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Full text of "Korrespondenzblatt"

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• i 




I 




i)or*^^,,oh(lenz-Hlatt 

der 



^tsche^ Gesellschaft 

filr 

Anthropologie. Ethnologie und Urgeschichte. 



XIII. Jahrgang 

18§2. 






Redigirt von 

Professor Dr. Johannes Ranke in München 

G(^ocrul<tekreUlr der (te'nOl'H-lmÜ. 



M.üuclieu. 

Akademitche Buohdruckarei von T. Straub. 
. 188S. 



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Inhalt des XIII. Jahrgan>rs 1882. 







Seit« 


ISr, 


1. V i r . li .1 w - K t‘ M' r 


1 




.Mitih- iliint'rn aui« ii»‘n Lokal vt‘rfin'*Ti: 

l h< r .inlhroit'‘loLn-vh.- un«l Altr*rtlmiiixTen*in ?.u Kttrlnruhe 


5 




•J. Maui li'-ner .intlir'>in)l<'u'i>rla- Ge->'‘lN>-haft. Lantli, Ä«yi>tuiclie A«troaon«e 


0 




Kh-in-Tr Mjtt !»eiluntrt-*ii 


8 


^T. 


2. V. ('obatixen. Vitriti.'d fort^. Ula?liiiru'*-ii 


9 




H. Kitfi her, >'oL/<n boxiliflhh ttcr ileutMdi«n piUistoritcb*tuitbropoloin>cbeii Atufltelloiiff in 


10 








Mittheünniien autf Loka)v«'reiti«'n : Lauth, Ueber äinrpti<cbe Astronomie (Schluss) . 


11 




Kldnere MitthHiluii;f>n 


iO 




IMe aftikaniscliK Gi-saii^hafl in Ueotachland Ober den rortchunirsreisenaeD Ur. tsacnner I” 


16 


Nr. 


«1. n. Kra ir-, I>ie altlaitlnische OofentAUe auf dem Lochenstein 


17 




Norden»< k: itUii. Cmseselunff Asiens and RtiropA auf der Veira 1874—80 


11 




Derselbe. I>iw Hibin-^' h.i Mamuiatn 


IW 




H. Fischer. Noti/.^n bexQslich der deutschen prühistorisch-anthroDoloffischen An^ttellunsr in 






18KU thi'liiiiHMl 






Schuaffhansen . HorichÜffunfr 


•J4 


Nr, 


4. t. Cohausen. Hnlil« nfnnde an der Lohn 


■Ih 




Bursian. Scbliemunn’s Auserabancren in OrcbomencM 


27 




Nordenskidld, Dos Hibirische Mammnth tForUetxonff) 


MO 




t Eduard Desor 


:J2 


Nr. 


5. 0. Frtias, Eduard Desor 


:13 




Scbaaffhausen. Nene uriLhistorische Funde in Foiiujital 


u 




Lndwiff Lei ne r. Zum rfablbau^ljeben am isoclensee um KonslHnz ! ! ^ ^ ~ 






Jakob MeHtf ikommer in Weitikon. Kt. ZQrich. Neue Funde auf den PfabllMtut>'u vn St.-, k- 
U»m, KobenhunHon etc. 


:I6 




Mittheilunffen aut> <ien jK>kalrere}nen: 

l^ipzurer AnUirrntoloffischer Verein 


■w 




AnlhrODOlotriHchcr Nerein für ^chJeswiifHolstein in Kiel 


:)7 




Nordenskidtü. Das Hibiri»«<he Maniimith l8chhiss) 


:» 




Kleinere Mittheiluniren 


40 


.Nr. 


6. Kinladunff sur Xfll. all^ineinen Vmaiuiulomr in Frankfurt a. M 


41 




Mittheilnmren au« den Lokal- Vereinen: 

Münchener itniliro|H>loffische DeseHschafl. Ein Tnicum im Mu^euIll tlodeÜVoy von tiepp 


41 




Heinrich Vvaukel. Hihler aus der Mdbnschcn Schweix und ihn*r \ enmmrenmMt. und die 






Funde io der Hv^ixkdlarHöhlc 


46 




Kleinere Mittheiinmren 


48 


Nr. 


7« C. Mehlis. Ziira Mersebunrer Ürab 






Mittheilunarcn au.-« den Lokal-Vereiinen: 

.\nthro|)oloiri>4i-hcr Vendn für Hchleswiir-HoUtein in Kiel 


52 




Naturfor«chcnde Dcscllmrhafl in Danziff 


SS 




liei|fX 4 r*>r .\nthit>i>oluiniM-her Verein 


58 




Heinrich Wankel. Die Kunde m der Uteiskäla-lldhle t^chlnax) 


.u 




•Antbropoloinsche Motixen von Amerika 


65 




[.itenitiirbesprechuniren 


66 


Nr. 


8. Flitfier, I>ie NntionaliUU der Trojaner 


57 




Uerselbe. Die Nationalität der datenreichisehen Ffahlbautenbawohner 


SH 




.Mittheilunf^n aus den LokaDVereinen: Eidam, Oruppe Oaozenhauseii 


.58 




riorttenakmuiii Kpi>,;wert ■ ■ ■ . 


iü 



U. Tischler, Da« AoftreWo Je» Eisena in Nordeurop» ^ 



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JiT. 9. 



Bericht fibcr die XIII. Temiumlaogr In Frankfnrt «.M. 



Erfcte Sitzung: 

OuAtüT I. ncae. Vorsit/emler. Erilffnunj|f'‘rede 

Miqucl, Oi*erlifir>fermeifter, iind Fridberg fUr die IiOkul-lte«chäft»*fUhning. BegrünHung»»*- 

re<len 70 

H. Si’h ! icman n . Neue Ausgrabungen in Troja 72 

R. Virchow, L’eWr Ihirwin und die Anthropologie ........ J'O 

Zweite Sitzung: 

r. Tornia, L'oIhv uoolitbiscbe WohnstlUtvn in Sici>cnhürgen 90 

V. Uross. Tidipr eine mnu* PfahllmnstHtion in der Schweiz au* der K«|>Ierei>o«'lie mit Dämon- 

ftnitionpn ................ 99 

11. Virchow, l‘el>er die dort gefundenen SchSdel ......... I(K) 

J. Ranke, Winsensrhaftlicher .lahrc»l)ericht des i.ieneniI»ekret&rM, Vel>er die Fortwhritte der 

Anthropologie in Deutaohland ini letzten Jahre . lOt 

R. Virchow, ConiinisMionsbericht flt»er die Statistik der Farbe der Augen, der Haare und 

der Haut der deutachen Schulkinder I2‘> 

Schnafflinusen, ComiiUHsionaWricht fiber die Aufnahme de« anthro}»ologi«ehen MateriaN 

in den Summlungtm DetitMchlands 120 

O. F'rauf. roniniiwiionMlN'rieht flla*r <lie Fortschritte der prähistorischen Karte l’UJ 



Dritte Sitzung: 



Är, 10, Neuwahl der Vorstujidschaft uml des Drtes iler niiehittjährigen VerHiinmilung , . . 131 

Weismann, Schatzmeister, Kimaenbericht 131 

L. V. Hau, («escliichte de.** Pflu^ 134 

Neubiirger. Paa Verhältnis» der Sprarhfor»chnng zur Anthropologie lA'i 

Fleuch. Mikrocepliulie IVJ 

Mehlis, Eisenberg IM 

Naue, Ein Für»ten|^b bei Pullaeh (München) 

Virchow, Zur kaukuaiio'hen Anthropologie .......... 164 

SchaaffhttUMen. Neue rorgeachiclitliche Denkmale und Funde im Rheinthal. Virchow. 

Schuaffhausen, Virchow, DiRkuafdon zur Platjknemie 167 

Tischler, Situla von Watsch, siehe Nachtrag. (Nr. 12.) 

Fraaa, Ein tjuarziiinatniment au» Michigi»n 171 

Wilecr. Zur Keltenfrage. Henning, Wilser, Lucae, Piskusrion dazu .... 171 

Vierte Sitzung: 

K 1 o)if 1 eiac h , Bericht ülter .Ausgrahimgcn ... 177 

W, KrauHe, tRHtingen, Bericht flher Ausgrabungen 179 

Sepp, Fmiikfiirt. das alte .A»ki1>urg beim (leograplien von Ravenna .... 1S2 

Nr. 11. Ko II munn, Teber Menschenruaaen 203 

Virchow, Piakuasinn dazu 203 

J. Ranke. Die Blonden und die Bmunen in Süd-Havem ....... 211 

Becker, Berg und Thal. Struasen und StAdte im östlichen Odenwald 213 

Virchow, HekaimtgAtH' eine» eingegangenen Berichte» über Schndelfunde 213 

(). Fraaa, Lucae, Donner von Richter. Schlussreden 213 

J. Ranke, Verlaiif der XIII. allgemeinen Versammlung 219 

Nr. 12. Na<*htrug zum Bericht der XHI. allgemeinen Versammlung. Tischler, Die Situla von 

Waatsch 231 

Mittheilungcn aus den Lokal-Vereinen: Kidam, Oruppe Ounzenhauseo (Fortsetzung) 233 

Internationale Landwirthsclmftliche Thier-.\us»tellung. Hambuig IS^3 234 



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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen Gesellschaft 

für 

Anthropologie, Ethnologie nnJ Urgeschichte. 



Ucdiffirl ton I'ro/'eisor Jjy. Johannes lliinkc in Mänclien, 

O0Mttaiateft4tir itr OtnUMCht^ 



XI 11. Jahrgang. Nr. 1. Emcheint jeden Monat. Jaiuinr 188*2. 



Virchow-Peier. 

Berlin, am 19. November 1881. 

Kä war nicht der BalmcDlmia, durch welchen 
der ju$*endliche Jubilar die Treppe zom Fet»tsaal 
deti Rathbause» emporstieg, nicht die Marmor> i 
pracht der Festhalle strahlend von Lii;bterglanz, , 
dicht besetzt mit einer mehr als 800 Theilnelmicr { 
und Theilnehmerinneu zahlenden festlich gescliniUck- '■ 
len Versammlung, wodurch die nachträgliche < 
Feier von Rudolph Virchow’s auf den 
31- Oktober ISSl treffenden OU. Geburtstag in 
Verbindung mit seinem 25jährigeu Jubiläum 1 
ununterbrochener LehrthUtigkoit an der Universität 
zu Berlin eine ganz einzige wurde. I)a» wurde sie 
datiurch ,• dass all die äm?sereo Zeichen und Be- 
weise hoher Verehrung und dankbarer Bewunderung 
fttr den bnliDbrechendeD Gelehrten getragen wurden 
von herzlichster persönlicher Anhänglichkeit. 

Wir beabsichtigen hier nicht, eine Daistellnng 
des Festveilaufs zu geben, der aus den Zeitungen | 
überallhin bekannt wurde; mit wenig Worten 
treffend hat den allgemeinen Eindruck des Festes I 
der Referent der N. Fr. Pr. geschildert: | 

Bei der Feier, welche dem Schöpfer der |»itho- i 
logiffchen Ciewebsknnde in den prärtitigen Räumen ’ 
de« Raihhatii^es zu «einem 60. Geburtstage gegolten 
wurde, mben «ich ganz verschiedene Wissenschiiften ' 
ein Rendezvous, weiche alle dem iM-rühmten Forsclier , 
epochemachende FOnieruitgen verdanken: die Patho- | 
logte, die von ihm, wie ProfetMor J. Ranke aus , 
Mtluchen hervorhob, in DeuUahiand in ilintr moiler- i 
nen (lestult erst begründete AnthrojKilogie. die Krd- { 
künde und die Botanik. An dreissig lünlner theil* 
ten «ich nacheinander in die Ehre, in kurzen An- . 
Muruchen an den Jubilar, welche jede nur drei 
Minuten dauern durfte, sein Verdienst xu würdigen. | 
Vm war ein eigenthüjulich schönes Schauspiel , wie i 
diese Alle au Virchow, der zwischen Gattin und 
Tochter suas, vorbeidcÜbrlen, wie er mit verklärten 1 



Zügen sie nniiörte. Jt^lein innig die Hand dnickte 
mul dann von einem JiHlen priklitige .‘Adressen in 
künstlerisch ausgestatteten Kinbrindon riesigsten For- 
mats in Empfang nahm, die buchstäblieh eine Wogen- 
itlilung ausmai'hten. 

Auch die doutache Anthmpologi^iche Geaell- 
öcliaft war durch eine Adresse ihrer Vorstaud- 
scliaft vertreten. 

Den Beginn des Gauzen machte die üeber- 
rcichuug der Stiffungsurkundo der Rudolph- 
Virchow-Stifiung, bestehend in einem durch 
n^lwilligo Beiträgo gesammelten StiBungskapital 
von schon nahezu 70000 Mark, desM^n Zinsertrag 
Virchow zur Verfügung gestellt wurde zum 
Zweck, die Forschungen in der Wissenstrhaft vom 
Menschen dadurch zu fordern. 

Die Reihe der 30 KtMliicr war folgende: 

1. Begrllssang und Ueberrelohnng der Stiftongs- 
Urkande durch Profeeeor BaatiaUf Studtrath 
Fri edel. 

2. Ueberreichnng eines Beitrages sor Yirebow- 
Stiftnng: 

Vorstand der Berliner medizinischen Gesellschaft: 
Geh. Ober-Medizinalrath von Lungenbeck, Geh. 
MedizinalrathProfessor Bardel eben , Prof. Henoeb. 

3. Comit^ für Holland: Professor Stock vis aus 
Amsierdaui. 

Universitatea: 

4. Medizinische Facultät Würzhurg: Pr«>fessor 
von Kien ec kor aus Würzburg. 

h. Universität Kasan und 4 wiss4>nscku(tl. Gesell- 
sebaften: Pnifessor Collcy aus Kasan. 

fl. Meilizinisi’he Fakultät Bonn: Geb. Meilizinalruth 
Prof, Rühle aus Bonn. 

7. Medizinische Fakultrkt Rostock; Prof. Trend- 
len bürg aus KosUK'k. 

8. Itiedizinische Fakultät Alierdeen: Privatilozent 
L)r. Marti n. 

ü. Medizinische Fakultät Basel: Adresse. 

10. Universität Charkow. 

1 



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2 



II. Köni|fl. Museum B»'rlin ; 

nn^nntth Ih*. Schien«*, Iti’iu^ml-Direktor der küni^l. . 
Mii-neen. 

MediBinische Oesellschafteo ; 

1’^. PhyjiikaHsch-inediciiiiwheCie^ollsdiiifl >n Wünt- 
Uurg. Aerrte Unterlmnkcn«: Hotnith Dr. UoHonthal 
auK Wörjsburg. 

lÜ. Schweizer Aerztc: ProfcMor Schwendener. 

14. Aerztc*Verein in St. IVternburij : Privatdozont 
Dr. B. Frän kel. 

1-V AerztHcher Verein in Frankfurt a. M.: Dr. 
Schoelles aus Frankfurt a. M. 

10. Oesell^ichaB fftr Heilkunde in Berlin: Profe.tsor 
Mebreich. 

17. Central-AussehuMK der ärztlichen BezirksvertMne j 

in Berlin: SanitaUrath I>r. Sem 1er, Privatdozent 
Dr. tiuttstadt. Dr. Selberjf. * 

18. DeiiUcher Aerztevereinshun«! : Siinitiitamth Dr. | 
Graf ans Klberfeld, Sanitätsrath I>r. Uintcl Berlin. 

19. Nie<leiTheinischpr Verein fflr ötlentl. Gemind- 
lieiUpfieKe: Sanitätsrath Dr. Graf uiu Klberfeld. 

*J0. KaiMcrlich mediciniselic Gecellsehaft in Wilna. 

Aothropolog^lsche Gesellschaften: 

21. Deutschfi anthm]>olngische GeAcllschaft : Prof. 

.1. Banke aus München. 

22. Anthro]>olojrisehe Genellttchaft in Hainbur}?, , 

Dr. Krause au» Hrtmburjf. 5 

2d. .^nihroiMlo^iMcheGeselltu'liaft'in Kiel: Fräulein j 
Mee torf aus kiel. 

24. .\nthr»tH>Io}psche GesellM'haft in Berlin; Prof. 
Ilartinunn. | 

Andere wissensohaftHche Gesellschaften : 

2f>. GesellschaG fiir Krdkunde in Berlin: Dr. 

N achtiffal. 

26. Botanischer Verein: Professor Witt mack. I 
Professor Ascherson. Profeswor Schwendener: 
Professor K n y. 

27. Verein für Pommer ‘«ehe GeKchichte und .Alter- 
thumskumle in Stettin: GyinnaisiaUDirektor Demcke.: 

28. Kaiserlich l^eoiioldiniKch^Kamlinische Deutsche 
Akatiemie der Naturfonicher. 

2th Deputation aus Schivelhein iGeburtastadt des 
Jiihilars); Beijjfeordneter Buohierkirch. 

ilO. Deutscher Fischerei“ Verein: Dr. Georg' von 
Bunsen. 

Hunderte von Telegrammen liefen ein. 

Die Eröffnungsrede des Vorsitzenden des Comi- 
U*8, unseres berühmten Reisenden und Ethnologen 
A. Bastian, lautete*): 

Zu dem Fest, w'elchc# un* heute vereint, int in 
un»er Aller Herzen gleichzeitig ein Ruf erklungen, 
nicht hier in Berlin allein. Laut hallt durch Deutsch- 
lands Gauen ein violgefeierter Name und in gleich- 
stimmigem K<rho nchallt es zurück von jenaeita dcH 
KanulR, utiR des Kuuka.«u.R Bergen, von den ventehie- 
dennten Theilen de« weiten Enlennindoi». wo hie weilen, 
seine Schüler und Verehrer. *l*nd wo weilten sie nicht, 
liesse sich fragen : so weithin wenigstens seit 2ö Jahren 
und mehr de$« Wissens Foischungsgeist ge<lrungen. 
Denn da draussen neue Wildnisse lichtend, dann 
als Pioniere unter den gelehrten lleiHcnden schreiten 
voran die .\erzte, und j«der ,\rzt trügt — in seinem 
Bi*stecke gleicliKum — in unzertrennlicher Krinnerung 

•j Njwh dem wortgetreuen Bericht von A. Woldt 
in der Frankfurter Zeitung, dem wir auch die Schluss- 
re<le Virchow’s entneliinen. 



den Namen, den wir heut preisen, zunilchst als grossen 
Reformer der Minlizin, den Begründer der pathologischen 
.Anatomie. 

