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Full text of "Vorlesungen Über Die Metaphysischen Anfangsgründe Der Naturwissenschaft"

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BIBLIOTHECA 

REGIA, 
MONACENSIS. 




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* 



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JLAZARUS BENDA VID'S 

VORLESUNGEN 

i 

ÜBER z> i je 

METAPHYSISCHEN 

ANFANGSGRÜNDE 



DIR 



NATURWISSENSCHAFT. 



(Mit doppeltem Register.) 



Haue Dem et mtlior litcm Natura diremit. 



f » 



-WIEN, i 7 9ß. 
Bey Cari Schaüm,burö ttnp Compaovi r. 



f 



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Bayerisch« 
tUatabibtloth** 

Münrhen 



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VORREDE. 

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«■ 

folltc mir wirklich leid thun, wenn man in 
die/er Bearbeitung des Kantifchen Werkes nur 
einen Auszug aus demfelben y oder vielleicht gar 
die Verwandlung einer englifchen Jagduhr e in 
einen Bratenwender finden wollte. Ich wenig- 
ftens fchmeichle mir hier nicht blofs für die 
Küche^ fondern fo fo pour la bonne bouche ge- 
arbeitet zuhaben. Liefs mir auch der architek- 
ionifche Plan Kants keine Stelle zu neuen Sätzen 

- 

f - 

f ■ 

■ * 

i 

Digiti 



IV 

übrig 9 , Jb blieb mir es doch unbenommenste Sätze 
fielt zu beweif en , oder ße wenigßens Jo darzu* 
Ji eilen , daß ße vom Uneingeweihten leichter 
eingefehen , und der Conftruction durch alge* 
drai/che Zeichen fähig werden konnten. 

- 

Die Sache iß leicht auszuführen gewefep, 

t 

und foll gar nicht zu meinem Lobe gejagt , 

- 

feyn: fo wie ich überhaupt ß et s das culpam vi- 
tart Jür fchwerer als das laudem merere halte. 
In der That brauchte man nur gleichfam den 
Fußßeig neben dem Wege herzugehen , den 
Kant eingefchlagen, um alles zu finden, was 
man f uchte, und doch am Ende zu ihmzukome 
men. Aber han hatte auch dabey den Vortheil 
manches Hinderniß nicht anzutreffen, das auf 
der Heerßrafse unweggeräumt liegen bleiben 
mußte. Das Mariottefche Gefetz und Newtons 
Satz von den zurückßof senden Kräften fchei* 



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nen offenbar mit den Kantifchcn Lehren zu 

t * 

Jl reiten. Denn nach Kant flehen die fliehenden 
Kräfte der nächflen Theile im umgekehrten Ver~ 
fiältnifs der Würfel ihrer Entfernung, da sie 

s 

noch Mario tte fowohl als Newton im ein- 

* 

fachen umgekehrten Verhältnifs der Entfernung 
flehen. (Princ* Phil. Nat. Lib. IL Theo. 17. p. 
501 edit. Lond. 168?)? Nun fl eile ich mir im*, 
mer vor, daf&Kant dem Newton eben fo we-i 
nig wie Euklid der Bibel, wie eine Wahrheit der 
andern widerfprechen darf Es mußte fich alfo 
ein Mittel finden laffen beyde Meinungen zu ver~ 
einigen, das befriedigender wäre, ah das wo* 
Kant felbst (Met. Anfangsg. der N. W. 
$te Aufl. p. 80.) vorfchlug. Der Wärmeßoff 
ifl Materie, muß fleh den Gefetzen aller Materit 
unterwarfen, und kann daher, durch eine Vcr- 
bindung mit anderer Matem nichts an diefen 
Gefetzen ändern. Verhalten fkh die fliehenden 

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VI 

Kräfte der Luft allein, und des Wärmeßoffes al- 
lein , umgehehrt wie die Würfel ihrer Entfer- 
nung; fo mufs, dünkt mich, die Auflöf ung aus 
ieyden /ich noch ferner nach diefem Gefetz* 
richten. 

» 

Eben fo konnte die Kantifche Lehre von der 
r Auflöfung überhaupt fehr gemisdeutet werden, 
indem ße wirklich eine vollendete Theilung 
?ns unendliche vorauszufetzen fcheint: (Met. 
Anfangsg. d. N. W. ate Auflage p. 97), welches 
wahrlich nicht angeht. — Man wird diese Lücken 
hoffentlich ziemlich ausgefüllt finden. 

Den gröfsten Einwurf gegen das dynamU 

» 

fche Syßem glaubt man aus dem WorteR raft zu 
Schöpfen, dessen es ßch zur Erklärung der Na- 
turerscheinungen bedient, und das man in unfern 
kräftigen Tjeiten vielleicht mit recht fürchtet. 

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Vit 

Man denkt hierbey immer an jene kryptifchen 

i \ 

Kräfte, mit denen die Scholaßik die Naturlehrz 

fo reichlich befchenkt, aber eine bejferc Philofo- 

* 

phie ihr wieder entzogen hat. Allein aujfer dafs 
der Scholaßiker ßchfo viele Kräfte dachte, ah , 
er Wirkungen in der Natur antraf, und wir in 
der ganzen , Naturlehre nur drey Grundkräfte 
verß alten; aufser dafs jener dadurch den £wcc£ 
alles Denkens und Forfchens, Einheit in unfere 
Erkenntnifs zu bringen, hintertrieb, und wir 
ihn befördern; außer diefem, iß die Bedeutung 
und der Gebrauch des Begriffes Kraft beym Dy- 
namiker ganz etwas anders als beym Scholaßiker. 
Ihdefs diefer unter dem Worte Kraft etwas ver- 
ßand, das an und jür ßch deutlich feyn, und ihm 
zur Erklärung .Einer Erfcheinung dienen follte, 
aber weder das eine war, noch das andere that; 
verß cht jener etwas darunter, das er an und für 
ßch nicht begreift, ihm aber zur Erklärnng meh- 

■ 

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rerer Erfcheinungert dient, und daher dem For- 
Jchungsgeiße noch ein weites Feld fowohl offen 
läfst, als ihm eins eröffnet. Ne demandez pas 
les pourquois des pourquois! war die Regel 
des Scholaßikers ; und da er bey jeder einzelnen 
Erfcheinung ßehen blieb, ohne mehrere derfelben 
unter ein allgemeines Gefetz zu bef offen; da er 
alfo zu jeder einzelnen Wirkung eine eigne Kraft 
ah Urfache annalim: fo enthielt die Antwort die 
er dem Wißbegierigen auf eine Frage ertheilte, 
nichts anders, als die umgekehrte Frage ohne 
Fragezeichen. Was iß die Urfache der Erjül- 
Jung des Raumes ? Antwort ; eine Raum erfül- 
lende Urfache. Ditfi jährt nicht weiter. 

* i 

■ 

i 

Wie ßch hingegen der Dynamiker die Sache 
vorßeUt, nimmt er nur drey Urfachen an, von 
denen er geßeht, dafs er ße weiter zu erklä- 
ren, d. h. auf ein noch einfacheres Princip zurück 

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a 

zu fuhren, nicht im Stande fey; aus denen aber 
jeder bef andere Fall, wie das Befondere aus dem 
Allgemeinen ßch herleiten läfst.* Kraft heifst 
dem Dynamiker nichts als die gemeinschaftliche 
wirkende Urfache aller Erf Meinungen, fo jveit 
ße a priori erkannt wird. Da gibt es dann nur 
drey Kräfte überhaupt? die aller Materie gemein* 
fchaftlich zukommen, aus denen ßch alle ihre 
Wirkungen erklären lajfen, und die zur Vor /ich 
lung derfelben nothw endig find: zurückßof sende, 

anziehende und Bewegung mittheilende Kraß,, 

> ■ ' 

Nur die zwey erflen gehen den Chymiker an: 
indem Mittheilung der Bewegung, felbß wenn ße 9 
wie bey der Dampf mafchine , durch chymifche 
(Operationen hervorgebracht wird, in das Gebieth 
$er Mechanik fällt. Aus diefen beyden Kräften, 
laßen ßch auch, fo viel ich einfehe, alle Erfchei- 
nungen der Qhymie erklären. Um fo mehr wäre 

* 

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Die 



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es ein waiirer Gewinn für die wiffenfchaft, wenn 

s 

Herr Green die Gründe bekannt machen wollte, 

* 4 • 

die ihn beßimmen, die Schwere für eine 1 von, der 
Attractioii verfchiedene Frdft zu halten. (Grundr. 
der Chymie §♦ 1 7.) Denn da er selbß vom Wärme- 
Jloff geßeht, daß er mit allen Körpern auj und 
in der Erde eine Verbindung eingehe, alfoßch 
ebenfalls nach dem Orte der gröfsern Gravitation 
begebe; fo kann Herr Green den Wärmeßoff 
nur dann jür imponderabel halten , wenn er mit 
dem Worte Schwere einen andern, als den £e- 

* 

wohnlichen Begriff verbindet; eine Sache, die 
von diefem denkenden Manne gewifs nicht ohne 
Gründe gefchieht, und um deren Bekanntma- 
chung, ihm der Wißbegierige Danck fchuldig 
feyn wird. 

« 

Noch eins! Einer meiner Herren Tauberer 
hat mir folgenden, gewifs fcharfßnnigen Zweifel 



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gegen das Attractions- Gefetz gemacht, den ich 

hier mittheilen will, weil er vielleicht manchem 

auffallen könnte, der ?iicht immer (^egenheit 

hätte ihn zu heben, — Wenn die Anziehung aller 

Körper wechfelfeitig iß, und /ich nach der Puan- 

tität der Materie richtet; fo miifste eine größere 

Quantität Materie lang famer als eine geringere 

zur Erde fallen, weil das Verhältnifs von Anzie- 
- 

hungskraft der Erde und des Körpers, zu der Ma- 
terie des Körpers, bey dem gröfsern Körper kleiner 
als bey dem kleinern iß: im Luft leerc/i Raum 
miifste der Ducaten Jpäter als die Feder zuBo- 

* * 

den ßnken. 



In der That miifste diefs wirklich fo feyn. 
'Allein die Quantität der Materie der Erde ver- 
hält fich zu der eines noch fo' grofsen Körpers 

* 

auf derfelben, wie etwas zu nichts, und die Kraft, 

* 

dU Vir durch die Jttractiens - üfaft de> Körpers 



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XII 



erwach /t, kann gar nicht in Anfchlag gebracht 

1 

werden. Die Gröfse des großen Berges auf Erden, 
des Chirrihdrajfo's, verhält ßch zu der der Erdei 

wörtlich genommen, wie der Unrat h einer Flic- 

. - 

ge zu einer Kugel von drey Fuß Durchmejfer, 
und dalier verschwindet felbfl dieft ungeheure 
Quantität Materie gegen die der Erde* * 

■ 

' Berlin, im Märtz 1798« 



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1, . ^ • v* > ' • • ■' 



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VORLESUNGEN 

metaphyfifchen Anfangsgründe 

'der'; ... "• ' 

NATURWISSENSCHAFT, 



Erstei Vorlesung. 
- ( Zweck des Werkes.) >T >< • > >J 



l.-L'urch die befondere Befchaffenheit 
- Menfchen, wodurch er zum Menfchen wird, 
und die ihn von andern Wefen unter fcheidet, 
ift er gezwungen, die Eindrücke, welche die 
Gegenliande auf feine Sinne machen , auf eine 
beftimmte, ihm eigentümliche Art aufzuneh- 
men, d.h. anzufchauen, und fie, nach ge- 
fchehener Aufnahme zu verarbeiten , d. P h. 

über fie zu denken. ;UrW,,!vr^ - 

A 



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1 

i s. Diefe befondere,demMenfchen eigen- 
' thumliche Art (i) mufs aber, eben weil fie 

* allen Menfchen zukommt, ge wiflen Gef e t zen 
unterworfen feyn. Denn wenn fie gefetzlos 
wäre, wenn fie vom Zufall abhinge; fo gäbe 
der nähmliche Eindruck gar kein befiimmtes 
Bewufstfeyn von demfelben, und daher gar 
keine Erfahrung: heute würde ich, durch 
einen vom Lichte ausgehenden Strahl, die 
Vorftellung von einem Lichte , morgen viel- - 
leicht die von einem Krokodill erhalten. 

3. Die Erkenntnifs diefer für den Men- 
fchen unwandelbaren Gefetze von der Art wie 
er die Gegenftände anfchauen und über fie 
denken, (1) d. h. wie er Erfahrung machen 
mufs , nennt man eine Erkenntnifs u 
-priori* 

4. Der Inbegriff , mehrerer Erkenntnifle 
a priori, (3) fyftematifch geordnet, heilet eine 
Wiff enfchaft. In derThat verfieht man 
unter Wiflenfchaft eine Sammlung fyftema- 
tifch geordneter Sätze, die nothwendig find. 
Nun aber können wir von keiner Erkenntnifs 
ihre Notwendigkeit oder Allgemeingültigkeit 
behaupten, als wenn wir wifTen, dafs fie auf 
die dem Menfchen eigentümlichen Befchaf- 
fenheit gegründet fey. Solche Erkenntnifse 
hiefsen aber ä priori. (3). Folglich machen 
auch nur fie eine WhTenfchaf t aus. 

5. Erkenntnifie ä priori, (3) die fich blofs 



■ 



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mit den Gefetzferi beschäftigen, 'Wie derMenfch 
über die Gegenftände denken mufs , heifsen 
met a phyf ifche Erkenntniff e, und der 
Inbegriff aller diefer ErkenntnuTe> heifstJVle- 
taphyfik. 

v 6» ErkenntnifTe ä priori, (5) aber, die es 
mit den Gefetzen zu thu» haben, die der 
Menfch beobachten mufs, Avenn er Dinge; ne- 
ben und nach einander anfch?uen foll, heifsea 
inathematif ch e Erkenn tni ff«, und der 
Inbegriff derfelben heifst M a t h e m a t i k. 

7. Unter Wefen eines Dinges verficht 
man die vom Wider fpru che fr eye Vorßellung, 
alfo blofs was zur Möglichkeit deflelben ge- 
hört. So besteht das Wefen eines Dreyecks 
in der Möglichkeit , drey gerade Linien an* 
fchauen zu können, deren jede zw*?y gröfser 
als die dritte, und mit ihren Endpuncten vei> 
bunden find ; fo das Wefen einer Windfahne* 
in der Möglichkeit eine Wirkung eu denken, 
die der Wind, als Kraft, auf eine ihm darge- 
botene, und fich um eine ihrer Seiten bewe* 
gende Fläche ausüben kann. • j 4 

g. Hingegen verßeht man unter, >Na t ur, 
eines Dinges alles, was wir uns von dem , 
Dinge denken muffen , um die Art und Weife 
wie das Mannich faltige deflelben in ihm als 
Einheit wirklich da ist, begreifen zu kön- 
nen. So erkennen wir die Natur, des Men» 
fchen, derThiere U. f. w. wenn wir einfehen, 

A a 



4 * . ' 

auf welche Weife das im Menfchen, oder dem 
Tliiere vereinigte Mannichfaltigewirklich vor- 
handen ift. 

9. Die Erfahrung kann uns zwar zeigen, 
welche Theile zum Ganzen eines Dinges gehö- 
ren : ihre Wirkung hingegen auf einander nach 
dem Gefetze der Caufalität, und die daraus 
entfpringende Zufammennehmung aller Theile 
au einem Ganzen . — diefes ift ftets eine Ein- 
ficht, die der Menfch, nach den Gefetzen fei- 
nes Denkvermögens allein , erlangen kann. 
Folglich fetzt die Erkenntnifs der Natur eines 
Dinges (8) ftets Metaphyfik (5) voraus» 

11 

10. 4uITer der (8) angezeigten Bedeutung 
des Wortes N atur, verßeht man auch den In- 

1 

begriff aller wirklich vorhandenen Dinge dar- 
unter, fo weitfie Gegenftände unferer Erfah* 
rung werden können. 

11. In diefem Sinne wird das Wort Natur 
nicht in Bezug auf unfer Denkvermögen, nicht 
fo genommen, als wollten wir ihre Einheit 
nach den Gefetzen unferes Denkvermögens er- 
f orfchen; fondern blofs als etwas, das unab- 
hängig von unferm Denkvermögen exiftirt, 
als ein Aggregat von Theilen ohne Verbin- 
dung und Einheit, als ein Ding wie jedes an- 
dere Ding. N ... 

12. Unterfucht man daher, wie diefes 

1 

• * 

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Aggregat von mannichfaltigen Theilen in dem 
Dinge Natur genannt, (10. it.) als Einheit 
exiftirend, von uns gedacht werden muffe ; fo 
will man die Natur der Natur (g. 10.) kennen 
lernen. Solcher Gefialt fetzt auch diefe Er» 
kenntnifs Metaphyfik voraus. (5. 9.) 



* > » 



in. 

- « 

13. Da die Natur der Inbegriff alles def- 
fen iß, was Gegenftand unterer Erfahrung 
werden kann ; ( 10 ) fo lafst fich die Natur- 
lehre in zweyTheile zerlegen, und zwar nach 
der Verfchiedenheit der Sinne, durch welche 
wir die Erfahrungen bekommen. Daher foll 
die Lehre von den Erfahrungen , die uns die 
aufferen Sinne, zuführen, die Körperlehre, 
fo wie die, deren Erfahrung uns der innere 
Sinn liefert, die S eelenl e hre heiffen, 

14. Um die Natur eines Dinges (8) zu er- 
kenn en , muffen wir alles wiffen , was zu 
dem Dafeyn deffelben gehört. Nun aber er- 
kennt man noch nicht alles, was zum Dafeyn 
eines-Dinge« gehört, wenn man, weifs, wel- 
che Theile in ihm enthalten find; man mufs 
auch wiffen; wie fie neben einander im Rau- 
me verbunden lind, und wie fie nacheinander 
in der Zeit, nach unwandelbaren Gefetzen, fol- 
gen. Folglich gehört zur Erkenntnifs der Na- 
tur eines Dinges, (fl) und mithin auch der Na- 
tur der Natur (10) Mathematik. (6). 

A3 



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I 



<5 

15. Von dem Theile der Natur (16) alfo, 
von dem wir, nicht nur eine metaphy£fche t 

s 

fondem auch mathematifche Erkenntnis be* 
fitzen, läfst fich eine Wiflenfchaft feiner Na- 
tur erwarten: (3. 8* H«) von der Körperlehra 
(15) alfo. Hingegen da wir durch die Erfah* 
runden des innern Sinnes wohl fö , manche! 
Theile kennen, die zum Objecte diefes Sinnes, 
der Seele nähmlich gehören, aber bey weitem 
nicht wüTen, wie fie nothwendig neben und 
nach einander exifiiren; fo haben wir auch 
uoch keine vollftändige Erkenntnifs von ihrer 
Natur , und daher erhebt fich die Seelenlehre 
auch noch night zu dein Range einer Wik 
fenfchaft. 

16. Ehe man aber einfehen lernt, wie ge* 
wifle Theile eines Ganzen neben und nach ein-» 
ander exifiiren, niufs man dach auch wiffen, 
welche VorTtellung man fich von diefen Thei- 
len zu machen habe, und wie die Gefetze ih- 
res Neben - und* Nacheinanderfeyns fich dar-, 
aus mit Notwendigkeit ableiten lafien. Ehe 
man alfo die Mathematik auf die Kürperlehre 
anwenden kann, mufs man wiflen, was man 
unter Körpern, und unter Materie, als dem ' 
einzigen IJeftandtheüe des .Naturkörpers, zu 
verfiehen habe. Man mufs daher ebenfalls 
hierinn wiederum zur JJtleja phyfik feine Zu- 
flucht nehmen. 

* • • • . - . * 

17. Die ünterfuehung alfo über das, was 



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1 

der Menfch f als foloher, von der Natur der 
Körper denken niü/Te, wenn es ihm möglich 
fallen foll , eine wahre wilTenfchaftlicrie Kör- 
perlehre zu erhalten , macht den Gegenftand 
der metaphyfifchen Anfangsgründe derNa^tur« 
wüTenfchaft aus^ * 

..... • . : 

' IV. 

18. Da hier nun die, Art und Weife unter« 
fucht werden foll, wie wir uns die . Körper, 
oder ihre Beftandtheile, die Materie den- 
ken mü/fen t jedes Denken aber ein Urtheil 
voraus fetzt ; fo wird die Vorstellung* die wir 
uns von der Materie machen , anders . ausfal- 
len, je nachdem wir lie als blof$e Quantität, 
als Qualität; % oder ihre Relation gegen einan- 
der, und ihre Modalität zum Vorftellungs- 
vermögen erwägen. Folglich wird diefe Vor- 
ftellung nicht eher vollfiändig feyn, als bis 
wir Ce nach allen den vier Arten betrachtet 
haben, in denen allein fich ein Urtheil von dem 
andern unterscheidet. 

19. Nun aber ift das erfte, was fich der 
Menfch von der Materie vorftellen mufs, dafs 
fie eine Fähigkeit befitze, auf feine Sinne zu 
wirken; und diefe Fähigkeiten kann er fich 
abermahls nur denken , wenn er fich vorfiellt, 
dafs der Materie B ewegung zukommt. Dann 
jede Wirkung ift eine Veränderung, und kör- 
perliche Veränderung, mit den äuiferen Sin- 

A 4 



nen wahrgenommen , heilst Bewegung. Däc- 
her wird diefe erfte Grundbeftimmung der 
Materie , die Bewegung nähmlich , nach den 
vier Titeln der Urtheile abgehandelt werden 
müflen. 

so. Wir werden alfo betrachten : 
aj in der Phoronomie, die Bewegung 
der Materie blofs als reines Quantum, 
ohne alle weitere Qualität als die der 
Zufammenfetzung von mehreren Bewe^ 
gungen zu einer Einheit; 

b) in der Dyixamik, die Materie in fo 
fern ihr die Qualität der Beweglichkeit, 
oder einer urfprünglich bewegenden Kraft 
zukommt; ' ' -<'* 

f) in der Mechanik, die Materie wie fie, 

• ► * * 

durch ihre urfprünglich bewegende Kraft, 
gegen andere Materie in Relation fle- 
he ; endlich 

d) in der Phänomenologie, die Mate- 
rie in Bewegung oder in Ruhe nach ih- 
rer Mo dalität , d. h. in Beziehung auf 
unfer Vorfiellungsvermögen , als durch 
welches allein fie Gegenftand unferer äuf- 
feren Sinne werden kann. 

• 0 



■ 

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» 

> 

Zweite Vorlesung. 

, » * * • f 

(Phorönomie, oder die Gröfsenlehro 
der Bewegung ) 



ti. B,e wegung eines Dinges ift die Ver- 
änderung der äußeren Verhältniße deßelben 
zu einem gegebnen Puncte im Räume. So 
hat die Erde eine Bewegung um ihre A*e, in* 
dem lie in jedem Augenblicke einem gewiflen 
Fixfiern einen andern Punct ihrer Oberfläche 
darbiethet. z£> ? ; ; , \ ' |j 

aa. Die gewöhnliche Erklärung lautet: 
Bewegung ift Veränderung des Orts. Aber da 
in der Phoronomie (äo, a) nur von der Zu- 
fammenfetzung der Bewegung gefprochen, und 
gar keine Hinficht auf die G r ö f s e des beweg- 
ten Körpers genommen werden foll ; fo kann 
hier auch gar nicht die Rede von der Ortver- 
änderung feyn, indem die Bewegung eines 
Körpers fich fehr gut ohne Veränderung fei- 
nes mathematifchen Ortes denken läfst. So 
bewegt lieh in der That jede Kugel um ihre 
Axe , und verändert ihren eigentlich mathe- 
matifchen Ort , ihren Mittelpunct nähmlich, 
dennoch nicht. Wohl aber verändern fich 
ihre äußeren Verhältniße zu einem gegebnen 
Puncte im Baume. ?;n, :i.. t a irr i:/. . : i - . 

A5 



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< 



Ä3. Die Bewegung wird eingetheilt, in: 
l) drehende, wenn lieh nur die äußeren 
Verhältnifle d$r Körper , nicht fie felbft 
den Ort verändern; fl) f prtf.chr.eitende 
mit Erweiterung des Raumes, oder, 
auf einem gewiffen Raum einge^ 
fchränkte. Zu der erften gehören alle nicht 
in fich zurückkehrenden, zu der zweyten, alle 
in fich zurückkehrenden Bewegungen. Ddefe 
lind abermahls entweder fch wankend oder 
kreisförmig, ., Schwankend, wenn der be* 
vregte Körper den eingeschränkten Raum, den 
er Ein Mahl befchrieben hat, nicht nochmahls 
befchreiben kann, ohne die der vorigen ge* 
rad entgegengefetzte Richtung einzufchlagen ; 
kreisförmig, wenn der fchen durchlaufene 
Raum zum zweyten Mahle, zwar mit verän- 
derter, aber nicht gerad entgegengefetzter 
Richtung befchrieben .wird. ' Ein Pendul 
fchwankt hin und her, und befchreibt feinen 
Raum aufs neue, wenn es in die gerad entge- 
gengefetzte Richtung tritt. IJie Schauffei an 
einem Wafferrade befchreibt den zurückge- 
legten Weg aufs neue, wenn fie die Richtung 
verläfst , die fie einen Augenblick zuvor ge- 
habt hat, ohne jedoch in eine diefer gerad enU 
gegengefetzten überzugehen, 

n, 

* * 

£4. Materie, in metaphyfifcher Bedeu- 



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11 

tung, heifst jeder Gegenftanft äulteter Sinne. 
Nun- aber kann eritlich nichts ein Geganftand 
äuflerer Sinne, 'werden, als was Bewegung 
hat; (19) und zweytensmufs jeder Gegenftand 
äußerer Sinne im Räume angefchaut werden. 
Folglich Keifst Materie, in phorondmifcher 
Bedeutung, das Bewegliche imRaume. 

£5. Da Jiier gar keine andere Eigenfchaft 
der Materie (24) als die Gefch windigkeit und 
Richtuug üirer Bewegung erwogen werden 
foll ; fo kann m uns auch gar nicht darum zu 
thun feyn, den mit Materie angefüllten Raum 
von dem unangefüllten zu unter fcheiden : in 
beyden Fällen wird uns blofs die äuflere Form 
des Beweglichen , der Raum nähmlich den es 
einnimmt , die Vorftellung von Materie in 
phoromifcher Bedeutung gewähren. Daher 
heiße ein beweglicher Raum, ein ma teri el- 
ler Raum. ! i " * 

ß6. Jeder materielle Raum (125) ift aber 
blofs ein relativer Ra um : er bezieht lieh 
auf einen andern Raum, in dem er fich be* 
wogt* Denn wenn wir, wif hier geschieht, 
den Körper hlofs als mathematifchen Körper» 
und alfo blofs als ausgedehnten Raum betrach-* 
ten; fo bewegt lieh r indbm der Körper fich 
bewegt, ein kleiner Raum' in einem gröfsern. 
Em Kalten, der in einem Zimmer fortgefcho- 
ben wird/. ift, wenn wir nur die Bewegung 
beti achten, ein Raum, der fich in einem Rau» 
me bewegt. 



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1* 

u : 07. Der Raum, wörinn'fich etwas be- 
wegt, Jcanti , in Hinficht auf das in ihm Be- 
wegliche, der abfohlte Raum genannt 
werden: wie z; B. der Raum des Zimmers in 
Bezug auf den des Kattens. - 

a&.' Einen > vollkommen abfoluten 
Raum aber kann es für uns nicht geben; öder 
mit andern Worten, ein Raum., in dem alle 
Bewegung vorgeht, und der an und für fich 
nicht bewegt iß , kann kein Gegenßand unfe- 
rer Erfahrung, werden. Denn'alles, was ein 
Gegenßand unferer Erfahrung werben foll, 
mufs eine Veränderung auf unfere Sinne durch 
Bewegung hervorbringen (19). Nun aber foll 
der vollkommen abfohlte Raum unbeweglich 
feyn. Folglich ift jeder Raum, in fo fern er 
Gegenßand der Erfahrung werden kann, blofjs 
ein relativer Raum ( fi6). 

29. Da nun Bewegung eines Dinges nichts 
anders ift, als die Veränderung der äußeren 
Verhältnifle deflelben, zu einem gegebnen 
Puncte im Räume (ai), diefer Raum aber 
felbß bewegt fejn mufs (2a); fo können wir 
auch das Quantum der Bewegung nicht an und 
fiir'lich, fondern blofs in Hinficht auf den als 
abfolut gedachten , («7) aber in der That be- 
wegten Raum, beftimmen. Folglich ift alld 
Bewegung blofs relativ. Die Bewegung ei- 
nes Menfchen , der in einem Schiffe Vbn vor- 
ne nach hinten zu geht, hat in Bezug auf das 




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»3 

als ruhig gedachte Schiff ein beJtimmtes Quan- 
tum. Bewegt lieh aber das Schiff felbfi; fo 
verändert fich auch das Quantum der Bewe- 
gung des Menfchen in Bezug auf das Ufer: 
und fo Üt ins Unendliche die Bewegung ftet* 
relative , nicht abfolute £u betrachten. . , 
• < ■ , i « « • » 

•» • • ». III. » 

50. Unter beharrlich verlieht man die 
Eigenfeh aft der Dauer eines Dinges während 
einer Zeitv - 

31. Buhe ift die beharrliche (50) Gegen- 
wart (praefentia p£rdurabili$) an demfelben 
Orte. ' . ; ' • • 

3 a. Die gewöhnliche Erklärung der Ru- 
he, dafs fie Mangel aller Bewegung fey, führt 
auf eine Schwierigkeit, die nur durch die (31) 
gegebne Erklärung gehoben wird. Denn, 
fetzen wir t ein Körper beschreibe mit gleich- 
förmiger Gefchwindigkeit die Länge meines 
Zimmers in einer Zeit von fünf Minuten, und 
kehre dann fogleich auf feinem Wege zurück ; 
fo flieht man deutlich ein, dafs er, wenn er 
anftatt umzudrehen y weiter fortgegangen wä- 
re, mit der nähmlichen Gefchwindigkeit, in 
der ganzen Zeit von zehn Minuten, eine Li- 
nie hätte befchreiben können , die zwey Mahl 
fo lang gewefen wäre, als die Länge meines 
Zimmers. * Wenn, alfo Ruhe Mangel an Bewe- 
gung iß; fo entlieht die Frage : was th*fc der 



1 



»4- 

Körper als er 3 as Ende des Zimmers erreichte ? 
Antwort : er bewegte lieh ; denn, wofern er ei- 
nen Augenblick ruhen füllte, fo wäre die f er 
Augenblick verloren gegangen, und er hätte, 
bey fortgefetzter Bewegung in der nähmlichen , 
Richtung, den doppelt fo grofsen Weg nicht 
befchreiben können, Alfo mufs er fich bewe- 
gen. — Nun fetzen wir, ein Stein -werde in 
die Höhe geworfen. Sobald der Eindruck, 
den ihm der Stöfs beygebracht hat, aufhört* 
fällt er, wie man weifs , wieder herunter» 
Was thut nun der Stein in dem letzten Augen- 
blicke desSteigens und. in dem exften des F al- 
lens ? Antwort : er ruhete; denn der Eindruck 
deSStofses hatte damahls fchon aufgehört, und 
die Einwirkung der Schwere noch nicht ange* 
fangen. Aber gilt nicht die hähmliche Be- 
hauptung von dem erften Falle ? Auch hier 
hatte , in dem Augenblicke . des Umkehren^ 
der Eindruck aufgehört, Wodurch der Körper 
das Ömmef hinaufging, und der noch nicht 
angefangen, wodurch er es wieder hinäbging; 
und doch waren wir gezwungen zu behaupten, 
dafs der Körper lieh in diefem Augenblicke 
bewege. •* i 

• 33. Allein durch unfere Erklärung der 
Jtuhe (31) fällt diefe Schwierigkeit von felbft 
weg. Denn nun heifst Ruhe nicht« anders, 
als die beharrliche Gegenwart eines Körpers 

• 

an einem Orte ; und da zeigt fich die vollkoxn« 



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15 

mene UebereinRimmuhg in beyden Fällen. 
Ein in die Höhe fieigender Körper fieigt be- 
kannter Maafseh mit gleichförmig verzögerter 
Gefchwindigkeit , d. h. die Gefchwindigkeit 
nimmt bis auf einen unendlich kleinen Grad 
ab, ohne deshalb gleich Null zu werden. 
Würde nun die Richtung des fieigenden Kör- 
pers von der verticalen Linie, in der er hin- 
auffteigt, in eine horizontale verwandelt; fo 
könnte der Körper mit der unendlich kleinen 
Gefchwindigkeit die er noch belitzt, einen un- 
endlich kleinen Raum durchlaufen. Aber da 
er feine verticale Richtung behält; fo kann er 
mit der ihm noch zukommenden Gefchwin- 
digkeit wenigstens nicht mehr ft eigen, und 
wir heifsen ihn ruhig, weil er in feinem Orte 
beharren müfste, wenn die Schwere ihn nicht 
zum Herunterfallen triebe. Alfo an und für 
lieh iß die Gefchwindigkeit des fieigenden Kör- 
pers , hier fo wenig als im erfien Falle, in dem 
letzten Augenblicke gleich Null. Nur weil 
hier dadurch jfeeine Wirkung hervorgebracht 
wird, alfo der Körper an feinem Orte behar- 
ret, fagen wir, er ruhe; da er hingegen im 
erfien Falle mit diefer unendlich kleinen Ge- 
fchwindigkeit wirklich fortgehen könnte, wenn 
er nicht zurückgetrieben würde, fo brauchte 
er auch nicht an feinem Orte zu beharren, und 
wir denken uns ihn in Bewegung» 

54. Die algebraifche Bezeichnungskuhß 



16 

biethet uns ein Mittel an die Hand , diefea 
fchwierigen Satz kürzer und fafslicher darzu- 
ftellen. Der gleichförmig bewegte Körper 
rückt in jeder Zeit — dt? um den Kaum ds 
fort. Daher könnte er, wenn er am Ende fei- 
ner Laufbahn nicht gezwungen wäre, von der 
pofitiven Richtung die er hatte, in die nega- 
tive gleich überzugehen , mit der Gefchwin- 
digkeit de die ihm übrig bleibt,' einen Raum 
ds in der Zeit dp zurücklegen. Da nun, wenn 
diefs gefchehen kann, der Körper als bewegt 
vorgeftellt wird; fo fagenwir auch der Kör- 
per fey im Augenblicke des Umkehrens in Be- 
wegung. Hingegen ift bey der gleichförmig 
verzögerten Bewegung s = daher könnt« 

der Körper mit der Gefchwindigkeit de die er 
im letzten Augenblick behält, in der Zeit dt 
nur (ds)* fteigen: eine Bewegung, die, ob- 
gleich an und für lieh nicht = o, doch in Be- 
zug auf die gleichförmige Bewegung, bey der 
er mit de in dt einen Weg ds zurücklegt, vei'- 
fchwiridet, d. h. die wir für Beharrlichkeit an 
feinem Orte halten. 

Dritte Vorlesung» 

(Vorbereitung zur Zufammenfetzung der 

Bewegimg.) 

T 

55. Da in derPhoronomie die Gröfsenleh- 
re derBewegung aufgeftellt werden foil (19, a) ■ 



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1 



17 

So können hier keine andere Sätze vorkommen 
als folche, die fich aus der . Beweeuiio- und 
ihrer Gröfse ableiten lafTen« Da haben wir 
dann keine andere als folgende Sätze : 

a) Jede Bewegung hat einen gewiflen Grad 
der Gefchwindigkeit: d. h. fie läuft einen 
gegebnen Raum in einer ge willen Zeit 
durch* 

b) Diefer Grad der Gefchwindigkeit kann, 
weil wir ihn uns als Gröfse vorftellen, 
vermehrt oder vermindert werden : d. Jh. 
durch eine hinzukommende Bewegung 
zunehmen; durch eine davon hinweg ge- 
nommene Bewegung abnehmen. 

c) Da die Materie in ihrer Bewegung einen 
gegebnen Raum durchläuft; fo kann fie 
diefen Raum entweder in der ganzen Zeit 
durch welche die Bewegung dauert , in 
der nähmlichen Richtung befchreiben, 
oder dieBefchreibung deflelben gefchieht 
in verfchiedenen Richtungen. 

