der oberflächlichsten Partien de» Gehirns dort, wo ein Ventrikel
fehlt, mit den oberflächlichen Partien des Striatums da, wo ein Ventrikel vorbanden ist,
spricht auch an anderen Stellen des Gehirn«, z.B. am Temporalpole («.Abbildung Taf.V
Fig. j) gegen das Bestehen einer -Kinde, bez.. dafür, daß da« Pallium nur als dünne, i'unk.
lionslose Schicht das Striatum Aberzieht. Die Struktur der Großhirnoberfläcbc ist eben fast
überall dieselbe, mag ein \'entrikel vorhanden sein oder nicht. Auch an der Untcrfläche
de« Slirnteiles kann keine -Rinde- vorhanden sein, da hier in sagitialer Richtung nahe der
Oberfläche mehrere Nervenbahnen, darunter ein Assnziatiun**ug vom Stirnteile zum Epi-
striatiim. verlaufen. Ebenso sicher fehlt die Rinde an der lateralen Grenze de» Hyper-
striatuins; vgl. <lie Abbildung de« Nißlpräparates Taf. II Fig. 1. Die Nervenfasern siebt man
hier in charakteristischer Weise zum Hyperstriatum verlaufen und nicht an die Oberfläche
des Gehirns herangehen.
b) Striatum.
Geheti wir jetzt nach der Betrachtung des Palliums auf die einzelnen Teile, »eiche
das Slriatum zusammensetzen, etwas genauer ein, so haben wir uns zunächst mit dein Meso-
striatum zu beschäftigen . das die eigentliche und direkte Fortsetzung der unteren Gehirnteile,
speziell de« Thalau»» bildet.
M es <> striatum.
Daß wir an demselben einen Kopf und einen Korper unterscheiden können, daß der
Kopf an der Basis des Gehirn» in großer Ausdehnung frei zutage tritt, habe ich bereits er-
wähnt. Ed Inger nennt den vordersten Teil des Mesostriatum« -I.obu« parolfai-torius. und
beschreibt unter Hinweis auf Frontalsclmitte. daß derselbe durch die abwärts strebenden
Fasern des Frontalmarkes in zwei Teile geteilt wird. In der Abbildung der Basis eines
Papageigehirns und in der dazu gehörigen Beschreibung bezeichnet er jedoch einen ganz
anderen Teil des Gehirns als -Lnbus parolfactorius-, einen Teil, welcher nicht dein Meso-
striatum angehört, auch nicht durch Fascreüge in zwei Teile zerschnitten wird, vielmehr
nach vorn von jenem Lohns parolfactorius gelegen ist. Das Mesostriatum trägt insofern
einen eigenen Charakter, als dasselbe außerordentlich reich an feinsten, Netze bildenden
Nervenfasern, arm aber an größeren Ganglienzellen ist, «o daß dasselbe auch nicht als
Ganglion aufzufassen Ist. Der Sagittalschnitt (Taf. IV Fig. t) gibt ein anschauliches Bild von
der Längsausdehnung des Mesostriatums ; man sieht hier Kopf und Körper, beide mitein-
ander durch eine etwas schmälere Partie verbunden. Der bei den Papageien so außer-
ordentlich entwickelte Kopf des Mesostriatum« zeigt in hez.ug auf die daselbst vorhandenen
Nervenzüge ein wesentlich anderes Verhalten als der Körper, insofern als in dem Kopfe
hauptsächlich Nervenfasern entspringen bzw. endigen, während der Körper zumeist nur von
Nervenzugen durchzogen wird. Die ds> Mesostriatum durchquerenden Züge sind wohl ins-
gesamt als zentripetale Zuge aufzufassen, während die Eigcnfascrn des Kopfes zum großen
Teil zentrifugalen Charakter besitzen. Die genannten zentripetalen Zuge gehen zum Teil in
das Ektostrialum , von da in das Hyperstriatum, zum Teil direkt In das letztere über; ein
dritter Faseranteil begibt sich in die Unterwulstregion, wo er mit den Netze bildenden Aus-
läufern der Wulstseptiimfascrung zusammentrifft. Ein Teil der zentripetalen Züge endigt
wohl auch im Mesostriatum selbst. Die Köpfe beider Meaostriata sind durch eine Kom-
missur verbunden, die nur auf den HorizontalachniUen deutlich ist; s. Abbildung Taf. VI.
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Das Großtürn tler Papageien.
19
Außer den Faserzügen, welche im Mesostriatum enden bzw. entspringen . und denen,
welche dasselbe durchqueren , um andere Gehirnteile zu erreichen , gibl es drittens noch
Zuge, welche das Mesostriatum von außen umgeben und Edlngers I^unina medullaris dar-
stellen, an der man entsprechend der Gestalt des Mesostriatums einen horizontalen und einen
vertikalen .Schenkel unterscheiden kann. Diese Fasermassen, die aus dem Me*o- und Hyper-
striatum hervorgehen, verlaufen zunächst in dem horizontalen Schenkel der Lainina nach
außen, alsdann in dem vertikalen nach abwärts, um dann in die Querfaserung einzumünden,
eventuell mit dem EpLitriatum in Verbindung zu treten.
H yperstriatum.
Dieses weitaus größte Ganglion des Großhirn.« ist durch das Stria tum parietale vom
Mesostriatum getrennt. Die beiden SngitüilschniUe ( We i g e r t praparat Taf. IV Fig. t und
Nißlpraparat Taf. IV Fig. j) ergänzen sich gegenseitig, um ein anschauliches Bild der Faser-
zQge und Ganglienzellen des Hyperstriatums zu gew&lireu. Aus dem Nißlpripsrate, io
welchem wir den großzelligen Charakter des Ganglions klar erkennen, gehl deutlich hervor,
daß wir nicht die ganze oberhalb des Mesostriatums gelegene Hirnpartie, wie Kdinger es
tut, als einen einheitlichen Teil auffassen dürfen; es handelt sich hier um ganz verschieden-
artige Teile, nur den durch seine großen Zellen ausgezeichneten und scharf abgegrenzten
Kern dürfen wir als Hyperstriatum bezeichnen. Man kann an demselben eine Pars frontalis,
eine Pars parietalia und occipitalis unterscheiden, ohne daß sich diese Teile genau vonein-
ander abgrenzen ließen. Das Hyperstriatum ist am ehesten dem Nucleux caudatus der Säuger
vergleichbar; wie bei diesem könnte man auch einen Kopf, einen Körper und einen
Schwanzteil an dem Ganglinn unterscheiden. Der Stirnteil des Hyperstriatums ist in der
Tiefenausdehnung (s. Sagittatschnitt), die beiden anderen Teile sind in der FUchenausdehnung
besonders entwickelt. Die Sonderung der Nervenfasern, die mit dem Hyperstriatum zu-
sammenhangen, bietet große Schwierigkeiten; auch ist es schwer zu entscheiden, wie viele
der Fasern , die durch das Mesostriatum in das Hyperstriatum hinaufsteigen , in dem an der
Grenze des Mesostriatums gelegenen Eklostriatum eine Unterbrechung erfahren. Wie die
Abbildung (Taf. II Fig. t ) zeigt , treten lateralwirtx in dos Hyper>triatutn mehr Nervenzftge
ein als inedialwirt*. Die zentripetalen und die zentrifugalen Bahnen des Gang-
lions schlagen, nach den Ergebnissen der Marchi praparat« zu urteilen, verschiedene
Wege eint die zentripetalen Zuge, welche von den Thalamusganglien derselben Seite aua-
gehen . steigen mitten durch das Mesostriatum in der Schrigfaserung herauf; die zentrifugalen
Zuge dagegen gehen vom Hyperstriatum in die das Mesostriatum umhüllende Lamina me-
dullär^ über, in welcher sie bis zum inneren Teil des Epistriatums zu verfolgen sind. Nach
der Eislirpation des Hyperstriatums kommt es nur zu einer Schwärzung der Fasern bis
zum Epistriatum hin; darüber hinaus — in den anschließenden Zögen der Querfaserung —
ließ »ich keine Schwärzung konstatieren.
Die Unterwulstregion, die unmittelbar Ober dem Hyperstriatum. zwischen diesem
und dem Wulste, gelegen ist, besteht aus einer deutlich gegen die Naehharteile abgrenz-
baren Zellschicbt, in welcher die im Septum verlaufenden Nervenbahnen des Wulstes mit
den durch das Mesostriatum usw. aufsteigenden Faserzogen zusammentreffen. Es handelt
sich bei letzteren um solche Fasern, welche im Ekto*triatum keine Unterbrechung erfahren,
sondern direkt durch das Mesostriatum hindurch in das Striatum parietale und occipitale
treten und nach darauffolgender Durchuuerung des Hyperstriatums in die Unlerwulstregion
gelangen, um hier wohl die sensiblen Fasern dieser Region zu bilden, wahrend die motorischen
3*
20
O. Kalischer:
Käsern derselben von den im Septum verlaufenden Zügen dargestellt werden. Die Uoter-
wuLstregion zeigt sich am meisten unterhalb der vordersten Partie des Wulstes entwickelt;
die Lage der Zcllschieht erkennt man sehr gut in den Abbildungen Taf.II Fig. j und Taf.1V
Fig. j. Dort wo der Wulst fehlt, fehlt auch die Unterwulstregion; sie Ut daher wohl als
ein Teil des Wulste* zu betrachten.
Ektostriatum.
Die Lage dieses Üanglions, welches im Vergleiche zum Hyperslriatum nur von un-
bedeutender Größe ist, sehen wir in den Abbildungen Taf. II Kigg. i und a. Daselbst ist
auch sein Lageverh<nis zum Mesostriatum deutlieh gekennzeichnet; es sitzt mit seiner Basis
dem Mesostriatum auf und breitet sich von hier aus in ganz schmaler Flache über das Meso-
striatum nach vorn hin aus, wobei es wahrscheinlich bis zum Stirnteil sieh ausdehnt. Indem
es sich nach vorn hin so außerordentlich verschmälert, besteht es hier im wesentlichen aus
einem engen Geflecht imirkhaltiger Nervenfasern, während größere Ganglienzellen, die in
dem Faserwerke des eigentlichen Ganglions in reichlicher Zahl vorhanden sind, hier fast
ganz fehlen. Da das Ganglion ferner eine Fortsetzung auch nach hinten, in das Striatum
ocdpitale, aussendet (s. Taf. IV Fig. i und i), so kann man am Kktostriatum drei Teile
unterscheiden: i. die Pars parietal«, welche da» Hauptganglion in sich schließt, i. die nach
vorn siel« ausbreitende dünne Zunge als Pars frontalis und 3. die nach hinten ragende Fort-
setzung als Pars occipitalis.
Das Kktostriatum bildet wahrscheinlich ein rein sensibles Ganglion , welches die durch
das Mesostriatum aufsteigenden Züge der SchrSgfaserung aufnimmt. Aus dem Ektoxtrialiitn
strahlen reichliche Mengen feiner Fasern in das Hyperslriatum bun; nach der Exstirpalion
des Ilyperstriiituins gehen die Zellen des Ektostriatum» zum großen Teil zugrunde.
Ob auch Fasern aus dem Ektostriatum in die Unterwulstregion gelangen, ist noch nicht
sicher. Hier uberwiegen jedenfalls die Fasern, welche ohne Vermitteluug des Kktostriatums
vom Mesostriatum her direkt dorthin aufsteigen. Daß auch vom Kktostriatum zentrifugale
Zuge ausgehen, halte ich nach den Ergebnissen der I)egeneration*tnethode nicht für wahr-
scheinlich. Der nach hinten ragende Teil des Ektostriatums steht mit aus dem Epistriatmn
hervorgehenden Faserziigcn in Beziehung Es kommt hier demnach zu einer Verbindung
der beiden Ganglien. Auch aus diesem Teile des Ektostriatums gehen feine Fasern hervor,
welche in den hinteren Abschnitt des Hyperstrintuins einstrahlen (vgl. den Saglttalschnitt
T.f. IV Fig. it.
Epistrintum.
Die Lage dieses Ganglions und sein Verhältnis zu den anderen Abschnitten des Groß-
hirns tritt in vielen Abbildungen deutlich hervor. Es liegt lateralwSrts vom Mesostriatum,
au welches es unmittelbar, nur durch markhaltige Nervenfasern getrennt, angrenzt. Eine
schmale Zunge erstreckt sich nach vorn dicht sin MesostriaUnn entlang (s. Taf. V Fig. t).
Grüße und Lage dieses Ganglions ist l>ei den verschiedenen Vogelarten außerordentlich
wechselnd. Im hinteren Teil des Großhirns bei den Tauben, am weitesten nach hinten bei
den Haben gelegen , treffen wir dasselbe mehr nach vom tu bei den Papageien. Man kann
an dem bei den Papageien sehr entwickelten Ganglion eine Pars anterior, eine Pars posterior
und eine Pars inferior unterscheiden; es ist durch den Reichtum an großen Ganglienzellen,
den größten, die wir Oberhaupt im Großhirn antreffen, ausgezeichnet; doch besitzt es keinen
einheitlichen Bau, sondern ist aus Zellen von verschiedener Größe und Gruppierung zu-
sammengesetzt Unten am Schläfen pol , in der Pars inferior, treffen wir eine dichtere An-
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Das Großhirn der Papageien.
•21
h&ufung von kleineren Zellen, nach vorn zu in der Pars anterior »ehr große Zellen, die
weniger dicht nebeneinander liegen, und Ranz hinten wieder kleinere Zellen in reichlicherer
Menge. Das Ganglion ragt weiter inedianwlrts, als die We i g c r t pr¶ te erkennen
lassen, indem die Zellen des Ganglion« zwischen die dascllisl befindliche Querfaserung sich
hineinerstrecken; wir können danach auch einen äußeren und inneren Teil am Ganglion
unterscheiden. Seine wirkliche Ausdehnung ist aus den N ißl prä paraten zu ersehen.
Edinger rechnet auf Grund »einer Beobachtungen bei anderen Vögeln noch die das eigent-
liche Ganglion umgebenden Partien zum Epistriatum, indem der Assoziationszug, der vom
Stirnteile zum Hinterhauptsteile verlauft, bei manchen Vögeln außerhalb des eigentlichen
Ganglions endigen soll. Doch erscheint mir das nicht als ein ausschlaggebender Grund , um
das durch die Anordnung der Zellen wohl charakterisierte Ganglion mit andersartigen Teilen
zu vereinigen; zumal beim Papagei der betreffende Assoziationszug in dem Ganglion selbst
ganz deutlich sein Ende findet bis auf einzelne feine Fasern <s. Taf. Wp), die nur bis zu
dem allervordersteo Teile des Striatum temporale gelangen. Das Epistriatum ist lateralwSrts
von dem Striatum temporale und oecipilale (s. S. 10) bzw. oeeipito- temporale umgeben; noch
weiter lateralwärts treffen wir den Ventrikel und die Ventrikeldecke. Die •teinporo-occi-
pitale Rinde Edingcrs. findet sich bei den Papageien nicht. Die Auffassung Edingers
rührt daher, daß der Autor, wie auch «eine Abbildung von dem Frontabschnitte eines Papagei-
gehirns es zeigt, die dünne Ventrikeldecke übersehen hat. Das Epistriatum ist bei manchen
Vögeln, wie z. B. bei den Tauben, so nahe der Oberfläche des Gehirns gelegen, daß leicht
der Eindruck entstellen kann, als bilde es die Rinde, zumal wenn die zarte Ventrikeldecke
der Beobachtung entgeht. Das Ganglion bildet den Ausgangspunkt verschiedener FaserzOge,
die zum großen Teil der »Querfaserung. angehören. Eine kurze Übersicht über diese
Zöge, vun denen die einen als Assoziations- bzw. Komtnissurenfaxern mit anderen Qroßhirn-
teilen in Verbindung stehen, während die anderen zu unteren Gehimteilen herabsteigen , sei
hier angeschliKssen : zunächst seien hier die F«serzuge genannt, welche beide Kpistriata ab
Kommissur miteinander verbinde» (». S. 24). AU Assnziationsfasern kommen ferner die
Faserzöge in Betracht, welche vom Stirnteile zum Epistriatum verlaufen (s. Taf. VI). Ich
halte es nicht für ausgeschlossen , daß sich darunter auch Käsern befinden , welche das Riech-
htm mit dem Epistriatum verbinden. Weiter bestehen Verbindungen des Epislrialums mit
den verschiedenen Teilen des Ilyperstriatums. Diese Züge, welche an der Grenze des Meso-
striatums in der Lamina horizonUlis und vertieali» verlaufen, endigen, wie die Marchi-
pr¶te zeigen, in dem inneren Teil des Epistriatums. Auch das Vorhandensein von
Assoziatiouszflgen zum Mesostriatum und Ektoslriatum ergeben die Präparate.
Es mögen hier weiter die zahlreichen Markfasej-n Erwähnung finden . welche aus dem
Epistriatum in das das Ganglion von außen umgebende Striatum tem|>orale und occipitale
einstrahlen; es handelt sich um feinere und dickere Käsern, welche aus den oberilichlicheren
und tieferen Teilen de» Ganglions hervorgehen ( vgl. besondere die Abbildungen Taf. II Klg. I
und Tal. V Fig. 1). Diese Markfasern bilden keinen .Stabkranz, im Sinne des Stabkranzea
der Säuger; denn wie die Abbildungen zeigen, endigen die Fasern schon im Striatum; die
Stelle, wo sie endigen, ist fast flberall durch den Ventrikel vom Pallium (Ventrikeldecke)
getrennt ; und wo der Ventrikel fehlt . läßt sich leicht erkennen , daß hier die oberflächlichste
Hirnpartie dem benachbarten, unterhalb des Ventrikels gelegenen Striatum so vollständig
gleicht, daß man auch hier keine .Rinde, annehmen kann.
Schließlich sind die Nervenbahnen hervorzuheben, welche das Epistriatum mit den
niederen Uehirnteilen verbinden, und welche »amtlich in der Querfa*enuig verlaufen. Die
22
O. Kalischkr:
physiologischen Ergebnisse erfordern hier das Vorhandensein von zentrifugalen und zentri-
petalen Bahnen; die mittels der Degenerationsmethode erzielten Resultate sprechen fDr eine
solche Annahme. Nach der Exstirpation des Kpistriatums . besonders des hinteren und
mittleren Drittels, laßt sich in der Querfaserung eine Degeneration einer großen Reihe von
Fasern erkennen, von denen ein Teil auf derselben Seite nach abwärts umbiegt; ein zweiter
Teil zunächst in der Querfaserung mit den gleichen Fasern der anderen Seite sich kreuzt, um
dann auch sich kaudalwärts zu wenden. Die Fasern, die auf der gleichen Seite bleiben und
wahrscheinlich schon im Thalamus endigen, sind als zentripetale aufzufassen und gehören
der Seh- bzw. auch der Hörhahn an. Die uhrigen, speziell die in der Querfaserung kreu-
zenden, die sich durch eine stärkere Schwärzung auszeichnen, sind als zentrifugale Fasern
anzusehen; sie lassen sich bis zu den distalsten Teilen der Medulla oblongata verfolgen.
Ob, wie die physiologischen Versuche wahrscheinlich machen, üöriäsern, vom Tha-
lamus ausgehend, im Epistriatum endigen, bleibt noch eine offene Frage; ebenso ist es noch
nicht hinreichend entschieden, ob Riechfasern zugleich mit dem Tractus fronto - opistrialicua
in das Kpistrintum eintreten. Wäre das der Fall, ao hätten wir im Epistriatum das Ilaupt-
zentrum fTir die Siimesncrven zu sehen, von denen die optischen Faseru im hinteren Teile,
die akustischen im unteren und die Riechfasern mehr vorn endigen.
Die Exstirpation des EpistrUtmns unterliegt großen Schwierigkeiten, wie aus der Be-
schreibung und den Abbildungen sich erkennen laßt. Ks liegt in der Tiete. stößt da-
seibot unmittelbar an andere wichtige üroßliirnteile, besonders an das Me.sostriatuin, so
daß an eine isolierte Kxstirpation nicht zu denken ist. Bei der Operation wird die ganze
Querfaserung durchschnitten, so daß die Exstirpation einer Ausschaltung dieser Faserung
gleichkommt; nur einige Zöge, welche ohne Vcrmitlelung des Epistriatiims in die Qurr-
faserung einmünden, können bei der Exstirpation unverletzt bleiben.
D. Der Verlauf der Nervenzüge im GroGhirn.
Betrachten wir jetzt die Anordnung und den Verlauf der Nervenfasern im Großhirn,
so sehen wir, dnß wir eine Reihe scharf voneinander gesonderter Züge von verschiedener
Verlanfsrichtimg unterscheiden können. Die Züge finden wir besser differenziert als bei
vielen anderen Vogelarten, besonders weit besser wie bei den Tauben, welche bisher meist
für die Untersuchung der Nervenbahnen verwendet worden sind.
a) Pallium- (Wulst-) Faserung.
Wir haben schon oben hervorgehoben, daß einzig und allein die vom Wulste ent-
springenden Fasern als Rindenfasern in Betracht kommen können, während alle übrigen
Nervenzüge des Großhirns nur mit dem Striatiim und seinen verschiedenen Abschnitten in
Verbindung stehen. Besonders wichtig sind die Nervenbahnen, welche von dem vorderen
Teile des Wulstes ausgehen und im Septum kaudalwärts verlaufen. Nach der Exstir-
pation des Wulstes oder nach der Durchschneidung der Septumfaserung bei ihrem Aus-
tritt aus dem Wulst« (s. Textfigur S. 39; der Schnitt ist durch die .gestrichelte Linie
bezeichnet) kommt es regelmäßig zu einer außerordentlich starken Degeneration In dar
Faserung des Seploms; je weiter kaudalwärts man die geschwärzten Fasern in der Scheide-
wand verfolgt, um so enger sieht man sie zu einem kompakten Bündel sich zusammen-
schließen , welches vor der Qucrfaserung sich veulralwärts wendet. Doch bleib« das Bändel
nicht lange geschlossen; bereits vor dem Beginn des Thalamus teilt es sich in zwei Teile;
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Das Großhirn der Papageien.
23
der eine Teil wendet sich, wie es Edinger «. s. für dm Traetus septo - mescncephalieits
beschrieben haben, aJ&ludd lateral- und dorsal wärls und verliert »ich am Außenniude de*
Mittelbirns; der andere stärkere Teil verläuft weiter als ventrale* Bündel kaudalwärts;
nimmt dasselbe auch allmählich an Stärke ab, so konnte ich die letzten Fasern doch bis in
die distalsten Teile der Mednlla nhlnngata. vielleicht bis in das Rückenmark verfolgen.
Dieser Teil entspringt vun der vordersten Spitze de* Wulste«; im Thalamus, Mittclbirn usw.
bildet er die ventralst gelegene Nervenbahn. In Edingers FrontaUehriitt durch das Groß-
hirn eine« Papageis ist der Nervenzug unrichtigerweise als Traetus i|iiinto frontalis tiezeirlinet.
Nach «einem Verlaufe, seiner Lage und seiner Funktion (Leitung der elektrischen Kr-
Teglingen vom Wulste zu den Extremitäten) ist dieser vorderste Teil der Septumfasemng
der Pyramidenbabn der Sauger zu vergleichen, zumal seine Fasern ihren Ursprung aus
dem Großhirnteile nehmen, welcher einzig und allein als .Rinde« in Betracht kommt. Für
den zweiten Teil der Septumfascrung. welcher aus dem Wulste erst hinter der -Spitze hervor-
geht, wollen wir den Namen »Tradln «epto- meseneephalicus» lieibehalten. t)ie vordersten
Fasern wollen wir dagegen vorläufig als »Tracht* eortico-septo-spinalis» bezeichnen.
Mir will es scheinen, als ob da« von manchen Autoren als »Fomix» l>etraclitete kleine
Bündel einen Teil meine* Traetus cortico >scpto>*pinali* bildet; ebenso ist wohl der Fasci-
culus praecommissurali« Edinger*. welcher von ihm unvollkommen bei den Tauben . besser
bei der Gans beobachtet wurde, als ein Teil de* obigen Zuges zu betrachten. Edinger nennt
den Zug Traetus septo-hypnthatainiciis, weil er im .Septiim entspringt, an der llirntuisis sich
abwärts verfolgen lasse und medial und nach hinten vom Ganglion rktomamillare endige.
Beide Züge, der Traetus cortico -septo-spinalis und der Traetus *epto- meseneephalicus
gehen aus den oberflächlichsten Partien des Wulstes, und zwar aus dem daselbst befindlichen
Neuwerke von Fasern hervor (*. Abbildungen Taf. HI». Die oben be.scliriebene Teilungsstelle
beider Züge sieht man in Kenn zweier Spitzen in der Abbildung Taf. III Kig. 3 angedeutet; die
Fasern des Tracht» cortico -septo -spinalls liegen nach außen, die des Traetus septo-inesence-
phalicus nach innen; letztere sind im Begriff sich lateral- und dorsal« Srts zu wenden. Das
Netzwerk des Wulstes steht in Verbindung mit der Schicht großer Ganglienzellen , welche.,
dirht unterhalb des Wulstes Relegen, von mir als •Unterwulstregion' bezeichnet wurde. Diese
•Schiebt, die unmittelbar an die großen Zellen des llypcrstriahims angrenzt, jedoch deutlich von
demselben iinterschridbar ist. bildet, wie erwähnt, den Treffpunkt der motorischen Septum»
fasemng und der sensiblen Fasening. die durch das Mesostriatiim heraufsteigt. Wahrend der
Verlauf der bisher besprochenen zwei Züge der Wulstseptumfaserung sicher rentrifugaler Natur
ist. steht dies nicht so fest von den Fasern, welche aus den hintersten Teilen des Wulstes
und der »Ventrikeldeeke« hervorgehen. Ks handelt sich hier um die Fasern des Traetus
cortico -habenularis (Kdinger). Die Degeneration dieser Fasern nach Abtragung des Pal-
liums ist nicht so stark ausgesprochen, wie wir das von der übrigen Septumfascrung
berichteten. Weswegen wir vermuten, daß hier nicht eine zentrifugale Bahn vorliegt. —
Außerdem wäre noch der zarten Fasern der Cninmissiin. Pallii zu gedenken, welche die
hinteren Teile des Palliums beider Seiten miteinander verbindet.
b) S t r i a t u m f a s e r u 11 g.
Gehen wir jetzt zu den Nervenbahnen des Striatums über, so sehen wir in den ver-
schiedenen Abschnitten desselben, die wir unterscheiden konnten, Faserzüge ihren Ursprung
nehmen und ihr Ende finden. Bei der vorhergehenden Beschreibung der Abbildungen haben
wir. als besonders in die Augen fallend, eine Quer- und eine Schrägfaserung unter-
24
O. Kalischer:
schieden. Diese Einteilung, welche so deutlich in den Frontal- und Horizontalschnitten
hervortritt, ist keine rein äußerliche, ds der Charakter der Faserungen ein verschiedener ist.
Während die Schrägfaserung wahrscheinlich nur zeri tri pelale Fasern enthält, gehörender
Querfaserung (mit Ausnahme der im Septum verlaufenden Zöge) sämtliche zentrifugalen
Nervenbahnen des Großhirns an. Außerdem finden sich in der Querfaserung die Bahnen
der Sinnesnerven, die mit dem Epistriatuin in Beziehung stehen. Die Schrägfasern verlaufen
ferner innerhalb , die Querfasern hauptaichlich außerhalb des Mcsostriatums. Diese Einteilung
dient auch dazu , das Verständnis für die Exstirpationen zu erleichtern ; beide Fasersvsteme
lassen sich, jedes fOr sich, operativ in Angriff nehmen; beide stehen mit bestimmten großen
Ganglien in Verbindung. Einzelne Zuge der Querfaserung lassen »ich nur durch Zufall
verletzen; wahrend es leichter möglich ist, bestimmte Zuge der Schrägfaserung für sich zu
durchschneiden.
t. Querfaserung.
Dieselbe ist bei den l'apageien im Gegensalze zu andern Vögeln, wo wir eine analoge
Faserung unterscheiden können, besonders stark entwickelt; z. B. viel stärker wie bei den
Bussarden, bei welchen sonst die in Frage kommenden Teile ganz ähnlich angeordnet sind.
Die einzelnen Züge der Querfaserung sind nicht leicht zu entwirren; doch lassen sich
besonders mit Zuhilfenahme der March i sehen Methode einige nach Ursprung und Verlauf
ganz charakteristische Bahnen aus dieser auf den ersten Blick einheitlich erscheinenden
Faserung aussondern. Die Querfaserung wurde als vordere Kommissur beschrieben, welch«
beide Kpistriata miteinander verbinden soll. I>och zeigt es sich, bei den Papageien
wenigstens, daß nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Zuge solche Kommissurenfasern
bildet. Den bei weitem größeren Teil der Züge sehen wir nach vorheriger Kreuzung oder
ungekreuzt kaiulalwärts verlaufen.
Es lassen sieh demnach in der Querfaserung folgende Zuge unterscheiden; indem ich
dazu alle Züge rechne, welche auch nur ein Stück in derselben verlaufen:
a) Die Konunissureiifasern. Iiiemi gehört erstens die eben genannte Kommissur
zwischen den beiden Kpistriata, die wir als Commissura inter-epistriatie» bezeichnen
können. Die Fasern derselben entarten nicht von einem Kpistriatum zum anderen nach
Exstirpalion eines EpistriaUuns; man kann die schwarzen Schollen in den nach Marc Iii
behandelten Präparaten nur ungefähr bis zur Mitte oder wenig darüttcr hinaus verfolgen.
Doch ist dies nicht die einzige 'Kommissur, welche man in der Querfaserung antrifft; sondern,
wie ausschließlich die HorizontaUchnitle , diese jedoch sehr deutlich zeigen (s. Taf. VI), ist
noch eine zweite Kommissur zu unterscheiden, welche die Köpfe beider Mesostriata
miteinander verbindet, eine Commissura inler-mesosti inlica. Die Fasern derselben
bilden den vordersten Teil der Querfaserung; in ihrem Ursprmigsgebiete weit auseinander-
liegend schließen sich die Fasern, je mehr sie sieh der Mitte nähern, um so enger an-
einander.
b) Zuge, welche zunächst mit den Kommissurenfasern in der Querfaserung verlaufen,
dann aber zu den unteren Gehirnleilen herabsteigen. Hierzu sind zu rechnen:
l. Faserzöge, welche zugleich mit den letzterwähnten Kommissurenfasern aus den
Köpfen der Mesostriata entspringen , dann aber in der Querfaserung sich kreuzen , um hierauf
im •motorischen Felde • kaiidalwärtg zu verlaufen. Ein Teil der Fasern kreuzt nicht, sondern
wendet sich direkt kaudalwRrts. Ol» dir den Köpfen des Mesostriatuma angehörigen Zuge
außer den zentrifugalen Fasern auch zentripetale enthalten, ließ sich nicht mit Sicherheit
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Das Großhirn der Papageien.
25
entscheiden. Doch halte ich es Air wahrscheinlich, daß ein Teil dieser Fasern zu dem
Nucleus rotundus Thalami in Beziehung; steht.
a. Der Querfaserung schließen sich weiter die Nervenzügc an, welche, das Mesostriatum
als Lamina racdullaris umhüllend, zunächst im horizontalen , dann im vertikale« Schenkel
der Lamina an der Cremte des Mesostriatum» verlaufen , alsdann zwischen Mesostriatum und
Epistriatum in die QiierfMeruug einmünden. Ihren Ursprung nehmen diese Fasern , ehe sie
in den horizontalen Schenkel der Lumina eintreten, zum Teil in dem Hyper&triatum , zum
Teil im Mesostriatum. Beide Faserarteu scheinen aber nicht den gleichen, weiteren Ver-
lauf zu nehmen. Zerstört man durch Abtragung oder Unterschneidung die Zellschicht des
Hyperstriatums . so findet man deutliche Schwärzung nur bis zum Anfang der Querfaserung,
bis zu der Stelle, wo sich die Zellen des Epiatriatuins in die Querfaserung hinein erstrecken
(s. Taf.V. Fig. i). Es ist daher anzunehmen, daß die zentrifugalen Zuge de» Hyperstriatums
in dem inneren Teile des Ganglions enden bzw. eine Unterbrechung erfahren. Dagegen sind
die aus dem Mesostriatuiii , besonders aus dem vorderen Teile (Kopf) stammenden Fasern
mittels der Marciii -Methode Ober diese Stelle hinaus in der Querfaserung zu verfolgen, wo-
selbst sie die am meisten dorsal wirts gelegenen Züge bilden; sie kreuzen in der QuerfaseruDg
und verlauten weiter im •motorischen Felde« kaudalwärts; ein kleiner Faseranteil steigt
wohl auch ungekreuzt herab.
3. Es ist wahrscheinlich, daß Fasern aus dem Stirnteil, ohne erst im Epistriatum eine
Unterbrechung zu erfahren, sich direkt der Querfaserung anschließen, um alsdann, sei e»
nach vorherig«- Kreuzimg mit den gleichen Fasern der Gegenseite oder uugekreuzt, kaudal-
wirts zu verlaufen. Für diesen Verlauf sprechen die Degenerationsresulttte . denn nach Ver-
letzung dr.» Stirnteils kann man schwarze Schollen in den dorsalsten Zeigen der Querfaserung
beobachte», auch wenn das Mesostriatum l>ei d<-r Operation unverletzt gebllel>eii ist.
4. Schließlich treffen wir in der Querfaserung die Gesamtheit der Zuge, welche aus
dem Epistriatum hervorgehen und, nachdem sie eine Strecke in querer Richtung verlaufen
sind, kaudalwärts sich wenden. Es gehören in dh-sen Bereich wahrscheinlich Nervenbahnen
mit ganz verschiedener Funktion. Schon die verschiedene Struktur des Epistriatums in
seinen verschiedenen Abschnitten spricht dafür; ferner lassen sich die Hahnen, wenn sie
auch kaudalwärts in einem einheitlichen Felde verlaufen, Iiis zu verschiedenen Endpunkten
verfolgen, ein Teil bis zum Thalamus und zum Mittelhirn, ein großer Teil weiter bis in die
Medulla oblongala. Auch die physiologischen Ergebnisse erfordern, worauf ich schon oben
hingewiesen habe, das Vorhandensein derartig verschiedener vom Epistriatum ausgehender
Bahnen. Aus den hinteren Teilen des Epistriatums hervorgehende Nervenziigc verlaufen in
dem ventralsten Teile der Querfaserung, biegen dann, auf der gleichen Seite bleibend, nach
unten hin um und endigen wahrscheinlich >u einem Gangliun des Thalamus, dos lateral wärts
und etwas dorsal vom -motorischen Felde- gelegen ist. Dieser Zug zeigt kurze Zeit nach
der Ezstirpation des Epistriatums nur eine schwache Degeneration, und »lieser Umstand im
Verein mit den physiologischen Resultaten läßt diesen Zug als Großhlntsehhahn erncbeinen.
Er entspricht wohl dem Tractus oeripito - meseneephalicus Edingers; doch mochte ich den-
selben nach meinen Ergebnissen als Tractus tbalamo-epistriaticus bezeichnen. Kdingers
Annahme, daß derselbe in der »Rinde, endigt, ist unzutreffend. Eine derartige Endigung
ist, da der betreffende Abschnitt des Großhirns, wo wir den Zug endigen sehen, vom Ven-
trikel Oberlagert ist, anatomisch unmöglich; die verschiedenen Abbildungen (s. z. B. Taf. II
Fig. t und Taf. VI) lassen darüber keinen Zweifel. überdies werden die mit dein
Epistriatum zusammenhängenden Nervenfasern wohl sämtlich im Ganglion unterbrochen.
/Hy*. Abh. nicht für AJcatL gthttr . QtUKrler. 1905, IV. A
2ß
0. Kalischer:
Aber wenn seilet einige Fasern durch das Ganglion hindurchgehen sollten, so könnten
diese das Pallium nicht erreichen, welches hier übrigens aller Charakteristika einer -Kinde-
entbehrt. Weder gelang es, in den nach Weiße rt gefärbten Präparaten durch das Ganglion
durchgehende Fasern aufzufinden, noch kam es nach oWilächlichcr Verletzung der das
Epistriatum umgebenden Partie zu einer deutlichen Schwärzung in den aus dein Ganglion
austretenden Querfasenügen. Zentrifugale Fasern, die aus dem Epislrialmn hervorgehen und
dazu dienen, die im Fpistriatum umgesetzten sensoriellen Keine des Gerichts- und vielleicht
des Gehörsinnes abwärts zu leiten, verlaufen zunächst in der Querfaserung, biegen dann auf
derselben Seite oder zumeist erst auf der Gegenseite nach abwärts um und lassen sich dann
ini «motorischen Felde- über den Thalamus und das Mittelhirn hinaus bis in die Medulla
oblongata, und zwar bis in die distalsten Partien derselben, kaudalwirU verfolgen.
So enthält denn die Querfaserung. um es kurz zu rekapitulieren, außer den Kom-
missuren fasi-rn Züge aus dem Kpistriatum. aus dem Meso- und llyperstriatum sowie aus
dem Stirnteile. Hin Teil der Züge des Epistrialums hat zentripetalen Verlauf und gehört
den Suinesrierven un; die übrigen Epistriatumzüge S4iwie alle anderen Züge der Querfase-
rung, die kaudalwärts verlaufen, tragen zentrifugalen Charakter. Die zentripetalen Züge
nehmen dabei mehr den ventralen, die zentrifugalen den dorsalen Teil der Querfaserung ein.
Gau/, vom in der Querfaserung liegt die Conimissura inter-mesoslriatira; dahinter die Cntn-
missura inter-epistriatira. In einem besonderen, einheitlichen, dorsal gelegenen Felde, das
man auf den Frontabschnitten gut verlolgen kann, verlaufen sämtliche Züge der Querfaserung
kaudalwärt». Ein Teil dej' Züge laßt sich nur bis zum Thalamus bzw. Mittelhirn verfolgen:
es sind das. wie ich oben hervorhob, wahrscheinlich die sensorischen Züge, die vornehm-
lich der Sehhahn angehören; die Mehrzahl der Fasern zieht weiter kandalwärls und findet
erat in der Medulla oblongata ihr Ende.
Wenden wir un* jetzt zur .Schrägfascrung, so ist hier zunächst hervorzuheben, daß
die Degenerationsversiiche in t'bereiiistimmung mit ilen physiologischen Ergebnissen zu der
Auffassung geführt haben, daß die meisten der dieser Faseruug aiigehörigen Züge einen
zentripetalen Verlauf hesitzen. Hin Teil der Züge endigt Im Mesostriauun , ein anderer im
Hyperstriatum, wohin die Fasern teils durch das Kktostriacum . teils ohne desspn Vennitte-
hing gelangen: ein fernerer Faseranteil laßt sieh in die Unterwiilstregion verfolgen. Das
Urspningsgebiet der meisten dieser Fasern dürfte in den Thalamuskernen zu suchen sein.
Wenn wir die Faserzfige. welche sich gut aus der Schrägfaseruns absondern lassen, hier
zusammenstellen, so wären erstens die Züge zu erwähnen, welche den Kopf des Meso-
Striatuuis (I) durchepjeren (Taf. III Fig..,). die Fasrnnassen (p) an der Grenze des Mrso-
«triatums durchbrechen und alsdann durch das Striatnm parietale i*> in das llyperstriatum
(<i) und in die l'nterwuislregion (A), besonder* in deren vorderste Partie, gelangen, wo »ie
in dem dort befindlichen Netze von Nervenfasern endigen und zu den Fasernetzeii des
Wulstes in Beziehung treten. An der Grenze des Mesostriatums, dort, wo sie dasselbe
durchbrechen, zeigen die Nervenfasen» einen gesehlängetien Verlauf. Zweitens gehören
der Schrägfasening Züge an. welche durch das MesnstriaUim hindurch in das Ektostriatum
eintieten, um entweder hier zu endigen oder weiter von hier aus das Hyperstriiitum zu er-
reichen. Drittens ist ein charakteristischer Faserzug hier anzureihen, der am Boden des
Mesostriatums verläuft. Derselbe durchbricht das Mcsostriatum in »einer vordersten Partie
und gelangt dann zum .Stirnteile des Großhirns, wo er unmittelbar nach innen von dem
a. Sch rägfascrung.
Da* Großhirn (kr Papageien.
27
Aasoziationszuge , der den Stirnteil mit dem Kpistriatum verbindet, gelten ist. Besonders
in den Horizontalschnitten Taf. V Fig. i und Taf. VI tritt diese Lagebeziehung sehr deutlich
hervor. Kaudalwärts ist der Zug als ventrales Bündel durch Thalamus und Mittelhirn bis
in die Medidia ublongata zu verfolgen. Da der Verlauf des wahrscheinlich zentripetalen
Zuges von mir nur auf dem Wege der retrograden Degeneration ermittelt werden konnte,
so sind die letzten Endigungen bisher nicht mit Sicherheit anzugeben. Im Mittelhirn gehen
die Fasern heider Seiten eine Kreuzung ein.
Wahrscheinlich entspricht dieser Zug dem Tractus uuinto- frontalis Kdingers; doch
endigen die Fasern unseres Bündels nicht, wie es Edinger von seinem Bündel beschreibt,
im Mesnstrialum, sondern außerhalb des»eH>en itn Slirntcile, wie aus den genannten Ab-
bildungen klar zu ersehen ist. Ferner hat Kd Inger In seiner Abbildung eines Frontal-
Schnittes durch das Großhirn eine, Papageis (Taf. V, a. a. O.) bestimmte quergetroffene Bündel
als Tractus u/iinto- frontalis bezeichnet, welche unserem Tractus cortico • «epto - spinalis an-
gehören. Letzterer Zug bildet nach unserer Untersuchung im Thalamus und Mittelhirn usw.
das ventralste Bündel der aus dem Großhirn stammenden Fascrung.
Weiterhin gehören zur Schrägfaserung aus dem Mesostriatuin stammende Nerven-
fasern, welche mit dem Nucleus rotundus Thalami in Verbindung stehen. Nach Ver-
letzung des Mesostrintums gehen in diesem großen Kern die Ganglienzellen zugrunde;
außerdem zeigen die aus dem Kerne nach dem Großhirn hin ausstrahlenden Nervenfasern,
allerdings erst Monate nach der Verletzung des Mesostriatums, deutliche Schwammig. Aber
auch viele andere (jangllen des Thalamus nehmen an der .Schädigung deutlichen Anteil.
