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I
i)or*^^,,oh(lenz-Hlatt
der
^tsche^ Gesellschaft
filr
Anthropologie. Ethnologie und Urgeschichte.
XIII. Jahrgang
18§2.
Redigirt von
Professor Dr. Johannes Ranke in München
G(^ocrul<tekreUlr der (te'nOl'H-lmÜ.
M.üuclieu.
Akademitche Buohdruckarei von T. Straub.
. 188S.
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Inhalt des XIII. Jahrgan>rs 1882.
Seit«
ISr,
1. V i r . li .1 w - K t‘ M' r
1
.Mitih- iliint'rn aui« ii»‘n Lokal vt‘rfin'*Ti:
l h< r .inlhroit'‘loLn-vh.- un«l Altr*rtlmiiixTen*in ?.u Kttrlnruhe
5
•J. Maui li'-ner .intlir'>in)l<'u'i>rla- Ge->'‘lN>-haft. Lantli, Ä«yi>tuiclie A«troaon«e
0
Kh-in-Tr Mjtt !»eiluntrt-*ii
8
^T.
2. V. ('obatixen. Vitriti.'d fort^. Ula?liiiru'*-ii
9
H. Kitfi her, >'oL/<n boxiliflhh ttcr ileutMdi«n piUistoritcb*tuitbropoloin>cbeii Atufltelloiiff in
10
Mittheünniien autf Loka)v«'reiti«'n : Lauth, Ueber äinrpti<cbe Astronomie (Schluss) .
11
Kldnere MitthHiluii;f>n
iO
IMe aftikaniscliK Gi-saii^hafl in Ueotachland Ober den rortchunirsreisenaeD Ur. tsacnner I”
16
Nr.
«1. n. Kra ir-, I>ie altlaitlnische OofentAUe auf dem Lochenstein
17
Norden»< k: itUii. Cmseselunff Asiens and RtiropA auf der Veira 1874—80
11
Derselbe. I>iw Hibin-^' h.i Mamuiatn
IW
H. Fischer. Noti/.^n bexQslich der deutschen prühistorisch-anthroDoloffischen An^ttellunsr in
18KU thi'liiiiHMl
Schuaffhansen . HorichÜffunfr
•J4
Nr,
4. t. Cohausen. Hnlil« nfnnde an der Lohn
■Ih
Bursian. Scbliemunn’s Auserabancren in OrcbomencM
27
Nordenskidld, Dos Hibirische Mammnth tForUetxonff)
MO
t Eduard Desor
:J2
Nr.
5. 0. Frtias, Eduard Desor
:13
Scbaaffhausen. Nene uriLhistorische Funde in Foiiujital
u
Lndwiff Lei ne r. Zum rfablbau^ljeben am isoclensee um KonslHnz ! ! ^ ^ ~
Jakob MeHtf ikommer in Weitikon. Kt. ZQrich. Neue Funde auf den PfabllMtut>'u vn St.-, k-
U»m, KobenhunHon etc.
:I6
Mittheilunffen aut> <ien jK>kalrere}nen:
l^ipzurer AnUirrntoloffischer Verein
■w
AnlhrODOlotriHchcr Nerein für ^chJeswiifHolstein in Kiel
:)7
Nordenskidtü. Das Hibiri»«<he Maniimith l8chhiss)
:»
Kleinere Mittheiluniren
40
.Nr.
6. Kinladunff sur Xfll. all^ineinen Vmaiuiulomr in Frankfurt a. M
41
Mittheilnmren au« den Lokal- Vereinen:
Münchener itniliro|H>loffische DeseHschafl. Ein Tnicum im Mu^euIll tlodeÜVoy von tiepp
41
Heinrich Vvaukel. Hihler aus der Mdbnschcn Schweix und ihn*r \ enmmrenmMt. und die
Funde io der Hv^ixkdlarHöhlc
46
Kleinere Mittheiinmren
48
Nr.
7« C. Mehlis. Ziira Mersebunrer Ürab
Mittheilunarcn au.-« den Lokal-Vereiinen:
.\nthro|)oloiri>4i-hcr Vendn für Hchleswiir-HoUtein in Kiel
52
Naturfor«chcnde Dcscllmrhafl in Danziff
SS
liei|fX 4 r*>r .\nthit>i>oluiniM-her Verein
58
Heinrich Wankel. Die Kunde m der Uteiskäla-lldhle t^chlnax)
.u
•Antbropoloinsche Motixen von Amerika
65
[.itenitiirbesprechuniren
66
Nr.
8. Flitfier, I>ie NntionaliUU der Trojaner
57
Uerselbe. Die Nationalität der datenreichisehen Ffahlbautenbawohner
SH
.Mittheilunf^n aus den LokaDVereinen: Eidam, Oruppe Oaozenhauseii
.58
riorttenakmuiii Kpi>,;wert ■ ■ ■ .
iü
U. Tischler, Da« AoftreWo Je» Eisena in Nordeurop» ^
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JiT. 9.
Bericht fibcr die XIII. Temiumlaogr In Frankfnrt «.M.
Erfcte Sitzung:
OuAtüT I. ncae. Vorsit/emler. Erilffnunj|f'‘rede
Miqucl, Oi*erlifir>fermeifter, iind Fridberg fUr die IiOkul-lte«chäft»*fUhning. BegrünHung»»*-
re<len 70
H. Si’h ! icman n . Neue Ausgrabungen in Troja 72
R. Virchow, L’eWr Ihirwin und die Anthropologie ........ J'O
Zweite Sitzung:
r. Tornia, L'oIhv uoolitbiscbe WohnstlUtvn in Sici>cnhürgen 90
V. Uross. Tidipr eine mnu* PfahllmnstHtion in der Schweiz au* der K«|>Ierei>o«'lie mit Dämon-
ftnitionpn ................ 99
11. Virchow, l‘el>er die dort gefundenen SchSdel ......... I(K)
J. Ranke, Winsensrhaftlicher .lahrc»l)ericht des i.ieneniI»ekret&rM, Vel>er die Fortwhritte der
Anthropologie in Deutaohland ini letzten Jahre . lOt
R. Virchow, ConiinisMionsbericht flt»er die Statistik der Farbe der Augen, der Haare und
der Haut der deutachen Schulkinder I2‘>
Schnafflinusen, ComiiUHsionaWricht fiber die Aufnahme de« anthro}»ologi«ehen MateriaN
in den Summlungtm DetitMchlands 120
O. F'rauf. roniniiwiionMlN'rieht flla*r <lie Fortschritte der prähistorischen Karte l’UJ
Dritte Sitzung:
Är, 10, Neuwahl der Vorstujidschaft uml des Drtes iler niiehittjährigen VerHiinmilung , . . 131
Weismann, Schatzmeister, Kimaenbericht 131
L. V. Hau, («escliichte de.** Pflu^ 134
Neubiirger. Paa Verhältnis» der Sprarhfor»chnng zur Anthropologie lA'i
Fleuch. Mikrocepliulie IVJ
Mehlis, Eisenberg IM
Naue, Ein Für»ten|^b bei Pullaeh (München)
Virchow, Zur kaukuaiio'hen Anthropologie .......... 164
SchaaffhttUMen. Neue rorgeachiclitliche Denkmale und Funde im Rheinthal. Virchow.
Schuaffhausen, Virchow, DiRkuafdon zur Platjknemie 167
Tischler, Situla von Watsch, siehe Nachtrag. (Nr. 12.)
Fraaa, Ein tjuarziiinatniment au» Michigi»n 171
Wilecr. Zur Keltenfrage. Henning, Wilser, Lucae, Piskusrion dazu .... 171
Vierte Sitzung:
K 1 o)if 1 eiac h , Bericht ülter .Ausgrahimgcn ... 177
W, KrauHe, tRHtingen, Bericht flher Ausgrabungen 179
Sepp, Fmiikfiirt. das alte .A»ki1>urg beim (leograplien von Ravenna .... 1S2
Nr. 11. Ko II munn, Teber Menschenruaaen 203
Virchow, Piakuasinn dazu 203
J. Ranke. Die Blonden und die Bmunen in Süd-Havem ....... 211
Becker, Berg und Thal. Struasen und StAdte im östlichen Odenwald 213
Virchow, HekaimtgAtH' eine» eingegangenen Berichte» über Schndelfunde 213
(). Fraaa, Lucae, Donner von Richter. Schlussreden 213
J. Ranke, Verlaiif der XIII. allgemeinen Versammlung 219
Nr. 12. Na<*htrug zum Bericht der XHI. allgemeinen Versammlung. Tischler, Die Situla von
Waatsch 231
Mittheilungcn aus den Lokal-Vereinen: Kidam, Oruppe Ounzenhauseo (Fortsetzung) 233
Internationale Landwirthsclmftliche Thier-.\us»tellung. Hambuig IS^3 234
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie nnJ Urgeschichte.
Ucdiffirl ton I'ro/'eisor Jjy. Johannes lliinkc in Mänclien,
O0Mttaiateft4tir itr OtnUMCht^
XI 11. Jahrgang. Nr. 1. Emcheint jeden Monat. Jaiuinr 188*2.
Virchow-Peier.
Berlin, am 19. November 1881.
Kä war nicht der BalmcDlmia, durch welchen
der ju$*endliche Jubilar die Treppe zom Fet»tsaal
deti Rathbause» emporstieg, nicht die Marmor> i
pracht der Festhalle strahlend von Lii;bterglanz, ,
dicht besetzt mit einer mehr als 800 Theilnelmicr {
und Theilnehmerinneu zahlenden festlich gescliniUck- '■
len Versammlung, wodurch die nachträgliche <
Feier von Rudolph Virchow’s auf den
31- Oktober ISSl treffenden OU. Geburtstag in
Verbindung mit seinem 25jährigeu Jubiläum 1
ununterbrochener LehrthUtigkoit an der Universität
zu Berlin eine ganz einzige wurde. I)a» wurde sie
datiurch ,• dass all die äm?sereo Zeichen und Be-
weise hoher Verehrung und dankbarer Bewunderung
fttr den bnliDbrechendeD Gelehrten getragen wurden
von herzlichster persönlicher Anhänglichkeit.
Wir beabsichtigen hier nicht, eine Daistellnng
des Festveilaufs zu geben, der aus den Zeitungen |
überallhin bekannt wurde; mit wenig Worten
treffend hat den allgemeinen Eindruck des Festes I
der Referent der N. Fr. Pr. geschildert: |
Bei der Feier, welche dem Schöpfer der |»itho- i
logiffchen Ciewebsknnde in den prärtitigen Räumen ’
de« Raihhatii^es zu «einem 60. Geburtstage gegolten
wurde, mben «ich ganz verschiedene Wissenschiiften '
ein Rendezvous, weiche alle dem iM-rühmten Forsclier ,
epochemachende FOnieruitgen verdanken: die Patho- |
logte, die von ihm, wie ProfetMor J. Ranke aus ,
Mtluchen hervorhob, in DeuUahiand in ilintr moiler- i
nen (lestult erst begründete AnthrojKilogie. die Krd- {
künde und die Botanik. An dreissig lünlner theil*
ten «ich nacheinander in die Ehre, in kurzen An- .
Muruchen an den Jubilar, welche jede nur drei
Minuten dauern durfte, sein Verdienst xu würdigen. |
Vm war ein eigenthüjulich schönes Schauspiel , wie i
diese Alle au Virchow, der zwischen Gattin und
Tochter suas, vorbeidcÜbrlen, wie er mit verklärten 1
Zügen sie nniiörte. Jt^lein innig die Hand dnickte
mul dann von einem JiHlen priklitige .‘Adressen in
künstlerisch ausgestatteten Kinbrindon riesigsten For-
mats in Empfang nahm, die buchstäblieh eine Wogen-
itlilung ausmai'hten.
Auch die doutache Anthmpologi^iche Geaell-
öcliaft war durch eine Adresse ihrer Vorstaud-
scliaft vertreten.
Den Beginn des Gauzen machte die üeber-
rcichuug der Stiffungsurkundo der Rudolph-
Virchow-Stifiung, bestehend in einem durch
n^lwilligo Beiträgo gesammelten StiBungskapital
von schon nahezu 70000 Mark, desM^n Zinsertrag
Virchow zur Verfügung gestellt wurde zum
Zweck, die Forschungen in der Wissenstrhaft vom
Menschen dadurch zu fordern.
Die Reihe der 30 KtMliicr war folgende:
1. Begrllssang und Ueberrelohnng der Stiftongs-
Urkande durch Profeeeor BaatiaUf Studtrath
Fri edel.
2. Ueberreichnng eines Beitrages sor Yirebow-
Stiftnng:
Vorstand der Berliner medizinischen Gesellschaft:
Geh. Ober-Medizinalrath von Lungenbeck, Geh.
MedizinalrathProfessor Bardel eben , Prof. Henoeb.
3. Comit^ für Holland: Professor Stock vis aus
Amsierdaui.
Universitatea:
4. Medizinische Facultät Würzhurg: Pr«>fessor
von Kien ec kor aus Würzburg.
h. Universität Kasan und 4 wiss4>nscku(tl. Gesell-
sebaften: Pnifessor Collcy aus Kasan.
fl. Meilizinisi’he Fakultät Bonn: Geb. Meilizinalruth
Prof, Rühle aus Bonn.
7. Medizinische Fakultrkt Rostock; Prof. Trend-
len bürg aus KosUK'k.
8. Itiedizinische Fakultät Alierdeen: Privatilozent
L)r. Marti n.
ü. Medizinische Fakultät Basel: Adresse.
10. Universität Charkow.
1
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2
II. Köni|fl. Museum B»'rlin ;
nn^nntth Ih*. Schien«*, Iti’iu^ml-Direktor der küni^l. .
Mii-neen.
MediBinische Oesellschafteo ;
1’^. PhyjiikaHsch-inediciiiiwheCie^ollsdiiifl >n Wünt-
Uurg. Aerrte Unterlmnkcn«: Hotnith Dr. UoHonthal
auK Wörjsburg.
lÜ. Schweizer Aerztc: ProfcMor Schwendener.
14. Aerztc*Verein in St. IVternburij : Privatdozont
Dr. B. Frän kel.
1-V AerztHcher Verein in Frankfurt a. M.: Dr.
Schoelles aus Frankfurt a. M.
10. Oesell^ichaB fftr Heilkunde in Berlin: Profe.tsor
Mebreich.
17. Central-AussehuMK der ärztlichen BezirksvertMne j
in Berlin: SanitaUrath I>r. Sem 1er, Privatdozent
Dr. tiuttstadt. Dr. Selberjf. *
18. DeiiUcher Aerztevereinshun«! : Siinitiitamth Dr. |
Graf ans Klberfeld, Sanitätsrath I>r. Uintcl Berlin.
19. Nie<leiTheinischpr Verein fflr ötlentl. Gemind-
lieiUpfieKe: Sanitätsrath Dr. Graf uiu Klberfeld.
*J0. KaiMcrlich mediciniselic Gecellsehaft in Wilna.
Aothropolog^lsche Gesellschaften:
21. Deutschfi anthm]>olngische GeAcllschaft : Prof.
.1. Banke aus München.
22. Anthro]>olojrisehe Genellttchaft in Hainbur}?, ,
Dr. Krause au» Hrtmburjf. 5
2d. .^nihroiMlo^iMcheGeselltu'liaft'in Kiel: Fräulein j
Mee torf aus kiel.
24. .\nthr»tH>Io}psche GesellM'haft in Berlin; Prof.
Ilartinunn. |
Andere wissensohaftHche Gesellschaften :
2f>. GesellschaG fiir Krdkunde in Berlin: Dr.
N achtiffal.
26. Botanischer Verein: Professor Witt mack. I
Professor Ascherson. Profeswor Schwendener:
Professor K n y.
27. Verein für Pommer ‘«ehe GeKchichte und .Alter-
thumskumle in Stettin: GyinnaisiaUDirektor Demcke.:
28. Kaiserlich l^eoiioldiniKch^Kamlinische Deutsche
Akatiemie der Naturfonicher.
2th Deputation aus Schivelhein iGeburtastadt des
Jiihilars); Beijjfeordneter Buohierkirch.
ilO. Deutscher Fischerei“ Verein: Dr. Georg' von
Bunsen.
Hunderte von Telegrammen liefen ein.
Die Eröffnungsrede des Vorsitzenden des Comi-
U*8, unseres berühmten Reisenden und Ethnologen
A. Bastian, lautete*):
Zu dem Fest, w'elchc# un* heute vereint, int in
un»er Aller Herzen gleichzeitig ein Ruf erklungen,
nicht hier in Berlin allein. Laut hallt durch Deutsch-
lands Gauen ein violgefeierter Name und in gleich-
stimmigem K<rho nchallt es zurück von jenaeita dcH
KanulR, utiR des Kuuka.«u.R Bergen, von den ventehie-
dennten Theilen de« weiten Enlennindoi». wo hie weilen,
seine Schüler und Verehrer. *l*nd wo weilten sie nicht,
liesse sich fragen : so weithin wenigstens seit 2ö Jahren
und mehr de$« Wissens Foischungsgeist ge<lrungen.