Die pathologische Anatomie V In ihr drückt sich 
als Ijokalzeichen für die Meilizin jene mächtige Zauber- 
formel aus, welche die gmimmten NaturwiKsenscbuflen 
in ihn»r Induktion diirchwultend . mit einem Schlage 
eine neue Welt in’s Dasein gerufen hat, die noch jetzt 
im vollen Schu.sse des Schöpfens uml tfestuiteoM ring» 
um uns Wunder auf Wunder hünG, im «toten Strom 
der Uebernwehungen die Horizonte ItestAndig ver- 
schiebend, uns staunende Ausblicke eröffnend, in Regio- 
nen des UnlH>kannten eines noch völlig rnabsehl»arfn. 

Wenn jemals die Gt*schichte l>erechtigt gewesen ist, 
den F]os.s des Geschehens dun-h Scbeidcwünue zu unter- 
brechen, in Perioden zu theilen. dann g«‘wifl» hat nie 
eine andere gleiches Anrecht, auf Belhstündigkeit be- 
sessen, nie hat sich sonnvermittelt plötzlich eine gleich 
ra<likaie Totalumwandlung vollzog<m, vollzogen in 
künr.ester Zeit! I'nd als ob bereits von Dampf und 
Elektrizität gidrielnii und mit ihnen den Wagen des 
uralten Zeitgottes Kronos sellist beschleunigend, halsm 
wir in Lustr»>n. in wenigen Decennien gewaltigere Riesi'n- 
schritte zurückgelegt, als sonst die Gewhichte inJahr- 
Inmd4>rten, vielleicht in .lahrtaus«*nden. Nie. wie 
wiederholt wertlen riukg, ist eine frühere Welt so rasch 
und aÜMMtig von einer undertm verdrängt, als unter 
dem .ScenerienweeliKcl, der sich vor unseren Augen 
abgespielt hat. ln den bdzten zwei Men»<‘hena]tem 
schlagt sich die Brücke aus einer in Nacht versinkenden 
AW'lt zu den Tugen eines von andenm Sonnen er- 
hellten Morgens, zu einer neuen Zeit. 

Die neue Zeit ist da ! Sie rauscht heran mit m.Vh- 
ligeni Gewoge, uns hinzufühnm. Niemand weiss noch, 
W(»hiii V Diu neue Zeit ist da ! Es keimt und sprosst in 
wumlerhiireii Bluthen . in Früchten, seltsam gar und 
unbekannt. In R.lthselfragen, tpiellend aus geheim- 
nissvollen Tiefen schwillt die Erwartung dem «mtgegen, 
was eine nächste Zukunft nur zu liergen ikdieint! 

Tnd wenn im Lelaui der Geschichte ttirein organim*hes 
Wachsilmm die Zeit seiner Reife gekommen, wenn 
eine Neuzeit fertig steht, sich zu erschliessen. dann 
ruR sie auch ihre l’ropheten heraus, ihre Diener und 
Jünger, der Welt zu verkünden, was hevorsteht und 
zum gemeinsamen Ziele das Wahrzeichen aufxnstocken, 
das in seiner Bezeichnung die .\ufgala> uusspricht, die 
Zeitaufgabe jedesmaliger tlegenwart. Für die unsrige 
ist die Parole bereits ausgegeben ; sie heisst ,die 
Wissenschaft vo m M en sc hen ,* das höchste und 
letzte Ziel , das meoiH'hlicbem Streben g**xteckt sein 
kann, — soweit wir wenigsten» bis jetzt zu enuessen 
vennögen. 

Welche Wissenschatl ist ihr zu vergleichen, ja, 
welche Wissenschaft existirt ausser ihr, da sich alle 
in ihr und zu ihr vereinen. Verlangt war sie immer 
und stets ! Schon Rlteste tlrakelprüche weisen auf sie 
hin ; ermöglicht ist sie heute erst worden «lurch die 
Fortschritte der induktiven Wissenschaften. In ihr 
als centralen Bnmnpunkt werden fortan alle die Be- 
stndiungen zuMuminenfallen, die zum Heil und Besten 
des Menschen sein geistiges und leibliche» Wohl zu 
fördern l>ealj«ichtigen. also die Medizin in allen ihren 
Füchem. die realen Wissenschaflen zur Verschönerung 
des Ijeliens, die sozialen im Studhin^ g«^dlschaRIicher 
Entwickelung: die statistischen, so viele ihrer sind, 
und <lie (iesfhichle mit den jüniLpit hervorgesprossenen 
Zweigen iler Anthropologie und Ethnologie. 

Keine Neuschöpfung ohne Zerstörung, und zerstört 
haben wir walirlich s4*hon genug. Peberall Is-ginnt 



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3 



p« ZU wanken nntvr den Kui«M*n, <5»r raunfhe ilor 
(injndpfeiler, auf denen die Wf>)t4inKchuunn^ un-nerer 
Väter ruhte, «ind anßefr<*wsen vom Zahn der Zeit. (*ar 
manche haben fiich bereita aln mnr»ch erwiesen und 
alle xind f^ie twxlroht von der ini Wideratreit der 
Meimm^en l»C!*tändi^ anxchwellenden Brandung?, die 
um die Kundamente toht. IIcH-h Huritzt der <ii>ii’ht, 
die Wolfen heulen in eehauimmdeiu oehwall : die Luft 
wt jfenillt mit freindenart l^ren Stinmum; heirmhend. 
verwirreml. l.*nd dmdi mÜHwm wir hinuu» in’?» auf- 
gewilhlte Mt*er, in Wo|ien->«'hwall und StunuKehmiiK, 
den rettenden Hafen zu suchen : die Heimath einer 
neuen Weltan'^chaumiHr, denn in der alten i«t kein 
BleilH>n län^r. 

Auf dieeer mit den HoffnunK^l^iUem der Zukunft 
hefnu hteten Barke, werwinl da« Steuer ftlhr<*n? We««en 
Am LHt Mtark xenu^, .ihm diene Paladien anzuver- 
trauen. weK»en Atif^e klar und «eharf, diu I«'itMteme 
zu erkennen? Vertrauen wir dem Zeitjfewte, er selber, 
wenn <UeZeit zeichnet sie, die Männer der 

Zeit, und sie treten heran, die Heroen der Kultur, da« 
auszus|)n>4-hen und zu formulireii. was all^'inein und 
uniH'stiimut gefnbit. Auch in unserer Wi«HeDm'haft 
vom Menschen weith-n sie uns nicht fehlen, Unter 
den von ihr jteweihten Stmdls^ten steht voran er, 
den wir heute feiern, er, <ler Leiter auf der Forsehun^ 
neuer Bahnen, Hudol)>h Virchowl .Aiisj^ej^an^en 
von diesen, dem speziellen Studium des Menschen f?e* 
widmeten Wiswenschaften. aiiisf^^niren von der ältesten 
durw‘U>en, der Medizin, hat er sie alle durchwandert 
bis zu den jüngsten Sprossen in der Anthrr»polo>ne. 
zu dert.m Diensten er hier in Berlin eine (lesellschafl 
gegründet liat , die sich S4*iner als ihr^M PriUidenten 
rühmen darf. Du« Walten und Itestalb-u «ler Zeit, 
ihre Au^ben. ihre Be<lürfnisse, lH^on<lers auf den 
neu eröfmeten Forschnngswegen der Mens<*henkunde 
und anthropologischer Studien, in Keines Aug(> künnen 
sie sich zu einem volistämlig^'ren Bilde ahninden. als 
in dem dessen, dem es deshalh gewünscht wnnle, die 
Mittel XU beschaffen, um das theoretisch 
als richtig Krkannte jetzt auch praktische 
zur Ausführung zu h ringen. 

Die Krlaiihniss ist gewahrt : sie darf heissen Hu d o 1 p h- 
Vi rc ho w • St i f t u n g. Unter diesemNanum winl sie 
blühen und ginleihen zum Besten der Mitwelt unil 
unserer spätesten Nwhkommen, zmn Besten der Mensch“ 
heit, weil sic fördert die Wissenwhaft vom Menschen! 

Unter den Reden dei Deputirten fand nament- 
lich jene von Professor Dr S t o c k v i s aus Amster- 
dam eine begeisterte Aufnahme. Nach den BegrUss- 
ungsworten an Vi rcho w sagte Herr Stoc k vis: 

Ihre Leistiingeu auf d»?m ISehiete der Wissen- 
schaften, Ihre Bemühungen für die Wahrheit, Ihre 
B»*strebungen für die Freiheit der Forschung auf jeflem 
Gebiete und für die Freiheit iui Allgemeinen, Ihre 
unvergleichliche Ausdauer und unermüdliche Arbcit«- 
kmft. alle diese hoben Kigenschafttm lhre.s (teistes 
haben Ihren Namen zu ein«*m der Itestgekunnten, der 
meistgelieblen deutschen Namen g»’inacht. Wie unsere 
ruhmreichen Vorfahren es verstanden, dem .Meere jedes- 
mal neues und fruchtbares (44ind uhzugi'winnen, ist es 
Ihnen in der Mtnlizin gelungen, dem Wissen neuen, 
festen, fnicbthanm Hoden in der ]>athoh>giMdicn Ana- 
tomie atizugewinnen. Auf jedem Gtddete der Wissen- 
schaft hal>en Sie !dusU*rarl»eiten geliefert, und was 
noch viel grdaser ist. Sie halwm. indem Sie zur Kefonii 
•chritten, zu gleicher Zeit eine Schule von «o grosser 



Tragweite gegründet, dass jeder Me<Hciner der Neu- 
zeit sich dankbar Ihren Schüler nennt. Und wie die 
Niwlerlande des sechzehnten und siebzehnten Jahr- 
hundert« für das was der Freiheit der Forschung auf 
jeflem Gebiete galt kein Opfer scheuten, so standen 
auch Sie jcilesmal auf der Bresche, wo der Anerken- 
nung dies4T Freiheit als der höchsten Krnmgen.Hclmfl 
des itienschliehen Geistes Gefahr drohte. JfnuuHtietulrrti ! 
so klang der Wuhlspruclt Wilhelms von Oranien, des 
Herus aus tmsenuii (’nabhUngigkeitskriege. morn* 
tien(irui, das ist auch der Wahl.spruch Ihres giin/.en 
Lel.»en« gewewn. Sie hu>M>n die Fahne der Wisst'n- 
schaft hochgehalten, die Fahne der Humanit-ät, die 
Fahne der freien Forschung, uml dies haWn Si« ge- 
than mit der hewnndernswerthen B<*scheidenheit und 
Freundlichkeit, welche Ihnen die Herzen Aller, sellwt 
derer gewonnen hat, die mit Ihnen nicht in Allem 
übend nslimmen. 

Unter wahrhaft euthusioätisebeu Beifallszeichen 
gchritt Herr Stock vis auf Virchow zu mul 
uinarnite und kUgste ihn. Don trefHicbon ßu- 
gehlusii der Aaspracben bildeten die herzlichen 
Worte V. Bunsen's, des Abgeordneten de.*i 
Fischcreivereins , der ein Hoch auf den Mann 
ausbrachtCf dessen Geduld unerschüpflich, dessen 
Leben ein stetiges Geben Ut. Unmittelbar vor- 
her hatte die Deputation aus Virchow’’8 Ge- 
burtsort Schiefelbein den freundlichsten Ein- 
dnick hurvorgerufen und mitgetbeili , dass die 
Stadt beschlossen habe , an .seinem Geburtshause 
folgende Gedenktafel anzubringen : „Hier wurde 
Rudolph Virchow am 13. Oktober 1821 
geboren“. 

Virchow selbst schloss die Feier mit folgen- 
der Pankrede: 

Verehrte .\nwcRen<le! K« wäre meinem perMÖnlichen 
Gefühle ent'^precheiider , wenn ich, nachdem ich ho 
viid genoHHcn. «tdlH'r aidiwcig»*n konnte, wenn ich dsw 
Viele, wttH hier genproclien worden i«t, in mein Herz 
einHchlieMM'n und da« Gehörte mit nm'h Hanne nehmen 
könnte, um uuh der Erinnerung für künftige Tage, wo 
die Flamme uchon etwju« zu erlöschen beginnt, einen 
^^b>lf zu »chöpfen, «ie wieder zu erwilnnen. Allein ein 
U»eihinke bewegt mich, und ea wünle mich Ijedrücken, 
ihn nicht auHge«]>rnchen zu halien, der Gedanke näm- 
lich, da«R Sie mich eigentlich nicht ho «ehr lx>luindeln 
al« „einen MeoKchen“ , »ondem wie eine Art von 
„Kollt‘ktivwe«en,* wie eine Art von «künstlicher Kon- 
struktion*. worauf Sie eine Menge von Vorzügen 
häufen, die eigentlich weit vertheilt wenlen mÜMten. 
Wenn man alt winl. ho entstehen net>enher viele 
Lücken, du eine gronse Reihe von denen, mit welchen 
man gearlteitet hat. im I>aufe der Jahre dahiuKterijen. 
Aber wenn man mit Vielen arladtet und zu VieUm 
in B4‘ziehtmg tritt . so nmchl «icli doch eine Mannig- 
faltigkeit von HeMud und die Zahl der Verhimlungen 
winl sehr gross, da j«ler Ort, jetler Kreis und die 
MenHclien, w»*lche nelH>n und mit Einem arbeiten, viele 
Beziehungen l>ereiten und unterhalten. Ihi» was man 
mit ihnen gewirkt und gearbeitet bat, bioiht zurück, 
wenn sie Hterl>en und man wird abdaitn V'erwalti^r 
fnmtdeii Gu«es, welches Eigenthum der Menschheit wL 
Solch ein Verwalter fremden tlute«» soll jeiler Univer- 
sitätslehn'r Hein, aber er darf 4lic Summe des Geariad- 

1 * 



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4 



tvti'n nicht in cIit Au*>rn]ir]ichkoil ülmlicrtru, 

ii4)nih'ni er niiiNM uliNi-hnciih-n mul den Stell vtTdii hten. 
IhiM wiiM dem SchHlcr ülHT^idN'n wird, ihI («cnudnpit 
Aller; int kein feudaler Henitx <len Kinzelnim, son- 
dern ein Keg4il , ihm «ler rnivemit-UiflehnT verwaltet 
und vertlieilt. ln dieser öeziehung will ich m-m ffir 
nu«-h in Annpnich nehmen, da»-* ich nieim* Stelle al» 
l.'niverKitält-lehrer zu alh*n Zeiten in Khren zu fHImm 
jfenueht und keinen j?^n5lx*ren Fehler jfonuu'ht haU*. 

Wir Alle, die wir in «lpnNaturwiKKen»ehaflenurlH‘iten. 
mri»Ki'n eine erxtuunliche Thilti^keit anweiiden. um die 
Krdle d«>» Muleriale» ZU heherrMclu'ii. die auf un»ereiii 
tiehiet«» vorhanden int. AlM*r wir jfeheu th*iu Si'hüler 
nicht die tfunze Men^e din* rnteruuehun>p*Ht-f»H'«‘H, Non- 
dem nur da» He»nltat und i*o empfdn^t er vielleicht 
al» eine Morjfengahe. w;w unn viele Mflhe jfekoKtot 
hat. Der Schfiier hruueht nicht die lietaila de»StotfeH 
zu kennen, wohl al>er der Lehrer. 

Cn>M*re Wi»f!en»ihatt verlanjjt vi<d .\rheit, .Au»duner, 
Pedanterie und Nfichtemheit. rn«l die*«* Pedanterie 
uml Nöchtemheit habe ich verbucht, allmähli^ iu .M«xla 
zu brin^fcn. Al» ich lie^nn, herrschte <hi» «Sjr»tem 
der Natur - PhiloMOuhie und al» w*ir im»en*n Kumpf 
Hic zu führen m‘j,pinnen, haben wir kühn manchen 
Htrainmen Stretch ^etührt und der Freiheit eine(t:i»»e 
^Itahnl. Dahinter aller kam iinnere nüc hterne .Methode, 
die wir heute no<‘h haben , zur (ieltunt;. Zwar wird 
Mancher »a^en, «Iukh die» eine ijn^weilif^e Methoilo 
»ei, aber wir »in<l doch »tolz daniiif, da»» wir »ic U- 
»itz4'n. Aber e» jfehßrt »lie Mitarbeit Vieler dazu, um 
un»en‘ Methiule durebziiftlhnm , die ArlM'it imt»» zur 
tfcnosMen»chatt»arl»eit wenlen. Darum haU^ ieh untre* 
futifren mit hI» einer «ler Kr»ten, diese Art de» Zu* 
»ammenwirken» einzurii'hten. Meine A»»i»tenlen, die 
Jahre htnjj unter mir j<cwirkt Imhen. «ind meine Freunde 
und Hiiilterhin meine» tileichen jfeworden. Wenn e» 
auf »olche Wei»e ^elii^ft. Krfol^e zu errinj»i‘n. »owird 
die Sache wi»»enMchuftHch '>^*1 dann wird 

da» ^nze derartige Mat4*riai ^eKumiuelt und kommt 
in den ,J u liuK-'f h u r m der W ihm e ti^e hu f t* iilM-r 
e» liedarf keine« Kriege», um e» wie«ler unter die 
la>iite zn bringen. Ich war in der lai^e. im Laute der 
Jahre auf die»e Wci»e Viele» zu So Iml»’ ich 

heute noch die m*duiiti»che Methode , meine Zuhnrer 
zu veranla»»en. tia»» »ie »ich uiicli um die hi»loriiiche 
KnLleckuug der WiwM*n»clmft knmmern : denn wa» 
man IiIohm doK^iuati»ch wei«», jreht verloren. 