56. Kann man nun aus dem Begriffe der 
Bewegung felbft die Vorftellung herleiten, 
welche man mit der Abänderung der Ge- 
fchwindigkeit und der Richtung verbinden 
müife ; fo werden Sätze, die dlefs leifien, rein 
phoronomifche Sätze feyn. Hingegen wenn 
man, wie das gewöhnlich gefchieht, die Ab- 
änderung der Gefchwindigkeit und der Rich- 
tung nur aus 4em Hinzukommen äußerer ür- 

B 



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fachen , äußerer Kräfte , als Druck und Stöfs 
erklärt; fo wird diefs Verfahren freylich die 
Mittel anzeigen, wodurch diefe Abänderung 
wirklich werde, bey weitem aber nicht, wie 
lie an fich möglich fey. Gerade fo wie in der 
Geometrie, Je weiter ich die Schenkel eines 
Zirkel -Inßruüients durch die Kraft meiner 
Finger auseinander ziehe, defto gröfser wird 
auch der zwifchen ihnen liegende Winkel: 
diefs hat Bezug; auf die Wirklichkeit. Hätte 
ich aber keine nothwendige Anfchauung von 
dem, was Vergröfserung eines Winkels durch 
Ilinzufetzung des Gleichartigen fey ; fo konnte 
ich auch gar nicht die Möglichkeit diefer 
wirklichen Vergröfserung durch Kräfte einfe- 
hen. Den phyfifchen BegrifFen von wirkli- 
cher Abänderung der Bewegung durch Kräfte, 
rtiufs eine reine nothwendige Anfchauung vor- 
angehen , die es möglich macht , uns diefe 
wirkliche Abänderung vorzuftellen. 

37. Nach diefer Vorbereitung wird man 
leicht x-erftehen, was der Atisdruck fagt: die 
Bewegung eines Punctes ,ift zufammen- 
ge fetzt, wenn wir uns vorftellen, dafs in 
ihr mehrere Bewegungen des nähmlichen 
Punctes verbunden find. Sie find aber in ihr 
verbunden, wennesin der Bewegung, die 
aus der Verbindung entlieht, fichtbar wird, 
dafs jede einzelne derfelben das geleiftet hat, 
wasfie auffer dejr Verbindung allein geleiftet 
haben würde. - 



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10 

^ß. Die zufan^engfetzte^ewc^ing^?) 
Wird construirt, wenn man die Bedingung 
gen zeigt, wodurch fie eine änffere Anfchauung 
werden kann, und fie daher in einer nothwen* 
digen Anfchauung ä priori darftellt* So wird 
ebenfalls der Begaff eines Dreyecks conftruirt* 
wenn man die Bedingungen zeigt, unter wel- 
chen ein Dreyeck darzufteUen möglich ift i 
d. h. wie wir es ä priori anfchauen müllen, 
um eine Vorftellung von ihm zu haben. 

ii. 

39. Ehe wir nun dieConftrüction der 
(iimmengefetzten Bewegung (38) vornehmen, 
niüiTen wir folgenden Satz voranfchicken. Die 
Vorftellung von der Ridhtung und der Ge-» 
fchwindigkeit einer geradlinigen Bewegung 
wird nicht abgeändert, ein Körper mag feine 
äußere VerhältnüTe gegen einen ruhigen Punct 
verändern j oder der Körper felbft mag ruhen - 
und der Punct fich in entgegengefetzter Rich- 
tung bewegen. So ift es gleichviel für diö 
Vorftellung von Bewegung , ob ich mich von 
einem andern Menfchen in der Richtung von 
Often nach Weften entferne , oder ob er fich 
von mir in der Richtung von Weften nach 
Often entfernt 

40. Der Grund zu diefeT EiTcheirmng ift 
fehr einleuchtend. Denn wir bekommen di« 
Vorftellung von einer Bewegung nur dan**, 

B a 



wenn fich die äiiflefen VerliältnilTe des Dinges 
zu einem gegebnen Puncte. im Räume verän- 
dem (21). Setzen wir nun, dafs eine Linie 
von einem Puncte A nach einem Puncte B ge- 
zogen, fenkrecht auf der Fläche liehe, worin«,» 
JB lieh befindet. Mag nun A lieh von rechts 
nach links, oder B in entgegehgefetzter Rich- 
tung bewegen; alle Mahl wird der Winkel, 
den die Linie AB mit der Fläche von B macht, 
der nähmliche, und daher die Veränderung 
von A gegen B die nähmliche bleiben. 

4.1, In Bezug auf die Vorftellung der Be- 
wegung j iß diefer Satz (39) alle Mahl rich- 
tig, die Bewegung mag gerad- oder krumm- 
linig feyn, indem der Beweis (40) auf beyde 
Arten pafst. So iß es auch, in Betracht des her- 
vorgebrachten Scheins, in der Tiiat einerley, 
ob die Sonne lieh von Oßen nach Wefien, odex ; 
die Erde fich um ihre Axe von Wefien nach 
Oßen bewegt. Wir mufsten aber dennoch 
die Allgemeinheit diefes Satzes auf die gerad- 
linige Bewegung (39) befchi änken , weil die 

» 

Vorßellung einer krummlinigen Bewegung, 
wie wir weiter unten (öfl) fehen werden, gar 
keine phoronomifche Vorßellung iß, und erß 
in die Mechanik gehört. 

42. Die Zufammenfetzung ritehrörer Be- 
wegungen läfst fich auf die von zwey Bewe- 
gungen zurückführen. Denn wenn man zei- 
gen füll , wie aus mehreren Bewegungen A\ 



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B 9 C, etc. eiae einzige entftehe; fo braucht 
man nur erft die Zufammenfetzung von A und 
B darzuthun. Entfteht daraus die zufammen- 
gefetzte Belegung 1*? fo fetze man diefe mit 
C zufammen, woraus Q entftehen wird. Öiefe 
aberxnahls mithD, -'Fund fo. ins unendliche* 

* . t % .' y \ : ' . • • • "/ « . r > ' 

>< III* tA}''* " ' 

43. Zwey Bewegungen, <die ?m einem 
und dem nähmlichen Puncte zu gleicher Zeit 
angetroffen werden, haben entweder einer- 
ley, oder verfchiedene Richtungen ; und die 
verfchiedenen Richtungen find abermahls ent- 
weder einander gerad entgegen gefetzt, oder 
Ae Bnd e& nicht, und fchlieil'en einen Winkel 
ein. Folglich wird es nur drey Sätze von der 
Zufammenfetzung der Bewegung gelben. 

44. Die Verfchiedenheit in der Gefell Wür- 
digkeit, die beyden Bewegungen zukommt, 
kann keine befonderen Lehrfatze erfordern. 
Denn da die Gefell windigkeit , als eine Vor- 
ftellungdes innern Sinnes, fich auf einen Zah- 
lenbegrifF zurückführen läfst ; fo weifs man 
fchon aus der Arithmetik, wie man verfchie- 
dene Zahlen, und mithin auch verfchiedene Ge* 
fch windigkeiten zufammenfetzenmüfle. Hin- 
gegen gehört die Vorftellung von Richtung* zu 
denen der reinen Geometrie, und da diefe für 
die Zufammenfetzung einer Richtung aus vie- 
len keine Lehrfaize aufzuweifen hat; fo müf- 

B 3 



fen- folelic in der Phoronomie äufgeßelli 

werden. ' v ' ' 

: 45. Zu der richtigen Vorfiellung von der 
Zufainmenfetzung zwfcyer Bewegungen ift es 
picht hinreichend, wenn man fich denkt, ein 
einziger Punct verbinde beyde Bewegungen ' 
in fich, und die Veränderung, die aus der 
Verbindung entfpringt, beßehe blofs darinn, 
dafsder Raum, den der bewegte Punct mit 
jeder einzelnen Bewegung befchrieben hätte, 
jlurph die Zufaunnenfetzung verändert, d. h. 
vergröfsert ojier verkleinert werde. 

46, Wir wollen alle drey oben (4.3) er- 
wähnte Fälle diefes gatzes durchgehen. — 
Der erfte Fall iß nun, wenn die Bewegungen, 
die aufammengefetzt werden fallen, einerley 
Richtung haben, und alfp eine die andere ver- 
mehrt. Setzen wir nun , ein Punct P durch«? 
laufe in der Zeit von einer Stunde den Raum 

* 9 s ' VW ■ » 0 

einer Meile. Mit einer andern Gefchwindigr 
keit hingegen könnte er in eben diefer Zeit 
?&wey Meilen zurücklegen ; fo wird er, nach 
gewöhnlichen Begriffen, durch die Verbin- 
dung beyder Gefch windigkeiten, in einer 
ßtunde dr,ey Meilen, alfo die erfie Meile in 
zwanzig, die zwey letzten in vierzig Minu* 
ten beschreiben. Diefes thut aber dem Be- 
griffe von der Ztifammenfetzung der Bewegung 
kein Genüge; denn diefer fordert, (37) dafs 
der Antheil, den jede Gefch windigkeit an 4er 



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«3 

jetzigen Bewegung hat, gerade fo dargeftellt 
werde, als lie vor der Verbindung fich zeigte. 
Dem zu Folge müfste die erfte Meile in einer 
Stunde , und die zwey letzten ebenfalls in ei- 
ner Stunde murückgelegt werden, welches 
aber nicht angeht. 

1 4.7. Eine ähnliche Bewaridnifs hat es miß 
dem zWeyten Falle , wenn nähmlich die Be- 
wegungen gerad entgegengefetzte Richtungen 
einfchlagen, und fich alfo wechfelfeitig ver- 
mindern. Denn fetzen wir, der Funct P 
könnte mit einer ge willen' Gefchwindigkeit 
den Weg einer Meile nach der Richtung von 
rechts nach links in «iner Stunde, und mit ei- 
nör andern Gefchwindigkeit in eben diefer 
Zeit zwey Meilen von links nach rechts zu- 
rücklegen; fo würde er, wenn bey de Bewe- 
gungen ficli in ihm vereinigten, in einer Stun- 
de eine Meile in der Richtung von links nach 
rechts' durchlaufen* Diefes ftellte abermalils 
den Begriff einer Zufammenfefczung nicht dar, 
indem hier keine der Bewegungen, die der 
Punct. P vor der Verbindung hatte, fiohtlich, 
wird. 

48« Was den dritten Fall betrifft, wenn, 
die Richtungen der Bewegungen einen Win- 
kel einfchliefsen; fo kann, nach der Zufam- 
menfetzung der Bewegung, der Punct P weder 
in der einen, noch in der andern Richtung 
bleiben, indem fie fich wecbfelfeitig Abbruch 



«4 

S 

thun, ohne lieh aufzuheben. Er wird daher 
eine ganz neue, ^von beyden verfchiedene 
Richtung einfchlagen müllenj aber dadurch 
wird hinwiederum keine der Richtungen dar- 
geftelU, £ie der Pünct P vor der Zufammen- 
fetzung der Bewegung einfchlagen wollte. 

D DD O 

.. 4-9* Durch algebraifche Zeichen laffen 
fich alle drey Fälle ziifammen falTen, und die 
Schwierigkeit folgender Geltalt darfteilen. Dpr 
Punct P habe einq.Gefchwindigkeit = C mit 
'de? er in der Zeitig Tden Raum = ^durch- 
läuft. Mit der Qefchwindigkeit = c könnte 
*r den Raum = s, in der Zeit =^ t durchlau- 
fen. Nun dr ückß man die Gröfsen C und c durch 
zwey Linien aus, die fich in. ihren Endpuncten 
unter dem Variablen Winkel = 9 fchneiden ; 
fo wird , wenn wir die Gefch windigkeit , die 
der Punct P durch die Verbindung beyder er- 
hält, ß nennen, nach bekannten Regeln feyn 
G 2 = C 2 + c 2 + z Cc Cof 0 . Diefe Formel 
enthält nun alle drey Falle. Denn wenn p =q 
ift, faljen beyde Linien zufammen , und eine 
Gefch windigkeit verftärkt die andere, weil 
fie mit ihr einerley Richtung hat. Alsdann 
iß aber Cof <P == 1 und daher G =.C+ c = 
—fr H- -p Wird hingegen f = i<3o° gefetzt, 
fo machen die beyden Richtungen eine gerade 
Linie aus, und dieGefchwindigkeiten find fich 
entgegengefetzt. Alsdann ift Cof 9 = — 1, 
und G = C —c= -|r s f. Soll nun die 



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t 



»5 

Cwftrucüon diefen For^neln vollkojnmen ent- 
flechten; fo inufs der Punct P, nachder Zu? 
fammenfetzung, anfänglich die Gefchwindig- 
keit-^r, und dann die Gefch\vindigkeit±ri er- 
halten, da er doch in der That den' ganzen 

TS 



St \ m s T ? 

Weg mit der Gefch windigkeit — ~— durch,«? 



läuft, 

IV. • 

(Zufammenfetzung der Bewegungen.) 

50. Zu der richtigen Vorftellung von der 
Zufammenfetzung der Bewegung mufs man 
die zwey in Einem Puncte P als vereinigt ge- 
dachte Bewegungen dergeftalt vertheilen, dafs 
er felbft mit Ein/^ von diefen Bewegungen ei- 
ne gewiffe Richtung befchreibt , indefs ein an- 
derer Bunct.im Räume, auf den die ganze Be- 
wegung bezogen wird, (21) mit der andern 
Bewegung die entgegengefetzte. Richtung ein* 
fghlägtv. 

5 i. Dafs durch diefe Vorßellupgsart die 
Torftellung von der Bewegung des Punctes P 
nicht abgeändert werde , ift, im allgemeinen, 
oben (39) fchon gezeigt worden. Hier müf- 
fen wir alfo nur noch alle drey Fälle ins befon- 
dere durchgehen, und darthun, dafj^dadurch 
die Schwierigkeiten wegfallen, die wir in der 
gewöhnlichen Vorftellungsart fanden. 

52. Ein Reiter am Ufer eines Flufles habe 
die Gefch windigkeit in einer Stunde eine Meile 

-B 5 



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«6 ' . 

zurücklegen 211 können. Seine Bewegung 
werde auf ein Schiff auf dem Fluffe bezogen, 
das in eben diefer Zeit zwey Meilen, aber in ent- 
gegengefetzter Richtung mache. Nach -Verlauf 
von einer Stunde Üt der Reiter vom Schiffe drey 
Meilen entfernt, und fcwar hat er diefe Entfer- 
nung durch dieZufammenfetzung derBewegun- 
gen beyder erlangt. Denkt man fich beyde Be- 
wegungen in dem Reiter verbunden, und allb 
das Schiff ganz ruhige fo hat derReiter, in Bezug 
auf das Schiff, eine Gefchwindigkeit, mit der 
er drey Meilen in einer Stunde zurücklegt. 
Hier wird aber in der That die erfte Meile 
vom Reiter in einer Stunde, und die zwey an- 
dem Meilen vom Schiffe in zwey Stunden, alfo 
das Ganze nach der Verbindung beyder Bewe- 
gungen eben fo zurückgelegt, als vor deifelben. 

55. Defsgleichen wenn der Reiter die 
Richtung de^ Schiffes hat, werden beyde, nach 
Verlauf von einer Stunde, um eine Meile von 
einander entfernt feyn ; oder man wird fagen, 
durch die Verbindung beyder Gefchwindigkei- 
ten habe das Schiff von feiner erften Ge- 
fchwindigkeit verloren, und eine folche er- 
halten, wodurch es in einer Stunde eine Meile 
zurücklegt, oder /ich vom Reiter, als auf wel- 
chen feine Bewegung bezogen wird , entfernt. 
Aber auch hier find die einzelnen Gefchwin- 
digkeiten durch die Verbindung nicht verän- 
dert, und nach derfelben eben fo dargeftellt 
worden, als fie vor derfelben waren. 



Digitizecfby G 



I 

* 

54. W*b '»tili den dritten Fall betrifft; fo 
denke man lieh einen Menfchen, der an eine 
viereckige vertitale Tafel von links nach rechts 
eine horizontale Linie in eben der Zeit be- 
fchreibt ,' in der fich die Tafel immer in 
verticaler Richtung in die Höhe bewegt. Di 
der Menfch bey der Befchreibung feiner Li* 
nie die Richtung nicht ändert; fo wird er, 
durch die Züfammenfetzung feiner Bewegung 
mit der der Tafel, die Diagonale derTafel durch- 
laufen: eine von beyden verfchiedene Rich- 
tung, ohne dafsbeyde Bewegungen, aus de- 
nen die neue zufemmengefetzt ift, weder aus 
der Richtung, noch aus ihrer Linie herausge- 
kommen lind. 

55, Laflen wir nun die Beyfpiele fahren, 
und fiellen uns blofs einen Punct P vor, dem 
wir die ganze Bewegung zufchreiben, und 
einen andern Purict Q, auf den wir fie bezieh 
lien. Wird nun die ganze Bewegung, nach 
Anleitung der Beyfpiele, zwifchen P und 
verrtfieilt; fo lieht man die Bedingungen ein, 
-wödurch es möglich wird, dafs zwey Be\re r 
gungen, ohne fidh im mindeften zu ändern, 
dennodi, indem Pnncte P als verbünden ge- 
dacht, nach der Züfammenfetzung eine ganz 
andere Erfcheinung , als vor derfelben, her- 
vorbringen. Dadurch aber, dafs man die Be- 
dingungen der Möglichkeit einer zufammen- 
gefetzten Bewegung einfieht r ohne zu äuiferen 



»8 

Kräften fein? Zuflucht zu, .nehmen-, wird lie 
<;onftaiirt. (3«) Folglich w*r4 unfere Yor- 
ftellungsart uns die Conftruction der zufam- 
niengefetzten Bewegung gezeigt haben. 

56. Es ift aber alle Verfchi-denheit, die 
wir mit 4.er Bewegung, als Quantität kßtrach- 
tet, vornehmen können ,. darauf beschränkt, 
dafs die ganze Quantität der in eingm ?unc{e 
vereinig tenBeweguugen, entweder.e in er le y, 
oder entgegengefetzte, (viele) oder end- 
lich unbeßimmt welche (alle) Richtungen 
, haben. (43) Diefes machen abe* die.drey Fülle 
aus, die wir betrachtet haben. Folglich fincl 
das auch alle Sjitze gewefcm» die in die Phö- 
jronomie gehören^ ] , : r ; ( .; 



Vierte Vorlesung* 

(Andere Ausführung des vorigen.) 

t 

57. Zum Schlufle diefes Haup tffückes wol- 
len wir , zur deutlichem Verftändnifs des bis- 
her Gefagten, den Grund, wefshaib man bey 
der Zufammenfetzung der Bewegung die gan- 
ze Bewegung zwifchen dein bewegten Punct, 
und dem vertheilen niüfle, auf den die Bewe- 
gung bezogen wird, noch auf eine andere Art 

• 

vortragen. 

53. Wie man fich die Zufammenfetzung 



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*9 

der Bewegung gewöhnlich hegreiflich macht, 
und die ganze Bewegung in dem Einem Puncte 
P wirklich vereinigt denkt, hat man dazu 
kein anderes Mittel, als Kräfte anzunehmen, 
die auf den Punct P zulammen wirken, und 
fich wechfelfeili£ einander entweder Vorfchub 
oder Abbruch thun. So kann ein SchüF, als 
Punct betrachtet, durch Ruder und durch 
Segel getrieben, entweder mit dem Winde, 
oder gegen denfelben , oder mit halben Win- 
de fahren. Im erften Falle wird durch die Zu* 
fammenfetzung der bewegenden Kräfte die 
Gefch windigkeit des Schiffes vermehrt, und 
die Richtung beibehalten ; im zweyten die 
Gefch windigkeit vermindert, und die Rich- 
tungkler Bewegung des Schiffes, durch die 
Kraft des Windes, aufgehoben; int dritten 
Falle die Summa der Gefchwindigkeit beyder 
Kräfte ebenfalls verändert, und die Richtun- 
gen beyder abgeändert. 

59. Allein da wir hier in diefer' Vorftel- 
lungsart ftets einen und den nahmlichen Punct 
in Bewegung fetzen, und daher zwey Kräfte 
zur Hervorbringung der zufammengefetzten 
Bewegung brauchen miiflcn ; fo entlieht die 
Frage , welchen Begriff haben wir von der 
Verbindung von Kräften, oder mit andern 
Worten, wie gel:; eine Kraft zu einer andern 
fo über, dafs fie diefelbe vergrößert oder ver- 
kleinert? 



60. In der That haben wir davon wirklich* 
keinen Begriff, fandern wir fchliefsen nur auf. 
Veränderung der Kraft als Urfache , durch 
Veränderung der Bewegung ab Wirkung : Er* 
fcheinungen als Ur fache, von denen wir lux 
mogene Wirkungen beobachtet haben, wer- 
den von uns , in Bezug auf diefe ihre Wirkun- 
gen, als homogene Kräfte betrachtet, diefich, 
wie alles Gleichartige , zu einer einzigen Grö- 
fse zufammenfetzen lalTen. So fehen wir, dafs 
Wind und Ruder ein Schiff bewegen, fo eben- 
falls, dafs Sonne und Flamme das Queckfilber 
ausdehnen können; un£ in Bezug auf diefe 
gleichartigen Wirkungen, halten wir Wind 
und Ruder, Sonne und Flamme, fo ungleich-, 
artig fie an fich auch immer lind, doch für 
gleichartige Innge,' und verbinden fie zu ei- 
ner einzigen Gröfse. , 
. 61. (Nun kann uns aber die Gleichartig* 
keit zwey er Wirkungen nicht anders als durch 
die Erfahrung bekannt werden, und daher 
auch nur dadurch die Gleichartigkeit der Kräfte. 
Wie will uns aber die Erfahrung über da$ Ge- 
fetz belehren, wie diefe gleichartigen Theile 
zu einem, Ganzen verbunden werden rnülTen? 

62. Das braucht fie, nicht, wird man fa- 
gen } fondern wenn wir die Gleichartigkeit 
zweyer Kräfte aus ihren Wirkungen erfahren 
haben , verbinden wir Ire nach dem allgemei- 
nen Gefet ze aller Gröfsen. Allein diefe allge- . 



• 



Digitized by 



3* 

meme Gefetz reicht feeyder Zufammenfetzung 
der Bewegung nicht aus ; denn es kommt hier, 
wicht blofs auf Vergröfserung und Verkleine- 
rung einer Bewegung durch die andere, 
Jondern auch auf die daraus entßandene 
Richtung an. Die Vorftellung von Bichtung 
aber, ift gar keine arithmctifche, fondern blofs 
geometrifche Vorftellung , und da läfet fich, 
das allgemeine Gefetz von Verbindung der 
Gröfse» überhaupt nicht brauchen. Entweder 
alfo die Sätze, die fich auf Abänderung der 
Jtichtung beziehen, find blofse Erfahrung*: 
Tatze, ohne alle innere Notwendigkeit, und 
man fagt durch lie nichts, als? diefs oder je- 
nes haben wir von der Abänderung der Rich- 
tung erfahren; oder, wofern diefe Salze auf 
geometrifche Notwendigkeit Anfpruch mar 
chen follen, müflen fie fich , wie alle geome- , 
trifchen Lehrlatze, ä priori conftmiren lalTen. 
Das geht aber nach der gewöhnlichen Vorftel- 
lungsart gar nicht an. Denn weder die Ver- 
änderung felbft die eine Kraft durch die an- 
derer erleidet , noch wie Kräfte wechfelfeitig 
ihre Bifchttknge» verftärken, zernichten oder 
abändern , läfst fich durcli Linien darfiellen. 

* 

65. Ueberdiefs fieht wohl jeder auch oh- 
iie Erinnerung ein , dafs nach der gewöhnli- 
chen Art die Zufomriienfetzung der Bewegung 
als Zufammenfetzung van Kräften vorznftel* 
hm, b«y d<?r Veiroind^ruiig der grofcwKirafc 



3 a 

dtirch die kleinere, ftillfchweigend der Sa*» 
vorausgefetzt wird : jede Wirkung ift der Ge r 
genwirkung gleiche Denn ohne diefen Satz 
weifs man nicht einmahl um wie viel eine 
Kraft die andere vermindern wird, und daher 
auch nicht, wie gröfs man die Linien anneh- 
men foll, die den Kräften entsprechend ge- 
dacht werden. Nun aber werden wir weiter 
unten zeigen, dafs diefer. Satzfelbft feine Not- 
wendigkeit erftdafnn erhalte, wenn die Lehr- 
fätze von der Zufammenfetzung der Bewegung 
nothwendig find. Ohne es alfo zu merken, 
dreht man lieh, bey der Verminderung einer 
Bewegung durch die andere, und folglich, da 
alle zufammengefetze Bewegung darauf zu- 
rückgeführt werden, kann, (4.9) alle Mahl im 
Zirkel herum. 

* 

IL 

64» Nach unferer Vorftellungsart aber, 
bekümmern wir uns weder um den Begriff 
Kraft, noch um den der Wirkung; fondern 
der Gang, den wir zur Darfiellung der züfam- 
mengefetzten Bewegung einfchlagen, iß fum- 
marifch folgender: 

65. Jedes Ding, das Gegenftand unferer 
Sinne werden foll, mufs Bewegung haben. (1 9) 
Nun ift es zwar für die Confiruction des Be- 
griffes Bewegung f ehr verfchieden, ob fie nach 
rechts oder nach links gefchieht ; allein die 

* Größe 

1 



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33 

Cröfse fclbß leidet nicht die mindefte Abände« 
rung, ob wir fie uns, als von einem Puncte 
von rechts nach links zu, befchrieben denken, 
oder von einem andern Puncte , der diefen 
Weg, von link* nach rechts zu, zurücklegt: 
alle Mahl wir<Ülie Linie gleich grofs bleiben. 
Trifft nun beydes zu , bewegen fich wirklich 
zwey Puncte; fo entfpringt daraus für uns die 
Vorftellung einer zufcmmeugefetzten Bewe- 
gung, fobald wir beyde Bewegungen in einem 
Puncte vereinigt denken ; und fie entfpringt 
nach Gefetzen, die oben gezeigt worden 
find. (50/.) v . 

66. Hiebey braucht fich die Bewegung 
des einen Punctes nicht mit der des andern fo 
zu verbinden, dafs eine mit der andern gleich- 
fam zufammenfchmilzt; fondern, da fich wirk-, 
lieh z wey Puncte bewegen, verrichtet jeder 
für fich, nach wie vor fein Gefchäft; aber die- 
fes ihr bey der feit iges Gefchäft vereinigt fich. 
in unferer Vorftellung zu einem Ganzen , zu 
einer einzigen zufammengefetzten Bewegung. 
Und zwar wird hiebey nichts weiter voraus- 
gefetzt, als was aus den Begriffen der Geome- 
trie folgten ähmlich : eine Linie iß gröfser 
als zuvor, wenn ihre beyden End puncte wei« 
ter von einander liehen; fie ift kleiner, wenn 
die Endpuncte naher an einander gebracht 
werden: das ift eine Diagonale, deren End- 

' C 



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3+ 

puncte in den gegenüberßehenden Winkeln 
eines Viereckes liegen. 

67. Jetzt, da die Möglichkeit der Vorhin« 
dung zweyer Bewegungen, unabhängig von 
aller Erfahrung, und mit ßrenger Notwen- 
digkeit eingefehen wird , ift die Anwendung 
auf Erfahrung fehr leicht. Haben wir erfah- 
ren, dafs z. B. Wind und Ruder ein Schiff be- 
wegen; fo ift es füTunfereVorft eilung von die- 
fer Bewegung ganz einerley, * ob das Schiff 
Strom ab, oder das Ufer Strom auf von ihnen 
getrieben wird. Je nachdem wir nun die Ver- 
mehrung oder Verminderung der Wirkung 
durch die Zufammenfetzung der Kräfte be- 
merken, nlüffen wir diefe einzelnen Wahr- 
nehmungen unter das allgemeine Gefetz ord- 
nen, und im erften Falle die Forttreibung des 
Schiffes durch eine diefer Kräfte, den Wind 
z. B. in Zurücktreibung des Ufers ; im zwey- 
ten Falle die Zurücktreibung des Schiffes durch 
den Wind, in eine Fortbewegung des Ufers 
verwandeln. 

* ■ 

* » » * 

III. 

6ß. Daher endlich, weil wir den Erfah- 
rungsbegriff Kraft vermeiden wollten, mufsie 
lieh unfer Satz 1 (59) blofs auf die geradlinige 
Bewegung einfehranken. Denn der Begriff 
einer krummlinigen Bewegung kann der Vor- 
ftellung von einer Kraft die fie hervorbringt, 



- 



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35 

nicht entbehren , und fie kann daher auch 
nicht ä priori conftruirt werden. 

69. Eine krummlinige Bewegung heifst 
nähmlich eine folche, die in jeder; noch! fo 
kleinen Zeit ihre Richtung verändert. Nun 
aber fetzt die Vorftellung von einer Verände- 
rung, das Verhältnifs von der Wirkung zurür- 
fache voraus ; oder, man mufs erft die Uxfacho 
kennen, ehe man die als Wirkung hervorge- 
brachte Veränderung begreifen kann. Eine 
jedeUrfache aber, die eine Veränderung zur 
Wirkung hat, ift eine Kraft. Folglich fetzt 
die Vorftellung einer krummlinigen Bewegung 
den Begriff Kraft voraus. 

70. In der That mag man die krummlini- 
ge Bewegung von welcher Seite man will be- 
trachten, und fo, wie das gewöhnlich gefchieht, 
als aus unendlich kleinen Winkelbewegungen 
erzeugt, vorftellen; fo mufs man immer zu 
einer Kraft, oder zu etwas feine Zuflucht neh- 
men, dafs uns das Quantum der Bewegung 
ganz unbeßimmt läfst. Denn um die Befchrei- 
bung des erßen Elements der Curva, als der 
unendlich kleinen Diagonale eines Vierecks, 
zu conftruiren , müITen wir uns vorftellen, 
dafs die beyden Puncte P und Q (55) ihre Be- 
wegung fo verrichten, wie (54) gezeigt wor- 
den ift. Hiebey behält P fowohl als Q feine 
Richtung, und es entfpringt aus der Zufam« 
menfetzung beyder Bewegungen blofsdie Vor- 

C a 



> < 



g6 

fiellang einer neuen Richtung. Behielte P, 
nachdem die erfte Diagonale befchrieben ift, 
feine Richtung noch ferner bey ; fo könnte, fo 
lange feine Belegung auf Q bezogen wird, kei- 
ne folche neue Diagonale entliehen, die mit 
der erften einen Winkel einfchlöfle , und der 
Curva zweytes Element ausmachte. Um die- 
. fes zu können, müfste entweder P feine Rich- 
tung ändern, oder deflen Bewegung auf einen 
andern Punct im Räume bezogen werden. Zu 
dem erften , zu der Abänderung der Richtung, 
bedarf es einer wirklichen Kraft; und das 
zweyte iß eine Annahme, die gar nicht aus 
dem Begriffe der Bewegung fliefst. Diefer 
Fordert ausdrücklich nur Einen Punct, auf den 
die ganze Bewegung bezogen werden mufs, 
wenn man ihre Quantität beßimmen will. 
Denn wie will man das Quantum der Bewe- ' 
gung kennen lernen, wenn man nicht weifs 
wie viel fich der bewegte Punct von einem 
einzigen beftimmten Puncte im Räume ent- 
fernt hat? Die Vorftellung einer krummlini- 
gen Bewegung iß daher keine rein phorono* 
milche Vorftellung. . 



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Fünfte Vorlesung/ 

(Dynamik , oder die Kraftlehre der Be- 
wegung.) 

I. 

> 

■ 

71. Jede Veränderung hat ihre Urfache. 
Nun iß Materie das Bewegliche im Räume, (a^). 
Folglich wenn diefe blofse Fähigkeit zur Be- 
wegung fich in wirkliche Bewegung verwan- 
deln foll, geht mit der Materie eine Verände- 
rung vor, die daher eine Urfache haben mufs. 

72. Eben fo auch umgekehrt, wenn die 
Materie durch irgend eine Urfache in Bewe- 
gung ift , bedarf es einer andern Urfache , um 
fie aus dem Zufiande der wirklichen Bewegung 
in den der blofsen Beweglichkeit zu ver- 
fetzen. 

75. Ein Raum, der keine Urfache in lieh 
enthält , die wirklich bewegte Materie zum 
Zuftande der blofsen Beweglichkeit zurückzu- 
führen, heifst ein leerer Raum. 

74. Ein Raum, der eine folche Urfache 
(73) enthält, fo dafs er daher der bewegten 
Materie widerfieht in ihn einzudringen, heifst 
ein er füllt er Raum, (voller Raum.) 

75. Die Urfache, weshalb eine bewegte 
Materie verhindert wird , in einen Raum zu 
dringen, kann daher rühren , dafs der Raum, 
in welchen die bewegte Materie eindringen 

C 5 



58 

will, in eben der Riöhtung fortrückt, als die 
bewegte Materie ihm nachrückt. (53) 

76. Sobald alfo eine bewegte Materie in 
einen erfüllten Raum, (74) eindringen will, 
und diefer es nicht zugibt, bewegt fich diefer 
erfüllte Raum in einem andern Räume. (75) 
Daher mufs der erfüllte Raum die Fähigkeit 
fich zu bewegen befitzen, und alfo etwas Be- 
wegliche« im Raum feyn. Alles Bewegliche 
im Räume heifst aber Materie.. (»4) Folglich 
iß der Raum, fo fern er erfüllt ift, ebenfalls 
Materie, und wir können daher fagen: Ma- 
terie, in dynamifcher Bedeutung, heifst das 
Bewegliche im Räume , in fo fern es einen 
Raum erfüllt. 

77. Diefe Eigenfchaft nun, vermöge der 
die Materie jeder Bewegung widerfieht, die 
den Raum vermindern will, den lie einnimmt, 
macht die zweyte Eigenfchaft derfelben aus. 
gie heiße die Erfüllung des Raumes. 

78. Zur bejTern Verßändlichkeit diefer 
Eigenfchaft merke man , dafs hiedurch gar 
nicht behauptet wird, es könne kein Aggre- 
gat von materiellen Theilen in einen engern 
Raum zufammengedrückt werden ; noch viel- 
weniger, dafs die Materie nicht ihren Raum 
verlaffen, und einer andern Materie ihren 
Platz einräumen könne. . Diefe beyden Sätze 
fprechen von verfchiedenen Zeiten: wenn ei- 
ne Materie M in der Zeit T deift Raum <S ein- 

r 

4 1 

f 

< 



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• 39 

genommen hat, kann fie, fo fagt der erße 
Satz, zu einer andern. Zeit t zufammcnge* 
drückt werden, und den kleinen Raum 
s einnehmen. Eben fo fagt der andere Satz: 
die Materie Mnahm zu der Zeit Tden lUtum 
<£ein, und kann iu der Zeit £ daraus ver- 
trieben w erden , um den neuen Raum R 
einzunehmen, Hier hingegen, durch die Er- 
füllung des Raumes (77) verliehen wir die 
Eigenfchaft der Materie, vermöge der fie zu 
jeder Zeit irgend einen Raum für lieh allein 
erfüllt, und nicht zugibt, dafs in der nähm- 
lichen Zeit eine andere Materie mit ihr in dem 
nähmlichen Räume vorhanden fey« • 

79* Dem Anfcheine nach läfst fich die Ei- 
genfchaft der Erfüllung des Raumes, (77) auf 
den Satz des Widerfpruches zurückführen. 
Denn dafs ein Ding an dem Orte ift, wo es ift, 
fcheint identifch zu klingen. Auch haben alle 
Naturforfcher bis jetzt das ürtheil : die Mate- 
rie erfüllt ihren Raum, für ein analytifches 
Urth eil gehalten, und es daher auf den» Satz 
des Widerfpruchs gegründet, 

80, Allein genau betrachtet, fagt.der Satz ; 
ein Ding ift an dem Qxte , wo es ift nux aus, 
dafs jede Materie irgend einen Ort haben muf- 
fe ; nicht aber, dafs eine andere Materie, die 
ihre Bewegung auf den Ort der erften hinrich- 
tet, mit diefer nicht zu gleicher Zeit an 
dem nähmlichen Orte feyn könne. Hiebey 



geht man fchon aus dem phoronomifchenßegrifF 
der Materie (04) hinaus* erweitert ihn durch 
den Zeitbegriff, der nothwendig in dem Ur- 
theil vorkommen mufs, und macht es dadurch 
zu einem fynthetifchen Urtheile. Der Aus- 
druck zu gleicher Zeit aber ift unum- 
gänglich nothwendig; denn zu verfchiedenen 
Zeiten wird wohl niemand läugnen , dafs die 
Matenie B den Ort befetzen könne, den die 
Materie A eingenommen hatte. Daher fagt 
der Satz : ein Ding ift an dem Orte , wo es 
iß, in der That ganz etwas anders aus, als 
er auszufagen fcheint. Denn er umfafst ftill- 
fchweigend den gar nicht analytifchen Zufatz : 
mit Ausfchliefsung jedes andern Dinges. . Der 
vollßändige Satz würde lauten: nur Eine und 
nicht mehrere Materie ift zugleich in dem 
nahmlichen Orte. Diefes aber läfst lieh aus 
dem phoronomifchen Begriffe der Materie 
nicht entwickeln; fondern er wird durch diele 
ihm beygelegte dynamifche Eigenfchaft wirk- 
lich erweitert 

8i. Fragt man fich daher, wie müflen 
wir uns die Möglichkeit diefer Eigenfchaft den- 
ken; fo haben wir kein anders Mittel dazu, 
als anzunehmen, dafs die Materie eine befon- 
dere bewegende Kraft befitze , vermöge der 
iie ihren Raum erfüllt. 

g£. Denn da einen Raum erfüllen nichts 
anders heifst, als der Bewegung einer andern 



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Materie B, die in den Von drr erßen A ein- 
genommenen Raum dringen will, widerftehen 
können; (74) fo mufs zu diefen Können eine 
Urfache vorhanden feyn. Wir können uns 
aber hiezu keine andre Urfache denken, als 
weil der Raum , den A einnimmt, fammt der 
Materie A Geh fogleich fortbewegt, als die 
auf fie eindringende Materie B ihr nachrückt. 
Die Urfache aber die diefe Wirkung des Fort- 
rückens von A hervorbringt, oder vielmehr, das 
Vermögen zu fliehen, fobald etwas uns ver- 
folgt , heifst eine Kraft, Folglich erfüllt die 
Materie ihren Raum durch die ihr eigenthüm- 
liehe Kraft , fich fort bewegen zu können', fo- 
bald fich eine andere Materie ihr nähert, die 
in ihren JVaum] eindringen will. 

