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Full text of "Jahrbuch für geschichte, sprache und literatur Elsass-Lothringens;"

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Jahrbuch  für 
Geschichte, 
Sprache  und 
Literatur 


Elsass-Lothri 


r 


Historisch-Littera 
Zweigverein  des 
yogesen-Clubs 


JAHRBUCH 

FÜR 


GESCHlCHTü,  SPRACHE  UiNÜ  LlTTtKATUR 

ELSAi5S-l.UTllRli\GJir^S 

HERAUSGEGEREN 

VON  DEM 

HISTÜRISCH-UTTERARISCHEN  ZWEiGVERElN 

DRS 

VOGESBN-CLÜBS. 

XI.  JAHRGANG. 


SiKASSBURG 
J.  H.  ED.  HEITZ  (HEITZ  MÜNDEL) 

j  8y3. 


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Inhalt. 

Seite 

I.  (iediclif.p.  von  f!  h  r  i  «  t  i  .1  ii  S  r.  h  m  i  t  f  .  .  1 

II.  Znr   Qaachichtft   der   Stadt    Riifach    von  T  h  e  o  b  a  I  d 

W  Alt  er     4 

III  Jorg  Wickram  von  Eug.  Waldner   6 

IV.  Die  Grafschaft  Ober-Ssiro  in  den  Vogesen  von  Stieve 

(Zahern)   ....  7 

V.  Der  golciene  Wagen  vom  Heichensee  (eine  Mordfeldisage) 

von  A  Barg  mann   .  20 

VI  Elf   darch   Lenz.    Vo8b,     Ciotter    und    Gockingk  an 

Pfeffel  gerichtete  Briefe  von  Schoell  21 

VII.  Allerlei  us  um  Westrich  von  Stengel  H9 

VIII   Ans  vergilbten  Papicion.  Ein  älteres  Gedicht  in  el.sabhi- 

scher  Mundart  72 

IX.  Die  goldenen  Eierachalen  vom  Ungstein  von  Ferdi- 

nand Rani  ian  ,  .  ,  ,  ,  .  7h. 

X,  Die  Rgfacher  Vornamen  von  Heinrich  Meng  es       .  77 
XI.  Strassburger  Redensarten  Mitgeteilt  von  einem  oinhoimt- 

Bchen  Sprachkundigen   .    .    .    .  110 

XII.  Anekdoten  ans  Alt-Strasabiirg  von  A.  Fried  rieb  .  132 
XIII.  Dö  Päradegs  an  d'Hrdl.  (Mundart  von  Qentringen,  bei 

Diedenbofcn.)  Von  M.  Arnold  1H6 


851856 


—    IV  — . 

<'XIV  Zur  Volkskande  im  alten  Hananerland  von  Dr.  Kassel  138 
XV  Die  Knnkelytnbe  (Fortaetzang)  von   Hans  Lienhart.  202 
XVt  Die  Mfinsterthäler  Vornamen.  Ein   Nachtrag   zu  Jahr- 
buch X.  S.  2«il)  -2S:t.   Van  .1.  Spiosor.                 .  2(>9 
XVIl.  Die  luundartlichoii  Fo>  men  der  Ortsnannjn  der  Umge- 
gend von  WaMbamhach  von  J.  Spieser    .    ■       .  211 

YVTII    Phrnnik  für  IS^i  .  22ä 

XIX.  Sit znngs Protokolle   226 


.     ii  1    :      .'.    .1.,;  'i;-t       1[  A    ^uj.  it  . .! .  ^-»j  A  11/ 

i-Hi     11     .ji  1  M-.i  I  1..  V    Tu. Ii. II. Ii',  ;.  ml  .ili>. 


o' 


1. 


Gedichte. 

Von 

Christian  Schmitt. 
I. 

Im  Bergforst. 

(Nach  traben  Krankheitstagen.) 
(BatoUnd«n  in  Boeken  am  Zttriebtee,) 

Breit'  aus  dein  grünes  Wipfeldach 
Und  nimm  mieli  aaf,  n  rattea 
Fwn  von  des  Leben«  Ungemach 
Dnd  Ton  dee  Alltags  Hasten. 

Ich  komm,  in  deinem  ibchuttendom, 
Umspielt  vom  DSmmerblinken 
Und  von  der  Dölte  Flntenstrom, 
Mir  Hoffnungsmnt  sn  trinken. 

Wohlan,  durch  deine  Wundeikratt 
Läse  Leib  nnd  Geist  geiMsen, 
Nachdem  in  dfistrer  Schmeraenshaft 
Gefangen  »h  gewesen! 

Noch  einmal  möcht'  ich  kühn  empor 
Wie  deine  Tannen  streben. 
Noch  einmal  mit  der  BrtLder  Chor 
Ins  Reich  der  Schönheit  schweben. 

Besiege  do,  o  Wald,  den  Bann 
Und  löse  da  die  Schwingen, 
Damit  ich  froh  aufs  neue  kann 
Aach  deine  Pracht  besingen  I 


Abseits. 

(Entstanden  iu  Am  am  Züricltsee.) 

Dem  Lärm  der  Welt  entfloh'n,  dem  werktaglanten, 
Bin  ich  znr  engen  Schlucht  hinabgestiegen. 
Au  deren  Hang  sich  scheue  Büsche  schmiegen, 
Di«  Mlton  eines  lieneehen  Antllts  scbaaten. 

Des  Lenzes  Höhen wa&ser,  die  hier  braaten, 
Liest  in  dem  äteingeröll  die  Qlut  versiegen 
Zuni  Rietelbiek,  ton  dem  sich  tansend  wiegen 
Die  Falter  in  den  Fottt,  den  ftberblanten.  — 

Auf  jenem  Fels  will  icli  int  Hoot  mieh  legen, 
Qeboigen  toy  des  faeissen  Mittags  Helle 
Und  Tor  dem  8tanb  anf  schattenlosen  Wegen. 

Dort  mag  der  Gott  des  Tranms,  der  flOgeUehnelle, 

Mir  Hüter  sein,  indes  der  Freundschaft  pflegen 
Mein  Uexascblag  and  das  Lied  der  Plfttscberwelle* 

III. 

RUokkehr  aus  der  Schweis. 

(im.) 

Hit  schimmerndem  Gefieder 
Fliegt  mir  voraus,  ihr  Lieder, 

Zum  grünen  Alsastiand! 
Ich  fahre  jauchzend  wieder 
Hernieder 

Ins  Land,  wo  meine  Wiege  stand. 
0  Heimat,  einng  eine, 

Zu  dir  ziebrs  mich  zurftclil 

Der  fremden  Reize  keine 
Bezaubern  mich  wie  »leine  :  — 
Am  Wasgau  nur,  am  Rheine 
Blüht  mir  das  GIdckl 

Wohl  ist  im  Souimeipi äugen 
Der  Hochwelt  aufgegangen 
Mein  Herz  nnd  tief  erglüht; 
Und  doch  hielt  ein  Verlangen 

Gefangen, 

Wie  leise?  Sehnen,  mein  Oemftt. 
0  Heimat,  einzig  eine, 
Zn  dir  zieht's  mich  zurück ! 
Der  fremden  Resse  keine 
Bezaubern  mich  wie  deine : 
Am  Wasgau  nur.  am  Rheine 
Blüht  mir  das  Glück! 


Nan  sind  die  Alpengauen 

Entschwunden  fern  im  Blauen 
Mit  Berg  und  Wald  und  See'n; 
t  ioh  darf  ich  wiederschuueu 
Di«  AiMOj 

Wo  meiner  Kinilheit  Tempel  etebn 

0  Heimat,  einzig  eine. 
Zu  t^ir  ziebVs  mich  zurück! 
Der  fremden  Reize  keine 
Bezaabern  mich  wie  deine:  — 
Am  Wasgan  nur,  am  Bheitie 
Biflbt  mir  das  Olftckl 

Die  Abeudsctiatlen  sinken, 
Und  ernst  zu  meiner  Linken 
Bagt  der  Togeaendom; 
Zur  Be«]itaii  seh*  ieh  blinken 

Und  winken 

Den  Bilberbcllen  Jurastrom. 
0  Heimat,  einzig  eine, 
Zu  dir  zieht's  mich  zurück! 
Der  fremden  Beise  kaine 
Bezaubern  mich  wie  deine:  — 
Am  Wasgan  nur,  am  Rheine 
Blüht  mir  das  Glück!  — 

Manch'  Bild  mag  mich  nmschweben 
Und  meinen  Traum  durchwehen 
Mit  hellem  Wunderschein:  — 
Keins  wird,  wie  du,  beleben 
Mein  Streben, 

Denn  lieben  kann  iek  dich  allaint 

0  Heimat,  einzig  eine, 
Zu  dir  ziehls  mich  zurück! 
Der  fremden  Reize  keine 
Bezaubern  mich  wie  deine:  — 
Am  Wasgau  nur,  am  Rheine 
Blftht  mir  das  Glackl 


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II. 


Zur 

Geschichte  der  Stadt  liuläch. 

Mitteilung 
von 

Theobald  Walter. 

JJie  alte  Bischofssiailt  Rufach,  am  Fusse  eiii«s  Rebhfigels 

^^ele^en,  auf  welchem  sich  die  alte  merowinjjische  Isenburg 
erhob,  führt  ihre  Sonderstellung  in  der  Geschichte  unserer 
el:<assi.schen  Städte  auf  ein  Dokument  zurück,  welches  König 
Da<,">lteri  im  Jahre  602  auf  der  Isenburg  ausj!^estcllt  haben  poII. 
Tn  fliostM-  Urknntle  schenkt  nämlicli  ])agohert  11.  (irr  Kiiclie  zu 
Sii,;-sljurg  (leii  «pa^'i  qui  vocalui  Riibiaca»  aus  Dankl)aikeit 
<l;U'nr,  <la«äs  Bischof  Arhojj^^asl  .seinen  totnn  Sohn  Sieghert  wieder 
zum  Leben  erweckt  liat.  Die  Unechtiieil  der  Urkunde  ist  indes 
längst  erwiesen.» 

Als  man  in  der  Zeit  Ludwig  XIV.  den 'alten  Rechten  und 
Freiheilen  unserer  elsässischen  Siüdte  zu  Leibe  ging,  suchte 
der  Magistrat  der  Stadt  Rufach  alle  alten  Rechtsdokumente 
zusammen  und  äbermittelte  sie  dem  Erzbischof  von  Paris,  da- 
mit  derselbe  durch  seine  Beziehungen  zum  königlichen  Hofe 
von  dem  Könige  eine  neue  Hcstätigungsurkunde  für  die  ge- 
änystigte  Stadt  erlange.  Die  lienuHiungen  waren  indes  vergehen'?: 
im  Jahre  1705  erhielt  der  Magistrat  einen  eijrenhändi^'en  Biief 
von  dem  Erzbischof,  wonach  der  König  erklart  haben  soll 


^  Die  Urkunde  ist  abgedruckt  bei  Wiegand,  Urkandenbach  der 
Stadt  Straasburg  I,  1  ff. 


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«qu'il  ne  vouloit  plus  donner  de  ces  sortes  de  lettre»,  i  In 
dieser  mir  vorliegenden  Sammlung  wird  zwar  in  einem  Begleit- 
schreiben er2Shlt;  «wie  dass  diese  (Stadt  Rufach)  mit  Trier 
und  Solothum  die  älteste  Statt  vor  4100  Jahren  von  König 
Dagoberdt  aus  Fmnkcnreich  erobert  und  durch  Bisfhnf  Amnndii«; 
zum  Chatolischen  Glauben  bekehren  lassen,  und  nachinahlen  dein 
nistnru  ^t'selicnktj,  aber  als  fdtestei  Rechtstit»'!  figuriert  eine 
L  i  künde  des  Kaisers  Wenzeslaus  aus  <lem  Jahre  1384.  Da  diese 
C'rkunde  allen  spatern  als  Stützpunkt  dient,  möge  sie  hier 
wortgetreu  lolgen. 

War  Wänetzläws  Von  Gottes  gnaden  Römischer  König  zue 
allenzeiten  llehrer  des  Reiches  vnd  König  zue  Beheim  etc.  6e- 
khennen  vnd  ihnen  Khundt  ofTentUch  mit  diesem  BriefT,  allen 
den  die  Ihnen  sehen  oder  hören  lesen,  dass  Wur  Haben  ange- 
sehn  Dienst  vnd  Trewe,  Alss  vnss  der  Ehrwürdig  fViderich, 
BischofT  Zue  Sirassburg  vnser  Liebe  Newe  vnd  first  gethan  Hat 
vnd  (irbass  Thuen  soll  in  Khönfltigen  Zeiten,  und  Haben  da 
rumben  mit  wolbedachtem  mueth  mit  guetem  Rath  vnsrer 
tür.sten,  Edlen  vnd  getrewen,  thirrh  Sondtcriichc  Befh  willen 
desselben  vnsers  newen  den  Bürgern  viull  Lüflien  gesessen 
Zue  Iluftach  in  der  Statt  vnd  auch  daraus;»,  die  in  dieselbe 
gericht  Vop:fey  g'ehoron,  vnd  ihren  Nachkomen  die  besondlere 
gnadt  gelhau,  vndt  thuen  ihnen  die  mit  Crafll  dieses  Briefs, 
dass  Niemand  der  da  sey  dieselbe  Leuth  alle,  oder  iren  einer 
Besondters  flr  kein  Landtgericht,  oder  andler  gericht  firtreiben, 
Laden  oder  Bekümmern  solle  oder  möge  in  Keiner  weiss, 
Sondter  wer  zue  ihnen  ichts  fursprechen  hat,  der  soll  das 
suchen,  vor  dem  Schultheissen  daselbst^  vnd  nirgenls  andters 
wo,  do  jederman  recht  soll  widerfahren,  es'  wäre  dann,  dass 
einem  da  recht  nicht  widerfahren  möchte,  oder  \(  i  s.igt  wmAc 
der  mag  es  dann  firbass  suechen,  alss  sich  das  den  Heischet, 
darunih  gebieten  wür  allen  vnd  jeglichen  Landrielilern  andern 
richtern,  vnd  auch  sonst  aller  inänniglich,  uie  die  genant  seind, 
vnsseren  vnd  des  Reichs  Lieben  gelrewen,  dass  Sie  die  eL^e- 
nante  vnsere  getrewe  von  Rulladi,  vnd  die  in  diesell>e  geru  lit- 
vogtey  vnd  Pflege  gehören,  wo  die  gesessen  seind,  wider  solch 
vnsrer  gnadt  lir  keine  ihre  gericht  vndt  Landtiichle  lirbass 
nicht  Bekfimem  Laden,  oder  Grtreiben,  oder  Sie  Laden  firtreiben 
oder  Bekümern  lassen,  vnd  auch  kein  vrlhet  vber  Sie  thuen 
in  keiner  weiss,  wan  ob  dawider  ichts  geschehe,  dass  soll  kein 
CralTt  noch  macht  haben,  wan  wir  dass  mit  diesem  Brieff  ab- 
thuen  vnd  Tilgen  gäntzlich  vnd  mit  ganizeni  wissen,  daryber 


1  Stadtaxehiv  AA  2. 


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—  6  — 


auch  irer  doch  (?  unleserlich)  freuentlich  Ihele  wider  ihre  frey- 
heit,  so  Er  der  Khündtlichen  vnlerweisct  wäre,  der  soll  in 
vnssere  vnd  des  jj^erichts  schwehre  vngiiadt  vnd  Zur  Peeae 
Zvvantzig  Mark  ;^^>ldes,  die  Hiilh  in  vnsere  vnd  des  Reichs 
Gammeni  vnd  halb  den  egenanten  getallen  soll  sein. 

Mit  Urkliüiidt  dieses  Briefes  versigelt  mit  vnserm  KönigJ. 
Majestät  Insigel,  geben  Zue  Lentzburg,  dreynhfihundert  darnach 
in  dem  vier  vnd  achtigsten  Jahre»  am  milwuchen  vor  sant 
Martinstag.  1  ' 


1  Stadtarehiv  AA  1. 


lU. 

Jörg  Wickram. 

In  eir)»'in  Urbar  <ios  St.  Mnrtinsslifts  zu  Colmar  v.  J.  155B 
wird  W  ickram  als  Maler  bezeieiiiiol : 

«Fryderich  Kriegelstein  zinst  jährlich  12 '/«ß  von  einem 
iiauP  am  ke^i^e^lin  als  man  zun  barfussern  gat,  ist  ein  eck- 
hauP,  ein  seit  neben  her  Hansen  Serrern,  anderseit  neben 
Jer^  Wickram  dem  maier»  . 

Damals  war  W.  zwar  schon  in  Burkheim,  doch  kann  er 
noch  EigentbQmer  des  Hauses  in  Colmar  gewesen  sein ;  dieser 
Einfrag  ist  übrigens,  wie  dabei  bemerkt,  von  einer  Alleren 
Aufzeichnung  abgeschrieben, 

Eug.  Waldner. 


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IV. 


Die  Grafschaft  Ober-Salm 

in  den  Vogesen. 

Von 

Stieve  zu  Zabern, 

Ehrenpräsident  des  Yogestnklabs. 

Widerich  Graf  im  Trier-  und  Ifeda-Gau,  Pfalzgraf  zu 
Achen  877 — 926  gilt  als  Stammvater  der  Grafen  Salm. 

Giselbert  Graf  von  Luxemburg  und  Salm  1056 — 105U. 

Heinrich  I  Grat'  von  Salm  1130--1163  hatte  mel  Söhne : 


Friedrich 

Stammvater  der  Salm  in  den 

Ardennen    (.Belgien)  —  Alt-  oder 

Nieder-Salm  (rote  Salmen  und 
rote  Kreuze  auf  silbernem  Schild). 

aasgestorben  mit 
Heinrich  VIII  28.  September 

1408.  fiel  in  der  Schlacht  bei 
Ottree  als  Bannerträger  der  Stadt 
Lüttich  gegen  ihrcu  Bischof  Jo- 
hann von  Baiern. 

Heinrich  VIII  hatte  zani 
Erben  ernannt  ssinen  nächsten 
Verwandten  (Sohn  seiner  Schwe- 
ster) Grafen  Johann  von  Reiffer- 
scheid. 

Uerrmanh  Oral  von  &>aim- 
Reifferscheid  war  1021—99  Kom- 
mandant von  Zabern  im  Dienst 
des  Bischofs  von  Stcassborg  gegen 
Mansfeld. 


Heinrich  II 

Stammvater  der  Grafen  von  Ober- 
Salm  in  den  Yogeaeo,  CM  von 

Blamont  (Silberne  Salmen  in 
einem  mit  silbernen  Kreuzen  be- 
streuten roten  Felde) 

nm  1200,  hatte  eine  schwere  Fehde 
gegen  den  Bischof  von  Metz,  und 
zog  gegen  denselben  mit  Reinald 
Graf  von  Bar.  Zweitausend  Metzer 

wiirdpn  eripchlaii'en.  Ein  Vergleich 
kiiin  zu  Ötande  durch  den  hl. 
Bernard  von  Clairvaux.  Graf 
Hf  itn  ich  von  Salm  gab  einen  Teil 
dessen,  was  er  der  Abtei  Senones 
weggenommen  hatte ,  wieder 
heraas. 


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—  8  ~ 


Die  Abtei  Senones  ist  gegründel  661  von  Gondebert  Erzbischof 
von  Sens.  Dieser  entsagte  dem  Erzbistum  und  zog  aU  Missionar 
mit  einigen  Priestern  seiner  Diözese  in  die  Vogesen  an  die 
Ufer  des  Rabodeau,  um  der  Arbeit  und  dem  Apostolat  zu 
dienen  nach  Benediktiner-Regel.  Sdienkung  des  Königs  Ghil- 
derich  661.  iH  r  Name  Senoiies  kommt  von  Sens. 

Unter  den  Karolinj^ern  wurde  die  Abtei  Senones  ein  Lelien 
der  Bischöfe  von  Metz.  Bischof  Drogo  von  Metz  war  ein  Sohn 
Kail's  des  Grossen,  —  Um  1000  war  Geraixl  von  Türken^ein 
Vogt  der  Abtei  Senones, 

Seit  Ende  des  H.  Jahrh.  gelangte  die  Vogtschaft  an 
das  iiaus  Sulni- l>laiiionl. 

VV(?il  das  Schlüss  Blamuiil  lu  ('n\\(^<^cn  war,  ethielt  Graf 
lieiiirich  II,  welcher  um  i'20()  Jutlilli  von  Lothringen  (eine 
Schwester  des  Herzogs  Kerry)  geheiratet  hatte,  vom  Abt  Gerard  von 
Senones  die  Erlaubnis,  im  Breuschfbal  ein  Schloss  zu  bauen, 
etwa  1  Meile  vom  Donon,  aber  unter  der  Bedingung,  dass  er 
kein  Recht  auf  die  Menscben,  Gewässer,  Walder  und  andere 
Dependensen  der  Abtei  baben  solle.  Er  baute  Schloss  Salm  1S04. 

Der  Besitz  der  Abtei  war  ein  sehr  bedeutender,  vom 
Donon  (Sarazenen- Weg)  bogiDnend,  das  ganze  obere  Breuscb- 
tbal  l)i.s  jenseits  des  Babodeau«  einige  30  Dörter^  dazu  viele 
Guter  in  I.nthrinjron  und  Elsass. 

Noch  bei  Leiizeiten  Heinrichs  H  machte  sein  Sühn  Hein- 
rich ni  es  sich  zur  Auf{7al>e,  die  Abtei  zu  boranhen.  setzte 
3  Möncho  iiefnngüii,  dachte  »laran,  sich  die  Kai-oikionp  zu 
erwerljcii  (lil-j,  seinen  Vater  zu  entsetzen  nnd  !?ich  dio  Vogt- 
Schaft  von  Senones  zu  verschaffen.  Er  ualun  aber  ein  trauriges 
Ende.  Sein  Weib  Sibtlla  (Tochter  des  Grafen  von- Bar)  war 
unfruchtbar.  Die  Eheleute  liessen  sich  von  ihrem  Arzt  ein 
Mittel  geben,  welches  liei  der  Gr&fin  wirkte,  aber  den  Grafen 
tötete.  Er  wurde  in  der  Abtei«  Kirche  von  Haule-Seille  be- 
graben ;  am  nächsten  Tage  hdrte  man  in  seioer  Gruft  dumpfes 
Stöhnen  ;  man  öffnete  und  fand  ihn  das  Gesicht  gegen  die  Ei*de 
gewandt  und  erstickt. 

Der  Vater  Heinrich  H  wurde  sodann  (iti-iO)  von  dem 
zwei  ton  Sohn  Friedrich  aus  dem  Schlos-s  Blamont  ver- 
trieben und  starb  auf  Schloss  Sahn. 

Graf  Frlcihich  vergrössertc  seine  Hcrr.-clinft  auf  Kosten 
der  Allfeien  Ilanle-Seille,  St.  Sauveur  und  Scrione?..  Er  nahut 
der  Abtei  Senones  alles  bis  auf  8  Leute,  welcJie  zum  Kirchen- 
dienst notwendig  waren,  f  1247. 

Ebenso  gewaltsam  verfuhr  sein  Neffe,  der  ihm  folgte, 
Heinrich  IV  (postumus  Heinrich*s  III),  welcher  Isabetla  von 
Lothringen  geheiratet  halle,  und  von  der  Abtei  Senones  die 


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—  9 


Schlösser  Salm  und  Pierre-Percee  sowie  die  Vogtschalt  zu 
Lehn  trug.  Er  entdeckte  die  Eisen-Minen  des  Donon  und  beutele 
sie  aus,  und  zog  An.«ipdler  dorthin,  welche  frei  wurden.  Er 
gründete  Grandfontaine,  Kraniont,  MinitVre«.  Ih'i  Abt  von 
Senones  bescliwerfe  <ich  üb^r  diese  Ein^riide  l>eiiii  I»iscliof  von 
Metz,  dem  Suzerain  dej>  Senoner  Thuirs.  Der  l>i!^cllol,  erzürnt 
üljcr  den  Einj^riff  in  seine  und  der  Abtei  Rechte,  liess  die  An- 
lajicn  des  Graten  Salm  zerstören.  Heinrich,  von  Schulden  ge- 
drückt und  niinirty  nahm  seine  Schlösser  Salm  and  Pierre-Percte 
vom  Bischof  von  Metz  xu  Lehn.  Er  rSchle  sich  aber  an  der 
Abtei  Senones  und  Üess  sie  plündern,  und  schlug  für  seine 
Hüttenwerke  eine  enorme  Masse  Holz  ih  den-  Wäldern  der 
Ablei.  Heinrich  IV  begleitete  den  jungen  Konradin  Herzog  von 
Schwaben  1268,  um  das  Königreich  Neapel  zu  erobern.  Er 
rettete  sich  aus  der  Schlacht  von  Tagliacozzo  und  starb  in 
Oest  reich  1271. 

I'nter  Hoinricb  IV  bildete  sich  durch  die  vielen  Ansiedler, 
welche  \oii  ihm  her.inj^ezogen  wurden,  <i.«s  Pnlois  des  Breusch- 
thales  aus,  me» kwürdi;.--  durch  die  vielen  Vokale  a  und  o,  z.  H. 
n;aison-moon  ;  pouvons-|M.<>ii.s ;  couvent-couent,  zuerst  ungewandt 
in  einem  Verlrage  von  l'iül. 

Sein  Sohn  Heinrich  V  (GiMii:ihIin  I.ntnelte  de  Bourgogne) 
lieble  Kunst  und  Wissenscliatl,  und  lebte  n.it  der  Abtei  Senones 
in  Frieden,  der  einzige  seines  Stammes.  Durch  Verl  rag  mit 
Abt  Simon  von  Senones  de  1284  wurde  er  Mtteigentrimer  von 
80000  Morgen  Wald,  (f  1309). 

Ihm  folgte  sein  Uruder  Johann  1, 
dann  dessen  Sohn  Nicolaus, 
dessen  Sohn  Johann  H, 
dessen  Sohn  Simon, 
dessen  Sohn  Johann  III. 

Johann  UI  kaufte  (mit  der  Bedingaug  des  HOckkaufs) 
vom  Bischof  von  Strassburg  (1330)  die  Stadt  und  das  Scbloss 
Schirmeck  und  das  obere  Breuschthal,  soweit  es  nicht  Senones 
gehörte,  für  12000  fl.  Er  war  ein  Haudegen.  In  der  Schlacht 
von  Ligny  g(^n  den  Bischof  von  Metz  begleitete  er  jeden  Hieb 
mit  dem  Schrei :  tau  parmentier»,  bis  er  selbst  niedergehauen 
wurde. 

Sein  Sohn  Heinrich  VI  stand  Anfangs  unter  Vormundschaft 
dor  Margaretha  von  Blamont  (lo()S)  und  fiel  gegen  die  Eng- 
länder (englischen  Kompagnien  unter  Enguerand  de  (loucy). 

l^e^spu  Sohn  Heinrich  VII  fiel  1431  in  dorSrhlathf  vcnBoul- 
j^eville  ;:t'r:en  den  Herzo-  Anl<>!i  von  Vaudonienf.  Kr  iiintt'rliess 
zwei  Söhne,  unter  denen  die  Gratschafi  geteilt  wurde  1431  : 


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—  10 


Heinrich  VIII,  welcher  im 

Bnnde  mit  dem  Bischof  von 
Stxassburg  1471  das  chüteau  de 
la  Roche  (bei  Bellefosse),  ein  ca- 
stellmn  pr;idatürium  ^Baabxitter* 
Schlo&s)  zerstörte. 


Simon  fiel  anter  Adolf  von 
Na?caTi,  ohne  Kinder,  und  hinter- 
lit'äü  iiiit  halbe  Graiaciiuli  seiner 
Nichte  Johanna  Ehefrau  dei 
Fhoi:i[:rafea  Johann  von  Som- 
mersberg. 


Beide  Linien  hielten  im  Bauernkrieg  (iSS5)  mit  dem  Herzoge 
Anton  von  Lothringen  zusammen,  besonders  Heinrich  VIII, 
welcher  zur  Belohnung  vom  Herzog  mit  den  Herrschaften  Fins- 
tingen  und  Chaligny  belehnt  wurde,  und  bald  darauf  Marschall 

von  Lothringen  und  Bur  wurde. 

1534  brannte  die  Abtei  Senones  und  der  ^^rösste  Teil  der 
Stutit  Senones  nieder.  Der  Sohn  Heinrti  h's  VIII,  Heinrich  IX, 
war  ebenfalls  Marschall  von  Lothrinjren  nml  (lOMvei  iieur  von 
Nancy  1550,  und  zeich ru  U;  sich  um  Hofe  Kaiser  Karl  V  in 
versciiiedenen  Geschäften  aus. 

Das  Haus  Sahn  befreite  sich  um  diese  Zeil  (da  Melz  an 
t  iaiikreich  verloren  gin;j)  von  der  Lehusabhängigkeit  von  den 
Bischöfen  von  Metz.  Der  Rbeingraf  Jak5b  von  Salm  war  1460  dm* 
letzte  gewesen,  welcher  dem  Bischof  Georg  von  Baden  fQr  die 
Schlösser  Salm  und  Pierre-Percte  den  Lehnseid  leistete.  1473 
erhielt  er  die  Investitur  von  Kaiser  Friedrich  III,  und  seitdem 
alle  seine  Nochfolger  von  den  deutschen  Kaisern. 

Der  Abt  von  Senones  aber  anerkannte  die  Souveränität  der 
Herzöge  von  Lothringen. 

Der  Rheiti'r^raf  Sahii-Sommersberg  halle  1540  den  Cal\  inisnius 
an;icnoni!Jieii.  Die  Graten  Salin  hesa^^sen  noch  nichts  in  Senone-^. 
Sie  lit'uut/teii  den  Toil  Je«  Abtes  r\a(li)ux  und  die  Neuwahl  des 
Abtes  liavillo,  leisten  eine  Garnison  in  die  .\btei,  und  zwangen 
den  Abf,  ihre  Heirschatl  anzuerkennen  loOi.  Sie  Hessen  die 
lutiuia^i.->cheü  Wappen  herunlcrreissen,  um  .'>ie  ikircli  die  des 
Reiches  zu  ersetzen  (1506)  und  proklamierten  ihre  Herrschaft  in 
folgender  Weise,  30,  September  1571: 

Die  Grafen  Jobann  IX  (ältere  Linie)  und  der  Rhein-  und 
Wildgraf  Friedrich  von  Salm  (comle  sau  vage  du  Rhin  et  de 
Salm)  beriefen  das  Volk  aus  dem  ganzen  Gebiet  der  Ablei  ins 
Kloster;  20  Dörfer  begaben  sich  in  Masse  dahin,  die  übrigen 
Hessen  sich  durch  ihre  Magistrate  vertreten.  Die  Grafen  ver- 
sprachen ihnen  ein  vaterliches  Regiment.  Das  Volk  schwur 
ihnen  Treue  und  Gehorsam.  Ein  Notar  wurde  herbeig»»njren 
und  der  Akt  von  den  Grafen  und  fol<^«^ndon  Dörfern  nnter- 
zeichiief  :  Lahi'orjup,  r.e^'jneiflles,  Kroide-Fttnlaine.  Salm,  St. 
Dlii-t',  Bau  tie  la  Koche,  Vipuceite,  .\lbet,  Fiecunrupt,  \'ac- 
quenou.x,  Grandl'ontaine,  Plaine,  Poutay,   Dispach»  Saulxurcs, 


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—  11  — 

Champenay^  Senoaes,  le  Mönil,  St.  Maarice,  Vermont,  Sattlcy, 
Pelite-Raon,  Moussey,  Cbatas,  le  Puil,  BellevauU. 

Gegen  dieses  revolutionäre  Vorgehen  wandte  sich  die  Abfer 
lim  Schutz  an  den  kaiserlichen  Landvogt  Polwiller  zu  Hagenau, 
welclier  zu  Gunsten  der  Abtei  entschied.  Die  Graten  apellirlen 
an  das  Reichsgericht  zu  Speier.  Kaiser  Maximilian  II  nahm 
(1572)  die  Abfei  Senones  unter  seinen  Schutz  und  t>eaufti'agte 
den  Bischot  von  Strassburg  mit  der  Restitution  1573.  F<  blieb 
aber  dai>ei.  Die  Abtei  verlor  116000  Moi'^'en  Wald,  die  Hulteft 
von  Framont,  die  Dörfer,  die  Mühlen,  Kalkofeu,  Sagemühlen, 
i'io  Kirchen  wurden  simultan,  weil  die  allere  Linie  Salm  den» 
Glauben  treu  blieb. 

Diese  ältere  Linie  starb  übrigens  jnil  dorn  üben  erwähnten 
Jobann  L\  aus.  Dessen  Erbtochter  Christine  heiratete  1597 
den  Herzog  Frans  von  Lothringen,  Grafen  von  Vaudemont,  den 
Stammvater  des  jetzigen  östreich i sehen  Kaiser- 
hauses. Aus  diesem  Anlass  wurde  am  8.  und  9.  September 
1506  zu  Badenweiler  (Baudonviller),  der  Hauptstadt  der  Graf- 
schaft, eine  Teilung  der  seit  1^1  l^slehenden  Gemeinschaft 
gemacht,  welche  jedoch  keineswegs  das  Terrilorium  reell 
halbierte,  sondern  nur  die  verschiedenen  Anteile  jeder  Linie  an 
den  einzehien  Bestandteilen  der  Grafschaft  fixierte. 

Dieselbe  ist  unterzeichnet  von: 

Jan  Conte  De  Salm-  und  Fri  ReingrafT  (Friedrich),  und 
findet  sich  abgedruckt  in  dem  Bullolin  de  la  Societe  Philomatique 
Vosjiienne  ä  St.  Dic^  1891,  S.  370-^99;  vgl.  Gravier,  histoire 
de  St.  Die,  Epinal,  Gerard  1836. 

Mit  der  Beraubung  der  Abtei  (1571)  hatten  die  Grafen  ihr 
Ziel  j^ejxenübpr  der  Ablei  erreicht,  und  gaben  auch  den  damnls 
vun  iliiu'n  an^'^enomnKMien  Galvinismus  bald  wieder  auf.  Selion 
.  dei  Siihn  des»  JUieinjj^rafen  Frieili  icb,  Philipp  Otto  Rheingraf 
Von  Sahn,  schwur  denselben  wieder  ab  und  wurde  von  Kiiiser 
Ferdinand  II  am  8.  Januar  KWJ  in  den  Reichslüisteu -Stand 
erhoben.  Auch  diese  Ui  kuuile  ist  in  dem  erwuiinten  Bulletin 
S.  400^103  abgedruckt.  In  derselben  wird  Philipp  Otto  Comte 
sau  vage  de  Dhaun  et  de  Kirbourg,  Rhingitive  de  Stain  et 
Gomte  de  Salm,  conseiller  en  notre  conseil  de  guerre  et  un  de 
aos  colonels  wegen  seiner  den  Kaisern  Rudolf  II  und  Mathias 
sowie  dem  Kaiser  Ferdinand  selbst  in  den  TQrkenkriegen  und 
im  30jährigen  Kriege  und  .sonst  geleisteten  Dienste  mit  dem 
Recht  der  Nachfolge  für  den  ältesten  Sohn,  als  Besitzer 
der  Grafschaft  Salm  zum  Reichst  nrslen  von  Salm 
erhoben.  Das  ganze  Fürstentum  ward  wieder  katholisch. 

Philipp  Otto  Fürst  von  Salm  f  163'^. 


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_  12  - 


Sein  Sohn  Ludwig  fiel  bei  der  Belaji^erunir  von  St.  Omer 
ualer  Piccoloinini  und  hinterliess  keine  Kinder. 

I^essen  l^nidoi  1  »'Kj  old  n;dini  seinen  Sitz  aut  dem  Ueiclis- 
ta;r  in  liegt-iisliuig  nicht  olinü  Widerspruch  mehrerer  Fürsten 
1(>54  ein,  f  l^'«^- 

Dessen  Solin  Karl  war  Oimvenieur  des  Kaisers  Joseph  1. 

Herzog:  Franz  von  Lothrin^jfen,  auf  welchen  die  fdtere  Linie 
Sahn  überging  (f  1(332),  hatte  als  Nachfolger  seinen  Sohn 
Uenog  Kart  IV,  welcher  im  30 jahrigen  Kriege  treu  zum 
Kaiser  stand  gegen  Schweden  und  Frankreich.  Die  Schweden 
okkupierten  das  Elsass  unter  Bernhard  Ton  Weimar  und  drangen 
durch  die  Grafschaft  Salm  nach  St.  Di^  1633.  Herzog  Karl 
warf  sie  zurück  nach  dem  Elsass  und  nahm  Slellung  bei  Zaborn. 
Oxenstjerna  beklagte  sich  deshalb  bei  Lonis  XIII,  und  Riehe» 
lieu  nahm  daraus  Veranlassung,  durch  das  Parlament  von 
Paris  30.  Juli  1H33  ein  arr^t  zu  erlassen,  das  Herzogtum  Bar 
we'^»^znnphnif'ii,  weil  Herzog;  Karl  nicht  dem  König  von  Fi'ank- 
reich  den  Li  luisei«!  j,;eleislet  habe. 

In  diese  '/- il  fallen  die  ärgsten  Greuelthaten  der  Schweden  in 
Lotltrin^en  und  die  Zerstörung  des  Schlosses  S.dni.  Die  Schweden 
legten  lü35  Sl.  Die  in  Asche,  iiuntier  un«l  Pest  rallten  die 
Bevötkerang  hinweg.  1(i40  verliess  Karl  sein  Land.  Die  Schweden 
waren  nunmehr  die  Herren  des  unglQcklichen  Landes  und 
verübten  die  ärgsten  Barbareien.  Sl,  Di«^  wurde  im  30  jährigen 
Kriege  von  den  französischen,  schwedischen  und  kaiserlichen 
Armeen  mehr  wie  20mal  geplündert  und  von  den  Einwohnern 
veil;iss<  n.     Die  Schweden  zerstörten  um  1640  Schloss  Salm. 

Louis  XIV  erhielt  durch  den  Frieden  von  Nym wegen  (H>79) 
<lie  Histümer  von  Melz,  Toul  und  Verdun,  und  das  Parlament 
von  Metz  (Reunions-Kaminoi)  lienu^priK  hfe  die  4  Vo^^esen- 
Abteien  Senones,  Moyennmutier,  FJiv.il  und  Sl.  Die  als  Znbelnjr 
von  Metz  und  Toul.  Le  grau'l  conseil  de  France  s|ii;i(  li  der 
Abtei  Seiuuies  die  Hfdfle  der  Ciralst  iiafl  Salm  zu  um!  die  andere 
Hidfle  dem  König  von  Fi-ankreich.  Aber  der  Ryswicker  Friede 
(1097)  annullierte  diese  Teilung.  Fürst  Karl  von  Salm  hatte 
protestiert.  Herzog  Leopold  \xm  Lothringen  wurde  in  seine  Staaten 
wieder  eingesetzt  und  schloss  1709  mit  dem  Fürsten  von  Salm 
einen  Vertrag,  wonach,  wie  in  der  Teilung  von  1598,  die  Abtei 
Senones  unter  der  gemeinschaftlichen  Souveränität  der  beiden 
Kontrahenten  stehen  sollte.  Dann  schenkte  er  (1712)  seinem 
Bruder  Franz  seinen  Anteil  an  der  Abtei. 

Herzog  Leopold  f  1729.  Franz  HI  folj^te  ihm.  1733  brach 
der  Krie^  wegen  der  Wahl  de^  Koni,:'^  \<m  pMlen  ans.  Durch 
den  Wiener  Frieden  r».  Jmuar  17:it)  kam  Li«thringen  als 
Eigentum  an  Frankreich   und  zur  Nutzniessung  an 


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—   13  — 

Köni^  Stanislaus  von  Polen»  den  Schwiegervater  Louis  XV. 
Herzog  Franz  bekam  Toscana  und  bestieg  (als  Gemahl  der 
Kaiserin  Maria  Theresia)  als  Franz  I  den  Kaiserthron, 

Glückliche  Zeit  fQr  Lothringen  unter  Stanislas  le  bienfaisant. 

174  i  (O.'slr.  Erbfolgekriegp)  überschriit  Prinz  Karl  den 
lUiein,  nahm  Weissen bur<!,  Hagenau.  Die  iranzösische  Armee, 
St.  Die  passirenci,  drang  durch  die  Vogesenpasse  von  Schirmeck, 
Markirch  und  Bonhommo  nach  dorn  Elsa>:s. 

Abt  von  iSenonet»  (Bii>ciioi)  de  Macra  schrieb  de  juslih- 
catione. 

Abt  Petit-Di. lier  f  1728.  liitn  tülgte  der  berühmte  .Go- 
schiciits<  lireiher  Lothringens  Dom  Cninjet  (I7'28— 1757), 
dessen  mit  eclitem  Benediktiner-l  ioiss  geschriebene  Werke 
noch  heule  die  Grundlage  der  lothiingischen  Gescliichlsforschung 
sind: 

L*histotre  eccl6siaslique  et  civiie  de  Lorraine  (1728).  3  voL 
in-foK  Nancy. 

L*bistoire  des  bommes  illustres  de  I^orraine.  2  vol.  in-(^ 

Bru.v.He<  1758. 

Die  Kloster-Bibliothek  umfasste  15000  Bde.  Dom  (lalmellebfe 
sehr  einfach,  wollte  nie  die  Wohnung  des  AMes  beziehen,  liebte 
nicht  den  Glanz  ausser  dem  Ootle-sdienst,  lehnte  die  ihm  angc- 
hntenon  I^islümer  ab.  Sogar  Voltaire,  der  Nihilist  des  18.  Jahr- 
liiiiaierls,  fuldle  sich  von  dem  hoscheiilcnei»  Golohrten  so  an- 
gezogen, dass  er  1748  nach  Seuuaes  kaui  und  dod  3  Wochen 
lang  wie  ein  Mönch  lebte,  die  Frohnieich  na  ms- Prozession  mit- 
machte und  das  Abt -Gebäude  mieten  wollte.  Noch  heute 
werden  im  Kloster  (jetzt  Fabrik)  die  Ziminer  gezeigt,  welche 
Voltaire  bewohnle.  Unter  Dom  Calmet  wurde  an  die  Abteikirche 
von  1534  (dreischifTige  Basilica)  die  Fa^ade  angebaut.  Die  dank- 
bare Stadt  Senones  hat  ihrem  Wohllhäter  in  der  Kirche  ein 
schönes  Grab>Denkma1  gesetzt,  auf  welchem  die  von  Dom  Cal- 
met selbst  verfasste  Inschrift  steht: 

Hic  jacet  F.  Augustinus  Calmet, 

Patria  lotharius,  religione  christianus, 

Fide  catholico-romanus,  professione  monacus, 

Nomine  abbas  hujus  monasterii. 
Legi,  scripsi,  oravi,  utinam  bene ! 
Hic  especto,  donec  veniet  immutatio  mea. 

Das  Fürstentum  Salm  wurde  von  neuem  geteilt  am  521.  De- 
zember 1751  zwischen :  den  Königen  von  Frankreich  und  Polen 
einerseits,  und   Nicolaus  Leopold  erster  Fürst  von  Salm-^ 

Salm  andrerseits,  sich  diesen  Namen  beilegend  seit  seiner 
Verheirathung  mit  Dorothea  Agnes  geb.  Prinzessin  von  Salm. 


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14  — 

Dies  Mal  aber  war  die  TeiluDji;  eine  territoriale.  Der 
Plaine-Bach  machte  die  Grenze,  linlu  Salni|  rechts  die  KOnige, 
-welche  ausserdem  die  Baronie  Finstingen,  Anceviller  und  einige 
andere  Dörfer  erhielten. 

Das  Fürstentum  Salm  umfaaste  nunmehr :  den  Bann  von 
Salm,  die  Berge  und  Waldungen  des  Donon,  die  Hültenwerke 
Graudlontaine,  Labroque,  Vipucelle  etc.  ;  den  Bann  von  Plaine 
mit  den  Dörfern  Celles,  Raon-sur-Plaine,  d:)<  Ami  St  Siail 
«Ic.  ;  den  Kann  von  Serjones,  Stadt  Senones  i^wekhe  (iurcli  den 
Vertrafr  Hesidenz  wurde),  die  Abtei,  die  Dörfer  dn  Menil, 
ist.  Maurice,  Pelit-Haon  etc.,  im  ganzen  32  Dörler  mit  10000 
Einwohnern. 

Die  Ffirsten  Salm  regierten  wohlwollend  und  quasi  als 
konstitutionelle  Pörsten.  Für  das  regime  municipal  (Gemeinde* 
Vorsteher)  wurden  von  der  Gemeinde  drei  Kandidaten  gewählt, 
yon  denen  der  Fürst  einen  ernannte.  Die  so  ernannten  maires 
üblen  die  Polizei  und  wählten  die  Friedensrichter, 
«in  merkwQrdiges  präcedens  des  Dekrets  der  Assemblfe  natio- 
nale vom  24.  August  1790: 

«rl.es  juges  ."cront  ^lus  par  les  jusliciables.w 
Die  Häle  des  Fürsten  lebten  mit  den  ül)rigen  Bürgern  als 
ihres;;leiclien.  Da^  Jahres-Budj^et  variierte  von  25 — 30000  fr. 
Das  höchste  von  1778  war  folgendes : 


Lasten  des  Reiches,  Cercle  du  Hauf-Rhin  und 

andere  Lasten  (invariable)   2ü(KX)  fr, 

10  Brandsprifzen  ä  distribuer   500  — 

Unterhalt  der  übrigen   Khi  ^ 

Armen-Arat   3li0  — 

Chirurg   300  — 

Dotcndieny^t  (mes.'>ager)   170  — 


für  Brücken,  Landstrassen,  Inspektor  und  piqueur   4000  — 


30370  — 

Aus  den  Waldungen,  Feldern,  Wiesen,  Hütten- 
werken,  Mühlen,  Renten  pp.  bezogen  die 
Fürsten  jährlich  etwa  17S000  — 

Total  pp.   200000  fr. 

Das  Budget  wurde  jährlich  vom  Conseil  des  Fürsten  unter 
die  32  Gemeinden  verteilt.  Die  maire:»  machten  die  Deklara- 
tionen,  und  letzlere  wurden  von  Kommissaren  geprüft,  die  vom 
Volk  gewählt  waren. 

Prozesse  waren  selten  und  wurden  von  dem  Grand-bailli, 
der  zugleich  Intendant  war,  entschieden. 


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—  15  — 


Die  Finanzen  waren  in  der  Hand  eines  Beceveur  g^nöral 
und  eines  conseiller  auditeur  des  coinptcs  und  eines  zweiten 
conseiller. 

Die  bewafTnete  Macht  bestand  aus  30  Mann,  weni^'er  zum 
Luxus,  wie  aU  Kontingent  des  Fürstentums  zum  Cercle  du 
Haut-RIiin.  Sie  halle  dreifachen  Dienst  :  an  den  Grenzen,  im 
Innern  unrl  die  Sch!oss-Waclie  in  der  Hcsidenz  Sonnnes. 

Mit  dem  Bau  des  Schlosse?  in  Senones  wuidf  i>;ilfl  unrh  1751 
begonnen.  \om  Marktplatz  jjelangt  man  durch  einen  ihurweg 
auf  den  ge»äumi«(en  Sclilossplatz.  Das  Scidoss  ist  heute  eine 
Spinnerei,  und  iül  aichitekluuiscli  unbedeutend.  Vor  demselben 
steht  eine  Denksauie  des  lOOjüliri^en  Jubiläums  der  Vereinig- 
uns(  mit  Frankreich,  auf  der  einen  Seile  die  Jahreszabl  1793 
mit  dem  Salm'schen  Wappen,  auf  der  anderen  1893  mit  dem 
gallisctien  Hahn. 

Unter  dem  patriarctiatiscben  Regiment  der  Ftlrsten  war  das 
Volk  glöcklicb  und  treu.  Ffirst  Nikolaus  Leopold  von  Salni-Sulm, 
le  prince-pere  «jennnnl,  starb  1770.  Er  halte  aus  erster Elie  18 
Kinder.  Da  der  äheste  Solni  schon  verstorben  war,  ernannte 
er  testamentarisch  seinen  nächsten  Sohn  Louis  zu  seinem  Nach- 
f<'l;,'cr.  Derselbe  halle  aber  scIhhi  die  Sululiakonats-AVeihe 
ernpt.inj^en.  Sem  Hiuder  Maximilian  maclite  ihm  deshalb  die 
Succesiuii  streitig.  Aber  die  Brüder  einii-teii  sich,  indem  Louis 
dem  Maximilian  das  Fürstentum  Hoogslraten  überliess. 

Fürst  Louis  von  Salm-Salm  machte  sich  auf  den  Weg  nach 
Rom,  um  den  Elie-Dispens  tu  erhalten,  erhielt  ihn  aber  nicht 
und  t  1778. 

Ihm  folgte  sein  Neffe  Gonstantin,  ein  Sohn  Maximilians, 
unter  der  Vormundschaft  des  Wilhelm  von  Salm  Bischofs  von 
Tournay,  des  jüngsten  Sohnes  des  Fürsten  Nikolaus  Leopold. 

Mit  dem  Fürsten  Gonstantin  gehl  die  Hen  si  hafl  der  Snlme 
in  den  Vogesen  zu  Ende,  ebenso  wie  die  Existenz  der  Abtei 
Senonos.  Beide  wurden  verschlungen  von  der  grossen  fraozd- 
sischen  Devolution.  Und  zwar  kam  das  so. 

Das  Jahr  1792  war  ein  Huni^erjrihr.  l>urch  Dekret  vom 
8.  Dezember  17^hJ  verbot  die  Convention  nationale  von  Paris 
bei  Todesstrafe  die  Ausfuhr  von  (ietieide.  Das  Fürstentum  Saint 
lag  als  Enklave  rings  vom  tVanzösischen  Gebiet  umschlossen. 
Der  Fürst  Gonstantin  hielt  sich  in  Sirassburg  auf  und  konnte 
beim  besten  Willen  das  Elend  seiner  Unlerthanen  nicht  lindern, 
dieselben  schickten  daher  eine  Deputation  nach  Paris  mit  der 
Bitte,  zu  ihren  ßunslen  eine  Ausnahme  von  dem  Ausfuhr- 
Verbot  zu  machen.  Dort  wurden  sie  natürlich  sclmöde  ab;,^e- 
%viesen.  Die  Convention  l>eschloss  am  10.  Februar  1793,  qu'il 
n'y  a  pas  lieu  ä  delii)6rer.  Darauf  schrieben  die  ünterthanen 


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—    Kl  — 


ihiein  Fürs^ten,  welcher  seit  1*).  AuiK^ust  1701  mit  Familie, 
Dienersciiaft  uiui  seinein  Infeiidaiiton  Noel  seine  Residenz  nach 
Schloss  Auholt  (Weslfalen)  verlegt  halte,  unterm  23.  Februar 
1793: 

«M"n>ei^nem',  .  .  .  Le«f  mennoes  tie  no<?  voisin$,  la  penui  ie 
«des  bleds,  et  la  noi  essit«'  tl'une  union  tValeinclle  enlre  les 
«Franrais  et  nous,  onl  reuni  les  habitans  on  a;«:?emblee  g»^ne- 
«rale,  et  le  r^ultat  est  le  voeu  d'une  rcunion  ä  la  France. 
<—  Souverain  I  nous  ne  craignons  point  vos  reproches,  car  vous 
cötes  ju$te;  mais  quels  regrets  ne  nous  causenl  |>h8  vos  verlus 
«et  Celles  de  vos  ancdtres  Prinoes  si  ch^ris !  pp  i 

Auf  die  Bitte  der  Abgeordneten  von  Sencnes  vom  2. 
März  1893  beschloss  sodann  die  Convention  nationale  am 
selben  Ta^e :  «La  ci-devant  principaute  de  Salm  est  räunie 
«au  territoire  de  la  Republique  et  lait  partie  provisoirement  du 

d^partement  des  Vos};es  »  I>ie  Kommissare,  darunter 

der  berücliti^jl»^  Confhnn,  wurden  ernannl,  um  das  Land  in 
Re-^^itz  zu  iieliiiicn  uixl  die  Vorvvaltiin;^'  zu  oivani^^ipren,  sjchlugen 
die  ^^allll'^^l^en  \Vap|)»Mi  ah,  plrinderUMi  die  Abtei  und  die  Archive 
und  herichtelen  über  die  Austiihrung  iJires  Auftrags  am  2*2, 
Marz  17U3. 

Alle  Urkunden  sind  ahgedruckt  in  dem  oben  erwähnten 
Bulletin  S.  201-248. 

Als  durch  den  Frieden  von  Lunöville  (9.  Februar  iSOl) 
das  ganze  linke  Rheinufer  an  Frankreich  abgetreten  "war, 
erfolgte  durch  den  Reichsdeputationshauptschluss  (27.  April  1805) 
die  Entschädigunip^  auch  der  Fürsten  von  Salm-Salm  auf  Kosten 
der  geistlichen  Fürsten  in  Deutschland.  Der  Fürst  Constantin 
hatte  13  Kinder  von  3  Frauen,  wovon  die  erste  eine  Prinzessin 
Löwon^tein,  die  zweite  eine  Gräfiii  S^tcrnher;:-,  und  die  di'ilfe 
eine  jun^^e  SiiMssbur^erin  Calliarina  Bender  war,  deren  Kinder 
Grafen  Salni-li<>o;^stialt.'n  liie.s.><en  unti  eist  nacli  dem  Kriejje 
1870  71  auspre^^torben  sind,  die  übrigen  Fnrsteu  Sulin-Salin  {ge- 
hören als  mediatisirte  deutsche  Standesherren  nach  Art.  14 
der  deutschen  Bundesakte  zum  hohen  deutschen  Adel. 

Der  Krieg  von  187U  71  hal  die  Gratschatt  Sahn  andeis, 
als  bei  der  Teilung  von.  1751,  zwischen  Frankreich  und  Deutsch-» 
land  geteilt.  Aus  militärischen  Rücksichten  ist  die  Wasserscheide 
zwischen  Breusch  und  Rabodeaü,  als  Grenzlinie  bestimmt 
worden,  und  dadurch  der  grössere  Teil  der  Grafschaft  zu 
Frankreich,  der  kleinere  zu  Deutschend  gekommen.  Aber 
auch  in  dem  französisch  gebliebenen  Teil  ist  das  Andenken  an 
die  Salm'sche  Herrschaft  noch  lani^e  nicht  erloschen.  Am  Rat- 
haus in  Senones  und  an  vielen  Wirtsschildern  prangen  wieder 
die  beiden   Salmen  als  Wappen.   Insbesondere  wird  dieser 


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—   17  — 

historische  Partikularisinus  gepflegt  von  der  selir  verdienten 
Soci^tö  Philomatique  von  St.  Di6,  deren  Arbeiten  vorstehend 
mehrfach  benutzt  sind.i 


1  Sehr  zu  empfehlen  ist  eine  Fnsstom  von  Sdumeck  über  Schlots- 
luine  Salm,  Katzenstein  (Aassiebtsturm),  Champenay  (cheval  blanc), 
Wirtschaft  Hans  (L»eutsche  Grenze)  nach  Senones  (Hotel  Bardol), 
und  von  dort  durch  das  reizende  Kabodeau-Thal  über  iloyenmootier 
und  Etival  nach  St.  Die.  Zurück  über  Saales,  Yoyamont,  Lebateux, 
Climonty  Raumpt,  Rnine  Chfiteaa-d^-la-Rocho,  Waldersb«eh,  Rothan» 
Schiimeck. 


Wappen 

der  Ardennen-Grafen  Salm  (Alt-Salm  oder 

Nieder-Salm). 

Seeweibcben  auf  dem  Helm,  welches  in  jeder  Hand  einen  rote» 
Salm  hitt. 

Fiftbiw,  Geeebicbt«  der  Fftrsten  Salm-Reiffersebeld  {CÜln  1868.  Reberle)  S.a. 

2 

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Wappen 

der  Ardennen-Gi  Rfen  S  a  I  m  (Alt-Salm  oder 

Nieder-Salm). 

Zwei  loto  Salme  aaf  sUbenieiii  Felde,  anf  dem  Helm  eine 
goldene  Krone,  ani  welcher  ein  roter  Salmenachwans  herrorwicbet» 


cf. 

Fahn«.  Geschichte  der  FQrsten  Salm-BeiflTerscheid  (Cöln  186$,  Heberle)  S.  4S. 


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—    lU  — 


Wappen 

der  Vogesen-Grafen  Salm  (Ober-Salm). 

Die  Salme  silbern  in  einem  mit  eilbeinen  Kreusen  bestfeateu 

roten  Schilde. 


cf. 


Fftbaei  Geacbicbte  der  Fürsten  Salm-Reifforscheid  ^Culn  180C.  Heberle)  S.  56. 


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V. 


Der  goldene  Wagen  vom  Belclieniiee. 

(Eine  Mordfeldsage.) 

▼OB 

A.  Bargmann. 

"iiis  h\  schon  lange  her,  <la  sUejr  aus  Ucm  Bclchcnssee, 
wenn  es  gutes  Weller  geben  st rllte,  immer  ein  «^oidener  Wagen 
zur  Berghohe  hinan.  Dierien  Wagen  sollten  .tllein  (3)  Dril- 
linge fassen,  d.  h.  gewinnen  können.  Da  begab  es  sich,  das« 
3  Bröder,  die  oben  auf  den  Melkerbergen  Hirten  waren»  den 
Wagen  in  der  That  einstmals  fiissten  und  in  demselben  auf 
den  Berg  fubren.  Aber  unterwegs  —  auf  dem  Mordfeld  — 
ward  einer  von  ihnen  schlecht  gesinnt  und  gedachte  den  kost- 
baren Wagen  allein  für  sich  zu  gewinnen.  Er  ermordete  des- 
halb seine  zwei  Brüder,  aber  sofort  verschwand  der  goldene 
Wagen  wieder,  d.  h.  er  ging  in  den  Beichensee  hinab.  Seit- 
dem ist  er  nie  wieder  gesehen  worden J 


1  Diese  Sage  ist  mir^Yon  Hsim  Lehrer  Bobisolmiig  an  Wasser» 

ling  erzählt  worden. 


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VI. 


Elf 

durch  Lenz,  Voss,  Gotter  und  Göokingk 
an  Plelfel  gerichtete  Briefe. 

Mitgeteilt 

von 

Schoell. 

Tn  einem  auf  der  Kolniarer  Stadthibliothek  aufliewahrten 
Brit'f  au  All^^  Pri  ier  (8.  Dez.  1797)  schreibt  Pieflel,  er  sei  mit 
einem  zur  OrioiUierung  seines  neuen  Sekretars  bef^limmten 
Inventare  seiner  Papiere  bcsdiäflii^t,  da  H.  BuxtorC,  sein  Ins- 
heriger  (lehtille,  ihn  nach  Neujahr  verlasse,  um  in  dem 
Heimat kanton  Basel  die  Stelle  eines  Vogteischreibers  zu  be- 
kleiden. 

Dieser  neue  Selcrelär  war  J.  i.  Rieder,  der  seit  zwei  Jahren 
mit  Ebrenfried  Slöber  die  Schule  des  strassburgischen  Findelhauses 
leitete«  Am  12.  Dezember  schrieb  ihm  PfelTel :  «Um  noch 
vor  der  Abmse  Ihres  Vorgangers  einige  Bekanntschaft  mit 
meinen  Geschäften  und  meiner  Lebensweise  zu  erhalten, 
wünschte  ich,  dass  Sie  am  Donnerstag  vor  Weihnachten  hier 
eintrafen».  Uehor  (lio>o  Geeohäfle  und  Lebensweise  berichtet 
Bieder  am  17.  Horniiii^^  ati  seine  Klf«M!i  :  iiMor^en«!  von  8  I>is 
i'2  nnd  Nachmittags  von  D  Ms  7  arbeite  ich  mit  meinem 
heben  Patron  auf  seinem  Zimmer  oder  mache  Dt-su*  he  «xler 
{reiie  spazieren  mit  ihm.  Die  übrige  Zeit  ist  ganz  iiiv  mich. 
Den  grössern  Teil  davon  widme  ich  dem  Studieren,  den  übrigen 
dem  Klavier  und  den  häuslichen  Familienfreuden». 

Rieder  lebte  10  glGcklicbe  Monafe  an  Pfeffels  Seite,  bis  er 
zum  Heeresdienst  einberufen  und,  dank  den  Bemühungen 


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-  22  — 


meines  PtTlrons  und  Fried,  v.  Tüiklieiin,  durch  General  Sohaueii- 
bürg  zum  Dolliuetischer  bei  einem  Divisioiigkriegsrate  der 
Schweilerarmee  ernannt  wurde.  Als  solcher  wohnte  er  den 
Schlachten  um  Zürich  bei  und  durch  ihn  erfuhr  Pfeflel  die 
Verwundung  seines  Freundes  Lavater.  Er  ist  es  auch,  dem  wir 
die  Erhaltung  der  folgenden  Schriftstücke  verdanken. 


1. 
Lenz. 

Dieser  unglückliche  Dichler  ist  hesoiiders  l)ok;uint  als 
Goelhe's  Freund  zur  Sesenheimer  Zeit.  Ein  livländischer  Pfarrer- 
<()hn,  kam  er  mit  21  Jahren  (1771)  nach  Strassbur^  und  ge- 
hörte/.um  salzmännischen  Kreise.  1774  erschienen  seine  Dramen: 
Der  Hofmeister  und  Der  neue  Menoza.  Als  G«ellje 
im  nächsten  Frühling  mit  den  Brüdern  Stolberg  in  die  Schweiz 
reiste,  begleitete  ihn  Lenz  nach  Emmendingen  und  verweilte 
8  Tage  bei  dessen  Schwager  Schlosser,  der  damals  in  regem 
Verkehr  mit  Pfeffel  lebte.  Als  nun  kurz  darauf  die  neu 
eingerichtete  deutsche  Gesellschaft  in Strassbui'g 
gegründet  wurde,  übernahm  er  es,  in  dem  ersten  der  folgenden 
Briefe  Pfeffels  Mitwirkung  zu  erbitten.  Die  2  andern  schrieb 
er  von  Weimar  aus,  wo  er  einen  Teil  des  nächsten  Jahres  bei 
Goethe  zubrachte  und  von  wo  er,  seinem  zerfahrenen  Geiste 
gemäss,  plötzlich  abgereist  sein  mu'^'s.  Denn  im  letzten  Brief 
erwähnt  er  mit  keiner  Silbe  die  Möglichkeit  seiner  Flückkelir 
—  imd  schon  r.u  Weilmachten,  alw  kaum  einen  Munal  darauf, 
ist  er  zu  Emmendingen  und  dann  eine  Woche  lang^  hei  PfeßVI 
selbst.  Das  lulgende  Neujahr  tinden  wir  ihn,  als  schwermütigen 
Gast,  im  waldersbacher  Pfarrhaus,  wo  er  uucli  die  Kanzel  be- 
steigt. Im  Juni  begegnet  iiim  Pfeflel  zum  letzten  Mal  bei 
Schlosser,  der  ihn,  da  sein  Gemüt  sich  immer  bedenklicher 
umdiisterte,  1778  nach  Riga  zurückschickte. 

Die  hier  abgedruckten  Briefe  zeigen  das  phantastische 
Wesen  ihres  Verfassers  und  seine  stark  entwickelte  Gräbelsucht, 
die  sich  in  vielen,  oft  ohne  Zusammenhang  angehäuften  Fragen 
kund  gibt. 

i. 

Wie  begierig  ergreife  ich  gegenwüi  U-c  Gelegenheil,  Ihnen, 
mein  Hebens*  und  verehrungswOrdiger  Freund,  das  Vergnügen 
auszudrucken,  das  mir  Ihre  letztere  gütige  Zuschrift  gemacht. 
Ihre  kleine  Kapelle  sollte  mir  in  der  That  die  erwünschteste 


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—  23  - 


Zuflucht  tur  meine  Weihnachtsandacht  sein,  wenn  sich  meine 
äusseriiclien  Umstände  nur  im  Geringsten  darnach  fügen  woll- 
ten. So  aber  kann  ich  nur  noch  aus  der  Entfernung  Ihnen  zur 
völligen  Wiederherstellung  Ihrer  Kräfte  den  herabströmenden 
Himmel  an  wünschen.  So  viel  Nachrichten  von  Ihrer  Person, 
von  Ihren  Scl  i  k  -11011,  von  Ihrer  Verbindung  haben  sclion  seit 
Ian;,'er  Zeit  den  Wunsch  in  mir  rc<^c  gemacht,  eine  W'all fahrt 
zu  Ihnen  anzustellen  und  Sie  in  der  Sphäre,  Hie  Sie  anfüllen, 
zu  sehen ;  ich  behalte  mir  diese  Freude  auf  bessere  Zeiten  vor. 

Dürft'  ich  Ihnen  einen  Antrag  thun?  P^s  verbindet  sich 
lii  n*  eine  Gesellsichaft  schätzbarer  Gelehrter,»  unter  denen  auch 
Olliziere  und  hier  anp^e-e«;f?ene  Personen  sind,  zur  Verbesserung^ 
tifr  hiesigen  deutschen  Mundart  «sowohl  als  zur  möglichsten 
Bei  eii  herung  unsers  in  Schriften  '^ehiäncblichen  Ho'  hileiitsch. 
Wollten  Sie,  würdiger  Mann,  mit  von  unserer  Anzahl  sein? 
Herr  Lizenziat  Ott  wird  ihnen  mündlich  eine  ansttilirlichere 
Ikschreibung  von  diesem  Institut  machen  ((önoen.  Wir  erbitten 
uns  von  Ihnen  nichts  als  von  Zeit  zu  Zeit,  sobald  es  Ihre 
Geschifle  verstatten,  einige  Zeilen  als  Beitrag  zu  einem  Idiotikon 
vom  Elsass,  Vorschläge  etwan  wie  ein  und  anderes  kräftiges 
Wort,  der  guten  Sprache  unbeschadet,  in  dieselbe  aufgenommen 
und  vor  dem  ewigen  Verdarnmungsurteil  ProvinziaKvoi  t  gerettet 
werden  könnte.  Ich  rnnss  Ihnen  gestehen,  dass  bei  dem  ersten 
Vorschlag  einer  deutschen  Gesellscliaft  im  Elsass  mir  der  Bei- 
stand eines  seiner  ersten  Schriftsteller  nnentbehrlicb  <t  heint 
und  also  dieser  Antr,i;j  '^.wiz  und  gr^r  eigennützig  ist.  Herr 
HotVal  Schlosser  wird  ihnen  (he  ecsle  Schritt  niitleileii,  flie 
ich  bei  der  Emlhjung  dieser  ( lesellschutt  in  dem  H;mse  cl»*s  Hemi 
Akluarius  Salzmann  abgelesen.  Sie  sind  ■so  gütig,  mii  •»ie 
wieiler,  nehst  einer  geneigten  Antwort  auf  unsern  Antrag,  zu- 
kommen zu  lassen,  weil  sie  in  unser  Archiv  eingetragen  werden 
soll  und  ich  noch  keine  Abschrift  davon  genommen. 

Herr  Lerse*  ist  nach  Zweibrücken  abgegangen,  und  ich 
habe  leider  bei  meinen  häußgen  Zerstreuungen  seines  Umgangs 
nicht  so  häufig  genie^n  können  als  ich  wohl  gewünscht  hätte. 


'  32  Mitglieder,  wovon  19  in  Strassbarg  :  8  Lehrer  des  Gym- 
nasiums (Blessig,  Fries,  Lobstein,  Otto,  2  Müller,  Köderer,  Leypold). 
Job.  y.  Türkheim  nnd  Salzmann  (Vetter  des  Akinars,  kam  eben  von 
Göttingen  znräck,  wo  «r  Hofmeister  des  Freiherm  v.  Stein  ge- 
wesen) u.  8.  w. 

^  War  bis  dahin  Uaoslebrer  bei  Pfeffels  Bruder  in  Versailles  und 
wurde  mit  Beginn  des  folgenden  Jahres  Inspektor  dar  Kolmarsr 
Kritgsscliiile.  Sein  Vater  war  sweibxückischer  Regiernngsrat. 


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—   24  — 


Empfehlen  Sie  mich  unbekannter  Weise  Ihrer  würdigen 
Gemahlin  und  Familie.  Ich  bin  mit  der  ungeschminktesten 
Hochachtung 

Dero 

Sirassburg,  den  13ten  8ber  ganz  ergebener 

1775.  Diener  und  Verehrer 

JMRLenz.i 

2. 

Meine  Abreise  aus  Sirassburg  war  j-n  nii\ei  mutet  unti 
laeiae  Schicksale  und  Beschäftijfuugen  kreuzlen  sich  seitdem  so 
wunderbar,  dass  ich  von  den  wieBlitzen  an  mir  vorüberfliegenden 
Ai]^nblicken.  bisher  noch  keinen  habe  haschen  können,  Ihnen 
zu  sagen  wie  unwandelbar  meine  Hochachtung  für  Sie  sei  und 
wie  alle  Entfernung  deo  Zusammenhang  mit  Männern  von 
Ihrer  Art  nur  etwas  weiter  ausdehnen,  nie  aber  zerrelssen 
könne. 

Um  was  Geschäft  ist  zuerst  auf  die  Seite  zu  räumen, 
muss  ich  Sie  bitten  doch  jrologcntlich  Herrn  Neukirch  zu  snp:en, 
er  möchte  die  Hapsodie,  8o  ei'  Ihnen  vorgelesen,  doch  Herrn 
Schlosser  zurückschicken,  sie  war  liir  einen  andern  be?-liinint. 
Ich  hofTe  aber  mit  diesem  liehen  Mann,  wenn  er  Ln-t  zu  niii- 
hal,  in  andere  Unlerhaiidlungen  zu  treten,  die  lur  uns  beide 
wichtiger  sein  werden. 

Itzt  zu  Ihnen  und  Ihrem  Institut.  Darf  ich  mir  doch  einijfe 
Nachrichten  davon  ausbitten?  Sind  auch  französische  Jun^^e 
Edelleute  darin?  Worin  werden  sie  unterrichtet?  Was  andere 
zu  vielen  Lärmen  machen,  werter  Freund,  machen  Sie  zu 
wenig  ! 

Wollten  Sie  mir  auch  sagen,  und  Herr  Professor  Lerse 
wird  mir  vielleicht  darin  mehr  Licht  geben  können,  was  eigent- 
lich aus  der  Ecole  militaire  in  Paris  geworden  ist,  wu 
jetzt  Ecoles  mililaires  angelegt  worden,  was  aus  dem 
Hotel  <1pv  Invalides  geworden,  wo  die  Invaliden  jetzf 
verjillegl  weiden,  was  aus  der  Landmiliz  geworden  und  wozu 
sie  anjelzt  gehrancht  wird.  Ich  hrauche  alle  diese  Nachrichten 
notwendig.  Verzeihen  Sie  meine  Unhe.--cheidenheit,  ich  wei^s 
sonst  nicht  an  wen  ich  mich  wenden  soll. 

Herr  Basedow  hat  mir  »lie  Line  angethan,  mii  einen  Huf 


1  Jakob  Michael  Reinhold. 


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—  25  — 


als  SchrifUteller  ans  Pbtlaathropin  i  zuzuschicken ;  ich  musste 
wirklich  lachen  über  dieae  neue  Art  zu  komplimentieren.  Indessen 
bofie  ich  dennoch  von  dieser  Anstalt  in  unseren  Geg^enden  viel 
Gutes,  wenn  der  Mann  nur  im  Stande  wäre  sich  die  Grille 
der  allgemeinen  Religion  aus  dem  Kopfe  za  lassen,  welches  die 
meisten  Eltem  von  ihm  abschmkt.  Es  ht  (üv  ihn,  sowie  für 
unzähii^'c  Prolestanten  ein  Unglück,  «lass  jemals  ein  Luther 
gelebt  hat.  Nachdem  er  Ber^e  ausgehoben,  wollen  sie  mit  eben 
dem  Geräusch  Strohhäimchen  wegscIialTen. 

Meine  Adresse  ist  in  Weimar  an  llcirii  i^clu'iirieri  I,e- 
palioaijral  (lioHie,  (ult^r  liebtM-  an  ILitVal  Wirlaml,  weil  erstuT 
itzt  {(leichraUs  au(  dt-in  Lanih^  ist.  I.  Ii  sdm.ecke  die  ganze 
Wollu<:t  der  Einsamkeit  auf  den  Koulrasl  des  Hofes. 

Sie  werden  mich  durch  eine  umstandhche  Nachricht  von 
Ihrer  Anstalt  unendlich  verbinden.  Herrn  Professor  Lerse  bitte 
ich  viel  Schönes  zu  sagen. 

Lenz. 

(Undatirt.  Den  3i.  Juli  1776  in  Kolmar  empfangen). 

3. 

Icii  liabe  Ihren  Brief  und  Naclirichl  einer  Dame  vom  Hofe 
gegeben,  die  ihn  einer  treiflichen  Dame  von  ihrer  Bekanntschaft, 
die  eben  mit  ihrem  Sohne  zwischen  Dessau  und  Salis*  un^ 
schlüssig  war,  zugeschickt  hat.  Verzeihen  Sie,  dass  ich  in  diesem 
Stuck  Ihre  freundschaftliche  Ordre  überschritten.  Es  war  mein 
Herz,  das  mir  dasu  riet  und  dieses  sündigt  nie. 

Ich  bin  der  Jahreszeit  ungeachtet  noch  immer  auf  dem 
Lande,  weil  man  n)ich  in  Weimar  nicht  brauchen  kann.  Neu- 
li«  b  glaubte  sich  ein  Franzose,  der  sich  einen  Zögling  des 
grossen  Voltairt»  sagte,  seiner  Sat-be  schon  jrewiss,  als  er  mit 
einem  grossen  Knipfehtungsschreiben  vom  Prinzen  ,  *  .  ni!>> 
Berlin,  einem  Verwandten  unsprs  Hauses,  wurin  <lt"> -^»'IIm'  <len 
geheimen  Legalionsrat  Gcelhe  den  deiil^jcheji  Sliake-jieire  und 
den  deutschen  Voltaire  nannte  und  gegenwärtigen  Fremden 
wegen  seiner  guten  Sitten  und  iaienle  nnd  Verse  empfahl,  sich 
meinem  Freunde  Goethe  vorstellen  Hess.  Weil  unsere  Einrich- 
tungen aber  nicht  für  Fremde  sind,  musste  der  Zögling  des 
grossen  Voltaire  mit  Schimpf  und  Schande  abziehn.  Ich  bitte 
diese  Geschichte  bekannt  zu  machen. 


1  Basedow  hatte  1774  seine  Anstalt  sn  Dessan  gegriuidet  nnd 
leitete  sie  4  Jahre  lang,  worauf  ihn  Campe  ersetzte 

2  Das  vou  Planta  in  Zizers  Ijei  Ghur  1771  erri»  htete  Fhilan- 
thtopia  war  1775  von  Salis  eruorben  und  in  seine  Herrschaft 
M arschlins  Tezpflanst  worden,  wo  es  nnr  noch  sin  Jahr  bestand. 


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—    20  — 


Meine  wärmsle  Empfehlung  Ihrem  Freunde  Lerse,  dessen 
wir  uns  mit  Gu3the  oft  erinnert  haben.  Wie  soll  ich  Ihnen 
meinen  Dank  ausdrücken  für  die  jjefällijfe  Beanlwortunj;:  meiner 
fiirwitzijjen  Frn^^en?  Ich  weiss  nicht,  welchen  Anteil  ich  an 
Frankreich  neliine,  dtjni  ich  doi  li  keine  Verbindliclikeiten  habe. 

Ich  wollte  Ihnen  ein  Kxeiüplar  der  Beiden  Alten  und 
andrer  kleiner  Aiifsäf/e  l>eile;:eij,  wenn  es  sieh  der  Mühe  ver- 
lohnle.  Ich  erwiihne  dessen  nur,  weil  die  Vurlesunj;en  in  unsrer 
Deutschen  Gesellschaft,  die  ich  Ihnen  im  Manuscript  zuge* 
schickt,  darin  abgedruckt  worden.  Sie  ist  gegenu'ärtig  mit 
einer  ökonomischen  Gesellschaft  im  Hause  des  Herrn  von 
TQrkheim  i  verbunden,  nicht  vereinigt,  worden.  Eine  ähnliche 
Gesellschaft  unter  Ihrer  Aufsicht  würde  Colmar  und  Ihnen 
Klire  un<l  die  Hochachtung  der  Deutschen  erwerben,  bei  deten 
der  Nationalgeist  rege  winl. 

Ihr  aufrichtigster  Freund  und  Verehrer 
Lenz. 

(Am  4.  Xber  177ü  empfangen). 

IL 
Voss. 

Lens  wjir  schon  ein  Jahr  im  Elsass,  als  Voss,  gleichen 
Alters,  in  Göttingen  eintraf,  wo  er  sich  dem  Hainbunde  anschloss 
und  1776  neben  der  von  seinem  nacbheri<,^en  Schwager  Boie 
und  von  Gotter  gegründeten  und  nun  von  Göckingk  geleiteten 
Blumen  lese,  einen  andern  Musenalmanach  stiftete.  IVi 
diesem  rnlernehmen  war  ihm  er*5t  Claudius  in  VVandsbeck 
1778  und  nach  er  (1780 — 1788)  Üörkiii^^k  behüldich.  Nricli  seiner 
Verheiratung  wind«-  ev  1778  Reklor  zu  Olterndorf,  wo  er  «Ite 
Odyssee  ül)erset/.le,  mid  i78'"2  zu  Eutin,  wo  Luise  und  Ilias 
erschienen.  Seil  1805  wirkte  er  au  der  Umversilät  Heidelberg, 
von  wo  aus  er  im  Herbst  1808  Pfeflfel  besuchte.  Wenige  Stunden 
nach  dessen  Tode  kam  noch  ein  Brief  von  Voss  in  Colmar  an. 

1. 

Wandsbeck,  den  21.  Okiober  1776. 

Ich  danke  Ihnen,  mein  lieber  Pfeffel,  für  die  schönen 
Beiträge,  womit  Sie  meinen  Almanach  geziert  haben  und  noch 


1  Schwager  von  Lilli,  1775  Senator,  1778  Arameister  und  1779 
Einundzwanziger;  1789  Depntirter  d«r  Stadt  Strassburg  bei  den 
Oeneralständen. 


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27 


mehr  für  die  freundschaftliche  GesinnuDjf»  die  Sie  gegen  mich 
in  Ihrem  Briefe  äussern.  Sie  sind  einer  von  den  Wenigen, 
deren  Beifall  ich  zu  erringen  strelw;  denn  Ihr  Genius  ist  ein 
ungefallener  Sohn  des  Himmels  und  liann  nur  den  liehen,  der 

auf  gleicher  Bahn  zur  Unsterblichkeit  fliegt. 

Dass  Ihnen  mein  Aimanach  ganz  gefalle,  c>r\varte  ich  gar 
nicht ;  ich  habe  manches  aus  Not  drucken  müssen.  Wäre  nur 
Eine  solche  Sammlung,  so  könnte  man  ihiem  Zweck,  der 
Ausbreitung  des  <^nh'n  Geschmacks,  näher  kommen;  aber  jelzl 
schreibt  oder  sammelt  alles  Almanache.  Icli  habe  Hern» 
Göekingk  neulich  deo  Vor.schlag  gelhan,  mit  seinen  Kieimdeii 
zu  mir  uberzugehn  i  und  dann  sollte  gewiss  bald  nur  Ein  Ai- 
manach genannt  werden.  Ich  selbst  werde  durch  äussere  Um- 
siftnde  verhindert,  meine  Sammlung  aufzugeben;  und  wen» 
ich's  auch  könnte,  so  wurden  doch  meine  Freunde,  denen 
Dietrichs  Verfahren  gegen  mich  bekannt  ist,  sein  Verlagsbuch 
nicht  untersIGtzen  wollen. 

Guter  Mann,  ich  habe  Sie  lieb  und  wünsche  Sie  näher  zu 
kennen.    Sagen  Sie  mir  doch  in  Ihrem  nächsten  Briefe  recht 
viel  von  sich,   wie  Sie  leben,    wie  Sie  arbeiten  und  wie  lange 
hon  so  wie  Homer  und  Ossian.  Die  Unterschrift  Ihres  Namens 
hat  mich  innig  gerOln't. 

Ich  wünsclie,  da>?s  Sie  mir  Ihre  Jieiträge  ein  wenig  frui* 
sthicken,  denn  Bohn,  der  nur  lur  den  Veilag  jährlich  i<H>  H. 
gibt,  will  gern  gleich  nach  Ostern  mit  dem  Druck  .inlan-un, 
damit  die  Almanache  gegen  die  Micbaelismesse  gebunden 
werden  kdnnen.  Wenn  Herr  Gdckingk  so,  wie  ich  helfe,  meinen 
Brief  aufnimmt,  so  rechne  ich  auf  viele  Beiträge  von  Ihnen . 

Leben  Sie  gesund  und  froh  und  beehren  mich  mit  Ihrer 
Freundschaft«  J.  H.  Voss. 

Ihren  Auftrag  an  Klopstock  hab'  ich  bestellt.  £r  ist  jetzt 
sehr  fleissig  an  der  deutschen  Grammatik. 

2. 

Kulm,  den  '2.  Oktober  1783. 

Hier  scliieke  i«  Ii  meinem  lieben  Freund  Pfeile!  seine  l>eideD 
Almanaciie  und  ein  Exemplar  von  Uöllys^  Gedichten.  Eine 

1  Dieser  Gedanke  wmde  erst  IT^'O  erfülU,  rils  Voss  und  Göckingk. 
zusammen  den  Hamburger  MusenalmaDach  überuahmeu,  den  sie 
8  Jahre  leiten  tollten. 

2  Vossens  Studienfreund  (1772  —  1774)  uml  Hainbündler.  f  zu 
Hannover  im  2Ö.  Jahre,  1776.  Diese  erste  Ausgabe  der  Höltysche» 
Gedichte  war  von  Voss  selbst  in  etwas  willkürlicher  Weise  besorgt 
worden.  Eine  eveite.  genauere,  ist  erst  1809  ersphienen. 


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—  ^  - 


Fabel  habe  ich  zurQckt^elassen,  weil  sie  gerade  in  der  Zeituog 
als  Probe  aus  Ihren  Gedichten  angeführt  ward.  Ihre  Gedichte 
habe  ich  noch  nicht  gesehen ;  aber  Slolberg^  der  tum  Geburts* 
4age  hier  ward,  hat  mir  viel  Gutes  davon  gesagt. 

Diesen  Winter  bleibt  S(oll)erj  bei  seinem  Bruder  in  Trems- 
hu{{e\,  dann  geht  er  nach  Oldenburg,  und  ich  verlasse  meinen 
Freund.  Wenn  ich  nur  noch  die  nsch^'elassene  Wobnun^f 
meines  Freundes  >  bfzifhon  könnte !  Der  alle  Herr  (Hausbesitzer) 
isJ  «obr  steif;  aber  er  wird  sich  am  Ende  dorb  wobl  IteqTienien 
müssen.  Im  Ralbaii!«e  ist  es  nicht  ^'ut  lOr  einen,  der  die  Stille 
liebt,  und  im  Winler  liann  man  darin  nicht  einmal  warm 
\Yerden,  mit  den  lieben  Kindlein. 

Klopstock  vollendet  jetzt  seinen  Heiiaanii  und  die 
Fürsten.  Ich  habe  ihn  jj^ebelen,  dass  er  nicht  viele  von  den 
wissenschaftlichen  Oden  mehr  machen  möchte,  wie  die  im 
Almanach  und  einige  besonders  gedruckte.  Wer  soll  ihn  lesen? 
Sein  Lob  Josephs  entwischte  ihm.  Ich  glaube,  dass  er*s 
jetzo  gern  zurücknähme. 

Ich  umarme  Sie,  mein  edler  Freund.  Die  Scltulstunde 
sieb  lägt.  Schicken  Sie  mir  die  Gedicbte,  die  Sie  dem  künftigen 
Almanach  bestimmen,  so  früh  als  Sie  können.  Dieses  Jahr,  da 
^jlles  so  spat  einlief,  war  irh  fast  ents^chlossen,  kein  Almanach 
nielir  herauszugeben.  Grüäseu  Sie  Ihren  Lerse  und  lieben 
Sic  mich.  Voss. 

III. 
Gotter 

V^eboren  4746  zu  Gotha,  wo  er  später  Geheimscbieil er  des 
Herzogs  wird  und  1797  stirbt,  verbindet  sich  1770  mit  Boie 
zur  Herausgabe  des  von  Kästner  unterstützten,  den  Mercure 
<l  e  France  nnrliahmenden  Ciöttin^rer  ^f^•=e^nlnl:)n^(•hs,  ver- 
lässt  jedoch  bald  Göttinnen  und  wird  durch  Dürrer  au  Ik)ies 
iSeite  ersetzt. 

Dem  Geiste  des  Hainbundes  untreu,  naliin  ei*  Wielan«! 
und  Gleim  /.um  Vorbild,  m  tLhIc  Operetten  nach  Weisse'seber 
Manier  und  bearbeitete  französische  Stücke  für  die  deut.sche 
Bflhne,  wie  Oberhaupt  Gotha  eine  der  norddeutschen  SiSdIe  ist, 
wo  sich  der  französische  Etnfluss  und  Geschmack  am  längsten 
behauptet  hat. 


*  Der  jüngere  Stolberg  war,  wie  Lenz.  Vossens  Altersgenosse. 

Er  war  in  die  Dienste  des  Herzogs  von  Oldonbnrg  getreten  nnd  hatte 
sich  1781  in  Eutin  vermählt.  Sein  üiaabenswech^el  und  daheriges 
Zerwttrfnis  mit  Voss  ist  bekannt.  Sein  Smder  war  Amtmann  in 
Ttomsbattel  von  1777  bis  IbOO. 


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—  2J)  - 


Wie  Göckingk,  versuchte  auch  Goller  borazische  Episteif» 
9EU  schreiben. 

Aus  seinen  beiden,  hier  veronenllichten  Brieten  erfahren 
wir,  dass  er  im  Sommer  177  i  eine  Heise  nach  Lyon  unlcrnahii> 
und  auf  dem  Heimwejfe  Pfeßels  persönliche  Bekannt S(  halt 
machte.  Warum  dieser,  ein  s.ui-^f  <<>  fMuiklli(  her  Korrespondent 
sein  »^r^tp«,  so  freiindhches  Sclneibeu  unbeantwortet  lies.s,  müs- 
^en  wir  dahinj^estellt  lassen. 

i, 

Gotha,  im  Februar  1775. 

Ün<l  sie  zojjen  durch  einen  andern  Weg: 
wieder  in  ihr  f.  nnd.  Vielleicht,  mein  teuerster  Herr  und 
Freund,  stellen  Sie  '^-m-  in  der  Venniiliuig',  tiass  wir  ins  I.indi 
der  Schatten  ^^en-i-t  waren.  Wirkli«  h  l.isst  sich  ant  h  fa-'  -onst 
liiclit  Le^'reil'en,  wie  man  so  gar  nitlits  \un  sich  li.ticn  larisei* 
kann.  Dieses  mit  allen  seinen  Urs;<clien  zu  erklären,  würde 
mehr  Blätter  anfüllen,  als  Sie  Lust  hatten  sich  vorlesen  zu 
lassen.  Genug  also,  dass  wir  nach  einem  höchst  vergnügten, 
sechswochentUchen  Aufenthall  in  Lyon  durch  die  Schweis, 
zurückgegangen  sind ;  dass  wir  nicht  allein  alle  Stftdle  und 
Städtchen  den  Genfer  See  herauf  bis  Bern,  sondern  auch  Zfiricb 
gesehen,  Lavaters  und  vieler  braven  Leute  Bekanntschaft  ge« 
macht,  auch  Ihren  Freund  Iseliii  *  in  Basel  gesprochen ;  dass- 
wir  aber  hierauf,  ich  weiss  nicht  durch  welchen  Eigensinn  un- 
seres Fuhrmanns  den  neuen-  AVe;:  nach  Slrnsslnny  genommen 
haben,  datür  durch  die  »'letvIcshMi  Herlit'r;:en  Itesliaft  \vordt»n 
und  endlieh  nrich  nianclierlei  AuieiiHiall  im  Ndv.-mlx'i'  hei 
untren  Laren  wieder  angelangt  sind.  Diesej  Anlenlhalt  lührto- 
hauplsüchlich  von  einer  kranken  ileisegefahrtin,  Muhme  des^ 
jungen  i).  Sulzer  3  hei',  die  wir  in  Zürich  mitnahmen,  weil  sie- 
durch  die  Reise  ihre  Gesundheil  wiederherKUsteilen  hoflle.  Der 
vierte  Platz  in  unserm  Wagen  war  leider  dadurch,  dass  wir 


'  Als  Lavater  am  16.  Jani  1774  zum  ersten  mal  bei  Pfeffel  ein- 
kehrte, war  es  mit  einem  noch  vorhandenen  Empfebhingsschreibea 
des  Philanthropen  Isaak  Iselin,  des  Verfassers  der  Geschichte  der 
HsDscbheit. 

s  längs  des  Rheins. 

'  In  Pfeffels  Fremdenbuch  (22.  Jnli  1778;  steht  ein  Mediziner 
dieses  ^'amens.  aas  Winterthar.  Nach  Pfanuenschmied  (Fremdenbacb^ 
8.  37y  ist  ein  Prof.  Saher  aas  Winterthar  1776  in  Berlin  tbutig,  w» 
ihm  sein  Landsmann  Kaafmann  besucht.  Es  kdnnt«  wohl  OotterS' 
Beisegefährte  sein. 


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—   30  — 


unsre  kleine  ariig^e  St iefscli wester  bei  ihrer  Schwester  in  Lyon 
Jassen  mussten,  led'v^  gewoixlen. 

Soviel  von  unfern  Reirebeniieiten,  denn  etwas  mu>sl'  ich 
doch  nach  holen.  Aher  wie  kann  ich  Ihnen  tlen  iLindruok  leb- 
haft {jenug  beschreiben,  den  Ihre  persönliche  Bekanntschaft 
auf  mein  Hei'z  gemacht  hat?  Ohne  Schmeichelei,  icii  rechne 
jenen  Abend  zu  den  glückUchsten  meines  Lebens.  Noch  nirgends 
bin  ich  mit  so  warmer,  unverstellter  Freude  empfangen  worden. 
Und  alle  die  guten  Männer«  die  Sie  mir  vorstellten  —  grüssen 
Sie  mir  sie  ja  alle  recht  herzlich  und  melden  Sie  mir,  wenn 
ich  bitten  darf,  ob  man  sieb  noch  der  Erscheinung  eines  müden, 
zerstreuten  Reisenden  erinnert.  Ich  habe  seitdem  meine  Zeit 
hier  ganz  artig  zugebracht.  Die  Anwesenheit  des  ehmals  wei* 
manschen  Thealers  verschafft  mir  manchen  frohen  Augenblick, 
aber  auch  mnnche  Be>:chaftip:unfr.  Sie  ersehn  aus  der  Beilage, 
"WA^  ein  gutes  Theater  gleicli  für  eine  Gäbrung  verursacht. 
Herr  Heifhard,  einer  meiner  Freunde,  ist  der  Verfnsser  dieses 
AInianachs.  Ich  hulTe,  cler  Gedanke  soll  Ihnen  gefallen,  da  Sie 
füi*  alles,  was  das  Theater  an^^eht,  sich  interessieren.  Bedenken 
Sie,  dass  es  nur  der  erste  Einfall  ist  und  dass  man  es  mit 
leichter  Mühe  in  der  Folge  m  einem  sehr  vollständigen  theatra- 
lischen Taschenbuche  machen  kann. 

Wollten  Sie  wobt,  mein  wertester  Freund,  hierzu  auch  das 
Ihrige  beitragen?  Wdlfen  Sie  uns,  was  Sie  von  Nachrichten 
oder  Anekdoten  vorrätig  haben,  mitteilen,  auch  sonst  Ihre 
Cedanken  darüber  eröffnen  ? 

Die  andere  Beilage  ist  ein  Brief  von  Herrn  Hoder,  der 
f«ich  der  Freundschaft,  mit  welcher  Sie  seine  verstorbene  Frau 
t)eehrt  haben,  nrn  h  dankbarlichst  et  innert  und  im  Vertrauen, 
<lass  Sie  solclie  nun  auf  ihn  verbreiten  weiden,  Sie  nni  Ihr 
Fiiiwort  in  einem  Pfandau>lu-ui);,'sf»:eschane,  von  deii\  ich 
ül)rigens  kein  Wort  weiss,  ersucht.  Verzeihen  Sie,  dass  ich  den 
Brief  auf  meinern  Pult  habe  so  alt  werden  lassen  und  bellen 
Sie  dem  ehrlichen  Menseben,  wenn  Si«  können.  Er  bat  das 
Glück  des  Ehestandes  zum  zweitenmal  mit  einer  jungen  Person 
irersucht^  die  mehr  Tänzerin  als  Schauspielerin  ist  und  meinem 
Herzen  wenigstens  Jeannettens  Stelle  nie  zu  ersetzen  vermag. 

Ich  erinnere  mich,  dass  Dir  vormaliger  Sekretär  diese 
Ostern  seine  erste  Reise  nach  Leipzig  zu  machen  gesonnen  ist ; 
aber  vielleicht  weiss  er  nicht  mehr,  dass  er  mir  versprochen 
hat,  n)i(  b  auf  der  Durchreise  zu  besuchen.  Wie  willkommen 
wii'd  er  mir  sein,  da  ihn  mein  lieher  Pfeffel  schickt,  er,  den 
icli  lieble  und  hocbscliatztej  ehe  i(  Ii  mir  träumen  Hess,  dass 
ich  ihn  jemals  würde  kennen  lernen.  Der  trcundli«  ben  Ge- 
hülfin  Ihres  Lebens  sagen  Sie  viel  Schönes  von  mir  und  ^eien 


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—    31  — 


Sie  versichert,  dass  ich  an  Ihrer  Zafriedenheil  den  wSrmsten 
Anteil  nehme  und  unveränderlich  bin 

Ihr  ergel)enster  Freund  6. 

Gotha,  den  10.  Oktober  1775. 

Geliebter  Freund, 

In  der  tjewissen  Vermutung,  dass  Sie  den  Brief,  welchen 
ich  Ihnen  im  Anfun*^  dieses  Jahres  schrieb,  nicht  eilialten 
(denn  würden  Sie  mich  sonst  so  lange  ohne  Antwort  {gelassen 
halten?)  cr^rreiP  ich  mit  doppeltem  Vergnü^^en  die  f,'egen\värtij:e 
sichere  Gele^^cniicit,  Ihnen  eini^'^e  Nnchrirhl  von  mir  zu  i;:eben. 
Herr  Mi(  iiaehs,  Sohn  des  Orientalisten  zu  «iDltin^j'en,  ^  ird  Urnen 
die.-?eu  Brief  von  Sirassburg  aus  zus(  hi<  kon,  \vosell)sl  er  ein 
halbes  Jahr  der  Arzneikunsl  obzuhegeii  «gedenkt.  Am  liebsten 
fiberbrftchl*  er  Ihnen  solchen  selbst;  denn  er  trägt,  nach  Ihren 
Schriften  und  allem  was  ich  ihm  zu  Ihrem  Vorteil  gesagt  habe, 
grosses  Verlangen  Sie  xu  kennen.  Da  sich  aber  dieses  sogleich 
nicht  thun  lassen  will,  so  empfehl*  ich  ihn  wenigstens  auf  den 
Fall,  dass  er  gegen  das  Frühjahr  nach  Colmar  kommen  soll, 
Ihrer  Gütigkeit  und  Hospitalität.  Er  ist  ein  junger  ^^n^^l  von 
vielen  Fähigkeiten,  der  dem  Namen,  welchen  er  fährt,  Ehre 
zu  machen  verspriclit.  F'r  ist  acht  Ta^^e  bei  un«  {gewesen,  hat 
«ifh  in  meinem  kleinen  Zirkel  mit  herumgedreht  und  Ver- 
gnügen und  I.angweile  treulich  mit  uns  geteilt. 

Ich  bin  Jetzt  gesund  und  dem  Feinde,  vor  welchem  ich 
damals  floh,  als  wir  uns  zum  ersten  mal  UFTKuinten,  so  7iem- 
licli  -lus;  dem  'It^-vicht  gekommen.  \)a^  i^t  flas  wichtigste,  \v;)s 
ich  liineii  zu  mt:Mt'ii  liahe.  Sie  nirtrlilen  mich  damals  mit  einem 
neuangeliendeu  Diu  hhändiei"  l)ekaiint,  der  mich  auf  seiner 
i>urcliieise  nach  Leipzig  besuchen  sullle.  Al>er  <iie  dritte  Mes^e 
seit  dieser  Zeit  geht  schon  zu  Ende  und  noch  hat  mich  niemand 
besucht.  Grössen  Sie  mir  doch  einen  jeden,  den  ich  bei  Ihnen 
gesehen  habe.  Die  Personen  stehen  noch  alle  vor  mir,  aber 
die  Namen  sind  meinem  Gredächtnis  entfallen  —  den  jungen, 
offenen  Geistlichen,  den  Instructor  fhrer  militärischen  Schule 
und  auch  den  guten  Mann,  der  die  Miniatur  meiner  Jeannette 
besitzt.  Es  waren  kunte,  aber  selige  Stunden,  die  ich  bei  Ihnen 
durchlebte.  0  dass  uns  das  Schicksal  nicht  noch  einmal  zu- 
sammenbrachte ! 


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—  3i  -~ 


Die  Nachfichly  welche  Sie  von  jeher  mit  den  Produkten 
meiner  Muse  gehegt  haben,  nmntert  mich  auf,  Ihnen  die  an- 
liegende Uebersetzuni,'  oder  Nachahmung  vom  0  r  e  s  t  des 
Voltaire  und  eine  Medea,  die  ganz  aus  meinem  Hirn  ent- 
sprungen i<t,  m  ubersenden.  Ich  schrieb  letztere  für  Madame 
Seiler  (vormals  Hensel),  nn  l  nur  von  ihr  wünsch*  icli  ^?ie  ge- 
spielt 7U  sehen.  Ihnen  vuu  tiifst'r  Gattung  einen  deutlichen 
Begrill  zu  ^eben,  wäre  für  einen  Hrief  zu  weitläufig.  Ich  lehe 
aber  der  guten  HofTnung,  dnss  sie  ehestens  auch  unter  unsem 
Nachbarn  näher  bekannt  gemacht  weiden  wird.  Wenn  Sie  niii 
hei  Gelegenheit  Ihren  Peter  den  Grausamen  anvertrauen 
wollen,  vielltiicht  kann  ich  für  das  nunmehr  hier  errichtete 
Hoflheater  Gebrauch  davon  machen.  Ich  wiederhole  hier  den 
Wunsch«  welchen  ich  schon  in  unsrer  Zeitung  gelhan  habe» 
dass  Sie  Ihre  Hand  nicht  von  der  BQhne  abaciehen  mflgen. 
Noch  eifriger  aber  wünsche  und  erbilt'  ich  mir  von  Ihnen  die 
Fortsetzung  Ihrer  Freuntlschaft  und  Ihres  leider  nur  allzuoft 
unterbnx'henen  und  mir  dennocli  so  angenehmen  Briefwechsels. 
Niemand  kann  den  Verdiensten  Ihres  Herzens  und  Ihres  Geistes 
mehr  Gerechtigkeit  widerfahren  lassen  als 

Ihr  ergebenster  Gotter. 


IV. 
Göekingk. 

Jünger  als  Gotter,  älter  als  Lenz  und  Voss,  war  Günther 
von  Gdckingk  1770—1786  preussiacher  Kanzleidireklor  zu  Ellrich 
am  Harz,  dann  Kriegsrat  in  Bfagdeburg,  Steuerrat  in  Wernige- 
rode und  1793  Olierfinanzrat  In  Berlin.  Bekannt  wurde  er  be- 
sonders durch  die  aus  dem  Briefwechsel  mit  seiner  Verlobten 
entstandenen,  1777 erschienenen  Lieder  zweier  Liebenden. 
Diese  Verlobte  war  1775  seine  Frau  geworden  und  1781  ge- 
storben, worauf  er  ihre  jüngere  Schwester  heiratete,  von  der 
in  einem  der  folgenden  Briefe  die  Rede  sein  wird. 

Dass  er  aus  Boie's  Händen  die  Leitung  des  Göttinger 
Musenalmanachs  übernahm  und  acht  Jahre  lang  Vossens  Nfit- 
arbeitcr  heim  Hamburger  Musenalmanach  war,  ist  bereits  er- 
wähnt Worden. 

Das  tlsass  besuchte  er  1781.  Am  12.  Juni  zeichnete  er  sich 
in  PfelYels  Fremdenbuch  ein. 
■ 


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^  33  — 


1. 

Wohlgeborenei*  Herr! 

losonders  hochzuehrender  Herr  Hofrat  I 

Herr  Boie,  der  bisherige  Herausgeber  des  Gdttingschen 
Musenalmanachs  gebl  auf  Reisen  und  an  seiner  Stelle  hab*  ich 
die  Besorgung  der  Blumenlese  wieder  ühernommen.  Unter  den 
bisher  von  gans  unbekannten  Dichtern  eingelaufenen  Beiträgen 

hi  so  viel  Odengeächnaube  und  Bardengeschrei,  dass  ich  von 
diesen  Aflen  Klopstocks  und  Kretsclimanns  ^  nicht  Einen  dem 
Publico  voi*steUen  könnte,  ohne  mich  zur  Gesellschaft  mit 
lacherlicli  /u  inarlicii  und  so  weit  ;,'-f'ht  denn  doch  die  Liebe 
des  Nüchslcü  niciit.  Wie  st.'hn'  ich  mich  nach  ein  paai-  launi}?en 
Krzählungen,  die  der  Kenner  eben  >o  p:uf  als  der  blosse  Dilettanle 
fühlt !  Und  an  wen  könnt'  ich  midi  nun  deshalb  besser  wenden 
als  an  Sie?  Ew.  Wohlgeb.  werden  mich  unendlich  verbinden, 
wenn  Sie  die  Gute  haben  wollen,  diese  Sehnsucht  nur  in  etwas 
zu  stillen,  und  mein  Bank  dafQr  wird  ebenso  gross  sein  als  die 
Hochachtung  ist,  womit  ich  zu  sein  die  Ehre  habe 

Ew.  Wohlg. 

Ellrich  Gehorsamster  Diener 

den  24,  April  Goeckingk 
1775.  Kanzleidirector. 


2. 

Ellrich»  den  11.  Juni  1775. 

Tausend  Dank,  geehrtester  Herr  Hofrat,  für  Ihre  aller- 
liebsten Beiträge  zum  Almanache !  Hfttt*  ich  nur  drei  Dutzend 
solcher  Stficke  erhalten,  dann  hofft'  ich  die  beste  Blumenlese 
unter  allen,  die  erscheinen  werden,  zu  liefern.  So  aber  bin  ich 
gezwungen,  noch  manches  niillelmässige  Gedicht  aufzunehmen, 
weil  der  Verle<jer  von  der  Bogenzahl  nicht  abgeiien  will.  Nach 
der  El  Ltuljnis,  die  Sie  mir  so  gütig  erleilt  haben,  weid"  ich 
Ihre  Heitrage  alle,  bis  auf  das  Unter  Anton  inus  Hildnis 
und  Das  Bild  des  Todes,  dem  Almanacli  emverieiben. 


»  tRhingalf  der  Barde»  (1738-1800),  Qerichtsaktoar  zu  ZitUn, 
iMsingt  Hermanns  Sieg  nnd  Tod  ;  ist  mit  dem  Wiener  Jesuiten  Denis 
der  Uaaptveitreter  der  Bardenpoesie. 

8 


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-  34  - 


Diejie  Iteideii  al>er  linl)'  icli  \ve;rj.'olass;en,  j  e  n  e  weil  i.  h  micli 
erinnere  ein  äliuliclies  Gedieh!  von  Herrn  Jaeolu  ^ck^pn  zu 
haben  un<l  dieses  weil  es  in  Prosa  {reschriehen  ist,  ob  nur 
es  gleich  au.sseronlentlicU  gefallen  hat. 

Herr  Dietrich  i  wird  freilich  seine  üalanteiie  fortsetzen, 
und  icb  hab'  ihm  zu  versieben  i,^egeben,  dass  er*8  durch  den 
an^^ezeiglen  Weg  thun  möchte.  Werden  Sie  mir*s  auch  ver- 
zeihen, dass  ich  so  dreist  gewesen  bin,  ohne  Titulatur  an  Sie  zu 
schreiben?  Es  sind  Fesseln,  die  ich  gar  zu  gern  abschüttele, 
wo  ich  holTen  darf,  dnss  man  mir  vei^ben  wird,  und  darauf 
hufT  ich  bei  Ihnen  allenlinj^s. 

Ich  habe  die  Elite,  mit  der  vollkommensten  und  lebhaftesten 
Hochachtung  zu  sein 
Kllrich  dero 

den  II.  .luni  Gehorsainstei  Diener 

1775.  Goeckin^k. 

3. 

Ellrich,  den  10.  April  1783. 

Seit  Jahr  und  Ta};,  mein  teuerster  Pfedel,  hab*  ich  nicht 
un  Sie  geschrieben,  und  ich  wQrde  darAber  mehr  I»esch3m1 
sein,  wenn  sich  nicht  in  dieser  Zeit  Veranderungen  mit  mir 
zunetraj^en  hätten,  die  mich  unfähig  machten,  meinem  Briefe 
Wechsel  so  gewissenhaft  als  sonst  abzuwarten.  Seit  Anfang 
September  v.  J.  bin  ith  wieder  verheiratet.  Meine  zweite 
Frau  ist  ein  Vermächtnis  der  ersten,  ilas  sie  auf  ihrem  Sterbe* 
belle  meinen  Händen  überjiab ;  ihre  einzijje  Schwester,  eine 
vater-  und  njulterlose  Wai'^e,  die  schon  sechs  .lahie  hei  mir  in 
dei  Kost  {gewesen  w.n  Wu'  Tremniiijr  von  ihr  würde  itiir  zn 
jeth'i'  Zeit  well  ^elliaii  ii.ilM  ii  ;  alter  nach  dem  Tode  meinet 
IJnver^resslichen,  würd'  icii  sie  nicht  zu  erharren  ira  Stande 
Ifewesen  sein. 

Schon  vor  Vollziehung  meiner  neuen  Verbindung'  war  icb 
entschlossen,  eine  Erziehungsanstalt  für  jnnjie  Frauenzimmer 
nnznli^en ;  doch  verzog  es  sich  bis  in  den  Oktober,  ehe  ich  an 
die  wirkliche  Ausführung  ging.  Von  dieser  Zeil  an  bis  in  den 
vorigen  Monat  haben  Wiirmb*  und  ich  über  den  hiebeigefüglen 
Entwurf  mit  unserm  Hofe  in  CJnterhandhing  gestanden.  Au*« 


'  Der  oben  bereits  in  einem  Voss'schen  Briefe  ei  wahnto  V  rieger 
Fran  mn   LiMigefeld,  Schiller«  Schvriegermatter,  war  eine 

Gebonie  vou  Wurmb. 


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—  35 


dem  V'orbericlit  werden  Sie  ersrlicn,  dass  die  Saclic  dennorli 
iiirlit  zu  Stande  ■gekommen  i«t,  ei;zeiitlich  weil  das  Ministeriiau 
kciii  Geld  liatto,  um  dein  Kgl.  Amte  inv  den  Kaum,  den  es 
uns  im  Schlosse  hätte  überlassen  müssen,  einen  andern  aiizu- 
weiseo,  und  keineD  Mut  um  dem  Könige  diese  Kosten  ab* 
zufordern. 

Wurmb  ist  darüber  die  Lust  vergangen,  ins  Preussisclie 
zu  ziehen  und  seinen  Vorsatz  darin  auszuführen,  um  so  mehr, 

da  ihm  seitdem  durch  den  Tod  seines  Bruders  nocli  ein  Ver- 
mögen von  12  Millionen  rl.  zu^'efallen  ist.  Allein  sein  Vor- 
haben seli).sl  bat  er  d.irum  nicht  aufgegeben,  und  es  wird  nur 
dnrauT  ankommen,  dass  (»r  aufgefordert  werde,  ihn  in  einem 
andern  Lande  zur  Wii klii likeit  zu  l)iirij:en.  ich  bin  nicht  ab- 
i:euei;it,  srnrlann  mit  ihm  ^jemeiiie '^Sache  /u  machen,  welches 
i»  Ii  Jetzt  nii  ht  «"»IVentlich  thun  k.tnn,  so  lan^  icli  n<X'h  hiei'  im 
Lande  und  im  Dienst  des  Königs  hin.  iH-sh.db  imulit'  iefi  Sie 
au:«drücklich  bitten,  im  deutscheu  Museum  Ihr  Urteil  über 
meinen  Plan  auszusprechen,  im  Fall  er  Ihnen  nicht  missflllt. 
Dann  würde  das  Publikum  aufmerksamer  darauf  und  manche 
£ltem  geneigter  werden,  der  Anstalt  ihre  Töchter  anzuvertrauen, 
wenn  sie  in  der  Folge  errichtet  werden  sollte.  Und  das  Ver- 
trauen des  Publikums  zu  gewinnen,  ist  alles,  was  mein  Freund 
und  ich  suchen,  weil  wir  bei  einer  Zahl  von  12  bis  15  Zög- 
lingen in  einem  Lande,  wo  man  uns  freie  Hand  Hesse,  nichts 
weiter  begehren  würden. 

Lassen  Sie  mich  mein  lani^'es  Stil!«  h\veiL'en  nirht  entgelten, 
sondern  schreiben  Sie  mir  l»ald,  oli  >ie  mit  l'rau,  Kindern  und 
Freunden  noch  gesund  und  ob  lieri  Lerse  und  Herr  König  ^ 
noch  bei  ihnen  sind.  Von  Herrn  Luee  weiss  ich  es.  Frau  von 
La  Roche  hat  mir  geschrieben,  dass  Sie  bei  ihr  gewesen  sind.* 
Um  diesen  Besuch  hab'  ich  Sie  beneidet. 

Aus  den  Zeitungen  sehe  ich,  dass  Sie  im  Begriff  sind, 
eine  Sammlung  Ihrer  Fabeln  und  Erzählungen  herauszugeben. 
Sie  erfüllen  dadurch  einen  meiner  alten  Wünsche.  Aber  es 
werden  doch  noch  ein  Paar  Stücke  für  den  künftigen  Musen- 


'  Im  Juli  1780  hat  sich  ein  Job  Christ.  König.  Yik.ir  in  Lützel- 
stem  in  FfefTels  Fremdenbuch  eingetragen.  Er  ist  mit  dem  hier  er- 
wähnten zu  identifizieren,  der  am  1.  Jiuu  i7h7  Colmar  verliess  und 
ans  seinem  Heimatsorte  Snlss  am  17.  Jnni,  ans  Paris  am  2.  Oktober 
dees.  J   nn  PfefTel  zwei  Briefe  schriet;,  die  noch  vorhanden. 

^  Pfeflel  hatte  knrz  vorher,  Ende  Februar,  seine  lötagige  Heise 
in  die  Pfalz  «nternomiBen  und  dabei  Lamey  und  den  blinden 
Weissenburg  in  Mannheim,  Frau  La  Eoclie  (deren  Sohn  sein  Zö<:Vm^ 
war)  in  Speier,  seinen  Schwager  Hoffmann  in  Landau,  ßing  in 
Karlirahe,  n.  s.  w.  besacbt. 


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—  36  — 

aliii.iii.u  h  abialleii  Vo<s  und  ich  Ijesilzen  mir  noch  ein  einziges 
un^^nlnuktes  Lieiiichl  von  Ihnen  und  \\ üiiscijteu  ihrer  so  viel 
zu  haben,  dum  ich  mich  schäme  tiie  Zahl  zu  nennen. 

Loben  Sie  recht  wohi  und  hören  Sie  nicht  aut  mich  zu 
liehen,  so  lang  ich's  durch  meine  brennende  Freundschaft 
gegen  Sie  verdiene. 

Goeckingk. 

* 

4. 

Ellrich,  den  21).  Juni  1783. 

Sie  sollen  sich,  lieber  Picflel,  um  meines  Erziehplans 
willen,  <«  hlechlerding^s  keine  Stunde  weder  von  Ihren  Geschäften, 
noch  Ibieni  Vergnügen  entziehen;  ilenn  die  Sache  hat  keine 
so  gru^^e  Eile,  da  Baron  Wunnl)  nhuehi»  erst  seine  Krbscliafts- 
angelegenheit  in  Holland  iK'richtigen  muss.  Aber  wenn  Sie 
.sich  einmal  aufgelegl  lühlen,  Ihre  Gedanken  darüber  nieder- 
zuscbreiljen,  so  werden  Sie  Wurmb  und  mich  sehr  dadurch 
verlnnden ;  denn  eb  ich  gleich  vor  der  Hand  nicht  seibit  an 
der  Ausführung  Teil  nehmen  kann^  so  wünachl*  ich  doch  von 
Herzen,  dass  mein  Freund  sie  zu  Stande  brftchfe.  Wir  haben  in 
unsrer  ganzen  Gegend  Iceine  weihiiche  Erziehungsanstalt,  die 
nur  den  Namen  verdiente ;  denn  die  bei  Herrn  Villaume  in 
Halberstadi  ist  bis  auf  einen  Zögling  zusammengeschmotien. 

Das  wa<;  ich  am  Schlüsse  des  Vorberichtes  zu  meinem 
Plane  gesagt  habe,  ist  mir  jetzt  schon  fast  ganz  klar  ge- 
worden (.')•  Wenn  mein  Erziohuni^sinstitut  in  Groningen  *  zu 
Stande  gekommen  wäre,  so  würd'  ich  nnvermöj»end  gewesen 
sein,  eine  Familie  zu  unterstützen,  die  jetzt  ihren  Unterhalt 
mit  von  mir  erwartet.  Mein  Busenfreun»l  Guldhagen,  den  Sie 
wenigstens  aus  meinen  Episteln  kennen  werden,  ist  vor  acht 
Wochen  gestorben  und  hat  eine  Witwe  mit  sechs  unversorgten 
Kindern  in  traurigen  Umständen  hinterlassen.  Mein  Beutel 
kann  nichts  für  sie  thun,  aber  wohl  meine  Hand.  Daher  ent* 
schtoss  ich  mich  kurz  zur  Ausfuhrung  eines  Plans,  vor  dessen 
weilem  Umfange  ich  schon  einige  Male  zurfickgeschauert  hatte. 
Indess  ist  mir  der  Mut  Jetzt  so  sehr  gewachsen,  dass  ich  mein 
Abenteuer  glöcklicb  zu  bestehen  hode.  Ich  lege  Ihnen  einige 
Exemplare  von  dem  gedruckten  Plane  mit  bei,  und  Sie  werden 
mich  sehr  verbinden,  wenn  Sie  solche  sowohl  in  dortiger  Ge- 
gend verteilen,  als  auch  an  Ihre  Freunde  in  der  Schweiz  ge- 


1  Oöckingks  Geburtsort,  bei  Halberstadr. 


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—  37  — 


legentlieh  ein  paar  Stücke  versenden  wollen.  Die  buJjx  rihenfen 
im  El^^a^^s  dürfen  ihre  Exemjilare  nur  beim  Poslamte  in  Kehl 
bestellen,  um  sie  von  dem  lieichsuberpostanUe  iu  Frankfurt  am 
Main  zu  verschreiben,  welches  die  Exemplare  für  einen  alten 
Louis  d'or  franco  Kehl  liefern  wird.  Die  Subecribenten  in  der 
Schweis  hinge(,'ea  werden  am  besten  thun,  sich  an  das  Postamt 
in  Stutt|(art  zu  wenden ;  denn  ich  zweifle  nicht,  daas  dieses  die 
Exemplare  postfrei  bis  Schaffbauseii  senden  kann. 

Sie  sagten  mir  bei  meinem  dortigen  Aufenthalte,  man 
konnte  Schlözemi  für  seinen  Briefwechsel  sehr  interessante 
Nachrichten  von  Colmar  milteiteo,  wenn  er  nicht  so  unvor- 
sichtig wäre.  Ich  bofle,  dass  ich  das  niemals  sein  werde  und 
so  wag'  ich*s,  Sie  für  mein  Journal  um  diese  Nachrichten  zu 
bitten.  Wenn  Sie  Ihre  Beiträge  erst  unter  einem  Umschlage 
an  die  Uerreo  Holenfeld  u.  Embser  in  Strassburg  und  dann 
unter  Adresse  an  den  Professor  Exter'  in  Zweibrücken  abgehen 
lassen,  so  werden  sie  eben  so  sieber  in  meine  Hände  kommen, 
als  wenn  ich  sie  sell)st  abj^^ebolt  halte.  Auf  el>en  diesem  Wej,'e 
werd'  ich  Ihre  Fabeln,  wenn  Sie  die  Güte  haben  wollen,  mir 
ein  Exemplar  davon  zu  schicken,  ohne  Kosten  eihalten. 

Das  ist  doch  in  dei  Thal  besonders,  mein  teurer  Pfeffel, 
dass  wir  zu  i^deiclier  Zeit  auf  den  Einfall  geraten  sind,  eine 
poetische  Epistel  tu  «  inander  zu  schreiben.  Aber  nun  will  ich 
die  Ihrige  erst  abwai  ten.  I^ir  Ihre  Beilnifre  zum  Almanach 
danke  ich  Ihnen  zvvai  sehr,  aber  beim  Empfang  jener  Epistel 
will  ich  meinen  Freunden  ein  Fest  geben. 

Ihrer  Gattin  und  Ihrer  Tochter,  <lie  mir  zum  Ab^-chied  die 
müssen  Lietler  vursanj^,  küss'  ich  die  Hunde.  Giüss-en  Sie 
Luce,^  Lerse  und  Köni{(*  von 

Ihrem  Goeckingk. 


>  Aug.  Lndw.  von  8chlüzer,  Yetlasser  ge&chichthcher  Schuften 
<l786^180e). 

*  Im  folgendNi  FrAhling  wurde  Pfeiel  von  einem  Stnd.  theol. 
diesM  NamenSi  ebenfslls  aas  ZweibrQcksB  btsoebt. 

"  Luce  war  Lehrer  am  Pft-ffelschon  Institut  und  zu;:lcich  Kon- 
rMtor  deBProtettantiscbea  Gymuasiums,  nachher  Pfarrer  iu  Idunster 
(1795— -180^,  wo  er  an  Pfeffel  zahlreiche  Briefe  schrieb,  die  zum 
grossen  Teil  «ilialteii,  aher  schwer  a«  entsiffecn  sind. 

*  Dessen  Schwester  Sybille,  aus  Sulz,  wird  in  Pfeffels  Fremden- 
buch, unterm  t.  November  1783,  also  wenige  Monate  nach  Empfang 
dieses  Briettö,  namhaft  gemacht.  Die  unterm  lü.  Dezember  1781  er- 
wähnte Maria  Dorothea  wird  wohl  die  Mutter  gewesen  sein,  die  ihren 
seit  karsem  in  Colmar  wohnhAftea  Sohn  besuchte. 


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-   38  — 

N.  S.  DürtV  ich  im  Journal  wohl  einmal  der  seKsamen 
Gabe  Ihres  Freundes,  Leichen  unter  der  Krde  zu  fühlen,  mit 
einem  paar  Worten  erwähnen  und  mich  «labei  auf  Sie  be- 
ziehen ?  Noch  lieher  würde  es  mir  freilich  sein,  >venn  Sie  das, 
was  Sie  mir  in  Ihroui  Garten  davon  erzählten,  noch  einmal 
selbst  erzählen  wollten. i 


'  Einer  der  Sekretäre  Pfeffels  soll,  wenn  er  letztern  in  den 
Galten  führte,  jedesmal  an  einer  bestimmten  Stelle  anwillkürlich 
■tehea  geblieben  sein,  bis  man  sie  «ifgrab  oad  eine  Lelebe  fand» 


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Vll. 


Allerlei  us  um  Westrich. 

Mitgeteilt 

TOB 

Stengel. 

1.  Finster  Gesiebt  —  Ungeduld  —  Zurn  —  Drohuog. 

Der  macht  ä  Gesiebt,  üass  mar  sich  fercht. 

Der  macht  h  Gesicht,  wie  wann  er  de  Essig  alle  getrunk  bUt. 

Der  macht  h  Gesicht,  wie  dr6i  Ta  Röjewetter. 

Dhod  kann  mer  nli  anloüd,  e  so  macht  er  e  Gesicht. 

Do  muss  em  jo  de  Galt  iwergehn. 

Do  mennt  mer  jo,  mer  mi-sst  s  Deiwels  \vf»ra. 

Do  mennt  mer  jo,  mer  misst  us  th'r  Hut  erus  talue. 

Mer  mennt,  mer  misst  uf  der  Sou  l'urt,  uo  vvanu  mer  ken 
Ferkel  im  Stall  hat. 

Do  mennt  mer  docli,  mir  misst  mit  Stiwle  un  Spiro  drin  sprin^je. 

Do  mennt  mer  doch,  mer  misst  mit  de  Fies  drin  springe. 
/  Do  mennt  mer  doch,  unser  Herrgott  sei  wer  misst  drin  schlaue. 

Do  mennt  mer  doch,  mer  misst  mit'  Prejie  drin  schlaue. 

Ich  vergeh  nkch  vur  Ungeduld. 

Do  soll  doch  glich  der  Dünner  drin  sehUue. 

Bist  de  dann  ganz  s  Deiwels  ! 
^Wärs  e  Wunner,  wann  ich  dich  tSt  brün  un  bl5  schlaue. 

Bi  dem  hats  elf  gewärf. 
^,  Der  ist  <^\'\ch  owe  drus. 

Der  sitzt  allowil  um  ^  hocha  Perd. 

Der  sitzt  glich  unii  Esel. 


>  nfm. 


f 

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—    40  — 


In  dhne  fohrts  enin  wie  e  Schutz. 
Das  isl  e  rechter  Krakehler. 

^  Das  ist  e  rechter  Zi\rijel. 

Der  wes  sin  Zar  ken  Eng. 
^  Wann  der  im  Zär  ist,  kennt  er  sich  nimeh. 

Icli  kivj  vur  luler  Zar  noch  de  S(  hwin(l>:iu  ht  an  He  Halscb. 

Mer  rneiinl,  dem  ist  e  Lux  iwer  de  Lewer  gekrawelt. 

Mer  iiiennt,  der  hat  e  Bobe  im  Hirn. 

Wann  de  nume  in  Vinedig  wärst  ! 

Wann  de  numo  um  Bnstlverjr  wärst  ! 

Wann  de  nuine  im  iiiiiiiuel  wäi*st ! 

Wann  de  nume  in  der  Ewigket  wärst ! 

Dftf  dich  nume  unser  Herrgott  hole  I 

Warf,  dem  will  ich«  sfejdl 

Wart,  dem  will  ich  zije,  was  dr6i  Erbse  für  9  Brie  gin ! 
Wart  nume,  ich  will  dich  schun  Mores  lehre! 
Wart  nume,  ich  will  dich  schun  Moses  un  de  Proföte  lehre! 
Wart  nume,  icli  will  der  schun  de  Staare  stteha! 
Wart  nume,  i(  h  will  der  schun  zl»jd,  wu  mer  um  Bartel  de 
Musl  holi  ! 

.  Wart  nume,  du  lii>^t  iiäch  tut  iwer  um  Grawe!  driwel 
Warf  nuiiie,  du  pillst  nach  us  um  en  anere  Loch!  • 
Das  sollst  de  uier  hiesse  I 
Das  ist  der  «iisiiiäl  nit  geschenkt! 
Uisnial  schlä  ich  dir  de  Ohre  väm  Kopp  er.tii ! 
Kumm  nume,  dismäl  kr^jst  de  emil  I 
.  Das  vergess  ich  der  nit,  un  wann  ich  hunnert  Jar  alt  w6r. 
Das  soll  der  uf  um  Gewisse  brenne. 
Das  raussl  de  n6cb  in  der  Ewijrkfet  biesse. 
N^m  dich  in  Acht,  dn  hast  uf  der  Mihi. 

IL  Grobheit. 

Der  ist  •^lob  wie  Sofdiohneslroh. 
Bi  dem  iiiecht  ich  nit  Soühirt  sin. 
Der  geht  mit  em  um,  wi  de  SoQ  mit  um  B^elsack. 
^  Do  kuromt  mer  an,  wi  de  Son  im  Judehus. 
Der  ist  noch  nit  wöja  siner  H^flichkM  in  de  Soustall  gesperrt  w6r. 
Das  ist  e  grower  Schwitzer. 
Das  ist  e  grower  Latz. 
Das  ist  e  grower  Flegel. 
L)»s  ist  e  lutherscher  Dickkopp. 
Das  ist  e  rechter  Flade. 
Das  ist  c  wisfer  Gnst. 

Der  fahrt  cm  alle  Dah  zehnmal  iwer  de  Nas. 


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—  41 

Dem  bann  ich  gez^jt  wu  der  ZimmermanD  s  Loch  gemacht  hat. 
•  ^^'Üer  lassl  sich  nit  uf  de  Zewo  (relo. 

Der  ist  nil  links,  der  lassl  nit  mit  sich  spasse. 

Der  ist  kui-z  ufgebung. 

Der  schnouzt  ene  an»  wie  wann  mer  e  Hund  wär. 
Der  schnouzt  ene  an,  dass  kha  HuaU  ken  Slick  Brot  meh  van 
em  n^me  däl. 

Iii.  Unvemhintheit     Bosheit  Troti. 

Der  jreht  (iiuf  e  nin,  \vi  e  Muni  ut  e  H.uihule. 
^  Wann  mer  d^ne  vör  enus  jaul,  kuimiU  ei  hinge  erin. 

Der  geht  driwer  enin,  wie  e  Wilder. 

Der  hat  nit  e  so  vil  Scham  wie  e  Hund. 

Der  hat  de  Scham  in  di  Aue,  un  die  drGckt  er  zu. 

Das  ist  e  schamloses  Geschöpf. 

Scham  dich,  du  Gast. 

Du  unverschämter  Galater« 
^  Um  e  Besoffene  soll  e  Hauwaue  us  um  W^j  gehn. 
.  Dem  geherte  de  Hose  gespannt. 

Bi  dem  ist  ken  Strech  verlor,  as  der  wu  derndwe  geht. 

Der  ist  um  Deiwel  vam  Schwanz  «jeschaht. 

Der  drlt  inil  sim  Kopp  durch  e  Mur  edurch  renne. 

Der  hat  e  Kopp  wi  e  Mulesel. 

Wann  der  emäl  sal,  ich  will  nil,  dann  isls  tertij?. 

An  tiem  nutze  ken  Rede  nix. 

Der  ist  nit  se  siede  un  net  se  hräte. 

Der  giawt  an  ken  Himmel  un  an  kkn  H6II. 
,  Das  ist  e  wildi  Ripp. 

Der  lodt  inger  sich,-  wl  e  Hienerdleb. 
^  Das  ist  e  rudiger  Hund, 

Der  hat  van  der  unsinnig  Kuh  gefress. 

Der  hat  b^si  Milch  getrunk. 

Der  muss  zu  allem  sin  Senf  jrin. 

DfT  nius?  uf  alles  do  Sleinpel  dricke, 
^   Dt*r  lifin;:!  um  e  jede  sin  SchlederliniJ  an. 

lU'ux  kann  niemand  nix  reclit  mäche. 

l)fr  liiel  ein  'J'rutz. 

Dciic  siüil  mer  mit  Fimll'ini^erkrut  zeche. 
Dem  gehert  der  Buckel  e  mal  abjfeschniert. 
Dem  gehört  ungebrennti  fisch  ufgelejt. 
Dem  gehört  der  Buckel  e  mal  abgerumt. 
Mer  mönt»  der  wott  öne  mit  de  Aue  durchsteche. 
✓Mit  dem  ist  nit  gut  Kirsche  esse. 
Der  loQt  hne  an,  wi  e  böses  Dier. 


V 

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—  42 


Do  wott  ich  iiewer  tot  Bin«  as  bi  dem  lewe. 

Das  ist  e  rechter  Giflmichel. 
^  Der  ist  ftrger  as  um  Driwel  <\n  Gi'os.«intttter. 

Der  sitzt  uf  ^oe,  wie  der  Deiwel  uf  en  armt  Seel. 

Das  ist  e  Gasseneng^el  \\n  e  Husdetwel. 

Der  hat  Holz  zum  Fier  gedrah,  na  vil  er  gekiunl  hat. 
^  Wer  dem  irij^^.'r  <Ie  Klowe  talll,  ist  verlor. 

Wann  de  mich  liiinke  willst,  hfink  mich  ^lich. 

i)o  vveid  Iiier  iiit  grad  gehenkt  WMi*e. 

Der  ist  ut  luiclt  gefall,  wie  de  Voül  ut  en  Ihl. 
^   Der  fallt  iwer  ene  enin^  wie  der  Weih  ul  e  Huhn. 

Nume  draf,  ich  han  h  brfeler  Buckel. 

Mit  dem  ist  nit  gut  k^jle,  der  werft  em  de  Kiwel  an  de  Kopp. 
.  Wann  der  em  ins  Hus  kummt,  soll  mer  s  Kris  macha. 

Wann  mer  do  hoe  Döiwel  erus  schlit.  schlit  mer  zehn  toin. 

Do  muss  mer  sich  us  um  Stab  si  hatre. 
^  Der  hat  de  Sterne  vdm  Himmel  erah  geflucht. 

iV.  Hissgiiasi  ^  Feüidachaft  —  Haas  —  Zank. 

b^v  'lunrit  kein  Mensclu'  nix. 
Der  guiinl  sicii  selwer  nix. 
Der  gunnl  deii-Aimere  nit  ernäl  s  E-«se. 
^,  Der  i^uniit  em  s  Wis  in  tloa  Aue  iiil. 

Der  verguiint  hm  de  Munfel  Brod  wu  mer  esst. 
Der  ist  mer  spinneflnd. 
Der  ist  mer  schun  lang  nit  giin. 
Der  gäw  gerat  en  Au  drum,  wann  der  anner  kkns  hätt. 
•  Däne  hass  ich  wie  e  Krizspinn. 
^  Dene  han  ich  schun  lang  uf  der  Latt* 

Wann  ich  dem  emal  kann  e  Ben  stelle,  w^r  ich  mich  nit  sum9. 
Der  ist  mer  schun  lang  e  Där  im  Au. 
Dr  D<5iwel  ist  geschäftig. 
Dci-  Dt-iwel  schiert  Däu  und  Nai  an  de  Litt. 
Wer  iner  as  Frind  nix  nutze  kann,  kann  mer  doch  as  Find 
schade. 

Wann  mer  bm  nit  hold  ist,  steckt  mer  6m  ken  Maie. 

V.  Narrheit. 

Das  ist  e  rechter  Schussel. 
Das  ist  e  so  Stiewenarr. 

Der  krejt  e  so  Ratte. 

Mer  mennt,  der  ist  gepickt  im  Hirn. 

Mer  mennt,  der  ist  nit  klär  im  Kopp. 


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—   4U  — 


y  Ich  glaw,  der  ist  mit  dre  Belsekapp  ^eschoss. 
Der  ist  nit  bi  barer  Minz. 

Der  ist  iwero^eschnappt. 
.  Mr  mennt,  der  ist  verneweit. 
Der  hat  e  Sparre  se  vi!  oder  se  wtoig. 
Der  werd  nc»ch  vur  luter  Gedanke,  e  Narr. 
Wann  unser  Herrgott  e  Narr  han  will,  nemt  er  um  en  alte 

Mann  de  Fiau. 
Wann  de  Narre  \xi  de  Mark  gehn,  l»'.<e  de  Krämere  Geld. 
Um  e  jede  Narr  ^^efcllt  sin  Kapp,  iin  mir  min  Hut. 
Der  inachts,  wie  der  Kasj>er  im  Komcdie. 
y  Der  ist  aller  Litis  Spolt. 
Das  ist  en  usgemachter  Hanswurst 

VI.  PAffigkeit  -  Znagenfertigkeit  -  Lüge. 

Der  schmert  em  de  Br^  ums  Mul  erum,  awer  k6ne  toin. 

Der  i-l  e  Narr  in  sine  Sack. 

Dene  kann  nier  werte,  wie  mer  will,  er  fallt  immer  ut  de 
Fies  wie  a  Katz. 

Das  ist  ener  van  dene,  wu  mer  de  annere  mit  fangt. 
^  Das  ist  en  Iwei'gej'cheiter ;  der  liert  s  Gras  wachse. 

Der  draht  ut"  2  Schillere  Wasser. 
.  Der  w^,  wi  mer  de  Lilt  de  Wirme  us  der  Nas  zejt. 

Der  ist  glatt  wie  e  Scfal6-i. 
/>  Der  ist  glatt  wie  en  Aal. 

Der  ist  nit  se  schätze. 

Der  ist  in  kön  Sack  se  bringe. 

Der  hat  sin  Schnitt  gemacht. 

Der  hat  sin  Schäfel  geachör. 

Der  lasst  sich  nil  in^r^M'  der  Nas  kriwie. 
-  Der  lasst  sich  nil  iwer  de  Nas  fahre. 

Der  hat  dich  iwer  de  Leffel  halwiert. 

Do  han n  ich  mich  recht  misse  zamme  nehme,  sunsl  hält  der 

njich  dian  krejt. 
Do  iiiuss  mer  sine  5  Siitne  Zcimtne  nehme. 
^Der  lasst  sich  nit  vexiere. 
Der  fischt  im  Triwe. 

Der  wehrt  sich,  wie  e  Krott  uf  der  Hechel. 
^  Mit  Speck  fangt  mer  Mies. 
Der  w^s,  dass  zehn  Pund  Rindfi^h  ebesseri  Supp  gön,  as  zwei- 
Im  Dunkle,  ist  gut  munkle. 
Du  musst  en  alte  Fuchs  nit  müse  lehre. 
Der  Wolf  verliert  de  Hör,  awer  de  Nnppe  nit. 
Der  bat  zwo  Mucke  mit  ^m  Lappe  tot  geschla. 


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—   44  — 


Der  ^^  1  ft  e  grosse  Fusch  ins  Wasser,  um  e  klöne  ee  fSsinge. 
(und  umgekehrl.) 

Der  hall  sich  de  Buckel  süwer. 

Der  schilt's  allewil  um  en  annere  in  de  Schuh. 

Dem  brucht  mer  nit  mit  um  Scliiertor  se  winke, 
^  Der  sim liiert  \vu  er  geht  uii  steht. 

Der  kann  ^'wh  <lutke,  wann's  sin  muss. 
^  Der  wes,  \vu  mer  um  llurtel  de  Must  holt. 
^J)er  wte  ladtk  te  tchieke  und  se  drfeje» 
^  Der  schmert  de  LitI  mit  ihrem  eijene  Schmalz. 

Mer  mennt,  der  kann  kto  dr^j  sehle»  un  hatt's  fastedick  binger 
de  Ohre. 

Mer  muss  sich  senj^e,  vrann  mer  *8  Kriz  in  der  Hand  haf. 
Mer  mennt)  der  verhext  de  Litt. 
Der  kann  rede,  wi  en  Advokat. 

Der  kinnt  predij»,  wann*s  sin  misst. 

Der  kann  rede,  dass  mor  um  ^rlawe  muss. 
.    Mir  ivdt  kt'iiei'  e  Locli  in  de  Kujtp. 

Der  neiuml's  nit  e  so  genau,  der  lässt  Kuvvel  iwer  Holz  get)n. 

Der  nemmt's  nit  e  so  genau,  der  lässt  11  grad  sin,  un  nemmt 
drizehn  tur  e  Dutzet. 
/   Du  iiiusst  mer  nix  wis  mache,  ich  glaws  doch  nit. 

Der  kann  rede,  dass  mer  mennt,  es  ist  e  so. 

Der  kann  us  schwarz,  wis  mache, 

Dem  soll  mer  e  Markschloas  ans  Mul  l^je. 

Dem  ist's  Mul  in  der  Ruwj  losgang. 
^  Der  ist  nit  ufs  Mul  gefall. 

Dem  mecht  ich  min  Mul  nit  e  Wuch  lehne. 

Dem  sin  Mul  geht  de  ganze  Dah,  wie  e  Mihlrad. 

Ich  han  gemennt,  dem  gehts  Mul  us  ilor  .\ngel. 

So  e  hlanc-l>ec  wie  du,  soll  's  Mul  halte. 

Der  iKit  sin  Fett  ki  t'jf. 

An  dem  han  se  ken  ^-^uies  H;tr  geliwt. 

Der  hat  tlurch  de  Brems  gemis-^t. 
.    D^ne  hau  se  emäl  (hjrchgehi^cheit. 
.  Der  kann  schiii4>e,  wie  e  Rohrspatz. 

Der  babelt  em  febbes  für  sin  Geld. 

Der  babelt  em  nit  vil  für  2  sous. 

Oer  redt  vil,  wann  de  Dah  Lank  sin. 

Der  redt  um  Deiwel  en  Ohr  ewök. 

Die  kläppert  de  ^ranze  Dah  wie  e  Mihlrad. 

Das  ist  e  rechli  Klapper. 

Die  s«  hnattert  an  em  Stick,  wie  e  Gans. 

iiede  macht  rede. 

De  Zung  ist  e  ki^n  Glid,  kann  awer  e  grosse  Wald  anzinge. 


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Die  bat  e  spitzi  Zun^. 

Mer  muss  sin  Zung  im  Zahm  halle. 

Do  werd  alles  eruni  j^ezowell. 

Mer  darf  's  Mul  nit  allewil  läse  spaziere  gehn. 

E  guter  Bell  1er  verdeiht  ni». 

Der  bezahlt  ene  mit  barei  Minz. 

Der  lijt,  dass  mer  derbie  tanze  kinnt. 

Der  lijt  e  m  ainik  as  e  Pord  rennt. 

Der  kann  lije  wie  gedi  uckl. 

Der  lijt,  dass  sich  de  Balke  bieje. 

Der  lijt,  dass  es  em  schwarz  für  den  Aue  werd. 

Der  iijl  's  Bloh  vain  Himmel  erah. 

Der  geht  mit  nix  as  mit  Lije  ufs  Land. 

Wer  Igt,  stehlt  ah. 

Hit  Lije  kummt  mer  nit  wit. 

E  guter  Lije  scliadt  nix. 

Das  sin  alles  fule  Fisch. 

Do  will  ich  Han>  hriscli»?,  wann  «In-^;  nit  wehr  ist. 
Do  will  ich  glich  in^<*r  ^olm,  wann  das  nit  wohr  ist. 
Do  soll  mich  grad  der  Oe-iwel  hole,  wann's  nit  wolu  ist. 
VS'er  emäi  de  Name  Weife!  hat,  der  hat  ne  äh  bal  Wolf. 
Us  d»Mn  kinnt  mer  zwen  Juile  mache,  uu  dal  doch  näch 

Christ  iwrig  hliwe. 
Das  ist  alles  Larifari. 

Du  wen!  glich  us  öre  Lus  en  Elephanl  gemacht. 

Was  der  sat,  ist  n&cfa  lang  ken  Evangelium. 

Das  ist  em&l  e  guter  Schnitzer. 

Do  muss  mer  e  gute  Glawe  han. 

Wann  de  das  glawst,  hast  de  khn  Pastet  im  Leib. 

Das  ist  em  blöer  Newel  vorgemacht. 

Der  lijt  e  so  stark,  wie  e  Geis  drc>i.  (tritt) 

Dem  kann  mer  nii  saue,  der  verdattert  alles. 

Vll.  Faulheit  —  Liederlichkeit  -  Unreinlichkeit 

Der  ist  e  so  ful,  dass  er  nit  gesit. 

Der  ist  e  so  ful,  dass  er  nit  gehn  kann. 

Der  l^jt  de  ganze  Dab  uf  de  ful  Hut. 

Der  hat  sich  nich  kbn  mied  Glied  gemacht. 

Derzit  dass  de  annere  schaffe,  lejt  der  im  Bett. 

Der  hat  sine  dicke  Pelz  nit  vom  Schaife. 

Der  Ihut  si(  Ii  el)!)es  '^nit  Sach  an. 

Das  ist  e      rar,  wie  Murerschwes. 

Der  geht  de  i^^nz».-  [)ah  erum  MulafTe  fehl  halte. 

Der  geht  do  erum,  wie  e  so  fuler  tSchäfer. 


-  46  — 


Der  hat  »in  Lfewe  nach  nix  ^ecK'n. 
/Der  verdient  iwei  sim  Schatle  s  Wasser  nit  wu  er  trinkt. 

Für  dem  sin  Schafle  gäw  ich  nit  vil  Balze. 

Das  ist  e  rechter  Bäreheiter. 

Der  ist  iwer  um  Fullenze  alt  war. 
^  Dene  t rosse  näch  de  Lies. 

Der  niii^-s  nach  uf  um  Misl  v«^rfule. 

Dei'  i^t'lil  alle  n  Äwet  inil  de  Hihnere  uf  de  Sättel. 
^  Der  klimmt  allewil  hinge  nah,  wie  e  lahmi  Gans. 

Das  ist  e  tuler  Lappes. 
^  Der  kummt  hinge  näh,  wie  de  alt  Fasenat. 

Der  wär  gut  nam  Tod  schicke,  do  kinnt  mer  lang  Idwe. 

Der  geht  wie  e  Schneck  iwers  Ackerfeld. 

Das  ist  k6n  BHtzloch. 
^  Do  gehts  uf  der  Schnecki  i 

Dem  i;ehfs  Nvie  <Ier  Sclmeck.  Die  ist  siwe  Jähr  lanj:  am  e 
B  diiii  in  de  Heh  jjekrawelt,  un  wie  se  dernäh  erah  gefall 
ist,  hat  se  gesät:  «Ile  bringt  ken  Glück.» 
^    Do  gehts:  aKum  ich  hit  nit,  so  kum  ich  märje. 

Der  lebt  uf  Unrechts  Koste. 

Wann  der  ebhcs  lüu  .>?uil,  macht  er  e  Katzebuckel. 
Je  wenijer  mer  tut,  je  wenijer  will  mer  tun. 
Der  hat  ken  Schnied. 

Der  dät  sich  um  alles  in  der  Welt  nit  kihue. 

Der  hat  näch  nit  vordient  für  in  e  hohle  Zant. 

Der  ist  nit  just  inger  um  Brusttuch. 

Dem  darf  mer  nit  witer  drofie,  as  mer  na  gesit. 

Dem  loQt  de  Liederlichkeit  us  de  Aiu^  erus. 

Der  ist  nit  wert,  dass  ne  der  Bride  draht. 

Der  ist  nit  wert,  dass  ne  de  Sunn  hescbint. 

Der  ist  nach  meh  as  liederlich. 

Der  werd  gehän|rt  ew  ei  irwanzig  Jähr  alt  ist. 

Der  kummt  näch  ufs  Gaieo. 

Dem  gesit  mer  am  Gesicht  an,  was  mit  um  ist. 

Der  hat  sine  liichluui  nh  nit  mit  Recht. 

Mer  keaiit  tie  Voüel  an  de  Federe. 

Trau,  schau,  wem  !  Inger  toüsich  kum  ftm. 

Der  bringt  dich  nich  um  Sack  un  $el. 

Der  «tehlt  wie  en  Atzel. 

Der  stehlt  wie  e  Ratz. 

Wann  mer  genuk  hat«  kummt's  uf  e  Bissel  nit  an. 

Wu  gennk  ist,  krejt  «ler  Hund  Peffer  uf  de  Supp. 

Do  ist  der  Sehnoäz  für  de  Trawal  Birg  wär.  (2  Hirtenhunde.) 

Iwer  döne  muss  mer  de  S»>je  spreche, 

Vur  dem  muss  mer  *s  Kriz  mäche. 


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—  47 


üs  anner  Lilts  Leder  ist        Bieme  sihniede. 
Dem  sin  Sack  liai  e  Locli,  es  blit  nix  drin. 

Der  lässt  nix  l^je  a.«  e  Mihlsten. 

De  Millere  sin  all  Spitzbuwe.  nwer  <!••  S|iitzl)inve  nit  all  Millere. 
y  Der  ist  nit  \v»Mt,  (hivs  er  de  Ohre  um  Kopp  hat. 

rilirlic  Briedere,  gliche  Kappe. 

W  t'i  »ie  Sa»  k  hpM,  ist  e  so  ;rut  \vi  der  wu  enin  schilt. 
y  Das  ist  wahrers  Zi;:ineipaik 

Der  hat  's  Kainszeclie  an  der  Stier. 

Das  ist  e  Spilzbuh  so  gross  er  hohl  ist. 

Do  kummt  Niemand  ungeroppt  dervan. 
X  Der  suft,  dass  de  Binse  in  ihm  wachse. 
X  Ber  ist  voll  wie  e  Kanfin. 
'  Der  ist  voll  wie  e  Stiwel. 

Für  d^ne  ist  der  Wij  nit  br^t  genuk. 

Um  de  Schulde  bekimmer  ich  mich  's  <:unz  Jähr  nit^  um  die 
kinne  sich  die  hekimmere,  wu  ich  schuldig  sin. 

Dns  i«t  e  rechter  Srhiüri. 

|iit*  -ehl  (|i>lior  \vi<'  iludoliiianiis  \Y»'-il), 

Der  loül  drill,  wie  <ler  Scliiiigerhannes. 

Gell  dich  hat  's  Ferkel  gewäscht. 

Der  loQt  drin  wie  e  Mohr. 
^  AVann  mer  döne  an  de  Wand  werfe  dät,  dät  er  dran  hänge 
^  bliewe. 

Der  wäscht  sich  alle  Wuch  e  mä\. 

Der  wäscht  sich  alle  Sundah»  awer  dann  sch  ^n. 

Das  ist  e  recht»»!  S»  limeerlappe. 

Das  ist  der  zweit  Karchschmeerschmule. 

VIII.  Afmiit. 

Dem  l»nit  's  Rlcn»)  /um  Ge.'^icht  erus. 
y  Die  sm  e       arm,  dass  se  krische. 

Der  hat  ken  Dehl  meh  an  der  Erd. 

Mit  Geld  wir  dem  näeh  se  helfe. 
^Der  hat  meh  Schulde  as  Haar  uf  um  Kopp. 
^Der  ist  Gott  un  der  Welt  schuld  ij^. 

Der  ist  niemand  nix  schuldifr,  as  alle  Litt. 

Der  lebt  van  de  Schulde. 

Ati  dem  ))Ut  ah  näch  meh  as  öoer  hange. 

Der  behalt  nimeh  e  so  viel  iwri^s  dass  er  sich  e  Strang  kafe 
knnn.  nm  <u  h  dran  se  hän'^'»^. 

i»er  behalt  nimeh  de  Kscli  in-t  i  um  Fier  iwrig. 

Do  grehts  uf.  wie  uf  Matze  Hochzit, 

Der  ist  pit'ite  j^eholjrt. 