Denn da draussen neue Wildnisse lichtend, dann
als Pioniere unter den gelehrten lleiHcnden schreiten
voran die .\erzte, und j«der ,\rzt trügt — in seinem
Bi*stecke gleicliKum — in unzertrennlicher Krinnerung
•j Njwh dem wortgetreuen Bericht von A. Woldt
in der Frankfurter Zeitung, dem wir auch die Schluss-
re<le Virchow’s entneliinen.
den Namen, den wir heut preisen, zunilchst als grossen
Reformer der Minlizin, den Begründer der pathologischen
.Anatomie.
Die pathologische Anatomie V In ihr drückt sich
als Ijokalzeichen für die Meilizin jene mächtige Zauber-
formel aus, welche die gmimmten NaturwiKsenscbuflen
in ihn»r Induktion diirchwultend . mit einem Schlage
eine neue Welt in’s Dasein gerufen hat, die noch jetzt
im vollen Schu.sse des Schöpfens uml tfestuiteoM ring»
um uns Wunder auf Wunder hünG, im «toten Strom
der Uebernwehungen die Horizonte ItestAndig ver-
schiebend, uns staunende Ausblicke eröffnend, in Regio-
nen des UnlH>kannten eines noch völlig rnabsehl»arfn.
Wenn jemals die Gt*schichte l>erechtigt gewesen ist,
den F]os.s des Geschehens dun-h Scbeidcwünue zu unter-
brechen, in Perioden zu theilen. dann g«‘wifl» hat nie
eine andere gleiches Anrecht, auf Belhstündigkeit be-
sessen, nie hat sich sonnvermittelt plötzlich eine gleich
ra<likaie Totalumwandlung vollzog<m, vollzogen in
künr.ester Zeit! I'nd als ob bereits von Dampf und
Elektrizität gidrielnii und mit ihnen den Wagen des
uralten Zeitgottes Kronos sellist beschleunigend, halsm
wir in Lustr»>n. in wenigen Decennien gewaltigere Riesi'n-
schritte zurückgelegt, als sonst die Gewhichte inJahr-
Inmd4>rten, vielleicht in .lahrtaus«*nden. Nie. wie
wiederholt wertlen riukg, ist eine frühere Welt so rasch
und aÜMMtig von einer undertm verdrängt, als unter
dem .ScenerienweeliKcl, der sich vor unseren Augen
abgespielt hat. ln den bdzten zwei Men»<‘hena]tem
schlagt sich die Brücke aus einer in Nacht versinkenden
AW'lt zu den Tugen eines von andenm Sonnen er-
hellten Morgens, zu einer neuen Zeit.
Die neue Zeit ist da ! Sie rauscht heran mit m.Vh-
ligeni Gewoge, uns hinzufühnm. Niemand weiss noch,
W(»hiii V Diu neue Zeit ist da ! Es keimt und sprosst in
wumlerhiireii Bluthen . in Früchten, seltsam gar und
unbekannt. In R.lthselfragen, tpiellend aus geheim-
nissvollen Tiefen schwillt die Erwartung dem «mtgegen,
was eine nächste Zukunft nur zu liergen ikdieint!
Tnd wenn im Lelaui der Geschichte ttirein organim*hes
Wachsilmm die Zeit seiner Reife gekommen, wenn
eine Neuzeit fertig steht, sich zu erschliessen. dann
ruR sie auch ihre l’ropheten heraus, ihre Diener und
Jünger, der Welt zu verkünden, was hevorsteht und
zum gemeinsamen Ziele das Wahrzeichen aufxnstocken,
das in seiner Bezeichnung die .\ufgala> uusspricht, die
Zeitaufgabe jedesmaliger tlegenwart. Für die unsrige
ist die Parole bereits ausgegeben ; sie heisst ,die
Wissenschaft vo m M en sc hen ,* das höchste und
letzte Ziel , das meoiH'hlicbem Streben g**xteckt sein
kann, — soweit wir wenigsten» bis jetzt zu enuessen
vennögen.
Welche Wissenschatl ist ihr zu vergleichen, ja,
welche Wissenschaft existirt ausser ihr, da sich alle
in ihr und zu ihr vereinen. Verlangt war sie immer
und stets ! Schon Rlteste tlrakelprüche weisen auf sie
hin ; ermöglicht ist sie heute erst worden «lurch die
Fortschritte der induktiven Wissenschaften. In ihr
als centralen Bnmnpunkt werden fortan alle die Be-
stndiungen zuMuminenfallen, die zum Heil und Besten
des Menschen sein geistiges und leibliche» Wohl zu
fördern l>ealj«ichtigen. also die Medizin in allen ihren
Füchem. die realen Wissenschaflen zur Verschönerung
des Ijeliens, die sozialen im Studhin^ g«^dlschaRIicher
Entwickelung: die statistischen, so viele ihrer sind,
und <lie (iesfhichle mit den jüniLpit hervorgesprossenen
Zweigen iler Anthropologie und Ethnologie.
Keine Neuschöpfung ohne Zerstörung, und zerstört
haben wir walirlich s4*hon genug. Peberall Is-ginnt
Digitized by Google
3
p« ZU wanken nntvr den Kui«M*n, <5»r raunfhe ilor
(injndpfeiler, auf denen die Wf>)t4inKchuunn^ un-nerer
Väter ruhte, «ind anßefr<*wsen vom Zahn der Zeit. (*ar
manche haben fiich bereita aln mnr»ch erwiesen und
alle xind f^ie twxlroht von der ini Wideratreit der
Meimm^en l»C!*tändi^ anxchwellenden Brandung?, die
um die Kundamente toht. IIcH-h Huritzt der <ii>ii’ht,
die Wolfen heulen in eehauimmdeiu oehwall : die Luft
wt jfenillt mit freindenart l^ren Stinmum; heirmhend.
verwirreml. l.*nd dmdi mÜHwm wir hinuu» in’?» auf-
gewilhlte Mt*er, in Wo|ien->«'hwall und StunuKehmiiK,
den rettenden Hafen zu suchen : die Heimath einer
neuen Weltan'^chaumiHr, denn in der alten i«t kein
BleilH>n län^r.
Auf dieeer mit den HoffnunK^l^iUem der Zukunft
hefnu hteten Barke, werwinl da« Steuer ftlhr<*n? We««en
Am LHt Mtark xenu^, .ihm diene Paladien anzuver-
trauen. weK»en Atif^e klar und «eharf, diu I«'itMteme
zu erkennen? Vertrauen wir dem Zeitjfewte, er selber,
wenn <UeZeit zeichnet sie, die Männer der
Zeit, und sie treten heran, die Heroen der Kultur, da«
auszus|)n>4-hen und zu formulireii. was all^'inein und
uniH'stiimut gefnbit. Auch in unserer Wi«HeDm'haft
vom Menschen weith-n sie uns nicht fehlen, Unter
den von ihr jteweihten Stmdls^ten steht voran er,
den wir heute feiern, er, <ler Leiter auf der Forsehun^
neuer Bahnen, Hudol)>h Virchowl .Aiisj^ej^an^en
von diesen, dem speziellen Studium des Menschen f?e*
widmeten Wiswenschaften. aiiisf^^niren von der ältesten
durw‘U>en, der Medizin, hat er sie alle durchwandert
bis zu den jüngsten Sprossen in der Anthrr»polo>ne.
zu dert.m Diensten er hier in Berlin eine (lesellschafl
gegründet liat , die sich S4*iner als ihr^M PriUidenten
rühmen darf. Du« Walten und Itestalb-u «ler Zeit,
ihre Au^ben. ihre Be<lürfnisse, lH^on<lers auf den
neu eröfmeten Forschnngswegen der Mens<*henkunde
und anthropologischer Studien, in Keines Aug(> künnen
sie sich zu einem volistämlig^'ren Bilde ahninden. als
in dem dessen, dem es deshalh gewünscht wnnle, die
Mittel XU beschaffen, um das theoretisch
als richtig Krkannte jetzt auch praktische
zur Ausführung zu h ringen.
Die Krlaiihniss ist gewahrt : sie darf heissen Hu d o 1 p h-
Vi rc ho w • St i f t u n g. Unter diesemNanum winl sie
blühen und ginleihen zum Besten der Mitwelt unil
unserer spätesten Nwhkommen, zmn Besten der Mensch“
heit, weil sic fördert die Wissenwhaft vom Menschen!
Unter den Reden dei Deputirten fand nament-
lich jene von Professor Dr S t o c k v i s aus Amster-
dam eine begeisterte Aufnahme. Nach den BegrUss-
ungsworten an Vi rcho w sagte Herr Stoc k vis:
Ihre Leistiingeu auf d»?m ISehiete der Wissen-
schaften, Ihre Bemühungen für die Wahrheit, Ihre
B»*strebungen für die Freiheit der Forschung auf jeflem
Gebiete und für die Freiheit iui Allgemeinen, Ihre
unvergleichliche Ausdauer und unermüdliche Arbcit«-
kmft. alle diese hoben Kigenschafttm lhre.s (teistes
haben Ihren Namen zu ein«*m der Itestgekunnten, der
meistgelieblen deutschen Namen g»’inacht. Wie unsere
ruhmreichen Vorfahren es verstanden, dem .Meere jedes-
mal neues und fruchtbares (44ind uhzugi'winnen, ist es
Ihnen in der Mtnlizin gelungen, dem Wissen neuen,
festen, fnicbthanm Hoden in der ]>athoh>giMdicn Ana-
tomie atizugewinnen. Auf jedem Gtddete der Wissen-
schaft hal>en Sie !dusU*rarl»eiten geliefert, und was
noch viel grdaser ist. Sie halwm. indem Sie zur Kefonii
•chritten, zu gleicher Zeit eine Schule von «o grosser
Tragweite gegründet, dass jeder Me<Hciner der Neu-
zeit sich dankbar Ihren Schüler nennt. Und wie die
Niwlerlande des sechzehnten und siebzehnten Jahr-
hundert« für das was der Freiheit der Forschung auf
jeflem Gebiete galt kein Opfer scheuten, so standen
auch Sie jcilesmal auf der Bresche, wo der Anerken-
nung dies4T Freiheit als der höchsten Krnmgen.Hclmfl
des itienschliehen Geistes Gefahr drohte. JfnuuHtietulrrti !
so klang der Wuhlspruclt Wilhelms von Oranien, des
Herus aus tmsenuii (’nabhUngigkeitskriege. morn*
tien(irui, das ist auch der Wahl.spruch Ihres giin/.en
Lel.»en« gewewn. Sie hu>M>n die Fahne der Wisst'n-
schaft hochgehalten, die Fahne der Humanit-ät, die
Fahne der freien Forschung, uml dies haWn Si« ge-
than mit der hewnndernswerthen B<*scheidenheit und
Freundlichkeit, welche Ihnen die Herzen Aller, sellwt
derer gewonnen hat, die mit Ihnen nicht in Allem
übend nslimmen.
Unter wahrhaft euthusioätisebeu Beifallszeichen
gchritt Herr Stock vis auf Virchow zu mul
uinarnite und kUgste ihn. Don trefHicbon ßu-
gehlusii der Aaspracben bildeten die herzlichen
Worte V. Bunsen's, des Abgeordneten de.*i
Fischcreivereins , der ein Hoch auf den Mann
ausbrachtCf dessen Geduld unerschüpflich, dessen
Leben ein stetiges Geben Ut. Unmittelbar vor-
her hatte die Deputation aus Virchow’’8 Ge-
burtsort Schiefelbein den freundlichsten Ein-
dnick hurvorgerufen und mitgetbeili , dass die
Stadt beschlossen habe , an .seinem Geburtshause
folgende Gedenktafel anzubringen : „Hier wurde
Rudolph Virchow am 13. Oktober 1821
geboren“.
Virchow selbst schloss die Feier mit folgen-
der Pankrede:
Verehrte .\nwcRen<le! K« wäre meinem perMÖnlichen
Gefühle ent'^precheiider , wenn ich, nachdem ich ho
viid genoHHcn. «tdlH'r aidiwcig»*n konnte, wenn ich dsw
Viele, wttH hier genproclien worden i«t, in mein Herz
einHchlieMM'n und da« Gehörte mit nm'h Hanne nehmen
könnte, um uuh der Erinnerung für künftige Tage, wo
die Flamme uchon etwju« zu erlöschen beginnt, einen
^^b>lf zu »chöpfen, «ie wieder zu erwilnnen. Allein ein
U»eihinke bewegt mich, und ea wünle mich Ijedrücken,
ihn nicht auHge«]>rnchen zu halien, der Gedanke näm-
lich, da«R Sie mich eigentlich nicht ho «ehr lx>luindeln
al« „einen MeoKchen“ , »ondem wie eine Art von
„Kollt‘ktivwe«en,* wie eine Art von «künstlicher Kon-
struktion*. worauf Sie eine Menge von Vorzügen
häufen, die eigentlich weit vertheilt wenlen mÜMten.
Wenn man alt winl. ho entstehen net>enher viele
Lücken, du eine gronse Reihe von denen, mit welchen
man gearlteitet hat. im I>aufe der Jahre dahiuKterijen.
Aber wenn man mit Vielen arladtet und zu VieUm
in B4‘ziehtmg tritt . so nmchl «icli doch eine Mannig-
faltigkeit von HeMud und die Zahl der Verhimlungen
winl sehr gross, da j«ler Ort, jetler Kreis und die
MenHclien, w»*lche nelH>n und mit Einem arbeiten, viele
Beziehungen l>ereiten und unterhalten. Ihi» was man
mit ihnen gewirkt und gearbeitet bat, bioiht zurück,
wenn sie Hterl>en und man wird abdaitn V'erwalti^r
fnmtdeii Gu«es, welches Eigenthum der Menschheit wL
Solch ein Verwalter fremden tlute«» soll jeiler Univer-
sitätslehn'r Hein, aber er darf 4lic Summe des Geariad-
1 *
Digit:;;:; Google
4
tvti'n nicht in cIit Au*>rn]ir]ichkoil ülmlicrtru,
ii4)nih'ni er niiiNM uliNi-hnciih-n mul den Stell vtTdii hten.
IhiM wiiM dem SchHlcr ülHT^idN'n wird, ihI («cnudnpit
Aller; int kein feudaler Henitx <len Kinzelnim, son-
dern ein Keg4il , ihm «ler rnivemit-UiflehnT verwaltet
und vertlieilt. ln dieser öeziehung will ich m-m ffir
nu«-h in Annpnich nehmen, da»-* ich nieim* Stelle al»
l.'niverKitält-lehrer zu alh*n Zeiten in Khren zu fHImm
jfenueht und keinen j?^n5lx*ren Fehler jfonuu'ht haU*.
Wir Alle, die wir in «lpnNaturwiKKen»ehaflenurlH‘iten.
mri»Ki'n eine erxtuunliche Thilti^keit anweiiden. um die
Krdle d«>» Muleriale» ZU heherrMclu'ii. die auf un»ereiii
tiehiet«» vorhanden int. AlM*r wir jfeheu th*iu Si'hüler
nicht die tfunze Men^e din* rnteruuehun>p*Ht-f»H'«‘H, Non-
dem nur da» He»nltat und i*o empfdn^t er vielleicht
al» eine Morjfengahe. w;w unn viele Mflhe jfekoKtot
hat. Der Schfiier hruueht nicht die lietaila de»StotfeH
zu kennen, wohl al>er der Lehrer.
Cn>M*re Wi»f!en»ihatt verlanjjt vi<d .\rheit, .Au»duner,
Pedanterie und Nfichtemheit. rn«l die*«* Pedanterie
uml Nöchtemheit habe ich verbucht, allmähli^ iu .M«xla
zu brin^fcn. Al» ich lie^nn, herrschte <hi» «Sjr»tem
der Natur - PhiloMOuhie und al» w*ir im»en*n Kumpf
Hic zu führen m‘j,pinnen, haben wir kühn manchen
Htrainmen Stretch ^etührt und der Freiheit eine(t:i»»e
^Itahnl. Dahinter aller kam iinnere nüc hterne .Methode,
die wir heute no<‘h haben , zur (ieltunt;. Zwar wird
Mancher »a^en, «Iukh die» eine ijn^weilif^e Methoilo
»ei, aber wir »in<l doch »tolz daniiif, da»» wir »ic U-
»itz4'n. Aber e» jfehßrt »lie Mitarbeit Vieler dazu, um
un»en‘ Methiule durebziiftlhnm , die ArlM'it imt»» zur
tfcnosMen»chatt»arl»eit wenlen. Darum haU^ ieh untre*
futifren mit hI» einer «ler Kr»ten, diese Art de» Zu*
»ammenwirken» einzurii'hten. Meine A»»i»tenlen, die
Jahre htnjj unter mir j<cwirkt Imhen. «ind meine Freunde
und Hiiilterhin meine» tileichen jfeworden. Wenn e»
auf »olche Wei»e ^elii^ft. Krfol^e zu errinj»i‘n. »owird
die Sache wi»»enMchuftHch '>^*1 dann wird
da» ^nze derartige Mat4*riai ^eKumiuelt und kommt
in den ,J u liuK-'f h u r m der W ihm e ti^e hu f t* iilM-r
e» liedarf keine« Kriege», um e» wie«ler unter die
la>iite zn bringen. Ich war in der lai^e. im Laute der
Jahre auf die»e Wci»e Viele» zu So Iml»’ ich
heute noch die m*duiiti»che Methode , meine Zuhnrer
zu veranla»»en. tia»» »ie »ich uiicli um die hi»loriiiche
KnLleckuug der WiwM*n»clmft knmmern : denn wa»
man IiIohm doK^iuati»ch wei«», jreht verloren.
