i.
HARVARD UNIVERSITY
LIBRARY
OF THI
MUMUM OV OOIiPABA,nVB SOfiLOOT
GIFT OP
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STUDIEN
ZUR
DESCENDENZ-THEOßlE.
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STUDIEN
ZUR
DESCEjSDENZ-THEOßlE.
L
U£B£R DEN
SAISON.DlMOßPHISMUS
DER
SCHMETTERLINGE
VON •
AUGUST WEISMANN,
PBOFCSSOB IX F&EIBUBG i. Bb.
MIT ZWEI FARBENDRUCKTAFELN.
LEIPZIG,
V£BLAÜ VON WILHELM ENGELMANN.
1875.
(S^Murttr-Abdmek txu dan Aiuttli del Mtueo CSvieo dt Qmunn Vol. VI.)
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VORWORT.
Ai« ich mir vor einer Beihe von Jahren die Au%abe
stellte, die noch ^enig beachtete Erscheinung des Saison-
Dimorphismus einer eingehenden Untersuchung zu unter-
werfen, bestimmte mich dazu nicht blos das Interesse,
welches sich an die Auflösiinjj; eines jeden Ratlisels in
den Natui'erstheinungen knüpft, .>undeni ich glaubte, es
müsse möglich sein, von diesem Punkte aus einen Schritt
vorwärts zu thun in der Frage nach der Umbildung der
Arten.
Wenn es gelang, diese einzelne Erscheinung von
Doppel«:estaltigkeit auf ihre Ursachen zurückzufHihren,
so w.ir die Frage nacli der Artlnldung doch ininierliin
insoweit gefördert, als damit wenigstens eine der Ursachen
blossgelegt und einer der Wege au%edeckt war, durch
welche und auf welchen neue Formen entstehen. Und
dies musste auch dann noch werthvoll scheinen, wenn
es sich dabei herausgestellt hätte, dass nicht neue und
bisher übersehene Ursachen der Erscheinung zu Grunde
liegen, sondern bereits als wirkend anerkannte. Ich
wenigstens bin der Meinung, dtoss es im Augenblicke
weit weniger Angabe der Forschung ist, neuen Um-
wandlungsursachen nachzuspfiren, als vielmehr die be-
kannten in ihrem Einfluss gegeneinander abzuwägen
und die Art und Weise im Näheren festzustellen, wie
sie wirken.
Die ^^'el;p. auf welchen ich das vorgesteckte Ziel zu
erreichen suchte, wechselten im Laufe der Untersuchung.
vr
Ich begann mit dem Versuch, neue Formen künstlicfa
hervorzurufen, wobei denn die umbildenden Factoren das
Bekannte, die Umwandlungsprodukte aber die gesuchte
Grösse waren. Dies gelang, und fast schien es, als sei
damit die Frage abgesc lilo'^sen , die Erscheinulig des
Saison -Dimorphismus auf ihre Ursachen zurückgeführt.
Aber weitere Versuche zeigten, dass^nicht immer und
unausbleibUch die betreffende Umwandlung den Einwir-
kungen folgte, welchen ich -sie zugeschrieben hatte.
So wurde es nöthig, vom synthetischen auf den ana-
lytisclicn AVeg überzugehen und von den fcstgestrilten
Umwandlungen aus nun wiederum rückwärts nach ihren
eigentlichen Ursachen zu forschen.
Dass bei solchen Untersuchungen häufig ein genaues
Eingehen auf unscheinbare Einzelheiten unvermeidlich
war, leuchtet ein. Auch in der Darstellung konnten
sie nicht ganz, vermieden werden, wenn auch die speciellc
Darlegung der einzelnen Versuche in einen besonderu
Abschnitt am Schlüsse verwiesen wurde.
Uebrigens ist ja der Werth und die Bedeutung, welche
wir einer Thatsache beilegen, immer nur ein relativer
und kann einzig und allein gemessen werden nach dem
Masse von Einsicht, von neuer Erkenntniss, welches sie
uns gewährt. Ich hotte von Neuem zeigen zu können,
was vor mir schon Andere rWa 11 ace, Bates, Darwin)
bewiesen haben, dass auch so unscheinbare Einzelheiten,
wie kleine Schwankungen in Färbung und Zeichnung
eines Schmetterlings unter Umständen uns zur Erkenntniss
allgemeiner Gesetze führen können.
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I* Bedeutnnip und Snt«tel»inff
de« SaUK»i&*I>imorplftl0mi&«.
Die Erscheinung, welche hier einer näheren Unters udiung
unterworfen werden soll, ist sclion seit geraumer Zeit be-
kannt. In den dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts wurde
nachgewiesen, dass zwei bisher als besondere Arten aufge-
führte Formen der Schmetterlings-Gattung Vanesta trotz ihrer
sehr verschiedenen Färbung und Zeichnung in Wahrheit ein
und derselben Art angehören, dass also diese Art dimorph
ist, doch so, dass die beiden Formen > unter welchen sie
auftritt, nicht gleichzeitig erscheinen, sondern zu verschie-
denen Jahreszeiten, die eine im ersten Frühling, die andere
im Sommer. Wallace hat spater diese Art des Dimorphismus
mit dem Namen des Saison-Dimorphismus belegt, ein
Wort, dessen heterogene Zusammensetzung dem Philologen
Schauder erregen mag, das aber doch nach Möglichkeit kurz
und verständlich ist, und welches ich deshalb beibehalte.
1
2
Die Vanessa-Art, bei welcher die Entdeckung des Saison-
Dimorphismus gemacht wurde, trug vorher die beiden Species-
Namen, V. Ltvaua und Prorsd. Letztere ist die Sommer-, Krstere
die Wirjterfonn; der Untersi-liiod zwisi^licn Beiden ist auch für
den Laien so gross, dass es schwer lallt, an die Zusammen-
gehörigkeit beider Formen zu <:laul>on, Livana (Fig. 1 u. 'i)
ist i)raungel!) mit schwarzen [-"leclTen und Strichen , Ih-orsa
(Fig. V) u. (i) tief sdiwarz mit einer breiten weissen Binde
üi)er beide Flügel. Denmx li ist die Thatsadie , da^s beide nur
Winter-und Sunimergeneralion derselben Art sind, unzwei-
felhaft richtig. Ich habe seilest zu wiederholten Malen aus
den Eiern der Levana die l'roisaforni erzogen und aus den
Eiern der Prursa umgekehrt wieder die Levanaform.
Seit der Entdeckung dieser Thatsache sind nun noch ziem-
lich zahlreiche ähnliche Fälle nachgewiesen worden. So zeigte
P. C Zell er (*) durch Züchtungsversuche, dass zwei in Zeicb-
nung und Färbung, wie besonders auch in Grösse sehr ver-
schiedene BläuÜDge, welche bisher als Lyeaena Polysperchon
und /». Amyntas aufgeführt worden waren, nur Wintcr-und
Sommer-Generationen ein und derselben Art sind, und der
ausgezeichnete Lepidopterologe D/ S t a u d i n g e r wies das-
selbe nach für die den Hittelmeerländern angehörenden Weiss-
lingsformen Anthocharis BeUa Esp. und A, Auaonia Hb.
Derartige Fälle, bei welchei\ die Unterschiede swiscben
Winter-und Sommer-Form so gross sind , dass man sie als
besondere Arten in den systematischen Werken anführte,
sind indessen nicht häufig; ich kenne deren nur fünf. Gerin-
gere Unterschiede, solche vom stematischen Werthe der blos-
sen Varietät kommen viel dfter vor. So ist Z. D. für viele
unserer gemeinsten Schmetterlinge aus der Familie der Weiss-
linge Saison-Dimorphismus nachgewiesen, doch sind die Un-
terschiede in Zeichnung und Färbung nur bei einiger Auf-
(■) ■ über die Arlrechte <les Polyoniutattu Ämyntas und l'vli/apei'chon» Hitll.
•nt. Zftik 1849, T. 10. p. 177-18».
(*) «Die Artfn d>T I.epidopteren-0.ittting Ino I.each neb-st einigen VorlM-
in«rktingan über Localv«ri<l*teo » btett. eni. Zeil. 1803, T. «3, p. 34«.
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3
marjtsamkeit ta Iwmerken, und bei noch anderen Arten,
I. & dem gemeinsten unsrer Blaulinge, lycoena Alexis sind
sie 80 gering, dass auch der Kundige scharf zusehen muss,
um sie zu erkennen. Man würde sonnt leicht ganze Heihen
von Arten zusaniniüiistellon können, welclie den L'l)ergang
von völliger Ubereinstiuiniung beider Generationen durch
kaum zu bemerkende l'nterschiede liindurch bis zu Diffe-
renz-en im Werthe von Varietäten und schliesslich von Arten
verauschaulu-hten.
Auch solche Falle mit geringen Unterschieden zwischen den
beiderlei Generationen sind nicht sehr häufig; ich kenne
unter den euiopäischen Tagfaltern etwa zwölf, docli Hessen
sich bei besonders darauf gerichteter Aufmerksamkeit wohl
noch einige weitere dazu finden. Auch bei Nachtsclimetter-
lingen soll Saison-Dimorphismus vorkommen , ohne dass ich
indessen im Stande wäre, nähere Angaben darüber xu ma-
chen; meine eigenen Beobachtungen beziehen sich nur auf
Tagschmetterlinge.
Dass andere Insekten-Ordnungen die Erscheinung nicht
darbieten» rührt wesentlich daher, dass die meisten nur eine
Generation im Jahre hei;vorbringen; bei den übrigen aber
finden sich in der That Formänderungen! welche swar nicht
als reiner Saison-Dimorphismus aufzu&ssen sind, wohl aber
sum Theil von den gleichen Ursachen hervorgerufen sein
niOgen, wie die später folgende Untersuchung über die Be-
xiehungen des Saison-Dimorphismus sum Generationswechsel
und der Heterogenie naher ausfahren soll.
Welches sind nun diese Ursachen?
Als ich vor Jahren einmal einem Lepidopterologen meine
Absicht mittheiltc, über die Ursachen dieses räthselhaften Di-
morphismus Untersuchungen anzustellen, in der Hofifhung,
aus seinen reichen Erfahrungen Förderung meiner Absicht zu
gewinnen, erhielt ich die lialb entrüstete Antwort ■ da sei
gar Nichts zu untersuchen, es sei oben der specifische Cha-
rakter dieser Art, in zwei Gestalten aufzutreten; nach una-
bänderlichem iNuturgesetz wechselten diese zwei Formen in
4
regelmässiger Folge miteinander ab; damit müsse man sich
begnügen Von seinem Standpuncte aus hatte der Betref-
fende ganz Recht, von der alten Specieslehre aus darf nach
der Ursache solcher Erscheinungen überhaupt gar nicht ge-
fragt werden.
Ich Hess mich jedoch durch diese Al)f"ertigun^ nicht ab-
schrecken, sondern untenialmi eine Reihe von Untersuchun-
gen, deren Kesultate ich liier vorlegen will.
Zuerst lag die Vermuthung nahe, ob nicht etwa die Ver-
schiedenheiten der Schmetterlinge sekundärer Natur
sei und ihren Grund habe in Verschiedenheiten der I\auj>en,
insbesondere ob nicht etwa die im Frühjahr und die im
Herbste aul'wachsendcn Raupen sich mit verschiedenen Pllaii-
zen ernährten und durch Assimilation verschiedenartiger che-
mischer Stofife auch zu verschiedenartigen Farben-Ablagerun-
gen auf den Flügeln des Schmetterlings Anlass gilben. Die
letztere Vermuthung widerlegt sich leicht dadurch, dass
grade bei der am stärksten dimorphen Vanetsa Levana über-
haupt nur eine Pflanze, Urtica fn^/or« die grosse Brennessel,
als Nahrung dient. Allerdings zeigen grade bei dieser Art auch
die Raupen einen sehr scharf ausg^prochenen Dimorphismus,
allein derselbe ist kein Saison-Dimorphismus, die beiden Rau-
penformen wechseln nicht miteinander ab, sondern treten ge-
mischt in Jeder Generation auf.
Zum Oberfluss habe ich mehrmals den Versuch gemacht
und die seltenere gelbbraune Varietät der Raupe getrennt
aufgezogen; es entwickelte sich aber aus ihr genau dieselbe
Schmetterlingsform , wie aus den gleichzeitfg und unter glei-
chen äussern Bedingungen aufgezogenen schwarzen Raupen.
Derselbe Versuch mit demselben Resultat ist schon im vo-
rigen lahrhundert angestellt worden und zwar von Rdsel,
dem vortrefflichen Miniaturmaler und Naturbeobachter, dem
Verfasser der berühmten und noch heute brauchbaren « In-
sectenbelustigungen ».
Es fragte sich nun weiter, ob nicht der Kischeinung die-
selbe Ursache zu Grunde liege, welcher wir den Weclisel von
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Wmter>ttnd Sommerkleid bei so vielen Säugethieren und Vö-
geln zuschreiben, ob der Wechsel von Farbe und Zeichnung
nicht hier wie dort auf dem indirekten Eintiuss äusserer
Lebensbedingungen beruhe, d. h. also auf Anpassung
durch N a t u r z ü c Ii t u ng. Gewiss fuhren wir mit Kecht
die weisse Farbe, welche das Schneehuhn im Winter, die
graubraune, welche es im Sommer annimmt, auf Anpas-
sung zurück, da beide F;irbangen augenscheinlich der Art
erheblichen Nutzen bringen müssen.
An und für sich wäre es nicht undenkbar, dass bei Schmet-
terlingen analoge Erscheinungen vorkämen, mit dem Unter-
schied, dass der Wechsel in der Färbung nicht an ein und
derselben Generation aufträte, sondern alternirend an ver-
schiedenen. Indessen schliesst die Qualität der Fär-
bungs-Unterschiede , welche beim Saison-Dimorphis-
mus vorkommen , diese Deutung auf das entschiedenste
aus, und ferner bleibt die äussere Umgebung der Schmet-
terlinge , mögen sie nun im Frühjahr oder Sommer aus-
schlüpfen, so sehr die n&mliche, dass ein jeder Gedanke, man
habe es hier mit verschiedenartigen sympathischen Färbungen
SU thun, gänzlich aufgegeben werden muss.
Ich habe schon an einem andern Orte (*) darzulegen ver-
sucht, dass es für Tagschmetterlinge während des Flugs
überhaupt keine schutzenden Färbungen gibt, aus dem dop-
pelten Grunde, weil die Farbe des Hintergrundes, auf wel-
chem sie sich darstellen fortwährend wechselt, und. weil die
flatternde Bewegung auch bei der besten Anpassung an diesen
Hintergrund dennoch sofort sie dem Auge ihrer Feinde ver-
rathen wurde.
Ich suchte damals auch nachzuweisen, dass unsere, der
gemässigten Zone angehörigen Tagfalter überhaupt nur we-
nige Feinde haben . welche sie im Fliegen verfolgen , dass sie
aber vielen Angriffen ausgesetzt sind während ihres Schlafes.
Für letztere Behauptung sei es gestattet, hier einen Beleg
(>) Ubsr den Slndnas der Uolirung auf die Aribildung. Leipzig 1878, S- 50-82.
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ansttfähroD. Im Sommer 1869 brachte ich etwa 70 Schmet-
terlinge der Vaneua Prorsa in einen ger&umigen mit Blumen
reichlich Tersehenen Zwinger. Obgleich nun die Thiere sich
sehr wohl fühlten, munter bei dem sehr schönen Wetter an
den Blumen uniherschwärmten , einzelne sogar sich ])egat-
teten, und ein "Weibchen Hier legte, so fand ich doch von
den ersten Tagen an jeden Morgen einige ttnlt und verstüm-
melt am Boden liegen, und diese Decimirung nahm pro-
gressiv zu, viele verschwanden vollständig, ohne dass ich
ihre Keste aufzufinden vermochte, und nach neun Ta^-en
1 waren sie alle bis auf ein einziges Individuum der Wuth
)a*m,j>jJ' ihrer nächtlichen Feinde^ vermutblich Spinnen und Opilio-
niden, erlegen.
f Vor Allem in sitzender Stellung sind also die Tagfalter
feindlichen Angriffen ausgesetzt. In dieser Stellung schlagen
sie bekanntlich ihre Flügel nach oben zusammen , und es ist
klar, dass sympatische Färbungen nur auf der Unterseite
ihrer Flügel vorkommen können, wie sich denn solche bei
vielen auch unter unsern einheimischen Faltern auf das
klarste nachweisen lassen.
Nun zeigen sich aber die Unterschiede grade in den ausge-
bildetsten Fallen des Saison-Dimorphismus s. B. bei Vanma
ZnNifia viel weniger auf der Unter- als auf der Oberseite
der Flügel. Die Erklärung durch Anpassung ist also unhaltbar,
und ich will mich hier mit einer umständlicheren Widerle-
gung derselben um so weniger aufhalten als ich glaube, die
wirkliche Ursach e der Erscheinung nachweisen zu können.
Wenn der Saison-Dimorphismus seinen Grund nicht in der i n-
directen Einwirkung verschiedener Jahreszeiten hat, so kann
derselbe in einer direkten Einwirkung der wechselnden Sus-
seren Lebensbedingungen liegen, die ja ohne Zweifel bei der
Wintergeneration andere s,hi<1, als bei der Soramergeneration.
Zwei Faktoren sind es vor Allem, von denen ein solcher
KinHuss vcrmuthet werden könnte: Temperatur und Ent-
wicklungsdaucr , d. h. Dauer der Pujtpenzeit. Die Dauer
der Raupcnporiodu konnte ausser Acht gelussen werden, du
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diese nur um ein Geringes küner ist bei der Wintergene-
ration, wenigstens bei den zu Versuchen l)enutzten Arten.
Von diesen Ijej-iehtsijunkteu ausgehend stellte ich nun
wäiircnd einer längeren Reihe vun Jahren Versuclie an, die
darthun sollten, olj in der That die Zweigestaltigkeit der
betretenden Arten auf direkte Einwirkung der erwähnten
Momente zurückzulühren sei.
Die ersten Versuche wurden mit Vanessa Lccaiia angestellt.
Aus den Eiern der im April augeschlüpt'ten Wintergeneration
erzog i( h Raupen die unmitteli)ar nach ihrer Verpuppung in
einen Hi>schrank gebracht wurden, in welchem die Lufttem-
peratur nur 8-lü° K. betrug. Ks zeigte sich indessen, dass
bei so wenig erniedrigter Temperatur die Entwicklung sich
nicht auf beliebige Zeit verzo;:ern lässt; denn als nach vier
und dreissig Tagen die Schachtel aus dem Eisschrank he-
nusgenommen wurde, waren alle Schmetterlinge, etwa
vierzig an der Zahl , bereits ausgeschlüpft , viele schon todt,
andere noch lebend. Der Versuch war jedoch in so weit ge-
lungen, als statt der unter gewöhnlichen Verhältnissen zu
erwartenden Prorsaform die meisten Schmetterlinge als soge-
nannte Porima (Fig. 3, 4, 7, 8 und 9) ausgeschlüpft waren,
d. b. als eine, zuweilen auch im Freien beobachtete Zwiscben-
form zwischen Prorta und Levana, welche mehr odei^ weniger
noch die Zeichnung von /Vor«! besitzt« abi*r bereits mit vie-
lem Gelb der Leoam vermischt.
Es sei hier gleich erwähnt, dass schon im An&ng des vo-
rigen Jahrzehents ähnliche Versuche angestellt wurden und
zwar von einem steierischen Entomologen Georg Dorfmei-
ster. Leider entdeckte ich die kurze Hittheilung darüber (')
erst zu einer Zeit, als meine eignen Untersuchungen schon
fest beendet waren.
In diesen sehr hübsch ausgedachten, nur etwas zu sehr
complicirten Veräucheu kommt der Verfasser zu dem Kesul-
(>) « 0bar die Klnwlrknoff ▼•rarhladeaer, wAbrend der Bnlwlcklnngsptrto-
den ang^ewendetcr WArroei^rado auf die F&rbnng und Zeichnung derSchinal-
Urlinge ». Mitlheil. de« naiurwiM. Vereioa für Staieruuirk, 1S64.
tat, ■ dass die Temperatur allerdings auf die Färbung und
die dadurch bedingte Zeichnung des künfUgen Schmetter-
lings einen Einfluss ausübe» und zwar den meisten w&hrend
der Verpuppung ». Durch Herabsetzung der Lufttemperatur
während eines Theils der Puppenperiode gelang es dem Ver^
&S8er einzelne Porima-Individuen zu erziehen , die meisten
Schmetterlinge aber beharrten auf der Prorsa-Form, Dorf-
meister setzte (üc Temperatur noch weniger lierab, als es
in meinem oben angel'ulirten ersten Versuche geschah , näm-
lich nur auf iO-ll° R,, Hess die Puppen aucli nidit lange Zeit
in dieser massig erniedrigten Temperatur, sondern brai.litc
sie nacli *> ^/^-S Tagen wieder in höhere Temperatur. Daran
lag CS ütlenbar, dass er nur in wenigen Fällen Übergangsfor-
men erzielte und dass es ihm niemals gelang, eine völlige
Umwandlung der Sommer- in die Winterform hervorzurufen.
In meinen folgenden Versuchen brachte ich die Puppen stets
in eine Temperatur von 0-1° K., sie wurden direkt in den
Eiskeller gesetzt und erst nach vier Wochen herausgenommen.
Ich gieng dal)ei von der Idee aus, dass vielleicht weniger der
Kältegrad, als vielmehr die Verzögerung der Entwicklung die
Umwandlung herbeiführe, der erste Versuch hatte aber gezeigt,
dass bei 8-10'* B. die Sdimetterlinge ausschlupfen, man demnach
die Verzögerung der Entwicklung nicht in der Hand behalt
Gleich der folgende in dieser Weise angestellte Versuch (')
ergab ein viel entschiedneres Resultat. Von zwanzig Schmet-
terlingen hatten sich fünfzehn in Pcrima umgewandelt und
unter diesen befanden sich drei, welche der Winterfbm {U-
vana) zum verwechseln ähnlich sahen und sich höchstens da-
durch von ihr unterschieden, dass ihnen die feine blaue Saum-
linie fehlte, welche man bei der ächten Levana nur aus-
nahmsweise vermlsst. Fünf Schmetterlinge dagegen waren
vollständig unverändert geblieben, das heisst als gewöhn-
liche Sommerform (Prorsa) ausgeschlüpft, sie wai'en also von
der Kälte unbeeinflusst geblieben.
(>> Siehe uatea: Versuch 9. .
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9
Aus diesem Venmeh hatte sich also ergeben, dass danh
vierwöehentliche Kalte von 0-1^ R. ein grosser Theil der
Schmetterlinge sich ä,er Levanaform zuneigt, ja in einzelnen
Individuen dieselbe beinahe vollständig erreicht.
Sollte es nun nicht möglich sein, die Umwandlung vollstän-
dig zu machen, in dem doppelten Sinne, dass jedes Indivi-
duum umgewandelt würde und jedes vollständige Le-
vanaform annähme, nicht blos auf der Uliergaiigsstufe zur
Levuna stehen bliebe? Wenn die Annahme der Prorsa- oder
Levanaform rein nur von der direkten Einwirkung der Tem-
peratur oder Entwicklungsdauer abhängt, so musste es ge-
lingen durch Anwendung völlig entsprecliender äusserer Ein-
wirkungen , alle Puppen nach Willkür in diese oder jene
Schmetterlingsform zu zwingen.
Dies ist nun mit Vanessa Prorsa niemals gelungen. Wie
in dem soeben mitgetheilten Versuch , so behielten auch
in allen folgenden immer einzelne Individuen die Sommerform
unverändert bei , andere stellten Übergänge dar und nur sehr
wenige wandelten sich so vollständig um, dass man sie für
ächte Levana hätte nehmen können. Dagegen gelang eine
vollständige Umwandelung, wenigstens der Sommergeneration
bei einigen Arten aus der Familie der Pieridm,
Die meisten Arten unsrer Weisslinge (Pieriäen) seigen
die Erscheinung des Saison-Dimorphismus. Winter und Som-
merform unterscheiden sich ziemlich auffiiUend. Bei Piem
Napi, mit welcher Art ich vorwiegend ezperimentirte, föllt
die Winterform (Fig. 10 u. 11) durch die sehr starkschwarze
Bestäubung der Flugelwurzeln auf der Ob.erseite auf,
während die Flügelspitzen zugleich mehr grau, jedenfalls
viel weniger breit und tief schwarz sind als bei der Sommer •
form ; auf der Unterseite liegt die Verschiedenheit haupt-
sächlich in der oft sebr breiten und dunkeln grünlich schwar-
zen Bestäul)ung der Adern der Hinterflügel bei der Winterform,
während diese grünschwarzen Streifen bei der Sommerform
(Fig. 12 u. 13) nur andeutungsweise vorhanden sind.
ich setzte nun zahlreiche Individuen der Sommergeneration
10
unmittelbar nach ihrer Verpuppung in den Eiskeller (0-1* R.),
liess sie dort volle drei Monate lang, brachte sie dann (Ii Sep-
tember) ins Treibhaus, und dort schlüpften vom 96 Septem-
ber bis 3 Oktober sechsig Schmetterlinge aus, welche alle
ohne eine einzige Ausnahme die Charaktere der
Winterform an sic^ trugen, die meisten sogar in un-
gewöhnlich starkem Grade. Ein so starkes Gelb auf der Un-
terseite der Hinterflügel und eine so tief schwarzgrüne Be-
stäubung^ der AJcrii, wie sie au diesen Exemplaren die Regel
war (siehe z. B. Fig. 10 u. 11) habe ich wenigstens niemals
im Freien beobachtet.
Übrigens Hessen sich niclit alle durch die t.cwächshaus-
Ternperatur ( 12-24" K.) zu sotortigem Ausschliij fi'u bewegen;
eine Partie vun Puppen uberwinterte vielmehr, allein auch
diese gab im nächsten Friilijabr nur Schmetterlinge von der
Winterform.
Es war also b e i d i e s e m W e i s s 1 i n g gelungen,
alle Individuen der Sununergeneration in die
Winterform zu verwandeln und alle vollständig.
Um so eher durfte man erwarten, dass dasselbe auch bei
V. Lemna möglich sei, und wneute Versuche wurden ange-
stellt, die sich von den früheren nur dadurch unterschieden,
dass die Puppen von ihrer Vcrj!up})ung an (9- 10 Juli) volle
swei Monate im Eiskeller blieben. Allein, wie oben schon
angedeutet wurde, das Resultat blieb dasselbe wie früher.
Es schlüpften im Gewächshaus (*) vom 19 September bis sum
4 Oktober 57 Schmetterlinge aus, welche fast alle der Winter-
form sehr nahe standen, ohne dass aber auch nur ein ein-
ziger die vollständige Levanaform dargestellt hätte; drei
zeigten wieder die reine Sommerform (Prorsa)\
So wäre es also nicht möglich , bei Levana durch Kälte und
Versdgerung der Entwicklung die Sommergeneration in allen
Individuen und vollständig in die WinterfDrm umzu-
wandeln. Zwar könnte man einwerfen, die Kälte habe immer
l') Siehe nuten: Versuch N.« 11.
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11
nocb zu kam eingewirkt, man hätte statt die Puppen zwei
Monate auf dem Eis zu lassen , sie sechs Monate dort lassen
sollen, so lange etwa, als die Wintergenei ation unter natür-
lichen Verhältnissen ini Puppcnzustande verharrt. Dieser Ein-
wurf muss als bereolitigt anerkannt werden, wenn auch eine
derartige Wirkung einer noch langer dauernden Külte-Periode
desshalb unwahrscheinlich ist, weil die Verdoppc'ung der
Kälie-Periode von vier auf acht Woclien keine entscheidende
Verstärkung der l'niwandlung hervorgerufen hatte ('). Ich
würde übrigens nicht unterlassen haben , den Wrsuch in
dieser Weise niodificirt, noch einmal anzustellen, leider aber
konnte ich im Sommer 1873 trotz aller Muhe nicht hinrei-
chend viele Rau^^en auftreiben.
Die Lücke, die dadurch entsteht, ist übrigens nur von
untergeordneter Bedeutung und für die theoretische Anschau-
ung ganz gleichgültig.
Nehmen wir an, der unterlassene Versuch sei gemacht
worden, Puppen der Sommergeneration seien durch Kälte in
ihrer Entwicklung his zum nächsten PriUijahr aufgehalten
worden und wären dann als vollständige Winterfbrm (Levana)
ausgeschlüpft und zwar alle Individuen, so wurde dies ganz
ebenso, wie der entsprechende Versuch hei Pieria Nofn zu
der Verrauthung berechtigen, dass lediglich die direkte
einmalige Einwirkung eines gewissen Masses von Kälte oder
von Entwicklungs-VerzOgerung im Stande wäre, alle Puppen
der Art, von welcher Generation sie auch stammen möchten,
zur Hervorbringung der Winterfbrm (Levana) zu zwingen.
Daraus würde aber weiter folgen, dass im Gegensatz dazu
ein gewisses Mass von Wärme mit Nothwendigkeit die Bil-
dung der Sommerform (Prorsn) nach sich ziehe, ebenfalls
einerlei, von welcher Generation die betreffenden der Wärme
ausgesetzten Puppen stammen.
Dieser letzte Satz ist nun aber nicht richtig
und da er es nicht ist, so fällt mit ihm auch der
(*) V«rgl6lclM: Verincli 4, 9 uad 11.
12
erste, einerlei, ob der unterlassene Versuch mit
Prona gelingen würde oder nicht.
Ich habe zu wiederholten Halen den Versuch angestellt,
die Wiiiterform durch Anwendung von Wärme in die Sommer-
form umzuwandeln, aber stets mit demselben negativen Er-
folg. Es ist nicht mröglich, die Wintergeneration
zur Annahme der Sommerform zu zwingen.
V, Leoana macht nidit blos zwei Generationen im Jahre,
sondern deren drei , sie ist P o 1 } g o n e u o n t e ('), wie ich mich
ausdrücken möchte; eine Wintergeneration wechselt ab mit
zwei Sommergcncrationen , deren ors;te im Juli, die zweite
im August tliegt. Diese letztere erst liefert als vierte Gene- *
ration des Jahres überwinternde l'uppen, welche im nächsten
Frühjahr (April) als erste Sclimetterlingsgeneration, und zwar
in der Levanaform ausschlüpft*
Solche der vierten lieneration aiifrehüreude Pu|>[)en setzte
ich zu wiederholten Malen unmittulbar nach ihrer Verpuj-
pung , zum Theil auch schon wiilirend des Kaupeulebens ins
Gewächshaus, in welchem die Temperatur auch Nachts nie
unter 12* B. üel, bei Tag aber oft bis auf 24" R. stieg.
Immer war das Result^it dasselbe, alle, oder fast alle Pup-
pen überwinterten und schlüpften als Winterform (Levana)
im nächsten Jahre erst aus und zwar als volle ächte Levana
ohne jede Spur eines Übergangs zur Prorsaform. Nur ein ein-
ziges Mal war eine Porima darunter, ein Fall, der spater
seine Besprechung und wie ich glaube auch seine Erklärung
finden wird. Öfter dagegen kam es vor, dass einige der Schmet-
terlinge noch im Herbst nach etwa vierzehntägiger Puppen-
ruhe ausschlüpften und diese waren dann stets Prorsa (Som-
merform), und einmal auch eine Porima,
Aus diesen Versuchen geht hervor dass gleiche Ursachen
(Wärme) verschieden einwirken auf die verschiedenen Gene-
(') Anm. Es scheint mir sehr notbweadig. «in Vfori zur Bezeichnung des
Unwhuides la katwn, ob «Ine Art ein, xwvl oder mehrore Q«ner«tloneD im
Jahre hervorbringt, und ich schta;^« dafür dl Botelchouog: MoilO-Di-UOd
Polygooeuoole vor, von yonvm ich i>rzeuge.
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13
rationcn der V, Lcvana; hoi den beidon Sommcr-Gencratioiien
vorarilasst hohe T(?mj)(>ratur stets die Bildung der Prorsaforin,
bei der dritten aber ^'escliieht dies nur selten und bei ein-
zelnen Individuen, während die grosse Masse unwandelbar
stets die Levutiaform liefert. Man kfinnto sagen, dies hübe
seinen Grund darin, dass diese dritte Generation keine Nei-
gung mehr habe, auf den Kiniluss der Wärme hin ihre Ent-
wicklung zu beschleunigen, dass aber bei längerer Puppen-
dauer stets die Levanaform entstehen müsse. Einmal verkürzt
sich aber auch bei dieser Generation durch fortgesetzte hö-
here Temperatur die Puppenseit ziemlich beträchtlicli , bei
vielen Individuen wird sie von sechs auf drei Monate herab-
gesetzt, dann aber ist die betreibende Erklärung im Grunde
gar keine. Erklärung , sondern einfach eine Umschreibung der
Thatsachen, auf die nothwendig die Frage folgen muss, wa-
rum denn gerade diese Generation keine Neigung habe , durch
den Einfluss der Wärme ihre Entwicklung bis auf vienehn
Tage herab zu beschleunigen, wie es die beiden vorherge-
henden Generationen doch als Regel thun?
Die erste Antwort, welche, man auf diese Frage geben
kann, lautet: Die Ursache dieser verschiedenen
Reaction auf gleichen Reis kann nur in der
Constitution, der physischen Natur der betref>
fenden Generation liegen, nicht aber ausser-
halb derselben. Welches ist nun aber der Unterschied in
der physischen Natur der beiderlei Generationen?
Aus den bisher mitgetbeilten Vorsuchen geht deutlich hervor,
dass Kälte und Wärme nicht die unmittelbare Ursache sein
können, warum eine Puppe die Prorsa- oder die Levanaform
aus sich entwickelt , liefert doch die letzte Generation über-
haupt immer die Levanaform, mag sie nun kalt oilcr warm
behandelt werden, nur die erste und zweite können zum
Theil und mehr oder weniger vollkommen zur Annahme der
• Levanaform bestimmt werden und zw'ar durcli .Vnweiulung
von Kälte. Die Kälte ist also l)ei ihnen mittelbare Ursa-
che der Umwandlung in die Levanaform.
14
Heine Erkl&rung der Tliats&clieii ist folgende. Die Levana
form ist die primäre ursi i ungliche Gestalt der Art, die Pror-
saform die sekundäre, entstanden durch allniälige Einwirkung
des Sommerklimas. Wenn wir im Stande sind, viel Individuen
der Somniergenerationen durch Kälte in di^ Winterfurni zu
verwandeln , so beruht dies auf Rückscldag zur Stannnform ,
auf Atavismus, der wie es scheint am leichtesten durch
Kälte hervorgerufen wird , d. h. also durch dieselben äus-
seren Einwirkungen, welchen die Stammform durch grosse
Zeiträume hindurch ausgesetzt war und deinen Fortdauer bei
der Wintergeneration bis heute noch Farbe und Zeichnung
der Stammform erhalten hat.
Die Entstehung der Prorsaform aus der Levam denke ich
mir ungefähr folgendermassen. Dass eine sogenannte Eiszeit
während der Diluvialperiode in Europa bestanden hat, ist
sicher. Mag dieselbe nun ein wirkliches Polarklima über
unsre geniissigte Zone ausgebreitet haben, oder mag nur
eine geringere Kalte mit vermehrten athmosphärischen Nie-
derschlägen geherrscht haben, jedenfalls war der Sommer
damals kurz und relativ kühl, und die vorhandenen Tagfalter
konnten alle nur eine Generation im Jahre hervorbringen,
sie waren alle Monogoneuonten. V, Uvofla wird also
damals nur in der Levanafbrm vorhanden gewesen sein (').
Als nun das Klima allmälig wieder wärmer wurde, musste
ein Zeitpunkt eintreten, in welchem der Sommer so lange
dauerte, dass eine zweite Generation sich einschieben konnte.
Die Puppen der Levanabrut, welche bisher den langen Win-
ter über im Schlaf zubrachten, um erst im nächsten Sommer
(!) Anm. Uta kftnot« M«r die Slreitfrag« aufwerfea, ob diese Art lur
Zelt der grössten Kalte überhanpl In Bnrapa vorhanden geweeen lei. Voran«»
(gesetzt dass die Eixzeil iinsorn Preit«>n ein fornilirlies I'olarklima brarhlp,
halte ich dlesfür sehr unwahrscheinlich, da heule die Lerana nur bis l^ievlaad
gegen Norden hinauf reicht. Allein einmal lit iiher die Nat'jr dea damala
herrachenden Klimas das letzte Wort noch nicht geaprochen , un dann, das
Fehlen der Letana zur Zeit der grössten Kalte vorausgesetzt, wird dieselbe
doch ao bald von Sibirien kommend bei uns eingewandert sein, als das Klima
die Bxiatetii der Art ala einer monogoneaontlaehen geatattete. Aua den aehd*
nen Cntersnehungeo Hoffmann*« Uber die «laoporlen der eurupil*
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als Schmetterling sa erwachen , konnten jetzt noch während
desselben Sommers, in dem sie als Raupchen das Ei ver^
lassen hatten, als Schmetterling umherfliegen and erst die
von diesen abgesetzte Brut überwinterte als Puppo.
Somit war jetzt ein Zustand hergestellt, in welchem die
eine Generation unter bedeutend andern klimatischen Ver-
hältnissen herinwuchs, als die zweite.
Dies kann nun zwar nicht plötzlich eine so be-
deutende V e rii n (1 e r u ng in Tarbe und Zciclinung
hervorgebracht hal)en, wie sie zwischen der Prorsa-
und Levanaform heute besteht , w o h 1 aber all m ä 1 i g.
Dass die I'rorsaforni nicht plötzlich entstand, geht klar
aus obigen Versuchen hervor.
Wiire es der Fall gewesen , so würde dies nichts andres
heissen, als dass ein jedes Individuum dieser Art die Fähig-
keit besitze, zweierlei Gestalten anzunehmen, je nachdem
Wärme oder Kälte auf dasselbe einwirkt, etwa so wie Lak-
muspapier sich roth färbt, wenn man es in Säure taucht,
•blau, wenn in Alkalien. Die Versuc]u> liaben aber gezeigt,
dass dem nicht so ist, dass vielmehr die letzte Generation
eine unvertilgbare Tendenz zur Levanaform in sich trägt und
sich davon durch noch so lange anhaltende Wärme nicht ab-
bringen laset, wiihrend die beiden Sommergenerationen eine
Torwiegende Tendenz zur Proraaform aufweisen, wenn sie
sieh allerdings auch durch längere Einwirkung von Kälte
häufig und in verschiedenem Grade zur Annahme der Leva-
naform bewegen lassen.
Der Schluss scheint mir unabweisbar, dass die Entstehung
der Prorsaform eine allmälige war, dass die Umstimmun-
• ell^n Tagrfnlt'T» J?pht mit grosser Wahrscheinlichkeit hervor, dass
di0M letzte AQaictil die richtige isl, dass zur Zeit der grössten Kalte sowohl
F. Lnana al* tfi« UMlsien andern untrer Tagfaltar In Eiir(»pa fehlton vnd
•r«l «ptter und zwar ans Nordasien einwandi rten. Für die hier Törliegende
Präge Ist es übrigens ganz gleichgültig; , uh V. f.frana wahrend dtfr (^nnzen
Eiszeit ausdauerte oder nicht. lateressaiit über wäre es, zu erfahren, ob sie
beste im nördlicbsten TtieU Ibres Verbreilangagebletet in twel Generatio*
ni^n auftriit oder etwa bloM in einer, leb babe darüber keine Angaben auf-
fluden können.
10
gen, welche im Chemienius des Pappenlebeiis entstanden und
schliesslich zur Prorsueichnung fahrten, gans allmalig ein-
traten, suerst vielleicht eine Reihe von Generationen hindurch
gans latent blieben, dann in ganz leichten Zeichnungsfinde-
rungen sich kund gaben und erst nach langen Zeiträumen
die volle Prorsfr-Zeichnung hervorriefen. Es scheint mir, dass
die angeführten Ergebnisse der Versuche nicht nur sich leicht
erklären lassen durch die Annahme einer allmäligen Ein-
wirkung des Klimas , sondern dass diese Annahme überhaupt
die einzig zulässige ist. Die Wirkung des Klimas ist offenbar
am besten vergleichbar der sogenannten cumulativen "Wir-
kung , welche gewisse Arzneistoffe auf den menschlichen
Körper ausüben; die erste kleine Dosis bringt kaum bemerk-"
bare Veränderungen hervor, wird sie aber vielmal wieder-
holt, so sunimirt sich die Wirkung es tritt Vergiftung ein.
Diese Vorstellung der Einwirkungsart des Klima 's ist
durcliaus niclit neu, die meisten Zoologen h:il)en sie sich so
vorgestellt ; neu ist nur der f ö r m 1 i c h e beweis l'ür die-
selbe, und weil die angelührtt'n Thatsachen diesen liefern,
deshalb scheinen sie mir allerdings bedeutungsvoll. Ich
werde bei Besprechung der Klima- Varietäten auf dieselben
zurückkommen, und es wird sich dann zeigen, dass auch die
Natur der Abänderungen selbst die langsam wirkende Thä-
tigkeit des Klimas bestätigt.
Währenid nun also beim Übergang der Eiszeit zu dem jetz-
igen Klima, F. Levam aus einem Monogoneuonten allmälig
zu einem Digoneuonten wurde, prägte sich zugleich allmälig
immer schärfer ein Dimorphismus bei ihr aus, der nur durch
Abändern der Sommergeneration entstand, während 'die Win- .
tergeneration unverändert die primäre Zeichnung und Fär-
bung der Art festhielt.
Als die Sommer später noch länger wurden, konnte sich
noch eine dritte Generation einschieben, und die Art wurde
Polygoneuonte und zwar in der Weise; dass zwei Sommer-
mit einer Wintergeneration abwechselten.
Es soll nun untersucht werden, ob die Thatsachen vollkom-
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men mit dieser Theorie stimmen, ob dieselben nifgends in
Widerspruch mit ihr stehen , und ob sich alle aus ihr er-
klären lassen.
Ich will es gleich im Voraus aussprechen, dass dies im
vollsten Hasse der Fall ist.
Zuerst erklärt die Theorie sehr einfach , warum zwar wohl
die Sommergenerationen sich künstlich umwandeln la.-.^cii,
nicht aber die Wintergencration ; letztere kann uiinioglich
einen Kücksclilag zur i'rurijatorm machen, da diuse weil jun-
ger ist, als sie sel!)st.
Wenn aber deniiuch unter hundert Fällen einer vorkommt,
wo eine Puiipe der Wintergeiieration durch Wärme getrieben,
ihre Entwicklung noch vor Eintritt des Winters vollendet
und in der Sommerform ausschiüpl't (*), so ist dies nichts
weniger als unerklärlich. Atavismus kann es nicht sein, was
hier die Entwicklunf^srichtuiig bedingt, wohl aber sehen wir
daraus, dass die Umwandlung der beiden ersten Generationen
doch auch bereits eine gewisse Umstimmung in der dritten
hervorgerufen haben, die sich eben darin äussert, dass unter
günstigen Umständen (Einwirkung von Wärme) einzelne In-
dividuen die Prorsaform annehmen, oder wie man sich auch
aasdrücken könnte , dass die alternirende Vererbung , von
welcher weiter unten eingehend die Rede sein wird and
welche es mit sich bringt, dass die Fähigkeit« Prorsaform
anzunehmen, bei der Wintergeneration in der Regel latent
bleibt, dann bei einzelnen Individuen zu einer continuir-
lichen wird.
Es ist wahr, wir haben noch keinerlei Einsicht in das
Wesen der Vererbungsvorgänge; und damit ist zugleich die
Mangelhaftigkeit dieser Erklärung bezeichnet aber wir kennen
doch viele ihrer äusseren Erscheinungsformen, wir wissen
bestimmt dass eine dieser Formen darin besteht, dass Eigen-
thümlichkeiten des Vaters nicht wieder beim Sohne, andern
erst beim Enkel odef noch später wieder auftreten, dass sie
(>) siebe uaVeu Versuch N.« 10.
18
*
also latent vererbt werden können. Gesetzt nun, es
würde eine Eigenthümlichkeit so vererbt, dass sie stets in
der ersten, dritten, fünften Generation aufträte, in den zwi-
schenliegenden latent bliebe, so wiire doch nach den bishe-
rigen Erfalirungen der Tall nicht undenkljar, dass die Eigen-
thümlichkeit ausnahmsweise — d. h. auf eine uns unbekannte
Ursache hin — bei einem cinxelnen Individuum der zweiten
oder vierten Generation aufträte.
Dies entsjiräclie aber vollkommen dem angefahrten Falle,
in welch eni « ausnahmsweise » einzelne Individuen der Win-
tergeneration Prorsaform annehmen , nur mit dem Unterschied,
dass sich hier eine Ursache — die Warme — angeben lässt,
welche das Aufgeben der Latenz dieses Chai*akters veranlasste,
wenn wir auch nicht im Stande sind zu sageü, in welcher
Weise die Warme diese Wirkung ausübt.
Diese Ausnahmen von der Begel sind also kein Einwurf
gegen die Theorie. Sie geben uns im Gegentheil einen Fin-
genteig, dass, nachdem einmal eine Prorsageneration sich
gebildet hatte, die allmälige Binschiebang einer zweiten
Prorsageneration durch das Vorhandensem der ersten erleich-
tert worden sein mag. Ich zweifle nicht, dass auch im Freien
zuweilen einzelne Individuen von Prorsaform noch im Sep-
tember oder Oktober ausschlüpfen, aber erst wenn unser
Sommer sich noch um einen oder zwei Monate verlängern
wurde, könnten diese den Grund zu einer dritten Sommer-
generation legen, wie eine zweite jetzt bereits vollendete
Thatsache geworden ist, erst dann nämlich würden sie nicht
nur ausschlüpfen, sondern auch Zeit zur Fortpflanzung, zum
Absetzen der Brut und diese Brut Zeit zum Heranwachsen
bekommen.
Gewiss muss unterscliicden werden zwisclicn der ersten
Feststellung einer neuen Kliinaform und zwisclien deren
Übertragung auf neu si<:h einscliiebcndc Generationen. Krsteres
erfolgt wohl immer selir langsam, Letzteres mag in etwas
besclileuni^'tem Tenii)o gesclichcn können.
In Uetreü' der Zeitdauer, welche nothig ist, damit klima-
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tit>clio Kinllüsse eine neue Furm liervorbringen oder damit
eine bereits lixirte neue Furm auf eine folgende Generation .
durch Vererbung übertragen weide, konimen gj-osj;e Verschie-
denheiten vor, je Dach der physischen Nutur der Art und
des Individuums.
Wie verschieden die individuellen Neigungen äi dieser
Hinsicht sind, geht schon aus den mitgetheilten Versuchen
mit Prorsa hervor.
In dem Versuch N." 12 gelang es nicht, unter etwa 70 In-
dividuen auch nur bei einem einzigen statt der Levana-die
Prorsaform zu substituiren , oder mit andern Worten: die al-
ternirende Vererbung in kontinuirliche zu verwandeln, während
in den enteprechenden Versuchen früherer Jahre (z. B. Ver-
wich 10) von einer etwa ebenso grossen Anzahl Pappen drei
als Prorsa und eine als Parima ausflog. Man könnte die Ur-
sache dieses verschiedenen Verhaltens in äussern Momenten
suchen wollen, allein man reicht damit nicht aus zur Er-
klärung der Thatsachen. Man könnte z. R. vermuthen, dass
sehr viel davon abhinge» zu welcher Periode des Pup-
penschlafes die Einwirkung erhöhter Wärme beginne, ob
am ersten, oder am dreissigsten, oder hundertsten Tag nach
der Ver^iu^ipung, und diese Vermuthung ist insofern auch
ganz richtig, als in den beiden letzten Fällen die Wärme
keine andere Wirkung mehr haben kann, als die, das Aus-
schlüpfen des Schmetterlings um Einiges zu beschleunigen,
nicht aber die, die I.evanaform in Prorsa umzuwandeln. Ich
habe zu wiederholten Malen grosse Mengen von Levanapup-
pen der dritten Generation im Laufe tles Winters der Zim-
mer- oder einer noch höheren Temperatur ausgesetzt ('j
(bis zu K.;, aber nie Prorsa erhalten.
(<> Aom. ytmn Dorfmelitor bemerkt . dan fiberwinternd« Pappen, die su
früh tnr « Entwickluns in das Zimmer ^'fiiommen od^r fjnr nicht dop Kalle
ausgeseift werden, entweder verkümmerten, Iheils bleiche, ilieiU krüppet«
bafi« > ScbmeUerlioge liefern, oder aber verderben, so liegt dies wohl daran
dasi dieser tflehtige Botomologe versftumt hat, für die nötbige Feuchtigkeit
der erwärmten l.uft zu sorgen. Irh habe bei Aufbewahrung der Poppen über
Waeaer stets selir scliune schmetlerHugt? erhallen.
20
Irrig aber wäre es einen Unterschied, in dar Wirkung der
Wärme anzunehmen, je nachdem dieselbe am ersten oder
dritten Tag nach der Verpiij-pung, oder während oder auch
vor der Verpuppung beginnt. Das beweist am besten der
Versucli N.° 12, bei welchem die Raupen der vierten Genera-
tion schon mehrere Tage , ehe sie sich zur Verpujjpung auf-
hingen ins Trei!)haus gesetzt wurden und dennoch nicht ein
einziger Sclimelterling die Prorsalorm annahm.
Aucli den umgekehrten Versucli habe ich öfters angestellt
und Kaupen der ersten Sommerbrut, während sie in der
Verpuppung begritlen waren , der Kälte ausgesetzt. Der Erfolg
war indessen regelmässig ein .\bsterben der Raupe, was um
so weniger Wunder nehmen kann, als man die Empfindiic])'-
keit der Thiere während der Raupenbäutungen sehr wohl
kennt, die Umbildung zur Puppe aber weit tiefergreifende
Umwälzungen ihit sich bringt.
Dorfmeister glaubte aus seinen Versuchen schllessen zu
dürfen, dass die Temperatur den grössten Einduss während
der Verpuppung ausübe, zunächst aber den grössten kurz
nach derselben. Seine Versuche sind nun zwar mit so
kleinen Individuenmengen angestellt, dass sich kaum sichere
Schlüsse darauf gründen lassen , dennoch mag aber dieser
Schluss insofern richtig sein, als Alles darauf ankommt, dass
gleich von vornherein, die Bildangsvorgänge in der Puppe
diese oder jene Richtung einschlagen, deren Endresultat die
Prorsa oder Levanaform ist. Ist einmal die eine oder die andre
Richtung eingeschlagen, dann kann sie durch Temperatur-
einflüsse wohl beschleunigt oder verlangsamt, nicht aber
mehr umgewandelt werden.
Es ist auch sehr möglich, ja wahrscheinlich, dass sich ein
Zeitpunkt bestimmen lässt, in welchem Wärme oder Kälte
am leichtesten die ursprüngliche Entwicklungsriilitung ab-
zulenken vermögen, und es wäre dies die nächste Aufgabe,
welche gestellt werden und deren Beantwortung jetzt , nach
Feststellung der Hauptpunkte nicht mehr so schwierig sein
müsste. Ich selbst war mehrfach in Versuchung, sie in .\n-
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griff lu nehmen« habe dann aber doch darauf verübtet,
weil mein Material mir nicht gross genug erschien und bei
allen solchen Versuchen nichts mehr vermieden werden muss
als eine Zersplitterung des Versuchs-Blaterials durch allzu-
complicirte Fragestellung.
Mag indci^sen auch ein giinstijjster Zeit^iunkt der Teinpe-
ratur-Kiiiw irkung während der ersten Tage der Verjtuppung
existiren, so geht doch t-clion aus dem oben angeführten
Versuch N." I'2 hervor, dass die Individuen in ver-
schiedenem Grade geneigt sind, auf solche Ein-
wirkungen zu reagiren, dass ihre Disposition,
die gewöhnliche En t w i ck 1 ungs r ich t ung aufzu-
geben, verschieden gross ist bei verschiedenen
Individuen.
Auf andre Weise wäre es nicht zu erliiären, dass in allen
den angestellten Versuchen mit der ersten und zweiten
Prorsa-Generation immer nur ein Theil der Puppen durch
Kälte mm Binschiagen der Levana-Entwicklungsrichtung ver-
anlasst wurde, ein anderer nicht, und dass auch von erste-
rem nur wenige Individuen vollständig surcicfcschlugen,
die meisten aber auf halbem Wege stehen blieben. Der Bück-
sehlag erfolgt vollständiger oder weniger vollständig.
Wenn aber gefragt wird, warum in den entsprechenden
Versuchen mit dem kleinen Weissling {iHerü Napi).
stets und ausnahmslos vollständiger Bückschlag eintrat, so
kann darauf mit der Vermuthung geantwortet werden, dass
bei dieser Art die Sommerform noch nicht so lange Zeit ge-
bildet sei, also auch leichter wieder aufgegeben werde ^
oder auch , dass die Differenxen zwischen den beiden Genera-
tionen lange nicht so bedeutend seien, was übrigens selbst
wieder darauf deutet , dass hier die Sommerform jüngeren
Ursprungs ist. Schliesslich könnte indessen auch geantwortet
werden, dass die Neigung zum Rückschlag bei verschiedenen
Arten ebensogut verschieden gross sein könne, als l)ei den
verschiedenen Individuen ein und derselben Art. Jedenfalls
aber bestätigt die Thatsache, dass ulie Individuen durch Kälte
•>•>
zum vollen Rückschlag bewogen werden, die oben in Beiug
auf V. Prorsa ausgesprochene Meinung, dass es bei diesen
Vei-suchen niclit so genau darauf ankommt, in welchem Ent-
wicklungbUioment man die Kälte eingreifen la>^t , (iabs viel-
mehr dort Verscliiedcnheiten der individuellen Constitu-
tion die Ursachen i>\nd , warum die Kälte diese Puppe zum
vollen Rückschlag Ijringt , jene nur zum lialben und eine
dritte ganz unbeeinllus.st liisst. (ianz besonders interessant ist
in dieser Beziehung der amerikanische Papilio Ajax.
Dieser unserm Segelfalter ähnliche Schmetterling CFig. i(»
u. 17) tritt überall, wo er vorkommt, in drei Varietäten
auf, die als var. Telmnomdes ^ var. Wa/shii und var. Mar-
cellus bezeichnet werden. Der verdienstvolle amerikanische
Entomologe^ Edwards hat nun durch Zuchtungsversuche
nachgewiesen, dass alle drei Formen in denselben Entwick-
lungscyclus gehören und zwar derart, dass die beiden er-
sten nur im Frühjahr auftreten und stets nur aus überwin-
ternden Puppen entstehen, während die letzte Form, vor,
MareeUu» nur im Sommer und zwar in drei Generationen
hintereinander auftritt. Es liegt also hier ein Saison-Dimor^
phismus vor, der mit gewöhnlichem Dimorphimus verbunden
ist, Winter-und Sommerform wechseln miteinander ab, aber
die erstere erscheint wieder selbst in zwei Formen oder Va-
• rietäten: var* Telamonides und )Vttl$b$i,
Sehen wir vorläufig von dieser Complication ganz ab und
fassen diese beiden Winterformen als eine einzige auf, so
haben wir- also vier Generationen , von welchen die erste die
Winterform besitzt, die drei folgenden dagegen die Sommer-
form var, Marcellus liefern.
Das Eigenthümliche bei dieser Art liegt nun darin, dass
bei allen drei Sommergenerationen nur ein
Th e i 1 der Puppen schon nach kurzer Zeit (vier-
zehn Tagen) auschlüpft, dass aber ein andrer und weit
kleinerer Theil den ganzen Soninjer und den darauf folgenden
Winter über im I*uppenschlaf verharrt, um erst im nächsten
Frühjahr auszuscliiüpfen und zwar ktets in der Winterform!
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S3
So fülirt z. B. Edwards an, dass von fünfzig Puppen der
/.weilen I ieneradon , welche sich Ende Juni verpuppt hatten,
nach vierzehn Tagen ^lo Marcellus-Schmetterlinge ausschlüpf-
ten , fünf Puppen aber erst im April des nächbtun Jahres
und zwar als Tulatnonides.
Die Erklärung dieser Thatsaclien ergiebt sich sehr einlach
aus der oben aufgestellten Theorie. Nach dieser müssen dic!
beiden Winterfurnien als die primären , die Marcelluslbrni
aber als die secundare betrachtet werden. Letztere ist aber
noch nicht so fest üxirt wie bei 1^'. Prona, wo ein Rück-
EK^hiag der Sommergenerationen zur I.evanaform nur durch
besondere äussere Eindüsse eintritt, während hier in jeder
Generation sich einzelne Individuen finden, bei welchen die
Neigung zum Rückschlag noch so gross ist, dass auch die
grösste Sommerwärme nicht im Stande ist, sie von ihrer ur-
sprünglichen , anererbten Entwicklangsrichtung abzulenken,
ihre Entwicklung zu beschleunigen und sie zu zwingen, die
Marcellusform anzunehmen.
Hier ist es unzweifelhaft , dass nicht verschiedenartige äus-
sere Einflüsse, sondern lediglich innere Ursachen die alter-
erbte Entwicklungsricbtung festhalten las&en; denn alle
Raupen und Puppen der vielen verschiedenen Züchtungen
waren gleichzeitig denselben äusseren Einflüssen ausge-
setzt.
Zugleich ist es aber auch klar, dass diese Thatsachen kei-
nen Einwurf gegen die aufgestellte Theorie einschliessen,
sondern dass sie im (.i'cgentheil dieselbe bestätigen, insofern
eine Erklärung dieser Thatsachen vuin Buden der Theorie
aus sehr leicht ist, auf andere Weise aber kaum gefunden
werden möchte.
"Wenn aber gefragt wird, w'elche Bedeutung der Du-
plicität der Winter form zukommt, so könnte man
darauf einfach antworten, dass die Art schon zu der Zeit di-
morfdi war , als sie noch in einer einzigen Generation im
Jahr auftrat. Doch kann dieser Erklärung entgegnet werden,
dass ein derartiger Dimorphismus sonst nicht bekannt ist,
1
24
da wohl ein sexueller Diinoipliisinus vorkommt von der Art,
dass das eine Geschlecht — bei Pap. Turnus z. B. das wei-
bliche — in zweierlei Färbung auftritt, nicht aber ein Di-
morjthismus , der sich, wie es hier der Fall ist, auf beide
Geschlechter bezieht, und es darf de&halb wohl ein andrer
Gedanke geiiussert werden.
Bei V. Levaua sahen wir den Rückschlag in sehr verschie-
denem Grad bei verschieilonen Individuen eintreten, sehr selten
nur erfolgte er vollständig bifl xiir ächten Levanaform , meist
aber nur theilweise bis zur sogenannten Poriniaforin. Nun
wäre es jedenfalls erstauidich, wenn bei Pap, Ajax der Rück-
schlag jed'esmal ein vollständiger wäre, da grade hier die
Neigung zum Rückschlag individuell so sehr verschieden ist.
Ich möchte desshalb vermuthen, dass die eine der beiden
Winterformen, und zwar die vor. Telamonidea nichts an-
deres ist als eine unvollständige Rückschlags-
form, der Porma bei V. Levana entsprechend. Dann wäre
WaUhii allein die Urform des Schmetterlings, und damit
würde stimmen, dass diese Varietät später im Frühjar er»
scheint, als die vor, Telamonüies, Das Experiment müsste da-
rüber .\u&chlu8s geben können. Die Pu])pen der drei ersten
Generationen müssten, auf Eis gestellt, zum grösseren Theil
die Form Teiamonides geben, zum kleineren Theil die vor.
Watshii und nur wenige oder vielleicht gar keine Individuen
von Marcellus, und zwar peho ich bei dieser Voraussage von
der Ansicht aus, dass die NtM^'ung zum Rückschlag im Man-
zen gross, da.>s selbst bei der ersten Sominergeneratiun
die doch jedenfalls am längsten schon dem Summerklima
ausgesetzt war, stets ein Theil der Puppen auch ohne künst-
liche Mittel sich zu Teiamonides entwickelt hätte, ein an-
drer Theil al)er zu Marcellus. Dieser letztere wird nun bei
Anwendung von Kälte Teiamonides werden , der erste dagegen
wird ganz oder zum Theil in die Urform Waishii zurück-
schlagen.
Man sollte erwarten, dass die zweite und dritte Generation
noch leichter und in einem greiseren Procentsatze zurück-
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schlage als die erste, eben weil diese letztere zuerst die neue
Marceil usform angenommen hat ; allein aus den vorliegenden
N'ersuchsrcilien lässt sicli in dieser Hinbirht kein sicherer
Schluss ziehen. So überwinterten allerdings von der ersten
Sommergencration nur sieheii Puppen unter 67 und gaben
Tt'lamonidrSy wülirend von der zweiten Generation 40 von 70
Puppen überwinterton, von der dritten t2ü unter Mi Pup-
pen; aber zu siilieren Schlüssen würde doch eine grössere
Versuclisreihe nothwendig sein.
Nach den bisher mitgetheilten Erfahrungen konnte man
vielleicht immer noch der Vermuthung zuneigen, als ob bei
dem Saison-Dimorphismus- die auf das einzelne Individuum
einwirkenden äusseren EinBüsse ihm direct die eine oder die
andre Gestalt aufnöthigten. Ich habe selbst diese Ansicht
lange Zeit gehegt, sie ist indessen nicht haltbar. Dass nicht
etwa Kälte die eine, Wärme die andre Zeichnung hervor-
bringt, geht schon daraus hervor, dass bei Pop. Ajax jede
Generation beiderlei Formen hervorbringt, sowie weiter da-
raus, dass ich die vierte (überwinternde) Generation von
V. Lewma oft ganz in Zimmerwärme enogen und doch stets
die Winterform erhalten habe. Man könnte aber geneigt sein,
nicht die Temperatur direkl verantwortlich zu machen, son-
dern vielmehr die durch die Temperatur bewirkte Verl ang-
ssmung oder Beschleunigung der Entwicklung.
Ich gestehe, dass ich lange Zeit hindurch in diesem Mo-
ment den wahren Grund des Saison-Dimorphismus gefunden
zu liabcn glaubte. I3ei V. Lcvana sowohl als bei Picris Napi
ist der l'nterschied der Puppendaucr Ijci Winter-und Sommer-
fornien ein selir grosser. Bei der Somniergcneration von V. Le-
v'ina beträgt dieselbe in der Kegel 7-1:2 Tage, bei der Win-
tergeneration dagegen ungetahr !:2Ü() Tage.
Allerdings hann man bei letzterer die Puppenruhe abkür-
zen, indem man die Pupjien in der Wärme hält; aber doch
habe ich von den im September verpuppten Raupen nur in
einem Falle schon Ende Dezember zwei oder drei Schmetter-
linge erhalten,, gewöhnlich schlüpften dieselben erst im Laufe
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dos Februar und Man aus, und im Marx sind sie bei war-
mem Wetter aucb schon im Freien zu sehen. Die grösste
Abkürzung der Puppen^.eriode lässt doch immer noch eine
Puppenzeit von mehr als 100 Tagen übrig.
Grade aus dieser Beobachtung geht aber (ervor, dass nicht
die Entwicklungsdauer im einzelnen Falle die Gestalt des
Schmetterlings bestimmt, also den Ausschlag gieht, ob Win-
ter-oder Sünimerforni entstehen soll, sondern dass um-
gekehrt die P u|)[) u 11 da u G r ab hang ig ist von der
E n t \v i L k 1 u n g s r i c h t u n g , \v e 1 c Ii c der w e r d e n d c
Sc Ii ni e 1 1 er 1 i n g in der Puppe e i ng e sc Ii I a g e n hat. *
Auch lässt sich die» sehr gut vorstellen, wenn man !)CMleiikt,
dass die Winterlorni \v;lhr(Mi<l uiiziililiger GeiieratioiuMi stets
eine lange Puppenruhe gühal»t haben nmss, (üu Soninici tonii
aber stets eine kurze. Die Gewohnlieit Langsamer Hntwii klung-
muss sich bei der ersteren ebenso ^elir befestigt haben als
die einer raschen Entwicklung bei der zweiten, und es kann
durchaus nicht überrasclien*, wenn wir sie diese Gewohnheit
nicht bei der ersten; sich darbietenden Gelegenheit aufgeben
sehen.
Dass sie aber doch gelegentlich aufgegeben wird, beweist
uns um so mehr, dass die Dauer de)* Puppenentwicklung so
wenig, als die Temperatur direct und im einzelnen Fall
die Schmetterlingsform bestimmt.
So giebt z. B. der theoretisch ganz unbetheiligte Edwards
ausdrücklich an, dass zwar in der Regel die beiden Winter-
formen von Pap, Ajax, nämlich die oar, Telamonides und
Walihii nur nach einer Puppenruhe von 150-370 Tagen auf-
treten, dass aber einzelne Fälle vorkommen, bei
welchen die Puppenruhe nicht mehr beträgt, als
bei der Sommerform, nämlich nur 14 Tage (').
Aber auch bei V. Levana kommt Ahnliches vor; denn nicht
(*) Anm. so erbiett Edwards aus Eiern von WcUshtt die am sehnten April
ff<^I«*(?t worden waren, nach vi.T/i'lintapiircr Ptipiir-nniho vom Mi .'unltM
SclimutterUngti der Ma reell uttotiu, 1 der WuUhU uud 1 der TelainoniUetform.
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Dur lässt sich — wie bereits erwähnt wurde — die Winter-
generation durch künstliche Wärme in ihrer Entwicklung bis
zu einem gewissen Grad treiben , sondern die Soninicigoiie-
ration bringt nianchuial Riicksclilagsiuniu'ii liervor, ohiu; dass
eine Verzögerung der Etitwickluiig stattgefunden liat. Die
hall)e RückstldajL'^sfürm Porima war bekannt, lange ])evor man
daran daclitc, sie künstlich durt:h Einwirkung von Kälte zu
erzeugen; sie kommt gelo^jcntlich , allerdings wie es scheint
sehr selten, mitten im i>omnier im Freien vor.
Wenn nun meine Deutung der W-rliältnisse richtig, die
Wintertorm die primäre, die Sommerlurm die sekundäi-e i.st,
und solche Individuen der Sommergeneration , welche frei-
willig oder künstlich zur Annahme der Winterform sich her-
beilassen, als atavistische zu betrachten sind, so liegt
der Gedanke nahe, ob denn blos niedrige Temperatur diesen
Bückschlag einzuleiten im Stande ist, oder nicht vielleicht
auch anderweitige äussere Einflüsse.
Dies Letztere scheint nun in der That der Fall zu sein.
Ausser rein inneren Ursachen wie sie vorhin bei Pap. Ajax
nachgewiesen wurden, scheinen Wärme und mecha-
nische Bewegung den Rückschlag einleiten zu
können.
Dass ungewöhnlich hohe Wärme Rückschlag veranlassen
kann, schliesse ich aus folgender Beobachtung. Ich zog im
Sommer 1869 die erste Sommerbrut von V, Levana, Die
Raupen yerijuppten sich in der zweiten Hälfte des Juni, und
von dieser Zeit bis zu ihrem Ausschlüpfen vom 98 luni —
5 Juli herrschte grosse flitze. Während nun sonst die Zwi-
schenlbrm Porü/ia im Freien oder bei Züchtungen eine sehr
grosse Seltenheit ist, die mir z. B. unter vielen Hunderten
von Exemplaren nie vorgekommen ist, befanden sicli unter
den GO-70 ausschlüpfenden SclniH^tterlingen dieser Brut etwa
8-1(1 Porima-Exemplare. Ein cxacter \'ersuch ist dies aller-
dings nicht, aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit, d;iss die
hohe Sommertemi>era(ur liier den Anstoss zum Rückschlag
gegeben habe, scheint mir doch vorzuliegen.
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Auch fiir das zweite Moment, dem ich die F&higkeit zu-
gchreiben möchte» Rückschlag za veranlassen, kann ich kei-
nen absoluten Beweis vorbringen, da alle diese Nebenfragen
experimentell zu erledigen eine unendliche Menge Zeit er-
fordert hätte; doch besitze ich eine Beobachtung, die es mir
wahrscheinlich macht, dass ni oc h a n i s c h c andauernde
Bewegung auf die Entwicklung der l'upj'cn älmlich ein-
wirkt , wie Kälte d. h. dass sie dieselbe verzögert und zu-
gleich Kückschlag veranlasst.
Ich hatte eine grosse Anzahl Puppen der ersten Sommcr-
brut von Pieris Nupi aus Eiern gezogen und zwar in Frei-
burg, wechbolte dann aber und zwar noch während viele
Raupen in der Verpuppung begriffen waren, den Aufenthalt
und reiste mit den Puppen sieben Stunden lang auf der Ei-
senbahn. Obgleich nun sonst diese Generation des kleinen
Weisslings stets noch im Sommer und zwar meist im Juli
desselben Jahres und als Sommerform (var. Napaeae) aus-
schlüpft, so erliielt ich doch von allen diesen zahlreichen
Puppen während des Jahres 1872 keinen einzigen Schmetter-
ling. Im Winter hielt ich sie im geheizten Zimmer und trotz-
dem schlüpften erst im Januar 1873 die ersten Schmetter-
linge ans, und die übrigen folgten im Februar, M&rz, April;
zwei Weibchen sogar erst in Juni. Alle aber erwiesen
sich als exquisite Winterforml Der ganze Entwich- •
lungsgaog war genau ebenso, als hätte Kälte auf die Pup-
pen eingewirkt, und ich wüsste in der That keine andre
Ursache für dieses ganz ungewöhnliche Verhalten aufzufin-
den, als das siebenstündige Rütteln, dem die Puppen wäh-
rend der Eisenbahnfahrt ausgesetzt waren ! und zwar unmit-
telbar nach oder noch während ihrer Verpuppung.
Offenbar ist für die Theorie des Saison-Dimorphismus die
eine Thatsadie von fundamentaler Wichtigkeit, dass die
Sommer form zwar wo Iii in die Winter form ver-
wandelt werden kann, nicht aber diese in die,
Sommerforni. Icli habe für diese Thatsadic biblier nur die
Versuche mit V. Levana angeführt; es liegen mir indessen
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auch solche mit Pierh Napi vur. Ich operirte aber nicht mit
der iLrewülmliclien Wintcrf'crm von JK Nn/ii, sondern ich
wählte mir zu diesem Versuch die allen Entomolügcn wohl-
bekannte Varietät Bryoniue aus. Diese ist gewissermassen
die |)Otenzirte Winierforni von Napi; im männlii hen Geschlecht
(Fig. \k) gleicht sie bis aut minutiöse rnterschiede genau der
gewöhnlichen Wlnterfurni, im weibliehen aber unterscheidet
sie sich von Napi durch graubraune Bestäubung der ganzen
Oberseite (Fig. 15). Diese Form Bryoniue kommt in den Po-
larländern als einzige Form von Napi vor, ausserdem findet
sie sich nur noch auf den Hochalpen , wo sie auch auf ab-
geschlossenen Matten als einzige Form fliegt, an andern
Stellen aber, die weniger isolirt sind, vermischt mit der ge-
wöhnlichen Form des Falters. An beiden Orten macht Bryoniae
nur <me Generation im Jahre und muss demnach nach meiner
Theorie als Stammform von Pieris Napi betrachtet werden*
Ist diese Voraussetzung richtig, ist wirldich die Varietät
Bryoniae die aus der Eisieit an einigen Punkten der Erde
noch erhaltene Urform, Napi aber in ihre( Winterform die
erste durch wärmeres Klima allmälig entstandene secun-
dare Form, so kann es unmöglich gelingen, aus Bryoniae^
Puppen durch Einwirkung von Wärme jemals die gewöhn-
liche Napiform zu erzeugen, da nur durch Cumulation im
Laufis zahlreicher Generationen, nicht aber durch einmalige
Einwirkung die jetst herrschende Form des Falters entstanden
sein muss.
Ich stellte nun den Versuch in der Weise an, dass ich in
der ersten Hälfte des Juni in einem einsamen und gänzlich
abgeschlossenen Mpenthal Weibchen von Bryoniaf einfing
und sie in einen geräumigen Zwinger setzte, wo sie an
Blumen umherflogen und mehrere hundert Eier an gewöhn-
lichen Kohl absetzten. Obwohl die Raupen in Freiheit sich
von einer andern, mir unbekannten Pflanze ernähren, frasscn
sie doch munter den Kühl, wuchsen rascli heran und ver-
puppten sieh Kmle Juli, ich brachte nun die Puppen in ein
Treibhaus, in welchem die Temperatur zwischen i'i und 124" U.
90
schwankte, allein trotz dieser grossen Wärme und was ge-
wiss von besonderer Wichtigkeit ist, trotz des Mangels stär-
kerer nächtlicher Abkühlung schlüpfte doch nur ein einzi^'cr
Schmetterling noch in demselben Sommer aus, und zwar ein
Männchen, das sich durch gewisse minutidse Merkmale in der
Zeichnung mit voller Sicherheit als Var. Bryoniae kennzeich>
nete. Die andern Puj>pen überwinterten im geheizten Zimmer
und ergaben von Ende Januar an bis Anfang Juni noch 28
Schmetterlinge, welche alle exquisite var. Bryoniae
waren.
Der V'er:juch bestätigt also die Ansicht, dass Ih-ijonitw die
Stamnit'onn von Naitl ist, und die bisherige Bezeicfiiiung der
SystetiKitiker niüsste somit eigentlidi uingokelirt werden, man
niüsbte Pieris Bryoniae als Artname aul'stelleii , die Winter-
und Sommerform des Woisslings wie sie in unsern Ebenen
vorkommt, als var. Napi und Napaeae l)ezeichnen. Doch möchte
ich es nicht auf mich nehmen, die unendliche Confusion in
der Synnon^mik der Schmetterlinge noch zu vermehren. In
gewissem Sinne ist es ja auch ganz richtig, die forma Bryoniae
als K I i III a - Va r i e t ü t zu bezeichnen, denn sie ist in der
That durch das Klima bestimmt, wenn nicht hervorgerufen,
so doch festgehalten, nur ist sie nicht eine sekundäre, von
Napi abzuleitende Klima-Abweichung, sondern die primäre.
In diesem Sinne könnte man wahrscheinlich die meisten
Arten als Klima-Varietäten bezeichnen, insofern als sie näm-
lich unter dem Einfluss eines andern Klimas allroälig neue
Charaktere annehmen würden, unter dem Einflüsse des jetzt
an ihrem Wohnbezirk herrschenden Klimas aber ihre jetzige
einmal gewonnene Form gewissermassen erworben haben und
beibehalten. .
Die oar. Bryoniae ist aber von ganz besonderem Interesse,
weil sie die Beziehungen klar legt, welche zwischen der
klimatischen Varietät und dem Saison-Dimorphismus bestehen,
wie dies im nächsten Abschnitt dargelegt werden soll.
Iiier muss zuerst noch die Richtigkeit der aufgestellten
Theorie einer weiteren Probe unterzogen werden.
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Es wurde gezeigt, dass die s(>cundüren Formen saison-di-
morpher Sclimetterlinge nicht alle in gleichem Grade die
Neigung zum Rückschlag besitzen, d.iss vielmehr diese
individuell verschieden ist. Da d i o K iickke h r zur
primären Form gleicli bedeutend ist mit dem Aufgeben ilur
seeundären, die grössere Neigung zum Kiicksclilag also gleich-
bedeutend mit grösserer Nei|^ung zum Aufgeben der seeun-
dären Fürm , dies aber wieder einer geniigeren Festsetzung
dieser letzteren gleichkommt , so muss daraus geschlossen
werden, dass die Individuen der Art verschieden
stark von dem Klimawechsel beeindusst wer-
den, so dass die neue Gestalt sich bei den einen früher
befestigt, als bei den andern. Daraus muss nun noth-
wendig ein Variabelwerden der betreffenden
Generation hervorgehen, d. h. die einzelnen Indivi-
duen der Sommergenerationen müssen stärker in Zeichnung
und Färbung diflferiren, als dies bei der Wintergeneratiou
der Fall ist Wenn die Theorie richtig ist, müssen die
Sommergenerationen variabler sein, als die
Wintergenerationen, wenigstens so lange, als nicht
auch bei ihnen durch fortgesetzte Einwirkung der Wärme,
verbunden mit steter Kreuzung der in verschiedenem Grade
abgeänderten Individuen, eine Ausgleichung der individuellen
Abweichungen im höchstmöglichen Grade su Stande gekom-
men ist.
Auch hier wird die Theorie durch die Thatsachen voll-
kommen bestätigt. Bei Vanessa Levana ist ganz entschieden
die Levanaform sehr viel constanter, als die Prorsaform.
Erstere ist in geringem Grade bexuell-diniorpli, die Weibchen
sind lieller, die Männchen di.nkk'r gefärbt. Berücksichtigt
man diese VerscLiedenlieit der Geschlechter, die in noch ge-
ringerem Grade auch bei der Prorsaform voikommt, so wird
man die obige Angal>e richtig finden, da.ss die Levanaform
nur wenig variiit, je'lenfalls ungleich weniger, als die
Prorsa, bei welclier die gi-.»ssten Verschiedenheiten in tlem
Auftreten gelber Streifen, in dem Schwinden des schwarzen
83
(von der Levanaseicbnung übrig gebliebenen) Fleckes auf
der weissen Binde der HinterÜügel vorkommen, so dass es
schwer ist, zwei völlig gleiche Individuen herauszufinden. -
Und dabei kommt noch in Ansehlag , dass die Levanazeichnung
als die bei Weitem complicirtere viel leichter dem Variiren
ausgesetzt sein sollte. Ganz dasselbe findet sicli bei Pieris
Napi. Audi hiur ist die var. acs ira bedcuten<l variabler als
die var. vernulis. Aus dem Verhalten der von mir als Stamm-
form aufgetassten var. Brijuniae dagegen könnte man ver-
sucht sein, einen Einwurf gegen die Theorie herzuleiten;
denn diese ist sowohl in den Alpen, als im Jura, wo sie auf
grösseren Höhen ebenfalls vorkommt, bekanntermassen aus-
serordentlich variabel in Färbung und Zeichnung. Nach der
Theorie sollte sie aber noch konstanter sein, als die Win-
tergeneraiion der Ebene, weil sie die ältere ist, also auch
in ihren Charakteren die befestigtere sein sollte.
Man darf aber nicht vergessen, dass Variabilität bei einer
Art nicht blos auf dem einen eben angedeuteten Wege un-
gleich starker Reaktion der Individuen auf Einwirkung abän-
dernder Beize entstehen kann, sondern vor Allem auch durch
Kreuzung zweier getrennt entstandener, sfiater aber in Be>
ruhrung gekommener nahestehender Varietäten. In den Alpen,
wie im iura dringt von der Ebne her öberall die gewöhn-
liche Form von Napi gegen die Flugplätze von Bryomae vor,
und eine Kreuzung zwischen beiden Formen wird an den
meisten dieser letzeren gelegentlich, an vi<»len sogar häufig
stattfinden, so dass es nicht Wunder nehmen kann, wenn
an einigen Orten (z. B. bei Meiringen) eine förmliche Mu-
sterkarte von Öbergangsformen zwischen Napi und Bryoniae
umherfliegt.
Der förmliche Beweis aber dafür, dass Kreuzung die Ur-
saclie der grossen Varial)ilität von Brijoniac in dem Alpcnge-
biet ist, liegt darin, dass sie in den Pohirliindern ■ durch-
aus nicht so variabel ist, wie in den Alpen,
sondern ziemlich constant, nach etwa 40-130 im nor-
wegischen Stücken zu schliessen >. So schreibt mir auf
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meine Anfrage mein verehrter Freund, Herr D/ Stand In-
ger, der selbst swei Mal die Sommermonate in Lappland
zugebracht hat. Eine Kreuzung mit Napi kann dort nicht
stattfinden, da Napi nicht vorkommt, die uralte Stammform
Bryoniae hat desshalb dort ihre ursprüngliehe Conatanz beibe-
halten können.
So stimmen also auch hier die Thatsachen mit den Erfor^
demissen der Theorie.
II. Sal«on«I>liiiorp]&tamafl and Iclimatlsolie
Varlet&t.
Wenn Saison-Diniürpliisnius — wie zu zeigen versucht
wurde — durch langsame Wirkung veränderten Sonimer-
klimas entsteht, so ist derselbe also nichts Andres,
als die Spaltung einer Art in zwei klimatische
Varietäten an ein und demselben Orte, und wir
müssen erwarten, maiiTÜgf;i(']ie Zusammenhänge zwischen
der gewöhnlichen, einfachen Kiimavarietät und dem Saison-
Dimorphistnus zu finden.
Es kommen nun in der That Fälle vor, in welchen Saison-
Dimorphismus und Klimavarietät in einander übergehen und
derart mit einandw verflochten sind, dass die auf experi-
mentellem "Wege gewonnene Ansicht über Natur und Entste-
hung des Saison-Dimorphismus Bestätigung findet. Ehe ich
indessen näher darauf eingehe, ist es nöthig, sich über den
Begriff « Klima- Varietät » su verstandigen, da derselbe
nicht selten auf ganz heterogene Dinge, jedenfalls oft sehr
willkürlich angewandt wird.
Meiner Ansicht nach sollte scharf unterschieden werden
iwischen Klima-und Localvarietaten und unter den ersteren
nur solche verstanden werden, welche durch direkte
Einwirkung klimatischer Einflüsse entstanden sind,
unter der allgemeine^n Bezeichnung der Localformen
aber alle solche Abweichungen, welche ihren Ursprung aus
34
andern Ursachen herleiten, also z. ß. aus indirekter
Einwirkung der äusseren Lebensverhältnisse oder auch Um-
standen, welche gar nicht in Klima 4ind äusseren Lebensver-
hältnissen von heute ihren Grund haben, sondern- etwa in
geologischen Veränderungen, welche Isolirung hervorriefen.
So können sich z. B. alte, sonst längst ausgestorbene Arten
unter dem Schutze der Isolirung an einseinen Stellen jler
Erde erhalten haben, während andere, welche im Zustande
der Variabilität einwanderten, sich an solchen Orten durch
Ami sie (Verhinderung der Kreusung mit den Artgenossen
des übrigen Wohngebietes) in Lokal-Varietäten umbilden konn-
ten. Im einzelnen Falle kann es schwer, oder im Augenblick
sogar geradezu unmöglich sein, zu bestimmen, ob man eine
klimatische, oder eine aus andern Ursachen entstandene
Localform vor sich hat; grade dcsshalb aber sollte man mit
der Bezeichnung klimatische Varietät vorsichtiger sein.
Die Voraussetzung, dass im wahren Sinne des Wortes kli-
matische Formen bestehen, ist soviel mir l)ekannt, ohne An-
stand von allen Zoologen gemacht worden, auch liegen ja
eine Anzahl sicher beobachteter Thatsachen vor, welche be-
weisen, dass lediglich durch neue klimatische Einllüsse auf
directem Wege bestimmte Veränderungen einer Art hervor-
gerufen werden können. Bei ^Schmetterlingen ist es in vielen
Fällen möglich, ächte Klima-Varietäten von andern hocal-
formen zu sondern, einmal dadurch, dass es sich nur um be-
deutungslose, nicht um biologisch wichtige Abänderungen
handelt, dass also Naturzüchtung als Ursache der Abände-
rung von vornherein ausgeschlossen werden kann, dann durch
die streng nach dem Klima geregelte geographisclie Verbrei-
tung, welche nicht selten sogar den Nachweis von Über-
gangsformen auf einem zwischen zwei extremen Klimaten
gelegenen Mittelgebiete erlaubt
Nur auf solche, unzweifelhafte KlimarVarietäten werde
ich mich beziehen, wenn ich in Folgendem versuche, den Zu-
sammenhang zwischen ein&cher Klima-Varietät und Saison-
Dimorphismus klar zu legen.
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95
Ein solcher Fall in^ welchem die Winterfofiii mnee Saison-
dimorphen Schmetterlings auf anderen Wohngebieten als ein-
sige Form, das heisst als klimatische Varietät vorkommt
wurde bereits im vorigen Abschnitt angefürt. Ich raeine den
Fall v<m Wfffit Najj't, denn die Winterform dieser im goiuas-
ngten europäischen Flachland saisondimorph auftretenden Art
kommt in Lappland und auf den Alpen als niunomorplie kli-
matische Varietät vor, freilich in einer noch höheren Entwick-
lung des Wintertypus, al« var. Bryoniai'.
Sehr analüg ist der Kall von Antocharis Delta, ebenfalls
einem Schmetterling aus der Familie der Weisslin«^c, der in
den Mittclmeerländern bis ins mittlere Frankreicli hinein vor-
kommt und dort überall einen sehr scharf ausgeprägten-
Saison-Dimorphismus aufweist. Seine Sommergeneration wurde
bis in die neueste Zeit als besondere Art A. Autonia beschrie-
ben, und erst durch Staudingers Züchtungsversuche ist es
nachgewiesen, dass beide vermeintliche Arten genetisch zu-
sammenhSngen.
Diese Art kommt nun ausser in den genannten Landern
auch noch an einer kleinen Stelle in den Alpen vor, in den
Walliser Bergen in der Umgebung des Simplon-Passes. Bei
dem kurzen Sommer des Alpenklimss macht sie dort nur
eine Generation, und diese trägt vollkommen die
Charaktere der Winterform an sich, nur wenig mo-
dificirt durch etwas stärkere zottige Behaarung des Körpers,
wie sie vielen alpinen Schmetterlingen eigen ist. Diese vor.
Smpkmißa ist also hier ein&che Klima-Varietät während sie
in den Ebenen Spaniens und Sodfrankreichs als Winterform
einer saisondimorphen Art auftritt
Oflienbar entspricht diese AfUhocham «ar. ^mpkniea genau
der cor. Bryonk» von IHuis Napi; die Wahrscheinlichkeit,
dass auch sie als die aus der Eiszeit übriggebliebene Stamm-
form der Art betrachtet werden muss, ist wohl sehr gross,
wenn auch nicht wie bei Dryoniac behauptet werden kann,
dass sie seit der Eiszeit nicht vielleicht irgend eine kleine
Veränderung eingegangen sei. Bei Bryoniae verbietet sich
36
diene Annahme, da die Art in Lappllind und auf den Alpen
Jetst noch völlig übereinstimmt Anihoehttri» Smploniea
scheint in den PoUrländern überhaupt nicht vonukommen.
Sehr interessant ist einer unsrer gemeinsten Bläulinge Po-
lyommatiu Phlaim L., der eine sehr grosse Verbreitung be-
sitzt und von Lappland bis nach Spanien und Sicilien reicht.
Vergleicht man Exemplare dieses schönen rothgoldenen Fal-
ters aus Lappland mit solchen aus Deutschland, so lässt sich
kein constanter Unterschied auffinden. Dennoch hat dieser
Schmetterling in Lappland nur eine Generation, in Deut-
schland zwei im Jahre; Winter-und Sommergeneration glei-
chen sich aber vollständig, und ganz ebenso sind Exemplare
gefärbt, welche im Früiiling an der ligurischen Kiiste und
in Sardinien gefangen wurden (Fig. 21). Man konnte danach
{klauben, dass diese .\rt ausserordentlich indifferent gegen
klimatische Eintliisse sei. Allein die siideuropäische Sommer-
generation unterscheidet sich von der eixüi erwährten Win-
tergeneration nicht unbedeutend , indem bei ihr das glänzende
Rothgold von einer dichten schwarzen Bestäubung bemahe
verdeckt wird (Fig. 22). Die .\rt ist also unter dem Eintluss
des warmen südlichen Klima's saisondimorph geworden ,
was sie in Deutschland nicht wurde, obgleich sie auch dort
zwei Generationen macht. Niemand, der nur die sardinische
Sommerform nicht auch die dortige Winterform kennte»
würde zweifeln, sie als Klima-Varietät unsres P. Phlaeas zu
betrachten, oder umgekehrt die deutsche (nördliche) als Klima^
Varietät der südlichen Sommerform, je nachdem man die eine
oder die andre als die primäre Gestalt der Art annimmt.
Noch verwickelter ist das Verhältniss bei einem andern
Bläuling Zyoaem AgeBtü, insofern hier ein doppelter Saison-
Dimorphismus vorliegt Der Sehmetterling kommt in dreierlei
(■) Anm. Nach brtetlicher Miltheilung des Herrn D.' Staudinger werden
dl« Welbehcn von Bryontiu in Ijapplaod nie so gant danket, aU Afters in den
Alpen. /.Mtfon (Inpi'?.-!) nicht seUfn statt Weis;« eine gelbe Orundfarbung.
QeltM inüividueu sind indessen auch in den Alpen niebl selten und bUden
im Jura sogar die Regel.
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37
Gestalt vor , A und B wechseln in Deutschland miteinander
ab als Winter-und Sommerform, B und C dagegen folgen
in Italien als \Vinter-und Soninierform aufeinander , die Form
B kommt also beiden Kiimaten zu , aber in Deutschland tritt
sie als Sommer-, in Italien als Winterform auf. Die deutsche
Winterform A fehlt Italien vollständig, wie ich aas zahlrei-
chen selbstgefangenen Exemplaren weiss, die italienische
Sommerform dagegen (var. Allous) kommt in Deutschland
nicht vor. Die Unterschiede zwischen den drei Formen sind
aufialleod genug. Die Form A (Fig. 17) ist auf der Oberseite
scbwarabraun und seigt höchstens eine Spar schmaler rother
Randflecke, während die Form B (Fig. 18) mitt grossen leb-
haft siegelrothen Bandflecken geziert ist und C (Fig. 19)
sich von B durch ein intensives Gelbbraun der Unterseite
ausxeichnet. Wer nur die deutsche Winter^und die italieni-
sche Sommerform vor sich hätte , wurde sie ohne Zweifel
als klimatische Varietäten aufliissen, sie werden aber verbun-
den durch die in den Entwicklungsgang Beider eingeschaltete
Form B, wodurch eben beide extreme Formen den Charakter
blosser Saison-Formen erhalten.
XXI. Qnfaität der A.lb&nAeTnnga-TJrmB/o'h^iitm
Es ist gezeigt worden, dass die Erscheinung des Saison-
Dimorphismus dieselbe nächste Ursache hat, wie die klima-
tische Varietät, nämlich Veränderung des Klima's, dass sie
sogar ihrem Wesen nach geradezu als identisch mit klima-
ticher Varietät betrachtet werden muss, und sich nur dadurch
von der gewöhnlichen, oder wie ich sie genannt habe, ein'
fachen (monomorphen) Klima- Varietät unterscheidet, dass
neben der neuen, durch Klimawechsel entstandenen Form die
alte fortbesteht und zwar genetisch mit ihr in Zusammen-
hang , so dass alte und neue Form nach der Jahreszeit mitei-
nander abwechseln.
Es drängen sich nun zwei weitere Fragen der Untersuchung
auf, nämlich einmal: wodurch bewirkt Klima-Wechsel
38
eine Änderung in Zeiclinuiig und Färbung eines
Schmetterlings, und zweitens: in wie weit be-
stimmt die klimatische Einwirkung die Qualität
der Abänderung?
Bei der ersten Frage wäre vor Allem zu entscheiden, ob
das eigentlich Wirksame beim Klima-Wechsel in der Einwir-
kung höherer oder niederer Temperatur auf den Organismus
liegt, oder vielleicht mehr in der durch höhere Temperatur
beschleunigten, durch niedrige verlangsamten Entwicklung.
Andere Faj^toren der Gruppe von äusseren Lebensbedingungen,
welche wir unter dem Namen c Klima • zusammenfassen,
können als in diesen Fällen unwesentlich unberücksichtigt
bleiben.
Die Frage ist schwer su entscheiden, da Wärme und kurze
Puppendauer, und andrerseits Kälte und lange Puppendauer
meist unzertrennlich miteinander verbunden sind, und man
ohne grosse Vorsicht leicht xu Trugschlüssen gefuhrt wird,
indem man auf Bechnung momentan wirkender Einflüsse
setzt, was doch nur Folge- langer Vererbung ist
Wenn bei Vanetaa Leoana auch in sehr kühlen Sommern
dennoch stets die Prorsa^und nie die Levanaform auftritt, so
würde es doch sehr irrig sein, daraus schliessen zu wollen,
dasa nicht die Sommerwärme , sondern nur die der Winter-
generation gegenüber immer noch weit kürzere Entwicklungs-
zeit Anlass zur Bildung der l'rorsaform gewesen sei. Diese
neue Gestalt der Art entsteht nicht ploizlicli, sondern ist,
wie aus den üben angefüliiten Versuchen schon zur Geniige
hervorging, erst im Laufe vieler Generationen entstanden,
• während welcher meistens Sonimerwärnie und kurze Entwick-
lungsdauer zugleich vorhanden waren. Ganz ebenso wäre es
unrichtig aus der Thatsache, da^s die Wintergeneration stets
die Levanaform liefert, auch dann wenn die Puppen keiner
Kälte ausgesetzt, sondern im Zimmer erzogen wurden, zu
schliessen dass die Winterkälte keinen Einfluss auf die Fest-
stellung ihrer Form gehabt habe. Auch hier müssen die ent-
scheidenden Einflösse viele Tausende von Generationen hin-
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90
durch wirksam gewesen sein. Jetzt nachdem die Wintergestalt
der Art durch so lange Zeiträume hindurch sich befestigt
Ijat, bleibt sie auch dann noch best^hon, wenn der äussere
Einduss (die Kälte), weicher sie liervorrief, momentan ein-
mal fehlt.
Das Experiment kann uns hier nicht weiter helfen: da wir
nicht mit langen Zeiträumen experimentiren können; aber es
giebt einige Beobachtungen, welche mir entacheidend zu sein
scheinen. Wenn wir den PolyommaHu PhUuas sowohl in Deut-
schland als in Italien in zwei Generationen auftreten sehen,
von denen die deutschen beide gleich sind, während in Italien
die Sommergeneration sehwars wird, so kann dies nicht dem
Binfloss kürzerer Entwicklungsdauer sugeschrieben werden,
weil diese in I>eutschland und Italien dieselbe ist (xwei Ge-
nerationen im Jahre), sie kann somit nur von der hö-
heren Sommertemperatur herYorgerufen wor-
den sein.
Ahnliche Fälle liesseiti sich noch manche anfuhren, doch
genügt als Beweis ein einsSger. Ich bin desshalb der Ansicht,
dass nicht die Bntwicklungsdauer. das umwan-
delnde Prineip ist bei der Bildung klimatischer
Varietäten der Schmetterlinge, sondern ledi-
glich die Temperatur, welcher die Art während
ihrer Verpuppung ausgesetzt ist.
Wie hat man sich nun die Wirkung der Wärme auf Zeich-
nung und Färbung einer Schmetterlingsart vorzustellen? Es
ist dies eine Frage, die vollständig nur durch' einen Einblick
in die geheimriissvollen cliemischen Vorgänge berintwortet
werden konnte, durch welche der Kürjjcr des Schmetterlings
sich in der Puj)pe aufbaut und zwar nur durch einen so
vollständigen Einblick bis in die feinsten Dctail-Processe hi-
nein, wie wir weit entfernt sind, ihn bei der Entwicklung
irgend eines lebendigen Wesens auch nur annähernd zu be-
sitzen. Nichtsdestoweniger lässt sich doch auch in dieser
Frage noch ein wichtiger Schritt vorwärts thun, wir kön-
nen feststelln, dass die Qualität der Abänderung we-
40
sontHcli nicht von der einwirkenden W&rme,
sondern vom Organismus selbst abhängt. Es geht
dies einmal aus der (Qualität der Abänderung bei ein und
derselben Art hervor.
V'er^'leiclit man die italu-nlsclu' Suiiiinorlürm von Pulyom-
matus J'hlacas mit ihrer W'iiiterform, so bestellt der L'nter-
scliied zwischen ihnen lediglich darin , dass das glänzende
Küthgold der letzeren bei der Sommerfurni durch schwarze
Schu])j)ün stark verdüstert, gew isberniast>cn überdeckt ist. Der
Entomologe spricht von einer • schwarzen Bestäubung » der
Oberseite der Flügel, die natürlich nicht wörtlich zu nehmen
' ist, denn die Anzahl der Schuppen ist bei beiden Formen
dieselbe, aber bei der Summerform sind die mciüteu Schup-
pen schwarz, relativ wenige nur roth.
Man könnte nun daraus den Schluss ziehen, dass durch
grosse ^Värme dei- Chemismus des Stoffwechsels bei Phlaeas
in der Weise verändert werde, dass weniger rothes und
mehr schwarzes Pigment erzeugt werde. Aber so einfiu:h ist
die Sache nicht, es geht das schon aus dem einen Umstand
hervor, dass die Sommerfbrmen nicht plöttlich, sondern erst
im Laufe zahlreicher Generationen entstanden sind. Es geht
aber weiter auch aus dem Verhältniss von beiden Saisonformen
bei andern Arten hervor.
So unterscheidet sich die Winteribrm bei Pieri» Napi von
der Sommerform unter Anderm durch starke schwarze Bestäu-
bung der Fliigelwurzeln. Man kann aber daraus nicht schlie-
ssen, dass hier bei der Winterform mehr schwarzes Pigment
erzeugt werde, als bei der Sommerform; denn bei dieser sind
zwar die Flügelwurseln weiss, aber dagegen die Flögelspitzen
und die schwarzen Flecke auf den Vorderflügeln grösser und
tiefer schwarz, als bei der Winterform. Nicht die Quan-
tität des erzeugten schwarzen Pigmentes unter-
scheidet beide Formen, s u n d e r a der Modus sei-
ner Vertheilung auf den Flügeln.
Und selbst bei Arten, deren Sonnnerform wirklicli weit
mehr Schwarz enthält, als die Winterform, wie z. B. Va-
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uessa Levana ^ lässt sich doch iiiclit die eine Form aus der
andern einfach durch Verbreiterung' der vorhandenen scliwar-
zen Stellen ableiten; denn an derselben Stelle, an welcher bei
Levana ein schwarzes Band verläuft, iindet sich bei der sonst
viel mehr Schwarz enthaltenden Prorsn eine weisse Binde
(Vergleiche die Fig. 1-9). Die Zwischenstufen, welche man
künstlich durch Kälteeinwirkung auf die Sommergeneration
erzeugt bat, zeigen Schritt für Schritt, je nach dem der
Röckschlag mehr oder weniger vollständig eingetreten ist,
wie mitten auf der weissen Binde der Prorsa ein schwarzer
Fleck entsteht, der grösser wird, um schliesslich bei der
vollständigen Levanaform mit einem andern von vorn in die
Binde hereinwachsenden schwarzen Dreieck zu einem schwar-
zen Band zu Terschmelzen. Die weisse Binde der Prorsa- und
die schwarze der Levanaform decken sich auch keineswegs,
sondern bei Prorsa ist eine ganz neue Zeichnung entstanden,
die nicht durch blosse Farbenvertauschung aus der Levana»
Zeichnung zu erhalten ist.
Es entsteht also hier unzweifelhaft die neue Form nicht
blos dadurch, dass ein gewisses Pigment — hier das Schwarz
— in grösserer Menge erzeugt wird, sondern dadurch, dass die
Pigmentvertheilung zugleich eine andre wird, dass an dersel-
ben Stelle, an welcher früher Schwarz sich ablagerte, Jetzt
Weiss auftritt, während an einer andern das Schwarz bleibt.
Wer die Prorsa-und Levanaform miteinander vergleicht,
wird nicht umhin können, sich zu verwundern, wie eine so
total verschiedne Zeichnung nur durch die direkte Einwirkung
äusserer Verhältnisse entstehen konnte.
Die vielen Zwischenformen aber, die wir künstlich erzeu-
gen können, sind — wie mir scheint — ein neuer Beweis
für die A 1 1 ra ä 1 i g k e i t der ü m w a n d 1 u n g. Atavistische
Zwischenfornion können nur da vorkommen, wo sie in der
jihyletischen Reihe auch wirklich einmal bestanden halx-n.
Allerdings kann ein Hiickschlag nur in einzelnen Charakteren
erfolgen, in andern aber die neue Form bestehen bleiben, es
ist das sogar die gewöhnlichere Form des Kücltschlags, und
43
es könnto auf diese Weise eine Mischung von Charakteren
entstehen, wie sie als phyletisclies Stadium nie vorgekolnmen
ist; es kennen aber gewiss niemals einzelne Chaniktere auf-
treten, die nicht auf irgend einem phvletischen Entwicklungs-
stadium normale Charaktere warenn es widerspräche dies ge-
radezu dem Begriff des Rückschlags, durcli den niemals neue,
sondeui stets nur schon dagewesene Charaktere ins Leben
treten können.
Wenn demnach die atavistischen Formen von V. Levarta,
welche wir als Porimai'orm bezeichnen, uns die Zeichnungscha-
raktere in einer grossen Mannigfaltigkeit von Übergängen vor
Augen fuhren, so lässt uns dies auf eine lange Reihe von
phvletischen Entwicklungsstadien schliessen, welche durchlau-
fen werden mussten, ehe sich die Sommergenerationen voll-
ständig in die Prorsaform umwandelten.
Es bestätigt dies also die oben schon vorgetragene Ansicht
von der langsamen und cumulirenden Wirkung der Klimaein-
flusse.
Wenn nun aber auch die Wärme xweifellos das Agens ist,
welches viele unsrer Schmetterlinge allmälig in Zeichnung
und Farbe verändert hat, so gebt doch aus dem, was so eben
äber die Qualität dieser Veränderungen gesagt wurde,
sur Genüge hervor, dass die Hauptrolle bei diesem Transmu-
tationsprocess nicht ihr zufällt , sondern dem Organismus,
der von ihr beinflusst wird. Durch die Wärme veranlasst, be-
ginnt eine von Generation zu Generation sich steigernde Än-
derung in den feinsten und letzten Vorgängen des Stoffwech-
sels, welche nicht blos darin besteht, dass statt des einen
FarbstofTs an einer bestimmten Stelle ein andier abgelagert
wird, sondern welclier es eben so gut mit sich bringen kann,
da^^s an einer Stelle Gelb sich in Weiss umsetzt, an einer
andern in Schwarz, oder dass an einer Stelle Schwarz sich
in Weiss verwandelt, an einer andern aber Schwarz bleibt.
Wenn man l)edenkt , wie ungemein zäh die kleinsten unbe-
deutt'fisteii Chaiaktere der Zcirlmung bei constanten Sclimet-
terlingsarten von Geschlecht zu Geschlecht vererbt werden.
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48
so muss eine derartige totale Umwandlung um so mehr
überraschen und man wird sie nicht aus der Natur
der Wärme erklären können, sondern nur aus
der Natur der betreffenden Art. Diese reagirt auf
Wärme nicht so, wie muß Eisenlösung auf Kaliumeisencya-
nur, oder auf Schwefelwasserstoff; was vorher Schwarz war,
wird jetzt nicht filau oder Gelb, was Weiss war , wird nicht
durchweg Schwarz, sondern es entwickelt aich, aua-
gehend TOD der vorhandenen Zeichnang» eine
neue, oder wie ich es allgemeiner ausdrücken mOchte: Die
Entwieklungsrichtung der Art wird eine andere.
Die complicirten chemisch-physicalischen Vor-
gänge im Stoffwechsel des Pappenschlafs ver-
schieben sich allm&Iig derart, dass daraus als
End-Resultante eine neue Zeichnung und Far*
bung des Schmetterlings hervorgeht
Dass wirklich hei diesen Vorgängen die Cdnstitution der
Art die Hauptrolle spielt, nicht aber das äussere Agens, die
Wärme, dass diese vielmehr nur die Bolle des Funkens äber-
nimmt, der wie Darwin sich einmal treffend aasdrückt, die
brennbare Substanz entzündet, während die Art und Weise
des eingeleiteten Verbrennungsprocesses von der Qualität des
explodireiidcn Stoffes abhängt, dafür sprechen noch weitere
Thatsachen.
Wäre es nicht so, so müssto erhöhte Wärme bei allen
Schmetterlingen eine bestimmte Fahbe stets in derselben
Weise verändern, stets also in dieselbe andere Farbe um-
wandeln. Dem ist aber nicht so, denn während Pohjommalus
Phlacas im Süden schwarz wird, wird die ebenfalls rothe Va-
nma Urlicae im hohen Norden schwärzer, und viele andere den
Entomologen wohlbekannte Beispiele Hessen sich dafür anführen.
Dagegen finden wir umgekehrt, dass Arten von ähnli-
cher physischer Constitution, d. h. also nahe ver-
wandte Arten unter dem gleichen klimatischen
Eintiuss in analoger Weise abändern. Ein schönes
Beispiel dafür bieten unsere Weisslinge (ßieridm). Die mei-
44
sten von ihnen zeigen Saison-Dimorphismus: so Pieris Bras-
sicue , Rapae , Napi, Krueptri urul Daplidice, Anthocharis Belia
und Belcmia, Lrucoplias'ui Siaupis , und bei allen sind die Un-
terschiede zwischen Winter- und Sonmierlürtii ganz älinlicher
Art; erstere zeichnet sich durch starke schwarze Bestäubung
der Fliigeiwurzeln, durch schwärzliche oder grüne Bestäubung
der Unterseite der Hinterllüj:el aus, während letztere statt
dessen intensiv schwarze Flügelspitzea und oft auch Flecke
auf den Vordcrflügeln besitzt.
Nichts kann aber scblagendcr beweisen, wie hier Alles von
der physischen Constitution abhängt, als die Thatsache, dass
bei einzelnen Arten die männlichen Individ uen
in andrer Weise abändern, als die weiblichen.
Die Stammform von Pieris Napi (die var. ßryoniae) bietet
ein Beispiel. Bei allen Pieriden finden sich sekundäre Ge-
schlechtsunterschiede, die Männchen sind anders gezeichnet
als die Weibchen* die Arten sind also sexuell dimorph. Nun
wurde oben schon erwähnt, dass die Männchen der von mir
als Stammform au^efiässten alpin-polaren var. Bryomae sich
beinahe gar nicht von den Männchen unsrer deutchen Win-
terform (Piem Napi var, vemalu) unterscheiden, während
die Weibchen so bedeutend differiren Es hat also der
allmälige Klimawechsel, der dje Stammförm Bryoniae in
Napi verwandelte, eine weit stärkere Wirkung auf das weib-
liehe als auf das männliche Geschlecht ausgeübt. Die äus-
sere Einwirkung war genau dieselbe, aber die
Beaction des Organismus war eine verschiedene,
und die Ursache der Verschiedenheit kann nirgend andere
sucht werden, als in den feinen Mischungsunterschieden , wel-
che die weibliche von der männlichen physischen Constitution
unterscheiden. Wenn wir auch ausser Stand sind, solche Un-
terschiede näher zu präcisiren, so dürfen wir sie doch aus
solchen Beobachtungen mit voller Sicherheit als vorhanden
erschliessen.
(•) vergleich« die Fig. 10 und 14. U und 15.
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45
Ich hebe dies besonders desshslb hervor, weil nach meiner
Ansicht Dar'win seiner sexuellen Züchtung einen su grossen
Einfloss zuschreibt, wenn er die Ausbildung secundärer Ge-
schlecjitsunterschiede auf sie allein zurückfuhrt. Der Fall
von Aryonioe lehrt uns» dass sie auch aus rein inneren
Ursachen auftreten Icönnen, und ehe nicht das Expe-
riment über die Tragweite der sexuellen Zuchtwahl irgend
einen Anhalt geliefert haben wird, bleibt die Ansicht berech-
tigt, dass der sexuelle Dimorphismus der Schmetterlinge
2um grossen Theil in Verschiedenheiten der physischen Con-
stitution der Geschlechter seine Ursaclie habe, üanz anders
liegt die Sache hei solchen Sexualcharakteren, welche wie
die Stimme der männlichen Heuschrecken unzweifelhafte Be-
deutung für das Gesclüechtslebcn besitzen. Diese können ge-
wiss mit grosser Wahrscheinlichkeit von sexueller Ziichtung
abgeleitet werden.
Es ist vielleiclit nicht überflüssig, noch einen andern ähn-
lichen Fall anzulühren, bei welchem aber nicht das weibli-
che , sondern das männliche Geschlecht stärker von dem
Klimawechsel betroffen wurde. Der schon oft erwähnte Po-
lyommatus Phlaea^ ist in unsern Breiten, wie im hohen Nor- '
den in beiden Geschlechtern vollkommen gleich in Farbe und
Zeichnung, ebenso im Süden in seiner Wintergeneration. Die
Sommepgen erat Ion aber zeigt einen leichten sexuellen Dimor-
phismus, der darin besteht, dass bei den Weibchen das Roth
der Vorderflügel weniger vollständig von Schwarz verdeckt
wird, als bei den Uamichen.
#
XV. Waram sind nlol&t alle Poljr^potteuoaten
siaiMon-dlmor]}^ 7
"Wenn wir als erwiesen annehmen dürfen, dass der Saison-
Dimorphismus nichts Anderes ist, als die Spaltung einer Art
in zwei Klima-Varietäten an ein und demselben Wohnorte,
so drängt sich sogleich die weitere Frage auf, warum nicht
«
46
alle Polygonenonttn (Arten welche mehr als eine Generation
im Jahre produciren) saisondimorph geworden shid.
Um diese sn beantworten» ist es nöthig, nSher auf die
Entwicklung dieses Saison-Dimorphismus einzugehen. Offenbar
beruht dieselbe auf einer eigenthumlichen Art der Vererbung,
einer sprungweisen, periodischen, die man versucht sein
könnte, mit der von Darwin zuerst hervorgehobenen Ver-
erbung in correspondirendem Lebensalter zu identificiren.
Sie fällt indessen keineswegs mit dieser völlig zusammen,
wenn sie auch eine grosse Analogie mit ihr besitzt und in
letzter Instanz auf ein und demselben Grunde beruhen muss.
Die Darwin'sche « Vererbung in correspondi-
rendem Lebensalters, oderwie Haeekel sie nennt, die
■ homoclirone Vererbung» charakterisirt sich dadurch ,
dass neue Charaktere stets in demjenigen Lebensalter des fn-
divuluunis auftreten, in welcliem sie zuerst bei seinen Vorältern
auftraten; ein Satz, dessen Richtigkeit streng erwiesen wurde,
da Fälle bekannt sind, in w-elchen das erste Auftreten eines
neuen (vorzüglich pathologischen) Charakters , sow ic seine
Vererbung durch mehrere Geschlechter beobachtet w urJe. Auch
• die saisondimorphen Schmetterlinge können einen weiteren
Beleg dazu liefern und zwar in besonders werthvoller Weise.
Sie zeigen nämlich, dass nicht etwa nur plötzlich entstan-
dene, also wohl aus rein innern Ursachen hervor gegangene
Abweicbungen diesen Vererbungsmodus einhalten, sondern
dass allmälig entstandene , von Generation zu Generation
sich häufende, auf Anstoss äusserer Einflüsse hervorgerufene
Charaktere sich nur auf diejenigen Lebensstadien vererben ,
in welchpn diese Einflüsse sich geltend machten oder noch
machen. Bei allen saisondimorphen Schmetterlingen, welche
ich genau untersuchen konnte, fand ich die Raupen der
Sommer-und Wintergenerationen völlig iden-
tisch; die Einflüsse, welche auf die Puppen
einwirkend, die Imagines in zwei klimatische
Formen gespalten hatten, waren also ohne alle
Einwirkung auf die früheren Entwicklungssta-
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47
dien geblieben. Ich führe speeiell an, dass die Raupen
sowuhl als die Puppen und Eier von Vanessa Levana bei der
Sommcr-und Winterform, gans gleich sind und dasselbe ist
der Fall in allen der genannten Stadien von Pierii Napi und
Pierü Bryoniae.
Es soll hier nicht Tersncht werden, tiefer in das Wesen
der Vererbangserscheinungen einzudringen ; es genügt das
Gesetz bestätigt su haben, dass Einflüsse, welche nur in be-
stimmten Entwicklnngsstadien des Individuums eintreten,
auch wenn sie nicht pl6tslieh> sondern cumulativ wirken,
doch nur dieses einzige Stadium verändern, ohne alle Nach-
wirkung auf spätere oder frühere Stadien.
Offenbar ist dieses Gesetz von der grössten Wichtigkeit
für das Verständniss der Metamorphose. Lubbock (<) hat
kürzlich in geistreicher Weise entwickelt, wie man sich die
Entstehung der Metamorphose bei den Insecten durch indi-
recte Einwirkung verschiedener Lebensbedingungen in den
verschiedenen Lebensaltern einer Art erklären kann, wie die
beissenden Mundtheile einer Kaupe sich durch Aii|:assung an
eine andre Einuhrungswcise in s|iätcrem Alter in saugende
umwandeln konnten; eine solche Anpassung verschiedener
Entwicklungsstadien einer Art an verschiedenartige Lebens-
verhältnisse würde aber niemals 7.ur Metamorphose führen
können, wenn nicht das Gesetz der homochronen oder perio-
dischen Vererbung die allmäligcn Errungenschaften eines
hestimmten Lebensalters auch nur auf dasselbe Lebensalter
der folgenden Generation übertrüge.
Die Entstehung des Saison-Dimorphismus beruht nun auf
der Herrschaft eines ganz ähnlichen Gesetzes, oder genauer
einer Vererbungsform, welche sich von der eben l)etrach-
teten nur dadurch unterscheidet, dass sie sich hier nicht auf
die Stadien der Ontogenese, sondern auf eine ganze Genera-
tionsfolge bezieht. Diese Vererbungsform würde sich etwa so
formuliren lassen: Wenn umstimmende Einflüsse al-
(1) On ilie Orlgta ud Itetamorpbo«* of nisMis. London 1874.
48
ternirend eine Reihe von Generationen treffen,
so entsteht ein Cycius von Generationen, indem
die Abänderungen sich nur auf die von dem
abändernden Binfiusse getroffenen Generatio-
nen vererben, nicht aber auf die dazwischen
liegenden. Charaktere, welche durch den Einfluss des
Sommerklimas entstanden, vererben sich nur auf die Som-
mergenerationen, bei den Wintergenerationen bleiben sie la-
tent, ganz ebenso wie die beissenden Mundtheile der Baupe
im Sdunetterling latent bleiben und erst in dem Raupen-
stadium der folgenden Generation wieder hervortreten. Auch
dies ist keine blosse Hypothese, sondern der unabweisliche
Schluss aus den Thatsachen. Sobald man zugiebt, dass meine
Auffassung des Saison-Dimorphismus als einer doppelten Klima-
Varietat richtig ist, so folgt daraus unmittelbar das Gesetz der
cyclischen (<) Vererbung, wie ich es zum Unterschied von der
die Stadien der Ontogenese betreffenden homochronen Ver-
erbung nennen möchte. Diese cyclische Vererbung
bildet oü'enhar die Grundlage aller jener Ki si-lieinungcn wel-
che man unter dem Namen des GeneratiiMiswechsels zusam-
menfasst, wie dies später entwickelt werden soll.
Es verhalten sich also die aufeinander folgenden Genera-
tionen liier genau ebenso, w^ie dort die Kntw icklungsstadien
eines Individuums, und es muss erlaul)t ^ein, daraus den
Kiickschluss zu ziehen, dass in der That — wie wir es aus
andern Gründen schon lange annehmen — eine Genera-
tion nur ein Entwicklungsstadium im Leben der
Art ist. Es scheint mir darin eine schöne Bestätigung für die
Dichtigkeit der Entwicklungslehre (Descendenztheorie) zu liegen.
(M Anm. Ich dachte zuerst daran dia beiden Formen cyrliscbcr oder homo-
chroner Vprorbiinp als ontogonetiac h-und p h y l e t i 8 r h - r y r 1 i s h e
tu bezeichnen. Eratcres wuro stets richtig. Letzteres ab«r passle iwar b«iui
0«iieralloMWiechMl , bei welchem «Irklich swel oder mehrere phyle ti-
sche S l .1 d i •> n milcinniidtT abwechseln, nirht nbor hei .-»Ilpn di'ii Fallen,
welche ich (siehe unten l) der Hekerogonle turechne und bei welchen,
wie grade beim Sal«OD«Dlmor phlsmas, eine Reihe von QeaerAtloaeQ d e • s e 1-
ben phyletlaehen Stadium« den Aiiss<^Diripaiikt bildet.
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4*J
Wenn nun aber — um zu der. in diesem Abschnitt su lö-
senden Frage zurociuukebren — der abwechselnde Einfluss
von K<e. im Winter und Wärme im Sommer nach dem
Gesets der c^ clischen Vererbung zur Ausbildung uiner Winter-
und Sommerform fuhren muss, warum — so müssen wir
abermals fragen — finden wir nicht bei allen Polvgoneuon-
ten unter den Schmetterlingen die Erscheinung des Saison-
Dimorphismus^
Man \Vird zuerst daran denken, dass nicht alle Arten die
pleiche Einplindlichkeit gegen Teniperatur-Fintlüsse zu liaben
brauchen; ja es lässt sich sogar aus den qualitativ so sehr
verschieilenen Diticrenzen zwischen Winter-und Sonunerforni
der verschiediien Arten mit iie-^tiuinitheit eine verschieden
grosse Enifdanffliclikcit für den niodificirenden Einfluss der
Tenijjeratur al)leiten. Allein damit reicht man zur Erklärung
nicht aus; denn es gieljt Schmetterlinge, die überall, wo sie
vorkommen, zwei völlig gleiche (*) Genejationen produ-
ciren und dennoch unter verschiedenem Klima als Klima-, V'arietät
auftreten. So J^amrga Egi ria (Fig. 23} deren südliche Varietät
Mrnne (Fig. 24) sogar noch durch eine Mittelform der ligu-
rischen Küste mit ihr verbunden wird, liier besteht also eine
entschiedene Beactionsfähigkeit auf Temperatureinflüsse, und
doch ist keine Scheidung in Sommer-und Winterform ein-
getreten.
Man könnte nun daran denken, eine verschiedene Art
der Vererbung als Ursache des verschiedenen Verhaltens
anzunehmen, also einfach zu sagen: nicht immer werden
Veränderungen, welche durch Klimawechsel erzeugt wurden,
alternirend vererbt, d. h. nur auf die correspondirenden Ge-
(I) Anm. B« lieniht auf einem Jrrthum, weno d«r MMt Mhr fsnaiM U«-
7«>r-Dttrr in Mincm « V«raeiehnlM d«r Schmetterling« der Schwell » (UBC)
s. 2il7 angiebl, il' - witittT-nml Soromergeneration von P. Kgeria iinttTsrMe-
deu «ich durcU kleiuu Abweichungen im Flüselscboitt unU in der Zeichnung.
Die Charaktere, welche Meyer fdr die Sommerform anglebt, passen Tiel
mehr aof des weibUche Oeachlecht. Bs besteht bei dieser Art ein sehr ge-
riiiirfti^riger sesveller Dimorphismus, abttr kein sai son • Hl mor>
p h i R tn u 9
50
nerationen, sondern zuweilen auch kontinuirlicb, also so,
dass sie in jeder Generation su Tage treten, in keiner blos la-
tent vorhanden sind. Die Ursachen warum in einem bestimmten
Falle die eine oder die andere Vererbungsform eintr&te,
könnten dann nur innere, d. h. im Organismus selbst gele-
gene sein, und Ober ihr eigentliches Wesen Hesse sich einst-
weilen so wenig aussagen, als über das "Wesen irgend
eines Vererbungs-Vorganr^es. In ähnlicher Weise hat Dar-
win eine doppelte Art der Vererbung; in Bezug auf die
iiuucii Charaktere angenommen, wcltlu' durch geschlechtliche
Züchtung hervorgerufen werden; bei der einen bleiben diese
CJiarakterü auf das Gesclilecht beschränkt, welches sie er-
warb ; bei der andern werden sie aucli auf das andere Ge-
sclilecht vererbt, ohne da>.s sidi angeben liesse, warum in
einem l>e>timmten Falle die eine oder die andere Form der
N'ererbung eintritt.
Ilei der sexuellen Züchtung mag diese Art der Erklärung
statthaft sein, da es nicht undenkbar ist, dass gewisse Cha-
raktere von der jdix sisclien Natur des einen Geschlechtes
nicht so leicht, oder selbst gar nicht hervorgebracht werden
können, als von der des andern Geschlechtes; in unserm
Falle aber kann in der })]iysischen Constitution der einen
Generation unmöglich ein Hindern iss zur Übernahme eines
vererbten Cliarakters liegen, insofern diese Constitution vor
dem Eintritt des Dimorphismus bei allen aufeinanderfolgen-
den Generationen gleich war und erst durch den ungleichen
Einfluss der Temperatur auf die alternirenden Generationen
jeden Jahres, in Verbindung mit cyclischer Vererbung inso-
weit ungleich geworden ist, dass daraus ein Wechsel der
Artcharaktere resultirt. Wenn dass Gesetz der cyclischen Ver-
erbung überhaupt ein Gesetz ist, dann muss es auch in
allen Fallen Geltung haben, und es kann niemals vor^
kommen, dass Charaktere, welche von der Som-
mergeneration erworben wurden, auch auf die
Wintergeneration von vorn herein vererbt wer-
d e n.
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51
Ich will zwar die Möglichkeit nicht in Abrede stellen , dass
später, nachdem si'hr zahlreiche Generationen liindurcli al-
ternirende Vereiltuu^u: ^tnüi^' ciii^'elialten wurde, ein Moment
eintritt, wo der iiberwie^rende EinlUi^s mehrfacher Somiuer-
generatiunen sich schlicsslicli auch Itei der Wintergeneration
derart geltend macht , dass die Sommer-Charaktere nun auch
hei ihr zum Vorschein kommen, statt wie bisher latent zu
bleiben. Man kbnnte sicli vorstellen , dass auf diese Weise
zuerst nur wenige, später immer zahlreic here Individuen der
Sommerfbnn sich annähern, bis schiiesslicli der ganze Dimor-
phismus verschwunden und die Art wieder raonomorph ge-
worden wäre, bis also die neue Gestalt der Art die Allein-
herrschaft errangen hätte. Eine solche Vermuthung würde
sich sogar jetzt schon durch einige Thatsachen stützen lassen,
wie denn oben bereits eine der Theorie scheinbar widerstrei-
tende Beobachtung an Vane$aa Levana in diesem Sinne ge-
deutet wurde. Ich meine die Thatsache» dass zuweilen ein-
zelne Schmettei'linge der Wintergeneration noch im Oktober
ausschlupfen und zwar in der. Prorsaform , statt wie die an-
dern zu uberwintern und im nächsten Frähjahr in der Levana-
form zu erscheinen. Auch die Thatsache , dass die Winterform
von Pieris Napi im weiblichen Geschlecht nicht mehr die
auffiillende Färbung der Stammform Bryoniae beibehalten hat,
Hesse sich als Beeinflussiing der Wintergeneration .durch
die mehrfochen Sommergenerationen deuten , und nicht min-
der kann die Doppelgestalt der Frühjalirs-ieneration bei Pa-
-jtil'w Ajnx durcii allmäligc Umwandluii;^' der alternirenden
Wrcrbung in continuirliche ihre Erklärung linden, wie oben
bereits angeführt wurde. Alle diese Fälle sind al)er vielleicht
auch anderer Anslogung fähig, jedenfalls k.uin ül)cr die Rich-
tigkeit der Vermuthung erst durch weitere Thatsachen
entschieden werden.
Sollte indessen dieselbe sich aucli als richtig heraussteUen ,
so würde mit ihrer Hülfe sich doch das Fehlen des Saison-
Dimorphismus bei Fällen w ie Pararya Eyeria und Meiune nicht
erklären lassen, da hier nur eine Sommergeneration vor-
38?
kommt, also ein Überwiegen der Sommercharaktere in Bezug
auf die Vererbung nicht angenommen werden kann. Man
mu88 sich somit nach einer andern Erklärung umsehen, und
ich glaube sie in dem Umstand zu lindon, dass die genann-
ten Scliiiictterlingc nicht als Puppen überwintern,
b 0 n (1 e 1- Ii als K a u p o ii , dass s o mit die W i n t c i k ä 1 1 e
nielit die E n t w i c k 1 u n g s v o rgä n g e direct beein-
flusst, durcli welclie das vollendete Insect in
der Puppe sich ausbildet, (iivido darauf aber scheint
es bei der Entstehung jener Färbungsunterschiede nnzukoni-
nieii, welche wir aU Saison-Dimorphisn^us der Sclimottcr-
linge bezeichnen.
Es geht die» mit grüsster Wahrscheiidirhkeit aus den oben
angeführten Versuchen hervor. Mao kann es schon daraus
schliessen, dass die Eier, Raupen und Puppen bei der Som-
mer- und Wintorgeneration bei allen darauf untersuchten
saisondimorphen Arten völlig gleich sind; nur das St:uliuni
des Schmetterlings zeigt sich verschieden. Weiter daraus,
dass Temperatur-Einflüsse, welche die Raupe treffen , niemals
eine Veränderung des Schmetterlings nach sich ziehen , sowie
endlich daraus, dass die künstliche Hervorrufung des Ruck-
schlags der Sommer^ in die Winterfbrm nur durch Einwir-
kung auf die Puppe zu erzielen ist.
Wir dürfen annehmen, dass zur Eiszeit nicht alle Mono-
goneuonten als Puppen den Winter uberdauerten, da auch
heute noch eine ganze Anzahl von ihnen im Raupenstadium
überwintern (z. B. Satynu Proserpma u. Hermione, Epme-
phek Eudora, Jantra, Tithmut, ffypenmtut, Jda u. s. w.).
Als nun das Klima wärmer wurde und in Folge davon bei
vielen dieser Monogoneuonten sich allmälig eine zweite Ge-
neration einschob, folgte daraus doch keineswegs mit Noth-
wendigkeit auch eine Vei-siliielsung der AVintergeneration ,
derart, dass nun die Pujipen , statt früher die Haupen über-
winterten. Es lässt sich sogar a priori leicht dartliun , dass
wenn überhaupt eine Verschiebung der Wintergeneration
eintrat, dies nur in umgekehrter Richtung geschehen konnte,
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53
nämlich so, das» Arteu, welche Irüher als Kaupeii den Win-
ter zubrachten, nun im Ei uberwinterten, solche aber, wel-
che früher als Puppen überwinterten , jetzt als Raupen.
Das Einschieben einer Sonmiergeneration muss nothwendig
das Absetxen derjenigen Brut, welche überwintert, weiter
gegen das Ende des Sommers vorrücken; der Best des Som-
mers» welcher zur Entwicklung der Eier und Bäupchen die-
nen soll, wird möglicherweise nicht mehr bis zur Verpup-
pung ausreichen, und die Art, welche als Puppe äberwinterte,
solange sie monogoneuontisch war, wird jetzt vielleicht als
Raupe uberwintern müssen.
Eine derartige Verschiebung ist denkbar; gewiss aber
ist es, dass viele Arten überhaupt gar keine Verschiebung
ihrer Entwicklung erlitten, als sie aus Mono- zu Digoneuonten
wurden. Es geht dieses daraus hervor, dass bei vielen Arten
aus der Familie der Satyriden, w^elche heute Digoneuonten
sind, die Überwinterung im Stadium der Raupe geschieht,
also ganz ebenso wie bei den monogoneuontisch gebliebenen
Arten derselben Familie.
Bei allen Digonoeuonten aber, deren AViiitc r-
g e n e r a t i 0 n in d o r K a u p e n f o r ni ü )) e r w i n t e r f , k ö n-
neii wir nicht erwnrten S a i so n - D i ni o r |» h is m u s
der i>c Ii m e 1 1 e r 1 i n g e anzutreffen, da bei ihnen
das I* u j> |) e n s t ad i u ni ihrer beiden Generationen
nahezu denselben Temperatur cinflüssen ausge
setzt ist.
Man wird daher zu dem Satze geführt, dass bei Tag-
schmetterlingen überall da Saison-Dimorphismus
entstehen muss, wo die Puppen der alterni-
renden Jahresgenerationen sehr verschiedenen
Temperatur-Einflüssen in regelmässigem Wech-
sel und lange Zeiträume hindurch ausgesetzt
waren.
Damit stimmen die Thatsachen, insofern die meisten
Schmetterlinge, welche Saison-Dimorphismus zeigen, auch
im Puppenstadium überwintern. So ausser Vanetta Levam,
54
alle Pieridc'M, Pajji/iu Macknon , J'ap. Podalirius , Pup. Ajax,
Indessen darf nicht verschwiegen werden, dass Saison-Diniur-
phismus auch bei einigen Arten vorkommt, welche nicht als
Puppen, sondern als Raupen überwintern, wie dies z. B. bei
der sehr stark dimorphen Lijcacnn Amijntcs der Fall ist. Aber
solche Fälle lassen sich auf verschiedene Weise erklären.
Einmal hängt die Bildung einer Klima-Varietät — und als
solche miissen wir ja auch die Formen des Saison-Dimorphis-
mus auffiissen — keineswegs lediglich von der Grösse der
Differenz ab zwischen der Temperatur» welche auf die
Puppen der primären, und der Temperatur, welche auf die
der secundären Form einwirkte; sie wird vielmehr durch
die absolute Temperaturhöhe bestimmt, welche das Puppen-
. Stadium trifft. Es geht dies unzweifelhaft daraus hervor, dass
manche Arten, wie unser gemeiner Schwalbenschwanz, Pap,
Maehaon und der Segelfalter , Pap. PodaHriw in Deutschland
und dem übrigen gemässigten Buropa keine Unterschiede in
der Fälbung efkennen lassen zwischen ihrer ersten Genera-
tion, deren Pn{»iien iibei'wiutein und der zweiten, deren Pup-
penzeit in <leii Juli l'älli, während dieselben Sehnietterlin;^'e
im siidlit'lien Spanirn und Italien in gerinj:em Grade saison-
dinioi'ph werden. Die unter dem Einflüsse der sicilianischen
Sommerhitze sich entwickelnden Schmetterlinge hal)en sich,
wenn auch nur in geringt-m Grade zu klimatischen \'arie-
täten umgebildet. Noch klarer beleuchtet diese Verhältnisse
folgende Ketlexiüu. Die mittlere Tcmperatiu- von Winter und
Sommer in Deutschland dillerirt um 14, U*^ Ii, also viel be-
deutender, als die des deutschen und sicilianischen Sommers,
welche nur um 3, R, aus einander stehen; dennoch sind
Winter- und Sommergeneration yon Pap. PodaUrius in Deutsch-
land gleich geblieben, die Sommergeneration in Sicilien aber
zur Klima- Varietät gewoi^den; in der geringen Steigerung
der mittleren Sommer-Temperatur von 15,0* R (Berlin) auf
19, 4* R (Palermo) niuss also die Ursache der Abänderung
liegen. Es tritt demnach bei einer bestimmten
absoluten Tomperaturhöhe die Tendenz zum Va-
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55
riireii in bestimmter Kiclitung ein, an zwar ist
diese Höhe verschieden für die verschiedenen'
Arten. Letzteres geht daraus» hervor, dass erstens der Un-
terschied zwischen Sommer- und Winterform bei verscliicdenon
Arten sehr ungleich gross ist , und dass zweitens viele Digo-
neuonten in Deutschland noch monomorph sind und erst in
Södeuropa saisondimorph werden. So die ebenerw&hnten Pap,
Maehaon und PodaUriM, wie auch Polyonmatus Phlatas. Der
verdienstvolle Zeller hat auf seiner italienischen Reise vom
Jahre 1846-47 eine ziemlich grosse Anzahl von Tagschmetter-
lingen als in schwachem Grade saisondimorph erkannt, wel-
che 68 in unserm Klima nicht sind (').
So würde sich also das Vorkommen von Saison-Dimorphis-
mus bei Arten welche wie Lycaena Amyntas als Raupen,
nicht aU Puppen uberwintern, einfach daraus erklären, dass
die Wintergeneration die primäre Form war, und dass die
Steigerung der Sommerwärme seit der Eiszeit beträchtlich
genug war, um bei dieser A i- 1 die alliiiiiÜg sich zwischen-
schicbt-'nciü zweite Generatii)ii zur Abänderung /u veranlassen.
l>oi Ii Idsst sicli der Diniorpliismus von Li/c. A tni/nlas noch
auf andere Weise erklären.
Es könnte nämlich hier eine V'erschiebung der Entwick-
lungszeit stattgolunden liabiMi und zwar in dem oben schon
als möglich zugegebenen Sinn, dass die Art l'riiher im Pup-
penstadium überwinterte, später aber durch das Einsdiieben
einer Sommergeneration in ihrer Entwicklung verrückt wuinie
und als Raupe überwintern musste. War dies der Fall, dann
hat sich die jetzige Winterform, var. l^olysperchon unter dem
Eiuduss des AVinterklima's festgestellt, sie ist eine ächte Win-
terform und hatte auch nach der angenommenen Verrückung
ihrer Entwicklung keinen Grunde sich .umzuwandeln, da die
Temperatur des ersten Frühjahrs , in welches heute ihre Ver*
pupputig f&llt, dazu nicht hinreichend hoch ist Dagegen
(■) Pb. C. Zeller Demerkungen Ubi>r die auf eliter Keise uach llalieu und
sicllton geumnelleo sdimettarllngMrlen. Itii 1SI7, II* XU.
küiiiite sich dio einge&chobi'uu zwciti; Generatiuu, dcivu l'up-
pcnperiodi! mitten in den Iluch.suinnier lallt, sehr wohl zu
einer abweichenden Sommerform irestalten.
Diese Krklärung fallt genau genoninien mit der vorigen
zusauinicn, mit dei- sie den yVusgangspunkt gemein liat , die
Voraussetzung nämlich, dass hier wie l)ei Vu/ti-ssa Lrvutia
und den Pieriden die Winter form die primäre ist,
dass also der Dimorphismus von der gegebenen Wim
terform ausgeht und nicht die Entsteh ung d ic-
sor es ist, was erklärt werden soll, sondern die
der S 0 mm e r f 0 r m. Ob nun d io Winterfonn sicli durch
Einwirkung der Winter- oder der Frühjahrs-Temperatur ge-
bildet hat, ist für die Beurtheilung des einzelnen Falles- in-
sofern gleichgültig, als wir doch ausser Stande sind, anzu-
geben, wie stark die Temperatur-Erhöhung sein müsse, um
eine bestimmte Art sum Abändern xu zwingen.
Theoretisch ist nun auch der andere Fall denkbar, dass
bei irgend welchen Arten die Sommerform die pri*
mare war, und dass durch Wanderung nach Noi*den die
Art in. ein. Klima gerieth, welches ihr zwar noch gestattete,
zwei Generationen hervorzubringen, das Puppenstadium der
einen Generation aber der Winterkälte aussetzte und so zur
Bildung einer sekundären Winterform den Anlass gab. In
diesem Falle wörde allerdings das Überwintern als Puppe
unerlässlich zur Entstehung eines Saison-Dimorphismus sein.
Ob dieser Fall in Wirklichkeit vorkommt , ist mir in hohem
Grade /.weiielhall , so viel kann jedenl'alls mit Mesiimiiitheit
behauptet werden, dass der erstere Fall bei Weitem der hiiu-
tigere ist. Durch die schönen l'ntersuchungen von Ernst
Ho ff mann f) ist mit grosser Evidenz nachgewiesen wor-
den, da^s l)ei wiMtein die Mehrzahl aller euroiiäischen Tag-
falter nu llt von Süden her, sondern aus Sibirien einwanderte.
Von iiSI Arten snid nach Hoffmann 173 aus Sibirien, nur
39 aus dem südlichen Asien und nur acht aus Afrika einge-
(*) Isvi>ori6D der onroptlseheo TaRfalMr. HtuUgart 1S73. ^
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wandert, riachdoin wahrend der kältesten Periode der Eis-
zeit gar keine (?) oder doi h nur sehr wenige Arten nördlich
von den Alpen übrig geblieben waren. Somit waren die mei-
sten Schmetterlinge, welche heute Europa bewohnen, seit
ihrer Einwanderung einer allmälig zunehmenden Wärme aus-
gesetzt. 'Wenn sich bei ihnen Saison-Dimorphismus entwi-
ckelte, so muss stets die Sommerform die sekundäre gewesen
sein, wie dies die Rückschlagversuche bei Pieris Nopi und
Visfies» Levana auch bewiesen haben.
Alle mir als saisondimorph bekannten Schmetterlinge finden
sich bei Hoffipann unter der Bubrik der sibirischen Ein-
wanderer, mit Ausnahme von zwei Arten, der Anthoeharü
Beknm, welche unter den aus Afrika eingewanderten aufge-
führt wird, und der Pieris Krveperi» welche über Kleinasien
eingewandert sein mag, wie sie denn auch heute noch nicht
weiter ilach Westen vorgedrungen ist, als Griechenland. Aus
einer Wanderung in der Richtung von Ost nach West kann
ein bedeutender Klimawechsel kaum abgeleitet werden, und
der Ursprung des Saison-Dimorphismus l)ei Pieris Krueperi
kann daher nur auf derselben Ursache beruhen, wie der der
sibirischfu Einwanderer, niimlich aut" der all^j-eineincn WUi-
mezunalime der nördlichen Halbkugel seit der Eiszeit. Auch
bei dieser Art muss die Wintertoi-m die primäre Form ^ein.
Bei An (hoc /iuris Ilvlcinid ila^"ej,'eii kann die Wanderung von
Afrika aus nach Norden wolil eine Versetzung in kühleres
Klima bedeutet und eine secundäre Winterform veranlasst
haben, wenn sich auch darüber nichts Sicheres aussagen lässt,
weil wir die Zeit der Einwanderung in Südeuropa nicht näher
kennen und sich eine Wanderung auch ohne Klimawechsel
denken lässt, wenn sie nämlich Schritt hielt mit der seit der
Eiszeit allmälig zunehmenden Wärme der nördlichen Halbkugel.
Entscheidend wurde hier nur der Versuch sein. Wenn die
Sommergeneration, vor. Glauee die primäre Form war, so
wird es nicht möglich sein, durch Einwirkung von Kälte auf
die Puppen derselben die Winterfbrm Belenm hervorzurufen,
während es dagegen gelingen muss, die Puppen der Win-
38
tei';,^L'iieration durcli Wanne zum K;ick.sclilag in dii; (llaucc-
Forni zu veranlassen, wenigs-tens tlieihvciso und nielir oder
weniger vollständig. Lhrigens soll keineswegs helinnjjtet
werden, dass es sich so verhalten müsse. Icdi hin im lio-
gentheil der Ansiidit, dass auch hier die Winterlorm die
jtrimare ist. Die Wanderung nach Norden (von Al'rika nach
Siidspanien^ war eine all/.u geringfligigo , und die Winter-
lorm findet sich beute ebensowohl in Afrika ab in Spanien.
Schon von Wallace ist der Saison-Dimorphismus als Gene-
rationswechsel beseichnet worden» und wenn damit nichts
weiter gesagt sein soll, als dass ein regelmässiger Wochsel
verschieden gestalteter Generationen stattfindet, so kann man
ihm diesen Namen nicht bestreiten. Damit ist indessen auch
nicht viel gewonnen, solange nicht nachgewiesen wird, dass
beiden Erscheinungen die gleichen Ursachen su Grunde liegen,
dass sie somit in Wahrheit analoge Vorgänge sind. Die Ur-
sachen des Generationswechsels aufzufinden ist aber bis jetzt
noch kaum versucht worden und dies aus guten Gründen: os
fehlte dazu an jedem Material. Häckel hat wohl als der
Einzige in neuester Zeit diese coinplicirten Krsclieinungen in
ihrer Ge^vanimtheit einer eingehenden üntt'rsm hung unter-
worfen; und gelangt'.' dabei zu dei- IJherzougung, dass man die
verschiedenen l-'ormen der .Metagenese in zwid entgegengesetzte
Reihen vereinigen könne. Er unterscheidet eine progressive und
eine regressive Heüie und versteht unter ersterer diejenigen
Fälle, « welche gewissermassen siclnmch auf dem Ubergangssta-
dium von der Monogonie zur .\niphigonie (ungeschlechtlichen
zur geschlechtlichen Fortpflanzung) I)eHnden, deren frühere
Stamraeltcrn also niemals ausschliesslich auf geschlechtlichem
Wege sich ibrtpllanzten » (Trematoden, Uydromedusen). Sei
der entgegengesetzten Form der Metagenese, der regressiven
nimmt lläukei einen « Hüciuichlag der Amphigonie in die
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MoDOgonie > an, und zwar bei allen solchen Arten, welche
heute einen regeln^ässigen Wechsel von Ampbigonie und
Parthenogonie aufweisen (Aphiden, Rotstorien, Dapbnideia,
Phyllopoden u. s. w.)
Ick kann Häckel im Wesentlichen nur vollkommen bei-
stimmen. Aus der blossen Betrachtung der Erscheinungen des
Generationswechsels, wie sie uns heute vorliegen» scheint
auch mir mit grosser Sicherheit geschlossen werden xu können,
dass diese vielgestaltigen. Fortpflansungsweisen auf min-
destens zwei verschiednen Hauptwegen ent-
standen sein müssen, die man wohl auch so formu-
■
liren kann, wie es von Häckel geschehen ist.
Ich möchte indessen eine etwas andere Auffassungsweise
vorziehen, die Fortpflanzungsweise, ob geschlechtlich oder
unge^hlechtlich , nicht als entscheidendes, sondern nur als
secundäres Moment betrachten , und den Versuch wagen ,
die Erscheinungen des Generationswechsels (im weiteren Sinne)
ihrem A u s «: a n gs p u n k t c nach in zwei grosse Gruppen
zu sondern, von denen die eine als ;jeiiuine Metagenese,
die andere als lictcrogonie bezeichnet wordi'u könnte (*).
Der Ausgangspunkt für die Metagenese ist eine p h \ 1 e t i sc h
ungle ich Werth ige F o r ni en r e i h e, für die fleterogonie
al)er ist er ein e Ii e i Ii e p h y 1 e t i s c h g 1 e i c h w e r t h i g e r
Formen, soweit wir heute urtheilen können, stets eine
lieihe gleichgestaltiger G esc h 1 ech 1 sg e n era 1 1 o n e n. Ers-
tere würde so ziemlich mit der progressiven, Letztere mit der re-
gressiven Metagenese Häckel 's 7usimmcnfallen. Die Metage-
nese kann selbst wieder auf verschiedenen Wegen entstanden
sein. Einmal aus der Metamorphose. So z. B. bei der
Fortpflanzung der berühmten Cecidomyien mit ammenden liar-
(■) Aam. Es Ul gewiss Torsuxiehen, die Bezeichnung « Metagenese» in die-
Mm speetelleren Sinn« ansuwenden italt «in« nw «Urar alnrafShraB. AU
allgeni'-iiio . die Metagenese und Heterogonle umfauende Beielchnung bUebe
«I.Inn das « Wort » <i'»nt»r.i lioiisw oclisul , wfnn man nicht vorriehl. « ry'Ii-
scbe Fortpllauzung ■ zu «ageii. Lelzlerea wurde sich dauu gut der « meta-
morphlachen» gegenflber stallen laaien.
von. OUciiltar ist die Käinj/kuit dn'.sL'r Larven, su ii ungesilileciit-
lich zu vennuhren erst sekundär erworben worden, wie
schon daraus hervorgeht, d(i4>s es zahlreiehc Arten derselben
Miii ken^'attung giebt, deren Larven süiiinitlich nicht amnien ,
dunn aber auch daraus, dass diese Larven ;.ell>st unzweifeihal't
sekundäre Formen sind, entstanden durch Anpassung dieses
phylctischen Entwicldungstadiums aii eine von den spateren
Stadien sehr abweichende Lebensweise. In der Gestalt, wilche
sie heute besitzen, können diese Larven niemals die Bolle des
Endstadiums der Ontogenese gespielt, können also auch nicht
etwa froher die Fähigkeit geschlechtlicher Portpflanzung be-
sessen haben. Der Schluss scheint unabweislich, dass die Me-
tagenese hier von der Metamorphose ausgegangen ist, d. h.
dass ein Stadium der Ontogenese durch Erlangung ungeschlecht-
licher Fortpflanzung die ursprunglich vorhandene Metamorphose
in Metagenese verwandelt hat.
Pur solche Fälle hat Lüh bock (*) vollständig Kecht,
wenn er den Generationswechsel kürzlich aus der Metamer^
phose abzuleiten suchte. Allein abgesehen von der Heterogunie
lässt sich eine grosse Reihe von Fällen ächter Metagenese von
diesem Gesichtspunkt aus nicht verstehn.
Mit Hacke 1 wird man annehmen müssen, dass der Gene-
rationswechsel der Hydromedusen und Trematoden nicht wie
bei jener ('('ridoinyia darauf berulit, dass Larvenstadii'n »lie
Fähigkeit erlaubten /■u aninien , soikIith dass die niedcrn
K n t w' ic k 1 u n gs s t ad i e n dieser Arten diese Fällig-
keit von jeher besessen und nur b e i b e h a 1 1 e n
haben. Die heute lebenden aniinenden Larven der Trema-
toden können möglicherweise früher einmal zugleich auch
^M'srliluclitlich sicli verinelirt haben, heute aber liat sich diese
\'(Minelirung>weise auf ein phyletisch sjiäteres Stadium ijber-
tragen. Hier wäre demnach die Metagenese nicht eigentlich
aus der Metamorpliose hervorgegangen, sondern hätte sich
im Lauf der phyletischen Entwicklung dadurch gebildet, dass
(<> A a. o. capltel IV.