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—  48  — 


Der  ist  iwer  dt^  Kniebis  onus. 

Der  ist  iwers  Bacliel  . mwer. 

Wann  der  De-iwel  huu-ii-  ist,  fresst  er  Miieke. 

Dfetie  kann  mer  dricke  wie  mer  will,  's  geht  nix  möb  erus. 

IJs  dem  ist  nix  meh  erus  se  presse. 

Der  muss  bald  um  Schelme  entlafe. 

Veränderlichkeit. 

's  ist  iiil  alle  Dah  Hoclizit. 
Jelz  wert  emäl  de  iiauneie  Wej  eruni  gelanzt. 
Mer  muss  de  Dali  nit  vur  um  Awet  lowe. 
^  Wie  mer  sich  schickt,  e  so  gehts. 
Wie  mer  sich  bett',  e  so  löjt  mer. 

Wann  mer  ins  Unglick  komme  soll,  werd  sich  alles  denn  schicke. 

Wann's  Br^j  röjt,  ban  ich  ken  Leffel. 

Der  hat  sin  Glick  mit  Fi^s  getn\1. 

's  ^eht  alle  Dah  e  Slickel  vani  Lewe  erum. 

's  bischt  nit  immer :  Juh^  's  hascht  gar  se  deck :  0  weh. 

IX,  Leid  —  Kiuimier  -  Unglück. 

's  lAI  drickt  mich  näch  in  de  Bade. 
Ich  ni^n,  ich  muss  vergehn  vur  L6d. 
Min  Led  nemmt  ken  Eng. 
Der  Kummer  bringt  mich  nach  um. 
Ich  han  in  de  Wolke  ge krisch. 
Der  hat  llutz  un  Wa>:s»'r  '/ehielt. 

Der  hat  gehiell,  dass  mer  de  Häng  hält  inger  de  Thraue  wasche 

kiime. 
Der  verroüt  sich  häch. 

Do  vergeht  ken  Stun  im  Dah,  wo  ich  nit  dran  denk. 
.  Ich  kann  mich  schicke  un  dreje  wie  ich  will,  's  gehl  doch  nit. 
Wus  Unglick  emal  ingeriss  ist,  ist  kön  Widerstand  meh  se  thun. 
's  feilt  ken  Siän  vam  Himmel,  wu  nit  uf  mich  feilt. 
Das  ist  e  rechter  Unglicksvofiel. 
In  dem  sin  Schuh  roet  ht  ich  ah  nit  stocke. 
Dem  i^t's  nil  e  SO  wobl,  wie  um  Paflf  am  Osteidah. 
^    Der  krischl,  dass  mer  mennt,  er  hat  e  Messer  am  Malsch. 
Der  Mensch  kann  nix  wini^er  vertraue,  as  de  gut  Sach. 
Do  kumiril  mer  us  fiii  P»'''ie  in  de  Traf. 
Der  hat  >irli  e  Hut  uh-elxmfj,  dass  es  en  Art  hat. 
Dem  kann  ken  Dokter  meh  helfe,  «h-r  ist  veriar  mit  Hütt  un  H4r. 
Dene  hruchi  mer  nit  se  schlaue,  der  ist  geschlah  genfi. 
Das  ist  e  Strtjch  vam  helle  Himmel  erah  gewenn. 
's  r6jt  ah  manchmal  vam  helle  Himmel  erah. 


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^   40  — 


^  Van  zwei  I\v!e,  rnuss-  mor  's  klinst  wähle. 

's  ist  ken  Tn^ilit  k  e  so  ^i(><<,  's  ist  nhch  e  Glick  ileibi. 

Wann  ich  nume  ztihn  Klätu.i  tiel'  im  liätle  Uet  leje. 
,  's  hat  in  der  Welt  e  jeiler  sin  ^'ut  Dehl  se  trduue. 

's  hat  in  der  Welt  e  jeder  sin  Bindel  se  träaue. 

Wann  mer  ken  Gm  bat^  macht  mer  sich. 

*»  i8t  kän  gr^r  Grit  as  dass,  wu  mer  sich  selwer  macht« 

X.  Lebensttbcrdrva«  Krwikhelt. 

Ich  wolt,  ich  wär  emäl  iwer  um  Gräwel  driwe. 

Wanna  nume  ^nmäl  fertig  wär« 

Wann  ich  nume  im  Himmel  wär. 

Nemmts  awer  nit  bal  en  Eng? 

Hält  ich«  doch  nume  kamk\  iwerstang. 

Mir  ist  *S  L^we  verltnl. 

Ich  han  an  nix  ken  Fröd  und  ken  Pletür  meb. 

Ich  wott  liwer  doht  sin,  as  16we. 

Der  loüt  drin,  wio  *?»^r  haar  Doht. 

Der  niachls  ninieh  1  m^^,  der  liat  jo  de  W^jslier  ninieh. 

Der  hat  de  Schwindsucht  am  Halsch. 

Der  ;:eh»'rt  de  Gujruck  nhiieh  kriscbe. 

Der  init  uf  um  lelzlc  Loch. 

Mer  menot,  deine  han  de  Hexe  geritt,  so  loüt  er  drin. 
Mer  mennt,  dem  bau  de  Hihnere  's  Brod  gefress. 
Der  kinnt  e  Geis  zwische  de  Hemere  kisse. 
Ich  menn,  ich  han  e  Mihlstto  im  Maue  I4je. 

Mir  ists  gl  in  un  g^l  wäf  vur  den  Aue. 
Wer  hangt,  der  verlangt. 
Hotsch^n,  Dohtscben. 

Dem  sin  Lt;we  han;xt  am  Natsfade. 

Ich  menn  's  Herz  hfin^t  mer  am  e  Nätsfade. 

Der  macht  ken  giüsse  Spring  meh. 

Bi  dem  ist's  Mattliäi  am  letschte. 

Der  geht  us  wie  e  Licht. 

XL  Leichtsinn  —  Hochmut« 

Das  ist  e  lichtsinniger  Trop. 

Dem  sin  Lichtsinn  hat  ken  F!ng. 

Do  nutzt  alles  nix,  der  ist  blind  un  tauh. 

Der  ist  verdärw  ins  Grund  Krds  Däde  enin. 

Was  mer  vur  -W)  Jahr  faiiii,  muss  u\>^v  nah  40  gehn* 

Van  dene  gehn  ah  hunnert  uf  e  Puu.l. 

Wanns  der  Geis  so  wohl  ist,  ^^eht  se  uls  Is  un  brecht  6  Bon . 
Der  denkt  nit  wiler  as  um  de  Xas  geht. 

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—  50  — 


Der  macht  ^a*ad  liiii;;c  n,Mi,  wie  en  Äff. 
^  Was  liier  nit  im  Kopp  hat,  inuös  rner  in  <l»'r  Fies  han. 

Mach  dr  e  Knopp  in  de  Nas,  dass  de:»  tiit  ver^^^scht. 
^  Der  ist  im  Dirmel  (Taumel). 
' ^  Der  geht  in  der  Irr  eram. 

Do  onennt  mer  ja,  der  Kinig  biet  dem  de  G&d«. 

Der  mennt  ah,  er  ist'3. 

Wer  lank  hat,  lasst  lank  hänke,  un  wer  näch  länker  hat,  der 
scbldfls  näh. 

Owe  fin,  inj,'e  nix. 
^  Wa«  der  sich  nil  alles  inl)ildl  \ 

i)ei-  kann  mache,  was  or  will,  der  Hulir  laft  nin  dorh  hin^e  näh. 

Die  kann  mache  was  se  will,  der  liubr  loüt    er  doch  zu  aile 
Falte  erus. 

Do  iiieimt  mer  jo,  da.s  war  e  Prinzessin 

Der  bildt  sich  ah  meh  Kih  in,  as  er  Schwanz  hat. 

Do  mennl  mer  jo,  mer  wär  dem  ebbes  schuldig. 

Das  ist  ^  SP  6  Grosshans. 
^  Wann  e  Bettler  ufs  Perd  kummt,  ritt  ers  tot. 

Der  ist  e  so  stolz,  wie  e  Lus  in  der  Grind. 

Der  ist  e  so  stolz,  wie  e  Piu. 
/  Der  bpat  sich,  wie  e  Pau.  * 

Mer  muss  mit  hecher  flieje  wille,  as  em  de  Fliffi^^e  ^^ewacbsl  sin. 
jr-  Mer  muss  rode,  wie  em  dr  Schnawel  gewachst  ist. 

Det'  lint  Wind  im  Lo-ih. 

Besser  e  Sliek  Brot  im  Sack,  as  e  Feder  uf  um  Hut. 

Der  ist  hoch  ge.sehär. 

Der  macht  frehr  de  Grosse. 

Das  ist  e  rechter  Windb^-itel. 

XII.  Liavertitaud  —  Duoiiuheit. 

Der  hat  nit  e  so  gross  Verstand  wie  e  Bohn. 

Du  iiast  nit  e  so  vil  Verstand,  wie  e  Kalb  im  Slall. 
/  Das  ist  der  dümmst  Mensch,  wu's  uf  Gottes  Welt  git. 

Wiü  kann  mer  numn  e  so  unverständig  sinl 

Wlm"  nmss  um  l'nvoistand  zü  pin. 

Wann  de  k<  n  Verstand  hast,  muss  mer  der  macha. 

ftner  Narr  macht  hunnert. 
/  Der  ist  e  so  dumm,  «tass  mer  kann  Wand  mit  um  inrenne. 
y  Der  ist  e  so  dumm,  wio  tlei  D«'>iwel. 

Du  dummer  D6-twel,  der  de  bist ! 

Der  versteht  e  so  viel  dervan,  wie  •  Kuh  van  ere  Muschkatnuss. 
Der  kann  fransßsch,  wie  e  Kuh  spanisch. 
Der  ist  dummer  as  e  SchierdSr. 


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Der  glotzt  ene  Sn,  wie  e  Kuh  e  SchierdSr. 

Der  ist  e  so.  dumm,  dass  ne  de  Gän8  bisse. 

Es  nemmt  6ne  nume  Wunner,  dass  dem  de  Gäns  nit  Dalafe. 

Du  bist  e  so  dumm,  dass  de  ene  dürsl. 

Der  ist  dumnner  ns  e  Süknlh  (Saugkalb.) 

Der  hatp  Pnlnier  äh  nit  enieiikt. 

Der  jresil  nit,  um  warin  rner  um  de  Nas  druf  tuppt. 

Der  tappt  o  so  liinjjre  nah,  wie  e  Biinner. 

Do  hat  ü  eniäl  e  blinnes  Huhn  en  Rrhs  luntr. 

Do  mennt  mer  jo,  's  bisst  em  e  Kuh  in  de  Kopp. 

Je  dummer,  je  erster  kummt  mer  durch. 

Der  zähmt  's  P6rd  aliewil  am  Schwanz  uf. 

Do  hätt  ich  besser  de  Finger  ins  Fier  gehebt. 

Der  hat  fth  de  Aue  mit  Dreck  verschmert. 
/  t's  dem  werd  ken  Kuh  klug. 

Der  kann  mit  abgesitjte  Hase  abrije. 
r  Der  frtn^t  aliewil  am  hitze  Eng  an. 

Zu  dem  bisi  <le  nit  pefuxt. 
/  Der  i«1  dummer  as  dr^i  Dä  H^Jewelter. 

Das  ist  en  enfaltijer  Zappe. 

Der  iiat  de  Flint  am  h'Hze  Backe  gehai. 

Das  ist  en  ^nfultiger  Zippel. 

Das  ist  e  so  «[Tapp  ins  Mäs». 

XIU.  Feigheit  -  iüigst. 

Der  bat  nit  e  so  vil  Courage,  wie  e  junger  His. 
Der  ist  gut  lafe  mache, 
/  Das  ist  e  rechter  Hasefus. 

Der  lässt  sich  licht  ins  Bockshorn  jäue. 
.Der  förcht  sich  vur  siner  eijene  Schätt. 
D<  ne  kinnt  mer  mache  in  c  Musloch  schiuffe. 
Mer  rnuss  sii  h  nit  lasse  in  e  Musloch  stecke. 
Dem  han  de  Z^hn  p^ekläpperf  vur  Angst. 
Heb  du  de  Kuh,  der  Muni  stosbl  mich. 
Wer  sieh  lercht.  ist  gut  jäue.. 
De  Furcht  niuss  de  Wald  biete. 
Dem  ist  's  Herz  in  de  Schuh  gefall. 
Der  hat  Lunte  geschmackt. 

XIV.  Bhrlidikeit  —  Treue. 

Dene  kinnt  mer  uf  e  Hufe  Gold  sitze,  er  dät  nix  anriehre. 

Dem  kann  mer  alles  anvertroäe. 
Das  ist  e  guter,  ehrlicher  Knoche. 


52  — 


Das  ist  e  guter,  dummer  D6-iwel. 

Der  bat  '9  Herz  uf  der  Hand,  der  kann  nix  verstecke. 

Zu  gut,  ist  e  Stick  van  der  Liederlichkeit. 

XV.  Arbeitsamkeit  —  G^chieklichkeit  —  Sparsamkeit. 

Der  schafft  wie  e  Biedermann. 
^.  Der  scbaill  Dah  un  Nacht. 

Der  roliert  Dah  un  Nacht. 
^  Der  thut  sich  Dah  un  Nacht  scliinge. 

Der  gunnt  sich  Dah  un  Nacht  ken  Ruhw. 

Mer  meont,  der  will  alle  Berje  öwe  miche. 

Der  ist  alerte,  wie  e  Wachtel. 

Der  rennt  wie  e  Schäferhund. 

Der  lätt  an  ein  Dah  nin  (ü)  Bäna  US. 

Der  git  meh  her  as  er  hat. 

Das  Perd,  wu  de  Hawer  verdient,  kr^jt  ne  nit. 

Ich  kann  nit  hexe. 

's  geht  nix  iwer  e  gut  Kommando. 

Wann  *s  Kommando  nit  gut  ist,  ^^ehn  alle  Schlachte  verldir. 

Dem  sine  H&og  mache,  was  de  Aue  gesin. 
✓  Wer  de  Heller  nit  ehrt,  ist  de  Guide  nit  wert. 

Wer  e  Sou  nit  drtjm&l  in  der  Hand  erum  dr&jt,  ew  er  ne 
usgit,  kummt  zu  nix. 

Was  mer  erspart  am  Mund,  fresst  de  Katz  oder  der  Hund. 

Mer  rnuss  sich  nä  der  Deck  strecke. 

Mer  muss  kon      li^^ie  Spi  in^  mache  wide,  as  bis  an  dePlafond. 

Mer  l^u^s  de  t'ior  ovf»l  am  Märje  suche. 
^  Sj»ar  in  der  Zit,  dann  hast  de  in  der  Nut. 

Frieh  enin,  und  frieh  erus,  fillt  um  Bür  de  Scluer  un's  Bus. 
Mist'  un  fahr',      ist  gut  j  awer  ziej  aJi  ab  tle  Hut. 

XVI.  Gedald  -  JÜat. 

Was  ich  nit  andre  kann,  iiera  ich  ^eduldich  an. 
Wann  mer  Vejie  lange  will,  muss  mer  uit  mit  Prijle  drin  werte. 
W^ann  mer  Spatze  fange  will,  muss  mer  nit  mit  Sten  inger  se 
werfe. 

Je  ungeduldger  mer  werd,  je  wini^er  geht's. 
So  geht's,  waun  mer  sich  dnmmle  will. 
Un  wann  mer  do  e  Geduld  hält,  wie  der  Hieb,  misst  se  em 
usgehn. 

Der  fercht  sich  vur  um  De-iwel  nit. 
Der  ist  nit  gut  ferchte  mache. 


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-  53  — 


Der  lässt  sich  nit  licht  schrecke. 
Der  oeromt  de  Stier  1h  de  Hernere. 
Der -halt  us  bis  -uf  de  letechte  Mann. 


A. 

Der  hat  dich  in  den  April  geschickt. 

Das  isl  80  en  Eschepiderle. 

Do  werd's  öbbes  abse^se ;  das  ist  Mibes  dermehr. 

£  so  ki^jt  mers  m  der  Apet^k. 

Der  ist  mit  uin  k  blöe-n-Au  den'an  kum. 

Abing  (eh  bien)  ich  sins  zefride. 

Das  ist  en  ärsch^lig  Ding. 

B. 

Wann  mer  dreimal  Bankrot  gemacht  hat,  ist  mer  e  richer 

Herr. 

*8  Surkrut  ist  am  fieste,  wanns  (0)  i.inmal  gewärmt  ist. 

Das  muss  gehn,  un  wann  alle  Bricke  br^he. 

Das  ist  en  aller  Bäre.  (alff  Kuh.) 

Do  gehts  buntiweriks  (ilinr)»  emin  ifM). 

Wus  Mud  ist,  sin^^t  mer  de  Pumpernickel  in  der  Kirch. 

Mer  muss  um  e  bese  Hund  e  Slick  Brod  hinwerfe. 

Dö  gelils  Ulli,  wie  um  Hampath  (Dorf  Givrecourl  in  Lotlu  iiiyeu 

bei  Münster)  's  Bache. 
Zu  geschehene  Sache,  muss  mer  *s  Best  rede. 
Dr^imäl  ist  Buwerecht. 
Nofie  B^se  kehre  gut. 

Pas  ist  e  rechti  Badik  (unordentliche,  z&nkische  Familie). 

Bettscli  de  gutt,  so  l^jst  de  gutt. 

*s  ist  nit  e  jeder  e  Bflr,  wu  e  Güscbel  draht. 

Do  wott  ich  Ii  wer  e  Buqier  innebme>  as  das  mache. 

Bärjc,  HKuht  Sarje. 

Kinnen  ihr  uf  Bäi*g  tanze,  kann  ich  ä  uf  Barg  s{>ile. 

Wann  iner  trucke  Brnt  ps<5t,  kr^jt  mer  rote  Backe. 

Fremdes  Brot  ist  süres  Biot. 

Das  ist  e  blinni  iialalje  (nur  zum  Schein). 

Der  ist  strak,  wie  e  Bulzer. 

Der  stinkt  m  der  Boek  am  Micbelsdä. 

Das  ist  e  wahri  fiobneslang. 

Wer  das  mache  will,  muss  meh  kitin»  as  Brot  esse. 
Je  ftiter  der  Bock,  je  härter  's  Hörn. 
Das  ist  e  so  rund  wie  e  Bum^k  (runde  Hoixkugel). 
Das  ist  e  bossijes  (sonderbares)  Ding. 


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—  54  — 


Das  kunimt  juet-  Itossij^  vor. 

Das  ist  mer  Gift  ud  Boberment. 

Das  ist  e  rechtes  Blotzloch. 

*8  ist  backelhart  gefrir. 

Besser  e  Bloch,  as  e  Loch. 

Ich  schli  der*s  Hui  e  so  bret,  wie  e  Blouel. 

Um  e  BesoOcne  soll  e  Hauwäae  uswiche. 

Vile  Bridere,  kl^ne  Gitere. 

G. 

Das  ist  gerad  wie:  Cumire,  bring  nier  niks. 
Der  nmss  cuDterbiere,  doss  es  ea  Art  hat. 
Das  ist  e  rechti  Gana^e  (canaille). 

D. 

Deiii  liaake  de  Triwle  e  so  iioch,  wie  um  l'^uc  hs. 
Der  D^-iwei  ist  nie  e  so  schwarz,  wi  mer  ne  m&lt. 
Rom  ist  nit  an  öm  Dah  geboQt  vrftr. 

Mer  muss  de  D6-iwel  nit  an  de  Wand  mlle,  sunst  kummt  er. 
Was  de  D6-iwe)  nit  tut ;  do  mennt  mer  jo  Wunner  was. 
Vil  Hann  sin  's  Hase  Dot. 

Do  niecht  ich  nit  ilot  sin,  vil  winnyer  Inwendig. 

Das  ist  jo  9  toüsig  Wunner. 

Do  ist  alles  durchenaaner  wie  Hej  un  Stroh. 

Do  inecht  ich  liewvt  in  de  Dot  gehn,  as  döhin. 

Mer  muss  de  Dole  ruhwje  lässe. 

Do  gelits  US  un  in  wie  im  e  Duwesciilak. 

her  muss  sich  ducke. 

Diesmal  hast  de  de  Dutnriie  nil  «Iruf  gehat. 
Der  macht  ganz  desperat. 

Das  ist  der  Dunner  schlah  e  Witt  (eine  Weide  statt  einer  Buche). 

Kummt  Dah,  kummt  R4t. 

Der  duht  mer  de  dürre  Dah  an. 

£r  ist  dättersch  anne  gang. 

Der  dotzt,  dass  mer  um  nit  zuloQe  kann. 

Das  ist  e  rechter  Dotzer. 

fi  so  hau  ich  min  D;i>-.?s  Lewe  nach  niks  gesin. 
Wer  nimand  troül,  dem  ist  nit  se  troQe. 
Do  hat  der  De-iwel  siwe  (7)  gewärf. 


Bekimmer  dich  nit  um  ungel^jte  Eiere. 
Wlonijer  as  Ens  (1)  kanns  nit  schlSae. 


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—  55  — 


Die  {gliche  ciiuiuier  \vi  eu  Ei  uiu  ufinere. 

Mer  mennt,  fier  }^eht  uf  Kiere. 

Der  rei)iit,  wie  waiiii  c  Ilulia  cu  Ei  loje  will. 

E  Dutzet  Eiere  j^qt  e  '^ull  Ainlett. 

*S  ist  als  in  Ehr  de  anner  wert. 

Was  de  Eitere  erschafft  han,  butze  de  Kinn  druf. 

Dem  fehlt  allewil  in  £bbes^  un  mir  zwei. 

Do  ist  de  Ehl  länker  as  dei*  Kram. 

Der  ist  erschrock  wie  der  Esel,  wann  um  der  Sack  fallt. 

Der  hat  mir  ans  Emsesäckel  gestosst. 

*s  nemmt  alles  en  En^',  was  nit  ewig  währt. 

An  tleni  kann  mer  sich  erkowre. 

Wie  die  fcirwet,  so  der  Luhn. 

Vän  dem  werd  er  nit  vi!  pinhen»  (erz^ihlen). 

Der  Esel  hat  ne  nit  us  der  Wand  j^eblitzt. 

0  Elend,  läss  dich  bcijiawel 

F. 

Das  ist  e  Fl^ke,  däne  wüscht  ken  Wasser  meh  ewick. 

D  l   !  rennt  wie  *«  wild  Fier. 

Mer  kann  n^imme  e  so  lang  in  Fride  l^we,  as  der  Nächbär  will. 

Das  passt  wie  e  Fu.st  uf  en  An. 

Der  hat  um  uf  <ie  Fies  ;(ehoIf. 

D'i  ]>\«i  ken  Nfii--  ken  Fade  dervän. 

De  Kir«_li  ist  keu  Ensch;  se  huppst  nit  furt. 

E  kleiier  Funke  kann  e  <rro'«se  Wald  atiziii^'^e. 

Dem  isl's  e  so  wohl»  wie  um  e  Fusch  im  VVas.->er. 

Der  hat  Fleh  in  de  Haar. 

Wann  mer  e  gude  Frind  will  han,  muss  mer  ne  nit  se  döck 
Ijesuehe. 

E  rechter  Find  ist  mer  Uwer  as  e  schlechter  Frind. 

Der  ist  ah  vin  Flisch  un  Blut  wie  Grassels  Kats. 

Was  e  Frau  nit  dehin  bringt,  bringt  der  D('>iwel  nit  dehin. 

Wann  mer  dem  de  Finger  langt,  will  er  glich  de  ganz  Hand. 

Das  i.«t  e  son  alles  Frauegereds. 
Der  hat  sich  de  Fast  voll  gelacht. 
Dt'in  ist  de  F'red  in  de  Brunne  gefall. 

im  iSuiiiJiier  reche  de  Fre^che  zamme,  was  si  im  Winter  ver- 
zehrt han. 

Der  hat  um  elm  gesteckt  us  um  FF. 

Der  bat  um  ^hn  gesteckt,  dass  er  's  Fier  im  Schwizerland  gesinn 
hat. 

Der  zennt  wi  e  hiizerner  Fuchs. 
Das  ist  krumm  wi  e  Fiselboüe. 


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—  56  — 


Schmack  Fuchs,  's  ist  e  Riewesupp. 
Fast  ist  ken  Haas  geschoss. 
Das  ist  e  roter  Fikediwes. 

Mit  Gewalt  drahl  mer  e  Geis  hing:e  eruni. 
Wann  mer  nimmeh  ^esiit,  brucbt  mer  numme  se  heirate,  dann 
jiesilt  inor  uno  Hrill. 
:'  Das  'fiohi    jü    wie  ^^eschrairt. 
Warm  mer  «i-escliolt  will  sin,  muss  mer  bi^irale,  un  wann  mer 
gelobt  will  sin,  iims  mer  slervve. 
V  Du  ist  öner  e  so  gut  wie  der  anner;  *s  ist  kenner  niks  nutt. 

Der  kröjts  gekocht,  das  ers  nit  roOh  brucht  fresse, 
^-^as  nutzt  mich  e  guldeni  Schisael,  wann  niks  drin  ist. 
Was  nulxt  mich  e  guldener  GaQe,  wann  ich  dran  hinke  muss. 
Der  ist  uf  um  Galee. 
Um  e  Gelehrte  ist  {?ut  predije. 

Unser  Herr^'ott  hat  allerlei  Geschepfe :  Mensche,  Vieh  un  Soidate. 

Der  Geschajdst  gitt  nah. 

Do  krejt  mer  jo  e  Gänseliutl. 

Das  glitzert  wie  <•  Karlunkelslohn  vur  um  Owelocb- 

Wann  mer  (lt)h  gerieint  will  w^re,  muss  mer  sich  sei  wer  rieme. 

Ich  han  geschnattert  vur  Kfiit. 

's  ist  nach  keii  Gelclirter  väni  iiiiinnel  gefall. 

Der  loüi  drin,  wie  e  gestocheni  Geis. 

De  kidne  Krotte  han  ah  Gift. 

Das  ist  nit  gehau  un  nit  gesloeh. 

's  hat  mer  vam  D6-iwel  getramt. 

Kidne  Kinn,  klines  Kritz ;  grosse  Kinn,  grosses  Kritx. 

\s  Papier  ist  geduldig ;  mer  kann  druf  schriwe,  was  mer  will. 

Dem  hat  dt  i  Hut  kel  schun  lang  dernih  gejuckt. 

Geld  rejiert  de  Welt. 

Wer  mir  Guts  thiit,  ist  min  Nächster, 

e  so  gehts,  zitier  as  de  Well  steht. 

Do  soll  mer  jo  e  Kritz  in  de  Schäi-sle  uiacin  . 

Der  Glawe  macht  selig,  un  der  Win  macht  trehlich. 

Der  hat  sich  geslosst,  wie  der  Stulit  (Christoph)  in  der  Apethek. 

Das  hat  mich  ferchlerlich  gebiss. 

Mer  gewehnt  sich  an  Alles,  sogar  ans  Hänke. 

Do  ist  nimmeh  e  so  vil  -Guts  dran,  as  Schwaz  inger  um  Njiuei. 

Do  ist  nimmeh  e  so  vil  Guts  dran,  as  &m  weh  im  Au  duht. 

Wann  de  's  nit  willst  glawe,  kannst  de  iofie  gehn. 

Wann  de  's  nit  willst  ^lawe,  kannst  de  anne  lafe. 

Gebrennte  Kinn  ferchle  's  Fier. 


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—  57  — 


An  dem  han  ich  yewunti,  wie  der  lie-iuel  an  Riowo. 
'So  gehn  (U*  (V\n^'  hat  der  Miller  gesät,  un  doh  hat  er  outnme 
^ne  gehall. 

Der  lässl  sich  ^'esimi  flfi.««:!  etwas  Uraul  gehen). 

Do  gehls,  wie  all  inka  gults. 

Der  hatü  nil  gefung  un  nit  gestohl,  der  hats  geerbt. 

Oer  bracht  nil  sesiue:  Gott  Blrkf  mich,  der  ist  genuk  gc$tr&fi. 

Der  hat  sich  schun  an  Gott  un  an  de  Welt  geweogt. 

Er  hat  oms  doüsig  Gotts  Will  angehalt. 

Der  geht  nfs  G^i. 

Der  hat  gqjebelty  daas  es  en  Art  gehat  hat. 

Deraah  ist  iner  gewischt  un  gewäscht. 
Der  steht  do  k»üe,  wie  e  Gans  in  e  Läüel  (Lägel). 
*s  hat  mich  jrnnz  j^eschuchert. 
's  ist  Hier  <^'anz  kriwehch  w4r  ums  Herz. 
Der  ist  nil  gippe)gäwisch . 
D.(s  hM  iner  schun  lang  gegroüelt. 
Der  iial  mich  gekujoniert  bis  ufs  Blut. 
Der  ist  los  gang,  was  giste,  was  haste. 
^Do  ist  gehupst,  wie  gesprung. 
Das  ist  e  Gnckau. 

Ha 

Ii  Ii  han  ne  bezahlt  ut  Heller  un  Pennig. 

,   Das  ist  e  so  e  Herrefresse. 
Ich  kann  zu  mim  Hly  Stroh  saüe,  un  zit  mim  Stroh  Uäj,  wann 

ich  will. 

Es  ist  kt  ii  Hochzitl  e  .-^u  kleii,  's  macht  sich  <^hn. 
i«^WeJ.^  dem  lass  ich  mir  keii  s/räiHvs  Häar  wachse. 
Der  lebt  wie  der  Voüel  ut'  um  Hanlsame. 
Ich  kann  das  Ding  weder  höwe,  noch  l^jd. 
Do  geht  alles  im  Hausier. 

Was  mer  nit  in  der  Hand  tust,  kann  mer  nit  h6we. 
De  gute  Gedanke  un  de  kihme  Gans  kumme  hinge  n&h. 
E  Hundsfutt,  der  meh  gilt  as  er  hat* 
's  kummt  sehe  ebbis  bessers  hinge  nAb. 
>-  Dene  hat  der  Ha  wer  gestoch. 
Wann  <lo  's  hast,  dann  hebb's  (halte  es). 
Was  ich  nit  weiss,  macht  mer  nit  heiss. 
's  Handwerk  ni«'d  (npiih  t). 
^^  u  der  Haas  isi  geixu  ,  gelit  er  grlir  Verlar, 
's  ist  sch^n,  wann  mer  wieder  liin  dart,  wu  mer  schun  emäl 

gewenn  ist. 
*B  gitt  numme  ^hn  Hemm  (Heimat). 


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—   58  — 


Wann  mer  hackt,  kann  mer  nit  grawe. 
t^Hinge  näh  ist  gut  rede. 

Der  schläft  wie  e  Haas  mit  uflfene  Aae. 

De  Kinn  mache  em  de  Häar  us  de  Aue. 
^  Do  gellt  ^bner  hott  und  da  anner  hahr  [rechts  und  links]. 

Wer  nit  alt  were  will,  muss  sich  junjf  hänge  lisse* 

Dev  ist  Hahn  im  Kärb  [der  angenehmste]. 

Der  ist  e  so  ffif,  wie  e  Holzbock. 
^  Do  sitzt  der  Haas  im  Peßer. 

Das  g^eht  uf  Mauel  ua  Wind  [gedankenlos]. 

Bis  der  kuiaiiit,  ist  der  Haas  iwer  der  Heck  [ist  es  zu  spät]. 

Mer  hat  mer*s  ufs  Hänke  verbot. 

Der  ist  e  so  frindlicb,  wie  e  Hasegärtel. 

Do  hätt  ich  um  e  Härel  e  Bock  geachoss. 

Das  ist  ö  rechte  Mubett  [altes  bauGtlliges  Haus]. 

Der  ist  losgang  wie  e  Hollinder. 

Wann  mer  ens  will  han,  muss  mer  '3  anner  dran  Itehre. 
Der  hat  e  Loch  in  de  Himmel  geloüt« 

I. 

^'  Do  ist's  grad  wie  in  ire  Judesehul. 

Das  brennt  wie  gliedig  Ise. 
.  Do  werds  hm  iwel  un  weh. 
^  's  hat  micii  ganz  iwerlaf. 

^  Wer  de  Supp  ingel)iockt  hat,  kann  se  ah  usesae. 

Die  misse  ihr  ganzes  LtHve  an  ^hm  Joch  zije. 
Do  TChfs      IUI  in,  wie  im  eu  IinmebuQgst. 
Der  stinkt  wie  eii  alter  Jud. 
Er  hat  sich  zamme  geringelt  wie  ea  ^el. 
0  Jem  mer  liehe,  was  ist  das  ! 

K. 

Wann  de  Katz  furt  ist,  sin  de  Mies  Master. 

Wann  de  Katz  furt  ist,  tanze  de  Mies  nf  Sttöbl  un  Blink. 

Der  hat  de  Karch  in  de  Dreck  gefiebrt,  er  kann  ab  loue,  wie 

er  ne  erus  bringt. 
Do  ists  dunkel  wie  in  ^re  Kuh. 
Das  ist  ea  alter  K radier. 

Was  mer  nit  im  Kopp  hat,  muss  mer  in  de  Fiess  han. 

Es  kinne  nit  zwen  Hun  an  öhm  Knoche  naüe. 
Mer  muss  e  Sach  nit  '^rad  iwer  um  Kniej  abbreche. 
Die  iiaile  zamme  wie  de  Klette. 


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-  50  - 


Wer  kejie  will,  muss  ah  ufselze. 

Er  gellt  drum  erutii,  wie  de  Kalz  um  de  heisse  Br^j. 

Do  kuiinrit  kon  Katz  drus. 

Der  Parre  ^ohrrt  uf  de  Kanzel  un  de  Buhr  in  de  Stall. 

Was  de  Katz  nil  fresst,  tressl  der  Hund. 

ün  wann  mer  e  so  alt  werd  wie  e  Kub,  lehrt  mer  alle  Dab 

derzu. 

Der  hat  sich  j^ebe^serl  wie  Gros^els  KaU. 

Mer  muss  de  alte  KM  ml  rudle,  er  stinkt. 

Der  lästert  wie  e  Kehlhaas. 

Der  ist  ken  dr^j  fülle  Käs  hoch« 

Wann  mer  ebbes  nil  kann,  steht  em  *s  Lehre  wohl  an. 

Wann  der  kummt,  sehnöjis  grien. 

Das  kann  ken  Katz  lese. 

Der  hat  angehult  wie  e  Krippel  am  Wfej. 

Do  ist  mer  ken  Krimel  Angst. 
,  Der  ist  für  de  Katz. 

Der  Uli  ISS  nach  e  paar  KässcluniTc  esse,  bis  er  gross  ist. 

Der  Iji  uchl  e  Knecht  für  sine  Ansclilaj  se  fresse. 

Du  ;,'ehu  ich  e  Kirw  kreje  [lain;e  zu  heilen  haben] 

Dem  ist  der  Knopp  ufgebroch  [ist  das  Verständniss gekommen]. 

Der  Knoche  wu  em  beseht  ist,  achlöft  em  ken  Hund  furl. 
1^  Wer  lang  Knepple  esst,  werd  alL 

Der  steht  gut  in  de  Knepp  [Kndpfe]  [ist  reich]. 

Das  werd  sich  klemme  [MQhe  kosten]. 

Kirsche  rot^  Soöhandel  tot. 

Dt'i*  laft  wie  en  Ent. 

Mit  dem  kannst  de  dich  nit  an  de  Lade  lejo  [.sich  brüsten]. 
Der  hats  im  GriÜ,  wie  «lei-  Betf»'!fti  uin  de  Lus. 
Der  laclil  sich  nach  ztun  e  Lellelkerwol. 

Mer  muss  ^ne  nit  se  vil  lowe,  dass  mer  ^ne  ah  wider  schelte 
kann. 

Der  ist  schun  's  Land  us  ua  's  Land  in  gelolf. 

Wie  de  Litt  sin,  eso  ist  ah  ihr  Dings. 

Der  hat  sich  lätral  [neutral]  gehalt. 

Der  ist  fertig  bis  uf  s  Lime  [Leimen=Hau[rt8ache]. 

Kreiz  Dunner  Leder,  was  ist  das! 

Der  ist  usgang  wie  e  Licht. 

Die  sin  Lc'-ibskamerade. 

De  riche  Litt  sin  wohlhabi-^^  un  de  Xvnw.  Iiann's  Brot  netig. 
iliche  Litis  Techtere  [Töchter]  un  arme  Litis  Fille  sin  bal  alt 
genuh. 


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60  — 


Wantt  's  Miesel  satt  ist,  ist*s  Mehl  bitter. 

Das  ist  gerad  e  so  vil,  wie  wann  e  Muck  in  de  Rhin  fliejt. 

's  ist  mer  durch  Mark  un  Bdhn  ;^ang. 

Zu  ern  gule  Mc'^j  gehert  e  guter  Schlifst^ho. 

E  ieere  Mäüe,  lasst  sich  niks  säüe. 

Der  loüt  do  erus,  wie  e  Mus  us  6re  Wickel  Wirk  [Werg]. 

t/Der  !:'(<st  em  's  Mul  suwer  [sauber\ 

I>o  Inn  irli  disin;'«!  *'  ^fef /j»MGang  gemacht, 

Der  Scilla  ht  dich  nm-i  aekt'  [völlig]  dot. 

Wer  de  Milcli  suli,  kann  ah  de  Kuh  melke. 

Der  ist  nit  hinge  wie  vor,  sunst  wier  er  wie  e  Mis^thähr. 

De  Mehlsupp  helft  um  Mann  ufs  Perd. 

N. 

Grad  e  Narr,  wie  unser  Karr. 

Das  ist  därt,  wu  de  Häs  un  de  Fichse  nanner  cGut  Nacht»  saüe. 

Der  rnu"<s  sin  Nas  in  alles  stecke. 
{    Ehner  Narr  kann  meh  traue,  as  10  Gelehrte  anfwärte  kinoe. 
Mer  miiss  uni  e  Narr  de  Finger  nit  in<  Mul  stecke. 
Der  hat  sich  in  o  warmes  Nest  gesetzt. 
Natur  geht  iwer  Lehr. 
Der  loüt  betriebt  in  de  Newel. 
Oer  denkt  lit  e  so  witi  as  um  de  Naas  geht. 
Wann  de  e  Narr  willst  hann,  l&ss  der  e  hilzere  mache. 

o. 

1/  Das  will  ich  mer  hinper's  Ohr  schriewe. 

Du  krejst  ebbes  geschenkt,  iin  wann'?;  en  Ohrfej  i«;t. 
■   Mit  ilern  lockt  mer  ken  Hund  hinger  um  Owe  erus. 

Dem  kumrat's,  w^e  um  Ochs  de  Milch, 

p. 

Das  hätl  ich  der  kinne  »afle,  wann  ich  schun  kkn  Profit  sin. 
'   Aha,  piffts  US  dem  Loch! 

Der  hat  e  bitten  Pill  misse  schlucke. 
Für  das  gäw  ich  ken  Pif  Tuwak. 

Das  i^^t  ken  Pirferlinp:  wert. 

Müde  wu  piffe,  un  Uiehnere  wu  kräje,  ^joll  mer  glich  de  Ualsch 

erum  divje. 
's  passiert  niks,  's  ist  schun  emal  passiert. 


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—  «l  — 


Der  hat  8ich  fürt  gescbticb,  wie  e  nasser  Padel. 
Das  ist  gesaist  un  gepeflert. 
Der  sucht  's  Pferd,  un  sitst  druf. 
^  Wann  's  Pferd  gestohl  ist,  macht  mer  de  Stall  zu. 

R. 

Der  hat  nit  e  so  vil  Ruhjw,  wie  en  Erbs  in  der  Qu  all. 
Aa  dem  hau  ich  gewunn,  wie  der  Deiwel  an  de  Riewe. 

Das  ist  en  alti  Rossel  (alte  Frau). 
In  ere  jede  Herd  gils  rudige  Schäf* 
t  VVu  Baach  ist,  ist  all  Fier. 

*  Das^  nutzt  ^»^erad  e  so  vil,  wies  (inft  Rad  am  Wiüe, 

Was  ölim  recht  i-^t,  ist  ufn  annere  billijj. 
i  Richtum  niaclit  nit  j^licklich,  awer  mer  hats  gutt  ilnrhi. 

Do  gelte  ken  Rede  niks,  tio  gtlt  numme  schwarz  ul  wiss. 

Wem  nit  se  rälhe  ist,  dem  ist  ah  nit  se  helfe. 

Der  iiat  ineii  Ruüef  as  Haar  um  Kopp. 

Der  will  sich  e  rotes  RMel  verdiene. 

Der  hat  kfen  Rösun  un  ken  Regard. 

S. 

i^er  gult  schmM,  gut  fährt. 

De  Supp  ist  gut,  awer  's  Rindflfesch  ist  besser. 

's  ist  niks  scheuer,  as  der  Fride. 

Bliw  mer  zehn  Schritte  väm  Lfenb. 
.  Ich  sin  uf  Schusters  Rapp  geritt. 

Mir  wiile  emäl  iwer  der  Sach  scblät'e. 

Das  i*t  e  Schwitzet-  (13). 

Der  slulpert  iwer  e  jede  Grashalme. 

Der  singt,  wie  de  Nachtigall  inger  um  Schuterkarch. 

Durch  Schade  werd  uior  klug. 

Der  verkehrt  de  Aue,  wie  e  Buck,  wann  er  um  Schräüe  lejt. 
Der  ist  do  gestang,  wie  der  Butter  in  der  Sunn. 
Ich  käf  ken  Katz  im  Sack. 
Der  hat  iwer  de  Schnur  gehtu. 
Der  hat  sich  zwiscbe  iween  Stiehl  gesetzt. 
Der  ist  sim  Mul  k^n  Stiefvatter. 
Was  mer  an  öbm  Ort  sch<^-it,  llngt  mer  am  annere. 
Do  kinnt  mer  se  jo  nit  sclirner  im  e  Storkenest  binanner  flnge. 
Das  ist  e  -  >  -.cicher,  wie  ->^'2  vier  ist. 
Do  lejt  e  S[iilhiiann  begraw  [wo  man  stolpert]. 
*^Der  bat  iwer  de  Slrank  geschlah. 


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—  <i2  — 


l  Die  zije  all  an  oliin  Slrank. 
£ner  Vatter  zijl  zeiinerlei  Kin  uf. 

*s  muss  alles  sin  Sach  haa,  sogar  de  Quetsche  in  der  Blijt. 
i  *s  Nachts  sin  alle  Kleh  schwarz. 

Do  8tinki*s  m  fier  FechtschuK 
i^Der  schnulTelt  ixirerall  enim. 

Mer  muss  <1ie  alle  Sache  nimineh  rudle. 

Der  schlaht  hm  n&ch  de  Schnell. 

Der  schlaht  nach  hinge  enus,  wie  e  junges  Fille. 

Ri  dem  ess  ich  ah  ken  Sesler  Wäse  [Weizen]  meh. 
i/Der  hals  ufs  h^ksl  Spilzel  gelriw. 

Mer  meniit,  der  ist  mit  Sied  ufgezoh  war. 

Der  hat  de  Sj)ui-  verlär  [ist  nnf  Al)we<:e  geraten]. 

Zween  harte  :Stehn,  male  stelle  relin  [rein]. 

Der  hat  de  hest  Supp  g^ss  [seine  guten  Tage  sind  vorbei]. 

Der  lebt  van  sim  eijene  Schmalz,  wie  der  Daks. 

An  mir  buizi  e  jeder  de  Schuh  ab. 

Das  ist  der  Staat  väm  griene  Kä^. 

Der  lässt  de  Schulde  hlitze. 

G^l  de  Schtftflies  bisse  dich? 

Das  ist  miner  Seel  nit  wohr. 

Der  ist  uf  um  en  annere  SchloGder. 

De  hungrije  Snüo  trähmfs  vam  £2cker. 

Der  hat  um  de  Staare  gestoch. 
i  Der  redt  ken  Sterweswerlpl. 

Der  i«t  nnrii  iiilin  (H)  S(  )mli  arjer  es  de  annere. 

Der  lifiiigt  am  e  silwero  Gnije. 

Der  Sparer  muss  e  Verthuner  hau. 

T. 

Mer  mönnt,  dass  sin  lutter  Tirke  un  Pandure. 

Trau,  schau,  wem,  inger  doäsi{(  (1000)  kum  ^hm. 

\Vi  mers  tilwt,  so  gehfs, 

Bi  dem  darf  's  Tip|M_'l  iwer  um  i  nif  telile. 

's  ist  kin  Wasser  e  so  hell,  's  werti  enial  trieb. 

ü. 

'  Mer  muss  sich  nit  uszije  ew  mer  schläfe  geht. 

Um  e  sunsl  ist  de  Dot,  awer  er  kost  's  L^we. 

Der  hat  an  de  Ulrich  geruft, 

ün\*ersuchl  sclnueckt  nit. 
•  Der  machts  wie  der  Uhlespiejei. 

Umgekehrt  ist  ah  gefahr. 

Je  ungörer  mer  ebbes  duht,  je  w^er  geschiehts  ern. 


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—  63  — 


V. 

's  bliht  nikä  versteckt,  's  kämmt  alles  aD  de  helle  Hiddah. 
'   's  kann  fthner  VaUer  besser  siwe  Kinn  ernähre,  as  siwe  Kinn 
dhne  Vatter. 

Der  muss  e  Vetler  im  Elsess  han. 

Wann  mer  kfen  Vetter  im  Elsess  hat,  gehts  nit. 

11  dene  kann  mer  sich  verlasse,  wie  uf  e  gebrochene  Stteke. 

Der  liat  vur  Verwunnerung  Mul  un  Nas  ufgesperrt. 

Do  kinnt  mor  sich  «Ic  Fingere  verbrenne. 

Je  gelehrter,  je  verkelirtcr. 
V    Ich  sin  '^^1)7.  venliiinmell  un  Kopp. 

's  ist  tithfer  se  veKiiene,  as  zamme  ze  halte. 

Verwerl,  was  nit  ijiecht  [bricht]. 

w. 

Wann  inei  Inge»  (ie  Welt'  ist,  inus  mer  mit  ne  iiieliie. 

liehre  alle  Wt;]  nä  Rom. 
Aha,  Mäst  ülm'  Wind  dolierV! 
^  Mer  tiaii  de  Wohret.  nit  iiatner  .säüe. 
Das  wte  nunand  as  Gott  un  de  Welt. 
iHis  wto  nimand  as  de  Kirchelitt  un  de  Märklitt. 
Gut  Sach  will  Wil  han. 
Jetz  kannst  de  dich  warm  lahfe. 
Der  Wolf  fresst  ah  gezehlle  Scb&f. 
c   D.i>  Nvackeil  wie  o  Kuhschwanz. 

Ir^sst  könn  Wolf  den  annere. 
Das  wackelt  wie  en  altes  Huss. 
Der  iiat  nach  k^nn  Wasserle  getriebl. 
Der  hat  's  Wissbrod  zArsI  jjefress. 
Der  ist  gefdlt  wie  e  Wurst. 
Du  gehts  Wurst  wider  Wurst. 
^  Wer  niks  wä-ul,  der  gewinnt  niks. 
Do  gehts  ventre-ä-terre. 
E  Wann  ist  kön  Ritler  [Sieb]. 


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-  e4  - 


Sprache. 

Die  Ittnf  Finger. 

1. 

1.  Das  ist  der  Duine, 

2.  Der  esst  gehr  Bruine, 

3.  Der  saht,  \vu  hohle? 

4.  Der  saht,  in*s  Heare  Garte, 

ö.  ün  iler  Kl(^hn  saht:  Wart,  wart,  ich  wills  um 
Herre  üäüe. 

2. 

1.  Das  ist  der  Dume, 

2.  Der  schittelt  Brume, 
Der  hebht  se  uf» 

4.  Der  draht  se  hemm, 

5.  ün  der  Kl^bn  esst  se  all  elehn. 

3. 

i.  bei  ist  in  de  ikiscli  gegange, 
'2.  Der  hat  e  Hasel  gelange, 

3.  Der  hals  heiuta  gebracht, 

4.  Der  bats  gebräte, 

5.  Un  der  Klöhn,  der  hats  verrätlie. 

4. 

Diiiihel,  dainbel,  rȟsenaiiipel, 

Pe<er  Licr,  lehn  mer  tliene  bruiiue  btier, 

Dass  ich  Korn  in  de  Miehle  tiehr. 

Durch  iluj>,  durch  liol,  durchs  Geweliiiger  Schlosii. 

's  sitzt  en  alti  Gflks  im  Garte, 

Kann  de  Bibble  wohl  erwarte, 

Bibbeli  Huhn,  Bibbeii  Hibn, 

Der  klihn  Finger  muss  dervAn. 

5. 

Reiter,  Reiter  iwer  de  Grawe: 
Feilt  er  enein,  so  muss  ers  bawe : 
Plumps,  do  lejt  er. 


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—   Ö5  — 


% 

Reiter,  Reiter,  Ross, 
Se  Basel  steht  e  Schloss, 

Se  Rom  sieht  e  Glockehus, 

Do  loüe  drej  schene  Junfere  erus. 

Die  erst  spinnt  Siod, 

De  anner  hasclipelt  Wied, 

De  dritt  spinnt  Hawerstroh, 

Se  kn'^clie  alle  drej  :  Monljoh. 

Kuimnt  (k-r  Rauer  Inn^e  näh,  un  macht  ais: 

Hüpi»eKli,  iloppeliii,  Hoppeldi  hd! 

Hoppeldi,  Hoppeldi,  ho! 

7. 

l>rosjs,  ilinrss,  drill, 

Der  Bituer  hat  e  Fill*. 

Das  Filiche  will  nit  Iahte, 

Der  Bauer  duhts  verkahfe. 

Kummt  als  £hner  hinge  näh,  un  macht: 

Hoppeldidah,  Hoppeldidah, 

Plumps,  schnerrt  er  Iwers  PM  erah* 

8. 

Ji,  Schimmel,  jil 

Im  Dreck  his  an  de  Knie; 

Mirje  gehn  mer  Hawer  dresche, 

Der  Schimmel  muss  de  Spriere  fresse» 

Ji,  S<"himmel,  ji, 
Im  Dreck  bis  an  de  Knie. 

9. 

£)bne,  döbne,  mehne,  Blatt, 
Unsre  Kinn  sin  alli  satt. 
Gredel,  hast  gctnolke? 
Siwe  Geiso  un  e  Kuh, 
Peter,  schiiess  de  Thiere  zu, 
Werf  de  Schüssel  iwer  de  Rhin, 
Märje  muss  gull  Weller  sin. 


1^ 


» 


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-   60  — 


10. 

iihne,  m^hne,  Dintefass, 

Geh  in  de  Schul  un  lerne  was. 

Lerne,  was  der  Vatter  «nht. 

Din  Vatter  ist  e  Sebnitzler, 

Schnitzelt  mir  e  Pt  ifehe, 

Do  pe-if  ich  alle  Märje  drut, 

Geh  ins  Üiakerhus 

Hohl  mer  e  K^rb  voll  Wecke  erus . 

Mir  ihne,  dir  ^hne^ 

Alle        Bttwe,  köbne. 

H. 

fehne,  mehne,  Dinletass, 

Wusch  mer  de  Pelz,  um  mach  mei  ne  nit  nass. 

12. 

Hicke,  hackr,  hei, 

Hacke,  hacke,  Dischle,  h;iUr  _l)oriij. 

Min  Vatter  ist  c  Sihuilzier  war, 

Schnitzelt  mir  e  Boll, 

Do  geh  ich  ins  Zoll, 

Domit  fabr  ich  ins  griene  Gras. 

Da  sab!  der  Vatter,  was  ist  das? 

Das  ist  ken  Fucbs,  das  ist  kton  Haas : 

*8  ischt  numme  dioi  lanfri  Naas. 

13. 

1,  '2,  3,  4,  5,  6,  7,  8,  nin  (9). 
Schlalit  der  fJauer  in  de  Rhin, 
Scblaht  dem  Herr  de  Fenschtre  enin. 
Kummt  der  Sittel  un  setit  ne  in, 
Setst  ne  in  das  Dabierbus, 
Liedel,  Lädel,  Hobbobocb, 
Hfttt  er  sine  Dahler  noch. 

i4. 

Kiiis.  z\v»-i,  <lrei : 

In  de  Jude  ^nei, 

In  de  Jude  Kinnerlehr, 

Steht  en  Engel  für  der  Thier. 


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—  67  — 


Hat  en  Appel  nn  e  Bier 
Wollt  es  gerne  esse, 

Hat  k6n  Messer, 

Fallt  e  Mes«er  vam  Himmel  erah. 
Engel  lafl  in  D^kters  Hu>, 
Hintel  fojt  de  SIuIm?  us, 
i>e  Katz  draht  de  Dreck  enus, 
De  Muss  springt  zum  Fenster  erus. 

15. 

Hehle,  hihlo.  Katzche, 
Kätzche  hat  vier  Beine, 
Vier  Beine  un  e  Schwanz, 
Jetz  ist  alles  wider  ganz. 

16. 

Kikeriki, 

Der  H.'ihn  ist  derlii. 

Der  Halin  ist  im  Feld, 

Bring  mir  im  dir  e  Säckel  voll  Gek). 

17. 

Stil  neck  !  Schneck,  streck  de  H^hr  e?  iis ; 

Oder  ich  werf  dich  iwer  doüsich  (lÜüO)  Dehr  enus« 

48. 

Schneck,  Schneck,  streck  din  langi  Ohre  erus, 
Oder  ich  werf  dicii  iwer  Mubr  un  Hus  enus. 

19. 

Maikemmer,  Maikemmer  tliej, 
Din  Valter  ischt  im  Kriej, 
Din  Mutter  ist  im  Ungerland, 
Bringt  e  Säckel  voll  Silwersand. 

20. 

Wewei-,  \V6wer,  wick,  wick,  wick, 
Mach  mer's  Tuch  dn'j  Ehle  dick, 
Mach  mers  nit  sc  r»'iin  [rein] 
Sunst  schlah  ich  ders  ans  Behn, 
Mach  mers  nit  se  grob, 
Sunst  schlah  ich  ders  an  de  Kopp. 


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-  68  - 


21. 

W^wer,  W^wer,  wick,  wick,  wick, 

L&88  de  Spule  laufe. 

Ich  will  der  e  Wissbrod  kaufe. 

W6wer,  W^wer,  wick,  wick,  wick, 
Läss  din  SchilTel  laufe. 
Heute  Balze,  Märje  RUze, 
Am  Sunda  gitts  se  saute. 

23. 

Storch,  Storch,  Deine, 

Füej  mer  iwer  Haine, 

Flie.i  mor  hver  's  Bäckerhiis. 

Un  briiii4  ilivj  schehne  Wecke  erus  : 

Mir  ^hne,  <lir  elme, 

Arme  Schelme  ah  ehne. 

24. 

Storch,  Storch,  Slipper  <le  Behn, 
Drah  mich  uf  um  Ricke  hemm, 
Kannst  de  mich  nit  tri-üe, 
Hol  e  kl^ne  Wäne, 
Nemm  e  wipse  Srliimmel, 
Un  liehr  mich  in  de  Himmel. 

.25. 

Peter,  wu  steht  er? 

Im  Stall,  macht  Futter  für  uns  all. 

26. 

Pefer,  \vn  steht  er?  Im  Stall. 
Was  macht  er?  Ev  j-ilt  de  Pfer  Futter. 
Das  thut  er. 

27. 

Kia,  popeia,  srhlah-  Hink»>l.'  dohi, 

Lejl  mir  ken  Ki,  un  fresst  mer  min  Brot. 


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—  69  — 


28. 

£ia,  popeia,  's  rasselt  iin  Stroh, 
•g  Bibbel  hat  t-  Gackei, 
's  Kindel  ist  liuli. 

29. 

Kailinele,  kaiiinele,  was  maclie  6ire  Gäns? 

Se  tiudle  sich,  .se  pudle  sich,  se  wasche  ihre  Schwänz. 

ao. 

Stock,  Stock,  Stock, 
Der  Schnieder  macht  e  Kock, 
Wann  icii  zehle,  1,  '2, 
Muss  das  Rücke!  tertig  sei. 

31. 

Schlat,  Kindel  gutt, 
Im  Garte  wachst  e  I{üt, 
Wachst'  i^auze  iiiuih;  vull, 
Wuiiiil  Hier  de  Kinule  atitze»  soll. 

Schläl,  Kindel,  schlaf, 

Din  Valter  hiet  de  Schaf 

Din  Mutter  ist  iu  de  Kafleevisitt. 

Se  bringt  der  ehbes  Schehnes  mit. 

33. 

♦ 

Heisa,  hopsa.  ni»''weselal, 

Wann  mich  ile  Mutter  nach  emäl  schlaht, 

Nemm  ich  de  liintel  un  werr  Scldat. 

Heisa,  liopsa,  RiewesMat, 
Krej  icli  de  Tochter  nit, 
Nemm  ich  de  Mahd. 

35.  t.  ^ 

Rache,  bachc  Kurlu-, 

Der  Racker  liat  gerul» 

Wer  will  schehne  Küche  bache. 


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70  - 


Der  mus8  bawe  slwe  (7)  Sache; 
Eiere  un  Schmalz^ 
Zucker  un  Salz, 
Milch  un  Mehl, 

ün  Safran  maclit  de  Kucbe  gehl. 

3(3. 

Wann  (ier  Hewe  Sunda  kummt,  « 
Han  mer  niks  se  koche, 
As  e  l)issel  Schwineilescb, 
Un  e  leere  Knoche. 

37. 

Uerr^otlf  hilf, 

*8  kummt  e  Schiff  v&m  Himmel  erah, 

Bringt  Win  un  Brot,  Gott  sei  gelobt. 

Mutter,  bache  Ki^te, 

Ganze,  ganze  Wanne  voll, 

Die  unser  Kindel  dann  esse  soll. 

38. 

Ich  und  du,  un*8  Bauers  Kuh, 

Un's  Millers  Rind,  sin  Geschwisterkind. 

3i|; 

Beierleln,  Beierlein  tick,  tack,  tack, 
Du  hast  e  grosse  Hawersack, 
Du  hast  vii  Wäse  un  vil  Köm, 
Beierlein,  ich  bah  dich  gar  ze  gem. 

40. 

Ihr  Uwe  Ginsle,  kumme  her  I 
Mir  derfe  nit. 

AA'eje  wem  ?  W'eje  num  Wolf. 
Was  fresst  er?  Griene  Kresse. 
Was  sun  or  >  Gehle  Molke.^ 
Ihr  liwe  Gänsle,  kumme  her. 

41. 

Wann  mer  motze,  han  mer  Speck, 
Wann  mer  sferwe,  sin  mer  ew^ck. 

Wann  mer  bacho,  hnn  mer  Brot, 
Wann  mer  sterwe,  sin  mer  dobt. 


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-   71  - 

's  ist  e  Bäliiu,  uii  ul  tieia  Uähiii  ist  e  Nast, 

ün  uf  dein  Nast,  do  ist  e  Ncscht, 

Un  in  dem  Nescht,  do  le-ji  en  Ei, 

Un  in  dem  Ei,  do  ist  e  Dotter, 

tJn  in  dem  Dotter  iBt  e  Haas, 

Der  lahft  de  Damme  iwer  de  Nas. 

43. 

£ia,  eia,  Hoppeldi  doh, 

's  Ist  in  der  Kiche  giad  e  so, 

L&ss  de  Griewe  im  HSwe. 

Trink  de  Milch  znm  Tippe  [Topfchen]  ems, 

Un  jSa  de  Katz  zum  Fenster  enus. 

44. 

Guguck  im  i^rinen  Wald, 
WIevil  Jahr  mör  ist  alt? 
Sab  mer's  nit,  s&h  mer*s  doch, 
WIevil  Jähr  lew  ich  näch? 

45. 

A,  bf  Cj  de  Katz  l^jt  im  Schnee, 
Streckt  de  Wadel  hoch  in  de  Hdh. 

46. 

Hicke,  hacke,  liclile 

Mir  Wille  uns  scheüii  stichle, 

Was  kinne  Vatter  un  Mutter  bruche  ? 

Der  Vatter  e  fette  Bock, 

De  Mutter  e  schöhne  Rock, 

Un  alle  zwei  brave  Kinnle  genuck. 

47. 

E  Pif,  e  Pif,  un  Tuwack  drin, 
E  Deckel  druf,  geraacht  muss  sin. 


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VIII. 


Aus  vergilbten  Papieren. 

Ein  älteres  Gedicht  in  elsässischer  Mundart. 
Meine  erste  ökonomische  Mehlsuppe. 


ile  skizzirt,  nach  layuu  Ptini^slmonlaj:,  entworfen  und 
dem  Herrn  .secrelaire  der  IUimford"i>tJien  Suppen- Anstalt  er- 
gebensl  zugeeignet  von  dem  Verfasser. 


Anmerkung  de»<  Rezensenten  :  DiesM  sebr  viele  facta  ent- 
haltende, jedoch  etwas  derb  slvlisierte,  wahrscheinHch  dem 
Froschtnäussler  orler  I^^inecke  Fuchs  nachgebildete  Heldenjre- 
diclit  (der  Verf  i-^er  ncmit  o>j  Ode,  obgleich,  so  viel  wir  davon 
f»insehen  können,  weder  Klopslock,  Wieland  noch  Schiller  ea 
gtM  III'  dafür  anerkennen  möchten)  passt  zu  keiner  bis  jetzt  uns 
bekannten  Melodie  tmd  ist  daher  bis  weiter  hin  nach  selbst 
jfewahlter  Mantei  abzubringen. 


«Und  röst'  dln  ICthl  tehön  drin,  Sals,  Ziwwel,  Lorberblatt 

<Un  Näjele  derzn  an  Brod,  dass*  an  ebs  batt  > 

—  r>!ps  hnv  i  dann  nnd  wann,  wenn  min  Fvnn  knmmedirt. 
1  denk  6  vvenni  noch,  glich  schiesst  iner  der  üedauke 

Als  wie  e  BUtz  iu&  Uirn,  dies  vrotV  i  au  noch  könne ; 

Sft  «ri,  je  dis,  i  sa^s,  gUeh  fang  i  an  se  renne 

0n  koeh  0  llehlmipp  an! 

So  nur  znm  Müstcrle,  awei  hgndert  liewen 

Lad  i  derza  zu  Gast  —  nnr  nm  se  versnobe 

—  «Stolz  Bibbel  aal  laej  do!»  fangt  einer  an  ze  äache. 


Wasseinlioiiu,  May  1817. 


«De  nimnitl  «erat  dineti  Anken 


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-  7a  - 


Wie  der  guet  koche  kann!  wenn  noch  en  Eierknche 

Un  Win,  «n  Brod,  and  Fleisch  derhi  «ftr,  gftng*s  echnn  an ! 

'S  Geld  far  de  Kaffe  müsst  mer  an  derzu  noch  laje, 

Ze  könnt  nie  si'  doch  d'heim  an  noch  e  Bissel  freue. 

Derhi  sinn  d'Kessel  schwach,  die  dert  sinn  ingemurt, 

Diss  ha  i  gest  schuu  g'sehu.  wie  i  ha  ningeklurt 

In  d^Kiche ;  werli  jo,  dies  isch  e  kleiner  Gspass, 

Se  eotte  sinn  so  gross  wie*B  Heidelbeijer  Fass, 

Se  k9nnt  mer  an  ebbe  genn,  dass  me  hätt  dran  genne ; 

S  o  isch  e  Portion  nur  für  e  kleiner  ßue 

Me  will  gtlcht  han  doch,  dif^s  nnicss  me  nit  vergesse, 

I  wott  eilein  e  so  e  Kessel  voll  usfiesse.  — 

—  Nee,  saat  eu  Andri  druff,  ze  viel  isch  doch  nng^sund; 
Zefrlede  wftr  i  sohnn,  h&tt  i  nnx  alle  Stand  e  Schissel  voll  darvon 
Me  mnss  die  Andren  an  dessfhalben  lewe  lonl  — 

—  E  dritti  setzt  derzu  :  Diss  kann  e  so  nitt  gehn, 
Ze  wenni  haw'  i  kriejt :  so  kann  me  do  nit  l»*sfehii. 
Für  uiine  Part  mein'  i.  me  sott  ebbs  Geld  uns  gewOi 
£  di^issiger  ungfähr;  sun^ch  hett  luia  bissel  Le\ve 

E  wenni  Kaffee  g*hebt ;  jctz  kr5pft*s  mi,  wenni  als 

E  dicki  llehlbmej  soll  de  Hals  mer  nnnterwntje, 

Un  manipfig  Kiss  nn  Gerst  —  i  wur  noch  dran  verwurje! 

E  bissei  Schnaps,  mein  i.  hätt  doch  derzu  noch  ghört« 

Dass  mer's  verdaue  kann,  i  has  min  Lebdi  ghört. 

£  Tröpfel  Brenndewin  kann  eim  gar  gut  bekumme, 

I  ha'Sp  ao  lang  i  weisa*  an  allewyl  genamme; 

Doch  jetzt  isch  er  se  dyr,  es  losst  sich  jeiz  mmm  mache  ~ 

—  E  Yierti  saat :  I  muss  jetz  üwer  euch  doch  lache; 
E  Pfündel  oder  zwei  gut  Brod  g'hört  no  derzu. 
Suust  Ion  mer  mini  Litt  doch  Dah  un  Nacht  ken  Kuh, 
I  mnss  doch  heische  gehu  !  Do  schlich  i  ho  um  d'Hüser 
Heimli  emm  und  geht  e  Dür  uf,  so  kalmüsser 

I  glich  mi  nin.  nn  stell  betrübt  min  Noth  so  Tor. 

*8  gitt  dann  nn  wann  no  Lütt,  die  han  Respekt  dervor 

ün  genn  mer  ebbs  an  Geld;  do  geh'  i  d'no  zum  Beck 

ün  kanf  mer  Brod;  im  Witsch  isch  d'no  min  Noth  ewegg! 

—  Nee.  saue  Andri  druf.  mo  biitt  Geld  soll»'  L'f  wp. 
Se  könnte  mer  doch  au  noch  uuscrm  ü  taile  lewe. 
E  jedwed*8  macht  derno  mit  Sim  wa'e  kann  nn  will 
Un  so  wir  alles  gnt  g*sinn  nn  gebliewe  still.  — 

—  Mer  sötte,  mein  i  au,  noch  mit  Gewalt  druf  dringe 
Dass  den'  wo's  welle  han,  me's  sott  in  d'Hüser  bringe  — 

—  Duo  g'schihfs  au  manchiuol.  ilass  me  gern  m  tl  Kirch  mucht  gehn, 
Se  könnt  me  eim  sin  Pari,  gar  wohl  am  t'yr  Ion  stehu, 

Dass  wenn  me  lang  gcnae  isch  in  der  Kirch  schnn  g^sesse, 
M*es  doch  noch  warm  bekäm,  sin  winzi  bissei  Esse,  — 

—  Me  sott  den  Antraa  dhun,  diess  könnt  mer  wohl  erlange. 
Dass  sie  ihr  Kocherei  um  Viere  scliuii  anfaii;^?. 

Diess  war  für  sie  doch  nur  e  ganz  geringi  Müh, 


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—   74  — 


'S  wnrd  mer  so  hOlIi  glich  am  Morjes,  in  der  Früh, 

Se  könnt  diss  Bissel  Biüij  eim  <\och  zum  Frühstück  diene. 

So  müs3  m  es,  wärli  na,  mit  Warte  abverdiene! 

Un  do  kriej  i  e  Zoru  ;  do  gitt's  au  uoch  so  Laffe, 

Die  alsfort  welle  lian,  dass  mer  aa  seile  schaffe 

Un  han  doch  nix  im  Lib.  Mint  Nochben  Bae  macht*»  g'scheid . 

Bi  denr  het*s  gar  ken  Noth,  dass  der  e  Bein  verheil; 

Do  knmmt  e  Hann  za  ihm,  dem  soll  er  Kirsche  breche» 

Verspricht  em  sechzeh  Sn,  de  Kosten  au  /um  T-ohn. 

Do  saat  er :  Meinen  ihr,  der  Kitzel  ward  nii  steche 

Um  deue  Fries  ?  Ne,  ne !  schön  worr  i's  bliewe  lohn, 

Sechs  Schini  myn^s  mer  sinn,  nn  an  derbi  der  Koste: 

Sanscht  geh'     w&rzi  na,  ich  keine  Schritt  vom  Pfoste ; 

Kiskire  mahn  i  nix,  i  hol'  im  Sterae^  d'Snpp 

ün  t;ph  de  ganze  Dah  d'no  nimm  ns  miner  Stub 

Der  het  ä  jetz  g'scheid  gemacht,  i  muss  recht  drUwer  lache; 

Me  sott  s  de  riebe  Lütt  doch  allewyl  so  mache 

Un  sotTs  ne  allen  an  recht  weh  no  drüber  g'schehn, 

Se  mühn  sie  es  am  End  do  noch  an  FresM  genn. 

—  Nee,  kommt  en  Andri  draff  nn  setzt  voll  Ifer  m: 

Mo  cott'      nun  Ion  gebn.  wie  allewyl,  min  Bne 

Der  bringt  mer  meh  noch  in  als  e  frischmelkidi  Kuh. 

Diess  isch  e  Tenfelskiud,  der  geht  nit  von  de  Fenstern, 

Bis  er's  Almnesse  hett:  wir  aUea  Vsetit  mit  Gspenstwn, 

£r  wicht  i  nit  vom  PlalSi  d*Lfktt  mnehn  em  d'no  doch  genn 

Nnr  nm  ne  los  ze  sinn,  diess  ha'  i  selber  ^  /hn. 

Jetz  sane  selber  ihr,  e  Frau  un  vier,  fünf  Kinder 

Mit  so'm  Bissel  Riss,  wie  kdnne  sie  denn  b'stehn? 

I  wott,  der  Teufel  hoF,  es  war  au  gar  bim  Schinder 

Diss  gauzi  Gschäft  —  i  gsteh's  ich  alle  frank  und  frey: 

I  san'  wie  allewyl:  Bs  leb*  die  Betteleyl 


<  Das  Wirtehaus  worin  die  Suppen« Ansult  ein(erlcbtet  war. 


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IX. 


Die  goldenen  Eierschalen 
vom  Hugstein. 

Mitgeteilt 
von 

Ferdinand  Bastian. 

Unweit  vom  Hugsteio  stand  ein  altes  Häuschen.  Der  Be- 
sitzer desselben  lag  krank  darnieder,  und  das  böse  Fieber 
rollte  ihm  heiss  durch  die  Adern;  selbst  das  Wasser  vom 
Hofbrunneu  konnte  ihm  den  brennenden  Durst  nicht  loschen. 
Er  schickte  deshalb  seine  Frau  auf  den  Huy stein,  um  ein 
Krüglein  von  dem  kalten  sprudelnden  Quell  zu  holen.  Eilend 
macht  sich  die  Frau  auf,  um  diesem  Wunsche  nndiznkonimen ; 
und  als  sie  das  Ki  ü;::l«Mn  in  die  Quelle  lauchic,  -fnnil  plötzlich 
ein  fremd  aussehender  Mann  vor  ihr,  in  einen  sciiwarzfi» 
Falteniiiautel  gehüllt  und  mit  einem  Dreispitz  auf  dem  Kopie. 
Derselbe  winkle  ihr,  ihm  zu  foljfen.  Die  Fruu  war  starr  vor 
Schrecken,  nicht  allein  des  fremden  Mannes  wegen,  sondern 
die  Burg  stand  vor  ihr  in  voller  Erhabenheit,  stolz  in  die 
Morgensonne  ragend. 

Der  Mann  winkte  abermals,  und  zagend  folgte  die  Frau. 
Er  fährte  dieselbe  in  einen  grossen  Rittersaal,  dffhete  knarrend 
einen  schwarzen  Schrank,  welcher  ganz  mit  Eierschalen  ange- 
füllt war.  Der  Hann  winkte  ihr  davon  zu  nehmen,  so  viel  sie 
Lust  hätte,  was  sie  auch  verlegen  that.  Dann  eilte  sie  nach 
Hause,  um  ihrem  Gemahl  das  Geschehene  mitzuteilen.  Als  sie 
aber  ihre  Schürze  ausbreitete,  prallten  beide  zurück:  die 


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-    70  — 

Eierschalen  hatten  sich  in  lauteres  Gold  verwandelt.  Sie  be- 
reute jetzt,  so  weni^  genommen  zu  haben,  und  flugs  eilte  sie 
wiederum  den  engen  Bergpfad  hinauf.  Keuchend  langte  sie 
oben  an;  aber  zu  ihrer  Verwunderung,'  sah  sie  nichts  als  das 
alte  zerfallene  Mauerwerk  und  wildes  GrestrQpp :  die  prächtige 
Burg  war  verschwunden. 

Enttäuscht  zog  sie  wieder  den  Berg  hinab. 


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Die  Rufaclier  Vornamen. 


fJKter&Qcliniig 

von 

Heinrich  MeiiflM. 

Jeder  Vorname  hat  ursprünglich  eine  besondere  Bedeut- 
ung, ist  von  Haus  aus  eine  sinnbildliche  Bezeichuun^j^  seines 
Trägers  und  diesem  als  geistiges  Erbgut  von  den  Eltern  mit  ins 
Leben  gegeben.  So  bedeutet  z.  B.  der  deutsche  Name  Waltfaers 
Gewaltiger  im  Heere ,  griechisch  Agatbe=dte  Gute,  lateinisch 
Felix=der  Gluckliche,  hebräisch  Johann^der  von  Jehovali  Ge- 
schenkte, arabisch  Maria=die  Bittere  oder  SprOde,  englisch 
Edward  (romanisierte Form £duani)=: Hüter  des  Gutes,  schwedisch 
Gustav^Kampfstablräger,  russisch  Olga = die  Erhabene.  Gegen- 
wärtig^ aber  g^iebt  und  trägt  dio  Mehrzahl  diese  und  andere 
Vornamen,  oline  sich  ihres  Inhalts  bewussl  zu  sein.  Sie  sind, 
el»jn.<i'  wie  die  später  aufjjekonimeDei)  Familiennamen,  zu 
blossen  Erkcnnunyszeichen  herabgesunken  und  werden  verlielien 
nach  Familionfiljerlieferungen,  nach  Orts-  nnd  Tageslieili|^en 
oder  andern  berühnUen  Personen,  nach  den  Palen,  nach  Laune 
und  Zufall.  Der -Vorname  an  und  fQr  sich  bezeichnet  heutzutage 
kein  Musterbild  mehr^  dem  sein  Trfiger  nachstreben  soll,  ist 
demnach  für  den  Einzelnen  auch  nicht  mehr  von  charakteristischer 
Bedeutung. 

Anders  verhält  es  sich  aber,  wenn  man  die  Vornamen 

einer  Gesamtheit,  einer  Ort-  oder  Landschaft,  betrachte!.  Hier 
giebl  sich  aus  dem  Gebrauch  und  Missbrauch,  der  Bevorzugung 
oder  Vernachlässigung  einzelner  Namen  eine  unbewusste  Orts- 


78  — 


Überlieferung  kund,  und  der  Vergleich  der  jetzigen  Vornamen 
mit  den  früheren  offenbart  ein  Stöck  verborgener  Ortsgeschichte. 
So  gehören  die  Vornamen  mit  Mundart  und  Tracht,  mit  Ge- 
schichte und  Sa^e,  mit  Sitte  und  Brauch  zum  geistigen  Land- 
schaflsbilde,  zur  Eigenart  einer  Gegend,  zum  Volkslume  der 
Bewohner.  Und  es  verlohnt  sich  wohl  der  Mühe,  den  Vornamen 
nach  örtlichen  und  zeitlichen  Rücksichfen  eine  j^rösserc  Bench- 
tung  zu  .•^iheiiken.  Dies  ist  in  den  letzten  Jahren  auch  mehr- 
fach geschehen.  Auf  elsässischem  Gehiete  sind  j^ie  meines 
Wissens  erst  in  zwei  Gegenden  näher  berücksichtigt  worden, 
im  Kanton  RappoUsweiler  (Ferdinand  Oryohann :  Die  Vornamen 
der  Schuljugend  des  Kantons  Rappoltsweiler,  im  Jahresbericht 
der  Realschule  zu  RappoUsweiler,  1883,  Progr.-Nr.  527)  und 
in  den  Kantonen  Zabern,  Buchsweiler  und  MaursmOnsfer  (Vor- 
namen im  Elsass,  in  Nr.  14  des  Vogesenhlalles  der  Sti^assburger 
Post  vom  10.  August  1894  und  in  Nr.  576  dieser  Zeitung  vom 
16,  August  1894). 

Einen  weiteren  Heitrag  zur  elsässisrhen  Namenkunde  möchte 
ich  in  den  folgenden  Zeilen  durch  die  Betrachfunfr  der 
Bufacher  Vornamen  liefern.  Ich  stütze  niicli  dabei  aber  niclit 
nur  i'if  die  Namen  der  St  hulkiudei  ,  wie  es  Ortjohann  und  der 
ungenannte  Verfasser  iu  der  Stnissburger  Post  gelhuu  haben, 
sondern  berücksichtige  die  Vornamen  aller  Einwohner,  auch 
derjenigen  aus  flrfiherer  Zeit,  mit  besonderer  Beachtung  der 
häufigsten  und  der  deutschen  (I).  Aus  sprachlichem  Interesse 
kommt  es  mir  femer  auf  eine  genaue  Bezeichnung  ihrer  Formen 
tind  ihrer  Aussprache  an  (II).  Und  da  mir  die  Stellung  der 
Vornamen  im  Volksleben  von  Wichtigkeit  erscheint,  füge  ich 
endlich  ihre  Verwertung:  als  Gattungsnamen,  sowie  ihre  An- 
wendung in  volksmässigen  Redensarten,  Sprichwörtern,  Reimen 
und  Liedern  bei  (III;  wird  später  erscheinen). 

L 

In  liufach,  da>  nach  der  letzten  Volkszählung  vom  1. 
Dezember  IBDU  etwa?:  mehr  als  :{2(M»  Einwohner  hatte,  sind 
gegeiiwärlij;  180  Vornamen  im  Gebrauche^  und  zwar  101  männ- 
liche und  •  79  weibliche.  Es  kommen  also  auf  einen  Namen 
durchschnittlich  etwa  18  Personen.  Hierbei  sind  solche  Namen 
von  eingewanderten  Beamten  und  ihren  Familien,  die  das  Volk 
nicht  verwendet,  nicht  mitgerechnet,  z.  B.  Bruno,  Friedrich, 
Hugo,  Otto,  Oskar,  Werner;  Frida,  Hedwig,  Hilda,  Laura« 
Meta,  Sophie.  Da  .sie  dem  hiesigen  Volkstume  fremd  sind,  wird 
sich  ihr  Ausscheiden  hier  und  im  Folgenden  rechtfertigen  lassen. 
Dagegen  habe  ich  Namen  aufgenommen,  deren  Träger  xwar 


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—  79 


gealorben  sind,  die  aber  noch  im  Volksbewusstsein  fortleben, 
s.  B.  Adam,  Gregorius,  Kunif^unde,  Leodej^ar,  Markus,  Thomas. 

EMe  beiden  käufigiien  Namen  beiderlei  Creschlechts  sind 
Joseph  und  Maria.  In  den  Geburtsregistern  von  34  Jahren 
(1800—1893)  stehen  unter  3684  Namen  327  Joseph  und  329 
Mai-ia.  Der  Xame  Joseph  beträgt  folglich  8,88o|o»  Her  Name 
Marin  S/n  ^  0  aller  Rufacher  Vornamen.  Das  folgende  Vei  zei(  hnis 
enlliiiltdie.HOhanfijrsten  :  1.  Maria  (8,03  o/o),  2.  Joseph  (8,88 
3,  Josephine  (ü/»?'^,,^,  4.  Xaver  {iyAOo^,),  5.  Anna  (3,i2o|t,), 
6.  Heinrich  (2,90«|o),  7.  Emil  (2,52  0',),  8.  Luisse  (2,i7o,\,), 
9.  Ludwig  (2,39«!ft),  10.  Elisal»etli  und  Elise  (2,39o]o),  M.  Leo 
(2,25o/o),  12.  Eugen  (2,17  0  «),  13.  Eugenie  (1,71)  o  q),  14.  Mag- 
dalena (IjGOofj,),  15.  Johann  Baplit-l  (1,49y!o),  »  K).  Henriette 
C1,49o,o),  17.  Victor  (i,49o/o),  18.  Karl  (l,44o,[o),  19.  Eduard 
(l,36o/o),  20.  Katharina  (1,33o/o),  21.  Isidor  (1,22oo),  22. 
Rosalie  (l,22o|^),  23.  Pauline  (1,i4o|o),  24.  August  (1,11  «io)> 
25.  Emilie  (1,09  o|o),  26.  Mathilde  (1,09  o/o),  27.  Therese 
(1,06o/o),  28.  Agathe  (1,03o|o),  29.  Paul  (0,9S<yo),  30.  Albert 
(0,98  o|o). 

Voh  diesen  30  Namen  sind  22  fremden  und  nur  8  deutseben 
Ursprungs. Ungefähr  dasselbe  Verhältnis  triflt  auch  für  die 
Gf'sarntheii  der  Riiracher  \'<'i  namen  zu  ;  denn  von  180  sind 
133  tremdländisch.  Die  jremden  Samen  haben  demnach  ein 
bedeutendes  Ueherp"e\virht.  Die  heulen  luiiifi-slen,  Maria  und 
J(isepli,  zei};en  uns  den  We^,  aut  dem  sie  eiii^redrungeii  sind. 
Wiedie^e  als  Namen  der  Eltern  Jesu  durch  dii'  Kirche  empfohlen 
und  verbreitet  wurden,  so  ist  auch  beim  Gebrauch  der  andern 
biblisch-kirchlieher  Einfluss  massgebend.  Der  treuherzige  Thanner 


'  Der  Name  Baptist  kommt  nie  allein  vor,  aondam  ist  in  den 
G«btirttiegisteni  and  im  Leben  stets  mit  dem  Nanun  Johann  su 

dem  Doppelnamen  .Tohann  Baptist  verbnn  I  n.  Ändere  hänfigt  Doppel- 
namf^n  sind:  Anna  Maria,  Maria  Anna,  Maria  Magdalena,  Mr^i  ia  Lnise, 
Maria  Rosa.  ^laria  Therpsia.  Maria  Regina.  Franz  Joi-ej  Ii  Franz 
Xaver,  Johann  Feter,  Feter  i'aul.  Davon  konmu  n  m  der  Mundart 
Tor:  Johann  Daptiat  [l^^mpatis].  Frans  Joseph  [i  rautssep],  Maria 
Aaaa  [Muuän],  Aaaa  Maria  [Anamkrf,  Anemüei],  Maria  Bosa 
(MikriröB,  iiärilurds],  Johann  Pater  (S^mpito,  ans  fra.  Jean-Pieixe]. 

*  Ich  bsiraebte  Anna  als  einen  fremdl&ndlBchen,  aber  Eduard, 
Lnise  und  Henriette  trotz  ihrer  fremden  Form  als  deutsche  Namen, 
weil  sie  dentschrs  Spra'^hgn*  enthalten  Auch  im  Folgenden  behandle 
ich  dip  romaiiisiorteu  i'or^nea  Alpiions,  Robert,  Franziskus  und 
Franziska  direr  Abkunft  wegen  als  deutsche  Namen.  Aloys  hinge- 
gen reebne  ich  trots  seiner  wabrseheinlichen  Verwandtschaft  mit 
Ludwig  an  den  fremdlindischen. 


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—  80  - 


Barfüs-^ennonch  Malachias  Tscliambsei*  setzt  die  Ursaclio  des 
Ilü<  k-rnijt"s  ileul^cher  und  il.-r  V»'rbreiluii{j  fremder  Vornamen 
im  Elsiss  allerdinj?s  auf  Ilecluuuiij  Friedlich  Barbarossas.  Er 
schreibt  nfirniich  in  seiner  Thanner  Chronik  (Cohnar,  18(54, 
1.  Bd.,  S.  5):  aFnderich  der  Kayser,  mub  den  Welschen  zu 
gefallen  und  ihre  Geraüther,  welciie  er  je  länger  Je  mehr  ihm 
geneigter  zu  seyn  verspörte  stärker  an  dch  m  ziebn,  brachte 
die  ChrisUiche  Namen  als :  Joannes,  Petru8>  Andreas,  Gregorius, 
Augustinus,  Ambrosius,  Anna,  Maria,  Lucia,  Catharina,  Marga- 
ritha  etc.  ins  Teutschland,  und  führte  solche  aisgemach  auch 
in  unseren  Landen  ein,  da  sonst  die  Teutschen  von  keinen 
anderen  Namen  wQssten,  als  Friderich,  Karlen,  Huldreich, 
Ehrmereich,  Cuonemann  oder  Conrad,  Waldrath ,  Ludwig, 
Heinrieh,  Adelheit,  Mathild,  Gutta,  Hertha,  Bianca,  Gisella, 
Kunigund,  Rosenmund  etc.a  —  Doch  wird  den  Kaiser  Barba- 
rossa an  diesem  Wechsel  keine  grösser»?  Selmid  treffen  als  jeden 
andern  Deutschen,  wenn  auch  sein  Soini,  Philipp  von  Schwaben 
(11Ü8 — 1208),  der  erste  ileutsche  Kai^'r  war,  der  einen  uh- 
deutscheu  Nuiüen  trug  (Philipp  aus  griech.  Plui-hippos=Pferde- 
freund)«  Wohl  haben  die  häufigen  BerAhrungen  der  Deutschen 
mit  Italien  und  dem  Morgenlande  dazu  beitragen  helfen,  dass 
namentlich  seit  dem  Ausgange  des  12.  Jahrhunderts  die  Sitte 
eindrang,  die  altdeutschen  Namen  durch  kirchliche  zu  ersetzen.  ^ 
Aber  neben  dem  Schwinden  der  poesievollen  Anschauung  unserer 
Ahnen  und  des  Verständnisses  för  Sinn  und  Bedeutung  ihrer 
Namen  hat  Ijesonders  der  Kinfluss  und  die  Macht  der  Kirche 
die  Einführung  hebräischer,  griechischer  und  lateinischer  Namen 
gefördert.  F<  entstand  immer  mehr  die  Sitte,  dem  Kinde  den 
Namen  <Mnes  Heiligen  der  Kirche  zu  geben,  oft  gerade  des 
Ta;re-h«'iligen,  um  es  so  unter  seinen  besondern  Schutz  zu 
stellen.  Und  da  es  mit  der  örfti.  hen  und  zeitlichen  Ausbreitung 
des  Ciiristentums  zusammenhangt,  dass  es  mehi'  Kirchenheilige 
mit  fremde  als  solche  mit  deulscben  Namen  giebt,  ist  es 
begreiflich,  dass  die  letzteren  immer  mehr  schwanden.  In  der 
katholischen  Kirche  besteht  diese  Sitte  noch;  denn  sie  ist  auf 
Veranlassung  des  Trienter  Gonzils  (1545 — iSßS)  durch  den 
Catechismus  Romanus  den  Katholiken  zur  Pflicht  gemacht 
worden.*  Daher  kommt  es,  dass  im  katholischen  Ro£ach  die 


'  Diese  Zeit  wird  von  vielen  angenommen,  z.  B  von  Albert 
Henitze:  Die  deutscheu  Famdienuamen,  1882,  S.  2b;  aber  nach  Otto 
Abel  :  Die  deutschen  Personennamen,  1889,  S.  61,  62,  6a  u.  66,  «ftr« 
das  Aufkommen  fremder  Namen  in  Dentsclilaad  hanptsftcUicb  in  das 
14.,  15.  lind  16.  Jahrhundert  zu  setzen. 

'  Durch  sie  erklärt  sieb  mancher  eigenartige  Vorname,  z.  B. 
der  des  berfthmten  Schriftstellers  Rosogger  in  Oiaz:  Petri  Ketten- 
feier. 


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—   81  — 


kirchliclien  Namen  so  sehr  vorherrschen.  Es  ist  dies  eine  Er* 
scheinung,  die  auch  sonstwo  beobachtet  wird,  und  die  Fried- 
rich Kluge  zu  dem  Satze  veranlasst:  «In  den  protestantischen 
Landschaften  und  Kreisen  erfreuen  sich  bis  beute  die  alt- 
germanischen  Namen  einer  weit  y:rösseren  Verbreitung  als  in 
den  katholischen»  (Von  Luther  bis  Lessing,  1888,  S.  124). 

In  Rufach  belra<ren  die  deutschen  Vornamen  nur  etwa  V* 
aller  X.inien  (iS:  180),  Das  folgende  Vt^rzfirhnis  tulirt  sie  nach 
der  Hautipkfit  ihres  Gebrauchs  auf.  Bo/,ii;j;lich  der  oirijjeklam- 
rnerk'ii  Di  iitungen  schlie'jse  ich  mich  hauptsachlich  dein  deutschen 
Natueidnii  lilein  von  Ferdinand  Khull  an  (1891),  das  nicht  nur 
auf  der  Hoho  der  Zeit  steht,  ^^ondern  als  viertes  der  Ver- 
deutsciiungsbücher  des  allgemeinen  deutschen  Sprachvereins  auch 
eine  weile  Verbrdtung  gefunden  hat. 

1.  Heinrich  (Fürst  des  Hauses), 

2.  Luise  (weibliche  Form  zum  frz.  Louis^sLudwig), 

3.  Ludwig  (ruhmvoller  Kämpfer)» 

4.  Henriette  (weibl.  Form  zum  frs.  Henri  ^Heinrich), 

5.  Karl  (der  Mann), 

6.  Eduard  (ronuinisierte  Form  f&r  ags.  Edward,  aliU. 
Otwart=Hriter  des  Gutes), 

7.  Mntliilde  (machtvolle  Kfunpferin), 

8.  Alheit  (der  durch  Adel  Glanzende), 
y.  K;i inline  (weibl.  Form  zu  Karl), 

10.  Ut))>ert  (frz.  Form  fur  das  deutsche  Huprechl=der  an 
liuiiiji  Glänzende), 

11.  Franziska  (weibl.  Form  zu  Franziskus,  Franz), 

12.  Alphons  (der  Edelbereite), 

13.  Gustav  (der  Kampfstab  [träger])^ 

14.  Emma  (die  Starke,  Mächtige), 

15.  Franz  (der  Franke,  Freie,  aus  latinisiertem  Franciscus), 
Bertha  (die  Gl&nzende), 

17.  Hermann  (Kriegsmann,  Mann  des  Heeres), 

18.  Ernst  (der  Ernste,  Entschlossene), 

19.  .-Vdolf  (der  edle  Wolf), 

20.  Adele  (die  Edio,  hierluM-  -ehört  auch  Adoline), 

21.  DieiwUi  (nebst  der  fremden  i^rm  Theobald=der  Volks- 
kühne', 

22.  Alhertine  (weibl.  Form  zu  Albert), 

23.  .-Vmalie  (die  Arbeit  im  Kampfe), 

24.  Adelheid  (die  edle  Person), 

25.  Odilie  (die  Besitzerin,  Reiche,  Glückliche), 

26.  Edmund  (ags.  Form  für  ahd.  Otmund= Beschützer  des 
Gutes), 

27.  Ferdinand  (der  Fahrtkühne), 

e 


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—   82  — 


28.  Rudolf  (der  «flänzende  Wolf), 

29.  Glotbilde  (die  ruhmvolle  Eriegerin), 

30.  Leonliaril  (der  Löwenstarke,  nur  der  zweite  Teil  ist 

deutsch,  der  erste  das  lat.  leo=Lö\ve), 

31.  Krnestine  (weihl.  Form  zu  Brnst), 
3*2.  Bernhnrd  (der  Bärenstarke), 

33.  Wilhelm  (wjlüjier  Schützer?), 

34.  Konrad  (Berater  dt  r  Sippe,  oder  :  der  im  Bat  Ruhne), 

35.  Kutiijy'unde  (Kämpterin  für  die  Sippe), 

36.  Dagobei  l  (der  wie  der  Tag  glänzt), 

97.  Gervasius  (der  Gerscharfe,  nur  das  v  und  die  Endung 
ius  sind  lateinisch), 

38.  Hermine  (die  Starke,  Mächtige), 

39.  Irma  (die  Starke,  Mächtij^), 

40.  Hubert  (der  durch  seinen  Geist  ^ISnzl), 

41.  Heribert  (der  im  Kriege  glänzt)^ 

42.  Leopold  (der  im  Volke  Waltende), 

43.  Bichard  (der  starke  Herr), 

44.  \V;ill»iuv  (die  prewallige  Schützerin), 

45.  Wilhehniiu'  (weihl.  Form  zu  Wilhelm), 
40.  Willihaid  (der  im  Willen  Kühne), 

47.  Lewlegar  (Ger  des  Volks), 

48.  Gertrud  (die  mit  dem  Ger  Verlraule). 

Die  letzten  18  dieser  Namen  kommen  sehr  selten  vor  und 
haben  je  nur  einen  oder  zwei  Träger,  einige  auch  gar  keinen 
mehr,  wie  z.  B.  37,  46  und  47. 

Es  ist  lehrreich,  mit  den  heuligen  die  früheren  Vormamen 
zu  vergleichen,  namentlich  bezüglich  ihrer  Häufigkeit  und  Her> 
kund.  Eine  Handhabe  th/n  Kielen  uns  Urkunden  des  Bufacher 
Gemeindearrhivs.  Aus  der  Zeit  vom  Anfange  des  15.  bis  zur 
Mitte  des  IS.  Jahrhunderts  haben  wir  Aufzeichnungen  der 
Bürgel-  von  Hufach  mit  ihren  Vor-  tmd  '/unameii,  zum  Zwecke 
der  ISteuerzalilung.  Diese  Listen  heis^^eii  meisleiis  «Gewerft 
Büechlein»  ;  denn  die  Steuer  hiess  i.^ewcrliw.  Sie  wurden  ge\s(*ii»i- 
lich  um  Martini  (11.  November)  jedes  Jahres  aufgestellt,  ^o 
ötehl  z.  B.  über  der  von  1430 :  «Anno  MCCU>  XXX  beali 
Martini  ist  das  gewerff  geleit.  Ist  Clawel  Wagener  gewerffer 
worden.»  Die  Burger  sind  nach  Zünften  eingeteilt,  und  hinter 
jedem  Namen  ist  die  zu  bezahlende  Summe  angegeben.  Diese 
Aufzeichnungen  reichen  mit  vielen  Unterbrechungen  Ton  1431 
bis  1714.  Ich  wähle  die  Jahre  1428.  1402,  im,  1598,  1660 
und  1708.  Für  1752  benutze  i<  h  ein  .uideres  Steuer^Vei  zeii  h- 
nis.  Zwar  fehlt  bei  einijren  An^iaben  der  Vorname,  und  der 
eine  oder  andere  ist  so  «ehleclit  }je.<(  hrielirii,  (l;is<  ich  ihn  nicht 
entzitTern  kann  ;  das  ändert  aber  am  Ergebnis  nicht  viel.  Diese 


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—   83  — 


Verzeichnisse  j,^eben  uos  eine  vollständige  und  zuverlässige 
llebei>i(  lit  y\])('v  die  Vornamen  der  froheren  Ru(a€her  Borger 
von  3»/2  Jaiirhundeiten.  * 

Leider  gilt  dies  nur  von  den  männlichen  \'(>rnaroen. 
Frauennawen  sind  nur  wenige  verzeichnet  und  können  uns 
daher  kein  zulreflendes  Bild  liefern.  Ich  fand  nur  die  foljienden: 
A^mes  (auch:  Anfiness),  Calhnrina  fauch:  Cath.nin,  Katheriii^ 
Cti>tin,  Fh.sahelb,  Gred,  Mapd.iltMui,  Maria,  Anna  Marin,  Snlonie, 
MiMiniie.  Sonst  sind  die  Kiaiu  n  mit  Namen  oder  Jieruf  des 
Vaters,  des  Mauues,  des  üiuders  oder  des  Sohnes  bezeichnet, 
z.  B.  des  aithen  Annbrusters  dochter«  Deckenn  seli<>ren  dochter 
kind,  der  kremerin  docfaler,  die  Ferberin,  die  Linckin,  Berlerin, 
die  alt  MarzolfiD«  die  alt  Stattschribin,  die  Schribin  und  ir  man 
und  ir  kind,  Wolff  Steinmetzen  frauw,  Messerschmils  witfib, 
Hanns  Dachsteins  witlib,  Diefaolt  Dauler  der  hebamen  man, 
Fischers  witlib  und  jüngste  kinder,  Hans  nouin^arlers  des 
eiteren  wittib,  Boll  Bibeissens  Schwester,  Hans  Bnm  und  der 
muter  selig  teil,  Cuntzenhenslin  und  sin  muten. 

Belehrend  sind  auch  die  Familiennamen^  vor  allem  wril  sie 
un:>  eikennfii  las.sen,  dass  die  Beilegung  eines  Zunamens  im 
15.  Jaliriiuiidei  I  noch  nicht  ah^jesdi lassen  w;n  .  Wir  Cnden  in 
dieser  Zeit  eine  Men^e  Bezeichijini;:en,  die  nicht  als  Faniilien- 
n.unen  betrachtet  werden  können,  die  aber  wahrscheinlich 
stehend  gewesen  sind,  später  gekörzt  wurden  und  sich  zu 
Familiennamen  verdichte!  haben.  Derart  sind  die  folgenden. 
4421 :  Luis  der  wöher,  Glaimn  von  Enssheim,  Hans  von  Ess- 
lingen» Clawin  zu  der  krönen  rWirlschaft),  RudollT  der  Stein- 
metz von  Pfaffenheimy  der  Spittelhenn,  Peter  von  Sunthoffen.  — 
1428 :  Heinrich  von  Ettlingen,  Trutman  der  vischer,  Hans  von 
Ehenheiro.  Siffert  v(m  Hirtzfelden,  Hans  der  Nürenberger, 
DielK)lt  von  Morsswiler,  der  alt  Wolf,  Jecklin  von  Sunlheim.  — 
1492  :  Au}rustin  /um  boren  (Wirtschaft,  die  heute  noch  besieht), 
Jej'fT  von  o!>ei'  kileh,  Jej^  in  der  B(  denmiili  (Bodenrnühle  heute 
nocli  voiiiandcn),  Hans  von  Begens)>m|;,  Hans  von  Sant  Gallen, 
])  von  Worms,  Bichart  der  murei ,  Tliomari  von  Wirlzburg, 
.lei^  der  ziiiiei  man,  Böhrich  der  niuier,  Budolf  der  murer, 
Conrat  der  schryner,  Ludwig  der  torwachter ,  Diebolt  der  jung, 
Thenig  von  Illkilch,  Marx  der  kan'er«  Bans  von  Friburg,  u.  s.  w.  — 
Doch  ich  will  mich  weilerbin  nur  mit  den  Vornamen  beschäftigen. 


>  Im  Folgenden  schreibe  ich  die  Namen  mit  groBsen  Anfangs» 
buchstabpn  in  lateinisrhci  Schrift  Tu  dtr;  I  iknnden  steht  die  deutsche 
Schrift,  grosse  und  kleine  Äni>ug6buch6taben  vechseln  willkürlich, 
tmd  wegen  der  sodentliehen  Schrift  ist  eise  üatersebeidung  nicht 
immer  mDgUch« 


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-  u  — 

Die  Bürger  sind  nach  folgenden  Zünften  eingeteilt:  BroU 
back,  Snyder,  Schumacher,  Metzger,  Wurtte,  Smyde,  Acker- 
IQte,  Anderes  Bumans  Zunft  (eine  Rebleutzunft,  nach  dem 
Zunflmeister  benrnnt,  später  biess  sie:  zum  ßüi'gelin),  zu  der 

gil^jen  (eine  zweite  Rebleutzunft),  Räte  und  Ratzgenossen,  die 


t'ryen  lüte.  '271  Büi*ger  tragen  die  folgenden  44  Namen: 

1.  Johann  (36  Hans,  11  Henslin) .   •   47 

2.  Nililaus  (i3  Clewi,  Clewy,  Clewin,  1  Glaus,  i  Cla)  45 

3.  Henn  (Henn,  Henny,  Henni,  Honin,  Ue)  ...  35 

4.  Heimicli  (10  Heinrich,  13  HeinU)   ^ 

5.  Peter  (Peter)   14 

(l  Weilin  (Weiiiii,  Wernlin)   9 

^       7.  Jakoh  (Jarol),  Jeckly,  Jecklin)   8 

8.  Conrad  (.Cuiirat,  Cuny,  Cunemau,  Cunuliu,  Cuneliin,  7 

9.  Bertschi,  ijerUcliiru  Bersin   7 

10.  AnUreas  (Andres,  Andress,  Enderlin)     ....  5 

11.  Burkhard  (Burckharl,  Burkharf,  Burklin)  ...  5 

12.  Wallher  '   5 

13.  Oswald  (Osswalt)   4 

14.  Michael  (Michel,  Michelman)   4 

15.  Jos  (Joselin,  Jöselin,  Jösselin)   4 

1(>.  Martin  (Martin,  Mertlin,  Merden)   3 

17.  Dielmid   Diebolt)   3 

18   l'.ufzsch,  Uutzsc:h   3 

in.  Simon  (Symon,  äymony)   3 

20.  Erhard  (Erhart)   3 

21.  Frif'dticU  (Fridrich)   3 

'2'2.  Lud\vi|j  (Lulzniau,  Lutsi  liinan,  Lutscli.'iueuni)     .  3 

23.  Tliüiuas  (Thoman,  Tlioinu)   2 

24.  Udlln   2 

25.  Gottfrieil  (Götz)   2 

26.  Arbogast  i  Arbogast,  Tarbogast)   2 

27.  Ulrich   2 

28.  Wolf  (Wolf,  Wölfflin)   2 

29.  Georg  (Jörg)   1 

.30.  Lorenz  ^Lentzlin)   1 

31 .  Pantaleon   1 

32.  Wilhelm   1 

33.  Hermann  (Henna n)   1 

3i.  Trautniann  Crrutman)  .  1 

35.  Afiselin  (Anshcliii)   i 

36.  Harttnann  (Hartman   1 


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—  85  — 


37.  Richard  (Richart)   1 

38.  Siegfrial  (Sineit)   i 

39.  Stephan  (Steffan)   1 

40.  Rüdiger   i 

41.  Maternus  (Mateme)   1 

42.  Werther  (Werder)   1 

43   Ort  lieb   1 

44.  Lucas  (Lux)   i 


Von  Hipsen  44  Namen  sind  '28  deutsch,  nämlich  3,  4,  8, 
^.  11,  12,  47,  1S,  t>(),  '21,  22,  24,  25.  26,  27,  28,  32, 
33,  34,  35,  36,  37,  38,  40,  42,  43. 

AnraerkuDgen: 

Zu  2.  Der  Name  tritt  tu  andern  Jahrgängen  hfiufig  auch  in 
den  Formen  Glauwen ,  Gläuwen ,  Clouwen ,  Glawin , 
Gtäwen,  Clawe),  Klaugen,  Klagen.  Klagen  auf.  Sie  sind 
entstanden  durch  Zerdehnung  der  Abkürzungen  Glaus 
und  Glas.  \'^\.  Wheri  Heintzf,  a  a.  0.,  180. 

Zu  3.  Henn  ist  eine  einstämmige  Kürzung  der  mit  ahd.  hagan 
zusammengesetzten  Namen  (Haginbert,  Haginhart  u.  s.  w.); 
hajran  ist  Erweiteninj?  von  ahd.  hag,  hac=Wald,  Busch, 
Gehege.  Hifthfr  ;:<'li()ren  die  uns  noch  geläufigen  Namen 
Ha^tMi,  iiaimo,  lieino,  Heyne,  Heinemann,  Heunemann, 
Henuiiig,  u.     w.  Vgl.  Heiiif/e,  132  und  133. 

Zu  6.  Wetlin,  ilas  in  der  Form  Wochrlen  in  liutach  noch  als 
Familienname  vorkommt,  ist  eine  Verkieinerungstonu  der 
Kürzung  aus  Zusammensetzungen  mit  ahd.  warsswahren, 
(Warfrid,  Waraman,  Warmut,  u.  s.  w.).  Vgl.  Heintze,  219. 

Zu  9.  Die  doppelte  Verkleinerung  einer  Kürzung  der  mit  ahd. 
bero,  mhd.  bere=Bar  gebildeten  Namen  (Berman,  Berwin, 
Berwald,  u.  s.  w.).  Die  erste  Verkleinerung  geschah  durch 
7.  (Berz ,  Bertsch),  die  zweite  durch  i,  in.  Heinlze,  KU. 

Zu  15.  Jos  ist  nicht  etwa  eine  Abkürzung  von  Joseph  oder  Jost, 
sondern  ein  «selbständiger  Name,  <ier  häutijj  vorkam. 
Vielleicht  ist  er  au$  hebr.  Joas  entstanden,  wie  Joachim 
aus  Jojakim. 

Zü  It^.  iu  Rntzsch  liahen  wir  die  Küizung  der  mit  ahd.  lirod= 
Scliall,  liuhin  gebildeten  Namen,  un<l  zNvar  eine  Ver- 
kleinerung mittels  z,  das  in  isch  vergröbert  wurde;  Rozzo 
ist  Koseform  von  Hrodo=der  Ruhmreiche. 

Zu  22.  Lutz  ist  eine  durch  z  vollzogene  Verkleinerung  der 
ersten  Silbe  von  Ludwig. 

Zu  24.  Kfirzung  und  Zusammenziehung  der  mit  ahd.  uodals 
Besitz,  Erbgut  gebiMeten  Namen ;  1558  tritt  er  in  der 


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-  8ü 


Fonii  üeliia  aut.  Verwandt  Jainil  .sind  Ulrich,  L'liland, 
UUmann  u.  a.  in.  Heintae,  183. 
Zu  30.  Die  Form  Lenz  (Lentzlin)  betrachte  ich  mit  dem  Deutschen 
Wörterbuch  (Bd.  VI^  S.  753)  als  eine  Verkürzung  von  Lorenz, 
eigentlich  von  der  lat.  Form  Laurentius.  Einige  sehen  in  ihr 
die  Koseform  des  altdeutschen  Namens  LandosLandmann. 

Fol^eiitle  Zuntte:  Brotbeck  Zunfff,  Snyder  ZunUt,  Metziger 
Zuntn,  Scliniitt  ZunlVt,  ßiuijlen  ZuntVl»  Gilgen  ZunQt,  Rete  und 
Ratzgeno!«sen)  Wittwea.  41S  Bnnrer  mit  57  Namen. 


I.  .Itihann  (Hans,  Haim-:)   112 

'i.  Nikiaus  (Glaus,  Clewin,  Clewi,  Cle)   39 

3.  Peter  (Pctter)   29 

4.  Heinrich  (Heinrich»  Heintz,  Heitz,  Heitzi)  .   .   .  t27 

5.  Michael  (Michel)   id 

6.  Conrad  (Gonrat,  Gonradt)  .12 

7.  Thomas  (Thoman,  Thomu)   1'2 

8.  Leonhard  (Lienhart)   11 

9.  Matthias  (Mathis)   11 

10.  \rwhM  (Diebolt)   10 

11.  AikIkms   Andrf»^,   Anders)   10 

12.  Jakob  ^Jacob,  Jecklin)   9 

13.  Georj;  (Jerg)   8 

14.  Martni  .   8 

15.  Theni^i   8 

16.  Kaspar  (Caspar)   7 

17.  Ulrich   6 

18.  Ludwig   5 

19.  Wallher   5 

20.  Jos  (Jos,  Joslin)   5 

21.  Friedrich  (Fridrich)   4 

22.  Marcus  (Marx)   -4 

23.  Erhard  (Erhart)   3 

24.  Stephan  (Steflfan)   3 

25.  Jost  (Jo<tin)   3 

2(i.  R  irtholoiiifius  (  Mai  iholome,  iJarthlome,  Bartlonie) .  3 

27.  Lorenz  (Luieiit/,  Lciitz)   3 

28.  Dietrii-'h  (Dielherich,  Dietsch)   3 

29.  Sebastian  (Bastian)   2 

30.  Rudolf   2 

31.  Pantaleon  (Bantli)   2 

32.  Adam   2 

33.  Werlin   2 


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—    87  — 


34.  Willieliii   2 

:35.  Valentin  (Vel(in)   2 

30.  Christopli  (Stoffel)   2 

37.  Auffu^tin   i 

38.  Christ  man  ,   1 

39.  llu[)ivrlit  (liuppreclil)   i 

40.  ElitM  h.ii.i  (Ebeiliait)   i 

41.  li.titiuann  (Hartman)   1 

42.  Richanl  (Richart)   1 

43.  Balthasar  (Balthassar)   1 

44.  Röhrich   1 

'45.  Lucas  (Lux)   i 

46.  fiauch   1 

47.  Alexander   i 

45.  A.-idius  (Gilg)   1 

49.  Veit  (Vyl)   i 

5Ö.  .Moritz  (.Mautitz)   1 

51.  Wentllin   4 

5*2.  Herinunji  (lieriiiaiij   1 

53.  Hieronymus  (Jeronimus)   1 

54.  Bernhard  (Bernhart)   1 

55.  3ifalemiis  (Mattern)   i 

56.  Olfrid  (Olfrit)   1 

57.  Berthold  (Bechtold)  *   1 

Von  diesen  57  Namen  sind  26  deutsch,  und  zwar  4,  6,  8,  10, 

15»  17,  18,  19,  21,  23,  28,  30,  33,  34,  38,  39,  40,  41,  42, 
44,  46,  51,  52,  54,  56,  57. 


Anmeikuagen: 

Zu  1").  Auch  Theng^,  Then^e,  üenjre ;  Kürzung  der  mit  ahd. 
fliaiic,  daiicJi,  üihd.  dank=denken  ,  Ge<lanke  gelHldelen 
Namen ;  v^M.  Taukmar,  Daukwart,  Freidank,  'i'heurdank. 
Heintze,  211. 

Zu  44.  Zusammenziehung  des  Namens  Roderich.  Heintze,  146. 
Zu  46.  Mit  unfern  Wörtern   Bauch  und   biegen  verwandt; 

KQrzung  der  aus  ahd.  pouc,  'mhd.  l)ouc=Rin^'  gebildeten 

Namen«  Heintze,  99. 
Zu  51.  Verkleinerung  zu  Wendel;  dies  aus  Wandal:  entweder 

zum  Volksstamme  der  Vandalen,  oder  einfache  Erweiterung 

des  Stammes  Wand,  Heintze,  218. 


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-  88  - 


155B. 

Einteilung:  Die  Zunllt  zum  Hüiiilin,  L)ie  Zuiifft  zum  Ein- 
horn, Zunfff  zur  Gilten.  Die  ZiinHI  zum  HellTant,  Die  Hiitli 
und  Freyuii,  Witwi-n  uiul  Nvey^eii.  419  Bürger  mit  73  Namen. 


1.  Johann  (Hau*,  Ilann^-)   97 

2.  Jakob  (.lacoh,  Jakob)   28 

8.  Nikiaus  (Niclaus,  Claus)   23 

4.  Diebold  (Diebolt)   20 

5.  Georg  (Jörg,  Jerg)   17 

e.  Heinridi  (Henrich)   13 

7.  Boll,  Ball   11 

8.  Thenns  Thenn;:   11 

9.  Andreas  (An<ires)   H 

10.  Michael  (Midiel,  Mi.  hell)   10 

11.  Sebastian  (Ristian)   9 

12.  Wolf  (WoUIj   8 

13.  Walther   8 

I  i.  Peter   7 

15.  Loren/.  (LoieunU.  Lenntz)   7 

16.  Ueliro   7 

17.  Jos   e 

18.  Martin   6 

19.  Conrad  (Conrad,  Conradt)    ........  6 

2C>.  ThoiH as  (Thoman)   6 

21.  Paul  (Paulus)   5 

22.  Stephan  (ätellan)  !  5 

2;^.  Batt   4 

24.  Ulrich   4 

25.  Wilhelm   4 

20.  Blasius  (Blesin)   4 

27.  Mathias  (Mal bis)   4 

28.  Werlin   3 

29.  Balthasar  (Balthasar,  ßalthassar)   3 

30.  Maternus  (Mattern)   3 

Hl,  Erbard  (Erharl)   3 

32.  Friedrich  (Friderich)   3 

33.  Moritz   3 

31.  Marcus  (Marx)   3 

35.  Christian  (Christen,  Chrislenn)   3 

30.  A.  ;:i.iius  (Gilg)   2 

37.  Ludwi;:  ,   2 

:)8.  CInu.lius  (Cladcj   2 

39.  A.lan.   2 

40.  Simon  (Symonj   2 


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—  &J  — 


41.  Urban   2 

42.  Melchior   2 

43.  Barlholoinfius  (Barthle)   2 

44.  Arabrodius  (Brosius)   2 

45.  Kaspar  (Caspar)   2 

4U.  Leonhard  (Lienhnrl)   2 

47.  Philipp  (Phillips)   2 

48.  Fnniz  (Fraiintz)   2 

49.  IJcinli.iKl  (Bernhart,  Bernhartit)   2 


50.  Pankratius  (Gratius)   1 

51.  Rudolf  (Rudolff)   1 

52.  Albrecht   1 

53.  Hugo  (Hüglin)   1 

54.  Arbogast   i 

55.  Zacharias   i 

56.  Veit  (Vyth)   4 

57.  Au  Justin   4 

58.  Kihan   1 

59.  Pfi^tf-r   i 

60.  Zentius     .   i 

61.  Quiniu.s   4 

02.  Christoph  (.SlofTel)    4 

63.  Mo.ses  (Maunschiii)   i 

64.  Joachim   1 

65.  Gervasius   4 

ijß,  Pantaleon  (Pantbele)   4 

67.  Körin   4 

68.  Gregror  (Gorius)   4 

00.  Cumpiecht   4 

70.  Wend  hnj;   4 

71.  Siegfried  (Syferl)   4 

72.  Lazarus  (Lasarus)   4 

73.  Faiius                                                          .  4 

Von  diesen  73  Na iiM-n  sind  28  d^■ut^.•ll :  4.  0,  7.  8,  12,  13.  IG, 

49,  23,  24,  25,  28,  31,  32,  37,  38,  40,  48,  49,  51,  52,  53, 
54,  65,  07,  09,  70,  71. 

Anmerkungen : 

Zu  0.  Einstämmige  Kürzung  der  mit  ahd.  pald,  hald,  mhd. 

balt=kühn  gebildeten  Namen  (Balduin,  Baldarich,  Baldher, 

u.  s.  w.).  Ueintze,  98. 
Zu  22.  Kürzung  der  mit  ahd.  patusKampf  gebildeten  Namen 

(z.  B.  Badoniar).  Ueintze,  97. 


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—    ÜÜ  — 


Zu  37.  Kürzung  der  mit  uhd.  hliltslaui  zusammengesetzten 
Namen  (Clodobert,  Clodowich,  o.  8.  w.);  Jatinisierte  Form : 

Claudius.  Heintze,  143. 
Zu  67.  Vielleicht   Zusammenziehung  eines   mit    ahd.  kunni, 
chunni,  mhd.  künne= Geschlecht  gebildeten  Namens,  etwa 
von  Chiinihari,  woraus  auch  der  Name  Kühner  entstanden 
ist.  Heintze,  161. 

1598. 

Einteilung :  Zunfüt  zur  Gülgen,  Zunlll  zum  HellTandi,  Zunfft 

zum  Finhorn,  Zunfift  zum  Bärglin,  Freyen  und  Rhäl,  Wittiben 


und  Waisen.  594  Bürger  mit  81  Namen. 

1.  Johann  (Johann,  Hans,  meistens  Hanns)   .    .    .  128 

2.  Jakob  (Jacob)   i? 

3.  Niklau.s  (Xiclau>',  meistens  Claus)   35 

i.  Georj;  (Gf»oi'^',  (ieurg,  Jerg)   32 

5.  Diebold  (Diebolt)   20 

6.  Michael  (Michel)   19 

7.  Marlin  (Martin,  Martliin,  Marten)   15 

8.  Heinrich  (Heinrich,  Heinreich)   13 

9.  Andreas  (Andres)   13 

10.  Kaspar  (Caspar)   13 

11.  Valentin  (Veitin,  Velten)   12 

12.  Boll   12 

13.  Matthias  und  Matthäus  (Matbis,  Mattbis,  Mattbeus 

Mattheis)   11 

I  i.  Leonhard  (Lienhnrdt)   10 

IT).  I  homas  (Thoman)   10 

10.  l'et.  r   10 

17.  Seha:itian  (I5astiun,  r{;isclion)   10 

18.  Claudius  (Clade)   9 

19.  Paul  (Paulus)   8 

20.  Wolf  (Wolflf)   8 

21.  Konrad  (Conrad,  Cunrad,  Cuonradt,  Gundus)  .    .  8 

22.  Lorenz  (Laurents,  Lorenlz,  Lentz)   7 

.  23.  Blasius  (Blesi,  Blösien)   6 

21.  Friedrich  (Fridrich,  Fridreich)   6 

25.  Christoph  (Cbristoff,  Stoffel)   6 

20.  Adnm   0 

27.  Chiistian  (Christen)   0 

28.  Wilhelm   6 

29.  Simon   0 

30.  Ballhasar   6 

31.  Veit   5 


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32.  Bartholomäus  (Bartholome,  BartliDy  Bartle) 

33.  Melchior   .  . 

34.  Jo.s  

3').  Ambrosius  (Bfosius,  Brosi) 

Walther  

37.  Ludwig,  (Ludwig,  Ludtwig) 
'3S.  L'rban  

Ritt,   liath  .... 

4<]).  Thongor  

■il.  Philipp  (iniihps)    .  . 

42.  Ulrich  (Ulrich,  Ulreicb) 

43.  Brat,  Brath  . 

44.  Pantaleon  (BantliQ,  Pantel) 

45.  Bernhardt  (Bernhaidt). 
m.  Burkhard  (Burckhardt) 
47.  Otto  (Ottman)  . 
i8.  Bülloronus.    .  . 

49.  Lucn«  (Lux)  . 

50.  Heniiaüa  (Herinan 

51.  Quirin,  Quirinus 
5ti.  Corneliu?;  . 
53.  Aliraham  . 
5i.  Heim  US    .    ,  . 

55.  Rudolf  (Rudolf,  Ruodoh) 

56.  Stephan  (Steflan) 

57.  Lazarus  (Lasarus) 

58.  Cosmann  (Gkwman) 

59.  Augustin  .  . 

60.  Joachim    .  . 
Ol.  Gfiniprecht 
&2.  Mai  (  US  (Marx) 
<i3.  1  r.inz  (Frantz) 
64.   Di.-tilrh     .  . 
t»5.  Dui.steii 
(i6.  Asimus    .  . 
67.  Moritz  (Mauritz) 
66.  Wendling.  . 
09.  Moses  (Moyses) 

70.  Onophrius.  . 

71.  Chrysostomus. 

72.  Krasmus  .  . 

73.  Servatiu«;  . 

74.  Kihrrn  iKiliaiiius) 
7.5.  Aegidius  (Gilg)  . 
70.  Malcrnu.^  (Mathern) 


4 
4 
4 
4 

4 
3 
3 
3 
3 
3 
3 
3 
2 
2 

2 

o 

2 
2 

Q 


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77.  Reiohard  (Reinhardt)   i 

78.  Jonas   i 

79.  Anton  (Anthoni)   1 

80.  Hieronvrn  i-  'feronimus)   1 

81.  Werlin' (W  elirlin)   1 


Von  diesen  81  Namen  sind  *21>  deutsch  :  5,  8,  1*2,  14,  18, 
*J(>,  il,  24,  28,  3(5,  H7.  39,  /*0,  42,  43,  45,  46,  47,  50,  54, 
55.  58,  61,  63,  64,  65,  68,  77,  81. 

Anmerkungen : 

Zu  21.  Cundus  ist  wohl  die  laliuisiei  te  deul^»  lic  Aldviirzung 
und  Verkleinerungsform  Kunz  ;  vielleicht  liegt  in  der  ersten 
Silbe  auch  der  deutsche  Stamm  gund  oder  kund  =  Krieg. 

Zu  43.  Wahrscheinlich  Kürzung  der  mit  ahd.  ])erahl  (perht, 
berbt)  =s  glänxend  gebildeten  Namen  (Perahtgar,  Beraht« 
ram,  BerahtoM).  Heintze,  101, 

Zu  54.  Knrzun«r  der  mit  ahd.  heim  =  Heim,  Haus  zusammen- 
gesetzten Namen  (Heimperhl,  Heimrad,  Heimoald,  Heimrieb 
u.  s.  w.);  Endung  us  lateinisch,  sonst  auch:  Heimen. 
Heintze,  134. 

Zu  58.  Dei'  tTsir  Teil  ist  wdIiI  Verkijrziiii;j  <it*i  Kosrlni m  (luzziio, 
welche  zu  Gaulo  und  wahrscheiiilicli  zum  .\amen  der 
tiuten  gehört.  Mit  Cos,  Gos,  Goz  wurden  viele  Namen 
{gebildet.  Vjjl.  Heintze,  121),  und  Otto  Abel,  a.  a.  0.,  S.  13. 

Zu  65.  Sonst  auch :  Dursen ;  gehdrt  nach  Heintse,  115,  zu  ahd. 
diuri,  tiuri,  mhd.  tiure  =  teuer  und  zu  den  Namen  Deo- 
rovald,  Dioro* 

1660. 

Einteilung':  Gottsheus$er,  Freye  und  Rath;  Die  Zuntli  zue 
dem  Helphandt  \  Die  Zunfft  zue  dem  Einhorn ;  Die  Zunfft.  zue 
dem  BQrgelin ;  Die  Zunfllt  zue  der  Gili^on ;  Wiltiben  und 
Waissen,  auch  Fremde.  Nur  233  Börger  mit  51  Namen.  Diese 
geringe  Zahl  bezeugt  eine  Entvölkerung  der  Stadt,  die  wir  ohne 
Zweifel  den  Folgen  des  verheeranden  30 jährigen  Krieges 
auzuschreiben  halien.  Dafür  {ziebt  es  aber  viele  Doppelnamen  : 
Hans  Heinrich  (eininal),  Hans  Conrad  (2),  Hans  Ditboll  (8), 
Hans  Baschen  (1),  H.uis  Andreas  (1),  Hans  Jakob  (12  ,  Hans 
Jeör?  ((V).  Hnns  Martn»  ('i),  Hans  Paul  (1),  Hans  Ulrich  (2), 
Hans  Wilhelm  (2),  Juhann  Melchior  (1),  Philips  Heinrirh  ("1), 
Ctirly  Lutlwip  (1),  Geör^  Alexander  ^1),  Wend«  !  (Unisloph  [\). 

1.  Johann  (64  Hans,  3  Johannes,  2  Johann)  ...  09 

2.  Jakob  (Jacob)  29 


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—    1)3  — 


3.  Geor^  (Georg,  Jeorg»  Jerg)  ........  16 

4.  Diebold  (Diebolf)   9 

5.  Martin   8 

0.  Michael  (Micliel)   7 

7.  Ainlieas   7 

8.  Mntthias  (Mathis)   6 

9.  Cunra»!   5 

10.  Wilhelm   5 

11.  Melcliior  (Melchior,  Melcher)   4 

12.  Christian  (C)iristian,  Chrislen]   4 

13.  Peler                                          ....  4 

14.  Niklaus  (Niclaus,  Claus)   4 

15.  Heinrich   3 

16.  Paul   3 

17.  Loi'enz   3 

18.  Kranz   3 

U).  Sehastian  (Sebastian,  Bascben)   3 

20.  A(f:nn  •  3 

21.  Vh\\i[*\>  -Philips)   2 

22.  K;»«|>ai'  (Caspar)   2 

23.  Fried  iH'h  (Friderich)   2 

24.  CIrich   2 

25.  Valentin  (Velten)   2 

26.  Matthäus  (Matheus)   2 


27.  Wendel  .... 

28.  Christoph  .... 

29.  Dionysius  .... 

30.  Erasmus  .... 

31.  Alexander.    .    .  . 

32.  Arl)..-;i^t  

33.  Karl  vCarly)  ,    .  . 

34.  Ludvvi;.»-  

35.  Wiiaiidt  .... 

36.  David  

37.  Genedikt  (Benedict). 

38.  Rudolf  (Ruedolfi.  . 

39.  fiall  

40.  Marcus  (Marx)  .  . 

41.  Burkhard  (Burckharl) 

42.  Jost  

4?.  Erhard  (Erhart).  . 

44.  Chrysostoinus.    .  . 

45.  Ambrosius,    .    .  , 

46.  .Moritz  (.Monz)    .  , 

47.  Daniel  


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—  04  — 


AS.  Anlon  (Anthoni)   1 

49.  Leonhard  (Leonhart)   1 

50.  ßorinu';   i 

rA.  Alb  nullt   i 


Von  tliesea  51  Namen  sind  17  (ieulsdi  :  i,  0,  10,  15,  18, 
23,  24,  27,  32,  33,  34,  38,  3i),  41,  43,  4i>,  51. 

1708. 

EinteiluDi^:  Die  Zunfft  zue  dem  Elephanten,  Wittibio, 

Hindersäss ;  Die  ZunfFt  zum  Einhorn,  Wittibin,  Hindersfi.ss ; 
Die  Zuntlt  zu  dem  Bürgeie,  Wittibin,  Hindersass ;  Die  Zunllt 
zur  Gilgen,  Willil)iii,  Hintersä«s ;  Freye  und  Rüth.  443  Bürger 
mit  68  Namen,  dui  unler  lolj^ende  Doppelnamen  :  Hanns  Georg 
(5  mal),  Hanna  Jacob  (4),  Uanos  Ulrich  C3)j  Uanns  Diebold  (1), 
Frantz  Joscpli  (1). 

1.  Johann  {2  Johaun,  49  Johannes,  23  Hanns)   .    .  74 


2.  Jakol.  (Jacob)   56 

3.  Georg  (Georjj,  Geöi^j   ^^7 

4.  Marlin   21 

5.  Nikiaus  (Niclaus,  einmal  Glaus)    ......  16 

6.  Andreas  (Andres,  Andtres)  15 

7.  Franz  (Frantz)   15 

8.  Michael  (Micbel)   14 

9.  Heinrich   13 

10.  Peter   12 

11.  Paul  (Paul,  Pauhis)   10 

12.  Joseph  f Joseph ,  einmal  Josephat)   10 

13.  Christoph  (Christoph,  einmal  C^ristophel)  ...  9 
I  i.  Diebold  '   8 

15.  Conrutl  (Conrad,  Conrad!)   7 

16.  Valentin  (Valentin,  Veitin)   7 

17.  Melchior  (Melcher)   7 

18.  Sebastian  (Sebastian.  Baschen)   6 

19.  Kaspar  (Caspar)   6 

Leonbardt  (Lienbart)   6 

21.  Matthias  (Mathias)   6 

22.  Adam   5 

23.  Lorenz  (Lorentz,  Lorenntz)   5 

24.  Erasmufi   5 

25.  Hudolf  (RuedolC)   4 

26.  Thomas   4 

27.  Philipp  (Philip)   4 

28.  Friedrich  (Fridterich)   4 

29.  Wilhelm   4 


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-   95  — 


30.  Ulrich   4 

31.  Ignatius   3 

32.  David                                                    .  3 

33.  Anlon  (Anthoni)   3 

34.  Ludwirt   3 

35.  Durs,  Durst   3 

36.  Siejfmund   "2 

37.  Hieronymus   2 

38.  Mnftliäus  (Matheus)   2 

39.  Btriiiiard  (Bern hart)   2 

4<).  Qu  ysostomiis   2 

41.  Marcus  (Marx)   2 

42.  Bliaius  (BiSsy)   3 

43.  Stephan   2 

44.  Simon   2 

45.  Abraham   2 


\C}.  Ambrosius  (Ambrosius,  Arobrosy)   2 

47.  Gabriel   1 

48.  Lucas   i 

49.  Erh:>i  .l  fKrharl)   1 

50.  Wenriiin^   4 

5L  Ildclius   "1 

52.  Brath   i 

53.  BenediivI  (BeneUicl)   i 

54.  Dionysius   1 

55.  Jost   4 

56.  Roman.   4 

57.  Balthasar  (Baltzer)   4 

58.  Thobias   4 

59.  Emanuel   4 

60.  Werner  (Wemhart)   4 

61.  Daniel   1 

62.  Baptist   4 

63.  Karl  (Carl)   4 

64.  Cliristian  (Christen)   1 

(fö.  Albrecht   4 

66.  Urban   4 

67.  Otto  (Ottman)   4 

68.  Marimus   4 

Von  diesen  68  Namen  sind  20  deutsch :  7,  9,  14,  15,  20, 

25,  28.  29»  30,  34,  35,  36,  39,  40,  50,  62,  60,  63,  65,  67. 


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1752. 

Aus  dem  Jahr«  175t2  benutze  ich  ein  frunzösi^^chesi  Ver- 
zeichnis, von  dessen  wunderlicher  Orthographie  »,'leich  einige 
Pio})en  folgen  werden.  Leider  ist  es  nicht  voüsländig  ;  denn  es 
enthüll  nur  die  Namen  der  Gewerbetreiliouden  mit  Angaln'  der 
Steuern,  nicht  aber  die  der  Bnuern  und  Rebleule.  Doch  ver- 
zeichnet es  257  Büiger  mit  51  Vor-  uiul  Zunamen,  immerhin 
einen  beachtenswerten  Teil  der  gesamten  Büi^erschaft.  Die 
Gewerbe  sind  genau  und  vollständig  aufgezählt :  Metzger 
(Bouchers)f  Hufschmiede  (Marecheaux  ferrans),  Schlosser 
(Serruriers),  Maurer  (Ma^^ons),  Zimmerleute  (Charpentiers)^ 
Schreiner  (Menusiers),  Drechsler  (Toumeurs),  Bildhauer 
(Sculpteurs),  Gerber  (Tanneurts),  Töpfer  (Poliers  de  lerre), 
Ziegler  (Thuillier),  Blechschmiede  (Fers  Blanetier),  Glaser 
(Vitriers),  Gipser  (Plattreurs),  Seilte  ((Innlu  rs),  Färber  (Tintu- 
riers),  Rarbierer  (Periiquiers),  Maler  (i-eintres),  Apotbeker 
(Apoticane),  Mutzeuniacher  (Bonnetiers),  Nagler  (Gloutiers), 
Wagner  (Cbarrons),  Schröpfer  (Evantouzeur) ,  Uhrmacher 
(Hoilogeur),  lleclienmacher  (Faisseur  de  rateaux),  Sattler 
(Bourliers),  Schuhmacher  (Gordonniers),  Schneider  (Tailleurs 
d'habits),  Küfer  (Tonnelliers),  Böttcher  (Gouvellers),  Bäcker 
(Böulangers),  Weber  (Tisseians),  Müller  (Meuniers),  Schank- 
wirte (Cabaretiers),  Kaufleute  und  Krämer  (Marcbands).  Es 


kommen  folgende  Vornamen  vor: 

1.  Joseph  (Joseph)   47 

2.  Johann  (Jean)   32 

3.  Jakob  (Jacques»  Jacque)   18 

i.  Franz  (Francois,  einmal  Fran^ois)   15 

5.  Anton  (Antoine,  einmal  Anthoine)   13 

6.  Georg  (George)   10 

7.  Diebold  (Thiebaul)   10 

8.  Mattbias  (Mathias)   8 

0.  Nikiaus  (Nicdlas)   8 

lU.  Andreas  (Andie,  Andre,  Andres)   8 

11.  Thomas  (Thomas)   6 

12.  Michael  (Michel)   5 

13.  Ignatius  (Ignace)   5 

14.  Peter  (Pierre)   5 

15.  Paul  (Paul)   4 

16.  Adam  (A«Iam)   4 

17.  Ludwig  (Louis)   4 

18.  Sebastian  (Sebastien)                                       .  4 

10.  Melchior  (Melchior)   3 

20.  Heinrich  (Henry)   3 


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—  97  — 


'21.  K;ul  (Chniie).         .  . 
2ti.  Valentin  (Valenlin)  . 
Frif^ilricli  (Fridericli)  . 

24.  Lceiiliard  (l^etmiivd) 

25.  Coniatl  (Cüuruil).    .  . 
'2<).  Erasmus  (Erasrne)  . 

27.  Iiapli-rl  (Baptistej    .  . 

28.  Wilhelm  (Guiltaume)  . 

29.  Christian  (Chi^j^tien)  . 

30.  Hieronymus  (Chyrome) 

31.  Bernhard  (fiernard)  . 
:^t>.  .Mallhäus  (Mallliieu)  . 

33.  Erhard  (Erhard).    .  . 

34.  Dominik  (Uuminique)  . 

35.  .I(wt  (.lost)  

3ü.  iilii  i>lnjiii  (Chrislopheji. 

37.  Phiii|n>  (Philip)  .    .  . 

38.  Marcus  (M.uej  .... 

39.  Hippolyt  (IJypolite). 

40.  En^elbrecht  (En<j:elbrccht) 

41.  Claudius  (Claude)  .  . 

42.  Ursus  ...... 

43.  Leo  (Leon)  .... 

44.  Berchtold  (Bechtolt)  . 

45.  Augustin  (Au^uatin)  . 
4<>.  Hugo  (Hugot)  .  .  . 
47.  Blä.<ius  (niaise)  .  .  . 
'iK.  Lorenz  (Laurent) 
•W .  A  m  I)  losi US  (  \  1 1 1  broise). 
5(.».  Ulrich  (Clnk)  .  .  . 
51 .  Xaver  (Xavier)  . 
Von  diesen  51  Namen  sind  10  deul 

23,  24,  25,  28,  31,  33,  40,  41,  4i,  40, 


S( 


.Vus  diesen  Verzeicimissen  ergieht  sich 


3 

3 

•  3 
o 

O 

<■) 

2 


:  4,  7,  17,  20,  21, 

äass  die  deulschen 


Vornamen  stetig  abnehmen  Es  sind  deutsch : 
1428  V.  44  männl.  Namen  28,  demnach  fast  >|s  aller  Namen, 
1492  »  57     D  » 

1558  j»  73  »  j> 
1508  a  81  »  M 
16(>i>  «  51  ».  j» 
1708  ^)  08  »  I» 
1752  »  51  »>  rt 
^egenw.  101  » 


26,  »  n.  ganz  ^%  »  » 

28,  »  V.  w.  als  >(a  J»  > 

2i),  j»  etw.uberijs  j»  » 

17,  »  jrenau  »  » 

20,  »  et.  w.  als  '  Ja  »  » 

16,  »  Htst  ''3  »  » 

28,  fast  if,  .>  )j 


Die  kleine  Steij»erunir  im  .lahre  1752  kommt  wohl  daher». 


dass  das  hetrefl'eijde  Verzeichnis  nicht  voUstandiji  ist. 


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—   9Ö  — 

Ueber  die  einzelnen  Namen  wäre  Verschiedene»  zu  be- 
merken.  Viele  davon  sind  ausgestorben :  Der  Nnine  Henn 
z.  B.,  der  1  'r2s  unrh  35 mal  auftritt,  ist  schon  1492  verschwunden. 
Ausgastorbeu  snui  ferner  : 

gegen  Ende  den  15.  Jahrliunderls ;  Anselm,  Berlsclii,  Gott- 
fried, (Götz),  Oswald,  Ortlieb,  I«üdiger,  Rutzsch, 
Trautiiiann,  Werlher: 
in  der  Mitte  d<>>  1(3.  Jahrhunderts:  Bauch,  Eberhard,  Hart- 
luunn,  Otlrid,  Röhrich  ; 

am  AusgHii^e  des  16.  Jahrhunderiit :  Kürin,  Siegfried, 
Celiin,  Zacharias ; 

in  der  Mitte        17.  Jalirhnnderls  :  Aegidius  fGil^O,  Ratt. 

liollui  (•ini.>,   Coineüiis,    ( InNiiiaiii),    Dielrirli,  Guiii- 
preclil,  Heiriius,  Jos,  .loacliiiii,  Jonas,  Kilian,  Lazaj'iis. 
Maternus,    Mu>e>,    Onu^ihriu»,   Quirin,  Reinhard. 
Servatius,  Thenj:e,  Veit,  Wahher,  Werlin,  Wolf; 
um  Anlange  des  18.  Jaliihunderts  :  .Yrho^ast,  Bali  (Boll), 

Borinus,  Burkhard,  Wirandl ; 
in  der  Mitle  des  48.  Jahrhunderts :  Abraham,  Alhi%cht, 
Balthasar,  Bratb,  Darsen,  Daniel,  Gabriel,  Lucas, 
Otto,  Roman,  Rochus,  Sigmund »  Tobias,  Urban, 
V^endilng,  V^erner; 
gegenwäilig:  Berthold,  Claudius,  Engelbrechl,  Friedrich, 

Hugo,  Erhanl,  Jost,  Melchior,  Hippolyt,  Ulrich. 
Auflallend  ist  es,  dass  der  Name  Arbogast  in  Rufach  au«»- 
gestorben  ist ;  denn  der  heilige  Arbogast  ist  der  Patron  der 
hiesigen  Pfarr-  oder  Arlx>ga.stkirche.  Im  hennchbarten  Orte 
Munweiler  da}:egen,  das  den  nämlichen  S<Jiutzhei liefen  verehrt, 
ist  der  Name  Arbogast  (meistens  in  der  Form  Käiti)  sehr  ver- 
treten. 

Von  den  nmh  vorhandenen  niimnlic hiu  Vornamen  sind 
Johann  und  Joseph  die  hemerlienswei  testen,  Johann  wepen 
seiner  iVüljei'en,  Joseph  wejren  seiner  jelzij^'en  Beiieutnng.  Drei 
Jahrhunderte  lang  (vielleicht  noch  langer)  steht  der  Name  Hans 
in  voller  BIQte  und  herrscht  weitaus  über  die  andern  Namen. 
Dann  wird  er  von  Joseph  aus  dem  Felde  geschlagen.  Dieser 
Name  ist  1706  erst  zehnmal  bezeugt.  Er  muss  demnach  am 
Ausgange  des  il.  Jahrhunderts  eingedrungen  sein.  1752  über- 
wiegt er  schon,  und  gegenwärtig  noch  mehr»  während  Johann 
als  Rufname,  abgesehen  von  seiner  Verwendung  in  Doppel» 
naitien,  knnin  noch  10  Träger  zflhlt. 

Ausser  Johann  und  Joseph  sind  noch  andere  Namen  ye- 
t^vnken  oder  yestiegen.  An  Gehiet  lialien  besonders  An- 
drea.*»,  Conrad,    i)ielx>ld,    Nikiaus,    Leonhard,    Matthias  und 


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—   99  — 


Thomas  verlaren.  Daför  sind  aDdere  der  alten  Namen  bedeutend 

in  die  Höhe  j^egangen,  z.  B.  Geoiy,  Heinrich,  Ludwig,  namentlich 
seil  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts.  Neue  Namen  traten 
auf  in  dem  Masse,  wie  die  alten  schwanden,  z.  B.  Christian, 
Franz,  Paul,  Phihpp  seit  der  Miltf,  Anton  seit  dem  Ende  dos 
1^1.  Jahrhunderts,  Benedikt  und  Karl  seit  der  Mitte,  Bnptisf, 
I^jiialiuh  und  Valentin  seit  dem  Ende  de>  17,  .fnluhiuuif.M t>. 
Vielt'  der  häufigen  oder  ziemlich  haufij^en  Vüinanien  siml  erst 
in  neuerer  Zeil  eingedrungen,  neben  Joseph  z.  B.  Alhert, 
August,  Eduard,  Emil,  Eugen,  Gustav,  Isidor,  Julius,  Leo, 
Ludan,  Roberl,  Victor ;  der  seit  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts 
verschwundene  Name  Hermann  ist  in  der  firt.  Form  Armand 
wieder  aufgeitommen.  In  wieweit  dieser  Wechsel  durch  geschicht- 
liche Ereignisse  oder  veränderte  Kulturzustände  bedingt  worden 
ist,  vermag  ich  nicht  anzugeben.  Das  darf  aber  wohl  behauptet 
werden,  dass  bei  der  Einführung  der  zuletzt  genannten,  sowie 
einiger  selteneren  (Achilles,  Aniadäus,  Benjamin,  Quiiillus, 
Casimir,  Cölestin,  Constanz,  Desiderius,  Edumnd,  Justin, 
Prosper,  Renatus,  Theodor,  Theophil,  u.  s.  w.).  IVanzn>is(  her 
Einfluss  die  Schuld  trägt.  Schon  daraus  geht  dies  hervur,  dass 
bei  den  meisten  von  ihnen  die  frz.  Aussprache  allein-  oder 
doch  vorherrscbeod  ist. 

II. 

Ein  grosser  Teil  der  Biiracliei  \'i»njanien  h-lehf  dherhaujit 
unter  dem  Zeichen  der  franzusiaclten  Ausäpiache,  und  zwar 
die  weiblichen  noch  mehr  als  die  männlichen.  Frei  davon 
sind  nur  die  foigendoi  27  (22  männliche  und  5  weib- 
liche): Adam,  Adelheid,  Alexius,  Ambrosius,  Anastasia,  Bar- 
tholomäus, Bernhard,  Bläsius»  Dagobert,  David,  Diebold,  Donat, 
-  Fabian,  Gervasius,  Gregor,  Hyacinth,  Kaspar,  Konrad,  Kuni* 
|[unde,  Marcus,  Pantaleon,  Rudolf,  Thomas,  Ursula,  Vincenz, 
'Willibald,  Walburg.  An  andern  ist  der  frz. '  Einfluss  nicht 
nachzuweisen,  weil  sie  im  Deutschen  und  Französischen  ^deich 
oder  last  i^leich  klingen  :  Adolf.  Alfred,  Aloys,  Anna,  Casimir, 
Donnnik,  Ktnma,  Emil,  Elisabeth,  Felix,  Irma,  Isidor,  Leonie, 
Leopold,  Matthias,  Melanie,  Prosper,  Philipp,  Salome,  Stephanie, 
Theodor,  Theophil,  Valerie,  Victor.  Ebenso  ist  es  bei  einigen 
weiblichen  Namen,  die  auf  e  endigen ;  der  Ausfall  dieses  e  kann 
ebenso  der  frz.  Aussprache  als  der  süddeutschen  Neigung  zu- 
geschrieben werden,  das  Endungs-e  zu  unterdrücken.  Hierher 
gehören:  Adele,  Agathe,  Albertine,  Apolline,  Christine,  Cto* 
thilde,  Elise,  Emilie,  Ernestine,  Helene,  Karoline,  Leontine,  Luise^ 
Malhilde,  Philippine,  Philomele,  Bosalie,  Seraphine,  Therese, 
Victorine,  Wilhelmine.  —  Bei  allen  andern  Vornamen  zeigt 


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-    iOO  - 


sich  der  frz.  EinQuss  mehr  oder  weniger  in  der  Aussprache» 
am  meisten  bei  deujoni|j;en,  deren  unverkiirzle  Formen  nur  in 
frz.  riewande  aiittrelen  ('20  männhclie  und  '28  weibliche): 
Arilin«',  Adeliin',  Alicf^,  Alplnsnse,  Amedee,  Aiiue,  Anielie, 
An-flii|ue,  Anh«iiiottt\  Arnutiitl,  Auguste,  Aujjustin,  Au^ustiue, 
Bonitace,  Cauiiilc;,  Ujcile,  üelestin,  CelcsUne,  Clinriolte,  Clemence, 
CleunMitine,  Constanl,  Constance,  Denis,  Desir^,  Edouard, 
Eugene,  Eugeuie,  Fölicie,  Georgette^  Henriette,  Hortense,  Jeanne^ 
Jo^phine,  Jules^  Julien ^  Justin,  Luden,  Octavie,  Odile,  Pauline, 
P^lagie,  Römigue,  Hi>i$e,  Victoire,  Vii^inie.  Schwächer  ist 
der  frz.  Einflluss  bei  den  Vornamen»  von  denen  die  deutsche 
und  die  frz.  Form  nel>en  einander  ».'ebraucht  werden,  sei  es, 
dass  bald  die  eimv  h  ild  die  andere  vorhtM  rs(  iit .  Hi.  i  her  ;;e- 
hören  die  folf^enden  Namen  :  Ajjnes,  Ali)erl,  Alexander,  Aloys, 
Andreas,  An-^ela,  Anton,  Baptist,  Barbara,  Benedikt,  Benjamin, 
Bertha,  Chri'^tian,  Con*;tnntin,  Edmund,  Erasmus,  Ernst,  Fer- 
dinand, Franz,  Frnnzistka,  Fiidolin,  Georg,  Gertrud,  Heinrich, 
Heribert,  Hieronymus,  Ignatius,  Juliann,  .losepl»,  Karl,  Klaia, 
Leo,  Leodeijar,  Leonlianl,  Lorenz,  Ludwig,  Maj;dalena,  Marga- 
retha, Maria,  Martha,  Martin,  Matthäus  Michael,  Morilz,  Niko- 
laus, Paul,  Peler,  Regina,  Renatus,  Riehard,  Robert,  Seliastian, 
Simon,  Stephan,  Susanna,  Valentin,  Veronika,  Wilhelm,  Xaver. 
—  Eine  dritte  Gruppe  bildet  der  Name  Jakob.  Neben  seiner 
frz.  Form  Schaag;  [Siikl  und  neben  seiner  deutschen  Form 
Joggl  [JokI]  giebt  es  eine  dritte  Schaggohb  [^äkup],  die  halb 
fra.,  halb  deuiscb  i-t.  Hit'i  iier  konnte  man  noch  einige  Namen 
mit  u  rechnen,  z.  B.  Artbur,  Gertrud,  Gustav,  Hiilt  it,  deren 
u  als  l'iz.  n  ausgesprocben  wird  :  Ardüür  [Ai  lyi  j,  Gerli  iid 
[Keiliyt],  Güsl.iv  {Kystät],  Hrd)erl  [Hypert],  wif  überhaupt  u 
vielliicb  im  Flsä^si^i heu.  Hnrli  i^^t  es  ni<  bt  si'  Ici  ,  An« 
frz.  Eiiitluss  vorliegt  (vgl.  Adull  Si»cirK  S  hi  itt>iira»  lie  und  Dia- 
lekte im  heutscbei»,  I8S8,  S.  Vi,  Anmeik.  1.) 