So wind wir ullniählich weiter freknimiien und ich
muN» da» auch zur Khn* meiner Schule »aßen, da»»
wir alle ThatMachen wohl zu erwilpen und lierevhtip-
keit n&vh allen Seiten zu üben peh-mt haben. l’uMere
WifweDHchaft i»t eben allseitip. »ie pehört nicht einem
enp<mKrei»c. einer einzelnen Nation un. »ie i»t human
und pehört <ler Welt. Ich habe neulich er»t in Tifh»
(lamufhinpewie»en. da»» <lie Medizin in repelmnuMiper
Iteihenfolpe der Fntwickelunp ihren historimhen itanp
penominen hat, da»» »ie, von den FhipliratlHmlem nii»-
pehend durch die.Araher den .Aliemihlndem ftlierliefert
wurde und von iliewen zurückkehrend jetzt wieder
neuerdinp» bi» nach TiHi» peinnpt i<*t.
Meinen Fn'umlen von der Anthropolopie. die. wie
Prof«*»Mor J. Hunke. inei»t »elliet von der .Medizin
uu»pepunp4'n »inil, ImlN' ich zu »apeit, da»» di*‘ .Medi-
zin auf .Änthro|ioh>pie hasirt , ja daH» »ie die prak*
tische Anthro|»)lopie int. In den schönen Tapen meine»
WOrzhurper .Aufenthalte», wo die «trenpe Methode
peflht wunle, «u.s»en Männer wie ILiKtian. Semper
und dann uiu-h Narhtipal da»clbst und wir haben
uns Iwiuülit . »riwcil e» an un» war, di«> »trenp«' Me-
thode auch in tlic .Antiiropolopie hineinpetrapen.
Dezhulb buben wir auch ein pro«»e» Intere»»e an
der rieht ipen AufHtellunp «ler Stuumlunpon und ich
imw» iv iM'tonen. wa» die» betriftt, »o genüpt di«
Verwaltunp un»n*r Museen dle»em Wun»che »I«t Wi«-
senwcbalt in volikomtiicner Weise. Auch die lL*pi«*r-
unp entspricht dcmM4-lb«-n , wie wir an dem neuen
MuMUiin »«•beu wenlen, wenn i*« vollendet »ein winl,
in *ler richtipen Wei»e.
Wa» die Stiftiinp Iw'trittt . die meinen Namen
triipt, »o danke iih für di«* Klm*, die Sie mir ihimit
«*rwi«*»4-n haben. K» winl «ler Sjube. «He wir tn*iben,
«ludurch ein «ehr puter Di(‘n»t darpebrucht wenlen.
Und ieh verspreche Ilin«*!!, da»», »o lanp ich lelw*, ich
auf« B«*»te lK*»tn*bt «ein werde, «lavon «len richtipen
(lebrauch zu machen und die höchsten Wissenschaft-
liehen Zinwn (hLiiiil hervorzubrinpen, die ich mit Hilfe
•ler Mitplie<ler un«l de» CoraitA«, die hoffentlich ihre
Theilnahme an«*h weiter bewahren wenh*n, zu Stamh*
hrinpen kann. Noch pelt«*n ja auf d«*m ll«*hiete «ler
WissenRchart die AVucherpe»etze nicht. l*ml wenn e»
un» p«*Hnp«*n sollte, recht hohe Zinsen lierauMzufM'hlapen,
dann werden wir wi«»der vorSie hintreten und Kechen-
»chaft ahlepen. Also ncK'hmal» meinen herzlichzten
Dank.
Wir hah«*n hi«*r eine Keilie von wi»»«»nschattlich«*ii
(.5e»ellH*-haften vertreten, ich hid»* heute Mot^*ii M-hon
eine Iteihe von »«dchen in meinem [!au»e empfanpi'n.
Sie »ind vor Allem die wünlipwten Objekt«* «ler Aner-
kenniinp, un«l wenn Sie, v«m*hrt«* .Anwesende, mir heut
Khre »Tweisen. »o mus» ich «l«H*h «» 4 r»*n. «la»« »ie mit
Hecht in den .Aiip«*n un«en*r Nati«m .Anerkcnmmp ver-
iHen«*n. Vielen v«m ihn«*n pehührt viel höhere Klirc
iil« mir. Da ist tieh.-lt. v. Lanpenheck, «le»H«*n
warme Worte »ie vorhin pehört hal>en; war er «*»
nicht, der znerst hei un» «lie M(*dizin in*» Praktisch«*
Übi*r»ctztc. ul»dieKri«?p»verhilltni»»e die» nöthip mach*
t«*n? Da i»t Profe»»or v. Uienecker au» Würzhurp,
der .A«’lt«*sten Ein«*r, er, d«*r »ch«>n in Wörzhnrp
die liuupttriehfcdcr war. ilu»» ich «lorthin berufen
wunle, sowie mein Freun«l, Herr Hofrutli l'r. Ho»en-
thal all» Würzhurp.
Viele Erinni'ninpen »in<l in mir errept w«->r«h*n durch
«lie Ue«lner: uu» «len Worten jwU»» khnz*dn«*n hat in
mir etwa» He«on«lere» uachpt*khmpen, da» ich hervor-
h«*lM‘ti und lhm*n -«apen möchte. Ich danke dienen
Herren von p-anziun Herzen, «lenn Ihre Mittheilunpen
haben hei «H«*»er (»«'lepcnheit «ler Venrimmlunp p«.*z»'ipt.
wie alle naturwiH»i*n»rhaftli«hen Disziplinen von «ler
An1hrojw»lopie hi» zur Botanik im enpen Zusammen-
lianpe »tehen, ja «lie Botanik tritt neuenlinp« »o recht
in die luedizinisohc Forschunp ein . »eit«h*m wir
w*i»»(*n . das» »ich eine pro»»e Zahl di*r Krankheit»*
iir»u«’h(*n in Botanik aiifl«'5Kt. (»« wird durch «liese»
peiiH'inHame Band «)a» (M*fhhl «ler Kameradschaft er*
zeiipt. Das» «las lanpe »o bleÜM'n w«*ixlc und da» auch
un»en* Mitarl»eit4*r in den amh'ren Kuittir«taat«*n in
«lenselhen W«*p«*n verharren wenlen . ist meine Zu*
v«*r»icht.
Wenn i«-h mi« h zuletzt un «h*n Mann wemle, der
hier unter den frem«h‘n Vertr«*t«*rn zuerst pesprrwhen
hat. an Prof. Stockvi» aus .Amstenlam. »o möchte
ich hi«*rmit win«*r Nation die Khre pelam. das» wir
p«*m Hn«*rk«mnen, w«i» wir von «lort ompfanpen haben.
K» war «Ih* tapf«*re Sta«lt l»*r«len, «lie e» »ich al» B«*-
lohnunp für ihr V«Tha)t«>n «>rl>at, eine l'niv«*r»itüt an*
legen zu «lürfi'n uml die I»‘y«h*ner Schule zelpt** »ich
«lunn spüter al» ni>lchtip**r Kefomiator der M«*«lizin.
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Srhli«*KHli( h«ipfii li ;ilt<*n Knniivlrn aus meiner
Vul<*rMtu«lt nwli inoinc'ii latsoniliTan (inis«. Sie »inil
mir ffiinx unverxelicns wie Xiethen «ihh <Iem hiuu'li
hcriingekomuion nivl on litt «lie leliliuflexte w^irniHte
IU*fri*'(lifyiin«f l’ilr mifli. Sie hier zw «dien.
Und wenn ich an (ienUatini pe<h*nkp. indem wir<lie«e
Feier U*j;»‘lien,HO jfedenke icli. wie diexe Kommune «lurch
Tuamaule von iinhesoldeten Ik'amten im Klm‘iidien«t.
verxehen winl. I»iese« XuMimueiivrirken . «liese Ka-
mentdie alter an.st“indi;^»n und pdalilHen Mi’nHvhen
niu>*>M‘n wir »Imvh alle Zweip* der Nation hindimdi
or;raniHiren. Auch wir Mtr;iier ih*r Wi«nen«i‘lmrt «iml
i^oldie Heamle. denen nicht Allen liexahlt werden kann,
wa« «ie leisten und «o lan^fe ich kann, werde ich
meiiK' IMliclit auch in diesem Klinmamt ohne Sold
tbun. Dazu wini diese .Stiftung das IhriK»' h<»itraf?en.
hoft'cn wir. datw kein Jahr ver^i'hen wird ohne ^te
Frflcbte!
Mittheilungen aus den Lokalvereinen.
1. I>er anthropo1o((iKche und AlteiihumtiTerein zu
Karlsruhe.
Einen nmien Aufschwung hat das Interesse
für anthropologische und urgeBchicbtliche Forsch-
ungen in Karlsruhe genommen. Hier traten im
Laufe des Februar v. J. die in der Stadt wohnen-
den Mitgliedern der „UoutÄi'heu Gesellschaft für
Anthropologie , Ethnologie und Urgeschichte^*,
einer Anregung des Grossh. Konservators der
Alterthümer, Herrn Geh. Hofrath Dr. Wagner,
folgend, unter dem Vorsitze dieses Herrn zu einem
Karlsruher anthropologischen und
Alterlhumsveroin zusammen, der sich die
Förderung der Lokalforscliung im mittleren Haden
in anthropologischer wie urgoschichtlicher Hin-
sicht zur Atifgaho gestellt hat. Auf ergangene
öffentliche Aufforderung erfolgten zahlreiche ßeU
trittserklSrungen aus der Einwohnerschaft , so
dasÄ der Verein schon Ober 100 Mitglieder zUhlt,
welche stHtatengemtt.ss auch Mitglieder der deut-
schen Gesellschaft für Änthro]>ologie etc. werden.
Der Verein sucht «eine Aufgabe zu erfüllen
einerseits durch He.schaffung von Geldmitteln für
Veranstaltung von Ausgrabungen und Lokalunter-
suchongen, andrerseits in den monatlich stattfinden-
den Sitzungen durch VorlrÄge seine Mitglieder über
interessante Fragen der anthropologisch - urge-
schichtlichen Forschung zu oriontiren So wurden,
zahlreicher kleinerer Mittbeilungen nicht zu ge-
denken, Vorträge gebaltim in der März.^itzung von
Herrn Dr. Neu m a n n über Alenmuni.sche Reihen-
gräber, im April von Herrn Dr. Wilser über
die Waffen der alten Germanen, im Mai von dem
verehrten Präsidenten der Deutschen Gesellschaft
für Anthropologie, Herrn Geh. -Rath Dr. Ecker
aus Freiburg, der den Verein mit seinem Besui-ho
beehrte, über die Bedeutung und die Aufgabe
der anthropologischen Forschung, im .luni von
Herrn Ingenieur Näher über die RingwHtIc der
Germanen und specicll einen solchen von ihm
untersuchten und plnntnässig aufgenommenen,
welcher sich auf dem Heiligenberg bei Heidel-
berg findet. In dieser letzten Sitzung wurde
ferner von dem Vorsitzenden, Herrn Konservator
Geh. Hofralb Dr. Wagner, referirt Über die
erste Thal des jungen Vereins, nämlich die auf
Vereinskosten unternommene .\ufdeekung eines
Hügelgrabes bei Hattenheim (in der Nähe
von Pbilippsburg). In dem Gemeindowaldo west-
lich von diesem Orte befindet sich eine Gruppe von
8 oder 9 Hügelgräbern massiger Grösse durch-
schnittlich etwa *J0 Meter im Durchmesser und
jetzt noch I Meter hoch. Von diesen Gräbern
waren zwei im Jahre 1877 durch den Grossh,
Konservator geöffnet worden. In dem ersten der-
selben fanden «ich damals neben Rosten einer
weiblichen Leiche zwei Hronzespangen ; das zweite,
nur theilweise ge<»ffnete enthielt das Skelet eines
Mannes, ein eisernes Schwert und eine Thonumo
ohne Verzierung, daneben kleine Stückchen von
Eisen. Auf Veranstaltung des Vereines wurde
nun am 2 ‘ 2 . Juni d. J. ein weiterer Hügel durch
den Grossh. Konservator geöffnet. Nachdem der
Grabhügel abgemessen und der Plan desselben
festgostelU war, wurde zunächst am Rande des-
selben ein ringtlirmiger etwa 1 Meter breiter
Graben ausgehoben. Schon hierbei fand sich in
einer Tiefe von ca. 80 cm ein behauenes Feuer-
steinfragment , ferner Reste von Ünio sinuaims,
einer jetzt im Rhointhal nicht mehr, sondern nur
noch iin Seine- und Maroegebiet vorkommeuden
Muschelart, welche sieh aber in vielen römischen
Niederlassungen des Rheinthaies vorfand. In
einem Hügelgrab wui\le sie, soviel bekannt, hier
zum ersten Mal gefunden. Die in der Mitte des
Kinggrabens zurückgebliebene Erdmo.«e wurde
dann schichtweise abgehoben. Dabei wurde an
der Peripherie gegen Nordosten das Skelet einer
jugendlichen Person, ohne alle Beigaben, gefun-
den , bald darauf in entgegengesetzter Richtung
gegen Westen am Rande des Graben« in der
Tiefe von 80 cm das Skelet eines jungen Mäd-
chens mit einem Brouzering um den Hals. Der
gegossene Ring zeigte ziemlich rohe Arbeit,
übrigens eine interessante Verzierung von drei
kleinen Schlangen. Ziemlich in der .Mitte des
Grabhügels ungefähr in gleicher Tiefe fand sich
dann ein dritte« Skelet , das eine« kräftigen
Manne«, neben dem Haupte eine birntbrmige,
etwa 20 cm hohe Urne au« rothein Thon ohne
Verzierung, von ziemlich roher Arbeit. Säiumt-
liche Leichen lugen auf dem Rücken, mit dem Kopfe
nach Soden gerichtet. Uw.üglich der Entstehungs-
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6
zeit der Gräber ergaben »ich keine AnhalUpunkte ;
jedoch lässt sich aus den spärlicfaen Ueignben
auf eine ziemlich arme Bevölkerung, sowie aus
dem seltenen Vorkommen von Waffen und den
Muschelresteo vielleicht aui die Zeit der römi-
schen Herrschaft schliessen. Da die Gräber in
dem InundatioDsgcbieto des Hheines liegen, sind
sie wahrscheinHch ursprünglich auf einer Rhein-
insel angelegt gewesen. Die Ansiedlung der Be-
völkerung , von der sic herrühren , mUsste man
dann nach dem nicht weit entfernten Hochufer
sich denken. — Für den koiuinendeu Monat sind
weitere Ausgrabungen von Seiten des Vereins
in Aussicht genommen; seine Sitzungen dagegen
hat derselbe für die heisse Jahreszeit ausgesetzt,
um sie erst Anfang Oktober wieder aufzunchmen. |
Münchener anthropologische («esellKchaft.
üeber ägyptische Astronomie.
Von Frof Dr. Ijauth.
(Vertrug gehalten in der Münchener anthro)>ologiH(‘hen
Ge»cll}H;haft den 2H. Oktolier
Die junge Wissenschaft der Anthropologie
pflegt die Schätze ihres Beweiamaterials zwar
vorzugsweise den Schichten des Erdkörpers zu
entnehmen und iosoferne sich anf den Disziplinen
der Geologie, Zoologie und überhaupt der Natur-
wissenschaften aufzubauen. Allein sie verschmäht
es gleichwohl nicht, auch vergleichende Philo- \
logie, die Geschichte und die Chronologie, mit
ihrem weiten Rahmen zu umfassen. Die letzt-
genannte Wissenschaft, Ober welche ich mich in
einem früheren Vorträge weitläutiger gf^usseri
habe, hat zur UDausweicblichen Voraussetzung die
Astronomie d. h. die Kenutnias der Gestirne,
besonders derjenigen , welche durch ihren mehr '
oder nnndor regelmässigen Lauf, ihre periodische
Wiederkehr, ihr wecb.selndcs Lichtphänomen den ;
Menschen mit einer gewissen Nothwendigkeit auf j
die Fixirung de.s flüchtigen Elementes der Zeit '
führen mussten. Während der Tag und der
Monat leicht und unmiltelbur beobachtet wer-
den können, erfordert das Jahr eine längere Be-
obachtung, Durch die Entdeckung des Jahres ^
war in den strömenden Ocean dor Zeit der fest-
haltende Anker gesenkt.
Es versteht sich von selbst , das» dieses Re-
sultat nicht mit einem Sprunge, sondern erst in i
Folge oft wiederholter Beobachtungen endlich er-
reicht ward. Trotz dieser sicherlich gerechtfer-
tigten Annahme einer allmähligcn Entwicklung der
Astronomie wäre es doch ein voreiliger Schluss, j
auzunehmeo, dass diese Wissonsebaft verhftltniss-
mässig jungen Dalums sei — es weisen vielmehr
unter den verschiedenen Zweigen der menscblicben
Beobachtung und Forschung — um nicht zu
sagen : Wissenschaft — ein relativ sehr hohes
Altertbum zugeschrieben werden müsse. In rich-
t tiger Ahnung des wahren Sachverhaltes singt der
I römische Dichter Ovid , unmittelbar nacli der
j Meldung , wie der Japetide Prometheus aus der
I Mischung von Erde mit Wasser das die SchÖpf-
[ ung als Krone abschliessende Gebilde des Men-
schen geschaffen :
l’ronacjne <iuum »«pectent aniumlia caetera U-mim,
Om homini Kubliiue dedit ooelumque tuen
Jussit et en.H:ioM ud ttidera tollere vultus.