» 

IL 

83- Wir gehen weiter. Zwifchen den 
Oertern z Wey er Materien läfst fich eine gera- 
de Linie denken, die durch die Bewegung der 
Materien gegen einander verkleinert, düreh 
ihre Bewegung aber von einander vergröfsert 
wird. (66) * 

84. Die Urfache , wodurch eine Materie 
verhindert , dafs die Linie , die fich zwifchen 
ihrem Orte, und dem einer andern Materie 
befindet, nicht vergrößert wird, heifst An- 
ziehungskraft. 

85. Die Urfache , wodurch eine Materie 

C 5 



4a 

i- 

verhindert, dafs die gedachte Linie (83) nicht 
verkleinert wird, heifst Zurückstofsungs- 
kraft. t 

86. Ohne gefagt zu werden , folgt es von 
felbft, dafs eben die Urfache (84) welche die 
Vergröfserung, oder (85) die Verkleinerung 
des Abftandes beyder Materien verhindert, 
auch wenn fie ftärker wirkt, im erften Falle 
die Verkleinerung, und im zweyten die Ver- 
gröfserung dea Abfiandes befördern werde ; 
oder, die Materien werden fich dadurch im 
erften Falle einander nähern, im zweyten von 
einander entfernen, 

87. Dafs nun die Materie, in fo fern fie 
einen Raum erfüllt, eine zurückftofsende 
Kraft (85) befitzen mülTe , wird aus folgen- 
der Betrachtung von felbft erhellen. 

88» Die Urfache nähmlich, weshalb die 
Materie./* ihren Raum erfüllt, und dennoch 
nicht zugibt, dafs eine andere Materie B in 
ihren Raum dringe, kann entweder in .//oder 
in JB , liegen. Im erften Falle mufs A das Ver- 
flögen befitzen , die auf fie eindringende .Ma- 
terie JB von fich in einer beltimmten Entfer- 
nung zuhalten, mufsalfo im Stande feyn, dem 
Streben zu wicterftehen, das B durch ihre Be- 
wegung äußert, die Linie zwifcheii A. und JB 
nähmlich zu verkleinern. Ein Vermögen aber 
einer Bewegung überhaupt . zu widerlichen, 
keifst Kraft, **nd ins befoncUre* wenn die 



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Kraft angewandt wird, zu verhindern, dafs 
die Linie zwifchen den Oertern zweyer Kör- 
per nicht verkleinert werde, Zurückftofsungs- 
kraft. (05) Folglich befitzt die Materie A 9 
und fo jede Materie, Zuruckltofsungskraft. 
Aber auch wenn die Urfache, dafs A ihren 
Raum erfüllt, in der Materie B liegt, hat der 
Satz feine Richtigkeit. Denn in diefem Falle 
mufs jö Schuld feyn , dafs A, bey der Annä- 
herung von 23, fo weit fliehet, als B nach- 
rückt. 13 mufs alfo das Vermögen befitzen, A 
vor 'lieh fliehen zu machen. Eben fo erfüllt 
B felbß ihren Raum , ui^d wenn A auf fie ein* 
dringen will, mufs auch A das Vermögen be- 
fitzen, B vor fich fliehen zu machen. A alfo 
fowohl wie B befitzen eine Kraft, die es ver- 
hindert, dafs die Abfiandslinie ihrer Oerter 
nicht verkleinert werde. Folglich befitzen 
fie, und mit ihnen* alle Materie, Zurück- 
ftofsungskraft. (85) 

89. Daraus folgt nun unmittelbar, dafs 
die jeder Materie eigentümliche Zurücklto- 
fsungskraft (87) einen befiimmten Grad habe, 
der gröfser und kleiner gedacht werden kann« 

90. Was das erfie betrifft; fo fieht man 
wohl ein, dafs, wenn die M Zurückltofsungs- 
kraft in irgend einer Materie keinen Grad 
hätte, alfo =0 wäre, diefe Materie night 
verhindern könnte, dafs eine andere Materie 
in] ihren Raum eindränge : fie felbft wurde da- 



lief keinen Raum erfüllen, keine Materie 
feyn. (76.) 

91. Esmufs aber der Grad der Zurück- ' 
ftofsungskraft nicht zwifchen gewiflen Gren- 
zen eingefchloflen feyn, fondem die Kraft 
mufs, wie jede Kraft überhaupt, gröfser 
und kleiner gedacht werden können ; d. h. 
es muTs Materie geben , deren zurückftofsen- 
de Kraft gröfser , und wieder andere, bey der 
fie kleiner als jede angebliche Gröfse ilt 

ga. Wäre diefes nicht der Fall; fo müfste 
einer von folgenden drey Fällen denkbar 
feyn. Entweder alle Materie befitzt einen 
gleich grofsen Grad von Zurückftofsungskraft; 
oder es gibt über einem gewiflen Grade G kei- 
nen gröfsern, oder endlich unter einem ge- 
wiflen Grade K keinen kleinern. 

93. Dafs nunnichtalle Materie den nähm- 
lichen Grad der Zurückftofsungskraft haben 
könne , erhellet fchon daraus , weil in diefem 
Falle gar keine Bewegung entliehen würde : 
die Materie A wirkte auf die Materie B eben 
fo ftark zurück , als diefe auf A wirkt. Nun 
aber kann die Materie nur durch Bewe^un«* 
Gegenftand der Erfahrung werden. (19) Folgt 
lieh mufs in dem Grade der Zurückftofsungs- 
kraft mehrerer Materien ein Unterfchied ob- 
walten. > 

94. Gäbe es nun über dem Grade G (90) 
der Materie A z. B. keinw gröfsern Grad; fo 



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45 

würde A durch ihre Kraft zwar jede Materie 
bewegen, aber felbft durch nichts bewegt 
werden können : d. h. A w^re etwas Unbeweg- 
liches im Räume, und daher (24) keine Mate- 
rie. Folglich mufs jeder Grad der Zurück- 
ftofsungskraft gröfser gedacht werden können. 
4 95. Gäbe es endlich unter Grade K fofl) 
der Materie B z. B. keinen kleinern Grad ; fo 
wurde die Materie B von jeder Materie zwar 
bewegt werden, aber keine andere Materie, 
auf die lie in ihrer Bewegung ftöfst, forttrei- 
ben können. Sie würde fich alfo, da fie über- 
all mit Materie umgeben ift, (S. unten 14.7) 
nicht bewegen , wäre daher etwas Unbewegt 
liches im Räume, und folglich (»4) keine 
Materie. 

' ... m 

III. 

96. Bisher haben wir > der leichten Ver- 
ftändlichkeit wegen, die Zurückftofsungskrafi 
der Materie nur nach Einer Richtung ange- 
nommen : wir haben die Materie A auf J3, B 
auf C u. f. w. eindringen, und eine von der 
andern durch diefe Kraft abhalten laffen. Es 
ift abergjp: kein Grund vorhanden, warum 
das Eindringen der Materie, dem eine Mate- 
rie A zu widerßehen hat, nur nach einer Sei- 
te, und nicht nach allen Seiten gefchehen feil. 
Folglich muffen wir annehmen , daf» die Ma, 



46 

terie Zurückstofsungskraft nach al- 
len Seiten befitze. ' 

97. Durch diefe Zurückfiofsungskraftnach 
allen Seiten verhindert die Materie A, dafs 
andere auf fie eindringende Materie ihren 
Raum nicht einehme , oder, welches eben fo. 
viel fagt, ihre Figur nicht ändere. Diefe Ei- 
genfchaft der Körper nennt man aber Elasti- 
cität. Folglich mufs alle Materie ursprüng- 
lich elastisch feyn. 



r 

Sechste Vorlesung* 

( Undurchdringlichkeit. ) 



98. Durch die Elaßicität (97) widerfieht 
die Materie einer Kraft, die ihre Figur ver- 
ändern, oder, weicheis einerley ift, fie von 
Einer Seite zufamm endrücken will. Wenn 
daher die Kraft von allen Seiten gröfser iß, als 
lie zu widerfiehen vermag, wird fie wirklich 
von allen Seiten zufammengedrückt, oder ihr 
Raum verkleinert. Nun gibt es für jeden 
Grad von zurückßofsender Kraft der Materie 
einen gröfsern. (94.) Folglich wird für jede 
Materie eine Kraft lieh denken lallen, die fie 
zufammendrücken , oder ihren Raum verklei- 
nern kann. 



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47 

t 

i 

99. Es drückt nähmlich eine Materie 
die andere zufammen, wenn die erfte den 
Raum der zweyten verkleinert; fie durch- 
dringt fie aber me chanifch, wenn fie, oh- 
ne die Natur der erften zu verändern, den 
Raum derselben gänzlich aufhebt, oder = o 
macht. ' >•'••• * 

100. Wenn man den Hahn einer Luft« 
pumpe verfchliefst, und den Stempel herun- 
ter windet, wir* die Luft zwifchen ihm und 
dem Boden des* Stiefels, die nun keinen Aus- 
gang findet, in einen engern Raum gebracht; 
zufammengedrückt. Hiebey berührt der 
Stempel den Boden nicht völlig. Könnte er 
ihn aber, bey aller Anwefenheit der Luft, völ- 
lig berüh«n, fo würde der Raum der Luft 
ganz aufgehoben, gleich Null feyn. In (lie- 
fern Falle würde die Materie des Stempelsund 
die des Bodens, die der Luft nicht verändert, 
aber mechanifch durchdrungen haben. 

101. Die zurückftofsende Kraft der Ma- 
terie verhindert von allen Seiten, dafs die auf 
fie eindringende Materie ihren Raum nicht ver- 
kleinere. (85« 97) Eben die Kraft aber , die 
das verhindern kann , würde, wenn fie weder 
von aufien noch von innen etwas zu überwin- 
den hätte , d. h. wenn keine Materie yon auf- 
fen , noch keine Kraft im Innern der Materie 
fie vermindern follte, die Materie ins unend- 
liche nach allen Seiten ausdehnen. Folglich 



1 



^3 > 

ift die Zuruckftofcungskraft zugleich eint 
A us de - Innings kraft. 

102. Daraus folgt nun unmittelbar der 
Satz , dafs es keine leeren Zwifchenräume 
j&wifchen den Körpern gibt. Denn ein leerer 
Raum' heifst ein folcher, der keine Urfache 
enthält, die wirklich bewegte Materie zu 
dem Zuftande der blofsen Beweglichkeit zu- 
rückzuführen, (73) Nun aber befitzt die 
Materie eine AusdehAungskraft nach allen 
Seiten. (101). Dadurch iftfie n^ch allen Sei- 
ten in wirklicher Bewegung, und wird lieh 
in die als leer angenommenen Räume ohne 
Hindemifs bewegen, daher fie erfüllen. Folg- 
lieh kann, es keine leeren Räume geben. 

103. Demunerachtet kann di$ Materie 
ins unendliche zufammengedrückt werden. 
(1 00) Denn da jede Materie A durch eine 
Kraft B zufammengedrückt werden kann, (98) 
fo wird eine Kraft C gröfser als B, die Mate- 
rie A noch mehr zufammendrücken. Nun 
kann zu jeder Kraft B eine gröfsere C ins un- 
endliche gefunden werden. (94.) Folglich 
kann auch die Materie A ins unendliche zü- 
fammengedrückt werden. 

104. Ohne «lifo bey der Zufammendrük- 
kung der Materie zu den leeren Räumen un- 
fere Zuflucht zu nehmen , die, wie wir (iofl) 
gezeigt haben, auf einen Widerfpruch führen, 
ift die Zufammendrückung der Materie blofs 

' auf 

r 

- 

9 

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49 

I 

auf die Ausdejmu^igskraft felbft gegründet: 
jede Materie , nfihmlich mit der Ausdehnungs- 
kraft A, kann durch eine Materie, welche die 
Kraft B befitzt, zufammengedriickt werden*, 

105. Weil min die Materie ins unendli- 
che zufammengedriickt werden kann; (105) 
fo folgt, dafs keine aioch fo grofse Kraft im 
Stande Jey, die Materie mechanifch zu durch- 

* 

dringen, (joo) Denn da zu jeder Kraft, .wel- 
che die Materie A zufammendrückt, eine 
gröfsere gefunden werden kann, die fie noch 
mehr zufammendiückl:, fo heifst das mit an- 
dern Worten fo. viel,! als der Kaum den A 
einnimmt , kann immer kleiner gedacht wer- 
den; und je kleiner er werden (oll, defto 
gröfeer muß. auch die Kraft feyn, die das be- 
wirkt. So bald aber irgend eine Kraft P die 
Materie A durchdringt, mufs der Raum, den 
J3 einnimnit = o feyn; (ioo) d.h. er kann nun 
nicht mehr kleiuer gedacht werden, und es 
gij>t auch alsdann keine gröfsere Kraft als JP, 
ifelche, die Materie A in einen kleinern Raum 
zu zwingen vermag. Diefs widerfpripht aber 
dem Satze, dafs zu jeder Kraft, und daher 
auch zu P, eine gröfsere gefunden werden 

könne. (95) ' ! ; " 

iu(6. Diefs nun, dafs die, Materie, ob- 
gleich, t an . und für fich zufammendrückbar, 

D 



dennoch vön keiner Kraft mechanifch clurbb- 
drungen werden könne , macht die dritte-- £i* 
genfchaft der Materie, ihre Ündur«ch- 
dringlichkeit aus. • 

HI. 

107. Wir find nun im Stande auch fol- 
genden Satz zu behaupten. Die Ausdehnungs- 
kraft der Materie (101) r fteht im geraden Ver- 
hältnilTe mit der Kraft, die die Materie zu- 
fammendrückt, und im uingekehrteh Verhält- 
nüTe mit dem Räume, in den fie zufammen- 
gedrückt worden: je gröfser die zufammen« 
drückende Kraft, defto gröfser die Ausdeh- 
nungskraft; und je kleiner der Raum, defto 
gröfeer die Ausdehnungskraft. 

108. Was das zweyte betrilFt ; fo kann 
man lieh fehr leicht davon überzeugen. Denn 

' da jede Materie A von irgend einer Materie 
fi zufammengedrückt, (103) aber nicht durch- 
drungen werden (105) kann; fo folgt, dafsder 
Raum den die Materie A vor der Zufammeii- 
drückung einnahm, grö/serwar, als nach der- 
felben, dafs er aber auch dann noch nicht 
gleich Null geworden fey. So lange alfo die 
Materie A den gröfsern Raum erfüllte, konnte 
ihre Ausdehnungskraft der fie zufammendrük- 
keiiden Kraft der Materie B nicht widerfte- 
hen,und nicht eher ihr Einhalt thun, als bis Ii» 
ftlbft in den kleinem, durch die Zufammtn* 



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drujckung erhaltenen Raum gebracht wurde. 
Nun fie das ift, widerfteht fie der Kraft JÖ. Je 
gröfser aber B ift , d$fto kleiner wird der 
Kaum von A. Daher widerfteht die in einen 
kleinern Raum zufammengedrückte Materie 
einer gröfsern Kraft. Folglich ßeht die Aus- 
dehnungskraft der Materie im umgekehrten 
Verhältnifs des Raumes, den die Materie ein- 
nimmt* 

109. In Anfehung deserftenPunctes (107) 
ift der Beweis ebenfalls einleuchtend. Denn 
da die Materie durch keine Kraft mechanifch 
durchdrungen werden kann (105); fo wird 
die Materie A von einer gröfsern Kraft in ei- 
nen kleinern, von einer kleinern Kraft in ei- 
nen gröfsern Raum zusammengedrückt. Nun 
aber fteht ihre Ansdehnungskraft im umge- 
kehrten Verhältnils mit dem Räume, den die 
Materie erfüllt. (108) Folglich im geraden 
Verhältnifle mit der Kraft, die fie zusam- 
mendrückt 

« 

IV. 

1 

(Verfchiedenheit diefes Syltems von den 

bisherigen.) 

110. Nach unferm Syftem alfo, lieht man, 
ertheilt man der Materie Ausdehnungskraft, 
die von einer ähnlichen aber gröfsern Kraft 
überwältigt werden kann. Durch dirf« Ue- 

■ 



5« 

berwältigung wird die Materie felbst zu-» 
fammengedrückt, und der von ihr erfüllte 
Raum verkleinert. Da er aber,' wie wir (105) 
erwiefen haben , fich nicht bis auf Null ver- 
kleinern läfst 5 fo macht diefe Eigenfeh aft die 
Undurchdringlichkeit der Materie aus 

Iii; Iii der gewöhnlichen, bisher ange- 
nommenen Meinung hingegen, wird der Ma- 
terie keine Ausdehnungskraft verliehen 1 keine 
Materie fucht fich auszudehnen , - oder einen 
• gröfsern Raum zu erfüllen , als den fie ein für 
allemal eingenommen hat. Daher kann auch 
keine Materie durch die andere zufammenge- 
drückt werden. Erfüllte demnach jede Ma- 
terie ihren Raum* vollkommen, gäbe es gar, 
keine leeren Zwifchenrätime ; fo wäre auch 
keine Gewalt in der Welt im Stande * eine 
Materie in einen engern Raum zufanungn zu 
drücken. Denn die Materie felbft ift nicht 
ztifammendrückbar, und leere Räume, wo- 
hin lie, der auf fie angewandten Gewalt wei- 
chend, flüchten follte, gibt es auch nicht. 
Folglich könnte fie gar nicht zu fannn enge- 
drückt werden. Da nun diefs aber der Er- 
fahrung widerfpricht; fo hat der Anhänger 
diefes Syftems keinen andern Ausweg, als das 
Dafeyn der leeren Z wifchenräume zuzugeben. 

iifl. In diefem Syfteme, nach welchem 
der Materie keine ur fprüngliche Ausdehnungs- 
kraft beigelegt wird , enthält der Satz von 



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I 



£en leeren Räumen keinen Widerfpruch, Der 
von uns (102) dagegen geführte Beweis, grün» 
det lieh nur auf die Voraussetzung, dafs die 
Materie urfprüngliche Ausdehnungskraft fce- 
fitze : eine Sache , die der Gegner nicht 
zugibt. 

113. Noch ein wefentlicher Unterfchied 
zwifchen beyden Syßemen , macht folgender 
Umßand aus. Wie wir uns die Sache vorßel- 
len, iß die Materie an und für lieh zufam- 
mendrückbar bis auf einen ge wiflen Grad ; und 
ihre Undurchdringlichkeit beßehtblofs dajrinn, 
dafs diefer Grad nicht = o feyn kann. Alfo 
wenn der Raum, den die Materie A einnimmt 
A heifst, kann R ins unendliche abnehmen, 
doch nie = o werden. Daraus folgte dann, 
dafs die Ausdehnungskraft der Materie im um- 
gekehrten Verhältnifle der von ihr ei füllten 
Räume flehe. (108). Wenn demnach eine Ma- 
terie A erß in den Raum R und dann in den 
Raum S kleiner als R zufammengedrückt wird j 
fo wird nun die Kraft , die A noch ferner zu- 
fanimendrücken wollte, gröfser als vorher 
feyn müiTen. 

114. Hingegen nach dem andern 5yßeme 
ift die Materie fin und für nicht zufammen- 
drückbar; daher auch gar nicht durchdring- 
Hch. Nur dann wird lie zufainmengedrückt 
werden können, wenn fie leere Zwifchv*nräu- 
me enthält, und um deßo mehr, je mehr fie 

D 3 

1 



5* « 

I 

deren enthält ; hat aber, nach der Zufymmen* 
drückung in einen kleinern Raum, eben fo 
wenig Ausdehnungskraft, als vor derfelben. 

115. Wenn es alfo nach (liefern Syfieme, 
das wir das ma the matif ch e nennen wol- 
len, einen Körper gibt, der gar keine Zwi- 
schenräume enthält ; fo würde der Raum die- 
fes Körpers durch keine Kraft in der Welt ver- 
kleinert werden können, (x 1 1) Das nähmli* 
che gilt auch von jedem einzelnen Theil- 
chen der Materie; denn auch es kann nicht 
zufamniengedrückt, und nur dann durch eine 
Kraft gezwungen werden, fich [andern materiel- 
len T heilchen zu nähern, wenn Zwifchenräume 
vorhanden lind, in die es zurückweichen kann. 

116. Demnach gründet fich in diefem Sy- 
fteme die Undurchdringlichkeit der Materie 
auf die abfolute Unmöglichheit fie zufammen* 
zudrücken ; und man kann daher fagen, dafs« 
nach diefem Sylteme die Materie ihren Raum 
mit abfoluter Undurchdrihglichkeit 
erfülle. . 

117. Nach unferm Syfieme, das der Ma- 
terie urfprüngiiche Ausdehnungskraft bey- 
legt, und deshalb das Dynamifche heifst, 
fällt der Begriff von den leeren Zwifchenräu« 
men weg. (10a) Die Materie kann daher an 
und für lieh zufammengedrückt, aber den- 
noch nicht durchdrungen werden, weil keine 
Kraft grofs genug ift, diefs zu leiften. (105) 



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«5 

Daher ift es ntir eine relative Undurch- 
dringlichkeit, mit der die Materie ihren 
Raum erfüllt : fie hat ftets Bezug auf die Kraft, 
die die Materie zufammendrücken foll. 

118. Der Anhänger des mathemaüfchen 
Syftems (115) muTs bey der Undurchdring- 
lichkeit der Materie, als bey einer Eigenfchaft 
fteKen bleiben, von der er fich keinen weitem 
Grund anzugeben vermag. Fragt man abet 
den Anhänger des dynamifchen Syftems, (117) 
warum die Materie undurchdringlich fey? Co 
antwortet er, weil fie urfprünglich eine aus- 
dehnende Kraft befit%t, die mit der Zufam- 
mendrückung zunimmt, und die daher jede 
noch fo grofse, aber immer endliche Kraft ver- 
hindert, den Raum der Materie bis aus Nichts 



119, Schon diefer Vortheil, dafs man 
einen Schritt weiter in der Erklärung der 
Eigenfchaft en der Materie gehen kann, gibt 
dem dynamifchen Syfteme (1 1 7) einen Vorzug 
vor dem mathematifchen. (115) Unfer gan- 
zes Forfchen über <Jegenftände der Natur hat 
keine andere Abficht, als d*n Schleier der 
Ifis , wenn auch um einen Faden breit , weiter 
aufzuheben. 

iao. Aber aulTer diefem liegt in dem Be- 
griffe der abfolutenUndurchdringlichkeit (116) 
etwas, dafs alle menfchliche Falfungskraft 
überfteigt; Hier behauptet man, die Materie 

D 4- 



56 - 

4*1 

könne an iincl für fich, durch keine noch fo 
grofse Kraft, durchdrungen Werden; diefs 
helfst aber To viel, als: ' die Kraft der Mate- 
rie ift wahr unendlich groß. il Nun bindet 
fich aher der Begriff von einer Grhtse, in dem 
menschlichen Gemüthe, ftetls an einen Zali- 
lenbegriff: wir drücken jedcf<jröfse durch ei- 
ne Zahl aus. Diefe befteht aus Einheiten, de- 
ren immer mehrere zufanimensrcdacht werden 
können. Was alfo wahr uuendlich grofs, was 
eine unendlich grofse Kraft' fey , das find 
Dinge, wovon wir einen Begriff ohne An- 
fchauung haben, und von denen man,' in Er- 
klärung der Natur, keinen andern als negati- 
ven Gebrauch machen darf. Man kannfagen; 
hier oder dort findet ein unendlicher Fort- 
fchritt Statt, weil man gerade dadurch andeu- 
tet, dafs man dabey nie zu Ende kommt, ucd 
die Eigenfchaft, von der die Rede ift , imrr.er 
gröfser gedacht werden könne. ' In der MeU 
nung der abfoluten Undurchdringlichkeit aber 
müfste jnan das Wort unendlich in pofitiver 
Bedeutung nehmen, und behaupten, die Kraft 
der Materie leide keinen Fortfclmtt, fey eine 
wirklich unendliche Gröfse. J 

i 

* 



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r 



67 

Siebente Vorlesung, 

l ö l . Ehe wir weiter gehen 9 wollen wir, 
theüs tun den Sinn des Vorigen iftehr aufzu- 
kellen, theils tton das Folgende vorzuberei- 
ten, den Satz : erweifen: in der Erfcheinung 
phyfifcher Körper, d.h. wie fie uns gegeben 
fiiid* und Gegenftande möglicher Erfahrung 
werden, find uni *die Theile in dem Ganzen, 
nicht das Ganse durch, die; Theile gegeben. 

i'aö. Was man mit diefem Unterschiede 
Tagen wolle , wird folgendes Beyfpiel zeigen. 
Jede Zahl kann auf zweyerley Art betrachtet 
werden: entweder als Vielfaches einer gegeb- 
nen Einheit; oder felbft als Einheit, von der 
dann die erft gedachten Einheiten Brüche 
* find. So kann ich mir die Zahl 8 entweder 
als ein Achtfaches von Eins vorft eilen; oder 
felbft als Einheit, von der dann die Zahl Eins, 
der achte Theil , ein Achtel iit. Welche von 
beyden Vorftellungsarten in jedem befondern 
Fälle die wahre fey, wird dadurch beftimmt, 
clafs man unterfncht, was uns zuerft gegeben 
ift. Sind mir die Einheiten zuerft gegeben, 
und fetze, ich aus ihnen die Zahl zufammen; 
To ift fie ein Vielfaches der Einheit. Findet 
fich aber das Ganze fchön gegeben vor mir ; 

D 5 



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fo muß ich es felbft als Einheit betrachten, und 
das , woraus ich mir es zufammengefetzt ror- 
ftelle, als deflen Brüche betrachten. Im er- 
ften Falle ift uns das Ganze durch die Theile, 
im zweyten find uns die Theile im Ganzen 
gegeben. 

iag. Nun zum Beweife. Was uns in der 
Erfahrung gegeben werden kann, nimmt ei- 
nen Raum ein, hat daher eine Extenfion, die 
*nund für fich der Einheit entfpricht. Wenn 
wir alfo die Theile diefer Einheit fachen , be- 
ziehen wir fie auf diefe Einheit, und betrach- 
ten fie als deren Brüche. Daher find uns in 
der Er fch einung phyfifcher Körper die Theile 
indem Ganzen, nicht diefes durch jene gege- 
ben: denn dazu müfsten wir die Theile eher 
kennen , ehe uns das Ganze als Einheit gege- 
ben worden. . n 

124. Wenn wir auf das Genetifche, auf 
die Art ünd Weife felbft fehen, wie die Ver- 
nunft allein das Entßehen der Dinge an 
fich begreiflich findet ; fo müflen wir uns Jfrey- 
lich vorßellen, dafs die Theile vor dem Gan- 
zen exißirt haben, und diefes erft durch die 
Theile hervorgegangen fey. Allein wie uns 
die Dinge gegeben, wie fie Gegenftände unfe- 
rer Erfahrung find , ift es nicht hinreichend, 
blofs durch die Vernunft ihr Entliehen zu be- 
greifen; fondern zu erkennen, wie fie Ein- 
drucke auf unfere Sinne machen , wie wir fie 

« 

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-anfchauen. Da ift es dann unbezweifelt, dafs 
unfere Sinne jedes Ding als Einheit wahrnehr 
inen, aus der die Theile gefacht werden 
muffen. 

125. Der Unterfchied in beyden Vorfiel* 
lungsarten ift einleuchtend» Wird uns das 
Ganze durch die Theile gegeben ; fo ift jedes 
Ganze ein Vielfaches feiner Theile, (ißfl) und 
es entfpricht einer Zahl. Nun aber ift jede 
Zahl endlich. Folglich mufs auch das aus 
Theilen zufammengefetzte Ganze , ' aus ei- 
ner endlichen Menge von Theilen beftehen. 
Werden uns aber die Theile in dein Ganzen 
gegeben ; fo werden die Theile erft gefacht t 
das Ganze entfpricht der Einheit, und jeder 
Theil einem Bruche. Nun aber kann jeder 
Bruch kleiner gedacht werden. Folglich fo 
viel Theile wir uns auch immer in dem Gan- 
zen denken mögen , fo wenig find wir doch 
auf den kleinfteu Bruch gekommen; daher 
können -wir uns in jedem Ganzen eine unend- 
liehe Menge von Theilen denken. 

laß. Man fieht, dafs hier der Begriff unv 
endlkh, wie oben (120) erwähnt worden, nur 
in negativer Bedeutung genommen wird : wir 
kommen mit dem Denken der Theile, die in 
dem Ganzen enthalten feyn mögen, nie zu 
Ende. Die pofitive Bedeutung des Wortes 
unendlich wäre, wenn wir das vollendete 
Ganze aus den Theilen entstehen liefsen, und 



doch behaupteten , dafs das Ganze ans unend- 
lich vielen Theilen beftehe. Denn da müfste 
wirklich eine unendliche Menge zufammen 
genommen worden feyn , um das Ganze, da* 
doch nun da iß , entfiejien zu lallen. 

IL 

^127. Nachdem wir nun diefes vorausge- 
schickt, und gezeigt haben, dafs es auf kei- 
nen Wid>rfpruch führt, wenn man den Satz 
behauptet: jedes Ganze, als Einheit betrach- 
tet, enthält eine unendliche Menge Theile, 
wollen wir weiter gehen. 

1 08. Von der Substanz haben wir kei- 
nen andern Begriff, als dafs fie das beharrli- 
che in der Erfcheinung fey,an dem zwar alle 
Veränderungen vorgehen, das aber felbft fich 
.nicht verändert. 

129. Gäbe es einen vollkommen abfolu- 
ten Raum (127) für uns ; fo würde in ihm Je- 
de Veränderung vorgehen , er felbft aber 
unverändert bleiben ; er wäre auch dann eine, 
.und «war die einzige Subftanz , die mit den 

■ 

äußeren ginnen angefchauet werden könnte. 

^30. Allein die Vorfteliung eines voll- 
kommen abColuten Raumes ift nur ein logifcher 
Begriff, ohne Exißenz für uns , (a8) und nur 
das Bewegliche im Räume, die Materie nahm- 
lieh, (24) kann Gegenfiand unferer Erfahrung 
werden. Folglich ift der Raum, da er blofs 



1 

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relativ und veränderlich iß , an und für lieh 
keine Subßanz. ' 

151, Hingegen gehen mit der Materie, 
durch die Beweglichkeit im Räume die Tie 
hat, alle Veränderungen vor, fie felbft Verän- 
dert fich aber nicht. Daher wird jede Mate- 
rie, als das Bewegliche im Räume , und mit« 
hin der materielle Räum felbß, (a6) eine Sub* 

fianz feyn. (ia;y 

152. Trennung einer Materie, als Sub- 

er andern, iß vorgegangen, wenn 
die Veränderungen, die die eine durch Bewe- 
gung erleidet, nicht nöthwendig auf die an* 
dere einfliefsen. 

ijS'j Wird eine einzige materielle Sub- 
ftariz (131) in mehrere materielle Subftanzeri 
gerrennt ; (132) fo wird fie dadurch physis ch 
getheilt: fo dafs physische Theiiung 
die Trennung einer Subßanz in mehrere iß. * 

134. Dafs der Raum ins unendliche theil* 
bar, oder mit andern Worten, dafs jeder Theil ' 
des Raumes wieder ein Raum* und kein'Punct 
fey , diefes erhellet aus dem Begriff des Rau- 
mes ferbß. Demi jeder Raum entfpricht, fo 
wie er uns gegeben wird, einer Einheit, jectetf 
Theil delTelben einem Bruche. Nun aber 
kommt man bfcy der Verkleinerung der Brü- 
che, durch Vergröfserurig des Nenners, nie 
auf Null, oder welches eben fo viel heißt^ 
diefe Verkleinerung geht ins unendliche fort* 
Folglich auch fo die Theilung des Raumes. 

r 

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• • 1 

I 

v r 155. Wären leere Räume möglich; fo 
wäre mit der unendlichen Theilbarkeit des 
Raumes noch bey weitem die der Materie 
nicht ervviefen. Denn es bliebe die Frage zu 
beantworten: ob der erfüllte Raum eben ein 
folches Continuum, als der Raum an und für 
£ch fey. Ja, der Anhänger des mathematifchen 
Syfiems, ( 115) der bündig verfahren will, 
mufs fogar die Stetigkeit der Materie , als des 
erfüllten Raumes , läugnen. Denn nach ihm 
ift.die Materie abfolut undurchdringlich. (1 16) 
Die Trennung des Theiles von dem Ganzen, 
kann daher auch nicht dadurch vor lieh gehen, 
dafs fich von der Materie felbft, die in der 
Theilungslinie liegende Materie in sich 
s elbfit zurückzieht; dazu müfste fie zufam- 
men drückbar feyn. Die Trennung ift daher 
nur durch die von Materie entblöfsten Zwi- 
fchenräume möglich: durch fie, nicht durch 
die Materie felbß dringt die trennende Kraft. 
Folglich find fich zwey Theilchen der Materie 
die wählten ; oder mit andern Worten , es 
gibt in jedem mit Materie erfüllten Raum, 
Theile, die nicht Materie find. Nun aber 
macht eine Gröfse, worinn zwey Theile die 
qächften find, keine fietige Größe aus, und 
der Beweis, der von der unendlichen Theil- 
barkeit des Raumes , als von einer ftetigen 
Gröfse (154.) geführt worden, pafst gar nicht 
auf die Theilbarkeit der Materie. Dicfer ganxe 



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65 

Beweis beruht darauf, dafs fowohl im Räume, 
als in der Zahleneinheit y durch die man feine 
Gröfse darftellt, kein Theil gedacht werden 
kann, der hier nicht Zahlenbruch, dort nicht 
Kaum wäre. Sollte nun diefer Beweis auph 
für die unendliche Theilbarkeit der. Materie, 
als des erfüllten Raumes gelten ; fcf müfste man 
erft baweifen, dafs auch in ihm kein Theil an- 
getroffen werde , der nicht Materie ilt: wel- 
ches aber der Anhänger des mathematifchen 
Syftems läugnet. 

• t ■ . / 

136. Ueberhaupt hat diefes Syftem, in 
Anfehung des Satzes von der Theilbarkeit der 
Materie, nur einen von folgenden zwey We- 
gen offen, die Jhn aber beyde auf einen Wider- 
fpruch führen. Entweder er behauptet die 
unendliche Theilbarkeit der Materie, oder er 
läugnet fie. Soll fie behauptet, undderFra- 
g e ( x 35) ausgewichen werden; fo mufs man, 
damit jedes Theilchen noch ferner theilbar 
fey, eine unendliche Menge von Zwischen- 
räumen indem kleinßen Theilchen der, Mate- 
rie zugeben. Allein das hiefse die Materie 
aus Zwifchenräumen, etwas aus einem Viel- 
fachen von Nichts zufammenfetzen. 