Trotz  dieses  starken  frz.  EinQusses  auf  die  Aussprache  ist 
an  den  Rufacher  Vornamen  doch  zweierlei  deutsch,  erstens 
die  Verkieinerungssilben  te  [lo]  und  ele  |olo]  (olo  bezeichnet 
eine  «stärkere  Verkleinerung  als  la),  und  zweitens  die  Be- 
tonuf*g.  Fast  alle  Namen  weisen  das  germaiiische  Betonun^^<- 
geselz  auf,  d.  h.  der  Ton  ruht  auf  der  ersten  Silbe  oiler 
auf  dein  ersten  Namenstetle.  Nur  aus  euphonischen  oder 
aii->  I  ji-  hen  Gründen  worden  einige  Ausnahmen  gemacht. 
So  liclonl  man  des  Wobiklanges  wegen  Al.iksi  f  \Ie\iusj,  Aiiä- 
stäsiä,  Ponifa<i  (Bonifatin«-).  Krisostöm^b  ( ( ;iirv-n<ti>nius), 
Krasmi  (Ei.i^uius),  FrantsUkh.i  f Franziska),  K.  tw.im  (lierva- 
siusj,  Mält'uas  (Mattbaus),  Wcjunikha  (Veronika).  Fnd  .iic 
durch  das  Sutli.v  — i  ei  wciierlen  Foriiiiijn  vun  Emil,  Eugen  und 


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_  IUI 


Leo  lauten  Emili,  Yseni  und  Leoni,  um  sie  .von  den  weihlicben 
Formen  Emi)i  (Emilie),  Yseni  (Eugenie)  >uq>1>  .Leppi  (t^cive) 
unterscheiden  zu  können.  Die  unerweiterten  Formen  Emil,  Eugen 
und  Leu  diffegen  tragen  den  Ton  auf  der  ersten  Silbe,  wie 
fast  alle  Voinaincii. 

Die  deutsche  Hetonung  (der  ersten  bilbe)  herrscht  in  der 
oe\vnhnl}('h»Mi  L'mgan^^ssp^:1^flf'  und  wenn  der  Vornrjtne  ohn^ 
<irn  l'aiiiiliennamen  ;;ehrau<lit  wird,  Hüft  man  ihn  alter  in 
^lo^.^erer  oder  gerin;;erer  KnlliM  iiuii^^,  so  heloiil  luan  «lewöhn- 
lieh  die  letzte  Silhe,  natürlich  nie  das  Sufl'ix  — i  udei  die  V.m- 
kleiuei  uiiijssilhen  1?»  und  Man  ruft  also  z.  B.  WilheUn, 

Ätolli,  Mari,  Poljni,  F^rlinant,  Torndniki,  Sosefin,  Ötelani.,  Än- 
tonytla.  Die  Uraache  dieser  fremden  Betonung  liegt  darin,  dass 
beim  lauten  Rufen  das  Ende  meistens  kräftig  ausklingt,  um  die 
Aufmerksamkeit  zu  erhöhen.  —  Die  nämliche  B^nung  hdren 
wir  auch  dann,  wenn  der  Vorname  vtit  dem  Familiennamen 
zusammen  gesprochen  wird.  In  diesem  Falle  steht  der 
Familienname  zuerst,  und  dei-  Vorname  trägt,  wenn  er 
zwei-  oder  dreisilhit;  ist,  den  Ton  auf  der  zweiten  oder  dritten 
Silhe,  z.  B.  dr  Isnsr  Rnp<  r,  s  Pienar  Afrl,  dr  Waknar  Alek- 
säntor,  s  Maior  Kystatln.  Hier  scheinen  mir  Gninde  des  Wohl- 
klangs riiass^t'l)end  zu  sein.  Die  re^^ehci  iilc  lictmiunj;  ist  dnrcli 
den  Hhylhnius  lieseiti^t.  Ks  macht  sich,  wie  in  manchen  Aus- 
diiaken  der  Schriftsprache,  das  mechanische  «Streben  nach 
bequemerer  Gewichlsvei  teiluii^w  geltend  (vgl.  Behaghel :  Sprach- 
geschichte, in  Pauls  Grundriss  der  germanischen  Philologie 
L  Bd.,  S.  555-557). 

Ich  hebe  diese  Betonung  hervor,  weil  sie  wichtig  ist  für 
die  Äbkürzuny  der  Vornamen.  Im  täglichen  Leben  wird 
nämlicli  von  der  Mehrzahl  selten  die  volle  Form  gehraucht, 
sondern  der  Name  wiid  gekürzt.  Und  diese  Kürzung  wird  durch 
die  Betonung  bedingt,  nach  t*inern  nügomeinen  deut^lien 
Sj)ra(li;:t'setz,  dass  schwach-  ndcr  unJx'lonfc  Sill>en  allin.ililirh 
\e!  kiimmi'i  II  imd  zulftzl  ablallen.  V»>n  <ien  18ü  liut'aehei  Voi- 
iiainen  werden  13U  gekürzt,  und  zwar  giebt  es  ;i3  KTirzungen,  die 
aus  dem  ersten,  und  105,  die  aus  dem  zweiten  Nameüsteile 
bestehen  (einige  Namen,  z.  B.  Benedikt,  weisen  beide  auf). 
Wir  sehen  hieraus,  dass  die  Betonung  beim  Rufen  und  hinter 
den  Familiennamen  (zweite  oder  dritte  bilbe)  filr  die  Abkürz- 
ungen eine  grössere  Rolle  spielt  als  die  Betonung  in  der  ge- 
wdhnlichen  Umgangssprache  und  ohne  Familiennamen.  Ich 
lasse  hier  die  Vornamen  ndt  ihren  Verkürzungen  alphabetisch 
folgen,  gebe  al>er  zugleit  ii  auch  alle  andern  gebräuchlichen 
Formen  und  die  ungekür/terj  Namen  an.  Die  Vornamen  mit 
Kürzung  sind  mit  einem  Sternchen  *  verüben. 


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■       •••  • 

Achilles :  Asil,  -i,  -el^»; 

Adam:  Aläm,  -i,  Atainia  ; 

•Adolf:  Alülf,  -i,  -I9,  -i>ld, 
Äl««lt,  -I,  -la,  -alo,  Tolfi, 
Toltlc»,  Tolfab,  Alein,  Alelfla, 
Alellolo,  Telfi,  jm^,  Telfolo; 

'Alexander:  AlekstäiiUr,  -la, 
Ksäntar,  -Id,  Ksänii,  Alek- 
salr  (frz.  Alexandre)  ; 

'Alexius :  Älaks,  -i,  -ela,  Laksi, 
Laksolo ; 

*  Alfred  :  A(\)ltret,  -i,  -1.^,  -ole, 

Freti,  Fi  ctlo,  Frelolo  ; 

*  Alherl :  A(A)lpcrl,  -i,  -b,  -ola, 

Perti,  A(Ä)lp^r,  -i,  -lo,  olo,- 
P^ri  ; 

*AUon<:  Ahns,  -i,  -la,  -ola, 
Fusi,  Fusla,  Fiisolo,  Alfüs, 
-i,  -la,  -ela,   FiUi,  FAsla, 

Aloys:  A(A)lois,  Ali*-,  -i,  -la, 

AmadSus:  Amete,  (fre.  Am^- 

dde)  -ni ; 
Amatus :   Arne  (frz.  Aim^), 

*  Ambrosius;   Anipros,  -i,  -la, 

-al»,  Prösi,  Prösala; 

*  Anton  :   Au  ton,  -i,  -Id,  die, 

Toni,  Tonla,  Tonald,  Xtoan, 
(frz.  Antoine),  -i,  -laZ-ale; 

'Arthur:  Arlyr,  -i,  -la,  -ala, 
Tyri,  Tyria,  Tyrala ; 

*  August :  OkysI  (frz.  Auguste), 

'i,  -la,  -ala,  Kysti.  Kystla, 
Kystala«  Oky&t,  -i,  -la,  ala, 
Kysti,  Kystia,  KyStala; 
'Augusfin:  Okysti  (frz.  Augu> 
stin),  Kystj; 


Weibliche  Vornumen. 

I 

1  -  Adele  :  A  (A  jtel,  -i,  -ala,  T6li, 
Telala  ; 

Adelheid  :  Ä(Ä)tolliait,  -i,  -alo  ; 
'Adeliue:   Allin,  -i,  -la,  -ala, 
Lim,  Liula,  Linala  ; 

•  At-athe  :  A(Äjka(ä)l,  -i,  -la, 

-ala,  Aki,  Äkat,  -la,  Äkala, 
Akalo  ; 

"Albertine:  Alperlin,  -i,  -la» 
-alr»,  Tiiii,  Tinia,  Tinala  ; 

'Alice  ;  Alis,  -i,  -la,  -ala,  Lisi, 
Lisla,  Lisala  ; 

*  Avjnes  :  AQnes,  -1,  -la,  -ala, 
.  Nes,  -i,  -la,  -ala,  Aijanes, 
I     -i,  Anies,  -i,  -la,  -ala  ; 

'Annalia:  Ajneli,-ui,  -nia, -nalo, 
Lini,  Liula,  Linala,  Amali, 
Amala ; 

!  'Angela  :    Aqala,    Ast»!  (frz. 
Angölej,  -i,  -ala,  Seli,  ^lala; 

'Angelika:    Acelik,  {Uz.  An- 
gelique),  -i,  -la,  -alo,  Liki^ 
Likla,  Likala  ; 
1  *  Anastasia  :   Anäsläsiä,  !Sli\si, 

I  '  ' 

Stäsla,  Slilsala  ; 
Anna  :   Ana,  -ni,  Ani,  Ana, 

Ana,  Ani,  Nän,  -i,  -la,  -ala, 
1  Nänel,  Nänet,  -i,  -la,  -ala  ; 
i  *  x\iitoitielle  :  ^loimM  (frz.  An- 
j      toiuetle),  -i,  -la,  -ala,  An- 

tanet,    -i,  -la,    -ala,  Neti, 
i     N6ila,  NMala ; 
.  Apolline  :  Ap<ilin,  -i,  -la,  -ala ; 
:  *  Augustine:  Okysiin  (frz.  Au- 
i     gusline),  -i,  -la,  ala,  -Kyslini, 

Kystinla,  Kystinola; 

■ 

1 

! 


«i 


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—   103  — 


'  BteptHi:  Päplist,  Patist,  Patis, 

-i,   -»Id,    Tisi,    Tisolo  (im 

Doppelnamen :  Sämpotis,  -i, 
-0ld); 

'  Bartholomäus:  Pdrtalme,  Par- 
tei, -d,  Pdptld,  Pdrii ; 

•Benedikt:  Pfenafikt,  -d,  -i, 
Tikti,    P^ni,   Pönoa,   (frz.  1 

Benoit)  ; 
•^♦Mijaiiiin  :  P^njimin,  P|äam}, 
(Ii  /.  Boiiiainin),  Pu.s,  -i,  olo; 

*  Bernli.uxl  :  P:i i uliärt,  -i,  -la, 

-M,  HArti,  H.uH  ),  HärUl^ ; 
Blasius:  Plasi,  Plä^alö  ; 

*  Bonifatius  :  Ponit;\si,  Fasi  ; 

'Caniiiius:  Kamil,  -i,  9I9,  Mili, 

Mildid  ; 


■  Barbara.  P.'iwi,  P.i wUjPawala, 
Pawel,  -i,  -la,  -ah,  Parp, 
(IVz,  Barhe),  -i,  -b,  -ab ; 

Bertha :  PMa,  -ni,  -nala,  P^rt, 


'Cacilie:  Sesil  (frz.  C^ile),  -i, 
-alo,  Sili,  Silala  ; 
'Casimir:  Kasimir,  Kasamir,     *Char)otte  :   Safäjrlot,  -i,  -la, 
i,  -la,  -ala,  Simir,  -i,  -lo,  ,      -ala,  Loti,  Lotala  ; 


olo,  Miri,  Mirli; 
'Clui.stian  ;  Ki  istiän,  -i,  Kri.sti, 

KiLslel,     Kri-(K>,  Kri.itala, 

Kreliy  ^Irz.   Clirelien),  -ni, 

-nid,  -nala ; 
Chi7:<o«tomus  :   Kriaostdmala ; 

*  Cöleslin :  Selbst)  (frz.  G^lestin), 

Selösli,    Selöstal»,  Usti, 

L&stold ; 
Constanz :  Ki)$t^  (frz.Gonstanf ), 

-ni,  -nala  ; 
*Constanlin:  Kliünslänlin,  -i, 

-ala,  Sfini,  Ki)stäl\  (frz.  Con- 

stantin) ; 

'Dagobert:  Tdkopörl,  -i.  -\9, 

-ala,  Pirli ; 
David  :  TäOl,  -i,  -la,  -ala;  I 
I»esi(leriiis  :  Tesire  (frz.  D^sirö), 

Tesiri,  Tesirala; 

*  nieboki  :  Tia^K)ll,  -i,  -la,  -ala, 

Polti,  Pollala,  Wolti,  Tiwfelt, 
-i,  -ala,  Welli,  Weltala  ; 

*  Dionysius  :  T»^ni  (frz.  Denis), 
Tenis,  -i,  -la,  -ala,  Nisi ; 


'Christine:    Kri.stin,   -i,  -la, 

-.'»la,  'I  inl.t,  Tinala  ; 
Cleiiu'jitia  ;    Kloniä.s  (frz.  Cle- 

nieiK       -i,  -la,  -ala  ; 
Clemenliiie  ;  Kleinälin  (  trz.  Gl6- 

meniine),  -i.  -la,  -ala  ; 

•  Ciofhitde:  Klotilt,  -i,  -la,  -ala, 

Tiiti,  Tirtio,  Tütala  ; 

*  Cölefttine  :  Selöstin»  -i,  -la, 

•ala,  Sfini,  Stinia,  Stioala; 
Constanzia:  Ki)st^s  (frz.  Con- 
sta nee),  -i,  -la,  -ala,  Stäsi, 
Stäftia,  Snisala; 


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—    1U4  — 


*  Dominik:  Tornsnik»  -i,  -la, 

Niki,  Nikdla; 
'Donat:  TonAt,  -i,  -la,  -al», 
Näli,  Nätla,  Nätala ; 

'fcMuaitl:    fitiär,  -i.  -b,  -alo, 

Tiari.  Tiarb,  Tiaiab  ; 
'  Edinuti»!  :    Etinünt,  -i,  -ele, 

Munli,  Müntala,  flimi)  (frz. 

Edmond) ; 
'Emil:  £mil,  -i,  -ala,  Mili, 

Milala  ; 

*  Erasmus  :    firäsra,  firasmi, 

^.iasmi,£ra8i,  £räsi,  £rasald, 
£rasla ; 

*Ernsl  :  Anist,  -i,  Ernost,  -i, 
-la,  -ala,  N^sti,  Nestia,  Näs- 
tab  ; 

*  Kn;ren  :    Yst-n,    -i,   -b,  -ab, 

Sen»,  bünb,  Söiiab; 

*  Fabian :  Fäpiän,  Fäwi,  F4wl, 

Fawala  ; 
'Felix:  F6liks,  -i,  -ala,  Liksi, 

Liksob ; 

*  FenJinaiid  :  Ferlinänl, -i,  -b, 

-ob,  Nanti,  Näntio,  Nänta'a, 
F(*rlinä  (frz.  Feidinaiid) ; 

Franz :  b  räiits,  -i,  -b,  -ab, 
Fraiit^i.  Franlsab,  Frasoa 
(frz.   Fraiuois),  -ni,  -nola: 

•Fridolin  :  Fritolin,  Frilel, 
Frilülj  (frz.  Fridolin); 

Georg:  Jörk,  -i,  Jöri,  äors 
(frz.  Georges),  -i,  -la,  -ala, 
äärsi^  -la,  -ala ; 

'  Gervasius  :  Kferwäsi,  Wasi, 
Wasab  ; 

*  Gn»|jor  :  Krekor,  -i,  -b, -ab, 

Kuri,  Knrio,  Koi-ab : 
'Gustav:   Kyslaf,  -i,  -la,  -rdlo, 
Ky.stäf,  -i,  -b»  -ob,  Kysti, 
Kvstb,  Kyslob,  Kys.ti,  Ky.^lb, 
Kystob,  Tafi,  Tabb ; 


Eiiiiiia  :  Eiua,  -ti,  -tolo,  Mati, 
Malolo,  finianob  ; 

Elisabeth  (Elisa):  fili^apet, 
Lisp«M,  -i,  -la,  -ala,  Lisi», 
-i,  -la,  -ola,  Elisa,  Elis,  -i, 
-la,  -ala,  Lisi,  Lisla,  Lisala ; 

Emilie :  fcmili,  ftnioli,  -ti,  -ni, 
-nob,  £maia,  Uni,  Linala, 
Emi ; 

Ernestine:  Knio'^lin,  -i.  -le, 
-ob,  Stini,  Stinb,  btiii  'l.»  ; 
'  Eugenie  :    Y^eni,   -ni,  beni, 
Nini,  Väi,  V.sala ; 


'  Felicitas  :   Felisi ,   Felisala  , 
Lisala ; 

•  Fiorentine  :  Florälin  (frz. 
'     Fiorentine),  Floranlin,  Flöri, 

BMorob  ; 
'Franziska :  Fränts^lskli;i  J  Vanls, 
-i,    -b.   -T'>b.    Fl (fiz. 
Fran(;üise)»  Fani  (engl.); 


I  •  Georgelte :   Sorsfet,  -i,  -la, 
^1a,  äeti,  ^tla,  S^tala ; 
*Gertrac|:  Kfertryi, -i, -b. -ab, 

I     Ti7ti,  Trytb,  Tiytab,  ^r- 
tryt,  -i,  -b,  -ob  ; 

j  'Gustavine:  Kystafin,  -i,  -!-^, 

t     -olo,    Fji>i,    Finlo,  Finolo, 
FiÜni,  K-YSlawin,  -i,  -la,  -ala ; 


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—    1U5  — 


Heinrich  :  Hainri/,  HAri  (frz. 

Henri),  Häri^  HärU,  Härala, 

Hdri,  Hänh  ; 
'Heribert:  Heripört,  -i,  Pferti, 

Heripör  (frz.) ; 

*  Hermann:   Arm;"i  (frz.),  Ar- 

mänfalo,  Armänli,  Annüni, 
Mani,  Aririätla,  Matb,  Ar- 
inat;>l?>,  MAt^b,  ArmAti.  Mäti, 
Armani, Arinanla,  Arman ilo  : 

'Hieronymus;  Müsi ,  bt-Tüm 
(frz.),  -i  ; 

*Hyacinlli:  Jätsint,  -i,  Tsinti ; 

'Huberl:  Hyparl,  -i, -Id,  -M^, 
Hypörl,  -i,  -la,  elo,  Hypi, 
Hypala ; 

'  Jakub :  kikop,  -j,  ^k^pla, 
Säk^[>ald,  Sak  (frz.  Jac(iues), 
-i,  -la,  -9la,  Joki,  Jokl,  Jokalo ; 

*  I^inatius:  l^näts,  -i,  -b,  -ala, 

Naisi,  Nalsb,  Xat.salo,  N'atsl, 
N'älsab,  Inias,  -i,  -la,  -olo  ; 
'Johann  :    Hans,  -j,  -ala, 

t 

ffrz.  .fpan),  S;iy,  -j,  -la,  -ala  ; 

*  .(osepli  :  .)öse|>,  -i,    -la,  -ala, 

S'pi,  Sf-p.jla,  Snsef,  -i,  -le, 

-ala,  Pepi,  Pöpala ; 
'Isidor:  Isilör,    -i,  -la,  -ala, 

Tori,  Torla,  Torala  ; 
Julian  :    i^yli^   (frz.  Julien), 

^yli^ni,  Sylienia,  Sylii'-nala , 

SyliMi,  Syli,  ^ylala  ; 
Julius :  Sy!  (frz.  Jules),  -i,  -ala  ; 
Justinus:  ^ystj  (frz.  Justin), 

Systini,  S^-stinala ; 

Karl  :  Khärl,  -a,  -ala,  Khäri, 
Sari  (frz.),  -i,  Sari,  Carola, 

K;is|),)r;    Khäipr,  Kbasprla, 

Klia^par,  -i ; 
Konrad  :   Khiunät,  -i,  Khon- 

rati,  Kii\aräli,  KhyanrAt  ; 


'Helene:  Helen,  -i,  -la,  -ala, 
Leni,  Lenla,  Lenala  ; 

'Henriede:  Hariet  (frz.),  -i, 
-la,  -ala,  Hdriöt,  -i,  -la,  -ala, 
J6li,  Jfeila,  Jetala,  Häreli, 
Har^tala,  £ti,  £;tdla,  Härfela, 
fcfa ; 

*  Horlen."«ia  :  Ortas,  -i,  Ja,  -ala, 
Ortas,  -i,  -la.  -ala,  Tasi, 
Tasala,  Täsi,  Täsala; 


I 


Johanna :  äan  (tn,  Jeanne),  -i, 
-ala ; 

Mns('|tliiiif :  Süsefin,  -i,  -la,  -ala, 
Fin,  Fini,  Finla,  Finata, 
Fifini, 

Irma  :  Iruja,  -Ii,  -ala  ; 
Julia  :  Syli  (frz.  Julie),  Svlala  ; 
•Justino  :  Sysfin  (frz.),  -i,  -la, 
-ala,  btiiii,  Slinia,  Stinalaj 


*  Karoline :  Kharolin,  -i,  -la, 

-ala,  Khärlin,  -i,  -la,  -ala, 

Lini,  Linia,  Linala; 
'Katharina:   Khatrin,  -i.  -la, 

-ala,  Kliati,  Kh;it.tl,.,  KhatüQ, 

-i,  -la.  -ala,  Khalüiä  ; 
Klara ;   Kidrä,   Kiäri,  Klarla, 


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-  106  - 


Leo:  Leo,  Leoni,  Leonia,  Le- 
ondld:  Leni,  Loni,  Le^i  (frz. 

L^on) ; 

Leodejj;ar :    Lol^kar,   -i,  -al», 
Le^e  (frz.),  Leseiii ; 

*  Leonharii :  Lidiiharl,  -i,  Udrti, 

Leoniir  (frz.)  ; 
■  LoitMiz  :  Lötants,  -i,  -la,  -ola, 

Lauts,  -I,  -ala,  Lor^  (frz  ), 

LoräQi«  Loräuala  ; 
Lucian  :  Lysi^  (frz.)>  Lysiöni, 

Lysifenla,  LysiöQdlo»  Lysi  ; 
'  Ludwig :  Lylwlkas,  Lüti,  Lui 

(frz.),   Luil9,  Luiale,  Lyi, 

Lyib,  Lyiala ; 

Markus :  Mftrks,  -i ; 
Martin :  Märtin,      -Id,  -ata, 
Marti  (frz.) ; 

*  Matthäus  :  Mäta«,  M&töwas, 

-le,  -dla,  T^was»  -la,  Matiö 
(frz.) ; 

Matthias:  Mätiiis,  MMis, 

-I9,  -ala; 
Michao) :  Mi/al,  -a,  Mi^i,  Mih^I 

(frz.)  -i,  -ala ; 

*  Mol  Hz:  Moni«?,  -i,  -la,  -ala, 

Ritsi,  Moris  (trz.); 


'  Niklau-s  :  iNikläys,  -i,  -la  -ala, 
Kiäys,  -i,  -la,  -ala,  Niki, 
Nlkla,  Nlkala,  Nikola  (frz.) ; 


Kläraia,  Kiarä,  Klar  (frz.), 

-i   -la,  -ala; 

I  ' 

'Kunigunde:   Kliüniknnt,  -i, 
I     -)a,    -ala,    kuuli,  Küulla, 
KüDtdla  j 

I  *Leonie:  Leoni,  -ni,  -nala, 
NIni,  Looi,  Lini,  Linia,  Linaia, 
Lina ; 

j  *Leontine  :   Leoniin,   -i,  -le, 
-ala,  Tini,  Tinia,  Tinala  ; 
'  Luise  :    Luis,   -i,   -la,  -ala, 
Lywis,    r.ywif?!,>,  Lywisdia, 
Wisi,  Wisla,  Wisala; 

I 

I 


'Margareta:    Mirkröl,  Ki-et, 
-i,  -la,  -ala«  Markörit  (frz.), 
-i,  -la,  -ala; 
*  Maria  :  Maria,  -ti,  -tla,  -lala, 
-ni,  Miriä,  Ma(ä)ri,  -ki,  -kala, 
4i,  Rikt,  Rik,  Rikala,  Möi, 
-la,  -ala,  Mfeiji  ; 
'  •  M.i^diilcna  :  Matlt^n  (li-z.),  -i, 
-la,  -ala,  Leni,  Lenia,  L«!'nala, 
j      l.önol,  MätItS  Mätlüft, -i,-ala, 
1      LÜQi,  Lüftala  ; 

Marllia  :   Märta,   M.irt.i,  -ni, 
'      -nala,  Marl  (frz.),  -i,  -ala; 
I  *  MalhiMe  :  Malill,  -i,  -la,  -ala, 
Tilti,  Tillala; 
'Melanie:  Melani,  -ni,  -nala, 
Nini,  Ninala,  Möni ; 


I  Oclaviti  ;  Oklali,  -ni,  -nala; 
I  •Odilie:  Otil,  -i,  -ala.  Tili, 
Tilala  ; 


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—   107  — 

Paul :  Plmyl,  -i,  -ate,  Pöl(frz.  j  'Pauline:  Polin  (frz.  PaulJne), 
Pnul),  -i,  -9la;  -j,  Lini,  Lina, 

•Pantaleon  :    Päntilli ,    Tali,  |     LinI«,  Linola; 

Pänll,  Pänti,Päntala,  Päntü;  !  'Pelajria  :  Pelasi  (fi-z.  Pölagie)» 
Peler:  P(h)eh-,  Petari,  Petarla,  '     -ni,  Pisi,  Pisala; 
Pit^r  (frz.  Pierre), -i,-la,-elai  ^  *  Pliilippin.-   Filipin,  -i,  -la, 

-ala,  Piiii,  Pinlo,  Pinala  ; 
I  '  Philoinele  :  Filoind,  -ni, -nia, 
-nala,  Meni,  Menia,  Meaala; 


'Hemigius:  Remik,   -i,  -te, 
-9la»  Miki,  Mikala,  Renii ; 


Regina  t  Rekln,  -i,  -la,  -db, 

Rin  (frz.),  -i,  -la,  -ala ; 


Renatus  :    Ren;»(i  ,    Renälla,  i  Rosa:  Rös,  -i,  -la,  -alo,  Rdsi, 


Renäiala,  Rone  ffi/.); 
•Richard;  Riyhart,  -i,-la, -ala, 
Hru  ti,  Harllä,  HArtal»,  Risär 
(frz.),  -i,  -la,  -ola ; 

*  Rol>ert  :  Ropört,  -i,  -In,  -.»!.>, 

Pf'Hi,  Pörtl.:.,  P.Mt.il..,  liopcr 
(Irz.),  -i,  -la,  -ala,  Pöri, 
Pörla,  PtVala; 

*  Rudolf :  Ryalolf,  -i,  -la,  -ala,  1 

Tolfi,  Tolfala,  Tolla,  Rjalelli,  : 
Ryatölfla,  R^atölfala,  Tölfi,  | 
Tilfla,  Tölfala ; 


Resla,  Rösala ; 
Rnsalie :    Rosali,    -ni,  -nla, 
-naJa,  Rosi.    R()>lo,  Rösaia, 
R^si,  Rj^sla,  R^siola; 


'Sebaslian:  SepäsHan,  -i,  -la, 
-ola,  Päötiän,  -i,  -la,  -ala, 

Päbi,    Pasala,   P;is,  -i,  -l^^ 
-ala,  fciepaitir  (IVz.)  ; 
Simon  :  Simon,  -i,   -ja,  -ala, 
Siinenla,    Simenolo,  Öinm 
(frz.); 

*  Stephan  ;  Slafän,  -i,  -la,  -ala, 

StaÜ,  Sfafle,  Stafala,  Stafas, 
Etifeß  (frz.),  -i,  -lo,  -ala, 
Tieni ; 

'  Theodor  :  Theotö(o)r,  -i,  -la, 
-ela,  Tetö(o)r,  -i,  -la,  -ala, 
Tori,  Torla,  Torala  ; 

•  Theophil  :  Theoül,  -i,  -ala, 

Fili,  Filala; 
Thomas  :    Toraäs,    -la,  -ala, 
Tümäs ; 


.Salome:  Salome,  -nla,  -nala, 
Salmala,  Salmi,  Salome; 

Seraphine :  Serafin ; 

Stephanie  :  ^tefani,  -ni,  -nla, 
-nala  ; 

'Susanna  :  Sysanä,  Sysänia, 
Sy^ännla,  Sysan,  -i,  -la,  -ala, 
Sysi,  Tsysi,  Tsy.saia; 


'  Therese :  Theres,  -i,  -la,  -ala, 
Rösi,  R^la,  R^la; 


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—  108 


'  ValeiiUo  :  F;»lto,  F.illob, 
Falti,  -Mij  -iilt«,  -iihIo,  Wali^iti 
(frz.) ; 

*  Viclftr  :  Wiktü(())r,  -i,  -Ii»,  -olö,  j 
Wiki,  Wikdia,  Wikas  : 

*  Vincenz ;  Wintsants,  -i»  'le, 

•did,  Fitsanls,  -i,  »la,  -ola,  > 
Tsanls,  -i,  -Id,  -ol»; 


•Wilhelm:  Wllhfelm,  -i,  -lo, 

Kwiljom  (frz.  Guillaume);  \ 
^  Willibald :  Wilipält,  -i,  -dia,  | 
mHy  Pältala. 


•Ursula:  Ür^i,  Ürsel,  Ürsala; 

Valerie :  Walen,  Waleri,  -ni, 

-ki,  -TiAlf» : 
'  Veiüuika  :    Weronik  (fnc.)» 
-3l,>,  Wrionikhä,  Feionikba, 

Froni,  Frnnil<ä  ; 

Victoria  ;  W  ikioar  (trz.  Vicloire), 

-i,  -l9,  -ala  ; 
•Viclorine:   Wiklorin,  -i,  -1,», 

-dia,  Rini,  Rinia,  Rinala: 
•  Virjrinie   Wiriini  (fn.  Vir- 

ginie),  Wirsinala,  Wirs,  -i, 

-ala ; 

Walbuiy  :  \Val(na  k,  -i ; 
Willielmine :   Wilheirnin,  -i, 

-la,  -ala,  Mina,  Mini,  Minla» 

Minald. 


Anmerkuny  zu  Anna  :  Zur  Ei  kl  inin;^  dfi  Foi  iu  Naun 
[Nan]  sa^it  Otto  Ahoi  (l)i<'  deutsclicii  Pci  soDcnnMinrn.  l.'^O, 
S.  70);  «Wie  koiniul  t>,  ilass  in  vielen  Teilen  Deul^eli- 
lands  für  Anna  oder  uucli  Johanna  Nanna,  Nune  (frz.  Nanette, 
engl.  Nanny)  gesprochen  wird?  Da  wir  Nanna  (oder  Nanda, 
von  ahd.  nand-kfibn,  z.  B.  in  Ferdinand)  als  einen  altdeutschen 
Namen  kennen  gelernt  haben,  so  erklärt  es  sich  leicht :  Nanna 
ist  das  ursprüngliche  und  iial  bloss  der  Geistlichkeit  und  der 
heiligen  Anna  zu  lieb  ihr  heidni.'^ches  N  ablegen  müsspii,  da^ 
alter  im  gewöhnlichen  Leben  sich  immer  wieder  sein  Recht 
XU  versehafTen  weiss.» 

Aus  den  mitgeleilten  Na  mens  formen  ersieht  man.  da<;<:  die 
int^isteii  Vornamen,  volle  und  i^ekürzte,  durrli  das  Siif/ix  -/ 
<'i\\riltil  Werden.  Dieses  kuntmt  in  <ler  liulachei-  .Mundart 
überhaupt  ziemUcb  häufig  vor  (aber  nie  die  Verkleinerungssilbe 
Ii,  die  im  benachbarten  Dorfe  Bilzheim  gang  und  gäbe  ist). 
Wenn  es  auch  keine  so  grosse  Rolle  spielt  wie  in  der  Schweiz, 
so  tritt  es  doch  noch  zahlreich  auf,  und  nicht  nur  an  Eigen- 
namen, wie  Karl  Weinhold  meint  (Alemannische  Grammatik, 
t863,  §5269),  sondern  auch  an  Gattungsnamen,  in  der  Kinder» 
spräche  bezeichnet  das  Suffix  -i  dun  hweg  eine  Verkleinerung: 
*s  Handi  [s  Hanti]  das  Händchen,  's  Gaggi  [s  Käki]  das  Ei, 
's  Katzi  [s  Khatsi]  da?:  Kfitzchen,  u.  s.  w.  Alicr  in  der  Sprnrho 
der  Erwachsenen  kennzeichnet  das  SuÜix  -i  meistens  nicht  die 


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Koseformen,  sonderu  Wörter,  die  etwas  Verächtliches,  Lächer* 
liches,  Ungilttstiges  ausdrücken,  B.  Lalli  [Lali]=einer,  der 
lailt,  d.  h.  den  Mund  offen  hält  und  die  lun^e  heiausstreckl, 
Öbertragen  :  ein  dumntKHT,  ungeschickter  Mensch  (im  Vertrauen 
lind  im  Vor ü hergehen  sei  es  g^esagt,  dass  Lalli  der  Spitzname 
der  Buf';irhpr  ist).  ' 

Am  liauli^'slcn  erschemt  das  i  aber  an  Namen,  sowohl  an 
denjenigen  von  Tioron  (z.  H.  Stnrni  [Starni]  Oclisf  niil  einem 
weissen  Fleck  aul'  dcv  Sinn,  Ivihli  [Kli(ili|  seh wai/i-.«,  Pferd, 
Gasdüuri  [KastoriJ  Bez-eicimung  eines  Hundesj,  an  denen 
von  Menschen.  Bei  den  Vornamen  tritt  das  i  nicht  nur  dann 
an,  wenn  sie  auf  einen  Konsonanten  endi;>en  (Felix :  Feliksi, 
Liksi),  sondern  auch  dann,  wenn  sie  auf  einen  Vokal  ausgehen. 
Dann  wird  ein  Konsonant  eingeschoben:  Amcte  (Amadäus): 
Ameteni,  Ana  (Anna^:  Anani,  £ma  (Emma):  £mali,  Sylt^ 
(Julian):  ^yli^li  und  Sylieni,  Irma:  Irmali,  Leo:  Leoni,  Lysi^ 
(Lucian):  Lyvi,'-ni,  Maria:  Mariati  und  Mariani.  Das  geschieht 
selbst  in  dem  Falle,  dass  der  Name  schon  auf  i  endigt:  Emali 
(Kmilie):  Fmolifi  und  fju^^lini,  Y^eni  (Ku<ienie)  :  Ys'eninl,  Leoni 
(Leonie) :  Leonini.  Mari  (Marie):  M^riki  und  Mnrili,  Melani 
(Melanie)  :  MeLinini,  Oktafi  (Octavie)  :  O'ktalini,  Rosali  (Ho.^alie): 
Ilosolini  ,  Sletani  (StcjdKinie):  ^^telaninl  ,  \V:d»ni  (Vrderie)  : 
Wnleriiii  und  W.iK  i  iki.  Ol»wohl  t\'\t'<t^  F^M  intMi  mitunter  auch 
Kitsc'lormen  sind,  haftet  son.-l  dvu  \  <irn;mK'n  auf-ietvvas  Der- 
hes  in.  Und  d' m  .luseph  hört  nicht  ^ci  u,  dass  man  ihn  Sabbi 
[.Sepi]  ruft,  die  Ajj^athe  will  nicht  Aaj-i  [Aki]  genannt  sem. 


* 

1  Eine  vollständige  Zusaiuinenstellang  der  r.ufadiir  Oattungs 
namen  mit  dam  Suffix*]  wsrde  ich  an  anderer  Stelle  geben. 

(Der  III.  Teil  fol^t  im  Jahrbuch  1896,) 


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XI. 


Strassburg;er  Redensarten. 

Eine  kleine  Ergänzung  des  bereils  Gesammelten  und 
publicirten  Materials,  im  engeren  Gebiete  der  Slrass- 
burger  Mundart. 

Mitgeteilt 

einem  einheimisclien  Sprachkundigen. 


Wenn'8  grien  schneit. 
Wenn  d'Küeh  e  Batze  gilt. 
Jetz  hescb  awer  Zilt! 
Geh  mer  vom  Stund ! 

Loss  mich  unikeit '  ' 
Du  hesch  de  Fade ! 
Kradiiel  mer  de  Bukkel  nufl 
riolt,  (iisz  war  sn  o  Fresse, 
Kaini^'clit  e  ander  Mol  verbei 

kumme. 
Mache  mer  de  Gaul  nit  schei. 
Do  lauft  nocli  viel  Wasser  de 

Rin  na! 
Schenier  Di  niti 
Da  hesch  dir  de  Finger  am 

lelate  Blatz  verbünde! 
Loh  kas  I 

Sie  sin  uf  em  HolzwSg. 


i  Anlvoortm. 

Geh  schisse  1 
'  Verz&hl  disz  lim  Isere  Mann, 
der  glaubts. 

^  Geb  im  Deifel  zue ;  im  Deicherl  ^ 
ztie  :  im  Schinder  zue. 
Dü  kaiiMsch  mich  gern  han. 
Pack  dich  zuem  Schinder. 
Nein  !  Nit  nniV  verrecke. 
Loss  dich  heitn<^e%o  (^'ei^ren). 
Dort    hei    dei  Ziuiinermann 

's  Loch  gemacht. 
Mach  d'Thüer  von  drüsse  zue. 
Jo,  hebe  am  föndel. 
Jo,  kannsch  dir  inbilde. 
DisK  doe  ich  dir :  pfiffe,  blose, 

mole,  schisse. 
Geh  und  loss  dich  fönfere! 


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—  iii  — 


Abweisende  Antworten. 

Geh  vor  d'Thüer  un  schau  ob  ^Was  gibt's  ze  esaeV  üogeroteni 

icli  drüsse  bin.  Fehlhuenle  ! 

^Du  kann^ch  dir  krazz»'.  Was  l)iin;ir^f  iner  mit?  E  Furz 

Was  i<ch  disz?  Disz  sind  Fü-  im     Lumpe!  [Ion! 

Ozzle  im  Essi  jrehlolzt.  Mit  dem  kannsch      Ii  begrawe 

y  Was  isch  los?  Was  nil  an^fe-  Waij  machst  du  niurje :  Was 

bunde  isch,  dumnis  Luederl  i  hytl  gesse  hab! 

Wo  isch  er?  Im  Hemd.  Dich  solle  d'Ente  verdrette  I  Du 

/Wo  itehii  ihr  bin?  AU  der  gfallsch  mer!      [nix  meh! 

Naas  noch.             [Pfaff!  Wenn  i  nur  muest!  Sunsch 

Saa's  noch  erool !   I  bin  kein  Waa  het  den?  D'Nas  de  lange 

Wo  fahre  ihr  anne?  Mit  der  Wäy  un  *s  Muni  ilwwer- 

Hand  üwwer'a  Loch  !  zwerch. 

Ahnen. 

/Dem  geht  e  Liecht  utt.  Dem  liet  el)S  geduddelt. 

Der  hets  glich  g?.chnieLkt.  Der  het  e  Uni  Naas. 

anyehn,  einen  etwas. 

Loss  du  diu  Naas  do  hm,  Disz  isch  min  Sach ;  disz  sin 

Faj  (In  vor  dinnere  Dier.  mini  Sache.  jEier. 

/  Der  kratzt  wo's  ne  nit  bisst.     Kümmer  di  nit  um  uageleidi 

Alle»,  volhiändig,  ganz. 

D*ganz  Baschdet  lejt  im  Dreck.  Ao  dem  Hüs  isch  kein  Zi^el 

^D'ganz  Büdick  isch  nix  nutz.  ganz  gebliwwe. 

's  ganz  Geschäft  ist  verpfuscht.  Bis  Hus  isch  bis  unter  de  Bodde 

Der  ganz  Brede  isch  verdorwe.  verbrennt. 

Von  A  bis  Z.  Mit  Rumpf  un  Stumpf. 
X  in  de  £rds  Grunds  Bodde  nin. 

ärgerlich  aueeehen 

DQ  schnidflcht  awer  e  Fratz !  Was  der  e  Bonem  schnid  I 

HeschdöeKritzschbinngfressel  /Bi  dem  isch  R^ewetter. 

/Was  beseht  uff  der  Lewwer !  ,/So  luschdi  flssehn  wie  e  Doode- 

Mach  doch  kein  so  Britsch.  trl^erl 

äryern. 

y  Sich  wm  aiiden  fuchse.  y  Der  macht  eine  jo  ganz  letz! 

Mach  mi  nit  wild  I 

»ich  ärgern. 

's  schdeckt  mir  im  Kropl;  es     Ich  soll  kein  iieuei  hau! 
"    thuet  mi  gxiißpfe.  'Die  is'^h  ganz  grüengal  worre 

Bis  duet  roi  awer  wurme!  vor  Aerjer. 

/Bis  lejt  mer  uf  der  Lewwer. 


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—    112  - 
Arm. 

/Der  hch   <o  arm,   <lass  er    Genn  »lern  arme  Deifel  ebbs! 
kiebbert!  [Dan!     's  isch  hait  e  urmer  Duncler! 

Der  firt  's  ganz  .loor  de  huv^e  Der  siehl  us  wie  d'dijr  (leuer) 
^  Dei'  kuinmt  «liirch  e  Nodelebr  Zitt, 

ifi  <le  Hintinol  !  Dem  '/ehr-^  hincierli  ! 

Der  liet  e  Hypulbek   ufF  ein     Di   «leiine  vorrecke  d'Mies  in 

Anm^linus.  (SprofM-he!        tler  Diöchlad ! 

l's  (lein  retld  <ier  Hunger  alli 

Armui. 

Do  gil>(s  nix  ze  bisse  un  ze    Der  isch  so  arm,  dass  em  der 
krache.  Düwack  nit  in  der  Naas  bebbt. 

y^Dem  kann  mer  d'Ribl)e  zähle.  ^Der  nSut  ä*ganz  Johr  am  Huii' 

Die  han  kein  roti  Sü  meh.  gerduech. 

Die  n)üen  au  (PLües  um  de     Do  setzt's  scliniaii  Bisse. 
B.tlj;  scliirule.  [satt.     Do  wui«}  Alles  mitdünne Messer 

Der  isst  sicii  nur  alle  PUngsde  geschnitle. 

Augen^  grosse: 

Der  liel  nix  als  Aue!  Von  tlenne  Aue  j;ehl  nur  enis 

Disz  solle  kein  Kulbsgückle  sin  !        ufs  Dulzel. 

kleine: 

Der  guckt  nur  durch  e  Schpalte. 

eitrige : 

Dreckeder  Triefgöckei ! 

in  s  Beil  yehen 

,    Kumni,  mir  ^<>hn  ms  Neschl.   -  Mer  wolle  uuö  strecke. 
Mer  wölle  uns  laje. 

schlechtes  Bett. 

K  Luensch. 

unytimachles  Beil. 
Der  iejl  in  de  alte  Säije. 

hartes  Betl. 

Disz  isch  e  Dritsch,  e  Breit,  e  Schwärt. 

bankrott. 

Der  isch  uf  de  Druesse !  s^Müliers  gehn  de  Krebsgang. 

By  denne  bimpelt*«. 

bartlos. 

Der  het  schlechte  ßt)dde  am  Kinn ! 


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—  iia  — 


begierig. 

Der  duel  mit  de  Aue  esse  1        Der  iscb  griddi  wie  e  Hund ! 
Der  frissi  KrOt  und  (Us  I       y^Der  macht  nit  lang  Fickeles 
Der  nimmt  kein  Zit  zuem  bisse  I  Fackeies. 
Der  brücht  kein  Gawwel.  Macb  mir  kein  langi  Zähn. 

^Der  frisst  wie  e  Drescherl 

Oetua/ie. 

,  's  hei  Uli  viel  gtehit.  /üius  Uauduuuiteje. 

Bier. 

$ehieeht€s  Bier. 
'  Salchf^amborebruDz,  Brenkelbier,  Mischtlach,  Säifel. 

unständig  bitten. 

Kr  isi  b  mer  nit  von  der  tSchweli  Er  hei  so  lang  gebettelt,  bis 

gewiehe.  er's  i^^het  het. 

I  bin  iie  mit  eni  be^ble  Wille  Er  bei  im  so  lang  geblöujt,  bis 

nit  los  worre.         [gange.  er's  ghet  bei. 
^Er  isch  mer  nit  vom  Gnick 

bUichy  auszehrend. 

Der  macht  niin  lang.  Der  het  nix  meb  wie  Hüt  und 

Der  lautt  uf  de  letzte  Schlappe.  Knoche. 

--Der  pfift  ul"  cm  letzte  Loch.  Disz sieht  awerschnaikieht  drin. 
Der  riecht  aoch  danne  Holz.    ^  Der  schaut  a  wer  verkohiiit  di  in  . 

Der  isch  geliflert.  's  ist  wyss  wie  der  Doot,  wie 

Der  isch  mirb  wie  der  .Wanze-  e  Linduech. 

nauer  Heri:gott  I  's  isch  krydewyss,  wyss  wie  e 

Der  himmelt  I  Wand. 

borgen. 

Ebbs  uf  buinsä  hole.  Lehn  mei  e  Nickel. 

Die  nemme's  iifs  Buechel.         Der  kautt  ut  Borris. 
y'  Duen's  ufschriwe. 

geborgtes  nicht  erhalten. 

^Do  hesch  s'Nochsehns.  ^Disz  hesch  gsehn  !  lesdaa. 

^  Do  kannscb  bette  1  Disz  bekunisch  du  am  Mimmer- 

boihaft. 

y  Disz  isch  e  Stück  von's  Deifels    (Vom  Weib)  Disz  isch  e  Lueder, 
Hossefuederl  e  Schlang. 

/  Die  hell  Hocr  uf  de  Zähn.         Dis  sin  nix  als  Dejfeleye ! 
Die  isch  lütter  Gali  und  Gifl.    Disz  isch  der  reinscht  Giftbafe. 


(Vom  Mann)  Disz  ich  e  Satan. 


8 


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dick 

Was  der  Iure  Wau^^sl  nüa-  yUev  liet  e  Büch  wie  e  Dürke- 
sUeckt.  (Irunmi. 

dicket  Frauentimmer, 

Luej  was  disi  e  Kaschte  isch.  Dieischsodickwied'Dambäche. 
Die  hei  Fleisch  im  Liewel. 

Drohuny^  ifegen  kiiuier. 

Bas!>  uü,  der  Wäuwäu  kunimt!  Dich  holt  der  KamiDßijerl 
Der  bös  ühobhütV  lioll  di.      .  Wart  i  will  dir! 

Kumm^ch  nit  in  de  Himmel.  Glich  due  ich  dir  de  Grosvalter 
Zue  dir  kuramt's  Chrislkindel  zaije. 

nit.  I  setz  der  d'Xaas  de  lange  Wäj 
Witte  Aptel?  Ja  !  (blasen)  Fang       und  d'ilippe  öwerawerch. 

ne!  Dort  fliejt  er. 

Kv  het  e  harte  Kopf.  Dem  i^xh  's  Hirn  so  dief  ge* 
Du  hesch  nix  im  Kopf»  wie       rutscht,  dass  er  drowe  sitzt. 

gschnitte  Stroh.  Disz  ist  e  LeUkopf,  e  Lett- 
Dem  gückl  's  Stroh  us  de  Ohre  scliäddel. 

er  US .  Der  isch  d  n  n  i  mer  n  I  s  si  ii  i  t'iiesz  I 

bie  (ieiu  s^Liitiuklä  in  der  Dach-  Disz  isch  e  Stuck  Vieh  ! 

kammer.  y  Disz  isch  e   Ross  Goltes  am 

Der  isch  ut  de  Kopf  keyl.  Pahnsimda  ! 

Der  isch  vom  Dumnikirchel  Dü  bisch  e  PfifTedeckel ! 

An  dem  hei  e  Ross  gebftschelt.  Dauwer  Satan  1 

Entrüstungsausrufe. 

Disz  isch  jo  zuem  Verschienzel  Jelz  verreck  Babbel 

Disz  i.sch  nit  gepermedirt.  ^.Tetz  schisst  der   Hund  meb 

Jetzt  geht  mer  awer  ball  d'Gali  wie  d'Nachtigall. 

iwwer.  Potz  Fahnehibele  !  Potz  Mogge! 

i.)er  Dunder  schlaa  !  /  Do  mörht  mer  jo  an  de  Wand 

Potz  Krülsalat  und  Speck.  Ewezemähr.  [nut! 

iieh  trbreehem. 

Dem  kumml's  owe  eruf.  [sich.     Der  soll  nit  gegerbt  han. 
Der  gibt  Lung  und  Lewer  von    Der  het  cBlümele>»  g^aat. 

erzürnen. 

Macli  mi  nit  wuedi.  Jetz  steijt  mer  der  Senf  in 

Bring  nii  nit  in  de  Harrasch!  d'Naas. 

Glich  wurr  i  falsch.  Glich  lauft  mer  d'Gali  üwwer. 


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Esten, 


Her  meint  der  kaniint  usz  em 
Hungerlaml !  [Naas. 

Der  isch  au  nit  ganz  under  der 

Wie  der  sich  de  Maadesack 
füllt !  [krepiere. 

An  dein  was  er  isst  dAt  Plerd 
-  Der  verdraal  Scliueüäjel. 

fiie  dem  heisst's  nur :  E  Schluck 
un  €  Druck. 


Disz  isch  kein  Koschtverächter. 
Der  bissl  ufl'  beide  Backe. 
Der  duet  d' Wurmlöcher  stopte. 
Dis  isch  V  Kradile. 
Der  het  nui  «  iii»-  Darm  ! 
/^ie  dem  rutscht's  awer  I 
Ich  glaub,  dir  isch  der  Huii^r^ 
rieme  ufgange. 


Esten  (sch(eehiet). 

])\>7.  isch  Stiujtut'der !  Disz  iscli  jo 's  rein  ijpilalfueder ! 

So  e  Luiiipelueder  I  Galleefueder  isch  disz. 

Disz  schmeckt,  wie  wenn  mer  Disz  schmeckt  wie  e  Burjatz. 
d*Zung  zum  Fenschder  aus- 
hängt. 

Essen  {gutet). 

Dem  soll's  nit  gschmekke.  Disz  isch  e  Schlekker. 

^Wie  der  füedert !  Der  frisst,  min  Sechs,  kein 

Der  het  e  gslynete.  Dreck. 
Der  halt  ebs  uf  guedi  Mömfele. 


Faul. 


Der  het*s  fuel  Fe  wer. 
Der  luejt  <le  ganze  Daa  wo  der 
Wind  herpfiA. 


x^Der  losst  sich  d*Sunn  in  de 
Rache  schiene. 


1  bin  fix  und  ferdt. 


fertig. 


Flausen^  Scherze, 


/Disz  sin  Faxe! 

^Disz  isch  Buewedings;  Kra<- 
manzies;  PIftn. 
liacbe  mir  kein  so  Gachlungs 

Verzähl  mir  kein  Plan  !  [vor. 
Disz  isch  kein  äwels  Stückel ! 
Dem  mache  mer  e  Schpück ! 
Dem  spiele  mer  e  Schtossl 


Mache  doch  kein  Kaläumesl 

keni  Gschichlel 
Ihr  welle  mir  e  Dorte  spiele. 
Machemer  keinGschluss!  kein 

Narredeye. 
Der  macht  '.s  \uA\  widdcr. 
Der   isch    voller  Räuk  un 

Schwänk  l 


-  116  — 


Flucht^  ßiehen. 

iüch  Uli  uu  tlervüii  !  Der  isch  si  luin  lang  Iüs  ! 

Der  isch  durch  d'Lalte.  Der  isch  im  iichiniler  zue;  in» 

Der  hell  Ikcb  kauft;  Pech^ienii.  Deifel  zue. 

Der  hett  d'filatt  gebutzl.  Der  isch  fldle  gange. 

Der  hett  sich  eine  genumme;  Der  isch  au  gassade  gange. 

eine  gedrl^t.  Er  isch  los !  Der  het  sich  eine 

Der  isch  —  hesch  mi  gsehn.  ^    genumme,  awer  e  gekip- 

Luej,  der  will  uskratze.  perte. 
Der  isch  bleyde  gange. 

forijayen^  hinauswerfen . 

Keje  ne  nüs.  Denne  duen  mer  spediere. 

Jetz  isch  Zilt,  dass  du  zcihscht !  Denne  duen  n»er  imsspacke. 

Gehn  Sie  zum  Gfi^ikkl  Wursch  sehn,   wie  der  nüs- 

Denne  han  mer nüsigewimnielt.  flattert! 
Ich  zaj  dir  wo  der  Zimmermann 
*s  Loch  gemacht  hei. 

Fuu  {Btin), 

Der  het  krummi  Schtolle.  Was  will  der  Krummadiunke» 

Der  het  langi  Schtelze.  Der  het  mir  de  Knoche  ver- 

Was  der  Ländeldreller  het. '  trelte. 

Geiz^  geizig. 

Der  Kerl  isch  zäh  wie  Ledder,  Der  schind  d'Lues  um  ihre  Balg. 

Der  frisst  sine  eiene  Di-eck  vor  Disch  isch  emol  eGitzwueschtel. 

ludder  Gitz.  DischischedrecketerGilzkraiie. 

Geld, 

Der  hei  Glänzerle !  Der  het  e  Geldschisser. 

Der  het  Fuechsle !  ^  Dei*  schuUelt's  üs  em  AermeU 

Der  bet  awer  Mummes  I  Dei  het  Geld  wie  Haij. 

Gib  mir  e  Bazzel.  Der  bet  Me|jes. 

Gtnicky  Nacken, 

Der  het  de  Hals  gebroche. 

Nimm  ne  am  Krips  un  echmiss  ne  nüs. 

Dis  isch  mir  ein  Käs.             ^  Do  fröij  i  kein  Dreck  dernoch. 

I>is  macht  mir  nix  üs.  Do  fröij  i  soviel  dernoch,  wie 

Dis  machf  der  Lieh  kein  Kind.  noch  mim  erschte  Hemd. 

Dnfor  freh  i  nit  von  «ler  Slub-  Do  luej  i  nit  drum  num. 
duer  an  d'Handzwebl. 


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—    117  — 


grob, 

/Mit  dem  isch  schlecht  Kirsche    Geh  eweck,  grower  Fleijel I 


GHinichnabiL 

^Rotznas!    Rotzlöffel^  Arschkrott,   Hosselottel,  Hosseschisser, 
Gropfel,  Gehlschnawel,  LOesbuef 

guimülig. 

hü  ehrliche  Uuzzel  I  's  isch  der  besclit  Deifel  wo  leht. 

Hand. 

^Dobe,  Datze,  Zange.  (Nägel)   Nlijel  wie  Strähl, 

(Ffager)  Klöuje.  Kralle. 

hassen. 

^  Denne  kann  i  nit  schmekke.       Dem  steck  i  kein  Maije. 
Dem  könt  i  kaltbluedi  de  Hals    Der  het's  bie  mir  verschütt. 

um  Hreje.  I)enne  kann  i  nil  verbutze,  nit 

Der  wart  mi  noch  kenne  lehre.        sehn,  nil  anlueje. 
Mit  (hm  mach  i  emol  kurze     Dem  könnt  i  Gift  genn. 

pjozess.  Der  isch  mir  s«  Imn  lang  e  Dorn 

Der  isch  mir  wie  Gift  un  Bob-       im  Au. 
berment  \ 

Hauptschwiertgkeu, 

^  Do  leijt  der  Haas  im  PfenVi .      Do  hammer  de  Kerne. 
Do  huckt  die  Lues  im  Krütt. 

E  GelSchfer,  e  Barrack,  E  alti  Mördergrueb. 

E  alti  Kaschdell.  E  alts  Dunderloch. 

E  alts  Wändelnescht.  E  alti  Kambus.* 

E  wahrs  Burgverlies.  E  alti  BQdik. 

Emhfimt. 

^  Der  ioll  kein  Kraddel  han.         Dis  isch  e  r;i(  hier  Äff. 

Was  der  sich  e  Käs  gilt.  Der  meint  tler  (irossmoggel  isch 

^Dis  isch  e  ingebilder  Tripsdrill.       sin  Unkel. 
/'  Her  meint  der  het  de  Verstand 
elein  gfresse. 

Mir  falh  der  lierzbiuuiel  nuiiter.     Min  Mafie  ^'eht  nf  zwölf. 
/I  hah  e  Mordshunger,  e  Heiss-     Ks  isch  mir  ganz  hoili. 
hunger,  e  leid.s  Hunger,  söj- 
mässi  Hunger. 


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—  «8  — 


im». 


Der  hei  sich  nit  letz  gsengelt.  ^Distmol  bisdi  an  de  Lelze 

Ihr  sin  uff  eme  lelze  Strang  t  kumme. 

He!  Dorl  geht*s  nost  Do  hescht  di  awer  verga- 

Ibr  ein  uff  em  Holzwaj.  löpperl. 

Wenn  dü  disz  glaubet,  laufst  Der  leijt  's  Ei  newe  's  Nescbt, 

im  Rad  !  Dismol  hesch  di  ^^^chnitle. 

Besch  jelz  e  Bock  j^schosse  l  ^  Diamol  hesch  dir  d'Zung  ver- 

demewe  gscbosse  I  brüjt. 

Der  isch  ersch  drei  Küs  hoch.  Bis  dorthin  müesch  noch  viel 
DO  bisch  noch  e  Hosseloddel,        Supp  ease. 

e  Kneclces,  e  Luesbue»  e 

Botzlöffel,  e  Arscbkroft. 

£ajfee  (acAiecAler). 
Was  isch  diaz  for  Blembel  I 

Kauenjammer. 
Giggele  mache.  Der  faet  eini  geniucbt. 

kaum^  ml  knapper  Not. 

Eriach  blult  un  bloss  mit  em    Denne  hets  fascht  ^het. 

Lewe  dervon  kumme.  Denne  hets  nood  j^^sl reift. 

Er  kann  von  Glück  saue.  £s  geht  noch  so  so,  la  la. 

klug. 

Der  isch  nil  nlV  de  Kopf  pfalle.  Der  tieft  el)s  hüsse. 

Der  weiss  wo  Barthel  de  Moschl  ßie  dem  kummt  mer  nit  so 

bull.  licht  an. 

Dem  brOcht  mer  nit  mit  eine  Der  weiss  eim  nüszqjenne. 

Ladernepfoly  mit  ere  Disael  Der  weiss  eine  an  de  Platz  ze 

ze  winke.  stelle. 

Kopf. 

Mach  dine  Schaddel  eweg.  *s  gibt  ulfs  Latälel. 
I  hau  dir  uff's  Dach. 

lange  her. 

*s  isi  h  liall  iiinirn  wohr.  Disz  isch  au  nit  vorder  Wucb 
Disz  isch  zelleuiüls  gsin  gschehn.  [her. 

Disz  isch  anno  Zieh,  anno  Zelle-  Disz  isch  schun  e  schoeni  Ziti 

mols,  anno  Düwack  passirt.  Disz  sinjo  schun  sechs  Ewikaite. 


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langem. 

^  Geh  iner  eweck,  mit  dem  Herr-    Wurt  disz  hijt  noch  lerdi. 
gotstrendler.  -  ^  's  geht  uf  der  Schneckeposl. 

Der  Labmarsch  wurd  an  keim  y  Kumm  i  hyt  nit,  kumm  i  morje. 

End  ferdi.  Der  duet  sich  aii  nix  vorrenke. 

Sei  doch  nit  so  lendelahni.        's  t^ht  em  nix  (is  Hhad'n. 

Itingnasif/er  Memeh. 

Näsele, Nasebauyjert, Naashoin.  /Dem  ?«in  Naas  macht  Schelle. 

langsam  essen. 

^Wie  (ier  am  Esse  erumzehhelt.    i  glauh  's  will  nit  erecht 
Wie  der  erum  mangelt.  rutsche. 
Due  nit  eso  am  Esse  erum* 
schnaike. 

lärmen.,  loben. 

/Mach  kein  so  Krambol!  Ihr  duen  wie's  Wuetheheer. 

^  Due  nit  eso  dewwere.  So,  duel  's  lieb  Vieh. 

^  Mer  hört  josin  aije  Wort  nimm  !   --.Vfcr  meint,  der  Deifel  isch  los! 
sin  jo  gar  nimzehewwe!  ^Mer  inemt  jo,  es  wurd  e  Söj 

Die  sin  ganz  letz.  gemetzt. 

Alia !  Dl)  isch  Lewe  !  Ihr  sin  wie  von  der  Ketl ! 

^  Duen  doch  nit  eso  dowe  ! 

läsiig,  nneriräslieh, 

/Die  huckl  eim  allewyl  uf  em  Disz  isch  e  wahri  SSg. 

Buckel.  >.Isch  dis  e  filöejgeistl 

/'DennekriejtmernitvoinGnick.  By  dem  kriejt  mer  's  Ziiiherle. 

Wenn  ich  nur  die  Klett  los  wär.  geht  mer  züe  de  NTijel  nüs. 

Die  macht  wie  wenn  si  do  Isch  disz  e  Klett  I  Isch  disz  e 

dheim  wfir.  S;ij  ! 

Do  henn  mir  e  Fuerweruk  ;  e  ^'s  isch  nit  züem  üshalte. 
Schleppet. 

laufen. 

Die  isch  awer  furt  gebäsL  Der  lautt  wie  nit  gscheid. 

Der  lauft  was  gisch  de  was  Der  jaul  .sich  ze  Dod. 

hesch  de.  I-U'-j,  wie  der  drut  los  füesselt. 

Der  lauft  wie  wenn  er  Fyr  in  Luej,  wie  der  Schritt  nimmt. 

de  Hosse  hält.  Dor  lennl  jo  wie's  Dundei^ 

Der  rennt  sich  d'Bein  ah.  weiter. 

Luej,  wie  die  zwei  verlieij  i  aase.  W^öUe  rner  dem  noch  kajätze. 
Wie  der  an  aim  durchsurrt. 
Der  isch  awer  druf  los  Ira- 

wäddelt. 


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—   190  — 
lieben. 

Dich  kann  i  jjuet  lyde. 

Dü  bisch  mer  ans  Herz  ge wachse,  gebache. 

Lüb  (ironisch), 

^  Dü  bj.>ch  })ra\,  wenn  d'>chloofst. 

Dü  bisch  e  Gassenengel  awer  e  HüsUeilel. 

Lü^tü  strafen, 

^  DUz  isch  altes  erstUDke  un  er-  ^  Der  het  mir  e  nette  Bäre  uf- 

iöuje.  ^'ehunde ! 

Der  lüejt»   dass  eim  <rAue  Dia  Pflaster  xeijt  nit. 

Wasser  genn.  -Der  will  uns  ebba  wtss  mache. 

^>  Der  scimilzt  eine  an,  dass  mer  ✓Was  duet  Her  uns  vormoole ! 

blöj  anlauft.  Disz  pack  ich  owe  eweck  nit! 

Mässiguny. 

Halt  de  Gaul  anl  1  mein,     düt  lan^^e  lor  hyt! 

eich  gemein  machen. 

Mit  jemand  im  Kräwel  erum-    D'Söj  mit  jemand  huete. 
fahre. 

müde. 

bin  fascht  kaptlt.  I  kumm  nimm  in  d^Heht 

I  bin  halwer  föddi.  I  meecht  umkeye. 

I  kann  mi  nimm  rage. 

Mund, 

NUhiI,  Gusch)  Schnurr,  Waffel,  Schnaik,  der  Fresser,  der  Lälli, 

d'Schnuflel. 
Hall  d'Schnfitz! 

mürrisch, 

^  Mer  meint  d'ganz  Welt  isch  em  ebs  schuld  i. 

müisiy  gehen. 

Im  Herrjtolt  de  Daa  abstehle. 

Der  losst  unsere  Herrgott  e  gueter  Mann  sin. 

fatd. 

Der  halt  viel  uff  lejendi  Gueter. 

Xoae  ((jrosse). 

E  leids  SiwoiK  r  itn  Gsirhf  lienn,     E  Portion  MCil  un  Fucs  for 
•.  E  Klovvwe  Nüniero  ein> !  zwei. 
Die  Nans  steht  nü.«,  wie  ehhs 
Böses. 


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—  121  — 

{unschöne ) 

Was  der  e  Horn  do  nüsstehn    Dev  liet  e  Nuas  wie  ScJitiffel- 

het.  srhlal>hf. 
Der  hei  e  Knübbe  im  ü^icl»».     hl  .\  is  von  ändert hal we  Pi'uQÜ. 

üble  Nachrede, 
Der  wei&s  nix  als  eim  Sclilödderle  aiizehenke, 

nie  Iiis. 

i.    Der  isch  kein  Schuss  Pulver  v  Der  i^ch  kein  Prys  Düwack 
wert,  werU 
tr  Bie  denne  isch  viel  Gschrei  un 
wenni  Woll» 

Pechvogel. 
E»  isch  halt  e  ünglucksvöjel. 

prahlen,  grossthun. 

t  W IV  ilt-r  ile  Kowwt'l  >lt'!ll.  Lu(.'_j,    wie  tiei   ilc  Meni  rissl. 

Wie  dei  äich  ;j\vtM  ujeiiit.  l>oi  lüiu  t  aber      Ineit  Gleis  ! 

i  Brüchsch  nit  t^o  gross  ze  duen,  Mer  meint  der  iscb   üs  eine 

liier  weiss  was  de  Mach.  andere  Dreck  do! 

t'  Der  duet  d'Naas  awer  hoch  v  Der  blost  »tcli  uf  wie  e  Kidder. 

traue. 

prügeln. 

Denne  welle  mer  emol  ordentli  Ordentli  rmsse. 

^  Denne  wickle  mer       [klopfe,  v  Links  und  rechts  um  d'Ohre 

Dem  genii  mer  Bumljea!  i.'Eine  kurranze.  [hauel 

Der  kriejt  hyt  noch  Mäckes  I  Eim  *&  Fell  gerwe. 

»-  Der  wurt  gedrikkelt.  ^  Eine  leddere. 

Gell,  dfi  Witt  Schmier.  ^  'Eine  verkarwatsche. 

Dem  welle  mir  inbohne.  Elm  Schmier  genn. 

^  I  schlaa  der  d'Ziinjjr  in  de  Hals,  >  Eine  verwixe. 

d'Zäbn  in  de  Hals.  Dn  gibts  Däsche. 

I  jrib  dir  e  Tritt,  dass  du  sechs  s^Eins  versetze. 

Weiche  Galopp  laul'sch,  Mer  wolle  ne  tupfe  I 

.    Der  wurd  verlierifrelt.  Denne  welle  mer  zwiwwle. 

u  Dem  haw  i  eiiii  ;j;e[il(^n"ert.  Denne  welle  mer  jässe. 

Die  lienn  sich  an  der  Krawatt  Der  wurt  ^^edi)l>i  ht. 

krie(t.  Mer  genn  em  ull*  D.icli. 

Die  hann  sich  leidsmässi  ver-  Mer  haue  ne  kelsch  un  hlöiy. 

Eins  boxe.                [hrtort.  Genn  dem  ufs  Kappedächel; 

Etni  lange  wo  sitzt.  uf  d 'Krawatt. 

Dichdi  dueche.  Dem  wölle  mer  's  Fell  ver- 

Fuschdebaschdädle  usdeite.  drumme. 


* 


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—  423  — 


Prügel  (bei  Kindern). 


i    i)n  wursch  yilitzl. 
^   Dü  wursch  glich  gehalschl. 
Du  kriejst  de  Farrewaddel  jju- 
geinesse. 
<^  Du  ki  iejst  's  Loch,  den  Anch, 
*8  Sitiledder,  de  Dudder,  de 


Wecke,  de  liludde,  de  Hin- 
dere, de  Doke*  u.  s.  w.  ver- 
dundert;  verdeHfirl. 

Du  bekumsch  Scbmedder. 

Dil  bekumsch  Schmiaz. 


Prügel  (Im  allgemeinen), 

I  gib  dir  :  e  Kopfnuss.  <■  \V;tls(  Ii,  »•  Däsdi,  e  Ohjfeij,  e  Dachtel, 
e  Pfüder,  e  Pluiupter,  «'itii  »  inwtr  uud  nüwer,  e  Tritt»  e 
Datscb,  e  Husch,  Schmier,  Wix,  von  dene  wo  nix  koschle, 
Mäckes,  Bunibes,  links  un  rechts  an  de  Schädde). 


Prügel  androhen. 


Glich  suecbsch  de  Kopf  im  e 
Eck. 

Wittel)?!*.'  Gell,  hesch  noch  kein 

Ba<  keznhn  ^schluckt. 
Glich  gibtft  uT  d'Krawalt. 
Dü  bekuminsch  glich  Wix  ! 


Ich  will  dir  e  Locbsupp  ser- 

wire  etc. 
Den»  will  ich  e  Liodel  vor-i^le. 
Dem  will  ich  e  Tanz  ul-piele. 
Dem  will  i  e  Denkzettel  an- 

lienke. 


E  Büsch,  e  Quascht,  e  Zacke. 
Der  isch  hier-  oder  winsohilli. 
Der  duet  iwwerwindlings  näje. 
.    Der  isi  h  bi^ofTe  wie  e  Söu. 
Der  het  ze  diet  in  s  Glas  ge- 

^MK"kt. 

Der  if*ch  am  iwwerlaule. 
Der  tscb  boddeluschdi,  oder^ 
boddeseeli. 
.   Dem  stebts  bis  unter  der  Naas. 
Lue,  was  der  e  Dött  hett. 


Der  soll  kein  Schdefze  han  ! 
Der  het  e  ordentlichi  Fuss. 
( ><'nn  Acht,  der  isch  total  mäule » 
Der  saat  «BInmele». 
Der  rüeft  au  bald  im  Ueleri  I 
Do  ifehl  einer,  der  hett  was  er 
brächt. 

Der  isch  so  voll,  das  es  glich 
underscfai  und  üwersebi  geht. 
Der  isch  im  Dackel. 
Der  find  de  Wäj  nimm. 


retcA. 


Der  hei  Geld  wie  e  Söujlnewer. 
Der  8cbutfelt*s  üs  em  Aermel. 
Der  hett  e  Geldschisser. 
Der  hei  's  Geld  xuem  Fresse. 
Der  hei  meh  Geld  als  Grütz. 


Der  kann  im  Geld  nüele. 
Der  het :  Herz  was  begebrsch. 
Der  drejt  nit  jedi  Sfl  sechsmol 

erum. 
Die  han'sl 


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-   123  — 


seMun,  böses  Maul, 

Dem  hiw  i  de  Kawes  erab^^e-  Jetz  haw  i  dichti  isgeleert. 

lese.  Ich  loss  mir  *s  MOl  ntt  von  dir 

Brikchsch  mi  mtesoanzebruele.  anbenke. 

Ich  loss  mi  nit  eso  von  dir  ab-  Die  weiss  eim  nösiegenn  t 

hutze.                   [i  Ltlde.  Die  isch  nit  ufs  Mül  keyt. 

Do  kann  mer  sicli  ilt>  [iais  üs-  vUev  soll  nit  gewettert  hann. 

Die  liett  awer  ufbe^^ehit !  Die  het  e  Mül  wie  e  Schwert! 

i-  I  hat)  ^schölte  wie  e  Bohi*spulz.  Dere  brficht  mer  d*Zung  nit  ze 

'     I  nimm  kein  Blatt  for's  Muel.  schlifTe. 

w  Üenne  lian  i  abgekanzelt.  Der  het  e  «eile  Lawass  be- 

Dem  han  i  alli  Schan<l  gsaal.  kuaime. 

schielen. 

Der  ^ückt  noch  Lothringe,  ob's  in  Bade  brennt. 

schmeicheln. 

Dei  stricht  eim  de  Küzze.  Der  weiss  eim  ufs  Brot  ze 

Der    hind  eim  Schlekkel    uf    Duesch  witlder  flattire.  [striche. 
d'Zuog.  Machsch  's  guet  Biännel  widder. 

schlechte  Aussichten. 

Do  happerts.  ♦  Do  geht's  letz. 

Der  het  Di  eck  ain  Stecke.         Do  wurd's  noch  ebs  absetze  ! 

Disz  isch  oit  ghier. 

schmutzig. 

Drecketer  Kerl,  Dreckseckel.       Drerk  halt  eine  wann  ! 
Disz  isrl>  e  Sehlih!) !  Sini  Kleider  stebn  elein  vor 

t.  Die  het  awer  o  Bollhaiimiel.  Dreck. 

Der  (Ira^it  Leid  uiuier  de  Näjel.  Der  isch  hall  propper  wie  e 
An  (lenne  geht  kein  Lüüs  vor       Sü  (sou). 

lüdder  Dreck.  ^  Do  heisst's  au  :  Owe  hui  und 

C'  Die  Litt  dnen  im  Dr«ck  ver-       unde  pfuit 

Dreck  macht  fett.       [stikke.    Disz  HOs  schwitzt  de  Dreck. 

Sehnapps. 

E  Jeck  welle  mer  trinke.  E  Gläsel  von  dem  Stifle. 

Fuseh 

E  Portion  P^trole,  E  Glas  Bufz-    Dira  isch  Kraddeldiewandnufl 
wasser. 


f 

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—   124  ^ 


schnell^  Eile. 


Hesch  mi  gsebn  I 


Bunt  iwer  ecks! 
^  Der  rennt  wie  wuedi. 

✓  Dem  pressirt*8. 

V  Dm  gehl  wie  gschmiert. 

In  eim  Wötsch  bin  i  ferdi  gsin. 
JeU  geht's  uf  Her  Extrapost ! 
^  Disz  geht  im  Kopf;  im  Huddei ; 
in  der  Yl ! 
Oue  dich  nit  so  verwäfere. 


Disz  gellt  wie  gschmiert ;  in 

eim  Rand! 
Alle  hopp  !  Hyt  noch!  Wurd's 
Wie  *8  Dimderwetter.  [batll 
Was  gisch  de,  was  hesch  de. 
Heidebritsch  1  tsch  er  fürt  gsin. 
Eb  da  SB  einer  het  könne  drei 

zähle. 

^  Wie  der  Blitz;  wie  der  Wind. 
Cb  das  i  nsgereilt  bab  ghet. 


Schuft. 

Disz  isch  uu  einer  von  zelle.       Disz  isch  e  Nettele,  e  lieder' 
Di^^z  i«rh  Galleefueder,  eLump,        licher  Dieb, 
e  Schuft.  Der  ghört  in's  Raschpelhüs. 

Schulden . 

Der  dtiet  hy  flott  nn  der  Welt  ^  h^'r  het  kein  f-ii^MH-  F<'fze. 
im  Buecli  stehn.  Oeris-cbGottunderWeltsehuldi. 

tehwatzen. 


i)i^£  ich  e  aiti  Hätsch. 
Nimm  dich  vur  dere  Mülhüer 

in  Acht. 
Kennsch  dü  die  Bahbelfotz  au. 


Dir  tief  e  Müt  wie  e  Jiettel- 

nieubclj. 
Die  losst  eine  nit  zuem  Wort 

kiinmie. 


Loss  dene  alte  Scbwttzbese  nur  ^  Die  babbelt  viel,  wenn  der  Daa 


redde. 

Jelz  henn  mier  awer  Herz 

fi^scbitt. 
Bie  deie  haw  i  awer  de  Kropf 

geleert. 

schwere  Arbeit, 


lang  isch. 
Die  bei  e  gfährlis  Müölwerk. 
Do  geht*««  Muel  schneller  a\a 
d'Händ. 


Der  niüt>8s  jetzt  au  harti  Brett le 

Inline. 

^    Di.-z  is<  li  e  harti  Nnss !  |  3| 
^  Disz  ii«eh  o  waiiri  Kriw-  ;  £ 
welnuss.  )  ^' 

Do  schafft  mer  sieb  jo  bucklig. 
Oer  möss  schaffe,   dass  eni 

d'Schwarde  krache. 
Die  schaffe,  dass  es  kracht. 


Die  '«chaffe,  das^  es  Icttt. 
Herl  .leh  I  Was  mues  mer  sich 

do  »hhunze. 
Icli  hab  leider  kein  sechs  Händ  I 
Nein  !  So  e  Schinderei ! 
Do  wurt  mer  nit  ferdi  mit 

zakkere. 
Disz  wurd  Hilz  koschte. 
Do  butter1*s. 


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—   i25  — 

schreien. 

Hör  ufT  mit  krische,  mit  jehle,     Due  doch  nit  eso  belle, 
mit  jiixe,  krakeele. 

spassen. 

Eins  zueiii  Heschde  genu.  Der  weiss  d'Fuehr  ze  iriewe* 

Der  kann  U'Fick  mache. 

Spazierengehen, 

Ich  bab  so  e  kleine  Rutsch  ge-    Mer  sin  vor  em  Tbor  erum- 

macht .  ^scbtreift. 
Mier  $in  e  bissei  eininigelra-    Hytt  sin  mir  uf  Kehl  gstosse. 

wädtiell.  Mer  sin  uf  Schilke  ^^etroilileit. 

Mier  sin  uf  Schilke  gfuesselt.  Mer  i«in  ufs  Neudörfel  gewalzt. 
Mier  han  hyt  mitenand  e  Duür 

(tour)  gemacht. 

stehlen. 

Ebs  kupere;  ebs  üsfuere;  ebs    Der  het  mir  auch  schun  ehs 

n>'-he.  gSL-li<lcntzt. 
Dir»  Huet  hell  Füess  kneit.         Di>z  lie.sch  du  mir eweji^'ehuUt. 
For  (iinno  Mantel  kan»cb  itetle.     Er  huckt  im  Kaspeihüs,  er  het 
Der    hett    dir    's  Portmoneh  jje^anft. 

gschtüdil.  Genn   Acht,    denn  der  duet 

l.)u  hesch  iiiei  disz  Ding  eweg-  krappse. 

lischtiwitzt,  gekapert. 

staunen. 

kh  hah  geglaubt  i  muess  anne  lalle! 

«Zersen. 

Der  iscb  au  am  baikere.  Er  lejt  sechs  Scbue  under  em 

Der  isch  jetx  au  's  Marters  los.  Bodde. 
^Der  hets  uwerstarule.  Jetz  han  sie  denne  au  nüs- 

Der  het  au  dran  glauwe  muen.  ;,'.schieppt. 

Die  het  jetz  an  's  besser  Theil    Der  het  au  de  Bündel  gschnäert. 

erwählt.  Der  isch  hieuisver. 

Dem  duet  au  kein  Zahn  meh     l)er  lejf  jetz  ;m  «lru^!se. 

weh.  Der  arm  Deitel  isch  adbaderes 

(Kindlich):  D'Mamrae  lejt  im       (ad  patres)  gange. 
'  Grundioch.  Der  geht  nächstens  au. ^chiewes. 

^Jetz  hab  i  schun  alles  zun«  In  alle  Eck  han  i  erunigenüelt. 

dersch  zew*>rsch  gschmisse.  I  suech  mi  fasch  zuem  e  Nai  re. 

D'ganz  Menasch  han  i  letz  ge*  Üweral  han  i  erumgscbnuffett. 
macht. 


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ianzen, 

Welle  mer  eine dii^em itenand?  ^acbe  mer  so  e  Rfietscherle 
Denne  welle  mer  glauw  i  pfelze?       mitenand  ? 

toben,  Vfüthmi.  * 

u  Der  düet  jo  wie  wenn  er  e  Messer  ini  Halb  liatt. 

ioäkrank. 

Der  ist  am  Sankt-Gallemarsoh.  Der  isch  witt  drüiis. 

Dem  sielil  mer  de  Doot  nu.  Der  isch  «relifferl. 

Der  kann  alle  Auesblicii  ufl-  ^Der  macht  nimmi  lang, 

schiiabbe.  Der  steck!  in  hü.-o  H(.K<.<e. 

i  BiedeinischMalliiiiamletschdu.  For  dem  s^iu  Lewe  jjih  i  kein 

u  Der  kratzt  au  nächsteoir  ab.  SQ  roeh. 

Der  isch  am  k&^üi  gehn.  Der  lauft  uf  beese  Socke. 

Der  geht  in  den  Aracb.  Der  risst  scbun  Fäde  fis  der 

Die  steht  nimm  uff,  kummt  Dekked. 

nimm  in  d'Höh.  ✓Die  arm  Frau  isch  am  mal- 

^  Dem  näije  sie  schun  am  Doode-  [enker. 
hemd. 

Irinken. 

K'\n<  packe.  Der  kann  nit  letz  lüpfe. 

Ein  hinter  d'Krawatl  schütle.  Die  duet  de  ^anze  Daa  Kaflee 

Eins  pichle.  schlabbere. 

Der  versteht's  Win   rnemmle.  Disz  lossl  sich  schluzze. 
»  Mer  riemme  nocli  eins  zürn  Ab- 
jjevvehne. 

tüehtiy  anpacken. 

Nit  lang  ems  zwei  drei  zähle,  ^>it  ian^  erumzeble. 


ubtl  ytlaunt. 

« 

Der  isch  hyt  awer  massleidi.  d'pr^inz  Welt  dir  ebs  schuldi 

Dü  machst  e  Gsicht  als  wenn  's  is^cb  mer  nit  im  Lün.  [war. 

Ich  hub's  dick,  wie's  Dreck-  I  meecht's  nimm  anlueje. 

's  lejt  mir  uff em  Maue.  [fresse.  1  hab's  satt, 

i  könnt 's  nerame  un  an  e  Wand  t  's  geht  mer  bis  unter  d'Naas. 
.«ichmisse. 


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—    127  — 


übirliiien, 

1^  Eim  eini  uffbäblie.  ^  Der  ^'ill  micli  (^lauw  ich  fiwer- 

t-  Mach  mh*  nix  vor!  dölble. 

Diszkansch  bi  andere  anbringe.  v^Der  will  eine  au  noch  anfuere. 

Mit  dem  fangsch  dn  mich  nit.  Mich  fuehrsch  nit  an  der  Nas 

w  Uff  denne  Lym  geh  i  nit.  herum. 

Do  kannsch  warde  bis  du  mir  ztnol  henn  merdiverwitscbt. 

diaz  w)'88  machst.  Diszmol  biacht  awer  angange. 

übertrieben,  zu  viel. 
Disz  ^thi  üwwer's  Bolinelied.     Der  duet  doch  im  Gueie  ze  viel. 

umtttntt,  vergebens, 

Do  isch  HopTe  un  Malz  verlöre!    *8  i»ch  grad  für  de  Deifel. 
Disz  isch  de  Miese  gepBITe.      yEs  hilft  und  batt  nix. 
's  isch  grad,  wie  wenn  mer 
im  e  Ochs  ins  Horn  pfetzt. 

undeutlich  reden. 

^  Mer  meint  der  hett  Bühb  im  ^  Was  duet  der  du  «j.iaxt- ! 
Muei.  Der  struddelt  wenn  er  redt. 

wngesehiekt.,  unbrauchbar. 

^  Dich  kann  mer  schicke!   Dfi    Der  k^jt  noch  nwer  sini  eijene 
Dappes  1  Fuss. 
Der  sieht  do  wie  drei  und  elf.     Mit  dir  isch  mer  gebutzt. 
V  Dir  meecht  mer  allewyl  helfe.  i^Dich  kann  mer  nit  elein  schisse 
Der  hett  aliewyl  Dreck  in  de       gehn  lohn. 

Doobe.  Dem  kejt  jo  alle?  fisdeHänd. 

Lueje  nur  denne  letzgedrejte    Was  der  nur  anlüejt  isch  füddi. 
Kerl. 

ungeselliger  Mensch, 
Was  isch  disz  for  e  Mummel. 

unniilzes  thun. 

In  ile  Bach  spitze  |  a»RiI,gie  Der  duet  sich  de  Büch  striche. 
In  de  Brunne  spitze  )  Disz  iscii  for  nix  un  wider  nix. 

De  Dreck  duescht  Dö  us  eim     Der  duet  e  Bluttkopf  strähle. 
Eck  ins  ander  flye.  u  Der  zählt  d'Mucke an  der  Wand. 

ftnreitbar  verloren. 

Der  het  was  ei-  hrüchl.  Der  i^ch  veisonii. 

t/  Der  liet  sin  Fell.  Der  weiss  wo'si  raucht. 

Der  bschtelll  nix  nooch.  Der  hett  sin  Dail! 


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—    128  — 


ünweiier. 

(X  ICs  hats<  ht  was  vom  Himmel  v  Hit  rüjts  nur  emol. 

erab  kann.  Hithet'eawereruntergewäscbe. 
U'  Disz  isch  e  Wetter,  dass  mer    Mer  niaint  der  Himmel  kummt 

ken  Hund  nusjaue  sott.  erunter. 
1  ^eli  Uli  wenu  iJunderaxe  falle    Söjwetler,  Hundswetter, Dreck- 

(Al)ei|:laube).  wetter. 

(Fossil«  Moficheln,  ?or  allem 

very essen. 

^  leb  hab's  uf  der  Zung.  ✓  Disz  isch  mir  ösgfalle. 

Disz  han  i  total  verschwitzt. 

verfehlen. 

Disz  i.sch  ein  Ii   an   der  Nas     Dissz  bau  ibr  vei  hoppassl. 
verbei  gange. 

verkehrte  Wahl, 

Der  nimmt  e  Söujblos  for  e    Der  .schnid  d'Wui-scht  uf  der 
Latern.  letze  Sytt  an. 

Der  gehl  üsz  der  Miich  in  de 
Dinte. 

verleben,  verdutzt, 

^  Dü  jiiai  lisi  e  Gsicbt  wie  e  jjslu-  Der  isch  gbch  so  verdattert, 

cbeui  Gais.  Er  weiss  nil  will  er  hüscbl 

Stehst  Widder  do  wie  e  ge-  oder  holt. 

ropfdi  HQenl  Er  weiss  nil  uf  weitem  Bein 

Der  steht  do  wie  angebrunizt  I  er  tanze  soll. 

u  Mei>  meint  allewyl   er  het  Steh  doch  nit  so  vertchrokke 

d*Hosse  voll!  drin. 
Mer  meint  er  het  Angscbt  er 
wurd  gfresse. 

verrückt. 

V  Der  isch  halt  nil  erecht  im  Der  het  sich  's  Hirn  verrenkt. 

Kopf.  Der  het  sich  hinterdenkt. 

Dem  rappelts  in  der  Dach-  Der  isch  üwwergscbnappt. 

kam  mer.  ^  Der  isch  nil  ganz  richdi. 

Der  isch  ganz  maschokke.  Der  hets  im  owere  Parlement. 
t>  Die  isch  narrächt  wore. 


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129  — 


versehmähtn,  vtrachitn. 

Vfl  denne  duel  mer  jo  mit  de  v  Bisz  kannacb  insabse. 

Finger  dytte.  k^isz  meechl  iclj  nit  ^'henkl. 

Denne  möcht  i  nit  abgemoolt  Disz  dät  ich  uf  der  Gasz  nit 

im  Abtritt  henke  han.  ufhewe. 

Dir  will  ich  d*Hinterduebr  olTe  ^  Disi  ischzeschledit,  dass  mer's 

Ion.  in   ere  alle  Kueh  noch« 

Dir  will  ich  de  BrolkuiL»  hocli-  schmisst. 

henke.  Dich  meecht  kein  Hund  an- 

All  ilii   will  ich  mir  li'Finger  Itrunze. 

nit  ver<ir<»t  ke.  v  Di-^z  ineecht  i  net  mit  der  Olie- 

^  Denne  intxiht  kein  Hund  an-  sjawel  anniere. 

1)1  unze.  Dir  aiehl  luei  liewer  d'Fersche 

Dem  sieh  icli  liewer  d'Ferschte  als  d'Zeh. 

K  LIf  disz  blos  i  dir.  [als  d'Zeh.  /Dü  kannach  mer  gschtole  wäre. 

^  Disz  kannech  dir  unde  an  de  Schpoit  witt  du  mirufd'Waar 

Buckel  bäbbe.  bietet 

Disz  isch  vor  nix  |j(uet  als  zum  Du  kanscb  dir  in  de  Hals 

drufhucke.  schnide. 

versc/itvenden. 

Der  (Inet  nur  sin  Geld  vergäg^'Ie.     An  dem  hlijt  nix  henke. 
Der  het  verhutzt  was  er  hett.  *■  By  dem  het  nix  e  Bodde. 
Der  isch  mit  sim  Sach  bald  i.  Der  hetjsin  Mnz  Veriuöjo  ver- 
fet  fli  gsin.  Derhel  .\lle<  vei  ilaon.  [bemheit. 

Der  schmisst  \s  Geld  eweck.      Der  gibt  's  Geld  unnutz  üs. 

vwtetzen. 

Min  Uehr  isch  bim  Unkel!        Dem  sin  Uehr  lehrt  bette. 
Min  Rock  ist  am  Nauel. 

verspätei, 

Ihr  sinn  uf  em  Bummelzug  ^Kumm  i  hyt  nit,  kumm  i 
{^t'i^ie,  moije  1 

Achtung,  jetz  kumt  der  baye- 
risch Landsturm. 

verspotten. 

Die  nemme  mich  ins  Gschirr.     Die  mache  de  AÜ  mit  mir. 

vitlj  sehr. 

Heh  als  genue.  E  ganzer  Wisch. 

E  ganze  HOffe.  Der  duet  jo  meineidi  heischet 

E  ganzi  Mass.  Disz  isch  jo  horrend  dyr. 

9 


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—  m  — 


voi'Zitylich. 

Disz  iäch  Ü8  em  ff.  Mer  kann  uit  genue  krieje. 

Disz  <luet  awer  wüIiI,  Disz  i?»Lh  Nünieio  Plifl. 

l)isz  ^sclinie(kt  iiiei.  Disz   i  ch  nit   von  schlechte 

Disz  iscli  Saldi.  Klt«  ie. 

Disz  seiiiueckt  iiucli  Noch  meh.     Disz  kann  mer  vertraue. 

« 

in  den  Weg  treten,  Schwierigkeiten  meufhen. 

Dem  liaw  i  «'  Stekke  ins  Bnd     Mach  niii  keni  S|i;n-ieiiiejite. 

^^sch misse.  D'Zeh  loss  i  mir  uit  verlrette. 

Ah  !  Du  Witt  mir  V  Deui  ^telltf. 

Wein, 

E  famoses  Tröpiel ;  Wadehrecher. 

schlechter  Wem. 

Krüllbröej.  Schüssel wasser,  Wackelsteinrebl>s,  Schöpfeber};er, 

Schöpfe«eciizi<:er.  Srnäints,  liurle^i-n,  Itaches/" Rachebulier, 
1,^  Krdtzer,  Mischtlacb,  Hii^berjemer  Vorlauf. 

vwdwMUer  oder  mitielmässiyer  Wein. 

Schäler;  Gedaifler;  Gänswin.  Dreundnnerwin. 

Der  Win  isch  (lurch  Waftsle  Gschmflerder. 
gelofle. 

wettieii. 

Gi'yne,  hjle,  jctnoere,   pfQse»  Hör  uH  mit  «lere  Musik! 

pflenne.  L'nter  dere  könnt  mer  d'Händ 

Die  hylt  Rolz  un  Wasser.  wasche. 

Der  iiyll  wie  e  SchlosshunH.  Die  duet  jo  g-anz  jiimmerli. 

Jetzt  fan^t  der  an  ze  plärre  I  Mir  am  d'Aue  üwei^elotFe. 

wenig. 

Die  Portion  geht  jo  in  e  bohle  Disz  isch  wie  c  Muck  in  e  re 

Zahn.  Trumm  !  [viel  zum  Sterwe. 

Die  Portion  geht  eim  im  Muel  Zue  wenig  zuem  Lewe  un  zue 

verlohre.                            i  Du  k.mn  i  mirh  dran  butze. 

Nit  e  Bil>!»eli' lVi*j  i  tii»  dernoch.  Besser  e  Lüüs  im  Krütt,  als 

Disz  isch  der  Muej  wert!  j:ai  kein  l'leisrh.  ..T 

Disz  isch  so  viel  wie  nix.        ,  E Bissel,  c  Kiümmel, e Schluck, 

Disz  macht  mir  kein  Breese!  us.  e  Bisz,  e  Mül  voll,  e  Mumfel. 


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—    131  — 


willfähriy  sein. 


Der  lossl  sich  Hotz  uff  em 

Buckel  spalte. 
De  I  ine  kaan  mer  um  de  Finger 

wickle. 

Der  lauft  <'im  durchs  Fyr. 
Der  iscli  allevvyl  parat. 


Denne  brüchtroer  nurzeheisse. 
Dem  brücbt  mer  nix  zweimol 

ze  saue. 
Der  lauft  >:licli  ;   Im  Ii  ^lich  hi 
der  H;tud  ;    iscit  glich  hi  der 
Heck  ;  bedenkt  sich  alt  lang. 


zänl^itche  Frau. 


E  böser  Kail». 

E  lybhat'tiger  iSatan. 


V.  Kl ittzliiirst. 
E  liippedeckel. 


Zorn, 


1  liab  Uli  niniui  kennt  vor  Wuet. 
D«M  soll  kein  Reiie^  hnn. 
D'-'i  lieli  e  Stille  (unterdrückte 
Wuth), 


Was  uti  ilu  schlukke  niüess, 
her  isch  ^"^anz  iisser  ^'\c\\. 
1  hab  Uli  in  li'Sc«'!  nyii  veraürnt. 
I  rider  und  Uxidel  lor  Zorn. 


Zuehthaut. 


Was  isch  mit  dem,  der  huckt  jo. 
Er  huckt  im  Warme. 
Er  huckt  im  Druckene. 
Er  liuckt  im  Ilaschpelhüs. 
Er  duet  Dutte  bäbbe,  Linse 

raine,  Hanf  zopfe. 
Er  huckt  im  Käffi. 


Er  isch^hinlerSchlüss  unReyel. 
Sie  hau  ne. 

Sie  han  ne  gepackt,  ^iepackell. 

Er  huckt  im  Loch! 

Er  fitzt  zidder  geweht. 

Sie  han  ne  uf  d'Wfielunggfuert. 

Er  istch  ufg'heht. 


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XU. 


Anekdoten  aus  Alt-Strassburg. 


Jr  i'ijer  sinn  alss  d*junj$e  Burscht  uf  d*Wander$cbaft  gfang^e. 
Mer  hett  welle,  dass  sie  Höflikeit,  Gscheithaile  unn  Mores  be- 
komme Sülle.  Au  hell  mer  Fraid  K'hett,  wenn  der  Jung  ent- 
weder hoclKÜt^h  oder  t'ranzösch  von  selbsch  het  kenne  lere, 
denn  an  Kenntnisse  Irail  der  Mann  nitl  schwär.  'S  isch  jo  lang 
[)']<  zum  viertzii^ste  Johr,  wenn  mer  frijer  durch  fremd -Brodesse 
unn  ümgaiii^  mit  (Veiiule  I.ift  ^j^rlunl  kann  were. 

Awer  's  Schullze-Josepp-Floi  etizoii'<  Sepp,  wenn  er  au  fürt 
Ksch  gsin,  ze  hell  er  schier  viel  vHrioie  als  ^^ewunne.  Uf  e 
Paar  Monete  (Monate)  mil's  Valers  Heiorle  (Geldstücke)  isch  er 
im  Frankrich  gsin,  hett  awer  nilt  i^schwind  genü  könne  zeruck- 
komme  firr  ze  zaie  was  mer  in  de  Fremde  lere  kann.  *S  iscb 
awer  doch  e  bissei  ze  frijh  gsin,  drum  am  e  schöne  Da  iscb 
er  z'Nacbts  durch  d'Schir  hinte  eringschliche.  0*Eltere  bann 
sieb  awer  doch  gfrelt,  sinn  mil*m  nöss  unn  sinn  ganz  stolz 
gsin,  wenn  der  Sohn  in  de  Litt,  in  de  erste  Däij  kein  recht i 
Antwort  hett  kenne  jjän,  wenn  si  ne  ebs  uf  ditsch  gfröit  hann. 
In  're  Schir  (Scheune),  wo  sie  um  ne  ernm-stande  sin,  dass 
er  ne  ebs  von  der  Hais  soll  verzehle.  isdi  e  Reche  (Rechen) 
ufm  Rodde  <:f'läto.  her  Sopp  isch  ineie  dem  (die«pm)  Sticke! 
Gschirr  gange  unn  helt  j^iroil :  tWie  haii$>>t  man  denn  das 


Mitgeteilt 


A.  Friedrich. 


1.  Wie  einer  d* verlöre  Muttersproooh 
wider  gfande  hett. 


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Obsctiä  (0)>jet)  do?»  Alles  hctt  Mül  unn  Näs  uf^^spent  iwer  e 
Gelersamkait,  unn  verwundert  sich  vorm  Sepp.  Der  awwer 
lappl  rum  unn  nun»,  tritt  blindlings  mit  <inne  schwäre  Sclu'i 
uf  dVin  Sift  voin  Km!  vom  Heche,  wo  d'Zinuke  sinn,  unn  's 
Iii>t  n'iiiiuiiit  tscli  eruiii  j^'lare  unn  heU  (lern  Sepp  niit'm  Stiel 
{iew;ilti  uf  d'N;<as  j^schla,  dass  er  ^:ehlütle  hell.  Der  awer  tiell 
anlange  mit  sinner  gs:chwollene  Naas  plich  ze  brüle  :  «'S  Kritz 
Dunderweller  soll  deue  kaiwo  llathe  verschlawe ! )»  Isch  awer 
glich  verschwunde,  denn  d'ganz  Schir  hell  anfange  ze  lache, 
unn  sich  doch  verwundert,  dass  e  einfachs  Stick  Holz  mit 
Zinke  .so  m§cbtichi  S|iröch-Wirikuni?  kann  bann. 

(Die  hübsche  Geschichie  ist  ali  und  verbreitet:  noch  heute  wird 
ti«  auch  in  Tirol  tntfthU:  a.  di«  Za.  das  Varein«  Ar  Volkaknnda  1884.) 


2.  Der  ruhige  Hausvater 

(«in»  wahr«  Geachiebta.) 

Nicht  viele  zu  Sfrassburfr  können  sich  an  den  Zustand  der 
Vorstädte  eiinnorn,  in^hej^tnidere  den  der  Umgegend  des  alt^n 
B.ihnhol>.  Dort,  nicht  wiit  von  den  Rempaifs,  im  grijnen 
Bruch,  wi»hnten  sogenannte  G.ulner,  die  Ackfiliau,  Vieh- 
mästen und  sonst  ländliche  Ai  Keilen  von  «len  Elleni  liev  aus- 
übten. Der  Spechte  Güstel  wohnte  in  jenem  Stadl-Viertel,  und 
hier  ein  kleines  Abenteuer,  welches  ihm  in  der  Herbstzeit 
wiedrfuhr. 

Der  GQstel  hett  güX  gedrunke  g'hett,  unn  ganz  spoot  in 
der  Naacht,  wo  alles  gscblofe  hett«  glaubt  er  in  sin  Stub  ze 
gehn,  isch  awer  in  der  Vollheil  deiiiewe  in  sine  Soistall  gerote, 
unu  hett  sich  hin  gelait  vor  ze  schlofe,  denn  er  isch  ze  benewelt 
g^in  loi  sich  US  zeie  ze  kenne.  D'Söi  (die  Schweine)  awer  bann 
Engste  kreijl  unn  bann  anfange  ze  grunze.  Der  Gfistel  hett 
awer  gemaint,  sin  Frau  tliiit  mc  schelte,  wil  er  sich  ze  lang 
im  Wirtshüss  ufghalte  hett  ^'liett :  frSei  diu  h  --fill,  Giettc- 
Selmf»!e.  i  wil  e  andersrnnl  nimm  m»  >pul  heimkiiniin.  . >  ^V(> 
d'Siii  gv,.|ui  bann,   dass   tie    iiieme  nix  macht.  :-inii  si  wiedei- 

gsm,  unn  bann  turt  ;js.  hiole.  Der  Mann,  wu  iiill  am  licstlile 
geläie  isch,  awer  doch  zetridde  isch  gsin,  wie  er  glaubt  bet,  im 
Truckne  ze  sinn,  unn  hett  's  ScbnOfle  von  de  Söi  gbert,  hett 
ganz  herzli  üssgsproche:  t'S  isch  doch  e  scheni  Sach,  wenn 
e  Hüssvatter  mittle  nnter  siner  Familli  sin  Nacht  zQbringt  unn 
bi  de  Siniefae  (bei  den  Seinen)  .«ittsam  thQt  üssruie.» 


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^  i34  — 

3.  Was  die  Alten  sungen,  daa  switschern  . 

die  Jungen. 

Der  Hans  Jörn  iscb  zöm  Herr  Pfarrer  wäie  Gscheffte  ge- 
rulTe  worre.  Er  kommt  in  's  Pfarrhuss  wflr^nem  Zmitta-Rsse  unn 
beU  *de  Herr  Pfarrer  am  Disch  (bei  Tische)  angetroffe.  Wo  si 
Qssgeredt  hann  ghett  unn  der  Mann  widder  hett  welle  furtgeh n 
unn  sin  Glas,  'wo  mer  «  in  ingschenkt  hett  ghett,  le«  i hott  «ler 
Herr  Pfarrer  zuem  gsail:  Hans  JOrri,  ich  niüss  ich  (IikIi  uf 
ebs  iifmcrk^am  mache,  awer  ihr  honii  doch  Kinder,  die  besi 
Gewohnhaile  hann,  die  solle  awer  sittsam,  hefli  unn  in  Gottes- 
furcht erzöie  were.  Eicr  Hü  hett  <p'nr  e  hesi  Gwohnheit  sirh 
nsyedriK  k.'  mit  Flfirliwei ter,  unn  allerhand  scIiIpi  liti  IC-drick 
(Ausdnicko)  konjineirin  in.  's  MTd,  woher  kann  «ienn  so  he*i 
Art  herkomme,  Hans  Jörn  ?  —  .la  Herr  Ehrwirdi,  i  waiss  wol, 
was  er  vor  Redesarle  hett,  jtlauwe  Si,  dass  ich's  imni  nilt 
gsalt  hab?  I  waiss  sälwer  nitt  wo  der  Himmel-fane-dunder- 
Wetters-BO  diss  verdammt  Fläche  hergenumme  hell.  I  hab 
ne  scbunn  derwäie  geschlawe»  dass  er  Büle  (Beulen)  bekomme 
hett,  dicker  als  d'Wirscht  uf  Ir'm  Teller,  unn  so  roth  als  Iri 
Naas,  's  hett  nix  genutzt.  —  Gut,  Gut,  sait  awer  glich  ihr 
Herr  Pfarrer^  i  hör  jetz  wpl,  wer  ne  so  scheen  redde  hett 
lere  (gelehret  hat).  Redde  au  z'erscht  andersch  vor  imm,  be- 
denke doch  allewil  was  Er  (Ihr)  redde,  ohne  selwer  liilzi  ze 
were,  Ion  nurr  gnti  Werter  here,  thün  nie  flürhe  ;  <  r  wurd 
noil  fdnnn,  nncliliei)  e  he^sri  Reddesnfl  *5ieh  «cliuii  ;iii;:<'\vene, 
denn  d'Kintler  redde  immer  nurr  wie  si  here  von  Andre.  Gehn 
jetz  unn  denke  di-an  I 


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XllL 

Dö  Paradess  an  d  Holl. 

(Mundart  von  Gentringen,  bei  DiedenhofenJ. 

Mitgeteilt 
von 

M,  Arnold. 

wee  Pelerins,  eii  Armrn  in  u  licit  Iid  waren  up  'oiii  VVee' 
no'in  Paiailes.s.  Op  dosser  Wall  hallo  s«j  ,uii  <e!wö  boiöf  ^ö- 
fewl,  dö  Ueichü  an  ün;;eiri  sclienö  Schlas<,  <lö-n-Ai  inö  an  ängor 
Kambus.  Mä  d»  Doot  bot  krin  Eunei*sch¥4J,  en  Si*  die  zwee 
d*ndmlfivhl  Slonn  görulT;  an  öso  battö  s5  i^ch  op'eni  paradesser 
Wee  begönt.  Dö  Wee  wor  Ma^  an  oD^föinällech.  DA  Reicbd» 
•lön  ein;;  deckecii  Pänz  hat,  dämintö  wie  fi  Scha-^tec-h  ^ ;  seinger 
Dö  a  seingei-  Lewü  hat  ftr  nach  not  öso  warOin  jjöiiöl.  Dö-n- 
Arroo,  «lön  öso  jföiäch*  wor,  wor  (lö-n-äschlö'>  l)ei  «Tparadesser 
Dier ;  niä''  wo  ö  ;^'(>\v»'hnl  wor,  liworall  schl^^t  üznkariimö,  wor 
'■»r  nof  so  i\äng'  nri  d'Dier  rix  rappln.  O  -  iNi  ht  sfi.  Ii  op  ein^^ern 
'K'i  k  irho  Slä  an  sfit.  :  «A«  Ii  well  ('mini  w  irdn,  liä?>  mü  reichö 
Nöpor  kennt,  vlerchl  as  han  osn  k;iii^  zo  rapplo.w  O  sass  nacli 
ö  paar  Minütö  <io,  da  ^foscll  or  dö  Keicljö  komnio.  Dü  rappöll 
»anz  fördm  im ^'Dier.  No  dum  Görappöl  kennt  St.  Peter  d'Dier 
op  machö  an  sät  öm  Reicbö,  den  ein^  traurüch  Scbness  mächt : 
«Äch  mängö^,  *t  wär  bessör  tor  däcli,  net  öso  alTronteert  zö 
f*enn  an  d  wenäcb  meh  Gödold  zÖ  bun.t  Da  gat  ur  dm  Arm5 
d'Hand,  an  ed  ginn  altö  drei  an  dd  Parloir.  —  «Ach  loss  äch 


'  Wejg.  —  hatte.  —  Schornstein.  —  *  mager.  •—  *  erste.  — 
<  in.  man.  —  '  kabn.  —  8  ich  meine. 


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—  lae  — 


5  wenäcb  do,  bddänkt  äch  gult,  wat  är  äch  wenscht.»  No  einge- 

Verlülstonn  kennt  St.  Pefor  nfis  örum'  a  frät  so,  op  säch 
bödSt  hättö  a  wat  so  särh  weliö  wenschö.  «Äciis,  sät  dö  Reichö, 
ff  well  an  ängem  gallo  Schlas-s  wunno,  wie  äch  een  op  Här  Wnlt 
hat,  gult  z'ässön  an  zö  drankö,  an  d'Gazelte  för  so  jiösin  au 
och  au  couranf  zö  sin,  wät  öt  op  dar  WäU  Xoics  «rät.»  —  Sl. 
Peter  frät  en  :  «As  dül  allös,  wäl  da  Härz  Ijegährt?»  —  <rXä)), 
sat  dö  lieichö,  «äch  wäll  öso  vi!  Gäld  am  Kälter  hun,  dass 
een  et  {xlatt  net  zählö  ka.»  —  «Dal  sollstö  alles  knöi>,  sät  St. 
Peter,  feer  tön  an  &  gdllö  Schlass,  an  mScht  d'Dier  ma'm 
Räd6l>  2U. 

ZwanzSch,  värzäch,  hoonörl  Johr  gin  drtwör,  an  dö  Reichö 
sätscbt  täschönd  *  sä  Gold  a  kreischt :  cÄ.ch  dommö-n-Esel, 

wSt  hun  äch  mär  göwenschtl  'i  gut  Äsrn  a  Drankö  sin  äch 
?ät,  (TGazette  lesp-n-äch  och  net  meh,  d'Let  die  öwal*  op 
d'Wält  wunno,  kännö-n-äcii  net,  an  sö  machö-n-öso  gross 
Duniniliätö,  dns.s  öt  nnkh  roso  mächt;  a  mal  meingem  vilJö 
Gäld  k:utn   i'  li  dach  ni'isilif  kafö.» 

\\  iL'  «lausoiui  .lohr-ii-örötn  vvoro,  da  kennt  St.  V^'\ev  d'Dicr 
op  machö  a  frät  dö  lleii  liö,  wie  öt  öm  gät  ^öt'alilö,  ^iDeiii  IAm- 
wöl  gäf  öt  an  öso  ö  Boleck  gefahlö,  dausönd  .lolir  ölö  r.uinö& 
wunnö,  öl  <;öseit  ä  nei.scht,  't  hart  u  neii$cht,  a  kä  Mensch 
kSmmert  ^ch  um  ein^m !  Wenn  dat  dö  Paradesa  soll  ain,  da 
kennt  är  äch  flatläru,  äppö^t  Schenes  erdöchl  zö  hun  I  — 
«Guttö  JToQg,  dö  wäscht  nit,  wo-sch-dö  hast  ;<  ebin,^  dö  hast 
an  d'Häll,  a  maltö  dra,  a  net  an  dö  Paradess.»  —  «Mä»,  sät 
dö  Reichö,  «cwo  as  da  dö  grossö  Käs.sol  an  d*Deiwöllen  ?»  — 
«Dänkschtau»,  sät  St.  Peter,  «die  Lei  gätlo  nach  göhrotö  gin 
wie  an  dör  Zeit?  Nee,  öwäl  as  dat  net  meb  öso  lj»  Loröbönö^ 
mächt  St.  Peter  d'Dier  zu  a  gäht  fordör. 

Honnört  Johr  gin  näs  ömoi  öroni  a  Sf.  Peter  wa.schl^ 
säch  un  d'Dier.  «Waat  hun  äch  no  diu  vorlängört  ?»  sät  dö 
Reichö,  «hoscht  au  mäch  ro.«<ö  göiiut,  soll  ach  ölei  '^^  eiug  ganz 
t]wechkeet  bläwö?»  Doröhönö  fän^il  nr  u  zö  kreischö  a  zö  bröllö 
an  öso  vil  Tbrfin  zö  lössö,  dass  St.  P«ler  gödöt  bot,  ön  bat 
gönucb  gölitlö  för  seing  Gourmdise*  cKomm  mat  h  sät  St.  Peter, 
cöwfll  gin  äch  dar  äppös  Schenes  weisö ;  ölio  owön  änner*in 
Dach  kännö-n-äch  ö  kleingö  Lach  an  eingem  Bröt  vu  dör 
Cloison.ii  an  ölio  duröchö  kaschtö  öu  Ack  vum  Paradess  gesin  !» 

Sr»  gin  allö  l)Öd  owö  kukö,  niä  dö  Reichö  wor  zö  kleing  ä 
muscbt  säch  op  seing  Zehö  slräckö  för  äppös  zö  gesin.  Eisö 


*  wieder  zurück.  -  Riegel.  —  •  zwischen  —  *  jetzt  —  *  hier 
nnen.  —  u  o  da  bist.  —  ^  eh  bien.  —  ö  darauf  —  »  weist,  zeigt.  — 
W  hiei .    —    frz  Scheidevraad.  Bretterverschlag. 


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-    137  — 


Herrgott  vror  do  op  ein^fem  gallo  Thrunn  an  d*Äiigölöii  an 
d'HäTäch<(r  woron  i-ondörotn  sä  Thrunn  ön  äzöbet&.  «Das  *8  öso 

schö»,  sät  dö  Heichöy  «dass  ä  aäch  dat  op  d*Wält  net  ka  vier- 

ställO  ;  nifi,  St.  Peter,  sal  Or,  sö>  mär  ömol,  wä  dat  as,  dä 
mär  dö  Räckö  dniht  a  bei  d'Fissön  cisöm  Hörr^ott  as.»  — «Dat 
as  dö-n-Armö,  dä  länsclit  2  dTir  op  dör  Walt  jxöwunnt  höt  an 
och  dö  Paradesserwee  mal  <lär  orop  komm  as.  Wie  ich  ö  gö- 
fröt  hun,  wät  ör  säcli  gäf  wäilö  wönscl»ö,  hof  ör  mär  nömmö 
ou  K^tabol»  güfröl,    för  bei  liTissön  eissöm  Herrgott  sätzö  zü 

vei^n  näs  dauaönd  Jfohr,  St.  Peter  wor  fordör  ^'äiigö^ 
ohai  dass  dö  Reichö  ot  gödo  hat,^  5so  schö  wor  dal,  waf  ör 
dm  war  zö  gösin.  Do  klöppl  ör  öm  op  d'Schällörön  an  sät  öm  : 
«Eiso  Herrgott  hot  dar  x'örzeiht;  komm  mat  an  dö  Parade^s!» 


>  sag.  -~  *  ueben.  ~  8  Fuaaschemel.  —  *  acht  g^eben  hatte. 


I 


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XiV. 

Zur  Volkskunde  im  alten 
Hanauerland. 

Mitgeteilt 
von 

Or.  Kassel. 

H*u«n  aJVs,  Ootl  erbaU's ! 
Hbdiu  alt's.  in  Ehren  b'liull 
J.  Rathgebe  r. 

(li.il-.  h;iü  Hanau-Lii  hteuberg,  dri  i^>teii  flerr- 

schalt  im  alleil  EUas^;,  >feliöi  tt.'ii  efwn  lOd  St;i(ilt'  und  boi  loi'  in 
«ler  iirntllirhen  Hälfte  'los  l'iilej -Elsa5..s.  Diese  Ortschaften 
bildeten  kein  zu.sainnienhän^eiides  Land,  viele  von  ilnien  waren 
zerstreut  und  in  fremde  Gel>iet.steile  ein;(escliiossen.  In  der  Nahe 
der  Uauptsladi  Buchsweiler  jedoch  la^^en  die  Dörfer  dicht  liei 
einander,  so  dass  man  einigerraassen  von  einem  aligeachlossenen 
Gebiete  sprechen  kann»  welches  noch  heute  im  Volksmunde 
das  Hanauerland  oder  das  Hanauische  heisst.  Ks  umfasst  un- 
^etahr  die  protestantischen  Ortschaften,  welche  einjj^eschlossen 
sind  zwischen  Iblgendot)  Dörfern  :  Emolsheini,  Oltersulzbach, 
OlTweiler,  Griesbach  (Kanton  Niederbnmrj),  Alteckendoi  t,  Grit^s, 
-  Hordt,  Flckwerslicini,  ReitwiMler,  Duiizeiilieim,  Hallmatt.  Die-es 
•<(  iioue  Land,  einer  der  ;fesegnet.slen  und  blühendsten  .Striche 
des  KIsass,  hat  in  Folj^^e  einer  Jahrhunderte  lanj^en  g^hkkliclien 
He;;ierun^%  durch  ein  gewisses  pati  )arclirtlisclie>  Veihältnis  der 
Fürsten  zu  den  Unterlhanen,  durch  einen  regen  gegenseitigen 
Verkehr,  besonders  aber  we^en  der  innigen  Verschmelzung  des 
kirchlichen  und  des  weltlichen  Lebens  vor  allen  anderen  Herr- 


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Bchaflen  des  alten  Eltass  eine  so  eigentämliche  Kntwickelung  li  urch- 
gemacht»  dass  es  noch  heute  in  vielen  Din^ien,  in  Gewohnheiten 
un<l  Anschauungen,  in  Sitten  und  Gebrauchen  als  ein  abge- 
schlossenes Ganze  ilaslelil.  Die  an^'o^^'chenen  Grenzen  sind 
natürlich  etwas  Nvillkürlicli  und  sollen  nur  die  lan;;\veili^e 
Aufziihlun;;  von  elwn  60  Ortsnamen  ersparen.  iKi/u  kommt 
no':h,  dass  aucli  die  ehemals  nicht-hanauischen  pruteslan tischen 
Dörfer,  sowie  teilweise  .luch  katholische  Dörfer  die  nämlichen 
Gehrauche  hahen.  Die  Ortschatten  der  ehemaligen  hanauiächen 
Aemter  Wörth  und  Hatten,  des  Stabs  OlTendorf  und  teilweise 
des  Amts  Westtiol'en  haben  grösstenteils  andere  oder  überhaupt 
keine  Gebräuche.  So  deckt  sich  denn  das  oben  erwähnte  Gebiet 
im  wesentiichen  mit  den  alten  Aemtern  Buchswetler,  Ingweiler, 
Pßitrenhoten  und  Brumath,  und  so  oft  im  Folgenden  von 
«hanauiscb»  schlechtwe<(  die  Rede  ist,  ist  dieses  Gebiet  gemeint. 

Am  reinsten  sind  die  Gebräuche  erhalten  in  denjenigen 
Dörfein,  welche  zu^Heich  vom  Getriebe  der  Well  al)y:elegen  und 
der  Sitz  wnhihnhendei'  (rro'^sbMuern  sind,  /,.  T{.  Mief«»-<h*^im, 
|vstMihan<en,  I^inzheim,  Mittelhausen,  Llnnzenlp  im ,  lieitweiier. 
Fast  ^Mnzlich  t«,'hli>n  sie  in  Ortsr.haften  mil  stai  k  ausgeprägtem 
städtischem  Charakter,  nändiclj  in  Buchsweiler,  Ingweiler, 
Pfaffenhofen,  Brtimath  und  Neuweiier,  ferner  in  Hochfelden 
und  Dett weiter. 

Nicht  unerwähnt  sei  endlich,  dass  die  Gebräuche  in  den 
protestantischen  Ortschaften  des  Ackerlands  zwischen  Strassburg 
und  Wasselnheiin  bis  nach  Balbronn  hin  ähnlich  sind. 

i.  Anstand  und  U  in  g  a  n  gs  fo  r  m  e  n  i  m 
A  I  i  t  a  gs teile n. 

Jeder  Stand  und  jede  Gesellschall  hat  zur  Uegelung  des 
Verkehrs  der  Angehörigen  unter  sich  gewisse  Normen,  deren 
Beobachlunjc  das  gegenseitige  Einvernehmen  erleichtert  oder 
ülierhaupt  ermöglicht.  JDie  Gesammtheit  dieser  Abmachungen 
nennt  man  den  Anstand.  Je  höher,  wie  man  zu  sagen  pilegt, 
der  Gesellschaftskreis  ist,  um  .so  fest«ir  und  minutiöser  sind 
die  Anslandsregeln,  so  dass  in  Allerhöchsten  Kreisen  hei- 
nahe jede  Bewegung  und  je(ies  Wort  vorgeschrieben  ist. 
Beim  Bauern,  als  d.Mnjenigen  Stand,  der  mit  der  Natur  in 
fortwährender  I^cnihiung  ist,  entwickelt  sich  dor  An^^fand  an«; 
dem  natiulichoii  Bedürfnis,  ans  der  urwüchsigen  Lehensan- 
schauung.  Er  entspringt  also  lus  der  gleichen  Quelle,  wie 
Sitten  und  Gebräuche.  Demnach  ist  es  et  kUu  lieh,  dass  heim 
Bauern  Sitte  und  Anstand  innig  miteinander  verschmolzen 
sind.  Andei-erseits  aber  ist  es  auch  leicht  zu  verstehen^  dass 


—    140  — 


<ler  natürliche,  deibe  Volksvvilz  im  H;nieni-l md  eine  Ver- 
breitung' ^lefuiulen  hat,  die  irn  verCeinerlen  Anstaiidscotlev  ilei 
^ebiMetcn  Kltisscti  <^''nnz  uiiinö^'lich  wruv.  Re^i  .iller  Af)NVt'i  h><elun^ 
iiii  lirlicii  Leben  aiier  Iwihen  die  L  inj^iinjistbrnieii  in 

eine  li<>>(  bi;iukte  Anzahl  von  Ausdrücken  umgesetzt,  vvfhlie 
all^tMiieiii  jianji  und  jjähe  simi  und  die  <ler  lieobaciiler  otl  n)il 
rührender  Keifehiiäs.sijjkeit  wiederlindel. 

Die  unterste  Stute  des  Verkehrs  ist  die  ß  e  g  e  q  u  a  g , 
die  sich  im  Gruss  potenziert.  Im  Allgemeinen  ist  der  Bauer  bei 
aller  Derbheit  im  Ausdruck  doch  höflich  auf  seine  Art. 
Wenn  ihm  ein  Fremder  be^e^e\,  so  würdigt  er  ihn  ebenso 
eines  Grusse^  wie  seinen  Freund.  Der  Gruss  für  den 
^  I  nljekannten  ist  kurz  und  helrilll  in  der  Bej^el  die  Taf:eszeit, 
«laher  iier  Ausdruck  «eini  d'Zil  biete»»  =  joniand  j^iüssen. 
Solche  Grü.sse  sind:  «^'üele  Ta !  «.'fiele  Morje !  ^'ueten  l'we ! 
(Abend)))  oder  ab<iescbMften,    mit    Verltist   Her  ersten  Silbe: 

* 

«le  TA!  te  Morje!  ten  Uwe!»  Auch  «buschur» !,  abgekinzt 
♦f^r  htirv,,  (},is  frMDzn^isf  he  «bonj«itirt>  ist  sehr  häuli^,  wfdnend 
«bonsüir»  nicht  ^i'brnnrbl  wird  Scilener  ist  «salü!»,  das  fran- 
zösische ffsnhit!».  Ciih  «lei  Gtuss  mehreren  Pei&uiH'tu  m  wir(J 
«binaiidt)  oder  uhinandei  «  hinzujjesetzt,  also  «güett'  Ta  liiiuiud  ! 
busciiur  binander!».  Eigentümlich  ist,  dass  auch  bei  Schulkin- 
dern, wenn  sie  hochdeulsch  sprechen,  der  Gru&^  an  mehrere 
Personen  «Guten  Tajf  beisammen»  lautet.  Es  ist  dies  ein  Beweif«, 
dass  das  Kind  den  Zusatz  «lieisammen»  für  anstand i}(  hält, 
denn  der  Lehrer  schreibt  ihm  tliesen  un^tiochdeutschen  Gru$s 
nicht  vor.  Scherzhaft  ist  roljfende  Antwort:  «buschur  binand ! 
—  güete  Morjen  altein  I». 

Ganz  anders  ist   im   Allta^^sleben  dei-  Gruss  des  Bauern 
<lenjeni{.'en  Letten  ^^f^^enüber.  dio  er  kennt  und  mit  denen  et 
im  Verkehr  zu.^ammenkouiint.  SolL-lie  Personen  ^rü-^^t  der  f*aiHN 
iiebt'ii  der  eben  beschriebenen  Art  durch  einen  Ausruf  oiier  eine 
l''ra}xe,   worin  er  sich  in  teilnehmen<ler  Weise  in   den  }.'e^en- 
wfirtigen  Ideenkreis  des  Geyrüsslen  hineinzudenk. n  sucht  oder 
denjenigen  Gedanken  Ausdruck  %'erleiht,  von  denen  er  selber 
erfilllt  ist.  Diese  eigentfimliche  Art  des  Grusse-s  ist  stets  kurz, 
aber  in  ihrer  Mannichfalti^^^keit  ebenso  verschieden  wie  im  Inhalt. 
In  erster  Linie  kommt  hier  in  Betrachl  die  Beschäftigung  des 
Gegrnssten,  und,  da  der  Bauer  auf  dem  Land  meistens  seines* 


I  Die  Schreibweise  der  Diaiekiaasdrücke  entspricht  nicht  ganz 
der  Aussprache,  sondern  lehnt  sich  möglichst  an  das  Scbriftdeutsche 
an.  Sie  erscheint  in  dieser  Art  nni  so  niphr  gerechtfertigt,  ja  ge- 
boten, als  in  den  verschiedenen  Gegenden  des  behandelten  Gebiet» 
die  Ausspiaehs  auch  micbieden  ist. 


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—    141  — 


j^leicheii  ljcget;riet,  bilden  die  haus-  und  landwirUchallliclien 
VerrichtiuigtfD  das  Uauptkontingent  dieser  GruMformeia*  Wenn 
man  sie  alle  in  einem  Dorf  das  ganie  Jahr  durch  aufschreiben 
wollte,  wurde  man  ohne  weitere  Mühe  ein  getreues  Verzeichnis 
aller  Muerlichen  Beschäftigungen  erhalten.  Hier  einige  GrQsse : 
«Mist  führe?  z'Acker  fahre?  Rabe  schnide?  Grumbeere  rühre  ?>. 
Es  ist  natürlich  jedesmal  ein  Zeitwort  zu  erglänzen,  so  dass  der 
vollständige  Gruss  in  Fraget'onn  lauten  würde  :  «Sinn  ihr  am 
Mist  tulire?j>  u.  s.  w.  In  ^jleicher  Weise  wird  selbstverständlich 
die  bereits  verrichtete  und  die  iitiabsichli^rtc  H.'st  haHi-iin^'^  be- 
rürksii  htigi,  weiclie  ^sich  meisten--  aus  der  Klculung^,  den  mit- 
geUilii  tt'ij  Geräten  oder  auilereu  Umständen  ohne  Weiteres 
erjjibt.  So  sagt  der  Bauer  beispielsweise  :  «gsäit  ?  Fut  ter  ^huU  ? 
Aepfel  gebroche?  gemolkefj»  und  ferner:  «setze?  maje?  iu  de 
Herbst  ?  uf  de  Mdrk(t)  ?.»  Im  ersleren  Fall  ist  zu  ergänzen  chan 
ihrj»^  im  letzteren  c wellen  ihr».  Eine  weitere  Kategorie  von 
Grussformeln  liefert  das  Wetter,  von  dem  ja  der  Bauer  so  sehr 
abhängig  ist  und  welches  seine  stete  Sorge  bildet,  sowie  die 
BeschafTenheit  des  Bodens,  den  er  betUhrt  und  de/n  er  sein 
Brot  abringen  muss.  Diese  Art  von  Grüssen  wird  vorzugsweise 
gebraucht,  wenn  die  Witterung  eine  Besonderheit  bietet,  z.  B. 
«glini  Wättoi- '  's  iii;n  !it  warm  !  wüster  Wind  '  frischer  Luft 
dene  Morje  I  .vit.ier  liaje  !  an  Schnee!»  und  weileriiin  :  «bös 
fahre!  «Ir,.ckit  Walter!  rülsclii  ze  '/ehn  liitt  !  Diäck,  Dräck!». 
Mehr  allgemeiner  Art  sind  folgende  Grüsse,  wel«  lie  luch  teilweise 
Bezug  auf  die  Beschäftigung  haben :  «als  flissi !  so  isch  rächt  ! 
gi(})}t's  bi-av  ?  Ihr  sinn  bizite  hitt  1  au  htesi  ?  spaziere  gehn  ?  awer 
e  Wauye  (Wagen)  voll  t  Firofe (Feierabend)?  wieder  umgkehrt?» 
u.  a.  m. 

per  Gegengniss  ist  entweder  eine  kurze  Antwort  auf  den 
Gruss,  z.  B.  «Ja,  ja!  warum  nit?  doch  nitl  ich  hab's  vor!» 
oder  er  wird  in  ebensolcher  Weise  gegeben  wie  der  Gruss 
selbst,  z.  B.  «z'Mitta  esse  ?  —  Ja,  un  ihr  au?;  in  d'Kirch  gehn? 
—  un  ihr  wellen  üwer  Feld?  ». 

Eni  stereotyper  Gruss  ist  folgender.  Wenn  man  Sonntags 
geiiiütlicb  durch  ein  Dorf  fahrt,  so  fragen  die  Spaziergänger  : 
«isch'.'<  güet  bi  i  (euch)?»  Der  Gegengruss  lautet:  «Ii  !  ja!» 
oder  «warum  nit!*.  Begegnen  sich  zwei  Personen  wiederliolt, 
so  tritt  auch  in  den  Grössen  eine  Abwechselung  ein. 

Nicht  selten  ist  der  Bauer  zum  Scherzen  aufgelegt,  und 
kurze,  schlagende  i  Witze»  sind  auch  im  Gruss  allgemein  üblich» 
z.  B.  cüsgscfalofe?  eh  ich  ufgstande  bin  I ».  Auf  das  Wetter 
wird  hierbei  oft  Bezug  genommen,  z.  B.  im  Winter:  «Hitt 
brächt  nier  d'Mucke  nit  ze  wehre  t  mer  han  noch  ken  Kanzti- 
wälterl».  Im  Sommer:  cDato  friert  mer  doch  au  nitl». 


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Ferner  bei  Schneeweiter:  cbi  dem  Walter  schneit's  ^ür(n)e!)c, 
bei  Uegenwetler:  <e  gOeter  Räjeo  isch  nieniole  schlecht t»^ 
bei  kalter  Witterung:  cal  as  (so  ianjj^e)  es  eso  Wätter  isch, 
wurd's  noch  nit  warm  I bei  schlechtem  Wetter :  cgnet  Wätter 

zum  d*heimhliewe !  gsund  Wätter  für  die,  wo  nit  kraok  sin  !», 
bei  hcni-crn  Frost :  tdo  packe  sich  d'LiU  im  Bell  an  \f>  u.  älinl. 

Alle  diese  Grussfonnein  werden  vorzugsweise  von  Erwach- 
senen :in^'f'wn mit,  und  e<  wohl  erklärlich,  liass  sie  leicht  den 
Ausgangspunkt  und  den  Stoff  für  ein  kinzeres  oder  Ifm'^'ere^ 
Gespräch  ah^jehen,  worin  die  Spiecheadeu  vorzuj^s weisse  das 
ausdrücken,  was  sie  ^^erade  hewe^t.  Auch  hier  liefern  die 
Landwirtschaft  und  das  W..'tter  den  ^Gewöhnlichen  Unterhaltun^s- 
stoff,  welcher  stets  in  einer  Reihe  vun  Befürchtungen,  Wünschen, 
Bauernregeln  und  Ratschlägen  formuliert  wird. 

Von  fiedeulnng  sind  fernerhin  der  Besuch  und  das  damit 
zusammenhängende  Gespräch.  Tritt  der  Bauer  in  ein  fremdes 
Haus  oder  Gehöft,  so  sucht  er  seine  Ankunft  schon  draussen, 
im  Hof  und  in  der  «cHüsere»  kundzugeben.  Er  tritt  fest  auf, 
trampelt  und  scharrt  mit  den  Füssen,  um  sich  des  Koths  zu 
eniledijien,  muht  sich  auch  wohl  am  Kratzeisen  zu  schaflen, 
wo  ein  solches  voi  h.mden  i<t,  dann  räuspert  er  sich  und  hustet 
tiielunials.  Koninit  ilun  niemand  entjjej^eu,  so  tritt  er  an  die 
Thür  der  Wohnstube  und  klopft  an.  Die  Antwuit  lautet  : 
anumme  rin^  !  als  erin;.^ !  (herein)»  odei',  mit  Anklang'  an  das 
Hoclideutsche  :  «cerein  .'d,  worauf  der  Eintretende  oft  scherzliaft 
mit  hochdeutschem  Endreim  antwortet :  (*s  wnrd  ken  so  gi'osser 
Herr  sein !».  Häufig  hei,^egnet  man  auch  dem  französischen 
cantre!»  (s  entrez!),  scherzhaft  Andres  =  Andreas.  Der  Bauer 
reicht  jedem,  den  er  schon  lange  nicht  mehr  gesehen  hat, 
«nd  überhaupt  jedem  Gast  zum  Willkomm  dii-  Hand.  Er 
drückt  sie  lest,  ohne  einen  Unterschied  zu  machen  zwischen 
Seinesgleichen  und  beispielsweise  einer  feinen  Dame  Dabei 
schüttelt  er  den  '^anz^^n  Arm  mehrmals  gehörig?  hin  und  her. 
Gewöhnlich  behält  er  im  ersten  Moment,  auch  bei  dev  Vor- 
stellung den  Hut  auf.  Nur  vor  hohen  l'erstuilK  likeiten  lüftet  er 
iiin  ein  wenig  uml  macht  eine  leichte  Verbeu^unj;.  Eine  Um- 
armung findet  nie  statt,  seligst  zwi.schen  den  nächsten  Verwandten 
nicht,  daran  würde  schon  die  breilkrämpige  Kopfbedeckung 
hindern.  Erst  zögernd  wird  diese  abgenommen. 

Der  erste  Gruss  heim  Eintritt  in  die  Stulje  heisst  im  AlU 
gemeinen  cguete  Morje  t  güete  Tä !  güeten  Uwe  1  (Abend)», 
eni\ve(ier  tonlos;  oder  nachdrücklich  mit  starkem  Ton  auf  dem 
Adjektiv.  Weitere  Grösse  sind  «buschur»  (frz.  bonjonr)  und 
dhälf  Gott  !»,  letzterer  mit  dem  Gegengruss  «dank  Gott  !», 
beide  mit  dem  Ton  auf  dem  Zeitwort.  Auch  die  Begrnssung 


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—   143  — 


des  EÜDlretenden  mit  twHIkomml»  ini  öblicb.  Daran  reiht  sii:h 
sogleich  die  Frage  uach  dem  BeGnden:  twie  gelit's?  wie  geht's 
dänu  als  bi  i?  (euch)».  Die  Antwort  lautet  entweder  direkt  und 
sinngemäss,  oder  ausweichend  cwie  wurd's  gehn?  wie  mer's 
tribt !  I  iii^'sain,  \vi  s  Guld  koiniiit !  N\ann's  noch  besser  gän^'l, 
köant  i  $  bal(d)  niin  üsfülirei».  Veraltet,  aber  von  Leuten,  die 
zu^^leich  ihre  französist  hon  Kenntnisse  an  den  Tag  le;:en 
wollen,  noch  pTn  scherzweise  ^T'braucht  sind  die  Fragen  : 
<rcuni!i»on'  <;"«  \y.}\\  ti  '  c'i  wall  Ii  hien?»  «Wnfl  ti»»  isl  dns 
fr;inzi»si<che  «va-l-ilv  mit  ^frhnzhatlei  Anlciiniinj;  au  «.Wadel» 
=  Schwanz.  Ist  der  l'jntieleiidti  hei  Sehrieewetter  mit  Stümet' 
bedeckt,  su  wird  er  untehlbu-  mit  dem  Ausruf  «do  kommt 
jetzt  e  Schneemann  1»  begrössl.  Will  der  Bauer  ausdrfteken, 
dass  er  den  Besuch  der  betreffenden  Person  schon  lange  er- 
wartet hatte,  so  sagt  er  :  «Kommen  er  (Ihr)  au  zCkees  (uns)?»  \ 
oder  cdis  isch  jeti  schier  ienie  fremds !».  Wenn  der  Gast  nicht 
sicher  ist,  dass  er  in  das  richtige  Haus  geriet,  so  fragt  er 
«bin  i  do  erächt?»»  worauf  ihm  unfehlbar  die  Antwort  wird: 
«demnoch  as  er  zfie  ieme  welle!».  Tiitl  man  Morgens  in  eine 
nnordpntiirhc,  noch  nicht  anfgerfiumtp  Stube,  so  hei-^^t  es : 
«jet/  rnüen  er  awer  d'Füess  lü|>ti')>I.  ün«!  wctm  der  Eintritt 
in  dl»'  Stube  während  des  Rssens  ütattfanii,  >o  entbietet  der- 
Anl^unmiling  den  Gruss  asäi  s  i  (segne  es  Euch)  Gottl»,  wo- 
rauf er  zur  Antwort  erhält  «dank  i  Gott  !»  Im  ^Vinter  sagt  der 
eintretende  Gast  regelmässig  bei  der  Einkehr  in  die  warme 
Stube :  «do  isch  besser  as  dOsse  !f ,  und  es  wird  ihm  unfehl* 
bar  die  Entgegnung  «dQssen  isch  kalt!»«  oder  «um  e  Hutzel» 
d,  h.  es  ist  hier  um  so  viel  wärmer,  wie  wenn  man  einen 
«Mutze»  mehr  anhalte. 

Nachdem  obligaten  Händeschütteln  ergeht  die  Auffurderung, 
Platz  zu  nehmen:  «sitze!  (setzt  Euch!)»,  worauf  der  stereotype 
Bescheid  erfolgt :  «ich  hin  nitso  rnüed  '  (^der  ocich  steh  grösser !» . 
Ueber  dir  H»'wirtun^r  v^l.  den  folj;entlen  Aufsatz.  Als  erster 
Gc^liräfli-  t.if!  dient  d.is  Wellei'.  Der  Ga?jtgeber  leitet  die  Un- 
ter iiailuni:  cm  mit  den  Wurten  .  «Ihr  bringe  .M  li(»n  (wüest,  . 
Räje-,  Sclmee-,  Winter-,  Sommer-  etc.)  Walter  mil  l».  Der 
Gast  bejaht.  Oder  letzterer  fängt  selbst  vom  Wetter  an,  indem 
er  zugleich  den  Kopf  flüchtig  nach  dem  Fenster  wendet.  Daran 
knüpfen  sich  dann  atigemeine  Reflexionen  über  das  Wetter,  die 
gewöhnlich  in  eine  ganze  Reihe  von  Bedingungssätzen  einge- 
kleidet sind. 

Die  .'Ansprache  der  Bauern  ist  allgemein  folgenden  Re- 
geln unterworfen.  Altersgenossen  aus  demselben  Dorf  duzen, 
einander,  ebenso  ledige  Bur.schen  und  Mädchen  ohne  Unter- 
schied auf  das  Dorf.  £rwach.«ene  aus  verschiedenen  Dörfern 


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—    144  — 


sa^^en  einander  *  Ihr  u.  Dasselbe  ist  der  Fall  von  jüngeren 
1  Bauern  alleren  Dortinsas^en  gegenüber,  falls  der  Unlei'schied 
mindestens  15— '20  Jahre  betragt.  Kinder  sagen  zu  ihren  Eltern, 
Gro8;?ellern  und  bojahiien  Vpr^v^^(l^en  schon  vom  frühen 
Kinde^alfer  ui  «Ihi"  ).  i''<!(»('h  koimuen  hi»^i"  \ n-^nahuien  vor. 
I)ei-  Vater  winl  «<  Vnttet  n  die  Multei-  «Müellei'i>  udei'  ^  Mielter  », 
der  Gros5>vator  üGiovatter»,  die  Grojäsmutter  «  Grossn»ielter » 
^^jjder  «Grusli»  genannt  und  so  angesprochen.  Die  Worte  «Papa» 
^nd  <(Muina»  gehören  bloss  dent  zartesten  Kiudesulter  an.  Sind 
mehrere  Generationen  unter  demselben  Dach^  so  heisst  der- 
jenige  Vater  bezw.  Grossvaler,  der  in  der  Kleinstube  wohnt . 
«der  Kieinstubvatter  1,  die  Grossmulter  cd'Kleinstubmietter». 
Der  Bauer  duzt  ferner  seine  sämmtlicheo  Dienslbolen,  welche 
den  Hausvater  mit  «Bär»,  die  Ilausfräu  mit  «Frau»,  seltener 
«  Bas  »  anreden,  z.  B.  «  Bär,  seil  ich  jeU  ans|>anne?  Frau,  der 
Bür  het  gsait,  Ihr  seilen  au  nüskonimen  ins  Grunil>eerestück !  > 
Diese  Anrede  würde  sich  ins  H()<"hdetit<(  Iip  übersetzt  sehr  ko- 
nii'Ärh  aiisixdimen.  Endlich  werden  enti'ernlere  Vei  waiidte  jeibMi 
Alters  mit  aVetteri»  oder  «Bäsj)  angeredet ,  z.  B.  Vetter  Hans» 
Bäs  Grel. 

Zu  lieuHlen  Leuten  aus  dem  Herrensland  von»  20. — 25.  Jahr 
ab  sagt  der  Bauer  cSie».  Er  spricht  sie  an  mit  «Herr», 
insbesondere  auch  den  Pfarrer,  den  Lehrer  (Herr  ScbQel- 
meister)  und  bisweilen  den  BOrgermeister  (Herr  M&r,  frz. 
maire).  Seinesgleichen  spricht  der  Bauer  niemals  mit  «  Herr » 
an.  Herren>PersQiien  weiblichen  Geschlechts  gegenQber  wird 
nicht  selten  jenes  «Sie»  mit  der  3.  Pers.  Sing,  angewandt: 
«Ah!  güete  Tal  Koniml  sen  (Sie)  au  zue  es  (uns)?».  Frauen 
werden  in  der  Rej^el  mit  «Madam  »,  Jungfrauen  mit  «Mamsell» 
angeredet,  Betonung  auf  der  ersten  Silbe.  Sehr  eigentündich 
klingen  solche  Zusammen.stellimu^en  wie:  «Madam  Kontrol^r, 
Madam  Amtsrichter^  Madam  iJokter  x>,  und  nicht  minder  unge- 
wöhnlich: Madam  Baron  un*l  «Madam  Gial  9.  Eine  Aus- 
nahme macht  tiie  PfaiTtrau,  welche  « Frau  Ptarrere »  genannt 
wird.  Die  Praa  des  Lehrers  faeisst  c  d^SehfieUrau »,  die  des 
ßargermeisters  bisweilen  «Frau  Mire»,  das  französische  maire 
mit  der  Dialekt-Endung  -e  =  hochdeutsch  -in.  Bauern 
vom  alten  Schlag  reden  alle  fremden  Herrenleute  ohne  Unter- 
schieii  mit  «  Ihr  »  an. 

Erzählt  der  Bauer  eine  Geschichte,  so  setzt  er  stets  seine 
werte  Person  voran.«,  er  sagt  regelmässig  « ich  un  dü »  oder 
«ich  un  är».  Diese  Unhöflichkeit  hat  Anlass  gegeben  zu  fol- 
gendem Reimspruch,  den  man  in  vielen  Dürtern  hören  kann  : 
«ich  un  dü,  uns  Becke  Küh,  uns  Müllers  Stier,  sin  ihre  vier». 

Wenn  im  Laufe  des  Gesprächs  der  Bauer  sich  über  etwas 


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informieren  will,  so  sucht  er  .sich  voralleiu  zudecken  und  den  An- 
schein *ler  ünwi.ssenheil  zu  verbergen.  Er  thut  dies,  indem  er  die 
FrüHre  mit  der  Formel  einleitet :  « jetz  müess  ich  au  dumm  froeye 
(fragen) . .  .j»  Hat  er  etwas  dem  Wortlaut  nach  nicht  genau  ver^ 
.standen,  so  fräj^t  er:  cwa  ?» Ist  ihm  der  Sinn  unklar  {geblieben,  !$o 
fragt  er :  «  was  han  ihr  jetz  gsait?  —  xei  g)  sauye  (sagen)  dis 
noch  eniol,  dasä  ichs  au  versteh  !  »,  Niesst  jemand»  so  sar(t  man  : 
«  \V  Iii  hekomin's  !  »  (Antwort  :  «niersü»)  oder  «  häll  i  Gott !  j» 
(Antwort :  a  dank  i  (lott  I  »).  Zu  Kindern  sagt  man  «  Gott^äjele !  i>, 
das  Deminutiv  von  Golte.ss+?gen. 

(ilaubf  der  Bauei*,  jeninnd  fluri  Ii  W.  rtc  iiiiaii-t'nchiit  ^i'- 
wonien  zu  --ein,  besonders  weim  die.>e  «lic  \ «  i  uiejullii  Ii«-  Wahr- 
heit eni hielten,  so  entschuldiii;l  er  sich  mii  den  Worten  «.  Nix 
tiu  unuüetlö,  wozu  <lie  Erwiderung  in  «1er  llegel  lautet  «ganz 
un  gar  nitl».  Will  er  von  jemand  Platz  gemacht  haben,  oder 
schreitet  er  in  belästigender  Weise  vor  ihrn  weg,  so  sagt  er  : 
Excüse!  »  (frz.  excusez)  oder  mit  scherzhaftem  Anklang:  «sechs 
Kuhfuess!»  (sechs  Kuhfüsse). 

Wenn  der  Bauer  für  etwas  zu  danken  hat,  so  1  er  : 
«mersil  mersi  au!  mersi  vielnioLs  !  jetz  sauy  (sagei  ich  au  vielmols 
mersi !  jetz  sauy  icli  au  Dankl  jetz  bedank  ich  mich  au  I  ».  Will 
er  eme  Gabe  oder  eine  Getalligkeit  als  uneiit;;<*ltlich  angesehen 
wissHii,  sai^t  er  duTninschlin  :  «mersi  —  wann  s  nix  kost!  » 
Das  ho*  hdeutsclif  kiiizr  'llanki'  o  ist  nicht  gebräucidich,  je«ioch 
pHegl  man  kleine  Kmdtr  die  Formel  «dank,  dankelel»  zu 
lehren.  Der  galante  Geber  enlscliuldigt  sich  md  folgenden  Aus- 
drücken :  c  für  dis  nit !  ohnen  Ursach  !  s  iscb  nit  Ursach!  s  isch 
gäre  gschähn  I  jo,  dis  isch  nit  der  Warth  f  jo  mache  Sache  Ii». 

Ist  die  Abschiedsstunde  gekommen,  so  sieht  der  Gast  nach  der 
Wanduhr.  In  der  Regel  entschuldigt  er  auch  seinen  Weggang 
mit  der  vorgerückten  Zeil.  Nach  mehreren  vergeblichen  Ver* 
suchen,  ilni  /iii  ückzuhalten,  trägt  ihm  der  Gastgeber  Gnisse  an 
die  Familie  aut  :  ^Grüsse  mer  euer  Lit  !  Viel  Gompiimenten 
an  euer  LitI»  und  ähnl.  Die  Antwort  lautet  stets:  «mersi,  ich 
will  s  üsrichte».  Der  pi^'^entlicltf^  Alischiodsgruss  ist  dersellx*, 
wie  der  Gi  uss.  Als  lirsduderer  Si  bei  I«  - m^s  jedoch  noch  im 
Gebiaucb  i<  Iduiel  i  (ii^Kl»  mit  rlei'  Anlwoit  :  «dank  i  Gott!», 
lerner  «adje»  oder  «adjes»,  das  t'rz.  (cadieu»,  un*l  bei  Nachtzeit: 
«güet  Nacht I»,  dieses  stets  mit  dem  Tun  auf  dem  Hauptwort. 
Stehende  AusdrQcke  sind  ausserdem  noch  :  cKomme  güet  heime! 
läwen  als  gsund  1  halten  i  güet  I».  Die  offizielle  Einladungsformel 
des  Scheidenden  zum  Gegenbesuch  lautet :  ' c  Kommen  au  bal(d) 
züe  unsl  jetz  können  er  mache,  dasser  au  bal  züe  uns  komme  I». 
Will  der  Scheidende  in  kurzer  Zeit,  das  heisst  spätestens 
am  selben  Tag^  wiederkommen,  so  sagt  er  «adje  derwiüji. 

10 


—  146  — 


Der  briefliche  Verkehr  ist  dem  Bauern  ein  Greuel.  Der 
Bauer  vom  alten  Schlag  holt  den  Kalender  hervor,  worin  er 
Briefpapier  und  Briefschetde  aufbewahrt  hat.  Dann  nimmt  er 
die  Feder  in  die  linke  Hand  und  legt  sie  in  umständlicher 
Weise  «wischen  den  Finfiei  n  der  rechten  Hand  zureclit.  Das 
Tinterilass  wird  j;eschfillelt,  die  Feder  ein^fetaucht  und  dann 
auf  tlem  Kalender  prohirt,  ob  der  Slahlschna}«*!  auch  iieht  und 
ol»  die  Tiritf  nicht  zu  ff  weiss »  ist.  In  E'i  manj.'eluri;^  von  Tinte 
wird  oft  HI;lu\^•i^^;Ker  i^>'l>iaucht.  Jetzt  j^eht  es  an  die  schwie- 
rig»^ Aiil-  ilii'.  .leiiev  Hriel  beginnt  uiil  d'*n  Worten  o  Ii  li  rr- 
;:reik*  div  Feiler»  o<ier  «Mit  vielen  Schuierzen  (mit  gros.ser 
Freude)  ergreife  ich  die  Feder,  um...»  Die  Anfangshuch- 
stuben  jeder  Zeile  werden,  wie  in  Gedichten,  meist  gross  ge- 
schrieben. Der  Schluss  des  Briefes  lautet  regelmässig  «Jetzt 
endige  ich  mein  Schreiben  und  {rrüsse  Euch »  oder  ähnlich. 
Jedoch  muss  besonders  hervorgehoben  weitlen,  dass  die  jüngere 
Generali(»n  gewandter  im  Schreiben  ist.  Die  Ueberschrill  der 
Liebesbriete  lautet:  Meine  Verehrtesle  im  Herzen»  oder  «In- 
niggeliebter meines  Heinzens  »  u.  ähnl. 