Die Veränderungen in den Thalamuskernen finden sich immer auf der Seite der Exslirpalion,
da die zentripetalen Faserzüge, um die es sich ja nach unserer Auffassung handelt, bis zu
dem Thalamus unijekreuzt verlaufen. Schon einige Wochen nach der Operation des Meso-
striatums erkennen wir mit Hilfe der Nißlschen Färbimg zunächst die bekannten Verände-
rungen in den Gittigliepzellen, hauptsächlich im Nucleus rotundus (Verschwommensein der
Nißlschen Granula u.dgl.). Schon nach einer verhältnismäßig geringen Verletzung des
vorderen Teile* des Mesostriatums konnten wir nach dem Verlaufe von sechs Wochen einen
Zclluntcrgang im Nucleus rotundus konstatieren. Tötet mau die Tiere aber erst mehrere
Monate nach der einseitigen schweren Schädigung des Mesostriatums . so findet man ebenso
wie in anderen Ganglien des Thalamus auch im Nucleus rotundus derselben Seite fast keine
normale Zelle mehr. Ob auch eine Schädigung des Kktostriattims eine Veränderung der
Ganglienzellen im Thalamus speziell im Nucleus rotundus zur Folge hat, will ich" vorläufig
dahingestellt sein lassen; jedenfalls erreicht sie nicht den l'mfang der vom Mesostriatum ab-
hängigen Veränderungen. Ein Untergang von Zellen ließ sich ferner entweder gar nicht oder
nur in sehr geringem Umfange nach Verletzung des Schläfcnleils und des Hyperstriatonis
beobachten, selbst wenn das letztere große Ganglion in erheblicher Ausdehnung geschädigt
wurde.
Werfen wir jetzt noch einen kurzen Oberblick Uber den weiteren Verlauf der
Großhirnbahnen in den unteren Gehirnteilen. Wohl* voneinander angegrenzt treffen wir in
den Frontalschnitten des Thalamus zwischen den zahlreichen Ganglien eine große Zahl tpirr
oder schräg getroffener Nervenbündel . die den Großhirnbahnen angehören. Die mehr ven-
tral gelegenen Züge de» Thalamus entsprechen im wesentlichen mehr dem vorderen, die
dorsaleren Züge mehr dem hinteren Bereiche des Großhirn*. Wie die zentripetalen und
zenlrifuiralen Bahnen im Großhirn wahrscheinlich ganz gesondert verlaufen, so nehmen sie
auch in den unteren Gehirnteilen besondere Felder ein. Der Thalamus ist nach meinen
4«
28
0- Kalisciieb:
Untersuchungen nur durch zentripetale Bahnen mit dem Großhirn verbunden, während die
zentrifugalen Bahnen des Großhirns wahrscheinlich sämtlich ohne Unterbrechung Ober den
Thalamus hinausziehen; jedenfalls nehmen mehrere groß« Ttialamusganglien. wie der Xuclcus
rotundus, keine zentrifugalen Bündel auf. (Iber die Kreuzung der Großhirnbahnen ließ
sich im allgemeinen folgendes feststellen: die meisten zentrifugalen Züge des Großhirns
kreuzen in der .Querfaserung., während die Kreuzung der zentripetalen Züge ausschließlich
in den unteren Gehirnteilen (unterhalb des Thalamus) stattfindet.
Unter den .Feldern, des Thalamus ist vor allem das Feld zu nennen, welches alle
kaudalwärts verlaufenden Bündel der Querfaserung in «ich schließt, aus ziemlich starken
Fasern besteht und in deutlicher Abgrenzung dorsoinedial im Thalamus gelegen ist. Dieses
Feld enthält erstens die zentripetalen Bahnen der Querfaserung, d. h. die Bahnen der
Sinnesrierveii , soweit sie mit dem Großhirn (Fpistrialum) in Verbindung stehen (jedenfalls
die Bahn des Gesichtssinnes, vielleicht auch die des Gehörsinnes) ; zweitens sämtliche
zentrifugale Hahne» des Großhirns (mit Ausnahme der im Seplum abwärts verlaufenden
zentrifugalen WtilMbahneii). Die zentrifugalen Züge haben in dem Felde eine mehr ventrale
Lage inne, wahrend die zentripetalen Bündel inehr dorsal- und laleralwärt* gelegen sind.
Ein kleiner Teil der zentrifugalen Fasern erstreckt sich , wie die Frontalschnitte zeigen , von
dem Felde aus in Form eines schmalen nach außen konvexen Halbkreises (von quer getroffenen
Fasern) ventralwärts bis zu dem Felde der langen Bahnen der Sclirägfawrung. Bei der De-
generation der gesamten Querfaserung trifft man diesen Halbkreis voll schwarzer Körner.
Ein großer Teil der Bündel der Querfaserung ist als .motorisches Feld, über
den Thalamus hinaus bis in die distalsten Teile des Mittelhirns und noch weiter bis in die
Medulta ublongata in den Marchipräparaten zu verfolgen. Je mehr sich das .motorische
Feld* den tieferen Teilen nähert, um so mehr rückt es laleralwärts, wahrend es seine dorsale
Lage unverändert beibehält. Der Teil der Querfaserungszüge , welcher schon im Thalamus
bzw. im proximalen Teil des Mittelhirns endigt, gehört wahrscheinlich den oben genannten
sensorischen Zügen (.Sehhahn) an.
Die übrigen quer und schräg getroffenen Großhirabahnen im Thalamus entstammen
der Schrigfaserung des Großhirns. Der größere Teil der Faseruni; geht aus den dorsal
gelegenen Thalamusganglien hervor; es sind das die .kurzen, zentripetalen Bahnen, welche
mit dem Mesostriatum , dem Ektostriatum . dem Hyprrstriatum und der Unterwulstregion in
Verbindung stellen. Den kleineren Teil der Züge der Schrägfaserting . die .langen* zentri-
petalen Bahnen, kann man kaudalwärts über den Thalamus hinaus bis ins Mittelhirn bzw.
bis in die Medulla oblongata (mittels retrograder Degeneration) verfolgen. Zu den langen
Salinen gehört insbesondere der oben (S. z6 u.i erwähnte ziemlich starke Zog, welcher schräg
durch das Mesostriatum bis zu den vordersten Partien des Stirnleils heraufsteigt. Im Gegen-
sätze zu den kurzen Bahnen sind diese langen zentripetalen Bahnen im Thalamus ventral
Das Großhirn der Papageien.
II. Physiologischer Teil.
29
Wenn wir die physiologische Literatur, die du Großhirn der Vogel betrifft, Über-
blicken , so finden wir hauptsächlich Arbeiten, die sich mit der Bedeutung des Groß-
hirns für das Sehen beschäftigen; insbesondere wandte man sich der Entscheidung der
Krage zu. ob die Vögel auch ohne Großhirn Gesichlsempn'ndungeu haben. Systematische
Untersuchungen , welche die genauere Lokalisation verschiedener Funktionen itti Großhirn
behandeln, wie sie bei den Säugern so zahlreich vorliegen, fehlen bei den Vögeln voll-
ständig. .Sehrader, in dessen Arbeiten wir die physiologische Literatur über das Groß-
hirn der Vogel zusammengestellt finden, hat zwar selbst Teilexstirpationen bei manchen
Vogelarten ausgeführt, ist jedoch, wohl weil er die anatomischen Verhältnisse nicht genügend
berücksichtigte, zu positiven Resultaten in der Lokaltsationsfrage nicht gelangt; ihm erschien
das Großhirn der Vögel als einheitlich in seinen Funktionen. «Wo ein Unterschied«, sagt
er, »in dein Erfolge einer Exstirpatlon in dem vorderen und in dem hinteren Teile der
Heinisphäre hervortrat, mußte der Grund mit großer Wahrscheinlichkeil darin gesucht
werden, daß in dem Stirnhirn die Stanunstrshlung de* Großhirmtieles direkt mitgetroffen
wird , während der llinlerhauptsteil frei überhängt und hier nicht der .Stamm , sondern nur
die weitere V erzweigung des Pedunculus abgetragen wird.. »Danach scheint beim Hunde
und Affen mehr als bei den Vögeln eine gewisse Funktionsircnn ung im Großhirn hervorzu-
treten.« Sonst begegnet man nur vereinzelten Angaben, welche die Lokalisation betreffen.
So hält Kilinger auf Grund von Analogieschlüssen den Tractus oeeipito - mesencephalicua
für die .Sehbahn und glaubt an den Rindenursprung dieses Bündels. Nach ihm findet sich
bei den Vögeln die erste richtige Hinterhauptsrinde nebst Seitstrahlung.
Speziell über die Papageien liegt nur eine kurze Mitteilung von Couty 1 vor, welche
die einzigen physiologischen Angaben über diese Vögel enthält. Couty konstatierte nach
einer Läsion des vorderen Teiles einer Hemisphäre eine fast vollständige Lähmung des
der Listonsstelle entgegengesetzten Fußes; das Bein hing herunter ohne Bewegung; die Zehen
waren eingeschlagen, während »ich der Papagei mit der anderen Pfote hielt. Berührte man
den Fuß, so gab er keinen Reflex; nur nach sehr heftigem Druck auf den Fuß gab der
Papagei Zeichen des Schmerzes von sich. Es handelte sich danach neben dem fast voll-
ständigen Verluste der Motilität um den Verlust bzw. um die Herabsetzung der Sensibilität.
Das gegenseitige Auge war fast völlig blind. Die Flügel erschienen intakt. — Auch die
Rinden e rregbarkei t für den elektrischen Strom untersuchte Couty, er eröffnete den
Schädel von Papageien in ziemlich großer Ausdehnung, und obwohl diese Operation leicht
1 Couty, Sur la zone motrice du cerveau des perrouuett. Coroptea
et Memoire* de la Soclete de Biologie. 4.8er. 7. 1881. Bd. 34.
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30
O. Kalis chek:
den Tod nach sich zog, überzeugte er sich doch, daß ungefähr zwei Drittel der oberen
und Äußeren Oberfläche erregbar waren. Findel und Schwanz blieben immer unbeweglich ;
die Bewegungen des Fuße* waren dagegen beinahe konstant; häufig traten Bewegungen auf
beiden .Seiten ein. Couly meint, dnß die Papageien mit ihren lebhaften zerebro- muskulären
Reaktionen Meli darin dem Meuchen nähern ; selbst der Affe erscheine nicht reilbarer.
.Sinnt wurden die meisten Versuche an Tauben ausgeführt; doch eignen »ich die-
selben nach meinen Erfahrungen sehr wenig für die physiologische Untersuchung de» Groß-
hirns, ebenso, wie sie als Ausgangspunkt der anatomischen Forschung des Großhirn* nnderen
Vögeln nachstehen. Kestens ist die elektrische Heining der Großhirnoberfläche hei den
Tauben schwer auszuführen, da überaus leicht Blutungen beim Abziehen der Dura entstehen,
die nur mit Mühe gestillt werden können. Zweitens ziehen geringfügige E\stirpationcn der
Oberfläche «ft Krweiehiingeu in den lieferen Schichten des Gehirns nach sieh, so dnß
die nach den Operationen eintretenden Störungen nicht der beabsichtigten Schädigung ent-
sprechen. Endlich sind die TaulwMi schwerer wie viele andere Vögel zu beobachten und zu
untersuchen.
Wenn mich auch hei den Papageien das Sprechen und die l-okalisation desselben
zunächst interessierten, so Überzeugte ich mich bald, daß dieselben sich auch in anderen
Richtungen /.um Studinui des Großhirns besonders eigneten. Ihr Gefühl i»t ein außer-
ordentlich feines: sie reagieren deutlich liei den zartesten Berührungen; sie gebrauchen in
geschicktester Weise den Fuß als Hand, so daß sich etwaige Bewegungsstilrungen alsbald
erkennen und analysieren lassen. Ihre psychischen Eigenschaften (Teilnahme, Aufmerksam-
keit. Mißgunst, Neid, Freude u. n. l . ihr Gedächtnis, ferner die Schnelligkeit, mit der sie
sich abrirhten lassen, erleichtern sehr die Untersuchung und Beobachtung und stellen sie
als Versuchstiere den Affen gleich. Dazu sind sie leicht zu halten und im Gegensatz* z.u
manchen anderen Vögeln, die. trotz ihrer Häufigkeit in der Natur, nur schwer im Handel
zu haben sind, ohne Mühe in beliebiger Anzahl zu erwerben. Das Gehirn ist groß; die
einzelnen Fasei-züge gut differenziert; die verschiedenen Abschnitte leicht voneinander zu
trennen. Die Kxstirpationen selbst sind, wenn man einzelne Punkte, auf die ich noch
zurückkomme, beachtet, ohne Schwierigkeit ausführbar.
Wenn icli auf die Art der von mir verwendeten Papageien mit einigen Worten ein-
gehe, so habe ich Sittiche (Palaeornis) und graue Papageien (Psittacus) nur ausnahmsweise für
die Operationen benutzt. Gute ältere graue Vögel stehen im Preise zu hoch, während die jünge-
ren Graupapageien nicht genügend widerstandsfähig und ausdauernd sind. — Zumeist standen
mir die grünen Amazonenpapageien ( Androglossa), unter ihnen verschiedene Spielarten, und
Kakadus (PILssolophus) (meist große Gelbhaubenkakadus) zur Verfügung. Es »teilte sich bald
als wünschenswert heraus, unter diesen Papageien für die verschiedenen in Betracht kommenden
Operationen ilie geeigneten Tiere auszusuchen. Nicht nur erforderten die Sprechversnche eine
vorsichtige Auswahl; auch für die Lösung anderer Fragen konnte die passende Wahl der Ver-
suchstiere die Untersuchung sehr fördern. Um einige Beispiele zu nennen, so waren für die
Sehversuche die grünen Papagrien geeigneter als die Kakadus, da sie lebhaft und unermüd-
lich auf jeden Gesichtseindruck antworten, mochte man auch noch sooft die Sehprüfungen
bei ihnen vornehmen, während die Kakadus, namentlich die älteren Tiere, welche in
ihrer Ruhe und Bedächtigkeit deu Schimpansen gleichen, oft nur träge und langsam
reagieren. Zur Prüfung der Sensibilität ließen sich am besten dio Tiere verwenden . welche
nach der berührten Stelle atu Flügel oder Fuße sofort mit dem Sehnabel griffen und so
die Empfindungen lokalisierten. Die Tiere, welche, wenn man sich ihnen näherte, scheu
Dm Großhirn der Popaytien.
31
die Stange verlassen und rastlos im Kütig heriimkteilern. waren besonder» für die- Seh-
ver*uche ungeeignet.
Während die vollständige Exstirpation einer oder beider Großhirnhemisphären
von Tauben, Bussarden und anderen Vögeln leichter vertrage» wird, stoßen diese Total-
exstirpalionen bei l'apageien auf außerordentliche Schwierigkeiten; länger als fünf Tage
konnte ich Papageien nach vollständiger Exstirpation einer Hemisphäre nicht am Letten
erhalte». Wenn auch die wiederholte Ausführung dieser Versuche da» eine oder das andere
Mal tu besseren Erfolgen führen könnte, so ist doch das Tirrmatcrtal zu kostbar, um die
häufige Wiederholung mi gestalten. Dazu bietet die vollständige Exstirpation einer Hemisphäre
keinen Vorteil vor den Te il e x« lir pa l ionen. zu welchen ich mich alslald wandte. Man
kann auf Gnuid genauer anatomisch -topographischer Erfahrungen die wesentlichsten Nerven-
bahnen und Ganglien durch nicht allzu eingreifende Operationen funktionsunfähig machen,
8» daß die Exstirpation der Ausschaltung einer Hemisphäre fast gleichkommt. Überdies war
es mir mehr darum zu tun, die Funktionen einzelner Abschnitte und Faserzüge für sieh
zu untersuchen. — Nachdem es sich dabei bei ausgestellt hatte, daß die oherflfichlicltcu Kx-
stirpatione» nur geringe und nicht dauernde Folgeerscheinungen herbeiführen, ging ich dazu
Tiber, die Funktionen der mehr in der Tiefe gelegenen großen Gauglien zu erforschen. Die
tieferen F.xstirpationeti waren schwierig , dn die verschiedenen Ganglien und Großhirn-
abschnitte, wie die Abbildungen ohne weitere» «eigen, dicht nebeneinander Helenen sind,
so daß z. B. die Verletzung de* Epislrialunis und noch mehr die vollständige Exstirpation
dieses Ganglion« nicht gelingen kann ohne gleich/eilige Schädigung des Mrsostriatuins.
Ferner mußte, da nu der äußeren Oberfläche des Großhirn» solche Orientierungspunkte, wie
wir sie in den Windungen und Furchen bei den Säugern U-sitzen, fast ganz fehlen, in jedem
ein/einen Falle nach der Sektion des Tieres durch die anatomische Untersuchung (Zerlegung
des Gehirns in Serienschnitte) der Umfang der vorgenommenen Exstirpation genau festgestellt
weiden. Zeigte es sich dabei auch öfter, daß die Operation nicht in der beabsichtigten
Weise geglückt war. so war doch jeder Versuch für die weiteten Untersuchungen zu verwerten.
Vor der Operation w urde das Verhalten de» nonmilrn Tieres durch eine längere Bc-
obachlungsdaurr eingehend geprüft. Uber die Ausführung der Operation srllwl, die
bei allen Versuchen in ähnlicher Weise vor sich ging, mögen hier einige Bemerkungen folgen:
die Tiere wurden mit Xther betäubt; da dieselben wenig Äther vertrauen, so daß sie schon
nach wenigen Atemzügen in die Betäubung verfallen, so war große Vorsicht ln-i iler Narkose
nötig. Nach der Betäubung — so lange w urden sie nur mit der llaod gehalten — erfolgte
ihre Entwicklung in ein Handtuch, so daß sie Flügel und Beine nicht mehr bewegen konnten
ut.d nur der Kopf frei blieb. Durch einen Sngitlalschnilt wurde die von den Federn befreite
Kopfbaut gespalten, und zwar nicht in der Mitte, sondern mehr seitlich, um die ander«
Seite für eine zweite Operation frei zu halten. Der Schädel wurde jetzt trepaniert und
von der trepanierten .Stelle aus in genügender Ausdehnung mittels einer Knochenzange
■weiter eröffnet. Es folgte die Spaltung und Ziirflck«chlagung der Dura, was ohne Schwierig-
keilen und meist ohne Blutung gelingt; nur ganz vorn entsteht dabei leicht eine stärkere
Blutung, die durch Tamponade zu stille» ist. Die zu exstirpierenden Stellen wurden ent-
weder vollständig mit einem schmalen Messer herausgeschnitten oder zunächst nur obeitläeh-
lich mit dem Messer abgetrennt und alsdann mit einem stumpfen Messerstich- hei ausgehol*n.
Besonders wenn die Exstirpation tiefere Teile betraf, waren die Blulungeu manchmal sehr
stark, und schwer, wenn überhaupt, zu stillen. An einzelnen Stellen jedoch , w ie am Schläfen-
teile, fehlte die Blutung mitunter so vollständig, daß es nötig war. eine kleine Blutung
O. Kausche r:
künstlich herbeizufuhren , um das durch die Exstirpation entstandene Luch mit Blutkoagulura
auszufüllen, nachdem ich es erlebt halte , daß in einem solchen Falle infolge negativen
Druckes eine starke Hyperämie des Gehirns eintrat, die zum Tode führte. Die größeren
Venenaste, besonders die Hauptvene seifet (Vena rerehralis ant.), welche von vorn nach
hinten Otter die Konvexität verläuft, wurden nach Möglichkeit vermieden, schon um die
durch ihre Verletzung entstehenden Zirkulationsstörungen bintanzuhalten ; im übrigen ließ
sich auch die Blutung aus der großen Vene, welche ich bei meinen ersten Versuchen öfter ver-
letzte, durch Kompression stillen. Nach der Exstirp:ition und eventuellen Stillung der Blutung
wurde die gespaltene Haut ül>er der Schädellücke durch eine fortlaufende Saht wieder ver-
einigt, nachdem die zurückgeschlagene Dura soweit wie möglich zur Bedeckung des Gehirns
verwandt worden war.
Was die Prognose der Operationen, die ich ausführte, betrifft, so hängt der Verlauf
nach der Operation wesentlich von der Stelle der Exstirpation ab. Während bei manchen
Exslirpationen man unbedingt auf einen glückliche» Ausgang hoffen durfte, waren die Chancen
nach anderen Eingriffen äußerst zweifelhaft. Entzündungen treten »elten ein; eine Eiterung
habe ich nur einmal beobachtet. Die Munterkeit und Lebhaftigkeit der Tiere am ersten Tage
nach der Operation und am Operationslage selbst war noch kein Kriterium für den günstigen
Verlauf, öfter waren es gerade die Tiere, die anfangs den besten Kindruck gemacht hatten,
bei welchen in den folgenden Tagen starke Lähmungserscheinungen auftraten, die schnell
zum Tode führten. Im Gegensätze dazu sah man öfter Tiere sich in erstaunlicher Weise
erholen, die gleich nach der Operation einen >ehr schlechten, fast desolaten Eindruck gemacht
hatten. Es ist mir wahrscheinlich, daß die Tiere, welche alsbald nach der Operation lebhaft
im KSßge herumklettern, dadurch leicht eine Schädigung an dem knuchoienlblößten , frei-
liegenden Gehirn davontragen, die ihnen verderblich wird. Hatte» die Papagelen de» vierten
Tag nach der Operation glücklich überstanden . so war meist eine Gefahr für das I-eheu der
Tiere nicht mehr vorhanden, vorausgesetzt, daß dieselben bis dahin wieder angefangen hatten
zu fressen. Trat im Verlaufe der ersten Togc nach der Operation eine wenn auch nur ge-
ringe Verschlechterung in der gegenseitigen Körperhälfte ein. nahm etwa eine schon beste-
hende Lähmung im Heine noch zu oder wurde «las Sehen auf dem Auge schlechter, so war
das vun ominöser Bedeutung; die weitere Zunahme der UUunung und der Tim) waren mit
Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Von schlimmer Vorbedeutung w»r ein kurzer, klagender
Ijuit. welchen das Tier ausstieß, wenn man in seine Nähe kam. Ein weitere« schlechtes
Zeichen war auch die Haltung des Kopfes nach hinten, welches häufig mit dein eben er-
wähnten Schrei des Tieres zusummrnfict. In diesen Fallen war ein Erweich uugsprozeß
im Innern des Gehirns, im Mesostriatum, entstanden, der schnell Fortschritte machte und
die ungfinstigen Symptome hervorrief. So war die Verletzung des Kopfes des Mesostriatum»
die Operation, welche die zweifelhafteste Prognose gab. ein sie am leichtesten den letalen
Ausgang herbeiführte. Einen derartigen fortschreitenden Prozeß habe ich in anderen Gehirn-
teilen nicht beobachtet. Eine zweifelhafte, oft schlechte Prognose gaben ferner die doppel-
seitigen ExsÜrpalioneti. in deren Gefolge Freßstönmgen auftraten. Trotz künstlicher Nahrung*-
zufuhr, die in täglich mehrmaliger DaiTcichurig von Milch bestand, gingen diese Tiere, welche
normale Entleerungen hatten, häufig in der zweiten Woche nach der Operation zugrunde; wold
nicht allein infolge der mangelnden Nahrungsaufnahme, denn ich habe mich durch Versuche Ober-
zeugt, daß man Papageien auch ohne Nahrungszufuhr längere Zeit am Leben erhalten kann.
Bei manchen Papageien führte ich in mehrwöchigen Zwischenräumen bis zu vier Groß-
hirnoperationen aus, welche die Tiere gut vertrugen. Zwischen den einzelnen Operationen
Das Großhirn der Papageien.
33
lag ein Zeitraum von mindesten* drei bis vier Wochen, in welcher Zeit sich die Tiere ge-
wöhnlieh vollständig erholten.
War durch eine umfassende Operation eine Großhirnhemisphäre stark geschädigt, so
riefen schon kleinere Verletzungen der normalen Hemisphäre schwere allgemeine Störungen
hervor; doch war es gerade in diesen Fallen, in welchen die andere Hemisphäre nicht mehr
lokalisatorlsebe Abgrenzungen vorzunehmen.
Der Tod der Tiere erfolgte häufig unter Krämpfen, die den ganzen Körper ergriffen;
der Kopf war stark nach hinten gezogen (Opisthotonus), besonders bei den Tieren, die bei
gleichzeitigen Freflstörungen zugrunde gingen.
Die Untersuchung der operierten Tiere wurde unmittelbar nach der Operation be-
gonnen, sobald sich dieselben von der Narkose erholt hatten, da ich die Erfahrung gemacht
habe, daß alsbald nach der Operation sich öfter ein geringeres Maß von Störungen zeigte,
als in den darauf folgenden Tagen.
Die im Anschluß an die Exstirpationen entstandenen Störungen gingen entweder voll*
standig zurück; es kam zu einer völligen Restitution, oder aber die anfanglichen Störungen
glichen sich nur teilweise aus, und gewisse Ausfallserscheinungen blieben bestehen. Immer
waren jedoch die ursprünglichen Störungen sehr viel bedeutender als späterhin.
Die Frage nach der Ursache der Besserungen bzw. vollkommenen Restitutionen hat von
jeher bei den Exstirpationen am Siugcrgshirn eine wesentliche Rolle gespielt, und ich möchte
dieser Frage auf Grund meiner Erfahrungen am Papageigehirn schon jetzt vor der Schilderung
der einzelnen Operationen hier naher treten, da dieser Punkt mich bei allen Funktionen,
wegen deren ich Exstirpationen ausgeführt habe, gleichmaßig beschäftigt hat.
l'nter den Störungen, welche sich ausgleichen, möchte ich zunächst die indirekten
Störungen besprechen, da dieselben besonders nach umfangreichen Exstirpationen in einer
Hemisphäre anfangs das Syraptomenbild beherrschen. Es handelt sich dabei um Störungen,
die nicht direkt von der exstirpiertett Partie, sondern von der gleichzeitigen Schädigung be-
naehlurter und besonders tiefer gelegener Teile abhängig sind. Es konnten die der Ex-
stirpationsstelle benachbarten Teile durch Zirkulationsstörungen mltgeschädlgt werden.
Diese Schädigung war mittels der Marchischen Degenerationsmethode an dem Auftreten
schwarzer Punkte und Schollen in der Umgebung des Operationsgebietes zu erkennen. Mit
der allmählichen Wiederkehr der normalen Zirkulation gingen diese Störungen zurück. Von
weit größerer Bedeutung jedoch für die Keatitutionserscheinungen sind die •nervösen Feni-
wirknngen«, welche sich im Anschluß an die Exstirpationen in den tiefer «;rlegriien Him-
teilcn geltend machen, um allmählich wieder zu verseh winden. Wenn nach tief eingreifenden
Operationen im Bereich einer Hemisphäre man die Funktion kaudalerer Gehirnteile flu- einige
Zelt aufgehoben oder schwer geschädigt sieht, so erkennt man, daß es sich nicht um wirk-
liche Ausfallserscheinungen handelt; erstens daran, daß die erheblichen Störungen in der
gegenseitigen Körperhälfte sich schnell mehr oder minder wieder ausgleichen , ohne daß
< t»a Mir die gesamte Besserung die normale Hemisphäre in Anspruch genommen werden
könnte. Zweitens rufen sehr große Kxatlrpationen , gleichviel wo sie statt6nden, im An-
fang dieselben oder ganz ähnliche schwere Störungen hervor, die entweder ganz oder zum
großen Teile zurückgehen. Drittens: Funktionen, welche, wie die Untersuchung ergab,
Pkyt. Abh. nicht mr Akad. gehör. Gtlthrtrr. 1905. IV.
0. Kalischeb:
sicher als Mittelhirnfunktionen anzusehen sind, wie die Akkomodation, waren unmittelbar
nach ausgedehnteren Operationen nicht auszulSsen und erst wieder nach einigen Tagen
nachzuweisen. Nahm man viertens die Exstirpation eines größeren Gehirnteiles zu ver-
schiedenen Zeiten bei demselben Tiere vor, oder exatirpierte man einzelne Teile dieses grö-
ßeren Stuckes bei verschiedenen Tieren, so traten entweder gar keine Störungen auf, oder
dieselben waren im Vergleiche zu den Folgen der Exstirpation des Gesamtstückea nur un-
bedeutend; wobei ich besonders betonen möchte, daß aus anatomischen Gründen es unwahr-
scheinlich ist, daß die einzelnen Teile de» Gesamtstückes einander in der Funktion vertreten.
FOnftens stellten sieh erat nach der Verletzung des Mittelhirns selbst für die Dauer in
der gegenseitigen Körperhilfte so schwere Störungen ein, wie wir sie anfangs nach vielen
Grußhirnexstirpationeo beobachteten.
Wie leicht eine starke Schädigung einer Großhirnhemisphäre einen schwerschidigendeD
Einfluß auf die tieferen Hirnteile ausüben kann, ergibt die Beobachtung folgender •perio-
discher Gefühls- und Bewegungsstörung», auf die ich noch bei der Erörterung der
Drehstörungen zurückkomme. Ein Papagei, bei welchem der Schädel in größerer Ausdehnung
geöffnet, aber nur eine geringe Exstirpation an der Konvexität einer Hemisphäre ausgeführt
war, zeigte, wenn er ruhig auf der Stange saß, keine nennenswerten Störungen der Bewegung
und Empfindung. War derselbe aber eine Zeitlang am Dralitkiiig, und zwar fast ausschließ-
lieh an der Decke des Klflgs herumgeklettert, so fiel sofort die vollständige Lähmung der
gegenseitigen Körperhilfte auf; das Bein hing schlaff herab, die SensibihUU war fast aufge-
hoben, das Sehen fehlte auf dieser Seite, und das Tier zeigte außerdem eine der -Reitbahn-
bewegung« ähnliche Drehstörung nach der Seite der operierten Hemisphäre. Hatte das Tier
in diesem Zustande etwa eine halbe Stunde wieder auf der Stange zugebracht, so ging die
Lähmung fast ganz zurück und trat erst wieder auf, nachdem das Tier von neuem im Käfig
herumgekleltert war. Dieser Versuch, welchen man beliebig oft wiederholen konnte, ließ
sich nur durch die .nervösen Fernwirkungen« erklären, welche das freiliegende, beim Herum-
klettern gedrückte Gehirn auf die niederen Zentren ausübte.
Die Entstehung der -nervösen Fern w irkungen • erkläre ich mir folgender-
maßen: Durch den plötzlichen Fortfall vieler zuführender Reize (nach größeren Exstir-
pationen in einer Hemisphäre) werden die tieferen Zentren (im Thalamus usw.) vorüber-
gehend aus dem Gleichgewicht gebracht; es entsteht daaelbat eine Störung der -Balance«
der zugeführten und abgeleiteten Reize, und die Folge ist das vorübergehende Aufhören der
Funktion der betreffenden Nervenzellen grup|>en . Selbst wenn die Graßhirnreize, die in Weg-
fall kommen, nicht direkt für die tieferen Zentren notwendig sind, wenn ihre Bedeutung
nur eine geringe ist, so muß doch die gestörte .Balance« der Reize erst wieder hergestellt
sein, ehe die Zentren wieder in normalerweise funktionieren. Je mehr nervöse Verbindungen
durch Nervenbahnen mit den unteren Gehirnteilen bestehen, d. h. je mehr Großhirnreize
durch die Exstirpation in Fortfall kommen, um so erheblicher werden auch die .vorüber-
gehenden Ken« Wirkungen, und Gleichgewichtsstörungen in den tieferen Zentren sein.
Diese Auffassung, welche mir seit meinen ersten Versuchen bei den Papageien not-
wendig schien, fand ich in ähnlicher Weise in von Monakows Ausführungen über die
• Diaschisis« wieder.
Wenn die hauptsächlich durch die .nervösen Fernwirkungen, hervorgerufenen »in-
direkten« Störungen zurückgegangen waren, traten die von der Exstirpationsstelle abhängigen
• direkten« Störungen, die wahren Ausfallserscheinungen, zutage. Schon beim
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Das Großhirn der Papageien.
35
Störung auf das bleibende Ergebnis einen gewissen .Schluß ziehen, und man erhielt einen
Anhaltspunkt fnr die dauernden Schädigungen. Doch war es möglich, daß auch jetzt eine
dauernde Ausfallserscheinung nicht zu erkennen war, weil andere Teile de« Gehirns für die
werte Partie ersetzend eintraten und einen Ausgleich der Störungen bewirkten. Au*
Gründen ist es fllr mich unwahrscheinlich, daß andere Gehirnteile derselben
Hemisphäre die geschadigte Funktion Obernehmen können, und die physiologischen Erfah-
rungen haben bisher nicht die Notwendigkeit einer solchen Annahme ergeben. Dagegen
lassen es die Versuch« als sicher erscheinen, daß die korrespondierenden Partien der nor-
malen Hemisphäre für die gesch&diirte Hemisphäre in gewissem Maße einzutreten vermögen.
Die reichlich vorhandenen Kommissuren zwischen den lieferen Gehirnteilen spielen dabei
wobl eine wesentliche Bolle.
Sah man schließlich nach manchen Exstirpationen Oberhaupt keine .Störungen zurück-
bleiben, such wenn das vikariierende Eintreten der zweiten Hemisphäre durch eine ent-
sprechende Operation ausgeschlossen war. so konnte es sich darum handeln, daß die Unter-
fuchungsmelboden nicht genügten, um etwaige vorhandene Störungen zu erkennen. Es war
aber auch möglich, daß die betreffende exstirpierte Gehirn partie nur für das Lernen von
Bewegungeil u. dgl. von Bedeutung war. später aber eine wesentliche Funktion nicht mehr
2. Das Sehen der Papageien.
groß waren die Schwierigkeiten, einen tieferen Einblick in das Sehen der
innen. Daß Exstirpstiotn-n im Bereiche einer Hemisphäre, vornehmlich
wenn sie die hinteren Partien derselben betrafen , Sehstörungen in dem gegenseitigen Auge
zur Folge hatten , das war leicht zu konstatieren , und ich habe bereits bei meinen ersten
Versuchen auf diesen schon von verschiedenen Autoren bei anderen Vögeln hervorgehobenen
Befund hingewiesen. Die zahlreichen Ober das Sehen der Vögel, t «sonders der Tauben,
vorliegenden Untersuchungen haben zu übereinstimmenden Ergebnissen nicht geführt. Nach
Angabe der einen Autoren werden die Vögel vollständig blind nach
Großhirnhemisphären , nach den Untersuchungen anderer Forseher bleibt ihnen (
ganz »der teilweise erhalten. Die Literatur Ober diese Exstirpationen ist vielfach, zuletzt
ausführlich von Schräder zusammengestellt worden, so daß ich an dieser Stelle davon
abschen kann, näher auf dieselbe einzugehen. Es handelte sich bei meinen Untersuchungen
zunächst um die Entscheidung der Frage, ob, wie bei den Säugern, die Gesiehtsempßndungen
der Papageien an das Oroßhirn geknöpft sind. Weiter stellte ich mir die Aufgabe, eventuell
den speziellen Teil des Großhirns, der <ur die Sehfunktion in Betracht kommt, zu ermitteln.
Sollten die Gesichtsempfindungen auch ohne Großhirn zustande kommen, so blieb noch
der Einlluß des Großhirns auf diese Funktion zu untersuchen.
Es seien hier einige Bemerkungen Aber das Sehen normaler Papageien voraus-
geschickt . da die genaue Kenntnis desselben fllr die Versuche von Bedeutung sich erwies.
Wie es schon bei anderen Vögeln Singer und Mönzer' konstatierten, so konnte ich auch
bei den Papageien mittels der Marc bischen Degeneralionsmethode nach Kxstirpation eines
1 Singer und MOnzer, Beiträge zur Kenntnis des Zentralnervensystems. Denkschr.
d. k. Akad. d. Wiss. zu Wien. Math.- naturw. Klasse. Bd. 57. 1890.
5*
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36
O. Kalischer.
Aug« die totale Kreuzung der Sehnerven feststellen. Femer beschäftigte ich mich
mit der Untersuchung der Retina, um festzustellen, ob, wie zuerst Heinrich Möller 1 bei
vielen Vögeln nachweisen konnte, aoeh bei den Papageien zwei Foveae bzw. zwei Areae
in jeder Retina vorhanden sind, über die Retini der Papageien lag bisher keine derartige
Untersuchung vor. Meine Serienschnitte durch die Retina zeigten ungefähr in der Mitte
derselben eine deutlich ausgesprochene Area mit charakteristischer Fovea;
weiter machte die Untersuchung das Bestehen einer Area lateralis im äußeren Qua-
dranten der Retina wahrscheinlich; diese Area wurde dem roten Flecke in der Retina
der Taube entsprechen. Auel) das physiologische Verhalten normaler Papageien fuhrt
darauf, in jeder Retina zwei Stellen des deutlichsten Sehens anzunehmen. Die Tiere
verfügen erstens über einen binokularen Sehakt; nähern wir von vorn her einen
Gegenstand der Schnabelspitze , so beobachtet man, daß beide Augen gleichzeitig nach
i, und dsß dabei eine starke Piipillenverengerung eintritt. Es handelt sich Wer
Akkomodationsvorgang. Wäh-
Die
Kopf des Pajin^ri«.
der Retina.
rend für diesen binokularen Sehskt nur
der kleinste, lateralste Teil der Retinae
in Betracht kommt, dient der größte
Teil der Ketina einschließlich der Fovea
centralis dem monokularen Sehen. Ob
eine Puplllenverengenmg eintritt, wenn
das Bild eines Gegenstandes in diesen
Teil der Retina fallt, war nicht sicher
zu entscheiden ; jedenfalls ist dieselbe mini-
mal gegenüber der ausgiebigen und promp-
ten Pupillenverengenmg beim Nähern
eines Gegenstandes von vorn her. Er-
regt irgendein Punkt die Aufmerk-
samkeit eines Papageis, so l>emerkeii wir,
daß derselbe zunächst binokular das be-
treffende Objekt ins Auge faßt, wobei es
zu lebhaftem Pupillenspiele kommt , daß er dann aber plötzlich den Kopf nach der einen oder
der anderen Seite herumwirft, um das Bild des Gegenstandes mit anderen Teilen ;
speziell mit der Fovea centralis zu erfassen. Während der binokulare Sehakt mit dem l
funktionierenden Akkomodationstnechanismus wohl dazu dient, die Distanz der Gegenstände fest-
zustellen, was besonders beim Ergreifen der Nahrung, Itcim Zubeißen auf Kerne u.dgl. in Frage
kommt, scheint das monokulare Sehen erst die genaueren Bilder der (.irgeostände zu vermitteln.
Es empfiehlt sich, in der Retina vier Quadranten (vgl. obige Fig.) zu unterscheiden;
oberen, einen unteren, einen äußeren oder hinteren (lateralen) und einen inneren
vorderen (medialen). Der Kürze wegen und im Hinblick auf die weitere Untersuchung
wollen wir die Partie der Retina im hinteren Quadranteu . welche beim binokularen Sehnkt
vom Schnabel her die Lichtstrahlen aufnimmt, ab) •Schnabelzone- der Retina bezeichnen
und derselben die ganze Qbrigc Retina als «Hauptteil« der Retina gegenüberstellen; auch
können wir von einer Pars binocularis und einer Pars monocularis der Retina sprechen.
Bd. I.
Heinrich Müllers gesammelte Schriften zur Anatomie und Physiologie des Auges,
von Otto Becker. Leipzig 1871. S. xas/'j.
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Das Großhirn der Papageien.
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Die Prüfung des Gesichtsfelde» läßt sich bei den Papageien sehr genau ausfahren,
viel leichter und exakter wie bei anderen Vögeln. Sie wenden Kopf und Schnabel dem
irgendeinem Teile ihres Gesichtsfeldes genäherten Gegenstände zu, um zuzubeißen , so daß
man leicht alle Quadranten der Netzhaut auf die Geaichtswahraehmungen prüfen und einen
eventuellen Ausfall unschwer erkennen kann.
Die Prüfung selbst wurde in folgenderWeise ausgeführt: Eine an einem Ende
mit einem Stack Watte. Mobrrübc oder einem Sonnenblumenkem armierte Stricknadel wird
dem Papagei, der auf der Stange sitzt, vorsichtig in verschiedenen Richtungen genähert,
während man das Tier nach einer anderen Richtung hin ablenkt Es ist zweckmäßig, zwei
derartig armierte Stricknadeln zu gebrauchen. Während man z. B. den Papagei auf die seinem
linken Auge von vorn her langsam genäherte Stricknadel zul»eißen läßt, führt man vor-
sichtig — sagen wir von recht» hinten her — die zweite Stricknadel heran. In dem
Augenblicke, wo der Papagei dieselbe bemerkt, dreht er sofort unter normalen Verhältnissen
Kopf und Schnabel nach der letzeren hin, um zuzubeißen.
Betrachten wir jetzt die Reaktionen, welche bei der Gcsichtsfeldprüfung uns anzeigen,
daß der Pa|>agei einen Gesichtseindruck erhalten hat. Dieselben sind verschieden, je nach-
dem die Gesichtsempfindung die Schnabelxone oder die übrige Retina trifft Betrachten wir
zunächst die Schnabelzone. Wir haben bereits oben erwähnt, daß in beiden Augen ein
Akkomodationsvorgang mit starker Puplllemerengenutg und Augenbewegung nach innen
zu beobachten ist, wenn wir direkt von vorn her einen Gegenstand so nähern, daß das Bild
zugleich in die äußersten Partien beider Retinae fällt. Denselben Akkomodationsvorgang
können wir an jedem Auge für sich beobachten, wenn wir etwas seitlich von der
Schiiaheispilze den Gegenstand an das betreffende Auge heranführen. Zu diesen Bewegungen,
die sich auf das Auge selbst beschränken, gesellt sich als weitere wichtige Sehreaktion die
Öffnung de» Schnabel», ferner eine geringe Drehung des Kopfes dem genäherten Gegenstand
entgegen und Thließlich das Kugreifen mit dem geöffneten Schnabel. Bewegt man von vorn
her den Finger schnell gegen das Auge, so tritt Blinzeln ein. Konnte auch in der ge-
schilderten Weise die Schnabelzone jeder Retina für sich geprüft werden, so erwies es
sich doch in zweifelhaften Fällen als wünschenswert, das bessere Auge zu verschließen, um
das nach der Großhirncxstirpation geschädigte Auge mit größerer Sicherheit für sich unter-
suchen zu können. Aber auch aus dem Grunde war dies geboten, weil das Tier sich leicht
gewöhnte, nur das bessere Auge zu gebrauchen und das geschädigte vernachlässigte , so daß
man häufig überrascht war, nach dem Verschließen des besseren Auges auf dem geschädigten
einen größeren Lichlsinn zu finden, als man erwartet halte. Jedoch ließ sich auch durch
täglich vorgenommene Sehprüfungen das Tier daran gewöhnen, das geschädigte Auge zu
gebrauchen, ohne daß dos bessere Auge verschlossen war. Als eine weitere Seh-
reaktion, die von der Scbnabelzone der Retina aus angeregt werden kann, stellt sich das
Heben de« einen Beines nach vorn zu dar: entweder erfolgt dies Heben des Beines zur Ab-
wehr oder um einen dargebotenen Gegenstand zu ergreifen. Weiter wäre zu erwähnen, daß
manche Papageien auf den Gesichtseindruck hin, der die Schnabelzone plötzlich trifft, er-
schreckt davonlaufen, während andere auch einen Schrei ausstoßen. Die Sehreaktion des
Zubeißen* von der Scbnabelzone der Retina aus gestattet uns auch, ein Tier auf Seelen-
blindheil zu untersuchen. Die Tiere sind gewöhnt, nach verschiedenen Dingen mit ver-
schiedener Energie zuzugreifen. Manche bevorzugen die Sonnenblumenssuien und lasten
andere ihnen dargebotene Gegenstände unberührt. Besonders energisch greifen die meisten
38
0. Kalischer:
Nach Betrachtung der Schnabelzone und der von
i wir uns zu den Schrcaktioncn. welche von den übrigen Teilen der Retina
aus hervorgerufen werden können. Da ist zuerst nochmals zu betonen, daß sich hier ein
Akkoinmodationsvorgang nicht nachweisen läßt ; auf Lichteinfail kommt es, wenn Oberhaupt,
nur zu einer minimalen Verengerung der Pupille. AU wichtigste Sehreaktion beobachten
wir, daß der Papagel, wenn ein Gesichtseindruck irgendeine Stelle der Ketina außerhalb
von der der Gesichtseindruck herrührt. Nähert man die armierte Stricknadel direkt von
hinten — sagen wir von links hinten — , so wendet der Papagei nicht nur den Kopf nach
dieser Seite , sondern dreht sich auf der Stange nach links hin um, bestrebt, auf den be-
treffenden Gegenstand, wenn er ihm erreichbar ist, zuzubeißen. Gleichzeitig mit den Kopf-
bewegungen erfolgt häufig eine geringe Augenbewegung nach hinten bzw. hinten oben oder
hinten unten. Ferner beobachtet man, daß die Tiere mit dem Rumpfe nach der anderen
Seite ausweichen und sich ducken, gleichzeitig aber Kopf und Schnabel dem genäherten
Gegenstande zuwenden. Eine weitere Sehreaktion des •Hauptteiles« der Retina besteht
in dem seitlichen Hochheben des Fußes, wenn man von vorn unten, jedoch etwas mehr
seitlich, einen Finger schnell gegen das Auge des Papageis richtet. Auch Schreilaute hören
wir ihn ausstoßen, wenn plötzlich ein Gesichtseindruck ihn trifft. Eine Prüfung auf Seelen-
blindheit ist in dem Hauptteile der Retina kaum ausführbar, da die Tiere von hier aus
durch jedweden Gegenstand in gleicher Waise aufgeschreckt werden, um alsdann un-
verzüglich Kopf und Schnabel nach dem betreffenden Gegenstande hinzuwenden.