137. Gibt man aber die unendliche Theil- 
barkeit der Materie auf, und behauptet , wie 
Aas der Monadist wirklich thut, daß mau 



endlich auf Theilchen der Möi erie komm«* 
die nicht abermahls theilbar »find^auf einfache 
Theile alTo; fo weicht man dadtirch izhvar der 
Schwierigkeit (i #6) aüs> aber man verfallt irl 
eiirie andere, wo nicht größere. Denn, diefe 
einfachen Theilchen tolüiTen entweder einen 
Raum erfüllen, oder nicht. Erfüllen fie kei- 
nen Raum; fo wird auch von -der gröfsten 
Menge derfelben kein Raum erfüllt, und der 
Körper, als a*is ihnen zufammengefeifct^ kein 
Gegenftand unferer Erfahrung werden kön* 
nen. Erfüllen fie aber einen Raum ; fo 
entlieht die Frage, wie erfüllen fie ihn. 
Sollte diefs mathematifch gefchehen , follten 
fie fo grofs feyn, als der Raum, den fie ein- 
nehmen!; fo hätten fie eine endliche Ausdeh- 
nung, und es liefse fich von ihnen nicht bei 
greifen, warum man in der Theilbarkeit bey 
ihnen liehen bleiben mufs, warum man fie 
nicht kleiner denken kann. 

ij8- Darauf antwortet man nun: eben 
weil wir die Theilbarkeit überhaupt nur durch 
das Da feyn N der Zwifchenräume möglich lin- 
den, bleiben die einfachen Theilchen/ bey 
all ihrer endlichen Gröfse, doch phyfifch un- 
theilbar; denn fie haben keine Zwifcheilräu- 
me mehr. Wir nennen fie einfach, weil dte 
jtufammertgefetzten Körper aus ihnen, als aus 
ihren Elementen beliehen. Aber daifie doch 
einen Raum erfüllen ; fo bleibt es Uns mibe* 

nom- 



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- 

♦ - 

«5 

hommeh fie ins Unendliche kleiner zu den- 
ken, obgleich es nie möglich feyn wird, fie 
kleiner zu machen. / 1 

139: Da man hier die logifche Theilbar* 
ieit ins unendliche einräumt, und nur die 
^>hyfifche läugnet; fo fragt man abermahls: 
vorauf gründet ihr die Möglichkeit der Thei- 
lung der Materie überhaupt? Doch nur auf 
das Dafeyn der leeren Zwifchenräunie. Wenn 
daher ein Theilchen deren keine enthält; fo 
ift es dadurch nicht nur phyfifch, fondern lo- 
gifch untheilbar : feine fernere ' Theilbarkeit 
führt auf einen Widerspruch. Und ddch fe-* 
het ihr gar wohl ein j dafs eiriö Gröfsey die 1 ei-> 
rten endlichen Raum einnimmt, -kleiner' SveJ 
nigßens gedacht werden kann; Ihr müfst aifo 
zugeben y dafs hier etwas geda'eht wird j ' das 
den Gefetzen des^ Denkens^ dern Satze des Wi-* 
derfpraehe$ entgegen ift; ' 

14.0; Nun fchlägt man einen heüeh Weg 
ein$ lind anftatt zu behaupten, dafs die eiri- 
fachen Theilchen der Materie ihren Raunt 1 
mathematifch erfüllen j nimmt man an, dafe 
fie eö mit einer rerptilsiren Kraft thun; 
©iefe Behauptung nluft näher beleuchtet 
werden; < •• \ 

« ■ 1+1 . Sobald man hähmlich den MdtiäJ 
di s t e n fo weit gebrächt häty daft er die ein- 
fachen Theilchen der Materie keinen Raunt 1 
einnehmen laßen kann, mnf* das einf&ehi 



06 

materielle Theilchen einem mathematifchen 
Puncte gleichen. Nun aber machen unend- 
lich viele mathematifche Puncte keinen ma- 
thematifchen Körper aus. Folglich könnte 
eine unendliche Menrre Monaden auch keimen 
phyfifchen Körper erzeugen. 

*4<2i Daher fieht fich der Monadiß ge- 
zwungen, jeder Monas im Räume eine eigne 
Sphäre von repulsiver Kraft beyzulegen, 
mit der fie einen Raum dynamisch erfüllt. 
Er ftellt fich nähmlich die Sache auf (olgende 
Weife vor. Jede Monas, an Gröfse einem ma- 
thematischen ^Puncte gleiph, ift mit einer aus- 
ßrömenden Kraft nach allen Seiten begabt. 
Diefe bildet um die Monade (elbft eine leere 
Kugel, innerhalb welcher keine Materie ift, 
noch fcyn kann. Denn.ije,: ejip Monas felbft* 
kann ihren Mittelpunct nicht verfallen, und 
fich nach der Peripherie begeben, da kein 
Grund vorhanden ift, warum fie diefem Puncte 
der Peripherie vielmehr als einem andern zu- 
ftromen follte. Sie mii fs alfo in Ruhe bleiben. 
Aber auch nichts was außerhalb der Peripherie 
ihrer Späjire liegt-, kann fich dem Mittel- 
puncte nähern > in der die Monas ruht p denn 
es wird durch die repulfive Kraft derfelben 
daran verhindert. Diefer Raum nun, den die 
repulfive Kraft um die Monas bildet, macht , 
den leeren Zwifchenraum zwifchen einer Mo- 
nade und der andern aus, und. in ihm iß keine 
Materie. 

■ 

4 r 

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1 



Ift d»e Meinung des Monadißen < 
fo zeugt er eben dadurch, dafs feine Lehre Voü 
den letzten T heilchen der Materie unftatthafö 
fey. Denn die repulRve Sphäre, die die Mo* 
nas um fich bildet, habe einen Zoll im Halb* 
melTer. Nun aber mufs der Punct im Räume, 
der acht Linien vom Mitjtelpuncte äbfteht, die 
Kraft befitzen, die nöch übrigen vier Linien' 
auf allen Seiten um fich her, frey vom Ein- 
dringen fremder Materie! zu halten: Er be- 
fitzt alfo felbft eine Kraft, die fich Von der 
des Mittelpunctes nur durch die Gröfse un- 
terfcheidet: diefer hat, der Annahme zu Fol*' 
ge, die Kraft zwölf, da ein anderer Punct irii 
Räume nur die Kraft vier hat. Nun aber 
heifst doch jeder Punct im Räume * der eine, 
gleichviel wie gröfse repulfive Kraft befitzt, 
eine Monas. Polglich üt felbß der ver- 
meinte leere Wirkungskreis der Monaden 
mit Monaden erfüllt } demnach gibt es kei- 
ne leeren Räume, und * bey-der abfoluteil 
Undurchdringlichkeit der Materie , die der 
Monadift behauptet, wäre gar keine Thellürtg 
der Materie möglich. Welches, der Erfah- 
rung widerfpricht. 

144,, Wie wir uns aber die Sache vorfiel* 
lejii gibt es keine leeren jRäume J (ioa) die 
JNJaterie iß aber dennoch theilbar, weil fie iji- k 
reji Raum nux, mit relativer Undurchdring-; 
lichkeit erfüllt, (1 1 7) Und daher vöit de r thei» 



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68. , • 

lenden Kraft zufemtfiengeAr^ 
t)em zuFolg3 macht der erfuUtellaum eben 
Xo gut eine ftetige Gröfse aus , als der Kaum 
an fich; öder vielmehr, es gibt keinen Theü 
des Raumes, der nicht etwas' Bewegliches ent- 
hielte , der nicht mit materieller Subftanz er- 
fiillt wp. (131) Was alfo von der Tböilung ^ ; 
des Raumes gilt , (134.) kann auch auf die der, 
Materie angewandt werden. Auch fie hat ej- 
tie Gröfse, die lieh durch eine Zahleneinheit 
darXtellt. Durch Trennung diefer Einheit in 
mehrere gleichartige Theile, bekommen, wir | 
den Begriff von Zahlenbrüchen , : die lieh auf 1 
diefe Einheit beziehen. \ Nun aber gibt es kei- 
nen Zahlenbruch, .welcher der kleine ift; folg- 
lieh auch kein Theilchen der Materie , , das . 
das kleinfte lit. • . 

Achte Vbrlß'sung. " ; '" ' 

(Anziehungskraft,) <<i 
1 . ^ 



14.5. Ausdehnungskräft , (ioi) Theilbai- 1 
keit ins unendliche, (144) dars lind EigenfcHaf* * 
teh der Materie , die auf ; ihrer Grtmdei- 
genfehaft , der Ztirückßöfsuhgskraf t be- ' 
ruhen. Allein in Anfehung der 4 Erfüllung dek' 
JVflumes, (77) die/ zwar, wie Itix (8?) gefehei^ 1 



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nicht ohne zuruckftoßende Kraft: möglich ift, 
bewarf es doch noch einer andern Grundeigen- 
fchaft der Materie, der Anziehungskraft^ (84^ 
Beyde* Kräfte müflen verbunden "feyn> ehe 
wir die Erfüllung des Raumes in einem be-. 
ftimmten Grad denken können. . 

14.6. Um diefes nun zu zeigen, muffen 
wir einige Betrachtungen über das Vorige vor* 
ahfchitfken. — Die Ausdehnun£skraft der 
Materie ßeht im umgekehrten Verhältnifs des 
Raumes, den fie erfüllt, (log) Jede Kraft 
aber, die lieh nach diefem Verhaltnifle rieh* 
tet, mufs man lieh als eine fölche vorftellen, 
die aus einem Mittelpunct ausfirömt, und ihre 
Wirkung um fich her in einer Kugelgefialt 
verbreitet. In der Voraussetzung nun, daß 
die Ausdehnungskraft abnimmt, jegröfserder 
Halbmefler der gedachten Kugel ift , wird 
fie in dem VerhältnifTe der Würfel der Halb- 
melier abnehmen, indem die Kugel, in die 
fie fich ausdehnt, nach den Lehr Hitzen der 
Geometrie, in diefem Verhältnifs zum Halb- 
melTer fieht. Heifst demnach der Halbniefier 
a ; fo die Ausdehnungskraft = ~Y * öa aber 
diefer Bruch, bey jeder endlichen Gröfse von 
a nicht = o werden kann ; fö folgt , dafs die 
Ausdehnungskraft der Materie fich ins unenefc* 
liehe erltrecke, oder, da das, was fich aus-» 
dehnt, etwas Bewegliches im Räume > aifa 



7*> • 

t 

Materie iß, (04) dafs Ach die Materie in et« 
nen unendlichen Kaum ausdehnen könne. 

1^7, Wirmüflen noch einen Schritt thun. 
Diefe Vorßellungsart, vermöge der die Ma- 
terie in einem Mittejpuncte gedächt wird, aus 
dem fie ihre Kraft nach allen Seiten verbreitet, 
jfi, eigentlich zu reden ♦ nur nach dem Syfie- 
me der Monadifien, nicht nach unferm. im 
buchfiählichen Sinne zu nehmen. In jenem 
gyfieme macht jede Mon a s wirklich den Mit- 
telpunct der Sphäre ihrer repulfiven Kraft 
aus, und diefe Sphäre, dem Eindringen frem- 
der Gonaden widerfiehend, iß auch leer von 
^faterie, Nach unferm Syßeme hingegen, 
nach welchem alles voll von Materie iß , hat 
das Ganze der Materie keinen eigentlichen 
jytittelpunct ; er iß , eben weil jeder Punct im 
Jl{|ume zurückfiofsende Kraft befitzt, überall, 
4aher nirgends, oder vielmehr für jeden Men- 
schen, nu? ein einziger. Jeder Menfch bildet 
fxch 

t von feinem Ich aus, eine mit Materie 
erfüllte Sphäre um (ich herum ? und macht 
fich zum Mittelpunct derfelbeiu 

i4-8 f Pjefes fühjt uns auf noch einen we- 
sentlichen Linter fchied zwifchen Heyden Syße-r 
nien. Könnte fich gleich die jrepulfive Kraft 
der Monade 9 an und für fich, wenn fie die 
einzige im Räume >väre, ins* unendliche ver- 
breiten 5 (146) [q yriri fi$ dP cn « durch eine 
andere Mpnas, ^enigßens in Einer Richtung, 



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'71 

daran verhindert. Denn auch diefe Monas, 
ftrebt ihre repulfive Kraft ins unendliche zu. 
verbreiten, und da ein Halbmefler der zwey- 
ten Monade einem Halbmefler der erßen noth- 
wendig begegnen mufs, fo werden beyde ihre 
Kräfte wechfelfeitig aufheben, oder doch auf 
einen endlichen Raum befchränken. Denn 
fetzen wir, die Monade A ftröme ihre repul- 
five Kraft nach allen Seiten aus fo wird ein 
Strahl, ein Halbmeller diefer Kugel gerade 
von Often nach Welten dringen. Eine andere, 
der Monade A zunächft liegende Monas B 
ftrömt ebenfall« ihre repulfive Kraft nach 
allen Seiten aus , und einer ihrer Strahlen 
liegt in der geraden Richtung voiAVeften nach 
Often. Diefe beyden Strahlen der Monaden A 
und jB begegnen lieh nun, thun daher einan- 
der Abbruch, und befchränken folcher Ge^ 
ftalt die repulfive Kraft der Monaden durch 
lieh felbft. Nimmt nun der Monadlft an, wie 
er das wirklich thut, dafs jede Monas von al- 
len Seiten mit Monaden umgeben ifi ; fo be- 
fchränken fich ihre repulfiven Kräfte von al- 
len Seiten durch die wechfelfeitige Einwir- 
kung aller auf eine, und einer auf alle ; und 
die repulfive Kraft, urfprünglich auf eine 
unendliche Ausdehnung berechnet % bleibt 
doch nur innerhalb endlicher Grenzen ein- 
gefchloffen, 

149. In unfern* Sjrfteme hingegen» &U 



JFolge deflen es g& keinen befiimmten Mittel- 
puifct gibt, von dem die Ausdehnungskrafc 
«der Materie ausfirömt, fondern jeder Menfch 
ihn da annimmt, wo er feinem Ich eine Stell? 
im Räume vergönnt } ( l 4-7) in ihm alfo ? wo 
diefer erdichtete Mittelpunct gleichfam die 
einzige Monas iß , aus der dip Ausdehnungs- 
kraft, nach allen Seiten ansßröhmend , dije 
Materie fiets zu erweitern firebt ; in diefem 
Syfteme würde , durch die Ausdehnungskraft 
allein , die Materie fich wirklich nach allen 
Seiten verbreiten. Alles würde fich vom Mit- 
telpuncte ins unendliche entfernen, die Ma T 
terie einander fliehen : nichts würde Gegen« 
fiand der Erfahrung werden können. 

150. Mit andern Worten heifst das fo 
viel als: die Erfüllung des Raumes, die nur 
llurch Zurückfiofsungskraft möglich iß, (77) 
bleibt durch lie allein dennoch unmöglich. 
Von jedem befiimmt gegebnen Körper, der 
Erde z. B. in deren Mittelpunct ich den Mit- 
telpunct aller Materie fetzen kann,, (14.7) 
würden fich, durch die zurückftofsende Kraft, 
£ie äußeren Theile losreißen , ihnen würden 
flie zunachß liegenden folgen, und alle fich 
ins unendliche zerfireuen, ohne dem Körper 

eine gewiß? befiimmte Haltbarkeit zu 

_ ~, . ...... . . . . / _ 77 

lallen. 



1 



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1,5*1 . Lange noch bevor man in die Vhy* 
fik die Lehre von der zurückftafsenden oder 
auch der repulliven Kraft aufnahm, warf man 
die Frage auf; durch welches Mittel hängen 
die Theile der Körper, zu fammen? Diefe Fra* 
ge hatte nur zum , Gegenstand; warum folgen 
die entfernten Theife, wenn die näfaefeiifprtt 
gezogen werden? Die urälteften Meinungen 
Sur Beantwortung diefer Frage find fo ung^i 
reimt, 4*fs ihre Erwähnung ihre Widerlegung 
ift. VermitteXft kleiner Hacksen, oder eU 
ner kleberigen Materie, Aber wer oder 
was hält diefe Häckchen und diefe kiesige 
Materie zufammen?. • r 
• M5fl. Jetzt aber., da wir noch überdief* 
gefehen haben, dafs die Materie mit einer Aus* 
dehnungskraft .vqrJfehen feyn muß, wird die 
Frage um fo ftäfker: was gibt den Kprpern 
beftimmte Haltbarkeit j o^er, warum .entfern 
nen fieh die -Theile derfelben nicht vqn felhft 
von einander ? . Hier fragt man nicht blofs ; 
warum folgt ein Theü dem andern» der- uih 
mittelbar gezogen wird ; fpndern: ; wis ift diei 
beftimmte Form der Kqrper denkbar, da lieh 
alles, auch ohne äußere Gewalt, von felbft 
ins unendliche ausdehnen mufs? t 

153. Man hat alfo, kein anderes Mittel, 
um fich die beftimmte Form, oder ihre Er- 
füllung des Raumes mit einem griffen Gra .^ 

• E 5 , 



zu denken , als ihnen noch eine Grundeigen- 
fchaft in der ursprünglichen Anzie- 
hungskraft beyzulegen. Durch diefe Kraft 
wird (84) die Linie, - die fich zwifchen zwey 
Puncten der Materie befindet, wenigft ens 
nicht vergröfsert. W^nn daher auch alles ein* 
ander zu fliehen ftrebt ; fo folgt ihm auch al- 
les, und bleibt in der nähmlichen Entfernung 
von einander. Da aber alles auf mein Ich, als 
auf den einzigen Mittelpunct der gefammten 
Materie bezogen werden mufs; (14.7) fo ent- 
fernt fich, vermöge diefer Anziehungskraft, 
nichts von ihm, und alles erhält, von dem 
Puncte im Räume wohin jeder fein Ich fetzt, 
•vvenigftens keinen gröfsern Abftand. 

154. Man mufs aber den Begriff diefer 
Kraft nicht indem eingefchränkten Sinne neh- 
men, der fich blofs auf den Zufammenhang 
der einzelnen Körper bezieht. Nicht nur 
hängen durch fie die Theile des Holzes, des 
Eifens u. d. gl. , fondern auch das ganze Uni- 
verfum hängt dadurch zufammen , und behält 
die befiimmte Form, die es hat. Die Erde 
und der Mond ziehen einander wechfelfeitig 
fln , können die Linie ihres beyderfeitigen Ab« 
fiandes nur unter hi$r nicht hergehörige Um- 
ftände verändern. Denn wenn ich den Mit- 
telpunct der Ejrde denke, fo verletze ich mein 
Jch in diefen Mittelpunct, mache ihn zu dem 
4er gefammten, Materie, von dem fich, ver- 



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95 

.möge der Anziehungskraft , nichts entfernen 
kann. 



v 

1 



m. 

, ■ . *. . * , 

*55- Wie man nun fieht dient die Anzie* 
hungskraft dazu , dafs die Körper und alle 
äußeren Erfcheinungen überhaupt , die Ord- 
nung aulTer meinem Ich behalten, die fie ein- 
mahl haben. Hätten fie aber, durch die Zu- 
rückftofsungskraft, fich nicht aus meinem Ich, 
älfo auch aufler einander ausgedehnt ; fo wür- 
den fie durch die Anziehungskraft allein, nie 
aufler einander und aufler meinem Ich gekonx» 
men feyn. Denn die Anziehungskraft verhin- 
dert, dafs die Linie, die fich zwifohen dein 
Mittelpuncte zweyer Körper befindet, nicht 
vergröfsert werde. (84) Nun kann das nur 
verhindert werden, wenn die Materie, oder 
richtiger derMittelpunct desKörpers,wohin ich 
mein Ich fetze, dasBeftreben äußert, denl\Jittel» 
punct eines andernKörpers fich näher zu brin- 
gen, oder die Linie ihres "beyderfeitigen Ab- 
ftandes zu verkleinern, Wäre demnach die* 
fem Bcftreben nichts entgegen gefetzt ; fo wür- 
den fich die äuITerenPuncte der Körper ihrem 
Mittelpuncte, ein Mittelpunct dem andern, 
und alles fich meinem Ich ins unendliche n$- 
hern, in ihm zufammen fchwinden. Der 
Körper, mit AnziehtLng>skraft allein begabt, 
käme demnach nie aus meinem Ich herauf 



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7<* 

könnte nie Gegenfiand äußerer Sinne werden : 
fie lägen alle, in einem mathematifcnenPunct 
zufammengedrängt, in meinem Ich, Nur erft 
dann, da fie fich durch die zurückftofsende 
Kraft wirklich im Räume bis zu einer beftimm- 
ien endlichen Grofse ausdehnten, trat die An- 
ziehungskraft hinzu , und verhinderte die er- 
Ite den Raum der Körper noch ferner zu er- 
weitern p und fie meinem Ich gänzlich zu ent- 
ziehen. 

156. Es ift nun leicht zu begreifen, dafs 
weder mit der zurückfiofsenden, noch der 
ausdehnenden Kraft allein etwas ausgerichtet 
werden könne : in beyden Fällen würden die 
Körper nie Gegenftände unferer Erfahrung 
werden können. Denn durch die erfte allein 
müfsten fie fich von unferm Ich ins unendli- 
che entfernen , in der kleinften 2Jeit einen un- 
endlichen Raum, von uns weg, zurücklegen, 
und daher uns nie zu Gefichte kommen. Mit 
der zweyten allein müfsten fie fich ins unend- 
liche unferm Ich nähern, in der kleinften 
Zeit einen unendlich grofsen Raum, gegen ün- 
fer Ich zu, machen, und ebenfalls nie auffer 
uns erfcheinen. " * 

157. Nur durch die Vereinigung' beyder 
Kräfte, die fich wechfelfeitig Abbruch thun, 
fchwinden die Körper weder in uns hinein, 
noch verfchwinden fie gänzlich von uns weg, 
fondern werden Gegenltände möglicher Er- 
f alirung , Dinge auffer uns. 



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i fy 

i5Ö< Ob nun gleich , nach dief er torftel^ 
lungsart, beyde Kräfte zusammengehen nuift 
fen, damit die Materie außer uns erfcheine» 
könne ; fp ilt doch gerade in ihr etwas enthal-» 
ten , woraus fich erklären läfst, weshalb <Jey 
menfchliche Verltand die Anziehungskraft, im 
ausgebreiteßen Sinne, (154) weit fpijter al$ 
die Zurückftofsungskraft, oder, welches, ebe» 
fo viel fagt, die Erfüllung des Raumes für 
eine Grundeigenfchaft der Materie erkannte, 
Ja, lelbft jetzt noch zweifelt mancher an 
Allgemeinheit diefes Satzes, zweifelt ob die 
Anziehungskraft eine noth wendige Eigenfchaft 
aller Materie fey, und ob night vielleicht alle 
Wirkungen, die wir ihr beylegen, ßch blofc 
aus- 'der Zurückltofsungskitafi: allein «rkläreÄ 
lallen. 

159* Der' Grund haezu ifi wohl folgen- 
der. j Die JVratjerie erfüllt ihre* Raum, ifi Ge- 
geriftand! äußerer Sinne, und ifi alfo fchcn* 
aus unferm Ich hervorgegange» ; das fehei^ 
wir. Dazu aber bedarf he der £uruckfiofsiHigs- 
kraft ; und nur damit fie fich nicht ins unend- 
liche von uns entferne , mufs di«; Anzaehungs-» 
kraft hinzutraten w und die erfte . befchränkex^ 
Diefe fchemf ' cleniriach eine blofs befchrän^ 
kenäe Kraft, und alfo f^tgr^ %n, a}s die 
iurückfioßenJe : ' es Icheint ; gleichfam, a&s» 



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I » 

/ 

angefangen haben, ehe jene von einiger 
Brauchbarkeit ift. In der That vergalt es lieh 
freylich anders : beyde Kräfte muffen in dem 
nähmlichen Zeitmomente wirkfam feyn. Al- 
lem durch die Zurückftofsungskraft wird uns, 
wie es fcheint, etwas Politives auf alle Fälle, 
die Körper nähinlich fchon auffer uns gege- 
ben. Hingegen drückt der Begriff der An- 
ziehungskraft, dem Scheine nach , nur etwas 
Negatives, nur etwas aus, wodurch uns nichts, 
kein Körper auffer uns gegeben wird!; und da» 
ift nicht fo leicht einzufehen. 

Neunte Vorlesung. 

(Fernere Betrachtung der Grundkräfte.) 



160. Da die Materie nur durch die bey- 
den erwähnten (84. 85) Kräfte, und den Ab- 
bruch den fie fich einander thun,, Gegenltand 
möglicher Erfahrung werden kann; (155) fp 
muffen wir nun unterfuchen , wie diefer Ab«» 
bruch ßch To vorftellen laffe, dafs er der nia- 
theAiatifcheri Conßruction, durch algebraifche 
Zeichen, fähig werde. Zu dem fende wollen 
wir fdlgende Erklärungen und Sätze voran- 
fcKickenV * ' u i]T ' ' ' 



iöi. EÄi Ätöttel (mediürn) " zwifchen 



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zwey gejforgiten Räumen (mathematifche« Fi* 
guren ) A und B k heifst ein Raum, deiTen An. 
fang das Ende de& einen A, und deflen Ende 
der Anfang des, :cweyten B ausmacht. \- , 
i#2. Zwey geformte Räume A und J3 b e, 
rühren, lieh unmittelbar , wenn kein Mit- 
tel (161) zwifchen ihnen liegt; oder wenn das 
Ende des einen A den Anfang des andern B 
ausmacht ; oder noch anders, wenn, fie eine 
gemeinfehaftliche Grenze haben* In. diefera 
Falle ift der Raum , der bey de zufammen um- 
fchliefst, der Summa der Räume gleich, di* 
bey de allein einnahmen» 

163. Sie berühren fich aber mittel» 
bar, wenn ein Mittel (161) zwifchen ihnen 
liegt, und fie daher keine gemeinschaftliche* 
Grenze haben* Jn diefem Falle ift der Raum, 
der ^bey/le, famttit dem Mittel uirjfchliefst, 
gröfser als die, Summa, den beyde allein ohne/ 
das Mittel einnahmen. Nennt man das Mit» 
tel M, fo berührt A das Mittel M, fo wie -die- 
fes B unmittelbar. (16 fl) 

164. Sie schneiden sich, wefl» em. 
Theil von dem Rautne de$ einen in derjm 
Räume des andern B , alfo die Grenze- dfe£ ei*, 
nen innerhalb der Grenze des andern lieet. 
Daher wird auch der Raum der beyde um* 
fchliefst, kleiner feyn, ^lf die Sunupa beyder 
allein genommen. . \ / \ J; ' ; j • 

ißfr.Wfim daher die anwehende,, od$r> 



So 

aufch eine Btiffere «Kraft, als [ Dtiicfc und Stöft,* 
irtfey erfüllte Räume bis zur unihittelbaren 
Berührung (i 6c) gebracht hat * fieaber nicht 
vermag zü machen, dafs diefe* Körper lieh 
fchnfciden ; (164) fo mufs die Undurchdring- 
lichkeit, als durch welche die Körper eigene 
lichaufler einander find, daran Schuld feyn. 
Die Kräfte , die die Rörper zufammentreibehj 
würden, ohne eine ihnen 'entgegenarbeitende 
Kraft, ddd Mittelpüncte bey der Körper noch 
ferner einander näher bringeri, und daraus 
den Raum, det 4 beyde umfchliefst, verkleb 
tiern. Die Undurchdringlichkeit allein ver* 
hindert , däfsder vbri* ihnfeii sufammen einge- 
nommene Räum der Summa beyde* allein ge* 
nommen, gleich bleib ti ' *> 
i 166. Die Wirkung der Alaterie auf eine 
anäere dureh ein Mittel (161) heifst clie Wir-» 
kung in der Ferne ; und wenn tein Mittel 
zwar zwifcheh bfcyden auf einander wirken- 
den Korpern liegt , aber do^ch in der Wirkung 1 
felbft keine Aenderurtg vorgeht, ob es zwi^ 
fchen tfhh^n Hegt, öder ob die Körper fichun- 
mittelbiar beehren; (16a) fo heifst diefs eirfe 
unmittelbare Wirkung in der Ferne.* 

- ft^/ -Wie wir ȟn (165) gefthen, ent- 
lieht die Wirkung, die wir Berührung zweyer 
Körper (t6s) nennen > w au« z"Vfey ^Urfechen. 

Brfi- 



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8 t 

iSrftlich mufs eine, gleichviel \ nnere oder äuflere 
Kraft thätig feyn, um die Grenzen beyder Kör- 
per an einander zu bringen, und zweytens ei- 
ne andere, die es verhindert, ; dafs diefe Nä- 
herung nicht weiter als bis an die gemeinfchaft- 
liche Grenze gehe, und die Räume fich nicht 
fchneiden, (1G4) 

160. Daraus folgt nun, dafs die Anzie- 
hungskraft überhaupt, eine unnaittelbare Wir- 
kung in der Ferne iß* (166/ Denn da Beruh- 
rung erft durch fie möglich wird, und das 
Aufhören ihrer Wirkfamkeit, durch die ihr 
entgegenarbeitende Kraft der Undurchdring- 
lichkeit , bezeichnet \ (163.1 $7) fo kann v fie 
nicht erftfelbft dnrch Berührung möglich wen- 
den. Es erhellet aber auch, dafs ein zwifchen 
beyden lieh anziehenden Körpern A und jB 
liegendes Mittel M 9 nichts zu ihrer wechfel«* 
feitigen Anziehung beyträgtt Denn da fowohl 
A und M 9 als, Mund B fich unjhittelbar be- 

- 1 * . * . ^ , A. ■ . - ■ % » ' » 

rühren ; ( 1 6 5) fo verhindert die Undurchdring« 
lichkeit vonM, dafs weder A noch B fich dem 
Mittelpüncte von M nähern, d. h. dafs fich 
A und B nicht berühren können, welches ge« 
fchehen würde, wenn fie in dem Mittelpüncte 
von JM znfammenträfen. Ohne die Dazwi* 
fchenkunf^ des Mittels M % würde alfo die Be- 
rührung fiattfinden, und nur es verhindert 
den Erfolg. Iraner mufs die Anziehungskraft 
von A und J3 auch ohne Hinficht auf das Mit* 

F 



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8« f 

tel M wirken , indem diefes fie befchränkt, 
aber nicht vergröfsert. Folglich ift die An- 
ziehufcgskraft eine Wirkung in der Ferne. (166) 
So ziehen; die* freundfchaftlichen Pole zweyer 
Magnete fich auch durch Holz an. 

1 69. Hingegen gilt von der zurückftofsen- 
den Kraft gerade das Gegentheil : fie wirkt nie 
unmittelbar in der Ferne. Denn wenn ficlj, 
xwifchen zwey Körpern A und B, ein Mittel 
M befindet; fo kann A nicht unmittelbar B 
zurückftofsen , weil er fonft das Mittel M 
durchdringen müfste, um bis zur Berührung 
von J3 zu gelangen. Da nun das aber nicht 
gefchieht, und die Sutnma der Räume 1 vön : A, 
B, und M einzeln genbnimen, dem Räume 
von A, J3 und JWTzlifammen gleich bleibt; fo 
müfs auf IKf , und M äuf JB, d. h. A auf B 
mittelbar wirken. Wenn daher zwifchen den 
gleichnahmigeh Polen zweyer Magnete eiA 
Stück ßifen liegt, äußern fie ihre Wirkung auf 
einander nicht, ftofsen fich nicht mehr zurück, 
fondern jeder zieht das Eifen an, 

* • * . • i r * + 



1 

• III. •'• ' ' 't'l »- > ■ > . 

■ 

170. Eine Kraft, ' die riidht unmittelbar 
in der Ferne wirken kann, heüTe eine Fl'ä- 
chenkraft; kann fie hingegen diefs thun, 
fo heiiTe fie eine durchdringende Kraft. 

171. Ein kleines Nachdenken wird uns 
nun zeigen, dafs'jede Flächenkraft (170) der 



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es 

Berührungsfläche, jede durchdringende Kraft 

(ibid) aber, der Quantität der Materie propor- 
tionirt feyn müfie. 

172. Man ftelle fich a, b 9 c 9 d als fo viele 
Puncte im Räume vor, die in gerader Linie 
liegen, und begäbet, c und b mit der Kraft 
= 1 nach allen Seiten. Ift nun diefe Kraft 
eine Flächenkraft; (170) fo wirkt d nicht un- 
mittelbar auf a , fondern auf c. Aber c wirkt 
auch auf d zurück. Folglich geht die Wirkung 
von d für a ganz verloren. Das nähmliche 
gilt von c. Alfo wirkt nur der Pujict b } • der a 
unmittelbar berühr*, aufa, und die hinter a 
liegende Puncte c und d tragen nichts zu die- 
fer Wirkung bey. Wenn man daher ftatt b 
eine ganze Fläche , alfo ftatt b , c und d einen 
Körper fetzt; fo wirkt auch nur die Fläche b 
mit jedem ihrer Puncte auf jeden Punct der 
Fläche a, und je mehr Puncte in b liegen, je 
gröfser wird ihre Wirkung auf die Fläche a 
feyn. Sind hingegen die Puncte b 9 > c und d 
mit durchdringenden Kräften begabt; fo wirkt 
jeder von ihen einzeln auf a. Wenn man da- 
her abermahls für b 9 c und d einen Körper 
fetzt ; fo wirkt diefer g^nze Körper mit allen 
feinen Puncten auf die Fläche a, und zwar um 
deßomehr, je mehr Puncte er enthält, oder 
je gröfser er ift. Daraus folgt nun, dafo Zu- 
rückftofsungskraft, als Flächenkraft {169* 170) 
nur im Verhältnifs der berührenden Fläche, 

F 2 



H 

die Anziehungskraft aber, als durchdringende 
Kraft (168. 170) im Verhältnifs der Quantität 
der Materie wirke : die Erde mufs den Mond 
Aärker, als diefer die Erde anziehen. 

173. Da lieh nun die Quantität der Majte- 
rie wie der körperliche Inhalt, und diefer wie 
der Würfel der homogenen Seiten verhält; fo 
wird ein Körper deffen Halbmeffer = 1 einen 
andern, deflen Halbmeffer = a ift, in dem 
Verhältnifs von 1 zu a 3 , oder wie ; 1 an«- 
ziehen. 

1 74.. Je gröfser alfo der angezogene Kör*» 
per iftj defto fchwächer wird er auch angezo- 
gen werden* Da aber bey ällen dem der 
Werth von fo lange a eine endliche Gröfse 
bleibt, nicht Null werden kann ; fo folgt> dafs 
die Anziehungskraft ins unendliche wirken müf- 

■ 

fe, oder mit andern Worten, dafs jedes noch 
fo kleine Theilchen der Materie, weil es mit 
urfprünglicher Anziehungskraft begabt ift j je- 
den noch fo grofsen Körper, wiewohl fchwach, 
anziehe. 

175, Nun ftelle man fich irgend einen 
Punct als den Mittelpunct eines Segments von 
einer Kugelfläche vor. Befteht diefe Kugel- 
fläche aus materiellen Theilen ; fo wird der 
gedachte Mittelpunct von dem Segmente an- 
gezogen werden. Je gröfser aber die Entfer- 
nung des Segments von dem Mittelpuncte iß; 
je gröfser wird der Halbmeffer der Kugel zu 



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«5 

♦ • 

r 

der e» gehört , je mehr Puncte liegen *nch in 
der Oberfläche diefes Segments, und mit je 
gröfserer Kraft werden fie den Mittelpunct 
anziehen. Es verhalten fich aber die gleich- 
nahmigen Oberflächen der Segmente einer Ku- 
gel, wie die Quadrate der IJalbinefler. Da* 
her wird die Quantität der in der Oberfläche 
enthaltenen Materie fleh ebenfalls wie die 
Quadrate der Halbmefler verhalten, und mit 
dieler Kraft den Miuelpunct anziehen, oder 
von ihm im umgekehrten Verhältnifs der Qua» 
drate der Halbmefler angezogen werden. (173). 
■Nennt man daher den Halbmefler der Kugel a; 
fo zieht der Mittelpunct die Oberfläche eines 
ihrer Segmente, oder auch die Oberfläche der 

CT* 

ganzen Kugel mit der Kraft ~V an. 

1 76. Diefs hier gefundene Verhältnifs be- 
zieht fich blofs auf die Entfernung, und fag£ 
fo viel als : der Mittelpunct einer Kugel, der 
mit anziehender I^rafj, von einem beftimm- 
ten Grade vergehen ifi, zieht die entferntem 
Theile der Kugel fchwächer an , als die ihm 
näher liegenden, und zwar in dem Verhältnifs 
des Quadrats ihrer Entfernung. 

177- So lange aber a eine endliche Gröfse 
bleibt , kann ~ a V nicht Null werden. Folg* 
lieh zieht jeder Punct der Materie jeden an- 
dern in noch fp grofser Entfernung, wie wohl 
fchwach an. Diefes mit (1 74) verbunden, gibt 
alfo den Satz: jeder Punct der Materie yer-, 



S6 

breitet feine Anziehungskraft auf jeden noch 
fo weit von ihm entlegenen und noch fo grof- 
fei* Körper im Räume. 