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61
die phvletisch jüngeren Stadien zwar die P&higkeit sexueller
Fortpflanzung abgegeben, die der ungeschlachtliclien ' Ver-
mehrung aber beibehalten bitten. Ein dritter Weg, auf wel-
chem Metagenese entstehen kann wäre dann der durch Poly-
morphose. Sobald dieselbe mit Stock biMunjr d. Ii. mit un-
geschlechtlicher Verme]iruii|j: verbunden ist, also vor Allem l)ei
den Hvdrozoen muss sich aus ihr Metagenese entwickeln
können. Nicht die successiven Uniwandlurigsstadien ein und
desselben physiolugischen Individuums sind hier der Aus-
;:angsj)uiikt des Geiieratiunswethsels, sondorii die verschie-
denen gleichzeitig nebeneinander lebenden Furnien, in vi'elche
sich die Art durch functionelle Differenzirung der verschie-
denen , an einem Stocke beisammen lebenden Individuen
gespalten hat. Es bilden sich hier Individuen, welche allein
die geschlechtliche Fortpiianzung überncdtmen, und die lleta-
genese kommt dadurch zu Stande, dass diese sich von dem
Stock loslösen , an welchem sie entstanden sind, während die
übrigen Individuen verbunden bleiben und die ungeschlecht-
liche Vermehrung beibehalten. Eine scharfe Grenze zwischen
diesem und dem vorher betrachteten Fall lässt sich übrigens
nicht ziehen (<). Der Unterschied liegt nur in der Vereinigung
des ganzen Zeugungskreises zu einem Stock. Gemeinsam ist
beide», dass die verschiedenen phyletischen Stadien niemals
an ein und demselben Individuum (Metamorphose) sich ab-
spielen, sondern dass mit der ph^ tetischen Weiterentwicklung
gleichzeitig auch die Metagenese entstand d. h. die Verthei-
lung dieser Stadien auf eine Succession von Individuen. Man
könnte desshalb diese als die primäre Metagenese un-
terscheiden von der aus der Metamorphose hervorgegangenen
secund&ren Metagenese.
Cl \nm. l>>'r Oedanke, df.n Oenorationswnrhsttl nus d»>r Pol yni n-plmsi« Iut-
suteittin (nicht, wie gewöbolicU geschah, unagektihrl die Tulymorphose aus
dam Oencrallonawaehael) M nicht neu, wU Ich «rst wtlirend Darehsiclit dar
letit«o Correctur bemerk«. Semper hat denselben bereits am Schlüsse seiner
inter-'ssant«'!! Abhandlnng « Uber Of'nfTatlonswechsel b^i sti inkorallen » II.
«. w. aus;<csnra«'h»'n. Sieht»; /eitäclinfl 1". wis*. Zool. Bd. XXII. 1}<T2.
. iß
Es ist nicht meine Absicht, hier bis auf die letzten Ur-
sachen der Metagenese zurückzugehen. Ohnehin wurde man
sich vorläufig auf diesem Gebiete nur in vagen Hypothesen
bewegen können. Die Erscheinung des Saison-Dimorphismus,
mit der es diese Arbeit in erster Linie zu thun hat, steht
offenbar der Metagenese sehr fern. Hauptsachlich um dies klar
zu legen wurden vorstehende Betrachtungen angestellt. Das
Gemeinsame in der Entstehung der Metagenese liegt nach
meiner, oben srhon angedeuteten Ansicht darin, dass hier
stets nielirere und zwar in aufsteigender Linie
sieh folgende (i)rogressivc Metagenese Häckel's) phy-
I e t i s c h e E n t \v i c k 1 u n g s s t a d i e n sich in die Fä-
higkeit u n g e s c Ii 1 ecli 1 1 i (• h e r und geschlechtli-
cher Fortjifla nzung tli eilen, und Unterscliicde finde
ich bei ihr nur insofern, als erstere neu erworben (Larven
der C'-cidomyki) oder von Alters her beibehalten (ll;»droiden}
sein kann. Es scheint, dass dabei ohne Ausnahme die ge-
schlechtliche Fortpflanzung den frülieren Stadien verloren
geht und sich auf das jüngste Stadium allein beschränkt.
Aus den Untersuchungen über den Saison-Dimorphismus
geht hervor, dass hier die Entstehung eines Cyclus von Ge>
nerationen auf gänzlich verschiedenem Wege entsteht. Hier
werden ursprünglich gleichgestaltete Beihen
von Generationen durch äussere Einflüsse un-
gleichartig gemacht Dies scheint mir deshalb von gros»
ser Wichiigkeit, weil der Saison-Dimorphismus ohne Zweifel
jener Fortpflanzungsweise ganz nahe steht, welche man bisher
ausschliesslich als Heterogonic bezeichnete, und weil somit
die Erkenntniss seiner Entstehungsgeschichte zugleich Licht
verbreiten muss über die Entstehung und das Wesen der
Heterogonie im Allgemeinen.
Beim Saison-Dimorphistnus ist es* — wie zu zeigen ver-
sucht wurde — der directe Binfluss des Klima 's, und zwar
wesentlich der Temperatur, welcher die Abänderung und
Umwandlung eines Theils der Generationen bewirkt ; in-
«lem die Generationen abweciiselnd dem Euillusä der Som-
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03
mer- und der Wintertemperatur ausgesetzt werden, entwickelt
sich ein periodischer Dimorphismus» ein regelmisaiger C^clus
verschieden gestalteter Generationen. Es wurde bereits oben
hervorgehoben, dass die aufeinanderfolgenden Ge-
nera tioneii einer .\rt sich in Bezug auf Verer-
bunjj; yaiiz ebenso verhalten wie die Stadion der
Ontofjonese unl zu:,'Ieiih auf den Paralielismus zwisclien
Melaniori^hose und Ileterogoniu liinjL'ewiesen. Wenn auf ein
ijestimnites Kntwickluiigs-Stadiuin Kinlliisse wirken, welche
im Stande sind, direkt oder indirekt Abünderungen zu erzcni-
goii, so vererben sich diese Abänderungen immer
nur auf dieses eine Stadium. Darauf beruht die
Metamorphoso. Ganz ebenso vererben sich Abänderungen , wel-
che periodisch auf bestimmte Generationen z. ü. die Genera-
tionen 1, 3, 5, etc. wirkten, aiuli nur auf dics'^, nicht aber
auf die dazwischen liegenden. Darauf beruht die Heterogonie.
Erst die Thatsache der cyclischen Vererbung lässt uns die
Entstehung der Heterogonie begreifen, die Thatsache, dass
sofort ein Cyclus von Generationen sich bildet,
sobald dieselben unter regelmässig alterniren-
den EinflQssen stehen und dass in diesem Cyclus neu-
erworbene Abänderungen, und seien sie anl&ngHch noch so
minimaler Natur, doch nur in die Feme vererbt werden, nicht
auf die folgende Generation, sondern stets nur auf die corres-
pondirende, d. h. auf die unter den gleichen verändernden
Einflüssen stehenda Nichts ist mehr im Stande die ausserordent-
lich hohe Bedeutung klar xu legen, welche die Lebensbedin-
gungen auf die Gestaltung und Weiterentwicklung der Arten
haben müssen, als diese Thatsache; Nichts kann aber zugleich
besser veranschaulichen, wie ihre Macht nicht in plötzlichen,
heftigen Cingriflfen sich äussert, sondern vielmehr in sehr schwa-
chen und langsamen Einwirkungen. Sehr lang fortgesetzte
Häufung unmerklich kleiner Abweichungen, das erweist sich
auch hier als das mächtige Zaubermittel, durch welches die
Furmen der lebendigen Welt umgemodelt worden. Niemand
vermag, auch niciit durch Anwendung der stärksten Wärme,
64
die Winterform einer Vanesta Ijewma in die Sommerform
umzuwandeln; aber die regelmässig auf jede zweite und
dritte Generation des labres einwirkende Sommerwärme hat
im Laufe bedeutender Zeiträume diese beiden Generationen
in eine neue Form geprägt und s^war ohne dass die erste
Generation dadurch mitverändort worden wäre; sie hat an ein
und demselben Orte zwei verschiedene klimatische Varietäten
erzeugt, wie sie in der Melir/ahl der Falle nur an getrennten
Orten vorkommen und zwar so, dass beide miteinander ab-
wechseln, miteinander einen Cyelus von (Jenerationen bilden,
von welchem jedes üiied sicli gesililet litlich fortpflanzt.
Wenn nun aber auch der Saisün-Dimurjdiismus der Hetero-
gonie zugerechnet werden niuss, so soll doch keineswegs
l)ehauptet werden, dass die bisliei- allein als Heterogonie be-
zeichneten Fälle cyclischcr Fortpflanzung mit dem Saison-
Dimorphismus ganz identisch wären. Sie sind dies nur
in ihrem Ausgangspunkt und ilirer Entwicklungs^
weise, nicht aber in dem Wirkungsmodus ihrer
Abänderungsursaclien.
Gemeinsam ist beiden Erscheinungen der Ausgangs-
punkt: gleichgestaltcte (monomorphe) Geschlechts-
generationen, sowie der Entwicklungsgang, inso-
fern durch alternirende Einflüsse ein Generationscyclus mit
allmalig divergirenden Charakteren entsteht.
Dagegen lässt die Qualität der Abänderungen,
durch welche sich die sekundären Generationen von den pri-
mären unterscheiden, auf einen andern Wirkungs-
modus der sie hervorrufenden Ursachen schlies-
sen. Die Unterschiede zwischen den beiderlei Generationen
sind beim Saison-Dimorphismus weit geringer, als bei den
andern Fällen von Heterogonie; sie sind einmal quantitativ
geringer und dann auch der Qualität nach verschieden,
insofern sie solche Charaktere betreffen, welche wir als bio-
logisch indiüerente ansehen müssen Meistens beschränken
' I A II tti. st(>he: ni«>in<> sehrifl « 'Ölwr den Binflow der laollrnng auf die
Artlulduiif!: » Leipzig 1^7^. '
I
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65
sich «liC V<'i-s<'liie(lonheiten aut tlie Zeichnun*: und Färbung
ilor Flügel uml des Kuqiors, zuweilen zeigen sich aueh kleine
Verscljiedenlieiten im Flügelsclmitt , und in wenigen Fällen
auch solche in der Kürpergrössc (Aycatvm .lmy«/a>'): dagegen
scheint der ganze übrige Kör|jerbau — soweit wenigstens
meine l'ntersuchuu^eii reichen — bei beiderlei üenerationeu
gleich zu sein.
Ganz anders bei den übrigen Füllen von lleterogonie, wo
der ganze Bau des Körpers melir oder weniger verändert
erscheint, die Körpergrüsse oft sehr verschieden ist und bei-
nahe alle innern Organe der beiderlei Generationen von ei-
nander abweichen. Schon Claus (*) wurde zu dem Ausspruch
gefuhrt: « für die Entstehungsweise der lleterogonie würden
wir I^um eine andre Erklärung finden als die allmälige und
langsam erfolgte, vortheilhafte Anpassung der Or-
ganisation an bedeutend abweichende Lebens-
bedingungen » und er bat gewiss damit das Richtige
getroffen. In allen diesen Fällen betrifft die Abänderung nicht
indifferente Charaktere, wie meistens bei den Schmetterlingen,
sondern biologisch oder physiol(^isch wichtige Theile und wir
werden dadurch genöthigt, dieselben nicht durch direkte
Wirkung veränderter Lebensbedingungen entstanden su den-
ken, sondern durch indirekte, durch Naturxiichtung,
durch Anpassung.
Der Unterschied zwischen Saison-Dimorphismus und den
übrigen bekannten Fällen von Heterogonie besteht also darin,
dass bei Ersterem die secundäre Form, unter welcher die
Art auttritt, allein durch direkte Wirkung äusserer EinHüsse
entsteht, bei Letzteren aber zugleirh und zwar w'ahrschein-
lich in überwiegendem Maasse durch indirekte Wirkung
solcher KinHüsse. Beweisen lässt sicli dieser Satz vorläufig
imr in seiner ersten Hälfte; allein es ist in» höchsten Maasse
wahrscheinlich, dass aucli die zweite richtig ist. Natürlich
lässt sich nicht ^agen, inwieweit auch bei der genuinen He-
<•) arnndtiige der Zooloirie 9. Anflair«. I<«iptlir ifn. KlnleiUnf.
66
terogonie direkte Wirkung äusserer Einflösse mit im Spiele
ist — liegen doch über ihre Enlstebung noch keinerlei Ver-
suche vor; dasB aber eine etwa mitwirkende direkte Einwir-
kung nur eine sekundäre Bolle spielt, die Hauptursache der
Abänderung aber in Anpassung liegen müsse, dass kann wohl
Niemand zweifelhaft sein, der x. B. die von Leuckart ent-
deckte Fortpflanzung der Atcam niyrooenota in 's Auge &sst,
bei welchem Wurm die eine Generation frei im Wasser lebt,
die andere dagegen in der Lunge des Frosches, wo ferner die
beiderlei Generationen sirh in Körpergrösse und im Bau der
innerii Or{,'aMe su sehr von einandor unterscheiden , aU es bei
den unit'orracn Nematoden nur immer möglich ist.
Zum Uberfluss und um mugllLlien Missverständnissen vor-
zubeu^'-cn, sei scldiesslicdi nocli bemerkt, dass die t^ualität
der Abänderun;;en , durch wclclie sicli beidi i lei Generationen
unterscheiden beim Saison-Dimorpliismus und der Ileterogonio
nicht etwa in dem Sinne verschieden sind, dass ilmen ein
verschiedenes Gewicht als « A r t c h a r a k t e r c ■ boigele^^t
weiden könnte. Besonders qualificirte Artcharaktere giebt es
bekanntlich übcrliaupt nicht, und es wäre sehr falscli , wollte
'man den Unterschieden des Saison-Dimorphismus dessbalb
geringeres Gewicht beilogen, weil sie meist nur in Fär-
bung und Zeichnung der Flügel bestehen. Es handelt sich '
hier nicht um die Frage, ob zwei Thierformcn den Werth
von Species oder von blossen Varietäten haben, eine Frage die
nie entschio den werden wird, weil ihre Beantwortung stets
von der individuellen Ansicht über das Gewicht der betref-
fenden Unterscheidungsmerkmale abhängt, und weil über-,
haupt beide Begriffe rein conventionelle sind ; es handelt sich
hier vielmehr lediglich darum, ob die unterscheidenden Cha-
raktere die gleiche Constanz besitzen d.h. ob sie mit
derselben Zähigkeit vererbt, mit derselben Genauigkeit auf
alle Individuen in nahezu derselben Weise iibertragen werden,
ob sie also in einer Weise auftreten , dass sie möglicher Webe
auch als Species-Charaktere benutzt werden könnten. Und in
dieser Beziehung kann es keinen Augenblick z%veifelhafl sein,
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67
dass dio Färbung und Zeiclinung der Schmcttcrlinp-e genau den-
selben Rang einnimmt wie irgend ein anderes ounstantes Merk-
mal irgend einer andern Thiergruppe, wie die Gaument'altcn bei
den Mäusen, der Zaiinbau bei Säugethiercn iilK-rhaujit , die
Zahl und Form der Schwung- und Steuerfoderu bei den
Vögeln u. s. w. Man erinnere sicii nur, mit welch wunder-
barer Beharrlichkeit oft die minutiösesten Einzelheiten der
Zeichnung bei Schmetterlingen vererbt \verden. Unterscheidet
der Systematiker doch nicht selten zwei nalie stehende Arten
a. B. der Familie der Bläulinge (Lycaenidae) hauptsächlich
nur durch die Stellung einiger unbedeutender schwarzer
Pünktchen auf der Rückseite der Flügel! (Lycaenn Alexis und
Agestis), Und diese Diagnose erweist sich als zureichend , denn
Lye. Akxitf bei dem die Punkte in einer graden Linie stehen,
bat andere Baupen als Lye. Agestü bei welchem der mittlere
Punkt zur Seite gerückt ist !
Ich halte es aus diesen Gründen auch nicht für gerechtfer-
tigt und noch weniger für nützlich , den Di- und Polymor-
phismus der Schmetterlinge , weil er sich vorwiegend nur in
Färbungsunterschieden.bewegt, als D i- und Polychroismus
zu bezeichnen und ihm desshalb eine geringere Bedeutung
beizumessen ('). Es wäre dies nur dann gerechtfertigt, wenn
den Färbungsunterschieden andere Ursachen zu Grunde lügen ,
als den Formverschiedenheiten im engeren Sinne. Es wurde
aber gezeigt, dass durch dieselbe direkte Einwirkung des
Klima 's, durch welche neue Färbungen entstehen, bei ein-
zelnen Arten auch Verscliiedenlieiten in der Form (Flü-
gelschnitt, Grösse etc.) hervorgerufen werden, und umge-
kehrt ist CS längst bekannt , wie viele schützende Färbungen
nur durch indirekte Wirkung äusserer Eintlusse sich er-
klären lassen.
Wenn ich einen Unterschied hervorhob in der Qualität der
Abänderungen beim Saison-Dimorphismus und den übrigen
io di«Mr BMiebimir die Dlieuufon in dar Mg. enlomoloff. OMell-
•ehaft SU Bra«S0l. 187S.
08
bekannten Fällen von Heterogonie so betrifft dieser nur die
biologische oder phy siologisclie Bedeutung der
Abänderung für den abgeänderten Organismus
selbst. Beim Saison-Dimorpfaismus verändern sich vorwie-
gend nur indifferente Charaktere, Charaktere welche für
die Lebenstahigkoit der Art ohne jede Bedeutung sind, bei
der genuinen Iletcritgoiiie aber, werden wir zur Annahme
gezwungen, diiss nützliche Abänderungen, oder Anpas-
sungen eingetreten sind.
Mag man nun die Heteiogonie nach meinem Vorschlag
aljgrenzeii oder narli der l)isluM' gültigen Weise, indem man
sie entweder meiir morphologisili dclinirt als die cvclisclie
Aufeinanderfolge verschieden gestalteter (lesihlochis-
genei-ationcn, oder sie mit Claus als «. die Aufeinandurl'olge
verschiedener unter abweichenden K mähr ungsv er-
hültnissen lebender » Geschlechtsgenerationen aut-
fasst, immer wird der Saison-Dimorphismus mit unter diesen
Begriff fallen. Abweichende Ernährungsverbältnisse im wei-
testen Sinn werden auch durch Einwirkung verschiedenen
Klima 's gesetzt, und es ist erst in neuester Zeit ein Fall
bekannt geworden, bei welchem es sehr wahrscheinlich auch
die klimatischen Verschiedenheiten der Jahreszeiten sind
welche durch Beeinflussung der Brnährungsvorgänge einen
. Generationscyclus erzeugt haben, ganz analog dem, wie wir
ihn beim Saison-Dimorphismus der Schmetterlinge beobachten,
aber mit dem Unterschiede, dass die Verschiedenheit zwischen
Winter- und Sommergeneration nicht, oder fast gar nicht in
der Form des aufgewachsenen fortpflanzungsiahigen Thieres
liegt, sondern beinah ausschliesslich in seiner
Ontogenese, in dem Modus seiner Entwicklung. Eine
Yergleichung dieses Falles mit den analogen Erscheinungen
bei Schmetterlingen wird nicht ohne Interesse sein. Bei der
merkwürdigen Süsswasser-Daphnide Leptodora kifalina L i 1 1 j e-
borg war durch P. E. Müller (<) schon seit einigen Jahren
(I) I'. E. Muller, Hidrag til ClailoctTuers l<'oi-li>laiitiiigahlstoriP.
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60
die Oiitngeiicsü stiulirt und iiacligewiestMi worden, dass die-
5»elbe eine direkte ist, indem der Enihryo, che er das Ei
verlasst , !)ereits die Gestalt, die Gliedmassen und innern Or-
gane des ausgebildeten lliicre.^ besitzt. So wenigstens bei den
Sümiiiereiern. Nun wurde neueniinL's von Sars (*) naclige-
wiesen, dass dieser Entwicklungsgang nur für die Sommerbrut
gilt, dass dagegen die Winter-eier im Frühjahr einen Em-
bryo eutlassen , welchen nur die drei ersten Gliedmassenpaare
besitzt, welcher statt der zusammengesetzten Augen nur ein
einfaches unpaares Stirnauge besitzt, kurz der den Bau des
Nttuplius aufweist und erst allmälig den Bau der Leptodora
erlangt. Die aus ihm hervorgehende reife Form unter-
scheidet sich durch Nichts von den späteren Generationen,
als durch das Vorhandensein des unpaaren Larvenauges,
welcher als kleiner schwarzer Fleck dem Gehirn des
Tbieros aufiutzt. Die Generationen im entwickelten Zu-
stand unterscheiden, sich wie es scheint, nur durch^ dieses
minutiöse Zeichen, aher die Sommergenerationen entwickeln
sich direkt, die Wintergeneration dagegen durch eine Meta-
mori^hose, welche mit dem einfachsten Crustaceentypus be-
ginnt und so ziemlich die ^di^ lutischc Entwicklung der Art
repräsentiren mag. Wir sehen also hier gewissermassen unter
unsem Augen die Zusammenziehung einer metamorphischen
Entwicklung in eine direete vor sich gehen. Bs iSsst sich nun
allerdings nicht beweis; n, was die Ursache dieser Erscheinung
ist, aber es liegt nahe, oder ist im Hinblick auf die Entste-
hung des Sai>un-Dimür[jhisiiius der Sclauctterlinge sogar last
unvermeidlich, in den kliniati>ch allernirenden l-^mliussen des
Sommers und Winters die Ursache zu verniLithen. Dass diese
direkt eine .\l)kürzung der Entwicklung im Sommer hervorge-
bracht haben, ist wold das wahrscheinlichste und so hätten
wir hier eine Heterogonie die dem Saison-Dimorphismus der
bcUmottcrliiige iu doppelter Ucziehung nahe vorvvrundt ist,
(<) sar« in « FOrhaodtinger I VMeaskalw seUkalMt 1 Gbrtotlula » ISIS,
B«ri 1.
70
eioinal, insofern auch hier der Generations-Cycius durch
direkte Einwirkung äusserer Lebensbedingungen entstanden
wäre , und zweitens insofern die Winterform auch hier die
primäre, die Sommeribrm die secundäre ist.
Man hat bekanntlich bisher unter dem von Rudolph
Leuckart zuerst in die Wissenschaft eingeführten Begriff
dür lIetoru{i()iiie nur den Wechel verschieden gestalteter
G e s c h 1 e c h t s e n e r a t i o n c n verstanden. Unter diesem Ge-
siditspunkt würde die l'ort{»tlan/.ung der Leptodora so wenig
zur Heterognnie gezählt werden können, als die von Apliis
oder Ü'ipfüiin, obgleich die scheinbar ungeschlechtliche Ver-
mehrung der Winter- und eines Theils der Sumniergencra-
tionen unzweifelhaft keine Amnienzeugung , sondern Parthe-
nogenese ist ('). Wie schon gesagt möchte ich indessen dem
Criterium der ungeschlechtlichen FortpUanzungsweise keine
fundamentale Bedeutung zuschreiben, und zwar vor Allem
deshalb» weil wir die physiologische Bedeutung beider Fort-
pÜanzungs weisen nicht können, weil ferner dieses Eintheilungs
princip ein ganz äusserliches ist, werthvoU nur so lange, als
man noch kein besseres an die Stelle setzen konnte. Eine
Scheidung der cyclischen Portpflanzungsarten nach ihrer
Genese scheint mir, — wenn Oberhaupt ausfuhrbar — nicht
nur werthvoller sondern gradezu allein richtig, und die Kennt-
niss der Entstehung des Saison-Dimorphismus scheint mir
jetzt dazu die Möglichkeit zu bieten.
Wenn man wie oben angedeutet wurde, als Metagenese
im engeren Sinne alle jene Fälle bezeichnet , bei welchen
wir annehmen müssen, dass eine Reihe verschieden
alter phylotischer Stadien den Ausgangspunkt
gebildet haben, als Heterogonie aber jene Fälle
bei welchen gleiche phyletische Stadien durch
periodisch wirkende äussere Einflüsse zur Bil-
dung eines Generatioubcy clus veranlasst wur-
(•) siehe meine Abliandhmp « Über Da« und I.ebenscrschoiminpeu dar Lc
ptodora hyaUna ». Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXIV , lieft. 3. 1874.
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den, so ist es klar, dass das l Icbiut der lluterogonie dadurch
bedeutend ausgedehnt und zugleich scharf und bestimmt um-
schrieben wird.
Es gehören dann zur Heterogonie nicht nur die bisher
dazu gerechnete Fortpflanzung der Ascarts nigrovenota, Lep-
toUera appendiculala , sowie die der Rindcnläuso , sondern
auch die Fortpflanzung der Aphiden, Cocciden, der na])liniden,
Kotatorien, Phyllopoden, kurz alle jene Fälle bei welchen wir
aus der Form, dem anatomi^Bchen Bau und der Furtpflanzungs-
weise der beiderlei Generalionen auf ihre früher vorhandene
Identität schliessen können und dieser Schluss wird wesent-
lich gestutzt werden, durch den Vergleich mit den nichst*
verwandten Arten. Wenn wir s. B. die Gattung Aph» imd
Verwandte, von allen Seiten umgeben sehen Yon Insekten,
welche sich in allen Generationen geschlechtlich fbrtpflansen ,
so werden wir bei der grossen Ähnlichkeit im ganxen äusseren
und inneren Bau der beiderlei Aphis-Generationen schon allein
dadurch zu der Vermuthung gedrängt, dass die scheinbar
ungeschlechtliche Fortpflanzung der Aphiden in Wahrheit
Parthenogenese sei, d. h. sich aus geschlechtlicher Portpflan-
zung entwickelt habe. Auch kann darüber heute kaum mehr
gestritten worden, da wir wissen, dass hier sowohl als bei
LcpOxIorft und andern Daphniden ein und dasselbe Weibclien
abwei hselnd parthenogenetisch sich entwickelnde und befruch-
tungsbedürttige Flor hervorbringt. Bei Lnchuas (^ueni ist
dasselbe sclion vor Jahren durch von Heyden ('j festges-
tellt und neuerdings von |}all)iaiii (-) bestätigt worden.
In allen diesen Fallen kaini kein Zweifel sein, dass der
Generationscyclus aus phylctisch gleicliwerthigen Generatio-
nen sich entwickelt hat. Aber es sind allerdings auch solche
denkbar, welche weniger einfach und klar vorliegen. Vor Allem
wissen wir nicht ob nicht Parthenogenese schliesslich zu gän-
zlich ungeschlechtlicher Zeugung herabsinken hann. Käme dies
(0 Slettin. eniom. Zelt. B4. 18. S. 8). 1867.
(*i Coropt. reod. T. 77. p. 1M4. 187S.
72
vor, SU würde aiirh diu Mögliclikeit vorliegen, dass aus der
Ileterogüiiio bthlie>slich eine Fortptlan/Liii^bweise liervurginge ,
welche vun achter Metagenest> ihrer Erscheinung nach
nicht m unterscheiden wäre. Dies nämlich dann, wenn die
zu ungeschlechtlicher Fortpllanzung herabsinkenden Genera-
tionen, z. U. d(M- Blattläuse, zugleich durch Anpassung an
ahweichende Lcl>ensv('rli;iltnisse iiiren Bau !)edeutend veiün-
(lerten, etwa eine regressive Metamorphose eingingen. Wir
würden dann m ihnen ein früheres phyletisches Stadium zu
sehen meinen, während sie iu Wahrheit ein späteres wären
und das Bild der Me tagenese wurde sich aui' dem Wege der
Heterogonie gebildet haben!
Umgekehrt wäre es aber ebensowohl denkbar, dass das
Bild der lleterogonie aus genuiner Metagenese heraus sich
entwickeln könnte, falls nämlich Larven, welche dem go>
schlechtsreifen Thiere der Form nach ähnlich sind, die Fähigkeit
ungeschlechtlicher Fortpflanzung erlangten. Auch diese Mög-
lichkeit lässt sich nicht gradesu von der Hand weisen.
Wären die ammenden Larven der Cecidomyien den Ge-
schlechtsthieren etwa so ähnlich« wie die lugendformen der
Orthopteren dem geschlechtsreifen Thier, so würden wir nicht
wissen können, ob sie herabgekommene Geschlechtsthiere seien,
oder ächte Larven welche sich su ungeschlechtlicher Fort-
pflanzung emporgeschwungen hätten. Ihre Fortpflanzung
würde als Parthenogenese aufgcfasst worden, und Niemand
wäre im Stande, die Auflhssung zu widerlegen, dass hier
Heterogonie vorläge, es sei denn, er könne den Entwickiungs-
modus ihrer Fortpflanzungsart darlegen, d. h. er könne
nachweisen, dass die heute parthcnogenisirenden Generatio-
nen früher blosse zeugungsunlähige Larvenstadion
waren.
Ich habe diese letzten Betrachtungen nur angestellt, um
zu zeigen auf wie schwankendem Boden wir hier noch stehen,
sobald es sich um die Deutung des einzelnen Falles
handelt, und wie Vieles noch zu tliun übrig ist. So gewiss es
scheint, dass beide Formen der cyclischen FortpÜänzung ,
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73
■
Heterogüiiie und Metagenese auf gunz ^^ctrcniitcii
Wegen entstehen, so nmss doch die Möglichkeit zugegeben
werden, dass unter L'ms.änden dass Bihi der jetzt vorliegentlen
Verhaltni:>se über die wahre Genese täustlien kann. Im ein-
zelnen Fall den We^^ anzugeben, auf welchem die c}clischü
Fortpilanzungssveise cntbtari len ist , wird nur durch umsich-
tige Prüfung und vollständige Kennt niss des jew'eiligen That-
betiUiiidei» zusammen mit dem Versuch möglich werden.
•
VI* Allgemeine Sol&l&ütte.
Es soll hier nicht eine Widerholung und kurze Zusammen-
fassung der Kesultate gegeben werden , welche in Bezug auf
den Saison-Diniorpliismus erlangt wurden, sondern vielmehr
möchte ich hier die allgemeinen Resultate hervorheben,
weiche ans jenen hervorgehen und zugleich solche Fragen
aufwerfen, welche bisher noch gar nicht, oder nur kurz und
beiläufig Besprechung fiinden.
Zuerst muss constatirt werden, dass Unterschiede im
Werthe von Art-Unterschieden lediglich durch
direkte Wirkung äusserer Lebensbedingungen
entstehen kOnnen.
Nach dem, was oben über den Unterschied, zwischen den
beiderlei Formen einer einzigen saisondimorphen Art gesagt
wurde, kann über die Richtigkeit dieses Satzes kein Zweifel
sein. Den besten Beweis liefern die älteren Systematiker, wel-
chen die genetische Zusammengehörigkeit von ))eiderlei For-
men noch unbekannt war und welche in unbefangener Taxi-
rung ihrer Unterschiede in vielen Fiilh.'U beide mit b(;sondern
Specics-Namcn belegten. So \ (i7a'.isa Lcvana und Ihorsn ^ An-
tncharis Bclia und Ausonia , Anlocharis Bekmia und Giauce,
l.ijcaeiui PotijsperchüH und Amyrttus.
Es kann somit kaum bezweifelt werden, dass neue .\rten
sich auf diesem Wege bilden können , und ich glaube, dass
dies, bei den ächmctterlingeu wenigstens, in ausgiebigem
74
Masse der Fall war und iti Hier wohl mehr, als anderswo
und swar aus dem Grunde, weil die so aufEiUenden Farben
und Zeichnungen der Flügel und des Körpers in den meisten
Fällen ohne biologische Bedeutung , also ohne Nutzen für die
Erhaltung des Individuums und somit auch der Art sind.
Dicsel))eii können somit auch nicht Gegenstand der Naturzüch-
tung sein.
Darwin hat dies selir wohl eingesehen, als er die Zeich-
nungen der Schmetterlinge niclit von gewöhnlicher Nattir-
züchtung, sondern von geschlechtlicher Züchtung herzuleiten
versuclite. Nach dieser Annahme tritt jede neue Färbung oder
Zeichnung zuerst bei dem einen Geschlecht zufällig auf und
befestigt sich bei diesem dadurch, dass sie von dem andern
Geschlecht der alten Färbung vorgezogen wird. Nachdem nun
der neue Schmuck z. B. bei den Männchen constant geworden
ist, lässt Darwin ihn durch Vererbung theilweise oder ganx«
oder auch gar nicht auf die Weibchen übertragen werden , so
dass also die Art mehr oder weniger sexuell dimorph bleibt,
.oder aber (durch vollständige Übertragung) wieder sexuell
monomorph wird.
Die Zulassigkeit einer so verschieden, gewissermassen will-
kürlich sich äussernden Vererbung wurde oben schon aner-
kannt. Hier handelt es sich um die andere Frage, ob Dar-
win im Rechte -ist, wenn er auf diese Weise die ganze
Farbenpracht der Schmetterlinge von sexueller Züchtung hor-
leitet. Mir scheint die Entstehung des Saison-Dimorphismus,
gegen diese Annahme zu sprechen, so verführerisch und
grossartig sie sldi auch anlässk Wenn so bedeutende Ver^
sehiedenheiten, wie sie zwischen den Sommer^und Winter-
formen mancher Schmetterlinge bestehen, lediglich darch
den direkten Einfluss veränderten Klima's hervorgerufen wer-
den können, so wäre es sehr gewagt, der sexuellen Züch-
tung gerade liier eine L'rosse Bedeutung beizumessen.
Das Princip der sexuellen Züchtung scheint mir unantastbar,
auch will ich nicht in Abrede stellen, dass et auch bei den
Schuietterlmgtfu wirksam ist, aber ich glaube, dass wir des-
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75
aellieB, als letzten Erklärungsgrundes der Farben , entbehren
können, insofern wir sehen, dass bedeutende Karbenwcclisel
auch ohne jeden Kintluss sexuellei- Züchtung eintreten können.
Es fragt sich nun, wie weit der u ni \v a n d e 1 n d e Kin-
fluss des Klima's reicht? Wenn eine Art durch Klima-
wechsel abgeändert hat und zwar in solchem Fietrag, dass
ihre neue Form den systematischen Werth einer neuen Spe-
cies besitzt, kann sie dann durch Versetzung in die alten
klimatischen Verhältnisse wieder in die alte Form zurück-
kehren? oder wird sie dann zwar abändern, aber wiederum
in neuer Weise?
Die Frage ist nicht ohne Bedeutung, insofern im ersteren
Falle klimatische Einflüsse von geringem Werth für ArtbiU
dang sein miissten. Es würde sich dann meistens nur ein
Schwanken zwischen zwei Extremen ergeben. Wie heute bei
den saisondimorphen Arten Sommer-und Winterform iii jedem
lahre miteinander abwechseln, so würde dann in den grossen
Abschnitten der Erdgeschichte Wärmeform mit Kälteform ab-
wechseln. 'Bei andern Thiergruppen wirken sicherlieh auch
noch andre klimatische Einflüsse verändernd ein, bei den
Schmetterlingen aber, wie ich gezeigt zu haben glaube, vor
Allem die Temperatur. Diese aber kann nur zwischen ziem-
lich enge gesteckten Grenzen hin und her schwanken und
laset keine verschiedenartigeren Nüancirungen zu.
Es fragt sich also, ob auch die Schmetterlingsarten nur
zwischen zwei Formen hin und her schwanken, oder ob viel-
mehr bei jedem neuen Klimawechsel (insofern er übcrliaupt
stark genug ist, um Abänderung hervorzurufen) auch wieder
eine neue Form cnt^tl•]lt.
So sehr aucli die iiückschlagversuclic an saisondimorphen
Schmetterlingen das Gegentheil zu erweisen scheinen, so
glaube ich doch, das Letztere annehmen zu müssen, ich
glaube, dass durch Klimawechsel niemals wieder die alten
Formen entstehen, sundern nnnier wieder neue, dass somit
allein eine periodisch sich wiederholende Veränderung' des
Klima'ü genügt, um im Laute langer Zeiträume immer neue
7«
Arten aus einander hervorgehen tu. latmen. So wenigstens bei
den Schmetterlingen.
Meine Ansicht stützt sich wesentlich auf eine theoretische
Uetrachtung. Ks wurde oben bchon butuut, was aus den Vei--
ivUcliLii uiiniittell>ar licrvui'^'elit , dass die Temperatur auf die
physische Constitution de^ Iiidividuunis nicht .>o wirkt, wie
Säure oder Ajkali auf Lacmuspapier , d. Ii. das^ niciit ein
und dasselbe Individuum je nachdem es mit Kälte oder
Wärme behandelt wird, diese oder jene Färbung und Zt'ich-
nung horvorltringt, sondern dass vielmehr das Klima, wenn
es viele Generationen hintereinander in gleicher Weise beein-
llusbt hat, allmälig eine solche Veränderung in der physi-
schen Constitution der Art hervorruft, duss diese sich auch
durcli andere Färbung und Zeichnung kundgibt.
Wenn nun aber diese neuerworbenc , und wir wollen an-
nehmen, durcli lange Generations-lieihen hindurch befestigte
physische Constitution der Art wiederum einem anhaltenden
Klimawechsel unterworfen wird» so kann dieser fiinüass,
auch wenn er genau derselbe ist, wie zur Zeit der ersten
Artgestalt, doch unmöglich die erste Gestalt wiederum her-
vorrufen. Die Natur des äussern Einflusses ist zwar dann die
gleiche, keineswegs aber die physische Constitution der Art!
So gut aber — wie oben gezeigt wurde — ein Weissling
ganz andere Abänderungen hervorbringt, als ein Bläuling
oder eine Satj ride unter dem abändernden Einfluss desselben
Klima's, so gut — wenn vielleicht auch in geringerem
Grade — muss die Abänderung, welche von der umgewan>
delten Art unseres Beispiels nach Eintritt des primären
Klima's entsteht von jener primären Form der Art verschie-
den sein. Mit andern Worten: wenn auf der Erde auch
nur zwei verschiedne Klimate in geologischen
Perioden mit einander abwechselten, so m ü s s t e
doch von einer j eden diesem Wechsel unterwor-
fenen S c h m e 1 1 e r 1 i n g s a r t eine unendliche Reihe
verschiedener Artformen ausgehen.
hl Wirklichkeit wird die Verschiedenheit der Klimate eine
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weit gKtosere sein, und ein Wedisel derselben tar eine be-
stimmte Art nicht nur durch periodische etwa anzunehmende
Schwankungen der Ekliiitik, sondern auch durch geologische
Umgostaltungen , sowie durch Wanderungen dor Arten sell)St
stattgefunden haljcn, so d;iss also ein steter Wechsel
von Arten rein nur aus dieser einen Ursache des
Klimawechsels angedauert haben niuss. Wenn man
bedenkt, dass viele sonst untergegangene Arten sii]) local
erhalten haben weiden und weiter jene LocaltbinuMi dazu-
zählt. welche durch Amixie entstanden sind, so kann die
ungeheure Zahl von Schmetterlings irten nicht mehr in Er-
staunen versetzen, welche wir heute auf der Erde antreften.
Wenn aber Jemand geneigt wäre, aus meinen Kückschlag-
Versuchcn bei saison-dimorphen Schmetterlingen den Schluss
SU zielien, dass die secundäre Art in die primäre surückscbla-
gen müsse, subalU sie demselben Klima ausgesetzt werde,
welches diese hervorgebracht halt» so vergisst derselbe, dass
dieser Rückschlag zur Winterforin eben nur ein Rikkschlag
ist, d. b. die durch eigenthümlicbe Vererbungsgesetse be-
dingte plötsliche Bückkehr zu einer primären Form,
keineswegs aber eine allmälige Wiedererwerbung dieser pri-
mären Form unter dem allmälig wirkenden Einflüsse des
primären Klima'sl Tritt doch der Bückschliag sur Winterform
auch auf andre Einwirkungen ein x. B. auf hohe Wärmet
Derartige auf Vererbungsgesetsen beruhende Bäckscbläge
werden gewiss auch bei solchen Transmutationen vorkommen ,
welche nicht alternirend mit der primären Form, wie beim
Saison^Dimorphismus, sondern continuirlich eintreten. Sie wer-
den aber vermuthlich hier rascher unterdrückt werden, als
licim Saison-Dimorphismus , bei welchem durcli das stete Ai-
terniren der primären und secuntlären Form die Tendenz
zur ilervorbringung der ersteren sich auch in der zweiten
stets leliendig erhalten muss.
Dass der üben gezoj^^enc Schluss der richtige ist , dass eine
secundäre Art, wenn sie wieder ilcn äussern Bedingungen
unterworfen wird, unter deren Eintiuss die primäre entstan-
78
den war, nicht etwa. wieder tu dieser zurückkehrt, das be-
weisen die Eriahrüngen an Pflanzen. Die Botaniker (}) ver-
sichern uns, « dass Cuhurracen die verwildert und also unter
die früheren Lebensbedingungen zurückgekehrt sind, nicht
in die ursprüngliclie wilde Form, sondern in irgend eine
neue sich umwandeln ».
Kin zweiter Punkt, der mir vom Saison- Dniiorjihismus aus,
Licht zu erhalten scheint ist die Entstehung von Va-
riabilität.
Es wurde hervorgehoben dass die secundären Formen zum
grossen Theil l^edeutend vuriubler sind, als die jtrimiiren.
Rührt dies davon her, dass der gleiche äussere Einlluss die
verschiednen Individuen einer Art zu v e r s c Ii i e d e n a r t i-
gen Ab'änderungen veranlasst, oder ändern alle Indi-
viduen in der gleichen Kichtung ab, und entsteht das IJild
der Variabilität nur durcli das ungleiche Tempo in
welchem die einzelnen Individuen auf den äussern Beiz rea-
giren?
Ohne Zweifel ist das Letztere der Fall. Es geht dies schon
aus den Unterschieden hervor, welche sich zwischen den
verschiednen Individuen einer secundären Form zeigen. Sie
sind immer nur Unterschiede des Grades nicht
der Art (Qualität). So vielleicht am deutlichsten bei der so
sehr variabeln Vamsaa Prorsa (Sommerform), wo alle vor-
kommenden Variationen sich nur durch geringere oder gros-
sere Entfernung von der Levana-Zeichnung unterscheiden,
wie zugleich durch grössere oder geringere Annäherung an
die reine Prorsa-Zeichnung, niemals aber Abänderungen vor-
kommen, die nach einer ganz andern Bichtung hinaussielten.
Es geht dies aber weiter auch daraus hervor, dass — wie
oben bereits angeführt wurde — verwandte Arten und Gat-
tungen» ja selbst ganze Familien (die Pieriden) auf den glei-
(■) Nag«li. BnUtehung und S«ffriird«r natorliletoriscbM Art, Mttnelien
IfiOTi. s. ST). Der Vurfassor verwertlict a. n. <). diesclxMffi'brachte Th»l*acll6 In
gant en^gegengeselziem sinne, aber offenbar mit Unrecht.
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eben äussern Reiz in derselben Art and Weise, oder besser
in derselben Ricbtung abändern.
Es darf demnach der Satz aufgestellt werden, dass — bei
den Schmetterlingen wenigstens — alle Individuen einer
Art denselben äussern Kelz mit der gleichen
Abänderung beantworten, dass somit die durch
klimatische Einilüssc bedingten Abänderungen
in ganz bestimmter Richtung erfolgen, welche
bedingt ist durch die physische Constitution
dieser Art.
"Wenn aber selbst bei der Entstellung neuer klimatisclier
Schmetterlingsformen, bei welcher Naturzüchtung völlig aus-
zuschliessen ist , und die Natur der Art selbst nachweislich
die Kichtung der Abänderungen bestimmt, dennoch Varia*
bilität eintritt, so darf daraus geschlossen werden, dass
überhaupt jede Umwandlung einer -Art mit einem Schwan-
kendwerden ihrer Charaktere beginnt.
Wenn wir aber die primären Formen der Schmetterlinge
stets bei weitem constanter finden, so zeigt uns dies, dass
fortgesetzte Kreuzung der Individuen einer Art schliesslich
die Schwankungen der Form bis zu einem gewissen Grad
ausgleicht.
Beiderlei Thatsachen zusammen aber bestätigen den von
mir früher aufgestellten (*) Satz, dass, bei jeder Art
eine Periode der Variabilität mit einer solchen
der (relativen) Constanz abwechselt, dass letztere
die Höhe ihrer Entwicklung, erstere der Anfang oder das
Ende derselben bezeichnet. Ich erinnre daran hier deshalb,
weil die Thatsachen, auf welche ich mich damals hauptsäch-
lich stützte, nämlich die von Hilgendorf combinirte phy-
letische Entwicklungsgeschichte der fossilen Schnecken von
Stt'inhoim, inzwischen bis zu einem gewissen Grade wankend
geworden sind, und ntan in dem relativ völlig berechtigten
(<) Siehe meine Sebrifl « Üter den BtaSun der iMliranf auf die Arlbll-
dung. Leipsig lS7t.
80
Misstrauen gegon sie, leicht zu weit gehen und ihnen ubev-
haupt jeden Werth abzusprechen geneigt sein könnte.
In derselben eben angezogenen Schrift leitete ich die
Entstehung einer gewissen Klasse von Localformen von lo-
caler Isolirung her. Ich suchte zu zeigen, ilasseine Art,
wenn sie im Zustand (Periode) der Variahilit&t auf isolirtes
Gehiet geräth, dort nothwendig allein durcltdioVorhin-
derung der Kreuzung mit den Art genossen an-
derer Wohngebiete zu etwas .ihweii-liendeii Cli:u"iktereii
gelangen, od' r wass dasselbe i.st eine Locall'orni bilden niuss.
Dies niuss deshalb geschelien, weil die verschiednen Variatio-
nen, durtdi welche eben die momentane Varialnlität der Art
gesetzt wird, stets in andern Zahlenveihiütnissen auf dem'
isolirten sein werden, als aul" den anleiii Wohngebieten,
und weil die Constanz durch Kreuzung dieher N'ariationeii
liewurgebracht wird, also die Resultante ist, aus
den verschiednen Comp o n e n t e n, d e n \ a r i a t i o n e n.
Sobald aber die Componenten ungleich sind, muss auch die
Resultante eine andere sein und so scheint mir von theore-
tischer Seite der Mügliclikeit solclier durch den Process der
A ni i X i e gebildeter Localformen kein Hinderniss im Wege zu
stehen. Ich glaube aber auch weiter gezeigt zu haben, dass
zahlreiche Localformen sich ungezwungen als solche amicti-
sche Formen auflisssen lassen, während sie durch klimatische
Einflüsse nicht erklärt werden können.
Dass ich mit der Au&tellung der Amixie nicht die Exis-
tenz wirklicher klimatischer Formen in Abrede stellen
wollte, wie von einigen Seiten gemeint wurde, geht aus
vorliegender Abhandlung wohl zur Genüge hervor. Es fragt
sich aher, ob nicht klimatische Einflüsse auch die Entstehung
amictischer Formen dadurch veranlassen können, dass sie
eine Art variabel machen?
Es wird schwer sein darüber jetzt schon endgültig abzu-
sprechen; wenn indessen in allen Fällen durch klimatische
Eintiüssü nur in ganz hestimmter Richtung ein Variiren
stiittfindet, so kann aus einer solchen Variabilität eine ami-
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ctische Form nicht hervorpehen, da dann die Componenten
nur dem Grade, niclit der Art nach versiliiodene Kosultanten
erzeugen konnten. Auf su feine Unlorschiede aber können wir
unsre Untersuchungen noch nicht ausdehnen.
Als let/.tes, aber niclit unbedeutemUlcs lieNultat dii'ser Un-
tersuchungen liel)e icli nochmals luM-vor, dass uni>timni(Mid('
Rintlüsse, wenn sie in regelmässigem Wechsel alteniirend
eine lange iieihe ursju-iinglich gleicher Gent'i'ationen treffen ,
nur die betroffenen Generationni ummodeln, nicht aber die
dazwischen gelegenen. Oder kürzer: Cvclisch einwir-
kende Abänderungs - Ursachen erzeugen cyclisch
auftretende Abänderungen; unter ihrem E>nfluss
gestaltet sich die Reihe monomorpher Genera-
tionen zu einem Cyclus di- oder polymorpher
Generationen.
Auf die nähere Ausführung und Begründung dieses Satzes
brauche ich hier niclit zurück zu kommen, aber an ihn
schliesst sich unmittelbar die Frage, ob nicht diese die Gene-
rationen xum Generations-Cyclus umwandelnde c y cl i s c h e
Vererbung in ihrem letzten Grund gleichbedeutend sei
mit Darwin und Häckel 's homochroner Verer-
bung, welche die Stadien der Ontogenese zu einem
Cyclns gestaltet? Vielleicht gelingt es der Zukunft, von die-
sem Punkte aus in das Wesen der noch so dunkeln Verer-
bungsvorgänge einzudringen und beiderlei Erscheinungen auf
ein und dieselbe Ursache zurückzufuhren, die sich beute nur
ahnen, nicht klar erkennen ISsst.
Um schliesslich auch noch das allgemeinste und insofern
auch Hauptresultat dieser Untersuchungen tu formuliren, so
scheint es mir in dem Nachweis zu liegen, dass rein nur
durch den Einlluss veränderter äusserer Lebens-
bedingungen eine Art zum Abändern veranlasst
werden kann und zwar zum Abändern in be-
stimmter Kichtung und dass diese letztere wie-
der lediglich von der physischen Natur der
variirenden Organismen abhängig ist, versrhie-
den bei verschiedenen Arten, ja selbst bei den
beiden Geschlechtern ein und derselben Art.
So wenig ich geneigt bin, einer unbekannten Transmuta-
tionskraft das Wort zu reden, so sehr möchte ich auch hier
wieder betonen, dass die Umvvandelung einer Art nur zum
Theil auf äusseren Kintliisscn beruht, zum andern Theil aber
auf der speci tischen Constitution dieser einen
Art. Specifisch nenne ich dieselbe, insofern sie auf den-
selben Reiz anders reagirt, als die Constitution einer an-
dern Art. Im Allgemeinen lässt sich auci» recht wohl ein-
sehen , warum dies so sein muss. Nicht etwa weil eine
neue Art von Lebenskraft in ihr verborgen läge, sondern
deshalb, weil sie eine andere Entstehungsge-
schichte h i n t er sich hat, als irgend eine andere
Art. Wir müssen annehmen, dass von den ältesten Zeiten
der Örganismenbildung an durch alle Zwisclienstufen hindurch
sich bestimmte Eigenschaften, Wachstums — , Ernährungs — ,
oder Kntwickelungstendcnzen bis auf die heute lebenden
Arten ubertragen Iiaben, dass jede von diesen eine gewisse
Summe solcher Tendenzen in sich trägt, dass diese es sind,^
welche seine äussere und innere Erscheinung su jeder Zeit
seines Lebens bestimmen, welche in ihrer Beaction gegen
die Aussenwelt das individuelle Leben, wie das der Art selbst
darstellen. Da diese Summe ererbter Tendenzen bei jeder Art
um mehr oder weniger verschieden sein muss, so eridärt sich
daraus nicht nur die verschiedene äussere Erscheinung der
Arten, die Verschiedenheit ihrer physiologischen und biolo-
gischen Lebens&usserungen , sondern es geht auch daraus
mit Nothwendigkeit hervor, dass verschiedene Arten
verschieden reagiren müssen auf solche äussere*
Beise, welche Abänderung ihrer Form hervor-
rufen.
Dies heisst nun nichts Anderes, als dass jeder Art durch
ihre physische Constitution (in dem soeben delinirten Sinne)
bestimmte V a r i a t i o n s m ö g 1 i c h k e i t c n vorgezeichnet
sind. Dieselben sind oHenbar ausserordeutiich zahlreich für
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jode Art, aber nicht unendlich, sie gestatten der Naturzüch-
tung einen weiten Spieliaum , aber sie beschränken dieselbe
auch, indem sie sie zwingen, gewisse, wenn auch lireite
Kntwickelungsbahnen einzuhalten. Ich habe schon frü]i( r
einmal hervorgehoben dass man die Rolle welche die phy-
sische Constitution der Arten bei der Umwandlungsgeschichte
spielt zu gering taxirt, wenn man den Gang der Umwand-
lungen wesentlich nur äussern Bedingungen zuschreibt.
Darwin gibt allerdings die Wichtigkeit dieses Factors zu,
aber doch nur insoweit es die einzelne Variation betrifft,
d«ren Qualität auch ihm wesentlich von der ph} sischen Con-
stitution der Art abzuhängen scheint. Ich glaube aber, dass
grade in diesem Moment der Gr^ind liegt, warum auch unter
den gunstigsten äussern Umständen niemals ein Vogel in ein
S&ugethier sich umwandeln könnte, oder, um mich allgemein
auszudrucken, warum von einem bestimmten Puncte, einer
bestimmten Art der jetzigen Schöpfung aus auch unter den
günstigsten äussern Umständen nicht jeder beliebige andere
Punct erreicht werden kann, warum von diesem Puncto aus
bestimmte Entwickelungsbahnen, wenn auch von bedeuten-
der Breite, eingehalten werden müssen, etwa so, wie eine
den Berg hinabrollende Kugel durch ein bestimmtes, gleich-
bleibendes Hindemiss anders abgelenkt werden wird, je
nachdem dasselbe sich ihr höher oben, oder weiter unten
entgegenstellt, je nachdem ihre Bewegungsrichtung und
Geschwindigkeit im Augenblick der Aljlenkung l)eschatlen ist.
In diesem Sinne bin ich mit der ■ bestimmt » gerichteten
Variation A s k e ii a s \ ' s einverstanden , keineswegs aber dann,
wenn damit eine bewundere, neue Natuikrait gemeint sein
soll, welche aus sich selbst die Variationen dirigirt (*). Die
Erklärung der Erscheinungen scheint mir eine solche Annahme
(0 siehe mein« Sebrifl'.c Über die Berechtiinng dir Dftrwln*i«lMnTb«orie»
Leipzig 1SÄ8.
(*) Aom. Ich betone dies hier ausdrücklich, weil der Berichl, welcbm Icli
Im ArehlT rdr Anthropologie (iabrgang U9S) dber Atkenesy's gedanken-
Miehe Sehrlfl gegeben babe mebrfkcb missTerstanden worden Isl.
84
nicht zu erheischen, und wenn sie nicht nothwendig ist, so
ist sie überhaupt nicht statthaft.
Meiner Ansicht nach kann eine Transmutation rein nur
aus innern Ursachen nicht gedacht werden. Könnten
wir den Wechsel äusserer Lebensbedingungen absolut sis-
tiren, so würden die vorhandenen Arten stationär bleiben ,
denn nur die Einwirkung äusserer liehe im weitesten Sinne
des Wortes vermag Abänderungen zu erzeugen und seilet
die nie l'elileiiden « individuellen Variat luiien «. ^Llieirien mir
neben der ererbten Ungleichheit der Anlage wiederum auf
ungleichen äusseren Einllüssen zu l)eruhen, und auch die
ererbte Anlage selbst ist nur deshalb ungleich, weil von
jeher die einzelnen Individuen etwas verschiedenen äussern
Einflüssen unterworfen waren.
Bin Abändern aus rein innern Ursachen scheint mir vor
Allem deshalb ganz undenkbar, weil ich mir nicht vorstellen
kann, wie dasselbe materielle Substrat der physischen Con-
stitution einer Art zwei entgegengesetzte Bewegungen auf
die folgende Generation übertragen sollte. Und doch mässte
dies der Fall sein, wenn die durch Vererbung übertragene
Entwickelungsrichtung letzter Grund der Ähnlichkdt mit den
Vor&hren und der Abänderung d. h. der Unähnlichkeit mit
ihnen sein sollte. '
Alle Abänderung vom geringsten bis zum grössten Betrag
scheint mir in letzter Instanz nur auf äussern Einflössen
beruhen zu können, sie ist die Reaction des Organismus auf
äussere Beize. Dass diese Beaction eine andere sein muss,
wenn von gleichem Beize eine anders geartete physische
Constitution getroflTen wird, liegt auf der Hand, und darauf
beruht nach meiner Ansicht eben die angedeutete grosse Be-
deutung dieser constitutionellen Unterschiede.
Wenn man unter Vererbung auch die Vererbungs-
summen, das heisst die jeweilige physische
Constitution einer Art begreift, also die beschrankte
und in obigem Sinne bestimmt geriehtete Variationslahigkeit,
unter Anpassung aber die directe und indirecte Keaction
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ilicser physisclicii Constitution auf den Wechsel der Lebens-
bedingungen, so kann ich mich Iläckel 's Ausdrucksweise
anschliessen und mit iliiii die Umwandlung der Arten auf
die Iteiden Momente der Vererbung und Anpassung
zurückführen.
VKllSLCJHK.
A. Versache mit Vanessa Levana.
1). Zucht aus Eiern» welche am lS-15 Hai 1868 im Zwinger
von einem Weibchen der Winterform gelegt waren. Aus-
schlupfen der Raupen am 20-23 Hai, Vqrpuppung derselben
am 7-9 Juni.
Die Pu])pen wurden bei gewöhnlicher Temperatur aufbe-
wahrt und ergaben:
am
1U Juni
4 Schmetterlinge
»
20 »
5
a
21 >
10
•
•
z3 ■
9
•
23 >
7
a
•
25 •
13
•
i:u.s;ininien-4'S S( liiuotterlinj^e , wcK hi- alle
• Ii'- l'rMr>.it")rm bt^sa>sen , drei WcilKlien mit ziemlicli viel
l»elb, Klmiics aber soviel, als die Figuren 3, A, 7, 8 oder \).
V' ersuch. Am 1^' " August KSIuS gefundene Raupen (der
dritten Generation) verpuppten sich Anfang September,
wurden im ungehoii^ten Zimmer aufbewahrt. Im September
schlüpften noch 3 Schmetterlinge aus und zwar in Prorsa-
form, die andern überwinterten und ergaben, als sie Endo
Februar in das geheizte Zimmer versetzt wurden vom 1-17
Harz 1869 mehrere Schmetterlinge, alle von Levanaform.
Versuch 3. Am 17*** Juni 1869 gefundene Raupen wurden
nach ihrer Farbe sortirt; die gelben mit hellbraunen Dornen
9»
ergaben bei gewöhnlicher Temperatur am 8'*''-112"" Juli 13
Schmetterlinge , von welchen 12 gewöhnliche Prorsaturni
zeigten, einer, ein Mann, a1)er noch mehr Gelb enthält als
Figur 3, demnach als Poriniat'onn bezeichnet werden muss.
Versuch 4. Von gleichzeitig wie in V. 3. gefund-'nen Kau-
pen der Generation 11 \\ urdcn am ':2'> Juni 30 Puppen in den
Eisschrank gesetzt (Temperatur 8-lU^' Ii). Als am 3 August
die Schachtel geutinct wurde, waren fast alle l)ereits ausge-
schlüpft, viele schon todt, einige noch lebend, alle ohne
Ausnahme Zwischenformen (Pon'mu), doch alle der l'roraa-
form näher stehend, als der Levanafoi-m.
Versuch 5. Eine grosse Anzahl gleichieitig gefundener
Raupen der Generation II verpuppte sich und wurde bei
holier Sommer-Temperatur aufbewahrt. Nach etwa 19 tä-
giger Pappenzeit schlüpften vom 28 Juni — 5 Juli etwa 70
Schmetterlinge aus, alle von Prorsalbrm, mit Ausnahme
von 5» welche starke gelbe Zeichnung besassen {Porkna),
Versuch 6. Die 70 Schmetterlinge des vorigen Versuches
wurden in einen 6' hohen und 8' langen Zwinger gesetzt,
in welchem sie bei warmem Wetter lebhaft . an Blumen
schwärmten. Einmal nur wurde Begattung beobachtet, und
nur ein Weibchen legte am 4 Juli Eier an Brennnesseln. Bei
der damak herrschenden, hohen Sommerwärme ergaben diese
Eier schon nach 30-31 Tagen die Schmetterlinge (3'' Genera-
tion). Alle Individuen waren Prorsa mit mehr oder weniger
Gelb, keines unter iS vollständige Porima.
Versuch 7. Am H*'" August gefundene junge Raupen der
Generation IV wurden im 'rr(n'>liaus bei 17-20" ii erzogen.
Verpuppung: '21-523 August. Davon wurden:
A. 50 Puppen fünf AVuclicn lang auf das Kis gesetzt
(Temp. 0-1" R.), dann im ungeheizten Zimmer überwintert.
Sie ergaben alle im April 1870 die Levanaform mit Aus-
nahme einer einzigen Purfma.
B. Eine etwa gleiche Anzahl der Puppen wurde ins Treib-
haus gesetzt, aber ohne Erfolg, da trotz einer Temperatur
von 12-24" K. kein einziger Schmetterling im Laufe des
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87
October und November mehr ausscbliipfte. Die Puppen wur-
den dann im ungeheizten Zimmer überwintert und ergaben
ira April und Mai lauter Lovana.
Versuc h 8. Anfang Juni 1870 gelundenti Kuupen der Gene-
ration II vcrpu])pten sidi vom 13-15 Juni, und lieferten hei
gewöhnliclier Temperatur am und 30*"" Juni 7 Schmet-
terlinge der Prorsa-form.
Versuch 9. Pupiien derselben Generation II wurden unnut-
telbar nacli der Verpuppung am 18"" Juni 1870 in den Eis-
keller gesetzt (Temp. 0-1' K), blieben dort vier Wochen
laug (bis zum 18**° Juli) und gaben dann bei gewöhnlicher
Sommertemperatur am:
±1 Juli 2 Prorsa.
23-3 .
24 ■ 0 Porima , von welchen 'i der Levana sehr ähnlich.
25 » 1 Levana, aber ohne blaue baumlmie.
20 » 2 Levana ■ »
2 > G Porima.
Summa^SO Schmetterlinge, unter welchen nur S reine Prorsa^
form.
Versuch iO. Ausgewachsene Raupen der Generation IV
am 90**" August 1870 gefunden verpuppten sich am 36^
August bis 5*" S^tember. Die Puppen wurden in 3 Theile
getheilt :
A. wurde unmittelbar nach der Verpuppung in das Treib-
haus gc])rachl (Tcnii>. 12-25" K) und blieb dort bis «um
20""" Ortober. Von etwa AG Puppen schlüpften nur 4 aus und
zwar 3 als Prorsa und \ als Porima.
Die übrigen Pupjjon überwinterten und lieferten alle im
närlit^ten Früjahr Levana.
B. wurde im Zimmer aufbewahrt, vom November an im
•geheizten bei (1-1 5" K. Kein einziges Individuum schlüptVi
noch in demselben Jahr aus. Vom >(ovember ab wurde diese
Partie Puppen mit C vereinigt.
Cb wurde unmittelbar nach der Verpuppuug einen Monat
88
lang auf das Eis gesetrt, dann abor von 28*** September bis
19**" October in das Treibhaus. Auch hier schlüpfte kein
Schmetterling mehr aus. Die Puppen uberwinterten nun mit
denen von Partie B im geheizten Zimmer (über Wasser) bei
6-15* R und licfcrtun:
am reor*
a
V
1 y lioVttuel
4 I.Avnnn
1 o Lev&ua
>
24
1 9 Levana
»
25
1 1 9 Levaoa
»
28
1 d^, 1 9 Levana
am März
1
1 ^ Levana
»
13
1 9 Lövana
•
18
1 9 Levana
»
19
1 Levana
.\pril
2
2 1 9 Levana
7
1 9 Levana
»
21
1 9 Levana
Mui
2
i 9 Levana
Summa- IS l.cvana, darunter 10 WL-ilH-lioii.
Diu gepaue Angabe dor Zeit ile» Ausscliliiptcns ist deshalb
von Intercüso, weil daraus ersichtlich wird, in wie verschie-
denem Grade die verschiedenen Individuen auf den Einfluss
höherer, als der gewohnten Temperatur reagiren. Während
bei Vielen eine Beschleunigung der Entwicklung um 1-2 Mo-
nate eintrat, schlüpften Andere erst im April und Mai aus,
d. h* zu der Zeit» in welcher sie auch im Freien erscheinen.
Versuch 11. Zucht der Generation II aus Eiern der Ge-
neration L Ausschi uj'lVn aus dem Ei am C*^Juni 1872, Ver-
puppung um den 9*** Juli. Vom 11**" Juli bis 11**" September
wurden die Puppen auf Eis gestellt (Temp. 0-1" R) , dann in
das Treibhaus gebracht, woselbst alle ausschlüpften und zwar:
Sept. 19 Sc/" Prorsa und 1 Porima
» -1\ lo l*onma (li^ und 1 ^ ; und
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89
Sept.
'1 LeviiiKi 9
22
14 Porima (12 und 2 9)
•
1 lievan.i 9
23
10 Levaiia 9
Porima </
^Ik
'i Luvana 9
2ü
i Levana 9
27
3 Levana 9
Oct.
4
1 Porima
Summa-57 Schmetterlinge, worunter 3ä und
25 9f ^ Prorsa, 32 Porima und 22 Levana. Es muss
jedoch bemerkt werden, dass unter den als « Leuana » be-
xeichneten Stücken Keines sieb befindet, welches der natur-
liehen Leoam gant entspricht, ja Keines, welches derselben
so nahe kommt, wie einige Exemplare aus Versuch 9. Alle
sind grösser, als die naturliche Leoam ujd enthalten trott
des vielen Gelb doch mehr Schwarz, als irgend eine ächte
Levana. Bei allen künstlich erzeugten Levana ist stets die
schwarze Binde auf der Wurzelhatfte der Hinterflügel noch
durch Gelb unterbrochen, was bei der ächten Lewuna sehr
selten vorkommt. Auch ist der ganze Habitus bei der künstli-
chen Leoana meist plumper, der Plügelschnitt etwas anders,
die Vorderdjügel nämlich breiter und weniger spitz (siehe die
Abbildungen 7 bis 9).
Versucli 12. Am 22 "" Sejitcmber 1872 gcfundono Raupen
dfr Generation IV wurden in zwu' Haltten getheilt:
A. wurde im Orchideenliaus bei 12-2o" R zur Verpuppung
gebracht und bliel) dann im Treibhaus bis in den December.
Trotz der liohen Tom[ioratur schlüiifte nicht ein einziger
Schmetterling walnend dieser Zeit aus, während melirere
gleichzeitig gefundene und in denselben Schachteln gezogene
Puppen von Vanessa C. album und Ata/anla Mitte October
ausschlüpften. Von Mitte December an wurden dann die
Puppen im ungeheizten Zimmer aufbewahrt und schlüpften
dann im Frühjahr 1^73 sehr spat aus, alle als Levana:
90
6 Juni 7 Levana
8 - 2 »
11 > 2 »
12 » 1 »
15 » 6 «
16 » 1 '
19 > 2 »
Siimina-'21 Levana.
B. wurde im ungeheizten Zimmer erzogen und dort den
Winter über gelassen. Vom 28"^ Mai slü scblüpfteu die Schmet-
terlinge aus, alle aU Levona»
B. Versuche mit Pieriden.
Versuch 13. Im April cingefangene Weibchen von Pieris
Hapae legten Eier an Sisymbrium AlHaria, piese lieferten
Raupen, welche sich vom 1-3**" Juni verpuppten. Die Puppen
wurden vom 3*** Juni bis Ii**" September auf Eis gestellt
(Temp. 0-1* R.), vom 11*** September bis 3*~ October in das
Treibhaus (Temp. 12-24* B.). Dort schlüpften aus:
Oct. 23 — 19
• 24 — 19
. ^il) 2 19
- 5i6 — 19
• 38 1 19
Summe-3 0^ und 5 9
Alle mit den scharf ausgeprägten Characteren
der Winterform, die Weiber alle stark gelblich auf der
Oberseite, die Männer rein weiss; auf der Unterseite starke
schwarze Bestäubung der Hintcrtliigcl , besonders in der Mit-
telzelle. F.ine Puppe schlüpfte nicht mehr im Treibhans aus,
sondern ül)erwinterte und gab im geheizten Zimmer am
20''" Januar 1873 ein Weibchen, ebenfalls von der Winterform.
Versuch 14. Am 27 und 28'''".\prii 1872 eiuge£ingene
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»1
AVeiljchen von Pieris Napi le^'ten Eier an Sisi/z/ibrium Al-
fiaria. Die aus ihnen erzogenen Kausen verpuppten sich vom
28*"" Mai bis 7'"' Juni. Die Puppen wurden kurz nach der
Verpuppung auf Eis gestellt, wo sie bis zum 11"" September
(3 Monate) blieben. Am 3'" October ins Treibhaus versetzt
lieferten sie dort bis zum 20""" October üO Schmetter-
linge, alle mit scharf ausgeprägten Characteren
der Winter form. Die übrigen Puppen überwinterten im
Zimmer und lieferten:
April 38
3 <r
und
6
9
Mai
4
•
1
9
»
iS
4 <r
•
15
»
1
9
a
i6
•
»
18
1
1
9
B
11)
1
9
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9
»
2
•
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i ^
•
21)
1
9
Juni
3
3
9
»
0
1
9
■
U
•
1
9
»
21
•
1
9
Juli
2
s
1
9
15 und 19 9
Versuch 15. Melirere der im Mai 1873 ausgeschlüpften
S<hnietterlingc des Versuchs \h wurden in einen geräumigen
Zwinger gebracht, licgatteten sich dort vnd legten Eier an
Kops. Die Kaupen wuidisen an den lobenden Pflanzen im
Zwing(!r heran, verpuppten sich dann in Schachteln und
wurden in 2 Theile getheilt:
A. Mehrere Puppen bei gewöhnlicher Sommertemperatur
aufbewahrt gaben am 2**" Juli Schmetterlinge mit den ausge-
prägten Characteren der Sommerform.
9S
B. Diu andern ['mipun wurden unmittelbar nach der Ver-
puppung auf Eis gestellt und blieben über Munate im
Kislveller vom 1'"" Juli bi^ 10"" Ortol)er). Leider verdarben
die meisten davon durcli Einilringen von Näs.si! in die Schaclittd.
Nur 8 lebten noch und von diesen schlüpften 3 noch um
^0""" October aus und zwar als "Winter form, die an-
dern überwinterten im ungeheizten Zimmer und schlüpften
erst Anfang Juni 1874 aus. Alle ^ waren Weibchen
und alle sei.!:rton die Charactere der Winter-
form, aber trota einer Puppendauer von 11 Mo-
naten besassen sie dieselben doch nicht in
höherem Grade, als gewöhnlich, näherten sich
also der Stammform Bryoniae nicht.
Versuch 16. Auf einer Alpe in der Gegend von Oberstorf
(AUg&uer Alpen) wurden am 13^ Juni 1871 Schmetterlinge
von Pieris Napivar, Bryoniae eingefangen und in den Zwinger
gebracht. Sie flogen dort munter an den Blumen umher „
Begattung fand swar nicht statt, aber mehrere der "Weibchen
legten Eier an gewöhnlichen Gartenkohl ab. Aus diesen kamen
Baupen, welche in allen Altersstadien völlig
denen der gewöhnlichen Form von Auyw gleich
waren. Sie gediehen vortrefflich bis kurz vor der Yerpup-
pung eine Pilzepidemie sie decimirte, so dass von 300 Raupen
nur etwa 40 lebende Puppen erhalten \\urden. Auch diese
glichen vollständig der gewöhnlichen Form von Napi , zeigten
denselben Poh murphismus, indem sie thcils schön grün, theils
strohgelb (die meisten), theils auch gelbgrau waren. In dem-
selben Sommer schlüpfte nur ein einziger Schmetterling aus.
ein Männchen, welches sicli durcli die schwarze Bestäubung
der Flügeladern an den Flügelrändern (Oberseite) mit Sicher-
heit als var. Unjoniac zu erkennen gab. Die übrigen Puppen
überwinterten im geheizten Zimmer, und rLaben von Ende
Januar bis Anfang Juni Ii Männer und 5 Weiber, alle mit
ausgeprägtem Character der var. Bryoniae Es schlü-
pften aus:
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93
2S Januar
i
36 •
1
3 Februar
1
4 >
1
5 »
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7 .
—
V?
9 >
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4 Marz
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1
1
0 Aj)ril
1
V
17
1
1 1 Mai
\
3 Juni
1
Summe-10 5 9
Wie man sieht, ist auch hier die Neigung durch Einwir-
kung von Wärme die Entwicklung zu beschleunigen bei
deu Individuen sehr verschieden. Von den 16 Schmetter-
lingen hat nur einer nahezu die normale Entwicklungszeit
beibehalten, vom 27**^ Juli bis 3 Juni, also volle 10 Mo-
nate; alle Andern kürzten sie ab; ein Mann auf Ii Tage (!),
8 Individuen auf 6 Monate, 4 auf 7 Monate, d auf 8 Monate,
1 auf 9 Monate.
ERkUßUNG DER ABBILDUNGEN.
Tafel I.
f^. 1. Mann von Vanessa Levana, Winterform.
2. Weib von V. Levana, Winterfbrm.
3. Mann von V. Levana, kunstlich erzeugte Zwiscben-
form (sog. Porima).
f^. 4. Weib von V. Levana, aus der Sommergeneration
künstlich erteugte Zwisehenform (Porima), von der Winter-
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94
form nur durch die etwas dunklere Grundfarbe zu unter-
scheiden , in der Zeichnung aber vollständig mit ihr überein-
stimmend.
Fiij. 5. Mann von V. Levana , Sunimerlbrni f Prorsa).
Fig. G. "Weib von V. Levaiia , Suiiunerlbi ni (Tixirsa).
Fig. 7-9, aus der ersten Sommer-Genuralion künstlich er-
zeugte Zwisclienl'ornien (Poriina).
Fig. 10 u. 11. Mann und Weib von Fiei is Sapi Winter-
Ibrm. künstlich aus der Sonimergeiieration erzeugt; die gel])e
Grundfarbe der l'ntersoite der HinterÜügel lebhafter, als bei
der natürlichen Winterforni.
Fig. 12 u. 13. Mann und Weib von Pieris Naj)i, Sommer-
form.
Fig» 14 u. 15. Pieris Napi var. ßryomaes Mann und Weib,
aus Eiern gesogen.
Tafel H.
Fig, 16. PapiUa Ajax, var. Telamonides, Winterform.
Fig* 17. Pap, Ajaxp var. MareeUut, Sommerform.
Fig. 18. Lycaena Agesiü, 0. deutsche Winterform.
Fig. 19. L, Agestii, deutsche Sommerform.
Fig. 20. L Agestis, italienische Sommerform. (Haupt- Un-
terschied zwischen Fig. 19 u. 30 liegt auf der Unterseite,
welche nicht mit dargestellt werden konnte).
Fig. 21. Polyommatus Pklaeas Winterform aus Sardinien,
' der deutschen Winter- und Sommergeneration vollkommen
gleich.
Fig. 22. Polgommatus Phlaea$, Sommerform aus Genua.
Fig. 23. Pararga Egeria L aus Freiburg, i Br.
Fig. 24. Pararga Meüme südliche Klimaform von Egeria,
aus Sardinien.
separat-Abdnick aus den Atmatt 4el JtUMo Cieieo M Storia IfctturtUs lU
Genocay Bd. vi. lt<74.
Nachträgliche Bemerkung.
Alle Abbildnngeii sind direel nach der Natnr entworfen. Leider
konnten sie nicht unter den Angen des Verfossere ansgefbhrt
werden nnd so kam es, dass trots der meisterhaften Wiedergabe
TOn Farbe and Zeichnung im Ganzen, doch bei einigen Figuren
^;era(Ie die feinen Unterschiede zwischen den beiderlei Gonerutionen,
niif die CS hier besonders ankam, nicht so scharf auBgedrllckt
sind, als dies in der Natur der Fall ist. So namentlich bei Pieris
Napi Fig. 10. 13 , dessen Sonimcrform 12 und 13, eine zu starke
schwarzgrüne Bestäubung der Unterseite, sowie auch der Flügel-
wnrzeln auf der Oberseite erhalten bat. Auch die Sommerform
von Polyommatus Phlaeas (Fig. 22 ist meistens noch düsterer,
als sie hier dargestellt wurde, wie ich denn im Allgemeinen
sagen kann, dass alle Bflder der beiden Tafeln die betreifenden
Untenchiede der Generationen eher zn schwach , als zn stark
angeben. Es versteht sich, dass darin nicht der geringste Tadel
für den darstellenden Kttnstler liegen kann. Im Gegentheil
spreche ich Herrn Ramann hier ansdraeklich meinen Dank ans
ftlr die ▼ortreffHehe Ansftihmng dieser Bilder, welche als Leistung
des Farbendruckes neben denen des Ra mann 'sehen Werkes über
die Schmetterlinge Europa & wühl unerreicht dastehen.
Google
I
I
I
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STUDIEN
ZUR
DESCENDENZ-TIIEORIE.
IL •
UEBER DIE
LETZTEN URSACHEN
DER
TRANSMUTATIONEN
VON
D" AUGUST WEISMANN,
?KuF£äSUB IN FKLLBIKU i. Bs.
MIT FÜNF FARBENDRUGKTAFELN.
LEIPZIG,
V£HLAO VOK WILHELM EliQELMAJSM.
1876.
S
Das UeberaetzuDgsrecbt vurbehalten.
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UEBER DI£
LETZT£N UKSACUEN
DER
TRANSMUTATIONEN.
T
m EKTSTEHCNG DER Z£lCHm'G B£l DEN SCUMETimLNGS-KAUPEN.
n.
UEBER DES FHVLETISCHLN rAMLLELlSMÜS BEI METAMORPHiSCHLN ARTEN.
m.
DEBERMEiniWAlDLiniGDESlIEnKAin^^
IV.
HEBER m MECHAH18GHB AUFFiSSÜKfl DER XATOR.
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VOUWOllT,
In dem im vorigen lahre erschienenen ersten Hefte der
»Studien « hatte ich nachzuweisen versucht, dass allein schon
durch Süssere Einflüsse, wenn sie viele Generationen hin-
durch in gleicher Weise auf eine Art einwirken, mehr oder
weniger bedeuteiidc Umwandlungen der Form entstelieu kön-
nen. Die in voriiegeodem Uefle raitgetheillea Arbeiten wur-
den unternommen, um Klarheit darüber zu erlangen, ob die
von Darwin angestellten Principien der Umwandlung: Va-
riabilität, Vererbung, Kampf um*6 Dasein und Cor-
- relation zum Verstttndniss der thatsttcblich beobachteten
L'rawandlungserscheinungen ausreichen, ob wirklich die ge-
sammte organische Welt nur als das Resultat des Auleinander-
wirkens von Organismus und Aussenwelt gelten darf, oder
ob wir damit nicht ausreichen, vielmehr genöthigt sind, eine
unbekannte, treibende Bntwicklungskraft in den
Organismen anzunehmen , wie eine solche von verschiednen
Forschem unter verschiednero Namen in die Wissenschaft
t inziiruliien versucht worden ist, so von Nägel i als »Ver-
voll kom m n u ngsp ri n ci p «, von Külliker als »Schö-
pfungsgeselz«, von Askenasy als »bestimmt gerich-
tete Variation«, von den Philosophen von fiartmann,
und Huber als »jorganisches Bntwicklungsgesets«
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VUI Vorwort.
oder auch als »Universalprincip der organischen
Natur«, ein metaphysisches Princip, welches manwohl nicht
unpastieud als »pli ylclischü LehL'nskrafl« be/eichnon
und so der nur für das Gebiet der individuellen Enfwicklung
eiogelulirten ontogcnelischen) Lcbcuskraft der allen
»naUirpbilo^opbischen« Schule gegenüberstellen darf.
Von allen Fragen, die sich an die Descendenztheorie
knüpfen, schien mir diese von jeher die wichtigste, weil sie
am tiefsten in unsere allgemeinen Vorstellungen nicht nur von
der organischen Weit, sondern von der Well überhaupt ein-
greift. Sie lallt zusannnen mit der Frage: sind die Natur-
Vorglinge rein mechanische Wirkungen der NaturkrSine, ist
die Erscheinungswelt ein reiner Mechanismus, oder greift in
sie planmassig ordnend ein zweckthtttiges Princip ein?
Ich darf wohl sagen, dass ich ohne vorgefasste Meinung
an die Untersuchung ging, nicht mit der Absicht , eine bereits
festslehende Ueberzcugung zu vcrtheidigen und mit allen Mit-
teln als richtig zu be^veisen, sondern bereit das anzunehmen,
was ich als Wahrheit linden wfhde.
Allerdings habe ich mich schon zu einer Zeit gegen eine
solche unbekannte Entwicklungskraft ausgesprochen''^], als
diese Untersuchungen noch in ihrem Anfange standen, da-
mals aber noch nicht auf Grund specieller, auf diesen Punkt
gerichteter inducliver Untersuchungen, sondern gestützt
auf allgemeine d ed u c t i v e Krwiigungen, die nur die Existenz
einer solchen Kraft unwahrscheinlich und ihre Annahme un-
berechtigt erscheinen Hessen. Die volle Ueberzeugung von
der Richtigkeit einer Ansicht kann aber auf dem Gebiete der
Naturforschung niemals durch blosse Deduction gewonnen
werden, vielmehr muss die Induclion stets hinzukommen.
*} In der kleinen Gclegenheils-Schrifl „Ueber die Berechli^ng
der Darwin 'sdien Tbcorio. L«ipxig 4 868. **
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Vorwort. JX
Wenn ich daher heute an den fHlher geäusserten Ansichten
fe>lhallc, so gescliiclit es wahrlich nicht, um consecjuenl zu
bleiben, sondern lediglich, weil die Leberzeuguug von ihrer
Richtigkeit sich mir um so fester gestaltete, je tiefer ich in
der Untersuchung vordrang. Gar oft stellten sich Zweifel ein
und das bereits Gewonnene erschien wieder schwankend und
unsicher. Ganz besonders bei den Untersuchungen des ersten
Abschnittes schien es mir eine Zeitlang, ats ob man ohne Her-
bei/Jehung einer zvvecklliiitigen Krall nicht auskommen könne;
aber bei forlgesetzter Beobachtung zeigte sich dann doch im-
mer eine einfache Losung, und schliesslich wiesen alle Einzel-
Untersuchungen unabhiingig voneinander auf dieselbe Grund-
anschauung, zu welcher frtther schon allgemeine Erwttgungen
geführt hatten : auf die rein mechanische Auffassung
der Naturvorgünge.
Von den vier Abhandlungen, welche in diesem Hefte
vorliegen, enthalten die drei ersten specielle naturwissen-
schafUiche Untersuchungen und streben von verschiedenen
Seiten her, die angedeutete Frage auf inductivem einer
Losung ntther zu iUhren.
Die erste handelt »von der Entstehung der Rau-
p e n z e i c h n u n g.o Sic sollte gew issermassen eine Probe auf
die Richtigkeit der durch Darwin eingeführten Vorstellungen
aber die Umwandlung der Organismen sein, indem in ihr der
Versuch gemacht wurde, die der Beobachtung heute vor-
liegenden Formdifferenzen auf einem bestimmten, wenn auch
kleinen Formengebiete lediglich aus den bekannten Um-
wandlungsfaktoren abzuleiten.
Dass hierfür grade die »Zeichnung« der Schmetteriings-
Raupen gewählt wurde, hat einen doppellen Grund.
Die Thtttigkeit der NaturzUchtung kann sich ilirem Wesen
nach nur auf solche Charaktere beziehen, welche bM)k)gisch
bedeutsam sind. Sollte nun geprüft werden, ob ausser Na-
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X Vorwort.
Uirzllchtitng und der direkten Einwirkung äusserer Einflüsse
sowie der correlativen Folgen beider noch ein andres, unbe-
kanntes Moment der Umwandlung in den Organismen ver-
borpon lioijt , so war es geboten, ein I oi iiieiiijt'bicl tnr die
Liitersucliung zu wählen, welches wenigstens den einen
dieser beiden bekannten Umwandlungsfaktoren, die Natur-
zttchtung, wenn nicht grade auszuschliessen, so doch mög-
lichst einzuengen schien, ein Fonnengebiet, welches wesent-
lich aus sogenannten »rein morphologischen« Charakteren be-
steht, nicht aus solchen, deren Nut/.lichkoil auf der Hand liegt,
(h'ren Riilslcliiin!4 diMcli Nalur/ucliluni; daniit von vornherein
möglich und wahrscheinlich it»t. Nun ist zwar wohl die Fär-
bung, nicht aber die davon ganz unabhängige »Zeichnung«
der Raupen als worthvoll für das Leben ihres Trägers ange-
sehen worden, ausgenommen etwa diese oder jene ganz ver-
einzelte Zeichnungsform . die im Sinne von »NachtlfTung« ge-
deutet wurde. Im Allf;i'iiieiiu»n rnusslen die Zeichnungs-
charaklere der Uaupen als »rein uiorphulogische« ange-
sehen werden, <l. h. als solche, denen wir keine Bedeutung
für das Leben des Thiers zuzuschreiben wusslen, die somit
auch nicht auf Naturzdchtung bezogen werden konnten. Sie
waren wohl am ersten als Zierde oder Schmuck zu deuten,
spotteten aber damit zugleich einer jeden Herleitung nicht
nur aus Natui /.iichlung, sondern ebenso sehr auch aus direkt
abändernden üinüusseo der Aussenwelt.
Sie boten aber noch einen Yortheil , den man nicht ge-
ring anschlagen darf: sie schlössen von vornherein
jeden Versuch einer Erklärung durch geschlecht-
liche Zuchtwahl aus. Sosehr ich überzeugt bin, dass
au( Ii dieser xVuswahlprocess thalscichlich wirkt und von grosser
Beiieulunj^ ist , so unla.-s.^har un<l unbeiechenhar ist er in .sci-
nen Wirkungen , w enn es öich um einen beslimmleu Fall han-
delt, und die EoUtehung eines Fonnenkreises wftrde sich
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Vonrart. XI
niemal> klar auf ihre einzeliu'n Kaktorori zuruckrwhreri lassen,
wenn diexM l aklor mit in lid rächt käme. So können wir
wohl im Allgeffleinen vertuulhen, (iass viele Zage der
ScbmelterKogszeichnuBg der sexuelleo Zuchtwahl ihren ür-
spmng verdankeo, wie viele aber und welche, darüber
sind wir fttr jetzl wenigstens noch ganz im Unklaren.
Auf diesem Gebiet, wie auf dcMii sehr analojjen der Vögel-
zeichnunii und Farhunjj; w urtle eine derartiij;e l iiler>u< luin^;
wie sie hier beabäichligl \Nar, sclion desliaib unausfuhrliar
gewesen sein , weil man stet^ im Zweifel geblieben wäre, ob
nicht ein Charakter, der aus keinem der übrigen Abftnderungs-
Faktoren ableitbar schien , auf geschlechtliche Zuchtwahl be-
zogen werden mttsse. Man hatte eine unbekannte Entwick-
lungskraft weder a u sscliliessen, noch e rscliliessen können,
weil man es im Grunde mit zwei Unbekannlen zu lliun ge-
habt hätte, die man auf keine VVei^e hatte auseinander
halten können.
Diesem Dilemma entgeht man bei der Zeichnung der
Raupen, da diese als solche sich nicht fortpflanzen können.
Wenn hier die Erscheinungen nicht vollstttodig aus Natur-
zuclilung und direkler Ahiinderung durcli di(^ Aussenw(!lt ab-
zuleiten sind , wenn ein u ncr klin ter Rest bleibt, so
kann er nicht auf sexuelle Zuchtwahl, sondern nuiss auf
eine noch unbekannte Kraft bezogen werden.
Aber nicht nur in dieser Hinsicht bieten die Raupen ei^
heblicbe Vortheile*
Wenn versucht werden soll, aus den Einwirkungen der
Aussenwelt die Umwandlungen der Form al)zuleil(Mi, so ist
vor Allem eine geuauc Kcnntniss dieser Aussenwelt notliig,
d.h. der Lebonsverhaltnissc, unter deren Eintluss die
belre0eiiden Arten stehen. Nun ist allerdings auf dem («ebiete
der Raupen unsere Kenntniss der Lebensverhaltnisse keines-
wegs so vollstilndig, als man denken sollte, wenn man weiss,
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XU Vorwort.
dass Hunderte von Lepidoptcroiogea sich seit geraumer Zeit
fortwährend mit ihrer Züchtung und Beobachtung befassen.
Vieles luag beobachtet sein, aber man hielt es nicht der Ver-
OlTeDtlichung werth, vieles ist auch verüffeollichl, aber so
vereinzelt und zerstreut , und zugleich von so ungleicher Zu-
verlttssigkeit, dass ein Leben dazu gehörte, es zu sichten
und zu sammeln. Eine zusanuuenfassende, auf allgemeine
Gesichtspunkte gegründete Biologie der Raupen fehlt
noch vollsttiudig , so sehr interessant und werthvoll eine solche
Arbeit auch sein müsste, Nichlsdesloweniyer wissen wir
ioiwerhiu Uber das Leben der Raupen bedeutend mehr , als
(Iber dasjenige irgend welcher anderer Larven, und da wir
zugleich eine sehr grosse Anzahl von Arten kennen
und deren Leben und Entwicklungserscbeinungen miteinander
vergleichen können , so musste das Gebiet der Raupenzeich-
nung auch von dieser Seite her für die gestellte Aufgabe als
das relativ günstigste erscheinen.
Dazu kouimt dann noch als letzter, aber nicht geringster
Vorzug der Umstand, dass uns hier in der Entwick-
lung desIndividuums einStttckder Artgeschichte
erhalten ist, dass wir somit ein Mittel in der Hand haben,
den Gang zu verfolgen, den die auf ihre Lisaclien /.urUckzu-
fuhrenden Charaktere — die Zeichnungsformen — im Laufe
der Jahrtausende (luichgeniacht haben.
War ich schon bei der Frage nach den genaueren Lebens-
bedingungen der Raupen hHußg auf eigne Beobachtung ange-
wiesen , so fand ich in Hinsicht dieses letzten Punktes so gut
wie gar keine Vorarbeiten vor. Es war wohl im Allgemei-
nen bekannt, dass viele Raupen in der Jiii^cnd anders gefiübt
und £,'ezeicluu't sind, als im Alter, bei einii^en sehr auffallen-
den Füllen sind auch kurze Notizen darüber in den Werken*)
*) Eine sehr eingebende und genaue Beschreibung der ganz ^
jungen Raupe von G hionobas Aello bat der amerikanische Ento-
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Vorwort. XIII
besonders der ttlteren Schriftsteller zu finden , vor Allem bei
dem vortrefflichen Naturbeobachter Hösel von Rosenhof,
dem Nürnberger Forscher und Miniaturmaler ; allein in kei-
nem einzigen Falle reichten die voi liandnen Ant;aben aus,
wenn es sieh um SehlUsse aut die phs Irlix-lif Kntvvicklung
bandelte. Man sieht hier wieder recht deuUicb, wie zweifel-
haft der Werth solcher Beobachtungen ist, welche so zu sagen
aufs Gradewohl, d. h. ohne leitende Gesichtspunkte angestellt
wurden. Vieles daran kann gut und richtig sein, aber es
fehlt oft grade das , worauf es bei der wissenschaftlichen Ver-
werlhung vor Aileni ankam. So imisste Alles neu fesl^e.stelll
werden, und aus diesem Grunde hui sich denn auch die Un-
tersuchung Uber eine ziemliche Reibe von Jahren fortgespon-
nen, aus diesem Grunde auch musste grade dieser Theil der
Untersuchung auf eine möglichst kleine, leicht zu Überblickende
und formal scharf begrenzte Grupj)e beschränkt werden, die
Familie der Schwiirmer oder Sphingiden.
Aucli die zweite Abhandlung hüll sich aus lihnlichen
Gründen, welche spater im Naheren dargelegt werden .sollen,
im Wesentlichen an denselben Stoff, die Schmetterlinge.
Sie versucht, dem allgemeinen Problem — existirt eine in-
nere Umwandlungskraft oder nicht — von einer ganz andern,
man kann sagen der entgegengesetzten Seite betznkommen.
Sie analysii l die F o r m v e r w a n d t s c h a f t e n der Schmetter-
linge in ihren beiden Hauptentwicklungsstadien, dem -Falter
und der Raupe, und sucht durch Prüfung der gegenseitigen
Formbeziehungen auf die Natur der Ursachen derselben zu-
rttckzuschliessen.
Ich muss sagen, dass mir die hier aufgefundenen That-
sachen verschiedener morphologischer bei gleicher
genealogischer Verwandlscbafl von enlscheideader Be-
mologe Samuel H. Scudder gegeben. Bzlrait des Annales de
hl See. ent. Belgique. Tome XVI. 1873.
XIV Vwwoit.
(leuUiDg zu sein Schemen. Das Zusammenstimmeii der daravs
sich eichenden Folgerungen mit den fiesnitalen der ersten
Untersuchung hat wenigstens in mir selbst auch den leuten
Zweifel an der Bichttfsifceit dieser fi(»tzleren beseitigt.
Die drille und kleinste AMiaudlmii^ über die I nnvand-
lung des Axololl in ein A m bl y s tont a , erseheinl hier
nicht zum ersten Maie. Sie wurde ben ils vorigen Herbst in
der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie'*) abgedruckt.
Wenn ich sie jetzt diesen »Studien« einverleibe , so hat dies
seinen vernehmlichsten Grund in dem innem Zusammenhang,
der zwischen dieser und den beiden ersten Untersuchungen
besteht. Alle drei G;ehen darauf aus, Klarheil iil>er (be Frage
Zugewinnen, ob die Knlvvicklung der orijauischen Welt aul
rein mechanischen Principien beruht, oder ob neiien ihoen
noch eine innere, zweckthatige Kraft angenommen werden
muss. Die beiden ersten suchten diese Frage auf einem an
und fbr sich gleichgültigem, frei gewählten Gebiete zu lüsen,
diese drille dagegen stellte sich di(» Aufgabe, den einzigen
Fall einer l h a I s a c h 1 i e h b e o b a c h t e l e n p I ö l /. Ii e h e n
A r l u m w a n d 1 u n g in Bezug auf die tlieoi*elische Auslegung
kritisch zu prüfen, die ihm bisher allein zu Theil geworden
war. Der Aufsatz ist im Wesentlichen unverändert geblieben,
einige ZusStze sachlichen Inhalts abgerechnet, von denen ich
besonders die am Ende dos ganzen Aufsatzes mitgetbeilten
anatoiiiischcn Daten iiervorhebe, welche, wenn ich nichl ii ie,
eine wesentliche neue Slülze meiner Ansicht bilden. .Auch
die »Nachschriftu am Schlüsse wurde beibehalten, weil
die Art, wie ich zu den in ihr niedergelegten Anschauungen
gelangte, durch ein Verarbeiten mit dem übrigen Text weni-
ger klar hervorgetreten wHro, und weil mir grade der Weg
zu diesen Ansichten nicht ohne allen Einfluss auf das Gewicht
*} Band XXV. Suppi. S. ^99.
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Vorwort. XV
ZU sein schien, welches man geneigt sein niOcIite, denselben
beizulegen.
Den bi\s|)i(H'luMi(>n drei Abhandlungen roihl sich als
Abschluss des (iauzen eine v i er t e an » ü c b er d i e ni e e Ii a -
nische Auffassung der Natur.« Indem sie die Endresul-
tate der vorhcrgesühickten Einzelforschungen zusammcnfasst,
sncht sie zugleich, dieselben dnrch allgemeine Erwägungen
noch weiter zu stutzen und sie schliesslich zn einer philoso-
phischen Nalur- und WelUuitrassuiii^ /u i^eslallen. .Maiiclie
müchlen wohl der Ansicht sein, icl» halte das Letztere Den-
jenigen Uberlassen k<innen, deren Aufgabe es ist, den jedes-
maligen Stand unserer Erkennlniss von den Naturvoi^llngen
zu allgemeinen Vorstellungen zu gestalten: den Philoso-
phen. Zwei Wahrnehmungen aber bestimmen mich, meine
eigne Ansicht in dieser Hinsicht auszusprechen. Die eine be-
sieht <laiin. (lass auch untei- ilenjeni^en Philosophen, welche
wieLduard von llarlniana, den W illen haben , sieh aul deu
neugewonnenen Hoden naturwissenschaftlicher Krkenntniss zu
stellen, die Thatsachen httuiig missverstanden oder wenig-
stens nicht in ihrem wahren Werthe taxirt werden ; die zweite
darin, dass selbst einzelne Naturforscher, wie Carl Ernst
von Haei", jedenfalls aber sehr viele Nicht-Naturforacher sich
raisslrauisch von der \ orNNarls>lr«'bentlen Kor>( luMi^ abwen-
den, weil sie fürchten, dieselbe mUsse unau.sbleiblich einer
Weltanschauung zutreiben, welche ihnen a priori für iman-
nehmbar gilt. Den Ersteron gegenüber wollte ich zeigen,
dass die von Darwin inaugurirten, auch hier vertretenen
Anschauongen von der Entwicklung der organischen Natur
cilli rdini:^ nu'l Rerht rn ec Ii a u i sc he iienannt werden müssen;
geü;enuber den /weilen, dass eine solche mechanische Auf-
fassung der oi L-anischeu Well und damit der Natur überhaupt
keineswegs blos zu einer einzigen philosophischen Natur-
auffassnng hinzufuhren braucht, dem Materialismus, dass
XVI Vorwort.
sie sich vtelnoebr weil folgericht^r in gaoz andrer Weise
weiter entwickeln Ittsst.
So findet sich in diesom zweiten Hefle sclicmbar sehr
Heterogenes dicht nebeneinander: naturwissenseliallliches
Detail and allgemeine, philosophische Gedanken. In Wahrheit
httngen aber beide sebr genao zosammen und das Eine Icann
des Anderen nicht entbehren. Wie die Einzelantersochangen
der drei Abhandlungen ihre höchste Verwerthung erst in den
allgemeinen Erwägungen der letzten finden and gleichsam
nur in dem steten Hinblick auf dieses Ziel ilberhaupt möglich
waren, so konnten die allgemeinen Schlü.sse erst aus voraus-
geschickten Resultaten specieller Korscliung als aus einem
sichern Boden hervorwachsen. Wttre das hier neubeige-
brachte Material an Thatsachen schon bekannt gewesen, so
hatte allerdinfj;s dem Leser der beschwerliche Weg durch das
Dickicht nalurwissensehafllicher Speciallbrsehung erspart wer-
den können. Sowie die Dinge aber einmal lagen, war es
unumgUnglich nothwendig, das Thatsachliche bis in die un-
scheinbarsten Einzelheiten hinab festzustellen und darzulegen,
und besonders die erste Abhandlung musste naturgemSss mit
dem Zusammentragen und Sichten eines ausgedehnten mor-
phologischen Materials beginnen.
Grade bei dieser und aurh der zweiten Abhandlung halle
ich mich vielfach der LnleisKil/ung ausgezeielmeler Faehge-
nossen zu erfreuen, so vor Allem des Herrn Dr. Ol to Slau-
d Inger in Dresden, auf dessen ungemein reiche Schmetter-
lingsammlung ich mich mehrfach beziehen werde, dann der
Herren: Pkx>fessor Gerstflcker in Berlin, Wolfens-
berger in Zürich, Riggenbach-StUheli n in Basel und
William Ed \v a r d s in ( 1 o a 1 b u i' g h , West-Virginia ; ich
Stalle ihnen hiermit hei /lic hen Dank ab.
FaKiraaei. Ba., Juli 1876.
Der Verfasser.
Digitizea L7 GoOglc
Inhalts - Verzeichniss.
Vorwort V
I.
Die Sntstehniig der Zeiehrnng bei den Selimetterliiigs-
Ranpem.
Binlaitnng 1
OntogaiMMiiiidllorpliologladarSphinsidm^oio^ . . lo
I. Die Gattung Chaerooamp» 10
1) Chaerocaropa Elpenor 10
1) „ Poreeliu« 14
3) Reaitltite im OntogvneM diewr boidan Arten und Vergldeb mit
den ährigen bekannten ChaerooMspft-Arten 17
II. Die Gattung Deilephila 23
Ij Deilephila Euphorbiae 24
]) « NteMft 28
3) , DtUS 28
4) . Vespertilio 29
5} , Oalii 80
6) n UfoniiM 39
') n Zygophylfi 34
8) „ Tllppophaes 35
Zutammenfasaung der Thatsachen über dieOattung Deile-
phiU und Bohlflaae darana 39
m. Die Oattung Satrinthnt 45
1) SnMiBthuR Tiliae 45
2) „ Populi 47
3) , OcellaU 49
Raavltat« der Bntwiekinngigeachlchte der drei Smerin-
thus-Arten 50
IV. Die Gattung Macrogluaaa 52
l; Macr. SteUatarum 52
2) Vei|^eidiimt endem Arten . 56-
XVIU
lahalta-VerseicbnUs.
V. Die Gattung merugon B S7
1} Pterogon Oenotherae 57
2) Yerglmdi mit «ndern ArtMi 59
VI. Die Gattung 9pbinz M
1^ Sphinx Litrustri 60
2, Vergleich uiii andern Arten 61
VII. Die Oftttung Aneeryx 63
1) .\nc. Pinastri 6t
2) Vergleich mit andera Arten 64
Schlüsse auf die Phylogenese 65
1 J Die OntogfncHf ih'r Raupen ist eine zwnr ^tarkgekttntSt sber wenig
gefälkchte Wieilerhulung der Phylogenese 66
2) Drei foimsle EntwicMungagesetie 68
3) Da« Zurück rücken neuer Charaktm in immer jfli^ere Leben*»
Rtaiücii i'<t Knlm- innerer I^iMunfjx^i setze 70
4; Machweis dal'ur, dans neue Charaktere stet« am Ende der Entwick'-
lung entatehen . Die rothen Flecke tov 8mer. Tiliae 73
Biologischer Werth der Zeichnung 75
Schutzvorrichtung bei Kaupen sehr verbreitet 76
Biologischer Werth der Ftrbung 77
Pholymurphe. Mympathiache Färbung bei Ch. FJpenor, Pcwosllus, Pt Oeno-
thcrae, 1). Vfsportilio, Galii, I.ivorni««, Hippophae« . 79
Gewohnheit des Sich Versteckens da« Primäre ; ihre Ursachen 80
Polymorphinntnbenihthier niohtauf gleichzeitiger, aondemaiaf sueocmiTfr
doppelter Anpassung; Verdrängung der alten Anpasraag durch eine
neue; Nacliwein nn D. Hippophaea, Oalii, VespertiUo, If. SteUatamm
Ch. Elpenur, .Sph. Cunvolvuli 81
Biologischer Werth der Zeichnung (sensu strietiori) 85.
Vier Hftuptfonnen derselben bei den Sphingiden 86
1) Hangel der Zeichnung bei im Dunkeln lebenden und bei
kleinen Raupen 86
2] Längsstreifung bei Oranraupen 87
3) Scbrigitreifnng. Farbige Siume sind die Sdilsgachntten der
BlsUrippen 80
4; Auffen- und Ringflecke 86
Dehnition 86
n) Augenfleeke 97
Können ursprünglich krfn Widrigkeitaseiehen lein .... 98
Sie sind Schri'ckntittel ....**..., 99
VerMUche mit Vögeln l lOO
Möglichkeit eines spiteren Funetionaweehieb der Augenfleeke 101
b) Kingflecke ► 102
Sind sie \V idrigkeitszeiihen? Gibt es überhaupt Rau-
pen , die verschm&ht werden und zugleich bunte Färbung
beaitsent 103
V er au che mit Kidechsen und vertchiedoen Baupen, auch
D. Oalii undEuphorbise 103
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Inhalt! -VeneichiUM.
ja.
8ftU
BeiD. Giilii, Kuphorliiao, Dtihlii, Muurutanica und die Ring-
fleck« wabncheitilich Widrigk.eiU£eicht;a 105
B« D. Nieaea sind ne vielleicht logleieli Scfaradunittal . . 107
Der pvimire Ringfleck bei D. Hi|ipui)haeK i«t ein Sehntsnitlel
und beruht nuf Xacluihiniii\<; cint-s rHanzentheils .... 108
5) Untergeordnete ZeichnuQgs-Charaktere Iii)
AieielnBf 110
% IKe Rackenpunkte TonCh.Blpenor und Poreellue III
Die SritMipunkte Ton S p h i n x ( ' << ti v o 1 v u 1 i III
Entstehung untf»rgeordii eter l'h a k t o r »• durch Ver-
miscbung ererbter, aber bedeutungslos gewordaer Charaktere
vntereinander nnd mit neuentfltandraen 113
Xinwfirfe su Ounsten einer phyletieobeii Lebraiknit . . . . ] I3
UnabhiDgi>f Ktiutehung der lUngflcck-Reiben bei den Arten der Gattung
Deilephila 113
Möglicher Stammbaunn dieser Galtung 117
Unabhtngige Bntatehung der rothen Flecke bei mehreren Smeiinthus-
Arten 118
Functionsweclistl der Zeichnungselemente 122
Farbenwechsel im Laufe der Outugenese 123
FliyletiMlieZiitwiokliingderSphingiden-Zeidmtmg ; Zussm-
menllMraiig; Sohlnie 125
Uie iltcaten Sphingiden waren ohne Zeichnung IM
Län ^sHtrei fang die iUeeteZeichnungeform 125
Schragstrci fung 126
Fleekenieichnung 120
Dai eiste und «weite Zeiehnnngielement lehUeaeen sieb aui, nickt aber daa
erste und dritte, oder das zweite und dritte 129
Resultate in Bezug auf die Entstehung der Zeichnung, Bild von der F<nt-
»Uhung und allmaligen CoinpUcation derselben 131
Allgemeine« Besultat: Zurflekw^ng der phyletiichen Lebenakraft auf
Gebiete 137
Ii.
lieber den phyletischen Parallelismus bei metamorphisclieii
Arten.
Einleitung 141
I. Banpe nadBelunetterliiig yerladern flumiBauiuiabliftngig
voiMliiaDdMr 148
Dinorphismu» Mos einen Stadiums 140
SelbstÄndijreVariabil i täl der Stadien, helero( lironischeVariabilltSt) 140
Constanz und Variabilität sind nicht inhärente Eigenschaften ge-
vieaer Zeichnungifonnen 153
Die heterochronische Variabilität erklirt sich nieht durch die Annahme
einer phyletischen Lebenskraft '154
Seltenheit grosser Variabilität bei Puppen 155
QraeM Variafaitttilhinflger bei Baupen ab bei Schmetteflingtn 155
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XX Inhalu-VerzeichiuM.
Ursachen dieser ErscheinunR IM»
Scheinbare belbstständigkeit der einzelnen Kau{)en6tadien. VariabilitAU-
Wellen 157
iSaturnia Carpinials Beispiel sekundärer Variabüitit 160
Ursachen der f^pnnuen Correlation zwischen d«l Banpemtadien» der man-
gelnden zwischen Imago und Kaupe lÖT
n. Fällt dio Formverwandtschaft dor Baupen Busanunen mit
der der Falter P IbD
Familiengr Uppen *. 169
Familien; hluflg vollatiadige Congruens 171
Ausnahme davun bei den Nymphalidrn 171
Bei l'eberpangs Familien zeigen auch die llaupen Millelfurnien 175
Gallungen; fast vuUständigc Cungruem; die NymphaUdengaUungen
lauen sieh auf den Bau der Raupen grflnden 176
Hiufif auch die Untergattungen, ao von Vaneiaa 177
Incongruenz hei Pterogon ISO
Arten ; Incongruenzen sehr h&ulig, Smerinthus Ocellata und l'upuU . . . ISf
DdlepUIa- Arten »igen nihere Fonn-Venrandtichaft der Falter, al« der
Raupen 181
Systematik nicht nur der Autdruck der morphologiachen Ver-
wandtechart 183
Varietite n ; die Incongraeni wird lur R^d, Saison DimoipMimaa kli-
matische Varietät, Dimorplusmua der Raupen, Idiale Raupen -
Varietäten 184
Ergebniss der Untersuchung iSb
Ursachen der Incongruens 187
Uiapliyletiaclie Lebenskraft erUlrt die Eraebeinungennieht 188
Sie ist OberflOssigsurBridlning derselben 196
nL Incongraenien bei «aidoni IiiMkt0B-Ordiiiiiis«tt 201
Hymenoptcren 201
Ordnungscharaklere besitzen nur die Imaginea 202
Hoppelte Ineongruens : Terwbiedner Abstand und versohtedne Gruppen»
bildung 205
Dipteren 205
Hie Larven bilden swei Typen, die auf verscbiedner LebensweiRc beruhen 206
Aehnliehksit der madenförmigen Larven bei Dipteren und Hymenuptaren
beruht auf Convergens 209
In diesen Daten M ieder Ktarku Gründe enthalten gegen die Annahme einer
phyletiNchcn Lebenskraft 210
IKe Zunft der Aphaniptera 211
Resultate aus denForm-VerwandtachafUm der Hymenopteran und Dipteren 212
Unteiachied von tyinschen und sttlklligen Theilen binlillüg 213
IV. ZuaammenfiMluis 214
Krste Form der Inronpnienz .».*.•* 215
Zweite Form der Incungruenx 216
Allgemeiner Sebluss auf Eüminirung der „phyletisehea Lebenakiaft'* . . 220
Parallele mit der l^ansmulation der Oigaasysteme 222
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InlMlU-VcrMieluiiM.
XXI
III.
Ueber die Uuiwaudlung des niexikanischeu AxoloU in ein
Amblystoma.
8«it«
Einleitung 229
Versuche 231
DMrtiiBg dar Tbataadieii 234
Der Axolotl wandelt sich in aeinem Vntorlande nienab um 233
Die Amblystomen Nord-Amerika's 238
Beruht die ausnahmsweise eintretende Umwandlung auf phyletischer Wei-
terentwicklung der Art? 299
TheoietiMlMT^agiraitedcsPallM 241
Unterschiede zwischen Axolotl und Amblystoma 242
Dieselben sind nicht correiative Folgen des Wegfalls der Kiemen .... 2-14
ErkUrung durch Kuck schlag 245
Bebptele tob ZurQeknnken auf eine niedere phyletische Stufe; Filippi'e
peschlechtKreife „Tritonenlarven" 243
Analuge Beobachtunpen an Triton von J u 1 1 i e n und S c h r e i b e r s . . , 251
Die Sterilit&t der künstlich hervorgerufenen Amblystomen eine Instans
gegen dit ftrahere Deutung der Umwandlung 233
Dieeelbe atabt mit der Kackschlags-HypoUtese nicht in AViderKpruch . . . 233
Erklärungs - Vanach dar StarUitäl vom Boden dar Rackachlaga-Hjrpo-
these aus 254
Ursachen, welche den ROekichlag der hypothetischen Amblystoma-BeröU
karuag Maiiko'a vanalaiat häbaii mfl^pn 256
Salzgehalt dea Wawern in Vetbindvng mit Trockenlegvng daa Ufeia dnreh
Winde? 260
Folgerungen aus der Köckachli^s -Hypothese 264
Syatamatiaehaa . 234
Ein Zu"at7. zum ..biogenetinchen CrundgeaalS" 133
Allgemeine Bedeutung des Kückschlaga 266
>iach8chrift 267
IVockanh^ dar Luft die walnadididialieUraacba des angenommenen Rflck-
■ddagee von der AmUyiloma- in die Axolotl-Farm 233
Zaaats 273
IV.
üeber die mecliantsehe Anffkssung der Natnr.
Einleitung 277
Beiultst der drei vontehenden Abhandlungen : T^ugnung einer phyleti-
tischen Lebenskraft 373
Berechtigen diese Reauitate au Inductioneechlflwan auf die oiganieche Welt
im Allgemeinen 276
Die Annahme einer eololnn eleht im Wideisprueh mit den Orundiitaen dar
Naturforechung 279
Die Lebenskraft" der früheren Nalurphiiofiophen 260
Warum wurde sie angegeben? Aniknge su einer mechanischen Erklärung
deeLebena 232
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xxu
Inhalu -VerzeichniM.
8«iU
I. Sind die PrinoipieD der Selectionstheorie meohanisohB P 2^4
"Widerlegung der v. Harlmann schen An^tichlcn 2^A
Variabilität 2f:^5
Die Annahme eohrankenloeer Veriabilitit kein Poetulat der Sdec-
tionstheorie 285
Die Anerkennung einer bestimmt gericliteten" Variabilit&t bedingt nicht
die Annahme einer ph)leti»chvu Lebenskraft 288
Vererbung 291
Nützliche AbAnderungen tn len nicht nur vereinzelt tttf 191
Auch vercinielt auftretende neue Charaktere können Bur Hemchall ge-
langen 292
Kne meekaaieelM Theoiia der Verarbung Mit noeh 296
HaeflkersPerigeneaiiderTlaatidule 29«
Correlation ^ 298
Der ,.Specie8typu«" beruht auf dem physiologischen Gleichgewicht der
Theile des Organismus 300
Die ErkllrungB-Principien der Selectionstheorie aind
K o ni i t ni e c h a n i s c h 0 303
Bedeutung der phyRischen Constitution des Organismus für
die Qualität der Variationen 303
Alle indiriduelle Variabilit&t beruht auf ungleidien iuaaem Ein-
flüssen 304
Ableitung der Beschränkung der Variabilit&t 'W!
Ableitung der Lokalfurmen ........... 309
BmUek svkehett ontogeu^hw und phvletiaeher Lcbenikfaft .... 310
Beide sind nnserCrennlich 312
n. Meohanisnraa und Teleologio 3U
V. Haer's Forderung an die Selectionstheorie 314
Berechtigung derselben abw Unmögliciikeit des Nebeneinanderwir-
kens eines metaiihysiaehen Principe und des Natttrmecbaaiiiftiit . .315
Die ,, sprungweise Entwicklung" ( heterogene Zeugung) . . 317
Schwache positive CJrundlagen dieser Hypothese 317
Widerlegung (h rselben durch die Unmöglichkeit eines Zusammenwir-
kens der „heterogenen Zeugung'' mit NatursQchtung 319
Oaa Eii^reUen eines metaphyttscfaen Principe ist auch mit allm&IIger
Transmutation unvereinbar 323
Das metaphysische [teleologische: Princlp kann nur als letzter Grund des
Is'alurmechanUmus gedacht werden 324
Werth dieser Erkenntniss fOr eine harmonische Weltanschauung .... 325
Erklärung des Geistes durch Annahme einer , .beseelten" Materie .... 327
Die Selectionstheorie führt nicht nothwendig cum Materialismus .... 328
Brklinuig te Abliildimgra.
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DI£ fiNTSTEUUNG DER ZEICUMUNü
BEI DBN
SCHMETTERLINGS - RAUPEN.
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Einleitung.
Die allgemeine Idee, um derentwillen die in dieser Abhand-
lung niedergelegten Untersuchungen nii;;cstellt wurden, fand schon
im Vorwort ihre Besprechung^-, auch wurde dargelegt, warum grade
die Zcichnniig der Kaupen und spcciell der ISplimgideQ-Kaupea zur
FrUfung dieser Idee ausgewählt wurde.
Die Aufgabe, die sich hier stellte, war diese : es sollte der
Versuch gemacht werden . alle Z e i c h n u n g s f o r m e n , welche
bei den S p h i n g i d c u - K a u p e n v o r k o m m e n , d a r a u f h i n
zu prüfen, ob sie sich aus den bekannten Uuiwund-
lungsfaktoren ableiten lassen oder nicht.
Dass NaturzUchtung eine grosse Anzahl von Charakteren ins
Leben ruft, kann nicht bezweifelt werden . ebensowenig, dass eine
grosse Menge der verschiedensten äussern Einflüsse auf direktem
Wege den Organismus zu Abänderungen zwingen können . dass
aber diese beiden Umwandlungsfaktorcn zusaninicu mit den ihnen
nachfolgenden correlativen Abänderungen im »Stande sind alle
Charaktere irgend eines, wenn auch noch so kleinen Fuiiiicuge-
bietes hervorzurufen, dies war zwar wohl behauptet, niemals aber
noch nachgewiesen worden. Darauf aber schien es mir ganz l)c-
souders Jetzt anzukommen. Nicht um den Xaclnveis handelt es
sich jetzt mehr, dass die Aussenwelt verändernd auf die Or-
ganismen einwirkt — dieser ist bereits gefllhrt worden — wohl
al)er um die Frage, ob alle Abänderung Folge der Ein-
wirkungen der Aussenwelt auf den Organismus ist.
(ielang es, alle vorkommenden Zeichuungs - Elemente auf einen
der bekannten Faktoren der Art -Umwandlung zurllckzuflihren , so
war damit eine „innere Entwickluugskraft". auf diesem tJebiete
weuigsteus, als nicht wirksam uuchgewieäcu , ^elau|^ es uiclit,
Wtisaftas, Stadien. IL |
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2
Einleitung.
d. h. blieb ein nnanflOsbarer Rest von Zeicbnongs- Elementen Qbrig,
80 war der Gedanke an ein »inneres Entwicklnngsprineipa vorerst
nicht ganz abzuweisen.
Der Versneli einer Lösung dieser Angabe mnsste damit be-
ginnen, eine morphologisehe Gnmdlage zn gewinnen nnd'cwar
dadnroh, dass man, soweit mnglieli} die phyletisebe Ent-
wieklnng der Zelehnung leststellte. Im Voraus Hess sieh
freilieb nieht einmal sagen , ob Oberhaupt irgend welohe Art von
gesetsmftssiger Entwiekhuij^ bier zu finden sei, sehr bald aber
zeigte sieh, dass dies allerdings und in hohem Masse der Fall ist.
Bei alten Arten sind die juugcu liaiipen anders gesdehnet als die
erwaehsenen, bei vielen indert sich die Zdehnung mit jedem der
fünf Lebensstadien, wie sie dnreh die vier H&utungen beseiobnet
werden, und stets ist diese sehrittweise Umwandluug der Zeiehnnng
eine Entwieklnng im wahren Sinne des Wortes, ein Hervor-
gehen des Zusammengesetstereii ans dem EiniSuihen, des Naeh-
folgenden ans dem was vorher bereits gegeben war, niemals ein
unstetes nnzusammenhftngendes Ueberspringen.
Aus dieser Entwieklnng der Zeiehnung beim einzelnen Indivi-
duum lasst sich nun die phyletisebe Entwieklunj; derselben sehr
wohl erschliessen , denn es kann kein Zweifel sein , dass uns hier
in der Ontogenese ein sehr wenig verSndertes Bild der pbyletischen
Entwieklung erhalten ist, wie leb später noch nftber begründen
werde. Die phyletisebe Entwieklung kann hier nur wenig • ga-
fft Iseht« sein.
Wohl aber ist sie bedeutend abgekürzt und zwar in sehr ver-
schiedenem Grade, am stftrksten bei den Arten, welche in Oirer
pbyletischen Entwicklung am meisten vorgeschritten, am wenig-
sten bei denen, welehe noch mehr snrllckgeblieben sind. Es geht
daraus schon hervor, von welebem Werthe es gewesen wftre, eine
recht grosse Anzahl von Arten in ihrer Ontogenese mit einander
TcrgUicben zu können.
Leider ist dies nur in sehr beschränktem Hasse mSglieh gewesen.
Grade die jüngsten Stadien der Ranpen-Entwieklnag sind die wieh-
tigsten tttr die Erschliessung der pbyletischen Entwieklung, weil sie
die Zeichnung der ältesten Vorfahren der heutigen Art uns erkennan
lassen, und di^ Erlangung befruchteter Eier ist deshalb für diese
Untersuchungen vor Allem zu erstreben. Die meisten Sphingiden-
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EioUtong.
3
Weibchen legen indessen in der Gefangenschaft keine ' oder liüch-
nur ganz wenige Eier. So ist es mir leider grade bei iiieliiercn
Arten nicht gelangen, ihre ganze Entwicklung zu beobachten,
welche aller Wahrscheinlichkeit nach besonders werthv(dle Auf-
schlüsse geliefert haben würden , so bei Deilephila Galii und
Lineata, D. Vespcrtilio und Hippophaes.
Allerdings glückte es bei Tielen andern und auch bei einigen
Ton diesen Arten junge Raupen an ihrer Nährpflanzc aufzu-
fiadra, im allergUnstigslen Falle aber doch nur Individuen des
Bwetten Stadiums , meistens nur ältere. Wenn es nun trotz dieser
UnToUkommenbeit des Materials, trots der dadurch unvermeid-
tidieii bedeutenden Lodien in den Beobaehtangsreiben dennoch
gelang, ein im Oanien siemlieh geeebknsenes Bild der pbyleti-
leben Eotwieklnng der Spbingiden -Zeiehnung zu entwerfen, so
beweiflt diee woU, ein wie fruchtbares Feld die Untenaehong die-
ser VeihUtnisie ietnnd gibt — wie ieh hoffe — Andern den Anlass,
nicht nnr die anf dem kleinen Gebiete der SehwUnner-Familie
gelassenen laUieieben Ltteken anssufHUen, sondern andi andere
Fbmitiea der Sehmetterlinge in ftbnlieher Weise zu behandeln.
Besonders dankbar ersehiene mir eine Bearbeitung der Papilio-
niden, natSrliehniehtetwablosderwemgenenropäiseben, sondern
▼or Allem der amerikanisehen nnd' indieehen. In diesem Angen-
bliok wissen wir Ton den Jagendstadien der Papilioniden> Raupen
•e gnt wie gar Nichts. Kein einsiges entomologisches Werk enthSIt
eine Notiz Uber Gestalt und Zeichnung der jungen , eben ans dem
fii geeehlUpften Rftnpchen auch nur unserer gemeinsten
Papilionlden, des Sehwalbensehwanses oder Seglers,
ja ieh glanhe nieht sn viel zu sagen , wenn ich annehme, dass noch
nieoMls Jemand dieselben beobachtet hat. Sobald man aber be-
denkt, dass uns in ihnen eine seit Jahrtausenden ausgestorbene
Stammform unserer heutigen Fapilio-Arten erhalten ist, mnss es
doch aieherlidi vom gfUssten Interesse sein, dieselben genau kennen
SU lernen, sie an vergleiehen mit den frilhesten Jugendfonnen Ter-
'j Nur di« Smeri nthus-Arten thun die« legelmöJuiig ; Macroglusaa
Siel latarum legte zalilrcirlii' Kier in t>i'neni grossen Gaze-Zwinger; Drilo-
phila- Arten dagegen sind auch in einem solchen höchstens xum Ablegen ein-
•dmr Bier sa brnregan. Auch bei Chaerocampa- Arten erhielt idi itets nur
Heilige Bier» von Sphinx und Aeherontia niemala euch nur ein dnsigee.
4
Bialmtnng.
wumlter Arten, iu den fol^^euden Stadien das allniälige üivergiren
nach verschiedenen Kichtungen zu verfolgen und so ein Bild der
phyletischen Entwicklung einer fonnenreiclien Gruppe zu entwer-
fen. Ohne Zweifel wUrdeii sich dahci noch zahlreiche andere wis-
senschaftliche Nehenergcbnissc einstellen. Vor allem inUsaten uns
solche Untersuchungen, mögen sie nun an dieser oder au einer
andern (liiippe angestellt werden, Uber die wahre systema-
tische Verwandtschaft der Formen Aufklärung geben,
d. h. Uber die genealogisch e Verwandtschaft, und zwar bessere,
als uns die Morphologie der Falter oder der ausgewachsenen Hanpen
allein gewiihrcu kann. Wenn ich bei der hier vorliegenden Ent-
wicklung der »Sphingidcu-Zcichnung mit derartigen Schlüssen sehr
zurückhaltend war , so geschah dies nur im Bewusstsein , Uber eine
noch allzu lückenhafte Basis von Thatsaehen zu gebieten. Wenn
aber dereinst durch vereinte Forschung Vieler die individuelle Ent-
wicklung aller heute auf der Erde lebenden Sphingiden-Arteu klar
yor ansern Augen liegen wird , dann werden wir nicht nur Uber das
relative Alter der verschiedenen Arten , Gattungen und Familien,
sondern auch Uber die Art ihres Zusammenhangs reichen Aufschlutu
erhalten.
£b ist ^nlnthum, wenn behauptet wird, das System habe
nur die Form-Terwandtsehsft sn berOoktiehtigeu , es solle
nnd kOnne Dichts Anderes sein , als der AusdnidL der Form- Ver-
wandtschaft. Allerdings ist ^e Form-Verwsandtaehallflir tins der
einzige Massstab der Blnts- Verwandtschaft, auch ist es nnbe-
sweifelbar richtig, wenn die Vertheidiger jeuer Behauptung anndi-
men, dass Form- nnd Blnts-Verwandts<diaft durchaus nicht
immer snsammenfallen. Ich werde in der sweiten AbhandlnngThat-
Sachen beibringen, welche darüber keinen Zweifel lassen, welche
aber zugleich beweisen , dass die neuere Systematik grade anf dem
Gebiete der Schmetterlinge stets bestrebt gewesen ist, wenn aneh
wohl mehr nnbewosst, die Bluts- Verwandtschaft nir Grundlage
des Systems zu machen. Nur aus diesem Grande wurden die Ran-
pen und Pnppen mit zur Feststellung systematischer Gruppen Ter-
wandt, nicht selten allerdings in unrichtiger Weise.
Wohl muss zugegeben werden , dass wir hftnfig nicht im Stande
sind, die Bluts- Verwandtschaft zu errathen, sobald wir nUmlieh
die Arten einer Gruppe nur in e i n e r Form mit einander yeigleiehen
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Etnleitiing.
5
kOnncii. Denn da wir nur mg der Forn-Verwandtseliaft saf den
Grad der Blnto-Verwandtwshall eehliesseii kSnnen, diese beiden
aber meht immer parallel laufen , eo iet ein m>le1ier Scblnw , wenn
er ndi nvr anf eine einsige Form ettttzt, sehr trttgeriseh.
Wenn z. B. die Schmetterlinge direkt ans dem Ei kämen , also
keinen Raupenznetand dttrehmaebtcn , lo it^ma wir bei Anfttellnng
dea Systems rein nnr anf die Veigleiebong ihrer Formühnliebkeiten
angewiesen , wir würden ailein auf Qnmd dieser AehnUeUwlten sie
an Gruppen vereinigen nnd es hinge dann sehr von dem Gewiebte,
weldies man diesem oder jenem Merkmal beilegt ab , wie man diese
Gruppen bildete. Und nieht nnr dnreh vnsdiiedene Taxirung der
Merkmale könnten wir ine gehen', sondern noch mehr dsdurob,
dass nieht selten iwei Arten Ton naber Bluts-Verwandtsehaft in
der Form weiter von efaumder, als von andern Arten abstehen.
Wir bitten keine Sicherheit , dass unsere AnflTassQng der Form-
Venrandtsehaft dem genealogisehen Zusammenhange der Arten
entspriche.
Gans anders, sobald eine jede Art in zwei oder drei vor-
sehiedenen Formen uns entgegentritt. Wenn von zwei Arten,
oder Gattungen die Sebmetterlingc sowohl, als die Banpen nnd
Poppen den gleiehen Grad von Form-Verwandtschaft
aufweiseD, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Form-
Verwandtschaft auch die Bluts-Verwandtschaft ausdrücke, sehr
gross. Dies ist nun allerdings nicht immer der Fall und sobald
diese Terschiedenen Studien in ungleichem Grsde formverwaadt
sfaid, wird es sich darum handeln, zu entscheiden, welches der-
selben sugldeb den Ausdruck der genealogischen Verwandtschaft
enthält Die Entscheidung kann im einzelnen Fülle schwierig sein,
indem die Banpen stSiker von den nftebst-blntverwandten Arten in
der Form abweichen kOnnea, als die Falter und aueh umgekehrt
die Falter sflbrker, als die Banpen.
Fttr diesen Fall bleibt uns noch die Bntwieklungsge-
sehiehte der Raupen, welche beinahe immer bis zu einem ge^
wissen Grsd Auskunft geben wird , Uber den wahren genealogischen
Zusammenhang der Fornmi, weil sie stets einen Theil der phyle-
tischen (Stammes-) Entwicklung der Art uns enfhllllt. Wenn wir
zwei Schmetteriings-ArteD im FlOgelschnitt und andern Charakteren
so verschieden sehen , dass wir trotz mancher üebereinstimmnngen
6
Einleitung.
doch geneigt sein würden, sie in gans veneliiedne. Cinttiingen tn
stellen , ond wenn wir dann finden , dass nioht nur ihre Banpen im
ansgewaelisenen Znstande in allen Einselbeiten der Zeichnung sehr
genan mit einander stimmen, sondern, dass auch die gaase
phyletisehe Entwicklung dieser Zeichnung, wie sie
uns in der Ontogenese derBaupen Torliegt, bei beiden
genau in derselben Weiseibren Ablauf genommen bat,
so werden wir mit Toller Sicherheit auf eine sehr nahe Bluts-
Verwandtschalt beider Arten schliessea und sie beide dicht neben-
einander in dieselbe Gattnng stellen. Einen solohen FaU haben wir
X. B. in den beiden Sphingiden Chaeroeampa Elpenor und
Porcellns, wie aus dem Verlaufe der Untersuchung henroTgchen
wird. Walker stellte die beiden Arten in zwei Terschiedene
Gattungen und taxirte damit die Form- Verwandtschaft der
Imagines ganz richtig, da der Sehmetterling von Porcellus in
derTh<atden Arten der Gattnng Pergesa Walk, nlher form-
▼erwandt ist, als denen der Gattung Chaeroeampa. Micht«-
destoweniger müssen dieselben in einer Gattnng beisammen blei-
ben, soll anders der Grad ihrer Bluts- Verwandtschaft zum Aus-
dmck gebracht werden.
So bietet nns die genaue Kcnntniss der Entwicklangsstufen
der Kaupen auch in systematischer Hinsicht einen unschätzbaren
Anhalt zur Beurtheilung des Grades der Bluts- Verwandtschaft und
wir müssen in dieser Hinsicht das Studium der Baupen fUr wichtiger
halten , als das der Schmetterlinge.
AllcKliiif^s werden nicht alle Gruppen in gleicher Weise ergie-
big sein . wie die Sphingiden oder wie nach meiner Vermuthang
die Papilioniden , da nicht alle Familien Baupen von so prägnanter
und mannichfaltiger Zeichnung oder mit so verschiedenartiger und
charakteristiBcher Ktfrperform besitzen, sicherlich aber wird im
Grossen und Ganzen unsere Vorstellung Uber die wahre d. h. die
Bintsverwandtschafl und damit die Bildung wirklich natürlicher
Gruppen wesentlich gefördert werden, wenn wir erst von zahl-
reichen Arten aller Gruppen die vcrschiednen Entwicklnngsstadien
genau kennen werden , welche die Kanpe vom Ei an bis zu ihrer
Verpuppung durchläuft, viele Formen Yon zweifelhafter, systeOMr
tischer Stellung werden dann in ihren genealogischen Beziehungen
klar gelegt werden.
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BinlMtang.
7
Dies kann jedoeh meht die Arbeit eines Einielneii tein , nieht
nur, weil das Beobaehtnngs-llaterisl sn gross « sondern vor Allem
weil es anf einem alliQ wdten Gebiete sentrent ist. Denn es ge-
nQgk nieht, Uos die eiiroplisehen l^ypen sn stndiien » wir mttssen
deren möglichst viel von der ganaen von Schmetterlingen bewohnten
Oberilohe der Erde kennen lernen. Diese Beobaohtongen aber las-
sen sich nnr an Ort nnd Stelle machen. Warum sollte es aber nickt
mflglieh sein , anck nnter tropischem Himmel die Entwicklung vom
Ei an zn verfolgen, wenn man sich nicht sehent, einen Theil der
Zeit, welche gewöhnlich nnr dem Sammeln gewidmet ist , der Zucht
und Beobaehtnng zu widmen ? Viellmoht gelingt es mir , Einzelne
der vielen, vortrefflichen, sorgfältigen nnd snverlilssigen Beobachter
nnter den Entomologen davon zu ttberzengen , dass es doch ausser
dem gewiss ebenfalls nothwendigen und dankcnswerthen Aufsuchen
neuer Formen noch ein anderes Gebiet gibt, auf welchem sich
mit Erfolg arbeiten läset: die genaue Erforschung der Ent-
wieklnngder bekannten Arten.
Der erste Abschnitt dieser Abhandlung besteht somit in
der Feststellung dieser Entwickln n^^ für die mir zu-
güngiiehen Sphingiden-Arten. Nacheinander werden Ke-
pfisentantai von sieben CTattungen tboil^ vollständig, theils nur in
dnigen ihrer Stadien besohrieben und sodann durch Yergleichong
untereinander und mit verwandten Arten , von denen uns die jünge-
ren Stadien noch unbekannt sind , ein Bild des Entwicklungsganges
sn gewinnen versucht, den die Zeichnung bei jeder Gattung ge-
nommen hat. So viel wie möglich wurde in diesem Abschnitt nur
dasKaterial an Thatsachen gegeben, nnd die Verarbeitung
d e s 8 e Iben zu allgemeinen Sehlttssen über den formalen Gang der
Zeiohnungsentwicklnng auf den zweiten Abschnitt verspart; doch
war eine völlige Trennung der Thatsachen nnd ihrer Verarbeitung
nicht dnrchiUhrbar , es erschien s. B. passend, der Betrachtung
jeder Gattung am Schlüsse eine Zusammenfassung der bei den ver-
sohiednen Arten erhaltenen Resultate folgen zu lassen.
Nachdem so festgestellt war, dass die Zeichnnng der Sphin-
giden-Baupen sich äusserst allmälig, gesetzmässig nnd
nach ganz bestimmten Richtungen hin phyletisc]) ent-
wiokelt hat, galt es , den Ursachen ihres ersten Auftretens , wie
ihrer weitem Entwicklung nachzuspttren. Hier war in erster Linie
8
EinleitanK.
die Frage nach der b i o 1 o i s c Ii c n H e d e u t u n g d e r Z e i c h -
n u n g zu bcaatworten und dieser Frage ist der dritteAbscbnitt
gewidmet.
Hätte CK sieh hierbei herausgestellt, dass derßelhen gar keine
Bedeiitiuig für (bis Lel)cn des Thicres zuk^mnit oder doch nur ans-
nahniHweisc, dass somit die Zeiehniing wirklieh das ist, was sie
/.u sein scheint, ein sog. »rein morphologischer' , d. Ii. physiologisch
liedcntungsloser Charakter, so hätte die so aufTallcnd gcsetzniässige
Kiitwicklniig derselben im I.aiit'e der rhylogencse durch keinen der
bekannten Faktoren der Arfabänderung erklärt werden können; die
Annahme einer thätigen . inuern Umwandlungskraft hätte gemacht
werden milsscn. Grade auf diese Untersuchung kam somit Alles
au und aus diesem Grunde habe ich weit ausgeholt und nicht nur
die Zeichnung der Sphiugidcn IJanpen . sondern auch die Kaupen-
Zeichnung iil>crhaupt in die Betraclituug hereingezogen.
IJas Kcsultat war indessen ein anderes, die Zeicliuung ent-
hüllte sich als ein ftlr das Leben sehr bcdcufsanicr Charakter und
CS niuKste — auf diesem (icbicte wenigstens — die Annahme einer
pbyletischen Lebenskraft zurückgewiesen werden.
Dies führte zum Inhalt des fünften Abschnittes, der bestimmt
ist, gewisse Einwürfe zu Gunsten der zurückgewiesenen >'p]iylcti-
schen Lebenskraft« zu prüfen. Der sechste Abschnitt endlich gibt
die Zusanimcufassung der gewonnenen Anschauungen.
Noch Eines muss ich zum Vei ständniss der Untersuchung selbst
vorausschicken. Es war unvermeidlich, einige neue Kunstaus-
d rücke ftlr die vcrsdiiednen Zeichnuogselemente der Raupen
einzuführen, wenn überhaupt mit denselben wissenschaftlich operirt
werden sollte. Ich habe die einfachsten und möglichst selbstver-
ständlichen Bezeichnungen gewählt, die wohl auch alle hier oder
dort schon in Anwendung gebracht worden sind , nur eben nicht in
einem bestimmt präeisirten Sinne. Ich verstehe unter Rücken-
linie, Linea d o r s a 1 i s , nur die in der Mittellinie des Rückens
verlaufende Längslinie, unter Stigma Ii nie, Linea st igmalis.
die unter oder über den Stigmen verlaufenden Linien , die man dann
genauer in Supra- und Infra-Stigmalinie scheiden kann,
unter Subdorsal streif, Linea subdorsalis, diejenige
Linie, welche mitten zwishen KUckeustreif und Stigmeastreif
verläuft.
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Einleitung. 9
Die Untoneheidimg von Ringfleek und Angenfleck wird
im Lanfe der Unienachimg gegeben werden. Wie nothwendig die
Einfllbnmg bestiinniter Termim technid hier war, lehrt ein Bück
nof irgend eine der Torliaodenen BanpenbesebreilHingen ; anoli wenn
dieselbe an nnd flir rieb genan ist , maebt doeh der Mangel pridser
AaedrBdte nicbt nnr die formelle Fawnng derselben nnnOtbig lang
nnd flcbwUlstig, sondern er ersebwert aneb ungemein die Yer-
gleiebnng der einen mif der andern Art, wril man nie sieber ist,
ob mit demselben Ansdmdce aneb der bomologe Cbarakter gemeint
ist. Wenns. B. vonderRanpeTonCbaerocampaElpenor ge-
sagt wird : »an den Seiten der Bmstringe eine hellere lüngslinie«,
so ist dies swar riebtig, allein man kann darans nieht ersehen , ob
diese Linie hfiber oben oder nnten verläuft nnd folglieb aneb nieht,
ob sie das Aeqnivalent der bei andern Arten »an den Seiten ■ der
Segmente YerlanibndenLSngslinien ist Sagt man aber statt dessen
»Snbdorsale auf den Bmstringen nnd dem elften Segmente«, so
ist damit gesagt, dass hier dn Rest dessdben Zriehnnngs-Elementes
▼erliegt, welches rieh in voller EnlwieUong bei vielen andern
Sphingiden-Banpen vorflndet, ja bei derselben Art in der Jagend
▼orfaanden ist. Die bisherige Art der Banpeor-Beschrribnng war
eben keine wissensebaftliehe, rie ging nieht darauf aas, die Mor-
phologie der Ranpen festzustellen, sondern rie war rein nur auf
das praktische BedQrfiiiss der rasehen Wiederorkennnng einer auf-
gefundenen Raupe gerichtet. Aber aueh ftir diesen Zweck dürfte
die piftcisere Art die bessere sein.
Ontogenege und Morphologie der Sphingldeii-
Zeioliniuig.
L Die (üattung Chaerocani]Ni. Dnp.
Obgleich ioh keineewegs flir eine ttbennisdge Spaltung der
Gettangen eingenommen bin, halte ich dooh die TVennang der
Ton Ocheenheimer ani^geBtellten Gattong Deilephila in die
B wei Gattungen :Ohaeroeampa nnd Deilephila sensn strictioii
nach dem Vorschlage Daponehera ftr gerechtfertigt MOgen
aach die Falter eine solche Trennung weniger nothwendig erschei-
nen lassen I so lehrt doch die Entwicklongsgeschichte der Banpen,
dais in der Tbat eine tiefe Kloft zwischen beiden Artengrappen
besteht nnd daas dieadben nnr an der Wonel znaanunenbängea.
1. Chaerocampa Elpenor. L
Schwärmend eingefangene Weibehen legten .im Zwinger ein-
seine spftrliohe Eier an Gras , Hob nnd besonders an den Tarlataa,
mit welchem der Zwinger bezogen war.' Dieselben sind nahezn
koglig, doch etwas plattgedrttckt, grasgrün, ein wenig heller als
die von Eapborbiae, aneh etwas grösser (1,2 Mill.)- WShrend
der Entwicklung des Embryo werden sie zuerst gelblich grttn, sn-
letzt gelbUch.
Stadium 1.
Die jungen Räupchcn haben 1 Mill. Länge, sind unmittel-
bar nach dem AusschlUpfen noch nicht grün . sondern gelhlichweiss,
milchglasfarhig , nur das grosse etwas gekrümmte Schwanzhoru ist
schwarz. Die Räupchcn sind so durchsichtig , dass man Nerven-
system, Tracheen, Verdauungstractus hei schwacher VergrJisserung
aufs Schünatc erkennt. Sobald die Kiui])chen zu fressen anfangen
(an EpUobiom parviflorom), werden sie grtla in iTolge des Durch-
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OntogeaeM und Morphologi« der Sphingiden-Zetohnung.
11
•ddimnenu der Nakrang, allmttlig nimmt aber aneh die Haut
selbst eine atariL grOne Firbnog an (IW. TL, Hg. 17). Alle indivi-
dnen (im Garnen etwa swanzig] sind vOlUg gleidi , alle ohne jede
Spnr Ton Zeichnung.
Stadium II.
Die erste Hftntang erfolgt naeh 5 — 6 Tilgen bei einer LInge
der Baape von 9— 10 Hill. Naeh derselben ersdieint sie gUniend
giltai, das Horn, wie Vmher sehwais, am Gmnd ein wenig rotii nnd
eine feine weisse BnbdorsalHnie sieht sieh TomHorn
bis an den Kopf (Fig. 18). Dieser Leistere, sowie aneh die Fttsse
bomI grttai, dieSogmentehischnitte erseheinen als helle, ftineBing-
strrilbn nnd ansseidem leigt sieh die ganae obere Fliehe des Seg-
mentes lein qneigeringelt, was llbiigens aneh sehen im ersten
StndhunderFaUist
Im Boginne dieses GMadivms ist noeh keine Spur der Angen-
ieeke tn bemerken, aber noch wihrend desselben, wenige Tage
naeh der ersten Häntnng bemerkt man, daas die weisse Snbdorsal-
linie aof dem vierten nnd ftnflen Segment nicht mehr gestreckt
veriioft, sondern sieh In swei kleinen Ansbiegnngen
naeh oben krttmmt. Sehr bald treten diese swei Halbmonde
siirker hervor, indem dnnkleresGrttn ihre CoBoaTititansAait. Dies
Ist die erste Anlage der splltern Angenfleeke (Fig. 19
nnd 80}.
Aneh eine sehr ftine, wdsse Linie Terbindet jetst die Stigmen
(Infra-Stigmalinie) and IXsst sieh vom loteten Segment bis an den
Kopf verfolgen. Sie spielt keine Bolle bei der weiteren Entwiek-
lang der Zeiehnong, sondern veisdhwindet schon im folgenden
Stadinm wieder. Dagegen hilt sich die blntrotheFIrbong, welehe
Jetst an derBashi des imUebiigea schwatsen Sohwaashoms aaftritt,
bis in daaAnfle Stadinm, nm sodann nach wieder an verschwinden.
Vor der aweitsn nintang, welche nach abermals 6—6 Tagen
eintritt, bentit die Baape eine Lunge von etwa 1,3 Oent nndseigt
bersitodieftrsiesooharakterhrtiaehe, hmggeslreokfte, vom stark
ve^jttngte Gestalt, die ihr fi»t daa Ansehen einer kleinen Naek^
sebneeke gibt. Uebrigens habe ich in diesem Stadiom noch nicht
bemefkt, daw die Banpe die 3 vordem Segmente in die 2 folgenden
lartlckiOge, wie das vom erwachsenen Thier so hiafig geschieht.
12 OntOfeMM tmd Morphologie der Sphingiden-Zeichnung.
Aach sind diese beiden Lelsteroik noeh niöht so aaffaUend graes xaaA
diek, wie firllber.
Stadiam III.
Naeb der zweiten HHotang Teründert rieb ZeiobBong und
Färbung nar in Besag auf die Angenfleeke : Die Fttllong der
balbmondförmig gekrttmmten Snbdorsallinie wird
schwarz*) nnd da xngleich die SnbdorBallinie in ibrera übrigen
Verlauf Bchr an WeisBc und damit an Dentliebkeit verliert, treten
die Halbmonde aehon wie kleine Angenfleoke bervor
(Fig. 20).
Uebrigena bereitet sich noch während diMes Stadinme die völ-
lige Abschnttmog der bogenförmig gekrtlnmitcn StUcke von der
Übrigen Linie vor and anmittolbar Yor der dritten Häutung liaben
sich die Augenflcckc nach vom und nach hinten scharf abgegrenxt,
indem die schwarze Grundirnng nach oben sich krttmmt nnd den
weissen, allmälig linsenförmig werdenden weinen Fleek m nm-
waehsen beginnt (Fig. 31).
Stadium IV.
Nach 5 — 6 Tagen erfolgt die dritte Häntnng und nun sind die
Angenflecken ganz selbstständig geworden, der weiaae Fleok bat
Nieral- (vorderen oder Eiform (hinterer) angenommen, und der
schwarze Grund erstreckt sich als schmaler Saum an den Seiten
desselben nach oben (Fig. 21 . Erst gegen Ende diesem Stadiums
aber umfasst er ihn vollständig. Zugleich bekommt deroenteale
Tbeil des weissen Flecks eine eigentbtkmliobe violettbranne naob
oben sa ins gclhc spielende Färbung nnd nnr ein peripberiseber
Bing davon bleibt rein weiss (Fig. 32 und 33).
Vom Sabdorsalstrcif sind nnr noch Spuren zu erkennen , die
sich fast in derselben Stärke zuweilen bis in das letzte Stadium
hinein erhalten. Am deatlichsten bleibt derselbe auf dem vorletz-
ten und auf den drei vordersten Segmenten , während er auf den
beiden die An genflecke tragenden Segmenten 4 und 5 spurlos ver-
sebwindet In diesem Stadium maeht sieb die eigentbtlmliobe Me-
* Die Abbgening tob sdiwanem FSguMUt kann •ehoo vmnittalbar vor
der UAuUing b«gjliUMii.
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OntofMMM und Morphologie der Sphiagidea-Zeichmmg.
13
limng der ganzen Oheiseite benierklich. Das Grliu derselbeu ist
nicht mehr ;^'leichiiiässig, sondern anf hellerem Grunde zeigt sich
eine Menge kurzer, sauft geschläogelter dankelgrUuer Längs-
strichelchen.
An den Flanken der Raupe ordnen sich diese Stric he zu schräg
nach vorn und unten Uher die Stigmen wegziehenden . aber nur un-
deutlichen Sehrägstreifen , welche erst im nächsten Studium stärker
hervortreten.
SUdinm V.
Die vierte Häutung erfulgt 7—8 Tage nach vollendeter dritter,
bei einer Grösse der Raupe von 4 — 5 Cent.