So wind wir ullniählich weiter freknimiien und ich 
muN» da» auch zur Khn* meiner Schule »aßen, da»» 
wir alle ThatMachen wohl zu erwilpen und lierevhtip- 
keit n&vh allen Seiten zu üben peh-mt haben. l’uMere 
WifweDHchaft i»t eben allseitip. »ie pehört nicht einem 
enp<mKrei»c. einer einzelnen Nation un. »ie i»t human 
und pehört <ler Welt. Ich habe neulich er»t in Tifh» 
(lamufhinpewie»en. da»» <lie Medizin in repelmnuMiper 
Iteihenfolpe der Fntwickelunp ihren historimhen itanp 
penominen hat, da»» »ie, von den FhipliratlHmlem nii»- 
pehend durch die.Araher den .Aliemihlndem ftlierliefert 
wurde und von iliewen zurückkehrend jetzt wieder 
neuerdinp» bi» nach TiHi» peinnpt i<*t. 

Meinen Fn'umlen von der Anthropolopie. die. wie 
Prof«*»Mor J. Hunke. inei»t »elliet von der .Medizin 
uu»pepunp4'n »inil, ImlN' ich zu »apeit, da»» di*‘ .Medi- 
zin auf .Änthro|ioh>pie hasirt , ja daH» »ie die prak* 
tische Anthro|»)lopie int. In den schönen Tapen meine» 
WOrzhurper .Aufenthalte», wo die «trenpe Methode 
peflht wunle, «u.s»en Männer wie ILiKtian. Semper 
und dann uiu-h Narhtipal da»clbst und wir haben 



uns Iwiuülit . »riwcil e» an un» war, di«> »trenp«' Me- 
thode auch in tlic .Antiiropolopie hineinpetrapen. 
Dezhulb buben wir auch ein pro«»e» Intere»»e an 
der rieht ipen AufHtellunp «ler Stuumlunpon und ich 
imw» iv iM'tonen. wa» die» betriftt, »o genüpt di« 
Verwaltunp un»n*r Museen dle»em Wun»che »I«t Wi«- 
senwcbalt in volikomtiicner Weise. Auch die lL*pi«*r- 
unp entspricht dcmM4-lb«-n , wie wir an dem neuen 
MuMUiin »«•beu wenlen, wenn i*« vollendet »ein winl, 
in *ler richtipen Wei»e. 

Wa» die Stiftiinp Iw'trittt . die meinen Namen 
triipt, »o danke iih für di«* Klm*, die Sie mir ihimit 
«*rwi«*»4-n haben. K» winl «ler Sjube. «He wir tn*iben, 
«ludurch ein «ehr puter Di(‘n»t darpebrucht wenlen. 
Und ieh verspreche Ilin«*!!, da»», »o lanp ich lelw*, ich 
auf« B«*»te lK*»tn*bt «ein werde, «lavon «len richtipen 
(lebrauch zu machen und die höchsten Wissenschaft- 
liehen Zinwn (hLiiiil hervorzubrinpen, die ich mit Hilfe 
•ler Mitplie<ler un«l de» CoraitA«, die hoffentlich ihre 
Theilnahme an«*h weiter bewahren wenh*n, zu Stamh* 
hrinpen kann. Noch pelt«*n ja auf d«*m ll«*hiete «ler 
WissenRchart die AVucherpe»etze nicht. l*ml wenn e» 
un» p«*Hnp«*n sollte, recht hohe Zinsen lierauMzufM'hlapen, 
dann werden wir wi«»der vorSie hintreten und Kechen- 
»chaft ahlepen. Also ncK'hmal» meinen herzlichzten 
Dank. 

Wir hah«*n hi«*r eine Keilie von wi»»«»nschattlich«*ii 
(.5e»ellH*-haften vertreten, ich hid»* heute Mot^*ii M-hon 
eine Iteihe von »«dchen in meinem [!au»e empfanpi'n. 
Sie »ind vor Allem die wünlipwten Objekt«* «ler Aner- 
kenniinp, un«l wenn Sie, v«m*hrt«* .Anwesende, mir heut 
Khre »Tweisen. »o mus» ich «l«H*h «» 4 r»*n. «la»« »ie mit 
Hecht in den .Aiip«*n un«en*r Nati«m .Anerkcnmmp ver- 
iHen«*n. Vielen v«m ihn«*n pehührt viel höhere Klirc 
iil« mir. Da ist tieh.-lt. v. Lanpenheck, «le»H«*n 
warme Worte »ie vorhin pehört hal>en; war er «*» 
nicht, der znerst hei un» «lie M(*dizin in*» Praktisch«* 
Übi*r»ctztc. ul»dieKri«?p»verhilltni»»e die» nöthip mach* 
t«*n? Da i»t Profe»»or v. Uienecker au» Würzhurp, 
der .A«’lt«*sten Ein«*r, er, d«*r »ch«>n in Wörzhnrp 

die liuupttriehfcdcr war. ilu»» ich «lorthin berufen 
wunle, sowie mein Freun«l, Herr Hofrutli l'r. Ho»en- 
thal all» Würzhurp. 

Viele Erinni'ninpen »in<l in mir errept w«->r«h*n durch 
«lie Ue«lner: uu» «len Worten jwU»» khnz*dn«*n hat in 
mir etwa» He«on«lere» uachpt*khmpen, da» ich hervor- 
h«*lM‘ti und lhm*n -«apen möchte. Ich danke dienen 
Herren von p-anziun Herzen, «lenn Ihre Mittheilunpen 
haben hei «H«*»er (»«'lepcnheit «ler Venrimmlunp p«.*z»'ipt. 
wie alle naturwiH»i*n»rhaftli«hen Disziplinen von «ler 
An1hrojw»lopie hi» zur Botanik im enpen Zusammen- 
lianpe »tehen, ja «lie Botanik tritt neuenlinp« »o recht 
in die luedizinisohc Forschunp ein . »eit«h*m wir 
w*i»»(*n . das» »ich eine pro»»e Zahl di*r Krankheit»* 
iir»u«’h(*n in Botanik aiifl«'5Kt. (»« wird durch «liese» 
peiiH'inHame Band «)a» (M*fhhl «ler Kameradschaft er* 
zeiipt. Das» «las lanpe »o bleÜM'n w«*ixlc und da» auch 
un»en* Mitarl»eit4*r in den amh'ren Kuittir«taat«*n in 
«lenselhen W«*p«*n verharren wenlen . ist meine Zu* 
v«*r»icht. 

Wenn i«-h mi« h zuletzt un «h*n Mann wemle, der 
hier unter den frem«h‘n Vertr«*t«*rn zuerst pesprrwhen 
hat. an Prof. Stockvi» aus .Amstenlam. »o möchte 
ich hi«*rmit win«*r Nation die Khre pelam. das» wir 
p«*m Hn«*rk«mnen, w«i» wir von «lort ompfanpen haben. 
K» war «Ih* tapf«*re Sta«lt l»*r«len, «lie e» »ich al» B«*- 
lohnunp für ihr V«Tha)t«>n «>rl>at, eine l'niv«*r»itüt an* 
legen zu «lürfi'n uml die I»‘y«h*ner Schule zelpt** »ich 
«lunn spüter al» ni>lchtip**r Kefomiator der M«*«lizin. 



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Srhli«*KHli( h«ipfii li ;ilt<*n Knniivlrn aus meiner 

Vul<*rMtu«lt nwli inoinc'ii latsoniliTan (inis«. Sie »inil 
mir ffiinx unverxelicns wie Xiethen «ihh <Iem hiuu'li 
hcriingekomuion nivl on litt «lie leliliuflexte w^irniHte 
IU*fri*'(lifyiin«f l’ilr mifli. Sie hier zw «dien. 

Und wenn ich an (ienUatini pe<h*nkp. indem wir<lie«e 
Feier U*j;»‘lien,HO jfedenke icli. wie diexe Kommune «lurch 
Tuamaule von iinhesoldeten Ik'amten im Klm‘iidien«t. 
verxehen winl. I»iese« XuMimueiivrirken . «liese Ka- 
mentdie alter an.st“indi;^»n und pdalilHen Mi’nHvhen 
niu>*>M‘n wir »Imvh alle Zweip* der Nation hindimdi 
or;raniHiren. Auch wir Mtr;iier ih*r Wi«nen«i‘lmrt «iml 
i^oldie Heamle. denen nicht Allen liexahlt werden kann, 
wa« «ie leisten und «o lan^fe ich kann, werde ich 
meiiK' IMliclit auch in diesem Klinmamt ohne Sold 
tbun. Dazu wini diese .Stiftung das IhriK»' h<»itraf?en. 
hoft'cn wir. datw kein Jahr ver^i'hen wird ohne ^te 
Frflcbte! 

Mittheilungen aus den Lokalvereinen. 

1. I>er anthropo1o((iKche und AlteiihumtiTerein zu 
Karlsruhe. 

Einen nmien Aufschwung hat das Interesse 
für anthropologische und urgeBchicbtliche Forsch- 
ungen in Karlsruhe genommen. Hier traten im 
Laufe des Februar v. J. die in der Stadt wohnen- 
den Mitgliedern der „UoutÄi'heu Gesellschaft für 
Anthropologie , Ethnologie und Urgeschichte^*, 
einer Anregung des Grossh. Konservators der 
Alterthümer, Herrn Geh. Hofrath Dr. Wagner, 
folgend, unter dem Vorsitze dieses Herrn zu einem 
Karlsruher anthropologischen und 
Alterlhumsveroin zusammen, der sich die 
Förderung der Lokalforscliung im mittleren Haden 
in anthropologischer wie urgoschichtlicher Hin- 
sicht zur Atifgaho gestellt hat. Auf ergangene 
öffentliche Aufforderung erfolgten zahlreiche ßeU 
trittserklSrungen aus der Einwohnerschaft , so 
dasÄ der Verein schon Ober 100 Mitglieder zUhlt, 
welche stHtatengemtt.ss auch Mitglieder der deut- 
schen Gesellschaft für Änthro]>ologie etc. werden. 
Der Verein sucht «eine Aufgabe zu erfüllen 
einerseits durch He.schaffung von Geldmitteln für 
Veranstaltung von Ausgrabungen und Lokalunter- 
suchongen, andrerseits in den monatlich stattfinden- 
den Sitzungen durch VorlrÄge seine Mitglieder über 
interessante Fragen der anthropologisch - urge- 
schichtlichen Forschung zu oriontiren So wurden, 
zahlreicher kleinerer Mittbeilungen nicht zu ge- 
denken, Vorträge gebaltim in der März.^itzung von 
Herrn Dr. Neu m a n n über Alenmuni.sche Reihen- 
gräber, im April von Herrn Dr. Wilser über 
die Waffen der alten Germanen, im Mai von dem 
verehrten Präsidenten der Deutschen Gesellschaft 
für Anthropologie, Herrn Geh. -Rath Dr. Ecker 
aus Freiburg, der den Verein mit seinem Besui-ho 
beehrte, über die Bedeutung und die Aufgabe 
der anthropologischen Forschung, im .luni von 



Herrn Ingenieur Näher über die RingwHtIc der 
Germanen und specicll einen solchen von ihm 
untersuchten und plnntnässig aufgenommenen, 
welcher sich auf dem Heiligenberg bei Heidel- 
berg findet. In dieser letzten Sitzung wurde 
ferner von dem Vorsitzenden, Herrn Konservator 
Geh. Hofralb Dr. Wagner, referirt Über die 
erste Thal des jungen Vereins, nämlich die auf 
Vereinskosten unternommene .\ufdeekung eines 
Hügelgrabes bei Hattenheim (in der Nähe 
von Pbilippsburg). In dem Gemeindowaldo west- 
lich von diesem Orte befindet sich eine Gruppe von 
8 oder 9 Hügelgräbern massiger Grösse durch- 
schnittlich etwa *J0 Meter im Durchmesser und 
jetzt noch I Meter hoch. Von diesen Gräbern 
waren zwei im Jahre 1877 durch den Grossh, 
Konservator geöffnet worden. In dem ersten der- 
selben fanden «ich damals neben Rosten einer 
weiblichen Leiche zwei Hronzespangen ; das zweite, 
nur theilweise ge<»ffnete enthielt das Skelet eines 
Mannes, ein eisernes Schwert und eine Thonumo 
ohne Verzierung, daneben kleine Stückchen von 
Eisen. Auf Veranstaltung des Vereines wurde 
nun am 2 ‘ 2 . Juni d. J. ein weiterer Hügel durch 
den Grossh. Konservator geöffnet. Nachdem der 
Grabhügel abgemessen und der Plan desselben 
festgostelU war, wurde zunächst am Rande des- 
selben ein ringtlirmiger etwa 1 Meter breiter 
Graben ausgehoben. Schon hierbei fand sich in 
einer Tiefe von ca. 80 cm ein behauenes Feuer- 
steinfragment , ferner Reste von Ünio sinuaims, 
einer jetzt im Rhointhal nicht mehr, sondern nur 
noch iin Seine- und Maroegebiet vorkommeuden 
Muschelart, welche sieh aber in vielen römischen 
Niederlassungen des Rheinthaies vorfand. In 
einem Hügelgrab wui\le sie, soviel bekannt, hier 
zum ersten Mal gefunden. Die in der Mitte des 
Kinggrabens zurückgebliebene Erdmo.«e wurde 
dann schichtweise abgehoben. Dabei wurde an 
der Peripherie gegen Nordosten das Skelet einer 
jugendlichen Person, ohne alle Beigaben, gefun- 
den , bald darauf in entgegengesetzter Richtung 
gegen Westen am Rande des Graben« in der 
Tiefe von 80 cm das Skelet eines jungen Mäd- 
chens mit einem Brouzering um den Hals. Der 
gegossene Ring zeigte ziemlich rohe Arbeit, 
übrigens eine interessante Verzierung von drei 
kleinen Schlangen. Ziemlich in der .Mitte des 
Grabhügels ungefähr in gleicher Tiefe fand sich 
dann ein dritte« Skelet , das eine« kräftigen 
Manne«, neben dem Haupte eine birntbrmige, 
etwa 20 cm hohe Urne au« rothein Thon ohne 
Verzierung, von ziemlich roher Arbeit. Säiumt- 
liche Leichen lugen auf dem Rücken, mit dem Kopfe 
nach Soden gerichtet. Uw.üglich der Entstehungs- 



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6 



zeit der Gräber ergaben »ich keine AnhalUpunkte ; 
jedoch lässt sich aus den spärlicfaen Ueignben 
auf eine ziemlich arme Bevölkerung, sowie aus 
dem seltenen Vorkommen von Waffen und den 
Muschelresteo vielleicht aui die Zeit der römi- 
schen Herrschaft schliessen. Da die Gräber in 
dem InundatioDsgcbieto des Hheines liegen, sind 
sie wahrscheinHch ursprünglich auf einer Rhein- 
insel angelegt gewesen. Die Ansiedlung der Be- 
völkerung , von der sic herrühren , mUsste man 
dann nach dem nicht weit entfernten Hochufer 
sich denken. — Für den koiuinendeu Monat sind 
weitere Ausgrabungen von Seiten des Vereins 
in Aussicht genommen; seine Sitzungen dagegen 
hat derselbe für die heisse Jahreszeit ausgesetzt, 
um sie erst Anfang Oktober wieder aufzunchmen. | 

Münchener anthropologische («esellKchaft. 
üeber ägyptische Astronomie. 

Von Frof Dr. Ijauth. 

(Vertrug gehalten in der Münchener anthro)>ologiH(‘hen 
Ge»cll}H;haft den 2H. Oktolier 

Die junge Wissenschaft der Anthropologie 
pflegt die Schätze ihres Beweiamaterials zwar 
vorzugsweise den Schichten des Erdkörpers zu 
entnehmen und iosoferne sich anf den Disziplinen 
der Geologie, Zoologie und überhaupt der Natur- 
wissenschaften aufzubauen. Allein sie verschmäht 
es gleichwohl nicht, auch vergleichende Philo- \ 
logie, die Geschichte und die Chronologie, mit 
ihrem weiten Rahmen zu umfassen. Die letzt- 
genannte Wissenschaft, Ober welche ich mich in 
einem früheren Vorträge weitläutiger gf^usseri 
habe, hat zur UDausweicblichen Voraussetzung die 
Astronomie d. h. die Kenutnias der Gestirne, 
besonders derjenigen , welche durch ihren mehr ' 
oder nnndor regelmässigen Lauf, ihre periodische 
Wiederkehr, ihr wecb.selndcs Lichtphänomen den ; 
Menschen mit einer gewissen Nothwendigkeit auf j 
die Fixirung de.s flüchtigen Elementes der Zeit ' 
führen mussten. Während der Tag und der 
Monat leicht und unmiltelbur beobachtet wer- 
den können, erfordert das Jahr eine längere Be- 
obachtung, Durch die Entdeckung des Jahres ^ 
war in den strömenden Ocean dor Zeit der fest- 
haltende Anker gesenkt. 

Es versteht sich von selbst , das» dieses Re- 
sultat nicht mit einem Sprunge, sondern erst in i 
Folge oft wiederholter Beobachtungen endlich er- 
reicht ward. Trotz dieser sicherlich gerechtfer- 
tigten Annahme einer allmähligcn Entwicklung der 
Astronomie wäre es doch ein voreiliger Schluss, j 



auzunehmeo, dass diese Wissonsebaft verhftltniss- 
mässig jungen Dalums sei — es weisen vielmehr 




unter den verschiedenen Zweigen der menscblicben 
Beobachtung und Forschung — um nicht zu 
sagen : Wissenschaft — ein relativ sehr hohes 
Altertbum zugeschrieben werden müsse. In rich- 
t tiger Ahnung des wahren Sachverhaltes singt der 
I römische Dichter Ovid , unmittelbar nacli der 
j Meldung , wie der Japetide Prometheus aus der 
I Mischung von Erde mit Wasser das die SchÖpf- 
[ ung als Krone abschliessende Gebilde des Men- 
schen geschaffen : 

l’ronacjne <iuum »«pectent aniumlia caetera U-mim, 

Om homini Kubliiue dedit ooelumque tuen 
Jussit et en.H:ioM ud ttidera tollere vultus. 