178. Diefe Eigenfchaft nun, vermöge der 
jeder Punct der Materie auf alle Puncte der 
Materie ihre Anziehungskraft äufTert, nennt 
man ihre Gravitation; fo wie die, vermö- 
ge der die Materie fich dahin begeben mufs, 
wo die gröfsere Gravitation ift , die Schwere- 
genannt wird. Vermöge der Gravitation 
nähinlich , zieht die Erde jeden Körper auf 
derfelben an * und yird auch von ihm angezo- 
gen; vermöge der Schwere aber folgt der 

Körper der Erde, nicht fie dem Körper. 

* 

1 « 

IV. 

179. Um das Gefetz für die Anziehungs- 
kraft in der Entfernung zu beftimmen, haben 
wir (175) uns nicht darum bekümmert, was 
zwifchen dem Mittelpuncte und der Oberflä- 
che der Kugel liege, ob die Kugel mit Mate- 
rie erfüllt fey, oder nicht. In der That kommt 

* 

es bey einer durchdringenden Kraft, (170) 
wenn man die Aenderung, welche die Quan- 
tität der Materie macht, vernachläfsigt , und 
nur berechnet, wie ftark ein Punct den andern 
in der Entfernung zieht, gar nicht darauf an, 
ob der Raum zwifchen beyden Puncten mit 
Materie erfüllt fey, oder nicht: die dazwi- 
fclien liegende Materie tragt gar nichts zur An- 
ziehung der beyden Puncte bey. (x68) 



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180. Wenn aber 4*e Oberflache einer Ku> 
gel von dernMittelpuncte angezogen wird; fo 
kann die Materie, welche lieh zwifchen dem 
Mittelpuncee oder der Oberfläche befindet, 
lieh ebenfalls nicht vom Mittelpuncte entfer- 
nen. Denkt man fich daher die Kugel ganz 
erfüllt mit Materie, und vertheilt die Kraft, 
mit der» deren Oberfläche vom Mittelpuncte 
angezogen wird, unter die gefammte Materie 
der Kugel: d.h. wenn man die Materie gleich- 
fam Schichten weife annimmt , und fich fragt 
mit welcher Kraft wird eine Schichte an die 
unter ihr liegende gehalten : fo wird die Kraft 
(*75) d. er Oberfläche, unter die ganze 
Quantität der Materie der Kugel a 3 vertheilt 
werden müflen. Jeder Punct der Materie der 
Kug^lwird alfo, blofs durch die Anziehung 
des Mittelpuncts und der Oberfläehe, mit 

der Kraft ~T" = ~"«"" an feinem Orte erhalten. 

18 Daraus folgt dann, dafs eine ganze 
Fläche von folchen Punclen mit der Kraft 
a 2 X J=fl an ihren Orte gehalten werde ; 
oder , welches eben fo viel fagt, dafs der Mit- 
telpunkt fie mit der Kraft \ anziehe: d.h. dafs 
der Mittelpunct eine folche Fläche ftärker an- 
ziehe^ wenn fie ihm näher liegt, als wenn fie 
von ihm entfernt ift , und zwar in dem umge* 
kehrten Verhältnis ihres Abftandes von ihm- 

i8s. Ein ähnliches Gefetz Lafst fich für 
die zurückfto&ende Kraft finden. Von ihr 

F 4 



Wiffen wir, dafs fie in dem Umgekehrten Ver* 
hältnifsdes Raumes ftehe, in den fie zusam- 
mengedrückt wird ; (108) daher = (146) 
Mit diefer Kraft fucht der Mittelpunkt einer 
Kugel, die zunächft um ihn liegende Fläche 
von fich zu ftöfsen. Diefe Kraft kommt aber 
jedem Puncte der Materie zu, indem jeder 
Punct als ein Miittelpunct betrachtet werden 
kann. (14.7) Daher wird eine ganze Fläche 
folcher Puncte fich von der unter ihr lie- 
genden Fläche mit der Kraft <i z X ~f = J 
zu entfernen fachen. 

183. Da nun aber auch die Anziehungs- 
kraft, mit der jede Fläche von Materie an die 
andere gehalten wird , sa= — ifi, fo kann fie 

lieh weder von ihr entfernen, noch fich ihr 
nahem, und mufs an der Stelle bleiben f wo 
|ie einmahl iß. < 

m 

lehnte Vorlesung, 

(Refultate.) 

184- Ueberfehen wir das dynamifche Sy. 
fiem mit Einem Blicke; fo ergibt fich bald 
die Verfchiedenheit der Principien, auf denen 
es und das mathematifche Syfienv beruhen; 
aber auch erhellen daraus die Vorzüge eines 
jeden de rfelben. 



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91 

ifl5- v Nach dem mathematifchen Syftem« 
nähmlich, b eft eh t alles R eale im Räume an* 
einfachen, abfölut undurchdringlichen Thei- 
len , (i 16) deren jeder für Geh einen Raun* 
blofs durch fein Dafeyn erfüllt. (79) , 

18G. Ueberdieß iß diefes einfache Theil. 
cheri mit einer repulfiven Kraft (140) verfehen, 
wodnrcR-es das Vermögen Gefitzt, ein ändert 
einfaches Theilchen fiets in einer gewiflen Ent* 
fernung von flth zu erhalten. \ - » 

1Ö7. Diefe Entfernung, in d^nen die Theil» 
chen ftets von einander bleiben, wenn keine auf? 
fere Kraft hierinn eineAenderung trifft, machen 
die leeren Zwifchenräume aus, und auf ihnen 
beruhet die Theilbarkeit der K ö r p e r * als ei- 
nes Aggregats mehrerer folcher einfachen 
Theilchen. ' ' . « . 

188. In diefer Hypothefe von Theilbarr 
keit der Materie zu fprechen, iß nkht 
ganz fchicklich, da die Materie aus den eh> 
fachen, imtheilbaren Theilchen beßeht : der 
Körper, vermöge feiner Zwifchenräume, nicht 
die Materie iß thtilbar. 

189. Je nachdem nun die Zwifchenräu- 
me gröfeet oder kleiner*, fo oder anders ge- 
ßaltet find \ je nachdem wird auch der Küp- 
per lockerer oder dichter feyn, diefe oder jene 
Gefialt haben. ■ 

190. töamit aber -die Zwifchenräume der 
rerfchiedenen Körper eine verfchiedene Ge- 



1 



9<> ' ' 

ftalt erhalten können, mufs man auch zugleich 
annehmen, dafs der GrurjdftofF, die einfachen 
Theilchen #er Körper fejbft,, yerfchiedentlich 
geformt feyn. Denn wenn alle gleich, z.B. 
fphärifch wären; fo würde die repulfive Kraft 
umfie her, in allen Körpern ähnliche Zwifchen- 
räume awifphen den Ideinen Kugelchen bilden, 
und die Körper felbft würden alle eine ähnli- 
che Geftalt haben. : 

191. Man mufs alfo annehmen, dafs felbft 
die Grundftoffe der Körper verfchiedentlitfi 
geftaltet find, oder, wie man das nennt, eine 
eigenthümliche Configur ation befitzen. 

19s. Dadurch fchiefsen dieKryftall^ der 
verfchiedenen Salze verfchieden apj dadurch 
lieht der Bruch eines jeden Metalls, eines je- 
den Foffils anders aus; fo wie überhaupt je 
nachdem der GrundftofF rund oder [eckig ge- 
bildet ift, je nachdem alfo mehrere derfelben 
iich nur in Puncten oder ganzen Flächen be- 
rühren, auch der aus ihnen zufammengefetzte 
Körper flüffig oder hart feyn wird. 

• 

193. Der Vorthfeil diefes Syftems ift un- 
ftreitig, dafs, wenn man einmahl die ganze 
Hypothefe zugibt, alles übrige fich fehr ge- 
fchmeidig daraus erklären läfst, und fogar mit 
der Belehrung die uns der Anblick der Körper 
gewährt, übereinzufiimmen fcheint. Denn 



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dafs in jedem Körper Räume vorhanden find, 
die mit dem Körper wenigftens keine gleich- 
artigen Theile enthalten ; dafs die Salze, Me- 
talle, Foflilien ti. dgl. jedes für fich eine be- 
fondere, ihm beftändig eigene Configuration 
(191) annehme; dafs die Tropfen der licht- 
baren flüffigen Körper fich uns in der Geftalt 
kleiner Kügelchen darfteilen — alles das lehrt 
der Augenfchein ab eine Rechtfertigung jener 
Hypothefe. 

194. Was fich nun gegen die abfoluteUn- 
durchdringlichkeit, gegen die Erfüllung des 
Raumes durch repulfive Kraft, und gegen die 
leeren Räume einwenden läfst, ift fchon oben 
an feinem Orte erwähnt worden. Hier wol» 
len wir nur nogh bemerken, dafs die ganze 
Hypothefe auf Vorausfetzungen beruhe, de- 
ren Möglichkeit wir gar nicht einfehen , und 
wodurch wir alfo im Ganzen um nichts wei- - 
ter geführt werden. So verliehen wir in der 
That weder was abfolute Undurchdringlich» 
keit, noch die xirfprüngliche Geftalt eines ein* 
fachen Theilchen heifse, noch wie fie möglich 
fey. Vorzüglich in Betracht des letzten Puncte« 
hat man unfere Aufmerkfamkeit blofs von dem 
weggeleitet, was in die Augen fällt, und Ii© 
auf das hingerichtet , was kein menfchliche* 
Auge je fehen kann, ohne uns über unfere ei- 
gentliche Frage einen nähern Auffchlufs zu ver- 
gönnen. Man fragt : wie iß Geftalt der Kör« 



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9+ 

per überhaupt möglich ? und antwortet: durch 
die Gefialt des Urßoftes* Durch eine folche 
Antwort wird man um nichts weiter ab durch 
die Frage gebracht, 

195. Materie ift nach diefein Syßeme ein 
,Ding au fich, und der Raum blofs die Vorfiel-« 
Jung von dem Dafeyn diefer Dinge an fich ne- 
ben einander, von ihrer Ordnung alfo. Nun 
geht es freylich fo recht wohl an, dafs irgend 
ein Raum leer von Materie feyn kann, indem 
es aus dem Begriffe der Ordnung gar nicht 
folgt, dafs die geordneten Dinge als eine fte* 
tige Gröfse neben einander liegen muffen, Ja f 
genau erwogen, päfst der Begriff Ordnung ne- 
ben einander, mir auf ein Interruptum, Denn 
bey de* Einficht in eine räumliche Ordnung 
beantwortet man fich eigentlich dieFrage: in 
welchen Intervallen folgen «die geordneten 
Theile auf einander. W~d aber, wie das bey 
einem Conünuum fiattfindet, die endlichen 
Intervallen gleich Null find, iß auch das 
menfchliche Auge gar nicht im Stande eine 
Ordnung wahrzunehmen. Penkt man fich 
alfo nach diefem Syßeme die Matorie weg; fo 
verfch windet auch dei t leere Raum : wo nichts 
zu ordnen gibt, da läfstfich auch die Vorfiel- x 
hing von Ordnung nicht denken. 

• ** 

• 1 * ■ • 



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95 

> 

III. - 

.196; tri unferm, oder dfem dynami&hen 
Syfteme hingegen ift der Raum blofs die Art, 
wie der Menfch gezwungen ift , die äufleren 
Gegenftände feiner Vorftellungen anzufchauen : 
etwas auffer einander fehen, und einen Raum 
fehen, heifst einerley BegrifF mit verfchiede* 
hen Worten ausdrücken. Wo wir alfo keine 
Dinge auffer einander anfchauen, da fchauen 
wir auch nichts aulfer uns i nichts im Räume 
an; und daher findet die Vorftellung des lee- 
ren für fich beftehenden Raumes gar nicht 
ftatt : er ift kein Gegen ftandunfer er Erfahrung. 
Wenn wir die Zwischenräume eines Körpers, 
eines Scliwammes fehen, und fie als ausge* 
dehnte Wefen, dahör aulfer einander fehen; 
fo find fie eben dadurch fchon Materie , fchon 
Ding als Erfcheiming für uns geworden», 

197; Ift daher der BegrifF des leeren Rau- 
mes für uns ein leerer Begriff, ift alles , was 
uns als aulfer einander erfcheint, mit Materie 
erfüllt ; fo können wir auch die Vorftellung 
von den unendlich Meinen Theilchen der Kör*» 
per niöht zugeben; Denn diefe führen auf 
abfolute Undurchdritiglichkeit, (166. f.) die 
fich mit der Vollheit des Raumes nicht ver* 
trägt. Wohin follte die Materie bey derThei-» 
lung weichen , da fie felbft nicht zufanv 
. mendrückbar , und der Raum vollkommen 
voll ift. 



94- 

198« Da alfo in unferer Hypothefe jedes 
Auseinanderfeyn, fchon Materie ift, und ps da- 
her gar nicht darauf ankommt, ob wir durch 
diefe Materie mit leichter Mühe durchdrin- 
gen, öderes mit der grofsten nicht können; 
da daher, ferner der Kaum ganz mit Materie 
erfüllt ift: r fo muffen wir auch von der Ma- 
terie und ihrer j UndurchdringlichJceit einen 
ganz andern Begriff als der Anhänger des ma- 
thematifchen Syftems haben. 

1 99. In der That verliehen wir auch un- 
ter Materie alles, was im Räume Gegenltand 
der äußeren Sinne werden kann : d. h. was 
durch Bewegung eine Veränderung in uns her- 
vorbringt; verliehen endlich unter Undurch- 
dringlichkeit die blofs negative Eigenfchaft, 
vermöge der die Materie nicht bis auf nichts, 
durch irgend eine Kraft , ztifammengedrückt 
werden kann. Diefs fliefst aus dem Begriffe • 
der Materie felbft ; denn was Materie für uns 
feynfoll, mufs aufler einander, und im Stan- 
de feyn , eine Veränderung durch Bewegung 
in uns hervorzubringen : eine Sache, die auf- 
hört, fobald die Materie durchdrungen iß. 

aooi Die Undurchdringlichkeit der Ma* 
terie ift demnach nur relativ ; fie bezieht lieh 
auf die Kraft die f\e zufammen zu drücken, 
dalier fie zu theilen erforderlich ift: je gröfser 
diefe, delto undurchdringlicher die Materie. 

soi. Wie leicht oder wie fchwer eine be- 



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95 

ßimmte Materie getheilt werden könne, be- 
ruhet auf der Verbindung von ausdehnender 

r V 

und anziehender Kraft, mit der fie begabt ift, 
oder vielmehr aus denen fie beßeht. Durch 
die erfie nähmlkh würde fich jede Materie 
in einen unendlichen Raum ausdehnen , (149) 
und daher der kleinfien Kraft wöiöhen; duröft, 
die letzte würde fie fich in einen hiatheniati- 
"fbhen Punct zufammen ziehen, (i 5 g) und "kei- 
ner noch fo grofsen Kraft nächgeben ; durcli 
bey^e zufammen erhält fie einen beßimmteri 
Orad. Je nachdem nun mehr öder 4 " weniger 
von der einen oder der andern Kraft als Be-» 
ftandtheil der Materie gedacht VrirdY je nach- 
dem hat fie auch einen andern Grad von Un- 
durchdringlichkeit. 1 

1 ; IV. 

aoö. Diefes Syßem hat den tinläugbaren 
Vortheil, dafs rnan in ihm nichts annimmt, 
als was man genau verficht, und durch die 
Erfahrung befiätigt wird. So fehen wir, dafs 
alle Körper Zufammenhang haben, der, wie 
wir oben ( 150 /.) gezeigt, nur durch An- 
ziehungskraft überhaupt möglich ift ; eben 
(b fehen wir, dafs alle Körper fich ausdehnen, 
fo bald der Zufammenhang , und mithin H6 
Anziehungskraft vermindert wird. 

205. Sfelbft der fchwierigfie Begriff in diei 
fem Syßeme läfst fich in einer Anfchauurt£ als 



4 ^ 

£eyfpiel;daritellen* Denn -mJh - kann fich an* 
fanglich nicht fo recljt vorftellen, wie es mög- 
lich fey, mit der nähmlichen Quantität vw 
Maierie ein Mahl einen größer» Raum als dafi 
andere Mahl zu erfüllen , ohne leere Räume 
fcu verurfaqhen: man denkt hiebey fiets, an. je* 
ne feften Körper , .die durch die AusiehiMWig 
Zwifchenräume erhalten, ^llein diefs ift daw 
auch, keine auf die ürfpr.üngliche Zurück- 
ftofsungskraft gegründete Ausdehnung; fon- 
dern fie wir4 durch äuflere Kräfte veranlafsfc 
Wenn man ein paffendes Beyfpiel wählen will; 
fo denke man an den Licht- oder Wärmeftof& 
der ein Zimmer erfüllt. Ein einziges Licht, 
ein wenig Feuer , erleuchtet ; un£ erwamt ein 
gr ofses Zimmer eben fo gut; t zwar in «fchwa* 
cherem Grade, wie ein kleines. Man wird 
hier nicht fagen, dafs es in dem gröfsern nur 
fchwach erleuchteten und erwärmten Zimmer 
Zwifchenräume, gebe , die nicht erleuchtet 
oder erwärmt find ; und doch ift die Quanti- 
tät der Materie in beyden Fällen die nähm* 
liehe; \, 
£04. Wie. aber durch die, Verbindung der 
beyden ursprünglichen Kräfte der Materie ei* 
ne beftimmte Gestalt ^ur jede befondere Art 
von , Körpern .hervorgehe ? diefs ift eine Frage, 
die, weil fie die menfcljliche Ein ficht vor der 
Hand über fie igt, wir gar nicht zu beantwor- 
ten unternehmen. „ • Und felbft diefes ift ein 
4 - grofser 



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i7 

grofser Vorzug unfers Syfiems. Indefs man 
in dem andern Syfteme eine Erklärungsart 
zur Beantwortung diefer Frage annimmt, die, 
theils nicht weitei; führt, (194.) theils aber, 
da wir nie auf die einfachen Theilchen kom- 
men, und ihre Configuration (191) wahrneh- 
men können, uns alle Hoffnung benimmt,' je 
diefe Hypothefe in der Erfahrung bewährt zu 
finden ; bleibt es in unferm Syfteme dem 
Forfchungsgeifte unbenommen, lieh zu bemü- 
hen, ein Gefetz für d;\s Verhältnifs der ur- 
fprünglichen Kräfte der Materie Von beflimnv. 
ter Art, und daraus ihre beftimmte Geßalt zu 
finden. 



Eilfte Vorlesung. 

(Fortfetzung.) 

v. - . 

005. Was uns alfo noch zu thun übrig 
bleibt , um unferm Syfieme die ihm mögliche 
Vollfiändigkeit zu geben , iß, ihm die Erklä- 
rungen und Lehrlatze anzupalTen, deren Sinn, 
nach unferer Darfiellungsart ? eine noth wen- 
dige Aendcrung erleidet. 

ao6. Ein physischer Körper iß eine 
Quantität geformter Materie; die daher zwi- 
schen gewüTen Grenzen eingefchlolfen iß. 




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007. Nimmt man nur auf des Körpers 
(co6) Gröfse , alfo nur auf feine Ausdehnung 
im Räume, Rückficht, betrachtet man ihn da» 
her nur als mathematifchen Körper; fo erwägt 
man dann den U mf ang {Volumen) deffelben. 

floß. Mit einem je gröfsern. Grad (^05) 
diefes Volumen (207) erfüllt ift, defto dich« 

s 

ter ift auch der Körper: fo dafs die Dich- 
tigkeit eines Körpers durch den Grad der 
Erfüllung des Volumens beftimr.it wird. 

009. Die verfchiedene Dichtigkeit eines 
Körpers von der nähmlichen Art, kann auf 
zweyerley Weife wahrgenommen werden. 
Entweder fehen wir, dafs der eine Körper mit 
der nähmlichen Quantität Materie ein grösseres 
Volumen erfüllt, als der andere; alsdann ift 
der zweyte dichter als der erfte: wie z. B. 
wenn von zwey gleichen Lichtern, das eine 
ein grofses, das andere ein kleines Zimmer 
erleuchtet, iß die Lichtmaterie in dem klei- 
nen Zimmer dichter, als in dem grofcen. 
Oder wenn bey dem gleichen Volumen beyder 
Körper ein Mahl eine gröfsere Kraft als das 
andere Mahl erfordert wird, um die Körper 
in einen engern Rauni zusammenzudrücken : 
mit je mehr Kraft man den Stempel des Condeu* 
fators herunterwinden mufs, je mehr Luft- 
materie befindet fich unter dem Recipienten, 
und je dichter ift fie. 

aio. Das erfte hier (209) angegebne Pro- 
bemittel enthält die Regel: wenn die Quanti- 

- ■ - — 

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99 

tat und die Qualität der Materie gleich iß, ver- 
hält ficfc die Dichtigkeit wie die Kraft, mit 
♦der die Materie zufammengedrückt werden 
kann. - ; • ~! . . 

au, Bey Materien von gleicher Qualität, 
wie z. B. dem Lüftßoffe , katin man diefe 
zwey te Regel (fii'o) fo ausdrücken : .bey glei- 
chem Volumen, verhält lieh die Dichtigkeit 
der Materie wie die Quantität derfelben. Denn 
durch zwey gleich gröfse Lichter iß unftreitig 
zwey Mahl fo viel Lichtmaterie in dem nähm- 
lichen Zimmer, und »daher .auch die Dichtig- 
keit derfelben zwey Mahl fo grofs, als wenn 
nur deren eins da wäre ; daher wird auch im 
eTften Falle doppelt fo viel Kraft zur Zufam- 
mendrückung als im zweyten erfordert. Diefe 
Regel läfst fich daher unter die zweyte, (210) 
wie jeder befondere Fall unter den allgemei- 
nen Satz fubfumiren. 

ai2. Wenn hingegen die Qualität der Ma- 
terien verfchieden iß, wie z.B. Luft und Waf- 
fer, können wir im allgemeinen gar nicht er- 
fahren, wiegrofs die Quantität der in einem 
Räume enthaltenen Materie fey, indem wir 
nicht wüTen, ob ein gegebner Kubickfufs 
Luft mehr oder weniger Lufttheilchen ent- 
hält, als ein gegebner Kubickfufs Waffer, 
Wairertheilchen. Daher wird die (211) er« 
theilte Regel fich auf Materien von ungleicher 
Qualität nicht anwenden lafTen. JJur dann, 

G 22 



100 

wenn die Kraft, die wir brauchen , uni einen 
Kubickfufs Waflers in einen engern Raumzu- 
fammenzudrücken , gröfser ift > als die zu 
ebenfalls einem Kubickfufs Luft, können -wir 
tins vorltellen, dafs das WalTer feinen Raum 
-mit einer gröfsern zurückftofsenden Kraft, da- 
tier in einem ftärkern Grade als die Luft er- 
fülle, r : 

VI. 

013. Zuf am menh an g^eif st Anziehung 
in der unmittelbaren Berührung, (163) und 
• er ift daher nur durch die . allgemeine Anzie- 
hungskraft der Materie möglich. Von der 
allgemeinen Anziehungskraft abgeleitet mufs 
alfo <Jie Eigenfchaft des Zufammenhanges al- 
lerdings werden ; aber dennoch bedarf es noch 
einer andern Ur fache, die uns diefe Erfchei- 
nung fo begreiflich mache , als fie durch ihre 
Alltäglichkeit begreiflich zu feyn fcheint. 
Obenhin nähmlich könnte man lieh die Sache 
fö vorftellen. Zwey Theilchen der Materie, 
die zufammenhangen, mögen auf einander an 
Zurückftofsungskraft =zund an Anziehungs- 
kraft = a äuflern. Durch'* allein würden fie 
lieh fliehen ; durch a allein in einen pathe- 
matifchen Punct zufammenfehwinden ; durch 
% — a oder durch den Abbruch, den die zu* 
rückftofsende Kraft von der anziehenden er* 
leidet» können ße nicht fliehen , aber auch 



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101 

fichnicht Schneiden, (164) undbleiben blofs in 
Berührung, oder fie hangen zufanunen. Die- 
fes dauert dann auch fo lange, als x das gegeb- 
ne Verhältnifs zu a behält. Sobald aber z 
durch eine äußere Kraft vergröfsert wird, und 
a das Nähmliche bleibt, mufö auch die zu« 
rückjtofsende Kraft lieh nicht mehr von de» 
anziehenden zurückhalten lallen, fandern ihre 
Wirkung auf die Materie äuflern, und den 
Zufammenhang aufheben. Mit andern Wor- 
ten fagt man dadurch, dafs die Körper zer- 
reiifen, oder zerbrechen, wenn die zurück- 
ftofsende Kraft vermehrt wird. Diefs alle* 
fcheint zwar richtig zu feyn ; allein es bleibt 
eine Schwierigkeit übrig, die nicht fo leicht 
zu heben iJt , die aber durch ein Beyfpiel an 
einem befondern Fall fich weit leichter dar- 
ftellen läfst, als durch allgemeine Ausdrücke. 

214, Wie wir uns die Sache (213) vor- 
ftellen, fey dieZurückftofsungskraft der Glas- 
theilchen einer Glasplatte z. B. = *, ihre An- 
ziehungskraft = a. Der Zufammenhang der 
Platte alfo ift = z — «. Wird nun eine Kraft^ 
die ebenfalls zurücldtofst s= d auf die Platte 
angewandt , fo wird nun die zurückftofsende 
Kraft =z-f- d gröfser in Bezug auf n, und 
die Platte zerbrochen. (213) Allein wenn 
man nun auch die zerbrochnen Scherben mit 
einer noch fo grofsen , wenn auch weit grö* 
fsern Kraft als d wieder zulammendriickt ; fo 

0 5 



102 

f 

wird doch der Zufammenhang nicht wieder 
hergeftellt, und doch müfste diefes der Fall 
feyn. Denn was d zur Vermehrung der zu« 
rückftolsenden Kraft bey trug, das thut jetzt 
die^ zusammendrückende zur Vergröfserung 
der anziehenden Kraft. Merkwürdig vorzüg- 
lich ift es , dafs bey den mehrften Körpern, de- v 
ren Zufammenhang wieder hergeftellt werden 
kann , wie z. B. bey den Metallen durchs 
Schmelzen, diefes nicht eher gefchieht, als 
wenn die zurückßofsende Kraftfzuerft, im 
Flufle, wo fich die Materie in einen gröfsern 
Raum ausdehnt, vermindert, und dann, beym 
Erkalten, die anziehende Kraft nach und 
nach vermehrt wird. Das Metall, das plötz- 
lien erkaltet, deflen anziehende Kraft alfo 
plötzlich verftärkt wird, kriegt Brüche : wor- 
aus dann folgt, dafs die zu rückftofsende Kraft 
durch diefen Umftand gröfser wird als die an- 
ziehende* 

£15. Was ßch zur Erklärung diefer Er- 
fcheinung fagen liefse, und das auch ziemlich 
fo wohl mit der Erfahrung, als mit dem Fol- 
genden übereinftimmend befunden werden 
dürfte, wäre, dafs die zurückftofsende Kraft 
folcher Materien gröfser iß , als jede Kraft, 
die von außen durch Druck hervorgebracht 
werden kann. Dadurch wird das Zufammen- 
drücken zerbrochnerTheile nichts helfen, um 
den Zufammenhang wieder herzuitelleit j He 

* 



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4 

103 

mufs alfo erft durchs 2ufelzen einer fremdar* 
tigen Materie an und für fich vermindert wer« 
den, z. B. durchs Zufetzen des Wärmeftoffs, 
damit die Anziehungskraft wieder wirkfam 
werden könne. Doch es ift Zeit zu unferm 
Gegenftand zurückzukehren. 

1 6. Der Zufammenhang (2 1 5) wird auf- 
gehoben, die Theile werden getrennt, 
wenn die Bewegung des einen Theils die des 
andern nicht nothwendig alle Mahl mit fich 
führt. (13a) . 

217. Die Theile werden verschoben, 
wenn die äulTere Figur fich abändern läfst, oh- 
ne den Züfammenhang aufzuheben. (216) 

218. Flüssige Körper find folche, 
deren Theile durch die kleiiifie Kraft verfcho- 
ben (11 7) werden können. Bey flüffigen Kör- 
pern mufs man fich alfo vorlt eilen, dafs die 
anziehende Kraft der Theile fo grofs, oder 
die zurückftofsende derfelben fo klein fey, um 
den Züfammenhang mit andern Theilen so- 
gleich wieder herzuft eilen, als er mit de«* 
nen aufgehoben wird, mit denen fie vorher 
im Zufammenhang ftanden. In derThat geht 
beym Verfchieben der Theile (017) nichts an- 
ders vor 2 der Zufammenhang zwifchen eini- 
gen Theilen hört auf, und dafür tritt ein neuer 
Zufammenhang mit andern Theilen wieder 
ein; Dafs aber die anziehende Kraft flüffiger 
Körper, in Verhältnifs mit ihrer zurück- 

G 4. 



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10+ 

ftofsenden fehr grofs feyn müfle, lehrt die Er- 
fahrung, indem zwey Theilchen einer und 
der nähmlichen Jlüffigen Materie fchon in der 
Ferne »lieh anziehen, und ihren Zusammen- 
hang wieder von felbft herftellen. Daher ift 
es auch nicht richtig, wenn, man flüfßge Kör- 
per erklärt, dafs es folche feyn, die durch die 
kl öinite Kraft zu trennen find. Denn die 
Anziehungskraft der Theile derfelben ift fehr 
grofs, und es bedarf einer merklichen, ja weit 
gröfsern Kraft zur Trennung, als man gewöhn* 
lieh glaubt: eine Erfahrung von der man /ich, 
durch leicht anzuftellende Verfuche, hin-» 
länglich überzeugen kann. 

219. Feste oder starre Körper find 
hingegen folche, bey denen die Veifchiebung 
der Theile eine merkliche, endliche Kraft er* 
fordert. Man kann den Grund zu diefer Er* 
fcheinung auf die Rechnung der anziehenden 
Kraft allein fchreiben, in fofern fiV nähmlich 
durch ihre Gröfse nicht zulafst, dafs die zu* 
rückftofsende Kraft, die den Zufaminenhang 
zu ftören fucht , wirkfam fey. 

flau. Der feften Körper gibt es zweyer» 
ley ; entweder können deren Theile durch 
eine merkliche Kraft wirklich verfchetben wer» 
den; oder die ' Verfchiebung der Theile, die 
man vornehmen will» zieht; fpgleich die Tren«< 
nung derfelben (2 iG) mit fich. Die erften be- 
fitzen Dehnbarkeit;, di$. andern 8prö- 
digkeit. 

1 



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io 5 

ftfi i. Bey den fpröden Körpern (aao) kann 
man fich vqrftellen, dafs die zurückliofsend? 
Kraft, durch ihre Gröfse die neue Verbindung 
mit andern Theilen verhindert, fobald die alte 
aufgehoben ift. Denn dadurch wird das Ver- 
fchieben unmöglich gemacht, und der Körper, 
mit den; man es vornehmen will, bricht. (2 18) 

222. Feite Körper, (aig) die durch eine 
kleine Kraft fehr dehnbar find, (220) be- 
fitzen Klebrigkeit. 

sag. Können einige Materien nach eini- 
gen Richtungen nur fchwer getrennt, aber 
nach andern Richtungen mit einer weit gerin. 
gern Kraft verfchoben werden; fo heifst der 
Widerftand, den man hier bey m Verfchieben 
zu überwinden hat, die Reibung. Diefe 
kann aus zweyerley Ur fachen entliehen. Ent- 
weder werden die Materien in Einigen Rich- 
tungen an g ezo gen, oder fie werden durch 
äuflere Kräfte an einander gedrückt. 
Werden die Körper nur in fenkrechter Rieh* 
tung an einander gezogen, wiediefs z.B. zwey 
Magnete thun, fo können fie in entgegenge- 
fetzter Richtung nur mit einer der Anzie- 
hungskraft gleich grofsen Kraft getrennt wer^ 
den. Zur Verfchiebung aber in horizontaler 
Richtung hat man nur die Winkelkraft zu 
überwinden. Das nähmliche gilt von den 
Magdenburgifchen Halbkugeln, die nicht von 
einander gezogen, aber wohl an einander ver- 

G 5 



io6 

fchoben werden können. Eben fo ift die Rei- 
bung der Zähne eines Rades an das Getriebe, 
die eines durch die Schwere an den Horizont 
gedrückten Wagenrades nichts anders, als der 
Widerftand den uns die Winkelkraft leiftet. 
Sie wird daher auch vermindert, wenn man, 
durchs Poliren den Winkel verkleinert, oder 
fchiefer macht ; fo wie fie hiuwiederum durch 
eine kleberige Materie vermehrt werden 
kann, weil dadurch der Winkel, imter wel- 
chem beyde Materien an einander verfcho- 
ben werden, /ich mehr dem rechten Winkel 
nähert. 

VII, 

* * 

224. Ein Körper befitzt Fe de* traft, 
(Elafticität) wenn er feine, durch irgend einel 
äuilere Kraft, veränderte Figur und Gröfse 
durch fich felbft wieder herlteilen kann. 

225. Die Federkraft (224.) ift ausdeh- 
nend, wenn der Körper durch fie dasgröfsere 
Volumen wieder erfüllt, das er vor der Ver- 
änderung durch Zufammendrückung einnahm. 
Sie beruht auf einer zurückftofs enden Kraft, 
die dem Körper vorzüglich zukommt: fo dafs, 
wenn eine Kraft in der Richtung der Anzie- 
hungskraft von auJTen her wirkt, fie , fobald 
jene nachläfst, fich in entgegengefetzter Rieh« 
tung wirkfam bezeugt. » 

1126. Sie ift aber zu fa mm en ziehend, 



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107 

wenn der Körper durch fie wieder in das klei- 
nere Volumen zurücktritt, dasier vcör der Ver- 
änderung dnrch Ausdehnung erfüllte. ; Sie be- 
ruht auf ^iner Anziehungskraft die zu wirken 
anfangt, fobald die äußere Kraft, die den 
Körper ausdehnte, nachläfst. 

S27. Oft enthält ein Körper beyde Arten 
Federkraft (2125, aaf>) zugleich, wie z. B. eine 
gebogene Stahlfeder, derey äußere Theile, 
durch das. Biegen, in einen gröfsern Raum 
- gedehnt werden, indefs die innern fich in ei- 
nen engern Kaum zufammenziehen. Beym 
Nachhilfen der biegenden Kraft , nimmt alles 
die vorige Geftalt wieder an. Ebeu fo hat die 
Luft fö wohl ausdehnende, als zufammenzie- 
hende Federkraft* * . ' . 

qqQ. Die Elafticität, von der wir hier 
fprechen, (2^4) ift fehr verfchieden' von je- 
ner urfprünglichen , die jeder 'Materie zu- 
kommt^ und vermöge der fite einen Haum er- 
füllt: (97) fie heilfe die ; abgelei tete Fe- 
d e r k r a f t. Denn fie wirkt nur wenn eine 
äuffere Kraft die urfprüngliohe'zurückftofsen- 
de oder anziehende Kraft- &6r Materie auf ei- 
nige Zeit vermehrt, aber fich dann von ihr 
trennt; dahingegen dieMirfprüngliche Elafti- 
cität jederzeit ihre Thätigkeit äuffert. 



VIII. ; 

aflg. Diejenige Theilung der Materie, die 
durch zurückftofsen de Kraft des theilenden 
Körpers bewirkt wird , heifst eine mechani- 
sche Theilung: fo theilt der hölzerne 
Keil, auf den man fchlägt, oder Waffer giefsi, 
einen Körper ineehanifch, weil er es blofs 
durch zurückßofsende Kraft thut. In diefem 
Falle mufs diefe^Craft gröfser feyn, als die 
Anziehungskraft des getheilten Körpers. 