♦Wühreml die andern (ietichöpfe geU'Ugt ansüirren die
Erde,
Gab er dein MciiHchen erhabeneK Antlitz, hiee« ihn
den Himmel
Ansclmu'n und zu den .Sternen empor «ein Auge er-
heben,*
In der That bildet der den Menschen aus-
zeiebnende aufrechte Gang die Grundbedingung
für die fortge-setzte Betrachtung des gestirnten
Himmels. Aber es ist ausserdem erforderlich, dass
Sonne, Mond, Planeten und Fixsterne sich dem Auge
möglichst ununterbrochen darbieten, wenn der Be-
obachter mit Aussicht auf Erfolg seine Augen
nach ihnen richten soll. Daraus ergibt »ich mit
WabrscheinUebkeit di© Folgerung, dass nur ein-
zelne in dieser Beziehung gesegnete , mit durch-
sichtiger Luft versehene Land- (oder auch Him-
mels-) Striche in Betracht kommen , sobald es
sich um die früheste Ausbildung der
Astronomie bandelt.
Es ist desshalb nicht zufHilig zu nennen, dass
die alten Autoren als erste Begründer der Astro-
nomie die Chaldäer und Aegypter nennen.
Denn die von diesen lioiden ältesten Kulturvöl-
kern bewohnten Ebenen bieten Ihatsächlich alle
obgenannten äusseren Bedingungen in ihrem fast
da.s ganze Jahr hindurch wolkenlosen Himmel.
Die bekannte Frage : „Wer lachte über Griechen-
land?“ mit der Antwort: ,,Ein stets blauer
Himmel“ gesellt zu den Asiaten und Afrikanern
(Libyern) als Dritte im Bunde die Griechen,
jenes Kulturvolk, .von welchem, wie die Wissen-
schaften überhaupt, so auch die A.stronomie im
Besonderen ihre .Ausbildung erhalten haben.
Beschränken wir uns vorerst auf die Darleg-
ung der ägyptisclien Astronomie, so haben wir
in dem Altvater Herodot eine klns-sische Aukto-
rität dafür, dass die Aegypter die ältesten Astro-
nomen gewesen. Er sagt II 4: „Was di©
*) Die pumllele Krzähhing der BUiel über tlie
Sehöpfmig braucht hier, weil ohnehin «ich Jedem auf-
drängend. nicht «pet'iell Iwtont zu wertlen.
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7
menschlichen Dinj<e betrifft, so stimmt rann darin
Qberein , dass die Aegrpter zuerst unter allen
Menschen das Jahr entdeckten, indem sie zwölf
Theile der Jahreszeiten darauf vertheiltcn ; di(we
aber behaupten sie aus den Sternen entdeckt
zu haben.“ Es sind zwar die Aegypter, speziell
die Heliopoliten , seine OewHhrsmänner und man
könnte desshalb den Einwurf machen , dass sie
aus Eigenliebe so gesprochen und ihre dessfalsi*
gen Angaben daher keine volle Glaubwürdigkeit
haben. Allein die noch vorhandenen Denkmäler
astronomischer Art, regelmässig am Plafond
der Tempel angebracht, geben vollgültiges Zeug-
nis8 dafür . dass die Aegypter frühzeitig eine
ihnen eigenthttmliche Sphäre besassen. Und
wenn auch diese Monumente bis jetzt nicht über
die XVIII. Dynastie hinauf nachweisbar sind, ao
haben uns die neu erschlossenen Pyramiden von
Saqqarah , welche der VI. Dy«. (?700 v. Chr.)
aogehören, als die drei vornehmsten Gestirne des
Himmels au^hliesslich den Orion , den Sirius
und den Planeten Venus überliefert d. h. die
Repräsentanten der drei Hauptjafarc.sformen: des
Wandeljahres zu 365, des fixen Jahres zu
365 *;4 Tagen und des tropischen Jahres zu
365 Tagen 5 Stunden 48 Minuten. Ja , an
einigen der noch älteren Pyramiden aus der
V. Dynastie trifft man Daten derselben Form wie
später, woraus zu scbliessen ist, dass die Ein-
riebtung des Jahres zu 12 Monaten bis in die
nllerälteston Dynastioen, bis zum Protomonarchen
Moncs und sogar darüber hinaus in die prae-
historische Zeit hinaufreicht.
Der Ausdruck Herodots „zwölf Theile“ dt w-
dexß fugea scheint nun allerdings zunächst die
uns geläufige Dodckamoric oder ZwÖlfthei-
ligkoit entweder des Jahres oder des soge-
nannten Thierkreisos zu bezeichnen. Ein
Blick auf die bekannten Zodiako von Denderah
erlaubt eigentlich keine andere Annahme, als die,
dass die Aegypter die Urheber der zwölf Zeichen
gewesen, welche man in die zwei Hexameter ge-
kleidet hat :
Sunt Arie« Tanm« Gemini Cancer I*eo Virgo,
Lihraque Scorphi» Arcitonens Caper Amphora Pisces.
Denn sowohl das Rundbild als die rechtwink-
lige Darstellung*) enthalten die zwölf Zeichen
des Thierkreisos in der näralioJien unverbrüch-
lichen Reihenfolge. Allein beide Denkmäler sind
nach ägyptischem Massatabe sehr jung: jenes
stammt aus dem Jahre 36 v. Chr. (aus der Zeit
der Kleopatra) und dieses aus dem Jahre 34 I
D. Chr. (unter Tiberius) — sie l>eweisen daher j
*) Demonütnition.
nichts für die ältere Zeit, in welcher z. B. auf
den ]isironomischen Darstellungen der XVIII. und
XIX. Dynastie (1600—1300 v. Chr.) die Bilder
Widiler, Stier, Zwillinge, Kreb«, Löwe, Jungfrau,
Wage, Slcorpian, Schütze, Steinl»ock, WiiHsennann,
Fische,
weder tm Ganzen noch im Einzelnen erscheinen,
zum Beweise, dass sie der altpharaoniscben Sphäre
nicht angehören. Hieraus lässt sich leicht er-
messen, welcher Werth solchen Erklärungen bei-
zumessen sei , welche die Gestalten sowie die
Namen der zwölf Zeichen des Tbierkreises aus
AUägypten herleiten. Aus der nicht unbeträcht-
lichen Zahl solcher Hypothesen will ich die
neueste auswUhlon , weil sie zuversichtlich auf-
tritt und in bestechendem Stile geschrieben ist.
Unter der Aufschrift „Die Zeichen des Thier-
kreises“ hat Herr Julius Stinde*) einen Er-
klärungsversuch veröffentlicht , welcher unter
anderen folgenden Satz enthält : „Oie ältesten
Spuren von Thiernamen zur Bezeichnung der
Sternbüder finden wir im T bierkreise, also
in Aegypten, dem Lande hoher Kultur, in
dein schon vor Tausenden von Jahren die Astro-
nomie sowohl wie die Astrologie, die Sterodeu-
terei, von den Priestern gepflegt wurde.“ Der
Verfasser berührt alsdann die dfei ägyptischen
Jahreszeiten : die der Uebersehwemmung vom
Juni bis zum Oktober, die der Aussaat und der
Ortinzoit, bis /.um Februar, die der Erntezeit,
vom Februar bis Ende Mai. „Wegen der Nil-
überschweinmungcn, sagt er, von denen das Wohl
und Wehe des ganzen Landes abbängt, waren
die Aegypter darauf angewiesen , Zeichen zu
suchen , wann das wichtige Kreigniss eintrete.
Der Himmel bot solche Zeichen dar.“ In.^owcit
hann man mit dem Verfasser übereiustinunen.
Weniger mit seinen unmittelbar folgenden Sätzen.
„Die Sternkundigen beobachteten diejenigen
Sterne, welche am Abend, der untergehundon
Sonne gegenüber, am östlichen Horizont sichtbar
wurden, und merkten sich sowohl die Konstella-
tion dieser Sterne , als die Vorgänge auf der
Erde, welche stoitfanden. Wenn im Juli das
Land unter Wasser stand, nannten sie das Stern-
bild, das der untergehenden Sonne am Abend
gegonüberstand, den Wassermann.“ Diese
I Erklärung, so verführerisch sie auch klingt, wird
' schon durch den einzigen Umstand hinOUlig, dass
\ die Aegypter nicht den Spätaufgaug am Abend,
sondern den beliakalischen FrUfaaufgang am Mor-
gen zum Anfang des Tages sowohl ab dos Jahres
wählten. Der hellste Fixstern: der Sirius,
•) IlIuBtrirte Frauenzeitung , 10. Okt. 1881. d.
H 21 / 822 .
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äg}’ptbch Supd oder die güttliche Botin ä ge-
nannt» ,,die Herrin des Jahresanfangs, welche
den ^il ausgiesst /.u seiner Zeit** ist in den
Texten aller Kpochen als Ausgangspunkt genom-
men und dass wirklich der Frübaufgang
dieses Sternes gemeint ist » beweist der oft wie-
derkebrende Passus: ,sie vereinigt sich am Ost-
horizonte des Himmels mit ihrem Vater Hu oder
dem Sonneogotte. “ Indes« hören wir Stinde’s
weitere Deduktion:
„Im August stand der Sonne ein anderes
Stcrabild gegenüber. Der Nü begann zu sinken,
und da da.s Volk sich jetzt an den PiÄ'heu er-
freute, die leicht und in grosser Menge zu fangen
waren , so gaben sie diesen Sternen den Namen
der Fische. Im September hiess das betref-
fende Steinbild „^Vidder'‘ weil man nun schon
die Widderheerden auf die Weide trieb, im Ok-
tober „Stier“, weil die Zeit des Ackerns begann
und der Stier vor den Pflug gespannt wurde.
Irn November nannte man das BtembÜd „das \
Hrautpaar“, weil die Aegypter um diese Zeit
ihre Hochzeiten feierten ; in späterer Zeit wurde
das Biauipaar in die „Zw'illinge“ verwandelt (?
Im Dezember erschien das Sternbild als ein
Krebs, weil dann die Sonne ihren Uückgang
antrat und vom südw*estlichen Stande am Hori-
zont wieder nach dem noi‘dwe>tlichen zurtickging
Den „Löwen“ nannte man das Sternbild im
Januar , da es heiss zu werden begann (!) und
die LOwenjngden nolhwendig erschienen, weil der
König der Wüste zudringlich wurde und von
den Feldern verscheucht werden musste , auf
denen im Februar die Ernte begann. Schnitte-
rinnen zogen 1D.S B'eld und traten an die Arbeit,
wesshalb das nun sichtbar werdende Sternbild
„Jungfrau“ (mit der Acbre Spica!) geheiHseo
wurde. Im März schien es insoferne mit einer
Wage Übereinzustimraen , als jetzt Tag und
Nacht gleich waren; tm April sah man den
Skarabaeus, den für Aegypten so bedeut-
ungsvollen Käfer, als Vertreter des Sternbildes.
Die schnelle Vermehrung, welche dieser Käfer
nach dem Rücktritte des Nils in dem zurückgo-
bliebencn Schlamme ernifart, seine runde Ge.«talt
und sein Goldglanz Hessen in ihm ein Abbild der
Sonne und ihrer schöpferischen Kraft erkennen.
Mau wusste, dass er in diesem Monat seine Eier
legte , und ausserdem scheint er in einer beson-
deren Deziohung zum Weinbau (!) gestanden zu
haben. Die Griec^ben, welche den Skarabaeus
wohl konnten, für die er jedoch auch nicht an-
nähernd von ähnlicher Bedeutung sein konnte,
wie für die Aegypter, welche ihm göttliche Ehre
\ erwiesen, machten aus ihm später einen „Skorpion“.
> Im Mai war die heisse Zeit ; es webte Oer
verderbliche Chamsin oder Samum. Mao uanote
das Sternbild den „Schützen“, und zwar den ver-
derblicheo , weil der Chamsin gefürchtet wurde.
Das Sternbild im Juni hless man die „Stein-
böcke“, weil diese beim Beginne der Wasserzeit,
du in den abcssyuischeu Gebirgen schon die Re-
gel zeit eingetreten war, die Steinböcke, wie von
unsern Gebirgen die Gemsen , von ihren Hufaen
herabstiegen und den Jägern in Schussweite
kamen.“ Damit ist der Jahresring gc^hlosseo.
I Man müsste sich bilHgerweUe wundern, dass
I die vom Verfasser entwickelten zwölf Zeichen des
I Tbierkreises genau um Je ein Halbjahr aus der-
jenigen Stelle verrückt sind, welche sie bei den
Alten und noch iu unsenn Kalender behaupten,
wenn man nicht sich erinnerte , dass er den
Spfitaufgang der Sterne zum Ausgangspunkte ge-
wählt hat, anstatt des Frübaufgaugs, oder, was
du.'^sclbe ist, aoslatt des Aufeutbalies der Sonne
iu dem betreftenden Zeichen , wofür man aber
gerade so gut den Spätuuiergang hätte setzen
können. JedonfalU aber bat der Verfasser unter-
la.saen zu erklären , wie und wann und warum
die Griechen von seiner angeblich ägyptischen
Anordnung der zwölf Zeichen des Thierki-eises
gerade eine Verschiebung um ein halbes Jahr
beliebt haben sollen.
Es leuchtet Jedem ein, dass die Gleichung
März-W'age (Frühlingsanfang) des Verfassei*« so-
fort durch die andere Gleichung September-Wage
(Herl»tanfaog) ersetzt werden kann, wie sie im
Kalender steht, um so mehr, als auch die Zodiuke
von Deiidcrah die Wage auf dem Punkte der
HcrbsUagundnacbtgleicbe aufweisen.
(ScUlüM folgt.)
Kleinere Mittheilung.
Von der wk-htigen Mittheiliing ül»er: Die Re«
genverhällnUso in Indien, nebst dem indiechen Archipel
und in Hochaelen von H. von Schlagintweil • SakUnlttn^i.
ist nun Theil II, Reihe A: diu ik-oliat hlmigca im
centralen und im südlichen Indien erschienen, worauf
! wir lloogniphen und Ethnologen niifmerktMun machen.
I Abhamll. d. k. bayer. Akademie d. W. II. CI. XIV'. Bd.
i I. Abthl.
Die VerseodaBg des Correspondeaz-Blattes ertbigt durch Herrn Prof. Weidmann, den SchaUmeistcr
der GcselBchafl: München, Theatinerstrasse 3G. An dieiMi Adresse sind auch etwaige Reclamationen zu richten.
Druck der AkadeiHUchcn Budtdruckerei ton i*' Straub tn Mimdien. — Sddu*;i der Bedaktton il, Januar J8S2.
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Correspondenz-Blatt
der
Gesellschaft
für
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Reditjirt ron Professor Dr. Johaunea Katilee in München,
BtnnaUttrtiAtr Jtr
XIII. Jahrgang. Nr. 2. ErMhdnt jtdeo Monat.
Februar 1882.
Vitrilled forts. Olaaburgen.
Von V. Cohuusen.
Die RinKWiUle, welche in einfiichen und doppel-
ten Kreisen die Berggipfel dos Taunus umziehen,
bilden an sich ziemlich formlose Steitibtuifen, die
nicht eben schwer zu ersteigen sind. Man hat
daher, wie uns scheint, mit UiN.'ht die Wrnmth-
uog aufgestellt, das.s sie, wenn sic wirklich den
dahin Geflüchteten einen Schutz gewühren sollten,
einst steiler waren, wirkliche, imdn* oder weniger
gebüsehie Mauern gebildet hUtten. — Allein dazu
eignet sieh das vieleckige, sehr wenig lagerhafte
Gestein nicht und da man auch nirgends eine I
Spur von KalkuUirtel fand, mit dem die Stein- I
lagen ausgeglichen und verbunden gewesen, um
so eine Mauer zu Stande zu bringen, so kam man
auf die Idee, die Steinl>rocken .seien durch ein-
gelegte HfVlzer ausgeglichen und verankert worden,
um diulurch einen, wenn auch wenig dauerhaften,
aber doch in Zeiten der Gefahr ra^cli ausführ-
baren nnersteigliehen Bau auf/uriebten. Mau
batte guten Grund, auf «liese Au.skimft zu ver-
falle», da uns Cäsar in seinen Kommentaren solche
Mauern beschreibt, welche die Gallier um ihre
festen Städte anlegteo. Ohne hier in die von
Cäsar gegebtmen Details etnzugehen , genügt es
zu sagen, dass sie diese Mauern nus wechseluden
Schichten von H5lzem und Steinen errichtet und
ein Werk zu Stande gebracht, w'elches durch die
Verbindung, die ihm das Holz verschafft, gegen
den Mauerbrecher, und durch die Ib'ckung, die
die Steine dem Holz gewährt, gegen das Feuer
rierolich sicher gewesen, ja auch noch schön aus-
gesehen habe. Letzteres ist in der Timt der Fall!