Die geschilderten Sehreaktiotien , die uns den Nachweis gestatten, ob der Papagei in
allen Teilen der Retina Gesichtsempfiudungen hat, findeu sich nicht in fibereinstimmender
Art und Weise hei allen Papageien, und es war daher notwendig, bei jedem Versuchstiere
vor der Operation genau die Art festzustellen, wie es auf die Gesichtseindrucke reagierte.
So leicht aber meist die Ermittlung gelingt, ob der Papagei in allen Teilen der Reüna
Gesichtsempfindungen hat. so schwierig gestaltet sich der Nachweis im Anschluß an die
Operation, ob die Sehschärfe überall die normale geblieben ist, da die Tiere, die bereits
in sehr großen Entfernungen Gesichtswahrnehmungen haben, doch erst in der Nahe mit
den Abwehrbewegungen zu reagieren pflegen.
Ehe ich jetzt zu der Beschreibung der Exstirpationsversuche übergehe, sei hier einer
Frage gedacht, die uns bei den Eutirpationen immer von neuem beschäftigte. Wenn nach
einer Großhirnoperation eine der bisherigen Sehreaktionen nicht mehr erfolgte, so war zu
entscheiden, ob dieser Ausfall auf einer Schädigung des Sehzentrums oder des demselben
assoziierten Bewegungszentrums beruhte. Wenn, um ein Beispiel zu nennen, auf das wir
noch wiederholt zurückkommen werden, der Papagei nicht mehr mit dem Schnabel auf
einen Gegenstand Zugriff, wie er es vor der Operation stets getan hatte, war dieser Ausfall
auf eine Sehstörung, eventuell auf Seelenblindheit oder auf eine motorische Störung zurück-
zuführen? Die Frage bedurfte deswegen einer sorgfaltigen Prüfung, da zur Zelt, als ich
die Exstir|»tionen begann, es von keinem Teile des Vogelgroßhims feststand, ob er
motorische oder sensorische Funktionen besaß.
AU das Zweckmäßigste erscheint es mir, die Operationen in der Reihenfolge zu
schildern, wie ich sie bei der Untersuchung vorgenommen habe. Da schon die ersten
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Das Großhirn der Papageien.
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orientierenden Versuch« ergeben hatten, daß nach Verletzungen int Bereiche des Hinter-
hauplsteiles Schstürungen auftreten, so begann ich In mehr systematischer Weise, Teile der
hinteren Halbkugel **• ezstirpieren und die Folgen xu beobachten. Die Sehstörunge n,
welche in dem gegenseitigen Auge zur Beobachtung kamen, waren um so erheblicher, je
tiefer und umfangreicher die Exstirpation ausgeführt wurde; da$ gleichseitige Auge blieb dabei
frei von Störungen. In mittelschweren Fallen hatten die Störungen etwa folgenden
Charakter: näherte man einige Tage nach der — sagen wir linksseitigen — Operation dem
rechten Auge des Papageis von vorn her einen Gegenstand, so verengte sich die Pupille,
und das Auge ging etwas nach innen. Hielt man den Gegenstand etwas mehr nach rechts
hin (vom Papagei aus gerechnet), ein wenig mehr seitlich von der Schnabels pitxe, so sah man
alsbald eine geringe Seitenbewegung des Kopfes sich anschließen, und auch das Zubeißen
ließ nicht lange auf sich warten. Hiufig fehlte dasselbe In den ersten Tagen nach der
Operation, und es trat nur eine Pupillen- und Augenbewegung ein. Ja, auch die Augen-
bewegung fehlte mitunter in den ersten Tagen. Konnte man mithin in der Schnabelzone
der Retina nur geringfügige und schnell vorübergehende Störungen nachweisen, so war im
Gegensätze dazu in den übrigen Teilen der Retina Lichtempfindung zunächst gar nicht zu
konstatieren. Es fehlte in der ersten Zeit nach der Operation jede Sehreaktioo, die wir
normalerweise beobachten, wenn
wir von hinten her
stand dem Auge des Papageis
nihero. Diese Störungen in dem
• Hauptteile* der Retina waren auch
dann noch ebenso deutlich vorhan-
den, wenn die Sehrnaktionen von
Gehirn von oben (entsprechend der Abbildung Taf. I Fig. i).
« Wuhrtexstirnation, t
t
oondo' Mi
normal geworden waren. Bei sehr
oberflächlicher Exstirpaüon
im hiuteren Bereiche der einen
Hemisphäre trat nur eine unbe-
deutende und schnell vorüber-
gehende Selujtorung in dem gegen-
seitigen Auge ein: dieselbe betraf
dann ausschließlich den Haupt-
teil der Retina und ließ die
Schnabelzone ganz frei. Näherte
man in diesen leichten Fallen
bei sagen wir wieder linksseitig
operierter Hemisphäre dem rechten
Auge von hinten her einen
Gegenstand, so war in den ersten
ragen keine deutliche Reaktion
zu erzielen; aber vielleicht schon
am dritten Tage stutzte der Papagei
bei dem Versuche, und bald drehte
er sich in gewohnter Weise um.
40
0. Kalischer:
bestrebt, den genäherten Gegenstand zu erhaschen. Oder wir konnten auch 1*obachtcn,
daß der Papagei gleich von Anfang an wohl reagierte , daß aber die Reaktion zunächst nicht
so prompt wie vorher erfolgte.
In den schweren Fällen fehlte in der ersten Zeit nach der Operation auch in
der Schnabelzonc des der operierten Hemisphäre gegenüberliegenden Auges jede Re-
aktion; selbst die Pupillenreaktion auf Licbleinfall war in den ersten Tagen nicht zu kon-
slatieren. Es war die* alwr die erste Reaktion, die - öAer erst nacii 4 bis 6 Tagen —
zunächst wieder eintrat. Daran schloß sich in den darauf folgenden Tagen der Wieder-
eintritt des Akkotnmodatioosvorganges , beginnend mit der Akkommodationsverändening der
Pupille. Auch Blinzeln ließ sich nunmehr beobachten, wenn man den Finger von von) her
schnell gegen das Auge bewegte.
Außer den auf das Auge beschränkten Reaktionen trat als nächste Reaktion leichte»
Offnen des Schnabels ein sowie eine Kopfbewegung nach dein genäherten Gegenstände.
Der Papagei folgte mit Kopf und Auge dem Finger, den man langsam von oben nach unten
oder umgekehrt vor dem Schnabel heminfülirtc. Endlich griff auch der Papagei wieder
zu; aber das Zugreifen erfolgte nicht mehr so regelmäßig wie früher. Wir machten dabei
die Beobachtung, daß in der ersten Zeil nach der Operation es (»esonders rotfarbige
Gegenstände, wie MohrrClben, waren, nach denen der Papagei mit Vorliebe zuerst wieder
Zugriff. In diesen schweren Fällen waren nun die gewöhnlichen Sehreaktionen von den
anderen Teilen der Retina aus nicht mehr zu erhalten, und es zeigte sich folgendes
charakteristische Verhalten: hielt man einen Gegenstand nur ein wenig seitlich von der
Schnabels pitzo , so reagierte das Tier in der oben beschriebenen Weise mit einer geringen
Seitendrehung des Kopfes. Sowie man aber jetzt den Gegenstand noch ein wenig mehr
seitlich verrückte, so daß der Gcsichtscindruck etwa in die Fovea centralis fiel, so hörte
jede Reaktion auf.
Die schwerste Schädigung des gegenseitigen Auges beobachteten wir, wenn durch
die Kxstirpation die wesentlichsten Faserzüge und Ganglien einer Großhinihcmispliire zer-
stört worden waren, so daß es sich gleichsam tun die vollständige Kxstirpation derselben
handelte. In diesem Falle gingen die Sehreaktionen des Hauptteiles der Retina für die
Dauer verloren. Dagegen traten die Sehreaktionen der Schnabelzone nach und nach wieder
ein. Ea zeigte sich dabei, daß, je mehr die vorderen Teile der Hemisphäre von der Ex-
stirpation betroffen wurden, um so langsamer die Reaktionen der Schnabclzone sich wieder
einstellten , daß um so mehr insbesondere das Zugreifen des Papageis mit dem Schnabel eine
Störung erfuhr. Der Papagei griff selten zu und häufig nur beim ersten Versuche, da er
schnell hei der Prüfung ermüdete. Leichter ging das Zugreifen vonstatten , wenu man vorher
den Gegenstand so vor der Schnabelspitzc gehalten hatte, daß sein Bild in die Schnabelzonen
beider Augen zugleich fiel; hatte der Papagei jetzt zugegriffen und man nähert« gleich
darauf den Gegenstand dem geschädigten Auge allein, so erfolgte das Zugreifen mit größerer
Sicherheit. Die Aufmerksamkeit des Papageis war erregt; vielleicht war auch das Auge
durch den vorhergehenden biiiokularen Sehakt in die geeignetste Stellung gelangt. Die
Sehreaktion, die darin bestand, daß der Papagei den genäherten Gegenstand mit dem
Fuße zu ergreifen suchte, war in diesen Fällen nicht mehr nachzuweisen. Wahrend bei
den Tauben und anderen Vögeln nach Kxstirpation einer GroßhirnheJnisphire das Sehen
auf dem gegenseitigen Auge erat nach der Enukleation oder Verschließung des normalen
Auges festzustellen ist, läßt sich bei den Papageien, wie die vorhergehende Schilderung
zeigt, der restierende Gesichtssinn im geschädigten Auge, auch wenn daa normale Auge
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]),is Großhirn der P<tpfujeien.
41
offen l.letlit, konstatieren ; deutlicher allerdings und etwas früher, wenn dasselbe aLshald
nach der Operation verschlossen wird.
Bemerkenswert ist, daß seihst nach der ausgiebigsten Operation in einer Hemi-
sphäre die Tiere imstande waren, mit der Schnabrlznnc der Ketina de* gegenseitigen Auge*
verschiedene Gegenstände r.n unterscheiden. Näherte man Hand und Finger, so
kmii-rte der I'»|U>kH, Zeichen von Furcht verratend, wahrend er anderen Gegenständen
gegrnutier ruhig blieb. Dax normale Auge wurde bei diesem Veniiiehe verschlossen, um
dessen Kiinktiun mit Sicherheit auszuschließen. Es bestand somit keine • Seelrnhliiidhcit.
in der Schnahelzune lies geschädigten Augen.
Wenn wir auch fanden, daß die gewöhnlichen Sehreaktionen des Haupttnles der
Retina durch die Eistiipalion in der gegenseitigen Großhirnhemisphäre für die Dauer er-
loschen waren, so müssen wir hier doch noch zweier Erscheinungen gedenken, welche
in diesem Teile der Retina bei GesirhUeilidrucken sich in diesen Fallen beoluichten ließen,
und welche, als sie, uns xuerst auffielen, den Gang der Untersuchung sehr zu komplizieren
schienen.
Erstens beobachteten wir nämlich, daß manchmal, wenn man dem geschädigten
Auge einen großen Gegenstand , z. B. einen Wattebausch, so näherte, daß das Kild des-
Sellien etwa in die Gegend der Fovea centralis fiel, der Papagei «tutete, den Kopf plöulich
»tili dielt und mit einer anderen Beschäftigung aufhörte. Aber man konnte den Walte-
Uusch bis dicht an das Auge heranbringen . ohne daß der Papagei sonst eine Reaktion
reigte und etwa scheu davonlief. Er schien den Gegenstand zu bemerken, aber niedt zu
wissen, woher der Gesichlseiudruck kam. Der Gegenstand wurde nicht erkannt, weder
seiner Esgc noch seiner Form nach ; es handelte sich nur um einen unbestimmten Ge-
xichtseindrock. Auf die Deutung dieser Erscheinung , welche sich erst einige Wochen
nach der Operation gut beoliachten ließ, komme ich spater zurück. Es «ei aber schon
hier bemerkt, daß es sich bei diesem spurweisen Sehen in dem Hauptleile der Retina nicht
etwa um das Vorhandensein stehengebliebener Großhirnreste handelte, woran man zuerst
denken mußte.
Ferner ließ sich in manchen Fallen, in denen eine Hemisphäre in großer Aus-
dehnung geschädigt war, folgende auffallige Erscheinung wahrnehmen. Näherte
mau dem der zerstörten Hc4nt*|>häre gegenüberliegenden Auge von hinten her einen Gegen-
stand, so wandte der Papagei Kopf und Schnabel nicht nach dieser Seite hin, wie es
normalerweise geschieht, sondern nach der entgegengesetzten, indem er hier den be-
merkten Gegenstand suchte, und mitunter sali ich ihn dabei in die Luft hinein beißen.
Dieses Verhalten, welches sich schon in der ersten Zeit nach der Operatiun einstellte, war
kein dauerndes; nachdem ich öfter den Versuch wiederholt halte, blieb die zwecklose Um-
drehung aus, und der Papagei verharrte ruhig an seinem Platze, ohne sieh nach der einen
oder anderen Richtung zu wenden. Es handelte sich in diesen Fillen um eine falsche
Projektion, die nur eine Erklärung zuließ: der Gesichtseindruck mußte von dein ge-
schädigte« Auge aus tu die K leieh*eilige, unbeschädigte Großhirnheinisphäre gelangt sein,
von der aus die von dieser Hemisphäre normalerweise ausgehende Umdrehung nach der
entgegengesetzten Seite erfolgte.
Die systematischen Exstirpationc», Ober die ich bisher berichtet Italic,
hatten einen nusgesprochenen Gegensatz zwischen <lcr Schnahil-
zone und den übrigen Teilen der Ketina hervortreten lassen. Dieser
J%*. Abk. nickt tur Akad. grkör. GtUkrter. 1905. IV. 6
42
0. Kalischer:
Gegensatz war vorhanden, mochte die Exstirpation welche Teile auch
immer der Großhirnhemisphäre umfassen und mehr oder weniger umfang-
reich sein. Waren auch mitunter in der ersten Zeit nach der Operation
in der Schnabclzone Störungen festzustellen, so zeigten sich die Störungen
doch immer hei weitem erheblicher in den übrigen Teilen der Retina;
und wenn nach geringen Eingriffen dos Sehen in allen Teilen der Retina
(auch in dem Hauptteile) sich sehr bald wieder einstellte, so war dasselbe
in der Sehnabelzone entweder von vornherein überhaupt nicht gestört,
oder die Störung glich sieh hier «loch noch schneller wieder aus als in
der übrigen Retina. Aber selbst naeli den ausgiebigsten Eingriffen blieben
die Sehreaktionen der Sehnabelzone im wesentlichen erhalten, während
von dem Hauptteile der Retina aus für die Dauer keine der gewöhnlichen
Sehreaktionen mehr ausgelöst werden konnte. Ks war unsere weitere Auf-
gabe, über die Ursache dieses Unterschiedes Aufschluß zu gewinnen.
Au» den bisherigen Versuchen mußte man sehließen, daß das Sehen in dem llaitpt-
teile der Keüoa von der gegenseitigen Großhirnhemisphäre abhing, daß das Sehen in der
Sehnabelzone dagegen nicht in so engen Beziehungen wir gegenseitigen Hemisphäre stellen
konnte. Wold wurden, wenn man die. Kxsürpatinn genügend weit nach vom ausdehnte,
auch die Sehreaktionen der Sehnabelzone beeinträchtigt; dieselben hatten «ich jedoch alle
nach und nach wieder eingestellt*, sogar die Fähigkeit, verschiedene Objekte xu unterscheiden,
schien wiedergekehrt xu sein, wenn auch, wie wir sahen, das Zugreifen seihst eine gewisse
dauernde Störung erfahren hatte. Daß etwa Teile der gegenseitigen Hemisphäre hei den
Operationen stellen geblieben waren, die das Sehen in der Schnabelzone vermittelten, war
auszuschließen, da die betreffenden Sehreaktionen nachweisbar blieben, mochte die Teil-
exstirpation wo auch immer in der Hemisphäre wir Ausführung gekommen sein. Lag es
nun auch nahe, anzunehmen, daß das Sehen in der Sehnabelzone vom Miudhirn (Lobi optici)
ahhing, so konnte man doch noch dainn denken, daß die andere, intakte Großhirnhemi-
sphäre zugunsten dieses Teiles der Retina für die exstirpierie Hemisph&re eingetreten war.
Um diesen funkt zu entscheiden, ließen wir, als sieh nach der ersten Operation eine Besserung
in dem Verhalten des Tiere* nicht mehr zeigte, etwa nach 3— 4 Wochen, eine Kxstirpation
der zweiten Hemisphäre in möglichst gi-oßer Ausdehnung folgen.
Waren nunmehr in beiden Hetnlaphären die Hauptfaserzuge durchschnitten und die
Hauptganglien zerstört, so trat eine wesentliche Veränderung in dem Verhallen der Tiere
ein. Die schwerst geschädigten Tiere habe ich nicht länger als fünf Tage am Leben erhalten
können. Bis auf geringe Drehungen des Kopfes und spurweises Offnen des Schnabels fehlten
in diesen Tagen alle spontanen Bewegungen ; die Tiere ließen sich in alle Stellungen bringen
und verharrten fast bewegungslos io jeder Lage; bei der Schilderung der Bewegung*- und
Kreßsrtörungen komme ich genauer hierauf zurück. An dieser Steile ist es wichtig, hervor-
zuheben, daß diese so schwer geschädigten Tiere nicht vollständig blind waren. Ks ließ
sich ein wenn auch sehr eingeschränktes Sehvermögen, doch nur in der Sehnabelzone der
Hctina. deutlich oachweisen. Die Akkommodation zeigte sich erhalten. Es war an-
fänglich ein Unterschied in dem Verhallen beider Augen zu beobachten. In dein durch die
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Dan Großhirn dir Papageien.
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erste Operation geschädigten Auge ließen sich die Akkonimodationserscheinungen unmittelbar
mich der zweiten Operation konstatieren; du andere Auge war dagegen zunächst naeli der
Operation völlig blind; erst nnch einigen Tagen traten auch hier die Akkommodation«'
erschelnungen auf; und beide Augen verhielten «ich alsdann analog. Neben der Akkommodation
konnte man auch Blinzeln mitunter nachweisen , wenn man schnell von vorn her den Kinger
gegen eins der Augen bewegte. Ich hatte öfter den Kindrock, daß die Akkommodatlons-
verengerung der Pupille nach der doppelseitigen Operation noch prompter und regelmißiger
wie früher erfolgte, als ob ein regulierender Kinfluß des Großhirns auf diese Akkommodation«,
tiewegung zum Kortfall gekommen wäre. Kine geringe Kopfkcwegung war mitunter zu
bemerken, wenn man einen Gegenstand etwas mehr seitlich von der Schnabelspitze hielt;
auch ein spurweises öffnen des Schnalwls gesellte sich wohl dazu. Darüber hinaus waren aber
keine Sehreaktionen zu erhalten. Der Kuß wurde nicht mehr zur Abwehr erhoben. Ins-
besondere fehlte das Zugreifen mit dem Schnabel, sooft man auch diesen Versuch wiederholte
In den doppelseitig operierten Keilen , in welchen die eine oder die andere Seite eine
weniger ausgiebige Kxstirpation erfahren hatte, in denen z. B. bei der ersten Operation
der vordere Teil der einen Hemisphäre mit dem Mesostriatum weniger stark geschädigt
worden war, sah man die Papageien nach der zweiten Operation noch manche Bewegungen
ausfuhren: sie liefen it. B. einige Schritte, wenn man sie am Klügel reizte. Ihr Sehvermögen
unterschied sich nur wenig von dein der oben geschilderten, schwerst geschädiglen Papageien.
Auch bei ihnen ließen sich im wesentlichen nur die genannten Reaktionen von der Schnabelzonc
aus hervorrufen ; doch machte es manchmal den Eindruck, als ob die wenigen Oehbewegun-
gen, die sie ausführten, unter dem Kinflusse von Oesirliteempftndungeii standen, da sie an-
scheinend Hindernisse vermieden. Diese Tiere griffen nie mehr, weder mit dem Schnabel noch
mit dem Kuße. nach ihnen gereichten Gegenständen; das spontane Kressen fehlte vollständig.
Trotz künstlicher KQtterung ließen sich die Tiere nie über zwei Wochen am Leben erhalten.
Da* Ergebnis dieser doppelseitigen Exstirpationen fÖr den
Gesichtssinn besteht demnach darin, daß den niederen (iehirnteilen ein
gewissen Sehen zugeschrieben werden muß. Mochte die Verletzung beider
Großhirnhemisphären noch so umfangreich sein und welche Teile auch
immer umfassen, die Papageien wurden nicht «blind«, sondern zeigten
noch in der Schnabelzonc der Retina gewisse, wenn auch eingeschränkte
Sehreaktionen. Erst wenn gleichzeitig mit der Hemispharenverletxung
eine Schädigung des Mittelhirns (Lobus opticus) derselben Seite erfolgte,
wie es bei einem Papagei der Fall war, trat völlige Blindheit auf dem gegen-
seitigen Auge ein; es fehlten nunmehr die Akkommodationserscheinungen,
und nur eine minimale Verengerung der Pupille war auf stärkeren Licht-
einfall nachweisbar.
In Obereiiuümmimg mit diesem Krgehnissc steht, daß durch die elektrische Rci-
zung dea Großhirns die mit dem Akknmmodalionsvorgange verbundene Bewegung der
Augen nach innen nicht zu erzielen war, wohl dagegen die Bewegungen der Augen tuirli
hinten, hinten oben, hinten unten , ein weiterer Beweis für unsere Auflassung, daß der
• Hauptteil, der Hctiua engere Beziehungen zum Großhirn liesitzt wie die Schnabelzone.
6*
41
O. Kali. scher:
Hatten wir nach der ausgiebige» Kxstirpation in der einen Hemisphäre gesehen, daß
der l'n|»gei von der Schnahelzone des gegenseitigen Auges au.« noch mit Zugreifen auf dar-
gebotene Gegenstände reagierte, so war, wie wir weiter heoliachtotcn , nach der Kxstirpation
in der zweiten Hemisphäre dieses Zugreifen nicht mehr erfolgt. Ks mußte demnach
nach der ersten 0|>eraiion die normale Hemisphäre in gewissen Beziehungen für die operierte
Hemtxph&re eingetreten sein, was nach zwei Richtungen hin möglich war, und wir gelangen
damit zur Erörterung einer Frage, die uns lange beschäftigte. Ks war einerseits denk-
dar, daß nur die niederen Gesichlsreaktioncn (Akkommodation) an da» Mtttelhirn geknüpft
waren, daß aber für die komplizierteren Gerichtsreaktinnen (Zugreifen) doch eine Kadigunc
der Nehfaserti audi für die Schnahelzone der Retina im Großhirn I .es Und; es mußte dann,
nachdem die eine Hemisphäre durcli die Operation funkliutisuntuchtig geworden war. die
normale Hemisphäre allmälilieh für die operierte in hezug auf die komplizierteren Seh-
rcaklionen der Schnall elzone eingetreten sein, so daß das Zugreifen von der Schnabel-
/.one des geschädigten Auges aus jetzt wieder, wenn auch nicht mehr so prompt wie früher,
erfolgte. Diese Annahme erscheint mir jedoch aus mannigfachen , besonders aus anatomischen
Gründen, auf die ich noch genauer zurückkomme . unwahrscheinlich. Für weit wahrschein-
licher halte ich die andere Möglichkeit, daß anfangs bei dem einseitig operierten
Tiere das Zugreifen von der Gegenseite aus allein infolge motorischer -Störungen ausblieb, und
daß hernach die normale Hemisphäre für die motorischen Ausfallserscheinungen der
operierten Hemisphäre ersetzend eintrat. Danach wäre das Sehreulrum für die Schnahel-
zone der Retina ausschließlich im Mittelhirn zu suchen; und die Störungen des Zugreifens
bei einseitiger, das vollständige Ausbleilien des Zugreifen» l*i dop|M-lseitigci Großhirnver-
letzuDg beruhte nicht auf einer Störung des Gesichtssinnes, sondern wäre allein auf Störungen
der dem Schzentrum im Mittelhirn assoziierten motorischen Zentren zurückzuführen, welche
letztere durch die Kxstirpation im Großhirn geschädigt oder gelähmt w aren und daher nicht
mehr von dem Sehzentrum aus in Tätigkeit gesetzt werden konnten; ebensowenig übrigens,
wie durch sensible Kinllüsse; denn, wie wir l>ei Schilderung der Freßslörnngcn sehen
werden, lösten die den Tieren in den Schnabel gesteckten Soniienblutneiikerne nach der
doppelseitigen 0|>eratioti den Freßvorgang nicht mehr aus. Die Tiere behielten die Sonnen-
blumenkerne im Schnabel, ohne sie zu fressen. Andere, motorische Zentren, wie das der
Akkommodation, waren nicht in dieser Weise vom Großhirn abhängig und hlipltcn daher
durch die Großhirnoperation unberührt. Wenn der Akkommodntionsvorgnng, obwohl er vom
Mittelhirn abhängig ist, doch nach einer ausgiebigen Großhirnczstirpation für einige Tage
gar nicht oder nur schwach in Funktion trat, so erklärt sich das aus der indirekten und
vorübergehenden Störung, welche die tiefer gelegenen Gehiraleile durch die Exstirpstlun
höherer Gehirnabschnitte erfahren (vgl. dazu S, 33).
Wenn ich auch auf den motorischen Teil des Großhirns, der zum Zustandekommen
des Zugreifens sich als notwendig herausgestellt hat, bei den Freßstflrungen genauer eingehen
werde, so mag hier doch schon bemerkt sein, daß «'s sich dabei um <las Mesostriatuw
bandelte. Je mehr dasselbe von der Operation betroffen war, um so weniger Sehreaktionen
ließen sich von der Schnabelzone des gegenseitigen Auges aus erhalten. Nur bei gewissen
Funktionen , wie beim Zugreifen, trat das gleichseitige . unbesrlildigte Mesosbiatum für das
geschädigte auf der anderen Seite ein. Dagegen fand die Reaktion des ■Fußhebrns« zur
Abwehr oder zum Empfange gereichter Gegenstände nicht mehr statt, da von jedem Meso-
slriatum nur die isolierte Bewegung des gegenseitigen Beines abhängt, und hierbei das eine
Mesostriatum für das andere nicht eintritt. Wir erfahren jetzt auch , warum die Sebreaktionen
Da» Großhirn der Papageien.
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von der Sehnalwlitoiie aus eine um so größere Störung erfuhren, je weiter nach com die
Ktstirpation im Großhirn ausgedehnt wurde; es war in diesen Füllen der vordere Teil des
Mesostriatums von der Operation lieti'offen.
Wir hätten bisher festgestellt, daß die Gesichtsempfindungen für die
Schnabelzone der Retina nicht im Großhirn, sondern im Miltclhirn statt-
finden, oder, wie icli es aus später zu erörternden Gründen ausdrucken
mochte, daß die Sehfasern, die ihren Konzen t rat ionsptinkt in der Schnahel-
zone der Retina besitzen, im Mittelhirn endigen; ferner daß fQr die ein-
facheren Sehrcaktioiicn , wie fQr die Akkommodation, die unterhalb des
Großhirns gelegenen motorischen Zentren ausreichen, daß aber für die
komplizierteren Sehreaktionen, wie das Zugreifen, es noch der Funktion
bestimmter motorischer Teile des Großhirns bedarf.
Ks mußte uns jetzt weiter darauf ankommen , zu ermitteln , in welchem
Teile des (iroßhirns die Sehfasern endigen, 1 welche ihren Konzenlrations-
punkt in der Fovea centralis der Retina besitzen. Hatten wir doch
gesehen, daß mit Ausnahme der Schnftbelzone die ganze übrige Retina in
enger Beziehung zum Großhirn stand.
Weder die Ksstirpation de« Wulstes, noch die Diircluchneidung der Septumfasening.
norli die Zerstörung des llyperstriatums hatten außer schnell vorübergehenden Störungen
irgendeinen Neimens« erten Kinlluß auf das Sehen hinterlassen. Auch die Kxslirpallon de»
Stirnteits war in dieser Hirhtong ohne Bedeutung gewesen; nur daß, wenn die Kxstirpalion
nahe an das Mraostriatum heranreichte, aus deu olien erörterten Gründen gewisse Störungen
im Zugreifen sich bemerkbar gemacht hatten. Von den hinteren Teilen der Hemisphäre
kamen folgende für die Kxstirpation in Betracht: i. die Ventrikeldecke, i. der unmittelbar
unlcr derselben gelegene Teil des Striatums, 3. das Kpistriatutu mit seinen Kaserzilgen, 4. dos
Kklostrialum. — Die Schädigung der Vcntrikeldecke hinterließ nur unbedeutende Schstörungen,
die schnell vorübergingen und wohl durch eine indirekte Schädigung tiefer gelegener Teile
l«en orgemfen sein mochten. Die Exstirpation , welche die l'uigi-bung des Kpistriatums betraf,
al>er das Ganglion seihst freiließ (s. Textfigur S. 57) . log wohl öfter bedeutende Sehslöningen
auf dein drr ttperaliousseile gegenüberliegenden Auge nach sich. Anfangs war sogar das
Gesichtsfeld stark eingeengt. Nach und nach hatte» sich atwr die Störungen fast g»i>* wieder
r.urüc'kgrbihlet. Am spätesten verlor sich die Kinengiiiig des Gesichtsfeldes nach hinten, dir
/uerst am ineisten hervorgetreten war. Was mitunter blieb, war als eine .Sehschwache.
xii bezeichnen. Der Papagei reagierte, langsamer wie früher; man mußte uiit dem Gegen-
stände naher an das Auge, das man prüfen wollte, herangehen, um eine lieaktion hervor-
zurufen; aber auf allen Teilen der Retina ließen sich doch die Schreaklionen erhalten. Der
l'npagei drehte wie früher den Kopf nach der Stelle de» genäherten Gegenstandes; auch
war eine entsprechende Augenbewegiing zu heolwchten. Ob es sich bei diesen leichten
Störungen um eine Ausfallserscheinung handelte, oder oh dieselben auf einer Kclkädlgung
tieferer Teile beruhten, möchte ich dahingestellt sein lassen. Man konnte aus anatomischen
' Nach Unterbrechung im Thalamus hiw. Mittelhirn.
46
0. Kalischkb:
Gründen daran denken, daB die Exstirpation der Umgehung des KjiUlria tum* , d. b. des
Slrialum occipitale, in wcIcIhm die feinen Faxen) aus dem Ganglion ausstrahlen , Seeicnblind-
heit herbeiführte. Jedoch ixt, wie ich schon anfangs hervurhoh, in dem »llauptteil- der
Relin* nur schwer Seelenblindheit festzustellen , da die 'Piere hier auf alle Gegenstände ohne
Unterschied in gleicher Webte mit Umdrehung des Kopfes bzw. vollständiger Umdrehung
reagieren. Das Sehen in der Schnabel/.one wurde durch diese ExstirpBtion in keiner Weibe
betreffen.
Fig. 4.
Erst wenn die Kxstirpation auf das Kpistrialum sHb*l ausgedehnt wunle, konnte
man erhebliche .Sehstörungen in dein .HauptU-ilc der Retina des gegenseitigen Auges kon-
statieren, Störungen, welche sich auch nach Monaten nicht verloren.
Hei der Operation des Kpislrialums wurden, wenn wir von außen nach innen
gehen, folgende Teile des Großhirns verletzt: l. die Ventrikeldecke, welche den Schlifen-
uml HinterhauptHteil umgibt, J. das Strinhim occipiUle bzw. temporale samt den feinen Fasern,
die au» dem Kpistrialum in das umgebende Striatum ausstrahlen, j. das K.pistriatum selbst,
die aus dem Kpistriatum hervorgehenden Zuge der .Querfaserung., 5. die Fascrzugc, welche,
an der Grenze des Kpistriatiuns , das Mcsoatriatum umgeben, besonders der vertikale Schenkel
der Ijuntna medulläres, 6. Teile des Mesostriatums, besonders der Körper drssclheii , 7. mit-
unter die lateralen Partien des Ektostriatutns.
Die Exstirpationen, welche ich in dieser Weise vornahm, hatten zum
Ergebnis, daß das Sehen in dem »llauptteile« der Retina mit dem
Epistriatum der gegenseitigen Hemisphäre verknüpft ist. Mag die Seli-
einpfindung übrigens erst hier zustande kommen oder bereits in lieferen
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Das Großhirn der Papageien.
47
Zentren, jedenfalls ist daran festzuhalten, daß für die Schfasero, welche
ihren Konzentrationspunkt in der Fovea centralis» besitzen, d. h. für den
»Hauptteil« der Retina, das Kpistriatum notwendig ist, damit die gewöhn-
liehen Sehreaktionen von diesem Teile der Retina aus erfolgen können.
Bei den Tieren, bei denen die Operation am vollkommensten zur Aus-
führung gelangt war, konnte man von dem »Hauptteile« der Retina des
gegenüberliegenden Auges aus die gewöhnlichen Sehreaktionen jetzt nicht
mehr erhalten, wahrend die »Schnabelzone« keine Störungen aufwies. Doch
ließen sieh bei sorgfältiger Prüfung zu gewissen Zeiten noch zwei Reak-
tionen von dem »Hauptteile« der Retina aus hervorrufen, welche ich schon
oben (S. 41) berührte, die aber hier bei der genaueren Erörterung der ana-
tomischen Verhältnisse noch einmal zur Sprache kommen müssen:
Einerseits lieolwchtet«n wir, daß der Papagei mitunter stutzte und den Kopf plotz-
lieh «ailhielt, ohne «her sonst eine der gewöhnlichen Sehreaktionen darzubieten, wenn wir
von hinten her einen großen Gegenstand, z. B. einen Wattebausch, dem geschädigten Auge
niherten. Diese« spurweise Sehen hingt nach unserer Auffassung vom Mittelhirn ab und
ist zu beziehen auf die vereinzelten Sehfasern, welche, gleichwertig den Fasern der Schnabel-
zone, auch Ober die übrige Retina verbreitet sind. Diese Sehfasern, welche mit der fort-
schreitenden Entwickelung des Großhirnsehens ihre Bedeutung verloren haben, lassen ihre
geringe Funktion erst erkennen, wenn das Großhirnsehen ausgeschaltet ist; zumal dann,
wenn das normale Auge verschlossen wird, und die Tiere auf das geschädigte Auge ange-
wiesen sind. Die zweite Erscheinung war die .falsche Projektion' des Papageis, dadurch
hervorgerufen, daß die Geaichueindröcke von drin geschadigten Auge aus in die gleichseitige,
normale Oroßhirnbemisph&re ^cUn^tcn und die dieser Hemisphäre entsprechenden Bewe-
gungen auslösten. So kam es, daß der Papagei, statt sich — sagen wir — nach links herum
zu drehen, um auf die dem linken Auge von hinten her geniherten Gegenstande zuzubeißen,
sich nach der rechten Seite drehte und vergebens hier nach den betreffenden Gegenständen
suchte. Die Drehung nach der rechten Seite erfolgte langsam und zögernd; es handelte
sich nicht etwa, woran man denken konnte, um ein scheues Ausweichen nach dieser Seite,
wie man es ebenso wie bei anderen Vögeln gelegentlich auch bei den Papageien beobachtet.
Da die Kommissur, welche beide Epistriata verbindet, durch die Exatirpalion des einen Epi-
striatuois außer Funktion gesetzt war, so mußte bei dem Beetehen einer vollständigen Kreu-
zung der Sehnerven die Überleitung des Gesichtseindruckes nach der gleichseitigen He-
misphäre durch die in reichlicher Zahl vorhandenen Thalamus- oder Mlttelhirnkoinmissiiren
erfolgt sein. Auf diese Erscheinung , welche bei den operierten Papageien nur vorübergehend
nachweisbar war, fuhrt uns die Schilderung der Drelistöningen nochmals zurück.
Es kommt Obrigens nicht das ganze Epistriatum für die im Hauptteile der Retina
auftretenden Sehstürungen in Betracht, sondern nur der hintere größere Teil des
Ganglions; der Teil, tn welchem der oben beschriebene Tractus thalaino-epistrialicus
endigt, wahrend dem vorderen Teile wohl andere Funktionen zukommen. Dieser Nervenzug
entspricht dem Tractus occim'tn.mesencephalicus Ellingers, dessen Beteiligung am Sehakle
Edinger aus Analogieschlüssen vermutet haue. Doch stimme ich, was die Endigung dea
48
O. Kalis it tier:
Zuges im Großhirn belrim, mit Edinger nicht Oliemin (vgl. S. 7$). Wn abrr auch das
Kehxenlrtim fTir den Haupltcil clrr Kelina gelegen sein in»«, uti im Kpistrialmii sellrel oder
in der Umgebung desselben , jedenfalls ist dasselbe nirlit in der •Hirnrinde- *u suchen; nml
die Auffassung Kdingera, daß sich beim Vogel die »erste richtige Hinlerhauptsrlnde nebst
Sehstrahlung- findet, i»t sicher für die Papageien nicht zutreffend.
Kerner gaben diese systematischen Exsürpalionen gewisse Anhaltspunkte dafür, daß
die verschiedenen Abschnitte des Hatipttciles der Retina nicht regellos dem
Epistriatuin zugeordnet sind; die Untersuchungen machen es vielmehr wahrscheinlich , daß
eine Projektion derart bestellt, daß die hinteren Partien de* Kpislriatums nach vorn gelegenen
Partien der Ketinn entsprechen , während die hinteren Teile der Retina einer meJir nach
vorn gelegenen Epistriautmpartie zugehüren. Jedenfalls war es deutlich, daß das Gesichts-
feld der Papagelen nach hinten (außen) um so mehr eingeschränkt war, je weiter nach hinlen
die Epistriatumverletzung erfolgte. Auch nach einer indirekten Schädigung des hintersten
Teiles des Epistrlatnms durch Kxstirpalion des angrenzenden Gebietes reagleH*n die Tiere
zuerst nicht auf Gegenstande, welche von hinten her genähert wurden; es war mithin die
vorderste Partie der Retina, welche die Gesichtselndrücke von hinten her empfängt, zeit-
weilig außer Funktion gesetzt; und es entsprach demnach die vordere Partin der Retina der
hinteren EpistriaUimpartic. Weiter schien der mehr nach oben gelegene Teil des Epistria-
tu ms dem unteren Quadranten der Retina, der untere Teil des Ganglions dem oberen Qua-
dranten der Retina zugeordnet tu sein. War du Kpistriatum doppelseitig in großer
Ausdehnung exslirpiert, so war gleichzeitig das Mesostrialum und öfter auch das Ektostriatum
auf beiden Seilen niitiietroffen; und die Tiere verhielten sich dann ähnlich wie die oben
geschilderten Papageien, denen die wesentlichsten Teile beider Hemisphären exstirpiert
worden waren. Den Tieren fehlte vor allem die Möglichkeit, zu fressen; sie griffen nicht
zu, wenn man ihnen die Nahrung reichte, oder wenn sie vor dein Kutteniapfe standen.
Auch wenn man ihnen die Nahrung in den Schnabel steckte, so vermochten sie. mit derselben
nichts anzufangen. In $ bis 1$ Wochen gingen diese Tiere zugrunde, auch wenn man mit
Ausdauer und Vorsicht die künstliche Ernährung durchführte. War die Kpistiiatumexstir-
palion nur unvollkommen auf beiden Seiten ausgeführt, wobei die zweite Operation etwa
3 bis 4 Wochen nach der ersten stattgefunden hatte, so blieben die Tiere meist am Leben,
auch wenn sie unmittelbar nach der zweiten Operation sich in äußerst schlechtem Zustande
liefanden. Während das Sellen in der Selinabelzone nur vorübergehende Störungen zeigte,
war da« Sehen in dem Hauptteile der Retina in diesen Fällen lidderscit* für die Dauer ge-
stört, und die Grüße der Störung entsprach dem Umfange der Exstirpation. Das Gesichts-
feld war mehr oder minder eingeschränkt, die Latenzzeit zwischen Oesichtseindnick und
Reaktion vergrößert, und diese beiderseitige Störung der wichtigsten Sinnestätigkeil, zugleich
uiit der Störung der Orientierung im Räume, ließ die Tiere psychisch gestört erscheinen.
Was die Verletzungen des Ektoslriatums betrifft, so hatten dieselben oft erheblich«
Sehstörungen im Hauptleile der Retina zur Folge Die Operation wurde in der Weise vor-
genommen, daß durch einen HorizonUlschnilt das auf dem Mesostrialum aufsitzende Ganglion
an seiner Basis unterschniuen wurde (a. Fig. S. 46 Linie*/), wobei natürlich das Mcso-
slriatuin selbst meist erheblich mitverletzt, und die Schrägfaserung in grußer Ausdehnung
uiitgesenidigt wird. Die mannigfach variierten Kxstirpallonsveirsuche überzeugten midi je-
doch, daß die nach dieser eingreifenden Operation auftretenden SeJistöruogen nur indirekter
Natur sind und auf Schädigung des Epistrialums bzw. seiner Verbindungen mit dem Me&o-
uod Ektostriatum zurückgeführt weiden müssen. Ganz leichte Verletzungen des Ektostria-
Das Großhirn dir Papageirn.