230. Gefchieht aber die Theilung durch 
die Anziehung, welche die Theile des theilen- 
den Körpers zu denen des getheilten haben ; 
fo ift das einit c h y m i s c h e Theilung, 

»51. Die ^hymifche Theilung (230) heifst 
Auflösung, wenn der theilende Körper auf 
alle Theile des getheilten" feine Anziehungs- 
kraft äuffert ; wie wenn Salzkryftalle durch 
Waffer getheilt werden. x • 

«23a, Sie heifst 4 aber Scheidung» wenn t 
die Theile des theilenden Körpers nur auf ei- 
nige Theile, des getheilten mit ihrer Anzie- 
hungskraft wirken.. So wirkt der Wärmeßoff 
auf eine Auflöfung (231) von Salz in Waffer 
nur auf das letzte mit feiner Anziehungskraft, 
und theilt, beym Abdampfen, diefes von dem 
in ihm enthaltenen Salze. : : s A •« ' 

fl 3 3. Bey der mechanifchen Theilung (229) 
wird die Materie weder des getheilten, noch 
des th eilenden Körpers durchdrungen, und 



# 1 

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109 

kanh es nicht werden 1 , wie wir gefehen ha- 
ben, (gg. f.) Hingegen bey der Auflöfung (031) 
:nnd vorzüglich nach der Idee derfelben , d. h. 
wenn fie vollkommen feyn foll, müiTen 
dieTheile dj&r in einander aufgelöße» Mate, 
rien fich wechfelfeitig durchdringen: fo dafe 
die Proportion der Vereinigung, diezwifchen 
beyden Körpern im Grofsen Itattfindet, auch 
bey jedem noch fo kleinen Theilchen derfel- 
ben angetroffen werden mufs. Macht man 
nähmlich z.B, eine Auflöfung von einem Pfund 
&alz in zwey Pfund Wallers ; fo mufs bey der 
vollkommenen Auflöfung diefer Materien in 
einander, in jedem noch fo kleinen Theilchen 
des Gemifches das Verhältnifs von Wafler zu 
Salze wie a : 1 feyn. . ' : ; 

054. Man fieht leicht, dafs diefes ein 
vollkommenes murchdringen fey ; denn beyde 
Körper find, durch die Auflöfung, vollkom- 
men in einander, und nicht mehr ausser 
' einander enthalten. 

aS5- Frage entlieht aber, wie ütchy* 
mifche Theilung (209) möglich, da fie erftlich 
ein Durchdringen j (234) und zweytens eine 
wirkliche Theilung ins unendliche vorausfetzt? 
Welches bey des, oben. (105. 100) bey derme* 
chanifchen Theilung, verworfen worden ift. 

ä$6. So viel leuchtetfreylich hervor, dafs 
die Gründe, aus denen das mechanifche Durch- 
dringen der Materie als unmöglich «rklärt 



.Wörden , (105) hier, auf die chyniifche Thei- 
lung, nicht anwendbar find: es waren Folgen 
aus der Lehre von der zurückftofeenden Kraft 
gezogen, die dort allein wirkam iß, '(«29) 
und die ihre Wirksamkeit ganz anders äuflern 
kann, als die anziehende Kraft, welche fich 
bey der chymifchenTheilung thätig beweifet. 

237. Allein es reicht nicht, hin , wenn 
man einfieht > dafs jene Gründe hier nicht paf- 
fen ; man mufs auch noch begreifen , wie das 
Durchdringen der Materie überhaupt denk- 
bar fey. Zu die fem Ende ft eile .man fich vor, 
dafs die Anziehungskraft, mit» der die Theik 
von A zufammenhangen , kleiner fey , als die 
Kraft, womit die Theile von JB , die von A an 
fich ziehen. Dadurch werden, bey der An- 
näherung von B , die Theile von A eine un- 
endlich kleine Zeit hindurch, ohne allen Zu- 
fammenhang, und blofs mit zurückftofsender 
Kraft exiftiren. Sie müfsten fich auch in ei- 
nem unendlich grofsen Räume zerftreuen. 
Nun aber äuiTert die Anziehungskraft der 
Theile von JB fogleich ihre Wirkfanikeit auf 
fie , und will fie in dem Mittelpuncte von B 
vereinigen. Sie Würde diefs auch wirklich 
thun, wenn nicht die zurückftofsende Kraft, 
womit die Theile von -4 begabt find, mächte, 
dafs fie mit denen von Ji vereinigt, einen be- 
ftimmten Raum* mit einem gewiffen Grade 
erfüllen. ^ 1 \ 



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III 

■ ■ 

«38. Diefer Raum, den das Gemifche 
einninunt, ilt dann auch bald gröfser, bald 
kleiner, und bald fo grofs, als die Summa der 
Räume, den die in einander aufgelöftcn Mate- 
rien allein einnahmen! Es kommt blofs dar« 
auf an, in welchem Verhältnifs die zurück- 
fiofsende Kraft von A und B zufammen, zu de» 
Anziehung der Theile von B auf die von ^, ßeht. 
Je nachdem die erfte. gröfser, kleiner, oder fo 
grofs als die zweyte ift, wird auch der Raum 
des Gemifches gröfser, kleiner, oder fo grofs 
feyn, als der Raum bey der allein genommen. 

239. Zur leichtern Einficht wurde hier 
(257) blofs der Körper A als ohne Zufammen- 
hang während eines Zeitmoments gedacht; 
Im Grunde aber gilt es fowohl von A f als von 
JB. Denn die Anziehung ift wechfelfeitig, und 
die Theile des einen Körpers verbinden lieh 
wechfelfeitig mit denen des andern: das Waf- 
fer wird fp gut vom Salze, als diefes vom Waf- 
fer durchdrungen. , 

240* Um fo fchwieriger fällt es nun, die 
zwey te Frage zu beantworten, und die darinn 
befieht , wie Üt eine vollkommene Auflöfung 
denkbar, da fie eine wirkliche Theilung ins 
unendliche vpraufetzt? In. derThat muffen, 
bey der vollkommenen Auflöfung, die Kör-, 
per A und Jß t während einer unendlich kleinen 
Zeit, all en Znfammenhang verlieren, < un$i 
fich in alle ihre Theile zerlegen. (237) Nun 
aber gibt es der Theile eines Körpers unend- 



114 

lieh viele. (1 ß i /. ) Folglich werden die Kor- 
per A und B, durch die Auflöfung , in wirk- 
lich unendlich viele Theile zerlegt werden : 
eine Zerlegung, die nicht blofs einen Fort- 
fchritt ins unendliche , fondern eine wirklich 
unendliche Theilung, in pofitiver Bedeutung, 
erfordert. (126). Welches aber widerfpre- 
chend iß. » 

04.1. Allein genau erlogen, ift die Idee 
einer vollkommenen Auflöfung, f^5z) ein 
blofs dialektifcher Schein. Es heifst blofs, je 
kleiner die Zeit, in der die Auflöfung von 
Statten geht, und je mehr Theile von beyden 
Körpern fich in einander auflöfen, defto voll- 
kommner ift die Auflöfung; und fo ins unend- 
liche. Nun ftrebt die Vernunft nach Totali- 
tät der Bedingungen, erhebt diefen Fortfehritt 
ins unendliche zu einer Idee, bildet daraus 
den Begriff der vollkommenen Auflöfung, und 
gibt ihm Wirklichkeit. Aufler der Idee aber, 
und wie uns die Dinge in der Erfch einung gege- 
geben find , trifft man daher die vollkommene 
Auflöfung nirgends* an ; ob man gleich , eben 
defshalb , kein Theilchen antreffen kann , das 
nicht aufgelöft wäre. Denn nur wenn man 
bis zu den wirklich unendlich kleinen Theil- 
chen fortfehreiten könnte, würde man die ün- 
aufgeiöften finden. Welches ebenfalls unmög- 
lich ift. «• ' % ■ 

&A.B* Man 

1 

j 

> 

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ai 3 

Ä4ß. Man lieht alfo aus allem ÄieCein, wie 

jnan gar nicht nöthig hat, zu den leeren Räu- 
men, und der abfoluten Undurchdringlich* 
keit der Materie feine Zuflucht zu nehmen, 
um die Theilbarkeit , und die fpecififche Ver- 
fchiedenheit der Körper" zu erklären. Aus der 
zuxiickßofenden Kraft, womit alle Materie be* 
gabt iftj /liefst fchön ihre Theilbarkeit , r und 
aus dem yerfchiedeneri VerhältiiiiTe, ' das die 
artziehende zu der zurückftofs enden Kraft in 
verfchiedeneh Körpern hat, ihre verfchiedene 
Geftalt und »Dichtigkeit. ^zdtoimh hfl LJ j 

■ 

Zwölfte Vorlesung. , , 

(Mechanik, oder von der Mittheilung der 
'1 '. Bewegung.) " ' "•''•'•5 ; : ' i. 

■ _ 

043. Wenn ein Körper A in feiuer Bewe- 
gung auf einen andern Körper JB anrückt,' und 
dadurch veranlafst, dafs diefer di£ Stelle int 
abfoluten Räume (27) verläfst, die er einge* 
nommen hat; fo fagt man^ t heile E feine 
Bewegung mit: fo dafs zur Mitthei- 
lung der Bewegung die Veränderung 
der Stelle des durch die Mittheilung beweg- 
ten Körper« erfordert wird. < 

* \ 

H 

/ 

• I 

• 1 

1 . Digitized by Google 



£44> ' Erfüllte der Körper B feinen Raum 
nichts (77) theille er; feinen Raum mit jedem 
*uf ihn. einfidringenden Körper ^; fo jwär.e sr 
.auch&woh diefes Anrücken de^Körper* A rächt 
gezwungen, feine Stelle im abfoluten Raijme 
zu vsrlaflen/ und die Mitteilung dfcr Bewer 

gunguCft*») w ** e unmöglich : .b^yde i Körper 
Vertrügien fich ixl eifern R^ume zufainjaen. 
In der That findet dusch die diymifche Auflö* 
fungX^x) keine Mittheijung dsr Bewegung 
ftatt^ weil beyde in einander «aufgelöfte Kjöx* 
per fich durchdringest, (£34) und fee wohl 
ren Raum erweitern, aber nicht verfallen 
können. 

424.5. Eben fq auch .ift es umgekehrt wahr, 
dafs fo ltoge das'Rewegliche im Räume feinen 
Raum, yerrnittelft der ziiröckrtof§en4m nnd 
anziehenden Kraft nur . erfüllt , und daher 
an feinem Orte beharret, es in Ruhe ift (51) 
tind daher gar kein . Gegenftand möglicher 
Erfahrung werden kann (19). 

, , 246. JsFur .erfi dann, wenn ein Korper A 
auf euien andern jB fich bewegt, und ihn ent- 
weder wirklich zufammenqrückt , oder wirt- 
lich aus feiner Stelle im abfoluten Räume 
treibt^ bekommt der Körper eine Bewegung, 
indem er dadurch fejne «aixiTerenVerhaltniiTe 
gegen einen befiimmten Punct im Räume 
verändert (21), und wird dadurch Gegenftand 
möglicher Erfahrung. 



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H5 

v fl/^. Da älfö die Materie B von der Ma- . 
terie A mufs bewegt werden können; , fo mufs 
auch A im Stande feyn, Bva bewegen: d. h. 
die Materie mufs die Kraft befitzen, eine an- 
dere Materie aus ihrer Stelle im abfohlten 
Räume zu vertreiben. Wir werden demnach 
nodh - eine Eigenfchaft der. Materie gefun- 
den haben, und Tagen können* Materie ift 
das Bewegliche im^unte, 3das feinen. Raum 
erfüllt, und anderer-Maüeritf feine Bewegung 
^nittheilen kann.^43.) 

1 » * 

■ -, 1 

ä40- So lange man die Materie blofs ab 
etwas Bewegliches im Räume , ohne Bezie- 
hung feines Verhaltens geigen ändere Materie; 
aifo blofs phoronomifch betrachtet,, kann man 
den , gröfsteni » Körper einem Püncte gleich 
fetzen,, und die Gröfse feiner Bewegung bloß 
nach der Zeit ermelfen, in der ein gegebner 
Raum von ihm befchrieben wird: je kleiner 
nähmlich die erfie, und je gräfser der andere, 
defio gröfser die Gefchwindigkeit, oder die 
Bewegung. In der That hat ; an und für fich 
betrachtet, der ganze Körper eben die Ge- 
fchwindigkeit, die delfen Mittelpunct hat ; und 
da wir hier die Gröfse des Körpers aulTer Acht 
lauen, wird es vollkommen auf eins hinaus- 
laufen , ob wir den ganzen Körper , oder nur 
deffen Mittelpunctallein in Envägung ziehen. 

H ö 



li-6 

«40- Sobald aber von Mittheilung der 
Bewegung (24.5) die Rede iß, wird die -Kraft 
A, die den Körper B aus feiner Stelle vertrei- 
ben will* fich unter den ganzen Körper gleich- 
mäfcig vertheilen muffen, um alle feine Theile 
in Bewegung zu fetzen ; daher, bey * der 
nähmlichen Kraft A, auf jeden Theil des £ö*< 
pers B eine defto gröfsere Einwirkung gefchcf- 
hen , je kleiner der Körper ÜL Gefchwindeir 
als der gröfsere Körper JB wird demnach der 
Heinere b feine Stelle im Räume .verlalfen* 
oder , er wird den nähmlichen Raum in einer 
kürzern Zeit, und in der nähmlichen Zeit 
einen gröfeern Räum befchreiben. 

v 250. Eben* fo auch umgekehrt : wenn die 
Körper JB und b einander gleich find, werden 
beyde verschiedene Gefchwindigkeken erhal- 
ten, je nachdem die JCraft yerfchieden ift, die 
fie bewegt. Daher wird die Gröfse der B ei 
wegung, mechanifch betrachtet, zYifammeR- 
gefetzt feyn aus der Gröfse des Körpers und 
der Gefcliwindigkeit : je gröfser nähmlich der 
bewegte Körper, und mit je gröfserer phoro- 
nomifcher Gefch windigkeit er fich bewege 
defto gröfser auch feine Bewegung. \ 



.... , 



»51.. Hier nehmen wir das Wort Körper 
noch immer in der oben (206) angegebnen Be* 
deutung, als eine Quantität geformter Milte- 



1 



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rie, die zwifchen beftimmten Grenzen einge« 
fchloflen ift; alsdann wird die Gröfse deffel- 
ben durch fein Volumen, (407) und die Grofse 
der Bewegung, (1*50) durch das Volumen 
multiplicirtinit der Gefch windigkeit, befiimmt. 
In der That haben wir auch von der Gröfse des 
Körpers an und für iich keine, andere Vorfiel* 
lung als von der des Volumens. Denn danach 
unTerer Behauptupg die Materie ins unendli- 
che theilbar ift; So kann die Menge der in ei- 
nem Körper enthaltenen Theile nichts, zurBe* 
fiimmung der Gröfse des Körpers bey tragen: 
in dem kleinern Volumen find nicht weniger 
Theile als in dem gröfsern enthalten, da bey- 
de einen Fortfehritt ins Unendliche verftatten. 

*5 2. Nach dem rnathematifchen Syfteme, 
(115) nach welchem man bey jedem Körper 
endlich auf einfache Theilchen geräth, und 
zu Folge defTen man Zwifchenräume zugibt, 
die gar keine Materie enthalten, (111) nach 
diefem Syfteme, findet eine doppelte Ver- 
fchiedenheit unter den Körpern fiatt, die auf 
die Schätzung der Gröfse der Bewegung ftar- 
ken Einflute hat. Entweder die Körper ^und 
13 enthalten gleich viele Zwifchenräume: als- 
dann wird der Körper von gröfserm Volumen 
aus mehr einfachen Theilchen zufamnienge- 
fetzt feyn, eine gröfsere Quaptität der Mate- 
rie enthalten ; oder die Zwifchenräume des 
Körpers A ünd nicht fo grofs, oder in nicht 

H 3 



1 



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Ji8 

fo grofsär "Anzahl wie dieses Körpers Bc als- 
dann enthält, bey gleichem Volumen , der 
Körper A eine gröfsere Quantität Materie , als 
der Körper B. Nun bezieht fich doch die 
Mittheilung der Belegung nur auf ; die in ei* 
nem Körper enthaltene Materie , nicht auf die 
leeren Zwifchenränime. Folglich wird auch 
die Gröfse der Bewegung dem Producte au» 
der Quantität der Materie und der Gefch win- 
digkeit gleich feyn: je gröfser diele beyden 
Momente, defto gröfser die Quantität der Be- 
wegung. »- < • ■ .OJ 

253. In dietem Syfteme betrachtet man 
die Vorfiellung von Quantität der Materie als 
eine folche , die vor der wirklichen Bewegung 
des Körpers, und unabhängig von derfelben 
gegeben ift. Denn zählt auch gleich der Mo- 
nadift die einfachen Theilchen eines Körpers 
nicht, umzufehen 1 , ob der eine deren ntehr 
als der andere enthält; fo fetzt e* doch bey 
dem Körper eine gröfsere Quantität Materie 
voraus, der mehr ' materielle einfache Theil- 
chen hat: Quantität der Materie, und Menge 
der einfachen Theilchen, find demMonadifien 
einerley BegrifFe. . / 

054. Hingegen bleibt, nach dem dynami- 
fchen Syfteme , ( i vj) die Vorftellung von der 
Quantität der Materie, unabhängig von der 
Gröfse der Bewegung betrachtet, eine ganz 
leere Vorftellung. Denn, wie fchon gefagi, 



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hat '69 für uns gär keinen Sinn, in diem feinen 
Körper mehr materielle Theilcheh als in dem 
andern anzunehmen. (fl5t) ■ > • } 

stS 5. Nur wenn man die Grofse der Be- 
wSkungO^o) in Anfchlag bringt, und; beider 
n ä-h m 1 i c h e n ' erhaltenen Gefchwindig* 
keit findet, dafs der Körper A fcine'gröfsere 
Bewegung als der Körper .B hat, läfst fich diefe 
Verfchi&denheit nicht aus der erhaltenen Ge- 
fchwindigkeit herleiten, da L fie , der 'Annahme 
zu Folge, in beyden Körpern gleich Üt. Der 
Körper allein, der die Bewegung hat, mufs 
die Urfache zu diefer Verfchiedenheit enthal- 
ten; un i diefe Urfache , fey fie übrigens was 
fie wolle, die es macht, dafs bey gleicher er- 
theütenGefch windigkeit, dennoch der ieine 
Körper eine gröfsere Bewegung als der ander© 
befitzt, heifse die Quant i tat dferMatelrie. 
Sie wird daher gefunden, wenn man die Grofse 
der Bewegung, durch die Gefchwkidigkeit 
dividirt. ' ! ; 

256. Zu fernerem Gebrauche wällen* wir 
hier felgende Formeln beftimmen. "Hfcißfc Q 
die Gröfse der Bewegung, M die Quantität der 
Iff&fri*; und C die Gefdhwindigkeit ; To iß 
aus 050 CM, und aus 055 M = -ö-; 

55*. In der that täufcht fich der Itfona- 
dift; -Cajfs) tüid wir bekommen von* der Quan- 
tität der Materie nicht eher eine* Vörfiellung, 
als bis wir den Körper in Bewegung fetzen, 



|ind zufoJ^n : wic grolifie, bey gleich erfud- 
tenex. Geschwindigkeit fey. Durch gleiche 
Gewichte heben oder wägen wir zwey Kör- 
per, r und lagen, der Jiabe mehr Materie, den 
das Gewicht in der nähmlichen Zeit einen klei- 
nem R^um, oder in einer gröfeern Zjeit den 
nähmlichen Raum hebt, . > 

ä58. Dem zu Folge aber ift auch in un T 
fernvSyfieme ein Unterfchied zwifchen dem 
Körper in blofs dynamifcher, und dem in me- 
chanifcher Bedeutung. Der erfte, in fofern er 
nur als etwas beträchtet wird, das einen Raum 
durch die urfprüngliche anziehende und zu« 
rückftofsende Kraft erfüllt, ift dem Volumen 
fiets gleich: fogrofs diefes, fo grofs auch der 
Körper. Hingegen in Bezug auf Mittheilung 
derJBewegung, können wir den mechanifchen 
Körper nicht nach dem Volumen fchätzen. 
Gleiche Volumina, die eine gleich grofse Ge- 
fchwindjg^eit erhallen haben , brauchen den- 
noch nicht eine gleich grofse Quantität der 
Bewegung, zu befitzen, und auf diefe allein 
koinmt es doch bey der lyiittheilung der Be- 
wegung nur an. 

, fl59. Daher mute man, in mechanischer 
HinJicht, erft die Gröfse .der Bewegnng eines 
dynamifchen Körpers (ao6) kennen, und diefe 
mit der ihm ertheilten Gefchwindigkeit divi- 
dirt, gibt jlie Quantität der Materie, (055) 
oder die Gröfse des mechanifchen Körpers : fo 

■ . 



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12\ 

dafs der inechanifche Körper eine be- 
wegte Quantität Materie voji bestimmter Ge- 
ftalt bedeutet. • t . 

* * ■ 

" ' \ : iv. . 

$60. Um MisverftändniiTen vorzubeugen, 
bemerke man Folgendes, Erftlich verfteht 
man hier (fl58) in dem Ausdrucke eine be- 
wegte Quantität Materie, night btyfs eine 
folche Bewegung, die <pine wirkliche Verände- 
rung der äußeren Verhältniffe der Materie zu 
einem gegebenen Puncte im Räume erfprdert, 
nicht blofs das., was man lebendige Kraft 
nenqt ; fondern felbfi das B e ß r e b e n zu einer 
tblchen Veränderung, den Anfang der Bewe. 
guiig, oder auch das Aufhören derfelben durch 
EntgegenfetzUjig z^weyer gleich grofseji Kräfte, 
alfo auclu.die logepia[nnten to dt en Kräfte. 
Ein$ Lafi die auf deniTifche liegt, wird durch 
(liefen verludert, fich nach demMittelpuncte 
der Erde zu begeben. Demuneracjitet aber 
wird die bewegende Ifraft der Laft nicht auf- 
gehoben, zerftört: fie befitzt noch immer das 
Befixebenfich zubewegen; und in fo fern ift 
fie ebenfalls «?in mecl^änifcher Körper, ( (159 ) 
weil fie zur Mittheilung der Bewegung bey- 
tragen kann. Der Tifch mit der Laft darauf 
an e^inen Wagebaikey bef eltig*, hat eine gru- 
fsere Bewegung, als ohne diefelbe. , . 

261. Zvveytens lieht man hieraus eben- 

H 5 



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.• 

falls, dafs die Gröfse des Vülurhens, die des 
mechanischen ^Körpers : i\Jcht beftimmt, 1 fön- 
dern diefer blofs durch die Bewegurik ge- 
schätzt werde, die er ityitzutheilen im Stande 
iß. Wenn daher ein Theil des Volumens 
etwas zur Mittheilung- einer beäbficht ig- 
ten Bewegung ' beyträgt , der andere aber 
nicht; fo ift auch cfie Gröfse des Körpers, me- 

chanifch betrachtet, nur nach dem Antheile 

• »■»•* ..»-* * 

zu ermelTen, den das "Volumen aii der Bewe- 
gung nimmt. So trägt ein zum Theil unter* 
ftützter " Körper hur fa viel zur Mittheilung 
der Bewegung bey, als er nicht unterftützt 
ift; fo ebenfalls das Waffer, das aus eminent 
Gerinne auf eirf oberfchlägiges Wäfferrad fällt, 
nuir immer fo viel, als WaiTer aus dem Gerinnt 
fallt, hifcgegen'cler übrige, not* vom Gerinn* 
unterfttijzte Theil des Waffers 1 , an den die Rei- 
he noch nicht kommt, kann vor der Hand hoch 
gar nieht in Ättfchlag gebracht werden. Wenn 
man deirinach einen mechanifchen Körper wie 
eine Quantität bewegter Btaterie betrachtet ; 
föheifst das immer in fb fern fie wirkt. 

afe. Trägt aber das ganze Vohimeh des 
dynamifchen Körpers etwas' zur Mktheilung 
der Bewegung bey ; fo fagt man, der Körper 
wirke in 1 M äffe. 1 - 

265. Daraus folgt aber, dafs die in einem 
Körper enthaltene Quantität der Materie (055) 
gar nicht nach dynamifchen Kräften, nach 



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f fl 5 

jder urfprünglich anziehenden und zurück* 
Jtofsenden Kraft, gefchätzt werden könne. 
Die Quantität der Materie wird durdi die 
Fähigkeit gemeffen, die der Körper:' hai, einem 
andern Körper Bewegung mitzuteilen: d. h. 
durch das Beftreben, , einen Körper au$ feiner 
Stelle im abfoluten Räume zu vertreiben; 
und mithin .auch felbft feine eigene Stelle zu 
verlaflen (64.3). • Hingegen beziehen lieh die 
dynamifchen Kräfte blofs auf die Erfüllung 
des Raumes mit einem beftimniten Grad (203); 
•und daher ift ihr GefchäfFt gerade auf die 
Hervorbringung. einer allgemeinen Ruhe ge- 
richtet: jeder Körper bleibt durch £e gerade 
an der Stelle im abfoluten Räume , an der er 
fich einmahl befindet (157)» 

Ä64. Selbft die Schwere, als Bewegung 
gegen den Körper, der die gröfsere Gravita- 
tion hat, (178) kann am und für fich nicht 
zur ^Beftimmung der Quantität der Materie 
gebraucht werden: eine Feder hat eben die 
Bewegung gegen unsere Erde, als ein Stück 
Golde Nur' mittelbar und gleichem durch 
eine Art von Reduction, dient die urfprüng- 
liche Anziehungskraft zur 'Beftimmung der 
Quantität der Materie. Denn 'vermöge der 
allgemeinen Gravitation (ibid.) zieht jeder Kör- 
per die Erde eben fo an , als er von ihr ange- 
zogen wird; nur dafs er fich zu ihr dennoch 
hinbewegen mufs, weil fie die gröfsere Gra- 



vitetion befitzt. Wenn daher ein Stück Gold 
von dem Volumen A 9 oder eine Menge Was- 
fers von dem Volumen .B zur Erde fällt, kön* 
nen wir immer Tagen , dafs das Gold und das 
Waffer die £rde anziehen. Bringt nian nun 
die Körper A und B an einem Hebel ins 
Gleichgewicht, und findet, dafs das Volumen 
von B neunzehnmahl fo grofs ift, als das von 
A ; fo mufs auch die Quantität der Materie 
von A neunzehnmahl fo grofs als die von Jß 
feyn. Denn da fowohl die Quantität der Be* 
wegung die beyde Körper der Erde mit t hei- 
len, als auch die Gefch windigkeit , die lie 
haben, jetzt durch das Gleichgewicht, in dem 
lie fich befinden, gleich ift; fo mufs die Ver- 
schiedenheit des Volumens von der Verfchie- 
denheit der Quantität der Materie herrühren, 
und fich daher umgekehrt wie die Volumina, 
oder gerade wie ihr Gewicht verhalten. Weil 
nähmlich hier Q — <jr, und C = c; fo ift 
auch M — m; d. h. es iß in einem neunzehn 
mahl gröfsern Volumen des Waffers eine, eben 
£6 grofse Quantität Materie, als in dem neun* 
zehnmal kleinern des Goldes enthalten. F in 
gleich grofses Volumen von Beyden wird 
daher eine Quantität der Materie haben, die 
fich vom Golde zum Waffer wie 19 zu 1 
rtrhält. 

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Dreyzehnte Vorlesung. 

(Gesetze der Mechanik. ) 

f fi6^; Wir find nun im Stande das erste 
Gefetz der Mechanik zu be/timmen. So 
viel wilTen wir nähmlich fchon, dafs die Ma- 
terie ins Unendliche theilbariß: (144.) d. h. 
wir können die Quantität der in ihr enthal- 
tenen Theile durch keine noch fd gröfse Zahl 
ausdrücken, weil die gröfste Zahl noch zu 
klein iß} und es immer der Theile mehr gibt. 
Nun aber kann man lieh nur von dem Endli- 
chen eine Vermehrung oder Verminderung 
denken. Denn da diefes stets zwifchen zwey 
beltimmten Grenzen eingefchloffen iß; fo wird 
durch die Erweiterung diefer Grenzen die 
Gröfse vermehrt, durch die Verengung der 
Grenzen die Gröfse vermindert. Bey der; un* 
endlichen Gröfse aber, als welche nicht in- 
ne* halb beßimmter Grenzen eirigeffchloflen iß, 
Jüifst fich der Begriff von Erweiterung und 
Einengung gar nicht anbringen: die unendli- 
che Reihe der Zahlen iß weder zu vergröf- 
fern noch zu verkleinern möglich. Da alfö 
die Quantität der Materie in der Welt unend« 
lieh iß$ fo bleibt diefe Quantität im Ganzen 
genommen, bey aller Veränderung der kör- 



perlichen Natur, unvermehrt und uiiver- 
mindert/ 

£66. Der Algebraift würde fich diesen Beweis 
fo i orftellen. Die Quantität der in der Welt 
enthaltenen Materie = co ; jede Vermehrung 
oder Verminderung, die mit derfelben vorge- 
genommen werden könnte,, Tväre demnach 
= Q» ifc a; welches aber bekannter Mafsen 
= oo,alfo -\y«der- Vermehrung noch Ver* 
Bunkerung iß. • 

5167. Einzelne Körper können ^emtmer- 
aahtet (ehr gut bald eine 1 gröfsejre, bald eine 
kleinere Quantität .Materie bekommen: was 
der eine gewinnt, kann d.er andere verlieren, 
ohne dafs dadurch im Ganzen eine Änderung 
vorgeht. *• 



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— « 

s68» Ehe -wir nun' das zweyte Gefetz 
der Mechanik auf Hellen, müiTen wir folgende 
Erklärungen und» Sätze voranfchicken, 

dß$* Leben hoifst das Vermögen ibe« 
fitzen, fiöh felbft zur Veränderung feines . Zu- 
ftandes aus Willkühr, (aus einem innern Prin-/ 
cip) beßimmen zu können. 

»70. Die Materie, deren einzige äuf- 
fere Veränderung ihres Zuitandes Ruhe und 
Bewegung ift, würde demnach leben, wenn lie 
fich zu einer diefer Veränderungen von felbft 
beftimmen könnte, und nicht fiett einer auf« 



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S$r ihr CTithaltene3%; Urfaphe bedurfte,, um 
von der Ruhe in .ftetvegung, und von diefer 
£ur Ruhe gebracht zu werden. )i Diefes, dafs 
fie keiner folchen äußern Urfache bedarf , ift 
auch di«, Meinung der Anhänger, des Hylo* 
zoifm, oder des Lebens der, Materie, 

2271. Wäre diefes. gegründet ;. fo fielen 
alle Bemühungen des Mathematikers .verge- 
bens aus, wenn er die Bewegung, die ein$ 
Materie der andern mktheilt, berechnen woll- 
te. Denn da die Materie fich feibft zur Ruhe 
oder Bewegung foll beftimmen können; fqj 
lä&t fich gar nicht voraus Tagen, .wie ,es iht 
gefallen wird, die ,ihr rnitgetheilie Bewegung 
aufzunehmen. > \ _ „ *; ..... 
t . Die dem Hyloz^ifm (£70) entge? 

gen gefetzte M$inung ; behauptet, dafs die Ma«* 
terie, alsfolcke, leblos fey, daher nur durch 
äuffere ürfaichßn. zvr Ruhe öder in Bewe- 
gung gefetzt werden könne 2 mit anderen Wor- 
ten, dafs fie Trägh»ei(t belitze. J& diefem Ver- 
bände beßeht die Trägheit, der Materie 
in weiter nichts als djsr vollkommenen Gleich? 
gültigkeit. derfelbctn gegen. Ruhe und Bewe* 
gung, fo »dafs fie fich 7»\k keiner von beyden 
felbft beftimmen, noch ihre Richtung oder 
Gefch windigkeit von felbß verändern kann, 
wenn nicht äuflere Urfachen dazu vorhanden 
find, 1 

$73» Aber aufler der Unmöglichkeit Ge- 



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if6 

fetze füt die Mittheiluftg der Bewegung ä4 
beftimmen, aiewir C^i) äuä deir* HylöWfm 
gefolgert haben, lädt fich auch noch an und 
für fich zeigen; dafs die Voi'ftellung der Ma. 
terie, die der Trägheit (27a) nothwendig mit 
fich führe ; und dieler Satz macht da* 
iweyte Gefetz der Mechaifik ans. 

274. Materie heifst das Bewegliche i m 
Räume. (24.) Was aber im Räume angefchaut 
-wird, ift blofs Gegenftand der auffegen ^Sinne; 
daher wird die Materie, als solche, fammt al- 
len Veränderungen xlie mit ihr vorgehen kön- 
nen, nur ein Gegenftand der ätüTeren Sinn« 
feyn : d. h. der Grund zu diefen Veränderung 
gen mufs aufler ihr gefucht werden, oder, 
wenn fie einen irniero Beftimmungsgrund zur 
Bewegung enthält, kommt ihr dieser nicht 
mehr als Materie zu. 'Folglich befitzt die 
Materie, als folche, an und für fich Trägheit. 

375. Der Mechanicus, der ein Mühlen* 
rad durch Thiere treiben läfst, beträchtet di« 
Thiere, fo weit er fie zur Mittheifcmg der Be- 
wegung braucht, als blöTse Materie, als etwas 
das durch äußere Urfacften in< Bewegung 
oder zur Ruhe gebracht < und in diefer oder 
jener Richtung mit völliger Gleichgültigkeit 
getrieben werden kann. Dafs die Thiere fich 
auch aus fich felbft zur Ruhe oder «ir Bewe- 
gung beftimmen können, ift eine Sache um die 
«r fich hier gar, nieht zu bekümmern braucht, 

da 



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129 

da er nur die Mittheilung der Bewegung in 
Anfchlag, und dalier die Thiere nur als Mate- 
rie gebrauchen will. | 

i 

III. 

- 

1276. Das fo eben gedachte zweyte Ge- 
fetz der Mechanik war leicht einzufallen, 
weil der Begriff der Materie den der Trägheit 
in jich fafste , und diefer nur aus jenem ent- 
wickelt zu werden brauchte. Ehe wir aber 
das dritte Gefetz der Mechanik ftreng er wei- 
fen können, muffen wir einen Rückblick auf 
die phoronomifchen Lehren von der Zufam- 
menfetzung der Bewegung werfen. 

277* Diefer Lehre zu Folge mufs man 
lieh die Verbindung zweyer Bewegungen eines 
N Punctes in entgegengefetzter Richtung derge- 
ftalt vorltellen, dafs der bewegt erfcheinende 
Punct die eine Bewegung etwa von links nach 
rechts hat, indefs der Punct im Räume auf 
den die Bewegung bezogen wird, die andere 
Bewegung, aber ebenfalls von links nach 
rechts befitzt. (53) Sind nun diefe Bewe- 
gungen ungleich; fo thun fie einander Ab- 
bruch: fie bringen aber die Vorftellung von 
Ruhe in uns hervor, wenn fie gleich find. In 
der That, wenn ein Schiff auf dem Fluff« 
fich mit einer gewiffen Gefchwindigkeit mit 
dem Strohme bewegt, und ein Reiter, der 
dem Schüfe bey f«iner Abfarth fenkrecht ge« 



130 

genüber ßand, am Ufer in eben der Richtung 
forttrabt, werden bey de in Ruhe zü feyn 
fcheinen. 

078« Finden wir nun einen Körper in Ruhe ; 
fo müflen wir uns nach dem vorigen Gefetze, 
(275) als nach welchem die Ruhe der Materie 
einer äuITern Urfache bedarf, vorßellen, dafs 
in dem Körper zwey entgegen gefetzte gleich 
grofse Bewegungen verbunden lind; oder, 
welches einerley iß, dafs der Körper felbfr 
eine gewilTe Bewegung nach einer beftimmten 
Richtung befitze, aber der Punct im Räume 
auf den die Bewegung bezogen wird, fich 
ebenfalls nach diefer Richtung und mit eben 
diefer Gefchwindigkeit bewege. 

»79. Bey einem Körper, den wir in Ru- 
he finden, werden wir aber nicht befiim- 
men können, weder wie g r o fs , noch in wel- 
cher Richtung feine fowohl als des Pun- 
ctes im Räume Bewegung fey. Sind nur 
beyde Bewegungen, der Gröfse und der Rich- 
tung nach, gleich; fo entlieht allemahl die 
Vorfiellung von Ruhe in uns. 

080. Bewegt fich aber ein Körper eine 
Zeit lang mit einer gegebenen Gefchwindig- 
keit, und fängt nun an zu ruhen ; fo werden 
wir die Urfache zu diefer Ruhe in die Bewe- 
gung des Punctes im Räume fetzen mü/Ten, 
auf den die .Bewegung bezogen wird; (473. 
ß77.) und zwar werden wir fagen mülTen, 



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der gedachte Punct, bey dem der Körper ru- 
hfet, bewege fich mit eben der Gefchwindig- 
keit und in eben der Richtung, wie der Kör- 
per felblt. Da uns nun aber, der Annahme 
zu Folge, die Bewegung und die Richtung des 
Korpers gegeben iß; fo ift uns , in diefent 
Falle, äuch die des Punctes im Räume ge* 
geben. 

a8i. Nun nehme man an, ein Körper A 
werde in Ruhe gefunden; fo hat er fo wohl, 
als der Punct im Räume j auf den die Bewe- 
gung bezogen wird* — wir wollen ihn p 
heißen — eine ßleich^grofse Bewegung und 
die nähmliche Richtung; aber b'eyde find 
uns unbekannt. (279) Wir wollen daher 
diefe unbekannte Gröfse durch eine bekannte 
zu beftimmen fucheri. 

s82.- Man fetze daher, der Körper B be- 
wege lieh in der Richtung von links nach 
rechts mit einer gegebenen Gefchwindigkeit 
gegen den Körper A y und ruhe* fobald er 
ihn erreicht hat > alfo im £uncte p. (281) 
Da nun B nach einer gehabten Bewegung 
ruht ; fo mufs B hier eine Bewegung in ent* 
gegengefetzter Richtung erhalten haben, oder 
welches eben fo viel fagt, der Pürict p mufs 
fich mit eben der Gefchwindigkeit lind iit 
eben der Richtung wie der Körper B bewe- 
gen, (aßo) Es hat aber der ruhende Körper 
A ebenfalls die Gefchwindigkeit und 

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13» , „ 

Richtung des Pünctes p. (ß8i) Folglich befitzt 
der Körper A die Gefch windig keit und die 
Richtung des Körpers B. 