Nicht nui‘ die Gallier, sondern auch die Dacier
haben — und fügen wir hinzu, die zwischen
Beiden wohnenden Germanen werden — es so
gemacht haben. Von den Festen der Datier, der
bßUtigcD Rumänen, haben wir zwar keine so aus-
fübrliche Beschreibung, aber desto bes.serc Ab-
bildungen : die Reliefs der Trajaosäule io Rom
zeigen uns diese Mauern, aiifgefübri von unge-
fügen Brocken, wie wir sie an unseren Tauniw-
(juai7.iton kennen. Dazwischen geschichtete Lagen
von Hirn- und Länghölzern, welche sich fast aus-
uehmen wie ein grosser Kierstab und was Cäsar
von der ^hönheit der gallischoD Mauern sagt,
bewahrheitet sich in vollem Masse, Allein Schön-
heit vergeht in der einen oder in der anderen
Weise, die eine wird alt und verlHllt, die andere
vor/ehri sich Im eigenen Feuer. »So auch hier,
das Hol/ verfault, die Steinhroekeo rollen und
rutschen zu.sumnieo und werden formlose Haufen,
als welche wir sie kennen nur in ihren Grund-
rissformen unser Inlere.s.se erweckend; anders ist
es freilich, wenn da.s Holz nicht Zeit hat, zu
faulen, sondern angezündet wird, die Lohe wird
mächtig zum Himmel schlagen und die Glutb
wird das GcHteio, je nach seiner Natur mürbe
machen oder zu Glas und Schlacken schmelzen;
die geschmolzeno Masse wird zwischen die Steine
dringen, welche dem Feuer widerstehen und sie
zu einer Masse zusammen backen, wie wir sie
beim Abbruch eines Kalkofens oder eines Hoch-
ofens Anden.
Solche Sehmclzhrocken Huden wir in den Hing-
wällcn dc.s Taunus nicht, dies Gestein ist nn-
schmclzbiir. Nur kleine, auf dem Altkönig ge-
fundene »Stücke besitzen wir, welche, wahrschein-
lich durch die heim Brand entstandene 'Holzasche
veranlasst, einen 84'hlackeoÜbei’zag erhalten haben.
Ei kommt aber auch anders vor ; schon seit
2
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10
hundert und einigen Jahren »ind die Vitri find
forts die Oliuburgen in Schottland entdeckt und
haben allen späteren Entdeckern als Vorbild und
zur Bezugnahme gedient, so denen der forts vitri-
öes in Frankreich und der SchlackenwäUe in
Böhmen, der Lausitz, in Thüringen und ini Spessart.
Alle diese deutschen werden aber überboten durch
eine Glasburg in unserer Nähe bei Kirn-Sulzbach
an der Nabe, dort treten die Melaphyr-Felsen iiii
Halbkreise io fast senkrechten Abstürzen in*s
Thal vor, während die Sehne des Halbkreises
durch einen 300 Schritt langen Grat desselben
Gesteins einen Abschnitt bildet, dessen Feldflur
HO zu sagen weltvergessen in Abrahams Schooss
liegt. Dieser scharfe Felsgrat, wagereeht und
geradelinigt, ist fast auf seiner ganzen Länge
durch die Kesto einer Schlackenmauer gekrönt;
er ist so schmal, dass man nicht neben der 1 bis 1 ,80
breiten Mauer hergehen kann und fUHt so steil nach
beiden vSeiten ab, dass er kaum oder gar nicht
zu ersteigen ist, nach innen, dem sanft geneigt eib
Ackertlur nGlasbläserkopf'^ zugewandi 8 Me«
ter tief, nach aussen dem Ackerftur „an der
Ringmauer*' gegengekehri, 0 Meier tief, bis in
einen vor ihm herziehenden Graben. Die Mauer, i
an der wir allerdings die beiden Kopfseiten nicht
mehr erkennen und deren Hohe auch kaum mehr
Meter beträgt, besteht aus weissem Sandstein,
dem nahen Todtliegenden, allerlei Rollsteinen, die
aus dem Bette der Nahe heruufgehoH, und aus
Melaphyr. Wenn die ersten bald mehr, bald
weniger gut dem Feuer widerstanden, und bald
nur gerütbet, bald mürbe sind, so iiudet sich der
Melaphyr in allen Stadien der Feuerwirkung ge-
röstet, gefrittet, als glänzend schwarze Schlacke,
abgetropft mit den Abdrücken von Hölzern, und
als aufgebluheter Scblackenschanin, ^ in allen
diesen Gestalten Ui er in die Fugen des andern
Gesteins gedrängen und hat sie zu Blöcken ver-
banden, w'elche noch an Ort und Stelle liegen,
oder mit wenig verändertem Gestein in dem Graben
oder auf den Abhängen liegen.
Dass nicht an eine vulkanische Wirkung, son-
dern nur an eine durch brennendes Holz veran-
lagte Gluth und zwar nur auf einer kaum
2 Meter breiten, 270 Schritt langen Strecke —
zu denken Ut, liegt auf der Hand. Nicht auf
der Hand aber liegt die Absieht, die man bei
dieser Konstruktion hatte. Bei dem Bau batte
man die Al>sicht, hinter ihr einen Zufluchtsort
zu schaffen, in dein sich die Bewohner der Um-
gegend mit ihrer fahrenden Habe sichern und anch
vertbeidigen konnten. Die Frage aber ist die,
wer bat die Steinholzmaucr aogezündet und w'anmi
bat er sie angezündet ? Die Frage Ul nicht, wie
man meinen sollte, vor ein Kriminalgericht, son-
dern vor ein technisches Forum zu bringen. Hat
der Erbauer sie angezUndet, um einen Theil der
Steine zu schmelzen und den andern durch die
Schlacken zu verbinden und ihre Oberfläche durch
eine Glasur glatt und unorsteiglich, das Werk zu
einer Glasburg zu machen? oder war der An-
greifer boshaft genug, sie nur deshalb aozuzünden
um ihren Zusammensturz zu bezwecken und die
dahinter nufgebUuflen Schätze zu plündern? Ich
meines Tbciles glaulie an die Bosheit des An-
greifers — und auch an da.s technische Verständ-
nUs des Erbauers, welcher beim Mangel an Kalk-
möit-el und im Drange der Zeit jene Sebutzmauer
erbaut und ihr, wie seine Nachbarn in Dacien und
Gallien, durch Holzeinlago eine zeitweilige Festigkeit
und Sturmsicherheit gab und welcher wohl wusste,
dass er durch den Brand der zwiscbengelegten
Hölzer seinen Bau zum Einsturz bringen würde
— ja, dass dieser auch einstürzon würde, wenn
er das Holz in ausgosparrten Feuerkanälcn , für
die kaum Platz vorbanden, einlogen und deren
Olutb einen Theil der Steine in Fluss bringen
und dadurch die uodern, ihrer Unterlage beraubt,
verkitten wolle.
Hiermit wollen wir die Frage verlassen und
empfehlen sie phantasiereichen und tecbniscli
nüchternen Touristen zum Äustrag — dazu eignet
sich ein schöner Herbsttag vortrefflich ; wenn man
Wiesbaden 7 Uhr L5 Minuten verlasst, so ist man
über Bingerbrück um 10 Uhr 3G Minuten in Kirn
und bat Zeit im Hotel Stroh bei gutem Imbiss
dos Mittage.ssen für 5^^^ Uhr zu bestellen; ein
schöner Weg führt uns nach Kirn-Sulzbach, wo
uns der Flurschütz Aulenlmch überall längs der
prächtigsten Abblicko ins Naheih.il an den Glas-
bläser Kopf oder Bromberg geleitet , dort reizt
uns der wlsscnscbaftliche Streit und beim Heim-
gang der Besuch einer Achatsclileifmöhle, so dass
wir der Mahlzeit und dom „Tiorgardener“ alle
Ehre anlhun und über Bingen und Mainz selbst-
zufricslen die heiiiiatlilichen Räume wieder be-
treten.
Notizen bezüglich der deutschen prä>
historisch-anthropologisohen Anstel*
lung in Berlin 1880.
(5. bis 21. Au,»ust.)
Von l>r. H. KiMclior iFreiburg i. B.) Juli 1>*?‘I.
Da ich dieser Ausstellung nicht persönlich nn-
wohnte, interessirte es mich, aus dom von einem
Bupplement (LXXIX und 43 pgg-) l>^leiteton,
619 Seiten starken Katalog, der das Resultat der
mühevollsten Arbeit i**t und den wärra.sten Dank
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aller Aotliropologeo vei*dient, auch fär meine Stu-
dien einzelne statistische llesultato zu gewinnen.
Wenn wir nus demselben auch durchaus nicht
auf den relativen Reichthuin aller vertretenen
Sammlungen schliesscn dürfen, da einige der letz-
teren ausfierordentlieh viel, andere nur ihr Kost-
barstes zur Ausstellung gesandt hatten, so ülwr-
sehen wir andererseits daraus d<xdi zum aller-
erstenmal die Kiiatenz der öffentlichen und Privat-
•Suminlungeu Deutschlands und können daraus in
allerobjektivster Weise ermessen, wo vermöge der
Schulbildung u. 8. w. der Sinn für |»rRhistorisch-
anthropologische Studien mehr oder weniger ge-
weckt ist. Aus dem Supplement, woSeitoXLIX
bis LXXIX und Seite 1—31 das Verzeichniss der
in Deutschland bestehenden SainmlungeQ (gleich-
viel ob sie in Berlin ausgebtellt haben oder nicht)
aufgeoomineo ist, entnehmen wir, dass das Ver-
bUltniss der einzelnen DUnder folgendes ist:
Land.
Oeffentl.
I*rivat-
Saiiuu-
liing<.*n.*)
Samm-
lungen.
Anhalt
4
8
Baden
. . 11
2
Baiern
. . 26
17
Brandenburg ....
14
52
Bruun.«cbweig ....
. . 4
4
Bremen
. . 1
Elsoss-Lotbringen .
. . 8
7
Hamburg
. . 2
3
Hannover
. . 13
17
Hesäcn-Damistadt .
. . 6
14
Hessen-Nassau u. Frankfurt
8
16
Hohenzoliern ....
. . 0
1
Lippe-Dctmold und ScliauDiburg 2
1
Lübeck
9
1
Hecklenbarg-Scbwerin
. . .3
2
Mockleoburg-StreliU ,
. 2 '
3
Oldenburg
. . 2
0
Poimiiern
. . 5
1»
Posen
. . 1
12
OstpreuHseo
. . 4
(>
Westpreussen ....
. . 9
10
Reuss j. L. .
. . 1
3
Rheinprorinz ....
. . 14
17
Provinz Sachsen . .
. . 16
33
Königreich Sachsen . .
. . 17
12
Sachsen-AUenburg . .
. . 4
1
Sachsen - W eimnr-EisoDacli
9
4
Sachson-Coburg-Gotha ,
. . 3
0
Sachsen-Meiningen , . .
. . 2
3
•) Die irgendwelchen anatominrhen Samm-
lungen entnommenen llestHndtheile der AiiKMtcllnng
mussten natürlicli för die»M*n »inneren Zwe<*k ausner
Betracht bleiben.
I Oeffentl. Privat-
> Land. Sanim* Samm-
j hingen lungen.
I Schlesien 8 16
r Schleswig-Holstein u. (Bdenburg 7 13
j Schwarzburg-lludolstadt . . . ü 1
, Schwar/.liurg-Snndershau8en . . 1 1
I Waldeck I 0
I Westphalen 10
I Würtomberg 11 8
i zusammen 209 318
I)rt sich das Land, worin der Verfasser wohnt,
dabei bezüglich der Privatsammlungen nicht gar
glänzend stellt, so wird Niemand der Objektivität
obiger Zusaniinenstellang nahe treten wollen.
Was die Aufzählung von Nephrit-, Jadeit-,
CbloromelanitbeiloD betrifft, so sind weitaus die
meisten, die als solche aufgefUhrt erscheinen, früher
in Händen von mir gewesen und von mir be-
stimmt worden. Es sollen nun im Folgenden
diejenigen aufgeföhrt wei*den, bei welchen dies
■ nicht zuiriffl und w'elche ich mir mit mehr oder
weniger Erfolg nachträglich zur Ansicht erboten
] habe.
' Katal. Ske 14 Karlsruher Sammlung
Nr. 4 „J»»deit** ist richtig,
„ 20 „Jadeit“ ist richtig,
n 22 „Nephrit“ war falsch.
Das Stück zeigte mir sp. G. 3,35 und ist ttchter
Jadeit.
Katal, Ste 333 Stralsundcr Sammlung Nr. 808
Nephrit (?) war falsch. Das sp. Gew. ergab 3,38
und das Stück ist Cbloromelanii ; wie sich aus
den gelUlligeo Mittheilungen des Herrn Direktor
Dr. Hai er ergab, ist das betreffende Stück je-
doch vor etwa 15 Jahren von dem früheren Be-
sitzer in Rügen nur erworben worden, ohne
dass sich letzterer mehr der Provenienz erinnern
könnte.
I Katal. Ste 260 Bückeburger Museum Nr. 10
„Nephrit“ ist Jadeit mit sp. Gew. 3,34-
Diese konatatirten neuen Zugaben ändern
also an der von mir im Correspondenzblatt 1880
I J gegebenen Uebersiebt der Verbreitungs-
I grenzen der Nephrit-, Jadeit- und Cliloromelanit-
beile gar nichts, bestätigen dieselben vielmehr.
(Schluss folgt.)
Mittheilungen aus den Lokalvereinen.
Ueber ägyptische Astronomie.
Von Prof. Dr. Lauth.
(.Schlucht.)
Dazu möchte ich eine doppelte beiläufige Be-
merkung machen. Das demoliscb gesefariebene
2 *
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Veneichniss, notor dom Nnmen „Stobbart's Tablet-
ten“ bekannt, welches den Stand der fünf Pla-
neten io den 12 Zeichen des Thierkreises vom
Jahre S des Trajun bis xum Jahre 17 des Hadrian,
also durch 25 Jahre, entbüli, bringt statt des
Zeichens der Wage eine auch in unsere Kalender
übergegangeoe Figur yi!, welche sicher nicht aus
dem Bilde der Wage, sondern aus der Hiero-
glyphe entstanden ist , wtdehe die Sonne in i
Mitten des Horizontes darstellt. Soduno wissen |
wir, dass das Zeichen der Wage erst bei Oemi- I
nus und Varro, also etwa ein halb Jahrhundert
V. (’hr. im Zoilineus getroffen wird, während
vorher die beiden Schcoren des Skorpions ihre
Stelle einnehmen. So z. B. auf dem nach
Bianchiui geuunuten antiken Tbierkreise In j
einem Aufsätze vom Juhro 18(15 über die deiuo- j
tischen BeUchriften auf dem Sarkophage des !
Heter*'*) (er fiilll unter Hadrian und zwar in’s
Jahr 124 n. Chr.) habe ich ferner nrndigewieson, ;
dass bei dem unzweifelhaften Bilde der Wage ;
die Legende ta-djolo steht, welche nicht
die Wage, sondern die Schee re bedeutet,
da das dahinter .stehende Determinativ derTli i er-
klaue deutlich auf die Sclieere des Skorpions
und als Kntlelinuug auf das griechische Wort
(chcle) hiuweist, womit der alte Philologen- j
streit, ob chrdö die Wagschale oder die Schecre !
bedeutet, endgültig zu (lUnsten der letztcron i
Ansicht entsebiedeo war. !
Was sodann den Skorpion selbst betrifft,
so zeigen ihn die ägyptischen Zodiakc allerdings
in seiner bekannten Gestalt; allein die obenge-
nannten demotischen Tublotten substituiren dafür
constunt die Schlange welche aiuh noch in
dem Kalenderzeiehcn ]1[ (tllSL) erkennllicb ist,
nicht aber den Skurabaeus, wie Herr St in de
annimmt. Vielmehr steht der Kufer in den ägyp-
tischen Zodiakon an Stolle des Krebses, so
B. auf den beiden von Dcndei'nh und in den
Tabletten.
Letztere weisen noch einige weitere .Abweich-
ungen von den Kalenderthieizeichcn auf. Statt des
Widderkopfes HP steht die conventionclle Thier-
haut ^ ; statt des Stierkopfos "d der ganze
Stier ; statt des Jungfrauzcicheiis 11]^ entweder
die sitzende weibliche (testalt oder ihre lyegende
repi; statt des Steinbocks (caper) das Lebens-
zeichen auch womit ägyptisch auch die
•) l>oiiion*tnition.
••j l>emoio(trutlon.
Ziege (capra) bezeichnet wird ; statt der zwei
Wellenlinien des Wassermanns deren drei, die
gewöhnliche Bezeichnung des tlüssigen Elementes
in den Hieroglyphen ; statt des Doppelffscbes ><
in den Tabletten nur ein Fisch , während die
sonstigen Darstellungen ebenfalls deren zwei an
einem Baude darbieten.