40
tum* führten keine oder nur unbedeutende Sehslörungen herbei, Störungen, welche nn In-
tenaittt jedenfalls gar nicht mit den selbst nach leichten Verletzungen des Eplslriatums auf-
tretenden Sehslörungen sich vergleichen ließen. Ferner sprach der anatomische Verlauf der
mit dem Ektostriatum in Beziehung tretenden Schragfaserung gegen ihre Funktion als .Seh-
fasern; zudem werden wir spater dem Ektostriatum eine andere Funktion zuerteilen müssen.
Nach Verletzung des Ektustriatums war besonder» das Sehen in dem unteren Retiiui-
i|uadranten dea gegenseitigen Augea gestört. Es rührt das wohl davon her. daß am meisten
durch die Kktostriatitmoperation der lienachbarte obere Teil des Epistriatums gelitten hatte,
welcher nach unserer Annahme {*, oben) dem unteren Ketinaquadranten entspricht.
Haben wir nunmehr die verschiedenen Teile dea Oroßbirns in ihren Beziehungen zum
Selten geprüft, so ist es an der Zeit, noch einmal die Frage zu berühren, weswegen wir
das Sehzenlrum für die 'Sehnabelzone. der Beiina ausschließlich in das Mittellüru ver-
legen und die nach den Großhunexstirpationcn auftretenden Störungen des Zugreifen* Irzw.
das vollständige Ausbleiben desselben nicht als die Folge einer Sehstörung , sondern als eine
rein motorische Störung auffassen. Da die genannten Störungen erat zu beobachten sind,
wenn die Exstirpation sich Ober den vorderen Teil des Großhirns erstreckt, so halten wir,
wenn wir das Sehzentrum für die höheren unil komplizierteren Sebfunktionen der Schnabel-
zone im Großhirn suchen wollten, nach unseren jetzigen Feststellungen nur den vorderen
Teil des Epistriatutns oder den Kopf des Mesostriatums dafür In Anspruch nehmen
können. Die Untersuchung lutt aller ergebe», daß dem Mesuslrialuin andere Funktionen
zukommen, indem dasselbe ein senso ■ motorisches Zentrum bildet; auch sprach der Verlauf
der Faserzuge in demselben sowie seine eigentümliche Struktur, in welcher große Ganglien-
zellen fast ganz fehlen, gegen die Funktion als Sehzentrum, ganz abgesehen davon, daß
nicht anzunehmen war, daß zwei ihrem Bau nach ao verschiedene Großhirnteile, wie das
Meso- und das F.pistrUtum, beide dem Gesichtssinn dienten. Was den vorderen Teil das
Epistriatums betrifft, so traten allerdings nach operativen Eingriffen in diese Gegend Stö-
rungen dea Zugreifen» in den Vordergrund ; aber es handelte sich in diesen Fällen immer
gleichzeitig um eine Mitbeschidigung des Mesostriatums und seiner Fascrzugc; und auf diese
Nebenverletzung, die kaum zu vermeiden war, da die Zellen des Epistriatums dem Meso-
striatum dicht anliegen, sind wohl ausschließlich die Störungen des Zugreifens zurückzuführen.
Es spricht dafür besonders der Umstand, daß, je mehr das Mesoslriatum von der 0|*rnliun
betroffen wurde, um so auffälliger die Störungen des Zugreifens hervortraten. Kerner ge-
lang es vom Stirnteile aus, das Mesostriatum für sich zu verletzen und alsdann die gleichen
Störungen herbeizuführen. Nach alledem glaube ich, daß es sich Iwim Aufhören des Zu-
greifens nach der doppelseitigen Großhirn- (Mesostrialum-) Exstirpation um eine rein moto-
rische Störung handelt, und daß das SeJuenlrutu für die Schnabelzone der Itctina aus-
schließlich im Mittelhirn zu suchen ist
Wenn wir die wichtigsten Ergebnisse in betreff des Söltens der Papa-
geien hier noch einmal kurz zusammenfassen, so hätten wir davon aus-
zugehen, daß wir bei den Papageien eine vollständige Kreuzung der
Sehnerven nachweisen konnten. Der Verlauf der Untersuchung hat uns
veranlaßt, in der Retina zwei verschiedene Systeme von Sehfasern
zu unterscheiden , von denen »las eine System seinen Konzen trationsptinkt
Pttys. Abk. mckt tur Akad. ythör. Utlekritr. 1905. IV. 7
O. Kausche»:
in »1er • Schnabelzone •, d. h. in dem lateralsten, dem binokularen Sehen
dienenden Teile der Retina besitzt, während der Konzentrationspunkt des
anderen Systems in der Fovea centralis gelegen ist. — Indem beide
Systeme von Schfasem im Gehirn verschiedenen Teilen zugeordnet sind,
haben wir im Auge des Papageis zwei physiologisch verschiedene Seh-
akte zu unterscheiden: nämlich einen Großhirnsehakt und einen Mittel-
himsehakt, die beide nebeneinander funktionieren. Die Fovea centralis
stellt den Hauptpunkt des Großhirnschcns, die »Schnabelzone« den Haupt-
punkt des Mittelhirnsehens dar; aber wir müssen weiter annehmen, daß die
Mittelhirnsehfasern, wenn auch in geringer Menge, sich von der Schnabel-
zone aus über die übrige Retina (den Hauptteil derselben) verbreitet finden,
so daß mithin beide Arten von Sehfasern übereinander greifen.
Einfache Sehreaktionen , wie der Akkommodationsvorgang, finden von
der Schnabelzone der Retina aus noch statt, auch wenn die Großhiru-
fuuktion beiderseitig ausgeschaltet ist; sie bleiben erst aus nach Zerstö-
rung des Mittelhirns (der Lobi optici). Wenn ohne Großhirn die übrigen
komplizierteren Sehreaktionen , so besonders das Zugreifen auf von vorn her
genäherte Gegenstände, nicht mehr zu erhalten sind, so haben wir das
nicht als die Folge einer Sehstorung (Seelenblindhcit), sondern als eine
rein motorische Störung aufzufassen, veranlaßt durch den Ausfall des
motorischen Großhirnzentrums, des Mcsostriatums. Während mithin für
die einfachen Schreaktionen der Schnabelzone die unterhalb des Großhirns
gelegenen motorischen Zentren ausreichen, bedarf es für die komplizierteren
Reaktionen des Mittelhirnsehens der Mesostriata als Bewegungszentren.
Durch die Ausschaltung des Großhirns bzw. der Mesostriata verlieren die
Papageien, um es anders auszudrücken, die Fälligkeit, die Gesichtsein-
drürke der »Schnabelzone« in der umfassenden Weise, wie vorher, zu
verwerten, d. h. sie in die entsprechenden Bewegungen umzusetzen.
Anders liegen die Verhältnisse für den »Hauptteil« der Retina, d. h.
für die Selifasern, deren Konzentrationspunkt in der Fovea centralis sich
befindet. Das Sehzentrum für diese »Großhirnsehfasern« ist nach unseren
Untersuchungen im Epistriatum des Großhirns zu suchen.' Die verschie-
denen Abschnitte des Hauptteiles der Retina sind dabei wahrscheinlich
nicht regellos dem Epistriatum zugeordnet; wir haben Grund zur Annahme,
daß eine bestimmte Projektion des Hauptteiles der Retina auf das Epi-
1 Vgl. S. 45 Anni. i.
Dos Großhirn der Papageien.
51
slrinttim besteht. Auch die Sehreaktionen für den Hauptteil der Retina
bedürfen zu ihrem Zustandekommen der motorischen Funktion des Meso-
striatums, in welchem wir das motorische Hauptzentrum des Großhirns
sehen. Wenn in dem Haitptteile der Retina nach Exstirpation des gegen-
seitigen Epistriatums noch ein gewisses spurweises Sehen zurückbleibt,
so rührt dasselbe von den erwähnten Mittelhirnsehfasern her, die sicli , wie
wir annehmen, von der »Srhnabelzune« aus über die übrige Retina in
geringer Menge verbreitet finden und noch Gesiclitsempfindungen auf-
nehmen können; und weiter noch daher, daß die unversehrte Hemisphäre
durch Vermittelung der Thalamuskommissurcn für die geschädigte Hemi-
sphäre unter gewissen Bedingungen eintritt und die oben erwähnte »falsche
Projektion« der Gesichtscindrücke veranlaßt. Aber auch das Großhirn-
sehen ist kein » Ri nde naehen» . wie bei den Saugern; denn es ließ
sich nachweisen, daß die »Sehbahn« des Großhirns gar nicht, die «Rinde»
oder das Pallium erreicht; wir fanden, daß auch die letzten Ausläufer des
in Frage stehenden Nervenzuges über das Stria! um hinaus schon aus
anatomischen Gründen nicht gelangen können.
Wenn wir jetzt (ragen, wieweit wir diese Untersuchungen über das
Sehen der Papageien auch auf andere Vogelarten ausdehnen können,
so glaube ich, daß dieselben in ihren Grundzügcn auch dir die anderen
Vögel Geltung besitzen werden. Gewisse Unterschiede und Abweichungen
werden allerdings vorhanden sein, die auf folgenden Punkten beruhen
können: Erstens wird das etwas abweichende Verhalten der Retina in
bezug auf Vorkommen und Ausbildung der Areae bzw. Foveae hei den
verschiedenen Vogelarten auch gewisse Unterschiede in ihrer Vertretung im
Gehirn zur Folge haben. Als zweiter Punkt kommt in Betracht, daß
bei den verschiedenen Vögeln die Verteilung der beiden Systeme von Seh-
fasem in der Retina eine etwas verschiedene »ein kann. Es ist durchaus
anzunehmen, daß die sich von der »Schnabelzone« aus über die übrige
Retina verbreitenden Mittelhirnsehfasern die Älteren sind und in dem Maße,
als dos Großhirnsehen in der Fovea centralis und in «lern Hauptteil der
Retina sich entwickelte, an Bedeutung verloren haben; sie sind entweder
zum Teil zugrunde gegangen oder haben ihre Funktion eingebüßt. Es
ist aber wohl möglich, daß diese Mittelhirnsehfasern, so unbedeutend
ihre Funktion im Hauptteile der Retina bei den Papageien auch ist, bei
manchen niedriger stehenden Vögeln noch eine größere Bedeutung und
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52
O. Kalischsr:
vollkommenere Funktion besitzen; bei Vögeln, die demnach noch mehr
mit dem Mittelliirn sehen. Besonders würden wir dabei an Vögel zu
denken haben, denen, wie z. B. dem Huhne, eine Fovea centralis voll-
ständig fehlt. Auch die geringere Entwickelung des Epistriatums, des
Zentrums der Großhirnsehfasern, spräche für ein derartiges Verhalten.
Die Folge der besseren Ausbildung des Mittelhirnsehens würde sein, daß
nach der vollständigen Großhirnexstirpation hei den betreifenden Vögeln
noch mehr Sehreaktionen von dem Hauptteile der Retina aus zu erhalten
waren. Für den Umfang und die Art der Sehreaktionen kommt dabei
vor allem der Grad der Kntwickelung des motorischen GroQhirnzentmms,
des Mesostriahima, in Betracht, dessen Größe wie Funktion und Bedeu-
tung für die Körperbewegungen bei den verschiedenen Vogelartcn sicher-
lich wechselt. Je mehr die einzelnen Bewegungsformen von diesem Zentrum
unabhängig sind, um so mehr Sehreaktionen werden nach der Ausschal-
tung des Großhirns von dem Mittelbirnsehzentruin aus noch erhalten werden
köuuen.
Bei der l'utersuchung über du Sprechender Psjuigelc« handelte es sich darum, den
Anteil 7.11 ermitteln, der dein Großhirn oder einem bestimmten Teile desselben an dieser
Funktion zukommt Meß «ich ein umschriebenes Sprechzentrum feststellen? War etwa eine
Hemisphäre bevorzugt in almlicher Weise, wie es beim Menschen der Fall ist? Die richtige
Auswahl der Tiere war bei diesen Versuchen von besonderer Bedeutung. Ich hatte meine
Versuche aus Rücksicht auf den hohen l'reis intelligenter, gut sprechender Papageien mit
billigeren, weniger begabten Tieren begonnen. Diese Tiere, die nur zwei bis drei Worte
sprachen und nur unter Aufwendung von viel Zeit und Gedidd neue Worte zulernten,
erwiesen sich für die Untersuchung als wenig geeignet. Und als au den Schwierigkeiten
die Versuche zu scheitern schienen, fing ich an, bessere, höher im Preise »lebende Tiere
zu verwenden. Obwohl im allgemeinen die grauen Papageien gelehrigere Sprerher sind,
habe Ich bisher wegen der größeren Kostspieligkeit der letzteren nur grüne Papageien
(Amazonen) für die Versuche verwendet, unter denen man auch gut sprechende und
besonders widerstandsfähige Tiere findet.
Der O|ieration ging eine länger*, etwa ein bis zwei Monate dauernde Beobachtung
der Versuchstiere voraus , um die Bedingungen kennen zu lernen . unter denen die Tiere
sprechen. Ist es doch bekannt, daß die Papageien oft »launisch' sind, und nur unter ganz
bestimmten Verhältnissen zum Sprechen zu bringen sind. Die Tiere, welche keiner beson-
deren Anregung und Gelegenheit bedurften, sondern, gleichviel in welcher Umgehung sie
sich befanden, ihren Wortschatz licrsagten, waren für diese Versuche die brauchbarsten.
Bei der Beobachtung kam es darauf an. die Art und Wehe, wie die Worte heraiiügeliracht
wurden, Ihren Rhythmus und Klang festzuhalten, um spater nach den Operationen etwaige
3. Das Sprechen der Papageien.
Da* Großhirn drr Papageirn.
Störungen erkennen zu können. Auch sprach ich den Papageien neue Worte vor. um filier
die Schnelligkeit, mit der sie dieselben erlernten, und über die Art des Erlernen« Aufschluß
zu erhalten. Wenn nach hinreichender Beobachtung die erste Exstirpation am Groß-
hirn ausgeführt war, kamen nunmehr folgende Punkte in Betracht: Erstens hörte
man von dein Papagei Aberhaupt wieder Worte? Und wenn dies der Kali war, geschah es,
ohne daß man sie Ihm von neuem vorsprach? Brachte der Papagei ferner die Worte in
gleicher Weise wie froher heraus oder war in der Art, wie er sie vorbrachte, eine Änderung
wahrzunehmen? War die Fähigkeit daa sofortigen Nachsprechena geblieben? Hatte der
l'*|>agci bestimmte Worte eingebüßt oder war der alte Wortachatz vollständig erhalten.'
Lernte der Papagei endlich neue Worte, die man ihm vorsprach, zu? Und geschah dies
mit gleicher Schnelligkeit und Vollkommenheit wie früher?
Nach Feststellung des Ergebnisses wurde eine zweite Operation, sei es in der gleichen,
sei es in der anderen Hemisphäre, vorgenommen, und in der Folgezeit wiederum entsprechend
den eben geschilderten Gesichtspunkten das Resultat geprüft. Diesen zwei Operationen
wurde eventuell noch eine dritte und vierte angeschlossen. Auf diese Weise suchte ich die
verschiedenen Teile des Großhirns in ihren Beziehungen zum Sprechen abzutasten. Die ge-
naue anatomische Untersuchung (Zerlegung des Gehirns in Serienschnitte) im Verein mit
der klinischen Beobachtung bildete die Grundlage zu neuen Versuchen, von denen jeder
etwa ein Jahr in Anspruch nahm.
Wenn wir liier, die wir uns zu den Exstirpationen wenden, Ober das Sprechen
normaler Papageien einige Worte einfügen dürfen und dabei zunächst die Frage erörtern,
unter welchen Umslinden die Papageien überhaupt die artikulierten Laute vernehmen lassen,
um daraus einen Schluß ziehen zu können, wie weit das Sprechen der Tiere der mensch-
lichen Sprache zu vergleichen ist, so wäre zunlclist zu konstatieren, daß die Papageien
spontan sprechen, ohne daß anscheinend ein äußerer, besonderer Anbiß vorliegt. Dieses
Sprechen ist den Spielbewegungen der Tiere an die Seite zu stellen. Wenn sie sich recken,
den Kopf hinauf und hinunter wenden, sich auf der Stange nach dieser oder jener Seite
drehen, ist es nicht selten zu beobachten, daß sie gleichzeitig ein oder mehrere Worte in
verschiedenen Modulationen ertönen lassen; man gewinnt hier den Eindruck, daß der
Rhythmus das Wesentliche fllr die Tiere bildet. Man könnte das Sprechen der Tiere Musik-
klängen vergleichen, mit denen wir auch keine bestimmten Assoziationen verbinden. In
diesen Fallen, in welchen das Sprechen scheinbar spontan erfolgt, kann man doch häufig
beobachten , daß dasselbe durch Gerlusche, Straßcnlirm u. dgl. angeregt worden ist. Außer-
dem aber ist es unzweifelhaft, daß die Papageien es lernen, bestimmte Worte bei ganz
bestimmten Gelegenheiten zu gebrauchen; und xwar sind es erstens bestimmte Hör-
reize, welche die Veranlassung abgeben; so können die Tiere daran gewöhnt werden, jedes-
mal wenn sie die Stimme ihnen l>ekannter Personen hören, ganz bestimmte Worte heraus-
zubringen oder z. B. wenn man klopft, «herein, zu sagen und ähnliches. Zweitens sind es
Sehreize, auf welche die Tiere mit liestimmten Worten zu reagieren lernen; z.B. verdeckt
man das Bauer, so sagen manche Tiere »gute Nacht«, und sagen »guten Morgen«, wenn
man das Bauer enthüllt. Sie rufen verschiedene Personen mit ihrem Namen (bei der Wiedrr-
erkeniiung spielen allerdings oft wohl akustische Reize eine wesentliche Rolle). Im allge-
meinen bißt sich sagen, daß die von den P«|>ageien gesprochenen Worte nur angelernte
Reaktionen auf grob sinnliche Eindrucke darstellen. Das Sprechen gehl damit nicht über
die Uistungen ganz kleiner Kinder hinaus; und wenn wir auch annehmen , daß die Pa|ia-
geien einen gewissen (Jrad von Bewußtsein besitze«, »o kommt dasselbe doch in ihren
54
O. Kalirciier:
SprechSiißerongrn nur unwesentlich zum Ausdruck. Auch verstehen die Tier* unserr Worte
nirht; um) wenn sie öfter richtig darauf reagieren, so werden nie «Itircli die unser Sprechen
begleitenden Gehcrdcn. durch den Tonfall der Worte u. dgl. zu ihren Sprechreaklinncn ver-
anlaßt. Es fehlt den Papageien das, was wir als »Spraehverständnls» bezeichnen, oder Ist
l>ri ihnen nur in den allerersten Anfangen vnrhnivden; jedenfalls in erheblich geringerem
(imilf, als ex l>ei der Renliachtung gut sprechender Tiere zunächst den Anschein hat.
Dir folgenden V n te rau ch unge Ii beziehen sich ausschließlich auf die Erfui-schoug
des W o r t Iii I cl ii n d*T e n t i-ii ms; es kam mir hei den Versuchen darauf an, dio • motorische
Komponente» derWorte zu schädigen, wilirend der »sensorische» Teil des Sprechens,
soweit er vorhanden sein mag. vorläufig außer acht gelassen wurde.
Man hätte im voraus glauben können, daß der Papagei, dessen Sprechen oft »elum
normalerweise von soviel Zufälligkeiten abhängt, nach jedwodem Eingriffe in ilns Großhirn
von nun an ganz auf hören würde zu sprechen, ohne daß man die Berechtigung hätte,
dieses Resultat der ausgeführten speziellen t tperation zuzuschreiben. Doch erwies sich diese
Befürchtung, daß der Eingriff als solcher /um Aufhören des Sprechens führen könnte,
als nichtig. Seihst nach schweren Eingriffen fingen die Papageien, vorausgesetzt , daß lie-
Mim mir Gehirnslrllrn von der Kxstirjiation verschont blieben , wieder wie früher an zu
sprechen. Nur nach »ehr umfangreichen Operationen, die eine erhebliche Störung ver-
schiedener Funktionen zur Folge halten und auch da» psychische Verhalten der Tiere
so schädigten, daß man den Zustand als »Idiotie- bezeichnen mußte, horten die Papageien
ganz auf zu sprechen , ja irgendwelche artikulierte Laute von sich zu geben. Wurden aber
von der Operation nur bestimmt umschriebene Großhirnstetlen , die zum Sprechen in Be-
ziehung standen, betroffen, so erfolgte auch dann nicht ein vollständiges Aufhören des
Sprechens, sondern es traten jetzt nur mehr oder weniger erhebliche Störungen in der Ijnit-
hildung ein. Indem die Papagrien einige Zeit nach der Operation wieder Versuche machten,
die früheren Worte herauszubringen, hing es von dein t -rte und der Größe des Eingriffs ab.
wie weil sie in ihren Bemühungen gelangten: ob sich die nach der Operation eintretenden
Sprerbstörtingen wieder ganz ausglichen . oder ob diesellien in mehr oder minder erhrblichcr
Weise für die Dauer lieMcbcn blieben. Eine Tendenz zur Besserung war jeden-
falls in der ersten Zeit nach der Operation immer bemerkbar, selbst in den Fällen, wo die
schließlich? Resolution nur eine ganz unvollkommene war. Die Art der Wiedergewinnung
der Worte erinnerte diirchnus an die Restitution der Bewegungen, welche nach Großhirn-
Verletzungen hei den Säugern und. wie wir mich sehen «etilen, auch hei den Papageien
m benbachleii ist. Der Gebrauch des Fußes als Hand kann für längere Zeit bei den Papa-
grien aiifgehnlieu »ein: nach und nach lernt das Tier in vielen Fallen den Fuß wieder zu ge-
brauchen, indem die Bewegungen allmählich immer mehr vervollkommnet werden, bis die
frühere Gebrauchsfahigkeit wieder erreicht ist. Die zum Sprechen nötigen Bewegwigsvor-
gange sind ja prinzipiell den Körperbewegungen durchaus an die Seite zu stellen; wegen
der größeren Feinheil der Regulierung sind aller liei den SprechbeH rgiingen dauernde
Schädigungen viel leichter zu konstatieren . da seihst geringe Störungen der Beobachtung
nicht entgehen können.
Ex sei zunächst der Verlauf der Sprechstörung und der Wiedergewinnung
der Worte, unweit eine solche eintrat, hier geschildert, da sieh dieser Vorgang in ähnlicher
Weise initiier wiederholte. In diesen Fällen, in welchen es zu einer Restitution kam.
waren, wie man annehmen muß. das ».Sprrrh/i-iitnmi- selbst und die Sprcclihahnen nur
indirekt oder leicht von der Operation betroffen. Handelte es sich um eine erheblichere
Das Großturn der Papagrien.
r>r>
Scliädigung dieser Teile, so tr«t wohl, wie wir später seilen werden, eine gewisse
rung ein; dieselbe ging aber nicht nber die Hervorbringim« einiger undeutlicltar
hinaus, und dieser Zustand blieb für die Dauer bestellen.
Die Art und Weise, wie die am Großhirn geschädigten PsiMigeien die alten Worte
wieder erwarben, erinnerte an die Art, wie junge Papageien oder auch unbegabte, ältere
Tiere neue Worte erlernen , während bei begabten Tieren der Vorgang meist schneller von-
stalten geht. Häufig ließ sich beobachten, daß der operierte Papagei, bevor er die
ersten WortkIKitge wieder vernehmen ließ, zu pfeifen liegann, wenn er vor der Ope-
ration diese Fähigkeit besessen hatte. War der I'apagei nach der Oj»eration wieder munter
«Mttl lebhaft gewurden, was nnch etwa ein bis drei Wochen der Kall war, so fing er an, die
ersten Laute von sich zu geben. Als ich die ersten Versuche am Slirntcil des Großhirns
machte, und der Papagei zwei Wochen nach der zweiten Operation noch keinen l-aul wieder
rnehmen lassen, glaubte ich schon, daß er die Möglichkeit zu spreelien überhaupt
hatte. Iiis ich plötzlich von den eisten, wenn auch unvollkommenen Lauten nlicr-
raschl wurde. Zwar war zuerst noch nicht» von dein Worte sellwl zu erkennen. Das erste,
was sich feststellen ließ, war der Rhythmus de* früher gesprochenen Wortes; aus deni
charakteristischen Tonfnll konnte, wer den I'apagei schon früher halte sprechen höre», das
Wort ImiW heraus erkennen. Ks handelte sicli hier um die erste Phase der Wiedergewin-
nung des Sprechens. Allmählich traten die Vokale auf und wurden von Tag zu Tag deut-
licher; und damit war die »weite Phase erreicht. Bald hörten wir auch die Andeutung
von Konsonanten, zuerst selten und undeutlich, l«ld aber liäuliger und klarer, Besonders
wenn der Papagei erregt war, traten die Worte nunmehr in bestimmter, deutlich artikulier-
ter Ku im hervor. Die Tiere übten unermüdlich, bis die Worte immer vollkommener wurden
und schließlich in vielen Fillen ganz ähnlich wie früher erklangen. Damit war die dritte
Phase der Wiedergewinnung des Wortes vollendet. In der ersten und zweiten Plinse
konnten die Worte meist nur von denen, die den Papagei vor der « Ijieration hatten sprechen
hören, wiedererkannt werden, aber schon im Beginn der dritten Phase, als der eine oder
der andere Konsonant herausgebracht wurde, wurden die Worte allgemein verständlich.
Von besonderer Wichtigkeit ist es, zu betonen, daß dieser Wiedererwerb der früheren
Worte vor sich gehen konnte, ohne daß dem Papagei die Worte von neuem vor-
gesprochen wurden. Ks handelte sich hier um eine rein motorische Störung; die Tiere
hatten das Worlklangbild im Gedächtnis, und sie übten solange, bis das gesprochene Wort
dem WortklangWId gleichkam.
Nur längere Sätze und sellener gesprochene Worte mußten dem Papagei
von neuem vorgesprochen werden, um ihn zum Wiedererlernen anzuregen. In den leichteren
Fällen erfolgte die Wiedergewinnung schneller, und die einzelnen Phasen waren weniger
deutlich voneinander zu trennen. War schon das Wu-dererleme» der alten Worte erschwert,
so mußte natürlich in diesen Fällen, in welchen für den .Sprechvorgang wichtige Zentren
und Bahnen direkt oder indirekt durch die Operation in Mitleidenschaft gezogen waren,
das Neuerlernen von Worten auf noch größere Schwierigkeiten stoßen, bedurft« es
doch dazu der feinsten isolierten Bewegungen, lind wenn die Tier»- mich längerer Zeil
wirklich neue Worte erlernten, so wurden dieselben doch nur unvollkommen herausgebracht
und waren weniger gut wie die alten Worte zu verstehen. Auf besondere Kigeutftmlich-
ketten der Spreclislöningen , wie ich sie in einzelnen Fällen beobachtete, und die in
manchen Beziehungen All die menschlichen erinnern, komme ich bei der Schilderung der Ver-
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5f»
0. Kalircher:
Die ersten Exatirpatinnsversuche nir Ermittelung den Spreehrentrums führte
ieli in dem Uereich des Stirnteiles des (iroQhiras aus. Teils leitet« mich dabei der Ge-
danke, eine Analogie mit den menschliehen Verhältnissen zu suchen; hauptsächlich bestimmten
midi aber bei der Wahl der Stelle die von mir gewonnenen Kcizungsresuitate; es war mir
gelungen , von der lateralen Partie des Stirn teils aus isolierte Kiefer- und Zungenbewegungen
tu erhalten (s. genaueres S. 68). Die Exstirpalion wurde zunächst auf einer Seite in
mehr oder minder grtißer Ausdehnung vorgenommen ; sie umfaßte auch die Par» fron Ulis
de« Hyperstriatums; Textßgg,
ffy 5. 39 uno> 5°- f*» Mesostriatum
und die dasselbe umgebenden Faser-
zug«, die dem Stirnteile dicht be-
nachbart sind, blieben bei dieser
Ojieration unverletzt. Es reichte
übrigens aus, wenn man durch
einen sagittaJ verlaufenden Schnitt
die lateralxte Partie des Stirntrik
exxldierte, da dabei die hauptsäch-
lichsten Faserrüge, welche von
außen unten in den Stirnteil ein-
treten, durchschnitten wurden. Ks
zeigte sich, daß die Tiere nach der
* einseitigen Operation sehr bald
wieder die alten Worte heraus-
brachten. Nur In den ersten Tagen
machte sich eine gewisse Störung
bemerkbar, indem die Artikulation
weniger deutlich erschien. Kin Un-
terschied zwischen beiden Seiten war
nicht zu beobachten; das Resultat
war das gleiche, mochte die linke
oder die reell te Seite operiert worden
xeio. Je mehr die KxsÜrpau'on sich
dem Kopfe des Mesostriatun». näherte,
um so langer dauerte , auch ohne daß
dieser Uroßhirntejl direkt betroffen
war, die Sprechstörung.
Die doppelseilige Exstir-
pation des Stirnteils wurde
immer in zwei Zeiten vorgenommen. Nach der zweiten Operation, welche ausgeführt wurde,
wenn der Papagei sich von der ersten völlig erholt halte, d. h. nach a — 3 Wochen, hörte der
Papagei zunächst ganz auf zu sprechen ; aber nach einiger Zeit — nach etwa zwei Wochen —
wurden die ersten Anklioge an die früher gesprochenen Worte wieder vernehmbar; und der
Papagei vervollkommnete sich von da an 1mm«- mehr, bis er die alten Worte in aholicher
Weise wie früher hervorbrachte. Allerdings wurde die deutliehe Artikulation und Klarheit des
Gesprochenen, wenn überhaupt, erst nach Monaten wieder erreicht. Hing schon, wie ich
oben betonte, das Ergebnis der einseitigen <>|ieration von der Ausdehnung der Ezstirpation
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Ihm Großhirn der Pnptujr'wn.
57
gegen das MmiKlriaturii bin ab. m war da* norh wesentlich mehr der Kuli hei der doppel-
seitigen Operation. Ging die Kxslirpalion bis nahe an «lax Mesustriatum heran und war gar
eine leichte Schädigung der diesen Gmßlnniali&chnltt umgeliendeii iiiarkhalllgrn Nervcuzüge
erfolgt, wi wurden dir alten Worte f 15 r die Daun- nicht mehr Mi deutlich wie früher hiis-
gesprochrii, nachdem llngere '/.eil Ms au ihrer Wiederei lernung vergangen war. Das Er-
lernen neuer Worte stieß jetzt auf Schwierigkeitrr.;
nicht nur daß dieselben den Tieren öfter wie früher
vorgesprochen werde» mußten , so gelang die Aus-
sprache mancher Worte überhaupt nur unvoll-
kommen. Besonders die Aussprache der Kon»»-
turnten war erschwert; dagegen wurden der
Rhythmus und die Vokale leichter tum Ausdruck
gebracht. Statt Jack», welches Wort leb eiuein
derartig operierten I'apapei inunatelang vorsprach,
Uraeble derselbe nur.la-o oder A-o heraus. Auch
• Papagei« lernte ein solches Tier nicht mehr
vollkommen sprechen; die I'-Lautc gelangen
ihm nicht.
Nach der doppelseitigen F.xsürpolion des
Nliinlcilcs - ohne Verletzung des Kopfe* des
MesoMtriatuuiA ~- war. worauf ich noch hinweisen
möchte, uarhdem die unmittelbaren Folge» der
()|M*ralion vorüliergegaugen waren, keine Cha-
rakteründerung bei den Papageien walnzu-
nchmen. Zuerst schien es /.war. als ob die Tiere
jetzt weniger .bissig, waren; doch hing dies
nur von der anfänglichen, danu al>er vorüber-
gehenden Kieferstörung ab. Das operierte Tier
zeigte wieder Eifersucht, wenn ich mich mit an-
deren, im gleichen Kaunie l<efindliche» Tieren be-
schäftigt«; wurde unruhig, als ich vor seinen
Augen eine.« zweiten Papagei lötete, und lii-ß
dabei klüglich klingende, seufzende Laute ertönen.
Ebenso schrie das Tier, welche* an dss Zu-
sammensein mit anderen Papageien gewöhnt unr.
wenn ich es in einem Räume alttin ließ. Auch
in »einen Spielbewegungen zeigte sich kein Unter-
schied gegen früher. Es hatte sich bei diesen
Kzstirpatioiien im Bereiche des Stinileile* ergeben,
daß dieser Großhimleil zum Sprechen in gewissen Beziehungen steht; man kitnute sich be-
sonders davon überzeugen , wenn mau sali, daß nach seibat ausgiebigen Verletzungen anderer
llirnstellen , weun Störungen des Sprechens überhaupt auftraten, sie sehr viel schneller vor-
übergingen. Ks wurden, so mußte man annehmen, durch die 0|>cr»tionen im Stirnleile
Foerzüge und Ganglienzellen getroffen, welche auf das eigentliche Sprechzentrum einen
gewissen Kiulluß ausüben; besonders wohl insofern, als sie für das Erlernen neuer Worte
von Bedeutung sind. Ich möchte die geschilderten Sprechslönmgei. nicl.t allein auf die in-
Pky*. AM. n K \t »r AJkaä. gehör. G«feW. 1905. IV. 8
Huritniilalsihiiitt dunli da» Celiirn
Taf. V Kig. I).
Uezirkes,
'< ICistirpation des lliiitcriuia|it»tej[i.-n
mit liint^rsU-in Trilt- den Kj>i»tri.itiiniA,
■• die ulfiilit- 0|»mti»ii u
des Kpistrialmns.
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58
O. Kausche»:
•ltreklc Schädigung des benachbarten Mesoslriatums zurückführen, welches, wie wir gleich
sehen werden, von so großer Bedeutung für den Sprerhvorgang sich erwies. Wie sich
nämlich im T . m i f »• der Untersuchung ergab, war vornehmlich die Verletzung <les in der
(ifprnd der sylvisehen Furche gelegenen Teiles de» Mesostriatums vuu aus-
gesprochenen und charakteristischen Störungen für das Sprechen begleitet.
Ks »ei hier zunächst da* klinische Bild der ein- und doppelseitigen Verletzung dieser Gegend
geschildert. Die operative Schädigung diese* Bezirke* zog wühl mich Störungen der Bcin-
bewegung und des Freßvorgange* narh sich; aller erst <lann, wenn die Verletzung in er-
heblicherer Ausdehnung vorgenommen worden war. Um dauernde Spnthstörungen hervor-
zurufen, reichten schon so geringe, dop|ielseitige Schädigungen au*. daß andere Funktion*-
Störungen gar nicht oder nur vorübergehend aufzutreten brauchten. Nach der einseitigen
Verletzung stellten sich, gleichviel auf welcher Seite die Operation ausgeführt war, die
alten Worte alsbald wieder ein, ohue daß mau sie vun neuem vorgesprochen liatte. Der
Papagei lernte auch neue Worte 7.11 und Imt im Mirigeu keine Veränderung dar. Diese für
die Sprechversuche so wichtige Verletzung halte fifter flu - die operierten Tiere verhängnis-
volle Folgen, indem »ich von der anscheinend nicht eingreifenden Verletzung aus eine
Erweichung des ganzen Mesostriatums einstellte, der die Tiere nach ganz kurzer Zeit,
mitunter schon nach zwei Tagen, unter zunehmenden LäJunungserscbcinungrn erlugen.
Der schließliche Kl folg der doppelseitigen Operation hing davon ab. in welchem
Malte die Exstirpation auf beiden .Seiten geglückt war; und es ließen «ich danach voll-
kommene und weniger vollkommene Versuche unterscheiden. In den weniger
gelungenen Fällen kam es, nachdem längere Zeit erhebliche Sprachstörungen bestanden
hatten, wieder zu einer mehr oder minder vollständigen Restitution dex Sprechens.
Wenn auch in der ersten Zeit nach der zweiten Exstirpation es sich noch nicht genau vor-
aussehen ließ, wie weit die Restitution gehen würde, da sieh zu Anfang die operierten
l'a|uigeien gleich verhielten, so bot sich doch darin ein Anhaltspunkt, daß, wenn die Tiere
schon in der zweiten Woche wieder anfingen, Laute von sich zu geben, die« auf den Ein-
tritt einer vollkommeneren Restitution hindeutete.
1
Wenn die anfänglichen Sprachstörungen allmählich sich wieder ausglichen , handelte es
sieh gewöhnlich darum, daß die eine Seite vollkommen, die andere unvollkommen ojieriert
war. In der Zeit, in der die unvollkommen operierte. Hemisphäre sich erholte, traten die
charakteristischen Ilestitutimiserschcinungen auf. Die Art und Weise, in der sich dieselben
vollzogen, habe ich bereits oben geschildert; ich konnte daselbst drei l'hasen beim
Wiedererlernen der Worte unterscheiden: in der ersten Phase hörten wir den Rhythmus
des früher gesprochenen Wortes, in der zweiten traten die Vokale wieder auf, und in der
dritten kamen nach und nach die Konsonanten wieder zum Vorschein. Doch ließen diese
verschiedenen l'hasen sirh nicht immer deutlich voneinander trennen; sie gingen oft inein-
ander über, besonders in den leichteren Fallen, in welchen die Restitution sehr schnell er-
folgte. Um hier ein Beispiel zu nennen, so fing ein Papagei, welcher nach der zweiten
Otieralion 24 Wochen lang keinen Laut von sich gegeben hatte, damit an. zunächst einen
dreisilbigen Rhythmus mit dein Tone auf der letzten Silbe hervorzubringen, welcher Rhythmus
alsbnld an das früher gesprochene Wort »Papagei« erinnerte, etwa ä ä äh. ohne daß jedoch
ein bestimmter Vokal dai<ei hcrvorklang; es waren nur unbestimmbare, knurrende Laute
zu hören. Gleichzeitig inachte der Papagei eine nickende Knpfbewegung, wie er sie hei
der Aussprache dieses Wortes auch früher gezeigt hatte. Die unltesllmtnten Laute in diesem
Rhythmus machten bald darauf bestimmten Vokalen Platz, welche letztere immer deutlicher
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Dm» Grnßhim dir Papageim.
59
wurden, und wir vernahmen jetzt: äa-aa ei, wobei die verschiedenen A- Laute knarrend
und stotternd herauskamen. Zwischendurch war schon der eine oder andere Konsonant
erschienen, wie pa a ei usw., bis schließlich nach etwa zwei Monaten das Wort ähnlich
wie vorher erklang. Aber wenn dein Pa|iagci auch da.« Auasprechen des Wortes gelang, so
erfolgte es doch nocli nicht mit solcher Regelmäßigkeit wie früher. Noch manche Unvoll-
kommcuhcilen, welche an die menschliche Paraphasie erinnerten, waren in der Aussprache
zu bemerken. Häufig kam es vor, daß einzelne Silben ausgelassen winden; der Papagei
xagte: Papei oder Pa-gci; oder es wurden auch von anderen Worten stammende Nillx-n
■Miel- ganz unverständliche Laute, auch Schreilanle, dazwischen eingescholwn. Es darfdalici
jedoch nicht unerwähnt bleiben, daß man gleiche Wnrlverstümmelongen und -Veränderungen
auch ab und zu von normalen Papageien hört, nur daß man sie hier seltener antrifft.
Übrigen* ergab die vergleichende Beobachtung der Versi ich Miere vor und nach der Operation,
oh eine .Störung vorlag. Die Restitution erstreckte »ich nicht gleichzeitig auf alle Worte,
die der Papagei frflhrr innegehabt hatte; dieselben kamen vielmehr erst nach und nach
wieder zum Vorsehein. Gewöhnlich begann der Papagei zunächst mit den Worten, die er
vor der Operation am häufigsten gesprochen hatte.
Es war auffallend, daß die geschädigten Papageien, welche ihre Worte nur unvoll-
konimen und unter sichtlicher Anstrengung hervorbrachten, einen besonders großen
Kräng zum Sprechen zeigten und selbst unter ungünstigen äußeren Bedingungen . uniei-
denen man sie vorher nicht hätte zum Sprechen bringen können, oft stundenlang hinter-
einander die verstümmelten Laute und Worte hersagten. Dabei hatte innn durchaus den
Kindnick, daß die Tiere selbst die Mangelhaftigkeit ihrer Aussprache empfanden und dieselt>e
immer mehr zu verbessern strebten. Häufig konnte man beobachten, daß, wenn es dem
Papagei nicht gelang, die Worte, die er früher leicht gesprochen halte, gut herauszubringen,
er unruhig und aufgeregt wurde; nuch hier konnte man sich der Empfindung nicht erwrhrrn,
daß das Tier im Bewußtsein seiner mißlungenen Versuche ungeduldig geworden war. Doch
immer wieder von neuem »teilte das Tier »eine Sprechversnche an, um bei jedem neuen
Mißlingen immer unruhiger und aufgeregter zu werden, bis es schließlich anfingt, zu schreien.
Einen ähnlichen Vorgang sah ich bei derartig operierten Tieren sieh alwpielen, wenn ieh
ihnen etwas vorsprach und sie es nicht sogleich nachzusprechen vermochten. Es zeigte
sich, daß die geschädigten Papageien eher imstande waren, von selbst die ihnen ge-
bliehenen Worte hervorzubringen, als dieselben nachzusprechen. Eine gewisse Aufregung
war übrigens für die Tiere oft günstig, um die Wortre.sle, die sie noch im Besitz lullten,
von sich zu geben, und es gelangen ihnen dann manche Worte, die sie in der Ruhe nicht
hatten sprechen können; in ähnlicher Weise, wie wir auch normale Tiere, wenn sie auf-
geregt sind, häufig deutlicher und besser sprechen hören.
Hatten die geschädigten Papageien nun auch die früheren Worte wieder erworben,
so ließ sich doch unschwer ein Unterschied gegen früher insofern erkennen, als dieses und
jenes Wort nicht mehr mit dersrll>eii Deutlichkeit wie vordem ausgesprochen wurde. Be-
sonders war Inü Tieren, welche einen längeren Satz oder ein Lied beherrschten , eine
.Störung nachzuweisen, indem die Silben der verschiedenen Worte verwechselt, manche
Silbe ausgelassen, und die Worte selbst durcheinander geworfen wurden. Dadurch entstand
bei unbefangenen Beobachtern, die den Papagei vor den Operationen hallen sprechen hören,
der Eindruck, als ob das 'Her .seinen Verstand verloren hätte.. Da jedoch die Sätze und
Zusammenstellungen von Worten für die Papageieu nur als längere Worte aufzufassen sind,
so muß man davon atnehen, in den beschriebenen Verwechselungen u.dgl. mehr wie eine
8«
60
0. Kalibcheh:
motorische Störung 7.11 xehen. Statt «Lot Ist tot, l-ot ixt tot, Jule liegt In-graben* hörten
wir einen solchen Papagei sagen: .l.ot tot, gral*n*; ferner -Lot Jule begral>eti* oder -Lot
begraben* oder *Lot tot, tot begraben* u. dgl. rn. Dabei wurden die einzelnen Worte un-
deutlicher und schneller als früher gesprochen. Statt •eins zwei drei, hurra!« sagte ein
geschädigter Papagei: -eins zwei, hur, hur* oder -eins eins, hur*; dazwischen schaltet er
Silben von »Papagei* ein oder er ruft »eins zwei, it hebe herc*. Manch« Laute wurden
seufzend, manche heiser, andere knarrend hervorgebracht; bei anderen wieder wurde man
nn das menschliche Stottern erinnert. Störungen in dem Hervorbringen rem Sätzen u. dgl.
treten übrigen» schon bei Uroßhirnschädigungen auf, die fern von dem eigentlichen Sprech-
hezirke lagen; es genügen eben schon die geringsten Alterationen, wie vorübergehende
Zirkulationsstörungen, um den feinen Mechanismus des S|irrehvorgnnges zu schädigen.