♦Wühreml die andern (ietichöpfe geU'Ugt ansüirren die 

Erde, 

Gab er dein MciiHchen erhabeneK Antlitz, hiee« ihn 

den Himmel 

Ansclmu'n und zu den .Sternen empor «ein Auge er- 
heben,* 

In der That bildet der den Menschen aus- 
zeiebnende aufrechte Gang die Grundbedingung 
für die fortge-setzte Betrachtung des gestirnten 
Himmels. Aber es ist ausserdem erforderlich, dass 
Sonne, Mond, Planeten und Fixsterne sich dem Auge 
möglichst ununterbrochen darbieten, wenn der Be- 
obachter mit Aussicht auf Erfolg seine Augen 
nach ihnen richten soll. Daraus ergibt »ich mit 
WabrscheinUebkeit di© Folgerung, dass nur ein- 
zelne in dieser Beziehung gesegnete , mit durch- 
sichtiger Luft versehene Land- (oder auch Him- 
mels-) Striche in Betracht kommen , sobald es 
sich um die früheste Ausbildung der 
Astronomie bandelt. 

Es ist desshalb nicht zufHilig zu nennen, dass 
die alten Autoren als erste Begründer der Astro- 
nomie die Chaldäer und Aegypter nennen. 
Denn die von diesen lioiden ältesten Kulturvöl- 
kern bewohnten Ebenen bieten Ihatsächlich alle 
obgenannten äusseren Bedingungen in ihrem fast 
da.s ganze Jahr hindurch wolkenlosen Himmel. 
Die bekannte Frage : „Wer lachte über Griechen- 
land?“ mit der Antwort: ,,Ein stets blauer 
Himmel“ gesellt zu den Asiaten und Afrikanern 
(Libyern) als Dritte im Bunde die Griechen, 
jenes Kulturvolk, .von welchem, wie die Wissen- 
schaften überhaupt, so auch die A.stronomie im 
Besonderen ihre .Ausbildung erhalten haben. 

Beschränken wir uns vorerst auf die Darleg- 
ung der ägyptisclien Astronomie, so haben wir 
in dem Altvater Herodot eine klns-sische Aukto- 
rität dafür, dass die Aegypter die ältesten Astro- 
nomen gewesen. Er sagt II 4: „Was di© 



*) Die pumllele Krzähhing der BUiel über tlie 
Sehöpfmig braucht hier, weil ohnehin «ich Jedem auf- 
drängend. nicht «pet'iell Iwtont zu wertlen. 



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7 



menschlichen Dinj<e betrifft, so stimmt rann darin 
Qberein , dass die Aegrpter zuerst unter allen 
Menschen das Jahr entdeckten, indem sie zwölf 
Theile der Jahreszeiten darauf vertheiltcn ; di(we 
aber behaupten sie aus den Sternen entdeckt 
zu haben.“ Es sind zwar die Aegypter, speziell 
die Heliopoliten , seine OewHhrsmänner und man 
könnte desshalb den Einwurf machen , dass sie 
aus Eigenliebe so gesprochen und ihre dessfalsi* 
gen Angaben daher keine volle Glaubwürdigkeit 
haben. Allein die noch vorhandenen Denkmäler 
astronomischer Art, regelmässig am Plafond 
der Tempel angebracht, geben vollgültiges Zeug- 
nis8 dafür . dass die Aegypter frühzeitig eine 
ihnen eigenthttmliche Sphäre besassen. Und 
wenn auch diese Monumente bis jetzt nicht über 
die XVIII. Dynastie hinauf nachweisbar sind, ao 
haben uns die neu erschlossenen Pyramiden von 
Saqqarah , welche der VI. Dy«. (?700 v. Chr.) 
aogehören, als die drei vornehmsten Gestirne des 
Himmels au^hliesslich den Orion , den Sirius 
und den Planeten Venus überliefert d. h. die 
Repräsentanten der drei Hauptjafarc.sformen: des 
Wandeljahres zu 365, des fixen Jahres zu 
365 *;4 Tagen und des tropischen Jahres zu 
365 Tagen 5 Stunden 48 Minuten. Ja , an 
einigen der noch älteren Pyramiden aus der 
V. Dynastie trifft man Daten derselben Form wie 
später, woraus zu scbliessen ist, dass die Ein- 
riebtung des Jahres zu 12 Monaten bis in die 
nllerälteston Dynastioen, bis zum Protomonarchen 
Moncs und sogar darüber hinaus in die prae- 
historische Zeit hinaufreicht. 

Der Ausdruck Herodots „zwölf Theile“ dt w- 
dexß fugea scheint nun allerdings zunächst die 
uns geläufige Dodckamoric oder ZwÖlfthei- 
ligkoit entweder des Jahres oder des soge- 
nannten Thierkreisos zu bezeichnen. Ein 
Blick auf die bekannten Zodiako von Denderah 
erlaubt eigentlich keine andere Annahme, als die, 
dass die Aegypter die Urheber der zwölf Zeichen 
gewesen, welche man in die zwei Hexameter ge- 
kleidet hat : 

Sunt Arie« Tanm« Gemini Cancer I*eo Virgo, 

Lihraque Scorphi» Arcitonens Caper Amphora Pisces. 

Denn sowohl das Rundbild als die rechtwink- 
lige Darstellung*) enthalten die zwölf Zeichen 
des Thierkreisos in der näralioJien unverbrüch- 
lichen Reihenfolge. Allein beide Denkmäler sind 
nach ägyptischem Massatabe sehr jung: jenes 
stammt aus dem Jahre 36 v. Chr. (aus der Zeit 
der Kleopatra) und dieses aus dem Jahre 34 I 
D. Chr. (unter Tiberius) — sie l>eweisen daher j 



*) Demonütnition. 



nichts für die ältere Zeit, in welcher z. B. auf 
den ]isironomischen Darstellungen der XVIII. und 
XIX. Dynastie (1600—1300 v. Chr.) die Bilder 
Widiler, Stier, Zwillinge, Kreb«, Löwe, Jungfrau, 
Wage, Slcorpian, Schütze, Steinl»ock, WiiHsennann, 

Fische, 

weder tm Ganzen noch im Einzelnen erscheinen, 
zum Beweise, dass sie der altpharaoniscben Sphäre 
nicht angehören. Hieraus lässt sich leicht er- 
messen, welcher Werth solchen Erklärungen bei- 
zumessen sei , welche die Gestalten sowie die 
Namen der zwölf Zeichen des Tbierkreises aus 
AUägypten herleiten. Aus der nicht unbeträcht- 
lichen Zahl solcher Hypothesen will ich die 
neueste auswUhlon , weil sie zuversichtlich auf- 
tritt und in bestechendem Stile geschrieben ist. 

Unter der Aufschrift „Die Zeichen des Thier- 
kreises“ hat Herr Julius Stinde*) einen Er- 
klärungsversuch veröffentlicht , welcher unter 
anderen folgenden Satz enthält : „Oie ältesten 
Spuren von Thiernamen zur Bezeichnung der 
Sternbüder finden wir im T bierkreise, also 
in Aegypten, dem Lande hoher Kultur, in 
dein schon vor Tausenden von Jahren die Astro- 
nomie sowohl wie die Astrologie, die Sterodeu- 
terei, von den Priestern gepflegt wurde.“ Der 
Verfasser berührt alsdann die dfei ägyptischen 
Jahreszeiten : die der Uebersehwemmung vom 

Juni bis zum Oktober, die der Aussaat und der 
Ortinzoit, bis /.um Februar, die der Erntezeit, 
vom Februar bis Ende Mai. „Wegen der Nil- 
überschweinmungcn, sagt er, von denen das Wohl 
und Wehe des ganzen Landes abbängt, waren 
die Aegypter darauf angewiesen , Zeichen zu 
suchen , wann das wichtige Kreigniss eintrete. 
Der Himmel bot solche Zeichen dar.“ In.^owcit 
hann man mit dem Verfasser übereiustinunen. 
Weniger mit seinen unmittelbar folgenden Sätzen. 
„Die Sternkundigen beobachteten diejenigen 
Sterne, welche am Abend, der untergehundon 
Sonne gegenüber, am östlichen Horizont sichtbar 
wurden, und merkten sich sowohl die Konstella- 
tion dieser Sterne , als die Vorgänge auf der 
Erde, welche stoitfanden. Wenn im Juli das 
Land unter Wasser stand, nannten sie das Stern- 
bild, das der untergehenden Sonne am Abend 
gegonüberstand, den Wassermann.“ Diese 
I Erklärung, so verführerisch sie auch klingt, wird 
' schon durch den einzigen Umstand hinOUlig, dass 
\ die Aegypter nicht den Spätaufgaug am Abend, 
sondern den beliakalischen FrUfaaufgang am Mor- 
gen zum Anfang des Tages sowohl ab dos Jahres 
wählten. Der hellste Fixstern: der Sirius, 

•) IlIuBtrirte Frauenzeitung , 10. Okt. 1881. d. 

H 21 / 822 . 



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8 



äg}’ptbch Supd oder die güttliche Botin ä ge- 
nannt» ,,die Herrin des Jahresanfangs, welche 
den ^il ausgiesst /.u seiner Zeit** ist in den 
Texten aller Kpochen als Ausgangspunkt genom- 
men und dass wirklich der Frübaufgang 
dieses Sternes gemeint ist » beweist der oft wie- 
derkebrende Passus: ,sie vereinigt sich am Ost- 
horizonte des Himmels mit ihrem Vater Hu oder 
dem Sonneogotte. “ Indes« hören wir Stinde’s 
weitere Deduktion: 

„Im August stand der Sonne ein anderes 
Stcrabild gegenüber. Der Nü begann zu sinken, 
und da da.s Volk sich jetzt an den PiÄ'heu er- 
freute, die leicht und in grosser Menge zu fangen 
waren , so gaben sie diesen Sternen den Namen 
der Fische. Im September hiess das betref- 
fende Steinbild „^Vidder'‘ weil man nun schon 
die Widderheerden auf die Weide trieb, im Ok- 
tober „Stier“, weil die Zeit des Ackerns begann 
und der Stier vor den Pflug gespannt wurde. 
Irn November nannte man das BtembÜd „das \ 
Hrautpaar“, weil die Aegypter um diese Zeit 
ihre Hochzeiten feierten ; in späterer Zeit wurde 
das Biauipaar in die „Zw'illinge“ verwandelt (? 

Im Dezember erschien das Sternbild als ein 
Krebs, weil dann die Sonne ihren Uückgang 
antrat und vom südw*estlichen Stande am Hori- 
zont wieder nach dem noi‘dwe>tlichen zurtickging 

Den „Löwen“ nannte man das Sternbild im 
Januar , da es heiss zu werden begann (!) und 
die LOwenjngden nolhwendig erschienen, weil der 
König der Wüste zudringlich wurde und von 
den Feldern verscheucht werden musste , auf 
denen im Februar die Ernte begann. Schnitte- 
rinnen zogen 1D.S B'eld und traten an die Arbeit, 
wesshalb das nun sichtbar werdende Sternbild 
„Jungfrau“ (mit der Acbre Spica!) geheiHseo 
wurde. Im März schien es insoferne mit einer 
Wage Übereinzustimraen , als jetzt Tag und 
Nacht gleich waren; tm April sah man den 
Skarabaeus, den für Aegypten so bedeut- 
ungsvollen Käfer, als Vertreter des Sternbildes. 

Die schnelle Vermehrung, welche dieser Käfer 
nach dem Rücktritte des Nils in dem zurückgo- 
bliebencn Schlamme ernifart, seine runde Ge.«talt 
und sein Goldglanz Hessen in ihm ein Abbild der 
Sonne und ihrer schöpferischen Kraft erkennen. 
Mau wusste, dass er in diesem Monat seine Eier 
legte , und ausserdem scheint er in einer beson- 
deren Deziohung zum Weinbau (!) gestanden zu 



haben. Die Griec^ben, welche den Skarabaeus 
wohl konnten, für die er jedoch auch nicht an- 
nähernd von ähnlicher Bedeutung sein konnte, 
wie für die Aegypter, welche ihm göttliche Ehre 
\ erwiesen, machten aus ihm später einen „Skorpion“. 

> Im Mai war die heisse Zeit ; es webte Oer 
verderbliche Chamsin oder Samum. Mao uanote 
das Sternbild den „Schützen“, und zwar den ver- 
derblicheo , weil der Chamsin gefürchtet wurde. 
Das Sternbild im Juni hless man die „Stein- 
böcke“, weil diese beim Beginne der Wasserzeit, 
du in den abcssyuischeu Gebirgen schon die Re- 
gel zeit eingetreten war, die Steinböcke, wie von 
unsern Gebirgen die Gemsen , von ihren Hufaen 
herabstiegen und den Jägern in Schussweite 
kamen.“ Damit ist der Jahresring gc^hlosseo. 

I Man müsste sich bilHgerweUe wundern, dass 
I die vom Verfasser entwickelten zwölf Zeichen des 
I Tbierkreises genau um Je ein Halbjahr aus der- 
jenigen Stelle verrückt sind, welche sie bei den 
Alten und noch iu unsenn Kalender behaupten, 
wenn man nicht sich erinnerte , dass er den 
Spfitaufgang der Sterne zum Ausgangspunkte ge- 
wählt hat, anstatt des Frübaufgaugs, oder, was 
du.'^sclbe ist, aoslatt des Aufeutbalies der Sonne 
iu dem betreftenden Zeichen , wofür man aber 
gerade so gut den Spätuuiergang hätte setzen 
können. JedonfalU aber bat der Verfasser unter- 
la.saen zu erklären , wie und wann und warum 
die Griechen von seiner angeblich ägyptischen 
Anordnung der zwölf Zeichen des Thierki-eises 
gerade eine Verschiebung um ein halbes Jahr 
beliebt haben sollen. 

Es leuchtet Jedem ein, dass die Gleichung 
März-W'age (Frühlingsanfang) des Verfassei*« so- 
fort durch die andere Gleichung September-Wage 
(Herl»tanfaog) ersetzt werden kann, wie sie im 
Kalender steht, um so mehr, als auch die Zodiuke 
von Deiidcrah die Wage auf dem Punkte der 
HcrbsUagundnacbtgleicbe aufweisen. 

(ScUlüM folgt.) 



Kleinere Mittheilung. 

Von der wk-htigen Mittheiliing ül»er: Die Re« 
genverhällnUso in Indien, nebst dem indiechen Archipel 
und in Hochaelen von H. von Schlagintweil • SakUnlttn^i. 
ist nun Theil II, Reihe A: diu ik-oliat hlmigca im 
centralen und im südlichen Indien erschienen, worauf 
! wir lloogniphen und Ethnologen niifmerktMun machen. 

I Abhamll. d. k. bayer. Akademie d. W. II. CI. XIV'. Bd. 
i I. Abthl. 



Die VerseodaBg des Correspondeaz-Blattes ertbigt durch Herrn Prof. Weidmann, den SchaUmeistcr 
der GcselBchafl: München, Theatinerstrasse 3G. An dieiMi Adresse sind auch etwaige Reclamationen zu richten. 

Druck der AkadeiHUchcn Budtdruckerei ton i*' Straub tn Mimdien. — Sddu*;i der Bedaktton il, Januar J8S2. 



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Correspondenz-Blatt 

der 

Gesellschaft 

für 

Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 



Reditjirt ron Professor Dr. Johaunea Katilee in München, 

BtnnaUttrtiAtr Jtr 



XIII. Jahrgang. Nr. 2. ErMhdnt jtdeo Monat. 



Februar 1882. 



Vitrilled forts. Olaaburgen. 

Von V. Cohuusen. 

Die RinKWiUle, welche in einfiichen und doppel- 
ten Kreisen die Berggipfel dos Taunus umziehen, 
bilden an sich ziemlich formlose Steitibtuifen, die 
nicht eben schwer zu ersteigen sind. Man hat 
daher, wie uns scheint, mit UiN.'ht die Wrnmth- 
uog aufgestellt, das.s sie, wenn sic wirklich den 
dahin Geflüchteten einen Schutz gewühren sollten, 
einst steiler waren, wirkliche, imdn* oder weniger 
gebüsehie Mauern gebildet hUtten. — Allein dazu 
eignet sieh das vieleckige, sehr wenig lagerhafte 
Gestein nicht und da man auch nirgends eine I 
Spur von KalkuUirtel fand, mit dem die Stein- I 
lagen ausgeglichen und verbunden gewesen, um 
so eine Mauer zu Stande zu bringen, so kam man 
auf die Idee, die Steinl>rocken .seien durch ein- 
gelegte HfVlzer ausgeglichen und verankert worden, 
um diulurch einen, wenn auch wenig dauerhaften, 
aber doch in Zeiten der Gefahr ra^cli ausführ- 
baren nnersteigliehen Bau auf/uriebten. Mau 
batte guten Grund, auf «liese Au.skimft zu ver- 
falle», da uns Cäsar in seinen Kommentaren solche 
Mauern beschreibt, welche die Gallier um ihre 
festen Städte anlegteo. Ohne hier in die von 
Cäsar gegebtmen Details etnzugehen , genügt es 
zu sagen, dass sie diese Mauern nus wechseluden 
Schichten von H5lzem und Steinen errichtet und 
ein Werk zu Stande gebracht, w'elches durch die 
Verbindung, die ihm das Holz verschafft, gegen 
den Mauerbrecher, und durch die Ib'ckung, die 
die Steine dem Holz gewährt, gegen das Feuer 
rierolich sicher gewesen, ja auch noch schön aus- 
gesehen habe. Letzteres ist in der Timt der Fall! 
Nicht nui‘ die Gallier, sondern auch die Dacier 
haben — und fügen wir hinzu, die zwischen 



Beiden wohnenden Germanen werden — es so 
gemacht haben. Von den Festen der Datier, der 
bßUtigcD Rumänen, haben wir zwar keine so aus- 
fübrliche Beschreibung, aber desto bes.serc Ab- 
bildungen : die Reliefs der Trajaosäule io Rom 
zeigen uns diese Mauern, aiifgefübri von unge- 
fügen Brocken, wie wir sie an unseren Tauniw- 
(juai7.iton kennen. Dazwischen geschichtete Lagen 
von Hirn- und Länghölzern, welche sich fast aus- 
uehmen wie ein grosser Kierstab und was Cäsar 
von der ^hönheit der gallischoD Mauern sagt, 
bewahrheitet sich in vollem Masse, Allein Schön- 
heit vergeht in der einen oder in der anderen 
Weise, die eine wird alt und verlHllt, die andere 
vor/ehri sich Im eigenen Feuer. »So auch hier, 
das Hol/ verfault, die Steinhroekeo rollen und 
rutschen zu.sumnieo und werden formlose Haufen, 
als welche wir sie kennen nur in ihren Grund- 
rissformen unser Inlere.s.se erweckend; anders ist 
es freilich, wenn da.s Holz nicht Zeit hat, zu 
faulen, sondern angezündet wird, die Lohe wird 
mächtig zum Himmel schlagen und die Glutb 
wird das GcHteio, je nach seiner Natur mürbe 
machen oder zu Glas und Schlacken schmelzen; 
die geschmolzeno Masse wird zwischen die Steine 
dringen, welche dem Feuer widerstehen und sie 
zu einer Masse zusammen backen, wie wir sie 
beim Abbruch eines Kalkofens oder eines Hoch- 
ofens Anden. 