Während bisher alle beobachteten Individuen mit einer einzigen
Ausnahme hellgrtln waren , ändern jetzt die meisten ihre Farbe und
werden dunkelbraun. Nur in einem Fall trat die braune Färbung
acbon im vorhergehenden (vierten) Stadium ein. Die ebenerwähn-
ten Schrägstreifen erscheinen als unterbrochene matt lehmgelbe
Streifen nnd dattelbe Lehmgelb zeigt sich als continuirliche Fär-
bnng anf den Seitenflilchen der 4 vordem Segmente. Von der öub-
dotMlHnie iit jelit nur noeli «nf dem eUten und den drei Yor-
deni Segmenten «ine denlliele Bgm m sehen, nnd an letetorer
Stelle besonden dentlieh anf dem dritten Segment beginnt am
ihn die Bildung eines dritten Angenfleokee dnreh Ab-
lagerung von Sehwarz (Fig. 22j. Doeh kommt es weder jetxt
nodi im lebten Bnnpenetadinm an einer ToUstlndigen Anebildang
desselben, vielmehr bleibt die Snbdofsale als eontinnirUdie Linie
anf diesen drei Segmenten besteben. Weitere VerUnderungen sind
die bedeutende relative Verkttrsnng des Sehwaasboms, welekes
zngleieb seine sehttnesebwanrothe Farbe verliert undbriunlieb wird.
Die swei grossen Augenfleeke haben nahen ihre volle Ausbil-
dang erreleht. Das Schwan hat den nierenföimigen wessen Fleok
vollkommen nrnwachsen, aafdiesem aber hat sieh ans den braunen,
rOIhliehen nnd gelben TOnen des vorigen Stadiums ein nahesn
sehwaner Fleek entwickelt: die Pupille des Auges (Fig. 33).
Um hier gleich eine bestimmte Terminologie (Qr die veisohiedenen
Iiieile der Angenfledte einauftlhren, beieiehne ieh die Pupille als
Kern, den hellenGrund, anfwelehem die Pupille steht, als Spi e-
gel , den sehwanen Grund, der den Spiegel einschHesst, als Hof.
In diesem fttoften Stadimn erreicht da8 Thier die Lttnge yon
6 Gest. Dann erfolgt noch eine fUnilte HäiUoiig und erst in dem
sechsten Stadiam vrird die Raupe reif zur Veipnppung. Auffallende
Verändenmgen in Zeichnung oder Fär1iiin<r geben dann nicht mehr
yor sich , wohl aber eivigß OBMlMUihare , die aber theoretiseh toh
groason Intoreaae aind.
Stadinm VI.
In diesem Stadinm tritt die Naehahmung der Angtaieoke avf
den drei vordersten Segmenten noch dentUeher henror, als im ftnf-
teoi und gleichzeitig wiederholen sich nnn anfallen
andern Segmenten vom fttnften bis anm elften die
An gen flecke, freilieii ohne Pupille, ledigliefa alsdlfltaae tief-
schwane Flecke , deren morphologisehe Bedentaqg aber nicht im
Ctoringsten iweifelfaaft sein kann. Sie stehen genau an der Stelle
des Segmentes, auf welcher sie auch bei Segment 3 nnd 4 stehen:
nahe dem Vorderrand and ober- nnd unterhalb der Subdorsale.
Nieht selten kann man von dieser nooh eine sehwaehe Andentong
erkennen (Fig. 23).
Bei ganz dunkelbrannen Ranpen aind die Flecke allerdinga
mir bei gOastiger Keleuchtnng nnd genauer KenntDiss der Ranpe
an erkennen , bei heUbraonen nad bei gittaen Individttai aber treten
ale ganz scharf hervor.
Noch eine andwe Neubildung habe ich nie ikilher als in dem
sechsten Stadium betrachtet Es sind dies kleine, punktförmige
Fleckchen , welche paarig anf Segment 5 — 1 1 nahe dem Hinter-
rande sich zeigen. 8ie können sich nicht ans der Subdorsale ent-
wickelt haben, weil sie höher oben liegen als diese. Ihre Farbe
wechselt nach der Gnmdfarbe der Raupe, ist aber immer heller
als diese, hellgrün bei den grtlnen Raupen , lehmgelb bei den bell-
braunen , graa bei den schwanbiaancn . Diese K U c ke a p u n k t e,
wie ich sie nennen will, bieten nnr dadurch ein Interesse , dass sie
sieh auch bei Chaerocampa Porcellus ▼<H^ndmi nnd doK um
ein Stadium fiüher auftreten , wie bei Elpenor.
2. Chaerocampa Porcellus.
Schwärmend cingefangenc Weibchen legten in einer .Schachtel
einzelne Eier ab Dieselben sind bellgrUu, sphüroid, sehr ähnlich
denen von Elpeuor.
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OiitogMMn mid Moi^Mtlogit dter Bphiagidmi^Ziieluniiig. 15
Stadium I.
Unmittelbar nach dem Ausschlüpfen messen die Räupcheu
3.5 Mill., sind einfach hellgrün und zeigen auf dem Hinterrande
jeden Segmentes eine feine weisse Querlinie , ganz so wie C h a e -
rornmpa Elpenor im zweiten Stadium. Diesem ähneln sie
dadurch noch mehr, dass auch eine feine weisse Subdorsal-
linie schon mit blossem Auge leicht sich erkennen lässt (Fig. 24).
Während die erwachsene Raupe von allen andern bekannten Chae-
rocampa-Arten durch den Mangel des Schw an zhorns sich aus-
zeichnet, ist in diesem Stadium noch ein deutliches, wenn
auch sehr kleines Horn vorbanden, ja es bleibt ein solches
genau genommen durch die ganze Entwit klungsdaner hindurch er-
halten . wächst aber nicht und wird daher alhnälig im Verhältuiss
zur Kaupe so klein . dass es bisher ganz übersehen wurde.
>iach 4 — 5 Tagen erfolgt die erste Häutung.
Stadium II.
Die blaugrüne FUrl)iing bleibt unverändert, auf der Mitte des
Rockens macht sich eine etwas dunkler grüne Dorsallinie be-
merklich fdas durcbsc^bininienidc Kückengefäss und die weisse
Su b d o rs a 1 Ii n i e erscheint jetzt sehr breit und rein weiss , vid
auffallender als in irgend einem Stadium bei Elpenor (Fig. 25J .
Nnn tritt auch die Verjüngung des Körpers nach \oru (3 vor-
dersten Segmente) auf und Schrägstriche Uber den Stignien heben
sieh durch dunkles GrUu deutlich von dem helleren Grund ab.
Wie bei Elpenor zeigen sich noch während des zweiten Stadiums
die orsten Spuren der späteren Augenflecke, hier aber nicht als eine
Krümmung der Snbdnrsallinie , sondern als fleckenartige Verbrei-
terungen derselben von stärkerer Weisse als die im Übrigen Verlauf
schon etwas ins QrUnliche spielende Linie.
Stadinm m.
Erst nach der zweiten HKotnng aber beginnt auch der dunkle
Hof sich zu bilden und zwar zuerst durch ein wenig Braun , welches
sich am Unterrand des ▼ordern der weissen Flecke zeigt und all-
mfilig an Ausdehnung zummmt und an Tiefe der F&rbong. Zugleich
grenzen sich beide Flecke schärfer gegen die immer mehr iot Grttiie
▼erbleiohende Subdoraalliiiie ab (Fig. 27) . Bald umwächst dann da»
16 Ontogeneie und Morphologie der Sphingidcn-Zeichnung.
Braune daa Wdss und das vordere Auge ist soweit fertig, wihiend
das hintere langsam naeiifolgt. Die Bildung der Augen gelit also
hier nicht rascher tot si^ als bei Elpenor.
Am Ende dieses Stadimm betriigt die Lfaige der Ranpe etwa
4 Cent, die Gnmd&rbe ist nodi immer meeigrttn, die Snbdorsal-
linie sehr ahgeUasst, naeh mten gaos yerwasehen , nnr nach ohen
noch scharf abgesetst von der grünen Gmndfiurbe (Fig. 26).
Stadium IV.
Nach der drUten Httutong wurden alle Raupen (5} brann «also
ein Stadium frttherals es bei Elpenor in der Regel ge-
schieht In einzelnen FUlen tritt die branne Fftrburg sogar schop
im dritten Stadium auf Der Snbdorsalstreif war bis auf Reste auf
dem totsten und d» 3 ersten Segmenten ▼erschwunden. Die Augen«
flecke entwickeln sich jetzt rasch bis su voller Ausbildung, sie
erhalten eine schwarse Papille und geben dem Thier wirklich ein
schreckliches Aussehen , wenn es bei drohender Geihhr durch Ein-
siehen der vordem Segmente das vierte aufblAht (Flg. 28). Die
Augenfleeke des fttnften Segmentes entwickeb sich weit weniger,
als bei Elpenor, bleiben klein und fidlen wenig ins Auge. Dagegen
entstehen jetzt schon , ganz wie im letiten Stadium bei Elpenor,
auf allen Segmenten, mit Ausnahme des letzten, deutliche
Anlagen von Angenfleeken, als unregelm&ssig rund-
liche schwarze Flecken am Vorderrand der Segmente
in der HOhe der ehemaligen Subdorsallinie und dort ist
das sdiwane Pigment in ihrer Umgebung su Ungsstrdfen ange-
ordnet, zu weldiem dann noch ein medianer LSngsstreif hinzu-
kommt, eine Zdchnung, die vielleicht die Raupe ihren Feinden
noeh ftiTchterUcher erscheinen ISsst. Diese selbst ist Indessen nur
auf den drei ersten Ringen zu eikennen. Sehr deutlich erseheinen
dann ferner noch die bei Elpenor erwühnten »Rttckenpunkte« auf
Segment 5—11.
Von der dritten Bftutung ab finssen die Raapen noch 1 1 Tsge,
in die noch eine vierte Häutung fiel, ohne dass aber damit eine
VerlUiderungderZeichnungverbnnden gewesen wäre. Dann gingen
sie In die Eide. Die Raupen-Entwicklung im Ganzen betrug 38 bis
29TiBge.
DieEntwiddung der Poroellus-Raupe wurde zweilfal verfolgt.
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Ontogmete und Morphologie der Spliingiden-Zeichnung. t7
1869 «D 12, 1874 aa 5 Indiyidiieii. In keinem Fall erhielt ich
Banpen, welche die ganze Entwieklongadaner hindnreh grlln ge-
blieben wären, doch wird dieser Fall, wenn auch als ein seltoer,
in den Büchern angegeben; die Abbildung einer grttn gebliebenen
anflgewachBcnen Banpe habe ich jedoch nirgends anfBnden können
nnd mOehte deshalb einstweilen annehmen, dass grttn blei-
bende Poreellns-Ranpen — wenn sie Überhaupt Tor-
kommen — gradesn Ansnahmeflllle sind. Die theoretische
Bedentnng dieser Annahme wird sieh später ergeben.
3. Resaltate der Entwicklungsgeschichte von Chaerocampa
Elpener und Poreellni und Vergleichung mit den übrinen bekannten
Chaerecimpa-Arlen.
Das erste Stadium von Elpenor deutet daraufbin, dass die
weitest surttckliegende Stammibrm der Gattung noch keinerlei
Zeichnung besaas , dass dieselbe einfaoh grttn gewesen ist In spft-
teren Nadikommen bildete sich dann die weisse Lftagslmie , welche
ich als Subdorsale beseiehnet habe, und bei noch spSteren Nach-
kommen schwand dieselbe wieder bis auf mehr oder weniger deut-
licfae Reste , während sngleich aus einxelnen Stttcken derselben sich
die Angenflecken auf dem yierten nnd fttnften Segment entwickelten.
Erst nachdem diese znr vollen Ausbildung gelangt waren, Uldeten
sieh als 'schwache Wiederholungen derselben schwane Flecken
aof den andern Segmenten mit Ausnahme des lotsten.
Bei Chaerocampa Poreellns schlttpft die Raupe schon
mit dem Suhdorsalstreif ans dem Ei, das Stadium I. von Elpenor
wird ttberspmngen, nnd wir dflrfen aus dieser Thatsache sehliessen,
dass Poreellns die jttngere Art ist oder, was dasselbe ist, die in
der Entwicklung weiter voigeschrittene.
Damit stimmt der ganze ttbrige Entvncklnngsgang von Por-
eellns, der im Wesentlichen nur eine Wiederholung der Erschei-
nungen bei Elpenor ist und nur in dem einen Punkte sich unter-
scheidet^ dass alle Neubildungen um ein Stadium früher auftreten,
als dort So die Umwandlung der grttnen Grundfärbnng in die
Imuine, so die Wiederholung der Augenfleckc auf den Übrigen
Segmenten in Gestalt verwaschener schwarzer Flecke , so das Auf-
treten der hellen Ii llckenpnnkte«. Nur die Angcnflecke selbst
erscheinen in demselben Stadium, und etienso bildet sich auch die
W«Ua»Ba, Stodin. IL 2
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18
Ontofeneae und Moiphologi« d«r Sphingidtn-Zcichnung.
iof . *Sebw«iiidi«iifonii< der Bmpe, d. Ii. die eUrke rnadartige
VeijaBKnog der Tordera Segmente in demidbeii Stedhni aas, nim-
lieb im sweiten.
Ans dieeeo allein bekennten Entwicklungadaten werden wir
«nf Tier Haaptstufen der phyletiscben Entwicklang
der Gattung zurUckschlieBsen dürfen. Die erste Stufe ist einfach
grttn, obne jede Zeichnung, die zweite weist bereits eine Subdor-
sale auf, die dritte Augeiiflccke auf dem dritten und vierten Seg-
ment, nnd die vierte wiederholt die Augenfleeke , wenn aacb aar
in Andentangen , anf allen Übrigen Segmenten mit einaiger Ana-
nahme des rudimentBren swOlften Segmentes.
Veigleiobt man nnn biermit die übrigen bekannten Ranpen von
C h a e r o c a ni p a - A r t e n , so ergibt sieh das interessante Resultat,
daaa dieselben Hieb in drei Gruppen sondern lassen, welebe
genan den drei letzten pbyletiaeben Stnfen entspre-
eben, wie sie soeben aus der Ontogen e eevonChaeroeampa Bipenor
and Porcelltts abgeleitet wurden.
Von der Gattung C h aerocam pa * i sind im Ganzen Uber
50 Arten beschrieben worden, nur von ir> Arten aber keuut man
die Kaupen und zwar stets nur unter der Form , vwelcbe ara im lete-
ten Stadium der Ontogenese besitzen.
(iruppe 1. Ich kann nur wenige Vertreter fllr sie anfuhren.
Zuerst sei Chaerocaiupa Syriaca peuaunt, die ich in zwei auf-
geblasenen E\cini)laren in der Staudinger'schen Sanimluu^ ge-
sehen und in V\^. 29 abgebildet habe. Die Kaupe ist grün und hat
ausser den vielen (.'haerocanipa- Kaupen zukommenden kurzen
Sehrägstreifen über den Füssen als einzige Zeichnung eiuc ein-
fache, weisse Subdorsale ohne jede Spur von Augen-
fleeke n. Sie entspricht also genau dem zweiten Stadiuni in der
Ontogenese von Chaerocampa Elpenor und Poroellns.
*} Ich tiehe die Gattungen Pergets Walk, und Darapaa Walk, mit zu
Chaerocampa Dup. ; die erste von ihnen icheint mir überhaupt unhaltbar,
da man zwei Arten , deren Kaupen eine hu vollständige Uebereinatimraung sei-
gen, wie Chaerocampa Elpenor und Poreellua uninAfUeb in twei Gattungen
auMinander reisigen kann ! Porcellun wird aber Wegn sdMt in der That etwaa
verKcliicdt iifn I'"lum'lschnittes üur (Jnttunp Pergena grrnpen. Ks zeigt nicl)
an dieaem Beispiel deutlich , wie gefährlich ea iat, ohne alle liücksiobt auf die
lUitpen SchmetterUngtigattungen Rnfintetellen. Aiioh die Osttnng Darapea
Wdk. echeint mir von sehr sweifelhaftem Werth und bedarf jedenlldlt Boeh
Moer gemoen Nachprefeng mit BeiOckaiehtigang dar Raupeafonien.
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Ontogenese und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung. ] 9
Leite tnicl die Naohriehton Ober diese Art so mgenttgeiid , «neb
in Betraff des Sehinetteiliiige, daas sieh nieht einmal mit voller
Beelinuafheit ans der GrBsse te beiden Banpen anf ibr Alter
sehliessea lisst. Sollte der Sebmetterüng die GrOise ron £ I p e n o r
besttien , dann wire die abgebildete Banpe von 5,3 Cent. Länge
jedenfalls niebt ans dem lotsten , sondern dem vorlelsten Stadinm
nnd es misste swdfblbaft gelassen werden, ob sie vielleiebt im
loteten Stadinm noeb Aogenlleoke bekommt, oder niebt
Dass aber Arten ezistiren, welebe aneb im letzten Stadinm
te Ontogenese dem Stadinm 2 von Elpenor entspreoben, seigen
die swei bekannten Arten der yoo Walker naeb den Imagines
angestellten Gattung Darapsa. Von dieser Gattung werden im
Gray'seben Oatalog sebn Arten an^efklbrt, von sweien derselben
-sind die Banpen im erwaebsenen Znstand bekannt dnreb die Tor-
traffliebenAbbüdttqgeuTon AbbotnndSmitb*). Diese besitsen
die »Sebweinebenform« in ansgeseiebnetem Grade; eine Banpe ist
in der Stellung abgebildet, welebe aneb nnsereCbseroeamparBaapea
bei bemanahender Gefidir sofort amiebmen: die drei vordersten
Segmente sind in das vierte eingesogen (Fig. 34 ist eine Copie dar-
aadi).' Angenfleeke sind aber wete bei D. Myron noeb bm D.
Cboerilns vofbaaden, sondern nur ein breiter, weisser Snbdor-
salsMf und nnterfaalb desselben weisse Sebiftgstreifen, welebe
gans ftbnHeb vrie im Stadium m. von Poreellns mit der Snbdoisale
ansasnnentreffen, gewissetmassen ans ibr bervoigeben.
Grnppe 2. Sie entbllt zahlrdehe Arten, websbe, wie onsre
einheimischen Chaeroeampa Eipenor nnd PoreeBns anf Segment
vier md ftnf Augenfle^ trsgen, wlbrend die übrigen frei davon
snui, ote bOebstens nur Andeutungen davon anweisen. Hierher
geboren ausser den beiden genannten Arten noeb flinf andere, nim-
Heb in Burepa noeb Chaeroeampa Celerio nnd Aleeto (? nicht
sieber bekanntl), in Indien Chaeroeampa Nessus Umy und Ln-
easi Beisd.**) nnd eine nnbenannte Art ans Port Katal in Afrika.
*) Abbot 4t Saiith. The iwtanl histoiy of tfw flmr LfpUdqptoroat
InBects of Georgia , collectcd from ihe obscrvations of John Abbott, with
the plants un which they feed. London 17U7. Fol. 2 vol.
**j Abgebildet in ,,A Catalogue of Lepidopterous Inäncl» in Ihe Museum of
thoBwt. IndUCompMjrby Thomas Horsfield and Fredaric Moore,
London 1857. Vol. I. PI. XI."
20 Ontogenefie und Murpbolugie der Sphingiden-Zeichnung.
Die Snbdonale kann dabei mehr oder weniger eriialten sein.
So beritit Chaeroeampa Celerio nach der Abbildung Httbner*«
eine breite gelbe Linie Yom Horn an bis xnm seehsten Segment,
dagegen fehlt sie hier anf den drei ▼ordern Segmenten YollaMndig.
Bei der nnbenannten Art ans Port Natal*) erstreckt sich die
Snbdorsale sogar bis znm Vbrderrand des fttnfken Segmentes, ea
steht auch nnr anf dem Tierten ein ansgebildeter Angenfleck, anf
allen folgenden aber sind Andeutungen von solchen su erkenneUi
als dunkle Flecken wie bei Elpenor und Forcellus.
Den Uebeigang zu der dritten Gruppe bildet dann eine eben-
falls nnbenannte Art aus Mozambique*). Bei ihr sind anf Seg-
ment 4 und & siemlich grosse Augenileoke entwickelt , dann folgt
eine nnr stellenweise deutlich markirte Snbdorsale, anf welcher
kleine, mndliche, noch nicht Tollstandig von ihr abgegranite Fleck-
chen stehen und zwar je eines nahe dem Yorderrand jeden Seg-
mentes, also etwas weiter ausgebildete Wiedeiholungen der yor-
dem Augenflecke.
Gruppe 3. Bei den hierher gehörenden Arten wiederholen
sich die Augenflecke nach rttckwftrts anf allen Seg-
menten. Ich kenne sieben derartig gezeichnete Chaeroeampa-
Sanpen, ron denen Chaeroeampa Biseeta Horsfield**) sieh noch
an die vorbeigehende (kuppe anlehnt, indem hier die Wiederho-
lungen der Angenflecke auf den Segmenten sechs bis elf noch nicht
die ToUe Ausbildung erlangt haben. Vollständig gleioh Schemen
sie bei Chaeroeampa Oldenlandiae**) Fabr. zu sein, sowie anch
bei Chaeroeampa Alecto***) ans Imto, wftbrend sie bei Chae-
roeampa Actaeus Cram.***) sowie bei Chaeroeampa Tersa aus
Nordamerika (Taf. n. Fig. 28) anf den übrigen Segmenten kleiner
sind als der Aagenfleck auf dem vierten S^ment nnd bei Chaero-
eampa Celerio Linn, ans Indien f) die GrOsse der Flecke von
Tomen nach hinten zu abnimmt.
Anch in dieser Gruppe verhält sich die Subdorsale sehr ver-
schieden. Bei einigen Arten scheint sie vOllig yerschwundeu zn
sein (Chaeroeampa Actaeus, Celerio), bei andern ist sie als
*) Abgebildet in ,, Transatt. Rnti)m. S<»c. new neriei Bd. IV. PI. XIU."
Cat. Lep. Ins. Hast India Comp. PI. XIII.
Horsfield «. a. O. Ttf. X.
^f) EbradaselbttTaf. XI.
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Ontogenese und Moipkologie der Sphingiden-Zeichnung.
21
Liditstraif noch Torbaoden und sieht Uber alle Segmente (Chae-
roeampa Aleeto), bei noeh andern ist sie alt breiter, weiseer
Streif erhalten wenn aoeh nor bis snm vierten äegmcnt ( C haero-
campaTersai Fig. 28).
Der Sobdorsalstreif ist somit bei den Arten» welche bereits
Aogenflecke besitsen, ein sehr Tarjabler Charakter. Interessant
ist es aber, dass aneh in dieser am weitesten Toifeschrittenen
Orappe die Snbdorsale ttberbaupt noeh Torkommt, weil hier-
' dnreh eine ähnliche Entwieklnng der Angenflecke,
wie bei Chaerocampa Elpenor and Poreellas fast snr
Gewissheit wird.
Die Ontogenese dieser tropisehen Arten würde darttber defini-
tiven Aaftehlnss geben kfionen, leider aber kennen wir die Jagend-
fennen von keiner einaigen Art, and so ISsst sidi nnr vermathen,
dass jundestens ein^ von ihnen im ersten Stadinm noeh die dn-
fiwhe Snbdorsale ohne Angenfleeke aafweisen weide, dass dann
im sweitea Stadium die beiden primären Aogenfleok-Fkare aaf dem
Tierlen and fünften Segment sieh aasbilden and erst in den loteten
Stadien die Uebertragang aaf die ttbiigen Binge stettfinden werde.
Die lotete Annahme geht anmittelbar aas der Ontogenese von
Elpenor and Porcellas hervor, fllr ihre Bereehtigang spridht
andi die sehen erwihnte bedeatendere Grösse der Aagenfleeke bei
mehteven Arten der dritten Grappe. Sie wttrde schliesslieh noch
sehr bestimmt gestHtet weiden dnroh das Verhalten der Baope von
Chaeroeampa Celerio in Indien, voraasgesetot, dass die hieraof
bsillglieheD Angaben Horsefield's nicht aaf einer Verweehsdang
der Art berahen. DieseryerdienteBeobaehter,derzaerstplaamissig
eine grosse Ansahl tropischer Banpenformen zttchtete, beschrieb
nnd in äemlieh guten Abfalldangen darstellen Hess, gibt aneh eine
Abbildang der indischen Banpe von Chaerocampa Celerio.
Nach dieser besässe dieselbe Aogenflecke aaf allen Segmenten vom
vierten bis aehntai. Die enropilisehe Baape derselben Art hat nnr
aaf Segment 4 and 5 Aagenflecke, Horsefield seheint dieselbe
nicht gekannt so haben, da er keinerld Bemeikang sn seiner Notia
ttber Chaerocampa Celerio aas Indien hinsnfilgt.
Gehört die von ihm abgebildete Banpe wirklich sa Celerio
—was ieh kebeswegs fllr anwahrscheinlich halte ^ so ist dadnrch
nidit nnr erwiesen, dass bei den Banpen der dritten Grappe die
22
Ontogenese und Murpholugie der Sphingiden-Zeicboung.
Angeailecke «nf den hintaren Segmenten lekandär, dnreh Wie-
derholnng der vorderen primftren entotamden sind, sondern vir
wurden damit festgestellt bsben, dass ein nnd dieselbe Art
gleichseitig anf awei yerscliiedenen Wolingebieten
aaf swei versebiedenen phyletiscben Stadien ange-
langt sein kann.
Fassen wir schliesslich die Thatsadieni welche die Ontageneoe
der beiden deutschen Arten und jene, welche die aasgebildete
Form der übrigen Arten an die Hand gibt Msammen, solisstsieh *
darans mit siemlicher Sich^heit ein Bild vom Entwicklnngsgaag
der Qattong Chaerocampa entwerfen. Von den vier phylelischea
Stadien, welche ans der Ontogenese von Elpenor und Foieelliis
sich ableiten liessen, bilden drei heute noch den Endpunkt der
Entwicklung bei lebenden Arten. Die grosse Ycnchiedenheit der
Baupen dieser Gattung erklärt sich denmaeh sehr einCMh daiaas,
dass sie auf ▼erschiedner HShe phyletischer Entwicklung stehen,
einige Arten sind weit lurtlckgeblieben (Gruppe 1), andere mehr
vorgeschritten (Gruppe 2), noch andere auf der HOlie der Entwick-
lung angelangt (Gruppe 3). Es stimmt gut su dieser Ansehanmig,
dass die dritte Gruppe nur siss tropischen Arten besteht, da viele
Tbatsachen dafllr sprechen, dass unter den Tropen die phyletische
Entwieklung rsschw vor sich geht, ato in gemässigtem KUma.
Soll aber die Entstehung der so anHUIenden Zeiehnmg kun
cbarafcterisirt werden , so beraht dieselbe auf der lokalen Umbit-
dung sweier Stückchen des Subdorsalstreift su Augenflecken, sovHe
der späteren Uebertragung dieser beiden primären Augenflecke auf
die dahinter gelegenen Segmente. Die Augenfleokc entstehen immer
auf Segment vier und ftlnf und die Uebertragung schreitet von hier
aus meistens nur nach rückwärts fort , in einigen Fällen aber auch
zugleich nach vorwUrtR. Hierin d. h. in dem Ausgangspunkt
der Augen fleokbildung liegt ein tlurcligreifender Unterschied
der Gattung Chaerocampa von der mit ihr häufig susammeO'
geworfenen Gattung Dcilephila, bei welcher der Ausgangspunkt
eines gaas ähnlichen Zeichnnngscharakters an anderer Stelle Uogt.
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OtttogeaMe uiMi Morphologie dei Sphiogiden-Zeicbnung. 23
II. Die Oattuog DeUephUa. 0.
Mir rind die Baopen toh nean Arten des enropltimliea Faii-
üMgelitoieB und die einer aordnierikiiiBehen Art bekannt Ihre
Zewimmg irt «aienMin Tervoliieden und eeheint anf den ersten
Bück wenig Hofftmng sn bieten, sieh auf eine gemeinsame Grand-
Com smrttokfthren an lassen.
Mail kann diese lehn Arien naeh ilirer Zeichnnng in 5 Gmiipen
sondern, wdehe loh knn beaeiehnen willi ehe ieh snr Daistellnng
der Ontogoneso ttbergehe-
Dia erste Ornppe wird von drei Arten gebildet. Es
gehört iB ihr die yerbreitetsto and hSnügsto aller enropKiseben
Deüephila-Artea D. Eaphorbiae nnd ansner ihr noch D. Dahlii
aas Saidinien «hI Corsika, sowie D. Nieaea, eine Art von eben- .
fiüls sehr besohiiaktein VerbfeitangsbeBirk, da sie nur in euieni
kkinen Gebiete der fransftdsahen lüttehneerkllste ▼orankommen
ssheint Alle drei Arten stimmen insoweit in ihrer Zeiobnong Aber-
ein, als sie im amgewaehsenen Zostand swei Reihen Ton
Bingfleeken Jedeneifs besitien, während eine Snbdorsal-
linleTollständig fehlt.
Die sweite, wiederum aas drei Arten bestehende Grnppe
isiglaadi noefa grosse Aehnliehkeit mit Eaphorbiae, hat aber
Bir eine einiige Reihe ?on Bingfleeken. Dahb gehffrt
D. Vespertilio, Galii nnd die in Algerien vorkonunendeMau-
ratnaiea.
Fttr die folgende Grnppe kenne ich nor einen Vertreter:
D. Livorniea Esp. Sie besitzt eine einfache Reihe Ton Ring^
flseken, welehe dnreh eine Snbdorsallinie verbanden
werden.
Eine weitere Grnppe wird von der am kaspischen Meer
vorkommenden D. Zygophylli nnd der nordamerikanischen D.
Lineata gebildet, welche einen starken Subdorsalstreif
besitit, in welchen aber mehr oder weniger dentlieb Bing flecke
eingeschaltet sind , die ich als o f f n e bezeichne , weil die schwane
Einfiusnng derselben in Gestalt eines obem und nntem Bogens aof-
triit nnd noch nicht die Snbdorsale schneidet.
24
Ontogenese und Morpholugie der Sphingiden-Zeicbnung.
Bei der letiten Gruppe, repritoentirft durch die am Fiu«
der Alpen (Wallis) and sttiUlch bis Andaliuieii voriLommende D.
HippophaeB ist norein breiter SabdorsalstreifTorluuiden, in der
Regel ohne jede Spar von einer Fleekenreihe.
Die erwähnten bedeotenden Unterschiede in der Zdohnnng
dieser fttnf Gnippen bemhen nnn keineswegs etwa anf ZnlUlig-
keiten, sondern sie entsprechen versehiedenen phyleti-
sehen Entwicklnngsstadien, mit andern Worten: die fUnf
Gnippen sind von verschiedenem Alter, die saerst gcnannteGn^pe
(Enphorbiae etc.) ist dte jUngstOi die snletst genannte
(D. Hippopliaes) die ftlteste der Gattung.
Ihrem phyletischen Alter nach folgen sich die Chmppen in der
nmgekehrten Bdhenfolge, die erste ist die von Hippophaes, die
zweite die von Zygophylli, die dritte die von Livornica, die
vierte die von Galii und die fUnfte und jüngste die von Enphor-
biae. Nor von der loteten Gruppe ist mir die Entwicklnngsge-
Bchichte einer Art vollstftndig bekannt nnd dies ist der Grand,
warum ich in Folgendem mit dieser Grappe beginne nnd also von
den jüngsten zu den lUtbsten Formen voranschr^, statt den na-
tllflicheren Weg von den einfiMhsten und Utesten zu den complidr-
teren jüngeren einzuschlagen.
1. Deilephila Eupherhiaa.
Frisch eingefimgene weibliche Schmetterlinge wurden in einen
Zwinger von derGrOsse eines kleinen Zimmers gebracht. Obgleich
sie sich dort fcnneswegs recht wohl fühlten, vielmehr sich Flügel
und Kopf an den Tarlatanwänden vielfach zerstiessen , so legten
doch einige von ihnen Eier ab und zwar einaefai an die Basis der
Blfttter von Euphorbia Cyparissias. Dieselben SJmeln sehr den
Eiern von Chaerocampa Elpenor, sind wie diese sphlroid,
allein etwas kiemer und etwas dunkler grün. Sie werden in klei-
nen Gruppen, bis zu sieben Stück, nahe bdeinander abgesetzt,
doch so, dass sie sich nicht berühren, selten auf die Spitze eines
BlKttchens, immer aber nahe der Spitze eines Zweiges, also da,
wo junge Blatttriebe in nächster Nähe sind.
Während der Embryonal - Entwicklung verfilrben sieh die
Eier, weiden gelblich, stelienweiBe schwänlich, zuletzt ganz
schwärzlich.
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OatogHMM und Morphol<^e der Sphingiden-Zeiohnaag. 25
Stadinm I.
Die jungen Räupchen [Fig. 37) messen nnmlttelbar nach dem
AassehlUpfen 4 Mill., sind zuerst etwas heller, werden aber schon
nach einer halben Stande fllr das blosse Auge tief sammtaehwan;
spiter, bei sonehmeiider QiOne erblassen sie wieder, wefden grtln-
Hohediwarz und spttter aohiriinlichgrfln. Bei sttrtoer Vergrüsse-
mng (Fig. 38] zeigen lie von Anfang an ein schwänslichee Griln,
die Born ist lehwan, ebemo der Kopf, Ftttie imd eine halbinoiid-
ftmige GbitiDplatte anf dem Backen des Frothorax, sowie eine
paarige ond swei unpaarige Chitittplatten«if dem leisten ISegment.
Von der spftteren Zeiehnang der Banpe ist nooh gar
Nieiiis Torhanden. Die Stigmen heben sieh als weisse Fleelce
ab. Anf jedem Segment steht eine AmaU (meist 10) Wlnehen,
Ton denen jede eine einfi^he Borste trttgt.
Wenn die Btapehen die Llnge Ton 7 Hill, eneidit haben, sind
sie oBrengrlln und stedien dann nicht mehr so grell ab von dem
GrSn der BophorUar-BlIftler, wie vorher. Irgend eine Zeichnnng
besitMü rie aiudi dann noeh nicht.
Stadinm n.
Nach flinf Tilgen erfolgt die erste Hftntnng und mit ihr er-
seheint plotslieh nnd ganz unvermittelt eine schon
sehr eomplicirte Zeiehnang. Die Orandfarbe ist jelit ein
helles, gelblidies GrBn (Fig. 39). Anf jedem der 12 Segmente
steht 'nahe dem Yoidemiid ein rdn weisser, runder Fleclc mitten
anf einem grossen , in die Qaere gesogenen schwanen Fleck. Ich
beieichne sie, entsprechend der bei Ohaeroeampa eingeführten
NomendalDr als* weissen »Spiegel« auf schwarzem »Hoft, beide
znsammen aber als »Bingf leck« zom Unterschied von den eigent-
lichen Angenfleeken, bei welchen noch ein »Kern«, diePa-
pflle des Aoges, hinzukommt. Nicht bei allen Individuen, aber bei
vielen sehr deudieh sieht man Spuren einer Subdorsal-
linie als hellen, weisslichen Liehtstreif die weissen
Flecke miteinander verbinden. Das Horn, die Thoneal- und After-
iHsee und einige Fleeken am Kopf sind schwarz.
So bleiben die fiinpehen unveründert, bis nach 4 Tagen bei
euer Lllnge von 17 lüil. die sweiteHllutang eintritt, wdehe wieder
eben so grosse Veiinderungen mit sieh ftthrt, wie die erste.
26
Oatogeiiese und Morphologie der iSpbiQgidea-Zeichnung.
Stadivm ID.
Di« Bupe bekoBunft nnn diM gekffmflll» (ehagriovlige) Ani-
selMii,welolw0iieimenrMjhieiieoZiistaiidberi Kleine, wviMe,
ktfrntritfiiUidie Winehw neben in Ungmüieii angeoidiiet fn»
BttekeoiMf Mb sur StigmaUiiie und leiten «iob «wsli neoh «nter-
halb deraelbao auf den Banebftaaen. Sie sind nioht nur nie ein
Obankier von Werth, der dieGattongen DeilepbiU nnd Chae-
roeampa traml» aoodflni ne spielen aneh beini Znetendekoninien
der etgenfhUmliofaen FlsekoueMhnnng eine BoUe, wie spiter ge-
leigt weiden soll.
Die Omndfiffbe der Baape ist jetit sin beUee Grün (flg. 40),
webshes jedoob an bestinunton Stellen von Sebwan TSidiingt ist.
Von dem sebwarsea »Hof« der Bingfleske erstrseken sicli swet
dreieekige sehwane Zipfol gegen den Hintenand des Segmentes
sn , ohne denselben gew4lbnlieh Jetrt sehen in erreichen.
Die Bingfleske sud nicht wesentUeh-reribidert, doeb beme^
man msistens jehit schon, dass die Chagrinfleckchen, welche nnter
jedem Bhigfleek stehen, etwas grtfsser sind nnd dichter beisammen
stoben, als an andern Stellen. Sie Tersohmelzen im folgenden
Stadium sn einem iweiton, weissen Spiegel, so dass dann swei
Bingfleoke ttberdnander stehen, deren schwane Hflfe aber sn-
sammeniUeseen. Zuweilen findet die Ansbildong des «weiten Bing-
flecks schon in diceem Stadium statt (Fig. 42).
Die Snbdorsale ist jetzt rollgtändig yerschwunden , Uber
den Fttssen verläuft ein breiter Streif, der Stigma-Streif*).
Das Horn ist gelb mit schwaner SpitM. Am Kopf haben die bei-
den schwanen Flecke an OtOsie angenommen«
Stadinm IV.
Die dritte Häatang , welche nach abermals yisr Tagen bereits
eintritt , bringt keine so bedeatenden Veränderungen mit sich. Das
Grttn des Grandes verschwindet Jetzt vollständig und macht einem
matten Schwarz Platz. Uebrigens sind die Raupen jetzt, wie auch
schon im Torigen Stadium , sehr variabel. So kann sich z. B. ein
drdeekiges Stückchen des grtlnen Grundes am Hinterrand der Sef-
*) Genau genommen müsste dieser Streif als Infrastigma-Streif be-
MMiMtiraidm« doch Im <Bm Bwda dBMi 8Ihb, ti« aqgMA
Sttraif vtnksapi, vis Si B. bd Aaotr ja Piasctri.
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OataguutM und Mofphologie der SpliiBgid«n>Zeiclmiiig. }7
BMoto erlialteii (Fig. 41), nnd mlelM ImttvidiMii, w«lolie diMen
Ohuakler besitsen , erweiMii doh gewöhnlich aneh dnroh das Feh-
len des «weiten Splegeli im Bingfleck als inrttckgeblieben in der
Entwiddiing der Zeiehnaag. In Fig. 4 1 sind die Obagiinfleekdien,
aaa welohen rieh dieser sweite Spiegel später bilden wird, sehen
dentUeh etwas grösser, als die andern and aof Segment elf
smd iwei ven ihnen benita anaammengeioflscn.
Stadinm V.
Nach abermals vier Tagen folgt die vierte Hlatong. Die ZeMi-
aangbldbt dieselbe» doch werden dieFarhen lebhafter; dasZiegil-
rofth an Kopf, Horn, Baokenatreif and Füssen Terwaadelt sieh in
Fenerreth. Der voiher abweehsebd grttn and gelbe StigmarStrrif
Utot ridi gewöhnlich in eine Beihe rothgelber Fleoke anf .
Zehn Tage später, bei einer Läng« von 8,5 Cent, hffrt die
Baape aof an fressen and beratet sieh aar Yerpnppang.
Aneb in diesem letsten Stadinm ist die Variabilität der
Päfbnng sehr giees. Variabel ist eigenfUeh Jeder Oharakter,
ehglsieh ea Torkonuaft, dass die Individnen eb nad derselben Brat
sehr wenig Abwetehaagen seigen*}. So ist die Bttekenlinie
bald aehwara, bald roth oder rotfa von Schwan anterbroobea, so
dass nar noch kleine, rothe Fleekehen UelbeD. Der Kopf ist
bald gani loth, bald tiigt er schwane Flecken. Am Baach
herrscht meist Both vor, bei Einzelnen aber ist dasselbe in Schwan
verwandelt. Aach die Orandfarbe schwankt, meist ist rieein
gttniendes Brannschwan, aaweilen ein mattes Kohlschwan.
Ebenso sind die Chagrinfleckchen bald weiss, bald gelb, and aaeb
die »Spiegel« der Bingfleeke sind oft gelbUch.
Die interessantesten Variationen aber scheinen mir die folgen-
den an sein: .
Bd vielen Individnen vom Kaisentnhl (Breisgan) war das
Both nngemein lebhaft and beschränkte rieh nicht aaf die gewöhn-
lichen Stellen, sondern nahm ansserdem noch das Dreieck am
*) Darauf beruht ofTtnbar die Angabe dai so überaus zuverlässigen Rösel,
da«s die Itaupo von Euphorbiae sehr wenig variabel sei [Inscktenbelusti«
gUDgen Bd. III. S. 3(>). Ich theilte früher diese Meinung, bis ich mich über-
' Mugte , dw dfaM Art u mudMB Oitm swv Mfar Iwiwlant, aa
idirTariabdisk. £■ ■chsinen lokal» Binflfliit diaB— pa vwiBdailich »tt Miwhift.
28 OntogeneM und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung.
Hintenaod der Segmente ein (Fig. 44), welebes in den Stadien
m. und IV. vom Orttn eingenommen wurde (Fig. 42}. Dieee Vn-
riation iat aneh Ton Httbner lehon abgebildet worden.
Bei einem Individunm (Fig. 43) fehlte der ontere Bingfleek,
dagegen besass der eine yorbandene einen eohOn rothen Kern,
der iwar naeb vomen ra ▼erwaaehen anfhDrto, aber doeb den
ersten Schritt kor Bfldnng eines voUatladigenAQgenfleokeB darstellt
Ob in die loteten sehn Tage noch ehie fttnfte Hiatang Allt,
kann ieh nicbt gans bestimmt Tomefaien , wenn ich aneb sehr daran
sweifle. Gewiss ist aber, dass einige Zeit vor der Veipappang nnd
iwar , wlbread die Tbieie noch freasen , dm anffirilenden F^urben
verachwfaiden nnd Schwan die Haaptfivbe wird.
Offenbar ist die Ontogenese dieser Art nur ein sehr nnvoll-
stindiges Bild ihrer phyletisefaen Bntwiddnng. Das geht allein
schon aas der grossen Kloft benror, welehe iwiscben dem ersten
nnd sweitenSladinm liegt Eine BeiheTonBingfleckenlLann nicht
plOtelieb nnd nnvermittelt entotaaden sein, Tidmelir wird sie sich
aller Wahrscheinlichkeit nanAk ans einer Snbdorsale entwickelt
haben, die aber bei EnphorUae nur noch im iwdtem Stadiam nnd
aneh da nur als ein schwacher Liehtatieif angedeatet ist
Diese Vermnthong wud sor Gewissheit, wenn wir dte ttbrigea
Arten von Deilepbila sn Hülfe sieben.
2. Deilephila Nicaea.
Ich kenne diese Art nur aus aufgeblasenen Excni]>laren der
Sta 11 <l i nger'sclicn Sammlung und ans den Ahbiklungen Du-
poncliers, von welchen Fig. 51 meiner Tafel III. eine Copie ist.
Die auKgewachsene Raupe besitzt zwei völlig getrennte Reihen von
Ringflecken. D u p o n c h c 1 bildet noch zwei jüngere Entwicklungs-
stadien ab, von denen das jüngere wohl das dritte Statliuni ist.
Das 18 Mill. lange Thier ist blattgrlln, zeigt keine Spur eines Sub-
dorsalstreifens und trägt bereits die beiden Reihen von Ringflecken,
welche sich von denen des folgenden und des letzten Stadiums nur
durch die noch grtlne Farbe des Spiegels unterscheiden.
3. OaitepMteDibiii
kenne idi ans xabIreichenEzemplarenTersehiedenerStadieo, welehe
Herr Dr. Standinger in Sardmien gesammelt nnd in aofgeblase-
nem Znstande anfbewahrt bat.
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Ontogenes« und Morphologie Her Sphingiden-Zeichnung.
29
Das erste Stadium ist sdiwSnlieh und idgt, gans wie
das entsprechende Stadinm von Enphorbiae noch gar keine
Leider fehlt das zweite Stadinm in der Standinger*schen
Samminng. Das dritte seigt bereits eine Rettie ?on Ringflecken,
welehe aber noeb dnreb eine sehr dentlieb nnd scharf aus-
gebildete Snbdorsale Terbnnden wird. Im Yierlen Stadium
kommt dann noch eine iweite (untere) Reihe Ton Ringflecken hinsu,
wibiend in der Regel sogleich der Snhdorsalstreif veischwindct.
So blettit es ancb im fllnfken Stadium, weldies in der Zeich-
nung grosse Aehnlichkeit mit Enphorbiae besHat, wibrend es
sich in der Fftrbung nicht unwesenflich tod ihm au unterscheiden
scheint I soweit man darttber nach oonservirten Exemplaren und
aaeh vereinielten Abbildungen (bei Duponcbel, Httbner) nr-
theilen kann. Uebrigens habe idi mehrere Exemplare des letiten
Stadiums geseben, bei welchen die Snbdorsale noch als breiter
Lichtstreif dentlieb su erkennen war.
Aus der vierten Gruppe der Ton Oalii scheint mir beson-
ders das Wenige wichtig, was ich über die Entwicklung ?on D.
Vespertilio fesMellen konnte.
4. Dsilephilt Vespertilio.
Leider ist es mir bis Jelst noch nicht gelungen befruchtete Eier
dieser Art lu erhalten , so dass ich Uber das erste Stadium Nichts
aussagen kann. Dasselbe irilre nicht nur wegen der Zeichnung,
sondern auch wegen eines etwa noch Torbandenen Restes des
Schwanihomes von Interesse.
Auch das s weite Stadium ist mir nur aus seinem Ende
belumnt, da die einzige Ende Juni 1873 an Epilobium rosmarini-
folium gefiindene Ranpe sich berate dicht Tor ihrer zweiten Hiu-
tnng befand. In der Regel aber pflegen bei so jungen Raupen die
Neobildungen , welche das folgende Stadinm bringt, schon am
Ende des Torbeigehendeo dnreb die dOnnc Ghitinbant dnrchsn-
schimmern und dadurch die Zeichnung des Tbieres zu verSudem.
Diese Ranpe mass etwa 16 Hill., war scbOn grasgrUn , glän-
zend nnd glatt (Fig. 13). Eine breite, weisse Snbdorsallinie zog
7om Torletzten Segment, auf welchem das Horn schon voll-
ständig fehlte, bis auf daserste Segment. Bei genauem Zusehen
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30 OotogMMirt voä Motpbologie der Sphingiden-Snelianaf .
«ikaante man nahe dem Yorderrand jeden Segmentes die erste Spar
der späteren Ringfleoke in Gestalt eines sehwaeh gelben, rundlicben,
Übrigens nicht scharf umschriebenen , auf der Subdorsallinie
selbst stehenden Fleekes (Fig. i 3) . £)er8elbe fehlte nur aaf Segment
eins, nnf welehem auch später kein Ringiieek steht.
Ausser diesen Zeichnnngselenienten war nnr noek ein gelbliok-
weisser Stigroastreif zn beobachten.
Lieider ging dieses einzige Exemplar zu Grunde , ehe es die
Httatnng, zn der es sich anschickte, Uberstanden hatte. Jedenfalls
ist mit (lieser l)creits eine sehr bedeutende Umwandlung verbunden.
Ich sckliesse dies ans einem aufgeblasenen Exemplar der Stau-
din g e r 'sehen Haninilong, welches bei einer Länge Ton nur 1 8 Mili .
doch schon die spätere graue Färbung an Stelle des schUnen Grttu
seigt. Die breite weisse Snbdorsale trägt auf jedem Segment ein
rothes Fleckchen , oben und unten von schwarzem Halimiond ein-*
gefasst (Fig. 4» A.). Dies wäre das drille Stadium. Daran
sohliesst sich dann das vierte Stadium, von dem ich mehrere
Ranpen lebend gesehen habe. Auch hier ist bei manchen Ranpen
die Snbdorsale noch vOllig deutlich vorhanden (Fig. 14), aber die
Flecke Spiegel] sind jetzt vollständig von einem schmalen scbwar-
len Ring 'Hof; nmgcbcn , der sie scharf von der Snbdorsale ab-
setst (Fig. 49 B.). Im fUnften Stadium wird dann dieser Ring
an einem etwas unregelmässig gestalteten schwarzen Hof, wäh-
rend die Snbdorsale vollständig verschwindet (Fig. 51 und 49 C.j.
Die Spiegel selbst sind weiss, tragen aber meist noch einen rOtb-
lichen Kemfleck , der offenbar dem primären gelben Flecken ent-
spricht , mit welchem die ganze Entwicklung ihren Anfang nahm.
Doch fehlt er auch zuweilen, wie denn auch in den früheren Stadien
mancherlei Variationen vorkommen, die sich aber alle als Hildungs-
heniraung oder-Verziigernng leicht versteben lassen. So schwindet
die Subdorsale oft friiber und ist im Stadium IV. nur noch als
schwacher idchtstreif vorhanden.
5. Deilephila GaJii.
Ganz ähnlich scheint die Entwicklung der Zeichnung von D.
Galii vor sich zu gehen. Bei der erwacbseucu Raupe ist auch hier
keine Spur einer Subdorsallinie zu erkennen. Auf dunkel oliven-
grtlaem oder auch schwäralichbraaneoi , braunem oder lehmgelben
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Ontogenese und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung. 31
Qnind sMhl eine Reibe groiier seliwftrser Fleeke, deren
jeder wieder efaiea nnr^gehnlisig nmdlielieii gelbliehirelien Spie-
gel Mgl. Leider ist ei mir an^ Iiier bis jeteC ideht gelungen,
beftnobtete Eier la bekommeo. Aber eine efaixige AbbUdmig einer
1,5 CSent. langen Raupe findet sieb bei Hflbn er. Sie iat beUgrilny
md bat 5 Llngslimen, eine Doml-, swei Subdonal- and Stigma-
tniien. Die SnbdonalHnie ist weiss nnd trigt an Stolle der spSteien
Ringflecke kleine rotbe Fleeken, wibiend sie selbst an Rissen
Stellen sebwan gesiamt ist
Wabnebebdiebbatle Httbner das dritte Stadinm vor sieb
nnd danaeb würde man rennntben dürfen, dass das xweite eine
Ton Fleeken noeb freie Sabdorsallinie besHit, oder doeb nor so
sebwaebe Anfinge der Fleeken, wie im sweiten Stadium bd Ves-
pertilio.
Das vierte Stadium habe ieb selbst in swei Indiridaen im
Oberengadin geflmden. Das eine davon (F!g. 45) war bereits sebr
dnakel, scbwarzgrUn in der Gfandfiffl>e*) mit grUnlichweisser
DorsaUinie. Auch bier war die Subdorsale als breiter, sebarf be-
grenzter , weisslichgrOner Streif in ganzer Ausdehnnng noch ror-
banden und die in sie einge»chalteten Ringflecke bestanden ans
einem schwefelgelben Spiegel mitorangerothem Kern ; der schwarze
Hof griff noch nicht Uber die Sobdorsale, osndem beschränkte sieb
noch anf zwei etwas verwasebmie Halbmonde Uber und nnter dem
Spiegel. Nur die zwei vordersten Spiegel (auf Segment
2 und 31 entbehrten des Kernes.
Die übrigen Eigenthttmlichkeiten der FUrbuug ergeben sieb
ans der Abbildung , ieb hebe hier nnr noch das Vorhandensein von
Chagrinfleckchen heraus, welebe die Flanken nnd anch einen Theil
des Baachs bedecken.
Dieses Exemplar mass 3,3 Oent. in der Länge, ein sweites
von 2,8 Cent, verhielt sich zwar im Wesentlichen gleich, zeigte
aber, dass anf dieser Entwicklungsstufe eine bedeutende Variabi-
lität herrschen mnss. Es war pechschwarz mit sehr undeutlicher
Subdorsale und wenig hervortretenden Kingflecken , deren Spiegel
aber anch schwefelgelb war und den Orangerothen Kern einschloss.
Die Cbai^rinining war ebenso stark ausgebildet, die Chagrinfleck-
chen gelb statt weiss.
*) Dtt Ortn In Rg. 45 fit bedcvtnid so hell gmlhra Im FariModraek.
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32 OntogeneM und Morpholope der 8pMiigid«i-Z«Iehiittiig.
Besonders aber ist hervorzuheben . weil in theoretischer Be-
ziehung wichtig, dass hier auf den drei vordersten Seg-
menten die Ring flecke fehlten und auf dem vierten
nur eine schwache Andeutung davon sich erkennen
Hess. Auch bei der abgcbiUleten Raupe nehmen dieiUn^ecke an
Deutlichkeit von liinten nach voruen zu ab.
Stadium V.
Die beiden eben beschriebenen Individuen bekamen nach ihrer
Häutung die bekannte, oben bereits kurz geschilderte Zeichnung
der ausgewachsenen Galii-Kaupe. Das fUnfte Stadium ist das letzte.
Bekannt ist auch, dass diese liauj)e in mehreren Farlien vor-
k(mimt, wie denn RJisel sie in drei Variationen abbildet, hell-
grün, olivengrlln und lehmgelb. Seitdem hat man es nicht tler
Muhe Werth gehalten, auf Raupenfärbungen Acht zu haben, so dass
z. B. in dem bekannten Buch von Wilde'; selbst diese Rös er-
sehe Beobachtang keinen Platz gefunden iiat und die Raupe von
Qalii einfach als »schwärzlich olivengriinu beschriebeu wird.
Ich hatte Gelegenheit, die ziemlich seltene Art in 25 ausge-
wachsenen Exemplaren nebeneinander beobachten zu kiinnen und
konnte so feststellen , dass es sich hier nicht um einen eigentlichen
Di- oder Polymorphismus handelt , sondern um einen hohen Grad
von Variabilitftt. Es sind nicht mehrere scharf getrennte Färbungen,
sondern die Extreme sind durch zahlreiche ZwiBchenfomien yer-
bnnden. Allerdings aber Überwiegen die Extreme.
Die hellgrttiie Foim RdseFs ist mir nicht vorgekommen, auch
die dunkelgrüne fehlte unter diesen 25 Individuen, ich kenne sie nur
au einielnen frülieieii Ftandea. Dagegen kamen alle Abstufungen
der Fifbung zwischen peehsehwafs und hell lehmgelb , ja fast
weisflUehgelb vor : brannsehwars, sehOn kastanienbraun, gelbbraun,
dunkel lehmgelb, aneh bnumrodi. Unter 21 Exemplaren, deren
F&rbung notirt wurde, befanden sieh 9 sehwane, 9 lehmgelbe und
3 bnnne, jede der diei Gruppen aber leigto wieder versebiedeoe
Fubenabitnfiingen.
Aneh die übrigen IHrbungen schwanken etwas. So sind die
Spicgelllecke iheils weiss, theihi sattgelb , theils auch enthalten
sie noch einen rOthlicben Kern.
*) Die PÜanzen und Kaupen Deutschlands. Berlin 1860. S. b<i.
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üniogenei« und Murphulugiv der Sphingiden-Zeichnung.
33
BeflondereB Interesse bietet das Schwanken der Chagrinirnng,
iBBofem diese in anffallendem Znsanimenliang so stellen scheint
mit der Gesammt-Färbung der Raupe. Selten nur seigen
schwane Raupen sü spärliche Chagrinimng, wie die in Flg. 46 abge-
bildete, meist sind sie bis gegen die Rllekenlinie hinauf dicht besetzt
mit grossen ChagrinkOmchen (Fig. 47) und ihndn dann auffallend
der erwachsenen Raupe von D. Euphorbiae. Die hell oeker-
gelboi Individuen entbehren dagegen snm Tbeil die Chagrinileok-
eben gänzlich (Fig. 48), sie sind glatt und ähnehi dann nicht wenig •
der ebenfalls hell lehmgelben oder gelblichrOthlichen Raupe von
D. Nicaea (Fig. 51). Niemals aber habe ich eine Raupe ron
Oalii gesehen, welche im letzten Stadium noch Spuren der Snb-
dorsale gezeigt, niemals auch eine, welche eine zweite Reibe von
Spiegelfleeken besessen bitte. Ein Zurückschlagen oder ein plötz-
liches Vorschreiten in der phyletischen Entwicklung scheint also
nicht Tonnkommen.
Von der ebenfalls noch zur Galii-Oruppe gehörigen Dell.
Hanretanica Nordafrika*s habe ich weder Exemplare jttngerer
Stadien, noch auch Abbildungen auftreiben können. Die ausge-
wachsene Raupe ist der von Euphorbiae sehr ähnlich, unter-
scheidet sich aber durch das Fehlen einer zweiten Reihe von Ring-
flecken. Ich mnss sie deshalb als eine auf ttlterer Stufe phyletischer
Entwicklung zurückgebliebene Form ansehen.
Ich wende mich zur Lirornica-Oruppe:
6. Doitephila Livornica, HUbn.,
die einzige enroplische Art,- welche hierher zu rechnen ist, besitzt
im ausgewachsenen Zustand ungefilhr die Zeichnung, welche fllr das
vierte Stadium von Oalii angegeben wurde, d. h. sie besitzt eine
Subdorsallinie, in welche Ringfleoke eingeschaltet
sind. Die Art ist bekanntlich selten, ich habe sie lebend noch
nicht erhalten können , dagegen aber mehrere aufgeblasene Exem-
plare nnteiaucbt, die alle darin ttbereinstimmten , dass die Ring-
flecke sidi scharf abgrenzten von der weisslicben Subdorsallinie,
dass also diese tob jenen unterbrochen wurde. In den Werken von
Hllbner, Boisdnral und Duponchel finden sich Abbildungen
der ausgewachsenen Raupe. Die Grundfarbe derselben ist bei den
34
Ontogoneae und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung.
raeiiten IndiTidaen branii, doch bildet Boisdoval*) anob ein
hellgraues Exemplar ab, was nach Analogie mit Galii nnd
Vespertilio darauf schliessen Usst, dass die ersten Stadien grlln
sind. In Dr. Standinger's Sammlnng befindet sich ein jnnges
IndiTidonm, wahrsehefadieh dem vierten Stadinm angehOrig, von
hell asehgraner Gnmdfiwbe. Dorsal- nnd Sobdorsalstreif sind weiss
nnd LetKterer trägt an Stelle der spiteren Ringfleeke kleine weisse
Spiegel mit rothero Kemfleck, genan entsprechend dem in Fig. 49 A
• abgebildeten Stadium von Vespertilio. Die Spi^l idnd Nichts , als
Erweiterangender Snbdorsale, die also dnrch sie noish nicht nnter-
brochen wird. Der schwane Hof Ittoft noch nicht rond am die
Spiegel , sondern nmrandet dieselben nnr nnten nnd oben nnd iwär
ist er nach oben an viel stftrker entwickelt nnd sieht sich bis an die
Bttckenlinie.
Die vierte Grnppe bilden die beiden Arten D. Lineata
Fabr. nnd D. Zygophy Iii » erstere vertritt in Nordamerika nnsere
Li vornica, nnterseheidet sich aber von ihr dadurch, dass sie anf
dem Stadiam 4 von Livomica stehen bleibt.
Mir ist die Art nnr ans der Abbildung bekannt, welche Abbot
nnd Smith von der ausgewachsenen Raupe geben, nnd aus der
Stellung und Form der Flecke glaube ich schliessen zu müssen,
dass dieselbe — im Gegensats sn den Übrigen vortrelTlicbea Ab-
bildungen — nicht gans genan ist.
Die Grundfarbe der Ranpe ist grlln, der Snbdorsalstreif gelb,
nnd gesäumt von schwarzen , schwach gekrttmmten Bogenlinien,
welche ihn nirgends nnterbrechen. D. Lineata von Nordamerika
scheint demnach eine ältere Form zu sein, als nnsere Livomica.
7. Deilephila Zygophylli.
Diese Art schlicsst sich imniittelbar an D. L i n e a ta an, sie lebt
im Bttdlichen Kusslaiul. Ich habe vier Exemplare der Ranpe in Dr.
Staiidinger's Suninilnng gesehen, von welchen drei jedenfalls
im letzten Stadium der Ontogenese sich befanden. Die Grundfarbe
scheint aschgrau, aschbrann bis schwärzlich zn sein mit weisslicher
Körnclnng. Ein breiter weisser Snlxlorsalstreif zieht bis an die
Basis des schwarzen Horas nnd bei dem einen Exemplar scheint
*) Fig. 63 ist eine Copie naeh BoiidiiTaL
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Ontofenete und Morphologie der Sphingiden-Zeichnmig. $5
derselbe auf den ersten Blick n o e b k (! i n e S p u r vo n Flecken-
a u lagen zu entlialten Fig. 50; . Bei geniiuerer Untersncbung aber
bemerkt man an dersellien Stelle, an weleber bei den Ubri<;en
Üeilephila-Arten die Kingtlecke stehen, kleine schwarze
Halbbogen Uber und unter der Snbdorsale, bei andern
Exemplaren hat sich auch das Weiss der Subdorsale selbgt an die-
sen Stellen za einem deutlichen Flecken erweitert , ja bei einem
Indindnum tritt die SnbdMsale znrOck , während helle weisse Spie-
gelflecken auf ihr stehen mit obern und untern schwarzen Einfas-
snngsbogen (Fig. 50 A). Die Baupe ist also grade in diesem ent-
scheidenden Charakter sehr Tsriabel und es würe der Ansicht, das»
dieselbe grade jetzt sich im Ueborgang za einem Irilheren phyleti-
seben Entwicklnngastedinm befindet, nur die andere entgegenzu-
stellen, »teil welcher die Ringflecke lirtther stftrker entwiekelt waren
und jetit in der Bückbildong begriffen sind. Welche ron beiden
Antiekten die richtige ist, darttber kann nnr die Entwicklungsge-
sdiiehte entscheiden. Fttr einen der .zablreidien nnd eifrigen rus-
sischen Natnrforscber dürfte die Herbeisohaffung des Hilerials daiu
nicht allsn schwierig sein.
8. Daütphila HippophMS
istder einzige mir bekannte Beprilsentant der fünften nnd älte-
sten Gruppe. Bekanntiich ihnelt der Sehmetterling dieser Art
tum Verwechseln dem yon D. Enphorbiae. Um so mehr mnss
es anffiülen, dasa die Raupen so vollstindig Terschieden sind.
Die an^gewacbsenen Ranpen dieses wenig verbreiteten Schwir-
mers sind dareb Terschiedne, mehr oder minder getreue Abbildungen
in den Werken Ton Hllbner, BoisduTal und Dnponohel be^
kannt Auch gibt Wilde eine Beschreibung derselben, jedoch
wohl nach firemder Quelle. Ich will mich nicht mit der Kritik dieser
verschiedenen Angaben aufhalten, sie sind theils richtig, theils
ungenau , theils auch ginslieh irrtbOmlidi ; fttr die Fragen , welche
hier vor Allem in Betracht kommen , reichen sie nicht ans. Es war
nStfaig, neue Beobachtungen anzustellen.
Ich habe im Ganzen etwa vierzig Raupen vergleichen kOnnen,
davon 35 in lebendem Znstande. Alle diese Exemplare besassen
ungefitbr dieselbe graugrttne Gmndiiube und die meisten schienen
genan die einfiwhe Zeichnung zu besitzen, wie sie z. B. in der
3»
36 Ontogenese und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung.
Hllbner*schenAbtfldiing dargestellt ist, d. h. einen liemlieb
breiten, und an den Rftndern etwas Terwasebenen
grOnlichweissen Sabdorsalstreifen ebne jede Spur
Ton Fleeken auf allen Segmenten mit Aosnabme des
elften. Auf diesem aber befimd sieb ein gelblieber, sehwars-
geslamter Spiegelfleek mit einem breiten, verwasebenen , stark
orangerotb geflirbten Kemfleek.
Eb kommen aneb wirkHeh, ond swar keineswegs selten, Indi-
viduen vor, bei weloben in der Tbat keine andern Elemente der
Zeichnung vorbanden sind, als die genannten; nnter 28 anf diesen
Pnnkt bin vergliobenen Individnen befanden sieb 9.
HOebst interessant Dir die Gescbichte der Zeiobnnngsentwiek-
Inng der ganzen Gattong mnss es aber ersebeinen, dass bei
vielen andern Individuen dieser Art kleine rotbe
Fleeke auf der Subdorsale sieb leigen, und swar
genau an der Stelle, wo bei andern Arten die Ring-
fleeke stoben [Fig. 60} ! Also eine Wiederbolung des einngen
vorbandenen ausgebildeten Ringfleckes I
Dabei bat es aber nicht sein Bewenden, sondern bei wieder
andern Individnen stehen diese rotben Fleckchen auf einem
grosseren gelben Spiegel und bei Einigen (Fig. 59} werden
sodann durch Einfassung mit Schwärs förmliche
Ringflecke daraus!
Wir haben also hier innerhalb ein und desselben Stadiums
einer Art die ganze Entwicklung des Ringfleeks ans der Subdorsale.
Noch interessanter wird die Sache daduroh, dass sich nach-
weisen iXsst, aus wekhen Elementen die Neubildung bervoigebt,
sowie, dass sie von hinten nach vornen vorschreitet,
somit also wohl ohne Zweifel als Wiederholung nnd
Uebertragung des schon früher vorhandenen Ring-
fleckes auf Segment elf an betrachten ist.
Ich schicke den Nachweis fUr diesen «weiten Punkt vom».
Es ist mir kein Exemplar vorgekommen, welches anf allen
Segmenten Ringflecke getragen hätte, im höchsten Fall waren die
Segmente 10,9,8,7,6 nnd 5 mit Flecken vereehon. So war es
unter den 2S genan verzeichneten Kaupen bei dreien der Fall.
Auch dann aber fanden sich mcht auf allen diesen Segmenten
gleich hoch entwickelte Kingflecke, sondern dieselben
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Ontogenese und Morphologie der Spbingideu-Zeichuung.
37
nahmen von hinten nach vornen an Ansbildong ab.
Auf Segment 10 steht s. B. bei der in Fig. 59 abgebildeten Banpe
em TDUig ausgebildeter Ringfleck , allerdings nur mit schwachem
■ehwarsen Hof, aber doch deutlich eingefosst» anf Segment 9 schon
ist diese Einfhssnng etwas weniger scharf nnd dunkel, auf Segment
8 und 7 noch weniger, auf Segment 6 ist sie ganz verschwunden,
der gelbe Spiegelfleok hat zugleich an GrOsse veitoren nnd auf
Segment 5 nkennt man nur bei schärferem Zusehen zwei kleine
nahe beisammenstehende riJthHche Fleckchen, die erste Anlage des
Kemileoks*}.
Häufiger kommen Individuen vor, bei welchen die Flecke von
hinten her nur bis zu Segment 7 reichen und auch da nehmen sie
nadi vomen zu an GrOsse, Ausbildung und IntensitSt der Farbe ab.
So fand ich es bei 5 Exemplaren unter 28.
Viel Oiler (bei 11 Exemplaren) besehränken sich dieBingflecke,
oder ihre ersten Anfänge auf die beiden Segmente 10 und 9 und
aneh dann ist ohne Ausnahme der Fleck anf dem neunten Segment
viel schwächer entwickelt als anf dem zehnten.
Ein VoranrBcken der Ringfleck-Bildung in der Richtung nach
vorn Ist also ganz unzweifiBlhaft. Gewöhnlich nimmt die Ausbildung
der Flecke nach vomen zu sehr rasch ab, und solche FSlle, wie
dar in Fig. 60 abgebildete sind seltner, wo man anf allen Segmen-
ten von 10 bis 5 nur die ersten Spuren der Fleckenbildung findet.
Ans welchen vorhandenen Elementen smd nun diese durch
Uebertragnng entstandenen, also sekundären Ringflecke her-
vorgegangen? Sie nehmen ihren Anfang nicht mit der Abschnttrung
ehies StBekes der Subdorsale — wie bei den primären Augen-
flecken der Ghaerocampa-Arlen — nnd der Umprägnng des-
selben zu einem Spiegelfleek, sondern mit der Bildung eines
Kernfleckes nnd zwar dadurch, dass zuerst eine, dann zwei
der Chagrin-Wärzchen, welche anf der Subdorsale stehen,
eine gelbliche oder rothe Färbung annimmt (Fig. 61,
Segm. 6 n. 7) . Dann erst entsteht die gelbe Färbung des Grundes,
auf welchem diese beiden Fleckchen stehen (Fig. 61 , Segm. 8) nnd
nun bildet sich auch eine mehr oder weniger markirte sehwaizo
*) l)w Verbluien de* Roth von hinten nneh vorn su ist in dem Parben-
drnck nieht «agegeben worden.
33 Ontogenese und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung.
Einfawiuig in Gestalt sweier Ueineo Bogen. Erat spftter ver-
schmelzen dieee Begen nnd sngleieh aneh die beiden piimiren
Kernfleeken zu einem einzigen, wie denn z. B. in Fig. 61 nodi anf
Segment 9 gani dentlieli die ZneammenBetsnng dee Ringfledu ans
Bwei Thülen zn ericennen ist
Gewisa ISaat aich von vornlierein nioht liestraiten, daaa diese
Thatsaehen aieli aneh in umgekehrtem Sinne theoretiseh denten
lasBCD. Wie bei D. Zygophylli so könnte man aneh hierver-
anchtsein, die Eracheinnng als ein allmttliges , von vorn nach
hinten vorrückendes Schwinden früher vorhanden
gewesener Ringf lecke aufzufassen. Die Bereehtignng einer
solchen Deutung wird indessen durch die Ontogenese widerlegt.
Zwar ist es mir nieht gegluckt, Eier von Hippophaes za
erhalten und die jüngeren Stadien der Raupe sind mit deshalb un-
bekannt , allein unter meinen Ranpen beiSuiden sich zwei aus dem
vierten Entwiolünngsstadinm und diese zeigten nicht etwa
anf allen Segmenten Bingfleoke, wie man es nach dieser
Auffassung erwarten mflsstc, sondern sie entbehrten jede
Spnr von Flecken auf allen Segln eilten mit Ausnahme
des elften, auf diesem aber befand sich ein minder
ausgebildeter Fleck, als er im letzten Stadium ge-
funden wird.
In diesem Stadium vier ist die Raupe von Hippophaes
heller und blasser grUn Fig. 58 , die Subdorsale gelblich und mit
scharfer Begrenzung , die Infrastigmale wie später rein weiKs. Die
Chagriniruug ist bereits vorhanden , aber keines der Cbagrinfleck-
chen ist roth oder röthlich, auf der Subdorsale ist keine Spur einer
Ringfleokbildung zu entdecken mit einziger Ausnahme des elften
Segmentes. Dort verbreitet sieh die Subdorsale etwas nnd auf ihr
erkennt man einen länglichen, verwaschenen rosenrothen Fleck
(Fig. 58 A . Der schwarze Uof , der im fünften Stadium vorhanden
ist, fehlt noch nnd der Fleck grenzt sich nach vom noeh nieht so
scharf gegen die SubdorHale ab, wie später.
Nach den mitgetheilten Beobachtungen darf man wohl erwar-
ten, bei dem dritten Stadium von Hippophaes die SuMorsale
auch auf dem elften Segment frei von jedem Flecken zu finden , in
Stadium 2 aber mischte vielleicht sogar die Subdorsale selbst noch
nicht vorhanden sein.
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Ontogenete und Moxphologie der Sphingideii-Ziiichnuiig. 39
ZiMBiii0iifatsiiig der ThalswIiM Ober die Gattung Oellephila und
SehlOeee danwe.
Famt man allebdie ZeidmaagdAf ausgebildeten Dei-
lephila- Arten ina Auge, so reprisentiren dieaelben in ihien ftnf
Gruppen iHnf phyletiache Entwieklungsatadien dar Gattung ; zieht
man aber die Entwicklnngsgescliiolite za Httllb, so lumunen noch
swd weitere Stadien hinan, dasjenige idlmUeh, in welchem die
Banpe «berhanpt noch keine eigentliehe Zeichnnng besitit, wie
wir es auf der ersten EntwicUnngsstnfe von D. Enphorbiae nnd
Dablii erhalten finden nnd ein s weites Stadium mit Snbdorsale
ohne jede Bingfleckbildung.
Es müssen also sieben Stufen pby letiseher Entwick-
lung nntersehieden werden.
Stadium 1. Ginsliche Abwesenheit der Zeichnung
findet sieh bei keiner Art im erwachsenen Zustand mehr vor.
Stadium 2. Eine Snbdorsallinie sieht vom
Sehwanshorn bis zum ersten Segment, begleitet v.on
einem Stigmastreifen. Auch dicaea Stadium bÜdet nirgends
mehr das Endstadium der Ontogenese , wird aber ohne Zw^l im
zweiten Stadium mehrerer Arten erhalten sein (D. Vespertilio,
Livornica, Lineata, vielleidit auch Galii.)
Stadium 3^ Die Snbdorsallinie trftgtauf dem yor-
letzten Segment einen Ringfleck; im Uebrigen wie das
▼orige Stadium. Hierher gehlirt nur D. Hippophaes, welche
aber in einer IGndersahl der Individuen schon den Uebeigang zu
dem folgenden Stadium aufweist, indem sekundäre Bingflecken
von hinten nach vom vorrllGkend auf den ttbrigen Segmenten auf-
nweD.
Stadium 4. Auf der Snbdorsale stehen offne Ring-
fleeke nnd zwar auf allen Segmenten von elf bis eins.
D. Zygophylli gehOrt hieiiier, sowie D. Lineata aus Nord-
amerika.
Stadium 5. Auf der Snbdorsale stehen geschlos-
sene Ring fleeke. Von den bekannten Arten schliesst allehi
D. Livornica seine Entwicklung mit dieser phyletisehen Stufe ab.
Stadium 6. An Stelle der geschwundenen Snbdor-
sale steht eine einfache Reihe von Ringflecken. D.
40
Untugenese und Murpholugie der bpiüugiden-Zeichnuiig.
Galii, Vespertilio und Maure taniea repiUsentireii dieses
Stadinm am ScUasBe ihrer Ontogenese.
Stadium 7. Eine doppelte Reihe ron Ringfleeken.
Kar D. Dahlii, Euphorbiae nnd Nicaea eneiehen diese hOehsle
Stufe der Deilephila-Zeiehnang, Dahlii nnd Euphorbiae im
vierten Stadium der Ontogenese, Nicaea aber sehon im dritten.
So Iflekenhaft auch noch unsere Kenntniss der Entwicklnngs-
gesehiehte der einzelnen Arten ist, so iSsst sie doch soviel mit
Sicherheit erschliessen , dass die EntwieUnng der Zeichnung eine
durchaus gesetsmttssige ist, dass sie bei allen Arten in der^
selben Weise vor sieh geht. Alle Arten seheinen auf dasselbe
Ziel losEUsteuem und es macht deshalb ganz den Eindruek, als
ob ein inneres Entwioklnngsgesets es wäre, welches
als treibende Kraft die phyletisohe Weiterbildung
der Arten veranlasse.
Es muBS einem spSteren Abschnitt Überlassen bldben, die
Berechtigung dieses Eindruckes genauer zu prüfen. Hier, wo es
sich wesentlich nur um die Feststellung der Tha|sachen handelt,
ist znnXchst zu constatiren, dass niigends eine rttckschrdtende
Bewegung beobachtet wurde. Niemals zeigten die jttngero Ent-
wicklungsstadien einer Art die Zeichnungsform einer splfteren
phyletischen Stufe als die älteren, die Entwicklung der Zeichnung
nimmt bei allen denselben Weg und gelangt nur bei der einen Art
weiter vorwürts anf demselben als bei der andern.
So sind Nicaea, Euphorbiae bis zum siebenten phyle-
tischen Stadium vorgesehlitten, Zygophylli und Hippophaes
nur bis zum dritten, Zygophylli in einzelnen Individuen bis
zum vierten. Ifit welchem phyletischen Stadium aber auch die
Ontogenese einer Art abschUeesen mag , immer zeigen die jüngeren
Ranpenstufen die älteren phyletischen Stadien auf.
So erreicht D. Galii im letztem Stadium der Ontogenese die
sechste phyletische Stufe; dem entsprechend finden wir im vor-
letzton Stadium die fttnfte, im drittletzten die vierte phyletische
Stufe repAsentirt nnd es gehVrt wenig Gombinationfigeist dazu, um
vorauszusagen, dass im zweiten Stadium die dritte oder zweite
phyletische Stufe vorhanden sein wird.
Stellt man die Entwicklung der verschiedncn Arten zusammen
und bezeidinet die Stadien der Ontogenese mit arabischen, die
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OntogeiMM und Morphologie der Sphiiigiden-Z«icbniiiig.
41
Stufen der Phylogenese aber, welebe in jedem StadSnm erreicht
werden, mit ittnuBehen ZiiFem , so erhält mnn folgende Tabelle,
welche nicht nur eine hnnchbare Uebersicht der fintwichlnngs-
reihen gibt, sondern sogleieh anch aeigt, wie liele Lllcken noch
aoBBttfUllen sind , mn an einer vollatiodigen Kenntnias selbst dieser
kleinen Artengruppe zn gelangen.
Entwicklungstabelle der Deilephila-Arten,
Deilephila.
Ontog.
Sud. 1.
Ontog.
Sud. 2.
Ontog.
Sud. 3
Ontog.
Sud. 4.
Ontog.
Sud. 5.
l; Hippo])hae8
•f
■f
,11 ^
III-IV.
2) Zygophylli
f
•f
•
III-IV.
i
?
?
i
IV.
?
1
?
IV.
V.
5)Galü
?
?
IV.
V.
VI.
eiVespertUlo
?
n.(?)
IV.
V.
VI.
?
t
f
t
VI.
8) Dahlfi
I.
?
VI.
vn.
vn.
I.
V.
VI.
vn.
vn.
10)Nieaea
?
vn.
vn.
vn.
Ans dieser sehr nnTollstindigen Tabelle sieht man , dass swar
hl elnaehien FUen die Stadien eine contSnoirliehe B^e phyleti-
seher Stufen darstellen können, so bei D. Galii, dass aber in an-
dern auch Stnfen ttberspmngen werden, so bei D. Enphorblae,
bd welcher aaf die Stufe L im Stadium t sogleich die Stufe V. im
Stadium 2 folgt Genau genommen ist der Sprung nodi grosser,
denn die Stufe V. wird doch nur andeutungsweise erreicht,
die Suhdotsale ist nicht als scharf begremte Linie, sondern nur als
«in Terwaschener Streif, ein sog. Uchtstrelf , Torhanden.
Das Ausfeilen phyletiseher Stnfen nimmt su mit dem Vor-
wirlsschreiten der phyletischen Entwicklung. Eine je höhere Stufe
die Art schfiessUeh erklimmt, um so mehr werden die Anfengsstufen
susammengeiogen oder anch gans ausgestossen.
Aus dem, was bis jelst von der Entwicklung von Hippophaes
Torliegt, lisst sich die eine, wie mir scheint, sehr wichtige Folgerung
sieben, dass die Bingflecke der Deilephila-Arten su-
43
Oatogeaese und Murphologt« der SphingideD-Zeichnuag.
erst auf dem Sehwanshornsegment entttanden sind
and erst sekvodlir and allmHUg anf die davor lie-
genden Segmente übertragen Warden. Vollkommene
Sicherheit wttrde dieser Sati wohl dorch die KenntnlM der Jugend-
fonnen anderer , phyletieoh nurttokgebliebener Arten eihalten , be-
aonden de^enigra der amerikaniaeben D. Lineata, vielleicht
auch von Zygophylli und Livorniea. Schon die wenigen,
oben mitgetfadlten Beobachtungen Uber die Entwicklnng von D.
Oalii können ihm snr Sttttie dienen, da das Fehlen der Ring-
flecke bei der jnngen Baape anf den drei vordem
Segmenten (im einen Fall) oder doch die geringe Ans-
bildnng derselben an dieser Stelle (zweiter FUl) ebenfalls anf
ein Yorwftrtsrflcken der Flecke in der Bichtang von hinton
nach vom deoten.
Darf er als richtig angenommen werden , so ergibt sieh darans
ein fnndamentaler Unterschied in der Entwicklung
der Zeichnang bei den Gattangen Chaerocampa and
Deilepbila. Bd Chaerocampa geht zwar auch die Bildung
der Aagenfleeke von einer Subdorsale aus, allein sie bilden sich
snerstauf sweien der vorderen Segmente und werden sodann
erst auch auf die dahinter liegenden Obertragen , bei D e i 1 ep h ila
bildet sich ein einziger Bingfleck auf dem vorletzten , dem Schwanz-
honiscgment und wird sekondlranf die davor ttegenden Segmente
ttbertrsgen.
Auch was die Entstehiuig des ersten Bingfleckes angeht,
findet sich ein Unterschied von Chaerocampa, insofern bei
dieser der erste Schritt znr Aogenbildung die Abschnttrung
eines gekrümmten Stückes der Subdorsale ist, wäh-
rend bei Deilepbila zuerst derKernflecksa entetehen scheint,
jedenfalls die Abgrenzung des Spiegelflecks von derSnbdorsale erst
sekundär geschieht. Doch i»t es misslich hier weiter gehende
Schlüsse zn ziehen , da wir das erste Anftreten des ersten King-
fleckes noch nicht beobachtet haben , aus dem Modus aber, wie die
sekundilren Ringflecke sich bilden, kein ganz sicherer Schluss
anf die BUdungsgeschichte des primären Ringfleckes p /oiz^en
werden kann. Darans, dnss bei llippophacf^ die Bildung der
seknndltren Ringfleoke mit der Kothfärbung eines oder zweier Cba-
grinfleckchen beginnt, darf nicht gefolgert werden, dass auch der
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Ootogeneae und Morphologie der Sphingidea-Zeichnung.
43
primlie Biogfleek des elftem Segmentes auf dieee Wdee begonnen
habe, ond dies ist niebt ohne Bedentnng, sobald es sieh um das
Aofiraolien der Uisaehen handelt, welche der BingfleckbUdong zu
Grande liegen. Aneh bei Cbaeroeampa scheint die Bildong der
primftren und sekundären Angenfleeke ▼ersohieden an sein,
bei letsteren entsteht xnerst der schwarte Hof, bei ersteren der
SpiegeUeek. Allerdings bleiben die seknndilren AngenfledM hier
radlmentilr nnd dadnreh wird wiederom die Beweiskraft dieses
Sehlnsses abgesobwSobt, immerhin aber mnss angenommen wer-
den, dasB wir ans hier noch anf in unsicherem Boden bewegen,
als dass weitere Schlüsse anf ihn gebaut werden durften.
Als EndergebnisB der Untersuchung kann man den Sais hin-
stellen, dass die' heute lebenden Arten der Gattung
Deilephila fttnf Terschiedene phyletisehe Stadien
erreicht haben und dass in dem so Tersdhiedenen phyletischen
Alier derselben der Grund ihrer so sehr verschiedenen inssera
Ersebeinnng liegt, der sonst bei Raapen so ttberaos Ihnlicher
SchmetterUnge sich kaum veistehen liesse.
Fast konnte es ttberflttssig seheinen , noch weitere Belege ftbr
die Bichti^toit dieser Deutung der Thatiachen beisubringen. Allein
auf einem Gebiete, wo die Quelle der Thatsachen noch so spBrlich
IKesst , darf kein Argument als ttbertttssig bei Seite gelegt werden,
welches sieh aus ihnen ableiten ttsst.
Es kann aber mittelst der gelegentlich vorkommenden Abwei-
chungen (Variationen) der Banpen gewissermassen die Ftobe auf
die Biobtigkeit der vorgetragenen theoretischen Deutung gemacht
werden.
Wenn uns in der Ontogenese dieser Arten wirUloh eine Beihe
pbjrletiscbcr Entwicklungsstufen vorliegt, so dürfen wir annehmen,
dass gelegentlich Rtteksohh^f vorkommt, dass also eine erwachsene
Baupe die Charaktere einer jttngern zeigt nnd zwar mllssten Btlck-
schlagfionnen anf eine frllhere phyletisehe Stufe in dem Masse selt-
ner vorkommen, als diese Stufe in der Ontogenese weiter znrttck-
gertt^t ist. So mllssten z. B. Andeatungen der Snbdorsallinie bei
erwaohsenen Baupen von Euphorbiae nur sehr selten vor^
kommen, und noch seltner bei Nicaea, während man sie liäufigcr
erwarten mtlsste bei Vespertilio, aach schon bei Dahlii. Bei
Dahlii ist die Subdorsale noch im dritten Stadium vtfUig ent-
i
44 Ontogenese und Murphulugie der Sphingidea-Zeichnung.
wickelt yorhanden, ebenso bei Vespertilio, während de bei
Enphorbiae nnr im «weiten Stadinm und aaeb da nor als An-
deotong erhalten ist.
In der Tbat verhält sieh nnn die Sache eo. Unter mehreren
Hundert erwachsenen Banpen von Dahlii, welche Herr Dr. Stan-
dinger in Sardinien sammelte, befanden sich einige , welche
swar nicht eine denfliche Sabdorsallinie, wohl aber an Stelle der-
selben einen schwachen Lichtstroif als lotste Andentnng desselben
besassen. Eine der Ranpen der Standinger'schen Sammlung
besitst sogar eine deutliche Utngslinie iwischen den geschlossenen
Angenflecken. BeiVespertilio kommt das Aofkroten der Länga-
linie im letalen Stadinm noch häufiger vor, während es bei En-
phorbiae äusserst selten ist und auch dann nur als schwache
Andeutung erscheint. So bei einem als »Aberration« bcKeichneten
Exemplar des Httbner'sehen Werkes und bei einem der Stan-
dinger'schen Sammlung.
Von Nicaea habe ich hlfcbstens acht Exemplare gesehen,
keines von ihnen besass eine Andeutung der längst geschwundenen
Subdorsalstreilbn.
Es muBS aber auch erwartet werden , dass irgend ein Stadium
am leichtesten auf die pbyletische Stufe des vorher-
gehenden Stadiums zurttokschlügt, dass somit am häu-
figsten solche Charaktere durch Rackschlag ent-
stehen, welche im vorhergehenden Stadium noch
vorhanden waren.
Auch dieses Postulat der Theorie findet in den Thatsachea
seine Bestätigung. Raupen, welche auBgcwachscn dem sieben-
ten phyletiscben Stadium angehören, wie %. R. D. Euphoi biue,
leigen nicht ganz selten Variatiuneu diu dem Höchsten Stadium
entsprechen, d. h. statt zwei Reihen von Kingflecken deren nur
eine und zwar nur die obere, zuerst auftretende. Dage^n
kommen KlUkschlagsformen auf das fünfte phyletische Stadium
(Ringfleoken mit verbindendem Subdorsatetreif) nur äusserst sel-
ten vor.
Mir sind solche bei ausgewachsenen lebenden Ranpen
von I). Enphorbiae niemals vorgekommen, wohl aber in einem
Fall bei einer Raupe im vorletzten i vierten; Stadium der Ontoge-
nese, wo aber der aufibllenderweise dunkle, bräunliche Snbdor-
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UQtogtint;8e und Murphologie der Sphingiden-Zeichnuug.
45
sabtraif, der die rnmst Tollkommen entwickelten Bingfleeken ver-
band, im ftonften Stedinm der Ontogenese Bpnrioe versehwand.
Solche Ranpen aber, welche im erwachsenen Znstand der
sechsten phyletisebea Stnfe angehören, leigen nicht seilen mehr
oder weniger entwickelt die Charaktere der fünften Stnfe; so
s. B. D. Vespertilio.
III. Die (jattiing Smerinthus.
Die Smerinthnfr-Banpen sehen sieh sehr fthnlich nnd besitzen
alle eine sehr einfache Zdchnnng. Dies sehUesst schon das Vor-
kommen lahlrticher Entwieklnngsstnfen dieser Zeichnung ans, so
dass in dieser Richtung das Stndinm der Ontogenese geringere Anf-
BchlUBse Uber die phyletisehe Entwicklung der Gattnng in Aussieht
stellt, als bei den Torhergehenden Gattungen. Dennoch trigt nach
hier dasselbe nicht unhuteressante Frttchte nnd fttr die Erforschung
der Ursachen, welche die Ranpenzeichnungen henrormfen, sind
die hier erhaltenen Thatsachen sogar werthvoller.
Ich beginne auch hier mit der Darstellung der Entwick-
lungsgeschichte. Befruchtete Eier KU erhalte gelingt bei allen
mir bekannten Smerinthus- Arten sehr leicht. Begattete Weib-
chen legen auch in Gefangenschaft Eier in Menge ab und anch ge>
logene Weibchen kann man bei den hänfigeren Arten leicht dadaroh
sur Begattung bringeii , dass man sie an passendem Orte ins Freie
seilt, an einer Nadel befestigt. Ein Männchen stellt sich dann bald '
ein und die Begattung erfolgt so regelrecht, wie bei einem nicht
fixirteo Thier.
1. Smerinthus Tiliae.
Die hellgrtlnen Eier sind naheiu kuglig. Sie entlassen nach
14 Tagen (Aniiuig Juli) die hellgrünen ^npchcn , welche sich
durch ihr enonn langes Schwanzhorn fast von halber Körperlänge!)
ansaeichneu^ Auch dienes ist zncrst hcllgrUn, wird aber schon nach
einer Stunde dnnkelviolet. Sparen irgend einer Zeichnung lassen
sich in diesem Stadium nicht erkennen.
Sobald die Rftnpehen ausgeschlüpft sind, üsngen sie an, die
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46 Ontogenese und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung.
leere Eimhale wa benagen , dann aber rennen sie mit grosser Leb-
haftigkeit nmber» nm erst nach mehreren Standen ihren Air lange
Zdt bldbenden Aofenthalt anf der Unterseite der Undenblätter
und iwar anf deren grosseren Blattrippen sn nehmen. Da sie mit
diesen gleiche Farbe nnd Form besitzen, so sind sie dann sehr
schwer zu entdecken, was dnrehaas nicht der Fall wttre, wenn sie
in qnerer oder schrUger Richtung zu den Rippen dem Blatte an^
süssen. Etwa nach vier bis fünf Tagen treten die Ränpchen m
das sweiteStadinm ein nach bestandener erster Häutung. Sie
bekommen nun jederseits sieben weisslicbe nach oben
etwas dankler grttn grundirte Schrägstreifen, welche
an den Seiten der Segmente 1 1—4 in der Richtung des Schwaas-
homs Tcrlanfen (V. 24). Eine dankler grttne ROckenlinie
kommt durch die Lage des RQckengefllsses nnd das Fehlen des
FettkOipers an dieser Stelle za Stande, indem so das grUne Blnt
and der grttne Darm stärker durch die Haut schimmert. Ausser-
dem aber besitzen die Ränpchen einen weisslichen, feinen
Snbdorsalstreifen, der vom Horn bis nach dem Kopf hinzieht.
Das Horn wird schwarz , an der Wurzel gelbroth.
Im dritten Stadium, welches nach 6—7 Tagen eintritt,
treten die Sohrägstreifen stärker hervor, während der Snb-
. dorsalstreif wieder verschwindet.
Stadium IV.
Nach abermals 4—5 Tagen erfolgt die dritte Häutung und nun
beginnt ein Dimorphismus, der vielleicht besser als Variabilität
'beseidinet wird, da die beiden extremen Formen durch Uebeigänge
verknüpft erscheinen. Die Mehrzahl der Kanpen leigt wie bisher
rein weisse Schräglinien, viele aber besitzen an der Vorderseite
des Streifens einen blutrothen Flecken, der grosser oder
kleiner, stärker oder schwächer gefärbt sein kann in allen lieber-
gängen bis zur blossen Andentang herab. Diese Flecken bean-
spruchen ein ganz besonderes Interesse, denn sie sind niehts
Anderes, als die ersten Anfänge der bei so vielen
Sphingiden - Kanpen vorkommenden Farbensänme der
Schriigstricbc.
Im Stadiuni V., dem letzten der RaopenentwickluDg, bilden
sich die rothen Flecke noch weit stärker ans. Unter einigen achtzig
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Ontogenese und Morphologie der Spbingiden-Zeiehnang.
47
Raupen Yon einer Brat war etwa ein Viertel ohne alles Botb, die
Uelvrigen aber mit melir oder minder lebhaften , maaehmal grossen
nnd nnregetanSssig gestalteten blntrothen Fleeken gesohmVokt.
Bd Eimelnen hatte sieh der Fleeicea strieh artig in die Lftnge
gezogen*) nnd stellte nnnsehon einen farbigen Sanm des weissen
Sehiigstrieliea tot, Ihnlieh denjenigen, wie ihn die Baapen von
Sphinx Lignstri besitien. So Ündet er sieh aneh anf ▼ielen
Abbildungen dargestellt, nnr gewöhnlich gar in regelmSssig, denn
in Wirkliehkeit bleibt der forbige Strich nach oben sn immer etwas
rauh nnd nnregelmSssigbegrenzt, nie schon so glatt nnd seharfrandig
wie etwa bei Sphinx Lignstri. Er ist hier offenbar ein noch nicht
TOllig fertiger, sondern noch in der Bildung begrilfener Charakter.
2. Smerinthus Populi.
Ans den kngelUhnliehen ^rUnen Eiern schltlpfen 6,5 Millim.
lange Känpchen noch ohne jede Zcicbnnng ans. Sie sind
heilwcisBlich grUn, der grosse Kopf und das lange Schwanzbom
von derBcllKin Farbe. Der Hintcrrand der Segmente erscheint als
eine bollere, glänzende Hinglinic Taf. IV. Fig. 55).
Schon am folgenden Tag, und zwar obnc dasa eine Häutnng
Torheigegangen wäre, tritt die cbarakteristiscbe Zeicbnnng der
Gattung anf: sieben weisse Bohrägstreifen, welcbe nahe
der Mittellinie des Bttekens beginnen nnd in der
Richtung des Horns an den Seiten hcrablaufen. Auf
den drei vnrdcrHten Segmenten sind sie nnr durcb drei kleine weisse
Flecken vertreten (Fig. 56). Zugleich besitzt dicBaope aber ein
Zeichnnngselement, welches den erwacbHenen Ranpen der Gattung
anr noch in Andcntungeif' erhalten bleibt, nämlich eine sehr
wohl entwickelte, rein weisse Snbdorsallinie. Dieselbe
wird Ton den sechs vordem Scbrägstreifen gekreuzt nnd läuft za-
sammen mit dem siebenten auf dem Scbwanzborn ans.
Lange Zeit glaubte icb , dass die beschriebene Zeichnung erst
dem zweiten Stadium zukünie , da ich von der allgemein angenom-
menen Idee beherrsclit wurde, dass Veränderungen in Form und
Färbung bei Insekten nur zur Zeit der Häutung cintrctcji könnten.
Ich glaubte die Uäutuug Uherselien zu haben und erst ^^ naue Be-
obachtung einzelner Individuen benahm mir diesen Irrtbum.
•) So bildet «neh Rfliel (s. a. O.) diese Baape ab.
48 Ontogmiew und MoKphologie der ^htngiden-Zdchniuig.
Stadium II.
Die erste H&atnng erfolgt oaeh 5 Tagen bei einer Länge der
Baape tod 1,4 Cent. Sie fuhrt nur nnbedeotende YerSndeningen
der Zeichnung mit sich. Der Snbdorsalstreif ▼erliert sehr an Dieke
und Deutlichkeit und der ente und letzte Schiigetrich werden er-
heblieh breiter, als die dazwischen liegenden (Fig. 57). Auch die
grttne Grundfarbe nimmt einen gelberen Ton an und ebenso die
Streifen.
Dagegen treten Veränderungen der Form ein. Der ftuher
rundliche Kopf bekommt die charakteristische dreieckige, nach
oben spitu Smerinthusform ond zugleich zwei weisse, nach oben
in spitzem Winkel zusammenstoes^e Linien. Zur selben Zeit
bilden sich auch die ChagrinkOmchen der Haut und die rauhe rothe
Stelle auf der Wurzel des Horns.
Ueberhaupt scheint jetzt eine Neigung zu Ablagerung ^n
Roth Yorhanden zu sein , da auch die Thoraealfttsse sich lOthlich
ftrben.
Stadium III.
Nach G— 8 Tagen eifoljrt die zweite HHntnng. Die Zeieliuuiig
vei^ndert sich nur inBofcni . als die Suhdorsale noch nndentlit'her
wird. »Sie \'ih<st sich jetzf nur noch hei wenigen Individuen auf (hm
drei \ order^ten Segnieoteu deutlich erkennen, bei den meisten aber
fehlt sie voliHtändig.
Zuweilen treten schon jetzt rostrothe Flecke iihcr den Schriig-
stricheu auf, ein Charakter, der erst im fllnfteu Stadium häutig
vorkommt. Bei der einzigen, aus etwa Od Individuen hestehenden
Zucht, hei welcher ich die ganze Entwicklung^ verfolgt hahe . lie-
sass nur ein Individuum solche Flecke und dici>;cs zeigte dieselben
unr auf dem sechsteD Segment, aber auf beiden iSeiten
desselben.
Stadium IV.
Die dritte Häutung erfolgt nach ahennals sechs Tagen , ohne
dass eine Veränderung der Zeichnung damit verbunden wäre.
Auch in diesem Stadiiiin beohaclitete ich bei einer und zwar
hei einer andern, als der cl>en erwähnten Kaupe die rostrotheu
Flecken und wieder nur auf dem sechsten Segment.
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Ontogenete und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung.
49
Wegen der theoretischen Schlüsse, die man aus dieser Lokalisirung
der Flecke — falln sie uändich allgemein zutrifl't — ziehen könnte,
wäre es von Wichtigkeit, bei verschiednen Brüten Beobach-
tuDgen Uber das erste Auftreten , die Häutigkeit und die lokale
Beschränkung der Flecke anzastellen. Es ist mir sehr wahrschein-
lich, dass sich mindestens in Bezug anf Hiintigkcit und Zeitpunkt
des Auftretens grosse Verechiedenheiten ergeben werden , da im
letzten Stadium grade dieser Charakter eine grosse Variabilität
zeigt. Um so auffallender wäre es aber, wenn es sich herausstellte,
dass das früheste Erscheinen der Flecke sich stets anf ein bestimm-
tes Segment beschränkt. Die Analogie mit dem ereten Auftreten
der Angenflecke bei Chaerocampa, sowie der Ringtlecke bei
Deilephila läge nahe.
SUdlmn V.
Die erwachsene Banpe zeigt keine iigend erfaehliehen
Unterschiede der Zetehnmig Tim den yorhergehttuden Stadien. Die '
Schrägitreifen I tmd 7 dominiren jetst ideht mehr, da die daswi-
sehen liegenden wieder an Stärke angenommen haben. Vielen
bKÜTidoea fehlen roChe Flecken ganz, andere beBihten eolelie, aber
nnr klein und wenig lebhaft, noeh andere zeigen zwei Flecken Aber-
einaader tob M>halt rostrolher Farbe die aocb xnsammenilieBBen
können nnd dann eine bedeutende Grösse erreichen. Niemals
aber habe ieh sie weder im Leben noeh in Präpara-
ten oder Abbildungen an einem regelmässigen
lintenfOrmigen Sanm des weissen Sohrägstreifens
werden sehen, wie dies bei Tiliae in seltenen Fällen vorkommt.
3. Smerinlhiis Oeellafta.
Die grünen Eier ähneln sehr denen von Popnli, ebenso die
eben ansgeschlttpflen Sänpehen, welche wie dort der Zeichnung
ToBständig entbehien. Wie dort bildet sich dieselbe aber schon
im Laufe des ersten Stadiums und ist schon vor der ersten Häutung
ganz deutlicb siehAar. Das lange Sehwanihom ist roth gefHibt.
Die 1 Gent, langen Käupchen häuten sich nach 2—3 Tagen
und damit treten die sieben schon weissen Schrägstrei-
fen noch stärker henror, sowie die feine weisse, nur vorn
etwas breitere Subdorsallinie. Von PopuU unterscheiden
WcitMsaa« SladiM. IL 4
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50 OntOj^t-neMe unil Morpiioliigie dvr S|)hingitleii-Zeichnun)(.
n» aiek dadnroh , dass die SelnHgaMfea in der Ii itteIHnie des
Räokens xusammenstoeaen.
Die nach abermab 3 Tagen eintretende iweite HKntong bringt
keine erfaebliehe Aendemng, die feine SobdorialUnie tritt nnr noch
etwas mehr sorllcic.
Anohdie dritte Hftntnng bringt nichts weaentUcb Nenes.
Sie erfolgt nach weiteren 4 Tkgen. Sohrigstreifen bleiben wie
▼erheri aber sie erhalten Jetst naoh oben eine von
der grttnen Grundfarbe dnnkler sieh abhebende
Grnndirnng, während die Subdorsallinie Tersdiwindet and
nur anf den 3 oder 4 vordem Segmenten dentlieh bleibt.
Die vierte Hftntnng erfolgt sieben Tage spUer nndver-
ftnderte bei den von mir an^jezogenen Banpea die SSeiehmng gar
nicht. Knr kleine Fftrbnngsnntersehiede an Kopf nnd Horn machen
sich bemerklich , beide werden bliaKch. Es gibt indessen , wenn
aneh selten, einielne Indxndnen, webhe in diesem letzten Stadinm
•rothe Flecken in der Umgebnng der Schiftgstreiftn leigen, gans in
derselben Weise wie bei FopnH , nnr dsas sie bei Popnli hftoliger
verkommen. Ich selbst habe nnr einmal eine aasgewaebsene Baape
von Ooellata gefunden, welche rostbraune Flecken Uber
und unter den Schrfigstreiftn besass, genau so, wie RAsel*)
eine dieser Art abgebildet hat.
Auch in diesem Stadium bleibt indessen hat immer ein mehr
oder weniger deutlicher Rest der Snbdorsale auf den drei
bis sechs vordersten Segmenten bestehen, als eine weisslicbe Linie,
welche vom Kopf au« grade nach hinten sieht und die vordersten
Schi«gstriche sehneidet (Fig. 70).
Resultate der Entwicklungsgeschichte voa Smerintfaus Tiliae,
Populi und Ocellata.
Aus dem dilrfli^cn Material dieser drei, offenbar nahe ver-
wandten Arten läset sieb doch immerhin soviel abnehmen, dass in
Besag auf Zcichnnug drei £ntwicklnngsstafen zu nntcrscheiden
sind: 1} einfache (grUne) Färbung ohne Zeichnung,
2) Subdorsalstreifen mit sieben ihn kreuzenden
Paaren von Sebrftgstreifen nnd 3) mehr oder weniger
*) iMekten-Bclaitigangen. Suppl. Hdb. 38. Flg. 4.
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Ontogenea« und Morphologie der Sphingiden-ZaiohnuoK. 51
TolbttadigeB Fehlen des Snbdorsalatreifeii, wftbrend
die SehrSgstreifen bleiben nnd dieNeignng zeigen,
rothe FleekeuBinme zn bilden.
Welche der drei Arten die iHeste ist, wage ich nieht so ent-
seheiden. Wenn man nach der Häufigkeit der rothen Fleeken
sehliessen darf, so würde Tiliae die jüngste, c^. h. weitest vor-
gesehrittene Art sein. Allein damit stimmt nicht, dass bei ihr die
Schri^istreifen etwas später erscheinen. Doch sind gewiss beide
Unterschiede zn geringfilgig, nm darauf sichere Schlüsse bauen zu
k(hinen.
Der Yeigleich mit den erwachsenen Baupen anderer Smerin-
thnsarten bringt keine erheblichen weiteren Aufschlüsse.
Von der Gattung Smerinthus Ochs, werden bei Gray*)
30 Arten aufgeflihrt, Ton denen mdnes Wissens die Raopen nur
bei 8 bekannt sind (5 europäisdie nnd 3 nordamerikanische}. Bei
keiner Ton diesen zeigt das letzte Stadium neben den SchrSgstreifen
auch noch den Subdoisalstreif in ganzer Länge. Keine auch zeigt
umgekehrt eine weiter vorgeschrittene Entwicklungsstufe etwa so,
dass die rothen Flecke constant zu linearen FarbemAumen gewor-
den wären. Wir müssen also annehmen, dass sie alle so ziemlich
die gleiche Stufe pbyletischer Entwicklung erreicht haben.
Erst wenn man sich zn der in ihrer systematischen Stellung
zweifelhaften Gattung Calymnia Boisduval wendet, welche bei
Gray nur durch eine von Westwood zur (Gattung Sme-
rinthns gesogene**) Art vertreten ist, findet man eine ältere
Entwicklungsstufe der Gattung repräsentirt. Die erwachsene Banpe
von C. Panopus aus Ostindien besitzt nämlich neben den
Schrägstreifen auch noch einen vollständig aus-
gebildeten Subdorsalstreif***), sie entspricht also dem
ersten Lebensstadinm von SmerinthusPopuli. Möglicherweise
enthält sie in ihrer Ontogenese ein Stadium , dem die Schrägstreife
noch fehlen , während die Subdorsale bereits vorhanden ist. Aus
dem firOben Verschwinden der Subdorsale bei den Smerinthus-
Arten darf geschlossen werden, dass sie auch früh in der Fhyloge-.
•) Cataloguc of Lepidopt. British Musrum.
**J Cabinet Orient. Knt. p. 13, pl. G. fig. 2.
'* *) Catalogue of the Leptdopt. InsectR of the East*Indift Comp»iiy hy Hora-
field te Moon. Taf. VIII. Fig. 6.
52 ()ntogen4>fie und Morphulugie der Sphingiden-Zeiehnnnfc.
nese aufgetreten ist, während die Schrügstriehe eine sekan^bre
Zeiehnangsfonn darstellen , wie Bpitler noch näher begründet wer-
den soll.
IV. Die (Gattung Macroglossa.
Die ausgewachsene Raupe ist Ton fttnf Arten bekannti
zu welcher ich noch eine sechste hinsnittgmi kann. Die Gattung
enthält bei G r ay 26 Arten. Jttngere Entwicklungsstände der Ran-
pen finde ich nirgends weder abgebildet , noch beschrieben , doch
habe ich selbst die Ontogenese einer Art voltetändig beobachtet
Es gelang mir ein im Freien gefangenes Weibehen von M.
Stella tarn m znr Eierablage zu bewegen nnd zwar dadurch,
dass ich dasselbe in einem geräumigen, im Freien aufgestellten
Zwinger fli^en Hess. Es schwärmte dort an den Blumen und \o^q
seine kleinen, graRgrilncn, kugligcn Eier halb im Fluge einzeln
an die Blätter. Blüthcnknospen und BltUhenstiele von Galium
Mol Ingo ab, im Ganzen 130 Eier im Laufe von drei Tagen*).
Stadium I.
Illach etwa acht Tagen schlUpften die nur 2 Mill. langen Ränp-
chen anH. Dleselhen sind zuerst gelhlieh , bald aber grUnlieh , mit
kleinen einzel»tehendeu Borsten besetzt und kurzem, zuerst grlin-
licbem, dann schwarzem Schwanzhorn, der Kopf ebenfalls grünlich-
gelb. Sie besitzen keinerlei Zeichnung (Taf. 1. Fig. 1).
Stadium 11.
Nach vier Tagen erfolgt die erste Häutung und nun bekommen
die Bäupchen schon die Zeichnung, welche sie im Wesentlichen
bis zur Verpuppung beibehalten.
Di« Eiablage gc!>ci>icht so, Uans daa Thier im Flug« mit den Hcinen die
Spitze einei Zweiges packt und nun , fortwibrend mit den FlOgeln schwirrend,
das Abdomen aufwärts gegen ein Hlatt krümmt. Im Nu hat ea ein Ei auf den-
selben befestigt. Zwei bis vier Mal wiederholt ( s mm diese Procedur di( lit hin-
tereinander, um dann wieder l&ngere Zeit saugend die ßhimeii /.u umschw&nnen.
IHeKter gleichen in der Fürbe Rehr genau dem Orün der jungen Blathenknoapen
von Oallum.
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Untugcnese und Murphulogie der Sphingiden -Zeichnung. 53
.Ein feiner weisser Snbdorsalstreifen, sowie ein
ebensoldier Stigmas treifen zeigt sieh nnd zngleich ein dnnkel-
grllner Rttckenstreif, der indessen, wie gewOhnlicli niclitvon
FSgmentablagemng in der Haut lierrttbrti sondern von der an dieser
Stelle gelegenen Spalte swisehen den FettkOrperlappen (Fig. 2).
Die Farbe ist jetit bei allen Individaen ein sebmntsiges Grttn,
die Bant fein ebagiinirt.
Stadium JUI.
Die nach abermals vier Tagen eintretende zweite Häntang
bringt keine Veräudcruug der Zeichnung. Nor die Färbung wird
etwas dunkler. Länge 12 Millim.
Stadium IV.
Auch die dritte Häutung (nach weiteren vier Tagen) bringt nur
eme Veründernng der Färbung und zwar in der Weise , dass d i e
Raupen dimorpb werden. Zugleich entsteht aber auch jene
eigenthttmlicfaeBanhigkcitderBant, die oben bei den Deilepbila-
Arten schon alsChagrinirnng bezeichne wurde.
Die Gesammtftrbnng ist jetzt tbeils ein helles Grasgrün,
theilsein dunkles GrasgrUu; in letsterem Fdle ist zugleich
die Subdorsallinie nach oben sn dunkelbraun gesäumt nnd die
Stigmen sind eben&lls dunkelbraun. Länge 17 lUllim.
Stadium V.
Vier Tage später, nach der vierten Häntnng wird der Di-
morphismus zum Polymorphismus. Man kann fttnf
Hanptformen nnterseh^den:
Variation L hellgrttn (Fig. 7] ; Rllekenstreif sebwaisgrOn,
stark markirt, Snbdorsalstreif breit, rein weiss, nach oben zu dun-
kelgrün gesäumt; Stigmastreif Chromgelb, Horn schwarz, ander
Spitze gelb, an den Seiten blan. Stigmen schwarzbraun, fein
gelblieh gesänmt, Pässe nnd Spitzen der Afterftlsse mennigroth.
Variation II. sebwarzbrann, Kopf und Protborax gelb-
braun, Zeichnung dieselbe (Fig. 6).
Variation m. schwarzgrttn oder grttnschwarz (Fig.
10 und 11), Subdorsale nach oben schwarzgrttn grundirt, welche
nubung allmälig in hellgelb ttbergeht, Stigmastreif Chromgelb,
Kopf und Prothorax grOnlicbgelb.
54 ODtoganeae und Morphologw der Sphingiden-ZmehnuDg.
Variation IV. bellgrUn [Fig. 1 u. 12), liUckeolinie §;ans
schwach angedeutet, Subdorsale breit, nach oben nur sehwach von
duDklerem Grün gesäumt , Sabstigmastreif seliwach gelblich , Kopf
und Prothorax grUn.
Variation V. brann violett, die schwarze littckenlinie
aof rttthlicheni , schmälerem oder breiteren Grund Fig. 8!.
Man siciit schon aus diesen fllnf Variationen , dass die ver-
schiedenen Formen nicht unvermittelt nebeneinander stehen. In
der That sind dieselbe durch zahlreiche Ueberpin^^e verbunden,
die grüne Grundfarbe variirt schon sehr, bald ist sie dunkler, bald
heller, bald gelblicher, bald bläulicher vcr^'leichc die Figg. 4. 5,
7 und 12;. Die Zeichnung hh iht bei Allen dieselbe, kann aber in
sehr verschiedener J>tiirke uiurkirt sein. Die Dorsallinie ist
oft nur ganz schwach angedeutet, wie hiugehauclit. die Subdorsale
oft wenig grimdirt , oft auch tief scliwar/. nach ol)cn nn»l /iendich
dunkel nach unten bo-^ienzt und dann sind Jiuch die Seiten von
dunklerem (Iriin, oft mit Hchwiirzliclicm Anflug Uber dem gelben
Stigniastrcif Fig. ."> , manchmal auch diese scliwar/, jrrundirt. Nur
Horn und Fiisse sind bei allen Formen gleich. Die grllue Grund-
farbe geht dann durch schwHrzlichen Anflug ins Srlnvar/grUne, ins
Grünschwarze und Braunschwarze Ulicr tind dieses dann wieder in
dasRöthlicliljraunc bis Lila Fig. 'V . Lct/tfio Farbe ist die seltenste.
Nach alle dem könnte die Hczeiclinung : F<i 1 y ni n r p Ii i s m u s
sehr ungeeignet ersclieinen , da wir es hier nicht mit scharf ge-
trennten Formen zu tliiui liahen . sondern mit ftnif, sehr variaf»eln
GrundfarboDgen , welche durch zahlreiclic l e bergäuge vcrknUpit
sind.
Wenn aber auch die Hezeichnung: Variabilität vorire/nucn
werden sollte, so deutet mir doch eine Hcobaehtiuig daraut hin,
dass es hier bereits in gewissem Grade zur l'ixiruug der eiir/elnen
Färbungen gekommen ist. ich fand nändich eine braune Haupe,
auf den fünf vordem Segmenten der linken Seite
hellgrün, auf dem fünften sogar braun und grlln gemischt Fig. 0 .
Ein solches Sc h e c k i j: u e r d e n kann oftenbar nur da eintreten,
wo Charaktere um die llerr.-i liat't kämpfen, welche nicht mil einan-
der verschmelzen können, etwa so. wie bei den Zwitterbienen die
eine Hälfte eines Segmentes männlich die andere weiblich ist. nicht
aber beide zu einer mann lieh- weiblichen Mittelform verschmelzen.
Ontogenese und Murphologie dtr Sj>iii(igiüt;a-Z( uhauiig. 55 <•
Uk Mm daniis den SoUess, dam «inige der Haapt-Varieliton
▼OD Stellatarnm sieh beroits so weit von einander entforat
haben, daaa sie alt halbwegs fixirte Formeo ni belraohten sind,
nicht mehr miteinander Tersehmefasen, sondern, wenn sie in einem
Individuum nisammentreffen, sieh nnveimitlelt nebeneinander eni-
wiokeln.
Damit stimmt aaeh die weitere Thatsaehe , dass von den 140
erwaehseiMii Banpen, welche ich aoe den Eiern jenes Weibebcas
erxog, die Uebeiig^mgsformen sehr in der MinoritSt waren. Es be-
fanden steh darunter 49 grüne Raupen, 63 braaae und nur S8 sehr
venchiedenartige Uebezigangsformen.
Ans diesen Orllnden bezeichne ich die Erscheinung als Poly-
morphismus, wenn auch als einen sokshen, der seine schärfste
Ausprägung noch nieht erreicht bat. Diese wird erst durch fiUmi-
nimng der Mittelformen za Stande kommen.
Unmittelbar vor der Verpupinin^ nehmen alle Ranpen , grttne
wie bmune eine lila Färbung an. Das fünfte SUidiuni dauei-t siebm
Tage und die ganze Ranpenentwiekluiig 23 Tage, die Entwielüung
Tom VA bis zum Schmetterling nnr 31 Tage.
Ich bin nuf den Polymorpiiismu.s von Stellatarnm nicht nnr
det)lialb HO genau eingegangen, weil er bisher unbekannt war and
weil eine Analyse eines derartigen Falles noch gänzlich mangelte,
sondern vor Allem, weil es mir scheint, dass nicht unwichtige
Schlllsse daraus gezogen werden können. An und fUr sieh ist übri-
gens schon eine derartige extreme Vielgestaltigkeit interessant , da
sie in dies^em Grude meines Wissens noch bei keinem Insect beob-
achtet worden ist.
Theoretische Verwerthung soll dieser Polymorphismus an einer
spitercn Stelle finden. Mit einer weiteren Ausbildung der Zeich-
nnng hängt er nicht susammen und in Bezug auf diese zeigt M.
Stellatarnm eine sehr niedrige Ausbildung , da sie Uber die im
zweiten Stadium erreichte Stufe uielit hinauftkonmit.
Sie zeigt uns nur zwei Stufen der Zcichunni: 1^ gänzlichen
Mangel joder Zeichnung und 2j den einfachen Subdor-
salstreifen, begleitet von einem Klicken- und Stigma-
streifen.
Somit müssen wir annehmen, dass die phyletischo Entwicklang
der Zeichnung seit langer Zeit still gestanden hat, oder — was
56
Oatogenese uud Morphologie der SphingiUen-Zeichnung.
duselbe sagt — dast die Zeiohnimg, welche hier die ansgewaeh-
sene Banpe bentet, eine sehr alte ist.
Um meine Beobachtnngen ttber M. Stellatamm hier gleich toII-
stSndig sn geben , fttge ich noch Einiges Uber die Pnppe bei.
Bei der ansseigewOhnlichen Variabilitftt der Banpe schien es
von Werth, aneh die Farbenschwaofcnngen der Pnppe festanstellen.
Diese sind nnn ungemein gering, der ockergelbe Omnd
spielt manchmal mehr ins Bttthliche, manchmal mehr ins GrSnlicbe
und die siemlich Terwickelte Zeichnung schwarzbranner, gestri-
chelter Linien besonders anf den Flttgelscheiden ist sehr constant,
höchstens etwas mehr oder weniger stark ansgesprochen. Die
schwachen Färbnngsschattirnngen der Pnppe stehen
aneh dnrchans in keinem Znsammenhang mit der Fftr-
bnng der Banpe, sowohl grOne als branne Raupen liefern bald
mehr rVthlich gelbe, bald mehr grünlichgelbe Pnppen.
Aneh derVeigleich von M. Stellatarnm mit den übrigen
bekannten Hacroglossa-Arten bringt kanm einen Zuwachs unserer
Keontniss der phyletischen Entwicklung. So zeigen die beiden
europftischen Arten, deren Banpe bekannt ist, M. Fnciformis
und Bombyliformis im Wesentlichen dieselbe Zeichnung, wie
Stellatarum, das Hauptelement derselben ist ein wohlausgebil-
deter Subdorsalstreif .
Auch die ostindische Art U. Qilia Boisd. besitzt ihn als ein-
zige Zeichnung, nur die ebenfalls ostindische Art H. Corythns
Boisd.*) tdgt ausser der Subdorsale noch Schrigstriche , welche
dieselbe aber mcfat kreuzen, sondern erst unterhalb beginaeD.
Wahischeinlioh sind dieselben später entstanden, als die Snbdor-
sale. Verhält es sich so, dann müssen wir in M. Corythns eine
spütere phyletische Stufe erblicken.
Uebrigens sollen auch bei H. Fnciformis und Bombyli-
formis kleine Schrägstriche (rothe) um die Stigmen vorkommen,
nach der Abbildung Duponchers zu schliessen. Doch haben
diese mit den oben erwähnten Schrägstrichen von M. Gilia Nichts
zu thnn, da sie in umgekehrter Kichtunj; verlaufen. Ich sellist habe
von diesen beiden Arten nur M. FuciformisO. in lebenden Rau-
pen beobachtet, und diese besassen keinerlei Schrägstriche.
*) Cat. E^it-Iadia Companjr Miu. Taf. VIII. Fig. 2.
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UntogeDe«« und Morphologie der Sphiogiden -Zeichnung. 57
Diesen. ftnf bekaonten Arten kann ich noch eine seebtte an-
•ehlieasen: dieBanpe Ton Hacroglosta Croatica, einer klein-
asiatischen und ostenropfiischen Art, von der mir durch die GHlte
Hrn. Dr. Standingers^s ein Exemplar, begleitet von einigen No-
tizen angekommen ist. Die erwachsene Banpe ftbnelt in Form and
Zeichnung sehr der von M. Stellatarnm, doch hebt sich der
Sobdorsalstreif viel weniger scharf vom Gmnde ab, als dort nnd
Dorsal- sowie Stigmastreif scheinen ganz sn fehlen. Die Farbe ist
meist grttn , variirt aber bis an Roth , bei der jugendlichen Banpe
sind die Snbdorsalstreifen dentlicher und sehftrfer , als bei der er-
wachsenen.
Es bietet also diese Art keinerlei Zeichnnngselemente dar,
welche Uber die bei Stellatamm vorkommenden hinansgingen, sie
ist im Gegentheil noch ein&cher, als diese.
T. nie Gattog Ftenigmi B.
Obgleich mir nur ein kleines RniclistUck aus der Eutwicklungs-
geseliiclite einer cinzig:en Art (iicser (»attuu^' vorliegt, so tlieilo ich
dassel'ie doch mit, da es mir mit Zuziohunir zweier anderer Arten
zu jrenti^'en scheint, um weni^'stens im (Jn»ssen und (Jauzen die
Entwieklttugsriehtuug zu bestimmeu , welche die Gattung genom-
men hat.
1. Ptertgon Oenotherae Esp.
Die in vielen zum Theil gnteniAbbildnngen daigestellte aus-
gewachsene Banpe hat bekanntlich eine sehr oomplicirte Zeichnung,
welche nicht ans irgend einem der bisher betrachteten Zeichnnngs-
Elemente der Sphingiden ableitbar scheint.
Um 80 mehr war ich ttberrascht ein nur 12 IfiU. langes Bäup-
ehen dieser Art mattgrUn zu finden , ohne jede Spur der späteren
Gttteneichnung, dagegen mit einem breiten weissen Snb-
dorsalstreifen, der Uber alle 12 Segmente hinlief (Fig. 63).
Nach Grosse und späterer Entwicklang zu artheilen, mOchte
diese Raupe dem dritten Stadinm angehört haben.
Auch im folgenden, vierten Stadium bleibt dieselbe Färbung
und Zeichnung bestehen, aber man bemeriLt jetzt an der Stelle,
§8 Oatogeoese uod Morphalogi« der Sphingiden-Zeichnung.
walobe bei «iid«ni SpbingidflB doidi dai Seliwäiizkom.siMgeBeich-
nel iit, die Anlag« des Bpäterea Angenf leeke in Oeetelt eines
nindliobeo gelbliohen Fleckes (Fig. 64). Ent im ftlnflee T«r-
sehwindefc pUNslieh die Snbdorsale, die Banpe wird dnnkelgrila
(ssltaer) oder schwanbnuin, erhSltdieOitteneiokniing, die kleinen
SohilgBMfehen, die ttlier die Stigmen wegeilen, nnd den sekta
entwifikeUen Angeofleek, ans gelbem Spiegel mit sohwanem Kem-
ileek nnd sehwanem Hof beetekend (Fig. 65} .
Eine gans Mhnliebe Zeiohnnng wie diese enropiiseke Art sie
im erwachsenen Zustand besitet, zeigen aueh Fi er4»gon Ganrae
und A b b o t i i ans Nordamerika, bei ihnen ist dieselbe aber dadarok
von ganz besonderem Interesse, dass sie den Weg andeutet, auf
welchem die primäre Sphingiden-Zekknung sich in die scheinbar so
total Terschiedene der ansgewachsenenPt. Oenotberse nmgewandelt
hat. Pt. Ganrae ist grün, nnd auf diesem Grunde steht eine
ccmiplicirte Gittcr/eichnnng, welche bei näherer Betrachtung sich
wesentlich dadurch entstanden erweist , dass die D o r s a 1 1 i n i c in
kleine schwane Pnnkte aufgeM ist, die Snbdorsallinie in
schwarze, weissgesftnmte Drcieckohen. Diese Raupe bestft-
tigt also wieder von Neuem die merkwürdige Er-
scheinung, dass die Thier- wie Pflanzen-Formen
Nordamcrika's phyletisch älter sind, als die euro-
päischen, wie dies in gleicher Weise auch bei Dell. Lineata,
der vicarircnden Form von Dcil. Livornica herrortrat. Gkms
in Uehereinstimmung damit entbehrt die Itaupe von Pt. Gaurae
anch des Augenflecks auf dem elften »Segment nnd zeigt statt dessen
noch das ursprügliche, wenn auch kleine Sphingideuhoru !
Auch der Schmetterling dieser Art ähuelt in Färbung nnd
Zeioh n nng, nicht aber im FlUgelschnitt dem nnsers Fterogoa
Oenotherae.
Dass die Ranpmi der Gattnn^^ Ptcrogon ursprunglich das
Schwanzhom besessen haben, lehrt Überdies nooh die im sUdUst-
liehen Russland lebende Art, Pterogon Qorgoniades Uilbn.,
deren Kenntniss ich der Ötau d i n ger'schen Sammlung verdanke.
In dieser befinden sich etwa acht aufgeblasene Exemplare von 3,7
bis 3,9 Cent. Länge, welche theils auf rothem, theils auf grUnem
Grund eine Zeichnung aufweisen, die sich an die Jugendform von
Oenotherae anscblicssl. Ein breiter weisser Subdorsal-
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OntogMMM und Morphologie der Sphingiden-Zeichnuof. 59
streif sieht von einem kleinen Sohwansliorn bis am den
Kopf. Ansserdem aber beutet die Banpe nooh einen nn^Bwittiilieh
bccdlen, weissen, roth gesäumten Infrastigmastreif, einen
feinen weissen Dorsalstreifen and eine feine weisee Ldnie swi-
sehen Sabdorsale und Stigmale, eine Linea snprastigmalis.
Die Kaupen der Standinger 'sehen Sammlung g^Oren trete
ihrer geringen Grösse doch alle dem letzten Stadium an , wie denn
auch der Schmetterling nicht mehr als 2,G Cent. Flttgelspannong
hat , also an den kleinsten der bekannten Sphingiden sSUt. Die
Art hat somit im erwachsenen Zustand me Zeichnung, welche
dciu Jngendkleid von Oenotherae ganz nahe Stellt, sie Terhält
sich zu Oenotherae, wie Deilepbila Uippophaes zu D.
£uphorbiae, nnr dass hier der Al)stand zwischen beiden noch
gritaser int. Gorgoniades ist offenbar eine phyletisch ältere Art,
was abgesehen von der Zeichnung schon aus dem Besitz eines
Horns »t sehliessen wäre. Allerdings wissen wir noch nicht, ob
Oenotherae in frühester Jugend ein Horn besitzt; wahrschein^
lieh verhält es sich »o , in jedem Fall aber besass die Stammform
von Oenotherae ein solches, da die nüchstverwandte Pt. Gan-
rae da8selbe heate noch aufweist.
So sehen wir also aach bei der Gattung Pterogon die Zeich-
nung der Kaupon mit einer LängHKtreifung beginnen, gebildet
durch die grundlegende S u )> d o r h a 1 e . zu der dann entweder nnr
noch eine Infrastigmale, oder auch noch eine Suprastig-
male (Gorgoniades) hinzukommt. Aus den Längsstreifen
entwickelt sich dann durch Zerlegung derselben in Punkte oder
kleine Felder eine Gitterzeichnung, die soletzt (bei Oeno-
therae) völlig selbstständig wird und ihre Beziehungen au den
Längslinien di r e c t nicht mehr erkennen lässt.
yi. Die Gattung Sphinx.
Von dieser Gattung indem von Gray aufgestellten engeren
Sinn ist es mir trotz aller Mühe nicht mitglich gewesen, anch nur
von einer einzigen Art befruehtcte Ekv /.n erhalten. Die WeÜK'hen
sind iu der Getangensehalt nicht zur Ahiage ihrer Eier zu bewegen
und man kann dieselben nur durch einen glücklichen Zufall be-
kommen.
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GO Ont(^ene«e und Morphologie der Spbingiden Zeichnung.
Anoh in der Ldtteratar sachte ich lange vergebenB nach iigend
welchen Angaben Uber das Jagendkleid dieser Raapen , fiind aber
schliesslich in einer Anmerknngder ROs ersehen »Insektenbelnsti-
gangen t eine Beobachtong Eleemann's Uber die Jageadformen
von Sphinx Ligastri, die zwar weit eatfemt ist von YoUsttn-
digkeit , dennoch aber Uber einige Punkte Auf kttmng gibt.
Kleemann eildeltToaeiiiBoiWeibchenTon Sph. Ligastri
400 befirnchtete Eier. Die aaskriechendenRäapchen sind »aa&ags
ganz hell gelblich griln, werden aber nach demGennss der frischen
Bltttter grttner • ; aach das Horn ist znerst hellgrUn and wird dann
B dankler«. DieRäapchen spinnen Fäden and befestigen sich
dadnrch aat dem Blatte von dem sie sich emlUiren I (meines Wis-
sens noch bei keiner Sphingidenart beobachtet ! } . Sie hänten sich
vier Mal; erst nach der dritten Hilutung kommt die Einfassang am
ihren Kopf, nebst den pnrpnrrothen Streifen, »da solche zuvor
nnr allein weiss warea«. Die Häatangen erfolgen ininter- «
Valien von je 6 Tagen and nach der vierten Häntong wachsen de
noch etwa zehn Tage*).
Aus diesen kurzen Notizen lä88t sich entnehmen, dass die
Zeichnnng im Stadium III. aus sieben weissen Schrägstrichen
besteht, welche im St^uliuni IV. farbige Sttome erhalten. Das letz-
tere habe ich selbst aueli öfterf; g;esehen.
lieber den wichtigsten Punkt geben die Kleem an naschen
Beobacbtnngcn leider keinen Aufschluss, Uber das Fehlen
oder Vorhandensein einer Snhdorsallinie in den
jüngeren Stadien. Dass er dieselbe nicbt erwähnt, kann
darchaas nicht als ein Beweis fllr ihr thatstfchliches Fehlen ange-
sehen werden . vielmehr möchte ieli vermutben . dass sie in Sta-
dium I., vielleicht auch II. vorhanden ist .Jedenfalls gibt es Arten
der Gattmi^^ Sphinx {sensu strictiori , welche in der Jugend dne
Subdorsale besitzen, wie ich mit Bestimmtheit schon allein ans
den Kesten einer solchen bei den erwachsenen Banpen von Sph.
Convolvuli schliessen zu dürfen glaube.
Noch sicherer wird dieser Sehluss , wenn man die Zeichnung
einiger nahe verwandten Gattungen zum Vergleich herbeizieht.
Olinehin dürfte die Abtrennung der Gattung Macrosila Boisd.
*) R0«ej a. a. O. Bd. HL S. 26. Anmerkung.
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Ontngcnea« und Moqiliulogie der Sphiit|tiilen-Zeiclinung. t)t
von Sphinx wohl haiiin deh rechtfertigen hissen. Nimmt man
diese nnd die Chittongen Dolba Walk, and Acherontia Ochs,
hinan , so ftllt vor Allem die grosse Aehnlichkett in der Zeichnung
anf » die oft so weit geht , dass der Unterschied zweier Arten ledig-
lich in kleinen Farbenschattinmgen besteht, während der Unter-
schied swischen den Schmetterlingen bei Weitem grosser ist.
Mir sind von den genannten Ckttnngen im Gänsen vienehn
Ranpen- Arten bekannt: Macrosila Hasdrnbal, Rastiea*)
und Cingnlata*}; Sphinx Conyolvnli, Lignstri, Caro-
lina*), Qainqnemacnlata*), Drnpiferarum*) , Kal-
miae*) , Gordias*}; Dolba Hylaens*}; Aeherontia
Atropos, Styx**) nnd Satanas**). AUe diese Ranpen, mit
einer einzigen Ansnahme besitsen Schittgstreifen nach Art der
Smerinthns- Ranpen, die meistoi ohne jede Andentong einer
Snbdorsallinie , eine dagegen — die nordamerikaniscbe M. Cin-
galata — mit Tölig aasgebildeter, eine andere — die ftlr
Europa stellrertretende Art: Sphinx GonvolTnli — mit rudi-
mentftrer Snbdorsale. Die meisten anter diesen besitzen als
Grandfarbe das Grttn der Blätter, von welchen sie leben, einzelne
aber sind brann, d. h. bodenfarbig nnd dann tritt die Zeichnung
nicht mehr so scharf hervor ; wieder andere besÜMn sehrantbllende
Farben ( A. Atropos ) nnd dann sind die SchrUgstriche sdur leb-
haft gefärbt. Nur H. Hasdrnbal***) entfernt sich vollständig
von diesem Schema, indem hier auf tiefem Schwarz sdimale gelbe
Ringe stehen, während Horn ond letztes Segment roth sind.
Diese grosse, höchst auffallende Raape von M. Uasdrnbal
ist dieselbe, welche Wallace auf seine Erklärang brillanter Fär-
bung von Raupen geführt bat. Ueber die Entstehung ihrer so ganz
abweichenden Zeichnung kann erst ihre Ontogenese Aafsi^ass
geben, in welcher sicherlich noch ein oder das andere ihrer älteren
phyletischen Stadien erhalten sein wird.
Dassdbe müsste genau genommen auch von den übrigen Arten
gesagt werden, doch lässt der Veigleich mit den so ähnlich geseich-
•) Bei Abbot & Smith abgebildet und 1)eHchrieben.
*•) Abbildungen in Cat. Lep. Ins. Kast-liiilia Comp.
***) Siehe die Abbildung bei Sepp, Surinam Miltt; Vlindcra, P. 3, PI. lul.
1848. Ein Spiritot-Exemplar der erwadueoen Kaupe befindet eich ini Berliner
MuMun.
62 Ontogenene und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung.
neten Smerinthini nnd der UnutBod , dut bei EinaelBeii eioe
SMonaUioie ni erkennen ist die bestimnite Vermathnng ab be-
reehtigt erselieiBenf daes die primire Zeiehnnng anch
hier die Sabdoreale war, dass aber dieselbe meistens durch
die spKter daan gekommenen Schittgstreifen vdllig Teidflagt wurde.
Dann wttrde also die Omppe der Spbingini gegcnOber dee
Smerintkini die jüngere sein nnd daodk stininit die Mhere Ana-
bikhtngderSchrSgstreifen, welehe hier stets xweifiurb^, wane b»al
sogar dreilMig (Spb. Drupiferarnm Weiss, Koth, Sdiwars)
sind, während sie bei den Smerintbus-Arten nur s^n einiger-
maeeen regelmXssige Fariiensäume Itesitsen.
YU. Die Gattiug Ancerjrx Boisd.
Obgleieb diese Gattnng in den Catalogen enropttiseher Selanet-
terlinge meistens nicht angenommen wird, sondern die einaiga
hierher gehörige Art des enropfilsehen Fannengeliietee noch der
Gattung Sphinx Oeh». zugerechnet wird, so scheint mir ihre
Abtrennung von Sphinx dcüsh geboten, nicht deelialb, weil die
Kclimetterlinge sehr durchgreifende Verschiedenheiten darbSlenf
sondern weil naeh dem Wenigen, was wir Uber dieKanpen wissen,
diese derartige Venduedenheiten antWeisen.
Es ist mir mehrfiush gdnngen, befinchtete Eier von Aneeryx
Pinns tri in erhallen nnd ich gebe hier snerst die Entwicklungs-
geschichte dieser Raupe, welche ttbrigena schon in dem TortreiF-
lichen Werk ttber Forstinsecten von Ratsebnrg eine recht genaue
DarstelliBg geftindea bat.
Schon Bösel wnsste, dasa der»Fichtensehwarmef> seine Eier
im Juni nnd JnK einseln am die Nadeln der Kiefern legt and be-
sdirieb dieselben als »gdblieh, faxend, o?alrand nnd von der
O tO sse eines Birsekena«.
Beim Anssehlflpfen sind die 6 Millim. langen RUnpehen hell-
gelb, der Kopf gttinend schwarz mit gelbem Clypens, das an der
Spitze gegabelte SohwanKhom snerst auch gelblich, bald aber
schwan. Eine eigentliche Zeichnung fehlt noch, doch verlSnft ttber
dem RttckengefUss ein rOthlicher Streifen nnd anch die Stigmen-
gegend spielt etwas ins Orangerothe (Fig. 53 a n. b) .
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Sobald die Biapehcn sich mit Nabrang geftUt btbdii, bekom-
meii sie einen Strioh ins OrOaUdie. Nadi vier Ttigm erfiolgt die
erste Hftatnng. Unmittettsr nach denelbeB iel aooli keine
dentlidie Zeieknnng sn erkennen t mUAnsnekne einer grilolieh-
weineen Sti gm al e. Saeh einigen Standen alwr wird die aoAog-
Keh hellgittne Chiudfiirbe dunkler nnd sngleieb tritt eine grttn-
liehweisse Snbdorsallinie soharf hervor, sowie eine ilir
paialleUaafende Unie oberhalb der Stigmen, die bei Pterogon
Oorgoniades hereita als Snprastigmale beseiahnet wude.
Eine Dorsale fehlt, der Kopf ist hellgrOn, mit swei
denClypens einrahmenden, sehwanbraanen Streifen; Horn nnd
TboraeaUllsse sohwan; Afterfttsse rOthlichgrlln; Lllnge 12-- 13
MiUim. (Fig. M).
Stadinm Hl.
Nach weiteren vier Ta^^en erfolgt die zweite Hüutung. welche
weder in Färbung; noch Zi i( hnung eine Aendoriinj; mit sich bringt.
Nur das Horn wird bräunlich mit schwar/er, jetzt nicht mehr gab-
iiger Spitze. Wie schon vorher sind au( b jetzt die Itäupchen vor-
trefflich den Kiefernadcln angepasst, an denen sie den ganzen
Tag Uber fressen und lassen sieh nur schwer zwischen ihnen er-
kennen.
Stadium IV.
Auch die dritte Häutung bringt keine wesentlichen .\eude-
rungen. (Irundfärbung und Zeichnung li]ei!)en dieselben, nur die
Stigmen, welche V(trher unscheinbar gelblich waren, fallen jetzt
durch ein lebhaftes Ziegelruth ins Auge. Das iioru wird uu der
Basis geibroth.
Stadinm Y.
Erat im fünften nnd letzten Slalom Mart sich die Zeieb-
naag wesentlich. Ein rothbraaner, breiter Dorsalstreif
drängt mehr oder weniger ToMstilBdig die weisse Snbdorsale.
Aach die Snprastigmale wird in viele karze Sttlcke oaterbro-
chen, während die grüne Grandfar}>e je nach dem Individuum mehr
oder weniger durch den bräunlichen Ton verdeckt wird, der vom
Rucken gegen die Flanken sich herabzieht. Horn schwarz, immer
noch gegabelt, Segment 1 oben mit einer Homplatte, ähnlich wie
sie die lUwpen der Deilepbilaarten besitsen.
t
Ontogenese und Murphologie der Sphingiden-Zeichnuiig.
DiOBea Stadinm ist sehr Tuütbel, wie schon die in den rer-
sehiedenen Werken niedergelegten Abbildungen beweisen. Die
Variationen bemhen einerseits auf dem Kampf der grünen Gmnd-
darbe mit der von 01>en her Torrllckenden rothbrannen , andrerseits
a1>er aneh auf der mehr oder weniger vollstilndig gelungenen Be-
seitigang znsammenhftngender LBngslinlen. Zuweilen bleiben die-
selben ToUstindig erhalten. So Ündet sieh bei Httbner (Sphin-
ges m., Legitimae C,b) eine Banpe abgebildet, bei welcher
sowohl die Snbdorsale als die Snprastigmale noch oontinnir-
lieh Ton Segment 11 bis 1 Terllhift, ein Fall, der wohl als RQek-
sohlag auf die primäre Form gedeutet werden darf.
Im Oansen beruht der Umschlag in der Zeichnnng vom vierten
zum fünften Stadinm darauf, dass die kleineren Raupen den Nadeln
angepasst sind, die grossen aber den Zwei gen. Ich werde später
darauf snrQckkommen.
Die Ontogenese des Fichtenschwärmers lehrt uns demnach
drei verschiedene Zeichnnngsformen kennen: 1) die einfache
Färbung ohne Zeichnnng, 2) eine Zeichnung aus
dreierlei paarigen und parallellaufenden Längs-
linien gebildet und 3) eine complicirte Zeichnung aus
den Bruchstttcken der frttheren gebildet, zu denen
noch ein dunkler Dorsalstreif hinzukommt.
Von den 14 Arten, welche Gray zur Gattung Anceryx
rechnet, finde ich ausser der beschriebenen nnr noch von zweien
Notizen Uber die Raupe.
A. Coniferarnm lebt in Nordamerika auf Pinns palustris
und wird von Abbot & Smith abgebildet. Färbung und Zeichnung
erinnern durchweg an unsere A. Pinastri.
A. Ello Linn, wird nach Merian's Autorität bei Clemens
beschrieben*), wonach auch sie dunkelbraun ist, »mit einer weissen
Blickenlinie und mit weissen nnregelmässigen Flecken an den Sei-
ten«. Sie lebt von einer »Art von Psidi um oder G ua v a. «
Die meisten Anceryx-Arten Bcheinen auf Coniferen zu
leben und dem entsprechend gan/ bcHtiinnite und gemeinsame An-
passungen zu zeigen. Ich scli Hesse dies — da bestimmte Angaben
fehlen — zum Theil nur aus den Namen wie Anceryx J nniper
•) Synopite of th« Nordi Ameriran Sphingidflc Phihdelphis 1859.
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Ontogenese und Morphologie der Sphingiden-ZeidiDaiig.
65
(Afrika). DasBbeiimserer A. Pinastri das Gemisch von Brann nnd
TumengrUn , dnrohsetst mit flehdobar anregelmisBigen helleren,
gelbliehen y weissHehen Flecken eine sehr vollendete Aupassuug
an die Umgebung des [aasgewaduenen) TbieieB darstellt} hat man
schon zu einer Zeit erkannt , die von nnsem heutigen Anschanmigen
noch sehr wdt entfernt war. B0 s e 1 sagt von dieser Raupe : *Nadi
dem Fussen iritst sie still nnd ist dann schwer sichtbar, weil sie
mit ihrer Speise einerlei Farbe hat.« »Denn ihr branner RUcken-
streif hat ftst die Farbe, wie die Zweige der Fichte, und wer sollte
woU nicht wissen , dass unter den grünen Nadeln derselben sieh
auch viele gelbe befinden?«
ÜB dieser Anpassung an NadelbOlier liegt es offenbar, dass
diese Baupen im erwachsenen Zustand sich so. wdt von denen der
Gattung Sphinx entfernen, wShrend doch die Schmetterlinge sich
so nahe st^en , dass man erst dann sie als besondere Gattung ab-
trennte, als man eine grossere Aniahl von Arten von ihnen kennen
lernte.
Schlüsse auf die Phylogenese.
All«i bisher angestellten Betrachtungen lag die Anschauung
zu Grunde, dass die Entwicklung des Individuums die
Stammesgesehiehte in nuce in sich enthftlt, die An-
schauung Fritz Hullerns und Haeckel's, nach welchem die
Ontogenese die kurze Beci^itulation der Phylogenese ist.
So sicher nun auch dieser Satz im Allgemeinen wahr ist,
so sehr sich seine Richtigkeit durdi alle neueren Untersuchungen
Uber Entwicklung immer wieder von Neuem bestfttigt hat, so darf
doch nicht vergessen werden, dass diese »Recapitulation« nicht nur
bedeutend verkürzt, sondern auch »gefiUschtK sein kann und eine
genaue Pruihng in jedem einzeben Falle ist daher geboten.
Es fragt sieh also hier vor Allem, ob die so verschieden-
artige Zeichnung der Baupen in verschiednen Alters-
stadien wirklich als zurllckgebliebener Best vcrn der
Zeichnung der Stammarten aufzufassen ist, oder ob
nicht vielmehr diese Verschiedenheit darauf beruht,
dass die Baupe beim Heranwachsen verschiednen
W«ita»aB, tMa4ini. II. 5
66 Ontogenete uad Moiphologie der iSphingideu-Z«tciinung.
inisem Lebensbedingungen begegnet, denen sie sich
dnreh Anlegung einer Tersehiedenen Tracht — wenn
der Ansdrack erlaubt ist — angepasst hat.
Da kann es nnn nicht sweiftlhaft sein, dass das Erste der
Fall ist.
Es soll zwardorehans nicht geUlognet werden, dass dieLebens-
▼erhUtnisse der Raapen in der Jogend snweilen etwas andere
sind, sls im Alter, es wird im Qegentheil spKtor nachgewiesen
werden, dass in der That fttr gewisse einielne FlUe das Anlegen
einer neuen Tracht im Alter wirklich auf einer Anpassung an neue
Lebensverhältnisse beruht, aber im Allgemeinen bleiben sieh die
inssem VerhiUtnisse wahrend der Entwicklung der Haape sehr
gleich, wie schon allein daraus hervorgeht, dass ein Wechsel der
Nahmngspflanse niemals vorkonmit. Wir sollten deshalb eher enie
völlige Gleichheit der Zeichnung wftbrend der gaasen
Raupeoseit erwarten , als eine so grosse Vefsobiedenheit, wie wir
sie tbatsächlich beobachten.
Yerschiedne Umstftnde scheinen mir zu beweisen, dass das
Jngendkleid der Ranpen nur ganz ausnahmsweise auf einer neuen
Anpassung beruht, in der Regel aber durch Vererbung erworben ist.
Dabin gehOrt zuerst die Thatsache, dass nftchstverwandte,
ganz gleichen äussern Verhältnissen ausgesetzte
Arten, wie z. B. Ghaerocampa Blpenor undPoreellns
zwar genau das gleiche Jngendkleid besitzen, dass
dasselbe aber in verschiedner Altersstufe auftritt.
So erschmnt der Snbdorsalstieif bei Eipenor erst im zweiten
Studium, während er bei Force lins schon im ersten vorbanden
ist. Wäre dieser Streif eine Errungenschaft der jungen Raupe, her-
voigemfen durch Anpassung an die speciellen Lebensbedingnngen
dieses Alters, so ninsste er bei beiden Arten in demselben äta-
dinm auftreten. Da er dies nicht thut, so dttrflen wir daraus
schlieBsen, dass er in Wahrheit nur mn ererbter Charakter ist,
der von den Vorfahren beider Arten im erwachsenen Zustande
erworben wnnle und der jetzt auf die Jugendstadien zurttckgerttokt
ist, bei der einen Art weiter zurück, iih bei der andern.