Attch  im   Wirtshaus  hat   der  Tituer  seine  Fi;^eiin'  Fr 
setzt  den  Hut  gewöhnlich  nicht  alt.  FUMlru  htig  trinkt  er  sein  liier 
und  unterhält  sich  ü\\er  alh  rlci  Diii^c  gewohnlich  ülier  Wetter 
odei  Politik.  Da.s  lanilesübliclie  Zaiden  von  Tournees  ist  zwar  dem 
Bauern  bekannt,  aber  da  es  Geld  kcstel,  geht  er  gewöhnlich 
erst  in  höherer  Stimmung  daran.  Fremde  dagegen,  Geschäfts- 
männer und  besonders  «  Herren  v  macht  er  gern  auf  diese  An* 
standspflichl  aufmerksam.  Nicht  selten  gibt  sich  der  Bauer  dem 
Kartenspiel  hin  und  dann  mit  Eifer.  Verliert  er,  so  schimpft 
er  über  sein  Pech  ;  gewimil  er,  so  ist  es  sein  eigenes  Verdienst : 
<rTmm|if!  und  Trumpf*  und  noch  einmal  Trunipt!  Habt  Ihrs 
jetzt  gesehn,  wie  man  spielt  ?»  —  betrügen  im  Spiel  gilt  nicht 
als  unehK-fiiKift ,  !»  r  Bauer  legt  ganz  olTen,  unter  den  Augen 
seiner  Milsinoit  i   die  Buben  zusammen  und   mischt  so.  dass 
diese  zusamuHiibleilK'ii.    Die   andern  scJiauen  gleichgidtig  zu 
und  machen  nacliher  «lasseibe.  Wem  es  jiciingl,  der  gilt  als 
geschickt.  Dem  Andern  in  die  Karten  zu  sehen,  wiixl  für  eine 
Schlauheit  gehalten.  Und  als  bestmders  forsch  gilt  es,  auf  den 
Tisch  tu  schlagen,  dass  die  ganze  Wirtsstube  erdr&hnt  und 
dass  die  Karlen  ganz  verlx^n  werden. 

Bekommt  der  Bauer  Streit,  so  schlägt  er  selten  gleich 
drauf  los.  Er  sucht  seinen  G^pier  zum  Aii;.ri(T/.u  reizen.  «Was 
Witt  dü  mit  mir,  hine?  witt  eps?  Sa(g)I  redsch  nit?  witt  glich 
Antwort  gän  ?  »  Gibt  der  Gegner  Antwort,  so  sagt  jener  :  «  was 
witt'*  witt  s  Mul  halten  oder  ich  schlä  der  druf!  ».  ..  Jeder 
geht  mit  dem  Gesicht  nahe  an  das  des  Geguers,  ein  W'ort 


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—   147  - 


das  andere,  und  su  koiiuiil  etf  zum  Jiluiul^emen»jfe,  de^^n 
F'olj^en  (»It  Messerstiche  und  jielährliclie  Verwuinluni^t-n  sind. 
Es  iät  ullgeineio  Usus»,  dem  heinikeiu'enden  Gegner  im  Dunkel 
der  Nacht  aufkubuern»  ihm,  wie  man  sagt,  auf  den  Weg  zu 
stehen/ 

Im  Allgemeinen  kann  man  wohl  sagen«  öass  lieim  hanauer 
fiauern  vielfach  recht  eigentümliche  Anstandsbegrifle  herrschen, 
Al)er  seine  derbe  Ausdrucksvveise  atmet  den  reinen,  frischen 
Dutt  unverfälschter  Natur,  während  die  höflichen  Plirasen  des 
«Gebildeten»  nur  gar  zu  oft  jenen  künstlichen  Parfüm  aus- 
hauchen, der  sonst  einen  univequemen  Dunst  zu  verdecken  pflejit. 
S(i  spiegelt  su  h  in  'meinen  (  I^^^'t^^'■sf"nJ•mpn  (Um*  ijarr/<'  \'nlks- 
charakler  des  Hauauets  wiecier.  Kjomm  utui  rrdlit  Ii,  ,irt>eüi?aiii, 
zfd),  hieder  und  keruliaft,  —  steht  er  vor  uns,  zu'ileich  ein 
köstliches  Gemisch  von  Stuiz,  Verschlageobeit  und  Misstrauen 
mit  Bescheidenheit,  Einfah  und  Treue. 

'2.  Bei  Tisch. 

So  wie  der  hanauer  Pmei  in  allen  seinen  Handlungen 
eine  '^'evvisse  Ordnung  beobachtet,  so  hefoljjl  er  auch  im  Essen 
und  Trinken  feste  Hegeln.  AU  Typus  wählen  wir  die  Uaupt> 
utahizeit,  das  Mittagessen. 

Je  nach  der  Grösse  der  Familie,  nacii  der  Gevvuhniieit 
dl*-  Hid^s  oder  dem  Geschmack  des  Bauern  sitzen  die  sämmt- 
heben  Huushaltunjfsmitglieilei  ua  einem  Tisch  vereint  oder 
an  getrennten  Tischen.  In  letzterem  Falle  befinden  sich  die 
Dienstboten  und  die  Familie  des  fiauern  je  an  einem  besonderen 
viereckigen  Tisch.  Runde  Tische  sind  selten  und  meist  modern. 
Ist  die  Familie  klein,  besteht  sie  bloss  aus  2  oder  3  Mitgliedern^ 
so  nimmt  sie  wohl  auch  Platz  an  einem  sog.  Aufhänge! isch. 
Dieser  ist  an  seinem  einen  Ende  t)evve^li(h  so  an  das  Get.-del 
der  Wand  befestigt,  dass  er  in  die  Höhe  geklappt  werden 
kann,  wobei  dann  das  Untergp^fell  der  andern  Srito  auf  die 
aufgeklappte  Tisrhplatle  berniedeitallL  In  diosi-r  Stellung 
wird  der  Ti.-'  li  Keim  Nichtgebrauch  dunli  einen  l»it^;^el  fes!;:e- 
halten.  Im  Soiimiei  e>sen  in  vielen  Gidiöften  die  Dienst lioteii 
im  Hausflur.  Aucli  kommt  es  wohl  vor,  dass  ein  ledij^ei  Ver- 
wandter oder  die  Eltern  an  einem  getrennten  Tisch  essen, 
während  der  Bauer  mit  seiner  Familie  und  den  Dienstboten 
an  ei  n  e  m  Tisch  speist.  Gewöhnlich  aber  sitzt  die  ganze  Familie 
mit  Cinschluss  der  Dienstboten  am  nämlichen  Tisch  vereint. 

Der  Bauer  sitzt  oben  am  Präsidium  auf  der  Bank,  so  dass 
er  die  Stubenthür  im  Auge  hat.  Wenn  die  Familie  vollzählig 
ist,  verteilen  sich  die  Plätze  wie  folgt:  zur  Rechten  des  Bauern 


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148  — 


.siizen  der  Uoilie  nach  der  Grussvater,  die  GrossmuUer,  dann 
die  Hausfrau,  ev,  mit  einem  kleinen  Kind  auf  dem  Scho$s  oder 
neben  sieb  auf  der  fiank,  dann  die  erwachsenen  Töchter.  Links 
vom  Hausvater  nehmen  die  erwachsenen  Söhne  dem  Aller  nach 
Platz,  dann  der  Oberknecht,  der  Miltelknechl,  der  Bossbub» 
die  Magd,  die  Kleinmagd.  Am  Sonnta^^  behalten  die  männlichen 
Tiscli^^eiiossen  wfdirend  des  b:$sens  den  Hut  auf,  die  weiblicheD 
faaijen  die  Scldautkappe  angelejrt. 

Ein  Tisclituch  gibt  es  gewOhnlicii  nicht,  güni>tigen  Falls 
aller  ein  \V.n  li<hich,  \velrJit'<  leicht  zu  w.-tschen  ist.  Ehen  so 
wetiii;  uenieii  Scfvietteu  henützl,  fidtzdein  dt»i'  Vorrat  der 
Hautri nliituen  oft  r.v  hl  gross  ist.  Blo.ss  lur  llern^uleute  macht 
man  eine  Au>iiahine.  Das  Essen  wird  aufgetragen  von  der 
Frau.  Vor  der  Mahlzeit  spricht  der  Hausvater  ein  kuizes  Tisch- 
gebet. Sobald  die  ganze  Familie  versammelt  ist,  wird  der  idib 
ßrot  herumgereicht.  Jeder  schneidet  sich  der  Reihe  nach  ein 
Stfick,  welches  gewöhnlich  nicht  klein  ist,  denn  der  Bauer  isst 
gern  Brot.  Früher  war  es  das  Vorrecht  des  Hofbauern  und 
seiner  Angehörigen,  ein  «Humstni  k»,  ein  Stück  am  Laib  hinten 
herum  zu  schneiden,  das  (lesinde  durfte  sich  dies  nicht  erlauben. 
Sogleich  winl  das  Stück  Brot  von  einem  jeden  mit  den)  Messt-r 
zerkleineii  und  auch  während  doj-  .Mahlzeit  wird  je<lei'  Bis-en 
geschnitten,  nicht  gel»io<  hen.  Das  Messer  lu  ingt  sich  jeder 
seiher  mit.  Vor  der  Benutzung'  wird  die  Kliii-e  ;)n  der  Hose 
oder  am  Bock  abgeputzt  und  gewohnlicli  noch  einuKil  zwischen 
Zeigefinger  und  Daumen  ahgewisehl.  In  der  Regel  gibt  es  Ix-im 
Mittagessen  bloss  einen  Gang»  der  denn  auch  in  einer 
Schä.«sel  aufgetragen  wird,  welche  die  Mitte  des  Tisches  ein- 
nimmt. Ist  Fleisch  dabei,  so  befindet  es  sich  gleichfalls  in  der 
allgemeinen  Schüssel.  Gewöhnlich  wird  aus  der  gemeinsamen 
Schüssel  gefressen,  wenn  es  kein  Fleisch  gibt.  Nur  in 
diesem  Falle,  und  wenn  es  Fleischsnppe  oder  Häring  gibt,  issi 
jeder  ;miI'  seineni  Teller.  Das  Brot  in  der  Suppe  wird  oft  mit 
der  Gnbel  in  ih^r  linken  Hand  auf  den  Lötlel  gelegt,  damit  e'* 
sciineller  gehl.  Die  Speiden  ritis  rief  «iemeinsamen  Plntfe  werden 
mit  dem  LöHel  gegessen,  wrnii  <if  lli'is^ig  odei"  lial Ml ossig  sind^ 
z.  B.  Mihh  oder  Erl)sen,  wuhei  jedesmal  dei  l.iillel  jni  dem 
Bande  tier  Schüssel  abgestreift  wird,  damit  uichls  auf 
den  Tisch  tallt.  Feste  Speisen  weiden  mit  der  Gabel  genononen, 
z.  B.  Sauerkraut  o<ler  Salat.  Die  Gabel  wird  mögliehst  voll 
geladen  und  daher  beim  Sauerkraut  oder  Salat  mehrmals  in  <lie 
allgemeine  Portion  eingestochen.  Auch  wartet  man  nicht,  hh 
jede  Gabel  voll  hinuntergeschluckt  ist,  sondern  sobald  der  Bissen 
im  Mund  ist,  wird  sogleich  die  Gabel  von  neuem  beladen  und 
wartet  dann  des  Augenblicks,  wo  ein  Teil  des  Bissens  hinab- 


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^'cylitten  ist,   um  liirerseits  zum  Mumie  ^^elülirt   v.n  kIiik 
Diese  Gewoliulieit  fällt  selbst  dem  Bauein  auf,  bu  da^??  mau  ihn 
fol<zendes    Rätsel    auf^'^elien    hört  :    «Wie  soll   man  Knöpfle 
(Mehlkiösse)  essen?»  Die  Auhvort  lautet :  «Eins  im  Mund,  eins 
auf  der  Gabel  und  eins  im  Aug^e»  —  nämlich  jedesmal  das 
grösste  aus  der  Platte.   Mit  dem  Messer  wird  aus  der  gemein- 
samen  SchQssel  der  weisse  Käse  gelioit.  Gibt  es  Pellkartoffeln, 
so  schält  sich  jeder  seine  ganze  Portion,  oft  10^12  StQck,  zum 
Voraus  und  legt  sie  auf  den  hianken  Tisch.  In  manchen  Häusern 
wird  ein  grobes  wirkenes  Tischtuch  gedeckt,  so  oft  Pellk  u  fofleln 
gemessen  werden.    Ks  ^^eschiehl  dies  nicht  etwa  der  Sauberkeit 
halber,  denn  solche  TischtuchiM-  sehen  meistens  nichts  \veni;jor  als 
rnitdicli  aus,  sondorn  wp^on  der  Be(|uemlii  likn-if    Es  ist  nämlich 
^aiiz  praktisch,  ti.K  h  Hcnuli-iu)^  des  Kssens  alle  KartofTelscIialen 
einfach  im  Tist.hlucb   we«iZUtra<reü,   tu  welchem  auch  etwaij,;e 
KarloHelreste  leicht  eintrwrknen  und  dann  von  sell»st  abfallen, 
während  letztere  von  der  blanken  Tischplatte  oder  von  einem 
Wachstuch  ungleich  schwerer  zu  entfernen  sind.    Was  nun 
das  fleisch  anbelangt,  so  wird  dasselbe  in  der  Hegel  an  einem 
Stück  aufgetragen.  Jeder  Tischgenosse  schneidet  sieb  der  Reihe 
nach  ein  Stuck  herab.  Er  fasst  die  Gabel  mit  der  linken  Faust, 
sticht  sie  von  oben  in  das  Stück,  das  er  sich  mit  scharfem 
Au,:r  prspäht  bat,  m  '    <  hneidel  es  mit  wenigen  Zfigen  los. 
Er  legt  <las  Fleisch  aul  den  Teller,  zerkleinert  es  weifer,  in<lem 
€1  noch  inimpr  die  Gabel  in  der  linken  Faust  bält  und  führt 
<ln«  lelzlf  ShU  k,  das  in  der  (l.iliel  stecken  bleibt,  <n-lei(  Ii  zum 
Mund.    Erst  dann  nimmt  er  Au.'  (lalK'l  in  die  reclde  H  ind  und 
i.<st  weiter.    Früher,  als  e.->  nucli   bitlzerne  Teller  gab,  uahui 
jeder  der  Reihe  nach  das  ganze  Stück  Fleisch  auf  seinen  Holz- 
teller, schnitt  sich  die  ihm  zukommende  Portion  herunter  und 
gab  es  dann  dem  Nachbarn  weiter.  Das  Gemüse  wird»  falls  es 
Fletsch  und  in  Folge  dessen  auch  einen  Teller  gibt,  mit  der 
Gabel  oder  dem  Löffel  aus  derSchOssel  auf  den  untergestellten 
Teller  herausgescharrt.    Befindet  sieb  am  Fleich  ein  Knochen, 
so  wird  diesem  eine  ganz  besondere  S  .i-i  ilt  zugewandt.  Ziieist 
wird  ganz  groi»  das  Fleisch  mit  allen  VVeichteilen  losgelöst  und 
<lie  Knorbenbaut  abgeschabt,  dann  diingt  der  Esser  mit  der 
Spitze  des  Messers  in  die  Fugen  und  Winkel  des  Knochens 
ein    und  saugt  ihn  von  allen  Seilen    ui-^.  damit  kein  bischen 
Mark  verloren  geht.    Ein  solcher  ivnotben,   l>eispielsweisi'  ein 
Wirbelknocben,  ist  wie  von  einem   anatomischen  Präparator 
zierlich  hergerichtet,  es  bleibt  auch  nicht  ein  hXom  essbarer 
Substanz  daran.   Recht  charakteristisch  ist  in  dieser  Beziehung 
der  allgemein  gebräuchliche  Ausdruck :  «e  Knoche  süfer  mache» 
=  abnagen.   Der  abgenagte  Knochen  wird  nun  entweder  auf 


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—  150  — 


den  Tisch,  unter  den  Rand  des  Tellers  gelegl,  oder  einlach 
11  n  t »' r  fleii  Tisch  ijewoi  fen,  wo  er  eine  willkommene  Beule 
dei  Haujikalze  ist.  Im  Allgeineitien  läst  der  Rauer  und  nament- 
lich der  Dieii>ll)«jte  immer  mit  vollem  Mund,  er  knut  mit 
angefüllten  R.k  ken.  Seine  Haltung  bei  Tiscli  ist  seiir  beijnem, 
gewöhnlich  legt  er  Leide  Arme  breit  auf  den  Tisch.  Braucht 
er  den  Löffel,  so  wird  der  rechte  Ellbogen  fest  aul't^eslemmt. 
Das  Einnehmen  der  Speisen  und  Flüssigheiten  geschieht  mit 
hörbarem  SchiQrfen,  das  Kauen  oft  laut  und  gerftuschvoll. 

Was  nun  das  Trinken  anbelan>(t,  m  erfolgt  es  gewöhnlich 
aus  ein  und  demscllien  Glas.  F>s  wird  aus  dem  nandi<dien 
Krii^iol  eingeschänkt,  welches  der  Bauer  selbst  im  Weinkeller 
{^•'tnllt  hat.  Ist  die  FHmilif»  j^ross,  nd«*f'  hat  der  Bauer 
deuj  Gosinde  eine  besondere  \Vf»ins<>rfe  /.u^C(l:irht,  so  stehen 
zwei  Krügcl  und  tol;/lifh  aucli  zwei  Gliiser  aiit  dem  Tisch. 
Das  Glas  wird  zuerst  voui  B.uiern  einj^escliaiikt  und  }.'eleert. 
Dann  tidlt  er  es  wieder  und  gibt  es  zu  seiner  Rechlen  weiter. 
Das  Krügel  zirkuliert  mit,  aus  ihm  giesst  jeder  seinem  Nacbl>ar 
das  Glas  voll,  gleichviel  ob  dieses  ganz  oder  nur  theil weise 
geleert  ward.  Vor  dem  Trinken  wischt  sich  jeder  mit  dem 
Handrücken,  wohl  auch  mit  dem  Aermel,  von  der  Seile 
her  den  Mund  ah.  Oft  wird  mit  vollem  Mund  getrunken.  Ist 
die  Runde  vollendet,  so  wird  von  neuem  an^efan^en^ 
und  das  leere  Ki-ögel  wird  vom  Bauern  seihst  wiederum 
gefidll. 

Der  Teller  wird  mim  Kndf  der  Mahlzeit  ^iit  -»><;iiiliert, 
mit  Brotslücken,  welche  au  der  Gabel  betVsti^i  sind,  nn;:s 
austjekehrt,  besonders  wenn  es  Sauce  j,re}(el>eii  hat,  welche  der 
Bauer  besonders  wertschälzl.  Dann  wird  das  Messer  wieder, 
wie  vorhin  gereinijjrt,  zu^^ekiappt  und  eingesteckt.  Gabel 
und  Löffel  werden  auf  den  Teller  ^e\t^^^i.  Auf  ein  Zeichen  tles 
Einverständnisses  durch  den  Blick,  oft  noch  kauend,  stehen 
die  Dien8tl)oten  auf,  jeder  nimmt  seinen  Teller,  wenn  es  einen 
solchen  gab,  mit  in  die  Küche.  Gewöhnlich  nehmen  auch  die 
Dienstboten' ein  Stück  Brot  mit,  an  dem  sie  noch  lange  herum- 
knuspern. Will  jemand  Wasser  trinken,  m  trinkt  er  aus  der 
«Krüch»,  dem  j^emeinsamen  Wasserkrujj;.  Ort  bleibt  der  Bauer 
Reihet  rifxh  «»in  Weilchen  sitzen  und  leistet  sirh  n*^v\i  ein 
Gl;i-t  ht'n  Wein  mler  stochert  in  den  Zähnen  iiei'uin.  Wenn 
der  T\«  h  "autVoliidu^n ab<?eräunit  ist,  ki>nimt  die  Ma^^d  und 
kehlt  ihn  mit  dein  iiandheson  und  durch  Scharren  mit  der 
Hohiliand  ab.  Während  der  ganzen  Mahlzeit  wird  gewöhnlich 
kein  Wort  j^esprochen. 

Der  Hanauer  ist  in  hohem  Grade  gastfreundlich. 
Bekommt  er  den  Bettuch  eines  lielien  Freundes  oder  eiues 


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—   151  — 


Fremden,  so  eilt  er,  ein  Krügel  Wein  im  Keller  zu  holen,  ^r 
lädt  sdnen  Gast  zum  Trunk  ein  und  legt  ihm  «ien  Laib  Bröl 
nebst  einem  Messer  zum  Gel)rauch  vor.  Die  Gla-ri-  werden 
frisch  gespült  und  umgestülpt  auf  einem  Teller  gebrachl.  Wenn 
sie  eiuij'eschfinkl  sin«i,  wird  mit  «lern  Worte  «rG'^unilheif «  beider- 
seits angestossen.  Sinti  norh  ander-e  Personen  anwesend,  welch*' 
nicht  trinken,  so  sa^eu  liies."  :  «Wohl  hekoninil's  Iw  Ni*  ht  'ge- 
rade fein  ist  rias  an  «G'suiitlheit  scherzhalt  anklingende  aliunds- 
kaih!».  Veraltet  sind  die  französischen  Worte  «JSanle!»  und  «ä 
la  vOtre !«,  jedoch  sind  beide  Ausdrücke  in  der  korrumpierten  Be- 
zeichnung ((alle  Gebot  Santo  Ii  erhallen.  «Alle  Gehot»,  welches be- 
kannilich  «alle  Augenblick,  öfters»  heissl,  ist  scherzhaft  verdreht 
aus  «äla  vötre».  Gleichfalls  scherzhaft  anklingend  ist  der  Ausdruck 
«alle  Woch  Samsti  !».Istdie  Gesellschaft  (gross,  kann  oder  mag  ein 
einzelner  o<ler  eine  Mehrzahl  von  Trinkffenossen  wegen  zu 
grosser  Entfernung  nicht  anstossen,  so  sagt  der  HefrelVemle 
«s  gilt!»  indem  er  mit  dem  Glas  auf  den  Tisch  aul'slössl. 
Niemals  verlehll  dei-  Gast,  den  Wein  seines  Ga^t^n'hers  zu 
loben  und  sich  nach  »1er  HerknnTt  des  Gewächses  zu  ei  kundigen. 
Kine  geläulige  scherzhafte  Wendung  isl  diese:  «Wann  icii  nninme 
von  «lein  halt,  hits  d  Grnsl  widerkomml!»  d.h.  itnmer,  denn  die 
verstorbene  Grossniutler  kommt  nie  wieder.  So  oft  getrunken 
wurde,  gies^t  der  Gastgeber  nach  und  füllt  das  Glas  von  neuem  auf. 

Was  das  Etn^iessen  selbst  betrifft,  so  schenkt  der  G«ist> 
geber  zuerst  sich  selbst  ein  wenig  ein,  dann  dem  Gast  und 
zuletzt  noch  einmal  sich  selbst.  Sind  die  Gläser  ungleich  an 
Grösse,  nimmt  der  Gastgeber  das  kleinere.  Ferner  i.<t  es 
Brauch,  dass  dieser  weniger  trinkt  und  dazu  noch  dem  Gast 
mebr  zugiesst.  Der  Gast  niachi  beim  Trinken  gern  Umstände. 
Kr  thut  immer  so,  als  wenn  er  nichts  meli!'  haben  wollte  und 
hat  doch  nichts  lieber,  •.\\<  ••h)  gut  Tn)|itch.'n.  Ist  .  -  ihm  aber 
wirklich  ernst  mit  der  .Vii^age,  dann  mmmt  ei  da>  f'ilas  \iini 
Tisch  und  behalt  es  in  d»M'  Hand,  oder  er  deckt  es  mit  der 
Hand  zu,  oder  er  macht  es  noch  praktischer :  er  stellt  das 
leei*e  Glas  umgestQlpt  auf  den  Tisch  und  steht  auf  zum  Weg- 
gehn. Dieses  letztere  Verfahren  ist  wirksam  und  nicht  niiss- 
zuversfehen.  Oer  Gastgeber  pflegt  «lann  nicht  weiter  in  den 
Gast  zu  dringen.  Jedoch  gilt  es  auch  nicht  als  unanständig, 
wenn  dieser  einen  Best  Stehen  lässt. 

(Xt  geschieht  es,  «lass  ein  Gast  während  der  Mahlzeit  in 
das  Zimmer  tritt.  Sein  Gruss  lautet  alsdann  :  «Säi  s  i  Gott  !» 
(Se-iie  es  euch  Gott!).  Die  .Vntwort  heissl:  «Dank  i  Gott!» 
Der  Gastgeber  lässt  <\rh  im  Pässen  nicht  stören,  er  bleibt  ruhig 
sitzen.  Der  pjntretende  pllegl  ^uten  .\j>petil  zu  wünschen,  oder 
er  fragt  «gschmackt  s?i>,  worauf  er  die  .Antwort  erhält:  «Warum 
nil,  wann  er  s  mithalte  welle  ?»),   oder  ihm  scherzhaft  die  Be- 


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-   152  — 


nennuni;  der  Speise  mit  vor^'eselztoin  «wie»  ^iejjeben  wird,  z.  B. 
<';r^chrnarkt  ^V»  —  «\Vi  Sürkrüf  und  Späcklw  Wird  ^'erade 
S<  hw i  iin'ni  is(  Ii  ^jei^essen,  so  erlaul>t  sich  der  Eintretende  die 
lieiiierkunt:;  «du  ^ciil  s  sauniässi  zül».  Alle  Anwesenden  lachen 
über  den  Witz,  obwohl  sie  ihn  .^chon  hundert  Mal  jj'ehört  oder 
selber  gemacht  haben.  Ist  die  Mahlzeit  l^endet,  so  aatworlen  die 
Tisch^enossen  auf  die  Frage  «rgschmackt  s  es  h  t  gschmackt». 
Wird  die  Mahlzeit  eben  begonnen»  so  erwidern  sie  «s  sei) 
gschmacke».  Auch  saj^  wohl  der  Bauer  nach  dem  Essen  scherz> 
haft  r  «wann  er  e  bissl  eh  wärte  komme,  hätten  er  mit  könnte 
halte  —  sauye  d  Sirosburjer».  An  h  jetzt  wird  dem  Gaste  ein 
Glas  Wein  angelwten.  Der  Bauer  IVdlt  zu  fliesem  Zweck  sein 
eij^^enes  Glas  anf  und  übent'K  lit  i>>  mit  den  Worten  :  Tit  h  biin^^ 
s  i!»  oder  «ich  will  s  i  Itrin^i  !)»  seinem  Gast,  \v('trii<»r  mit 
oGsniifUieit  !»  ti  inkt,  \v;ilirt'iiil  die  AfiweM»ndon  ' wohl  lirkomm  s  !» 
Mi)>\V'>j'ten.  Will  dii'  Hau>tiau  artij.^  .sein.  saj^t  sie  ihrem 
Mann  ^rleich  beim  tintnll  des  Gastes  «alle!  bring  s  m!»  oder 
«bring  h  ni  zu  l»  Die  Zurückweisung:  eines  in  solcher  Weise 
antrebotenen  Trunkes  wQrde  als  Beleid i;,'ung  angesehen.  Geht 
d«*r  Gast  vor  Beendigung;  der  Mahlzeit  wieder  weg»  so  sagt  er: 
«alle,  jelz  Ion  (lasst)  s  i  voUs  (vollends)  gschmackeb.  Nimmt 
ein  Gast  die  Einladung  zum  Essen  an,  dann  wird  er  an  den 
Rh  reuplatz  zur  Rechten  des  Hausvaters  oder  gar  an  dessen 
i>telle  selbst  ge.selzt. 

Ganz  }>esonders  anschaulich  sind  im  alten  Hanauerland  die 
•-.iti-'^en  Gasleieien,  wtdi  he  bei  Verschreibunyen,  Htc  lszciten  luui 
kin«Uaulen  jie;;eben  wenli'ii.  Fridier  dauerte  ein  h/.'  it-- 
si  Initaus,  den  ich  jetzt  al.-s  Typus  t^iner  Gasterei  lu -  In ciImmi 
will,  mehrere  Tage  und  oft  genug  cino  Woclie  lang.  Heule  gilt 
es  nicht  mehr  als  fein,  wenn  die  Festlichkeiten  mehr  als  zwei 
Tage  in  Anspruch  nehmen.  Jedoch  pflegt  die  Anzahl  der  Teil- 
nehnier  noch  immer  sehr  stattlich  zu  sein.  Sie  betnlgt  heute 
noch  oft  60^80  Personen  und  manchmal  420—150  und  noch 
mehr.  Dass  es  bei  «>iner  solchen  Menschenmasse  recht  bunt 
zugeht,  isl  erklärlich.  Insonderheit  ist  es  di.-  I'mstandlichkeit 
<ler  Ke^tleilnehmer,  wolchc  ttn^Mo  .\ulineiksamkeit  auf  sich 
lenkt.  Schon  im  Hof  und  vor  dem  Haus  will  niemand  aus  der 
Stelle  Rieben.  Ver^'cbens  fordern  Gasigeber  und  AufwSrterzum 
Kinirjlt   in  du'  S[>ei<eraume  auf. 

Endlit  Ii  >teheu  die  Gäste  in  den  für  -le  b<  vti,iiiiiten  Kauin- 
lichkeiteii.  Dorf  sind  verschiedene  gcti<  iiiile  Tische  für  sie 
gedeckt.  Da  ist  zuerst  der  Herrentisch  für  den  Herrn  Pfarrer, 
den  Herrn  Lehrerund  ihre  Frauen  und  mehrei-e  sHerrenteule», 
denn  solche  fehlen  heutzutage  bei  keiner  Hochzeit ;  und  der 
Bauer  setzt  eine  liesondere  Ehre  darein,  wenn  deren  recht  viele 


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setner  Eialadun^'  ^^>ol^t  sind.  E*'erner  gibt  es  einen  oder  meh- 

lere  Männer-  und  Weiherlisclie,  woran  jedesmal  die  verlieiratelen 
Männer  und  dio  Ft  uicn  ^»^of rennt  sitzen  Fndlich  ist  für  die 
jnn<:«''()  Lviilc,  wo/.u  -^icli  die  Nenverniähltcu  }fesellen,  ein  Ke- 
*ndt„'i  »•!  Ti^i  Ii  da.  Ant  liiese  Weise  wi-i  diMi  nlU«  Stid»en  und 
Kuiniteni  de^  IJuihzeilshiiuses  besetzt  umi  nianclima!  no(li  die 
Ruundichkeiten  «les  Nachbars  in  Ansiiruch  i^enumnien.  Wenn 
e^»  sich  gerade  mit  dem  Wetter  trifft ^  wird  im  Sommer  auch 
wohl  in  der  Scheune  an  einer  einsigen  (grossen  Tafel  gegessen. 
Jedoch  strebt  der  Bauer  dies  nicht  an»  sein  Ideal  sind  recht 
viele  Tische.  So  unterlässt  der  Hochzeitsvater  denn  auch  niemals, 
am  Anfang  des  Schmauses  sich  in  aufl^lliger  Weise  nach  der 
Anzahl  der  besetzten  Tisclie  zu  erkundi;.fen.  Scheinbar  thut  er 
dies,  um  seine  Kärsor;:i'  rur  d.is  leiblirhe  Wold  d»  i  Gäste  an 
den  Taj:  zu  le;,'en,  in  <ier  Ihat  alier  ist  es  krasser  Stolz,  reine 
Henoinniage.  Diese  Eitelkeit  njöjiPii  wnid  sdion  die  alten  Grafen 
von  Hanau-Lichtenberg  auszunutzen  t)eabsi(liti;rt  haben,  indern 
sie  il.»o:  H(M  hzeit>i-Ülin!;]reld  nicht  \on  der  Men^e  des  getrunkenen 
AVeiiiL-,  noch  von  dei  Anzahl  der  Gäste,  sondern  von  der  Zahl 
iler  Tische  erhoben  (vjil.  Kiefer,  Steuern  etc.  in  der  Graf- 
srhafl  Hanau-Lichten herg.  Strasshur«;,  NoirieK  Seite  t28). 

Der  Tisch  der  jungen  Leute,  welcher  sich  gewöhnlich  in 
einem  getrennten  Zimmer  hefindet,  ffiltt  sich  rasch.  Die  Jugend 
ist  nicht  wühlerisch,  jeder  Bursche  nimmt  sein  Mädchen  und 
setzt  sich  bin,  \\\>  es  ilun  ;j:efällt,  die  Schulpflichtigen  und 
Kinder  an  einem  Kndf  d.  r  T  tf»  l  oder  wieder  an  einem  j;e- 
Irennten  Tisch.  Alsbald  ^■^ebl  auch  der  Scherz  und  die  Heiterkeit 
los  unti  treibt  unter  den  Sorjilosen  die  ^lppi^^-f^■n  Blüten.  Ein 
andeies  Leben  treflen  wir  in  der  Ge.sellscbatt  der  Erwac!i-^en>'n. 
N.t(  lidem  beim  c(  Ansitzen»  die  Bedenken  wejzen  der  nabeii  oder 
«--nUernten  Vervvanilthcitalt  aihnählicb  geschwunden  sind,  baben 
die  einzelnen  Tische  sich  endlich  gefüllt.  Sie  sind  alle  sauber 
^l  ileckt,  vor  jedem  Gedeck  steht  ein  liesonderes  Glas.  Neben 
den  get>]umten  Tellern  liegen  Messer,  Gabel  und  LdlfeU  Aber 
daran  kehren  sich  viele  von  den  Alten  nicht,  welche  nach 
herkömmlichem  Brauche  ihr  Taschenmesser  mitgebracht  haben. 
Auch  eine  Taschen;:aliel  war  früher  üblich,  welche  der  Bauer 
in  der  Xebentasche  sichtbar  Irujr,  und  in  deren  Zinken  er,  um 
sieb  nicht  zu  verletzen,  ein  Slück'hen  Rn»t  auf^iespiessl  hatte. 
M:iii  iifloLTf''  l'rnliei'  für  solche  testlirlit-n  rrt'lt';.;etdrf üen  ei;:ene 
Mfc^sci  und  Gabeln  mit  bes<»nders  kunstreich  v^m  tertijrtem  Heft 
zu  ballen.  Messer  und  G'jbel  ^-iinf  «'Xfra  fein  geputzt,  ersteres 
zur  Feier  des  'J'ages  frisch  gescldiUeii,  denn  es  gilt  beule  einen 
scharfen  Slrauss  auszufecbten.  Und  nicht  umsonst  sagt  man  zu 
jemand,  der  ttichlig  Fleisch  essen  kann:  der  hat  ein  scharfes 


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Mess*-r  !  Servielleii  eiiuilteu  nur  Henenleule.  Den  Autwai leüienst 
besorgen  die  Fainilienangehöriijeii  jselbst  oder  befreundete  Per- 
sonen. Als  Mundschenk  fun^ürt  der  Küfer,  der  den  besteo  Wein 
des  Hofes  in  dickbäuchi^jen  Wasserflaschen,  nicht  in  Krügeln 
auflrai^t.  Ihm  erwächst  eine  besonders  schwere  Aufgabe:  er 
hat  die  Oberaufsicht  über  das  ganxe  Trinkwesen.  Er  muss 
immer  auf  den  Beinen  sein,  denn  die  vielen  Hochzeilsleute 
«wollen  etwas  wissen». 

Jetst  hat  der  Herr  Pfarrer  la-^  Tischgebet  jiesprochen,  und 
die  Verteilunji  dei  Siipiie  beginnt.    Al>er  da  gehl  am  .Männer- 
und  Weibertisch  die  alle  Unistandskränierei  wieder  \o<.  Keiner 
will  zuerst  serviert  sein,  und  es  kostet  manchen  wahres  Ki»|.t- 
zerbrechen,  »len  Verwandtschaflsi^rad  festzuslellen,  besonders  wenn 
er  ziUTdli-r  mit  beiden  Familien  in  der  Freundschaft  ist.  Nach- 
dem audi   diese  Klii.[)e  -lückHch  überwunden,   beginnt  das 
Essen,  langsam,  wurdi-,  behäbig,  al>er  mit  erstaunlicher  Ausdauer, 
Auch  hier  will  ich  die  Speisen  nicht  beschreiben.  Die  Art  des 
Essens  ist  im  allgemeinen  eben  so  ungeniert,  wie  im  alltäglichen 
Leben,  wenn  gleich  etwas  feiner.  Wird  es  im  Sommer  zu  heiss, 
so  öffnen  die  Bauern  einfach  ihre  Weslcn  oder  sitzen  hemd- 
ärmlich.  Der  Hut  wird  gewöhnlich  abgelegt.   Mil  besonderem 
Stolz  und  oft  pfle-l  es  das  Ellernpn:ir  zu   betonen,    wenn  sie 
alles  Geschirr  selber  haben  und  nichts  zu  leihen  brauchten. 
Dies  kommt  jedoch  seilen  vor.  Gewöhnlich  ist  das  Geschirr  aus 
der  Verwandtschaff  und  von  den  Naclibarn,  auch  wohl  aus  dem 
Wirtshaus  zusammen-eliehen.  Die  Unterhaltung  wird  bei  Tisch 
bald  laut.  Hecht  [»iill  illig  ist  die  ewige  Umständlichkeit,  obwohl 
es  der  Bauer  eigentlich  gar  nicht  -^o  meint :  «alle»  n&hmen  euch 
doch  noch!»   —   .<Ei,   ich   hab  jo  noch  —  ich  wur  mer 
schon  nähme,  wann  ich  noch  will.  —  Ei,  nähmen  ihr  doch 
i'erstl»  u.  ».  w.  Dagegert  ist  eine  Absage  gewöhnlich  ent- 
schieden :  cNee,  ich  will  nix  meli !  Ich  hab  jetz  genöe  I  Jetz 
hört's  ufU  oder  ähnl.  Eine  besondere  Erwähnung  verdient  noch 
der  Zahnstocher.  Als  solcher  wird  benutzt  —  die  Gabel  und 
das  Messer. 

Nach  Beendigung  der  Mittagessens  niachen  die  verheinlel.  n 
Leute  und,  wo  nicht  getanzt  Vvird,  auch  die  ledigen  —  >iie>e 
.ilsflnnn  petrennt  —  die  Runde  Wi  denjcin-iii  Bauern  des 
Dories,  .iif  zur  (l.isterei  gelatlen  waren.  Die>e  kiedenzen  ihren 
Gästen  \  uia  beslou  Wein.  So  rückt  die  Zeil  tles  N Ii tesseus  heran, 
bei  weicliem  es  womöglich  noch  heiterer  zugeht,  als  am  Mittags- 
tisch. Jedoch  ist  die  Stunde  der  einzelnen  Mahlzeiten  in  den 
einzelnen  Ortschaften  und  auch  bei  den  einzelnen  Familien 
verschieden.  Manchmal  gibt  es  Tiberhaupt  bloss  eine  Mahlzeit, 
die  natürlich  auch  danach  ausfallt.  Man  sagt  dann :  «se  han's 


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in  eim  gän»,  sie  Habens  in  einem  gegeben.  Meisl  gibt  es  zwei 
Mahlzeilen,  oft  aber  auch  noch  eine  dritte  tVuh  Morgens.  Der 
Tanz  fallt  Jiierbei  wesentlich  ins  Gewicht.  Bisweilen  wird  ohne 
Unterbrechung  b]<  -[••it  in  tli«*  Nacht  ^^elanzt,  nicht  selten  :il»er 
auch  in  2  Absätzen,  welclie  gclreniil  .sukI  dnrcli  das  Nachlos>en. 

Am  Ende  jeder  Mahlzeit  wird  ein  Ti  ink^ehl  für  die  Kdcliin 
erhoben.  Oiese  kijinnil  gewöhnhch  in  Begleitung  eines  Autvvürtei'S, 
welcher  eine  drolUge  Geschichte  erzählt.  ][Eine  arme  Frau  bat 
sich  verbrüht  oder  verbrannt.  Sie  hat  ^nen  Arm  oder  ein  Bein 
gebrochen,  muss  jetzt  mit  einer  Krucice  und  einem  Verband 
herumhampeln  und  macht  ein  Kar  jämmerliches  Gesicht. 
Manchmal  ist  der  Aufwärter  selbst  als  Frau  verkleidet.  Wenn 
er  die  Erzählung  beendigt  hat,  geht  ein  gros.ser  Schaumlöffel 
am  Tisch  herum,  in  welchem  Geldspenden  für  die  aüngh'ick- 
liche»  gesammelt  werden.  Dies  nennt  man  «ebs  in  de  Löffel 
gän  »).  etwns  in  lien  Lofl'el  gel>en.  Auch  snnsti;/e  Scherze  werden 
gelnebeu,  und  der  Bauer  lielit  es  nameuUich,  Herrenleute  auf 
seine  «lerbe  Weise  zu  necken.  So  bek  im  ich  einnial  eine  zu- 
gedeckte Suppenschüssel  gereicht.  Niemand  sagte  ein  Wort, 
und  alle  .sahen  auf  mich.  Nichts  ahnend  hob  ich  den  Deckel 
in  die  Höhe  und  heraus  sprang  —  eine  junge  Katze.  Sofort 
erscholl  ein  unbändiges  Gelächter,  in  das  auch  ich,  um  eine 
Erfahrung  reicher,  freudig  einstimmte. 

Die  scheidenden  Hochzeitsgösle  bekommen  in  der  Begel 
noch  ein  Geschenk  mit  nach  Flanse,  in  Gestalt  von  Backwerk, 
Kuchen,  Kn^ielliopl,  «Motz»  «xier  Torte. 

In  ähnlicher  Weise,  wie  bei  Hochzeiten,  gehl  es  auch  bei 
anderen  fVeudi;ien  r.elegenlieiten,  liei  Kindtaufen  und  Konfir- 
mationen, in  kleinerem  .Mass^tah  aucli  Ijei  Ver.^clireibungen  und 
am  Messti  zu.  .\ber  auch  liei  liauri},'en  Anlässen,  bei  Bej^rali- 
nisseo,  fehlt  nie  ein  y^rosserei  .Sciunaus  dir  die  auswärtigen  und 
viele  einheimischen  Lcidtraj^enden,  der  sogenannte  «r.icbtenimbs». 
Wenn  e.s  dabei  auch  nicht  so  hoch  hergeht,  so  iässl  sich  der 
Bauer  im  Essen  und  Tnnken  doch  nicht  beirren.  Ja,  schon 
mehr  als  einer  ist  in  einem  Zustande  nach  Hause  zurückgekehrt, 
der  dem  Ernste  des  Tages  recht  wenig  entsprach. 

Das  interessante  und  wichtige  Kapitel  vom  Essen  und 
Trinken  behalte  ich  mir  vor,  gelegentlich  von  anderen  Gesichts- 
punkten aus  zu  behandeln. 

3.  Liebe,   Verlobung,  Hochzeit. 

Die.Vrt  und  Weise,  wie  die  jungen  Leute  beiderlei  Geschlechls 
mit  einander  verkehren«  ist  im  Hanauerland  ganz  eigentümlich; 
Im  Allgemeinen  lassen  die  Eltern  ihre  Töchter  recht  frub. 


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iiümlirh  j^leich  nach  der  Konfirmation  «aut  die  Gasse».  Eine 
Aufsicht  von  ihrer  Seite  wird  nicht  i.^elTihrl.  So  kommt  es,  dass 
sich  liald  unter  den  jnni^en  Leuten  Liohespaare  ^»^ehilfJot  haben, 
<]eien  ganzes  Siriiirn  nml  Tra^^hteii  dahin  geht,  t^uli  oft  zu 
treffen.  Sol  hr  ( n-lc-i  uheilea  im  Bt-gegnung  sind  auf  dem  Dorfe 
häufig,  und  Hl  dei  iiegel  gescliieht  der  Verkehr  iiü  Kreise  der 
ganzen  Dorfjugend,  wodurch  dann  imineihin  eine  gewisse  ge- 
Ifenseitige  Kontrolle  ausgeübt  wird,  welche  Aasschreitungen 
«inigermassen  verhötet. 

.  Im  Sommer  kommen  am  Sonntag  Abend  alle  jungen  ledigen 
Leute  auf  der  Strasse  vor  dem  Dorf  zusammen.  Man  nennt 
iiiesen  Brauch  den  Abeiidmarkt  (Nomärik).  Die  Mädchen,  dietom 
15. — 10.  Lehensjahre  an  «unitgehn»  dürfeUi  geben  vom«'  Ii  i  .  Arm 
in  .Arm.  Sie  heben  es,  sich  mit  Odeur  zu  parrümiren,  welches  im 
Volksmund  ^ (.luf-nior-no  h »  heisst.  Hinter  ihnen  /iflipn  die 
Burschen  lier,  olmf  Ordnung.  In  einer  ^■^ewisseii  I  jit t«  i  iiuug 
vom  Dorf  löst  >ich  die  Reihe  der  Mädi  lien  aut.  Si.'  tci-  ii  mit 
den  ßurschen  zusammen,  und  nun  wird  allerlei  Jvui^wfil  ge- 
diehen. Bald  lüsst  die  ganze  Gesellschaft  die  heitcien  oder 
wehmötigen  Weisen  unserer  schönen  elsässischen  Volkslieder 
erschallen«  Es  gilt  als  besonders  schön,  wenn  ein  Bursche  oder  ein 
Mädchen  «die  zweite  Stimme»,  das  heis^sl  eine  Terz  tiefer  singen 
kann.  Oder  es  werden  Gesellschaftsspiele  arrangiert,  auf  die 
hier  nicht  näher  eingegangen  werden  kann.  In  der  Regel  wird 
auch  getan/.l,  und  dies  i.«t  die  Gelegenheit,  bei  welcher  junge 
Mädchen  und  Burschen  das  T.Miiz.  n  überhaupt  lernen,  denn 
unter  IG  Jahifii  darf  rii^^mand  aut  dem  Tanzhoden  ers»'heintMi 
Dabei  wird  (Mit\ved»'i  ganz  (dme  Musik,  einfach  im  Takt  getanzt, 
oder  ein  hi'-nmlcr-  Ix  irdiiglt'i  Bursche,  auch  wohl  ein  M  idchen 
s\uv\l  IUI  'IMn/fii  »'me  ''intache  Weise  auf  einer  Mundhannonika 
vor.  Gewöhuiich  tanzen  die  beiden  Geschlecliter  gctieiml,  also 
Mädchen  mit  Mädchen  und  Bursche  mit  Bursche.  Nur  scheu 
erhascht  .sich  manchmal  ein  Bursche  die  Maid,  die  ihm  gut  ist, 
und  schwenkt  sie  verstohlen  ein  paar  mal  im  Kreise  herum. 
Doch  niemand  flarf  es  erfahren«  denn  Pfarrer  und  Bürgermeister 
haben  ein  wachsames  Auge  auf  alle  Ausgelassenheiten,  welche 
in  manchen  Ddrfern  auch  vorkommen.  Bei  Einbruch  der  Dunkel- 
heit kehrt  die  ganze  fröhliche  Gesellschaft  singend  ins  Dorf 
suruck  und  nach  Hause. 

Weiterliin  begegnen  -ich  die  jiu^gen  Leute  in  dei"  Kunkel- 
.stui»e,  wo  gleichfalls  Lieder  gesungen  und  allerlei  Pfandspiele 
g^etriel»en  werden.  Da  jedoch  der  Heimweg  aus  der  Spuinslube 
stets  in  hh>ter«n  Nacht  ei  lbigt,  so  haben  sie  meistens  nicht  die 
Billigung  der  Eltern.  Wissen  sie  doch,  dass  die  «Kunkelburat»  nur 
2U  od  den  heimkehren<{en  «Kunkelären»,  und  meistens  nicht 


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ohne  deren  Einversländnis,  nachstelleu.  Da^  isl  mit  einer  iler 
Gründe,  welche  das  AbkommeQ  der  Maistuben  verschuldel 
haben.  (Näheres  Ober  die  Spinnstufaen  in  Band  VIII,  Seite  70^ 
von  Lienhart.) 

Wenn  ein  ebenbürtiges»  Verhältnis  zwischen  zwei  jungen 
Leuten  ernster  zu  werden  iie<:innt,  so  lassen  die  beidcrseili(;ei> 
Eltern  ruhig  gewähren.  t>  wird  dann  auch  niclil:«  dage;:en 
eiiigewandl,  wenn  das  Pärchen  allein  und  unheobaclifel  verkehrt, 
wenn  die  heidei»  ani  Sonnta;:  in  ein  nalie.s  Städtciien,  inr> 
Wirtsrhaus  odei'  .utf  don  Tanz  ;:e}i(Mi  und  Idifr  in  spätei- 
Nacht  nach  Haus  koniuien.  Die  Alten  halten  :>  ja  auch  so  ^t  iiKK  Iii 
Mau  sa;;t  von  dem  Uuischen  :  «er  i^elil  zu  dem  Mjuicijen»),  von 
dieser  :  «sie  {^eiil  mit  »leui  Burst  hen». 

Die  Gelegenheit,  wo  jiin;;e  Leute  gewis.^eimas.sen  m  der  Gesell- 
schaltauflrelen,  ist  der  Tanz.  Gur  mancher  Bund  fürs  Lehen  wurde 
auf  den  staubigen  Brettern  einer  Tanzhütte  bei  trohlichem  Rei^fen 
geknüpft,  und  man  kann  wohl  sagen,  dass  auf  dem  Tanzboden 
die  meisten  intimen  Bekanntschaften  zwischen  jungen  Leuten 
geschlossen  werden.  Will  der  Bursche  mit  einem  Mädchen 
tanzen,  s.i  -^eht  er  einlach  auf  sie  zu,  packt  mehr  oder  weni};er 
♦*!c-aiii  ihre  linke  Hand  und  saj^M  :  «alle  hop'))  oder  «/ei(^), 
(ii  '')hl.   wclfp  mi^v  etnc  >.  Ist  die  Maid  einverslandiMi,  >t> 

saj4l  sie  nichts  tiii»!  lan/1  mit.  Mau  sie  ;)|>(M"  d»Mi  hetn  llcndeu 
ini-ht,  .so  ^Mht  sie  ihm  el>e!»  .>u  ImhhIil;  iI-  .  iii-rjueden  Anlwott  ; 
aich  will  uwer  mt!»  uder  aloss  iuk  h  nnl  Friede  Ij».  Diesei-  Korh 
verdriesst  aber  den  Burschen  weiter  nicht,  ei  sucht  sich  einl'nch 
eine  andere  Tänzerin. 

Im  allgemeinen  geniesst  die  hanauische  Jugend  den  he- 
gründeten  Ruf  Holten  Tanzens.  Der  häufigste  und  beliebteste 
Tnnz  ist  der  Walzer.  Ausserdem  sind  noch  üblich  die  Polka, 
Hoppler  genannt  (hopple  =  ruckweise  springen,  wackeln),  die 
Mazurka,  Masürkah,  auch  scherzweise  «Massiko  (  =  störrisches 
Plerd)  ^'enannt,  seltener  Scholtisch  oiler  « iJeutschei'  i'olkaj). 
Ks  wiitl  nicht  ;.'esjM  unj;en,  sondern  ^'esclilt  i!I ,  und  nanifntüch 
der  Walzer  vviril  tnil  ;4niss(>f  Klo^i-Mriz  iretanzf.  Ms  l>i-~(iiid<'f'< 
t"ein  j^ilt  es,  «Imk^  lit'iunui  zu  tanzeji.  l)ci-  HiirsrlM-  utiila^-t  snin' 
Tänzerin  ijanz  uup;eniert  nnt  heiden  Annen  um  di.-  Taille,  wah- 
rend diese  das  gleiche  Ihul  oder  ihre  Arme  aul  ilie  Schultern 
des  Burschen  stützt.  Während  des  Tanzens  jauchzt  und  schreit 
er  laut  aus  reinem  Uebermut.  Er  Stampfl  ab  und  zu  zur  Be- 
tonung des  Taktes  fest  auf  den  Boden,  woher  auch  der  Ausdruck 
kommt :  «eine  träte  =  eine  tanze». 

Meistens  -geschieht  der  Tanz  hei  irgend  einem  Messti,  nn  I 
die  hekanntesten  ^''^J^sten  Messtis.  weh  lie  für  la-  Hanauerland 
in  Betracht  kommen,  sind  der  Zaherner,  Buch»weiier,  Pfatlen« 


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böfer,  Brumatber,  in  erster  Linie  aber  der  Hocbfeider  Messti. 
Dieser  yeniessl  bei  den  jungen  Leuten  eine  solche  Beliebtbeit, 
dass  sich  beispielsweise  Dienslboten  beim  AntriU  ihrer  Stelle 
oft  ausbedingen,  dass  sie  ain  Hochfelder  Messti'^MontaK  frei 
Imben.  Die  Dorfmesslis  koniuion  t.-uitfSHm  ah,  und  in  vielen 
Hanauerdüi'fern  wurde  seit  Menschengedenken  kein  Messt i 
mehr  a hingehalten. 

Gehl  der  Bursche  nach  detn  Tnir/  spaziei  en,  fusst  ei*  seine 
Ijehj5te  oder  Tänzerin  hei  der  linken  Hand  und  schaukelt  damit 
leicht  hin  und  her.  Istda.'^  Verhältnis  riiniger,  :<o  umschlin^M  er  sie, 
süjrar  um  hellen  Tag,  um  die  Taille.  Anslössij^es  wird  hierin 
uicht  erblickt,  blr  bescheukt  sie  der  Sitte  gemäss  mit  Süs^igkeiten, 
wobei  er  nie  versäumt  binsuiusetzen :  «dass  de  siesser  iQisch»» 
(damit  du  sQsser  dreinschaust).  Das  gebräuchlichste  Naschwerk 
ist  die  cPappeljut»  (frz.  papiilote),  eine  handgrosse  Tafel  Gersten- 
zucker. Noch  beliebter  sind  die  Lebkuchen ,  wovon  in  der  Regel 
ein  Dutzend  geschenkt  wird.  Auch  Lebkuchen  in  Her/forni, 
worauf  ein  gedruckter  Liel>esspruch  aufgeklebt  ist,  sind  der 
Jungfrau  willkommen  und  in  ihrer  stummen  Symbolik  leicht 
verständlich.  Sfissigkeiten  sind  überhaupt  das  einzipre,  \\  i<  der 
Bursche  seinem  Lieh  schenkt.  Aus«ierdem  hält  er  sie  \n  K>sen 
und  Trinken  frei.  Wirklich  ernste  Geschenke  sind  ;>elteti  und 
werden  hluss  Vdii  reiclien  liurschen  gegeben,  z.  R.  ein  seidenes 
Fuulard.  Da»  Mädchen  hingegen  schenkt  ihreai  Liehliaher  bloss 
Blumenstrüusschen.  Von  diesen  Liebesgeschenken  sind  wohl  zu 
unterscheiden  die  eigentlichen  Braul-und  Hoclizeitsgeschenke. 

Ist  nun  der  Tanz  zu  Ende,  so  mut»  der  Bursche  seine 
Tänzerin  heimföhren.  Wenn  die  beiderseitigen  Dörfer  weit 
auseinanderliegen,  ist  er  auf  diese  Weise  oft  genötigt,  Stunden 
lang  in  der  Nacht  herumzugehen.  Dieses  «cHeimfflhren»  gehört 
zu  den  dunkeln  Kapiteln  unseres  Volkslebens,  sowohl  was  die 
Moral  anhelangt,  als  auch  wegen  der  nur  allzuoft  in  der  Eifer- 
sucht l)egangenen  Baufereien,  denen  schon  manches  blühende 
Leben  tmiw  Opfer  fiel. 

Dorh  kommen  ww  ;(nf  un^er  Liel»espaar  zurück.  Wenn 
auch  die  Kitern  <ler  jungeo  Lenle,  Melleichl  .scimii  lange,  im 
Prinzip  mit  der  Heirat  einverstanden  Mud,  so  gehl  die  Sache 
doch  nicht  so  einfach  zu,  und  es  «kostet  Hitzej»,  bis  die  Par« 
leien  einig  sind.  Die  Festsetzung  der  Mitgift  ist  ein  schweres 
Stfick  Arbeit.  Wieviel  winl  da  hin  und  her  geredet,  gehandelt, 
disputiert !  Kein  Vater  möchte,  dass  von  der  anderen  Seite 
weniger  mitgebracht  wird,  als  sein  Kind  bekommt.  Jeder  Acker, 
je<les  Stück  Vieh,  jeder  Ohm  Wein,  jede^  Stfu  k  «ier  Aussteuer 
wird  der  Reihe  nach  erwogen  und  abgeschätzt.  Der  eine  Vater 
kann  es  nicht  verwinden,  dass  er  mit  4  Kosjsen  fährt,  während 


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—  m  - 


der  zukünftige  cGei$enschwäher)»  dereo  nur  3  hat,  der  andere 
aber  findet  es  unbillig,  dass  er  seiner  Tochter  16  Acker  mit* 
geben  soll,  wo  doch  ihr  Verlobter  Moss  15  mitbekommt«  Die 

eint'  Mutier  hätte  gern  einen  noch  reictieren,  nocli  hräveren 
und  nocb  schöneren  Tochtermnnn.  hinj^e^en  mik^hte  Hie  andere 
Mutter  eine  noch  reichere,  hrävere  und  schönere  SolinsIVan  in 
ihr  Hans  einziehen  sehen.  Atirh  <ite  körperlichen  und  ■^[eisti^en 
Fehler  der  jungen  Leute  werden  \un  der  nndern  Seile  mit  t  yni- 
schej-  rnhHrnihei'zii4i\eit  erwäliiil  und  bei  der  l  estselzun;^  <lei 
Mitjiiil  herücksichfij^t.  So  wiid  tüchtig  •jeschrien,  j;esch\vit/f, 
auch  wohl  von  anderen  Leuten  «Kaljes»  (Versuch  der  Slöi  uu^)  ■ 
gemacht,  bis  endlich  ein  leidliches  Einvernehmen  enielt  ist. 
Jeder  Bauer  wQrde  seiner  Wörde  etwas  vergeben  zu  haben 
glauben,  wenn  er  nicht  auf  seinen  Forderungen  bestünde. 

Sellen  geschieht  es,  dass  beide  Parteien  wirklich  und  auf- 
richtig' <ianz  zufrieden  sind,  und  sogar  di^enigen  häufigen 
Fälle,  in  denen  n  dem  Verhfdtnis  und  zwar  meistens  mit 
Ahsicht  «ler  heideii  Beteiligten  bereits  Folgen  entstanden  sind, 
vermögen  oft  nicht,  die  Unterhandlungen  m  hcchleunigen. 
(iar  oft  gesi  liielit  e«,  dass  sich  noch  im  letzten  Auj^enblick  an 
dem  Starrsinn  der  einen  Seite  alle^  zerschlägt,  nml  dass  die 
liotlnungsvolle  Braut  eine  unglückliche  Gelallene  wiid.  Uebrigens 
gdl  das  vorzeitige  Unterhalten  inniger  Beziehungen  beim  Bauern 
keineswegs  als  unsittlich.  Wenn  sich  unangenehme  Folgen  ein- 
gestellt haben,  ptlegt  er  scherzhaft  zu  sagen  :  die  Jungen  Leute 
haben  eben  zu  spät  geheiratet.  Hingegen  ist  es  etwas  AlUäg- 
Hches,  dass  noch  nach  langen  Jahren  bei  ehelichen  Zwistigkeiten 
das  oder  jenes  «rgerichelt»,  hervorgehoben  wird,  was  von  der 
einen  Seite  mehi*,  von  der  anderen  weniger  <nnitgehracht)»  wurde. 

Wenn  nun  alle  Abmachungen  glücklich  gediehen  sind, 
wird  imvoi^züglich  zur  Aufstellung  des  nofariellen  Akt»;  ge- 
schritten. Diese  Verrichtung  winl  in  m.inchen  Oi  t<t  liafien 
\erschreihung,  in  andeien  Handstreich  genannt.  Sie  vvnnle  IViiher 
auf  dem  Dorf  gehulten,  und  zwar  wenn  das  Brautpaar  in  ver- 
schiedenen Dörfern  wohnte,  in  demjenigen,  wo  die  Hochzeit 
nicht  stattfinden  sollte.  Schon  früh  am  Morgen  rückte  der 
cNotariüs»  mit  seinem  Schreil)er  an,  um  die  cEhbreitung»  zu 
machen.  Unter  «Ehbreitung»  (von  demalten  reiten  rechnen) 
ist  der  geschriebene  Ehekontrakt  zu  verstehen.  Doch  sprechen 
wir  der  Einfachlieii  halber  im  Präsens. 

Nachdem  di)>  «  Klibreitung»  aufge-^etzt  ist,  wird  sie  von  den 
Beteiligten  unterschrieben.  Wenn  die  Reibe  an  die  Braut  kommt, 
ist  diese  zum  Schrecken  des  Bräutigams  versrhwimden  und 
halt  sich  irgendwo  im  Hause  ver-horgen  Man  ^elif  anf  die 
Suche,  zieht  sie  aus  ihiem  Versteck  tiervor,  damit  sie  unter- 


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—  im  — 


schreibt.  Aber  sie  will  es  absolut  nicht  thun,  und  der  Bräutigam 
muss  sie  mit  ^uten  Worten  un<i   Versprechungen,  auch  wohl 

durch  ein  niit^ehrachles  Gosi  henk  «uler  l>are.<  Geld  überred6n. 
Nach  \ieleni  Sträuben  entschiiessi  sie  sich  endlich  zu  unter- 
schreüjen. 

Nun  L'«"fit  ('<  ,ni  >lt«' 'la'-fer«'),  \vi>/,ii  ilie  iranze  FreunW-rhaff », 
viele  L)<'i'ii>!"v\Nhiifr  uii'i  >fll.-t\.,Tstan(ili(  li  :iiii  h  der  Notai'  iiiil 
seinem  Srhit-il  i'i  i-iii^ela«leii  tben  .scliukl  man  sic-ji  an, 

Platz  zu  iiL'iiiat'ii,  da  ertönt  dianssen  in»  Hol"  ein  Pisloleiisehnss. 
Herein  Iritl  im  Sonutaj;.sj>utz  ein  jun^jer  Bursclie,  yewolmlit  Ii 
der  zukilnflige  Brautführer,  manchmal  mit  noch  einem  DuriK:hen. 
Er  trätet  in  der  einen  Hand  eine  Flasche  edeln  Weins,  in  der 
andern  einen  Strauss  aus  künstlichen  Blumen.  Dieser  ist  das 
Geschenk  der  ledit^en  Dorfburschen  und  wird  von  ihrem  Dele- 
girten  der  Braut  etwa  mit  tollenden i  kurzen  Glück wun^th 
überreicht  :  cJetz  wfini^ch  ich  m  Hochzifer  un  der  Jumjdei- 
lloclizileren  au  viel  Glück  in  den  Klistand  ;  un  do  seil  ich  euch 
deneSlrüss  Presänt  mache.))  Man  dankt,  hewundert  den  scliönetj 
Stiaus-  und  heirist  jenen,  ^u  h  an  »Mn'^M  Platz  setzen,  der  lioieits 
vorher  r-  -er\iert  war.  Ki  li-  nkt  li  u  Nachharn  au>  >einer 
Weinllasi  he  ein,  um  n  i.  Ii  kuivcm  A iit.  nlhalt  mit  Irisch  yt^tülller 
Flas(  he  sich  wieder  in  entfernen,  im  Hot'  ertönt  ahermals  ein 
Schuss,  und  der  Bursche  verschwindet.  Als  Belohnung  für  die 
lihrenbezeiigunt^  wird  von  dem  Brautpaar  ein  iTrumbotte»  ge- 
spendet. 

Was  ist  der  Trumbotte?  Was  zunächst  die  Etymologie 
des  W'Ortes  anbelangt,  so  scheint  es  passend,  dieselbe  erst  am 
Schlüsse  diesei  .Ausführunjj'en  zu  erörtern.  Der  Trumbotte  ist 
eine  Spende  von  Wein,  ein  altei-  Hrauch,  welcher  seit  Menschen- 
gedenken im  Hanauerland  ^enbt  wird.  Va-  wird  der  Gesammllieit 
der  ledi^f'fi  fUnschen,  ferner  den  jun;j;en  Mannern  tin  1  tli  ii 
verlieh aU-'ten  Weihern  ;;e^'^ei>en,  und  zwai'  bekommen  beid.  ii 
ersl;,'enannten  Kate^^orien  je  ein  «rStändU,  eine  Stütze  voll,  ilie 
Weiber  enien  Limer  voll,  .\riiu  l.eule  holen  sich  luai.»  hiual 
einen  Rru^'  voll  davon.  Der  Wein  wird  in  der  Re^iei  von 
den  Burschen  im  Wtrishaus  gemeinschaß  lieh  genossen,  und 
zwar  in  demjenigen,  wohin  nachher  die  Festgesellschafl  zum 
Tanz  kommt.  Es  bietet  sich  dann  neue  Gelegenheil  zur  Lust^ 
barkeit.  Die  Männer  und  die  Weüjer  nehmen  den  Trunk  stets 
in  einem  Privatliaus,  erstere  auch  wohl  im  Freien  auf  dem 
Boden  ein.  Wo  kein  Wirtshaus  besteht,  Ihun  die  Burschen 
dasselbe.  Aber  selten  ^renügl  die  eiwähnte  Menge  Weins.  Die 
/•'i  li^enossen  wissen,  dass  der  Dauer  einen  Stolz  darein  setzt, 
dii'  \*»M'schreibMn;j'  mit  inÖLrüf'ist  yi-os-em  Pmitp  an-/ii<f:itt''n, 
und  der  Dauer  wurde  es  als  nicht  slaudesiientass  ansehen,  wenn 


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—  m  — 


er  der  Bitte  um  eine  weitere  Stütze  Weins  nicht  entspräche. 
So  kommt  es,  dass  zwei,  drei  und  noch  mehr  Stützen  im  Fest- 
hause geholt  und  getruniien  werden,  und  sogar  die  Weiher 
genieren  sich  nicht,  einen  weileren  Kübel  voll  Wein  zu  ver- 
langen. Bei  solchen  Anlä^üen,  die  nicht  selten  zum  Schluss  das 
Gepi  ii^»'  wusler  Gelage  annehmen,  geht  es  rcdit  Imnl,  jn  toll  zu, 
und  hesuinlers  die  Weiber,  welche  an  den  uberinassi^en  Wein- 
genuss  nicht  gewöhnt  sind,  geraten  ganz  aussei  Rand  und 
Band,  so  dass  oft  der  schamloseste  Unfug  getrieben  wird.  Das 
Tollste  ist  aber,  dass  man  die  Gelegenheit  2ur  Erschwingung 
eines  Trumbotte  möglichst  oft  herbeizuführen  sucht,  ja  in 
manchen  Ortschaften  wird  von  den  Burschen  in  dieser  Beziehung 
eine  wahre  Tyrannei  geübt.  Es  würde  zu  weit  führen»  die  ein- 
zelnen Dörfer  hier  hei  Namen  zu  nennen,  und  es  sei  rühmend 
hervorgehoben,  dass  in  der  Hegel  bei  diesen  Auswüchsen  nur 
die  ledigen  Burschen,  auch  wohl  vereinzelt  leichtsinnige  Männer 
bpt.Mlii^t  sind.  Solche  Gelegenheiten  sind  das  Abfidiren  und  das 
Zutühron  der  Aussteuer,  ferner  Hochzeiten  von  Dorfgenossen 
jüdischer  Religion,  solchen  aus  dem  Herrenstande  u.  s.  w. 
Weiterhin  wird  ;im  Hoclizeitstag«-  seihst  alieniials  ein  Tjum- 
liutte  veiiau;;t  und  gegeben.  Jedoch  bestehen  in  allen  diesen 
Dingen  örtliche  Abweichungen,  so  dass  beispielsweise  in  etlichen 
Dörfern  bloss  am  Tage  der  Verschreibung,  in  andere  nur  am 
Hochzeitstage  ein  Trumbotte  stattfindet,  selbst  wenn  beide  Braut- 
leute aus  dem  nämlichen  Dorfe  stammen.  In  andern  Dörfern 
wird  bei  der  Verschreibung  Geld  (s.  u.),  bei  der  Hochzeit  Wein 
gespendet,  wieder  in  andern  wird  ein  Trumbotte  bloss  dann  ge- 
geben, wenn  ein  fremder  Bursche  hineinheiratet.  Am  häuligsten 
kommt  es  vor,  dn<ts  an  beiden  Tagen  ein  Trumbotte  «jG^^eben 
wird,  seltener  heiin  Handstreich  ein  ^^rösjserer  und  bei  dei- 
Hochzeit  ein  kleinerer  und  noch  sellener  bloss  am  Verniähl- 
iingstage.  Die  unerlass liehe  Bedingung  zur  Spende  eiue.<*  Trum- 
botte ist  aber  überall  jedesmal  das  Schiessen  und  der  Slrauss. 

Es  sei  nachmals  betont,  dass  diese  ganze  Beschreibung  des 
Trumbotte  ältere  Zeiten  betrifft.  Die  Sitte  der  Trumbotte  ist  in 
Folge  verschiedener  Umstände  ihres  idealen  Anstrichs  entblösst 
worden,  so  dass  sich  bei  weitem  in  den  meisten  Ortschallen 
der  Trumbotte  auf  die  Spende  eine<  Freitrunks  im  W^irtshaus 
beschränkt,  woran  in  der  Regel  bloss  die  Burschen  teilnehmen. 
Die  sinnige  Ueberreichung  eines  Strausses  kommt  leider  all- 
mählich nh.  Entweder  wird  dein  Vertreter  der  Gesammtheit 
der  Bur-^ch.M!  »»itie  Geldsumme  ein^^elifuuli;,'!,  oder  '^ie  wird  einem 
mier  melu  eren  Wirten  gegeben,  oder  es  wird  im  Wirtshaus  eine 
liesünimle  Men^'e  Wein  und  Bier  gutpeheis^cn,  odei  es  werden 
endlich  geistige  Gelranke  nach  Beheben  verschenkt.  Vorsichtige 

11 


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Hochzeiter  pflei^en  auch  wdhl  Gutscheine  f^i Bons»)  auszustellen. 
Auch  Essen  wird  manrlimal  verahreicht,  z.  B.  ein  oder  melirere 
L.iih  Weisshrol  ans  «H(»llinelil  und  Bierhah)»,  den  W'eil)€rn 
lll^s\vellen  ein  Kuchen,  utlei-  jt^ler  Person  ein  Paar  Knack- 
würste. l)ie)5e  Art  der  Ernietiiipun'^r  des  Tniiiiliotte  liiulet  na- 
türhch  i»ei  den  Wirten  ungeteilten  Beit'ull.  Denn  sie  verdienen 
nicht  nur  an  den  verabreichten  Getränkeik  ein  s«cii5nes  StOck 
Gekl,  sondern  sie  venapfeu,  wie  leicht  erklSriich,  noch  fiber 
die  fejttf^tzte  Men^  hinaus,  dann  aJlerdings  auf' Kosten  der 
Zecher.  Ist  aber  keine  genaue  Kontrolle  da,  so  wird  an  alle 
möglichen  Leute,  die  ja  bei  solchen  Gelegenheiten  nie  fehlen» 
zu  trinken  gegeben»  damit  nur  möglichst  bald  aus  der  Tasche 
der  angetrunkenen  und  daher  freigebigen  Kneipgenossen  be- 
zahlt wirft,  fn  es  ist  sofrar  schon  da^^ewesen,  dass  der  Wirt 
aus  Hab-^Hclif  den  Bursrhen  einen  Teil  dei  vernhredelen  Men^e 
vorenthielt  und  das  Geld  einfach  in  die  Tasche  steckte.  So  j.sf 
es  denn  ;»ekoinnien,  dass  liic  |nti-i  le  Generation  das  Wort 
Truinbotte  allgemein  im  Sinn  vuji  «  1 1 mk^^eld»  oder  cFreitrunk 
bei  Hochzeiten»  autfasst,  ja  der  Begriff  wird  sogar  für  andere 
Gelegenheiten  angewandt,  z.  B.  den  Frdtronk  bei  Versteigerungen, 
Wahlen,  Vereinsfestlichkeiten  u.  s.  w.  Interessant  ist  folgende 
AufTaifSung  tiber  den  Zweck  jdes  Trumhotte«  der  man  vielfach 
begegnet:  Der  Hochzeiter ^ gibt  ihn  den  Burschen,  damit  er 
von  ihnen  kommt,  den  Minnern,  damit  er  zu  ihnen 
kommt. 

Die  ideale  Seite  des  Trundiolle  scheint  mir  noch  am  mei'«ten, 
wenn  auch  nicht  ganz,  in  den  Dörfern  des  ehemaljfren  hanan- 
ischen  Amts  Westhofen  und  Umfreprend  erhalten  zu  sein. 
Abweichend  von  anderen  Dörfern  ersciieinen  bei  der  Hochzeit 
mehrere  Burs^chen,  und  zwar  jeweils  die  Militärpflichtigen  des 
betreffenden  Jahrgangs,  in  Balbronn  saj^en  gewöhnlich  3  der- 
selben Spruche,  indem  sie  auf  einem  Teller  einen  Blumenstrauss 
überreichen.  Folgendes  sind  die  Q blichen  Sprüche,  welche  ich 
der  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Pforrers  Kiefer  verdanke. 

Der  erste  spricht : 

Oer  ichi^ita  Tag  der  ist  ersebiantn 
Dir,  Brftntigam,  dur,  holde  Braut, 

Da  ihr  auf  a^g  dflsll  hieniden 

Als  werte  Gatten  sein  getraut. 
Das  scliönste  Loos  das  ist  erscbientn, 
Es  sturt  euch  ja  keiu  Ungemach, 
Der  Himmel  dffnet  sich  in  Ihnen 
Und  stets  blüht  Qlftek  anf  jeden  Tag. 


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—   lt>3  - 

Der  zweite  spricht: 

So  Itlit  vergnügt,  gleich  EngelHohaifn, 

Lebt  jeden  Tag  gesund  nnd  froh,  ' 

Dann  feiert  ihr  nach  fünfzig  Jabien 

Die  goldne  Hochzeit  ebenao. 

Der  dritte  sprichf: 

Euer  Glück  haben  wir  mit  Blamea  gebuodeo. 
Nie  sollt  ihr  miverzaget  sein. 
Ja  wir  baben  ea  selbst  gebunden 
Mit  allem  Glflek  nnd  Segen  drein. 

Hieiaut  erfül^'t  ;,'egenseitijfer  HfMiHedruck  und  eine  kurze 
llewirlunj^'  mit  Wein.  Nachher  cinjitan^^pn  Hie  liuischen  dais 
Geld,  d.  h.  <len  Tiuiiil»oUo,  welcher  nn  Wirtbiiaus;  verzeehl 
wird,  im  Allgemeinen  ist  der  Tiumholte  heulzutaj^^e  eine  kosl- 
<*pielige  Geschichte.  Unter  20  Mark  ^eht  ea  wohl  nie  ab,  oft 
kommt  er  aber  auch  auf  100  Mark  and  noeh  teurer  zu  stehen. 

Nach  diesen  ausfohrKcben  Auseinandersetzungen  wird  es 
leichter  sein,  sich  über  die  Etymologie  des  Worts  kUr  zu 
werden.  Die  erste  ^Ibe  tTrum»  ist  ohne  Weiteres  als  =  «Trunk» 
erkennbar.  Schwieriger  ist  «hotte»  zu  deuten.  Im  Volksbewusst- 
sein  steckt  kein  annehmbarer  Sinn.  Ich  habe  mich  in  allen 
Teilen  des  alten  Hanauerlands  darüber  erkundigt  und  erhielt 
riiMi<!fns  den  Bescheid  :  es  ist  hall  so  ein  Wort !  Nicht  einmal 
dei  Mnn  von  Trum  =  Trunk  wurde  enipluuden,  was  um  so 
vt'i  stiindlicher  ist,  als  das  Wort  «Trunk »  im  Dialekt  nicht  vor- 
lioMimt  !  Von  einer  Seite  l»ekant  ich  die  Krkläruntr:  Trunk  aul 
dem  ikKien,  nämlich  im  Freien.  Von  einer  andern  :  Ti  unk  auf 
einem  Boden,  d.  h.  Trunk  in  einem  Privatzimmer.  Vielfach 
wurde  cbotte»  zusammengebracht  mit  i  Bote»,  weil  die  Burschen 
gewissermassen  den  Tnmk  als  Bolen  holen.  Dem  widerspricht 
aber  direkt  der  Sprachgebrauch.  Denn  einmal  heisst  der  Bote 
«Boti»  und  nicht  «Botle»^  und  dann  wird  das  Wort  niemals  in 
Bezug  auf  die  betreffenden  Burschen  gebraucht,  sondern  stets  auf 
die  ganze  Einrichtung  bezogen.  Man  sagt  daher  nicht :  die 
Trunkboten  sind  f;ekommen,  sondern :  den  Trunkhotte  holen, 
den  Trunkhotte  vertrinke,  einen  Trunkliotln  i^eiien  u.  s.  w. 
Nur  in  Olfweilei  hestehen  neben  diesem  Sprachgehrauch 
ntich  «Die  Tnuikliote»,  womit  eine  Art  Todtengraber  Ijezeichnet 
werden.  Doch  darül>er  ein  ander  Mal !  Schon  plausibler  wäre 
es,  an  «bieten»  in  hd.  aenlbieten»  zu  denken.  In  der  Dialekt- 
sprache ist  das  Wort  im  Sinne  von  «auiTordem»  gebriuchlich. 
Man  sagt  beispielsweise:  Der  Gemeindediener  bietet  die  Ge- 
meinderatsmitglieder zur  Ratssitzung,  der  Strassenwart  bietet 


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—  m  - 

einen  Mann  zum  Fiohntlienst  u.  älinl.  Jn  d^^i  !  ittoralur  habe 
ich  ein«'  Frklarung^  dp<  Worts  nicht  gel'unden.  Auch  in  niohterea 
Hanau»'!  Pt'ari-  und  (rt'jneinfieni'fhivon  habe  ich  e>  nicht  ge- 
funden, obwohl  ich  ^eiaile  diejeiiiüeu  Akten  flaiaulhin  yeprütt 
habe,  wo  es  am  ersten  stehen  iDÜssle,  iiänilicli  die  i'resbyterial- 
protokolle  des  vorigen  Jahrhunderts.  In  Lothringen,  der  Pialz, 
Batlen  und  der  Schweiz  ist  die  Sitte  des  Tninkbotle  nicht  be- 
kannt. Wie  weit  sie  nach  dem  Ober-Elsass  hin  vorkommt, 
entzieht  sich  meiner  Kenntnis.  Im  Unler-Elsass  trifft  man 
sie  im  Kreise  Weissenburg  nicht  mehr.  Auch  von  Weinburg 
ab  nach  Norden  ist  sie  unbekannt. 

Ich  wäre  geneigl,  das  Wort  «B  otic»  mit  «Bottich«  zu- 
sammenzubringen. Dies  würde  nach  der  oben  gegebenen 
SehiMei  ung  des  Trumbotte  als  einer  Spende  von  Wein  in  natura 
und  in  Holz^'etTissen  den  Ihat^ächlirhen  Verhältnissen  am  näehsten 
kommen.  Die  Ausdrücke  «den  Tiinnhotte  holen»  und  «einen 
Trunihoile  gei)en»  wären  auf  Uie>e  Weise  auf  die  Weinspende 
und  tnf  die  jetzt  meistenteils  übhche  Geldgabe  anwendbar, 
und  auch  der  Ausdruck  «den  Trumbotte  vertrinken»  hätte 
nach  der  Cntwickelung  der  Silte  nichts  Befremdendes.  Alter 
aucli  hier  ist  wieder  ein  Haken.  Das  Wort  Bottich  ist  nämlich 
im  hanauer  Dialekt  gleichfalls  unbekannt.  Vielleicht  vermögen 
urkundliche  Belege  oder  der  Sprachgebrauch  anderer  Gegenden 
unser  «Trumbotte«  besser  zu  erkl  un. 

Nach  tier  Verschreibung  sieht  »ler  Bauer  die  beiden  jungen 
Leute  als  verheiratet  an.  Sie  leben  durchaus  in  ehelicher  Weise 
zusammen,  und  niemand  nimmt  daran  .\ergernts.  Die-^e  ver- 
kehrte Anschaunn;^  veilierl  ertreulicher  Wei^e  mit  jedem  Jahr 
an  Vertretern,  (iotlloh,  denn  schofj  man(  he  Braut  wurde  dadurch 
und  UüU  alledem  ins  tlngha  k  ^^estürzl. 

Alsbald  schickt  man  sich  nun  zu  den  Vorbereitungen  für 
die  Hochzeit  an,  welche  am  zukilnfligen  Wohnsilz  des  Ehepaar» 
stattfindet.  Die  Einladungen  werden  auf  zweierlei  Weise  Im- 
werkstelligt.  Die  häufigste  ist  die,  dass  Bräutigam  und  Braut 
zusammen  die  Gäste  einladen.  Solche  Reisen  werden  stets  an 
Sonntagen  gemacht,  wo  jedermann  sicher  daheim  anzutrelTen 
ist.  Seltener,  aber  früher  allein  üblich,  ist  die  Einladung  der 
Gäste  «Inrch  den  Bnutigam  und  den  zukünfti^^e:»  Brautführer. 
Beide  erscheinen  zu  Pferd,  in  flottem  Trab,  mit  lautem  Huf- 
schla^'.  Die  Tiere  sind  s.uihei'  p»]>tifzt,  mit  schönem  Ge^i'hirr 
aus;,'estaliH{  und,  -lei(  h  den  Beitern,  mit  Bändern  und  Bhiioen 
geschmückt.  Vor  jedem  Han-«,  w»^  ein^^daden  wird,  künden  die 
beiden  ihre  Ankunft  durch  je  einen  i'i?5tt.tlen>Lhuss  au.  iJies 
geschieht  auch  der  Renomma^e  halber  auf  '.(fener  Strasse.  Die 
Nachbar.sleule  gucken  aus  den  Fenstern,  und  die  Dorf^chönen 


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blicken  verstohlen  nach  den  beiden  ^jtraninien  Burschen.  Die 
Hocbieiterin  wird  im  Süllen  um  ihren  Geliebten  beneidet,  und 
ob  der  Brautführer  wohl  noch  tedig  sein  mag?  In  der  Stube 
angekommen,  werden  die  beiden  mit  ausgesuchter  Fi'euadHchkeit 
empfongen.  Der  Bauer  holt  sogleich  ein  Krugel  vom  Besten 
herauf,  um!  nirht  selten  wird  rasch  eine  Platte  voll  cGebrat*s» 
oder  «Ripple»  und  Bratwurst  zubereitet.  Doch  ohe  man  «ransitzt», 
sajrt  der  Braut l'ührei" :  «Ja,  dis  Ding  isch  iiit  eso!»  und  >ipricht 
in  m?i^'lichst  reinem  Hochdeutsch  einen  Ladungsspruch  mit 
ungetahr  folgendem  Wortlaut : 

Hier  konuntn  wir  in  Gottes  Namen, 

Ench  freundlich,  laden  allzasainmen 

Am  Dienstag  7u  '1cm  Hochzeitsiiiahl 

Mit  aller  werten  Freunde  Zahl. 

Doch  eratlich  werdet  Ihr  gebeten, 

Ins  Gotteshans  mit  ehuatreten 

Ond  dort  an  heü'ger  Stfttt'  und  Ort 

Zu  hören  das  heiVge  Gotteswort; 

Zunächst  für  diese  Ebelent  zn  bitten, 

Gott  möge  sie  reichlich  überschütten 

Mit  seinem  Segen,  Gnaü  uud  Geist, 

Damit  ihr  Ehestand  glücklich  heisst; 

Sodann  zugleich  mit  anznschaueni 

Wie  sich  die  jungen  Eheleuf  lassen  tränen, 

Diid  flftbei  treue  Zeugen  sein. 

Auf  dass  ihr  Ehestand  sei  keusch  und  rein. 

Und  wenn  dies  Alles  ist  geschehn, 

Nach  Gottes  Segen  forhragehn 

Aus  der  Kirche  ins  Hochseitshans, 

Wo  Alles  heirlich  stehet  aus; 

Jedoch  znvor  und  nach  dem  EsscTt 

Die  Dankbarkeit  auch  nicht  vergessen, 

Damit  ein  jeder  lilirlidi  sieht, 

Dass  alles  ordentlich  zageht 

So  wird  die  Hochaeit  wohl  vollbracht. 

Und  endlich  wird  auch  Dank  gesagt.  Amenl 

Der  Geladene  dankt  fAr  die  schöne  Einladung  und  wünscht 
dem  Brftuligam  GlOck  in  den  Ehestand.  Dann  setzen  sich  alle 
an  den  Tisch  nnd  sprechen  den  vorgesetzten  Getrftniien  und 
Speisen  wacker  tu.  Besonders  bekommt  der  Braut ffihrer  tüchtig 

eingeschenkt,  denn  von  seiner  lan^^en  Rede  hat  er  einen  gani 
troc kenen  Mund  I >« > k <>  1 1 1  m  o n .  A  he r  ha Id  Stehen  die  beiden  wieder 
auf,  denn  sie  haben  heute  noch  viel  zu  reiten  und  zu  schiessen 
und  zu  reden  und  zu  trinken,  und  sif  müssen  sich  hfeilen, 
soii.st  werden  sie  nicht  mehr  fertig.  Dem  Gastgeber  wird  gedankt 
für  die  freundliche  Aufwaitung,  dann  werden  die  Pistolen  von 


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Neuem  geladen  und  mit  dem  Wunsche :  cAlle,  jelz  können  er 
mache,  daes  er  am  Zisti  um  d^halwer  elfen  all  do  sinn,  denn 
um  d*elfe  geht's  los»  —  verlassen  die  Hochxeitslader  das  Haus^ 
schwingen  sich  auf  die  ungeduldigen  Pferde  und  galoppieren 

von  (lannen.  Diese  ideal  schöne,  an  das  Ritterliche  {grenzende 
Art  der  üochzeitsladung  ist,  wie  ;?esa}^l,  leider  im  Abjjtanjj^  be- 
i^q-ilTen,  wozu  nicht  am  wenigsten  die  Straliälligkeit  des  Schiessens 
beigetrnjij'en  haben  mag. 

Die  Aussicht  auf  eine  ^Tosse  Hochzeii  ist  immer  ein  Ki' 
eitfnis,  welches  in  weiter  Unij^eg^nd  die  Bevulkei  nng  in  Auiregung 
halt.  Nameiilhch  .sind  die  jun>,'en  Leute  daraut  gespannt,  ob 
die  oder  jene,  dei'  oder  jener  ^^eladen  wird.  Die  Einladunjj^  ^ilt 
nicht  nur  als  eine  grosse  £bi'e,  aljer  es  wird  auch  manchem 
Burschen  und  manchem  Mädchen  Gel^enheil  g^ben,  mit  dem 
Herzen  seiner  Wahl  zusammenzutreffen.  Eine  Uebergebung  oder 
ein  Versehen  war  Nchon  mehr  als  einmal  der  Anlass  zu  einer 
Todfeindschaft.  —  Die  Einladun^^  von  Herrenleuten  ertolj^t  ge- 
meiniglich nicht  in  der  eben  beschriebenen  umständlichen  Weise« 
sie  wird  Ott  durch  eine  dritte  Person  besorjjrl. 

Geraume  Zeit  vor  dem  Hochzeit stajje  wird  die  Aussteuer, 
oder,  wie  es  auf  dem  Land  heisst,  die  Hau<<l*Miet  (anleimend 
an  Hausrat)  der  einen  Partei  nach  dem  ziikuntiiiieii  \VMhn>itz 
des  jungen  Paars  überj^etührt.  Auf  mehreren  Wagen  werden  die 
Hau$haltungsge]^enstünde  nach  dem  neuen  Heiin  gebraclit.  Die 
feurigen  Rosse  und  die  Fahrer  sind  mit  Bändern  und  Blumen 
ausgestattet.  Unter  den  Fahrern  befindet  sich  auf  dem  ersten 
Wagen  der  Hochzeiter  mit  der  «Nächsten».  Aul'  den  Wagen 
sind  untergebracht :  das  Hochzeitshett,  vollständig  ausgestattet 
und  mit  dem  besten  Linnen  frisch  fiberzogen,  sodann  das 
Brauträdel,  mit  Hanf  behangen,  mit  Bändern  reich  geschmückt^ 
an  der  Spitze  eine  grosse  Schleife  und  ein  künstlicher  Strauss; 
weiterhin  der  Srhi'ank  und  die  Trnhe,  beide  mif  ko«;t})arem 
Leinen,  nut  «zu^en.ditein  Cietnch"  ^^-iTiIlt  ;  ferner  Kul»el  und 
Wisch,  und  endlich  die —  Kinderwie^^e.  In  tiemden  Döi  fern  wird 
«lielUdrautlos gefahren,  mit  laulem  und  wohl  10  Mal  hin  und  her 
wiederholtem  Peitschenknall,  dem  sogenannten  «zehnten  Streich»« 
oft  in  rasendem  Galopp.  Aber  die  Durchfahrt  ist  manebmal 
nicht  so  leicht.  Die  Burschen  des  Dorfes  haben  die  Sache  er- 
fohren,  sie  halten  die  fremden  Wagen  an  und  lassen  sie  nicht 
eher  los,  bis  sie  ein  ordentliches  Lösegeld  erhalten  haben.  Wird 
ihnen  dieses  vom  Bräutigam  verweigert,  so  spannen  sie  ohne 
Weiteres  die  Pferde  aus,  bis  ihre  Forderung  erffdit  ist.  Da  ein 
solches  Freikaufen  mehrere  Mark  kostet,  so  ziehen  es  die  Fuhr- 
leute oft  vor,  auf  Umwegen  durch  andere  Dörfer  zu  fahr-  n, 
wo  ihre  Durchfahrt  gewöhnlich  nicht  erwartet  und  daher  zu 


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spät  bemerkt  wird.  Doch  kam  es  auch  schon  vor,  dass  sie  dort 
hereinfielexi. 

Wenn  das  Verhältnis  von  dem  Publikum  noch  för  keuach 
{{ehalten  wird,  so  gehen  um  Tage  vordem  Hochzeilstage  Bräu* 
tigam  und  Braut  in  das  Pfarrhaus.  Der  Herr  Pfarrer  redet 
ihnen  ins  Gewissen  und  fragt  sie  frei  heraus,  ob  er  sie  auch 
in  Khivn  zti'^ammenfifehen  kann.  Dann  erteilt  er  ihnen  väter- 
lii.Iie  ll.ilsi  lilage  und  ermahnt  sie,  die  letzten  Stunden  vor  dem 
wichti^^en  Gt\w^  noch  in  christlicher  Zucht  zu/.uhrin^^on. 

Fnillich  ist  derjrrosse  Taj?  ^^ekommen.  (lowoluilich  finden  »lifi 
Hochzeiten  am  Dienstag,  in  neuester  Zeit  we^en  des  Lehiers 
und  der  schulpflichtigen  Kinder  meistens  am  Donnerstag  statt.  Es 
steckt  hinter  diesem  Brauch  ein  bischen  Aberglauben.  Die  beiden 
erwähnten  Tage  gelten  als  günstig,  während  der  Freitag  und 
der  Mittwoch  als  unglöckbringend  angesehen  werden.  Vom 
Mittwoch  sagt  der  Hanauer  scherzweise,  es  sei  überhaupt  kein 
Tag.  Diese  Anschauung  gilt  aber  bloss  für  den  Vermählungstag 
selber,  denn  oft  dauern  die  Festlichkeiten  die  ganze  Woche 
hindurch. 

Die  aiivwnrtii^en  Gäste  rücken  allmälilich  ;«n.  Wenn  es  nicht 
ganz  giin>~tige*,  heileres  Wetter  ist,  hrin^^t  jeder  Gast  ausser 
dem  unvermeidlichen  Hlumensäckchen  einen  giossen  Regenschirm 
mit.  Die  Brautstncke  (Hochzeitsgesclienke)  werden  sogleich  ab- 
gegeben, es  sind  lauter  nützliche  Sachen,  meistens  Geschirr. 
Vor  mehreren  Jahren  war  es  üblich,  am  zweiten  Tage  eine  mit 
Wein  gefüllte  Zinnkanne  zu  schenken.  Von  hervorragender  Be- 
deutung ist  das  Brauträdel,  worüber  auf  die  Beschreibung  einer 
Mietesheimer  Hochzeit  im  letzten  Jahrbuch,  Seite  187,  ver- 
wiesen sei.  Dann  wird  den  Fremden  einstweilen  ein  Glas 
VVein  aufgetragen.  Nm  hnj^sam  stellen  sich  die  Auswäiiigen 
ein,  und  die  H.msmutter  hat  alle  Mühe,  bei  der  vielen  Arbeit 
den  Moment  abzupussen,  wo  alle  dn  «ind  Denn  auf  dem  Dorf 
kommt  es  auf  eine  halbe  Stunde  nicht  au,  auch  zeigen  die  ein- 
zelnen Dortulnen  vfisehieden  an.  Wie<leibüH  fragt  sie  z.  B.  : 
«<Sin  dann  d'Pnaziier  noch  i»it  tlo?  Sin  d'Kinvvillei  jetz  do?» 
—  «Sin  er  jelz  all  do  ?  —  Sauye's  jetz  im  Hei  r  Pfarre,  er 
kann  Ute  Ion,  «  sin  all  do  h 

Aber  schon  beim  zweiten  Zeichen  haben  Braulfnbrer  und 
Brautjungfer  sich  ins  Pfarrhaus,  oder,  wenn  der  Pfarrer  nicht 
im  Dorf  ansässig  ist,  ins  Schulbaus  begeben,  um  dem  Herrn 
Pfarrer  die  Brautsuppe  zu  bringen.  Vor  dem  Haus  wird  ein 
Pistolenschuss  losgelassen.  Eine  grosse  Schüssel  mit  vnr/ü^ilicher 
Fleischsuppe  und  einem  grossen  Stück  Fleisch  nel>-t  Laib 
lirot  wird  ihm  in  einem  Korb,  mit  einem  Korbtüchel  zuiiederkt, 
von  der  Brautjungfer,  eine  Flasche  Wein  vom  Bräutigam  über- 


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reicht.  Dies  geschieht«  wie  der  Bauer  scherzhaft  meint,  damit 
der  Herr  Pfarrer  nachher  in  der  Kirche  besser  cpnpple»  Icann. 
In  manchen  Dörfern  ist  die  Brautsuppe  ungebräuchlich,  dagegen 
erhält  der  Pfarrer  ein  feines  Taschentuch  mit  einem  Rosmarin- 

stenjiel. 

Nun  läulet  es  zur  Kircli»'.  .ledtT  Hochzeitsj:asl  hat  von  der 
Brniitjirnfrfer  einen  Hosmari n'=^tt'ri'^'^c|  erhalh'ii,  nmi  uian  s(  im  kl 
sich  an,  die  Aufsteliunp'  vor/uiK  luiieii.  Nach  vieleu  UiasUtiKien 
gelinj^l  dies,  und  der  Zuij  geht  lauj^saui  zui  Kirche,  an  deren 
Ein^an^  eine  Person  aus  dem  Hochzeitshause  steht,  um  die 
Gftste  SU  zählen.  Denn  es  ist  Ehrenpflicht  eines  jeden  Geladenen, 
auch  mit  in  die  Kirche  zu  gehen,  und  so  bat  die  Köchin  einen 
genauen  Anhaltspunkt  zur  Feststellung  der  Teilnehmeriahl.  Am 
Eingang;  der  Tliüre  sleht*n  aber  noch,  falls  kein  Gendarm  «um 
den  Weg»  ist^  in  Reih'  und  Glied  eine  Anzahl  Burschen  mit 
geladeneu  Gewehren  und  Pistolen,  welche  sie  der  Reihe  nach 
in  die  Lull  ahschiessen.  Früher  führten  auch  dif  Burschen 
i  m  Hüchzeits'/u^  ein  jeder  ein»»n  Sac  kpufler  bei  sich,  und  die 
Burschen  m  Imbsen  zum  Scherz  einlach  ajit  einander  los  !  Oft 
{Tab  es  aut  liie^e  Wei.^e  Unglücksfalle.  Vor  Zeiten  war  e>  auch 
gebräuchlich,  im  Moment  des  lUngwecbsels  einen  Schuss  in  das 
Innere  der  Kirche  abzufeuom,  so  dass  die  Braut  manchmal  vor 
Schreck  den  Ring  fallen  liess.  Im  Zuge  gebt  der  Hochzeiter 
voraus.  Er  fahrt  am  Arm  die  Braa^ungfer,  auch  Brautmidchen, 
Traueljungfer,  Trauermfidchen ,  öchmolljungfer,  Schmollerin 
oder  Nächste,  je  nach  dem  Orisgehrauch,  genannt.  Sie  ist  eine 
Freundin  der  Hochzeilerin,  wie  der  BrautfQbrer  ein  Freund  des 
Hochz.  iters  i-t.  Auch  K'bt  es  Dörfer,  wo  zwei  Braut.jun^,'fern 
gebräuchlich  sind,  jedoch  wird  immer  bloss  die  eine  die  «Nächste» 
frennnnt,  nämlich  die  am  nächsten  mit  dor  Braut  verwandte. 
In  diesem  Fall  führl  dann  der  Hochzeit»'!  an  jt.'iloui  .\tfit  eine 
Hrautjunjrfer.  Hinler  ihnen  kommt  zuna(  list  dci  Brautliihrpr 
mit  de»  iiüchzeiterin.  Die  übrigen  Gäste  folgen  paarweise  Ann 
in  Arm,  oder  seltener  in  breiter  Reihe,  nacli  Geschlechtern 
getrennt,  die  Männer  zuerst. 

Der  Zug  wird  bisweilen  beim  Gang  nach  der  Kirche  und 
oft  noch  auf  dem  VVe^  aus  dem  Crotteshaus  von  armen  Kindern 
angehalten,  welche  einen  Strick  quer  ülier  die  Strasse  spannen 
und  ein  kleines  Lösegeld  verlangen,  das  sie  auch  erhalten. 

Ist  die  TrauuniT  vollzogen,  so  führt  der  Neuvermählte  die 
jun;:e  Frau  nm  Arm,  der  Brautführer  die  eine  oder-'beide 
Brautjungfern.  Früher  ji^(l<»ch  führte  der  Brautführer  die  junge 
Frau  aus  dor  Kirche  heim  und  übergab  sie  eist  im  HiM  lr/pits- 
haus  zögernd  ihrem  Manne  gegen  Entrichtung  eine»  Ge- 
schenks. 


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Nun  werden  noch  voi  dem  Essen  eine  Reihe  von  FestUch- 
keiteu  veranstaltet,  welche  mehr  als  Volkshelu-^fi^un^«^  .mzitsohen 
sind  und  sich  in  Folge  des-^en  einer  jfros.seii  Beliebtheit  i>i>wuld 
in  den  [leihen  der  Mitwirkenden,  als  auch  unter  den  Uochzeits- 
gästen  erfreuen. 

Da  haben  wir  zunächst  das  «Goberite«  —  Gabenreiten,  ein 
Wettreiten  der  Barscbm  um  einen  von  der  Mochieiterin  ge- 
stifteten Preis,  eine  «Golj».  Die  Burschen  rücken  chell»,  sauber 
gekleidet,  gestiefelt  und  gesport,  jeder  mit  einer  Reitpeitsche, 
die  Pferde  und  das  Geschirr  fein  propper»  vor  dem  Hochzeits- 
hause an.  Oft  geschieht  dies  mit  Trompelenschall.  Das  Reiten 
sellisl  eifol^i  im  Galopp,  ^.owöhnlic!»  auf  der  Landstiasse,  in 
der  Hej^el  nach  einen«  benachbarten  Dorf  mit  Wendepunkt  und 
zurfick.  Die«Goh»  besteht  in  einer  Peitsche,  einem  Zaum,  einem 
roten  Brusttuch  u.  ;ilud.  Ausserdem  wird  das  Pferd  des  Siegers 
mit  bunten  Bänileni  ;ieschmückt. 

Nach  «lein  Gal>enreiten  findet  dami  ein  «Gaiieiil.iufen»  statt 
und  zwar  in  zwei  Abteilunjj^en,  zueisl  die  Bursclien,  d  ino  die 
Frauen  und  Jungfrauen.  Die  Entfernung  beträi^t  einige  Hundert 
Meter  auf  der  Dor&trasse.  Die  cCrob»  besteht  für  die  Burschen 
in  einem  Halstuch,  einem  Paar  Handschuhen  u.  s*  w.,  für  die 
Wettläuferinnen  ist  es  ein  Taschentuch,  eine  Bftndelkappe,  ein 
Foulard  od.  Shnl.  Namentlich  das  Wettlaufen  der  Weiber  und 
Mädchen  ruft  ergötzliche  Szenen  hervor.  Nfehr  als  eine  fällt 
über  ihren  eigenen  Hock,  aber  manche  entblödet  sich  auch 
rdclif,  diesen  mehr  oder  weni^^er  in  die  Höhe  ZU  heben,  um 
sicli  (Ins  Lauten  zu  erleichtern 

Und  damit  auch  die  Buben  nicht  leer  ausjjrehen.  vviid  tnr 
>it'  ein  « ß;iunigratteln»,  ein  Stan^enkletlern  veranstaltet.  Liu 
holier  Birkenslamm  wird  geschält  und  mit  Seife  eingerieben, 
damit  den  Kletterern  ihre  Aufgabe  recht  schwer  wird,  und 
vor  dem  Hochzeitshause  fest  eingerammt.  Der  Baum  hat  noch 
seine  Krone,  an  welcher  die  Prei-te  aufgehängt  sind,  2.  B. 
Hosenträger,  Foulard,  Handschuhe  u.  a.  m.  Der  Sieger  macht 
gewöhnlich  kurzen  Prozess  und  -~  nimmt  einfach  alle  Gegen- 
stände  mit.  —  Alle  diese  Volksbelustigungen  kommen  im 
nördlichen  Hanauerland  nicht  mehr  vor,  hingegen  florieren  sie 
noch  im  Süden  und  insonderheit  auch  im  benacilbarten  Acker- 
land, namentlich  dns  Gabenn  iten. 

Jetzt  erst  begibt  sich  die  iliu  hzeitspepellxlvitt  zu  Tisch. 

X;iih  Beendiij^uiig  der  latfltVeuden  des  ersten  Tages,  über 
die  bereits  ausfidirlich  berichlel  wurde,  be;:elien  sali  die  Neu- 
vermählten ins  Hochzeiisgemach.  Eine  Hociizeitsreise  isl  unbe- 
kannt. Aber  das  Eindringen  in  das  Schlafgemach  ist  nicht  so 
einfach.  Oft  haben  die  Burschen  es  verschlossen  und  den 


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—    170  — 


Schlüssel  niitgenommen  oder  sie  haben  die  Thür  von  innen  ver- 
rammelt oder  veinaj^elt.  Nicht  selten  geschieht  es,  dass  die  vier 
Stollen  des  Hochzeilsbettes  nbjre^^rigt  imd  wieder  «^'c^t  hickt  auf- 
t?esetzt  f.fler  dass  die  Biftlcr-  des  Bettbodens  ausgehoben  siad. 
Auch  anderer  Ulk  schlüpfriger  Art  wird  bisweilen  verübt. 

Es  isl  wohl  aujjel)racht,  hier  einer  alten  Sitte  zu  j^edenken, 
die  schon  im  Juhre  1737  durch  eine  herrschaftlich  hanauische 
Verordnuuii  öt^'^'e^  wurde.  Diese  hat  folgenden  Wortlaut : 
c Wegen  dem  Schlafensingen  bey  Hochzeilteli.  Demnach  man 
zuverlässig  berichtet  worden,  wie  dass  in  denen  mehrsten  Orthen 
dieser  Graffscbafft  die  Gewonbeit  eingeschlichen,  dass  bey  denen 
jeweiligen  Hochiettten  des  Abends  von  zusammen  lauffenden 
Töchtern,  Mäfrden  und  Weiliern  vor  dem  Hochzeit tshauss  bald 
geistliche  Abendgesang  bald  unzüchtige  Liedlein  unter  dem 
Vorwand,  dass  sie  der  Brandt  schlafensinjj^en  wolten,  abgesungen 
und  so  fort  die  Nacht  mehrentheil<  niil  Tanfzen  und  Schwermen 
der  Jungen  zugebracht  werde  ini  i  dmm  ein  solches  eine>;theils 
zur  Aergernuss  Chrisllieh  ^^eMMiitei  Iremullier  gereichet,  anderen 
Theiis  aber  die  geistÜLhe  Lieder  dadurch  missbrani  lit  und 
profaniret  worden,  «las  Nachtschwermen  auch  denL*n  erjjangenen 
und  vielfältig  erneuerten  Ordnungen  durchaus^}  zuwieder  ist, 
derohalben  auch  als  ein  wieder  die  Erbarkeit  und  gute  Christ- 
liche Zucht  lauffendes  Unwessen  nicht  gestattet  werden  mag : 
Alss  wird  denen  samptlichen  jungen  Leuten  und  wer  sich 
sonst  dergleichen  gelösten  lassen  möchte,  dasselbe  hiemit  nicht 
nur  bey  willkührlicher  Strafl*  untersaget,  sondern  auch  Eltern, 
Meister  und  Frauen  ernstlich  dahin  angewiessen,  dass  Sie  die 
Ihrige  gäntzlicli  davon  abhalten  und  hingegen  zu  guter  Zucht 
und  Erbarkeit,  wie  in  diessen  also  auch  in  anderen  Füllen  n»il 
behörigein  Christlichem  Eytler  anweisen  sollen.  Wornarh  sich 
aUxi  je<lermanni'^li(li  zu  achten  hat.  Üecretum  in  (ion^ilio 
Buchsweyler,  lü.  AugUi>U  1737.»  Aus  dieser  Verordnung  ist 
ersichtlich,  dass  die  Sitte  schon  damals  entartet  war.  Sie  scheint 
denn  auch  im  Hanauischen  untergegangen  zu  sein,  wenigstens 
habe  ich  nirgends  davon  Kunde  erhalten  können.  Sehr  interes- 
sant war  mir  jedoch  eine  Mitteilung  des  kurzlich  verstorbenen 
SOjährigen  Gemeindedieners  Franz  Napoleon  Wendling  aus 
Bossendorf,  einem  Aruher  zur  Landvogtei  Hagenau  gehörigen 
katholischen  Dorf,  weichet*  in  seinen  Mannesjahren,  d.  h.  vor 
etwa  40 — 5()  Jahren  die  Sitte  des  Schlafensingens  noch  mitan- 
gesehen hat.  Er  schilderte  sie  ungetahr  wie  folgt.  Am  Abend 
des    H<Hhzeitsta'/es    scharten    sich    vor    d<Mii  Hoehzeitshause 

mehrere  san^eskuudige  Flauen  und  Juiigfraueu  zusammen.  Es 
wurde  gewartet,  bis  das  Erlöschen  der  Lichter  vermuten  liess, 
dass  das  neuvermählte  Paar  sich  zur  Ruhe  begel)en  hatte.  Dann 


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—    171  - 


stellten  sie  sich  unter  dem  Fenster  des  Brautgemach^  im  Kreise 
herum  und  liessen  allerlei  schöne  Volkslieder  in  die  Nacht 
hinaus  erklingen,  von  Treue,  von  verschmähter  Liebe,  vom 
Ehestand  und  vom  ehelichen  Gh1ck.  Aucii  fromme  Weisen 
wurden  vorgetragen,  und  man  stellte  sich  vor,  dass  dem  jun-^'en 
Paare,  welches  unter  dem  Eindruck  diesor  -chönen  Lieder 
einschlief,  auch  Heil  und  Segen  für  «las  spatetf  Leben  l>evor- 
stand.  Die  Sangerinnen,  meist  der  ärmeren  Klasse  aoj.'^chorig, 
erliiellen  am  nächstfolgenden  Morgen  reichliche  Beloiuiung  für 
das  Standchen. 

Heute  wird  im  Hanauischen  den  Neuvermählten  noch  am 
spaten  Abend  von  der  Musik,  wenn  eine  solche  zur  Stelle  ist, 
eine  cSerenade»  gebracht. 

Bei  keiner  Hochzeit  kommen  die  Armen  leer  weg.  Ge- 
wöhnlich werden  sie  am  Festtage  selbst  t  r ;  hlich  mit  Brot  und 
Fleisch  beschenkt,  und  die  «Arosen»,  da«»  Uebriggebliel)ene, 
stehen  später  gleichfalls  zu  ihrer  Verfripfim-^'.  Auch  die  Kinder 
des  ganzen  Dorfes  werden  in  manclien  Ortschaften  mit  Brot 
oder  Wecken  erfreut. 

Es  drängt  mich,  hier  noch  eines  Vorkomumisses  Krwähiiung 
zu  thun,  welches  zwar  wahrscheinlich  vereinzelt  dastelit,  aber 
deshalb  eine  gewisse  Bedeutung  gewonnen  hat,  weil  eine  Be- 
sehreibung vom  forstlichen  Hofapotheker  König  (1740-1811)  zu 
Buchsweiler  im  Druck  verdCTentlicht  und  in  vielen  Exemplaren 
an  Freunde  nnd  Bekannte  verteilt  wurde.  Ausserdem  ist  aber 
die  Begebenheit  für  die  Gesinnung  des  alten  hanauer  Bauern 
so  charakteristisch,  dass  sie  der  Nachwelt  wohl  erhalten  zu 
werden  verdient,  zumal  eine  Beschreibung  Königs  nicht  mehr 
zu  existitTcn  sdieinf.  Die  Hochzeit  der  Urgrosseltern  des  jetzt 
62jähri;icti  Hi.r^^eririei^lors  Srlififor  von  Is^(>nliauscn  <lauerto.  da- 
iiialimMii  Bi  aucli  ^'t'iaäss  (um  1785),  \'1ti  f>it'iislag  hi.s  Samstag'.  Am 
Donner-Ia^'^  Vormitlag  nfirli  dem  Fnili^tiuk  zoyen  der  Hociizeiler 
mit  der  Hochzeitei  in,  der  llrautlührer  mit  den  Trauerjungfrauen 
und  alle  jungen  Leute,  welche  bei  der  Hochzeit  waren,  hinaus 
ins  Feld,  begleitet  von  den  4  Musikanten.  Dort  waren  zwei 
Pflüge  bereit  gehalten,  und  jeder  war  mit  zwei  Pferden  bespannt. 
Der  Hochzeiter  und  der  Brautführer  mussten  nun  zusammen 
das  StAck  pflügen,  welches  einen  Acker  gross  war.  Während 
des  Fahrens  spielten  die  Musikanten  auf,  und  alle  jungen  Leute 
tanzten.  Auch  der  Giossvalor  der  Braut  tantto  mit  dieser  und 
legte  noch  eine  weitere  l*robe  seiner  Gelenkigkeit  ab,  indem  er 
von  hinten  einem  Her  Pferde  vom  Boden  ans  auf  den  Rücken 
sprang.  Nnrh  ht^cmli^tt^f  Ojieration  zo;r  dn'  ^anze  Gf»sellschaft 
wieder  mit  klin;4cn<iciii  bpiel  zurück  in  lias  stille  Dort,  wo  ihrei 
das  Mittagsmahl  harrte. 


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—   172  — 


Kb  war  mein  Bemühen,  (.<i';:('>elien\'on  derzuletzl  erwähnteo 
fiegebenbeit)  nur  das  zu  schildLi d,  was  im  alten  Hanaueiinnd 
auch  wirklich  allgemein  gebräuchlich  ist  oder  war.  Wohl  in 
jedem  Dorf  ^nbl  es  loknio  Eigentümlichkeiten,  welche  alter  im 
Grn«spn  und  Ganzen  at\  dem  i^^einallen  Bilde  nitdits  Wesentliches 
ändero  dürtten.  Auch  ist  mir  sicherlich  manches  entgangen. 

4.   Ueber  Blume  nkullus. 

Wenn  man  wfthrend  der  guten  Jahreszeit  durch  ein  Hanauer- 
dorf gehl,  flllt  sofort  in  den  Gärten,  welche  an  der  Strasse 
4;elegen  sind,  die  statllicbe  Menge  der  verschiedenslen  Bluinen 
auf.  Fast  jedes  Viertel  ist  mit  Dlumen  eingefasst,  manche 
kleinere  Rabatten  sind  ganz  mit  solchen  au^efäUt.  Auch  auf 
<1en  äusseren  Fenstergesimsen,  auf  hölzernen,  abnehmbaren 
Vorstössen  und  festen  eisernen  Gestellen,  welche  ei^rens  tu 
diesem  Zweck  angebracht  sind,  pranpren  an  jedem  Haus  mehrere 
ßlumentöpt»^,  welche  oft  das  Innere  der  Stuhe  verdunkeln.  Ks 
gibt  Geludle,  bei  denen  die  ganze,  der  Dortstrasse  zugekehrte 
Front  au  sämmtlichen  Fenslern  mit  buntem  Ülumenschmuck 
ausgestattet  ist.  In  manchen  Gemeinden  bildet  der  Kirchhof 
geradezu  einen  Blumengarten,  und  ohne  die  Gewohnheit,  Blumen 
zu  ziehen,  wäre  wohl  mancher  Verstorbene  weit  fräher  vergessen 
und  seine  Grabstatte  vom  Unkraut  überwuchert.  Auch  im 
Winter  wird  den  Blumenstöcken  eine  rege  Sorgfall  zugewandt. 

Besonders  beliebt  sind  die  grellfarbigen  Blumen.  Folgendes 
sind  diejenigen^  die  im  Hanauerland  vorzugsweise  gehalten 
werden,  jedoch  soll  die  Liste  keinen  Anspruch  auf  Vollständig- 
keit machen.  (Die  Blmnen  sind  im  Plural  p'enannt),  Schnee- 
glöckle,  .Mäi7.el)lneme  (Hyazinthe),  Himmelssi  Jdü.ssele  (Scliiussel- 
t)lume),  Arikele  (l^riiuel,  i^i  imula  auricula),  Morjestärne,  Tidipa 
(Tulpe,  Tulipa  Gesneriana),  Sohn  vor  m  Vatter  (Leberblunm,  so 
genannt,  weil  die  Bluten  vor  den  Bl&ttem  kommen),  Vilofte 
(Veilchen),  Zirinke  (Flieder,  Syringa  vulgaris),  Jiljele  (Lilie  und 
Schwertlilie),  Wissjifjele  (weisse  Lilie),  Rose,  Balsaminle,  Ritter- 
spdmie,  Lavkoje  oder  Schirofle  (frz.  girofl6),  Reseda,  Gähilotte 
<Gelbveigelein,  Goldlack),  Goldrose  (Todlenblume),  Näjelblüeme 
(Nelke),  Graf^hlneme  (Federnelke),  Buschehlöeme  (Barlnelke), 
Pfingslnäjele  (Nachtviole),  Stinkeder  Hoffarl  (Sammtnelke),  Ver- 
gissmeinnichtle.  Dreifaltigkeitle  (Stiefinntterehen),  Sonnehlüeme, 
f lolzsrhiejie  (Kisenhut),  Bl iietsi i ü|)He  (Adonisröschen),  Grethl 
binter  der  Heck  (,luii;^ler  itn  Gniueii),  Stan^^eiose  (Rosenpappel), 
spanisrhi  Wiek  (wohh iech^nde  Wicke),  Haiinekridle  (Hahnen- 
kamm),  Kapezinerle  (Kapuzinerkresse),  Glockeblüeme  (Glocken- 
blume und  Ackelei),  gfülltt  Gänsblilemle,  Strohblüeme,  Schnee- 


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balle>  Ilüseinilele  (Löwenmaul),  Asteie  (Soinmerasler),  Kaktus^ 
Ad.il.je  oder  Na<ialje  (Georj^ine,  Üahlia  vaiiabilis),  Sclieranjuin 
f Pelarj^^imif',  frz.  ^vraniuni),  Kathrinerösle  (Wintci nsf«M-,  atn  Ka- 
iIkü  inonl.'i;:  lilülieml)  um!  viele  aiiHere.  Manche  liluairii  haben 
iuehi'«'io  Naiii.'M,  iiinl  uiri'^ekelirt  wird  ilerselbe  Namen  in 
versoliieileiieii  JJuilern  l'iu  versi:liiedeue  Pflanzen  ;;ebraucht. 

Die  JSorjfe  für  den  Blumengarten  obliegt  der  Hausfrau  und 
den  erwachsenen  Töcbiern,  welch  letztere  oft  ein  eigenes  Äbieil 
im  «Gärtel»  för  ihre  persönlichen  Zwecke  unterhalten.  Die 
filumen  im  Garten  werden  aber  nicht  allein  als  Garlc»nschmuck 
gezogen,  sondern  auch  vorsugsweise  zur  Verrertigung  von 
Sträussen,  zur  Zierde  der  Maien  u.  äiinl.  So  ist  es  denn 
gekommen,  dass  <ler  Plural  von  r<ßtume»  im  hanauer  Dialekt 
geradezu  unjTebrauchlich  ist  und  an  dessen  Stelle  der  Plural 
von  ((Strausso  angewandt  winl.  Der  Bauer  sagt  nicht:  «schötif 
niurnf^ii  i:n  Grirteii'»,  sondern  {fschün«'  S|i'riu>se  im  G.irfeh.  Ms 
heisst  iiii  lit  •!  j5hnii»'ii>tiH  k  >),  ^  Hin  iiientopf .  (iai  tfiihhuiien 
sondern  «Slr.iMs<sf>irki),  «  Str;iU'^.shal"eii  *>,  »<Gartt'ls1raus>i' ».  In  der 
Kindel jsinaclie  ist  l>ezeii:bnender  Weise  auch  im  Singular  das 
Wort  Strauss  =  Blume  im  Gebrauch.  Sobald  eine  Blume  im 
Garten  gedflTiiet  ist,  l&lit  sie  ihrer  Verwendung  zum  Strauss 
anbei m.  Dass  man  sie  stehen  und  verblähen  lä9!»t,  ist  ungleich 
seltener.  Dabei  wird  zwischen  befreundeten  Bauernfrauen  oft 
ein  TaUiH^hverbiltnis  in  besonders  scliönen  Blumen  unterhalten, 
$0  dass  öfters  eine  ganze  Ortschat*t  dieselbe,  bisweilen  seltene 
Varietät  einer  l>eslimmlen  Pllanze  zielii,  wahrend  sie  in  einem 
Naciihardorf  gänzlich  iinbi'knnnt  ist.  Strauss  seliger  ist  ge- 
wrilmlicli  ^osi  liiiKu  klos  vorl'erligt,  und  aus  denselben  Rhimen, 
liie  (tei  Stä  IttN  /II  t'inetn  reizenden  Bon<|net  gruiipicmt  v.  iir(le, 
entsteht  'mm  Imntt's  Gewirr  ^^rosser  und  kleiuei,  litllei  und 
dunkler  ßlumen.  Je  greller  die  Farben,  je  grosser  mul  duftendei* 
die  Blumen,  desto  wertvoller  der  Strauss.  Nicht  unerwälmt 
mag  hier  bleiben,  dass  die  Bezeichnung  cBouquet»  im  Hanauer- 
land niemals  Eingang  gefunden  hat.  Das  Wort  ist  gänzlich 
unbekannt.  Es  heisst  da  immer  auf  gut  deutsch  «Strauss». 

Mit' der  Vorliebe  für  gewisse  Blumen  mögen  wohl  einige 
Hofnamen  zusammenhängen^  welche  Blurnenbezeicbnungen  ent» 
halten.  Namentlich  kommt  die  Lilie  in  vielen  Hanauerdörtern 
in  diesem  Zusammenhang  vor,  z.  B.  in*s  Jilje,  in's  .liljebüre 
(beides  hfiulig),  in  s  Jilinrj«',  in's  .liljnrkels  (VValtenheim)  u.  s.  w . 
Offenbar  wurden  in  «Irn  )>el lellendcn  Gehöften  vor  l^.eilen 
aulfidU  nd  \ie!e  Lilien  gezogen.  Hierher  jiehörl  auch  ttUoselünzej> 
(Sa-sobhemi). 

Ausserordentlich  /alih'eich  sind  die  Gelegenheiten,  bei  de- 
nen Blumen  und  Siräusse  angewandt  werden.  Der  Sinn  für 


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—   174  — 

das  Bluiuenreicli  winl  schon  tVüh  im  Kinde  erweckt  uiiH 
os>gezo?en.  Man  kann  utl  Sonntags  kaum  2jährige  Mädchen 
ölulz  auf  (lei  Strasse  einherschreitea  sehen,  welche  den  ganzen 
Nachmittag  hindurch  in  ihren  niedUcben  Händchen  einen  Slrauss 
zur  Schau  tragen,  der  dem  braven  Kind  von  der  Uutter,  der 
Grossmufter  oder  der  Göttel  als  besonders  wertvolles  Geschenk 
fibergeben  worden.  Aust^edehnle  Verwertung  geniessen  die 
Blumen  am  Sonntag  beim  Kirchgang.  Die  ersten  FrOhlings- 
blumen  fallen  dieser  Anwendung  tum  Opfer,  und  im  Summet 
Ware  es  schwer,  eine  weihliche  B:iuerni>erson  zu  finden,  weiche 
keinen  Sfraus-;  hätte.  Dieser  l)esteht  aus  einigen  Blumen,  welche 
in  das  Gesangbuch  gelegt  werden.  Niemals  fehlt  dahei  der 
Rosmarin  oder,  wie  der  Bauer  kurz  s.«gt,  «hM"  Marin,  indem 
der  erste  Bestantiteil  des  Worts  als  gleichlHjdeuterul  mit  «Rose» 
aulgefasst  wiid.  Wegen  seines  sc.harfen  Geruchs  ist  er  vorzugs- 
weise dazu  geeignet,  seinen  Träger  vor  dem  Einschlafen  in  der 
Kirche  zu  liewahren.  Ueberhaupt  ist  ein  regelmässiger  Bestand^ 
teil  des  Kircbgangstinusses  irgend  ein  wohlriechendes  Kraut, 
welches  jenen  wichtigen  Dienst  zu  leisten  berufen  ist.  Dies  ist 
auch  der  Grund,  weshalb  die  Männer,  welche  sonst  keine  gnwse 
Zuneigung  zu  frischeti  Blumen  haben,  einen  kleinen  scharf- 
riechenden Zweig  mit  zur  Kirche  nehmen.  Eigens  zu  diesem 
Zweck  wird  das  Basilicum  (Rasiii,  Brasili,  Bresili)  gepflanzt, 
eine  sehr  empfindliche  Pllanze  mit  kleinen,  woisscii  Blüten 
aus  der  Familie  der  Labiatpo.  Der  Bauer  nennt  su'  (Umiii  auch 
nacii  ihrer  Bestimmung  <«S<litiiackel»  =  «Schmeckiclit ».  "Schmek- 
ken»  wird  bekanntlich  nn  elsässischen  Dialekt  im  Sinne  von 
«riechen»  und  speziell  «wohlriechen»  gebraucht.  Dieses  letztere 
Wort  ist  ungebrftuchlicb.  fSchmackett  ist  daher  gleich  «wohl- 
riechende Substanz».  Anstatt  cscharf  riechen«  sagt  der  ICIsässer 
flaut  schmecken». 

Frauen  und  Mftdchen  pflegen  ihre  Zuneigung  zu  den  Blumen 
dadurch  an  den  Tag  zu  legen,  dass  sie  sich  Sonntags  mit  einem 
selbstgeptlückten  Strausse  ausrdsten.  Seinen  Platz  fmdet  er  ge- 
wöhnlich am  Busen  hinter  dem  Vorstecker,  und  die  stolze  Maid 
braucht  ihr  Köpfchen  bloss  ein  klein  w«M(iir  vorwärtszubeut:»^!, 
um  <lit'  wurmigen  Düfte  mit  vollen  Zügen  ;:eniessen  zu  können, 
eme  Bewegung,  tlie  sie  nicht  versäumt,  öfters  auszutühren. 
Uebrigens  kommt  diese  Art,  den  Strauss  zur  Schau  zu  tragen, 
mit  dem  Verschwinden  der  Vorstecker  allmählich  ab. 

ßn  Strauss  in  der  Wohnstube  ist  bei  den  Bauern  recht 
beliebt,  und  oft  wird  das  ganze  Gemach  von  einem  betäubenden 
Blumengeruch  erfQlll.  Sehr  beliebt  ist  ein  Kranz  von  Vei)(is8- 
meinnicht'Pflanzen,  welcher  auf  einen  mit  Wasser  gefnillen 
Suppenteller  gelegt  wird  und  lange  blüht. 


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-   475  - 


Auch  zum  (le^chenk  an  freinde  Leute  wird  ein  hübijcher 
Strauss  sehr  h;iuli^  l)eiiulzf.  In  iini^^tändlicher  "Weise,  aber  ^e- 
schmarklo«;  werden  die  einzelnen  Stengel  neheneinanHerjjelefjl. 
Dann  kommt  die  ^vichti;.^sle  Operation  :  das  Binden.  Sie  ^ie- 
schieid  mit  t.'ineni  Bauiuaiillladen,  der  wohl  t?0  M.d  tost  um 
die  Stiele  gewickelt  winl.  I^t  der  Faden  g^ebunden,  ao  werden 
die  Enden  mit  den  Zahnen  abj^ebissen  oder  mit  dem  Messer  ab- 
irescbnitten.  Zum  Schluss  werden  die  Stiele  mit  einem  scharfen 
Messer  unten  gleichmässig  abgestutzt,  und  der  Strauss  ist  fertig. 

Die  Bauersfrau,  welche  einen  Verwandten  oder  Bekannten 
in  der  Stadt  besucht,  unterlägst  niemals,  demselben  in  der 
BUinnenzeit  einen  ungeheuren  Strauss  mitzubringen.  Hat  der 
Bauer  Besuch  von  auswärts,  seien  es  nun  gleichfalls  Bauern 
oder  aucli  «Henviilenfe)),  so  eilt  die  Frau  in  der  Trennunjjs- 
slnnde  ins  Gärtel  und  schneidet  fnr  die  werten  Gäste  ein  ganzes 
Bimdo!  Blrnnen  ah,  wobei  der  unvermeidliche  Rosm  uin  nie 
leldl.  Ganz  tindonkbar  wäre  ferner  eine  landliche  Festlic  hkeit 
ohne  Bkimen,  i.  B.  ein  landwirtschaftliches  Fest.  So  bekam 
bei  seiner  Fahnenweihe  1891  der  Hwrhtelder  Kriegerverein  von 
seinen  zahlreichen  hanauischen  Mitgliedern  unaufgeforctert  ganze 
Wagenladungen  voll  der  herrlichsten  Blumen  gebracht.  Der 
Bauer  irermag  sich  eben  ein  Fest  ohne  Blumen  nicht  vor- 
zustellen. 

Als  Hegel  gilt,  dass  nur  das  weibliche  Geschlecht  frische 
Blumen  liebt.  Lässt  sich  ein  ha nauer  Mädchen  photograpbieren, 
so  hat  sie  gewöhnlich  ein  Sträusschen  in  der  Hand,  welches 
nicht  selten  vom  Photograplien  noch  ^'efärbt  wird,  denn  das 
nimmt  sich  srhön  aus.  Auch  ein  Blumenkörbchen,  welches  der 
Photograph  eigens  für  solche  Fälle  zur  Hand  hat,  wird  oft 
mit|»hotogrd[»hiert.  Der  Mann  mag  frische  Blumen  nicht  wegen 
ihres  Geruchs,  der  ihm  zuwider  ist.  Bloss  das  Kirchgang- 
sträusscben  macht  eine  Ausnahme.  Doch  sieht  man  hie  und  da 
am  Sonntag  auch  wohl  einen  Bauern  mit  einer  einzelnen  frischen 
Blume.  Er  trägt  aber  dieselbe  weder  in  der  Hand,  noch  im 
Knopfloch,  sondern  im  Hund.  Knopflöcher  bat  er  nämlich  am 
Festrock  keine ;  sie  sind  zwar  vom  Schneider  verfertigt , 
aber  zugleich  wieder  zugenäht  und  dienen  bloss  zur  Parade. 
Der  Rock  wird  vorn  mit  einem  Seidenband  oder  einer  Knopf- 
schnur geschlossen.  Ausserdem  aber  leistet  der  Blumenstiel  im 
Munde  des  Bauern  noch  einen  andern  Dienst,  er  ersetzt  ihm  das 
ßauclion,  welches  vdio  allen  Hanauer  vielfach  nis  unanständig 
angesehen  vvird.  .Vhgesehen  von  die:>en  beiden  Fällen  bedient 
sich  der  Bauersmann  für  seine  persönlichen  Zwecke  in  der 
Regel  der  könsfliehen  Blumen,  welche  er  cdfirref  Strauss» 
nennt  zum  Unterschied  vom  «lebendigen  Strauss»,  welcher 


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fhscbe  Blumen  bedeutet.    Für  dürre  =  verwelkte  Blumen  hat 

er  ührijfens  wieder  ein  anderes  Wort:  er  nennt  sie  «welliger 
Strauss  >.  fwolti;^'  =  welki^  =  welk).  Als  der  Typus  der  künst- 
liohi^n  Blumeil  k;inn  tnnn  den  bekannten  Strauß  ansflien.  mit 
(I.Mii  <\oh  di«'  iiiilitäriiilii-litigcn  jungen  Leute  am  Zie!iuii-<l;ig 
schniikken.  Kr  hostebl  aus  bunten,  grellfarbigen  Blumen, 
welche  mehr  der  Phantasie  als  der  Wirklichkeit  entsprechen, 
aus  Gold-  und  SüberOittern,  gefärbten  Federn,  nachgeahmten 
Früchten,  z.  B.  Trauben,  Johanmstraaben,  Kirschen  a.  a.  m. 

Wenn  wir  nun  die  einzelnen  UmstSnde  durchgehen,  unter 
denen  die  Blume  Verwendung  findet,  so  zeigt  es  dich  gleich, 
dass  sie  bei  allen  wichtigen  Ereignissen  und  Feierlichkeiten  und 
in  allen  Lebensabschnitten  von  der  Kindlaufe  bis  zur  Beer- 
digung eine  hervorragende  Rolle  spielt. 

Bei  der  Kindtaule  trn^^en  dit*  PtV'tter  TPathen)  als  Abzeichen 
ihrer  Würde  zum  Kirchgan;;  einon  niachfi/«Mt  Shawss,  natfirlii  h 
aus  künstlichen  Blumen,  auf  der  linken  >eite  der  Brust.  Da  in 
der  Hegel  an  liem  Festgewand  kein  ollene^  Knujinuch  ist,  wird 
<ler  Strauss  angonaltt  und  «ler  Stiel  durch  einige  bunte,  manch- 
mal zu  einer  Schleife  zusamniengeschlungene  schmale  Bänder 
verdeckt.  Sobald  die  Jugend  der  Schule  entwachsen  ist  und  der 
gegenseitige  Verkehr  der  beiden  Geschlechter  beginnt,  wird 
von  der  Maid  die  Blume  als  der  stumme  Uefaerbringer  der 
sehnsüchtigsten  Liebens  wünsche  an  ihren  Herzenserkorenen  ge- 
wählt. Sie  schenkt  dem  Glücklichen  auf  dem  Heimweg  vom 
Abendmarkt  ein  duftendes  Sträusschen.  Eine  eigentliche  Blumen- 
spracbe  ist  jedoch  unl)ekannt,  kaum  dass  die  wci>*se  Farbe  als 
die  der  Unschuld,  <lie  rote  ds  Treue  anL'e-ehen  wird. 

Eine  besonders  wichtij^e  \erwendung  linden  die  HImnen 
bei  der  Sitte  des  «Maien-Steckens».  Es  besteht  nämlich  im 
Hanauerland  der  Brauch,  dass  der  Uursche  am  Hause  seiner 
Geliebten  am  1.  und  am  letzten  Mai  einen  sogenannten  Maien 
anbringt.  Ein  Tannenldumchen,  Birkensfftmmchen  oder  irgend 
ein  grünender  Strauch  wird  mit  frischen  Blumen,  auch  wohl 
mit  Bändern,  geziert  und  bisweilen  ganz  überladen.  In  finsterer 
Nacht  wird  er  dann  an  dem  Wohnhaus  der  Angebeteten  be- 
festigt, je  höher  oben^  um  so  lieber.  Meistens  geschieht  dies 
auch  auf  dorn  First  des  ülierdachten  Einj^Tni^thores,  indem 
einfach  ein  Ziegel  weggerissen  und  der  Maien  eingerammt 
wird.  Zu  solcher  Arl>eit  ist  ^elbstv»n"sländlirh  eine  Leiter  nötig, 
welche  von  eineni  vertrnuten  Freunde  gehalten  wird,  der  ge- 
w«)hnlich  andersw.i  dif  gleichen  Al*sirhten  hat.  Oft  aber  wird 
der  Maien  auf  den  uljersten  Gieliel  des  Hauses  selbst  aufge- 
pflanzt, und  diese  halsbrecherische  Arbeit  hat  schon  manchem 
jungen  kraftigen  Burschen  einen  unglücklichen  Sturz  und  sogar 


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den  Tod  zugezogen.  Die  Jungfrau  weiss  wohl  immer,  dass  und 
von  wem  sie  den  Maien  gesteckt  bekommt.  Sie  verhält  sich 
daher  in  der  betreffenden  Nacht  hüh^ch  ruhig,  falls  sie  die 
Neigung  ilires  Anbeters  erwidert.    Itn  entgegei^feselzten  Fall 

sucht  sie,  sohahl  es  ^ehi,  wenn  mö^flich  schon  vor  Tagesanbruch, 
'la-'5  Iv!che.«p;tnr*M*  711  cntfornon,  und  ^nr  oft  findet  der  ver- 
.scliuiühte  Lit'ldiaher  ;\m  iVfilitMi  Mi>r;^en  sein  Angehindp  im 
Koth  am  Sd .tssi'iir,unl.  In  inanchon  Gemeindeu  wcnlt-n  in 
jener  Nacht  alle  liluiuoni^^ärteu  ohne  Wahl  geplüinlcrt,  uiul  die 
Einwohner  sind  jjezwungen,  die  Nacht  über  Waihe  zu  halten, 
wenn  sie  nieht  ihre  sämmtlichen  Blumen  einbüssen  wollen.  In 
übertragener  Weise  wird  das  «Maienatecken»  auch  andern 
Personen  beim  Eintritt  eines  freudigen  Ereignisses  erwiesen, 
so  z.  B.  einem  neu  ernannten  Bfii^rmeister,  einem  Hochzeits- 
paar, einem  EhejubiJäumspaar  u.  s.  w.  Von  diesem  Gebrauch 
kommt  das  bekannte  Sprichwort  her :  «Wem  man  nicht  hold 
ist,  dem  steckt  man  auch  keinen  Maien». 

Die  Kehrseile  dv^  Maiensteckens  ist  das  Stecken  eines 
«Schandinniens^^.  Dips»^  Silte  wird,  wie  es  flas  Wort^  schon 
Sii;:t,  ;4t*iilit,  Ulli  jem.-uid  Schande  unzuthuii  odci-  Verdiuss  zu 
bereiten,  unii  zsviir  suwnliJ  jun^jen  Mädchen,  wie  andern  Per- 
sonen gegenüber.  In  diesem  Falle  wird  natürlich  der  Maien 
nicht  mit  Blumen  geziert,  sondern  mit  allerlei  schmucklosen 
oder  schmutzigen  Gegenstanden  behangen  ^  z.  B.  Strohseilen, 
Steinen,  Eierschalen,  zerrissenen  Strumpfen,  alten  Schuhen, 
einem  ausgestopften  Hasenbalg,  dem  Kadaver  eines  jungen 
Gänschens  oder  Kaninchens  n.  a.  m.  Es  besieht  demnach 
zwisclien  einem  wirklichen  Maien  und  einem  Schandmaiou  das- 
selbe Verhältnis,  wie  zwischen  ^musikalischem  Ständchen  und 
Katzenmusik. 

Wii'  kamen  nun  zur  Hetrachtung  einiger  rfel)rau(  lie  <ler 
Jugend  hei  der  I Ikirchweih ,  dem  sogenamilen  Messli 
(=  Messlag).  Auch  hierbei  findet  die  Blume  reichliche  Ver- 
wendung. Nach  allem  Hanauerbrauch  sauuiielt  sich  die  ge- 
summte Dorljugend  nach  dem  Nachmiltagsgotlesdienste  vor  dem 
Tknzlokal,  oder,  wo  im  Freien  getanzt  wird,  vor  einem  Wirts- 
haus. Arm  in  Arm  geht  es  nun  nach  dem  Festplalz.  0en  Zug 
eröffnet,  noch  vor  der  Musik  einfaerschreitend,  allein,  in 
Hemdsärmeln  der  «Messlihütera.  Er  trägt  auf  der  Weste  links 
ein  Slräusschen  aus  künstürhen  Blumen,  dazu  einige  bunte  l^uuder 
und  einen  Blechlölfel.  Ausserdem  f&hrt  er  auf  der  linken 
Schuller  ein  geladenes  Schiessgewehr,  an  dessen  Mündung 
seitlich  einige  Blumen  und  Bänder  anpebrnelit  sind.  Gehf  es 
hoch  her,  d,  h.  wenn  <\r\i  viele  I^ur^ohen  mit  grösseren 
Summen  beteiligen,   so  erhalt  jeder  Musikant  gleichfalls  ein 

18 


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Sti*ftuB8chen.  Hinter  der  Musik  kommt  dann  dor  «Messtibui  sche», 
ein  Gornisrh  von  nitllkommissar,  Arrangeur  und  Genera Ipächter. 
Sein  Hut  )^•t  luit  einem  p:rossen  künstlichen  Blumenstr.diss  und 
zahlreichen  Bantlern  jieschnmckt  und  wird  während  dor  jrnnzen 
Dauer  des  Tanzes-  nicht  al>prelefr!.  .\u»]\  seine  Tänzeiin,  «las 
«Messtiniaid»')!  isf  nnt  (>"mern  Sf räu^s(•llen  bedacht,  welciies  auf 
der  link»?n  IJi  nslscitc  prangt.  Iktkle  tr;i^M'n  aussei-dem  auf  der 
Brust  einen  BleehlölleK  Ist  der  Zug  auf  dem  Feslplatz  angekommen, 
so  gibt  der  Messt ihüter  einen  Schuss  ab.  Die  Anwesenden  stellen 
sich  im  Kreise  um  den  Maien  oder  Messtibaum  auf.  Es  ist  das  ein 
hoher  Stamm,  gewöhn  lieh  dne  Birke,  deren  untere  Aeste  ab- 
}^hauen  sind.  Das  obere  Ende  ist  mit  vielen  frisclien  Blumen 
und  Bändern  geziert.  Nachdem  die  Gesellschaft  einige  Male  um 
den  Maien  getanzt,  begibt  sie  sich  nach  dem  Tanzboden  zurück. 
Bei  Stadtmesstis  kommen  in  der  neueren  Zeit  öfters  Biuleti 
vor,  wo  als  Preis  für  einen  getroffenen  Schuss,  einen  geschickt 
geworfenen  Hill,  einen  gut  geführten  Hamnierschlag  etc.  künst> 
liebe  Blumen<tr  ui'5schen  abg^el>en  werden.  Die  Budenbo-ilzor 
thun  das  mit  klii;.^er  Berechnung,  denn  sie  wissen,  da^s  die 
Aussicht  auf  ein  Blumensträussclien  den  jungen  Burschen 
doppelten  Mut  und  Eifer  einflösst.  Ist  in  solchen  Buden  die 
Wahl  zwischen  Cigarren  und  Strftusschen  freigestellt,  so  er- 
freuen sich  die  Blumen  regelmässig  eines  grösseren  Zuspruchs, 
und  der  Bursche  kehrt  nicht  selten  stolz  nach  Hause,  den  Hut 
ganz  mit  Blumen  t>eselzt,  die  er  entweder  daheim  an  den 
Spiegel  steckt  oder  -  ui.  i  Angebeteten  verehrt. 

Eine  weitere  Gelegenheit,  bei  welcber  der  Bauernbursche  im 
Blumenschmuck  erscheint,  bildet  das  Aushebungsgeschäft.  Ein 
grosser  <,'ir'ilf;irhigpr  Strauss  aus  künsllifiicii  Blumen  zierf  nt»bst 
m<'hi  (M  en,  ott  hfalh  geblümten  Bän«lern  die  KoplWdi'i  kung 
ujid  bisweilen  auch  die  Brust  des  Militärpflichtigen.  Das  Ergebui.>der 
Mustei  ung  ist  dabei  gleichgültig,  der  SUauss  zierl  ebensowohl  den 
zuküntti^en  Vaterlandsverteidiger  als  den  Dienstuntauglichen. 
Scharenweise  ziehen  die  Burschen,  Arm  in  Arm,  durch  die  Strassen 
und  nachher  in  ihr  Heimalsdorf,  an  ihrer  Spilze  einen  oder  meh- 
rere Musikanten,  welche  ebenfalls  durch  Blumen  und  Bänder  am 
Hut  als  zur  Musterung  gehörig  gekennzeichnet  sind.  Besonders 
reich  mit  Sträussen  geschmückt  ist  ein  gewandter  Bursche, 
welcher  vor  der  Musik  her  nach  Art  der  Tambourmajors  einen 
Tambourmajorslock  schwingt  und  mit  allerlei  Faxen  und 
Sprün-^'^en  bogloitet.  Der  Sim  k  i*t  niif  Bändern  und  kfinst liehen 
Blumen  ;ins;i,'[)utzt  Dio^i-  Sitte  \<\  wohl  als  ein  l  eherbleibsel 
des  im  (ll■e^^sigJälln;:en  Kriege  beliehten  Fahnen«piel>  <ler  Lands- 
knecbtheere  aufzufassen.  Nicht  selten  koinail  es  vor,  dass  der 
Bursche  seinen  Aushebungsstrauss  noch  lange  zu  Hause  in 


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Ehren  hftlt,  und  ich  habe  wiederholt  solche  Strftusse  eingerahmt 
und  hinter  Glas  aufbewahrt  gesehen,  welche  noch  von  der 
französischen  Zeit  herstammen. 

Von  ganz  ausgedehnter  Anwendung  sirul  die  Blumen  bei 
allen  Feierl iclikeilen,  die  mit  der  Heirat  als  dem  grössten 
Freudenfest  im  Leben  zusammenhängen.  I)ass  dci  Bursche  seiner 
IJehsfen  oft  durch  Hlurnensponden  seine  (Tcfuhlp  aisdiückt,  und 
uiiigekelu-l  \vurt]e  i)t'reits  hetonl.  Ungeujein  jntere.-5sant  ist  ferner 
der  Siraiiss.  welcher  dem  Brautpaar  zur  Erfangung  eines 
Truiubülte  dargebracht  wird.  Dieser  Strauss,  welcher  oft  einen 
Itedeutenden  Umfang  einnimmt  und  nicht  selten  20  Mark  und 
noch  mehr  gekostet  hat,  besteht  aus  kfinstlichen  Blumen. 
Zwischen  die  einseinen  Blumen  sind  Zweige  von  frischem  Ros- 
marin eingebunden,  welche  den  den  Frauen  so  angenehmen 
würzigen  Duft  verbreiten.  Um  den  kegelförmigen  Slrauss  selber 
ist  ein  Band  von  schwaraem  oder  geblümtem  Sammt  geschlungen, 
wie  er  zur  Einfassung  am  unteren  Ende  des  Weiberrockes 
dient.  Da  der  Stolz  des  Mäddiens  und  der  Frau  sich  nnrh  der 
Anzahl  dei'  Sammltonren  l)erechnet,  womit  der  Rock  besetzt 
ist,  so  wird  nicht  s.'  fe?!  dem  Strausse  Band  für  3—5  Touren 
beigegeben,  was  einen  Wert  von  über  10  Mark  ausmacht. 
Der  Bauer  stellt  sich  hiermit  zugleich  das  Zeugnis  eines  prak- 
tischen und  eines  sinnigen  Menschen  aus.  Dieser  Strauss  also 
wird  dem  Brautpaar  mit  einem  kurzen  Glückwunsch  überreicht 
und  findet  seinen  Platz  auf  der  Tafel.  Ist  er  gross,  so  wird  er 
auf  einem  eigens  su  diesem  Zweck  vorhandenen  dreieckigen 
Gestell  untergebracht.  Auch  ist  es  üblich,  ihn  spftter  einzu- 
rahmen und  noch  lange  Jahre  ^iufzube wahren.  Allgemein  ge- 
bräuchlich ist  folgender  niedliche  Spruch,  welcher  von  den 
Ueberbringern  des  Strausses  gesprochen  wird,  wenn  der 
Bräutigam  ans  einem  andern  Dorf  ist :  «Es  ist  ein  Fremdling 
als  Gärtner  in  unsern  Hlumeni^arten  L'ekomrnen,  um  eine  der 
schönsten  Blumen  zu  ptim  ken.  Wir  wollen  ihn  nicht  beneiden, 
sondern  ihm  zum  Andenken  diesen  Strauss  überreichen  1» 
Wirklich  ein  recht  sinniger  Vergleich,  der  dem  Bauerngeschmack 
alle  Ehre  macht  t 

In  etlichen  Dörfern  ist  es  ferner  Brauch,  das  eheliche 
Aufgebot  Im  Kästchen  des  BOrgermeisteramts  mit  einem  schönen 
Slrauss  aus  künstlichen  Blumen  zu  versehen.  Der  gleichen 
Sitte  begegnet  man  im  bad Ischen  Hanauerland. 

Die  Einladung  zur  Hochzeit  wiid  heim  Hanauer  Bauern  in 
iler  lle^el  persönlich  besorgt.  Heutzutage  wird  sie  ^'ewöhnlich 
durch  das  Brautpaar  ühorhrncht,  und  der  Bräutigatn  trä^'t  al<<- 
dann  am  Hnt  einen  künstlichen  Strauss.  Wird  aber  die  Ladung 
durch  den   Hochzeiter  und  den  Brautführer  zu  Pferd  vorge- 


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nommen,  so  tragen  ^te  lieide  mächtige  Bluuiensträusse,  um! 
zwar  der  erstere  am  Hut  lerlils,  der  letzlere  link«;.  E))enso  ist 
dns  Pferd  an  den  Pu»-^»MU'U  zu  l>eidt'a  Seiten  des  Kopfs  mit 
Blumen  und  FJänderii  '^eintvl,  desj^leichen  die  Reilpeitsclie. 