Solche Sehmclzhrocken Huden wir in den Hing- 
wällcn dc.s Taunus nicht, dies Gestein ist nn- 
schmclzbiir. Nur kleine, auf dem Altkönig ge- 
fundene »Stücke besitzen wir, welche, wahrschein- 
lich durch die heim Brand entstandene 'Holzasche 
veranlasst, einen 84'hlackeoÜbei’zag erhalten haben. 
Ei kommt aber auch anders vor ; schon seit 

2 



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10 



hundert und einigen Jahren »ind die Vitri find 
forts die Oliuburgen in Schottland entdeckt und 
haben allen späteren Entdeckern als Vorbild und 
zur Bezugnahme gedient, so denen der forts vitri- 
öes in Frankreich und der SchlackenwäUe in 
Böhmen, der Lausitz, in Thüringen und ini Spessart. 
Alle diese deutschen werden aber überboten durch 
eine Glasburg in unserer Nähe bei Kirn-Sulzbach 
an der Nabe, dort treten die Melaphyr-Felsen iiii 
Halbkreise io fast senkrechten Abstürzen in*s 
Thal vor, während die Sehne des Halbkreises 
durch einen 300 Schritt langen Grat desselben 
Gesteins einen Abschnitt bildet, dessen Feldflur 
HO zu sagen weltvergessen in Abrahams Schooss 
liegt. Dieser scharfe Felsgrat, wagereeht und 
geradelinigt, ist fast auf seiner ganzen Länge 
durch die Kesto einer Schlackenmauer gekrönt; 
er ist so schmal, dass man nicht neben der 1 bis 1 ,80 
breiten Mauer hergehen kann und fUHt so steil nach 
beiden vSeiten ab, dass er kaum oder gar nicht 
zu ersteigen ist, nach innen, dem sanft geneigt eib 
Ackertlur nGlasbläserkopf'^ zugewandi 8 Me« 
ter tief, nach aussen dem Ackerftur „an der 
Ringmauer*' gegengekehri, 0 Meier tief, bis in 
einen vor ihm herziehenden Graben. Die Mauer, i 
an der wir allerdings die beiden Kopfseiten nicht 
mehr erkennen und deren Hohe auch kaum mehr 

Meter beträgt, besteht aus weissem Sandstein, 
dem nahen Todtliegenden, allerlei Rollsteinen, die 
aus dem Bette der Nahe heruufgehoH, und aus 
Melaphyr. Wenn die ersten bald mehr, bald 
weniger gut dem Feuer widerstanden, und bald 
nur gerütbet, bald mürbe sind, so iiudet sich der 
Melaphyr in allen Stadien der Feuerwirkung ge- 
röstet, gefrittet, als glänzend schwarze Schlacke, 
abgetropft mit den Abdrücken von Hölzern, und 
als aufgebluheter Scblackenschanin, ^ in allen 
diesen Gestalten Ui er in die Fugen des andern 
Gesteins gedrängen und hat sie zu Blöcken ver- 
banden, w'elche noch an Ort und Stelle liegen, 
oder mit wenig verändertem Gestein in dem Graben 
oder auf den Abhängen liegen. 

Dass nicht an eine vulkanische Wirkung, son- 
dern nur an eine durch brennendes Holz veran- 
lagte Gluth und zwar nur auf einer kaum 
2 Meter breiten, 270 Schritt langen Strecke — 
zu denken Ut, liegt auf der Hand. Nicht auf 
der Hand aber liegt die Absieht, die man bei 
dieser Konstruktion hatte. Bei dem Bau batte 
man die Al>sicht, hinter ihr einen Zufluchtsort 
zu schaffen, in dein sich die Bewohner der Um- 
gegend mit ihrer fahrenden Habe sichern und anch 
vertbeidigen konnten. Die Frage aber ist die, 
wer bat die Steinholzmaucr aogezündet und w'anmi 
bat er sie angezündet ? Die Frage Ul nicht, wie 



man meinen sollte, vor ein Kriminalgericht, son- 
dern vor ein technisches Forum zu bringen. Hat 
der Erbauer sie angezUndet, um einen Theil der 
Steine zu schmelzen und den andern durch die 
Schlacken zu verbinden und ihre Oberfläche durch 
eine Glasur glatt und unorsteiglich, das Werk zu 
einer Glasburg zu machen? oder war der An- 
greifer boshaft genug, sie nur deshalb aozuzünden 
um ihren Zusammensturz zu bezwecken und die 
dahinter nufgebUuflen Schätze zu plündern? Ich 
meines Tbciles glaulie an die Bosheit des An- 
greifers — und auch an da.s technische Verständ- 
nUs des Erbauers, welcher beim Mangel an Kalk- 
möit-el und im Drange der Zeit jene Sebutzmauer 
erbaut und ihr, wie seine Nachbarn in Dacien und 
Gallien, durch Holzeinlago eine zeitweilige Festigkeit 
und Sturmsicherheit gab und welcher wohl wusste, 
dass er durch den Brand der zwiscbengelegten 
Hölzer seinen Bau zum Einsturz bringen würde 
— ja, dass dieser auch einstürzon würde, wenn 
er das Holz in ausgosparrten Feuerkanälcn , für 
die kaum Platz vorbanden, einlogen und deren 
Olutb einen Theil der Steine in Fluss bringen 
und dadurch die uodern, ihrer Unterlage beraubt, 
verkitten wolle. 

Hiermit wollen wir die Frage verlassen und 
empfehlen sie phantasiereichen und tecbniscli 
nüchternen Touristen zum Äustrag — dazu eignet 
sich ein schöner Herbsttag vortrefflich ; wenn man 
Wiesbaden 7 Uhr L5 Minuten verlasst, so ist man 
über Bingerbrück um 10 Uhr 3G Minuten in Kirn 
und bat Zeit im Hotel Stroh bei gutem Imbiss 
dos Mittage.ssen für 5^^^ Uhr zu bestellen; ein 
schöner Weg führt uns nach Kirn-Sulzbach, wo 
uns der Flurschütz Aulenlmch überall längs der 
prächtigsten Abblicko ins Naheih.il an den Glas- 
bläser Kopf oder Bromberg geleitet , dort reizt 
uns der wlsscnscbaftliche Streit und beim Heim- 
gang der Besuch einer Achatsclileifmöhle, so dass 
wir der Mahlzeit und dom „Tiorgardener“ alle 
Ehre anlhun und über Bingen und Mainz selbst- 
zufricslen die heiiiiatlilichen Räume wieder be- 
treten. 

Notizen bezüglich der deutschen prä> 
historisch-anthropologisohen Anstel* 
lung in Berlin 1880. 

(5. bis 21. Au,»ust.) 

Von l>r. H. KiMclior iFreiburg i. B.) Juli 1>*?‘I. 

Da ich dieser Ausstellung nicht persönlich nn- 
wohnte, interessirte es mich, aus dom von einem 
Bupplement (LXXIX und 43 pgg-) l>^leiteton, 
619 Seiten starken Katalog, der das Resultat der 
mühevollsten Arbeit i**t und den wärra.sten Dank 



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11 



aller Aotliropologeo vei*dient, auch fär meine Stu- 
dien einzelne statistische llesultato zu gewinnen. 

Wenn wir nus demselben auch durchaus nicht 
auf den relativen Reichthuin aller vertretenen 
Sammlungen schliesscn dürfen, da einige der letz- 
teren ausfierordentlieh viel, andere nur ihr Kost- 
barstes zur Ausstellung gesandt hatten, so ülwr- 
sehen wir andererseits daraus d<xdi zum aller- 
erstenmal die Kiiatenz der öffentlichen und Privat- 
•Suminlungeu Deutschlands und können daraus in 
allerobjektivster Weise ermessen, wo vermöge der 
Schulbildung u. 8. w. der Sinn für |»rRhistorisch- 
anthropologische Studien mehr oder weniger ge- 
weckt ist. Aus dem Supplement, woSeitoXLIX 
bis LXXIX und Seite 1—31 das Verzeichniss der 
in Deutschland bestehenden SainmlungeQ (gleich- 
viel ob sie in Berlin ausgebtellt haben oder nicht) 
aufgeoomineo ist, entnehmen wir, dass das Ver- 
bUltniss der einzelnen DUnder folgendes ist: 



Land. 


Oeffentl. 


I*rivat- 


Saiiuu- 

liing<.*n.*) 


Samm- 

lungen. 


Anhalt 


4 


8 


Baden 


. . 11 


2 


Baiern 


. . 26 


17 


Brandenburg .... 


14 


52 


Bruun.«cbweig .... 


. . 4 


4 


Bremen 


. . 1 




Elsoss-Lotbringen . 


. . 8 


7 


Hamburg 


. . 2 


3 


Hannover 


. . 13 


17 


Hesäcn-Damistadt . 


. . 6 


14 


Hessen-Nassau u. Frankfurt 


8 


16 


Hohenzoliern .... 


. . 0 


1 


Lippe-Dctmold und ScliauDiburg 2 


1 


Lübeck 


9 


1 


Hecklenbarg-Scbwerin 


. . .3 


2 


Mockleoburg-StreliU , 


. 2 ' 


3 


Oldenburg 


. . 2 


0 


Poimiiern 


. . 5 


1» 


Posen 


. . 1 


12 


OstpreuHseo 


. . 4 


(> 


Westpreussen .... 


. . 9 


10 


Reuss j. L. . 


. . 1 


3 


Rheinprorinz .... 


. . 14 


17 


Provinz Sachsen . . 


. . 16 


33 


Königreich Sachsen . . 


. . 17 


12 


Sachsen-AUenburg . . 


. . 4 


1 


Sachsen - W eimnr-EisoDacli 


9 


4 


Sachson-Coburg-Gotha , 


. . 3 


0 


Sachsen-Meiningen , . . 


. . 2 


3 



•) Die irgendwelchen anatominrhen Samm- 
lungen entnommenen llestHndtheile der AiiKMtcllnng 
mussten natürlicli för die»M*n »inneren Zwe<*k ausner 
Betracht bleiben. 



I Oeffentl. Privat- 

> Land. Sanim* Samm- 

j hingen lungen. 

I Schlesien 8 16 

r Schleswig-Holstein u. (Bdenburg 7 13 

j Schwarzburg-lludolstadt . . . ü 1 

, Schwar/.liurg-Snndershau8en . . 1 1 

I Waldeck I 0 

I Westphalen 10 

I Würtomberg 11 8 



i zusammen 209 318 

I)rt sich das Land, worin der Verfasser wohnt, 
dabei bezüglich der Privatsammlungen nicht gar 
glänzend stellt, so wird Niemand der Objektivität 
obiger Zusaniinenstellang nahe treten wollen. 

Was die Aufzählung von Nephrit-, Jadeit-, 
CbloromelanitbeiloD betrifft, so sind weitaus die 
meisten, die als solche aufgefUhrt erscheinen, früher 
in Händen von mir gewesen und von mir be- 
stimmt worden. Es sollen nun im Folgenden 
diejenigen aufgeföhrt wei*den, bei welchen dies 
■ nicht zuiriffl und w'elche ich mir mit mehr oder 
weniger Erfolg nachträglich zur Ansicht erboten 
] habe. 

' Katal. Ske 14 Karlsruher Sammlung 
Nr. 4 „J»»deit** ist richtig, 

„ 20 „Jadeit“ ist richtig, 
n 22 „Nephrit“ war falsch. 

Das Stück zeigte mir sp. G. 3,35 und ist ttchter 
Jadeit. 

Katal, Ste 333 Stralsundcr Sammlung Nr. 808 
Nephrit (?) war falsch. Das sp. Gew. ergab 3,38 
und das Stück ist Cbloromelanii ; wie sich aus 
den gelUlligeo Mittheilungen des Herrn Direktor 
Dr. Hai er ergab, ist das betreffende Stück je- 
doch vor etwa 15 Jahren von dem früheren Be- 
sitzer in Rügen nur erworben worden, ohne 
dass sich letzterer mehr der Provenienz erinnern 
könnte. 

I Katal. Ste 260 Bückeburger Museum Nr. 10 
„Nephrit“ ist Jadeit mit sp. Gew. 3,34- 

Diese konatatirten neuen Zugaben ändern 
also an der von mir im Correspondenzblatt 1880 
I J gegebenen Uebersiebt der Verbreitungs- 
I grenzen der Nephrit-, Jadeit- und Cliloromelanit- 
beile gar nichts, bestätigen dieselben vielmehr. 

(Schluss folgt.) 



Mittheilungen aus den Lokalvereinen. 

Ueber ägyptische Astronomie. 

Von Prof. Dr. Lauth. 

(.Schlucht.) 

Dazu möchte ich eine doppelte beiläufige Be- 
merkung machen. Das demoliscb gesefariebene 

2 * 



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12 



Veneichniss, notor dom Nnmen „Stobbart's Tablet- 
ten“ bekannt, welches den Stand der fünf Pla- 
neten io den 12 Zeichen des Thierkreises vom 
Jahre S des Trajun bis xum Jahre 17 des Hadrian, 
also durch 25 Jahre, entbüli, bringt statt des 
Zeichens der Wage eine auch in unsere Kalender 
übergegangeoe Figur yi!, welche sicher nicht aus 
dem Bilde der Wage, sondern aus der Hiero- 
glyphe entstanden ist , wtdehe die Sonne in i 
Mitten des Horizontes darstellt. Soduno wissen | 
wir, dass das Zeichen der Wage erst bei Oemi- I 
nus und Varro, also etwa ein halb Jahrhundert 
V. (’hr. im Zoilineus getroffen wird, während 
vorher die beiden Schcoren des Skorpions ihre 
Stelle einnehmen. So z. B. auf dem nach 
Bianchiui geuunuten antiken Tbierkreise In j 
einem Aufsätze vom Juhro 18(15 über die deiuo- j 
tischen BeUchriften auf dem Sarkophage des ! 
Heter*'*) (er fiilll unter Hadrian und zwar in’s 
Jahr 124 n. Chr.) habe ich ferner nrndigewieson, ; 
dass bei dem unzweifelhaften Bilde der Wage ; 
die Legende ta-djolo steht, welche nicht 
die Wage, sondern die Schee re bedeutet, 
da das dahinter .stehende Determinativ derTli i er- 
klaue deutlich auf die Sclieere des Skorpions 
und als Kntlelinuug auf das griechische Wort 
(chcle) hiuweist, womit der alte Philologen- j 
streit, ob chrdö die Wagschale oder die Schecre ! 
bedeutet, endgültig zu (lUnsten der letztcron i 
Ansicht entsebiedeo war. ! 

Was sodann den Skorpion selbst betrifft, 
so zeigen ihn die ägyptischen Zodiakc allerdings 
in seiner bekannten Gestalt; allein die obenge- 
nannten demotischen Tublotten substituiren dafür 

constunt die Schlange welche aiuh noch in 

dem Kalenderzeiehcn ]1[ (tllSL) erkennllicb ist, 
nicht aber den Skurabaeus, wie Herr St in de 
annimmt. Vielmehr steht der Kufer in den ägyp- 
tischen Zodiakon an Stolle des Krebses, so 
B. auf den beiden von Dcndei'nh und in den 
Tabletten. 

Letztere weisen noch einige weitere .Abweich- 
ungen von den Kalenderthieizeichcn auf. Statt des 
Widderkopfes HP steht die conventionclle Thier- 
haut ^ ; statt des Stierkopfos "d der ganze 
Stier ; statt des Jungfrauzcicheiis 11]^ entweder 
die sitzende weibliche (testalt oder ihre lyegende 
repi; statt des Steinbocks (caper) das Lebens- 
zeichen auch womit ägyptisch auch die 

•) l>oiiion*tnition. 

••j l>emoio(trutlon. 



Ziege (capra) bezeichnet wird ; statt der zwei 
Wellenlinien des Wassermanns deren drei, die 
gewöhnliche Bezeichnung des tlüssigen Elementes 
in den Hieroglyphen ; statt des Doppelffscbes >< 
in den Tabletten nur ein Fisch , während die 
sonstigen Darstellungen ebenfalls deren zwei an 
einem Baude darbieten. 