Der stllrkste nud wie mir scheint durchschlagende Beweis aber
für die rein pliyletische Bedeutuni: l« i jugendlichen Haupenzeidi-
nung li^ in der auffallenden üesetzmässigkoit, mit
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Ontt^nete und Moqjliologie der Sphingiden-ZeichnuDg. (j?
welcher bei allen yerwandten Arten sieh die Zeieh-
nnng in ähnlicher Weise entwickelt, mOgen ihre
äussern Lebensverhältnisse noch so Tcrschieden
sein. Bei allen Arten der Omppe der Chaeroeampini (die
Gattungen Chaerocampa und DeilephiU) geht die Zeichnung
— nag sie in späteren Stadien noch so verschieden sein — von der
einfachen Sabdorsallinie ans und dies bei Arten , welche auf den
TCrschiedcnsteu Pflanzen leben und hek denen Allen diese Zeich-
nung ohne jede biulo^che Bedeutung sein muss, so lange die
K&upchen so klein sind, dass dieselben Überhaupt
nur mit der Lupe sichtbar sind und von einer Nach-
ahninng etwa der Blattstiele, -Kippen oder -Kanten
nicht die Rede sein kann, eben wegen des Grossen-
Unterschiedes von Blatt und Raupe.
Und wenn wir bei der Gruppe der Macroglossini (die
Gattungen Macroglossa, Ptcrogon und Thyreus Swains.)
frrade dieselbe einfache Zeichnung der Subdorsallinie durch alle
iritadien hindurch bei zwei Gattungen beibehalten »eheu , während
dieselbe bei den Smerinthini sehr irtth schon schwindet und bei
den Sphingini nur noch in Spuren nachweisbar ist, welch' an-
dere Erklärung Ifisst sich diesen Thatsachcn geben , als dass uns
hier eine Reihe von Bruchstücken aus der phyletischen Entwick-
Ittugsreihe der Sphingiden-Zcichnung vorliegt , dass dieselbe von
einer Grundform, der einfachen iSubdorsallinic ausgepiiif^en und
dann nach verschicdnen Seiten hin sich weiter entwickelt bat und
da«» in dem Masse , als diese Weiterentwicklung vurangeschrittcn
ist, die ältcrn phyletischen Stadien ininier weiter zurück in immer
jüngere ontogenclischc Stadien geschoben wurden, bis sie schliess-
lich selbst in den jUu^^sten Stadien nur noch als schwache Andeu-
tung: auftraten Deil Euphorbiac] oder selbst ganz climiuirt wurden
h\\Q meisten Arten der Gattung S p h i nx / Ich glaube in der Tliat
nicht , dass es möglich ist , eine andere , irgendwie genügende Er-
klärung für diese Thatsachcn beizubringen. Somit kann die Berech-
tigung obiger Auffassung wohl nicht mehr in Zweifel gezogen wer-
den und wir dürfen mit Sicherheit auf der Anschauung fusseu, dass
die Ontogenese der Kaupenzeich nuug uns ihre Phy-
logenese enthüllt, mehr (»der weniger vollständig, je nachdem
mehr oder weniger phyietische Stufen ausgefallen sind, zuweilen
5»
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68 Ontogenese und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung.
— aber gewiss selir selten — eimgermasBen entstellt, oder mit an-
dern Worten: die Ontogenese der Ranpenselehnang ist
eine zwar mehr oder weniger stark gekttrstOi aber
kaum gefftlsebte Wiederholung der Phylogenese.
Wenn sieh dies nnn so veridUt, so. handelt es sich soniehst
danim, das GesetsmlBsige in den Entwicklongserseheinongen hei^
aasBofindent om daraus dann wiedenun aof die der Ennvicklung su
Qmnde liegenden treibenden Ursschen zurncksehUessen in kSmien.
Die Ctesetse oder vieUeieht besser: die Normen, naeh wel-
chen die Entwicklung geschieht, sind wesentlich die folgenden:
I. Die Entwicklung beginnt mit dem Einfachen
und schreitet allmKlig zu dem Zusammengesetzte-
ren Yor.
n. Neue Charaktere erscheinen zuerst im letzten
Stadium der Ontogenese.
m. Dieselben rflcken dann allmftlig in frühere
Stadien der Ontogenese znrttck und verdrftngen so
die älteren Charaktere bis zu yOlligem Verschwin-
den derselben.
Der erste dieser Sftise erscheint fast selbstrerstindfieh. Sobald
einmal ttberhanpt von Bntwicfcluag gesprochen wird, denken wir
schon an dne Entwicklung vom Einziehen zum Zusammengesetzten.
Es bestitigt also dieses Resultat der Beobachtung nur, daas es sich
hier wirklich um eine Entwicklnng im wahren Sinn des Wortes
handelt, nicht etwa Mos um eine AufeiDanderfolge verschiedner
selbstständiger, d. h. unabhängig von einander eintretender Zu-
stände.
Die beiden folgenden Sätse dagegen beanspruchen grossere
Bedeutung. Sie werden nicht zum ersten Male hier ausgesprochen,
sondern wurden schon vor einigen Jahren von Wttrtemberger*}
ans dem Studium der Ammoniten abgeleitet. Auch dort treten
die neuen Charaktere vorwiegciul in späterer Lebenszeit auf und
rttcken dann, im Verlaufe der phylefcischen Entwicklung auf die
jtingeren Stadien der Outogenesc zurtlck. »Die Veränderungen an
dem Charakter der Schalen bei den Ammoniten machen sich zuerst
*) Neuer Beitrag sun geologiscben Bewdiie der Darwin'tehen Theorie.
AiieUnd 1873, No. I tt. 2.
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Ontogenese und Morphologie der 8pliiDgiden-Zeicfanung. 69
saf dem letzten Umgange bemerUicli, beiden nachfolgenden
Generationen aber schiebt eich eine solche Yeribidemng nach nnd
nach immer weiter gegen den Anfang des Spiralen Gehlhises fort,
bis sie den grOesten Tfaeil der Wiadongen beherrscht.«
Ganz in demselben Sinne werden anch die Fille an£rofiu»en
sdn, welche Nenmayr nnd Panl kttnlich ttber gewisse Heia-
nop^-Formen aas den Paladinensehichten WestslaToniens mitge-
tbeilt haben. Bei H. recurrens sind die lotsten Windnngen der
Schale glatt« ein nener Oharakter, die kleinen oberen Windnngen
aber tragen larte Bippen , wie deren die nnmittelbaie Stammform
anch anf der letzten Windung besass, das Embiyonalgewinde zeigt
sich wieder glatt nnd die Verfksser glauben (aus andern Orttnden),
dass die weiter zumckliegende Stammform ein glattes Gehäuse be-
sessen habe.
Hier nnd bei den Ammoniten erslhlt uns also gewissermassen
jede Schale die Stammgesehichte der Art, an ein und derselben
Schale üadw wir nebeneinander verschiedene phyletische Stufen
erhalten. Diese BeqnemUeikeit bietet die Baupenzeichnnng nicht
dar, dennoch aber glaube ich, dass wir durch sie noch etwas weiter
geflihrt werden und etwas tiefer eindringen kOnnen in die ürsaehen,
weldie den ümwandlungsrorgSngen zu Grunde liegen, und zwar
deshalb, weil wir hier das Thier im Leben beobachten und seine
Lebensbeziehungen genauer beurtfaeilen kttnnen , als dies bei einem
fossilen Thier mOglieh ist.
Als ich im Jahre 1873 die Abhandlung Wttrtenberger's
erhielt, firappirte mich nicht nur die Ueberrinstimmung der von ihm
gewoonenen Hanptresnltate mit den eigenen, durch das Studium
äex Banpenzeichnung gewonnenen , sondern fast eben so sehr eine
IKflvenz in der beiderseitigen Aaslegnng der Thatsachen.
Dieselbe betrifft das allmälige ZurHckrttcken eines nenen 0ha-
rzkters von dem letzten Stadium der Ontogenese in die früheren.
Ohne nähere Begründung nimmt WUrtcnbergcr gewissennassen
als selbgtrerständlicb an, dass die treibende Kraft, welche das
Znrttckrticken bewirkt, dieselbe ist, welche nach seiner Ansicht
den betreffenden Charakter zuerst im leisten Stadium heryorgerufen
hat: Natnrzttchtn ng. »Die in einem Torgeschrittenen Lebens-
alter von den Organismen envorbcnen Vcrändemn^en kennen sich,
wenn es ntltzlicb ist, in der Weise bei ihren Nachkommen
1
70 Ontogenes« uad Murphologie der Sphingiden-Zeichnang.
forterben, dass sie bei den folgenden CSenentionen immer ein kl^
wenig Mher anftreten, alt bei den ▼arbergeiienden.c
GlewisB iSsit es sieb tbeoretiaeb eebr wobl denlien, dan ein
nenerworbener Charakter, wenn er aaek fttr die Mkeren Steden
nttteHch ist, allm&lig auch anf diese übertragen werden kann, indem
in diesem Falle stete diejenigen IndiTidnen am meisten Anssicfat
bitten, sn Überleben, bei welchen derselbe am frühesten auftritt
Alldn in der Entwieklnng der Baupen-Zeiehnung sebeinen mir
Thatsaeben Tonaliegen, welche beweisen, dass ein solehes
Znrilekrttcken der neuen Ckaraktere bis zn einem
gewissen Grad nnabhftngig ist rem Notsliehkeits-
prinoip, dass es daher anf eine andre Ursache zn-
rttckgefllhrt werden mnss: anf die Bildnngsgesetae,
welche innerhalb eines jeden Organismus walten.
Wenn wir bei der Raupe yonDeil. Elpenor sehen, dass die
beiden Angenflecken, welche snerst anf dem nerton und fünften
Segment sich bilden, später als schattenhafte Andentongen ohne
jeden biologischen Werth auch auf den übrigen Segmenten erschei-
nen , so wird Niemand dies Anftreten dnrch Natonllchtnng erUHren
wollen. Man wird Tielmehr sagen , dass bei segmentirten Thieren
die Neiguig Torhanden ist, die glichen Charaktere anfallen Seg-
menten EQ wiederholen vnd dies will wiedemm nichto Anderes
sagen, als dass innere BildnngsgesetM an solcher Wiederholnng
des nenentotandenen Charakters nOthigen.
Die Existenz solcher von NatnrsUchtnng nnabhSngiger Bil-
dangsgeselse steht also fest and wird ja aach nicht bestritten
(Correlation, Darwin). Dass aber in dem Torliegenden Fall
derartige innere BUdnngsgesetze das ZnrnokrOcken der neuen Cha-
raktere bestimmen, scheint mir ans der oben schon in andenn Sinne
angeftihrten Thatsaehe henrorsugehen, dass in manchen FUlen
Charaktere, welche bei dem erwachsenen Thier entschieden nüta-
Keh sind, in jugendliche Stadien zurnckrllcken, wo sie höch-
stens indifferent, gewiss aber nicht ntttslich sein
können.
So die Scfarigstreifen der Smerinthns-Raopen. Bei der
erwachsenen Baupe ahmen sie, wie spiter genauer begrOndet werden
soll, die Blattrippen nach und bewirke in Qemeinsehaft mit der
grttnen Omndfliri)nng, dass diese Baupen anf ihrer Nahrungspflaaie
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1
OBtogMMW und Hoiphologie der Spbinglden-Z«ichnung. 71
nur sehr fehwer la entdecken sind; der Büek gleitet Uber sie weg,
ud man erkennt gie ab Tkier ent dann, wenn man gie infilUig
genau fizirt.
Nnn treten aber diese Sehriigstreifen hei allen mir bekannten
Smerinthns-Baapen schon im sweiten, ja znm Theil schon im
ersten Stadium aaf , d. h. bei Räupchen von 0,7 — 1 Cent. Länge.
Die Schräg:streifcn stehen hier viel dichter uebcneiDander, als die
Rippen irirend eines Blattes an Weiden, Pappeln oder Linden, von
einer Nachahmung dieser Blätter kann also keine Rede sein.
Allerdings aber werden die jungen Räupchen durch die Schräg-
streifen auch nicht etwa auffallender, da sie Uberhaupt nur bei
tehailNu Zusehen zu erkennen sind. Darin muss der Grund liegen,
warum dieselben nicht durch NaturzUchtung entfernt worden sind.
Ich möchte sonach die eigen tbiimliche £racheinuag des Bäck-
Schreitens nenerworbener Charaktere etwa so formulircn ; Ver-
ändernngen, welche in späteren Stadien der Onto-
genese entstanden sind, haben die Tendenz, sich im
Lanfe der phyletischen Entwicklung nach rückwärts
auf die jüngeren Stadien zu übertragen.
Die oben mitgetheilteu Entwicklungsdaten liefern zahlreiche
Belege dafür, dass diese Uebertragung allmälig, schritt-
weise nnd zwar in denselben Schritten geschieht,
welche dio erste Feststellnng des neuen Charakters
im Endstadium der Ontogenese herbeiführten.
Wäre dieser Satz nicht richtig, so würde mit ihm die Ontoge-
nese sehr viel von ihrem Interesse für uns verlieren. Es wiire dann
nicht mehr thunlieh , aus dem ontogenetisehcn Entwicklungsgang
eines Organs oder eines Charakters auf dessen rhylogeuesc zu
schliessen. Wenn z. B. die AugcnHeeken der Chaerocampa-
Raupen, welche im reifen Alter erwtubeu worden sein müssen, im »
weiteren Verlauf der pliylotisclicii Entwicklung zwar nach rück-
wärts in jüngere Stadien der ( »utogenese geschoben worden wären,
aber nicht in ihren primitiven Anfängen als Ausbuchtungen der
Subdorsallinie. sondern gleich als fertige Augenflecken, so würde
uns ihr Erscheinen über das Wie ihrer Bildung keinen Aufschluss
geben können.
Es ist nun aber Allen, die sich mit Entwicklungsgeschichte
irgend einer Thiergruppe beschäftigt haben , sehr wohl bekannt,
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72 Onlograne und Morphologie der Sphtngiden«Zeichniuig.
das8 kein Organ nndkcin irgendwie zusainmeiigegetzterer Charakter
plötzlich und unvermittelt in der Ontogenete auftritt und da nun
andienells gewiss sclu int , dase Ncucmngen oder Weiterentwick-
lungen bereits vorhaudner aber noch einfacher Charaktere vorwie-
gend im EndBtadium der Entwicklung vor sieh geheOi so wird man
also zu dem obigen Sohlos» geführt und zwar noch mit der Modifi-
cation, dass ncnerworbene Charaktere in dem MasRe
nach rückwärts verschoben werden, in welchem sie
doreh noch später hinzutretende Charaktere gewis*
sermassen ans dem Endstadinm der Ontogenese ver-
drängt werden.
Er muss dies ein rein mechanischer Process sein, be-
ruhend auf jenen innem Bildangsgesetzen, deren Wirkungen wir
zwar wahrnehmen, ohne sie aber schon näher begründen zu können.
£r kann unter Umständen durch NaturzUchtung verhindert wer-
den, so z. B. wenn die jungen Ranpen von Anceryx Pinastri
die eigenthUmliche Gitterzeichnnng der erwachsenen Raupe nicht
annehmen, weil sie vemiuthlich durch ihre Anj)assung an die grü-
nen Tannennadeln besser geschlitzt sind , als sie es sein wUrden,
wenn sie das auf bedeutendere KOrpergrösse berechnete Kleid des
letzten Stadiums trligen.
Das Zurllckrllckcn der iicucrworbcncn Charaktere kann ver-
muthlieh auch beschleunijrt werden , wenn diese Charaktere auch
für das jünfrero Stadiuni von Nutzen sind, allein es geschieht
gänzlich unabhängig von irgend welchem Nutzen
auch dann, wenn die Charaktere indillercnt sind,
veranlasst Icdi gl icli durch innere ßildungsgesef zc.
Dass in der That neue Charaktere vorwiegend im
letzten Stadium der Ontogenese auf treten, das lässt
• sich auch an der Kani>cn/.eichnung nachweisen.
Damit soll natürlich nicht gesagt sein, dass neue Charaktere
überhaupt im ganzen Tliicrreich stets nur im Endstadiuni
der Ontogenese auftreten könnten, \ielmchrhat Haeckel voll-
kommen Hecht , wenn er die AD[>assung8fähigkeit der Organismen
auch der Zeit nach für unbeschränkt hält, rniwandluugcn
können unter Umständen zu jeder Zeit der Entwicklung eintreten
und grade die Insekten mit Metamori)liosi' . deren I^arven so weit
von den Imagiues abgewichen sind, liefern den Beweis dafUr, dass
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Ontogenese und Morphologie der iSphingiden-Zeichnung. 73
Meh frohere Stadien sich gänslich omgestalten kitnnen. Was hier
behauptet wird, ist nur dieses, dass innerhalb der Ranpen-
entwicklnng nene Charaktete' in der Regel erst bei der ansge-
waehsenen Raupe hinxokommen.
Einmal ISsst sieh schon die mit dem Alter der Ranpe
so hftnfig annehmende Gomplication der Zeichnung
kaum anders denten, als dass stets am Endstadiam der Ontogenese
die nenen Charaktere hinzageftigt wurden. Dann aber kSnnen wir
in einzelnen FlÜlen die Natur gewissermassen auf der That ertappen,
wie sie grade im Begriff ist , einen neuen Charakter wenn auch noch
mit .einiger Unsicherheit, hinsusnftigen.
Ich denke dabei an die blutrothen oder rostrothen
Flecke, welche hei drei Arten Ton Smerinthus-Raupen im
fetsten Stadium in der Umgebung der Schiügstreifen Toikommen.
Es wurde oben geidgt, dass dieselben als die ersten Anftnge jener
linearen farbigen Säume ansusehen t&od, welche erst bei der Gat-
tung Sphinx zu yoUer Entwicklung gelangen. Sie sind bei
Smerintbus Tiliae bei einzelnen IndiTiduen audi bereits zu-
sammengeflossen und stellen einen , wenn auch noch unregelmäs-
sigen Faibensanm dar. fiel Sm. Populi bleiben sie immer auf
dem Fleckenstadium stehen, kommen aber bei vielen Individuen
vor, während Sm. Ocellata nur sehr selten fleckig ist und Sm.
Querens niemals Flecken henrörzubringen scheint
Allerdings zeigen sich nun die Flecken sowohl bei Sm. Tiliae
als Populi nicht ausschliesslich im fttnften (letzten) Stadium, son-
dern auch schon im vierten , zuweilen bei Populi sogar schon im
dritten und man kSnnte daraus schliessen wollen, dass der neue
Charakter nicht bloe im Endstadium zuerst aufgetreten wäre , alldn
die meisten der gefleckten Individuen erhalten die Flecken erst
im fünften Stadium, unreine Hinderzahl von ihnen schon im
vierten. Man wird also das gelegentliche frtthere Auftreten der
Flecken schon als ein ZurttckrOoken des im ftlnften Stadium erwor-
benen Charakters auslegen müssen. Uebrigens stehen sieh das vierte
und ftlnfte Stadium der Ranpen sowohl was QrOsse und Lebens-
ipeise, a^ Beziehung zur Aussenwelt anlangt, als in Bezug auf
die Zeichnung sehr nahe, so dass zu erwarten ist, dass hier neue
Ghaxakleie des ftlnften Stadiums, sofern sie auf Anpassung
beruhen, sehr Schnellauf das vierte ttbertragen werden. Es wäre
74 Ontogenese und Morphulugie der Sphingiden-Zeichuuiig.
dieB ein FaU toh Bei^ktmigniig des dnnsh innere Unaehen be-
dingten Voiganges dnieh Natnnttehtong. Wanun die Verlnde>
rangen Torwiegend erat im leisten Stadivm eintreten, dieee Frage
hfingt aufs Geuaneste mit der andern nach den Uiraehen der Ran-
penaeielmnng ttberliaapt insammen nnd kann desludb erst spttter
nnteranolit werden.
Wenn wir aber hier im Vorana einmal an& Oradewohl die An-
nahme machen wollen, alle wirklich neuen Zeiehnnngecharakteie
beruhten auf Anpaasong an die Lebensbedingungen nnd entstünden
durch Natorsttchtnng, so wOrde es nicht echwer sein, aus dieser
Yoranssetznng den Sehluss abzuleiten, dass diese neuen Charaktere
vorwiegend im letzten I^ebensstadium snerst auftreten rnttssen.
Zwei Umstttnde sprechen daHlr: die GrOsse des Thiers und
die längere Dauer des letzten Stadiums. So lange die
Raupe so klein ist, dass ein jedes Blatt eie vielfaeh deckt, bedarf
sie wohl aar einer guten Anpaf^sung der Färbung, um bo vollkom-
men verborgen zu Rein, uU es tlberlinupt mnglicli ist, abgesehen
davon, dass auch viele ihrer späteren Feinde sie jetzt der Nach-
Btelhing noch nicht für werth halten werden. Dann aber dauert
aach das h tzte Stadinm bedeutend länger, als jedes der vier
vorheigehenden ; beiDeilephila Euphorbiae beträgt es zehn
Tage, gegenüber einer Dauer von vierTagm der übrigen Stadien,
bei S ph i n X L i gustri ebenfalls aehn Tage gegenüber sechs Tagen
der übrigen Stadien.
Die Raupe hat also in dem Kleide ihres letzten Stadiums längere
Zeit die Gefahr zu überwinden, von Feinden entdeckt zu werden
und da sie zugleich auch zahlreichere Feinde hat und ihrer viel
bedeutenderen Grösse halber weit leichter gesehen wird, so
lässt es sich wohl begreifen , dass eine Aenderung der liCbensbe-
dingnng, z. B. die Uebersiedeluug auf eine neue FutterpÜanze vor
Allem die Anpassung der erwachsenen Banpe zur Folge haben
wttide.
Es wird sich nun in Folgendem leigen , in wie weit die hier
gemachte Voraussetzung, dass aUeZeiehnnngscharaktereanf Natur-
sttchtung beruhen, richtig ist.
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Ont4i8eDe8e und Murphutugie tlvr i>pbingidea>Z«ichniing. 75
Hl. BitlopiMher Werth der Zeiehnmg.
Naehdem ieb die Entwicklung der liaupenzeichnang, soweit
möglich, ilirer ttoeeem Eradieiniiiig nacii beschrieben nnd dann die
ihr sa Grande liegenden formalen Entwickhmgegesetee daraus ab-
geleitet habe, gelange idi snr Hauptaufgabe, m dem Versneh, die
tieferen, bewegenden Ursaehen anikndeeken, welche dieZeichnnng
flberiiaapt benronrnfen.
Zwei Möglichkeiten liegen hier vor, dieselben, welohe sieh uns
in Beang anf die Entwieklong dei oiganisehen Liebens im Oroeten
nnd Gkuizen darbieten. Entweder die so eigenthttmliehen, ver-
wickelten nnd ftlr nns scheinbar nnverstilndlichen Charaktere, wel-
chen wir den Namen dner Zeichnung geben, verdanken ihre Ent-
stehnng der direkten nnd indirekten Einwirkung langsam sieh
iDdemder Lebensbedingangen — oder sie entstehen ans rein
innem, im Oiganismns selbst gelegnen Ursachen, ans einer p hy-
letisehen Lebenskraft. Ich habe in der Sinleituig schon
anseinandergesetst, warnm mir grade die Raopenzeichnnng ein so
besonders gttostiges Object zur Entscheidung dieser IVsge an sein
schieD, oder genauer warnm mir in Besog anf dieses Object grade
die Entscheidung leichter mOglicfa su sein schien, als in Beeng anf
andere. Ich will es hier nicht wiederholen.
Die gaaae Untenuebung wttre von mir nicht angestellt worden,
wenn ich su Deiyenigen gehörte, welehe sich von vornherein snr
Allmacht der NatansBohtnng bekennen , wie zu einem Glaubens-
artikel oder einem wissenschaftÜchen Axiom. Eine Frage, die nur
auf indnctivem Wege einer LOsung sich nähern kann, darf unmO|^
lieh nach den ersten Proben , die gttnstig fttr dieses Frincip aus-
fielen, nun ab gelöst und weitere Proben als tlberflilssig angesehen
werden.
Gewiss hat die Annahme einer geheimnissvoll* wirkenden
phyietischen Kraft ftlr nnsera nach Erkenntniss strebenden Geist
etwas sehr UnbeiHedigendes; jedenfidls ist dieselbe aber nicht
dadurch als widerlegt anzusehen, dass man die Entstehung
Hunderter von Charakteren anf Natunichtung zurttckftlhren
kann, die vieler anderer anf direkte Einwirkung Süsserer
LebenriMdingnngen. Soll die absolute Abhängigkeit
der Entwicklung der organischen Welt von den
7ö Onto^eueae und Morphologie der SphingideD-Zeicbaung.
EinflttsBen der Anssenwelt nacbgewieflen werden, so darf
man niehC blos beUebige Charaktere bier jind dort heran^greifen,
wie sie sieh grade für die Brklilnuig am besten snginglieh zeigen,
sondern man mnss vor Allem den Vennch maehen, s&mmt»
liehe Charaktere einer bestimmten, wenn aneh klei-
nen Erseheinnngsgrappe Tollstftndig auf die uns be-
kannten Umwandlnngs-Faktoren snrttekziiftthren. Es
wird sich dann leigen , ob dies mOglich ist, oder ob ein ans den
bekannten Prindpien nicht eiklirbarer Best bleibt, der dann znr
Annahme einer im Innern der Organismen liegenden Entwickhinga-
kraft zwingen würde. Jeden£ülslässt sich die »phyletische Lebens-
kraft« nor dnroh Eliminirang beseitigen, dnreb den Nachweis,
dasB aUe ttberhanpt vorkommenden Charaktere der betreffenden
ErscheinnngBgmppe auf andere Ursachen znrllckgeftüirt wer-
den müssen , dass somit ftlr die voraosgeselie phyletische Lebens-
kraft Nichts in thnn ttbiig bleibt. Daraus wttrde die Negimng der-
selben mit Nofhwendigkeit folgen, da man anf die Anwesenheit
einer Kiaft nicht daraus sehliessen kann, dass sie kdnerlei Wir-
kungen ausübt.
Es soll also hier ein solcher Versuch gewagt werden und zwar
an der Erscheinungsgruppe der Baupenzeiehnung, spedell der
Sphingiden-Zeidmung. Die Alternative i welche zu entscheiden
wilre, lautete demnach : Ist die Baupenzeiehnung ein ur-
sprünglich rein morphologischer Charakter, hervor-
gerufen durch rein innere Ursachen, durch eine
phyletische Lebenskraft, oder ist sie lediglich die
Beaktion des Organismus auf Äussere Einflüsse.
Die LOsnng dieser Alternative wire dadurch anzustreben, dass
man versuchte, alle vorhandnen Zeichnungs-Elemente auf eine der
bekannten Umwandlungs-Ursachen zurückzuftihren und das Ge-
lingen oder Misslingen dieses Versuchs würde die Entsehddung
geben.
Die erste Frage, deren Losung in Angriff zu nehmen wäre,
ist offenbar die, ob die Elemente der Sphingiden- Zeichnung
wirklich sind, was sie anf den ersten Blick zn sdn scheinen:
rein morphologische Charaktere. Sollte sieh herausstel-
len, dass sie alle ursprünglich eine biologisdie Bedeutung
besitzen, so müssten sie von Natnrzüchtnng abgeleitet werden.
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OntogeneM nnd Morphologie der Sphingiden- Zeichnung. 77
Wenn ich nnn dam sehreite, den biologisehen Werth der
Banpen- nnd speeiell der Splüngidemeichnmig festsosleUen» um
anf dieae Weiae zu einem RttokBehloes auf die Ableitbaikeit der-
selben Ton Natusttchtong zu gelangen, so wird es nnvenneidlleh
sein, auch die Totalfftrbnng der Ranpen in die Untersnohung
beraunudehen, weil der Werth der Zeichnung sehr häufig nnr
in einer VentSrfamg der Wirkang der Farbe bemht nnd nicht ver-
siaaden werden kann, ohne Versttndnisa dieser; nieht seilen anch
seheint die Wiiknng der Zeiehnnog der der FSrbong an wider-
sprechen, ja sie gradean wieder an&nheben, so daaa beide Faktoren
nothwendig gemdnsam betrachtet werden müssen.
Ich begfame mit der Untersnchnng der Total -Firbnng nnd
laaae darauf die der Zeichnung folgen.
Biologischer Werth der Färbung.
Schon oft ist anf die grosse Verbreitung sohnfaender Fllrbun-
gen bei Raupen hingewiesen wonton und es ist nicht meine Absicht,
dies im Einseinen hier in wiederholen. Aber inr Beurtheilnng der
Wirkung der Zeichnung ist es gut, sich su erinnern, wie sehr
bei diesen TidTerfblgten, meist wehrioaen und also sehr schuta-
bedürftigen Thieren die allerrersehiedensten Mittel Anwendung ge-
fluden haben, um sie tot ihren Feinden einigennassen sicher su
stellen.
Schttliead gogen feindliche NadistelluBgen wirkt die Bedeek-
nng mit stachligen Dornen, wie sie den Baiqpen vieler Tsg-
falter (Vanessa, Melitaea, Argynnis- Arien) zukommen,
nnt Haaren, wie sie yiele Spinner besitzen (die sog. Bäreoraupen)
oder mit langen, steübn Stacheln , wie sie bei den meist tropi-
schen Dana! den vorkommen. Schutzmittel — wenn auch in
etwas andenn Sinne — sind dann die anfTaUeod geftrbten (gelb-
roth), einen stinkenden Saft absondernden Drttsenschläache,
wie rie bei allen Arten aus der grossen Familie der Papilionidcn
den Raupen im Nacken Terboqpen sitzen , um dann plötzlich zum
Schrecken des Angreifers hervoigescbnellt zu werden, oder wie sie
bei den Raapen der Spinnergattung Harpyia in der langen
Schwanzgabel liegen (daher der FopulKmame »Gabelschwime«],
78
OntogencM und Morphologie der Sphingiden-Zdebnuag.
um dann in ähnlicher Weise {rftftelich hervor/aschiessen. Viel ver-
breiteter noch als die TnitB- nnd Schreokmittel , sind aber an-
passende Fttrbnngen und Formen verbunden mit bestimm-
ten Lcbcusgewohuheiten.
So bei dcu Uanpen jener Noctuiden, welche das Volk als
Ordensbänder passend bezeichnet (die Gattung C a t o c a 1 a nnd
Verwandte : sie fressen das grüne Laub verschiedener Waldbüume,
aUein nar l>ei Nacht; bei Tage sitzen sie in den Kitzen der Kinde
am Stamme des Baumes und sind in der Färbung', der eigeuthüni-
liehen Glätte und dem Glanz der mattgrauen oder l)räunlichenllaut,
die noch dazu an einigen Stellen mit kleinen HOokern besetzt ist,
80 vortretflich der Kinde des Baumes angcpasst, dass auch bei
Kenntniss dieser ihrer Gewohnheit nnr ein Bcharfes Ange sie m
entdecken vermag.
Die auffallende Aehnlichkeit mancher Spannerranpen mit
Hol/stUckchen ist bekannt, und uuch hier kommt eine Gewohnheit
der Thiere hinzu, um sie unkenntlich in madiai : die Gewohnheit^
sich bei herannahender Gefahr steif zu machen und bewegongslos,
wie ein Stückchen Holz vom Aste abzustehen. Sie erinnern in die-
ser Beziehung an mehrere Schmetterlings- Arten unter den Eulen,
z. B. Cucullia Verbasci und vor Allen die Gattung Xylina,
die in sitzendem Zustand durch Färbung und Zeichnung ihrer Vor-
dertlUgel einem Stückchen trocknen Holzes frappant gleichen nnd
die die Gewohnheit besitzen , wenn sie berührt werden , sich fallen
zu la.«;sen, ohne die FlUgel auszubreiten, die vielmehr die Beine
anziehen und sich todt stellen.
Dass einfache sympathiscbe Färbungen eine sehr weite Vcr-
hreitun^' unter den Kaupen halien müssen, zeigt schon die grosse
Masse der grün gefärbten Kaupen. Man kann gradezu safrcu,
dass alle Kaupen, wxlche nicht anderweitige Schutz- oder Trutz-
Mittel besitzen, sympathisch gefärbt sind.
Dies ist bekannt. Xicht minder auch die Erklärung, welche
Wallace Air die l)uutcn und auliällcndcn i^'ärbungen zahlreicher
liaupen gegeben bat. Neu aber ist der in den oben gegebenen Be-
schreibungen der Kaupen -EntwickluniT enthaltene Nachweis, in
welcber Weise der seiner äussern Erscheinung nach bekannte
l) i ni o r p Ii i s m u s od e r Po ly m o r ph i sm u s d c r Kau p e ji seine
Erkläi'ung tindet und grade diese Erscheinung ist sehr geeignet,
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Ontogenese und Morphologie der iSphingiden-Zeicbnung.
in leigen, einen wie holmi Werth sympatliieehe Fürbnngen Ar
Baopen bentwn. Es handelt sieh hier om eine doppelte An-
paBflnng, wenn nneh nidit ganz in der Weise, wie ieh es frtther
▼ennntlHDigsweise annahm *) . Zn«rst geht ans der Entwieklnngs-
geeehichte der Sali herrar, dass alle Sphingidem-Ranpen,
welcheim erwachsenen Znstand dimorph oder poly*
morph sind, iji der Jngend nnr einerlei Firbnngbe-
sitxen. So bleiben die Raupen des Weissohwürmers Chaero-
eampa Elpenor alle grttn bis in das vierte Stadium, dann aber
werden die meisten von ihnen dnnUer oder heller bimnn, nnr sehr
wenige behalten die grttne FHrbnng. Ganz ebenso rerhAlt sieh
Ch. Porcellns nnd die iwarnidit nahe Terwandte, aber an den
gleiehen Orten nnd der gleichen Nahrangspflanse lebende Ptero-
gonOenotherae.
Auch bei dieser Art kommt im erwachsenen Znstand die branne
Form häufiger yor, als die grflne, beide besitzen zugleich eine com-
plidrte Zeichnung. Die jugendliche Raupe aber seigt nur eine
hellgrttne Hbrbnng nnd als einzige Zeichnung einen rein weissen
Subdorsaliitreif. Sie istso gut drai Epilobinm hirsutnin nnd
rosmarinifolinm angepasst, an dessen filllttem sie lebt, dass
sie nur sehr schwer zu entdecken ist.
Nach der dritten Hllutong aber wird sie brann und nun fällt
sie sehr leicht ins Auge, wenn sie an ihrem Futtcrkraut sitat.
Bei allen den genannten Ranpen nun nnd die braunen Fär-
bangen sympn t Iii sclie. nie sind Anpassungen theils au da8 Braun
des Bodens, tbells an dünc Blätter und Stengel. Sobald nämlich
die Kaupen eine bedeutmidere Grösse erreicht haben , h a 1 1 e n s i e
sich am Tage versteckt. Es ist dies eine ganz sichere Beob-
aehtnng, die nicht nnr hior und da in entoiiiologischen Notizen an-
gegdMO wird , sondern too deren Richtigkeit ich mich selbst oft
ttt»erzengt habe. Besonders von Ch. £lpenor ist mir aus frühe-
rer Zeit sehr wohl erinnerlich, dass die erwachsene Raupe bei,
Tage stets ganz unten an den dürren Acstcn und welken Blättern
der strauchartigen vielästigen Nahrungspflauze , dem E p i 1 o b i u ni
hirsntum sitirt, und auch, wenn dieselbe an dein ganz niedrigen
Epilobinm parviflorum lebt, verkriecht sie sich bei Tage in
*) Siehe die Sobitfk : Ueher den EinfloM der Isolirang auf ^ Artbildnng.
Lnpdg 1872, 8. 22.
80
Ontogenese nnd Morphologie der Sphingiden-Zoohnung.
dem Blätter- und Stengelgewirr am Boden. Cranz dasselbe ist mir
von Spbinx ConTolvali bekannt, welche blos deshalb sebwer
zn erhalten \nt, unch in Gegenden, wo sie sehr hänfig vorkommt.
Als ich einst in der Nähe von Basel am hellen Mittag eme
braune Ruape Ton Ptcrogon Oenotherae an einem einzelste-
henden dUrren Stengel yüu Epilobi nn) rosmarinifolinm fand,
theilte mir mein Begleiter, der vielerfahrene Schnictterlingsammler
Uerr Kiggenbach-Stähelin mit, das» diese liaupen sich stets
am dorren Kraut hielten (bei Tage!), sobald sie brann ge-
worden seien, wihrend sie vorher nnr am grttnen zn finden
seien.
£8 ist also wohl anzweifelhaft, dass die Aende-
rnng der Färbung mit einer Aendernng der Lebens-
gewohnheiten einhergeht.
Welches ist nun al>er das Primäre gewesen?
Warn die hier vertretene Ansicht richtig ist, nach welcher die
spätere braune Färbung als sympathische aufzufassen ist , sn moss
die Art zuerst die Gewohnheit angenommen haben , sich bei Tage
an der Er^le und am dürren Kraut aufzuhalten, ehe sich die nr-
sprUiiglieh grüne Färbung durch Katurzttchtung in eine braune um-
wandeln konnte.
Und so muss es in der That auch gewesen sein !
Besonders jene nahe verwandten Arten vermögen hier einige
Klarheit zu schaffen, welche im Alter nicht dimorph sind, sondern
in allen Individuen dunkel gefärbt. Dahin gehört z. B. Dei-
lephila Vespertilio. Auch bei ihr ist die jugendliche liaupe
hellgrün nnd sitzt bei Tage wie bei Nacht an den Blättern des
Krautes , von dem sie frisst. Sobald sie die dunkle Färbung be-
kommt — nach der dritten Häutung — ändert sie ihre Gewohnheit,
verbirgt sich des Tags über am Grunde und frisst nur des Nachts.
Sie wird deshalb auch von den Samndem am liebsten des Abends
gesucht oder aucli Nachts mit der Laterne.
Der lehrreichste Fall ist aber der von Deilephila Hippo-
phaes. Hier tritt Ubcriiaupt keine Umwandlung der Färbung
mit dem Alter ein, sondern die Raupe behält das ganze Leben hin-
durch eine graugrüne Färbung, welche sehr genau der Farlie der
Blätter des Sanddorns Ilippophae rhamnoides cntsprieht, ;in
welchen die Kaupe lebt. Nichtsdestoweniger besitzt auch
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Ontogenese und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung. Sl
diese Art die Gewohnheit, sobald sie eine beden-
tendere Grosse erreicht hat, nur Nachts in fressen,
bei Tage sich aber am.Fnsse ihres Wohnstranches sn
▼erborgen. Es wird ansdrtteUieh Ton den Sammlern angegeben,
dass man diese Banpe bei Tage kanm finden kOnne nnd empfohlen,
sie des Naehts mit der Laterne sn suchen.
Daraus mnss denn wohl geschlossen werden, dass
die Gewohnheit dieser nnd anderer verwandten Ran-
pen, sich bei Tage zn Terbergen, angenommen wnrde,
als sie noch die Farbe derBUtter besassen, nnd dass
die Anpassung an die Farbe des Bodens oder dttrren
Lanbes und trockner Strttnke erst sekundär er-
folgt ist.
Warum aber nahmen diese Baupen eine solche Gewohnheit
an, da sie doch durch ihre grüne Farbe auf den BUIttem ToUkom-
men geschlUst su sein sdhienent
Die Antwort ergibt sieb leicht, sobald man sich umsieht, bei
welcherlei Baupen diese Gewohnheit überhaupt YOifcommt.
Findet sie sieh etwa nur bei den ADgehörigen der einen Gat-
tung D e i 1 e p h i 1 a , und bei allen Arten dieser Gattung?
Die8 ist keineswegs der Fall. Einmal zeigen mehrere Deile-
phila-Arten die Gewohnheit nicht, so D. Euphorbiae, Galii,
Kicaea, Dahlii nnd dann kommt sie auch bei Arten anderer
Gattungen vereinzelt vor. So bei ^iacro^^lo.sBa Stellatarum,
bei Sphinx Convolvuli, bei Achcrontia Atropos.
So mass denn also wohl diese Gewohnheit eine Folge von be-
stimmten äaesem Lebensverhältnissen sein , welche allen diesen
Tagschläfem gemeinsam sind. Gemeinsam ist ihnen nun Allen das
Leben nicht anf Bänmen mit grossblättrigcm otler doch dichtem
Laubwerk, sondern anf niedrigen Kräutern oder höchstens auf
kleinblättrigen nnd bUUtcrannen Sträuchem , wie dem Sanddom.
Ich glaube nicht zu irren , wenn ich die Gewohnheit der erwachse-
nen Banpen, bei Tage sich zu verstecken, davon herleite, dass
die grttne Farbe sie nur ro lange schützt, als sie
klein sind, oder genauer, als ihre Grüsse die eines Blattes oder
Stengelstttckes der betreffenden Xahrungspflanze nicht erheblich
tiberschreitet. Sobald sie bedeutend grösser werden,
mttssen sie trotz ihrer sympathischen Färbung auf-
W«iim»aii, Stadien. U. $
SS Ontogenese und Morphologie dur Sphingiden-Zeichaung.
fallen. So war esdenn too Nuten fkir aie, aidi bei Tageswmek-
Beiielie&imd ninr bei Nadit n freeeen ond rie ttieten dlee nd dran
dieenoeli, nveh wenn die eeknndilre Anpastnng mn die
Farbe dee Bodens ete. nooh nieht eingetreten iet
Diee lehrt nne die stets grin gefilrbte D. Hippopbnes «nd niekt
minder die grttne Foimder erwnehsenen Banpen von Spfainx
ConYolTttli» Deil. Elpenor und Poreellns, d«m alle diese
▼ersteeken skdi bei Tage ebenso gnt als ihre branngeftibten Art-
genoasen.
Man könnte mir einwerfen, dass es — wie ich selbst schon
Bolehe angeführt habe — Sphlai^den-Ranpen gibt, welche anf nied-
rigen kleinblättrigen Pflanzen leben nnd dennoch bei Tage sich nicht
Terbergen. Eiuc solche ist z* B. Deil. Euphorbiae, die in
vielen Thailen Deutschlands so gemeine Wolftmüchranpe. Diese
fiaupe muss aber zu denjenigen gereehnet werden , welche , sei es
wegen schlechten Geschmackes oder ans einem andern später SU
erörternden Grunde von VOgdn und andern grösseren Feinden ver-
schmäht werden, zu jenen, von welchen Wallacc gezeigt hat,
dass es ihnen Vortheil bringt, möglichst auffallend gefärbt zu sein.
Ich werde später bei Besprechung des biologischen Warthes der
Zeichnung darauf zurückkommen.
Anf der andern Seite aber lässt sich aus den Lebensverhält-
nissen der auf dicht belaubten Bäumen oder Bttschen lebenden Rau-
pen sehr wohl yerstehen, dass sie die Gewohnheit bei Tage zu ruhen
und vom Baume herabzusteigen, nm sich zu verbergen nicht ange-
nommen haben. Sie sind durch ihre grline Färbnng zwi-
schen grossen und zahlreichen Blättern hinreichend
geschützt und ich werde später zu zeigen haben, das.s die Zeich-
nung, welche sie an sich tragen, diesen Schutz noch vermehrt.
So beruht denn der Di- oder Polymorphismus
der S p Ii i n g i (l e n - H a u p e n nicht auf einer g l e i c h z e i -
tigen dopi)elteu Ani)assung. sondern auf der Ver-
drängung einer alten F a r b c u - A n p a s s u n g durch eine
neue und bessere, somit auf einer successiven dop-
pelten Anpassung. Die erwachsenen Itaupen von D. Elpeuor
sind nicht deshall) theils braun, theils t^TÜn. weil sich ein Theil von
ihnen den Blättern . ein anderer Thcil dem Boden angepasst hat.
sondern deshalb, weil die altererbte grUue Färbnng noch
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Ontogeaeta und Blorphologie der SplüügideiipZaioluiaag.
nicht TolUtftndig dareh die neuerworbene braune
beseitigt nnd verdrängt ist, weil einzelne:Individnen
die alte gr^ne Färbung noch beibehalten.
Wenn ich früher*) schrieb, »dass eine Art aicJi aof difite oder
jene Weise den gegebenen Lebemrerhiiltniaeen anpassen kann nnd
es keineiwegs blos je e i n e bestangepasste Form für jede Art geben
mnse« so ist dies zwar theoretisch und im Allgemeinen wohl richtig,
nicht aber in seiner Anwending auf derartige Fälle. Denn eine
Vergleichnng der bei Tage nihendeD Sphingiden-Raapen zeigt deat*>
lidi, dass bei Allen die Tendenz vorhanden ist die grttne Farbe el^
■ zalegoi nnd eifie düstere dafür aaznnehmen, nur dass dieser
Process der Verdrängung des Grünen bei der einen
Art weiter vorgeschritten ist, als bei der andern.
Es ist nicht ohne Interesse, dies im Einzelnen zu verfolgen,
da wir dadurch einen Einblick erhalten in die Vorgänge, durch
welche Polymorphismus überhaupt entsteht, sowie in den Zn-
sammenhang zwischen diesem und blosser Variabilitilt.
Koch nicht begonnen , oder doch noch in den ersten Anfängen
betindet sich der Process bei Deil. Hippophaes. Wenn man
den Angaben der Autoren trauen darf, so kommt neben der gewöhn-
lichen grünen Form noch eine i^cltcnc silbergrauc vor und diese
uiüsste dann als der Beginn eines Uuilarbangsprocesses aufgefasst
werden. Mir selbst ist diese Form weder unter den 35 lebenden
Exemplaren vorgekommen, welche ich mir von dieser seltenen Art
verfichaften konnte, noch habe ich sie in Sammlungen gefunden.
Bei Macroglossa .Stellatarum sehen wir sodann den
Umwandhingsprocess in vollem Gange. Eine grosse Menge von
lüdividucu ist noch grün , etwa 35 % ; die Anzahl der dunkelge-
färbten beträgt 46'* o? Uberwiegt also bereits, und zwischen beiden
Extremen stehen etwa 19^ „ l'ebergangsformen, welche allen mög-
lichen Nuancen zwischen Hellgrün und Dunkelschwarzbraun auf-
weisen, ja selbst ins Braun-Violette und in einzelne Individuen
selbst ins Rein- Violette hinliberspielen siehe die Abbildungen Fig.
3 — 12 . Dass diese Zwischenformen der Kreuzung ihr Dasein ver-
danken, lässt sich aus ihrer relativ geringen Anzahl schliessen in
Verbindung mit der Thatsache, dass alle 140 Individuen meines
*) Ucber den £iiiflu» dar UoUrung auf die Artbildung. Leipiig 1872.
Seite 21.
6»
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84 Ontogenese und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung.
YerniGhs von einer Mntter al»gtammten. Znm Ueberflnis würde ee
noeh der oben im Einzelnen «ngefllhrte Fall beweisen, in welchem
eine Raupe grOn nnd brann §^heel(t war (Fig. 9).
Wie dort beieita angedentet wnrde, wird der Procets in der
Weise YorrScken, dass die Hittelformen relatiT ab-, diednnkefai
individtten relativ annehmen.
So ibden wir es bei Sphinx ConTolvnli nndfitftingans
gleicher Weise bei Ohaerocampa Elpenor. Bei beiden Arten
sind die grttnen Ranpen die seltneren*). Eigentliohe Mittelformen
swisehen ChrOn nnd Brann kommen nicht mehr vor , wohl aber ziem-
lidi Tcrsehiedne Sehattiningen von Brann , Hellbrann bis Brann-
sdiwarz*
Wiederom etwas weiter vorgerflcl^t ist der Process bei Ohae-
rocampa Poreellns nnd Gelerio, sowie bei Pterogon
Oenotberae. Bei allen diesen Arten kommt die grttneFoim noch
Tor, aber sie U/k so selten, dass wohl nur die wenigsten Sammler
sie überhaupt gesehen haben. Die braune Form ist also hier bei-
nahe schon zur Alleinherrschaft gelangt und die einzelnen grUnen
Individnen, welche znweilen auftreten , können schoA als Bttck-
' Schlagsformen auf ein ttlteres phyletisches Stadium angesehen
werden.
Aehnlieh scheint sich Dcil. Livorniea zu verhalten, eine
Art, deren Raupe indessen so selten beobachtet wird, dass es schwer
sein möchte , das Verhältniss zwischen braunen und grttnen ludi-
vidnen annähernd zu bestimmen. Ich selbst habe nur ein einziges
grünes Exemplar in der Sammlung von Dr. Staudinger gesehen
(vergleiche Fig. 62j .
Gänzlich verschwunden ist die grllne Form bei Deilephila
Yespertilio, Euphorbiae, Dahlii, Mauretanica, Nicaea
nnd bei G a 1 i i. Denn das schwärzliche Olivengi'lln, welches manche
Raupen der letzteren Art besitzen, kann höchstens noch als ein
Nachklang an das einstige Hellgrün gelten, was beide Arten in
früherer Zeit an sich trogen , nnd was beide heute noch als Jugend-
kleid tragen.
. *) Gtenaue Zahlenaogabeii Aber das Verhiltaim der Tenchiedenen Formen
in einander kann icli leider niehtgeben, da ich Sph. Convolvuli nie aus
Slem ertogen hmbe, C h. Elpenor aber nicht in hinreichend groeser AnsahL
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Ontt^nece und Mo^thologie der Sphingiden-ZeicbnuDg. S5
Damit Ut denn der ganze FloceM abgeschloeaen. Beginnend
mit dem Anftreten dnzelner dnnklefer Individnen führte er zoent
zo groeser VariabllitSt der FSrbnng, welehe durch Seltnerwerden
der Zwiaehenformen znm Polymorphiunns nnd durch gänzliches
Ausfiülen derselben zmn Dimorphismus hinttberleitete. Indem nun
die neue Farbe immer mehr ttberdie alte den Sieg errang, Terdrttngte
sie dieselbe bis zum yollstilndigen Schwinden und die zuerst va-
nabeln, dann polymoiphen, zuletzt dimoiphen Baupen der Art,
kehrten so wieder zurtlek zum Honomorphinnus.
So sehen wir also hier den Process der Umwandlung unter
nnsem Augen noch Tor sich gehen und es kann durchaus kein
Zweifel ttber ^e treibende Ursache derselben bestdien. Sobald ein
Charakter mit Sicheibett sich als Anpassung herausstellt, be-
sitzen wir keine, andre Erklärung tfXt seine Entstehung, als die
durch Natursflchtnng. Wenn aber nachgewiesen werden kann —
und ich glaube , dass dies geschehen ist — dass nicht nur im All-
gemeinen die Baupen häufig sympathische Färbungen besitzen,
sondern dass diese Färbungen sogar während des Lebenslaufes ein
und derselben Art je nach den äussern Umsttnden wechseln kOnnen,
so muss dies gewiss eine sehr hohe Vorstellung Ton der Ifacht er-
zeugen, welche Natursttchtung auf diese Formengmppe ansäht
Biologischer Werth der Zeichnung.
Die aufituwerfenden Fragen sind diese : UatdieZcicbnuug
der Raupen irgendeinen biolo^isclien Werth oderist
sie gc Wissermassen nur ein Spiel der Natur? lässt sie
sich demnach ganz oder theilwei sc durch Natur zUch-
tung entstanden denken oder hatNaturzttchtnng kei-
nen Autheil an ihr?
Die Frage liegt hier klarer und schärfer zugespitzt vor , als
bei irgend einer andern Formengmppe und zwar deshalb , weil es
nur ein Entweder — Oder gibt, keine dritte Möglichkeit. Mit
andern Worten ; Wenn es nicht gelänge, eine bestimmte, biologische
Bedeutung der Baupen - Zeichnung^ nachzuweisen , so wUrdB zu
ihrer Erklärung nur die Annahme einer phyletischen Kraft ttbrig
86
Ontogooese und Moiphologie der Sphingideii-Zeicfaiittng.
btoiben, dran £e ErUlnmg dueh direkt« EfawManig der
Avnenweh kam ftr eine«» geeetaBHesige flntwickliiigifelke ?ra
Fornen nicfat geiAgeB und die ErkUruDg dnreh eezselle Ztteh-
tnng bl«iliC Ider von TonilierBin «mgeseldoiMB, da wir es odl
Larven, mit.nielit fortpflansnngsfihigen Thieien n
dran haben.
Die biologische Bedentang der Zeiohmmg wird lioh — falls
sie llberhaapt Toriumdra iet — «n leiohteefen dadoek ef^ittnden
lassen , dass man Arten nnd ZniObide mit gleidier Zeiehnnng anf
iigend eine QemelnBamkett der LebensveikSltDisse prVft, die so-
dann einen Bneksohhiss anf die Bedeitong der Zeiehnnng mOg^-
lieherweise. gestatten wird.
Wir findra bei den Sphingiden vier Hanptformen der
Zeiehnnng. 1) GinslieheAbwesenheit-jederZeielmBng;
2) Lftngsstreifen; entweder eine einfhebe Snbdosailüniei oder
daneben noeh StigmastreUbn nnd einen Dofsalstreif ; 3) Sehrig-
streifen; 4) Angenfleeken nnd Ringfleeken einzeln, paar-
weise oder in ganien Beihra angeordnet.
Sehen wir nns nra nm , liei weichen Artra «Oese vier ZcSck-
nnngs-Kategorien 1ll»eihanpt rorkommra nnd iwar nieht nnr in der
Idefaien Gruppe der Sphingiden, sondern in der ganien Qntamg
der SehmetterUnge, so eigibt sieh Folgendes.
1} Gänzliche Abwesenheitder Zeichnung, beiden
Larven andrer Insekten z. B. der Küfer, so hftnfig, findet sieh bei
Schmetterlingsnmpen nnr selten.
Dahin gehören einmal alle Arten von Sesien, (der Gattungen :
Sesia, Trochilia, Sciapteron, Bembecia), derra Banpen
ohne Ausnahme weisdieb oder gelblich gelMit sind nnd im Innern
der Zweige von Bäumen nnd Stiünchem zom Tlieil aneb in den
Stengeln krantartiger Pflanzen lebra. Dann nnterirdiseh , an den
Wurzeln der Pflanzen lebende Ranpen, wie Hepialns Humuli
an dra Waneln des Hopfens nnd II. Lnpulinns an denen von
liritienm repens. Auch diese cntl)ehron nicht nur jeder ZciehnuDg,
sondern ancli der FUrbiing. Sie sind gelbliohweiss, wie die vorher-
gehenden , oflenbar weil sie dem Einflnss des Lichtes entzogra
sind. DeTnents]n'eehcnd nun^eU die Zeichnung anch den Banpra
solcher Kleinschmetteriioge, welche wie TortrixArbntana und
Fomonana im Innern von Früchten oder wie maaoheTineaden
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OotogWim oad Morphologie der Sphingiden-Zddinttiig. 87
in tragbireii Säcken leben nnd dieee eind dum tmk ohne lebhafte
Falben, gewilhnyeh weisslich.
Aber anch von den aaf der Oberflttefae TonFflanzen fressenden
Binq>en der KleiDeehmetterlinge bedtoen — soweit meine firfab-
mng reicht — viele keine Zeichnung in dem oben präcisirten
Sinne ond zwar sind dies die kleinsten , wie z.B. die grUnliehen,
in Blättern minirenden Nepticula-Arten. Erst die grosseren Arten
besitzen Längsstreifen und Sehrägstreifen. Augen flecken kommen
bei keiner dieser Ranpen vor, ein Umstand der für die biologische
Bedeatong dieser Charaktere , wie lie aaehhef Tersacht werden
•oll, von grosser Bedentang ist.
Die Kleinheit der Ranpen an nnd für sich kann nicht der
Gnind dieses Mangels sein, denn bei jungen Smerinthus-Räupchen
von 1 Cent. Länge sind die Schrägstreifen bereits aufs Schönste
aasgeprägt und die Raupen vieler Kleinschmetterlinge tiberschrei-
ten dieses Maass bedeutend. Die Oberfläche der Raupe, die
das Feld darstellt , auf welchem sich eine Zeichnung zu entfalten
hätte, ist also nieht absolut zn klein fttx die £ntfaltang
einer solchen.
Ausser diesen beiden Kategorien — den kleinsten Microlepi-
dopteren und den im Dunkeln Ichenden Jfaiipen — kommt ein
völliger Man^'el der Zeichnung nur noch in der ersten Jugend zahl-
reicher Kaupcn vor. 80 besitzen alle Sphingiden, deren Ent-
wicklung ich beobachten konnte, unmittelbar nach dem Aus-
schlüpfen aus dem Ei noch keine Zeichnung. Bei Man-
chen tritt sie dann freilich schon sehr bald ein, noch vor der
ersten Häutung, bei Andern erst nach derselben.
2 Die zweite Kategorie von Z c i ch n u n g e n . die
Län gsstreifung ündet sich ausserordentlich verbreitet in den
verschiedensten Familien. Sie kommt ebensowohl bei Tagschmctter-
lingen , als bei Sphingiden . Spinnern, Eulen nnd Kleinschmetter-
lingen vor. In allen diesen Gruppen fehlt sie aber auch vielen
Arten . Dies spricht sc hongegeuihrereinmorpho lo-
gisch e Bedeutung und 1 ii s s t v e r m u t h e n , sie möge
irgend einen biologischen Werth, einen Nutzen für
die Erhaltung des Individuums und damit auch der
Art besitzen.
Ich finde diesen Nutzen darin, dassStreifeu, welcheder
SB Ontogenese und Morphologie der Sphingidea-Z^ebnang.
LSnge nach Uber die Ranpe hinlaufen, dieselbe im
Allgemeinen weniger auffallend machen. Natürlich
nicht unter allen Umständen ! Es gibt auch sehr anffallend gefUrbte
Baupen, welche Längsstreifen besitzen. Denken wir uns abet
eine sympathisch geftrbte, z. B. grttne Raupe, so wird diese schon
allein dadurch schwer sichtbar sein, dass sie mit dem Gründer
Pflanze Ubereinstimmt, auf welcher sie lebt. Ist es eine kleine
Kaupe, d. h. llbcrt ri fft ihre Länge und Dicke nicht er-
heblich die Dicke und Länge der Pflansentheile, an
welchen sie lebt, so wird sie kaum noch besser versteckt wer-
den können , eine Streifung würde ihr kaum noch einen besondem
Yortheil gewähren, es mtisste denn sein, dass die Theile der Pflanze
auch gestreift wären. Ganz anders , wenn die Kaupe bedeutend
grosser nnd dicker ist, als jene Fflanzentheile (Blätter, Stengel).
Jetzt wird auch die genauest angepasste sympathiBche Färbung
nicht verhindern, dass sie als grosser Körper sich auf-
fällig von den umgebenden Pflanzentheilen abhebt.
Einer solchen Kaupe nun muss es entschieden vortheilhaft sein,
wenn sie streifig wird, denn die Streifen theilen gewissermasseu den
grossen Knupenkörper in mehrere LUngsstUcke, sie lassen ihn nicht
mehr als Einheit erscheiucu. und bewirken so noch besser, als die
blosse sympathische Färbung . dass der Blick darüber weggleitet.
Dies wird um so mehr der Fall sein, wenn die Streifen in ihrer Farbe
und Dicke Theile der PHanze nacliahmcn . z. B. die Licht- oder
Schattenstreifen , welche durch Kanten des Stengels hervorgerufen
werden oder durch lange und scharfe Blattränder.
Wenn nun diese Auflassung richtig ist, so mUssen wir envarten
dass die Zeichnung durch Längsstreifen: 1, den kleinsten
Kaupen fehlt und 2 sich vornehmlich ])ei solchen
Kaupen fi nd et . w c 1 c Ii e an 1 än gsge stre i f t c u 1' flanzen
leben , d. h. an Ptlanzen mit dünnen, zahlreich nebeneinander auf-
spriessenden Stengeln, grasartigen Blättern oder auch au i^auzen
mit nadelartigen Blättern.
Dass das Erste re der Fall ist, wurde bereits ausgesprochen.
Die kleinsten ^Iicrolc]iulu])teren -Kaupen besitzen keine Längs-
streifung, auch wenn sie nicht im Dunkeln leben, sondern an der
Oberfläche, oder in ganz oberflächlichen Hlattgängen(Nepticula etc.),
iu welchen sie nahezu ebensosehr dem Lichte ausgesetzt sind , als
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Ontogenese und Moq)holugie der Sphingiden-Zeichnung.
89
wam aie «nf der Oberfllche des Blattes lebten. Dass aber sebon
bei ^anz jangen Spbingiden-Banpcbeii der Snbdorsalstreif inweilen
anftritty erkÜM sieb — wie oben gezei([^ wurde — aas dem all-
miligeD Ziiraekrtlekeii der im letsteo Entinddangsstadinm erwor-
benen Anpassangen.
Dass anob das Zweite eintrifflrdass liagsgestraifte Raapen sn-
meist anpflanzen leben, deren Habitos den Eiidmckdner Streifimg
berrorbfingt, kann man l«ebt festsMlen, wenn man eine grosse
Beibe sympaüdseb gefllrbter and mit Lingsstieifen yersebener
Baupen auf ibre Lebensweise Tergleiöht.
So ist es bei denTagsebmetterlingen sebr auffallend,
dass beinabe alle Baupen aus der Familie der Salyriden Ittngs-
streifige Baupen besitzen. Die Thatsaebe erklttrt sidi aber leiebt,
da alle diese Baupen an Gr&sern leben.
So dieBaupen der Gattungen Melanargia, Erebia, Saty-
rus, ParargO} Epinephele, Coenonympba, von denen
keine einsige Art — soweit die Baupen ttberhanpt bekannt sind —
die Lingsstrelfen niebt besttsse, aber auch keine Art nicht an
Gräsern lebt. Interessnnt ist auch, dass hier, wie bei gewissen
Spbingiden einige Arten braun sind, d. h. dem Erdboden angepasst,
während die meisten grttn, also dem frischen Grase angepasst
smd. Ganz wie dort verbergen sich die b ra un e n Arten bei Tage
am Boden und ganz wie dort haben auch einige der grUnen Arten
bereits dieselbe Gewohnheit angenommen. Ich habe oben die Ent-
stehung dieser Gewohnheit von der zunehmenden Grösse der
waebsenden liaupe abgeleitet, welche es mit sich bringen muss,
dass die Kanpe trotz sympathischer Färbung und Zeichnung
schliesslich doch allzu auffällig wird nnd es liegt eine hUbscbe Be-
stätigung dieser Ansicht in dem Umstand, dass nur die grossen
Arten der Sat^riden braune Raupen besitzen, so Satyrns Pro-
serpina. Herraione, Phaedra u. s. w. Es würde mich auch
nicht Uberraschen , wenn ein genaueres Studium dieser bisher nur
selten gezüchteten Arten einen Dimorphismus bei Einzelneu der-
selben ergäbe, in der Art, wie er bei Sphingiden besteht und ich
glaube mit .Siclierlicif vuraussagcn zu dürfen, dass die noch ganz
unbekannten Jugendzastäude dieser braunen Kaupen durchweg
grün sind, wie dort.
Ausse den Satyriden findet sich noch bei den meisten
90 OatOgenese und Moipholugie der ^phiogideu-Zeichuung.
BaapeidarPieridenndHeaperideneiiief gewOlmlid iran*
. gtr mkvf wgwptofliwiie f Jnffrtwifimg.
Einige tePi«rideii Mraa tn Orn eiferen, dflien dttnaa
Stengel, soteeleBtttter, BlOflwnrtengel nnd Sehtton Iwter Utafß-
linien dantelleni ein andrer Tlieil aber lebt an HUsenpflameD
(Lathyrns, Lotns, CoroniUa, Vieia), einige Wenige aaeh
an breitblättrigen finalen (Bbamn ns).
Diea eebeint der Theorie an widerspreeben. Allein aaeb aaf
grileieranBlAttemkSnnenbellere Seitenstreifen, wieiieB. B. CoUaa
Rbamni beeilst niemals lebSdlieb, eondem mir nWaHrilt nein-
wenn aie also als Erbstttelc ttbemommen worden, wird ftr die
Natnnlleblang kein Omnd vorliegen, sie wieder n entfernen. Bei
den an Wicken, Kleearlen nnd dergleichen lebenden Banpen alter
mms man nicht yergeeeen, daes ihre KahrungspdanBen swar selbst
keineLKngBStreifungyortäiischen, dass sie aber stets imGrase
wa 0 h s e n , dass also die aaf ihnen lebenden Banpen stets zwischen
Oraastengeln sich aaf halten , sehr häufig eogar an Graahahnen
sitzen, so dass es filr sie keine bener sehtttsende Zeiehnong geben
kann, als Llagsstreifen.
Ganz ebenso lässt sich die Streifang der fiesperiden-
Kaupen verstehen, welche theilweise an Giüsem, meist aber an
Kleearten leben.
Es ist nicht meine Absicht alle Schmetterlingsgruppen in die*
ser Wdse hier durchzagehen. Das Gesagte genUgt wohl, um dar-
znthan, dass Längsstreifung wirklich U berall da vor-
kommt, wo man sie erwarten sollte, falls ihr wirk-
lich die biologische Bedeatung snkommt, welche ich
ihr snsohreibe.
Dass sie gelegentlich auch sn einer förmlichen Nach-
äffnng bestimmter Pflanzenthcile verwendet wird , zeigt
das Beispiel mehrerer Spanner z. B. Fidonia Spartiaria,
welche auf Ginster S partium Scoparinm) lebt und deren
Längsstreifung täuschend die feinen Kanten des Stengels dieser
Pflanze nachahmt.
3^ Die Schriigstreifnng.
Kann es von irgend einem Nutzen für eine grosse . crrilne
Kaujte, wie / . 15. die von S p Iii n x L i g u s t r i sein, mit lila-wcissen *
ISchrägstriehen au den Seiten versehen zu. sein:! oder gar mit roth-
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Ostogeneae und Morphologie der SpUngiden-Zeicbnaog. 91
■w dMBD , oder irein-MhwBn-iütben SohrSgstridien , wie bei
Sphinx Tiliae und Drnpiferamm? Und Hegt Uer nielit
gnde einer jener Fllle Tor, weldie klar beweiien, daee es meh
rein moipliolegiMhe, Ar das Lelm dei InAvidnaaie wertkloae
Cbaraktere gibt? Spielt nieht die Katar mit Farben nnd Formen
gelegentüeb aneb einaud cweeUoe , oder, wie man ea oft poetieeb
aaggedmekS bat, geftllt aieb nieht Mer die Natar, dem Keiohthram
ikrer Fhantarie freies Spiel an laaaen?
inderTbat^liteaattf den eiBtenBliekaoans. Man konnte
fiwt an der syrapatUMben Bedentang der grünen Grandfiurbe Zwei-
fel bekommen, wenn man auf ibr bnnte Striebe angebraobt ihidet,
die — so seilte man denken — die gate Wirkong der Grandfiurbe
wieder aufbeben nnd das TUer bOdwt anflUlend mnehen.
Und doeb ist dem entsebieden niebt eo, sondern die Sebilg^
striebe bäben eine gana ShnHebe Bedentnng wie die oben betraeb-
teton LHngslmien. Die Striebe dienen daia die Ranpe
sebwer erkennbar an maeben, indem sie dieselbe —
soweit mOg^b — einem Blatte ftbnlieb maeben; sie sind
die Naebabmnng der Seitenrippen eines Blattes.
Niemand, der sieb mit dem Soeben der Banpen je abgegeben
bat, wnd diee tSat soldie Fftlle beaweifeln , in weleben die Sebrig-
striebe einfaeb weiss oder grünliob-weiss sind. Wie seliwer ist es
s. B. dieBanpe von Smer. Oeellata an ibrer Nahrangspflanse
der Weide an erbHdraa. Und dies keineswegs Mos deshalb , weil
sie die Farbe der WddenUfttter besitzt, sondern niebt minder, weil
ibr grosser KOrper niebt eine nnanterbroebenegrUneFlidie
darstellt, die sofort von den Blfttternabsteeben nnd das
snebendeAnge anf sieb lenken würde, sondern weil
dieselbe dnrob sehrftge Parallelstriebe gansübnlieh
eingetbeilt wird wie ein WeidenbUtt. Hataiüob bandelt
es sieh hier niebt, nm eine speeieUe Naehahmnag des Blattes ndt
allen sebiai EinaeOieiten, niebt nm eine fibcmlielie Verkkidnng des
Insektes in ein Blatt, aondern nnr nm die Herstellnng von
Linien nnd Zwisebenränmen, dienichtwesentlichvon
der Eintbeilnng des Blattes dureb seine Rippen
abweiebt.
Dass diese Anslegong die richtige ist , beweist das Vorkom-
men dieser Zeielinnngsfonn. Sie ist im Oanaen selten, findet sieb
92 OtttogmcM und Morphologie der Sphingiden-Zeidinung.
ausser bei vielen SphiDgiden noch vereinzelt in'Yerschiednen
Famiiieiii aber immer nur bei solchen Raupen, die aaf
Blttttern mit Seitenrippen leben, nie bei solchen,
welche auf Gräsern, oder auf Nadelhölzern leben.
Dies zeigt sich schon innerhalb der Familie der Sphingiden.
In voller Entwicklung finden sich die Scbrägstreifen hier nur bei
dem Tribus der Smerinthini und Sphingini. Die Smerin-
th 118- Arten leben sämmtlidi auf Laubbäumen, auf der Weide,
Pappel, Linde, Eiche n. s. w. und besitzen alle die Schrflgstriche,
za den Sphingini aber zählt auch die Gattung Anceryx, deren
Banpen , soweit wir wissen , auf Nadelhölzern leben.
Die Schmetterlinge dieser Gattung stehen denen der Gattung
Sphinx ungemein nahe, nicht nur in Furm und Farbe, sondern
auch in vielen Einzelheiten der Zeichnung. Die Kaupcu aber sind
sehr verschieden , und diese Verschiedenheit beruht nur
darauf, dass die Einen dem Nadel-, die andern dem
Laubholz angepasst sind. Die Aneeryx- Arten sind —
w ie oben im Näheren dargelegt wurde — braun mit GrUn gemischt,
besitzen niemals auch nur eine .Andeutung von Schrägstrichen, s ju-
dern vielmehr eine aus vielen [rebvochenen Linien {,'eniisclitc Gitter-
zeiclinung , welche äusserst wirksam sie in dem Kadelgcwirr und
auf der braunen Einde der Cunil'eren verl)irgt.
Von den auf Blattpflanzen lebenden .Si)hingini ent-
behrt keine einzige Art die SclirUgstricbe. Mir sind
von zehn Arten zugleich die Kaupe und die Nahrungspflanzc be-
kannt , nändich von Sphinx Carolina. II u 8 1 i c a , C i n g u -
lata, Convülvuli. Quinquemaculata, Prini, Drupi-
fcrarum, Ligustri, dann von Dolba Uylaeus undAche-
rontia Atrojios.
Ausser den Sphingiden kommen die Schrägstriche noch bei
einigen Tagfaltern vor, nämlich den liaupen der Schillertalter
A ]) a t u r a Iris. Ii i a und Gl y t i e und diese leben auf Waldbäu-
nien Zitteri)api)cl und SaahveidC; und sind schon in ihrem GrUn
vortreiVlich den Blättern angepasst. Ausserdem kenne ich sie von
einigen, wenigen Spinnern, nämlich den grossen, grllnen Raupen
von Aglia Tau und Endromis Versicolora und auch diese
leben beide auf Waldbäumen.
Auch beikleiuereuKaupenvou Noctuiueu, Gcometriden,
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Ontogenese und Morpliologie der Spbingiden-Zeichnung.
93
•dbat Pyraliden kommen gel^ntlieh BchrSglaofende Striche
▼er, doch in geringeier LRnge und andier Anordnung. Auch dort
ateDen sie meiner Yermnflmng nach AnpMsnngen dar, doch wttrde
ee an weit fthren, genauer daraof einmgehen. Ee lei nnr nooh der
ongewiAmlieh weilgehenden AnpsMong erwihdt, wdehe dieRanpe
▼onEriopns Pteridis anfWeist. Diese kleine Noetnine l^t
an Pteris Aqnilina, bedtit dasselbeOrOn und ahmt durch dop-
pelt gelichtete weisse SehiSglinien, wdelie in spitiem Winkel sich
auf jedem Segment kienaen, die Sporenfinien desFamkrants so gat
nach , dass man sie nnr sehr schwer gewahr wird.
Nach alle Diesem kann es wohl nieht mehr zwei-
felhaft sein, dass die Sohrftgstriche der Sphingiden
Anpassungen sind.
Aher wie erkliien dch die hnnten Farben siume, die bei
so vielen Arten die Scfarflgstriehe begleiten?
Ich gestehe, dass ich lange an der Möglichkeit ▼ersweifelte,
ihnen irgend dnen Mologischen Werth anschreiben zu kOnnen. Sie
schienen mir nur anffollend, nicht aber schtttsend und Terhergend.
Es mag auch wirklich solche Fülle geben, wo die Schrlgstriche
durch grelle Farbensäume die Baupe anfallend machen, wie ja
sehliesslidi jedesZeichnungselement durch grelle FarbengegenslUie
ein auflkllendes Aussehen an Wege bringen kSnnte. Ich kenne
indessen daftlr kefai Beispiel. Li der Bogel aber und bei allen ihrer
Totalfibrbung nach gut angepassten Baupen ist dies sicherlich nicht
der Fall, sondern der Farbensanm erh<»ht die Täu-
schung, er stellt den Schlagschatten vor, welchen
die Blattrippe auf der untern Seite des Blattes wirft,
und alle diese Ranpen sitsen in der Buhe nie auf der
obern Seite des Blattes, immer auf der nntern.
Man wird diese Erklärung im ersten Augenblick vielleicht ge-
waltsam finden, aber man mache den Versach, man betrachte eine
Baupe TOn Sphinx Lign s t r i nicht im Zimmer und dicht vor den
Angen , sondern aus einiger Entfernung und im Freien auf ihrer
Nahrungspflanze und man wird finden, dass dann das Lila der Far-
bensänme nicht mehr grell hervoi-tritt , sondern einen Farbenton
durstet, sehr ähnlich demjenigen der Schatten, welche auf den
Blättern umherspielen. Die Farbensäume bilden eine
wirksamere Unterbrechung der grossen grttnen
94 Oatf^enew und IforpholofiB dar fipUngidaB-Zalehiiiuig.
Fläche des Raupeuk()rper8, als eswoiaalicha Strich«
allein an tbaa im Stande wären.
Wenn man freilich die Raapa in die Sonne und an einen kaliten
Stengel setzt, wird sie aaeh von fem leicht sichtbar sein, allein
die Thiere sitzen niemals derart, sondern stets im tiefen
Blätterschatten und dort ist es , wo die Farbensäame ihre eigent-
liche Wirkung thun. Man werfe mir nicht ein, dass einfach dunk-
ler ^'rllue Grundirung der weissen Schrägstriche denselben Effekt
hervorrufen würden and dass deshalb meine Erklärung immer noch
die grelle Färbung dieser Säume unerklärt lasse. Allerdings kann
ich nicht sagen, warum bei S ]) In n x L i g u s tri dieselben Lila, bei
Drnpiferarum, Prini. wie bei Dolba Hylaeus roth , bei
Macrosila ru s t ic a schwarz und {;rlln , bei Ac Ii e r on ti a Atro-
pos sogar blau sind. AVUssteu wir genau auf welchen PÜauzeu
diese Raupen ursprünglich fjelebt haben, so würde vielleicht
eine mit dem Auge des Malers gepHo^^ene Verfrleichung der auf
ihren Blättern spielenden Schatten ergeben, dass in dem einen mehr
Roth , in dem andern mehr Blau oder Lila enthalten ist. Die Far-
bensäunie der Sphingiden müssen so betrachtet werden , wie ein-
zelne Piiiselstriche eines grossen Meisters in dem Gesicht eines
nienschliciieii Porträts. Ganz in der Nähe betrachtet sieht man da
rothe. blaue, ja selb.-^t grüne Flecken und Striche: alle diese in der
Nähe auffallenden Farben verschwinden aber, sobald man zurück-
tritt, sie bringen dann nur noch die Gesaninitwirkung eines mit
Worten nicht genau zu bezeichnenden Farbentoues hervor.
Vollkonnnen im Einklang mit dieser Erklärung sehen wir die
mit den grellsten Farbensäumen versehenen Baupeu bei Tage
sieh in der Erde verbergen und n u r in der Abend- und
Morgendämmerung, wie auch während der Nacht an ihrer
Nahrungspflanze sich aufhalten, d. h. bei einer so
schwachen Beleuchtung, dass schwächere F a r 1) e n
überhaupt ^^ar keine Wirkung mehr macben würden,
das grelle Blau aber von Acherontia Atropos grade
eben noch denEiu-druck eines Schlagschattens ohne
entschiedne Färbung machen wird.
Grade bei der KartotVel raupe schien mir früher die Erklai iui^
der Farbensäume durch Anpassung auf unüberwindliche Hindernisse
zu stosseu und ich glaubte daher, diese Raupe in die Kategorie
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OntogeaMe uud Morphologie der Sphingiden-Zeichnung. 95
d«r staUeB m mflaun, weMie grall gaftrbt siiid, wml sio dnen
MldMktan GewlmiMk beaüzeii «nd von V90«to TanehmShft w«rdMi.
AUtm snok ohne darüber «perimentirt sn iMben-, mvm kh eiae
■okdieAiiilfigiiig nirOckwciaai. Zwar kennai wir MdBr die Onto-
genese dieser Banpe noefa gar nicht, allein wir wissen wenigstens,
daas die jüngeren Bavpeu (Stadiam 4} grilnlieher geftrlvt sind, als
die mehr rein gelben des fünften Stadinms (die aber aneh hinfig
noch sehlin grttn sind) und wir wissen weiter , dass einzelne er-
wad»ene Raupen dunkel braungrau gefärbt sind ohne alle
aaffiülenden Farben. Nach Analogie mit dem oben ansführlich be-
sprockenen Dimorpbismns der Chaeroeampa- und Sphinx*
Arten mass also gesehlossen werden , dass auch hier ein neuer An-
passnngs-Process begonnen hat, dass die Raupe sich dem Erdlx^den
anpasst, in and aaf weloheu) sie sieh bei Tage verbirgt*). £in
Thier aber, welches unzweiteUtafte sympathische Färbungen an-
nimmt, kann nicht zu Denen gebSren, welohe Immonität Yor feind-
Udieu Angriffen beBitzen.
Dass die ErklUrung der Farbensäume als Kacliabmnng der
SchUgschatten der Blattrippen richtig ist, läset sich noch von einer
andern Seite her erhärten.
Nehmen wir einmal an, dieselben seien keine An])as8ungen,
seien nicht durch NaturzUchtung entstanden, sondern durch die
hypotlietisehe pbyletisebc Kraft, so würden wir erwarten mttssen,
dieselben im Verlaufe der phyletischeu Entwicklung irgend einmal
auftreten zu sehen, vielleicht zuerst nur bei einzelnen Individuen,
dann bei mehreren , schliesslich bei allen , aber gewiss nicht so,
dass snorst einzelne unregelmässige farbige Flecke entstehen , uu-
regelmässig in der Kähe der weissen Schittgstriche angebracht,
*} Die geographiiehe Verbreitung der sebwarten Form deutet darauf bin,
data auch hier eine Verdr&ngung der gelben (grünen) Form durch die dunkle im
Otuig ist. Während näniüch im mittleren Europa Deutschland , Frankreich,
Ungarn) die schwarze Variation eine grosse Seltenheit ist, kommt sie schon im
tödlichen Spanien, wie mir Herr Dr. Noll mittheilt, fast in gleicher Häufigkeit
vor, wi« die gelbe. Ton Herrn Dr. Sfandingar aber «rfahre ich, daee In
Südafrika (Port Natal die schwarze Fonn eher die häufigere ist, wenn auch
dort noch die poUlKclbe, seltner die grüne Form vorkommt. Ich habe sowohl eine
Baupe , üU mehrere Schmetterlinge aus PortNatal gesehen , die ganz genau
mit den innrigen atinunen. Ea idieint alao die VerdrSqgnng der grQnen (gelben}
dnidi die dem Hndi n angepaaate. achirarae Variation in winneremKUmamseher
▼er aich sa geheui aia in gernftMigtem.
96 Ontogcncie und Hofphologi« der SplüiigidMi-ZeichiMiiig.
daBS dauu diese Flecken Bich vermehren , sich dem ^yei^sen Strich
anschmiegen, zusammen verschmelzen, um einen immer noch
mehr fieckcnartijj; unregclmiissig'eu Saum darzustellen und dasserst
ganz zuletzt dieser Saum sich zu einem regelrechten, gleichbreiten
Öirich gestaltet.
Und doch ist die ]i h y 1 e t i s c h c Entwicklung der
Farben säume von der letzteren Art. Besoudcis deutlich
geht dies aus der Ontogenese der Sme r int hus- Arten hervor, wie
oben dargelegt wurde. Bei 8m. Tiliac lässt sich der Entwick-
lungsgang bis zur Bildung eines immer noch ziemlich unregel-
raässigen rothen Saumes verfolgen. Vollkommen strichartig
wird derselbe erst bei den Sphi nx- Arten. Sehr möglich, dass
die Ontogenese V(m Sp hi n x Ligus t ri oder Drupiferarum uns
den ganzen Process vor Augen führen wUrde, möglich freilich auch,
dass durch Zusammenzieliung der Entwicklung bereits Viel von der
rhylogenese verloren gegangen ist.
Ich gelange jetzt zur Prüfung der leteten Art von Zeichnmig,
welche bei den Sphingiden Torkommt, zn den ;
4) Aagenfleeten und Ringflecken.
Augen- und Kingflecke finden sich ausser bei S ph i n-
gideu nur bei sehr wenigen Raupen und da wo sie vorkonmien —
bei einigen tropischen Papilioniden . einzelnen Noctuinen
wUsstc ich keinerlei Daten Uber die Lebensverhältnisse und Ge-
wohnheiten der l)etreffenden Arten beizubringen. Ohne Berück-
sichtigung dieser Verhältnisse aber ist kein Verständniss zu er-
reichen.
Unter Au gen flecken verstehe ich mit Darwin »einen
Fleck innerhalb eines anders gefärbten Kin^'cs, ähnlich der Pupille
innerhalb der IriS'<. zu dem aber noch weitere ' concentrische
Zonen« hinzutreten können. Bei den Cliaerucampa- Haupen
und bei Pterogon Oenotherae. bei denen ächte AugcnHceke
vorkommen, sind es immer drei Zonen, die den Augenflcck bil-
den: ein centraler Fleck, die Pupille oder wie ich sie bezeichnet
habe: der Kern flec k, darum eine helle Zone, der Spiegcl-
fleck und um diese heinim wieder eiue dunkle (meist schwarze]
Zone: der Hof.
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OntogencM und Moiphologie der Sphingtden-Zeiehmiiig. 97
Unter Ring flecken dagegen möchte ich jene Angenflecke
begriffen wissen , welche des Keinflecks der Pupille) entbehren,
welche somit , streng genommen , auch nicht ein Auge täuschend
nachahmen , sondern auffallende belle Flecke darstellen , welche
▼OD dunklem Hof umgeben sind.
Zwischen beiderlei Bildungen aber besteht keine scharfe
Orenze und rom morpholugischen Standpunkte kOnnen sie kanm
getrennt werden. Arten mit Kingfleeken zeigen bisweilen Kem-
fledEe, und Raupen mit Augenflecken balien in einzelnen Fällen
Blatt einer dunkeln Pupille nur einen blassen Fleck. Wenn ich
hier die beiden Bildungen getrennt behandle, so geschieht es des-
halb, wdl sie anfiwei Gattungen vertbeilt auftreten nnd in jeder
derselben ihre besondere Bntwieklungsgesebichte besitzen. Die
Ringflecken entstehen an andrer Stelle nnd auf eihe andere
Weise , als die A u g e n f le eken , es darf deshalb nicht ohne Wei-
leras angeiiODiinen w«rdaa , dass sie durch dieselben Ursaehen ins
Leben gerafen sind, Tielmehr mttssen sie getrennt aof ihren Ur-
sprung untersucht werden.
Die Angenflecke gehören den Gattungen Chaerocampa
und Pterogon, die Ringfleeke der Gattung Deilephila an;
die Entstehnng derselben in jeder dieser Gattungen würde sich
nach den oben gegebenen, entwicklnngsgeschidi^hen Daten fol-
gendermassen darstellen lassen.
Bei beidoi Gattungen bilden sich die Angenflecke (Ringflecke)
durch Umwandlung einzelner Stttelce der Snbdorsale.
Bei Ohaeroeampa entstehen die primftren Angenflecke
W dem vierten nnd fünften Segment und zwar durch Ahschnttmng
eines gekrflnunten Stückchens der Subdorsale, welches zum s p i c -
gel fleck wird und sich mit einem dunkeln Hof umgibt. Erst
nachtrSglieh kommt noch ein Kernfleck (die Papille) hinzu.
Deilephila lehrtdieEntwicklnngTonD. Hippophaes,
dass der primäre Ringfleck auf dem Sohwanshom-Segment (dem
elften) entsteht und xwar als Auflagerung eines rothen Fleckes auf
die weisse, an dieser Stelle etwas yerbreiterte Subdorsale. Erst
nacbtrtlglioh erfolgt dann die Bildung eines dunkeln Hofes und da-
mit die zuerst unTOllkommene, dann aber vollständige Abschntt-
rung des Spiegelfleeks von der Snbdorsale.
Bei beiden Gattungen entstehen die Flecke suerst lokal, anf
W«l«a»Ba, fltailMi. n. 7
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9B Ontngenes« und Morphulogie der Sphingidcn-ZeichoMIg.
einem oder «nf swei Segmenten mtä weiden eret Mknodiie yoa
dort anf die andern ttbertragen. Bei Chaeroeampa liai^^Md^
lieii naeh rllekwirli fortachreiftend, bei Deilepbila anMoUie«-
Heh nach TorwUrts.
Eb wäre nun tu nntereuchen , welche biologiiehe Bedentang
den Achten Angenflecken, wie sie die Ohaeroeampa-
Banpen besitBen, ndiommt, eventiieU, ob lie ttberhanpt iifend
welche Bedeutnng haben?
Soviel ist von vornherein klar, dase diese Augenfleeke nleht
in die Kategorie jener Zeiehnnngscharaktere gehOrea kVnnen,
welche ihren Trilger weniger leicht lichtbar machen. Eher kOna-
ten sie die entgegengesetste Wirkung haben.
Man konnte also versncht sein, die Angenflcek-Banpcn rai den
•anfTallend gefibrbten« Banpen sn sftUen, welche, wie die Heli-
coniden, Danaiden und Enploeiden unter den Schmetter-
tingen einen widrigen Oeechmack besitien nnd in ihren brillaalen
Farben gewissermassen den Stempel ihrer Uageniessbarkeit an sieh
tragen.
Allein, wenn ich auch nicht dnreh Versuche gefunden bitte,
dass unsere einheimisehett Chaerocampa-Banpen thataiehlieh
von VOgeln und Eidechsen geflossen weiden, also jenen Insektea-
vertilgem kein wideriicher Bissen sind, so Hesse sich schon allein
aus dem Umstand, dass diese Banpen alle sympathisch
gefärbt sind, der Sdilass ziehen, dass sie nicht in diese Kate-
gorie gehören. Denn alle sympaäiiscb geftrbten Baupen werden
gefressen und überdies könnte nnmOgliob .ein und dieselbe Eaupe
zugleich nicht auffsllend (sympathisch) und zugleich aoffallcnd ge^
fUrbt sein; das Eine hebt das Andere auf.
Was können aber die Augenflecken für eine andere Bedeotong
haben , als die, das Thier auflUlend zu machen t
Hätten wir es mit einem geschleohtsreifen Thier m thon , so
würde man wohl zuerst an die Wirkung geschlechtlicher Zuchtwahl
denken und diese Flecke als Gegenstände des Schmackes auffassen,
wie die Augenfleeke auf dem Gefieder des Pfauen und ArguflfasaDS.
ffier bandelt es sich aber um Larven und die sexuelle Zttehtuag ist
somit ausgeschlossen.
Die Angenflecken niUss^ also entweder eine andere Bedeutung
haben, oder sie haben ttberhanpt gar keine f^r das ijoben des Thiers,
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OubognuM aad Morphologie d«r ^iagidon-Zoielittunf . 09
find rein «morphologisclie Charaktere« und wlirdcn duun — fall«
sich (lies erweisen Hesse — ihren Ursprung nur ausschliesslich
innern, im Orj^anisnius selbst gelegenen Kräften verdanken können,
sie würden die Annahme einer phyletischen Lebenskraft sehr Dahe
legen.
Ich glaube nun, dass die Augeuflecke allerdings einen biolo-
gischen Werth besitzen und zwar den eines Scli reckm i ttels,
sie gehören in die Kategorie jener /alilrcich und iii ileii versebic-
(leusten Grn})i)cn des Thierrcichs vorkommenden Einriebtungeu.
welche den Zweck haben, ihren Träger mögliehst fürch-
terlich erscheinen zu lassen.
Es ist bekannt , dass die Raupen der Sphingiden sich in ver-
■ehiedner Weise benehmen, wenn sie angegriffen werden. Einige,
wies. B. Sphinx Ligustri und SmerinthusOcellata neh-
men bei herannahender Glefahr die sog. Sphinx- Stellung an;
werden sie aber dann thatsäcblich angepackt, so schlagen sie
wie toll nach rechts und links nm sich und suchen so nicht nur sich
los so machen, sondern auch ihre Driinger in Schrecken zn setzen.
IMes gelingt ihnen denn auch selbst beim Menschen — vor Allem
bei Kiadeni und Fraaen — nicht selten, leichter vielleicht, als bei
ibren er&breneren Feinden, den Vögehi.
Die mit AngeofieekeB Twaebeiieii Ohaerocampa-Banpen
beaekmen sieb anders. Sie setseii dem Angriff nur Snlie ond Aas-
daner entgegen, erlteben sieh niebt spbimtartig, aondeni sieben
Bor den Kopf and die drei vordem Ueinen Segmente in das grosse
vierte lornei^, welcbes dadnrob michtig ansebwillt nnd desbalb
Ton Unkundigen für den Kopf des Thieres gehalten wird. Auf
diesem Segment aber stehen die grossen Angen-
fleeken nnd es gehört wahrlieb wenig Pbmtasie dasa, am in
ebier solehen Banpe ein Iklrehtertiebes Ungehener mit fearigen
Aogen sn sehen, besonders wenn man es sieh in der Ghrifsse vor-
stellt, in weleher es dem Angreifer, efaier Bideehse, ebnem Ueinen
Vogel, ench^en miss. Man vergleiche Fig. 28, welche die Banpe
von Ch. Poreellns in Vertbeidigungsstellung wiedergibt, wenn
aneh nieht in ganz vollstttndiger , da die vordem Segmente noeh
stiAer ebgeiogen werden künnen.
Nattrlieh würde dies für ^nen wissenachaftlieben Beweis nieht
genügen, kh maehto deshalb eine Beihe von Versoohen, «n fest-
?•
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100 Ontogeoete und Morphologie der Sphingiden-Zeichniuig.
iiutellen, ob dJese Raupen ibatsiflliUeh Udneran Vageln Sehreeken
einflOgsen. Der ente Versuch fiel wenig beledigend ans. Ein seit
Jabren gez&hmter Eiobelhither, dem ich eine Weinnuipe vorwarf,
Hess ihr niebt einmal Zmt ibr ManOv«r in maoben , sondern tOdtete
sie sofort dnreb einen derben Scbnabelbieb. Der Vogel war seh
Jabren gezähmt und gewohnt, anf Alles losanbaeken, was man
ibmyorwarf. Vielleicht hätte ein wilder Eichelhäher (GarrnUfi
Glandarins) anders gebandelt, doch wird ein so grosser vnd
muthiger Vogel vor nnsem einheimischen Raupen wohl ttberbanpt
nicht viel Respeot besitsen.
Ich wandte mich nun an wilde V(Igel. Eine grosse branne
Weinranpe wnrde in den Fnttertrog eines offhen Hühnerstalls ge-
legt , aus dem die HOhner entfernt worden waren. Bald liess sieb
eine Gesellschaft von Sperlingen nnd Bnchfinken (Fringilla
domestica nnd eaelebs) von den benachbarten Bäumen in der
Nähe des Trogs nieder , um dort nach gewohnter Weise zu sehma-
rozen. Sehr bald fliegt Einer auf den Rand des Futtertrogs nnd ist
grade im Begriff, in den Trog bineinzubtlpfeu , als er die Raupe
erblickt, neugierig den Kopf hin und herdrebt, aber nicht wagt,
bineinzubUpfen. Bald kommt ein Zweiter und macht es ebenso,
dann ein Dritter und Vierter, Andere setzen sich auf die Stangen
' Uber dem Trog und zuletzt sitzt eine ganze Gesellschaft von zehn
oder zwOlf Vögeln rund hemm. Alle recken die KOpfe nnd schauen
' in den Trog, aber Keiner fliegt hinein.
Ich machte nun die Ctegenprobe, entfernte die Raupe und liess
die VOgel sich wieder versammeln. Nun httpften sie lustig im Trog
umher.
Ich wiederholte den Versuch Öfters, und immer mit demselben
Erfolg. Einmal besonders war es dentlich zu erkennen, dass wirk-
lich Schrecken und keineswegs blos Neugierde es ist, was
diese VOgel der Raupe gegenüber empfinden. Die Raupe sass aussen
vor dem Trog zwischen ausgestreuten FutterkOmem und zwar so,
dass sie von der Seite her durch den Trog verdeckt war. Bin Sper-
ling flog nun schräg von oben so herab, dass er die Raupe zuerst
nicht sab nnd sieh dicht neben ihr niederKess. Im Moment aber,
wo er sie bemerkte, drehte er in siehtbarer Hast um nnd flog davon.
Dadurch wird nun allerdings nicht bewiesen, dass auch insekten-
fressenden grosseren VSgeln diese Raupen ftlrehterlich vorkommen.
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Ontog cne t o und Morphologie der Sphingiden-Zdelinung. IQl
Mit solchen Vögeln konnte ich nicht experimentiren , wohl aber
ÜMB sieh feststellen , dass selbst Hühner eine gewaltige Sehen vor
diesen Rampen haben. Ich setzte öfters grosse Weinranpen in den
Huhnerhof. Sehr bald wurden sie bemerkt and ein Hohn lief eilig
aaf sie in, lOg aber den zum Schnabelhieb ausholenden Kopf sehen
wieder zurück , sobald es die Raupe in der Nfthe erblickte. Nnn
lief es unschlüssig im Kreise nm die Banpe hemm , die inzwischen
ihre Schrecksteliung angenommen hatte , holte zehn nod zwaniig
Mal cum Schnabelhieb ans, sog aber Jedesmal wieder zurttok.
Ganz ebenso machten es alle Übrigen Htthnernnd
Hähne und es dauerte oft 5 ja 10 Minuten, bis ein besonders hers»
hafter Hahn endlich den ersten Schnabelhieb wagte, dem dann
bald ein zweiter und dritter nachfolgte , HIh die Raupe dann, an-
seheinend mit gutem Appetit verschluckt wurde.
Ich habe diese Versuche immer in Gregenwart mehrerer Per-
sonen gemaoht} nm mich vor allzu subjektiver Auflegung des Ge-
schehenen zn sdhiUzen. Aber stets fassten Alle das Benehmen der
V<)gel so auf, wie ich es hier dargestellt habe.
Wenn nun die Augenflccken der Ranpen als Schreckmittel anf-
anfassen sind , so hebt sich damit die Schwierigkeit ihres Vorkom-
mens auf sympathisch gefärbten Arten. Sie vermindern den Vor-
thril der sympathischen Färbung nicht, weil sie die Raupe Ton
fernher nnd ohne dass diese schon die Schreckstellung ange-
nommen hat, nicht aufiallend oder Uberhaupt nur leichter sichtbar
machen, sie nutzen aber ihrem Träger, sobald derselbe trotz seiner
sympathischen Färbung von einem Feinde entdeckt worden ist.
DieAngenflecke sind sonach ein zweites Schutzmittel fttr die Raupe,
dessen Wirkung dann beginnt, wenn die der sympathischen Fftr-
bnng ihren Zweck verfehlt hat.
Damit soll indetsea nicfat behauptet werden , dass die Augen-
flecke der Chaerocampa - Raupen immer nnd Uberall diese nnd
nnr diese Bedeutung für das Leben des Thiers haben. Ein jeder
Zeichnnngs - Modus kann denkbarer Weise durch Ausführung in
stark contrastirenden, grellen Farben den Träger im höchsten Grad
auffallend machen nnd so darf erwartet werden, dass auch ächte
Augenfltcke bei einzelnen, ungeniessbaren Arten ihre ursprüng-
liche Bedeutung eines Schreckmittels verloren und zum blossen
Widrigkeitszeicben geworden sind. Vielleicht Terhftltes sieh
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1 02 Ontof eneM und M orpludiigk der Syliiiigidiw -Zeiehnung.
80 hei C h a e r o c a m p a T e r 8 a V'i^. , deren zahlreiche Angen-
flecke das Thier wohl nehr leicht sichtbar machen. Ohne dasg
Versuche darüber angestellt sind , lässt sich indessen keine Ver-
niathung irgendwie bestimmter aussprechen und es kann cl)eu-
sowohl sein , dass in diesem Falle die bunten mit hellruthem Kern
versehenen AugenÜecke die BUithen der ^sahruugspflaiiic (äper-
macoce Hy ssopi fol ia) nachahmen.
Ich erwähne diese Möglichkeiten nur, um daran zu zeigen, wie
ein einmal vorhandner, ererbter Zeichnungscharakter, selbst wenn
ereine so bestiiinnte und coniplicirte Gestalt hat. wie hier, dochsehr
wohl unter IJuiständen von NaturaUchtung in ganz anderm Sinne
zu Gunsten des Trägers verwerthet werden kann. Ganz so, wie
ein und dasselbe Organ, dieselbe Gliedmasse eines Krusters
z. B. im Laufe der phyletischen Entwicklung sehr verschiednen
Lebenszwecken dienen kann, bald der Locumotion, bald der Ath-
mung. der Begattung oder der BefesUgimg der £ier, oder d«r
^iahrungsautiiahme.
Ich gelange zur Untersachang des biologischen Werlhcs der
unvollständigen Augenflccke oder, wie ich sie nenne.
Bing 11 ecke. Wirken auch sie als Schreckmittel . oder sind sie
vielleicht nur »Widrigkcits- Zeichen« d. h. eine biguaiar,
welche die Ungeniessbarkeit ihres Trägers anzeigt"*
Ich niUHs von vornherein hekeuncu , das.s ich hierüber am
wenigsten hcHtinimten Aufschluss geben kann. Die Entschei-
dung ist nur durch Versuche zu erlangen und zwar durch Versuche
mit jeder einzelnen Art, lil>er die man ein Urtheil zu haben
wünscht: es ist durchaus nicht statthaft, hier Analogieschlüsse zu
machen und von einem Fall auf alle übrigen zu schliessen, denn
es ist nicht nur möglich , sondern sogar sehr wahrscheinlich , dass
die biologische Bedeutung der Ringflecke eine wech-
selndeist, verschieden bei versebiednen Arten. Nur eine grosse
Reihe von Versuchen könnte da volle Sicherheit gewähren. Leider
mangelte mir bisher daso das Material. Ich würde die Veröffent-
liobang dieser Abhandlung um ein Jahr verschoben haben, hfitte
ich mit Sicherheit voraussehen können, dass dieses Material in ge-
nügender Menge sich mir in nächstem Sommer darbieten wtlrde.
Leider aber hängt dies immer sehr vom Zufall ab und ich glaable
einen vorläufigen Abflchlnas dem Hinaossiehen ins Unbestimmte
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Otttof t — w md Morpkol^gis dar 8pliiiigidM-Z«Mluiung. 1 OS
foniehen zu niQsten. Vielleicht gelingt es diesen Zeilen, einen
oder den andern Entomologen , dem das Material leiebter sugäng-
lich ist, flir die Forteetzung meiner Versache anzuregen.
Die bisher von Andern angestellten Versuche sind dnrebani
nicht genügend zur Entacheidnng der hier in Betneht kommenden
Fngen.
Es ist bekannt, dass Weir'j von einigen •bantgeförbten, auf-
fallenden« Kaupen nachwies, dass sie thatsächlich von insekten-
freseenden Vögeln nicht gefressen werden während Butler**)
dasselbe für Eidechsen und Frösche darthat. Leider sind dieee
Versuche ro kurz mitgetheilt , dass nicht einmal die Namen der
Arten angeführt sind, mit welchen experimentirt wurde. So kann
man nicht wissen, ob etwa darunter auch Kanpen von Sphingiden
sieb befanden und noch weniger welche Arten. Auch ich selbst
habein dieser Richtung cini-^e Versuche angestellt, und zwar mit
Eidechsen. Es kam mir ilubei zuerst daruuf uu, mich im Allge-
meinen von der Richtigkeit der Beluiuptung zu Uberzeugen , dass
es : I i Raupen g i b t , d i e i h r e s G e 8 c h ni a c k e b h a II) c r n i c h t
gefressen werden und "2 dass so lebe Raupen eine bunte
Färbung besitzen. Ich erhielt positive und im Ganzen sehr
bestimmte Resultate. So erfreuen sich z. B. gegenüber Eidechsen
einer vollBtändigen Immunität die Raupen von Gastropacha
Neustria, der gelb und blau gestreiften gemeinen Ringelraupc.
während die nächsten Verwandten derselben z. B. Castrop.
Lanestris und Pini verzehrt werden, wenn auch nicht grade mit
besonderer Vorliebe. Es kann somit nicht in der Behaarung der
Grund der Ungeniessbarkeit liegen, deou diese ist bei G. Pini
weit stärker, als bei G. Neust ria.
Ein sehr ciitschicdnes Resultat ergaben auch die sehr auf-
fallend gelb und schwarz gebänderten Rau|)en von Euchelia
Jacobaeae. Ich brachte dieselben häufig in den Zwinger einer
Lacerta viridis, allein niemals wurde eine von ihr auch nur
beachtet. Wiederholt sah ich die Raupen der Eidechse Uber den
Körper, sogar über den Kopf kriechen, ohne dass diese nach ihr
schnappte. Die Kanpen blieben jedesmal mehrere Tage laug im
*) On Inseeta «nd InMotivorous Buda, in : Tnmnot. Bntonolog. Soe. 1869,
pag 21.
**) £bendaaelb«t pag. 27.
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1 04 OntogMiMe und Morphologw dar SpUiigidan-Zaidioiiiig.
Eidechsenzwinger, aber niemalH wurde eine verniisst. Ganz eben-
so verhielten gich die EidecliHcn gcgontibcr den feichmetter-
lingen von E. Jacobacae, kein einziger wurde von ihnen be-
rtthrt! Auch die gelb und Kcbwarz läiigsstreifigen Kaupen von
Ph a 1 e ra B u c ep b a l a wurden stets verschmäht und nicht minder
die beim Zerdrücken Übelriechenden , hellgefärbten Kaupea des
grossen Kohhveisslings Picris Brassicae.
(irade der letztere Umstand beweist wohl überzeugend , dass
die Eidechsen diese Art als ungeniesshar l)et!ncliten. In der That
besitzen sowohl Raupe als Schmetterling ein autTallcnd ^^clb gefärb-
tes Blut von öliger Consistenz , an dem ich indessen keinen ent-
schiednen Geruch bemerken konnte, wie ein solcher für das Blut
der Heliconiden und D a n aide n angegeben wird .
Ich stellte nun den Versuch an, eine dcrVj Jacobacae mög-
lichst ähnliche Kanpe der Eidechse vorzusetzen. Ilalijwllehsige
Kaupen von Gastropacliu Kubi sind ebenfalls mit gelben (gold-
gelben", aber schmäleren Querringeu versehen , die aufdunkelm
Grunde stehen; sie sind aber weit stärker behaart, als die von
E. Jacol)aeae. Zuerst betastete die Eidechse diese Ranpen mit
der Zunge . Hess aber wieder von ihnen ab , so dass ich schon
glaubte , sie wUrde sie auch verschmähen, später aber frass sie sie
dennoch auf.
Ebenso frass sie Kaupen von Satnrnia Garpini trotz ihrer
borstigen Haare und Gabelschwanzranpen iHarpyia Vinula
trotz ihres sonderbaren Aussehens und ilircr Schwanzlir»i iicr , war
überhaupt kein Kostverächter, sondern verzehrte Kegenwlirnier und
Nacktschnecken in Menge, auch grosse Spinnen, und einmal auch
die grosse, mit starkem Gebiss versehene üeuschrecke , Decti-
CQB ve r uei vor US.
Thiere aber mit starkem , auch für uns widrigem Geruch wies
sie stets zurück; so den scharf riechenden Käfer Chrysomela
Populi. so auch den stinkenden Tau.sendftlsser Julus ter-
rcstris, während sie deu geruchlosen Lithobius forficatus
gern frass
Ich betone dies besonder.«!, weil es die Vemiuthung stützt, dass
auch bei den verschmähten Kauj)en ein für uns zwar nicht iinmer
wahrnehmbarer Ubier Geruch die Ursache der Ungeniessbar-
keit ist.
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Ontogeneae und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung.
105
Die anffaUenden Farben sind natttrlich aar die »Etiqoettet
dleeer Ungeniessbarkeit, das «Widrigkeitsieiehea« und der
Venmeh mit Gastropaeha Rabi idgt, dase die Eideeheen von
moberein gegen bunte Banpen einVonurtheil beeitien, wdebes
de erat doieb genane PHlAuig des grade vorHegenden Faltes ab-
legen. Sebr merkwürdig war mir in dieier Blniieht die Beobacb-
tang, dass später — nachdem die Eidedue bereits die Erfalimng
gemacht hatte, daas es nicht bloe widrige Ranpen gibt, welche
■chwan and gelb geblladert sbid, (E. Jacobaeae), sondern
aneb wohhichme^ende (G. Bubi), siennnanch an weilen die
Jaeobaeae-Banpe mit der Zange betastete! sie wollte sich
ttbenengen, ob die Baape wirklich so sd, wie sie aassehe d. h. an
geniessbar!
Zuweilen , wenn aach nicht häufig trifft auch bei Banpen dn
anffallendes Aussehen mit insseilich schon wahrnehmbarem, pene-
trantem Gerach sosammen. So bd Papilio Machaon, dem
Schwalbenschwans.
Hier habe ich denn auch niemals den geringsten Yerauch eines
Angriffet von Sdte der Eidechse gesehen. So setzte ich einmd
zwei groese Raupen von Papi lio Machaon in den Eidechsear
Zwinger, sie blieben dort fUnf Tage lang und verpuppten sich
schliesslich unbehelligt an den Wänden des Zwingers.
Ich habe diese Versuche mitgetheilt, obgleich sie bisher noch
nicht Sphingiden-Raupcn betrafen, um deren Zeichnnngswerth es
sich hier in erster Linie handelt, weil es mir vor Allem uöthig
schien, durch eigne Versuche fcstzastelleu , dass es ttberhaapt
Widrigkeitsseichen bei Raupen gibt.
Ich komme nun za meinen leider nur sehr spärlichen Versadien
mit Deilephila-Ranpen. Ich konnte nor mit zwd Arten eZ"
perimentiren, mit D. Galii und Euphorbiae.
Deii. Galii wnrde beharrlich verschmäht Eine
grosse Raupe der schwarzen und eine der gelben Variation wurden
12 Standen lang im Eideehsenzwingcr gelassen, ohne dass de
auch nur berührt oder untersucht worden wären I
£e scheint also, dass D. Galii für die Eidechse als widriger
Bissen gilt Damit stimmt auch die Gewohnheit der Raupe , dch
nicht zu verbergen, sondern auch am hellen Mittag frei an
ebem Stengel su dtwn, so dass ste kaum dem suchenden
106 OatofMiaM «nd Bliitph«lop» dar gpWegidMi Z>Mhinmg.
Blick entgehen kum. Sie hU fui ebenso aaffiUlend ak D. En*
phorbiae.
Um so Überraschender war es mir, zn erfahren, dass diese,
die Wolfsmilch raape, der Eidechse gegenüber sich darchani
keiner Immunität erfreut. Als ich eine grose, 6 — 7 Cent, lange
Raupe in den Zwinger setzte , wurde die Eidechse sofort aufmerk-
sam und uoliald die Raupe anfing herumzukriechen, packte sie die-
selbe l>eim Ku[if , schüttelte sie heftig und begann sie hinunter zu
würgen. Trotz heftigem Winden und Krümmen wurde sie unter
zeitweise wiederholtem Schütteln immer tiefer hinabgewürgt und
nach weniger als 5 Minuten war die ganze Ranpe verschluckt*/ !
Auf Eidechsen also wirken die so auffallenden Ringflecke dieser
Raupe weder erschreckend, noch werden sie von ilinen als Zeiehwi
der IJngeuiessburkeit betrachtet.
Leider konnte ich bisher mit Vögeln keine Versuche ansteilen.
Es wäre übereilt , wollte man aus dem Versuch mit der Eidechse
schliessen, dass die Kingflecke keinerlei biologische Bedeutung
hätten. Es wird kaum irgend ein Schutzmittel ^'eben , welche«
seinen Träger allen seinen Feinden gegenüber aicher stellt, schützt
doch selbst das (Üft der gefährlichsten Giftschlangen dieselben nicht
vor den AugrilVeu des Sekretärs und des Schlangenatllers und die
Kreuzotter wird bekanntlich vom Igel ohne Umstände gefressen.
So wird man auch annehmen müssen, dass manche durch widriircn
Geschnmck geschützte Thiere doch auch einzelne Feinde besitzen
können, für welche dieser Geschmack nicht vorhanden ist. So
spricht z. B. gar Nichts <lafUr. dass bunte Haupen, welche that-
sächlicli von Eidccliscn und Vögeln nicht gefressen werden, zugleich
auch von Schlupfwespen verschont würden. Und so Hesse es sich
sehr wohl denken, dass die Wulfsniilchraupe fllr Eidechsen, die sie
ganz verschlucken, nichts Unangenehmes darböte , während sie
vielleicht fllr Vfigcl widrig wäre, weil diese sie zerhacken nndzer-
reissen müssen, um sie hinal)zu8chlingen.
Es ist mir deshalb immer noch am wahrscheinlichsten , dass
D. Euphorhiuc und ebenso die nahe verwandte D. Da h Iii und
Mauretauicadie aofialienden Kingfleoke als Zeiohen der Unge-
*) Wie oben bw«its angefahrt, war es niobt die gewOhaUehe deutMhe Bi-
dedue (T<acerta stiqiium), mit der diese Venaehe angeatdlt winden, eonden
die g f S eeete, sOdeuropiiMhe Lacerta viridi«.
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OatofenM« maA Morphulugi« der Sphingiüen-Zoichnuog. 107
nieasbarkeit für die Mehreahl ihrer Fein^ an sieh tragen. DalUr
•priekt vielleicht schon die Elmähning von giftigen Enphorbiaoeen,
noch viel deutlicher aber die allen diesen Arten snkonunende Ge-
wohnheit, sich bei Tage nicht zu verfoeiigen, sondern frei und offen
dazusitzen, von Weitem schon leicht erkennbar. Besftssensie in ihrer
Firlrang sclbät nieht ein Sobntimittel, so wttrden sie durch diese
Gewohnheit längst ausgerottet sein, statt, wie thatsächlieh der
Fall ist, an allen den Orten , wo sich günstige Lebensbedingungen
für sie finden zu den häufigsten Sphingiden zu gehören. So findet
sich D. £aphorbiaeim sOdliehen wie im nördlichen DentschUuid
(z. B. bei Berlin], in sehr grosser Anzahl und Dr. Staudinger
theilt mir mit, dass ihm aof Sardinien die Baopen tob D. Dahlii
korb weise zugetragen worden seien.
Wenn aber auch bei vielen Deilephiia- Arten die contrastiren-
den Ringfleckc natürlich in Verbindung mit der Übrigen bunten
Firbang) als Widrigkeitszeichen anzusehen sein mögen, so schliesst
dies doeh keineswegs die Möglichkeit aus, dum sie hei einigen
Arten eine andre UoUe sinelen nnd etwa als Schreckmittel wirken,
ja es scheint mir sogar ganz wohl denkbar , dass sie bei ein nnd
derselben üanpe gegenüber verschiednen Feinflen beide Hollen
spielen and es wäre gewiss von Interesse, doroh Yenrache diese
Vermathiing zn bestätigen oder sn widerlegen.
Als Schreckmittel mögen sie, gewissen Feinden gegenttberi
schon bei der hellgelben Variation derBaape von D. Galii dienen
und gewiss noch mehr bei D. Nicaea, deren Scblangenfthidieh-
keit schon früheren Beobachtern aufgefallen ist *)
So können auch bei jenen Deilephiia Arten, welche sieh bei
Tage verbergen , die Ringflecken nicht aU Widrigkeitsseichen anf-
gefasst werden, Hondem sie müssen eine andre, wenn ttberhanpt
eine Bedeutung haben. So bei D. V e s p e r t i 1 i o , welche sowohl
in der Jograd, als im Alter sympathisch gefärbt ist und D. Hip-
pophaes, bei der dieselbe Gewohnheit des Venteekens mit sym-
pathischer Firbnng zusammentrifi't.
Scheint es auch bei der erstgenannten Art deakbari dass die
*i 60 sagt liüisduval über diese an Euphorbiac £sula und verwandtea
Alten in dnr Frovenee lebenden Raupe : ,,8a reseemblaaee avee un leipent et
■a coaleur tranch^e permeltent, de la d£cou\Tir aiscmcnt*'. IKee wurde 1848
pechrieben, nlio bu^se ehe man en NetusOchtang dachte.
1 08 Ontogciww und Morphologie d«r Sphiiigiden-Zeiduiniig.
zahlreichen, grossen Hingflecke kleineren Feinden Schrecken ein»
fli)g8en , HO kann Uber die Richtigkeit eioer soleben VermathnQg
doch nur das Experiment eut8cheideil.
Bei D. Hippophaes da^c/^cn ist eine solche Deutung von
TOrnhcrcin zurückzuweisen , (ia hier bei den meisten Individuen
nnr ein einziger Kingflcck vorbanden ist, dieaer aber darchane
keine Aehnlichkeit mit einem Auge besitzt.
Ich habe lange vergeblich nach einer Hedentnng dieses Fledus
gesucht und grade hier wäre die Erkcnntniss derselben von grossem
Wertiie, weil wir in ihm otTcubar den Beginn der ganienRingfieek-
entwicklnng yot ons haben, die AnfangsBtnfe, von weleher die
Zeichnung aller andern Deilcpbila-Arten ausgingen.
Ich glaube jetzt die richtige Lösung des Räthsels gefunden zn
haben , leider zu einer soleheo Jahreszeit, wo ich sie durch das
Experiment zu erhärten ausser Stande bin.
Ich halte die Flecken fttr eine un})estimmte NaebabmuDg der
Beeren der Nahningspflanze ! DicHcIben sind orangeroth und
genan von derselben Farbe sind die Flecken; die FarbeoUberein-
alinuniing zwischen Beeren und Flecken ist genau ebenso vollkom-
men , wie die zwischen den Blättern und der Gesammtfärbung der
Raupe. Ich kenne aber keine Haniie, weiche genauer die Blätter
ihrer NahrungspHauze in der Farbe nachahmt , und zwar entspr»»
eben sich die dunklere Oberseite und die hellere Unterseite bei
Blättern und Raupe und das GrtUn des Sanddoms ist kein gewöhn-
liches, helles Blattgriin, sondern ein Graugrlln, wie es bei Ranpen
sonst gewiss nur selten vorkommt. Ich will auch ausdrücklich be-
merken , dass ich wiederholt Personen die grossen, dicken Raupen
und zwar 6 — S auf einmal auf einem Zweier des Sanddorns gezeigt
habe, ohne dass dieselben sie gleich zu erblicken im Stande waren.
Es ist somit keine l)lo88eVcrmuthung, sondern eine
Thatsachc. da.ss diese Art durch ihre Totalfärbang
Schutz er! an j;t.
Die Orangerothen Flecke aber scheinen zuerst eher geeignet,
diesen Schutz wieder zu vermindern, so wenigstens, wenn man die
Thiere auf junge Triebe setzt, die keine Beeren tragen. Da nun
aber zu derselben Zeit, in welcher die Beeren sieh
roth färben Knde Juli Anfang August) die Kaiipen im
letzten Stadium der Kutwickluug sich befinden, d. h.
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üatoganaie und Hoiphologi» der Sphtngtden-Zeichmuig. 109
mit rothen Flecken Tersehen sind, ho igt wohl die Ver-
nmthimg, dasg diese eine vage Copie der Beeren darstellen , sehr
nahe liegend. Aus demselben Grande , aus welchem diese Kaupen
die Gewohnheit erlangt haben nur in der Abend- nnd MorgendUm-
memng, sowie bei Nacht zu fressen , bei Tage aber sich zu ver-
bergen, aus demselben Grand muss es auch vortheilhaft tlir sie
sdn, wenn die Oberfläche ihres grossen Körpers nicht blos durch
w^ssliche Streifen getheiit erscheint, sondern ancb noch in andrer
Weise anterbrochen wird. Und wie künnte dies wirksamer gesche-
hen, als dorcb zwei Fleeken , welche in ihrer Farbe nnd auch io
ihrer Stellung an die gruppenweise den Stengeln ansitzenden
rothen Beeren erinnern? Beim Fressen heftet sich das Thier mit dem
ffioter&eil stets einem Zweig an nnd nnr das Vordertheil streckt
sieh mefadr oder weniger vom Zweig ah, dem Blatte parallel ; die
rothen Fleeke weiden also immer am Zweige stehen, wo
aneh die Beeren sitien, ja iefa mOdite fittt vermnthen , dass
die geringen Forlsehritte, welehe die Bildung seknndirer Ringflecke
anf den nbrigen Sesmenten bis heute gemaeht hat, eben darin ihren
Gmnd hat, dass solehe Beerenlleeke an andern Stellen der Banpe
eher sehldlieh als nUtslich sind.
Wie kann aber, so wird man fragen , die Naohahmnng rother
Beeren, welehe ddieilieh so gut wie alle andern Beeren TonVOgeln
gefimaen werden, nlltiUeh seb für eine Banpe? Sie wird eher da-
dnch ein Gegenstaiid der Aofmerksamkeit ftr ihre Feinde werden.
Danuif ist sweierld tu antworten. Erstens, dass soleher
Beeren an einem Busehe sehr viele sind, dass somit die Wahr-
sdieinliebkeit sehr gering ist. dass grade der kleinere nnd weniger
augenftUige Beeren-Fleck vor wirkliehen Beeren den VOgeln
m die Angen stSche nnd zweitens, dass die Beeren zwar beginnen
sieh roth zu färben, wenn die Banpen heranwaehsen, ihre volle
Beife aber eist im Herbst erlangen, wenn die BIXtter fidlen nnd die
gelbrotfien , hanftnweise zusammenstehenden Beeren weiAin zu
sehen sind. Zu dieser Zeit aber sind die Baupen iBngst verpuppt.
Ich habe diesen einzelnen Ttül so ansftthilieh hebandelt, weil
er mir von besonderer Wichtigkeit seheint. Er ist der einzigeFall,
der uns lehrt, dass die Bingileck-Beihen der De i 1 e p h i 1 a- Banpen
von einem einzigen Fleekenpaar ausgegangen sind,
der dnzige, der uns gestattet, die Wurzel der ganzen Entwicklungs-
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110 ÜDtogenMe and Morpholflgie der ^ihitigidfln-2eichnung.
raike ans liciit so riehen. Gelang es hier, die Ur saehe der Bil*
dung klar so legen , so war damit die «rsprUngHche ^ primire Be>
deatnng klar gelegt.
Ich fiMse kars die Efgebidase der Untenmehmig tther dea
MologiiBeheii Werth der Deilephila^Ringfleeke zoiaBiDen.
IXieser Werth ist bei den hevte lebenden bekannten Ddlephüa
Arien ein ▼ersehiedner.
Bri einigen Arten (Galii lioher, wahraeheiatteh aneh £o-
phorbiae nnd Manretanica) bilden die auffallenden FleelK
ein WidrigkeitBseiehen fttr gewisse Febde (nicht ftr alle!).
Bei einer sweÜen Artengruppe haben sie die Bedentang einer
S e h r e o k I e i e h n n n g , wie die Angenfletke der G h a e r o e a m p a -
Kuupcu Nicaea? helle Form yon Galii f) EadHeh bei einerdritten
Gruppe, fttr die ieh für JetstnnrHippophaes aaflihren kann,
beruhen sie anf sehutzender Nachahmang eines Pflan-
lentheils nnd rerstärken die Wirkung der sympathi-
sehen Fftrbnng.
6. UntergeerdneteZeichnungseharakiire.
Wenn es ans Yerstebendem sich ergeben hat, dass alle drei
Hanptekmeote der Sphingidcn-Zeiehnnng, LSngSBtreifen, Sehiig^
strafimg nnd Fleckenbildnag keine rdn morphologisGhen Charak-
tere sind, sondern dass sie eine gaas bestisunte Bedentong fltar den
TrMger haben , so würde Nichts nn Wege stehen , die Baistehnng
der gesammten Sphingiden-Zeiehnnng anf Natnnlehtnnginrttck-
snflibren, falls diese drei Elemente wiiUieh die einiigeB wiien,
welebe Torkommen.
Es zeigen sieh aber bei verschiednen Arten noch andere Formen
von Zeiehnnng, die ich als »nntergeordnete Zeiehnnngs-
Charaktere« sosaaunenfiMnen nnd einige davon heraasgrrifen
will, am an ihnen sn leigeB, auf wekhe Ursadm sie sieh beriehen
lassen.
leb reehne hisiher i. B. jenes feiae Nelswerk dnnkler Lings-
strieheldieni welohes öfters die gaaie Oberseite der Banpe Uber-
siriit nnd welches man als •Bieselnng« beieichnet. Dieser
Charakter findet sidi hanptiXoUieh bei den erwaehsenen Ohaeto-
eampa-Banpen nnd zwar am stBrksten bei der braunen VarietiU,
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Ontogenese und Morpkologie der Sphingiden-Zeichnung. 1 ] ]
kMDml aber «idh bd D«ilephiU Yespertilio und in Ähnlicher
Weiieboi PterogonOenotherAe nnd Sphinx Oonyolvnli
TOT. Sowettmirbek&nnt, kommt sie nur bei sympathisch ge-
färbt eD «nd swar bei Bolchen Baapen lov, Trelohe sieh zritwelse
am €bimde der Fflaose, im Gewirr troekner Stengel nnd Blitter
aofhalteo.
Ich sehe in ihr keine bestimmte Nachahmung, sondern nur
eines der Torsdiiedenenlfitte], die grosse, gleichmSssige OberflBehe
der Banpe an nnterbreehen , sie nngleieh in machen nnd dadurch
wcalger anffiülend. Ihre Znrtckfthmng anf NatunOehtnng kann
kanm tweifelhall sein.
Es gibt aber noeh eine sweite Oruppe von Zeiehnnngs-
Klem en ten y die anf eine andere Qndle an beliehen sind. Dar
hingehören s. B. jene hellen Pnnkte bei Chaerooampa Por-
cellns nnd Blpenor, die ich oben als Blickenpnnkte beieicbnet
habe. weiss keine andere Srklämng ittr sie, als dass sie noth-
wendige Folge anderer NenbOdnngen sind, dass sie anf Oorrela-
tion bemheo (Darwin), oder — wie ich mich ansdrUcken
irilehte ^ dass sie ein AnslfaiBS der in dem spedfischen Organis-
mas dieser Arten herrschenden Bildnngsgesetie sind.
WIhrend man sich hier anf die blosse Vermnthnng be-
sehrlnkt sieht, die betreffenden Charaktere mochten der Ansflnss
innerer BUdungsgesetse sein , gelingt es bei gans fthnliehen Bil-
dangen einer andern Art die Abhiogigkeit yon soleben Qesetsen
nachsttweisen.
Bei Sphinx ConTolynli «eigen manche der dunkeln
Biemplafeweissliehe Pnnkte anf den Segmenten 6— 11 nnd
swar je einen am Vorderraad jedes dieser Segmente in der HOhe
der TOUig Terschwnndenen Snbdorsallinie (Fig. 52).
Diese Pnnkte varüren sehr in Grosse, Helligkeit' nnd SdhSrfe
dsr B e g re ni mg. Es mOchte sich nan sdiweriich irgend dne bio-
logisehe Bedeutung Itlr diese Pnnkte herausfinden lassen, ihre Her-
kunft wird aber sofort klar, sobald man heller» IndiTidnen tci^
gleicht, bei welchen die weissUchenlSchrSgstriche an den Seiten
deutlich erhalten sind nnd die Snhdorsale wenigstens auf den fünf
oder sechs yordem Segmenten. Man eikennt dann, dass die
Pnnkte an der Kreusungsstelle der Subdorsale nnd
der Sehr&gstreifen stehen (Taf. I. Fig. 16). Ihre Erklärung
112 OntOjgeneie und Murphulogie der Sphingiden-Zeichnung.
eigibt rieh somieh daraus, dass grade an diesen Stellen dieNdgnng
des Orgaaismns, helles Pigment abtolagem doppelt so gross
sein mnss, als an den andern Stellen der beiden hellen Linien-
systeme; es bilden sich also helle Fleeke anch dann noch , wenn
die Unien, welehe rieh hier kreuzen, in ihrem Übrigen Verlanf halb
oder ganz erloschen sind.
Hier ist somit ein Zeiehnnngscharakter rein nnr dnreh innere
Bildangsgesetze henrorgernfen nnd zwar dnrdi Anfeinandertreiren
zweier, rndimentir gewordener älterer Charaktere. In ähnlicher
Weise werden viele andere nnbedentende Einzelheiten der Zeieh-
nnng an%e&sst werden mUssen, wenn es anch nicht mOglioh ist,
für jedes Fleckehen nnd Strichelchen den spedellen Nachweis dar
fttr anzutreten. Der grOsste Theil aller »nntergeoidneten Zeich-
nnngscharakteret beruht auf der Vermisehung ererbter,
aber bedeutungslos gewordener Charaktere unter-
einander nnd mit nenentstandenen.
Es wäre Überhaupt ganz verkehrt, nur solehe Charaktere auf
NatnrsUchtung an beziehen, welehe bei der Art, welche rie beritzt,
nachweislich noch rinen biologischen Werth haben. Sie können
sehr wohl nnr ererbt sein. So wäre es wohl möglich, dass die
matten und wenig in die Augen eilenden Bingflecke von Deil.
Vespertilio heute ohne Werth filr das Leben der Art sind, rie
können von einer Stammform flbernommen sein und nur deshalb
von Natunttehtnng nicht entfernt, weil sie unsehädlieh sind. Doch
fUhre ich dies nnr als hypothetisches Beispiel an.
Fär die swrite Zriehnnngsfonn der SpUngiden , die Schräg-
strriftmg lässt rieh rine Vererbung auf spätere phylelisehe Ent-
wicklungsstufen nachweisen, obgleich rie dabri den nnprttngUdien *
biologischen Werth einbflssen.
So scheinai die Chaerocampa-Banpen, als rie noch aritlebens
grOn und den Blättern angepasst waren, durchweg helle Sehiig-
strrifen, als Naehahmung der Blattrippen besessen zu haben.
Wenigstens zeigen alle Arten von altem Habitus diese Schräg-
itrrifen, so Ch. Syriaca (Fig. 29), Darapsa Choerilns
(Fig. 34) und ebenso die heUgMne Jugendfbrm von Ch. Elpenor
(Fig. 20) und Poreellus (Fig. 25 u. 26).
Bri diesen Letzteren wird nun später die Anpassung an die
Blätter aufgegeben und eme dunkle, braune oder schwarzbraune
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Ontogenese und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung. 113
Totelftrbimg aagenomiDeD. Trotidem Bohwnideii die Sohrigstrai-
feo nicht, sondern zeigen sieh besonden im vierten , oft ancii noeh
im ftlnften Lebenistadinm noeh aJe denfliehe , wenn nneh nicht
grade so schuf wie früher begienste lehmgelbe Streifen , die frei-
lieh jetst sehr Yariabel sind, entspreehenddemgeringenbiologiBehen
Werthe, den sie bemupraehen können, denn sie ntttien nur noch in-
sofern , als sie die grosse Oheifliohe der Raupe eonplren helfen,
nicht aber mehr dnreh Naehahmong der umgebenden Gegen-
stlnde.
Ganz ftbnlich TcrhlUt es sich mit den SehiSgstreifen bei Sphinx
ConyoWnli, Ton deren Jogendznstand man mit Sicherheit Tor-
anssagen kann, dass er scharfe, helle Sehrägstreifen besiteen wird,
da dieselben in mehr oder weniger dentliehen Besten allen an«ge-
wachsenen Raupen der Art zukommen , besonders den grttnen.
Ueberhanpt beruht die ganze Zeichnung dieser Ranpe wesentlich
auf einer Miscimng von Kemiuiscenzen aus früherer Zeit, aus
Resten der Subdorsale und der SchrSgstrttfen, beide ausserordent-
lich variabel, zu denen dann noch eine neue Anpassung, die schwarze
Uieselung der Grundfarbe hinzukommt. Letzteres aber nur
bei der phyletisch jüngeren braunen, gar nicht oder
doch nur schwach angedeutet bei der alten grUnen Formt
Einwürfe zu Gunsten einer phyletischen Lebenskraft.
Es wurde im vorigen Abschnitt dargel^sit, dass alle drei Zeich-
nungs-Elemente der Sphingiden- Raupen ursprünglich eine be-
stimmte Bedcntnng für das Leben der Art hatten, bei welcher sie
zuerst entgtanden, dass sie auch heute noch bei den meisten Arten,
welche sie besitzen Ton einem bestimmten, wenn auch zuweilen
andern Nutzen für ihren Trüger sind und es wUrde somit von die-
ser Seite her kein Hinderuiss entgegenstehen, sie durch Natnr-
zttchtung entstanden aufzufassen.
Wenn man aber die Erseheinongon im Ganzen Uberblickt , so
ergibt sich Einiges, was mit einer solchen Auffassung vüllig nnver-
einbar ert^eheint.
Den gevviehtigstcu Einwurf bietet die Gattung Deilephila.
Die Reihe von Ringflecken, welche fast alle beute lebenden
Weismann, »tiMli«n. II. g
114 Ontogencfle und Morphologie der Sphingiden-Zeiehnttiif .
Arten in grnsserer oder geringerer Ausbildung besitzen , hat sich
ans einer einfachen Sabdorsallinie entwickelt. Es könnte deshalb
nidit Uberraschen, wenn wir eine Art ?orfUnden, welche noch
ohne Bingfleeke blos diese Linie als einziges Zeich-
nnngselement besiisse. Wenn es sich bei D. Hippophaes
80 einfach verhielte, würde die Annahme, das« diese*; Art die
Stammform der Übrigen Arten sei, keinerlei theoretische Schwierig-
keiten mit Bich führen.
Man würde sagen, dass erst eine spätere Art die Ringflecke
durch NaturzUchtung ans der Subdoraale entwickelt ond auf alle
nadifolgenden, noch jüngeren Arten vererbt habe.
Nnn besitzt aber D. Hippophaes in einzelnen In-
dividuen kleine, zum Theil ganz wohl entwickelte
Ringfleckc auf mehreren Segmenten! Die Ring-
flecken-Reihc ist bei ihr in der Entwicklung be-
griffen! Die Übrigen, phyletisch weit jüngeren Arten können
die Kingflecke nicht von ihr geerbt haben, da sie sie selbst nur sel-
ten und als ersten Vcrsucb besitzt , sie müssen also — so scheint
es — sclbstständig und unabhängig von den Hing-
flecken der andern Arten bei ihr entstanden sein.
Wenn dies aber der Fall wäre, wie würden wir iKWcisen können,
dass nicht auch bei den übri<;en Arten das Auftreten der Ringflecke
selbststäudiij: f^^escliab, und wenn bei einer grösseren Anzahl von
Arten dersell)C Charakter sich zeigt, ohne auf Vererbung
von einer gemeinsamen Stammform zu beruhen, wie
könnte man dies anders deuten, denn als den Ausfluss einer in
diesen Arten liegenden Kraft, gleiche Variationen liervor/.u-
bringcn und was wäre diese anders, als die »bestimmt gerichtete
Variatinn" Askenasy's d. h. eine phyletischc Lebenskraft?
Die einzige Auskunft aus dieser Redrängniss würde etwa in
dem Nachweis zu tinden sein, dass D. Hippophaes in früherer
Zeit schon Ringtlecken besessen . dieselben aber später wieder
tlu'ilweise oder ganz verloren halie , dass also die zuweilen bei ihr
V(trkonMuenden Ringlleeke auf K ii e k sc ii 1 a g beruhten. Die Onto-
genese lehrt aber, dass dies nicht der Fall ist. da die Jüngere
Raupe nicht etwa zahlreichere uud deutlichere Ringflecke besitzt,
*l Oder eine andere, ausgeatorbene , aber analog gezeichnete Arti
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Ontogenete und Morphologie der Sphingideo-Zeichnung. 115
sondern derselben ▼ollstlndig entbehrt mit ein^i^^cr
Ansnalune des elften Segmentes, aof dem sieh ein fother Fleek be-
findet, der aber aneh weit sehwieber ist, als im leisten Stadium.
Die LOsnng des RSthsels ist in dieser letiterwfthnten Thalsaehe
▼erborgen. Die Voraassetsnng des ganzen Baisonnement war
nniicbtig , der eine rothe fleck anf Segment 11 ist ebenfalls ein
Btngfleek, nnd swar der wiehtigste von alleni weil der pri-
mftre, der snerst entstandene. Diesen besitxen nnn aber
alle Individnen ohne Ausnahme , dieser erste Bingfleefc ist n II ti-
li eh nnd somit durch Natnisttebtang henroigemfen, er wird nicht
ererbt, sondern bei dieser Art neu erworben sein. So wenigstens,
wenn mono oben gegebene Deutung dieser Flecke richtig ist.
Dieses primftre Fleckenpaar konnte nun von dieser Art auf
spUere Arten durch Vererbung ttbertragen werden. Da aber bei
jedem segmentirten Thier die Neigung vorhanden ist, die Eigen-
thllmlichkeiten eines Segmentes anf den übrigen lu wiederholen,
so m n SS diese Wiederholung bei den späteren Arten immer reich-
licher und TollstBndiger eingetreten sein, nnd dies um so mehr,
wenn der Fkroeess der Wiederholung durch Natursttchtung begttn-
stigt, wenn die Bei he Ton Ringfleeken, welche auf diese Weise
entstand, in irgend einer Weise inm Nutzen der Art yerwendet
werden konnte.
Auch bei Hippophaes selbst muss die Neigung voihanden
sein, sekundäre Bingllecke herrorsubriogen, nnd wir sehen ja
thalsiehlich bei einem Bruchtheil der Individuen eine mehr oder .
minder lange Beihe sohsher Sekundärflecken auf sehr Terschiedner
EntwickluiigshOhe. Wenn dennoch die Bingfleek - Beihe sieh nicht
zu einem constanten und wohlentwickelton Charakter erheben
konnte , so findet dies seine einikche Erklärung in dem Umstände,
dass ein soleher die Eiistens der Art gefährdet haben würde.
Es liegt also in diesem FUIe durchaus keine NOthigung zur
Annahme einer phyletisehen Lebenskraft. Gtade die Bingflecken
der CkUtung Deilephila geben uns vielmehr eine vortreiniche
Handhabe, eine Thalsaehe zu verstehen, wetehe andernfalls sehr
tn Gunsten ^ner phyletisehen Kraft vorgebracht werden könnte :
die strenge Oesetzmässigkeit in der Entwicklung der
Ranpenzeichnung.
Ehe ich durch das Studium der Hippopbaes-Zeichnong nnd
8»
116 Ontugene»c und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung.
-Entwidduig »i der Entdeokinig geleitet wofden war, dais die
Dellephilalleeken nor auf einem Segment entstanden nnd tod da
ana eekondir anf die Übrigen ttbertiagen wniden, eneUen mir dieie
entannliebe Geaetamlaeigkeit ein nnventladlielies Rftibeel, welelieB
sieh nar doreh die Annalime einer phyletisehen Kraft Ktoen liesie.
Man Tersnolie nnr einmal, ftlr die lehn hier besproehenen Arten
einen Stammbaum an eonatmiren, liaiirt anf die VovanMetsnng, daw
die Fleekenreihen selbst ererbt worden seien, wo sie tlber^
hanpt Yorkommeo, niebt blos die Tendena anr Horror-
bringnng derselben darob Uebertragong des einen ur-
sprOnglieli ererbten primSren Fleokens auf die flbrigen Segmente I
Es wild niebt gelingen ; man mnss den giOssten Tbeil der
Arten in eine Reihe ordnen, weil stets die eine Art eine Zeich-
nnngsform als fertiges Kleid trägt, die bei der folgenden als Jngend-
kleid auftritt. Ist es aber sehr nnwahrscheinlieh , dass nenn rer-
schiedene, direkt ans einander hervorgegangene Arten gleichzeitig
neben einander leben , so läset sieb vollends eine Art, D. Ves-
per t i 1 i o , gar nicht in diesen Stammbaum einfUgen , da sie einen
Charakter entbehrt, der allen andern zukommt: das Sehwanzhom !
Dasselbe fehlt schon im dritten Lebensstadiam bei ihr, mussalso
sehon in sehr frtther Zeit der phyletisclicu Entwicklung verloren
gegangen sein, nnd wir dürfen sie deshalb nur mit der ältesten, be-
kannten Art genetisch in Verbindung denken. Nun besit/.t sie aber
gans dieselben Entwicklungsstufen der Zeichnung, wie die Übri-
gen Arten ' Wäre demnach die Bingfleckreihe als solche durch
Vererbung Ubertragen worden, so wäre die Existenz einer hondosen
Art mit iUngflecken ein unverständliches Räthsel nnd wttrdc fUr die
Annahme paralleler Entwicklungsreiben sprechen, die dann
wiederum kaum eine andre Erklärung finden könnte, als die durch
»bestimmt gerichtete Variation«'. Es liegt hier einer jener Fälle
vor, wie sie schon öfters von Anhängern der phyletiscben Lebens^
kraft ftlr ihre Ansiebt geltend gemacht worden sind.
Die Auflösung solcher Fälle, d. b. ihre ZurUckfUhrung auf die
bekannten Uniwandlungsursacheu ist niemals leicht, weil sie
ohne genaue Kenntnis» der Ontogenese vieler Arten , sowie der
ursprünglichen Bedeutung der in Frage kommenden Charaktere
niebt niüglieb ist. In diesem Falle der Deilephila-liaupen
aber gelingt dieselbe Es liegen hier allerdings parallele
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OntogeoeM und Morphologie der Sphiogidea-Zeichnuog. 117
EntwieklangBreihen Tor, »ber sie berahen nioht «if der
nbekaimteo phyletieehea Lebeosknift, aondeni auf den ans
ihren Wirkungen wenigstens bekannten innern Bil-
dnngsgesetsen des segmentirten Organismas. Weil
Charaktere eines Segmentes dieMeigong haben» sieh aoch anf
den andern so wiederiiolen . dämm ktfnnen von einer Stammform
ans, wefehe nor auf einem Segment Bingfleeke besass, mehrere
Entwieldongsreihen ansgegangen sein, welche alle nnabhBqgig
▼on einander, JRiagfleek reihen hervorbraehten.
Wir werden deshalb etwa das folgende Bikl eines Stammbaumes
entwerfen dürfen.
ICSi^loher Btammbaam der Chrttnag Dflilepblla.
Die KreiM beimohnen die phyletigefaen Stadien IV— VIII. } das eolite wird
nur von Nleaee erreicht und unterwlieidettieh vom siebten hauptsftchlieh
durch die OntüRencsi'. in di ren d r i 1 1 cm Stodimn «Hon die sichte phylelische
Stufe erreicht wird, w&iirend bei Kuphorbiee und Dahiii ernt im vierten.
Die mit Fragezeichen beseichneten phyletiachen Stetionen sind ausgestorben
und nur dvnsh iS» Ontogenese der lebenden Arten bekannt Ee versteht sieb,
daas dieser Stammbaum nur die formalen Beziehungen der Arten zu einander
ausdrücken soll, nicht die realen. So wäre es möi,'lich, dass nicht Hippophae«
die Stammform der übrigen Arten wäre , sondern eine unbekannte oder ausge-
Bloibene Art, die jedoeh dieaelbe Zeichnung besessen haben mufs
q. B. w. f
IIS Ontogenese und Morphulugie der Sphingiden-Zeichnung.
Hier gehen vier FtoaUelreilieii toh der Stammfonu Hippopbaee
ans, es konnten ihrer nach ftlnf gewesen sein , vieUeieht andi nur
drei. Bei dem Ittekenhaften Znetand nnsrer ontogenotisehen Kennt-
nisse IXsst sieh darüber nichts Sicheres anesagen, es ist aber aoeh
dir den Ponkt, der hier in Betraoht kommt, ganz gleiohglUtig. Die
Entfeninng von dem Hittelponkt (der Stammform) gibt die phyle-
tisohe Entwidklongsstofe an, anf welcher die betreffende Art hente
steht.
Bin zweiter Fall ist nicht minder lehrreicb , weil er noch in
etwas anderer Weise das Wirken innerer im Oigantsmns selbst
gelegener BUdnngsgesetie erscbüessen lässt, welche dennoch
darchaos nicht einer phyletischen Lebenskraft gleichgesetzt wer-
den dtbfen.
Ich meine die farbigen S&nme der Schrägstriche, wie sie
bei den meisten Arten der Gattung Sphinx vorkommen.
Es wurde in einem früheren Abschnitt schon hervorgehoben,
dass die Entsteh aufweise derselben durchaus gegen die Annahme
einer phyletuehen Kraft spricht uiui zwar deshalb, weil diene far-
bigen Säume ans anregelmässig hier und da zerstreuten Flecken
erst allmälig zusammen gesetzt werden! Eine uEntwicklungskraft«
braachte nicht erst im Dunkeln zu tappen , von ihr darf erwartet
werden . dass sie nene Charaktere mit der öicherhmt des Meisters
den alten hinzufügt.
Wenn aber auch sicherlich die Farbensänme auf der Thiitig-
keit der Natarzttehtung beruhen, indem diese die zerstreuten
FIf cke /nsammenzog, ordnete und strichartig gestaltete , so liegt
doch darin, dass jene ersten Fleckeu bei mehreren Arten in
ganz gleicher Weise und unabhängig v one inander auf-
getreten sein müssen, der Beweis, das» in der That in gewissen!
Sinne eine »bestimmt geri rli tete Variationa besteht.
Bei drei Arten von Smerinthus-Raupen erscheinen
gegen Kmlo der Ontogenese rothe Flecken; bei Sm. Populi und
Ocellata nur bei einer Minderzahl von Individuen und stets ge-
trennt, nicht zusammengeflossen , bei Sm. Tiliae aber bei den
meisten Individuen und nicht selten zu einem einiigen , grOsswoi
und länglichen Flecken zusammengeflossen.
Die drei Arten kOnnen diese Flecken nicht etwa von einer ge-
meinsamen Stammform ererbt haben, denn die Flecken fehlen in
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Ontogeneae und Morphulugie der Sphingiden-Zeichnung. 1 19
dm jttngerai Stadien der Ontogenese oder treten doch nnr ans-
aaluneweise auf, ond werden erst in dem letiten Stndinm Ubifiger
and grteser; ne sind offenbar ein in Vorwäjrts-Enttrieldangbe-
grittaer Charakter.
Woher kommtes nun, daes drei Arten nnabh&ngig
▼on einander in analoger Weise rariiren? Ich weiss
keine andere Antwort darauf, als die, dass aus ähnlicher
physischer Constitution auch ähnliche Variationen
mit Nothwendigkeit hervorgehen mttssen. Oder anders ■
gewendet: die drei Arten haben von ober unbekannten, noch
fleckenlosen Stammart zwar nicht die Fledcen erben kttnnen, wohl
aber eine physische Constitation, welche lurHerrorbringung rotber
Flecken auf der Haut neigt. Der Fall bietet viele AehnUchkeit mit
dem der Farben-Tarietftt bei Laoerta mnralis, auf welche
Eimer*) kttndich aufinerksam machte in seinen interessanten
liitflieilnsgen Uber die blaue Eidechse des Faraglione-Fehens bei
Capri. Bei verschiednem Schldelbau besitsen doch die Eidechsen
Sttd-Italiens dieselben prägnanten FarbenvarletBten, wie die Nord-
ItaH^ns und Eimer glaubt dieses Variiren in gleicher Richtung an
weit entfernten, zum Theil seit langer Zeit isolirtcu Ocrtlichkeiten
auf eine der Ari-Gonstitution innewohnenden Tendenz, bestimmte
VariationsrichtuDgeii einsusdilagen, beziehen zu mttssen.
Ich habe schon vor geraumer Zeit ) betont, dass man nicht
▼ergessen darf,(^ie dieProdukte der Natursttchtnng in
erster Instanz von den Variationen abhängen, welche
der betreffende Organismas der Natarzttchtnng bie-
tet, dass die Zahl der möglichen Variationen fUr j( de
Art zwar sehr gross sein mag, keineswegs aber im
bnchstäblichen Sinne genommen unbegrenzt ist. Es
moss für jede Art auch unmüglicbc Variationen gehen. Ich
meinte deshalb, das» die p b y s i s c b e N a t n r einer jeden Art eine
nicht minder wiehtige Rolle bei der Hcrvorbriugung neuer Charak-
tere spiele, als Natuizttchtoqg , welclie doch immer erst mit den
*i Zuulogische Studien auf Capri. IL Ltecfto nuinlu ooenil*, ein Boitng
lur Darwin sehen Lehr». Leiiizig 1S74.
**) Ueber die Berechtigung der Darwin 'sehen Theorie. Leipzig 186$. S.
Siehe nueb den ersten Theil vorliegender Schrift: Ueber den
Saiioii-Dlmcrphiimvs der Sefametterlinge S. 82—84.
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120 OntogeneM und Morphologie der Spbingiden4Mebnttng.
AuflllMeii jener physisclien Natur, nimlich mit den Vsristioiieii
operinn ond Neaes schaffen kann.