ö83- Bey einem.andern Körper C würde 
A mit der Gefch windigkeit und der Richtung 
de,s (Körpers C gedacht werden muffen; daher 
wird man ' die Bewegung des Körpers A im 
abfoluten Räume allemahl, der Gefchwindig- 
keit und der Richtung nach, gerade fo anneh- 
men können, wie die des auf ihn anrückenden 
Körpers 4 oder man wird lieh vorfiellen kön- 
nen, dafs A vor dem auf ihn anrückenden 
Körper JB eben fo ftark flieht, als diefer ihm 
folgt, 

284- Unter diefen tJmftänden, wenn 
nähmlich A , B und der Punct p fich mit 
gleich grofser Gefchwindigkeit und nach einer- 
ley Richtung bewegten, würde in uns die Vor- 
ftelluug der Ruhe beyder Körper A und B 
entliehen. Nun aber kann an die Stelle der 
Bewegung von A und des Punctes p nach 
einerley Richtung gefetzt werden , dafs p 
ruhet, und A zwey gleich grofse Bewegun- 
gen, in entgegen gefetzter Richtung, in fich 
vereinigt, deren jede fo grofs ift, als die vor- 
her dem Puncte p eitheilte. (55) Folglich 
ift es gleichviel, ob man fagt, A und B fammt 
dem Punkte p bewegen fich nach dem Zu- 
fammentreffen in einerley Richtung und mit 
der nähmlichen Gefchwindigkeit, oder «b 

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1 

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1 S3 

• ■ 

rhan Tagt, p ruhe, und B bewege fich mit der 
ihm züköiümencLen Gefell windigkeit in einer 
gewiffen Richtung , indefs A zwey Bewegun- 
gen nach entgegen gefetzten Richtungen in 
fich Vereinigt, deren jede fo grofs ift, als die 
des Körpers B; Die Erfcheinung ift in bey- 
den Fallen die nähmliche; 

285. In der • erfien Vorausfetzung aber> 
dafs A und p fleh bewegen«, theilt JB dem Ä 
eine Bewegung mit, die der gleich ift, die er 
jB »felbft hat; in der zweyten Voraus fetzung 
wirkt A gegen B eben fo ftark zurück, als 
die Bewegung war, die er ihm in der erfien 
Vorausfetzung mkge theilt hatte. Aber 1 beyde 
Vorftellungsarten bringen die nähmlicheEr* 
fcheinung hervor. (284.) Daher führt die Vor- 
ftelhing von Mittheilung der Bewegung zu- 
gleich die Vorfiel lung von einer gleich gro- 
ssen. Gegenwirkung mit fich. Daraus ent. 
'fprigt nun das dritte Gefetz der Me- 
chanik: Wirkung ift der Gegenwirkung 



- a86- Wir wollen den Be\vei«'diefes wich- 
tigen Gefetzes durch leicht verftandliche alge- 
braifche Zeichen wiederholen, um «ihn an* 
fchaulicher zu machen ; allemahl aber wird 
dabey der phorönomifche Satz zum Grunde 
liegen, dafs- es gleichviel fey j pVder Punct p 
ruhe, und der Körper, fich bewege y oder ob 

..... ..i -3 : 'i t.-icV'-^ - ; 



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der Körper ruhe, und der Punct p eine Bewe r 
gung in entgegen gefetzter Richtung habe. 

087. Also: Ein Körper A ruhe. Er fo 
wohl als der Punct p muffen alfo die Bewe- 
gung H- x haben, oder, welches gleichviel ift, 
in dem Körper A muffen die Bewegungen 
-f- x und — x verbunden feyn *). Ein ande- 
rer Körper B nähere fich ihm mit der Bewe- 
gung H- a , und ruhe, fobald er den Körper 
A, oder, welches eben fo viel ift, den Punct 
p erreicht. Da nun 13 in dem Pancte p ru- 
het; fo mufs B jetzt die Bewegungen + a 
und — a in fich vereinigen, oder, welches 
das nähmliche fagt, der Punct p mufs die Be* 
wegung ■+• a haben. Da nun, vermöge der 
Ruhe des Körpers A> die Bewegung des Pan- 
ctes p eben fo grofs feyn mufs, als die des 
Körpers^, und die von p = H- a gefunden 
worden; fo mufs auch die von A = + a feyn. 
Mit andern Worten, A mufs die Bewegungen 
4- a und — a in fich verbinden. Es wirkte 
aber JB auf A mit der Bewegung •+• a t und wie 
wir fehen, wirkt A auf B zurück mit der Be- 
wegung — a. Folglich ift Wirkung der Ge- 
genwirkung gleich. 

*) Weil der Körper A ruhet, iA feine Bewegung fo-. 
wohl, als die des Punctes p unbekannt (279), itnd 
daher = x. Hier fieht man nun zugleich eine Probe 
von der "Unvollftändigkeit unferer algcbraifchen Be- 
«eichnungskunft ; eine Richtung ats' unbekannt auszu- 
drücken, haben wir kein befonderea Zeichen ; uud 
<loch müfste hier auch die Richtung gefucht werden. 

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1 

I : 

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135 

IV. 



a88. Man fieht leicht ein, dafs weder 
die Gröfse der beyden Körper, noch die Be- 
fchalFenheit ihrer Materie hier in Anfchlag 
gebracht worden : der Beweis ift allgemein, und 
ans blofs phoronomifchen Begriffen geführt. 
Er gehört aber dennoch aus zwey Gründen 
in die Mechanik: er Itlich weil die Verwand- 
lung der Bewegung der Körper A und B in 
die des Punctes p, nicht als wirklich, wie 
das die phoronomifche Conßruction der zu- 
fammengefetzten Bewegung erfordert, ange- 
nommen wird; fondern blofs als Mittelb egriff 
eines SchlulTes , der dann ausgefchaltet wird : 
fo etwa wie de la Hire und Kästner den 
einarmigen Hebel in den zweyarmigen, et 
vice verfc verwandeln, blofs um das Gefetz 
des Gleichgewichts zu beftimmen, bey wei- 
tem aber nicht in der Meinung, dafs diefe 
m Verwandlung wirklich vor fich gehe. Zwey- 
tens iß hier von Mittheilung der Bewegung 
die Rede und diefe macht blofs einen Gegen- 
ftand der Mechanik aus. 

1289. Man fieht aber eben fq leicht ein, 
dafs wir den Körper A nur des leichtern 
Vortrages halber ixihend; angenominen habenv 
Hat er felbft die Gefchwindigkeit r¥ b < a; 
fo mufs man nur, anftatt -Kx und * in A 
zu vereinigen, oder anftatt deiUv&ärper A und 



136 

demPuncte p die Belegung + xzu ertei- 
len, blofs annehmen, dafs p lieh milder Ge- 
fchwindigkeit -t- a und der Körper A mit der 
Gefchwindigkeit +{aM>) bewege; alles wird 
dann gerade wieder fo herauskommen, als es 
»um Beweife des Gefetzes erfordert wird. 
Doch wir können uns hiebey eben fo wenig 
aufhalten, als bey der Abänderung, die durch 
die Verfchiedenheit der Materie der Körper, 
ob fie nähmiieh hart oder elaftifch find, mit 
der Äufserung der Gegenwirkung vorge« 
het. Diefs find Sätze, die in die allgemein© 
Mechanik, nicht in die metaphyfifchen An- 
fangsgründe der Felben gehören. 

j2(jo. Wir haben demnach drey Hauprge- 
fetze der Mechanik: 

a) Die gefammte Materie beharret, der 
Quantität nach, unverändert, bey aller 
Veränderung, die in ihr und mit ihr vor- 
gehet. (265) '•■ % 

b) Die Materie ift träge, oder fie bedarf zu 
jeder Veränderung ihres Zültandes einer 
äuiTern Urfache. (2 ja.) 

m) Alle Materie wirkt eben fo viel zurück 
als auf fie gewirkt wird. (*85-) 
991. Alle diefe drey Sätze zeigen eine 
Relation von Materie zu Materie an, und 
das ürtlml der Beharrlichkeit, ift nur durch 
die Kategorie Subftanz , das der Trägheit nur 
dupch die. Kategorie Urffache, und das der Ge* 



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137 

genwirkung mir durch die Kategorie der 
Wechfelwirkung möglich. Es gibt aber un- 
ter dem Titel Relation nur diefe drey Ka- 
tegorien. Folglich find die gedachten Sätze 
auch die einzigen, die zur Metaphyfik der 
Mechanik gehören, 

< 

. 

Vierzehnte Vorlesung. 

4 

(Fernere Betrachtungen über die Gefetrfe 

der Mechanik.) 

* . ■ • . . . 

L 

■ 

092. Nachdem wir nun die drey Haupt* 
gefetze der Mechanik angegeben und gezeigt 
haben, dafs es deren nur fo viel geben könne, 
bleibt uns 'nichts weiter zu thun übrig, als 
noch einige Lehrfätze beizubringen, die 
gleichfam als unmittelbare Folgen, aus unferen 
-vorigen Betrachtungen von felbft fliefsen. 

£93, Nach der gewöhnlichen Meinung 
ift Ruhe Mangel an aller; Bewegung. (33) 
Wenn daher ein bewegter Körper einem ruhi- 
gen Bewegung mittheilen foll; fo geht das 
nicht anders an , als indem der bewegte Kör- 
per dem ruhigen einen Theil feiner Bewegung 
abgibt: gerade fo, wie der reichere dem Ar- 
men einen Theil von feinem Gelde gibt. •<• J 

094.. AuiTer daß man die Möglichkeit der 

15 



138 

Transfusion, oder eines folchen Übergaa- 
ges von Bewegung aus einem Körper in den 
andern, nicht gar zu wohl ein lieht, bleibt 
hiebey noch eine andere Schwierigkeit zu her- 
ben. Da nähmlich die Materie Trägheit be- 
fitzt, und diefe in einer völligen Gleichgültig- 
keit g^gen Ruhe und Bewegung beliehen inufs; 
(*72. /".) fo läfst fich gar nicht begreifen, wo- 
her die Gegenwirkung entfpringen kann. 
Denn der ruhige Körper leiftet, als träger 
Körper, jder Bewegung, in die er verfetzt 
werden foll , nicht den mindeften Widerßand, 
und benimmt daher auch dem bewegten Kör- 
per nicht das mindefip von feiner bewegenden 
Kraft. 

295. Die ganze Gegenwirkung befieht 
Auch in der That, nach der Meinung der 
Trans fusionisten, nur darinn» dafs der 
ruhige Körper die Maffe des bewegten ver- 
mehrt, und wenn daher, nach dem Zufam- 
mentreffen , die Bewegung noch vor fich ge- 
hen foll, mufs die Gefchwindigkeit, die der 
bewegte Körper befafs, unter beyde, den ru- 
henden und den bewegten, vertheilt werden: 
wo dann dem zuerft bewegten fo viel Ge- 
fchwindigkeit durch den ruhenden entzogen 
wird, als diefer Mafle hat. Es fey nähmlich 
des .ruhenden Körpers Matte = 4, die des: 
bewegten = B und deffen Quantität der Be- 
wegung — Qy fo wird deffen Gefchwindigkeit 



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45» 

I * 

ror dem Zufammentreljen mit A feyn C = -2» 

und nach demfelben C = (256) Allein 

aufler dafs wenn gegen B unendlich grofs 
ift, — eine Mauer z, B< an die ein Ball gewor-» 
fen wird — die ganze Geschwindigkeit von Bin 
A übergeht, ohne die geringfte Wirkung her-* 
vorzubringen, und daher ein wirklicher Ver» 
luft an der in der Welt vorhandenen Bewe^ 
gung ftatt finden müfste; aufser diefer noth-> 
wendigen Folge, die felbft die Trans fufioniften 
nicht gelten laßen, langt man mit diefer Vor- 
ft ellungsart bey elafiifchen Körpern nicht ein- 
mahl aus. Denn bey ihnen mufs der ruhende 
Körper nicht blofs die Quantität der Materie 
des bewegten vermehren, und fein Gegenwir- 
ken in einer Art blofsen Leidens beliehen j 
fondern er mufs (ich wirklich thätig be weifen, 
und dem ihn ftokenden Körper eine Bewegung 
in entgegen gefetzter Richtung wirklich mit- 
theilen. Woher nun diefes, das jedem bekannt 
■ * • 

ift, der die erften Anfangsgründe der Mecha- 
nik weifs, bey elafiifchen Körpern entliehe, 
läfst fich fo wenig begreifen, als fich ein Merk- 
mahl angeben läfst, das uns denünterfchied der 
harten und elafiifchen Körper fo deutlich 
machte, uni einzufehen, dafs der Begriff' der 
Gegenwirkung bey den letzten ganz etwas an- 
ders, als bey den erften bezeichne : liier blo- 
fse, , Verine,hrun£ der Quantität der Materie, 
dort wahres Zurückwirken. 



..." . 

sp6. Nach ünferer Vorftellungsart hinge- 
gen vereinigt jeder ruhige Körper zwey entge- 
gengefetzte Bewegungen in lieh, und beharret 
hlofs an feinen Orte m abfoluten Räume, weil 
die Bewegungen gleich grofs find. So lange 
daher kein bewegter Korper auf den rulligen 
anruckt, bleibt es unbeltimmt, wie grofs die 
Bewegungen find, die der ruhige Körper in 
lieh vereinigt. Sobald aber ein Körper B lieh 
auf ihn A mit der Quantität der Bewegung 
=: a bewegt, iit es eben fo gut, als ob A fich 
auf JB mit eben diefer Quantität der Bewegung 
aber in entgegen gefetzter Richtung bev, egte. 
(39.) Da A aber doch in feiner Stelle behar- 
ret, mufs er nothw endiger Weife die Bewe- 
gungen + a und — a in fich vereinigen. 
\ *97- Bewegung mittheilen, heifst dem- 
nach nichts anders, als die Quantität der iie* 
wegung, die B allein beGtzt, unter A und B 
nach Maafsgabe der Quantität ihrer Mäterie 
vertheilen: wenn nähmlich J3 fich auf A be- 
wegt , fo verläfst eben dadurch auch A feine 
ßtelle im relativen Räume, weil A*(iem B eben 
fo viel näher kommt, als B fich ihm nähert. 
Daher mag fich A durch den Stöfs den er von 
JB erliält, init ^ndliclier oder unendlicher klei- 
ner Gefchwindig^eit 'bewegen ; alle Mahl theilt 
ihm J3 Bewegung mit, und zwar gerade fo viel 



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als er gegen ß zurückwirkt. Denn die Bewe- 
gung die der eine dem andern mittheiit, befteht 
doch eigentlich nur in dem wechfelfeitigen 
Entgegenkommen, alfo in der Gegenwirkung. 

agij. Hier geht demnach keine Kraft ver« 
loreri; denn felbft der gröfste Körper wird 
von dem kleinften in fo fern bewegt, 'in fol. 
fern jener fich diefem eben fo viel nähert; als 
der kleine auf ihn anrückt. Eben fo wenig 
bedarf- es hier einer eigenen Kraft, wödurch 
ein Körper dem andern Bewegung mittheilt; 
denn die Kräfte, mit denen ein Körper feinen 
Raum erfüllt, anziehende und zurückftofsen« 
de Kraft nähmlich, reichen nur fo lange aus, 
ihm feine Stelle im Räume zu erhalten, als 
leein anderer Körper feine Stelle verläfst. Ge- 
fchieht das letzte; fo verläfst fchon dadurch 
jeder andere Körper ebenfalls feine Stelle, 
indem feine äußeren Verhältniffe Geh gegen 
den bewegten Körper verändern: Ein beweg- 
ter Körper theilt allen in der Welt feine Be- 
wegung mit. Endlich findet hier auch kein 
Unterfchied zwifchen Materie und Materie* 
ftatt. Mag die Qualität der Materie fevn wel- 
che fie wolle , immer ift Wirkung der Gegen- 
wirkung gleich: ein Stück Elfenbein theilt 
einem Stücke weichen Thons eben fo gut wie 
einem andern Stücke Elfenbein feine Bewe- 
gung mit: gefchieht aberdiefesj fo entlieht, 
wie wir gefehen (297) «ine gleich große- Ge- 
genwirkungdaraus. 1 ' 



H 8 

III. 

r (Solicitation und Acceleration.) 

fl99» Weil nun die Materie träge iß; fo 
bedarf der ruhende Körper stets einer äuflern 
Urfachc, um in Bewegung gefetzt zu werden« 
(27a) Iß daher die Bewegung einmahl er- 
folgt; fo bleibt der Körper, eben vermöge fei- 
ner Trägheit, noch ferner in Bewegung, felbfi 
wenn die Urfache aufhört zu wirken: ein 

« 

Körper, der einen Stöfs ethält, würde fich 
mit diefem Stofse allein, den Widerfiand der 
Luft, der Reibung u. d. gl. abgerechnet, fiets 
fortbewegen. 

500. Läfst aber die Kraft nicht nach zu 
wirken; fo bekommt der Körper in jedem 
Augenblicke einen Zuwachs an Bewegung; 
denn er behält den Eindruck der erßen Ein- 
wirkung, und bekommt deren befiändig neue 
zu: feine Bewegung wird daher befch}eu- 

'01. Dieneue Kraft, die, bey der fort- 
gefetzten Einwirkung derfelben, der Körper 
in jedem Augenblicke erhält, (500) heifst die 
Solicitation, und der Zuwachs an Bewe- 
gung, der dadurch entßeht (ibid.) das Mo- 
ment der Bfchleunigung. Setzt man 
daher die Solicitation = p, und die Quantität 
der Materie welche die Solicitation erhält 
= y; fo iß das Moment der Befehl eunigung 



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HS 

§02. Diefes Moment der BefcMeuuigung 
( 301 ) bezieht fich eigentlich auf Jen Raum, 
den der bewegte Körper in jedem Augenblicke 
durch die Solicitation befchreibt: hätte er 
nähmlich mit dem gleich anfänglich erhalte- 
nen Eindrucke in jedem Augenblicke den 
Kaum x durchlaufen \ fo befchreibt er nun in 
dem zwey ten. Augenblicke den Raum x + d x, 
in dem dritten x ■+• 2 d x y und fo in jedem 
kommenden etwas mehr als in dem vergan- 
genen. 

505. Der Zuwachs an Bewegung, oder 
.-lüefer neue Raum, den der Körper durch die 
Einwirkung der Solicitation in jedem Augen- 
blicke mehr als in dem vorigen befchreibt, 
mufs, wie wir auch (502) gethan, durch eine 
unendlich kleine Gröfse vom erlten Grade aus- 
gedrückt werden. Denn da die Solicitation 
in jeder noch fo kleinen, alfö unendlich klei- 
nen Zeit wirkt ; fo können wir die Dauer ihrer 

Wirkung mit ~ bezeichnen. Sagt man dem- 

nach, der Eindruck einer fortgefetzten Ein- 
wirkung der Kraft auf den Körper dauere die 
endliche Zeit t hindurch; fo ift es eben fo 
viel, als fagte man, fie wirkt eine folche 

Zeit lang auf ihn , die durch co ^ ~ vorge- 
ftellt wird, indem jedes Bruches Zähler her- 
auskommt, wenn man ihn mit feinem Nenner 
multiplicirk Wäre nun der Raum, den der 
Körper durch die Solicitälion in der Zeit ^ he* 



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»44- 

r 

fchreibt, endlich und = sc; fo würde er in der 
Zeit f , den Raum co x d. h. einen unendlich 
grofsenRäum zurücklegen, welches aber nicht 
angeht, indem ein unendlich grofser Raum 
gar nicht befcbrieben werden kann. Wäre 
aber das Moment der Befchleunigung eine un« 
endlich kleine Gröfse vom zweyten Grade, fo 

dafs der Zeit ~ der Raum a entfpräche; fo 
würde in der Zeit t = cc W — nur der Raum 

Co 

~- zurückgelegt werden können, welches, aber 

Ruhe wäre. (54) Daher mufs das Moment 

der Befchleunigung dx = ^ angenommen 

werden; denn alsdann ift der Raum, den der 

Körper in der endlichen Zeit l = co X be- 

fchreiben wird , dem Producte aus einem un- 
endlich grofsen in ein unendlich kleines, alfo 
einer endlichen Gröfse gleich, t. d x =• co 

304.. So wie aber das Moment der Be- 
fchleungiung allemahl eine unendlich kleine 
Gröfse vom erften Grade feyn mufs, (503) fo 
yerfchieden ift die Solicitation (301) felbft, 
je nachdem die Kraft durch Zug, oder durch 
Druck und Stöfs, als anziehende oder als zu- 
rückftofsende Kraft wirkt. Die letzte ift nur 
eine Fiächenkraft, (170) d. h. bey ihr trägt nur 
die Kraft der äufTein Fläche des bewegenden 
Körpers etwa« zur Bewegung des ruhenden 

bey« 



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I 



I 

> 

bey*). Es verhält (ich aber jede- Fläche zu 
einem Körper wie y; eo y f oder in jedem 
Körper können unendliche Flächen angenom» 
men werden. Auch ift y: co y = 7 :y. Wenn 
daher die Quantität der Materie der Fläche, 
die in Bezug aiif die des Körpers unendlich 
klein ift, einen Körper in Bewegung fetzen 
foll ; fo mufs diefes noth wendiger Weife mit 
eine* endlichen Solicüation gefchehen, Deriln 
alsdann ift die Quantität der Bewegung diefer 
Solicitation, oder das Moment der Befchleu- 
nigung = v. X = v. r äy 9 (501) eine unendlich 
k leine Grö fs e vom » erft en Grade j j genau So wie 
es (503) beftimmt ward. 

505. Hingegen mufs die Solicitation , die 
durch eine anziehende Kraft gefehi^ht, un- 
endlich klein vom erften Grade feyn. Denn 
hier, als bey einer durchdringenden Kraft , 
(170) wirkt die ganze Quantität der Materie 
y des bewegenden Körpers. Nun ift das Mo- 
ment der Befchleunigung v y, (501) eine un- 
endlich kleine Gröf*e vom erften Grade^oj) 
Wäre daher v eine endliche, odtfr eine un- 
endlich kleine Größe • vom zwey ten Gr hde ; 
fo- wäre; da y felbft endlich ift, vy im erften 

Fälle endlich, im zweyten Falle unenAtöeh 

■ 1 

*) JQafs Jiier von aller Einwirkung; der Schwert ab/tva- 
hitt werden nmfs, vcdtolif .'Tich von folhlt; denn foult 
■ wii0 der Stöfs durch anxichend« Kraßt litfrvbrg«- 

K 

■ 

■ 

i 

- 

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H 6 

klein vom zwteyteh (irade* Welches aber bey* 
des nicht angeht* (303) 

IV. 

(Stetigkeit.) 

go6v Überhaupt kann die Anziehung» die 
ein Kötfper gegen den andern ausübt f ma- 
lt ets mit unendlich kleiner Gefchwindigkeit 
gefchehen. Denn wie wir oben (213) gefe- 
hen, beruht der Zufainmenhang der Materie 
auf der anziehenden und zurückftofsenden 
Kraft zugleich \ • durch die erfte ftreben die 
Körper ihre beyderfeitigen Mittelpuncte zu 
nähern ; die zweyte ift gerade fo grofs , um 
verhindern zu können« dafs fie nicht weiter 
als bis zur Berührung kommen. Nun aber 
verhält fich die zurückfiofsende Kraft, als 
Flächenkraft , zur durchdringenden der an- 
ziehenden Kraft, wie das Product aus einer 
Fläche in die Gefphwindigkeit, zu dem Pro- 
ducte aus einem Körper,in die Gefchwindig- 
keit* Setzt man daher die Quantität der Ma- 
terie des Körpe*s=y, die endliche Gefch win- 
digkeit (304) der zurückftofsenden Kraft = 0 
und die Gefchwindigkeit der anziehenden 
Kraft = u; fo verhält fich zurückfiofsende 
Kraft zu anziehender Kraft , wie vdy zu uy. 
Sollen fich nun diefe beyden Kräfte das 
Gleichgewicht halten können; fo mufs vdys=z 



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u y und U = du feyn , indem fonft die unend- 
lich kleine Zuxückftofsung&kraft, der endli- 
chen ^Anziehungskraft nicht das Gleichgewicht 
halten , und der Körper fich felbft durchdrin- 
gen würde. t :j ^ 

507. Au* dem bisher Gefegten la&t fich 
der Streit über ein für die Metaphyfik der 
Mechanik fehr wichtiges Gefetz entfcheiden : 
das Gefetz der Stetigkeit. 

308. Man verlieht nahmlich, in Hinficht 
auf Bewegung, die Behauptung darunter, dafs 
keinem Körper Ruhe oder Bewegung plötz- 
lich mitget heilt, noch die Gefch windigkeit 
oder die Richtung des bewegten Körpers 
plötzlich verändert werden könne; fondern 
alles nach und nach vorgehe, und zwifchen 
dem Zuitande den der Körper hatte, und, dena 
den er bekommt, eine unendliche Reihe von 
MittelzuXtanden liegen, die aUe durchlaufen 
werden muffen, ehe er von dem einen in den 
andern treten kann. \ Ein Punct, der lieh in 
dem Umfange eines Vierecks bewegt^ kömmt 
von der einen Seite in die andere nicht plötz- 
lich und mit einem Sprunge, befchreibt daher 
nicht 90 0 mit einem Mahle; fondern nach und 
nach, indem er fich im endliche Mahl in unend- 
lieh kleine Winkel biegt,, um fodann difc end- 
liehe Veränderung -. feiper Richtung au «r* 
halten. • ' '• 

S09. In der Geometrie inuts «um 

KV , 



i/f8 

annehmen, wenn man nicht voraus filzen will^ 
clafs ein Punct, der die eine Seite des Viereck! 
iiefchrieben hat, nun ani Enie derfelben ans* 
ruht, und darin gleichfam rechte oder link** 
um macht, um weiter fortzugehen ; : jede* 
plötzliche Umdrehen fetzt ein Aufhören der 
alten Bewegung und eine* Anfang der neuen 
voraus. Denn der Körper mufs den Punct, 
bey dem er (ich umdreht, zweymal bei 
fchreiben. Selbft wenn man das plötzliche 
Umdrehen aus der horizontalen Richturig in 
die verticale, in Anfehun£ der Zeit vorläufis 
zugeben, Wenn man fagen -wollte, "es wer'de zit 
diefem Uebergarige aus der einen Lage in die 
andere keine gröfsrere Zeit erfordert, als um iii 
3er geraden Linie fortzufch reiten^ fo mufs 
man doch von (ier andern Seite geliehen, da fs 
ein Winkel von 1 8o° (eine gerade Linie) nicht 
in einen Winkel von 90' ° verhandelt werden 
könne, wofern man' nicht die gefade Linie erß 
durch alle* Grade und alle Theil£ von Graden 
biegt, die zwifchen lßo 0 ' und $0* 'liegen: ehe 
nähmiicn der Winkel von 180 0 j auf 90* ge- 
brächt Tvird; mufs er erß 170° u. f. w. geWe- 
len feyri. 'Man räumt alfo eben dadurcn die 
Stetigkeit in Änfehung der Zeit ein, indem 
man' fleh der ' ,A Ä dsdrücke erst und dann be- 
dienert mufs J aber mehr fagt auch das Gefetz 
der Stetigkeit nicht aus. ' 

$10. Die größte Schvrierigkfcit inacht das 

• * 

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< 

* 



H9 

^ufaminenftofsen vollkommen harter Körper. 
Wenn liähmlich z wey vollkommen fcarte Kör«? 
per, deren Quantität der Bewegung gleich üt» 
^ufammentreffen, müflen fie in dem Augen- 
Wicke ruhen , als das Zufammen^reffen ge- 
fchieht. Denn der eine Körper hat eben ein 
iblches Recht, feine Bewegung etwa van 
Ofteji nach Weften fortzusetzen, als der an* 
dere von Weßen nach Qften, Da m? *l>er 
diefes nicht angeht,, wofern nicht der eine 
Körper durch den andern gehen foll.; fo 
jntifs ihre Bewegung beyderfej (Ts fogleich 
aufhören. Hier müfste fich ajfo Bewegung 
plö tzlich in Ruhe ypx w andeln . 

311. Allein wenn man den richtigen Be- 
griff von einein harten Körper mit den Sätzen 
verbindet, die wir (299/) beygebracht hc> 
ben; fo erhellet, dafs es gar keine vollkom- 
men harte Körper geben könne. 

51$. Unter einem vollkommen har- 
ten K.örper verficht man nähmlich einen 
folcheu, deflfcn Thefle lo zufainmenhansc'h, 
dftfs. fie durch keine Kraft in ihrer Lage ver- 
ändert* oder gar von einander getrennt wer- 
den können* Diefes kann aber nur dann zu- 
treffen, wenn die Anziehungskraft der Theiie 
diefes Körpers gegen einander fo grofs iit, 
dafs jede andere Kraft, die fie trennen wollte, 
dagegen verfch windet , oder o ift: d, h, 
: TO« .fis felbft ^ <c. ift. Jedes Theilchen von 

K 5 

1 

\ 

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150 < . 

einem folchen Körper übte demnach auf das 
andere eine unendliche Anziehung aus, und 
mithin ftrebten auch alle Theile zufammen, 
fich mit unendlicher Kraft in ihrem Mittel- 
punete zu vereinigen. Dafs diefes nun nicht 
gefchieht , und der Körper eine Ausdehnung 
behält, daran ift die urfprüngliche Zurück- 
ftofsungskraft Schuld: fie treibt die Theile 
mit eben der Gewalt aus einander, als fie fich 
in fich felbft zufammenziehen wollen. ^ Jtfun 
aber ift die zurückßofsende Kraft nur eine 
Flächenkraft , und wenn daher der gedachte 
vollkommen harte Körper eine Quantität der 
Materie =y befitzt, wird die Quantität der 
Materie, auf welche die zurückßofsende Kraft 
wirkt, durch dy ausgedrückt werden müilen. 
(504) Die Quantität der Bewegung, welche 
beyde Kräfte ausüben, würde demnach her- 
auskommen, wenn man ihre refpectiven Kräfte 
mit der Quantität der Materie multiplicirt ; 
daher die der Anziehungskraft = 00 y, die 
der Zurückftofsungskraft, die jener daß Gleich« 
gewicht halten mufs = co 2 dy feyn. Jedes 
einzelne Theilchen eines folchen Körpers wür- 
de demnach mit einer unendlichen Kraft vom 
eilten Grade an feinen Mittelpunct gezogen, 
aber mit einer unendlichen Kraft vom zwey- 
ten Grade von demfelben zurückgeftofsen. 
Was heifst das aber anders, als jedes Theil- 
chen entfernt fich mit einer unendlichen Kraft 



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'5* 



vom erften Grade von feinem Mittelpuncte, 
der Körper hat gar keinen Zufammenhang. 
Da nun diefs der Annahme wider fpricht , fo 
kann es keine vollkommen harte Körper ge- 
ben, und der Satz, (310) der nur von ihnen, 
aber nicht von weichen oder elaftifchen Kör- 
pern gilt, kann als ein blofs hypothetifcher 
Satz, keine Einwendung gegen das Gefetz der 
inechanifchen Stetigkeit machen, 

315. Daraus läfst fich nun das Gefetz dejr 
Stetigkeit auf eine directe Art beweifen. Da 
es keine Körper geben kann* die durch ihre r 
immer endliche Bewegung, die Bewegung 
eines andern Körpers plötzlich in Ruhe zu 
verwandeln im Stande find: fo mufs diefeVer T 
Wandlung nur nach und nach durch unendlich 
kleine Abfiufungen ^efchehen *) v 

* 

*) Wie genau dieCes mit unferer Vorßellung von der 
Theilbarkeit der Materie au Tamm en hange , wird jeder 
geübte Lefer wohl felbß einfehen. Man kann lieh 
aber davon «im Heften durch eine Schrift meines urt- 
fterblichen Lehrers, Käftners, unterrichten , die Er 
unter dem Nahmen de lege continui in natura. Leipz. 
1750. herausgegeben hat. Mit der ihm eignen prüfen- 
den Belefenfieit wird man dort alles zufaiainenlinden, 
was bis auf jenen Zeitpnnct für und wider diele Ge~ 
genitande gedacht wurdet 

, r ' 

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I 



15« 

Fünfzehnte Vorlesung. 

-" • ■ ' • > 

(Phänomenologie, oder von der Bewegung 
als Gegenftand der Erfahrung.) 

r 

I. 

514.. Ehe wir mm weiter gehen» und den 
phänomenologifchen BegrifF der Materie feft- 
fetzen, mülTen wir einige Betrachtungen Vor« 
anfchicken. 

515. Unter £ rf a h r u n g verficht man das 
Bewufstfeyn, dafs der VörÄellung von diefem 
öder jenem Objecte, das ich habe, ein folches 
Object wirklich zukommt. So habe ich eine 
Erfahrung von einem Brote, wenn ich mir 
bewußt bin, dafs meine jetzige Vorfiellung 
von einem Brote, wirklich vott einem aufser 
mir befindlichen Brote herrührt ; fo ebenfalls 
von der Liebe eines Menfchen zu einfcm an- 
dern , wenn der eine den andern wirklich ** 
Lebt. 

516. Da nun jedes wirkliche Object be- 
fiimmte Merkmahle enthält, wodurch es zum 
Individuum wird, und lieh von andern Dingen 
unlerfcheidet 5 fo. haben wir dann eine Erfah- 
rung (315) von dem Objecte, wenn fich in 
unferm Bewufstfeyn alle Merkmahle verei- 
nigen, die dem Objecte zukommen. 

317. Sind uns daher nur einige Merk* 
mahle gegeben, und wir fchliefsen von ihnei* 



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»55 

• 

auf da$ Pafeyn aller; fo ift die daraus gefol- 
gerte Erfahrung nur Schein. Dereinen 
Pfeiler in der Ferne für eine Säule hält, hat 
von einem Theil der Merkmahle, wodurch 
das Object beftimmt wird, auf das Däfern aller 
gefchlofTen: er hat die Merkmahle, die ihm 
das Geficht darboth, zur Beßimmung des Ob- 
jects allein hinreichend gehalten, und die nicht 
aufgenommen, die ihm das Gefühl (tactus) 
hätte liefern können. Eben fo der mit einer 
heiflen Hand laues Waffer berührt, und es 
für kalt hält , hatte das Thermometer zu Ra* 
the ziehen follen, um fich von den Merk- 
mahlen des Waffers zu überzeugen. Beyde 
haben daher nur einen Schein. 

518. In diefen Fällen ift immer der Ver- 
ftand Schuld, wenn Schein für wahre Erfah- 
rung genommen wird : et ur titeilt , diefs ift A 
aus nicht hinreich endeflf Merkmahlen. 

519. Was aber in Bezug auf das Object 
ein Schein iß , wird in Bezug auf das Subject 
eine Erfcheinung. Dem Menfchen, der 
in der Ferne fleht, und alfo den Pfeiler nicht 
betafiet, oder der das laue Waffer nicht durch 
das Thermometer unterfucht, fcheint der Pfei- 
ler wirklich Säule, das laue Waffer wirklich 
kalt zu feyn. 

320. Hiebey ift der Verftand nun gar 
nicht mit im Spiele: denn däfs der eine dje 
Vorftellung von einer Säul«, der andere di.jp 

K 5 



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* ■ « 

vom kalten Waffer habe, ift, unter den er- 
wähnten Umftänden, nicht zu erwähren, und 
fie haben beyde diefe Vorftellungen ohne 
Bey hülfe des Verfiandes, blofs durch die Ein- 
drucke erhalten, die die Objecte auf ihre Sinn* 
lichkeit machen. 

321. Bleibt der Menfch alfo hiebey fie» 
hen, fagterßchblofc; ich bin; mir bewufst, 
diefe oder jene Vorftellung zu haben; fo kann 
man diefs Bewufstfeyn weder Schein noch 
Jßr fahrung (317* 3*5) nennen. Denn zu bey«. 
den mufs er fich bewufst feyn, dafs feine Vori- 
Itellung dem Objecte zukomme: es ift alfo 
eine Erfcheinung. 