Man erkennt leicht , dass diese im Grossen 
und Ganzen geringfügigen .Abweichungen der 
ägyptischen Zodiake von dem griechisebon Thier- 
kreise nicht einer alleofallsigen altUgyptiscben 
ZodiakaNpbäre angehören , sondern sich unge- 
zwungen aU Entleimungen und Modificirungen 
der griechischen erklUren. womit die schon oben 
erwähnte Thatsoche stimmt, dass die altpharao- 
nisebeu Denkmäler den zwölftheiligen ^diacus 
nicht kennen, 

Nur das Zeichen des Löwen, wie er in den 
Tabletten ersetzt ist, nämlich durch das scheint 

auf altägyptisclien Ursprung hinzuweisen, da w 
weder mit dem sonstigen Löwen der Denkmäler, 
auch der ägyptischen Zodiake, noch mit dem 
konventionellen Kalenderlowen übercinstimmt. 
Allein schon der Sarkophag des Hotcr beweist, 
dass die Äegypter den lJ>weu der griechischen 
Sphäre ebensowohl herübergenommeu batten, wie 
seine Uenennuog , nur dass sie dafür die ägyp- 
tisch« UebersetzuDg p*maau „der Lowe“ ge- 
brauchten. Das Messer ^ betreffend , so ergibt 
sich aus den 5 HaupUterueu der KoDStellution 

des Löwen * * * , wenn man Verbinduogs- 

H ü 

Union anbriiigt, das Bild des Mes.ser .ztts» ungleich 
leichter, als das Bild eines Löwen, zu dessen Ge- 
staltung gewiss eine grössere Phantasie gehört. 
Das Messer gehört also der aliägyp- 
tischen Sphäre an. 

Ueberbnupt zeigt es sich bei gründlicherer 
Betrachtung, dass die alten Äegypter, trotzdem 
sie sonst in ihrer Bilderschrift Thiergestalteo mit 
I Vorliebe anwendeten, sich doch in Bezug auf den 
' a&troDomischeD Hininiol einer gewissen Sparsam- 
' keit in Anbringung von Tbieren befielssigten. 
So z. B. winl der grosse Bär konstant durch 
den Stiervorderschenkel bezeichnet, eine ganz 
natürliche Form, da sie sich aus den 7 Sternen 
A ^ 

¥ gleichsam ungosuebt von selbst 

ergibt , jedenfalls auch ungezwungener, als ein 
Wagon oder eine Bahre mit drei Leidtragen- 
den (Araber). Der Bär gar, zu dessen Gestalt- 
ung ein bcdeiiteudc.s Quantum von Plmntasie zu 



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13 



Hilf« genommen werden mn?is, erscheint in der 
ägyptischen Sphäre nirgends. 

Wenn Herr St in de den Sirius de&<hnlb als 
Hund, auch bei den Aegyptern , ja bei diesen 
zuerst, Hguriren lässt, weil sein (FrUfa-) Aufgang 
iin dritten und vielten .lahrtauscnd vor Christo 
zur Zeit der Nilanschwellung (weiterhin sagt er 
richtiger: „weil der Nil dann austritt und seine 
Wellen das Ufer überschreiten“) aufging und so 
dieser Stern wie ein treuer Wächter , wie ein 
Hund, erschien, der das Haus bewacht und den 
Herrn auf die drohende Gefahr aufmerksam inucbt, 
so wird diese Ansicht durch die Denkmäler krilf* 
tigst widerlegt. Denn diese zeigen den Sirius 

stets unter dem Bilde des Dreiecks mit oder 

ohne die Legende Supd (Sothis), und auch die io 
ihm residirend gedachte Göttin Isis wird nirgends 
als Hündin*) (canicula) abgebildet. Aber das 
Brädikat „rothlouchtcnd“ trifft, wie ich zuerst 
eruiu Imbo, zu: die Sotbis heisst: 

„die rothäugige“ und vielleicht deutet der Dual 
der Augen auf die Thatsache , dH.ss der Sinus 
ein D 0 p pelst e r n ist. Heutzutage (oder viel> 
mehr heut zu Nacht) erscheint der Sirius bläu* 
lieh, nicht mehr röt blich; ei muss al>o seit 
der pharaonischen Zeit bedeutende Veränderungen 
in seiner Mateiie erlitten haben. 

Wenn, wie ich durch da.s Bisherige überzeu- 
gend dargethau zu haben glaube, der zwClfthid- 
lige UD.s bekannte Zodiacus den alten Aegyptern 
während der pharaonischen Zeit ahgesprotrhen 
worden muss, so fragt es sich nunmehr, was wir 
an dessen Stelle zu setzen haben. Die .-Vritwort 
auf diese Frage wird durch die astronomischen 
Denkmäler in ausreichendem Maa.sse gegeben. 
Die scheinbare Bahn der Sonne führt successive 
an gewissen Sternen und Konstellationen vorüber, 
welche die Aegypter 0 h ab e su „Lampen“ nann- 
ten. Es sind die von den Klassikern Dekane 
genannten Sterne, weil sie (bis Fortrückon der 
Sonne um Je eine Dekade oder zehntägige 
ägyptische Woche bezeichneien. Das Jahr zer- 
fiel nämlich den Aegyptern in zwölf dreissigtägige 
Monate , denen am Ende fünf Zusatztage (Epa- 
gomenen) angofßgt wurden — eine bekanntlich 
von dem neufränkisohen Kalender der Revolution 
nachgeahnite Kinriehtung. Die je dreissig Tage 
des Monats wurden in je drei Dekaden getheilt. 



•) Erst in dem up:’J-<lcmoti'<i'hen Leydener Pa- 

t iyruB, aus welchem ich ziientt ein«* tler Äesopiwehrn 
jibidn übersetzt halM>, ist die .göttliche .Sethi«* mit 
der Benennung .Hündin* vuvu zn^iiimnengi'bnicht. 
Leider ist die l'rkunde an der hetreffenden .Stelle 
ziemlich stark beschädigt. 



Man erkennt leicht, daa.s die auf diese Weise 
entstandenen 3f» Dekaden im engsten Zusam- 
nionhange mit den 36 Dekanen des Himmels 
i .standen , wie denn überhaupt die Aegypter als 
I praktische Leute ihre Astronomie mit dem 
' Kalender und der Chronologie in die in- 
nigste Beziehung setzten. 

Es sind uns nun zwar die 36 Dekane mit 
ihren Namen (ägyptisch und in griechischer 
! Tran.sscription z. H. bei Hephaestion) Überliefert, 
auch die betreffenden Sterngruppen und die in 
ihnen rcsidirend gedachten Gütterffguren sind uns 
vor Augen gestellt. Aber ungeachtet dessen 
muss mau bekennen, dass wir die ihnen in unserer 
Sphäre entsprechenden Sterne noch nicht ken- 
j nen , sowie dass die unter diesen Namen sich 
verbergende Anschauung uns noch immer sehr 
räthseibnft geblieben ist. Fast keine der .36 Be- 
' nennungen ist uns durchsichtig, mit alleiniger 
Ausnahnio des Orion und der Sothis, letztere mit 
dem konstanten Titel „die Leiterin der Dekane“ 
und ihrem olien besprochenen bildlichen Aus<lrucke 

Supdl, welcher uai:b Anleitung des luutbe- 

I matischen Papyrus als Dreieck aufzufassen ist. 
j Wie nmn aber auf diese sonderbare Anschauung 
I verfallen Ut, das bleibt vorderband unaufgeklärt. 

Höchstens können wir bei den Pytlmgoräern einen 
I Nachklang zu der ursprünglichen Auflassung der 
Aegypter anzutreffen hoffen. Nach Plutareh 
(Isis-Osiris c. 76) nannten .sie das gleichseitige 
I Dreieck die aus dem Scheitel entsprossene Atliena, 

I die auch TQnoyn’eta heiset, .weil cs durch drei 
aus den drei Winkclspitzcn gc^zogone sookrechie 
I Katheten getheilt wird“, wie sie denn die Drei- 
I beit (Trias) selb.st als Dike bezeiebneten, 

I In dieselbe Begriffskategorie gehören auch De- 
I kan Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 : Tajte^Konem, Komm 
I und Chcr~Konem „das Haupt des Winkels , der 
I Winkel, der untere Tbeil des Winkels“; Nr. 5 
I und 6 }Imsat und VeJm-mf Vorder- und Hinter- 
I theil des Schiffes (oder der Mauer); Nr. 7 
I und 8 Tnnn und Tcmmchn Schlitten und Ünter- 
‘ Satz desselben ; Nr. 9 ßt-schte^Kkati — zwei Paare 
von Vögeln, oft auch einzeln erwähnt, vielleicht 
ein Kardinalpunkt ; Nr. 10 und 11 Apmoit und 
Sebcho:i entziehen sich noch der Erklärung, während 
Nr. 12 Tapc-rhoMt „Haupt des Fahrzeugs“ und 
Nr. 13 Slrr-un .Ceotrum der Barke* ziemlich klar 
sind. Aber die Nr. 14—17 S*'jsmUy 

Sisema, Kenemu stehen in ihrer Bedeutung noch 
nicht fest. 

Dagegen sind Nr. 18 TniK-smat und Nr. 19 
Smit „Kopf des Halbirers“ und „Halbirer“ sofort 
1 Tei'sttUndlich, da sie offenbar auf die Zwei* 



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14 



tbcilung des Jahres und seiner 36 Dekane 
(Dekaden) hiaweisen. Dies wird besonders durch 
das Rundbild von Denderah empfuhlen, weil dort 
zwi.scben Nr. 18 und Nr. 19 ein kleiner Dekan: 
p€ sin wi „der Einzelstern“ eingeschoben ist, von 
dem ich schon längst venimibet habe, dass er 
den Zeitbegriff des Schalttages syuiboliäirt. 
Mit Nr. 21 erscheint .Sir« „die Gans“; Nr. 22 
und 23 Tape-chu und ('hu „der Kopf des Clm- 
vogels“ ; Nr. 24 — 25 und Bmt „Kopf 

der Buvögel“ ; Nr. 26 — 28 Chont-hrrt, Ckont-hrr, 
Chon(~cker „Der obere (mittlere, untere) Theil 
des Schiffes“ ; Nr. 29 — 30 Ket und Si-ket „das 
Gebäude und seine Seite“; Nr. 31 Chuu die 
Pflanzen cha\ Nr. 32 — 36 Arei, Remcn-hff, 2>,s- 
«/&, Bcmencher, Vart „das Gebiss, die Ober- 
Schulter, die Endfranze, die Unterschuiter, das 
Bein“ (des Orion), womit der Ring geschlossen 
ist, da hinter dem Orion wieder die IsU-Sotbis 
als „Leiterin der Dekane“ beginnt. 

Ueberblickt man diese Reihe, so wird man 
gewahren , dass unter den 36 Bildern kein ein- 
ziger Vierfflsser erscheint , wedi r ein Stier noch 
ein L5we noch ein Steinbock; ja die Mehrzahl 
der Zeichen ist nicht einmal den geflederten Be- 
wohnern der Luit, sondern gewissen Goräthsebaften 
entnommen. Wenn ich gesagt habe, dass kein 
einziger Vierfüsser unter den Dekanen erscheint, 
so wird man mich an den Plafond des Rames- 
seums von Theben und dem damit gleichzeitigen 
Plafond des Sethosis-Gral>es verweisen: unmittel- 
bar hinter dem Halbirer Smat flndet sich dort 
die Figur eines Schafes Sa-t oder eines Widders 
Bert , welche die Breite mehrerer Dekane ein- 
nimmt. Allein die Stellung dieses Bildes um die 
Jahresmitte, vom Fidlhaufgang der Sothis am 
20- Juli aus gerechnet, führt keinesfalls auf den 
Widder des Zodiacus, welcher den Frühlings- 
anfang bezeichnet; also ist auch dieser ägyptis<;he 
Widder nicht einem zwölflbeiligen Zodiacus ent- 
nommen. 

Ein zweiter Einwurf könnte im Hinblicke auf 
das in allen alten ägyptiscliou Thierkreisen wieder- 
kehrendc Bild des auf den Hinterbeinen stehen- 
den weiblichen Nilpferds (Hippopotamus) gemacht 
werden. Allein dieses Zeichen beflndet sich ausser- 
halb der Zone der Dekane, dom Nordpol nabe, 
etwa die Stelle des Drachen der griechischen 
Sphäre einnehmend. Es steht zwi.schon Ursa 
major und minor. Ueber letzteren sei mir die 
kurze Bemerkung gestattet, dass der kleine Bär, 
mit einer mächtigen Fahne (Schweif) auf unseren 
astronomischen Karton ausgestattet, sicher nicht 
der Naturgeschichte entstammt. Eher könnte in 
diesem Punkte die ägyptische Sphäre das Vor- 



bild gewesen sein. Denn man trifft genau an 
ihrem Nordj>ol den Schakal, Aegyptens Fuchs, 
bei welchem der lange Schwanz eine recht pas- 
sende Erscheinung bildet. 

Die Isis-Sotbis wird zuweilen, z. B. in Den- 
dorah durchaus, mit der Göttin Hat hör identi- 
flzirt und da ihr Symbol hUiiflg die K ii h ist, so 
wird ea nicht befremden , wenn man statt des 

^ in den Zodiaken von Denderah die Kuh im 

Nachen, mit einem Sterne über dem Haupte, als 
Symbol der Sothis trifft. 

Ich komme zu einer weiteren Frage: 

Wie hat man in Altägypten die Planeten 
bezeichnet? Diese sich nach den besprochenen 
Fixsternen unmittelbar aufdrUngeude Frage kön- 
nen wir mit Sicherheit beantworten. Die Öfter 
erwähnten demotischen Tabletten, eine Art astro- 
Domischen Jahrbuch (calepin) befolgen konstant 
die Ordnung, dass sie den entferntesten der da- 
mals bokannton Planeten, also den Saturn zuerst, 
dann Jupiter, Mars und zuletzt Venus und Mer- 
cur auffuhren. Den drei oberen Planeten eignet 
der gemeinschaftliche Name Har „der Obere“ 
mit den Zusätzen Ka, Apschei, Deseber 
d. h. „Stier, weUser, rother“. Warum man den 
Saturn als Stier aufgefasst hat, entzieht sich 
noch unserer KeDQtni.s.s; auch seine kalendarische 
Bezeichnung b , wodurch die Harpe de.s Kronos 
ausgedrUokt sein soll, macht uns nicht klüger. 
Allein die BenenDung d^ Jupiter als des 
weissen Gestirns ist um so deutlicher, als er 
meist den Zusatz führt „Stern des Südens“. In 
die.ser Stellung verdient er sein Prädikat mit 
noch grösserem Rechte. Bisweilen ist noch ein 
weiterer Zusatz angefügt: „er bewegt sich rOck- 
läuflg“. — Dass Mars der rothe unter den 
drei oberen Planeten , ist auch heute noch eine 
gültige Bezeichnung. 

Der Planet Venus heisst „der göttliche Mor- 
genstern“, bisweilen „Benno dos 0.^irU“, womit 
auf die Identität des Aboodsternes mit dem 
Morgensterne hingedeutet ist, eine Entdeck- 
ung, welche die Griechen dein Pythagoras zu- 
schrieben. — Merkur endlich hiess Sobek „der 
KleiDe‘^ An die LichteigenthUmlicbkeiien der 
fünf Planeten , welche ihnen die Aegypter bei- 
logten, erinnern auch noch die griechischen Bei- 
namen, die sich bei einzelnen Klassikern Anden: 
(faivtoVf yatvAioi-, Uo^<fü^g und 

ah'lßiüv. 

Auf den eigontUcIien Zodia<|ues nun wie: 
». B. auf denen von Denderah, Esne, Edfu etc. 
haben die ftlnf Planeten oder ihre stabtragendon 
Repräsentanten, ^aßöotfvgoi genannt nicht immer 



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15 



die nämliche Stelliing : die^e wechselt, was sehr 
begreiflich ist, da ja alle diese ägyptischen Denk- 
mäler im eigentlichsten Sinne Horoscope waren 
d. h. in ihrer Konfiguration die Zeit der Er- 
richtung angeben sollten. 

Von der Astronomie zur Astrologie 
ist gleichsam nur ein Schritt: auch die letztere 
wird den Aegyptern als Entdeckung zugeschrie- 
ben. Eine darauf bezügliche Notiz findet sich 
schon bei Herodot 11 82 - ,,Eine weitere Erfind- 
ung der Aegypter ist diese, welchem unter den 
Oettern jeder Monat und Tag angehört, und was 
für Schicksale ein Jeder je nach seinem Geburtstage 
haben, wie er sein und sterben wird.“ In der 
Thal trifft man Schutzgottheiten des Jahres, der 
Monate, der Tage und sogar der Standen. 

Wenn oben von den Planeten die Rede war, 
so erhebt sich die Frage, ob auch der Erdkörper 
den Aegyptern als Planet zura Bewusstsein 
gekomtnen sei. Aus einem der Berliner Papyrus 
glaubte der kürzlich verstorbene französische 
Aegyptoioge Piv Chabas den Schluss ziehen 
zu dürfen, dass den alten Aegyptern schon in der 
Zeit der grossen Pyramiden (3300 v. Ghr.) die 
runde Gcist4iU der Erde bekannt gewesen. Auf 
einem astronomischen Denkmale der XIX. Dynastie 
ist die den Himmel reprUsentirendo Göttin Nut 
als übergebeugtes Weib dargestellt. Längs ihres 
Körpers, der von dem Gotte der Luft Schu mit 
ausgebreiteten Armen cniporgehaltcn wird, ver- 
läuft die Reihe der Dekane mit Angabe ihrer 
verschiedenen Stellung nach je IbO und 150 Näch- 
ten. Quer zu Fö.^isen dieser Darstellung liegt ein 
Mann: der Gott Sebu. Dass er die Erde re- 
präsentirt, Hrfuliron wir aus dem oft wioder- 
kehrendcu Satze: ,,AUc Gewächse auf dem Kücken 
der Erde“, wofür aU Variante der ,, Rücken des 
Gottes Sebü“ eintritt. Eine merkwürdige Dar- 
stellung auf der Insel Philae zeigt diesen näm- 
lichen Gott Sebu unterhalb der (dop|>clt abge- 
bildeteu) Göttin Nut in einer eigenthUmlicbeo 
Rundung, wie einen um sich selbst geringelten 
Kautschukinann.*j Hiemit ist offenbar die runde 
Gestalt der Erde bezeichnet und da die be- 
treffende Darstellung dem Jahre 1*25 v. (Jlir. au- 
gehörl, so hat man hierin ein deutliches und 
beweisendes Beispiel sowie Dalum für die untere 
Gräoze dieser Anschauung zu begrOssen. 