Papageien, die eine schwere Schädigung einer ganzen G roßh i ruh emis phiirc
durch Diirchschneidung der Quer- und Schrägfaserutig erlitten hatten und somit nur Uber
eine Hemisphäre verfugten, sprachen nach dein Verlaufe von Wochen wieder die alten,
früher am häufigsten gesprochenen Worte; und sie erlernten neue Worte, wenn ich sie mit
gut sprechenden Paj>ageien zusammenließ. Doch fiel mir auf, daß sie alles, was sie sprachen,
leise, flüsternd, mit wenig deutlicher Artikulation hervorbrachten. Dieae halbseitig so
schwer geschädigten Tiere gewannen die frühere Lebhaftigkeit nicht wieder; ihr psychische*
Verhalten war für die Dauer beeinträchtigt. Es machte dabei keinen Unterschied, ob die
linke oder die rechte Hemisphäre von der Operation betroffen war. Am beslen noch
sprachen diese Tiere, wenn man sie vollständig sich selbst überließ und sich nicht mit ihnen
beschäftigte. Wie »ie bei ihrer Apathie wenig auf äußere Eindrücke reagierten, so konnte
man sie auch nicht zum sofortigen Nachsprechen von Worten bewegen.
In don vollkommensten Versuchen handelte es sieh um Papageien,
die nach der zweiten Operation flir die Dauer kein Wort mehr hervorbringen
konnten. Nach der ersten Operation, mochte die linke oder die rechte
Seite zunächst operiert sein, hatte der Papagei bald wieder, wie früher,
wenigstens die ihm geläufigsten Worte gesprochen. Nach der zweiten
Operation hörte man in der ersten Zeit — in den ersten Wochen — • gar
keine Laute von ihm. Er lernte nicht wieder pfeifen, was in den weniger
gut gelungenen Versuchen das erste Zeichen der beginnenden «Restitution«
bildete. Nach einigen Wochen erschienen zwar die ersten unverständlichen
Laute, wie äe, eS, öe, ah, iü u. dgl., welche mit sichtlicher Anstrengung
und Mühe herausgestoßen wurden; sie klangen kurz, klagend, stöhnend,
oft knarrend, quietschend: in den verschiedensten Modulationen, lauter
oder leiser, langer oder kürzer, höher oder liefer. Oft wurden sie schreiend
hervorgebracht. Nichts deutete aber mehr auf den Rhythmus früher ge-
sprochener Worte; keine Anklänge an alte, verständliche Laute waren mehr
hörbar. Nur Andeutungen von Konsonanten, wie ein P (von «Papagei*
her), stellten sich noch ein, so daß man Laute wie Pä, PW vernahm.
Aber darüber hinaus ging die Vervollkommnung nicht: und keine Ämle-
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Dos Großhirn der Papayrim.
<;i
rung fand sich in «lern Verhalten des Papageis, als daß die ursprünglich
häufigen Schreilaute etwas nachließen. Der Drang, Laute von sich zu gehen,
war weit mehr als vor der Operation vorhanden; stundenlang hörte man
die Tiere Oben und immer dieselben unvollkommenen Laute von sich geben.
Bei einem solchen Papagei hatte ich durchaus den Eindruck, daß er
die Worte hörte, die man ihm vorsprach, und daß er sie nachsprechen
wollte. Wie ich schon oben erwähnte, gerieten solche Papageien bei dem
Mißlingen der Versuche in Aufregung; die Aufregung wurde immer größer,
bis die Tiere endlich anfingen zu schreien; es schien mir die Unruhe und
die Erregung dann besonders groß, wenn man dem Tiere die ihm früher
geläufigen Worte vorsprach. Man konnte dieses Manöver öfter hinterein-
ander wiederholen; schließlich jedoch macht* das Tier gar nicht erst den
Versuch, nachzusprechen, sondern selirie sofort, wenn ich ihm eins der
bekannten Worte vorsprach: ebenso auch, wenn ich pfiff, da er dies auch
nicht vermochte. Ebenso schrieen diese Tiere, wenn sie andere Tiere
gut sprechen hörten.
Bei einem Papagei, welcher vor den Operationen, wenn man klopfte,
• herein« mit schnarrendem »r« — etwa: herrr-rein — zu sagen pflegte,
konnte man nach den Exstirpationcn beobachten, daß er, wenn man jetzt
klopfte, die Schreilaute, welche er fast ausschließlich hervorbrachte, derart
änderte, daß ein -errr« in denselben vernehmbar wurde, so daß somit
eine spurweise Andeutung des früher deutlich gesprochenen Wortes her-
vortrat. Es zeigte dieser Versuch , daß bei der erlieblichen motorischen
Sprechstörung da« Verstehen der Worte nicht gelitten hatte.
Wahrend für die normalen und, wie ich oben hervorhob, für die
unvollkommen operierten Papageien die Aufregung, in die sie geraten, oll
günstig war, um Worte ml er Wortreste zu finden, war diesen stark ge-
schädigten Papageien die Unruhe und Erregung nicht von Vorteil; diese
Tiere brachten die ihnen gebliebenen Ijiuto noch am besten heraus, wenn
man sie ganz sich selbst überließ.
Die hier gegebene Schilderung der Sprceh Störungen in den vollkom-
mensten Versuchen Itetriflt Papageien, welche, in die gewohnte Umgebung
zurückgebracht, bis auf die Veränderungen des Sprechens nicht* Abnormes
in ihrem Verhalten darboten. Sie hatten die frühere I^ebhaftigkeit wieder
erlangt. Ihre Bewegungen waren kaum gestört : sie kletterten munter im
Bauer herum und gebrauchten, wie früher, ihre Füße als Hände. Auch
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fi2
0. Rauscher:
die Xahrungsaufnahme zeigte keine Störungen; ilic Sonnenblumensnmen
wurden, wie vorher, geschickt geöffnet, und die Kerne ebenso geschickt
herausgeholt. Waren anfangs Sehstörungen durch Schildigung benachbarter
Teile des Epistriatums nachzuweisen, so schwanden dieselben entweder
einige Zeit nach der Operation oder, wenn vielleicht gewisse Störungen
zurückblieben, beeinträchtigten sie nicht das psychische Verhalten der Tiere.
Ich habe solche Papageien bis zu etwa 3 Monate nach der letzten Exstir-
]Mition beobachtet, ohne daß in dieser Zeit die Tiere in bezog auf das
Sprechen irgendwelche Fortschritte gemacht hätten. Statt der früher ge-
sprochenen Worte und Sätze waren kaum Worttrümmcr vorhanden; man
konnte, nur für die Dauer die oben erwähnten undeutlichen, unartikulierten
Laute vernehmen.
Meine besondere Aufmerksamkeit hatte ich von Beginn der Unter-
suchung an der Frage zugewendet, ob in Analogie mit den menschlichen
Verhältnissen einer Seite des Großhirns des Papageis ein besonderer Ein-
(luß auf das Sprechen zukäme; und ich möchte, wenngleich ich schon
gelegentlich der einzelnen Kxstirpationen hierauf eingegangen bin, hier im
Zusammenhange noch einmal die Frage erörtern. Da manche Papageien
ausschließlich einen bestimmten Fuß' als Hand gebrauchen bzw. denselben
bevorzugen, so suchte ich festzustellen, ob die auf diesen Fuß wirkende,
gegenseitige Großhirnhemisphäre eine überwiegende Bedeutung für das
Sprechen besitzt.
Als ein sicheres Ergebnis meiner Untersuchungen laßt sich das
Eine hinstellen, daß die Worte, welche der Pajwigei am häufigsten gebraucht
und am ineisten geübt hat, von jeder Hemisphäre «us angeregt werden
können. Mochte die Exstirpation im Stirnteile oder im Mesostriatum die
linke oder die rechte Seite botreffen, der Papagei konnte die alten Wort*,
ohne daß sie ihm von neuem vorgesprochen wurden, nach einer gewissen,
ungefähr gleich langen Zeit wieder hersagen. Nur bei längeren Sätzen,
Liedern u. tlgl.. in denen eine größere Zahl von Worten aufeinander folgte,
schien der Anteil einer Hemisphäre zu überwiegen: auch daraus, daß selten
gesprochene Worte öfter nach der Exstirpation einer Seite nicht mehr ge-
1 Nach mriiirri Krialinin|;rn |»fle|;en die Tiere den linken fuß als Hand zu hevor-
7UKt-n: ich hatte jeiluch Tiere, die sieh ««»ehlielMieh des rechten KhLVs hedirntc ml
endlich auch solche, «eiche «leiehmäHin ««chiekt und «leieh häiitii; Iwidc KiUV nl> lliimle
gehrnuchU'ii.
Das Großhirn der Ptrpatjrirn.
sprachen wurden, könnte man wolil folgern, daß auch diese seltener ge-
sprochenen Worte mehr von einer bestimmten Hemisphäre abhängig sind.
Doch lassen sieh bei der immerhin geringen Anzahl der bisher gelungenen
Versuche Zufälligkeiten nicht ganz aussehließen; ist es doch bekannt, daß
Papageien manche Worte oft längere Zeit nicht herausbringen, bis man
sie plötzlich wieder einmal von ihnen hört , auch ohne daß sie ihnen von
neuem vorgesprochen wurden.
Aber wie auch immer durch ausgedehntere Versuchsreihen die an-
geregten spezielleren Fragen entschieden werden mögen, das Eine steht
fest, daß die Papageien viele Worte noch sprechen, gleichviel welche
Hemisphäre zuerst operiert worden ist, und daß sie die Fähigkeit dazu
erst verlieren, wenn die geeignete Kxstirpation auch auf die zweite Hemi-
sphäre ausgedehnt wird. Der Punkt endlich, daß die Papageien, gleich-
gültig in welcher Hemisphäre die Operation ausgeführt wurde, in kurzer
Zeit neue Worte erlernen können, bildet einen ferneren Beweis für die
gleichmäßige Funktionstüchtigkeit beider Hemisphären für das Sprechen.
Wenn wir jetzt an der Hand der anatomisch -topographischen Feststellungen eine
(tbei-sicht filier die verschiedenen Teile de« Großhirns Reben und der Bedeutung gedenken,
die sie für den Sprcchakt l>CMt*cn, so seien zunächst die Teile hervorgehoben , deren Schä-
digung einen merklichen Kinfluß auf das Sprechen nicht ausübte. Gerade diese Kx»tir-
palionrn mit negativem Krfolge dienen gleichsam «K KnntrollverMiche dazu, die Bedeutung
der n*ch unseren Versuchen zum Sprechen in Beziehung »teilenden Teile des Großhirns in
ein hellereü I.ichl zu setzen. Keinen Kinfluß übten aus:
1. Die einseitige Hie doppelseitige Verletzung der WiilsLscptuinfaseriing, ebensowenig
die Verletzung des Wulstes seilst, vun dem die Septuinfaseniug ihren Ausgnng nimmt.
2. Die Untrrschnridung und Zerstörung des Ilynci-striatiims. und zwar des parietalen
und orripilnten Teiles diese» Ganglions, während die Schädigung des frontalen Teiles Sju i-eh-
slöntngen bewirkte in ähnlicher Weise, wie sie nach der Kxstirpation de» Stirnteil» des
Großhirns auftreten.
j. Selbst umfangreiche Kxstirpationen in der l'ars orcipitali* des Großhirn», mich wenn sie
den hinteren Abschnitt des Kpislriatums umfaßten, schädigten da» Sprechen nur vorübergehend.
Wohl war bei manchen der genannten Kingrifle, suferu sie das psychische Verhallen
beeiiilliißtrn, indem sie das allgemeine Wohlbefinden der Tiere störten und sie träger und
a|uitbisrher machten, ein gewisser Kiniluß auf da» Sprechen nicht zu verkennen; der l'apagri
war weniger zugänglich , sprach wenig oder gar nicht in der ersten Zeil nach der Operation,
ließ sich schwer zum Nachsprechen bewegen, und vielleicht hörte man auch manche Worte
nicht mehr von ihm. Aber durch genaue Beobachtung ließ sich doch immer feststellen,
daß er ebenso deutlich artikuliert wie früher sprechen und, wenn auch schwieriger, neue
Worte zulernen konnte.
Wahrend mithin die hinteren Abschnitte des Großhirns keinen Ein-
fluß auf die motorische Funktion des Sprechaktes ausübten, kanten dafür
64
O. Kalisciier:
folgende Teile in Betracht: der Stirnteil, nach dessen doppelseitiger
Kxstirpation bei den früher gesprochenen Worten sich Störungen der Arti-
kulntion wahrnehmen ließen, und weiter das Erlernen neuer Worte er-
schwert war. Der Stimteil dürfte mit seinen Faserzügcn und Ganglien zur
feineren Regulierung der Sprechbewegungen beitragen. Die wesentlichste
Bedeutung .Ür den Sprechakt kommt aber dem Mesostriatum zu, und
zwar einem Bezirke, welcher, dicht vor der sylvischen Furche gelegen, die
lateralste Partie des Kopfe» des Mesostriatuins bildet (s. Fig. S. 57, in
welcher durch die gestrichelte Linie die in Frage kommende Partie ab-
gegrenzt ist; s. auch Fig. S. 56, in der durch m die Exstiqmtionsstelle
bezeichnet ist).
Die Kxstirpation des wichtigen Bezirkes ließ sich außer vom Stirnteil auch vom
Srhläfeiitcil aus erreichen. Halle man den Srhläfeiitcil freigelegt und die vorder«, oberfläch-
liche Partie desselben entfernt, so traf mau. wenn m.111 jetzt die Kxstirpalioii genügend
weil nach vorn ausdehnte und dabei in die Tiefe ging, die in Betracht kommende Stelle
de* Mcsostrialums. Da man bei der 0|H>ration den Bezirk niclit hinlänglich übersehen konnte,
so Mar der glückliche Ausfall der Operation mit vom Zufall abhängig, wenn ancji die genaue
Kenntnis der anatomischen Verhältnisse viel zum Gelingen beitragen kunnte.
Die Analogie mit den menschlichen Verhältnissen iM unverkennbar; der Sprrrhhezirk
ist in seiner Ugebeziehung der liwl zu vergleichen; dir Sprerhslürungen , die ich schilderte,
cutsprechen der .inotorischen Aphasie- der imiischlicheii Pathologie.
Bei stärkerer Schädigung de.» Mesostriatiitns traten auch Kau- und FrrlWn-uiigen auf.
die man vermeiden konnte- Trotz der wenig umfangreichen Kxstir|k'ition traf man lici der
Operation verschiedene Projektions- lind Assoziationsznge , da die ( )|>erationsstelle den Kren-
zungspunkt verschiedener Bahnen bildet, ein t. 1 instand, dein es wohl zuzuschreiben
ist, daß mau durch die verhältnismäßig geringfügige Operation die erheblichen Sprechstö-
ruugcii hervorzurufen vermochte. Es handelt sich daselbst, wenn wir den allgemeinen Ver-
lauf charakterisieren, erstens um Nervenzüge, die vom Slirntcil des Großhirns zum Kpistrialm»
verlaufen, ferner um solche, die unter Vermeidung des Kpistriatums direkt in die Quer-
faserung einmünden und alsdann kaildolwärts im 'motorischen Felde* zu verfolgen sind;
weiter um Zuge, die vom Me*u- und Hyperstriatum ausgehen, um das Mesoslriatuin herum-
ziehen, gleichfalls in die Querfasenmg gelangen und im •motorischen Felde- zu den unteren
Gehirnlcilen herabsteigen. Ich glaube, daß gerade diese letzteren Fasern, welche bei den
I'ajMgeien ttesonder« stark entwickelt sind, für den Sprechakt Bedeutung besitzen. In den
großen Ganglien des Thalamus, sjie/.iell im Nucleus rotuudiis, war selbst in den Fällen,
wo die Sprachstörung am vollkommensten ausgeprägt war, ein deutlicher -Schwund von
Ganglienzellen nicht nachzuweisen; anscheinend war die Verletzung des Mesostriatiitns, die
sonst einen Untergang der Zellen im Nucleus rotundus nach sich zu ziehen pflegt, zu gering,
um eine weitergehende anatomische Veränderung im Thalamus hervorzurufen.
Ks bliebe schließlieh noch der vordere untere Abschnitt des Kpistriatums
in seinen eventuellen Beziehungen zum Sprcehakle Zu untersuchen. Das Kpistriatiuu zeigt,
wie wir schon oben betonten, in beziig auf Zellgrüße und -annrdnung einen so verschiedenen
Bau. daß man nicht annehmen kann, daß das ganze Ganglion allein mit der Sehfunktion
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7Jcw Großhirn der Papageien.
65
xii tun hat. Du der vordere untere Teil des Epistrielums in dem bei den Papageien be-
sonders gut ausgebildeten Sehläfenteile des Großhirn* gelegen ist, so las es nahe, di«-se
Partie in Analogie zu dein sensorischen Sprachzentrum oder zu der Hörsphäre der
Säuger (H. Münk) zu bringen und hier da« anatomische. Substrat für das Wortlautvcr-
stäudni* xu .suchen. Berücksichtigt man allerdings da» Großhirn anderer sprechender Vögel,
wie das der Raben, so mußte man in dieser Ansicht zweifelhaft werden, da den Raben der
wohlauagebildcte Schläfenteil des Kpislrial um» vollständig fehlt. Doch war andererseits zu
bedenken, daß bei den Papageien das Sprechen tu einer Vollkommenheit sich «hebt, wie
wir ea bei anderen Vögeln, auch hei den Raben, nicht antreffen. Was weiter daran denken
ließ, den vonleren unteren Teil des Kpistriatums mit dem Sprechakt« in Beziehung zu bringe»,
war die • Phonation • , welche von der vorderen unteren Partie des Schiifenteils aus regel-
mäßig durch Reizung mittels schwacher fnradischer Ströme zu erhalten war; s. Nähere.»
üher die Phonation bei der Schilderung der elektrischen Reizungen des Großhirns 8.71.
Irl, habe daselbst auch die Krage, von welchem Gebilde dieser Reizerfolg abhängt , berührt;
es schien mir das wahrscheinlichste, daß es sich um eine Reizung des vorderen unteren
Teiles des Epistriatums handelte, und daß dieser Teil als -Hörsphäre. anzusehen ist, von
der aus, sei es auf dem Wege über das Mesostriatum (durch die Assoziationsfasern) oder
durch direkt nnch unten fühlende Leilungsbahncu die Phunalion hervorgerufen wird, letz-
teres in ähnlicher Weise, wie die Augenbewegungen hei den Säugern vun der Sehsphäre
nus ohne Vermittlung anderer Großhirnteile xu erhalte« sind (H. Münk).
Was die Kxstirpation de» unteren SchLSfrnteiles mit der betreffenden Kpistriatuni partie
betrifft, die ja in erster Linie Aufschluß Aber die Bedeutung gelten konnte, so entstanden
bei der Operation infolge der tiefen I.age der Teile mehr oder minder erhebliche Nehen-
verletzungen . so daß ein sicheres Krgehnis Otter diesen Punkt nicht erzielt werden konnte.
Kxstil pierte man nur ohertliichlirh die Stelle, von der aus sich die Phonation erhalten läßt, ohne
das Kpislristum seilet zu schädigen . also im wesentlichen das Strialum temporale mit den nus
dem KpUlrialuin kommenden feinen Mnrkfasern nebst der umgebenden Ventrikeldecke, so blieb
das Sprechen selbst nach einer iloppelseiligeu Operation erhalten; auch das Nachsprechen erwies
sich nicht gestört, und traten geringe Störungen auf, so gingen sie nach einiger Zeil vorüber.
Die einseitige Kxstirpatiun dex ganzen unteren Schlüfenpoles hatte, mich
wenn sie sehr umfangreich war, wie alle einseitigen Klngrine, keine dauernden Sprcchstö-
rungen zur folge; vgl. S. 6a. Die Dauer derselben hing von der Mitvcrletxiing des Mexo-
strialums ab. Schwere Sehstörungcn auf dem gegenseitigen Auge ließen sich l»ci dieser
Opcraiiun nicht vermeiden, da der untern Teil dea Kpistriatnms sich nicht für sich exslir-
pieren ließ, und ander« für das Sehen bedeutungsvolle Teile des Ganglions mitverletxt wurden.
Bei der doppelseitigen Operation war das Krgehnis gleichfalls von der Größe der Verletzung
abhängig, die das Mesostriatum beiderseits erfuhr. War dieselbe erheblich, so gingen die
Tiere regelmäßig unter KreflstSrungen in kürzester Zeit zugrunde. Blieben sie am Leben,
und zwar dann, wenn ein Mesostriatum weniger stark verletzt war, so hatten sich doch so
schwere Störungen des Allgemeinbefindens eingestellt, daß das vollständige Aufhören
dea Sprechens nicht auf den Ausfall der betreffenden unteren Kpistriaturiipdrtie, .sondern auf
jene allgemeinen Störungen zurückgeführt weiden mußte. Außer motorischen Störungen ver-
schiedener Art und Sehstörungcn boten diese Tiere auch Schädigungen der Intelligenz und
des psychischen Verhalten* ilar; sie reagierten in keiner Weise mehr auf Worte , die man
zu ihnen sprach; auch die früher gesprochenen Worte machten auf sie keinen Kindrork.
.Sie versuchten seil»! nirht mehr einen Laut hervorzubringen. Nur auf starke. Geräusche
t*y*. Abh. »k&t iur Akaxl. ythör. Odtkrkr. J90S. IV. 9
fifi
O. Kalischcr:
schienen sie zu reagieren. Gegeitsüinde, die man ihnen reichte, nahinen sie nicht mehr ah;
wohl aber fraßen sie noch von seihst. Spielbewegungen vermißte man forUu ganz
ihnen; sie drehten sich nicht mehr auf der Stange um. sondern saßen meist ruhig auf der-
selben. Den Kopf steckten sie dabei häutig nach hinten in* Gefieder und schliefen viel.
Die Federn wurden zwar noch ab und zu durch den Schnabel gezogen; aber im ganzen
wurde doch das Gefieder vernachlässigt.
Nach alledem bedarf die Krage, inwieweit der vordere untere Teil des Epislriatums
etwa »als letzte Endigung der akustischen Fasern, in Betracht kommt , noch weilerer Unter-
suchung. Eng schließt sich hier die Frage nach den Wegen an, welche die Associationen
zwischen dein Hören bzw. Sehen der 1'apageien und den Sprechvorgängen vermitteln. Wie
nach unseren Feststelhingen zwei Zentren für die Sehempflndungen, ein» im Mittelhirn und
eins im Großhirn beslehen, «» dürfte vielleicht ein gleiches Veriialten für die Hörompfin-
dungen anzunelunen sein; das Großhirnzeiilnun würde dabei als das jüngere für die höheren
Funktionen (ev. für da* Wortlaulverständnis) in Iletrarht kommen. Aber auch bei diesem
Großlurnzrritrum würde es sich um kein .Kindenzentruni- handeln, da die Endigung der
eventuellen •Uörfasern* im Strialum stattfindet.
Durch Verwendung der liest» preehenden und intelligentesten Tiere ließe sich eine Ver-
vollkommnung der Versuche in obiger Richtung erwarten, Unsere Aufgabe hatten wir
bisher nur darin gesehen, über die motorische Komjioneiite des Sprechvorganges Aufschluß
zu erhalten und die l^ikalisation der Sprechbewegungen im Großhirn festzitxtellen.
4. Reizversuche des Grofihirns.
Nachdem ich iH-rcits früher über die elektrischen Reizungen des Großhirns bei l'apa-
geien und anderen Vögeln berichtet habe, ist es seitdem mein Bestreben gewesen , die damals
gewonnenen Frfahningen an der Hand noch größeren Materials weiter zu kontrollieren und
zu vervollkommnen. Gelegenheit bot sich dazu, indem ich vor und nach den Kxstii pationeri
Großhirnreizungca anstellte, um gleichzeitig den Einlluß mancher Exstirpationen auf die Retz-
erfolge kennen zu lernen. Wenn ich auch der Hauptsache nach meine früheren Erfahrungen
bestätigen kann, so halten doch die weiteren Untersuchungen ergeben, daß manche der An-
gaben einer gewissen Einschränkung bedürfen, insbesondere dort, wo ich von Kinde und
Riudenfeldern gesprochen hal*. da es sich herausgestellt hat, daß eine .Rinde, im Sinne
der Sluger nur in sehr geringer Ausdehnung bei den l'apageien vorhanden ist. Manche
neue Ergebnisse halte ich hinzufügen können, indem es mir gelang, auch vom .Schläfenteile
des Großhirns aus Reizerfolge zu erhalten; alter gerade diese neueren Versuche halten ge-
zeigt, wie schwierig die Beurteilung der Reizerfolge ist, und welcher Vorsicht es bedarf,
um die Resultate der Reizung für die Lokalisalion im Großhirn zu verwerten.
Zur Anstellung der Reizrciauche wurde hei den Papageien in Xthci-narkose der Schädel
in geeigneter Ausdehnung trepaniert, die Dura durchtrennt und zurückgeschlagen. Nachdem
alsdann die Tiere aus der Narkose erwacht und vollständig munter geworden waren, wurde
die Großhirnrinde mit tiein faradisrhen Strome gereizt. Die Elektroden waren mit der se-
kundären Spirale eines Schlitteninduktoriums verbunden, welches von einem Danicllscheii
Elemente gesjteist wurde. Meist kamen ganz feine bipolare Elektroden zur Anwendung;
doch wurde auch mit unipolaren gereizt, ohue daß jedoch dabei, abgesehen von der Möglich-
keit, feiuerc Stellen abzutasten, ein Vorteil sichtbar war.
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Da* Großkirn d*r Papageien.
«7
Von der vorderen Partie des Wulste« aus ließen sich bei den Papageien. eU'iiMt
wie mich l>ei den anderen untersuchten Vögeln, Bewegungen des Beine», des Fußes
ii ml der Zehen erhalten, und zwar die Zehenbewegungen meist bei einer geringeren Reiz-
stärke (bei einem Rollcnabstandc von etwa HO — lio""). Um Bewegungen des Fußes und
de» ganzen lleines (letztere traten selten auf) zu erzielen, war eine größere Stromstärke oder
eine längere Rciziingsdauer erforderlich. Meist erfolgte die Wellenbewegung nur auf der der
Hrizstclle gegenüberliegenden Körperseitc; bei erheblicherer Struinstärk e , die bei den einzelnen
Tieren wechselte, nahmen auch die Zehen der gleichseitigen Körperhälfte an der Bewegung
teil, jetloch war diese Bewegung stets weniger ausgiebig und setzte öfter etwas später ein.
Zur Krziehing der Flögrl-
bewegung, welche oft beide
Klaget gemeinsam, den Flügel
allerdings stärker betraf, be-
durfte man einer beträcht-
licheren Reizgröße als zur
erfolgreiche« Reizung der
Zehen. Auch Augenschluß
und Bewegung des .Schwan-
zes nach der der Reiz* teile
gegenüberliegenden Körpcr-
»eile konnte man durch Rei-
zung des Wulstes hervor-
rufen. Je weiter medial-
wirls man auf dem Wulste
reizte, um so leichter war
der Reizerfolg zu erzielen,
um so ausgiebiger waren die
dabei auftretenden Bewegun-
gen. Ks gelang nicht mit
Sicherheit, bestimmte, ab-
gegrenzte Felder auf dem
Wulste für die Bein- (Fuß-,
ZehenO'und Fliigclbewegiin-
gVn festzustellen. Sind auch,
wie ich nach den Reizuiigsrcsiiltaten annehme, verschiedene Stellen für die verschiedenen
Bewcgungsfoimen vorhanden. *n wechselt dwh die Ausdehnung derselben auf dem Wulste
Ix i den iin*clncn Papageien nicht unwesentlich, überdies kommt nur ein so kleiner Bezirk
nn der Spitze des Wulstes für die Bein- und Flugelhewcgungen ölierhaupt in Betracht, daß
schon daraus die Schwierigkeit einer Abgrenzung von Feldern hervorgeht.
Die elektrischen Erregungen »erden vom Wulste aus durch die Septumfaserung,
speziell wohl durch den Trarlus eo r t ico-se pto -s p i na 1 ix , der von der Spitze des.
Wulstes entspringt, abwart.« geleitet. Wurde dieses Bündel durch einen sagittal von der
Spitze des Wulstes nach hinten geführten .Schnitt dtiiThtrcunt (s. Fig. 3 S. 30). so konnte
man von dem Wulste nunmehr seilet bei Verwendung größerer Stromstärke Fuß-, Zehen-
imd Fliigclbcwcgungcn nicht mehr hervorrufen. Wohl aber tiaten diese Bewegungen noch
9«
88
O. Kai.ischkr:
auf, wenn man den medialen Teil des durchschnittenen Bündels dir Reizung unterwarf. Ks
ist jetzt auch leicht verständlich, weshalb man, je weiter medialwärts man reizt«, einen um
mi stärkeren Kcizcrfolg erzielte; es wurden in diesen Fällen die vorderen Bündel der Se\t-
tuuifaserung direkt gereizt.
Von der jenseits der Kroßen Furche gelegenen Partie des vorderen Teiles
des Großhirns (*. Fi«, i S. n>, d. h. von dem Stirnteil ans ließen sich Kiefer- und
/ u ii ge n be wegu ngen hrrvomifen. Von den Kieferhewegungen, durch die der Sehnabel
geöffnet und geschlossen wurde, waren häufig Kieferschluß und Kleferöffnung nicht gleich-
mäßig gut von einer Seite aus zu erhalten. Konnte man beide Bewegungen von einer Seite
aus erzielen, so war die Lage der beiden Reizpuukte zueinander stets derart, daß der Kciz-
|»unkt für den Kieferschluß weiter narh vom Inj». Die Zungenhewegnngen waren am sicher-
sten von möglichst lateralwat t* gelegenen Stellen aus zu erzielen; oft erhielt man zugleich
Kieferschluß und Vorstrecken der Zunge, niemals dagegen Klefcröffming zugleich mit einer
Zungcnhcwcgiing. In manchen Fällen war rn konstatieren, daß Kieferöffnung bessrr von
der einen Sein-, Kieferscliluß tiesser von der anderen Seit« zu erhalten war, ohne daß für
eine dieser Bewegungen eine bestimmte Seite sich lievorzugt erwies. Die K ieferbe wegungen
waren im allgemeinen bei einem Ralleiiabstande Min etwa 80""' hervorzurufen . die Zungen-
l>ewegungen schon bei einem etwas größeren Hollenabstande.
Nach der Exslirpation eines Stirnteiles mit gleichzeitiger Verletzung des vorderen Teil«
des Mesostriatoiu* sah ich, daß, wenn ich jetzt einige Zeit nach der Operation den normalen
Stirnteil reizte, eine Bewegung der Zunge nach der der Reizung entgegengesetzten Seite er-
folgte. Doch müssen wohl besonders günstige Bedingungen für dieses Verhalten vorhanden
sein, da der Versuch nicht immer gelang.
Ebensowenig wie auf dem Wulste, ließen sirh im StiriUeile bestimmt« Felder für die
verschiedenen Bewegungen abgrenzen, da die Kcizungxresiiltale sehr wechselnde bei den unter-
suchten Tieren waren. Je weiter tateralwarts man reizte, um so sicherer und stärker
zeigt« sich der Rcizerfnlg. Ks kam das daher, weil die Nervenfasern, die den Heiz auf-
nehmen, an der lateralen Seite de.« Stiruteile» gelegen sind. Niherte man die Elektroden
der Unterflächc des Stiruteilex , so traten — etwas nach vorn von der Sylvisrhcn Furche
zu den Kieferbewegungen Kopfbewegungrn hinzu; der Kopf wurde etwas gebeugt und meist
nach der entgegengesetzten Seite gedreht Doch waren diese Drehungen schwer zu ver-
folgen, da man den Kopf nur für Augenblicke freilassen konnte.
Im den weiteren Verlauf der die Erregungen vom Stirtiteile aus leitenden Nerven-
bahnen zu ermitteln, führten wir die Reizungen vor und nach bestimmten Kxstirpationen
und l'ntersrhnridongen aus. Narh einer umfangreirheii Krslirpalion des Kpistriatums und
Ausschaltung der Querfaserting wurden vom Sürnteil aus die Zungen- und K ieferbe wegungen
tiicht mehr erhalten, was als ein Anhalt dafür dienen kann, daß die betreffenden Erregungen
den Stirnteil mit Nervenfasern verlassen, welche vom Slirnteil aus direkt nach hinten ver-
laufen und in die tjuerfaseruttg einmünden, um von da aus nach abwärts zu gelangen.
Vergleichen wir die. Heizerfolge, die sich vom Wulste und vom Stirn-
teile aus erzielen lassen, so sehen wir, daß vom Wulste aus die Bewegungen der Extremi-
täten, vom Stirnteile aus die Bewegungen der Knpfinu*kutatur. speziell die Kiefer- und Zungen-
bewrgungen. zu erhaltrn sind. Von beiden Heizstelleo aus erfolgen l>ei vorsichtiger Reizung
isolierte Bewegungen, und zwar ist für die Wulstreizung eine l>cdeuteiid geringere Heiz-
stärke erforderlich als für die Reizung dps Stirntrilrs. Wir die anatomische Untersuchung
ergab, sind ferner beide Heizungen prinzipiell voneinander verschieden. Bei der Hei-
Dm Großhirn drr Papatfeirn.
6!)
zung de* Wulste* handelt e* «Ich uro eine Art .Rindenreizung. bzw. um Reizung von Rindcn-
fasrrn; liei der Sü'rnhirnreizurig dagegen um eine Reizung de» Striatuina bzw. der daseihat
verlaufenden Nf rveuhahnen. Je mehr Tiere ich untersuchte, um so mehr stellte d sich heraus,
daß »ich eine bestimmte Norm für die Reisstärke und für die Ausdehnung der beiden Reix-
reginneu nicht angeben läßt. Bei größerer Ausdehnung der Entremitätenrcgion waren auch
von lateraleren Partien de« Wulste* aus Reizerfolgc zu enticlen, el>en*ct wie die Kiefer-
zungenregion bei größerer Ausdehnung mehr medialwärts vorrückte. Aber auch in jeder
Reizrrginn waren die tu erhaltenden Bewegungen hej den ventchietlenen Papageien In beziig
auf die Reizstärke verschieden; ho konnte ich mitunter vom Wulste au* Kuß- und Flugel-
bewegung bei einer gleich geringen Reizgrößc erhalten, wahrend in anderen Fällen der oben
erwähnte Unterschied bestand.
K* war. worauf ich schon früher hinwies, eine gewisse Abhängigkeit der Aus-
dehnung und der F.rregharkeit der Großhirnstellen von der mehr oder minder erheb-
lichen Tätigkeit zu erkennen . welche die Tier»- mit den betreffenden (den Gchirnstellen ent-
sprechenden) Muskelgruppen ansfiben. Hei den Papageien , welche ausgiebige Bewegungen
mit ihren Zehen auszuführen pllegten und den Fuß besonders geschickt als Hand zu benutzen
wußten, waren auch die Reizcrfolge besonders gut und schon bei einer schwächeren Reis-
stärke zu erhalten. Bei halbwilden Kakadus waren die Zehen- und Fußhrwcgungen schwerer
in erhalte», leichter dagegen die Schnnhelöffinirig, da diese Tiere hei jeder Gelegenheit den
Schnabel weit aufsperren und denselben verhältnismäßig mehr gebrauchen. Ks sei bei dieser
Gelegenheit noch erwähnt, daß, als längere Zeit nach der Kxstirpation eines Stirnteiles der
andere normale Stirnteil gereizt wurde, auffallend gut von denuell>en aus die Kiefer- und
Zungenbewcgungen hervorgerufen werden konnten, gleich als ob dieser Stirnteil die Funk-
tionen des anderen mitObemommcn hätte.
Augenbewegungen ließen sich durch Reizung des Hintrrhauptsleilrs des Großhirns
erhalten. Die Reizung gelang nicht immer, teils wohl weil die Reizstellen nicht immer leicht
aufzufinden waren, teils weil die Augen tiewegungen bei den Papageien wenig ausgiebig und
darum schwer zu beobachten sind. Ich erwähnte sclion früher, daß man die Augenhcwe-
gungen bei anderen Vögeln, wie bei der Knie, viel leichter erhalten kann. Hie Bewegung
der Augen nach innen konnte ich bei den Papageien niemals bei der Reizung wahrnehmen.
Ha diese Augenbcwegung einen Teil der Akkommodation bildet, diese letztere aber nach
unseren F.xstirpstionsresultaten vom Mittclhirn abhängig ist. so scheint mir dieser negative
Reizerfolg eine Bestätigung der F.TslirpRlionsversuche zu bilden. Dagegen konnten wir in
manchen Fällen die Bewegung der Augen nach hinten , hinten oben und hinten unten durch
Reizung der über dem hinteren Teile dt-s Kpistriatums gelegenen Gn»ßhirn|tartic erzielen
(vgl. Kig. i S. Ii). Diese» Krgehni* spricht, wie ich bereits hervorhob, dafür, daß die
Retina mit Ausnahme ihres lateralsten Teiles, -der Schiinbelzone-, dem Großhirn (F.plstria-
tum) zugeordnet ist. Die Augenbewegungen tieoharhtete ich an dem der Reizungsstelle
entgegengesetzten Auge. Wieweit das gleichseitige Auge an der Bewegung teilnimmt, darüber
müssen weitere Versuche entscheiden.
Die bisher geschilderten Reizcrfolge waren die ersten, die ich kennen lernte; es gelang
mir nun weiter, auch vom Schläfen teile des Großhirns Bewegungeil zu erhalten.
Die ersten Versuche dieser Art machte ich Inn einem Papagei, hei welchem einige Zeit
vorher der vordere Teil des Wulstes mit der Seplumfasrning exslirpiert worden war. Ich
tastete das Gehirn mit den Klektroden ah. um zu sehen, ob etwa ein anderer Hirnteil für
den Wulst vikariierend eingetreten war; und ich glaubte schon, daß das der Fall war. als
70
(). Kalisoheh:
icli vom Kchläfcntcilc aus positive Reizerfolge erhielt. Bald jedorh konnte ich inicli über-
zeugen, daß diese Reizerfolge Ikm jedem normalen 'I*icre zu erzielen waren , ohne dall man
eine Kxstirpation vorausgeschickt hatte. Auch leitete mich hei diesen Reizungen der (lednnkc,
dafi viellciclit von der SehxphRre (Kjiixtriiilnm) aus außer den Augenbewegnngen , die man
jn auch hei den Säugern von dort aus erhält, «och andere Körperbewegungen hervorgerufen
werden könnten.
Bewegungen des Kopfes, der Kiefer, der Zunge, der Beine, der Flügel
sowie die »Phonation« vermochte ich bei der Reizung verschiedener Stellen des Schläfen-
teiles zu beobachten. Die Bewegungen . die man erhielt, waren meist gröber und ausgiebiger,
wenn man sie mit den vom Wulste und Stirnloile aus erzielten Bewegungen verglich. Das
ganze Bein wurde gehoben; die Zehen dabei gleichzeitig gespreizt. Mit den Bewegungen
des Schnabels waren Kopfdrchungeu verbunden, doch mitunter beobachtete ich auch Be-
wegungen de» Fußes für sich oder gar einzelner Zehen. Die Bewegungen betrafen haupt-
sächlich die gegenseitige Körperhälfte; doch ließen sich schwächere Bewegungen auch in der
gleichseitigen Körperhälfte wahrnehmen. Die zur erfolgreichen Reizung notwendige Reiz-
stXrke war ziemlich erheblich (etwa 80 — 70*" RnllenabsUnd); mitunter jedoch geringer
(80—90 ™" Rolleuahstand). Immer aber bedurfte man zur Krzielung der Fuß- und Ftllgel-
hewegungen ein«' bedeutend größeren Stromstärke als hei der Reizung de* Wulstes. Die
Bewegungen von Bein und Flügel waren nicht etwa vom Wulste fortgeleitet; der
Zwischenraum zwischen dem Wulste und der Reizslelle des Schläfenteiles war unerregbar
auch sprach dagegen der oben erwähnte Fall, in welchem nach Diirchschneidung der Keptutn-
faserung der Reizerfolg sich in gleicher Weise vom Nrhliifcnteile aus erhalten ließ.
Noch weniger wie auf dem Wulste und dem .Stirnteile konnte man am Sehllfenteilc
eine genaue Lokalisation der verschiedenen Reizpunkte feststellen — bis auf die Phonation,
welehe stets von derselben Stelle aus zu erzielen war. Doch zeigte sieh insofern eine Über-
einstimmung hei den verschiedenen Reizversuchen, als die Bewegungen der Kiefer, der Zunge
und des Kopfe-« mehr von vorderen, die Bewegungen der Extremitäten mehr von hinteren
Stellen des Schläfenteils aus hervorgerufen werden konnten. In der Textfigur S. 67 Hndet
man die Lage der Punkte zueinander, wie sie häutig zu erhalten waren, angegeben. Wenn
auch die Reizpunkte für die Kiefer- und Zungenbewcgungeu im Scbläfenteile die unmittel-
bare Fortsetzung der reizbaren Stiruteilregion bildeten, so daß man jene Reizcrfolge in un-
unterbrochener Linie vom Stirnteile bis über die Sylvische Furche hinaus zu erzielen ver-
mochte, so bestand doch der Unterschied , daß. je weiter man nach hinten die Elektroden
aufsetzte, um 10 mehr die isolierten Bewegungen aufhörten, und dafür die mehr komplizierten
Hewegungsformen auftraten.