Es bedürfte nur .einer geringen Aendernog der Deßnition, nm
aasdiesertVariatioiiBei n seh rU n k ung« oder »Variations-
begrenzDDg*, wie sie ein nothwendiger Ausflnss der physischen
Constitution einer jeden Art sein mnss, eine »bestimmt gerich-
tete Variation« im Sinne einer phyletiscben Lebenslirafk so
machen. Statt zn nagen: die Smerinthns-Kaupen neigen dam,
rothe Flecken aaf der Haut li(>rvor/.nbringen, brauchte man nur an
sagen : dieselben neigen zur Hervorbringnng rother Säume vor den
Sohrägstrichen«. Das Letztere ist über nicht richtig, da die
rothen Säume erst durch das Zusammenlegen rother
Flecke durch Na tnrzUchtung entstehen.
£s ist aber auch nicht einmal richtig, dass alle Smerinthns-
Arten diese Neigung znr Fleclien-HeiTorbringung erkennen lassen.
Vielmehr scheinen dieselben weder beiSm. Quercus, noch bei
Sm. Tremulae yorzukommen.
Der Unterschied in der beiderlei Anffassungsweisen tritt klar
an Tage, wenn man sich fragt . oltz. B. diejenigen Chaero-
campini-Ranpen, welche heute keine Augenflecken
besitzen , dieselben später noch bekommen wttrden,
falls sie sich lange genug auf der Erde halten können?
Die Anhänger einer »bestimmt gerichteten Variation" werden
darauf mit »Ja« antworten mtlssen. Die Augeuiiccke sind ein
Charakter , der fast allen Arten der Grnppe zukommt , d as Z i e 1 ,
welches von der phyletischeu Kraft angestrebt vrird und welches ein
jedes Glied der Gruppe früher oder später einmal erreichen muss.
Nicht so bestimmt wird sich dagegen der ausdrücken, der mit
mir der Meinung ist , dasB ccmiiilicirte Charaktere wie mehrfarbige
Schrägstriche und gar Augentiecke niemals d as U e s u 1 1 a t re i n
innerer Kräfte sind, sondern innner nur durch Thätigkeit der
Naturzllchtuiig entstehen d. h. durch Conil)inati<in der nWh dar-
hicteuden kleinen und eint'achen VarialioiuMi. Kr wird ant-
worten , dass die Hervorbringung von Augenliecken bei solcliou
Arten , welclie derscDjen jetzt entbehren, zwar nicht als unmiiglich
angesehen werden kann, dass sie alier nur dann einln ten werde,
wenn auch die Constitution dieser Arten zur Ilervurbiingung dunk-
ler Flecken am Bande der bubdorsale neige und wenn zugleich der
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Untugeoe«« und Morphologie der Sphingidcn-Zeichaung.
121
BmHi von Angenileckeii der Raupe in ihren speciellen Lebensver»
httltoissen von Noteen sein wtlrde.
Gans anders steht die Saehe» wenn es sieh nm die blosse
Uebertragnng eines auf einem einielnen Segmente bereits vorhand-
nen Charakters aof die andern Segmente handelt. Hier erfolgt
diese Uebertragnng ans rein Innern Ursachen, ans den im Organis«
mos herrschenden Gleichgewichts- oder Bildnngsgesetnn (Corra-
lation) nnd die inssem Liebensverliältnisse spielen dabd nnr dne
negatiTe Rolle, indem sie die vollständige Reproduktion des Cha-
rakters auf allen Segmenten so i. B. der Augenfleeken yerhindem
. können, sobald dieselbe der Art naohtheilig wftre. Vielldoht ist es
so SU erkliren, dass bei unsern Chaeroeampa- Arten nnr
schattenhafte Andentungen der Augenfleoke auf den ttbrigen Seg-
menten stehen, nicht aber voll ausgebildete Aqgenilecke. Es wXre
denkbar, dass die zwei Angenpaare voin einen grossem und wirk-
sameren Schrecken ausübten, als wenn das Thier mit swei langen
Reihen TOn Augen ?enehen wäre. Voriftufig ISsst sich darüber
nichts Sicheres sagen, suerst müssen Versuche mit sohshen Baupen
angestellt werden, welche Augen-Reihen besitien.
Bei der oben aufgeworfenen Frage, ob bei den augenflecklosen
Cbaerocampa-Arten tu erwarten sei, dass sie im Laufe ihrer weite-
ren phyletischenEntwieklungAugenflecke erhalten würden, kommt
noeh ein anderer Punkt in Betracht, der hier nicht übeigangen
weiden darf.
Wenn nümlidi auch die Nützliehkeit der vier Zeichnungs-
Elementein ihrer ausgebildeten Form nachgewiesen wurde,
so ist damit doch, strong genommen, ihre Entstehung durch
NatursOehtnng noch keineswegs bewiesen. Es müssteanch
gezeigt werden, dass schon die ersten Anfänge dieser Charak-
tere ihrem Träger nütBÜch waren. Die Frage nach der N ü t z 1 i e h -
keit der »Anfangsstufen« nützlicher Bildungen istes,
welche hier berührt werden muss.
Bei den ttbrigen Zeicbnungselementen, den Längsstreifen und
Schrägstrichen ist diese nun allerdings selbstverständlich , die An-
fimgsstnfen (lieber einfischen Charaktere fcttnnen nicht sehr von der
auitgehildeten Form verschieden gewesen sein , wohl aber war dies
der Fall bei den Augen- und Kingfl ecken.
Bei den Bin gf lecken lässt sich die Frage am klarsten be-
122
Ontogenew und Morphologie der Sphingiden-Zetohnung.
leuchten , weil sich hier eine Art der Beobaobtong bietet, welche
noch im Beginn der RingfleckbildiiDg stehen gebUeben ist: Dei-
lephilaHippophaes.
Ich sachte wahrscheinlich zn machen , dass die Orangerothen
Flecke, welche hier in der Regel allein das elfte Segment ziereiii
ciuc Verstärkung der sympathischen Färbang der Baope herv<N^
bringen, indem sie die Farbe der Beeren des Sanddoms naehahmen,
wie die tibrige Runpenfläche die Farbe der Blätter.
Nehmen wir dies als richtig' an, so hat die Entstehung dieser
Flecke durch NaturzUchtung keinerlei Schwierigkeit, da auch ein
sihwUclicrcs Roth oder ein kleinerer Fleck einen geringen NotMn
für den Träger haben musste.
Der Fall ist aber insofern von Bedentong» als er seigt , dass
bei diesen Zeich nungselementen ganz ebenso wie bei
andern Organen der verschiedensten Thiere im Laufe
der phyle tischen Entwicklung ein Fu nction 8 Wechsel
vorkommen kann. Denn diese Flecke, wclchebeiHippophaes
rothe Beeren nachahmen, spielen bei pliylctiKch weiter vorgeschrit-
tenen Arten eine ganz andere JKolle, sie bilden Sohreokmittel
oder W idrigkeitszeielien.
Es ist mir sehr onwahrHcheinlieh, dass auch die ächten Augen-
flecke der Chaerocampini einen solchen » FunktionswechseU
(Dohm) durchgemacht haben, vielmehr glaube ich, dass schon
die erHten Anfänge derselben die spätere Wirkung, hervor-
brachten, *d. i. Schrceken. Wir sind allerdings hier nicht in der
günstigen T^ge, eine Art za kennen, welche die Anfangsstufen
dieses Charakters in ihrem letzten Lebensstadinmanfwiese,
aber wir sehen in den Anfangsstnfen , wie sie uns ans dem iweiten
Lebensfltadium einiger Arten vorliegen, die Form erhalten, unter
welcher die Angenflecke in der Phylogenese zuerst aaftraton, und
können daraus wohl mit einiger Sicherheit die Wirkung ennesMW,
welche sie damals ausüben mnfwten.
Wir sehen in der Ontogenese von Cbaerocampa Elpenor
und Force 11 US, dass zuerst eine kleine Ausbuchtung des Sab-
dorsalstreifs entsteht, deren liohlscito sich nnt dunklerem Grün,
bald dann mit Schwarz fUllt, worauf nun das aufwärtn gebofrene
Stllek der Sulidorsale Bich abschnürt und immer vollständiger mit
Schwarz nmgibt. Dann verbreitert sich das abgeschnürte weisse
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On^genese und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung.
123
SMok und cJne Behwane (dunkle) PtapiUe entsteht in seinein
Centrnm.
Nnn mmmt deli allerdings der erste Anfang der Avgenfleeke
bei einem 2 Gent langen Bänpchen unbedeutend genng ans , allein
wir dürfen niebt veigessen, dasft derselbe bei den Vorftltem der
heutigen Chaeroeampa-Ranpen im erwaehtenen Alter anftrat.
Denkt man sieh aber die mit dnnkelm Pigment unterlegte Ans-
biegnng der weissen Subdorsale dementsprochend vergiOssert, so
wird man ihr kaum die Bedentnng dnes Schreckmittels absprechen
können. Man darf dies um so weniger, als diese Zeichnung
auf dem angeschwollenen vierten Segment steht, wel>
cheB an and für sich schon der Raupe ein sonderbares , für kleinere
Feinde wohl schreckliches Aussehen verleiht. Und wir wissen be-
stimmt, dass das Aufblälien dieses Segmentes aneh von solehen
Chaerocampa-Ranpcn feindlichen AngriiTen gegenüber angewend^
wird, welche keine Augenflecken besitzen. (Vergleiche
die Abbildung von Darapsa Chocrilns, Fig. 34.) Jede Zeich-
nung , die aneh nur entfernt einem Ange glich, musste an dieser
Stelle die Sehreckwirkung erhöhen und aus diesem Grunde glaube
ich, darf mit Sicherheit angenommen werden, dass diese Art der
Zeichnung schoninihren ersten An fnngsstnfen dieselbe
Bedeutung hatte, die sie heute in ihrer vollen Ausbil-
dung hat. £in Functionsweclisel fand hier nicht statt.
Ans alten den im ersten Abschnitt mitgetheilten Tbatsachen
wttsste ich nun nur noch eine Gruppe von Erscheinungen berans-
sofinden , welche wenigstens den Versuch einer ZurUckfllhning auf
mne phyletische Lebenskraft gestattete. Es ist dies das Vor kom-
men dunklerGrundfarben bei aus gewachsenen Ran pen,
deren Jngendznstand hell geflu ))t ist. Ich versuchte oben
zu aeigen, wie dieser Färbnngswechsel bei den Chaerocampa-
Baupen auf doppelter Anpassung beruht, indem die jugendliche
Raupe dem Grttn der Pflanze , die ausgewaidisene dem Boden nnd
dtirren Laube angepasst ist und durch die sympathische Färbung
gedeckt wird. Diese Deutung muiste nm so mehr zntre£fend er-
seheinen, als derselbe Vorgang der allmäligen Verdrängung des
ursprünglichen GrUu durch braune Tüne sich bei Arten ganz anderer
Gattungen wiederfindet, die die mit der dunkeln Färbung noth-
wendig verbundene Gewohnheit besitzen , im ausgewachsenen Zu-
124 Ontogm«M and Iforphologi« d«r Splungiden-Zeidmiiog.
staDd am Tage sieh zu verbergen. So Sphinx CodtoItoU, Dei-
lephila Vespertiiio, Acherontia Atropoa.
Soweit wäre Alle» durch Natarzttchtnng leicht za verstehen.
Wenn wir aber auch bei Bolchen Arten die »Tendens« sehen , im
Laofe der Entwicklung eine dnnlile Färbung zo erlangen , w e 1 c h e
weder sich verbergen, noch Uberhaupt sympathisch
gefärbt sein kOnnen, weil sie gleichzeitig sehr auf-
fallend gezeichnet sind , wenn ferner dargethan werden kann,
dass diese Arten , wie z . B . I) e 11 c p Ii i 1 a G a 1 i i thatsSchlich im-
mnnitätyor feindlichen Angriffen besitzen, wie auders vcrmi^gen
wir uns dann dieselbe Tendenz zur Hervorbringung einer dunkeln
Grundfarbe zu erklären, als durch Annaliinc einer phyletischen
Lebenskraft, welche die Variationen in dieser Richtung lenkt?
Dennoch glaube ich , dass auch an diesem Ponkte die Bernfong
auf unbekannte Kriifte entbehrt werden liann. Erstens können
dunkle Grundfarben auch noch in ganz andrer Weise der Art von
Nutzen sein , als dadurch , dass sie als sympathische Färbung auf-
treten. Bei Dcilcphila Galii wie bei D. Euphorbiae tritt
vielmehr die lieilc Uingfleekenzeichnung am grellsten auf dem pech-
schwarzen Grund hervor, und da diese Raupe aufTuUen soll (sit
▼enia verbo!', so >vird dieser Zweck am besten durch Annahme
einer (InnkelnTotairärhung erreicht, wiesieanoh beiDeilepbila
Enphorbiae eingetreten ist.
Die scheinbar allen diesen Sphingiden-Qattnngan gemeinsame
Tendenz, im Alter eine dunkle Färbung anzunehmen, beruht also
anf zwei ganz verschiedenen Anpasrangen, einmal bei den von
Feinden gesnohten Arten i n der Anpassung an die Farbe des
Bodens nnd zweitens bei den von Feinden verschmähten Arten
auf dem Bestreben einen möglichst grossen Gontraat
inderFärbung hervorzurufen .
Uebrigens ist die Voraussetzung, von welcher dieses letzte
Plaidoyer fUr die Lebenskraft ausging, nicht einmal allgemein
richtig. Denn es gibt auch Arten , welche niemals eine dankle
Färbung annehmen, wie z. H. Deilephila Nicaca und auch bei
1). Galii haben alle Individuen zwar das sympathische GrHn des
Jugendkleides abgelegt, keineswegs al)er alle ein dunkles dafür
ciiii;ctanscht ; viele ähneln vichnelir in der helllehnigeltien Fär-
bung auftaUeud den schlangeuälmliohen Raupen von D. Nicaea.
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OntogMMte nnd Morphologie der Sphiogiden-Zeichnung. 125
Phyletische Entwicklung der Sphingiden-Zeichnung; Zusammen-
fatsung; Schluss.
Wenn wir ans der Form, welche viele Sphingidenraupen beim
AogscIilUpfcn aus dem Ei besitzen , mit Sicherheit auf die Ulteste
phyletische Stufe znrttekschliessen dUrfen, so hatten dieSphin-
gidenraupen anfänglich noch keinerlei Zeichnung.
Du chaFakteriBtiBche Schwanzhorn muss Ultcr sein, als jede Zeich-
nmig, denn es findet sich stets schon bei den jüngsten HHupclicn
u CDU es nicht Uberhaupt fehlt) und zwar meistens sogar in relativ
bedeutenderer Grösse, als iu spUtereni Alter.
£& läsHt sich aber noch ein weiterer Beleg dafUr anfllhren, dass
CS einst Sphingiden-Kaopen ohne jede Zdebnnng gegeben hat. £s
gibt noch solche!
Ich meine nicht jene imDnnkeln miuircuden und deshalb farb-
losen Banpen der Sesien, sondern ich berufe mich auf eine in
Spiritus eonservirte, gi'osse (Uber 6 Cent. langcy liaupe des Berli-
ner Masenms*), welche der destalt nach dem IVibus derSme-
rintbini angehört. Sie besitst ein Schwanzhorn und ist auf der
ganzen Oberseite mit kurzen, sparsam stehenden Bürsten bekleidet,
wie solche auch bei den Sesien vorkonunea. Von Farbe scheint
diese nnbekanntc Raupe hellgrün gewesen zu sein, zeigt jetzt aber
nnr einen gelblichen Ton. Es fehlt beiihrjedeSpurvonZeich-
nnng nnd sie entspräche um so genauer dem jüngsten Stadium
der meisten heute lebenden Sphingiden-Raupcn, als in diesem eben-
falls kur/.e Borsten sparsam über die ganze Oberseite des Thiers
vertheilt sind. Wir hätten also gcwissermasscn ein lebendes Fossil
vor uns und es wäre von grossem Interesse die Herkunft desselben
kennen zu lernen.
Alle Daten der Eutwicklungsgescliiclite laufen darauf iiiuaus,
dass von den drei, bei Sphingiden vorkoinmcndcn Zt-iclinun^s-
fornien, der L än g s s t r o i f n n g , den S c b r ä g h t r i c h e n und den
Flecken, die ersteie die Ulteste ist. Unter den Arten, welche
mit Schrägstrichen, oder mit Flecken ge/iert sind, finden sich viele,
deren Jugendstadieu längsgestreift sind, das Umgekehrte aber
*j Die Kenntnias derselben verdenke ich der Freundlichkeit neinM ver-
duften CoUegen Froreeeor Oeretieker.
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1 26 Ontogenese und Morphologie der Sphingiden-Zetchnung.
findet sich mcbt: niemalfl weagt die jonge Banpe Flecken oder
Schrlgatrielie, wenn die erwaehsene Banpe nnr UngsgeBtraift ist.
Die erste nnd ftlteste Zeichnung der Spliingiden-
Ranpe war also die LftngBBtreifnng, oder genaner der
SnbdorBalstreif, zn welchem ein Dorsalstreifnnd einStigmal-
Btreif noch hirnnkommen konnten. DasB aneh dieees zweite phy-
letiBche Entwieklnngsstadium nnB in lebenden Arten erhalten int,
wnrde bereitB mehrfooh angeführt, die eineTribaB, die der Ha-
crogloBBini ist sogar groBsontheilB anf dicBem Entwicklongs-
stadinm Btehen geblieben.
Nach dem hiologiBchen Werth, welchen wir dieser Zeichnnngs-
fonn snBprechea mOssen, hat ihre Entstehung durch Natnrxllchtung
keine Schwierigkeit. Schon der erste Anfang einer Streifbng muss
nlltslich gewesen sein, denn er zerlegte für das Auge des Be-
schauers bereits die grosse anffftllige Fläche des RaupenkOrpers in
mehrere Sttlcke und machte sie dadurch weniger anffallend.
So ist aneh nicht schwer einzusehen , wie eine ganze Gmppe
Ton Gattungen sich mit dieser niedrigen Stnfe der Zeichnung bis
heute bchelfen konnte. FUrbnng und Zcicliniitig »md ja nicht das
einzige Schutz- und Trutzmittel dieserThiere, und grade die Raupen
der 80 einfach gezeichneten MncrnglnsBini besitzen z. B. die
Rchntzende Gewohnheit nur bei Nacht zn fiessen , bei Tage aber
sich zn verbergen. Uebrigens kann unter gewissen Lebensbe-
dingungen die Längsstreifnng auch für eine Spbin^iden-Kanpe ein
besserer Schutz sein, als irgendeine andere Zeichnung', nnd alle
die Arten, bei denen sie heute nf>ch die bleibende Zeichnung ist,
lohen entweder zwischen Gräsern, oder an Co-
nifer en.
Man kann nicht eigentlich sagen, dass die zweite Form
der Zeichnung, die »Sch rUgs triebe, sich :uis der ersten ent-
wickelt hätte. Wäre sie durch Umwandlung der ersten entstauden,
so könnten nicht beide gleichzeitig nebeneinander bestehen.
Dies ist aber der Fall, sowohl bei einzelnen Arten im erwach-
senen Zustand (C a 1 y m n i a P a n o p n s *) , als bei andern in jugend-
lichem Alter (am schönsten bei Smerinthus Pop u Ii Fig. 56).
Dass die Schrttgstreifen aber später in der pbyletisehen Ent-
•) Catalogue Eut India Comp. Taf. VIII.
I
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Ontogenese und Moiphologie der Sphingiden-Zeichnung. t27
Wicklung eraehienen lind, als die UiigSBtreifang , dies geht ans
Tenebiednen Thatsaeben iiervor.
Eiomal treten sie in der Ontogenese einiger Arten spiter anf,
alsdieliingsstreifen. SobeiChaeroeampaElpenornndPor-
eel 1 n s , bei welehen sie freilieb ttbeibaapt niobt zu lieber Bntwiek-
long gelangen. Dann aber versebwinden die LBngsstreifen häufig
im Laufe der Ontogenese, wftbrend die Sebrigstreifen allein das
Feld behaupten. So sebwindet die Subdorsale bei allen dabei-
miseben Smerinthus-Arten sebon sehr frtth bis auf geringe Beste *) ;
ieb snebte aber oben su leigen, dass neue Oharaktere nur im
lotsten Stadium binsugefUgt werden und dann, wenn wiederum
neue binsukommen aus dem lotsten Stadium Terscbwinden und auf
die jüngeren snrQekrIleken. Die Oharaktere Torsebwinden
also aus einemStadinm in derselbenOrdnung, in wel-
cher sie gekommen sind.
Schliesslich kennen wir unter den lingsstreifigen Ghtttangen
(s. B. Haeroglossa) einsebie Arten, welche im Alter kleine
Sebr&gstriobe besitxen (H. fuoiformis), wenn auch in
umgekehrter Bichtung yerlauibnd, wie bei den misten, andern
Sphingiden-Baupen. Es sind dies aber stets solche Arten, welche
von der Lebensweise der andern Arten abweichen, und nicht
mehr im Grase und an Krilutem, sondern an grossblitttrigen
Stiinebem leben. Wenn wir einst ihre Ontogenese kennen lernen
werden, wnd sieb herausstellen, dass die Schrlgstriche eist spKt
auftreten, wie dies fttr Pterogon Oenotherae heute berella
nachgewiesen ist.
Wenn aber gefragt wird, warum luerst die Lftngsstrei-
fang und spiter erst die Schrägstreifung bei den
Sphingiden sieh ausbildete, so kSnnte darauf mit einem Hin-
weis auf die physisebe Oonstitntkm dieser Raupen geantwortet wer-
den, welche leichter die eingehen LSngsUnien, als die in ihrer die
Segmente krenienden Biebtung oomplicirt bcrzustellenden Schrilg-
streifen ber?orbringen konnte. Dürfte aber nicht vielleiobt auch
daran gedacht werden, dass die ältesten Sphingiden vor w legend
auf niedrigen Pflanzen zwischen GrlUern lebten und
erst im Laufe der Zeit allmälig auch auf Strttuober
*) Ein solcher Reit findet «ieh «ehr deutlieh bei Smer. Ocellata; eiehe
Kg. 70.
1 2S Ontogenete und llorpholugiu der Spbingiden-Zeichnung.
and Bftome ttbersiedelten? Aneh heote noch leben die
meisten Sp1iingiden>Baapen auf ntedein Pflanzen, wenige and
meist nar die AngeliOrigen bestimmter ganier Gattungen aaf
Bftnmen.
Der Cbarakter der ScbrSgatricbe yervollkommnete sieb doreb
begleitende FarbenaKnme. Es verstebt sieb von selbst, dass die-
selben erst BpSter binsngekonunen sind.
Das dritte Hanptalement der Sphingiden- Zeichnung: die
Flecken, inOgen sie nun Achte Au gcnf lecke oder nur King-
fleeke sein, sind bei sweien der hier spcciell berttcksichtigtoi
Gattungen im Anseblnssan die SnbdorHallinie entstanden, und zwar
bal>en sie ßich entweder auf ihr abgelagert (Deilephila) oder
^^cradezu durch Umblldnng eines Stückchens der Suhdorsale ans
ihr gebildet (Chaerocampa). Dass sie aber ancb nnabhängig
▼on der Snbdorsale entstehen können , beweist der an Stelle des
ScbwanzhomR stehende AugcnfleokTonPterogoD OenotfTerae.
Aherauch hier lehrt die Ontogenese, dass seine Entstebnng der
der Subdorsale naobfolgt, so dsss man allgemein sagen kann, alle
diese Fleckenzeichnungcn sind später entstanden,
als die L&ngsstrcifenzcichnung.
DieFragenaeh dem relativen Alter der Schrägstrei-
fang nnd der Fleckenzeichnnnglisstsiob nicht allgemein
beantworten. In einigen Fällen (Chaerocampa Elpenor nnd
Porcellus] verschwindet die Sehrttgstreifang , wenn die Augen-
flecke zu voller Entfaltung gelangen, nnd man dürfte daraus fttr
diese l'^illic seliliessen, dass nie auch frllhcr in der Phylogenese auf-
getreten ist. Allein es ist sehr wahrscheinlich , dass Schrligstreifnng
an versehiednen Zeiten unabhängig von einander entstanden ist,
wie sie denn aueb, so gut wie die Längsstreifung auch in ganz an-
dern Familien sporadisch vorkommt. Es wäre ein grosser Irrthum,
Wollte man ans dem Besitz von Schdigstrcifcn allein sehon auf Ab-
stammung einer gemeinsamen Stammform schlicssen. Die Schräg-
Rtreifung, welche sich bei einzelnen Macrogl ossa-Artcn findet
(Macrogl. Corythus, Indien; ist nicht von lanj^cher vererbt,
sondern unabhängig bei dieser oder einer naheiie^^enden Stammart
erworben worden. Sie hat genetiseb Nicht« zu thun mit der
Schrägstreifung, welche bei einigen ('ha er ocauipa -Arten vor-
kommt (z. B. bei Chaerocampa ^ essus aus ludien], oder mit
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OntofeneM und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung. 129
•
der SdurägstFeifbog der Smerinthas- oder SphinX'Arten. Sie
bemlit eiofteh auf analoger Anpaesnng Seidlitzj'; d. h. auf
AnpasBung an analoge Umgebung.
Gans iluüieh verluateB deh mit den Fleekenseiehnnn-
gen. leh habe oben sohon henrorgehoben, dase noter Umstlnden
die Bingfleeke ganz das Anssehen von Angenfleoken ge-
winnen können, dadnreh nSmlieh, daas lidi ein Kemfleek aof
ihrem Spiegel bildet, wie diee in seltnen FUlen bei Deilephila
Enphorbiae (Fig. 43), hftafiger bei D. Galii, als Begel aber bei
D. Vespertilio Torkonimt Dennoeh sfaid dieselben anf ganz
anderm Wege entstanden , als die Aogenfleeke der Ohaerooampa-
Arten, hingen also genetisch niditndt ihnen zosammen, die beiden .
Gattungen haben sieh zn einer Zeit getrennt, wo noch keine von
Ihnen Fkckenzdehnnngen besass.
Bei Pterogon Oenotherae finden wir dann eine dritte Art
von Fledudchnnng, wdehe den Angenfleeken der Ohaeroeampa-
Banpen am idlohsten kommt, aber an ganz andrer Stdle steht, anf
ganz andre Weise nnd folglich auch ginzlich nnabhingig von
jenen entstanden ist.
Es Usst sich aoch ganz wohl Terstehen, warum das erste
und zweite Zeichnungs-Element der Sphingidenran-
pen sich ansschliesst, das zweite und dritte aber
nicht und ebensowenig das erste und dritte.
Ein heller Längsstreif, der die Schrägstriche
schnei det , yermindert sehr bedeutend die Aehnlidikeit mit einem
Blatt, welche diese anstreben und findet sich deshalb auch nur da,
wo Ton der Wirksamkdt einer nacbabmeDden ZeiebnuDg wegen der
Kleinheit der Ranpe noch keine Rede sein kann , d. h. bd gua
jungen Ränpchen (vgl. z. B. Fig. 56, erstes Lebensstadium von Smer.
Populi). Im spätem Leben mnss dann die ältere Zeichnung der
neueren weiclmi und wir finden dementsprechend die Sabdorsale
TCnM^wundtti anf allen Segmenten, auf welchen Schrägst reifen
stehen und nur auf den vordersten SegmciUen erhalten, aufweichen
diese letzteren fehlen. In wenigen FttUen kommen allerdings den-
noch beide Zeiehnnngselemente zusammen vor , so bei C a 1 }' m n i a
Panopus und Macroglossa Corythus, dann und aber die
*) Die Darvin'sche Theorie. Elf Vodetungen über die Entstehung *der
Thiere und Pflanzen durch Natanflchtong. 2. Aufl. Leipsig 1675. S. 1S5.
Waiirnksa, SUdin. Ii. 9
130 üntogeaeM und Morphologie der Sphingiden>Zeichnung.
Sohtigstridie kttner und leiehen meht ttber den Snbdonalstreif
hinaiiB, bei Darapsa Ohoerilns verBchmelzen sie sogar mit
denselbeii.
Es konnte in einzelnen FÜlen ancb eine besondere Blattstroc-
tur dnrah die Längstreifen nacligeabmt werden, im Gänsen aber
setsen Lftngsstreifen die Wirkung der Sebiftgstreifen herab, und wir
finden dementsprechend nidit nur die Sobdorsale anf den Segmen-
ten mit SehiAgstrichen in der Regel geschwunden, sondern die
meisten Banpen mit Schrftgstreifnng entbehren anch
der sonst so rerbreiteten, Ittngslanfenden Stigma-
und Bliokenstreifen, so alle mir bekannten Smerinthns-
Arten, alle Arten der Gattungen Sphinx, Dolba, Aeherontia.
Sehrägstreifung aber und Fleckenzeiehnung brau-
chen sich nicht gegenseitig in ihrer 'll^kung su beeintiiehtigen und
finden sich auch in einzelnen FftUen beisammen, wenn allerdings anch
wohl niemals in gleich starker Ausbildung. So besitzt Chaero-
campa Nessus*) starke Schrilgstrdfen, aber schwach ent-
wickelte Augenflecke, und umgekehrt zeigt Chaerocampa El-
pe n erstarke Augenflecke, aber die frttheren Sohrftgstreifcn sind
höchstens noch in Andeutungen vorhanden. Es eridirt sich lacht
aus der Lebensweise. Dictjenigen Ranpen wenigstens, welche wir
genau kennen , leben nicht anf grossblättrigen , stark gerippten
Pflanzen nnd sind sogar in der Mehrzahl der IndiTiduen der Farbe
des Bodens angepasst; die SchrVgstreifen haben somit hier nur die
Bedeutung rndimcntärer Bildungen.
Dass auch die erBte und dritte Zeichnungsform
sich nicht immer in ihrer Wirkung beeinträchtigen
mttsseii. zeigt das Beispiel von C Ii aerocampa Tersa. beider
freilich die biologisciie Bedeutung der Augenflecke eine andre zu
sein scheint, als die eines Schreckmittels. Bei den meisten C'hner'>-
campa-l^an])on yerschwindet im Laufe der Phylogenese die Hubdor-
sale und wir können erstehen, dass die Täuschung der Augenflecken
vollständiger sein muss, wenn sie nicht auf einer weissen Linie stehen .
Wenn man das geringe Material von Thatsachen in Betracht
zieht, mit dem hier operirt werden konnte, so wird man das Ee-
snlat dieser Untersuchungen nicht fUr nnbefriedigeud halten.
•) Cat. Lep. £Mt India Comp. Taf . XI.
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Oatogeaese und Morphologie der Sphingiden-Zeichnung. ] 3 1
Es ist geliiiig«D, fttr jede der drei Haupt-Elemente
der Spkingiden-ZeieliBnttg eine biologiiehe Bedeu-
tung naehsnweieen und dadnroh ihreEntstehmigdnrehNatai^
■SditaDg wihneheiiiUcli tu maeben. Ee ist ferner gelangen su
sengen, dass sehen die ersten Anftnge dieser Zeidmnngen ?oa
Kntien sein mnssten nnd damit scheint mir ihre Entstehung
dureh Natnrittehtung gradesu erwiesen zu sein.
Es ist weiter nieht schwierig gewesen, aneh das Verseh win-
den der prim&ren Zeichnungs-Elemente durdi spiter
hinzukommende sekundire wesenflieh als dne Wirkung der Katnr-
zttshtung zu Torstehen.
SehliessUoh gelang es, auch die »untergeordnetent oder
»aecessorischen« Zeichnnngselemente (Bieselung, Tflp-
fehmg u. s. w.) theils als Wirkung der NatursttBhtuQg, theOs als
eorrelatiTe Wirkung der früher schon Torhaadnen Zeiohunngsele-
nwnte zu hegreifen.
Whr können uns desnaeh Ton der Entstehung und aUmlUgen
fitelgemag der Sphingidenseiehnung etwa folgendes Büd entwerfen.
IMe SlteSten Sphingiden enftehrten noch der Zeichnung, sie
waren yermuthlich nur dorch sympathische Färbung, durch ein
groeses Schwanzhom und durch eine Bewehrung mit knrsen Bor-
sten geschätzt.
Ihre Nachlbommen ^hielten darch NatnrzUchtang eine Längs-
fltrcifung nnd zwar die vom Horn bis an den Kopf reichende Sub-
doreaüinie, sowie eine Stigmalinie, zuweilen auch eine Dorsallinie.
Die so gezeichneten Baupen mttssen am besten an solchen Pflanzen
versteckt gewesen sein , welche vorwiegend das Bild von PaiaUel-
strichen gewähren , und es darf ?ermuthet werden . dass zu dieser
Zeit die meisten Sphingiden-Ranpen an solchen Pflanzen oder doch
wischen solchen Gras lebten.
In späterer Zeit kam zu den Längslinien eine Folge von SchrVg-
Strichen hinzu, die (fast immer!) in der Richtung des Schwanz-
homs ziehend Uber die sieben hintern Segmente vom Rttcken bis
gegen die Ftlsse hin liefen. Ob sie alle zusammen entstanden,
oder — wie es wahrscheinlicher ist — zuerst nur einer, der dann
durch Correlation und unter Begünstigung durch Naturzüchtung auf
die Übrigen .Segmente übertrng-en wurde, lässt sich heute nicht mehr
feststellen, wenigstens nicht aus den vorli^nden Thatsachen.
9»
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132 Ontogenese und Morphologie der 8phingideti-Zeichnung.
In dem Masse, als die Sehritgstriebe sieh gegen den Rflcken
hin Yerllngerten, seh wand die Lftngsstreifting, da sie die ttosehende
Wirkung jener beeintrftehtigte, es bildeten sich aber bei vielen Arten
dunklere oder anch bunte FarbensSume vor den wdssen Sdnig-
strichen, eine Nachahmung der Schlagschatten, welche die Blattr-
rippen werfen.
Wlhrend so eine Gruppe von Sphingiden (Sphinx-
Smerinthns) ihre Äussere Erscheinung einem gerippten Blatte
immer fthnlicher su machen bestrebt war, entwickelten sieh andere
der Iftngsstreifigen Arten in anderer Weise.
Einige lebten zwar auf strauchartigen Blattpflanzen, allein eine
Schrägstreifnng entwickelte sich nicht bei ihnen , weil sie bei den
schmalen dicken und sohwachrippigen Blättern der Xahrnnga-
pflanze nutzlos gewesen wSre. Sie behielten einfach die bistierige
Zeichnungans Längsstreifen, die ihnen in Verbindung mit einer
sehr genauen Uebereinstimmnng mit der Farbe der Blätter schon
einen hohen Grad von Schutz gegen Entdeckung gewährte. Ge-
steigert wurde derselbe aber noch, wenn es gelang, auch andere
Theiieder Xnhrungspflanze, wie Heeren iUippophaes] inFarbe
und ungeftlhrer Lage so nachzuahmen, dass dadurch der grosse
Ranpenkßrper noch weniger von der Umgebung abstach . So ent-
standen wahrscheinlich bei einer Art die ersten Biogflecke auf
nur einem nnd zwar dem vorletzten Segmente.
Sobald aber einmal dieses erste Paar von Ringflecken ein
fester Charakter der Art gewonlen war, hatte er »lie Tendenz, sich
auf den Übrigen Segmenten nnd zwar von hinten nach vom vor-
iUckend zu wiederholen.
Unter Umständen konnte dies von grossem Nachtheil für die
Art sein und wurde deshalb durch XaturzUchtung soweit mi'jglich
verhindert llippophaesl . in andern Fällen aber l)raohte es keinen
Nachtheil mit sich , die in der Färbung ihrer Nahrungsptianze gut
angepasste Raupe wurde dun Ii die kleinen Kingfleckeben nicht auf-
fallender und so konnten sie auf allen Segmenten sich wiederholen
Zygophylli . Auffallende Farben niussten in diesen Füllen
aus ihnen entfernt werden, falls sie etwa von der unmittelbaren
Stammform crcrht worden waren, worüber aber bis jetzt nichts
Sicheres gesagt werden kann.
In andern Fällen war die Wiederholung der Ringfleckc mit
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Ontogenese und Murpholugie der Sphiogiden-Zeicbnung. 133
Starken Farbenoontrasten weder sdildUch, noch iadüFerent,-
Bondem konnte som Vortheil der Art wdter Terwerthet weiden.
Nihite steh eine Art von Pflanzen mit eoharfen Sftften (Enphor-
biaeeen), welehe ihren Magen illUend sie in einem widrigen
Biaien ftr andere Thiere werden Heeaen, ao gaben die beginnenden
Ringfleeke der Natnnllcfatang ebe leichte Handhabe, die Art mit
einer anflbUendenZeichnnng in Tenehen, die als »Widrigkeita-
leichenc sie vor Angriffen sditttst.
Standen aber die dnnkebi Flecken anf heUem Gmnde
(Nieaea), io konnten lie den Eindruck von Angen maclien
and ihren Tiftger kleineren Feinden fllrehterlich eraeheinen laaeeo.
Welehe dieser beiden Bedentongen inerstinder Phylogenese
rar Geltung kam, ist nach den bis jetzt vorliegenden entwieklungs-
geseUclitlichen und biologischen Daten auch nicht mit Sieherheit
in sagen. Es darf aber veirnnthet werden, dass die Bedeutung
eines Scbreckmittels zuletzt erreicht wurde.
Sehr wohl denlKbar ist es auch , dass die Ringflecke im Laufe
ihrer allmälig immer znneluneaden Complicirtheit gelegentlich noch
andere Rollen Ubernehmen mussten, dass sie auch in diesen Stadien
noch einmal zu Nacliahmung von Pflanzentheilen verwendet wur-
den, eine Reihe von Beeren oder Blttthen darstellten, doch liegt da-
fttr bis jetzt kein positiver Anhalt vor.
In dem Masse als die Singflecke sich von der Subdorsale, aus
der sie hervorgegangen waren , abschnürten , verschwand diese
immer vollständiger 'aus dem Endstadinm der Ontogenese und trat
in die jüngeren Lrebensstadien der Raupe zurück — sie wurde
historisch und dieses Verschwinden liisst sich hier wolilauch
daraus ableiten, dass der ursprünglich Blattlinien nachahmende
Längsstreif, bedeutungslos geworden war, wenn er auch nicht grade
immer die Wirkung der Ringfleeke zu vermindern brauchte. Cha-
raktere aber, welche werthlos geworden sind, werden bekanntlich
immer mit der Zeit rudimentär und verschwinden zuletzt ganz. Ich
glaube nicht, dass allein der ' ^Mchtgebrauch« solche Cha-
raktere zum Schwinden bringt, wenn er freilich auch bei aktiven
Organen einen grossen Antlicil daran haljeu wird. Hei Zeichnnngs-
Charakteren kann von Uebung oder Nichttlbung derselben nicht die
Rede sein. Dennoch schwinden sie allniälig. sobald sie bedeu-
tungslos geworden sind. Ich möchte dies lediglich als Wirkung
134 OntogaiiMt md Horphologie der SphingidcB-Zcielmuig.
davon betrachten, dassdieControlle des Charaktersdnrcb
Natnrzttchtnngavfgehoben ist, (AufhebuDg der sog. »oob-
smativen Anpassung ct. Seidlitz). Beliebige Variationen kön-
nen sieh geltend machen , so dass der beireffende Charakter aolb-
wendig ins Sehwanken gerathen mnss. Dass dieser Aoslösduiag»-
process aber nicht rasch vor nch geht, vielmehr äusserst langsam,
sehen wir an der Ontogenese mehrerer Deilephila-Arten , welche
die bedeutungslos gewordene Subdorsale durch eine gaase Beihe
von Lebensstadien mit durchschleppen.
Bei einer andern Gmppe längsstreitiger Sphingiden^üanpen
entwickelte sich, unabhängig von der Subdorsale ein Angenf leck
nnd zwar an der Stelle des hier verschwundenen und nur noch als
knopffOrmige Anschwellung vorhandnen Schwan z;horiis. Die Be-
deutung des Charakters, wie er heute beiPt. Oenotherae v<^
endet vor uns liegt, ist wohl ohne Zweifel die eines Schreck-
mittels, ob aber die Anfangsstufc schon dieselbe Bedeutung hatte,
lässt sich bei der isolirten Steilun^ der einzigen , mit diesem Cha^
rakter versehenen Art der Gattung Pterogon nicht entscheiden.
Bei einer dritten Gruppe längsstreitiger Raupen , der späteren
Gattung Chaerocampa entwickelten sich An gen flecke direct
aus Stücken der Subdorsale und zwar zuerst nur auf dem vierten
und fünften Segment. liier kann mit Bestimmtheit angegeben
werden, dass der Charakter schon von seiner Entstehung au die
Bedeutung eines Schreckmittels hatte. Gewiss aus diesem Grunde
sehen wir auch die Subdorsale in der unmittelbaren Umgebung der
Flecke schon früh verschwinden, während sie sich auf den übrigen
Öegmenten länger erhält.
Ein Theil der jüngeren tropischen Arten dieser Gruppe bil-
dete sodann sekundär nnd durch Correlatiun ähnliche oder ganz
gleiche Augenflecken auch auf den übrigen Segmenten
und nun mag es vorkommen , dass die Angenflecke in einzelnen
Fällen fCh. Tersa"?) eine andere Bedeutung gewinnen , dass sie
vielleicht wieder zu einer Verkleidung der Kaupe benutzt werden.
Beeren oder BlUthen nachahmen, wie es auch denkbar wäre, dass
die Augenflecken zu einem »Widrigkeitszeichen« umgestempelt
würden.
Bei allen diesen Raupen mit reiner Schreckzeichnung
aber bleibt nicht nur die ursprüngliche sy mpathische Fär-
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I
Ontogenese und Morphologie der Sphingidra^Zeidmung. 1 35
bnng erhalten, eondeni sie wifd nger bei den neisteii aUmttHg
dtreh eine benere (Anpaaimig der enraehsenen Raspe an den Erd-
boden) enetit. Aneh Sehrügstriebe» als NachahmiiDg der Blatt-
sind keineswegs ansgeechloBien, und finden sich fast
inner, wenn aneb nnr sohwaeh entwielcelt nnd oft nur zeitweise.
Aber aneh bei YoUkommner Anfkassnng an den Erdboden kann
das Zoebnnagsmasfter der Schrägstreifen beibehalten nnd wieder
nen Terwerthet werden , indem dieselben ihre frühere, scharfe Be-
grennmg verlieren nnd anstatt bestimmte Pflanzentheile nachsn-
ahmen, vielmehr nnr dasn verwandt werden, eine nnregelmäs-
sige Oitterzeichnnng darstellen zu helfen, wie sie am besten
das Gewirr von Lichtem nnd Schatten, Streifen und Flecken nach-
ahmt, welches unter niedrigem Pflanzen wuchs zwischen Stengeln,
trodmen nnd dtlrren Blättern am Boden entsteht.
Wie aber Banpen mit Fleckenzeichnnng ihre älteren Zeich-
nnngsmomente in rückgebildetem Zustand beibehalten und nen ver-
werthen und umbilden kOnnen , ganz ebenso kann eS auch bei Kan-
pen ohne Fleckenzeichnnng geschehen. Arten mit ansgeprilgtcsten
bunt grundirten Schrägstreifen können in verwandten Arten (jünge-
ren?) dieselben Zeichnnngselemente in mdimentärem nnd umge-
wandeltem Zustand aufweisen. Sie tragen dazu bei , die eben ge-
schilderte »Gitterzeichnung« zu Stande zu bringen. Dabei kann
sogar der älteste Zeichnungscbarakter, der Subdorsalsticif , noch
eine Rolle spielen , in dem seine Reste einzelne Stellen der com-
plicirten Zeichnung stärker niarkiren Sphinx Convolvuli; .
Schliesslich können hier , vaQ in andern Fällen , sobald es die
Anpassung an eine unruhige, von Lichtern und Schatten durch-
kreuzte Umgebung fordert , noch neue Zeichnnngselemente hinzu
kommen, dunklere Strichelchen, welche den helleren Grund der
Ranpenoberfläche llberspinnen.
Ich gelan^jc zimi Schluss dieser Abhandlung.
In Bezn^r auf die grosse und allgemein bedeutsame Fi a^e , \nn
welcher aus diese lintersuchungen unternommen wurden, lässt sieh
ein klareres und eintacheres Endergebniss ziehen , als bei der Coni-
piicirtheit der fraglichen, auf ihre Ursachen zurllckzu führenden
Charaktere . sowie bei der noch höchst lllckenhaften Kenntniss onto-
genetischer und biologischer Thatsachen er\vartet werden konnte.
Ich hatte selbst lange Zeit hindurch es nicht fUr möglich ge-
1 36 OntogeneM und Morphologie der Sphingiden-Zoiehnung.
halten, alle Zeichnnngsformen und -Combiiiationen auf die Ur^
Sachen zurUcksnfllhreu , welehe Umwandlungen bekanntermaasen
hemrrufcu können, ich hatte erwarteli ea werde ein anerklärbarer
Best ttbrig bleiben.
Dies ist nicht so. Wenn auch angenbUeklieh noch nicht in
jedem einsebien Falle mit Bestimmtheit gesagt werden kamit in^
wieweit ein jedes einzelne SSeichnnngselement grade bei dieser
einen Art biologische Bedentang besitat, so hat doch festgestellt
werden können, dass jedes der bei Sphingiden-Ranpen
Torkommenden Zeichnnngs-Elemente nrsprttnglieh
eine bestimmte biologische Bedeutung hatte, dass
es dnrch Natnrsllchtnng hervorgernfen worden ist
Fttr alle drei Hanptelemente der Sphingidenseichnnng konnte
ferner nachgewiesen werden, dass nicht nnr ihre Anfiingsstafe, son-
dern anchihre definitive Ansbildnng, die höchste Stnfe
ihrer Entwicklnng ihrem Trttger einen ganz bestimmten Vor-
theil bringt , dass auch sie einen bestimmten, biologischen Werth
hat, dass somit anch die allmSlige Entwicklnng und
8teigerang des Charakters auf Natnrzttchtung zn-
rttckznftthren ist.
Wenn aber auch NatuizlU-htun^^ derjenige Faktor ist, der die
drei IIaii|iteharaktere und eini;j^e der Nebencharaktere der Zeich-
nung ins Leben rief und zur vollen Ausbildung führte, so Hess sich
doch in der Wiederholung eines lokal entstandenen Charakters
auf den übrigen Segmenten , sowie in der Bildung neuer Elemente
an den Kreuznngsstelleu rudimentär gewordener älterer ein zweiter
Faktor erkennen , der lediglich im Innern des Organismus liegen
mnss, jene Im Innern des KOrpers waltende Gesetzmässigkeit, doreh
welche kein Theil TerSndmrt werden kann , ohne tos» gewisse Wir-
kung auf die andern Theile ansznflben: das innere Bildlingsgesetz
(Gorrelation parwin^s) oder Wachsthnmgesetz.
Nur an einer einzigen Stelle der ganzen I'nter.suchungsreihe
konnte man einen Augenblick schwanken, ob hier nicht doch die
Aeusserung einer phyletischen Lebenskraft zu Tage trete : bei den
rothen Flecken, welche die Schrägstreifen mehrerer Smerinthus-
Raupen begleiten. Genauere Analyse Hess aber grade bei ihnen
die tiefe Kluft, welche zwischen >• analoger Variation » und jener
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Ontugenes« und Morphologie der Spbiagiden-Zeichnung.
137
mystisclien phytetisolieii Lebensknft beiteht, am denfliehtten er-
Eb bldbt somit ftr die Thitigkeit denettME auf dem Gebiete
der Spfaingiden-Zeiehnmig mid -IHrbnng Nlefato xn lliiiii llbiig,
demi selbet von den uiteigeofdneten Zeiebnnngaebankteren liewen
sieh mehrne auf ibieUnaeboi smtekftthien und nur die »Bttcken-
pnnkte« der beiden einbeimlBohen Cbaerocampa-Arten mnssten ohne
bestimmten Beweis anf Conelatioii belogen weiden. Es wird aber
Niemand im Emst daran denken wollen , au dem angenblu^lichen
Unvermögen eine so nnbedentende Einzelheit befriedigend zu er-,
klären auf die Existenz einer so inhaltsschweren Kraft sn sehliessen,
wie sie die phyletische Lebenskraft sein würde.
Der letzte Schlass, zn welchem die Untersnehong gefOhrt hat,
ist demnach dieser: Aenssernngen einer phyletischen
Lebenskraft sind auf dem Gebiete der Sphingiden-
Zeichnnngnnd -Färbung nicht zuerkennen, dieEut-
stehnng und Aasbildung derselben beruht lediglich
auf den bekannten Faktoren der Natnrittohtung und
der Correlation.
U£B£R DM PHYL£TISCU£N PABALL£USMUS
BEI
METAMÜRPHISCHEN ARTEN.
Einleitiing.
Li der Torigen Abhandlung wurde der Versuch gemaeht, eine
ganze Gruppe scheiiibBr »rein morphologischer« Charaktere auf die
bekannten Faktoren der Umwandlung znrttckzufUhren , sie voU>
ittndig aus diesen za erklären und so auf diesem Gebiete eine
innere treibende Umwandlongskraft (phyletische Lebenskraft) an»-
iDschlicHsen.
In dieser zweiten »Studie« habe ich mir die Aufgabe ge-
stellt, durch Vergleichung der Formverhältnisse der zwei Haupt*
Stadien metamorphischer Arten die Frage zu lösen, ob solche
innere treibende Kräfte Überhaupt ezistiren, oder ob
lie ausgeschlossen werden können.
Es schdnt noch Niemand auf den Gedanken gekommen zu sein,
diese Frage an solchen Arten zu prüfen , welche uns in doppelter
Gestalt entgegentreten , als Larve und als Image (Insekten) , oder
allgemeiner ausgedrückt an solchen Arten, deren Individuen succes-
si VC ganz verschicdne Formen besitzen Metamorphose) oder
hei welchen die verschiednen Können , die vorkommen, auf ver-
schicdne Individuen vcrthcilt sind, die miteinander abwcchsehi und
auseinander hervorgehen G e n e r a t i o n s - W e c h s e 1 ] . Und doch
müssen grade hier gänzlich verschicdne Form- Verwandtschaften
er^'artct werden, je nachdem die Entwickhing der organischen
Welt auf einer phyletischen Lebenskraft beruht, oder nur die Ile-
action des Art-Organismus auf Einwirkung der Anssenwelt ist.
Gesetzt das Erste wäre der Fall, so mllsste das stattgefunden
haben und noch stattfinden , was ich » p h y 1 c t i s c h e n 1* n r a 1 1 e -
lismus« nenne, d. h. die beiden Stadien metamorphischer Arten
mtissten sich genau parallel entwickelt haben , jede Abänderung
142
EiDleitung.
des Schmetterlings iiittBSte auch von einer Abänderung der Baape
begleitet oder gefolgt worden sdn nnd die Byitematiscben Gruppen
der Schmetterlinge mHasten rieh in einer Systematik der Baupen
genau in der glridien Weise wieder vorfinden. Wenn die Arten
vermöge einer ihnen innewohnenden Kraft periodisch abSnderten
und zu einer neuen Art sidi umgestalteten, so kttnnte diese Umpri-
gUDg unmöglich nur ein einsehies Entwicklungsstadiam — etwa
nur die Ranpe — treffen, sie wttrde vielmehr gleichzeitig oder sue-
oessive sich auf alle Stadien — Raupe, Puppe nnd Sehmetterling —
erstrecken mttssen, ein jedes Stadium wttrde eine nene Gestalt be-
kommen, ja es durfte sogar erwartet werden, dass jedes Stadium
gleich stark abändere: weni^^stens liesse sich nicht abseben,
warum eine rein innere Kraft der Entwicklung das eine Stadium
stärker beeinflussen sollte, als das andere. Ranpe nnd Schmetter-
ling iweier Arten mttssten gleich weit von einander alwtehen und
ebenso Raupen und Sdimetterlinge zweier Gattungen , zweier Fa-
milien n. s. w.. kurz ein System der Hau])en mUsste sich mit dem
System, welches lediglich auf die Schmetterlinge gegrttadet wUre,
vollstlindig decken , oder was dasselbe ist, d i e F o r m ve rw a n d t -
Schäften der Hanpen mttssten den Formverwandt-
Schäften der Schmetterlinge genau entsprechen.
Grans anders dagegen mUsste sich die Sache gestalten , wenn
eine innere Triebkraft phyletischer Umprftgung nicht bestünde
nnd die Umwandlung der Arten lediglich auf Einwirkungen der
AusBcnwelt beruhte. In diesem Falle mUssten Ungleichheiten in
der phyletischen Entwicklung der verschiednen Lebensstadien er-
wartet werden , denn bei den zeitlicli und räumlich oft stark ab-
weichenden liCbeuRbedingungcn beider Stadien könnte nnd mllSPte
hltufig (las eine Stadium von Einfillssen gctrotreu werden, welche
(las andere nnberUlirt lassen, das eine könnte somit eine Uniprä-
guug erleiden, während das andere unverändert l)liel)e. Dadurch
entstünde ein ungleicher Abstand zwischen den beiden Stadien
zweier Arten, es wUrdeu also z. Ii. die Schmetterlinge . falls diese
der abgeänderte Thcil sind, in weiterer Fonnverwandtschaft stehen,
als die Kaupen . nnd der Ah.stand zwischen ihnen mUsste immer
grJ)S8cr werden, als der zwischen den Kaujien. wenn melirmals
hintereinander die Schmetterlinge von abändernden EintlUsscn ge-
troffen wurden, während die Kaupen unter de usel ben EintlUsaen
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EinUituDg.
143
▼erharrten und «omit Moh nnTertndert blieben. Die beiden
Stadien wflfden in ilirer ph jletiachen Entwieklnng nidit mitein-
ander geben} dieseEntwicldmig würde nicht dnreh paraUeleLinien
anegedrndct werden liOnnen nnd wir nillfliten deahalb erwarten sn
Iniden} dan keineswegs eine TOlüge Congmeni swisehen dem anf
die Banpen nnd dem anf die Sehmetlerliiige gegründeten System
bestehe, dase vielmehr die Banpen hftnflg andere ^stematisdie
Gmppen bilden, als die Sebmetteriinge.
Die An%abe wire demnaeh die, sn nntersnehen, ob bei
solchen Arten, welehe sieh mittelst Metamorphose
entwickeln nnd deren einzelne Stadien nnter sehr
abweichenden Lebensrerhftltnissen existi'ren, ein
Tollstftndiger phyletischer Parallelismns besteht,
oder nicht. Direkt ttsst sich dies nicht entscheiden, da wir
die phyletisehe Entwieklnng nicht vor nnsem Angen abrollen sehen
kttanen, aber indirekt liest es sieh dadurch feststellen, dass wir
die FormTcrwandtsohaf t der beiden Stadien gesondert prUfian
nnd miteinander Teiglmchen, dass wir also Ranpensystem nnd
Schmetterlings-System nebeneinander halten. War die phy-
letische Entwiddong ^e parallele, Tllllig i^eiohmlssige, so müs-
sen noch die EndngebnhMe derselben : die heute vorliegenden For-
men gleich weit FoneinaDdcr ab8tehen4 Banpensystem nnd Schmet-
terliogssystem müssen Bich decken, müssen congraent sein; ver-
lief sie nicht parallel, so müssen sich Ungleichheiten,
Incongruenzen der beiden Systeme herausstellen.
Ich l)in gewiss, dass Systematiker des alten Schlages diese
Zeilen nicht ohne Gransen lesen können. Wird es doch lüs an be-
deutender Fortsebritt in der Systematik angesehen , dass man all-
ndUig aufgehört bat. die Arten blos nach einem oder einigen
wenigen Merkmalen in ein System einzuordnen , dass man nicht
blos das Endstadium der Entwicklung dabei berücksichtigt den
Sehmetterlingi , sondern auch die so abweichend gebildeten Jngend-
stadien (Baape, Puppe) sn Batbe zieht ! Und jetzt soll gar geprüft
werden, ob nicht Ranpen und Schmetterlinge ganz vcrscbicdue
Sj-steme bilden ! War denn nicht bei neuen und in systematischer
Hinsiebt zweifelhaften Schmetterlingsarten stets die erste Frage;
wie ist die Raupe beschaffen und gab diese nicht häufig Licht über
die »Verwandtschaft« des Falters?
144
Eioleituag.
GewiiB I und mit ToUem B«oht worde ihr Ban mit m Bathe
gesogen. Man war lioh aber dabei nieht immer gans Uar, daas es
zwei Arten Ten Yerwandtaofaaft gibt, nnd daas dieae mOglieherweise
nicht immer zasammenfidlen mUasen: Form-Verwandtaehaf t
nnd Blnta-Verwandtaeliaft.
Es iat Uaher immer stillschweigend angenommen worden, dasa
der Verwandtschaftsgrad swiachen den Faltern deraelbe sei , wie
der swiachen den Raopen nnd wenn damit von Blutsrerwandtschaft
geaproehen werden soll, so ist dies natürlich auch immer der Fall,
da Raupe nnd Schmetterling dasselbe Individuum ist Wir haben
nicht bei allen Thiergmppen Mittel an der Hand , um zwiaehen
Form- nnd Blntsverwandaehaft streng zu unterscheiden nnd müssen
lins deshalb häufig begntigen , die blogge Form- Verwandtschaft als
Grundlage des SystemFi gelten zu lassen , obgleich dieses doch ein
Anadruck der Bluts - Verwandtschaft sein sollte. Grade bei metSr
nu trphischen Arten aber branchen und dürfen >yir dabei nicht stehen
bleiben, denn hier liegen uns zweierlei Form- Verwandtaehafiten vor,
die der Larven und die der Imaginea nnd wie icli eben zn zeigen
Teranehte, versteht es sich keineswegs von selbst, daaa beide stets
snaammenfallen . ja en liegen bereits Beispiele genngTor, welche
beweisen, dass ein solches Zuaammenfollen dnrcbana nicht ttberall
vorhanden ist.
Ganz besonders auff&Ilig ist dies bei einer von den Insekten
sehr weit entfernten Thiergruppe , den Hydroniedusen, deren
systematische Gruppen ganz andere ßind, je nachdem man sie anf
die pol yp Ol de, oder auf die m e d u s o i d e Generation gründet.
So entspringt die Qual Ion fiiinilie der Oceaniden von Polypen-
Btöckchen, welche ganz verscbicdcneii Pol ypen-Familicu anp:c-
hören und unter jeder dieser To 1 y |i c n- Familien gibt es Arten,
welche Quallen von einer audern l'aniilie liervorhrinpen.
In iilinlichcr Weise sind bei den E e Ii i n o d e r ni e u die Larven
der Ophiuren riuteus-Form nicht denen der gewöhnlichen
.Seesterne am nächsten formverwandt . sondcni vielmehr den
Larven aus einer ganz andern Ordnung, der der Seeigel!
Ich will nicht bcbau])tcn . dass in diesen beiden Fällen die
Ungleichheit der Form Verwandtschaft, (»der wie ich es bezeichnen
möchte; die Incongruenz des morj) h o 1 ogi scb en Systems
auf ungleich rascher phyletischer Entwicklung der beiden Stadien
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Einleitung.
145
oder Ctonentionen berahen mltase oder daas sie eich dnrdi die An-
nahme einer solelien TOlfig Teretehen lasse « es ist mir sogar wahr-
Bcbeinlicb, dass wenigstens bei den Ophinren noeh ein gaoi anderes
Moment in Betraoht Icommt; dass ^e Formyerwandlsebaft mit
den Larven der Seeigel nicht anf BlntsTerwandtschaft bemht,
sondern anf Convergenz (Oscar Schmidt} , d. h. anf Anpassung
an ShnHebe Lebensbedingnugen, 80?ftl aber gebt ans beiden Fällen
hervor, dass nngleicbe Form Verwandtschaft sweier Stadien vor-
kommt.
Gewiss darf mcfat von vomhereb aus solchem Vorkommen der
Sehlnss gesogen werden, dass eine pbyletiscbe Kraft nicht existire,
vielmehr wäre vorher sn nntersnehen, ob nnd wieweit soldie Un-
gleichhdten anf nngleicbe phyletische Entwieklnng bemgen werden
dürfen nnd wenn dies der Fall ist, ob Abwdchnngen von einer
stricten Oongrnenz des morphologischen Systems nicht
doch vereinbar sind mit der Annahme dner innem Triebkraft der
Umwandlang? Wird doch ein gewisser Einlloss der Anssenwelt
anf den Ablanf des Entwicklnngsprooesses der organischen Welt
andi von den Yertheidigefn einer phyletischen Leboiskraft bereit-
willig zugaben 1 Es mttsste also nachgewiesen werden kjjnnen,
dass derartige Abweicbnngen von völliger Congrnenz vor-
kommen , welche ihrem Wesen oder ihrer Orttsse nach anvereinbar
sind mit der Annahme innerer Triebkittfte nnd es mUsste andrer-
seits der Mach weis versncht werden, dass sowohl die Abwei-
chnng von der Congrnens, als aneb die Congrnens
selbst sich ohne die Annahme einer phyletischen
Lebenskraft verstehen lässt.
Es soll nnn in Folgendem versncht werden , diese Fragen an
der Gruppe der Schmetterlinge unter gelegentlicher Zuzie-
hung sweier andrer Insekten-Ordnungen zar Entscheidung zu brin-
gen. Weder Eohinodermen, noch Hydromedusen wären
hente schon zu einer solchen kritischen Pilifuog zu verwenden ;
die Zabi der Arten , deren Entwicklung sicher hegrUudet danteht
ist noch allzu gering nn<l die biologischen Verhältnisse sind noch
sehr unbekannt. In beiderlei HinHicht werden sie von den Schmet-
terlingen bei Weitem Ubertruffen. Hier kennen wir eine grosse An-
zahl von Arten in ihren beiden Haupt-Entwicklnngsstadien und
mehr oder minder genau auch die Bedingungen, unter welchen ein
W*Ub«bb, 8t*4laB. IL 10
146 Einleitnng.
jedes der beiden Stadien lebt, and wir kOnnen deshalb in einem
gewissen Betrag wenigstens ermessen , welehe Verlndemngen der
Lebensbedingungen Abänderungen des Baues hervorrufen müssen.
Weder in der Zahl bekannter L<arvenarten, noeh in der gehauen
Konntniss ihrer Lebensweise konnte irgend eine der ttbiigen
Insekten-Ordnungen gegen die der Sehmetferlinge aufkommen.
Wo wäre die Dipteren- oder Hymenopteren-Gattung,
von welcher sehn und mehr Arten in ihren Larven so genau be-
kannt wären, dass man sie su morphologischen Veigleichen be-
nutzen konnte? Oder wer wollte .don Untersdhied in der Lebens-
weise der Larven swanxig verschiedener Arten von Culex oder von
Tipula angeben? Dagegen leben die Baupen näehstverwandter
Schmetterlings-Arten häufig auf verschiednen Pflansen, wodurch
allein schon eine gewisse Verschiedenheit der Lebensbedingungen
gesetst wird.
Die erste und vomehmlichste Frage, weiche die Untersuchung
XU beantworten hätte, wäre die: Besteht bei den Schmetter-
lingen ein voUsändiger phyletiseher Parallelismus
oder nicht, oder genauer : kOnnen wir ans den heule bestehen-
den Formvervwidtscbaften swischen Baupen einerseits nnd Schmet-
terlingen andrerseits anf eine genau parallel laufende phyktieehe
Entwicklung beider Art-Stadien KurndLschliessen oder bestehen In-
congrucnzen der Formverwandtschaft, welche auf un^eichen phy-
letiRcben Entwicklungsgang hinweisen?
Ehe ich iudcHscn an die Beantwortung dieser Frage herantrete,
ist CR iincrlilsslich , einen Punkt klar in legen , der bi»hcr unherllhrt
blieb , der aber entschieden sein muss , ehe diese Frage Uberhanpl
emstlich gestellt werden kann. Ehe gefragt werden darf, ob
Hanpe nnd Schmetterling sich genau parallel entwickelt haben oder
nicht . mnsB bekannt sein , ob eine unglcicheEntwicklnng
Überhaupt mr»glicb ist, ob nicht etwa eine m genaue Bezie-
hung Kwischeu dem Bau beider Stadien besteht , diiss jede VerUnde-
rnng des einen auch eine V'criinderung des andern nach sich
zieht. Wäre dies der Fall, liedingte jede Veränderung de«
Schmetterlings eine corr e l a t i v c Abänderung der Kaupe und um-
gekehrt, so wurde eine Ungleichhoit der Formverwandtschnft 7Avi-
sehcn Baupen i^erseits nnd Schmetterlingen andrerseits nicht
denkbar sein , Baupen-System und Scbmetterlings-iSystem mttssten
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Binleitnng.
147
sich vollständig decken und man wUrde einen groben FehlschluBs
tliini. wollte man aus der parallelen pliyletischen Entwicklung hei-
der Stadien auf die Existenz einer iuncrn phylctisclien Kraft
scliiessen , während es doch nur die bekannte Correlation wäre,
welche die (Gleichheit der Entwickhingsbahn vorschreibt.
Es muss dcshülb vor Allem zuerst festgestellt werden, dass
Hatipe nnd Schmetterling sicli in ihrer Form nicht gegenseitig
bestininicn, und der ganze erste Ahsehnitt muss deshalb dem Be-
weise gewidmet sein . il a s s h e i d e S t a dien s i c h u n a b h ä n g i g
von e i n a M d e r V e r a n (1 e r n . Es werden sich dabei KUckschlüsse
auf die verändernden Ursachen ergeben , die der späteren Unter-
SQchung Uber Vorhandensein oder Abwesenheit einer vollständigen
Congruenz des beiderseitigen morphologischen Systems noch von
einer andern Seite her zu UUlfe kommen werden. Die beiden Fra-
gen, deren Beantwortung naclicinander versucht werden 8(dl,
sind keineswegs identisch, wenn sie sich auch nahe berühren, denn
€8 wäre ja ganz wohl denkbar, dass die erste dahin beantwortet
wurde, dass keine oder nur eine Äusserst geringe form-
bestinunende Correlation zwiscben Raupe nnd Sdimstterling be*
sfilade , ohne dass damit nun sehen enfsebieden wiie, ob die phy-
letisebe Entwicklung beider Stadien eine gleiebmftssige ge-
wesen ist, oder nicht. Eine TOUige Congruenz der morphologischen
Yerwandlachaft könnte demnngeaehtet stattfinden, soliald die
Transmutationen nicht von Snssem Anregungen , sondern von einer
iunem Triebkraft ausgingen. Es muss also auf die Frage : be-
steht eine formbestimmende Correlation xwisehen
beiden Stadien noch die andere folgen: decken sieh die
Formverwandtsebaften beider Stadien, oder deeken
sie sich nicht, ist ihre pbyletisebeEntwicklnngeine
gletcbmässige gewesen, oder nicht?
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I. Raupe und Sobmetterling^ verftndern fliren Ban
unabhängig von einander.
Eine Tollstftndige Unabhängigkeit beider Stadien von ein-
ander SU bebauptcn, wHre sinnlos. Es Teniteht sich ron selbst, dass
eine gewisse Abbftngigkeit bestehen mnss, die Hasse lebendigen
Gewebes y oiganiseben Stoffes, welche sieh in der Raupe anhänft,
bedingt die Grttsse des Schmetterlings, und die Menge oiganiseben
Stoffes, welchen das Ei des Schmetterlings birgt, bestimmt die
Grosse des aosschlttpfenden Büiipchens. Die in der Uebersehrifl
ausgesprochene Behauptung bezieht sich nur anfden Bau, sie
will aber auch für diesen nicht eine absolute Unabhängigkeit io
Anspruch nehmen , sondern nur eine relatiTe , allerdings aber
sehr hochgradige. Wenn es auch denkbar Ist, dass irgend
welche Abänderung im Bau des Schmetterlings eine correlatire
Abänderung im Bau der Raupe nach sidi ziehe, so lassen
sich doch solche Fälle bis jetzt nirgends nachweisen, yielmebr
spricht Alles itlr eine beinahe vollständige Unabhängig-
keit der beiden Stadien voneinander. Ganz etwas An-
deres sind die indirekten Znsammenhänge, welche z. B. durch
irgend einen Grad von Brutpflege zu Stande kommen. Sie fehlen
bei Schmetterlingen fast vollständig, finden sich aber bei Dipteren
und besonders bei Hymenopteren in jedem Grade. Schlupfwespen-
Larven, welche im Innern anderer Insekten leben, bedingen (nicht
immer, aber doch meistens) den Besitz eines Legestachels bei der
weiblichen Imago, so dass also hier der Bau und die Lebensweise
der Larve indirekt den Bau des vollendeten Insektes beeinflnsst.
Dies beruht aber nicht auf innern Bildungsgesetzen (Corre-
lation), sondern anf der Wirkung äusserer Momente, denen
sich der Organismus dureh Naturzttchtung anzupassen sucht.
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Ueberden phyletiwhen PtnIMitmus bei metamurtibischen Arten. 149
leh ItfM die ThatMcfaen spreehen.
Dam nicht jede Ablndernng des einen Stadinmi eine solehe
des andern naeh sieii zieht, gebt schon ans jenen Arten hervor,
bei welchen nur das eine Stadinm dimorph oder polymorph ist
So finden wir liei allen saiaon-dimorphen Arten die
Baopen der in Zeiehnong nnd FKrbnng oft weit differiienden
Sehmetteriings- Generationen ToUkommen gleich. Umgekehrt
lassen sieh lahlreiche Fälle anfahren, bei welchen die Ranpen
dimorph sind, wiUirend die Schmetterlinge nnr in einer FormTor-
kommen (vergleiche die Abhandlung I dieses Heftes).
Es gibt aber anch ThatsaehcD , welche direkt aseigen, dass ein
jedes Stadium selbstständig abändern kann, ohne da-
dorch das andere in Mitleidenschaft zu ziehen, ich meine die That-
saehe, dass ein jedes Stadium selbstständig variabel
werden kann, dass die £igenscbafl grosser Variabilität oder
grossw Constanz keineswegs stets allen drei Stadien, Raupe,
Puppe und Sehmetterling in gleicher Weise zukommt, sondern dass
bald die Raupe sehr variabel , der Schmetterling und die Puppe
sehr constant ist, bald umgekehrt, bald auch alle drei Stadien
gleich variabel oder gleich oonstant, wenn aooh dieser letstere Fall
nur KolttMi eintrifft.
Wenn aber Variahilitüt soviel bedcatet, als die Periode der
Neugestaltung einer Lebeform sei es in ihrer Totalität oder nur
in einzelnen Charakteren oder Gharakteren-Gruppen , so gehf aus
der einfachen Thatsache der heteroehronisehen Variabili-
tät der ontogenetischen Stadien hervor, dass diesel-
ben einzeln umgeprägt werden können nnd dass die
Umprägnng eines Stadiums keineswegs die der
andern naeh sich zieht. Dass aber Variabilität in allen Fäl-
len, mag sie aus irgend welcher Ursache eingetreten sein . die Hc-
dentung hat. nach einer neuen Form UberzuU iten. wer mikihte das
bezweifeln f Mubs doch schon allein durch die tortj^^esetzte Kreu-
zung variabler ludividuen zuletzt eine Ausgleichung der Unter-
schiede und damit wohl immer eine neue, wenn anch nicht immer
sehr weit abweichende Coustanz-Fonn eintreten !
Dass nun wirklich die einzelnen Entwicklungsstadien einer
Art theils variabel, thcils constant sein können , dass der variable
oder constante Charakter des einen Stadiums ohne allen Einfluss
150 Ueb«r den phyletiadien Pinlleli«min M BietMBOtpliMcben Arten.
auf den des andeni Stadiams bleibt , das mOgen die folfendoo Ao-
gaben beMugen , welche zugleich auch sehr geeignet sind, Anden-
tungen Uber die Ursachen (Ick Eintritts von Variabitittt nnd da-
mit also einen Beitrag zur Entscheidung der Hanpi-Frage la liefeni,
un welche sich diese riitcrsochungen drehen.
Wenn ich in Folgendem ron Variabilität spreche, so denke
ich dabei nicht an das Vorkommen von Lokal- oder Zeit- Varietä-
ten, sondern ich meine damit einen hohen Grad der individuel-
len Variabilität, ein bedeutendes Schwanken der (.'haraktere
hei den liulividnen ein und derselben Oer tliehkeit, ja oft
schon ei n u nd dcrHclbeu Hrut. Constaut nenne ich dagegen
eine Art. bei welcher die Individuen eines kleineren oder anch
eines grossen Gebietes nur sehr unbedeutend von einander ab-
weiehen Gewöhulieh, aber doch nicht immer Bind constante For-
men zugleich solche, welche arm, variable Formen solehe, welche
reich an Lokal Varietäten sind. Da die HegrifVe . variabel" und
»constaut . ininierliin sehr relative sind, so halte ieh niieli an mög-
lichst extreme Fälle, in welelicn also die individuellen Eigenheiten
innerhalb sehr weiter, oder nur innerhalb sehr enger Grenzen
schwanken.
Da Uber <len Grad von Variabilität, den eine Art in den
verschiednen .Stadien ihrer Entwicklnog aufweist, keinerlei Be-
obaehtun^ru vorliegen, so war ieh ganz auf eigene Heobaehtungen
angewiesen, wenigstens was das Haupen- und Puppenstadium be-
trifift, während mir für das Iniap»-Stadium die ungemein reichen
Erfahrungen meines verehrten Freundes Herrn Dr. Standiuger,
eine wesentliche Stütze waren.
Fassen wir zuerst nur die drei Haupt formen ins Auge,
nnter welchen jedes Sehmetterlings-Individnum uns entgegentritt,
nMniUdl Raupe, Puppe und Imago. so tinden wir, in Bezug aul die
Constans oder Variabilität dieser drei Formen alle Comhinatiouen
thalBÜchlich in der Natnr vorhanden, welche sich theoretisch aus-
denken iaieen.
1) Es gibt Arten, welche in allen drei Stadien einen
hohen Grad Ton Gonatani betitsen. So i. B. Sphinx
Ligustri, Limenitis Oamilla, Callimorpha Jaeobaea,
Pieris Brasaieae.
2) Es gibt Arten, die in allen drei Stadien einen
L.yi.,^uu Ly Google
üeber den phylcliMiheB PamlleUiaitts bei mefaunorphiwliea Arten. 151
hohen Grad von Variabilität besilien. Dooli nram die-
ser Fall gelten sein, da ich nur Vanessa Prorsa-Levaiia dar
f9i anfuhren kann. Der Gnud liegt darin, dass das Pappen-
sladinm Überhaupt nur selten variabel ist.
3j Es gibt Arten, welche in zwei »Stadien variabel, in
dem dritten constant sind. Dahin gehört z. B. Snierin-
thu8 Tiliae, bei welchem Itaupc und Scbmctterliii}; sehr variabel
sind , die Puppe ulicr völlig constant uud ganz ebenso verhält es
sich bei (J astropaciia Pini. dem berUcbtiirt» u Kieterns[)inner.
In anderer Coiiibiuatiun zeigen dasselbe Verhalten manche Ta^^-
falter, wie z B. VaneHsa U rticae und Pol v <• h 1 n l o h , bei wel-
chen Raupe und Puppe sehr variabel, der Sc liinctt^ riing al)er sehr
constant ist; in gerinf;erem Grade ist daHselbo auch bei Vanessa
Atalanta der Fall, wahrend bei Pierin Napi Pu|)pe und
Schmetterling variabel, die Raupe aber von einer merkwürdigen
Constanz ist und pinz ebenso verhält es sieb bei der meiner Theorie
nach als Slamnitorm von Naj)i aulzufasscnden Lokalforui var.
Bryoniae vergleiche das erste lieft dieser »Studien«'.
4i Es gibt Arten, welche in zwei Stadien constant,
und nur in dem dritten variabel sind.
So finden sieb einige wenige Arten, bei welchen Raupe
nntl i*upjie constant. die Imago aber variabel ist. So
bei Saturnia Yamamai, dessen Schmetterling bekanntlich in
unzähligen Farben-Abstufungen von hellgelb bis zu grauschwan
Inn Tariirt, während die grüne Raupe nur sehr geringe individnelle
Verschiedeubeiten der Zeichnung, gar keine der Färbung aufweist,
and die Pappe vOlUg constant ist. Ebenso verhält es akli bei En-
prepiaCaja, Plantae;iniS| Hebe.
Sebr groBB ist die Aiuahl der Aile&t wdebe iwar eonetante
Sehmetterlinge and Pappen, aber sebr variable Ran-
pen beaitien. loh laaie die mir bekannten Fälle hier folgen:
MacrogloBsa Stellatarnm, Fneiformis nnd Bombyli-
formis; Cbaeroeampa Elpenor, Gelerio, Nerii, Dei-
lepbila Galii, Livorniea Hbn , üippophaes, Vesper-
tilio, Zygophylli; Sphinx Convolvnli, Acherontia
Atropos; Smerintbas Tiliae, Oeellata; Callimorpha
Hera; Oaenllia Verbasei nad Seropbnlariae.
Sebr selten sind die Fälle, in denen die YariabiUtät sieb
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152 Ueberden phyletiiehen Furanelimiu b«i mstaiiiorphiMhan Arten.
lediglich auf das Puppenstadium bezieht, währeod Raape
nnd Image in hohem Grade eonstaat liod. So verhält C8 sich beim
Tag-Ffanenange, Vanessa lo, dessen Puppen heller oder dunkler
braun, oder auch hell gelbgrlln sind, während in den beiden amlem
Stadien kaum irgend welche leichte Ntlanccn der Färbung oder
Abänderungen der sehr complicirten Zeioliminj,' iiacliwcishar sind.
So rechtfertigen also die Thatsiulicn die oben vertretene An-
sieht, dass die einzelnen Knt w iekl ungs st adieu sieh
selbstständig verändern, dass die in einem Stadium einge-
tretene Abänderung o h n e E i n f 1 u s s 1) 1 c II) t auf die v o r h e r -
gehenden nnd nachfcilf^endcn Stadien. Wäre dem nicht
so, 80 kiinntc unmöglich irgend ein Stadiuni variabel werden, ohne
dass nicht /ugleich aueh alle andern Stadien variabel würden. Be-
stände eine Correlation zwischen liaupe, Puppe und Sehmcttcrling
derart, dass jede Aendcrung der Raupe eine entsprechende Aen-
derung des Sehmettcrlings nach sich zi)ge , S(» würde auch - so-
bald eine grössere Anzahl von Charakteren der Raupe ins Sehwan-
ken gcriethc, d. h. sobald die Kaupe variabel würde — noth wendig
auch eine grössere Anzahl von Charakteren des Sehmettcrlings
schwankend werden, d. h. er mUsste ebenfalls variabel werden.
Eine einzige andere Auslegung könnte etwa vom Standpunkte
der alten Speeies-Lehre versucht werden. Man könnte sagen , es
sei eben die EigenthUmlichkeit gewisser Raupen- oder Sehmetter-
Hngszeichnungen , variabel , die andrer aber constant zu sein und
da Zeichnung der Raupe und des Sehmetterlings bei einer Art
meist ganz verschieden sei , so könne es sieh leicht treffen , da^s
ebem Schmetterling von constanter Zeichnungsart eine Raupe zu-
gehttre, irelohe variable Zeiehnnngaart beaide.
EinKoraWabrbdt läge einem solehenBinwoTfanch in Grande,
denn es ist riehtig, dass die versohiedenen Zeiehnnogsfonuenf
welche bei Sehmetterlingen Toikommen, einen siemHeh verschiede-
nen Grad von Oonstans erlangen.
Wenn man deshalb von Conslaas and Variabilittt einer Art
spricht, meint man etwas Anderes, wenn es sich nm eine Sphinx-
Art, als wenn es sieh nm eine En prepia-Art handelt. Was beider
Letiteren schon ftlr einen hohen Grad von Oonstans gilt, wftre bd
der Enteren noch immer em siemUeber Grad von Variabilitli. Ea
ist in Besng anf die Frage von den Ursaehen der Ckmstans von In-
L.iyi.i^uu Ly Google
Usbcr den phyletilclien ParaUelismus bei metamorphUchen Arten. 1 53
tereue, dass die F&higkeit einer Zdehirangsform, eioen holien
Ond YOD CoMtMissa erlangen, keineswegs im umgekehr-
ten VerhiitnisB zur Complication dieser Zeiclinung
steht, wie man doch a priori erwarten sollte.
ISo besitzen die Arten der Gattung Sphinx and Verwandte auf
ihren meist anscbeinbar graa, weiss und scliwarz raelirten Vorder-
flttgeln ein äusserst complicirtes Gewirr von Linien , die aber bei
den eonstanten Arten einen hohen Gra l vunConstanz zeigen , wäh-
rend die weit [)Iümper gezeichneten bunten VorderflUgel unserer
sogen. > Härensclimetterlinge« (Aretiidae) auch bei den constan-
testen Arten immer noch ganz wohl merlüiclie individuelle Unter-
schiede aafweisen. E» muss also bei den verseliiedenen Zeichnangs»
gmpi>en mit verschiedncin Masse gemessen werden.
DicK zugegeben, ist aber entschieden zu bestreiten, dass
Coustauz und Variabilität inhUrente Eigenschaften
gewisser Zeichnnngsforui cn sind.
Es geht dies einfach danuiH liorvor, dass innerhalb eines lie-
stimniten Zeichnungstypus sowohl Arten von ^'rosser Coustauz, als
solche von /relativ) grosser Variabilität stehen.
So zei^'en uns die Vorderflllgel von Sphinx Li gas tri und
Convolvnli die äusserste Constan/ , während der ganz- älnilieh
gezeichnete Sphinx .\nceryx Pinastri recht variabel ist. So
ist Deilephila Euphorbiae, der Wolfsniilchschwäinicr be-
kannt wegen seiner irrossen Variabilität in Färbung, wie in Zeich-
nung, während die /.um Verweehseln ähnliche i)eil. Galii einen
sehr hohen (irad V(»n Constanz besit/.t und wiederum «lic den Inseln
Corsica-Sardinien eigene Deil. Dali Iii silir variabel ist. Aus
der Familie der Arctiiden ist Ca 1 1 i ni (» r p Ii a Hera ein Hei-
spiel fllr Constanz, ebenso die alpine Aretia Flavia, während die
der letzteren so älinliehe Aretia Ca ja Uberaus variabel ist. so <lass
man kaum zwei völlig gleiche iiulisiduen zusammensuehen kann.
Dasselbe lässt sich von liaupenzeichnungcn nachweisen. So
zeigt <lie iiaupe von Deilephila Dahlii eine sehr bedeutende
Variabilität, während die von 1). Galii in der Zeichnung ab-
gesehen von der Grundfarbe sehr constant ist. So ist die Raupe
▼on Vanessa Urticae sehr variabel, die von V. Antiopa sehr
constant u. s. w.
Die grossen Unterschiede in Betreff der Constanz oder Variap-
\ 54 Ueb«r d«n phyletiaehen PftnlleHmiiu b«i metanorphtteben Arten.
büitftt, welche die verschicduen Stadien ein und derselben Art aof-
wciKcn, milHRcn demnacli ihren (irund anderswo haben, ata in den
Typus der Zeichnnng selbst. Er muss darin li^jen, dast
die einzelnen 8tadien sich unabhän^i^ von einander
▼erSndcrn, zu ganx verschieduer Zeit in eine nene
Variabilitäts-Periode eintreten können.
Wir werden hier sehen im Voraus auf die Haupt- und Grund-
tVat;c pefUbrt : kommt der Anstoss zur Vcrändcrunp; von aussen oder
von innen, ist es die physische Natur des Or^^inisnins , wck-bc viel-
leicht njich Altlauf gewisser Zeiträume, spoiilau zur Neugestaltung
treibt. (t(k'i- entstehen Neuj;cstaltuuireu nur dann . wenn sie direkt
oder indirekt durch die äussern Lcbcusverhältuisse henrorgerufcn
werden.
In dem vorliegenden Falle deuten die Tliatsachen un-
7. w e i f c 1 h a f t a u f eine v ö 1 1 i g e Abhängigkeit der U m -
gübta 1 1 uu ge n von äussern liCbensbediugu ugen.
Das selbslständige Aiitdcten von \'arial»iiität in den einzelnen
Stadien der Metamorphose k<iinite zwar wohl auch tlir nur schein-
bar gehalten werden. Man könnte versuchen . die lfmgestaltuug
aus rein inncrem Anstuss, aus einer pliylcti.schen Lebenskraft trotz-
dem atitVctlit zu erhallen, indem man auuälime . d i es e 1 b c wi r k e
pe r i (» d i s c Ii . so zwar, dass zuerst das eine, dann das
fol gen de S ta d i u ui variabel werde, bis schl iesbl ic h die
ganze Art umgewandelt sei.
Es Hess sich dagegen wenig einwenden, denn, sobald man
Uberhaupt einmal zu gänzlich unbekannten Kräften seine Zuilneht
nimmt, lässt sich auch ihr Wirkuugsniudus nach WillkUr ausden-
ken, stetig oder periodisch.
Allein gesetzt, eine solche Umwandlungskraft existirte nnd
wirke periodiseh, so mUsste die VariahiUtltl dock immer in be*
stimmter Riehtnng Qbar die verschiedenen Stadial weggleüenf
etwa wie eine Welle ttlier die WasserflSche, es mttssten Sehmetter-
ling, Poppe nnd Banpe oder Banpo, Puppe nnd Schmetterling
snccessiv variabel werden. Fälle, wie der von Vanessa
Prorsa, in welchem alle drei Stadien variabel sind, Hessen sieh
allenialls noch erklären , allein jene andern, in welchen Banpe nnd
Imago llnsserst variabel , die Poppe aber vOllig constaot ist, spotten
einer jeden Erklftrong von diesem Standpunkt ans.
\Mtn den pbyletischen ParaUeluraut b«i in«Uunorphi«chen Arten. 1 55
Sie erkl&ren sich aber sehr einfoob, wenn wir die Abftnde-
rangen von inwem Einwirkungen abhängig denken. Und zwar
verstehen wir von diesem Gesicktspnnkte aus nicht nur, wie ea
nir)glieh iHt , dans ein mittleres Stadium von der Umwandlung nn-
heheiiigt bleibt , in welcher die beiden andern begriffen aind^ aon-
dem wir verstehen auch, warum gerade das Puppensta-
dium so häufig diese Ii olle spielt.
Stellen wir die Frage , warum sind die meinten Puppen con»
Btaut und nur verhältnissmässig sehr wenige variabel, so liegt die
Antwort in der Thatsache , dass alle Puppen , welche in der Erde
oder im Innern von Pflanzen iScsien) verborgen ruhen , oder durch
dichte Gespinnstc geschützt sind , völlige Constanz zeigen , sowie
dass Variabilität in ir/jceiid höherem He trag nur bei
solchen Puppen vorkommt, welche frei licfren oder
frei aufgehängt sind. Dies steht in genanciii ZuHannmMihaug
mit der Thatsaclie . auf die ich bei einer früheren (Iclegcnlicit*)
aufmerkKam gemacht habe, dass niimlich 1) i in o r ph i sm uk bei
einigen Puppen vorkommt, al)er nur bei ko leben, welche
frei liegen, also den Bücken ihrer Feinde ausgesetzt sind. Mir
sind solche Fälle nur von Tagfalterpuppen bekannt, und auch Varia-
bilität in iri^end höherem Betrjij;e habe ich nur unter ihnen gefunden.
iJeutcn schon diese Thatsaehen darauf hin , dass die Natur
nicht nutzlos mit Formen spielt , sondern dass Abän d e r u ngen
auf diesem fiebiete wenigstens nur auf einen äussern
Anstoss hin erf(tlgen, so siiricht die irrosse Häufigkeit der
Variabilität bei Kaupcn, ihre relative Seltenheit bei den ima-
gines ohne Zweifel fllr dieselbe Anschauung.
Ks wurde oben angeführt, dass die .\rtcn mit variabler Raupe
und constanter Imago äusserst häutig seien , die aber mit constan-
ter Raupe und variabler Imago sehr selten.
Darin liegt einmal die Bestätigung des olien schon gezogenen
Schlusses , dass die Variabilität der Imago ihre Ursache nicht in
der Variabilität der Raupe haben kann und zweitens , dass die Ur-
saehen, welche V»ri»bilität hervorrufen, häufiger
den Ranpen- alt den Imago-Zustand treffen.
*) Uebcr d«a Eiotius« der l^olining auf die Artbildung Lvipicig 1^12.
8«ite 20.
1 56 Ueber den phyletiiehen FmUelismus bei metmoiphiaclieii Arien.
Wo köoDten »b«r diese Ursachen anders gesucht werden, als
in den äussern Lehensbedingimipeii, die fUr beide Stadien so nng:e-
mein verecbieden , ftlr die Kanpen aber ungleich wechselnder sind,
als für die Imaginen /
Man nclnnc die Arten einer Gattung, z. B. der Sphingidcn-
Gattuiig Deilcphila Die Imagincs unsrer europäischen Arten
leben alle — fiowcit wir es wissen — genau auf die nämliche Weise,
alle Hiegen in der Diiiiinieruug * . saugen ihre Nahrun?: mit Vorliebe
aus (1 e II K c l bc II Ulunicii und besuchen sehr häufig dieselben
Orte. SU (lass iii.iii auf dem Flugplatze einer dieser Arten fast im-
mer noch eine oder die andere derselben antritTt. falls dieselbe in
der betrelfcnden Gegend überhaupt vorkonmit. Ebenso sind die
Verstecke , w eiche sie bei Tag aufsuchen , die gleichen und die
Feinde sind die i:k'i( hüii . von denen sie verfolgt weiden.
Gau/, anders bei den Kaupen. Hier leben aucb die näehst-
verwandteit Arten unter ziemlieh verschiedenen Lebcusl>edingungeu,
wie selion allein daraus hervorgeht, dass sie auf eine andere
NahrungKjtflanze angewiesen sind. Dies kann aber sowohl
direkt Abänderungen hervorrufen . als indirekt. Die Kaupe kann
sympathische Färbungen und nacliabmende Zeichnungen annehmen
und diese müssen je nach Farbe und Bau der NahrungspHanze an-
dere sein, sie kann aber auch auffallende Färbungen, als ••Widrig-
keitszeichen > , an/unehmcn streben, falls sie nändieli fUr die
wesentlichsten Haupenleinde ungeniessbar ist, und dann wird wie-
derum der Grund uud Boden, auf dem sie lebt, hestinimeud auf
die zu wühlende sit venia verbo'. i Contrastfarbe etc. wirken. Aber
aoch gewisse Lebensgewohnheiten der Ranpe werden Ton der Nah-
rangspfianze abhUngig sein. Wenn z. B. Deilephila Hippo-
phaes nor bei Nacht frisst, bei Tage aber am Fasse ihres Nah-
mngsbnsches sieli nnter Hoos ond Bttttem mbirgt, so würde
Deil. En phorbia« eine solche €lewohnbeit nicht annehmen klin-
nen, weil Enphor. Cyparissias auf troeknem, pflansenarmem
Boden wächst, der kein Versteck bietet nnd wdl eine Baupe , so
lange sie ttberliaupt noch frisst, sieh nie weit von ihrer Nahnmgs-
pflanie entfeinen kann nnd thatsXehfich aneh nie weit von ilv ent>
*) Deilephila Liuuala ist auch achun in einzelnen Fällen bei Tage an
Blumen eehwinnend getdien worden.
Leber den phyletitchen ParallelUmuB bei mctamorphischen Arten. |57
fernt. Auch ein Verateeken dnreli Einwühlen in den Boden, wie
es s. B. bei Aeherontia Atropoe vorkommt, könnte von Deil.
Enpliorbiae nieht ansgefthrft werden, da die Nahnrngepflamse
— in der B^l wenigstens — anf troeknem, steinigen nnd lurten
Boden wSeiist.
Nehmen wir nnn noch Innzn, dass aneh die Feinde der
Raupe andere sein werden , je naehdem dieselbe anf einer Pflanze
lebt, welehe als Niederholz Flassnfer begleitet nnd dort oft ein
förmliches Diekieht anf weite Strecken hin bildet (Hippophae] oder
sieh als Krant frei nnd sehntdos Uber dem ganz fehlenden oder
gans niedem nnd spSrUohen Graswnchs trockner AbhKnge nnd
Hügel erhebt, je nschdem sie in Znsammenhang mit solchen Lokal-
versehiedenheiten die Gewohnheit angenommen hat, nur bei Nacht
za fressen oder anch bei Tage , so werden wir eingestehen mttssen,
dass in der That die AnstSsse zn neuen AapasBungen, Verbesse-
rungen, also allgemein ausgedruckt Anstössezn Abände-
rungen, sowdt sie von der AuHseiiwelt herkommen , ungleich
hänfiger eintreten mttsBen beiBanpenals bei Schmet-
terlingen, (liiss also auch Abänderungen nnd jener Zustand von
Variabilität, welchen wir als Einleitung einer Abänderung betrach-
ten dttrfen, häufiger bei Uaupen sich finden muss, als bei Schmet^
terlingen.
Da nun die Thatsachen mit dem Ergebuiss dieser apriorischen
Erwägung vollkommen Übereinstimmen , so darf also weiter zorHck-
geschlossen werden , so muss auch die Grnndlage dieser Erwägung
als richtig gelten, die Voraussetzung nämlich, dass Abände-
rungen in F il r b u II und Z e i c Ii n ii n g bei K a u p e n , Pup-
pen und Scbmetterlingeu nur aufAustoss von aussen
erfolge n.
Dies (lail al»er nicht so verstamlen werden, als ob auch die
ei nze 1 ne n S t u fe n d e r Iva ii pene n t w i ck 1 u ng nur auf änsscrn
Anstoss hin abändern kiiiiuten. Die K.uipenstadien stehen mit-
einander in Correlatioii , wie oben Abhandlung I. nachgewiesen
wurde, die neuen Charaktere entstehen im le/ten Stadium, bei der
erwachsenen Raupe, rücken dann aber später langsam auch auf
die jüngeren .Stadien zurlick und zwar in hohem (Jrade unab-
hängig von äusseren Einflüssen, lediglich nach den Ge-
setzen der Correlatiou. NaturxUclitung Übt dabei nur einen sekuu-
158 Ueber den phyletischeu l^aralleliHmus bei meuinorphiwhen Arten.
dttren Binfliun ans, ündeai sie die Uebertragnngaaf die jungem
StadieD befördern oder aber hindern kann, je naebdem die be-
treffenden nenen Cbaraktere fttr die jüngeren Stadien nttladieb oder
Hebidlich sind.
Wie nun be! der ersten Erwerbung eines nenen Charakters sich
bedeutende individuelle Unterschiede zeigen in Bezug auf die
Sehneltigkcit und Vollständigkeit, womit sich die Einzelnen die
Erwerbung aneignen, ähnlich wird es sich auch bei der Ueber-
tragung einer im letzten Stadium errungenen Verbesserung aaf das
KunScbst jüngere Ktadinm verhalten. Der neue Charakter wird
von versohißdnen Individuen in yerscbiedneai Grade
und verschieden schnell nngenommen werden , er wird ge-
wiRf^cmiassen einen Kampf mit den alten Charakteren des iStadiuuia
zu bestehen haben, knrz das jüngere ätadinm wird varia-
bel werden.
Man könnte sehr wohl diese Art der Vanabilitüt als sekun-
däre V;i riabilitiit der priniürcn ^cjrciilllierslellen ; diese
(die primäre ; beruht auf ungleicher Ueacti»>n der iiulividnellen Ur-
gnnisnien auf iiusscni Reiz, jene die sekuiidihr auf nngleicb
rucher und starker Actiuu der im iuucru des Orgauisuius waltenden
liildungsgcsetze.
Das Uussere Hild der Variabilität wird in l>oiden Fällen das
gleiche Kein, aber die l'rsaehe. die es hervorruft, ist eine andere.
S.> wild auch hier bei den ein/ebien Sfadicn der liaupeuent-
wieklung hätifijr der Anschein entstehen, als köniifen an«'h sie selbst-
stän<lig abändern, wie das Staditini der Pu|)pe (»der des Schmetter-
lings, da auch sie cin/ebi das Hild der Variabilität darbieten kön-
nen . wIShrend die aii<k in Kntw iekhui^sstufen eonstant l)icil)en. In
Wahrheit aber bcndit dies auf Täuschung, denn hier ist es in der
Ihat ^ewissennasseu eine Variabi Ii täts-Wel le , welche über
die verschiedenen Entwicklungsstufen von oben nach unten lang-
sam hingleitet, nach unten zu immer sehwileher werdend bis zum
Tülligen Verschwinden.
Wür finden demenfspiediend sehr bftufig nur das letzte
Stadinm oder die beiden lotsten variabel, die jün-
geren aber eonstant.
So sbdd bei Maeroglossa tiftellatarnm die Banpen im
ersten, sweiten und dritten Stadinm eonstant, im vierten werden
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Ueber den phyletUchen Panülelismua bei inetainor|)hischeu Arten. 1 59
■ie Tsriibel, aber erat im AtnOtMi nehmen ne jenen hohen Ckad von
Variabilitil an, oben im NSberen besebrieben wurde (siehe
Taf. I, F{g. 3—12).
So 8!nd«adi die Raupen von Vanessa Cardni naeb meinen
Aufiseicbnungen trotz complicirter Zeichnung änsserst constant in
den vier ersten Stadien , im fünften aber werden sie variabel, wenn
nnch nicht in hohem Grade. Auch bei Smcrinthiis Tili:io,
OceUata nnd Popnii gehUrt die hochgradige Variabilität iler
Raupen nnr den letzten Stadien an , die vorhergehenden sind sehr
constant. Dies liegt keineswegs etwa daran, dass bei den jungen
Raupen die Zeichnung meist einfacher, alno auch weniger variatioDS-
fiUiig ist. Es kommt auch das Umgekehrte vor. Etwa so wie beim
Tapir nnd Wildschwein die Jungen längsstreifig sind, während die
reifen Thiere nur eine einfache Farbe aufweisen , so besitzen die
jungen Ränpchen von Saturnia Yamamai schwarze LUn^-
streifeii auf j^clbcm Grunde, während schon in Stadium 2 cinfnrlics
Grün an die Stelle der complicirten , al)er völlig constanteu Zeich-
uun<; tritt. Wenn die jüiif^oron Stadien so häuüj; constant sind, so
rührt dies vielmehr daher, dass die l Jebertra{;un^- cinos neuen Cha-
rakters auf die jlln{;ercn Stadien nicht nur sehr alimiiii;;, sondern
auch mit stets abnehmender Encrj;ie vor sich geht, ge-
wissermassen so , wie eine jjhysikalisehe Bcwegnnj; (hirch die
Widerstände all niälig immer langsanier w ird Ms /.um völligen Still-
stand. Es mag weiter auch darin seinen (irund halicn , dass die
(Miaraktere erst dann Übertragen werden , wenn sie in den letzten
Stadien bereits fixirt, also nicht mehr sehwankend sind , woraus
vielleicht eine grössere Gleichmässigkcit der Uebcrtragung abge-
leitet werden darf , also ein geringerer (irad von Variabilität, als
er bei der ersten Entstehung des betrefTcndcn Charakters vorhanden
sein musstc. Ausgedehntere und speciell auf diesen Punkt ge-
richtete Untersuchungen müssten angestellt werden , sollten die
Oeaetze, nach welchen das ZarUckrUcken neuer Charaktere stattfin-
det, im Genaueren festgestellt werden. Erst soldie UnlerBUebungen
worden mit Sicherheit auf die Ursachen sehliessen lassen, durch
welche die geringere Variabilität der jüngeren Kaupenatadien be-
dingt wird.
Es kommt Obrigena auch vor, dass die ersten Stadien
variabel, die späteren constant sind, doch sebeint dies
*
lüU Uet>er den phyletiachen Panülelismus bei meUmorphiachen Arten.
der seltnere Fall sq sein. So dod die Rftnpehen 7011 Oaetro-
paehft Qnereifolift (Knpfeiglacke) in Stadiom t merklich
▼ariabel, siAter aber nicht mehr and ebenso ist es mit Spilosoma
Urticae, die im sweiten Stadinm beinah dimorph an nennen ist,
spSter aber wieder constant wird.
Am seltensten scheint das erste Stadinm variabel zu sein.
Ich kenne 11 r r ein c n solchen Fall in Sphinx T i n m s t r i . dessen
IViHc Ii ans »h in VA j^eschlUpfte Kilnpchen (Tai*. IV, Fi^r. r.:i schon
bt'dentemlc N'ersehicdenheiten in den braunschwarzen Moiultleckt-n
auf dem Kopfschild erkennen IngRcn. Studinni '1 (Fig. 51), 3 und 4
ist dann /ienilich conntant, Stadium fi aber .sehr variabel.
Ein derartiger Befund wUrde sich durch die Annahme von zwei
Variutionswellcn leicht verstehen lassen , deren erete nur noch auf
Stadium 1 ruht, während die zweite gewisserinassen grade erst auf
Stadium begonnen hat Kiner suk-hoii Annahme stiinden keinerlei
theoretische lie<lenkcu riitge^cn . viebnehr hätte sie viel Wahr-
scheinlichkeit für sicii , da wir ja wissen, dass die .\iten von Zeit
y.n Zeit neuen l ingestaltungen uiiterb'egen nntl da die N'ereinigung
mehrerer letisdier Entwiekhnigsstiifen innei liall» (ler< »nfo^jrene.se
ein utui derscllien Art siehe S. II Hntwicklung der (ialtuug
Dcilepliilai beweist, dass wahrend «Us Zniilckrlickens eines C'lia-
I akters neue Charaktere uu Endstadiiun (b r t )ntni:enese auftreten
können, ja sogar sehr häutig zu einer Zeit auftreten, /n welcher
der niiehstjUngste Cliarakter noch lange nicht bis zum Aufaugs-
stadium /nrUckgerückt ist.
Dafür, dass diese sekundäre Variabilität gewisser-
mass«'n durch den Kampf der alten Charaktere mit den neuen zu
Stande kttinint, welche von ()ben nach unten lierabzurUckcn liestrebt
sind, wUsste ich kein schöneres Beispiel , als di»" liaupe unseres
kleinen Nachtpfauenauges, Saturnia Carpini, welche ich viele
Jahre hindurch aaf diesen Punkt hin beobiu'htet habe.
Wenn diese liHupchen das Ei verlassen, sind sie schwarz, im
erwachsenen Zustand dagegen beinahe hellgrttn, wenigstens in
- einer Lokalform, die ich nach ihremJ^mdort in der Nähe von Genna
die rar. Lignrica nennen will.
WlÜirend nun diese beiden Endstadien der Entwicklung eine
relative Constans besitsen, zeigen die mittleren Stadien eine Varia-
bilitSt, die um so hochgradiger wirtl, je mehr man sieh dem leisten
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lieber den pbyletiachen FaraUclismus bui metamorphischen Arten. 16]
Stadium nAhert and zwar beroht das Schwanken in der Zeiclinnng
einfadi anf einem Kampf des Griln mit dem von Alters
her Überkommenen Sehwarz nnd es entstehen so, nament-
lieh im rierten Stadium der dentschen Lokalform eine nnglaobliche
Menge der verschiedensten Zeichnungen, die aber alle ans dem
angegebenen Gesichtopnnkt sehr leicht sich verstehen lassen.
Die einfachere, und wie ich glanbe, auch die Kltere Form der
Umwandlung liegt uns in der Lokalform rar. Ligurica vor.
Diese besitzt nXmlieh im letzten Stadium bei einer Lttnge von
7,5 Cent, eine schfin hellgrttne Farbe ohne Jede Spur von
schwarzer Zeichnung (Fig. 77) . Alle Individuen sind gleich*],
auch in der Fftrbnng der sechs oiange&rbenen WarzenknOpfe, die
-auf jedem Segment stehen, das Stadium ist also völlig
eonstant.
Unsere deutsche Sat. Carpini verbftltsich im fttnften Sta-
dium anders.
Allerdings kommen anch hier einzelne Individnen vor, welche
ganz Grün sind, ohne Jedes Seh war/. . allein nie Bind selten, die
Masse besitzt einen mehr oder weniger breiten schwarzen Hing,
der mitten Uber das Segment hinzieht Fig. 78 u. 7«) . Verniittlungs-
Fonnen werden dnnn (bu ch s(»lche Individuen gebildet, bei welchen
die schwarze Binde zerfallen ist in einzelne schwarze, mehr oder
minder grosse Flecke am die Basis der Warzenknöpfe her [Vig. SO) .
So ist also das letzte Stadium der dentschen Lokal-
form im Qcgensatz zu der Genueser Lokalform sehr
variabel.
l 'eliiifrens imtei'seheiden sich die beiden Fonueii keineswegs
blos durch mehr oder wcni;;cr vor^erlickte ])hyletische Eatwick-
laog, sondern auch sonst noch in mehreren Punkten.
Da CS von grossem theoretischen Interesse ist, festzustellen,
(iass eine Art .sich nur in dein einen Stadium der liaupc
lokal verseliieden entwickeln kann, so will ich das That«Uch liehe
hier ^'leich anliiuen.
Die Unterschiede liegen darin, dass die Genueser Lrikalform
fllnf, die Deutsche, wie die meisten Kaupen, nur vier Uäatuugeu
*) leb habe aUMTdiiiga nur eine Brut aii%MOgeD, die aber aii« fanfslip Indi-
viduen hcntand. Es wftrc interessant itt wilsen, ob diew Abart der Raupe aber
ganz Südeuropa verbreitet ist.
WeiamanD, ätndi«n. II. 11
162 l^tiber (len phyleiischen Parallelismuii bui meUmorphUchen Arten.
dnrehoMeht ; ferner darin, dasB die Genneser Foim dm lidite GiUn,
welelies ineli die dentedie Form im Werten Stsdiom besitit, lobeld
es dnmel bei ibr angetreten ist , bis sn Ende der Banpenentwick-
lang beibebftlt, i^lbrend die deotsebe Form es im fünften Stsdinm
mit einem dttstem QrangrUn yertaosebt (Teigl. Fig. 77 q. 78).
Sebr merkwürdig ist dann eine Differenz in den Mberen
Stadien , die ans beweist, dass der pbyletisobe Umwandlnngspro-
cess bei beiden Formen seine ganz selbstständigen Wege gewan-
delt ist. Da der Kampf des Grlln mit dem Schwarz — nm in die-
Heni i^ilde 7.n bleiben — im letzten 8tadinm der Genueser Form
vttUig l>eeQdet erscbeint, so sollte man erwarten, dass die neue FUr-
bnng, das Grün, nun aneh bereits weiter auf die Jttngeren Stadien
hinllbergerllckt sei, als bei der deutschen Form, nnd doch ist das
nicht der Fall, ja sogar umgekehrt, das Schwarz lichanptet bei der
italienischen Form lUnger das Feld, als bei der deutschen.
Bei der Genueser Form sind die beiden ersten Stadien voll-
ständig schwarz, im dritten erst tritt dazu ein orangegelber Seiteo-
Htrcif auf. Bei der d e n t s c h c n Form erscheint dieser Streif schon
im zweiten Stadiinn und nicht selten treten Uber ihm , wenigstens
auf den nnttlcren Segmenten gelbe nr»fe um einige der Warzen-
knöpfe der mittleren Hcilie hinzu. Im dritten Stadium aber ist das
Gelb luud dies ist nur der Vorläufer des späteren Grlim noch wei-
ter ansfrel)reitet. so da.ss nicht selten die Raupen orangefarbig aus-
sehen und nur die Warzenknöpfe zum Theil oder alle noch schwarz
sind und ausserdem noeli einzelne Fleckeu und Streifen [Fig. (iß
und OS). Oft sind aucdi nur die KnJipfe gelb und der Grund bleibt
grossentheils schwarz, kurz die helle Farlie ist bereits in v(dleni
Kampfe mit (Um Schwarz und eine unendliche Heihe vou Varia-
tionen ist die Folge dieses Kampfes währeud in dejnselben Stadium
der Genueser Form eine Iteinaii vollständige Constanz herrscht.
Diese bleibt auch uocii im folgenden, vierten Stadium, denn
auch jetzt noch bleibt die Raupe tief sebwar/, und nur der jetzt
heller gelbe (schwefelgelbe' Seitenstreif deutet auf die bevor-
stehende Umwandlung (Taf. IV, Fig. 07;.
Diese erfolgt dann erst im fünften Stadium, mit welcbem pUlti-
Heb nnd obne Vermittinng ein belles Grttn die Gmndfiu'be wird nnd
vom Sdiwars bOdistens nocb Spnren am Yorderrsnd der Segmente
Ubrigbleilran.
U«ber den phyletUchen ParallelitmiM bei metamorphiicben Arten.
Eb ist dieielbe Zeicbnong, welelM dM Tierte Stedinm der
deatadien Form darbietel, nnr daas hier Individuen ohne alles
Schwarz nicht vorkommen, vielmehr bei Vielen das Sohwan nodb
immer die Grundfarbe bildet und das Grttn nnr in Gestalt eiDielner
Flecke auftritt (Fig. 71—75). ßei andern freilich herrscht das
Qrttn bei Weitem vor mid zwischen beiden zeigt sich eine Unzahl
von Mittelformen , so dass dieses Stadinm als das variabelste von
allen bexeichnet werden mnss.
Das sechste Stadinm der Genaeser Form und das Alnfte der
deutschen wurden bereits gegeneinander gehalten. So bekämen
wir also folgendes Schema:
A. Deutsche Form: B. Genueser Form:
Stadinm I. 9 Tage. 9 Tage.
Schwan; constant. Schwan; constant.
Stadium II. S 1\ige. 1 1 Tage.
Schwarz mit orangegelbem Sei- Schwarz ; constant
tenstreif; variabel.
Stadinm m. 5 Tage (in andern It'Hige.
FUlen bis sn 16 Tagen).
Schwan mit Gelb; sehr var Schwarz mitoraagegelbemSei-
fli^l, tenstreifen ; constant.
Stadinm IV. 16 Tage (in eini- 6T^.
gen Fällen nur 5 Tage] .
Hellgrün mit Schwan gemischt; Schwarz mit hellgelblichem
sehr variabel. Seitenstreif ; constant.
Stadium Y. ü Tage .(oft auch 6 Tage.
mehr) .
Dunkelgrün m schwarzer Binde Hellgrün mit geringen Resten
oder auch ohne; variabel. Schwan; variabel.
8 tad i n m VI. Verpappnng. 1 8 Tsge.
HeHgrUn ohne jegliches
Schwan: constant.
Stad. VII. Verpuppung.
11*
164 Ueber den phyletisohen PanUeliamu« ht& raetamorpluBchen Arten.
Aus dieser Zusamiiicnstelhin^r ersieht man. dass der 'I ransfor-
mations-Proccsg bei der Geuueser Forui wenigsteuB vorläufig ab-
geschlossen ist.
Warum das ZnrUokrUcken der nenerworliencn Charaktere auf
die jüngeren St^idirii noch nieht erfol- t. oder niclit weni;rsten> im
Gan-c ist, liisst sieli nieht angehen; «lieiisowenig . nlj es später
noeh ertblgen wird, i h<:;leieli dies vermuthet werden darf. .Vugen-
hlieklich scheint nur luu-h eine rehitiv kurze Zeit erforderlieh , Iiis
das ein/.if;e noeh im Fliiss hegritTene variable) Stadium V dun-li
Ibrtgeset/.te Kreuzung i(mstant wird, wie alle andern Stadien.
Dass l)ei der deut.sehen Form die Transformation n>»(li in
vollem tiange, zeigt sehon die Thatsaciie . dass hier alle Stadien,
mit Ausnahme des ersten variabel sind , das zweite nur sohwach,
das drifte sehon viel stärker, das vierte im denkbar höchsten Grade,
«las fünfte und letzte aber wieder weniger stark, so dass also der
stärkste Kampf des Alten mit dem Ncueu im vierten Stadium
stattfiudct.
Aus der Unzahf von Variationen, welche dieses Stadium dar-
bietet , kann man eine geseblossene Keihe von Uebergängen her-
stellen, welche den allmSligen Sieg des Grün Uber das Schwans
illnstrireo tmd Schritt ts» Schritt den Weg nachweisen , den das
Grttn dabei genommen hat.
Am schwärsesten Individnom ist Nichts grlin , als der im vor-
hergehenden Stadium gelbe Seitenstreif (Infrastigma-Streif), sowie
ein halbmondförmiger Streif an der Basis der mittleren nnd ein
noch kleinerer Halbmond an der Basis des oberen Warsenknopfe
(Fig. 71 nnd 81). Bei helleren Indiyidnen sind dann diese Flecke
gewachsen, haben sich einander bis auf schmale Brücken genfthert
nnd es hat sieh ihnen ein dritter Fleck am Hinterrand der Waraen
beigestellt (Fig. 72 nnd 82). Alle drei Fledte dehnen sich nmi
nach allen Seiten hin ans, doch so, dass lange Zeit immer noch
schmale schwante Grenzlinien da übrigbleiben , wo sie bei ihrem
Wachsen aneinander Stessen. H&nfig resnltirt daraus eine wahre
Hieroglyphenschrift auf dem grünen Gmnd (Fig. 85, 86). Znletzt
yerschwfaidet das Schwarz am Vorderrand nnd in der Mittellinie des
Rückens, wo es sich als T förmige Figur noch erhSlt (Fig. 73, 74),
wenn es sonst schon überall bis auf kleine Reste durch das Grün
verdrängt ist.
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Ueber dan pbyktidchea l'aralkUsmus bei mutamoqihUchea Aru>n.
Eines blieb mir in theoretiseher Besiebmig lange Zdl nner-
UftrSch, nftmlieli die Aenderang des HellgrAn in Dnnkelgiangriln,
welche im letzten Stadium im Zusammenhang mit einer totalen
Verttnderong der sefawanen Zeichnung anftritt.
Man sollte erwarten, fidls neue Charaktere wirklieh nur im
leisten Stadium erworben, von diesem ans aber auf die jüngeren
Stadien ttbertrsgen werden, im letzten Stadium dieselbe Zdch-
nnng und Fb-bnng in vollkommner Ansbildnng TOixnfinden,
welche das vierte Stadium mehr oder minder nnvollst&ndig be*
sitst. Da nun die Entwicklungstendenz des vierten Stadiums —
wenn man 80 sagen darf — auf Beseitigung des Schwan nnd auf
Alleinherrschaft des Grün offenbar hinauszidt, so mttsste man in
Stadium V eine hellgrüne Grundfarbe, entweder ohne alle Bei-
inischnng von Schwarz oder doch mit solchen schwarzen Flecken
nnd Strichen , wie sie als Rente der ursprUnglichMi Grundfarbe
schon im Stadium IV Ubri^ geblieben waren, zu finden erwarten.
Statt dessen zei^t das fllufte Stadium ein dunkleres, matteres Grtln
nnd eine mehr oder minder entwickelte schwar/.c Zeichnung,
welche sieh ans der des vierten Stadiums durchaus
nicht ableiten lässt!
Erst die in vorigem Jahr beobachtete Genueser Lokal foi-m
brachte mir insoweit Auf8c]]luss, als bei ihr in der That das letzte
Stadium nur das potenzirte vorletzte ist, oder richtiger
ausgedrückt, flass bei ihr dicBclben Ciiuraktcre, welche heut das
letzte Stadium kenuzeici)iicii. sclion mehr oder weniger vollständig
auf das vorletzte zurttckgcrllckt sind.
Das scheinbar paradoxe Verhalten der deutscheu Form würde
sich durch die Annahme erklären lassen , dass ehe noch das reine
Hellgrün sich vollständig auf das vorletzte Stadl um übertragen
hatte, im letzten Stadiuni schon wieder eine Aenderuiig auftrat:
Verdunkelung der grünen Grundfarbe und Bildung schwarzer Quer-
iüiudcr. Daun würde nuin die Zeichnung dieses Stadiums umge-
kehrt zu deuten haben, als die des vorhergeluntk li : das Fehlen
von Schwarz wäre der ältere, einfache seliwarze Flecken an der
Basis der War/.enkni>pfe der z u n U c h s t f o 1 g e n d e , ein zusam-
inenliängcudes schwarzes Querband der vorgeschri ttenste Zu-
stand dieser Entwicklung.
Ob diese Deutung richtig ist, und wenn sie es ist, welche Ur-
1 66 lieber dea phyleliachen Paralleliamu« bei metamorphiachen Arten.
saobetf die aberauüige Aendemog heryorgerafen haben, dae wird
vieUeieht dereinst die Vergleieiinng mit der Ontogenese anderer
Satomien lehren, einstweilen Ittsst sich diese Annahme noch von
emer andern Seite her durch das Verhalten der Genneser Lokalfurm
stutzen. Wenn wirklieh das letzte Stadium der deutschen Form
schon wieder eine neue Umgestaltung begonnen hat, dann ist diese
Varietät weiter YOi^rUekt in der phyletischen Entwicklung, als
die Genneser, dann entspricht es ganz der Theorie, dass bei
ihr das Vorrücken der lichten Farbe (des Orange, als
Einleitung zur Umfärbnng in Grün) schon bis in das zweite
Stadium der Ontogenese herabreieht, während bei
der Genueser Varietät selbst im vierten Stadium
nur die ersten Aufänj^e der UTiifär])nng sich zeigen.
Die Genueser Form hält frewissermass^en die Mitte zwisclicn
der deutschen Form von Saturnia Carpini und der im Osten
Deutsehlauds einheimischen nSchstverwandten Art Sat. Spini.
Hei dieser Letzteren sind nämlich die Kaupen :iui li im er-
wach s e n c n Z u s t a n d vollkommen schwarz m i t i* Ib e n
Warzcuknö j) fen. Diese Raupenform niUsstc also f\lr die i)hy-
Ictisch älteste gehalten werden und dies stimmt sehr gut mit dem
Verhalten des Schmetterlings. Dieser unterscheidet sich von Sa-
turnia Carpini wesentlich nur dadurch, dass er nicht
sexuell dimorph ist. Bei Carpini besitzt das Männchen
eine weit lebhaftere Färbung als das Weibchen , letzteres aber
gleicht so vollständig dem Weil)chen von Spini, dass es — be-
sonders iu den etwas j^nisseren südeuropäischen Exemplaren —
durchaus nicht von ihm la unterscheiden ist. Da nun die einfachere
Färbung des Weibchens jedenfalls als die ursprungliche angesehen
werden moss, so mUssen wir aueb Spini, bei welcher beide Ge-
sehleebter diese Fiiirang besitzen, für die phyletiseb tllere Form
halten, Carpini aber, bei der diellioMhffii eine andere Farbe
angenommen haben, ftor die jiingere. f Dies stimmt genau mit
dem Verhalten der Raupen.
Es sei hier noeh erwibnt, dass ieh mir aueb die Fhige vorge-
legt habe , ob die YariatioDen der versebiedenen Banpenatadien in
ursäebliefaem Zusammenbang miteinander stehen, so also dasa
etwa die hellsten Individuen des flinften Stadiums aueb die hellsten
des vierten und dritten gewesen sind.
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^ Ueb«r den phyletiwheu rturalUlUmus bei meUmorphischen Arteu. 1 Ü7
Klar iflt eine sokhe Besiehtuig mir iwisehen Stedimn III
und IV; die dpnkebt en Banpen yoo Stadium III werden in den
dunkleren VaiietiUen von Stadium IV, während freilioh die helleien
snm Tliell auch dunUe Varietäten in StadiumlV werden. Zwiaolien
Stadium IV und V ist gar kein derartiger Zuaammenhang sn er-
kennen; 80 wurde einmal die dunkelste Raupe d«r dunkelsten
Variation von Stadium IV die hellBte Raupe Ton Stadium V, in
andern Fällen aber entstanden ans den hellsten Individuen Yon
Stadium lY alle möglichen Abstnfimgen von Stadium V. Ich unter-
lasse nähere Angaben. Das negative Resultat kann nieht ttbei^
raschen , es ist eine notbwendige Folge der nnansgesetst stattfin-
denden Krenznng.
Somit sehen wir zwar dieHanptstafen der Schmetterlings-
Entwicklung (Raupe, Puppe, Schmetterling} unabhängig vonein-
ander ihre Färbungen verändern, die einzelnenStadien des
Raupenlebens aber in grosser Abhängigkeit voneinander, so
zwar, dass dem letzten Stadiuni ein neuer Charakter nicht hinzu-
gefllgt werden kann, ohne dass derselbe sich auch auf das zunächst
jüngere Stadium im Laufe der Zeit llbertrll'^c ii. d von diesem in
noch späterer Zeit auch auf die jüngsten Stadien hinüberzöge falls
er nicht schon vorher durch unbekannte Gegenkräfte in seinem
Laufe aufgehalten werden kann, Uber welch letzteren Punkt die
vorliegenden Thatsacheu noch kein ausreichend sicheres Urtheü
gestatten.
Warum aber verhalten sich die einzelnen Stufen
des Raupenstadiums in dieser Hinsicht so ganz ver-
schieden von den Hauptstadien der ganzen Entwick-
lung? warum stehen erstere in genauester Correlation , letztere
aber nicht? Wenn Uberluiupt neue Charaktere die Tendenz haben
auf die jüngeren Stadien der Ontogenese übertragen zu werden,
warum gehen nicht auch neue Charaktere des Schmetterlings auf
die Puppe und zuletzt auf die Raupe Uber?
Die Antwort ist nieht weit zu suchen. Eine Correlation wird
um so weniger stattfinden können, je weiter zwei Stadien dner Art
in ihrem Bau vimelnaader alnreidien, sie wird um so mächtiger
wirken, je mehr dieselben in morphologisdher Besiehung sieh nahe
stehen. Es lässt sieh leieht einsdien, dass je mehr swei aufein-
anderfolgende Stadien in Bau und Lebensweise auseinandeigehen,
168 Ueb«r den phyletisehen Parallelitiiiin bei netamoTpUeeben Arten.
68 um so weoiger niQglich wird, dass Charaktere sich von dem
einen auf das andere Übertragen. Wie sollte z. B. ein neuer
Charakter des Schmetterlings am Rttasel oder an den Flügeln
Bich auf die Raupe Ubertragen können, die diese KOrpertlieilc gar
niehk besitzt / Wenn alao hier eine Correlation bestände . könnte
de nur darin sieh äussern, dasa irgend ein andrer Theil der
Raupe auf die Abänderung am Schmetterlings-KUs-
eel oder Flügel mit einer Ab&ndernng antwortete.
Das aber grade sollte hier ^^c 7. cigt werden, dass dies
nicht der Fall ist, und es gebt, wie mir scheint, mit
S i c Ii e r h e i t aus allen den oben g e ni a c Ii t e n Angaben
Uber das .selbstständige Variabclwerdeu derilaupt-
Stadien der Metamorphose hervor.
Es giht Ul)ri^ens noch eine uncndlieh grosse Reihe von That-
saeheu, welehe ilie behauptete Selbstständigkeit der eiii/.ehieii Eiit-
wicklinigsstadien (huthiin. ich meine die in a 11 n i c h l'a c he n I-'. r-
8cheinnngcll der Metamorphose selbst. Schon allein
die Existenz jeuer Entwieklungsforni, welehe wir
als Metamorphose bezeichnen, beweist uihn idcrloglich . dass
die einzelnen Stadien sich bis zu einem ungemeiu huUuu Grad un-
abhängig von einander verändern können.
Werfen wir nur die Frage auf Wie ist die sogenannte »voll-
kommene« Metamorphose bei den Insekten entstanden . so kann die
Antwort darauf nur heissen : durch alliuäligc .Vnjiassung
der V e r sc h i e d n e n K u t w i c k 1 u u g s s t u l'e 11 a n i m m e r w e i -
ter voneinander abweichende Lcl>enshedingungeu*j.
Wenn aber einzelne Stadien der naehembryonalcn Eutwick-
long dorch allmälige Anpassungen an immer weiter auscinander-
weichende Lebensbedingungen schliesslich za einem so gänzlich
versehiednen Bau gelangen können wie Raupe und Schmetterling,
80 beweist dies, dass die Errangenseliaften der einsei-
nen Stadien in den folgenden Generationen immer
Tn tlem«elbcn Sinne Kiij^'t Lubhock : ,,it is evident, that creatures whieh,
liko tliti luajority of insecU, live during the sutcasiT perioda uf thcir existcnce
in very different eirouiutaaeeB, nay undeiigo eoneidenble ehengcs in thrir
larwal Organisation , in conaequcnce uf forccs «cting on them «hilf in that con-
dttion; not, inclci'd, without affecting, b u t certainly witlioiit affecting
tO any corrcHponding extent, iheir ulliiuatu furni." Origin and meto-
morphoaet of Ineeott. London 1874, p. 39.
G
lieber den phyleliscben rarallelUniuü bei mi taniurphUclicn Arteu. 1G9
nor anf diese Stadien selbst wieder Übertragen wer-
den, dass die andern Stadien aber anbehelligt da-
von bleiben. Es bemht dies anf der Form der Vererbung,
welche Darwin als Vererbung im correspondirenden Lebensalter,
Hftekel als homoehrone Vererbung beseichnet hat.
n. Fällt die Form Verwandtschaft der Raupen
auaammen mit der der Falter?
Nachdem so die Unabhängigkeit in der Veränderung der ein-
seinen Stadien der Metamorphose festgestellt ist, wende ich mich
snr Untersuchung der Frage: inwieweit ein Parallelismns
in der phyletisehen Entwicklung dieser Stadien vor-
liegt. Findet eine vollständige Congrnenz der Form-
verwandtsehaft zwischen Ranpen einerseits und
Schmetterlingen andrerseits statt, deckt sieh das
auf die Morphologie der Schmetterlinge gegrttndete
System mit dem anf die Raupen errichtbaren, oder
ist dies nicht der Fall?
Wenn wir die Ordnung der Schmetterlinge mit Claus*) in
sechs grosse Oruppen von Familien eintheilen, so springt
vor Allem in die Augen , dass diese Gruppen, die urspranglich aus-
schliesslich auf die Charaktere der Imagines gegründet wurden,
sich keiueswegs ebcuso scharf und bestimmt durch die Raupen-
cliarakterc begrenzen lassen.
Bei den Gcomotrinae wUrde dies allerdings der Fall sein,
ihre Kaupen besitzen nur zehn Fttsse und in Fulge dcFi.sen jenen
sonderbaren o Spanner«« -Gang, der schon dem I^aien auffällt. Diese
Fanulien-( Truppe ist aber auch die einzige, welche auf die Morpho-
logie derliaupen basirt werden könnte und sie ist eine sehr kleine,
nmfasst unr zwei nahe verwandte Familien, von denen es wohl
noch nicht ausgemacht ist, ob sie nicht ebenso gnt in eine einzige
zusammengezogcu würden, (Pbytometridae und Deudro-
*, (iruniküge der Zoologie 1875.
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1 70 Uebtr dun phyletischen Parallelismus bei meUmurphischen Art«n.
metridae), nnd damit die gaioe Gruppe der Spanner den Cha-
rakter der Familie erliielte.
Weder die Ghnppe der Hiorolepidoptera, noeh die der
Noctnina, derBombyeina, Sphinginannd Rhopaloeera
worden auf Orondlage einer Banpen-Systematik an begründen sein.
Mehrere von ihnen snid fkeUioh ttberhanpt wenig scharf omsehiieben
nnd bieten aacb in den Sehmetterlingen keine gemeinsamen, eba-
rakteristiBchen , die Gruppe scharf onuMhendra Merkmale dar.
Wohl aber ht dies der Fall bei der Familiengmppe der
R Ii 0 p alocera oder T ii g f a 1 1 e r. Diese Schmetterlinge besitzen
in den grossen , breiten , lebhaft gerarbteu , in der Ruhe aufrecht
gestellten Flügeln, den keulenförmigen Fühlern Charaktere, welche
sich in dieser Conibination nirgends sonst wiederfinden nnd sie des-
halb an einer vr>llig scharf umsduiebenen Gruppe vereinigen.
Ganz anders steht es aber mit ihren Ranpen. 8o cha-
rakteristiscli auch der Bau der Raupen in den einzelnen Familien
der Tagfalter ist, so sind doch diese »Raupenfamilien« durch kein
gemeinsames Merkmal zu einer höheren Gmppe verbunden , und
die Onippe der "Tagfalter» wUrde niemals aufgestellt worden
sein, wenn man nur die Kuujicu gekannt hUtte. Allerdings be-
sitzen sie alle sedis/elin Füsse , tragen nie das Spbingiden-llorn,
zeigen selten eine Behaarung, wie sie viele Bonibveidcn besitzen*!,
aber diese genieinsamen negativen Kenuzeicbeu kommen auch
in ganz andern Grupjien vor.
Es findet also bei den Tsigfaltern eine vollständi^^c Congruenz
der Formverwandtsehaft nicht statt, insofern die Iniagines zu einer
liiiluren Gruppe zusammentreten, der Faniiliengruppe. wäh-
rend die Kaupen nur eine Gliederung in Familien erkennen
lassen. Wenn man annehmen darf, dass die gemeinsamen Merk-
male der Schmetterlinge auf gemeinsamer Abst^immung beruhen,
so haben also die Imagincs gewisse gemeinsame Merkmale bei-
behalten, welche sie als zusannuengehörig crkeimen lassen , wäh-
rend die Uaupen aus der Zeit, in welcher sich die Familien trcuu-
ten, keine gemeinsamen Charaktere beibehalten haben.
Ohne jetzt schon auf die Ursachen dieser Erscheinungen ein-
zugehen , schreite ich zur Feststellung der Thatsaehen weiter vor-
•) Die Morphidtii - Oultung Discophora zeigt eine lk>haarung, weiche
derjenigen der IS|nauergaUung Cuethocampa «ehr ähnlich ist.
Ueber den phyletiMhen ParaUtfUtmu« bei tueUmurphiHchcn Arten. 17t
wSrte ond wende mieh snr Untenachnog der boideneitigeD Fonn-
▼erwaadtscbaften innerhalb der Familien.
Hier kann es nun keinem Zweifel nntorliegen, dass in der Über-
wiegenden Mehrsahl der Fülle die pbyletiBdie Entwickliing bei bei-
den Stadien eebr genau parallel gegangen ist, Raupen- und
Sebmetterlings-Familien decken sieh beinahe toIU
stindig.
So stehen inneriialb der Gruppe der Tagfalter eine Reihe
Ten Familien, die sich genau ebenso gut auf den Bau der Raupe
als auf den der Imago gründen liessen, bei denen also Ranpen und
Imagines ebenso stark voneinander abweichen.
Soz. B. die Familien der Pieriden, Papilioniden, Da-
naiden and Lyeaeniden.
Allein es finden sich auch Familien, deren Uingrcnzang gans
anders aasfallen würde, wollte man die Kaupe dein System zu
Grande legen , anstatt wie bisher die des Schmetterlings. Dahin
gehört unter den Tagfaltern die Familie der Nymphaliden.
Auch hier herrscht zwar eine sehr charakteristische Raupen-
form vor , allein sie konmit nicht allen Gattungen sn, smidem wird
bei einigen durch eine ganz verschiedene Raupenform ersetzt.
In dem neuesten Katalog der Tagsclmietterlinge von Kirby
'1871) werden 112 Gattungen dieser Familie zugerechuet. Da-
von benitzcn die meisten Dornen in einer oder mehreren Kei-
lien auf allen, oder doch den meisten Segmeuten , ein Merkmal,
das in dieser Anordnung lu i keiner andern Familie wiederkehrt.
So verhält es .sich hei (k r Gattung 1 bis 'JO , wenn man von den
Gattungen, deren Haupen hekannt sind, auf ihre nächsten Ver-
wandten schliesscn darf, liekaunt al)i r sind mir Kaupen der Gat-
tung 2 Agraulis Buisd., 3 Cethosia, 10 Atel la, 12 Ar gyn -
nis, I3Mclitaea, 11) Araschnia , 22 Vanessa, 2:iryra-
meis, 24 Junouia, 'U Ergoli.s, 05 Ilypolimnas llühn.
(Diadema Boisd.i, 77 Limcntis, 81 Neptis, S2 Athynia,
endlich die der Gattung 90 E u t h a 1 i a Huhn., welche nach den Ab-
bildungen Horsfield's nur 2 Kcihcu von Dornen besitzt, die
aber ungemein lang gckrUmmt und an beiden Seiten gefiedert sind.
Es darf mit Sicherheit angenommen werden, dass auch die da-
iwischen liegenden Gattangen in diesem wichtigsten Merkmal der
Mymphalinen-Ranpen, in der Bedomung , Ubereinstimmen weiden.
1 72 Ueber den phyletuchen Parallelismus bei metanKNTphischen Arten.
Allem nach der Gattöng 90 folgen noch 22 Gattnngen und bei
diesen fehlt die Bedornnng, so wenigstens bei den beiden
Hanptgsttongen, der Qattnng 93 Apatara nnd der Gattung '104
Nymphalis. Von den ttbrigen kenne ich keine Abbildungen noch
Beschreibangen. Bei diesen Gattnngen besitsen die Ranpen nur
zwei oder mehr domartige Fortstttse anf dem Kopf und das
leiste Segment endet in swei nach hinten gerichtete Spifsen , einer
Gabel Tergleichbar. Sonst ist der EQrper glatt nnd weieht anch in
seiner Form von dem der Übrigen Nymphaliden ab, er hat seine
grOsste Dicke in der Mitte nnd veijttngt sich von da nach Tom, wie
nacli hinten , ist auch nicht rein walzenförmig , sondern etwas platt-
gedrückt und ähnelt einer kleinen Nacktschnecke.
Wenn man demnach ein System der Tagfalter anf die Ranpen
gründen wollte , statt anf die Imagines , so wUrdcn diese nnd die
verwandten Gattungen eine besondere Familie bilden, nicht aber
mit den 90 andern Gattungen der Nymphaliden vereinigt bleiben
können.
Es liegt also hier ein Fall von Inoongruenz vor. Die
Schmetterlinge der Ciattiingen 1 — 90 nnd 91—112 sind sich näher
verwandt, nls ihre K:iuj)cn.
Aber noch nach einer andern Seite besteht ein gleiches Miss-
vcrhHltniss. Die Hanpen nämlich der (iattnngcu A pa tu ra -Nym-
phalis stiniiiieii in der Kr»rpergcstalt und dem gabiigen Ilinter-
Icibsendc selir genau mit den Rani)en einer andern Tagfalterfamilie,
den Satyriden. wälirend ihre Iniagincs sich von denen der Sa-
tyriden vor Allem durch den Mangel blasiger Erweiterungen an be-
stimmten Kippen der Vorderflttgei unterscheiden, eines wesent-
lichen Charakters dieser Familie.
Diese doi)pelte l'ngleichhcit ist aucli von den Systematikern,
welche Rücksicht anf die Bildung der Kaupen nahmen, sehr wohl
empfunden worden. So versucht Morri s ' die Gattungen A p a-
tura-Ny m p h al i s der Familie der Libytiieidcn eiuziivcrleibeo
und stellt diese Familie als Vennittlungsglied zwi^^chen Nympha-
liden und Satyriden. Möchten aber selbst die Iniagincs der Gat-
tnngen Apatura-Nymphalis und L i h y t h e a näher verwandt
sein , als ich glaube, dass sie that.sächlicli es sind, die Raupen sind
*) Synopsis of thc described Lepidoptera uf Norlh-America. Washington
1862.
Ueber den phjrleüscheu i'araUelismu» bei raelaiuorphischen Arten. 1 73
jedenfalls idurweit yoneioander abstehend, Diindestens so weit,
als die TOD Apatara-Nymphalis and den Übrigen Nyni-
pbaliden.
Nun könnte man allerdings die Gattungen Apatura-Nym-
pbalis zn einer besondero Familie erheben, wie dies in richtiger
Wllrdignn^' der Verhältnisse von Staudinger •) aneh bereits ge-
schehen ist, und zwischen Satyriden und Nyniphaliden einschieben,
dies wttrde aber nur auf Urund des Baues der Uau-
pcn geschehen, der <1er Imagines wUrde dabei unbe-
rücksichtigt bleibetti da sieh ftlr diese Gattnngs-
grnppe keine andern, gemeinsamen Charaktere auf-
stellen lassen, als die, welche sie mit den Übrigen
Ny mj) ha 1 iden -G a tt u ngen gemein haben.
Allerdings erinnern die Scliillcrfalter lApatura) durch die
Äugt iitleekc ihrer Vordertillgel etwas an die Satyriden, bei denen
solche Fleekc niemals fehlen, allein dieser Charakter kommt der
Gattung Nvniplialis nicht zu, und tehlt aneh den meisten andern
dieser Grui)pc. Ausserdem zeigt grade die (Jattnng Aj)atura in
der Zeichnung ihrer Flllgel eine sehr auftallende Al'hnlichkcit mit
der ächten Nvmphalidengattnng Limcnitis, wird deshalb auch
von allen Systematikern, welche sie Ulierhanpt in derselben Fa-
milie belassen, in die nächste Nilhc dieser (iattung gestellt und
diese Achnlichkeit kann nicht etwa auf Miini( ly beruhen . da nicht
nur eine oder die andre Art der beiden Gattungen ähnliche Zeich-
nung besitzen, sondern alle, und da torner Achnlichkeit der Zeich-
nung allein noch keine NachütVung l)cdingt, sondern Aehnlichkeit
der Färbung hinzu kommen niuss. Die Gattung Limcnitis ent-
hält wirklich einen Fall von Nachätl'uug, aber nach einer gan% an-
dern KiehtuDg, wovon später gehandelt werden soll.
So ist es denn W(»Iil nicht zu läugnen , dass in diesem Falle die
ilaupcn andre Verwandtschafts- Beziehungen aufweisen, als die
Iniagincs.
Wenn dem »nattlrlieben« System die Aufgabe xnftUt, dem
gcuctisehen Znsammenhang der Lebeformen Ansdmck so leihen,
so fragt es sieh in diesem und ähnliehenkFillen, wem man mehr
glauben soll , den Kanpen oder den Imagines , oder wissensebaft-
*) Catalug der Lepiduptereii des Kurupäischen FauucngebieU's. Dre.iden
1871.
1 74 lieber den phyletieeheii Fenlldiamai tiei metanoiphiieben Alten.
lieber ansgedrUckt , wer von ])ei(len die ererbten Cbaraktere dent-
licher und vollstündiger bewubrt bat , wer also durcb seine
F o r !n V c r w a n d t R c b a f t die Bluts ^ e r w a n <1 1 s c Ii a f t d c u t -
lieber erkennen lässt, oder n in j:e k e b rt , wer am
stärksten von der Stamm form a hj^cwicben ist. Die
Knfsebeidiin^ kann im ein/einen Fall schwierij^. ja angenblicklieli
unmöglicb sein, doeb niUsstc sie in den meisten Fällen j;elingen
sobald man die Onto^'cnese der Ilanpe {jenau kennen b-rnte und mit
ihr zugleicb einen Tlieil der Plivl<);::enesc dieses Stadiums.
Wie in <ler (Iruppe der 'Pa^^talter die meisten Familien eine
vollständige Congruenz der F<»rniver\vandtsebat't von Raupen und
Faltern aufweisen, so findet eine solche auch bei den meisten Fami-
lien anderer Grujjpen statt. So wUrdc man in der Ornppe der
Spbingina beide sie zusammensetzenden Familien aueb sehr
wobl dureb ibrc Raupen eliarakterisiren künncii ' ; die Familie der
S p b i n g i d a e sowobl als die der S e s i u d a e besitzt eine durchaus
charakteristiscbe Raupenform .
In der Gruppe der Bombycina (Spinner] zeigt die Familie
der Satnrnidae dicke, walzige Raapen, deren Segmente mit
einer bestimmten Anzahl knopffUrmiger Warzen besetit ist. Aller«
dingB tteben in diewr Famflie swei Gattungen (Endronii «nd
A g 1 i a) , welehe dieser ebarakteristiscben Rnopfwarzen entbehren,
allein bei diesen zeigt aneh der Sehmetterling durchgreifende ond
gemeinsame Venehiedenheiten von den übrigen Gattungen nnd man
hat'in der That bereits besondere Ftoilien anf diese Glttongen ge-
gründet (Endromidae Boisd.). Die Congrnens wird also da-
durch nicht gestOrt.
Auch die Familien der Liparidae, Bnprepiadae nnd
Lithosidae seigen sich in beiden Gestalten scharf begrenzt nnd
auch unter den Noctuinen gibt es derartige Familien, obgleich hier
die Aufstellung Ton Familien wegen der nahen Verwandtschaft der
Gattungen grosse Schwierigkeit hat und immer einigennassen
willkttrlieh sein wird. Wichtig aber ist es, dass grade die U ober-
*) Die FamiliengnipiNldef SehwftmeririfdTon den Syttemati kern in Rehr
verschiedenen! Umfange angenommen; wenn ich hier nur die eiptiitlirhen
Sphingiden und die Scsicn dazu rechne, so verkenne ich doch keineswegs
die OrOnde , welehe eine gröaaeie Auidehttang dieier Gruppe befBnrarten; de
ist eben nicht idierf unuehrieben.
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Leber den phyleUloheii FlumlleUmttt bei metarourphixchen Arten. 175
gsngs- Familien sowohl in der Falter- als in der Kaapenform
UebeiigtQge darstelleo.
Ein lolcliefl Beispiel bietet die den Noctoinen sogereohnete
Familie der Aeronyetidae. Hier zeigen die FMter in gewisnen
Punkten eine Annihenmg an die Gmppe der Spinner nnd ebenso
besitseo ihre Raapen in der starken Bebaamng ein ebarakteristi-
sehes Merkmal vieler Bombycinen-Ranpen.
Einxweites Beispiel stellt die Familie der Ordensbänder
(Opbiasidae) dar, welcbe zwar von allen Rysteraatikem noch
der Omppe der Koetninen ngesibU, ihrer Hinneigung an den
Geometrinen halber aber an das Ende dieser Gmppe gestellt
wird. Die breiten Flügel, der schlanke Körper der Fslter erinnern
in der That sehen sehr an den Habitus der Spanner nnd wie die
Imagines, so zeigen aneh die Ranpen dnrch das Feh-
len der vordem Banohfttsse eine auffallende Aehnlicli-
keit mit den Spannerranpen. Schon Httbner bat sie des
halb in seinem Kan|>enwcrk als »Semi-Geometrae« beseichnet.
Zeig^ alle diese Fälle eine vollständige Congmenz der bei-
derlei Formyerwandtsehaften, so fehlt es doeh aneh hier nicht an
Ansnabmen.
So würde die Familie der Bombycidae gewiss niemals auf-
gestellt worden sein, wenn man nur die Bildung der Raupe hcrtlek-
sichfif:;! hätte, denn während die (rattnngen G astro p ach a .
Clisiocunipa, Las io ca m pa , Odoncstis und Verwandte
von einem dichten Filz kurzer, weicher ilaaif in sehr charakte-
ristischer Weise bedeckt sind, sind die Kaupen der Gattung Hom-
byx, wozu der Seidenspinner 1». iimri gehört, ganz nackt, nmn-
cben Sphingiden-Raupen ähnlicli C h a c r o c a ni j) a . Die Schmet-
terlinge der zn dieser Familie vereinigteu Gattungen Bind sich
morphologiscli jedenfalls ungleich näher verwandt, als ihre
Raupen! Ob man Hecht thnt, sie in eine Familie zu vereinigen,
ist eine Fragc^ die nicht hierher gehört; worauf es hier ankommt
ist nur die ThatHjiche, da.ss die beiderlei Stadien in sehr ver-
schiedncm Grade form verwandt sind.
Ein besonders anfl'allendes Hcispicl von Incongrucnz bietet die
Familie der Notodontidae, zn welcher Hoisduval, nur auf
die Charaktere der Iniagines sich stutzend, Gattungen vereinigt,
deren Raupen Uberaus stark voneinander abweicheu. In dem Rau-
176 Ueber den pliyletisclien ParallelisniUH hei metaiuürphischen Arten.
penboeh Ton 0. Wilde ist deslialb ganz richtig diese Familie
folgendermassen eharakterisirt : • Raupen von Tersdiiedner Gestalt,
nackt oder dttnn behaart, 16 fltesig oder 14 fllssig.t In der Tbat
konnten in der ganzen Ordnung der Schmetterlinge kaum Tersebie-
denartigere Raupen znsamroengesncbt werden, als de hier in ein e r
Imago-Familic beisammen »tehen, auf der einen Seite die kunEen^
walxigeu mit feinen, brüchigen, widerhakigen Haaren besetzten
Ranpen der Oattnng Cncthoeampa Stpb. (Ch. processionea,
pithyocampa n. s. w.], <l<'ii K;in|)en der Oastropaclia- Arten sehr
ähnlich, ZQ denen sie auch frlllier gezählt wurde, auf der andern
Seite die nackten , buckligen und tiachkr)pfi<;en Kanpen der Gat-
tung Harpy ia 0 mit ihren zwei laugen Gabelfoitsätzen an Stelle
des let/.tcu Afterfusspaars und die ganz bizarr gestalteten Ranpen
der Gattung, Stanropns Genn., Hyboeampa L und Noto>
donta 0.
Am schärfsten ßpricht sich die nK)rphoh)j;isclie Congruen«
zwischen Raupen uud Schmetterlingen bei den Gattungen an»,
sie bildet hier die fast ausnalini slose Reirel und zwar
so sehr, dass man sicher sein kann für jede nach richtigen l*rin-
eipien rein nur auf die Imagincs gegrlindete Gattung oder Tuter-
gattung auch einen durchgreifenden I nfcrschied in den Raupen zu
Hndcu. Hätte man die Raui)cu /uerst gekannt, man wUrde zur
AufsteHung derselben (Jaftungcn gok<imnien sein. Mch-he jetzt auf
den Bau der Imagines errichtet sind, und dieselben würden zu ein-
ander ungefähr in demselben (trade m<>rj)hologischer Verwandt-
schaft gestanden haben, wie die auf die Imagines gegründeten (iat-
iungen. Die Congrncnz ist also in doiipclteni Sinne vorhanden,
einmal ist der Abstand zwischen den Raupen und den Imagines
zweier Gattungen gleich gross und dann bilden sie durch ge-
nuiusume Merkmale verbunden genau dieselben, gleich scharf
uuisehriebeucn (irnppen ; die Gattungen deckeu sich vollständig.