BfM  der  Ueberfuhrung  des  [iausiats  an  den  knnlligeji 
Wohnui  l  des  jungen  Paars  spielen  die  lilumeu  wietierum  eine 
grosse  Rolle.  Die  säranitiichen  Fubrleute  sowie  die  Brautjuug- 
frau  tragen  Blumenschmuck,  teils  am  Hut,  teils  auf  der 
Brust,  ebenso 'die  Pferde  an  Kop^eschirr  und  Schwanzriemen. 
Die  schönste  Zierde  der  Aussteuer  bildet  aber  das  Brauträdel, 
welches  mit  Blumenbändern  reich  ausgestattet  ist  und  an  der 
SpiUe  des  Kunkelstocks  einen  prachtvollen  Strauss  aus  kQnst- 
liehen  Blumen  aufweist. 

Am  Ho<  lizeitslMfie  selber  hat  der  Br.nttffihier  seinen  Hut 
mit  einem  ^nelllarltijcn  Strauss  geschmückt,  während  der 
Bräutigam  umen  -soh  I  c  t  auf  der  Brust  trägt.  Jedoch  hat  bis- 
weilen auch  der  Brauiiuhrer  seinen  Strau5;s  auf  die  linke 
ßrustseite  geheltet.  Im  iiuchieilszuge  tragen  süniniinidie  Teil- 
nehmer im  Gesangbuch  einen  Rosmarioüteugel,  welcher  ihnen 
vorher  im  Brautfaaus  eingehftndigt  wurde.  Endlich  sei  noch  er- 
wähnt, dass  Pferde  und  Peilscben  der  Hochseitsgiste  beim  Zu> 
und  Abgang  fast  immer  mit  natürlichen  und  künstlichen 
Blumen  und  bunten  Bändern  geschmückt  sind. 

Aber  auch  zu  Brautgeschenken  werden  Blumen  vielfach 
benutzt.  FAix  oder  mehrere  schöne  Blumenstöcke  bilden  ein  eben 
so  billiges  a's  schnnes  und  gern  angenommenes  Geschenk. 
Va^^eji  mit  künstlichen  Blumenstöcken,  namentlich  Hyaeinllien 
und  Bosen  sind  gleichfall-^  sehr  beliebt.  Das  Prächligstt-  aber, 
wn<  es  in  dieser  Art  gibl,  sind  irrosse  Gruppen  bunter  künst- 
licher Blumen  mit  glänzenden  GuhllUlleru,  Silberblätlern  und 
Fäden.  Sie  dienen,  unter  einer  halbovalen  oder  halbkugeltoi  niigen 
Glasglocke  aufbewahrt,  als  Zierde  einer  besseren  Stube  und 
bilden  eine  ansehnliche  und  dauerhafte  Hochxeitsgabe. 

Das  Gegenstück  zum  Hochzeitsfeste  ist  das  Begräbni«^ 
ilie  eigentliche  Trauerfeier.  Und  auch  hier  findet  wiederum  die 
Blume  sinnige  Anwendung,  die  letzte  und  schönste  Gabe,  welche 
einen  lieben  Dahingeschiedenen  zur  letzten  Ruhestätte  begleitet. 
ha<s  von  Freun<len  und  Bekannten  Blumenkronen  der  ver- 
schiedensten .\rt  gestiftet  werden,  soll  Iiier  nicht  weiter  betont 
werden,  es  ist  ein  allgemeiner  Brauch.  In  der  Ht.'gel  aber  werden 
Blumenkränze  im  HanauiM  heri  älieien  Leuten  nicht  ndl^egeben, 
und  ihre  Anwendung  bleibt  lediglielj  aut  verstorbene  Kinder 
.  und  jüngere  ledige  Personen  beschränkt.  Das  Hauptschauslück 
bildet  ein  grosser  Kranz,  welcher  mit  4i — 10  langgestiellen  Strftuss- 
eben  aus  natürlichen  oder  künstlichen  Blumen  (je  nach  der 


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Jahreszeit}  üergeslalf  besetzt  ist,  dass  das  ansehnliche  Ganze 
eine  cylinder-  oder  fossähnliche  Gestalt  gewinnt.  Eine  oder 
niehi«re  solcher  f Kronen»,  wozu  die  Kosten  durch  Kameraden 
des  Verstorbenen  oder  Schulkinder  unter  der  Burgerschaft 
gesammelt  werden,  tragt  man  dem  Sarge  voran.  Wahre  Prachi- 
stficke  dieser  Art,  ganze  grosse  Gestelle,  sind  in  Offweiler  im 
Gel»rauch.  In  neuester  Zeil  kommt  Hie  Sitte  ab,  mnn  spart 
sich  die  Mühe  der  Aiiferli^iun^^  es  werden  einfache  künstliche 
Blumenkränze  p  kault.  Vm  di-n  >^ar;f  selbst  wiril  ein  Elphoti- 
geflecht  mit  eiüyej^treutoa  iilunieii  fielest.  Es  wird  auf  dem 
Kirchhof  abgenommen  und  dient,  nachdem  das  üjali  zuge- 
woiloii.  als  Einfassung  des  Grabhügels.  Diese  letztere  Ge- 
pflogenheit ist  auch  l)ei  angesehenen  Genleindemitgliedern,  z. 
B.  Pfarrer,  Lehrer,  Bürgermeister  u.  s.  w.  im  Gebrauch. 
Ausserdem  erhalten  die  Todtentrfiger  aus  naheliegenden  Gründen 
einen  Stengel  scharfnechenden  Rosmarins. 

Aber  wenn  auch  der  Verstorbene  zur  ewigen  Ruhe  gebettet 
ist,  das  Andenken  an  ihn  bleibt  docli  lebendig  erhalten,  und 
da  ist  es  wiederum  die  Blume,  welche  in  mannichfacher  Gestalt 
die  Erinnerung  an  den  Verblichenen  wach  hält.  Künstliche  und 
natürliche  Blumenkränze  werHon  nm  eine  Inschiift  geh^prt, 
welche  ontwe<ler  einen  frnnirinMi  S|iruih  oder  einen  schönen 
Bihelvers  daistellt,  meisleiis  ;d»er  Name  und  Aller  des  Dnhin- 
geycliiedenen  sowie  don  Leichentext  ;ingibt.  Das  Ganz»'  wird  in 
einem  runden,  i-,  G-  oder  8 eckigen  Balnuen  eingeialnnt,  unter 
Glas  gelegt  und  zu  Hause  an  einer  bevorzugten  Stelle  der  Wohn- 
stube aufgehängt.  Es  ist  gewissermassen  ein  Denkmal  im  Zimmer. 
Allgemein  verbreitet  war  fröher  die  Anbringung  solcher  einge* 
rahmler  Blumen krSnze,  jedoch  bloss  soweit  sie  verstorbene  Kinder 
und  ledige  junge  Leute  betrafen,  im  Inneren  der  Kirche.  Dieser 
an  sich  lobenswerte  Brauch  artete  jedoch  allenthalben  in  Ueber- 
tieibung  oder  Unfug  aus,  so  dass  allmählich  die  Kirchenwände 
zum  prn«^?;»^n  Teil  damit  ^^eradfzti  tapeziert  wanni.  So  wurde  denn 
die  Sitte  durch  ITarrer  oder  Bürgermprstor  verboten.  In  Schwiii- 
dratzheim  he-^iand  sie  noch  vor  wenigen  Jahren  und  ist,  soweit 
meine  Kenntnis  reiclil,  jetzt  nirgends  mehr  gel)rüuchlich. 

Von  anderen  Sitten,  bei  welchen  die  Blume  gebraucht 
wird,  seien  noch  folgende  erwähnt.  Am  VSTeihnachtshaum  werden, 
entsprechend  der  Jahreszeit,  kunstliche  Blumen  angewandt, 
welche  von  den  Frauen  selbst  aus  Seidenpapier,  Mohr- 
rfibm,  gefärbten  Runkelrüben  etc.  verfertigt  werden.  Ka- 
tüi  lich  ist  die  Kunstfertigkeit  und  die  Auswahl  in  den  Blumen 
nicht  gross.  .Tedoch  zeigt  sich  in  neuerer  Zeit  vielfach  das 
Desfreben,  die  Herstellunti  künstlicher  Blumen  systematisch  zu 
erlernen,  und  mau  kann  schon  bisweilen  in  Bauernhäusern 


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grosse  Zweige  mit  den  so  sehr  beliebten  Schneebällen  antreffen, 
deren  geschiclLte  Anfertigung  auch  einem  Stadifraulein  alle 
Ehre  machen  würde. 

7m  Pfingsten  ist  der  Brauch  des  «Pliugstetilaufens»  im 
Hanauischeii  allgeiiiein  verbreitet.  Hierbei  wird  ein  Maien  und 
in  mani  heil  Dörfern  eine  sogenannte  Pfinj^istfahne  durch  das 
Dorf  Uiuhergetraj^en.  Beide  sind  mit  Bändern  und  frischen 
Blumen  reich  gesclnnückt. 

In  gleicher  Weise  ist  der  Maien,  welchen  die  Zimmerleute 
nach  dem  Aufschlagen  des  Dachwerkes  bei  einem  Neubau  auf 
dem  Giebel  außcupllanzen  pflegen,  mit  vielen  Bändern  und 
buntem  Blumenwerk  ausgestattet.  Dasselbe  gilt  von  den  Kletter- 
stangen zur  Volksbelustigung  bei  Hochzeiten  und  andern  Fest- 
lichkeiten. 

Endlich  sei  biei-  noch  die  Gewohnheit  der  jungen  ßauern- 
mädchen  mancher  Dörfer  erwähnt,  die  Spitze  des  Spinnrockens 
mit  einem  künstlichen  Blumenstrauss  zu  schmücken.  Derselbe 
hält  die  Fli iimerung  an  irgen«!  ein  freudiges  Fest,  eine  Hoch- 
zeit <»(ler  einen  Messti  wach,  oder  es  ist  der  Aushehan^ssfiauss 
desGeheljteiiin  der  fernen  Garnison.  Sooft  die  Maid  uubeul)uclitet 
ihre  Augen  eniporschlagt  nach  dem  letzten  Geschenke  des  Aller- 
liebsten, gedenkt  sie  der  Treue,  die  sie  ihm  gelobte.  Und  wenn 
der  Junge  Reservist  nach  Hause  zurückgekehrt  ist  und  in  die 
^innstube  tritt,  erkennt  er  mit  stiller  Freude  das  vergilbte 
und  verblassle  Siräusscfaen  am  Rocken  wieder,  er  weiss,  dass 
die  Treue  ihm  nicht  gebrochen  wurde. 

Nachdem  wir  bis  jetzt  ausführlich  darüber  gehandelt,  in  wie 
mannigfaltiger  Weise  (|i)>  Hlume  in  natura  beim  ha nauer  Bauern 
zur  Anwendung  gelaugt,  kommen  wir  nun  zur  Betraehtun«::  der 
Blunie  Inder  volksthümlicben  bildenden  Kunst,  d  Ii  in  dfi  Hild- 
hauerei.  Holzschnitzerei,  Zeichnung  und  nanienl  lu  h  in  der  Malerei. 

Kein  Platz,  kern  Winkel  in  Haus  und  Hof,  kein  (leräte, 
kein  Geschirr  und  fast  kein  Kleidungsstück  ist  von  der  Blume  ver- 
schont geblieben,  üeberall  iiringt  der  Bauer  seineu  Liebling 
an.  Gleich  über  der  Hoflhüre  und  dem  Hofthor  sind  an  der 
Inschrift,  welche  den  Namen  des  Erbauers  angibt,  Blumen 
angebracht,  ratweder  in  Stein  eingehauen  oder  auf  eine  Hols- 
tafel  gemalt  oder  in  ii^end  einen  Raiken  eingeschnitten.  Die 
Hausnummei-  ist  gleichfalls  häufig  von  einer  ßlumenranke  um- 
geben. Am  Kamin  und  au  abgelegenen  Teilen  des  Wohnhauses 
und  dei  Srheune  hat  der  Maurer  mit  der  Kelle  oder  mit  weisser 
Gypsschritt  phanlasiereiche  Blumengebilde  dargestellt.  Die 
schönen  kernhaften  Insehriften  an  der  .\u.s:>en seile  der  Häuser, 
welche  für  das  Hanuuerlan»!  so  kennzeichnend  sinil,  werden 
von  Blumenzvveigen  eingerahmt  oder  häutiger  zwischen  grossen 


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Blumentöpfen,  Gruppen  und  Airnngemeiits  eingestreut.  Die 

Hanauer  Hüuser  erscheinen  mit  solchen  Hluinenverzierunnen 
äus-^ersf  rnaleris4:ii  trotz  des  f!K>noff>n(Mi  Farbentons,  welcher 
sich  auf  hellgrün,  fahljfclb,  braun  uikI  sciiwai'z  hpschränkt.  Aurh 
die  Auswahl  der  ßlumensorten  i<(  ;:^ering.  Ilie  Verrerliger  solcher 
Malereien  und  Sciiaitifereiea,  uieisi  gevvohuli«  he  Arbeiter,  wfdden 
stets  Blumen  mit  einfachen,  aber  doch  charakteristischen  Kon- 
touren aus.  Als  solche  trifft  man  ausschliesslich  an  :  Morgen- 
stern« Tulpe  und  insonderheit  die  Lilie.  Die  öflentlicbe  Dar- 
stellung der  letzigenannten  Blume  als  des  Symbols  des  fran- 
zösischen Königsturos  wurde  in  der  Revolutioiiszeit  verboten. 
Noch  jetzt  wird  in  Wickersbeim  ein  Haus  gezeigt,  an  dessen 
Fensterbögen  die  eini^ehauenen  Lilien  entfernt  worden  mussten. 
Man  sieht  heule  noch  deutlich  die  Spuren  der  Zerstörung. 

Betreten  wir  das  Innere  des  Wnhnh.Miv,'.;.  In  der  Stube 
bp^'e'^nen  wir  der  lihinie  an  versehieilejien  Stellen.  Sie  ist  ein- 
;;es.-hnitzt  in  der  Stuhllelme,  an  der  Stubeiithur,  der  Thür  des 
Wanduhisdiranks,  auf  dem  Känsterie  (Eck.suhrank),  auf  dem  <^ 
Bretterverschlag  zwischen  Wt)hnstube  und  Schlafabteilung,  eiu- 
gemeisseli  auf  der  steinernen  Ofenunterlage  und  auf  dem  monu- 
mentartigen steinernen  Postament,  welches,  den  in  Frankreich 
üblichen  «cfaeminöes»  ähnlich  an  Gestalt,  vielfach  an  der  Wand 
zwischen  Ofen  und  Küche  angebracht  ist.  Doch  verweilen  wir 
gleich  beim  Ofenl 

Der  alte  ßauernofen,  wie  er  noch  jetzt  im  Hanauerland 
fast  aus.schliesslich  ;iehalten  wird,  ist  ein  grosser  Würfel,  .sozu- 
sa'/en  eine  eisern»;  Kisl»;  von  1  in  Seitenlänge.  Die  GrundHäche 
ruht  auf  einem  steinernen  Postament,  ilie  Decke  ist  durch  einen 
kleinen,  gleiciitalls  wni  telföi  niigen,  sogeiiannlen  überoten  belegt,  • 
un«l  an  einer  Seite  .-steht  der  Ofen  in  idlener  Verbindung  mit 
der  Küche,  von  wo  aus  eingeheizt  wird.  An  Haupt-  und 
Oberofen  bleiben  demnach  je  3  Seilen  dächen  frei.  Diese  werden 
durch  gusseiserne  Platten  gebildet,  welche  in  Zinsweiler  ge- 
gossen werden  und  neben  anderen  Dingen  auch  Blumen  auf- 
weisen. Sie  sind,  seit  über  150  Jahren  in  denselben  Modellen, 
nicht  geschmacklos,  wenn  auch  manchmal  übertriebener  Weise 
auf  den  Seiten  des  Ofens  reliefarlig  an^ehradii.  Von  häufigen 
Zusammenstellungen  seien  genannt  :  1)  4 Sonncnblumeti  Inden 
Ecken;  "I)  Körbchen  milBouijue'  au<  Ho<en,  Tulpen,  Morgenstern  ; 
3)  ;rrosseres  Körbchen  mit  Chrysanthemen  und  I'heder:  i) 
I  Tul|ie  und  1  Ko-e  iH-iderseits ;  5)  mehrere  grosse  Blumenvasen 
mit  Henkeln,  dicht  nebeneinander  angebracht  u.  s.  w. 

Sehen  wir  uns  weiter  in  der  Stube  um,  so  tallt  uns  auf,  ' 
dass  alle  Möbel  rot  augeslricheii  sind.   Mit  der  roten  Farbe 
hat  es  eine  eigne  Bewaninis.  Bis  vor  etwa  25 — 30  Jahren  näm- 


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—  184  — 

licli  wurde  im  Khas^  die  Anpflanzung  dct  KärU^i  iük-  (tider  de;« 
Krc<pi>>«)  .scliwun;;hail  lx?lrieben.  hol  Krlindun^'  der  Anilinf.ii  l»eii 
kam  die  Röte  {f^üiizlicli  ab  und  wird  jetzl  nirgends  mehr  ang;e- 
baut.  Mit  der  «lus  der  Röte  gewonnenen  Farbe  nun  iifle<;te  der 
Bauer  alle  seine  hölzernen  Hausräte  und  Möbel  ganz  oder 
teilweise  anzustreichen,  und  auf  solch  rotem  Untergrund 
wurden  von  den  Schreinern  Blumen  in  mannigfacbpr  Ab- 
\veclis<dunjf  dargestellt .  Meist  waren  es  wiederum  Lilien,  beson> 
ders  der  Türkenhund,  ferner  Morgenstern  und  Tulpe,  oft  aber 
aiicli  Blumen  und  Zusiimmenstellnn^en,  welfho  in  das  Heicli 
d»  i  Phanta-i«'  «/oliöfen.  Auf  diese  Weise  sind  iM'inall  :  Kleider- 
schrank, Km  ht'iiJH(  liiaiik,  Kckschrank,  l  iscli-  utiil  Stuhllehne, 
Wio^'e,  l)i  ltlade  und  H-Itliirnmel,  Tis<;hschublade,  oft  auch  das 
Getäfel  dtjr  Stubenwimde,  elc. 

Eines  unscheinbaren  GegensUinds  möge  noch  Erwähnung: 
gescliehen,  nämlich  der  Klle.  Sie  hat  sich  trotz  des  Metermasses 
ülieralt  erhallen,  sie  fehlt  in  keiner  Haushaltung  und  wird  noch 
tSglich  neu  angefertigt.  Zwei  Seitenflächen  werden  regelmässig 
eingenommen  durch  den  Namen  der  Besitzerin  und  die  grossen 
rnnenäbnliclion  Buchstaben  des  lateinischen  Alphabels ,  die 
beiden  anderen  Flächen  sind  durch  eingeschnilztc  Blumen 
geziert.  Wiederum  sind  es  vorwiegend  Lilien,  Morgenstern  un<l 
Bdsniarin,  deren  einfache  Conlouren  bi-wHIen  in  wahrhnO 
künstlerischer  Weise,  ofl  aber  auch  in  stümperhaftei' Ausführung 
dargeslelll  sind. 

in  der  Haushaltung  ist  fernei  alle^  Tafelgeschirr  mit  Blumen 
bemalt.  Seit  dem  Anfang  dieses  Jahrhunderts,  wo  das  zinnene 
von  dem  Porzellangeschirr  verdrängt  wurde,  linden  wir  auf 
letzterem  die  verschiedenartigsten  Gruppiningen  grellfarbiger 
Blumen  angebracht.  Bosen,  Tulpen,  Aurikeln,  Astern,  Hyazinthen 
und  Vcrgissmeinnicbt  sind  die  hauptsächlichsten  Blumen,  mit 
denen  das  ältere  Geschirr  l>emalt  ist.  Dassellte  Muster  schmückt 
jeweils  di.'  ganze  Ausrüstung,  welche  be-tt  ht  aus  länglichen 
und  miidi'ii  Suppensc  hüsseln,  Salatschüssel,  Weinkrügel,  ovalen 
und  riiinlon  Platten  und  Tellern.  Ks  ist  erstaunlich,  welche 
rrn  ln'  Füll»'  von  reizenden  Modellen  auf  solrlinii  allen  G»»sf|iii"r 
aijj;tdMai  bt  wur<le.  Heutzutage  erfreut  sich  das  -t  iiinniii'  Geschirr 
aucl»  noch  einer  grossen  Beliebtheit,  aber  unser  alles  nivelliei  endes 
Zeitalter  kennt  keine  grosse  Abwechselung  mehr.  Die  Modelle 
neuerer  Geschirrstucke  sind  weniger  geschmackvoll.  Es  ist  eben 
dem  Bauern  hauptsächlich  um  den  billigen  Preis  zu  thun»  und 
dafür  kann  der  Fabrikant  nicht  viel  Gutes  bieten.  Sehr  ver^ 
breitet  sind  Teller  und  die  unvermeidlichen  Kaffeetassen  mit 
Inschriften,  z.  B.  «Zum  Namenstag,  zum  Geburtstag,  zum  An* 
denken,  der  Mutter»  u.  s.  w.^  welche  ein  Blumenkranz  um> 


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^\h\.  \\\«ry  «lii'som  Go^cliirr"  hat  aber  'Ici  Mail' r  noch  nixlpc*»'«;, 
rtriuicüUicli  ila.'s  ^«•wühnhche  hrntjn»^  T(i|»ter^feac!iii  r,  worau!» 
Platten  und  Sohüssehi,  Blutneu-  uiiii  KuLhenlöple  verlerti^rt  sind, 
und  das  Sleingut^fc^chirr,  aus  dem  Wasserkruir,  üelkrug,  Essjg- 
fass  und  Töpfe  ^^emaeht  werden.  Auf  keinem  dieser  Gegen> 
«tinde  fehlt  die  Blume.  Manchmal  allerdings  gehört  eine  geübte 
Phantasie  dazu,  aus  einem  {^rossen  Schnörkel  eine  Blume  heraus* 
zufinden,  aber  Tbatsache  ist,  dass  der  Bauer  beim  Einkauf 
der  Waare  immer  solches  Geschirr  vor  hinmenlosem  lievorzuj^t 
und  dass  Fabrikanten  und  Händler  diesem  Geschmack  Bech- 
nung  trairon. 

Auch  in  der  Tracht  finitof  Aic  Blnmp  nu«5p^edphnle  Anwend- 
un\i.  Man  trifft  ^ie  an  alieii  ieileii  >\ri  Klt  iduufT.  Sie  ist  auf 
der  Kappe  und  namentlich  auf  dem  \  ()r<(r(  kcr  in  rfi^sfall  von 
Gühitadeii  ein^e.'stickl  oder  aus  Platlchen  zusammengestellt. 
Die  breiten  Kappenschlaufen,  die  Schürze  und  tlas  Halstuch, 
letzleres  bloss  an  den  ausserlich  sichtbaren  Stellen,  sind  mit 
bunten  Blumen  reich  au8ii;estaltet.  Das  Bruststück  des  Bocks 
und  der  Unterrock  sind  aus  besonderem  geblümtem  Stoff  ver- 
fertigt. Die  Schnrzenbänder  sind  mit  Blumen  versehen,  die 
Schuhe  und  d<-(-  seitliche  Schürzenrand  leilweise  mit  einer 
schmalen  geblümten  Borte  ein^'efasst  und  der  untere  Rand 
des  Rockes  mit  sogenanntem  {resträussellem  Sjimmtjjarnierl.  Auch 
der  Stoff  d^r  neumodisthen  jfemusterft  ii  und  Kaitunröcke  ist 
stets  gehiuml.  Der  Geschmack  ist  hierni  vollkommen  einheit- 
lich, und  der  Kaufmann  wpis?j.  dass  di«»  I^iutMiilViii  «t'twas 
Gelduiiiti^s»  lialit'ii  will,  wenn  sie  seinen  L-nlen  bctiitt.  Aus 
solcht'iu  geblumleu  Zeu^^  ist  auiii  das  lilumensäckchen  ver- 
fertigt, der  treue  Begleiter  jedes  echten  Hanauers  auf  seinen 
Reisen.  Und  damit  auch  der  edle  Rosmarin  nicht  fehlt,  ist  in 
die  weissen  Sonnlagsströmpfe  des  Weibes  ein  schöner  «Ros- 
marinzwickel» i  jour  eingestrickt.  Ausserdem  pflegt  noch  der 
grosse  breitkrampige  Strohhut,  dessen  steh  die  Weil>er  bei  dei 
Feldarbeit  bedienen,  mit  einer  ^rmssen  Rose  aii>-ostattel  ZU 
sein.  Endlich  sind  auch  von  der  Männertracht  eini;ie  Teile 
mit  Blumen  versehen.  Das  Bruststück  des  Hemdes,  welches 
hei  festlichen  Anlässen  «getragen  wird,  ist  schon  mit  Blumen 
be^lickt,  ebenso  die  Gravalte,  die  der  Bauer  in  der  Stadt  kauft. 
Auch  die  Goldknöpfe  auf  der  altertümlichen  roten  Weste 
zeigen  nicht  selten  eine  Blume. 

Sehr  beliebt  und  weil  verbreitet  ist  die  Gepflogenheit,  die 
WSnde  der  Stube  mit  Blumenszenen  zu  schmGcken.  Solche 
Gruppen,  welche  nach  Vorlagen  oder  in  freiem  Entwurf  aus- 
geführt wurden,  sind  unter  Glas  und  Rahmen  sehr  beliebt. 
Bemerkenswert  ist,  dass  die  Schwarzwftlder  Uhrmacher  zu 


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-   186  - 


einer  Zeit,  wo  sie  noch  häuli^  im  Klsaas  verkehrteo,  in  den 

50er  und  (jOer  Jaliren  viele  solche  Blunienszenen  malten.  Sie 
sind  im  Sfyle  der  bekannten  Bauernwanduln'en  in  Oeltarbe 
auf  H<.|z  ;,feiiialt  und,  obwohl  nicht  eingerahmt,  sehr  hallbar. 
Gewöhnlich  stellen  sie  eine  Giu|)pe  piüclitiger  iloseii  mit  oder 
uline  Körbchen  dar.  Kiiie  kurze  Ins(  lirift  :  «Zum  Andenken», 
«zum  Vergnügens  u.  alinl.  vervollständig l  iiie  schönen  Tafeln. 

Viele  Leute  sind  aber  nichl  sehr  wählerisch  in  der  Aus- 
wahl der  einzurahmenden  Blumenszenen.  In  der  neuesten  Zeit 
trtin  man  fast  in  jedem  Bauernhaus  NevQahrswfinsche,  Gratu- 
lalionskarten.  Köpfe  von  Neigahrs-  und  Liebesbriefen  und  viele 
andere  Produkte  der  modernen  Industrie,  welche  bloss  um  der 
Blumen  willen  eingerahmt  und  zwischen  Photographien  und 
anderen  .\ndenken  aufgehängt  sind.  Oft  linden  sich  2  und 
mehrere  solcher  Sachen  nebeneinander  unter  demselben  Flahmen. 

In  wirklich  sitinirrcr  Wei«:e  ist  die  Bluiue  dargestellt  auf 
Erinnerunj^sblätterii,  welclie  der  hanatier  Bauer  zum  Andenken 
an  wichtige  Ereignisse  einjierahinl  iti  seiner  WuiiiiNlube 
aubnujjt.  Was  dem  Katiiuliken  die  Heiligenbilder,  was  de.n 
nioderneit  Soldaten  oder  dem  Studenten  Gruppenbilder  aus 
dem  Kameraden-  und  Freundeskreise  für  den  Zimmerschmuck 
sind^  das  sind  für  den  hanauer  Bauern  diese  Tafeln.  Sie  sind 
ausnahmslos  von  Hand  gemacht  und  zwar  meistens  von  gewöhn- 
lichen Dorfbewohnern,  von  Leuten,  die  keinerlei  Vorbildung 
genossen  und  lediglich  nach  eigenem  Geschmack  gemalt  haben. 
Diese  Kunst  ist  nicht  älter  als  unser  Jahrhundert.  Die  i'dteste 
Tafel,  die  ich  kenne,  hängt  ins  Ifodenbauern  in  BerstetI,  sie 
stammt  ans  dem  Jahre  iSlW). 

Was  nun  die  einzelnen  Arten  von  Tafeln  mhetriin,  <o 
sin«l  besonder**  die  religiösen  in  viel  verbredelem  Gehrauch. 
Da  haben  wir  /unachst  die  Ijollelbriele.  .^ie  werdrMi  dem 
Täutling  vom  Pathen  als  Andenken  gestiftet.  Da  taut  steht  der 
Name  des  Kindes  mit  dem  betreiTeiiden  Bibelspruch,  dann  ein 
Kernspruch  oder  eine  Ermahnung  und  endlich  der  Zusatz :  cDies 
wünscht  dir  von  Herzen  dein  getreuer  Pfelter  (deine  getreue 
Göttel)  N.  N.i  mit  dem  Datum.  Das  ganze  ist  mit  einem 
prächtigen  Kranz  bunter  i^lumen  eingefasst.  In  ftbnlicher  Weise 
sind  die  Kontirmalionssclieine  beschaflen :  Name  des  Konfir- 
manden, Denkveis,  Datum  und  Name  des  Pfarrers,  darum  ein 
gtr-^ih mar k volles  Blumengewinde.  S)Wohl  Gntfelhriefe  wie  Kon- 
Hi  niati<»nssebeine  sind  in  dieser  -itmiu^en  Form  am  Aussterben 
bejiiineii,  seitdem  durch  den  lliiulel  gedruckte  raulsi  heine 
mit  hübscher  Blumeneinfassung  und  Konlirmations^c  heine  nut 
religiösen  Eiid>lemen  und  Szenen  eingetuhi  t  >ind,  welch  letztere 
durch  die  Geistlichen  fertig  zum  Einrahmen  ausgefertigt  werden. 


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—   187  — 


Von  religiösen  Sachen  sind  weiterhin  zu  uemien  die  Hoch* 
zeits-  und  Leichentexte.  Auf  ersleren  befindet  sich  der  Naiue 
der  Neuvermählten  mit  dem  Einsegnungsspruch  und  dem 
Datum  der  Hocliz^^it  Die  l'^mrahmuii^  wird,  entsprechend  dem 
freudigen  Ereignisse,  mit  grelltarJjjgen  Blumen  und  Blumen- 
töpfen in  lieblicher  Gruppirung  gebildet.  Auf  den  Leicheu- 
texten  finden  sich  der  Namen,  das  Aller  und  der  Todesl^ig  mit 
dem  Bibelspruch.  Im  Allg^euieinen  siod  die  Farbea  hierauf 
nicht  so  grell.  Vergissmeinnicht  und  dunkle  Stiefmötterchen 
fehlen  nie.  Auch  ist  gewöhnlich  zu  beiden  Seiten  eine  Trauer- 
weide und  in  der  Milte  der  Gruppe  ein  Leichenstein  AbgelMtdet. 
Bisweilen  gesellen  sich  hierzu  noch  Urnen,  Fackeln  und  andere 
Trauerembleme.  Man  findet  auch  gezeichnete  Leichentexte  mit 
nicht  getarbten  Blumen.  Ausseroitlentlich  verbreitet  ist  end- 
lich eine  besondere  Gattung  von  Leicheniexten,  welche  mit 
Grold-^ehrift  ;iuf  die  hintere  Seite  einer  mit  lluss  und  Leim  be- 
stricheaeii  ( il  (sscIkmI»».'  iie/.oichnel  werden.  Üie?ie  Sorte,  Schwarz 
mit  (toH,  luavht  einen  ernsten  und  äusserst  vvirkun;^svollen 
Eindruck.  Sie  kosten  1(5 — 120  Mark  und  noch  mehr.  Eine 
ausserordentlich  charaktert:$tische  Lachentafel  habe  ich  beim 
Tagner  Burkhardt  in  Wickersheim  gesehen.  Da  der  arme 
Mann  keine  Mittel  besass,  um  aich  eine  schöne  Tafel  zum  An- 
denken an  sein  verstorbenes  Kind  malen  zu  lassen,  nahm  er 
das  mit  Blumen  bemalte  Titelblatt  eines  Nei^ahrsbriefs  und 
schrieb  Namen  und  Leichentext  des  Kindes  eigenhändig  hin. 
Dabei  passierte  ihm  das  Missgeschick,  da!=:<  er  einen  Teil  des 
Spruches  über,  den  andern  unter  die  lux  hrift  or Herzlichen 
Glückwunsch»  setzte,  so  dass  das  ganze  lautet:  «Kühl  wohl 
ihr  Totitengebeine,  herzhchen  Glückwunsch,  fnr  die  Ewigkeit!* 
Dem  Mann  waren  die  Blumen  die  Hauptsache,  wie  er  mir 
auch  ausdrücklich  erklärte. 

Etwas  ganz  Eigenartiges  bietet  das  Hanauerland  in  den 
sogenannten  Musterungsscheinen.  Bekanntlich  wurde  zu  franzö- 
sischen Zeiten  das  Loos  gezogen,  ob  der  betreffende  junge 
Mann  7  Jahre  zu  dienen  hatte  oder  nicht.  Wurde  er  frei,  so 
pflegte  er  den  französischen  Looeungsschein  im  Original  oder 
in  Nachbildung  aufzukleben  und  durch  den  deutschen  Zusatz : 
cErinnerung  an  den  Ziehuogstag»  oder  cGezugen  von  N.  N.» 
verständlich  zu  machen.  Das  Ganze  wurde  dann  von  einem 
Künstler  mit  reichem  Blumen^chmnfk  niri;:eben.  Hermerkens- 
wert ist,  dass  patriotisf-he  Embleme  gänzlich  darauf  fehlen, 
ebenso  franzöaischt.'  Zusätze.  Ich  hal>e  auf  über  1(K)  .>uicher 
Scheine  keine  einzige  französische  Inschrift  und  nur  einmal 
eine  blau-weiss-rote  Fahne  gesehen.  Um  so  häufiger  sind  Ab- 
bildungen, welche  den  Stand  des  Inhabers  angeben  oder 


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—    188  — 


versinnbildlichen.  Der  pflQgende  Bauer  in  der  filuse  mit  2 
Rossen,  die  Peitoche  schwingend  ist  ein  häufiges  Attribut  der 
Loosungsscheine.  Sclireiner-,  Saltler  ,  \VelM?r-,  Schneider-,  Bnr- 
biei  -  und  andere  Werkzeuge  deuten  auf  das  Handwerk  des  Be- 
tretFenden  hin  Auch  ein  sprinixender  «Consciil»,  welcher  die 
Hand  mit  dem  «:iri(  kl-rinj-enden  Zeltel  juhelud  in  die  Höhe  hnll, 
ist  nicht  selten  uni<'i  <lt'r  Nummer  al)|jeltild(»f.  Kint'i  .<(  Iiönt^i  Tat'el 
nmss  ich  noch  Erwähnung:  thun,  der  sc  lionslen,  welche  ich  j^e- 
seliCM  lialif.  Sie  ist  im  Besitz  des  S  iirifitlers  Urban  in  Sciiwin- 
dralzheiiu  uiiii  slauiint  aus  dem  Jahre  18'W).  In  der  Milte  ist  der 
IV'inzdsische  Loosungsschein,  zur  Linken  unter  einandei-  der 
Tauf-  und  Konfirmationstext  des  Mannes,  zur  Rechten  das 
Oleiche  von  der  Frau,  ausserdem  der  Hochzeilstext.  Jede  ein« 
zelne  Angalie  ist,  wie  oben  beschrieben,  ausiiefuhrt  und  mit 
Blumen  und  Goldpapier  umgeben.  Die  6j*uppen-Tafel  ist  recht 
gut  erhalten  und  oin  wahres  Kunstwerk  in  ihrer  Art.  — 
Ferner  sei  noch  erwähnt,  dass  oft  die  ^'rosscrn  {Buchstaben 
dieser  Tafeln  mit  Blumen  geziert  sind  oder  einfach  aus  einer 
Blumenreiho  bestehen.  Die  Contouren  älterer  Sa  lien  sind  durch 
Nadel s l  i t ■  I  le  1 1 < Tvor^^* 'hohen. 

Voll  filniliih  au>j4et>tattelen  Jateln,  weklie  seltener  vor- 
kumiuen,  .seien  schliesslich  hervorgehoben  :  jjeistliche  Sprüche, 
Bibelworle,  das  Vaterunser,  der  christliche  Haussegen,  die 
häuslichen  Tugenden  u.  a.  m.,  welche  immer  mit  bunten 
Blumen  umgeben  und  eingerahmt  sind.  Diese  Sachen  kommen 
gedruckt  in  den  Handel,  in  der  letzten  Zeit  (mit  kluger  Be- 
rechnung) als  Gratisbeigabe  zu  den  Cichorienpacketen. 

Folgendes  sind  die  Namen  verstorbener  und  noch  lebender 
Künstler,  weh-he  id>er  ihr  Dorf  hinaus  bckannl  ^^e worden  sind. 
1.  Friedrich  Claude,  Lehrer  in  \Valdersl>ach,  f  2,  Johann 
Lienhardt,  Ackerer  atj<^  Dim/enheim,  f  3.  Mai  tin  f^orenz,  Weber 
Hänfer  und  Musikant  iti  Geudertheim,  f  ^-  Heitiiirli  Bnlntzer, 
Lehrer  a.  D.  in  Sehn  Ikendorf,  f  5.  Georj;  Scliaeter,  Arkerer 
in  Rin^iMidoi  t',  t  G.  Andce.ts  S<  hultz.  Ackerer  in  Oherniorloi  n,  j 
7.  Thcupiiil  Müllei-,  Glaser  daselbst,  f  8-  Georg  Werner, 
Schreiner  daselbst,  Ü.  Jakob  Dutt,  Ackerer  daselbst,  10.  Johann 
Schultz  Vater,  daselbst  ii.  Georg  Tro^r,  Ackerer  in  Altecken- 
dorf, 12.  Johann  Cartiiner  aun  Sehwindratzheim,  Barbier  in 
Strassburg,  Kinderspielplatz  2,  —  13.  Georg  MarzolfT  aus 
Wickersheim,  Gärtnerin  Neudorf,  14.  Jakob  Lapp  aus  Schwin- 
dratzbeim,  Sergeant  im  Inf.-rtegt.  Nr.  114  in  Konstanz.  Bei 
weitem  die  schönsten  Sachen  hat  Lorenz  aus  Geudertheini 
verfertigt,  hie  \nu  ihm  ^'prn.nlton  un<l  mit  Gold-  und  Silber- 
^streifen  ausgestatlfton  'liilein  ino;:»'n  mehrere  Hunderte  belrajren, 
jede  einzelne  ein  wahres  Kunststück.  Derjenige,  der  jetzt  am 


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-    180  — 

meisten  Zu^[)iii('li  li;>t,  i<t  Dult  in  ( >l)ermo(lern.  Eine  Vüll- 
«täniiiy  eingeraliiiite  Talel  kostet  bei  iiim  (i  — S  Mark.  Früher 
betrug  iler  Preis  (lui-<  h\ve;jf  5  Franken.  Ilerlit  inN'n'-sint  ist, 
dass  Seij^eant  Lajtp  in  Kouslaiu  iiucli  inHJier  liir  seine  bek. Hinten 
solche  Sachen  zeichnet,  obwohl  er  seit  langen  Jahren  in  anderen 
VerhSltDissen  lebt.  Gewiss  ein  nlhrendes  Zeichen  von  Anbän^^- 
Uchkeit  an  die  heimatliche  Sitte! 

Endlich  hält  sich  der  Bauer  noch  folj^ende  Gegenstände 
voriugs weise  mit  Blumen,  namentlich  Lilien  ausgestaltet :  Wachs- 
tiicli  als  Tischdecke,  Lampenl)ehälter,  Lichtstocli,  Zifferblatt 
der  Wandnhr,  Handbesen,  Kamnifutleral,  Vorhang,  Tapeten, 
Spinnrad  (durch  Ilornnäpel),  Säcke.  Halfter  und  alicrlei  Ge- 
schirr (dmrh  Lederaulla^'cn  odtM-  Mefalln:i^^el). 

Andi  im  Vo  I  ksl  i  od  ,  wciclies  im  K!<;i«'j  durch  schriftliche 
L'.'li.M  liel'erung  sich  bis  ;uif  unsere  Ta-e  «'i  h.iltcn  hat,  ist  it) 
zahh eichen  Stellen,  tuimenthch  in  Liebeslicdci  u  iler  Üluinoii 
Krwähnung  yethan.  Fol^^cndc  selbsti^eÄimmelte  Lieder  und 
einzelne  Verse  zeugen  hier\'on : 

Rose^  Tulpe  und  MorKenstem. 

1.  Schönstes  Uöseleiu  rot, 

Dieb  will  ich  lieb«n  bis  in  den  Tod, 
Dieb  will  ich  lieben  alle  Tag  und  Stand« 
Bis  daes  mein  krankes  Herz  wird  gesund. 

2.  Öcböuster  Tuhpa, 

Deine  Schönheit  lacht  mich  an. 
Deine  Scbdnbeil  wird  vergehn, 
Wie  die  Rosen  im  Garten  stebn. 

3.  Schönster  Morgeiiäteni, 

Ach  wie  seh  ich  dich  so  gern. 
Wenn  ich  dich  von  weitem  seh. 
Mein  ich,  wenn  ich  nur  bei  dir  steht 

Sehnsucht  nach  dem  Frühling. 

1.  Schöner  Fiühliiig,  komm  doch  wieder, 
Lieber  Frahhng,  komm  doch-  bald. 
Bring  ans  Blnmra,  Laub  und  Lieder, 
Schmtkcke  wieder  Feld  ond  Wald. 

2.  Auf  die  Berge  möcht  ich  fliehen. 
Möchte  sehn  jus  gcUue  Thal, 
UÖdit*  ins  Gras  und  Blnmcn  liegen 
Und  mich  frenn  am  Sonnenstrahl. 


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—   190  — 


VergiMmeimiielit. 

1.  Es  gibt  ein  lüümcheu  in  der  Welt, 
Dem  nichts  au  seiuer  Schönheit  fehlt. 
Dm  Blflawheii  hvisst,  foxiere  nicht. 
Dm  BlAnehii«  hnuA  Yttt^iMintmiiicbt.  ■ 

2.  Wenn  ich  ein  Mädchen  küssen  will, 
So  biaach  ich  darzn  gar  nicht  vitl, 
An  Litbc  fehlt  m  bei  mir  nicht» 

Ich  Bchenk*  ihr  ein  YergiMmeinnicbt. 

BinMlne  Vene  Ton  LiebeeliederiL 

Sebets,  wenn  dn  willet  in  den  Garten  gehn. 

Wo  80  schöne  Röseleitt  ttehn, 

Qeh^  nnr  hin,  wo  sie  Hm  schönsten  ttehn, 

Brich  sie  »b  and  denk  an  mich. 


Bosen  Marein  and  Lorchenblfttter  (Lorbeer) 
Geb  ich  dir  sn  einem  Stnnae, 
Und  das  eoll  sein  mein  letxt  Gedcokent 
Weil  ich  von  dir  scheiden  mose 


Setzt  euch  nieder  in  die  Blumen 
Dort  an  jenen  grünen  Platz, 
Bnre  Glieder  sollen  ruhen, 
Ewig  biit  und  bleibet  mein  Sehet«. 


Die  Rosen  Hlüh'n  allein  im  Felde 
Bald  stehn  sie  welk  und  blätterleer. 
Drum  pflücket  Rosen  und  windet  Kränze, 
SehSn  igt  die  Jngend,  sie  kommt  nSobt  mehr. 


1.  Mein  Sobeis  thnt  frohlocken, 

Ist  munter  und  wohlauf, 

Thnt  Rosen  abbrechen 
Dnd  stellt  sie  schön  auf. 

9.  Sie  riechen  so  wobl, 

Ganz  munter  und  freudvoll. 
Meinen  Augen  Omt'p  louchtcn, 
Meinem  Schätze  1  geht's  wohl. 


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—  4M  — 


Sieh,  dieser  Bot*  Dornen, 

Sie  stechen  gar  zw  sehr, 
Doch  ach !  Die  Liebesflammen, 
Die  breimeu  noch  viel  mehr. 


Mädcheu,  wenn  ich  einstmals  sterbe, 
Und  der  Tod  das  Aug«  Inieht, 
Gib  mir  dann  als  Liebeserbe 
Eine  Blnm*  VergiMmeinnieht. 


Nimm  diesen  Strauss,  der  Liebe  Pflieht, 
Von  Blumen  und  Vt  rgissmeinnicht. 
Sie  blühen  oft  nnd  welken  immer 
In  dem  vergnügten  Herzensschimmer. 
Gedenke  nah,  gedenke  fem. 
Gedenke  meiner  oft  und  gern, 
Gedenke  oft  an  meinem  Grabe, 
Wie  eehr  ich  dich  geliebet  hnbe. 

Es  kommt  ab  und  zu  einmal  vor,  dass  dci  Bauernhursche 
einem  Mädchen  eine  schriflliche  Liebeserklärung  macht.  Früher 
pile^te  eine  solche  Epistel  mit  einer  geschmackvollen  Blumen- 
dekoration versehen  zu  sein.  Heutxutage  ist  die  Sache  viel 
einfacher :  Der  Bursche  kauft  sich  einen  Briefbogen  mit  Blumen- 
aufdruck. Dieser  Blumenschmuck  fehlt  überhaupt  nie  in  wich- 
ti<;en  Briefen,  z.  B.  zu  Neiyahrswanschen  oder  an  eine  vor- 
nehme Person  u.  s.  w. 

Vieltei(]il  wird  mancher  Leser  dieser  Zeilen  sich  eines 
Lächelns  nicht  erwehren  können  und  den  Vorwurf  erheben, 
dass  in  vielen  der  beschriebenen  Gebräuche  nn<l  Kinridituugen 
die  RoUe  der  Bhiuie  von  mir  mit  einer  gevvifj.veM  Pednnferie 
gesucht,  an  den  Haaren  herbeij^ezoifen  worden  ist.  Er  maj? 
teilweise  recht  haben  1  Jedenfalls  ist  aber  sicher«  dass  der 
hanauer  Bauer  einen  ganz  hervorragend  entwickelten  Sinn  fQr 
die  Blume  hat,  und  dass  seine  ganze  Sinnesrichtung  in  ernsten 
und  heiteren  Dingen,  in  alten  und  neuen  Sitten  durch  die  An- 
wendung der  Blume  ^ewissermassen  einen  idealen  Anhauch 
l>ekommen  hat.  Man  ist  gewöhnt,  den  Bauer  als  einen  derben, 
realistisch  angelegten  Menschen  anzusehen,  das^-  der  Hanauer 
von  Alters  her  auch  ein  un^^ewöhnliclies  Mass  höheren  Em- 
pfindens besitzt,   m;icht  ihn  uns  doppelt    \v<m  i  und  anziehend. 

Wir  lernen  in  ihm  ein  Volk  kennen,  dessen  <i  bonstes 
Kleuiod  das  kü.sili(  he  Gut  tiefer  Empfindung  und  idealen 
Fuhlens  ist,  ein  Volk,  welches  es  versteht,  sein  ganzes  Thun 
und  Streben  mit  dem  Dufte  und  Schimmer  einer  der  edelsten 
Naturgaben  zu  umgeben. 


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5.  Die  Veränderung  und  das  Verschwinden 

alter  Eigenart. 

So  wie  iri)  Leben  der  Völker  iei-  Mangel  an  Ablenkunjj 
nach  Aus>on  einem  Linde  seinen  ItesiiiimitHn  nationalen  Cha- 
rakter vei  kihi,  haben  auch  die  Eigenlümhchkeiten  des  Dorf- 
lebens eni  Uiii  so  schärferes  Geprüge,  je  strenger  die  Ahge- 
schlossenheit  der  Bewohner  in  grösserem  oder  kleinerem  Umkreise 
ist.  Wo  eine  ruhige  Entwickelung  Platz  greift,  wo  körperliche 
Arbeit  und  geistig«  SchalfTen  gleichmässige  Förderung  finden, 
wo  die  Zwistigkeiten  jeglicher  Art  im  Inneren  des  Doifes  ein 
unbekanntes  Ding  sind,  da  hat  auch  der  Geist  der  Zufriedenheit 
seinen  Einzuj^  gehalten.  Die  gemeinsame  Stnintneszugehörigkeit, 
die  gleichartige  Beschäftigung,  die  nämliche  Religion  bedingen 
auch  die  Gemeinst  haft  der  Interessen  und  die  üehereinstimmung 
in  der  Le|iensaiill;issuiig. 

Die  alle  iianaui-scbe  liegierung  \vus:<te  diesen  riii>tiiii(li'n 
in  vollem  Masse  llechnung  zu  tragen.  Vondem  palnarchaUsclien 
Veiliällnis  zwischen  dem  Fürstenhaus  und  den  Unterthanen 
lebt  die  Erinnerung  noch  bis  in  die  neueste  Iml  fort.  Die  ech- 
ten hanauer  Bauern  wissen  noch  viel  zu  erzählen  von  der 
guten»  alten  Zelt,  und  manche  unter  ihnen  nährten  sich  nach 
dem  lel-^ten  Kriege  mit  der  geheimen  Hoflfnung,  dass  die  ehe- 
maligen Verhältnisse  wiederhergestellt  werden  würden. 

Ini  Allgemeinen  bot  das  alte  Hanauerland  seit  den  Zeiten 
der  Hofurmation  bis  gegen  Ende  de^  vorigen  Jahrhunderts  ein 
Bild  der  schönsten  Blntt\  Das  Siliulwesen  war  musterhaft 
eingerichtet,  das  Gerichtswesen  wohl  organisiert,  die  Steuern 
und  Abgaben  wurden  trotz  ihrer  ansehnlichen  Höhe  willig  ent- 
richtet, die  Verwaltung  ailieilete  j^ut  ungeachtet  ihres  Zopfes 
und  des  langatmigen  Amtsstyls,  und  das  kirchliche  Lei>eu 
war  frei  von  Spaltungen  und  Meinungsverschiedenheiten.  Auch 
nach  der  grosse  Revolution  wurden  die  Dorfzustände  von  der 
französischen  Regierung  wenig  beeinflusst.  Wesentliche  Störun- 
gen  kamen  nicht  vor,  weder  in  der  Politik  und  in  den  Wahlen > 
noch  durch  das  Auftreten  sozialer  Missstände.  Ja  man  kann 
sagen,  dass  sich  der  Hanauer  recht  wenig  um  die  Lösung 
wichtiger  wirtschaftlicher  Fragen  ^nikümmert  hat.  Der  zähe 
Konservativismus,  die  ererbte  Arbeitsamkeit  und  das  feste  Gott- 
v«'rfr;iii*'n  dieses  Völkchens  werden  es  nnrh  in  der  Neuzeit  über 
die  weltbewegenden  Probleme  biiiwe^Midnen,  welche  die  Sorge 
so  vieler  Bauern  diesseits  und  jen5.eils  »les  i{lleih^  bilden.  Der 
Hanauer  wird  nicht  leicht  ein  Sozialdemokrat  werden,  wenn 
auch  sein  Wohlstand  unter  dem  zwingenden  Einfluss  der  Ver- 
bältnisse gelitten  hat. 


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Noch  ist  eine  staltlkhe  Zahl  von  Dörfern  vom  Getriebe  der 
lirtis^.^en  Welt  ahgelejien.  njanch  altes  Mülterlein  und  manche 
juij;:e  Mai«!  hat  noth  iiichf  das  Bollen  des  Kisoiil)aliuwagens 
{;espuft.  VieUach  herrscht  noch  tiie  alte  Gewohnheit,  tlass  die 
jun^y'en  Leute  unter  sich  im  nämlichen  Dorf,  woinögUcb  in 
derselben  Familie  heiraten»  damit  der  Grundbesiis  recht  hübsch 
beisammen  bleibt. 

Unter  solchen  Verhältnissen,  auf  solchem  Boden  entwickelt 
und  erhält  sich  der  Sinn  für  «gemeinsame  Abmachungen  im 
Kreise  der  Altersj^enossen  oder  im  Rahmen  gewisser  festlicher 
Anlasse.  Diese  Abmachungen,  diese  Gebräuche,  welche  aus  dem 
tiefsten  Inneren  der  Volksseele  entsprungen  sind,  spiegeln  auch 
deren  getreueste  Kin[»lindnnpren  wieder.  Und  weil  ihre  Wurzeln 
so  fest  in  natrnii»h«'iii  UjiltTgrund  eingewaclisen  sind,  darum 
hält  es  aiuli  icliwer,  sie  ganz  auszurotten. 

Erfreulicher  Weise  lial  es  seit  den  Zeiten  August  Stöbers 
eine  Reihe  von  Männern  gegeben,  die  den  Volkssitten  ihre 
Aufmerksamkeit  geschenkt  haben.  Slöber  selbst  war  wohl  der 
erste,  der  systematisch  an  die  wissenschaftliche,  geschichtliche 
und  mythologische  Erklärung  elsässischer  Gebräuche  und  Ein- 
richtungen ging  und  schon  dadurch  für  ihre  Fortpflanzung 
wirkte.  Aber  andereiseits  bietet  auch  der  Bauer  als  der  Träger 
des  Volkstums  die  Hand  zu  ihrer  Erhallung.  Das  Interesse  hö- 
herer Kreise  an  seinen  Gebräueben  macht  ihn  stolz,  die  Wür- 
digung mancher  Institution  und  die  Wicliti^'keit,  die  ilir  von 
Herreulcutcn  beigelegt  wird,  iässt  ihn  erkennen,  dass  doch 
nicht  alles,  was  *ibloss»  beim  Bauern  üijlitli  ist,  minderwertig 
und  verüchtlicli  ist.  Diese  Erfahrung  kann  man  täglich  machen. 
Und  wenn  es  gelingt,  ihn  xu  überzeugen,  dass  so  manche  Einriebt« 
ung  in  ihrer  unscheinbaren  Einfiatchheit  doch  von  einem  gewissen 
Idealismus  durchwoben  ist,  dass  beispielsweise  im  Volkslied 
und  in  den  Volksapruchen  mit  ihren  hinkenden  Versen  wahre 
Perlen  des  Volksgeistes  verborgen  sind,  dann  wird  er,  der 
Bauer  selbst,  der  eifrigste  Mitarbeiter  zur  Erhaltung  von  dem, 
dessen  er  sich  vorher  geschämt  hat.  Bei  den  Sitten  und  Ge- 
bräuchen gehl  es  aber  auch  so,  wie  bei  einem  soliden  Geschäft: 
Je  älter,  desto  j^rössej-  die  Garantie  für  das  Weilerbeslehen. 

TjClrichleu  wir  nun  einmal  die  Frage  der  Erlialtung  aller 
Eini  iciiUingen  v<m  der  andern  Seile,  und  suchen  wir  uns  zu 
vergegenwärtigen,  in  welcher  Weise  sie  schädigend  beeintlusst 
werden  können.  Es  sei  gleich  hervorgehoben,  dass  in  den  fol- 
genden Ausführungen  die  hanauische  Eigenart  im  allerweitesten 
Sinne  des  Wortes  betrachtet  werden  soll,  insonderheit  auch  die 
Sprache. 

Zunächst  kann  kein  Zweifel  darfiber  obwalten,  dass  alte 

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Efnriditun^'eii  sich,  \\U'  ,\\U^>  r>.->fehende,  allmählich  verruidern 
müssen.  Das  ist  der  Laut  der  Welt,  und  der  Mensch  will  zu 
allen  ZfMtcii  ehv.is  Neues  haben.  Vieles  Altherkömmliche  passt 
nicht  mein  in  die  modernen  Vcrlirdtnisse,  verlrä«;t  ^ieh  nicht 
mit  den  aufjieklürlen  An^rhiinuu-tii  des  jetzt  lebenden  lle- 
schlechls.  So  kommen  immer  jiiehr  ab  die  Vorslellnnjien,  welcJie 
auf  dem  (ilauben  au  Hexen,  Gespenster  und  übermenschliche 
Erscheinungen  beruhen,  Vorstelliiugen,  die  leider  noch  bis  in 
unsere  Tage  so  tief  in  das  Geislesleben  von  Hoch  und  Niedrif^ 
ein|(ewurzelt  sind  und  die  fröher  allgemein  die  Unterlage  für 
eine  ffanse  Reihe  aberirläubischer  Verrichtungen  abgaben. 

Die  |)oliti!<chen  Verhrdtni>;se,  insbesondere  jirosse  Kriege 
und  Wechsel  in  der  Herrschart  sind  gleichfalls  geeignet,  auch 
im  Volkslehen  liefjfreil'ende  Veränderun'/en  hervorzurufen.  Im 
All^'emeinen  ist  jedoch  seit  dem  lUljähri^ren    Krie<re  im  alten 
Hanaiioriand   von  dieser  Seite  aus  keine  erhebliche  Anders- 
jieslaUun;:  ei  lol^-^t.  Heller  die  intimen  DorlVerhriMni-^c*  vor  jener 
unseli;:en  Zeit  Nlanden  mii  nur  wenige  Dukuuienic  zu  (ieiiote. 
In  den  Gemeinderechnuugen  von   Gimhrett,    welche  bis  1010 
zurückreichen,  steht  bis  in  den  Krieg  hinein  regelmässig  dne 
Geldsumme  aufgeführt,    welche  altem  Brauche  gemäss  den 
Frauen  zu  Pfingsten  und  Weihnachten  von  der  Gemeinde  ge- 
spendet wurde,  zu  welchem  Zweck,  ist  nicht  gesagt.  Nach  dem 
Krieg  ist  keine  Rede  mehr  davon,  lieherh.uipf  scheinen  damals 
mit  den  Menschen,  dem  Viehstand,  der  Landwirt.>chart,  dem 
Volksgeist  auch  viele  alte  Sitten,  Gebrauche  und  Hinrichtungen 
vernichtet  worden  zu  sein.  Si(^  mögen  unter  dem  verderblichen 
Eintluss  der  zahlreichen  kriege  reclit  langsam   wiodor  rmtge- 
lebt  sein  und  erst  um  die  Mitte  des  N  nigfii  Jahrhunderts  ilue 
alte  Höhe  wieder  erreicht  haben.    Die  iVanzösische  Hevoiution 
mit  den  sich  anschliessenden  kriei,rerischen  Ereignissen  hat  ei- 
gentfimlicher  Weise  einen  dauernden  Ruckschlag  auf  die  bäuer- 
lichen Einrichtungen  und  GebFäuche  nicht  gehabt,  und  die 
Ereignisse  des  Jahres  1870  sind  sozusagen  spurlos  daran  vor- 
öbergezogen. 

r 'Ix  i  haupt  hat  die  fi*anzösi<>  lir  Herrschaft  als  solche  auf 
unser  Volkstum  nicht  denjenigen  Einfluss  ausgeilbt,  den  eine 
über  200  .fahre  lange  Domination  eigentlich  haben  sollte.  Die 
Franzosen  haben  wenig  Lust  gezeigt,  durch  Verwaltungsmns-^- 
regeln  in  das  dpn1<f  he  We^pn  der  «»stüchen  Gebietsfeile  rin/ii- 
gneifen.  und  auderersetlfs  hat  vvohl  da<  zähe  Festhallen  au  der 
Sitte  de»  Altvordern  im  deutschspreclieudeii  Elsass  nicht  wenig 
dazu  beigetragen,  dem  Euj»hingen  tranzösischeu  Einflusses  in 
das  Volksleben  erfolgreichen  Widerstand  entgegenzusetzen, 
Wohl  hat  der  Intendant  de  la  Grange  in  diier  Verordnung  . 


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—  195  — 


vom  Jahre  1685  die  Abschaffung  der  cuitschicklichen  und  kost- 
spieligen» Tracht  im  Kocher8l)erger  Lande  und  dessen  Umgebung 
vorgeschrieben,  aber  es  ist  bei  diesem  Gebot  geblieben.  Auch  in 

unserro  Jahrhundert,  welches  nach  den  Stürmen  der  Hevolution 
die  herzliche  Zuneigung  des  Elsass  gegen  Frankreich  brachte, 
hat  sich  die  deutsche  Eigenart  grösslenleils  erhallen.  So  konnte 
noch  Stöt»pr  in  der  crf^ten  Nummor  d«'s  EI^;;1s;sischen  Sanistajr?il)l.it(s 
1856  lohend  hervorheben,  dass  es  ein  Grundsatz  der  iianzösi- 
schen  Verwaltung  ist,  «bei  allem  Streben  nach  der  ;j;ros.sen 
Einheit,  deniiocli  jeder  Provinz  ilie  .sel])sirm(lige  Eniwu  kelung 
ihres  eigentümUcliei»,  geschichtlich  begriuuk'leü  und  rait  der 
Zeit  natfirtich  ausgebildeten  Charakters  zu  lassen». 

Viel  schneidiger  zog  die  hanauische  Regierung  in  Buchs<-> 
Weiler  gegen  manche  Gebrftuche  ins  Feld,  welche  sie  als  Un- 
sitlen  auffassen  zu  müssen  glaubte.  Namentlich  wurden  die 
Zügel  sti'affer  angezogen,  als  im  Jahre  1796  die  Grafschaft  an 
das  Haus  Hessen-Darnisladt  übergegangen  war.  So  entstand  im 
Jahre  4713  ein  Dekret,  \velches  das  Neujahranschiessen  mit 
10  Thaler  Strafe  belegte  (veröfT.  in  den  «Strassb.  Neuest. 
Nachr.»  1892,  Nr.  nOf)).  17^(5  wiii-de  die  «von  denen  Rosshiihen 
aufl  Ptingsten  zu  vetühon  gewonliche  Thorheit»  luil  Slrate  be- 
droht (daselbst  189:?.  N? .  117).  1737  kam  die  bereits  oben  er- 
wähnte Verordnuni;  i;egen  das  Schlafensingen  heraus.  Im 
gleichen  Jahre  wurden  die  Pfingstverkleidungen  der  Rossbuben 
und  der  bei  den  AbendmSrkten  auftretende  tgrosse  Mutwille 
und  Unordnung»  bd  3  Gulden  Strafe  untersagt.  Die  ganze  Zeit 
endlich  von  1796  bis  zur  Revolution  war  ein  unablässiger 
Kampf  des  kirchlich  st i  engen  hessischen  Regiments  gegen  die 
Messtage  (Messti),  die  cSabbathsscb&ndung»»  .das  unselige  Tan- 
zen, das  (ffressen,  sauffen,  bulen»  und  wie  die  schönen  Aus- 
drücke alle  heissen.  Auf  diese  Weise  ist  '^•^okonunen,  dass 
in  etlichen  hanauer  Dörlein  \un  ninnrlicn  ehedem  blühenden 
Gebräuchen  nicht  die  S|iiir  ubiig  geblieben  ist. 

Doch  'kommen  vvii  aui  die  französischen  Verhältnisse 
zurück.  In  einem  Punkte  hat  der  französische  Einfluss  doch 
einen  wesentlichen  Erfolg  zu  verzeichnen  gehabt,  nämlich  in 
.der  Sprache.  Es  sind  eine  ganze  Reibe  von  Wörtern,  etwa 
5200—300,  in  den  elsässiscben  Sprachschatz  berdbergenommen 
-worden,  welche  allgemein  üblich  sind  und  für  den  Begriff,  den 
sie  uiwiergeljen,  oft  vorwiejiend  angewandt  werden,  so  dass  das 
hochdeutsche  Wort  entweder  ganz  unbekannt  oder  wenig  ge- 
bränrhlirli  i-^t.  Man»  he  sind  so  innig  mit  der  Sprache  ver- 
schmolzen, (Inss  sie  mit  deutschen  Präpositionen  zusammenfreset/t, 
durch  deut.^ciie  Kn«lungen  verändert  oder  durch  Anklang  ;iri 
sinnverwandte  deutsche  Worte  bis  zur  Unkenntlichkeit  ver- 


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—  m  — 


stQmmelt  sind.  Nur  diejenigen  Ausdrücke,  welche  der  Soldaten- 
VerwaHungs-,  Gerichts- und  Schalsprache  entlehnt  wurden,  kom- 
menallmShlich  ab,  werden  aber  auch  vonder  jüngeren  Generation 
noch  verstanden.  Die  weitere  Ausführung  dieses  Punktes  würde 
natürlich  zu  weit  führen.  Von  anderen  Rinrichtungen,  welche  mit 
dem  Aufhören  der  französischen  Herrscliatt  verschwmiden  sin-L 
nennen  wir  die  hlumengezierten  Loosun;^^ssclieine,  sie  kouiinen 
natürlich  nicht  wieder.  Hin^'"e<?en  hat  dns  floife  Conscritleben 
bei  <)er  Musterung,  die  bunten  Sträuä:»e  und  Bänder  und  der 
alte  Tambourmajorstock  mit  der  Rückkehr  des  Patrtotismus  er- 
freulicher Weise  auch  wieder  seinen  £inzug  getialten. 

Aber  wenn  wir  uns  das  Innere  des  Dorfes  genauer  an- 
sehen, so  erblicken  wir  ein«n  gewaltigen  Unterschied  gegen 
früher.  Das  Gefühl  beschaulicher  Ruhe  nimmt  beim  Bauern 
stetig  .»b  und  macht  immer  mehr  dem  der  Sorge  Platz.  Durch 
die  kolossale  Ausdehnung  und  die  Schnelligkeit  des  Verkehrs 
ist  er  gezwungen,  seine  Bücke  weiteriiin  zu  richten,  als,  wie 
früher,  in  das  nächst»^  Stiidtcheii.  llei  Weifmarkf  bestimmt  den 
Preis  für  seine  Botlenerzeugnisse,  wclciio  trotz  der  Entwertung 
des  üeldes  viel  wenijrer  eintragen.  Der  Bauer  muss  sieh  mit 
fremden  Handelsleuten  abgeben,  die  aus  weiter  Ferne  kommen, 
um  ihm  seine  Produkte  abzunehmen.  In  Fdge  des  Ungeheuern 
Aufschwungs  des  Fabrikwasens  ist  die  Hausindhatiie,  insbe- 
sondere das  Weberhandwerk  zu  Grunde  gegangen.  Der  Hausier- 
handel mit  seinen  Auswüchsen  hat  seinen  Weg  in  das  Dorf 
gefunden,  die  ßrotfrau  mit  dem  Stadtklatsch,  der  Metzger  mit 
altem  Kuhfleisch  und  der  StofikranuM  mit  der  neuesten  Pariser 
Mode,  und  schon  beginnt  eine  andere  Einrichtung  sich  auf  dem 
Lande  ein7uni-;ten,  die  der  Konsumgenossenschaften.  Während 
es  früher  ein  Krei^;^nis  wit,  'A'enn  einmal  ein  Briet  aufs  Doi-f 
kam,  ist  jetzt  tasl  jeder  be-iscre  Ackersmann  an  die  Zeiiun;; 
abonniert,  welche  ihm  von  den  sozialen  Nolslauden  auf  der 
ganzen  Welt,  von  Dynanut  und  Ilevolution,  von  der  .Sozialde- 
mokratie, dem  Anarchismus  und  dem  Umsturz  berichtet.  Hef- 
tige Wahlkämpfe  für  grossere  und  kleinere  politische  Körper- 
schaften halten  ihn  in  Aufr^ung.  Immer  neue  Steuern  belasten 
ihn,  jedes  Jahr  fast  bringt  Neuerungen,  das  Krankenkaasengesetz, 
das  Unfallgesetz,  die  Alters-  und  Invaliditätsgesetzgehun^.  Der 
Staat  svill  Geld  und  wieder  Geld  !  Gelehrte  Leute,  welche  nie- 
mals den  Pflug  in  der  Hand  hatten,  schreiben  ihm  vor,  was  und 
wie  er  anbauen  soll.  Ungläubig  srhütfelt  er  den  Kopt.  W^ie 
ganz  anders  war  i  s  in  der  guten  allen  Zeit ! 

Der  alte  lluthauer  scliltesst  die  Augen,  und  sein  Sohn  muss 
sich  in  die  neue  Well  fügen.  Schon  iVüh  hat  er  den  Ernst  des 
Lebens  kennen  gelernt.  Er  hat  tüchtig  arbeiten  müssen,  denn 


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die  Dienstboten  sind  selten.  Sie  ziehen  in  die  Städte  und  Fa- 
Itrikpii,  dem  leichton  Vcidipiist .  dei'  <'Soiiiita;:si-nhe»  nnil  ii»»n 
\  erijniii(unj,'eu  nach.  Der  Bauer  aber  mun&  horrende  Luluie 
l)ezahlen,  denn  ohne  Diensthoten  kann  er  e$  nicht  machen. 
Und  dazu  muss  er  sie  oft  aus  weiter  Enlferniiajf  herholen. 
Andererseits  hat  wiederum  die  Erleichterung  des  Verkehrs,  die 
Vergrösserung  des  EisenbahnneUes  einen  fortwihrenden  Aus- 
tausch von  Elementen;  den  Zuzug  fremder  und  den  Abgang 
einheimisclier  Personen  lur  Folge. 

Unter  solchen  Verhrdtnissen  ist  iWe  Wnhe  auch  im  aligele- 
genen  Dorfe  geetdrt.  Sie  weicht  der  Unzufriedenheit.  Ein  niiss- 
vergnügler  Bauer  aber  küni inert  sich  nicht  mehr  wie  ehedem 
um  seine  Dorf^enossen,  ihn  heschleicht  ?iir]i<  <lie  Freude  an 
gemeinsamen  Festlichkeiten,  an  allen  keinhallen  Sitten,  iinter 
denen  seine  Väter  j^i^oss  ^^ewoiden  sind.  Sie  khn^'^en  iiim  alhnäh- 
lich  wie  Märchen  an  das  Olir,  er  hat  jetzt  and.  ren  Mealen 
nachzujagen  und  zu  drängen  und  zu  hasten,  die  ihn  in  der  Be- 
sorgnis um  die  ^kunß  der  Seine»  und  des  Hofes  gegen  jede 
edlere  Regung  blind  machen.  Gleichgültigkeit  hält  ihn  um- 
fangen, der  Geiz  und  die  nicht  unberechtigte  Habsucht  haben 
seine  Tasche  für  alles  t  Ueberflflssige»  verschlossen.  Was  aber 
das  Schlimmste,  ist  dass  der  Bauer  seine  heimische  Sitte  und 
Eigenart  verachten  lernt.  Er  wird,  wie  Pfarrer  Han^akob  so 
treflenH  f^agt,  zum  l>esseren  Hausknecht.  Wenn  eine  ganze 
Reihe  von  Hauern  im  nämlichen  Dorf  diese  traurige  .\nwandlung 
durchgeninchf        dann  ist  es  bald  iiiii  das  Volkstum  geschehen. 

Niciit  ininder  froffdirlieh  ist  eine  andere  Kategorie  von 
I><)rfbewohnern,  wekije  gleich  falls  den  bäuerlichen  Verhältnissen 
entwachsen  sind,  nämlich  die  sogenannten  Herrenbauern.  Bei 
ihnen  ist  das  leitende  Motiv  der  Stolz.  Sie  haben  gewöhnlich 
Umgang  mit  cHerren»,  mit  Beamten  und  *  Ihresgleichen  und 
dünken  sich  mit  ihrer  Halbbildung  weit  über  die  «Bauern» 
desselben  Dorfe  erhaben.  Am  Sonntag  besuchen  sie  gern  die 
Stadt,  trinken  täglich  ihren  Kaffee  im  Wirtshaus  und  spielen 
ihre  Partie  bei  einer  dampfenden  «Ktrnn^rrr».  Ihre  Kleider 
haben  den  rnodis(  hen  Sthnitl.  auch  die  ihrer  Familie,  und  die 
Sprache  ähnelt  der  städtischen.  Ach,  dass  sie  den  Bauern  ganz 
abstreifen  konnten  ! 

Wozu  denn  die  ulten  Inschritlen  am  neu  getünchten 
Wohnhaus  I  Das  passl  gar  nicht  zu»auimen.  Und  der  Maurer 
llsst  es  sieh  nicht  zweimal  sagen:  Mit  wenigen  Pinselstrichen 
ist  das  alte  Zeug  weggewischt,  das  die  Leute  doch  bloss  an- 
gaffen, wenn  sie  vorbeigehen.  Wenn  Pfingsten  heranrückt, 
wird  den  Buben  verboten,  den  alten  Unsinn  ihrer  Kameraden 
mitzumachen.  Das  war  früher  so  Mode,  aber  jetzt  sind  die 


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m  — 


Leute  nicht  mehr  so  einiältig.  Unfmrmhei'zijr  weiden  iVermle 
Jungen  abgewiesen,  und  wären  e»  selbst  arme  Kinder,  die 
einen  Pfennig  oder  ein  Ei  oder  ein  Stückchen  S^>eck  ganz  gut 
gebrauchen  könnten.  Wenn  der  Messti  herankommt,  hält  sich 
der  H«rrenbursche  cnobeli  nirflck.  Das  G^uclise  beim  Auf- 
zieheQ  auf  der  Strasse  und  das  Taovea  um  den  Maien  ist  doch 
gar  nicht  anstflndig  1  Auch  gefällt  ihm  der  Messlibursche  nicht, 
denn  dieser  ist  arm  und  er  selbst  hai's  nicht  nötig,  sich  etwas 
von  ihm  vors(  hmben  zu  lassen.  Einmal  kommt  endUch  auch 
die  Verschreibung  angerückt.  Wie  ist  doch  da  der  .Trumbolle 
»ju  M'ifi^' !  Was  brauchen  denn  fremde  Leute  vom  besten  Wein 
zu  Innken!  Da  macht  man  die  Sache  ^imz  einfach.  Die  Fi^^^fne- 
sellschaft  geht  in  dr^«?  nächste  Städtchen  zum  Notar.  Nacnher 
i^ist  man  im  Wirtshaus,  da  isl  nii  ht  die  ^'eringste  Last  we^en 
de^  Kochens,  hiau  bruucltt  nicht  da;»  ganze  Dorf  einzuladen, 
der  Notar  isst  auch  nicht  mit,  und  die  Burschen  zu  Hause 
bekommen  ein  GoldstOck,  damit  sollen  sie  anfangen,  was  sie 
wollen. 

So  gebt  es  mit  vielen  alten  Gebriluchen.  Die  Vertreter  der 
Dorfaristokratie,  die  reichen  Bauernburschen  als  die  Tifiger  der 
Dorfsitte,  wenden  ihr  Interesse  von  dem  Altherkömmlichen  ab, 

dann  wird  die  Sitte  von  den  ärmeren  Klassen  und  jüngeren 
halbwüchsigen  Burschen  geübt,  gerät  in  Misskredit  und  sliri>t 
allmähni'h  aus. 

Die  veideiblichf  ftleichniaciierei  hat  feiner  im  Kieider- 
wesen  ein  )>esonders  lru(  litbares  Gel)iel  der  Thätigkeil  getunden. 
Der  ücidimmste  Feind  der  Tiaclit,  die  Mode  ist  es,  die  hier  ihr 
tyrannisches  Szepter  schwingt.  Kaum  hat  die  Bauernmaid  in 
die  Stadt  bineingerochen,  so  muss  sie  auch  3Gbon  nach  der 
Stadtmode  gekleidet  sein.  Ueber  diesen  Teil  meines  Themas 
sei  auf  die  <  MitteiluDgen  des  Yogesenklubs  1894 »  ver- 
wiesen, wo  der  Gegenstand  ausführlich  behandelt  ist.  Hier 
i  t  bloss  in  Bezug  auf  die  weibliche  Tracht  noch  hinzuzu- 
fügen, dass  unabhängig  von  der  herrschenden  Stadtmode  auch 
Mode«chwankungen  auf  dem  Land  vorkommen .  So  lässt  sich 
seil  etwa  *2  Jahrzehnten  deutlich  Ijeohachten,  wie  der  Kleider- 
schnill  des  Ackerlands,  der  lange  Kock  mit  lueitem  Faltenwurf 
und  tiefer  Taille  sowie  die  mächtige  Srhiaufkappe  alhnaliUcli 
nach  dem  Hanauisciien  iortschreitet  und  langsam  den  früheren 
Schnitt,  kurzen  Rock  mit  hoher  Bnistdnschnürung  und  die 
schmalen  Kappcnbändel  verdrängt.  In  MQhlhausen  bei  Bucbs- 
weiler  kann  man  jettt  noch  bei  Vertraterinnen  dreier  verschie- 
dener Generationen  verschiedene  Stadien  dieses  Kleiderwechsels 
konstatieren.  Der  gleiche  Unterschied  in  der  Gewandung  besteht 
xwischen  älteren  Zeiten  und  der  Jetstzeit,  auch  Im  Ackerland, 


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—    1Ü9  — 


das  geht  aus  den  Photojxraphien  der  üUer  Jahre  und  alteren 
Bildern  deutlich  hei  voi .  Hierher  gehört  auch  die  Tra;^^wei>;t.'  des 
Halstuchs,  entweder  über  die  Schultern  geworten,  oder  unter 
die  Anue  gebunden. 

Auch  im  Bau,  sowohl  was  die  äussere  Einrichtung  als  die 
iDDere  Ausstattung  hetriilt«  lässt  steh  in  der  .letzten  Zeit  eine 
Dicht  geringe  Aendening  nachweisen.  Während  die  älteren 
Häusei'  mit  ihren  Wetterdächern,  dem  Pachwerk  und  den 
Walmen  einen  recht  nialeiischen  Eindruck  hervorrufen,  kann 
man  das  von  der  jetzigen  Bauart  nicht  mehr  behaupten.  Anstatt 
der  mit  Lehm  verbundenen  Stecken  und  Strohbüschel  wird 
heute  mit  den  solideren  Backsteinen  gebaut.  Das  Faclivverk  ver- 
schwindet, i(i  Tolge  dessen  auch  die  Wefterdärlier,  die  /u 
seinem  Schutz  vor  den  Unbilden  der  Willeiun^  dienen.  Das 
ganze  Wohuhaus  ist  nicht  selten  mit  Spritzwurt  belegt.  Die 
langen  eichenen  Balken,  welche  die  Decke  der  Stuben  zu  bilden 
ptlegten,  werden  durch  eiserne  Balken  ersetzt,  die  unsichtbar 
in  die  Decke  eingelassen  sind.  Das  Cretäfel  ist  abgekommen  und 
durch  weisse  Tänchung  oder  eine  schöne  Tapete  verdrängt. 
Auch  die  Möbel  haben  ein  modernes  Aussehen.  Der  rote  An- 
strich mit  seinen  In'il)  «  h*  n  Verzierungen  ist  seit  dem  Unter- 
gang der  Krappkuhur  abgekommen.  Die  ebrwürrligen  alten 
Pommerofen,  die  Ofenplalten  mit  ihren  religiösen,  patriotischen, 
ländlichen  und  Blumenszenen  und  Inschriften  sind  modernen 
Oefen  gewichen.  Die  äussere  Anlage  jedoch,  die  Bauart  ist 
noch  stets  der  unveränderte,  schöne  allemanische  Styl.  Kaum 
dass  die  grossen  FIngellhore  <lurch  Uollthore  verdrängt  sind. 

Wir  hätten  nun  noch  eine  wichtige  Seite  zu  betrachten, 
nämlich  die  der  Gevralt.  Von  einflussreichen  Leuten  aus  dem 
geistlichen  wie  aus  dem  weltlichen  Stand  wird  vielen  Gebräuchen 
und  Einrichtungen  mit  Eifer  zu  Leibe  gelingen.  Die  Frage 
nach  <lei'  Berechtigung  einer  solchen  Handlungsweise  las.sen  wir 
hier  unberfihri.  S.»  werden  manche  Faslnachts-  und  Pllngstge- 
bräuche,  insbesondere  das  interessante  Scheiben  werfen  als  heid- 
nische Anschauungen  angesehen  und  vernichtet.  Dn'  Festlich- 
keiten am  Mes-^li,  die  Knnkelstuhen,  welche  seif  dem  Niedergang 
<ler  Hauswebcrei  zu  Strickstuben  tierabsanken,  und  die  .\bend- 
märkte  werden  als  Vergnügungssucht  und  Gelegenheiten  zu 
unsittlichem  Gebahren  gebrandinarkl.  Manche  Trachtstücke, 
z.  B.  steif«  Vorstecker,  kui-ze  Höcke  und  wetUiusgeschniltene 
Hemden  verwirft  man,  weil  sie  zur  unmoralischen  Schaustellung 
gewisser  Körper  formen  dienen. 

Auch  das  Gesetz  und  die  Verwaltungsmassr^eln  treffen 
manche  alle  (Un)sitte  und  zerstören  sie  nicht  selten  ganz.  Das 
Schiessen,  wodurch  schon  so  manches  Unglück  hervorgerufen 


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—   20ü  — 


wurde,  ist  der  Gegenstand  besonderer  Aufmerksamkeit  von 
Seiten  der  Polizei.  Bei  Kindtaufen,  Verschreibungen  um!  Hoch- 
zeiten, zu  Neujahr,  am  Messti  uml  in  der  Weinlese  wird  stets 
aufgepasst,  dass  das  Verbot  nicht  übertreten  wird.  Trotzdem 
wird  <l;is  Schicsson  tiorh  hfmfi^r  penug  geübt,  d**nn  rmrh  die 
Burs(  hnhen  ein  wrirliv-unes  Auge  auf  die  Gendarmen  und 
wissen  oii  ihren  Nai  listellun^j^en  zu  entgehen.  Nicht  unerwähnt 
sei  ferner  die  Absclialfung  des  «Gabenschiessens»,  welches 
früher  am  Messti  oder  auch  ohne  besondern  Anlass  im  Herbst 
auf  freiem  Feld  veranstaltet  wurde.  Es  musste  der  öffentlichen 
Sicherheit  halber  seit  der  Einführung  weittragender  Gewehre 
eingehen.  Die  nAmliche  Rucksicht  auf  die  dffentliche  Sicherheit 
bewirkte  die  Ueberwachung  und  Einschränkung  des  Gabenreitens 
und  Baumklettems  bei  Hochzeiten.  Die  Verhütung  der  Feuers- 
gefabr  war  es,  welche  man -fi  M'  Orten  die  Absi  hafTmip^  der 
Fastnachls-,  .lohannistng-  und  andei  tM'  Feuer  ver'Jcluildete.  .\n(  h 
wurden  }ye\  solchen  Golegonhoiten  oft  ruhe  SrhtMv.e  verübt.  Das 
PiMtschcn knallen  zu  lYingsten  wiid  als  grober  Unfug  oder 
nächtliche  lluhesloi  un«.^  aufgefassl  und  demgemäss  geahndet. 
Unter  den  Lotlerie^iaragraphen  fallt  das  Ausspielen  von  Gegen- 
ständen am  Messti,  und  die  Spende  des  Trumbotte  in  natura 
musste  fallen,  seitdem  der  Transport  von  Wein  Ober  die  Strasse 
ohne  Lösung  eines  Scheines  strafbar  ist.  Von  Verwaltungs- 
wegen wird  ferner  in  armen  Gemeinden  das  Fahren  der  Ab- 
wandfurche auf  Gemeindekosten  untersagt,  in  Folge  dessen 
kommen  auch  die  damii  verknüpften  Gebräuche  ab.  Und  wie 
geringfügig  manchmal  die  Ursache  für  das  Abkommen  einer 
Kinrichtung  ist,  beweist  ein  Vorkommnis  in  Dnnzt'iifi'Mm,  wo 
der  Gemeindeschäfer  protokolliert  wurde,  weil  seine  Schafe  das 
der  Stra.«.senbauverwaltutig  geböri;;«'  Gias  im  Slr,is<engraben 
ai»\veideten.  Der  Hirt  legte  .sein  Amt  nieder,  ein  Nachfolger 
war  nicht  zu  finden,  und  so  kam  in  Dunzenheim  die  Schaf- 
zucht ab. 

Nicht  selten  aber  wiixl  auch  von  den  Gerichtsbehörden 
eine  unschuldige  Sitle  unrecht  aufgefasst  und  beurteilt.  So  wur- 
den im  vorigen  Jahr  im  südlichen  Oberelsass  mehrere  Burschen, 
weicht^  <ler  Sitte  gemäss  Fassnachtsküclieln  gesammelt  lijflten, 
wegen  Betlelns  gerichtlich  l»estraft.  («Elsässert  Tom  1*2.  3.94.) 
Und  noch  vor  kumor  Zeit  war  das  Zerreissen  einer  Fnline  durch 
Gestellnn^spllichiige  m  (Mtrotf  der  Gegenstand  einei'  jreiieht- 
lichen  Veihandlung,  die  mit  einer  Verurteilung  endete.  («Eis.» 
1895,  Nr.  40  u.  9()).  Ilaben  nicht  die  alten  Landsknecbtheere 
bei  Auüösung  ihres  Truppenteils  dasselbe  «iethan?  Uebri^ens 
besteht  dieser  Brauch  auch  in  Hochfelden  und  hat  noch  nie 
Anslosa  erregt. 


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« 


Zam  Schluss  entsteht  nun  die  Frage :  Was  kann  man  thun 
zur  Erhaltung  alter  Sitte  und  Eigenart?  oder  richtiger:  Soll 
man  alle  alten  Einrichtungen  zu  erhalten  suchen?  Nichts  sei  uns 
femer  als  das  !  Gar  viele  rohe  Sitten  sind  verschwunden  und 
sollen  auch  nicht  wiederkehren.  Dank  dem  aufgeklärten  Zeit- 
geist ist  ferner  auch  Vieles  allgekommen,  was  in  unsere  Ver- 
hältnisse nicht  mehr  passt.  Es  sei  bloss  kurz  auf  den  Aber- 
glauben hingewiesen.  Noch  bleiben  uns  viele  Sitten,  welche 
sich  zum  Teil  überlebt  haben,  a!>er  iloch  im  Gi  nnde  genommen 
erhaltuiip^swäi'dig  sind.  So  wie  aber  ein  vernfinttii^er  Mann  einen 
Baum,  der  keine  oder  schlechte  Früchte  träj:jt,  be.schneidel  uder 
veredelt,  um  einen  bessern  Ertrag  zu  erzielen,  nicht  aber  ihn 
gleich  abs&gt  'Uad  samt  den  Wurzeln  ausrottet,  so  soll  auch  das 
Gute,  das  Schöne,  das  Ideale  an  einzelnen  Sitten  mit  Zähigkeit 
festgehalten  und  gepflegt  werden.  Möge  man  in  diesen  Fällen, 
die  Auswüchse  geissein,  nicht  aber  die  ganze  Sitte  verdammen. 
Solche  Einrichtungen  sind  vor  allem  das  Volkslied,  die  Hoch- 
zeitsbräuche  in  geläuterter  Auswahl,  die  Pfin^st- und  Weihnaclits- 
gebräucbo,  die  Volkstracht  u.  a.  m.  Wo  freilich  ein  Brauch 
schon  läiig^ere  Zeit  aivp'ekommen  und  das*  Verstrnnlnis  verloren 
ge^antjen  ist,  wird  es  schwer  hallen,  ihn  wieder  eiiizufüliren. 
ha  es  endlich  niclil  unmöglich  ist,  dass  auch  neue  Sitten  auf- 
kommen, so  wird  diesen  gleichfalls  einige  Aufmerksamkeit 
geschenkt  werden  müssen. 

Trotzdem  nun  im  alten  Hanauerland  manches  Alte  durch 
die  Macht  der  Zeit  und  der  Gewohnheit  abgekommen  ist,  steckt 
doch  noch  ein  recht  grosser  und  kostbarer  Schatz  darin,  welcher 
der  geeigneten  Persönlichkeiten  harrt,  um  aus  der  verborgenen 
Einsamkeit  des  Landes  das  helle  Licht  der  Forschung  und 
der  wissenschaflli  lieii  Beurteilun«?  hervorgezogen  zu  werden. 
Namentlich  i^laube  ich,  dnss  auf  manchen  Gebieten  noch  viele 
lokale  Eigentümlichkeiten  zu  erforschen  f^ind,  deren  7usammen- 
stellun^  interessante  Ergebni!«j;e  liefern  uüide.  im  Z  ihller  des 
Verkehrs  durch  Eisenbahn,  Post  und  Fahrrad  <luilit*  d^e^e 
Aufgabe  auch  für  den  Einzelnen  nicht  unüberwindlich  sein. 
Und  darum  noch  einmal  : 

Hanau  alt's,  Gott  erhalt's  ! 
Hanau  alt's,  in  Ehren  b'hall's  1 


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XV. 

Die  Kunkelstube, 

(Fortsetzuiitf.) 
Von 

Han»  Llenhart 

Die  im  8.  Jahrgang  unseres  Jahrbachs  enthaltene  kurze 

Schilderung  der  Kunkelslube  und  der  damit  zusaininenliüiigenden 
Bräuche  in  einigen  Gegenden  des  Unter-Elsass  hat  erfreulicher^ 
weise  in  den  Kreisen  unsrer  Mitarbeiter  am  Elsässer  Wörter- 
buch sowie  auch  anderwärts  (Miie  unerwartet  freundliche  Auf- 
nahme gofuiidon  und  nliorrtll  tüi  Lande  zu  ferneren  Aufzeich- 
nungen Anlass  ^e<,^t?l)iMi.  iJie  Beilni^«'  zu  diesem  Kapitel  unsres 
Volkslebens  Uosbeii  iclIiL  reichlich,  so  dass  wir  in  diesem  Jahre 
in  der  angenehmen  Lage  sind,  unseren  Irübei  en  auf  persönlicher 
Beobachtung  beruhenden  Mitteilungen  einige  neue  hinxuxufCigen, 
und  zwar  zunächst  aus  dem  Mittel -Elsass. 

Leider  ist  auch  hier  allgemein  die  wenig  erfreuliche  Thal- 
sache festzustellen,  dass  die  Kunkelstube  lu  deigenigen  Volks- 
brftuchen  gehört,  die,  wie  die  schönen  alten  Trachten,  zusefamids 
und  unaufhaltsam  dahinschwinden. 

In  Bi  sc  hüf  s  Ii  ei  m,  an  der  Bahnlinie  Mulsheim-Schlell- 
.«tadt,  unweit  Oherehnheim,  sollen  die  Kunkelstuben  noch  vor 
etwa  15 — "JO  Jahren  in  schönster  Blüte  ;:eslanden  haben,  wäli- 
rentl  lieutzula^e  nur  noch  weni},»-  junge  iMäddien  das  Spiunen 
erlernen.  An  den  Zusammenkunflsaljenden  .<piQiien  fa.>t  aus- 
schliesslich die  Alten  ;  die  Jüngeren  .stricken  oder  häkeln.  Ge- 
arbeitet wird  bis  um  9  Uhr  ähentls ;  dann  tritt  eine  Pause  ein,  in 
der  das  Spinnrad  oder  die  Strick-  bezw.  Häkelarbeit  in  Be- 
gleitung des  Verehrers,  der  draussen  längst  wartete,  nach 


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—   203  — 


Haiwe  gebracht  wird.  Nachher  kehren  sie  mit  einander  in  die 
Gesellschaft  zurück,  wo  dann  Branntwein  gelrunken  wird  ;  aucb 
Brot  und  Aepfel  werden  dazu  gegessen.  Einer  der  Anwesenden 
spielt  die  Ziehharmonika,  Harmeni,  wie  es  im  Volksmunde 
heisst,  ein  Musikinstrument,  welches  die  frühere  Geige  nach 
und  nach  verdrängt.  Die  Haimeni  ist  natürlich  leichter  zu 
spielen  als  die  Geige,  und  ihre  vollen  Akkorde  mit  Bas^be- 
^leilung  sprechen  solche  Leute  aucit  iiieht  an  als  die  einför- 
migen Töne,  die  der  Dorfmasikant  seiner  Geige  oft  nnr  mit 
Mfliie  zu  entlocken  vermag.  Dazu  wird  erst  gesungen  und 
später  auch  getanzt.  Und  die^r  zweite  Teil  dar  Kunkelstnbe 
ist  fflr  die  jungen  Leute  natürlich  die  Hauptsache.  Wer  möchte 
es  ihnen  auch  verdenken  ?  Die  Gesellschaft  bleibt  oft  bis  Mit- 
ternacht zusammen,  bei  Gesang  und  Tanz,  al)wechselnd  mit 
allerhand  Scherzen  und  Spielen,  von  denen  die  beliebtesten  die 
folgenden  sind  : 

Baumwolle  bioser«.' 

Es  setzen  sich  alle  Anwesenden  dicht  um  den  Tisch  herum. 
Sodann  wirft  einer  ein  Stückchen  Wolle  oder  Watte  auf  den- 
selben. Jeder  sucht  es  von  sich  weg  zu  blasen,  so  dasä  es  plötzlich 
an  allen  Ecken  und  Enden  herumfliegt.  Fällt  es  dabei  zur  Erde, 
so  mu'^-^  dorjenifje,  an  dessen  fechter  Seit^  e-'  ilni^hLrin}?,  ein 
Pfan«!  j^'ehen.  Die  Pfänder  woitleu  später  wieiier  eingel'^t,  und 
dabei  spielen  die  Küsse  als  Lösepreise  die  Haii[)lrolle,  und  des- 
halb ist  dieses  Spiel  aucb  eins  der  bevorzugtesten. 

MeAl  schiiideif. 

Man  füllt  eine  Schussel  mit  Mehl,  türmt  dasselbe  hoch  auf 
und  setzt  oben  auf  die  Spitze  einen  Fingerhut.  Der  Reihe  nach 
schneidet  sodann  jeder  der  Anwesenden  einen  Teil  des  Mehles 
ab,  so  dass  schliesslich  nur  noch  eine  ganz  schlanke  Säule  mit 
dem  aufsitzenden  Fingerhut  übrig  bleilU.  Wer  denselben  endlich 
zu  Fall  bringt,  muss  ihn  mit  dem  Munde  aus  dem  Mehl  her- 
ausholen. 

Telegraphieren« 

Es  wird  einer  gefragt,  wohin  man  für  ihn  telegraphieren 
soll.  Nachdem  er  einen  Ort  genannt  hat,  holt  man  einen  Teller 
und  steigt  damit  auf  einen  Stuhl,  so  dass  man  ihn  an  deu  Balken 
der  Decke  halten  kann.   Alsdann  gibt  man  dem  Betreffenden 


^  Di«  enrsiven  Buchstaben  siad  in  der  Handart  stamm. 


—   204  — 


einen  Stab  und  forciert  ihn  auf,  mit  deni-elhen  an  den  Teller  zu 
drücken,  damit  er  nicht  herunterfallt.  So  läMt  man  ihn  eine 
Zeit  l:ui|j  stehen  luni  fangt  dann  an,  ihn  zu  foppen.  Den  Teller 
kann  er  vom  Fussboden  aus  nirlit  heruntenif  hmen,  ihn  fallen 
lassen  —  da?  wäre  ja  scli;i  le;  wenn  er  indessen  kein  Thor  ist, 
$0  thut  ers  schlies!«lich  doch,  falls  sich  nicht  jemand  seiner 
erbarmt. 

Den  äcblap^n  (=  Pantoffel)  sueche». 

Es  setzen  sich  alle  Anweseoden  im  Kreis  oder  in  einer  Reihe 

sur  Erde  nieder  und  ziehen  die  Beine  an  sich  heran,  so  dass 
unter  den  Knieen  eine  Wölbung  entstellt.  Durch  diese  wird 
nun  ein  Sc  hlappen  —  oder  auch  ein  anderer  Gegenstand  — 
schnell  hin-  nnd  herjfegel)en.  Finer  steht  im  Kreise  oder  vor 
der  Heihe  und  sucht  den  Sciilapften.  Von  Zeit  zu  Zeit  winl  ihm 
damit  ceine  heruntergehauen»,  so  dass  t-r  erfahrt,  wo  etwa  der- 
selbe steckt.  Findet  er  ihn  schliesslicli,  so  rnuss  derjenige  suchen, 
bei  dem  er  erwischt  wurde. 

Eine  Menagerle  maehe». 

Ein  Mitdchen  und  ein  «Mannskerl»  hieihen  in  der  iSluhe, 
alle  übrigen  gehen  Ijinaus.  Sodann  niiuml  das  Mädclien  einen 
Spiegel  unter  die  Schfirze.  Einer  nach  dem  andern  wird  nun 
hereingerufen  und  gefragt,  was  er  für  ein  Tier  sehen  will. 
Sagt  er  z.  B.  rein  Kameel!»,  so  wird  ihm  der  Spiegel  vorge- 
hallen, dass  er  das  Kameel  in  demselben  betrachten  kann. 

Blnei»  hipotenisleren. 

A  geht  mit  B  eine  Wette  ein,  dass  er  ihn  in  kurzer  Zeit 
zum  Schlafen  bringen  kann.  Alsdann  nimmt  er  zwei  Teller, 
ecbwftrzt  den  einen  auf  der  Unterseite  mit  Russ  und  gibt  diesen 

dem  B,  den  andern  behält  er  för  sieb  selber.  Nun  fordert  A 
den  B  auf,  ihm  scharf  in  die  Augen  zu  sehen  und  alle  Zeichen 

und  Ik^wogungen  nachzumaclien.  Er  greift  wiederholt  unter  den 
Teller  und  tahrt  dann  mit  der  Hand  ü'ier  das  Gesicht,  markiert 
den  Schnurrbarl,  den  Backenbart,  den  VolHiart,  und  B  thut 
gewi.ssenhaft  dasseH>e,  bis  er  sich  /ulet/t  das  ;^;ui7e  fT»'si(  ht  be- 
schmiert hat.  Unter  grossem  Geiät  hter  winl  er  dann  vor  den 
Spiegel  geführt,  damit  er  sein  Konterfei  bewundern  kann. 

Daa  Schöffengerieht. 

Drei  der  Anwesenden,  ein  tiichler  und  zwei  Schöffen,  bleiben 
in  der  Stube,  die  übrigen  müssen  vor  die  Thüre  gehen.  Es 
werden  nun  zwei  Stflhie  so  aufgestellt,  dass  eine  Lücke,  etwa 


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—  205  — 


von  der  Brette  eines  Stuhles,  dazwischen  ^^eiassen  wird.  Die 
Stöhle  werden  dann  mit  einem  grossen  Tuch  fiberdeckt,  und 
die  ganze  Vorrichtung  sieht  mithin  einem  Sopha  nicht  unähnlich. 
Die  zwei  Schöffen  setzen  sich  jetzl  auf  ihre  Stfihle,  und  ein  An- 
geschuldigter »  gewöhnlich  der  Dümmste  der  Gesellschaft  — 
wird  herein^'erufen.  Der  Richter  befiehlt  ihm,  zwischen  den 
iSchölTen  Platz  zu  nehmen.  Aljer  In  dem  Auj;en blick,  wo  er  sich 
niederlassen  will  auf  das  be«|ueme  HuhehetI,  erheben  sich  die 
lii'fTHTi,  und  unter  dem  .dlj.'^emeinen  lielaehter  aller  Uehrigen, 
die  iiuii  auch  wieder  liereiukommen,  stürzt  er  zwischen  den 
zwei  Stühlen  zur  Erde  nieder. 

Einet»  öktteloH  (=  abkühlen). 

A  steckt  dem  B  vorn  einen  Trichter  ohen  zur  Hose  hinei  n 
und  gibt  ihm  ein  GeldstQck,  dAs  er  auf  die  Stirne  hallen  muss. 
Er  nimmt  darauf  selber  ein  Geldstuck  in  die  Hand»  geht  ziemlich 
weit  von  B  weg  und  veisicherl  ihm  dann,  er  werde  dasselbe 
40  werfen,  dass  es  dasjeiii^'e  von  B  trelfen  und  mit  demselben 
in  den  Trichter  fallen  müsse.  Unterdessen  kommt  ein  anderer 
von  hinterwärts  und  giesst  ein  Glas  kaltes  Wasser,  in  den  Trichter. 

Höninr  suechen« 

Kin  Mädchen  i^eht  mit  einer  Schüssel  voll  Wasser  und  einem 
darin  befindlichen  Lappen  von  eineai  zum  andern  und  stellt  ilabei 
allerhand  Fragen,  die  man  aber  —  was  sie  zu  Anlanjj  ihres 
Rundgangs  ausdrücklich  verboten  hat  —  weder  mit  ja  noch  mit 
nein  beantworten  darf.  Thut  das  doch  einer»  so  schlSgl  sie  ihm 
den  nassen  Lappen  ins  Gesicht  mit  den  Woilen :  cSe  (da)  besl 
Honip !» 

JDa»  Blättel  der  LiebA 

A  verteilt  ein  Spiel  Karten  unter  die  anwesenden  jungen 
Leute.  Wenn  er  fertig  ist,  fragt  er  seinen  Nachbar  B  zurrechten : 
cHesf  du  da»  Blftttet  der  Lieb  nit  gesehn  ?»  worauf  B  seiner- 
seits nun  den  A  wieder  fragt:  «Werum  wi/ütt's  wisse»,  welcAi 
Körte  WxlUi  kü.<}seii?f  \  nennt  dann  dne  Karte,  z.  B.  ci)ae 
Schüfet  Ass  l>  Jetzt  muss  dasjenige  Mädchen,  das  diese  Karte 
hat,  dem  A  einen  Kuss  gei)en,  der  ihr  redlich  wieder  zurück- 
gezahlt wird.  Trifft  es  sich,  dass  ein  Bursche  M  die  «renannte 
Karte  liat,  so  geben  sich  einfach  X  und  M  die  Hnnd.  Nun  wird 
da:<  Sjtit'l  fortj^esetzl  ;  B  fragt  seinen  Nachbar  genau  so,  wie 
er  vorher  von  A  gefragt  wurde  u.  s.  w. 


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—  206 


Einet»  zaem  Lacheii  bringet». 

Um  den  X  zu  foppen,  der  von  der  Y  durchaus  einen  Kuss 
baben  möchte,  macht  man  folgendes  : 

Die  Y  lep!  sich  scheintot  ir^iendwo  hin,  nachdem  sie  den 
Mund  voll  \\'a.sser  }(enommen  hat.  FJiu'r  n;u  h  dem  andren 
kommt  nun  an  «ie  heran  und  «fibt  ihr  einen  Kuss,  indem  er 
sie  gleichzeitig  zum  Lachen  zu  bringen  sucht.  Wenn  man 
merkt,  dass  sie  sich  des  Lachens  nicht  mehr  enthalten  kann, 
rauss  auch  X  herantreten ;  aber  in  dem  Augenblick,  wo  er 
sieh  zum  Kuss  anschickt,  spritzt  ihm  die  Y  das  Wasser  ins 
Gesicht, 

Wm  fllr  •  Nnmero  het  dinni  Liebsti? 

Mau  hat  viele  Nummern  auf  einem  ßiaü  aul'gc'M;hrieljen. 
Bei  jeder  steht  etwas  über  die  Eigenschaften  und  das  Aus- 
sehn eines  M&dchens.  A  fragt  nun  den  B :  cWas  f3r  e 
Numero  het  dtnhi  Liebsti  ?»  worauf  B  eine  beliebige  Nummer 
nennt.  Was  bei  der  betreffenden  Zahl  steht,  das  bezieht  sich 
auf  seine  Zukünftige.  Ebenso  lässt  man  das  Alter  derselben 
erraten. 

Ausser  den  genannten  Spielen  isl  auch  noch  sehr  beliebt 
«Der  schworze  Peter»,  das  ja  allgemein  bekannt  ist,  und  Brue- 
der,  ich  bin  gebu/zt  1>«  wie  es  im  Jahrg.  VIII,  S.  79  beschrieben 
wurde . 

Neben  Scherz  und  Spiel  koitnat  aljer  auch  das  Lied  zu 
seinem  Hecht.  Einzelne  Lieder  sind  sehr  beliebt  und  .-ehr  ver- 
breitet. Sehr  gern  sangen  die  Alten  das  Lied  tWir  winden  dir 
den  Jungfernkranz»,  das  man  allabendlich  auch  auf  dem  Ko- 
chersberg uiid  im  Zomthal  bdren  konnte.  Nachlrftglich  sei  an 
dieser  Stelle  noch  hinzugefügt,  dass  frQher  in  diesen  nördlichen 
Strichen  des  ELs^iss,  westlich  von  Strassburg,  u.  a.  noch  fol- 
gende Lieder  mit  besonderer  Vorliebe  gesungen  wurden,  die 
mir  in  2  alten  handschriftlichen  Liederbüchern  aus  den  Jahren 
und  1848  voHie^^fn  r  Heinrich  schlief  bei  seiner  Neuver- 
mählten. —  ich  an  tMiioin  Sommertag.  —  Leb'  wohl,  du 
teures  Land,  das  tnicli  geboien.  —  Thul's  mir  weh  im  Herzen. 
—  Ich  jjing  einst  hei  der  Nacht.  —  Freund,  ich  bin  es  zu- 
frieden, u.  .s.  w. 

Neben  den  Liedern,  die  von  der  ganzen  Gesellschaft  ge- 
sungen werden,  püegt  man  auch  den  Einzelge.sang  oder  den 
Hundgesang,  Eingeleitet  wird  derselbe  durch  die  bekannte 
Strophe : 


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207  — 


I  :  Es  geht  ein  ßundgesang  an  unserm  Tisch  haimm  :  { 

Drei  mal  drei  ist  nenne,  vis-a-vis  ist  raeine. 

£s  gebt  eiu  Ruudgesang  au  uuseim  Tisch  hemm 

Vidibnm! 

Bei  dem  letzten  Worte  zei^^t  man  auf  einen  Anwesenden, 
und  dieser  muss  sofort  ein  Lied  zum  besten  geben.  Ist  das- 
selbe beendigt,  so  singt  man  : 

I :  Hat's  gut  gemacht,  hat's  gut  gamaeht, 
Drum  wild  er  auch  nicht  ansgalacht  :  | 

Hat  aber  ik'v  Belivtli'iidf  niclil  sulort  zu  sin;:en  aniJretanp:en^ 
oder  überhaupt  jjar  iiichl  gesungen,  so  wird  er  verspottet  mit 
den  Worten  : 

I  :  Hat's  schlecht  gemirht  hat's  schlecht  gamacht, 
Dram  wird  er  jetst  auch  ansgahicht :  | 

und  zur  Strafe  muss  er  ein  Pfand  bergeben,  das  dann  spftter 
mit  den  bekannten  Scherzen  wieder  eingelöst  wird. 

Znm  Schluss  soll  noch  ein  Lied  aus  Hi^chofsheim  mitgeteilt 
werden,  das  man  dort  auch  jetzt  noch  sehr  häufig  in  den 
KunlLelstulien  singt: 

*a  Uiacbel. 

1.  Lauf  ich  so  in  der  Stadt  eram, 
Ze  wirf  ich  d  Anja  nun  an  nam, 

£b  ich  min  Urschel  nit  erblick  : 

Denn  s  Urschel  zo  sehn    I  s  isch  min  Qlftck. 

Kommt  sie  vo  wittern  geje  mir, 

Weiss  ich  nit,  wa&  i  mim  Lib  ich  &pür : 

I :  ün  s  Hers  klopft  mar,  wann*s  nflhdar  kmnint, 

Qrod  wie  m  wenn  dar  Dambttr  drammi  :  j 

"A-  liu  ge  mer  als  i  d  Erbseiaa b ; 
Dert  git's  ken  Beja  un  kan  Staub. 
Ze  sahn  git*s  darta  allerbannd, 

Mer  bliwe  stehn  o  jedem  Stannd 

Dn  gaffe  all  dis  Dings  do  an, 

Un  dis  un  zell  mecht  s  Urschel  han  : 

I  :  Wenn  ich  me  Späue  hätt,  du  Dotscb, 

Ze  mikeBoh  de  mar  han,  Urschel,  was  da  wotlscht:  1 

3.  Doch,  leider,  how  i  nit  vil  Geld, 
*8  geht  schönfei  zue  uf  dere  Welt  I 
Dar  ein  hat  allaa,  aandri  nix, 
0n  ich  bin  aalbst  a-n-ormer  Zisc. 
Oft  sAff  i  Wasser  sue  mim  Brot ; 


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—   208  — 


Minni  Kleider  sin  nit  ä  U  mode; 

I  :  Ich  fohl-  an  nieinols  i  der  Kutsch, 
Du  dü  biscb  selbit  e-n^ormi  DräUcii. :  i 

4  Docb  wenn  i  munme  ricber  wir, 
Dn  wie  nun  GeldsMk  nit  so  Imt, 

Dft  müescht  mer  han»  H«zx  was  begehrsckl 

I  wott  .sehn,  oh  '\e  nit  zefridde  wärsch. 

Da  müescht  de  uettste  ßock  mix  han 

Mit  KrinoUn  an  Volant  dran ; 

) :  Dq  mSuuetA  6M  bMtti  so  diok  do  stohn, 

Dass  d  duMh  ksn  Thor  mo  doreli  könnsoh  gthn. 

5.  Vom  Stemtlior  uu  i  d  Krütenan 
G&b's  kmrn  sso  nstt  gopatsti  BVaii; 
Vom  Bonggswehr  a  *s  Bftddelthor 

Brfiohtsch  mer  an  keniii  me  eso  vor. 

Doch  leider  isch  mi  Meijes  '  gJ'iTig, 
Kanf  ich  dir  do  e  GroBcherni;.'  - 
I  :  Heb  Sorri  druf,  er  kummt  vo  maer, 
Er  koscht  •  gaoiue  Schopps  BisrI  :  ] 


Qeld.  —  2  Fingerring  für  8  Pfg. 


XVI. 


Die  Münsterthäler  Vornamen.^ 

Ein  Nachtrag  zu  Jahrbuch  X,  S.  269^283. 

Mitgeteilt 
von 

J.  Spieser. 

Abraham  'iwrhftm ;  Adam  äita ;  AndreoM  '^lUräs;  Bar- 
thoUmäuM  'pä^rtlin^i ;  Benjamin  «panjämin ;  Chritiian  krejtla  ; 
Daniel  täDji»),  -t4m,  «tanila;  David  tiifil,  ik\i(\9);  Dietrich 
'tietdii;  Elia*  leias;  Franzjosef  'fräntsfep;  Friedrich  frets; 
Gabriel  •kä\sit!^^\  \  Georg  jeri ;  Heinrich  h^'inv ;  Isaak  '\}säk; 
Jakob  jop  ^ ;  Joachim  joyrn  ;  yoAanMe«  bänas,  hänts';  Johann 
Adam  häntsaittj;  Johann  Georg  'häntsjöri;  Johann  Jakob 
•liänlsjop  ;  Johann  Martin  '\\i\\\\<\\v<\yv\\a  \  Josef  sep  ;  Karl 
\\\yA\rU\  Konrad  kliyinol  ;  Lorenz  loiraiils,  I^udwig  lupik, 
lülwik^  Lukas  lyksj  Markus  luarks,  luarks;  Mariin  'iuä|rtin« 


'  Zur  Schreibung  bemerke  ich,  dass  ich  mich  im  allgemeinen 
an  das  System  Krauters  halte;  nur  gebrauche  ich  für  sch  statt  des 
zosammengesetzten  s  das  einfache  ^,  ferner  als  Dehnungszeichen  statt 
eines  Aksents  ein  nachgesetztes  ),  und  als  Zeichen  der  Betonung 
•inen  vor  die  starke  Silbe  gesetzten  Punkt  ().  Vgl.  Jahrb.  TX 
S.  87  ff.  In  den  früheren  Jahrgängen  ist  oft  durch  Abspringen  des 
ÄkMiits  die  Läogebezeiebnnng  mloren  gegangen,  mit  \  ist  dies 
nicht  zu  befürchten.  Das  Zfichrn  ist  einstweilen  als  Notbehelf  vom 
Setzer  ans  {  zarechtgeschmtteo  worden.  Die  vollständige  Ausmerzang 
der  QronIraehBtabeii  in  Ltiitsehrift  wird  von  Krftnter  im  Gegensatz 
TO  dem  im  Jahrbuch  herrschenden  Gebrauch  ausdrücklit  h  gefordert. 

*  Aber  'jokopstaf  (25.  Juh),  *]okopspcira,  jok.opstriiwl  usw. 

3  Dte  Worte  khäntstik,  khkatstri|wl  u;ei£en  auf  eme  ausgestorbene 
Form  khtoes  oder  khknts. 


14 


—  210  — 


irinirta.  maiHla ;  Maternus  'rnälarn  ;  Matthäus  "niäleiw.is ; 
Matthias  mäts,  mälis,  mälsla,  niatsla  ;  Michael  meyl ;  Nikolaus 
kläis,  klais  ;  Paulus  päili;  Peler  pietr  :  Samuel  säml ;  Se- 
bastian {ta^o  :  Stephan  ^tafa;  Theobald  wult,  wehr,  \v()lt(r))l3  ; 
Thomas  Uuhö;  Tobias  läweias;  Ulrich  'yiilari  ;  Urban  ürwa ; 
Va/enlm  falls;  TViMc/w  welam;  Xaver  'ksäföiri. 

Apnei 'i|i9iiite ;  Ann«  Barbara  'änaparp;  Anno  Katharina 
'ändkhat ;  Anna  Maria  'änaniei ;  Barbara  parp ;  Elisabel  lesl^ 
lespM;  Fronzitka  fräntsejt ;  Josefine  ün;  Katharina  khaiinüf 

khat ;  Katharina  Barbara  'khatrindparp  ;  Luise  'lywif? :  May- 
dalena  \i3^\n  ;  Margareta  kviei  ;  Maria  mei,  (  niaitM) :  Maria 
Barbara  •mätipurp;  Maria  Anna  -inärjän  ;  Salome  sälm^i, 
saliu;  Sara  sajr;  Susanna  tsy]s;  Therese  -tere|$. 

Man  beachte  die  echt  germanische  Betonung  aller  dieser 

Kamen.  Bis  auf  ganz  wenige  Aiisnahraen,  die  fast  alle  nicht 
eigentlich  mfinsterthälisch  sind,  ist  immer  die  erste  Silbe 
betont. 


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XVII. 


Die  mundartlichen  Formen 
der  Ortsnamen  der  Umgegend  von 
Waldhambach.^ 

Uitgeteilt  wid  Wproeli«ii 
von 

J.  Spieser. 

Die  zufallig  frt^nia»  hte  Beohiichtung,  dass  in  den  Kircht'n- 
büchern  meiner  i'taiiei  Waldhambach,  der  Name  des  frühern 
Filiats,  das  jetxt  den  amtUchen  Namen  Volfcsbirg  iOhrt,  sidi 
TOT  1832  niemals  mit  k  geschrieben  flndet^  sondern  entweder 
Solfi^fterg  oder  IBoItlbero  oder  fßüil\ptx^  oder  jBoIt» 
f))UTfl  oder  ähnlich^  sowie  die  Tbatsache>  dass  der  Name  des 
Ortes  io  der  Mundart  cfoKpürk»  lautet,  ebenfalls  ohne  Spur 
Ton  einem  k,  legte  mir  die  Vermutung  nahe,  dass  ähnliche 
amtliche  Verhiillliornungen  von  Ort!>;namen  noch  öfter  werden 
vorgek(»rn!ivri  sein,  und  erregte  in  mir  den  Wunsrh,  ^o!che 
mit  Hilie  (lor  mundai  tli»  hen  Namen^lormen  nachzuweisen.  Ein 
Solcher  Nachweis  schien  mir  obendrein  .^ehr  geeignet,  im  all- 
gemeinen die  mundartlichen  Orlsnamcnlormen  in  ihrem  Wert 
für  die  Bestimmung  der  richtigen  Namensform  zu  Ehren  zu 
bringen. 

Ich  stellte  daher  ein  Verzeichnis  der  Ortschaften  auf,  die 
im  Gesichtskreis  der  hiesigen  Ortsbevölkerung  liegen,  und  er- 
mittelte durch  Nachfragen  die  mundartlichen  Namen  derselben. 
Nachdem  ich  nun  auf  die»e  Weise  die  F&lle  festgestellt,  in 


1  Zur  SdireibQng  vgl.  Anm.  1  zu  vorsteb^nder  Arbeit 


—  212  — 


denen  die  vom  Volke  gesprochene  Nainonsfnrm  mif  der  zur  Zeit 
^feilenden  amtlichen  Schrei huii^-^  in  Widefispruch  steht,  •«■hien 
es  mir  wünschenswert,  die  Hichli^keit  der  von  mir  gezo^^enea 
Schlüsse  au  den  Schreibunj^en  der  Namen  in  den  allen  Ur- 
kunden zu  prüfen.  Da  ich  mich  nun  seihst  noch  nicht  mit  ur- 
kundlichen Forschungen  hefasst  hatte)  wandle  ich  mich  zunächst 
aD  Hrn.  Pfarrer  G.  Mattbis  in  Eyweiler  mit  der  Bitte,  mir  die  aus 
eeinen  orlsgeschichtiichen  Forschungen  ihm  erinnerlichen  alten 
Namensfoitnen  in  meine  Liste  einzutraji^en.  Die  gleiche  Bitte 
richtete  ich  später  an  den  durch  seine  Ge^hichte  von  Herbitz- 
heim bekannten  Hrn.  Pfarrer  Levy  in  t^orenzen.  Heide  Herren 
haben  meiner  Bitte  in  der  zuvorkommendsten  und  dankens- 
wertesten Weise  entsproehen.  Znlefzt  habe  auch  ich  noch 
einiges  ans  dem  hiesi-jien  ülleslen  Kiri  liciiluich  (1083—1720) 
naclij^etragen.  Durch  tlie  fnihern  Si  hreibweisen  fand  ich  meine 
aus  den  mundarlliclicii  Namenslormen  gezogenen  Schlüsse  aul 
Schrill  und  Tritt  bestätigt. 

Ich  gebe  nun  nachstehend  in  alphabetischer  Ordnung  zu- 
nächst die  amtlichen  Ortsnamen,  dahinter  in  Klammem  die 
Aussprache  in  Waldhambacher  Mundart,  und  endlich  in  Kur*- 
sivschrifl  frühere  Schreibungen  in  Auswahl.  Beigefügtes  ^  be- 
deutet dabei  cnach  Matthis»,  ^:  «nach  c Levy >,  ^:  «Watdham- 
Lacher  Kirch^buchi.  Nachträglich  erhielt  ich  auch  noch 
einige  Notizen  von  Hrn.  Archäolog  Schlosser  in  Drulingen,  die 
ich  mit  ^>>i.  bezeichnet  habe. 

Achen  [äya]  Achken      Achkena,  Achain^. 

Adamsweiler  [wilr]  Atumanswiller^'^ ;  Wihr^  (1695). 

All>esdorf  [-älStrafl.  Ueber  den  Ausfall  de.^  b  vgl.  unter 
Herbitzheim. 

Altweiler*  [-ältwelr]  AltwiUer 

Arzweiler  [feir^welr]  HauswUlet,  Arizweüler^,  Das  m 
der  amtlichen  Schreibung,  wie  das  e  der  mundartlichen  Form 
dürften  beide  euphemistischen  Gründen  entsprungen  sein.  — 
Franz.  ArchciiKe  im  l(i.  Jrh.  M, 

Assweiler  [äiswelr]  Ascovilhre  ?,  Aßuuller^.  Die 
jetzi'^e  Schreibung  verführt  dazu,  die  erste  Silbe  kui-2  zu 
spiecht.'n,  dieselbe  ist  aber  entschieden  lang.  Um  die  rirhti<re 
Aussprache  zu  sichern,  müsste  man  entweder  Aaswe/Ier 
oder  doch  Asweiler  schreiben.  —  Im  14.  Jrh.  einmal  AU- 
weifer 

Bärendorf  [•paeir^truf]  BeronU  Villa^  Berenäorf^K 
Bärenthal  [*p»|rat4il.  Berenäal  (4318),  Berie)nthalK 
Bensdorf  [pjenstörfjÄcneÄitor/iaOO,  Betmesfürfy  Bentek^ 
dorfK  Man  sollte  cp^njtruf»  erwarten.  Ber  Name  kam  aber 


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—  213  — 


den  Wal(! hambachern  durch  die  Scliritl  zu.  Ehe  der  Ort  Bahn- 
ülation  war.  kannten  sie  ihn  nicht. 

Berg  [pieire^]  Villa  MontiSf  Berge  ^. 

Berlingen  [peerleQd]  Btroldin(jen{?),  Btrc%linguaf^\ 
Berldingen  (14.  Jib.)  Sehl. 

Berthelmingen  [paertlme^d]  Ermenb9rt(nfiUaref  J?»- 
heriwUla  ?  ^ ;  Bwrtolfinfftn  (XVI.  Jrh.)  K  Von  cBartho- 
lomäus»  ?  Sciü, 

Bottweiler  [paifweU-]  Betwiller  M  j  Bedweiller  In 
der  Mundart  heisst  «Bell»  cp^tt,  und  «beten»  cpgeta»,  also  Bet- 
weiler ! 

Bickenholz  [  pckahoLs]. 

Bissert  [pe)srl]  Büßen  Die  jetzige  amthche  Schreibung 
verdeckt  di»-  Lfm^e  des  Vokals.  Ob  tie»  oder  tu»  zti  st  lneihen 
ist,  er^^iebt  die  inuiidartlicbc  Form  nicht jedentallä  aber  keine 
zwei  s!  —  13 'f2  :  Bußeren  S"'»'. 

Bitsch,  Ipety  Bytis-Castrum  (1172),  BUes,  ßUeU  (1203), 
Bitze 

Bliesbriicken  [preka]  Biiesbrücken    ;  Blysesbrücken^ 

Briiyken  ^, 

Bolchen  [polya]  Bollei  fil«S4),  Bolke^  Bolichen  i«. 

Buchsweiler  [püswelrj  Buvosvilare  (724),  Bushwilre 
(1157),  BuxovUla  (1006)  Das  amiliche  ch  scheint  demnach 
apogryph  zu  sein.  Die  mundartliche  Form  schliessl  es  allerdings 
.  nicht  ganz  aus,  indem  oft  ya  mit  der  Zeit  zu  s  wird.  So  giebt 
es  hier  einen  Flurnamen  fläislönl,  offenbar  «Flachsland».  Die 
Lautverbindunpr  yfs  ist  nur  mit  starkem  Lufldrucli  aus  den 
Lunj^^en  deutlidi  spreohbar.  Daher  die  Neigung,  sie  in  ks  oder 
hs  übergehen  zu  la^soii.  Das  h  in  hs  pflej^^t  aber  seiner  geringen 
Hörbarkeit  wegen  bald  zti  v»M  sr]in im^Mi  Ttifolge  dessen  kommt 
die  ihiu  zukommende  Zeit  deni  rlier;:eiienden  Vokal  zu  gute, 
der  dadurch  gedelint  wird.  Muii  inusste  also,  wenn  ursprüng- 
lich ein  ch  in  dem  Wort  gewesen  wäre,  «pi'osweh  »  erwarten. 
Doch  wäre  Verkäi^ung  im  Lauf  der  Zeit  nicht  ausgeschlossen. 
—  Witte  fährt  («Deutsche  u.  Keltororaanen»  S.  91)  Plun»»»- 
lare  (724),  Buxuuilari  (737)  und  Bwutouilare  an. 

Büst  [peSt]  Bischt^',  BuetlontivUlaif)  ^;  £if|W(i6e2). 
Die  letztere  Schreibung  will  naturlich  keine  andern  Laute  dar- 
stellen  als  die  Schreibung  BiichL  —  Biiteheit  Scbi. 

Bütten  [pitd]  Bilien,  Bielen 

Burbach  ['pyii  päyj  Bürbach  ^<  ^.   pyir  heisst  in  der 

Mun  i  irt  cB;njpr>,  auch  tFubrmann,  Pferdebesitzer». 
Burscheid  [•pürjeiaa].  Birsinr/en 

Dagsburg^  [  takspürk]  Tagsburg  ^  }  ToyesOury^  Dochs- 


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—    211  — 


purg,  Dasborc,  Toyisbure^  Dasburch  ^.  Nach  Jahrbuch  X, 
S.  271  sind  täk,  täkas  mundarl liehe  Formen  für  Dagoliert. 

Dann  und  Vierwinden  [Ir  *kÄlrwoii]  Tawn^; 
Dkanne^  Dann  (1766) 

Dehling^en  [tai|lead]  Dellinyenf  Dillingen  Zu  II 
vgl.  uiitei  (Utweiler. 

Diedendorf  [•teit^nüf]  Piedendorf  ^. 

Diemeringen  [  teimdreua]  Dymrinycn  Dimrinyen^ 
JHmarinyen,  Demeringen  (1487)  ^;  .i)ttmeri«i^eft^.  Wahi^ 
scheinlich:  «Dietmaringen». 

Bieuze  [tüis]  Tkns  K 

Domfesael  ['tünfSaesl]  Dutuvatsel  ^ ;  Domus  Vasallorum^ 
DtMfffässel  ^.  Das  Domus  Vasall i  ist  eine  Spielerei  Mo- 
scheroschs.  Ihr  verdanken  wir  die  jetzige  amtliche  Na mensform. 
Die  Mundart  erhebt  dreifach  ji^egen  sie  Einspruch:  1.  mit  ü 
statt  0)  (bzw.  vor  Nasal :  ö]),  5.  mit  n  statt  in  trotz  i  nnchfoljrendem 
f,  3.  mif  statt  e.  Aho  :  icDunfäSSel>>.  So  leicht  es  sich 
befTHMfeiJ  ias-st,  wie  die  Akleu.-ichreiber  den  Oi  tstiainen  inil  der 
scliönon  *rotischen  Kirche  <\o<  Orte«,  die  au  einen  tDoin»  ei- 
innern  mag,  iu  Verbindung  bringen  und  aus  D anfasse!  Dom- 
fessel machen  konnten»  so  schwer  w9re  zu  fassen,  wie  die 
Ortsbewohner  aus  dem  cDom»  ein  «Dun»  gemacht  hätten.  Auch 
hat  wohl  der  Ort  Dunfässel  längst  vor  dem  darin  erbauten 
«Dorn»  bestanden,  kann  also  nicht  nach  ihm  benannt  sein. 
(Vgl.  auch  die  Ausführungen  von  Matthis  über  (da>  Stift  zu 
DotnfesseU  S.  201  ff.  seiner  c Bilder  aus  der  Kirchen-  und 
Dörfergeschichle  der  Grafschaft  Saarwerden.»)  —  Im  ältesten 
Lorenzer  Kirchenbuch  steht  von  1H71 — 1077  Thumfässel,  von 
da  ;d)  von  (ler«;e!beii  Haml  Domfiissel.  Nach  Hrn.  Archäoln^'- 
ISclilusser  in  Drulingen  ist  die  älteste  Schieihung  (134^2)  Dune- 
vassel.  Derselbe  leitet  den  eisten  Teil  des  Namens  voti  donno 
—  domno  —  dominus  ab,  und  erinnert  an  die  im  französischen 
Lotbringen  so  häufigen  Ortsnamen  mit  Dow-,  z.  B.  Dombash* 
Darnach  hälte  der  Ort  den  Namen  etwa  von  einem  «Heiligen 
Basoltus».  (Vgl.  die  syrische  Bezeichnung  aior  für  «Herr»  und 
«Heiliger».)  Der  erste  Vokal  der  mundartlichen  Namensform  lässt 
diese  Ableitung  zu,  da  in  Fremdwörtern  vor  m  n  q  häufig  kurzes 
ü  für  romanisches  o  stehl.  Aber  wie  wäre  das  «f»  zu  erklären  ? 


>  Mit  diesem  «trotz»  'will  ich  nicht  sagen,  dacs  die  hießige 
Mundart  eine  Abneigang  gegen  die  Lantverbindang  ti/ habe,  was 
nicht  der  Fall  ist  Aber  anderwärts  ist  dioso  AbTioiptme  nnsser- 
ordentlich  verbreitet.  Deshalb  sprachen  wohl  die  iuei»teu  lu  bun- 
f&ssel  und  Umgegend  ansässigen  Fremden  (Beamte,  GeisÜicha)  von 
jeher  mf  nnd  Bchrie)  c  n  laber  den  Ortsnamen  ihrer  eigenen  Aus- 
epiache  gemäss  mit  m  statt  n. 


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215  — 


Dossenheim  [-tojsüina]  DeotitheiM^  Toxenkeim^. 
DruUngen  [tryile^d]  Truhäeldingen  ^  TnUdingen^; 
Trullmgin  (1(>92)      Zu  U  vgl.  unter  Ottweiler. 

Bürstel  [tätr$l]  DuHstoldat^  Durttolden  » ;  7\iresto/da, 

Dnri$iuahl(i  ' .  Zum  Ausfall  des  /  vyl.  unter  Siersthal. 

Enchenherg"  [.Tnjapien]  Einchenberg  (1571)  k 

Erkartsweiler  [airkdlswelr]  Eggolkersweiler  ;  Ecol- 
thesiviire.  ErkemjeriswilrBy  Emgetwilre  ;  Ergertweiiet' (ili)^)^ 
Erckers u-cyler  (17 08 )  . 

Ernolsheim  ja  ii  1*.^]  Heroläshetm    :  Arnoläsheim  ^. 

Eschhurg"  [tr  iti^purk]  Espurg^^  ;  A&ckberg  (i(58r»)W, 
Die  Läu^e  der  ersten  Sillje  ist  aulVallend  ;  a;|  entspricht  sonst 
hochdeutschem  ti',  auch  giebt  es  uDWeitder  nördliehen  Greoze 
von  Lothringen  ein  Dorf  cEisch weilen. 

^Schweiler  [^Swejr]  Exwilre  ^  ;  Erlenvinvüare  ^. 

Ettingen  [^te^a]  'Ailingen^  Eitingin  fl751)^. 

Eyweiler  [^iwclr]  Viü»7re,  lewiller,  Euwesweilery  Eh- 
weiler ^.  Wiifuni  die  amtliche  Schreibung  nicht  w  Siweiler 
verbessert  wird,  ist  nicht  einzusehen. 

Finstingen  ffpu^fcri;»]  PhHisiingae^ ;  Filisiengesy  Phg^ 
Uilanni^'i    Vi nstinga,  PlmisUHgen  ^. 

Fieisheim  (fUojsinn]. 
Frohmühl  [t  •IVonnnl)  Fronmülin  ^^ 
Gebliiigen  [ka  wieua]  Gebeldinyen    ;  Utlare  Geboaldo 
(713)  Witte. 

Givryoourt  [tr  'hoimphät]. 
Görlingen  [kGe^rleQd]  Geroldingen  ^. 
Gosselmingen  [IcoisImeQd]  Gosselminga^  Goxelingen^ 
Gossmingen  ^. 

GötzenbrUck  [t  -liätseprek]  Golzembruek^  GöUembruck, 

Goizbrick  ^. 

Grosshlittersdorf  [^kro)<-pletr$früfl  Grosbficdeslroff 

Grossrederchingen  |  ki  «»is-retreyen^":  Hctresinyen^  Re- 
derchingen  (1322),  Rodcnrhingen^  RiJfrchin<jen 

Gungweiler  [kiir\\velr]  GundovtUa    .  (iuiHlrlijDjas 
Mundartliches  q  entspriclit  häuli;?  hochtleutscheiu  nd.  Die  hoch- 
deutsche Form  mOsste  Gniidweiler  lauten. 

Hambach  [tröihöimpay]  Büghel  Bagenbaeh  bey  Albe^ 
Trois  Hambach^  Les  äeux  Hambachs,  Les  Jiambachs  K 

Hangweiler  [höQa-wilr]  Hangenweiller,  HanehioeiUer^ 
HangeweiUer  ^.  Der  mundartlichen  Form  wörde  hochdeutsches 
Hangenweiler  entsprechen. 

Harskirchen  ['höir^kher^d]  Ua/r&kirehen  ^ ;  Haare- 
kirchen  ^ 

Hattmatt  [häk-mät]  IJackmaii  ^.  Also  Hackmatt ! 


—  216  - 


Heilerinnen  [ba^dre^d]  HeÜgeringen  ^ ;  Hderinga, 
Heigtrmso  ^. 

Herbitzheim  [haerlsum]  Heribotesheim  ^ ;  Heribodes- 
Aetf»  (870),  Her bodes heim  (II "'2),  Herboäenheim,  Herbodenes- 
heim,  Herbozheim  (1'251).  Herborslieim  (1*271),  Harborzheim 
(lt>01),  Harboldsheim,  HerboUzeymi  VMiy),  Ht  rbolozheimiVS'H), 
Herbisheim  Herbesh^im  ft:'i5).  Herhushcm,  Herbshem, 

Herbeshem,  Herboitzheim,  Herbucäa  (  IH'-iö),  Herbelzhemi  Wri^), 
Herwertzhaimb  (lG'ir>),  Herbisdeshem,  Herbisdaheim  (1728), 
Erbisheim  (175.)),  Herbiizhemme  (1784).  Ich  habe  diese  Namen 
im  Auszuj^  aus  «Lovy,  Geschichte  des  Klosters,  der  Voglei  und 
Pfarrei  Herbitzheim,  Slrassburjj  1892»  angeführt,  weil  sie 
zeigen,  wie  die  alten  Schreiber  fortwSbrend  an  den  Namen 
gedreht  und  gedeutelt  haben,  und  wie  die  Veränderungen  der 
Schreibungen  durchaus  nicht  dem* Gang  der  lautlichen  Ent- 
wicklung der  Namensform  entsprechen.  Man  achrieb  nicht  nach 
dem,  wai?  man  hörte,  sondern  darnach,  wie  man  sich  das  Ge- 
hörte deutele.  Die  thatsächliche  ftnlwickelun^^  mag  folgender- 
maassen  verlaufen  sein  :  Ans  etwa  'iKPriiljoidasih^^im  wurde 
durch  Ausfall  der  schwachen  Vokale  •ha'rbo(i)ls:ht'iin :  das 
dadiirdi  aus  halb-  in  schwachbetonte  Silbe  ^'eratene  oi,  wurde 
zuiiäihst  zu  o  gekürzt,  und  in  vveiU'ci'i  Al»»<:hvvächung  in 
sciiwaches  i  verwandelt.  (In  meiner  Heimat  heisst  «Herzog»  : 
h^rtsik,  «Sonntag»  :  süntik.)  Daduixh  haben  wir  bereits  die 
amilich  noch  erhaltene  Form  cUerbitsheim».  Das  b  dieser 
Form  scheint  aber  schon  im  16.  Jahrhundert  lu  w  geworden 
KU  sein,  und  das  ei  zu  a,  so  dass  wir  ha^rwilsam  bzw.  mit 
weiterer  Verflüchtigung  das  i  hicrwatsam  haben ;  vor  a  muss 
nämlich  das  h  aus  l:nil physiologischen  Gründen  ausfallen.  Die 
Silbe  wa  konnte  sich  aber  in  dieser  Stellung  kaum  lange  er- 
halten, haM  walsam  wurde  zu  ha>rtsc»m  (V;:l.  Alhesdorf,  Hil- 
besheim.)  Nun  pflegt  ;jher  in  hiesiger  Gegend  9  voi  dorn 
Lip|)enlaut  m  mit  L}|»ptMinin>luiiu'  ;^iis«:esprochen  zu  wettieii, 
d.  h.  es  wird  (l;^^.■^u^  ü.  {»Mtl  lieisst  Z.  B.  :  mel  älüni.) 

So  ei halten  wii  die  jetzige  Form  lia?rtsüm,  die  eig«'ntlich  be- 
reits nahezu  der  weitem  Eutwickelungsstufe  hx-alsüm  gewichen 
ist.  Da  das  r  immerhin  zuweilen  von  alten  Leuten  noch  ge- 
sprochen wird,  und  der  Zweck  meines  Aufsatzes  eine  Bezeich- 
nung  der  verschiedenen  Stufen  des  r-Schwundes  beim  Jüngern 
Geschlecht  nicht  erfordert,  gbubte  ich,  durchweg  das  volle  r 
schreiben  zu  sollen.  Näheres  Jahrbuch  VIII,  S.  i43  f.  Vgl. 
auch  unter  Tietfenbacb. 

Hilbeslieim  [heljüm].  V^d.  unter  Albesdorf,  Herbitz- 
heim tind  WoHskin-berf.  —  Hifhotliayo  /inis  (763)  ^''l''. 

Hinsburg  [Ir  hni^purk]  Hmschbert/  (.1U57),  Hinßbery  M; 


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—  217  — 


HüiueMerg^  Hünsekberg  ^.  Vom  Volksround  als  cHengstbei'g» 
gedeutet. 

Hinsingen  [hensena]  Heifngesinge  (1328),  Hin$ingen 
Hirsohland  [herSlönt]  Hirteiaiuhn  ». 

Hunkirch  [hurnklierya]  Hunkirchen,  Honckie.rchen, 
Hvnkerchen^  Honkirch  ^.  Das  m  isl  aun'alleinl,  al)er  hier  all- 
gemein. Die  VValdhamktcher  kamen  in  früherer  Zeit  oft  in  das 
Dorf,  um  ckep»  /u  holen,  ein  als  Düngmiltel  benutztes  Mit>eral. 
In  Wiohersweilcr  spricht  nun  nach  der  An^nbe  «ii's  H._^rrn 
Lohrei-s  Sten^rel  in  iJehlin^'en  hi'iQkher/,  iiideii»  die  ICiitlun^  en 
dort  allgemein  ^^aiiz  \or>-rli\vindet.  An  diese  AusspHuhe  halt 
sich  die  amtliche  Schreibung.  Ein  Lautwandel  von  uik  zu  Qk 
liegt  sehr  nahe,  w&hrend  ein  Uebergaux  von  ursprünglichem 
Qk  zu  mk  ischwer  denkbar  ist. 

Ingpweiler  [e^welr]  Ingonivillare^  Jlunvilare  ^ ;  Ingich- 
wilre^  IngewilreK 

Insmingen  [a'ismeqa]. 

Kahl  hausen  ,khäl*hytsd]  A'aMüse«^;  Kalienhausen, 
Cülhauzen^  Calhausen 

Keskastel  [kbäjtl]  Kaysekasiel  ;  Cnslfe  (  I  TiOk  Kese- 
kaslel  Kdsip/  KaisersCastel  I \^y'i-2),  keeßCa^sel 

(lü4.j;,  Ktiiscrca^isti,  Kt^tscrvaslel  <  H><»! ),  Kacskaslel  (H>70), 
Kaiskastel  (i7'i8)  l.  —  Im  14.  Jrh.  k*>umit  irmz.  Chastel-vouc 
{voue,  avout  Vogt)  vor;  also  t Vogtskaslel»,  uud  du  der  Vogt 
in  den  Weislömern  von  Herbitsheim  und  Ormiogen  als  <Ka^- 
Togt»,  «KaiKogt  bezeicbnet  wird,  so  wäre  der  vollständige 
Name  Kaßvoglskastel  ^, 

Kirberg  [kherprex]  Kirberg,  Kirrberg  Vgl.  «Kerp- 
rich«  in  Lothringen.  Wohl  ==  cKirchberg»,  aber  nicht  c franz. 
Verstümmelung»  daraus:,  wie  Witte  n.  a.  0.  S.  37  annimmt. 

Lauterfingen  [lytrfeqa^  Lauterfany 

Lemberg  h  unpa'ii'  VtUa  Leymberg^  Leimberg,  Lern- 
burg^  Lolifmbery,  Limberg  ^. 

Lichtenberg  neiylojiurkl  Liechtenberg  ^.  V<ir  der 
Doppelkonsonauz  cht  isl  im  hochdeutJ««:hen  «Luht»  die  Vukal- 
länge  vei>chwuiiden, 

Lixheim  [liksum]  Lukukeim  ^ ;  Linkeshmen,  Lukes- 
htim,  Lisiagen^  Lüxheim  ^. 

Lohr  [lö)r]  Li^ra  ^ ;  Lora,  Lare  K  Derselbe  Name  wie 
das  badiscbe  Lahr,  das  dort  im  Volksmund  «loin  gesprochen 
wird.  (Vgl.  lirö!\B  =  Stra>!*e.) 

Liorenzen  [*lo)raensd]  Sankt-Lauretizien  ^  ;  Sankt  Lo- 
rentzen  ^. 

Liitzelburg'  [letsapüi  k'  Lützelnburg  ;  Luxemburg, 
Luczeinbtirgum,  Lutzeinburg  ^. 


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—   218  — 

LUtzelStein  [-letj^ljtccin]  Lülzehieln,  Parva  Petra  M. 
Mackweiler  [mäkweli  j  MachwM  viUar€^ ;  MaewM' 

vilhrf,  UuHlarc  Machone  (712)  Murwifre  i-. 

Meisenthal  fs  •m;»^isaiatP  Maizendhal,  Meysendkal  k 
Mettingen  [ma?leuöj  Meiling  ^. 

Mittelbronn  f-tnetlprun]  MillclMurn^ ;  Milielbrun{n)  ^. 

Mittersheim  jneilrjoj.  In  VViebersweiler :  meilrj".  (Vgl. 
unter  Hunkirch.)  Zu  U  vgl.  uDter  Ottweiler. 

Mombronn  (n)u]mdrd)  Mommera^  Mumm^m^  Montbronn, 
Momborn^  MonUberonK 

Monsweiler  ['münswelr]  Mtinevtilare,  HionoUwiUtr  ^  ; 
Afvnolsweiler  (1316)  K 

Münzthal  [s'menstä^l]  Muntzdhal^  Muntzendal  K 

Mutterhausen  [mülr  hy^sa]  Mutter husen  ' . 

Neunkirclien  ['nifnkherxa]  NuwenkirchentNeinkirchen, 

Nunkirrhc  u  ^. 

NeuwfMler  [nöysvi'lrl  Neon/are  ;  Xovumwillare  (8ii0), 
Neovilla,  \  ilia  NovUlartnsis,  Opj/idum  Novumvillare^  Novi' 
lariense,  Xumwilre^  Opptdum  de  Novillari.  ^, 

O^p-^  I  st^'^ssel  [Jtensl]  Sieinsal  K 

Ober-  r  ^^^^^^  [mdftdra]  Maira/ MoihernK  Zum 
Vokal  vgl.  oben  unter  «Lohr». 

Ormingen  [dyrmeQa]  Orming^  Ehrmingen  ^ ;  Ormingen 
(1150),  Orminga  (Vm),  Imringhem^  Emring  (t525),  Ermingen 
(1770),  Erming  (178i)  i-, 

OfTweiler  [ofwelr]  Offwilre 

Ottweiler  [n)twf')i''  OdonowiHare,  OdwiHcr  (noch  im 
vori^^en  .Taliili.)^^ ;  Oilewilre,  Dofcnrilare^",  Ü^/Atcc/Ver ( 1f>(>2) w. 
Die  Wif  1  1  lierjslellun^  ilt's  l  i«  liti^^en  d  statt  tt  dni  lti'  srlion  um 
ilei'  V.  I  .  ,n  ii.sluH},'  iiiit  Ollweiler  in  der  Rheinproviuz  »  rwünsjcbl 
sein,  lui  Lorenzer  Kirchenbuch  von  1671  11".  steht  von  derselben 
Hand  Othweifer  und  OUvseiler^  ein  Beweis,  dass  man  Konso- 
nantenvenlupplun;;  noch  nicht  als  Körzungszeichen  ansah. 

Petersbach  [phfeltrjpäx]  Bederspach^. 

Pfaffenhofen  [ph&fhowt»].  Zum  w  für  f  vgl.  unter 
Tieirt'nliaci). 

Pfalzburg^  [philspürk]  Pfatzburgum  ^;  Einhards  hausen 
(au  «|pr  Stelle  diesem  Dorfes  wurde  Pfalzburg  aufgebaut) 

Pfalzweier  f|>}iäls  wei8r]. 
Philippsburg"  '^  felop-^purk^  Philippsburg 
PiSdorf    'peltrulj  Ihstorf       Dei-  t  i  <f.'  Teil   ist  wohl 
«Bisrliti  vj;!.  oben  unter  «Bast».   Zvvisch.'ii  \VaMli;Miil),icli  und 
Dienierjugen  liejjt  der  <pejp«jri».  In  der  bieuierin^er  üoiuariv- 


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—   21Ü  — 


ung  giebt  es  einen  Flurnamen  «em  peJ1>.  Die  richtige  Schreibung 
durfte  Bisohdorf  oder  Bischtdorf  sein* 

Postdorf  [*pho|/lrttf]  Polstorf  ^;  Potdorf^  Posiarf^, 

Prinzheim  [prensa]  Bruningsivilare 

Puberff  [tr  püiprt]  ßoukbert  (lOS'O  ;  Buppberg  (1693), 
Bupperg,  Buperg^  Bopperl  (1707)  Zusammenhang  mit 
cBer^r»  scheint  mir  durch  die  Mundart  ausj^eschlossen.  Zur 
Vergleichun«;  mochte  ich  <Umi  Ortsnamen  Bisserl  heranziehen, 
sowie  die  Namen  der  Annexe  Giessert  (Gem.  Harskiicheu), 
Hellerl  (Gem.  Da;:>l»in-^)  und  Röserl  [reisrt]  [Gem.  Volksherg). 
Die  Ahieilunj,-  von  «Haid  (=  Wald)  scheint  mir  die  wahrschein- 
lichste (vgl.  cSpessarf»).  Da  die  Mundart  im  Anlaut  p  und 
nicht  ph  aurweist,  so  möchte  ich  als  amtliche  Schreibung 
(Bupert»  vorschlagen.  Dieses  Beispiel  zeigt,  wie  zäh  oft  das 
Volk  am  Alten  feslhält,  und  wie  wenig  es  sich  durch  die  ge- 
lehrten Schrullen  irre  machen  lässt, 

Püttlingen  [phelleud]  PuuUnga  »  ;  PutUelingen^  PH- 
lingen  K 

Kahlingen  [r&)IeQ9]  Raläingen  ^ ;  Radingen^  RoHingen^ 

Raulingen ^  Raliny  ^. 

Ratzweiler  [•rüttjwelr]  Balramnis  villare  ^' ;  Bairamini 
vilare  ;  RathRweyhr  (1(385),  liatschiceiler  (1705) 
Stammvokal  lanj:  ist,  ist  mindf'>tens  das  tz  der  amtlichen 
Schreihunjj;^  vom  IJehel ;  also;  «Razweiler»,  oder  he.sser 
Ratsweiler  hzw.  Rathsweiltr  oder  Haalstv eiler ^  da  der 
s-Laut  Genitiv-s  ist. 

Rau Weiler  [.röyweh  ]  Ruwilre  M. 

Reichshofen  [*rishow9]  Richenethoven  ^.  Vgl.  unter 
Bocbsweiler. 

Reipertsweiler  /riprtswehj  Raperiiviiare^^;  Rad- 
pertivilare  ^» 

Rexinf^en  [nekse^s]  Rekesingen  ^. 

Rimling^en  [remleQa]  RemitingaSy  Rgm{'m)elingen^  Rimi- 
linga^  Rwnelingen  ^. 

Rimsdorf  [  rimStrüf]  Rimne  vilare  ^;  Rimovilare, 
Reinersdorfs  Rimersdorf  . 

Rohrbach  [*ro)rpa}(]  Rwbach  ^ ;  Rorebaeh,  Rombach^ 

Rhorb'frh  1' 

Rü  mmülfing'en  ("rümlfenn]. 

Rosteig  (t  TofliL-i]  Rostey  ;  RoBsley  (1684),  Roülieig 
(1720)  w. 