Man erkennt leicht , dass diese im Grossen
und Ganzen geringfügigen .Abweichungen der
ägyptischen Zodiake von dem griechisebon Thier-
kreise nicht einer alleofallsigen altUgyptiscben
ZodiakaNpbäre angehören , sondern sich unge-
zwungen aU Entleimungen und Modificirungen
der griechischen erklUren. womit die schon oben
erwähnte Thatsoche stimmt, dass die altpharao-
nisebeu Denkmäler den zwölftheiligen ^diacus
nicht kennen,
Nur das Zeichen des Löwen, wie er in den
Tabletten ersetzt ist, nämlich durch das scheint
auf altägyptisclien Ursprung hinzuweisen, da w
weder mit dem sonstigen Löwen der Denkmäler,
auch der ägyptischen Zodiake, noch mit dem
konventionellen Kalenderlowen übercinstimmt.
Allein schon der Sarkophag des Hotcr beweist,
dass die Äegypter den lJ>weu der griechischen
Sphäre ebensowohl herübergenommeu batten, wie
seine Uenennuog , nur dass sie dafür die ägyp-
tisch« UebersetzuDg p*maau „der Lowe“ ge-
brauchten. Das Messer ^ betreffend , so ergibt
sich aus den 5 HaupUterueu der KoDStellution
des Löwen * * * , wenn man Verbinduogs-
H ü
Union anbriiigt, das Bild des Mes.ser .ztts» ungleich
leichter, als das Bild eines Löwen, zu dessen Ge-
staltung gewiss eine grössere Phantasie gehört.
Das Messer gehört also der aliägyp-
tischen Sphäre an.
Ueberbnupt zeigt es sich bei gründlicherer
Betrachtung, dass die alten Äegypter, trotzdem
sie sonst in ihrer Bilderschrift Thiergestalteo mit
I Vorliebe anwendeten, sich doch in Bezug auf den
' a&troDomischeD Hininiol einer gewissen Sparsam-
' keit in Anbringung von Tbieren befielssigten.
So z. B. winl der grosse Bär konstant durch
den Stiervorderschenkel bezeichnet, eine ganz
natürliche Form, da sie sich aus den 7 Sternen
A ^
¥ gleichsam ungosuebt von selbst
ergibt , jedenfalls auch ungezwungener, als ein
Wagon oder eine Bahre mit drei Leidtragen-
den (Araber). Der Bär gar, zu dessen Gestalt-
ung ein bcdeiiteudc.s Quantum von Plmntasie zu
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Hilf« genommen werden mn?is, erscheint in der
ägyptischen Sphäre nirgends.
Wenn Herr St in de den Sirius de&<hnlb als
Hund, auch bei den Aegyptern , ja bei diesen
zuerst, Hguriren lässt, weil sein (FrUfa-) Aufgang
iin dritten und vielten .lahrtauscnd vor Christo
zur Zeit der Nilanschwellung (weiterhin sagt er
richtiger: „weil der Nil dann austritt und seine
Wellen das Ufer überschreiten“) aufging und so
dieser Stern wie ein treuer Wächter , wie ein
Hund, erschien, der das Haus bewacht und den
Herrn auf die drohende Gefahr aufmerksam inucbt,
so wird diese Ansicht durch die Denkmäler krilf*
tigst widerlegt. Denn diese zeigen den Sirius
stets unter dem Bilde des Dreiecks mit oder
ohne die Legende Supd (Sothis), und auch die io
ihm residirend gedachte Göttin Isis wird nirgends
als Hündin*) (canicula) abgebildet. Aber das
Brädikat „rothlouchtcnd“ trifft, wie ich zuerst
eruiu Imbo, zu: die Sotbis heisst:
„die rothäugige“ und vielleicht deutet der Dual
der Augen auf die Thatsache , dH.ss der Sinus
ein D 0 p pelst e r n ist. Heutzutage (oder viel>
mehr heut zu Nacht) erscheint der Sirius bläu*
lieh, nicht mehr röt blich; ei muss al>o seit
der pharaonischen Zeit bedeutende Veränderungen
in seiner Mateiie erlitten haben.
Wenn, wie ich durch da.s Bisherige überzeu-
gend dargethau zu haben glaube, der zwClfthid-
lige UD.s bekannte Zodiacus den alten Aegyptern
während der pharaonischen Zeit ahgesprotrhen
worden muss, so fragt es sich nunmehr, was wir
an dessen Stelle zu setzen haben. Die .-Vritwort
auf diese Frage wird durch die astronomischen
Denkmäler in ausreichendem Maa.sse gegeben.
Die scheinbare Bahn der Sonne führt successive
an gewissen Sternen und Konstellationen vorüber,
welche die Aegypter 0 h ab e su „Lampen“ nann-
ten. Es sind die von den Klassikern Dekane
genannten Sterne, weil sie (bis Fortrückon der
Sonne um Je eine Dekade oder zehntägige
ägyptische Woche bezeichneien. Das Jahr zer-
fiel nämlich den Aegyptern in zwölf dreissigtägige
Monate , denen am Ende fünf Zusatztage (Epa-
gomenen) angofßgt wurden — eine bekanntlich
von dem neufränkisohen Kalender der Revolution
nachgeahnite Kinriehtung. Die je dreissig Tage
des Monats wurden in je drei Dekaden getheilt.
•) Erst in dem up:’J-<lcmoti'<i'hen Leydener Pa-
t iyruB, aus welchem ich ziientt ein«* tler Äesopiwehrn
jibidn übersetzt halM>, ist die .göttliche .Sethi«* mit
der Benennung .Hündin* vuvu zn^iiimnengi'bnicht.
Leider ist die l'rkunde an der hetreffenden .Stelle
ziemlich stark beschädigt.
Man erkennt leicht, daa.s die auf diese Weise
entstandenen 3f» Dekaden im engsten Zusam-
nionhange mit den 36 Dekanen des Himmels
i .standen , wie denn überhaupt die Aegypter als
I praktische Leute ihre Astronomie mit dem
' Kalender und der Chronologie in die in-
nigste Beziehung setzten.
Es sind uns nun zwar die 36 Dekane mit
ihren Namen (ägyptisch und in griechischer
! Tran.sscription z. H. bei Hephaestion) Überliefert,
auch die betreffenden Sterngruppen und die in
ihnen rcsidirend gedachten Gütterffguren sind uns
vor Augen gestellt. Aber ungeachtet dessen
muss mau bekennen, dass wir die ihnen in unserer
Sphäre entsprechenden Sterne noch nicht ken-
j nen , sowie dass die unter diesen Namen sich
verbergende Anschauung uns noch immer sehr
räthseibnft geblieben ist. Fast keine der .36 Be-
' nennungen ist uns durchsichtig, mit alleiniger
Ausnahnio des Orion und der Sothis, letztere mit
dem konstanten Titel „die Leiterin der Dekane“
und ihrem olien besprochenen bildlichen Aus<lrucke
Supdl, welcher uai:b Anleitung des luutbe-
I matischen Papyrus als Dreieck aufzufassen ist.
j Wie nmn aber auf diese sonderbare Anschauung
I verfallen Ut, das bleibt vorderband unaufgeklärt.
Höchstens können wir bei den Pytlmgoräern einen
I Nachklang zu der ursprünglichen Auflassung der
Aegypter anzutreffen hoffen. Nach Plutareh
(Isis-Osiris c. 76) nannten .sie das gleichseitige
I Dreieck die aus dem Scheitel entsprossene Atliena,
I die auch TQnoyn’eta heiset, .weil cs durch drei
aus den drei Winkclspitzcn gc^zogone sookrechie
I Katheten getheilt wird“, wie sie denn die Drei-
I beit (Trias) selb.st als Dike bezeiebneten,
I In dieselbe Begriffskategorie gehören auch De-
I kan Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 : Tajte^Konem, Komm
I und Chcr~Konem „das Haupt des Winkels , der
I Winkel, der untere Tbeil des Winkels“; Nr. 5
I und 6 }Imsat und VeJm-mf Vorder- und Hinter-
I theil des Schiffes (oder der Mauer); Nr. 7
I und 8 Tnnn und Tcmmchn Schlitten und Ünter-
‘ Satz desselben ; Nr. 9 ßt-schte^Kkati — zwei Paare
von Vögeln, oft auch einzeln erwähnt, vielleicht
ein Kardinalpunkt ; Nr. 10 und 11 Apmoit und
Sebcho:i entziehen sich noch der Erklärung, während
Nr. 12 Tapc-rhoMt „Haupt des Fahrzeugs“ und
Nr. 13 Slrr-un .Ceotrum der Barke* ziemlich klar
sind. Aber die Nr. 14—17 S*'jsmUy
Sisema, Kenemu stehen in ihrer Bedeutung noch
nicht fest.
Dagegen sind Nr. 18 TniK-smat und Nr. 19
Smit „Kopf des Halbirers“ und „Halbirer“ sofort
1 Tei'sttUndlich, da sie offenbar auf die Zwei*
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tbcilung des Jahres und seiner 36 Dekane
(Dekaden) hiaweisen. Dies wird besonders durch
das Rundbild von Denderah empfuhlen, weil dort
zwi.scben Nr. 18 und Nr. 19 ein kleiner Dekan:
p€ sin wi „der Einzelstern“ eingeschoben ist, von
dem ich schon längst venimibet habe, dass er
den Zeitbegriff des Schalttages syuiboliäirt.
Mit Nr. 21 erscheint .Sir« „die Gans“; Nr. 22
und 23 Tape-chu und ('hu „der Kopf des Clm-
vogels“ ; Nr. 24 — 25 und Bmt „Kopf
der Buvögel“ ; Nr. 26 — 28 Chont-hrrt, Ckont-hrr,
Chon(~cker „Der obere (mittlere, untere) Theil
des Schiffes“ ; Nr. 29 — 30 Ket und Si-ket „das
Gebäude und seine Seite“; Nr. 31 Chuu die
Pflanzen cha\ Nr. 32 — 36 Arei, Remcn-hff, 2>,s-
«/&, Bcmencher, Vart „das Gebiss, die Ober-
Schulter, die Endfranze, die Unterschuiter, das
Bein“ (des Orion), womit der Ring geschlossen
ist, da hinter dem Orion wieder die IsU-Sotbis
als „Leiterin der Dekane“ beginnt.
Ueberblickt man diese Reihe, so wird man
gewahren , dass unter den 36 Bildern kein ein-
ziger Vierfflsser erscheint , wedi r ein Stier noch
ein L5we noch ein Steinbock; ja die Mehrzahl
der Zeichen ist nicht einmal den geflederten Be-
wohnern der Luit, sondern gewissen Goräthsebaften
entnommen. Wenn ich gesagt habe, dass kein
einziger Vierfüsser unter den Dekanen erscheint,
so wird man mich an den Plafond des Rames-
seums von Theben und dem damit gleichzeitigen
Plafond des Sethosis-Gral>es verweisen: unmittel-
bar hinter dem Halbirer Smat flndet sich dort
die Figur eines Schafes Sa-t oder eines Widders
Bert , welche die Breite mehrerer Dekane ein-
nimmt. Allein die Stellung dieses Bildes um die
Jahresmitte, vom Fidlhaufgang der Sothis am
20- Juli aus gerechnet, führt keinesfalls auf den
Widder des Zodiacus, welcher den Frühlings-
anfang bezeichnet; also ist auch dieser ägyptis<;he
Widder nicht einem zwölflbeiligen Zodiacus ent-
nommen.
Ein zweiter Einwurf könnte im Hinblicke auf
das in allen alten ägyptiscliou Thierkreisen wieder-
kehrendc Bild des auf den Hinterbeinen stehen-
den weiblichen Nilpferds (Hippopotamus) gemacht
werden. Allein dieses Zeichen beflndet sich ausser-
halb der Zone der Dekane, dom Nordpol nabe,
etwa die Stelle des Drachen der griechischen
Sphäre einnehmend. Es steht zwi.schon Ursa
major und minor. Ueber letzteren sei mir die
kurze Bemerkung gestattet, dass der kleine Bär,
mit einer mächtigen Fahne (Schweif) auf unseren
astronomischen Karton ausgestattet, sicher nicht
der Naturgeschichte entstammt. Eher könnte in
diesem Punkte die ägyptische Sphäre das Vor-
bild gewesen sein. Denn man trifft genau an
ihrem Nordj>ol den Schakal, Aegyptens Fuchs,
bei welchem der lange Schwanz eine recht pas-
sende Erscheinung bildet.
Die Isis-Sotbis wird zuweilen, z. B. in Den-
dorah durchaus, mit der Göttin Hat hör identi-
flzirt und da ihr Symbol hUiiflg die K ii h ist, so
wird ea nicht befremden , wenn man statt des
^ in den Zodiaken von Denderah die Kuh im
Nachen, mit einem Sterne über dem Haupte, als
Symbol der Sothis trifft.
Ich komme zu einer weiteren Frage:
Wie hat man in Altägypten die Planeten
bezeichnet? Diese sich nach den besprochenen
Fixsternen unmittelbar aufdrUngeude Frage kön-
nen wir mit Sicherheit beantworten. Die Öfter
erwähnten demotischen Tabletten, eine Art astro-
Domischen Jahrbuch (calepin) befolgen konstant
die Ordnung, dass sie den entferntesten der da-
mals bokannton Planeten, also den Saturn zuerst,
dann Jupiter, Mars und zuletzt Venus und Mer-
cur auffuhren. Den drei oberen Planeten eignet
der gemeinschaftliche Name Har „der Obere“
mit den Zusätzen Ka, Apschei, Deseber
d. h. „Stier, weUser, rother“. Warum man den
Saturn als Stier aufgefasst hat, entzieht sich
noch unserer KeDQtni.s.s; auch seine kalendarische
Bezeichnung b , wodurch die Harpe de.s Kronos
ausgedrUokt sein soll, macht uns nicht klüger.
Allein die BenenDung d^ Jupiter als des
weissen Gestirns ist um so deutlicher, als er
meist den Zusatz führt „Stern des Südens“. In
die.ser Stellung verdient er sein Prädikat mit
noch grösserem Rechte. Bisweilen ist noch ein
weiterer Zusatz angefügt: „er bewegt sich rOck-
läuflg“. — Dass Mars der rothe unter den
drei oberen Planeten , ist auch heute noch eine
gültige Bezeichnung.
Der Planet Venus heisst „der göttliche Mor-
genstern“, bisweilen „Benno dos 0.^irU“, womit
auf die Identität des Aboodsternes mit dem
Morgensterne hingedeutet ist, eine Entdeck-
ung, welche die Griechen dein Pythagoras zu-
schrieben. — Merkur endlich hiess Sobek „der
KleiDe‘^ An die LichteigenthUmlicbkeiien der
fünf Planeten , welche ihnen die Aegypter bei-
logten, erinnern auch noch die griechischen Bei-
namen, die sich bei einzelnen Klassikern Anden:
(faivtoVf yatvAioi-, Uo^<fü^g und
ah'lßiüv.
Auf den eigontUcIien Zodia<|ues nun wie:
». B. auf denen von Denderah, Esne, Edfu etc.
haben die ftlnf Planeten oder ihre stabtragendon
Repräsentanten, ^aßöotfvgoi genannt nicht immer
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die nämliche Stelliing : die^e wechselt, was sehr
begreiflich ist, da ja alle diese ägyptischen Denk-
mäler im eigentlichsten Sinne Horoscope waren
d. h. in ihrer Konfiguration die Zeit der Er-
richtung angeben sollten.
Von der Astronomie zur Astrologie
ist gleichsam nur ein Schritt: auch die letztere
wird den Aegyptern als Entdeckung zugeschrie-
ben. Eine darauf bezügliche Notiz findet sich
schon bei Herodot 11 82 - ,,Eine weitere Erfind-
ung der Aegypter ist diese, welchem unter den
Oettern jeder Monat und Tag angehört, und was
für Schicksale ein Jeder je nach seinem Geburtstage
haben, wie er sein und sterben wird.“ In der
Thal trifft man Schutzgottheiten des Jahres, der
Monate, der Tage und sogar der Standen.
Wenn oben von den Planeten die Rede war,
so erhebt sich die Frage, ob auch der Erdkörper
den Aegyptern als Planet zura Bewusstsein
gekomtnen sei. Aus einem der Berliner Papyrus
glaubte der kürzlich verstorbene französische
Aegyptoioge Piv Chabas den Schluss ziehen
zu dürfen, dass den alten Aegyptern schon in der
Zeit der grossen Pyramiden (3300 v. Ghr.) die
runde Gcist4iU der Erde bekannt gewesen. Auf
einem astronomischen Denkmale der XIX. Dynastie
ist die den Himmel reprUsentirendo Göttin Nut
als übergebeugtes Weib dargestellt. Längs ihres
Körpers, der von dem Gotte der Luft Schu mit
ausgebreiteten Armen cniporgehaltcn wird, ver-
läuft die Reihe der Dekane mit Angabe ihrer
verschiedenen Stellung nach je IbO und 150 Näch-
ten. Quer zu Fö.^isen dieser Darstellung liegt ein
Mann: der Gott Sebu. Dass er die Erde re-
präsentirt, Hrfuliron wir aus dem oft wioder-
kehrendcu Satze: ,,AUc Gewächse auf dem Kücken
der Erde“, wofür aU Variante der ,, Rücken des
Gottes Sebü“ eintritt. Eine merkwürdige Dar-
stellung auf der Insel Philae zeigt diesen näm-
lichen Gott Sebu unterhalb der (dop|>clt abge-
bildeteu) Göttin Nut in einer eigenthUmlicbeo
Rundung, wie einen um sich selbst geringelten
Kautschukinann.*j Hiemit ist offenbar die runde
Gestalt der Erde bezeichnet und da die be-
treffende Darstellung dem Jahre 1*25 v. (Jlir. au-
gehörl, so hat man hierin ein deutliches und
beweisendes Beispiel sowie Dalum für die untere
Gräoze dieser Anschauung zu begrOssen.