Von welchen Gebilden. Ganglien oder Faserzügen, gingen nun diese Reizerfolge
im SehMfenteile aus? Es konnte sich entweder um eine Reizung des Kpistrialums und der
von hier ausgehenden Nervenfasern oder um eine Reizung der am Mesoslriatnm verlaufenden
Nervenbahnen handeln; auch eine Heizung des Mesostrialuins selbst kam in Frage. F.ine
sichere Kutscheidung darüber war bisher nicht zu erlangen; auf die .Phonation« komme
ich gleich genauer zurück. Nach Exstirpation des Kplstriatmnx ließen sich alle Bewegungen
durch Reizung der Querfaaerung erhalten ; dieselbe leitet jedenfalls die Krregungen nach ab-
wärts, gleichviel wo sie ihren Ausgangspunkt im Schläfenteile haben mögen. Da das Meso-
strUtum von den Reizpunkten des Schläfentcils ziemlich weil entfernt liegt, so sind wir
im der Annahme geneigt, daß das Epistriatum die Erregungen aufnimmt, und halten es
weiter für möglich, daß die verschiedenen . Reizeigehnissc« als Folgeerscheinungen der durch
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Da» Großhirn dir Pn/Kiyrim.
71
die Keixung der *Srlwpliäre- hervorgerufenen n|.tischeii Eindrücke entstehen, in gleicher
Wein*, wie die Augeiiltewegungen hei der Reizung der Sehsphire der Kluger eintreten.
Wenn dem so wäre, xu bedürfte es noch der weiteren Forschung, oh die Erregungen von«
Epistriatum aus direkt auf zentrifugalen Bahnen oder auf dein Umwege Aber das Mnsoslria-
bim nacli abwärts gelangen.
Die Phonation, auf welche ich schon bei der Untersuchung des Sprechens der
Pa|>egeien (S. 65) aufmerksam gemacht habe, unterscheidet »ich von den übrigen Hei/erfolg™
am Schläfenteil besonders dadurch, daß sie ganz regelmäßig von ein und derselben
Stelle erhalten werdet! konnte. Oer Reizpunkt. dessen Lage aus der Figur S. 67 zu er-
sehen ist, findet sich am vorderen unteren Pol des SchliifeutelleK , dort wo derselbe noch
von freiem Pallium bedeckt Ist. Außerhalb des freien Palliums war die Phonation nicht
mehr zu erzielen. Es bedarf zur erfolgreichen Reizung dieses Punktes, welcher den tiefst-
gclcgencn Reizpnnkt am Scliläfentcite bildet, meist nur einer sehr geringen Rcizstärkr;
es reichten oft schon etwa 120 — 130'"" Rollcnahstand aus, wahrend alle übrigen Heil-
erfolge eine weit größere Rcixstärke erfordern. Bei einer erheblicheren Heizgröße waren
von dem Punkte aus wohl auch Kiefer- und Zungenbewegungen hervorzurufen ; dirsclhen
ließen sich aber von drn umgebenden Partien meist noch deutlicher erhalten, wahrend die
Phonation aucli bei einer größeren Heizslürke nicht von den Nachbargebieten aus zu erzielen
war. Bei Reizung der Pbotiationsstelle , die ungefähr über dem vorderen und unteren Teile
des Epistriatums gelegen ist, gaben die Tiere einen deutlich artikulierten kurzen
Laut von sich, der einmal einen etwas höheren, ein anderes Mal einen etwas tieferen Klang
hatte. Es war ein ähnlicher Laut, wie ihn die Papageien hervorbringen, wenn mau sie
aufschreckt oder etwa am Flügel reizt. Durch längere oder kürzere Reizung der betreffenden
Stelle konnte man einen länger oder kürzer andauernden Ton erzielen. Sooft man auch
die Stelle hintereinander reirte, immer wieder erfolgte regelmäßig die -Phonation*. Es
handelt sich bei derselben um einen komplizierten Bewegungsorgan*, indem neben <leu
Kehlknpfhewegungen regelmäßig auch eine Atenibewrgung (Kuspiralioti) durch die Hei-
zung ausgelöst wird. Die Phonation ließ sich im allgemeinen hei demsellwn Tiere gleich-
mäßig gut von beiden Hemisphliren aus hervorrufen. Je besser und artikulierter
der Papagei sprach, um so leichter erfolgte die Lautgebung bei der Reizung der Phonations-
stelle, eine um so geringere Reizstärke war erforderlich. Bei Tieren, die keine artikulierten
Uule von sich gaben, wie z.B. bei zwei Hosonkakadus, die nur zwitscherten, gelang ex
Weiler links noch rechts, die Phonation zu erhallen; auch bei anderen Kakadus, die selten
sprachen, konnte muri die Phonation nur unter Anwendung größerer Relxatärke hervorrufen.
Sicherlich werden die Erregungen, die zur Phonation fuhren, in der •Querfaserung-
fortgeleitet. Wenn nach Exslirtiation des Epistriatums (>ei direkter Reizung der (Juerfase-
rting es wohl zu Bein- und Kieferbewegungen kam. die Phonation aber nicht gelang, so
ist das wobl darauf zurückzuführen, daß nur wenige Fasern, die schwer zu treffen sind,
den Heiz kaudalwärts leiten. Fragen wir jetzt, wo wir die Aufnahmestätte der zur Pho-
nation führenden Erregungen suchen sollen, so kommt die Ventrikeldecke, welche die Reiz-
steile überdeckt, nicht in Betracht. Nicht nur daß dieselbe der nervösen Elemente (Nerven-
fasern) entbehrt, so wird auch der Phonatioiuduut noch deutlicher nach ihrer Entfernung
und erscheint bei geringerer Reizstarke, wenn man die Elektroden an gleicher Stelle direkt
auf das Strialum aufsetzt. Daß durch Reizung eines bestimmten Teiles des EpUtrialuma
selbst, entweder durch Beizung der /eilen oder der daseitut entspringenden Nervenfasern,
der PhonatioDston hervonrebiacbt witd, dafür spricht, daß derselbe selion bei so geringer
72
0. Kalikcher:
Reizstärke erscheint, daß man eine Fernreizung des Mrsostriatuma oder der dasselbe um-
gebenden Nervenzüge, was noch in Betracht käme, nicht annehmen kann. Ferner fallt für
die Heizung de» Epistriatums ins Gewicht, daß die Reizstello eine «o konstante und
zirkumskripte ist. Handelt es sich aber um die Reizung einer bestimmten Partie des
Epistriatums, so liegt es, unter Berücksichtigung der im Kapitel über das Sprechen der
l'ajtageien angeführten Momente (S. 65) nm nächsten, daseltiAt das Hünen trum — die
letzte Kndigung der Akostikusfasern — anzunehmen , von wo aus sei es auf dem Wege über
das Mesustriatum , sei es durch direkt kaodalwarta fuhrende l>eitungsl>ahneii die » Phonation ■
zustande konunt. .Man hatte mich daran denken können, daß die Phonation von der Seh-
sphäre des Epistriatums aus als Reaktion auf die durch die Reizung hervorgerufenen Gr-
sichtseindrücke erfolgte, in ähnlicher Weise, wie irli es l«i <lcn andere« Reizerfolgen des
SchläTenleilcs für möglich erachtete (s. S. 70). Alsdann wäre aber nicht einzusehen, wes-
wegen die Phonation regelmäßig nur von der einen zirkumskripten .Stelle aus zu erhalten
war, die doch nur einem bestimmten Teile der Retina entspräche; gal>en doch die Tiere
Laute in gleicher Weise von sich, mochte man bei der Prüfung des (iesichtsfeldrs diese
oder jene Stelle der Retina treffen, und war doch andererseits nach unserer Annahme eine
Projektion der verschiedenen Teile der Retina auf das KpistriaUun vorhanden.
Zum Schlüsse sei hier noch ein Kall angeführt, welcher zeigt, wie großer Vorsicht
und Kritik es bei der Beurteilung der Reizerfolge und ihrer Verwertung für die Lokatisatiou
bedarf: Nach einer sehr umfangreichen KxxtirpatUm einer llrtuispltare (mit Durrlischneidung
der Schräg- und Querfaserungj ließ siel) vom Wulste dieser Seite aus einige Wochen
nach der Operation nicht nur wie gewöhnlich ein positiver Keizcrlblg in bezug auf die Bein-
und Klagelbewegung auf der Gegenseite erhallen; sondern es traten von der gleichen Rciz-
atellc aus auch noch Kiefer- und Zungenbettcgungen und die -Phonation, auf; und dazu
bei einer außergewöhnlich geringen Reizstärke, bei einer Keizstirkc, !>ei der Zehenbewe-
gungen sonst bei einem normalen Tiere vom Wulste aus nicht zu erhalten sind. Daß die
Krrrgungen in diesem Kalle ausschließlich in der Septumfaserung abwärts geleitet wurden,
ergab das Verhalten nach der Durchschncidinig dieser Kaxerung; alsdann ließen »ich die
genannten Reizerfolge vom Wulste aus nicht mehr hervorrufen. Ks kann hier nicht die
Rede davon sein, daß etwa der Wulst für die exslirpierlen Teile vikarierend eingetreten
war. Ks waren hier vielmehr, so muß mau annehmen, durch die umfängliche Kxstirpation
besonders günstige Bedingungen zur Kurllei long der Krrrgungen nach den verschiedenen
Stelleu der untere« Gehiniteile geschaffen.
Ehe ich mich zu den Störungen der Bewegung und r'mpfindung und ihrer Lokalisation
im Großhirn wende, seien hier einige Bemerkungen über das Verhalten dieser Funktionen
und ihre Prüfung bei normalen Papageie» vorausgeschickt:
Die Störungen der Bewegung ließen sich besonders gut am Beine und Fuße der
Papageien beobachten. Reicht man den Tieren einen etwas größeren Gegenstand . /. 8. ein
Stück Mohrrübe, in den Schnabel, so greifen sie alsbald mit einem Fuße nach dem Stück,
um jetzt, wahrend die Zelten es umfassen, Stückchen für Stückchen davon abltcißeu zu
können. Das verkleinerte Stück wird immer von neuein geschickt von den Zelten wieder
umfaßt, bis das ganze Stück verzehrt ist. Dieser ganze Vorgang, welchen ich als -Kuß-
5. Bewegung und Empfindung.
Da* Großhirn dir Papageirn.
73
Schuabolversurh. bezeichne, ist. wie ich feststellen konnte, vom Gesichtssinn unabhängig.
Blinde Papageien (deren Augenlider durch Nähte verschlossen sindl. pflegen die geschilderten
Bewegungen ebenso geschickt wie sehende Papageien auszuführen. Nur daß blinde Papa-
geien immer wieder durch äußere Reize zur Wiederholung der einzelnen Bewegungen angeregt
werden müssen. Gab ich einem blinden Papagei ein Stück Mohrrübe in den Schnabel,
so griff derseltie sofort mit einein Fuße danach, gleich wie das sehende Tier. Stall jetzt
aber immer von neuem den Fuß zum Schnabel zu fuhren, um ab».elßeii zu können, ließ er
den Fuß, der das Stück umfaßt hielt, herabsinken, und erst, wenn man den Fuß drückte
oder reizte, hob er ihn zum Schnabel, biß ein Stück ab. ließ aber darauf den Fuß samt
der Mohrrübe wieder herabsinken, bis derv-lbr von neuem gereizt wurde.
Diese Fuß -Schnabelbewegung, bei welcher die Tätigkeit des Fußes und des Schnabel*
ineinander greift, wird von den Papageien in »o gleichmäßiger Art und Weise von
früh auf ausgeführt, daß sie den Eindruck einer -reflektorischen Bewegung, hervorruft.
F.ine andere Art der Bewegung des Beine» beobachten wir, wenn der Papagei den
Fuß nicht zum Schnabel führt, sondern mit demselben nach Gegenständen greift, die man
hoher oder tiefer dem Tiere nähert. Diese Bewegungen, welche unter der Kontrolle des
Gesichtssinnes des Papageis vor sich gehen, werde ich im folgenden ab •Orelfversucb«
bezeichnen. Weiter kam die Bewegung der Beine und Füße beim Klettern zur Beobachtung.
Besonders wenn die Tiere langsam am Bauer henimklettern, sind geringe Störungen auch
dano schon wahrzunehmen, wenn der Fuß - Sehnabel versuch noch keine auffallenden Stö-
rungen darbietet. Klettert das Tier dagegen schnell am gewohnten Bauer herum, so treten
etwaige Störungen weniger hervor.
Auch gewisse reflektorische Bewegungen lassen sich am Fuße und an den Zehen
konstatieren. Streicht man bei dein auf der Stange sitzenden Papagei vorsichtig über die
vorderen zwei Zehen hin. so werden dieselben gestreckt; streicht mau stärker oder bis zum
Fuß hinauf, so wird der Fuß ein wenig von der Stange abgehoben, einen Augenblick frei
in der l.uft gelullten und alsdann wieder wie vorher aufgesetzt.
Die Bewegungen der Flügel und ihre Störungen waren bei den Tieren weniger gut
zu beobachten, da die zahmen Papageien die Flügel im Bauer nur wenig gebrauchen;
besser gelang es bei jungen Kakadus, die noch nicht lange in Gefangenschaft waren und
bei der geringsten (ielegenheit, wenn man sie aulscheuchte, die Flügel ausbreiteten. Die
Sensibilität war gut an den Füßen und Flügeln zu prüfen. Das Berührungsgefühl ist
namentlich an den Flügeln der Papageien außerordentlich fein ausgebildet; schon die
zarteste» Berührungen werden wahrgenommen und mit Ahwehrliewegungen beantwortet.
Die Vergleichung beider Seiten zeigt dabei . ob auf einer Seite eine Herattsetxung des
Gefühls besteht. Die mitunter auftretende Ausbreitung eines Flügels oder beider Flügel
nach der Berührung eines Flügels ist wohl als eine »reflektorische- Bewegung aufzufassen.
Meist dreht der Papagei, wenn nun den vorderen Teil eines Flügels berührt, den Kopf,
eventuell auch den Oberkörper, nach der Seite der Berührung, während die Berührung des
hinteren Teiles dr.s Flügels oder der Schwanzfedern meist eine vollständige Umdrehung des
Tiere« nach dieser Seile zur Folge hat. Selten greift der Papagei nach der berührten Stelle
mit dem Schnabel, um die betreffende Feder durch den Schital>el zu zielten. Häu6ger kann
man eine derartige genauere Lokalisation der Berührung«- oder Druckempfinduug an den
Füßen und Zehen des Papageis erreichen. Wenn man eine Stelle eines Fuße* oder eine
der Zehen berührt oder drückt, greifen manche Papageien mit dem Schnabel nach der be-
treffenden Stelle.
Phyt Abk. nicht tur Akad. phär. GtUKrler. 1905. IV. 10
74
(). K A I- 1 S C II ER :
Die Störungen des Lngrgefuhls waren leicht zu erkennen ; sie traten schon hervor,
wenn der Papagei ruhig auf der 8tange saß. Man sah ihn die Zehen falsch aufsetzen —
»tau zwei vorn, zwei hinten setzte er z. B. drei Zehen vom, eine hinten auf — ; man sali
ferner du Bein vor der Stange herunterhängen , ohne daß da» Tier diese fehlerhafte •Stellung
korrigierte.
Die Prüfung der Sensibilität wurde am heuten hei verschlossenen Augen der Tiere
ausgeführt, da bei dem großen Gesichtsfelde derselben man sonst nicht leicht entscheiden
konnte, ob die Umdrehung auf die Berührung oder auf einen Gesichtseindnick hin erfolgte.
Es seien bei dieser Gelegenheit einige Worte Ober das Verhalten blinder Papageien
beigefügt: die Augenlider wurden mit zwei oder drei Knopfnähten vernäht, alsdann mit
einer dünnen Schicht Walte bedeckt und die Walte mittels Kollodiums befestigt. Meist
blieben die Augen auf diese Weise etwa i bis 14 Wochen verschlossen; dann gelang es
den Tieren, nach wiederholten Versuche« . mit den Füßen den Verband zu lockern.
Im Gegensätze zu vielen anderen Vögeln, die ich untersuchte, wissen sich die meisten
Papageien, nachdem die Augen verschlossen sind, sofort im Rsuer »1 orientieren; sie suchen
gleich die Stange auf, gehen an die Kutternapfe, um zu fressen, klettern hinauf und her-
unter und lernen auch, wenn man sie in ein anderes, ihnen unbekanntes Bauer setzt, die
neuen Verhältnisse schnell kennen. Ihre Bewegungen sind allerdings, namentlich in der
ersten Zeit, sehr bedachtig und ruhig. Zuerst putzen sie ihre Federn nicht, so daß ihre
Finge! bald ein struppiges Aussehen erhalten; aber nach einiger Zeit tritt auch hier eine
Änderung ein; sie fangen wieder an, ihre Federn wie früher durch den Schnabel zn
ziehen. Sprechende blinde Papageien sprechen weniger als vorher. Je intelligenter der
Papagei ist, um »0 lebhafter und munterer zeigt er sich, und um so schneller orientiert er
sich in der Blindheit. Das Klettern erfolgt weniger geschickt, da die Tiere daliei der
Augenkontrolle bedürfen. Der • Fußschnabel versuch« wird dagegen, wie ich schon erwähnt«,
el>enso geschickt wie vorher ausgeführt.
Die Störungen der Bewegung und Empfindung hatte ich zuerst bei Papageien beob-
achtet, denen ich eine ganze Großhirnhemisphäre exstirpierte. Bei diesen Tieren
war nach der Operation in der gegenseitigen Körperfaälfte eine vollständige Lähmung auf-
getreten. Die Tiere konnten nicht auf der Stange sitzen , aber auch auf dem Boden ver-
loren sie leicht das Oleichgewicht und fielen nach der gelähmten Seite hin um; sie standen
meist mit der gelihmten Seite an die Wand gelehnt. Die Zehen des gelähmten Fußes
waren eingeschlagen; Bewegungen wurden mit dem Beine fast gar nicht ausgeführt. Die
Störungen der KlOgelbewegung traten hervor, wenn man die Tiere aufscheuchte. Wahrend
dabei der eine der exstirpierten Hemisphäre gleichseitige Kluge! wie vorher ausgebreitet
wurde, nahm der andere an der Bewegung nur in unbedeutendem Umfange teil; nur eine
Andeutung von Mitbewegung war erkennbar. Leider nahmen die Tiere keine Nahrung zu
sich, tranken auch nicht, so daß sie nach wenigen (3 bis 5} Tageu zugrunde gingen (trotz
künstlicher Zufuhr von Milch). In dieser kurzen Zeit, die sie lebten, war eine sichtliche
Besserung der Lähmung nicht erfolgt.
Als wir jetzt dazu übergingen, Teilexstirpationcn vorzunehmen und damit begannen,
größere Abschnitte einer Großhirnhemisphäre zu exstirpieren , stellte es sich zunächst
heraus, daß im Anschluß an die Operation, gleichviel, wo die umfangreiche F.xstirpatlon
vorgenommen war, anfangs schwere Störungen der Bewegung und Empfindung in der gegen-
seitigen Körperhllfte eintraten. Kxstirpierten wir x. B. durch einen Horizontalschnitt die
ganze obere Partie der linken (J roßhirnhemisphlre, nämlich einen Teil des
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Dan Großhirn der Papagtirn.
Stirnbirn«, die Wulstrcgion und die angrenzenden lateralen Partien, »o bot «ich um anfangs
folgendes Bild dar: die auftretenden Störungen betrafen die rechte Körperhälfte und
waren besonders an Flügel und Bein deutlich zu erkennen. Das rechte Bein und der
rechte Fuß wurden schlecht und ungeschickt bewegt. Abgesehen davon, daß der Fuß nicht
tum Schnabel geführt werden konnte, wie ea vor der Operation geschah, wurde die Stange,
auf der der Papagei alahald nach der Operation zu aitzen vermochte, von dem rechten
Fuße nur mit unbedeutender Kraft festgehalten. Hob das Tier den Unken Fuß in die
Höhe, so verlor es leicht das Gleichgewicht, da der rechte nicht hinreichend fest die
Stange zu umklammern vermochte. Die Störungen, die am rechten Flügel zur Beobachtung
kamen, bestanden darin, daß der Flügel nicht mehr gleictimlßig mit dein anderen Flügel
bewegt und auagebreitet wurde. Scheuchte man das Tier auf. so trat diese Asymmetrie
in der Flügelausbreitung deutlich hervor. Die bestehende Störung inachte «ich weiter be-
merkbar, wenn das Tier die FIAgel wieder einzuziehen suchte. Wahrend der linke Flügel
inlt Kraft und Schnelligkeit seinen Platz an der Seite de» Tieres erreichte, verharrte der
rechte ausgebreitete FlOgel noch einige Zeit in dieser Stellung, und man konnte erkennen,
daß es dem Tiere große Schwierigkeiten machte , den gelähmten Flügel wieder in seine ge-
wohnliche Lage zurückzubringen. Aber auch nachdem dies gelungen war. sah man, daß
der Flügel weniger dicht dem Körper sich angelegt hatte als der linke. Versuchte man
die Flügel vom Körper mit einem Stabe abzuziehen und auszubreiten, so gelang dies leicht
mit dem geschädigten rechten Flügel , während man bei dem linken auf erheblichen Wider-
stand stieß. Mit diesen Störungen der Bewegung waren gleichzeitig Störungen der Emp-
findung verbünde»; alle Ecnpßtidungsqualitäten waren herabgesetzt. Berührte man oder
drückte man leicht den rechten Fuß oder seine Zehen, so reagierte da» Tier nicht; erat
hei stärkerem Drucke wurde der Fuß weggezogen, nachdem das Tier sichtlieh Schmerz
empfunden hatte. Dagegen hatte bei dem linken Fuße schon eine geringfügige Berührung
das Wegziehen und Hochheben des Fußes zur Folge. Die Empfindlichkeit war auch an
dem rechten Flügel verändert. Berührte man dieaen Flügel vorsichtig und suchte man ihn.
ohne das Tier im ganzen tu erschüttern, vom Körper abzuziehen, so wehrte sich das Tier
zunächst dagegen nicht, währeud beim linken Flügel dieser Versuch alsbald Abwehr-
liewrgungen hervorrief; erst bei stärkerem Druck traten solche Bewegungen auch beim
rechten Flügel ein. Auch die Lageempfindung dieser Körperteile, des Beines und Flügels,
hatte gelitten. Besonders am Raine ließ sich dieser Verlust gut demonstrieren. Wenn der
Papagei auf der Stange saß, konnte man das rechte Hein von der Stange wegnehmen und
in verschiedene Stellungen bringen, ohne daß Abwehrbewegungen erfolgten. Ließ man es
vor der Stange herunterhängen , so verging einige Zeit, bis das Tier eine Änderung be-
wirkte. Kin Vergleich mit dem anderen Beine, bei welchem diese Versuche unausführbar
waren, bestätigte das abweichende Verhalten de» geschädigten Beines. Bei dem Bemührn.
den herunterhängenden Fuß wieder auf die Stange ku bringen, griff das Tier erst mehrmals
vorbei, ehe es ihm gelang, dieselbe sicher zu fassen. Auch die Art und Weise, wie der
Fuß aulgesetzt wurde, war zu beachten. Während nnrmalerwebe die Stange von dem
Fuße in der Weise festgehalten wird, daß die zwei mittleren Zehen nach vorn, die zwei
äußeren nach hinten hinübergreifen, fand sich bei dem geschädigten Fuße ein ganz wechselndes
Verhalten; bald sah man zwei, bald drei Zehen vorn, ohne daß eine IteKelmäßigkcit bestand.
Kletterte das Tier am Drabtkäßge in die Höbe, so bereitete ihm das Zugreifen mit dem
geschädigten Fuße sichtlich Schwierigkeiten; es griff häufig vorbei und zwischen den Draht-
aläben hindurch: hatte es alsdann mit dem Fuße glücklich zwei DrabUtäbe umfaßt, so
10«
76
O. Kausche«:
konnte man nicht selten beobachten, daß das Tier infolge mangelnder motoruchcr Kraft
dieses Fuße* an den Dnditstäben herunlerglitt.
Von Tag zu Tag machte «Ich bei den beschriebene«, im Anschluß an die Operation
entstandenen Störungen, zu denen (Ihrigen* auch Sehstorungen gehörten, eine Besserung
bemerkbar. Ks kam xu einer Wiederherstellung der geschädigten Funktionen;
die Besserung nahm dabei so schnell zu, daß die wesentlichsten Folgen der Operation sich
nach etwa drei Wochen fast ganz zurückgebildet hatten, und nur bei aufmerksamer Beob-
achtung sich vielleicht noch ein Rest der ursprünglichen Störungen erkennen ließ. Dabei
sei erwähnt, daß die Störungen der Flogelbewegung sich weit schneller ausglichen als die
Störungen des geschädigten Beines.
Die Besserung, die in dem vorliegenden Kall eintrat, war unabhängig von der nor-
malen rechten Großhirnhemisphäre; als wir nachträglich diese operierten, hatte die Operation
keinen Einfluß auf die durch die erste Operation geschädigten und später gebesserten Funk-
tioneo der rechten Körperhälfle. Auf die Ursachen der Restitution nach Großhirnoperationen
bin ich schon in der Einleitung (8.33) eingegangen; was ich daselbst ausgeführt habe, gilt
besonders von der Restitution der Bewegtingen, welche hei der dortigen Betrachtung auch
den Ausgangspunkt gebildet hat. Wenn aber auch, wie wir sahen, nach jeder Operation
ein Teil der anfänglichen Störungen sich ausglich, so zeigte es sich doch im Laufe der
Untersuchungen . daß nach der Kx&tirpation mancher Teile des Großhirns gewisse Störungen
der Bewegung und Empfindung für die Dauer bestehen blieben.
Weiter in der Erkenntnis der Lokalisation der Bewegung und Empfindung im Groß-
hirn zu kommen, gelang uns erst, als wir daran gingen, kleinere Teilexstirpauonen
vorzunehmen und entsprechend den anatomischen Ergebnissen einzelne Nervenbahnen und
Abteilungen des Großhirns in ihrem Einfluß auf jeaie Funktionen untersuchten.
Zunächst nahm dabei der .Wulst» mit der von ihm ausgehenden Septumfaserung
urtierc Aufmerksamkeit in Anspruch, da durch die elektrische Reizung sich von dieser Partie
des Großhirns aus isolierte Bein-, Kuß- und FlOgelbewegungen schon bei geringer Reizstärke
erhalten ließen, und man daraus auf engere Beziehungen dieses Teiles zu den Extremitäten
schließen konnte. Überdies schienen uns die von der Spitze des Wulstes entspringenden
Nervenfasern auch ihrem Verlaufe nach der Pyramidenbahn der Säuger vergleichbar zu sein.
Wir haben nun sowohl die Septumfaserung an ihrem Übergänge zum Wulste <s. Flg. 4 S. 46)
mittels eines an der Grenze des Wulstes verlaufenden sagitulen Schnitte» durchschnitten, als
auch den Wulst selbst exstirpiert. Beide Operationen hatten ungefähr das gleiche Resultat
zur Folge. Führte man die Operationen mehr in der vorderen Wulstpartic aus, so traten
weder Freß- noch Sprech- noch Sebstörungen , auch nur zeitweilig, auf, auch wenn die Ope-
ration dop|>elseilig zur Ausführung kam. Bei meinen ersten Versuchen waren stärkere mo-
torische und sensible Störungen in der gegenseitigen Körperbälfte entstanden ; je vollkommener
jedoch später die Operationen gelangen , um so geringere Störungen waren in der Folge zu
bemerken. Aber seihst wenn die Operation mit großer Sorgfalt unternommen wurde, und
unangenehme Zufälle, wie Blutung in den Ventrikel, ausbliel»en, konnte man doch gewisse
•Störungen in der Bewegung*- und Kmpfindungssphäre konstatieren, die sich allerdings nach
kurzer Zeit zurückbildeten; ebenso waren übrigens auch die stärkeren Störungen wieder zu-
rückgegangen, die ich im Anschluß an meine ersten unvollkommeneren Versuche beobachtet
hatte.. In den reinsten Fällen waren an dem gegenseitigen Fuße geringe LagegefOhls-
störungen in den ersten Tagen nachweisbar, kenntlich an der falschen Stellung der Zehen,
während der Papagei auf der Stange saß; auch beim Klettern machte sieh diese Störung
Das Großhirn der Papatjrirn.
77
bemerkbar, indem das Tier weniger sicher die I>rahtstabe des Käfigs
Zittern des Beines trat auf. wenn der Papagei mit dem Fuß einen ihm gereichten Gegen-
stand ergreifen wollte. Der .Fußsclmabel versuch- (s. S. 7a) könnt« gleich nach der. Ope-
ration wieder ausgeführt werden, wenn sich auch dabei eine leichte Ataxie des Beines in
den ersten Tagen zeigte. Auch bei verschlossenen Augen ging dieser Versuch aUbald gut
voitstatten, ein Beweis, daß zu seiner Ausführung auch nach der Exstirpation die Kontrolle
der Augen nicht notwendig war. Die BerOhrungsempfindlichkeit der Flügel wie auch des
Fußes war nur in den ersten zwei Tagen nach der Operation etwas herabgesetzt. Die Rück-
bildung der leichten Störungen hing nicht ron dem vikariierenden Eintreten der normalen
Hemisphäre ab; denn nachdem man eine gleiche Exstirpation hier vorgenommen hatte, blieb
die eingetretene Besserung des erst geschädigten Beines besteben, und es traten nicht wieder
die anfanglichen Störungen ein.
Da die W.ilstregion , worauf ich schon hinwies (8. 17), die einzige .Stelle am Großhirn
ist, welche ab .Rinde- in Betracht kommt, so mag hier »«tont sein, daß die Exstirpation
dieser Partie, auch die doppelseitige, keinen sichtlichen Einfluß auf die psychische Tätigkeit
der Papageien ausDhtc; die Tiere zeigten dasselbe Verhalten wie früher; ihr Wesen gegen-
über der Umgebung war nicht verändert So sehen wir denn, daß nach der Schädigung
der Septumfascrung, speziell der die elektrischen Reize Air die Extremitäten abwärts leitenden
Nervenfasern , keine erhebliche und nur vorübergehende Bewegungsstörungen auftreten. — Nach
der Durchschneidung des hinteren Teiles der Septnmfaserung, wozu in erster Linie der
Tractus -cortico- haben ularis« (s. S. 23) gehört, waren unbedeutende und schnell vorüber-
gehende Sehstörungen »1 bemerken, die wohl auf die indirekte Schädigung der Kehsphlre
zurückgeführt werden müssen.
Das Hyperstriatum. dem wir uns jetzt zuwenden wollen, steht bei seiner großen
IJingsausdehnung zu verschiedenen Hirnteilen in Beziehung. Die Pars frontalis, welche
bei der Exstirpation des Stirnteiles des Großhirns mjtbelroffen wird, kommt bei den Freß-
und Sprechstönwgen in Betracht Hier handelt es sich um die Bedeutung der Pars parie-
tal is und occipitalis für die Bewegung und Empfindung. Die Schädigung des Hyperstriatums
wurde entweder mittels einer umfassenden Exstirpation erzielt, indem man durch einen
HnrizonUUchnitt die Konvexität einer Hemisphäre samt dem Wulste in mehr oder minder
großer Ausdehnung abtrug; oder es wurde durch einen Horizontalscbnitt das Ganglion unler-
schnitten, indem man das Messer lateralwarts und unterhalb von der Wulstfurche in horizon-
taler Richtung in das Gehirn einstach, ohne jedoch Ms zum Ventrikel vorzudringen, und
weiter in horizontaler Richtung nach hinten zu den Schnitt verlängerte; vgl. Fig. 4 S. 46,
in welcher die SchnittfOhrung durch die gestrichelte Linie (6) markiert ist Da auf diese
Weise die große Vene an der Oberfläche des Gehirns geschont, und die Eröffnung des
Ventrikels vermieden wurde, so waren die indirekten Störungen erheblich geringer als bei
der betreffenden Exstirpation. Allerdings wsr auch die Unterschneidung keine ungefährliche
zum Tode der Tiere fahrte. Bei der Operation wurde die gesamte, zu dem Hyperstriatum
hinziehende Faserung durchschnitten; ebenso die vom Mesostriatum her zum Wulste ver-
laufenden Fasern, wahrend die vom Wulste ausgehende Septumfaserung erhalten blieb. Die
nach der LTnterschneidung des Hyperstriatums auftretenden Störungen der Bewegung und
Empfindung waren den nach der Exstirpatinn des Wulstes beobachteten Folf
ähnlich; jedoch von Anfang an erheblicher und von längerer Dsuer. In de:
der Operation wurde der gegenseitige Fuß gar nicht als Hand
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7S
ü. Kalischer:
nach drei bis vier Tagen macht« der Papagei die ersten Versuche in dieser Richtung, die ihm
zuerst noch nicht vollkommen , aber bald wieder wie früher gelangen. Auch bei verschlossenen
Augen wurde der Fuß-SchnsbeWersuch bald sicher ausgeführt. Nur die beim Klettern auf-
tretenden Störungen , die in einem leichteren Abgleiten und in einem weniger sicheren Zufn-v-sen
des geschädigten Fußes au erkennen waren, blieben langer (etwa zwei bis vier Wochen) be-
stehen. In der Fingelbewegung war in der ersten Zeit eine geringe Störung in dem Sinne,
wie ich sie üben <ö. 75) beschrieben habe, wahrzunehmen. Was die Sensibilität beträft,
so war nur in der ersten Zeit nach der Operation die Bertthrwigsempfiodlichkeit an Flögel
und Bein herabgesetzt; und geringe Lagegefö Iiisstörungen ließen sich ebenfalls kurze Zeit
beobachten. Die Lokalisation der Tastempfindungen blieb erhalten; drückte ich
die Zel»en oder den Fuß an irgendeiner Stelle, so griff der Papagei nach dieser Stelle mit
dein Schnabel ; nur in den ersten Tagen nach der Operation wurde öfter die gedrückte Stelle
nicht richtig getroffeu. So hätten wir denn bisher keine dauernden Folgeerscheinungen nach
der Schädigung des llyperstriatums kennen gelernt. Auch die Störungen, welche tisch der
umfassenden Exstirpatiou auftreten, waren, wenngleich sie anfangs erheblieb starker sich
herausstellten als nach der Unterschneidung . doch nach einiger Zeit wieder ganz zurück-
gegangen. Die beobachteten anfänglichen Störungen reichten aber bei weitem nicht aus,
um die Bedeutung eines so mächtigen Ganglions, wie es das HyperstriaUini ist, zu erschöpfen,
um so weniger, als diese Störungen sicherlich zum großen Teil als •indirekte* (S. 33) zu
deuten waren und auf den • nervösen Fern Wirkungen« auf die tieferen Gehiniteile beruhten.
Im Verlaufe der weiteren Untersuchung gelang es uns nun, eine dauernde Folge-
erscheinung der Hyperstriatum Verletzung in den nach der Operation auftretenden
Drehstörungen aufzufinden; die operierten Tiere drehten sich fortan ausschließlich nach
der Laesionsseite oder bevorzugten die Umdrehung nach dieser Seite, besonders wenn der
Gesichtssinn durch V'erschließung der Augen ausgeschaltet war. Ich komme auf diese Dreh-
störungen . die noch von anderen Einflössen abhängig sind, in einem liesonderen Kapitel
<S.oo> zurück.
Die Verletzung des Hypei-striatuins (Pars parietalis et oceipilalis* rief — das sei noch
beiläufig erwähnt — weder Freß- noch Sprechstörungen hervor. Wenn die Exstirpatiou
die Pars oecipitalis betraf, traten vorübergehend fiehslöruiigen in dem gegenseitigen Auge
ein, die wohl auf die indirekte Schädigung des Eplstriatums zu beziehen waren.
Im Gegensätze zu den bisher besprochenen Ezstirpationen hatten Schädigungen, die
das Mesostrlatum betrafen, dauernde Störungen in der motorischen und sen-
siblen Sphäre zur Folge. Wegen seiner tiefen I.age innerhalb des Großhirns war es
nicht möglich, das Mesostrlauim für sich anzugreifen oder gar dasselbe vollständig zu ex-
stirpieren. Da gleichzeitig bei den betreffenden Operationen andere wichtige Hiroleile mit
geschädigt wurden . so galt <* hier, die für das Mesostrialum cliarakteristischeo Störungen
auszusondern, wobei besonders die Trennung der Funktionen des Meso- und Eplstriatums
Schwierigkeiten machte. Die mannigfach variierten Exstirpatiooen führten jedoch auch hier
zu wahrscheinlichen Ergebnissen.
Die Ausfallserscheinungen, die wir beobachteten, waren in ihrem Charakter und
in ihrem Umfange von der Stelle und der Ausdehnung der Verletzung des Meaostriaiums
abhängig, wie es schon die anatomische Betrachtung dieses Großhirnteilas mit seinen ver-
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Das Großhirn der Papageien.
79
schiedenen Abteilungen und den mannigfach dasselbe durchziehenden Faserzögen erwarten
ließ. Die anfänglichen Störungen waren auch hier immer viel erheblicher als die, welche
dauernd zuruckbUetten. Wai die Schädigungen der Extremitäten . besonder« der Beine,
betrifft, denen wir liier vornehmlich unsere Aufmerksamkeit zuwenden wollen, so zeigte sich
nach einer leichten Verletzung des Kopfes des Mesostriatums vom Stirnteite aus eine
Bewegungsstörung des gegenseitigen Beines, die wir als Ataxie bezeichnen können. Der
Fuß wurde zwar noeh zum Schnabel gefuhrt, um ein daselbst befindliches größeres Stuck
Mohrrübe abzunehmen, aber nicht, wie es normalerweise geschieht, in einer schnellen,
glatten Bewegung, sondern unter Zittern und Sehwanken. Besonders auch, wenn der I'apagri
mit diesem Fuße nach einem Gegenstände, den wir Ihm reichten, hingriff, machte sich dieses
Schwanken bemerkbar. In anderen, schwereren Fallen brachte das Tier den Fuß gar
nicht in die Höhe; es hob ihn wohl ein wenig von der Stange ab. ließ ihn jedoch alsbald
wieder zurücksinken, ohne ihn zum Schnabel zu fuhren. Stau dessen benutzte ex jetzt den
anderen Fuß , auch wenn ea denselben früher nicht in dieser Weise zu gebrauchen pllegie.
Das Klettern am Drahtkäöge machte dem Papagei sichtlich Schwierigkeiten; das geschadigte
Bein wurde unter Aufwendung größerer Kraft nachgezogen. Auch beim Hinauf- und
Heruntersteigen von der Stange bemerkte man die Störungen , wenngleich dieselben bei den
gewohnten Bewegungen weniger auffällig hervortraten. Blieben auch die Störungen nicht
in dem Umfange, wie wir sie anfangs beobachteten, bestehen, so verloren sich dieselben
doch nie vollständig besonders nach den schwereren Schädigungen des Mesostriatums
war die Beschrankung der Bewegungen für die Dauer In charakteristischer Weise zu kon-
statieren; das Fehlen der Fuß • Schnabelbewegung oder die starke Beeinträchtigung der-
selben war stet» ein deutliches Zeichen der schweren Verletzung des Meso-
striatums.
Die Störungen der Sensibilität waren nach den Kxatirpationen . die den Kopf des
Mesostriatums betrafen, nur gering; die Lagegefuhlsstörungen , die anfangs eintraten . gingen
meist vollständig zurück ; und auch der Unterschied der Berührung«-. Druck- und Schmerz-
empfindlichkcit. der sich gegenüber der normalen Seite am Fuß und Flügel feststellen ließ,
ging mit der Zeit verloren.
Während nach der Exsurpation des Wulstes und nach der Unterschneidung des Hyper-
striatum* der ohen (S.73) geschilderte Fuß- und Zelieureflex keine wesentliche Änderung
darbot, war derselbe nach einer schwereren Schädigung des Mesostriatums nicht zu konsta-
tieren. Strich ich mit einem Oegensunde über die Zehen des auf der Stange sitzenden
Papageis, so wurden die Zehen nicht, wie es normalerweise geschieht, gestreckt, und der
Fuß von der Stange abgeholten , sondern Fuß und Zehen reagierten entweder gnr nicht auf
den Reiz, oder es bedurfte eines stärkeren Druckes, um eine Andeutung der Reflexbewegung
zu erhalten.
War der hintere und vordere Teil des Mesostriatums. der Körper und Kopf des-
selben . zugleich von der Exstirpation betroffen . wobei gleichzeitig auch das Epistriatum und
die Querfaserung erheblich tnitgeschXdigt wurden, so trat im Anschluß an die einseitige
Operation eine schwere Lähmung der Bewegung und Empfindung in der gegenseitigen
Körperhälfte ein; das Bild derselben glich ungefähr dem ohen (S.75) geschilderten Svmp-
tomenbilde. wie wir es xunächst nach jeder umfangreichen F.x»tlr|>ation Im Großhirn Imv
obachten. Während aber nach vielen Eingriffen, wie auch in dem oben (S. 75) erwähnten
Falle, die Störungen ganz oder fast vollkommen zurückgingen, da sie im wesentlichen
indirekter Natur waren und größtenteils auf der .nervo-srn Fernwirkung. (S. 33) lieruhten.
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80
(). Kali sc heb:
blieben dieselben in mehr oder minder großem Umfange besteben, sobald du Mesostria-
tum von der Operation milbetroffen wurde. Der -Fuß- Schnabelversuch, und der .Fußgreif-
versuch. waren auf der geschädigten Seite für die Dauer nicht mehr ausfahrbar. Die
anfänglichen Lagegefütitsstörungen gingen zum größten Teile zurück. Wenn der Papagei auf
der Stange saß, wurden der Kuß und die Zehen mehrere Wochen nach der Operation
wieder in normaler Weise aufgesetzt; nur beim Klettern machten sich die uriprünglichen
Störungen (die fehlerhafte Stellung der Zehen u. dgl.) ab und zu bemerkbar. Dauernde
und erheblichere Störungen de« Lagegefilhls traten erst hervor, wenn niedere Gehirnteile
(Mittelhirn) geschädigt wurden. Bildeten sich aber auch die Lagegefühlsstörungen nach der
Schädigung des Mesostriatums fast ganz zurück, so blieben doch die Druckempfindungen
gegenüber der normalen Seite für die Dauer gestört.
Nach den doppelseitigen Verletzungen des Mesostriatums standen die Freßstörungen
im Vordergründe. War der Kopf des Mesostriatums vom Stirnteile aus auf beiden Seiten
erheblich geschädigt, s<> gingen die Tiere in sjiätestens 14 Tagen nach der zweiten Operation
tugrunde; eine genaue Beobachtung der Bein- und Fußstörungen war wegen der Hinfällig-
keit der Tiere in dieser Zeit nicht möglich. Die Tiere kletterten nur mit Muhe, da sie den
Schnabel nur unvollkommen gebrauchen konnten, und auch die Bewegung der Beine mit
großer Kraftauslrengung verbunden war.