So würde man unter den Tagt'alteni die Familie der N vni-
plialiden ganz W(dd nach dem Hau der l!au]>cn in Gattungen
theilen können und diese würden — soweit ich urtheilen kann —
nüt den auf die Imagines gegründeten Gattungen zusammenfallen.
Die Gattung M c 1 i t a e a z. B. würde sich durch den Besitz von
je 7 — 9 fleischigen , mit Haaren l>esetzten sog. Scheindomen ch»-
rakterisiren lassen, die Gattung Argy nnis dureh je sechs be-
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lieber den phyletiachen ParalldiRmus bei nieumurpbuchen Arten. 177
haarte, aber nnrerilstelte Domen anf jedem Segment, die Gattung
Oethosia dnrch je swet XhnUebe Dornen anf jedem Segment.
Die Gattung Vanessa zdgt dann bis in sieben istige Domen, die
Gattung Limenitis nur je zwei ästige stumpfe Domen (Zapfen)
anf jedem Segment n. s. w. Gehen wir mehr ins Einselne, so zeigt
sich, d&m die näehstverwandten Imagines, wie ja zu erwarten war,
auch die förmlich nHchstverwandtcn Raupen besitzen, dass aber
auch bei sehr kleinen Unterschieden /.wischen den Imagine» sieb
meisten» entsprechende Unterschiede bei den Kanpen finden. So
ist z. B. die von F a b r i c i n s aufgestellte Gattung Vanessa von
neueren Autoren in mehrere Gattunj^cn zcrle^rt worden. Von diesen
Untergattungen zeichnet sieh Grapta Doubl, (wohin 7.. B. die
•>n ropSische Art C a 1 b u m sowie die amerikaniselien F a b r i c i i .
luterrogationis, Faunus, Comma etc. gehnren) dadurch
ans . dass bei ihr nicht nur auf allen Segmenten des Rumpfes mit
einziger Ansnahnie des i'rothorax Hstigc Dornen stehen . sondcni
auch auf dem Kopf; bei der Gattung Vanessa sensu strictiori)
iJoubl. fehlen die Dornen auf K(»pf und Protlior.ix /,. H. Van.
rrticac ; hei der tropischen (Jattung .lunonia IlUbn. welche
frllher ' (1 o d a r t I SlO ' - auch zu \'aness:i tcf'zogen wurde , tragen
die Hanpen auf allen Segmenten ästige Domen auch auf Kopf und
Prothorax.
Man krmntc noch weiter gehen und zwei Arten als zwei neue
Gattungen von \'anessa abtrennen, die auch von den spaltungs-
sllclitigsten Svsteniatikern bisher vor diesem Seliieksal l)ewahrt
geblieben .siiul. Allerdings wohl hl(».s deshalb, weil diese Arten
beute ganz allein stehen und das praktische Bedürf-
nis s , eine )» c s o n d e r e Gattung zu bilden, nicht so
empfinden lassen, wie denn Uberhaupt dieses mit den wissen-
schaftlichen Forderungen häutig in Conllict geräth ; die Wissen-
schaft bildet eine neue Gattung gestützt auf die Grösse der
morphologischen Abstünde, einerlei, ob eine einzige oder
ob viele Arten diese Gattung ausmachen, fUr das praktische
Bedttrfniss der Uebersichtlichkeit aber sind solefae
Spaltungen ein Hindemiss, der mitzuschleppende Balhist an Namen
wird dadurch noeb mehr vergrössert.
*) Rncydop. Mllh. IX. p. 310.
Wal Stadlra. U.
12
178 U^ber den phylettielMD FumlleUraitM bei metamorphiwlMn Arlea.
Die beidtn Arien, welche ich auf Grund grösseren Fonn*
Abstandes Ton Vanessa trennen mOchte, sind die sehr gemeinen
und weit verbreiteten Arten, Vanessa lo nnd Antiopa, das
Tagpfaoenange nnd der Tranermantel. Beide besitzen in der sehr
eigenthUmlichen Zeichnung der Flügel charakteristische Merkmale,
lo zeigt auf jedem FlUgel einen grossen Augenfleck und Antiopa
einen breiten, hellgelben 8aum, wie er sonst bei keiner Vanessa
mehr vorkommt. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass niaii langst
eine jede von ihnen zur Gattung erhoben hätte, kämen in irgend
einem Theiie der Erde ähnlich gezeichnete Van e 8 sa- Arten vor,
wie dies hei andern Vanessa- Arten der Fall ist. So gibt es be-
kanntlich eine ganze Reihe von Arten, die unserer Vau. Cardui,
eine andere Kcihe von Arten, die unserer Van. C albnm j^Meiehen
und denselben Zeichnungstypus besitzen, und man hat in
der That auf Grund desselben die Untergattungen Pyrameis
und Grapta errichtet.
Ich wUrde es nicht der Mllhc werfh halten, darauf aufmerksam
zumachen, wenn niciit die Kaupen von Vanessa lo und
Vanessa Antiopa sich ebenfalls in kleinen Merk-
malen sowohl untereinander, als von den übrigen
Vanessa-Arten unterschieden. Die l'nteisehiede betreffen
die Anzahl und Stellung der Dornen, wie mau aus der folgenden
kleinen Tabelle sehen kann :
Arten der Gattnng Vanessa Fabr.
Aaz&hl der Dornen uuf Kopf uad Leibearingen der Kaupe
Kopf.
Segm.
u.
Segin.
III.
S«gtn.
IV.
Segm.
V.
Segm . ! Segfo .
Vl-Xlj XU.
Vm. Io . . . .
0
0
2
2
4
(i
6
• Antiopa . .
0
0
4
n
«
7
4
• Urticu . .
0
0
4
7
7
7
4
> PoljchlonM .
0
0
4
7
7
?
4
' lohnuea . .
0
0
4
7
7
4
• Atainnta . .
u
0
1
7
7
7
4
• Calbiim . .
2
<l
4
7
m
1
7
4
> Interrofjfitionis
2
0
4
7
7
7
4
> Levana . .
2
!
u
4
7
7
7
4
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U«ber den phyletiiolieii FkmlleHiiiiitt bei mottmorphiiohen Alton. 179
Man wird dieB6B Merkmal der Dornenzalil nicht ftUr alLro un-
bedeutend halten, wenn man beachtet, wie Yollkommcn genan das-
selbe bei den nahe verwandten Arten sich gleich bleibt. So bei
den drei nächstverwandten Arten Van. Urticae, Ichnnsa nnd
Polychloros. Wenn wir nun sehen, dass zwei in den Schmet-
terlings-Charakteren abweichende Arten entsprechende kleine Aen-
demngen bei den Ranpen anfweisen , so deutet diese exakte syste-
matische Congmenz auf eine voUlLommen parallele phyletische £nt-
wieklnng bin.
Ausnahmen davon finden sich aber auch hier. So bat Hühner
eine Grupj ie von Vanessa-Arten auf Grund eini^^er charakteristischer
Merkmale der .Sebnietterlingc zu der oben schon erwähnten Unter-
Gattung Py rameis vereiniict. Ich wUsste aber nicht, auf welche
Weise sich diese Gattung auf den Tiau der liaupen ^rthiden Hesse,
diese stiu)mcn vielmehr, wie aus vurstehcnder Tabelle hervorgeht,
ganz genau in Anzahl und Stellung der Domen mit den Kaupen
von Vanessa (sensu strietiori Uberein und lassen aucli in ihrer
Zeichnung keine gemeinsamen Merkmale erkennen, die sie gegen
Vanessa hin abgrenzen würden.
Noch auffälliger ist die Incongrucnz bei der Gattung Arasch-
nia IJübiier 'A. Prorsa-Levana) , welche, wie die Gattung
Pyranieis ausschliesslich auf den Hau des Falters gegründet ist.
Dieser unterscheidet sich von allen andern Untergattungen der alten
Gattung V'^anessa durch eine kleine Verschiedenheit im Aderver-
lauf der Flügel die Mittelzelle der Ilinterflügel ist otfcn anstatt ge-
schlossen) . Bekanntlieh gilt nun das FlUgelgeäder bei den Sehraet-
terlingen seit Uerrich-Schäfferals das sicherste Criteriam der
»Verwandtschaft« nnd im Ganzen gewiss mit Becfit. So kommt es,
dass diese auf das gemeine »Landldlrtehea« Vanessa Levana ge-
gründete Gattung in dem Veneiehniss Ton Kirby dnreb s^ei
Gattungen ron Van essa getrennt wird, bei Herrieb-Sohftffer*}
sogar dnreb yierzig Gattungen!
Nichtsdestoweniger stimmen die Raupen in ihrer Domenformel
ganz genan mit der Untergattnng Grapta, so dass man kdn Be-
denken tragen würde, sie als einer Grapta-Art angehürig zu be-
tiaehten. £s ist mir sehr wahrscheinlieh , dass in diesem Falle die
*) Fradramitt Syntomstii Lepidqiteronrai. Regenaburg 1864.
12*
ISO lieber den phyletiachen ParallclismuM bei meUniurpiii^chen Arten.
FonDTerwandtschaft der Raupe richtigere Ansknnft Uber die Blnts-
verwandtscfaaft der Art gibt, als derFdter, jedenfalls aber
zeigen die Ranpen andere Formverwandtsehaft als
die Falter.
Ebensognt als bei Tagfitltem lassen sich auch in der Gmppe
der Sphingiden viele Gattangen auf den Bau der Ranpen grün-
den, welche mit den anf die Imagines basirten snsammenfollen.
So cbarakterisirt sich die Gattung Maeroglossa durch ein
grosses, grades Schwanzhom, kngligen Kopf uud durch eine aus
Längsstreifen zasammengesetite Zeichnung, Charaktere, die in
dieser Combination sonst nicht wieder Torkommcn.
Die nahe verwandte Gattung Ptcrogon wttrde dagegen nach
den Haupen allein nicht begründet werden kOnnen , d:i nicht nur
die Zeichnung: der erwachsenen Raupe bei den vcrscliiednen Arten
sehr verschieden ist, sondern aucli das SchWanzhom bei zwei Arten
▼orhanden, hei der dritten iPt. Ocnotherae) aber durch einen
knopfTörinigcn Augenfleck ersetzt ist.
Die Gattung Sphinx sensu strictiori) wUre durch das einfach
gckrllnnntc Hchwauzhorn , denglattt^n. eirunden Kopf , die ghitte
Haut und durch die hauptsächlich aus sieben Schrägstreifen beste-
hende Zeichnung cbarakterisirt.
Die Gattung Deilephila würde siili von der vorigen dun Ii
den Besitz eines die Zeichnung untorlireclienden Uückenschilds anf
fhMii Prnfhornx auszeichnen, sowie (hirch die Zeichnnnir wch'he
hier aus einem Suhdorsalstroitru mit niehrod(M' minder /ahlrrichen
und entwickelten Hingileeken l)estelit: auch ist die Haut rauh,
»chagrinirta — freilieh auch nicht ohne jede Ausnahme i Vesper-
t i 1 i o I .
Auch die Gattung Chaerocampa Diip. würde sieh auf die
Forniverwan(l{s<-haft ihrer liaupen grllnilcn hissen, allerdings aluT
nur dann, wenn man von der Zeichnung ah.sieht und sieh nur anf
die ( igeiitliihüliche Gestalt der Kaupen die sog. »8ch weine heu -
form hezielit.
Die der Gattung Sphinx so nahe verwandto (Gattung Acbo-
rontia hesit/.t indem (hij)pelt gekrllmniten Schwanzhorn ein die
Gatfimg zusammenfassendes M(>rkmal ■drei Arten bekannt .
Kndiich erwähne ich nocli die Gattung Smerinthus, deren
Rau])eu durch die nach vorn sich stark verjüngende Gestillt, die
Ueber den phjrletuchm ParaUeUtmu« b«i nwtamoiphiMheii Arten. 181
chagrinirte Haut, den beinahe drdeckigeii nach oben spitzen Kopf,
das einfach gckrllmnite Scliwnnzhorn und die sieben Schrägstreifen
auf jeder Seite, eine ebeuBO seharf amsebriebene Gattang darstellen,
als die Schmetterlinge. '
Wenn nnn auch in allen bisher gemusterten Abtheilnngcn des
Systems FäUe vorkommen , hei welchen die FornivcrwandtKchaft
der Banpen nicht vollständig zusammenfiel mit der der Schmetter-
linge, so finden sich doch derartige Incongruenzen bei Weitem am
hänfigstcu t)ci der kleinsten systematischen Grnppe: der Art.
Durchaus nicht selten sind die Raupen zweier Arten
weit näher form verwandt, als ihre Schmetterlinge.
So stehen sich die Kaupen von S m c r i n t h u s 0 c c 1 1 a t a und S m.
Popnli sowohl im Bau. wie in Zeielniun^ und Färbung ungemein
nahe, wälircnd ihre Srluiicttci liiiirc in den letzten beiden Eigen-
schaften h>owohl, als auch im Flii^elsehnitt weit auseinandergehen.
Den llaupen nach sollte man erwarten, zwei ^anz älmliclic Schmet-
terlinge aus ihnen zu erhalten, in Wahrheit al)er bat sowohl Po-
j)uli als Ocellata mehrere viel nähere Verwandte und diese
näehstverwandten Sebinetferlinfrc besitzen zum Tlieil stärker ab-
weichende Kaupen, als die ferner verwandte Selimetterlingsart.
So kommen im Amurlande und in Nord-Amerika Smeriu-
t Ii u s - Arten vor , welche unserer Oee llata in Färbung, Zeich-
nung und FlUgelschnitt sehr ifcnau gleiebcn , welche vor Allem das
charakteristische grosse l)hiue Auge auf den llinterlliigelu l)esitzen;
Sm. cxcaccata wird mit Kccht gradezu als vicariircndc ameri-
kanische Fonn unserer Ocellata betrachtet, ihre iiaupe al)er ist
Chromgelb gefärbt, statt blattgrlln. besitzt dunkelgrüne Seliräi;
streifen, anstatt weisse und trägt eine ^lenge rother l'leckc sowie
ein rosarothcs Band auf dem Ko])fe , kurz ist in denselben Charak-
teren Färbung und theihveise Zeichnung, weit verschieden von
Ocellata, in welchen grade die Falter vollständig Übereinstim-
men ! Sic scheint ausserdem noch mit kur&cn Borsten bekleidet zu
sein, nach der mir vorliegenden Abbildung von Ab bot und
Smith*) za urteilen.
Wie naa aber der denkbar nSchste Formverwandte desSchmet-
lerlingBOeellata eine relativ stark abweichende Raupe besitzt,
•) A. «. O. Tab. XXV.
182 IJt-'ber den phyletiwhcn rarallelismus bei metamorphiBchen Arten.
gaoi M nahKXi es sich mit d«m niehiten FormTenrandten des
SchmettorUngs Popnli. Anoh diese Art lebt in Nordamerika und
«war an Jnglaas alba. Der Sohmetteriing dieses Smerinthos
Jnglandis wdoht in dem Flllgelsehnitt sehr von PopnU ab, er-
innert aber in Zeichnong tind Färbung so sehr an die eoropXische
Art, dass ein Zweifel ttber die nahe Veiwandtsehaft der Formen
niebt gerechtfertigt wftre.
Die Raupe von Sm. Juglandis*] weicht nnn ebenfalls in
der Färbung sehr bedentcnd von Populi ab, eine Verwechslung
der beiden Haupen wlire niebt möglieb , während die Kaupen Ton
Populi und Ooellata nicht nur Iciebt /u verwechseln, sond^
sogar für Kenner schwer zu nntcrsebeiden Rind.
In derselben Gruppe der Sphingiden fehlt es aber aucb nicht
an Fällen, bei welchen umgekehrt die Schmetterlinge sich
bei weitem näher stehen, als die Haupen.
Besonders aufTalleiKl ist dies in der Gattung Deilep Iii I a , Ton
welcher acht Arten sieb in den iSchnietterUngcn äusserst nahe ver-
wandt sind, während die Raupen nicht nur in der Färbung, son-
dern ebenso stark aneb in der Zeichnung von einander abweichen.
Diese 8 Arten sind Dei l c ph ila N i eaea. E u ph or biae , Dali 1 ii,
rjrtlii, Livoruiea, Lincata, Zyf?(»pbylli und Ilijjpo-
pbacs. Darunter sind N i (' ae a , E II p b o r b ia c , Dalilii. Zy-
gophylli und II i p po p ti a es im pm/enBau, im Flüj;elselmitt,
Kowie in der Z e i c Ii n u u g und auch der Filrlunig so iibulicb , dass
Hieb wolil wenige Lcpidoplcrologen finden Hessen, die sie ohne
Vergleicbnng sofort richtig erkennen wUrden. Die Haupen aljer
grade dieser vier Arten sind von ganz versebiedenenj Aussehen.
Am meisten ähneln sicli noch Eu])h(»rbiae und Dalilii. welche
beide durch eine doppelte Heilie grosser Ringllecke ausgczeichuet
sind. Zygophylli vergl. Fig. r>0] besitzt nur schwache Andeu-
tungen von Hingfleckou auf einer weissen JSubdorsallinic und bei
Ilippopbaes steht nur auf Segment 11 ein orangerother Fleck
und die ganze Zeichnung besteht aus einer SuhdorRale . auf wcl-
eher bei einem Thcil der Individuen mehr oder weniger entwickelte
kleine Ringfleeke stehen fvergl. Fig. f>0 und 00). Man halte nur
Haupen und Schmetterlinge von D. Euphorbiac und Ilippo-
•) Abbot & Smith Tab. XXIX.
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Ueber den phylctüohen FirmUelismu« M metanorphiichen Arten. 1 83
pbaei nebeneinander, und man wird nicht umhin können, Uber
die grosse Differenz in 4er Formverwandtsehaft beider Entwiok-
longs-Stadien in Erstaunen zn gerathen.
Beinah noch grosser ist aber diese Differenz zwischen Deil.
Euphorbiae und Nicaea. Wtthrend die Raupen hier grelle
Unterschiede in Färbung, Zeichnung und der körnigen oder glatten
Beschaffenheit der Haut aufweisen, vcrgl. Fif?. öl mit Fig. 43, 44)
sind die Schmetterlinge überhaupt nicht mit Sicher-
heit zn unterscheiden. Wie oben schon ausgesprochen wurde,
fehlt deshalb auch der Schmetterling der seltenen D. Nicaea
in den meisten Sammlungen ; man kann ihm eben doch nicht an-
sehen , ob er »ächt« int , d h . oh er nicht etwa blofl ein etwas grosses
Exemplar von D. E u j) h o r b i a e ist !
Ein besondere auffallendes Beispiel von Incimgruenz bieten die
beiden bei uns bäufigsten C baerocam i)a- Arten : Elpenor und
i'ü reell US, der sogenannte mittlere und kleine WeinschwUrnier.
Die Kaupen sind sieb bis in die kleinsten Details der Zeiclinung
hinein so ähnlieb , dass man sie kaum mit Siclierbeit unterschei-
den könnte, wäre nicht die eine Art bedeutend grosser Elpenor,
und besässc sie nicht zugleich ein minder verkümmertes Sebwanz-
horn . als die andere fPorcellusU Die Schnietlerlinire dieser bei-
den Arten nun ähneln sich zwar in der aus hellgrün und Weinroth
zusammengesetzten Färbung ebenfalls sclir , unterseheiden sich aber
in der Vertheilnng dieser Farben, d. h. also in der Zeichnung
und zugleich im FlUgclschnitt so bedeutend, dass man sie darauf
hin in eine ganz andere Gattung brachte , die Walke r'sche Gat-
tung Pergesa*).
Sollte das System wirklich, wie von manchen Seiten ange-
nommen wird, nur die morphologische Verwandtschaft an-
deuten f so wllre dies Verfahren nfelit n tadeln — m mtlsste man
dann efai besonderes System ftlr Raupen noek nebenher laufen lassen
— etwa so t wie es hente noch in den Lehrbllchem der Zoologie
bei den Hydroidpolypen nnd niedem Hednsen als Prorisorinm
gesebielit. Grade aber dieses Beispiel TonPoreellns zeigt reebt
deatliobi dass Di^enigen im Beebte sind, weiebe das System fllr
enien, wenn aneh onToUkommnen Ansdmek der Blntsrerwandt-
*) Cstakgue Biit. Mm.
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184 Ueber den phyletitcfaen FaraUeliiiinM bm melamoTpbndten Arten.
schalt in Anspruch nehmen nnd behaupten . dass die Systematik
auch von jeher unbewusst ihreGmppen so gebildet habe, als ob
sie dem genetischen Zusammenbang der Formal damit Aasdmek
geben wolle. Nur unter dieser VoransBetsong erscheint ans eme
solebc Trennung zweier in ihren Baapen 8o YÜÜig ttbereingtimmen-
der Arten ungerechtfertijct.
Ich kann diese Musternng der verschiedenen Gruppen des Sy-
stems niebt schliessen, ohne auch noch einen Hliek auf die inner -
balb der Grenzen der Art vorkommenden Gruppenbildnngen
zuwerfen, auf die V arie täten. War schon bei den Arten die
Incun^^Tuenz sehr häufi};, so wird sie b e i d e n V a r i e t ä t e u g r a de -
zu z u r Kegel und grade hier hUsst sie sich deshalb schärfer iioeli
eoutrolliren , weil es sich hier nicht lun Abschätzung einer doppel-
ten Differenz bandelt, sondern nur um die Frage, ob in tleni einen
Stadium Uberhaupt eine Differenz oder aber absolute Gleichheit vor-
banden ist.
Bei Weitem die meisten Varietäten sind nun entweder blos
Sc b me tt e r 1 ings va r ie tä ten , oder blos Kaupen Varie-
täten, nur das eine Stadium weicht ab, das andere ist voli-
komnicn gleich.
So sind bei allen mir bekannten saison-d i in o rpbe n
Schmetterlingen, wie bereits angcfllhrt wurde, die Kaupen
der beiden , oft so stark vcrsebiednen Schnietterlingsgenerationcn
völlig gleich und ganz ebenso wird es sich bei den meisten
ächten kliniatischen Schnietterlingsvarietätcu verhalten. Leider
liegen nur darüber bis jetzt keine zusammenhängenden und j»lan-
mässigen lieobaehtnngen vor. Der einzige ganz sichere Fall, den
ich hiertlir anzufahren wllsste, betrifft die alpine uud polare Form
des kleinen Wcisslings Pieris Napi. Diese in Zeichnung uud
Fftrbong des weiblichen Schmetterlings sehr stark abweichende
Varietftt Bryoniae besitzt Baupen , welche sieh durchaus nieht
von denen der gewöhnlichen Form von Napi nntendieiden lassen
(vergl. die Angaben darOber in Heft 1 dieser «Studien«).
Dass aber aneh die Raupen lokal vaiüren kSnnen , ohne dass
die Sehmetterlinge ebenfalls in Variationen auseinander gehen , be-
weisen schon die mehrfoeh besprochenen und genau dargelegten
Falle von Di- und Polymorphismus der Raupen bei einer An-
zahl von Spbingiden ;Macroglossa Stellatarnm, Aeh.
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Ueber den phyletisehen PanUelismiw bef metnnoffpbiNlien Arten. 185
Atiopos, Sphinx Convolvuli, Ghacr. Elpenor, For-
ce 11 us etc.}. Noch schärfer beweisen es soldie Fälle, bei wel-
chen nicht mehrere, somlcrn mir je eine aber verBchiedne
Bupenform auf zwei verschicdnen Wohngebieten vorkommt.
Dahin wäre der oben er>vähnte Fall von ChaerocampaCe-
lerio za reebnen, falls er sich als richtig herausstellt, dahin der
oben mitgetheilte Fall der ligurischen Varietät der lianpe von Sa-
turn ia Carpini, dahin endlich ein den Lepidoptcrologen wohl-
bekannter Fall, der von Gastropach a Lanestris. einem
Spinner, der in Deutschland die Ebne bewohnt, in den Alpen bis
zu 70011' hinaufsteigt, dort alter anders gefärbte und gezeichnete
Kaui)eu besitzt G a s t ro p. A r b u seu 1 a e . als in der Ebne , wäh-
rend der Sehnietteriing zwar kleiner wird, sonst aber sich in Nichts
von den Exemplaren der P^hiie unterscheidet.
Grade unter den alpinen Faltern inttgen noch viele solche Fülle
vorkommen, die aber nur durch ubsichtlieii auf diesen I*unkt ge-
richtete rntersuchungen zu entdecken sein werden . da von den
alpinen Tagfaltern z. B. nicht ein einziger aus der Kanpe ge-
zogen werden kann und die alpinen llau[)cn dcsliall) bei den Ento-
mologen im Ganzen wenig Belichtung finden und durchaus nicht
so genau gekannt sind, als es zur Entscheidaug solcher Fragen
nothwendig wäre.
Die rutersuchnng der Formverwandtschaften zwischen Kau-
pen einerseit.s und Sehmcttcrlingen audrcräcitä hat demnach folgen-
geudes Ergebniss geliefert:
Im Grossen und Ganzen besteht ein hoher Grad von Glcich-
mässigkeit, wie auch von vornherein zu erwarten war, da ja
Raupe und Schmetterling ein und dasselbe Indivi-
dunm ist, da somit verwandte Arten thatsächlich in beiden
Stadien {fiei oh nahe verwandt (d. h. blnts verwandt) sein
mUMen. Ui&ioaiif&Uend«ristei,daaBderaelheGtadvoiiBluts>
verwandtsehaft keineswegs immer denselben Grad von Fonnver-
wandtsehaft mit sieh fllhrt.
Die Vergleichung lehrt, dass solobelnoongrnensen oder
Ungleiehbeiten der Formverwandtsehaft in allen
Gruppen des Systems vorkommen von der Varietät
an bis an den Familiengrappen hinauf. Sie sind doppel-
ter Natnr, snm Theil änssert sieb die Incongniens nur darin, dass
1 86 Uebar 4m phylaUMliea FirtUeUmm bei M«tMnof|tliiidMii Artn.
die Raupen swder systematiBcher Gruppen s. B. zweier Arten
n&b e r f o r m v c r w a lul t («ind , als ihre Schmetterlinge (oder am-
gekehrt l\ zumXbeil aber darin, dass die liaupen andere syste-
matische Gruppen bilden, als die Schmetterlinge.
Die Resultate der Untersuchung in Besug auf das Vorkommoi
von Inoongmemeii bei den verscbiednen systematisobeB GmppeD
fiind nun kurz znsamniengefasst folgende :
Am häufigsten scheinen Inoongrncnzcn hei den
Varietäten vorzukommen, indem sehr oft nur die
Raapen oder nur die Schmetterlinge sich in Varie-
täten gespalten hal)cn, wäh re nd duK andere Stadium
monomorph ^'ehlicl)cn ist. Dio systematische Gliederung
der Spaltnnf; in \'arietäten findet «also sehr häufig einseitip statt.
Auch im Formcukreis der Art finden sich Incon-
prnenzcn untrem ein häufij^. Haid sind die Iniagincs bei
weitem näher form verwandt, als die liaupen, bald verhält es sich
umgekehrt und auch der Fall seheint vor/.ukoninien . dass allein
das eine Stadium (die l{au])e sieh im Betrage von Artdifl'erenzen
spaltet, während das andere mououiur|)h bleibt (Dcil. £apbor-
biae und Nicaea.)
Am vollstUndigsfcn ist die Uchereinstimniung der Formver-
wandtschal't im liereieh der G att tni ir In der grossen Mehrzahl
der Fälle entsprechen sich die Haupen- und Imapnes-Gattungen
und zwar nicht nur in der Schärfe der Abgrenzung, simdem auch
— soweit mau iirtheilen kann — im Gewicht der uutersehcideuden
Merkmale, also iu der Weite des Abstandes. Von allen syste-
matischen Gruppen zeigt dio Gattuug die grösste
Congruenz.
Schon bei der Familie nehmen die Unregelmässig-
keiten wieder zn. Wenn auch gewöhnlich die Raupen- and
Hebmetterlingsfoniiliea sieh decken, so finden sieb doeb mandie
Aosnabmen davon, so swar, dass die Qrappe kleiner ausfallen
würde , wollte man sie aasscbliesslicb aaf den Bau der Raupe grttn«
den, grosser, wenn aasscbliesslicb aaf den des Fslters (Nympha-
lidae, Bombycidae).
Wenden wiranszndenFamilien-Orappen, so zeigt sieh
eine bedentend gesteigerte Incongrnens; ToUsttndige
Ueberdnstfmmong ist hier eher wieder sor Aasnabme geworden
%
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f
Ueber den pbjletttchen ParaUeUsmus bei metamorphüchen Arten. 1S7
und swar fiOlt es bier besooden auf, dasB stets die Raupen es
sind, welche aaf einer niederen Stufe gewissennassen snrOckbld-
ben, twar wohl scharf nmschriebene Familien bilden , nnr selten
aber durch gemeinsame, durchgehende Charaktere in einer Gruppe
höherer Ordnung snsammentreten, wie es bei den Faltern doch
mehr&oh gesehieht (Tsgschmetteilinge). ^
Nachdem so das ThatBSchliohe — soweit es mir möglich war —
zusammengetragen ist, handelt es sich darum, den Versuch sn
machen, dasselbe xu ▼erstehen, aus der beobachteten Gongruenx
und Ineongrueni der FormTerwandtschaft beider Stadien auf die an
Grunde liegenden Ursachen der Trsnsmutationen surttck su
Bchliessen.
Soriel ist von Tvmiherein klar, dass alle FUle roa Ineongruenz
nur der Ausdruck oder die Folge einer nicht genau parallel
laufenden phyletischen Entwicklung der beiden Stadien,
Raupe und Falter, sein kOnnen. Das eine Stadintn muss sich
rasoherodw stärker verhindert umgewandelt^ haben, als das
andre. Eine »ungloirlic })liyl6ti8che Entwicklung« wire
somit die nächste Ursache der Ineongruenz.
So würde das Vorkommen von Raupen-Varietäten bei gleichblei-
benden Faltern einfach so aufzulassen sein, dass hier nnr ^ic Falter
eine Umwandlung erlitten , einen Schritt in der phyletischen Ent-
wicklung vorwärts gethan haben, während die Ilaupen stehen ge-
bliel>en sind. Denkt man sich diese ^einseitige Entwicklung mehr-
mals wiederholt, so würden zwei so stark verschiedene Raupon-
tornien entstehen können, wie Dcilephila Nicaea und
Enphorbiae, während die Falter, wie bei diesen Arten that-
säcblieh der Fall ist. dieselben bleiben würden.
Der bäufif;<'r vnrkoninieude Fall von weiterem Form-Abstand
des einen , als des andern SUidiunis wUnic davon abzuleiten sein,
dass das eine Stadium Öfter oder stärker abgeändert hätte, als
das andere.
Soweit liegt die Erkliirnng der Erscheinungen auf flacher
Hand und es kann kaum eine andere aufgestellt werden, worin aber
liegt die l'rsache. dass der eine Tlicil häufiger oder stärker abän-
dern niusste, dass er gcwissermassen häufiger oder stär-
ker von Abändcrungs - Anstössen getroffen wurde?
woher kommen diese Abänderungs - Austösse? Damit
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1 8S Ueber den phyletiseben PsnlleliimuB bei netemorphitehen Arten.
Bind wir auf den Kerapimkt dieser ganzen Unteronehong gekommen :
Hind CS innere, oder ttnesere UrBachen, welche die
Abäuderangcn bcrvorrnfen, ist es eine phyletiscbe
Lebenskraft oder sind es nnr die äussern Lebensbe-
diognngen?
Obgleich schon im vorigen Abschnitt eine Beantwortung dieser
Frage gefanden wurde, so will icli mich doch aaf das dort erfaidtene
RcBultat nicht stützen, sondern die Frage von Nenem und auf
andrer Grundlage zu beantworten suchen. Die Antwort wird frei-
lich dieselbe sein, wie dort: eine phyletiscbe Kraft muss
zurückgewiesen werden, denn sie erklärt erstens
die Erscheinungen nicht, niul wir kiinneii zweitens
die Erscheiuangeu aasreicheud ohne ihre Annahme
erklären.
Die Annahme einer pb yletischen Lebenskraft
erklärt die Erscheinungen u i e h t.
Die Annahme einer in den ürgiinismen gelegenen, treiin ndcn
Uniwandlungskraft wUrde zwar nüt den Erscheinungen dei" Con-
gruenz ganz gut stinnnen, nicht aber mit denen der Ine(»n-
gruenz. Wenn ein grosser Theil dieser Letzteren darauf beruht,
(UisH die Raupen öfter von Abänderungsst-'ssen bceinflusst wurden,
als ihre Falter, oder umgekehrt, wie soll man das mit einer snkhen
innern Kraft zusammenreimen? Müsste nicht dann ein jedes
S t a (1 i u m einer Art. wenn nicht gleichzeitig, so doch s u c c e s s i v e ,
alicr jedenfalls gleich oft und gleich stark von der in ihr selbst re-
sidirenden Kraft zum Abändern vcranlas.st werden und wie sollte
auf solche Weise jemals eine stärkere Abweichung der Form bei
den Larven, als bei den Imagines zu Stande kommen ?
Es ist Täuschung, wenn man glaubt, durch die Annahme
periodischer Eingriffe der phyletischen Kraft solche
• ungleiche Abstände erklären zu können I Gesetzt es verhalte sich
sOf die innere Kraft zwinge snccessiv zuerst den Schmetterling,
dann die Pappe nnd snletit die Baape warn Ab&ndem , so wttrde
also — wie dies als tbatsllehlieh bestehend fta die einsehien Bau-
penstadien oben nachgewiesen wurde — gewissennassen eine A b-
ändernngswelle Uber die verschiednen Stadien der Art hinglei-
ten. Die einzige Mflgliehkdt, ungleiche AbstSnde zwischen Larven
nnd Imagines sn eridttren, würde also die Annahme bieten, dasa
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Lieber den phyletiflchen Paralielismus bei ruetamorphischen Arten. 1S9
EweiiTerwandte Gkvppen, s. B. Arten, angleielizeitig von der
Welle getroffen wttrden, so zwar, dass in einem gewissen Zeitpunkt
bei der einen Art der Schmetterling allein erst abgeändert
hat» bei der andern aber die Abftndemngswelle aoch die Raupe
schon erreicht hat. In diesem Fall würden dann die Schmet-
terlinge beider Arten n&her verwandt scheinen, als die Banpen.
Nun ist aber diese angespitzte ErkMmngsweise höchstens auf
Yariettten anwendbar» schon nicht mehr auf Arten nnd noch weni-
ger anf höhere systematische Gruppen nnd zwar ans dem einfiu^en
Grunde » weil man jede Abllnderungs- Welle höchstens so stark an-
nehmen darf, dass sie znr Erzeugung des Form-Abstandes einer
Varietät ansreicht. WUre die Abänderung, welche auf einen
einzigen Anstois liiu erfolgt, grOsser, so wUnIcn wir nicht blos ein-
seitige d. h. nur dem einen Stadium angehorigc Varietäten,
sondern wir mUsftten ebenso häufig auch ei u s ei tige Arten
antreifen. Wenn aber durch eine AbUnderungs- Welle stets nur
im höchsten Falle der Form-Abstnnd einer Varietät hervor-
gerufen werden kann , so würde durch den obeii hypothetisch an-
genommenen ungleiehzeitigen Ablanf einer solchen Welle bei zwei
Arten immer nur so geringe Abstand» - Differenzen der beiden
Stadien entstehen können, dass wir sie eben nur als Varietäten be-
zeichnen könnten. Eine Summ im ng aber der Wirkung meh-
rerer succcssiv Uber dieselbe Art hinlaufenden Wel-
len könnte nicht eintreten, weil der Abstund von einer benachbarten
Art immer wiciU r in beiden Stjidien derselbe sein würde, sobald
eine Welle ihren Weg vollendet hätte. Es könnten also auf diesem
Weg nur A b s ta n d s - 1) i f f c r e n z e n v o ni F o r nnv e r t h e einer
Varietät entstehen nnd Incongriien/.en l)ei systematischen Grup-
pen In'ihcren Ranges wUrden auf diese Weise ihre Erklärung
nicht finden.
Aber auch die zweite Form der Incongrncnz spottet
jeder Erkliirnng vom Standpuni^t einer j)liylctiselien Kraft aus.
Wie sollte die Thatsaclic verstanden werden, dass Raupen- nnd
Falter-Familien sicli keineswegs immer decken, oder dass die
Ranpen ch nur zur Bildung von Familien bringen, die Falter aber
zum Theil scharf umschriebene Gruppen höherer Ordnung
bilden ?
Wie könnte eine innere zwcekthätige Triebkraft innerhalb
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1 9Ü UelMT dm phyletiM>1i«n FHallaUiinui bei mrtaaoipliitelira Aittn.
desselben OrganiBmni gans Teraeluedeiie Zweeke ver-
folgen ?
Wenn es die Ali^^icbt war, ein bestimmtes System ansznfUhren
und danaf läafit ja die Annahme einer solchen Kraft immer binaiu,
warom dann eine so nnyollkonunene, nosiehero, ja verworrene
AnsfUlinuig?
Ich mufis es Andern Überlassen, diese Fragen za beantworten,
fllr mich scheint eine Lebenskraft nicht blos deshalb zurückzuwei-
sen, weil man mit ihrer Hülfe die Erscheinungen nicht verstehen
kann, sondern vor Allen» deshalb, weil nie Uherfllissig ist
zur Erklärung derselben; nach allgemeinen GniudsUtzen
darf aber die Annahme einer unbekannten Kraft nur dann gemaelit
werden, wenn sie zum Yerständniss der Erscheinungen unent-
behrlich ist.
Ich glaube , dass sich die Erscheinungen sehr wohl begreifen
lassen ohne eine solche Annahme und /war sowohl die Erscheinun-
gen der C () n g r u e n /. . als die der I n e o n g r u e n /, in ibren beiden
Formen, den ungleichen Abstünden und der ungleichen
Gruppcnbildung.
Nehmen wir einmal an, es läge keine treibende Kraft in den
Organismen, welche sie periodisch zum Abändern veranlasst, son-
dern jede Abänderung sei immer nur die Folge äusserer EiaflUsse.
sei in letzter Instanz nichts Anderes, als die Keaction, die Autwort
gewissermassen des Organismus auf irgend einen von der Auaseu-
welt ausgehenden Kelz, so wUrde also eine jede Lebefonn solange
unverändert bleiben , als sie von einem zum Abändern zwingenden
Reiz nicht getroflfen wird. Solche Abänderungs-Anstösse kdnnen
direkt oder Indirekt wirken, d. h. sie kQnnen neoe Aliia-
demngen nn mittelbar ▼eraalassen, oder sie können dnroh Com-
Iiination, Hänfling oder UnterdrQekung der schon vorhandenen in-
dividoellen Abweiehnngen eine Umbildung in Wege bringen (An-
passung durch Natursllchtnng). Beide Formen der Einwirkung
äusserer Einflüsse sind ja längst bereits als thatsBohlich wirkend
nachgewiesen, es wird also mit ihnen durefaaus iLcine neue und
eist zu beweisende Annahme gemacht, sondern es soll nur versucht
weiden, aus diesen bekannten Faktoren der Art-Umbildung allein
die in Frage stehenden Erscheinungen zu erldftren.
Fussen wir zuerst diigenige Form der Inoongmenz ins Auge,
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Ueb«r dm phyletUchen ParaUelismus b«i metamorphischen Arten. 191
weleh« rieh duroh nngfleiehe Abttftnde der FonuTerwandt-
mkdt kund gibt, so fiUlt ror Allem anf, daas dieaelbe in einer
gant bealimmten Beiiehnng tu den Tersehiedenen
ayatematiaeben Gruppen ateht. Dieae Fonn der Inoon-
gniem biUel in der Ordnung der Lepidopteren die Regel bei
Varietftten, findetririi aehrUMgnoeh bei Arten, veiaebwin-
detaber schon beinah ToUatändig bei Gattungen, und kommt
bei Familien und Familiengrnppen ttberhaapt nieht mehr
for. In dem Maase alao ala wir nns nmfiuaenderea systematiaeben
Grappm anwenden, nimmt die Incongraenz ab, die Con-
gr n e n z an nnd aoletst siegt dieae Letztere vollständig.
Wenn nnn Congrnena rine gleiche Zahl gleichstar-
ker Abändernngsst^ssc vorans8etzt, so sehen wir also darana,
dass die Anzahl der Abiinderuugsstdase, welche bei Ranpen nnd
Schmetterlingen eingewirkt haben, nm ao genauer miteinan-
der Übereinstimmen, je grtfsser die systematischen
Grnppen sind, welche miteinander verglichen werden. Und
wie könnte es auch anders sein! Je grösser die systematische
Gruppe ist. um so längere Zeiträume mlissen zu ihrer Bildung er-
lorderlich gewesen sein, um so /ahlreiehere Abänderangs-AnstÖBSe
mttssen eingewirkt hüben, che ihre Bildung zu Stande kam.
Wenn nun aber auch unter der Voraussetzung , dass der An-
stoes zum Abändern stets von der Aussenwelt kommt, Nichts dafür
spricht, dass die Abänderungs-Anstösse stets beide Stadien
gleichzeitig nnd in demselben Zeitraum in gleicher
Zahl tretfen, so liegt doch auf der andern Seite auch nicht der
geringste Grund zu der Annahme vor, dass lange Zeitrilume hin-
durch immer nur die Kaupen oder immer nur die
Schmetterlinge von Abändern ngsstössen getroffen worden
seien. Wir können dies schon aus der Thatsache entnehmen, daa.s
zwar Varietäten sich häufig nur auf das eine Stadium beziehen,
dass in seltnen Fällen auch Artunterschiede nur bei den Kaupeu
vorkommen, während die Schmetterlinge gleich geblieben sind,
dass aber keine einzige Gattung bekannt ist, deren Arten
sSmmtlichdie gleichen Raupen beaftsaen. Ea treffen also that-
aleblieh in dem Zeitraum, innerhalb deaaen aieh
Gattungen bilden kOnnen, die AbftnderungaatOaae
niemaia bloa daa eine Stadium, aondern ateta beide.
192 Uebcr den pliyl«tiMhen PtnUeHmua bei metamoiphiMheii Arten.
Wenn dies aber so ist» wenn innerhalb der ZcitrUnme, welche
sor Bildung Ton Arten genügen , nur sehr selten und ganz aas-
nahnisweise blos da» eine Stiidinm von Abäiulcrnngfi-Anstösscn
getroficii wird, in der Kegel aber beide, wenn auch nicht in
gleicher lläutifi^lceit, so nuiss nothwendij? in dein Masse,
als die Ze iträmne wachsen, die Differenz in der An-
zahl der A bändcrn n iri^K tiisso , welche die IJaiipe und
derer welche den Falter treffen, stctii; abnehnieu.
mit ihr aber znj^leieh auch die (Jriissc der aus den
A h ä 11 d 0 r II n g B stö SS en res u U i r e u d c n iii o r p h o l ojri se h en
Differenzen. Mit der Anzahl der sucecssiv sich häu-
fenden A bänderun{;en wird sieh der Unterschied in
der Ahiunleru ugsgrösse licider Stadien relativ stets
vermin dem, bis er für unsere Blicke j^anz ver-
schwindet, ^i\\\7. so wie wir eine (iriippe von drei Waizenk<"tr-
nern von einer aus sechs Körnern Itcstcliendcn unterscheiden, nicdit
aber einen Haufen von lo;i Kürueru von einem der lUO Kürner
enthält.
Dass aber die kleinen (Jriippeu des Systems eine kurze, die
grossen eine lange Bildungszeit hinter sich haben müssen, das
bedarf keines besondern Beweises, sondern geht unmittelbar aus
der Desceudenztheorie hervor.
Alles Dieses wird sich aber nnr dann so verhalten , wenn die
AnstOflse som Abändern gleich stark sind — oder um ohne Bild sn
sprechen, wenn AUndenmgen nnr an gleieh werthigen KOr-
pertheilen eintreten, an solehen, deren Veränderungen von
derselben physiologischen and morphologischen
Bedeutung flir den ganzen Oigaoismns ist.
Dies Ist nun aber bei den niederen Gruppen des Systems stets
der Falll VarietttteDi Arten und Gattungen unterseheiden sich
immer nnr durch relstir geringe Unterschiede, tief grei-
fende kommen hier nidit vor, das liegt schon im Begriff dieser
Kategorien und hat, wie ich glaube, seine wahre Uisaelie darin,
dass alle AbKuderung nur in kleinsten Schritten ge-
schieht, dass somit grossere Differenxen nur im Verlauf grosserer
Zeitrilume sich bilden können, Inneriialb deren lugleich aber auch
eine grossere Anzahl von l'ypen (Arten) entstehen, weldie in ver-
schiednen Graden form- und blutsverwandt sein müssen und des-
Uebrnr d«n phyletitoben PmlleliRmu« bei metamofpliitclien Arten. 193
hnlb zn^amnien auch schon eine systematische Gruppe
höheren Ranges bilden.
FHr k'irzere Bildtiiijrszeiten , wie sie zur Bildung: niederer
Grnppen . etwa der Oatlun^cn , erforderlich sind, wird es keine
Incoii^n-ucn/en zur Foli^'c liahen, wenn liei den Itaupen nur un-
typisehe Tlieile wie Zeiclinunj;- (»der Hedornun^' der Haut abün-
dert, bei den Faltern aber typische Theile, Flügel und
Beine. Die Abänderungen , welche in diesem Zeitraum an den
Flügeln n. s. w. ausgcftlhrt werden können, sind in ihrer Gesammt-
heiLt iheh. noch viel zu gering, als dass sie einen erheblichen oorro-
lativen Einflnss anf den Übrigen Bau des KiJrpers ausüben konnten
nnd zwd Arten, deren Ranpen nnd Falter gleicb häutig abgeändert
haben, werden nnn gleiche Abstünde zwischen Raupen nnd zwi-
schen Faltern darbieten, wenn aneh anf der einen Seite blos unty-
pisehe, d. h. fllr die Gresammt-Organisation unwichtige Theile, auf
der andern typische von der AbSnderung betroffen waren. Hier
wird rein nur die Anzahl der eingetretenen Ab&nderungcn daftlr
massgebend sein, ob Congruenz oder Inoongmenz zwisehen beiden
Stadien obwaltet.
Ganz anders aber, wenn grossere Zeiträume hindnreh
im einen Stadium nur typische, im andern nur nntypische
Theile der AbSnderung unterworfen waren. Im ersteren FsU wird
jetzt eine durchgreifende Umgestaltung des ganzen Baues eintreten
können, da nicht nur die typischen Theile selbst, z. B. die Flttgel,
eine viel weiter gehende und in derselben Richtung sich
fortsetzende Umgestaltung erleiden kOnnen, sondern da ihre Ab-
Xnderung auch sekundär Umgestaltungen andrer KOix»ertheile her-
beifllhrt.
Auf diese Weise glaube ich es erklären zu müssen, dass auch
bei höheren Gruppen des Systems noch ungleicher Form-
abstand der beiden Stadien vorkommt und wenn diese Erklä-
rung richtig ist, 80 ist damit auch zugleich die Ursache der auf-
fallenden Erscheinung aufgedeckt, dass diese Incongrnenz
von der Varietät an bis zur Gattung abnimmt, bei
dieser selbst nur ausnahmsweise vorkommt, dann
aber bei den Familien wieder Ton Neuem auftritt
und nach den höheren Gruppen zu immer mehr zu-
nimmt, ßis zur GattUDg hin beruht die Incongruenz lediglich
'l94 ^'t:l>tir den phyletiRchen Parallelismus bei metaniorphischen Arten.
daniif , dasB das eine Stadimn 8f te r abg^ndert hat, ab das an-
dere, beider Familie, Familiengrvppe and wie splterbei
den Ordnungen der Dipteren nnd Hymenopteren geseigt
werden soll, bei der Unterordnung nnd Zunft, bembt de «af >
der Dignitftt der yon der Abänderung vorwiegend betroffenen
Kdrpertbcile. Die Zabl der Abäudcrun^an ist dann gldebglllti^,
wdl sie überhaupt so gross ist, dass die Differenz für unser Auge
verschwindet, aber auch die gleiche Zahl von Abänderungen
kann jetzt, wo sie eben eine sehr grosse ist, eme weit
Stärkcrc oder weit schwächere Umgestaltung des ganzen Körpers
herbeifuhren, je nachdem sie vorwiegend typische oder nntypische
Theile betroffen hat, je nachdem die Al)ündeningen lange Zeit hin-
durch die gleiche Richtung einhielten, oder häufig in der Bichtung
wechselten.
Derartige angleiche Formabstände , wie sie bei den hüheren
systematischen Gruppen vorkommen . sind wohl immer zu^^ieich
mit V e r s c Ii i e d n e r G r u p ]) e n b i 1 d u n g verknüpft, die Ii a u p e n
bilden Jindere systematische (iruppeu als die Falter und zwar so.
dass der e i n e Thcil (irnppen höherer, oder Jiiederer Art
bildet, oder aber so, dass die Gruppen zwar auf beiden Seiten von
gleicher 1) i g: n i t ä t , aber von u n g 1 e i c Ii c r Grösse sind. da.«<s
sie sieh nicht decken, sondern übereinander grei leu.
Ineongruenzen der letzteren Art zeigten sieh in einzelnen
Fällen innerhalb der Familien Nyiiijilialiden , ich will sie an
dieser Stelle nicht näher analysiieu. weil ihre Ursachen schärler
hei den später zu betrachtenden Ordnungen der Hymenopteren
und üipteren hervortreten. Die erste Art dieser Incongi-uenzen
aber lässt sich bei den .Schmetterlingen sehr gut in ihren Ursachen
klar legen. Sie tritt am scbärt'sten hervor bei der Bildung von
Familiengrupiien.
Noch Niemand ist im Stande gewesen , durch ein einziges,
durchgehendes Merkmal der Kaupen die Gruppe der Tagfalter
zu begründen und doch ist grade die Gruppe der Tagfalter bei den
Schmetterlingen die schärfste und bestbegrenzteste in der gan-
zen Ordnung.
Wenn man einem gänzlichen Unkundigen keulenförmige Füh-
ler als Hauptmerkmal der TagfoHer angibt , wird er nionals Im
Zweifel sein Aber die Zugehörigkeit irgend eines Schmetterlings
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lieber den pliyktiMshen Tkmllelismu)« bei meUunorphinchen Arten. ] 95
zu den Tagfaltern. Bin Bolobes typisclies, allen Familien in glei-
dier Weise zukommendes Merkmal ^It aber bei den Ranpen nnd
man könnte deshalb mit Kecht sagen, es gäbe keine Tag-
falter-Raupen, vielmehr nor Eqnitiden-, Nymphaliden- und
Hclieoniden-Ranpen. Wohl vermag man die lUnqien der einzelnen
Familien durch charakteristische Merkmale zu sondern und in so-
fern wird es einem Kenner nicht schwer werden, im einzelnen Falle
eine Tagfalt^anpe als solche zu erkennen , aber sie besitzt nnr
ein Familien-Merkmal, entbehrt aber eines Merkmals hliherer
Ordnung.
Zum Theil beruht diese Incongrnenz darauf, dass der
Formabstand zwischen einer Rhopaloceren- und einer Heteroceren-
Familic auf Seite der Schmetterlinge weit grtJsscr ist, als auf Seite
der Raupen; gäbe es nur eine einzige Familie der Tagfalter
auf der Erde, etwa die der E(|uitidcn , so würden wir derselben auf
Seite der Schmetterlinge den Rang einer 1' nterordnung zuge-
stehen dürfen, auf Seite der Raupen aber nicht: derartige Fälle
kommen thatsäcblich vor. wie denn später ein solcher aus der Ord-
nung der Dipteren besprochen werden s<tll. Damit allein aber ist
noch nicht erklärt , warum eine ganze Reihe von Familien auf Seife
der Falter denselben grösseren morphologischen Abstand
?on den Familien anderer Gruppen zeigen.
Es mu88 also Zweierlei hier erklärt werden : Erstens: warum
ist der Form ab stand zwischen den Faltern der Tag- und
Nachtschmetterlinge grösser, als der zwischen ihren Rau|)en:
und Zweitens: warum werden die Iniagincs der Tagfalter durch
gemeinsame Charaktere zu einer höheren Gruppe verbunden,
die Raupen aber nicht?
Auf beide Fragen ist die Antwort von dem hier vertretnen
Standpunkte aus leicht zu finden. Was die erste Frage betrifft, so
findet sie ihre Lösung darin, dass der Formabstand stets ge-
nau dem Funktionsabstand entspricht, d. h. dem Ab-
stand in der Lebensweite.
Veigldefaen wir nun eine Tagfidter- mit einer NaditfiJterfa-
milie, so kann kein Zweifel sein« dass der Unterschied in
den Lebensbedingungen anf Seite der Falter bei
weitem grosser ist, als nnf Seite der Raupen.
Die Untersehiede in der Lebensweise der Banpen sind Uber-
196 Ueberdeu pliyletisehen ParalMismus bei metainorphischen Arten.
hanpt sehr gering. Alle leben von Fflanzentheilen , mtlssen grosse
Quantitäten von Nahrung nnfnchmcn und kiinncn dcHhalb die Nah*
riingßiiul nähme HUT knrze Zeit unterbrccheu. Deshalb verlassen
sie ihre Nahrungspflanze nie auf Inii^e Zeit und es ist wichtiger fUr
sie, sich fest anklammern, als sehr schnell und lange laufen zn
können. Sie l)rauchen aber auch ihre Nahrang nicht lange zn
suchen , denn sie leben in der Regel in einem Ueberflnss derselben
und damit liüupt die geringe Entwicklung ihrer kurzsichtigen und
wenig entwickelten Augen, sowie ihrer übrigen Sinnesorgane zu-
sammen.
Im Grossen und Ganzen leben die Kaupen unter sehr
uniformen Bedingun<::(Mi . so mannichfaltig dieselben auch im Ein-
zel neu variirt sein können.
Die ^nissten l ntoiscliiedc der Lel)cnswcise, welche bei Sebniet-
terlingsrauj)cn vurkoninien /.ei;;en die Molzfressor auf. Alicr
selbst bei diei5cn. die dureh steten Absehluss von Liclit . dureh die
Härte des Nahrunirstotfes , dnieb den Einscbluss in en.uen, von
hurten Wänden begrenzten (längen, durch die eigenthiiinlicho Art
der Furtl)tMve^ung in diesen Gän,:;en doch wirklieh in mehreren IJe-
ziehuniren anders situirt sind, als die übrigen, frei auf Pllan/.en
lebenden b'aiipcn, liat die Anpassung au diese Lel)ensbedingungcu
doch niclit irgendwie durc'igreifendc VeriindtTung der ty])isehcu
Znsammensetzun;: des Körpers hervorgerufen; diese Hanpen,
welche , nebenbei gesagt, den versehiedensten Familien angehören,
sind mehr oder minder farblos, plattgedrückt, haben alle sehr
kräftige Kiefer und kleine Fllsse. aber bei keiner eiir/.igen tinden
wir die Anzahl der Segmente verringert, welche den Ki'iqjer /u-
sauuncusef/.en . oder die typischen Oliedmassen geschwunden oder
irgend erheblich umgewandelt, alle ohne Ausnahme iialicu IG
FUSse, wie die llbrigen liaupen, mit Ausnahme der Spanner.
Wenn nun selbst unter den möglichst abweichenden Lebeus-
verhältnissen die Anpassung der Form mit relativ geringen, ge-
gewiroennassen oberflächlichen Abänderungen zn erzielen war , so
werden wir bei der grossen Hehrzahl der Raapen , bei allen , welche
auf der OberflSehe der Pflanzen, oder in wdehoi Fflanzentheilen
'die meisten Hierolcpidoptera) leben , jcdeo&lls noch weniger ty-
pische Abänderungen erwarten kthmen. Die ganze grosse Mxa-
nichfaltigkeit der Kaupenformen beruht wesentlieh auf verschiedner
L.iy i.i^uu Ly Google
Ueber den phyletüehen Banllelunraa bei mfltunorpbisehen Arten. 197
Aüfbildung der Haut uud der in ilir irele^''enen Tlioilo : die Haut ist
entweder iiaekt und kann dann mit den vcrsuhiedensten Far!»en i)e-
malt. tbeili^ synipatiiiseh , tlieilH auflallcud gelarht, oder mit einer
8<rhutz- oder Trutzzcichnung versehen sein, .sie kann mit Ilaaren
bedeekt sein, welche nesseln, mit Dornen, welche sttdien, sie
kann ( inzehie ihrer Drüsen zn ji,'ewnltij,'cr Grösse entwickeln, mit
^rrellen Farben und stinkendem Sekret versehen Nacken "ialiel der
Tapilioniden . Schwanzdrtlsc der Gabelscinviiuzcl, sie kann aber
aucli durch IIerv<»rbringun^ von Warzen, von Ecken, Spitzen,
Uilrkcni aller Art der Raupe die .sonderbarsten Gestalten verleihen,
deren Bedeutung t'lir das Leben des Thiers uns noch keineswegs
tiberall klar ist, typische T heile aber werden durch alle diese
mannicblaltigen Aeiiderunf:en nicht wesentlich beeinliusst. Höch-
stens verändert sich die Form der einzelnen Körperabschnittc uud
damit die des ganzen Thiers assclartige öchildrauj)eu der Lyeae-
niden , niemals aber schwindet einer derselben und gelbst eine be-
deatende Verlängerung der Gliedmassen findet sich nur in sehr selt-
nen Fällen (Stauropus Fagi).
Sodarfmui also wohl sagen, dass der Ban der Banpen
in Folge uniformer Lebensbedingungen ein im Oan-
zen ungemein uniformer ist Trotz der grossen Manineh-
fiütigkeit der äussern Erseheinnng veründert sich der Toialbaa dar
Ranpenieht, nnr seine AaB8ch|mttoknngen varürenbald naeh
dieser, lialdnach jener Bichtang und passen sich auf Grandlage
des bereits Ererbten den Tersehiedenen Special-Lebensbedin-
gungen anfe Beste an.
Alles dieses verhillt sich bei den Faltern ganz anders. Hier
begegnen wir sehr bedeutenden Verschiedenheiten der
Lebensbedingungen. Die Tag<er, welche unter dem Ein-
flüsse des direkten Sonnenliehtes und weit höherer Temperatur
leben, welche während einer ungleich grosseren Stundenzahl des
Tages fliegen , müssen wohl in ihren Bewegungsorganen (Flttgeln),
ihrer Behaarung, in der Entwicklung ihrer Augen und Übrigen
Sinnesorgane anders ausgerüstet sein, als Nachtfalter. Allerdings
sind wir heute noch nicht im Stande, den speciellen Naehwms
zn liefern, dass die einzelnen Organe der Tagfalter dem Leben bei
Tage genau angepasst sind, aber sehon der Umstand lässt es uns
mit Sicherheit im Allgemeinen enobliessen, dass es keinen
198 UciNMr dam phylcdteliMi Pinllelitimn bei nntamofplilwhen Alton.
einzigen Tagfalter gibt, der bei Nacbt flöge! Man wird mir
nicht einwerfen wollen , dass es ja f?ar manche »Nachtfalter« gäbe,
welche bei Tage fliegen. Es scheint allerdings keine grosse Ver-
jlnderuiiu^ des Tianes n«"ithig zu sein, um einen als «Nachtfalter« or-
ganisirten Schmetterling zu befähigen, auch hei Tage zu fliegeu.
Dies beweist aber Nichts gegen die Ansicht, dass derBaa der Tag-
falter auf Anpassung an das Tageslebeii hernhe.
Analoge Falle koninien bekanntlich in /.ahlreicben Thiergrup-
pen vor. .So sind die Kr e I) sc Deca])(Hlcn ntVcnbar für das Wasser
organisirt , es gibt aber Krabben , welche weite Kelsen zu Lande
unternehmen. Nicht weniger scheinen die Fische ausschliesslich
auf das Wasser berechnet zu sein und doch vermag der Kletterfisch
stundenlang auf dem Lande zu leben.
Nicht di c se s ist ungewühnlich und verlangt eine besondere
Erklärung, dass Nachtfalter zum Theil bei Tage fliegen, sondern
vielmehr umgekehrt die eben erwähnte i hatsaclie , dass kein
einziger Uhopalocere bekannt ist, der bei Nacht flöge.
Man darf daraus wohl den Schluss ziehen, dass dieselben vergnüge
ihrer Organisation unfähig sind zum Nachtleben.
Nehmen wir nun einmal an*), eine dem TagcBleben angepassta
Sehmetterlingsfamilie liesse aus sich im Laufe der Zeit eine Naeht-
falterfomilie herrorgehen, to kann ea nieht iweifelhaft sem, dass
die Umwandlung des Baues anf Seite der Falter bei wdiem Mirker
sein wttrde , als anf Seite der Raupen. Aneh die Letstem k&nuten
nicht ganz onTerHadert bleiben, nicht deshalb «weil ihre Falter zun
Nachtlelien ttberg^en, was fttr die Raupen TOllig gleich-
gültig wlrci wohl aber deshalb, weil dieser Uebergang nar
sehr allmälig, nur im Laufe sehr langer Generations-
folgen geschehen kann und weil in so langen Zeitriumen
auch die Lebensbedingungen fttr die Raupen nothwen-
digerweise oftmals wechseln werden. Es wurde oben ge-
zeigt, dass schon in dem Zeitraum , wie er zur Bfldung einer neuen
Art erforderlieh ist, stets auf beiden Seiten Abinderungs-
anstOsse eintreten, wie viel mehr also, wenn es sieh um die Btt-
*) Nur der Einfachheit halber mache ich dies« Annahme, nicht etwa,
weil ieh tbeneugt vire, d«M £e heutigen Khopaloceim wiriiiicli die ilteite
Gruppe der ScbmetterliDge daietellen.
L.yi.,^uu Ly Google
Deber den phjletbehra Pmlldtuni» bei nettmorpldaoheii Arten. 199
^ng einer Gruppe von viel höherem Rang handelt, zu deren
Feststellung ein ungleich lUngerer Zeitraum nothwendig ist. Es
werden also in dem angcndiiinienen Falle auch die iiaupen abiln-
dern, aber sie werden weit geringere Veränderungen
erleiden, als die Falter. Während hei diesen in Folge der
gänzlich ahweiehenden Leheusbcdingungeu fast alle typischen
Theile des Körpers einer tiefgreifenden l'nigestaltung unter-
worfen werden, ändern sieli die Raupen vielleicht nur in ihrer
Zeichnung, oder ihrem Haar- oder Borsfenkleid , oder in irgend
\N elcher andeni Aeusscrliehkeit , während ihre typischen Theile nur
unwesentliche l'nigestaltungen erfahren.
Auf diese Weise lässt es sich leicht verstehen , dass die Rau-
pen einer Noctuiden - Familie nicht stärker von denjenigen einer
Tagfalterfamilie abweichen , als diese von einer andern Tagfalter-
familie, sowie weiter, dass die Falter einer Rhopaloceren- und
einer Heteroceren-Funltte weit grössere Form-Abstände erkennen
lassen f all Um Ranpen. Damit wlie tbo äm «ngleiehe
systematisohe Werth, den man einer einzelnen Tagfalter-
Familie in ihren Ra n p e n and in ihren Faltern beilegen mllsste,
eiklttrt. Die nngleiohen Form-Abstinde fallen genau
snsammen mit nngleiehem Abstand der Lebensbe-
dingnngen.
Wenn aber sinuitliehe Tagfalter -Familien dieselbe Bildnng
ihrer typisehen KOipertheile (Fllbler, Flttgel n. 8. w.) anfWeisen
nnd eben dadnreh noeh deotlieher sich als dne hOherwerthige
i^stematiflehe Gmppe, als eine Familiengrnppe oder Unter-
ordnung den übrigen Sehmetterlingsgruppen gegenttberstelton,
wibrend ihre Ranpenfiunilien dnroh hebe gemeinsamen Merkmale
▼eibnndeii erseheinen, so liegt die Uiaaehe dieser Ineongmens ein-
fteb darin, dass eben nnr die Falter nnter eigenihllmliohen Be-
Angongen leben, welche ihnen allen gemeinsam sind,
bei andern Sehmetterlingsgruppen aber nieht wiedef-
kehreii. Ihre Raupen leben gradeto, wie die aller übrigen Sehmet-
terlingsfomilien, sie weichen in ihrer Lebensweise dnrehans nieht
weiter von den Familien der Nachtfalter ab, als ontereinander.
Wir sehen also biereineOemeinsamkeit der Form genau
in demselben Umfange anftrotcn , in welchem auch Gemeinsamkeit
der Lebensbedingungen Torhanden ist. Fttr alle bei Tage lebenden
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200 Ueber d«n phjletiMhen FanUelimrot bd metamorplibeheii Arten.
Falter liegt in diesem Tap:eslcben eine solche Gcniciusamkcit
und dem cn(8i)recliend limlen wir aueh nur sie, nicht aber ihre
Kanpen durch gemeiusame Charaktere zu einer Gruppe ver-
bunden.
Aber auch fUr die Kanpen finden wir eine ljcl)ereinstimuiung
der Lebensbedingungen, um- in einem viel weiteren Unil'ang. in dem
der ganzen Ordnung. Innerhalb der Ordnung der Schmetter-
linge sind die Lebensbedingungen der llaupcn — wie soeben ge-
zeigt wurde — im Ganzen sehr einförmig and dementsprechend
stimmt aaeh der Bau der Kaupen aller Falterfamilien in seinen
wesentlieheii d. fa. typisdien Theilen fiust genau nberein.
So erkliirt sieh die sonst gani uDTerstftndliche Erscheinang,
dass die Raupen zwar nieht die Unteroidnungsgruppe der Tag-
falterraupen bilden, dann aber doeh wieder zu der noch höhe-
ren Gruppe ^Ordnung) derSehmetterlingsraupen zusammen-
treten, sie bilden Familien und eine Ordnung zusammen, aber nieht
die dazwischenliegende Kategorie der Unterordnung. Es widerlegt
sich damit zugleich der Einwand, den man allenfidls versnchen
konnte, dass nimlich Larvenformen YcrmOge ihrer •niederen und
unentwickelten« Organisation es nieht zur Bildung höherer, syste-
matisdier Gruppen bringen konnten.
Ich muBS ttberhaupt auf diese Form der Incongruenz, der
Bildung nngleichwerthiger und ungleich grosser
systematischer Gruppen in theoretischer Beziehung das
grOflste Gewicht legen. Ich halte sie, wie ich oben schon
kurz andeutete , fttr gänzlich unTcreinbar mit der An-
nahme einer phyletischen Kraft. Wie wftre es denkbar,
dass eine solche Kraft in demselben Organismus nach zwei
ganz verscbicdnen Richtungen arbeitete, dass sie dieselben
Arten in ihrem Raupenzustand zu einem ganz andern System zn<-
sammenstellte, als im Zustande des Falters, dass sie aus den Bau-
pen nur Familien, aus den Faltern aber auch Unterordnungen
bildete? Wenn eine innere treibende Ursache cxistirte, deren
Tendenz es wäre, bcBtimmte Gruppen thieriscber Formen derart
ins Leben zu rufen, da.ss dieselben /.usannnen ein harmonisches
Ganze bildeten, in welchem die einzelneu in ganz bestimmte, mor-
phologischen Beziehongm zueinander ständen, so niUsste es dieser
ja ein Leichtes gewesen sein, den üanpen der Tagfalter irgend ein
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Ueber den phyletiaehen ParallelismuB bei metamorphischen Arten. 20 t
kleinesMerkmalmitsiigebeii} welohoB sie als so! ehe elwrakterisirt,
ihnen gewissemiMsen den Stempel »Rhopaloeera« aofge-
dmekt bitte 1
Daren sehen wir indessen Nichts, vielmehr TerhJUtsieh Alles
genau so, wie es sieh verhalten mttsste, wenn die
Umwandinngen der organischen Welt anssohliess-
lieh auf äussere Ansttfsse hin erfolgten.
HL Inoongruenzen bei andern Insektenordnungen«
Wenn anch die Ordnun^^ der .Schmetterlinge in Welfaelicr Hin-
sicht besonders günstig ist für eine Untersuchung, wie sie im
N origen Abschnitt angestellt wurde, so wird es doch nicht ohne
Nutzen sein, anch einige der andern nietamorphiscben Insekten-
Ordnnngen auf die Formverwandtschaften ihrer beiden Iliiupt-
stadien zu prüfen und zu untersuchen, ob auch hier die Bildung
systematischer Gruppen der beiden Stadien mit dem Umfang ge-
meinsamer Lebensbedingongen zusammenflUlt.
Hymenoptersn.
Bei <!ies( r Ordnung' kann Uber die Ziisaiuuu'iip;cliöriKkcit, die
Furiiivcrwandtäcbaft der Ima{;ines kein Zweifel sein. iJie ei^en-
thllmliebc Verbindung des Pro- und Mesotborax. die Zahl und
Aderun*; (ler Flügel , die beissenden, -/iigUMcb mehr oder weiiii^cer
auch zum Leeken ciiigericlitctcn Mündt beile giibeu durch die ganze
Ordnung hindurch und hissen keinen Zweifel, dass die Ordnung
der Hytucnoi)tcren in der Formverwaudtschaft ihrer Imagines gut
begründet ist.
Ganz anders aber mit ilireu Larven. Man darf kühn l)ebanpteu,
dass die Odnun^ niemals aufgestellt wurden wäre, hätte inun nur
ihre Larven gekannt I Zwei ganz verschicdne Tvpeu von Larven
kommen hier vor, der eine — raupenarlig — zeigt einen deutlich
ausgebildeten hornigen, mit den typischen beissenden Insekten-
Mnndtheilen bewaffneten Kopf und einen Leib aus 13 Segmenten, an
welchem ausser einer wechselnden Zahl von Afterfttssen immer drei
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202 Ueber den phjrletiiolien Parallelismus bei metamorphischen Arten.
Paare von hornigen ThoracalfllBsen titsen; der andre T^ypna tat
madenfOrmig, obne hornigen Kopf, ganz ohne oder wenigatena
ohne die drei typischen Insekten-Kieferpaare nnd ohne After- nnd
Thoracalfttsse. Nicht einmal die Anzahl der Leibesringe ist die-
aelbe, denn bei den Raupen der ßlattwespen finden sich deren 13
ausser dem Kopf, bei den madenfbrmigen Bienenlarvcn ab«r zeigen
sich im Ganzen nnr 14 Leibesabschnitte, bei den Gallweapen nnd
Ichnenmoniden nnr 12 oder 10. Man wUrde auch sehr irrm, wollte,
man die zusammenfassenden Merkmale in innem Organen aufzu-
finden hoffen. Der Darmtractns verhält sich ganz verschieden bei
beiden Larvenl^pen, wie Rchon daraus hervorgeht, dass den maden-
förmigen Larven die Afteröffnung fehlt; hüchntenH das Traeheii-
system und Nervensystem zeigt eine gewiBse Uebereinatimmnpg,
die aber anoh nicht vollständig ist.
Die Ordnung der Hymenopteren eiistirt also
genan genommen und rein morphologisch gedacht
nnr in den Imagines; in den Larven existiren nar die Grup-
pen der raupcnf<)nnii^cn und niadentorniigcn Larven.
Die ersteren liaben grosse Aehnlichkeit mit den .Schmetterling^ß-
raupen und ohne alle Kenntniss der weiteren Entwicklung könnte
man versucht sein, nie mit diesen in eine Gruppe zu vereinigen.
Allerdinga untersclieiden .'(ich lieide durch gewisse Einzelheiten im
Bau der Kopfgliedmassen durch die Zahl der Leil »es ringe. Atler-
füKse u. 8. w. nicht unwesentlich und man wUrde sie deslialh wohl
als zwei Unterordnungen einer 0 r d n u n g d e r H a u p e u autTllhreu,
jedenfalls aber würde man sie fllr weit näher form verwandt
halten, als die iiaupen- und die Madeufo rm der Hyme-
nopteren. •
Ist es nun aber denkbar, dass die Imagines der H}inenoptcren,
dass Pflanzenwespen und Staehclwespen sich nur zufällig so ähn-
lieh sehen, in Wahrheit aber von ganz versdiiedncn Sfanimformen
aus sieh gebildet haben, deren eine etwa mit den Sehuiettcrlings-
rauiMMi aus einer Wurzel kam, die andere etwa mit den maden-
förniigcu Fliegenlarven i
Gewiss nicht! die gemeinsamen Charaktere sind zu durchgrei-
fender und tiefliegender Art, als dass hier eine blos äussere Aehn-
Hchkeit vorliegen sollte; schon allein ans dem Ban der Imagines
läaat deh mit grosser Wahrscheinlichkeit ein gemeinsamer Ursprung
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lieber den phyletischen Paralleli''nius bei metamorphiscben Arten. 203
«Der Hymenopferen ableiten. Zur Geiwissheik aber wird derselbe
dadareh erhoben, dasB wir die phyletisebe Entwicklung
der madenfOrmigen Hymenopteren-Larreti aus ran-
penfOrmigen dnreh dieOntogenese der Ersteren naeh»
weisen können. OQrehdieeehOnenUntersnobangenBntsehli's
ttber die embiTODale Entwiddong der Biene*) wissen wir, dass
der Embiyo 4ßt Made einen ToUstüadigeai ans fier Segmenten be-
stelieiiden Kopf besitzt mit den typischen drei Paaren Ton Kiefern,
dass aber später diese Kopfsegmente sich nicht sn einem wirkliehen
homigen Kopf weiterbilden, Bondemyielmehr zusammenschnimpliMl,
daas die Kiefer schwinden mit einziger An^nahme des ersten
Fsares, welches in Gestalt weicher, mit kleinen Homspitzchon ver-
sehener Stücke erhalten bleibt. Wir wissen anch, dass auf den
drei vordersten Leibessegnienten im Embryo die drei typischen
Beinpaare hervorwaclisen in derselben Gestalt rundlicher Blätter,
in der sie bei allen Insekten znerst erscheinen, dass aber anch
diese noch vor der Gebart der Larve vollständig wieder znrQckge-
bildet werden und ganz ebenso geht es mit paarigen Gliedmassen-
Anlagen sämmtlicher [?; übrigen Segmente, welche schon in die-
ser ersten Anlage eine gcring^e Versohiedenheit von den drei vorderen
Beinanlai^en erkennen lassen.
Die Maden der H y m e n o p t e r e n stammen also von
Formen ab, welcbe einen horni^'cn Koj)!' mit Fühlern
und drei Kieferpaaren, und einen dreizehngliedrigen
Leib besassen. dessen drei vorderste Segmente Beine
trujren, welche etwas verschieden waren von den
Bein paaren der übrigen Leibessegniente. Das heisst
also : sie stammen von Larven ab, welche im Allge-
meinen den Hau der heutigen Biattwespeularven oder
sog. After-Kaupen besassen.
Somit wäre die gemeinsame Herleitung aller Hymenopteren
aas einer gemeinsamen Wurzel sicher gestellt.
Woher rührt aber der so ganz ungleiche Abstand in der Form-
*} Zeitochrift für wisaenachaftl. Zoologie Bd. XX, S. 510.
**) Ob nicht da* viMne, elfte mid iwSlfte Segment, irie hA den hevte teilen-
den Aftcnraupcn aller Ülatlwespcn , ohne Fussanlagen sind? Aus den Abbil-
dungen Bütschli'i möchte ich es Cut Mhliesaen (siehe s. B. Taf. XXV,
Fig. IT A).
204 lieber den phyletieohen PanneUamut bei metsmoffpbiMhen Arten.
Verwandtschaft der Larven und dcriniagines? Sowie uns heute die
madenfitniiigen Larven als fertij^e, Icbcnstalngc Thiere vorliegen,
sind sie oliuc Zweifel :ius!<erordentlieb viel weiter von den raiipeu-
Torniigen Larven entfernt , als die rflanzenwcspen von (h'n Staeliel-
wespen. Während l^auzenwesiuMi und .Staclichvespcn sich nur
durch die verschiedene Gestaltung der typischen Körpcrtlicile. ,
Gliedniassen u. s. w. unterscheiden, werden ihre Larven durch
viel tiefer greifende L'nterschicde j^'ctrennt; wichtige, typische
Gliedniassen seh winden in der cincji (iriippe ganz, während sie
Inder andern zu voller Entwicklung gelangen n. s. w.
Es bestellt also bei den llynienopteren eine sehr beträchtliche
Incongruenz des nioriditdogischen d. h. des auf reino Fttrniverwandt-
schaft hasirten Svstenis der Larven und der Iniagines. Der Grund
derselben ist nicht schwer zu finden : Die Lehen sbcdi ngunge n
der Imagines weichen ungleich schwächer von ein-
ander ab, als die der Larven! Die Lebensbedingungen der
Imagines gleichen sich in allen grossen Zügen ; alle Hynieu(»jitcreu
leben hauptsächlich in der Luft, im Fluge, alle am Tage,
und auch in der Ernährungsweise sind keine allzuweiteii l iiter-
schiede bemerkbar. Ihre Larven dagegen leben unter fast diame-
tral entgegengesetzten Verhältnissen , diejenigen der P f 1 a n z e n -
Wespen leben nach Haupenart auf oder in rilanzen, in beiden
Fällen stets anf ihre eigne Locomotion zur E r r e i c h u n g und anf
ihre Kauwerkzeuge zur V e r k 1 e i n e r u n g der Nahrung angewiesen ;
die Larven der übrigen Hymenopteren aber bedfkrfen
sttmmflieh keiner Ortsbewegung und keiner Zerkleinemngswerk-
zeuge, tun ihre Nahrung zu erreielieii und um sie zu gemessen, sei
es, dass sie in Zellen gefüttert werden, wie die Bienen nnd Ranp-
wespen , sei es , dass sie in Pflanzengallen anfwaehsen , deren Säfte
sie saugen , sei es , dass die als Parasiten andrer Insekten von deren
Blnte sieh ernähren. Wir kOnnen wohl begreifen, dass bei dieser
ganzen letzteren Gruppe die Beine schwanden , die Kiefer ebenfalls
schwanden oder doch nnr in einem Paar nnd aneh dieses nur in
sehr redndrtem Zustande persistirten nnd dass die hornige Skhale
des Kopfes, die AnsalzflSche der Kanmnskeln, mit diesen ver-
loren ja dass die Segmente des Kopfes selbst mehr oder we-
niger schmmpflen, als die Sinnesorgane eingmgen, welche anf
ihm ihre Stelle gefunden hatten.
Digilized by (^(X-x^le
Ueber den phyletisehen PaTaUelhiiras bei metamorphischeo Arten. 205
Die Inconpriienz äassert sich aber noch in anderer Weise als
durch den relariv grösseren morphologischen Abstand der Larven:
es findet auch eine andere Grappirnng statt beiLar-
Tcn als bei Iniap:ineB.
Wenn man die Ilymenopteren blos nach den Formenver-
wandtschafteu der Imagines eintheilt, so wird die alte .Scheidung
in zwei Unterordnun üon die richtigste sein, in die Hy menoptera
Terel)ra ntia oder L) i t roch ii und in die Mymenoptera Aculoa ta
oder M 0 n ot r o c h a. Uie unterscheidenden Merkmale , Legt rühre
oder Stachel, ein oder z weigliedrii^c Trochantcr sind doch von
durchgreifender Bedeutung. Diesen beiden IJnterürdnungen
en t s j) r e c Ii e n nun ab e r ke in e s \v c gs d i e be i d c n La r ven -
typen, sondern l)ci den Ter ebrn ntia kommen Fami-
lien mit raupeuartigen und solche mit madenartigeu
Larven vor.
Die Ursache liegt darin, dass bei einem Tlicil dieser Familien
die Larven in Thieren oder in Ptlan/.engallen .'^climaro/.en und da-
durch nach ganz, andrer liiclitnng hin den Hau ihres Körpers um-
gewandelt hai)en. Die Lel)enswciBe der Imagiucs dagegen ist in
ihren Hau ptzUgeu dieselbe.
Wir haben also hier wieder den Kall , dem wir schon hei den
Khopaloceren unter den Sclinietterlingen begegnet sind, das.s die
Imagines zu einer liidiern Kiniieit verbiuidm scheinen als die Lar-
ven, weil jene unter im Grossen und Ganzen llhereinstimmenden
Lebensbedingungen, diese aber unter sehr abweichenden leben.
Man hat nun freilich in den ncncrcn zoologischen Lehrbüchern
die alte Eintheilung der Hymenopteren in nur zwei Unteiordnimgen
aufgegeben, niantheiltsieindrei: Pflaasenwegpen, Scbma-
roserwespen and Staebelwespen, aber dieses System
ist eben mit Rncksicbt anf den so Terschiednen Ban
der LarTen anfgestellt worden. Ob es richtiger ist^ als
das alte, d. h. ob es die genealogisebe Verwandtschaft besser
ausdruckt, will ich hier nicht nntersnehen.
Dipteren.
Auch bei den genuinen Dipteren (nach Abing der Pnli-
einen ond Pnpiparen) stimmen die Imagines in allen Haupt-
charakteren llberein, Zahl und Bau der FIflgel, Zahl nnd Oliede-
2ü6 lieber den phyletieehen PermlleHiiiDiu bei metamorphieohea Arten.
nin^^ dvr Beine, eigentliünilü-licr Bau der Brust A'^ersoliiiielzung »ler
drei Segmente des Thorax , ja selbst Bau der Momitheile variiren
uur innerliall» enj;er (Jrenzen.
Dem entspricht die in ihren lIau])tzUfren glcicljmässige Ijebens-
wtise; alle genuinen Dipteren leben im Licht, hewejren sieh vor-
\vief;end (Inrch Fliegen , laufen aher auch alle zugleich, alle end-
lich, welche im imago-Zustand Uberhaupt Kabruiig gemessen, er-
nähren sich von Ilüssigcn StotTen.
Ihre Larven dagegen sind nach zwei grundverschiedenen Ty-
pen gebaut, die einen, — ich bezeichne sie als den Schnaken-
Typus — besitzen einen hornigen Kopf mit Augen, drei Kiefer-
paaren und mit kürzereu oder längeren Flihlern, sowie einen aus
12 bis 13 Segmenten zusammengesetzten Leib, der zwar nie die
typischen drei BrustfUsse hervorbringt, wohl aber häufig sog.
AfterfkUne am ersten und letzten Segment. Die andern Dipteren-
larven stnd oiadenförmig» ohne hornigen, ja ohne jeglichen
Kopf, denn der erste, dem Kopfe homologe Abschnitt sdebnel deb
nicht einmal dnrch bedentendere Gr^Jsse von den llbrigen ana, ist
▼ielmehr im Ctegeotheil viel kleiner. Die typischen Insektemniud-
tfaeile fehlen gilnzlich, statt ihrer findet ridi ein yerschieden ge-
formter, im Mnnde gelegener, Torstreekbarer , ganz eigenthttm-
lieber Hakenapparat. Ausser dem ersten, angenlosen Segmente
sind nur noch elf andere vorbanden , an welchen niemals AfterCttsse
sieb ent?rickeln.
Die Lebensweise beider Lanrengmppen differirt sehr bedeo-
tend. Wenn auch die »Maden« der Fliegen meist nicht ▼OlUg nn-
filhig xn jeder Loeomotion sind , wie die der Hymenopterea (Bienen,
Schlupfwespen), so sind sie doch vorwiegend anf kleine Bewe-
gungen innerhalb der Nahrungssubstana angewiesen, anf
welche sie als Ei abgesetst wurden. Sie geben nicht ihrer
Nahrung nach, sei es, dass sie nach Art der Scbluphrespen als
Ftoasiten im Innern anderer Insekten (Taebinen), sei es, dasa
sie in fiinlenden tbierischen oder pflanslicben Stoffen leben oder
aber mitten unter ganzen Schaaren sessUer Beutethiere, wie die
Sjrphidenlarven unter den BhittMusen. Gewöhnlich sogar Teipap*
pen sie sich an demselben Orte, an welchem sie als Lanre gelebt
haben . und zwar in ihrer Larvenhant , welche zu einer tonnenf^Jr-
migcn Puppenbulle oihäiiet. Nur weuige verlassen den Ort ihrer
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U«ber den phyletiaeheii ^rallelitmu« bei metamorphinchen Arlfn. 207
Ernährung und verpuppen sieh erst nach Beendigeog einer kleinen
Heise (Eristalis.
Wie bei den Hyraenoptercii-Ijarvcn , so lässt sich auch hier der
Bau der Larven ans den Ei^^cntliUmlichkeiten ihrer Lebensweise
verstehen. Thiere , welche im Inueru einer Nahrungsmasse leben,
brauchen weder besondere Locomotionsnr/^auc, noch besonders ent-
wickelte Sinnesorgane l Aui^en. Sie bedürfen auch nicbt der drei
Kielerpaare , da «ie stctf^ nur tlllssigc Nahrung geniessen und auch
der im Innern des Mundes ^^clcgenen Haken nich nicht /.um Zer-
kleinem der Nahrung, sondern zum Festhaken des ganzen Körpers
bedienen. Mit den Kiefern und ihrer Muskulatur fallt aber auch
die Nothwendigkeit fester Ansatzüächeu lUr beide weg, d. b. eiu
horniger Kopf.
Die Lebensweise der Larven des Sehnaken-Typus ist in
den meisten Punkten ganz entgegengesetzt. Die meisten und zwar
grade die typisch ausgebildeten von ihnen müssen sich ihre Nah-
rung suchen, sei es. dass sie vom liauhe leben, wie Cul leiden
und manche Tipnliden (Corethra und Mu sei form es ;S i-
mulia , sei es, dass sie von Pflanzen sich ernähren, die sie zum
Theil sogar zusammenschleppen und zu einer schützenden Wohn-
röhre verarbeiten einige Chirommius Arten . Viehi leben im Was-
ser und bewegen sich sehr rasch , andere in der Erde und in vege-
tabilischen Stoffen, aber selbst die in Pilzen wohnenden Arten
wandern zum Theil auf weite Strecken iiin fort, wie der oft be-
sprochene i>IIeerwurnia lehrt (aus Tausenden der Larven von
Sciara Thomae gebildet).
Es entsprechen nun im Allgemeinen die beiden Larventypen
den beiden grossen Familieugruppeu , in welche man die genuinen
Dipteren in der Regel und wie mir icheint mit Recht einfbeilt ; in
dieser Hinsieht besteht also Gleichheit der Formverwandtscbaft,
die Grnppenbildnng ist dieselbe und die Ineongmenz beruht nur
daranf, dass der Formabstand swisofaen den bddeilei Lanren
angleich grösser ist als «wischen den beiderlei Imagines *) .
*i ist mir nicht unbekannt, dass die beiden Unterordnungen der ge-
miiiMn IMpteran. die Kurdiern«r (Bnehyeerat und Laoghörner (Nearoeera)
dordiaill lüdlt scharf abgegrenzt sind , auch weiss ich wohl, dass es Larven-
fonnen gibt, welche den einen mit (Um amlern I.arventjpu» verbinden. Die
Verbindungsglieder bei den Imagines lallen aber keineswegs immer mit dea
VcrbinduDgigUedem dar Larven «uainnien und ci beatdit hier eine iweila,
208 Ueber den phyletisehen Pandlelim»» bei mcUunotphiMhen Arten.
DnsR der Abstand der Form bei den Larven grosser ist, als
bei den Imagines kann keinem Zweifel unterliegen, dass aber ans
dieser weiteren Formverwandtschaft nidit auf einen sehr weit zn-
rllcklicgenden «cemeinsamcn Urspjnmg. :\ho auf eine sehr weite
IMiitS'Verwandtochaft ^^eseblo^son werden darf, geht nicht nnr ans
der £xistens Ton Uebergangsformen zwischen beiden Unterord-
nungen hervor, sondern läst sich hier wie bei den Hy-
menopteren ans der embryoloi^^isehen* Entwicklung
der madenförmigen Lnrven entnehmen.
.Schon vor zwölf Jahren iiabe ich nachgewiesen*), dass die
madenftimiigcn Larven der Musciden als Embryonen einen wohlent-
wiekeltcn Kopf mit Antennen und drei Kieferpaaren besitzen, dass
aber im weitern Verlauf der embryonalen Entwicklung eine merk-
würdige Hedtictifm und Tniformung dieser Theile vor sich <r« lit. so
zwar dass zuletzt die vier Kopfsegmente als ein einziger kleiner liing
ersclieinen p'l)iMet von den miteinander versebmolzenen Maxillen-
paaren, wülucnd der sog, « \'orderkopfi das erste Kopfsegincnt)
nel>st den Mandil>eln zu dem im Innern des Körpers gelegenen mit
einem ll;ikrnap]>arat bew.ttVncten Sclilnndkopf sich umwandelt.
leli lialu' (l;ini:ils keinen Srliluss auf die jtliylctisclic Entwiek-
lung dieser Larven formen daraus abgeleitet. s(» wenig als dies von
Huts eil Ii s( (Iis Jalire sj)äter in Be/.ug auf den ganz anal(»,LM'n Fall
der liienenlarve geselielieu ist. Der Selduss ist aber so sell»sfvcr-
sfäudlieli. dass es mich wundert, dass er bis jetzt noch nicht ge-
zogen worden ist**!.
Eh kann Uberhaupt nicht zweifelhaft sein, dass die sog.
sehr auifallendc Incongrut-ns der morphologischen VerwandUchafl , die wie-
derum nur rfsreaf lu beciehen ist, dam des eine Stadium durdi «tirker ebwei-
ehende LebensverhältniBsc nuch in der Form stärker abgewichen ist, eil dae
andere. Giudf Iult wird die Einsicht indessen diuhirch erschw« rt, <lnss aiii^er
Achter FormvL-rwandtschaft auch nuch scheinbare, durch Cunvergenx be-
dingte binsokommt, so dam ohne ganz genaues Eingeben in« Eintelne die
Form- und genealogischen VerwandtscbafteO Zweiflügler nicht zu entwirren
sind. Es wäre übrigens von grossem Intereste, den Versuch su machen und
ich hoffe, später dazu Müsse zu finden.
*) Entwicklung der Dipteren. Leipzig 1864.
**i Lubboek sdiliesst au« der'Anweeettbeit von Thoraealbetnen bei dem
Hiciinicnibryo auf AbsfnmmuiiL,' Mm einer cain|iii(l' narli^'eii T.arvp. ül)er^ieht
aber dabei, dass auch die Anlage der Abduminallüsse nicht fehlt. A. a. O.
8. 28.
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Ue^ den phyktinehen ParallelitmiiB b«i metamorphiachen Arten. 209
»warm Iii III) igen«, hesser ni:i(lenfnrniigen Larven der
hisekteu durchaus keine selir alten Formen sind, sondern im
Ge^entheil sehr recente, wie dies wohl zuerst Fritz M Ii Her*'',
später Puckard * uud Brauer" j hervorj;eh<»l)en lialuMi und
wie es auch in der neuesten Schrift Uher Pbylogeuic der Inäckten
vou Paul Mayer -;• festgehalten wird.
Offenbar stammen die »Maden« der Zweiflügler von einer
Larrenform ab, welche einen hornigen Kopf, Fühler und drei
Kieferpaaro, wekhe jedoch an den »Segmenten des Leibes keine
Gliedmassen besass; sie sind also in ganz eigenfchttm-
lieber Weise nmgewandelte nnd einer neuen Lebens-
weise angepasste gewöhnliche Dipterenlarren des
Schnakentypus sowie die »Maden« der Hymenopteren
in ähnlicher, wenn anch keineswegs gleicher Weise nmgewandelte
Blattwespenlarven sind.
Die Aehnlichkeit zwischen beiden ist znm grossen Theil eine
rein Ansserliche nnd bemht anf dem Vorgange, welchen Oscar
Schmidt als Convergenz bezeichnet hat, anf Anpassung hete-
rogener Thierformen an gleiche Lebensbediugangen. Durch An-
passung an das Leben im Innern flüssiger Nahrungsmassen haben
raupenartige Uymenopteien-Lairen und tipulidenartige Dipteren-
Larven einen ähnlidien äussern Habitus und auch manche Aehn-
lichkeit der innem Structur, kurz einen ziemlich hohen Grad von
Fonnverwandtschaft erlangt, der wohl im Stande wäre, den weiten
Abstand in der Blutsverwandtschaft zu verdecken, wenn uns nicht
einerseits die embiyologischen Formen, andrerseits die Imagines
darüber Aufklärung verschafften.
Es ist gewiss von grossem Interesse, dass noch in einer drit-
ten Insektenordnung ganz sporadisch madenförmige Larven
vorkommen, bei den Käfern, nnd dass ihre Entstehung hier auf
den Einflnss genau derselben Lcheu8bedingnnp:en znrttckgefUhrt
werden muss, welche auch die Bienen -Bladen hervorgerufen
•) Für Darwin." Leipzig 1S»>4. S.SO.
**] McD). P«'a1>ody Afailfiny of Scii'nrr, Vol. I No. 3.
•••) Verhandl. Wien. Zoolox- Botan. GesellHch. ISii9, p. MO.
•j-] Uebcr Ootogenie und Phylogenle d«r Insekten. Bin«
■kademuobe Preinchrift. /en. Zeitschrift Bd. X. Neu« Folge III. Heft 3.
18TS.
WtliasaB, SUdicD. II. 14
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210 lieber den phyletisehen PtmlleliMnus bei roetamorphiicfaen Arten.
habeu, ich ineine die von Bienenhonig schmarotzenden Meloiden-
Larven (Mcloe, Sitaris, Cantharis . Der Fall ist dadareh Doch
instnietiver, als hier die sechsfUssige Larvenfonn ooeh flkfct bia in
die Bientwicklnng zurttckgerrickt ist, Bondern im eraten Statfasi
des LarveolebeBs beibetialtan wiid. Erat im tweitea Larren-
Stadium wird die Madenform angenommen, allertliuj^^s nicht ao
extrem ansgeprttgt, wie bei Dipteren nnd Hymenopteren, da weder
der Kopf, noch die Thorooalfttiise so yollständig redneirt werden,
wie dort. Immerhin sind aber diese Theile in dem Umwandlnnga-
prooess weit vorgeschritten.
Mir scheinen die »Maden« der Bienen nnd Fliegen
gani beeonden lehrreich in Bezog anf die hier im Vordergrund
stehende FVage von den Ursacheo der Transmutation. Klarer ala
hier kann kaum je die Antwort von den Tfaatsacben ertbeilt werden
anf die Frage : was gibt den Anstoss snm Abttndem, kommen die
AbündemngsstOsse von innen, oder von anssen? Wenn die Larven
hier die Form ihrer Stammttltem anfgegeben nnd einen weit ab-
weichenden Bau angenommen haben, der nicht nur mit Rednetion,
sondern theilweise mit einer gani wesentlichen nnd
fremdartigen Neugestaltung (Sehlnndkopf der Mus-
ciden) verbanden ist und wenn diese Aendemng des Baues sich
g^u den jetzigen Lebensbedingangen angeschmiegt zeigt, so ist
es schon schwierig, die Vorstcllnng beizubehalten, als bernhe diese
Transiiuitation auf der Wirkung einer phyletisehen Kraft. Dieselbe
hätte vorherBchen niUsRen, das» grade zu dieser oder jener bestimm-
ten Zeitperi(Mle die l'rahncn der Maden in Lebensbedingungen ver-
setzt werden würden , welche es ihnen wHnscbenswerth machen
mnsste, sieh na( Ii <!' m Maden-Typus hin umzugestalten. Wenn
aber zngleich die Imagines sich ungleich weniger
von den Imagi nes jener ranpenfthnlich en Larven ent-
lerntcn und zwar wiederum im genauen Vcrhältniss
der A I) wei (■ Ii iingcn in den Lebensbedinj^ungeu. so
sehe ich wenij^'stcns nicht ein, wie man der Conseqnenz entgehen
will, dnss CS die äiissein i-.ebensbe(linfi:un{;en sind, welche die
'rransniiitatiuntMi einleiten, die Abiinderungs-Austösse dem Orga-
nismus niittluilcn. Mir ist es unfassbar, wie ein und dieselbe
l^ohensk ruft in demselben Individuum das eine Stadium
stark, das andere schwach zur Truusumtatiou anregen soll und
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Ueber den phyletiaohm Pandtellsni» Iwi metemorphiachen Arten. 21 1
Doch dazu entsprechend den stftrker oder schwächer
abweichenden Lebensbedingungen, denen sich der Orga-
nismiiB in dicRcn beiden Stadien fügen soll. GUur nicht zu reden
davon, dass durch solche nngl ei che Abweichungen die AusfUh-
mng eines idealen Syatema (Scböpfan|;8gedankena} verlittmniert
and Terdrelft wird.
Man kann aneh nieht mit dem Einwarf antworten, dam es sieb
bier nur um Abändernng nebensSeblieher, nnbedentender Verhält-
nisse handle, wobl nnr nm Verkttmmemng dnsehier Organe dureb
Nicbtgebraueh u. s. w., knrz nm Veränderungen, die als Wirkungen
des Einflasses der Anssenwelt angegeben werden.
Es bandelt sieh bier so wenig nm eine blosse Verkttmme*
rnng von Organen dnreb Niebtgebraueb , als etwa bei den Cirri-
pedien; die Um- und Nengestaltnng des ganzen Körpers gebt aber
noeb viel weiter, als bei jenen , wenn sie ancb Sosserlieb niebt so
animilig ist Wo ünden wir sonst Insekten derenKopfindie
LeibesbOble eingestülpt ist (Scblandkopf der Ifnseiden),
deren vorderster Leibesring, der physiologisebe Ver-
treter des Kopfes, lediglieb ans den miteinander
versebmolzenen Antennen nnd Maxillenpaaren be-
steht?
Der Ineongmenien in den Formverwandtscbailen sind aber
grade bei den Dipteren tiberans lahlreiebe nnd es witrde eine be-
sondere Abhandinng ntttbig sein, nm sie grUndlicb sn erOrtem.
Nnr noeb einen Fall möcbte ieh bier erwftbnen, weil hier die Un-
gleichheit grade im entgegengesetxteo Sinne sieh xeigt.
Oerstäcker, gewiss eiu gründlicher Kenner der Insekten,
tbeilt die Zweiflügler in drei »Zünfte«, die Znnft der Diptera
gennina, der Pupiparanndder Aphaniptera. Die letstere,
die Znnft der Floh«, besitzt in ihren getrennten Bmstringen,
ihrer gegliederten Unterlippe so sehr von den eigentlichen Dipteren
nnd aneh von den Lansfliegen (Pupiparen) abweichende Charak-
tere, dass Latreille und die englischen Zoologen dieselben ganz
von den Dipteren trennen nnd in einer besondem Ordnung erheben.
Wer nun aneh diese Anordnung nicht billigt, sondern mit O er-
st ftcker die Flohe den Dipteren nireehnet, wurd doch immer zu-
geben, dass der morphologische Abstand zwischen
14«
212 lieber den ph) letischen Paralleli.s<iiUN hei raetatnorphiiichea Art«n.
ihnen und den beiden andern Zttnften weit grösser
ist, als der zwischen diesen beiden selbst
Nnn besitsenaber die Larven der FlOhe Tollkommen den
Bau der SchnalLenlaryen, hornigen Kopf mit typischen
Hnndtheilen nnd Fahlem und fnsslosen Leib ans 13 Ringen be-
stehend. Wftren nns nur die Larren der FlOhe bekannt, wir
würden sie den genuinen Dipteren einreihen nnd iwar der Unter-
ordnung der Nemocera oder Schnaken. Züchteten wir sie snm
ersten Hai, so würden wir erwarten, eine klone Schnake ans der
Pappe aosschlüpfen zu sehen.
Während also die Imagines der langhOmigen Schnaken nnd
der Flohe eine nnr sehr ferne FonnTerwandtschaft besitsen, leigen
ihre Larven eine Uberans nahe. Und sollte Jemand daran iweifeln.
dasB in diesem Falle nicht die Larve der stärker abg^nderte Theil
ist, sondern die Iraago? Und hat diese, der Floh, sich nicht an
sehr weit von allen Ul)rigen Dipteren abweichende Lcbensverhnlt-
nisse .ingcpasst, während seine Larve in dieser Hinsicht sich nicht
von vielen andern ZweiflUglerlarven unterscheidet ?
Wir haben also auch hier wieder einen Fall angleicher, phyle-
tischer Entwicklang vor uns, der sich in der ganz verschiednen
Formverwandtächaft von Larven nnd Imagines kond gibt.
Somit ist es hier, wie bei den Schmetterlingen bald das Lar-
ven-, bald das Imago-Stadium , welches stärkere Umwandlangen
erfahren hat, und wie dort , so wäre auch hier mit dem Einwand
Nichts anszurichten, dass die pliyletische Lebenskraft etwa in dem
»höheren« Stadium der Imago stärker wirke und bedeutendere
Differenzirungeu hervorbiinge, als in dem »niederen«, mehr« an-
entwickelten « Larvenstadium.
Wenn aber gefraj.'-t wird, ob auch hier die ungleiche jibylc-
tischc Entwicklung auf un^lt'icber Anzahl von Abänderungsan-
Rtössen beruht, wcklie die beiden Stadien in ,:;leichem Zeitraum
gctrolTon haben, so muss dies entschieden verneint werden, vielniolir
hat (liesell)e hier, wie lici den liölicrcn systcnmtisclien Grni»])cn der
Schmetterlinge ihren Orund olTenbar in dem ungleichen Werthe der
von Abänderunuen vorwiegend getroffenen Theilc. Auf der einen
Seite sind dies Tlieiie von geringerer Bedeutung für den Gesammt-
bau. aufib r andern solche von grösserer. So verhält es sich selbst
noch in dem zuletzt augefllbrteu Fall der Flühe, wu zwar von
uiyiu^-Cü Ly Google
\Mm d«n phyletMelwB PuRBneliimos bei metamorphlidien Anni. 213
typischen Körportheilen nur die Flügel rudimentär geworden,
aber sowohl Fühler, als Mundtheilc nnd Beine, ja Bclbst Gestalt
ond VerbindungHwcise der Ktfrpcrringo ifreie Thoracalsegmente)
Hehr wesentliche Umgest.'iltungen erlitten haben mttssen, während
die I^rve nur ganz unbedeutende Veränderungen durchgemaclit
haben kann, da sie jetzt noeh in allen typisohen Tbeilen mit den
ächnakenlarven übereinstimmt.
Wenn also auch in diesen und ähnlichen Fällen sehr wohl eine
grössere Zahl von Ahändcrungs-Anstösscn auf der einen Seite ein-
;;rf roten sein kann, als auf der andern, ja wenn höchstwahrschein-
lich diese Anzahl nicht al)8(»lut p:l«'icli gewesen sein wird, so lic^t
doch die Haupt Ursache der autiallcmlcn Iiicongrucnz nicht hierin,
ftondeni vielmehr in der Stärke der Ahändeiun^s Ansfiisse. wenn
es erlaubt ist. dieses Hild zu i,'ebranclion. oder genau ausgedruckt,
in der Wichtigkeit der Theilc. welche abändern und
zugleich in dem Grade der Abiindornng.
Grade hierin aber scheint mir ein nicht unbedeutendcN. theore-
tisches Kesultat verborgen zu liegen, welches sieh wiederum gegen
die Wirksamkeit einer phvletischen Kraft wendet.
Wenn sogenannte typische Tb eile- eines Tbierkörpers
rein nur durch Einwii kiing der Ausscnwelt vollkommen verschwin-
den, und was nocii meiir ist, so vt)llständig sich umändern können,
dass etwas ganz Neues, wiederum Typisches Museiden-
Schlundkopfi daraus entstehen kann, ohne dass dadurch die
typischen T h e i 1 c des andern Stadiums derselben
Individuen ebenfalls nmgcpriii^t und in einen neuen
Typus verwandelt werden, wie kann man dann noch einen
Unterschied zw is«'hen typischen und nicht-typischen Tbeilen i n
Bezug auf ihre Entstehung festhalten/ Wenn aber ein
Unterschied nur in Betracht ihrer physiologischen Bedeu-
tung besteht d. h. ihrer Wichtigkeit für den Zasamracuhalt des
ganzen Organismus , für das Gleichgewicht der Gesammt-Organi-
sation, in Bezog aber anf Abändemng nnd Wegfall genau dieselben
Einflüsse massgebend seheinen, welehe aaoh die sog. zufälligen
und nebeosttcblichen Theile znm AbSndem oder Schwinden bringen,
wo bleibt dann noch ein Operationsfeld fttr die vor-
an s ge s etz t e p h y l e ti 8 e b e K ra f t? Hit welchem Recht dürfen
wir annehmen , dass die typischen Theile durch eine Lebenskraft
214 Ueber den phyletischen Parallelistnu« bei metamorphitchen Arten.
entstehen? Und doeh ist grade dies das oltimnm refoginm Der-
jenigen, welelie angeben müssen, dass eine Menge Ton thieiiaeheD
Theilen oder GharalKieren durch den Einflnss der Anssenwelt ver-
Mnderti beseitigt oder aneh hervorgemfen werden.
IV. Zusammenfassung.
Die Frage . welche die Ueberschrift des zweiten Absobnittes
stellte, musste in Verlauf der Untersnchnng mit »Nein« beantwor-
tet wei-den: Die Formverwandtsehaft der Larven
fitUt durchaus nicht immer zusammen mit der Form-
verwandtschaft der Imagine» oder was dasselbesagt: eui
System, welches Icdiglid» auf die Morphologie der Lar>'cn gegrün-
det ist, fällt nicht überall zusammen mit einem System , welches
lediglich auf die Morphologie der Imagines sich stutzt.
Zwei Arten von Incongruenz stellten sich heraus. Die erste
besteht darin, dass verschieden grosse Abstände zwei systemati-
sche Gruppen bei Larven nnd bei Iniapncs kenneni Während diese
Gruppen selbst glciclicii rnifaii^'^ babcn.
Die zweite Art besteht woKeiitlicli darin , dass die beiden Sta-
dien systematische Gruppen von versch icdnciii l'ni fange
bilden und zwar entweder so. dass diis eine Stadium zu Gruppen
höherer Ordnung zusaiunicnfritt , als das andere, dass also un-
gleich werthige Gruppen gebildet werden, oder aber so, dass
beide zwar systematisch gleich wer thige Gruppen bilden, dass
diese Gruppen sich aber in ihrem Unifan^^e nicht völlig
decken, dass die eine über die andere hinübergreift.
Sehr häufig verbindet sich diese zweite Art der Incongruens
mit der ersten, ja sie ist meistens die direkte Folge derselben.
Die Ursache der Incnngmcnzen wurde in ungleic her phyleti-
scher Entwicklung gefunden und zwar entweder darin, dass das
eine Stadium in demsellien Zeitrauiu von cinergrössern Zahl
von Abänderungsstössen getrofi'en wurde, als das andere, oder dass
diese Abäuderungsanstösse der Stärke nach verschieden waren,
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U«berden ithyletiMheo Farallelismus bei metamurphiscbeo Arten. 215
k. dsM iie Tbeüe Ton giOaserer oder g«riitg«rar physiologi-
tcher Dignitftt, oder daes eie iwar gleiohwerthige Tbeile,
diese aber ungleich stark träfe*.
In allen Fällen, in welchen tiefer greifende Form-Differensen
vcrlie^'cn, liess sich nachweisen, dass dieselben geoan snsaBmeii'
treffen mit Ungleichheiten in den Lebensbedingungen und swar
naeh aweierlei Richtung, in Bezng anf Stärke nnd auf Umfang:
mit crsterer stimmte der Grad der Formdifferenz, mit tetituer ihre
▲nsdehnnng Uber eine kleinere oder grossere Gruppe
Ton Arten.
Die yersohiednen Formen der InoongmenE leigteD sieh in fol-
gender Weise.
1) Verschieden grosse Form-Abstände zwischen
den Larven einerseits nnd den Iroagines andrerseits. Unter den
Lepidopteren fanden sie sich am häufigsten bei den Varie-
täten und Arten und dort konnten sie mit E\idenz daranf zu-
rückgeführt werden, das» das eine Stadium entweder allein von
abändernden EinflllBsen getroffen worden war Variation oder doch
vorwiegend (Arten . In letzterem Falle konnte mehrfach nach-
gewiesen werden , dass tbatsächlich das eine Stadium (das der
Raupe) auf einer älteren phyletisclieu Stufe zurückgeblieben war
'Dcilephila-Arten) . Derartige, lediglicb auf dem häufigeren Ein-
(rcrten von Abänderungs-Anstössen beruliende Incongruenzen kön-
nen nur !)ei den kleineren Gruppen des »Systems bemerkbar sein,
bei den grösseren verschwinden sie dem vergleichenden Blick. Bei
den höheren Gruppen können ungleiche Form-Abständc aber tla-
dnrch hervorgerufen werden, dass die Aliänderungs-AnstösseTbeile
von ungleicher physiologischer und morpbologischer Di^niität treffen,
oder aber gleichwertliige Theile in verscliiednein (thkIc. -Vlle der-
artigen Wirkungen können sich aber erst nach 1 a u gd a ii e r n d e r
Summirung der Einzel-Ai>änderungc'n zeigen, das heisst nur bei
solchen systematischen Grup])cu, welche lange Zeiträume zn ihrer
Bildung nßthig haben. Dadurch erklärt es sich vollkommen , dass
wir die IncongraenMo de« Form-Ahstaades anerst von der Varietät
aa bis sor Gattung hinauf stetig abnahmen sehen, dass sie dann
aber vtm der Gattung aufwärts aar FamiUe, Familieugruppe nnd
Unteioninnng wieder znnefaoien : die erstere, naeh oben sn abneh-
mende Ineongnienz beruht anf ungleicher Zahl, die letztere, naeh
216 Ueber den phyletiiehen VmlleltBiniu bei nMUuBOfpliiwhen Arten.
oben zuiiebmeude beruht auf ungleicher btärke der Abäodemnga-
Aoßtöfise.
Füllt' der /.woiteii Art linden sich unter dm Le]>idMpft'ren so-
wohl in den Familien, als besonders in den l';iiiiilieii;^i ii|i]ien Rlio-
paloeera und Heterocera . noeh autVälli^'er zeij:en ^iL• sich in den
hübe reu systematiticheu Gruppeu derUymeuoptereu uud Dip-
teren.
Su weichen die ran pen t i» r ni i f;e n und die ni ad e n t'ö r in i -
Larven der Hynicno]»tcren weit stärker von einander ab,
als die I marines, da bei ihnen die tyj)isehen l'heile einer };jinz-
licben Unip:estahun^' verrallen. während sie bei diesen nur in nüix-
»igen (!r«'n/.en abändern. Etienso die Dipteren, deren sebnakon-
(«»rniij^e Larven ebenfalls weiter von den niadeurornn'^en al>st(dien,
als die Sclmaken von den Flieden, l'ni^a^kebrt ist der .\l»stan(l
/wischen den Iinagines der Flidie und der Schnaken bedeutend
j^rösser, als der zwischen ihren Larven, ja die Larven der Flöbo
würden j^radczu als Familie der I nterorduunf; der Sehnakenlarveu
beiy;ezälilt werden müssen, wollte man ein Lar\ ensvstem durch-
fuhren Daraus erhellt zugleich, das» diese nngleichen Abstände,
wo sie bei höheren systematischen Gruppen vorkommen, immer
zugleich die zweite Form der Ineongruenz mit sich führen, diejenige
der ungleichen Rystematischen Gruppenbildnng.
Ueberau, wo Bolehe ungleiche Abstände bei höheren Gruppen
vorkommen, gehen sie genau parallel einer starken
Abweichung der Lebensbedingungen. IMfferiren die
Lebensbedingungen stärker auf der Larvenseite, so finden wir aneh
bei den Larven den Bau stärker abweichend» die Pormverwandt-
schaft also entfernter (Pflanien- und Staehelwespen , Schnaken
und Fliegen) , weiehen dagegen die Lebensbedingungen stärker auf
Seite der Imagines auseinander, so finden wir dort den grosseren
morphologischen Abstand (Tagfidter und Naehtfiilter, Schnaken
undFl9he).
2) Die Bweite Hanptform der Incongruenx besteht
darin, dass die Larven andere systematische Gruppen
bilden, als die Imagines, wenn man sie ohne Rttcksicht auf
ihren genetischen Zusammenhang, blos nadi ihrer Formverwandt-
schaft in Gruppen zusammenstellt. Diese Incongruenx zeigt sich
wieder in der doppelten Weise der Bildung ungleichwerthiger
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Ueber den phyletiselien Ftnllelismat bei «MtomorphiMlieii Aiten. 217
Gruppen und der Bildung gleicli wertlii^^or. aber iin-
gle i c Ii u in f a n g r e i c b c r , also i^icb nicht voUkooinien deckendeTi
sondern Übereinander greifender 0 nippen.
Ua8 Erstere kömmt vur alu direkte Fulge veniobieden grosser
Abstände. So wtirden die Larven der Flöhe wegen de» ge-
ringen Form ' Abstandes, der de von den Larven der »Scbnaken
trennt, nur den liang einer Familie (der Schnakenlarven i bean-
spruchen können , während ihre Imagines durch so weiten Form-
AbBtaud von den Scbnaken-ImagincK getrennt nind, dass sie mit
Becht den Kang einer liesondeni Zunft erhalten haben.
fJanz cl>eu8o länst sicli auch die Ungleichheit der nieder-
sten Gruppen, der Varietäten, bciirtlieilen. Wenn die Kau -
pen einer Art sich lokal in zwei Formen ge.*<palten haben, die
Falter aber nicht, so bcHit/.t jede der l)ei<lcii l\au[>enformeu nur
den sv.stemat isclien Werth der Varietät, während die
Falterform den Werth d.er Art hat.
Weniger einfach sind die rrsachen der Eisclicimmg. dass vom
einen Stadiniii die niederen (iruppeu zu einer liidieren vereinigt und
zusamnicngefass( werden, vom andern Stadium aber dieser höhere
Kang (sit venia verbo' nicht erreicht wird, (ianz besonders ver-
wickelt erscheint ein solches \'crliiiltniss dann, wenn nun eine noch
höhere ( iruppcnbildung wieder bei beiden Stadien zur Auaftlhrung
gelangt !
»So verhält es sieh bei der Fainiliengmiipe der Tagfal-
ter ; Rho pa 1 (»e era , welche nur von den Faltern gebildet wird,
während die Kau pen nur Tagtaltcr Fa ni i 1 ie n l»ildcn , beide
aber dann d(tch wiedernm /.u der höchsten sytitematiuchen Gruppe,
der der Lei»id<»[itcrcn sich vereinigen.
Aueh in diesen Fällen entspricht die Ditlerenz in dem Werthe
der beiderseitig gebildeten systematischen Gruppen genau der Dif-
ferenz in den Lebensbedingungen, dies tritt besonders dann sehr
dentlich hervor, wenn jederseite mehrere Untergruppen vorhanden
sind, wenn also nicht, wie bei den FUthen nnr eine Familie einer-
selta all Zunft andrerseite aar aia Familie aaftritt, sondern wenn,
wie bei den Tagfaltern sahlreiehe Familien einerseits zu der
höheren Einheit der Unterordnung verbunden ersebeinen (FaU
ter), andrerseits zn einer höheren Gruppe desselben Umfimges
nieht zusammentreten (Kau pen). Grade in diesem Falle konnte
8)8 Ueb«r den plijdetiMlimi FimUeliraiiM bei iMtaBrarpMielieB Arten.
bestimmt BaohgQwiesen werden . dass die Zusammenfassung der
Familien za einer Gmppe höherer Ordnung, wie sie anf Seite der
Falter vorlicj^t, genau in dem Umfange eingetreten ist, in wclrhem
auch die I^bensbedingungen von denen andrer Falterfamilien ab-
weichen. Die Gruppe der Tagfalter entspricht genan einem gleich
grossen Kreis gleichfbmiiger Lebonsbedingnn^'cn , während ein
solcher gleichen Uinfanges auf Seite der Raupen fehlt.
Die zweite Art ungleicher Gruppeubiidung i)CHtohl
darin, dass zwar gleichwerthige Gruppen von Ix'iden
Stadien gebildet werden, dass sie aber nicht glei-
chen Umfang besitzen, sondern übereinander greifen and
sieh theilweise decken.
Vor Allem tritt dies sehr klar bei der Ordnung der Haut-
flUgler (Hymenoptera) hervor, bei welcher sowohl Larven
als Imagines zwei morphologisch gut begrenzte Unterordnungen
bilden, aber so, dass die eine Larvenforni nicht nur die eine Unter-
ordnung der Imagines ganz beherrscht, sondern noch über sie liin-
auBgreift Uber einen grossen Theil der andern Iniago-Unterordnung.
Grade hier ist wieder die Abhängigkeit dieser Erscheinung von
den Einflössen der AuBsenwelt .sehr deutlich, da sich nachweisen
Iflsgt (durch die F.nihryologie der Hiene . dass die eine Larven-
forra, die niadcuförniigc, trotz ihrer heute so stark abweichen-
den Bauverhältnisse aus der andern hervorgegangen ist und dass
sie dnrch Anpassung an bestimmte, weit abweichende Lebensbe-
dingungen entitanden sein muss.
ÜKMt Form der Incongmenz ist alete verbunden mit ungleioben
AbstlndeD swiielin den IMm Stedten der dnen ^yrtanwtieehen
Gruppe, in diesem Falle der Terebiantia. Die I.ianren dieser Imago-
GruppebeeilBentlieUs Afterrattpen- (Phytosphecea), (hefls
Maden-Form (Entomospheeefl) nndweidien bedenfend lürker
von einander ab, all die Pflannnwespen von den Schlnpftree p e n .
Die lotete Uraaefae der Incongrnens liegt alsoaneh hier darin,
data das eine Stadium stllrkero AbSndenmgen er&hren hat, als
das andeie, so dass hier eine tiefer gehende Spaltang der Groppe
entstanden ist, als dort.
In ihnUflher Weise mOgen jene analogen InefnignieBsen bei
dnadnen Familien der Lepidopteien entstanden asin, die oben
näher dargelegt wurden, nur dass wir bei diesen fUr jelit noeh
üeberden pbyletuchen Parallelismua bei metamorphinchen Azten. 219
fliuHwr Stande rind im lüiiieliien den NacliweiB zn ttefeni, duB der
Bu der Ranpen dorcli bestfaimte, specielle äiunera Lettensbedin-
gongen starker abBnderte, als der der Falter.
Bei der kleinsten ^rstematischen Gruppe, den Varietftten,
gelingt dies wieder znm Tbeil , dort beruht die einseitige Ahände-
mng theilweise auf direkter Einwirkung äusserer Einflüsse
{Saison -DimorphigmuR, klimatiHohe Varietät), und es lässt sich
nachweisen, dass diese Einflüsse (Temperatur) nur anf das eine
Stadiam einwirkten und demgemäss aaeh nur dieses zur Abände-
rang veranlassten, wälurend das andere nnverUndert blieb.
So wäre denn iwar nicht für jeden einaelnen Fall, wohl aber
ftlr jede der yerschiednen Arten Ton Inoangrnenz
der Formverwandtschaft ein durchaus genauer und überall
zntrefTender Parallelismus mit Incongruenz der Lebens-
bedingungen nachgewiesen. Wo immer die Formen
im einen Stadium stürker abweichen, als im andern,
da finden sich auch stärker abweichende Lebens-
bedingungen, wo immer das morphologische System
des einen Stadium nicht zusammenfällt mit dem
des andern, sei es nach dem Umfang oder nach dem
Werthe seiner Gruppen, da weichen auch die Le-
he nshed in gun gen dieses Stadinnis entweder blos
stärker oder zng-leich noch in anderem Umfang von
einander ab, wo immer vom einen Stadium eine
morphologische Gruppe gebildet wird, die dem an-
dern ganz fehlt, da finden sich auch allein bei die-
sem Stadium in einem bestimmten Umkreise gemein-
same Lebensl)e dingungen, die dem andern fehlen.
Der oben so hon aufgestellte Saht, dass die Form abstände
stets genau dem Abstand der Lebensweise entspre-
chen, hat demnach überall, wo wir es beurthoilen können, seine
Bestätigung gefunden. Ungleiche FormabstÄnde fallen genau zn-
sammen mit ungleichem Abstand der Lebensbedingungen und
Gemeinsamkeit der Form tritt genau in demselben
Umfange anf, wie Gemeinsamkeit der Lebens-
bedingungen.
leb darf deshalb woU diese Untersnehnngen mit dem Satae
abeehliessen: dass bei Typen gleicher Abstammung,
220 Veb«r den pliyl«ta«elien PMalMuraus bai metamorphitchsn Artm.
d. h. gleicher BhitKvcrwaiHltsch aft der Grad der
raorphüld^MSchcn Verwundtschaft genau dem Grade
der Uitterenz in den beiderseitigen Lebensbedin-
gungen entspricht.
Für die Kruge nach den letzten Ursachen de r Trana-
niutatiuuen ist aber dieses Ergebnis» gewiss von der gröbsten
Bedeutiinf,'.
Wohl ist der Zusaninienhaiig von Bau und Function schon oft
hervorgehol)en wurden, aber t*o hinge es sich dabei nur um das
Zusamnien^tininien je einer Form und je einer lA'l>cn>\veiKe
handelte, konnte diese Harmonie immer noch als das Kesultal einer
zweckthUtigen Kraft aufgefasst werden , wenn wir aber bei den
metaniorphischen Thierformen nicht nur ein doppeltes
Zusammenstimmen von Bau und Function beobachten,
sondern wenn wir wahrnehmen , dass die I niwandlung <lcr Form
in den beiden llauptstadicu der Knlwic khm;:. in ganz ungleich,
raschen, ungleich starken iiiid in ungleichem Hhythmus
erfolgenden Schritten vor sich geht, so müssen wir - wie mir
wenigstens scheint — die Idee einer innern treibenden Uniwand-
lungskrafl aufgehen, wir müssen dies nm so mehr, wenn durch die
entgegengesetzte und gewiss sehr einfache Annahme, dass Um-
wandlungen ausschliesslieh und nur aU Reaction des
Organismus aaf die Einwirkungen der Anssenwelt
erfolgen, alle ErBcfaeinttogeo soweit befriedigend ao%eklftrt werden,
Boweil die KenntnisB der Thatsaehen beate reieht. Wir mttssen
eine treibende Umwandlungskraft, eine phyleti-
sehe Lebenskraft ans dem doppelten Grande auf*
geben, weil sie nieht im Stande ist, die Erschei-
nungen (der Incongrnens und ungleichen phyleti^
sehen Entwicklnng] an erkUren und weil sie an ihrer
• Erklärung ttberfittssig ist.
Gegen die letstere HAlfte dieser BeweiaftUirang kttnnle man
höchstens das Eine gellend machen, dass die Erscheinungen
der Transmutation in den hier analysirten FftUen nieht vojl -
ständig vorlägen. Insofern dies heissen soll, dass nieht die ge-
sammte Lebewelt, Thier- und Pflansenformen in den Bermdi der
Untersuchung gesogen wurden, ist es Tollkommen richtig: es fhigt
sich, wieweit die auf einem kleinen Fonnengebiet gewonnenen Er-
Diqiti?pd hv Gooql
Ueber den phyletiachen Paralleliamua b«i metamorphiachen Arten. 221
gelmiflse ausgedehnt werden dllifen. Anf dieee Frage werde ich in
der letaten Abhandlnng inrttekkommen.
Wenn aber damit gemeint werden soll, dass anf dem kleinen
Gebiete der Unterenchnng nnr ein Th eil der TOfrkoramenden Um-
formungen wirklich analyiirt worden Bei, nnd «war nnr derjenige
Theil, dessen Abhängigkeit Ton ftnssern Lebensbe-
dingungen allgemein zugegeben werdCi so mOehte ich
nicht verrilnmen, hier am Sehhuse dieser Abhandhing nochmals
darauf hinzuweisen , dass die nachgewiesenoi Incongmenzen sieh
keineswegs nur auf jene mehr Insserlichen Charaktere beziehen,
deren Umgestaltnng; entsprechend den äussern Lebensbedingangen
allerdings am leichtesten zn erkennen nnd am Bchwierigsten in Ab-
rede zu stellen ist, sondern dase in einzelnen Fällen (madennirmige
Larven der Zweiflügler) grade die »typischen« Theile es
sind, welche theils eingehen, theils aber zn einer
ganz nenen Bildung zn<tammentreten. So entstellen hier
ans den alten typischen Gliedmassen neue Bildungen, die ein
yolles Recht darauf haben, ebenfalls wieder als typisch
betrachtet zn werden. Die Umwandlnng ist nicht zn Tcr^
gleichen mit der, welche der Kuderfuss der naupli neartigen
Stammform eines Ap US oder Branchipus durchmachte, als er
sich in ein Kauwerkzeug Mandibeln nrngestaltete , oder mit der
Umwandlnng, welche die vordem Extremitäten der reptilienartigen
Ahnen der Vögel durchgemacht haben müssen. Die rmwandlung
' geht weiter . ist durchgreifender und ich lege grade deshall) einen
grösseren Nachdruck auf dieselbe, weil sie eines der wenigen Bei-
spiele ist. welche zeigen , dass typisciie Theile ganz eben-
so abh ä n gi g s i nd vo n d er A u ssen wel t , al s n n ty pi seh e :
dass sie niclit nur in kleineren Moditikationen sich der Aussenwelt
anzupassen im Stande sind . wie die Umwandlungen der Extremi-
täten bei Wirboltbieren und Krebsen in au<i,nebig8ter Weise zeigen,
sondern dass sie zu einem ganz neuen Typus gewissennassen
umgeprägt werden können, dessen fertige Bildung in keiner Weise
den Weg der Entstellung errafheu lässt. Ich wiederhole was schon
oben ausgesprochen wurde: In Bezug auf die Ursachen
der Entstehung haben wir keinen Grund, zwischen typi-
schen und uu typischen Th eilen einen Unterschied zu
vermutbeu.
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222 V«ber dm ^kfMmhm PmlleltMniM bd ip«t«moiphiie1)«i Attcn.
SoUieesüch sei noch crwttl^ni, dass man zn ganz analogen.
weam aneh weniger scharf ausgeprägten Resultaten gelangt, wenn
man, anstatt die versehiedneu Studien einer systematischen Gruppe
in ihrer phyletiseheii Entwickhiug ins Auge zu fassen, die ver-
schied n e n g l e i c h y. e i t i g n e b e u - u u d m i t e i n a n d e r t u u e -
tionirenden Tbeile (Organe im weiteren Sinu} des Organis-
mas ins Auge fasst.
Es Hesse sieh leicht eine vollstilndifjc Parallele zielien zwisehen
beiderlei Ent\vieklnugsersclieiiuini(eii. Denn ilass auch die ein/.el-
neu Tbeile eines Organismus bis zu einem gewissen Grade
selbstständig sind, dass ein jeder von ihnen selbstsfändig al)ändem
kann, wenu er allein oder doeh vorwiegend von einem Ab-
änderungs-Anstoss getrorten wird, dass nicht alle andern Tbeile
des Organismus ebenfalls Abänderungen eingehen mlissen. oder
doch wenigstens nicht in gleich iiobem Gratle, das liisst sieh schon
aus dem sehr versehiedneu Werthe erschliessen . den der Systema-
tiker auf dieses oder jenos Organ einer Thiergrupi»e in Bezug auf
deren systematische Stiieidung legt. Wichen alle Tbeile und
Organe zweier Thiergruppen gleich stark voneinander ab. so würde
der systenjatische Werth dieser Tbeile ganz gleich sein, wirwUrdeu
/.. B. zwei Gattungen aus der Familie der Mäuse eben so gut nach
ibien Nieren, ihrer Leber, ihren Speicheldrüsen, dem histologischen
Bau ihrer Haare , der histologischen ätmctnr ihrer Husketai oder
anoh nach den Unterschieden der ABordunug ihrer Mpskidatar
n. 8. w. nnterscbflideii nnd oliMnkteriflireii kOnnen, als dnich Ge-
bist, Zehenlänge n. b. w. Dies wttre nun freiUeh erst noeh sn Tei^
soeben ; aber es lit wohl mit Sieherbeit Toranssusagen, dass es
nieht gelingen wttrde. Naeb allen hente vorliegenden Thalsachen
»n nrÄellen halten die einsehien Thdle nnd besonders die physio-
logisch nsammenwiikenden TbeilCi also die Organs^'steme ni cht
gleichen Sehritt bei den Veilndeningen, welche die Art im
Lanfe der Zeit erleidet, vielmehr avaneirt bald das eine, bald das
andre Oigansystem nnd die übrigen bleiben inrttek.
Dies entspiicht vollkommen dem oben erhaltenen Besnltat von
der nieht parallelen Entwicklung der selbststilndig lebenden
ontogenetischen Stadien. Wenn die Ungleichheit phyktiseher Ent-
wifeklnng dort achUtftr ansgeprigt ist, als hier, so findet dies seine
Erklttmngin der ungleich stftrkeren Correlationi welche
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Uabcr den plijrletiachen PunUelismu* bei inetMWfphiiMiien Äxten. 223
swiNlieii den eindum Organsystemen eiM eimigeii Oigantsnuis
bestellt, als swiaehen den zwar aineiiiaoder benroq^ebeiiden, aber
deBBoeb beinab yollalindii^ noabbängigen Sladien der OntogeDeee.
A priori bitte man iwar aaeb bier eine mlcbtige ConebUion yer-
matben kSnnen, aber tbatiScbHeb beatebt aie niebt, oder nnr in
eineBi acbr geringen IfaaM.
Ctoas aber, wie bei den Stadien der HetamorpboM die Un-
glelebbeit pbyletiMber EntwicUnng aieb nm so mebr Torwisebt,
je entfernter atebende» nm&iaendere, oder, was daaeelbe tagt, je
Üoger beatebende Gruppen wir miteinander reigleieben, gaas
ebenao rerwiiebt sieb der angldcbe Abatand der Organayateme in
den Masae, als wir an unaerm Vergleieb grösaere Gknppen des
SyateaM berbeiiieben.
£b iat niebt undenkbar, wenn fireilicb ein aeliarfer Beweis dafür
aodi niobt vorliegt, daaa eine Varietät ?on der Stammart sieb nnr
dareb Abindenng einea einaigen Charakters nnteiaebiede,
X. B. nnr in der Bebaarnng, Farbe oder Zeiebnnng und
lolebe FBlie würden dann genau den oben angeAhrten FlUlen ent-
sprechen, in welchen nur die Ranpe oder nnr der Schmetterling
eine Varietät bildet. Bei allen tiefer greifenden Ahändemngen
aber — wie sie /. H. den Unterscliied /wisclicn zwei Arten h9'
dingen — beschränken sich dieselben wohl niemala nnr auf einen
Charakter, sondern beziehen sich immer auf mehrere, nnd ans Dar-
win'« Nachweisen Uber die Veränderungen, welche an dem
Schädel vua Kanineben mit Hänge-Ohren allein in Folge des
Uerabhängens der Obren eintreten, liiat sich dies dorcb
Correlation erklären, andl wenn wir annehmen wollten, dass nr-
sprUnglich nur ein Organ von einem Abänderungs-Anstoss ge-
troffen worden sei. Bei zwei benachbarten Arten aber weichen
die verschieduen Theilc noch in sehr vcrsch i cd nem Grade
voneinander ab. So sind mir zwei Arten einer Uaphniden-
Gattunj; bekannt, welche sich sehr nahe stehen, so dass sie nur bei
genauer Verjj;leichung einzelner Tbeile sich mit Sieheibcit unter-
scheiden lassen. Wilbreud aber die meisten änssern nnd innern
Organe fast identisch sind, weichen die Samenzellen der Mann
chen anf das auiTallendste voneinander ab, bei der einen Art
j;leiehen sie in der Form einem australischeu Wurfholz Bonierang ,
bei der andern Bind es kuglige Strahlenzelleo ! £iueu analogen
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224 Heber den phylett»chen Paralieliffmus bei metamorphUchen Arten.
Fall bilden die beiden hmge Zeit bindnrob miteinander Terweeb-
Mlten Arten: Dapbnia Pnlex nnd D. magna. Beinabe alle
Kttrpertbeole Sbneln sich bier aufs Genaueate, aber die Riecb-
Fttbler der Ifänncbeo weichen auf das anffallendste Toneinander
ab, wie Leydig meret völlig ricbtig angegeben bat.
Ebenso kOnnen wir'anch betGattnngen noch einelneon-
gmenz beobachten der Art, dass dnselne Tbeile des Körpers stär-
ker, andere weniger ntark von den cntspreclienden einer benach-
barten Gattung abweichen. Vorirloicben wir / B. eine Art der
Daphniden-Gattnng Sida mit einer Art der nahoverwandten Gat-
tung Daphnella, Ro finden wir zwar so zicmlk-h :i lle ftoMem nnd
innern Organe einigcrmassen anders, aber doch einzelne von ihnen
ganz besondere stark und ohne alle Frage weit stärker verändert,
als die Übrigen. So z ß. die Antennen nnd die niiinnliolieii Ge-
schlechtsorgane. Bei Dapbnella mttuden Letztere auf langen,
stiefplf(irTiiiL'on Boi,'attungsorganen , die an den Seiten des Hinter-
leibs hervortreten, bei Sida anf kleinen Papillen auf der Banch-
seite dieses Krirperabschnittcs. Oder vergleichen wir die Gattung
Daphnella mit der ebenfalls ganz nahe verwandten Gattung
Latona, so trleicht wiederum kein Theil der einen Gattung voll-
kommen dem cnfsprecbcuden der anrlern , aber einzelne weiehen
stiirker al> . als die andern, so z. B. die Ruder arme, welche hei
Latona dreiiistig sind, bei Daphuella, wie bei fast allen andern
Dapbniden nur zweiästig.
Schon hei den Familien wird es sehwierig und unsicher,
den For m - A lisf and der < >rgansystenie mid Kiirpertlieile gegen-
einander abzuschätzen , doch dürfte \snhl lM'li:iii)itet werden dass
die ])eiden Cladoeeren-Fainilien der Po 1 y p h e in i d o u unil der
Da))hnidcn weit weniger im Bau ihrer Huderarme voneinander
abwichen, als in den» der meisten übrigen Theilc. als z. B. im Bau
des Kopfes, der Schale, der Filsse und des Hinterleibs. Bei norli
höheren systematischen (Jruppc)i hei Ordnungen und noch mehr
bei den verscbiediien Klassen eines lliierkreises möchte man ge-
neigt sein, alle (Jrgansysteme in gleich durchgreifender Weise für
abgeändert zn erklären. Doch liisst sich schliesslich nicht s.igen.
ob die Niere eines Vogels eben so stark von der Siiui^etliierniere
abweicht , wie die Feder von einem Säugetbierhaar. da man die
L'utersebiede zwischen ganz heterogenen Dingen uieht abmesgeu
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L eber den phyletischeu Parallelismus bei met&morphiflcben Arten. 225
kann, es lässt gieh nur sagen, dass beide staik abweichen. Die
Thatsaehen yerbalten sieh demnach aa<^ hier nicht so, wie wir es
erwarten mttssten, w^n eine innere Entwicklongskraft die Trans-
mntationem Teranlasste; es findet nicht eine gleichmässige
Umgestaltung sämmtlicherTheile statt, sondern es ändert zu-
erst ein einzelner Theil ab (Varietät), später noch andere
(Art) , und in dem Masse als der systematische Abstand zunimmt,
zeigen sich immer mehr und mehr alle Theilc von der Umwandlang
betroffen nnd immer mehr erscheinen alle Thcole in gleichem
Grade verändert. Dies mtisste sich aber genan so verhalten, wenn
der Anstoss zum Abändern von der Aussen weit ausginge. Auf dop-
pelte Weise mttsste die Ausfjleichung der Abänderungs-Unterschiede
allmälig herbei^'cfUhrt werden, einmal durch Correlation, indem
beinahe jede primäre Abäiuleruiig eine (»der mehrere sekundäre
nach sich ziehen mllsste, dann aber dadurch dass in dem Masse,
als die Zeiträume wachsen , auch immer zahlreichere Körpertheile
von primären Abänderungs-Anstössen getrofl'en werden mltssen.
Es wäre eine verführerische Aufgabe, auch hier den Versuch zu
machen, die Ungleichheit in der phyletischen Entwicklung auf un-
gleiche äussere Einflüsse zurückzuführen, nachzuweisen . dass die eir.-
zelnen Organsysteme in dem Massesich umgewandelt hal>en, als sie
von abweichenden aussein Lebensbedingungen beeinflusst wurden,
dass dies aber während einer bestimmten Zeit öfter bei dem einen,
als bei dem andern Organe der Fall war, kurz den Zusammenhang
von Abändeningsarsachen nnd Abftnderungswirkungen klar zu legen .
Doch wllre die Unternehmung einer solchen Arbeit wohl noch
bedeutend TerfrOht, da die Physiologie no^ lange nicht im
Stande seb wird, den feinen Unterschieden nachinfolgen , welche
die Morphologie anfWeist, nnd da wir bis hente noch keinen
hinreichenden Einblick in das innere GeAlge des Organismus
haben, um aus einer gegebenen primftren Ablnderung bestimmte
sekundäre a priori ableiten zu können. Solange dies aber nicht
möglich ist, haben wir kern Ifittel die correlatiYen AbSnderungen
Ton den sie herrormfenden primSren an unterscheiden, wenn ne
nicht vor ungern Augen entstanden sind.
m.
UEBEB
DIE DMWANDLm(& DES MEXIKMISCHEN AXOLOIL
IN EIN
AMBLYSTOHA«
Seitdem durch D u in r i 1 zuerst die Umwandlung einer A nmhl
von Axolotl in die sogenannte Amblystoma-Form bekannt gewor-
den ist. hat man diesen mexikanischen Fischmolch an vielen Orten
in Earopa in Aquarien gezüchtet, hanptBächlich in der Absicht, die
Bedingungen festzustellen , nuter welchen jene Umwandlnnp: ein-
tritt und dann daraus weitere Schlüsse auf die eigentlichen Ur-
sachen dieser ausnahmsweise eintretenden and gerade dadurch so
räthselvollen Metamorphose zu ziehen.
Allein trotzdem die Thiere sich Uberall leicht und in Menge
fortpflanzen Hessen, blieben nicht nur die Fälle, in denen die Um-
wandlang eintrat, äusserst selten, sondern es gelang nicht einmal,
die erste und vornehmlichste Frage zu beantworten, ob dieselbe
durch äussere Verhältnisse hervorgerufen, oder durch rein
innere Ursachen bedingt ist, geschweige dass etwa bestimmte
ftossere Einflüsse gefunden worden wären , durch deren Eintreten
man die Metamorphose mit Sicherheit hätte herbeiführen können.
Eb« i])«r Uber diese Pankte nidit entschieden war, mnasten
•De vemiehteii flieoretiMlien Dentongeii und Vttwerthnngen der
Enehefanmg ohne feiten Boden bleiben.
Mir eebien nun Ton Jeher grade diese Umwandlimgqgesehidite
dee AxoloÜ In tbeoretisoher Beziehnng yon gaoi beaoi^derem
Werlhe sn sein, ja ich glaubte, dass mOglieherwdse dieser eine
spedelle Fall im Stande sein kOnne, Uber die Biebtigkelt der Gmnd-
prindpien sn entsebdden , naeh welchen man sich in den beiden
ÜBindliehen Heerlageni der Trans mn tati on und der heteroge-
nen Zeugung die Entstehung der Arten yofsteltt.
So beschloss ich , selbst Veisuehe mit dem Axolotl ansustellen,
in der Hoilhung, dass es mir Tielleicht glttcken weide , hier einige
AnfklAmng sn sehafTen.
230 tJeber die Unnfmudloog dei mcsiku. Axolotl in ein AnblTitome.
Im Jahre 1S72 hatte Herr v. Kölliker die Freundlichkeit
mir ftinf Exemplare seiner in WtUrzbarg gezüchteten Axolotl zn
Uberlassen, welche indessen erat im folgenden Jahre nichliche
Bmt lieferten. Ich verfolgte mit ihnen die Idee, es wird sich
später zeigen, aus welchen theoretischen Erwägungen, ob es nicht
möglich sei. alle Larven sammt und pondcrs. oder doch prossen-
theils zur Urawandlunp: zu zwingen , wenn mau sie in Lebensver-
hältnisse bringe, die ihnen den Gehranch der Kiemen erschwere,
den der Lunge aber erleichtere, mit andern Worten, wenn man sie
zwinge, von einer gewissen Altersstufe an halb auf dem Lande
zu leben.
Indessen erreichte ich kein " Resultat in diesem Jahre, die
meisten Lar\-en starben, ehe die Zeit zu solchen Versuchen gekom-
men schien und die wenigen Ucberlebenden wandelten sich nicht
um, lebten noch bis ins nächste Frühjahr, um dann auch Feiner nach
der Andern zu sterben. Offenbar hatte ich ihnen, durch längere
Abwesenheit von Freiburg, wie durch andre Arbeiten abgezogen,
zn wenig Pflege und Aufmerksamkeit zu Theil werden lassen.
Ich gelangte damals schon zu der später nur noch mehr be-
festigten Ueberzeugung, dass man ohne die grösste Sorgfalt und
AoflnerkBamkeit in der Pflege zu keinem Resultat kommen kaon;
maa miw gendesn alles Interewe «nf dtoMt eine Ziel eoneeiH
triiw und es doli sieht verdiieiMii lassen , viele Monate hmg täg-
lieh gennmie Zeit «tteser Zneht in widmen. Dsss ich dies sslbsk
niebt ansflütren konnte, ohne andre Aiheiten daillber anfimgebea
war mir klar und so begiUssle leb es mit Freide, als sieh die Ge-
Isgenheit bot, die Versaehe von andrer Hand an^gefUirt sn sehen.
FrftnleinT. Chan Tin, eine dnreh ihre sohOnenBeobaefatnngmi
•n FhiTgsrnden (leider noeh niebt ▼erOlfentUebt I) mehrefen Faeb-
gsnossen woU bekannte Dame, erbet sieh, eine Ansahl der eben
dem Ei entseUtpften Larven des folgenden Jahres anftnsidmi
mid den Venneb tn maehen, sie gewissermassen gewaltsam in den
Amblystoma^Znstaad ttbetsoftlfaren. Wie TolMndig dies gelaqg,
wird man ans den hier folgenden Aifteiehnaagen der Dame selbst
ersehen und nicht minder dass fieses Gelingen eben nnr bei sokher
Sorgiklt in der Behaadlnng nnd Feinheit in der Beobaebtang mOg-
Heb war, wie sie hier angewendet wurden.
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JUbn di» Umfmndhmg mwilliM. Axdotl in tin Ambljrrtonuu 231
Tersvche.
»Hit 5 ungefähr S Tage alten Larven , die von den mir znge-
giBgenen zwölfen allein am Leben geblieben waren, begann ich am
zwölften Juni 1874 die Versuche. Bei der ausserordentlichen Zart-
heit dieser Thiere tlbt die Qualität und Temperatur des Wassers,
die Art und Menge des gereichten Futters, namentlich in der ersten
Zeit, den grössten Einflnss aus, so dass mau nicht vorsichtig genug
in deren Behandlung sein kann.
Die Thierchen wurden in einem Glasballon von etwa Cent.
Durchmesser gehalten . die Temperatur des Wassens geregelt und
als Nahrung zuerst Daphnien , später auch grössere Wasserthiere
in reichlicher Menge dargeboten. Dabei gediehen alle 5 Larven
vortretilich. Schon Ende Juni zeigten sich bei den kräftigsten
Larven die Anfänge der Vorderbeine und am 9. Juli kamen auch
die Hinterbeine zum Vorschein. Ausgangs November fiel mir auf,
dass ein Axolotl — ich bezeichne ihn der Kürze halber mit I und
werde dem entsprechcud auch die Übrigen mit fortlaufenden
Tömischen Zahlen benennen — sich beständig an der Oberfläche
des Wassers aufliielt, was mich auf die Vermutbnng brachte, dasB
muuiiehr der richtige Zeitpunkt eingetreten sei, ihn anf die Um-
wandlong zum Laadaalamander vorzubereiten.
Zu dksem Bode wmde I am 1. December 1874 in ein bedeu-
tend giOsseree Glaageftm mit flachen Boden gebracht, welches der-
art gestellt und mit Wasser gefttUt war , dass er nnr an einer Stelle
gau nnter Wasser tauchen konnte, wShrend er bei demhiMifigen
Hsmmkrieehen anf dem Boden des Qeftsses ttberall anders mehr
oder weniger mit der Luft in Berührung kam. An den folgenden
Tagen wurde das Wasser allndUig noch mehr venrnndert und in
dieser Zeit zeigten sieh die ersten VerSnderungen an dem Thier:
die Kiemen fingen an einzuschrumpfen. Gleichzeitig
zeigte das Thier das Bestreben die seichten Stellen zu erreichen.
Am 4. December bega^ es sich ganz und gar aufs Land und ver^
kroch sieh im feuchten Moos, das ich auf der höchsten Stelle des
Bodens des OlasgeOsses anf einer Sandschicht angebracht hatte.
Zn dieser Zeit erfolgte die erste Hftutnng. Innerhalb der 4 Tage
232 Ueber die Umwandlang des mesikan. Axolotl in ein Amblyitoma.
vom 1 . bis 1 . December , ging eine anffallende Veränderung im
Acussern von I vor sieb : die Kicmcnqiiasten schrumpften fast franz
zusammen, der Kamm auf dem Kücken verschwand vollständij^' uud
der bis dahin breite Schwanz nahm eine runde dem Schwänze des
Landsahimanders ähnliche Gestalt an. Die graiiliranne Krirjier-
farbe verwandelte sich nach und nach in eine schwärzliehe : ver-
einzelte, anfangs schwach gefärbte weisse Flecken traten hervor
und gewannen mit der Zeit an Intensität.
Als am 1. December der Axolotl aus dem Wasser kroch, waren
die Kiemen8]»alten noch geöffnet, schlössen sich allmälig und
waren bereits nach etwa 8 Tagen nicht mehr zu sehen und mit einer
Haut überwachsen.