Ob die alten Aegypter auch der Kometen 
und Meteore irgendwo erwähnen, ist zweifel- 
haft. Der verstorbene Nachfolger Cham pol lious 
inPari.s, Vicomte Emmanuel de Eougd, glaubte 
in der poetisch stylisirten Stele TImimosis 111 die 

*} DcuioDKtnition. 



Andeutung eines Kometen zn orkeDoeo, doch 
begleitete er selbst diese Vermuthung mit einem 
Fragezeichen. Sicher ist, dass die Texte regel- 
mässig nur zweierlei Sterne unterscheiden : Achimu- 
seku und Achimu-urdii, worunter man die Fix- 
sterne und die Planeten zu begreifen hat. 

Bei dem stets heiteren Himmel Aegyptens 
bedurfte es keiner komplizirten I n s t r u in e n t e , 
um die in wunderbarer Klarheit am Nachthimmel 
leuchtenden Gestirne zu beobachten ; das unbe- 
waffnete Auge reichte dazu bin. lodess finden 
sich Anzeichen davon, dass in der urältesten Stadt 
HeiiopoUs seit der Urzeit bis auf Plato Eudoxus 
und noch weiter herab ein astronomischer 
Observationsthurm bestand und von der 
dortigen gelehrten Priestersebaft , bei der nach 
' Papyrus Anastasi I auch Moses in die Lehre 
gegangen war, zu HiinmeUbeobacbtungen fleissig 
benützt wurde. Die grossen Pyramiden zeigen 
durch ihre genaue Orientation nach den vier 
Weltgegenden, durch ihren stets dem Nordpol 
zugewendeten Eingangsschacht, die grosse P3rra- 
mide des Cheops insbesondere durch ihre fünf 
Planetenzimmer über dem Sonnen- und 
M o n d gemache, sowie durch ihre seitlichen Tu- 
ben, auf HimmeUbeobachtungen hin. Endlich 
wird der Brunnen bei Syenc, an der Gränze des 
Wendekreises, welcher zur Zeit des Soramersol- 
stitiums keinen Schatten warf, vielleicht als Ob- 
servationsschacht aufzufassen sein. 

ln Bezug auf die Entstehung des zwolfthci- 
ligen Zodiacus bat unsere Untersuchung ein vor- 
wiegend negatives Resultat gehabt. Vielleicht 
gtdingt es den Entziffureru der Keilschrift, 
seinen Ursprung aus Babyloniens oder Assyrieus 
Inschriften aufzuzeigim. Denn die konstante Ueber- 
lieferung der Klassiker hat die Indden ausge- 
zeichneten Gelehrten und Astronomen : Letronoo 
und Idol er zu der Ansicht gebracht, dass den 
Chaldäern die Idee und die Bilder, ja .sogar 
die Namen der zwölf Zeichen deji Thierkreises 
ihren Ursprung verdanken Es würde mich 
freuen, wenn einer unserer A ss y ri o löge n sich 
I darüber äussem w ürdc ; H i n c k s und S a y c o 
! haben längst auf astronomische Texte der Sume- 
rior-Accadier, Babylonier und Assyrier aufmerk- 
sam gema<*ht. 

Welchen Antbeil die Aegypter an der 
überlieferten Sphäre gehabt. da.s batje ich an 
; einzelnen Stellen bemerkt; weitere Funde liegen 
im SchooHse der Zukunft. 



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Hi 



Kleinere Mittheilungen. 

PrfthfKtoritichpr M'eihrauch in Schwnbftn. 

Von I>r. C. lleintKi'l. 

Die Leser dieser Blätter werden sich noch der 
anziehenden Mitiheilung erinnern, in welcher Herr 
Professor Frans die Durchforschung der Lud- 
wigsburger Fürstonhügel beschreibt und in leben- 
diger Weise die Todteng^'bräiiche schildert, mit 
denen vor mehr als 2000 dahreu jener Fürst 
und die Fürstin bestattet wurden , Uber deren 
Asche sich die Hügel von Bolreroise und Klein 
Aspcrglo erhoben. Es wird denselhen vielleicht 
auch noch erinnerlich sein, dass unter den Fund- 
stUeken im Kleinen Asp«*rgle zweier brotizcoen 
Cysten Erwähnung gethan wird, ,,bis an den 
Band gefüllt mit einer mehligen , korkartigen 
Masse, die sich als ein freilich sehr veräuderies 
Harz erwies, aber noch beim Erhitzen auf Platina- 
bloch dos Zimmer mit Weihraoehduft erfüllte.“ 
Das Aufhndeo dieses Harzes, von dem eine spätere 
Bemerkung es noch unentschieden lässt, oh es 
Myrrhe oder Olibanum ist, erregte mein Interesse 
in hohem Grade. Ich beschloss dasselbe der Ana- 
lyse zu unterwerfen und dieselben Reaktionen 
anzuwonden, welche bei der Untersuchung der 
Urnenharze mich diese als Birkenharz erkennen 
Hessen. 

Herr Professor Oskar Fraas hafte die Güte 
mir einige Gramm der fraglichen Substanz zu 
übersenden. Dieselbe zeigte sich als hellgelblichc, 
bröcklige, leicht zwi.schen den Fingern zerrcib- 
Hche Mas^e. Schon dos äussere Ansehen, mehr 
aber noch das Verhalten beim Erhitzen mit Natron- 
kalk bewies, dass mau es nicht mit dem soge- 
nannten Uruenharz zu thuu hatte. Während 
dieses mit Natronkalk erhitzt, ein nach Juchten 
ricbendes rothgelbes Destillat liefert, gab die vor- 
liegende Substanz ein hellgelbes, dculHcb den 
Geruch von Olibanum tragendes Ocl , das nach 
einiger Zeit an der Luft verharzte. Frischei 
Olibanum von Boswellia serrata gab, io gleicher 
Weise behandelt, da.si>elbe, nur stärker riet:hende 
Oel. Der spezifische Grundgeruch war Ijei beiden 
Harzen derselbe. 

Durch diese Reaktion liissi sich die prähistor- 
ische Substunz gleichfall.s am Besten von Myrrhe 
unterscheiden, da dieses Harz der Destillation 
mit Natronkalk unterworfen ein rolbgclhes, den 
charakteristischen scharfen Myrrhr-ngcruch tragen- 
dem Oel liefert. 



I Mit schmelzendem Kali behandelt zersetzt sich 
I die fragliche Substanz ebenso wie frisches Oli- 
. banum — aber auch wie Urneoharz, frisches 
Birkenbarz und Myrrhe — iu Butlersäure resp. 
in Säuren der Fettsäure Reihe und gibt hei nach- 
tiilgUcber Bcbaodlang mH Salzsäure und Alkohol 
angenehm noch Ananas rieebendon Butteräther. 
Der Aether aus frischem Olibanum und aus dem 
prähistorischen Harz war kaum durch die Stärke 
I des Geruchs von einander zu unterscheiden. 

Es ist eben Weihrauch — Jahrtausende alter 
1 Weihrauch — der die Opfju’geftUse „bis an den 
Rand erfüllte“, in jenen Zeiten ein reicher könig- 
licher Schatz, der unter unendlichen Gefahren 
I und Schwierigkeiten dnn Weg vom fernen Osten 
ins Schwabenland gemacht hat. 

Berlin, 17> Januar. Die afrikanische 
Gesellschaft in Deutschland hat wiederum 
die Freude gehabt, einen ihrer Forschungsreisenden 
in der Heimath begrUsseu zu können. Herr Dr. 
Büchner ist nach einer dreijährigen Abweson- 
heit und nach Vollendung einer ebenso schwier- 
igen wie erfolgreichen Reise am vergangenen 
Freitag umh Berlin zurUckgekehrt. Dem jungen 
Gelehrten war es freilich nicht vergönnt, seinen 
grof^sartigen Plan, von der Westküste über die 
Lundostaaten hinaus bis un den Congo und von 
hier nach der Ostküste vorzudringen, ganz aus- 
Zufuhren. Doimclbe wurde vielmehr durch die 
Eifersucht des Mnata Vamw'o in den Lundastauten 
festgelialten und schliessUch sogar gezwungen, 

! nach der Westküste zurückzukebrer, $0 dass seine 
Reiseroute von der früher von Dr. Pogge ge- 
nommenen w'enig verschieden ist. Da Herr Dr. 

I Büchner jedoch durch mehrjährige Studien sich 
I für die Afrikaforschung gründlich vorbereitet und 
I seine Studien auf die verschiedenen Zweige der 
' Naturwissenschaft ausgedehnt batte, so ist sein Kr- 
' folg eiu ganz besonders glänzender, und wini nicht 
nur der Kartographie zu Gute kommen, sondern 
: auch unsere Kenntnisse von der Geologie, Botanik 
und Zoologie des äquatorialen Afrika wesentlich 
. oriveiteru. Um so mehr ist es aus diesem Grunde 
aber auch zu bc<luuero, dass ein Theil der werth- 
I vollen Sammlungen des Reisenden in Folge der 
' Kollision zweier Dumpfer im Kanäle zu Grunde 
: gegangen ist. Herr Dr. Büchner wii‘d in der 
nächsten Sitzung der Gesellsclmft für Erdkunde 
über die Ergebnisse seiner Reise Bericht er- 
statten. (A. Z.) 



Die Versendang des Correepondens-BlaUes erfolgt durch Herrn Prof. Wcisiuann, den SchatzmeiMter 
der («eseiUchafl; München, TheatinerKtniHHu 3G. An diese Adresse sind auch etwaige Ueebiimitionen zu richten. 

Jhruck d<r AkademUchen Jiuchdruckcrci fx)» F. Slra\Aj iw Münchtn. — $ichluss der Jiedaktion :iiO. Januar JtfÜä. 



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Correspondenz-Blatt 

der 

deutschen Gesellschaft 

far 

Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 



Redigirt von Professor Dr. Johanne» Ranke in München, 

dir 



XIII. Jahrgang. Nr. 3. Enehtint j«dan Mout. Mftrz 1882. 



Inhalt: Die altheidni»iche Opfenrtntte auf dem LochcnÄtein. Von Profeneor Dr. 0. Fraa«. — Kordeniikidld, 
Die Um»egeluDg A^ieiM und Furopa’s aui'der ,Vejra* 1878-1^80. — Dernelb«, Dan sibiriRche Mamniuth. 
— Notizen bezOjflich der deut»cnpn priihiRtoriBch-anthn>j)olojri.'«chen AtiNüteUun^ in Berlin 1880. Von 
Dr. H. Fiacher. — Schaaffbaunen, Berichtigung. 



Die altbeidniBObe Opferstätte auf 
dem Lootaenstein. 

Von Professor Dr« 0« Frans« 

(Vortraf ia der Sitzuaf der antfaropolofiachea Getellicltaft am 
SS. Januar IMS in Stottfart^ 

Wenn der Besucher des Aussichtsthurmes aui 
dem Hasenberg bei klarem Himmel mittagswttrta 
blickt, 80 fhllt ihm das Profil eines Berges auf, 
der, in der Lücke zwischen dem Huodsrück und 
Schafberg gelegen, an seiner eigenthOmlichen Ge- 
stalt mit einem senkrechten Abfall gegen Westen 
nicht übersehen werden kann. Die 963 ni hohe 
Felsspitze des Lochensteins, die sich weithin sicht- 
bar am Horizont abbebt, war Jahrhunderte lang 
ein altgermanisches Völkerbeiligthum, eine Opfer- 
stätte auf sonnigem Fels mitten in den düsteren 
Tannenwäldern der Lochen (Loche, Lohe althochd. 
für Bergwald, Hain). Auf dem Loebenstein hatte 
der Vortragende seit mehreren Jahren in der 
kohligen Schwarzerde unter der Rasendecke Nach- 
forschungen anstellen lassen und eine reichhaltige 
Sammlung von Gegenständen aller Art , welche 
auf der Tafel aasgebreitet lag, für die k. Staats- 
sammlung zu Stande gebracht. Den Anlass zn 
eifriger Nachforschung gab ihm der Fund von 
fremdartigen, mit der goologLscben Formation der 
Lochen in keinem Zusammenhang stehenden Ge- 
steiosarten, wie Qneiss, Granit, Glimmer, Sandstein. 
Solcherlei Steine, vielfach deutliche Spuren mensch- 
licher Benützung au sich tragend , können gar 
nicht anders als von Menschenhand auf die Spitze 
des Berges getragen worden sein. Es bleibt denn 



auch nach dem Resultat der Grabarbeit kein 
Zweifel Ober ihre Benützung und Verwendung: 
am auffälligsten sind die Sandsteine des schwä- 
bischen Unter- und Oberlandes deutlich aU Mahl-, 
Schleif- und Wetzsteine verwendet. Alle Arten, 
wie rotber Sandstein des Schwarzwaldes, grauer 
Sandstein der Lettenkoble , grüner und weisser 
des Keupers, Liassandstein von den Fildern, alpi- 
ner Sandstein Obersebwabens tragen geschliffene 
Flächen an sich und lassen die Art ihrer Be- 
nützung nicht verkennen. Daneben liegt eine 
Reihe gerundeter harter Steine, Geschiebe vom 
Süden der Alb , alpine der Moräne entnommene 
Kieselsandsteine, Hornblendegneisse, O^arzite, die 
als Läufer auf den Mahlsteinen oder als Korn- 
quetseber angesproeben werden. Jurasteine in 
Bobnerz goröthet, stängligor honiggelber Kalk- 
spat, mehrere Ammoniten, Steinschwämme, Serpelo, 
l^bnerzknauer und Schwefelkiese scheinen als 
Koriositüten mitgeuommen worden zu sein, viel- 
leicht dienten sie wohl auch als Amulett und 
Zaubermittel. Welche Verwendung Granit- und 
Gneisstücke und recht grobe Quarzsandsteine 
fanden, ersieht man an den Gescbirrscherben, die 
zu Tausenden unter dem Rasen liegen. Die Mehr- 
zahl der (ieschirre gehört jener uralten Form 
von weitbauebigen , aus freier Hand gefertigten 
Gefässen , zu deren Erstellung der Thon mit 
grobem , scharfkantigem Sande gemengt wurde. 
Der Sand aber wurde direkt durch Zerklopfen 
von Granit, Glimmer und grobem Sandstein be- 
reitet. Der Sand trat an die Stelle des nur 



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mangelhaften Brennens der Geschirre, um dem 
Thon mit den vielen Flächen des eckigen Sandes 
Halt zu bieten. Unter den tausend Scherben, 
die hätten gesammelt werden können , wurden 
nur die ornamentirlen aufbewahrt. Ks können 
unterschieden werden ein einfaches Tupfenornament 
d. h. reibenföiniig eingedrückte Fingerspuren, 
dos Kerbenornament , vertikal oder schief mit 
einem Holz« oder Metallstab eingedrückte Kerben. 
Das eine Mul sind die Kerben unmittelbar in die 
(le^sswand eingedrückt, das andere Mal auf den 
Rand der Urne oder eine die Urne horizontal 
urnspannende Leiste. Fin weiteres Ornament ist 
das der Reifen, die horizontal um das GefSss ge- 
legt sind. Die weitest vorgesehritteoo Technik 
ist die der umgebogenen Ränder, welche ein Zick- 
zack- oder das sog. Wolfszahnornament tragen. 
Die letzteren GefUsae gehören augeoscheiolieh 
der jüngeren, nicht mehr altgermanLscbon, sondern 
römischen Zeit an, sie sind bereits auf der Töpfer- 
scheibe gearbeitet und aus reinem, hart und rotb- 
gebrnnntem Thon (Sigelerde) bereitet. Römische 
Arbeit zeigen auch unverkennbar römische Ziegel, 
die an einer Stelle der Hochfläche haufenweise 
l>ei einander lagen und wohl einst das Dach einer 
römischen Mitbraskapelle deckten oder das be- 
scheidene Haus des Priesters, in dem er vor den 
WesUtürmen Schutz fand, die wie heute, so 




Höhe des Lochensteins wegbrnuseo. An die 
Thongetässe reihen sich die Thonwirtel, bald 
.scheibenförmig , bald konisch , bald glatt , bald 
ornameniirt, die man auch sonstwo zahlreich tiodot, 
die z. B. in Ilissarlik von Scbliemannn zu Tau- 
senden ausgegrahen wurden. (lewöhnlich werilen 
sie für SpiDn^virtel angesehen , in Wirklichkeit 
damit zu spinnen ist aber Niemand im Stand, 
wegen des engeu Lochs, durch das gar keine 
Spindel gesteckt werden kann, und der Leichtig- 
keit des Materials konnten sie nie Gegenstände 
der häuslichen Indnstrie sein. Es scheinen viel- 
mehr nur Thonperlen, als Schmuck angeroiht und 
getragen, gewesen zu sein ; mehrere fanden sich 
aus blauem Glas gefertigt, eine andere aus Blei, 
eine dritte nu.s einem fossilen Schwamm. Eine 
weitere hat die Gestalt eines Fässchens von 4>5 cm 
Höhe und ist mit runenftirmigeo Zeichen über- 
deckt, die nur leider durch Verwitterung bis zur 
Undeutlichkeit gelitten haben. Mit besonderem 
Wohlgefallen aber sieht Jeder die Metallwaaren 
an, die neben Glasscherben ein wesentliches Kon- 
tingent der Manufakte bilden. Am zahlreichsten 
vertreten ist dus Eisen in Gestalt von gemeinen 
Nägeln, sog. BretteroUgeln, Stiften, Spitzen, Ringen, 
Flacbringeu, Messerklingen, Meisselo, Pfeil- und 