War der hintere und vordere Teil des MesoatriaUims beiderseits vom Schläfen-
teile aus (mit gleichzeitiger Verletzung des Epiatriatums) geschadigt, so hingen die Folgen
von der Ausdehnung der beiderseitigen Verletzungen ab. Zustünde von erheblicher Bewegungs-
beschränkung bis zu einer fast vollständigen Bewegungslosigkeit wurden nach diesen Opera-
tionen beobachtet. In den schwersten Fällen gingen die Tiere schon 3 — 4 Tage nach der
zweiten Operation zugrunde; sie zeigten in diesen Tagen fast keine spontanen Bewegungen
mehr; sie griffen nicht mehr nach Gegenständen, die man ihnen reichte; das Futter ließen
sie unberührt. Wohl aber waren, worauf Ich schon oben (S. 41) bei der Untersuchung des
Sehens hinwies, die Akkomniodationserscheinnngen bei diesen Tieren noch zu konstatieren;
dazu gesellten sich als Mitbewegungen ein spurweises Offnen des Schnabels und eine
geringe Drehung des Kopfes nach der Richtung des genäherten Gegenstandes.
Die Tiere korrigierten gewöhnlich die abnormen Stellungen nicht, in die man sie
brachte; sie standen meist auf dem Boden des Käfigs breitbeinig, mit etwas herabhängenden
FlOgeln. Man konnte die Zunge aus dem Schnabel herausziehen und den Finger in den
Schnabel hineinstecken , ohne daß die Tiere eine Abwehrbewegung machten. Kniff man die
Zehen stark, so gaben die Tiere einen Quietschlaut von sich und wandten den Kopf ein
wenig dem Fuße zu. dessen Zehen man gedruckt hatte. Stellte man die Tiere auf einen
Tisch und überließ sie sich selbst, so verharrten sie ruhig in jeder Lage; nur manchmal
drehten sie den Kopf mal nach rechts, mal nach links, auch mal nach unten. Darfiber
hinaus beobachtete man keine spontane Bewegungen. Nur in den ersten zwei Tagen nach
der Operation machten sie, wenn man sie künstlich füttern wollte. Abwvhrbewegungen mit
den Füßen und Flügeln, welche letztere sie ausbreiteten. Die Tiere hatten noch Gesichts-
empfindungen; aber sie konnten dieselben, wie wir an anderer Stelle (S. 44) ausführten,
nicht in Bewegung umsetzen, da viele motorische Zentren unterhalb des Mesostriatums nach
Zerstörung des motorischen Großhinizcnlrums ihre Funklionsflthigkeit eingebüßt hatten. Da
die Tiere schon frühzeitig zugrunde gingen, konnte man nicht entscheiden, wie viele der
Störungen etwa als •indirekte, zu deuten waren und auf .den nervösen Fernwirkungen,
»«ruhten.
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Jkis Großhirn der Papageien.
In den Hillen, in denen das eine «der dos ander»; Mexostriatuiii weniger stark ge-
schädigt war. ließen sich nach der /.weiten Operation noch mehr spontane Bewegungen
konstatieren. Besonders wenn du zuerst operierlr Mesostriittum wieder teilweise funktions-
fähig geworden war. suh man den Papagei bald n»ch der zweiten Operation von der Stange
herunter und w ieder hinaufgehen; der dem gebesserten Mesostriatum entsprechende . gegen-
seitige Fuß wurde z. B. an den ^ucrdraht des Käfig» gebracht, alsdann wieder auf die
Stange zurückgeführt. Auch sah ich einen derartig operierten Papagei, den ich vor das
Bauer gestellt hatte, w ieder von seihst in d««ell>e hineingehen. Was aber alle diese Kille
gemeinsam halten, das war das Kehlen der spontanen Nahrungsaufnahme sowie das Kehlen
des Zugreifen» und des Kressens der den Tiere» in den Schnabel gesteckten Nahrungaalucke.
Nach etwa einer Woche hörten auch hei diesen Herrn die ihnen noch geliliehenen
spontanen Bewegungen auf. und sie verhielten sich darin wir die oben geschilderten Tiere,
welche gleich von Anfang an dus geringste Maß von Bewegungen gezeigt hatten. Trott der
zweimal am Tage erfolgenden künstlichen Nahriingszufuhr. die vorzugsweise in der Zufüh-
rung von Milch bestand, gingen sie spätestens 14 Tage nach der zweiten Operation zugrunde.
Wenn auch durch die Reuung der Scptumfasrrung von der vorderen Partie des Wulstes
aus (s. S. 67 1 eine Bewegung beider Heine bzw. Füße hervorgerufen werden konnte , und
zwar eine stärkere des gegenseitigen . eine schwächere des gleichseitigen Beines, und wenn
dasselbe auch bei der Reizung de» Schläfenteiles der Fall war, so hatte doch die einseitige
Exslirpalion sei es der .Septumfaserung. sei es des MeMistrtBltuns Bewegungsstörungen aus-
schließlich auf der Gegenseite crgrhen. Auch hing, wenn in den isolierten Bewegungen da
Beines nach einiger Zeit eine Bcs*i-rung der anfänglichen Störungen sich einstellte, dieselbe
nicht von dem vikariierenden K.iiitreteti der normalen Hemisphäre ab; denn ließ man in
dieser eine gleichartige Operation folgen, so änderte sich dadurch nicht» an dem Verhalten
des erst geschädigten und dann gebesserten Beines. Die nach der ersten Operation ein-
getretene Besserung war im wesentlichen auf die oben (S. 3.1 > hervorgehotienen Momente,
besonders auf den Ausgleich der -nervösen Fernwirklingen« zurückzuführen. Kam es aber
auch zu einer Besserung der anfänglichen Störungen , so blieben doch immer nach den Ver-
letzungen des Mesustriatums dauernde Störungen in der motorischen und sensiblen Sphäre
zurück. Traten diese Störungen bei manchen Bcwegnngsvorgängcn (Fressen. Sprechen! nach
der einseitigen Operation nur vorübergehend hervor, so lag das daran, daß für diese Kunk-
tionen ein Mesostriatum im allgemeinen ausreichte, und erst nach einer doppelseitigen Ex-
»tirtiation schwere, (lauernde Störungen sich geltend machten.
Das Mesostriatum erwies sich niclit gleichwertig in seinen verschie-
denen Teilen; ließen .sich aber auch wegen der engen Nachbarschaft keine
isolierten Störung-en erzielen, so waren doch bestimmte Funktionsstörungen
nach der einen Kxstirpation mehr vorherrschend, als nach der anderen.
Bei der Verletzung des hinteren Teiles (des Körpers! des MesostriaUitns über-
wogen die sensiblen Störungen; bei der Verletzung des vordereu Teiles (des
Kopfes) traten die motorischen Störungen in den Vordergrund. Schon bei
der anatomischen übersieht hatten wir die Aufmerksamkeit darauf gelenkt,
Wy*. Abh. nicht mr Ahctti, yknr . Gfi*krtor . 1005, IV. \ \
82
O. Kalischer:
daß die der Sehrfigfaserung angehörigen zentripetalen Bahnen hauptsächlich
im hinteren Teile des Mesostriatums verlaufen.
Was die Scnsibilitätsstörungcn betrifft, so handelte es sich hier,
nachdem die anfänglichen, betrachtlicheren Störungen zurückgegangen waren,
um eine dauernde Herabsetzung der Druck- und Schmerzempfindung in der
gegenseitigen Körperhälft«; die Lokalisation war gestört oder aufgehoben;
dagegen glichen «ich die ursprünglich erheblichen Ijigegefuh Isstöningen zum
größten Teil wieder aus'; dieselben traten erst dauernd und in stärkerem
Grade nach der Schädigung tieferer Gehiratcile hervor. War der hintere
Teil («1er Körper) de« Mesostriatums geschadigt, so konnte der »Fuß -Schnabel-
versuch« noch gut ausgeführt werden, bei offenen sowohl wie bei ver-
schlossenen Augen. Auch bei verschlossenen Augen war keine Ataxie vor-
handen; und es war weiter bemerkenswert, daß der Versuch ohne sichtliche
Beschränkung ausgeführt werden konnte, wenn auch die Sensibilität des
betreffenden Fußes deutliche Störungen zeigte, und erst stärkeres Drücken
und Kneifen eine Abwehrbewegung hervorrief. Erst wenn der Kopf des
Mesostriatums lädiert war, boten sich im gegenseitigen Beine motorische
Störungen dar, die von leichter Ataxie und Koordinationsstörung bis zu
ausgesprochenen Lähmungserscheinungen sich erstreckten. Auch der Kopf
des Mesostriatums selbst erwies sich nicht gleichartig in bezug auf die
Funktion. Bei der Schädigung des vorderen oberen Teiles traten mehr die
Störungen des gegenseitigen Beines und Fußes hervor, während bei der Ver-
letzung des vorderen unteren Teiles die Funktionsstörungen des Sprechens
und Fressens Qherwogen.
Die Größe des Mesostriatums und seine Bedeutung für die Bewegungs-
vorgänge ist nicht bei allen Vögeln dieselbe, worauf ich schon bei der Be-
sprechung des Mittelliimscheiis (S. 52) hinwies. Je kleiner dieser Großhirn-
teil ist, eine um so größere Selbständigkeit besitzen die tieferen Teile des
Gehirns; wir sehen daher auch, daß manche Vögel (Tauben, Bussarde u. a.)
die vollständige doppelseitige Großhirnexstirpation ertragen, während die
Papageien daran zugrunde gehen. Allen Vögeln ist es aber gemeinsam,
daß nach der doppelseitigen Zerstörung bzw. Schädigung des Mesostriatums
die Freßbewegungen und die selbständige Nahrungsaufnahme auf-
1 Besonders bei den Prinzipal -Stellungen und -Bewegungen waren die LagegefiihU-
stftrungen akhald nicht mehr nachzuweisen, während »ic hei den isolierten Bewegungen
noch al> und tu siehthar wurden.
Das Großhirn der
hört. Was die übrigen Bewegungen HetriflFt , so bleiben nach den Exstir-
pationen des Mesostriatums bei den verschiedenen Vögeln ganz verschiedene
Bewegungsformen zurück ; den Bussarden z. B. bleibt nach der doppelseitigen
Großhirnexstirpation der Greifreflex mit dem Fuße erhalten (Schräder).
Die Papageien sahen wir dagegen nach doppelseitigen schweren Verletzungen
des Mesostriatums fast sämtlicher Bewegungen verlustig gehen. Schon
ganz geringe doppelseitige Schädigungen des Kopfes des Mesostriatums
reichen aus, um dauernde schwere Sprechstörungen hervorzurufen; etwas
erheblichere führen zu Freßstörungen. Sind die Schädigungen noch großer,
so hören auch die isolierten Bewegungen der Beine auf, und es bleiben nur
noch manche Kopfbewegungen und eine gewisse Möglichkeit der Lokomotion
zurück, welche letztere nur eines wenigstens teilweise erhaltenen Meso-
striatums bedarf. Doch gingen die Tiere, welche nur über eine so geringe
Bewegungsfähigkeit verfügten, in kürzester Zeit zugrunde, auch wenn ihnen
hinreichende Nahrung künstlich zugeführt wurde.
Das Mesostriatum bildet mithin das wichtigste Großhirn-
zentrum für die Bewegung und Empfindung. Ohne dasselbe können
auch die übrigen Großhirnteile nicht funktionieren, ebenso wie auch, bei
den Papageien wenigstens, viele tiefere motorische Zentren von demselben
abhängig sind. Dieser großen Bedeutung entsprechen auch die zahlreichen
Verbindungen, welche das Mesostriatum mit anderen Gehirnteilen verknüpfen.
Weiter ist hier auf die tiefgreifenden Veränderungen hinzuweisen, welche
die Ganglien des Thalamus nach Schädigungen des Mesostriatums regelmäßig
erfahren, und welche besonders in dem größten Ganglion des Thalamus, in
dem Nucleus rotundus, zum Ausdruck kommen. In den leichteren Fällen
ließen sieh daselbst nur Zell veränderungen mittels der Nißl sehen Methode
konstatieren; in den schwereren Fällen trat ein Untergang der Zellen ein, ao
daß mitunter in dem großen Ganglion keine normale Zelle mehr sichtbar war.
In mehreren Fällen, in «reichen nach einer einseitigen Verletzung de« Mesitslriatums
vom Stirnteile aus einzig und »Hein eine deutliche Funktionsstörung de» gegenseitigen Beines
zurückgeblieben war — indem das Bein entweder gar nicht mehr oder nur unter großer
Anstrengung (Ataxie) tum Schnabel geführt werden konnte — , wies die Untersuchung des
Nucleus rotundus einen Zelluotergang auf. Außerdem zeigte der Nervenzug, welcher zu-
nächst am äußeren Umfange des Kopfes des Mcsostrialuins verläuft, dann in die »Quer-
faserung» mündet, in derselben sich mit dem gleichen Zuge der anderen Seite kreuzt, um
schließlich abwärts zu ziehen, eine deutliche Degeneration seiner Fasern. Ob dieser
• gekreuzte. Zug. welcher besonders bei den Papageien entwickelt i»t (vgl. den anatomischen
Teil S. »s>, für die Bcinbewegung oder für die Frett- und Sprechbew eguogen von Bedeu-
11«
84
<>. Kausche»:
tun« ist, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Denn wenn auch der Freßakt in den ge-
nannten Falle» nicht gestört war. »o konnte da« daran liegen, daß das eine intakte Meso-
striatuni für diese Funktion ausreichte. Da der -gekreuzte Zug- bei anderen Vogelarten,
die den Fuß nicht in so hervorragender Welse wie die Papageien gebraueben, weniger ent-
wickelt ist, tu könnte man daraus folgern, daß derselbe für die feineren Bewegungen der
Beine in Betracht kommt. I>ie Untersuchung und Vergleicbimg bestimmter Nervenzfige bei
verschiedenen Vögeln durfte hier in weiteren Ergebnissen fuliren.
Ober die Funktion des N. rotundus Thalauii vgl. weiter den Schluß der -Frell-
störungen- (S. 90) sowie das Kapitel Uber die Sprechstörungen (S. 64).
Die Freßstörungcn stehen bei vielen Exstirpatiunen so sehr im Vordergründe der Erschei-
nungen, daß es gerechtfertigt erscheint, dieselben einer gesonderten Betrachtung zu unterwerfen.
Es ist eine bekannte, wiederholt festgestellte Tatsache, daß Tauben nach einer doppel-
seitigen Großhirnexslirpation sich nicht mehr selbständig ernähren können und deswegen, wenn
man sie nicht künstlich füttert, bald zugrunde gehen. II. Münk' hat nach (widerseitiger Ex-
stirpation des Corpus striatum, wobei nur die Vcntriketdecken erhalten blieben, bei Tauben Stö-
rungen der Nahrungsaufnahme gefunden: »Die Tiere pickten nach der Nahrung und trafen die-
selbe sebr gut, aber sie gewannen dieselbe nie, weil die zur Aufnahme erforderlichen weiteren
Bewegungen (Schnahelöffnung und Zungenbewegungen) nicht rechtzeitig sich anschlössen oder
Oberhaupt unterblieben: sie mußten wie großhirnlose Taube.n künstlich ernährt werden. -
Nach Schräder scheint die Unfähigkeit von VSgeln (und Säugetieren), selbständig
iu fressen, Ausfallserscheinung zu sein bei Verlust des ganzen Großhirns. Bei kleineren
Verletzungen Ist sie nach ihm als Heinmungserscheinung anzusehen , so bei einein jungen Falken,
welcher nach doppelseitiger Verletzung des Stirnteiles des Großhirns motorisch aphagisch war.
Edingcr hat, sich anlehnend an seine anatomischen Untersuchungen (Feststellung
eines Nervenzuges aus der Gegend des Mesostriatums zur Medulla Oblong» Ui). des ferneren
sich stützend auf die Schradersclien Experimente, im wesentlichen aber auf Grund meiner
früher veröffentlichten Versuche die Vermutung ausgesprochen, daß dem ventralen Meso-
striatum eine wichtige Beziehung zum Freßakte zukommt.
Gehen wir jetzt zu unseren eigenen Untersuchungen über, und betrachten wir zunächst
die normale Nahrungsaufnahme bei einem Papagei , der auf der Stange vor dem
Futternapfe sitzt, so sehen wir, daß in dein Augenblicke, wo das Tier, um zu fressen. Kopf
und Schnabel zum Futternapf herunterbeugt, die Pupillen beider Augen sich verengen, die
Augen selbst etwas nach innen gehen, und gleichzeitig eine geringe Öffnung des Schnabels
stattBndet. Der Akkommodalionsvorgang, den wir hier beobachten . dient zur Aufsuchung
der gewünschten Nahrung. — Nachdem der Papagei mit nunmehr ganz geöffnetem Schnabel
die Nahrung — sagen wir einen tiesümmten, ins Auge gefaßten Sonnenbhimensamen —
ergriffen hat, beginnt das eigentliche Fressen; durch geschickte Bewegungen von Zunge
und Kiefer wird der Same geöffnet, der Kern herausgeholt und, während die Schale fallen
gelassen wird, der Kern allmählich zerkleinert und heniiiterge-ichluckt.
' H. Münk. Uber die Funktionen der Corpora striata. Comptes rendus der achten
6, Die Nahrungsaufnahme und ihre Störungen.
Das Großhirn der Papageien.
85
Situ! dem Tiere die Augen verschlossen, 10 spielt sich der Vorgang in ganz ähnlicher
Weise ab; nur daß der Papagei zunächst den Futternapf sucht und den Kopf nach ver-
schiedenen Stellen heninterbeugl , ehe er die gewünschte Nahrung gefunden hat.
Man muß demnach hei der normalen Nahriinir-Hmfruitune sowie bei den Störungen
derselben zwei Phasen auseinanderhalten: die eine Phase, hei welcher es sich um das
Ergreifen der Nahrung handelt, wird durch den Gesichtssinn eingeleitet und angeregt; der
Geruchssinn, mit welchem man bei anderen Tieren noch tu rechnen hat, spielt bei den
Papageien eine untergeordnete Rolle. Nur der Gefühlsslnn kirne bei blinden Tieren noch
in Frage. Die zweite Phase umfaßt den eigentlichen Freßakt, der mit dem Augenblicke
beginnt, wo der Papagei die Nahrung mit dem Schnabel ergriffen hat. Die Störungen der
ersten Phase können mithin optischer oder motorischer Natur sein, während bei den
Störungen der zweiten Phase es sich ausschließlich um motorische und sensible Störungen
handeln kann.
Seihst die feinsten, motorischen Störungen der zweiten Phase des Fressens siud leicht
zu erkennen, da das Offnen und Verzehren der Sonnenbluinensameti so geschickte Be-
wegungen des Sclmahels und der Zunge erfordert, daß selbst geringe Schädigungen der
Beobachtung nicht entgehen können.
Das Sehen, welches fOr die erst« Phase des Freßaktes in Betracht kommt, ist, wie
unsere Untersuchungen über das Sehen der Papageien gezeigt haben, vom Mittelhirne llohi
optici) abhängig; wir haben daselbst aber bereits weiter festgestellt, daß es dazu noch der
motorischen Funktion des Großhirns bedarf, um bei den Tieren das Zugreifen nach den ins
Auge gefaßten Gegenständen zu ermöglichen. Es war jetzt von Wichtigkeit , den speziellen
Teil des Großhirns, der dabei in Frage kommt, genauer zu ermittelt.; ferner galt es. den
für die zweite Phase des Freßaktes wichtigen Bezirk de* Grußhirn* kennen zu lernen.
Denn daß auch diese Phase eng mit dem Großhirn verknüpft war. halten die bisherigen
KxsÜrpationen hinlänglich bewiesen; Papageien, die in beiden Großhirnhemisphären tiefe
Eingriffe erfuhren, konnten die ihnen in den Schnabel gebrachten Sonneiiblnmensamen sowie
andere Nahrung nicht mehr fressen, sondern ließen sie aus dem Schnal»el herausfallen oder
behielten sie daselbst unberührt.
Bei der elektrischen Reizung des Großhirns, speziell der seitlichen Partien des Stirn-
teils, hatten wir isolierte Zungenbewegungen, Offnen und Schließen des Schnabels erhalten
(vgl. S. 68 und die Figur S.67); je weiter lateralwlrts man reizte, um so deutlicher waren
diese Reizerfolge hervorgetreten. Es lag dalier nahe, daß, als wir jetzt darangingen,
die Bedeutung der einzelnen Großhirnteile für den Freßakt und ihre Beziehungen zu den
Freßstürungen zu ermitteln, wir mit der Exstirpatlon des Stirn teile* begannen.
Nach einseitiger Schädigung desselben, die das Mesostriatum freiließ, war nur
ganz vorübergehend eine Störung des Freßaktes aufgetreten; etwas deutlicher, wenn auch
gering, waren die Freßstörungen nach doppelseitiger Exstirpation des Stirnteils. Die
erste Phase des Preßaktes wurde gar nicht betroffen. Das Zugreifen erfolgte prompt.
Dagegen war die zweite Phase insofern gestört, als daß das Aufbeißen der Sonnenblumen-
samen in der ersten Zeit den Tieren nicht gelingen wollte, sie nahmen wohl dieselben in
den Schnabel, ließen sie aber unberührt wieder fallen. Doch fehlten nur diese kompli-
zierleren Freßhewegungen ; in Wasser oder Milch aufgeweichte Semmel vermochten die
Tiere sehr bald wieder zu fressen, so daß sie unter der- Freßstömng nicht zu leiden hatten.
Auch war von den übrigen Freßstörungen nach dem Verlaufe von 1 bis 1 Wochen gewöhn-
lich nichts mehr nachzuweisen.
86
O. Kalischer:
Bei der Ovation des Stirn teil« wurden folgende Gebilde verletzt:
i. Ein Teil des Aasoziationszuges vom Stirnteile zum Epistriatuui , des Tract. Fronto-
epistriaticus (Edingcr).
». Oer zarte Asaoziationszug vom Stirnteile zum Striatum temporale (vgl. S. 2 1 ).
3. Die als motorische zu betrachtenden Faserzüge, welche '
in die Querfa-serung münden und von da abwärt» verlaufen.
4. Die sensible Bahn, welche von der Medulla obl. bzw.
Thalamus bis zum Stirnteile heraufsteigt und am Boden des Stirntdla nach innen von dem
Tr. fronto -cpistrialieus als. weiße Markscliicht sich auabreitet (a. die Abbildungen Taf. V, Flg. 1
und Taf. VI).
5. Die feinen Fasern, welche vom Boden des Stirnleils aus in senkrechter Richtung
zur Pars frontalis des Hyperetriatums hinaufsteigen (Taf. IV, Fig. 1 ( und die Fortsetzung der
oben erwähnten Züge (1, J, 3, 4) bilden.
6. Endlich die Marksubstanx des Stirnteils . das Striatum frontale, und die Pars I
des Hyperstriatums »uwie das Pallium, das am Stirnteile nur als
Überzug in Betracht kommt.
Nach ein- und doppelseitiger Durchschneidung der Septumfaserung traten keine Freß-
storungen auf. ebensowenig nach der Cnterschneidung oder Zerstörung der Pars parietal»
und oceipiults des Hyperstriatums, nur daß, wie nach jeder eingreifenden Operation, der
in den ersten Tagen nicht von selbst fraß; aber reichte man ihm Sonneo-
Icn Schnabel , so konnte er sie wie früher fressen. Auch nach Schädigungen
der Pars occipitalis des Großhirns, selbst wenn die Exstirpation den hinteren Teil des Epi-
striatums umfaßte, blieben Freßstürungcn aus. Erst weno das Mesostriatum von der
Operation betroffen wurde, traten deutliche Störungen der Nahrungsaufnahme
hervor. Doch erwiesen sieh die verschiedenen Teile des Mesaslrialuuis nicht gleichwertig;
so hinderte die Verletzung des hinteren und hinteren oberen Teiles, selbst wenn sie doppel-
seitig stattfand, die Freßtätigkeit nicht, auch nicht bei gleichzeitiger Mitverletzung des Ekto-
striatums. Zu deutlichen Freßstöruiigeu kam es erst nach den Kxsürpationen im vorderen
Teile (Kopf) des Mesostriatum*, einer Operation, welche entweder vom Stirnteil oder
direkt von der Sylvischen Furche aus vorgenommen werden konnte, wobei es uur darauf
ankam, genügend weit nach unten und in die Tiefe zu gehen, um die laterale Partie des
Kopfes des Mesostriatums aicher zu treffen.
War das Mesostriatum oinseitig — nehmen wir an auf der linken Seite — an der
betreffenden Stelle leicht geschädigt, so griff das Tier in den ersten Tagen nach der Ope-
ration uicht zu, wenn man dem rechten Auge von vom her ein Stück Moitrrühc näherte,
wohl aber, wenn man den gleichen Versuch auf der linken Seite (des Tieres) vornahm. Hatte
es die Nahrung erst im Schnabel, so fraß es dieselbe (auch Sonnenblumetisainen) wie ge-
wöhnlich. Auch da» Zugreifen vom rechten Auge aus stellte sich bald wieder ein. Bei
erheblicherer Schädigung des linksseitigen Mesostriatums blieb das Zugreifen von der
rechten Seite aus dauernd gestört. Das Tier griff in der ersten Zeit gar nicht, später nur
uni'egelmäßig zu, wenn man dem rechten Auge von vorn her einen Gegenstand näherte.
Regelmäßig waren dagegen die Akkomtuodationscrschcinungcn an diesem Auge zu beobachten.
Was die zweite Phase des Frcßakles betrifft, so war in diesen Fällen das Fressen der Sonnen-
blumensamen für einige Zeit erschwert; doch ging dasselbe nach etwa zwei Wochen wieder
in gewöhnlicher Weise vonstatten, während aufgeweichte Semmel schon früher
werden konnte. In den schwersten Fällen der
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Das Großhirn der Papa<yten.
87
die den Kopf desselben betraf. gingen die Tiere häufig gegen den vierten oder fünften Tag
noch der Operation zugrunde, indem sich eine Erweichung des ganzen vorderen Mesostriatums
anschloß Wahrend in den ersten zwei bis drei Tagen nach der Operation die Tiere noch
einen guten Eindruck gemacht hatten, so daß sie schon die Operation überstanden zu haben
schienen, zeigt« »ich am dritten oder vierten Tage plötzlich bei den links operierten Tieren
eine stärkere Lähmung des schon anfangs gestörten rechten Beines. Die Lähmung trat von
Stunde zu Stunde starker hervor, das Dein hing vor der Stange herab, die Zehen waren
eingeschlagen, oder auch das Tier stand breitbeinig auf dem Boden des Bauers. Der Kopf
wurde nach hinten gehalten, seine Drehung war sichtlich erschwert. Namentlich diese Kopf-
haltung und ein kurzer, heiserer Schrei, den der Papagei vernehmen ließ, wenn man sich
ihm näherte, waren Zeichen, die das haldige Ende voraussehen ließen, »ein Tode gingen
öfter Krämpfe voraus, welche besonders den Kopf betrafen, der immer starker nach rechts
hinten gehalten wurde (Opisthotonus). Trotzdem ein Mesostriatum intakt war, gelangten die
Tiere nicht wieder dazu, von selbst zu fressen; man mußte daran denken, dsß auch das
unverletzte Mesostriatum auf dem Wege der Kommissurcnfasern, welche die Köpfe heider
Mesostriata verbinden (vgl. S. 14 und den Ilorizontalschnilt Taf. VI), eine Beeinträchtigung
seiner Funktion erfahren hatte. Mit der zunehmenden Lähmung des rechten Beines war
auch das Sehen auf dem rechten Auge schlechter geworden , das Zugreifen von dieser Seite
aus fehlte ganz, und auch die Akkommodationseracheinungen, die anfangs nnch deutlich waren,
ließen sich auf diesem Auge alsbald nicht mehr nachweisen. Anders verhielt sich das linke
Auge; näherte man demselben einen Gegenstand von vorn her, z. B. ein Stuck Mohrrübe, so
erfolgte wenigstens der Versuch des Tieres zuzubeißen. Doch bald hörte auch dies auf.
da es dem Tiere weder gelang, den Kopf dem Stucke hinreichend zuzuwenden, noch den
Schnabel genügend zu offnen, um das Stuck zu ergreifen. Aber nicht nur die erste Phase
des Freßaktes war gestört, auch die zweite ging nicht vonstatlen. Sellist in Wasser ge-
weichte Semmel, die man ihnen in den Schnabel steckte, »rächten die l'iere meist nicht
herunter, sondern ließen sie fallen oder behielten sie. t>hne sie zu fressen, im Schnabel. Hatten
die Tiere den fünften Tag glücklich überstanden, so blieben sie gewöhnlich nach der ein-
seitigen Operation am Leben, und es stellten »ich alle Funktionell. l»esomlers das Fressen,
in mehr oder minder normaler Weise wieder ein.
In den Fallen von doppelseitiger Kxstirpation des Mesostriatum«, zu denen
wir uns jetzt wenden wollen, war zunächst vom Stirnteil des Großhirns aus die angrenzende
vordere untere Partie des einen Mesostriatums geschädigt worden; die Papageien hatten —
nehmen wir an — das Bild einer einseitigen mittelschweren Mesnstriatumverletzung, das ich
eben geschildert habe, dargeboten. Wurde jetzt etwa drei Wochen nach der ersten Operation
eine gleiche Exstirpation auf der anderen Seite vorgenommen . so traten Frcßstörungcii auf, die
beide Phasen des Freßaktes betrafen. Das Syniptomenbild war ein typisches und nur
nach der Größe der F.xslirpatiunen etwas verschieden. Im Vonlergrunde standen die Kopfnick-
be w eg im gen, welche jedesmal eintraten, sooft der Papagei nach einem Gegenstände zugreifen
wollte. Der Kopf wurde dabei in »agittaler Kichtung auf und nieder bewegt, und das Tier war
nicht imstande, diesen krampfartigen Bewegungen Einhalt zu tun. die nur für Augenblicke in
manchen Fallen aufhörten. Die erste Phase des Freßaktes wurde dadurch auf das empfindlichste
gestört. Sowie der Papagei den Kopf zum Futternapfe niederbeugen wollte, um die Sonnen-
blumenkerne zu ergreifen oder Wasser zu trinken, begannen die Nickkrämpfe von neuem, die
manchmal so stark waren, daß der Kopf heftig hin und her geschleudert wurde, -Sie waren
um so stärker, je mehr das Tier bei den vergeblichen Versuchen zu fressen in Aufregung geriet.
88
0. Kaliscuek:
Die Bleichen Nickkrämpfe habe ich auch bisweilen iucIi einseitigen umfangreichen
Exslirpationen 1 im Bereich des McsostriaUims beobachtet. Während sie aber nach der ein*
*citige» Operation in etwa 4 bis 5 Tagen zurückgingen, konnte ich diesen günstigen Aus-
gang nach dem doppelseitigen Eingriffe niemals konstatieren ; die Tiere gingen alle in einem
Zeiträume von 6 bis iz Tagen zugrunde, trotzdem der Versuch gemacht wurde, sie künst-
lich mit Milch zu ernähren. Allerdings war diese künstliche Ernährung mit großen Schwierig-
keilen verbunden, da jede Berührung des Schnabels die Nickkrämpfe von neuem hervorrief.
In Milch geweichte Semmel vermochten die Tiere nicht zu fressen, auch wenn man
sie ihnen glücklich in den Schnabel hineingepreßt hatte. Denn außer der ersten Phase war
auch die zweite Phase des Freßaktcs gestört; der Schnabel konnte entweder gar nicht oder
nur Spurweite von den Tieren geöffnet werden , daher mißlang das Trinken von Milch oder
Waaser. selbst wenn man den Schnabel der Tiere in die Flüssigkeit hineinhielt; auch gelang
es nur schwer, zwischen die festgcschlossenen Kiefer mit der Pipette Flüssigkeit tropfen-
weise in den Schnabel hineinzubringen: die Kiefer wurden dazu um so stärker krampfartig
aneinander gepreßt, je öfter man den Versuch wiederholte.
Es gewährte einen traurigen Anblick, die Tiere zu sehen, wie sie vor dein vollge-
füllten Futlernapfe standen und vergebens sieb bemühten, die Nahrung zu er-
greifen, durch die immer wieder von neuem beginnenden Nickkrämpfe und die Unfihig-
keit, den Schnabel tu öffnen, an ihrem Vorhaben gehindert. Kurze Zeit saßen sie mitunter
ruhig auf der Stange, den Kopf stark nach hinten haltend, dann begann wieder die Unruhe;
sie gehen von der Stange herunter und suchen die auf dem Boden des Bauers herumliegenden
Körner zu ergreifen ; wieder beginnen die Nickbewegungen ; man sieht sie wieder auf die
Stange hinaufklettern und sich dem Futternapfe zuwenden. Aber immer umsonst. Da-
zwischen stoßen sie in klagendem, stöhnendem Tone Laute aus wie >eh, ih, Eli- u. dgl.
Dazu gestaltete sich das Klettern für die Tiere schwierig , da sie den Schnabel nicht ge-
nügend dabei verwenden und auch die Beine nur mit großer Anstrengung gebrauchen
konnten. Auch die Atmung schien behindert zu sein. Manchmal stießen die Tiere einen
kurzen Schrei aus, wenn man sich ihnen näherte. Bei dem Mangel der Nahrungsaufnahme
wurden sie von Tag zu Tag schwächer und gingen, wenn man ihrem Leben nicht vorher
ein Ziel setzte, in kurzer Zeit zugrunde.
Zu den Störungen der zweiten Phase des Freßaktcs gehörte außer der Schwierigkeit,
die für die Tiere bestand, den Schnabel zu öffnen, noch folgende Störung: Während
normalerweise der Unterkiefer des Papageis weit über den Oberkiefer hinausgreift, und man
unter gewöhnlichen Bedingungen nie eine Änderung diese* Verhalten» bemerkt, kam eis
nach der doppelseitigen Operation des Mesostriatums oft zu einer Luxation des Unter-
kiefers derart, daß der Unterkiefer unter den Ol»eikiefer zurücktrat, und damit der Ober-
kiefer über die Spitze des Unterkiefers hinausgriff. Mitunter glückte es den Tieren, diese
Veränderung selbst zu beseitigen; manchmal bedurfte es jedoch unserer Unterstützung, um
den normalen Zustand wieder herzustellen.
Von den beschriebenen Freßstörungen überwog bald die eine, bald die
andere; es hing der Charakter der Störungen von der Grüße und dem Orte der doppel-
seitigen Kxstirpationen ab, die, wenn sie auch in gleicher Weise im vorderen Teile des
Mesostrintums vorgenommen wurden, doch nicht immer gleich ausfielen. Die charakteristische
1 Eine Andeutung der KopfnickbewegunKen fand sich auch schon bei leichten ein-
seitigen Verletzungen des Mcsostriatiims.
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Das Großhirn der Papageim.
Art der Störungen ließ dieselben als Helzerschei nungen des Großhirns erkennen;
es handelte sieh nicht um eigentliche Lähmungen. Die onerierten Tiere erkannten die Nah-
rung und machten auch den Versuch, sie zu ergreifen und zu fressen; es Wieb aber, wie
wir sahen, bei dem Versuche, da sowohl in der ersten wie in der »weiten Phase des Freß-
akle» die auftretenden krampfartigen Erscheinungen das Fressen rorhinderten.
Erst wenn da* Mesostriatum beiderseits in größerer Ausdehnung verlern
wurde, wenn daliei außer dem vorderen auch der hintere Teil desselben gelitten hatte, was
allerdings nicht ohne gleichzeitige Verletzung des F.pistrintiims 711 erreichen war, kam es zu
einer vollständigen Lähmung beider Phasen des Freßvorgangeü. In diesen Füllen
waren auch die übrigen Bewegungen der Tiere gestört; ja, ich beobachtete bei manchen
Tieren vollständige Bewegungslosigkeit , während andere Tiere noch aber gewisse Kopf-, Bein-
und Fnßbewegungen verfügten. Allen gemeinsam war aber der völlige Mangel der Freß-
bewegungen: Reichte man den Tieren irgendwelche Nahrung, so ließen sich wohl an den Augen
Akkoniinodationserscheiniingen erkennen; dnrüber hinaus kam es aber zu keiner Bewegung.
Die Tiere machten keinen Versuch zuzugreifen, und wenn man ihnen etwas in den Schnabel
hineinsteckte, so blieb es daselbst unberührt liegen; es fehlte jede Kiefer- und Zungen-
bewegung. In manchen Fällen traten anfangs nach der xweiten Operation noch Reiz-
erscheinungen auf. Wollte man die Tiere künstlich futtern , so wurden die Kiefer fest auf-
einandergepreßt, und die Kopfnick Bewegungen machten sich geltend. Aber diese Reiz-
erscheinungen wichen bald der vollständigen Bewegungslosigkeit; man konnte jetzt die Kiefer
in jede beliebige Stellung bringen und den Finger in den Schnabel der Tiere stecken, ohne
befürchten zu müssen, daß die Tiere zubissen. Im Gegensatz zu den Tieren, welche an
den Heizerscheinungen litten, konnte man diesen gelähmten Tieren leicht künstlich Nahrung
zufuhren; sie schluckten die Milch, die man ihnen einträufelte, wenn man gleichzeitig den
hinteren Teil der Zunge oder den Gaumen mechanisch reizte, um den .Schluckakt auszu-
lösen. Aber trotz dieser künstlichen Nahrungszufuhr ließen sich die Tiere nicht länger als
14 bis 16 Tage am Leben erhalten; aLs sie starben, waren sie sehr abgemagert und hatten
die letzte Zeit unbeweglich am Boden des Käfigs breitbeinig gestanden, mit stark nach hinten
gezogenem Kopfe. — War die Exstirpation im Bereiche eines Mesostriatums etwas weniger
erheblich ausgeführt, so gingen die Tiere in derselben Zeit unter denselben Erscheinungen
zugrunde, aber diese Tiere sah ich nach der zweiten Operation noch Flüssigkeit zu sich
nehmen, wenn ich ihren Schnabel tief in ein Milch- oder Wassergefäß hineinhidl; auch
boten sie anfangs noch Andeutungen von Kopfbewegungen und ein geringes öffnen des
Schnabels dar, das aber zum Zubeißen nicht genügte.
Die beschriebenen Versuche zeigen, daß durch die Schädigung des
Mesostriatums sowohl die Reiz- wie die Lahmungscrscheinungen der ersten
und zweiten Phase der Nahrungsaufnahme hervorgerufen werden. Doch
nicht allen Teilen des Mesostriatums kommt die gleiche Wirkung auf den
Freßakt zu. Nur bei der doppelseitigen Exstirpation des vorderen unteren
Teiles des Kopfes traten die erwfthnten Reizerscheinungen mit ihren
mannigfachen Symptomen hervor. Es ist bemerkenswert, daß man bei
elektrischer Reizung dieser Stelle außer Kieferbewegungen auch Kopfnick-
bewegungen und Drehung des Kopfes nach der andern Seite zu erzielen
Phyt. AM. nicht tw Akad. gehör. Gelehrter. 1905. IV. 12
90 O. Kalis c heb:
vermag. Nach umfangreicheren doppelseitigen Exstlrpationcri , die auch
den hinteren unteren Teil des Mesostriatums betrafen, traten die Lähmungs-
erscheinungen beider Phasen des Freßaktes in den Vordergrund. War
nur ein Mesostriatum geschädigt, so ging die zweite Phase des Freßakte*
vollständig normal vonstat.ten: nur die erste Phase erwies sich insofern
gestört, als das Zugreifen von der dem geschädigten Mesostriatum gegen-
überliegenden Seite aus erschwert war.
Auf die Faserzuge und Ganglien des Thalamus, welche von Bedeutung
für den Freßakt zu sein schienen, bin ich bereits oben zu sprechen ge-
kommen. Es sei hier besonders hervorgehoben, daß die selbständige
Nahrungsaufnahme noch vollkommen stattfinden kann, wenn auch die
Hanptganglien des Thalamus auf einer Seite zugrunde gegangen sind.
Waren nach einer doppelseitigen Operation im Bereiche des Mesostriatums
erhebliche FVeßstörungen eiugctret.cn, so fanden sich immer bei der anato-
mischen Untersuchung des Thalamus außer in anderen Ganglien ganz be-
sonders in beiden Nuclei rotundi erhebliche Veränderungen der Ganglien-
zellen, eventuell Untergang derselben. Der Umstand, daß dieses große
Ganglion bei allen Vögeln, auch bei solchen, die den Fuß nicht als Hand
gebrauchen und auch nicht sprechen, auffallend gut entwickelt ist, spricht
dafür, daß es gerade für die Frcßbewegungen hervorragende Bedeutung
besitzt; wenngleich es nicht auszuschließen ist, daß es außerdem in Be-
ziehung auch zu anderen Bewegungsvorgftngen steht.
7. Die Drehbewegungen and Drehstörnngen der Papageien.
Die DrehstGrungcn, von denen schon mehrfach im Laufe der Untersuchung die Rede
war, hnbe ich aus dem Rahmen der Bewegung:- und Empfindungsstöningen ausgeschieden , um
sie selbständig zu behandeln, da sie in verschiedene der bisher behandelten Kapitel Iiineingreifen.
Wenn wir einen Paftagei, der auf der Stange sitzt, sich selbst überlassen, so nehmen
wir wahr, daß derselbe sieh mal rechts, mal link» auf der Stange herumdreht; und wenn
wir die Beobachtung lange genug fortsetzen, *o können wir meist konstatieren, daß da« Tier
sich gleichmaßig oft nach beiden Seiten herumdreht; daß sich jedenfalls ein («esonderes Vor-
walten einer Drehrichtung uicht erkennen laßt.
N&hert man dem einen Auge des Tieres von hinten her einen Gegenstand, so wendet
das Tier, sofern es nicht scheu nach der anderen Seite entweicht, Kopf, Schnabel und Ober-
körper nach der Seile des Gegenstandes, oder es dreht sich ganz nach dieser Seite hin um.
Dasselbe Verhalten finden wir, wenn wir den hinteren Teil eines Flügels oder die Schwanz-
federn reizen. Auch hier erfolgt eine Umdrehung des Papageis nach der Seile des Reizes.
Auch akustische Reue haben oft eine Umdrehung des Tieres nach der Seite de» Reizes zur
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Das Großhirn der Papageien.
91
Folge. Sind einem >nn»t normalen Tiere beide Augen verschlossen, und beobachten
wir jetzt das blinde Tier, indem wir e.i sich selbst Obertassen, so sehen wir. daß es
sich, vielleicht im ganzen seltener wie frOher, mal links, inal rechts herumdreht, ohne daß
auch jetet eine Drehrichtung merklich vorwaltet. Auch das blinde Tier künnen wir durch
Reizung der Flügel oder durch akustische Reize zu einer Umdrehung nach dieser oder jener
Seite veranlassen. Wenn wir nach der Art der Impulse fragen, welche das blinde Tier, das
sich selbst überlassen i*l und eventuell seinen Kuttemapf sucht, nach dieser oder jener Seite
treiben, so kann rs »ich hier wühl nur um Gesichts- oder üefühlserinnerungen
hnndeln. welelie, wir- wir uns ausdrücken können, die •Orientierung des blinden Tiere-i im
Räume- ermöglichen. Der Geruchssinn ist (>ei den Papageien eltenso wie bei vielen anderen
Vögeln so gering entwickelt, daß man ihn bei diesen Betrachtungen außer acht lassen kann.
Der 1'apagei, dem nur ein Auge verschlossen ist. dreht sich, sich selbst überlassen, aus«
schließlich nach der Seite des offenen Auges.