Ob die alten Aegypter auch der Kometen
und Meteore irgendwo erwähnen, ist zweifel-
haft. Der verstorbene Nachfolger Cham pol lious
inPari.s, Vicomte Emmanuel de Eougd, glaubte
in der poetisch stylisirten Stele TImimosis 111 die
*} DcuioDKtnition.
Andeutung eines Kometen zn orkeDoeo, doch
begleitete er selbst diese Vermuthung mit einem
Fragezeichen. Sicher ist, dass die Texte regel-
mässig nur zweierlei Sterne unterscheiden : Achimu-
seku und Achimu-urdii, worunter man die Fix-
sterne und die Planeten zu begreifen hat.
Bei dem stets heiteren Himmel Aegyptens
bedurfte es keiner komplizirten I n s t r u in e n t e ,
um die in wunderbarer Klarheit am Nachthimmel
leuchtenden Gestirne zu beobachten ; das unbe-
waffnete Auge reichte dazu bin. lodess finden
sich Anzeichen davon, dass in der urältesten Stadt
HeiiopoUs seit der Urzeit bis auf Plato Eudoxus
und noch weiter herab ein astronomischer
Observationsthurm bestand und von der
dortigen gelehrten Priestersebaft , bei der nach
' Papyrus Anastasi I auch Moses in die Lehre
gegangen war, zu HiinmeUbeobacbtungen fleissig
benützt wurde. Die grossen Pyramiden zeigen
durch ihre genaue Orientation nach den vier
Weltgegenden, durch ihren stets dem Nordpol
zugewendeten Eingangsschacht, die grosse P3rra-
mide des Cheops insbesondere durch ihre fünf
Planetenzimmer über dem Sonnen- und
M o n d gemache, sowie durch ihre seitlichen Tu-
ben, auf HimmeUbeobachtungen hin. Endlich
wird der Brunnen bei Syenc, an der Gränze des
Wendekreises, welcher zur Zeit des Soramersol-
stitiums keinen Schatten warf, vielleicht als Ob-
servationsschacht aufzufassen sein.
ln Bezug auf die Entstehung des zwolfthci-
ligen Zodiacus bat unsere Untersuchung ein vor-
wiegend negatives Resultat gehabt. Vielleicht
gtdingt es den Entziffureru der Keilschrift,
seinen Ursprung aus Babyloniens oder Assyrieus
Inschriften aufzuzeigim. Denn die konstante Ueber-
lieferung der Klassiker hat die Indden ausge-
zeichneten Gelehrten und Astronomen : Letronoo
und Idol er zu der Ansicht gebracht, dass den
Chaldäern die Idee und die Bilder, ja .sogar
die Namen der zwölf Zeichen deji Thierkreises
ihren Ursprung verdanken Es würde mich
freuen, wenn einer unserer A ss y ri o löge n sich
I darüber äussem w ürdc ; H i n c k s und S a y c o
! haben längst auf astronomische Texte der Sume-
rior-Accadier, Babylonier und Assyrier aufmerk-
sam gema<*ht.
Welchen Antbeil die Aegypter an der
überlieferten Sphäre gehabt. da.s batje ich an
; einzelnen Stellen bemerkt; weitere Funde liegen
im SchooHse der Zukunft.
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Hi
Kleinere Mittheilungen.
PrfthfKtoritichpr M'eihrauch in Schwnbftn.
Von I>r. C. lleintKi'l.
Die Leser dieser Blätter werden sich noch der
anziehenden Mitiheilung erinnern, in welcher Herr
Professor Frans die Durchforschung der Lud-
wigsburger Fürstonhügel beschreibt und in leben-
diger Weise die Todteng^'bräiiche schildert, mit
denen vor mehr als 2000 dahreu jener Fürst
und die Fürstin bestattet wurden , Uber deren
Asche sich die Hügel von Bolreroise und Klein
Aspcrglo erhoben. Es wird denselhen vielleicht
auch noch erinnerlich sein, dass unter den Fund-
stUeken im Kleinen Asp«*rgle zweier brotizcoen
Cysten Erwähnung gethan wird, ,,bis an den
Band gefüllt mit einer mehligen , korkartigen
Masse, die sich als ein freilich sehr veräuderies
Harz erwies, aber noch beim Erhitzen auf Platina-
bloch dos Zimmer mit Weihraoehduft erfüllte.“
Das Aufhndeo dieses Harzes, von dem eine spätere
Bemerkung es noch unentschieden lässt, oh es
Myrrhe oder Olibanum ist, erregte mein Interesse
in hohem Grade. Ich beschloss dasselbe der Ana-
lyse zu unterwerfen und dieselben Reaktionen
anzuwonden, welche bei der Untersuchung der
Urnenharze mich diese als Birkenharz erkennen
Hessen.
Herr Professor Oskar Fraas hafte die Güte
mir einige Gramm der fraglichen Substanz zu
übersenden. Dieselbe zeigte sich als hellgelblichc,
bröcklige, leicht zwi.schen den Fingern zerrcib-
Hche Mas^e. Schon dos äussere Ansehen, mehr
aber noch das Verhalten beim Erhitzen mit Natron-
kalk bewies, dass mau es nicht mit dem soge-
nannten Uruenharz zu thuu hatte. Während
dieses mit Natronkalk erhitzt, ein nach Juchten
ricbendes rothgelbes Destillat liefert, gab die vor-
liegende Substanz ein hellgelbes, dculHcb den
Geruch von Olibanum tragendes Ocl , das nach
einiger Zeit an der Luft verharzte. Frischei
Olibanum von Boswellia serrata gab, io gleicher
Weise behandelt, da.si>elbe, nur stärker riet:hende
Oel. Der spezifische Grundgeruch war Ijei beiden
Harzen derselbe.
Durch diese Reaktion liissi sich die prähistor-
ische Substunz gleichfall.s am Besten von Myrrhe
unterscheiden, da dieses Harz der Destillation
mit Natronkalk unterworfen ein rolbgclhes, den
charakteristischen scharfen Myrrhr-ngcruch tragen-
dem Oel liefert.
I Mit schmelzendem Kali behandelt zersetzt sich
I die fragliche Substanz ebenso wie frisches Oli-
. banum — aber auch wie Urneoharz, frisches
Birkenbarz und Myrrhe — iu Butlersäure resp.
in Säuren der Fettsäure Reihe und gibt hei nach-
tiilgUcber Bcbaodlang mH Salzsäure und Alkohol
angenehm noch Ananas rieebendon Butteräther.
Der Aether aus frischem Olibanum und aus dem
prähistorischen Harz war kaum durch die Stärke
I des Geruchs von einander zu unterscheiden.
Es ist eben Weihrauch — Jahrtausende alter
1 Weihrauch — der die Opfju’geftUse „bis an den
Rand erfüllte“, in jenen Zeiten ein reicher könig-
licher Schatz, der unter unendlichen Gefahren
I und Schwierigkeiten dnn Weg vom fernen Osten
ins Schwabenland gemacht hat.
Berlin, 17> Januar. Die afrikanische
Gesellschaft in Deutschland hat wiederum
die Freude gehabt, einen ihrer Forschungsreisenden
in der Heimath begrUsseu zu können. Herr Dr.
Büchner ist nach einer dreijährigen Abweson-
heit und nach Vollendung einer ebenso schwier-
igen wie erfolgreichen Reise am vergangenen
Freitag umh Berlin zurUckgekehrt. Dem jungen
Gelehrten war es freilich nicht vergönnt, seinen
grof^sartigen Plan, von der Westküste über die
Lundostaaten hinaus bis un den Congo und von
hier nach der Ostküste vorzudringen, ganz aus-
Zufuhren. Doimclbe wurde vielmehr durch die
Eifersucht des Mnata Vamw'o in den Lundastauten
festgelialten und schliessUch sogar gezwungen,
! nach der Westküste zurückzukebrer, $0 dass seine
Reiseroute von der früher von Dr. Pogge ge-
nommenen w'enig verschieden ist. Da Herr Dr.
I Büchner jedoch durch mehrjährige Studien sich
I für die Afrikaforschung gründlich vorbereitet und
I seine Studien auf die verschiedenen Zweige der
' Naturwissenschaft ausgedehnt batte, so ist sein Kr-
' folg eiu ganz besonders glänzender, und wini nicht
nur der Kartographie zu Gute kommen, sondern
: auch unsere Kenntnisse von der Geologie, Botanik
und Zoologie des äquatorialen Afrika wesentlich
. oriveiteru. Um so mehr ist es aus diesem Grunde
aber auch zu bc<luuero, dass ein Theil der werth-
I vollen Sammlungen des Reisenden in Folge der
' Kollision zweier Dumpfer im Kanäle zu Grunde
: gegangen ist. Herr Dr. Büchner wii‘d in der
nächsten Sitzung der Gesellsclmft für Erdkunde
über die Ergebnisse seiner Reise Bericht er-
statten. (A. Z.)
Die Versendang des Correepondens-BlaUes erfolgt durch Herrn Prof. Wcisiuann, den SchatzmeiMter
der («eseiUchafl; München, TheatinerKtniHHu 3G. An diese Adresse sind auch etwaige Ueebiimitionen zu richten.
Jhruck d<r AkademUchen Jiuchdruckcrci fx)» F. Slra\Aj iw Münchtn. — $ichluss der Jiedaktion :iiO. Januar JtfÜä.
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Correspondenz-Blatt
der
deutschen Gesellschaft
far
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.
Redigirt von Professor Dr. Johanne» Ranke in München,
dir
XIII. Jahrgang. Nr. 3. Enehtint j«dan Mout. Mftrz 1882.
Inhalt: Die altheidni»iche Opfenrtntte auf dem LochcnÄtein. Von Profeneor Dr. 0. Fraa«. — Kordeniikidld,
Die Um»egeluDg A^ieiM und Furopa’s aui'der ,Vejra* 1878-1^80. — Dernelb«, Dan sibiriRche Mamniuth.
— Notizen bezOjflich der deut»cnpn priihiRtoriBch-anthn>j)olojri.'«chen AtiNüteUun^ in Berlin 1880. Von
Dr. H. Fiacher. — Schaaffbaunen, Berichtigung.
Die altbeidniBObe Opferstätte auf
dem Lootaenstein.
Von Professor Dr« 0« Frans«
(Vortraf ia der Sitzuaf der antfaropolofiachea Getellicltaft am
SS. Januar IMS in Stottfart^
Wenn der Besucher des Aussichtsthurmes aui
dem Hasenberg bei klarem Himmel mittagswttrta
blickt, 80 fhllt ihm das Profil eines Berges auf,
der, in der Lücke zwischen dem Huodsrück und
Schafberg gelegen, an seiner eigenthOmlichen Ge-
stalt mit einem senkrechten Abfall gegen Westen
nicht übersehen werden kann. Die 963 ni hohe
Felsspitze des Lochensteins, die sich weithin sicht-
bar am Horizont abbebt, war Jahrhunderte lang
ein altgermanisches Völkerbeiligthum, eine Opfer-
stätte auf sonnigem Fels mitten in den düsteren
Tannenwäldern der Lochen (Loche, Lohe althochd.
für Bergwald, Hain). Auf dem Loebenstein hatte
der Vortragende seit mehreren Jahren in der
kohligen Schwarzerde unter der Rasendecke Nach-
forschungen anstellen lassen und eine reichhaltige
Sammlung von Gegenständen aller Art , welche
auf der Tafel aasgebreitet lag, für die k. Staats-
sammlung zu Stande gebracht. Den Anlass zn
eifriger Nachforschung gab ihm der Fund von
fremdartigen, mit der goologLscben Formation der
Lochen in keinem Zusammenhang stehenden Ge-
steiosarten, wie Qneiss, Granit, Glimmer, Sandstein.
Solcherlei Steine, vielfach deutliche Spuren mensch-
licher Benützung au sich tragend , können gar
nicht anders als von Menschenhand auf die Spitze
des Berges getragen worden sein. Es bleibt denn
auch nach dem Resultat der Grabarbeit kein
Zweifel Ober ihre Benützung und Verwendung:
am auffälligsten sind die Sandsteine des schwä-
bischen Unter- und Oberlandes deutlich aU Mahl-,
Schleif- und Wetzsteine verwendet. Alle Arten,
wie rotber Sandstein des Schwarzwaldes, grauer
Sandstein der Lettenkoble , grüner und weisser
des Keupers, Liassandstein von den Fildern, alpi-
ner Sandstein Obersebwabens tragen geschliffene
Flächen an sich und lassen die Art ihrer Be-
nützung nicht verkennen. Daneben liegt eine
Reihe gerundeter harter Steine, Geschiebe vom
Süden der Alb , alpine der Moräne entnommene
Kieselsandsteine, Hornblendegneisse, O^arzite, die
als Läufer auf den Mahlsteinen oder als Korn-
quetseber angesproeben werden. Jurasteine in
Bobnerz goröthet, stängligor honiggelber Kalk-
spat, mehrere Ammoniten, Steinschwämme, Serpelo,
l^bnerzknauer und Schwefelkiese scheinen als
Koriositüten mitgeuommen worden zu sein, viel-
leicht dienten sie wohl auch als Amulett und
Zaubermittel. Welche Verwendung Granit- und
Gneisstücke und recht grobe Quarzsandsteine
fanden, ersieht man an den Gescbirrscherben, die
zu Tausenden unter dem Rasen liegen. Die Mehr-
zahl der (ieschirre gehört jener uralten Form
von weitbauebigen , aus freier Hand gefertigten
Gefässen , zu deren Erstellung der Thon mit
grobem , scharfkantigem Sande gemengt wurde.
Der Sand aber wurde direkt durch Zerklopfen
von Granit, Glimmer und grobem Sandstein be-
reitet. Der Sand trat an die Stelle des nur
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mangelhaften Brennens der Geschirre, um dem
Thon mit den vielen Flächen des eckigen Sandes
Halt zu bieten. Unter den tausend Scherben,
die hätten gesammelt werden können , wurden
nur die ornamentirlen aufbewahrt. Ks können
unterschieden werden ein einfaches Tupfenornament
d. h. reibenföiniig eingedrückte Fingerspuren,
dos Kerbenornament , vertikal oder schief mit
einem Holz« oder Metallstab eingedrückte Kerben.
Das eine Mul sind die Kerben unmittelbar in die
(le^sswand eingedrückt, das andere Mal auf den
Rand der Urne oder eine die Urne horizontal
urnspannende Leiste. Fin weiteres Ornament ist
das der Reifen, die horizontal um das GefSss ge-
legt sind. Die weitest vorgesehritteoo Technik
ist die der umgebogenen Ränder, welche ein Zick-
zack- oder das sog. Wolfszahnornament tragen.
Die letzteren GefUsae gehören augeoscheiolieh
der jüngeren, nicht mehr altgermanLscbon, sondern
römischen Zeit an, sie sind bereits auf der Töpfer-
scheibe gearbeitet und aus reinem, hart und rotb-
gebrnnntem Thon (Sigelerde) bereitet. Römische
Arbeit zeigen auch unverkennbar römische Ziegel,
die an einer Stelle der Hochfläche haufenweise
l>ei einander lagen und wohl einst das Dach einer
römischen Mitbraskapelle deckten oder das be-
scheidene Haus des Priesters, in dem er vor den
WesUtürmen Schutz fand, die wie heute, so
Höhe des Lochensteins wegbrnuseo. An die
Thongetässe reihen sich die Thonwirtel, bald
.scheibenförmig , bald konisch , bald glatt , bald
ornameniirt, die man auch sonstwo zahlreich tiodot,
die z. B. in Ilissarlik von Scbliemannn zu Tau-
senden ausgegrahen wurden. (lewöhnlich werilen
sie für SpiDn^virtel angesehen , in Wirklichkeit
damit zu spinnen ist aber Niemand im Stand,
wegen des engeu Lochs, durch das gar keine
Spindel gesteckt werden kann, und der Leichtig-
keit des Materials konnten sie nie Gegenstände
der häuslichen Indnstrie sein. Es scheinen viel-
mehr nur Thonperlen, als Schmuck angeroiht und
getragen, gewesen zu sein ; mehrere fanden sich
aus blauem Glas gefertigt, eine andere aus Blei,
eine dritte nu.s einem fossilen Schwamm. Eine
weitere hat die Gestalt eines Fässchens von 4>5 cm
Höhe und ist mit runenftirmigeo Zeichen über-
deckt, die nur leider durch Verwitterung bis zur
Undeutlichkeit gelitten haben. Mit besonderem
Wohlgefallen aber sieht Jeder die Metallwaaren
an, die neben Glasscherben ein wesentliches Kon-
tingent der Manufakte bilden. Am zahlreichsten
vertreten ist dus Eisen in Gestalt von gemeinen
Nägeln, sog. BretteroUgeln, Stiften, Spitzen, Ringen,
Flacbringeu, Messerklingen, Meisselo, Pfeil- und
Lanzenspitzen, gedrehten Eisenzungen, Schlüsseln,
Schlössern, und das Zierlichste aber sind 2 Hämmer-
chen, deren eines heute noch in der Werkstätte
eines Ulirmachers oder Ziseleurs henüzt werden
könnte. Aus Bronze gefertigt sind mehrere Fibeln,
Armringe, Schnallen, Ringe, Ohr- und Halsringe,
zierliche Sicherheiten für die Nadeln, Bronzeblecbe
und Drähte der verschiedensten Art. Von Silber
wurde nur Eine Fibel oder Agiaffe mit einem
Kettchen gefunden. Bei der Technik der Metall-
waaren ist der Einfluss der römischen Kunst,
vielfac'h wohl auch die römische Arbeit selbst
unverkennbar. Andererseits weisen einige Arm-
ringe. Hohlringe sowohl , aU gekerbte Vollringe
auf die Zeit der vorrumischeo Hügelgräber, die
nur wenige Kilometer entfernt, z. B. in Hossingen,
Messstetten , in den letzten Jahren ausgegrabeo
wurden. Beiläufig bestimmt sich die Zeit der
Gegenstände, die unter dem Rasen auf der Lochen
liegen , auf einige Jahrhunderte vor und ebenso
lange nach der Geburt Christi. Dass wir aber
eine alte Opfersiätte vor uns haben, dafür sprechen
die Tausende von Knochen, welche rings um die
eigentliche Felsenspitzo herum zerstreut liegen.