Von den übrigen Larven zeigten sich schon Ende November
(d. b. zu derselben Zeit, wo I an die Oberfläche des Wassers kam)
noch drei ebenso kräftig entwickelt wie I, ein Hinweis, dass auch
fttr sie der riebtlge Zeitponkt für die Beschleunigung des Entwiek-
Inngs-Ptoxeitei dngetreteii ad. Sie wurden deshalb denelbea Be-
handlung unterworfen, n verwandelte sieh aneh in der That
gldchseitig nnd genau wie I, er hatte noeh ToUkommene Kiemen-
qnasten, als er In das flache Wasser gesetzt wurde, und sehen
nach 4 Tagen hatten sich dieselben fut ToUstindig znrUck*
gebildet, er ging ans Land nnd dann folgte im Verlauf Ton
etwa zehn Tagen die Ueberwachsnng der Kiemen-
spalten nnd die Tollst&ndige Annahme der Sala-
manderform. Wlhrend dieser letzten Zeit nahm das Thier
Kahning zwar anf, aber nnr, wenn man es dazu nSthlgte.
Bei ni und IV ging die Entwicklung langsamer von Statten.
Beide suchten nicht so hiufig die seichteren Stellen anf und setzten
sich im Allgemeinen auch nicht so lange der Luft ans , so dass die
grössere HUfte des Januar veistrich, bis sie ganz ans Land giugeo.
Nichtsdestoweniger dauerte das Eintrocknen der Kiemenqnasten
nicht längere Zeit, als bei I und II, desgleidien erfolgte auch die
erste Häutung, sobald sie aufs Land krochen.
V zeigte nncli viel auffallendere Abweichungen bei der Ver-
wandlung, wie III und IV.
Da dieses Individuum von Anfang an viel schwächlicher aus-
sah , wie die andern und auch im Wachsthum auffallend zurück-
blieb, 80 konnte dies keineswegs ttbenrasdien. Es gebrauchte
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Uebar die Umvandlang im menkan. AzoloÜ in «in Aabyatonw. 233
14 Tage, statt 4, um die Verwandlung soweit dnrehnimachen, dase
es das Wasser verlassen konnte. Von ganz besonderem Interesse
war CS , das Verhalten dieses Individnnms während dieser Zeit zu
verfolgen. Es war, bei seiner zarten und schwächlichen Natnr
selbstverständlich für alle iiussern Einflüsse viel empfänglicher,
wie die Andern. Wurde es der Luft zu lange ausgesetzt, so nahm
es eine hellere Farbe an. Ausserdem gab es einen eigeuthllm-
lichen Geruch von sich , ähnlich dem , den Salamander verbreiten,
wenn sie geängstigt oder gefährdet werden. Sobald diese Erschei-
nungen eintraten , wurde es gleich in tieferes Wasser gel)racht , wo
es sofort untertauchte und sich alhnälig wieder erholte. Die
Kiemen entfalteten sich dann immer wieder von Neuem. Dasselbe
Experiment wurde wiederholt geuiacht und war jedesmal von dem-
selben Erfolge begleitet, woraus wühl geschlossen werden darf,
dass durch die Ausübung eines zu energischen Zwanges mit Absicht
auf die Beschleunigung des Umwaudluugs-Prozcsses ein Stillstand,
und sogar bei fortgesetztem Zwange der Tod eintreten kann.
Von Axolotl V bleibt noch anzuführen, dass er nicht wie alle
aodern bei der ersten Häutung, sondern zur Zeit der 4. aus dem
Wasser kroch.
AUe Axolotl sind hente (Jnli 1875} noeh am Leben and gesund
und kiftftig entwickelt, so dass Ton Seiten ihres EcnahnuigssnBtaii-
des ihrer Fort|iflaaxnng Nichts im Wege stünde. Der grösste
vnler den ersten Vieren hat eine Länge von 15 Cent., Axolotl V
misst 12 Gent.
Ans dem Gesagten dürfte die Richtigkeit der Eingangs anfge-
stellten Anmcht erwiesen sein : Axolotl-Larven Tollenden inm grOss-
ten Theil, wenn nicht alle, ihre Metamoiphose, wenn sie erstens
gesund ans dem El schltlpfen nnd richtig geflittert nnd sweitens
Eiipiditnngen getroffen werden, die sie Tom Athmen unter dem
Wasser sn dem Athmen über dem Wasser nOthigen. SelbstrerstSnd-
lieh darf dieser Z^ang nur ganz allmiüig nnd bk einer Weise ans-
geübt werden , die die Lebenskraft des Thieres mcht über Gebühr
in Anspruch nhnmt.«
234 Ueber die UmmmdhiBg det »«xikui. Axolod in ein Anbtyitoimi.
Ich bemerke zu den vorstehenden AnfzeichnnDgcn Fräoleia
Ton ChaQTin's, dasa die Umwandlung in allen 5 Füllen eine
▼oUatäiuUge war, nicht zu verwechseln mit der, welche alle in
kleinen Olasgefässen gehaltenen Axolotl mit der Zeit mehr oder
weniger eingehen. Es kommt hier nümlich hUufig zu gewissen
Abänderungen, welche auf die Amblystoma-Form abzuzielen schei-
nen, ohne dass aber dieselbe erreicht würde. Hei den fllnf erwach-
senen Axolotl . welche ich au^'cnblicklich besitze nml von denen
zwei mindestens 4 Jahre alt sind, sind die Kiemen alle sehr zu-
sammengeschrumpft, aber Kuderschwanz und Hückenkamm sind
unverändert. Es kann aber auch der Kamin schwinden und der
Schwanz sich versehmälern. ohne dass deshalb V(»n einer Umwand-
lung zum Amblystoma die Rede sein könnte, wie weiter unten
gezeigt werden soll.
Was die Dauer der Umwandlung betrifft, so betrag sie bei den
Axolotl'n I— IV. im C5anzen 12—14 Tage. Davon kommen vier
auf die ersten VerUndcrungen, während deren das Thier noch im
Wasser bleibt, die tlbrige Zeit aber auf die Vollendung der Meta-
morphose auf dem Lande. Dnm^ril gibt die Daner der MetSi-
morphose auf 16 Tage an.
Au den mitgetheUtett Yermolieii lekeint mir Folgendes be-
Bonden benehtentwerth : Die fOnf Axolotl-Larven, welehe
allein in Betraeht kommen kOnnen, da die andern früh starben,
maehten alle ohne Ansnahme die Metamorphose
dnreh nnd wurden Amblystomen. Nur einer daTon, No. I,
leigto dnroh anhaltendes Schwimmen an der Obeifliehei welches
am Ende des seehsten Monats bemerkt wnrde, eine entsehiedeae
Hinaeignng snr Metamorphose, eine Yoriiebe für Lnngenaihmnag.
Von diesem ündividonm darf deshalb wohl angenommen werden,
dass es aaeh ohne kllnstliohe Naehhttlfe ans Land gekommen fad
die Umwandhmg eingegangen ^ribre, gaas so wie dies in den etwa
30 FftUen, welehe DiUBiril im Qaasen beobachtet hat, der Fall war.
Flr No. n, m. and I¥. dagegen ist eine solche Vermotfanng
wenig wahrscheinlich. Alle drei Larren snehten sich im tieferen
Wasser zn halten, vermieden so lange es möglich war, die seichten
Stellen, die sie sor blossen Lungenathmung zwangen, und gelangten
so auch um mehr als einen Monat spttter erst zur Verwandlung.
Bei No. V. vollends kann es kanm zweifelhaft erscheinen, dass
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Ueber die Umwandlung des mexikan. Axoiotl in ein Amblystoma. 235
09 deh nieht mngewanileh haben wflrde, ohne die gewallHune Ge-
w6hBong an dte Anshanren in der Loft.
Man darf ans diesen EigebniMen wohl den SeUoie riehen,
dam die meisten Azolotl-Lanren sieb in die Amblyitoma-Fonn
nm wandeln, wenn sie im Alter von sechs bis nenn Monaten in so
seichtes Wasser gebracht werden , dass sie vonviegend mit den
Longen nthnien müssen. Die vorliegenden Versuche sind aller-
dings der Zahl nach sehr gering, aber dn solcher Schluss darf
dennoch nicht voreilig genannt werden, wenn man bedenkt, dass
D n m 6 r i 1 unter vielen ünnderten (die Zahl ist nicht genan ange-
geben) von Axolotrn nnr einige dreissig Amblystomen erliielt, dass
ebenfalls unter einigen hundert Axdotl'n Y. Kölliker nnr ein
einziges Amblystoma zUchtete.
Fraglich bleibt nur noch, ob jede Larve zur Metamorphoso
gezwungen werden k:um, und diese Frage kann nur durch neue
Versuche entschieden werden. Ks war meine Absicht gewesen, die
VeröffentlichuDg- der mitgctheilteu Versuche so lange zu verschie-
ben, bis diescll)t'u in i^russcm Massstabe von Fr.'iulein von Chau-
vin wiederholt sein wiirdeu, da indessen meine Axoiotl in diesem
Jahre 1875) keine Brut geliefert haben, musste ich vorläutif:; dar-
auf verzichten und konnte dies um so eher, als es fllr die theore-
tische Verwerthung der Thatsachcu ziemlich irrelevant ist, ob alle,
oder nur fast alle Axol(»tl zur l'mwaudlung sich zwingen lassen.
Dagegen will ich niciit unteilusscu zu e rwähnen, dass der Couser-
vator des hiesigen zoologischen Museums, Herr Gohr ig. eine
ziemliche Anzahl von Larven derselben Brut aufzog, mit welcher
FVftnlein y. Chanvin experimentirte, und dass von diesen L^en
sechs den Winter ttberlebten, ohne die Metamorphose ein-
sngehen. Sie wordea-stete fn tiefem Wasser gehißten nnd bil-
deten also dem Gegenvertnch an dem oben mitgetheilten, sie be-
weisen, dass nicht etwa diese gaaxe Bmt Ton Tomherein die Nei-
gong besasB, die Metamorphose einzugehen.
Sollen nun die neuen Thatsaehen Terwerthet werden, um nnsre
Vontellung von dem Wesen dieses ungewöhnlichen Umwandlungs-
proiesses zu klaren, so mUssen tot Allem die schon bekannten
Daten zu Hfllfe gezogen werden.
Zuerst ist festenstellen, dass Siredon mexicanns in
seiner Heiraath, soviel wir wissen, niemals die
236 Uebar Umwandlmig des meiikan. Axolott in ein Amblyitoiiia.
Metamorphose eingebt. Man kennt ihn von dort nur
in der Siredon-Form. Die Angaben, die ich darüber finde,
rtthren von de Sanssure*") her, der selbst den Axolotl in den
mexikanischen Seen ])eobacbtet bat. Dieser Forscher hat niemals
auch nur ein einzi{,'e8 Amblystoma in der Näbe der Seen gefunden
und »dotli ist die Larve fder Axolotl) dort so gemein, dass man sie
zu Tauscndeu auf den Markt briug:t". De Saassare glaubt, dass
der Axolotl sich in Mexiko nicht umwandelt.
Dasselbe gibt ganz bestimmt Cope**; an, von dessen in
Amerika gezüchteten Individuen von Siredon mexicanus auch
in Gefangenschaft keines »Neigung zeigte, sich zu metamor])ho-
fiiren «. Dagegen sab T e g e t m e i e r * * * bei einem von fUnf Indi-
viduen, die aus dem See von Mexiko stammten, die Verwandlung
eintreten und es ist somit aueh die zweite Thatsache festgestellt,
dass auch der ächte und eigentliche Axolotl sieh
unter Umständen in der Gefangenschaft in ein Am-
blystoma verwandelt.
Diese Bemerkung würde Uberflüssig sein, wenn es sich so ver-
hielte, wie man lange Zeit glaubte, dass nlmlich die Pariser Axo-
lotl deren Metamorphose snent beobachtet wurde nnd damals eo
grosaei A.itfteben erregte, wüUieh Siredon mexieanna wSreo,
• d. h. jener Siredon, der allein in seiner Heimath den Namen
Axolotl flUurt.
In seiner ersten lOttlieilang war Dnmöril selbat noch dieser
Meinong; er nannte damals das Thier »Siredon mexieanna a.
Hnmboldii«t) , später aber in seiner anaftthrliehen Arbeittf)
Uber die im Fflansengarten beobachtete Umwandluig dea Axolotl
widerrief er diese Ansieht nnd kam nach einer kritischen Beleneh-
tnng der ftlnf beachriebenen Siredon-Arten an dem Schlosse, daaa
die Axolotl, welche das Pariser Musenm besitzt, wahraehein-
lich Siredon lichenoides Baird seien.
Somit beaSgen sich alle die hu Europa beobachteten Umwand-
inngen Ton AxoloÜ'n anf diese Art, denn — soriel mir wenigstens
*) Verhmdl. Sdiweii. natuHbrieh. Oetellaehalt. Kniiedehi 1869.
**, Dana «nd SiUhnan Amer. Journ. 3 S«iiM I. p. 89. Anitili nator. hist.
m p. 24ü.
•**) Proceed. soolog. soc. IbTO p. 160.
f) Compt. rrad. Bd. 60, p. 766 (t86S).
•H-) NovTellM AxehivM dn Museum dliwt. nat. Parii 1866, Bd. II. 8. 266.
L.yi.,^uu Ly Google
Ueber die Umwandlung des mexikao. Axoloü in ein Amblyttoma. 237
twkaont ist — sind lie aUe AbkOmmUoge der Fkuriser Kolonie.
Anch meia» Vennehstiiieie stammen mdirekt dorther.
Damit stimmt m nnn freiUeh nieht, dasa die AmblyatomarFormi
welehe Dam6ril ron seinen Axolotl*]i erhielt, am ersten noch mit
der von Cope anfgesteUten Art A* tigrinum stimmte, ^rtlhrend
fhr dnreh Marsh*} er&hren, dass Siredon liohenoides
Baird sich in Amblystoma maTortium Baird umwandelt,
wenn es überhaupt die Metamorphose eingeht.
Marsh fand den Siredon lichenoides in alpinen Seen
[7000' Uber dem Meere) im Südwesten der Vereinigten Staaten
(Wyoming Territory) und erhielt ans ihnen durch Züchtung in
Aquarien das Amblystoma mavortinm Baird. Er hält es
indessen ftlr zweifelhaft, ob das Thier auch in seiner Heimath die
Umwandlung durchmacht, freilich ohne rechte Begründung und
aus rein theoretischen Muthmassungen, weil nilnilich nach seinem
Ermessen »die kältere Temperatur dort wenij;er gUn^tig sei"'*].
Wenn ich die Richtigkeit dieser letzten Vermuthung bezweifle,
80 geschieht dies nur, weil das Amblystoma niavortium im
Naturzustande in vielen Theilen der Vereinigten Staaten gefunden
worden ist, nämlich in Califurnien, Neu-Mexiko, Texas. Kansas,
Nebraska und Minnesotah. Es ist indessen keineswegs undenkbar,
dass die Art grade in den Alpeuseen, aus welchen sie Marsh
erhielt, sich anders verhält in Bezug auf Metamor])h()se , als auf
andern Wohngebieten, wie dies aus den weiter unten anzutUhren-
den Beobachtungen über Triton hervorgehen wird.
Somit glaube ich einstweilen, ehe weitere Beobachtungen vor«
liegen, annehmen zn mttssen, dass die Pariser Axolotl nicht Sire-
don lie^enoides sind, sondern eine dieser Art sehr nahe Ter"
wandte, wabisdieiiitieh nene Art.
Darauf kommt indessen bei der BenrtheSlmig des Umwand-
Inngsrorgangea nieht viel an, wenn nur soviel feststeht, dass dieser
Axolotl in seiner Hefanath die Metamorphose nieht eingebt, oder
doeh nor ebenso ausnahmsweise, wie in Enn^. Leider findet sieh
*} Pncead. Boaton 8oe. Vol. XIl. p. 97 ; S i 11 i m an Am«r. Jon». Vol. 46,
p. 304; ein Heferat darüber in Troschcr» Jührcsbcnclit für I'^'',«. S. 37.
**; Proceed. Boston Soc. XII. p. 97 ; Silliman Amer. Journ. i6, p. 364. Ich
konnte die«« Schrift nicht lelbtt einsehen «id dtlra iiaeh dem Bttoit ia tn-
•dMl't JafaiMhnicht fBr 18«6, p. 37.
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238 Utber die Umwandlung im maukan. Axoloti in ein Amblytlona.
in den Mittheilangen Damörii's nirgends eine genaue Angabe
Uber den Fundort dieser ans »Mexiko« eingeführten Thiere; wahr-
scheinlich war dieser ihm selbst unbekannt, und so kann ich nur
nach der AutoritUt von Cope anftiliron. dass nueli nie ein Auibly-
stoiua aus den slUUich von den rruviuzen Tamaulipas und
Chilhuabua d. b. also Bttdiich vom Wendekreis gebracht wor-
den ist
Das gibt indessen auch keine Sicherheit. \ iel wichtiger ist
die oben belegte Tliatsache. dass der Uchte Axoloti der Seen um
die Stadt Mexiko sich dort niemals in eine Aniblvstoma verwandelt,
dass aber atlcli diese Art in einzelnen Fällen in der Gefangenschaft
die Metamorphose eingeht. Daraus nun und aus der Thatsache.
dass aucli der Pariser Axoloti sich nur in sehr kleinem Procent-
satz in der Gefaugenscbal't umwandelt, darf geschlossen werden,
da 8 8 auch er in seiner Ileimath sich entweder gar
nicht, oder nur sehr ausnahmsweise umwandelt.
Allein noch eine andre Reihe von Thatsachen kommt bei der
Baartheilniig der Umwmndlnngsgefldiichte sehr weeenHieli in Be-
tracht, ich meine die Exietenz einer liemliehen Aniahl
Ton Amblystoma-Arten im NatarmBtand. In der »Be-
vision der Salamandriden-Gattangen«, welche S trau eh**) tot
einigen Jahren gegeben hat, werden nach dem Vorgänge Ton
Cope***} I wanzig in Kordamerika lebende Arten Ton Ambly-
Stoma Tftohadi anfgefllhrt. Wenn nan auch einige dieser Arten
nnr anf je ein Exemplar basirt sind and deshalb, wie Strauch
mit Becht m^nt, »wohl mit der Zeit eingesogen werden müssen «,
so bleibt doch immeriiin doe ganze Reihe von Arten Übrig, welche
sicher als Amblystomen leben und sich fortpflanzen und welche Ton
der Breite von New- York an bis zur Breite Ton Keu-Hexiko hin
ihren Wohnsitz haben. Es gibt also sicher Siredon-Arten,
welche auch unter ihren nattirlichen Lebensbedin-
gungen regelmässig die Amblystoma-Form anneh-
men und sich in ihr fortpflanzen, während es an-
drerseits mindestens zwei Arten gibt, welche sich
*] Dana and äiiliman s Amerik. Journ. 3 Scries, I. p. ^9; Annais of nat.
hiat VII. p. 246.
Proceed. Acail. Thilad. XIX. 1887, p. 1«6«>209.
Uim. Acad. Peterab. Bd. 16.
UeW die Umwandlung des mexikan. Axolotl in «in Amblystoma. 239
unter ihren jetzigen uatttrlicben Lebensbedingungen
nur als Siredon fortpflanzen. £b ist ttur eine andre Aa8>
dmcksweise für diese Tbatsache, wenn man Mgt: der mexikani-
sche Axolotl sowie der Pariser Siredon, heisse nun fliescr licheno-
ides oder anden, steht auf niedrigerer phyle tischer Ent-
wicklungsstufe als die übrigen Amblystoma- Arten , die sich
in der Salamander-Form fortjjflanzen. Dagegen kann Niemand
Etwas einwenden, wJihrend der andre, von allen Autoren entweder
aus^'esprochene , oder stillschweigend vorausgesetzte Satz schon
eine Theorie enthält . undzwaV, wie ich glaube , eine unrichtige,
der Satz : der mexikanische Axolotl ist auf niederer phyletischer
Entwicklungsstufe stehen geblieben.
Alle Zoologen . die sieh Uljer die Umwandlung des Axolotl
ausgesprochen haben und die nicht etwa wie ihr erster Beobachter
noch in den Cu vier scheu Anseliauun^^en von der Unyeränder-
licbkeit der Species befangen sind, fasstcu deu Vorgang so auf,
als handle es sich dabei um eine Art, die l)isher durch irgend
welche besondere Verhältnisse auf niederer Entwicklungsstufe
zurückgeblieben sei und nun durch irgendwelche EintiUsse
zum Fortachreiteu auf eine höhere Stufe augeregt wor-
den sei.
Aneh ich selbst habe lange Zeit nicbt geglaubt, dass sich die
SMbe andfirs aniSuMn Hesse, so irenig ich «loli im Stande mt,
alle Encheinnngen mit dieser Aoißueuug in Eänlüang zu seteen.
So iDSSerte leb midi noeh im Jahre 1872 folgendennassen *j :
» Wamm sollte nicht eine plotiliehe Yerindening aller LebensTor-
hallnisse (üebersiedlnng Ton Mexiko nach Paris} eine direkte
Einwirknng anf den Organismas des Axolotl gehabt haben, so dass
er plOtslieb eine höhere Entwieklangsstnfe erreiehte, die viele
seiner Verwandten Hingst erreieht haben, die offenbar in der Natnr
seines Organismus liegt and die er selbst TieUeieht aneh in seinem
Vaterland erreieht haben würde, wenn aneh spSier? Oder wSre es
undenkbar, dass bei der plOtilichen Verseteang ans 8000' Uber
dem Meere (meiikanisehes Hochland) in die Hohe von Baris grade
die Bespirationsoigane dnen Anstoos in der nahe liegenden Ab-
*) lieber den Einflme der IsoUrung auf die Artbildung. Leipzig 1872.
fiaito 3S.
240 Ueber die UmmndluDg des mextkan. Azolotl in «in Amblystoaui.
änderang erhalten hätten ? Somit haben wir 68 aller Wahrschein*
lichkeit nach mit einer direkten Einwirkung reiinderter Lebens-
bedingnngen zn thun.
Dass der Inhalt des letzten Satzes anch heute noch fest^halten
werden mus«, versteht sich nach den oben mitgetheilten Versuchen
yon selbst, die ja {gerade darthun, dass man durch Anwendung be-
stimmter äusserer Einflüsse es bis zu einem gewissen Grad in der
Hand hat. die Umwandlung henorzurufen. Gerade darin liegt das
Neue, was diese Versuche gebracht haben.
Aber sind wir damit auch gezwungen , das Phänomen als in
der oben bezeichneten Weise aufzufassen? d. h. als plötzlich
eintretende ge w i ssermassen mit einem Schlage er-
folgende phyletische Weiterentwicklung der Artt
Ich glaube nicht.
Was mich zuerst an dieser AulTassuug irre machte, war der
Anblick der lebenden aus meinen Axolotl- Larven erzogenen
Amblystomen.
Diese Thiere zeigen nämlich keineswegs blos in einzelnen
Gharaktereneine Abweichung vom Axolotl, sondern sie unterschei-
den sieh Ttm ihm schon in ihrem ganzen Habitus ; sie dififcriren ge-
wisiermassen in allen Thellen, wenn anoh in manchen sehwScher,
in andern stärker, knn sie sind gans andre Thiere ge-
worden. Dem entsprechend leben sie auch gans anders, gehen
nieht melir ins Wasser , sondern haltm sieh bei Tage gern im
feaehten Moos ihres Zwingers Tersteekt, bei Naeht aber kommen
sie hervor nnd snohen ihre Kahrnng anf dem Troekenen.
Ich httte nun swar die grosse Versehiedenhdt iwisehen bei-
den Entwieklnngsstn&n sehen ans den mir liogst bekannten ana-
tomieehen Daten erkennen kSnnen, welehe Dnmiril aber den
Ban seiner Amblystomen gegeben hat; allein das Znsammenlesen
Tieler Detsilangaben gibt noeh kein lebendiges Bild, jedenfalls
braehte mir erst der Anbliek des lebenden Thieres snm Bewnsst-
sein, mit einer wie tief greifenden Umwandlung wir es hier zn
thnn haben , dass dieselbe keineswegs blos dii^enigen Theile be-
trifll, welche direkt von der Veränderung der Lebmsweise betroffen
werden, wie die Kiemen, sondern dass diemeistetti wenn nicht alle
Theile des Thieres einer Umwandlung unterliegen, welche zwar
sehr wohl theils als morphologische Anpassung an nene Lebens-
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Ueber die UmwmdlQiig d«« mmdkan. Axolotl in «in AmblystonMU 241
Verhältnisse gedeutet werden kann , theils als Folgen dieser An-
passungen 'eorrelative AI)jind(Tnngen] , ganz unniöglieh aber
in Bausch und Bogen als pl<it/,lich ei ngetrctene Wir-
kang dieser veräuderteu Lebensbediagungen.
So wenigetens nach meiner Anschauung, nach welcher eine
sprungweise Entwicklung der Arten in der Weise, wie sie hier vor
sich gegangen sein mUsste, ganz undenkbar ist.
Ich darf wohl annehmen, dass es bisher den Meisten mit der
Metamorphose des Axolotl ähnlich gegangen ist, \y\e mir selbst:
es kam ihnen nicht znm fiewQSstsein, wie weit die Umwand-
ln ng geht; und so mag es zu erklären sein, dass auch die theo-
retische Tragweite des Falles yon keiner Seite recht betont wnrde.
Es ist aber offenbar ein Fall von ganz ungewöhnlicher principieller
Bedeutung. Ich glaube, es lässt sich leicht zeigen, dass die bisher
ziemlich allgemein angenommene Deutung der Umwandlungsge-
schichte des Pariser Axolotl zugleich die Anerkennung eines sehr
weit trügenden Prineips in sich schlicsst. Wenn niiinlicli diese Deu-
tung die richtige wäre, dann wäre zugleich niciiu s Ei.iehtens, die
Meinung derjenigen als riehtig erwiesen , welche wie Kö 1 1 ik c r ,
Askenasy, Nägeli uiul unter den Philosophen Ilartmann und
Huber die Uinwaudiung der Arten in erster Instanz auf eine den
Organismen iniiewtdinende Triebkratt zurllekillhren wcdlcn. anfein
aktive.s, d. Ii. selhstthätiges » Entwicklungsgesctza , eine phylc-
tische Lebenskraft.
Wenn nämlich die zu Amblystomen gewordenen Axolotl als
Indi%iduen aufzufassen sind , welche angeregt dnreli äussere Ein-
flüsse der phyletisehen Entwieklnng der tlbrigen Individuen voran
geeilt sind, dann kann dieser Fortschritt nur auf Kechnung einer
phyletisehen Lebenskraft gesetzt werden, denn die Umwandlung
ist eine plötzliche, sie liisst keine Zeit zu allmäliger Anpassung im
Laufe von (jencrationen. Indirekter Einfluss der äussern
Lebensverhältnisse d. h. Xaturzlichtung ist deninacli von vorne
herein ausgeschlo.ssen, direkter Einfluss der veränderten Lebens-
verhältnisse reicht aber bei Weitem nicht aus zur Erklärung der
totalen Umwandlung des gesammtcn Baues , wie ich sie vorhin
schon angedeutet habe und jetzt näher ausfuhren will.
Die Unterschiede zwischen dem Pariser Axolotl und seinem
W« i t ■ • n n , Stndienu II. 16
242 U«ber die UnrnndluDg dM mezikan. Axolotl in ein Amblyftoma.
Amblyrtoma sind naeh Dnmiril, KOUiker undiiieiBaii elgiMD
BeobMhtangeB die folgenden :
1) Die Eiemea Tenehwiaden, die Kiemeaapaltea leblieMen
sieh nnd toh den SSemenbogea bleibt nor der ▼oidento besteben»
die hinteren venehwinden. Zogldoh Terindert sieh das Os hyoi-
denm (DnmAiil).
2) Der BttelEenkamm yersehwindet rollstKndig (Damöril).
3) Der BoderMhwans wandelt sieh in einen salamander-llin-
lichen Sehwaai nm (D nm 4 r i I ) , der indessen nicht wie dort dieh-
mnd, sondern etwas roa der Seite her zasanunengedrilokt ist
(Weismann.)
4) Die Haat bekommt gelblieh weisse^ nnregelmüsslg an den
Seiten nnd dem Bttoken vertheilte Fleeke, (Dnmiril] während
zugleich ihre früher granschwarze Omndfarlie sich in ein glänzen-
des Grün schwarz nmwandelt (Weismann); daneben verliert sich
die schleimige Hantseeretion und die Hantdrttsen werden nndentlich
(Kölliker).
5) Die Augen werden vorstehend und die Papillen eng KJil-
liker) und es bilden sich Augenlider, welche das Auge vollstän-
dig Bchliessen können, während beim Axolotl nur eine schmale
Ringfalte das Auge umgibt, so dass dasselbe nicht geschlossen
werden kann Weismann).
Gl Die Zehen verschmälern sich und verlieren ihre hautartigen
Anhänge Kölliker , oder pMiauer die halben Schwimmhäute,
weh he das |>roximale Ende der Zehen an allen Fussen verbindet
(Weisni a n ii ' .
7> Die (lauinenzähne stehen bei diesem, wie bei allen Amblv-
stomen in einer (iuerreihe , während sie beim Axolotl ähnlich wie
bei den Triton- i.arven an der Seite des Gaunien^^ewülbes stehen in
Gestalt eines l)OgentVuini^ gekrllniiiiten . mit mehrfacher Zahnreihe
besetzten Bandes'; ^Dum^ril siebe dessen Abbildung a. a. 0.
S. 279).
*; Dum^ril lässt die Zfthne des Vomer von denen des O« palatinum durch
eine Lücke getrennt sein. Wahrscheinlich war dieselbe eine künstliche, da
üegenbaur (Friedrich und Gegeubaur, der Scbidel des Axolotl,
WOnburg 1849) den Zahiutreifen ohne Unterbreebong Ton einem auf den an^
dern Knochen übergehend abgebildet. Ebenso verh< es sich bei den Axolotl'll»
welche ich darauf untersuchen konnte ; übrigens iit dieaa kleine Diffemi in
dar hier behandelten Frage ganz gleichgültig.
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UtlMT die UmwMdluDg d«« »«dkm. AkoIoiI in »in Amblyitoim. 243
8) Beim Axolotl trägt der Unterkiefer ausser den Zähnen auf
dem oberen Rand des Knochens noch «de trcs-petites dents dis-
pos6es 8ur plusieurs rangs«; diese letzteren schwinden nach der
Metamorphose (Dumöril). Ich füge hinzu, dass die bleibenden
Zähne dem Os dentale des Unterkiefers angehören, die vergäng-
lichen dem Oh operculare •) .
9; Die hintere Flüche der Wirbelkörper ist leicht ausgehöhlt
TOr wie nach der Umwandlung; die vordere aber ist beim Am -
bly Stoma weniger concav, als beim Siredon (Dumöril).
Die OBter 7 und 9 angeführten Angaben DamiriTs habe ich
bii jetzt noch nicht eonatatiren kDnnen, da ieb' keine« meinet
lebenden Amblyatomen nur deshalb (OdliBn wollte, um die An-
geben eines Fonchen an bestätigen, dem man' darin gewiss toU-
sündigeii Vertraoen schenken darf. Ebenso habe ich die Umwand-
lang der Kiemenbogen noch nidit naehgeseben, alle Übrigen von
Kolliker oderDumöril gegebnen Daten kann ieh Tollkommen
bestätigen.
Die Unterschiede im Ban, welche swisdien Axolotl' nnd Am-
bljstoma bestdien, sfaid bedentend gritosere nnd gewiohtigerei als
sie Aschen benachbarten Gattongen, ja giOsser als sie iwischen
den Familien der Urodelen sich finden. Die Gattung Siredon
. gehört ohne allen Zweifel sn einer andern Unterordnung»
als die Gattung Amblystoma, In welche sie sich gelegentlich
nmwandelt Stranch, der neueste Systematiker dieser Gruppe,
unterscheidet' die Unterordnung der Salamandrida von der der
Ichthyodea durch den Besitz von Augenlidern und durch die
Stellung der Ganmenzähne in einfacher Reihe am hintern Rand des
Gaumenbeins, während bei den Ichthyodea die Lider fehlen
und die Gaumenzähne entweder am »Vorderrand des Gaumenbeins
stehen«, oder »als burstenförmige Haufen die ganie Oberfläche der
Gaumenplatten bedecken «.
Wie wäre es nnn möglich, derartige weit auseinander stehende
anatomische Charaktere als Umwandlungen zu betrachten , die
durch einmalige Einwirkung abweichender Liebenflbedingungeu
plötzlich hervorgerufen worden wären?
*) Siehe O. Hertwig „Uebar des ZahnqrateBi der Anpliibieii und seine
Bedeutung fQr die OencAe den Skeielt derMnndiiOlüe*'. Afeh. f. nUerow. Anat.
Bd. XI. Supplementheft. 1874.
244 Ueber die Umwandlung du» tuexikan. Axolotl in ein Aniblyiitoma
Und mit dem Ansfitll der alten und der Entstehung neuer
GanmensXlme gebt Hand in Bind eine Verlndemng im ana-
tomischen Ban der Wirbelsftnle and — wie wir ans KOlliker's
ganz richtiger Bemerkang Uber das Aufhören der schleimigen Hant-
Bckrction echUeseen dürfen — in dem liistologisdien Bau der Bant
vor sich !
Wer wollte es nnternehnien, alle diese tiefgreifenden Verän-
demngen als direkte und plötzliche Wirkung irgend welcher ein-
mal einwirkenden änpscm Einflüsse zu erklären? Und wenn
selbst Jemand Neigung hätte, dieselben etwa als Folgen des
Wegfalls der Kiemen, demnach als correlative Ab-
Uti (1 0 r n n ix e u zu deuten, was wäre eine solche Correlation anders,
als die iuii;,^et;iuftc ]Thyletisclie Lebctiskrnft'
Denn wenn von einer dureli direkten EinHiiss äusserer Agen-
den gesetzten Aliiindcning aus der ganze Küri)er sieli durch Corre-
lation in ein paar Tn^^tu grade so in allen seinen Tlicilen uui-
waudcln kann, wie es f 11 r d i e u e u e n L e 1) e u s b e di n g u n g e n ,
in denen er v(m nun an leben soll, am angemessensten er-
sclieint, dann ist das Wort »Correlation« nur uoch eine Thrase,
dureb die Nichts erklärt, wohl aber der Versuch einer besseren Er-
klärung verhindert wirdi Dann ist es vorzuziehen, wenn man sich
eiufaeli zu dem tllauben an eine pbyletische Lebenskraft bekennt.
Es ist übrigens gar nicht statthaft eine derartige Erklärung
auch nur versuchen zu wollen, denn wir kennen ja Urude-
len, welche in erwachsenem Zustand keine Kiemen
haben und dennoeh alle übrigen Merkmale der Ich-
thyodea besitzen: Mangel der Augenlider eharakteristiseher
Typus der Gaumenzthne und des Zungenbebapparates ; so die
Gattungen Amphinma L., Menopoma Barl, und Crypto-
branohus d. Hoer. Die lieiden ersten Gattungen besitzen be-
kanntlich noch Eiemenspalten, Cryptobranehns dagegen liat
sogar auch die Kiemenspalten rerloren , die bei ihm ganz wie bei
Amblystoma Ton der Haut llberwachsen sind, und dennoeh ist
er nach dem Übereinstimmenden Zeugniss aller Systematiker
ein lichter Fiscfamolch nach Habitus, Zungenbeinapparat, Gan-
menzShnen*) u. s. w. Es kommt noch dazu, dass auch der
*} Siehe Streu ch a. e. O. 8. 10.
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IT«b«r die Unwandluag det mesikan. Axolotl in ttn Amblyttonift. 245
Axolotl selbst die Kiemen verlieren kann, ohne des-
halb schon sich in ein Aniblystoma nmznwandeln.
Ich habe oben erwähnt, da^^s hei Axoh)trn, die in flachem und luft-
armem Wasser gelialtcn werden, häufig die Kiemen sieh verklei-
nern, es kommt aber auch vor, dass sie ganz zusammcuschruuipt'en.
Ich besitze einen in Spiritus konsrrvirten Axolotl, bei weleliem (Jie
Kiemen bis auf kleine unregelmiissige Höcker zusammengeschrumpft
sind, zugleicii fehlt der KcUkenkamm so vollständig, dass sogar an
seiner Stelle eine I^ängsfurche entstanden ist. und auch am Schwanz
ist der Hauptsaum am untern Rand vollständig, am oberen etwa
zur Hälfte geschwunden. Trotzdem ist das Thier vom Bau des
Amblystoma weit entfernt, es besitzt den Kiemeubogenapparat, die
Gaumenzähne, die Haut u. s. w. des Axolotl.
Dies beweist also, dass der Wegfall der Kiemen
keineswegs immer alle die andern Umwälzungen
nach Biob ziehen muss, welche wir bei der Meta-
morphose des Axolotl vor sich gehen aelien, dass
diese also keineswegs die nothwendig nndnnmittel-
bar eintretende Folge jenes Wegfalls sind.
Ob sie nach langen Qenerationsfolgen eintreten mOssen, ob
aiieh die Nachkommen von Cryptobrandins dereinst Salamandri-
denban annehmen werden, das ist eine andre Frage, die ich nicht
geradezu remeinen möchte, die aber hier gar nicht in Betracht
kommt, wo es sich nnr mn eine etwaige plötzliche Folge des
KiemenwegfiiUB handelt.
Die Frage scheint mir demnach so zn Hegen: Entweder
ist nnsre bisherige Auffassung der Umwandlungs-
geschichte des Axolotl als einer Weiterentwicklung
der Art unrichtig, oder die Existenz einer phyle-
tisehen Lebenskraft ist eben durch den Fall Tom
Axolotl unwiderleglich bewiesen.
Es fragt sich nun, ob das ThatsUchliche dieser Umwandlungs-
geschichte nicht auch einer andern Deutung fähig ist /
Ich glaube, dass dies allerdings müglich ist und dass sich
eine andre Deutung sogar mit einem ziemlichen Grad ?on Wahr-
scheinlichkeit als die richtige erweisen lässt
Ich halte diejenigen Amblystomen, welche sich
in der Gefangenschaft aas Siredon mexicanas
246 Ueber die Umwandlung de« nesikan. Asolotl in ein Amblyiton«.
(8. pisciformis] sowie aas dem Pariser Axolotl, ia
einzelnen Fftllen «stwiek^lt haben, nieht CUr Fort-
BohrittB-, iottdernf1lrBnck8cbUgtforinen,ieh gUnbe,
dasB dieAzolotl, welche hente die Seeen von Mexiko
bevölkern eine geologiiebe (oder bester soologisehe)
Epoche frttber bereita Amblyatomen waren, data
sie aber durch Verftudernngen in ihren Lebenabe*
dingnngen wieder auf die frühere Stufe der Peren-
nibranehiaten snrttekgesnnken sind.
Ohne Zweifel bin ich n dieser Anffiusuig snerst durch die
Besnlt^ gefthrt woiden, welche sich mir ans mrinen Stadien Uber
den Saison-Dinunphismiu der Schmetterlinge ergeben hatten^.
Auch dort bandelt es sich am swei Tcrschiedene ISestalten,
anter welchen ein and dieselbe Art anftritt and von wdchen sich
ab wahrscheinlich nachweisen ttsst, dass die dne die phyletisch
altere , die andere die jüngere ist. Die jtlngeie Sommerform ist
nach meiner Anscbanang durch allmiliigc Erwärmung des Klima*s
ans der in einer frtlheren soologischcn Epoche allein vorhandenen
Winterforro henrorgegangen , aber diese, die primäre Form, hat
darum nicht aufgehört zu existiren, sondern wechselt heute noch in
jedem Jahre nls Winterform mit der seknndären, der Sosomer-»
form, ab.
Es gelingt nun bei den eaison- dimorphen Schmetterlingen
leicht , die Somnierbrut dazu zu bewegen , die Winterfunn anzu-
nehmen und zwar dadurch, dass man ihre Puppen längere Zeit
einer niederen Temperatur aussetzt, und es lässt sich in hohem
Grade wahrscheinlich machen, dass diese plötzlich eingetretene, oft
sehr weit gehende Abänderung oder Umwaiuilung nur scheinbar
plötzlich entsteht und nur scheinbar die Fol^e einer einmaligen,
nur bei dieser Generation einwirkenden Kälte ist, dass sie vielmehr
in Wahrheit auf Rückschlag zur primären Form der Art beruht,
dass somit die einmal eintretende Kälte nur der Anstoss zum
Rückschlag, nicht aber die wahre Ursache der Umwand-
lung ist. Diese muss m'lmehr in der laugduueruden Einwirkung
der Kälte gesucht werden, welcher Tausende von Generationen der
*) Siehe : diese Studisn. I. Uaber den 6iueoa>Diaioiphiimu» ^ Sf^etr
teriinge. Leipijg 1676.
uiyui-iuu üy Google
Ufber dit Umwandlmg dM mnäkm. Asolotl in «in Anbljaloau. 847
Vorfahren unsrer heute lebenden Schmetterlinge nnterworfen waren
und deren Endresultat ebeu die Winterform war.
Nehmen wir nun einen Augenblick an, meine eben gegebene
Deutung der UmwaudlungsgcBchichte des Axolotl gei richtig, so
hätten wir hier Verhältnisse, die denen des Saison-DimorphismDB
in maneber Beziehung analog wären. Zwar wechseln hier nidit
■wiir beide Fonnen regehnässig miteinander ab, aber die primSfe
Foim kann gelegenttieh und zwar dnnh AneiOM ttnnerer YerldUt-
naee an Stafle der eekuidären auftreten.
Wie es dort gelingt die Sommeiiinit dnreh länwiiknng von
Kllte com An^ben der Soeunerfonn ond aar Annabme des Win-
terkleides sn bewegen* so gelingt es hier, die Azolotl dnreli
NUdiignng aar Laftatlunnng anf riner gewissen Allersstafe in den
AmUystoma-Znslaind Ubenaftthrea nnd weiter: wie beim Saison-
DimorpMuniu es sieh naehweiBen iSsst, dass diese knnsHieh her-
▼oigwnfene Umwandlung nnr seheinbar eine pUKaliobe Nen-
gestaltang ist, in Wabrhdt aber ein Rllekseblag anf die viel iltere
Winterform, so hätten wir es aneb hier nicht mit einer wirk-
liehen Nengestaltnng te Art in tbnn, sondern aar mit einer
seh e inbaren , einem Bttsksehlag anf die phyleCiseb Iltere Fonn
der Art.
Das klingt nnn freilich sehr paradox , insofern hier eine Fonn
durch Rückschlag entstanden sein soU, welche doch als die höher
entwickelte unzweifelhaft gelten muss. Ich glaube aber, dass
bei näherer Betrachtung sich viel von dem Paradoxen TerHeren
wird, was in dieser AufiTassung zu liegen seheint.
Vor Allem ist zu bedenken, dass die phyletische Entwicklung
der Arten keineswegs immer grade vorwUrts gegangen zu sein
braucht. Wir haben ja Beispiele genug von lülckentwicklung,
wenn auch in ziemlich anderem Sinne, so bei Parasiten und bei
Kolcben Formen , welche von freier Ortsliewcfrung- zur sedcntüren
LebeiiswciHe herabgesunken sind. Ich verkenne nicht den l'nter-
Bchied, welcher zwischen dieser Art der RUckentwicklung durch
Verkümmerung bestimmter Organe uudürgansysteme und zwischen
förmlichem Rückschlag besteht. Letzterer ist die Rückkehr
zu einer schon einmal dagewesenen Thierform, im
ersteren Falle aber wird trotz aller Vereinfachung der Organisation
doch immer etwas ganz Neues gebildet. Ich vermag aber
248 Uab«r di« Umwaadliiiig da« HMcdku. Axobti in ain AnUyitona.
nichts principiell l'ngereimtes in der Anuahme zu sehen, dass auch
ein fJirnjIicher Rückschlag, sei es einer ganzen Art, (xler doch der
Artgenossen eines hestinimtcn Wohn^xchietes als möglich ge-
dacht wird und ein weiteres Zugeständniss verlange ich vorläufig
nicht. Warum sollte es z. Ii. so ganz undciikltar sein, dass der
Axolotl schon in einer längst entschwundenen Zeit sich dem Land-
leben angepasst, dass er allmUlig durch direkte und indirekte
Wirkung yeittnderter Lebensbedingungen die Salamanderfonn sich
erworben hatte, spMter nber bei tob Neoem eintretenden , seber
augenblieklielien Oiganisation ungünstigen Verftndeningen der
LebensrerhttltniaBe wieder in die alte oder doeh eine ilur nah&-
stebende Form snittGkge&llen ist? *
JedenMs enthält eine solohe Annahme Niehls, was mit be-
lunnten Thatsachen in Widerspruch stttnde, dann aber liest sie
sieh in mehriaoher Weise stutzen und sehliesslieh empfiehlt sie sich
dadurch, dass sie — nach meiner Ansieht wenigstens — die
einzige annehmbare Erklärung der vorliegenden Thatsachen
Uefert.
Die oben enriihnte Existenz einer ganzen Beihe von Ambly-
stoma-Arten beweist einmal, dass Siredon-Arten sich zur Salaman-
derform auftchwingen und in dieser sieh regelmässig fortpflaosen
können und femer: dass dieser ptcyktische Fortsdiritt bei vielen
Arten thatsäohlich bereits stattgefnnden hat
Dass aber auch ein Zurücksinken von dieser böhern Ent-
wicklungsstufe auf die niedere eintreten kann, das beweisen mehr-
fache Beobachtungen an unsem Wassersalamandem.
Es ist bekannt , dass Tritonen unter Umständen — wie man
sich gewöhnlich ausdruckt — »im Larvenzustand geschlechtsreif«
werden.
Im Jahre 1864 fand de Filippi*} in einem Snmpf amLago
maggiore fünfzig Tritonen, von denen nur zwei den Bau des ausge-
wachsenen Wassersalamandors aufwiesen, alle Übrigen aber ihre
Kiemen nocii besassen, dennoch aber in Körpergrössc und Ent-
wicklung der Geschlechtsorgane mit reifen Thieren ttbereiustimm-
ten und zwar in beiden (ieschlechtern.
Filippi stellte fest, dass diese »gescblecbtsreifen Larven«
*) SttU« lanra del Thtoa alpestrii. Archivio per la Zoologia. Torino, 1861.
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Uvbtr die Ummuidliiag dei m«dk«D. Aiolod in du AmblTftoma. 240
nicht blo8 änsBerlieh durch den Besitz von Kiemen Larven glichen,
sondern duss sie auch alle ül)ri;ircn anatomischen Merkmale der
Larven darboten d. h. die charakteristischen , zu Ijeiden Seiten
stehenden liaufeu von Gaumenzähnen an Stelle der späteren ein-
fachen Reihe und eine Wirbelsäule, welche noch in ihrer ganzen
Länge von der Cliurda dorsalis durchzu^eu ist.
Nach meiner AutVassung würde dies ein Fall von Rück-
schlag des Triton auf die zmiftchst hinter ihm lie-
gende phyletische Stufe, die Perennibranchiaten-
stafe sein, und Ib dieaem Falle werden weil die meisten
Zoologen, welche ttbeihanpt anf dem Boden der Desoendenstheorie
stehen, meiner Anffiuffiang beipflichten. leb wenigstens' würde es
Atr ein nntdoses Wortspiel halten, wollte man hier tob Larven-
MpOtaamg sfireehen und glauben Etwas damit erklart an haben.
Allerdings wird das Thief in demselben Znstande g»-
sddeditsreif, in welchem es als Larve sneist auftritt, aber eine
Einsieht in das Wesen dieses Yoigangs erhalten wir erst durch die
Erwlgong, dass diese sogenannte »geschleohtsreife Larve« genau
den Bau besitst, welchen das vorhergehende phyletische Stadium
der Art besessen haben muss, dass somit ein lückschlag des Indi-
viduums auf das lltere phyletische Stadium der Art vorliegt. Ich
halte es fUr irrig, wenn Dumöril diesen Fall yom Triton in
Parallele stellt mit der Sehten Larvenfortpflanzung der Wagner -
sehen Gecidomyienlarven. Dort ist es gewiss nicht ROckschlag
auf ein älteres, phyletisches Stadium, was die Larven fortpflan-
snugsfühig macht , denn diese Larven stellen eben ttberhaapt kein
älteres phyletisches Stadium der Art dar, sondern mUssengleich-
seitig mit dieser entstanden sein. Die ungeheure Diffe-^
renz im Bau der Larve und der Fliege erklärt sich nicht daraus,
dass Letztere nachträglich aus Ersterer als einer fertigen, gegebe-
nen Grösse entstanden ist, sondern daraus , dass beide gleichzeitig
sich an immer weiter auseinander weichende Lebensbedingun{?en
angepasst haben*) . Phyletisch betrachtet sind diese Larven durch-
aus kein noth wendiger Durchgangspuukt fllr die Entstehung der
Fliege. Sie konnten auch ganz anders gebaut sein , ohne dass die
* Vorgl. aoeh Lubbook: OnfheOriglo and MetamorplKMMof Im«eli.
Ltiiuloa i$74.
250 Ueber die ümwandlong des roesikan. Axolotl in ein Ambljstoma.
€Mrifc der FUetge dttinreh eMiUte fwindert woricp vi «ein
bimnohle, dam die Stedifln der InunktwiiiwiiMnoiphoee ▼eiiadam
■ieh onabhiBgigToneiiiaiider, entopraoboiiddeDLebeDsbediiigiiiigeD,
welehfln lie imterwoifiNi eind, uid fiben anÜBuiaiider gar keiiMii,
oder doeh nnr einen sehr geringen finnabeeHiMMindwi Binfln« ms,
wie oben in der zweiten Abbendlnng anefttbiileh dugelegt wude.
Jedenfidb ist BdkFHhigkmtdieMr Larven (der Ctoeideni^ sieh
nngesebleehilieh sn Temebren , ent sefamdXr erworben worden,
wie sdum duMW berrorgebt, dass es lablreiehe Arten derseibeii
Müekengattnng^t, wekhe niehtienunen. «In der Gestalt, wekke
sie heute bedtsen, können sie niemals die Bolle des Endstadinma
der Ontogenese gespielt, können also nneh nicht etwa früher die
Fiih^ettgew)iileehtiieherFor4»flansnng besessen habent*). Knn,
wir liaben es hier mit äohter Lanrenfortpflamong n fhnn, bei den
Tritonen aber mit Rttcksdilag auf ein älteres pbyletisches Stadium.
Aach mit meinem Freunde H a e c k e 1 kann ich nicht einver-
standen sein, wenn er gelep:eiitlich den HUcksehla^^ der Tritonen
als »Anpassung« an das reine Waaserleben bezeichnet**). Man
würde hier doch nur dann von »Anpassung« reden können, wenn
man das Wort in einer ganz andern Bedeutung nimmt, als in der,
in welcher es Darwin und Wallace in die Wisaensobaft einge-
führt haben. Jene Forseber bezeichneten damit eine allmälige im
Laufe von Generationen eintretende Umbildung des Körpers, ent-
sprechend den neuen Erfordernissen neuer Lebensbedingungen,
mit andern Worten: die Wirkung der KaturzUehtung, nicht aber
die Folge einer einmalig und hei einer Generation plötsliob ond
direkt wirkenden Abänderungs-Ursacbe.
(ieradc weil das Wort nAnpassung« dem gew^öhnlichen Sprach-
gebram li nach sich in gar mancherlei .Sinn verwenden lässt, wäre
es wüu8chenswerth dasselbe nur in einem genau präcisirten Sinne
zu nehmen , vor Allem nicht da vtm Anpassung zu reden, wo gar
keine morphologische Aenderung vorliegt, sondern nur eine
Art von Functionswechsel im iSiDQe Dohm 's*'*). So z. B. wenn
*) ^he meine Schrift „lieber den Saisou-DimorphismuB der SduMttir-
linga*', Leipsig 1875, 8. 60.
*•) Siehe ÜMckalt Anthropogenie S. 449.
" ' * Der Urtprung der Wirbelthim und 4tm Friacip dM FoaetioiuweobMls.
Leipzig Ibiä.
L.y u.^uu Ly Google
ÜdMr di« Umwuidluiig da« aiMdkaa. Axolotl in «in Anlilyttoim. 2St
Forel*) nachweist, dass SüsawasBcr- Lungenschnecken, deren
Organisation auf direktes Athmen der Luft berechnet ist, dennoch
auch in den grösBten Tiefen der Alpenseen sich ansiedeln konnten,
indem sie ihre Lungen wieder als Kiemen verwendeten. Dass
hierbei nicht die geringste Veränderang an den Lungen stattgefun-
den hat, beweisen die Beobachtungen von Siebold's**}, der
Pnlmonatea flaeher Gewässer abwechselnd ihre Lun^n za direkter
Loftedimang aadmr WaseeiatlnDiiiig Terwenden sah, Je nacbden
der Lnf^ehalt des WaaseiB ein geringer oder dn bedenteiidsr vm.
Wonta man ndt tob Siebold auf solche Fülle das Wort »Alt-
passmig« sehleehtidn anwenden, so veilOre dasselbe den speeielkn
Shm, der nrsprUnglieh mit ihm gemeint war, als Tenninns teehni-
ens mttsste man das Wort aufgeben; doch Hesse sieb etwa ¥00
physiologiseher Anpassung reden.
Jeden&Us liegt bei den fortpflansnngsfthigen Tritonen-nLar-
Ten« sowonlg ehi FUl Ton Xditer Anpassnng vor, als bei dem aus-
nahmsweise rieh snm Ambllystoma umwandehulen AzoloÜ. In
heiden FUlen ist aneh die betreifende Umwandlnqg dniehans nicht
unerlSssUch fttr das XiOben des Indiridnums. Bäh (kiS'
meolose) Tntonen dauern, wie ich sehe, viele Monate, wahrseheb-
Heb auch Jahre kmg in tiefem Wasser aus, obgleich sie auf reine
Lungenathmung angewiesen sind, und Axolotl kDnnen, wie ieh oben
bereits enfllhrte, ganz woU Jahre hing in seiohtem und Infiannen
Wasser aushalten. Wenn ihre Kiemen dabei schrumpfen, ja TOUig
verschwinden kOnnen, so ist auch dies nicht Anpassung im Dar -
w i n'scheu iSinue, sondern Folge direkt wirkender äusserer £inflttsse,
hauptsächlich wohl des verminderten Qebranehs.
Ein dem Pili pp i sehen Falle ganz analoger wurde 1869 von
Jttllien beobachtet. Vier in einem Snmpfe geisohte weibliche
(dunren von Lissotriton panctatns Bell (Synonym fttr Triton
taoiiatus Schnd.) erwiesen sich als geschlechtsreif- Sie enthieltca
in ihren Ovarien reife , zum Ahlegen fertige Eier und zwei davon
legten auch wirklich die Eier ah. Vier männliche Larven, welche
in demselben Rumpfe gefangen waren, zeigten sich zwar in Bezug
•) Bull. äoc. Neuchiktei. Bd. Vlil, p. m, ein Refent darCber io Trosohers
/•hNdMtiehtl&r ises.
**} Sitmngabtriohte d. nath. phjn. |Umm 4m Ah»d. d. WUi. su M0a«beii
1S75. H«ftl.
252 0«ber die Umwiindlung im mexikan. AxoloÜ in ein Amblyetoott.
auf Körperp:r}>sse ebenso entwickelt, enthielten aber in den Uoden
keine Samentäden. sondern nur TiSaraen-Mntter/ellen«*).
Einen dritten derartigen Fall linde ich von Leydig in seinem
an interessantem Detail reichen Aufsatz »Ulier die Molche der
wllrttend)ergi8chen Fauna« angefllhrt*"' . Seh reihers, der ehe-
malige Direktor des Wiener Natiinilienkahiuets, fand ebenfalls
»Larven« von Triton mit sehr entwickelten Kiemen, al)er von der
Körpcrgrösse ausgewachsener, mannbarer Individuen«, und —
wie die anatomische Fntersuchnng lehrte — mit sehr »entwickelten
Geschlechtsorganen«, zumal mit von Eiern strotzenden Ovarien.
So steht es also fest, dass Arten, welche die Salamandriden-
8tnfe in der phyletischen Entwicklung läng!>t erreicht, gelegentlich
auf die Perennibranehiaten - Stufe zurtleksinken können. Offenbar
Hast diese Thatsache meine Anifassang der Axolotl als Rückschlags-
formen vid weniger paradox erscheinen, ja die Rttckachlag-Fälle
Ton Triton sind geradeso Analoga des Vorgangs, den ich Ar die
Azolotl sapponire.
Wir Irnndien nnr an die Stelle der Tritonen Amblystomen sn
setsen nnd ans den Sumpf, in welohem de Filippi seine >ge-
schlechtsrdfenTritonenlarven« &nd, zum See von Mexiko emeitert,
sowie die unbekannten and hier vielleicht Torttbeigehenden Ur-
sachen des Rückschlags als danernde va denken, so haben wir
Alles, was zur Herstellnng der Axolotl, so wie wir sie heute kennen
nothwendig ist, wir erhalten eine Ferennibranehiaten-
BevOlkernng des Sees.
Es ist noch nicht einnuU ansgemacht, ob in jenem Snn^fe
de Filippi's nicht etwa wirklidi andanernd die Perennibran-
chiaten-Form des Triton Torherrscht, denn mdnes Wissens ist der-
selbe seither nieht wieder darMifhin nntersncht worden.
Nehmen wir aber einmal fUr einen Augenblick an, es yerfaielte
sich wirklich so, es lebte dort eine Kolonie geschleditlich rieh fort-
pflanzender Perennibranchiaten-Tri tonen, wUrden wir uns wundem,
wenn ans deren Brut gelegentlich auch einmal ein ächter Triton
hervorginge , wenn es uns gelänge die meisten Individnen dieser
Brut durch Versetzung in flaches Wasser znr Metamorphose in
*] Comp. rand. T. 68, p. 938 tt. 9M.
ArahiT f. Nataxgwehiehte 1867.
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Ueb«r die Umwandlung des mexikan. Axoloü in ein Amblystoma. 253
Tritonen za bewegen t Gans so verhält es sieh aber naeh mdner
Ansebaamig bei dem Axolotl von Mexiko.
Ich brauche mich aber nicht darauf sn besehrlnken meine
Hypothese sn sttttsen, sondern mnss anch direkt die Haltbarkeit
der bisher angenommenen bestreiten, denn sie steht in Widerspruch
mit Thatsaehen.
LSge beim Axolotl wirklich eine plOtslich eingetretene phyle-
tische Fortentwieklnng toFi dann bliebe efaie Thatsache TOllig on-
▼erständUeh, nämlieh die Sterilität der Amblystomen.
Von den etwa dreissig Amblystomen, welche Dnmöril bis
znm Jahre 1870 erhalten halte, war bei keinem Einzigen volle Ge-
schlechtsreife eingetreten , weder PaaruDg noeh aneh blosse Eiab-
lage war Yorgekommen nnd die anatomisch untersnchten Indivi»
dnen zeigten die Eier unreif und die Spermatosoiden /war vorhini-
den, aber ohne die allen Salamnndriden zukommende undulirende
Membran, zwar nicht ohne alle Beweglichkeit, aber wie Qnatre-
fages feststellte, nur »unvollkommen beweglich«').
Auch die fUnf Amblystomen, Uber welche ich hier berichtete,
zeigten bis jetzt noch keinerlei Fortpflanzungserscbeinnngen.
Es ist offenbar ein sehr wenig stichhaltiger Einwand , wenn
Sacc*") die Sterilität der aus Axolotlen erzogenen Amblystomen
von n sclilecliter Ernährung « herleitet. Warum ptliinzeu sich denn
die Axolotl so leicht fort, die doch ganz gleich ernährt werden?
Ich kann auch noch ausdrücklich versichern , dass meine Ambly-
stomen ganz vortrefflich ernährt sind. Allerdings haben dieselben
jetzt kaum das Alter von 2 Jahren erreicht, allein die Axolotl
pflanzen sich im zweiten Jahre bereits fort nnd die Dnmörirscben
Amblystomen waren 1870 znm Theil schon 5 Jahre alt.
Die Thatsache der Sterilität steht in grellem Widerspruch mit
der Auffassung , als seien diese Amltlystomen die regulären Vor-
posten der sich phy letisch weiter entwickelnden Gattung Sircdon ***).
Compt. «end. V. 70, 18T0.
••) Bull Soc. Neuchltel. Bd. Vm. S. 191; «tnB«fmtdvOb«rmTh»aoh«r«
JaliKtbericht für 1869.
***> Neuerdings theilt lUanchard Inden Compt. rcnd. (1875, No. 13,
p. 71«) mit» dau „ dai Amblyttoma von Mexiko, die auigeiraehsene Form der
Axolotl zum ersten Mal in der Menagerie des Museums Eier gelegt hat". Lei-
der sind die thats/Vchlichen Angaben dicicr Notiz so ungenau und so tendentiös
gefArbt, das8 ea unmöglich ist, irgend welche Schlüsse daraus su ziehen. Weder
254 Ueber die Umwandlung des nmikan. Axolotl in «in Amblyitioiiia.
Ich will zwar keineswegs behaupten, dass meine Kllckschla^-
theorie die Sterilität wirklich erklären könne, aber sie steht doch
wenigstens nicht geradezu in Widerspruch mit ihr. Blosse Rtlck-
•oUftgBfbrmen kdnnen zu Grunde gehen, ohne sich fortzupflanzen,
die dmroh das Wiifceii dner phyletischen Lebenskraft henroigft-
rofene nene Form aber darf keine sterile Min, weil dies den
»Zweek« den die Lebenskraft verfolgt , gradesn iideder anfhebt
Der BegrUr der Lebenskraft aber sehliesst den der Teleokgie ein.
üebrigens Usst sieh die Sterilitttt der Amblystomen roa imsenn
Standpnnkt ans wenn nieht ToUkontmen Tersfehen, so doeh als eine
nieht ganz isoUrt stehende Ersoheinnng naehweisen. In dem oben
angeftlbrten Fälle yoih Lissotiiton pnnetatns wurden allerdings die
weibliehen »Larven« geseUeehtsreifnnd legten iSer, die m&nn-
Ifchen aber enthielten xn- derselben Zeit keine ans^bildeten
Sfiermatosoiden im Hoden I
Andre derartige FUle sind mir nieht bekannt; sor Zdt, als ieh
meine oben erwihnten Versnobe mit Schmetterlingen anstellte, lag
Ut gesagt, oV> ein oder mehrere Weibchen Eier legten — was doch vorab
▼on der allergrössteii Wichtigkeit gewesen w&re — , noch wird raitgetheilt, ob
Begattung vorausgegangen, oder ob die gelegten "Eist ügnd welehe ZeidiOD
embryonaler Entwiekluag «tkcDnen liewen; Herr Blanchard hat nur die
UebcrzetiRung, da««! .dif T.nrven nicht z3gem werden auszuschlüpfen"' ..Seit
mehr als 10 Jahren zeigten dieae Thiere keine Fihigkeit zur Fortpflaniimg"
lind naohdem jetst vielleicht ein einaigee Weibeben Eier gelegt bat, niount
man diee ohne WMteiee lehon für eine Fortpflaniang dee Amblyetoma'*
und erklärt emphatisch ,,von heute ab haben wir den Beweis, dass der Batra-
chier, der zuerst Axolotl , dann Amblystoma ist , sich in keiner Weise von der
Kategorie vieler kaltblütiger Thiere untencheidet, weiche ,,6tant capablee de
ae repvoduire daae on ige peu «vanei ne eeaaent pae nAanaaoina
(l'c'tre f^conds lorRqu'ils sont c o m pl ^t eme n t adultes(!]". Nach
Herrn lllunchard ist also nun Alles wieder in Ordnung und der unbequeme
Fall vom iVxolotl ist glücklich aus der Welt geschafft! Ist das etwa die
„K*tarfortehttng Cnvier'a and Newton'«", wekdie aaeh bei w» dea
,,Darwiniancm" als Muster vorgehalten wird? Vor Allem wäre doch wohl ab-
zuwarten, ob die Eier sich entwickeln. Sollte dieser Fall eintreten, »o wire
damit immer erst bewiesen , da^is einzelne Amblystomen sich fortpdanzen und
dieee Tbatiaehe wflide Niehta daran Indern, daaa die aberwiegende Ma-
jorität der Individuen ateril iat. Oder betrachtet Herr Blanchard
die Maulthiere al^; eine fruchtbare Thierform, weil gelegentlich einzelne Fälle
von Fortpilanzung bei ihnen vorkommen? Die Sterilität der Amblystomen
bleibt alio vorliuilg unverindert beatehen und rerlangt eine Erklirang;
die nachfolgenden Betrachtungen werden durch die sehr wenig exakte" IQt»
thi^ttng in der franxönechen Akademie durchaui nicht veftndert.
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IMwr die Umwandluiig de« mwfluHi. Aiolotl in «o AmUjstona. 255
mir dieser GesichtBpuukt noch fem , und so habe ich versäumt die
kttDstlich erzengten Rttckschlagsformeii auf die Entwicklung ihrer
Oenerationeorgane zu untergucbeii. Aber aaob allgemeine EnrHr
gnugen fttbren zu der- Vennatbong, dü« aivfiitiMhe Fofmeii UMkIt
steril bleiben können.
Dmrwiu«) findet die alebiteii UmAhm derSterilUlt einmal
in dar BinwiriLung weit abweiehender LebeaBTerbiltnisee, und
zweitens in der Krennng von Individaen ndt weit abweiehender
Cooetitntion. Abweichende LebeaarerblUniMe sind es nun aller-
dings, welabe die Uetamorphose des Azoletl einleiten und Ton die-
sem GesiohtBininkt ans würde es nicht ttbenssehen können, wenn
wir di^enigen Individnen steril finden, welche. daroh diese Teiia-
derten Lebensbedingungen grade dadurch als besonders betroffen
sich erweisen, dass sie in die Salsmanderfiinn snrllcksehlsgen.
Damit ist noch keineswegs gesagt, dass BflckscUsg immer
und ansnabmsloB Ton Sterilitilt beig^eitet wird und man kann
meiner Oentnng der Azolofl-Metamorphose nicht einwerfen, dass
durch BQckschlag niemals eine for^ansungefthige Kolonie des
Axolotl habe entstehen können. Im Gegentbeil beweisen die Eier-
ablegenden weiblichen Tritonen-Lsrven Jnllien's giadesn, dass
auch beim BttckscMsg die Flhigke&t snr Fortpflanxnng Tollsttndig
erhalten bleiben kann**) . Aus den erwOhnten allgemeinen Ursachen
der Sterilität Utost sich aber sogar ableiten, dass dabei die Frucht-
barkeit in verschiednem Grade verloren gehen kann und wei-
ter läSBt sich bis zu einem gewissen Punkt Terstehen, warum die-
selbe beim Rfickschlag in die Ambljstoma-Form vollständiger
verloren geht, als beim Bflckschlag des Triton in die Perennibrsn-
chiaten-Form.
Wenn nämlich in diesen lUlen der Bttcksdilsg durch Verän-
derung der Lebensbedingungen herroigeffafen wird-, so daif'inan
•) Origin of Speeles. 5th Edition, p. 325.
**} Auch bei PÜtmzcn xeigen Kückscblagsfurmea SteriUt&t in verschied-
Bern Onid«; Herr Darwin macht mioh auf die ThatMMih« auftnerimiii, daM
die pelorischen (fiyminetrischen) UlOthen, welche als atavistische Formen ge-
legentlich bei C'orydalis Holida vorkommen, «war theilweiM steril sind,
theil weise aber fruchtbar. Daäs bei andern ätenlitdts- Ursachen, vor Allep bei
Baitardimn^eii die FortpSaimingifthigkeit in den allerTeraehieden-
sten Graden verloren geht, ist Mchun Mit den berflbaiten Beobechtungen von
SLClreuter und Qirtner bekannt.
256 Ueber di« Umwandlung de« mexikui. AzoloU in ein Anblystom*.
▼ielleieht yemiotheii, dass auch die Orüese dieser VeittiideraDg den
Grad Ton Fmehtbarkcit mitbeBtimmen wird, den die ataTiatiaclie
Form beibehalten kann; noeh mehr wird aber derselbe beeinflnsst
werden dnreh die Grosse des morphologi sehen Sprun-
ges, der mit dem Rtlekschlag gemacht wird.
Wir wissen, dass die V'erinengunf? sehr ahweicliender Cousti-
tutionen ,z. B. bei Kreuzun^r verscliiLMlncr Arteui Sterilität hervor-
ruft. Etwas Aehnliches geht wohl auch heim plötzlichen Rück-
schlag anf eine im ganzen Bau sehr abweichende Entwicklungs-
stufe vor sich. Aach hier findet gewissermasscn die Vereinigung
sweier sehr ▼enehiedner Constitutionen in e i n e m Individnom statt,
eine Art rm Krensnng.
Unter diesem (iesichtspnukt lUsst es sich ciniirermassen ver-
stehen, warum Sterilität eine Folge des HUckschliigs sein kann, da-
gegen erhalten wir damit noch keinen Aufschluss, \^arum bei
gleicher Weite des niorj)h( »logischen Si)rungcs dennoch in dem einen
Fall völlige Sterilität, im andern relative Fruchtbarkeit eintritt.
Die Grösse des morphologischen Abstandes ist genau dieselbe
zwischen Axolotl uiiii Amblystoma, wie zwischen Triton und seiner
«geschlcchtsrcifen Larve«, die Verschiedenheit zwischen beiden
KUckschlagsfällcn liegt lediglich in der Richtung des Sprunges, der
im ersten Fall grade in umgekehrter Richtung gemacht
wird, als im zweiten.
Grade darin möchte ich den Grund der verschieden starken
At!'ecti(m des Fortpflanzungsvermögens suchen: nicht in der Rich-
tung des Sprunges an und fUr sieh, wohl aber in den Verschie-
denheiten der Ontogenese , welche eben durch die Verschiedenheit
der Sprungrichtung bedingt sind.
Der RUck schlag desTriton auf ein älteres phyletisches
Stadium fällt zusammen mit dem Stehenbleiben auf einem
jüngeren ontogenetischen Stadium, oder mit andern
Worten: das ältere Stadium der Phylogenese, auf
welches der Rückschlag stattfindet, ist vollständig
noch in der Ontogenese eines jeden Individuums
enthalten. Jeder Triton ist eine geraume Zeit seines Lebens
hindurch Ferenuibranchiate ; das zurllckschlagende Individuum
schlägt eiuiacb dadurch auf die ältere, pbyletische Stufe zorUck,
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Ueber die Umwandlung dei mexikan. Axolotl in ein Amblyitoma. 257
dasB es aaf der Lunreutofe seiner iudividueUen Entwicklung
stehen bleibt.
Ganz anders bei dem Rfleksehlag des Axoloft in die schon
früher einmal etrelehte, aber Iftogst wieder aufgegebene Amblj-
stoma-Forml Diese ist in der Ontogenese des Axolotl
nicht enthalten, sondern istTollstindig ausgefallen;
seit einer langen Rmhe von Generationen — so mttssen wir an-
nehmen — ist die Ontogenese immer nvr bis mrPerennibranchiaten-
Form gelangt. Wenn nun jetzt einzelne Individuen znm Rllekschlag
in die Amblystoma-Form veranlasst werden, so wird damit aller'
dings in morphologischer Beziehnng kein grosserer Sprung gemaoht,
als b^m Rückschlag des Triton znr Ferennibranehiaten-Form, aber
es liegt darin zugleich noch ein Sprung in andrer Beziehung, ein
Sprung nSmüch Uber eine lange Reihe von Generationen hinweg»
znrOck zu einer Thierform , welche die Art seit langer Zeit nicht
mehr hervorgebraeht hat, welche ihr gevrissermassen fremd gewor-
den ist Wir bitten also auch hier das Aufpfropfen einer weit ab-
weichenden Constitution auf die des Axolotl , oder — wenn man
lieber will — die Vermengung zweier weit abweichender Ooosti-
tntionen.
Natürlich bin ich weit entfernt, diese «EiklSrung« ftlr eine
exacte ausgeben zu wollen, sie ist nichts weiter,- als ein Versuch,
das Moment zu bezeichnen , in welchem die Ursache der Tcrsehie-
den starken Affection des Fortpflanzungsvermögens zu suchen sein
wird. Tiefer mnzndringen und speciell nachzuweisen, auf welche
Weise dieses Moment seine Wi^ung zu Stande bringt, muss einer
spSteron 2Seit vorbehalten bleiben. Für jetzt muss es genttgen,
darauf hingewiesen zn haben, dass Überhaupt zwischen beiden
Arten des Rückschlags ein wesentlicher Unterschied besteht, sowie
einigermassen verständlich gemacht zu haben , dass dieser Unter-
schied das anssclila^gebende Moment in Betreff der Sterilitätsfrage
seil) kann. Vielleicht wird sieh das hier verborgene Gesetz dereinst
HO funnulireu lassen : Atavistische Individuen verlieren
die Fähigkeit der Fortpflanzung um so vollRtändi-
ger, je länger die Generationsfolge ih rer Vorfahren
ist, deren Ontogenese die phylctisch ältere Stufe,
auf welche der Rückschlag erfolgt ist, nicht mehr
enthielt.
258 Ueber die Umwandlung des m«xik»n. AxoloU in «in Amblyitoma.
Bietet tonach ttoMie Hypothese, weleke die Umweidlmf dee
Azolotl als Bllekechlag deutet, zugleich die HOglidikeit, die Sieii-
litxt der auf dieae Weiae ent^andnea Amblyitomea Yentehen an
lernen, so ist im Gegeatheil Air die Anhlnger einer pbyletisehen
Lebenskraft die beohaehtete SteriHtit der Amblystomen nieht nor
»nn T^table dnigme sdentifiqnet, wie Dnmiril sieh aasdrllekt,
sondern gendecn ein Paradoxon. Von einem solehen sweekflil-
tigen, trabenden Prindp, sollte erwartet werden dürfen, dasses
lebenslUiige, nicht dass es dem Anssteiben Terfellene Neolnldnngen
herrorbiinge, nnd dies nnn so mehr, wenn es sieh dabei nm eine
Combination von Straktnreigenthttmliehkelten handelt, welche sieh,
wenn sie aof andre Weise entsteht (nümlich ans andern Siredon-
Arten) bereits Iftngst als lebens- nnd fortpflanxnngs-
f&hig erwiesen hat. Wir kennen ja AmblystooBa-Arten, die
als solche sich fbrtpihuisen nnd Ton denen jede ans einer Azolofl-
artigen Larrehervorgieht. Man kann also die sterilen Amblystomen,
welche der Psriser Azdotl herrorbringt , nicht etwa als einen tw-
fehlten YerBnch der Lebenskraft denten, eine Dentong, die freilich
an nnd für sieh schon abentenerlich genng wlre I
Wenn nnn aber gefragt wird, welche Verlnderang der
Lebensbedingungen es etwa gewesen sein könne,
die das Amblystoma im See Ton Mexiko*) wieder in
die Siredonform znrttckschlagen Hess, so kann idl
darauf freilich nur mit VermuthuDgen antworten, die nnr einen
bedingten Werth beanspruchen können, so lange sie sich nicht anf
eine genauere Kcnntnisg der dortigen Verhältnisse nnd der Lebens-
gewohnheiten der Axolotl wie der Amblystomen sttttsen kOnnen*
Im Allgemeinen lässt sich vermnthen, dass dieselben
äussern Einflüsse den Rückschlag bedingen, welche
früher die Bildung der Perennibranchiaten-Stnfe
heryorriefen.
Fflr diese Vennnthung sprechen einmal die hier mitgetheilten
Versuche, denn offenbar ist es der Reiz der Luftathmung, welcher
die jungen Axolotl zum liUckschlag in die Amblystomafonn veran-
lasst, d. h. derjenige Kelz, unter dessen dominirendem £infla88 die
Amblystomafonn entstanden sein muss.
*) Da wir die Herkunft der ,,Pu{ier Azololl" nlditkenDen , so moM ieh
mich in Folgandon «af den Siredon mexieannt Shnr beichrftnkea.
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Ueber die Umwandlung dM mezikan. Azolotli in ein Amblyitonw. 259
Dann aber verhält 68 sich ganz ähulich hei den »^aison-diinor-
phen Schmetterlingen. Dort wird Rückschlag der Sommerbrut in
die Winterform am leichtesten durch Einwirkung von Kälte hervor-
gernfen , d. h durch diejenigen Einflüsse, unter deren Herrschaft
-sieh die Winterfoim entwickelt hat.
Wir wissen allerdings, dass Rtlckschlag anch durch Kreuzung
von Baeen und Arten entstehen kann, nnd ich suchte zu zeigen,
dasB RtlekiebUig bei Selmettoiiingeii aiieh doroh andere Einflüsse
als Kitte herrorgemfen werden kann, allein die nlehstliegende
Termnihnng bleibt doeh offenbar die, der Bttcksehlag ati vetaiilastt
worden doreh Andanem derselben EinflUsse, welche die Peremii-
bruNÜaleBform gewissermassen geschaffen hat. Dass diese sich
mter dem Einflnss des Wasseilebens gebildet hat, leidet keinen
Zweifel, und so geht meine Yemnithnng dahin, das hypothetische
Amblystoma mexieannm, die snpponirte Stammform der heutigen
Axolofl des Seees von Mexiko, mOchte dadurch mm Rück-
schlag in die Perennibranchiatenform yeranlasst
worden sein, dass ihm die Möglichkeit, ans Land in
geben entzogen nnd er snm Verharren im Wasser
gexwnngen worden sei.
Ich will übrigens nicht Ton vornherein jede andre Mdnnng
lOTttekweisen. Bs ist sehr wohl zn nntersdieiden zwischen den
blossen Beizen, welche plOtzHchen Blickschlag zn erzengen im
Stsade sind und zwischen wirklichen Ab&ndernngs-Ur-
sacken, welche direkt oder indirekt die UmprUgong einer Art
znr Folge haben. So wlie es a priori nicht ondenkbar, dass Bttok-
schlag dnreh Einwiiknng eines Beizes dntrife, der mit der Ent-
stehung der phyletisch Slteren Form nichts zn thon hat. Gewiss
hat die Temperatur keinen , oder nur einen sehr geringen AnfheU
an der Bildung der Perenrnbraaehiatenform gehabt, aber dennoch
konnte an und für sieh ganz woU KUte einer der Beize sein, welche
dereinst das Amblystoma in die Siredonform zurückzuschlagen ver-
anlassten und man konnte de Saussure nicht von romberefai
Unreeht geben, wenn er die Ansicht ftnssert, die niedrige Tempe-
ntor des mexikanischen Winters machte die Umwandlung [des
Axolotrs in das Amblystoma) verhindern, die dann »in dem hassen
Zimmer der Reptilien« im Jardin des Plantes von Paris vor sich
gegangen sei. Er stützt seine Ansicht damit, dass »Tschndi das
26(^ Uebt-r die L'anvanttluil^ des mexikan. /VjcoluÜ in ein Amblysioma.
Amblystoma« (natürlich eine andre Art) »im heissesten Theil der
Vereinigten Staaten gefunden habe«. »Aof dem Plateau von Mexiko
aber schneit es jeden Winter und wenn der See aneh nicht friert,
so mnss doch seine Temperatur sehr abnehmen bei der geringen
Tiefe, a
Wenn aber anoh dieser Ansicht keine theoretischen Bedenken
entgegenstehen, so halte ich sie doch nicht für richtig. Ich be-
xweifle, dass die Temperatnr es war, welche die Zarllckyerwand-
Inng des Amblystoma in den Axolotl yeranlasst hat, oder nach der
Anffassnng de Sanssnre's, welche heutzutage die Umwandlung
des Axolotl im See von Mexiko verhindert, und swac deshalb, weil
jetzt aus allen Theilen der Vereinigten Staaten bis nOrdlich von
New- York hinauf Amblystomen bekanntgeworden sind, ein Beweis,
dass auch eine viel bedeutendere Winterkttlte, als die des Hoch-
landes von Mexiko kein Hindemiss ftlr die Metamorphose des
Axolotl ist, dass sich die Gattung in dieser Beziehung nicht em-
pfindlicher zeigt, als unsere einheimischen Salamandriden-Qat-'
tungen.
Mehr Beachtung scheinen mir die folgenden Bemerkungen de
Saussure's zu verdienen, in welchen er auf die BeechaSenheit
des nicxikjiuischen Seees liindeutet : > der Boden dieser »Seeen ist
flach, sodass man unmerklicii aus d.Mn See in weite Smnpfregionen
gelangt, che man festen Boden cniMclit ; viello^ht macht dieser
Umstand den Axolotl unfUhig, das Trockne zu gewinnen und ver-
hindert die Lniwiindlnn^r. «
Jedenfalls bietet der See von Mexiko seiir eigenthümlichc Le-
bensbedingungen für ein Amphibiinn. Mein verehrter Frcinnl Herr
Dr. V. Frantzius machte niieli darauf aufmerksam, dass dieser
See — wie Ubriirens auch viele andre der mexikanisehen Srcen —
schwach salzij;' ist. Zur Zeit der Eroberung von Mexiko tlurcli
Ferdinand Cortez hat dieser Umstand die (MHllichc l'cbergabe der
Stadt herbeigeführt, da die Spanier ihn\ r.claf^erton das Wasser
abschnitten und das Seewasser nicht trinkbar ist. Die alten Mexi-
kaner hatten bereits von den fernen Bergen her Wasserleitungen
angelegt, und auch lunite noch ist die Stadt auf das durch Leitungen
herbeigeführte Wasser angewiesen.
Dieser Snl/.gcbalt würde nun an und fllr sich keine Ursache
für den ßUckfuli iu die i:'ereiuiibi-auchiuteuform sein können, wohl
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Uebcr die Umwandlung de* mexikan. Axolotl in ein Amblyetom«. 261
aber in Vcrbindang mit audern Eigenthllmliehi^oiten des Seees.
Der flachste Tlieil des Seees ist der üstliclie und nar in diesem
Tlieil liält sich der Axolotl auf. Im Wiater wehen mm regelmässig
und anhaltend heftige Oststttrme, welehe von den (iehirgen herab-
ÜAbren lind das Wasser so gewaltig vor sieh her treiben . das8 68
»icli im weBtlicbeu Tbeil des Sce» < staut und dort häutig Uebcr-
schwenimungen veranlasst, während vun dem flachen Ostafer oft
an 2(M)() Fuss völlig trocken gelegt werden
Hält man nun diese beiden KigeDtliümliehkeiten zusammen .-
den Sal/^a^halt und periodisches Troekenliegen eines Theils des
Seebodeus diirrh anhaltende Winde, su erhält man allerdings Le-
bensbedingungen tT r (k n Axolotl. wie sie sich wohl nur an wenigen
Arten ebenso wieder tinden mögen. Freilich könnte man versucht
sein, diesell»en fremde in entgegengesetztem, meiner Tlieorie un-
gUnstip'm Sinuc /u verwerthen, denn das ZurUcktretcn des W:isser8
von einem grossen Theil des Sfchodcns sollte — so könnte man
denken — d«'m Thier den l'ehergang zun» Landleben eher erleich-
tern . ja es ;;eradezu dazu zwingen. Mau vciirisst aber dabei,
dass der ctitblösste Seeboden eine sterile Fläclie ist. oline
Nahrung und (dine Schlupi'winkel, vor Allem ohne NCgetation. und
weiter, dass durch den ziendich bedeutenden Salzgehalt de.s Was-
sers spee. (lewicht " I. ()■)]:) die ganze trocken gelegte Fläche
von Salzkruste Uberzogen s<'in niuss. ein l'mstand (b^* die Ernäh-
rung auf dem Lande geradezu unmöglich iikk hcii wird Haupt-
sächlich ('hlornatrium und kohlensaures Natron sind in so beträcht-
licher M"nge im Wasser aut'^elöst. <lass es sich regelmässig als eine
Kruste am L'tcr des Seees nieil(>rsc]]lägt. dort während der troi k
neu Jahreszeit gesammelt Avird und unter dem Namen 'lequiisquite
in den Handel kommt. M ü Ii I e n j» f ord t * *.)
S(» fehlt es also nicht an Auhalts|iunkten zu der Vermuthung.
dass cigenlliiimliehe Verbältnisse dem Thiere seine Ernährung auf
dem Lande schwieriger machten, als sie im \\'asser ist und dies
allein könnte genügt haben, dasselbe zur Gewohnheit reinen Was-
serlebens zurllck/.ufiihren und damit auch zum lilickschlag kl ilic
rureuiiibrauchiatcn- oder lehthyodenlbrm.
*, Mühlonpfordt . V rsiich einer getreuen Schilderung der Kepublik
Mejico. IlaiKUJvor 1>I 1. II. S. 262.
••) a. a. 0. S. 252.
262 Uab«r dfa Ummndlmig dM masikMi. Axolotl in «in Amblyitonn.
Doch genug der Vermuthungen ! Wir dürfen uns nicht bekla-
gen, das8 wir nicht im Stande sind aus der Ferne mit lieHtimmthcit
die Ursachen ausfindig zu maclien, wek'he den Axolotl zwangen,
das AmltlN stumastadium wieder aufzufärben, so lange wir nicht im
Stande sind, den uns viel näher liegenden Fall von KUekschlag bei
den Filippi "sehen und J u Iii en'sehen Tritonen anzugel)en und
doch müssen auch hier allgemeine, die ganze Tritonenkolonie be-
tretieude Ursachen zu Grunde gelegen haben, da — in dem Falle
von Filippi wenigstens — die überwiegende Mehrheit der Indi-
viduen im Larvenzustande verharrte. Versuche mit Tritonenlar\'en
mUssten hier grössere Klarheit schaflfen können; sie hätten vor
Allem festzustellen , ob der Rückschlag sich künstlich hervorrafen
lässt und wenn dies der Fall ist : dureli welche EinllUsse.
Nach den oben angeführten Erfahrungen bei Schmetterlingen,
sowie nach den bei Axolotl'n erzielten Kesultaten, würden wir bei
Tritonen zu erwarten haben, dass der Rückschlag in die Ichthyo-
denform am ersten eintreten werde, weuu man den Reiz der VVas-
serumspulung der Kiemen, wie des ganzen Körpers andauern lässt
und gleichzeitig denjenigen Reiz abhält, unter dessen Einwirkung
sich die Salamandridenform ausgebildet hat : den Reiz der Luftum-
spUlung der Kiemen, der Haut- und der Luiigen-Obcrfliiche.
Aeltere Versuche derart liegen vor, doch sind sie niemals lange
genug fortgesetzt worden, um den Verdacht gänzlich beseitigen zu
können, es würde bei längerem Leben der betreffenden Individuen
nicht vielleicht doch noch die gewöhnliche Metamorphose einge-
treten Bein.
So berichtet Schreibers*), dass »>cs ihm oft geglUekt sei, im
Freien gefangene Wasscrsalamaudeniuappeu im letzten Stadio ihrer
Ausbildung mittelst einer Vorrichtung ^Drahtnetz /) unter Wasser
abgeschlossen und mit feinem GehUckel von RegenwUrmern genährt,
mehrere Monate, ja den ganzen Winter über in diesem Zustande zu
erhalten und ihre lefzte Verwandlung und den Uebcrgang ans dem
Quappenzustand in jenen des voUkommnen Thieres solchergestalt
gewidteam so lauge zu procrastiniercu«. Ob die Thiere lidi
*i .,Ueber die specifisc he Verschiedenheit des gefleckten und des Bchwarzen
Erdwilamanders oder Moluhs und der höchst merkwürdigen, ganz eigenthüm-
lielien Fortpflanz un|HWfi5»3 des LeUteren." Isis, Jahrg. 1833. 8. MT.
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Uebwr di« Uawandlttiig dM masikui. Aidotl in eb AmWytUnm. 263
Bchliesslich doch noch umwandelten, wird nicht gesagt, und so lässt
sich auch nicht entscheiden, ob hier RückschlagsfilUe vorlagen,
oder blosse Eutwicklungs- Verzögerung. Dass die l inwandlung
noch nach geraumer Zeit eintreten kann, beweisen Versuche,
welche Herr Professor Langer in Wien mit Pelobates- Quappen
anstellte*). Die Thiere wurden in tiefem Wasser gehalten und
swar 80 , dass sie nicht landen konnten. Dadurch gelang es , bei
Dreien unter sehr zahlreichen Exemplaren die Metamorphose bis in
dffii iweiton Sommer hinein zu verhindern; dann aber trat sie
trolidiMn eio>
Man wird meiner Btteksehlaga- Hypothese nicht Torwerfen
wollen, daM de nnf der einen Seil» bäühnpfe, wit lie n»f der
andern eelbekpoetalirt: eine aprnngwelie Aendernng dei
Bnnet. Daa diarakteriBtiMlie det Bllekselilags liegt ja gerade in
der apningweiaen Enwiebnng einee Mteren d. h. frttker bettandenen
pbylelifleben Stadinnu. Dast diese Toriumunt, ist Tliaisafilie, wllh-
rend die sprangweise Erreielinng um ndeb Uldlieh ansEndrildLen
— eines Torwlrtsgelegenen Zieles (slt venia Terbo!) noeh niemals
erwiesen, oder anch nnr wahrscbeinlieli gemaehl worden ist.
Wenn es aber gelang in den heutigen Lebensbedingungen des
Axolotl Momente an finden, wekdie ihm das Leben auf dem Lande
eisAwersD, oder gans unmQgUdi machen, die eingetretene Bllek-
kehr aar Ichtfayoden-Form also als motivirt erscheinen hMev,
so kann auch die andre Seile ssdner Qypothese durch Thatisehen
geetutit werden, die Annahme der AzoloÜsci in früherer Zeit schon
AmMjstoma gewesen.
Wir wissen durdt Humboldt**), dassderS|^cgel desSeeesvon
Mecdko in verhlltaissmSssig neuer Zeit um ein Bedeutendes fadher
gelegen hat, als heute. Vfix wissen femer, dass das Hochland von
Mesko mit Wahl bedeckt war, während jetzt ^r Wald Überall
ausgerottet ist, wohin die Ausicdhingen des Menschen und spedell
der Spanier gelangt sind. Darf man nun aandmien, dass etwa zur
Düurialzeit die BergwUder sich bis zum Bande des damals noch
tiefen , steiler abfolienden und bedeutend sahärmeren Seees er-
• Dif betreffenden Versuche sind nicht veröffentlicht worden; ich ver-
danke ihre Kenataiu der gütigen, brieflichen Mittheilung des verehrten Uerrn
8i«h» die angeiogme Sefaiifi von Mahlenpfordt Bd. I.
264 Ueber di« Umwandluiig dm mnikan. Axolotl in dn Amblytlonu.
streckten, so sind damit nicht nur wesentlich von den heutigen ver-
Rchicdne Lebensbedinfjunpren angewiesen, sondern auch solche wie
sie fui die Aosbildtuig eiuer SaUmandiiden - Art ganz besonders
günstig waren.
Nach alle dem glaube ich . dass man meinem Versuch . die
ausnahmsweise eintretende Metamorphose des Axolotl aas dem See
von Mexiko zu erklären , nicht den Vorwurf eines allzulultigen
Phantasiegeltäudes wird machen können. Jedenfalls ist er
die e i n z i g m ü g 1 i c he E r k 1 ii r u n g , welche jener a ndern cnt-
gegengcstolh werden kann, die da annimmt, die gelegentliche Um-
wandlung des Axolotl bei nicht lUickschlag sondern ein \ ersuch
zum Forts<-liritt und diese Annahme muss meines Kmics^ens schon
aus rein theoretischen Gründen von .ledem /urlh kgewiesen werden,
der eine ])löt/Jiche Umwandlung der Arten wenigstens da
für undenkbar hält, wo dieselbe mit Anpassungen
an n e u e L c b e n s l) e d i n g u n g e n V e r b n n d e n ist. von Jedem
der Anpassungen nicht für das auf einen Schlag entstandene Werk
einer Zauberkraft ansieht, sondern für das Endresultat einer langen
Reihe von natürlichen, wenn auch im Einzelnen kleinen und un-
scheinbaren Ursachen.
Wenn meine Deutung der Thatsacben richtig ist , so ergeben
sich aus ihr einige Folgerungen, die ich hier am äehluss noch kura
berühren miiehte.
Zuerst eine mehr äusscrliche Sache.
Wenn ilcr Siredon mexieanus Shaw nur <iur(di gelegent-
licbcn Kliekschlag die Amblystoma-Form annimmt , niemals aber
als solche sich fortptianzt , sondern nur als Siredon, so ist das
Verfahren der neueren Systematiker nicht zu billigen, welche die
Gattung Siredon einfach aus dem System streichen und den
Siredon mcxicanns als unwillkommenen Zusatz unter der
Gattung Amblystoma aufführen. So lange es nicht nur eine,
sondern sogar mehrere lebende Siredon-Arten auf der Erde gibt,
welehe slsBolehe nnd zwar nn r ab aolehe sieh regehnissig fort-
pflanaen, solange existirt auch die Gattung noeh und wenn wir
aneli die Hoffiini^ eines dereinstigen Wiederanfeehwnngs dieser
Siredon > Arten znm Amblystoma den Systematikero nicht ganz
rauben wollen, so entspricht es doch dem jetst auf der Erde vor-
handenen Thatbeatand. besser, wenn wir nach wie vor die Gattung
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Ueber die Umwandlung des mexikan. Axolotl in ein Amblptom». 265
Siredon unter den Gattnogen der Fischmolehe beetehen lassen
und in ihr alle diejenigen Arten rechnen, welche wie der Fftriser
Axolotli der Siredon mezicanns Shaw und wahrscheinlich aoeh
Siredon lichenoides nnransnahmswebe, oder anf künstliche
Einflösse hin die Amblystoma-Fonn annimmt, ohne sich aber in
dieser fortinpflanzen.
Dagegen wird man mit Recht alle dicjjenigen Arten inr
Oattnng Amblystoma sieben , welche sich in diesem Znstand fort-
pflanzen nnd bei welchen die Perennibranchiaten-Stnfe nur als Lar-
vennstand anftritt.
Im einzelnen Fall hier die Entscheidnug su treflen, wird hanpt-
sitehHch Sache der amerikanischen Forscher sein, von deren immer
steigender Rührigkeit wir wohl in Bälde nithere An6cblttsse ttber
die Fortpflanzung der zahlreichen Amblystoma^Arten ihres Vater-
landes erhoffen dürfen. Ich würde mich fienen wenn meine hier
vorgetragenen Anseinandersetinngen zn solchen Untersnchnngen
den Anstoss liefern würden.
Die zweite Folgemng, auf welche ich hinwies» ist rein fheore-
tisdier Natnr. Sie betrifft einen Znsatz zn dem von Fritz Müller
und Haeekel zuerst aufgestellten •biogenetischen Grund-
geseti«. Dieses besteht bekanntlich in dem Satse: Die Ontoge-
nese enthält in sich die Phylogenese, mehr oder weniger zusammen-
gezogen, mehr oder weniger verändert.
Nach diesem Satze nnn mUsste eine jede Stufe der phyletischen
Entwicklang, wenn sie von einer später folgenden abgelöst wird,
in der Ontogenese enthalten bleil)en , also in Gestalt eines nntoge-
netischen Stadiums noch in der Entwicklung eines jeden lodivi-
dunms zu Tage treten. Damit scheint nun meine Deutung der
Umwandlung des Axolotl in Widerspruch zu stehen, denn der
Axolotl, der frllher einmal hcreits Amblystoma war, enthält in sei-
ner Ontogenese Nichts vom Amblystoma. Der Widersprach ist in-
dessen nur scheinbar. Sobald es sich wirklich um eine
Weiterentwicklung handelt, also nm die Erreichnn*; einer
neuen, vorher noch nicht dagewesenen Stufe, sobald liudct sich
auch die ältere Stufe in die ( hitogenese aufgenommen vor. Es ver-
hält sich aber nicht so, sobald die neue Stufe nicht wirklich neu ist,
sondern frtihcr schon einmal das Endstadium der individuellen Ent-
wicklung dorgcslcllt hat, oder mit andern Worten: sobald es sich
266 Ueber die Umwandlung des mexikan. AxoloÜ in ein Ambljstoma.
um RflokseliUg niehtdei emielnea Individiiiiii», mmäea der
Art aU soleher anf das Torhergebonde phyletiache Stediam
handelt« fJao um ein phyletiMbes Ziirtteknnken denelben. In
diesem Falle wird das frUhereEndstadiam der Onto-
genese einfaeb eliminirt, es fftllt aas and wir kVn-
nen dann sein einstiges Vorhandensein nur daran
erkennen, dass es gelegentlich als Btteksohlagsform
auftreten kann. So sinkt der Triton unter Umstinden anf die
Perennibranohiaten-Stnfe snrttek, aber nicht so, dass das Indivi-
dnnm zuerst Triton wQrde und dann sieh zum Foreaaibnachiatsn
zarttckverwandelte, sondern wie ich oben schon berrorhob einfach
dadurch , dass es die Salamandriden-Stnfe gar nicht mehr erreiofat
und auf der Stufe des Ichtyoden stehen bleibt. So ist aneh der nach
meiner Hypothese früher an den Ufern des Seees Ton Mexiko
lebende Salamandrine , das Amblystoma mexicanum auf die Stufe
des Fischmolehs zurückgesunken und die einzige Spur, welche nn»
von seiner einstigen Ent?dcklung8-Uöhe bliel), ist eben die in jedem
Individuum mehr oder weniger enthaltcneNeigung, untw gttnstigen
Umständen die Salaroanderntufe von Neuem zu erklimmen.
Die dritte und letzte Folgerung aber, welche meine Deutnng
der Thatsachen mit Bich bringt, liegt in der Tcränderten Bolle,
welche durch sie dem liUckschlag in der organischen Nator söge-
wiesen würde. Während man bisher atavistische Formen nnr als
vereinzelte Ausnahmsfälle kannte, interessant zwar in hohem Grade
für unsere JSrkenntniss, aber bedeutungslos fUr den Entwicklungs-
gang der organischen Natur , würde ihnen jetzt eine reale Bedeu-
tong in dieser letzteren Beziehung zuerkannt werden müssen.
Ich möchte annehmen , dass Rückschlag in doppelter Weüe
für die Erhaltung oder Wiedt'rherstelhmg einer Lebensform mass-
gebend werden kann. Eitniial so. wie beim Axolotl. wo die neuere
und organisch höher stehende Form aus äussern Gründen unhalt-
bar wird und nun — da eino Weiterentwicklung nach andrer Rich-
tung nicht möglich scheint — statt einfachen Aussterbens ein Rück-
schlag,' der Art auf die ältere und niedriger organisirte Stufe erfolgt.
Zweitens aber in der Weise, dass die ältere phyle tische
Form Ulx'rliaupt nicht aufgegeben wird, während sich
die Jüngere aus ihr heraus entwickelt, sondern dass sie perio-
disch mit derjUugeren abwecüäelt, so wie wir dies bei-
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Ueber die Ummuidliuig dM mezikaii. Azoloü in ein Amblyetome. 267
den flaiMfi-dimorphen Sehmetterlmgen sehen. Man wird schwer-
lioh Etwas dagegen emwenden, woin ich hm dieaen den Weehiel
▼on Sommer- ond Winterform als einen periodiseh eintretenden
BUekaehlag sn der phyletiaoh Hlteren Foim (der Winterfinfti)
ansehe.
Mag der totale Bflehsehlag einer Art, wie ieh sie für den
AzoloCl annehme, ein selten eintretender Fall sein, der perio-
disch oder cyclisch eintretende Bttckschlag ist es ge-
wiss nieht; er spielt sicherlich eine sehr bedeutende Bolle beim
Znstandekommen Tcrschiedner Formen, der altendrenden oder
<^lisehen Fortpflanznngsweise *) .
*] Auf botanischem Gebiet ist ein solcher FaU bereits nachgewie«cn und
iwar durch Fritz Müller (Botan. Zoitiing S. 226; 1870, S. 1-19). Ich
erlaube mir, die Stelle des Briefes, durch welche mich Herr Müller auf diese
ialMMMoto Biitdsekuiig «ateerkam machti hier nitratlidlen. „Ali Boweia
für die Möglichkeit, dass eine Raekadilagsform iriader dauernde EigenthOm-
lichkeit einer Art, oder der Artgenossen eines bestimmtLn Bezirkes werden
kann, könnte ich Ihnen ein Epidendrum der Insel Santa Catharina
aaltthnn. Bei allen Orebideen (mit Avaiuihme von Cypripedhnii) iat nur ein
einziges Staubgefäss fruchtbar ausgebildet; in sehr seltnen Fällen treten als
Kückschlag wuhlgebildcte Anthcren in den verkfimmcrtcn, seitlichen Staub-
gef&sson des Innern Kreises auf. Bei dem erwähnten Epidendrum
aber aind diaae ragalmiaaig Torbanden."
Nftebselirift.
In Torstehender Abhandlung wnrde schon angedeutet, dass mir
die Ursachen, von welchen ich das ZorUckschiagen des hypothe-
tischen Amblystoma mexicanum in den heutigen Axoloti ab-
leitete, nicht Tollkommen znr Erklärung der Erscheinung ansza-
reichen schienen. Einmal schienen mir dieselben zu lokaler Natur,
da sie sich mit Sicherheit doch nur auf den Axoloti des Seees der
mexikanischen Hauptstadt anwenden lassen, wälirend doch auch
der aus einem andern Theil von Mexiko stammende Pariser Axoloti
seine ErkUtrang ferkmgt. Andrerseits aber scbienen sie mir nicht
swlngend genug. Denn sollten wir selbst später erfahren, dass
auch der Pariser Axoloti ans einem Salzsee stammt, der fthnlicben
2G8 Ueber die Umwandlung des inoxikan. Axolotl in ein Amhlystoma.
Winden anflgesetet iBt, wie der See von Mexiko, so liegt doch in
diesen Eigenthttmliehkeiten der Seeon immer nnr ein Moment,
welelies der Lanre die Metamorphose und die Gewinnung eines
geeigneten neuen Wohnortes auf dem Lande erschwert. Die
Unmöglichkeit einen solchen SU erreiehen, oder gar das gftnc-
liehe Fehlen eines solchen ergibt sieh aber daraus nidit mit
Noihwendigkeit.
Olfonbar wäre es eine viel solidere Stiltie Dir meine Hypothese,
wenn es gelftnge, in den physikalischen Verhältnissen des Landes
Momente nachsuweisen , welche dieEzistens vonAmbly-
stomen dort gradesu ansschlies'sen.
Lange Zeit hindurdi wollte es mir indessen nicht gelingen,
solche Momente aufisufinden, und so schloss ich die vorstehende
Abhandlung ab und ttbeigab sie dem Druck. Erst später brachte
mich ein zufälliger Aufenthalt in einem der höchsten Thäler unse-
rer Alpen, im Ober-Engadin, auf einen Gedanken, den ich jetzt,
naehdem er an den bekannten Tbatsachen geprüft ist, nicht anstehe,
für den richtigen zu halten.
Es fiel mir nämlich auf, dass im Ober-Engadin nur solche Am-
phibien leben , welche sich anhaltend oder doch häufig ins Wasser
begeben ; FrOsche fand ich bis zu fast 7000' Meereshöhe, Tritonen
noch in 6000' (bei Pontresina und Uber Samaden) . Dagegen fehlte
der auf dem Lande lebende Alpensalamander, Salamandra
atra, während doch passende Anfendialtsorte auch für diese Art
in Menge vorhanden wUrcn, und es ihm an Kahrung so wenig feh-
len würde, als seiiieu Verwandten, den Wassermolchen. Auch die
bedeutende Höhe Uber dem Meere würde an und flir sich kein Hin-
derniss seines Vorkommens sein, da er gelegentlich bis za3000Mtr.
emporsteigt ( F a t i o t ) *) .
Es ist nun lu kaunt, dass die Luft im Oberengadin**}, wie
auch in andern Uoclitliiilcrn der Alpen, welche von ausgedehnten
Gletschermassen umschlossen sind, oft und lange Zeit hindurch ans-
* Siehe: Ffttiot „].«• Uepttles et let BatTMcieiu de la hftut« Eogadioe".
GeniiTe <
**) Ich erinnere nur an dan dem Obercngadin eigenthümliche conaervirte
Rindlleiscl] , irelchea einfach durob Auatrooknen an der Luft bereitet wird;
auch an die Mumificirung ganier menschlicher ]<eichen durch Auetrocknen in
freier Luft, wie eie auf dem grossen St. Bernhard Sitte ist
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Ueber die UmwmdlvDg de» nexiken. Axoloü in ein Amblyttoma. 269
serordeutlich tioc ken ist iinil in dicseiii Ijiistand schien mir
die Ei klärunjir zu liL'^^t n , wariiiu der schwarze Landsahunauder
dort fehlt * , während seine nächsten im \\ asser h'lienden Verwand-
ten sieh in Menge vorfinden. Die Ihjut der nackten Anii)ldl)ieu be-
darf durehaus der Feuchtigkeit, andernfalls trocknet sie ein und
das Thier, eines wesentlichen Athniungsapparates J)eraubt. stirbt
oft rascher dahin , als wenn man ihm ein wichtiges, inneres Organ
ansgeschnitten hätte. Decapitirte Frösche hUi)fen noch lange um-
her, ein Froscli aber, der dem lieliälter entsprungen eine Nacht
hindurch in Trockner Ziniincrluft umhergewandert ist, tindet sich am
folgenden Tag mit trockncr, staublilH'rzogener Haut in irgend einer
Ecke balbtodt und stirbt vielleicht schon nach einem weiteren Tage,
wenn man ihn ohne Fenchtigkeit lässt.
Damit stimmt Alles, was wir von der Biologie der Amphibien
wisBen. So entziehen sich alle Landsalamaiider im südlicheren
Italien der heissen und austrocknenden Laft des Sommers dadurch,
dass sie deh in die Erde vergrabeu and dort einen Senuneraelilaf
dorehmaelien. So die interessante Salamandrina perspi-
eillata**) der atif dem Lande lebende Triton Sardiniens, der merk-
würdige Enproetns Rnseonii Gen6***} (Triton platy-
ceplialns Schreiber). Von Geotriton fnsens Genö erfithr^
ich dnrcb Herrn Dr. Wiedersheim, der die Lebensverhttltnisse
dieses niedersten enropttischen Urodelen an Ort nnd Stelle stndirte,
dass er in Sardinien vom Jnni bis in den Winter ununterbrochen
forteehlftft, während er an der KUste von Spesia und bei Garrara,
wo er ebenfiüls Torkommt in sehr eigenthttmlioher Weise dem Som-
merschlaf ausweicht. Er zieht nämlich Nutzen von den zahlreicben
Hohlen der dortigen Kalkformation und wird auf einige Monate des
Jahres Höhlenbewohner. Sobald grosse Hitze eintritt, oft schon im
Hai, zieht er sich in die Hohlen zurttck und kommt erst im Novem-
ber an Regentagen wieder hervor. In diesem Schlupfwinkel ver-
fallt er nidit in Schlaf, sondern man findet ihn dort ganz munter
und sein hauptsächlich mit Skorpionen angefttllter Hagen beweist,
V Faune dea VettAbrM de U StuMe Vol. m. Hittotre naturelle des Rep-
tile« et des Batracicns Ocncve 1^T:(
**) Siehe: Wiedershcim „Versuch einer vergleichenden Anfttomie der
Selanumdrinen". Wflnburg 1875.
•**) Siehe: Oen« „Memorie della Beale Acmd. di Torino" T. I.
270 Ueber di« Ummmdliiiig dm inMülua. AzoloÜ in ein ArnUyitonift.
das» er mit Erfolg nach Nahrung ausgeht ; die feuchte Luft der
hühlc macht ein Vergraben in die Erde Überflüssig.
In demselben Sinne scheint mir auch die Thatsache aufzu-
fassen, dass die einzige Frosch-Art des Ober-Engadins , Rana
temporaria*), der braune Grasfrosch, dort viel niclir Wasserbe-
wohner ist, als in der Ebn(*. Zwar finde ich dartiber in dem oben
schon angeführten, vortrctVlichen Werke von Fatiot keine Be-
merkung und bin sonnt auf meine eignen zwar wiederholten, aber
doch immer nur wiilirend kurzer Zeit angestellten Beobachtungen
angewiesen, allein es fiel mir sehr auf, dass die Eugadiner Frösche
noch lange nach der Paarungs-Zeit, welche nach Fatiot
höchstens bis Mitte Juni dauert , im W^asser anzutreffen sind und
zwar in Menge. Ich fand sie in den zahlreichen Tümpeln am
Samaden noch im Juli nndAagost, während sie in der Ebne nur
zur Zeit der Fortpflanzung in das Wasser gehen nnd dann erst
wieder Wm Eintritt des Winters, am sich im Sdduum ein Winter-
quartier sn saehen (Fatiot S. 321). Sie haben also im Engadin
in einem gewissen Gnde die Leboisweise des Wasseifroeohs ange-
nommen ^ was natürlieli nieht hindert, dass sie bei fenebter Witte-
rung in die alte Gewohnheit zmHokMen, sieh aufwiesen und in
Wildem nrnhefzotreiben.
Nachdem es mir durch diese Erwigangen sehr wahrscheinlich
geworden war, dass die aastrocknende Luft des Ober-Engadins
das Fehlen des sebwarsen Landsalamanders bedinge, lag die Frage
nah , ob nicht etwa das Fehlen Ton Amblystomen aaf dem Hoch-
lande ?on Mexiko auf die gleiche Ursache znrttcktnfklhren sei, ob
nicht etwa andi dort eine solche Trockenheit der Lnft herrsdie,
dass Amphibien, oder wenigstens salamanderartige Amphibien anf
dem Lande nicht aasdanem können. Die Htthe über dem Heere
ist noch bedentender (7000—8000') and die tropische Sonne wird
hl dem wassenurmen Lande noch rascher Alles anstroeknen.
Da ich augenblicklich ohne Bücher war, die mich über die
meteorologisehen VerhUtnisse von Mexiko genügend hfttfeen auf-
klSren können, schrieb ich an Herm Dr. von Frantsius, der
durch langjfthrigen Aufenthalt in Gentral-Amexika mit den dor-
*) Rana eteulent« steigt nie bis in die alpine Region, nwn findet dieee
Art ntemalt hShcr als llOff Meter (Fatiot a. a. O. S. 318).
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Ueber die Unwandliiiig d«i mexikaa. Azolod in «in AmUyitonm. 371
ti^cn klimatischen Verhältniasen isenaa vertraut ist, imd bat ihn um
seine Ansicht.
Ich erhielt die Antwort, dass allerdiu^s auf der Hochebene von
Mexiko eine ganz ausserordentliche Trockenheit der
Luft vorhanden sei. »Die hauptsächlichste Ursache der Trocken-
heit der Hochebenen liegt in der geographischen Lage, Conügura-
tion des Landes und dem physikalischen Bau. Der Nordostpussat
treibt die Wolken gegen die Gebirge, an deren Kamm diese ihre
Feuchtigkeit ablagern, ohne Etwas davon liiniiber zu bringen; so
lange der Nordostpassat weht, werden die Quellen der nach dem
atlantischen Ocean strünienden Flüsse reichlich mit Feuchtigkeit
gespeist, während auf dem westlichen Abhänge und namentlich
auf der Hochebene die Wolken keinen Niederschlag bilden. Aber
auch in der zweiten Hälfte des Jahres, während unserer Sommer-
monate, bringt die sogenannte Regenzeit nur wenig Hegen '] , wenig
im Vergleich zu den sluUicher gelegenen Gegenden, in denen täg-
lich die schweren tropischen Gewitterregen vom Himmel herab-
stürzen. Mexiko Hcfjt nämlich viel zu nördlich, um von dem Cal-
mengUrtel erreicht zu werden« in dessen Bereich jene tropischen
Kegen angetroffen werden.«
Sonach stehe ich nicht an, in der das ganze Jahr über andau-
ernden hochgradigen Trockenheit der Luft den Hauptgrund zu
sehen, warum auf jenen Hochebnen keine xVmblystomen vorkom-
men ; sie können einfach dort nicht existiren und müssen vertrock-
nen, falls sie, dorthin gebracht, nicht im Stande wären, ihre Lebens-
weise abzuändern and ins Wasser zu gehen. Wenn also in früheren
Zeiten Amblystomen in Heziko gelebt haben, so blieb ihnen beim
Eialrilt der heutigen kHmttiMlMii Yeifalltiiiite nnr die WaU unter-
sngeben oder sieh aolb Nene ins Wasser sortteksudehen, in wel-
ehem ihre lehthyoden-artigen Vor&hren gelebt hatten. Dane dieeee
direkt triebt möglich war, dass die Amblystomaforai BeltMt, ohne
Umwandhing ihree Banes, dain triebt im Stande war, sehen wir an
der Thatsache, dass anch in den Seeon Ton HexÜLO keine Ambly-
stomen rorkommen. Ein Znrtlcksiehen ins Wasser konnte — wie
es seheint — nur dnieh voUstlndigen Bncksehlag auf die lehthyo-
denform erreieht werden. Diese trat denn anch ein.
*) Vergleiche das oben schon angtjsogene, vortreffliche Buch von Müh«
lenpfordt flberHndoo, Bd. I. 8. (»^76.
272 Ueber die Umwandlung des mexikan. Axoloü in ein Amblyitoma.
Meine Hypothese von der Umwandlung des A\olotl verlangt
aber nicht nur den Nachweis, dass Arablystoraen unter den heutigen
Verhältnissen in Mexiko nicht leben können, sondern aach den
wdlereoi das« früher andere YerhlUtnisse dort walteten und zwar
Bolehei wie ab die Exisfens ven Landgal&mandem ennOglidiai.
Auf rndne Frage , ob man Mmehmen dürfe , dass etwa war
Diluvialzeit die Fenchtigkeitsverh<nisse der Luft auf der Hoeb-
ebene von Mexiko weaentlicb andere waren als beute, erinnerte mleh
Herrv. Frantzins an die oben augefubrte Beobaehtnng Hnm-
boldt*s*) welcher in der Umgebnng des Seees von Tezenoo
(Mexiko) dentlicbc .spuren eines weit höheren ehemaligen Wasaer-
Spiegels anffiind. »Sttmmtliebe Hochebenen waren sicher ehemals
ebenso viele tfnsgedebnte Wasserbecken, die sich nach nnd
nach mit Schutt füllten nnd noch füllen. Damals mnsste
die Verdunstung so grosser WasserflSchen eine sehr feuchte
Atmosphäre schaffen, welche der Vegetation günstig nnd der
Lebensweise der nackten Amphibien angemessen war.«
Somit wSie denn «nch von dieser Seite her mdne Hypothese
gestützt und wir dürfen wohl mit einiger Sicherheit annehmen,
dass noch am Beginn der Dilnviaheit die Wttider von Mexiko in
in der Umgebung der Seeen mit Amblystomen bevölkert waren,
dass diese später aber als die Seeen mehr nnd mehr austrockneten
und die Luft inmier mehr an Feuchtigkeit verlor, auch immer
schwieriger auf dem Lande existiren konnten. Sie würden zuletzt
völlig ausgestorben sein, wäre ihnen nicht durch Rückschlag auf
die Ichthyodenform das Wasser von Neuem zugänglich geworden.
Dass bei der Hervorrufung des Rückschlags vielleidit jene
oben angeführten physikalischen Verhältnisse mitwirkten, welche
den Larven das Verlassen des Wassers erschwerte, — das Ode. mit
Sahkrusten überzogene Ufer — darf vermuthet werden, sieher
können wir aber darüber erst dann urtheilen, wenn wir dnieh das
Experiment die Ursachen festgestellt haben, welche bei Amphibien
RückscUag hervorrufen.
*j Ensai politique lur le jäoyaiune de la NouveUe-EsiMigne. ISO», p. 2S1.
U«b«r die Umwandlung des mexikan. AzoloU in ein Amblyatoma. 273
Zusatz.
Nachträglich geht mir noch eine interessaote Notiz Uber die
Fortpflanzung der in Nordamerika einheimischen
Ambly8tomen zu. Herr Professor Spence F. Baird in
W n s Ii i 11 j^^f o 11 Ix'ob.-u'liti'tc: inelirfaeh und an Yer!«'liiedeneu Arten
«lie Kntwicklunj; vuin Ki au. Ijcsoudcrs l>ei Aiiil»l\ stoiiia piuictatuni
II. A. fasciatuin. Seine Iieniia('litiinj;en selieinen noeli nirj;eud8
veröfloutlieht zu »ein, wie ieh denn Uberhauiit nicht im Stande war,
irgend welche Angaben Ulier AniblyHtouia-Eutwicklung in der Lit-
teratur aufzufinden. Einem an Herrn Dr. v. Frantzins gerich-
teten Brief bin ich ermächtigt, die folgenden kurzen Daten zu ent-
nehmen.
Zur Eiablage gehen die Amblystomen ins Wasser und legen
dort die Eier, eingehüllt in dne gallertiire Masse, aber nicht
mehr, als 15 — 20 im Ganzen. Das kuglige Ei ist sehr
gross, vielleicht ' , Zoll dick. Dasselbe entwickelt sieb
bald zu einer Siredon-artiycn Larve, welclie iiicbrere Monate in
diesem Zustande verharrt. Dann selirunipfen die Kiemen, das
Thier beginnt zu kriechen und macht alliuäiig die verschiedneu
Umwandlungen bis zur voUkomuiuen Amblystomaform durch.
Ans dieser Mittiieilang geht hervor, dass die Amblystomen
weit grossere aber auch weit weniger Eier legen, als die Axolotl,
sowie dass ihre Entwicklung durchaus der nnsrer Salamander gleicht.
Zum Schlüsse erwähne ich noch ein unatonnsches Vorhftltmss,
welches meine Auflassung des Axolotl von Mexiko als eines zurttck-
geschlageuen Andilystoma sehr energisch unterstützt.
Von Dr. Wiedersheim erfahre ich njimlich, dass der Axolotl
die bei allen auf (leiu Lande leitenden .Vmphibien vorkoinniende
' I n terma xi 1 la r (1 r ti sc ' besitzt. Dieses in der Intennaxillar-
liöhle gelegene Organ sciieiiit ilberali, wo es vorkommt, zur Erzeu-
gung eines »Fliegenieiuis« d. h. eines ungemein klebrigen Sekretes
zu dienen, welches das Festkleben der Beute an der hervorge-
schleuderten Zunge bewirkt. Wenn auch die Wirkung dieses Se-
kretes vielldcht noch eine andere sein kuin, so geht doch ans dem
Fehlen der Intermazillardrttse bei allen ausschliesslich im Wasser
lebenden Amphibien hervor, dass sie fttrdas Fressen im Wasser
bedeutungslos und nicht verwerthbar sein niuss. Die Intermaxillar-
drUse fehlt bei allen Perennibranchiatcn und Derotrenien,
welche W i e d e r s Ii e i in daraufbin untersucht bat, beiMeuobrau-
WeiaMsnn. Stodlen. U. I9
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274 Uebur die Umwandlung de« mexikan. Axuloll in ein Anibljuluiaa.
chiiB, Proteus, Siren, Gryptobranohns, Amphinma«
Menopoma, ja diese Thierfonnen bcKitzen nieht einmal
den Raum, in welchem die DrUsc tu i den Salaman-
drincii lic^t. das Cnviim intennaxillare.
lici den SnI.iniandrinen nun /oii^t die l)iiise ki'Ikiii tVlilio.
Suwold dir l.arviM» v«>n Triton, als von A ni Ii I ystoma- Artfii
brsil/.cn diescll»e in wold cntwicktdtcni Zustand, so /.war, das.s tlie
Drllscu - Süliläuuhe das Cuvuui iuteruiaxillare vullständig auBfUlleu.
Wftra nan der Aiolotl eine In der pkyletiselien Entwicklung
Kurttckgebliebene Art, so wSre schon allein die blosse Anwesenheit
der sonst bei keinem Perennibranohiaten vorkommenden, nnr ftlr
das Leben auf dem Laude verwerthbaren DrtiKe ganz unerklärlich.
Noch rätiiselhafter aber wird die Sache dadurch, dass die Drttse
beim Axolotl zwar vorhanden, aber ganz rudimentär \»t.
Wälirend nämlii li he] don Sal a tu a n d r i ne n die j^eräuunj^e
lliilde (k's Interniaxillarraiinis ;_an/ aii-irct'üllt ist von den Scliläu-
chen der ItetretVenden Drüse, wird dirsolhc Iteini Axolotl
beinahe vullständig von ei nein dicht verlil/. ten llin-
d e g e w e b c erfüllt, in vvelehcm nur ganz vonieo und zugleich
am Boden unmittelbar Uber den Intennazillar-ZKhnen eine ge-
ringe Anzahl von Drttsenschlänchen sieh findet,
welche in ihrem histologischen Bau bis ins Einzelste mit den Ele-
menten derselben Drttse der Salamandridcn übereinstimmen.
Ich gebe diese anatomischen Details nach Dr. W ieders-
heim's mündlicher Mittheilung. Eine austllhrliciie Darlegung wird
Derselbe an einem anderii Orte später uac-lit'ol<.a>n lassen.
Eine Erklärung (iieser rudimentären Intcrnuixillardrüsi' beim
Ax(dotl sidieinf nnr nur unter der Voraussctz-ung möglich, dass der-
selbe eine atavistische Form ist. L'nter diesem Gesichtspuukt
leuchtet es ein, dass die bei allen Amblystoma-Larren schon
angelegte Drttse btxm Kttckschlag des hypothetischen Ambly>
Stoma mexieannm der DiluviahMit mit in die Perennibraachia-
tenform des heutigen Axolotl herttbergenonunen werden mnsste.
Es versteht sich aber auch leicht, dass das Organ im Laufe der Zeit
mehr und mehr verkümmern mnsste, da es im Wasser keine Ver-
wendun-r mehr fand, sowie, dass die LUeken. welche dadurch in
dein einmal vorlcindncn favum intermaxillare entstanden, durch
Bindegewebe ausgefüllt wurdeu.
uiyu.^uo Ly Google
IV.
UEB£K DI£
MECHANISCHE ALlEASSUNü DEB NATLK.
In der enteo der drei Tonrtehenden Abhandhmgen wurde die
Frage in Utoen yersacbt, ob sich die UmwaDdlmigeii einei bestiinm-
ten Complexes TonCharakteren bei dner beBtimmteii syeteniatieobeD
Gnq^ allein mit Httlfeder Darwin'sehen Frincipien Tolleffiadig
erklären lassen. DTe Entstebnng der Zeiebnirag und Fbbnng bei
den Raapen der Sphingiden sollte allein ans individneller Varia^
bilität , ans den Einflüssen der Anssenwelt nnd ans den innerbalb
des Organismos waltenden Gesetzen der Correlation abzuleiten vor-
saebt werden. Diese Principien . angewandt anf die Entstehung
eines gans bestimmten , wenn auch sehr eng nmprenzten Fonnen-
gebietes sollten darauf hiu geprüft werden, ob sie allein fttr sieh
gentigen , die Wandlungen der Formen zu erklären.
Es zeigte sich , dass dies allerdings der Fall ist. Ueberali da
wenigstens^ wo die zu voller Einsieht nVthigen TbatBachen vorlie-
gen , lassen sich die Umwandlungen ans diesen bekannten Factoren
herleiten ; es bleibt kein unerklärter Rest von Erscheinungen übrig,
nnd wir haben deshalb auch keinen Grund , anf eine weitere nooh
anbekannte Ursache der TrauBmiitationcn zu schliessen , welche im
Innern der Organismen verborgen läge; für dieses Gebiet der
Zeichnung und FiirhiinL^ der Ranpen miisste die Annahme einer
phyletischen Lebcnnkratt als Uberflüssig zur Erklärung der Tbat-
sachen zurliekgcwiesen werden.
In der zweiten Abhandlung wurde sodann der Veti^iich ^^e-
macbt, aus den Be/.iehiiii^en doppelter Formverwaudtschaft, wie
sie Rieb bei metamorphischen Insekten der Beobachtung darbieten,
lUlckschlUsse auf die Ursachen der Tranf^niiitationen abzuleiten.
Es zeigte sicli hier , dass Form- nnd Blutsverwandtschaft durchaus
nicht immer zusammenfällt, indem die Larven einer Art, Gat-
tung. Familie u. s. w. ganz andere Formverwandtschaften auf-
weisen können, als ihre Imagines. Sprach diese Thatsache allein
278 Einleititng.
schon sehr entsdiieden gegen die Existenz einer iunern treibenden
Bntmcklnngskraft , so mnsste eine solche weiterhin auch auf dem
Wege der Elimination beseitigt werden, da die beobachteten
Ineongraensen der Formverwandtschaft , ebenso wie die Congni-
enzen ihre genügende Erklärung in den Einflttesen der Aussen-
welt auf die Organismen fand.
80 fUlirte auch diese Untersnchnng lor Längnnng einer pbyle-
tischen Lebenskraft.
Die dritte Abhandlung endlich suchte zu zeigen, dass die ein-
lige bis jetzt thatHächlich betrachtete Verwandlung einer Art in
eine andere . nicht ohne Weiteres als Ausfluss der Thätigkeit einer
phyletischcn Lebenskraft gedeutet werden darf, dass vielmehr die
gritssere Wahrscheinlichkeit dafllr spricht, dass hier überhaupt nur
scheinbar ein Fall vf)n Neubildung vorliegt, dass es sich in Wahr-
heit aber um KUckschlag auf eine schon Irtther dagewesene Stufe
handelt.
Wenn diese letzte rntcrsuehung der Hypothese einer i)hYle-
tischen Lebenskraft die ein/ige sichere Beobachtung entzog , welche
fltr sie angeführt werden konnte , so zeigten die Beiden ersten . dass
dieselbe auf dem Gebiete der Insektenklasse wenigsteus als durch-
aus unberechtigt zurückgewiesen werden niuss.
Es fragt sieh nun freilich , ob dieses Ergebniss von dem kleinen
Gebiete, auf welchem es gewonnen wurde, auch auf die übrigen
Gruppen der organischen Welt ohne Weiteres Übertragen werden
darf.
Die Aniiilnger eines organischen Eiitwit klungsprincips werden
dies jedenfalls verneinen und für jeden einzelnen Fall, für alle
Formenkreise dt r Organismen den besondern Nachweis verlangen;
ich glaube ai»cr, mit l'nreebt. Wenn irgendwo, so sdieint mir hier
der Inductionsschluss vnm oin/clnen Fall auf das Allgemeine ge-
rechtfertigt, da gar nicht ali/.usehen ist, wie eine Kraft von so emi-
nenter und fundamentaler Bedeutung, wie es die phyletische Le-
benskraft sein würde, in ihrer Thätigkeit auf einzelne Gruppen der
organischen Welt beschränkt sein sollte. Wenn dieselbe tiberhaupt
existirt , dann ist sie die treibende Grundursache der gesammten
organischen Entwicklung, dann ist sie an jedem Funkte derSeh5p-
fsag gleich nnentbehrlioh, weil ohne sie ttberhaupt keine Weiter^
MlduDg eintreten kann, dann aber man de aaeii an jedem Pimkte
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Einleitung.
279
erkennbar und nachweisbar sein, an keinem dürfen die Erschei-
nnngeu mit ihrer Annalnne in Wideraprneh stehen, an keinem dür-
fen sie sich ohne sie erklären und verstehen lansen. Diesellien
Gesetze und Kräfte, welche die Entwicklung; einer einzelnen For-
meogroppe hervorriefen, mtlssen auch der Entwicklang der ge-
samniten «rganisclien Welt zu Grunde liegen.
Ich ghiube deshalb allerdings, das8 wir vollkommen berech-
tigt sind, die hei den InRekten gew(»menen Anschaunnpien anf die
gesammte Lebewelt zu übcrtrnnron nnd 8onnt die Existenz einer
innem, metaphysischen Entwicklungskraft Uberliaupt zu läugnen.
Es gibt aber noeli einen ganz andern Weg, der zu demselben
Kesultate führt, wenn nicht zur vollständigen und definitiven, so
doch gewiss zur vorläufigen Verwerfung eines soU-hen IVincips :
die Annahme desselben steht im W'i der sprach mit
den ( I r u n d s ätze n d e r N a t u r f o r s c h u n g , welche verbieten ,
u n he k a n n t e Kräfte anzunehmen . so lange nicht nachgewiesen
ist, dass die bekannten Kräfte zur Erklärung der Erscheinungen
nicht ausreichen. iSun wird aber Niemand behaupten wollen, dass
dieser Nachweis irgendwie erbracht worden sei ; hat doch die Prü-
fung der bekannten rmwandlungsfactoren auf ihre Tragweite eben
erst begonnen, und wm sie überhaupt schon augestellt wurde, ist
sie zu Gunsten der causalcn Kräfte ausircfallen. Man würde also
auch ohne die oben angestellten speciellcn Untersuchungen eine
phyletische Lebenskraft in Abrede stellen müssen, und dies um so
mehr, als ihre x\nnahnie von der grössten Tragweite ist, indem
sie den Verzieht auf die lieg r c i f l ic h k e i t der orga-
niKchen Welt in sich cinschliesst. Wir schneiden uns damit
die Möglichkeit einer mechanischen d. h. gesetzmässigen Erklä-
rung der organischen Welt von v(»rnhereiu ab. Dies aber heisst
nichts Anderes, als Verzicht auf jede weitere Forschung. Denn
was ist Naturforschuug anders, als der Versuch, den Mechanismus
nachzuweisen, durch den die Erscheinungen der Welt zu Stande
kommen? Da wo dieser Mechanisrnns aufhört, ist keine Natnr-
forscbnng mehr möglich, dort hat allein noch die Pbilosophie za
spreelieii.
Diese Anffassong vertritt .ja sehen in sehr bestimmter Weise
der bekannte Aasspmeh von Kant: »Da wir nnn in keinem FaUe
a priori wissen kOnneOt wie viel der Meobanism der Natur als
280 ' EinUitung.
Mittel zu jeder Endabsiciit in derselben thue und wie weit die
f'Ur luoB mögliche, inecliuniHcbe Erklürnngsart gehe«, so rnnss die
Naturwissenschaft allerwärts die luechauischen Erklärungsversuche
80 weit als mü^^lich treiben. Auch wird diese Verpflichtung
der Naturwissenschaft selbst von Solchen zugegeben, welche einen
grossen Nachdruck auf die Nothwendigkeit der Annahme eines
zweckthätiiicn Princips legen. So sagt Carl Ernst von Baer,
diia.s wir kein lleclit haben. »v»tn den einzelneu Vorgänt^eii der
Natur, auch wenn sie augenscheinlich zu einem Hesultatc führen,
zu behaupten, irgend ein Denkendes habe diesen Zweck bei sich
entwickelt. Der Naturforscher muss immer mit dem Einzeluen
anfangen und ni;ig dann später fragen, ob sämnitliche Einzelheiten
ihn zu eineiu allgenieineu, letzten, wolleudcu und zweck-
setzendeu (iruude fliliren' ■'.
Wenn wir nun alsd schon allein aus diesen principiellen Grün-
den das Recht niclit haben, zur Erklärung von Einzelerscheinungen
eine zweektbätige Kraft, eine phyletische Lebenskraft aii/uncbinen.
und damit die Möglichkeit einer physikalischen oder niechanisrben
Erklärung, und dies lieisst nichts anderes als die einer uatui wis-
sensehaftlichen aufzugeben , so soll damit doch gewiss nicht be-
hau|ftet werden, die Entwicklung der organischen Welt sei heute
scliMü als mechanischer Vorgang hegrilTcn. Wir l)escheiden uns
vielmehr dabei, zu wagen, die Wahrscheinlichkeit, dass auch die
Vorgänge der organischen Nalur, gleich denen der anorganischen
auf rein causalen Kräften beruhen, sei sehr gross, und so dürfe der
Versuch, auch diese auf uieciianische Principien zurlickzulllhren,
nicht aufgcgebeu werden. Es liegt kein Grund vor, auf
die Möglichkeit einer mechanischen Erklärung zu
▼erziebten, und deshalb darf der Naturforscher nicht darauf
▼entehten, deshalb ist die Annahme einer phyletisebeii Kraft dem
Katnrforseber so lange nieht gestattet, als Mebt evident nach-
gewiesen wird, dass die Erscheinungen ohne eine solche Annahme
niemals verstanden werden können.
Slan halte mir nicht entgegen, dass ja anch fllr die BrUftrang
des individuellen Lebens lange Zeit eine Lebenskraft ange>
nommen worden sei , als man noch nicht thatsllohliches Material
*) Reden und kleinere AulH&tze, Theil U : Studien aus dem Gebiete der
NatunriiMDaohaftm. Petenbvrg 1876. 8. 81.
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Binlehung.
281
genag nnter den Fttssen ftlhlte, um die Herleitang der Lebens-
erscheinnngen ans physikalischcu Kräften wagen zu können. Es
ist wohl lieutc nicht mehr fraglich, dass diese Annahme ein nutz-
loser Irrtbum, d. h. ein falscher Weg war. Sicherlich ein damals
sehr entschuldbarer, denn der Stand der Frage war wegen der un-
gleich mangclbai'tcren Basis von Thataachen ein ganz anderer als
heute bei der aualogen Frage nach den Ursachen der Stammes-
EntwickluDg. So leicht es auch heute ist, diese Annahme als eine
unberechtigte nachzuweisen, so war sie doch in den» Sinne damals
berechtigt, als sie dem damaligen Stande der Erkenntnis« ent-
sprach. War ili»ch y.ii jener Zeit kaum eine der zahlreichen
Brücken geseillagen, weiche die anorganische mit der organischen
Natur heute in Verbindung setzen, und so war die Verniuthnng
wohl naheliegend genug, dass das I.eben anf KrUftcn bcrahet
welche ausserhall» des licbendigen nicht vt»rkoninien.
Jedenfalls kann man es den Philosophen jener Zeit nicht
verargen, wenn sie die Lücken der augenblicklichen Erkenntniss
(lincli unbekannte Kräfte auszufüllen und auf diese Weise ein ge-
schlossenes System herzustellen suchten. Die Aufgabe der Philo-
sophie ist eine andere, als die der Naturforschung : sie strebt da-
nach, zu jeder Zeit dem augenblicklichen Stande der Erkenntniss
entsprechend eine vollständige, geschlossene Weltanschauung auf-
zustellen. Die Naturforscliung dagegen hat es nur mit der Sanmi-
lung dieser Erkenntnisse selbst zu tliun, sie braucht deshalb nicht
stets abzuschliessen . ja sie kann eigentlich niemals ab-
sch Ii essen, weil sie nienuils mit der Lösung aller Probleme zu
Stande k<»njnicn wird, sie darf aber nicht Fragen blos deshalb,
weil sie noch nicht vollständig gelöst sind, für un-
lösbar erklären und das that sie, sobald sie auf die Möglich-
keit einer mechanischen Erklärung verzichtet durch Hecbeiziehuug
eines metaphysischen Frincips.
•) Salbfitverst&ndh'ch soll damit nicht pesagt sein, dfl'*«^ e.i dem Nattir-
fornchcT nicht anstehe, über die Krt'orschung der natürlichen VorK'inp«; d. h.
der Natur hinauszugehen und nicht nur diese zusammcnzufasMen, sundern auch
s« einereigeiitliehen Welt- Auffassung su verarbeiten ; vielmehr ist dieser*
wünscht und nothui mlig, wenn die Naturerkenntnisse in ihrem wahren AVerthe
Bufgefasst werden »ullun. Der Naturforsclier wird aber eben damit Philosoph
und so floss auch die Lebenskraft der sog. Naturphilosophen" nicht au.s dem
BcdOrfiiiss der KaturToraehung, sondern aus dem der Philosophie.
282
Finleitung.
Dass dies der riclitiire Wog naturwif<BenBchaftlicher Forschungj
ist, liisst sicli grade an der Beseitigung der ontogenetiHchen! l.e-
!»enskraft erkennen. Niemand nimmt sie mehr an. seitdem man
von der blossen Speeu lati on auf die Erforschung der Natur-
Vorgänge zurückgekommen ist, und doch ist weder ihre Nieht-
existenz erwiesen, noch sind wir im Stande zu beweisen,
dass alle Erscheinungen des Lebens sich rein nur
aus physikal iseh-chcmisehen Vorgiingcu herleiten
lassen mUssen, geschweige denn, dass wir sie wirklich alle
davon herleiten könnten. Auch von Ha er sjiricht es aus, dass
die Ahschafliing der Lebenskraft ein bedeutender Fortschritt ist,
die Keduetiou der Lebensersehei Illingen auf physikalisch-ehemisehe
Vorgänge, obgleich dieselbe ja noeh viele Lücken
enthält«. Er selbst weist darauf hin, wie unendlich weit wir
noch davon entfernt sind, die Vorgänge, durch welche der be-
frnehtete Dotter eines Hühnereies zum UUhncheu wird, auf pbysi-
kaUscbe Verenge zu redudren.
Woher kommt es also, dais wir Alle die Uebeizengung hegen,
eine solobe ToUst&Ddige Bednetion werde milder Zeit mQglieh
werden, oder wenn anoh dieses nicht, die Entwiekinng des Indivi-
dnoms berahe dennoch lediglich anf denselben Kr&ften, welche
anch ausserhalb der Organismen thätig sind? Weshalb ver-
werfen wir die »Lebenskraft«?
EinfiMjh deshalb, weil wir kdnen Grand zu der Annahme
sehen, dass die bekannten Krftfte nicht zur Erklärang der Ersehei-
nnngen genflgen sollten, und weil wir ans solange für
nicht berechtigt halten, sweckthfttige Krtlfte ansn-
nehmen, als wir noch hoffen kOnnen, dereinst eine
mechanische Erklärung durchsnftthren.
Wenn es aber nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten
erschien, die ontogenetische Lebenskraft in bekannte KrSfte
aufsaUlsen und den Nachweis des Mechanismns ansntreten, der
das individuelle Leben hervorbringt, warum sollte es nicht eben-
sowohl geboten sein, die jede tiefere Einsicht erstickende Annahme
einer phyletischen Lebenskraft &Uen sn lassen und den Nach-
weis anzutreten , dass auch hier meehaiiisehe Kittfte in ihrem Zu-
sammenwirken die ganze wunderbare Erscheinungsftllle der orga-
nischen Welt hervorgebracht haben?
Einleitung.
2b3
Allerdings erfolgte die Beseitignng der alten Lebenskraft zn-
DSehBt durch neue Erkenntnis von Tbatsacben, durch die Erkennt-
niss, dasB dieselben Stoffe den organischen KOrper susammen-
setzen , welche auch ausserhalb desselben vorkommen , durch die
Entdeckung Wo hier' s und seiner Nachfolger, dass Produkte des
Stoffwechsels künstlich dargestellt werden können, kurz anfEr-
fiahrungen, welche beweisen, dass mindestens ein Theilder Lebens-
processe von bekannten Kräften beherrscht wird.
Aber haben wir denn auf dem Ocbiotc der Entwicklung der
organischen Welt nicht ganz analoge Nachweise ftir die Wirksam-
keit bekannter Kräfte.' Ist die Variabilität aller Forraentypen
nicht eine Thatsache und muss diese nicht unter dem Einflüsse der
NaturzUchtung und Vererbung zn dauernden Abänderungen ftlhrenY
Ist nicht auf diese Weise das Problem glücklich gelöst worden,
»die Zweckmässigkeit als Kesultat zu erklären, ohne sie dabei
als Frineip zu UUlfe zu nehmen«? Allerdings haben wir den Pro-
cess der NaturzUchtung nicht direkt mit Augen von Anfang bis
Ende ablaufen sehen, aber es hat auch noch Nicniaiul direkt wahr-
gcn(>?iiiiicn, wie die Eigenwäriue des thierischen Körpers (lureli die
im Hinte und den übrigen Geweben ablaufenden Vcrbrenuun^s-
proecHsc /u Stande kam und dciinneh ghuibt man dieselbe mit
.Sicherheit hierauf und nicht auf eine »Lebeuskraft« beziehen zu
mttssen .
Allerdings sind nun die ebengenannten Darwin'selien IVin-
cipieu der Transmutation noch keine einfachen Naturkräfte, wie
die der Entwicklung' des Individuums zu Grunde liegend gedaehtcu
eheniisi'h-i»hysikaliselien Kräfte, und es ist a priori nicht zu sa-ren,
ob nicht in einem von ihnen, etwa der Variabilität oder der Corrc-
lation neben ]>hysischen Kräften aueli noch ein metaphysisches
Princip verborgen liegt. In der That ist neuerdings von Ed ii a r<l
von Hart mann*] behauptet worden, die .Selcctionstheorie sei
keine mcehanisehe Erklärungsweise, denn wie setze sich nur zum
Theil aus meehanischen, zum andern Theil aber aus zweckthätigen
Kräften zu-sammen.
So muss denn zunächst untersucht werden, ob diese Behaup-
tung haltbar ist.
*) Wahrheit uod Irrthum im Darwinismus. Berlin 1875.
I. Sind die Fnnoipi«ii der Seleotioiistheorie
meehanisohe?
Ednard von HartmaBn kftnn wohl vor Andern TBrlangen,
da« seine Ansichten aach von Natarforscbern geprüft nnd erwegen
werden. Mit Recht wird er sn denjenigen Philosophen gesdUilt,
welche mit einer vielseitigen natarwiBsenschaftlichen AugrUstong
an diese Fragen herantreten. Dennoch Kisst sieh grade an seinem
Beispiel erkennen, wie schwierig, ja stellenweise gradezu unmög-
lich es ist, die von der Natarforaohnng gelieferten Thatsachen in
ihrem wahren Werthe zu erkennen, wenn man ehen nur die Resul-
tate in sich aufzunehmen strebt, ohne die Methode ibrer Erlangung
selbst ausgeübt, ohne also auf einem der bcrlibrten naturwissen-
schaftlichen Gebiete durch eigene Forschun<; vollständig zu Hanse
znsein. Mir scheint wenigstens, dass die Bestreitung des
mechanischen Werth es der Darwin 'sehen Uniwandlungsfactoren
znm grossen Theil auf unrichtiger Taxirung der naturwissenschaft-
lichen Thatsaclion beruht, mit welcbeu operirt werden muss. Frei-
lich ist Uberbauiit nicbt zu verkennen, dass schon die iranze philo-
sophische Auffassung der Welt, wie sie v. Harr mann in seiner
»Philosophie des rnbewnssteu" nicdergclc^^f bat, einer unbefange-
nen Absebätzung der naturwisscnscbaftlicljcn Thatsachen und der
Vcnverthung derselben in mechanischem iSinne nicht grade günstig
sein kann.
Variabilität, Vererbung und v<»r Allem die C o r r e -
lation werden von Hart mann als nicht rein meebanisehe Prin-
cipieu betrachtet und in ihnen ein metaphysisches, zwcckthätiges
Princip angenommen.
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Ueber die mcchanUche AulfaMung der Natur.
285
Was zoeret die Variabilität betrifft, so bemUbt sich
Ton Hartmann zu seigeiii dass nur die gKnzlieh schran-
kenlose and nnbegrenste Variabilitftt eine snreiehende
Veransselsong sei fttr das Znstandelcommen der erfordertiohen,
ntttzlichen Anpassungen durch Auslese im Kampfe ums Dasein.
Diese existire aber nicht, ▼ielmehr finde sich nur ein Variiren in
bestimmter Richtung in dem Sinne Askenasy's), und die-
ses iLOnne nichts Anderes sein, als der Ausflnss eines innem Ent-
wicldnngsgesetzes, d. b. einer phyletischen Lebenskraft.
Diese Dedaction scheint mir in doppelter Weise irrig. Eiunml
ist es nicht richtig, dass eine g H n z Ii c h schrankenlos e Varia-
bilität Postulat der Sclectionsthoorie sei, und zweitens bedingt die
Anerkennung einer in gewissem Sinne »bestimmt gerichteten« Varia-
Inlität durchaus nicht die Annahme einer phyletischen Lebenskraft
Eine schlechthin unbestimmte, nach allen mög-
lichen Richtungen gleiohmässig Tertheilte Variation
soll nothwendig fllr die Sclcctionstheorie sein . weil nur dann die
Variabilität die sichere Garantie dafür biete, » dass auch die unter
den gegebenen Lebensbedingungen zur vollkommnen Anpassung
erforderliche Variante nicht fehlen wirdu. Dabei ist aber
Übersehen . dass die neuen Lebensbedingungen, an welche die An-
passung stattfinden soll , so wenig starr und unverilnderlich sind,
als der Organismus selbst, dass es sich bei jedem Umwaudlungsfall
nicht darum handelt, einen Organisationstypus in vorher un-
wandelbar fest bestimmte, neue Lebensbedingungen, wie
in ein Procrustes-Hett hineinzupressen , dass die Anpassung keine
einseitige, sondern eine gc^^enscitigc ist, dass eine Art sieh
g e w i s s e r ni a s s e n i h i- e neuen L e b e n s b c d i n g u n n
selbst aussucht, entsprechend den ihrem Organismus
möglichen d. h. den thatsächlieU vo rkonnnende n
Variationen. Ich wähle ein Beispiel, von welchem wohl auch
von Hartmann zugeben wird, dass es sieh nur diiicli Natur-
zUchtung verstehen lässt, einen Fall von Naehätlung Minncry).