Rothhach  ['ro^pay]  Raibach,  Bnppach 
Saaralben  [älwa]  Alben      Albe,  Alba^  Albane  Awlbe^ 
Sar-Albe,  Saravi  Alba^  Aulbe,  Tsar- Alben  i*. 


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—   220  — 


Saaraltdorf  ['äUrüf]  Altorf  m  •  AUorf  tupra  Saram, 
SaloUorf,  Saraiforf,  SaaraUroff^, 

Saarburg  [*8ö|t  pnrk]  Kaitfmannt-Saarlmrs^  Saraburga^; 

SareburgOy  Süraburg^  Sa.Tburc  ^. 

Saargemünd  [sörka'minj  Gemünäe  ^ ;  Gamunäatj  Gor 

mundia^  Cfmnnde  ^. 

Saar  Union  [pukanüm  bzw.  t  "noy/tat'  Buckenlietm  M  ; 
(Saar-*  Hnckenheim,  fiockennm  ^'  Zur  Eiidunp:  üiii  =  heim 
V}^l.  untci  « Hei hitzheiiiu  uiui  ciScliupp^^Mten».  Der  Vokal  des 
Slammes  ist  aber  nicht  o,  sondern  u,  liat  ulr?o  mit  den  Böcken 
de:>  Stadtwappens  nichts  zu  thun.  Dass  man  in  Ermangelung 
einer  bessern  Erklärung  iieim  Namen  an  einen  Bock  dachte, 
solche  auch  ins  Wappen  aufnahm  und  ihnen  zu  liebe  die 
Schreibung  des  Namens  änderte,  lag  f&r  die  Volksphantasie  ja 
nahe  genug.  Will  man  die  Bocksabstammung  von  Buckenheim 
aufrecht  erhalten,  so  wird  man  wohl  an  das  keltische  buecü 
denken  müssen.  Immerhin  bliebe  dann  noch  unerklärlich,  warum 
die  Cf(M'in  iiipii  'If-  n  beibehielten. 

Saar  werden  ['s6|rwa[*rta,  sdr-wae)rta]Saaru>er/Ä  ^;  iSar- 
uierde(n)  ^. 

Schalhach  (  Jj'ilpäyJ  Schallitiibach     ;  fichaUkbach 

SchmiUw  eiler  [  JmettwebJ  Schmtltesweilery  Schmiet- 
Weiler  K  Zu  it  vgl.  unter  Oltweiler. 

Schönburg  [tr  Jö^npürk]  SchSnenberg  und  -bürg,  Sehö- 
nenbühel  (id^)  ^. 

Sohopperten  [Joprto]  Sehopperien^ ;  Sehopperfheim 
(1702)  w.  Die  Endsilbe  cheimi  in  letzterer  Form  ist  wohl 
bldsse  Vermutung  eine-  solchen,  in  dessen  Heimat  man  diese 
Endsilbe  zu  a  abschwächte.  Hierzuland  wird  aber  «heim»  nicht 
zu  -e,  sonilorn  zu  um.  fVV^I.  unfiT  Herbitzheim.)  Das  ü  dieser 
Endunij:  ist  iibri^on^  nur  der  Klun^^trulii^,  nicht  aber  dem  Nach- 
druck (Starkej^ratl)  nach  von  r»  vt  ix  hn'den. 

Siersthal  f'siirjl]  Sirslhal  ;  Styerslliol  ^  Seiersial, 
Siristhall       Zu  Jtl  >  Jl  v;^I.  Durstel  und  kra-]!!  —  Ürauflhal. 

Sieweiler  [  :.t)weh]  Synnweiler'^ ;  Sinewilre,  Suliehen- 
mlare  (?)  ^ ;  Sielvteyler  (Lorenzer  Kirchenbuch  1672) ;  Seff- 
willer  Schi  .  üilare  Soneehone  (700)  wiit«. 

Sparsbaoh  [Jp6)r|päx]- 

Steinburg  [/kriwaiey]  Steivwirke^  Steingewire '^^ ;  Stein- 
geivirke  (1306),  Steinberg  (1*52.".)  i . 

Struth  [iJlriiH]  Struth,  in  Lohr  sa^^t  man  «üfümjlrü)t» 
statt  «uf  Ir  Jlru]t».  t^^hor  dio  Hedeutung  des  Wortes  vgl.  Jahr- 
buch  IX,  S.        uiitrr  .Jtnel». 

Sucht  [t  suylj  Sucht. 

Thal  [tail]  Dale  m. 


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Tieffenbaoh  ['le)fa(r)pix]  TAeo^poe,  Dietbach^;  Diefen- 
bach (1703)^.  Wie  das  f  (iieftes  Namens  aus  einem  t  ent- 
sieben  Jtonnte,  ist  mir  bis  jetzt  ein  Rälsel.   Die  amtliche  Ver- 

doppelunff  des  f  hinter  dem  lanj,'en  Vokal  widerspriclU  den 
elementarsten  Regeln  der  ticuligen  deutschen  Iicchtsrln  eibung'.  In 
IVühei'er  Zeit  sind  wohl  mit  fT  und  i  zuweilen  vei .srliiederie 
Laute  (ioi-esfellt  worden,  in  der  Wei«e,  dass  oline  liiK  ksicht 
auf  die  Dauer  des  vorherj,?ehen<len  Vokals  tV  den  Z ahnli|»penl;iut 
darstellte,  den  wir  jetzt  unter  t  verstehen,  und  einfaches  t  den 
stimmlosen  Zweilippen-Ileibelaut.  lu  der  Waldhambacher,  wie 
io  den  benachbarten  Mundarten  entspricht  schriftdeutschero  «fs 
bald  f,  bald  w.  V^^l.  u)Wd  Ofen,  pi)rh^)w  Hefe,  hä\vf9  Topf 
{Hafen)y  hhm Hafer,  khtciwr  {oder  khseimr)  Käfer ^  hhewey  Käfig ^ 
küw  Slecknadely  hv)w\  grüne  NusiSchale  {Läu\'e\),  liwara  liefern^ 
Jywl  Schaufel,  Jiwi  Scfiiefer^  Jliwr  (oder  jWtuv)  Spliiler»  /wa>twl 
Schwefely  teiwi  Teufel^  unkatsiwi-  Ungeziefer^  IsweiwI  Zweifel^ 
wolwl  wohlfeil.  —  Nachdem  ich  Vorstehendes  bereits  nieder- 
«,'esch riehen  hatte,  hörte  ich  einen  der  alteslen  Leute  des 
Dorfes  den  Namen  von  Tieflenbach  tle)fr|jay»  aussprechen 
und  heli.»ii[>Ien,  dass  dies  die  allgemeine  Aussprache  sei.  Beim 
r-Schwuiid  der  Mundart  (vgl.  Jahrhut  h  Vlli,  S.  l-W  f.)  ist 
nun  aber  das  Vorhandensein  eines  r-Laules  bei  dem  Jüngern 
Geschlecht  nicht  mehr  festzustellen.  Wenn  das  r  der  genannten 
Form  nicht  persönliche  Eigenheit  ist,  was  mir  nicht  als  wahr» 
scbeinlich  vorkommt, i  [der  Mann  sagte,  der  und  der  sei  von 
«teffrpäx*  gebürtig],  so  haben  wir  wohl  in  dem  cfr»  den  Rest 
einer  vollem  Silbe  vor  uns,  so  dass  der  Name  etwa  als  cDiet- 
fridhach»  zu  deuten  wäre.  Dann  wäre  im  alten  Dietbach  nur 
die  zweite  Silbe  des  Grundwortes  unterdrückt.  3  L's  käme  nun 
darauf  an,  in  den  allen  Urkunden  wiiklicli  ein  eDietfridbach» 
oder  sonst  ein  «hietf.r,  .  .  bach»  nachzu wei-en.  Damit  wäre 
dann  sowohl  dns  alfe  /  wie  das  jelzige  f  erkl  irt.  Y.uv  ersten 
Silbe  vgl.  Die-mer-ingen.  Die  richtige  Schreibung  dürfte  also 
Dieferbach  sein. 

Völlerdingen  [-felrteoel  Vilderadingas,  Vilderdingen  ^' ; 
ViUerdingen  1707  ^;  Vellerdingen  (Lorenzer  Kii-chenbuch 
1671  ff.)  Richtige  Schreibung  mit  e  statt  ö. 


'  Seit  Absondting  des  Maiiaskriptes  habe  ch  die  Aussprache 
«teifrpl^y»  so  oft,  so  deutlich  und  von  so  verschiedenen  altern  Per- 
sonen des  Dorf«St  aneh  von  einem  noch  jüngem  in  Pnberg  wohn- 
haften  Volksberger,  gehört,  dass  mir  das  r  in  diesem  Wort  über 
allem  Zweifel  steht.  Jede  Erklärung  des  Namens  wird  daher  mit 
diesem  r  rechnen  müssen. 

*  Vgl.  oben  die  Termntmig  Ton  Maitbis  betreffend  Keslustei. 


—   222  — 

Volksberg  [tr  foljpürk]  Foliesberg  (1365),  Vollesperg 
(137r>)M  ^  Volschberg^  Vollspttrg  .  Die  Silbe  tlol»  wird  Ahkün:- 
ung  eines  Namens  sein.  Denkhar  ist  auch  <lie  Herkunli  m>ii  cNoHel». 
In)  Inlaut  lallt  das  das  jedenralis  trülier  als  ülimnilianer 
Roibeiaul  iiesprochen  wurde,  gern  aus.  Vgl.  den  folgen(ieii 
Ortsnamen.  Allerdings  pflegt  in  solchen  Fällen  der  vorlier- 
geliende  Vokal  gedehnt  zu  werden.  Doch  kommt  auch  die 
Nichtdebnung  vor.  Vgl.  ckhylop»,  ein  GebSck,  das  im  Münster* 
ihal  ckhüklhäpf»  also  «Kugelhopf»  beisst.  «Mit  Vogel»  be- 
ginnende deutsche  Ortsnamen  sind  sehr  häufig.  Die  zweck- 
mässigste  Scbraibung  dürfte  Wölsbev^  sein. 

Waldhambach  [-hö^mpl^^]  Haganbaeh  ^  *  VtU»  Ha- 
ganbach  quae  nuneupatur  Disciacu  (1V^)^'\  Hambach,  Wald- 
hambach Die  Schreibung  Hambach  statt  Hagenbach  tritt 
nach  der  Angabe  meines  Vorgängers,  des  Herrn  Pfarrers 
Dahlot,  jet/f  in  ErnolslM'ini.  7M<ist  -1547  auf.  In  der  Orts- 
rniiiidart  heisst  auch  di»^  eiiainhiirlir'»  (im  Müiisterthal  eh^lk^- 
pjuy»):  -hö^mpü)'/.  Urii  die  lalsclie  Aussprache  c-haiiimbat  Ii» 
seitens  Fremder  zu  verhüten,  müssle  man  -hSLambach  oder 
-Aahfw^ücA  schreiben. —  1560;  Haimbach^  ;  718:  C/uiganbac 
qui  vocatur  Ditiagut'^'^^^. 

Weckersweiler  [•wa.'krjwelr]  Weiekersweiler  ^' ;  Wek- 
kertweiller  ^. 

Weinburg^  [-winpürk]. 

Weifislingen  [wisle^a]  Butweiler^;  Bußweiler, 
Bueßwegler,  Wißlingen  (1700)  ^.  Der  Name  Bu{e)sweiler  mit 
seinen  Schreibvarianten  herrscht  im  hiesigen  Kirchenbuch  auch 
nach  1700  noch  lange  vor,  z.  B.  noch  1772.  Der  Volksmund 
deutet  den  jetzigen  Namen  als  «weisse  Linde».  —  1672:  Vetling 
in  fran7ö>is(  hor  rrknndo 

Weitersweiler  [witrjweir].  Videroldi  Villa 

Wesöhheim  Iwa'Jum]. 

'Weyer  [wt  i.u]  Wijfjer'^K  Dio  natüi  li<  lH'  S(  hreibuug  der 
jetzigen  Namonsturjn  uäie  Weier.  In  Wyger  ist  das  g 
natürlich  als  Reibelaut  {j)  zu  lassen. 

Wiebersweiler  [wi)wr/welr]  Wiperisweiler  M.  (Vgl. 
«Weitprecht».) 

Willerwald  fwilrwilt]  WilUr,  Waiermld^:  ViUir- 
waläl,  WeitlerwaldtK 

Wilsberg  [wel/pürk]  Wyl$pereh,  Wildetbrm,  Wildu- 
beg,  Vihperg^  Vülzberg^  Viltehberg  ^. 

Wimmenau  [wemandey]  Villa  Wimincva,  Wymwunowe  ^. 

Wingen  [N^  t  Q^j.  q  vertritt  sowohl  ng  als  nd.  Vgl.  den 
Ort  Winden  in  der  Piaiz. 


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—   223  — 


Wintarsburg  [Ir  *wentr/p(irk]  Wmitrßberg,  Winiers- 
berg  ^ 

Wittringeii  [welreft»]  BiUtringtn^  Witieringen^  WUt- 
ring(a)  l. 

Wolfskii  eben  [•woljklier  /.i]  Wolveskirehen,  Wolbes- 
kirchen^^;   WoUchktrcUen  Wollffskirchen  (H);ir))W. 

In  der  Nähe  ist  der  Wolswald  [tr  vvoljt]  und  der  Wolshof. 
Mattbis  erinnert  an  einen  um  800  in  der  Gegend  auftauchenden 
Personennamen  Volvo,  Zum  be.  in  Wolbeskirchen  vgl.  unter 
Albesdorf,  Herbitzbeim,  Hilbesheim. 

Zabern  [tsl^iwar^]  Tabemae,,  Zabama^;  Ttet  7*0- 
bernai Zeabwna,  Zabern[i)a,  Zaberne,  Zabem  (1303). 

zäunten  [Mse^le^a].  SoHie  um  der  Länge  der  Slamm- 
Silbe  willen  Zielingen  geschrieben  werden.  —  Im  17.  Jrh. 
nimer  Zielingen 

Zins  Weiler  [•  Isens  welrj  Ztnzinwillare  ^  ;  CincioneS" 

willare  L. 

Zittersheim  [  t^ctr/a].  Die  Endung  «,».  statt  «nm>  (vgl. 
unter  Herbitzheim  und  Schopperlen)  mag  von  den  Ziltei.^heiinern 
stammen  (die  sich  im  Eichellhal  nicht  als  von  tsetrjüin,  sondei n 
als  von  tsetrjo  vorstellten). 

Zollingen  ['tsoleQd]  ZoUingtn  ^. 

Zutzendorf  ['sütsetorf] 

Als  Anhang  mOgen  iiuch  die  Namen  einigper  An- 
nexe folgen: 

Eich  ['■17'>1. 

Grauithal  [s  kro^fl]  Cruchdal,  Crutet\dal  ;  Claus- 
triacum^  Crouchäal,  KrauslhalL  GroffcL  Krußtlhal,  Crofthal^ 
Crapslal  |vra.')fl  wird  aus.  kia'jf'tl  iiliiilit  h  tMil-Unideii  sein,  wie 
bijrjl  aus  sijrjtl.  Zum  Vokal  vgl.  klia  jk)  kaujtn.  Zum  Wechsel 
von  5f  und  f  vgl.  fü/tsL)a  =  15,  fiiytsez  =  50,  ferner  auch 
hochdeutsch  NeStt  Nichte  und  deutsch  tKrafi* :  holländisch 
tktacht»  u.  s.  vir. 

Kliagpmlihle  [t-klsQkmi^l].  Die  richtige  Schreibung 
dörfte  KUfnkmuhh  sein. 

Kuppertsmühle  [l'küprtsmi)!]  Goppertsmühl  (1695), 
C Upper ismühl  (1699),  Guppersmühl  (1735)^^'.  Man  kann  etwa 
an  einen  Ei^^ennamen  cGundbrecht»  (Mafthis  vermutet  cGnlhort») 
denken;  jedenfalls  ist  das  K  grundfalsch.  Also:  GuppertS- 
mühle. 

Rehmühle  [t*remi)l]  Rennmühle  (i7;}5,  1754;  Der 
Name  hat  natürlich  mil  einem  lieh  [r^]]  nichts  zu  iiiun.  Also 
Remmühle  oder  HennmUhle. 

Speckbronn  [tr  pakprüna].  Richtiger;  Speekbrunnen, 


r 

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—  224 


Nachwort.    Ich  um    sehr  wohl  !i*^vvussf,  in  dem 

vorsfeheiul  (ifhutentMi  nur  riii  recht  man«,^elh,iftes  Slückwerk 
geheterl  zu  liaheti.  Eine  jrrüntJliche  Arbeit  halte  sich  nicht  auf 
Hie  Narnensformen  in  der  Mundart  des  einen  Dorfes  heschräukeu 
dürfen,  da  ja  dieselbe  Ortschaft  nicht  überall  gleich  ausge- 
sprochen wird.  Ferner  hätte  das  urkundliche  Material  in  viel 
grösserem  Umfange  beigebracht  und  kritisch  gesichtet  werden 
müssen.  Ich  war  dazu  nicht  in  der  Lage.  Wenn  es  mir  ge- 
lungen ist,  von  der  hohen.  Bedeutung  der  mundartlichen 
Namensformen  als  geschichtlicher  Quellen  zu  überzeugen  und 
Andere  lu  weiterer  Forschung  in  dieser  Richtung  anzurejjen, 
so  ist  der  nächste  Zweck  rneinei*  Ail)eil  erreicht.  Der  weitere 
Zweck  Ware  (h«nn  (Uir,  durch  Naciiweis»  der  Verkehrtheit  mancher 
jetzt  p^ehräuchhcheii  amtlichen  Nameusroruieu  etwas  zu  ihrer 
AbscIialTung  beizutragen. 


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XVIII. 


Chronik  für  1894. 


1.  Jiin.  :  Krwinia,  Verein^^hlatt       <rAtsabunde8i  erscheint. 
tiU.  Jan.  Iiis  4.  März:  .Vrnüldü  «Piin^'stiiionlag>  wird  in 
Sirasäbun,'  auffiefülui  unter  Loilunj;  von  A.  Hessler. 

i.  März:   Auttöleliun^  der  Modelle  für  das  Stdlierdenkiual 

'20.  Mai :  Ausstellung'  «1er  Gesellschaft  der  Kunätlrouude 
iui  Hause  KainiinMzcll  in  SlrassKurff. 

10.  Juni.  Einwciliunj«  tlei  lierjjeslellten  Kapelle  zu  Dusen- 
bach. 

17.  Juni :  Generalversammlung'  des  Vogesenclubs  in  Münster. 
27. — 31.  August :  XI.  Wanderversammlung  der  deutschen 

Architekten-  und  Inj^enieurveretne  in  Sfrassburg. 

10.  Okt. :  Uebergahe  des  Hirndenkmals  an  die  Stadt  Col- 
mar, in  Ge;:enwarl  «les  Meislers  Bartlioidy. 

20.  Okt.  :  Fürst  Chlodwi^j  von  Hohenlohe-Scliillinj^'slTnst  zum 
deutsc  hen  Keichskanzler  und  preussischen  Minislerpräsidenten 
ernannt. 

5.  Nov.  :  Fürst  Hermann  von  Holienluhe-Langenburg  zum 
Stalthalter  von  FIsass-Lof hrm^^cn  ernannt. 

7.  Nov.  :  Mr)<)  i;ihri«r('  <  MMlächlnisleier  iles  theol.  bludien- 
bljltes  Colle^iian  VVilliclmiiuuuin  /,u  Slrasshurj;. 

18.  Nov. :  Abschied  des  bisherigen  Slattlialters  von  Slrass- 
hurg. 

22.  Dec. :  Aufführung  des  «Herzog  Bernhard  von  Weimar» 
vun  Hermann  Stegemann  im  Stadttheater  zu  Sl rassbarg. 


15 


XIX. 


Sitzuligsprotokolle. 

Vorstandssitzung. 

18.  NoTvmber  18M,  im  gerauuiistlaelieii  Seiniiiar  der  üniTenitftt. 

An\v(>8on(i:  die  Herren  Barack,  l«lrichson,  Franke,  Lienharl. 
Marlin,  Mündel,  Ilentiud. 

Knl.scliuldij^l  :  die  Herren  Deecke,  Eitting,  Harlx)iiit, 
iJchlundjer^^er,  Wie«^and. 

Üer  Voi-silzende,  Prot.  Marlin,  lejjt  zunächst  den  Milylie- 
deru  eini^je  ScbrifUiiücke^  die  bei  ihm  Qin|f;elauren  i»iiiiJ,  xur 
Kerintnisnahme  vor.  Er  teill  sodann  inil,  dass  er  Sr,  Durch- 
laucht dem  Füreten  Statthalter»  jetzigen  Reichskanslei*,  und 
Sr.  Exzellenz  dem  Herrn  Staatiiaekrelär  je  ein  Exemplar  des 
Jabrhiicli.s  überreiclil  liuhe. 

Mili^iied  Mündel  berichtet  üi)er  den  Peri^smiallie^lanii  und 
die  Kjissenla^'e.  Der  hiütur.-lilter.  Zweijfverein  zähle  140U  Mil- 
^dietler,  die  bis  zum  hinili^'^tm  Taj;«'  ihre  Gelder  ein;j;esehickt 
hällcMi ;  es  slehn  ihm  Ii  aus  die  lieili.i^a'  um  0»liii:ir,  Hagenau, 
Lülzelüleiii  und  Mülhuuseu,  so  dasa  »ich  die  Mitj^iiederzühl  uuch 
höher  .stellt. 

Prof.  Barack  stellt  den  Anlra^s  dass  für  das  nächüle  Jahr 
1750  Exemplare  des  Jahrl>uchs  j,'ed  ruckt  werden  «ollen,-  was 
cinstimmijr  aui^enommen  wird,  und  berichtet  aodann  ober  die 
mit  uns  im  Schriftenauatausch  stellenden  Geaellschaften  und 
Vereine.  Auä|;e8chieden  ist  der  Vetiein  für  Geschichte  und  AI- 
iertumskund«;  in  Hohenxolleru  zu  Si^marini^en,  und  neu  bin* 
zugetreten  sind: 


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I 


—  227  — 


1    lit'i  iiislorische  Verein  in  Lemberg; 

'2.  die  K'^\.  Gesellschaft  der  Wisseiischaflen  in  üöUingen  ; 

3.  die  Socielc  des  Lellres,  Sciences  et  Arts  de  Bar-Ie-Duc; 

4.  die  fledaktioo  der  Ethnologischen   MiUeilunfren  aus 
Ungarn  in  Biida-Pesl; 

5.  die  Sociötö  d'Aivhöologie  de  BruxeÜes: 

0.  der  deulecbe  K^schichlsforidchende  Verein  des  Kantons 
Freibiir^  in  <Ier  Schweiz, 
so  dass  <he  Anzahl  der  Taust  lu  xeniplare  auf  Iii  yeslieycii  ist. 

Drei  für  das  nächste  Jahrhucli  hereitü  eingelaufene  Arbei- 
ten  werden  zur  iierichterätattung  verleilt. 

En  erfolgt  darauf  die 


AUgemeiue  Sitzung. 

Prof.  Marlin  erölFn«?!  die  Silzunj;  niil  dein  Reche n sc h :dls- 
hertcljl  über  die  l'Jnlwickelun^'  des  Zwei-^^voreiiis  im  ab^^elaiib'- 
niMi  Jahre  und  y:il>l  drinn  ciiicii  Uebciblick  übei-  die  Tbätigkeit 
de&iiclben  in  den  rrsieii  /»  iiti  Jahren  seines  13eslohüJi.s. 

Der  Kassenbericht  des  Herrn  Mündel  wird  durcli  zwei 
Milglieder  geprüft  und  richtig  befunden. 

Der  bisherige  Vorstand  wird  durch  Zuruf  wiedergewählt. 

Sodann  kielt  Herr  Dr.  med.  A.  Kassel  aus  Hochfelden 
einen  Vortrag  fiber  Sitte  und  Anstand  beim  Hanauer  Bauern 
im  Elsass,  dem  sich  eine  Disitussion  anscbluss  über  das  von 
deinsclhen  Hedner  bcsjM u»  linu-  Thema  :  Was  lässl  sitrh  zui 
Kihaltuii^'  der  Volkslruchleu  im  KIsass  Ihun?  Der  V(u.sl  irnl 
wild  sihliesslicb  von  der  Versammlunj?  beauftra^M,  Millel  und 
VVe^e  zu  linden,  wie  man  in  dieser  vkiutie  etwas  tslrspriesslichei» 
erreiclieii  könne. 


Vorstaudssitzoug. 

März  Lbüö  im  BcKirtcs-Archiv. 

Anwetwnd  :  die  Herren  Barack,  Erichson,  Franke,  Har- 
bordt,  Lienhail»  Marlin,  Reuaud,  Scblumberger,  Wiegand. 

Kiti>(;huldigt :  die  Herren  Deecke,  Euting,  Herrenschneider 
und  Schrickert 


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—    228  — 


Der  Vor^sitzenile  teilt  mit,  daifs  wie  bitsher  ein  Zuschuss 
von  Ü0()  Mark  scUoiks  (icr  Iterierung  gezahlt  und  duss  ein 
Exemplar  des  Jahrbuchs  dein  neuen  Statthalter  überreicht 
worden  sei. 

Die  ein^elaulenei)  Beil räjiie  zum  neuen  Uaiule  des  Jjihrbuches 
vvcnlen  ln-spnx^hen  und  zur  L{«'iicliler.staUunj{  verleilt;  des- 
glci'  lien  wird  die  Jalireschrunik  l'esfj^esU'lll. 

Miii,di<nl    Wienand  \vi»^^imi  ;nHl<Mweihj;t  i  -l;iiker  Be- 

lastung sein  And  diu  ISt  lii  ilüuiner  nietlei*,  dai>  Mitglied  Lien- 
hart  übeininiint. 


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JAHRBUCH 

FÜR 

GESCHICHTE.  SPRACHE  UND  LITTERATUR 

ELSASS-LOTHRINGENS 

HERAUSGEGEBEN 


VON  0£M 


HiSTORlSCU-LlTTERARlSCHEN  ZWEIGVEREIN 

DBS  .U'l^S- 


VÜGESEN-CLUBS.  ^^'  Z  , 

'/ 

XII.  JAHRGANG. 


STRASSßUKG 
J.  H.  ED.  HEITZ  (HEITZ  &  MÜNDEL) 

i8q6. 


1 


Inhalt. 

Seite 


I.   Oedicbt  TOD  Allgast  Dieti   1 

IL  Di«  Entwickelang  and  Organiaaiion  de«  «ItiMiiebtn 

Weinbaaet  im  Mitt«Ulter  von  Pr.  Aug.  Bari  sog  .   .  & 
DL  Di*  Hezenplätze  der    Bnfkcber  Hcxenorkoaden  tob 

Theobald  Walter   40 

IV.    Gedichte  nnd  Mittheil  nn gen  Ton  C.  W.  Faber    .    .   .  44 

V.    Minwersbeim  oder  Minversbeim  tod  Dr  Kassel.    .    .  68 
VL    Briefe   von  Johann    Peter   Hebel  an  Frau  Weiler  in 

Strassbnrg  von  ErnstMartin                                  .  67 

VII.    Gedichte  eines  Flühvollendeten   75 

VIII.    Die  Kufacher  Viirnamen  von  EeinricbMeages    .    .  81 

IX.    Münsterthäler  Volicslieder  von  J.  Spieser      .    .    .    .  107 
X.    Die   Münsterthäter    Ginssformeln  einst  nnd  jetzt  von 

JSpieser.   115 

XI.    Das  Elsässer  Judendeatsch  von  C.  Th.  Weiaa  .  .   .  181 
xn.   Volkalhamliche  Faste.    Sitten  nnd  Gebr&Dche  im  Elsass 

von  Brnno  Stehle   18S 

XIIL   Petras  Dasypodias  von  H.  Erdmann   199 

XIV.   Chronik  für  1896   901 

XV    Sitsangsberichte    909 

Cebersicht  fiber  den  Inhalt  der  Binde  I-XII    ....  905 


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I. 


Auf!  in  die  Vogesen! 
Von 

Allgatt  DietB. 


Wi 


ilJst  leiblich,  geistig  du  genesen. 
Drückt  dich  der  Qualm  der  Städteluft, 
Auf,  auf,  mein  Freund,  in  die  Vogesen 
Und  atme  würz'^en  Tannenduft! 
Hier,  in  den  lichten  Bergesrfiumen, 
Hier  liebet  freier  sich  die  Brust ; 
Hier  ma{?st'  dein  Erdenweh  verträuinen, 
Hier  schwelgt  das  Herz  in  Hinimelslust  I 

VJie  reiht,  in  zauberprächt'gem  Kranze^ 

Sich  majestätisch  Firn  an  Firn, 
Wie  prangt  im  blauon  Aetherglanze 
Ottiliens  lel^^^e krönte  Stirn! 
Des  Ungersbergejj  inachi'i^e  Kuppe, 
Wie  ragt  sie  stolz  am  Horizont, 
Und  dort,  ob  malerischer  Gruppe, 
Wie  königlich  der  Belchen  thront  I 

Und  hundert  traute  Burgen  ragen, 

Die  stuiamen  Zeugen  alter  Zeit, 

Erzählen  uns  viel  Wundersagen 

Von  längst  entscbwundner  Herrlichkeit. 

Wo  halbzerborstne  Bogeahallen 

Jetit  schmückt  des  Epheus  dunkle  Zier, 

Klang  klirrend  dnst  der  Waffen  Schallen 

Vom  ritterlichen  Kampflurnier. 

0  komm',  —  im  schattendüstero  Haine, 
Wo  Tanne  sich  an  Tanne  reiht, 
Wie  trftumt  es  heirlich  sich  alteine, 
In  lauschiger  Waldeinsamkeit  I 


—   2  — 


Hier  kmnst  du  andachtschauernd  lauschen. 
Umspielt  vom  lieii'gen  Dämmerlicht, 
Wo  nur  des  Bächleins  murmelnd  Rauschen 
Die  Kircheustille  unterbricht! 

Und  siehst  du  frei  auf  hohen  Zinnen, 

Das  Herz  von  sel'ger  Lust  geschwellt. 

Wie  schweift  dein  Blick  entzückt  von  binnen 

In  Gollcs  schöne  Wunderwelt  I 

Des  Schwaiiswalds  Gipfel  traulich  grüssen 

Von  drüben,  nnchbarlicli  verwandt, 

Und  schimintM  iid  glänzt  zu  deinen  Füssen 

Das  paradio^'sche  Heimatland. 

Uii'l  Ahends  erst,  wenn  ferne  winken 
Hclveliens  Gletsther  hrlir  und  klar. 
In  ros'jTP''  Flamiupnjlüt  sie  blinken, 
Altäre  Gotles.  wun(i».M-hai'  — 
Wie  iiiu.>s  da  wonnejul)elnd  sinjrcn 
Dein  Mund:  cO  prächtige  Gotteswelt  1» 
Wie  muss,  wie  Lerebenlied,  sich  schwingen 
Dein  Lobgebet  zum  Himmelszelt !  .  .  .  . 

Druai  willst  von  Leulea  du  genesen, 
Drückt  dich  der  Qualm  der  Städleluft, 
Auf,  aut,  mein  Freund,  in  die  Vogesen 
Und  atme  wOrz'gen  Tannenduft! 
Von  ZauberflOgeln  fortgetragen, 
Entfleucht  der  Sorgen  dfisti'e  Pein, 
Verstummen  alle  Schmeraensklagen  : 
üier  musst,  hier  musst  du  selig  sein. 


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II. 


Die  Entwickelung  und  Organisation 

des 

Elsässischen  Weinbaues 

im  Mittelalter. 
Von 

Dr.  Aug.  Hertzog 

in  Colmar. 

In  unsrer  r);n>:teltiin^  folgen  wir  im  AUgeinetnen  der 
Forschung  und  den  Ro.<ultalon,  welche  Lamprecht  in  seiner 
den  Ischen  Wirtschaftsge^bichte  für  das  MoseUand  festge- 
legt hat. 

beim  wie  das  Mospj^rehiet,  war  auch  unser  Elsass  vor- 
\vie;.'^end  ein  fränki.^che.s  Land,  hafte  wie  jenes  fränkisches 
Hecht,  fränkische  Einrichtungen  und  Kuiturgewohnlititen. 

Eines  aber  dürfen  wir  von  unserer  bescheidenen  Epigo- 
neoarbeit  sagen»  dass  die  EinrichtuDg  und  Organisation  des 
Weinbaues  in  iinaerem  Elsass  noch  von  keinem  unserer  Vor- 
gänger auf  dem  Gebiete  elsftsaischer  Geschichte  erörtert  wor- 
den ist,  so  dass  wir  f&r  unsere  elsSssischen  Leser,  welche  wohl 
zumeist  Lamprecht's  Studien  nicht  Icennen,  doch  recht  viel 
Neues  bringen  dürften. 

Wenn  wir  ferner  im  Laufe  dieser  Arbeit  eine  gedrängte 
Darstellung  der  Entwickelung  des  Weinbaues  durch  Jahrhun- 
derte hindurch  jjehen  können,  so  gl,iu))on  wir  ein  gutes  Stück 
li(Mlun;:s-  und  Bef>iedeluri^s;tres(  liiclite  ^^e>rliriehen  zu  halicn  ; 
i>ei  der  Schilderung  der  elsassischun  Weinl)autechnik  der  Vei- 
gangenheii  werden  wir  auch  die  Möglichkeit  bekommen,  einen 
recht  interessanten  Vergleich  der  elsässischen  Gegenwail  mit 
jener  Vergangenheit  anzustellen. 


-   4  — 


Aus  unserer  Schilderung  wird  aber  vor  Allem  hervoi-ge- 
hen,  dass  in  unserer  Provini,  wo  schon  sein*  früh  allerlei 
Speztalkuituren  in  Schwung  kamen,  der  hufrechtliche  Verhand 
ausnehmend  .schnell  ^'^elösl  wurde  und  aus  dem  Leben  unseres 
Bauernvolkes  s«^hr  früh  verschwuriil^n  ist ;  dass  bereits  im 
XVI.  Jahrhundert,  die  Weislhrimer  Keciile  lestsfellten,  welche 
damals  scliou  slark  im  Gedächliiisse  der  Betheilijjlen  verbiasst 
waren.  Die  Wei^Uiumer  sind  schon  in  jener  Zeit  bei  uns  nur 
noch  Rechtsalterthümer,  viele  von  ihren  Bestimmungen  wurden 
damals  schon  nichl  mehr  geübt. 

Diese  frühe  Emanapation  der  elsässischen  [Bauero,  und  am 
frühesten  di^eni^e  der  Weinbauern,  begründet  sich  und  er- 
klärt sich  leicht  in  wirtschaftlicher  Hinsicht,  aus  dem  Ueber' 
wi^en  der  Spezialkuituren,  und  zwar  hauptsachlich  des  Wein- 
bauesj  welches  von  jeher  eine  grössere  Freiheit  in  der  Betriebs- 
organisation und  in  der  Botlen- Verfügung  erforderte,  um  die 
grö-sfinöi^ilirliefi  Krtraj^e  zu  eriuillen.  Die  grössere  Freiheit  in 
dem  De!riehe  «iei .(rli;,'er  Landgüter  hing  eng  niit  dem  wich- 
tigen UmsLaiide  zusammen,  dass  diese  Spezialkulturen  meist 
Aussenfeldei"  oder  Garleuland  einnahmen,  welche  von  der  Ge- 
bundenheit des  Hofenlandes  befreit  waren.  Die  aus  dieser 
Freiheit  entstehende  Betriebsorganisation  des  Weinbaues  hat 
es  schnell  zuwege  gebracht,  dass  ursprünglich  ganz  unfreie 
Arbeiter  wie  die  Weinbauern,  eine  bevorzugte  freiere  Stellung 
einnahmen,  wie  sie  keinem  anderen  Teile  der  ländlichen  Be- 
völkerung vor  1789  zuerkannt  wurde. 

Die-^e  gesamte  Entwickelun;^  soll  nun  im  Folgenden 
an  der  Hand  zahlreicher  Urkunden  dai^estelit  weixlen. 

I 

Bekanntlich  ist  der  Weinbau  im  Elsass  sehr  früh  heimisch 
geworden.  Die  schöne.  Hügelreihe  vor  und  längs  den  Vogesen 
musste  sofort  den  Weinbau-kundigen  Römern  in  die  Augen 
fallen.  Ob  der  bekannte  Erlass  des  Kaisers  Probus,  270  n.  Chr., 
den  Weinbau  wirklich  erst  hierzulande  eingeführt  bat,  ist  nicht 
bestimmt  testxnstellen;  wir  sind  geneigt  zu  glauben,  dass  dieser 
schon  vorher  Eingang  gefunden  hatte.  Wenn  Tacilus  sagt : 
«Proximi  ripae  Germnni  et  vinum  mercaiitur»  so  möchten  wir 
dies  ^ernde  als  einen  FJeweis  unserer  liehauptung  anführen  ; 
«lenn  liwerlich  dürften  die  gallischeii  Handelsleute  oder  Wein- 
verkäuter  den  Wein  au^  entfernten  Gegenden  hergeholt  und 
eingeführt  haben,  zu  einer  Zeit,  da  das  berühmte  römische 
Strassennetz  noch  nicht  ausgebaut  war.  Dieser  Wein,  den  die 
Germanen  lu  TacituK  Zeiten  kauften,  wuchs  damals  wol  schon 
an  den  sonnigen  Hügeln  des  linken  Rheinufers,  welche  nach 


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—   5  — 


und  nach  von  iiirem  Waldgestrüpp  befreit  \v(»rdeii  waren.  Das 
hekannte  Edikt  Domitians  bat  dann  den  Weinbau  auch  nicht 
gänzlich  verboten  ;  untersajj^t  ward  er  nur  da,  wo  viel  besser 
Getreidebau  oder  überbaupt  Ackerhau  ^'etriolien  werden  konnte; 
(lies  Verbot  halte  in  neuerer  Zeit  oiii  Analoijün  an  <ieni  be- 
kannten Verbote  Ludwig's  XV.  der  den  Weinlwu  im  Elsas<;e 
ebenfalls  in  bestimmte  Grenzen  schlug  ;  die  Motive  waren 
dieselben  :  Sicherung  der  Brotfrucht.  Durch  ein  Verbot  Wein 
auf  den  Högein  zu  bauen,  auf  welchen  öberhaupt  nichts  an^ 
deres  angebaut  werden  konnte,  wäre  weder  dem  Ackerbaue 
noch  dem  Lande  überhaupt  gedient  gewesen  ;  eine  eolcbe  Nai« 
vetät  dürfen  wir  dem  sonst  so  klugen  römischen  Gesetzgeber 
gewis>  ht  zutrauen.  Ein  solches  Gebot,  alle  Reben  auszurot- 
ten, wäre  überbaupt  sehwerh'ch  ausgeführt  worden.  Im  Edikte 
de«;  Probus  finden  wir  somit  keine  Einfühninfr  He^^  Weinbaues 
in  Gallien,  -ondorn  nur  die  Aufhebung  der  Domitianischen 
Verfügung  und  lioM  hiankung. 

Ferner  erzählt  Plinius  schon  in  «seiner  «Hi>-toria  naturalii«.» 
von  einer  merkwüi  dij^tii  Eigeiistliait  eines  Rebgewächses,  das 
im  Wein  ein  Pechbouquet  aufweise,  den  er  den  Weinen  der 
Auvergne,  des  Sequanerlandes  und  der  Helviker  entgegenstellt. 
Es  wurde  also  damals  im  sequanischen  Oberelsass  schon  die  Rebe 
angebaut.  Viele  Schriflsleller  möchten  diese  Notiz  nur  auf  das 
innere  Sequanerland,  die  beutige  Franche-Comt^  beziehen.  Wenn 
man  aber  l)edenkt,  dam  das  elsassische  Klima  viel  milder  ist 
und  war,  als  dasjenige  der  Franche-Comte,  so  spricht  dies  dafür, 
dass  jener  Sequanerwein  wol  Elsässer  Wein  sein  konnte,  zum 
Teil  jedenfalls. 

Wie  es  in  Italien  üMich  war,  wo  man  die  Hügel  schon 
längst  mit  Reben  liepflanzte,  nicht  aber  das  llailK'  Land,  den 
Acker,  so  wurden  auch  die  meisten  elsässischen  Hügel  unserer 
ältesten  Weindörfer  durch  die  Römer  und  iliregaUischen  Schuler 
auf  diesem  Gebiete«  gerodet  und  mit  Reben  bestockt.  WSre  dies 
nicht  der  Fall,  so  könnten  nicht  so  früh  in  den  elsSssischen  Ur- 
kunden und  in  den  geschichtlichen  Mitteilungen  über  unser 
Land  Reben  auf  Hügeln  erwShnt  werden;  der  spatere  kapitalarme 
fränkische  oder  alemannische  Bauer  hätte  unter  den  Drangsalen 
der  Völkerwanderung  keine  Neurodungen  und  Neuanlagen  vor- 
nehmen können. 

Auch  darf  man  nicht  glauben,  dass  die  Kriep'e  der  Völker- 
wnnderung  die  lAelibeig^e  ganz  und  gar  zerstört  li;illen.  Allerdings 
mögen  viele  Peli^lnrl<c  lange  Jahre  hintereinand«^-  nicht  ange- 
baut worden  sein,  wie  wir  dies  auch  aus  der  Zeil  des  dreissig- 
Jährigen  Krieges  wii^sen.  Die  Beben  sind  aber  geblieljen  ;  die 
Anlagen  waren  höchstens  verwildert,  wurden  auch  vielleicht 


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6  — 


nachträglich  nicht  alle  mehr  in  den  früheren  Stand  gesetzt, 
wurden  wieder  zur  Allmend,  aber  pin  </e\visser  Bestand  an 
Reben  blieb  immer.  Die  Hügehebeii  stanuaen  m  den  ällestea 
Weinorten  ohne  Zweifel  aus  der  rüiniscben  Zeit. 

Der  Rebbau  ging  natürlich  durch  Vernachlässigung  stark 
desimiert  auf  die  AietnaDnen  und  Franken  über ;  aber  nie  ver* 
schwand  er  in  seinem  ganzen  Umfange. 

Als  erobertes  Land  gingen  die  RebstQdte  in's  Königsland 
Ober  und  wurden  unter  die  frinkisclien  Grrossen  verthellt ;  daher 
kommt  es,  dass  uns  die  ältesten  Urkunden  die  Rebländer  meist 
in  den  Händen  reicher  Dynasten,  fränkischer  Groesengeschlechter, 
zeigen.  Auch  hängt  es  wol  damit  zusammejn,  dass  die  Reben 
seihst  als  römischer  Latifundien  besitz  nur  wiederum  als  solcher 
koiistituierl  werden  konnlon,  da  kleine  Leute  ntclil  genug  Ka- 
pital und  Arbeitskräfte  zur  Verfügung  gehabt  hätten,  um  sie  zu 
übernehmen , 

Es  war  also  unter  den  Franken  tier  Weinbau  eine  wahre 
IfUxuskuttur.  Zur  Zeit,  als  die  Könige  und  Grossen  det^  Landes 
unsere  ber&hmten  Benediktinerabteien  dotierten,  trägt  der  Reben- 
besits  derselben,  wie  all  ihr  übriger  Besitz  ganz  den  Charakter 
von  Latifundien,  ab<r  doch  Latifandienbesitz  in  Gemengelage  ; 
solche  Grosstiesitze  waren  meist  Streubesitz.  Als  Beispiel  kann 
hier  dienen  der  mächtige  Besitz  der  £tichoniden,  der  elsässischen 
Herzogsfamilie,  der  sich  über  das  ganze  Land  ausdehnte.  Dieser 
weltliche  Grossgrundhesitz  stammt  wol  zum  Teil  aus  dei*  Fr- 
übei'iing  selbst,  zum  Teil  aber  auch  aus  königlichen  Schenkungen. 
Ihn  erwähnen  unsere  ältesten  Kloslerscbenkunfren  und  Grün- 
dungen :  s(»  z.  B.  eine  Schenkung  des  Eticbonidet)  Kberhard 
an  Murbach,  worin  auf  dei'  Gemarkung  mehrerer  Urlschaften, 
unter  anderen  «1er  meines  Geburtsdorfes  Geberschweiher 
Reben  geschenkt  werden  (728) ;  femer  eine  andere  Schenkung 
ffir  Weissenburg  von  713,  in  der  an  einem  Uwarigar  genann- 
ten Orte  des  Niederelsasses  im  Zornthale  ebenfalls  Reben  aufge- 
zählt werden.  Es  sind  dies  zugleich  die  zwei  ältesten  Rebenerwah- 
nungen  in  Urkunden  unseres  Landes.  Die  Gründungsurkunde 
von  Weisse nbiiri?,  angeblich  von  Ö55,  spricht  auch  schon  von 
Reben,  jedoch  besitzen  wir  diese  T^rkunde  nicht  in  ihrer  ur- 
sprünglichen Gestalt,  sondern  nur  in  spateren  Urkunden  aus- 
zugsweise, so  dass  die  Erwähnung  der  Reben  als  Appendizien 
de«5  ^esclieiikten  Gebietes  wohl  erst  später  hinein  gelangen 
konnte.  Sicher  aber  waren  um  050  herum  schon  Reben  in  der 
schönen  Umgebung  von  Weissenburg.  Hauptsächlich  haben  sich 
die  zahlreich  um's  sechste  und  siebente  Jahrhundert  gegründe- 
ten Abteien  unseres  Landes,  besonders  aber  die  königlichen 
Villen  um  Hebung  des  Land-  und  Weinbaues  verdient  gemacht. 


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Bekanntlich  kennen  einzelne  Hand-^chriflen  der  Lex  Sa- 
iica  die  Reben  und  erwähnen  dieAVcinbauern,  welche  damals  ins- 
gesamcQt  unfreie^  aber  gelernte  Spezialarbeiter  waren  und  darum 
auch  einen  hohen  g^eselzlichen  Sühnewert  zugesprochen  erhieH<Mi. 

Die  Aufnahme  dieser  Bestimmungen  in  ein/.ehie  Handschnt- 
!en  der  Lex  Salica  beweist,  duss  zur  Vj^ü  ilner  Aulzeichnung 
der  Rebbau  im  tränkischen  Rei(  h  hei<'it<  solche  Wii  htigkeit 
erlangt  hatte,  dass  der  Gesetzgeber  liesliinmun^en  darüber  zu 
erlassen  sich  bewogen  fühlte.  In  der  Zeit  von  650  bis  900 
finden  w  in  unseren  elsässisehen  Urkunden  schon  110  Reb* 
ddrfer,  d.  h.  solche»  bei  denen  die  Urkunden  ausdrücklich  der 
Reben  Erwähnung  thun,  genannt,  welche  jetzt  noch  alle  auf 
der  elsässischen  Weinbuukarte  figurieren,  und  bis  1300  erhöht 
sich  ihre  Zahl  bis  auf  172.  Die  Summe  der  jetzigen  Rebdörfer, 
wenn  man  darunter  nur  die  nahmhaflen  Ortschaften  mit  Reb- 
bau versteht,  beträgt  kaum  etwas  mehr  wie  420.  Bedenkt  man, 
da*«s  alle  diese  Ortscliaften  schon  ältei"  sind  als  das  XllL  .lahr- 
hundei  l,  üo  kann  ruhig  liehaujitet  weiden,  da-s  ihm  K5ÜU  hermn 
der  weitauügrösste  Teil  des  elsässischen  \Vein!aude>  angestockl 
war:  denn  mit  der  Uutlung  wurde  auch  sicher  der  Rebbau 
dort  hingebracht. 

Was  bei  der  germanischen  Besiedelung  nicht  okkupirt 
ward,  also  auch  gewiss  alle  wieder  zu  Gestrüpp  gewordenen 
Reben  der  Gallo-Römer,  das  blieb  als  Allmend  liegen.  Nach 
wie  vor  lagen  die  Reb^^ärten  ausserhalb  der  Ackermark,  nach 
der  deutschen  St>s>haftmachung  also  auf  der  Markallmende 
oder  im  eigentlichen  Gartenlande.  Die  Römer  kannten  keine 
Allmendländereien.  Was  nicht  Privateigentum  war,  da«;  gehörte 
den  Gemeinden  oder  dem  -staatlichen  Fiskus,  daiier  i  rklärt  es 
sich,  dass  so  viele  Reben  in  königlichem  «»der  herz<v'''hem 
Besitze  waren,  wie  dies  durch  die  alten  Kluslcr-ürkunden 
dargethan  wird. 

0ass  die  Reben  auf  der  Allmend  lagen,  das  kann  heute 
noch  deutlich  in  vielen  Rebgemarkungen  unseres  Landes  er* 
kannt  werden.  So  z.  B.  in  dem  Banue  der  früheren  Reichs- 
stadt Oberehnbeim,  all  wo  auf  dem  Plateau  des  Rebberges 
noch  ausg^ehnte  Allmendflächen  sich  ausbreiten,  während  die 
Bergabhänge  in  Privateigeuthum  sich  befinden  und  nichts  als 
Reben  tragen.  Vorn  gegen  die  Stadt  zu  ziehen  die  Parzellen 
Reben  vom  Fusse  des  Hügels  bis  dicht  an  die  Plnlffnnn  iiinauf ; 
weiter  von  der  Stadt  aber  hat  noch  jede  Rebparzelle  eine  Ver- 
längerung als  Wald.  L's  ist  nicht  zu  leugnen,  in  früii<Mtjn  Zt  i- 
ten  war  der  ganze  Rergaldiang  mit  Wald  bedeckt  und  Allniend- 
gut.  Aul' dieser  Allmend  wurde  nacli  und  nach  gerodet  und  der 
Weinberg  angelegt. 


—  8  - 


Roden  konnte  aber  in  friihesten  Zeiten  wer  wollte  und  un- 
entgeltlich ;  doch  dies  dauerte  nicht  lange ;  mit  der  Zunnhme 
der  Bevölkerung^  wurde  das  Roden  einfreschränkt  und  an  die 
Erlaubnis  der  Gemeinde  ^-^olxinden,  s[iäter,  im  XV,  Jalirhun- 
dert,  wurde  das  Roden  üL)erhaupt  verholen. 

Das  Recht  der  Rodung,  das  Bifangrecht,  konnte  natürlich 
am  besten  durch  die  Grossen  aiugeQbt  werden,  weil  diesen 
genug  Arbeitskräfte  zur  Verfügung  standen.  Auf  den  von  der 
Mark  ausgeschlossenen  grossen  grundherrlichen  Rodkoniplexen 
entwickelte  sich  eine  besondere  Wirtschaftsfornii  die  des  Beun- 
detandes,  welche  hauptsächlich  auf  der  Frondepflicht  der  Höri- 
gen gegenüber  dem  Grundherren  gegründet  war.  Die  Spuren 
von  Beunde  und  Bi fangen  finden  wir  in  unseren  elsässischen 
Urkunden  und  in  den  jetzt  noch  rt])l!(i!f' n  FInrnamen  sehr  oft; 
wir  werden  weitei-  unten  solciic  vorfnlireii.  Da  wo  der  Grund- 
herr, wie  dies  liierziilande  \v<.hl  iiimier  rier  Fall  war,  auch 
noch  Obereigentünier  der  Allmend  gewesen  ist,  entwickelte 
sich  das  Recht  des  Grundherren  Rodabgahen  zu  erheben  ;  so 
entstanden  Reben  auch  neben  den  grundherrlichen  Beundereben 
auf  dem  Rodland  der  Allmend.  Während  ein  Gewann  oder  das 
andere  eine  Beunde  war,  wie  wir  solches  in  vielen  Ortschaf- 
ten urkundlich  nachgewiesen  vorfinden,  waren  alle  anderen  Ge- 
wanne durch  die  Bauern  selbst  umgebixKihen  worden  und  zwai- 
derart,  dass  auch  die  zu  Rebanlagen  bestimmten  Flächen  bei 
der  Verteilung  an  die  Einwohner  einer  Mark,  wie  die  Aecker, 
gewannweise  eingeteilt  wurden,  diese  Gewanneinteiinng  ist  im 
Elsass  überall  no«  Ii  deutlich  tu  erkennen  :  hierbei  ist  auch 
zu  erwähnen.  da:?s  in  späterer  Z»  il  al<  die  Rebkullur  wirtschaft- 
lich die  Oberhand  l^ekam  ,  lieben  auch  in  der  Ackeruiark 
selbst  angelegt  wurden:  hier  bestand  aber  immer  die  Eintei- 
lung in  (Gewanne. 

Die  Reben  waren  in  frfiheren  Zeiten  immer  Annexe,  Zu- 
behöre der  Hufe ;  erst  später  enstanden  die  selbständigen  Reb- 
gfiter. 

Um  das  Jahr  1CM)0  herum  beginnt  im  Elsasse  die  Zeit  des 
giössten  Ausbaues  für  Special kulturen.  Den  Beweis  dafür  er- 
blicken wir  darin,  das.s  bis  dahin  die  elsässischen  Urkunden 
solche  Hufanbänr;sel  beinahe  niemals  orwährion,  oder  wenn  dies 
fresrhieht,  nni-  in  *^ehr  allgemein  peli;)ltenen  I-ormeln  e«  thun, 
olme  >-ie  :111t  ilnc  Oberfläche  und  topographische  Lage  in  der 
Mark  näher  zu  besliuimen. 

So  heissl  es  in  einer  Schenkungsurkunde  eines  gewissen 
Ebrohart's  von  739 :  t  Vineas  tres  cum  viniloribus»,  oder  in 
vielen  andern  elsässischen  Urkunden :  c  Quidquid  habere  visus 
sum  in  villa  N.  tarn  mansis,  mancipiis,  vineis,  terris,  campis, 


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—  9  - 


priscuis,  sihi-.  tquis  »quarumve  decursibu-s »,  oder  auch  : 
Ad  villam  N.  totum,  tarn  lerris,  ecciesiis,  doinilnis,  edifieii*, 
pniti«,  pa«rui«,  vineis,  silvis,  aquis  aquaruinve  decursibiis 
([iKnihHni.iiii<|iie  mihi  et  palerno  mihi  l»';;ihiis  ultvciiit  vel 

<lt'  quiicunque  hln-f  attrarto.  So  zn  le>eu  in  Oit^challeii,  in 
wekhen  {ranz  hestiinint  xlioii  im  Jahrhundert  Reben  sich 
vorfanden.  Sie  waien  al»  liuteu-xVppendizieii,  welche  alle  Mark- 
geaossen  kannten,  der  Aufzählung  noch  nicht  gewürdigt.  Vom 
9.  Jahrhundert  an  wird  die  Erwähnung  der  Reben  als  Hufen- 
Appendizien  immer  häufiger,  um  in  den  Reborten  dann  re- 
gelmässig zu  werden,  ebenso  di^enige  anderer  Ausbaufelder, 
die  dann  beinahe  immer  neben  dein  Huflande  als  «cJurnale^  et 
terra  aratoria»  oder  als  Wiesen  näher  bezeichnet  werden.  Wenn 
mit  der  Zeit  das  Ackerfeld  zu  klein  wurde  für  die  angewach- 
sene Bevölkerung',  wurde  einfach  Allmend  gei^odet,  so  auch 
für  den  Rebbau. 

Unter  den  ältt  ren  elsässischen  Tradilions-Ürkuiiden  aus 
dem  8.  und  0.  lalniiundei t  gehen  nur  \venij;e  derselben  j«o 
detaillierte  Aiigaheii,  wie  diejenijje  einer  Schenkung  an  Weissen- 
bun(  von  Seiten  eines  gewissen  Cngilbert'a.  Dieser  giebt  in 
der  Dfiminger  Gemarkung  eine  Hufe,  auf  welcher  ein  unfreier 
Bauer,  und  zwar  wohl  ein  Winzer,  dem  Gute  nach  zu  schliessen, 
ein  Haus  mit  Scheune  und  Garten  sich  einrichten  kann,  und 
als  Aiisbauannesen  dieser  Hufe  werden  erwähnt:  {21  Jurnales 
(Morgen)  de  terra  arraturia  (Kodland);  de  piato  carnidas  4 
(Wiesen  zu  4  Waj^en  Heu),  hier  waren  sogar  die  Wiesen  noch 
nicht  einmal  nach  einor  «/cfrohenen  feslf^n  Fläclie  geteilt,  son- 
dern nur  narli  ^'i^em  Krlraijc  v^ni  4  ^X'a^cn  IfiMips,  so  dass 
dir  der  Hute  zulalle?Tde  Wioeiilläclte  jedes  Jahr  verschieden 
sein  konnte,  je  na«  Ii  der  Fruchtbarkeit  des  Jahrganges;  und 
ferner  eine  Rebe  worauf  ein  Wagen  Wein  wächst.  Auch  hier 
noch  dasselbe  Phänomen  wie  bei  den  Wiesen,  auch  bei  den 
Reben  deutet  dies  aus  sehr  frühen  Zeiten  her  auf  zuerst  unge- 
teilten Besitz  der  oder  einer  gesammten  Fläche,  etwa  eines 
Gewannes,  deutet  weiter  darauf  hin,  dass  wohl  ein  Gewann 
Allmend  durch  eine  Genossenschaft  der  oder  eines  Teiles  der 
Markgenossen  voi'geriommen  wurde.  Wo  der  kleine  Mann  sein 
Bifangrerlit  :  n  der  gemeinen  Mark  ausüben  wollte,  da  war 
die?<  wohl  aiilänglich  die  ühliche  Art  und  Weise  zu  roden. 

Das  normale  HofjZtit  oluo^i  Rajioin  wii'd  rlann  inuner  als 
Mansus  l)eztMchiiet,  und  zwar  ohne  iiizeiid  welche  M;is>aDgabe. 
nur  seilen  wird  es  auf  Morgen  bestimmt ;  das  Fruhiiiiegut,  die 
«terra  salica,  indominicata*,  wird  dagegen  regelmässig  in  Jur- 
näles  aufgezählt,  und  ftlr  die  Reben  kommt  dann  auch  der 
Arpent  in  Gebrauch. 


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—    10  — 


Die  Schenkungsurkunde  des  Strassburger  Bischofs  Heddo 
ven  Ettenheini-Münster  (7(>^])  spiicht  von  zwei  Hufen  zu  Rufach 

«cum  vineis»,  jedoch  ohne  nähere  Ansähe. 

Doch  erhalten  wir  schon  sehr  früh  zwei  Urkunden 
iienaue  Nachrichten  über  den  Flächeninhalt  zweier  an  Miirhach 
geschenkter  Fcidslncke,  die  ilirer  Natur  nach  AlUneiidaiishauten 
waren,  näniHch  eines  ßauuigarten  zu  Annghis^haim  an  der 
Feclit  (Ingersheim  hei  Ck)hnar)  :  «qui  liabet  in  lon^o  perticas 
deccui  et  seplem  (17  Ruthen)  et  in  latiun  perticas  duas  et  dinii- 
diam  Ruthen), ferner  eines  Ackers  zu  Rftdersheim :  qui 
habet  in  longo  perticas  viginti  ei  sex  (26  Ruthen)  et  in  latus 
perticas  quindecim  et  sedecim  et  dimidiam  (15  und  Ruthen), 
Hiermusste  natürlich  jedes  einselne  Grundstock  genau  bezeichnet 
werden,  weil  sie  von  der  Hufe  losgetrennt  worden  sind.  Dies 
erwähnen  wir,  wiewohl  hier  nicht  von  Reben  die  Rede  isl, 
als  ilie  ältesten  Angaben  über  genaues  Mass.  Wir  tlnden  solche 
aber  auch  in  Bezug  auf  Reben,  so  zu  Erboldisvillare  (an  der 
Zinselj  (?)  828:  de  vinea  aripennos  «juatuor;  Sigolsheim  :  (> 
arpeiites  Rel)en  ;  Wanjicn  828  :  de  vinea  aripennos  (bms  ;  Zein- 
heim  828  :  de  vinea  aripennos  duos.  Es  folgen  nuu  luer  auch 
noch  andere  Angaben,  welche  einigermassen  auf  das  Mass  der 
Oberfläche  und  auf  die  Einrichtung  eines  Weingutes  schliessen 
lassen :  Dümingen  742  und  787 :  vinea  una,  carrada  una;  Goersdorf 
787:  vmea  i  carradas  4;  Handschuhheim  804:  ad  sicloH  90: 
Kirrweiler  851 :  vineam  i  carradas  3;  Nietern  737  und  742: 
hobas  4  vineas  3.  (Wie  viel  ist  die  Vinea,  wenn  sie  so  aufgezählt 
wird?);  Ratolfesdorf  heute  Rotteisheim  828:  vineas  2;  Weiler 
880:  homines  20,  de  vin  »  unde  exercere  possunt  karradas  20; 
es  scheinen  somit  diese  20  Mann  eine  wahre  Rebbaugenossen- 
schaft gebildet  /.u  haben.  Biehlenheini  1120:  ad  carradas  4: 
Colmar  86")  mensum  cum  vineis:  hiei  die  Rehen  einfarh  als 
Appenilix  erwähnt.  Duiizenlieim  1120:  viles  atl  carradas  Ires ; 
serviunt  in  putandis  et  fodiendis  vineis.  Danibach  1 130 :  2 
jugera  vineae:  Ergersheini 950 :  ganz  altgemein:  quid'luid  vini- 
feri ;  Eichhofen  1097  :  viniferos  agros  duos.  (Oh  Mas«  ?  dennoch 
walirscheinlich) ;  Fessenheim  1120:  vineae  ad  carradas  4; 
Hohgoeft  1120:  vitis  ad  carradas  0;  Geudertheim  1120:  vinea 
ad  carradas  2 ;  Gebweiler  1135:  vineam  unam  (wie  viel?) 
Hegeney  742:  hobas  i,  vin.  as  3:  Hattstadt  1180:  curiam  cum 
vineis;  Habsheim  1130:  curtem  et  vineas;  Marlenheim  1120: 
laciunt  vineas  et  sterrorant  a<l  niedietatein  vini  ;  vinearum  f-unl 
23  ad  medietatem  vini  et  carradas  12 ;  Mühlhausen  1264 :  <|ual- 
tuor  peticias  vinearum ;  Ingersheim,  Angabe  eines  Gewann- 
namens 785:  loco  rdgoltesberg  ;  704  bezeichnend  der  Ausdruck: 
in  supercilio  montis  ;  Onoltsweiler  1004 :  vineam  unam  ;  Oudels- 


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—  11  — 


willara  i190:  vineae  ad  4  carraclas;,Randas  (Handingen?)  1120: 

de  vineis  ad  carradns  0;  Reuteoburg  1120:  vinearum  ad  cari'a- 
das  vini;  Hixheim  1273:  5  manwerk  vinearum  ;  Sindeisberg 
112<):  vinea  duas  fairadas  ;  Schnersheim  1120:  5  solides 
solviiiitur  L'\  viiieis  ;  operaiilnr  et  uno(jiiaque  manso  4  ju^ora 
viiieaium  suo  opere  et  suis  siiuiplibus ;  colligunt  ipsum  viiium 
suis»  ijuniptilms ;  sunt  vineae  ad  carrada«!  (>,  sedet  in  cetcris 
vineis  ad  uiedietatem ;  Sulzbad  1120 :  ad  niedietatein  viui ;  wie 
hieraus  ersichtlich  isL  der  Halbbau  vielfach  üblich;  Sennheim 
1139,  1180 :  Cellarium  et  vineas,  1267 :  die  älteste  urkundliche 
Verwendung  des  Wortes  Schatz:  Schados  23  fQr  30  Mark 
Silbers  verkauft.  Steinbach  1187 :  cellarium  cum  vineis ;  Sieranz 
1198:  einfach  Vineta;  Westhalten  1103  :  curiam  1  cum  vineis; 
in  üffholz  1254:  15  carradas  rub  el  vini  defecati ;  Winj^ersheim 
1120:  17  agri  vinearum;  Zellen  berg  1120 :  de  vineis  ad  carra- 
das 10  ;  Zellweil(M-  1133  :  dimidium  agrum  vineae.  In  allen 
diesen  Urkunden  ist  der  Zusammenhanj^  der  Heb^r;,rien  mit  ilei- 
Hufe  recht  deutlich;  am  deutlichsten  aber  in  einer  1" luschui- 
kunde  z\vi>nlien  Graf  Er(  hen^iar  und  der  Abtei  Schwarzacii, 
worin  das  llufeuland  al:>  die  Surs  den  Appendizien  }(egenfd)er^e- 
slellt  wird  (823) ;  in  Zeinheiiii,  Wangen  und  Marlenheim  werden 
vier  Arpents  lieben,  mit  den  dazugehörigen  Unfreien  34  an  der 
Zahl  eingetauscht  gegen  zu  Erboldsweiler  gelegene  17  Hufen 
mit  Wiesen  zu  50  carradas  Heu  und  ebenfalls  4  Arpents  Reben 
mit  84  Servi. 

Betrachten  wir  diese  Tauschurkunde,  sowie  viele  andere, 
nrdier,  so  erkennen  wir  leicht,  dass  sie  zum  grössten  Teile 
über  Frohndegul  verfügen  ;  dio^e  Boundeländereien  waren  aber 
immer  durch  unfreie  oder  halhtVeie  Bauern  in  Kultur  gehalten, 
darum  werden  solche  samt  ihren  Hufensilzen  auch  immer  mit- 
verkauft  oder  verlausclit,  um  daduicli  die  Arbeit  dem  Grund- 
herrn 2u  sichern.  Der  Zweck  solcher  Güter  lausche  war  aber 
die  Arrondierung  des  oft  zu  grossen  Streuhesitzes  der  Klöster 
und  Grossen,  die  ihre  Besitzungen  nicht  fiskusarlig  wie  das 
königliche  Haus  an  einem  Stücke  besassen,  sondern  im  ganzen 
Lande  zerstreut,  je  nach  Gelegenheit  der  Schenkungen  oder 
Käufe  durch  welche  sie  dieselben  erliielten. 

Dann  aber  finden  wir  auch  Urkunden,  in  v  !i  hen  das  Huf- 
schlagsland allein  verkauft  wiril,  und  der  Verkäuler  folglich  für 
sich  nur  die  Oeiinden  behalL  Hiezu  zählen  aber  die  Rehen. 
Mit  ihrer  iVeien  Dewii  l.sch  iftun;r  waren  sie  für  den  Grundherrn 
entsrhieden  von  höherem  XiitztMi  als  das  Hnfenland. 

Der  Allmendausbau  wini  immer  starker  heliieben  ;  die 
Hulenannexen  als :  Ackerland  für  Spezialkulturen,  Gärten  und 
Weinberge  werden  immer  zahlreicher,  ja  es  entstehen  jetzt 


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—    12  — 

Landgüter,  welche  nur  aus  Rodland  zusammengeselzt  sind,  so 
dass  nun  beim  Verkaufe  derselben,  eine  grössere  Detaillierung 

der  Gutsleile  nolwendi;:  wird;  mit  der  zunefameniien  UiIkip- 
macbiin^  und  der  Zunaliiue  der  Landbevölkerung,  (ritt  die  Not- 
wendijrkeit  ein,  die  Güter  zu  teilen,  da  das  Ausgreifen  auf  die 
Allmend  nicht  mehr  möglich  ist,  und  neue  Güter-  und  ßauern- 
loose  zu  sciiatlen. 

Jetzt  lauten  nahniii  h  die  iiieisten  Urkunden  nicht  mehi 
wie  früher  auf  ganze  Villen,  jetzt  sind  es  nur  noch  einzelne 
Hufenparzellen  und  Rodlandslücke,  welche  verkauft  werden.  Wie 
sehr  auch  das  Rodland  lugenommen  hat  lässl,  sich  deullich  aus 
den  elsüssischen  Polyplichen  und  Gülerurbarien  bis  auf  1900 
nachweisen ;  ja  zuletzt  öbersfeigl  .«ogar  das  Rodland  die  ursprüng- 
liche Loosgemarkung  um  ein  Bedeutendes.  Nocli  sind  aber 
diese  Landereien  nicht  von  der  Hufe  losgelöst. 

So  hat  z.  H.  ein  Lebngut  zu  GinpAlingen  von  1  Hufe« 
nach  dem  Weissenhurger  Polyptichon,  ein  Rebstück  zu  i 
Wagen  Weins  als  Hufennppendix ;  nach  dersolhen  Quelle  hat 
ein  anch'rcs  /u  ITrnnlieiiii  elienfalls  eine  Hufe  und  »'in  Rehslück 
zu  1  W.i;:('n  Weins:  ein  Benefizium  /u  Gritemanstcin  3  Hufen 
und  Rt  Ix  n  /u  4  Wagen  Weins;  am  seihen  Orte  imd  .inderes 
1'J2  Hulen  und  Rehen  zu  1  Wagen  Weins.  Im  Verzeichnis 
des  Ahtes  Edeltn  von  Weissenburg  sind  die  Weinabgaben  der 
Grundhörigen  ausserordentlich  zahlreich,  und  sind  jedesmal  auf 
die  Hufe  Ackerlands  bemessen,  welche  die  Hörigen  zu  Erblehn, 
jure  hereditarid,  besitzen.  Da  sther  eine  Hufe  damals  in  den 
meisten  Fällen  mehrere  Besitzer  hatte,  so  bildeten  diese  sozusagen 
eine  Abgabengenossenschaft;  sie  bildeten  auch  eine  Arbeits- 
genossenschaft, wie  wir  das  weiter  unten  noch  darlegen  werden. 

W'as  nun  die  Art  der  Aiil.ip^tt  de-  n<'])en  anbelnn^it.  wur- 
den di^se  ontwt'iler  Mix  kwL'isf  n  ler  L;e\v;iiinwf»i*ip  an^^elrv'-  Wo 
der  Grundiierr  fui  sii  h  und  durrh  M.'iue  /.alilrficlicii  uidreien 
Arbeiter  ein  Reundeland  zu  Rehen  anlegen  odei  »  inen  Garten 
mit  Reben  ansetzen  liess,  da  ist  von  einer  Blockanlage  zu  reden  ; 
überall  wo  die  Bürger  einer  Gemeinde,  vielleicht  sogar  gemein- 
schaftlich einen  Berg  in  Rodung  nahmen,  oder  da  wo  der 
Grundherr  eine  Beunde  zum  Rebbau  an  eine  Genossenschaft 
auf  Teill>au  verlieh,  da  ist  die  Anlage  gewannweise  geschehen. 

Gewannlage  herrscht  aber  im  KIsass  überall  vor.  Mit  der 
Zeit  wurden  auch  die  Blockanlagen  in  einzelne  Gewannparzellen 
aufgeteilt,  so  dass  in  späteren  Zeiten  der  Cdiarakter  einer  Block- 
aidage  verloren  gieng.  Aus  dem  jetzigen  Zustande  könnte  man 
ni«dit  iiipfir  auf  fi  ühere  Blockanlage  s<  hlies^on  :  nur  nits  Ur- 
kumiiMiaiigahen  ('ilidiir^n  wir,  dn-^*  diese  Anln-e  nciieii  der  gc- 
waunweisen  vorkam,  aucli  die  iieule  noch  üblichen  Gewann- 


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—  i:j  — 


namen  weisen  oft  deutlich  auf  eine  Bloclianlage.  Solche  Block- 
anlagen waren  wohl  die  in  (ien  Rüljgemarkungen  im  Kataster 
oft  erscheinenden  Gewanne  mit  fol^indea  Bezeichnungen:  Ue  b- 
garten  oiler  Pflentzer  (Plantatio);  auch  wo  im  Rebgelände 
der  Gewaonname  Bund,  Bundte  oder  Beund.  ferner  der 
Name  F^if'nnj,^  und  seiue  verschiedenen  Weisen  vorkonimeUj 
ebenlall.s  wo  die  Gewannbezeichnuui;  Werbacker  auttiilt, 
kann  man  auf  Blockanlage  schliesseu,  da.^5<elbe  gilt  lür  das 
Wort  Brügel.  Eine  Anzahl  recht  deuthcher  Blockanlagen 
finden  wir  im  Lehnsverzeichnisse  des  Bischofs  von  Strassburg 
im  oberen  Mandate  (Gegend  um  Rufacb)  aus  der  ersten  Hälfle 
des  14.  Jahrhunderts;  auch  finden  sich  solcher  mehrere  im 
Urbar  der  Abteien  Marbach,  Murbach  und  Munster.  Von  urkund« 
lieh  genannten  Blockanlagen  erwähnen  wir  hier  nur  aus  vielen : 
üi«'  Franlzen  haben  zu  Lehen  00  Schatz  Reben  ,"t  011- 
weiler  ;  die  von  Hattsfadl  ein  solches  Feld  Reben  des  luhall-j 
von  <jü  Schatz  im  B;mn  von  Ifnttstadt  in  der  Lüss.  Innwendig 
lies  Dorte:^  WeÜolbheim  linden  wii  dann  einen  Reh|;arlcn  von 
10  Schatz.  Im  Marbacher  Meyeilclien  zu  Geberschweilier  be- 
gegnen wir  einer  solchen  Blockanlage  von  30  Schalz  Reben 
dicht  neben  dem  Meyerhofe  gelegen  «in  dem  garten» ;  ebenso 
einem  Block  von  12  Schatz  in  der  Suntgasse  (SQdgasse)  des 
Dorfes  gelegen,  somit  ebenfalls  eine  Gallenanlage ;  in  demselben 
Meyerlehen  begegnen  wir  weiter  einer  solchen  Blockanlage  von 
20  Schalz  Reben,  welche  einer  Genossenschaft  von  Lehniänern 
zu  Erblehen  verlieben  sintl;  fernereinem  solchen  von  28  Schatz, 
die  ebenfalls  aneinander  liegen  und  zu  Erblehen  vergehen  sind, 
<lem  Augenscheine  nach  (diese  Beispiele  sind  aus  der  Gemar- 
kung des  Gebui  tsdorfes  des  Vei  tassers,  Geberfchweihei  J  gehörten 
noch  20  Scliatz  zu  denibellieu  Gou][»ie\e  .-owie  «^ie  zum  selben 
Lehen  gehören,  so  dass  dieser  Rebenbiock  die  bedeutende  Fiacljc 
von  i8  Schatz  inne  hatte ;  der  Werbacker,  den  wir  im  Mar- 
bacher Urbar  finden,  der  jetzt  noch  ein  Gewann  in  Hattstadter 
Gemarkung  bildet,  ist  ebenfalls  ein  grosser  Block  von  50  Schatz. 
£in  grosses  Rebstuck,  das  der  Bischof  Berthold  von  Strassburg 
(1333)  an  Hugo  von  Nortgassen  zu  Geberschweier  verliehen 
hat,  und  ausdrücklich  als  Bunde  (Beunde)  jedoch  ohne  Gehalts» 
angäbe,  bezeichnet.  Auch  eine  Beunde  war  das  nachtraglich  noch 
näher  7a\  betrachtende  Rottland,  welches  1157  Abt  Erpho  von 
Neuweiler  an  eine  Genossenschaft  zur  Anlage  vnn  Reben  ver- 
geben hat.  El»eidall.s  an  eine  Blockanlage  deutet  sicher  der 
Gewaunname  Fronberg  hin.  Einem  Fron}>erge  begegnen  wir 
in  der  Egisheimer  Gemarkung.  Sehr  zahlreich  sind  die  Gc- 
wannanlagen  in  den  Lehenbuchern  und  den  Urbanen ;  mehr 
Beispiele  davon  aufzahlen  zu  wollen  hätte  keinen  Werth. 


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—    14  — 


Id  «tiesen  Aufzählungen,  die  beinahe  alle  aus  dem  Ober- 
Elsasa  stammen,  finden  wir  nun  ein  neues  Feldmnss  für  Rehen; 
€s  isl  der  Schatz.  Die  älteste  Erwähnung  des  Schatzes  finden 
wir  in  einer  Verkaufsurkunde  von  12f)7  nus  Sennheim  (Oher- 
Elsass),  worin  23  Schndos  für  30  Mark  Silbers  verkrnift  wurden. 
Der  Schatz  als  Masseinheit  für  Reben  ist  honte  nocli  \rn  OIk^i- 
Kl?5af!*i,  nher  auch  nur  da  im  Gehr.iuch  .  er  ist  je^loch  nicht 
üherali  gleicli  gross,  er  wech^selt  fio'^M  oft  in  einem  und  lieni- 
selhen  Banne,  wo  er  in  der  Ebene  tfrösser  ist  als  im  Gebirge, 
wie  man  dort  ohen  schon  das  Hebhügelland  bezeichnet.  Er 
bildet  jedoch  keine  wirtschaftliche  Einheit  wie  im  Nieder-El- 
sasse  im  Wetssenburger  Gebiete  die  Piclura,  die  Pisler  oder 
Pichter,  oder  wie  der  Arpent,  Morgen,  im  flbrigen  Elsasse. 
Diese  Bezeichnungen  entsprachen  ursprün^dieh  gewöhnlich  der 
wirtschaftlichen  Einheit,  die  der  Hufe  als  Zubehörung  zugeteilt 
ward.  Der  Schatz  als  Hufenannexe  hätte  par  keine  wirtschaf!- 
liclie  nedeutiin^r,  dnzu  wäre  er  viel  zu  klein.  Er  ist  ein  Strei- 
fen Landes  zu  RiiMu'n  T.anpe  und  einer  Ruthe  Breite  und 
deutet  ^ouiil  auf  eine  überwiegende  Aidage  in  Streifen  ;  waiir- 
scheinlich  war  damals  ein  Zusi.uid  starker  Zerstückelung  in  (len 
fi  üheren  Arpenls,  Morgen, den  allen  Anlageeinbeiten,  eingerissen. 

Als  Blockanlagen  sind  döch  wohl  alle  Reben  anzusehen,  l>ei 
welchen  es  in  den  Urkunden  heisst :  una  vinea  oder  vinea, 
beides  mit  einer  hohen  Zahl  von  Wagen  Weins  begleitet.  Wenn 
es  in  einer  Schenkungsurkunde  eines  gewissen  Radoinus  an 
die  Abtei  Weissenburg  heisst :  er  schenke  den  vierten  Tlieil 
der  Rehen  <lie  er  auf  dem  Warigarberge  besitzt,  so  ist  darin 
entschieden  eine  Blo(  kanlage  zn  erkennen;  die  Winzer  werden 
mit  verschenkt.  Wo  der  Ausdruck  Vinea  nur  auf  kleine  Stücke 
7M  scbües^en  erlanlil.  da  sind  diese  Reben  meist  in  der  He- 
inen;:elai^e  versrhiedener  Gewanne.  Wie  gross  solche  Relisincke 
waren,  wo  keine  Erlragsangahen  gemacht  werden,  ist  nicht 
leicht  zu  bestimmen ;  wir  vermuten  aber,  dass  es  meist  die 
wirtschaftliche  Einheit  des  Arpenls,  des  Ackers  angeben  soll. 
Manchmal  heissen  solche  Rebstücke  gewannweiser  Anlage  pe- 
ciolflB,  kleine  Stückchen,  Streifen,  wie  diese  eben  in  jedem 
Gewanne  vorhanden  waren,  und  diese  wfihrend  der  fortwfthren- 
den  Ertiteilung  notwendi;.^  entstehen  mussten.  Als  Peciolae  w&> 
ren  dann  die  mit  Schatz  bezeichneten  Parzollen  anzusehen. 
Eine  Blockanlage  wurde  manchmal  schon  bei  der  Errichtung 
in  Streifen  desselben  Flächeninhalts  eingeteilt  und  so  ward  da- 
raus binnen  Kurzem  eine  Gewannanlajre. 

Ein  deutliches  Rild  dic•^es  Vorgange.s  gewahrt  die  Erzäh- 
lung einer  Urkunde  des  Abtes  Erpho  von  Neuweiler  über 
zwei  Beundeländereien  aus  dem  Jahre  1157.  Neuweiler  besass 


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—    15  — 


damals  zwei  teri'^e  salic»»  «c  in  der  oberen  und  unteren  Wolf- 
krefze»  (soviel  wie  Wolfsgrube),  welche  öber  zwanzig  Jahre 

schon  wüst  lagen  und  ^ar  keinen  Ertrag  abwarfen.  Der  Abt 
übergab  nun  diese  Beunden  zu  Erhieben  an  einige  Hofgenossen, 
Gehüfer,  zum  Anbau  von  Reben,  q:epren  eine  jährliche  Weinal)- 
gabe  eine<  < Ehmens  (50  Liier)  We'\n  vom  Morgen  und  eines 
halben  OhmciK^  vom  halben  ^^lIven.  Die^  ein  scliiuit's  Beispiel 
einer  Wein-(.«eiioferscliut"l.  i>ns  Ltml  wurde  beliuis  der  Anlage 
von  Uel>eii  in  Parzellen  vuu  1  und  '2  Morgen  aufgeteilt.  Eine 
solche  Parzelle  von  1  bis  2  Morgen  wurde  dann  oft  als  Vinea 
kurzweg  bezeichnet. 

Eline  Rehe  mit  einem  Wagen,  25  Ohmen  Weins  entspricht 
bei  normalem  Jahresertrage  einem  Morgen  oder  rund  i/4  bis 
1/5  Hektar.  Solche  Rebstucke  kommen  in  den  GOterverzeich- 
nissen  oft  vor. 

Allem  Anscheine  nach  war  also  der  Arpent,  der  Morgen, 
der  Acker,  das  Mannwerk,  alles  Aus  lrücke  für  dieselbe  Kel)- 
fläche,  die  der  Hnfe  zugeteilte  Wirtschaftseinheit  für  Reljen, 
s<i  Inn;^<"  nicht  ausschliesslich  oder  überwiegend  au-  Reben 
bL'r>lelien(ie  Bauerngüter  gab,  wie  dies  in  den  eigenllichen  Re)»- 
diti  lei  ri  mit  der  Zeil  eintreten  mus^tc.  Den  Ausdruck  Vinea  in 
den  älteren  Urkunden,  biö  in  s  Xlll.  Jahihundert  hinein,  Jial- 
ten  wir  also  gleichbedeutend  mit  dem  Morgen  ;  die  Peeiola  da- 
g«:gen  mit  dem  weil  kleineren  Schatz. 

Das  Alles  deutet  auf  eine  frühzeitige  und  grosse  Zerstficke* 
lang  des  Reblaodes;  denn  wie  wir  sahen,  kommt  die  Bezeich- 
nung Scadus,  Schatz  schon  um  1267  in  den  oberelsassischen 
Urkunden  vor.  Somit  herrschte  damals  schon  eine  Zerstücke* 
lung  der  Relien,  die  weit  unter  den  Morgen  hinabgieng.  Der 
Morgen  =  20  bis  25  Ar,  der  Schatz  =  4,  5  bis  8  Ar,  er  war 
nnlanglich  wuhl  der  fünfte  Teil  des  Ackers,  oder  des  Morgens 
oder  de?»  Arpents,  was  er  annähernd  ja  jetzt  noch  m  vielen 
Gegenden  ist,  nämlich  da,  wo  der  Schatz  4  rsp.  5  Ar  misst;  er 
entspräche  dann  dem  niederelsässsischen  Viertzel  oder  Vierdegezal, 
ein  Mass  das  wir  als  Parzelle  schon  im  Jahre  1196,  in  einer 
Urkunde  aus  der  Zeit  der  Herrad  von  Landsberg  vorfinden ;  ja 
sogar  verschenkt  man  um  jene  Zeit  schon  eine  noch  kleinere 
Rebparzelle  an  das  Kloster  Hohenburg,  nftmlich  einen  halbvier^ 
zeligen  Rebacker:  «;  .\gr  um  unum  viniferum  halbvirtigen]». 

l)a^  k  nnte  nicht  auslilelben  ;  denn  die  Reben  als  Allmend- 
ansbauten, al>  nirlit  zum  HutVchlagiande  gehörig,  waren  Hnruni 
sehen  allen  eibicriit liehen  rjesehränkungen  entzogen,  denen 
jenes  Land  unlerwurien  war;  das  Hufschlagsland,  die  Sors  der 
Bauern,  und  später  nach  Aulkummen  der  Feudalverfassung, 
besonders  das  hofhörige,  lehnrechtliche  Gut,  durfte  meist  nicht 


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—    IG  — 


(geteilt  werden;  erst  verfaäUnismfissig  spät  ward  auch  hier 
Teilung  üblich. 

Wollte  man  aher  teilen,  so  inu<ste  man  ein  kleineres  Ein- 
heitsmass  schaffen  und  das  ist  der  ScüatSj  ein  Bruchteil  des 
alten  Morgen  oder  .Juch. 

Dass  die  n)ten  i*  luclieunuis^e  nicht  überall  -leicii  sind, 
hangt  damit  zusammen,  dnss  un^en'  Vorelferii  heim  Ahmessen 
ihrer  Güter  deren  natuiiidie  Fruclitliarkeil  mit  in  IJetracht 
zogen;  in  fruchtbaren  Feldern  wurde  der  Morgen  kleiner  zu- 
gemessen als  in  weniger  fruchtbaren,  ebenso  auch  die  Hufe,  von 
welcher  der  Morgen  den  dreissigsten  Tbeil  bildet,  so  mussten 
auch  die  Bruchtheile  dieser  Einheiten  grösser  oder  kleiner  werden. 

Hufe  und  Morgen,  ursprAnglicfa  wirkliche  Feldmasse,  wur« 
den  beim  germanischen  Bauern  zu  Wirtschaftseinheiten.  War 
doch  der  Arpent  ein  römisches  Feldmass  )>estimmten  Inhalts. 
Die  Hufe  ist  das  normale  Bauerngut,  und  der  Morgen  die  nor- 
male Grösse  einer  Hnfcnannexe,  welche  selbstversländlich 
immer  demjenigen  entsprechen  musste,  was  ein  Hul'ner  neben 
seinem  Hul'si  hlagland  (Sors)  bebauen  konnte.  Darum  ist  der 
Morgen  auch  zum  Mannwei  k  geworden  ;  diejenige  Reben-  oder 
Acker-  oder  Wiesenfläche,  welche  ein  Mann  neben  seinem 
Norraalbesitze  noch  mit  seinen  eigenen  Kräften  bearbeiten 
konnte.  So  wurde  das  Mannwerk  \on  einer  WirtschaAseinheit, 
mit  der  Zeit  zu  einer  Flächeneinheit. 

In  dem  Weissenhurger  Polyptiebon  beisst  diese  £inbeit 
der  Hufannexen  für  Bebland  die  Pictura,  in  anderen  Urkunden 
peditua,  pedatura.  Ursprünglich  wie  der  Arpent  eine  römische 
Feldmesseinheit,  wurde  auch  die  Pictura  zur  Wirthschaflseinheit 
und  bedeutele  in  jenen  Gegenden  wo  sie  üblich  war  —  in 
oberelsässischen  Urkunden  trilft  man  sie  nirgends  —  diejenige 
Weinbergflärhe,  welche  jeder  einzehien  Hufe  zugegeben  wurde. 
Dass  sich  dies  lateinische  \Vart,  die  Bezeichnung  eines  lö- 
mi'^chen  Fclrlmnsses  erhallen  liat,  ist  wieder  ein  Beweis,  dass 
der  Beijhau  in  unseren  Gegenden  schon  zu  Römerzeiten  stark 
verbreitet  war;  bedenken  wir  dass  der  Ausdruck  pedetura, 
pictura,  sich  gerade  im  Mosel-  und  im  Rheinlande  erhalten 
bat,  so  können  wir  mit  Recht  auf  das  hohe  Alter  des  Rebbaues 
unserer  Gegenden  scbliessen. 

In  der  bereits  erwähnten  Weissenhurger  Urkunde  beisst 
es  von  den  Diensthufnern  oft:  cFaciunt  pedituram». 

Anfangs  machten  diese  unfreien  Hufner  die  Arijeiten  der 
pictura  auf  dem  Beundeland  der  Klosterreben  nur  für  Heclinung 
•ler  Gnmdherren,  in  Verpflichtung  für  das  von  ihnen  innge- 
liuble  Bauernlehngut ;  er-1  spalei-  erhielten  sie  dann  dieselben 
Picturae  zu  Erblehen  oder  in  Erbpacht,  ja  ott  auch  nur  zu 


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—  17  — 


Zeitpacbt  gegen  Weinabgaben;  neben  diesen  grundherrlichen 
Reben  hauten  die  Hufner  woiil  auch  mit  Erlaubnis  des  AU- 
mendberren'auf  der  Allmend  neue  Reben  an,  wofür  sie  wiederum 

Weinabgaben  jährlich  entrichlen  mussten.  Diess  I  ler  Gop- 
pel te  Ursprung  der  in  den  Urkunden  erscheinenden  Uörigkeits- 

abgaben . 

])ie  Güter  diesei'  Weinbauern  können  wir  fü^Hich  als  Wein- 
güter bezeichnen;  denn  um  das  XIII.  Jahrhundert  lieruni  giebt 
ihnen  die  Zugehörigkeit  von  Iiebstücken  zu  denselben  und  zwar 
in  hervorragendem  Veriiällnisse,  diesen  Charakter.  An  solche 
Weingüter  müssen  wir  denken,  wenn  wir  in  der  Schenkungs- 
urkunde eines  gewissen  Ebrohart's  für  Weissenburg  (8.  Jhdt.) 
lesen,  dass  dieser  der  genannten  Abtei  tres  vineas  schenkt  mit 
den  Winzern,  welche  'sie  bebauen.  Auf  jede  vinea  oder  peditura 
entfiel  wohl  meist  ein  Mann  mit  seiner  Familie; 

Auch  hier  konnte  es  nicht  ausbleiben,  Jass  die  Pichter, 
als  ein  .\llmendaushau,  noch  mehr  wie  die  Uufei  ganz  verschie- 
dene Grössen  annahm ;  denn  die  Bodenbedinjrunj^en  für  Rodung 
sind  nicht  überall  die  gleichen  nach  Grösse,  Lage  und  Zugang- 
lichkeil der  betreffenden  Allmenden;  lerner  musste  infoige 
dessen  ganz  lie-sonders  die  Höhe  der  ersten  Aulagekosten 
srliwankon.  Diese  verschiedene  Grösse  der  Pichler  bedingte 
nach  Laniprecht,  und  Alles  was  die  elsässischen  Urkunden 
daiihun,  bestätigen  seine  Ansicht  auch  fftr  unser  Land»  einoi 
verschiedenen  Entwickelungsgang  :  kleine  .Pichter  konnten  als 
Nehenbauten  immer  im  Hufenverbande  bleiben,  die  dauernde 
Bestellung  grdsserer  ging  aber  selbstverständlich  über  die  Kräfte 
auch  eines  Vollhafners  liinans;  sehr  bald  bildeten  die  grosseren 
Pichter  selbständige  Rebgüter. 

Aus  den  ursprünglich  grundherrlichen  Beundelandereien 
mit  ihrer  eigentümlichen  Bewirtschaflungsform  durch  Frohn- 
dearbeit,  entstanden  später  einfach  Weinlehen|?üter.  ^vie  die  in 
Logunslfin  vom  Weissenburger  Polyplichon  orwälmlen; 
Ruodeiah  vineas  5  et  jurnales  7  ;  Relig  vineas  "2  et  jurnales 
6 ;  W'illibrord  vineas  8  et  jurnales  10 ;  Dagilo  vineas  3  et  jur- 
nales 7 ;  Waldbrot  vineas  5  et  jurnales  8 ;  Edilin  vineas  2  et 
jurnales  7;  Ruodil  vineas  3  et  jurnales  8;  Favilo  vineas  3  et 
jurnales  7;  Guother  vineas  3  et  jurnales  15.  Infolge  des  lieber* 
gangs  der  grundherrlichen  Reben-Beunden  auf  ihre  Winzer 
oder  auf  andere  Lehner^  musste  die  Spezialbezeichnung  ftlr 
diese,  der  Name  Pictura»  IPicbter»  auch  bald  wegfallen,  und 
nun  konnte  man  den  hufenprewonnenen  Weinberii:  des  gewohn- 
Jirlipn  Mannes  nicht  mehr  vom  freien  Weingut  des  Grundherrn 
unterscheiden.  Eine  Erinnerung  an  ihre  fndiere  Fjgenschafl 
blieb  nur  in  lokaler  Bedeutung,  im  Gewannamen  übrig.  Im 

r 

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—    18  — 


OberelsRss  kommt  aber  die  Picbter  als  Gewannamen  nicht  vor ; 
ob  sie  im  Weisseiiburger  Gebiete  vorkommt,  ist  uns  unbekannt; 
sicher  ist  sie  aber  durch  Lamprecbt  im  Mosellande  nachge- 
wiesen . 

Da  die  Allmcnrlcn  Im  tilsass  alle  grundherrliche  Allmenden 
waren,  so  waren  die  Hehjrüter  meist  zins-  und  frohiidt'[inichtig. 
Nun  war  aber  Hie  Möglichkeit  ^^e^^ebf-'n,  das«?  e«;  eiü  Inlir  iuIit 
mehrere  .l  ihi»^  keinen  Wein  jjab,  in  tliostMu  Falle  heisst  (^-s  dann 
in  den  Urkunden,  snIIhMi  die  Rebenbesilzer  die  Ab;jrabe  in 
Geld  bezahlen  ;  in  jenen  Zeilen  aber  jirosser  Kaiiilalarniul  musste 
es  oft  vorkommen,  dass  ein  solcher  Zins  völlig  uneinbringlich 
war.  Dann  ward  auch  oft  festgesetzt,  dass  der  verfallene  Zins 
im  nSchsten  Jahre,  wenn  es  Wein  gäbe,  mit  erstattet  werden 
müsse,  und  falls  es  auch  diesmal  nicht  geschehen  könne,  so 
sollte  der  Grundherr  nach  seinem  Belieben  über  das  Rebstäck 
verfügen.  Auch  finden  wir  aus  dem  XIII.  Jahrhundert  Urkun> 
den,  in  denen  Heben  nur  gegen  Geldzins  verliehen  werden. 

Infolj^e  der  wohl  allzuoft  vorkommenden  Weinernten-Aus- 
talle verfiel  man  auf  den  Gedanken,  den  Grundlierrn  nuch  an 
den  FrntenausfäÜen  feilnehmen  zu  lassen:  iniii  besinninte  die 
jähriiclie  Abgabe  eines  Heb'^'utes  als  einen  testen  .Ankil  an  dt^ni 
Erlrage,  so  z.  B,  auf  »Ii.'  Hälfte  des  Ertrages,  wie  dies  idirigens 
in  den  eisässischen  Likunden  ^^ehr  trüli  erscheint,  z.  ii.  in 
einer  Urkunde  des  Abtes  Anselm  von  Mauersmfinster  (4146-1154); 
überhaupt  ist  die  Halbpacht  in  diesem  Jahrhundert  schon  selir 
verbreitet  im  elsässischen  Reblande. 

In  dem  Masse  als  die  Rebbauem  noch  «gene  Reben  be- 
sassen  neben  denjenigen,  die  sie  von  Grundherren  zu  Lehen 
hatten,  wuchs  natürlich  auch  die  Sicherheit  der  ALigaben; 
denn  dann  waren  sie  meist  gezwungen,  die  Leistungen  airs 
ihren  eigenen  Reben  zu  entrichten,  wenn  letztere  einen  Ertrag 
hatten  und  <lip'"Pirhfcr  nicht«  trugen. 

I);uin  wird  spater  in  (b'n  Vei  leihungsurkunden  gewoliulicli 
die  Bedingung  ausgesprochen,  dass  auch  ilno  anderen  Kelten 
oder  einzelne  Stücke  derselben  mit  ihrem  Ertrage  für  die 
grundherrlichen  Rebenzinsen  hafteten ;  ja  sogar  andere  Grund« 
stucke,  oder  selbst  das  ganze  übrige  Gut  wurde  dafür  verfestet j 
verhaftet  erklärt. 

Ein  solches  aus  grundberrlichen  Reben  und  eigenen  Wein- 
bergen, sowie  aus  Hof»  Aeckern,  Wiesen  und  Gartenland  be- 
stehendes Gut,  konnte  nun  gross  otler  klein  sein,  und  Jässt 
sich  mit  allen  möglichen  Bedingungen  denken  :  bald  mit  mehr 
gi'undlierrlichen,  bald  mit  mebr  eigonon  f»eben  ;  wo  die  pigf^- 
nen  Hoben  vorhen -rbten,  da  mussle  dies  liald  mit  die  ganze 
Bewirtschaftung  von  Eintluss  werden.    Solche  Bebgüler  waren 


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—    19  — 


weit  freier,  als  die  reinen  Ackergüter.  Die  Reben  wurden  schon 
sehr  früh  als  wertvoller  Bestandteil  eines  Gutes  iniiuer  und 
^evne  ;j('(eil! ;  jeder  Bauer  liielt  daran,  in  der  Gemarkung  irgend 
ein  Stück  ileben  zu  besitzen.  Daher  entwickelte  sich  auch  ein 
regerer  Geschäftsverkehr  in  I^ebon  ;  sie  wurden  oft  verkautt 
und  wiederverkauft.  Wir  finden  in  den  Polypticlien  des  XII. 
Jhrliilts.  bereits  recht  kleine  Rebgüter,  und  daun  zählen  ganz 
kleine  Rebgüler  sclion  eine  grosse  Anzahl  vuü  raizellen.  In 
den  Urbarien  vun»  14.  Jahrhundert  k«.'iiimen  grosse  Rebkum- 
plexc,  falls  die  Reben  zu  Lehen  gegeben  sind,  schon  beinahe 
nie  mehr  vor;  nur  noch  im  Ruflacher  Lehosbucbe  des  oberen 
Mundais,  kommen  grössere  Kebanlagen  als  adelige  Leheugüter 
vor;  der  kleine  und  mittlere  Bauer  hätte  mit  solch  grossen 
Komplexen  nichts  machen  können. 

So  zählt  das  Weissenburger  Gutsverzeichniss  viele  solcher 
kleiner  Parzellen  unter  dem  Frongute  der  Abtei  auf :  zu  Heries- 
heim,  Weinbcrjr  zu  40  situlos  otler  20  Ohmen  ;  in  Frigesbach 
ein  -solches  zu  10  s?tulos  oder  5  Ohmen  (darunter  ist  immer 
«1er  elsassische  Uhmen  von  50  Liter  und  nicht  die  Ohm  vi.u 
150  Liter  genieint)  so  viel  aU  der  Durch>clinitl>erti von 
einem  Schatz  Reben  von  4  Ar;  zu  Heriesheim  nocli  eines  zu 
SO  Situlos  oder  10  Ohmen,  gleich  dem  Ertrage  von  2  Sehatx ; 
in  Hagenbeim  sogar  ein  solches  kleines  RebstQck  zu  8  Situlos, 
4  Ohmen,  somit  etwas  weniger  als  ein  Schatz  Relien.  Solche 
Beispiele  könnten  noch  bei  Vielen  angegeben  werden.  Gehen 
wir  jetzt  noch  in's  Oberelsass,  so  treffen  wir  dort  um  dieselbe 
Zeit  schon  dieselben  Verhältnisse  der  GulszerstGckelung  an.  Die 
angegebenen  Beispiele  ziehen  wii  ;tl)ermals  aus  dem  Lehnsver- 
i'.eichnisse  des  Bischof*  von  Strassburg  für  das  obere  Mnnd:il, 
auv  der  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts.  Da  linden  wir  P;iizelleu 
Von  0,  0,  10,  12,  (M)  und  66  Schatz  Reben,  daneben  aut:h  ganz 
klein»j  Parzellen  von  1,  2  und  3  Schatz;  Stfu-ke  von  4  und  5 
Schatz  sind  ebenfalls  keine  SeltenheiL  Die  Duichschnittparzelle, 
die  sich  aus  Hunderten  von  Angaben  aus  dem  Marbacher  Urbar 
von  1433  herausrecbnen  ISsst,  erreicht  nicht  die  5  Schatz; 
dies  ist  auch  heute  noch  die  Durchschnittsgrösse  einer  Rebpar- 
zelle im  elsässiscben  Reblande;  die  Zerstückelung  der  Reben 
war  also  damals  so  stark,  als  sie  es  jetzt  ist :  eine  Folge  ein- 
mal der  streifenweisen  Anlagen  in  den  Gewannen  und  dann  der 
meist  üblichen  Erbteilung  der  Reben  bei  Todesfall. 

Bei  dieser  weitgehenden  Zerstückelung  mnsslen  mit  der 
Zeil  auch  die  kleinen  Hehgnter  <lie  grossen  an  der  Zahl  weit 
überragen  ;  die  tndieien  Beundekomplexe  gingen  nach  und 
nach  ganz  in  den  Lehnbe?=itz  der  Bauern  über.  W.ni  hauern- 
rechtlichen  Hoflebn  konnle  der  Gi  undheir  nie  grus^^eie  l!irträge 


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—  20 


bekommen,  für  dieses  war  <ler  Lehnzins  für  immer  feslprestellt. 
Nur  die  Beunden  konnten  treier  verpachtet  werden,  somit 
höhere  Pachtj^elder  erreichen  und  fol;^hch  die  Griindherren 
starker  am  Ertra^^e  <ies  Gutes  betheil ii^-^ca.  li-  i  den  Houudeläu- 
dereieu  kommt  zuerst  die  gesvöhnliohe  Erhpaciit,  ja  schon  sehr 
früh  die  Zeitpacht  in  Gebrauch  und  Geltung.  Wir  werden  dies 
Lelzlere  ganz  hesooders  weiter  unten  noch  eingehender  zur 
Darstellung  bringen. 

In  Mutzig  finden  wir  z.  B.  in  einer  UriLunde  des  Propstes 
xtt  St.  Thomas  von  1150  Erwähnung  eines  Rebgutes  von 
6  Acker,  das  zum  Dritielerlrag  zu  Erblehen  vergeben  wird; 
dies  dürfte  damals  schon  die  mittlere  Ausdehnung  eines  Heb* 
gutes  gevvesen  sein  :  so  unjrefahr  30 — iO  Scliatz ;  die«e 
Grösse  findet  sich  in  der  That  als  Inhalt  vieler  lieblehen 
im  14.  Jahrhundert,  wie  dies  im  erwähnten  Lehnsbuche 
des  Bischofs  von  Strassburg  oft  vorkommt.  Es  entspricht 
dieser  Inlialt  einem  so  ziemlich  landübhchen  Mittel  für 
Rebgüter  in  einer  Zeit,  wo  die  Rebgüter  bereits  sich  als  selbst 
ständige  GAter  hervorthaten,  wo  sie  die  wirtschaftliche  Grund* 
läge  der  Gutswirtschaft  bildeten.  Der  allmali^^e  Verfall  der 
Hufenverfassung  erleichterte  den  Ankauf  von  Ländereien  auf 
dem  Mark-  und  Hufenlande;  allmählig  wurden  die  Aecker  in 
Reben  umgewantlelt,  und  so  kam  es,  dass  es  heute  Gemark- 
ungen giebt,  die  nur  einen  verschwindend  kleinen  Theil  Aecker 
aufzuweisen  hal)en.  Aber  auch  der  Markwald,  der  im  11.  und 
12.  Jahrhundert  sicher  noch  viele  unserer  Hebhügel  zierte^ 
mussle  der  Rehe  Platz  machen. 

In  jener  Zeil  n.imlich  taiid  in  unserem  Rebluude,  wo  fast 
lauter  fräiikische  und  allemaimische  Dorfschaften  bestanden, 
ein  letzter  kolouisatorischci  Aalaul  statt :  die  Kolonisation  des 
Mfinslerthales,  des  Betchenlbales  bei  Gebweiler,  des  Thaies 
von  Sultzmalt,  überhaupt  aller  unserer  Vogesenthäler.  Bei  die- 
ser Besiedelung  wurden  in  jenen  Thälern,  so  weit  es  die  Na- 
tur  gestattete,  die  Hügel  des  breiteren  unteren  Teiles  mit  Reben 
angepflanzt.  Die  Neubesiedelungen  Igingen  dann  immer  von 
einem  Mtttterdorfe  aus,  das  früher  in  diesen  Thälem  sich  un- 
mittelbar um  eine  Abtei  herum  gebildet  hatte ;  an  der  Peri- 
pherie der  n^emeinen  .Nf  trck  bildeten  sich  neue  Dorf-  und  Reb- 
anlagen. Sm  enlstandon  wohl  in  dieser  Zeit  —  denn  vorher 
finden  wir  sie  nirgends  in  Urkunden  erwähnt  —  am  Rand  der 
gemeinen  Mark  der  zwei  Dörfer  Pfaflenheim  und  Geberschweier 
im  Oberelsass  zwei  Tochteruiederlassungen :  Sultzmalt  und 
Osenbach,  mit  den  Annexen  Osenbühr  und  Wintzfelden.  Sultz- 
malt erscheint  zum  ersten  Male  in  den  Urkunden  um  1044. 
Mit  dem  Kloster  St.  Marx  hinter  Geberschweier  liegend,  bil- 


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—  21  — 


deten  diese  vier  Dörfer  in  der  Thftt  eine  Markgenossenschafl, 
weiche  1258  noch  deutlich  erkennbar  ist  in  einer  Weidebe- 
recbtigung  des  Klosters,  das  auf  der  Mark  errichtet  worden 
war,  an  der  Allmend  der  vier  Dörfer.  Um  H60  kamen  die 
Dörfer  Sultzmatti  Pfaffenheim  und  Geberschweier,  sehr  in 
Aufschwung,  wie  e?  eine  zeitgenössische  Aufzeichnung  ver- 
merkt ;  in  jener  Zeit  wurden  wohl  die  berühmten  Terras^^f^n- 
relten  (Kanunern)  der  Gebersdi weierer  Pfaffenheimer,  Sultz- 
raatter  und  Osenhacher  Gemarkungen  angelegt. 

Solche  AUmeiidauübauten  linden  wir  auch  in  der  Geschichte 
der  Abtei  Murbach  und  der  Gründung  sowie  der  Entwickelung 
der  Stadt  GebweÜer ;  ebenso  auch  im  Mönaterlhale.  Auch  fttr 
die  Reichsstadt  Oberehnheim  ist  fQr  jene  Periode  die  Vornahme 
der  Rodung  der  Allmend  deutlich  nachweisbar.  Im  14.  Jahr- 
hundert war  ja  hier  die  Rodung  der  Allmend  schon  nicht  mehr 
frei.  Aehnlich  war  der  Vorgang  sicher  überalt,  und  im  15. 
Jahrhundert  spätestens  war  die  Allmend  völlig  okkupiert ;  nur 
noch  ganz  kleine  Flächen  blieben  jetzt  als  Bürgerland  übrig, 
das  sich  bis  auf  un-ere  Tage  erhallen  liat,  tla  wo  der  fran- 
zo.'^isrhe  Kaiserstaat  nit  lit  mehr  damit  aufrännien  konnte.  So 
hat  sich  der  Weinbau  im  Elsasse  nach  und  nach  alle  Hügel 
bedeckend  und  die  Gegend  hert!ichernd  ausgedehnt,  so  dass  t»r 
um  das  14.  Jaluliuuderl  herum  dem  heutigen  Rebbaue  an 
Ausdehnung  sicher  nicht  nachstand. 

11. 

Werfen  wir  nun  einen  Blick  auf  den  Verkehr  mit  Wein 
wahrend  des  Mittelalters;  auf  die  Technik  des  Weinbaues 
sowie  auf  die  Organisation  der  Einzelwirtschaften,  so  finden 
virir  darin  ein  nieiit  minder  mannigfaltiges  Bild,  das  uns  auch 
zu  seinem  Teile  die  rechtliche  und  wirtschaftliche  Emanzipation 
des  Reblandes  zu  deuten  hilft. 

Von  ei^entlii  heni  Weinhandfl  ist  in  altes>leii  Zeiten  gar 
keiiit'  Hede.  Die  Grundlierren  hatten  zum  Behufe  des  Weiu- 
verkaulcs  iu  ihrer  Grundherrschafl,  auf  ihre  Grundherrlichkeil 
begründet,  den  Weinbann ;  was  sie  nicht  in  ihrem  Haupthofe 
oder  in  ihrer  Pfalz,  oder  in  der  Nähe  des  Klosters  und  in 
demselben  selbst  verbrauchten,  das  wurde  durch  Frohndefuhr- 
leute  an  andere  Orte  ihres  oft  weit?erbreiteteD  und  weit  zer- 
streuten Besitzes  verführt.  Daher  auch  die  Erscheinung,  dass 
viele  clsässiKche  Klöster  Häuser  und  Höfe  in  den  elsassischen 
Städten  besassen.  So  Maursmünster,  Neuweiler,  Marbach  und 
andere  mehr  in  Stra^shurg;  die  Abteien  Paris,  Alspnch  zu 
Colmar.  In  den  Städten  mit  ihrem  regen  Handwerksleljen  und 
Marktverkehre  gab  es  Gelegenheiten  genug,  den  Wein  vorteil- 


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  2'i  — 

hall  los  2U  werden.  Die  Angaria,  die  Pro'mfuhre  war  bekannt - 
lieh  eine  Rofil!:ist  für  gewisse  hön;.»e  Hufen.  An  solchen  Markt- 
slädten  oder  Marktorten  erhielten  dann  die  Klöster  und  Kirchen, 
sowie  andere  Gnindherren  vom  Köni}?e  das  Recht  eine  Schenk- 
wirlschnft  zu  halten.  Dann  standen  Kirchen,  Klöster  und  Gross- 
er.itKlbesilzer  untereinander  in  verwandtschaftlichem,  freund- 
schaftlichem und  geschärt  liehen)  Verkehre.  Der  A)>1  eines 
Klosters  im  reben losen  Norddeutschland  schrieb  wohl  an  seinen 
Freund,  der  das  Gluck  hiiUe,  A.bt  eines  Reben  besitzenden 
Klosters  su  sein ;  ein  Bischof  beschenkte  seinen  Mitbrader  in 
minder  begünstigten  Gegenden»  oder  ein  Fürst  gab  seiner  lieben 
Tochter  ein  slaUliches  Quantum  Wein  mit  in  die  neue  nor- 
dische Heimat.  Ein  grosse  Teil  der  eiieugten  Weine  kam 
ferner  auch  liadurch  zur  Ausfuhr,  dass  fiemde  Grundherr- 
schaften, Könige,  Fürsten  oder  Bischöfe  sowie  Klöster  Rebberge 
im  Elsass  kauften,  oder  sich  schenken  lif?s>!*»n  oder  auch  damit 
belehnt  wurden.  So  erhielt  die  Abtei  Fulda  8S5  Beben  in  Ost- 
heini  1).  Colmar  und  in  Kienzheim,  ferner  im  selben  Jahre 
noch  zu  Oberehnlieim  und  Barr.  Zahlreich  waren  von  jeher 
die  fremden  Rebbesitzer  in  unseren  elsassisch»»n   Wein!  in  ien. 

üm's  Jahr  900  herum  gab  es  folgende  fremde  Grundlierr- 
schaften  mit  Rebbesitz  im  Elsass :  Die  Kirche  von  Spder  in 
Jebsheim;  Kloster  Ettenheim-Mfinster  in  Epfig,  Nieder-,  Mittel- 
und  Oberhausbergen,  sowie  zu  Rufach ;  Kloster  Fulda  in  Wolx- 
^  heim-Allbronn,  Avolsheim,  Barr,  Breuschwickersheim,  Dings- 
heim, Dinslieim,  Fridolsheim,  Handschuhheim,  Hörtigheim, 
Kienzheim,  NietTern  (zerstörtes  Dorf),  Oberehnhetm,  Oslheim, 
Rosheim  und  Wal  f. 

Kloster  Gengenbach  (Baden)  zu  Kinzheim  und  Scherr- 
weiler;  Kloster  Hornbach  (Pfalz)  in  Elbersweiler  (zerstörtes 
Dorf)  und  Wassel n hei ni ;  Kloster  Scbuttern  (Biden)  in  Herr- 
lisheini  h.  (lolinar;  Klusler  Seh  warzach  (Bulen)  in  Dangolsheim, 
Küttolsheim,  Lampertheim,  Schwiudralzbeim,  Tränheim,  Ven- 
denheim,  Wangen,  Zeiaheim  und  Zinsweiler. 

Die  Kirche  von  Chur  (Schweiz)  in  Schlettsladl ;  Kloster 
Granfelden  (Schweiz)  in  Sigolsheim;  Kloster  St.  Gallen  (Schweiz) 
in  Habsheim;  Kloster  Zürich  in  Altheim  (zerstört),  Ammersch- 
weier,  Kienzheim,  Kinzlieim  und  Schlettstadt. 

Die  Kirche  von  Rheims  (Frankreich)  in  Bischofsheim  b. 
Oberehnheim. 

Kloster  Etival,  (Frankreich)  zu  Andlau,  Sigolsheim;  Klo^^ter 
Luxeuil  (Frankreich)  zu  Al^chweiler  (zerstört),  Arzenheim, 
Bennweier,  Ingersheim,  Rotlern.  Rosheim,  Obersulz  und  Zel- 
lenberg; Kloster  Moyenniuiitier  in  Bergheim  b.  Rappol Isweiler, 
Hindisheim   und   Niederehnheim.   Das  Kloster  von  iSt.  Denis 


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—  '23 


b.  Paris  zu  ßennweier,  Fiiedoblieim,  HinUisbeim,  Mauchen- 
heim (zerstört),  Orscbweiler,  Happoltsweiler  und  St.  Ptlt. 
Kloster  St.  Diö  in  Hunaweier,  Ingersheim,  Mittelweier  und 
Sigolsbeim.  Beretheida,  Gemahlin  des  Grafen  Ulrich  von  Argen- 
und  Linzgau,  hatte  Reben  zu  Sierenz ;  Bertha,  Tochter  König 
Ludwig'  des  Deutschen,  Aehtissin  des  Klosters  Zürich  in  Am- 
me rschweier  und  Schiet t Stadt. 

Erchenjjar,  Graf  vom  Norlgau,  in  ßüenschweiler  und  Kiti/- 
heim;  Fulrad,  Al»t  zu  Sl.  Denis,  in  Or.>>chweiler,  nnfi  ontlln  ii 
Liutward  von  Veicelli,  Erzkaplan  Kaiser  Karls  des  iurkei»,  in 
Kinzheirn,  Schieltstadt  und  VViuzfüheim.  Soviel  aus  der  frän- 
kischen Zeit.  Für  die  späteren  Zeiten  liessen  sich  v\'ohl  die 
fremden  Besitier  von  Reben  im  Etsassa  naeb  Hunderten  auf- 
zählen. 

Durch  Leben  kam  ebenfalls  viel  Wein  an  fremdländische 
Adelige  :    so  ehielt  Heriog  Heinrieb  von  Lothringen  vom 

Kaiser  60  Wagen  Wein  verliehen,  sur  Hälfte  in  Boppard  am 
Rhein  und  zur  Hälfte  im  Elsass;  Kaiser  Philipp  verlieh  eben- 
talls  an  Heinrich  I,  Herzog  von  Brabant  (1204),  30  Fuder  Weio 
aus  Reben  zu  RUhronn. 

Mit  dem  AutkojiniiHii  der  Städte  bildete  sich  erst  der  kauf- 
männische Weinhandel  aus.  Schon  zur  Zeit  des  zweiten  Stiass- 
burger  Stadtrechts  (1214)  war  in  Sirassburti  ein  bedeutender 
Weinmarkt ;  von  liiei  aus  wurden  die  Weine  auf  Schitleu 
den  Rb^n  binunt«'  nach  Kj^n  verfrachtet,  allwo  der  elsässische 
Wein  hoch  in  Ehren  stand,  um  von  dort  in  die  Niederlande, 
ja  bis  nach  England  verführt  zu  werden. 

In  jenen  allen  Zeiten  hörte  man  nie  von  Weinqualitaten, 
verschiedenen  Weinsorten  oder  Gewachsen  erzählen»  der  Wein- 
bau war  damals  noch  allzu  extensiv  betrieben;  und  gab  in 
jener  Zeit  keine  (grosse  Mannigfoltigkeit  in  den  Traubenvarie- 
täten.  Mit  Ausnahrno  der  zwei  Traubeng^attunj^en  fränkisch  und 
Heuniseh  linden  wir  in  den  rrkunden  jener  Zeit  keine  Trau- 
hen.-Liiteu  aiigfi^relieu,  und  wir  {glauben  nicht  irre  zu  *^eh(Mi 
vveaii  wir  behaupten,  dass  diese  zwei  Namen  die  Sammelriauien 
waren  von  verschiedenen  Traubenji^attuni^^en,  mit  dem  Begriffe 
gut  auf  einer,  schlecht  auf  anderer  Seile,  wie  man  heute  noch 
das  EdelgewSchs  vom  gemeinen  Gewächs  unterscheidet,  ohne 
dabei  auf  die  botanische  Verschiedenheit  der  Trauben  Acht  zu 
geben. 

So  erscheint  denn  in  der  Karolinger  Zeit  und  noch  bis 
spät  itt's  Mittelalter  hinein  der  Unterschied  von  Vinum  huni- 
cum  und  Vinum  Francicum  :  Kdel-  und  gemeiner  Wein.  Die 
Hunnen  mussten  damals  die  Bezeichnunfi  für  alK  -  S 'hlochle 
hergeben;  alles  Gute  dagegen  war  fränkisch.  Nun  haben  wir 


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—  24  — 


in  unserm  ebässischen  Reblunde  heute  noch  eine  ganz  gemeine 
Traube,  welche  die  Heuniscbe,  Grünbeunische  gtioanat  vrii-d, 
80  dass  man  daraus  achliessen  könnte,  dass  in  jenen  ersten  Zei- 
ten unseres  noch  jungen  Weinbaues,  als  die  Gaumen  unserer  Vor- 
eltern noch  nicht  an  Besseres  gewohnt  waren,  wohl  diese  Traube 
den  Hauptsatz  der  elsissischen  Weinberge  gebildet  hat.  Vom 
Rheineiben,  einer  anderen  elsässischen  Traubensorte  geht  die 
Sage,  dafs  es  die  fdteste,  sogar  einheimische  Trau})e  sei  ;  die 
Römer  hallen  sie  längs  tl^Mi  I'fern  de??  Rheins  vnr^refmulen 
und  sie  «  Rheni  all)a  uvn  »  ri  iiiul,  weisse  Traube  des  Rlieinr.s. 
Ihr  Name  deutet  entscliieden  darauf  hin.  Urkundlich  liaben 
wir  diese  Traubenvarieläl  nirgends  erwähnt  vorgefunden.  Es 
bildet  in  unseren  Zeiten  in  vielen  Gegenden  des  Elsasses  das 
gemeine  Gewächs,  der  Burger,  wie  der  Rheinelben  auch  genannt 
wird,  den  Hauptsats.  Dessen  Wein  ist  ziemlich  gut  und  er  lie- 
fert besonders  reiche  Erlrige.  Heunisch  und  Burger  sind  jeden- 
falls die  ältesten  Traubenvarietäten  unseres  Landes. 

Ein  allgemeiner  Qualitätsunterschied  lag  ferner  in  jenen 
Zeiten  hauptsächlich  in  der  Herkunft  des  Weines  ;  se  unter- 
schieden die  Strassburger  Weinmarktordnungen  unter  den  el- 
sässiischen  Weinen  nur  die  Ober-  und  Unterländer  und  die 
von  der  Zorn  :  von  fremden  Weinen  erwähnen  sie  die  Brei<- 
gauer  und  Oberländer  Weine  jenseits  des  Rheineai.  Alle  diese 
Weine  halten  ihre  eigenen  Standplätze  auf  dem  Markte,  damit 
man  durch  den  blossen  Ueberblick  desselben  Auskunft  erhalte 
über  die  Qualitäten«  wie  sie  wenigstens  durch  das  Ursprungs- 
land bedingt  und  charakterisiert  werden. 

Dann  unterschied  man  noch  Weiss-  und  Kothweine;  das 
rothe  Gewäcbs  wird  wohl  von  jeher  das  aus  Frankreich,  Bur> 
gund  zu  uns  herüber^jekummene  gewesen  sein,  das  heute  n(»ch 
als  Burgunder  l)ezei(  hnet  wird.  Dessen  Traube  betest  der  Pinot 
noir.  Die  elsässischen  Weinzinsverlräge  lantcn  meist  auf  Weiss- 
wein. In  ein»'!-  Lehiisnrknnde  von  'l''27U  idier  Rehen  in  der 
(reniarkun;:  <  »heisulz  spriidit  man  von  einem  Jahreszin^  einer 
Gar  rata  « Albi  vini  melioris »  Weisswein  besseren  Gewächses. 
Dieselben  Ausdrücke  kommen  vor  in  einer  Reihe  von  Urkun- 
den aus  jenen  Jahren  und  aus  jener  Gegend.  Zu  UQholz  erscheint 
um  l!254  ein  Weinsins  von  15  Karren  von  der  Hefe  abgelas- 
senen Rothweins:  cl5  carradas  vini  rubei defecati ».  Um  1430 
erbalt  das  Kloster  Marbach  im  Ober-Elsass  nicht  unbedeutende 
^^  !  -  en  Rothweinzinses  aus  den  Reben  des  Dorfes  Geberschweier. 
Im  allgemeinen  aber  stand  von  jeher  der  Weisswein  hierzulande 
in  grösstem  Ansehe-;,  nie  dies  auch  heule  noch  der  F'all  ist. 

Wie  wenig  dn-  nuaHtätsiuiterNi  Inede  in  jener  Zeit  zur 
Geltung  gelangten,  beweist  ferner  der  Umstand,  dass  es  in 


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—   !25  — 


den  Weinwirtschßften  immer  verboten  war,  zu  zwei  Preisen 
Wme  aussuscheDken.  Zu  einem  andern  Preise  durfte  man 
nur  geben,  wenn  das  anpre^stochone  Fass  leer  war  ;  und  der 
Weinschla^'  wurde  im  AVeinlando  immer  ohne  Anschauung  der 
Qualität  ITir  alle  Weine  einer  Gemarkung-  fest'^^e«=te!!t.  Damit 
war  al)ei  niclit  gesagt,  daf*s  die  Weine  zum  \V»Miis<  hla;^'spreise 
verkautt  werden  mussten ;  hier  natürlich  konnte  nur  Angebot 
und  Nachfrage  den  Preis  bestimmen.  Der  Weinschlag  war  wei- 
ter nichts  als  ein  oflfisieller  Mittelpreis,  der  bei  etwaigen  Um- 
rechnungen von  Weingfilten  in  GeJd  als  massgebender  Satz  an^ 
genommen  werden  mtisste. 

Auch  heute  wird  in  unsem  Rebddrfern  beim  Weinverltauf 
auf  die  Qualität  bei  der  Preisfestsetzung  nicht  viel  geachtet ; 
glei»  h  nach  dem  Herbst  bildet  sich  ein  Weinpreis,  der  mass- 
gebend ist  für  die  Verkäufer  aller  Weine  des  Dorfes,  ja  einer 
ganzen  Gegend,  ein  Preis,  den  Jedermann  zu  erhalten  trachtet, 
ohne  Rücksicht  auf  die  Sorte  und  OiialitAt.  Eist  in  nene-lor 
Zeit  entstand  mit  der  Kinführung  edlerer  Traubensorten,  als  Glev- 
ner,  Riessling,  Ruländer,  etc.,  in  einigen  vorgesciiritteneren  Ort- 
schaften des  Reblandes  die  Tendenz,  für  diese  besseren  Weine 
auch  höhere  Preise  zu  bekommen  als  für  den  gemischt  gelese- 
nen Wein.  Der  gemischte  Satz  und  das  gemischte  Einlagern 
der  Moste  ist  aller  heute  noch  überall  der  Hauptgebrauch»  ein 
Gebrauch»  der  von  uralten  Zeiten  her  auf  uns  überkommen  ist. 

Für  die  Zinsweine  schrei}>ed  die  Weinlehensurkunden  meist 
die  Abgabe  von  besseren  Weinen  vor.  Der  Grundherr  hatte  das 
Recht,  seine  Traul>en  zuerst  herbsten  zu  lassen,  sowie  dieselben 
von  dem  Orlu  des  Rebsliickes  zu  nehmen,  an  dem  er  «ie  als  die 
besten  befand  ;  dies  deutet  entschieden  auf  j^emisLhieu  Sritz 
hin.  War  aber  ein  Satz  edler  Trauben  im  Stück  (de  nobilio- 
ribus  vineis),  iu  musstc  vuu  iliesen  der  Zins  dargereicht  werden. 

In  einigen  Gegenden  des  Ober- Elsasses,  besonders  im  ol)e-  . 
ren  Mundalgebiete  (Ruffach,  Sultzmatt,  Orschweier,  Gebersch- 
weier,  u.  s.  w.)  findet  man  heute  noch  eine  Traube,  die  einen 
weitberQhmten  Wein  liefert :  die  c  Ol  wertraube  ».  Das  Bouquet 
ihres  Weins  ist  sehr  fein,  jedoch  dessen  Qualität  würde  heute 
nicht  mehr  den  Ruf  vergangener  Zeiten  behaupten,  daimu 
wird  auch  ihr  Anbau  ganz  verlassen  ;  die  Olwertrau))e  reift  in 
spüten  Jahrgangen  nicht  mehr  gut  aus.  Früher  fand  man  bei- 
nahe in  jedem  Reb'^^!n -k  einige  Zeilen  dieses  Gewächses,  und 
alte  Leute  haben  uns  (iie  Mitleilun^r  gemacht,  es  seien  dies  die 
Trauben  gewesen  von  tlenen  meist  der  Zehnt  und  die  Wein- 
zinsen gegeben  v\orden  seien.  W^arum  wurde  dann  aber  der 
Olwerwein  so  berühmt?  Wir  glauben  das  Richtige  zu  trefien, 
wenn  wir  annehmen,  dass  der  Most  im  Kloster-  oder  Pfarrkeller 


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26  — 


mit  Honig  verbessert  wurde;  von  jeher  waren  in  den  geistlichen 
Stiltungen  grosse  Bienenzüchter  und  gute  Kellermeister.  Das 
Beispiel  des  Ohvers  als  guter  Bouquettraube,  aber  von  minde- 
rer Weiuqualität  sticht  nicht  vereinzelt  da.  Bekanntlich  ist  die 
Riesslingtraube  nichts  weniger  als  eine  gute  Traube;  es  niuss 
schon  selir  gutes  Wetiei  geben,  bis  diese  Sorte  allein  geherbstet 
werden  kann  oder  unverzuekert  einen  feurigen  Wein  liefert. 

Wenn  wir  nun  die  Wetnbergsarbeiten  unserer  Zeit  mit 
denen  der  früheren  Zeilen  vergleichen,  so  werden  wir  leicht 
sehen,  dass  vom  13.  Jahrhundert  an  bis  auf  die  erste  Hälfte 
unseres  Jahrhunderts  kein  so  grosser  Unterschied  darin  be- 
steht, wie  man  ihn  der  Läng«*  der  Zeil  nach  wol  vermuthen 
möchte.  Wollte  man  streng  urteilen,  so  könnte  man  sogar,  ohne 
Unrecht  zu  begehen,  wohl  die  Behauptung  aufstellen,  dass  bei 
dem  Mangel  an  prenauer  Kontrolle,  wie  sie  das  mittelalterliche 
Hot-  und  Stadtpolizeirecht  kannte,  ilie  Arl>eiten  heutigen  Tages 
an  ixjrgläliigkeil  geiren  jene  Zeiten  an  manchen  Orlen  und  aui 
manchen  Gütern  eingebüsst  haben. 

Was  die  Auswahl  des  Standortes  der  Rebanlagen  betrifft, 
so  darf  man  wohl  uerolich  sicher  annehmen,  dass  zu  allererst 
durch  die  kleineren  Landwirte  immer  diejenige  Stellen  dafür 
ausgewählt  wurden,  welche  am  wenigsten  Mühe  verui*sachten, 
somit  nicht  diejenigen  Standorte,  die  zu  unserer  Zeit  die  iwslen 
und  berühmtesten  Weine  hervorbringen.  Darauf  weist  schon 
das  öftere  Vurkommen  von  liebgewannen  mit  dem  Namen  Reh- 
garten hin  ;  das  Gartenland  fand  sich  eben  immer  in  nächster 
Nähe  des  Dorfes  und  der  Wohnungen.  Wo  nicht  schon  die 
liuiiier  Hügelrelien  angele^ft  halten,  wurden  diese  erst  am  Knde 
des  Allmendausl)aues  angepllanzt. 

Wenn  man  Weinberge  anlegt,  so  beginnt  man  mit  dem 
Ziehen  von  Gräben,  von  welchen  je  einer  dne  oder  auch  zwei 
Reihen  Stöcke  erhält ;  der  zu  beiden  Seiten  aufgeworfene  Grund 
heisst  der  «Balken»:  ein  kleiner  Damm.  Wo  diese  Balken 
sehr  breit  gemacht  werden,  da  treibt  man  Zwischenkultur  dar- 
auf. Im  Niederei -av^e,  zu  Oberehnheim  z,  B.  hat  sich  bis 
heul/ula^e  eine  Anlageweise  erhalten,  die  wohl  aus  uralten 
Zeiten  herstammen  dürfte,  aus  der  liodungszeil,  wo  des  mangeln- 
den Betriebskapitals  wegen,  man  ^■^ezwiinpren  'war  langsamer  zu 
Werke  zn  -eh.Mi,  wed  dann,  zumal  in  den  schwierig  zu  roden- 
den, mit  (lesti  Mjiji  lieilcv  kten  Waldhügeln  der  Allmend,  dadurch 
die  erstea  Arda^ekoslen  vermindeit  wurden.  Hier  pflanzt  man 
also  zwei  Rebenreiheu  so  weit  au.seinander,  dass  man  später 
von  ihnen  aus  eine  Reihe  in  der  Mitte,  durch  Verlegen  cVer- 
gruben»  von  Stöcken  bilden  kann.  Dieses  zweifellos  sehr  alle 
Verfahren  wird  aber  jetzt  immer  mehr  verlassen.   Es  kann 


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durch  keine  technischen  Torzüge  sich  stützen  und  rechtfertigen ; 
nur  die  in  früheren  Anlageperioden  herrschende  extensive 
Kulturart  der  Rehen  kann  es  uns  erklären  und  für  jene  Zeiten 

als  be>?ründel  erscheinen  Ktssen. 

Die  Rebensetzlinge  sind  entweder  Blindhölzer  «Klaben»  oder 
Wurzelreben  «Würzlinge^.  H  mdi  Vergruben  sind  es  Absenker 
eines  älteren  Slockes.  Im  Durchschnitl  sind  heute  die  Slörke 
nich  beiden  Seiten  hin  1  m  dis  1.20  ui  eutfernt,  auch  lindel 
uuiii  Reh^nlagen,  wo  in  der  Reihe  die  Stöcke  nur  80  cm  weit 
auseinaniler  stieben,  In  ganz  alten  lieben  ist  oft,  durch  das 
athnfthlige  Verziehen  der  Stöcke  beim  jährlichen  Aufstellen  und 
Richten  der  Weinpföhle,  dem  s.  g.  cSticken»,  im  Laufe  der 
Jahre  die  Reihe  ganz  verschwunden,  und  das  Stück  erscheint 
dann  nicht  mehr  slockrecht,  wie  der  Winzer  sagt.  Die  jungen 
Stöcke  sind  sorgfältig  zu  pflegen,  besonders  vor  Verunkrautung 
zu  schützen;  im  dritten  Jahre  tragen  sie  dann  die  ersten 
Trauben  ;  einen  vollkommenen  Herbst  erhält  man  jedoch  erst 
mit  dem  fünften  Lauhe.  Die  Hauptarbeiten  im  Weinberge  sind 
der  Reibe  naeli : 

1.  Das  i>chneidea.  Beschneiden  der  Stöcke;  2.  das  Sticken, 
Aufstellen  der  Rebpfahle;  3.  das  Anl)inden  der  Stocke  an  die 
Ptuide,  «Sleckeni)  ;  4.  das  Diej^en  der  beim  Schneiden  stehen 
gebliebenen  Ruthen,  cGerlen» ;  5.  das  erste  Hacken ;  6.  das 
Heften  der  grünen  lang  gewordenen  Schosse ;  7.  das  Verkürzen 
der  Trauben  tragenden  Aeste  und  Aushi-echen  der  Austriebe 
am  alten  Holze,  «Verbrachen»;  8.  das  zweite  Behacken  oder 
«Rühren»,  oft  auch  ein  drittes;  9.  Einkürzen  dei-  Jahrestriebe 
im  August  zur  r>etördening  der  Holzreife ;  iU.  Auslauben 
«Riumen»  zur  Beförderung  der  Tranbenreife ;  di.  Herbsten; 
12.  alle  fünf  Jahre  wird  gedüngt.  Diese  Angaben  halten  wir 
zum  besseren  Wi sliiiidni«;;«  des  Xachful^emlen  für  geraten. 

Im  MitleUilier  tiiulen  wir  in  einei-  Üolniarer  Verordnung 
von  1438  folgende  Rebarbeiten  aufgezahlt: 

1.  Schneiden;  2.  Sticken;  3.  Vergruben  und  Äufwerfen 
der  Gruben  im  Voraus ;  4.  Binden ;  5.  Biegen ;  6.  Hacken ; 
7.  Heften  ;  8.  Röhren ;  9.  Verbrechen  ;  10.  Räumen  ;  11.  Dfin- 
gen ;  12.  Herbsten  ;  13.  Pflhle  ausziehen  nach  Herbst  (geschieht 
heute  noch  in  0>lmarer  Gemarkung  auf  der  Au,  aber  nur  in 
diesem  Gewanne),  denn  es  werden  14.  die  Stöcke  über  Winter 
in  die  Erde  gelegt,  um  sie  vor  Winlerfrost  zu  schützen. 

Um  1471  erwähnt  eine  Mülhauser  Weinbauverordnung 
folgenden  Arljeitenrykhi'^  : 

i.  Schnellten;  '2,  Sticken:  3.  Anbinden;  4.  F>\e\ieu  ;  5. 
Hacken  ;  6.  Grui)enanflhun  zum  Versenken  von  Ersatzstocken  ; 
7.  Düngen  ;  8.  Heften  und  Verbrechen ;  9.  erstes  Rühren ;  10. 


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zweites  Rühren;  11.  Rfturoen  celQdmachen»  so  viel  als  die 

Staude  ausrichten  ;  12.  Herl)sten. 

Aus  diesen  zwei  Arbeitskalalogren  ersehen  wir,  dass  unsere 

heutijjen  Reharbeilen  einer  sehr  alten  Praxis  entspnngen. 

Erst  wenn  wir  hi«  in's  13.  Jahrhundert  zurück;rehon,  finden 
wir  ein  viel  weni^^cr  sorj^-^laltiges  uiui  iiiton?=ives  Kuhurvcrlahren 
in  den  Ouciifu  angeyeljen.  Im  Polyplicho>n  des  Ables  Edeiinus 
von  Weissenburg^  (1202 — 93)  finden  wir  nur  folgende  Rebar- 
beiten verzeichnet: 

1.  Putare,  Schneiden:  5i  Sticlien ;  3.  Vincire,  Binden;  4. 
Fodere,  Hacken ;  5.  denuo  federe,  zweites  Hacken  i  6.  fimare, 
stercorare,  Düngen  und  7.  Herhsten. 

Eine  Vorschrift,  die  wir  einer  Urkunde  der  schweizerischen 
Abtei  Muri  aus  dem  XI.  Jhdrt.  entnehmen  (die  Abtei  hatte 
zu  jenor  Zeit  Güter  im  Elsasse),  lässt  uns  granz  genau  in  die 
damabgen  Gebräuche  hineinbUcken.  Die  Urkunde  sagt :  Jeder 
Rehmann  soll  in  seinem  Mnnnwork  (quod  imi  viro  commiltiiur 
ad  colendum)  alle  Jahre  siclien  ^Va;;«'n  seines  eigenen  Mistes 
einführen  (dasselbe  auf  den  Rebgütern  von  Maursmünster) ; 
dann  soll  er  die  Reben  schneiden  nnd  anbinden  ;  somit  war 
<las  Dungeinführen  übei  Winter  gemacht.  Ferner  soll  er  zwei 
Mai  mit  dem  Karste  bauen  (Hacken)  und  die  Reben,  nachdem 
die  Gruben  dazu  gemacht  worden  sind,  wenn  not  ig  verpflanzen 
und  ersetzen,  ja  vermehren;  sie  mit  einem  Hage  oder  auf 
sonstige  Art  beschützen,  auch  soll  er  Sorge  tragen  das  zum 
Bepfählen  nötige  Holz  aus  eigenen  Mitteln  sich  zu  beschaffen ; 
wenn  dann  die  Trauben  gross  sind,  soll  er  die  Stöcke  ausputzen, 
{das  obenerwähnte  Räumen)  und  dem  gemeinen  Bannwarlen 
seinen  Lohn  geben.  Wenn  zu  Osterzeit  die  Reben  norh  nicht 
^-■e^i  liiiitleii  und  geharkt  waren,  so  wurde  der  Winzer  gericht- 
li(di  und  holVechllich  Ijolangt,  das^olbe  geschah  auch,  wenn  um 
Joliunni  herum  die  Rehen  i\o<\\  nichi  /.um  zw<Mten  Male  gehackt 
und  aufgeheftet  worden  waren.  Nach  Vandalberl  (X.  Jhdrt.)  fand 
damals  der  Schnitt  im  Februar  statt  und  zwei  Monate  später, 
im  April  steckte  man  die  Pf&hle  und  die  zweizinkigen  Gabeln^ 
um  die  Gerten  mit  Bast  daran  zu  binden.  Gewöhnlich  fiel  der 
Herbst  in  den  Oktober,  es  ist  unberechtigt,  wenn  einige  be- 
haupten, früher  sei  die  Lese  vor  diesem  Termine  vorgenommen 
worden.  Septetul  erhet  hsie  sind  von  jeher  eine  Seltenheit  und 
ein  Zeichen  guter  Jahrgänge  gewesen. 

Die  Trauben  wurden  mit  den  Füssen  auf  der  Kelter  ge- 
treten, was  Karl  der  Grosse  in  meinem  Cnpitulai»-  de  Villis 
verbnten  hat.  weil  er  dabei  die  Reinhchkeit  veiiais:>te.  Dieser 
riobrauch  bestand  im  elsä«=i«ch*>n  Reblande  bis  auf  un>ere 
Taj^e  vielfach  fort ;  erst  in  uer  zweiten  Haltte  unseres  Jhrdt's 


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-  29  — 


ward  er  auO^^e^rebeD,  doch  wir  m&chten  keine  Wette  darauf 
eingehen,  dass  er  überhaupt  niijj^ends  mehr  geübt  werde.  Aus 
rein  technischen  Gründen  kann  das  Treten  nicht  gerade  ver- 
worfen werden :  die  Trauben  werden  dabei  besser  gemischt ;  und 
e?  [riebt  Oenologen,  die  behaupten,  es  fördere  sogar  die  Cfib- 
rung  und  die  Ho^quHcntwickeIunu^  Tn  neuerer  Zeit  hat  mal» 
aber  Maschinen  geliaut,  die  das  Misciieii  ebenso  gut  und  jeden- 
faii.s  achneller,  auch  liilhger  besorgen. 

In  den  ältesten  Urkunden  finden  sich  sogar  nur  folgende 
.  Rebarbeilen  angegeben  :  1.  Putare,  Schneiden,  2.  fodere,  Hacken 
und  3.  Kaden,  was  selbstverständlich  eine  vierte  voraussetzt :  • 
4.  das  Bepfählen.  Wohl  hat  man  in  jenen  ähesten  Zeiten  den 
Stock  noch  nicht  so  aufgeputzt  wie  sp&ter;  da  waren  wohl 
öberali  die  Stöcke  nur  ganz  klein,  Kopfschnitt,  und  die  Gerten 
wie  es  Vandnlhert  andeutet,  wurden  nur  mit  hölzernen  Gabeln 
hoch>  und  festgehalten.  Vielleicht  war  sogar  das  Düngen  nicht 
regelmässig  ;  findet  man  ja  houtijren  Ta^-es  noch  immer  Gewanne, 
deren  Reben  man<  hinal  in  *2l0  Jahren  kein  einziges  Mai  Dünger 
bekommen.  Dessihalb  wird  doch  geheihstet. 

Vom  13.  Jahrhunderl  ab  also  sehen  wir  in  der  Zunahme 
dei  jälirlichen  i lebarbeiten  einen  Fortschritt  in  der  Technik 
des  Kebbaues,  der  sich  dann  im  14.  Jhrdrt.  in  Colmar  schon 
ganz  auf  derselben  Höhe  befindet,  wie  in  unseren  Zeiten  selbst. 

Alle  Weinbauordnungen  schrieben  vor,  bis  zu  welchem 
Termin  die  Arbeiten  fertig  sein  mussten,  so  die  Bergheimer 
(Kr.  ßappoltsweiler) :  Schneiden,  Sticken,  Biegen  und  Hacken 
sollen  auf  Georgitag  (23.  April)  fertig  sein;  Erbrechen,  Heften 
und  Rühren  sollen  auf  Johanni  gemacht  sein;  das  Schiben 
und  Rümen  auf  Barlholomäustag  (24.  August).  Die  Arbeiter 
wurden  durch  Schauer  he^^ichtigt,  im  Auftrage  des  Bau^redings, 
das  auch  ril)er  sclilechle  Arbeiten  urteilen  musste.  In  einer 
Reihe  von  \'(Mkaul.-5-  und  Lehen.->urkunden  wird  immer  von 
einem  grundh»'rrlichen  Boten  des  Klosters  St.  Leonhard  zu 
Basel  gesprochen  (XIII.  Jhdrf.,  Lei  Tiouillat),  welcher  die 
Reben  zu  beetchtigen  kam  und  der  Weinlese  auf  Kosten  der 
I^henshalter  anwohnen  musste,  um  den  ausbedungenen  Wein- 
zins entgegenzunehmen. 

Unterrichtend  sind  die  Bedingungen  eines  Weinlehns  von 
1402,  welches  Kloster  Marbach  (Kr.  Colmar)  einem  gewissen 
Henselin  Bartscher  zu  Ammerscliweier  über  Reben  im  dortigen 
und  Sigolsheimer  Banne  von  1  Acker  und  1  Viert zel  =  25  Ar 
Flärhengohnlt  erteilte :  der  Lehensinhaber  muss  die  Reben 
misten,  dün^-^»'!),  und  sie  so  halten  und  bauen,  «mit  allen 
Würchten  (Aiijeiien)  nach  beder  l)ennen  re<"bt  und  gewohnheit 
ane  geverde  und  soUent  er  und  sin  erben  jerlich  daruf  tun  zwei 


r 

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—   30  — 


fuder  mistes  und  sollen  denselben  mist  ungeverlich  uf  die  guter 
teilen  und  dehein  voitheils  dar  inne  suchen«. 

Das  Kloster  hat  »las  Recht  diese  jährlich  tu  heFchniicn,  und 
falls  cMisswOrchte»  konstatiert  würden,  soll  der  Inhaber  nach 
Crtoil  tler  e)»r})aren  Leute,  weiclie  die  Reben  schauten,  dem 
Kloster  Clenü^^e  tliiin. 

Aii>  <\ov  mannigfaltigen  ui  kundlii  lien  I 'eberliefei'unfr,  he- 
suntler>  aus  Hen  Güterverzeichni^sea  unserer  elsässisrhen  Ab- 
teien, geht  hervor,  dass  die  Inhaber  einiger  iJieuislhutcu.  aut 
welchen  zugleich  grund herrliche  Reben  verbunden  waren,  all- 
jährlich von  ihrem  selbstgewonnenen  Dünger  in  die  Frohnreben 
bringen  musslen ;  in  den  Reblehensurkunden  stand  auch  immer 
eine  diessbezögliche  Clausel,  welche  vorschrieb,  wie  gedüngt 
werden  musste.  Es  wurde,  da  aiyährlich  dieselbe  Menge  DQngers 
eingetragen  werden  musste,  eine  gewisse  Rotation  bei  der 
Düngung  eingehalten.  Im  obigen  Murbacher  Beispiele  sehen 
wir,  dass  nuf  ein  Rebgut  von  25  Ar  jährlich  2  Fmler  bünger 
eingeführt  werden  mussten  ;  zwei  Fiidei-  Dfinfjer  reichen  aber 
zur  Dilnp^ung  von  5  Ar,  somit  tinden  wir  hier  den  allseits  im 
Reblaniie  heute  noch  üblichen  fünfjahri'^en  Düngungsturnus. 

Bei  dem  schon  erwähnten  Beispiel  von  Muri  werden  auf 
ein  Mannwerk  Reben  alljährlich  sieben  Ca rradas  Dünger  (Karren, 
wie  diese  Fahrzeuge  heute  noch  im  Reblande  in  Gebrauch 
stehen)  einzufSbren  vorgeschrieben.  Ein  Mannwerk  ist  aber  20 
Ar ;  7  Karren  reicht  gerade  für  4  Ar  aus,  somit  auch  hier 
ein  ffinfjahriger  Turnus. 

Im  15.  Jahrhdrt.  war  zu  Colmar  die  Düngung  der  Reben 
ebentalls  alle  fünf  Jahre  vorgeschrieben.  Wie  das  Düngen  wai 
aueh  das  Erneuern  der  Reben  unterm  nllen  Rennde-\\'trts(  hatts- 
.'^ystein  mit  seinen  Frohnden  eine  jiUirlicti  wiederkehrende  Arbeit, 
\\(d(  iie  duich  die  Gehöfer  geleistet  werden  musste  ;  das  Erneuern 
<iei  Helsen  gt'S(  liieht  entweder  durch  Neuanptlanzen  von  \\'ur7.el- 
reben  oder  auch  und  /umeist  durch  Vergruben.  So  finden  wir 
im  Weissenburger  Gutsverzeichnisse  zu  Altenstädt  bei  Weisseu- 
burg  Diensthufen  cHobae  ad  opus  domini  abbatis  pertinenles» 
welche  cad  transplantandas  vites»  zum  Vergraben,  Verpflanzen 
der  Reben,  copus  sufQciens»  alle  erforderliche  Arbeit  frohnde- 
weise  leisten  mussten. 