3ßö# Soll demnach die Erfcheinung (319) 
in Schein oder Erfahrung, gleichviel, ver- 
wandelt werden ; fo mufs der Verfiand durch 
ein Urtheil das Bewufstfeyn des Subjects auf 
das Object beziehen ; er mufs fagen : die 
JVIerkmahle, deren ich mir bewufst bin, und 
durch welche mir die Erfcheinung geliefert 
wird, kommen dem Objecte fo zu, wie ich 

mir ihrer bewufst bin. Ift das ürtheii rieh- 

> 

tig, fo hat er auch, eine Erfahrung; im entge 
gen gefetzten Frille nur Schein. 

IL 

■ > « 

5 a S» Dief^s vorausgefetzt, gehen wir 

weiter. — Wir haben die Materie durch das 

■ 

• V 

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»55 

Bewegliche im Räume, (fif^) und Bewegung 
durch eine Veränderung der äufseren Verhält- 
niffe eines Dinges zu einem gegebenen »Puncte 
im Räume i (01) erklärt. Nun aber ift es 
gewifs, dafs, für die Erftheinung; (319) ein 
Ding feine äufseren VerhaltnilTe gegen einen 
gegebenen Furict im Raum© eben fo gut 
verändert, wenn es fich von dem Puhcte, als 
wenn diefeir fich von ihm entfernt ($9) Für 
den Eindruck, den ein von mir entfernter 

- 

Pfeiler auf mich macht, ift es' gleich viel, ob 
ich vom Pfeiler, oder er von mir, oder einer 
von dem andern entfernt wurde: /allemahl 
wird er mir , in einer gewiffen EnÄrnung, 
als Säule erfcheinen. 

324. Für die Erfahrung hingegen ift dief« 
bey weitem nicht gleichgültig. Denn hiebey 
heifst es nicht blofs : ich habe diefes oder je- 
nes Bewufstfeyn; fondern diefes $ewufstfeyn 
ift mir durch das Object gegeben. Da kann 
dann freylich nur' einer von den drey Fällen 
ftatt gefunden haben ; entweder hat fich die 
Materie von mir, oder habe ich mich von der 
Materie, <oder endlich haben wir uns von, ein. 
ander entfernt. ■ ' ^ 

325. Urri alfo einen völlftändigen Begriff 
von der Materie zu erhalten, ift es'nicht hin- 
reichend, zu wiflen, Welche Vörftellung man 
fich vön ihr als Erf cReinüag, fondern auch 
als Gegenftand möglicher Erfahrung zu 



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I 

I 

I 

4 1 

jnachen habe.; nicht nur mtfs man wi^e«, 
virus der Mensch, fybjtctiye, Jfich vorder Ma- 
terje rorfteUt, um alle in Bezug auf Bewegung 
waifirgeno^iiTiefle Veränderungen fich erklären 
au können ;« fondern auch welcher Antheil an 
4igfen Veränderungen durch Bewegung, der 
Materie, objectivt > yon dem Menfcfeen bey- 
gelegt werden: nuifle„ > ?rr .. >, * 

- 5*6, Dami^esheUej: aber, dafsiiwir die 
Ürfache zu den Veränderungen d#rch Bewe- 
gung in der Materie fuche*:; oder noit an- 
der^ Wprten, dafe wir dasjenige Bewegliche 
Materie nenne» , welches Gegenftand nzög. 




507. PalTen w^r diefe ( hier (3 *ß) gegebne 
phänomenc^ogifche Erklärung , d^r ,Materie 
den drey obigen Erklärungen, der Materie 
.(94. n6. an » fo ergibt ,ßch 4? . 

a) D{is im B^ine hpiß* Miater^e, was 
durch feine Beweglichkeit Gegenftaird 
der Erfahrung Warden k a n n j \ 

- - 

b) Das im Räume heifst .^terie, was 
:•• ^ eine Kraft befe&fc den IV^nan^u erfül- 

\ len, und f 4^sAegenftand^der. Erfah- 
rung. wirdjiiwd :il . VJj)v 

c) Das to^u^ was die 
^^tjh#t^TOB^m^^ilen, und 



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»54 

dadurch in unferm Gemüthe die Vdr- 
ßellung von änderet Materie \ afel^ 
gehftfcud der Erfahrung , hervorbiin- 

* gen m tt fe. ^ st' \i H 

Doch dief3' bedarf der Erläuterung, 'un4 
foll fie in folgende Sätzen erhalt eil: • 

, IV 

S«8. So viel ift nahmlich gewifs, daß 
der vollkommen abfolute Raum (aß) gar 
Kein Ge&erifthnd der Erfahrung Wörden kann. 
Auf6er dem, \vas hiernbei' fchoh oben (fiiä$ 
beygebracht forden , fliefst aus 'iem Begriffe 
d'er Bewegung felbft, däfs die Vorftellürig vottt 
vollkommen abfoluten fcaume eifte Idee, tm£ 
mithin ftir die Erfahrung über fchWenglicJi 
fey. Denn Bewegung heifet die Terändetftmg* 
der äufserenVerhältniffe eines Dinges gegen ei* 
nen gegebenen Punct im Räume, (öi) Nuh 
aber kann diefer Punct angenommen werden, 
wo man will, indem der bewegte Körper feine 
änfferen Verhälimffe in der That feegeh jeden 
Punct im Räume verändert. Man dahref 
fehr gut fagen können: dasjenige' Din§ ift in 
Bewegung, das feine äufseren VerhältnilTe ge- 
gen einen Raum überhaupt verändert. Da* 
durfch aber, dafs diefes gefchieht, verändert 
auch der Rauni feine aufsereri Vethältnifle ge- 
gen das Ding, und er fch eint uns als bewegt. 



\5Q 

Soll nun di^ßa^rfcheüitlBg Erfahrimg Werden ; 
fo mufs diefer Kaum fich wirklich bewegen : 
. d. h. feine äufseren VerhäkniiTe gegen einen 
Punct in einem grofsem Räume, und mithin 
gegen dißfen; grpfeern Raum felbft verändern. 
Bezeichnen wir die wirklich bewegte Matetfie 
mit m, und die wirklich bewegten Räume, 
wie fie immer gröfser werden, mit A, B, C, JD 9 
etc. ; fo folgt, wenn man obige Schlü/Te fort- 
fetzt, aus der wir. Wichen Bewegung von rn, 
dafs A als .bewegt erfqheiiit; aus t der wirkli- 
chen Bewegung von A y dafs U uns bewegt er* 
&heiirt, und fo weiter immer dieJBewegung ei- 
nes grofsem Raumes ins unendliche, ohne je 
auf .einen zu (tofsen, d^r als unbewegt gedacht 
und doch Qsgenftand der, Erfahrung wer- 
denr könnte.. t Wenn man alfo Einen Raum als 
fchjechthin pp}>e.wegt denkt , und in ihm alle 
Bewegung vorgehen läfst; fo ineint man da- 
mit . einen wirklich upeitfUjch grofsen Raum, 
der eine fdee, und aufser : unferer .Vernunft 
nicht vorhanden v ift. , , 

559. Da alfo jeder Raum, welcher Gegen- 
ftand rnöglicher Erfahrung werden kann, als be* 
jregt gedacht werden mufs ;. fo folgt der Satz. 
In Hinficht auf mögliche Erfahrung, ift bey 
der geradlinigen ß^w<egung, dasUrtheil : 
die Materie is t das Bewegliche in* Räu- 
me, nur probtlejnaüfch zu nehmen, und 
fagt weiter «nichts f als es ift eben fo 

■v. 

f 

t . t 

T 

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15$ 

möglich, dafs fich die Materie von ei* 
nem Puncte im ftaume, als dafs der 
Raum fich von der Materie entfernt. 
330. Wir brauchen nur (liefen Satz zu er* v 
läutern, um feine Richtigkeit darzuthun. In 
der That iß es für die Erfcheinung, die uns ei« 
ne geradlinige Bewegung darbietet, gleich«* 
viel, ob der Körper lieh von einem Puncte im 
Räume, oder diefer Punct fich in entgegenge-. 
fetzter Richtung von dem Körper entfernt- 
(39) Welches alfo in jedem befondern Falle 
wirklich ßatt finde, welches Erfahrung fey* 
iß bey der geradlinigen Bewegung diries Pünc* 
tes, in Bezug auf einen einzigen andern* gar 
nicht auszumitteln. Wenn wir alfo fagen, e$ 
ist die Materie, welche lieh bewegt; fo kann 
das nur problematifch gefagt feyn, indem di« 
Veränderungen der äufseren Verhältnifle, die 
wir an dem Körper wahrnehmen, nicht von 
feiner, fondern einzig und allein von des Rau- 
mes Bewegung in entgegengefetzter Richtung 
herrühren kann. 

531* Eben aber dadurch, dafs bey einer ge- 
radlinigen Bewegung nur einer von den ge* 
dachten zwey Fällen als wirklich angenommen 
werden kann; eben weil wir Tagen mäßen, 
dafs entweder der Raum, oder die Materie 
fich bewegt; eben dadurch fehen wir ein; 
dafs, um die Vorßellung von Bewegung zu er» 
halten, wir uns die .Materie fteU in Beziehung 



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i6a 

auf. einen Raum, oder Punct im Baume, den« 
ken müflen. Ohne eine folche Beziehung hät- 
ten wir gar keine Vorfiellung von Bewegung. 
Nun heißt aber eine Bewegung, die auf kei- 
nen IVaüm» noch Punct im Räume bezogen 
■wird* eine abfohlte Bewegung. Folglich 
ift eine abfolute Bewegung unmöglich, (nihil 
negativuinj 

552, Wenn wir alfo in der Phoronomie 
tfie Materie erklärt haben, dafs fie das Beweg- 
liche im Räume iis t^ fo bedeutet die Copula 
is t in diefeni TJrtheile , in Bezug auf die Mo- 
dalität deflelben, nur fo viel , als es ist mög- 
lich, dafs es die . Materie fey > ^welcher die 
Bewegung zukommt. ' w . , 

353. Die Urlache , weshalb die phorono 
-mifghe Erklärung der Materie, ihr in der Be- 
weglichkeit ein blofs mögliches Prädicat bey- 
legt, beruht fummarifch darauf, dafs wir in 
der Phoronomie die Bewegung als blofse Ent- 
fernung, und daher ohne Rück acht auf bewe- 
gende Kräfte betrachten. Nun liegt es in der 
That in. dem Begriff der Bewegung als blofse 
Entfernung eines Punctes von deih andern, al- 
fp in dem Begriffe der geradlinigen Bewe- 
gung, dafs bey de iPuncte ihren Abftand von 
einander verändern,, tdie bewegende Kraft mag 
zukommen, welchen! vxni bey den man will. 
Für die Erfcheinung ift e*i daher ganz gleich- 
gültige welcher von heyden Puncten lieh 

bewegt, 

* 

4 

m 

- 

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bewegt, das ift, die bewegende Kraft befitzt ; 
und da in der geradlinigen Bewegung gar 
nichts enthalten ift, woraus fich fchliefsen 
läfst, dafs die Materie vielmehr als der Raum 
die bewegende Kraft hat, fo ift auch gar nicht 
auszumachen, ob die Materie nicht vielleicht 
ruhe, und der Kaum fich in entgegengefetz- 
ter Richtung bewege. Phoronomifch alfo ift 
die Beweglichkeit, als Eigenlchaft der Mate* 
rie, einblofs mögliches Prädicat: dafs uns die 
Materie durch eine geradlinige Bewegung 
Gegenftand der Erfahrung wird, kann daher 
rühren, weil lie Beweglichkeit befitzt. Es 
kann aber auch feyn, dafs der Raum fich be- 
wegt, dafs durch feine Bewegung die Materie 
bewegt zu feyn fcheint, und dadurch Gegen- 
ftand der Erscheinung wird, 

334. Ganz anders verhält es fich freylich 
mit der krummlinigen Bewegung. Doch da- 
von nachftens, weil wir, um diefes recht ein- 
zugehen, einige Schritte zurück thun mülfen. 

* 

1 



1 



Di. 



»6? . , 

Sechzehnte Vorlesung, 

4 

• I 

(fientripetal und Centrifugalkraf t.) 

• * » 

335. Wir wiffen, dafs wenn bey allem 
Beitreten eines Punctes einem andern Puncte 
näher zu kommen, dpch die Linie ihres bey> 
derzeitigen Abfiandes nicht verkleinert wird, 
wenigftens einer von beyden Puncten Zurück- 
ftofsungskraft befitzen muffe. (85) Betrachtet 
man einen der beyden Puncte als in dem Mit- 
telpuncte eines Kreifes, und den andern, als 
in äer Peripherie des Kreifes liegend ; fo nennt 
man die Zurückftofsungskraft, Centrifu- 
gajkraft. 

$36. Eben fo wiffen wir, dafs wenn, bey 
allem Beftreben eines Punctes lieh von einem 
andern zu entfernen, doch die Linie ihres 
beyderfeitiges Abfiandes nicht ' vergröfsert 
wirdj wenigfiens einer von beyden Puncten 
Anziehungskraft befitzen muffe. (84.) Stellt man 
(ich abermals die Lage beyder Puncte fo wie 
335 angeben worden vor; fo nennt man die 
Anziehungskraft Centripetal kraft. 

557. Ferner iit bekannt, dafs, bey der 
fciuninjinigen Bewegung, der bewegte Punct 

1 ■ 



1 

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Gl* 

fich in jedem Augenblicke von dem zu ent«. 
fernen ftrebt, um den feine Bewegung ge- 
fchieht, aber fich doch nicht von ihm über ei- 
ne gewifle Grenze hinaus entfernen kann. 
Wir brauchen diefen Satz hier blofs alsErfah- 
rungsfatz anzunehmen, und uns blofs durch foU 
genden leichten Verfuch von feiner Wahrheit zu 
überzeugen. Schwingt man nähmlich eine an 
einem Faden bef eftigte Kugel imKreife herum; 
Xi> bleibt die Kugel, fo lange die Schwingung 
dauert, um die Fadenlänge vpn der Hand ent- 
fernt. Die Kugel mufs alfo ein Beitreben auf- 
fern fich von der Hand weiter zu entfernen, 
da der Faden gefpannt bleibt: wie fie denn 
auch wirklich wegfchleidert , fobald man den 
Faden durchfchneidet. Eben fo äußert die 
Hand ein Beftreben, die Kugel an fich zu zie- 
hen, weil fonJtt der Faden ebenfalls picht ge-r 
fpannt bleiben könnte, und die Kugel in der 
That der Hand zufällt, fobald die Schwingung 
und mithin die Fliehekraft nachläfst. 

338,. Hier alfo, wie in jeder krummlinigen 
Bewegung gibt es Centripetal und Centrifu- 
galkraft; und in unferni Beyfpiele befitzt die 
Kugel die Centrifugalkraft, da die Hand die 
peritripetalkraft hervorbringt. 

339. Wenn alfo ein Körper eine krumme 
Linie im leeren IVaum befchreibt; fo laffen 
fich vier Fälle als Ur fache denken, wefshalli 
diefs gefchieht. Entweder befitzt der Körpe* 

L 2 



D 



I 

V 

I 

bcyde Kräfte, oder der Körper hat Centrifu- 
galkraft und der Raum ift die Urfache zur 
Centripetalkraft, oder umgekehrt, der Raum 
enthält die Urfache zur Centrifugalkraft, in- 
defs der Körper die Centripetalkraft befitzt, 
oder endlich liegt der Grund zu beyden Kräf- 
ten in dem Räume. Denn in der That wäre 
*lie Wirkung in allen vier Fällen die nahm- 
liehe. 

34-ö. Im Gründe aber lallen fich die vier 
erwähnten Fälle auf z\vey zurück füliren. m 
Denn hat maneinmahl die Fra^e ent Schieden : 
wer befilzt allein bewegende Kräfte, der 
Raum, oder die Materie? fo find auch nur 
zwey Fälle denkbar; und zwar: ift es die Ma- 
terie oder der Raum, der beyue Kräfte hat? 

541. Nun alier hei fst ein leerer Raum ein 
folcher, der keine 'Urfache in fich enthält, um 
eine Bewe^nin;: in blofse Beweglichkeit zu 
verwandeln; (75) oder, mit andern Worten, 
ein folcher, in dem eine Bewegung ungehin- 
dert vorgehen, und Materie dringen kann. 
Hingegen iß er erfüllt, (7/j) und daher felbft 
Materie, (76) wenn er eine folche Urfache 
enthält. 

34-2. Die Urfache aber, wodurch wir 
uns einen Raum als erfüllt, und daher als Ma- 
terie vorfi eilen, ift keine andere, als weil wir 
bemerken, da f§ keine andere Materie in ihn 
dringen kann : d. h. wenn er zurückftofsende 

und 

♦ 

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165 

unct Anziehende Kraft, oder Centrifiifcal und 
Centripetalkraft befitzt. Folglich ift flas, uncj 
nur das für uns Materie, was diefe beyden 
Kräfte befitzt. 

34.3. Wenn daher ein Körper fich in einer 
kfrummeh Linie im Räume bewegt; fo wider- 
fteht der Raum diefer Bewegung nicht, daher 
ift er nicht erfüllt, daher befitzt er keine von 
bevden Kräften, (339) UR d daher ift es. die 
Materie, die fie befitzt. 

34.4. Ehe wir Weiter gehen, muffen wir 
einem MifsverftändnilTe vorbeugen. Wir ha* . 
ben oben (100) behauptet, es gibt keine 
leeren Zwifchehräume, daher keinen leeren 
Raum überhaupt ; und doch fagen wir hier, 
(34.3) dafs die Materie fich nicht im Räume 
brvvegen könnte, wenn der Raum, in wei- 
chem fich die Materie bewegt, nicht uner- 
füllt wäre: diefe beyden Sätze fcheinen fich, 
offenbar zu widerfprechen. Allein genau be- 
trachtet, ift das nicht fo. Denn bey allem 
dem, dafs es keine leeren Räume gibt, mufs 
dochin dem Augenblicke wo ein Körper fich 
bewegt, in jedem Puncte leiner Bahn, die er 
betritt, keine andere Materie als die ieinigo . 
enthalten feyn, weil er fonft, vermöge der Un» 
durchdringlichkeit der Materie , diefen Punct 
nicht einnehmen könnte. Es ift daher gleich- 
viel, ob wir, bey der Bewegung eines Körpers, 
^ns des Ausdruckes bedienen; die Mate.ri« 



i6S 

feiner Balm weicht dem Körper aus, wird zu* 
fammengedriickt, oder ob wir fagen: die 
Bahn die der Körper befchreibt, enthält kein» 
Materie, ift ein leerer Raum. Ein MelTer, das 
einen Teig durchfchneidet, treibt die Mate- 
rie des Teiges von beyden Seiten zurück, weil ' 
die Kraft mit der es eindringt, gröfser ift, aU 
die Kraft mit der der Teig feinen Raum er* 
füllt. In dem Augenblicke des Durchfchnei* 
dens alfo enthält die Bahn des Meffers wedes 
Teig noc}. andere Materie, ift eine an Materie 

leere Bahn. 

' 34-5- Alfo! Obgleich die Erfcheinung di& 
nähmliche bleibt , ob der Körper Geh um ei- 
nen Punct im Räume f oder der Punct im 
Räume fich um den Körper bewegt , ob es 
gleich keine Veränderung in der Erfcheinung 
hervorbrächte, ob die Erde fich um die Sonne, 
oder diefe um die Erde in entgegengefetzter 
Richtung bewegte; fo mufs doch, wenn die 
Rede nicht von einem materiellen Puncte im 
Räume, (der Sonne) fondern vom Räume die 
Rede iß, ftets der Körper und nicht der Raum 
in Bewegung angenommen werden., Denn 
eben weil die Bewegung im R äume gedacht 
wird, ift es gewifs, dafs man diefen Raum als 
unerfüllt, als ohne anziehende und zurtickfto 
fsende Kraft denkt. (344) Nun aber werden 
zur krummlinigen Bewegung diefe beydei* 
Kräfte erfordert. Folglich itt es auch nicht 

r 

t 

• I 



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■ 



i6 7 

der Raum , foridern die Materie , welche fich 
bewegt ; und zwar deshalb, weil es gewifs ift, 
dafi* fie nur durch die Erfüllung des Raum« 
Gegenfiand der Erfahrung werden kann; 



II: 



346. Wir Sollen dieferi Satz durch eüi 
Beyfpiel anfchaulicher machen, und dadurch 
zugleich den Unterfchied* der zwifchen der 
krummlinigen und der geradlinigen Bewe« 
gung ftatt findet* noch mehr auseinander 
fetzen 

347« Wenn die Sötme* In ihrer jährliche!* 
Bewegung fich von Welten nach Ofien um 
die Erde zu bewegen feheint 4 fo kann das aife 
drey Urfachen herrühren; Entweder fleht die 
Sonne feft im Räume, aber der Raum famnit 
der Sonne bewegt fich um die Erde j oder die 
Sonne allein bewegt fich um die Erde; oder 
die Sonne fleht abermals feft im Räume , aber 
die Erde bewegt fich um die Sonne von Ofien 
nach Welten. Die Erfcheihüng (519) würde 
alle Mahl gleich ausfallen: der Menfch wür« 
de immer fagcn muffen* ich habe die fubjectk 
ie Vorftellung von einer bewegten Sonne. 
Weil nun in den beyden zuletzt erwähnten 
Fällen die Bewegung, der Sönne oder der Erde, 
alfo der Mäterie zugefchrieben wird ; fo kann, 



einer ren ihntn ©egenftani (ifjr ^/ftfjtningj 



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. -• 



168 

werden, in fo fem Sonne und Erde bewegen« 
de Kräfte in der Erfüllung ilires Raumes zei* 
gen, und. daher an - Und für fich beweglich 
find. Nimmt man nun abjecüve, alfo für Er- 
fahrung an, dafs die Sonne (Ich bewegt; fo 
hat man diefes, wie die Afironomie darthut, 
aus nicht hinreichenden Merkmalen gefchlof* 
fen, und hat nur einen Schein. (517) Hingegen 
was den erften Fall betrifft, dafs uähmlich die 
Sonne f eft im Räume ftehen , und diefer lieh 
mit ihr um die Erde bewegen foll ; diefes hat 
nicht einmahl einen Schein für fich, weil es /ich 
gar nicht denken läfst. Dem Räume der ei- 
ne krumme Linie befchreiben follte, müfste 
centripetal und centrifugal Kraft beygelegt 
-werden, um durch andere Materie, die er in 
feiner Bewegung antrifft, durchdringen zu 
können. Was diefe Kräfte laber befitzt, iß 
nicht Raum, fondern Materie, und wir legten 
alfo gerade dadurch nicht dem Räume, fondern 
der Materie die Bewegung bey. Wenn wir 
demnach auch glauben, dafs wir von einem in 
einer krummen Linie bewegten Rauui fpre- 
chen ; fo fprechen wir doch in der That ron 
Materie, indem das, was lieh wirklich bewegt, 
feinen Raum erfüllt, und daher Materie ifh 
Setzt man daher, in dem erften Falle, Mate» 
rie anftatt Raum; fo heifst das nun, die ge« 
fammte Materie des Firmaments fammt der 
Sonne, bewegt fich um die Erde, Als Erlchei. 



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» 

unng, fuojetive, -wäre das freylich nicht hnmögl 
lieh, ,aber doch als Erfahrung, objective, 
abermals nur Schein, wie in der Aftronomie 
dargethan wird« 

543- Der Unterfchied zwifchen der gerade 
/ linigen und krummlinigen Bewegung iß ein- 
leuchtend. Bey der ersten ist blofs von dem 
Abfiahde die Rede, den zwey Puncte von ein- 
*nder haben. Fragt man sich, welcher von 
beyden Puncten hat sich bewegt, wem von 
ihnen kommt die Bewegung zu; fo ift diefes 
aus dem blofsen Abftande nicht zu beantwor- 
ten. Denn mag fich bewegt haben , welcher 
Funct da will, immer wird, der Abftand beydey 
von einander der nähmliche feyn. Bey der 
krummlinigen Bewegung hingegen kommt es 
gar nicht auf den Abftand der beyden Puncte 
von einander an ; fondern auf beftändige Verän- 
derung der Richtung : der Abftand des Mittel- 
punetes von einem um ihn fich im Kreife bewe- 
genden Puncte bleibt fogar beftandig gleich, 
und wir erkennen die Bewegung blofs aus der 
veränderten Richtung. Die Veränderung der 
Richtung mufs aber eine ürfache haben, die 
wir bewegende, Kraft nennen. (69/) Wel- 
cher von beyden Puncten fich daher um den 
andern in einer krummen Bahn bewegt , der 1 
befitzt bewegende Kraft, mit der er feinen 
* Raum erfüllt, und Materie ift. Folglich iß 
das im Raum Materie, was eine krummlinige 

n/r > > 

M 3 - 

# • 

■ * 

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irr* 

* ■ 

Bewegung hat, eben weiL es feinen Raum er- 
füllt, und dadurch Gegenfiajtd der Erfahrung . 
wird. 

jir. 

154.9. Daraus nun folgt unmittelbar ein 
fieuerSatz. — Unabhängig von allen be wer 
geuden Kräften, haben wir (348) gefehen, 
bringt die yorftellung von der Entfernung ei- 
nes Punctes von dem andern, die Vorftellung 
yon der Beweglichkeit beyder in uns hervor. 
Diefe* heilst aber fo viel als , jeder bßwegtn 
Körper theilt feine Bewegung allen mit, die 
ihn umgeben, und auf die feine Bewegung be- 
zogen werden kann. (1455) Die bewegte Erde 
theilt den Fixfternen ihre Bewegung mit, weil 
diefe ihre Stelle im Räume gegen die Erde 
eben fo verändern, ab diefe fie gegen die Fix- 
fterne verändert. Aber diefe Mitlheilung der 
Bewegung ift nichts anders als eine Gegen wir* 
kung. (a<)7) Daher müfleu wir, bey jeder Be- 
wegung eines Körpers, die wir auf einen an- 
dern Kprper beziehen, uns vorftellen, dafs die- 
fer eine gleich grofse, nach dem Verhältnis 
der Quantität feiner Materie (255) ihm zu T 
kommende Gegenwirkung äuffere. (1276 /.) 
folglich fft es in der Befchaffenheit unferes 
ßemüthes gegründet, uns bey jeder Wirkung 
gurch Bewegung eipe gleich grofse Gegenwir- 

k * C w. ».» V. 

t 



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\ i 7 i 

kung vorzußellch. Was aber in cfer Befchaf-; 
fenheit tinfers Gemüthes feinen Grund hat, ift 

ä priori, und diefe Vorßelkmg iß; deher eine 

> . - i • „ran« 
rothwendige Vorltellung. 

IV. 

• - 

350. Nun wird man die drey'oben (527) 
erwähnten Sätze leicht begreifen. — In der 
Phorononiie wurde (24) erklärt: Materie ift 
das Bewegliche im Räume. Da aber ans der 
geradlinigen Bewegung, als welche allein in 
die Phoronomie gehört, gar nicht ausgemacht 
werden kann, welches das Bewegliche fey, ob 
der Körper den wir für bewegt halten, oder 
der Punct im Räume, auf den wir die Bewe- 
gung beziehen; fo können wir, weil es füy 
die Erfcheinung gleich ift, der Materie die 
Beweglichkeit beylegen. Objectire aber heifst; 
es weiter nichts als : das ift Materie, welches 
fich bewegen kann. Was für ein Kennzeichen 
aber haben wir, dafs die Bewegung diefem 
oder jenem Puncte wirklich zukommt? Diefo 
Frage kann in der Phoronomie gar nicht beant- 
wortet werden, weil diefs durch die geradlinig 
ge Bewegung nicht anszumittein ift, und der 
Raum eben fc- gut als die Materie Beweg- 
lichkeit hat: wenn die Materie lieh be- 
wegt, hat auch der Raum Beweglichkeit. 
551. In derljynam.'k erklärten wir 

M 4 



Materie, dafs fie das Bewegliche im Raum« 
fey, das feinen Raum erfüllt. (76) Diefe Ei> 
klärung ift nicht nothwendig, fondern fi> fagt 
nur, es ift gewifs, dafs -wenn wir etwas Be-» 
wegliches finden, das feinen Raum erfüllt, fo 
nennen wir diefs Materie. Sobald wir daher 
eine krumlinige Bewegung uns vorft eilen, hat 
(entweder die Materie die Bewegung und der 
Raum die Beweglichkeit, oder umgekehrt, der 
Raum hat die Bewegung, und die Materie die 
Beweglichkeit- Da aber das was die Bewe- 
gung hat, auch bewegende Kräfte befitzen 
mufs, und mit diefen einen Raum erfüllt; fo 
ift es die Materie, der die Bewegung zukommt, 
indem alles, was einen Raum erfüllt, Mate* 
rie hei Ist 

55 ß. Endlich wurde in der Mechanik er- 
klärt: Materie ift das Bewegliche im Räume, . 
das feine Bewegung mittheilen kann. (247) 
Sobald diefes aber gefchehen foll, müffen 
wir uns bey dicfer Wirkung eine gleich gttofse 
Gegenwirkung vorft eilen. (275 /l) Mit andern 
Worten heifst das fo viel als : wir können uns 
keine Materie allein in Bewegiuig vorft eilen, 
ohne uns noch andere bewegte Materie vorzu- 
fallen ; fo dafs die Materie, eben weil fie ihre 
Bewegung mittheilt, zugleich die Vorftellung 
von noch anderer bewegter Materie in uns 
hervorbringen mufs. 



■ 



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*75 

t . . , ♦»■' • ... * • * * *i 

. • y. • % 

(S c h l m k.) . 

353. Aus allen unfern Betrachtungen /liefst 
nun, dafs wir in die Naturlehre der Körper 
keine andere Sätze aufnehmen, als die blofs 
auf unferm Vorftellungsvermögen beruhen. 
Aus diefem können wir nicht hinaus , und da«* 
her willen wir auch nicht, wie die Materie an 
und für fich, unabhängig von unferm Vorfiel- x 
lungsvermögen, befchaffen feyn mag. Für uns 
mufs daher je'de Bewegung auf etwas bezogen 
werden, und eine Bewegung im leeren Räume 
ift nicht einmal denkbar. Sobald ich eine Be- 
wegung fehe, oder fie zu fehen mir vorfiel le, 
bin ich der Punct im Räume, auf den fie bezo- 
gen wird, und fie iß fchon dadurcli nicht im 
leeren Räume. , 

354, Eben fo wenig, ift für uns eine Ruhe 
denkbar, die nicht durch äuflere Urfachen 
hervorgebracht worden, und die daher nicht al- 
lemahl aus der Entgegenfetzung zweyer gleich 
grofsen Bewegungen entfgrungen wäre : fie ift 
alle Mahl nur Beharrlichkeit an dem Orte, 
nicht völliger Mangel an Bewegung, 

555. Letzte, abfolutharte, undüntheilbare 
Theiichen der Materie, vollkommene Auflö- * 
fangen, leere Räume: alles das find Ideen, die 
die Vernunft zum Behufe der Einheit in ihrer 

M 5 



Di. 



■174 • 

JErkenntnifs^ annimmt, die aber eben dadurch 
nie Gegenftände der Erfahrung werden kön- 
nen. Sie find für uns Nichts: (cntialogictpojfi- 
biiin) aber da wir die Körperlehre nicht als 
^eine Lehre von dem Betrachten, was für uns 
nichts iß; fo können wir nur folche Betrach- 
tungen in diefelbe aufnehmen, die für Men- 
fchen etwas find, und fowohl feine Erkennt- 
jüfs fchon bereichern, als ihn anfpornen, feine 
Erfahrung zu .erweitern, 



■ ■ 



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Erstes Register, 



4 * 



eck des Werkes 1 . , S. 1 

Phoronomie» toder die Gröfscnlehre der Be- 

♦ 

wegung . . • • ö 

\ 7 orbereitung zur Zufammenfetzung der Be- 
wegung . ♦ • i£ 
Zufammenfetzung der Bewegung . s5 
Andere Ausführung des vorigen • 2$ 
Dynamik , oder die Kraft! ehre der Bewegung 32 
Undurchdringlichkeit . - 4$ 
Verfchiedenjieit diefes Systems von den bishe- 

, 61 



rigen 9 
Theilbarkeit ♦ * 57 

Anziehungskraft . ♦ 

Fernere Betrachtung der Grundkräfte 
Refultate 

* 4 • 

Fortletzung - 91 

Mechanik, oder von (der MUtfceilung der ^f* 

wegung . % • 

Gefetze der Mechanik . . x ?5 



Fernere Betrachtung über die Grundgefelze 

Mechanik 
£o1icirarion und Acceleration 
Stetigkeit 

Phänomenologie , oder von der Bewegung 
Gegenstand der Erfahrung . r ' • 

Centripetal und Centrifugal kraft , 
Schlüte 



♦ > 



■ 



1 



Zweytes Register. 



- # * 

Anfchauen i. Anziehungskraft 84- Aufhebung- 
des Zufammenbanges 216. ^uf/öriintr vo/7- 
kojmnene 233- Ausdebnungskraft loil 

Beharrlich 3o, Berührung, mittelbare 163. unmit- 
telbare 162, Befcbleunigung der Bewegung 300. 
Bewegung 1^ abfolutc 33i. drehende und 
fortfcbrcitende 23. relative 23. zufammenge- 
fetzte 37. 

CentrifugamraPt 335. Centnpetalkrafl 336. Con- 
Rguration I 9 I. Construction der zufammenge- 
fetzten Bewegung 38« 

BeWWrkeh 220. Decken u Dicn»; s keit 208. 
Durchdringen , mechanilch 33. Durchdringen- 
de Kraft «72: Dynamik 20. 

— *' ■ • • 

Elasticitat 484- abgeleitete 228- nrfprüngliche 27. 
Erfahrung 3 15. Erfüllung des Baumes 77. Er- 
kenntnifs ä priori i roathematifche L m%- 

tapbyfiTche 5. Erfcheinung *3 19. 

- •. . 

Federkraft 224. abgeleitete 228. ausdehnende 22$. 
zufamxnwiziehende 226. Flächenkraft 1J* 

Gefetz, ertte« der Mechanik 265. ****** der 
Mechanik 273. dritte* der Mechanik 28«. 
• Gravitatio. 178. Gröfce der Bewegung 5 a5o. 



Haltbarkeit i5o. Hylozoiiin 270. 

iMebrigkeit 222; Körper, feste oder starre 2io< 
fliilÜger 218. mechanifeber »59. phyfifcher 
206. vollkommen barte 3 12. Körperlehre 13. 
Kraft) lebendige und todte 260. repulfiye 140- 

Leben 269, der Mäterie 27c. 

äffe 262. Mäterie 24» 76 , 247, 3g 6. Mathe" 
inatik & Mechanik 20. Metaphyfik 5* Mit* 
tel 161 ■ Mittheilung der Belegung 24 i. Mo- 
ment der ßefchleunigung 3oi. Aionadist i3y« 

^atur, eines Dinges 8* Natur überhaupt 10* 

Phänomenologie sd, Phorönomie i'WA 

Quantität der Materie 255. 

Raum, abfolüter 27* erfülltet £4! leerer j3L ma- 
terieller gJL relativer 26. vollkommen abfo- 
lüter 2g. Reibung 2a3« Ruhe 3 f. 

Scheidung 232. Schein 317« Sehneiden 16*4,. Scbwe* 
re 178» Seelenlehre 1$. Solicitation 3oi. Sprö- 
digkeit 220. Stetigkeit 3o8. Substanz*, mate- 
' rielle 128* System, dynamifches 117.; matbe- 
matifches 115. 

Theilung, chymifche 23ö. mechanifche 229. phy« 
fifthtf läj. Trägheit 272» Trennung 132, 21 6* 

iVerf^hiebung der Tbtilc aife Umftng, (Volumtn) 



2Q7- Undurcbdringlichkeit iq6* aLfülut* u$. 
relative 117. 

Wefen 7. Wirkung in der Ferne 166. Vtitien* 
fchaft 4. 

t 

Zurückstofsungskraft 85. nach allen Seiten 9$, 
Zufammendrücken 99. Zufammenhang 313. 



1 • . 



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Verbefferurigen. 



S. Z. 3. ift "ach Sinne das Komma überflüflig. * 

— 35* — *4 v * u * fo * ies 

42. 12. v. u. dennoch He* demnach, 

— — 5. v. u. für lies für fich. 
_ cA, — 5. aher 1. aber» 

— 08. - x*. kleine 1. kleinfte. 

— 86. - £ u. 7. üt das Wort ihre überflüflig. 

_ 4. Mittelp 11 neee oder 1. Mittelpuncte und. 

— xaq! — 2. AnfchJag 1. Anichlag bringen. 

_ 1^?. _ 3. v. u. sufamwenündea, L ^efammtlt finden. 

— 15a. — 9« das 1. die. 




Staatsbibliothek 

Iti» suchen 




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