Gesetzt es flrige unter den Helicouideu Südamerika'« eine Weiss-
lingsart, welche weder in Gestalt, noch Zeichnung, noch Färbung
einige Aehnliehkeit mit diesen vor Feinden geschützten Schmetter-
lingen hHftc, wer würde läugnen , dass es dieser Art sehr nützlich
sein mUssle , die Form und Färbung einer lieiicouide anzunehmen
280
Ueber die mecbaniaohe Auffanaung der Natur.
and sich dadurch in neue, den biiherigeii NachsteilnDgen ihrer
Feinde entzogene Lcbeushediugungen zu begeben ' Wenn aber die
physische Natur der betreffendeu Weis.slingsart da» Varkomnien
heliconidenartiger Variationen anasohlieast, gebt nun ans dieser
Unfähigkeit, sich grade diesen neuen Lebensbcdingangen an-
zuschmie^n schon der Untergang dieser Art hervor? Kann ihre
ü^stenz nicht auch auf andre Weise gesichert, kann nicht allein
schon durch grosse Fruchtbarkeit die Zeretörung zahlreicher Indi-
viduen durch Feinde compensirt werden ? nicht zu reden von den
zahlreichen andern Möglichkeiten, durch welche die Zahl der llber-
lobendcn Individuen vermehrt, also die Existenz der Art l)efestigt
werden könnte. Auch ist dies Beispiel nicht einmal willkürlich |jre-
wUlilt; es gibt tliatsächlich in den Heliconiden Districten eine
Meuicc von Weisslingen, welche nicht die schützende Färbunjr die-
ser widrig sciinicckenden Faniilic l)esitzeii. l-s handelt sich also
bei der Annahme dieser neuen Lehenshedingungen nicht um Sein
oder Nichtsein, sondern nur um Bessersein' Nicht jede Wt iss-
lingsart kann sich iliuen fügen, weil nicht jede die erforderlichen
Farben- Variationen hervorl»riiigt , aber diejenige, welche es kann,
thut es auch, weil sie dadurch besser geschützt ist, als sie vor-
her war. Und so wird es Uberall sein 1 Dementsprechend finden
wir überall , wo gt'sehützte . Immunität vor Feinden geniessende
Insekten vorkummcn, auch Nachäffer derselben, bald nur einzelne,
bald mehrere, meist aus sehr verschiednen Insektengmppeii. ent-
sprechend der selion vor dem Beginn des An])assnngs - Prucesses
vorhandneu allgemeinen Aehnlichkeit und der durch die jdiysische
Natur der betreÜ'cudeu Arten gegebcueu Variatious - Möglich-
keiten.
In der ersten Abhandlung dieses Heftes wurde nachgewiesen,
dass bei gewissen Schwärnierraupen heute noch ein Anpassungs-
Process sieh vollzieht, darauf beruhend, dass zwar die junge
Raupe durch das Blattgrün ihres Körpers sehr gut geschützt ist,
dass diese Färbung aber nicht mehr genügt , das Thier zu verber-
gen, sobald dasselbe Uber Blattlänge hinauswächst
Alle diese Raupen — e« ist eine ganseBeihe toii Arten — nimmt
nan bei smielimender Grilese die Gewohnheit an, sieh bei Tage am
Boden sn verbergen, und nur bei Naeht m firessen. Dadnreh
werden also neue Lebensbedingungen gesetzt, die
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Ueber die mechanische Autfassung der Natur.
287
flog» zwingende sind d. h. die nicht ohne OefHhrdimg der Art-
Existenz anfgegeben werden konnten. Diesen neuen Bedingnngen
entsprechend hat nnn ein Theil dieser Arten das grüne Jngendkleid
abgelegt nnd dafttr eines der donkeln Umgebung des hei Tage ver-
steckten Thieres entsprechende branne Firbnng angenommen —
bei einer Art hente schon in beinahe allen IndiWdaen, bd andern
nur bei einem grosseren oder geringeren BmchtfaeO derselben. Ge-
setzt nun aber, es befände sich unter diesen Arten eine, derm phy-
sische Natnr braune Farbenallancen nicht henrotbringen kSnnte,
mttsste nnn deshalb schon die Art unteigehen ? Wäre es nicht denk-
bar, dass der Mangel der Farbenanpassung durch besseres Ver-
stecken, z. B. durch Einwühlen in die Erde compensirt würde, oder
aber durch grössere Fruchtbarkeit der Art oder durch Ausbildung
eines Widrigkeitezeichens , falls die Art ungeniesshar wäre , oder
Entwicklung einer ^cbrcckzeichnung'/ Mit andern Worten, könnte
die Haupe die gegebene neue Lebensbedingung des Verstecktseins
bei Tage nicht selbst so modificiren, wie es den in ihrer physischen
Natur gegebenen Variations-Möglichkeiten entspricht 1
Thatsacbe ist es, dass bei einer dieser Arten die grllucFariie
nnrerändert beibehalten wird, trotz der veränderten Lebensweise,
und diese Art ist da wo sie vorkommt trotz der Nachstellungen der
Entomologen immer noch häufig (Deilephila Hippophaes) ;
allerdings aber versteckt sie sich wohl besser und tiefer, als andre,
durch ihre braune Färbung selion s( liwer sichtbare Arten z. B. Sphinx
Couvolvuli. Hei einiT audorn Art wird die auftallende gell»giUne
Färbung ebcutalls in der Mehrzahl der Individuen beibehalten,
aber diese Art wUklt sich bei Tage in die lockere Ackerkrume ein
(Ach. Atroposi.
Man wird mir eimvcrfen , es gäl)C ducli auch Veränderungen
der Lebensbedingungen, die zwingend eintreten, denen sich
die betroflene Art nicht entziehen könne, sondern bei welchen die
Anpassung nothweudig erfolgen musa, wenn nicht Uutergaug ein-
treten soll.
Ganz gewiss gibt es solche zwingende Lebensbedingungen und
es ist ja auch kein Zweifel, dass viele Lebeformen untergegangen
sind durch .\usHterl)en , ui( lit durch Unnvandlung. Ich glaube in-
dessen, dass sie sehr viel seltner eintreten , als man auf den ei'sten
Blick auzuuebmeu geneigt ist. Im Allgcmeineu steliea die Alter-
288
Ueber die mechanische Auffaiwung der Natur.
native der sofortigen Umwaodlang oder des Untergangs nur solche
Aenderongen der Lebensbedlngongen, welche sehr rasch
eintreten. Das plötzliche Eintreffen eines neuen, ttbermSch-
tigen FdndeS) wie es der Mensch ist, hat nicht nnr der Dronte und
der Steller'sohen Sehkuh, sondern noch gar vielen Arten den Unter-
gang gebracht oder wird ihn noch bringen. Wenn in Amerika all-
jährlich hunderttausend Morgen Urwald abgeholst werden , so wer-
den damit sogleich die Lebensbedingungen einer zahlreichen Thier-
und Pflanzenwelt so plötzlich verändert, dass sie keine Wahl
haben, sondenn untergehen mttssen.
Solche plötzliche Aendemngen der Lebensbedingungen treten
aber in der nicht vom Menschen beherrschten Natur, traten also
vor Allem in firttheren Epochen der Erdgeschichte wohl nnr sehr
selten ein.
Aach die kliniatischen Aendernngen, welche man
wohl am ersten noch als solche ansehen mOchte, die zu einer Ab-
äuderung in einer, bestimmten Kichtun^ zwingen, traten sicher-
lich stets 80 lanj^sam ein, dass die Arten Zeit hatten, sich in dieser
oder jener Richtung, wie es eben die niögUdien Variationen ihrer
physischen Naikur erlaubten, den Verhältnissen anzupassen — oder
aber auszuwandern.
Es scheint mir deshalb nicht richtig, dass die Variabilität eine
»schlechthin unbestimmte« sein müsse, um ihre KoUe in
der Selectionsthcorie Darwin's zu erAlllcii und ebensowenig
scheint mir dafür ihre 'tUnbegrenztheit« nothwendig zu sein.
Hurt mann meint, dass nur die unbc^;rcnzte Variabilität die Ga-
rantie biete, dass auf dem von Darwin au^enumnioncn Wege der
allniälij:;» 11 Transmutation vonnittclst der Auslese im Kampf ums
Dasein jeder noch soweit vom Ausgangspunkt divcr-
gireiide Tvpus auch wirklich erreicht werde«.
Wer hat aber jemals behauptet, dass jeder 'lyjtiis von jedem
Punkte aus erreicht werden könne oder wenn .leiu.iud eine solche
Tollheit wirklich sollte behauptet liaheii . wer liHW-lite nachweisen,
dass ihre Annahme filr die Selectioiistlieorie eine Notliwendigkeit
sei .' Wir sehen nirgeiids in der Systematik Anhaltspunkte dafür.
Wenn aber llartmaun sich die für Darwin ]>(»stulirte ^ unbe-
grenzte» Vuriabilitiit so vorstellt, » dass sie an und für sich unbe-
grenzt ist und die Grenzen ihrer Ausschreitung nach einer bestimm-
Uigui^uü Ly Google
Ueber die mechanischu Autia^suag der Natur.
289
ten Biehtmig mobt m aieh , gODdern nur In änsseni Hindernimen
findet«, 80 denkt er sieh die Variabilitilt als etwas Selbststllndiges,
gewissennassen dem thierisehen KOrper Hinzugefügtes, nicht aber
als ein blosses Wort fllr die Beseiehnong des Sehwankenden in der
AnsAihmng des Organisnientypns. Wenn man aber die Vaiiabili-
tät in letaterem, dem eigenfliehen, natnrwissoiBchaftliGhen Sinne
atifTasst, so ist sie dnrehans nicht »quantitativ nnbegrenst«, auch
sind ihr die Grenzen nicht blos dnroh äussere Momente gezogen,
sondern dnrch wesentlich innere, d. b. in der physischen Natur
des Organismus begründete. Darwin hat dies ja schon sehr
schon nachgewiesen in seinen Untersuchungen Uber die Correla-
tionen der Organe und Organsystenie des Körper«?. Die im Körper
wirkenden Kräfte stehen im Gleichgewieht , um mich einen Bildes
zu bedienen ; verRudert sich ein Organ, so l)edeutet dies eine Ver-
schiebung der Kriifte, und die Gleichgewichtslage muss nun dnroh
Verändernngen in andern Thcilen hergestellt werden, die wiederum
andere Veränderungen nach sich ziehen u. s. w. Darin liegt
aber der Grund, dass die primäre Veränderung Uber
eine bestimmte Orügge nicht hinausgehen kann, soll
nicht die Herstellung der Gleichgewichtslage ganz
unmöglich werden.
Dies ist nur ein Bild und es f^ilU mir nicht ein, behaupten zu
wollen, wir seien heute schon im Stande, für irgend eiuen Fall die-
ses Bild in mathematische Formeln umzusetzen und nachzuweisen,
wie stark ein Organ bei einer .Vrt abändern könne, ehe eine defini-
tive Zerrüttuntc der innern Harmonie des Körpers eintritt. In dem
Unvermö|.'eii solrlien Xacliwciscs scheint mir aber kein genügender
Grund zu liegen, die \ ariabilität als den Ausflugs einer zwecktliäfi-
gen Kraft zu fassen, als eine - innere, gesetzmässi^a' Variations-
tendenz" Ich finde es im (iegcntlicil sehr leicht hegreiflich, dass
wir hier die \ Orgänge der Natur nur sehr langsam im FLinzelnen zu
analysiren lernen, weil sie nothwendigerweise sehr comi)licirt sind.
Es scheint mir deshall) ein ganz nutzloser Einwurf, wenn Wigand
in diesem Sinne geltend maclit. dass die Stachelbeere si'it is'i'i
keine Vergrösserung mehr erfahren hat. obwohl nicht einzusehen
wäre, warum sie nicht auch die Grösse eines Kürl)is erreichen sollte,
wenn die Variabilität nicht innerlich begrenzt wäre«. Es mag wohl
sein, dass dies vorläufig »nicht einzusehen ist«, nichtsdestoweuiger
W*ltBaaa, BUitf«». IL |S
290
Leber die inechanLsche Auffassung der Natur.
aber berechtigt uns dies sieht « es anf Bechnung einer hypotiie-
tisoben »VariatioiiBkrftft« za setsen, welohe nun dnoial niditni«
geben will, dass die Stachelbeere KUrbisse ttbertriflt, sondern wir
dürfen und mttssen daran festhalten , dias es das Gegen- nnd mit-
einander- Wirken der bekannten Kräfte ist, welche der VergrOsse-
mng dieser Frucht Schranken setzt.
Bei einfacheren VerhUltnissen kOnnen wir Übrigens die Ur-
sachen solcher Wachsthuinssehranken ganz wohl erkennen. Schon
vor mehreren Doronnien hat Lcuckart dargelegt, in wie genauer
Beziehung das Vcrhültniss von Volumen und Oberflsicbe zu der
() rgiini satt ons- H übe eines Thieres steht. Für Thiere kug^
liger Form genügt die Oberfläche zur Respiration vollkommen, so-
' lange sie von mikroskopischer Kleinheit sind. Ein solcher Organis-
mus kann aber niclit beliebig vergrössert werden, w«l dann das
Verhältnis^ der Oberfläche zum Volumen ein ganz anderes wird,
die Oberfläche wächst im Quadrat , das Volumen aber im Knbos,
so dass sehr bald die Oberfläche der ungleich stärker wachsenden
Körpcrniasse nicht mehr genügende Athninng bieten kann. Diese
Art von HesclirUnknng kann keineswegs gleichgestellt werden
jener rein änsserliciien, welche sich z. H. darin zeigen würde, dass
einer ins l'ugoniessene fortgehenden Vcrliingcruii;r der Sclnvanz-
fedcru des Paradiesvogels dadurch vorgebeugt wurde, dass allzu-
lange Federn <len Flug behindern, .solche Individuen mit allzulangen
Federn (leuniaL'li dun-li XaturzUclitung wieder ausgetiierzt würden.
Die Ursache ist vielinchr hier eine rein innere, in dem (Tieich-
gewichte der den Organismus beherrschenden Kräfte gelegene.
Hart mann ist vollkommen im Kecbte . wenn er behauptet,
die Variabilität sei weder ([ualitativ noch ([uantitativ unbegrenzt.
Sie ist in beiderlei Sinn begrenzt, und zwar in der
Richtung wie in der Stärke, durch die in jedem
specifischen Organismus in etwas anderer Weise
gegebene Mischung der p h y s i k a 1 i s c h - c h e ni i s c h e n
Kräfte, durch die physische Natur einer jeden
Lebensform. Er irrt al>er, wenn er die völlige Schrankenlosig-
keit der Variabilität für ein nothwendiges Postulat der Selections-
theorie erklärt und ebenso wenn er aus der allerdings vorhandnen
Beschränkung der Variabilität schon auf ein zweckthätiges Princip
schliesst. Es gibt » Variatiousteudenzen«, aber nicht
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Ueber die mechanische Auffassung der Natur.
291
im Sinne einer sweckth&tigen Kraft, sondern als
AnsflUsse der yersohiednen pliysisehen Constitution
der Arten, welche nngleiohe Reaction anf gleiche
inssere Beize nothwendig mit sieh bringt, wie dies
nnten noch im NSheren daigethan werden soll.
Darin liegt allerdings eine Aendernng der ursprüngliehen
Darwin'flchen Annahme einer nnbegrenzten, riehtnogs- und
schrankenlosen Variation. Aber andi Darwin hat spKter der An-
sicht zugestimmt, dass die Qualität der Variationen wesentlich
durch die Natur des Organismus bedingt wird*}.
Ich wende mich zur Betrachtung des zweiten Factors der
Selectionslebre, zu der Vererbung. Auch diese soll nach Hart-
mann kein mechanisches Princip sein. Darwin sei selbst jetzt
ttberzeugt worden, wie sehr die Wahrscheinlichkeit gegen die
Mrbliche Erhaltung von Abänderungen spricht, welche, mögen sie
nun schwach oder stark ausgesprochen sdn, nur in einzelnen
Individuen auftreten, d. h. welche sogenannte «zufilllige« Ver-
i&nderungen sind und nicht Auküuss eines dirigirenden Entwick-
lungsprincipe. »Da nun aber bei den zahllosen möglichen Hieb-
tnngen einer unbestimmten Variabilität die nützlichen Abweichungen
immer nur in einzelnen Fällen auftreten können , so hat Darwin
mit diesem nachtrilglichcn Eingeständniss eine aucrlUssliche Vor-
aussetzung seiner Selectionstheorie selbst widerrufen« u. s. w.
Deshalb nniss denn also eine »planvoll-^resetzinUssitrc, von innen
heraus wirkende Variationstenden/' ani:enununen werden, weU-he
glciehzcitig eine grössere Anzahl von Individuen ergreift, um die
an sich unwalirseheiniichc Vererbung zu sicdicrn«.
Al)or selbst ])oi der von doni \'erfasser zu Grunde geh\:rten
scdiraukenlüsen Varialtilität darf keineswegs ;^efii|gert werden, dass
n U t z 1 i c h e Abweichungen immer nur in einzelnen Individuen auf-
treten können. Bei der ganzen, grossen Kategorie der
quantitativen Abweichungen ist dies sogar .stets
umgekehrt. Handelt es sieh um die Verlängerung eines Theils,
so wird stets eine grosse Mas.se von lndi\ iducn die nützliche Ab-
weichung besitzen, da es dabei eben nicht auf eine absolute Ver-
*) KnUtehun^ der Arten. 4. deutsche Auflage 8. 19. 5. englische Auflage
i>«ite 8.
292
Uebar die mechunische Auffassung der Natur.
grOssening ankommt, sondeni nur darauf, dass der betreffende
Theil länger ist, als bei andern Individuen.
Kommen aber qnalitatiye Abiindeningen in Betraeht, so
fragt es sieh, ob Darwin's »naehtiigliefaes EingestSndniss« nieht
in weit geht. Solehe Bereebnongen , wie de die North British
Review in jenem von Darwin angesogenen Artikel vom Hftiz 1867
anfrtellt, sind doch sehr trilgeriseh , da wir gar kein Mittel haben,
die Stärke des Sohntses, welchen eine nlltxUohe Abweiehung ge-
währt, an messen, somit anch kaum mit iigend welcher Sicherheit
bereehnoi können, bei einem wie hohen Froeentsata von Individuen
eine AUIndening gldchieitig auftreten muss, damit dieselbe Aus-
sicht hat, auf die folgende Generation ttbertmgen zn werden.
Wenn unsere blaue Feldtaube überhaupt im Polarklima esistiren
knnnte und innu liiltte die Macht, sie allmälig, nicht plOtS-
lich und iu wildem Zustnii«! jenen Hejrionen zuzuführen, wer
wollte daran zweifeln, dass sie die weisse Farbe aller Polarthiere
annähme? Und doch treten unter den wilden Felstauben weisse
Variationen nieht häufiger auf, al» bei der Schwalbe, Krähe oder
Elster. Oder mUsste die weisse Farbe der Polarthiere , die gelbe
der Wüsten-, die grUne der auf Blättern lebenden Thiere st^ts auf
eine »planvoll gesetzmässige, von innen heranswirkendc, bestimmte
Variationstendenz« bezogen werden, welche es mit sich brächte,
da BS eine »grössere Anzahl von Individuen« in der gleichen Weise
variirten?
Ein Gran Wahrheit ist auch hierin: ganz vereinzelt auf-
tretende Variationen liaheii wohl wenip: Aussicht, zu herrschenden
Charakteren zu werden, und dies ist es offenbar, was Darwin zu-
gestanden hat.
Dies ist aber keine.swegs gleichbedeutend mit der Annahme,
dass nur solclie N'ariationen Aussicht auf Bestand hal)cn , welche
von vornherein l)ei zahlreichen Imlividnen auftreten. Halten wir
uns an die 'l liatsachen ! Wir hal)eu nicht den ;j:ering8ten Grund,
die weisse Farbe der Polarthiere als di r ekt e Kinwirkung der Kälte
zu l)etrachten. s(t wenig als die grüne Farlie der auf Blättern leben-
den Kaupen aut" di rekter Einwirkung des Sitzens auf Blättern be-
ruht: hcide riiaraktere tinden ihre Erklärung nur durch die An-
nahme von Naturzüchtung, und wiederum Nichts spricht für die
Auuahme — welche Hart mann für das Gelingen des Proeesscs
Ueber die maehuiiiehe AuffaMung dm Natur.
293
postnlirt — da88 sn gleicher Zeit viele Individuen iu Weiss vuri-
irten. Wir kennen keine einzige aatserpolare Art von dankler
Farbe, welche häafigd. h. in jeder Generation nnd in vielen
Individuen in Weiss variirte, wohl aber kennen wir zahlreiobe
Arten , welche von Zeit zu Zeit einzelne weisse Individuen hervor-
bringen. Wenn wir nun auf der andern Seite finden, dass alle
polaren Thiere , denen die weisse Färbung von Nutzen ist , dieselbe
auch besitzen, und zwar huiter Arten, deren nächste Verwandte
nur gauz vereinzelt in Weiss variireu, mllsseu wir nicht daraus allein
sclion schliessen , dass aiu-h v c rc i u zc 1 tc Variationen unter gUu-
Stigeu Hedingungen zu licrrscliemlen Cliaraktereii werden kfhnie'n '
Mir scheint, dass man in dieser Frage auch von iSeite der An-
hänger der Sclectionstheorie ein wichtiges Moment zu wenig be-
rtlcksichtigt hat, nändich die ol)en schon betonte Langsamkeit
der meisten und vor allem auch der klinuitischen Acndennigen.
Wenn die Umwandlung eines gemässigten in ein arktisclirs Klima
so rasch einträte, dass die ihr ausgesetzten Arten der Alternativ c
gegenüberständen , entweder in zehn oder zwanzig ('»encrationen
weiss zu werden , oder aber cxistcnz-uufähig , so könnte nur die
schleunige Intervention einer zweckthätigcn KniÜ sie dadurch vor
dem Untergang retten, dass sie in aller Stlinclligkcit glcicli liun-
derttausende von Individuen uini'ärbte. Uaiiz anders aber steht die
Sache, wenn die l'mwandlung des Klimas sich erst im Laufe
mehrerer Tausende von Generationen vollzieht , wie es ja nach
den Ergebnissen der Geologie thatsächlich der Fall ge-
wesen sein muss.
Nehmen wir ein bestimmtes Beisjuel . ein sehr bekanntes , den
Hasen. Er bleibt bei uns im Winter braun und bringt nur selten
weisse Variationen hervor, während sein Vetter, der Alpenhase,
während sieben Monaten des Jahres weiss ist , der Hase von Nor-
wegen während ueou Monaten , der von OrOnland das ganze Jahr
hindurch. Wenn unser Klima in der Umwandlung in ein arktisches
begriffen wttre, so wttrde naeh bestimmter Zeit snerst ein Moment
eintreten , in welchem die Alte Farbmig keinen Vorzug mehr be-
tfsse vor der gelegenflieh und reraimelt vorkommenden weissen
VariatioD ; die Wintertage mit sohneebedeektem Boden wSren non
so zahlrdeh geworden , dass der Schutz , den sie dem weissen Thier
gewlthren, dem Sehnts gldohkommt, dessen sieh die braunen In-
294 Osber die maehMiielw Auffmaiif der Netnr.
(lividiien an den irlcich zalilieiclioii srhncefi tien lagen erfreuen.
V(»n diesem Moniente au werden die im Winter weissen Hasen nicht
stärker mehr von Füchsen n. s. w. deciniirt werden, als die brau-
nen. Dieser Moment nmss aber in Form eines oder nuhrerer
Jahrhnn(b'rto vorbestellt werden, nnd es nillsste seitsam zufjehen,
wenn von den einzelnen , jetzt gleieli existenztalii^eu weissen Ha-
sen nicht ein/eine weisse Familien gegründet werden sollten. All-
mäiig aber wendet sich das Blatt noch mehr nach der andern Seite,
die braunen Hasen werden stärker decimirt , und wo iil»erhauitt
schon weisse Familien sind, besitzen diese einen Vortheil iui
Kampfe ums Dasein. Daraus folgt noch nicht, dass nun die dun-
keln Individuen sofort ausgerottet werden müssen, im Gegentheil.
der Vortheil auf Seite der weissen ist lauge Zeiträume hindurch
nur ein geringer , dieselben werden auch nur langsam sich zu einem
höheren Procentsatz der Ciesammtl)evölkerung hinaufarbeiten, trotz-
dem aber niasg ihre Anzahl stetig, wenn auch sehr langsam zu-
nehmen. Mit der Zeit aber muss diese Zunahme rascher wachsen
and zwar ans doppeltem Grunde , einmal weil auch ein sehr ge-
ringer Vortheil mit der wachsenden Individuenzahl immer zabl-
reiidiere IndiTidtoii Sieger bl^ben liest , dum eher, weil in dem
Heese t eis das Klima sioli dem arktiscbeit nüliert, d» Vorliieil,
weiss zvL sein , immer entscheidender dafilr wird , wer leben und wer
untergehen soll.
So sehe ieh dnrcbans kdnen Qmnd , wamm nicht vereinseite»
indlTidnelle Variationen, sobald sie eben nieht nnr ein
einziges Mal auftreten, sondern sich im Laufe der
Qenerationen öfter wiederholen, unter günstigen Verhält-
nissen zur Herrschaft gelangen sollten.
Damit stimmen auch alle Thatsachen. Grade aueb der ge-
meine Hase leigt uns, dass er wohl fUiig sein würde, sieh in glei-
cher Weise umsuftrben. Im Ostliehen Russland besitst derselbe
einen bellgrauen, fiist weissen Winterpeb, und Seidlits*) tbeilt
uns die interessante Beobachtung mit, dass solche helle Exem>
plare auch in Livland einzeln vorkommen, wo »der gemdae
Hase erst seit dem Anfimge des Jahrhunderts einheimisch gewor-
den ist«.
*) Die Oarwin'Mhe Theorie, Dorpat lb75.
oiyio^uu Ly Google
Uflber die mechanische AuiTa&sung der Natur.
295
Wie ich aber oben schon her^oigehoben habe, liegt anf Seite
der Lebengbedingnngen kein Gnind so der Annahme rascherer
Umwandlangen vor ; denn die Veründerong der Lebensbedingongen
wird beinahe immer eine ttnsserst langsame gewesen sein, ja in
sehr zahlreichen EHUen wird ttberbanpt gar keine öbjective Ver-
änderung derselben eingetreten sein , sondern blos eine svbjec-
ti V e , wenn man diejenigen Fälle so beaeichnen darf, bei welehen
die Vertfodernng der Lebensbedingungen anf einer Veränderung
der sich umwandelnden Thierform beruht , niclit aber auf einer
Veränderung der umgebenden Natur. So in dem oben anp;cfii1irten
Falle TOn Mimicry, wo die ganze Verilndemng der Lebeusliedin-
gungen darin besteht, dass eine Art einer andern ähnlich wird.
Der Proeess der Natnntlehtung hatte hier beliebig lange Zeiträume
aar Verfügung.
Ganz ähnlich wird es sich bei allen spcciellen Farben- und
Formanpassungen zum Behufe des Schutzes verhalten. Bei allen
diesen handelt es sich immer nur um cinBesserseiUi nicht um
die Frage: Sein oder Nicht-Sein.
Grade derartige Fälle sind aber am geeignetsten , das höchst
ünwahrscheiuUche und IJnzulänglifhe in der Annahme einer Varia-
tionstendenz als besonderer, xweckthätiger Kraft klar zu le-^en.
Mau braucht nur irgend einen bestimmten Fall von synipatliischer
Färbung , oder noch besser , von N ae Ii ä l't'u n ins Auge zu lassen.
Die » Variatioustendenz « brächte es mit sich, dass eine ^^rrissere
Zahl von Individuen dem anzustrebenden Vorbild ähnliche Varia-
tionen hervorbriichtc . und dies - nach Hartmann wenigstens —
auch in jeder der folgenden CTCnerationcn . so dass dadurch und in
Verbindung mit Vererbung sich die nützliche Variation steigert. Wie
kommt es aber, dass diese '»Variationstendenz« in Ort und Zeit
mit der Existenz des Vorbilds zusammentrifft? Durch
Zufall, wenn beide keine gemeinsame Ursache haben ? Das wer-
den die Anhänger zweektliätiger Kräfte gewiss nicht zugeben; also
bleibt nur die Annahme einer Lei Itniz scheu prästabilirten Har-
monie, die es schon in den ersten organischen Keim hineinlegte,
dass nach unzählij;en Umwandlungen der organischen Form, noch
Millionen von Jahrtausenden grade zu derselben Zeit am mittleren
Amazonenstrom etwa eine ungeniessbare Ueliconidc entstand mit
gewissen gelb , schwarz und weisseu Zeichuuugeu auf den Flügeln,
296
Uebmrdie UMlumiwhe Avflhmng der N«tur.
und eine WeiseÜDgsart an derselben Stelle des Erdballs die Ten-
denz entwickelte, dieser Helieonide als Vorbild nachznstreben !
Ausser dieser gewiss wenifj enipfelilenswerthen Annahme
bliebe a))er nur etwa noch die andere Ubrly; . dass jede oder doch
sehr viele Wcisslings und andere Schniettcrlingsartcn dieselbe
heliconidenartigc Variati(»nst(Mi(ltMiz in sicii trüf^en und jederzeit
und jedcnorts zu entwickeln bestrebt wären , dass sie aber nur dort
rettssirten, wo sie /.ulVillig örtlich und zeitlich mit den» Vorbild zu-
sammenträfen und so durch Natur/Uchtung die »Tendenz« gefiirdert
würde' Dem widerspreclien aber die Thati^achen , denn solche
nachahinemle \ ariatiunen sind noch niemals in erkennbarer Weise
bei andern Arten beobachtet worden !
(iunz ähnlich aber wird es sich l)ei allen als nützlich nach-
weisbaren Abändernn^'cn verhalten, wenn ihre Entstehaug durch
Variationstendenzen erklärt werden soll.
Man sieht, dass die Einwurfe, welche Hart mann gegen die
Vere rb u n g vorbringt . im Gnnide nur darthun sollen, dass der
Process der Vererbung keine Sicherheit fllr die Erhaltung vereinzelt
auftretender Abänderungen gewährt. Dass die Vererbung
gelbst ein mechanischer Process sei, wird direct nicht bestritten,
es wir<l nui augi nonnm'n , dass neue Charaktere nur dann durch
Vererbung Übertragen werden könnten, wenn sie durch das meta-
physische • Entwieklungsjmncip" hervorgenifen , nicht aber, wenn
sie »zu fällig" entstanden sind. Somit richtet sich diese Kritik
im Grunde nicht gegen die Vererbung, sondern wieder gegen den
mechanischen Ursprung der Variabilität.
Hier hätte Hart mann geltend machen können, dass eine
ZurtickfUhrung des Phänomens der Vererbung auf rein mecha-
nische Ursachen, also eine mechanisehe Theorie der Ver-
erb u n g zur Stnndo booIi feitÜDL Dass er dies nicht that , beweist
einenrits, dass er die Künste der Dialektik vencfamlUite , andrer-
seits aber Usst es Tennnthen, dass aneh er das Gesetimttssige im
Grossen und Ganzen der Erscheinung nicht verkannt hat nnd die
Möglichkeit, eine mechanisehe Eikl&rung derselben zn finden, zu-
gibt. In der That , wenn die YererbangsOhie^t nieht anf tinem
Meehanismos bemhte , sowttssteieh nieht, welche Vorgänge des
Lebens man ttberhanpt noch als meebanisohe anftnfassen bereeh-
tigt wtre ; denn sie alle httngen aols Innigste mit der Vereibnng
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Ueber die meohaniaehe AuffatsuDg dar Natur.
297
zusammen , sind eines mit ihr nnd können isolirt von ihr nicht ge-
dacht werden. Haeekel nennt sehr richtig die For^flanzung ein
Wachsthum Uber das Mass des Individarnns hinaus nnd führt da^
mit die £ncheinungen der Vererbung anf diejenigen des Wachs-
thums znrOek. Umgekehrt könnte man auch das Wachsthmn eine
Fortpflanzung nennen , denn dasselbe beruht anf einem unansge-
setzten Vermehmngsprozess der den Organiemns zusammensetzen-
den Zellen, von der Eizelle an bis zu den ungezählten Schaaren
der verschiedenartig diflferenzirtcn Zelienarten eines hochentwickel-
ten Thierleibes. Wer wollte verkennen , dass beide Vorgänge, die
Fortpflansnng der Eizelle und ihrer Nachkommen beim Aufbau des
Individuums and die F rtpflanzung der Individuen nnd Arten bdm
Anfbaa der organischen Welt im Ganzen eine »ehr genaue und kei^
neswegs blos änsserliehe Analogie aufweisen*) ? Wer die« aber zu-
gibt , mnss auch beiden V^orgängen die gleichen Ursachen zu Grunde
liegend denken und kann nicht fUr den einen cansale Kräfte, für den
andern zweckthätige annehmen. Wenn Ernährung nnd Zell-
vermehrung rein mechanische Processe sind, dann
muss es auch die Vererbung sein We?in es auch bis jetzt
noch nicht gelang . nachzuweisen, worin der Mechanismus hier be-
ruht, so lässt sieh doch im Allgemeinen wohl einsehen, duss dabei
mit einem Minimum lebendiger (MganisclRi- Substanz (z. B. dem
Protophisma der Samen- und Eizelle i^anvisse liewegungen Uber-
tragen werden , welche man als E n t w i e k l u n g a r i c h t u n g e n be-
zeichnen kann, wie ich dies fiiilicr schon kurz dargelegt habe'*) :
Die Fähigkeit der Organismen, ihre Eigenschaften auf die Nachkom-
men zu Ubertragen, scheint mir nur so gedacht werden zu kihmen.
dass »dem Keim des Organismus durch die Mischung seiner Be-
standtheile , d. h. durch seine chemisch-physikalische Zusammen-
setzung in Verbindung mit seiner Molckularstruetur , eine ganz be-
stimmte Entwicklungsrichtung mitgetheilt wird, dieselbe
Entwicklungsriehtung, wie sie der älterliche Organismus zu An-
fang besessen hat . . . « (a. a. 0. S. 24). Das ist nun freilich
nicht mehr als eine Andeutung, und wir erfahren dadureh noch
nicht , in welcher Weise man sich die Uebcrtragung der Entwick-
♦) Vergleiche: Hacckel, Generelle Morpholopir TT, 107.
**} Ueber die Berechtigung der Darwin'schen Theorie. Leipzig l$6b.
298
Utbcr die imeliMindie AnihMiuif dar Natur.
InngsricbtuDg zn denken habe , auf welchen meehanieeheo Momen-
ten dieselbe überhaupt beruhe.
Diese Lücke hat iu allerjttngster Zeit II a eck el , der nnermttd-
liehe VorwärtsdrJiiiger, dem wir bereits eine so reiche Fülle neuer
Ideen verdanken, in seiner Schrilt, »die Perigenesis der Plastidule
Berlin 1876« ausz(il\!llcn p'suclit. Leider war der Druck meiner
vorliegenden Schritt bereits im Gange , so dass ich nur kwn die
dort auRgesprochcnen Aiiscliauungen erwähnen kann. Die (irund-
idcc . dass (lie W rcilmiig auf der l'ebertragung einer Bewegung,
die Variabilität aut Alländerung dieser Bewegung beruhe, ent-
spricht vollkommen der aut" andern Gebieten der Naturwissenschatt
gewonnenen IJeljerzcugung . dass alle Gesetze in letzter Instanz
in Gesetze der Bewegung aulVfliist werden müssen« (Uelni-
holtz) Ich halte diesellie um so mehr tllr vollkommen berech-
tigt, wenn auch gewiss nicht im entferntesten fllr erwiesen , als ich
frlllicr schon die erworbenen individuellen Variatiimen als "Ablen-
kung der ererbten Eutwicklungsricbtnng« bezeichnet habe, inso-
fern lei,stet die HaeckeTsclie Hypothese mehr als die Darwinsche
Pangcnesis, bei welcher eine L'ebertragung des Stoffes, nicht
blos der diesem StotVe eigenthümlichen Bewegungsart ange-
nommen wird. Wenn aber auch der Keim zu einer mechanischen
Theorie der Vererbung in IIa ecke Ts Hypothese enthalten sein
mag, so scheint sie mir doch von der vollen Lösung des Problems
noch ziemlich weit entfernt zu sein. Sie macht wohl einen Theil
der Vererlningsvorgänge auscluiulielier , wir können unter dem
Bilde einer Molekularbewegung der Plastidule , welche durch äus-
sere Einflüsse modificirt wird, ganz wohl die Thatsache der im Laufe
der Generationen eintretenden allmä Ilgen Abänderung verstehen,
dagegen scheint mir die Ännshme eines GedSehtnisses der Plasti-
dnle — mag sie auch philosophisch yoUkonunen annehmbar sein
— doch als eine Formel, die ▼oittnfig kaam tl^liNr in der Erkennt-
nisi eindringen Uast. Unier dem Uehte einer Tiieoiie sollte der
eimekoe Fall fwstlndHeli werden, der vorlier dnnkel war. leh
wttsste aber nieht, wie die Terschiednen Formen des Rttekschlags
B. B. der Rttekseblag , weleher bei Krenmngea verseluedner Ba^
hiniig eintritt, dnieh die Annahme eines Qedftehtnisses der Plasti-
*) PopulSw wiiMBiehaftl. Vortxlg«, H^2. Bnunadiwdg 1871. 8. 106.
-icü üy Google
Ueb«r die medtanitehe AnffaMoiig d«r Natur.
299
dule verständlicher würde Wenn in bdden Aelteni die Plusti lule
längst andersgeartete MolekularbewegUDgen angenommen baben,
warum erinnern sie sich dann bei ihrem Znsammentrefifen im Keim
Teigangner Zeiten und nehmen die alte, längst verlassene Bewe-
gung wieder an ? D a s s sie dieselbe annehmen , ist ja Thatsache,
insofern wir einmal die Entwicklungsriehtung des Individuums auf
Moleknlarbewegnng der Plastidule zurUckfUhren : das Warum aber
scheint mir durch die Annahme eines Gedächtnisses der Plastidule
nicht klarer zu werden. Eine inechanische Theorie der Vererbung
mttsste vielmehr zeigen krmiien . dass die l'lastidulheweguugeu der
männlichen und weildichcu Keimzelle bei ihrem Zusammentreften
in diesem Falle der Kreuzung weit abweichender Formen sieh gegen-
seitig so moditiciren . dass als Resultante die Bewegungsart der ge-
meinsamen Stammform daraus hervorgehen muss. Bis zu solchem
Nachweis ist aber wohl noci> ein weiter Wog. IJebrigeus bezciehnet
Haeckel selbst seine Hy{)(»tlicse keineswegs schon als eine »me-
chanische Thcoriio der Vererbung«, sondern nur als
einen Anfang dazu . als eine Hypothese . von welcher er hofft, dass
sie sich »zum Hange einer genetischen Molcelilartheorie wird aus-
bilden lassen« (a. a. 0. S. 171. Wenn wir aber auch mit dem
ungenannten Kritiker der » Philosophie des Uubcwussteu " liekennen
müssen, dass j^die Thatsaelie der Vererbung bis jetzt jeder natur-
wissenschaftlichen Erklärung spottet « * , so liegt darin doch kein
Gruutl zu einer m e t a p h y s i s c h e n Erklärung zu ÜUehten . >? welche
hier sicherlich am allerwenigsten im Staude ist, den Mangel an
Verständniss des natnrgesetzliclien Zusammenlianges zu ersetzen«.
Dass von II artmann von dem Boden des l'nbewussten aus.
aufweichen! er steht, das Gesetz der (.'orrelatiou als unbe-
wus.ste Anerkennung eines »nicht mechanischen Universalpriucips
von Seiten des Darwinismus« hinstellt, kann nicht Wunder nehmen.
Er versteht eben unter Cor rclation etwas ganz anderes » als wir.
Hartmann meint, »der Darwinismus sehe sich selbst durch die
empirischen Thatsachen genöthigt, die gcsetzmäasige Correlatieii
der mm Spedeatypiis gehörigen Chankters anzuerkennen ; damit
widM^rieht er aber sefaMik mechanischen ErkUmngsprincipien,
welche alle daraof hinanslaiifen, den Typus als ein mosaikaitig
*} ». a. o. 8. 89.
300
Ueb«r die omoIuuümIm AnfbwuBg der Netur.
zusammengewürfeltes, Uusgerliclies , zufsllligea Aggregat von Merk-
malen autV.ufasgen , welche einzeln neben oder nach einander darch
Züchtun^^ oder (Jewöhnung erworben sind". Ich glaube aber, dass
eine soU lie AulTassung weder von Darwin, noch von sonst Je-
mand augenoninicn würde, (irade die Anerkennung, dass zwar
nicht jede, alicr doch jede j) h ysiologisch tiefer eingreifende
Einzel-Abäudcrung mit einem System correlativer Alianderungen
unmittelbar verknüpft ist oder sein kann, spricht es ja aus. das«
man aucli \ou unsrer Seite eine innere Harmonie der l lieile, eine
Gleiclij^ewichtslage , wie ich es oben ausdruckte, anerkennt.
Atier scliliesst dies schon die Anerkennung eines zweckthätigen
l'rincips ein oder eine nuH'hanische Erklärung aus ' Ist damit schon
die Anerkennung eines - Speciestypus« gegeben in dem Sinne eines
unzertrennlich verbundenen ('(un]»le\es von Merkmalen, ans denen
keines lieraufigenonimen werden kann, ohue dass alle andern sich
ebcufallH iindern ' Stimmt überhaupt eine solche AnscbaauDg za
den empiriBcbeu 'riiatsaeheir'
Beides sebeiut mir keineswegs der Fall zu sein.
Ich beantworte zuerst die zweite Frage. Von allen möglichen
Seiten her ist jetzt die frühere Ansicht von der absoluten Natur der
Speeles widerlegt; es gibt keine Grenze zwischen Species und
Varietiit. Wenn aber Hartmann annimmt, dass l)ci der Umwand-
lung einer S[)ecies »in eine andre der »ganze gesetzmässig ver-
knüpfte Complex Hieb ändern " müsse, su ist das ein Rückfall in die
alte Lehre von der abs(duten Natur derSpeeies und steht in grellem
Wideraprucb mit zahlreichen Thatsachcn. Wir beobachten nicht
selten Varietäten , welche sieh von der Stammform nar durch ein
einziges Merkmal nntersclieiden , andere, die mehrfache Unlar-
tddede anfW^n , wieder andere , bei wdohen die Untersebiede
sich anf die meisten Theile erstrecken. Letsteie Abweichung wird
dann von TieleB Systematikeni schon als neue Art bezeichnet wer*
den, Ton andern lücht.
Der » Speciestypns < ist also in der That eine Art von Mosaik-
bild, aber eben ein Bild, in dem alle einzelnen Charaktere, die
Hosaiksteinchen, znsammengefaXIren und ein harmonisches Ganse
bilden, nicht ein sinnloses Dufoheinander. Einzetoe der Steinchen
oder Steinchengmppen kOnnen heransgenommen und dnrch anders
gefibrbte ersetzt werden, ohne dass dadurch nothwendigerwdBe das
uiyiu^-Cü Ly Google
Ueb«r die mechmniache Auffuming dar Natur.
301
Bild Tenerrt, d. h. als Bild zerstört werde, aber je grossere
Stttoke desselben TerSndert werden» um so mehr werden andi in
den andern Theilen der BildiUtohe Correetoren nothwendig, damit
die Harmonie des Ganzen erhalten bleibe.
Noch schwerer als die bei versehiednen Tbiergruppon sehr
hiofigen nnmerkliehen Uebergänge, weiche Art nut Art verbinden,
scheinen mir aber die in der zweiten Abhandlung dieses Heftes
dargelegten Thatsachen ins Gewicht zn Men, welche beweisen,
dass die zwd EncbeinnngBformen einer Spedes sidi gänzlich un-
abhängig yon einander verändern kOnnen. Die Banpe ändert ab,
wird nene Varietät, selbst Art (dem Formwertb der Abänderong
nach), der Schmetterling aber bleibt onYOiindert. Wie kann das
geschehen, wenn noch ein anderes Gtesetx, als das des physiolo-
gischen Gleidigewichtes dieTheile oder Merkmale andnander-
kettet nnd sich zn Tersebieben gestattet? Mtlssten nicht die zwei
Stadien ganz ebenso rieh mit nnd durcheinander yezindeni , wie die
Thdle eines Ki^rpers, da sie ja zusammen erst den
Speciestfpus ausmachen? Und dass dies nicht geschieht, ist
das nidit eben ein Bewds, dass der ganze, allerdings dennodi
»gesetzmässig Teibnndene Oomplexc des Arttypns nicht durch dn
metaphysisches Frindp zusammengehalten und rerbunden ist, son-
dern nur durch Naturgesetze?
Wenn aber Hartmann die Beziehungen yerschied-
ner Arten zueinander eben&lls unter den Begriff derCorre-
lation &sst, also z. B. das Yerbältniss der Abhängigkeit, in wel-
chem Orehideenbltttben und die de besuchenden Insekten zueinan-
der stehen, so vcrlUsst er eben den naturwissensehaftlichen Begriff,
der mit diesem Worte rerbonden werden sollte, ganz und gar und
bringt zwei heterogene Dinge zusammen, die niclits miteinander
gemein iiabcn , als dass sie beide von ihm als Ansflass des Unbe-
wussten betrachtet werden. Die Conscquenz, die dann weiter aus
dieser selbstconstruirten Correlation gezogen wird, dass uämlieh
eni organisches Correlationsgesetz nnr ein andrer Ausdruck fUr ein
■ organisches Entwicklungsgesetz« im Sinne einer metaphysischen
Kraft sei, kann natürlich nicht anerkannt werden.
Wir verstehen unter Correlation nichts Anderes , als die Ab-
hängigkeit eines Theils des Organismus von dem andern, die gegen-
seitigen Wechselbeziehungen derselben, wdche lediglich auf einem
302
Ueber die mechanische Auffassung der Natur.
»phyBiologiBehen AbbSngigkeitSTerhaltnissc beruhen, wie Hart-
ing nn selbst 68 ganz richtig bezeicbnet Damit ist natttrlieh die
gesaniTnte Morphologie des Organismus mitbegriffeD^ nnd zwar so-
wohl der Bau iiu Grossen, die Länge, Dicke, Schwere dar einselnen
Theile, als der mütroskopische Bau der Gewebe, denn von allem
Diesem hängen ja eben die Leistungen der einzelnen Tbeile ab.
Wenn aber Hartmann unter Correlation »auch eine morpho-
logisehei systematische Wechselwirkung; aller Elemente des
Organismus, sowohl in Bezug auf die typische Grundform der Or-
ganisation, wie in Bezug auf den mikroskopisch -anatomischen Bau
der Gewebe« begreift, so trägt er auch hier etwas Fremdes in den
Begriff hinein und zwar nicht auf Grund von Thatsachcn, sondern
eben in Widerspruch mit ihnen und nur gestützt auf die Voraus-
setzung eines »innern Entwicklungsprindps«, welches »nicht me-
chanischer Natur ist«.
Man hat schon manchmal den lebenden Organismus mit einem
Krvstall verglichen, nnd mutatis mutsmdis hat der Vergleich auch
manches Zutreftende. Wie beim werdenden Krvstall die einzelnen
Moleküle sich nicht heliebi^' ancinaiiderfllp:en können, sondern nur
in ganz bestimmter Weise, so bedingen sich auch die Tlieile eines
Organismus in ihrer gegenseitigen Lagerung. Dort wo lauter
gleichartige Theilchen sich gru])piren, ist auch ihre Verbindung
eine sehr gleichartige, leicht zu Uberblickende, sie bietet nur sehr
geringe .Miiglichkcit von Moditicationen, und das sie l)eherrschende
Gesetz erscheint daher streng und unabänderlich. In dem Orga-
nismus verltinden sich sehr mannichfaltige Theile. mag man den-
selben mikroskopisch oder niakrosko])isch betrachten, und diese
bieten daher auch zahlreiche verschicdne Möglichkeiten der gegen-
seitigen Verschiebung und Aneinanderlagerung , das sie beherr-
schende Gesetz ist weniger einfach und erscheint weniger streng
und unabänderlich. In beiden Fällen kennen wir die letzte Ur-
sache, welche eine bestimmte (Tleichgewichtslage stets hcrhcifiliirt,
nicht; bei dem Krvstall fällt es Nieniand ein, die Harni(tnie in der
Anordnung der Hieilclien einer zweckthätigen Kratt z.n/.iisc]ireibcn.
warum sollten wir aber beim Organismus ein solches annehmen
nnd nicht lieber den bereits begonnenen Versuch fortsetzen, die
sicherlich auch hier vorhandnc und ebenso gesetzmässigc Harmonie
der Theile auf ihre natUrlicbcu Ursachen zurückzuführen f
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UdMT die mechanisohe AutfanHung der Natur.
303
Au dieien GiUnden seheiiit mir die Behanptang niobt riditig,
date die Selectioiistheorie kein »meebaniBeher« Eriüftnmgs-
Tcrauch der oigHniBehen Entwieklnng sei. Sowohl Variabilität
als Vererbang, als endiieb Correlation lassen sieb sehr
wohl rein medbaniseb fassen nnd mttssen so anfgefosst werden,
so lange man kdne triftigeren Gründe daittr aufbringen kann, dass
noeb etwas Anderes in ihnen verborgen liegt, aki physikaUseb-
ebendsehe Kittfte.
Allerdings aber wird man niobt bei der rei n empirischen
Aaffftsenng stehra bleiben kOnnen, wie sie Darwin in seinem be-
wnnderangswttrdigen Bache von der Entstehung der Artena nieder-
gelegt bat. Wenn die Selecdonsthcoric eine mechanische Erklä-
rungsweise sein soll, so ist es nothwendig. da.ss ihre Factoreu in
mechanischem Sinne bestimmt t h e o r c t i b c h f o r m u 1 i r t werden.
Sobald man dies zn thnn versucht, wird sieh aber herausstellen,
dass in der ersten Freude Uber das nenentdeckte Selectionsprincip
der eine in ihm selbst enthaltene Factor der Umwandlung, als der
scheinbar bekanntere, nngemein in den Hintergrund geschoben
wnrde gegenMbor dem andern, ncnorkanntcn.
Ich habe schon vor einer Reihe von Jahren betont, dass der
erste und vielleicht wichtigste, jedenfalls der unentbehrlichste
Factor bei jeder Umwandlung die physische Natar des Or-
ganismus selbst ist* .
Es wäre ein Irrthum zu glaubon, dass ledifi,licli die Aus-
senwelt bestimme, welcherlei Abiinderun^^cn an einer bestininiten
Art auftreten sollen, vielmehr hängt die Natur dieser Abänderungen
ganz wesentlich von der physischen Constitution dieser Art selbst
ab, und eine wirklich erfolgende Abänderung kann offenbar nur
als die Resultante aus dieser Constitution und aus
den auf sie einwirkenden £iuflUs8en der Aussen-
welt betrachtet werden.
Wenn über unzweifelhaft dem Organismus selbst ein wesent-
licher, ja vielleicht überwiegender Anthcil an der Qualitätsbestim-
mnng neuer Charaktere zugesprochen werden muss, so kommt Air
eine mechanische Aoffassung des organischen Eutwicklungspro-
*) Ueber die Berechtigung etC. Leipzig 1^*'>^. Dort findet Rieh bereits dw
hier etwas breiter vnrgetngene Uieoietiiche Auffassung der Variabilit&t in kur-
zen Zügen dargelegt.
304
Ueb«r die meehanueb« AuffaMung der Natur.
cesses Alles daranf an, diesen wichtigsten Factor desselben in
% bestimmter Weise theoretisch zu fassen nnd seine scheinbar sich
widersprechenden Aeusserungen des Siehgleichbleibens und der
Veränderlichkeit unter einem gemeinschaftlichen Qesichtspankte
zu begreifen.
Nun wird allerdings von Darwin jede Abänderuu'!: in grös-
serem Betrage als direkte oder indirekte Folge üiijsserer Einwir-
kungen l)etraclitct. allein es wird hei der indirekten Wirkung doch
immer schon ein gewisses, geiinges Mass von Veränderlichkeit
{indi\iduelle Variabilität vorausgesetzt, ohne welche grössere Ab-
änderungen nicht zu Stande k(»niinen krmnen. Em j) irisch ist
dieses geringe Mass von Veränderlichkeit zweifellos vorlianden;
es fragt sich aber, worauf es beruht. Lässt sich dasselbe auf me-
ehanischeni Weirc entstanden denken, oder ist vielleicht grade hier
der Punkt. \\u das nietajihysisehe Trincip einsetzt und diejenigen
kleinsten Variationen darbietet. weU'lie den nach dieser .\nsicht
unabänderlich vorgeschriebenen Gang der Entwicklung möglich
machen? Eine theoretische Definition der Variabi-
lität ist es, ohne welche die Sdectionslehre allerdings noch
inmier dem Einschmuggeln einer zweckthätigen Kraft die Tliüro
oflen lässt. Eine meclianiscdic Erklärung der VarialdlitUt muss die
Grundlage dieser Seite der Selectionstheorie bilden.
Diese lässt sieh nun nicht schwer aulliiiden. Alle rngleichheit
der Organismen niuss darnuf beruhen, dass im Laufe der Entwick-
lung der organischen Natur ungleiche äussere Einflüsse
die einzelnen Individuen getroffen haben. Wenn wir dem Organis-
mus die Fähigkeit zusprechen, durch Vermehrung nur genaue
Copien seiner selbst zu liefern, oder richtiger: Die Bewegung
seiner eigenen Entwicklungsrichtnng auf die Nach-
kommen miTerftndert zu tthertragen, so wird Jede Bindi-
▼idoelle Variabilitttt« daranf berahen mOssea, daei et nigleieh die
Fähigkeit besitzt, auf ftassere Einflüsse zu reagirea, d. h. dnreb
Verttodeningen seiner Form nnd Function zu antworten, mitiiiB
seine ursprüngliche (ererbte) Entwieklniigsriehtung zu modifieupen.
Schon Öfters ist es dargelegt worden, dass die »Individnenein
nnd derselben Art« oder die Kachkommen eines Hutterthiers des-
halb nicht absolut gleich sein können, weil sie von Beginn ihrer
Existenz an von ungleichen Einwirkungen der Aussenwelt getrof-
uiyiu^-Cü Ly Google
lieber die mechanische Auifiuuiung der Natur.
fen werden. Dies setzt aber voraus, dass sie bei vOUig gleichen
Einflössen gleich sein würden , d. h. es setit Toraiis , dass die Va-
riabilitftt nieht etwas dem Begriff des Oiganismns Immanentes ist,
sondern eben nur der Anedmelc ongleioher Bednflnssting an and
fllr sich gleicher Entwicklungsriebtangen. TbatsSchlieh freilich
können schon die ersten Keime eines Indiridunms nicht als völlig
gleich vorausgesetzt werden, weil die individuellen UnterHchiede
der Vorfahren in Terschiednem Grade der Anlage nach in ihnen
enthalten sein mUssen , und man würde schon anf den ersten Ur-
Organ ismns der Erde /.iiriii k^clirn niUssen, um eine völlig gleich-
artige, homogene Wurzel, eine tabula rasa, fUr die daraus hervor-
wachscnden Nachkommen zu finden. Ob ai)er ein solcher jemals
bestanden hat , ist wohl sehr zweifelhaft und weit wahrscheinlicher,
dass zahlreiche erste Organismen durch Urzeugung entstanden,
welche dann ebenfalls nicht absolut gleich gedacht werden können,
da die Umstände, anter welcheir sie ins Leben traten , nicht absolut
identisch gewesen sein können. Nehmen wir aber der Einfachheit
halber einen einzigen ersten Organismus an , so wird die erste von
diesem durch Fortpflanzung entstandene Generation nur solche in-
dividuelle Unterschiede besessen haben , welche durch Einwirkung
ungleicher äusserer Einflüsse hervorgerufen wurden : sdum die
dritte Generation aber wird neben den sclbstcrworbenen . auch er-
erbtc Ungieicbbeiten aufgezeigt lial)en . nnd mit jeder folgenden
Generation nuiss die Zahl der durch \'ererbung bereit.s dem Keim
mitgetheilteu Anlagen zu individuellen Verschiedenheiten bis zu
einer gewissen Grenze bin zngennmnun haben, so dass man sagen
kann, alle Keime tragen sclion in ihrer ersten F.ntstebung die An-
lage zu individuellen Eigenheiten in sich und würden solche ent-
wickeln , auch wenn sie selbst nicht ebenfalls wieder von etwas
verschiednen P^inflUssen gctrofl'en winden. OlVenbar ist dies aber
der Fall, da schon die jüngsten Eizellen im Eierstock eines Thieres
in Bezug auf Ernährung und Druck nacli weisbar stets ungleichen
äussern Einflüssen ausgesetzt sind * . WenJi es daher möglich wäre,
dass zwei Keime genau gleich wären . auch in Bezug auf die ihnen
durch Vererbung eingeimpfte Entwicklungsriciitung , so würden
sie dennoch zwei nicht congruente Individuen liefern und wenn es
•; Vergleithe : Hacckel , Generelle .Morphologie II, 8. 2U3 U. SeidHtl,
J)iti Damiirtiche Theorie. 1875, S. 92 u. ful);cnde.
306
Ueber die meehaniioh« AttfliM«uiig d«r Natur.
umgekehrt möglieh wUre , dasa zwei Individuen von der Enibryo-
nalbildnng an von absolut den gleichen äussern EinflüBsen getrof-
fen wurden , so könnten auch sie nicht identisch sein , weil die iu-
dividucllen Verschiedenheiten der Vorfahrenreihe auch bei uuge-
schlcfhtHeher F(>rt])Hanzuiig Mininialverschiedenhciten der auf das
Ki tlbertragencn Eiitwickliui: !<richtung bedingen würden. Somit
liernht die Veisohiedenlicit der Individuen gleicher Ahstaniiming in
letzter I nstanz lediglich a u f d e r U n 1 c i e Ii Ii e i t d e r ä u s s e rn
Eint'lltsse. und /war einerseits dei)( iii;:en , welche <lie E!itwi<-k-
lung der V'orl'aliren . andererseits derieni^'en, welche das hetrell'eiide
Individuuiii selbst vnn dem ein^esclihi.iieiien We;jre d. h. von der
durch Vcrerbun;^ lilfertrageneii Eiitwiekiun^srieiitiin^^ um ein (ie-
rin:;es at)lenken. Ich stimme hier /war im Wesentlichen mit
Darwin nndllacckcl lüierein. insolern dieseliien die ■ allgeiueiiie
individuelle l 'ngleiehiieit i auf ungleiclie iiussere Einwirkungen zu-
rlickfiibren , weiclie aber von Darwin insofern ab, als ich kciucn
wesentlichen Unterseliie<l /.wischen direkter und indirekter llervor-
rnfnng individueller Unterschiede sehe, wenn mit letzterer nur die
nnj,deiehe lieeinllussung des Ki'imes im iilterliehen ( h jiianisnnis ge-
meint sein soll, (lewiss bat llaeekel Kedit, wenn er die ■ priud-
tiven Versehicdenlieiten dei von den Aeltern erzeugten Keime auf
die l'ngleicldiciten der Ernährung zurUckflihrt . denen die einzelnen
Keime im älterliehen ()rg:inismns tun ermeidlich ausgesetzt sein
mtlssen ; allein ofi'enbar koiiunt dazu noch eine andre l'ngleichlieit
der Keime, die mit ungleicher Ernähruug Nichts zu thuu hat. son-
dern auf ungleicher Vererbung der individuellen Verschiedenheiten
der Vorfahrenreihe beruht, eine Quelle der Ungleichheit, die bei
der gesehlechtliehen Fortpflanzung noch ungleich stärker fliesseu
mnsB, als bei der ongcsehleehtliehcn. Wie aber hier eine Ver-
misehnng derHerkmale (genauer: Entwieklmiggrichtaiigen) zweier
gleiehieitig lebender Individuen in einem Keime stattfindet,
so wird bei jeder Art der Fortpflanxnng eine Ifisehung der Merk-
male einer ganzen Sneeeseion von Individuen (der Ahn^teilie) in
demselben Keim zasammentreiTen, von denen sieb freilieh die ent-
ferntesten nur selten in merklieher Weise geltend macben.
Auf diese Weise Iftsst sich die Thatsache der individaeUen
Variabilitüt ganz wobl versteben ; der lebende Organismus entbSlt
in sieb selbst kein Prineip der Verftnderliebkeit, er ist das sta-
üy Google
Uaber die meehamidM Auffuftunx ^ Natar.
307
tische Moment in dem Entwicklun^sprooesae der organiBchen
Welt und würde stets nur wieder genaue Copien seiner selbst lie-
tci u . wenn nicht die Ungleichheit der äussern Einflüsse ein jedes
mMieiitstehendc Individiiiun in seiner Eutwicklungsrichtiing ab-
lenkte : diese Einflüsse siud also das dynamische Element des
ProcesHc».
Aus dieser Fassung; des Variationsbej^rilTes hissen sich aber
noch zwei \viehti^';e cnipirisch festjcostellte Thatsacheii tlicuretisch
ableiten, die oben schon besj)rochen(; Beschränktheit der
Variabilität in Bezuj; auf Qualität und die Entste-
hun<; von Transui utatiouen auf deui We^^e «les direk-
ten Einflusses iiu.sscrer lycbensbedi u^'U n^en.
Wenn die Verschiedenheiten tiei ln<lividuen ^^leichcn Stammes
anf der Wirkim- un-leieher Eintlüsse beruhen, so ist die Variation
selbst nichts AiulercH. als die Reaction des Organismus
anf einen bestimmten äussern Keiz. die Qualität der Va-
riatictn wird demnach bestimmt werden durch die Qualität des Kel-
zes und die Qualität des Or^'anismus. In dem l)isher betrachteten
Falle der individuellen Variation war diese letztere gleich, der
Reiz aber ungleich, und auf diesem We^^e entstanden bei Orga-
nis!nen von gleicher physischer Constitution kleine Ungleichheiten,
Variationen von verschiedner Qualität.
Dasselbe Resultat , ii,iiidi( Ii verschiedene Variationsqualitäten,
kann al»er auch aul dem umgekehrten Wege entstehen, dadurch
dass Organismen von v c r s c h i c d n e r physischer Natur von glei-
chen äussern EinllUssen getroffen werden. Die Antwort des Or-
ganismus auf den Abänderungsreiz wird je nach seiner Natur eine
andere sein oder mit andern Worten : Organismen verschied-
ner Art reagiren verschiedenartig, wenn sie von den
gleichen Abändernngsreizen getroffen werden« Die
physische Natnr des Organismus spielt die Hauptrolle in Bexng
anf die Qualitit der Variationen, ein jeder specifische Organismos
kann daher wohl nngemebi sahlreiehe, aber nicht alle iigendwie
denkbaren Variationen hervorbringen, nämlieh nur solche,
welche seine physische Znsammensetsnng Uber-
hanpt möglich macht Daraus folgt dann weiter, dass die
VariationsmOgliehkeiten nm so welter voneinander verschieden sind
bei swfli Arten, je weiter deren physische Constitution (die Morpho-
308
U«ber die meehuiiioh« Anffusung d«r Natur.
logie des K(irpel•^^ einbegriffen voneinander abweicht, d:iss der Va-
riati(tnskrei.s bei jeder Art ein eij;entliilniliclier ist. Somit werden
wir auf diesem We^e /.u der Erkenntniss :;el'tibrt. dass allerdin^'s
eine "bestimmt j^eriebtet*! Varia tion ^ bestehen muss , aber
niebt im Sinne A skenasy's und Hartnianu's als Austluss eines
unbekannten, innern Entwieklnn^sprineips , sondern als notb
wendige d. Ii meelianiselie Folge <ler ungleiehen
pbysisehen Natur der Arten, wclelie selbst bei gleichem
lieiz mit einer nn^^leielien Variation antworten nuiss.
Damit stimmen die 'l'batsacben , soweit wir sie kennen, sehr
gut überein. Verwandte Arten variiren in iilinlieber Weise, Arten
aber von entfernterer Verwandtsehaft variiren versidiiedcnartig.
Hclbst wenn sie von denselben äussern KinlUlssen getroll'en werden.
So habe ich in dem eisten lieft dieser Stiulien ■ darauf aufmerk-
sam geuiacbt. da>s manche Schmetterlinge unter dem Einflüsse
wHnnereu Klimas eine last seliwar/A- Färlmug annehmen Polyom-
matuK IMdaeas; , während andere uragekelirt heller werden ,i*apilio
Podalirins) .
So lässt es sieh verstehen, wamm Uberall gewisse Ent-
wickluogsbahuen eingehalten werden, eine Thatsacbe, die
lediglieh ans der Natur der Lebensbedingungen , welche die Varia-
tionen provocireu , sich nidit veratehen liesse. Sobald wir uns aber
Idar maehen, dass die Qnalit&t der AbttnderangeD wesendich mit
von der physischen Katar des Organismus selbst all-
hangt, gelangen wir von sellttt zu dem Schlnsse, dass Arten von
weit abweiehender Constitution auch verschiedenartige Variationen
hervorbringen müssen, solche von verwandter Constitution aber
ähnliche. Damit sind aber auch schon bestimmte Entwickluugs-
bahnen vorgezejphnet, und wir begreifen, dass nicht von Jedem
Punkte der oi|;ani8chen Entwicklnngsreihen aus ein jeder beliebige
andre erreicht werden kann. Das Variiren in bestimmter Rich-
tung schUesst also keineswegs die Anerkennung eines metaphysi-
schen Entwieklungsprincips ein, sondern Ittsst sich als mechani-
sches Resultat der physischen Zusammensetzung der Organismen
sehr wohl begreifen.
Auch iSsst es sieh leicht zeigen, auf welche Weise die an-
gleiche physische Constitution der Organismen entstehen musste,
obgleich doch der erste Anfang der ganzen Entwicklungsreihe, d. h.
Uigui^uü üy Google
Ueber die medunUche AuffiMung der Netur. :)09
die ältt'Hfen l'rwesen als ualuv.u gleichartig in ilircr jdiv.sisclioii lie-
scliaftcubcit aiigeuoiniiioii \v(M(1cii müssen. Die Qnalität der Varia-
tion ist eben nicht b los (las Produkt der pliysisehen Constitution,
sondern die Resultante aus dieser und der Qualität des abändernden
äussern Einflnsses. So ^ng die erste » Speeles u durch ungleiche
Beeinflnssang äusserer Lebensbedingungen in mehrere neue » Spe-
eles » aaseinander, nnd indem dieses geschah, veränderte sich
zogleich die bisherige physische Natnr des Organismus and be-
dingte nnn anch eine nene Beaetionsweise auf Bnssere Einüttsse
d. h. eine andere Variationsriehtung. Der Unter-
schied Yon der primären wird allerdings noch sehr minimal m
denken sein, er mnss aber znnehmen mit jeder neuen Transmuta-
tion nnd mnss genau paralell geben dem mit dieser verbundenen
Grade physischer Veränderung. So wird also Hand in Hand mit
den Umwandlungen auch die Umwandlnngsfähigkeit oder
die Reaetionsweise des Organismus auf abändernde Einflösse
immer wieder auft Neue sich ändern mttssen, und wir erhalten
sehliesslieh eine unendliche Menge TOn verschieden con-
stitnirten Lebensformen, deren Yariationstendenz
vertehieden ist und zwar in dem graden Verhältniss
ihres physischen Abstandes, so dass also nahe verwandte
Formen älmlich, weit entfernte sehr verschieden auf den gleichen
Reis antworten.
Die individuelle Variation entsteht, wie ni xeigen versucht
wurde, dadurch, dass jedes Individuum fortwährend von etwas
verschiednen nnd zwar immer wieder wechselnden Einflüssen ge-
troffen wird. Denken wir uns aber im G^gentheil eine grSssere
Individuengruppe von den gleichen Einflüssen getroffen und zwar
von solchen Einflüssen , welchen die Übrigen Individuen der Art
nicht ausgesetzt sind, so wird diese Individuengrnppe in nahezu
gleicher Weise variiren müssen, da beide Factoren der Var
rintion gleich oder nahezu glt idi sind: der äussere Einfloss nnd
die physische Constitution. Nachweisbar werden solche Lokal-
Variationen erst dann, wenn eine Keihe von Generationen hin-
durch derselbe äussere Einflnss gewirkt hat und die Variations-
minima, welohe licim einzelnen Individuum durch einmalige Ein-
wirkung des Abändeningsreizes ausgelöst werden , sich durch Ver-
erbung gehäuft haben. So können also Transmutationen von eini-
Digitized by Google
310
Ueber die meduniitcbe AuffaMung der Natur.
gern Belang (naohweuUch hi» mm Fonnwertb dv Art) bkw dmh
direkt« Binwiiknig der Auseenwelt eniitelieiii auf dentelbeB
Wege , auf dem die individiiellen Untersehiede sieh Ulden , nar dais
dieee von GeaeratioD in Ctoieration bin- und heiMbwuikeii, da
die de henrormfeadeii Einfitttse immer wieder weehseln, wib-
rend hier der stete gleielibleibeiide Inseero Abiodenings-Anetoae
aoeb imaier wieder dieselbe Viriatioa benN>mift imd io eine Hin-
fnng der letiteren stattfinden kann. Kümatisebe Yarietiten Men
so ibre Erklämng.
Bine nngieicb wirksamere Hlnfliog der im ebndnen Indivi-
dnnm entstandenen Abweiehongenkommtfreiliebdadnrcb in Stande,
dass die Anssenwelt nn ancb indirekt anf die OfgaBismen efai-
wiikt. Es kann niebt meine Absiebt sein, anob den ftoeess der
Natnnttebtang Ider noebmals anseinandennlegen; ieb erwllme ihn
nnr, am darauf binzaweisen, wie dieTransmntalion in diesem FsUe
anf einer doppelten Einwirkung der Anssenwelt beruht»
indem diese zaerst dnrob direkte Einwbkong den Organismus m
kleinen Abwetdrangen Teranlasst, dann aber dnrob Auslese die
benrorgemfenen Variationen bäuft.
IVuist man die VariabUitat in dieser Weise, tetradilet man jede
Variation als Beaetk>n des Organismus anfeine inssereEinwiffcnng,
als eine Ablenkung der ererbten Entwieklungsrieb'
tung, 80 folgt daraus, dass ebne Verftndernng der Anssen-
welt keine Weiterentwieklung der organiseben
Formen hätte eintreten ktfnnen. Wenn wir um vorstellen,
dass von irgend einem Zdtpnnkt der Erdgesehicbte ab die Lebens-
bedingungen v<0llig; unverändert blieben, so wtlrden nach nnsrer
Ansdiaunng anch die za diesem Zeitpunkt anf der Erde vorband-
nen Arten keine weiteren Umwandinngen mehr erleiden können,
und hierin spricht sich der diametrale QegensatoK scharf aus , in
welchem diese Anschauungsweise zu jener andern steht, nach wel-
cher das treibende Princi]) der Transmutationen eben nicht in der
Anssenwelt, sondern im Organismus selbst liegt, als phyletisebe
Lebenskraft.
Ich kann mir es nicht versagen, hier noch einmal auf die alte
fontogenetifiche I Lehenskraft der Naturph ilosoph en
zurtlckzukommen , denn die rarallele zwiscbca dieser nnd ihrer
jüngeren Schwester, der unter so mannichl'aokmi Masken aoftreten-
Digitized by Google
Ueber die mechaiiiiche AuffiaMung der Natur.
311
den »pbyletischen Lebenskraft«, ist in der That frappant.
W&re wirklich das treibende Priifcip der Entwicklung des Indivi-
dBums «iae selbatstftndige , besondwe, im Imieni OrgsoinniMi
wirkendfi Lebenskiafk, so mllwto «adi das Weiden and WaehieD
des IndiTidaiiiDB Tor Bich geben können ohne ein fortwährendes Ein-
greifen der Anssoiwelt, wie sie die Emiihrang und die Athmaug
darstellen. Dies ist nun bekanntlieh nieht möglich, nnd so würden
die Anhünger dieser Kraft , wenn es ihrer hente noch gibt , so der
unklaren Vorstellnng eines Znsammenwirkens der zwedkthätigen
Kraft mit den BinflUssen der Aussenwelt gedrängt, genau so,
wie ein solehes Zusammenwirken hente Ton den
Vertheidigern der pbyletischen Lebenskraft postulirt
wird. leh werde weiter unten Gelegenheit haben, diese lelstere
Vorstellung als gäusHeh unhaltbar zurllekznweiseni in Besng auf
die Erstere ist ein scharfer Beweis nicht wohl zu fllhren, wohl aber
wird man zugeben müssen, dass der rerworrenen Vorstellung des
Zusanunenwirkens und Ineinandeigreifens zweekthätiger und eau-
saler Krttfte auf nnsrer Seite eine sehr ebfachet klare nnd mit den
Ansichten Uber phyletische Entwieklung harmonirende Vorstellung
gegenttbersteht. Wie in der Stammes-Entwicklung jede Verände-
rung der organisehen T^jrpen lediglieh dureh Einwirkung der
Aussenwelt auf die Oiganismen bedingt wird, so mflssen in der Ent-
wieklung des Individuums sämmtliehe Erscheinungen des persOn-
lidiön Lebens auf eben solchen Einwirkungen beruhen. XHe Phy-
siologie steht bekanntlich dabei ganz auf unserer Seite, indem sie
nachweist, dass ohne eine stete Wechselwirkung von Aussenwelt
und Organismus kein Leben Gestehen kann, dass die Lebensersebel-'
ntingen nichts Anderes sind, als die Reactionen des Organismus auf
die Einflüsse der An^Rcnwelt
Wie genau die Vorgänge der phyletischen und der ontogene-
tischen Entwicklung sich entsprechen . nicht blos ihrer äussern Er-
scheinung, sondern ihrem Wesen nacli, erkennt man sofort, wenn
man die Conseqnenzen aus der heutigen ErlKenntniss von dem Auf-
bau des thierischen Leibes zieht. Mag man auch mit Haeckel's
Individualitätslehre im Einzelnen nicht Uberall einverstanden
sein, im Ganzen wird man ihre Richtigkeit doch zugeben müssen ;
denn es lässt sich nicht bestreiten, dass der Begriff der Individuali-
tät ein relativer ist und dass mehrere Kategorien morphologi-
312
Ueb«r die mechanwche AuffaMunK der Niatur.
wher Individuen ttbereinanderstehen, welche ebensowohl einzeln
alft physiologische IndiTidnen ,* d. h. als selbststftndig lehende
Wesen niederster Art anftreten, wie sich zn solchen höherer Art
verbinden können. Sobald man aber dies zugibt, wird man mit
H a e c k e 1 in dem Werden eines hohem Orgii nismns ans c i n e r Zelle ,
dem Ei, nur eine Fortpflanzung sehen können, welche zugleich
mit verschiedner Differenzirnng der Nachkommen, d. h. mit An^
passnn^ derselben an verschiedene Existenz- oder Lebensbedingun-
gen verbunden ist. Nicht einmal der Umstand bedingt eine durch-
greifende Verschiedenheit vom phyk'tis( hm Aufbau des Thier-
(and Pflanzen- ; Reichs ans physiologischen Individuen (Bionten
Ha eckers), dass die Gewebe und Orgranc eines einzigen Bionten
durch physische Kräfte in grosser Abhängigkeit voneinander stehen,
denn audi die gleichzeitig lebenden Thier-Individuen und Arten
bedingen und beeinflussen sich bekanntlich in der energischsten
Weise.
Erwägt man nun weiter, dass dieselben Einheiten (Zellen),
welche heute die Leiher der höchsten Organismen durch ihre Fort-
pflanzung und Arbcitstheilung zusammensetzen, dereinst als selbst-
ständigc Wesen den Anfang der ganzen organischen Schöpfung
gebildet l)aben mUssen , dass damals also dieselben Vorgänge,
welche heute zur Bildung eines Säugethiers ftibren, damals nur zu
einer langen Reihe verschiedener, sell)s(ständiger Wesen führte, so
wird man zugehen, dass beide Entwieklungsreihcn auf
denselben treibenden Kräften beruhen m tl s s c n . dass
in Bezug auf die Ursachen der Ers eh ein untren un-
möglich eine tiefe Kluft bestehen kann zwischen
Ontogenese und Phylogenese, /.wischen den Lebens-
erscheinungen des Individuums und denen d er Ty j) en,
Jsach unserer Anschauung, beruhen beide auf dem Zusammen-
wirken derselben physischen Kräfte der Materie, welches
sieh kurz als die Reaetion der organisirte n , lebenden
Snhstanz auf die Einflüsse der Auseenwolt zusammen-
fassen lässt.
Einer solehcu Harmonie der NaturaufTassung kJinncn sich die
Gegner nicht rllhmen, es sei denn, dass sie mit der phy-
letischcn Lehenskraft /.»gleich auch wieder die alte
ontogene tische Lebenskraft in ihre Theorie auf-
uiyui,n-ü Ly Google
Leber die mechanische Aull~a«sung der Natur. 313
nahmen. In der Tliat wttsste ich nicht, was sie davon abhalten
sollte. Wer einmal ttberfaanpt der Voistellnng zuneigt, dass die
oiganische Natnr nicht blos voa cansalen, sondern sngleich von
zweckthtttigen Kriften beherrscht ivird, der kann die leisteren
eben so gnt als treibende Ursaehe der indiiidnellen Entwicklung
annehmen, wie als solche der phyletisehen. Nach meiner Ansicht
mn SS er es sogar, denn es ist nicht abzusehen, warum die Plan-
mSssigkeiten der Ontogenese nicht auf demselben, ja doch in
jedem Individuum anzunehmenden metaphysischen Princip be-
ruhen sollte, als die Plaamllssigkeiten der Phylogenese; kommen
doch dl« letzteren nur durch die ersteren überhaupt
zu Stande. Ich glaube deshalb, dass die Lebenskraft der
Alten (die ontogenetische) mit der Lebenskraft der
Modernen [der phy letischen} steht und fällt. Man
nnss entweder beide annehmen oder keine , denn beide wadisen
aof demselben Boden und werden mit denselben GrUnden gestützt
oder bekämpft Wer sich Überhaupt fUr berechtigt hält, ein meta-
physisches Princip da einzusetzen, wo der volle Beweis, dass
die bekannten Kräfte zur Erklärung der Erschciuttugm aus-
reichen, zur Stunde noch nicht geführt ist, der muss dies auf dem
Gebiete der individuellen Entwicklung ganz ebenso thun , wie aaf
dem der phyleti.sclien, denn fllr beide i«t dieser Beweis noch sehr
weit von Vollständigkeit entfernt und enthält noch zahlreiche und
grosse Lücken.
Anch die theoretische Fassung der Variation als der Kcaction
Organismus auf äiisserc Einflüsse lässt sich experimentell fllr
jetzt noch nicht als ricliti,:; erweisen. Den feinen T^nterschiodcn
gegenüber, welche ein ludi^ idunm vom andern untcrsclicidcn. sind
unsere Versnche noch allzu plump, und klare Resultate zu erhalten
wird dadurch noch bedeutend erschwert . dass immer ein Theil der
individuellen Abweichungen auf Vererbung beruht und es häufig
nicht nur schwierig, sondern gradezu unmöglich sein wird, die er-
erbten von den crworl)cnen zu sondern. Noch viel weiter sind wir
von einer Zurückflihrung der ^'ariation auf ihre letzten , iticcha-
nischen Momente entfernt, von einer mechanischen Theorie
der Fortpflanz nng, welche zugleich die Pirscheinungen des
Gleichbleibcns A ererbung) und der Veränderung ^Variabilität) dem
mathematischen CalcUl zugänglich machte.
314
Ueber dto tteohsaiaehe Aufikimng d«r Nfttur.
Aber wenn auch ein §^ttgender BeweU fUr die Richtigkeit der
hier ▼artraAenen Auffassung znr Zeit noch nicht geführt werden
kann, so steht dieselbe doch mit keiner bekannten Thatsacbe in
Widersprach , wird aber von vielen Thatsaclien dadaroh gestützt,
dass sie dieselben verständlich macht (Lokalformen , verschiedner
Variationskreis bei heterogenen ArtenU Ihre volle Berechtigung
erhält dieselbe endlidi dadurch, dass sie die einzig mögliche theore-
tische Formuliruuf:; der Variabilität ist, aufweiche eine mechanische
Anffasgunp: der orpmiscli»'!! Entwicklung gegrimdet werden kann.
DasK eine soU-lie .nher uiclif mir erhuiltt . sunderu fnr den Natur-
forscher wenigstens geboten ist, suchte ich oben darzulegen.
n. Meehanismiu und Teleologie.
Im dritten Bande seiner kleinen Schriften bat kUr/.lich Carl
Ernst V. Baer die Sclcctionstheorie einer eingehenden Bespre-
chung unterzogen Ohne ihr die wissenschaftliche Bereelitigung
geradezu abzu-spreebon, macht er dieselbe doch abhängig von der
Krftillung einer Forderung, die er an sie stellen zu müssen glaubt,
der Forderung, dass (liesell»e das Princip der Teleologie
mit dem der mechanischen Auffassung verbinde.
»Die Darwin'sche Hypothese, wie sie von seinen Nachfolgern
gegeben ist, gebt immer mehr darauf aus. in den Vorgängen der
Natur alle Bczielningen zu einem Künftigen, tias werden soll. d. h.
alle Ziele oder Zweckbezieliungen zu leugnen. Da mir solche Be-
ziehungen ganz evident seheinen. . . .« Und weiterhin : »Soll
der Darwin'sehen Hypothese wissenschaftliehe Bereelitigung zu-
erkannt werden, so wird sie sich dieser allgemeinen Zielstrebigkeit
fügen müssen. Kann sie das nicht, so wird man ihr die Geltung
va yersagen haben.«
IHaw Worte aohaiiieii &Bt eioor VenullieUmig der Seleelioiis-
theorie und der meehiiiiielieii NatnraiiffiMsnng gleiehsnkoiuflieD,
denn wie loll ein nnd denelbe Vorgang zugleich dnreb Nethwen-
oy -i^uu Ly Google
lieber die mechaniarhe AuffMiung der Nuiur.
315
digkeiien und doeh auch dnreh sweckthStige Kiifte bewirkt wer-
deo? Das Eine sohlieMt das Andere aas, und man mnia sdne
Wahl treffen and sich dieser oder jener Seite anadilieBeen. So
scheint es.
Niebtsdestoweniger kann man die BaerMe Forderung niebt
oline Weiteres und blos auf ihre seheinbare UnerAlllbarkeit bin in-
rttekweisen, denn sie enthslt eine Wahrheit in sich, die anch von
Dei\|eiugen nicht verkannt werden sollte, wehahe einer meehani-
sehen Naturauffiusnng hnidigeii. Es ist ^eselbe Wahrheit, welche
auch Ton den phikwophisefaen €hgnem dieser AufiiMsung geltend
gemaeht wird, dass nKmlich die Welt als Ganses sich nieht aas
Minden Kotbwendigkeiton entstanden denken iMsst, dass die uaend-
Iksbe Harmonie, welche in allen Erschwungen der organischen wie
der unoigamsohett Hatnr an allen Enden und Ecken sich offmbart,
unmöglich als das Weik des Zuftlls gedaeht woden kann, viehaehr
nur als das Besultat eines »plarnnSssig geriehteten, groasartigen
Entwieklungsprocessesa. Es ist auch vollkommen richtig, wenn
Baer auf den snpponirten Einwurf, dass die mechanische Natur-
anffasBung ja nicht mit Zurällen operire, sondern mit Nothwendig-
keiten, antwortet, dass die Wirkungen einer Reibe von Nothwen-
digkeiten, welche »nicht untereinander verbunden sind« in ihrer
gegenseitigen Beziehung nur Zufälle genannt werden künueu. Er
illnstrirt dies mit dem Beispiel eines aufgesteckten Zieles. Wenn
ich dasselbe mitteist eines gutgczielteu Schusses treffe, so wird
dies Niemand fUr einen Zufall erklären, wenn aber »auf kieslgrai
Wege ein Reiter diesem Ziele vorbeisprengt und ein von den
Hofen des galoppirenden Pferdes aufgeworfenes Steineben grade
in das Ziel trifft , so wird man dieses Treffen einen höchst seltenen
Zufall nennen. FUrdaf; aufgeworfene Steiuchen war meine Ziel-
scheibe nicht Ziel . deshalb war das Trpften ein reiner Zufall , ob-
gleich (las Aufllicgen des Steinchons /rrade in dieser Richtung und
mit der GeKchwindigkeit, die es eiiialten hatte, seinen genügenden
Grund in dem Huftichlagc <les Pferdes ^'eliaht haben uiuss. Ein
Zufall war dieses Treffen aber, weil der liutViehlag des galoppiren-
den Pferdes zwar das f?teinchen mit zwingender Nothweudigkeit
warf, aber gar keine Beziehung zu meiner Zielscheibe hatte. Aus
demselben Grund mllsste man die Welt ftlr einen immensen Zufall
halten, wenn die Kräfte, welche sie bewegen, nicht zweckmässig
310
Ijvbtsx die meehanische AuffKbtung der Natur.
abgemessen wären, um so mehr immens, als hier nicht eine ein-
zelne Wurfbewegung wirkt, sondern eine Menge heterogener Krilfte,
d. h. eine Menge verschiedenartig wirkender Nothwendigkeiten,
die sämmtlicb ohne Ziel wären and doch ein solches Ziel
nicht nur in einem einseinen Momente, sondem
immerfort träfen. Eine wahrhaft Bewonderong fordernde
Reihe von ZafiUlen*)«!
Derselbe Gedanke wird von Hartmann im Sehlnsskapitel
seines angezogenen Werkes aoseioandergelcgt, wenn auch in sehr
▼erschiedner Weise. Er meint : die »Zweekmissigkeit sei eine noth-
wendige and onansbleibliehe Folge der mechanischen Naturgesetse,
die mit an ihrem Wesen gehört«. »Wäre der Heofaanismns der Na-
tnigesetie nicht teleologisch, so wSre er nach kein Mechanismus
geordneter Ctesetse, sondern ein blödsinniges Chaos stier-
köpfig eigensimnger Gewalten. Erst indem die CaasaJitiit der an-
oiganisohen Natnrgeseize den Beinamen der »todten« zn Schanden
macht, nnd sich als der Mnttersohoss des Lebens and der allttberall
hervorspriessenden Zweckmissigkeit erweist, verdient sie den
Namen mechanischer Gesetslichkeit, wie ein von Menschen gefer-
tigtes Gewirr Ton Bttdem and Hasehinentheilen, die sich aof be-
stimmte Weise durcheinander bewegen, erst dann den Namen eines
Mechanismns oder einer Maschine erwirkt, wenn die immanente
Teleologie der Zusammensetzung und der ▼erschiednen Bewe-
gung der TheUe sich kundgibt**)«.
Gegen die ^chtigkeit der diesen Aeusserongen zu Grunde
liegenden Idee iSsst sich mdnes Erachtens kamn Etwas einwen-
den. Zufällig d. h. ohne gemeinschaftlichen Grund
zasammenwirkende Nothwendigkeiten kOnnen das harmonische
Weltganze und so anch den Theil desselben, den wir organische
Natur nennen, uielit erklUrcn, es ist nnabwdslich ein teleologisches
Princip neben dem hlr^ssen Mechanismus anzuerkennen, es fragt
sich nar, in welcher Weise man sioh dieses als wirkend denken
kann, ohne damit zugleich die rein mechanische AaffassuQg der
Natur wieder anfzugebcn.
Dies geschieht aber offenbar, sobald man wie y. Beer und
•)*.». O. S. 175.
*•) a. ». O. S. 156.
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Ueber die meehaniaehe AttÜMsung der Natur.
317
V. Hartman II das metaphysische Piincip in den Gang des Natiir-
mcchanisnius einirreifen Uisst. sohahl man beide als Gleichberech-
tigte n e bc 11 c i n a n d 0 r wirkend sich vorstellt. Hartman n
nimmt ein solches ausdiileklich unter dem Namen eines »innerii
Kiitwicklungspi iucips« an uiidertheilt ihm eine so wesentliche KdHc.
dass man nicht recht einsieht, warum es überhaupt noch causale
Kräfte in Anspruch nimmt und nicht lieber gleich Alles selbst
besorgt. Baer sj)richt sicli weit weniger entschieden aus. betont
sogar an vielen Stellen den rein mechanischen Zusammenhang or-
ganischer Naturerscheinungen, allein dass auch bei ihm die Vor
stellnng des Eingreifens eines metaphysischen l'rineips in den
Verlauf der Naturvorgänge zu Grunde liegt. Ijewcist vor Allem der
l instand, dass er die sprungweise E n t w i c k 1 u n g de r \ r t e n
wenigstens theilweise annimmt. Diese st hliesst die ThUtigkeit
einer inncrn Entwicklungskraft nothwendig mit ein.
Wenn ich nun auch bereits zahlreiche Gründe gCi:en die Existenz
einer solchen Kraft voivebracht habe, und mit der Widerlegung
derselben zugleich auch eine jede Form der Entwicklung aus
awec kthätigen Kräften zu 1 'all gebracht ist, so scheint es mir
doch bei einer so tiefgreifenden Frage nicht überflüssig, auch die
sprungweise Entwicklung, die sog. heterogene Zeugung iiu
Besoudern als undenkbar nachzuweisen und zwar nicht auf Grnnd
der früher schon gegen die phyletische Lebenskraft im Allgemeinen
gerichteten Instanzen, sondern ganz unabhängig von ihnen.
Zoerst mnsB heiror^hoben werden, dan die positiv en
Ornndlagen dieser Hypothese ungemein schwach sind.
Fülle sprungweiser Umwandlung des gesammten Oi^ganismns
mit nachfolgender Vererbung sind Oberhaupt noch gar nieht be-
kannt. Dass die gelegentliehe Umwandlung des AzoloH hOcbst
wahrsoheinBeh anders an^eilust werden moss, wurde dargelegt.
Der andere fttr heterogene Zeugung genommene Fall, die Sprossnng
swOlfetrahliger Medusen im Ifagen einer aehtstrabllgen ist neuer-
dings Ton Frans Eilhard Schulze*) als eine Art too Schmar
roierthum oder Commensualismns naehgewiesen worden. Die
Knospenähren der Cuninen sprossen niebt , wie man Termuthete,
*| Ueber die Cuniiiea-Knottpeuahreu im Magen vun Geryunien. 8eparat-
«bdraek aus den MittheiL des iMturwi*i. Voretnc«. Onm 187&.
318
Uebflt di« niechasiaslu AuffMBUHg Natur.
aus tler Geryuiiia hervor, soiKlern sie entwickeln sich aus einem
Cuiiiiicn Ei ' Wenn man aber die Fälle von Gcneratiouswechsel
iinit llctcroj^'cnie hierher zieht, so kann das doch nicht mit dein
Ansprucli irgend welchen Mowciswertlics ;::esfhehen : es kann da-
mit uur angedeutet werden sollen . wie man sicli etwa eine sprung-
weise Umwandlung vorstellt. Denn dass wir eR in-ini (lencrations-
wechsel , Überhaupt bei jeder cyclischeu Fortpllan/.ungsweise nicht
mit dem Verlassen einen ürgauisationstypus und mit tleni L ebergang
zu einem andern zu thun haben, beweist ja schon die stete Rück-
kehr zu (lern Ausgangstypus, eben das cy c 1 i sc h e der ganzen Um-
waudluugsweise. Duss aber zwei sehr heterogene Typen in eineü
Entwicklungskreis gehören können, ist einer weit besseren und zu-
treticnderen Erklärung fähig, als die ist. welciie ihr von den Anhän-
gern der sprungweisen Entwicklung gegeben werden möchte. Wenn
w ir die cyrlische Fortptianzung aus der Anpassung verscbieduer FLut-
wickluugs-Stadieu oder Eni wicklungs-tJenerationen an abweichende
Lebensbedingungen ableiten, so erklärt sich damit nicht uur die ge-
naue und oft aaffallende Uebereiustimmung von Gestalt und Lebens-
weise, 80 ist damit nicht nnr eine Brllcke geschlagen zwischen Meta-
morphose und Generationswechsel, sondern wir verstehen anoh, wie
innerhalb ein und derselben üydrozoenfamilie Arten mit nnd ohne
OmratioBaweGhse] Torkommen ktfnnen , ja wie daneben andere
Arten stehen kOnnen, bei welchen derGeneratioiiswechsel (die Ei^
sengung freier Mednsen) nnr anfdae eine (}eseh1edht beaehiinkt
sein kann, wir verstehen überhaupt, wieeine eontinnirliehe Reihe von
Formen vom einftehen Qesohlechts-O r g a n des Polypen bie sn dem
selbstBtilndigen , frei nmhersohwimmenden Geaeldeohtsthier der
Hednse hinttthren kann , nnd wie Hand in Hand damit die dn&ohe
Fortpflansnng a 1 1 m & 1 i g snr eycliachen wird. Grade diese Zwi-
sehenstnfen beider Fortpflansnngsarten machen doch die Yorstel-
Inng gani nnhaltbar , als seien die heterogenen Generalionsformen
der cyelischen Fortpflanaang durch sog. »heterogene Zeognng«
entatanden d. h. dureh plötsliche sprungweise Umwandlung. Wenn
Philosophen , denen diese Thatsadien fremd sind oder die sieh mit
Mtthe in sie hineinaibeiten mttssen , den Generationswechsel als eine
Instans für »heterogene Zeugung« anitahren so ist das verzeihlich, von
Naturforschern sollte es aber doch endlich einmal au^egeben werden I
Alle Qbrigen Thatsachen, welche sonst noch Ulr »heterogene
uiyui-n-ü Ly Google
Utb«r die iiiMiMaiMh« Auffurnng der Natur.
319
Zeagang« augefUhrt werden, \amen sich noch weniger für eine
solche verwerthen , denn sie befreöen stets nur Veränderungen ei n-
zeIner Theile eines Organismus, so z. B. die plötzliche Aende-
Tun^ der Frucht oder BlUtbe cultivirter PHanzeu. Der Begriff der
spruuf^'weisen Kiitwickliuif,' verlaufet altereine totale Uniäudeiuug.
er schliesst wie dies v. Hartmann auch logisch völlig richtig
anniuinit — den Begri I t des fixen Speciestypus ein, der
nur als Ganzes umgeprägt werden, nicht aber stückweise ab-
geändert werden kann.
Nun kommt aber noch dazu, daws diese beobachteten sprung-
weise entstandenen Abänderungen einzelner Theile nieisteus
nicht vererbt werden; die Obstsorten pHanzen sich nur durch
Pfropfreiser d b. durch Verewigung des Individuums fort, nicht
durch eigentlicbe Fortptlanzung , durch Samen! Wenn wir nun
aber nirgends pliitzliche Abänderungen von grossem Betrage auf-
treten sehen , welche sich auf die Dauer vererben , wohl aber Uber-
all kleine Variationen bemerken, welche alle vererbt werden kön-
nen, liegt da der Scbluss nicht weit näher, dass sprungweise Ab-
änderung n i c b t das Mittel ist , dessen sieb die Natur zur l mwand-
lang der Arten bedient, das« vielmehr ein Summireu der kleinen
Abweichungen stattfindet und mit der Zeit zu grossen Unterschie-
den tUhrt? Oder ist es logisch, das Letztere desbalb zurückzu-
weisen, weil unsere ßeobachtungszeit zu kurz ist, um lange Sum-
mationsreihen direkt verfolgen zu können , das Erstere aber anzu-
nehmen , obgleich keine einzige Beobachtung dafUr spricht / Ich
denke, solange noch irgend welche Aussicht bleibt, aus der täg-
lich beobachteten Erscheinung der kleinen Abweichangen die
gros 8 e n abzuleiten , so lange haben wir kein Kecht , zu dem gäns-
lidi hTpotlietisehen Erklämngsprinuip spruugweiser Abweichangen
in flflehteo.
Aber die Hypothese der heterogenen Zeugung entbehrt nieht
nnr der thatsichlioben Omndlage , sie lifaut rieh aneh direkt aU
unhaltbar erweisen.
Sie ist unhaltbar deswegen , wial die Thfttlgkeit einer innem
Umwandlnngskiaft die Anpassungen an die Lebensbedingungen nn-
erklllrt I8sst| weil somit Natnnttehtung mit in Anspmeh genommen
werden mnss snr Erklärung der Umwandlungen ,weilaberein
Zusammenwirken Ton phyletiseher Lebenskraft und
320
U«ber die meduiniichtt AuflEucung der Netnr.
Natu rz ü c h t u 11 u ii de u k bur ist, sobald man die Um-
wand I u iij^en in SprUnjj'cn erfolgend sieb vorstellt.
Man illiistrirt stets die supponirte »betero^ene Zeugung« mit
dem rariuli{;m;i des ( ieiieratinuswecliscis , man denkt sieb also die
Kntstebnng einer neuen Tliiertorm in der Weise, wie wir beute l)ei
der eyeliseben Fi^rtpHanzung der Medusen die tri i scliw imniendeu
(Udcken der Quallen von festgewaebsenen Polypenstöckeben ber
vorsprossen neben, oder durcli innere Knospnnjr 'IVematoden
Saugw iirnier von sog Keiniscbliiiicben ; kurz man denkt sieb, das«
eine 'I'bierlorm eine /.weite s t a r k a b w e i e b e n d e 'rbiertorm plötz-
lieb iind selbstverstiindlieli aus rein inneren I rnaehen bervor-
bringe. Nun würde es aber ein unabweisliebes Postulat an diese
'riieni ic sein , dass dureb einen soh ben Proecss sprungweiser Ent
Wicklung niebt etwa ein blosses Sebema des neuen Tbiertyi)us
entstelle, sondern sctgleieb wirklieli 1 e be n s t'ii b ige . in be-
stimmten L e 1) e n s v e r Ii ä 1 1 n i s s e n ausdauernde, auf b e -
hliiiiiiite \ erhältnisse bereebnete Individuen.
Jeder Natuitorscber aber, der sieb eingebend Uber die Bezie-
hung vom Bau /,ur Lebensweise aulV.nklären suebte , weis«, dass
selbst die kleinen l nterschiedc, welebe Art von Artseheideu, stets
eine Menge kleiner Structur- Abweiehuugeu enthalten, welche
sich auf ganz bestimmte Lebensbedingungen be-
ziehen; er weiss, dass Uberhaupt bei jeder Thierart der ge-
sanimte Bau in allen seinen Theilcn aufs Genaaeste den
speoiellen Lebensbedingungeo augepasstist. Esist oieht Ueber-
treibuug , wenn ieh sage , in allen 8^nen Tlieilen, denn nneh die
Bogennmiten »rein morphologischen Theile« konnten nicht an-
ders sein, als sie sind, ohne andere Theile sn indem, welche
eme bestimnite Fonction ansllben. leh will swar nicht behaopten,
dass auch bei sehr nahe verwandten Arten alle Theile des Kör-
pers in gewisser Weise, wenn auch nnr wenig voneinander ab-
weichen mttssten , obgleich es mir nicht nnwahrsch^nlich ist, dass
eine genaue Vergleiehnng sehr h&nfig dieses Resultat Uefem
würde. Dass aber bei Thieren, welche in morphologtscher Be-
riehnng so weit Toneinander abstehen, wie Quallen nnd Polypen,
oder wie Saugwttrmer and ihre Ammen, in jedem ihrer Theile
anders gebaut sind , das kann man mit Bestimmtheit sagen.
Nun wftre zwar diese starice Abweidiong in allen Theilen (Ht
u\gui^Cü Ly Google
Ueber die mechuuMhe Auffassung der Natur.
321
eine planmSssig amgestaltcnde Kraft an und fttr sich kein Hinder-
niss , sie wird es aber dadurch , dass alle Tbeile des Organismus
in ganz bestimmter Beziebang zu den äussern Lc-
bentverbSltnissen stehen mttBsen, toll anders der Or-
ganismos lebensfähig sein; alle Thefle mttssen anf das Ge-
naneste bestimaiten Lebensbedingungen angepasat sein. Wie soll
das nnn durch eine sprungweise umwandelnde Kraft in Stande
kommen können? Hart mann, der trotz seiner sehr anerkoinenS'
wertben nnd weitansgedehnten natnrwissensehaftliehen Kenntnisse
doch nnmOglieh die intensire UeberzeuguDg von der al le Sy stem e
des Organismus durchdringenden Harmonie TonBan
nnd Lebensbedingungen besitzen kann, welebe eben nur
die eigne Anschauung und Untersuchung zu geben im Stande ist,
hilft sidi einfach dadurch, dass er die NatorzOchtong nun als
»auziliäree Princip« der umbildenden Kraft sn Hälfe kommen lässt.
Man sollte nicht denken, dass auch Naturforscher zu derselben
Auskunft greifen könnten , nnd doch wird allgemein von den An-
hängem der phyletischen Kraft und der spmngweisen Entwicklung
die Natunächtong als das Princip herbeigezogen , welches die An-
passnngenzu besorgen hat. Wann soll sie aber in Wirk-
samkeit treten? Wenn durch Keimes-Metamorphose eine neue
Form entstanden ist, so mus|s diese yon ihrem Entste-
hungs-M omente an bereits den neuen Lebensbedin-
gungen angepasst sein, oder aber sie wird zn Grunde
gehenl Es ist ihr keine Zeit gegOnnt, noch eine
Reihe von Generationen hindurch in nnangepasstem
Znstand zu rerharren, bis durch Naturzttchtnng
die Anpassung glOcklich erreicht ist Entweder Ka-
turzächtung, oder phyletische Kraft, Beides zusammen ist
nndenkbarl Wenn es eine phyletiscbe Kraft gibt, dann muss sie
die Anpassungen selbst besorgen.
Man mochte mir hier Tielleicht einwerfen, dass dasselbe Hin-
demiss auch einem solchen Umwandlnngsprocess entgegenstände,
der sich in kleinen Schritten vollzieht, aber dem wäre nur
dann so, wenn die Aendernng plötzlich vor sich ginge. Dies
kommt aber — wie ich oben danculegen suchte — jedcnfullH nur
sehr selten vor; in vielen Fällen (Mimicry) ändern sich die Bedin-
gungen sogar erst durch die eintretende Form-Aende-
W«isB»ak. Stadien. II. 21
322
Ueber die mechaniHche Autius^ung der Natur.
rnng, also nachweislnr gen ao eben so allmttlig als diese.
Ganz ebenso mnss es in allen andern Fällen sein , in welehen es
ttberhaapt snr Umwandlnng der bestehenden Foim nnd nieht blos
znm Aussterben der betreffenden Art kommt : Die Transmuta-
tion mnss stets gleichen Sehritt halten mit der Ab-
änderung der Lebensbedingungen, denn änderten sieb
diese letzteren schneller, so künnte die Art im Kampfe mit den
coucurrirenden Arten nicht bestehen, sie mttsste zu Grunde gehen.
Mit der sprnngweisen Umwandlung der Arten ist
auch die plOtzliehe Abänderung der Lebensbedin-
gungen schon gegeben, denn eine Qualle lebt nicht, wie ein
Polyp, ein Sangwurm nicht, wie seine Amme. Aus diesem Grunde
kann die Natuizttchtung unmöglich ein HUlfsprincip der »hetero-
genen Zengnni?« sein, sondern wenn eine solche sprungweise Um-
wandlung eustirt, so mnss sie die neue Form fix und fertig hin-
stellen, ausgerüstet zum Kampf ums Dasein, und angepasst in
allen ihren Organen und Organsystemen an die speciellsten fiedin-
gnngcn ilircs neuen Lehens !
Wäre aber das niclit »reine ZaiilHMei"? Und dabei ist noch
nicht einmal in Anschlag gebracht, d&B& hier — wie oben Jiei dem
Hrispiel der NachälVung - nueh Ort nnd Zeit stimmen mllssten!
Die Fordeniu^ <I(m prästabilirtenUamiouie träte wieder heran, das
Air speciellc LcbonsbeUingnngen berechnete Thier durfte auch nur
genau in dem Zeitrooment der Enl^cHchicbte auftreten, in welchem
diese Specialbedingnngen alle eiflillt sind u. s. w.
Kein! Wer die unendluli zalilreiclien und feinen Beziehungen
annähernd kennen gelernt hat. welche in jeder Thierart die Ein-
zclhciten des Baues mit der Function in Harmcmie bringen, und
wer sich dii'se Verhältnisse in ihrer zwiugcnden Kraft vor Angen
hält, der kann uuniö!;lich an der Idee einer nprunicweisen Entwick-
luii;; der Thierfornien festhalten. Wenn eine Entwicklung über-
haiiiit stattirefinidcn hat, dann gesebab sie in kleinen und kleinsten
Selnitten und sehr allniälig , so zwar, dass eine jede Abänderung
Zeit hafte, sich mit den Übrigen Tlioilen ins (Ueiebgewiebt zu
sct/t ii, und s(» eine Succession von Abänderungen erst allniälig die
gaii/c l inwandlung des Oesaninit Organismus und zugleich die
vollständige Anpassung an neue Lebensbedingungen zu ^Stande
brachte.
Uebw die mechaniaeli« Auflawnng der Natur. 323
Aber nicht nur die sprnngweise, sondern überhaupt eine jede
Umwandlung ist zn verwerfen , welche auf dem Eingreifen eines
metaphysischen £ntwicklang»princip8 basirt. Wem die bisher vor-
gebrachten Indicien gegen ein solches nicht genügen, der stelle sich
doch einmal die Frage, wie und wo eigentlich ein solehes Princip
eingreifen soll? leb meine eine Wirkung kOnne stets aneli nor
einen zureicbenden Grund haben; genttgt dieser eine, um sie Ihm*
vorzurufen, so bedarf es keines zweiten mehr. Der Zeiger der IJIii-
dreht sich mit Nutliwendigkeit in bestiniinfer Zeit einmal im Kreise
hemm, sobald die Feder, welche den Mechanismas in Bewegung
setzt, aufgezogen ist; bei einer nicht aufgezogenen Uhr könnte
vielleicht eine geschickte mensriilicbe Hand dem Zeiger dieselbe
Bewegung ertheilen, dass aber die Uhr zugleich von der Feder
und von einer Hand d i e s e 1 h c Bewegung erhalten könne , die sie
durch eine dieser beiden Kräfte allein schon erhalten wUrdc, ist
unmöglich, weil der Zeiger seine Bewegung nur einer Ursache
verdanken kann. So scheint mir können auch die Variationsketten,
welche die Transmutationen ausmachen , nielit ziurleieh von pliy-
sischen und von metaphysischen Ursachen bestimmt werden, son-
dern entweder von diesen, oder von jenen.
Von keiner Seite wird es bestritten, dass \venig8tens ein Theil
der Vorgänge «»rganisclien l.oheiis auf dem mechanischen Zusam-
menwirken ithysischer Kräfte herulit. Wie soll es nun denkbar
.sein , das.s in dem (lang dieser cansaien K.rjlfte plötzlieh Pausen
eintreten und eine zweekthätige Kraft daftlr eintritt, um spUtcr wie-
der die physischen Kräl'te ans Ruder zu lassen? Für mich ist dies
eben so undenkbar , wie die Vorstellung, dass der Blitz /war die
elektrische Entladung einer Oe\s itu rwitlke ist, deren Bildung und
elektrische Spannung vtm causaleu Kräften abhängt, deren Zeit
und Ort rein durch solche Kräfte bestimmt wird . dass aber der
Uonnerer Zeus dennoch es in seiner Macht hat, nach seinem Willen
den Blitzstrahl auf das llaui»t des Schuldigen zu lenken!
Wenn ich nun aucii die Mi'tglichkeit o(h'r Denkiiarkeit eines
gleichzeitigen Zusanunenwirkens von teleologischen und cau-
saleu Kräl^ten zur Erreichung einer Wirkung in Abrede stellen und
die alleinige Berechtigung der rein mechanischen Auffassung der
Naturvorgäntre festhalten muss. so glaube ich doch nicht, dass wir
deshalb darauf zu verzichten brauchen , die Existenz einer zweck-
21*
324 Ueber die mechaniiiclie Auftmittng der Natur.
thätigen Kraft uuziierkeunen, nnr niUsscn wir sie nicht in
den Mechauismns der Welt direkt mit eingreifend
uns vorstellen. Rondern vielitM'lir hinter demselben
als die letzte Ursache dieses Mechanisinus.
Baer weist uns selbst daraufbin, wenn er aacb die vollen
Conscqnenzen aus seinen Argnmcntini nicht ziebt.
Mit vollem Hechte betont Dcrscllie in seinem an schönen und
grossen (Jcduiikcn Ul)erjins reichen liiuhc {^anz besonders, dass
der Begriff der Nn th wendigkeit ^t'ausalitUt und der
des Zweckes sich keineswegs auszuschliessen brau-
chen . vielmehr in gewisser Weise ganz wohl mit einander verhun-
den sein können. So erreicht der L'hrmacher seinen Zweck . die
Uhr, dadurch, dass er die S|)annkraft einer Feder mit einem Käder-
werk in Verbindung setzt, also durch Benutzuug physikalischer
Nofliwendijikeiten : der Hauer verfolgt seinen Zweck. <'ine Korn-
jinidtr zu eriialten, dadurch, dass er Samen inAckerlaml ausstreut,
der Same aber niu.ss mit ai>soluter Nuthwcudi^keit keimeu , wenn
er dem Eintlusse der Wärme, des Hodens, der l'enclitigkeit ausge-
setzt wird u. s. w. So unzweifelhaft sich in diesen Ht is|)ielen eine
Kette von Notliweiuligkeilni mit einer teieidogiseben Kralt, dem
\\ illen i ine> Mnisi licii verbindet . so ^ndit doch grade aus diesen
Beispiileu bersur. dass illjcrall da. wo wir ein Ziel oder
einen E r f o 1 g <l u r eh N o t h w e n d i g k e i t e n erreicht s c h e n ,
die / \v e (■ k se t zende Kraft nicht in den einmal begonnenen
Ablaut der Nutiiwen<li;.;keifskef(cii cingreilt, dass sie \ielmrlir nur
vor dem ersten Anfang die-cr Notbwendigkeiten fbätig ist. indem
.sie dieselbe eondiinirt und in Hewegung setzt. Von dem .\ugen-
blick an, in welehem der Meclianismus der I hr in Harmonie zu-
sammengestellt uml die Feder aufgezogen worden ist, geht die Uhr
ohne weitere Bctheiligung des I hrmachers, wie das Saatkorn, ein-
mal in die Ertle gelegt , sich ohne Zuthuu des zwecksetzenden
Bauern zur Ptlanze entwickelt.
Wenden wir dies aul die Entwicklung der organischen Welt
au, so werden die Verlheidigcr einer mechaniscben Entwicklung
der organiscben Natur durchaus nicht gezwungen sein, eine teleolo-
gische Kmft xa lUuguen, sie werden dieselbe nur dabin verlegen
rnttssen, wo sie allein wirksam sein kann : au den A u f a u g der
Dinge.
uiyui-n-ü Ly Google
Ueber die mechaoUche AuffHMing der Natur.
325
Auf dem Gebiete der anorganischen Natur zweifelt Nie-
mand mehr an dem rein mechanischen Zusammenhang der Erschei-
nungen, liegen nnd »Sonnenschein treten fllr un» uicitt nach gött-
licher Laane ein, sondern nach göttlichen Naturgesetzen. In dem
Masse als die Erkenntniss der Natorvorgängc voranschritt, musstc
der Pnnkt zurückgeschoben werden, an welchem die göttliche All-
macht Kweekaetiend in die Natarprooesse eiqgreift oder wie der
onbekeante VerÜMiser der Kritik der Fbilosophie des Unbewnssten *)
«eh anedrttdLt, aller Fortschritt in der Erkenntniss der Natanror-
gänge beruht >aof der fortschreitenden Eliminatioii des Wunder-
begriffs«. Jetsst glauben wir aueb die organische Natur als
Mechanismus erkannt su haben. Aber folgt nun daraus die gänz-
liche Läugnnng einer letzten Welt-Ursache? Gewiss nicht, Tielmehr
wird grade die in den Erscheinungen der lebenden Natur noch
viel deutlicher hervortretende »Zielstrebigkeit« (v. Baer) noch
eneigischer zu der Uebeneugang drängen, dass das harmonische
Zusammenwirken der physischen Krftfte, ihre Verbindung zu dem
grossen Welt-Mechanismus eine gemeinsame Wurzel/anthropomorph
ausgedruckt: einen Weltmechaniker voraussetzt, der die
Krftfte der Materie so gegeneinander abwog, dass eine remitnftige
Welt dabei herauskommen musste. Es wäre eine grosse Selbst-
täuschung, wollte Jemand gbuben, die Welt begriffen zu haben,
wenn es ihm gelang, die Naturerscheinungen auf einen Mechanis-
mus zurttckznftihren. Er vergftsse dabei , dass dieser selbst doch
auch wieder seinen Omnd haben muss undzwareinen teleologischen,
zwecksetzenden Qrund.
Man sage nicht, es sei gleichgültig, diesen lettten Grund anzu-
nehmen, oder nicht, da wir ihn doch nicht erkennen konnten.
Freilich liegt er jenseits unseres Erkenntnissvermtlgens in dem
dunkeln Gebiete der Metaphysik, er lässt sich nur als vorhanden
erschliessen, alle Versuche aber, ihm näher zu kommen, haben
stets'nnr zu einem Bilde oder zn einer Formel geftthrt
Dennoch liegt ein Fortschritt der Erkenntniss in der Annahme
einer teleologischen Weltnrsache. Er läset sich wohl vergleichen
mit denjenigen, welchen gewisse Ergebnisse der neueren Sinnes-
*) Das Unbewunte Tom Standpunkte der Physiologie und Dewcndens»
theori«. BerUa 1872. S. 16.
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326
Ueber die mechanische Auffa«suD|{ der Natur.
Physiologie mit sich gefllhrt haben. Wir wissen heute, dass die
Bilder, welche uns unsere Sinne von der Anssenwelt liefern, nicht
»wirkliche Abbilder von irgend einem Onde der Aehnlichkeit«
sind*}, sondern nnr Zeichen für gewisse QaaUtiUen der Anssen-
weit, welche als solche in dieser nicht existiren, vielmehr ledigticb
unserem Bewnsstseio angeboren. Wir wissen also sicher, dass die
Welt nicht so ist, wie wir sie wahrnehmen, dass wir das »Ding an
sich« nicht eikennen kOnnen, dass das Beale stets fOr uns trans-
acendent bleiben wird. Wer wollte aber bestreiten, daas in dieser
Erkenntniss ein bedeutender Fortschritt enthalten ist, trotzdem die-
selbe anm grossen Theil negativer Natur ist? Wie wir aber hinter
der Encheinungswelt unserer Sinne eine wirkliche Welt annehmen
müssen , von deren wahrem Wesen wir nur nnvoUkommene (nSm-
lioh nur in Beang auf Zeit and Baum derJEtealit&t ent^rechende)
Kenntniss erhalten, so mttssen wir hinter den iweckmissig oder
»zielstrebig« xusammenwirkenden Krilften der Natur eine ihrem
Wesen nach nicht weiter erkennbare Ursache erschtiessen, von der
wir eben nur das Eine mit Bestimmtheit aussagen kOnnen, dass sie
eine teleologische sein mnss. Wie die erste Erkenntniss uns erst
den wahren Werth unserer Sinneseindrttcke erkennen lässt, so lässt
die zweite uns erst die wahre Bedeutung des Welt^Meehanismus
ahnen.
In beiden Fällen erfahren wir freilich nicht viel mehr, als dass
hier noili Etwas vorhanden ist, was wir nicht erkennen, aber in
beiden Fällen ist diese negative Erkenntniss von grösstem Werthe.
Djik Hcwusstsoin, dass hinter dem fllr uns allein begreiflichen Me-
chanismus der Welt noch eine unbegreifUche, teleologische Welt-
Ursache liegt, bedingt eine ganz andere, der materialistischen
gradezu entgegengesetxte Weltanschauung. Sehr richtig und
schQn sagt Baer: »Einen Zweck können wir uns nicht andors den-
ken, als Yoa einem Wollen und Bewnsstsein ausgehend. In einem
solchen wird denn auch wohl das Zielstrebige seine tiefste Wuntel
haben , wenn es uns uis eben so vernünftig wie nothwendig er-
scheint, a Denken wir uns eine diese Welt wollende, göttliche
Allmacht als letzten Grund der Materie und der ihr anhaftenden
*] Ver^^li iLlu llelmholts, Fopulire wuMemciiafÜ. Vorträge. Heft 3.
Bnuinschweig 1872.
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Ueber die mechanische Auffassung der Natur.
327
NatiuigwetBe, so TeTsObnen wir d«nit die scheinlmr nnTereinbareii
Gegensitae des Meobanisintis und der Teleologie. Wie Hartmann
an einer Stelle Tonder •immanenten Teleologie« einer Maschine
redet, so konnte man von der immanenten Teleologie der Welt
reden, weil die einzelnen Kräfte der Materie grade so gegeneinan*
der abgMnessen sind, dass sie die gewollte Welt hervorbringen
mttssen, wie die Bader nnd Hebel einer Maschine das beabsichtigte
Fabrikat.
Wenn aber gefragt wird, wie denn das Geistige, das Em-
pfindende, WoUeude und Denkende in nns selbst nnd in
der Übrigen Tbierwelt in den mechanischen Process der organischen
Entwicklnn^' hineinpasse, ob denn anch die Kutwicklnng der Seele
als rein nieclianischen Ge8et/cn folgend gedacht werden könne,
so antworte ich unbedenklich mit den reinen Materialisten bejahend,
wenn ich auch nicht mit ihnen harmonire in der Art wie sie diese
GtTBcheinnngen aus der Materie herleiten. Denn Denken und Auk-
dehnung sind heterogene Dinge und da^ Eine kann nicht al8 Pro-
dukt des Aiideni betrachtet werden. Aber wanim sollte der alte
Gedanke der »beseelten Materie« nicht wieder anfgenommen wer-
den , wie dies wohl zuerst wieder yon dem ungenannten Kritiker
der i< Philosophie des Unbewussten« geschehen ist, und wie kürz-
lich auch Fr. Viseber sich, wenn auch nur gelegentlich und
«flüchtig, in dicHcm Sinne an^igesprocheu hat*)? and sollte damit
nicht eine brauchbare Formel zur Erklärung sonst gttnzUch unver-
mittelter Erscheinungen gefunden sein ?
Der ungenannte Kritiker bezeichnet die Annahme einer Em-
pfindung der Atome als eine »fast unvenneidliche Hv-pothese«
(S. 62) ; »unvermeidlich dcphalb, weil, wenn die Empfindung nicht
eine allgemeine Ureigenschaft der constituirenden Elemente
der Materie wäre , sclilcchterdings nicht einzusehen wäre , wie
durch formelle Poteii/.iruiiJ^ und Integration derselben das uns be-
kannte Empfindiin^slcben der Oriraiiismen sollte entstellen kön-
nen«. — »Es ist unmöglich, dass aus rein äusäerlicheu Elementen,
*) Studien über den Traum. Beilage zur Augaburger Allgeiti. Zciluiig vom
14. April 1676.
Auch H ae k i l schlies8t sich in scinir ncueKten, oben angefflhrten Schrift
,,die I'erigenesi« der PlMtidule*' Berlin 1876, dieser Aufhasung an. Siehe:
S. 38 u. folgende.
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328
Ueber di« meehuiMhe Auffamung d«r Natur.
die jeder luoerlicbkeit entbchrco, plötzliel» bei einer jrewisson Art
der ZasammeDselasnDg eine iDoerlicbkeit bervorbrecheu sollte, die
sich immer reicher und reicher entfaltet ; so ge^Nnss viel in ehr die
Natunvissonschaflt Überzeugt ist, diiss in der Sphäre der Acnsser-
licbl^eit (Iii- hr»beren (organischen) Erscheinungen duch nurCumbi-
nationsrej*ultate oder Öumnmtionsplmnumcnc der elenientiireu Atoni-
krUftc sind, ebenso gewiss kann sie, wenn sie sich einmal enistlich
mit dieser andi rn Frajic bcsc häffijjt, sich der l'oljer/ciigiin;^ iiicht
verschliosscn , dass auch die Enipfiiidiuiucii höherer liewnsstscins-
stufen nur CimiltiiiMtiunsresultate oder Suniiiiationsphiinnnienc der
Elenieutarcniphiidun^en der Atome sein können. >Ycnn:rk'ich let/.tere
als soh'he inniier unterhall» der Schwelle der hülieren < ! i uppenlie-
wusstscine blcilicn. In dem Verkoniicn ilicser l)(»])pelsüiti^'keit der
ubjectiven Erscheinniif; "licfit der (iruntliclder alles Materialis-
mus und alles sniyectiven Idealismus. So unniüj;lieh der Versuch
des letzteren ist. die iiusseriMi Ki sclicinnntren des räuiiilichcn Da-
seins aus Functionen der Innerlichkeit und deren ('ondiinationeu zu
eonstruiren, eliensi» unmi\:;lieli ist das Bestrehen des ersteren, aus
irjicnd welchen Condiinatinnen iiusserliclier. räumlicher Krallfuuc-
tiuuen eine innerliche Emptindun^ aurzuliuucn
Es licfit nnr fern, auf diese Frajjcen näher eiir/.ii^iclicn, i«'h habe
sie nur l)er(diren w<dlcii, um anzudeuten, dass'niir auch \on dieser
Seite her kein llinderniss fUr eine )cin meeliaiusclie AntVassunj? des,
Weltprocesses v«u"/uliej;en scheint. Mö^e man liherliaiipt dem Na-
turtorsclier verzeihen, wenn er auf philosdphisclies ( iebict hiniibcr-
zustreif» n versuchte. Es j^eschah aus dem Wunsche, ein Kleines
beitragen können zu der \ t rstiindigung; zwischen den neuen
Erkenntnisse II der Naturforschung unil den Ergebnissen der Spe-
eulation yn (K r i'li rci( liiing des vcm beiden Seiten angestrebten
Zieles : einer nnt dem Erkenntnissstande unserer Zeit stimmenden,
in »ich harmonischen und befriedigenden W eltanschauung.
Ich glaube gezeigt zu haben, dass die Sclectionstheorie
keineswegs — wie stets angenommen wird — zum Läugneu einer
teleologischen Wclturgachc und zum Materialismus fuhren mnss,
und hoffe damit dem Dnrcbdringcn dieser in ihrer Tragweite kaum
sa ttbenchftfsenden Lehre den Weg geebnet zu haben. Denn Viele
\mi nicht die Sehleehtesten gelangten nichtjsn einer unbefangenen
Prüfung der Thatsachen, wdt sie die ihnen nnrenneidlich schei-
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VtAm die mechMUsch« AuffaMung der Nutur.
329
uende Conseqnenz materialiätiscber Weltanschanung von vorn-
herein zarttckschreckte. Mcchanismns und Telcologie schlicssen
einander nicht aas, sie bedingen sich vielmehr gegenseitig, ohne
Teleologie wire kein Mechanismns, sondern nnr ein wirres Darch-
einander roher Kiftfte, and oline MedianismoB keine Teleologie,
denn wie sollte dieselbe ihre Zweeke ansOlluenf *)
Sehr richtig sagt t. Hartmann: »Der denkbar voUkmn-
mensle Meebantsmos wSre sugleidi die denkbar ToUkoninienste
Teleoloi^e. « Als einen solchen denkbar vollkommensten Mechar-
nismos mOge man sieh denn die Welt der Erscheinnngen vorstellen.
Bei ebner solchen Aoffassong werden die Bellirehtangen seh winden,
es mochte dnxeh die neuen Ansehannngen den Mensehen das Beste
abhanden kommen, was sie besitzen: Sittlichkeit nnd ftcht
humane Geistesenltnr. Wer mit Baer die Natniigesetse als
die »permanenten Willensänsserongen eines schaffenden Princips«
ansieht, ftlr den ist es klar, dass ein weiterer Fortschritt in der
Erkenntniss dieser Gesetze den Menschen nicht von der Bahn fort-
schreitender Yervollkommnnng ablenken, sondern ihn fördern muss,
dass die Erkenntniss der Wahrheit unmdgUch einen Rttckschritt
bedeuten kOnne, möge dieselbe nun lauten wie sie wolle. Man
stelle sich kllhn auf den Boden der neuen Erkenntniss und ziehe
die richtigen Ck>n8eqaenzen ans ihr nnd wir werden weder SitUieh-
keit, noch das beruhigende Gefühl einem harmonischen Weltganzen
als nothwendiges, entwicklungsfähiges und einem
Ziele zustrebendes Glied eingefügt zu* sein aufgeben
mflssen.
Eine andere Art aber des Eingreifens göttlicher Allmacht In
die Vorgilnge des Weltprocesses als durch Setzung der letzten die-
selben hervorrufenden Krftfte ist zum mindesten für den Naturfor-
scher unannehmbar. Wohl sind wir noch weit entfernt, den Mecha-
nismus, der die organische Welt hervonnft auch nur einigermassen
vollständig zu verstehen, wir befinden uns noch in dra ersten An-
fängen der Erkenntniss. Dass aber die organische Welt so gut als
die anorganische auf meehanischen Kräften allein beruht, zu dieser
IJeberzeugung können wir jetzt schon gelangen, denn zu ihr fuhren
nicht nur die Besultale spedeller, auf abgegrenzten Gebieten ange-
*i Vergleiche Hartmaon «. a. O. S. 158.
330 Ueber die mechanische Auffassung der Natur.
stellter Fonohongon, Bondeiu eben so sehr allgemeuie ErwSgmigeii.
Hag man aber aneh die zwingende Kraft dieser Argamente nicht
anorkennen, mag man rieh daran feetUammem, dass der Indno-
tionabeweia gegen das Vorhandensein einer »phyletischen Lebens-
kraft« nnr an gana vereinielten Punkten geftthrt ist, oder daran,
dass er ttberfaanpt nie yoUstXndig d. h. an allen Punkten wird ge-
ftlhrt werden kOnnen» immer wird man zugeben mttssen, dass
fttr den Naturforseher die mechanische Anffassnng
der Natur die einsig mögliche ist, dass er gar nicht be-
rechtigt ist, dieselbe anfzngeben, ehe ihm nicht das Eingreifen
teleologischer Krilfte in denVerlaufdes organischen Entwick-
Inngsproceeses nachgewiesen wird. Und so wird es in jedem Falle
nicht gleiehgflltig sein können, ob eine von Vielen nothwen-
dig anzunehmende Naturauffassnng vereinbar mit
der Vorstellnng eines Weltzweckcs und eines letzten
zwecksetzenden Princips der Welt ist, denn der Werth,
den wir dem eignen Leben und Streben beilegen können, hSngt
lediglich hiervon ab. So mag denn das End- und Hanptresultat
dieser Schrift in dem versachten Nachweise gefunden werden, dass
die mechanische Naturauffassung sich mit einer teleologischen
W e 1 tanffassung nicht nnr verbinden lasse, sondern mit ihr reit-
bunden werden mttsse.
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Erklärung der Abbildungen.
Tutel I.
Figg. 1 — 12 stellen sämmüich die Raupe voo Macroglossa Stel-
la tarn m i.TanbeD8ehwaiis) dar, alle aiiadeDEioni eines Weibchens
gezogen. Die nieisttn Figiireu sind vergrössert, wenn aucli oft nur -anz
unbedeutend; in diesem Fall gibt die beigefflgte Linie die natflrliche
Grösse an.
Fig. 1. Stadinm I; ein Kflnpehen unmittelbar naeh dem Ans-
schlflpfen: natürliche Grösse 0,2 Centim.
Fig. 2. Stadinm II; luirs nach der ersten HAntung ; aatttrUche
GiOdSc 0,1 Centim.
Figg. 3—12. Stadium Y; die hanptsäclillcbsten Farben -Varia-
tionen.
Fig. 3. Das einzige lilageftrbte Exemplar der ganaen Zneht; natflr-
liche Grösse 3,S Centim.
Fig. 4. Hellgrüne Form (seltner) mit nach unten verwaschener
SobdofMle.
Fig. 5. Ol ilno Form 'seltner) mit sehr stark und dunkel markirter
Zeichnung Dorsuie und S\ibdorsale ; natürliche Grösse 1.9 Centim.
Fig. 6. Dunkelbraune Funu ^häutigj; natürliche Grü^ou i Centim.;
bei dieier Figur ist die feine Ghagrininuig der Hant dnreb die wefose
Punktining angedeutet, bei den Übrigen ist sie ganz oder flieilweiae weg-
gelassen, nur bei S und Ii) noch ebenfalls angegeben.
Fig. 7. Hellgrüne Form (liftufig); natürliche Grösse 1 Centim.
Hg. 8. Hellbraune Form (hlofig); natilriiehe GrOeae 3,5 Centim.
Fig. 9. Scheckigcö Exemplar, diw einmge der ganam Zneht; na-
tttrliclie Grosse 5,5 Centim.
Fig. 10. Graubraune Form (selten).
Fig. 11. Eine der Vebergangsformen awisehen dnnkelbraoo und
grün, KUckcn-Ansiclit.
Fig. 12. Hellgrüne Form mit sehr schwaehem Dorsalstreif (er ist
iu der Abbildung zu btark angegeben) . Rücken-Ansicht.
Figg. 13—15. Deilephila Vespertilio.
Fig. 13. Stadium lU. (T) Die flobdotaale trigt gelbe Fleekeii:
natflrliebe QrOaae 1,5 Centim.
332
Erklftrung der Abbildungen.
Fig. U. StAdiom IV. DieSabdor^e ist durfa vollständige Ring-
fleckp untrrbn»(lieu , deren weisser Spiegelfleck von Hcliwarzem Hof ein-
^«■fa-sHt wird und in seinem Centrum einen röthiichen Kern trigi; natOr-
liehe (jlrösse :t Ciiuim.
Fig. 15. Stadium \' ; kurz nach der vierten Iluutuug. Subdor^ale
vollatlndig gesdiwnnden , Ringfleoke etwas nnregelmSssig nod mit brei-
terem Hofe; n&tarliche GrOsse CcDtim.
Flg. 16. Sphinx ronvoivuli, Stadium V, braune Form. Sub-
dorsale auf Segment 3 erhalten, sonst nur hier und da in kleinen
Bruchättlckon ; an der Kreuzuugüatelle der (idealen; bubdursalu mit den
Sohilgatrichen stehen grosse, lielle Flecke ; natttrüciie Grdsse 7,8 Gentim.
Tafel IL
Figg. 17 — 22. fimwicklang der Zeiclinang bei CItaeroeampa
li^ 1 p c II 0 r.
Fig. 17. Stadium I. Rtnpclien einige Tage nach dem Aneschlflp-
fen aus dem Ei ; nafürlielu' (Jrösse 7,5 Millim.
Flg. 18. Stadium Ii. Räupclien nach der ersten Uäntang. GrOsse
9 MUUm.
Fig. 19. Stadium II; unmittelbar vor der sweitea Hintnng
(hierzu Fig. . GriUm 13 Millim.
Fig. 20« Stadium III; nach der «weiten Hftutnng. GrOsse
2U Millim.
Fjg. 21. Stadium IV; nach der dritten Häutung (hierzu Fig. 3^
und 33). GrOsse 4 Gentim.
Fig. 22. Stadium V; nach der vierten Häutung. Aui>8er anf
Segment vier und fiinf ist nur ein» rliwaclie .\ndentnng ven .\iisr<'n-
flecken auf dem dritten ScLrni*'t)(, kv'wu- nwt ScLLUient r» — lu zu « rkt'iinen.
Fig. 23. Stadium \1; nach der tuutten Häutung. Die Subdorbal-
Knie ist in sehwaeher Andeutung auf den S^nucnten 6 — 10 su erkennen,
auf 11, sowie auf 1 — 3 sehr deutlich. Wiederhohin^'en der Augenflecke
alf< sehwarzo unregelmässiijf Fh'cke über und unter der Subdonsalllnie
auf Segment t» — 11 ; auf Segment Ti- hi je ein kleiner Ijeller Punkt
(ROckenpunkt) nahe dem Hinterrand und bOlier als die Subdonallinie.
Raupe an^ewaduen.
Figg. 24—28 geben die Entwicklung der Zeichnung von Ghaero-
eampa Poreelln».
Fig. 24. Stadium I; uumittelbar uaeh dem Aubsehlupfeu ans
dem Ei. GrOsse 3,5 Millim.
Fig. 25. Stadium II: nadi der ersten Hilntung. Grösse 10 Mill.
Fig. 26. Stadium III; nach der aweiten Häutung. GrOsse 2,6
Centim.
Flg. 27. Die Aagenfleeken auf demselben Stadium, Snbdofsalli^
besonders auf Segment I bedeutend abgebliehen ; m derselben Stelhing
geMiclinet wie in der vorhergebenden Figur; LupenvergrOssening.
Erklirung der Abbildungen.
333
Fig. 28. Stadium IV; uuch der dritten iläutimg: entapridit genan
dem Stadium \ I. vou ('Ii. ILIpeuor. Dorsalansiclit mit halb eingezogenen
vurdern Seguieuteu ^äclirucküteliuug dar iUupe l^i . Augenflecke auf Seg-
ment 5 welliger 'entwickelt, als bei Elpenor. Wiederholungen der Aogen-
flecke nls diffuse .-schwarze Flecke auf alten folgenden Segmenten bis 1 1 ;
genau wie bei KIjm iuh- 8t«'ben iiuf tk-ii SejrmentfU 5 bis I I je zwei lielle
Punkte; öubduräulliuiu nur uuch auf Segment 1—3 aichtbur. Urösiue
4,3 Centim.
Fig. 29. CliHerocampa Syriaca, nach einem aufgeblasenen
Exemplar aus der Ledt rer sehen Sammlung» jetzt im lieeitz dea Herrn
Dr. Staudiiiger. Grüsäe 5,3 Centim.
Fig. 30. Die errta Anlage der Angenfleeke bei Chaeroeampa Elpenor
Stadiuin II. tut sprechend der Fig. I!» auch in der Stelluug, ho das» linka
das Ki>|ifV)i<l)> der Katipe zu denken istj. Die Subdorsallinie maeht eine
leichte Krüuimuug auf Segment 1 und 5.
Fig. 31. Augenflecke auf Stadium III. der Kaupe von
Fig. 20. aber etwas weiter entwickelt (Raupe unmittelbar vor der dritten
Häutung). StelhuiiT wie iu Fig 20.
Flg. 32 und 33. A^^<•nllecke auf Stadiuui IV. der Kaupe. cnt.spre-
chend der Fig. 2 1 uud zwar ist A der Augenfleck des vierten Segmentes,
ß der des fltaiften.
Fig. 33. Augenflcek auf Stadium V. der Raupe ▼<»
Ch. Klpenur; vom \icrfiii .Sctmiciit.
Die Figg. 30—33 ^iud aus freier liaud bei Lnpeuvergrdsseruug
gezekhnet.
Fig. 34. Darapsa Choerilus Gram, ans Nordamerika, ans-
gewaelisene Ilacipe mit eiogesogenen vordem S^;menten, Copie nach
Abbot & Soiith.
Fig. 85. Ghaerooampa Tersa ans Nordamerika, ausgewach-
sene Kaupe, Copie nach Abbot & Smith.
Fig. 36. I)a.s s< (h te Segnieid ilcr erwachsenen Haupe von Papi-
lio -Arten und zwar A: V. llospiton aus Corsica, B: P. Alexanor
aus Sfldfrankreioh, C: P. Machaon aus Deutschland, 2>: P. Zolicaon
aus Califomien.
TaM III.
Figg. 37—44. Entwicklung der Zeichnung bei Deilephila
Eupliurbiae.
Fig. 37. Stadium I. Junges Käupchen kurz nach dem Aus-
scblflpfen. Natürliche Orilese 5 ITillim.
Fig. 38. Kiu ebeu-'cdches unmittelbar nach dem Ausschlapfen, stir-
ker vergrössert. Natürliclie (irosse A Millira.
Fig. 39. Stadium 11. Kaupe unmittelbar nach der ersten Häu-
tung; die Fleekenreihe i»t deutlich durch einen Uchtstreif verbunden
(Rest des Subdoraalstreifens) . Natürliche (iHisse 17 Millim.
Ftg. 40. Stadium III; nach der zweiten Hilutung: die fünf letz-
ten Segmeute vergrüssert gezeichnet. Nur eiue Keihe grüdserer weisser
334
Evkliruiif d«r AbWldmigen.
Flecken auf schwarzem Griiiulc 1! i n ^' f 1 e c k e ; : Sululorsalstn if völlig
, vcrschwuTulen ; die vorher uoch lY hleudeii Uhagriu- Fleckchen jetzt auf-
getreten und zwar in vcrticaleii Kciiicu , nur durch deu Ringfleck uuter-
brocheii. Unterhalb dewelbeo «iuige aohon grOsiier« Gbagrin-
Fleckchen . ans denen spnter der zweKe Riligfleek wird. NaMrliobe
Grösse der ganzen Hanpc 21 Milliui.
Fig. 41. ätadiuui Dieselbe Kaupe nach der dritten Hän-
tnng. Veränderung der Firbnng d«s Grundes ans Grtln in Schwarz
und zwar dadurch entstanden, dass die in Fig. 40 vom Hingfleck ansge-
luMuh'ii >( liwar/cn ZiplVl :m Mreite bedeutend /ngenoinmen haben, so da^■s
zwi.scheu ihnen nur noch ein schmales grilnes Dreieck übrig bleibt. Die
Chagrinfleclcchen unterhalb des liingfleckens sind grösser geworden, aber
Doeh nieht snsammen versehmolsen.
Fig. 42. Stadinm III. Raupe gk-iehalfrig mit Fig. 40 , aber be-
reits mit zwei Reihen voD Kingfleclien. Natflrliehe Grösse der ganten
jÜUiupe 32 MiUim.
Fig. 43. Stadium V. liaupe vom Kaisersiluhl. Variation mit uur
einer Reihe von Ringfleeicen nnd mit rothen Kemflecken auf den Spiegel-
fleeken. NatOrliehe Grösse 5 Centlm.
Fig. 44» Stadium V. Raupe v«)m Kaiderstnhl (wie auch die drei
vorhergehenden). Die Dreiecke am Hinterrand der Segmente v(ui
Fig. 42 haben sieh in Ruth umgewandelt. JSatUrliche tirusse T.Ti Centim.
Fig. 45. DcilepbilaGalii Stftdinuk IV. Snbdorsale mit offneu
Ringflecken. Natüiliclie Lirüsse 3,4 Centim.
Flg. 46. Deilcphila Oalii. Ansjr< \v:i(lisene Raupe Stad. V.).
Braune Variation mit schwacher Entwicklung der Chagrinirung; Sabdor-
aale volhtundig geschwuuden. Natttriiche Grösse 6 Centim.
Fig. 47. Dieselbe Art in demselben Stadium ; schwane Variation
mit starker Eatwicklang der Chagrinfleekebra ; Aehnliehkeit mit Deil.
fiaphorbiae.
Fig. 48. Dieselbe Art in demselben Stadium; gelbe Variation ohne
jede Spur von t'hagrinfleckchen.
Fig. 49. Deilcphila Vespertilio. Drei Lebensstadien der
Art, welche ingleich drei phyletisehe Stadien der Gattung raprlsen-
tiren. .4 Lebensstadiura III. =der phyletischen Stufe 3 [Snbdorsale mit
offnen Ringflecken); B Lebensstadium IV. = der phyletischen Stufe 1
^Subduriiale mit geschlossenen Kiugflcckeuj ; C Lebcussiadium V. = der
piiylctischen Stnfe 5 (Snbdorsale Tcrschwunden ; nnr eine Reihe von
Ringflecken] .
Fig. 50. Deilephila Z y,i,'(.i)hylli aus StUl-Russland Stad. V.
Nach einem aufj^ebiascnen Exemplar der Staudiuger scheu Sammlung;.
Bei diesem Individuum sind die Ringflecke wegen des sehr dunkeln Gruu-
des nnr sehwer m bemerken , dennoch aber andentnngsweise vorhanden
und im Lebi n wahr^clieinlich deutlicher gewesen. A Offener Ringflcek
von einem andern Exemplar derselben .\rt. ebendaher.
Fig. 51. Deilephila N icaca aus Südfrankreich, Stadium V.
Copie nach Duponchel.
uigui^co üy Google
BrkllniBf der AlkbUdungeii.
335
Tafel IV.
Fig. 52. Sphinx ( ' o n v o 1 v ii I i . Stadium V Sc{?nicnt 1 0 — S ;
braiuie Variation mit sehr üeutlicitcii weissen Puiiktiu an der Kreuziings-
stelle der gemhwandeBai Snbdoraale mit den ebenfalb geiehwandenen
hellen Scliri'ij,'.strichen.
Fig. 53. Anct>ryx Pinusti i. n nnd Ij Käupehen nmnittelbar
nacli Ut'iu AittiäcliUlpl'eu. Natürliche (jiröuäe Ü Millim.
Fig. 54. Dieselbe Art, Stadinm IL SabdorMle, S«pni-nnd fnfira-
Btigmale entwickelt. Natürliche CJröiMe i^^ Millim.
Flg. 55. S lue rl n t h u s Popiili, Stadium I. nnmittelbur nach dem
AussehlUpleu, noch ohuo jede Zetchniing. ^iatUrliche Grosse ü Millim.
Fig. 56. Dieselbe Art am Ende des ersten Stadiums; Settenan-
ucht. N.-itUrliche Grösse I.UCentim.
Fig. 57. Dieselbe Art Stadiuni II. Snbdorsalf uiuleullieh . der
erste und letzte der Schrägstriche stärker aU die Übrigen. ^iatUrlichc'
GrOsse 1,4 Centim.
Flg. 58. Deilephila Hippophaes, Stadium in. DieSnb-
dorsaie mit offnem Kingileck nit Se^'ment tl. A Segneilt 11 etwas
stfirlEer vergrüs.^ert. Natürliche Cliösae A Centim.
Fig. 59. Dieselbe Art, Stadium \'. Sekundäre Kingflecke
anfseohs Segmentea (von 10^5).
Fig. 60. Dieselbe Art. Stailiuin N' ; trügt jo ein oder zwei
rotli2:ef:irbt<' Chagrinfleck<-hen .luf den Segmenten It) — 4 an Stelle der
Kingtiecke von Fig. äli. Natürliche Urösse ü,5 Centim.
Flg. 61. Dieselbe Art, Stadium Y. DieS^menteO — eeiaes
andern Individuums stärker vergrös^ert. Anf Segment 9 und 8 je ein
Kingfleek mit Andeutung seiner Entstehung aus je zwei Chagrinfleck-
cheu , auf Segment 7 zwei rothgefärbte Chagrinfleclichen, auf Segment 0
nur ein«'.
Fig. 62. Deilephila Li vor nica (Europa) im MatSB Stadium;
grüne Form. Copie nach Hoisduval.
Fig. 63. Pterogou Oenotherae, Stadium IV. Natarliche
OrOsse 3,7 Centim.
Fig. 64. Dieselbe Art im gleleben Stadium; die letstmi Segmente
in fiUckeunuäicht.
Fig. 65. Dieselben Segmente in Stadium V. Der Augenfleok voll-
ständig ausgebildet.
Flg. 66. Saturnia Carplni, Raupe aus Frelbnrg: Stad. HI.
Natflrliche Orö.sse 15 Millim.
Fig. 67. D i c b e 1 b e A r t , Kaupc aua Genua ; Stadium IV. Natür-
liche Qrösse 20 Millim.
Fig. 68. Dieselbe Art, Raupe aus Preiburg; Stadium III.
Die Segmente 8 und 9 in Rftckenannebt. NatOrllehe GrOsse der Raupe
15 Millim.
Fig. 69. Dieselbe Kaupe; Segment b in Seiteuausicht.
Hg. 70. Smeriutbns Ocellata, ausgewaehsene Raupe mit
dentiicber Subdorsale auf den secbs vordem Segmenten. Die Cliagrini-
rnng i^t nur im Contur etwas angegeben , sonst weggelassen. MatOrliclie
Grösse 7 Centim.
IVM} ErkUruiifj der Abbildungen.
Figg. 71 — 75 stelleu die S«;giuent€ b und 9, respective auch 10 der
lUnpe von SatnrnUt Carpini (dentücbe Form) vor und zwa in Rflckeii-
ansieht und .ille aus demselben St;i<]iuni IV. Der Kopf der Raupe ist
nach oben {,'eriehti't zu denken das diu rstf Scpment ist also das achte.
Fig. 71. äaturuia Carpiui. UuukuUte Variatiuu.
Fig. 72. Hellere Variation.
Fig. 73. Noch hellere Variation.
Flg. 74. Zweitlielläte Variation: das Schwant tritt auf den S^men-
ten M und 1 0 noch mehr zurUcic, als auf t>.
Fig. 75. Hellste Variation.
Die Figg. 76— BO sind nur der Ranmerdpamiss halber in kleinerem
Mnssstab {gezeichnet, al^ die vorhergehenden und nachfolpendi n : sollten
sie entsprechend den übrigen vergrdssert werden , so mUssten sie sogar
grösser als jene gtlialteu werden.
Hg. 76. Satnrnia Carpini, lignrlsebe Form; Segments,
Stadium V.
Fig. 77. Diesellie Form, da.s ■gleiche Segment in Stadium VI.
Figg. 78, 79 und 80. batumia Carpini, deutsche Form.
Dorflalansieht dos achten Segmentes in Stadium V (dem le taten
dieser Form) .
Flg. 78. Dunkelste Variation.
Fig. 79. Hellere Variation.
Flg. 80. Hellste Variation.
Figg. 81— 86. Satnrnia farpini, deutsche Form: Stad. IV.
Das aelite Scjrnieut in Seitenansiclit bei sechs verscliicdencn \'.n iatinnen,
vuii denen Fig. 81 ausser dum grünen Stigmastreilen nur zwei kleine
grflne Fleeke an der Baris der beiden obem Warzen anfmiitt.
Fig. 82 zfugtdie Fleolcen gewachsen und dnrch dnen dritten bin«
ter tli 11 ^^'.■l]■/e^l vcruichrl : ziifjicich ist der Aftcrl'uss grflu jj^eworden.
Fig. 83. Zwei der drei noch grosser gewordenen grUuen Flecken
rind zusammengeflossen.
Fig. 84. Alle drei Flecken zu&ammengefloesoi, aber hier wie auch in
Fig. 85 sind noi-h vcix liiodene Reste des nrsprOngliehen Sehwart
als lireuzmarkeu zurückL't'ldit'bcn.
Fig. 86. Hellste Variaitua.
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