Zum  Weinbau  bedurfte  man  aber  der  Weiden,  Piilble, 
Fässer  und  Reifen.  Die  Weiden  wurden  durch  Anlagen  in  be- 
sonderen Gewannen,  prewöhnlich  auf  nnhon  gut  liewäs-erten 
Wiesen,  wd  sie  sieh  heiitc  noch  hefinden.  anf:el'aüt  und  bildeten 
iiiesellien  sowie  ilic  .mdt-ien  obgenannten  ( ieut-nslände  oft  auci{ 
eine  Fruhndal^jialje  der  Hutner  an  den  Griindlierrn.  Das  Pt'ald- 
holz  wurde  durch  d:e  Gehuler    m    trülieien  Zeiten,   wo  die 


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Beundewirlijcliaft  noch  hlühle,  aus  ihrem  Hufeaanteile  am 
Markwalile  entnommen,  sowie  auch  das  Fasslio!/,  das  Brennholz 
und  die  Heiff^  zum  Binden  der  Weinbottiche  uu<]  snn«;}i^en 
Herlisf^el'.i.-.-e  ;  inrinrhmal  und  in  den  mei>l0M  Fallen,  wohl  wo 
nichts  Nfiherrs  danii»'!-  an?e{?ebon  wird,  sind  al<er  (ht-  in  den 
Polypiichen  erwälinteu  Holzluhren  nut  solche  von  Holz  aus 
dem  Kammerwalde,  dann  wai'en  die  Hufner  nur  zum  Hauen, 
Zubereiten  und  Heimfahren  des  Holzes  verpflichtet.  Wo  dann 
das  Holz  an  den  Kellerer  abgegeben  werden  musste,  da  können 
wir  wohl  darin  Fass-  oder  sonstiges  Daubenholz  erkennen ;  nur 
an  zwei  Stellen  des  Edehnischen  Veizeichnisses  von  Weissen- 
hurjr  begegnet  uns  eine  Abgabe  für  Kassreife,  al^  nicht  die 
IStMl«'  selbst  wurden  mehr  geliefert,  sondern  eine  kleine  Geld- 
ahj;;d)e  (»rsfnttet :  an  Marift  Geburt  (8.  Septemh«'i )  2  Pfennige 
und  einen  Heller,  ferner  für  Pech  und  Reife  ö  Pleniii>;e.  Im 
Xni.  Jhdrl.,  in  der  Zeit  der  Ahfassuu.;;  des  ei  \\;dinten  Inventars 
von  Weissenburg,  wni-  i-heii  die  Reundewirtschaft  mit  ilnen  Frohn- 
arheiteii  schon  stark  duichbrocheii.  Die  Frohnarheilen  wurden 
von  Jahr  zu  Jahr  schlechter ;  die  späteren  Besitzer  von  Dien^$t- 
hufen,  welche  vielleicht  auch  mit  anderen  namhaften  privaten 
Lasten  bel^t  worden  waren,  sahen  sich  durch  die  Frohnar- 
heiten  beim  Grundherren  allzusehr  bedrückt,  und  dies  konnte 
auf  die  Gewissenhaftigkeit  der  Leistungen  nicht  anders  als 
deprimirend  einwirken.  Daher  finden  wir  im  XU.  Jhdrt.  schon 
in  der  Mark  Maursmünsler  die  Frohnden  der  Triduani,  d.  h, 
der  Diensthufner,  welche  drei  Ta*^e  in  der  Worhe  frohnen 
mussten,  dureh  «  ine  Geldah-,die  von  einigen   l)er)nien  ersetzt. 

Auch  wichtigere  Weiniierg.sarheilpn  in  den  Fiohnbergen, 
wie  das  Schneiden,  das  Hacken  und  Bimlen  wurden  zu  Alten- 
städt bei  Weissenburg  mit  Geld  geleistet ;  5  Denare  für  das 
Schneiden ;  10  för  das  erste  Hacken ;  4  Denare  fiir  das  zweite 
und  3  für  das  Binden.  Solche  Beispiele  könnten  aus  vielen 
anderen  Teilen  des  Elsasses  noch  mehr  mitgeteilt  werden  ;  zur 
Bereitung  der  Kelter  und  Instandlialtung  des  Kelterbauses ;  zum 
Instandselzen  der  Herbstgelasse  und  zur  Weinlese  mussten  die 
Altenstädler  Hufner  aber  damals  noch  (XIII.  Jhdrt.)  die  nötige 
Arbeit  leisten.  Solche  Frohnarbeiten  finden  wir  eltenfalls  in 
den  Urkunden  Maursmimsters  sowie  in  den  verschiedensten 
Weistüniern  aus  dem  elssäsischeu  Weiid  indt'. 

Mit  dem  Masse  aber,  als  diese  Arbeilen  im  l^infe  der 
.lahre  in  Geld  umgewandelt  wurden,  wuchs  natürlich  aucii 
die  persönliche  Freiheit  der  Rebenarbeiter;  nach  einigen  Ge- 
nerationen kannte  Niemand  mehr  die  Begründung  jener  Pfen- 
nige ;  dann  wurden  sie  am  Ende  gar  abgelöst  oder  nachgelassen ; 
denn  deren  Einzug  kommt  meist  teurer  zu  stehen  als  ihr  Eiirag. 


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—   3'i  — 


So  Warden  die  Rebarbeiter  oder  die  Hufenbesitzer,  welche 
solche  Frohnden  verrichten  musüten,  mit  einem  Male  ganz 
freie  Leute.  An  Stelle  der  alten  Beundewirtschafl  mit  ihren 
Frohnden  trat  nun  die  gewöhnliche,  einträglichere  Zeil-  oder 
Erbpacht  zu  einem  gewissen  Teile  des  Erlra«;res. 

Mit  dei"  Zeit  verschwindet  sogar  noch  das  einzi*;»'  HofVechts- 
band,  die  Jjingptlielit  und  lia.-?  feudale  iJanornlehn,  deieii  Ver- 
pdichtungen  zum  Ersclicinen  beini  Huoixiing-  immer  lästiger 
vvuid<in.  Dieser  Befreiungsprocess  wird  uns  auch  deutlicher 
entgegentreten,  wo  wir  von  der  hofrechtlichen  Weinbaugenos- 
senschafl  und  ihrer  Auseinandersprengung  handeln  werden. 
Wir  können  ihn  hier  nur  flüchtig  andeuten. 

In  den  StSdten  finden  wir  dann  einen  eigenen  Reharbeiter^ 
stand,  der  sogar  als  cBebleutzünfte]»  oder  cc Winzerzünfte» 
zünftige  Verfassung  hatte,  wie  die  anderen  Handwerlcer. 

Zu  Ck>lniar  (1605)  musste  jeder  Bürger,  der  Rebmann  werden 
und  Rehen  zur  Bearbeitung  in  Verding  nehmen  wollte,  zuvor 
folgende  Probe  bestehen  :  1.  Muss  er  jeden  Stock  nach  Art 
und  Gattiini,'  erkennen,  besonders  sollte  er  darthun,  dass  er 
folgende  Tiaulien Varietäten  erkennt  :  Kdell raube  (lieute  Ruth- 
edel,  Traiainer,  lleiligensteiner  Klüvner),  den  Burger  (gemein 
Gewächs,  weiss  Gemeines,  Rheinelben),  die  Heuniscbe  (Grün- 
heunisch),  den  Olber  (weisse  Bouquettraube)  und  das  rothe 
Gewächs.  Femer  muss  er  beweisen,  dass  er  vergruben  und  an- 
pflanzen kann.  Die  «Kr&flzen»,  Gruben  darf  er  in  Abwesenheit 
der  Schauer  ausführen,  aber  setzen  muss  er  unter  ihren  Augen ; 
endlich  muss  der  Zunftkandidat  ungeAfar  einen  halben  Schatz 
schneiden,  sticken  und  anbinden.  Hat  er  all  dies  bestanden, 
so  wird  ihm  verstattet  Reben  im  Verdinge  anzunehmen,  wo 
nicht,  so  muss  er  ^\eh  noch  weiter  ausbilden.  In  allem  anderen 
gleichen  die  Ziinflvoi st  hiitien  der  Winzer  denjenigen  aller  an- 
deren städtischen  Zünfte. 

Der  Herbst  gab  in  jenen  Zeiten  so  ziemlich  dasselbe  lebhafte 
Bild  wie  noch  heute  ;  die  Arbeiten  waren  dieselben,  und  das  dabei 
eingehaltene  Verfahren  hat  sich  bis  in  unsere  Tage  erhalten ; 
erst  in  neuerer  Zeit  kommen  verbesserte  Kelter«  und  Zerklei- 
nerungs-Maschinen zur  Anwendung.  Noch  heute  stehen  im 
Reblande  viele  Keltern,  welche  über  dreihundert  Jahre  alt  sind ; 
diejenige  meines  Vaterhauses  stammte  von  1580,  welche  Jahres- 
zahl in  zierlichen  Charakteren  oben  am  Kelterbaume  eingehauen 
war.  Das  Treten  der  Trauben  auf  dem  Kelterboden  ist  nir^rends 
mehr  id)li<  h,  oder  doch  nur  noeh  selten  wohl  anzutreten.  Die 
grossen  Rehi)esitzer  halten  ihre  ei^f<'nen  Keltern,  daneben  gab 
es  aber  ati' h  Bannkeltei-n  der  Grundherren  oder  der  Gemeinden; 
der  Kelterzwang  bestand  aber  bereits  im  XVI.  Jhdrt.  in  unseren 


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—  33  — 


fiehorten  nirgends  mehr  ;  die  Gemeinde-  oder  ßannkelter  diente 
eben  nur  den  kleineren  Rebbesitzern,  welche  keine  eijjene 
«'IVottcD  besassen,  und  diese  Verhältnisse  triflft  man  noch  in 
manchen  Ortschaften  des  elsässischen  Weinlandes. 

Einige  Wochen  vor  der  Traubennife  wurden  die  Weinberge 
durch  die  grundherrlichen  oder  Gemeindebeanilen  geschaut  und 
dann  ward  der  Bann  als  geschlossen  erklärt ;  für  die  Zeit  bis 
zum  Herbsie  wurden  HOlfebannwarte  bestellt^  und  Niemand 
durfte  ohne  obrigkeitliche  Erlaubnis  die  Wege  des  Rebgeltodes 
betreten.  Dies  geschieht  auch  heute  noch  in  vielen  Gemeinden 
des  Reblandes. 

Was  nun  die  Weinbehandlung  im  Keller  hetrüny  so  unter- 
schied sie  sich  nicht  wesentlich  von  der  heutigen,  allgemein 
üblichen  Kellerwirtschaft;  nirgends  mehr  als  auf  diesem  Gebiete 
sind  unsei-e  elsfis^iisclir'n  Weinhaiiocu  im  altgewohnten,  enipi- 
rist'h  aus^ei)ildeteu  Schlenilrian  yt;i)liei)ea.  Ja  wir  behaupten, 
da>s  heutigen  Taf^'es  henn  kleinen  Hauer  allgemein  und  auch 
vielt"ai:h  beim  j^rosisereu  liebbe.^itzer,  die  Weine  schlecliler  ge- 
ptlegt  werden,  als  in  den  Kellereien  der  Grossbesitzer  früherer 
Zeit  oder  der  Klöster  und  anderer  kirchlichen  Stiftungen.  Die 
GQte  der  Klosterweine  war  allbekannt,  die  Mönche  waren  von 
jeher  «Passes  maitres»  in  dieser  Beziehung.  Der  Honig  wurde 
vielfach  zur  Verbesserung  der  Weine  verwendet,  und  die  Bienen- 
stöcke sowie  zahh^iche  Gewürzpflanzen  fehlten  gewiss  in  keinem 
Klostergarten. 

III. 

Zum  ijciilusa  bleibt  uns  nur  noch  übrig,  das  Lehnverhält- 
nis  der  Weinbauern  etwas  näher  zu  betrachten,  um  so  dadurch 
zur  Erkenntnis  zu  gelangen,  dass  gerade  in  diesem  Lehnver^ 
hältnisse,  welches  die  alte  .Unfreiheit  der  Weinbauern  schon 
sehr  früh  beseitigte,  der  Keim  zu  ihrer  recht  frühen  Emanci- 
pation,  zur  Befreiung  vom  Hofrechte,  gelegen  bat.  Da  die 
Weinbauern  anfänglich  als  fachlich  ausgebildete  Arbeiter  deta. 
Grundherrn  angehörten  und  nur  der  grundhen  lii  lien  Reben 
wegen  gehalten  wurden,  anfänglich  auch  nicht  jeder  Bauer, 
jeder  Höri^^e  Rebmann  war  und  «ein  konnte,  so  wurflen  sie 
durch  da<  HotVecht  wie  beamtete  Handwerker  behandelt  ;  sie  er- 
hielten dei'  Zeit  i^'oniä-.s  als  Entirelt  ihrer  Arbeitsleistungen  auf 
dem  grundherrlichen  Salgule,  ein  kleines  oder  auch  grosseres 
Gut,  als  ministerialiscbes;  so  zu  sagen  als  Aratslehen.  Noch  in 
der  karolingischen  Zeit,  zur  Zeit  der  schriftlichen  Alifossung  der 
Lex  salica,  derjenigen  Handschriften  zumal,  in  denen  von  den 
Reben  und  den  Winzern  die  Rede  ist,  waren  die  Bebleute 
mit  den  Handwerkern  auf  eine  Stufe  gestellt.  Schon  durch  ihr 

3 


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liDhen-s  Welir^reld  <,'eueiinlier  dem  «^'eineiiien  Bauern,  slamien 
die  Kel)leuto  weil  über  diesem.  Unter  der  Guast  reicheren  Er- 
trages eiue.-j  yelernten  Handwerkes  einerseits,  sowie  anderseits 
der  an  sich  höheren  Einkünfte  aus  dem  Weingut,  welches  bald 
als  selbständiges  Weingut  vom  Hufenverbande  sich  los  und 
frei  machte,  musste  der  Winzerstand  recht  bald  zu  einem 
«wirklich  bevorzugten  Bauernstände  sieh  erbeben.  J>ie  Win- 
geribauerschafl  bildete,  um  mit  Lamprechl  zu  reden,  ein  wah- 
res Mittelglied  zwisciien  höherer  Ministerialität  und  bäuerlicher 
Hofgenossenschüft  ;  die  Weinbauern  wurden  die  Arislokratie 
der  j^rundhörignn  Bewohner  einer  Ge^-end.  Während  in  frühf?- 
ren  Jahrhunderten,  bis  liTs  XI.  hitiein,  (ho  \  erk.uifsurkiinden 
mit  dem  verkauften  oder  verlaust  htcn  Gule  .-sehr  ott  unfreie 
Winzer  erwähnen,  verschwinden  in  der  zweiten  Hälfte  des 
Mittehdters  solche  Angaben  j^an/.  aus  den  Urkunden.  Einmal 
wol,  weit  man  immer  mehr  zur  Ueberzeugun^^  gelan),nc,  dass 
der  Verkauf  von  Menschen  als  Sachen  nicht  am  Platze  war,  und 
zweitens,  weil  mit  dem  Hofrecht  die  volle  persönliche  Uiifmbeit 
aufgebobeo  worden  war.  Während  in  frühester  Zeit  der  Verkaut 
«der  Umlausch  von  Mancipien  an  sich  gestattet  war,  so  kennt 
das  Hofrecht  nur  noch  die  Veräusserung  dei>ell>en  »nit  dem 
(irite,  aut  dein  <-\q  Sassen.  Sobald  nun  einmal  überall  Rel»ei) 
aiigele^-^l  woideii  waren,  sobald  jeder  Hownhner  eines  Weindorle- 
ein  AViiiZfi-  war,  da  ward  weder  eine  Veräiis-eriin^'  mit  dem  Gnie 
noch  eine  solche  ohne  das  Gut  mehr  notwendig.  So  jrlauben 
wir,  waren  es  zumeist  vvirt.sclwltlicho  Ilucksichten,  mehr  noch 
als  siltlich-relij^iöse,  welche  zu  diesem  Fortschritte  ij^efidnl  haben. 
In  fietracht  kommt  dann  hiefOr  auch  der  Ersatz  der  Frohn- 
arbeiten  durch  Geldabgaben.  Das  älteste  urkundliche  Beispiel 
hieffbr  finden  wir  in  den  Urkunden  der  Alitei  Maursmünster 
um  1120.  Von  da  an  war  ein  Verkauf  des  Winzers  durch  den 
Grundherrn  unnötig.  Es  war  dies  ein  erster  Sclu'itf  zur  Befrei- 
ung; es  bedurfte  nur  noch  der  Sprenixung  aller  hofrechtlichen 
Rande,  welche  die  Weinlehn};ehöferschaft  zusammenhielt.  Am 
wirksamsten  war  hierfür  die  Aufhehnn^'^  der  IHnp-pflicbt  der 
H<>fnf»n.»^sen,  wie  wir  dies  fiir  Geljw eiler  erfalnen,  wo  schon 
IUI  Jaiiro  144-4  der  Dinghof  zu  Gebweiler  durch  Alit  Dietrich 
von  Hausen  ,  Piulal  von  Murbach,  autgehoben,  und  die  Güter, 
die  zu  ihm  gehörten,  in  einfache  gemeinrechtliche  Erbpachten 
umgewandelt  wurden. 

Aus  dem  frühmittelalterlichen  feudalen  Rehzinslehen  ward 
eine  einfache  landrechtliche  Erbpacht.  Solehe  Erbpachtgüter 
konnten  dann  zwischen  den  Erben  geteilt  werden,  was  ohne 
Erlaubniss  des  Grundherrn  mit  den  feudalen  Lehngütern  nicht 
geschehen  durfte.  Aus  vielen  Urkunden  ersehen  wir,  dass  die 


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—  35  - 


Eigentümer  einer  Lehnhube  oder  eines  Menlage^s,  zur  Erstattung 
des  Gesammtztoses  desselben  einen  einzigen  sogen.  Hufenträger 
bezeichneten,  und  so  eine  Zinsgenossenschaft  bildeten ;  denn 
der  Einzug  der  auf  die  einieloen  Parzellen  entfallenden  Zin- 
sen wfire  sonst  fGr  den  Grundherren  viel  zu  umständlich  ge- 
worden. Dufru-  aber  iiefand  sich  der  Hufentrdger  immer  in 
Gefahr,  für  andere  arbeil s.schf^nn,  sorglose  oder  arglistige  Genos- 
sen zahlen  2u  müssen,  weil  er  allein  dem  Grundherren  (Vir  die 
Lehnzinsen  haftete.  Auch  diese  Uebun^r  musste  recht  bald  hin- 
f;«lli«r  werden:  e<!  ward  immer  schwieriger  einen  Hufentiäger 
zu  (in<1eii ;  nicinaiul  wollte  mehr  die-'e  Ehre  annehmen,  so 
wutdeii  die  Geiiosfecn.sciiaft.slelieii,  süwoiil  leudale  als  geniein- 
rechtliche,  in  individuelle  Pachten  umgewandelt,  ja  die  Zeitpachl 
tnit  im  Elsass  schon  sehr  früh  auf. 

Vom  XVI.  Jahrhundert  ah  wusste  man  hierzulande  in  den 
Weinorten  nur  wenig  mehr  von  den  Huobdingen ;  jedes  Dorf 
hatte  sein  Dorfgericbt,  und  die  kleineren  Grundherren,  wie 
Kirchen  imd  Klöster  hatten  schon  längst  die  Gewohnheit  auf- 
gegeben, in  ihren  Dinghöfen  die  Jahrgedinge  abzuhalten.  Die 
Meierhöfe  wurden  sogar,  wie  uns  das  Urbar  von  Mailjach  von 
•14;^0  belehrt,  damal<  schon  in  Zeitpacht,  von  einer  Dauer  von 
neun  bis  zwölf  Jahren  an  den  Meier  vergeben,  welcher  nur 
noch  die  Zinsen  und  Gefälle  einzog;  von  einem  Hubdinge  ist 
aber  dort  schon  keine  Hede  mehr.  Gerichtsherr  war  nur  noch 
der  Bischof  von  Strassburg  oder  sonsl  ein  Grundherr,  der  för 
sich  die  Regalien  erworben  hatte.  Im  XVII.  Jhdrt.  ist  die 
Dingpflicht  mit  wohl  wenigen  Ausnahmen  im  Elsasse  überall, 
selbst  für  die  Bauern  des  platten'  Landes  aufgehoben.  Dies 
hing  dann  auch  wiederum  mit  der  grossen  Verbreitung  zusam- 
men, welche  die  Handelspflanzen  damals  im  Elsass  erhielten, 
die  mit  ihrer  freieren  Wirtschaftsweise  die  alten  hofrechtlichen 
Satzungen  babi  untergraben  hatten.  Am  längsten  hielten  sich 
die  flu'tbilin«re  im  eigentlichen  Körnerbau  Ireihenden  Tbeile 
unseres  Landes,  dem  Sundgaue.  I)oi  t  liiidfi)  \\\v  no*  h  Hofge- 
richte im  \VI1L  Jlulrt.  und  VVeistüiner,  welche  erst  in  jener 
Zeit  gesclirieben  worden  sind.  Es  war  das  Hofrecht  in  seineu 
letzten  Zuckungen,  welches  sich  noch  wehrte  und  ungern  ver* 
schwand.  Um  1789  waren  die  grundherrlichen  Meier  weiter 
nichts  mehr  als  gewöhnliche  Schaffner,  Gutsverwalter  ohne  jede 
Gerichtsbarkeit. 

Im  XVH.  Jahrhundert  waren  die  Heben  schon  beinahe 
völlig  frei  und  ledig  geworden,  und  dies  gewiss  nur  durch  all- 
mähliche Ablösung  aller  darauf  lastenden  grundherrlichen  Ab- 
gaf)en  und  Grundzinsen.  Ein  in  nioinem  T'e-itze  befindliches 
Hausbuch  von  lÜUU,  mit  einem  auätührlicben  Güterverzeicluiis 


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-  36  — 


eines  Urahnen  thul  dar,  dass  von  20  Parzellen»  die  der  Bauer 
in  der  Gemarkung  von  Geberschweiher  besass,  keine  einzige  ir<- 
gend  etwas  mehr  zinsle.  Nur  der  Zehnte  wurde  noch  davon 
gerei(  hl  und  zwar  an  die  Gemeinde  seihet,  welche  denselben 
vom  Zehntherrn  gekauft  hatte. 

So  lange  jedoch  das  feudale  Band  des  Zinslehnes  für  die 
Rebgüler  noch  be-^tand,  fanflcn  sich  ancli  die  Winzer  überall 
itn  KKrtsso  (ioiii  i^i  uiKlhi'i  i  liclu'n  Meyer  noch  unlei •^vfn  fi-n  ;  als 
LfilLM-  der  FruiinholfjwirlscliMfl  lun^rierle  über  dem  Meyer  meist 
ein  Kellerer.  Der  Meyer  hielt  auch  die  Bau<redin{re  ab,  in  wel- 
chen die  Rebenarbeiten  der  trohnenden  Gehöter  auf  ihre  Qua- 
lität untersucht,  und  die  hofrechtJich  zu  belangenden  Vei^geben 
gegen  die  Hofordnung  durch  die  Genossen  abgeurteilt  wurden. 
Der  Meyer  flberwachte  alle  bereits  ausfuhrlich  erwähnten  Fron- 
arbeiten,  so  in  Rosheim,  in  einem  stark  Weinhau  treibenden 
Städtchen  des  Nieder-Elsasscs,  in  welchem  Kloster  Hohenburg 
einen  Din|^hof  besa-s.  Zu  diesem  pflichteten  alle  Hinlersassen 
des  Klosters,  welche  in  Rosheim  wohnten,  sie  bildeten  in  Mitte 
einer  freien  Reidisstadf  eine  VVirizerjrenossonschaft  gerade  wie 
dies  Lampreclit  tu  di  iVii-  da.«  Moseilaiid  dartliut.  Solche  kleinere 
und  j;rössere  Geliulersc  liafien  konnte  rnan  vor  dem  XVI.  Jhdrt., 
vor  der  Zeil  der  Autlösung  der  Dinghöfe,  zu  Hunderten  auf- 
zählen. 

Den  feudalen  Winzerlehen  eigentömlich  waren  dann,  wie 
auch  dem  Ritterteben,  folgende  Bedingungen  :  der  Lehnhalter 
musste  dem  Grundherren  huldigen,  wie  das  dem  feudalen  Lehen 
entspricht ;  er  bekam  das  Lehen  chereditario  jure>  und  vererbte 

es  natürlich  aucli  nach  Lehenrecht,  das  hcisst:  ein  solches  Wein- 
zinslehen durfte  ohne  spezielle  Einwilligung  des  Grundhen^n 
nicht  unter  die  Erben  naturaliter  getheilt  werden.  Nichts  hin- 
derte diese  aber  natürlich,  flen  Erfrag  unter  sich  zu  theilen. 
Behufs  Anl>nue^  neuer  Weinberge  wurde  das  I.and  oft  auf 
einige  Jahre  i^; m/  /iuslrei  verliehen.  Der  Zins  wurde  vielfach 
als  eine  Theilbauquote,  die  Hälfte  der  Trauben,  festgestellt,  meist 
aber  betrug  diese  Quote  des  Gehöfers  nur  den  drillen  Teil. 

Der  Lehninhaber  darf  das  Lehngut  nicht  ohne  Erlaubniss 
des  Grundherrn  verkaufen,  darf  es  nicht  mit  Renten  und  Ver- 
pfändung belasten.  In  der  oben  bereits  erwähnten  Rodungs- 
uf  künde  des  Abtes  von  Neu  weiter  (1157)  wird  bestimmt,  dasa 
die  Lehensinhaber  nur  bei  starker  Noih  verkaufen  dürften,  aber 
zuerst  das  Gut  an  ihren  nächst  verwandten  Hofgenossen,  dann  an 
den  Abt  selbst  resignieren  sollten  ;  wollten  diese  das  Gut  nicht 
an-  oder  zurücknehmen,  dann  konnten  sie  dasselbe  an  einen 
andern,  aber  immer  uuv  IlütVen*>->en  verkaufen.  Auch  durften 
sie  niclils  anderes  in  dem  gerodeten  Lande  anbauen  als  Reben> 


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—   37  — 


unter  StralV  iles  Vt>rlu??les  ihres  Erbanteils.  Im  Falle  von 
säuniniss  wurde  der  Lehensinhaber  durch  Vogt  und  Abt  in 
Strafe  genommen  (das  Buding)  und  darauf  bei  dauernder 
Weigerung  des  Gutes  verlustig  erkifirt.  Hier  ist  entschieden 
auf  eine  solche  direkt  unterm  Grundherrn  stehende  Gebtifer- 
schalt,  wie  sie  Lamprecht  fär  das  Moselland  erwähnt,  zu  schlies- 
sen.    Hier  wird  sogar  eines  Meyers  nicht  Erwähnung  gethan. 

Die  Zinsansätze  waren  gar  mannigfaltig,  und  der  Zehnt  lastete 
immer  auf  dem  Weinbauern.  Um  uns  von  dieser  Mannig- 
faltigkeit der  feudalen  Lasten  eines  Re))gutes  zu  übenei^n, 
düifon  wir  nur  jene  Knpilel  des  Weissenbnrger  Uiliar«,  sowie 
aller  an(l»M*cri  Kl  i-tnr,  und  Städten rharicn  HiuN'hlesen,  in  welchen 
die  Al)j^al)en  weinbautreibender  Orte  ant^ezeichnet  sind,  und 
wo  von  Grundzinsen  auch  ausdrücklich  die  l\e^\e  ist.  Das  Wein- 
lehen fiel  an  den  Grundherren  heim,  ganz  nach  denselben 
Grundsätzen  wie  das  höhere,  rainislerial-ritterliche  Lehen;  Un- 
treue, schlechte  W^irlschaftsweise,  Ungehorsam  heim  Baugeding, 
Nichterscheinen  bei  demselben  und  Weigerung  der  Huldigung, 
dies  Alles  konnte  das  Lehengut  heimfallen  machen ;  femer  fiel 
es  heim  heim  Abslerben  der  Familie  des  Leheninhabers.  Bd 
regelmässiger  Zinsen irichtung  und  andauernd  guter  Kultur 
durfte  aber  das  Gut  nicht  zMi  ückgenommen  werden.  Wie  über- 
all im  Lehenrecht  richteten  die  Genossen  selbst  über  solche 
Fülle.  Jede  Hofgennsseii'^fbaft  bildete  auch  eine  Zinsgemeinschaft, 
sie  zwang  ihren  Genossen  den  Zins  rictitig  abzutragen  oder  er- 
klärte ihn  bei  dauernder  Weigerung  seiner  Rechte  verlustig; 
sie  überwa(  hte  ebenfalls  die  gewissenhalte  Arbeitsvei  riehtung 
ihrer  Genossen  durch  bestellte  und  beeidigte  Schauer,  sie  ur- 
theilte  Über  «Hisswfirchfen»  im  Baugeding,  das  bei  den  Reben 
um  Johanni  gehalten  wurde.  Solche  Dinge  fanden  wir  auch  auf 
der  Mark  Maursmünster,  Je  nach  der  Heuernte,  und  zwar 
wurden  sie  auf  den  Frohnwiesen  selbst  im  Freien  abgehalten. 
So  geschah  es  auch  im  Reblande  zur  Konfiulle  der  Sommer- 
arbeiten :  dies  finden  w^ir  in  allen  Rebbauordnungen  <les  Ober- 
elsass:  Colmar,  Rerglieim,  Rappoitsweiler,  Ammerschweier  u. 
s.  w.  Die  Klöster  schickten  alljährlich  ihre  Nuntii  vindemiarum, 
ihre  Windelboten,  nm  die  Arheilen  zu  besichtigen. 

Eine  ffanjitur  sache  der  Auflösung  stih  her  Lehensgenossen- 
schaften wurde  n.(lui  li(  I),  wie  wii-  es  hnn  oben  angedeutet 
liaben,  die  Aufnahme  der  landrechtlichen  Erbpacht  (sowie  auch 
der  Zeilpacht)  und  die  damit  verbundene  freier«  Bewegung  in- 
folge von  Erbteilungen  und  Yeräusserungen.  Auf  diese  Weise 
mussten  die  Anteile  an  einer  Hufe  oder  an  einem  Hebgute  so 
zahlreich  werden,  und  so  schnell  ihre  Besitzer  wechseln,  dass 
es  den  Grundherren  immer  schvi'ieriger  werden  musste,  die 


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38  - 


Gefalle  einzutreiben  —  war  Uies  ohnehin  schon  eine  sehr  um- 
sländ liehe  Naluralpei*zeption  :  denken  wir  nur  an  die  Art  der 
Zehnteinziehunjjf  —  und  die  Dingptlichl  der  Gehöferzu  erzwingen. 
Daneben  wurde  noch  ein  anderer  Keil  in  die  feudale  Lehen^^e- 
nossenechafl  eingetrieben :  die  Zeil{Micht,  welche  fQr  den  Grund« 
berren  sowie  l'ör  den  Pächter  eine  weilgehende  Bewegungsfrei« 
heil  begründete.  Doch  hat  dies  Institut  sich  bei  den  Rel>en 
nicht  howährt,  besonders  nicht  im  Gefäße  der  Hofgenossenschaft, 
während  hei  der  gemein^chafthclien  Erbpacht  immer  noch  die 
für  den  Grundliei  r»Mi  mehr  Garantie  hielende  Zinsj^emeinschaft 
be.stf'hoa  bleiben  konnte  und  auch  bestehen  blieb.  Die  Zeitpacht 
finden  wir  in  unseren  elsfissisLbeii  privalrechtlichen  Urliunden 
schon  im  Aus^.u)^  des  12.  Jiulrtr>. 

lialil  war  «lie  völli{ie  Auflösung  der  schwer  funktioniienden 
und  wirtschaftlich  für  beule  Teile  nicht  mehr  renlirenden  Ge- 
hdferschafl  nur  noch  eine  Frage  der  Zeit,  und  wirklich  fing 
man  schon  im  11.  Jhdrt.  an  —  wie  Gebwetler  und  Marbach 
es  beweisen  —  eine  individuale  Erbpacht  einzuführen.  Solche 
individuale  Erbpachten,  ohne  jeden  hofrecht  liehen  Anstrich 
mehr,  sind  alle  Erblehen,  welche  im  Marbacher  Urbar  (Mor- 
bach b.| Colmar)  verzeichnet  stehen. 

Somit  war  der  Weinbauer  völlig  frei.  Die  Dingpflicht  war 
verschwunden  und  da*^  I.ehenshand,  das  Band  dei  persönlicb<^n 
Unterlbanii^keit,  mit  ihren  Mannenpflichten,  war  zerrissen.  So 
kamen  denn  unsere  elsässischen  Weinbauern  ziendich  Irüb  zu 
einer  Stellung,  welche  ihnen  gestaltete,  ihre  Kräfte  unbeschränkt, 
nach  eigenem  Gutdünken  in  freier  Wirthschafts weise  zu  benul- 
sen.  Der  Weinzinsen,  die  noch  bestanden  und  weiter  fortgege- 
ben wurden,  erinnerte  sich  Niemand  mehr  in  Bezug  auf  ihren 
Ursprung  und  Begründung.  Von  vielen  konnte  man  nicht  mehr 
sagen,  ob  Kapitalrente  oder  Grundzins. 

Durch  die  immer  mehr  überhandnehmende  Ablösung  von 
Weinzinsen  und  wohl  auch  in  hohem  Masse  infolge  des  Dreissig- 
jährigen  Krieges,  welcher  eine  ganz  neue  Ansiedelung  benötigte, 
giu'^'en  viele  Zinsen  verloien  oder  geriefhen  in  Vergessenheit. 
Nac  h  diesem  unheilvollen  Kriege,  der  unser  elsässisches  lieb- 
laml  besonders  hart  mitniibm,  war  es  dann  nicht  immer  mög- 
lich, die  alten  Zinsen  wieder  aufleben  zu  lassen,  obschon  es  hie 
und  da  versucht  wurde. 

So  sagt  das  oben  zitierte  Hausbuch  eines  unserer  Urahnen 
von  1690  von  einem  Rebstück,  das  als  cledig  eigen»  bezeichnet 
wird :  cSoll  yetz  dem  Probst  nacher  St.  Marx  (Kloster  bei  Ge- 
berschweier,  Oberelsass)  Zinsen  16  Mass  Wein»,  oder  von  einem 
Haus  :  «Anno  l()88  liaben  die  Herren  von  Marbach  Ein  Zinss 
auff  diss  Hauss  Erfundten  aiss  Nämlich  4  blapperl  und  Ein 


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—   39  — 


Rappen  ä  Vier  hatz  gerechnet. Nur  8  Parzellen  mit  zusammen 

15  Schatz  nuf  über  sechzif;-  Schatz  Roben,  die  das  ofterwfdinte 
Hausi)uch  nachweist,  waren  zinspüichtig,  also  im  Verhältnisse 
von  i  zu  4. 

Diese  rechUiche  uii  l  wirUchafliiche  Freiheit  mussle  aber 
aul  (Ion  Wohlstand  des  elsässischen  Rebbauern  besonders  lör- 
dernd  einwirkeii,  und  in  der  That  war  ja  auch  das  elsässische 
Rebland  von  jeher  bekannt  durch  den  grossen  Reichtum,  den 
es  In  seinen  schönen  Dörfern  barg.  War  ja  doch  auch  unser 
Elsass  eines  der  Länder,  welche  am  fnlhesten  und  schnellsten 
zum  Klee-  und  Kartoffelbau,  sowie  zu  sonstigen  fortschrittlichen 
Spezialkulturen  dberging*  n. 

Die  {grosse  französische  Umwälzung  des  letzten  Jahrhunderts 
fand  im  Elsasse  einen  Bauernstand  vor,  der  nicht  mehr  zu 
befreien  war  und  jrerado  zu  jener  Zoll  wirthschafllich  sehr  gut 
Strand.  Die  Feudallns^ten  waren  zumt  ist  beseiti<;t,  am  schwersten 
tirleii  die  Abgaben  an  lien  Köiii^  von  Frankreich  und  dei  Zehnt, 
Avelclier  natürlich  als  Steuer  votn  Bruttoerträge  besonders  schwer 
di  ücken  inusste.  Dessenungeachtet  meidet  die  elsässische  Ge- 
schichte kein  Sterbenswörtchen  aus  jener  Zeit  von  Bauernunler- 
drQckung  und  masslosem  Bauernelende,  wie  dies  in  anderen 
Landestheilen  des  fV*anzösischen  Königreiches  der  Fall  war.  Man 
darf  nur  die  damaligen  Gahiers  de  dol^ances  durchlesen,  um 
daraus  zu  ersehen,  wie  harmlos  die  Forderungen  unserer  Wein- 
bauern dazumal  gewesen  sind. 


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III. 


Die  Hexenplatze 

der 

Rufacher  llexenurkunden. 

]Iitt«Uiuig  Ton 

Theobald  Walter. 

Das  Rufacher  bladtai  hiv  enthält  die  I^iolokolle  odrt 
^^Vrjrichte»  \nn  15  in  Her  Z<'it  von  1585 — !^'>t27  verurteilten 
IJexen.  Die  liiri;^erichteten  Opfer  <reliören  sänitlicli  dorn  weib- 
lichen Gesciileclile  an  und  sind  aus  dem  oberen  Mandat  gefänjj- 
lich  nach  liufach  eingezogen  worden.  Wir  treffen  da  etliche 
Frauen  aus  Egisheim,  Wettolsbeim  und  Sukmatt,  die  meisten 
aber. stammen  aus  Rufach  selbst. 

Das  Hexenwesen  In  unserm  Elsass  ist  nun  zwar  schon  durch 
A.  Stöber  in  seiner  Alsatia  Jahrg.  1856-57,  S.  !265-338  und  von 
J.  Kl^le,  Hexenwahn  und  Hexenprozes^e  in  der  elieniali-en 
Reichsstadt  und  Landvo^^tei  Hagenau,  1893,  u.  A.  eingehend 
behandelt  worden.  Nichtsdestoweniger  glaubte  ich  die  Rufncher 
Urkunden,  die  Stoher  kaum  erwähnt,  einm.i!  einer  gründlichen 
Durchsii  lil  unteiziehen  zu  solli'U.  utii  wornttgiich  einen  weitei  en 
Beitrag  zur  Ge.scliit  hfe  jener  uiibeimiichen  Zeit  zu  liefern.  Allein 
es  stellte  sich  bald  heraus,  dass  die  «Yrgiehtejä  im  ailgeuieiuen 
wenig  von  den  von  Slöber  aus  anderen  elsüssischen  Archiven 
mitgeteilten  abwichen,  und  so  richtete  ich  denn  mein  Haupt- 
augenmerk  auf  die  in  den  Urkunden  angegebenen  Versamm- 
lungs-  und  Hochzeitsplfttze.  Ich  gebe  Im  Laufe  der  kurzen 
Abhandlung  stets  den  Urtext  und  fQge  die  nötigen  Erklärungen 
in  Fussnoten  bei.   Nicht  uninteressant  ist  vielleicht  auch  die 


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—   41  — 


das  Bild  des  ScharfrichterSi  das  ich  inwendi^r  auf  der  Decke 
eines  alten  Geiichtsbuches  aus  dem  Jahre  1526  aufj^efuoden 
habe. 

Barbara  Herl)ollerin  (101?5)  bekennt : 

Baldt  daraulV  sey  sie  sambt  Ihren  Gespielen  auf!  einen 
Karren,  darfor  ein  Schwarlz  Ross  ;^ewessen  aufT  den  Pollen- 
berp-*  gefahren,  allda  mil  besaf^tem  Ihrem  buohlen  hochzeit 
gehalten. 

Sey  vngefohr  vor  einem  halben  Jahr  mit  Ihren  Gespielten 
auff  dem  Bollenberg  j^^ewesst,  Alldorten  gezehrt  Fleisch- 
Brottes  vndt  win  aber  khein  Brodt  noch  Saltz  gehabt. 

Hab  eine  von  Gebweyler  auff  dem  Pollenberg  Hochzeit  ge- 
haldten,  damahlen  habe  Eine  von  ^^emeltem  Gebweyler  ein 
Wetter  {gemacht,  welches  Ober  den  Leimen*  fibei'khomen, 
aber  kheinen  Schaden  ^ethan. 

Ferner  sey  sie  vngefähr  Siehen  .Fahr  mit  Ihrem  gespiellen 
aulF  (len^  A  fCeDbergS  zuesainbenkhommen.  daiiey  sich  andre 
mehr  l)etunden. 

Sie  hab  mil  demsellien  Ihrem  Buohlen  Schnelle  nulT 
G a uc  h m a t le  n *  Hochzeit  gehaldten,  auff  einem  Wagen,  <iai- 
for  zwey  Schwartz  Ross  gewessen,  dahin  gefahren. 

Barbara  Ruelroannin  (1616)  hat  «Mit  Ihrem  Buelen,  der 
sich  Peterlin  geheissen^  auff  dem  Fürstacker^  hochzit  ge- 
halten»  welcher  ein  Pfiffer  aursraspielt.s 

Anna,  Hans  Humhrechts  Hausfrau  (1627)  ist  tmit  Ihren 
Zwey  Gespiellen  (welche  aulT  Kazen)  Sie  aber  auff  des  Maul 
Bekhen  huodt  vber  dass  -Hingelsthor<:  hinaussgefahren  undt 


^  Der  BoUenbei";^  zwisclien  Orschweier.  Westhaltfii  und  Bergholz, 
mit  seiner  alten  Apolloniakirche.  Beinern  altfränkischen  Grabfelde, 
seinen  alten  Steinkreisen  and  Menbiren  nnd  seiner  Icablen,  anfracbt- 
baren  Hochfläche,  machte  auf  daa  Volk  von  jeher  den  Eiadrack  einaa 
aiiheiniUchen  Ortes;  desshalb  ist  er  auch  von  alteraher  zum  elafin- 
sischen  Blocksberg  gestempelt  worden. 

Der  Leimen  ist   der  Xordabbang  des  BoUeubergeS^  woselbst 
beute  noch  Lehmgruben  zu  treffen  sind. 

9  Af^'enberg  heisst  der  südliche  Abhang  des  BoUenberges.  in  der 
Bichtnug  gen  Bergholz. 

A  Die  Oavchmatten  befinden  sieh  im  Schftferthal  .bei  Snlsmatt 
Auf  dem  Gauchfelde  liegt  im  Geb&sch  verloren  ein  gewaltiger  Men- 
hir,  der  Langenstein  genannt.  Vergl  Gebweile  r  Kreisbl.  1898  N®.  00. 

*  Der  heutige  Firstplan  oberhal!)  Sulzmiitt. 

8  Eigentlich  Rheingrafenthor,  südliches  Thor  von  Hufach  bei  dem 
heutigen  Amtsgericht.  Bin  Weg  hinter  dem  Amtsgerieht  betest  beute 
noch  der  Hezenpfad. 


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—   42  — 


bey  St.  Stephans  B r u n  n e n ^  viel  andere  Ihrer  gespiellen 
angetroffen.« 

Susanna  Bechereriii  (1(516)  gesteht:  Weyters  im  Barren- 
giisslin'^  ein  inaheit  gehalten,  darzu  eine  einen  schwarzen 
pfefier  vndt  sie  ein  iogel  voll  win  gebracht,  ^^es^jcn  vndt  ^^edanzt. 

Apollonia  Gross  (16'i7)  hat  «mit  ileniselhea  Ihrem  Buelen 
(welcher  Henunerhn  geheissen)  Ihr  hochzeil  auf  der  Jaden- 
matts gehalten. 

Zu  gleichen  bekhendt  Anna  Marquartin  (1625),  das  sie 
vnd  Ihre  gespielen  hiebevor  nachts  nit  weit  von  Pfaffen- 
heimber  Capell«  bey  dem  brunnen  wider  zusammen- 
lihommen,  ein  Hocbseit  zu  halten.  Haben  nur  zu  Irinkhen 
gehabt. 

Ungefohr  bey  5  Jahr  Sey  sie  sambt  Ihren  gespielten  a  u  f  f 
dem  Scbauenbergs  gewessen,  Alldohier  Sie  samt  Ihrer 
Gevatterin  Agatha  häusslerin  auf  Kazen  gefahren. 

Bekhandt  ferner,  dass  aufT  ein  Zeit  sie  vnd  Ihre  gespiellen 
na<?hls  hey  Ihieni  hau?s  zu- unhenkhomhen  vnd  auf  steckhen, 
der  lliri^  sei  mit  schwarzer  salb  vun  liirem  huohlen  gesalbt 
worden,  vITdie  grossen  Geberschweyrer  Matten« 
gelahren,  allda  einen  Dantz  abgehalten. 


<  Der  Stephansbrannen  vnx  ein  Ü«berrest  des  im  XIT.  Jabr> 
hnndert  veraehwaadeaen  Dorfes  Sontheim.  Der  Bnmnen  ist  heute 

verschwanden;  aber  ein  Rebstnck  fährt  noch  den  Namen  <St.  Steffen 
und  bezeichnet  den  Standort  der  einstigen  Kirche  zn  St  Stephan, 
der  Pfarrkirche  von  Suntheim.  Vergl.  Th.  Wa  tiier.  Die  verBcbwan' 
denen  Dörfer  des  Kreises  Gebweiier,  Gebweiler  Ihüo  S.  4  S. 

s  Bekanntlich  hatte  Eafaeh  an  setner  Sfldseite  frfther  einen  Yor- 
ort,  die  sog.  Bote  Vorstadt,  die  ▼erbrannt  wwde-  Sioielne 
Gebäulichkeiten  erhielten  sich  aber  noch  dnrch  mehrere  Jabrhanderte 
hindurch;  desi^lcichen  blieben  <{i'  nlt-^n  «Tiej^fTniamen  als  Flnr- 

namen  bestehen.  So  giebt  es  ausser  dem  Barrengusslein,  das  hierher 
gehört,  auch  ein  Schliffgösslein  in  demselben  Lievier. 

>  Die  Jndennstte  ist  heute  ein  der  Stadt  Rnfach  gehöriges 
Pachtgat,  das  etwa  3  km  östlich  von  der  Stadt  liegt  Der  Sage  nach 
sollen  dortselbst  in  den  Jndenverfolgangen  I  (?)  viele  Juden  le- 
bendig verbrannt  worden  sein.  Vergl.  Brwinia,  Vereinsblatt  des  Alsa- 
bnndes,  1894.  S. 

*  Hier  ist  die  St  Leonhardkapelle  oberhalb  Pfaffenheim  gemeint. 
St  Leonhard  war  frfther  ein  Kloster,  das  in  den  Banemwirren  1G8Ö 
seinen  Untergang  fand.  Von  der  nachher  eingerichteten  und  1793 
lerstörten  Kapelle  sind  nnr  noch  Trnramer  vorhanden. 

Der  Schauenberg:  ist  die  von  ijagen  umsponnene  Wallfahrts- 
kirche znr  schmerzhaften  Qottesmutter  oberhalb  Pfaffenheim. 

<  Genanere  Lage  ist  mir  anbekannt 


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_  43  — 


Sie  bekhendt  auch  es  seye  wohl  8  Johr,  das  sie  hochzit 
habe  gehatten  im  Waldt  gegen  Marbach, i  dahin  sie  nachts 
auf  steckhen  gefahren,  seyen  dr^mahlen  veriagt  worden  durch 
Ituthe  von  Vokhelzhofen,  allda  sie  wein  vnd  gläser  stehen  ge« 
lassen. 

Agnesen  Sponin  (1647)  hat  «rfolgendls  mit  (leinsell)en  Ihrem 
liuel  Ihr  hüchzeit  auf  d re  y  e  n  Ejj;  i  s  h  e  i  m  gehalten,  haben 
wein,  gebrotes  vnd  Fleisch  aber  khein  Saltz  nuch  Brod  geiiabt.» 

Von  Elisabeth  Geigerin  erfahren  wir:  Baldt  darnach  habe 
Bemeldter  Federlin  Ihr  Buel  sie  zue  Nacht  in  Ihr  stückh  reben 
in  Bannen  BühM  gefürt,  aUda  hochzit  mit  demselben  zue 
halten. 

Und  baldt  demnach  seye  sie  zue  hoheneck^  mit  Ihren 
Gespiellen  wiederumb  zusarnl)onkhommen  undt  alldort  eine 
yeder  Ihnen  frische  hochzit  gehalten. 


^  Ein  Wald  bei  Vögtlioshofen,  d«r  früher  dem  nahen  Kloster 
Maxbach  gehörte. 

*  Die  sog.  Egisheimer  SohUtossr,  drei  Exen,  die  schoii  im  Seehs- 
plappettkriege  1466  serstdrt  worden  waxeu. 

*  Hente  keittt  der  Ort  Bfthel  und  ist  ein  Bebkflgel  bei  Wettols- 
heim. 

*  Der  bekannte  Bergzipfel  oberhalb  Drei  Aehren. 


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IV. 

Gedichte  und  Mittheiluiigen. 

Von  C.  W.  Faber.  i 
I.  Martin  Mallerer 
I. 

Der  Fischzug. 


jEJerr  Mallerer  steht  an  dem  Fenst«?  und  sieht 

Hinab  auf  die  Btnidelndoii  Wellen, 
Wie  Woge  auf  Woge  vorüberzieht^ 
Die  Fiscblein  sich  tummeln  und  schnellen 

Im  SonneDscbein 

Bei  Breisach  im  Rhein; 
Und  wie  auf  den  rauschenden  Flatsn 
Geschäftigs  ll&nner  sich  spaten 

Stroinabwärts  ziehen  die  Schiffe  Torbei, 

Getragen  von  tanzenden  Wogen ; 
Stromaufwärts  werden  mit  grossem  Geschrei 
Die  andern  gen  Basel  gezogen, 
Und  auf  dem  Strand 

Durchwahlen  den  Sand  « 
Die  Männer  und  sieben  und  wasdien. 
Gediegenes  Gold  an  erhaschen. 

In  niedrigen  Weidlingen  fahren  dahin 
Die  Fischer,  die  Netze  zu  hohen 
Sie  ziehen  sie  auf.  Wie  wimmelt's  darin 
Von  vielgestaltigem  Leben ! 

Mit  Sobellenschall 

Und  Peitsehengeknall 
Wird  dort  ein  Wagen  voll  AVaren 
Znm  Zoll  an  der  Brücke  gefahren. 


'Quelle:  Pnsikan  die  Helden  von  Sen>|  ach.  Nach  der  Dar> 

stellnng  Srhreiliprs,  war  Mivtin  Malterer  der  Sohn  einer  s  hönen 
Metzgerstochter  von  Freibiug  nnd  zu  dieser  Stadt  in  der  Eugelgasse 
geboren.  Man  zeigt  allda  noch  sein  (iebnrtshaus. 


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So  aieht  tr  snm  sehimineriides  Rheine  hinab 
Ond  spricht  in  seinen  Gedenken : 

«Was  ich  nar  bin  und  was  ich  nur  hab\ 
Dm  iiab  ich  dem  Rheine  zu  denken: 

Dnd  Blut  nnd  Mnt 

£riiiächt  mir  du«  Flui 
Dee  Rheines,  wmin  ich  im  Bade 
Mich  meiner  Müde  entlade. 

Es  ffthren  die  Waren  atromanf  und  stromab 

Für  mich  die  gedungenen  Knechte, 
Für  uusre  Tafel  liefert  man  ab 
Die  schönsten  8a)mpa  und  Hechte. 

la  meiueui  Öold 

Durchwühlen  nach  Oold 
Die  Wäscher  das  Ufergerölle, 
Für  mich  erhebt  man  die  Zölle.» 

Doch  pldtzlich  nmflort  sich  sein  heiterer  Blick : 
«Für  wen  soll  ich  weiter  erwerben?» 
Es  nahm  mir  vor  Jahren  ein  herbes  Osschtck, 
Den  einzigen  Sprossen  und  Erben. 
Denn  ach  !  mein  Kind, 
Mein  einziges  Kind, 
Pas  ist  im  Bade  rersnnken 
0nd  hilBos  im  Rheine  ertrunken. 

0,  da  bist  neidisch  und  treulos  zugleich. 
Was  schenkst  du  mir  Gaben  nnd  Güter 
Im  (Jebermasse.  Mich  machst  du  nicht  reich. 
Ich  bin  nicht  Besitzer,  nur  Hüter. 

Und  Well  anf  Well, 

Gehaltlos  ond  schnell. 
So  eilen  die  Tage  von  hinnen. 
Bis  im  Meere  des  Tods  sie  zerinnen  !> 

Doch  siehe!  Da  treibt  auf  dem  Rheine  heran. 

Ein  Kahn  ohne  Ruder  und  Segel. 

Die  Fischer  verfolgen  ihn,  halten  ihn  an 

Gerade  beim  Breisacher  Pegel 

in  raschem  Lauf 

Kommt  ein  Fischer  herauf: 
illerr  Malterer,  kommt  zu  besehen. 
Was  Wunder  am  Rheine  geschehen.» 

Und  er  findet  ein  Knäblein,  so  fein  und  so  Hurt| 
Allein  auf  dem  Boden  im  Nachen. 
Es  reibt  sich  die  Acuglcin  nach  Kinderart, 
Will  eben  vom  Schlafe  erwachen, 
Der  Unschuld  Bild, 
So  lieblich  und  mild. 
Und  es  wird,  an  das  Händlein  gebunden. 
Ritt  Zettelein  bei  ihm  gefunden : 


—  46  — 


«Bwchirm'  dich  Qott,  unser  einsige»  Kindt 
Nm  dürfen  wir  offen  bekennen, 

Wer  deine  Eltern  gewesen  sind. 
Wir  muBsen  auf  ewig  uns  trennen. 

üott  scbiitze  dich  Kind, 

Duser  herziges  Kind. 
Seine  Engel^n  mOgen  dich  leiten. 
Die  Flfigelein  aber  dich  breiten  1» 

Da  wird  es  dem  alten  Malterer  wann 
üms  Herz  und  in  stillem  Entzücken 
£rfas8t  er  das  Knübleiu  and  nimmt's  auf  den  Arm 
Dm  es  an  den  Ensen  «i  dr&eken. 

Hein  Kindl  Hein  Bandl 

Mein  einsiges  Kind. 
Der  Flncb  ist  von  mir  genommen. 
Ich  habe  dich  wieder  bekommen. 

Das  will  iek  vor  Gottes  allmächtigem  Thron 
Htt  ewigem  Danke  lobpreisMi, 

Drum  sollst  dn,  wie  mein  verewigter  Sohn 
Aach  Martin  Malterer  heissen. 

Wie  will  ich.  o  Rhein, 

Stets  dankbar  dir  sein, 
Dass  da  mir  anfs  nene  snm  Leben 
Die  Würae  and  Weihe  gegeben.» 


II. 

Das  Turnier 

1888. 


Alt-Zofingeu  zeigt  ein  entzückendes  Bild 
Bei  der  Aar  anf  dem  blnmiehten  Werde; 

Es  tnmmeltt  die  Ritter  mit  Lanse  nnd  Sehild 
Die  prächtig  gerüsteten  Pferde. 

Zum  Festturnei 

Strömt  alles  herbei 
Aus  der  Schweiz,  dem  Elsass  and  Schwaben; 
So  will  es  Herr  Leopold  haben. 


Quelle:  L  Schoenhaupt.  L'iötel  de  ville  de  Mulbonse, 
Text  von  E.  Meininger. 


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—   47  — 


Des  Herzogs  Gemahlin,  auf  hob«iii  Balkon 
Umgeben  von  leizoiiden  Schönen, 
Bereitet  die  Kränze,  mit  würdigem  Lobu 
Die  Stirne  des  Siegers  zu  krönen. 
So  manche  Brost 
Erbebt  da  mit  Lnst 
Und  doch  mit  vorzeihliehem  Zagen» 
Den  Kampf  um  die  Krone  zn  wagen. 

Dnd  neben  dem  rol  überzogenen  Zelt 

Der  Bürgermeister,  Herr  Thuet,  ' 

Bei  ileii  Eiirengfisten  von  Zofiiigeii  b&lt. 

Sein  verständiges  Angenmcxk  luliet 

Mit  Lustgefühl 

Anf  dem  bunten  Gewühl, 
Das  sieht  prächtig  nnd  krftftig  gestaltet, 
Vor  den  wondernden  BHeken  entfaltet. 

Und  der  Herzog  winkt;  es  begmnt  das  Spiel 
Mit  dem  schmetternden  Bnf  der  Fanfare. 
Des  Gegners  Schild  nimmt  die  Lanze  zum  Ziel, 
Dnd  es  sprengen  die  mutigen  Paare 

Heran  mit  Macht. 

Die  Lanze  erkracht. 
Die  Schifte  fahren  in  Splitter, 
Zn  Boden  fliegen  die  Bitter. 

Nnr  einer  verbleibt  in  dem  Sattel  gerecht, 
Wenn  alle  strancheln  und  fallen. 
Da  Porta,  ^  ein  Herr  von  welschem  Geschlecht, 
Scheint  den  Sieg  '/m  behalten  vor  allen; 

Denn  jeder  sinkt  — 

Herr  Leopold  winkt 
Einen  alten  Ritter  zur  Seite, 
Der  rftstet  sich  eilig  zum  Streite 

Httrr  Gulerolf  ruft  den  Herrn  Ihuet  und  fragj : 
«Sagt  an!  Wie  nennt  ihr  den  Alten,' 


t  Thnet  war  Bürgermeister  von  Zofingen.  Er  fährte  in  der 

Sdilacht  bei  Sempach  auf  österreichischer  Seite  das  Banner  der  Stadt. 
Zuletzt  hielt  er  es  noch  mit  den  Zähnen  fest  Seitdem  mnss  der 
Bannerträger  von  Züfingen  schwören,  sein  Banner  zu  verteidigen 
wie  Bürgermeister  Thuet. 

*Da  Porta,  ein  Hailänder  Ritter,  später  zn  Flnelen  beheimatet 
und  Zur  Pforten  genannt.  In  der  Schlacht  von  Sempach  war  er 
nach  des  Gnndoldingers  Fall  Anführer  der  Eidgenossen 

3  Ulench  liitter  von  Dornach  genannt  Guterolf,  war  si^iter  der 
erste  Bürgermeister  von  Mülhausen,  ein  Gegner  der  Habsburgischen 
Macht.  Siehe  folgende  Erzählung. 


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—   48  — 


Der  den  nngleichon  Kampf  mit  dem  Uailftnder  wagt? 
Den  Sieg  wn-d  er  lümmcr  behalten! 

Herr  Ibuei  spricht: 

Den  kennet  ihr  nicht? 
Man  darf  nur  den  Malterer  nennen, 
So  wird  ihn  anch  jedermann  kenn«ii!> 

«Ist  s  der,  den  &\s  kleiues  verlassenes  Kind 
Man  einst  aus  dem  Rheine  gezogen  ? 
Dem  die  Gdtter  de»  Glfickes  ergeben  «ind 
Und  die  Grossen  der  Erde  gewogen, 

Den  Kaisers  Macht 

7nm  Frei  Herrn  gemacht, 
Der  die  höchsten  Würden  erklommen. 
Eine  Gräfin  zar  Gattin  bekommen  ?>i 

Herrn  Malterer  schwingt  sich  behende  aols  fioss 
Und  richtet  sich  auf  in  dem  Bügel. 
Sie  senken  die  Laiuc  zum  sicheren  Ötoss 
Und  fassen  die  hangenden  Zftgel 
Dnd  stftnen  los 
Mit  Sturraesgetos', 
Es  straucheln  und  stürzen  die  Pferde, 
Doch  dor  Welsche  fliegt  rücklings  zur  Erde. 

Und  rauschend  nnd  sansend  erbraaset  im  Faid 

Der  Menge  begeistertes  Rnfen. 

Von  dem  Herzog  geleitet,  empfängt  unser  Held 

Au  des  Thrones  erhabenen  Stufen 

Des  Sieges  Pfoad 

Ans  der  Heraogin  Hand. 
Wie  der  Gattin  glückselige  Angen 
Sich  tief  in  die  Seele  ihm  sangen  1 

Die  Freunde  des  llaiUnders  schweigen  verstimmt 

Nor  Guterolf,  Ritter  von  Dörnach 

Hnft.  tief  in  der  innersten  Seele  ergrimmt. 

Dem  Eitter  in  rasendem  Zorn  nach: 

«Gieb  acht!  Gieb  acht! 

Es  kommt  über  Nacht. 
Dran  sollsl  dn  mit  Sehrecken  erscbanen. 
Ob's  klng  ist,  dem  Olftcka  an  traoan!» 


1  Martin  Mallerer  war  Landvogt  des  Herzogs  Leopold  von 
Oesterreich  im  Breisgau  nnd  Haupt  des  adligen  Löwenbundes.  Er 
hatte  eine  Orfifin  Thierstein  snr  Gemahlin.  Er  hintarliesa  9  TOchtar,. 
aber  keinen  Sohn. 


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III. 

Der  Ueberfall  Mttlhauaens 
1885. 


Der  BfirgeriMistcf  Htrr  OnteroU  hg 
Um  BCiU«rnacbt  wach  in  dem  Bette. 
Er  sann  nnd  sann  bei  Nacht  und  bei  Tag, 
Womit  er  Mülhausen  errette. 

Doch  horch,  was  ruft? 

Waa  kommt  durch  die  Luft 
Ana  Xammerfenater  gepraaBelt, 
Wie  Hagel  ina  Aehrenfed  raaaelt? 

Er  Mhei  den  Laden  dea  Feaaterleina  weit 
Und  apMi^  was  die  Zeichen  wohl  meinen. 

Da  sieht  er  den  Pröpstlein,  der  rtift  und  schreit 
Und  wirft  nach  dem  Fenster  mit  Steinen : 

«Wacht  aaff  Wacht  anfl 

Sa  kommen  za  Hanf 
Dea  Halterera  blutige  Scliergen, 
Die  im  ülaaeher  Forate  Moh  bergen !» 

Da  riea  der  Ritter  daa  Sehwert  von  der  Wand 
Und  rasch  entflog  ea  der  Scheide, 

Dann  eilte  er  so,  wie  er  ging,  wie  er  atand» 
Im  Uemd  nur  als  einzigem  Kloi  le 

Znm  Stall,  zam  ätaud, 

Wo  geaattelt  er  fond 
Sein  Eoee  nnd  die  reiamgen  Kneditet 
GerOatet  anm  emsten  Gefechte. 

Er  ruft  die  Befehle;  raech  »ehwingt  er  sieh  auf, 

Durchfliegt  mit  heftigem  Grimme 

Die  Strassen  der  Stadt  in  gestrecktem  Lauf 

Und  raft  mit  dröhnender  Stimme: 

«FüTjo!  Fürjol 

Der  Find  isch  do! 
Ba  kommen  dea  Malterera  Schaian! 
Wacht  aof,  die  Stadt  an  bewahren.» 

Und  jimmerlich  hallen  die  Glocken  vom  Torrn 
Der  Stepbanskirehe,  es  apringen 
Die  Bürger  sofort  aas  dem  Bett,  nnd  im  Storm 
Die  gellenden  Rufe  erklingen: 
«Mordjo!  Mordjo! 
Der  Find  iach  do  I 
Ergreif  et  die  Schwerter,  die  Helme! 
Yertieibet  die  blotigeo  Schelme  t> 


—    ÖO  — 


Sie  eilen  zar  Mauer ;  es  war  ftbtr  Zeit, 

Fast  sind  schon  die  Zinnen  erstiegen 

Doch  nach  einem  icarzen  nnd  blutigen  Streit 

Die  f»cbrecklicben  Feinde  erliegen. 

Mit  blatigem  Schopf, 

Mit  gMpftltraem  Kopf 
Wird,  was  die  Zinnsn  «rklettei-t, 
Sofort  in  die  lief«  geicbmettert. 

Im  Osten  erbebt  eich  der  Sonne  Strahl, 

Die  goldene  Glat  zu  entfachen : 

Da  endet  der  Streit,  da  beginnen  zumal 

Die  guten  Mülbauser  zu  lachen. 

Der  Manu  im  Hemd, 

Der  dttokt  sie  so  fremd; 
Der  Rock»  die  Bosen,  die  Schuhe, 
Die  liegen  m  Hnos  anf  der  Trohe. 

So  möge  uns  Oottes  allgüUger  Bat 
Stets  Männer  als  Obrigkeit  schenken, 
Bereit  und  gerüstet  zu  männlicher  Tbat 
Und  frei  ?oa  kleinen  Bedenken» 

Bei  Tag  und  Nacht 

Oelrenlieh  bedacht, 
Den  Bürgern  mit  Eifer  zu  nfttsen, 
Da*  fiecbt  and  die  Freiheit  au  scbfttaenl 


IV. 

Die  Letstliiige  der  bcblacht  von  Sem^eh. 

Martin  Malterers  Tod. 
».  JuU  im. 


Causa  victnx  placet  Cicerom^  victa  Catoui. 

Und  endlich  geht  zur  Rüste  auch  dieser  heisss  Tag, 

Wo  Leopold,  d^r  Biedre,  den  Feinden  unterlag 
Er  hält  um  sich  geiianuncU  soui  letztes  Aufgebot, 
Kntbchloääen  und  gerüstet  zur  letzten  Todesnot. 


Quelle:  Pusik;ui  die  Helden  von  Sempach. 

*  Die  Ii  HtMiuich  waren :  1.  Rudoit.  genannt  Hutschmann,  2. 
Bndolt  ü,  des  Vongen  Sohn,  3.  Ulrich,  ^.  Friedrich,  5.  Heinrich, 
A.  Gunther. 


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51  — 


Wo  sind  die  blanken  Ritter?  Wo  ist  die  grosse  Schar, 
Die  an  dem  frülitii  Horgw  mit  aoigeaogoB  war? 
Dort  lifgaii  ibrt  Lmbtr  aafii  Uiit*ga  Faid  feaftt, 
8ia  hat  das  Todai  SkM  mit  braitam  Solmitt  gamiht 

Dan  atarJcaa  Stamm  dtr  Bainaeh  liat  liaut  dar  Stmrn  anllaiiM^ 
Seeht  tainar  bast»  Söbaa  bat  ihm  daa  Sebwart  fambt. 

Es  liegen  dort  erschlagaa  am  blatgetränkten  Bsia 
Dar  jonga  Oaroldaeckar,  dar  alta  Oabaanatain. 

So  tank  das  Adala  Blftta  vom  Bhain-  und  Donanatnmd, 

Tom  Aargan  und  vom  Thuj^an  imd  vom  Tirolar  Laad. 

Es  blutet  für  den  Fürsten  so  mancher  Bürgersmann, 
So  mancher  brave  Bauer  zu  Sempacb  auf  dem  Plan. 

Auch  bei  den  toten  Schweizern  gewahrst  du  edle  BiUtn, 

"Vorab  den  Gnndoklirgen.  Altschaltheiss  von  Luzern: 
Er  hat  die  Schlacht  geleitet,  Iis  er  erschlagen  war, 
Nun  führt  an  seiner  Stelle  da  Porta  seine  Schar. 

Im  Schatten  eines  Birnbaums  auf  hartgestampftem  Feld' 
Utiegt  mitten  unter  Leichen  ein  todeswunder  Held. 
Solang  noeb  Haldmitbatan  besingen  wird  ein  liad, 
Wird  man  dich  selig  pratsan,  a  Arnold  Winkalriadt 

Am  Saum  des  Waldes  halten,  um  Leopold  geschart, 
Daa  Fflratan  letita  Bitter,  vom  Toda  aufgespart ; 
Obf  lateh  Ton  Kampf  und  Hitaa  armattat  bis  ins  Made, 
Noeb  immer  kampfeamntif  nnd  todasfrendig  stark. 

Dar  Herzog  nimmt  vom  Hanpta  den  Helm  mit  galdnam  Batf, 
Oaschmfiokt  mit  Habsbargs  ZeiehMi,  d«n  bnnten  Pfanenschwaif, 
Die  goldnan  Locken  wallen,  bis  auf  die  Schalter  hin.  * 
Da  beagan  sich  die  Bitter,  vor  Gott  dem  Herrn  an  knien. 

Beim  Herzog  kniet  Harr  Harlin,  der  llalterar  genannt^ 

Dnrch  seine  Heldenthaten  im  Lande  weit  bekannt. 

Und  als  man  anscrebetet  das  letzte  Stossgebet, 
Fasst  dieser  alte  iütter  des  Herzogs  Hand  und  fleht : 

«Herr  Herzog,  lasst  euch  bitten,  nehmt  hier  das  letzte  BoSi^ 
Das  uns  allem  gebiieben  Die  andern  nahm  der  Tross, 
Als  er  zur  Flacht  sich  wandte.  Wir  halten  tapfer  stand 
Und  daekea  enern  Abzag.  Erhaltet  euch  dem  Land!» 


1  Man  zeigt  noch  die  Stätte  von  Winkelrieds  Aafopfeinng.  Es 
stand  dort  zwischen  Eichen  ein  nrünbirnbauni ;  doch  hat  er  das 
halbe  Jahrtausend  nicht  aufgehalten^  1822  hieb  ihn  Bartlme  Troxler 
altersbalbea  nm. 

2  Aach  die  österreichischen  Bitter  und  Hannen  adunflektan 
Wappen,  Helm  und  Hut  mit  der  Pfaufeder. 

Strophe  11  u.  12  enthält  Leopolds.  Antwort  beinahe  wörtlich. 


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—  52  — 

Dft  lelilkttelt  ' seine  Loekeii  der  edle  Fttnt  und  iprielits 
cO  lieber,  alter  Martin,  gewiie  io  denkst  dn  Biebt. 

Du  hast  in  alten  Tagen  mich  ritterlich  belehrt, 

Wie  mau  mit  £hren  streitet  ond  K*mpfgenossea  ekrt. 

«Heut  kat  Ar  mich  gestritten  so  mancher  tapfre  Mam; 

Bei  diesen  will  ich  bleiben,  solang  ich  atmen  kann. 
Viel  besser  ist  es  sterben,  als  wie  in  Schande  gehn 
Und  bei  den  edlen  Frauen  nicht  mehr  in  Ehrt»  stehn.» 

«Doch  sieh!  der  ächwyzer  Uaufen  hat  uumnehr  ausgerukt^ 
Er  fliegt  daher  zum  Kampfe  mit  neagestärkter  Wutl» 
Da  sekwingt  dar  trent  Martin  das  Buiner  in  der  Luft: 
«Hie  Oestenreiek!  kia  Habsbarg!»  der  alte  Rede«  mit 

Von  allen  Seiten  stünnen  die  Feinde  mächtig  ein ; 
Bs  fliegen  ilire  Bolae,  es  fliegt  manek  sekwerer  Stein. 
Kein  Helm  wird  anfgebonden,  kein  Sekild  wird  anfgesftekt; 
Die  tapfem  Bitlsr  stehen  dem  Tode  miTerrftakt. 

Es  sbreitet  wie  ein  L&we  der  Herzog  Leopold ; 
Auf  seine  Schultern  wallet  der  Locken  rotes  Qold; 
Ea  ficht  nn  seiner  Seite  ein  Held  nach  deutscher  Art, 
Der  sieggewohnte  Martin,  in  grauem  Haar  und  Bart. 

Doch  ach'  des  Herzogs  Klinge  zerbricht  beim  letzten  Streick^ 
Dn  1  welirlos  sii.kt  zu  Boden  der  Herr  von  Oesterreich. 
Lh  stützt  den  lodeawuadea  des  Martins  linker  Arm, 
Der  reekte  wehrt  mit  SehUlgen  der  Feinde  grimmem  Schwärm. 

«Herr  Jmu!»  stöhnt  noch  einmal  der  Herr  Yon  Oesterreich. 
Dnon  hat  er  ansgerOckelt,  kin  sinkt  er  starr  und  bleiok. 
Dana  bettot  aof  die  Erde  dia  Lek^  sttnet  Herrn 
Der  altbewihrte  Becke  and  kUt  die  Feinde  fem. 

Dann  fasst  er  mit  der  Linken  Herrn  Leopolds  Panier. 
Nock  einmal  rausCkt  Itt  Winde  des  Hersogs  Bkreasier. 

Dann  sinkt  anch  er  getroffen  vom  schweren  Morgenstern 
Und  deckt  mit  Leib  und  Bauuer  die  Leiche  seines  Herrn. 

So  hat  sich  dfnt~rho  Trono,  mit  Hand  und  ilund  gelobti 
Bei  Fürst  und  Mann  aufa  jieue  in  Not  und  Tod  erprobt. 
So  mag  anch  uns  umdunkeln  des  Schicksals  Wetternacht: 
Der  Stern  soll  immer  fiinkeln  in  seiner  kehren  Praditl 


Die  Miiclisuppe  von  Kappel 

im 

Bei  Kappel  anf  fireiem  Felde  man  sieht 

Einen  Stein  mit  Wappen  als  Zeichen, 
Wie  weit  die  Lnzerner  mit  ihrem  Gebiet 
Bie  an  die  Zfkricker  reicken. 


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—  S3  — 

Kein  Ki>^ genösse  vermag  diMen  Stein 
Je  ohne  Rührung  za  Keben. 
Drum  soll  hier  getreolicb  berichtet  sein. 
Wi*  b«i  dieMin  Stein«  geicbeheii. 

Einst  lagen  Zürich,  Mülhausen  and  Bern, 

In  Streit  mit  den  al'eii  fünf  Orten; 

Noch  kiimpften  zu  Uaua  die  gebietenden  Herrn 

Zunächst  nur  mit  spitzigen  Worten. 

Und  Stra&sburg  hatte,  auf  Frieden  bedacht, 
Seinen  Städtemeister  gesendet, 
Heim  Jneob  Stnrni,  und  all  seine  Macht 
Zorn  Beeten  dee  Friedens  verwendet 

Doch  an  den  Grenzen  da  standen  bereits 
Die  Mannen  mm  Kampfe  gerilstet 
Man  sieht's  an  den  Augen,  wie  sehr  es  des  Strsits 
Die  mutigen  Hersen  gelästet 

Da  fftlirt  manch  schneidender,  beissender  Wits 

Geflügelt  hinüber,  herüber, 

Und  donnerndes  Lachen  begleitet  den  Blits, 

Und  trüber  wird's  immer  und  trüber. 

Doch  immer  noch  weiss  man  die  blotige  Ihat 
Mit  grossem  Geschick  zn  vermpitlen; 
Man  wartet  noch,  bis  sie  zu  Hause  im  Hat 
Ueber  Krieg  und  Frieden  entscheiden. 

So  ist  auf  beiden  Seiten  die  Wacht 
Zn  allem  gerüstet  an  finden. 
Doch  was  man  snm  Essen  von  Hanse  gebracht 
Beginnt  bedenklieb  an  sehwinden. 

Die  Schwyser  nnd  Umer,  die  haben  anr  Not 
Noch  Milcb,  doch  es  fehlen  die  Brocken; 

Bei  den  Zürichern  giebt  es  zwar  immer  noch  Brot, 
Doch  ist's  leider  voll  Schimmel  und  trocken. 

Da  schleppen  die  Schwyzer  die  Mutten  heran 

Und  stellen  sie  über  die  Grenze 
Und  rufeu  aisdann  die  Züricher  an^ 
Auf  dass  man  die  Suppe  ergänze. 


Quelle:  Heinrich  üuUingers  Chronik.  Der  Grenzstein  steht 
nock  beute. 

Mutten  eigentlich  ein  Oetreidemass,  ein  Bester  oder  Metaen, 

von  lat^nisch  modins.  Es  hatte  nngefthr  die  Forni  eines  Sobweizer- 
k&ses;  der  Inhalt  eines  solchen  (Jefüsses  war  etwa  10  Liter. 

Die  Vorhandlnngen  führten  damals  zn  dem  Verpifirlie  von 
Kappel.  Der  eigentliche  Kappeler  Krieg,  in  dem  Zwingli  ixei.  brach 
erat  2  Jabre  spftter  aus. 

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—  54  — 


Die  briiig«ii  das  Brot  and  schneiden  M  ein, 

Und  bald  erweichen  die  Brocken. 

Da  siebt  inati  sie  alle  in  trautem  Verein 

Bei  der  Milchsuppe  iitzen  nnd  hocken. 

Ein  jeglicher  zieht  aus  der  labche  hervor 
Einen  LdffeU  giMhaiiedet  von  Etiea, 
Und  ftlibeld  beginnt  mnn  in  monterem  Chor 
Den  Inbelt  der  Hatten  sn  ipeieen. 

Doch  wenn  mner  fiber  die  Mitte  hinfiUirt, 

Ein  grösseres  Stück  zu  erwischen, 

So  wird  von  den  andern  gleich  nnfbegehrt: 
tihr  habt  hier  bei  uns  nichts  zu  fischen! 

Genaa  durch  die  Mitte  der  Matten  hinsieht 
Die  Grenze  von  unseren  Landen. 
Die  Hälfte  dort  drüben  ist  eaer  Gebiet : 
Der  Reet  tteht  n  nneein  Ibnden !» 

Und  Eidgenoesen,  so  will  es  mir  nnch 

Noch  heute  am  besten  erscheinen : 

Es  bestehe  ein  jeder  nach  altem  Gebrauch 

Getreu  und  getrost  auf  dem  Seinen. 

Doch  will  euch  verführen  zu  blutigem  Streit 
Der  Parteien  erregtes  Gepappel, 
80  denket  nurllek  nn  die  frühere  Zeit, 
Und  die  Milchbroekenaappe  von  Kappel. 


IL  £1  im  Fundament  eines  Hauses. 

Im  Februar  1894  Hessen  die  Herren  Ehrisman,  Nihma- 
schinenhändler  hier,  den  Neubau  ihres  sogenannten  Zwillings- 
baues  in  dem  Rathausdurchgang  beginnen.  Zu  diesem  Zwecke 
wurden  die  Häuser  swiseben  der  III  und  der  Pfhffengasse 

niedergerissen.  Dieselben  waren  nach  dem  Rathausbrande  von 
1551  neu  aufjgefAhrt  worden  und  hatten  der  häufigen  Ueber- 
schwemmungen  wegen  nur  kleine  oberirdische  Keller.  Hier  an 
dieser  Stelle  war  man  mit  dem  Fundament  nur  wenige  Fu.ss 
unier  die  01>»^rn 'trh»^  '^Mp^m^ren,  ^vpil  man  die  Druckwasser  aus 
der  anstosseiideii  Iii  zu  lurchten  li;itle.  Als  man  am  1.  Mäiz 
das  mittlere  der  3  Häuser  in  der  Pfatleiij^asse  fast  zur  lloutu- 
fläche  abgerissen  lialle,  bemerkten  die  Arbeiter  an  der  Giebel- 
seiie  zwischen  den  ae/br  unregelmussigea  Mauersteine  eine 
sorgfältig  gearbeitete,  horizontalgelegene  Steinplatte,  die  beim 
Anklopfen  einen  dumpfen  Ton  abgab. 


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—  55 


Die  Arbeiter  vermuleten  soforl  em  künstlich  hergerichteles 
Versteck,  alle  eilten  herbei  und  spähten  erwartungsvoll  nach 
den  erhofften  Schällen. 

Die  Platte  wurde  gehoben;  unter  derselben  zeigte  sich» 
wie  man  vermutet  hatte,  ein  kleiner  Hohlraum  und  in  dem* 
seihen  stett  aller  Schätze  ~  ein  Hühnerei  in  einer  kleinen 
Tasse  aufrechtstehend,  sonst  nichts! 

Die  Enttäuschung  war  ^ross.  Schon  wollte  der  gläckliche 
Finder  den  neckischen  Fund  wegwerfen,  als  der  Wirt  des 
nahjrelcg^enon  Wilhelm  Teil  sich  denselben  von  dem  Arbeiter 
ausbat.  Gerne  überiiess  ihm  dieser  Tasse  und  Ei  und  tröstete 
sich  mit  dem  schlechten  Witz,  der  Wirt  werde  ihm  wohl  aus 
dem  Ei  einen  Eierdotsch  (Ochsenauge)  machen  lassen  und  für 
den  Becher  das  entsprechende  Nass  spenden. 

Der  WiTt  benutzte  den  Fund  als  Reklame  für  seine  Wirt- 
schaft und  lless  den  verschiedenen  Zeitungen  eine  Notiz  Ober 
den  Fund  zugehen. 

Ich  habe  mir  denselben  am  22.  März  i8d4  angesehen  und 
habe  folgendes  gefunden. 

In  einer  Pappschachtel  lag  auf  Watte  gebettet  eine  kleine 
Tasse  mit  einem  nicht  ungewöhnlich  grossen  Ei. 

Die  Tasse  hatte  eine  Höhe  von  unjjefahr  2  i/j  Cenlimeter 
und  den  Umfanp"  eins  gewöhnlichen  Eierbechers.  Sie  schien 
aus  Metall  gestanzt  oder  gelriel>en  zu  sein.  Der  schwarten 
Grundfarbe  we|,^en  hielt  rnan  das  Metall  lur  Eisen,  der  regel- 
mässigen Arbeit  wegen  glaubte  ich  auf  Kupfer  schliessen  zu 
müssen . 

An  der  emen  Seite  ist  vom  oberen  Rande  nach  dem  un- 
tern Drittel  der  Tasse  ein  etwa  3  Millimeter  breiter  Streifen 
als  Henkel  angenietet.  Das  Ganze  ist  sehr  sauber  gearbeitet. 
Die  Grundfarbe  ist  schwarz,  aussen  ist  dieselbe  mit  einer 
roten  Farbe  (ob  Mennige?)  gedeckt,  innen  nach  der  Aussage  des 
Wirts  weiss  angestrichen.  Die  Schale  des  Eres  ist  braungrau 
jedoch  nicht  vollständig  gleichraässig,  etwa  so  wie  ein  in 
Zwiebelschalen  gekochtes  Ei,  das  wegen  einer  Feltschichte  nicht 
die  ganze  Farbe  angenommen  h;il :  und  zwnr  bezieht  sich 
dieser  Vergleich  sowohl  auf  den  Farhenton  als  auf  die  un- 
gleiche Verteilung  dtM-  Farbe  auf  dem  Ei. 

Jedenfalls  scheint  das  Ei  })eim  Einmauern  weiss  gewesen 
zu  sein  und  die  Farbe  eisit  durch  Vertaulen  seines  Inhalts  und 
durch  Ablagerung  einer  Staubschicht  bekommen  zu  haben. 

Als  das  Ei  aufgefunden  wurde,  war  es  noch  ganz,  und 
erst  durch  die  häufigen  Beruhrungen  fiel  die  Schale  in  verhältnis- 
mässig grosse  Stficke.  Der  durch  dieses  Zerbrechen  angerichtete 
Schaden  vrird  reichlich  aufgewogen  darch  den  Vorteil,  dass 


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—  56 


man  jetzt  den  Inlialt  tlerselbeii  betraehlen  kann.  Derselbe  ist 
hart  und  fest  und  schliesst  sich  in)  allgemeinen  den  Formen 
des  Eies  an,  zei^jt  aber  statt  der  ursprünglich  glatten  Wände 
eine  mehr  oder  rniiuier  hfVckerige  Ohei  H-if  lip ;  nn  der  Spitze 
fehlt  etwa  il»  des  Gesaiiitinhalts.  Ob  die^ei  Schwund  dem 
Eintrocknen  zuzuschreiben  ist,  oder  ob  die  VeiNrlnel>nn;r  der 
Bodenbiase  eine  Senkung  des  Inlialtes  bewirkt  lial,  kunu  ich 
nicht  eQtscheiden. 

Die  Farbe  des  Inhaltes  ist  dem  der  Schale  ähnlich,  nur 
etwas  dunkler  im  Ton.  Die  Rücken  der  einzelnen  Runsein  er* 
scheinen  heller  geförbt.  An  der  Spitze  befinden  nch  kleine 
weisse  Stellen,  als  ob  sich  dort  Schimmel  angesetzt  iuttte. 

Die  Annahme^  dass  dieses  Ei  durch  einen  Zufall  in  das 
Fundament  gekommen  sei,  ist  durch  die  ganze  Anlage  seines 
Versteckes  ausgeschlossen  ;  wenn  es  aber  mit  Absicht  einge- 
mauert wnide.  was  sollle  es  dort  ? 

I)ie  deutsclie  Mylhulogie  von  Jakob  Grimm  4.  Aufl.  "1870 
berichtet  Band  II,  Seite  956:  «Tiere  aber  zeigten  nicht  blo??:^ 
den  Ort  des  Baues,  es  wurde  auch  oft  für  nötig  erachtet, 
lebendige  Tiere,  selbst  Menschen  in  den  Grund  ein- 
zumauem,  auf  welchen  das  Gebäude  errichtet  werden  sollte, 
gleichsam  ein  der  Erde  gebrachtes  Opfer»  welche  die  Last  auf 
sich  duldet:  durch  diesen  grausamen  Gebrauch  wähnte  man 
unerschütterliche  Haltbarkeit  oder  andere  Vorteile  zu  erreichen.» 
Neben  lebenden  Menschen,  besonders  Kinder>  werden  auch 
Pferde,  Lämmer,  Hunde,  Schwein«»,  Hühner  und  Hähne 
erwähnt.  Besonders  bei  Brückenbanlen  nnd  sonsii;^<'n  Bauten  auf 
vom  Wasser  ^ielaiitdcten  Bndt'n  wfilinlt'  man  einer  ^Midien  Vm  - 
sieht  zu  bedürfen.  uBei  lifin  neuen  Brückenbau  zu  lialie,  iler 
im  Jahre  1843  vollführt  wui  <le,  wähnte  auch  das  Volk,  dass  man 
eines  Kindes  zum  Einmauern  in  den  tjlrund  bedürfe.»  Späterhin 
hat  man  wenigstens  symbolisch  leere  Särge  eingemauert. 

Aus  dem  Vorstehenden  wird  die  Absicht  klar.  Nach  einer 
auf  derselben  Wand  angebrachten  Jahreszahl  war  der  Bau  1553 
aufgeführt  worden,  also  zu  einer  Zeit,  wo  die  Erinnerung  an 
den  alten  Aberglauben  noch  lebendig,  die  Sitten  aber  bereits 
so  gemildert  waren,  das«  man  von  der  Einmauerung  eines  leben« 
den  Huhnes  oder  Hahnes  Abstand  nahm  und  sich  mit  einem 
Ei  begnügte,  da<^  j;i  ilen  e  n  t  w  i  (  k  e  I u ng sf äh  ige n  keim 
eines  leben<len  Wesens  entliäit. 

Wohin  Ei  und  Eierliecher  gekoninicn  sind,  habe  ich  nicht 
erfalueu  können.  DaHiai>  (-22.  März  1804)  bestand  die  Absi<  ht, 
es  dem  historischen  Museum  zu  überweisen,  wenn  es  seine  Zug- 
kraft —  als  Reklame  ftlr  die  Wirtschaft  verloren  haben  sollte. 


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—  57  — 


Bericlitigung. 

Jn  dem  Jahrbach  für  1893  veröffentlichte  ich  unter  den  «Sagen 
nnd  Yolksgebräacben»  als  Nr.  20  ein  Elsass-Lied.  dem  ich  folgende 
Beinerknng  beifügte:  «Den  Verfasser,  der  nach  den  in  dem  Liede 
enthaltenen  Andeutungen  wohl  noch  leben  könnte,  habe  ich  nicht 
•nmtielii  kdOMii.» 

Nach  einw  Mitteilung  des  Berrn  Heitnsann,  Redakteur  am 
hiesigen  Express,  ist  der  Verfasser  Herr  Schörlin,  der  ab  penaioiiier- 
ter  Lehrer  in  Neuweiler,  Kreis  Mülhansen.  lebt 

Ebenso  schrieb  ich  zu  dem  folgetulea  Liede  1>  r  Sundgait : 

«Dieses  Sundgaulied  ist  jedenfalls  von  einem  nicht  unerfahrenen 
Knnatdiehter  nnd  ftlter  als  das  ▼oranstohende  ElBaaa-Lied.  Den  Yer» 
ÜMter  kenne  ich  nicht» 

Herr  L.  Schoenhaupt  teilte  mir  noch  kurz  vor  seinem  Tode  mit, 
dass  Herr  Georg  Zetter,  der  anter  dem  Namen  Fr.  Otte  ecbrieb, 
dieses  Lied  verfasst  habe. 

Ich  benutze  diese  Gelegenheit,  beide  Verfasser  zu  ihrem  Rechte 
kommen  an  laaeen.  Meine  Vermntnngen  Uber  Stellung  der  Dichter 
nnd  die  Aufeinanderfolge  der  Dichtungen  sind  durch  dieee  Aulfclir- 
nngen  Tollet&ndig  bestätigt  worden. 


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V. 

Minvversheiin  oder  Minversheim? 

Von 

Dr«  KatMl  in  Hocbfeldeo. 

'Von  dem  Dorfe  Minvershdm  im  CaDton  Hochfelden  beste- 
llen zur  Zeit  die  zwei  verschiedenen  Schreibweisen,  welche  den 
Titel  dieser  Abhandlung  bildm.  Wenn  es  schon  im  Interesse 
der  Sache  dringend  geboten  erscheint,  die  richtige  Schreib- 
weise festzustellen  und  allein  zuzulassen,  so  ist  es  nicht  min- 
'Um  interessant,  über  die  Fnf-tf  liunt^  und  Beiwhtij^unji  der  bei- 
lieii  Schreibweisen  narhzuiuix  kien.  Die  Er^^ebnisse  solcher  Un- 
tersuchungen bilden  den  ( leji^enstand  der  vorliegenden  Arbeit. 

Von  den  zahlreichen  Quellen  betrachten  wir  zuerst  die  geo- 
graphischen Karlen  des  Elsass,  auf  welchen  das  Dorf  verzeich- 
net ist.  Wir  sehen  da  folgende  Namen : 

1)  Specklin,  Under  Elsas,  1576 :  Minuersbeim. 

2)  Mercator,  Vnter  Elsass,  1597:  Minuersh.; 

3)  Jansson,Ten  itoriurn  Argentoratense,  i633:  Minversheim. 

4)  desgl.  1650:  Minversheim. 

5)  Sanson,  Tribocci,  Evesche  deSlrasbour;,'^  1659:  Minnersh. ; 

6)  Gg.  Fried.  Meyer,  Alsatiae  «:upei  iuris  et  inferioris  accu* 
ratissima  geographica  Descriptio,  1677  :  Mümucrschen. 

7)  Seuter,  Als.  sup.  et  inf.,  1702:  Minverse. 

8)  LoUer,  Colur.  Kai  te  d.  Üb.-u.  Unt.-Els.,  1760:  Minversche, 

9)  Utriusque  Alsatiae  superioris  ac  inferioris  nova  tabula, 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  XVII.  Jahrhunderts :  Minuersh.; 

10)  Visseber,  Totius  Alsatiae  etc.:  Munversche. 

11)  de  Wit,  Utriusque  Als.  etc. :  Minversche. 

1:2)  de  Sandrart,  Als.  »up.  et  inf.  etc.:  Munversche. 

13)  Hotnann,  Landgraviatus  Alsatiae  :  Munversche. 

14)  Homanni  heredes,  Cursus  Rheni  a  Basilea  usque  ad  Bon- 
nam,  Sectio  11:  Manverschen. 


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^  15)  Lehr»  Carte  fitodale  de  l'Alsace  en  1789 :  Mmversheim. 
/"  16)  Jacob  Andreas  Fridrich«  Carte  de  la  Haute  et  Basae 
Alsace,  um  1790:  Minversheim. 

17)  Pedetti,  Ganz  neue  Vorstellung  des  Rheinstroms  von 
fiasel  bis  Coblenz,  1794:  Minversheim. 

18)  d'Houdan,  D4p.  du  Bas-Rhin,  1818:  Minversheim. 

19)  Simon,  Carle  niini'ralojxique,   um  1840:  Minversheim. 

20)  Laguillermie  et  Uainaud,  Dep.  du  Bas-Hhin,  um  1840 : 
Minversheim. 

21)  Carte  topographique  du  d^partement  du  Bas-Rhin, 
Straabourg  chez  Vve  Levrault,  1841 :  Hinwersheim. 

22)  Franxdsiache  Karte  aus  der  gleichen  Zeit»  ohne  nähere 
BeKeichnung :  Minwersheim. 

23)  Carte  top.  du  d^pt.  du  Bas^Rhin  (d'apr^s  la  carte  du 
d^pöt  de  la  guerre),  Straab.,  E.  Simon,  später  als  1851 :  Min- 
wersheim. 

'-'  24j  Histclhuher,  Carted.  (lep*d. Bas-Rhin.  1-^51 :  Minwersheim. 

25)  Kieppert,  Speoialkarte  der  deutsch-tranzüsischen  Urenz- 
länder  mit  An^-^ahe  der  Sprach^M'enze,  i8G7  :  Minwersheun. 

26)  Stiaubs  giosse,  anscheinend  eip^en^iandig  gezeichnete 
Karte  de^  Elsass,  aus  der  neuesten  Zeil :  Minversheim. 

27)  Riquols  Karte  im  Dictionnaire,  1849:  Minversheim. 

28)  Algermissen,  Specialkarte  des  Elsass:  Minwersheim. 

29)  Wagner,  Wandtafel  von  Els.-Lothr. ;  Minwersheim. 

30)  Kirchner,  Eis.  i.  J.  1648  (1878):  Minversheim. 

31)  Kirchner,  Eis.  i.  J.  1789  (1880):  Minversheim. 

32)  Reuter,  Dislanzkarte  v.  £ls.-Lothr.  1880 :  Minwersheim. 

33)  Generalslabskarte :  Minwersheim. 
Messtisehhlatt  3608:  Minwersheim. 

35)  Wandkarte  der  Kreise  (Verlag  von  Bolze  in  Gebwei- 
ler): Minwersheim. 

Hieraus  ist  ersichtli«  h.  dns^  Minversheim  auf  den  alteien 
Karlea  bis  zur  französibciien  He\üiutioi\  (ausser  5)  einzig 
und  allein  mit  v  oder  u  geschrieben  wird,  nie  mit  w.  Der  ab- 
weichende Vocal  der  1.  Silbe  in  Xo  10,  12  und  13  (Mutiverschen) 
und  N«  14  (Manverschen)  kommt  hier  niclil  in  Betracht,  ist  auch 
wohl  lediglich  ein  Schreib-  oder  Druckfehler.  Die  Karte  No21  vom 
Jahre  1841  ist  die  erste,  welche  den  Namen  Minwersheim  bringt. 
Diese  Schreibweise  findet  sich  dann  auf  allen  neueren  Karten, 
auch  auf  denen,  die  ich  nicht  namentlich  aufgeffihrl  habe.  Nur 
die  (in  meinem  Besitz  befindliche),  wie  ich  glaube  von  der 
Hand  des  f  Generalvicars  Dr.  Straub  gezeichnete  historische 
Karte  des  Elsass  weist  den  Namen  Minversheim  aul*.  Jeden- 
falls hat  der  ausgezeichnete  Gelehrte  einen  Grund  gehabt,  das 
Wort,  abweichend  von  sämmtliciien  modernen  Karten,  mit  v  zu 


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60 


schreilten.  Aehiilicli  verliält  ei»  ^ich  mit  N'^  27,  30  u.  31.  Die 
Schreibweise  mit  w  i.st  demnach  zuerst  aufgetreten  in  der  Zeit 
zwischen  der  französischen  Revolution  und  dem  Jahre  1841. 

Betrachten  wir  weiterhin  das  Gemeindearchiv  wm  Hinvers^ 
beim.  Die  älteste  Urkunde  ist  das  alte  Bannbuch»  betitelt:  Ge- 
neral-Banns>Renovations-Pro(okoll,  vom  lahr  1690.  Daselbst 
stellt  durchw^  Minverslieimb.  Im  Einklang  hiermit  ist  im  Pro- 
tokoll der  Sitzunj?  des  Presbyleriums  von  Alt-  und  Eckendorf 
vom  10.  Juni  1738  Minversbeim  zu  lesen.  Hingegen  ist  auf 
ein.un  Plan  der  Gemarkun<r  Minversbeim,  welcher,  wie  der 
Vt  I  II  .  rk  «Bailliage  de  Hagueuaui»  beweist,  aus  der  Zeil  vor  der 
fi  anzuzischen  Revolution  stammt.  Minwersheim  zum  1.  Mal  mit 
w^  geschrieben.  Otleiibar  hat  sie  dei  betreffende  Feldmesser  ge- 
braucht nach  Analogie  der  vielen  deutschen  Orts-  und  Feldbe- 
zeichnungen  Jenes  Plans,  welche  mit  ^v  geschrieben  sind.  Jeden- 
falls glaubte  er,  dass  das  v  des  franzdsischen  Alphabets  im 
Deutschen  durch  w  dargestellt  wird.  So  wird  es  auch  verständlich, 
warum  er  jenes  w  durch  swei  nebeneinanderstehende  v  (fi-z. 
double-v)  darstellt.  Seine  mangelhafte  Kenntniss  der  deutschen 
Sprache  document^rt  sich  übrigens  auch  durch  zahlreiche 
falsch  «reschriebene  Bannl)ezeicltnunpen. 

Im  Jahre  1810  trell.Mi  wir  zum  ersten  Mal  den  Namen 
Minwei .<heini  in  einem  Dili/iellea  Aktenstüok,  und  zwar  auf 
den  TilelMättern  Ae-i  vilie*  (ieil  ulliciel  des  acte»  de  la  pr^fecturn 
du  Bas-Illiinj^  über  die  Jahre  1810  und  1812,  während  alle 
vorhergehenden  und  folgenden  Recueits  von  1806  bis  1848  theils 
ohne  Aufscbrin  sind,  theils  Minversheim  haben.  Diese  Schrift- 
stAcke  wurden  an  der  Strassburger  Präfectur  geschrieben« 

Die  PrAfung  der  standesamtlichen  Urkunden,  welche  bis 
zum  Jahre  1800  hinaufreichen,  ergibt,  dass  bis  1817  sowohl 
in  den  franzasischen,  ah  in  den  deutsch  abgefassten  Acten 
Minversheim  y'esehrieben  ist.  Am  ^O.  December  1817  lieffen 
wir  auf  dem  Titelblatt  für  d  Oeburlsregisler  von  1818  den 
Niitnen  Minwersiieiin.  Die  Urkunde  ist  }:f*-<-hrieben  und  unter- 
zeichnet V"Mi  Ri<'hter  Holtmann  am  Tril»un;il  de  l*'  instance 
in  Zibern.  L)ie  ^ieicbe  Scbreil»vveise  itsi  gebraucht  auf  den 
Tiltlblutlern  der  Gehurlsre^Mster  lur  1810,  18'22,  1825,  1833, 
183S,  I8i0  — i3,  18i5,  1849,  ferner  auf  den  Titelblättern  der 
Heirathsreglster  für  1819,  1823,  1825-28,  1831,  1834,  1835, 
18iO~4*2,  18i5  und  der  Sterberegister  für  1837,  1839—44 
und  1846.  Abgesehen  von  einer  vorübergehenden  Ausnahme 
1862,  wo  die  drei  Re;rister  mit  Minwersheim  betitelt  sind, 
ist  auf  allen  nicht  auf;:efuhrlen  H --i^^tern  bis  zum  Jahr  1870 
die  Schreibweise  «les  Zaberner  Tribunals  Minversbeim. 

Die  erwähnten  l'itelblätter  bis  zum  Jahre  1831  sind  zu- 


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—  61 


meist  vom  Richter  Hoüinanii,  theil\v»^i^«^  von  den  Richfern 
Schirmer  und  Lutlier  zu  Zahern  eiiffnlian  li^  geschrie))€U  und 
unterzeichnet.  Die  Schulil  au  der  Eiulühiung  der  Schreibweise 
Minwersheim  trägt  demnach  in  erster  Linie  die  Strassburger 
Prftfectur,  später  fällt  sie  den. Zaberner  Rkhtem  Hoffmann, 
Scbiroier  und  Luther  xu»  und  mangels  einer  anderen  Erklärung 
bleibt  eben  keine  andere  Annahme  Ohrig»  als  Unachlsamkeit 
von  Seiten  jener  Beamten.  Als  Entschuldigung  kann  bloss  die 
Thatsache  dienen,  dass  alleniin;:  die  Consonantengruppe  nv 
auch  den  Elsässern  —  und  als  solche  mässen  wir  doch  wohl 
die  Herren  HolTnnnnn,  Schirmer  und  Luther  ansehen  —  un- 
gewöhnUcher  ersclieint»  als  die  Zusammenslelhing  nw. 

Anders  verhält  sieh  die  Sache  nach  18:11.  Von  da  an 
brauchte  der  Piäsident  des  Zaberner  Tril)unals  oder  dessen 
Stellvertreter,  ein  Richter,  regelmässig  Schreihhrdfe,  und  die 
Schuld  an  der  abweichenden  Schreibweise  lallt  daher  den 
Schreibern  zur  Last.  Diese  waren  nun  theils  Franzosen  und 
des  Deutschen  nicht  sehr  mächtig.  Das  geht  beispielsweise  aus 
den  Worten  Minvercheim  auf  dem  Geburtsregister  fSr  1834 
und  Miniverhein  auf  dem  Titelblatt  des  Geburtsregisters  für 
'J8i'»  hervor.  Zum  anderen  Theil  waren  die  Schreiber  Elsftsser, 
und  mehreren  unter  ihnen  war  die  niundartliehe  Ausspradie 
des  Dorfnaniens  zweifV'llx  bekannt.  Das  ist  zu  schliessen  aus 
der  Schreil)weise  Mimversheim  auf  den  Sterheregistern  für 
1845  und  1847  und  dem  Heirafh«:register  für  1847.  Diesen 
Elsässern  bereitete  die  französische  Spiache  eben  so  viele 
Schwierigkeiten,  wie  den  Fraazusen  das  Deutsche,  so  dass 
wir  z.  B.  auf  dem  Geburtsregister  für  1836  cquators»  statt 
cquatorze»  und  auf  einem  andern  cquinzaine»  statt  «quin- 
zi^me»  lesen.  Sehr  interessant  ist  die  Ueberscbrift  auf  dem 
Heirathsregtster  für  1849,  wo  zuerst  Minwersheim  ge- 
schrieben war»  welches  nachträglich  in  Minversheim  verbessert 
wurde.  Die  Bezeichnung  Minwersfaausen  auf  dem  Geburtsregister 
für  1846  (nachträglich  verbessert  in  Minwersheim)  ist  auch 
ein  Zeichen  mangelnder  Aufmerksamkeil  von  Seiten  des 
Schreibers.  Dieser  Leichtsinn  ist  es  wohl  einzig  und  allein,  der 
die  planlose  Verschiedenheil  in  den  beiden  Schreibweisen  ver- 
schuldete, trotzdem  derselbe  Secretär  jeweils  die  Titelblätter 
aller  3  Register  schrieb. 

Während  sich  nun  der  Standesbeainle  von  Minversheim 
Anfangs  um  die  ungewöhnliche  Schreibweise  nicht  kümmerte, 
finden  wir  in  mehreren  Sterbeurkunden  vom  April  1829 
Minwersheim  mit  w  geschrieben.  In  grosserem  Ifassstab  findet 
sich  Minwersheim  inden  Sterberegistem  vom  Jahre  1830,  jedoch 
noch  immer  nebenbei  Minversheim.  Zum  letzten  Male  tritt 


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^   62  — 

Minwersbeiin  auf  in  einem  Act  vom  1.  Januar  1831  imHeinUis- 
register.  Von  da  an  bis  1870  findet  sich  in  den  Gffilstands- 
regletern  ausnahmslos  Minversheim.  Eine  ErlcUrung  dieser 

eigentbümlicben  Verhältnisse  soll  unten  versucht  werden.  Bei 
der  Durchsicht  der  Gemeinderathsprotokolle  (Registre  des  ddi- 
b^ralions)  ergibt  sich,  dass  Minversbeim  (mit  den  unten  zu 
erwähnenden  sehr  interessanten  Ausnahmen)  von  1794  bis 
1826  durchweg,  auch  in  französischen  Acten  mit  u,  ganz  ver- 
eiiuell  mit  v,  aber  nieni  ds  inil  >v  «jeschrieben  ist.  Am  2-4.  Juli 
18*26  stossen  wir  auf  Minwersheim  und  finden  bis  zum  2ö.Juli 
1831  theils  v,  theils  vv.  Die  RalhsprotokoUe  sind  in  jener 
Zeit  meist  in  französischer  Sprache  abgefasst.  Das  einzige  in 
deutscher  Sprache  abgefasste  vom  1.  Deiemher  1829  weist  die 
Schreihweise  Minversheim  auf*  Vom  25.  Juli  1831  an  bis  zum 
Jahre  1870  ist  Minversheim  ausnahmdoi  mit  ▼  ge- 
schrieben. Es  sind  demnach  auf  Grund  der  Ergebnisse  des 
Gemeindearchivs  3  Perioden  zu  unterscheiden: 

1)  die  ältere  Periode  von  1690  bis  1826,  wo  Minversheim 
(mit  der  ganz  vereinzelten,  bereits  näher  beleuchteten  Aus- 
nahme des  Bannplans)  durehwej:  mit  u  oder  v  geschi  iel>en  ist, 

2)  einen  vorui>ergehenden  Zeitraum  von  1826  bis  1831,  wo 
die  Schreibweise  w  neben  der  bisherigen  mit  v  gebraucht  ist, 

3)  eine  neuere  Periode  von  1831  bis  1870,  in  weicher  das 
Wort  auschUesslich  rnil  v  j^^eschrieben  ist. 

Die  Scfariftenvergleichung  ergibt  nun,  dass  die  Schreib- 
weise Minwersheim  in  der  Gemeinde  selbst  suerst  1826  von 
einem  Schreilmr  angewandt  wurde,  der  (wohl  in  Vertretung 
des  damaligen  Lehrers  und  Gemeindescbreibers  Hoffmann) 
mehrere  Gemeinderathsprotokolle  abfasste  und  sich  wahrschein- 
lich in  der  Schreibweise  des  Dorfnamens  an  das  Geburts-  und 
Heirathsre^tster  de?  vorhergehenden  Jahres  riclitete,  das,  wie 
wir  oben  gesehen  haben,  vom  Landrichter  HollVnann  in  Zabern 
überschrieben  worden  war.  Iiiese  Schreibweise  wurde  von  dem 
seit  1828  als  Gemeindeschi»'il)er  fun;j^iren(len  Lehrer  Ledoj^ar 
angenommen  und  bis  zum  Jahre  18;M  in  allen  Registern  fort- 
gebraucht. Es  mag  ihm  dann  wohl  mitgetbeiit  worden  sein, 
dass  die  einheimische  Schreibweise  Minversbeim  sei.  Mit  den 
fransösischen  Kenntnissen  dieses  Ledogar,  übrigens  damals  eines 
ganz  Jungen  Hannes,  war  es  auch  nicht  sonderlich  gut  bestellt. 
£s  finden  sich  nämlich  in  den  von  ihm  verfassten  Acten,  fol- 
gende fals.  Ii  rre>clirit'l>ene  Worte,  welche  gerade  för  den  vor- 
liep<^nden  Fall  das  grösste  Interesse  halien  :  Sawerne,  janwier, 
awril,  wingt,  quatrewinjrt,  de  son  wivant,  weuf,  wendemiaire  etc. 
Dieses  Restrehen,  w  statt  v  zu  schreiben,  erstreck!«' *irh  offenbar 
auch  auf  das  Wort  Minversiieim  und  war  durch  den  Umstand 


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—  d3  — 

bej2^änsfigt,  dass  die  Aussprache  von  v  und  w  im  Französischen 
diesf  lhe  ist.  Dass  umprekehrt  auch  v  statt  w  gesetzt  wurde, 
i>ewe!s.ea  Worte  wie:  Kinviller,  Veitbruch  etc.,  denen  wir  in 
dieser  Schreibweise  wiederholt  beg^egnen. 

Wenn  es  demnach  keinem  Zweit'el  unterbeut,  dass  die 
Schreibweise  Minwersheim  durch  Unachtsamkeit  eingerissen  ist, 
so  fragt  es  sich  nun,  wie  sie  sich  bis  auf  unsere  Tage  fortge> 
pflanzl  hat}  trotadero,  wie  wir  gesehen  haben,  in  der  Gemeinde 
selbst  bis  1870  ausschliesslich  die  Schreibweise  Minversheim 
angewandt  wurde. 

Im  amiiichen  Annuaire  du  Bas^Rbin  findet  sich  von  1805 
bis  1870  ausnahmslos  Minversheim.  Das  «Dictionnaire  des  Postes 
aux  lettres»  vom  Jahre  1835,  ein  dicker  Band,  der  in  der  Post- 
verwaltunf^  bis  1870  mas.sgei>end  war,  hriiijjt  hinf^egen  die 
Jkhreibweise  Minwersheim.  Vielleicht  rülut  sie  von  einer  be- 
hördlichen Mittheilung  aus  jener  Zeit  her,  wo  sie  auch  in  den 
Gemeindeakten  vorwiegt.  Aus  diesem  Diclionnaire  des  Postes  ge- 
langte möglicherweise  die  Schreibweise  llinwersheun  auf  iigend 
eine  Landkarte  und  von  dieser,  da  bekannilich  die  Gbartographen 
von  ftltereo  Karten  absuschreiben  pOegen,  auf  alle  folgenden« 

Im  Jahre  i870  bediente  sich  die  deutsche  Verwaltung  in 
dem  ersten  amtlichen  Schreiben  an  die  Gemeinde  Minversheim 
der  Schreibweise  Minwersheim.  Dies  fiel  dem  noch  jetzt  im 
Amte  befindlichen  Gemeindeschreiber  Herrn  Lehrer  Hertzog  auf, 
jedoch  hielt  der  damrili;:e,  nunmehr  verstorbene  Biirgenneister 
Webf^r  die  S.trhe  niclil  lur  wichtig  genug,  um  die  Behörde  darauf 
aufiiiei  ksarn  zu  machen,  dass  die  allgemein  übliche  Schreibweise 
Min  versheim  sei.  Ein  Theil  der  Schuld  fällt  aber  wiederum  auf 
die  Behörde  zurück,  der  das  amtliche  Annuaire  du  Bas-Rhin 
mit  der  Schreibweise  Minversheim  vorliegen  musste,  falls  sie 
nicht  etwa  das  v  als  franxösisclie  Schreibweise  statt  w  hielt. 

Seit  1870  findet  sich  vollkommene  Ungleichheit  in  den  amt- 
lichen Venieichnissen  und  in  sonstigen  Aeusserungen  der  Be- 
hörden. Auf  den  Gemeinderechnungen  fär  1870/71  steht  w, 
von  1872-1874  v,  von  1875-1883  w,  und  seitdem  wieder  v.  Im 
Amtsblatt  de^  Bezirks  ünter-Elsas^  »fiu  187(),  S.  124  (Volks- 
zählung von  ISTö)  stellt  v,  ebenso  im  Amtsltlatt  für  1881,  S. 
80  t^Vitlk^szuhluiig  vüu  1881.)).  Hingegen  schreibt  die  Beilage  zu 
NO  50jl886  zum  Ceulrul-  und  Bezirks-Amlsblall  für  Elsass-Loth- 
ringen  in  der  Uebersichl  über  die  Volkszählunj,'  von  1885  w. 
Im  gleichen  Blatt  für  1891  49  ist  aber  in  der  Uebersicht 
der  Volksifthlung  von  1890  v  geschrieben,  jedoch  merkwürdi- 
gerweise im  Beiblatt  der  nächsten  Nummer  als  Druckfehler(!) 
'  bezeichnet  und  in  w  geändert.  Seitdem  ist  Minwersheim  die 
amtliche  Schreibweise  1 


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64 


Von  andern  Verzeichnissen  seien  noch  erwähnt  das  Kieffer- 
sche  Adressbuch  des  Unler-Elsass  vom  Jahre  1874,  welches 
auf  S.  16  des  I.  und  S.  124  des  II.  Theils  Minversheim,  hin- 
^^e^^en  auf  Seile  110  des  1.  und  Seite  10  des  II.  Teils  Minwers- 
lieim  anf^nbt.  im  u  Verzciehniss  derOrlschal'ten  Elsass-Lothringens:» 
von  1877,  sowie  in  dem  für  die  Steuerbehörden  bestimmten  Zim> 
mei^schftn  «Alphabetischen  Verzeicbniss  der  Gemeinden  und 
Annexen  in  Elsaas^Lothringen  »  von  1884  steht'  Minwersbeini. 
Ebenso  schreiben  das  Ortschallsveneeichniss  der  Post  von  1889» 
die  Handbucher  für  Elsass-Lotbringen  von  1888(89  und  1882, 
die  amllichen  Distanztahellen  der  Gerichtsbehörden  und  der 
Wegebau  Verwaltung,  sowie  die  Lehrerlialender  der  lebeten  6 
Jahre  durchweg  Minwersheim. 

Eine  ähnliche  Verschieden lieit  zei^^t  sich  im  Materini  der 
Wcgebauverwaltung.  Diese  schrieb  lu  tVnnzösischer  Zeit  stets 
Minversheim,  wie  aus  den  noch  vorhandenen  Schriftstöcken  jener 
Zeit  hervor<,'eht.  Namentlich  liudet  sich  auf  dem  «Etat  g^n^ral 
des  chemias  ruraux  »  von  1839  und  auf  einem  Plan  der  Orts- 
traverse von  Minversheiin  aus  den  40er  Jahren  Minversheim.  Die 
filteren  deutschen  Wegweiser  führen  hingegen,  abweiehend  von 
den  franzdsischen,  die  Beieichnung  Minwersheim.  Es  sind  dies: 

1)  der  alte  Wegweiser  an  der  Brücke  lu  Alteckendorf,  vor 
4  Jahren  entfernt ; 

S)  der  Wegweiser  am  Kreuzunppunkt  der  Ettenddrfer 
Strasse  zu  Alteckendorf ; 

3)  die  (2)  Wegweiser  auf  der  Schwindratzheimer  Höhe, 

4)  in  Ilütlendorf, 

5)  iu  Mommenheim  an  der  ßrumather  Strasse  und 

6)  dascllisf  am  Wiftersheimer  Weg. 

Auf  den  neuen  Wegvveisern  steht  ausnahmslos  die  Be- 
zeichnung Minversheim.  Ks  sind  dies  folgende : 

1)  am  Galgenberg  bei  Hocbfelden; 

2)  auf  der  Höhe  zwischen  Lizbausen  und  Alteckendorf ; 

3)  der  neue  gusseiserne  Wegweiser  an  der  Bahnhofsstrasse 
zu  Alteckendorf; 

4)  die  Blechtafel  am  Hause  der  Hebamme  Etter  daselbst ; 

5)  der  Wegweiser  zu  Wittersheim  an  der  Hagenauer  Strasse. 
Der  Wegemeister  von  Hocbfelden  sagte  mir  auch,  dass  sämmt- 
liehe  neuen  Wegweiser  diese  Bezeichnung  erhalten  würden  und 
war  sehr  erstaunt,  auf  meinen  Hinweis  in  seiner  Distanztabelle 
die  amtüche  S<  hreihweise  Minwersheim  zu  Gnden. 

ijer  krasseste  Widerspi  uch  tritt  aber  darin  zu  Tage,  dass 
die  alten,  wie  die  neuen,  vor  kaum  drei  Jahren  angebrachten 
OrtsJafehi  die  Aufschrift  Minwersheim  tragen,  während  die  drei 
Gemeindestempel  auf  llinversheim  lauten^  und  zwar : 


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—    05  — 


i)  der  älteste,  bis  1856  und  von  ,1870—73  benulzlej 
t2)  der  kaiserlich  französische  Stempel  (1856—70),  und 
3)  der  jetzt  ««ilti-e  Stempel. 

Endlich  sei  nudi  erwähut,  ilass  «las  geinalle  Wappenschild, 
wolclips  zur  Decoialioii  'let-  Strnssen  Iteim  Einpfan;;  des  hoch- 
seli^jeii  Kaisei  s  Willielia  /u  I loclifeliieii  im  .F;<lire  1 87U  verwendet 
wurde,  <;leicht;dU  die  Aul-Mlirift  Minw'i-lH'im  fülirt. 

\V:iS  nun  die  S  lu  iitstiu  ke  der  Vei  vvaÜun^>!)eht»rdeii  und 
insondef  heil  (ieti  Briefwechsel  zwisciioii  ihnen  und  der  Gemeinde 
Miuversheini  seit  1870  anbelan;:t,  so  findet  sieh  dieselbe  Ver- 
si-hietlenheit  biszum  heul  igen  Tage  vor.  Bald  wird  Minversbeim, 
bald  Minwersheim  geschrieben,  und  eine  gewisse  Consequenz 
lu?tst  sich  in  keiner  Weise  finden.  Jedoch  scheint  es,  dass 
dieKi*ei$direktion  vorwitvnd  Minverslieim,  das  Bezirkspräsidium 
ötter  Minwersheiin  schrieb.  Das  Börgerineisteraml  Minversheiin 
schreibt  stets  Minversheiin. 

Zum  Sch1u9S  sei  noch  i^e.<itiittei,  die  Schreibweise  folgender 
Geschichtswerke  und  Bücher  anzuführen  : 

1)  Billings  Geschichte  und  Beschreibung  des  Elsass,  Basel 
1782«  S.  t259:  Münversheim. 

2)  Aufschlagers  «Elsass»  1825,  S.  Ü269:  Minversheiin. 

3)  Bii q uul s  Djii;t ion nai re  18iU:  Minversheini. 

4)  IJaquuI-[{i>f(:Hiubers  biet.  186."),  S.  'iü8 :  Minversheim. 

ö)  Kahls  tleiiaalhkunde  des  Landkreises  Strasssurg  18S8, 
S.      :  Minveri^heim. 

Die  Autorität  dif^^er  Fuchwerke  wird  uns  bei  ili*n  S^hlusä^ 
lvl^eruUK»^n  untersluUeii. 

Soviel  niter  die  Sehreii>\veise.  Suidien  uir  nun  noili 
einige  Anii  iit>^punkle  in  <ler  Au>>spi .*ciie  zu  gewinnen.  Der 
Sehreibweise  Minversheiin  ent^pri»  ht  da^  jetzt  ühliche  nmndart- 
li<  he  Memptars.)  (— Miin|dec«i  ;:i  ;  i, ».  während  Minwei'sheim  in 
der  Mundart  Mei.\vv.»i>.«  i_=.Mui^i\versrlieiiii)  er*:ehen  wünie.  Sehr 
interessant  sind  nn<  mehrere  Sielleu  des  Prulokolll>uchs  der 
Gemeinderalbssilzuuge:!  aus  den  Jahren  1794->-U6,  welche  be- 
weisen, dass  dam.tb-  ebenfalls  «Mimpferscheim)»  ausgesprochen 
wurde.  Während  nrunlich,  wie  bereüs  oben  erwähnt,  in  den 
Sitzungsprotokollen  ausschho^stieh  die  Bezeichnung'  Minuersheim 
oder   Minversheiin  ^ehram  la  f-ren  Schleih^vei^^e   in  der 

Gemeinde  testj>tand,  l>odienvn  sich  Fremde  derjenii^en  Sehreih- 
weise, die  der  im  V«i.u>niunde  j^eliräuchhehen  Aussprache  -.im 
njuhsten  kumnit.  So  sclpeflien  voi -chiedene  HequisitionslM  amte 
auf  Seite  II  des  erwähnten  iJuid-'^  Mümver-t  lilieim,  S.  19 
Minferscheuii.  S.  '2U  Minfersheim .  I>  i  Ad|iURl  von  Hochfelden 
schreibt  auf  S.  21  Miujuerschheim  und  ein  Couunissar   S.  38 

5 


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—  (iO  — 

Mimverheim.  Dann  schreibt  im  Jahre  18-20  (S.  191))  ein  neuer 
Gemeimleschreiher  —  ilerselbe,  (ler  die  unselige  Schreibweise 
Miiiwersheiiu  einlührle  —  Mimver.scheirn,  untl  en«llii;h  heiiient 
sich  der  Sei  retär  des  Trihunal.s  zu  Z  iIhm  t»  auf  dem  Tjlelhlall  der 
l5terl)ereyi.<ter  tm  1845  und  1847  iiiid  des  Heirathsre^i^ters  für 
1847  «>. )  der  S(  hreihweise  Mimversheim.  Ehoiivo  steht  in 
einem  Tautakt  ile>  kalliolischen  Plarrliuclis  von  Ingweiler  vom 
3,  Sepleiirher  1755  zu  leseu  Mmdlersheim. 

Es  wäre  jetzt  noch  der  Einwand  su  entkräften,  dai»»  etwa 
vorüberj^^ehend  Ute  Aussprache  v  (=  I)  in  w  abj^escli wacht  woixlen 
und  dass  die  Schreibweise  Minwerabeiro  dadurch  erklärlich  und 
berechtiget  ist.  Dieser  Annahme  ist  entj^egenxuhallen,  dass  eine 
Abschwächung  von  v  ((j^esprochen  f)  zu  w(=nlul.  \v  und  b)  iu 
der  2U  Minversheim  «^ej^procheiien  Mundart  niemals  vorkomnd, 
Hin<jre},'en  ist  -gerade  das  Üm;;ekehrte  sehr  oft  der  Fall,  z.  Ii. 
^pyestäfa'  =  Buchstaben,  syf9r'  =  "«aiiber,  ^firufe'  =  FeieralM  ii.!, 
^wünforfuts' =  Wundei  witz  (Nen;jiiMtle")  ii.  a.  Bei  Wort. »in.  die 
dein  Fr  uizösischen  entlehnt  Sind, ist  dieser  (>nsonanlen\ve(  li>e| 
L:eiade/ü  liie  Ile'^>el.  So  sind  ^xebildet  lätör' =  lavoir,  t.iksieiv»' 
— ve\ei ,  lal'l8=labulieren  (phantasieren),  ^iesir=visite,  ^tesaliera' 
=:visiler  (ärztlich  unlersuchenj,  .tikäri*  =:  vicaire,  ,lisikäl6r*  = 
v^sicatdre  (Blasenpflaster)  u.  a.  m. 

Aus  allen  diesen  Ausführungen  ergibt  sich  Folji^endes: 

1)  Die  Schreibweise  Min wersheim  hat  weder  eine  geschicht- 
liche, noch  eine  sprachgesetzliche  Unterlage  und  ist  unter  allen 
Umständen  uniialtbar.  Sie  wurde  durch  französische  Beamte, 
welche  der  deutscli-Mi  Sprache  inelir  oder  weniger  unkundi^'^ 
waren,  zuerst  j'ebraucht,  im  Dorfe  selbst  vorübergehend  nach- 
;reschrieb';n.  nh'r  seit  1831  auf^'e^ie})»!*  Sie  fand  auf  st  hwer 
erklärliche  Wei>e  ihren  \Ve/  in  da-=  Dictionu  tue  des  Postes  ( lN.ir>j 
und  auf  sänitüllicbe  Landkarlen  d.'r  letzten  tiiufzi^i^  Jahre  nul 
Ausnahme  der  rein  wissenschafllichen.  Die  deutsche  Verwaltung 
hat  diese  Schreibweise,  welche  sich  1870  wieder  eingeschlichen 
und  mangels  eines  Widerspruchs  der  Gemeinde  Mioversheim 
bis  in  unsere  Tage  fort  erhallen  hat,  als  die  amtliche  erklärt. 
Jedoch  ist  in  der  letzten  Zeit  daneben  wieder  die  Schreibweise 
Minversheim  im  Gebrauch. 

2)  Die  einzig  richli(^e,  geschichtlich  mit  aller  Hestimintheit 
nachweisbare  und  durchaus  im  Einklang  mit  der  hnidlänlt^en 
Aussprache  des  Worte«^  stehen<le  Schreibweise  ist  Minvers- 
heini-  Sie  i<t  zw.'ilellos  entstanden  aus  dem  bislnriseh 
beglaubigten  Munifredouilla  (7 VI)  und  Muuitredeshem  (743^. 


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VI. 

Briefe 

von  Joliann  Peter  Hebel  an  Frau  Weiler 

in  Strassburg. 

Mitgetheilt  von 

Ernst  Martin. 

Briefe  von  Hel)el  an  seine  Strassburger  Freunde,  schöne 
Denkmäler  seines  Geistes  und  Herzen?,  hat  August  Sloher  in 
der  Alsatia  für  1875  und  1876  veniHeiitlichl ;  uuilassendpr  und 
mit  werlvülleu  Beigaben  ist  die  Sanindung'  wie<liMliolt  wDnlen 
in  «Briete  von  J.  P.  Hobel,  hjj.  von  0.  F^ehagheb  i  Karl.siuUe 
1883.  Dazu  iioniiuen  die  Ijier  folg^enden,  welche  sich  im  Nach- 
Jasfie  einer  1895  g^tjslorbenen  Enkelin  der  Adressgitin,  Frl.  Amalie 
Weiler  vorfandeii  und  mir  von  ihrem  Neffen^  meinem  lieben 
Gevatter  Herrn  H.  Drandhofer  in  Ütjon  anvertraut  worden 
aind.  Frau  Weiler,  geb.  Scbneegans,  trägt  einen  Namen,  der 
auch  in  der  elsässischen  Kunalgeschichle  bekannt  ist :  auf  unsrer 
Ausstellung  1895  waren  mehrere  Miniaturportrats  auf  Email 
von  Weiler  zu  sehen  fs.  K  ilaln;:  der  Ausstellunf»- von  Kunst  und 
Alterlhum  in  Elsass-Lothringen  No.  1'252— Il25i.) 

Ihr  Sohn  Daniel  war  ein  Schüler  Hebels  in  KarlMuhe,  er 
sludirte  Theolu^Mt?  in  Strasslmrrr,  ward  aber  Advocat  und  >tarb 
nach  1870.  Von  seiner  Auliiabme  nnias  Karlsruher  Gvmnasiuiu 
1806  handeln  wesentlich  diese  Briefe  Hebeis.  Doch  berühren  sie 
auch  liiterariacbe  Dinge,  so  die  Werke  Jean  Pauls ;  selbst  die 
Politik  wird  gestreift.  Die  Bewunderung  fQr  Napoleon  stimmt  zu 
Hebels  damaligen  Kalenderaufsfttzen ;  schon  bald  darauf  dachte 
er  anders  von  den  schrecklichen,  unaufhörlichen  Kriegen 
Napoleons.  DtM  Grundton  auch  dieser  Briefe  ist  aber  seine 
innige  t  hat  ige  Freundschaft,  die  sich  elienso  sartsinnig  als  lustig 
scherzend  ausspricht. 


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—    08  — 


i. 

(lo)  Es  mir  schon  lange  auf  dem  Merzen,  theuei'ste  Freuii- 
dinn,  dass  ich  schon,  ich  weiss  .selber  nimtner  wie  ianj,^,  nicht 
an  Sie  geschrieljen  habe.  Sie  sind  so  gut  gegen  mich,  und  ich 
bin  Ihnen  so  gut,  und  doch  iiommt  man  liald  nicht  mehr  dazu, 
sich  einen  schönen  gutt  n  Abend  und  eiutMi  fn  iimllii  hen  Dank  zu 
bieten.  Wenn  man  nur  nicht  eine  $<>  wicht i;:e  Mine  dazu  madien 
niässle,  wenn  man  von  meinen  vielen  Geschriften  sprechen  will, 
80  möchte  ich  tnich  j;eine  ein  weniff  damit  entscliul(h<:en.  Aber 
ich  will  niu"  so  viel  geslehn  :  Wenn  iih  so  viel  7.\i  thnn  umi 
bisweilen  aii«h  so  viel  mitznnin<hen  habe,  ilas:?  luir  nur  kaig- 
liche Zeit  zum  Schreiben  ubri-  l>u  las-ie  ich  oft  die  ^^ulen 
Freunde  am  länj^sten  warten,  zu  denen  ich  das  beste  Zutrauen 
habe,  von  de(lb)nen  ich  das  beste  Zutrauen  erwarte,  und  denice, 
wir  kennen  uns  ia.  Sie  werden  sagen,  diss  sey  die  Maxime  eines 
unartigen  Freundes.  Ich  will  wohl  etwas  daran  gelten  lassen. 
Ich  will  ia  nicht  Recht  gegen  Sie  haben.  Ich  wollte  mich  nicht 
entschuldigen,  sondern  nur  beichten  und  mich  absolviren  las- 
sen. Und  das  thut  Ihr  frommes  l'reundiiches  Gemüt  ia  ^"^erne. 
Nicht  wahr?  —  Empfangen  Sie  meinen  besten  freundliclien 
Dank  für  die  Slra-^btn  ^^p:*  Pn-t»»le.  Es  i-t  mir  fill*»<  «o  werlh, 
was  von  Klein  Strasssiiuig  k  ■miiit,  selbst  die  Scli.tchteln,  noch 
viel  nielir  Was  darinn  i^t.  n(M  h  \ ielmehr  die  Hand,  lÜe  e- liincin 
legt.  Ich  hab  wohl  ;;cnierkt,  wo  sie  hcikam,  bah  sie  anclj  imt 
guten  Freunden  draufhin  freudiy^  verzehrt.  Aber  eigentlich 
haben  Sie  es  nicht  Ihun  sollen,  zumal  da  Sie  selber  so  viel 
MQhe  damit  gehabt  habe.i 

Haufe's  Geschichte* »macht  mir  schon  lange  Mühe  und  Sor- 
gen, eigentlich  (Ic)  schon  von  ihrem  Anfang  her.  Er  schrieb  mir 
erst  davon,  als  der  Schritt  geschehen  und  nichts  mehr  mit 
gutem  Rath  zu  fruchten  war.  Ich  verhebe  ihm  daher  meine 
Meinung  zwar  nicht,  dass  man  einem  Beruf  Ii-mi  bleiben  sollte, 
in  dem  Gott  einem  Brod  und  Frmi  tmd  Kind  geschenkt  hat, 
indessen  d  i  der  Srhrift  -»»srhehiMi  war,  wollte  ich  seinen  Mulh 
«lun  h  keine  iledenklicbke den  iii«  .icr^chlnjren.  Auch  hotitc  ich 
wirkhch,  dass  die  dorli;,'en  Verh.tltni>>c  zu  seinen»  l'nttiueh- 
men  günsti;;er  seyn  möchten,  als  mir  bekannt  sey.  Leider  schei- 
nen die  neuen  Ereignisse  und  Dekrete  diese  Hoffnungen  nicht 


1  «habe»  ^teht  in  der  Hs. 

-  Hauffe,  der  den  Lesern  des  Schatzkästleius  wohlbekannte  Gold- 
schmied. 


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^   60  — 


st:^!ir  zu  i »'rlitlrrti^t^n.  Wns  ini<  h  oini^rer  ?nai».sen  })orulii^el,  auch 
wt'nn  <iiese>  l  iit»  riicliuien  s-i  lieiteni  sollte,  \<\  *h\«  Zutrauen  zu 
i>einer  Geschtcklichkeii  iiiii  zu  seinem  Versl.iiiil,  wenn  er  ein- 
mal gewilziget  ist,  und  u  h  kehre  zu  meinem  etilen  Trost  zurück, 
den  ich  in  dieser  Sache  t'aüte,  itass  ^;erade  die  unsichem  Zeiten 
auch  dieieni^en  sind,  in  welelien  dem  Muth,  dem  Talent  und 
dem  GtQck  alles  gelingen  kann. 

(Id)AulTailend  ist  es  mir,  dass  ich  aus  Ihrem  Brief  schliessen 
muss,  er  sey  selbst  der  Unternehmer.  Wie  er  mir  münd- 
lich sagte,  wäre  er  nui  der  Dritte  in  einer  Societät.  Der  eine 
davon,  und  wie  es  mir  .schien,  der  Hauptunternehmer  wäre  ein 
gelernter  P^dtrikniif  iti  <liesem  Fach  und  zu  der  Solidität  und 
Besonnenheit  des  andern  haiie  ich  SO  viel  Zutrauen,  dass  mich 
auch  das  in  etwas  l?ernhi</t. 

Ich  m<Vhte  Sie  j^erue  bilU  n.  mir  bisweilen  Nachricht  uher 
diif  An^cle^cnlieilen  unserer  Froumle  zu  jrehen,  itbei  die  ich  sie 
nicht  selber  Tragen  mag^.  Ich  hätte  dabei  noch  den  schönen  Gewinn 
neben  her  manches  Liebliche  von  Ihrer  Freundschaft  xu  hdren. 
Aber  ich  darf  es  Ihnen  nicht  zu  muthen.  Sie  schreiben  mir  auch 
gar  nichts  von  Ihrer  Gesundheit,  an  der  mir  so  viel  gelegen  ist, 
auch  nichts  von  Baniel,  den  ich  so  lieb  habe.  Fast  sollte  ich  mit 
Ihnen  zanken.  Aber  Nein.  Man  muss  im  Frieden  schliessen.  Le- 
ben Sie  vergnögt  und  wohl.  Ich  bin  mit  herzliclier  Freund- 
schaft 

Ihr  ergebenster 

H. 


'2. 

(Adresse)  An 

Madame  Weiler 
abzugeben  bey 

HEn.  Bijoutier  Haufe 
Fischmarkt  Nr.  116 
in 

Strassburg. 

(^ia)  Carl-sruhe  d.  2.  Sept.  1806. 

Wenien  Sie  mir  nicht  böse,  meine  theuersle  Freundinn, 
Oller  bleiben  Sie  es  nicht,  denn  wahrscheml.  sind  Sie  es  schon, 
dass  ich  Sie  auf  die  Antwort  zu  Ihrem  lieben  Schreiben  so 
lan;?e  warten  Hess.  Theils  war  Herr  Kirchen-Rat  Sander,  mit 
welchem  ich  vorher  noch  reden  wollte,  noch  nicht  aus  dem 
Bade  zurßck,  theils  war  ich  auch  ein  wenig  krank. 


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—   70  — 


Ich  halte  es  für  ^'ut,  da$s  Sie  Ihren  Sohn  Daniel  ausser 
Slrassburjf  sein  Studium  wollen  fortsetzen  lassen,  u.  lohe 
Herrn  Weiler  d  tfür.  da*«;  er  «ein«»  Finwilligung  dazu  jrefreben 
hat.  Wollen  iSie  tlen  gulen  Jün^lin^^  unserer  hiesigen  Schul- 
an>talt  anvertrauen,  so  erwarte  ich  ihn  mit  Vertrnü^'^en,  und 
alles  was  Sie  von  einem  ehrlichen  Manu  und  vuu  einem  aul- 
richtigeu  und  guten  Freund  erwarten  und  wünschen  können, 
und  was  in  meinen  Kräflen  steht,  das  sey  Ihnen  för  Ihn  von 
mir  zugesagt. 

(2b)  Zu  dem,  was  ich  Ihnen,  oder  eigentlich  Herrn  Schneegans 
auf  Ihre  und  seine  Veranlassung  nach  meiner  letzten  Heimreise 
V.  Strassburg  über  diese  Angelegenheil  geschrieben  habe,  kann 

ich  inde^^t'ii  vor  d-  r  Hand  nicht  viel  neues  hinzusetzen.  Die 
Haupt«:a(  lH'  ist  '^nle  Wrpfleirun^'-  in  Kost  und  Lo<ris.  Kirchen- 

Siiijilci',  ein  Mann  d^r  di»'  Juj^rnd  sehr  jruf  and  vernünftig 
zu  lieli.uideln  und  zu  leiten  weiss  ;,'ii>f  Wohnun^^  mit  ßelU 
Lichl,  Holz  und  kleine  Aufwai  tuu;^,  Fi  idistut  k,  Mittii^^s-  und 
Abendtifich  wöchenll.  für  sieben  Gulden,  hat  übrigenü  keine 
Frau,  sondern  eine  Haushälterinn,  und  Daniel  würde  «:in  artiges 
und  geräumiges  Logis  von  1  Stube  und  1  Cammer  mit  einem 
andern  Pensionair  HEn  v.  Rettberg  aus  Rheinweiler,  einem 
artigen  JAngling  gemeinschafl).  haben.  Gefällt  Ihnen  diese 
Gelegenheit,  .so  kann  er  eintreten,  wenn  er  will.  Bey  der  ge< 
ringen  Wahl  weiss  ich  Ihnen  keine  l>e.sse(2c)re  zu  empfehlen.  Mit 
der  Ankunft  hätte  es  vor  Ende  des  Oktober  keine  Eile.  Die 
Lektionen  das  gegenwärtigen  hall>eu  .lahres  gehen  mit  diesem 
Monnt  711  Ende  und  im  Herbst  sind  mehrere  Wochen  Ferien, 
b  Ii  Wi  rde  Ihnen  we<ren  der  Zeit,  wenn  die  Winterlektionen 
ihren  Anfang  nehmen  si  hdii  wieder  Nachricht  geben. 

Wäre  es  doch  nur  auch  etwas  naher  nach  Strassburg,  etwa 
so  weit  als  nach  Lichtenau,  gern  rodehte  ich  geschwind  2U 
Ihnen  hinaufiliegen  und  mich  su  Ihnen  gegenüber  ans  Fensler 
setzen  und  dieses  und  was  sonst  die  gute  Stunde  brächte, 
mündlich  mit  Ihnen  besprechen.  Dass  Sie  diesen  Sommer  nicht 
nach  Baden  gekommen  sind,  will  ich  für  ein  gutes  Zeichen 
Ihrer  Gesundheit  halten.  Uder  halien  Sie  sich  vor  mir  ver- 
heimlicht? Doch  nein  das  haben  Sie  nicht,  auch  wäre  es 
Ihnen  übe!  ^'ehin.:en.  Denn  ich  habe  in  allen  Verzei' hnissen 
der  aiigekummeueu  (iur^aste,  nnrh  fleis^jrf  nach  den  lieben 
Strassburger  N;unen  uin^esclien.  Leh?n  Ste  w<dil,  meine 
Iheuersle  Fieundinn  und  lein  lieiterl  Meine  lierzliclien  Grüsse 
in  Ihrem  und  dem  freundlichen  Schneegausischen  Hause. 
Ich  bin  mit  gutem  Blut 

Ihr  ergebenster  Fr.  H. 


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-  71  - 


3. 

(Adresse)  An 

Madame  Weiler 
in 

Klein  Slrass- 
b  u  r  g. 

(3a)  Mfino  llieueistc  Fiemniiiin  I 

Slalt  nv'iiit'ii  rr.'utli;.^eii  Herl>Ntllu- iiiich  Slrassbmy  zu  thiin, 
und  in  unsfciii  liehen  Greisen  mein  Leben  svie<ier  inil  schonen 
Stunden  zu  würzen,  sitze  ich  da,  und  schreibe  einen  lahmen 
Ürief.  So  Wollens  dtftmal  die  Umstände.  Aber  Sie  sind  mir 
doch  lyrut,  und  behalten  mir  ein  freundliches  Gesicht  auf  das 
nächstemal  vor.  Kost  u.  Logis  etc.  ist  für  den  {^uten  Daniel 
besorgt.  Unsere  Winterlektionen  werden  bis  den  20.  dieses 
Monats  ihren  Antanj^  nehmen.  Wir  wünschen  daher,  dass 
Daniel  etwa  auf  den  Freyta^'  vorher,  i?»!  zu  sajren  a«n  Ta^^e 
Sankt  Florentin  hier  eintreO'en  mö^^e,  damit  die  nöti};en  An- 
sialten zu  eirier  Aufnahme  in  das  Institut  kimnen  -^otiofTon  wer- 
den. Bis  dorthin  wird  auch  Herr  San(3l»)der  von  enier  klriiien 
Heise,  w.uiiit  er  seine  Ferien  ausfüllt  zurück  seyn.  Ich  erwarte 
ihn,  u.  wer  den  scliöiieii  l:]tnf.dl  haben  wird  ihn  zu  l)e;:leiten, 
mit  freundlichem  Herzen.  Leben  .Sie  wohl  meine  Freundinn  und 
lieiter.  Utr^a  Ihnen  der  Himmel  au  Ihren  Kindern  viel  Freuden 
aufbewahrt  haben.    Von  Herzen 

Ihr  er^^ebenster  Fr.  Heliel. 


4. 

Adresse)  An 

Madame  Weiler 
hinter  d.  Mauern  bey 
d.  Gasthof  zur  Stadt  Wien 
in 

Strassbu  rj^. 

(4a)  Mt'jinj  theui  r-t''  I-  r>'unilinn  ! 

Dass  unser  *^u\cr  iJaniel  zur  heslimmlen  Zfil  ^^rsuud  inxl 
wohl  hei  uns  angekommen  ist,  wi<:sen  Sie  sthuii  aus  seinem 
ei^jenen  Drief,  war  mir  sehr  angenehm,  dass  der  Vorsteher 
unserer  Lehranstalt  die  voHäuflge  Prüfun$r  desselben  mir  selbM 
anvertraut  hat,  und  noch  mehr  ver^nu<;le  mich  der  Erfund 
seiner  Kenntnisse.  Entweder  war  er  letztes  Frühiahr,  als  ich 
in  Ihrem  Hause  eine  kleine  Pnlfung  mit  ihm  vornahm,  etwas 


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72  — 


verle^'tMi  u.  vtMi  ieth  uii  hl,  was  er  in  sich  Imlle,  oder  er  h  il 
in  die.">er  Zwi^cljenzeit  sehr  glückliche  Forlschrilte  yeaiaclil. 
Genug  er  leistete  mehr  als  ich  erwrirtel  halte,  u.  ich  konnl« 
ihn  in  die  zweite  Clns.se  unseres  GriDnasü  empfehlen,  und  ihm 
Hoffhunsr  machen,  (ib)  wenn  er  recht  fleissijr  sein  würde,  bis 
Ostern  in  die  erste  zu  kommen« 

Herr  Kirchenrath  San«l»M-  ii.it  ihn  in  seinen»  H.-uis.e  sehr 
freiunlhch  aufgenonjtnen.  Vielleicht  Ii  »(»  'n  Sie  ihm  selhei  solion 
j!esclnie!)en,  otier  thun  e>  norli.  Kr  isl  ein  Mann,  iler  viel 
Sinn  für  der^^leiehen  f'.eweise  von  Atilmei  k'^nmkeil  *:e;:en  ihn 
hat,  und  "^ich  ni'  hf  il  n mf  einv.  hiänkt,  das  zu  lei-len,  \v<»rur 
ei-  h^/ahU  wird,  ».ii  km  aurh  l  u»^  m.  mit  vieler  Knn;?!  n. 
belikatesse  an!"  den  \\i>lanii  nnd  Char.ikter  ^eilie^•  iungeu  Haus 
u,  Tischgerio^sen  wirkt. 

Da  sich  Daniel  ieizt  noch  mit  solchen  Lehrj^e^enständen 
beschaf liefet,  die  in  jedem  ^^elehrlen  Fache  erforderlich  sind,  u. 
in  iedem  gebildeten  Stand  zur  Empfehlung  dienen,  so  ma^  er 
immerbin  in  der  Wahl  eines  Derufs  noch  unentschieden  seyn. 
Alles  was  er  letzt  zu  lernen  hat,  ist  dem  Arzt,  dem  Rechts- 
gelehrlen  u.  Geistlichen  ;:leich  nölhi;;  und  nützlich. .  Ge(k)nuK, 
dass  er  sich  einsweilen  '  zum  Studium  scheint  entschieden 
zu  hahen.  Bis<  zum  lelzten  halhen  Jahr,  li*^  f  r  die  Tnivei  silät 
bezieht  >leht  ihm,  wenn  er  zur  Vd:  si»i';;e  dt«  !i  das  Hehiaisch»; 
mitleint,  die  nähere  Wahl  noi-h  immei"  oO'en.  rriterdes>en 
und  sich  St  hon  eine  i>eslinjmle  Nei;:un^  entwickeln,  u  er 
wird  ein  Jahr  s^>aler  hesonnener  wählen,  als  ein  Jahr  Irüher, 

Ich  wünsche  u.  liolTe,  Ihnen  immer  angenehme  Nach- 
richten ertheilen  zu  können.  (.  .  .  .)<  möchte  ich  Ihnen  auth 
rühmen ,  wie  enthusiastiscli  ich  in  diesem  Krie*:  Ihre 
Parthie,  nemlich  die  Französische  vertheidi^e.  Abn*  theils  will 
ich  do(  h  an  ein  so  lV<»mnie,s  und  >aid"les  Gemülh  wie  das  Ihrijie 
keine  kriegerischen  Discour^-e  adie>siereji  theils  habe  ich  auch 
nicht  mehr  Zeit.  Meine  herzlidien  Bejirüssunj-en  Ihnen  u. 
dem  Schnee;;an<i*cheu  H.m<>e.    lieben  Sie  wohl  meine  Freundin  I 

J.  P.  Hel>el. 

1  einsweilen:  so  die  Hs 
^  Lücke  tm  Papier 


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—    73  — 


5. 

(Adresse)  An 

Madame  We  i  I  e  r 
wohnhaft  bev  dem  Gast-  * 
hof  zur  Stadt  Wien 
hinler  den  Mauern 
zu 

Strassburg. 

(5a)  Ich  benutze  mit  Veri^mi^^eti  eine  Veranlassung^  die  mir 
Mad.  Haufe  gibt,  an  Sie  theuerste  Fretindinn,  zu  schreiben»  und 
vor  allen  Dingen  Ihnen  zu  sagen,  dass  unser  Daniel  gesund, 
.«ehr  fleissig,  u.  brav  ist,  u.  die  Zufriedenheil  und  den  Beifall 

aller  :«einer  Lelirer  hat.  Ich  schicke  Ihnen  vielleiclil  bald  einen 
innren  Geistliclien,  Mahlberg  zum  Besuch,  der  bisher  Daniels 
Tiscli  u.  Hausgenosse  war»  und  Ihnen  mehrer«$  mündlich 
sagen  kann. 

Was  Hie  Ma<l.  Haufe  u.  mein  «j^flioimp«  Einver.^tändniss 
mit  ihr  hinter  ihrem  Mann  betriff,  so  ]»itle  Siv.  ihr  fol- 
};on(les  zu  sap;eii  oder  zu  lesen  zu  geben»  aber  ia  dass  es  der 
Mann  nicht  merkt. 

Von  Jean  Paul  ist  in  allen  unseren  lUichläden  nichts  zu 
haben.  Auch  wage  ichs  nicht  die  Flegeliahre  von  Frankfurt 
zu  beschreiben,  weil  sie  theurer  sind,  als  die  verwilligte  Summe 
be(5b)sagt.  Sie  kommen  auf  10  fl.  Manche  FlegelJabre  sind 
zwar  schon  theurer  gewesen.  Doch  finde  ich  diese  auch  nicht 
wohlfeil.  Wenn  Sie  iedoch  —  ich  meine  meinen  braven 
Minister, >  in  einen  süssen  Apfel  beissen  wollen,  so  hat  es  no«  h 
immer  Zeil,  wenn  Sie  mir  nur  mit  nächster  INist  wieder  Nach« 
lii  hl  gehfn  wollen.  Denn  ifh  krmn  Ihnen  das  Buch  im  Noth- 
f.ille  aus  eint  1  hiesi^^en  Lesebildiutliek  schicken,  wo  es  noch 
ganz  neu,  umi  erst  durch  eine  Hand  jjejjranjion  i<t. 

Die  uui^ichtbare  Loge  soll,  wie  ich  ieduch  niclil  luii  Zuver- 
lässigkeit versicliern  kann,  zwar  nur  auf  12  Liv.  roh  zu  stehen 
kommen.  Allein  der  Buchhändler  sieht  mir  nicht  daftlr,  sie 
noch  zeitlich  genug  tifern  zu  können.  Zwar  könnte  ich  Ihnen 
dieselbe  aus  der  nemlichen  Lesehibliothek  ebenfalls  geschwind 
verschaffen,  allein  man  sieht  doch  dem  Buch  an,  dass  es  schon 
gebraucht  ist.  Lassen  Sie  mich  doch  ia  mit  nächster  Post  wissen, 
wasichthua  soll.  (5c)  Und  nun  meine  beiden  lieben  Freundinnen, 


>  Seinen  Minister  nannte  Hebel  scherzhaft  Madame  Hanfe. 


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—    i*  — 

leben  Sie  wohl.  Zwar  ich  bin  ia  noch  nicht  fertig.  Es  ist  mir 
~~  doch  nein,  ich  will  aufhören,  und  der  Pfarrer  von  Mahlberg 
Solls  Ihnen  milndlich  sagen.   Bleiben  Sie  freundlich  und  gut 

Ihrem 

ergebensten 
Fr» 

Meine  herzlichen 

Grösse  an  die  , 
Männer  und  alle 
Ft  funde  (I.  ö  len 
December. 