Diese selbst ist, wie dies Freund Paulus mit ge-
wohntem Scharfblick orkanot hat , nach allen
4 Seiten hiu künstlich abgespalten und zu einer
Art von Altar oder Opfersteiu zugerichtet worden.
Auf die-sem Altar scheinen die Tliiere geschlachtet
und zerstückelt worden zu sein , während in der
Bergeinsenkung am Fass des Steins die Feuer
brannten, an welchen das Fleisch der Opferthiere
gebrateu wurde. Diese selbst w'aren nach der
genauen Zählung und Untersuchung der Skelett-
reste die Huustbiere der Germanen, vor Allem
Rinder, Schafe und Ziegen, Schw'eine und Pferde.
40 Prozent sämmtlicher Knochen gehören dom
Rind an. Die ftir die Rossenb^timmuog werth-
i vollsten Knochon sind die Mittelhand- und Mittel-
fu.ssknochen, welche zu Hunderten zur Verfügung
stunden und auf die schmalköpfige, kleinhömige
Ka^e hinweisen , w'elche erstmals in den Torf-
mooren der Pfahlbauten gefunden und von Rüti-
roeyer Boa brachiceros genannt wurden. Dieses
Rind bildete das altdeutsche Kleinvieh , vor dem
groashörnigen Zugvieh zur Milcherzeugung ge-
. eignet , eine Kasse , welche heutzutage nur noch
in Nordafrika auf dem Atlasgebirge, ln den steiri-
schen Alpen und auf dom Hochlande Schwedens
gezogen würd. Seit dem Mittelalter ist sie in
Deutschland verschwunden und einem kräftigeren
Schlag gewichen, der mit der Zeit der Merovinger
und Franken allmälig der herrschende Schlag
wird. Da an den genannten ExtremitUton kein
Fleisch mehr sitzt, so wurde die Mehrzahl einfach
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aaf (len Hänfen geworfen« während die Fleisch
tragenden Knochen fast ausnahmslos gespalten,
gebrochen und abgehackt sind. Nftcbst dem Rind
kam das Schaf und die Ziege xnr Opferung. Beim
Fehlen des Schädels mit dem Gehörne ist die
Unterscheidung beider Thiere nahezu unmöglich
und eine Trennung beider nicht wohl thunÜcb.
Beide zusammen repriUentircn 26 Prozent der
Opferthicre, während die Schwoinsknochcn 17 und i
die Pferdeknochen 8 Prozent repräaentiren. Ausser
den genannten 91 Prozent Hau-sthieren fallen auf
den Hirsch 4 und auf den Hund 3 Prozent.
Die fehlenden 2 Prozent vertheilen sich auf den
Auerochsen, den Elch, den Biber, das Reh, den
Singschwan und — den Menschen. E i n fQrchter-
lieh malträtirtes menschliches Schädeldach und
e i n durch tiefe Hiebe io den Knochen entzwei-
gegangenes Scheokelbein erinnern unwillkürlich
an die Stelle in Tacitus (Germ. 39), in der er
vom ältesten und edelsten Stamm der Schwaben,
den Semnonen , redet. „Zu b^tiininten Zeiten
kommen in einem Wald, der durch heil’ge Bräuche
der Väter und alte Scheue geweiht ist, alle Völker
desselben Blutes durch Gesandtschaften zusammen
und feiern durch öffentliche Opferung eines Men-
schen den grauenhaften Beginn ihres Barbaren-
lestea.“ Etwas milder wohl wurden die Bräuche,
als die Römer das Zebentland besetzt hielten und
die Strassen der Legionäre zwar nicht durch den '
unwirthlichen Lochenwald , aber doch am Fusse i
desselben und Angesichts des herrlichen Felsens '
vorOberzogen. Zu Ende der Römerzeit stand dos
Heiligthum noch voll in Ehre und Ansehen,
scheinen doch selbst auch frummgc.sinntc Römer
aus Ehrfurcht vor den Guttom des Landes Weih-
geschenke and Opfer dem SonnengoU dargebracht
zu haben. Mit dem Ende der römischen Macht [
und dem Anfang der christlichen Zeit hörten >
Allem nach auch die Opfer auf dem Lochenbleio j
allmälig auf, Uber den Trümmern des Altars und
den rings zerstreuten Opferresten wuchs das Gras,
und christliche Priester waren bemüht , den Ort,
da der Sonnengott in seiner natürlichen Majestät
verehrt wurde, als den Sitz des Teufels liinzu-
stellen. Das ist gewiss, schreibt CVusius, „dass
im Jahr 1589 im Herbst etliche VVeiber und
der fUrnehmnte Ilathsberr zu Schernberg verbrannt
worden, die alle bekennet haben, dass sie ge-
wohnt gewesen, des Nachts auf diesem Berg zu- ^
sammenzukommen , mit den Teufeln zu tanzen <
und zu tbun zu haben, Menschen und Vieh zu
beschädigen.*^ Auch sagen die Leute in dm*
Nachbarschaft, wenn sie Einem etwas Uebels an-
wünschen wollen, „ich wollt, dass du auf der
Lochen wärst** (Crusius, sebwäb. Kronik p. 419).
ln einem andern Sion als vor 300 Jahren möge
das alte Sprichwort jedem Naturfreund und Alter-
thumsfreund gelten, namentlich wenn der Rasen,
der jetzt die OpferstAtte deckt , grünt, wenn die
blaue Gentiane und das Himmelfahrtsblümloin
oben blühen! Man versteht dann den Drang
unserer Vorfahren , an diesem Ort der Leben
schaffenden Sonne ihre Verehrung darzubringen.
Nordenskiöl d.
Die Umiegelang Atlant und Europa*! auf der „Vetja“ 1878
bis 1880. Aulorltrrte deuttche Ausgabe. MH Abbildungta
in Holzschnitt und tithographirten Karten.
Verlag von F. A. Hrockhaus in Leipzig, Berlin
und Wien 1881. Zwei Bände. Octav.
Die deutsche Ausgabe des Werkes von Nor-
densktöld, welches dessen berühnjte ümsegel-
ung Asiens und Europa’« auf der „Vega“ in
ihrem Verlauf und ihren wissenschaftlichen Er-
gebnissen schildert, ist nun fast vollendet. Wir
haben schon im vorigen Jahrgang des Con*eapon-
denzblattes Geb^genheit genummen, die deutschen
Anthropologen, Ethnologen und Urgeschichtsfor-
scher auf die hohe Bedeutung der ersten Hefte
dieses Werkes für alle Seiten unserer Studien
aufmerksam zu machen. Aber von Heft zu Heft
steigert sich das hohe spannende Interesse, welche
dieses ausgezeichnete Werk hervorrufl, und nun,
da es fast vollendet vor uns liegt, müssen wir
es ausspreeben, dass kaum ein anderes Reinewerk
der äliareu oder neuesten Literatur 1‘ür die anthro-
pologische Forschung und zwar namentlich für
! die Forschung in der Urgeschichte des Menschen
so reiche Ausbeute liefert als das Buch N er-
den skiölds. Die ethnischen Beobachtungen an
den Tschuktschen gclieo uns für die Urgeschichte
Europa’s die wicbligstcn Aufschlüsse. Sind Jene
doch ein Volk, das, wie einst unsere ältesten
Vorfahren auf dem europäisohen Kontinent, einem
rauhen eisigen Klima noch jetzt fast ausschliess-
I lieh mit den spärlichen Kulturmitteln der Stein-
j zeit Trotz bietet und in Verwendung derselben
j annähernd zu der gleichen Höhe der Entwicklung
i der Technik und primitiven Kunstübung gelangt
1 ist, welche uns bei dem europäischen Stein-
inenschen der Urzeit so vielfach in Erstaunen
setzt. Auch an amerikanischen Eskimos, welche
auf einer analogen Kulturstufe sich bis jetzt er-
halten haben, bringt N o r d e o s kiö Id Beobacht-
ungen. Anschaulicher kann uns dasLeben der vor-
geschichtlichen Steinzeit kaum geschildert werden
als in diesen Bildern aus dem modernsten Leben
des arktischen Nordens. Diese Schilderungen
sind um so werthvoUer, dn N o rd en s k iöld die
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aothropologiscb^urgeschichtlicbeo Fragen als Fach-
mann beherracbt and seine Aufmerksamkeit daher
allen einschlägigen Aufgaben zuwenden konnte.
Aber auch in zahlreichen anderen Beziehungen
sind die Ergebnisse NordenskiSlds für unsere
Stadien hoch werthToll. Wir erwähnen davon
nur die Geologie jener Gegenden, in denen das
wollbaarige Mamuth und Uhinozeros die Grenze
ihres Daseins fanden ; die Reste der ausgestorbenen
Diluvialsäugethiere selbst; die Frage über den ;
einstigen Zusammenhang der Kontinente und die >
Beobachtungen Ober den vielfachen noch beute |
bestehenden Verkehr der arktischen Stämme :
zwischen Asien und Amerika ; das Thierleben \
vor dem Erscheinen des Menschen in diesen
Gegenden ; die physiologischen Probleme, welche
uns dos Leben und die Ernährung des Menschen
in den bochnordischen Gegenden stellt u. v. a.
Es ist eine Fülle von neuen Thatsachen , von
deren Kenntoissnahme der Anthropologe nicht Um-
gang nehmen kann. Wir dürfen nicht versäumeo,
noch darauf hinzuweisen, dass auch der Zoologe,
Botaniker, Geologe, Paläontologe, abgesehen von
dem Geographen und Seefahrer, in dem Buche
Nordenskiölds reiche Ausbeute und Anreg-
ung findet.
Wir greifen anschliessend an das Gesagte
einen anthropologisch wichtigen Gegenstand aus
dem Werke heraus: Nordenskiölds Forsch-
ungen Ober das nordsibirische Mamuth,
die abgesehen von dem hoben Interesse, welche
sie an sich bieten, als Beispiel dienen sollen, wie
wahrhaft wissenschaftlich exakt dieser berühmteste
Reisende der Neuzeit Erfahrungen zu sammeln
und mitzutheilen versteht.
Daa albiriaohe Mammut h.
(Aus N ord e n sk iöl d: Die Utnaegelung Asiens und Euro|>a*s auf der «V’ega“. 8. 3fil —8. 374.)
Die KeusibiriMchen ln<M>In sind Mchon seit ihrer
Entdeckung unter den nnwischen F^fenbeinnammlem
l>eröhnit gewesen wegen ihr«K aufueronientlicheD Reich-
thuniR an Zfthnen und Skelettheilen der ausgestorl>euen
Klefantenart , welche unter dem Namen Mammuth
bekannt ist.
Am den sorgfälti^n Untcrt<ucbungen der Aka-
demiker Pallas, von Eaer. Brandt, von Middendorff,
Fr. Schmidt und anderer weiss man, da^i» dae Maiumuth
eine eigt'oe nordische, lutarbekleidete Elefunt^nart ge-
wesen ist, welche wi'nigst<*ns zu gewissen Zeiten des
Jahres unter NaturverhiUtni«»«?n gelebt hat, wie sie
jetzt im mittlem und vielleicht sogar im nördlichen
Sibirien vorherrschen. Die ausgedehnten (Snwbenen
und W;\Ider des nördlichen Asiens sind das eigentliche
Heimatland diese« Thieres gewesen, und einst muss
e« dort in zahlreichen Schaaren umhcrgestreifl sein.
Die«eU>e oder eine sehr naljcstohende Elcfanten-
art ist auch in dem nönllichen Amerika, in England,
Frankreii-h. der Schweiz, in Deutschland und dem
nördlichen Russland vorgekommen: ja auch in Schwe-
den und Finland sind mitunter wenn auch unl>edeuten-
dere Maramutbülterreste gesammelt worden.*) Aber
während man in Europa gewöhnlich nur mehr oiler
weniger unansehnliche KncM.‘heni\berreste antriffl, findet
man in Sibirien nicht nur ganze Skelete, sondern
auch ganze, in der Erde eingefrorene Thierc, mit
erstarrtem Blut, Fleisch, Haut und Haaren. Man
kann hieraus den Schluss ziehen, dass das Mammuth,
in gtkilogischem Sinne, vor noch nicht so beaondets
langer Zeit ausgestorben ist. Dies wird au.s.serdem
durch einen andern in Frankreich gemachten Alter-
thnmsfiind bestätigt. Ausser einer Menge grob ge-
arbeiteter Feuersteinscherben hat man dort nämlich
Stücke von Elfenbein gefunden, worauf unter anderm
ein Mammuth mit Rüasel, Zähnen und Haar in groben,
aber unverkennbaren Zügen und in einem Stil einge-
ritzt war, welcher dem die tschuktachiseben Zeicb*
*1 Nibern Aoftcblati bioHlb«r cibt A. J. MAlfnerrn in HDem
A«fi«u Uber da« VorkontB^a utKi di<* Auabr^taar vtia MaBisuth*
fuaden, »owi« Qbor die BediacunijunKrR dar vorteiiKcban KiUtan«
dicae« Tbiere« (Fisikt Vat.*S««ie(etain furbsndl, för 1874— 7k).
[ nungen kennzeichnenden Stil ähnlich ist, wovon im
{ weitem Verlauf dieses Werkiw einige Ablnldungen
I gegeben wenlen. Diese Zeichnung, deren Echtheit
’ dargethan zu sein scheint, flliertrilR an Alt-er vielleicht
^ hundertfjich die ältesten Denkzeichen, welche Aegjt'pten
j aufzuweisen hat, und bildet einen bemerkenswerthcij
I Beweis dafür, dass da« Urbild der Zeiclinung, da«
' Mammuth, gleichzeitig mit dem Menschen im w’cst-
I lieben Europa gelebt bat. Die MammuthüWrreflte
i rilhren demnach von einer riesengrossen, früher in
I beinahe allen Kulturländern der Jetztzeit lebenden
Thierform her, deren Aussterben unsere Vorväter er-
lebt haben und deren Leichen noch nicht überall voll-
ständig verwest sind. Hieraus entspringt dos grosse
und spannende Interesse, da« an alles geknüpft ist,
was du‘*c< wunderbare Thier Iwtriffl.
Wenn die Auslegung einer dunkeln Stelle im
PUnius richtig iat. so hat das Mammiitheifenbein seit
den ältesten Zetten eine geschätzte HandeUwaare ge-
bildet, welche jedoch oft mit dem Klfenl>ein lebender
Elnlanten und Walrosse verwechselt woinlen ist. Aber
Skelettheile de« Mamniuths selbst werden ent bei
Witwen ausführlicher besprochen , welcher während
seines Aufenthaltes in Russland im Jahre 1606 eine
Menge darauf bezügliche Angaben einsammelte, und
der weni^sten-s in der zweiten .\uflagc seines Werkes
gute Abbildungen des Unterkiefers eim's Mammuths
und des Schätlels einer fossilen üchsenart gibt, deren
Knochen zusammen mit den Mammnthüberresten Vor-
kommen. (Witwen, 2. Aull.. S. 746.) ^ scheint aber
Witsen, welcher selbst die Mammuthknochen für
Veberreste vorzeitlicher Elefanten ansah und der dos
Walros« sehr wohl kannte, entgangen zu sein, das»
in einem Theil der Berichte, welche er anfUhrt, das
Mammuth und das Walross ofienbar verwechselt worden
sind, was nicht so somlerbar ist, da beide an der
Küste des Eismeeres vorkatnen und lieide Elfenbein
für da« Wourenlager des sibirischen Handelsmannes
lieferten. E)>en 80 beziehen «ich alle die Na^'hrichten,
welche der fninzösische Jesuit Avril während «eines
Aufenthaltes in Moskau 168ß ü)>er da« an der Küste
des Tatarischen Meere« (Eismeeres) vorkominende
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