Lanzenspitzen, gedrehten Eisenzungen, Schlüsseln, 
Schlössern, und das Zierlichste aber sind 2 Hämmer- 
chen, deren eines heute noch in der Werkstätte 
eines Ulirmachers oder Ziseleurs henüzt werden 
könnte. Aus Bronze gefertigt sind mehrere Fibeln, 
Armringe, Schnallen, Ringe, Ohr- und Halsringe, 
zierliche Sicherheiten für die Nadeln, Bronzeblecbe 
und Drähte der verschiedensten Art. Von Silber 
wurde nur Eine Fibel oder Agiaffe mit einem 
Kettchen gefunden. Bei der Technik der Metall- 
waaren ist der Einfluss der römischen Kunst, 
vielfac'h wohl auch die römische Arbeit selbst 
unverkennbar. Andererseits weisen einige Arm- 
ringe. Hohlringe sowohl , aU gekerbte Vollringe 
auf die Zeit der vorrumischeo Hügelgräber, die 
nur wenige Kilometer entfernt, z. B. in Hossingen, 
Messstetten , in den letzten Jahren ausgegrabeo 
wurden. Beiläufig bestimmt sich die Zeit der 
Gegenstände, die unter dem Rasen auf der Lochen 
liegen , auf einige Jahrhunderte vor und ebenso 
lange nach der Geburt Christi. Dass wir aber 
eine alte Opfersiätte vor uns haben, dafür sprechen 
die Tausende von Knochen, welche rings um die 
eigentliche Felsenspitzo herum zerstreut liegen. 
Diese selbst ist, wie dies Freund Paulus mit ge- 
wohntem Scharfblick orkanot hat , nach allen 
4 Seiten hiu künstlich abgespalten und zu einer 
Art von Altar oder Opfersteiu zugerichtet worden. 
Auf die-sem Altar scheinen die Tliiere geschlachtet 
und zerstückelt worden zu sein , während in der 
Bergeinsenkung am Fass des Steins die Feuer 
brannten, an welchen das Fleisch der Opferthiere 
gebrateu wurde. Diese selbst w'aren nach der 
genauen Zählung und Untersuchung der Skelett- 
reste die Huustbiere der Germanen, vor Allem 
Rinder, Schafe und Ziegen, Schw'eine und Pferde. 
40 Prozent sämmtlicher Knochen gehören dom 
Rind an. Die ftir die Rossenb^timmuog werth- 
i vollsten Knochon sind die Mittelhand- und Mittel- 
fu.ssknochen, welche zu Hunderten zur Verfügung 
stunden und auf die schmalköpfige, kleinhömige 
Ka^e hinweisen , w'elche erstmals in den Torf- 
mooren der Pfahlbauten gefunden und von Rüti- 
roeyer Boa brachiceros genannt wurden. Dieses 
Rind bildete das altdeutsche Kleinvieh , vor dem 
groashörnigen Zugvieh zur Milcherzeugung ge- 
. eignet , eine Kasse , welche heutzutage nur noch 
in Nordafrika auf dem Atlasgebirge, ln den steiri- 
schen Alpen und auf dom Hochlande Schwedens 
gezogen würd. Seit dem Mittelalter ist sie in 
Deutschland verschwunden und einem kräftigeren 
Schlag gewichen, der mit der Zeit der Merovinger 
und Franken allmälig der herrschende Schlag 
wird. Da an den genannten ExtremitUton kein 
Fleisch mehr sitzt, so wurde die Mehrzahl einfach 



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aaf (len Hänfen geworfen« während die Fleisch 
tragenden Knochen fast ausnahmslos gespalten, 
gebrochen und abgehackt sind. Nftcbst dem Rind 
kam das Schaf und die Ziege xnr Opferung. Beim 
Fehlen des Schädels mit dem Gehörne ist die 
Unterscheidung beider Thiere nahezu unmöglich 
und eine Trennung beider nicht wohl thunÜcb. 
Beide zusammen repriUentircn 26 Prozent der 
Opferthicre, während die Schwoinsknochcn 17 und i 
die Pferdeknochen 8 Prozent repräaentiren. Ausser 
den genannten 91 Prozent Hau-sthieren fallen auf 
den Hirsch 4 und auf den Hund 3 Prozent. 
Die fehlenden 2 Prozent vertheilen sich auf den 
Auerochsen, den Elch, den Biber, das Reh, den 
Singschwan und — den Menschen. E i n fQrchter- 
lieh malträtirtes menschliches Schädeldach und 
e i n durch tiefe Hiebe io den Knochen entzwei- 
gegangenes Scheokelbein erinnern unwillkürlich 
an die Stelle in Tacitus (Germ. 39), in der er 
vom ältesten und edelsten Stamm der Schwaben, 
den Semnonen , redet. „Zu b^tiininten Zeiten 
kommen in einem Wald, der durch heil’ge Bräuche 
der Väter und alte Scheue geweiht ist, alle Völker 
desselben Blutes durch Gesandtschaften zusammen 
und feiern durch öffentliche Opferung eines Men- 
schen den grauenhaften Beginn ihres Barbaren- 
lestea.“ Etwas milder wohl wurden die Bräuche, 
als die Römer das Zebentland besetzt hielten und 
die Strassen der Legionäre zwar nicht durch den ' 
unwirthlichen Lochenwald , aber doch am Fusse i 
desselben und Angesichts des herrlichen Felsens ' 
vorOberzogen. Zu Ende der Römerzeit stand dos 
Heiligthum noch voll in Ehre und Ansehen, 
scheinen doch selbst auch frummgc.sinntc Römer 
aus Ehrfurcht vor den Guttom des Landes Weih- 
geschenke and Opfer dem SonnengoU dargebracht 
zu haben. Mit dem Ende der römischen Macht [ 
und dem Anfang der christlichen Zeit hörten > 
Allem nach auch die Opfer auf dem Lochenbleio j 
allmälig auf, Uber den Trümmern des Altars und 
den rings zerstreuten Opferresten wuchs das Gras, 
und christliche Priester waren bemüht , den Ort, 
da der Sonnengott in seiner natürlichen Majestät 
verehrt wurde, als den Sitz des Teufels liinzu- 
stellen. Das ist gewiss, schreibt CVusius, „dass 
im Jahr 1589 im Herbst etliche VVeiber und 
der fUrnehmnte Ilathsberr zu Schernberg verbrannt 
worden, die alle bekennet haben, dass sie ge- 
wohnt gewesen, des Nachts auf diesem Berg zu- ^ 
sammenzukommen , mit den Teufeln zu tanzen < 
und zu tbun zu haben, Menschen und Vieh zu 
beschädigen.*^ Auch sagen die Leute in dm* 
Nachbarschaft, wenn sie Einem etwas Uebels an- 
wünschen wollen, „ich wollt, dass du auf der 
Lochen wärst** (Crusius, sebwäb. Kronik p. 419). 



ln einem andern Sion als vor 300 Jahren möge 
das alte Sprichwort jedem Naturfreund und Alter- 
thumsfreund gelten, namentlich wenn der Rasen, 
der jetzt die OpferstAtte deckt , grünt, wenn die 
blaue Gentiane und das Himmelfahrtsblümloin 
oben blühen! Man versteht dann den Drang 
unserer Vorfahren , an diesem Ort der Leben 
schaffenden Sonne ihre Verehrung darzubringen. 



Nordenskiöl d. 

Die Umiegelang Atlant und Europa*! auf der „Vetja“ 1878 
bis 1880. Aulorltrrte deuttche Ausgabe. MH Abbildungta 
in Holzschnitt und tithographirten Karten. 

Verlag von F. A. Hrockhaus in Leipzig, Berlin 
und Wien 1881. Zwei Bände. Octav. 

Die deutsche Ausgabe des Werkes von Nor- 
densktöld, welches dessen berühnjte ümsegel- 
ung Asiens und Europa’« auf der „Vega“ in 
ihrem Verlauf und ihren wissenschaftlichen Er- 
gebnissen schildert, ist nun fast vollendet. Wir 
haben schon im vorigen Jahrgang des Con*eapon- 
denzblattes Geb^genheit genummen, die deutschen 
Anthropologen, Ethnologen und Urgeschichtsfor- 
scher auf die hohe Bedeutung der ersten Hefte 
dieses Werkes für alle Seiten unserer Studien 
aufmerksam zu machen. Aber von Heft zu Heft 
steigert sich das hohe spannende Interesse, welche 
dieses ausgezeichnete Werk hervorrufl, und nun, 
da es fast vollendet vor uns liegt, müssen wir 
es ausspreeben, dass kaum ein anderes Reinewerk 
der äliareu oder neuesten Literatur 1‘ür die anthro- 
pologische Forschung und zwar namentlich für 
! die Forschung in der Urgeschichte des Menschen 
so reiche Ausbeute liefert als das Buch N er- 
den skiölds. Die ethnischen Beobachtungen an 
den Tschuktschen gclieo uns für die Urgeschichte 
Europa’s die wicbligstcn Aufschlüsse. Sind Jene 
doch ein Volk, das, wie einst unsere ältesten 
Vorfahren auf dem europäisohen Kontinent, einem 
rauhen eisigen Klima noch jetzt fast ausschliess- 
I lieh mit den spärlichen Kulturmitteln der Stein- 
j zeit Trotz bietet und in Verwendung derselben 
j annähernd zu der gleichen Höhe der Entwicklung 
i der Technik und primitiven Kunstübung gelangt 
1 ist, welche uns bei dem europäischen Stein- 
inenschen der Urzeit so vielfach in Erstaunen 
setzt. Auch an amerikanischen Eskimos, welche 
auf einer analogen Kulturstufe sich bis jetzt er- 
halten haben, bringt N o r d e o s kiö Id Beobacht- 
ungen. Anschaulicher kann uns dasLeben der vor- 
geschichtlichen Steinzeit kaum geschildert werden 
als in diesen Bildern aus dem modernsten Leben 
des arktischen Nordens. Diese Schilderungen 
sind um so werthvoUer, dn N o rd en s k iöld die 



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aothropologiscb^urgeschichtlicbeo Fragen als Fach- 
mann beherracbt and seine Aufmerksamkeit daher 
allen einschlägigen Aufgaben zuwenden konnte. 
Aber auch in zahlreichen anderen Beziehungen 
sind die Ergebnisse NordenskiSlds für unsere 
Stadien hoch werthToll. Wir erwähnen davon 
nur die Geologie jener Gegenden, in denen das 
wollbaarige Mamuth und Uhinozeros die Grenze 
ihres Daseins fanden ; die Reste der ausgestorbenen 
Diluvialsäugethiere selbst; die Frage über den ; 
einstigen Zusammenhang der Kontinente und die > 
Beobachtungen Ober den vielfachen noch beute | 
bestehenden Verkehr der arktischen Stämme : 
zwischen Asien und Amerika ; das Thierleben \ 
vor dem Erscheinen des Menschen in diesen 
Gegenden ; die physiologischen Probleme, welche 
uns dos Leben und die Ernährung des Menschen 
in den bochnordischen Gegenden stellt u. v. a. 



Es ist eine Fülle von neuen Thatsachen , von 
deren Kenntoissnahme der Anthropologe nicht Um- 
gang nehmen kann. Wir dürfen nicht versäumeo, 
noch darauf hinzuweisen, dass auch der Zoologe, 
Botaniker, Geologe, Paläontologe, abgesehen von 
dem Geographen und Seefahrer, in dem Buche 
Nordenskiölds reiche Ausbeute und Anreg- 
ung findet. 

Wir greifen anschliessend an das Gesagte 
einen anthropologisch wichtigen Gegenstand aus 
dem Werke heraus: Nordenskiölds Forsch- 
ungen Ober das nordsibirische Mamuth, 
die abgesehen von dem hoben Interesse, welche 
sie an sich bieten, als Beispiel dienen sollen, wie 
wahrhaft wissenschaftlich exakt dieser berühmteste 
Reisende der Neuzeit Erfahrungen zu sammeln 
und mitzutheilen versteht. 



Daa albiriaohe Mammut h. 

(Aus N ord e n sk iöl d: Die Utnaegelung Asiens und Euro|>a*s auf der «V’ega“. 8. 3fil —8. 374.) 



Die KeusibiriMchen ln<M>In sind Mchon seit ihrer 
Entdeckung unter den nnwischen F^fenbeinnammlem 
l>eröhnit gewesen wegen ihr«K aufueronientlicheD Reich- 
thuniR an Zfthnen und Skelettheilen der ausgestorl>euen 
Klefantenart , welche unter dem Namen Mammuth 
bekannt ist. 

Am den sorgfälti^n Untcrt<ucbungen der Aka- 
demiker Pallas, von Eaer. Brandt, von Middendorff, 
Fr. Schmidt und anderer weiss man, da^i» dae Maiumuth 
eine eigt'oe nordische, lutarbekleidete Elefunt^nart ge- 
wesen ist, welche wi'nigst<*ns zu gewissen Zeiten des 
Jahres unter NaturverhiUtni«»«?n gelebt hat, wie sie 
jetzt im mittlem und vielleicht sogar im nördlichen 
Sibirien vorherrschen. Die ausgedehnten (Snwbenen 
und W;\Ider des nördlichen Asiens sind das eigentliche 
Heimatland diese« Thieres gewesen, und einst muss 
e« dort in zahlreichen Schaaren umhcrgestreifl sein. 

Die«eU>e oder eine sehr naljcstohende Elcfanten- 
art ist auch in dem nönllichen Amerika, in England, 
Frankreii-h. der Schweiz, in Deutschland und dem 
nördlichen Russland vorgekommen: ja auch in Schwe- 
den und Finland sind mitunter wenn auch unl>edeuten- 
dere Maramutbülterreste gesammelt worden.*) Aber 
während man in Europa gewöhnlich nur mehr oiler 
weniger unansehnliche KncM.‘heni\berreste antriffl, findet 
man in Sibirien nicht nur ganze Skelete, sondern 
auch ganze, in der Erde eingefrorene Thierc, mit 
erstarrtem Blut, Fleisch, Haut und Haaren. Man 
kann hieraus den Schluss ziehen, dass das Mammuth, 
in gtkilogischem Sinne, vor noch nicht so beaondets 
langer Zeit ausgestorben ist. Dies wird au.s.serdem 
durch einen andern in Frankreich gemachten Alter- 
thnmsfiind bestätigt. Ausser einer Menge grob ge- 
arbeiteter Feuersteinscherben hat man dort nämlich 
Stücke von Elfenbein gefunden, worauf unter anderm 
ein Mammuth mit Rüasel, Zähnen und Haar in groben, 
aber unverkennbaren Zügen und in einem Stil einge- 
ritzt war, welcher dem die tschuktachiseben Zeicb* 



*1 Nibern Aoftcblati bioHlb«r cibt A. J. MAlfnerrn in HDem 
A«fi«u Uber da« VorkontB^a utKi di<* Auabr^taar vtia MaBisuth* 
fuaden, »owi« Qbor die BediacunijunKrR dar vorteiiKcban KiUtan« 
dicae« Tbiere« (Fisikt Vat.*S««ie(etain furbsndl, för 1874— 7k). 



[ nungen kennzeichnenden Stil ähnlich ist, wovon im 
{ weitem Verlauf dieses Werkiw einige Ablnldungen 
I gegeben wenlen. Diese Zeichnung, deren Echtheit 
’ dargethan zu sein scheint, flliertrilR an Alt-er vielleicht 
^ hundertfjich die ältesten Denkzeichen, welche Aegjt'pten 
j aufzuweisen hat, und bildet einen bemerkenswerthcij 
I Beweis dafür, dass da« Urbild der Zeiclinung, da« 

' Mammuth, gleichzeitig mit dem Menschen im w’cst- 
I lieben Europa gelebt bat. Die MammuthüWrreflte 
i rilhren demnach von einer riesengrossen, früher in 
I beinahe allen Kulturländern der Jetztzeit lebenden 
Thierform her, deren Aussterben unsere Vorväter er- 
lebt haben und deren Leichen noch nicht überall voll- 
ständig verwest sind. Hieraus entspringt dos grosse 
und spannende Interesse, da« an alles geknüpft ist, 
was du‘*c< wunderbare Thier Iwtriffl. 

Wenn die Auslegung einer dunkeln Stelle im 
PUnius richtig iat. so hat das Mammiitheifenbein seit 
den ältesten Zetten eine geschätzte HandeUwaare ge- 
bildet, welche jedoch oft mit dem Klfenl>ein lebender 
Elnlanten und Walrosse verwechselt woinlen ist. Aber 
Skelettheile de« Mamniuths selbst werden ent bei 
Witwen ausführlicher besprochen , welcher während 
seines Aufenthaltes in Russland im Jahre 1606 eine 
Menge darauf bezügliche Angaben einsammelte, und 
der weni^sten-s in der zweiten .\uflagc seines Werkes 
gute Abbildungen des Unterkiefers eim's Mammuths 
und des Schätlels einer fossilen üchsenart gibt, deren 
Knochen zusammen mit den Mammnthüberresten Vor- 
kommen. (Witwen, 2. Aull.. S. 746.) ^ scheint aber 
Witsen, welcher selbst die Mammuthknochen für 
Veberreste vorzeitlicher Elefanten ansah und der dos 
Walros« sehr wohl kannte, entgangen zu sein, das» 
in einem Theil der Berichte, welche er anfUhrt, das 
Mammuth und das Walross ofienbar verwechselt worden 
sind, was nicht so somlerbar ist, da beide an der 
Küste des Eismeeres vorkatnen und lieide Elfenbein 
für da« Wourenlager des sibirischen Handelsmannes 
lieferten. E)>en 80 beziehen «ich alle die Na^'hrichten, 
welche der fninzösische Jesuit Avril während «eines 
Aufenthaltes in Moskau 168ß ü)>er da« an der Küste 
des Tatarischen Meere« (Eismeeres) vorkominende 



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