Nach jeder Großhirnes stirpation , an die sich eine Drehstörung, d. h. eine Abweichung
von deo oben geschilderten normalen Drehbewegungen ansrhluQ, so daß der Papagei von
jetzt an eine bestimmte Drehrichlung bevorzugt« oder ausschließlich einhielt, mußte es sich
zunächst darum handeln, ob hier eine motorische Störung vorlag, welche Hie Umdrehung
des Papagei» nach eitier bestimmten Richtung erschwerte und eine andere begünstigte. War
eine solche Störung vorhanden, so konnte man glauben, daß. gleichviel welche Bewcgungs-
anrci*c nach der einen oder anderen Seite das Tier trafen, e» doch die Umdrehung bevor-
zugen würde, welche ihm die geringsten Schwierigkeiten verursachte. Aber dss Ausschlag-
gebende l>ei der Wahl der Umdrehung waren, wie die weiteren Versuche zeigten, die moto-
rischen Störungen keineswegs; denn ich beobachtete, daß manche Tiere narli der Operation
die Umdrehung nach einer bestimmten Seite bevorzugten, obwohl dieselbe für sie mit größerer
Schwierigkeit und Mühe verbunden war. als nach der entgegengesetzten . so daß sie dieselbe
auch ungeschickler ausführten.
Das Ausschlaggebende > r, <* <lie Umdrehungen waren vielmehr einzig und allein
die sensiblen Impulse, welche entweder als direkte äußere Reize oder als Krinnernngs-
reize auf 'las Tier einwirkten , und je nachdem sie zahlreicher die eine oder die andere
Großhirnhemisphäre trafen, die Umdrehung nach dieser oder jener Seile veranlaßten.
Um einige Beispiele zu nennen: war das Sehen auf einem Auge (im HaupUeil der
Retina) infolge einer Großhimoperalinn, die in der diesem Auge entgegengesetzten Hemi-
sphäre (Kpislriatum) stattgefunden hatte, stark geschadigt, das Seijen in der -Schnabel-
tone, jedoch erhalten, so drehte sich das Tier ausschließlich, wenn man es sieh selbst
flberließ, nach der Läsionsscite (Seite der operierten Hemisphäre). Motorische Störungen
lagen nicht vor, so daß das Tier sich gleichmäßig gut nach beiden Seiten drehen konnte.
Wurde jetzt das gute Auge verschlossen, so drehte sich das Tier doch weiter nach der
ULsionsseite (ebenso auch wenn beide Augen verschlossen waren). Jetzt konnten hier nur,
da sonst keine Störungen vorlagen, die F.rinnerungasehreize für die Umdrehung »us-
achlaggebend sein. Auf akustische Reize reagierte dieser Papagei l*i verschlossenen Augen
wie ein normales Tier. Reizte man den Hügel der dem geschädigten Auge entsprechenden
Seite, so drehte sich das Tier bei verschlossenen Augen (es kam nur das Verschließen des
guten Auges in Betracht), wenn der Reiz ein starker war, nach dieser Seite hin um, war
der Reiz nur schwach, so blieb meist diese Umdrehung aus, da die Erinnerungssehreize,
die da» Tier nach der anderen Seite trieben, überwogen; immer aber blieb sie aus. wenn
die Augen des Tieres nicht verschlossen waren.
12»
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92
0. Kalischek:
War auf dem geschädigten Auge (im >Hauptteile> der Retina) noch ein gewisser Ge-
sichtssinn vorhanden, und wurde jetzt nur das gut« Auge verschlossen, so hing die Dreh-
richtung des Tieres, wenn man es sich selbst überließ, von der Größe der Sehstörung
des geschädigten Auges ab. Ich beobachtete Tiere, welche sich auch jetzt ausschließlich
nach der Läsionsscitc, d. h. nach der Seite des »erschlossenen , ungeschidigten Auges drehten.
Wurde jetzt dem geschädigten Auge eines solchen Tieres von hinten her ein Gegenstand
genähert, so erfolgte die Umdrehung des Tieres nach der Seite dieses Gegenstandes, wofern
der Gesirhtseindruck stark genug war.
Die angeführten Beispiele, die sich leicht noch mehr spezialisieren und erweitern
ließen, sollen zeigen, daß die .Stärke und Zahl der beide Ii irn hii Iften treffenden»
sensorischen Impulse die Umdrehung sowohl beim iingeschädigten wie beim operierten
Tiere bestimmen; es addieren sich die von außen kommenden Reize zu den Er-
inncrungsreizen; und die Hhnhälftc, welcher die ineisten Kelze zuteil werden,
wirkt ausschlaggebend auf die Umdrehung, welche in der der betreffenden Hirnhalfte ent-
gegengeselzien Richtung erfolgt. Die direkten Sehn-ize bilden dabei, wie unsere Unter-
suchungen zeigen, die stärksten Reize; in zweiter Linie kommen die Erinnerungssehreize
für die I'npageien in Betracht. Beim normalen Tiere halten sich diu sensorischen Reize,
welche beide Hirnbalften treffen, das Gleichgewicht; und es genügt ein geringes Flui
von Reizen, um die Umdrehung mal nach der einen, mal nach der anderen Seite herbei-
zuführen. Vor jeder Operation, bei der es auf die Untersuchung der Drehstörungen an-
kam, war es von Wichtigkeit, die Drehrichtung der Versuchstiere bei offenen und besonder»
bei verschlossenen Augen zu beobachten; wenn auch selten, so kommt es doch vor. daß
ein anscheinend normales Tier eine Drehrichlung bevorzugt. Es war das Gewöhnliche, daß
nach einer größeren Exxlirpatiun im Bereiche einer Hemisphäre, gleichviel wo sie stattfand,
der Papagei io der ersten Zelt nach der Operation sich ausschließlich nach der Usionsseite
hin drehte. Der operierten Hirnhäute wurden, da die anfängliche Schädigung derselben
infolge der Zirkulationsstörungen und »nervösen Fern Wirkungen, (s. S. 33) immer von er-
heblicherer Ausdehnung war, und meist im Anfange neben anderen Störungen auch Seh-
störungen bestanden, zunächst weniger sensorische Impulse als der normalen Hemisphäre
zugeleitet; und die Folge dieser Gleichgewichtsstörung der Impulse war entweder die Be-
vorzugung der Umdrehung nach der der normalen Hemisphäre entgegengesetzten (Usions-)
Seite oder, wenn das Übergewicht der Impulse auf der normalen Hirnhälfte sehr groß war,
die ausschließliche Umdrehung nach dieser Seite. Diese Drehstörung konnte so aus-
gesprochen sein, daß sie an die von den Versuchen bei Säugern her bekannte »Reitbahn-
bewegung« erinnerte. Kineo charakteristischen Fall dieser Art beobachtete ich bei einem
I'apagei, welcher, wie ich schon oben (S. 34) hervorhob, eine •perindische OeftthU- und
Bewegungsstörung« zeigte. Wenn ich auf die Drehstörungen, die dieser Fall darbot, hier
noch etwas genauer eingehen darf, so drehte sich das Tier, bei welchem eine Exstirpation
an der Konvexität einer Hemisphäre vorgenommen worden war, wenn ea mit unverschlossene»
Augen auf der Stange saß. in normaler Weise fast gleichmäßig nach beiden Seiten; bei
verschlossenen Augen zeigte es eine deutliche Bevorzugung der Umdrehung nach der
Li»ronsseile. War das Tier jetzt aber eine Zeitlang am Drablkäfig herutngekleltert und
alsdann wieder auf die Stange zurückgekehrt, so trat jetzt neben einer vollständigen Lähmung
der der operierten Hemisphäre entgegengesetzten Körperbälfte die der • Reitbahnbewegung«
ähnliche ununterbrochen« Umdrehung nach der Läsionsseite hin hervor, und zwar sowohl
bei offenen wie bei verschlossenen Augen. War der Papagei weniger lange herum-
Da.' Großhirn der Papageien.
93
geklettert, *o fehlt* die Lähmung fast vollständig, und nur die Reilbahubeweguog kam
zum Vorschein. Auch diese schwand, nachdem das Tier ruhig einige Zeit wieder anf der
Stange zugebracht halte, um wiederzukehren, wenn das Tier von neuem am Klfige herum-
geklettert war. Diese «periodische Reitbahnbewegung«, wie man die Störung wohl nennen
könnte, beruhte höchstwahrscheinlich darauf, daß Infolge der großen ScIuVtrlöflnung die
freiliegende Gehirnhälfte durch <l*s Klettern an der olw-ren Käfigwand gedrückt uod da-
durch die Geliirnfiinktlonen und mit ihnen die sensoriacheo Impulse momentan ausgeschaltet
wurden.
Es gab nun eine Exstirpation im Großhirn, bei welcher, nachdem die Übrigen
• indirekten« Störungen sich ausgeglichen hatten, die Drehstönmg als einziges patho-
logisches Mauers vmptom zurückblieb. Es war das, worauf ich schon oben (8.78) kurz
hinwies, die Exstirpation oder Uuterschneidung des Hy perstriatums; Ober die Art der
Ausführung der Operation habe ich schon ohen berichtet. Die Tiere, bei denen eine der-
artige Operation auf einer Seite vorgenommen war, zeigten folgende» charakteristisches Bild:
Störungen des Sehens waren vielleicht anfangs im gegenseitigen Auge in geringem Grade
vorbanden, oder sie fehlten ganz; jedenfalls gingen sie, wenn vorhanden, bald vollständig
zurück. Näherte man von hinten her dem l'apagei einen Gegenstand, so drehte er sich
nach litiks hin um, wenn die Annäherung links erfolgte, und er drehte sich nach rechts,
wenn die Annäherung rechts stattfand . und zwar machte das Tier die Umdrehungen nach
beiden Seiten ebenso geschickt und schnell wie früher. Auch auf akustische Reize reagierte
der Papagei mit einer Umdrehung nach dieser bzw. jener Seite. Motorische Störungen
ließen sich bei der Umdrehung nicht erkennen. Uberließ man den Papagei, der auf der
Stange saß, sich selbst, so pflegte er sich nach beiden Seiten zu drehen; vielleicht, daß ab
und zu mal eine gewisse Bevorzugung der Umdrehung nach der Lasionsseite auftrat, sehr
erheblich war jedenfalls dieses Uberwiegen einer bestimmten Drehrichtiing nicht. Ganz
anders aber war das Verhalten des Tieres, wenn man Ihm die Augen verschlossen
hatte: Jetzt drehte sich der Papagei, wenn man ihn sich seihst uberließ, fast ausschließ-
lich nach der Lasionsseite; und diese Drehstönmg, die für die Dauer bestehen blieb, trat
um so mehr hervor, je längere Zeit nach der Operation vergangen war. Auch schon wenn
er ruhig auf der Stange saß, hielt der Papagei den Kopf mehr nach der Lasionsseite hin-
gewendet.
Berührte man bei diesem Tiere, dem die Augen verschlossen waren, den hinteren
Teil des der OperaUonaseite gegenüberliegenden Flügels oder die Schwanzfedern dieser
Seite, so drehte sich das Tier nicht, wie es ein normales Tier zu tun pflegt, nach dieser
Seite hin um, sondern nach der Läsionaaeite , nachdem öfter zunächst eine kurze Drehung
des Kopfes nach der Seite der Berührung vorausgegangen war. 8chon die leisesten Be-
rührungen wurden wahrgenommen und mit der genannten Umdrehung beantwortet. Be-
rührte man den Hals oder den vorderen Teil desselben Flügels, so erfolgte meist nur
eine kurze Drehung des Kopfes oder auch des Oberkörpers nach dieser Stelle hin; daran
schloß sieh aber mitunter sofort eine Umdrehung des Tieres nach der Lasionsseite. Auch
dieses Verhalten war um so ausgesprochener, je längere Zeit nach der Operation ver-
flossen war.
Worauf waren nun diese Drehstörungen zurückzuführen? Woher kam es, daß das
Tier, dessen motorische Fähigkeiten ungeschmälert waren, so daß es sich gleichmäßig gut
nach beiden Seilen umdrehen konnte, bei verschlossenen Augen ausschließlich die
Umdrehung nach einer bestimmten Seite wählte? Es war hier nur möglich, daß durch die
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94
O. Kamscher:
einseitige H>|»er»triatumoperaü'on die sensorischen Impulse »uf dieser Seite geschädigt waren,
und die Impulse in der andern Hemisphäre das Übergewicht erlangt hatten. Da ferner bei
den Tieren im übrigen keine Störungen bestanden, und, solange ibre Augen offen waren,
auch kaum eine Drehslörung hervortrat, so konnte es sich nur um einen Fortfall von
Krinnerungsanrcizcn zur Umdrehung in der operierten Hemisphäre handeln,
welche, wie ich schon oben anführte, die Orientierung der blinden Tiere im Räume er-
möglichen.
Worauf war es weiter zurückzuführen , daß derselbe l'apagej hei verschlossenen Augen
entgegen der Gewohnheit der Tiere, siel) nach der Seite des berührten Flügels umzudrehen,
gerade nach der entgegengesetzten .Seite sich drehte? Die Ähnlichkeit dieses Verhaltens mit
der »falsche» Projektion-, die wir t>ei den Sehstörungen kennen lernten, fällt sofort in die
Augen. Dort beoUchteteji wir (S. 47), daß, wenn man nach einer einseitigen Epistrialum-
exstir|Mtion dem der Operationsseite gegenüberliegenden Augu einen Gegenstand von hinten her
näherte, das Tier sich nicht nach dieser Seite, von der der Gesichtseindruck kam. drehte,
sondern nach der entgegengesetzten und daselbst den Gegenstand des Reizes suchte. Wir
hatten diese »falsche Projektion- damit erklärt, daß der Gesichtseindruck nicht in die dein
Auge entsprechende , d. Ii. geschädigte Hemisphäre, sondern mittels der Thalamus. h»w.
Mittrlhirnkoiiiinissureii in die gleichseitige, intakte Hemisphäre gelangt war. von welcher
aus die Umdrehung nach der entgegengesetzten Seite angeregt wurde. Kine analoge Erklärung
müssen wir für die falsche Projektion der Fiihlreize annehmen. Kbenso wie liei dem Seh-
versiiilie erfolgte hier die Umdrehung nach der falschen Seite zögernd und langsam; es
handelte sich nicht etwa um ein scheues Entweichen nach dieser Seite, wie man es ab und
zu t*ei Papageien beobachtet, deren einen Flügel man plötzlich reizt. Man gewann durchaus
den Eindruck, daß das Tier die Ursache des Reizes auf der falschen Seite suchte; kuui
es doch auch vor, daß das Tier hier in die Luft hineinbiß, um die Ursache der Störung
zu erhaschen. Die Reize, welche den Flügel oder die Schwanzfedern treffen, können, so
nehmen wir an. in beide Hemisphären gelangen, in die gegenseitige auf dem gewöhnlichen
Wege, in die gleichseitige mittels der in großer Zahl bei den Papageien vorhandenen Kom-
missuren. Während sie in der Regel nur in die gegenseitige Hemisphäre, speziell in das
Hyperstriatum derselben, gelangen, ao nehmen nie, wenn dieser Weg durch F.xstirpation
des betreffenden üehiniteiles verlegt ist. nunmehr ihren Weg mittels der Kommissuren in
das gleichseitige Hyperstriatum, und von hier aus wird die Umdrehung nach der zuge-
hörigen, d.h. nach der dem gereizten Flügel entgegengesetzten Seite ausgelöst. Aber sollten
auch noch Reize in das gleichseitige Hyperstriatum nach nur teil weiser Kxstirpation des-
selben gelangen können, so ist doch öfter die Zuleitung der Reize dorthin gestört und
schwieriger als der Weg durch die Kommissuren nach der gleichseitigen Hemisphäre, und
darum wird auch in diesem Falle trotz der nur teilweisen Schädigung des einen Hyper-
striatum» die Umdrehung nicht nach der Seite des Reizes, sondern nach der entgegensetzten
erfolgen. Wird in einem solchen Falle in der bisher normalen Hemisphäre eine noch größere
Operation als in der erst operierten Hemisphäre vorgenommen, so erlangt die letztere
wiederum das Ubergewicht; die Reize nehmen von nun an nur dorthin Ihren Weg, und die
Umdrehung wird jetzt, gleichviel welcher Flügel gereizt wird, nach der dieser Hemisphäre
zugehörigen (d.h. entgegengesetzten) Seite erfolgen. Die Reize, welche den Flügel
treffen, suchen sich mitbin den leichtesten und bequemsten Wog; das Hyper-
striatum, welche« am wenigsten geschädigt ist, vermittelt, indem es die meisten
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Das Großhirn der Papageien.
95
Die kurze Drehung des Kopfes »ach «irr Seit«- des berührten Flüge!» . die, wie ich
erwähnt«. «)er völligen Umdrehung des P»|>sgeis «ach der entgegengesetzten Seite voraus-
ging, kommt -reflektorisch« ohne Vermittlung des Hvperstriatums von niederen Gehirn-
tellen aus zustande; diese Drehung des Kopfes geht schnell und plötzlich vor sich iin
Gegensatz zu der langsamen, zögernden l'mdrehung des ganzen Körpers. Der den KlQgel
treffende sensible Beiz gelangt — so können wir uns den Vorgang veranschaulichen —
zunächst normalerweise in die entgegengesetzte, geschädigte Hemisphäre, und zwar bis in«
Me*ostriafout ; jetzt erfolgt von hier aus die kurze schnelle Drehung des Kopfes nach der
Seite des berührten Flügels. Der Reiz ist inzwischen aber weiter durch die beide Hemi-
sphären verbindenden Kommissuren nach dem diesem Mesoslriatum gegenüberliegenden,
normalen Hyperstriatum gelangt; und die Folge ist die nunmehr sich anschließende Um-
drehung des ganzen Tieres nach der dem gereizten Flügel entgegengesetzten Seite.
Je ausgedehnter die Verletzung des llyperstriatums, um so stärker traten all die ge-
nannten • Drehstörungen • herrar; schon kleinere Schädigungen reichen aus, um wenigstens
eine Bevorzugung einer Drehrichtung — raeist nur bei verschlossenen Augen des Tieres
bemerkbar — zu verursachen. Auch Verletzungen des Wulstes , der ja in engen analomixchen
Beziehungen zum Hyperstrialum steht, gaben zu Drehslörungen Veranlassung. Die Abhängig-
keit der l>esehriebenen Drehstörungen vom Hyperstrialum wurde auch durch Konlmllvcr-
suche, welche die Exstirpation anderer Gehirnteile betrafen, bewiesen; es wurden danach
nur vorübergehende Drehstörungen, die auf -indirekte- Störungen zurückzuführen waren,
hervorgerufen.
Nach alledem müssen wir annehmen, «laß das Hyperstriatum, dessen
Funktion uns durch die im Anschluss an die Exstirpationen desselben auf-
tretenden geringen Gefühls- und Bewegungsstörungen bei weitem nicht er-
schöpft schien, höheren Funktionen dient, indem von demselben der
Vorgang ausgeht, den wir bei uns die .Orientierung im Räume« zu
nennen pflegen. Wir konnten durch die Exstirpationen ermitteln, daß die
Drehbewegungen der Papageien , speziell ilie Umdrehungen, von dem Hyper-
striatum abhangig sind. Mit der Umdrehung, soweit die Motilität in
Frage kommt, hat das Hyperstriatum nichts zu tun; die motorische Kompo-
nente der Umdrehung gehört tieferen Zentren, wie dem Mcsostriatum, an.
Von dem Hyperstriatum geht nur der Anreiz zur Umdrehung nach
der einen oder anderen Seite aus; und zwar von dem linken Hyperstriatum
die Umdrehung nach rechts, von dem rechten nach links; aber nicht von
einem Hyperstriatum nach beiden Seiten. Das Tier dreht sich dabei langsam
und suchend, so daß diese Umdrehungen im Gegensatze zu schnell vor sich
gehenden «reflektorischen« Bewegungen stehen. Nach Schädigung eines
Hyperstrlatums werden die Bewegungsanreize (die sensorischen Impulse)
zur Umdrehung auf dieser Seite vermindert bzw. aufgehoben ; und die Folge
davon ist die «Störung der Orientierung«. Wahrend im allgemeinen an der
96
0. Kalischer:
Orientierung im Raum alle Sinne teilnehmen, sind bei den Papageien wohl
im wesentlichen Gefühls- und Sehreize und die gleichen Erinnerungsreize
daran beteiligt, welche letztere nach unserer Annahme im Hyperstriatum
ihre St&tte haben. Die anatomischen Ergebnisse dienen zur Stütze dieser
Auffassung. Die Nervenzüge der Schrlgfaserung, welche durch das Meso-
Ktriatum heraufsteigen, dann ins Ektostriatum treten und von da aus in
das Hyperstriatum sich begeben, haben wir als zentripetale Bahnen kennen
gelernt, die von der gegenseitigen Körperhälfte bis in das Hyperstriatum
gelangen und z. B. die Reize, die die Flügel treffen, dorthin leiten können.
In den hinteren Teil des Hyperstriatums dringen ferner feine Fasern ein,
welche vom Epistriatum über das Ektostriatum dortbin gelangen und da-
mit das Hyperstriatum in Verbindung mit der Sehsphire bringen.
Das Großhirn dir Papageien.
97
Schlußbemerkungen.
Ist auch durch die vorliegenden Untersuchung» ein abschließendes
Urteil Ober die Funktionen der einzelnen Teile des Großhirns noch nicht
erbracht, so geht doch aus meinen Ergebnissen unzweifelhaft hervor, daß
den verschiedenen Teilen des Großhirns ganz distinkte Funk-
tionen zukommen. Schon der durch die anatomische Untersuchung er-
mittelte Verlauf der mannigfachen Nervenbahnen, die Mannigfaltigkeit und
Eigenart der voneinander wohl abgrenzbaren, nach Zellgrößc und -anordnung
verschiedenen Abteilungen hatten ein solches Resultat vorhersehen lassen.
Wenn es bisher nicht geglückt war. sichere Lokalisationen am Vogelhirn
vorzunehmen, so lag das einerseits wohl daran, daß bisher die Reizver-
suche zu keinem greifbaren Resultate gerührt hatten; andererseits daran,
daß man für die Exstirpationsvcrsuche sich meist solcher Vogelarten be-
dient hatte, hei denen sowohl die Operationen wie die klinische und ana-
tomische Untersuchung teils wegen der Kleinheit der Verhältnisse, teils
wegen der weniger deutlich ausgesprochenen Funktionen mit größeren
Schwierigkeiten verbunden waren.
Die elektrischen Reizungen, die ich bei den Papageien vornahm,
hatten an verschiedenen Stellen des Großhirns verschiedene Reiz-
erfolge ergeben. Wenn auch die Deutung derselben für die Funktion
des gereizten Gehirnteiles , wie z.B. die Deutung der von einem bestimm-
ten Punkte des Schläfenteiles hervorgerufenen »Phonation«, schwierig sich
erwies, so boten die Reizerfolge doch wenigstens einen Anhalt für die
Lokalisation. Im Anschluß an die Exstirpationen verschiedener Be-
zirke des Großhirns sahen wir Störungen des Sehens, des Sprechens,
des Fressens, der Bewegung und Empfindung und der Orientierung her-
vortreten, und wenn auch der Ausfall der einzelnen Funktionen sich nicht
immer ganz für sich erzielen ließ wegen der tiefen I-agc der zu exstirpic-
renden Teile und ihrer engen Nachbarschaft, so waren doch nach jeder Ope-
ration bestimmte Funktionsstörungen vorherrschend. Die doppel-
seitige vollständige Großhirnexstirpation laßt sich bei den Papageien nicht
ausführen; auch gelang es nicht, Tiere nach vollständiger einseitiger Groß-
hirnexstirpation für längere Zeit am Leben zu erhalten. Ja, schon eine
Piy. Abi. nickt tur AJtad. gAür. Geldrter. 1905. IV. 13
98
0. Kaliscuer:
umfangreiche Teilexstirpation in beiden Hemisphären überlebten die Tiere
nur wenige Tage, wofern der Kopf des Mesostriatums eine erhebliche
Schädigung erfahren hatte.
Als Großhirnrinde kann bei den Papageien nur eine einzige Stelle,
nämlich der Wulst an der Konvexität des Gehirns, in Betracht kommen,
von dessen vorderer Spitze ein der Pyramidenbahn der Säuger ver-
gleichbarer Nerveiizug seinen Ausgang nimmt. Dieser Zug leitet auch die.
Erregungen de» Wulstes für die Extremitäten nach abwärts. Es ist be-
sonders hier hervorzuheben, daß die Papageien, obwohl ihnen eine Groß-
hirnrinde somit fast ganz fehlt, doch auf einer so hohen Stufe psychischer
Entwicklung stehen. Ja, auch nach doppelseitiger Exstirpation des Wulstes,
des freien Palliums und anderer oberflächlicher Hirnpartien fanden sich nur
vorübergehend geringe Störungen in der Bewegungssphäre, und das psy-
chische Verhalten erlitt keine wesentliche Veränderung. Dauernde Störungen
der Intelligenz traten erst nach ausgedehnten, tiefen Verletzungen beider
Hemisphären hervor. Auch die doppelseitige Stirnliirnverletzung hatte, was
hier noch bemerkt sein mag, wofern das Mesostriatum intakt blieb, keine
nennenswerte Veränderung der psychischen Tätigkeit zur Folge.
Tritt die Bedeutung der -Rinde« somit bei den Papageien fast ganz
zurück, so spielt das Striatum mit seinen verschiedenen Abteilun-
gen, eine um so wichtigere Rolle. Wenn wir hier noch einmal in aller
Kürze die Bedeutung der einzelnen Abschnitte des Striatums über-
blicken und dabei gleichzeitig berücksichtigen, inwieweit die dabei in Betracht
kommenden Funktionen vom Großhirn Überhaupt abhängig sind, so hätten
wir zunächst das Mesostriatum zu erwähnen, welches, die direkte Fort-
setzung der tieferen Gehirnteile (des Thalamus) bildend, das wichtigste
Großhirnzentrum für die Funktionen der Bewegung und Empfindung dar-
stellt. Nach seiner Exstirpation sehen wir die Hauptganglien des Thalamus
auf der gleichen Seite zugrunde gehen. Auch das Mesostriatum selbst erwies
sich nicht gleichartig in bezug auf seine verschiedenen Tode; der hintere Teil
schien für die Sensibilität, der vordere Teil (Kopf) für die Motilität besondere
Bedeutung zu besitzen. Nach doppelseitiger leichter Schädigung einer
betimmten Stelle des Kopfes des Mesostriatums traten dauernde, schwere
motorische Sprechstörungen ein, wobei kaum noch Worttrümmer zu-
rückblieben, während nach einseitiger Schädigung derselben Stelle, gleichviel
welcher Seite, das Sprechen nur vorübergehend gestört war. Ebenso wie die
Dat Großhirn der Papageien.
99
Sprech bewegungen, zeigten sich auch die Freßbewegungen vollkommen
«n das Großhirn gebunden. Nach starker, doppelseitiger Schädigung einer
bestimmten Partie des Kopfes des Mesostriatums kam es zu schweren Frcß-
störungen, die unter verschiedenen Symptomen, wie Kopfhickbewegung,
Luxation des Unterkiefers, Krämpfen der Kaumuskulatur, zum Tode der Tiere
führten. Diesen Reizerscheinungen stand die vollständige Lähmung der
Freßbe wegungen gegenüber, welche nach umfangreicher doppelseitiger
Verletzung des Mesostriatums bei gleichzeitiger Schädigung des hinteren
Teiles dieses Großhirnabschnittes zu beobachten war, und welcher die Tiere
in kürzester Zeit erlagen.
Aueli die übrigen Bcwegungsfonnen waren nach schweren Schädigun-
gen des Mesostriatums sehr eingeschränkt; nur vereinzelte Bewegungen
blieben dank der Selbständigkeit gewisser tieferer motorischer Zentren be-
stehen. Von der mehr oder minder großen Ausbildung des Mesostriatums
hängt im wesentlichen der Unterschied ab, der nach doppelseitigen Groß-
hirnexstirputionen bei den verschiedenen Vogelarten in bezug auf die blei-
benden Körperbewegungen zu bemerken ist. Je geringer die Entwickclung
des Mesostriatums und je entwickelter demzufolge die tieferen Zentren sind,
um so mehr Bewegungen bleiben nach den vollständigen Exstirpationen
zurück.
Nacli stärkeren Schädigungen besonders des hinteren Teiles des Me-
sostriatums kam es nicht zu einer Aufhebung, wohl aber zu einer Herab-
setzung der Sensibilität (Druck, Schmerz, Berflhrungsempfindung) in
der gegenseitigen Körperhälfte. Die Sensibilität zeigte sich nur zum Teil
an das Großhirn gebunden. Die Lokalisation der Empfindungen, soweit
dieselbe bei den Papageien zu prüfen ist, schien dagegen aufgehoben. Die
erheblichen Lagegefühlsstörungen, die anfangs nach den Exstirpationen zu
beobachten sind , stellen keine wahren Ausfallserscheinungen dar, sondern
sind von indirekten Störungen, besonder« von den »nervösen Fern Wirkungen«
auf die tieferen Gehirnteile abhängig; sie gleichen sich zum größten Teil
aus und bleiben erst dauernd nach der Schädigung tieferer Gehirnteile
bestehen.
Nach der Verletzung des als isoliertes Ganglion scharf abgrenzbaren
Hypcrstriatums, welches dem Nucleus caudatus der Säuger zu vergleichen
ist, standen die Drehstörungen, besonders die der Umdrehung nach
der einen oder anderen Seite, im Vordergrunde. Diese Störungen waren
13«
100
0. Rauscher:
allein sensorischer Natur, während der motorische Teil der Um-
drehung vom Mesostriatum abhangig ist. Ohne das Hyperstriatum fuhren
die Tiere die Umdrehungen ausschließlich auf direkte Äußere Sinnesreize
hin aus, während bei erhaltenem Hyperstriatum die Erinnerungsreize des
Sehens und Fühlens die Drehungen beeinflussen. Wir fassen das Hyper-
striatum demnach als ein sensomoto risches Zentrum höherer Ord-
nung auf, das seine sensorischen Zuflüsse von verschiedenen Seiten, be-
sonders vom Mesostriatum und Epistriatum, empfingt. Der Wulst, der
in naher anatomischer Beziehung zum Hyperstriatum steht, hat wahrschein-
lich unterstützende Funktionen.
Das Ektostriatum, welches die hauptsächlichsten, den hinteren Teil
des Mesostriatums durchziehenden zentripetalen Fasern in sich aufnimmt,
dient wohl dazu, die mannigfachen, von anderen Hirnteilen ihm zugeleiteten
sensorischen Einflüsse zu sammeln und sie dem Hyperstriatum zuzuführen,
zu welchem es eine Zwischeustation bildet. Seine Verletzungen rufen daher
ähnliehe Störungen wie die des Hyperstriatums hervor.
Das gleichfalls gegen die Umgebung deutlich sich abgrenzende Epi-
striatum steht zum Sehen in Beziehung und ist (durch Vermittlung des
gleichseitigen Thalamus) bestimmten Teilen der gegenseitigen Retina zu-
geordnet. Wir haben beim Papagei zwei physiologisch verschiedene Seh-
akte unterscheiden können, einen Großhirnsehakt und einen Mittel-
hirnsehakt, die beide nebeneinander funktionieren. Die Fovea
centralis der Retina stellt den Hauptpunkt des Großhirnsehens, die la-
teralste, dem binoeularen Sehen dienende Partie der Retina den Haupt-
punkt des Mittelhirnsehens dar. Aber auch das Groß Ii irnsehen ist kein
• Rindensehen«, sondern ein Striat umsehen. Die Fasern der in Betracht
kommenden Großhirnsehbahn können, wie sich nachweisen ließ, schon aus
anatomischen Gründen das Pallium nicht erreichen.
Ich halte es nach meinen Untersuchungen für möglich, daß das Epistria-
tum mit bestimmten Abschnitten auch zu anderen Sinnesfunktionen , wie
zum Hören und Riechen, in Beziehung steht, so daß dasselbe damit das
sensorische Hauptzentrum des Großhirns darstellen würde.
Das Großhirn der Papageien. 101
Erklärung der Figuren.
Tafel I.
Fig. i. Ansicht des rapageigehirn» von oben (i$ natürlicher Große).
„ Willst. 0 Lohn* olfactorii».
*t Stirnteil. / Sylvische Furche.
k Hinterhauptsteil. * Kleinhirn,
r Vena cerebral!» ant.
Fig. i. Basale KlScIic des Gehirn* ilj natürlicher Größe).
m Mesostriatum. o Lobu* olfaeuirius.
* Schläfentcil. rk Chiasma opticum.
lo Lobus opticus.
Fig. 3. Seitenansicht de* Gehirn* (1} natürlicher Größe).
»I Stirnteil. » Schläfentcil.
m Mesostriatum. r, Lobus
eh Chiasma opticum. Ar Kleinhirn,
fo Lobus opticus. tno Med. .
Fig. 4. Seitenansicht de» Gehirns, doch mehr von oben gesehen (1* na-
türlicher Qröüe).
*t Stirnlcil. lo Lobu.« opticus.
<r Wulst. * Kleinhirn.
.« Scliläfriilci). m« Med. oblonirula.
Fig. 5. Ansicht de» Gehirn» von hinten (1$ natürlicher Große).
Fig. 6. Schädel des Papageis, der auf der einen Seit* geöffnet ist, um die Lage
des Großhirns zu zeigen |i{ natürlicher Große».
Tafel II.
Fig. 1. Frontalschnitt durch das Großhirn (Weigertprlparat).
n
Hvperst natura.
9V H "
Querfaserung.
c
Wulst.
l'
Kreuzende Fasern.
r
Ventrikel.
?"
Kaudnlwirts ziehende Fasern.
1
Fasern aus dem Kpistriaturo.
•>■
Nucleus rotiiadus Thalami.
k
Epi«triatiiin.
1
Schrügfasening (Mesnstriatum).
1
EklostriaUim.
r
Traclii» cortico-septo -spinaii».
m
Ventrikel.
w
Zentripetaler Zug zum Stirnlcil.
0
Grenze zwischen Hypersiriatiun
.r
Verbindungsfascrn zwischen Ek-
und Striatum parietale.
to- und Epistriatum.
!•
Horizontaler Schenkel der La-
t
Beginn des Ventrikels (tu).
102
0. Kalischeb:
Fig.». Frontalschnitt durch das Großhirn ( Nißlpräparat».
a Hyperstriatuni. / Ektostriatiun.
b Unterwtilstregion. m Ventrikel.
ce Wulst. n Vcntrikcldecke (Pallium).
e Ühergnng Tom Wulste zum q Querfasenmg.
Scptum. * Nuclous rotundus Thalami.
e Ventrikel. t Mesostriatum (Körper),
i Striatum temporale. *p Siriatiim parietale.
k Epistriatum. t Beginn des Ventrikel* (m).
Fig. 3. Kroiitaischnitt durch den Stirnteil des Großhirns (Weigert-
pripwat).
j Hyperstrlatum. b Markfa*rrn (Strintum frontale).
e Markfasern der Basis.
Fig.4. Frontalschnitt durch den Stirnteil des Großhirns ( N i ß 1 priparat).
a Ilyperstriatum. e Markfasern der Basis.
b Mm k fasern (8triatum frontale). d Ventrikel.
Flg. 5 und 6. Frontalschnitte durch das Großhirn ( N i ß I prlparate).
a Mesostriatum (Kopf). t Hyperstriatuni (Pars pariettlis).
4 Grenze zwischen Mesostriatum / WuUt.
und Stirnteü. g Ventrikel.
c Lamina medullaris. Horixonta- A Lamina medullaris. Grenze <
ler Schenkel. Mcsostriatuma.
d .Strialuiii frontale.
Tafel III.
Flg. i. Frontalschnitt durch das Großhirn ( Weigert priparat).
d Hyperatriatum. f Zentripetaler Zug tum
4 Wulst. teil.
c Wulstfaserung. y Tractus fronto - occipitalis.
d Mesostriatum (Kopf). h Vene. Grenze zwischen
« Ventrikel. Stiniteil und de
Fig. j. Frontalschnitt durch das Großhirn (Weigert priparat).
a Hyperstriatuni. * Ventrikel.
c Wulst mit Wulstfaserung. / Zentripetaler Zug zum Stirnteil.
rf Mesostriatum (Kopf). i Sdiläfenteil.
Fig. 3. Frontalsehnitt durch das Großhirn (WeigertpripanU).
a Hyperstriatum. « Ventrikel.
A WuUt. h Untereulstreipon.
ce' WuUtfaserui.a. i Schläfenteil.
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Das Großhirn der Papageien.
103
m Ventrikel.
n Ventrikeldeeke (Pallium).
ti Vertikaler .Schenkel der Lamina
medullari*.
p Horizontaler Schenkel der La-
Scptumlaaerung.
StriaUim parietale.
Züge (Irr Sohrijrfaserung
Quergel roffene Zuge (Coi
sura inter-mesoslrialic*).
Fa.vfni der Kchrigfaserung,
in <ln» Hy|H«r>triatum und
die l'nterwubtregion
len.
Beginn da Ventrikels (m).
Fig. 4. Frontalschnitt durch das Großhirn ( Wei gertpräparat).
C
i
k
!
Lo
Vfulst mit
Ventrikel.
• Motorische* Feld« des Thala>
mu* und Mittelhirns.
Ganglien des Thalamus.
Ma
Ektostriatum.
Lobtis opticux.
Ventrikel.
Venlrikeldeekc (Pallium).
Tractiis Üialaino ■
I Qi lerfaserung).
Fa*em aus dem Nucleus roUio-
dns Thalami.
Nucleus rotundus Thalami.
MesostrUtum (Körper).
Tractus cortice -septo-spinaüs.
Zeotripeuler Zug zum Stirnteü.
Beginn de» Ventrikels.
Tafel IV.
Fig. t. Sagitlalschnitt durch das Großhirn ( Weigert priparal).
a a Hyperstriatum.
c Pallium.
d Striatum frontale.
t Mesostriatuni (Kopf).
h
zwischen Wulst und
parietale.
Querfase rung.
Srhrägfsserung (Körper de* Me-
sostrialums).
Lobus opticus.
Ventrikel.
Sagitüd verlaufende FaserxOge
an der Basis.
Fig.». Sagittalschnitl durch das Großhirn (Nißlpraparal).
r
d'
Hyperstriatum.
Pars frontalis Hyperstriati.
Pars pnrietalis Hyperstriati.
Unterwulst region.
Wulst.
Pallium.
Striatum frontale.
Striatum parietale.
7
r
t
Ijuniiut medullaris. Vertikaler
Schenkel.
Lainina inedullaris. Horizontaler
Schenkel.
Pars occipitalis.
Querfascrung.
Mittelhirn (Lobus opticus).
Begitm des Ventrikels.
Vena cerehralis ant. = Beginn
des Wulstes.
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104
0. Kalischer:
Tafel V.
Fig. l. Horizonlalschnitt durch d»8 Gr«
d Pallium,
c Epixtriatum.
/ Striatum temporale und oceU
pitale. MarkfWrn au.« dem
EpUtriatum.
A Hyperstriatum ; Pars frontalis.
m Mesostriatum.
o Pars occipitali«.
Fig. a. HorizontaUchnitt durch da» Or
c (Jueriaaerung.
(i Epistriatum.
y Markfaxero aus dem Kptstriattiiu.
g Pallium.
g" Lamina medullarU zwischen
Slirnteil und Mesostriatum.
G Thalamus.
k Hyperstriatuiu; Pur» fruntali».
ßhirn ( Weigertpriparut).
p Durchschnitt durch die Septum-
rasenniR.
tt Stirnteil,
fr Qnerfaserung.
fr" Schrigfaserung (zentripetaler
Zur zum .Stirnteil),
r Ventrikel.
# Beginn des Ventrikels,
ßhirn (N ißl präparall.
u Pars oeeipiulia.
it Stirnteil,
f Orebellum.
fr Tractua thalamo - epistriaticus.
fr" Schragfaserung (zentripetaler
Zur zum .StirnteU).
o Ventrikel.
tr" Berlin de» Ventrikels.
Tafel VI.
Horizon tal.ichnitt du rcli das Großhirn ( Weigertpriiparat)-
!«'
Querfaserung; dabei die Com-
oeh
Quergctronene .Schrägfaserung.
t
ferehelhim.
•/
Pallium (Ventiikeidecke).
tr
Traettu Üialamo - epistriaticus.
*
Epistriatum.
tr'
Querfasemug.
f
Markstrahlen aus dein Epistria-
tr '
Schragfiiserung ; zentripetaler
tuui.
Zur zum Stirnteil.
gh
Fa*eni zum Thalamus.
fr*
Züge vom Stirnteil zum Epi-
A
Hyperstriatuui; l'ars frontalis.
striatum. zum Strialuin teenpo-
m
rale und zur Querfaserung.
<>
Pars occipitalis.
*
r F
Ventrikel.
P
Fasern vom Stirnteil zum Stria-
t
Kreutungastelle verschiedener
tum temporale.
Nervenzüjje.
st
Stirnteil.
#
Deginn des Ventrikels.
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Das Großhirn der Papageien. 105
Inhaltsverzeichnis.
8dl*
I. Anatomischer Teil 8
1, Eiiiieitunit 5
2, Dir äiißnvn Kurivivi-rliUlttii.-^c rtr.s UroÜlumg 7
j. Der innere Bau des Großhirn» 9
A- KuniT t'h'TLilick 9
B. BegchrcibunK der Abbildungen 10
(". <jenjinerr [if-srlireitiiin;; einzelner Te-ile 16
ii) Pallium, hl Stn.itmn: Mi-gogtnatnm, Hyperstrmtam , Untr.rwulstTTpipii,
KLiosu-iatiiui . LpifllH&tüni.
D. Verlauf der Nervenrnje im (iriiüiiirn 22
a) Pallm.-u )AVuUl i Fwmmg, h) Stri»tiunfatcrun);. Quer- and SchrSir-
IL Phyaiologiacher Teil 29
i. Allgemeine« 29
i. Du- Selun <ler l'afiftneirn 35
j- l).i.s Suivtlifii der ('npngeien , .
4. He i?vrrsiicln' titi
S- BewcgiiDg und Empfindung 72
6. Die Nahmnipnufinihmc und ihn- Störungen 84
7. Dil- Drelit.rwr Lmniftii und Drrli'.töruDKrn 90
ScIilußben-ierkiiKRCP 96
Erklärung der Figuren 101
Pttys. Abk. nicht zw Akad. gehör. GtUhrUr. 1905. IV.
14
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K. Prruß. Akad. d.W>»*mtek. Anhang t. H. Abk. VMS. P»y*.. rna rAt
f.
t
ttrruß. Akad. d. W>U*m$ck
Anha»/ *. * AM. 1905. /%».- -„
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* ■ Prfujl. Akmi. ,1. \Va*rntck.
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t. P*utL AkaH. ä. nWw*-A.
Anhang i. Abk. 1905. Pkyt..m'itA. Cl.
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