1  Rest  abgsriBien. 


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Vll. 


(jedichte 

eines  Frtlhvollendeten. 

Friedrich  Julius  Cultnuiut,  gt-l».  18-27  zu  Landau,  fand 
im  Juli  1841)  durcli  einen  Herzschhig  einen  plötzlichen  Tod  in 
den  Wellen  der  III  zu  Slrassburji;,  wo  ei"  seinen  Studien  oblag. 
A.US  seineo  hinterlassenen,  von  treuer  Hand  bewahrten  Gedichten 
folgt  hier  eine  kleine  Auswahl,  ein  Echo  jener  ffir  die  Lyrik 
günstiger  gestimmten  Zeit.  —  £.  M. 


Ruhm. 

Was  ist  der  Ruhm  ?  So  hab'  auch  ich  gefragt. 
Und  sshirarbedentend  klang  mir*t  in  die  Ohren: 

«Es  ist  der  Rahm  ein  Irrlicht  in  der  Naoht, 

Ein  falscher  Kobohi,  dessen  l)üse  ^^acht 
Verfolgend,  mancher  seinen  Weg  verloren.» 

Was  ist  der  Ruhm?  «Als  wachsende  Lawine 
Rollt  er  und  schwillt  zu  einem  Berg  heran. 
V^älzt  seinen  Ball  verheeiend  durch  das  Griiae, 
Doich  Berg  und  Thal  —  und  wenn  die  Sonne  schiene, 
Sähst  Dq  ihn  schmelzen  mitten  anf  der  Bahn.» 

Was  ist  der  Ruhray  «Wenn  die  Gewitter  brausen, 
Die  Erde  rings  umher  im  Donner  bebt 
Dann  blicke  durch  der  Elemente  Grausen, 
Dann  sieh'  den  Blitzstrahl  durch  die  Wolken  sausen. 
Und  folg'  ihm,  wenn  er  trealos  schön  entschwebt!» 

Es  ist  der  höchste  Ruhm  ein  falscher  Port, 
Und  lockt  zum  Schiffbruch  woitrondes  Oetämmel. 
Dem  Weisen  ist  er  nur  ein  leeres  Wort. 
Heia  Schall  geht  schwach  und  imiuer  schwächer  iort 
Und  wird  sn  Nichts  im  nnermess'nen  Himmel. 


9.  Aug.  184Ö. 


—    TU  — 


KUckkehr  zum  Kheine. 

S«  mir  gftgrÜMet,  Dentschlands  lr«iier  Hort, 

O  Vater  Rhein,  gegrüsat  sei  tauBendm.il ! 

Mein  Herz  schlägt  wonnig  und  der  Blick  schweift  fort 

Zu  Höhen,  über  Berge  in  das  Thal 

Wie  liess  ich  tönen  schmerzlichen  Gesang, 
Als  ich  in  fremdem  Landü  musste  säanien. 
Dich  wollt'  ich  feiern!  Nur  in  Verses  Klang 
Könnt'  ich  znrnck  zu  deinem  Strom  mich  träamen 

Hier,  wo  die  Erde  goKl  iif  Fi  Uchte  trägt. 
Wo  reich  die  Thäler  und  die  Berge  prangen, 
Bior,  wo  die  Liebe  tiefre  Warxeln  schlägt, 
Wo  Tide  hehre  deutsche  Dichter  sangen: 

Hier  thnt  ein  Himmel  neu  sich  vor  mir  aof« 
IVarme  Oefflhle  in  der  Bmsl  erwachen; 
Hinabgebogen  folg*  ich  Deinem  Lanf, 
Hit  süsser  Ahnung  lausch*  ich  Deinen  Sagen. 

Du  ftiesaest  maieslätisch  hin  und  groasl 

Wie  weitet  g  eh  das  Herz  bei  dem  Oedanken, 

Pass  dort  in  Deinem  klaren  Wasserschooss 
Vitil  lansend  Jahre  wohl  Uie  Fluten  schwanken- 

In  I>einen  Wellen  spie::eU  sich  dio  Stirn 
Des  Alpengletschers  rof:i;:  piülifiul  uieder, 
In  deinen  Fluten  wöget  dah  Gestirn 
Der  donkein  Nacht  so  tr&nm*risrh  anf  nnd  nieder. 

Und  wenn  die  Öouue  aus  dem  Duukel  steigt, 
Wenn  Deinen  Cfern  ihren  Strahl  sie  sendet, 
Wenn  noch  geheimnisavoll  die  Welle  schweigt 
Und  aufwärts  die  Natur  sich  betend  wendet: 

Dann  weithin  schimmern  wie  ein  Fenermeer 
Im  keuschen  Licht  der  Sonne  Deine  Fluten. 
Rot,  blutig  rot  blitzt  es  nnd  glänzt  umher, 
Das  dürstend  Auge  reisst  es  in  die  Ghueü 

Ein  unnennbar  Gefühl  schläft  in  der  Brust 
GohoiinsltMi  Tiefen        erwacht  zum  Leben, 
Nicht  eine  wilde,  fesseiluie  Lust. 
—  Ein  ahnungsvotle«.  nie  gefühltes  Leben. 

Wer  S(  iiuf  l>ich,  grosser  Strom  V  l'nd  wessen  Hand 
Schrieb  deinen  Lauf  so  leuchtend  in  die  Fernen? 

Gross!  — >  doch  ein  Grdsserer  iit  mir  bekannt. 
Es  lebt  ein  Gott,  ein  Schdpfer  über  Sternen. 

7.  Sept.  1845. 


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-   77  ^ 


All  pref«nt  life  Is  bot 

nii  interjectioii,  an 
r..\h'  md  -Oh-  of  joy 
«ud  mfwry.  Byron. 

An  meine  Schwester. 

Da  eilest.  Schwester,  von  dem  Mutterherzen, 
Vom  Hause  we«j:.  wo  Alles  Dich  gelieht 
Glücklich  und  froh  I  —  Du  ahnest  keine  Schmerzenj, 
(Unschuldig  Kind  Du!)  wie  die  Welt  sie  gibt 
0  mög«6t  leben  Da  in  diesem  GUoben, 
Von  keiner  bösen  Wolke  je  getröbt! 
Mög'  nie  das  Unglück  Deinen  Wahn  Dir  rauben. 
Den  frommen  Wahn,  der  ach.  so  leicht  zerstiebt! 
Er  ranbe  nicht  die  guUiumsäumte  Jugend, 
Dein  Herz,  das  pocht  für  Wahrheit  und  für  Tugend. 

Im  ftemden  Kreise  wast  Du  Dich  bewegen; 
Kein  Vater  sciiliesst  Dich  Kachelnd  mehr  in  Arm, 
Dort  schlägt  kein  Bruderherz  Dir  froh  entgegen, 
Dort  ,  hält  Dich  keine  Hntterbrnst  mehr  warm. 
Kalt  und  ,'?efiihllos  wird  man  um  Dich  stehen, 
Mitit'ili;!  lächeln  über  Deinen  Harm: 
Gclii-bte  ■  Ja.  m.Tn  uirrl  Dich  sterben  sehen 
Mit  trock  iicni  Auge,  denn  die  Welt  ist  arm. 
Arm  an  Gefühlen  für  des  Frenndes  Freuden, 
Dnendlich  ärmer  noch  für  seine  Leiden. 

Den  Vater  nur  kann  rühren  Dein  Geschick, 
Den  Vater  nnd  die  Ifnttcr  nnd  die  Brüder. 

Verdunkeln  Thränen  Deinen  heitern  Blick, 

So  bluten  ihre  treuen  Herzen  wieder  ; 

Und  schmeichelt  Dir  das  wechselvolle  Glück, 

So  werden  sie  allein  dem  Gotte  danken, 

Der  Dich  gesegnet ',  fliehet  es  zurück» 

So  stehen  sie,  wenn  alle  Stützen  wanken, 

Noch  aufrecht  da;  an  den  verwandten  Herzen 

Solist,  Schwester  Du.  vergessen  Deine  Schmerzen. 

Wohlan  denn,  Theure!  nimm  von  meinem  Iffnnde 
Den  letzten  Kuss  der  Brnderliebe  mit ! 
Vielleicht,  o  Schwester  Du'  iu  dieser  Stunde 
Eilst  Du  dahin  mit  freudbewegtem  Schritt 
Zn  Deiner  Freundin,  bringst  die  frohe  Knude, 
Dass.  wenn  die  Sonne  an  den  Himmel  tritt 
Mit  neuem  Qlanze.  Du  die  grünen  Felder 
Der  Heimath  und  die  Ber/^e  nnd  die  Wälder 
Verlassest  —  aber  denke  bei  dem  Scheiden, 
Dir  folgen  Brudergrüa»e  in  die  Weiten  — 

d.  Apr.  1845. 


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—   78  — 


Sohwanenlied. 

Sanft  spielend^  als  wolUen  sie  Liebe  verkünden 
Durchzieheu  die  silbernen  Wölkeben  die  Luft, 
Als  tollt'  er  in  ihren  TertrAaliGfaen  Orftnden 
Binathmen  den  edMen,  fttheriechen  Dnft  — 

E«  kommen  die  Wölkchen  vom  theneren  Strande, 
AU  Boten  der  Liebe  am  Himmel  heran; 

Sie  locken  ihn  fort  za  dem  gastlichen  Lande, 

Da  spreizt  er  die  Flügel,  da  hebt  sich  der  Schwan, 

Und  eilet,  als  wollt^  er  die  Wolken  erjagen, 
Im  Chore  der  Wölkchen  zar  Heimnth  empor; 
Und  höher  and  höher  stets  wird  er  getragen, 
Da  schmettert  ein  Lied  er  am  himmlischen  Thor. 

Anf  fliegen  die  Pforten  und  hebliche  Töne 
Erwecken  die  Sehnsucht,  die  Himmel  erglüh  n, 
£r  aehaot  voll  Entsftcken  daa  E#ige,  SehOne 
Und.  eehmilzt  in  harmoniachen  KIftngen  dahin. 

18.  Okt  1844. 


Sonett  an  Kömer*s  £iche. 

Was  Da  geahnet,  hast  Da  laat  gesongen: 
Die  Freiheit  nnd  Dein  dentsehes  Vaterland; 

Du  hast  mit  starker,  kriegerischer  Hand 

Die  Leier  hooh  und  hocA  das  Schwert  geschwnngen. 

In  alle  Herzen  ist  Dein  Lied  gedrungen, 

Es  war  der  deutschen  Helden  schönstes  Band, 

Der  Freiheit  war  ea  und  der  Ehre  Pfand, 

Und  donnernd  ist  es  in  der  Schlacht  erklangen. 

Doch  nicht  allein  im  wilden  Kriegestoben 
Ertönte,  Edler,  I'ein  erhaben  VSort, 
Es  schlag  auch  sauft  und  friedlich  Deine  Leier. 

Sie  liess  wie  Himroelslaate  nns  von  Oben 
Vernehmen  mauchen  zärtlichen  Akkord,  — 
Der  Frieden  war  ihr,  wie  die  Schlachten  thener* 

29.  Apr.  1846. 


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-  79  - 


An  Alma. 

Von  Paimeu  hab'  ich  viel  geträumt, 
Und  wie  im  klklmeB  Sebwertertans 
'  Das  Boas  aieh  n&tem  Raitor  Hamt, 

So  strebt'  ich  nach  dem  Sfti^erkranz. 

Ich  glaubte  schon,  ein  Kind  des  Rahmea, 
Mich  in  dem  Schatz  des  Heiligthumes. 

Da  nahtest  Du  mif  Dt  in-  r  Liebe. 
So  himmlisch  rein  und  fromm  und  gut: 
Ich  loigie  einem  bessern  Triebe, 
Und  air  den  atolaan  Jagendmotb, 
Mein  Hoffen  all'  und  air  mein  Streben, 
Da  nabmat  ea  bin  mit  meinem  Leben. 


14.  Febr.  1845. 


Dn  weinest,  Mädchen  V  Trockne  diese  Ziihren 
l'nd  komm',  Geliebte,  an  raein  treues  Herz! 
Lass  sie,  die  Menschen,  unserm  Glücke  wehren, 
Da  aollst  nicht  weinen-  nimmer  darf  der  Schmerz 
In  dieaen  frommen,  milden  Angen  wohnen, 
Kur  Freuden  sollten  folgen  Dir  und  Sehers. 
Doch  will  Dich  Gottes  Liebe  nicht  belohnen, 
Verzweifelst  Du  an  Deines  Lebens  Glück 
Und  kann  auch  Dich  der  Kammer  nicht  verschonen, 
Wohlan!  ao  trage,  trage  Dein  Qeaehlek, 
Reich'  mir  die  Hand  anf  dunkeln  Lebenawegen, 
Und  richte  aufwärts  Deinen  Engelblick. 
Dann  tritt  ein  Freund,  der  letzte,  nns  entgagen, 
Der  alle  Eidenleideu  sicher  heilt 
Und  weiht  uns  beide  ein  mit  seinem  Segen. 

16.  Apr.  1Ö45. 


Distichen. 
I. 

Blicke^  mein  Mädchen,  empor  an  dem  aternbeaäeten  Himmel, 

Ob  das  unendliche  Heer  je  Du  zu  zählen  vermagst, 

Und  dann  blicke  auf  mich  und  zähle  die  Thrrinen  der  Liebe>, 
Welche  Dir  flössen;  sie  sind,  Alma,  unendlicher  noch. 


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—    80  — 
Ii. 

Sängerin,  deren  Gesang  M  bimmliBch  ertönet t  Dir  fehlen 
Alma'ft  Ange,  ihr  Hers,  Qm  erst  vollkommen  zu  sein. 

III. 

Quiile  nicht  länger  ilas  Glfu  k  mit  citeln  Klagen  und  Thränen. 
Zürne  eher  i'ir  selbst,  dass  Da  bisher  ihm  gelraut. 

IV. 

Achtzehn  Jahre  nicht  ait  und  doch  zum  Sterben  bereitet 
Bin  ioh  seit  Jahren ;  der-  Tod  ist  mir  der  treueste  Freund. 


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vm. 

Die  Rulacher  Vornamen. 

Untersüchimg 
von 

Heinricli  Mangos. 
III. 

Die  Slellunjj  der  \iuii.tiiien  im  Volk.slehen  erkennt  man 
am  besten  aus  ihrer  Verwendung  als  Gattung^snamen, 
in  Redensarten  und  Sprichwörtern,  in  Keimen 
und  Liiedern.  Ich  teile  daher  noch  mit,  was  ich  hierüber 
im  Laufe  der  Jahre  von  67  Vornamen  für  Rurach  gesammelt 
habe.  Da<s  daLei  maaches  Derbe  mit  unterläuft,  das  wird  nie- 
mand Wunder  nehmen,  der  unsere  Mundarten  kennt«  Ich 
glaube  nicht,  dass  ich  hier  Döti<r  habe,  mich  deshalb  SU  ent- 
scliuldii^en.  Naturwüchsijrkeit  und  Derbheit  j^ehören  nun  einmal 
zu  unseit?in  Vnlksfpben  uml  unserer  Volkssprache.  Aber  sie 
halieii  hei  in  i^ewohiiiichen  Volke  kuii^e  nit  !it  den  bösen  I3eii,^e- 
.sc  iuiiat  k,  den  sie  bei  dem  in  der  feiuoion  Schi ill.sprache  Ge- 
bildeten erzeuj(en.  Wer  indessen  schwache  Nerven  hat  oder 
sittlichen  Schaden  befDrcbtet,  möge  die  folgenden  Zeilen  unge- 
lesen  lassen. 

Unter  den  verwendefen  Namen  finden  wir  die  häufigsten 
und  die  seltensten.  Selbstverständlich  sind  auch  Joseph  und 
Maria  stark  vertreten.  Der  Name  Joseph  kommt  z.  B.  in  dem 
folgenden  Abzählspruch  vor: 

Aue  däne  düftbie  [ftno  tfino  ty'pie]. 
kämme  drii  Familie  [khuma  tr^i  Fhinilie], 

FnasfTiacht  vuu  Josäf  [Fäsana/t  fun  JosAf|, 

7  i-i:Librot,  Zuggerbrof  fTsükarprot,  Tftükarpröt]. 

liuu  bisch  das  [ty'  pi's  tüsj! 

6 


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—    82  — 


£r  trSgt  mil  seiner  scherzliaflen  Sinn«  und  Zusammea* 
hangslosigkeit  das  Gepräge  eine«  echten  Aluahlreims.  Der  Name 
Joseph  ist  hier  wahrscheinlich  nur  deshalb  •lehiaucht,  weil  er 
<Jem  Kinde,  d.is  den  Sj)ruch  zum  ersten  Male  bildete  oder  bil- 
den half,  als  häutiger  Nuine  gerade  einfiel,  oder  vielleicht  auch 
weil  /uffiliijr  ein  Joseph  in  der  spiolcndon  Kinderschnr  w.ir.  — 
He\vui»:>l  und  ubsichtlich  kuniuil  der  Nanie  in  einem  Spoltreiiii 
vor ; 

Sabbele  mit  dr  Giig  [SepaU  mit  tr  kikj, 

Sftbbele  mit  dam  Bass  [SCpala  mit  tarn  Pka], 

Säbbela  bit  in  d'Hoosa  gsehiaia  {Sipsla      In  t*HÖ8»  k'aisa]. 

Sibbela.  was  isch  das  [Sipala,  wh»  l'a  ii»}t 

i)a  der  Is*ame  Joseph  so  häufiir  in  Rufach  vorkommt,  ist 
er  zu  dem  geworden,  was  er  und  jeder  andere  Voroanie  zuerst 

war,  nämlich  zu  einem  Gattungsnamen,  allerdin^^s  im  ungQn- 
s!i^t'ii  Sinne.   Von  einer  ;>turken  und  derben  Weibsperson,  die 
/  keck  und  mulig  autlriU,  sagt  man :  iDas  isch  e  ^bbi  [les  i's  d 

Mil  il.-m  X.iiiicii  Fiünziskü  tritt  Ji)-t'|ili  in  einem  Reime 
auf,  den  'Ii«'  Kimler  otX  auf  der  Strasse  &ini;en  : 

Scholkbihrebuimlf.  Gliickele  dra  f'SolopIrepainila,  Klekala  trä], 
Fian/üle  mües  dr  Subbelc  huh  [s  Frantseld  myss  tr  ^epald  hä]! 

iSobpiro  sind  grosse  harte  Birnen. 

Häutig  werden  Jose]>h  und  Magdalena  7tj<animenireslellt, 
und  zwar  in  den  Foinien  Sepi  uml  I/mi.  r.<'ide  Namen  ver- 
treten hier  die  ander.swo  gebränchlu  lic  l'onnel  :  Häusel  und 
Grelel.  Von»  Si'\n  und  Leni  handelt  z.  H,  ilwi  lolgende  Spruch  ; 

Dr  Säbbi  suit  züeiu  Leni  [tr  Sepi  sait  ts^am  L4iiij : 
Lern  &cbank  dr  li  [L^ui  'saUk  tr  i], 
aa  isab,  bi  Gott,  vnm  g&ada  [as  Va,  pi  Kot,  f&m  kfata] 
Bearl^anndrwii  [P6ilakaiitrwf]. 

Perlakantrwi  ist  eine  sfiasshafle  verdunkelnde  Bezeicimunt^ 
d(fs  Weins.  Dos  Wort  ist  eine  Zusammenrück  ung  des  Satzes : 
Reerle  gana  dr  Wii  [Perla  kan  tr  WiJ  Beerlein  geben  den 
Wein.  Ebenso  bekannt  ist  ein  anderer  Reim : 

Dr  Sibbi  satt  süem  Lsni  [tr  S&pi  saii  isyam  Lftni): 
Leni,  ISgg  di  ah  [L6ni  Uk  ü  a] ! 

Kninm,  mir  wann  in  s  Kurze  [khutn.  mir  wan  in  s  Khürts»], 
Ziwweleuaai  tZwiebelkuchen)  müesch  hah  [TsiwaUwai  myd's  hä]! 

's  Kliüif->  sctieinl  eine  Irnhere  IJäckerei  odei-  VVirtschall 
m'weM  ii  /II  s.'in.  Neuer»lings  konnte  man  die  Zusatnmenslellniij 
der  luiinen  S«'pi  und  L/'iii  auch  in  einer  I*:un(ii(.'  aui  vlm  Au- 
lang  dc>  auch  hier  verlneiU'tcn  Ga!?senhauei>  li-u  (»n  :  Im  Gru- 
newald)  im  Grunewald  ist  Holzauktion.  Sie  hegiiinl  : 


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—  83  — 


Di  Säbbi  laüft  im  Leni  mit  dr  üolz&x  uoo  [ti-  Öepi  Ikyli  im 
Um  mit  tr  HoUbUcs  nö] ! 

Allein  eri?cheint  der  Name  Maj'ilalt?na  in  dem  Namen  einer 
frühreifen  Bii  iieu-sui le :  Magdelenebihr  [Mäktolendpir],  und  ia 
einem  Scherzreim.  Wenn  beim  Essen  das  Brot  auf  dem  Tische 
fehlt,  80  sa^'t  man  wohl  verblGmt: 

Hailigi  Magdaleue  [hailiki  MycUüöuaj, 

's  Brot  mie  mi  lehne  [s  Prot  mi»  mr  Itoe], 

Wamr  kommt  tu  LAdd«badi  [t  Wässr  Ichtot  lüL7ttpk/J; 
itoh  diM  ait  e  schMiii  Sach  \y»  tH  lAl  •  's6iii  ShxJ? 

Gemeint  ist  mit  dem  Wasser  die  vorüherfliessende  Lauch,  die 
im  Crehweiler  Thale,  hinter  tiaulenhach  [Lylapii/J,  entspringt. 
Der  Spruch  veraltet  nach  und  nach ;  früher  wurde  er  oft 
gebraucht. 

Noch  häufiger  als  der  Name  Joseph  kommt  sein  weibliches 
Settenstück  Maria  in  Reimen  vor.  Zusammen  treten  sie  in 
eini-m  Liede  auf,  dessen  einförmi;;»?  W«'I.<c  von  dt  r  Armut  und 
Kai^heil  der  Worte  noch  an  Kunällusi^keil  übertrofl'en  wird:i 

1.  0  Linsetnbb,  o  UniMabb  [Unaasikp], 
oh.  oh.  0  Linsesabb, 

0  Linscsubb  ! 

2.  Wer  bat  si  kocht,  wer  bat  ai  kocht  [wer  hkt  si  kho/tj, 
ob,  ob,  wer  bat  si  kocht 

w«r  hät  si  kocht? 

3.  Dfis  Mfiiele.  dSs  M&isle  [tte  MAiole]. 
oh,  oh,  dis  MSisIe» 

das  HlUele  1 

4.  Firr  weene  denn,  firr  woMie  dsnn  [fir  wfo»  tdn], 

oh,  oh,  firr  Weene  denn, 
firr  Weene  denn  ? 

5.  B'irr  dr  :Säbbele,  firr  dr  Säbbele  [fu-  tr  SepeleJ. 
ob,  oh,  firr  dr  Säbbele, 

firr  dr  Sftbbelel 

Die  Trä^^erin  des  Niimens  Maria  wird  i^eneckl : 
Marii,  Marii  [Mkii.  MüriJ, 

lo88  d'üieuer  uii  (sonst  :  iine  [inej)  [los  t'üianar  nij 
unii  losi  dr  Qailer  (auch :  Qülli.  Güggl)  lafile  [An  los  tr  Kyler 

Ihyfe]! 

Her  wann  e  morn  vrkaüfe  [mar  wan  o  morn  frkhayfe], 
mer  lege-n-e  uff  dr  Disch  [mor  U'ko  n-9  üfF  tr  Ti's' 
nn  broode-a-e  wie-n-e  Fish  [du  prote-n-e  wia-n-a  Fl'tj 


I  Die  3.  Zeilo  jeder  Strophe  iat  an  Zeitdauer  so  lang  als  jede 
der  beiden  vorbergehendeu. 


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—   84  — 


Mit  Gfilier,  GüUi,  GQggl  ist  der  Haushahn  gemeint;  dieser 
heisst  aLer  Hahne  [Häo»]»  und  Guller  oder  GfiUi  ist  der  Name 
des  Truthahns.  —  Ein  anderer  schon  etwas  veralteter  Neckreim 
auf  den  Namen  Maria  lautet  also : 

Marii,  Uaraa  [Msti.  Slari], 

Marigg  mer  saa  [Marik  mar  s&], 
wo  ist  denn  deine  Orossmama? 
Si  liigt  im  Bätt  [si  liiwt  im  Pet] 
onn  £ftngt  ihr*  Fleh  [tu  fSkQkt  Ii 
nnn  sieekt  st  in  das  Botdmonneh  [tai  *tUkt  si  In  tiw 

Portmonft]. 

Auch  in  Rufach,  wie  üherall,  spielen  die  Kinder  gern  Schule. 
Wenn  dann  derSchüelmaischdr  ['Syalmai'str]  oder  die  Schwaschdr 
['SwA'str]  eins  auflbrdert,  etwas  aufzusagen,  so  wird  von  ihm 
oft  der  folgende  Reim  vor(,^etragen,  natfirlich  in  der  Schrift- 
sprache, wie  es  sich  in  der  Schule  geziemt : 

Tanz  (mit  d  gssprochen),  Marie,  tansl 

llorgen  kommt  der  Frans* 

Er  ist  Schneider, 

bringt  neue  Kleider 

Tanz,  Mari«,  tansl 

Deine  Sehnhe  sind  noch  gans. 

Von  dem  Namen  Marie  sei  auch  ein  Scherzä|ii  uch  ange- 
führt, der  voD  den  Kindern  auf  jeden  beUebigen  männlichen 
^     oder  weiblichen  Vornamen  gesagt  wird: 

^  Mari  isch  e  scheene  Namme  [Mtoi  l*s  s  *s6n8  Niune]» 

Mari  mächt  i  doch  nit  haise  [M&ri  mhy(,i  i  toX  nit  liaiss]. 

Mari  hü,  Mari  haa  [Märi  hi,  Mari  ha],' 

Mari  isch  e  Dschoddlbaar  [Märt  i's  a  T'Mtlp&r] ! 

Auch  ein  Reigenlied,  in  dem  der  Name  wecliscU,  möge 
hier  mit  dem  Xamen  Maria  anij^ejjeben  werden.  Die  kleinen 
Mädciien  halten  sich  ao  deu  Händen  und  drehen  sich  im  Kreise, 
indem  am  fingen  : 

Wir  treten  anf  die  Kette, 
dass  die  Kette  klingt; 
•  wir  haben  einen  Vogel, 

der  so  Bch^Jns  singt; 


>  Dass  dss  r  in  h&rsher  trotz  der  Verschleohtsrong  des  Reimes 
auf  pir  nur  den  Torhsrgehenden  ht  zuliebe  ausgefallen  ist,  ersieht 
man  aueh  ans  anderen  Standarten.  Wo  man  n&nüich  h!  spricht,  sagt 

man  in  diesem  Sprnchc  hä,  z.  B  auch  in  Reichenweier.  Wo  es  aber 
bin  heisst,  steht  här ;  su  lautet  der  Sprach  z.  B  in  Westhofen  (Kreis 
Mölsheim;:  Fritsl  is  e  seiiar  Niima,  —  Fritsl  uie/.t  i  toX  «it  häisd, 
—  Fritsl  hin,  Fzltsl  h&r  —  Ftltsl  l*s  •  Tsotlp&r. 


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—  Sö- 


der Vogel  singt  schon  sieben  Jabre; 

sieben  Jahre  sind  hemm ; 
Mamsell  Mari«  dreht  sich  nm. 

Marie  ist  der  Name  eines   mit  spielenden   Mädchens.  Bei 

Nennun«^  seines  Namens  dreht  es  sich  um  und  geht  nun  rfick- 
vvHrJs  im  Kreise  hemm.  Dnnn  wird  das  Lied  wiederholt.  Ein 
aiiik'ies  Nfädchen  winl  nun  ^rcnannt  und  nius?  sich  umdrehen. 
So  {Teilt  duM  Spiel  lurtj  l)is  ;ille  Kinder  an  die  Reihe  p-ekonrimen 
sind.  Nachher  wird  ein  anderes  Rei^enlied  ge<nnj:»'n.  —  Die 
Form  Mai  [Mei]  enihallen  zwei  Ah/JUdrcime.  Der  kleinere  lautet: 

Ais,  zwai,  dräi  [ais,  tswai.  treij, 
sait  das  Mai  [sait  tes  Mei]. 

Der  grössere  heisst : 

Sobbebäi  [Süpdpei], 

pRTip  inr  üss  de  Boliiio   k:iii  mr  ys  io  Piuia]. 

wenn  dr  Pf;iddr  Miclil  kiuniUl    [\\vn  tr  Pft'tr  Mi/1  kiiümt\ 

K6  schleed  dr  er  ais  uiT  d'ühre  ^so  'slet  ar  tr  ais  uf  t  Oraj. 

Die  Koseform  Mäieie  [Meiald]  bringt  ein  anderes  Sprüchlein: 

0  If&iele,  0  M&iele  [o  Hiiele.  o  Möiald], 

stand  nfF  nnn  schlag  p  Liocht  ['stanl  üf  hn  's]C\k  o  Llo/t]! 
Es  rnmblt  in  dr  Knch  erum  [^s  rüniplt  in  tr  Ktiü/  arüni', 
inr  inaint  joo,  8  isch  e  Dieb  [rar  maint  jo,  s  i's  3  Tiap]. 

Ein  im  Elsass  bekannter  und  viel  ^gebrauchter  Bibelspruch, 
Ev.  Joh.  3,  16,  wird  mit  seinem  Anfange  auch  in  Rufach  oft 
im  Spass  angeführt,  und  zwar  im  Anschluss  an  das  häufig 
vorkommende  Wörtchen  also.  Wenn  einer  "^ngl ;  Also  [also],  so 
fällt  ein  zweiter  sofort  ein  :  hat  Crolt  die  Welt  geliehf  Hiät  Kr»t 
Ii  Wt-ll  k.dipl].  Ein  drilter  faint  fort:  Unn  dr  IM'an-  dr  Kocli 
[ün  h  Pläi'  tr  Kho/J.  Und  ein  vierler  (oder  auch  der  erste, 
zweite)  schliesst  mit  der  Spitze :  Unn  daa  faftt  Marie  ghaise  [ön 
{&  höt  M&ri  khais9].  ~  Maria  als  Name  der  Mutler  Gottes 
[Mydlerliolas]  wird  in  dem  Ausruf  angewendet :  0  Jeere  Mariaa 
(0  Htb  Mänä]  I  Er  dient  zur  Bezeichnung  des  Schrecltens,  der 
Verwunderung,  des  Erstaunens  und  wird  ungemein  hftufig  ge- 
braucht, im  Ernst  und  im  Spass.  Wenn  ihn  ein  Mädchen  in 
nicht  ernster  Lage  anwendet,  fügt  man  wohl  im  Spass  hinzu : 
I  mües  e  Mann  haa  [i  myos  a  Män  hA] !  —  Auch  der  Doppel- 
name Maria  Anna  [Marian]  wird  manchmal  missbraucht.  Wenn 
jemand  tallt,  anstü^ist  oder  geschlagen  wird,  so  rufen  die  An- 
wesenden : 

Baüff,  Mariann  [Fäyf,  Märiüiu]! 

Bftbb  di  an  dr  Wand  [hip  ti  1a  tr  Wänt]! 


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—  86  — 


Der  letzte  Zusatz  fehlt  aiu  Ii  bisweilen  ;  das  Wort  j)äyl'  ahmt 
den  Fall,  Sloss  oder  tSclilag  nach.  —  Ein  Madchen,  das  den 
umgekehrten  Doppeinamen  Anna  Maria  trägt,  muss  sich 
Folgendes  nachrufen  lassen : 

Anne  Mani  hüt  känoer  Mann  [kn<)  Marl  hut  kbendr  Mkaj, 
ADue  Uuii  iaeli  Schuld  darahn  [Ans  Uh,ri  Vb  'S&U  tkrftn  (tonit : 

tr<l)l; 

Anne  Marii  hat  alles  verklopft  [Ana  Märt       kies  farklopft), 
dr  Undarrock  (auch  frz.  cbignon^  mit  samt  em  Gaffedopf  [tr 
ijntarrok  mU  samt  em  lUfetopf  (aonat:  KAfeh&fa)]. 

Oder  8ie  wird  mit  den  folgenden  Worten  geneckt : 

Ann«  Marii  hftt  d'Mablsnbb  Ttrbnnnt  [An«  Ukri  hftt  tlf&laftp 

ferpr^nt], 

iacbmit  am  Koebtaffl  d'Staag  aave  grennt  (i's  mit  om  Kho/l4fi 

d'^Stäk  äwd  krent]. 

Dieser  Spruch  wird  niir-h  auf  andere  weililiche  Namen  an- 
gewendet. Dafür  kann  die  Anna  Maria  aber  von  sicli  rühmen: 

Anne  Mariannle  hais  i  [Än^  Märiänla  hais  i], 

Bcheen  bin  i,  das  wais  i  ('sen  p'in  i,  tes  wais  i], 

doisik  Dahler  rrmag  i  [toiaik  Tälar  frmäk  i], 

doiaik  Dabier  iach  na  nit  gnüa  [toiaik  T&lar  i's  nk  nlt  kat»}* 

tttttt  •  aebeanar  Bfla  datsfta  [An  •  «ataar  trtaya). 

Eine  etwas  veränderte  und  verlängerte  Foini  dieses  Spru- 
ches dient  auch  als  Schaukellied.  Nur  wird  dann  ein  beliebiger 
Name  gewählt,  gewöhnlich  der,  den  das  Kind  trägt,  das  der 
Erwachsene  auf  den  Knieen  hält,  z.  B.  vom  Adolf: 

Adälfele  hais  i  [AtMfala  Lais  i.\ 

scheen  bin  i,  d&s  wais  i  [s^a  pia  i,  tds  waia  i]. 

codi  Sohialele  trag  i  [t6ü  'Stalala  trik  i]. 

hundert  Dahler  vrmag  i  [hüntart  Tälar  frmäk  i], 

hundert  Dahler  iRch  nit.  genüe  [huntart  Tiil'ir  i's  nit  kanfaj, 
noch  9  acheeni  Babb  dizüe  [noy  e  'seni  Püp  trtsya]. 
Hat  i  doch  di  Bubb  nit  gnummc  [hat  i  lo/  ü  Püp  nit  kuümej, 
ae  waar  i  nit  in  s  Unglick  kämme  [sa  war  i  nit  in  s  ÜnkUk 

kbAma]! 

Jats  wais  i^  was  i  mach  [Jita  wais  i,  was  i  mkX]* 
I  nimm  ai  uff  dr  Bnggl  mn  trag  si  in  dr  Bach   [i  nim  si  M 

tr  Pakl  UD  tiäk  si  in  tr  Pa/J. 

Der  erste  dieser  SprQche  mit  dem  Namen  Maria  wird  bis- 
weilen auch  mit  dem  Namen  Katharina  gesprochen :  Kathrü, 
Kathiii,  loss  d'Hiener  nii  [Kliatri,  Khatri,  los  fllianar  nl],  u. 
8.  w.  Ein  anderer  Kaim  auf  diesen  Namen  lautet : 

Kathrine  [Khatrtna] 

loaat  dr  Winder  iina  [loat  tr  Winiar  ina]. 


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—  87  — 


Dieses  Sprichwort  bezieht  sich  auf  den  Tag  der  beilif^en 
Katharina  ('25.  November),  nn  dem  der  Winter  vor  der  Thnre 
steht.  nir>^<'r  T.ipr  i!«t  für  f^iifat  h  in  doppeher  llinsiclil  wichtig, 
einmal  \v«'-<  ii  <los  Kalhriinezin^  [Khatrinalsins],  de-«;  am  Kathrii- 
neda;»*,'-  [Kliatriiiot;ik]  füHifren  Pachtp<'ldi's  (au^scrdciii  giehl  e.s 
noch  den  Mardiiuizins  [Mäi linit^;in.s|),  und  sodann  wegen  des 
kathriinemark  [Khatrinamark],  eines  der  am  stärksten  besuch- 
tea  der  fünf  Rufacher  Jahrmärkte.  Der  Name  Katharina  steht 
also  in  Ehren,  was  schon  aus  seiner  Häufigkeit  hervorgeht. 
Das  kommt  wohl  daher,  dass  die  heilige  Katharina  die  Beachfit- 
zerin  des  früheren  hiesigen  Franziskanerkto^ters  war,  dessen 
Kirche  als  Gloschderkirech  [Klö'slarkhiroyJ  jetzt  noch  vorhanden 
ist  und  })enut2t  wird.  Kin  grosses  Altarbild  darin  stellt  die  Leiden 
der  hl.  Katharina  dar.  Frnhor  ^rnb  es  nu  ht  weit  davon  in  der 
Stadtmauer  auch  einen  Kalharinenturm,  von  dem  je<loch  keine 
Spur  mehr  zu  «eben  ist.  Trotz  seines  Ansehens  und  seiner 
schönen  Bedeutung  («kriech,  die  lieiiio)  luijss  der  Name  Katha- 
rina auch  hier  zur  llezeichuung  einer  Sache  dienen,  die  man 
nicht  gern  beim  rechten  Namen  nennt :  d'schnall  Kathrin 
[t*'snall  Khatrin].  Aber  daran  tragen  die  Rufacher  keine  Schuld. 
Der  Ausdruck,  der  ja  wohl  auf  scherzhafte  Weise  mit  Anleh- 
nung an  lat.  catarrus  =  Fluss  entstanden  ist,  hat  sich  aus 
dem  übrigen  Deutschland  auch  hier  eingebüi^ert.  —  Denselben 
Sinn  wie  die  obige  Wetterregel  hat  eine  andere  mit  den  Namen 
Simon  und  Juda : 

Simon  Jüftdi  (28.  Oktober)  [Simön  Jy  ti] 
hangt  Sobikse  an  d*Stäüdi  [ha4kt'Sn6  knVStyti]  (sonst.  'Sty  ta« 

Stauden). 

Der  Ulli  der  Koselonn  Meiola  angeführte  Sprutdi  wirti  mit 
einigen  Abänderungen  auch  huuüg  mit  dem  Namen  Susuinna 
gebraucht : 

Sftsaanele,  Süsanneie  [Sysänab.  Sysaii<>l9], 

stand  uff  unn  mach  e  liiechtelc  '"stäiit  uf  An  mu/  o  l  i.i/t^le"!! 

Es  lauft  e  Gaischt  im  Uüss  eram  [os  lüyft  d  Kai'st  lui  Hyn 

arüm  (sonst:  tma)]; 
i  main,  es  isch  e  Dieb  [i  maln,  ss  l's  s  Tlap).  — 
0,  o,  i  fSfireh  mi  nit  [o,  6,  i  f&rX  nii  alt]! 

Zwei  Verkleinerungsformen  dieses  Naniens,  Dsüüsi  [Tsy'si] 
und  DsüCisele  [Tsy  saldJ,  sind  zu  Gattungsnamen  für  ein  kleines 
artiges  Mädchen  geworden.  Das  vorschlagende  d  ist  wohl  nichts 
anderes  als  der  mundartliche  weibliche  Artikel  d*  =  die. 

Von  dem  mit  Maria  zusammengestellten  Namen  Franx  sei 
hier  gleich  noch  ein  Spottreim  erwähnt : 


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—  88  — 


Fran?:  [Frants], 

Kabbidanz  [Khüpitänts  (auch:  KhümpdtUnts,  Kbüpotünts)], 
dr&t  Neegl  (aach :  Eesl)  [trei  mk\  (ancb :  ^sl)], 
dr&i  Keegl  (a«ich:  FlMgl)  [trfii  Kb«kl  (»nch:  Fi6kl)], 
OaggügglKykjk)! 

Ich  habe  vorhin  beiläufig  die'  Namensformen  Hanse)  und 
Grelel  erwähnt.  Dass  beide  deutsche  Abkilrzungen  und  Verklei- 
nerungen der  fremden  Namen  Johannes  und  Margareta  sind, 
weiss  Jedermann.  Wie  Jo8e|ih,  so  ist  auch  Johann  infolge 
seiner  überaus  häufigen  Anwcn(]uii<;  in  früherer  Zeil  zum  Gai- 
lunjjsnainen  ^jewonien.  Das  nämliche  kann  man  ja  auch  in  der 
Scliriftsprache  l»eohachten,  z.  15.  in  diMi  '/iisammonsotzun^'on 
Fabelhans,  Marlcrhans,  PraltHi ms,  Scluualiiaus,  S|);irhans,  Saut- 
hans.  Dem  Worte  klebt  Iki  diesem  üehran<  hi'  stets  etwas  Nie- 
dri^'es  und  Spöllisches  an,  wie  dem  Au^stiru*  l<e  Ket  l.  —  Fine 
starke,  derbe  Frauenspersou,  die  keck  und  mänalich  aultrill, 
heisst  in  Rufach  nicht  nur  Säbhi  [Scpi]^  sondern  auch  Hans 
[H4nf],  und  zwar  ist  das  Wort  männlich  (vgl.  Grimms  Deut- 
sches  Wörterbuch  IV*  458).  —  Hans  [Häns],  Hansi  [Hänsi], 
Hansl  [Hänst]  oder  Haosele  [Hänsab]  ist  ein  beliebter  Name 
für  Pferde  und  gezähmte  V5gel  (z.  B.  Grabb  [Kräp]  Rabe» 
Aagerscht  [Akar'sl]  Elster,  Manncnwactider  [Mänawaytar]  Turm- 
falke, Wäi  [Wei]  Weihe,  Uül  [Yl]  Dohle,  Kanaari'  [Khänari] 
Kanarienvogel).  —  l*'ür  den  BegtilV,  den  man  in  der  Sclirift- 
spiarho  mit  <lom  Ftemdwort  renomiiiiei en  bezeichne!,  sagt  der 
iUitaclit'i  :  der  (isi  hwulle  spihlc  [Ir  K'swiilo  'spila],  o<ler  :  dr 
Grosslians  mache  [ii  Kr6sbän<  m;'r/o].  Der  letzte  Ausdruck  ist 
ohne  Zweifel  ein  Kest  aus  tiülierer  Zeit  ;  tieim  im  IG.  und 
17.  Jalirhunderl  gebrauchte  man  tür  einen  reichen,  angesetie- 
nen  Mann  die  formelhafte  Bezeichnung :  grosser  Haus  oder 
Grosshans,  im  Gegensatz  zum  Kleinhans  (Deutsches  Wörter- 
buch IV«  456  und  V  ÜiO).  —  Auch  die  seit  dem  i5.  Jahrhundert 
häufige  Bezeichnung  eines  Dummkopfs  oder  Narren  mit  dem 
Worte  Hans  liegt  noch  in  der  Rufacber  Versicherungsformel : 
Ich  will  Hans  haise,  wenn  s  nit  wehr  iscb  [r/  wil  Hans  haisa, 
wf'fi  s  Mit  Nvor  i's],  einer  Redensart,  <l»e  si*  h  im  ganzen  Elsass 
unii  auch  in  anderen  deutschen  Gej-enden  lintlet,  z.  II.  in  Thü- 
ringen, während  «Hans  heissen»  in  Bayern  i^i  iade  tlas  Gegen- 
teil bezeicliiiel :  vorzüglich  sein  in  seiner  Ai  l  (Sclinieller,  Bay- 
risches Wörterbuch,  Ausgabe  von  Fronmiaau,  1  1134).  — 
Dann  ist  ein  Hans  auch  weniger  ein  dummer  als  ein  gutmdtl- 
ger  Mensch.  Wer  den  andern  gegenüber  immer  dienstbereit 
ist«  oder  wer  allerlei  Arbeiten  verrichtet,  die  nicht  jeder  thun 
mag,  zu  dem  sagt  man  wohl :  Hans,  hank  dr  Moon  usse  [Häns 
haQk  tr  M6n  yse]  I  Hans,  worum  häsch  d*Starne  na  nit  ahzunde 


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~   80  — 


[Hlinf^,  won'iin  t'.Starnj»  nä  nil  al^iiint.)]?  — Audi  in  eini- 
pen  \Vortvcrbin*1iin;ipn,  in  denen  tlas  Worf  Uruis  aU  erster 
Teil  mit  einem  Niinen  oriiT  mil  einem  .S'»ii<!i-en  Aus- 

drucke zusamiiien^ienkkl  i-l,  li.U  es  etwas  Läclici  liches  nnd 
Vnirünsli;fes  an  sich.  Das  Dentsclie  i.st  sehr  reich  an  solchca 
Verbindungen.  Moritz  Heyne  führt  in  Grimms  D.  W.  IV2  ioU 
nicht  \veni<j^er  als  45  an  (v;;!.  aueh  das  unterelässiaN^he  Hans 
Drabb  [Häxift  Trap]).  Die  Kufacher  Mundart  besitzt  «lie  ful> 
genden.  Ein  Han$kasclil)er  [Hänskhä'sper]  oder  Hanskasehberie 
[H&nskhä'sparla]  ist  eine  di'olli;;ef  spasshafle  Person.  Mit  dem- 
selben Sinne  wird  aucli  der  Ausdnn  k  Hanswurschl  [Hans- 
wurst] j(ebraucht,  z.  l^.  in  den  folgenden  Iledensarten:  Du 
bisch  e  H.  [ly  11  -  .»  H.", ;  jelz  kumm  ich,  seit  dr  H.  ['\>-\< 
khnm  iy,  sait  Ir  H.  :  s  jfebt  \nu<^,  l>is  «  })ä«ser  kummt,  sail  dr 
H.  [s  kel  läR.  pi-s  s  n«'sar  khümt.  saif  ti  M.l.  Vrrwnndf  drtinit 
ist  die  Zn^aiiiiiienrückun'^r  Hansnii«  hl  [H;ui>iiiiyl |.  .So  nennt  man 
in  Rufach  einen  Spassmaclier,  der  die  Gesellschaft  durch  seine 
lustigen,  näirischen  Einfälle  aufheiterl.  Vielicichl  kommt  dei" 
Name  von  dem  Titel  des  liier  (gelesenen«  schwänkereichen  Ka- 
lenders :  Der  lustige  Hans  Michel.  So  Meht  der  Name  Hans 
auch  in  folgenden  Scherz-Fragen  und  -Antworten : 

Wie  haisch  [wia  hai's]?  —  Hans  Oaisclif  fHans  Kai'st]  1 

Wie  noch  [wia  noyj?  —  Haus  Bloch  [Hüas  Plo/J  ! 

Wie  meh  fwlo  m^f?  —  S  Säggele  voll  Fteb  [e  S«kale  fol  Fii)! 

Etwas  j,'an2  andere^  i<l  ein  Srliindiitn-  ['Sirdhans",  nämlich 
einer,  der  sclnv«!  arbeilel  f  iler  .<ihmdet.  Das  Wort  klin<;t 
wohl  ein  wcnijr  an  den  Nantcn  des  liern«'hli;;len  Käuherhaupl- 
manns  Schinderhannes  an.  Wie  im  j:anzen  Lande,  so  erzählt 
man  sich  auch  in  Rufuch  von  ihm  und  seinen  Streichen.  Einem 
weinenden  Kinde  wird  gedroht :  Bisch  still,  odder  dr  Schinder- 
hannes kummt  unn  holt  di  lPi*s  *$fil,  otar  tr  ^Sintarhlmas  khümt 
ün  holt  ti]  !  Und  einen,  der  Menschen  und  Tiere  quält,  nennt 
man  einfach  Schinderhannes  ''Sinlorhän.»s] .  — Sogar  für  etwas 
Lebloses  verwendet  der  Ilufacher  das  Wort  Hans.  Er  nennt 
fioläute,  womit  jeden  Samslaj:  Abend  die  Woche  f;leichsam 
zu  Grabe  geläutet  wird,  Wik  hehans  [WiV/dliäns]  (an  anderen 
Orlen,  z.  lt.  in  Rallersdni  l  l.t  i  Allkirch,  hei;<sl  es  WuchemiclielK 
Der  Ausdi  iK  k  i-t  mtimiiIIii  h  aus  Scherz  entstanden.  Man  kann 
jetzt  noch  die  fulpieuile  Fra;;e  und  Anlwoil  hören.  Wenn  einer 
nicht  gerade  daran  denkt,  dass  es  Samstag  .\bend  ist,  und  beim 
Läuten  verwundert  fragt :  Was  liddels  jiii/e  [Wäs  litots  j6lsd]  ? 
oder :  Wer  isch  gstorw»  fwirl*s  k'storw«]?  so  erhält  er  in  spöt- 
tischem Tone  die  Antwoil :  \,  s  isch  dr  Wuchehans  [ae,  s  is 
tr  Wüyafa&ns] !  Auf  diese  Weise,  zum  Hohn  für  den  Frager, 


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—  90  - 


ina;f  Xntno  Win  lifh-ins  auf;;ekom)nen  «fin.  Ibs  Wort  Hans 
hat  mau  als  AllfM'welisnainen  für  etwas  vtn  weiulel,  wot'üi"  iiiitn 
nicht  eine  audtMe  Bt'zj'ichniinji  hatte.  So  ;jfeht  e«  <lem  Naiuen 
Hans  gerade  wie  dem  der  Katze,  der  auch  so  häufi},?  misshraiicht 
wii'd.  Aehnlich  ist  es  noch  in  zwei  anderen  Ausdrücken.  Wer 
gern,  disputiert,  immer  Recht  haben  uml  Meisler  sein  will,  wird 
DIschbedihrhans  [Ti'spaiirhikiisjoder  Maischderhan^  [Mai^stsrhäns] 
genannt.  —  Die  Geringschätzung,  die  in  dem  Namen  Hans 
liegt,  ist  wohl  Schuld  daran,  dass  das  jüngere  Geschlecht  diese 
Namensform  nicht  mehr  {rehraucht.  Es  lieht  mehr  das  frz.  Jean 
oder  dessen  Ersatz  Schang  ['SanJ,  Schau;:!  [^Säfti].  Doch  auch  auf 
diese  Form  hat  sich  etwas  vom  Hans  nhiMtragen,  freilich  nur 
in  der  Zusammonselzunpr  Salal<chanj,n  [SalAt'saiii].  So  nennt 
man  -inen  Menschen,  der  j(ern  und  viel  Salat  ist.  —  Zum 
Schlüsse  sei  noch  ein  Meini  erwr4hnl,  den  man  im  ganzen  Lande 
sinjft  und  sa«rt,  der  vom  Uam  im  Si  hnu(>;,^eloch.  V'on  einem 
stets  unzutViedeiien  Menschen  ;jehen  auch  hier  die  folgenden 
Worte  im  Schwan«? : 

Dr  Hans  im  Scbnoogeloch  [tr  Hans  im  'Snökelo/J 

hat  alles,  was  er  will  \hvt  Mas,  w?is  qt  vvU]. 

Unn  was  er  will,  das  ba.t  er  nit  [ün  wüs  dr  wil,  tes  hut  ar  nit]; 

unn  was  er  b&t,  dfts  will  .er  nit  [ikn  w&s  ar  Mt,  tds  wil  ar  nit]. 

Dr  Hans  im  Scbnoogeloch  [tr  Elms  Im  'Sndkalox] 

bftt  alles,  was  er  will  [hht  Mas,  wäs  ar  wllj. 

Mit  dem  Namen  Bapti^  ist  Johann  zu  dem  häuGgen  Dop- 
pelnamen Johann  Bapti^  verbunden,  mundaillich  Schambediss 
['Sämpetis].  Ihm  wird  von  der  fröhlichen  Kinderschar  auf  der 
Gasse  der  folgende  Vers  ins  Stammbuch  geschrieben  (natürlich 
nicht  buchstäblich): 

Sehambediss  ['Slmpatis], 
griidewis  [kritawi«], 
kobleschwarts  [khöla'swarts], 
Bäcke(n)na8  [Pekan&sj! 

Auch  zum  Gattungsnamen  ist  dieser  Doppelname  geworden. 
Wenn  einer  vom  andern  etwas  verlangt,  was  dieser  nicht  thun 
will,  weil  es  Gberflössig  ist,  so  sagt  er; 

Kasch  der  iibilde,  Sambediss  'khä*s  tr  ipilta,  'Schkmpstis], 
d'Gans  geh  barfüas  [t*Kans  kb^  pfcrf^a«]  I 

Diese  Redensart  erinnert  mich  an  eine  andere,  fast  gleiche, 
mit  dem  Namen  IgnoM,  Wenn  nämlich  einer  eine  Forderung 
stellt,  deren  Nichterfüllung  sich  von  seihst  versteht,  so  sagt 
man  wohl  zn  ihm  :  Joh,  kn-<  Ii  «Ii  iihilde,  Nazi  [J6,  khä's  tr 
ipiit9,  Nätsi] !  Manchmal  wird  noch  hinzugefügt :  s  gidd  e  Wal- 


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-  Ol  - 


ZGi'  [s  liU  d  Wäll.'*;>r]  I  Oi-^  hedeulel  so  viel  als  die  Redens- 
arien:  Kummsch  moin  <iure  [khimrs  morn  türa]  !  oder:  Mer 
drait  dr  s  noch  haim  [mar  Irail  tr  s  noy  liaimV  udei  :  Habb 
da  Nfnüs  am  Waadl  [hep  ta  Mys  äm  Wäll] !  od.M  :  Job,  Pfifle- 
däg-1  [Jö,  Pfifatekl]  !  oder :  Job,  Hafekaas  [Jö,  iiafakbäs] !  Der 
Name  Ignaz  j^ilt  überhaupt  als  Sinnbild  der  Dummbeil  und 
Einßilt.  Wer  mit  diesen  Gaben  ^^ese^et  ist,  den  nennt  man 
kurzweg  Nazi  [Nätsi],  oder  man  sag^  von  ihm  geradezu:  dfis 
isch  e  dummer  Nazi  [tös  i's  0  fum»r  Ndtsi].  Er  brauchl  des- 
halb ^rii  ni(  h)  Ignaz  zu  beissen. 

Wir  hal>en  vorbin  -eliörl,  dass  die  Rufacber  den  Hanswurst 
aucb  Hanskascbber  (Hänskbä  spar]  nennen.  Der  Name  Kaspar 
ist  bi»M  tiich  zum  Gattunjjsnamen  geworden  nnd  bnt,  wie  Hans, 
den  Silin  eines  lustigen,  rlrolligen  Mon^clicn  angenommen. 
Diese  Bedeutung»'  lie;:t  liesonders  in  der  Vorkleineruni^sforni. 
Ein  Kascbberle  [kba»  parla]  ist  ein  Geck  und  Sjus^niacber,  wolil 
mit  Rücksicht  auf  das  Kascbbcrletbealer  [Kba'^^parla^beatarJ 
Puppentheater.  Ein  dummes,  unwahres  Gerede  heisst  Kaschber- 
larifaari  [Kb&s'pdrlärißiri] :  DQ  dummer  SimbI,  dSs  isch  Kasch- 
berlariCuiridings  [ty  tüm»r  Simpl,  t&s  Ts  Khäs'parlärirftriÜQs] ! 
—  Auch  der  Teufel  wird  in  euphemistischer  Rede  Kascbberle 
genannt;  ein  gottloser  Wunsch  lautet:  Wenn  e  nmr  dr  Kascb- 
berle daat  lüde  [w^n  a  nur  tr  Kba'sparla  tat  bola] !  Den  gleichen 
Namen  trägt  ein  Gespenst  oder  Kol)old  ;  einem  unarti- 
gen Kinde  drobt  man :  Wenn  d'  nit  brav  biscb,  se  holt  di 
s  Kascfiberle  [\\>n  t'  nit  urU'  pi's,  sa  b«)lt  ti  *f  Kha'sp.T-la ) ! 
Damit  vei  wamlt  ist  die  nen«'nnnn;j;  d».'S  Todes  ;  zu  einem  Kran- 
ken sagt  der  ItL'viirli.'iide  Freund  wohl:  Wehr  di,  ass  di  s 
Kascbberle  nit  hull  [Wer  ti,  äs  ti  s  Kba'.sparla  nit  bolt)  !  — 
Diese  Bedeutungen  bat  (nach  dem  D.  W.  V  259}  der  Name  Kas- 
par daher  erhalten,  dass  in  den  früheren  Dreikdnigsspielen 
von  den  heiligen  drei  KiVnigen  Kaspar,  Melchior  und  Balthasar 
der  eine,  eben  Kaspar,  als  lustige  Person  und  als  Mohr  mit 
gescinvarztem  Gesicht  aufgetreten  ist«  In  dem  Äbglanze  dieser 
Spiele,  dem  Mmberzieben  dreier  Knaben  als  Sternsinger,  gab 
und  giebt  sieb  der  eine  stets  als  Kaspar  aus  dem  Mohrenlande 
aus  (vgl.  Jabrb.  VH  205,  X  221). 

Doch  icb  niuss  nun  wieder  zur  Margarete  zurückkehren, 
die  icb  bei  dem  Namen  .loliann  fi  wfiliut  hal>»*.  Reide  geboren 
unter  der  Form  Hän>cl  und  Grelel  im  Volksliewu^stsein  zu- 
saninieu,  wie  uns  5.clion  das  bekauale  Märclicii  lebrl.  Wenn 
sie  in  Rufach  auch  durch  den  Sepi  und  die  I.eni  vertreten  wer- 
den, so  kommen  sie  doch  auch  hier  in  einem  Schnaderbüpfel 
vor.  Es  lautet : 


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—  92  — 


f  ,'  Dr  Hansl  nnn  s  Greeitl  [tr  Hiinsl  ün  s  Kit-tT 

y  sinn  baidi  brnvo  Lait  [sin  paiti  pntfd  Lait  (soust:  Lit); 

dr  Hansl  isch  narricht  [tr  Hansl  Vs  näriyt], 
nnn  8  Greedl  isch  uit  gachait  [ün  s  Kr6tl  i's  nlt  k'sait]  (sonrt: 

k'siit). 

Aucb  sonst  haben  beide  Namen  manches  Gemeinsame.  Sie 
werden  gleich  seilen  gebraucht,  und  auch  Marj^arele  wird  zur 
Bezeichnung  der  Dummheil  verwendet.  Eine  einfältige  Frau  heisst 
dummi  Gred  [t&mi  Rr^t] ;  selbst  einem  Tiere  sagt  man  so,  x. 
B.  einer  Katze,  wenn  sie  nicht  g^Icich  das  hingeworfene  Stück- 
chen Fleisch  findet.  Und  die  folgenden  Reime  zeugen  auch  nicht 
von  besonderer  Ehrung  des  Namens: 

Grcedle  [Kiefl?]. 

zaig  di  Baschdeedle  [taaik  ti  Pii'st^tlo]! 

Greedl,  Basehdeedl  [Kritl,  Pk'st4t1], 

was  machen  die  O&ns'? 

Sie  ßitzeti  im  Wassor 

ond  Wäschen  die  äcbwänz  ! 

und^ 

Hitt  isch  Kilb  nnn  morn  isch  Kilb  [hit  l's  Khllp,  ün  morn  i's 

Khllp], 

bis  am  Zisdidig  s  Oowe  [pls       Tsi'stik  ts  Öw»]. 
.  '   Wenn  dr  Pf&ddr  Michl  knmmt  [wen  tr  Pfetr  Mi/l  kbüimt], 
*  se  sait  er  gücte-n-Üow3  'ga  säit  or  kyot3-n-6\v3\ 
güete-n-Oowe,  aldi  (ireed  [kyato-n-nw.i   -ilti  Kiotl 
zaig  mr.  wü  di  Büddlaad  schteet  [tsaik  mr,  wiiti  Petlat  'Bt6t]!  — 
Buiderm  Oofe  än  dr  Wand  [blntorm  Öfo  kn  tr  Wiint], 
wü  di  alt  Greed  dTIeh  fangt  [vü  Ii  klt  Krtt  tTU  fkQt] 
(Variante:  Kiechle  backe  isch  ke  Scband  [KMey.19  pa/.a  l's  khd 

'Sänt)J. 

■ 

Der  Name  Margarete  wird  auch  in  einem  andern  Spruche  mira- 
braucht,  den  man  einer  älteren  ledigen  Frauensperson  singt : . 

Greedl  nnrr  Qednld,  Geduld«  [Kr6tl,  nür  Ketült,  Eetült], 

bis  emohl  aine  kommt  [pls  emol  aina  kln'unt]! 
Bis  etnolil  niiie  kommt  [pls  omol  aina  khümtj« 
Greedl,  nurr  Geduld  [Kietl,  nür  Kstidt]! 

Doch  in  einer  Deziehunjr  wird  der  Name  Mar},'arete,  i^^ciner  Be- 
deutung; (die  Perle)  enlsprecheiK),  {^pehrt :  eine  in  Gärten  ge- 
zojiene  Spielnrt  des  jiewörmliclien  Oan^mhlrirnrhon«  oder  ^fass- 
lielw  ben-  (in  l^>ur;ii  h  Massbliemic  [ Maspli^imla])  hei>sl  Margeriddle 
[Mai  koi  itl.)],  nach  dem  frz.  rnarguerite  =  MassÜt  lx  hen. 

Aucii  der  Michael,  der  als  Pfetler  Michel  öchun  hei  der 
Mei  und  bei  der  Gred  aulhat,  i^l  niclil  ^ross  angesehen.  Man 
kennt  hier  zwar  keinen  deutschen  Michel,  wohl  aber  einen 
französischen.  Den  frz.  Liniensoldalen  wird  nämlich,  wie  aucb 


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aDderswo  im  Elsass,  der  Spoltoame  Michele  [Mi/alaj  gegeben, 
aber  nicht  wegeo  ihrer  Unbeholfenbeit  uod  GutmQligkett,  son- 
dern wegen  ilires  kleinen  Wuchses.   So  nennen  die  Rufacber 

Ivnalx  n  auch  die  frz.  Fusssoldaten  auf  den  Bilderbojjen,  um 
die  sie  aut  der  Gas:«c  Balliederlis;  mache  [PAliolarlis  may;»],  d. 
h.  mit  kleinen  Ku„'eln  (Päliatai-)  spi»^len.  —  Fün  Knalie,  der 
den  Nauieii  Michat'l  lift^^t,  wirtl  vnn  s.'iaen  Allersgewossen  mit 
dem  folgenden  hübschen  Ueinie  geneckt  : 

Micbele,  Stachele  [Mi/ala,  Ma/,dld], 
brunz  ins  Kachele  [prünts  in  s  Kha^^le]! 

S  Kachola  rinnt  [s  Khn/j»U  rint\ 
ü  Micliele  stinkt  [s  s  tlukt] ! 

Und  dem  erwachsenen  Michel  singt  man  im  Wirtshause  oder 
an  anderen  Versammlungsorten  gerne  ein  höchst  poesieloses 
SpotUied : 

Dt  Miebl,  dr  Miehl  (auch  frs.  Michel)  [tr  Mi/j.  tr  Mi/1], 

der  isch  e  brayc  Mann  [tftr  i*s  e  prftfa  Ukn] ; 

er  macht  jo  gaarn  mtach,  rntach,  ratsch  [ar  mh,'/t  jo  ^4m 

rüi'8,  rüt's,  rüt's], 
uoa  doobai  geht  er  fatsch  [aa  töpai  köt  ar  fas)! 

Der  Name  Michael  gilt  auch  xur  Bezeichnung  der  Beschränkt- 
heit. Den  Aui^ruck  «dummer  Michelj»  kann  man  häufig  liören. 

Wie  Josepb>  Johann,  Ignaz,  Margarete  und  Michael,  so 
werden  noch  andere  Vornamen  im  niedrij^en  Sinne  als  Gat- 
tung<nnmen  verwendet.  Es  sind  nieist  solche,  die  hier  seilen 
odej'  '^-M  nicht  gctraj^en  werden.  Zur  Üezcichnuii'r  der  Dumm- 
heit ^clu  aui  ht  man  liier,  wie  anderswo,  lien  Namen  Chri>,loj)ft 
in  der  Veikürzung  Slollel  ['Stofl]  :  das  isch  e  St.  jlcsia  a  bluüj, 
e  dmainc  St.  [o  lümo  'Stoll],  e  'sliü'e  St.  [o  *slifa'  Stollj  (wenn 
er  noch  ungeschickt  ist). 

Noch  ärger  ist  aber  der  Name  Urban  gesunken,  Irotz  seiner 
schönen  Bedeutung  (der  Städtische,  Gesittete,  Höfliche) ;  denn 
ein  Urwe  [Orwa]  ist  hier  ein  häutiges,  sehr  starkes  Scheltwort 
mit  der  Bedeutung:  dumm,  tölpelbaflig.  Dass  dieser  Name  so 
sinken  konnte,  hangt  wahrscheinlich  mit  einer  alten  Sitte  zu- 
sammen. Der  heilige  Urhan  war  auch  im  Elsass  der  Schutz- 
patron des  Weinslocks,  und  das  Welter  an  seinem  Tage  (25. 
Mai)  betrachtete  man  als  massgebend  lür  die  Güte  des  Weins. 
Refjnele  es,  !*o  rni*>riet  «rie  Weinernte;  war  es  aber  schön,  so 
'^mI)  es  einen  yuten  Truptej».  .\ugust  Stöher  führt  in  Frommanns 
deulsclien  Mundailen  (VI  8)  einen  darauf  bezüglichen  ehässi- 
schen  Spruch  an,  <lem  ich  Iiier  die  Bezeichnung  in  der  Laut- 
schrift beifäge : 


-  94 


Het  Sankt  Urwe  Sanneschiin  [het  S&likt  Ürwa  Sün9'&io], 

gitt  «  im  Herbscht  e  güete  Wiin  (kit  8  im  Höfp*«t  e  kf »te  Win]. 

Ebenda  berichtet  August  Stöber  Aber  eine  früher  in  Sfui- 
deutschland  verbreitete  Sitte :  c  Dass  St.  Urban  sogar  der  Haupt- 
Weinheld  war,  bezeugt  Flemining  in  seinem  volUtSndigen  deut« 
sehen  JSger  III  330  :  t  Man  findet  fast  im  ganzen  Jahre  keinen 
Tag,  an  dem  die  Alten  des  Weins  halber  so  viel  ersehen,  als 
eben  an  liiesem,  da  sie  St.  l'rbnn  füi-  <len  rechten  Weinbeiligen 
gehalten,  deswe^^^en  auch  sein  Biidniss  an  etlichen  Orten  he- 
rumgetragen wild.  I3ei  heilerm  Wetter  «ind  sie  mit  j^ro^sem 
Frohloc-ken  ins    W  irl>haus  ^ezrt^eii  und  b.iben  sich  allda  mit 
dem  Trünke  sein  fitVeuf,  weil  &ie  e.««  tnr  ein  gutes  VorzoirliL-n 
gehalten,  dass  e>  em  n-iches  Weinjahr  ^'el>en  weide.  i>i  aKer 
Regenwetter  tiiij^elaileu,  so  halben  sie  iljren   Weinheiligeu  in 
den  Brunnen  geworlen,  zum  Zeicljen,  dass  die  Weinernte  miss- 
raten und  man  daför  Walser  trinken  mösse.  »  —  In  Nnrn- 
bei^  wurde  der  St.  Urbanstag,  noch  im  17.  Jahrhundert,  mit 
grosser  Feierlichkeit  begangen,  wobei  die  Weinausrufer  einen 
besondern   Tmzu^^  l)ildeten,  den  Vulpius,  Curiositäten  IV  221, 
also   bescineibt :   « Voran  gien^-^  ein  Sladtdiener,  ihm  folgten 
Musikanten  mit  Sackpfeifen  und   S<  halmeien,  hierauf  ein  rot 
gekleideter  Mann  niil  rundem  Hute,  einen  jungen  Fichlenhaum 
tragend,  der  mit  Spieyelchen  unil  .illerlei  rthskngelcben  behan- 
gen war.   iJunn   kau«  St.  I'rhnn  selbst,  aul  »einem  Rosse  bin 
und  her  wankend,  einem    Tiunkenen  gleicl),  zuweilen  au?-ni- 
fend  :  Juchhei  I  Juchhei !  llim  zui  Seite  gieng  ein  Mann,  de» 
ihn  zuweilen  zu  stützen  schien  und  einen  silbernen  Becher  trug, 
aus  welchem  St.  Urban  zuweilen  einen  Zu(^  that.  Dem  Trink- 
patron zur  andern  Seite  gieng  eine  Frau,  einen  Korb  auf  dem 
Rücken,  gefQllt  mit  Spii^elchen  und  Glaswaren,  die  der  Hei- 
lige   teils  verkaufte,  teils  verschenkte.  Hinler  Dnn  gien^^en 
zwei  rot  gekleidete  Männer  mit  roten  Hüten,  an  einem  Rohre 
über  die  Achsel  zwei  grosse  Flaschen  tragend,  in  welche  sie 
den  geschenkten  Wein  füllten.   Dem   Zu;ie  nach  strömte  die 
Volksmenge  und  schi  ie  :  ri  lt  tn,  Urban,  du  nmsst  in  den  Trog  I 
Regnete  es  an  dem  l.i-e  «ies  Cmzugs,  so  wurde  der  Repräsen- 
tant des  Heiligen  in  einen  der  Lorenzkircbe  gegenüijer  J>elind- 
lichen   VVassertrug  geworfen»  (Frommanus  deutsche  Mundar- 
ten VI,  8  u.  9).  —  Diese  Sitte  bestand  wahrscheinlich  auch  im- 
Elsass  und  der  PHngschlpQidderi  [Ptiq'sipfliori]  im  benachbare 
len  Dorfe  Pfafleuheim  (vgl.  Jahrbuch  VI  1(57)  ist  wohl  der  letzt 
Re«>t  davon.  Die  schlechte  Behandlung,  die  sich  der  heilige  Ur- 
ban liei  ungünstigem  Weiler  gefallen  lassen  musste,  trägt  ver- 
mutlich die  ScIiuM,  dass  sicii  mit  seinem  Namen  allmählich  der 
Begriir  der  Dumii.heit  und  Töl|)clhanjgkeit  verband. 


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—   Ü5  — 


Nicht  so  schlecht  steht  es  mit  dem  Namen  Jakob,  Er 
dient  mehr  zar  Bezeichnung  einer  gutmütij^en,  unbeholfenen 
Mannsperson:  Jo«;gl  [Jokl],  Jog^^ele  [JokdlaJ,  [Joki].  Die 
ZusammenselzunK  ürackjog^l  [Trakjokl]  kennzeichnet  einen  un*  ] 
saubei'en  Mann  oder  Knaben.  Einen  jj'ezälimten  j^iössei  en  Yogel 
nennt  man  Schaa^'i  'Sakij  oder  Schaa^ele  ['Sdkaia]  (vom  frz. 
Jacques).  Auf  «len  Namen  Jakob  j^iebt  es  auch  ein  Lie<l,  das 
l>esonders  in  der  Wcinlest»  häufig  im  Chor  ^ffstiii^en  wird  (v^l. 
dazu  das  unter(•l^ä-^i^l•lle  Märchen  vom  Schnürcl»eie  und  JSchüür- 
ciiele,  Jahrbuch  1  8oj  : 

1.  Dr  Haiscbder  schickt  dr  Jogget«  lim  [tr  lUi'atsr  'sikt  tr  Jo- 

ksl«  yB9] 

firr  ge  Bihrle  scbiddle  'fir  kt»  Ptiio  'sitlal. 

Joggele  will  nit  Bihrte  £clitddl<i  i^Jukdlo  wil  iiit  FirU  '»UUj» 

Bihrle  wann  nit  falle  [Piib  wan  ult  fäld]. 

JftlUi«,  Joggel«.  bee  [Jy  h«.  Jokdls,  U] ! 

Joggele  will  nit  haime  geh  [Jok«l«  wit  nit  haime  k6]. 

2.  Dr  Maiscbder  schickt  däs  Hindele  fUse  [tr  Hai'st»r  <slkt  t^' 

Hlntsle  yse] 

firr  ge  Joggele  bibsc  [fir  ke  Jok^Io  pisa]. 

Hindele  will  nit  Joygoie  bisse   lliutdla  wil  nit  Jokdld  pis9\ 

Joggele  will  nit  Bihrle  scbiddle  [Jokala  wU  uit  Pirld  'i>itld]. 

Bihrle  wan  nit  falle  [nrle  «an  nit  f&l»]. 

Jüühfi,  Joggele,  hee  [Jy  h6,  Jokele,  hi] 

Joggele  will  nit  haime  geh  [Jokele  wil  nit  baima  k^]. 

8«  Dr  llaisehder  schickt  dis  Bangele  üsse  [tr  Mai'star  *8lkt  tk% 

PaQsla  yss] 

firr  ge  Uindele  schlänge  [fir  ke  Hintola  'shika]. 
Baugele  will  nit  Hmdele  schlaage  [Pa\ldl3  wil  nit  Hint^U  blüke], 
Hindele  will  nit  Joggele  bisse  [Hlnidla  wil  nit  Jokele  pisa], 
u  8.  w.  wie  der  Schlnss  von  Strophe  2. 

4.  Dr  Maiscbder  schickt  däs  Fiirle  üsse  [tr  Mai'stsr  'slkt  tde 

Firle  yse], 

firr  ge  Bangele  brenne  [fir  ke  PaUdla  prcnd]. 
Fiirle  will  uit  Bangele  brenne  [P'irle  wil  nit  PnUjU»  jauna], 
Bangele  will  uit  Hindele  8ch1ria<i;e  [PaQele  wil  uit  UiutoU  'slükej, 

u.  &.  w.  Wie  iti  6lr,  3. 

5.  Dr.  Uaischder  schickt  däs  Wasserle  üsse  [tr  Mai  star  'sikt  tes 

Wasarld  ys»], 

firr  ge  Fiirle  lasche  [fir  ke  FirU  le'se], 
Wasserle  will  nit  Firrle  Iftscbe  [Waserle  wil  nit  Firle  Wt»], 
Fiirle  will  nit  Bangele  brenne  Tirle  wil  nit  Fabele  prene]; 

tt.  s.  w.  wie  in  Str.  4. 

6.  Dr  Maiscbder  schickt  däs  Kalwelo  tsse  [tr  Mai'btor  siki  tcs 

KhalwdU  ysd]« 

firr  ge  Wasserle  süffe  [fir  ke  Wasarla  s>ta]. 


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—  y«s  — 


Kalwele  will  nif  Wasserle  süffe  [Khahvdl-J  wU  uit  Wasdrb  syfaj; 
Wasserle  will  oit  Fiirle  lasche  ^Wasdrld  wU  nit  Firla  ld'»aj; 

u.  8.  w.  wie  in  Str.  5. 
7.  Dr.  Maischder  schickt  dr  Mät/.gei'  üsse  [tr  Mai  stdr  'sikt  tr 

UAUkM  ysdj, 

firr  g»  KiUwela  m&tzge  [flr  ke  Khalw»U  mötska]. 

Mätzgei'  will  jo  Kalwele  matzge  [Metskar  wll  jo  KhalwaU  metska] 
Kalwele  will  jo  Wasserle  süffe  [Khalwala  wil  jo  Wasarle  Sffaj; 
Wasserle  will  jo  Fiirle  läschc  [Wasoi  lo  wil  jo  Firla  l(^'sa!; 
Fiiile  will  jo  Bangele  breuue  |  Firld  wil  jo  Fa^ala  prüiidj; 
B*nge1e  will  jo  Hiadele  schlag«;u  [Pa^ala  wll  jo  Hlntala  'sl&ka]; 
Hindele  will  jo  Joggele  bisse  [Hiatala  wll  jo  Jokota  pisa]; 
Joggelc  will  jo  Bihrle  schiddle  [Jokala  wil  jo  Plrla  ^sltla]; 
Bibrle  wann  jo  falle  'Pirla  wann  jo  fula], 
Jüühe,  Joggele,  hee  [  li  lie,  .TokaU,  he]! 
Joggele  will  jo  haime  geh  [Jokala  wil  jo  haimo  kej! 

Voüi  Naaien  Jakob  wuro  noch  zu  sai^^eii,  dass  eine  fiüh- 
i-eife  Traubensorle  Joggobstriiwl  [Jokopstrivvl]  huisst,  weil  sie 
in  warmen  Sommern  um  Jakobi  (25.  <Äuli)  retCI^  und  dass  er, 
mildem  Namen  Philipp  zusammengeätelll,  in  dem  folgenden 
Reim  vorkommt: 

Philipp  «nn  Jakoowi  [FIQp  ün  J&khöwi] 
sin  oi  zwee  groowi  [sin  oi  tswe  kröwi]. 

Ob  sich  der  Spruch  auf  die  beiden  Heiligen  dieses  Xainens 
und  auf  das  Welter  an  iliren  T:»^'en  bezieht,  weiss  ich  nicht. 

Auch  Frauennamen  «lietien  zur  Bezeichnung  der  Einfältij,'- 
tigkeit.  So  betifcit  nun  inil  dem  hier  gar  nicht  gebräuchlichen 
Namen  Leonore  eine  dumme  Frau":  Dü  dummi  Leeuor  [ty 
lümi  Leijor]  I 

AVenn  sie  dabei  noch  sleii"  und  uu;{eschickt  ist,  nennt  man 
sie  laizi  Hoen  [latsi  Hyan],  latzi  Glefons  [laisi  Kleti)sJ  (wahr- 
scheinlich eine  Zusammensetzung  aus  dem  ersten  Teile  von 
frz.  Cl^mence  und  dem  zweiten  Teile  von  Alphonse)  oder  latzi 
Doredee  [latsi  Tordtö].  Das  letzte  Wort  ist  die  mundartliche 
Form  des  Namens  Dorothea,  der  al<er  in  Rufacii  gar  nicht 
vorkommt.  Da^>s  er  hier  nicht  in  Ehren  steht,  das  geht  aus 
den  iuigendeii  Heimen  hervor: 
Dorodee  [Tonte ^ 

hiit  Liis  unn  Fk-li  [hrt  Lis  üu  Fle] 
bat  Aier  im  Sack  \\ict  .\.ior  im  iSkk^, 

macht  gaggedigagg  [ma/.t  kUcatikak]  (d.  h.  schlfigt  sie  aneinan- 
der). 

und : 

Oorede  mit  de  lange  Fiese  [ToratÄ  mit  ta  Uaa  FSasa  (sonst : 

Fias)] 

iäch  Uti-i  .lohr  iiu  liimiul  gäih  [i  s  trei  Jor  im  Ulml  ksi], 
h&t  Widder  awe  miese  Ihöt  witar  &wa  mtasa  (sonst:  mtonj]! 


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-  97  — 


Aehnlich  wie  Dorothea  wird  auch  'Iherese  als  Galtunj^s- 
mrne  gebraucht.  Dü  bisch  elatzi  TlitTees  [ly  pi's  a  ialsi  Theres]! 
sagt  tlio  Mutter  zu  ihrer  unautinerk^nmnn  \uv\  un^'^os.  hi(  kten 
Tochter.  Die  IVzeichnnn;:  snH  von  einer  iu  Aen  7Uer  .I;ihieu 
viM  slorliciieii  l'r.iu  liot  i  riliicii,  die  Therese  hiess,  sehr  hequem 
uiul  uitge.>t;hit:kl  war  und,  wo  sie  ging  unii  stand,  die  linke 
Band  auf  dem  ROcken  trug. 

Eine  schmutzige  Frauenspersoa  wird  mit  dem  Namen  t/r-  j 
suh  belegt:  Urschi  [Ursi] ,  Urschl  [C'r:<l]«  Drackurschi  ^ 
[Trakürsi],  Drackarschl  [TrakärSllTKuddlurschi  [Khdtlär'si]. 
Der  Valer  sagt  z.  B.  2u  seiner  unreinlichen  Tochter :  Dn  kummsch 
dohaar  wie  ne  KuddUirschi  [ty  khüinS  toh&r  wia  nd  KhüllürSi]  t 
Eine  Kuddl  [Khütl]  ist  sonst  ein  Darm  oder  eine  Blutwurst. 
Der  Ausdruck  erklärt  sich  wohl  daher,  dass  die  Gestalt  einer 
grol>en,  UTiht  lioUcnen  Person  an  eine  Wurst  erinnert;  vgl.  den 
Ausdruck  Hanswurst  (I).  W.  IV»  4(31).  i  l'.'hi  i-ens  hat  der 
Name  Ursula  in  llutacli  nur  eine  Vertrctcria,  welche  zudem 
aus  der  N.n  hljaischaCl  eiu^elieiratel  ist. 

Das  Seitt  iistück  dazui.*;!  der  Name  üebaslian.  Drack- 
haschi  [Trakpä.si]  oder  Soihaschi  [Soipä.si]  ist  ein  häufiger  Aus- 
druck für  einen  schmutzigen  Mann,  Jungüng  oder  Knaben. 
Einer,  der  viel  Waai  [Wäi]  (Flammenkuchen)  isst,  wird  Waaiba- 
schi  [Wäipiäi]  genannt. 

Ein  unsauherer  Junge,  der  im  Kote  spielt,  heisst  Soidoui 
[Soitoni].  Dass  der  Name  Anton  mit  dem  Namen  des  grun- 
zenden, ini  Kote  sich  wälzenden  Tieres  zusammengesetzt  wird, 
soll  nach  der  Ueherlieferung  der  Bevölkerung  darin  seinen 
Grund  haben,  dass  der  heilige  Anl(>niu<  aus  grosser  Besrhoiden- 
heit  Sauhirt  war.  Der  Name  diese.>  IIeili^x*n  wird  beim  Suchen 
eines  verlorenen  Gegenstandt  s  angerufen  ; 

Hailiger  Andonio  [hailikar  .\iit»'nio], 
hilf  mei'  süecliej  was  i  verlöre  hah  [hilf  mar  sya'/a, 

frlöro  U]  1 

Statt  Soidoni  [Suilöni]  wird  mitunter  auch  Soiniggl  [Soinikl|  \ 
gesagt.    Der  zweite  Teil  dieses  Wcuts  ist  eine  Abkürzung  von 
Dominik.     Andere    Zusammen.setzungen  mit  diesem  Namen 
bezeichnen    verschiedene     Dinge :     Dummeniggl  [Tümouikl] 
ist  ein  dummer,  Drackniggl  ]Traknikl]  ein  unsauberer,  Stumbe-  j 
niggl    ['Stümpdnikl]     oder     Duümeniggl   [Ty'menikl]  ein 


1  Unihalm  Borohardt:  Dia  aprieliwj^iiliditn  Badensatten  im 
dänischen  Tol]csmonde(Nenbaarbeitattg  von  GastavWastmann,6.  Aofl., 

8. 809)  erklärt  den  Ausdruck  anders:  «Hanswnrst  bezeichne  t  eigentlich 
einen  Menschen,  dor  sich  von  andern  als  Hans  gebrauchen  lässt,  nm 
bei  ihnen  zu  schmarotzen  (eine  Wurst  zu  vorzehreuj.» 

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-  08 


kleiner  M  miscIi.  Il  it  ein  Knabe  sein  Kopfhaar  abschneiden  lassen ^ 
so  necken  ihn  die  andern  : 

ScTiooreniggele  pSoranlkDla], 

Drack  am  Biggele  [Irak  am  PikaloJ ! 

Der  Name  Dominik  wird  auch  in  einer  Redensart  verwendet. 
Wenn  nfiialicli  einer  l;in;,'sam  arlieilet  unJ  seine  Ges.rh;ifte  ver- 
nachlässigt, so  urleilt  man  von  ihm  :  Ar  isch  ailewill  Inndo- 
drah  wi  dr  Dirre  Ni'^'gi  [ar  is  älawil  hinlatra  wi  tr  Tiro  Mki|. 
Diese  I\edensart  kommt  von  einem  früheren  Schmied  Dominik 
Dürr  her,  dessen  Langsamkeit  und  Gleichmütigkeit  spridivrdrllich 
geworden  ist. 

Ein  schlapper,  fauler  Mensch  heisst  Lunzi  [Lüntsi],  wenn 
er  noch  unsauber  ist,  Dracklunzi  [Traklünttti].  Wir  haben  hier 
wohl  eine  frQhere  Ko'^efbrm  de?  Xamons  Laontiusy  mit  An- 
lehnung an  das  mundartliche  Zeitwort  lüentsche  [lyanl'sa]  = 
faul  umherlieji^en  (D.  W.  VI  1309 ;  Schweizerisches  Idiotikon 
III  1347).    Ein  Spottreim  auf  einen  solclien  Menschen  lautet: 

Dr  Lonii  kämmt,  dr  Lunsi  kommt  [tr  Lüntsi  kh&mt,  tr 

LÜDtsi  khümi], 

mit  eine  Sack  voll  Lumbe  [mit  oina  Silk  fol  L>impa1 ; 

i  bah  —  n  —  e  heeie  blumbe   (d.  h.   älaik  auftreten)   [i  hä 

—  n  —  ohAiQ  plümpa]: 
blum,  blum,  blnm  [plftm,  plAm,  pl&mjl 

Ein  anderes  Scheltwort  liefert  der  Name  ^^ites.  Von 
einer  unzufriedenen,  kla^^enden  Frau  heisst  es:  DSs  isch  e 
rachdi  Angenees  [tös  iä  e  ra^ti  Aitdnös]  I  oder  dfls  ische 
dummi  Nees  [t^  i's  9  tümi  Näs]l  Eine  N^s  (mit  Nasen- 
laut gesprochen)  ist  mne  durch  die  Naso  sprechende,  Nissi 
[Nlsi]  eine  zänkische  Frau.  Wenn  das  Mädchen  hei  Tische 
wählerisch  ist  und  dieses  oiler  jen(  >  Gericht  nicht  will,  so 
sagt  der  Vater  oder  die  Mutter  zu  ihm:  Dil  hisch  e  Neesi 
[ly  pi's  9  NesiJ !  —  Der  Reim 
Neesle  fNeslo' 

mit  em  tileesle  mit  am  Kl^sld]! 

soll  von  einer  frühoieii  Frati  A;rnc^  herrühren,  die  dem  Trunk 
ergehen  war   u)id   von  den  Kindern  <i;iiiiit  oft  ver^j>otlet  wurde. 

bei'  Name  Mathilde  wird  in  der  Fona  Matz  [MatsJ  als 
Bfzcidiuuny  ITir  ein  leichttei  ti^es  Frauenzimmer  gebraucht.  Von 
dem  schriftdeulschen  Metze  gilt  ja  dasselbe  (D.  W.  VI  2151). 

Als  Sinnbild  der  Unordnung  kommt  der  Name  EUscä>eÜi 
(Elise)  vor.  Ein  Madchen  oder  eine  Frau,  deren  Haare  nicht  in 
Ordnung  sind,  heisst  KOtzelüsi  [Khytsalisi].  Man  sagt  auch  wohl: 
S  isch  e  Küljs  [s  i*s  a  Khyts],  si  isch  vrkQlzt  [si  i's  frkhytsl]; 
und  die  Mutter  schilt  die  zerzauste  Tochter:  Dü  bisch  kützig 


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—   Ü9  — 


hlte,  me  maint,  dfi  haitsch  di  nit  gstrahlt  [ty  pi^s  khytsik  blt9, 
ma  maint,  ty  hat*8  Ii  nit  k^str&lt] !  Eine  frz.  Form  des  Namens 

Elisabeth,  üsette  [LisM],  mrird,  eiienso  wie  Charlotte  fSär- 
lot  'Särloti]  und  Georgette  ['Soi's^>t,  'Sor*sfeli],  als  Pferdena- 
men viel  verwendet.  Dafür  iiommt  Elisabeth  in  einem  allorlleh- 
stcn  Sprüchlein  zu  Ehren.  Wenn  <K^r  ßnrsch  sein  Mädchen  zum 
Tanz  auffordert,  sagt  er  wohl  im  Spa.s!> : 

Hopsa,  Lissele,  lipf  dr  Fües  [hopsa,  Llsald,  lipf  tr  Fyw], 
wenn  i  mit  dr  danzt-  mües  [wenn  i  mit  tr  täntsa  myosjl 
liäiize,  danze  kah-ii  i  nit  [tänt£9,  tantss  kbä-n-i  nit], 
wwn  d  dr  Ffles  oii  lipfe  witt  [wten  tr  Fyos  nit  Hpfo  wlt]! 

Auch  die  Kinder  auf  der  Gasse  singen  diesen  Reim  als  i\ei- 
genlied. 

Ganz  nnbeiiebt  ist  der  Name  Barbara.  Er  dient  fur  Be» 
feichnung  verschiedener  Eigenschaften.  Eine  unsaubere  Frauens* 
person  nennt  man  Drackbaawi  [TrakpAwi];  eine  dickei  unbe- 
holfene heisst  Blumhiumbaawi  [Plumplümpawi] ;  eine  Schwätze- 
rin wird  Libblbaawi  [Uplpiwi]  gescholten.  Von  einem  ge- 
schwätzigen Mädchen  sagt  man  in  weniger  derber  Weise:  . 


Ein  anderer  Neckreim  auf  diesen  Namen  lautet : 

Baawele,  Baaw«U,  bick,  bick,  bick  LPäwele,  Fäwal«,  pik,  pik, 


maeb  msr  d'&abb  nit  so  diok  [m&y  mit  t*  Süp  ntt  so  Ük], 

ma«b  mar  si  nit  so  laas  (mk%  msr  si  nit  so  räs}« 

odder  i  scblaag  dr  sis  ins  Gfraas  (oisr  i  'släk  tr  ais  his  Kfräs]  t 

Die  Unbelieblheit  des  Namens  Barbara  geht  noch  aus  einem  an- 
dern Kinderspruche  hervor.  Er  enthüll  •  ine  Bitte  nn  den  heili- 
gen Nikiaus,  den  Sandiklaüs  [Sänti-KJäysj.  Am  Vorabend  des 

Niklaustajxes  (6.  Derember)  j^eht  dieser  in  Gestalt  eines  ver- 
mummten Jiurschen  fodrr  MrMl(  lM'?is),  boprieifet  vom  Knechte 
Rüiibälz  rnypelts],  im  Orte  uiiiIht,  i>esu(  ht  die  Kindfr,  hestrafl 
die  bösen  und  belohnt  die  guten  mit  allerlei  F!s>-  und  Spiel- 
■waaren.'  L>a  »lart  i>ei  den  Mädchen  natürlich  die  Puppe  nicht 

1  Der  erste  Teil  von  RypiltsO)  gehört  wohl  sn  Bnprscht  fahd» 
Hvtiodpraht  —  der  Ruhniglänzende\  einem  Ehrennamen  Wodans; 
uud  der  zweite  Teil  von  Ry  pöltsii)  erinnert  an  das  Pelzkleid  dieses 
Gottes.  Öknti-Klüyi»  und  Fy  peltaii)  vertreten  in  Rafach  die  uuterel- 
sissiseben  Christkind«!  und  Usnstrapp.  Sie  sind,  wie  diese  beiden, 
wahrBcheinlicb  auf  die  nächtlichen  Umzüge  sarni^snf&hren,  welche 
nach  altgermaniecher  A^schaaung  Wodan  und  Berchta  am  die  Win- 
tersonnenwende in  deutschen  Landen  hielten.  I">er  F.eel.  der  in  Ru- 


fach den  bänii-Kli^ys  und  den  Ryp^U8(i)  früher  begleitete,  i&t  ein  Ver- 
treter Toa  Wodans  ScbimmeJ. 


S  isch  s  Baawele  [s  i's  s  P&wels] 
mit  em  Schnaawele  [mit  9m  'Sn&wale]. 


pik]. 


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—   100  - 


fehlen.  Aber  sie  wollen  keine  mit  dem  Namen  Barbara  und 
bitten  deshalb  den  Hcilii^en : 

Sandi-KIaüs,  i  bitt  di  [Santi-Kläys,  i  pit  ti], 

bring  mcr  doch  e  Bibbi  [piiil  raor  toy  o  Plpi] 

(Variante :  schank  mer  e  scheeu  Bibbi  ['saQk  mor  9  süu  Pipi]), 

awwer  k&QDs«  wa  Baawi  haisst  [awar  kh^ns,  wü  Pawi  haistj, 

tTiacht  will  i  kais  [«ü«st  wll  t  khais]! 

Wenn  die  Kinder  nicht  mehr  recht  glauben  wollen,  dass  die 
vermummte  Gestalt  der  Sänti-KUya  bt,  so  sagen  die  Erwach- 
senen zu  ihnen  : 

Saadi-KIafla  hifidam  Lada  [Sknti-Klkjs  blntarm  L&t»], 
daa,  wa-a-e  känat,  daa  hat  dr  Schada  [xik,  wik^a-a  khtot,  ti  htt 

tr  'Sita]  I 

Diese  Worte  haben  wohl  folgenden  Sinn  :  Wer  die  vermummte 

Gestnlt  (M'kennt  und  als^o  weiss,  dass  sie  nicht  der  Sänti-Klays 
ist,  der  erhalt  auch  nichts  molir  von  ilim.  —  l)em  umheilie- 
benden  !:Kinti-Kläys  .sin<*en  die  Buben  aut  der  Gasse  nach : 

Niggo-,  Nigogolaüs  [Niko- ,  Nikoläyi], 
Niggo-,  Niglaüs  [Nlko-.  Nikoläys], 

düü  bisch  dr  schöne  Niggolaüs  [ty'  pi^s  tr  'süiio  .Mkolhys]! 

Das  Liedchen  wird  bisweilen  auch  zu  andern  Zeiten  ge- 
?iun;,^en,  und  zwar  als  Spott  auf  den  X  tmen  eines  weltlichen 
Sikluu6.  Nach  seinen  Worten  und  seiner  Weise  ist  ein  an- 
derer Reim  gelnldet ;  nur  hat  er  einen  gemeinen  Zusatz: 

Kiitze-,  Kützeklaüs  Khytso  ,  Khytsakläys], 

aciiiss  in  d'HauJ  iinn  lischaüs  [s'iS  In  d*H^nt  ün  p'bhvsI! 

Diiü  hisch  dr  schOue  KuLzckluys  [ty'  pi's  tr  'sön-j  KhyisokKiys] ! 

Damit  vei spotten  die  Gassenjungen  manchmal  einen  unter  dem 
Namen  Ivhyls.dviäys  !?ladtbekannten  Mann.  Der  eiiile  Teil  dieses 
Namens  ist  niciii  etwa  sein  Familien-,  sondern  ein  ererbter 
Spitzname. 

Oer  Sänti-Kläys  kommt  noch  in  einem  andern  Reim  vor, 
in  dem  auch  der  Name  Andreas  steht: 

Andrees  [Antresj. 

macht  dr  Saudi  Klays  bees  [mJiyt  tr  Sänti-Kluys  pes]. 

Dieser  Spruch  dient  zwar  meistens  zui-  Verspotlnn;:  ii^Mid  eines 
Andreas,  geht  aber  wahrscheinlich  aut  den  Atulieasla-  ("^(K  No- 
vember), der  darin  als  Vuriiiufer  des  Niklaustages  Jjetrachtet 
wird,  weil  er  wie  dieser,  schon  d'Winderkälde  [t  Wintarkhälla] 
bringt. 

Ei  seien  hier  gleich  noch  ein  paar  andere  Namen  genannt» 
die  auf  Heiligenlage  Bezug  haben.  Vom  Ufatthkt»  geht  das  im 
ganzen  Lande  bekannte  Sprüchlein  auch  hier  im  Schwange : 


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^   lOl  — 


Msddis  [Mätit]« 

bricht  s  Iss  [pri/t  s  Is]; 
hat  er  kais  [h.'it  or  kbais], 
macht  er  als  [luu/t  or  ais\ 

Wie  der  Matthias  das  bevorstehende  Ende  des  AVinfors 
(24.  Februar^,  so  liczeichnet  Lorenz  das  des  Somtnei's  (10» 
August);  dessiialh  sagt  das  Volk : 

T«oranz  [Lörants], 

1os8  im  Sommer  e  Schrai)/.  [los  im  bümsr  e  Srants]! 

Ein  Spottreim  auf  diesen  >(anien  (auch  auf  Vincenz  [Fitsanls])  i 
lautet : 

Dr  LoraD2s  [tr  Lörants] 

hftt  d'Hooa«  vnehlansi  [höt  t*HdM  fr'ftlantst], 

dl  Kiddl  Ttniue  [tr  Khitl  farisd], 

d'Bai  aaira  gschisM  [t'Pai  ftwa  k^slae]. 

Aehalich  wird  der  Träger  des  Namens  Moritz  geneckt : 

Moritz  [U6rita] 

bftt  d'Hooae  vertpritst  [böt  CHÖs«  fr'aprltst]. 

Von  der  Agathe  sagt  man  im  Hinblick  auf  den  Agathetag 
(5.  Hornung),  an  dem  die  Erde  oft  aufgeweicht  ist: 

8  Aagat  iaeh  a  Dra«kloeh  [a  Xkat  l'a  a  TxakloX]. 

Da  der  April  oft  Fröste  bringt,  heisst  es  in  einer  Wetter- 
rege)  von  den  Tagen  des  heiligen  iGeorg  (23.  April)  und  des 
heiligen  Marcus  (25.  April) : 

Jerg  ann  Marks  [J6rk  tn  Mfcrka] 

bring«  noch  was  Arks  [prlQa  noX  wi«  Arks]. 

Der  Name  Georg  ist  in  seiner  Verkleinerungsform  auch  tum 
Gattungsnamen  geworden.  Bei  Tische  sagt  wohl  einer  zum 
andern :  Scharscheie,  läng  d*Blatl  ['Sir^sdld,  leQ  iTIät] !  Der 
Ausdruck  wird  vielleic)it  aus  dem  Grunde  gehrauclit,  aus  dem 
man  mit  'Sor's  (Georg)  einen  Kellner  bezeichnet,  wie  mit  Johann 
einen  Hausknecht  (D.  W.  V  2749). 

Früher  beteten  die  Kinder  vor  dem  Schlafengehen  zum 
heiligen  Veit : 

Hailiger  Sant-Vit  [hailikdr  S^nt-Fit], 

wäck  mi  in  der  Zit  [w6k  mi  in  tr  Tsit], 

dass  i  nit  z  friej  unn  /.  spoot  itäs  i  alt  ts  frlaj  iiu  in  spütj. 

daas  i  in  dr  Zit  kämm  [tii«  i  In  tr  Tsit  kh4tm]! 

Der  heilige  Veit  ist  nämlich  nicht  mit  der  Boschülzci  und 
Heiler  der  vom  Veitstanze  Befallenen,  sondern  aucli  der  Be- 
wahrer der  Kinder  vor  nächtlicher  Bettnässe.' 


Curt  Mündel  führt  in  seinen  Hanssprüchen  und  Inschriften 


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—  102  — 


Den  Namen  des  heiligen  (Utrndius  enthält  der  folgende 
Reim : 

Sant-Ndli  [Sknt-Neli), 

vnn  •  Umn  (Fnft)  well  (will)  i  [üui  •  Iliui  (Friy)  wel  i]t 

Er  wird  den  Unverheiralelen  nachgeru ff^ n ,  die  ni  Ii  dem 
Scliauenberg  bei  Geberschweier  oder  nach  dem  Scliäl'erthale 
bei  Sulzmalt  walirahrlen.  In  der  Nähe  beider  Wallfahrtsorte 
befinden  si<-h  nämiich  kleine  Kapellen,  die  dem  heiligen  Cor- 
nelius gewirlmel  sind. 

Auf  l<  tt  Namen  Bläsiui  geht  der  folgende  Reim: 

Blaasi  [Pläsi], 

i  schhigg  (Variaate:  schiss)  dr  ais  uff  s  Naasi  [i  siak^  8     tr  ais 

Das  wird  von  den  Knaben  auf  tler  SUasse  huuG;j^  zur  Zeit  des 
BIftsiustages  (3.  Hornung)  gesprochen.  Durch  eine  kirchliche 
Feier  werden  sie  an  diesen  Tag  erinnert.  Den  GlSubigen,  na- 
mentlich den  Schulkindern,  werden  nämlich  an  diesem  Tage 
I  die  Hälse  g*wiche[kwlxa]  geweiht,  d.  h.  der  Priester  hält  ihnen 
zwei  ;;o\voilite  brennende  K-  rz  ri  kreuzweise  vor  den  Hals  und 
spricht  einige  Worte  dazu.  Dadurch  wird  der  Hals  gegen  al- 
lerlei Uebel  geschützt;  denn  der  hl.  Bläsios  ist  der  Helfer 
gegen  Halskrankheiten. 

Hoch  nun  wollen  wir  die  lleili^'^en  verlassen  und  noch 
einige  Henne  anführen,  die  sich  auf  gewolinhche  Menschen 
beziehen.  Da  ist  zunächst  einer  auf  den  Namen  Thomas  ; 

Dnmas  [Türaasj, 

drei  Mous  (ein  Moos=2  1.)  mache  dr  üalä  uass  [trei  ll6s  m^yTo 

tr  Wn  ntojl' 

Das  ist  eine  Redensart,  mit  der  im  Wirtshause  mitunter  einer 
aufgefordert  wird,  den  andern  etwas  xu  bezahlen. 

Von  dem  Vornamen  Christine  stammt  der  Gattungsname 
Grischingele  [Kri^siQdld].  Damit  bexeichnet  man  eine  alte  ledige 
etwas  wunderliche  Weibsperson.  Der  Ausdruck  hat  sich  auch 
auf  alte  Junggesellen  übertragen. 

Der  Name  Felix  li*itt  nur  in  einem  Spottreime  auf. 
Wenn  eine  Verlobung  zurückgegangen  ist,  wird  den  Beteiligten 
gesungen : 

aus  dsm  Elsass  (Strastbarg,  S.  04)  einsn  gans  ähnlichen  Sprach 
an,  der  auf  einer  Uhr  stand.  Er  lautet: 

Heiliger  Sanct  Veit, 
Weck  mich  in  der  Zeit, 
Weck  nicht  zu  früh  nnd  nicht  zn  spat, 
Weck  mich,  wenn  es  f&nfe  schläbt. 
Vgl.  auch  Jahrb.  IX,  S.  69. 


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—  103  — 

Du  mein  liewec  Felix  [tü  main  Uw9r  Ftiikt], 
»Iis  vantt  Liwt  ist  ja  widdM  aiz  [ky  Anarar  Uw»  lit  Ik  wltor 

Bika]! 

Nur  des  Reims  wegen  steht  der   Name  Augu$t  mit 
seiner  frz.  Form  Aufrüste  in  der  folgenden  Redensart : 

Sehllst  [*Sjsi)  (lin.  jnsiesrichtigl, 
Ogfi<t[Okrst]l 

Sie  wird  im  Spass  bAuGg  angewendet,  um  die  Zu-  und  lieber- 
einstimmung  auszudrücken. 

Der  seltene  Name  Salome  wird  mit  den  folgenden  Worten 
verspottet : 

HobbttcBt  bobberdi,  Salomee  [Hoparli,  hoparti,  Salome], 
S  Dans«  wurd  di-  scha  vergeh  [s  Tltntss  wärt  tr  *mü  frk4J ! 

Dass  auch  der  Name  Peter  nicht  sehr  geachtet  ist«  ersieht  ^ 
man  aus  dem  folgenden  Reime:- 

Beeder  [Pdtar]. 

stopf  dt  EmI,  sc  geht  er  ['stüpf  tr  £sl,  s»  köl  arj  1 

Ein  unsauberer  Mensch  \\'m\  Flohhee<ler  [Flöpetor]  genannt. 
Die  AntoineUe  oder  die  Eugenie  necken  die  Kinder: 

Andonäddle  [AntonStld], 
Bihrebläddle  [PtraplötloJ, 

üeschenii  [Y'seni], 

Bai-eblii  [PkrapliJ ! 

Der  Name  Martin  tritt  mit  frz.  Aussprache  in  einer 
scherzhaften  Redensart  auf.  Um  einen  zuia  Stillschweigen  auf- 
zufordern, .sagt  man  hüuGjj:  Dü  doa,  Mardin  [le  loa,  Marti J 
(fiz.  tais— ioij  ICartin)! 

Der  verliebte  Jfingling  singt  seiner  angebeteten  Hosa  die  I 
Sehnsucht  und  die  Bewunderung  in  den  folgenden  Worten :  ^ 

Dü  harzgebobbeltes  Ueesle  [ty  hartskapopaltas  B68I9J. 
o  wenn  i  di  narr  hatt  [o  wÄn  i  ti  n&r  hat]! 
Vam  Käpile  bis  ans  Fiesle  [füm  Khftpfla  pis  kna  Fiasla] 
bisch  dü  80  matnaidig  nat  [pl's  ty  so  mainaittk  nat]! 

EUne  Abkürzung  des  Namens  Bartholomäus  haben  wir 
wohl  in  einer  Redensart,  die  im  (ganzen  Elsass  und  (hMil)er 
hinaus  bekannt  ist :  Wart  i  will  dr  zai^^e,  wu  dr  üardi  dr  ' 
Moscht  holt  [wart,  i  wil  tr  Isaika,  wü  tr  Parti  tr  Most  holt]  I 
So  droht  wohl  einer  dem  nndern.  Doch  ist  die  Herleiltmg- 
vom  Namen  Bartholomaus  niciit  sie  Ium  ,  da  der  Ursprung  der 
Redensiirt  noch  nicht  genügend  auigeklail 

In  einer  andern,  ebenso  häuügen  Rfdcnsart  stehen  die 
Namen  Konrad  und  ßerahurd  mit  Iii  reu  Verkürzungen 
KOenz  [Khjants]  und  Banz  [Pants]  für  eine  grossere  Gruppe 


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—    1Ü4  — 


alltäglicher  Menschen.  Wenn  x.  B.  jemand  einen  Gegenstand 
hei  verschiedeneu  Poi  sonon  vcrL:('l)lich  gesucht  hat,  so  sagt  er 
zuletzf  niissmutig:  I  bin  bim  Küenz  unn  bim  Banz  umegloffe 
unn  liali  s  riit  bekiitnme  [i  pin  pim  Khyants  un  pim  Pants 
ümoklof.i  unha  s  nit  pokhümaj  !  Unil  wenn  die  Krau  fl  Unrecht 
ihres  MaiinP'«  bezeu-ren  will,  Iw  rufl  sie  sich  auf  das  öflentiiche 
Urleil  mit  'len  Worlea :  Du  kahach  züom  Küenx  uim  züem 
Banz  [j^eh.  «In  wur^sch  nit  Riehl  finde  [ty  khjl*s  tsyam  Khyants 
ün  tsyani  Pauls  ke,  ly  wur's  nit  Baj^t  finlaj !  —  Den  Tod  reicher 
Leute  köndigt  man  an,  indem  man  alle,  den  armer  Leute, 
indem  man  nur  zwei  Glocken  läutet.  Im  letzteren  Falle 
strengen  sich  die  lÄuter  nicht  an,  weil  sie  doch  nicht  viel  dafür 
bekommen.  Es  giebt  daher  oft  nur  eine  Baromeläi  [Pftmal^] 
ein  schwaches  Geläute.  Dann  sui^^t  das  Volk:  As  liddet  Orr 
dr  KücDz  unn  dr  Ranz,  Küenz,  Banz  [as  litat  fir  tr  Kliyants 
ün  tr  Pants,  Khyants,  Pants].  Dahei  ahmt  es  durch  die  Wieder- 
holung dieser  belHon  Namensformen  das  Geläute  nach. '  —  Die 
elsässische  Zusammensli  llun.ir  heider  Namen  hedeutel  also  das- 
selbe wie  die  sehriftdeiil>i  heu  Hmii  und  Kunz  (Heinrich  und 
Kourad,  D.  W.  V  274«  und  IV«  88i))  oder  Hans  und  Kunz 
(D.  W.  IV  s  -456). 

Auch  die  Namen  Leodegar  und  Gertrud  werden  auf 
ähnliche  Weise  gebraucht.  Auf  die  neugierige  (Vage:  Wer 
hät  der  s  gsait  [wer  het  tar  s  ksail]?  erfolgt  wohl  im  Spass 
die  ausweichende  Antwort :  S  Loodegaaris  Drüddi  [s  Lötakäris 
Tryli]!  Das  ist  nur  scheinbar  eine  Antwort;  denn  so  jemand 
giebt  es  hier  nicht.  Die  Seltenheit  der  beiden  Namen  hat 
wohl  tlie  Redensart  veranlasst. 

Fine  ei;;enartiyo  NeliPtihedeutung  hat  der  Name  Justinus 
erlaubt.  Seine  frz.  I'orin  Jii^lin  Itozfirhnef  in  Rufarh  einen 
drollii,'en,  iiiiersp  innti'ii  Menschen,  eheu-n  die  Zu*iriiiiiiienseU- 
ungen  S«dnisllbäml)es  [Sysllbpärnpas]  und  ScJiüslIgadoors 
['Systlkatörsj. 

Noch  sonderbarer  ist  es  dem  Namen  Julius  ergangen. 
Die  frz.  Form  /ules  (in  Rufaeh:  'Syl)  ist  nämlich  auch  eine 
euphemistische  Bezeichnung  des  Nachttopfes  (anscheinend  aus 
Frankreich  eingeführt). 


1  Hi«r  noch  ein  anderes  Bsiq»i«l  ans  Rafacb,  wie  das  Volk  den 
Glockeaton  dantet.  An  jedem  Wochentage  wird  nni  1 1  Uhr  Yormittags 

das  Gloscbderglöckle  |K16'st3rklc>kId),  das  Glücklein  aaf  der  Kloster- 
kirche, geläutet  um  den  Leuten  im  Feld  und  in  den  Rehen  den  T>e- 
vorstehenden  MittriL'  anznknndi^^en.  Den  eintönigen  Klang  ahmt 
man  nach,  indem  mau  bingeud  sugt :  Gang  heim,  trink  ois  (kalU 
hatm,  triQk  ais) ! 


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iÜ5  — 


Auch  Thiöbaud,  die  frz.  Form  von  Diebold  ist  hier  ein 
Galtunganame.  Diebbo  [TiepoJ  heisst  nSmIich  ein  viel  gebrauchler 
Rauchtabak.  Das  Wort  kommt  aber  nicht  von  dem  Vornamen 
her,  der  hier  ^mt  nicht  in  der  frz.  Form  Qblich  ist,  sondern 
von  dem  Familiennamen  des  auf  den  Päckchen  genannten 
Stras:sbur«;er  Fabrikanten. 

Die  Hedensart:  im  l'^lrioli  riefe  [im  Ylri/  riafo]  hpfletilH 
auch  in  Hiifrich  :  sich  crljrechen.  Si(^  hnt  ihren  Grund  n\n'V  nur 
in  der  Klaug-Ahiiliclikeit  des  Namens  Ulrich  mit  dem  wider- 
lichen Tone  jener  Thrdij,'k<Mt. 

Von  jüdischen  Xanien  ^jehen  in  Heimen  besonders  Itznj 
(Isak)  und  Schmule  (Samuel)  im  Schwange,  obgleich  kein 
einsig^er  Jude  hier  vrohnt*   Ich  führe  nur  zwei  Sprilche  an  : 

Dl  Itzig  kuuiuit       r&ide  [tr  Itsik  kliüait  ke  raita  (sonst:  ritdjjt 
dl  Zaidnng  in  dt  Eand  [ti  Tsaitftijl  (sonst:  TsitüQ)  in  tr  Hkat], 
nnn  sprach  (sonst  ksin  Imperfekt)  sfts  seiner  Uämme  [im  ^sprUx 

tsyd  sainar  (sinre)  Mftne]: 
di  QoWn  isob  im  Land  [ii  Xolr&  i's  im  Lkat] 
und  : 

Dr  Itzig  uun  dr  iSchmule  [tr  Itsik  üu  tr  'Smule], 

digehn  mitnander  in  d'Sehalle  [ti  kta  mUnimter  In  t'*8üls  (sonst : 

dr  Itzig  nimmt  das  Nftfldlebratt  [tr  Itsik  nimt  täs  Ny'tloprat] 
nnn  schleed  Im  Schmnile  d*Naas  evagg  [üu  'sl^t  im  *SmüU  f  N4s  9wak  j. 

Viele  Namen  freien  in  dem  Lieil  von  der  armen  Magd 
auf.  Es  ist  halb  schrilfdeuisch,  halb  mundartlich  und  soll  hier 
den  Heschlu?<s  bilden: 

Ach,  icli  anno  Magd! 
Meine  Not  mich  täglich  plagt. 
Solang  ich  noch  ledig  sei, 
schlaf  ich  alle  Nacht  allein. 
Sei  es  Tag  oder  Nacht, 
schlaf  ich  oder  sei  erwacht, 
mich  begrüssen 

auf  den  Füssen  * 

und  mein  armes  Bild  veracht't.i 

AUe  Morgen  in  der  Früh' 

taXV  ich  nieder  anf  meine  Knie, 

bete  alle  Gotter  an 

mir  za  boscheren  einen  Hann. 

Er  mag  buckhg  sein^ 

oder  mit  einem  krummen  Bein, 

er  mag  hinken  oder  stinken, 

Schlaf  ich  doch  nicht  mehr  altein! 


Hier   scheint  etwas  zu  fehlen  oder  verstümmelt  zu  sein. 


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Jiirg,  Beeder,  Michel.  Franz  [Jork,  P6tor,  Miyol,  Frünts], 
Kaschber,  Mälcher  oder  Uana  LH.bä'8par.  3i^l}(^fr  uUr  Uaus^i 
Valediines,  Laadewig  [FkUtiaas,  Lutawlk], 
Bftudle  odd«r  Ooonenik  [PArtto  ot»r  Tdmanik], 
baist  «r  Nun  odd«r  Staffe  [kaist  «r  Nfttsi  otor  «Staf«], 
hailt  er  Michael  [haist  ar  MV/äöl]. 
Ulrich  o.Ider  Raffn^l  ;ülrix  oter  Rkfk6l), 
haist  er  Chnschdian  [haist  er  Kri'stiän] 
odder  Baachdian  [otor  Pät  atiän]: 

wenn  ■  nnrr  haist:  et  lifit  Hoose  —  n  —  ah  [wta  •  nftr  haiet: 

or  b^t  Höse  —  n  —  ft). 
Sai  er  Beck  odder  Färber  [sai  er  Ptk  otar  Färpar], 
Schnaider  oddei-  snnscht  e  Gärber  ['Snaitar  otar  suti'st  o  KäcperJ, 
sai  es  glaich  e  liosestricker  [sai  ds  klat/  d  Ilüsa-strikdr], 
Scbäeschder  odder  sunscht  e  Fiicker  ['Syd'ater  otar  aiLn'sta  Flikar]» 
sai  es  glaieh  ja  gar  a  Jaager  [sai  es  klai^  jk  kftr  e  J&ker], 
miiretwaage  e—n— andere  Faager  fm(retw&ke  »— n— &nteie  P&ker], 
sai  es  glaich  e  Müsikant  [sai  as  klaiy  a  Mysikhänt]. 
kämm  i  e  GtotU  Kamme  &s  em  leediu'"  Stand  'khüm  i  a  Kots 

Nama  ys  am  letike  'Staut]  1 

Nachtrag  :  Aus  Versehen  ist  aiit  S.  102  des  vorigen  Jahr- 
gangs  hinter  Ambrosius  der  Name  Andrea$  vergessen  geblieben. 
Seine  P^ormen  lauten :  Antres,  -i,  -la,  -ala,  Tr^si,  Tr^la^ 
Träsale,  Ä.tre  (frz.  Andr^). 


Schlüssel  zur  Lauibezeicliaimg  nacli  Kräuter. 

Jeder  Laat  hat  nur  ein  Zeichenjedes  Zeichen  bedeutet  nor  einen 
Laut.  Daher  '/  =  t^'.  Q  -  ^^fl'  oder  $  —  sch.  ts  =  s.  Da  das  Elsas- 
sische b  und  p.  (1  und  t  nicht  unterscheidet,  so  wird  mir  p  t  gebraucht; 
g  wird  durch  k  vertreten,  k  vor  Vokal  erhu.it  ein  h :  i/^  khan  =■  ich 
kann.  Doppelkonsonanten  werden  vereinfischt  Bei  den  Toluüen  wird 
offene,  dem  a  nfthera  Aassprache  durch  Gravis  aagedsatet:  d  ist 
=  ü;  ä  ist  dunkles  a;  Accent  bezeichnet  Länge:  S6  —  See;  Circum- 
fleK  Länge  bei  offener  Aussprache:  Tsän  =  Zahn.  Dehnungszeichen 
fallen  weg.  y  ist  =  ü  :  9  dnmpfes  e  'u\  Nehensilben.  Nasalirte  Vo- 
kale erhalten  ein  uutergeschriebenes  Häkchen,  welches  die  Druckerei 
in  Ermangelnng  der  hieran  nötigen  Typen  darch  ein  Hfikchm  aar 
Seite  ersetst  hat:  JA,t  s  Land  im  Ifünsterthale.  JP.  M. 


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IX. 

Münstertlullor  Volkslieder. 

Gesammelt  von 
J.  Spieser. 

A.  Satirisches. 

a »  Jtek  fkm  Sü.tr  nä.liet.  ^ 

Tr  Khäphmitsdld  khCirot  \9  KbölwAi  ri,  kdt&pt» 
r  hfet  ti  Pöltskhäp  evvr  a,'.i,  Yor  "iiä,  kalipt. 

loift  r  fürt  pets  e  la  -Wäll, 
sd  würt  m  iox       *Yor  ne(t)  kliälti 

LeidSd  Mätsala  khämi  *o  trtsyü; 
lar  höt  a  -Jtjom  äs  we  a  'Khyü; 
r  hH  tswei  'Falja  ün  a  'Peil. 

tyiit  tox  Leiasd  'MatsaU  so  weill 


1  Fflr  die  (von  Kr&uter  vorurteilte)  VerwendaDg  von  Orossbach- 
staben  innorhalb  meiner  diesjiihrigen  Lantschrifttexte  lohne  ich  die 
Verantwortung  ab.  Der  Leiter  des  Jahrbachen  hat  dieselben  in  meine 
Haudächrift  hineinkorrigiert.  Ich  hatte  ganz  lu  derselben  Weise  ge- 
Mhri«b«ik  wie  im  vorigen  Jnhrbnch  S.  209  ff.  Da  die  Draekerei  so 
S  keine  Xajnakel  betitzt,  hat  sie  dieaelbe  dnreti  J  enetst.  J. 

>  Wie  mein  Vnter  mir  eraihlte,  gab  es  einit  in  Sondernaeh  ein 
Lied,  in  dem  jeder  einzelne  Bürger  des  Dorfes  mit  einem  Spottvers 
bedacht  war,  Ans  diesem  Lied  kannte  er  aber  nur  die  Paar  Verse, 
die  ich  hier  mitteile.  Die  Art,  wie  darin  die  Eigenheiten  jedes  der 
Besangenen  karz  und  treffend  gezeichnet  sind,  genügt  wohl*  um  die 
Anlagen  der  alten  Sondemacher  an  satirischer  Dichtung  sn  kenn* 
zeichnen.  Nach  der  nachfolgenden  Obersetanng  darf  freilieh  das 
Original  nicht  beurteilt  werden. 

«Der  K.  kommt  den  Kohhveg  liereingetappt,  er  hat  die  Pelz- 
mütze über  das  eine  Ohr  hinabgestüipt ;  so  gebt  er  fort  bis  in  den 


—   108  — 

Tr  •Lörd^tsarnalr, 
tiis  es  e  äld  -FaljamAyr  er  Fätr. 
r  inse.i.t,  r  es  tr  riyst  e  tr  -kä^ls  'Kamöin; 
r  hät  'sewdtsö  Fieitl  */pak  lah^im. 

Hiete  käu  i  *n8ein  e  >JüQrs  Hys; 
tr  'Pall  tn'ikt  ti  'Myra  nys; 
e  Jüqrs  -Hys,  terl  es  s  •ne(t)  khlr: 
Ii  Jpära  'äiesa  ßn  tr  Jir. 

Jailr  wyünt  iit  Sü.trnd,, 
OS  es  0  t;onr  läqr  Ma  , 
(a)r  es  uunul  aon  8  Wallola  käqa 

ü  hei  3  Mys  fer  d  Eiyr  kfa^d.  i 

3  JYiilr  wyünt  öf  Si'i.trna,, 
tar  h^t  90  kifeint  LUaIr, 
S9  t&pa  n  901  ewr  ta  PukI  nä^ 
we  so  jA^i  Misalr.  > 

4. 

Wfpn  tr  Jnitr  'riU  wel, 

rit  r  üf  in  Pok; 
nyo  'spant  r  s  Kilülo   fürua  Irä^, 
nyo  föra  sa  xm  KäMop.' 


Wald.  So  wird  ihm  wenigstens  das  eine  Ohr  nicht  kalt.  —  L.  M. 
kommt  auch  daza,  der  hat  eine  Stimme  wie  eine  Kuh;  er  hat  zwei 
Felgen  nud  ein  Beil.  Wie  thut  doch  L.  M.  so  wild!  —  D«r  L.- 
d«r  iat  alltr  Felgwimaeliw  Tat«r.  Er  maint,  «t  sei  d«r  BeiehsU  ia 
der  gansen  Gememde.  Er  hat  it&mHch  17  Viertol  Speck  sa  Haue. 
—  Jet/J  geh  ich  nicht  mehr  in  J.*8  Hans.  Die  Armat  drftckt  die 
Wände  hinaus;  in  J.'s  Hans  ists  nicht  gehener,  die  Sparren  schiessen 
von  der  Scheune».  (Leiasd,  Qen.  t.  Leias  d.  i.  Elias,  hier  Hüfname.) 

1  <EUn  Schneider  wohnt  za  Sondernach,  es  ist  ein  dünner  langer 
Hann,  er  gieng  einmal  in  ein  Wäldchen  und  fieng  eine  Hans  fBr  ein 
Siohhömehen». 

2  Ein  Schneider  wohnt  zu  Sondemach,  der  hat  so  Meine  Lftosehen, 

^ie  laufen  ihm  den  Buckel  hinab  wie  so  jnnge  Manschen. 

*  Wenn  der  Schneider  reiten  will,  so  reitet  er  auf  dem  Bock; 
dann  spannt  er  die  Ziege  vornc  dran,  daua  iahreu  sie  im  Galopp. 


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—    1Ü9  — 


B.  Melkeriied er. 

5. 

Helkers  Berglied.  > 

•W.Tn  ti  Tni'ijkla  :kliei|o, 
•Wien  ti  Malkr  :saäu^, 
•wii'ii  lä^'  kri'Mio  :Kräs 
•iif  t;)  P.u'i  :stu't  ; 
•\v;rii  ti  Klii'ilr  ;\veitt», 
•liet  Ir  Malkr  :Frcita : 

Wiuu  ti  Süll  üfwa/l 
■im  e  s  Hetid  läyt, 
*kiöt  tr  'Malkr  nys, 
«lost  ti  *Kh6ilr  ys. 
'wsen  ti  'Khöilr  wöit», 
•hol  tr  Malkr  Frfeita : 
'lü^tik  *jyo*höl 

Khumt  tr  Mexlstä, 

mäs  r  fäm  Pari  rd. 

Kryt  du  Ryiiwa  müs  r  frasa, 

Tsekr  ü  Potmät  müs  r  frkas9, 

6  ty  tryriks  Meyali 

fer  läs  Malkrlif 

6. 

Melkers  Abschiedslied  am  Steptaansta^. ' 

*Het  e§  trei 
'PffiDldbstA, 
•morn  e&  tra 
•Trel. 


I  Anoh  hiervon  kann  ich  leider  nar  ein  Bruchstück  mitteilen 
tWenn  die  «Trinkein»  (eine  Art  Knhgloeke  aas  Bleeh)  klingen,  and 

die  Melker  singen,  wenn  das  grüne  Gras  anf  den  Bergen  steht«  weno 
die  Kühlcin  weiden,  hat  der  Melker  Freuden.  Wenn  die  Sonne  anf- 
wacht,  and  ins  fiftttlein  lacht,  geht  <l6r  Melker  hinaus,  lägst  dii» 

Köhlein  aus  Kommt  der  Uiuhaelistag,  muss  er  vom  Berg 

hefab,  Kraut  und  RUben  mnsi  er  fressen,  «Ziger»  and  «Bottmatt» 
(gewiase  als  Delikatesse  geltende  Helkerspeisenf  die  er  sieh  anf  dem 
Berg  nach  Belieben  herstellen  konnte)  mnss  er  vergessen.  0  dn  traa» 
rige^  Mirholciii  für  das  Melkcrlein !  » 

-  X;i(  Ii  ilt  111  Grundsatz  «  ein  Knecht,  eine  Magd  und  ein  Stroh- 
hut smd  nur  tur  ein  Jahr  gut»  (vgl.  Jahrb.  VI,  S.  147)  piiegteu  die 


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—  110  — 

'laki  mi  tr  äit 
•Meisir  :»'nn  Ars, 
•Wien  r  mi  nmm 
•weU 


7. 

•fipflniyus  ü  Peraniyüs 
'mä/t  äs  iy  fäm  Mäiälr  myüs, 
•äwr  Kryt  ü  $pak 
'prse^t  mi  nel  »wak.* 


8. 

Wie^nlied. 

'NijQdId  nä.nold;  Wäkaid  Jtroi, 
*hit  i  kh  Khtentab,  w&ri  kö  Froi. 
*bät  i  nie  Jc&  MA,  kdnüma, 
*w&ri  nie  es  Ünklek  khüma. 

•Selwari  R6if  ön  täfoti  Päin, 
•ha  ni  kaireit  xm  lelika  Jtäin. 
•älas  hei  mr  tr  Ma,  frsofa, 
•$     m  8  Kürila  'näJk9\o(9.* 


Baaern,  bevor  Fabriken  im  Thal  waren,  alljährlich  ihre  Knechte  zu 
wsehseln.  Am  26.  Chrirtmonat  fand  der  Umrag  der  Knechte,  das 

«Bündeln»  za  ihrem  neuen  Meister  statt.  Wamm  das  Wort  «drei» 
liineingeflickt  ist,  «heut'  ist  DreibOnde'eiiistag >  ivriss  ich  nicht  zn 
sagen,  ebensowenig  den  Ansdrtick  «Prei  Drill»  zu  erklären.  Sollte 
vielleicht  ein  Tanz  oder  sonst  eine  Lustbarkeit  am  dritten  Weih* 
nselitstag  stattgefunden  haben  und  damit  gemeint  sein  ? 

1  Beispiel  «ines  Konj.  Pris.,  welebes  nicht  MMgestorben  ist,  wie 
Mankel  gemeint  hat  (« Laat>  nnd  Flexionslehre  >  Seite  49.)  Andere 
Beispiele:  khüm  r  ^tr  khüm  r  net;  mä/^  r  whs  r  wel;  khQr  dtr 
nei;  sei  r  tsofreto  öfr  net. 

*  Apfelmus  und  liiraenmus  wacht  dass  ich  vom  Meister  muss; 
•bar  Krant  nnd  Speck  bringt  mich  nicht  hinweg.  —  «mjt«>  statt 
«müa»,  nnd  «äwr»  statt  «äwr»  um  des  Reimes  nnd  der  Betonung  willea. 

3  Ninele,  nanele,  Wiegelchen,  Stroh,  hfitt  ich  kein  Kindchen, 
wär  ich  keine  Fran.  Hätt'  ich  nie  einen  Mann  genommen,  war  ich 
nie  ins  Elend  gtjkommcn.  Silbere  Lii'ife  und  taffetno  Bnnder  bab  ich 
getragen  im  ledigen  Stand  Alles  hat  mir  der  Mann  versoffen,  es  ist 
ihm  die  Gorgel  hinahgelanfen. 


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9. 

S  slül  1  €»  Pewela»  a  Ir  Wa^l, 

liM  d  fipfab  e  tr  Hd.l«; 

hfet  s  Nvülo  piutai, 

eä  m  ne  ksrötai. 

8  khümt  9  Mys 

ün  pist  m  1179; 

8  khumt  9  Kfaftt) 

ün  lakti)  m  tsüi) 

s  kliüint  d  Keis 

ün  losl  9  krdsri),  krdsr  Pyr^SMs.  < 


10. 

Kilo,  rilo.  Rtjsola! 
üf  P-\^\  Miel  9  Jles^lA, 
üf  Klioliiir  sliM  0  Klokahvs. 
s  lyiik»  [rei  Märeia  rys: 
fein  §pa'nt  Sito 

Ii  ä,tr  5i  nt  [oder  trÄitl  Wit» 

ti  tret  Spa  nt  [oder  rälnX]  Häwrstroi : 

half  tr  Kol,  mi  liewi  Pattfroi. « 


'  Für  stiel,  piewala,  pryot^.  koiyoto.  khyü,  tsyü,  kryosr.  Inder 
Kindersprache  treten  für  die  Diphthongen  ie,  ie,  yo,  yü  die  langen 
Vokale  6,  e,  u,  ü  ein,  bzw.  haben  sich  erhalten.  Solange  ein  Kind 
4iMe  Diphthongen,  sowie  das  Zacgen-r  nicht  sprechen  kann,  sagt  mau, 
M  rede  «kheiniS*  (kindisch). 

*  «hft|t»  statt  «}iai}>  um  des  Reimes  willen.  Doch  kommt  es 
anch  snnst  vor;  z.  Ii.  fä  hä  t  von  Hand;  ferner  in  allen  Znsammeusetz- 
UDgen;  hü  thC-p,  hfL.t^reft,  h;V.tyüy_  (Handhabe.  Handschrift,  Handtuch  . 

9  £s  steht  ein  Büblein  an  der  Wand,  hat  ein  Äpflein  in  der 
Hand,  bat  es  wollen  braten,  es  ist  ihm  nicht  geraten.  Es  kommt 
eine  llans  nnd  beisst  ihm  draus,  es  kommt  eine  Knh  nnd  sieht  ihm 
an;  es  kommt  eine  Gais  und  ISsst  einen  grossen,  grossen  Banemsoh 

*  Wird  geeangen,  wenn  man  ein  Kind  anf  den  Knien  schaukelt  : 
Reiten,  reiten,  Pferdchen.  Zu  Basel  Kteht  ein  Schlösschen,  zu  Kolmar 
steht  ein  Gluckenhaus,  es  schauen  drei  Marien  (?)  heraus.  Die  eine 
spinnt  Seide,  die  andere  dreht  Weiden,  die  dritte  reuugt  Haberstroh: 
helf  dir  Gott,  meiae  liebe  Rettelfraa! 


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11. 

Jtira  slira  Mekalo, 

tr  Her  seki  nii  cwi-  s  Prek^U», 

wei'  mr  ep«*s   ket,  tär  es  a  Ayala, 

ü  \v»}r  mr  ait  ket,  es  a  firik,  lirik  ülopayol^,» 

12. 

LuJSlik,  wil  mr  -letik  sa,y,, 
lu^lik,  wü  iiir  lävva, 
wj'ii  ti  Triwl  -tsitik  sa,\i^, 
kie<ii)  mr  e  ti  Biw».* 

13. 

Anonieiala  'heis  i, 

heps  piL'ni,  tAs  'wfeis 

ryuli  Jtiajj^pfalr  ha^ni, 

hd,lrt  Tdir  frmä,  ni. 

hü.trt  Tälr  s^X  '^^  kanyü, 

9  müs  nä,  n  a  hep^r  '|äU  trtsyü. ' 

14 

Kikarikik  aem  kriena  Kräs, 
i  ha,  ti  h^ra  rysa. 
Meitala,  n.em  ke  piesr  Md,, 
ta  khä^s  na  nacm  frtysa.  * 

15. 

Ryotr  Wi, 
ü  Tst'ikr  tr'i  ! 

harlsiik  Jalsala,  ty  pes  nü, 
awr  net  fer  eika. 


1  Qenuigvn  tdh  «iMm  Kinde,  das  die  Aagen  sadrflckt  and  die 

Hand  ausstreckt:  «Steaert,  steaert  Mftckchen,  der  Herr  schickt  mich 
übers  Brnckrhpn  Wpr  mir  etwas  j^ieht,  der  ist  Engelein,  und 
wer  mir  nichts  giebt.  ist  ein  feurig,  feurig  Ofeubengelein.> 

Lustig,  80  lang  wir  ledig  sind;  lustig  so  lang  wir  leben:  wenn 
dl«  Tnraben  zeitig  sind,  gehen  wir  in  die  Reben. 

3  Äiinamariechen  heiss  ic]i.  hübsch  bin  ich,  dass  weiss  ich;  rot« 
Strümpfchen  hab  ich,  Hundeit  Thaler  vermag  ibesitz)  ich  Hundert 
Thaler  sind  noch  nicht  genug,  es  mass  noch  ein  hübscher  ächfttz 
dazu. 

4  Kikmki  im  grünen  Qrw,  ich  h»b  dich  hdren  miMben.  Hftd* 
cben«  nimm  keinen  böeen  Hann,  dn  knnntt  ihn  nicht  mehr  vertmuchen. 


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-    113  — 


Jis  ef5  Khapold 

syk  am  Tsepfob, 

s  würt  tr  sü  fiicitdl' 

10. 

Wet  ty  mix 

wel  iy  liy  net, 

»3  bi\,  iy  tiy  n;i'm  karn ; 

UQ  laks  ty  miy  pi  Tu  u'ni  Ärö, 

99  pryx^  ty  Lä'tarn.* 

17. 

hdp  s  Watalo  wii  *näJ9 
18. 

/iiiik,  Juak,  stiuk  Ii  Hörnr  ly.s» 
i  *werf  ti  ewr  &1i  'H^ka  nys. « 

11). 

Tr  -Häntsl  arn  Pay 
h^t  'loitr  kyi'it  Säy, 
liet  w'i'l?  ke  *lesa, 
höt  ti  'Hüsa,  fr — resa.  * 

Sfepab  Pepala  P;\rolrak, 

pis  e  tr  Khäts  98  Lox  dwak.< 


I  iioier  Weiu  und  Zacker  drein ;  herzig  Schätzchen  du  bist 
mein.  Aber  nieht  f&r  eigen*  Seh.  ina  K&ppeheD,  sang  am  Zipfel- 
ehen, es  wird  schon  Terletden! 

*  Willst  da  mich  moht,  Will  ich  dich  nicht,  so  hab  ioh  dioh 
nicht  mehr  gern,  and  .  .     so  braachst  du  keine  Laterne. 

^    Eselein,  ia ;  Halt 's  Schwänzchen  weit  hinab  ! 

*  Schnecke,  Schnecke,  strecke  die  Hörner  heraaSi  oder  ieh 
werfe  dich  ftber  alle  Hecken  hinana. 

^  cDer  Hansel  am  Bach  hata  einzig  gut :  hat  wollen  fischen 
gehn.  hat  die  Hosen  ver  —  rissen.»  Wird  Knaben,  die  Hans  heissen» 
nachgesangen. 

3  Spottlied  aaf  den  Namen  Josef.  Seppele,  Peppele,  Bärendreckt 
Beiss  der  Katx  das  L.  hinweg 

8 


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-  Iii  - 


2i. 

•Ryotr  -Fuks  ;t'in  •Hi.  iii  vtäl, 
«fres  U  fdr^kl9  Hienr  ä\J 

oo 

Kikdli  kik<^li  ralsa. 
morn  kbü'ma  ti  ^pätsa, 
ewrmorn  Ii  FivQk,», 
ä\i  Jytd  Sta^Qka.« 

*>3. 

[  Xü  :'i>o  inirir  sMinr*. 

ti  Kliatsa  iiiay.t  Juyo, 
söwone  en  •niin  "Nayl. 
.  Ir   Tc'ifl  hol  ti  Jvlv>  ktuiiayl.ä 

24. 

F&senftytliet.« 

Siloi;jL>  aui  las  H\> 
6  btiel  0  sieni  Frui  a'in  lUn. 
Khieyh  ryß,  Khiexlr  i  yt, 
6tr  i  SId  a  Lo}^  e  s  Bysl 

1  Spottlied  filr  Rothaarige.  Boter  Facht  im  Hühnei-etall,  Friss 
die  verreckten  Hfthner  alle. 

"  Geigen,  geigen,  ratzon  !  raor^rn  kommen  die  Spatsen.  über- 
morgen  die  Finken   allo  Juden  stinken. 

3  Mit  Nachaumung  der  Judeusprache.  „.  ?  Neschomme  [hebr. 
ne§&m&  Seele]  die  Katzen  machen  Jnnge,  aieben  in  einev  Nacht,  der 
Teufel  hat  die  Jaden  gemacht.'* 

*  Gesungen  beim  SaAimeln  der  Fasnachtsküchelchen  am  Sonn« 
tag  Invocavit  Dieeen  Sonntag  nannte  man  auch  die  Bauernfasnacht 
(«PyrafAsaiKi'/t» ),  zum  ünterschied  von  >\(-r  <Herrenfasnacht>  am 
Sonntag  vorher.  Seit  2  oder  3  Jahren  scheinen  sich  die  Grossthiiler 
Bauern  als  «Herren»  zu  fühlen,  indem  sie  jetzt  ebenfalls  die  «Herren* 
fasnaeht»  feiern  im  Oegeneata  aam  frahom  Gebrauch  Seidenfaden 
um  das  Haus  !  Es  steht  eine  schöne  Frau  im  Hans.  KQchlein,  heran», 
Kächlein  heraas !  oder  ich  schlag  ein  Loch  in's  Haas. 


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Die  Münsterthäler  Grussformeln 
einst  und  jetzt. 


I\\s  Knabe  bdrte  ich  öAer  l'olgendes  Geschlchtchen  erzählen: 
Ein  Münsterihftler  gieng  einsl  «ins  Welschem»  (es  waläa)  um  eine 
Kuh  zu  kaufen  und  kehrte  mit  seinem  fies^leiter,  den  er  als 
Dolmetscher  milgenommen  hatte,  in  Gerzei  (Kirlsäi,  franz. 
Gemrdmer)  in  ein  Wirtshaus  ein.  Dort  fiel  ilirn  das  Benehmen 
eines  ihm  gegenüber  sitzenden  Gastes  auf,  der  ihm,  so  oft  er 
niesen  mussle,  die  unverständlichen  Worte  vö!  sa  tc!»  (ä  volre 
sanU)  zurief.  Er  hielt  das  für  S|io!t  und  liaj^te  seinen  Bej^leiter, 
was  es  wäre.  Der  teilte  ihm  mit,  es  isri  ein  arges  S<him}»f- 
worl.  was  jener  iiumer  wiedethole,  er  wisf^e  aher  noch  ein 
viel  ärgeres,  das  er  ihm  als  gehührende  Antwort  empfehle,  und 
das  laute  «m^rsi».  Unser  Münsterthäler.  merkte  sich  diei^es 
Wort  genau,  und  als  der  urelsche  Tischnachbar  ihm  wieder 
sein  «a  völ  ^^Xe%  zurief,  antwortete  er  mit  grosflier  Entrüstung: 
«Mörsi,  'Mörsi,  ü  *ni^  myol  MfersiV'ty  'kröwr  'üipüj»' 

Der  also  seinen  Gefühlen  Luft  gemacht,  hätte  gewiss  nicht 
geahnt,  dass  einst  in  yeiner  Heimat  das  "NVort,  welches  kt  als 
vermeintliches  groJies  Sdiimplvvort  einem  «Welschen»  an  den 
Ktipf  geworfen,  nls  «höflichere»,  «vornehmere»  Daukcsformel 
-das  einheimische  «laiilNikof)  odci  o läijklrkotj),  l»ank  euch  (<lir) 
GoltI  verdrängen  würde,  iiie  MeuiUi*|;,  dass  im  Kamj)f  ums 
'.Dasein  immer  das  Ücssere  siege,  und  das  Miiitlei'werfii^c  7urm:k- 
weithe,  wird  unter  anderni  auch  duich  die  Ueobachlung  Lüjieii 


Gesammelt  von 


J.  Spieser. 


Leitwort : 


O  iu>;,'lück!<t>rKe  Slunde.  da  das  Fremde 
In  diese  sUU  beglückten  Tbhler  kam. 
Der  Sitten  fromme  Unschuld  zu  zerstören. 


SctiiUer. 


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—  116  — 


gestraft,  dass  im  Münsterthal  die  abgeschmackten  eintönigen 
Interjeklianen  «'piisür»  und  «  püswar»,  Cbon  joury  bon  soirj, 
bei  denen  sicli  die  Mehrzahl  der  Sprecher  nichts  zu  denken 
vermag,  die  schönen,  tnannij^falligen,  sinnigen  Giiissfortnehi, 
deren  f<ich  die  ThalbewohncM'  bis  noch  vor  zwei  oder  drei  Jahr- 
zehnten bedienten,  fast  völli^r  aus  dem  Felde  geschlaj^en  lialii  n. 

Uin  die  in  den  allen  Grussforraehi  enthaltene  Well  voll 
Poesie  nicht  t^anz  in  Ver^e^ssenheit  sinkea  zu  lassea,  möchte 
ich  hier  den  Versuch  machen,  sie  wenigstens  auf  dem  Papiere 
der  Nachwelt  zu  überliefern. 

Ich  möchte  dabei  einen  Unterschied  machen,  xwiiichen 
Grussformeln,  die  im  Hause  und  solchen,  die  beim  Be^gnen 
aut  der  Strasse  gebraucht  wurden. 

Trat  man  am  Morgen  i  n  ein  Haus,  so  lautete  der  Gruss 
gewöhnlich  «cküto  Morja»,  die  Antwort  darauf  entweder 
«kutäiik»  oder  «-tä^ktr  Kol»  (bczw,,  wenn  der  Eintretende 
rd ter  war  die  Angeredeten,  c  täQki  Kot»).  Ebenso  lautete 
ih  r  Gruss  am  Abend  «'k  u  ta  N  yo  wa»  —  «'k  üTaq  ks,'  bezw. 
c(täi]klr  Kot  (t  ä  1}  k  i  Kot).  Kam  man  zu  einer  andorn 
Tageszeit,  su  j^ru^ssle  uiaii  beim  Eialrelea  in  die  Wohiistuhe 
mit  «'KAt  half  i>  (Gott  belf  euch),  worauf  ebenfalls  mit 
«*Kütä«k»  gedankt  wurde.  Traf  man  die  oder  den  Haus- 
bewohner vor  dem  Hause  an  und  gieng  dann  mit  ihm  in  die 
Stube,  so  erfolgte  dei'  Gruss  erst  beim  Betreten  derselben.* 
Ob  dieser  Gebrauch  mit  Hat.  10,  12  cWo  ihr  aber  in  ein  Haus 
gehet,  so  grQs^^et  dasselbe»  zusammen  hängt,  möchte  ich  nicht 
entscheiden.  Traf  man  die  Leute  beim  Essen,  so  sagte  man 
«•Küthalfi,  Rai  "Kot»  (segnet  Gott)  —  «t  ä  q  k  t  r  Kot, 
wet  (b«.'7.w.  wa j/) -o  methälta?  (willst  du  auch  mitballen?) 
—  «n»''i,  '^es  tä^kaswÄrt,  i  hä,  *krät  o  kaso»  (nein,  es 
ist  dankenswert;  ich  habe  soeben  auch  gegessen).  Gieng  man 
fort,  sü  lautete  der  Abschiedsgruss  <*K  h  ü  |>iet  ij»  (Gott  behüt 
euch)  [mit  Versetzung  der  Aspiration  in  die  Tonsilbe,  vgl, 
griechisch        gen.  xptx«^»  t  h  r  i  k  s,  t  r  i  k  h  ö  s, J*  die  Antwort 

lOb  «Ku'täQk»  iOottdanks)  oder  tkü*  TkQk»  (gaten  Dank)  za 

schreiben  ist,  Yermag  ich  nicht  za  entscheiden.  Das  Beispiel  zeigt 
eben,  wie  anzaträglich  &b«rbaapt  äroubachstaben  in  wissenschaft- 
hcher  Schieibang  aiad. 

2  Auch  wenn  die  Stabs  gans  leer  war. 

*  Segnen  hslist  s&is;  ia  unbetonter  Stellang  wird  s&i  sa 

sai  verkürzt. 

*  Ein  arideres  Beispiet  dieser  Art  bietet  der  mundartliche  Name 
des  Ephen,  der  in  Günsbach  »*a  \)  h  ä  i».  in  MUhlbach  «  h  ä  w  6  i» 
heisst  Die  hochdeutscbts  Aussprache  «Efea*  beruht  bekanntlich  aaf 
ftulscher  Aaffsssnog  das  pb. 


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—  117  — 


f*phieti  Kot».  Fand  der  Abacbied  nachts  etalt  (war  man 
ttsd  kwaha»  [tarn  Abendbeauch]  gewesen),  so  lautete  der  Gniss 
cküt  -NA](t»  —  cphieti  Kot»,  wozu  etwa  noch  kam 
fSlyo  fo  w  y  ol !»  —  twa^ns  Kola  'Wel  aS  üo  'IJ  'o!» 
(Wenn's  Gottes  Wille  ist,  und  du  auch!) 

Beim  Zutrinken  snj^te  man  tKsunlhöit»,  worauf  der 
An(Jere  erwiderte  «s  a  i  -Kol».  «Gesund»  heisst  aber  in  der 
Mundart  fk'^n  l»,  somit  ist  das  Ziifrinken  mit  «K.sünthf»if)> 
verhällnisiii  1  Mg  junger;  in  älterer  Zeit  soll  man  statt  dessen 
gesa}?t  h;<lit;!i  «i  pra?Q  Irs»  (ich  bring  dir's),  zu  dessen  Ver- 
ständiiis  zu  beachten  ist,  dass  alle  aus  einem  Glase  tranken. 
«sai'Kot  *lkQktr  Kot»  (ti^kikot)  war  auch  der  Gruss, 
wenn  man  auf  dem  Felde  vorQbergieng,  wo  gerade  ein  Imbis 
oder  das  Mittagsmahl  eingenommen  wurde  .1 

Wenn  einer  niesen  musste,  so  sagte  man  c*halftr  Kot» 
('half  i  Kot),  worauf  er  antwortete  «'tä^k  i  Kot,  half  as 
Kot  e  äla!»  (Dank  Ihnen  Gott!  helf  uns  Gotf  allen!) 

Am  Neujahrstag  lautete  der  Gruss :  «'Kuthalfi  (küta- 
morja) ;  i  w  je,i,s  i  a  klekhaftik  säli  k(s)  nüiJyor,  Kiek, 
ü  Ksi\theit  ün  älas  wäs  r  i  salwr  waej^so. »  —  «i 
wif'j^s  f m  r  wM'^iJa)  tr  (i)  -o  sö  fil.»  (Gott  helf  Ihnen  :  ich 
wünsche  Hillen  ein  glückhaf^i},'  selig  Neujahr,  Glück  und  Gei^(iil(^- 
heit  und  allesj,  was  ihr  euch  selber  wünscht !  —  ich  wünsche 
(wir  wünschen)  dir  (Ihnen)  auch  so  viel !) 

Was  die  Formel  des  Dankes  anbelangt,  so  ist  zu  bemerken, 
dass  nicht  fOr  jede  Kleinigkeit,  wie  ThSraubnachen,  Aufheben 
eines  auf  den  Boden  gefallenen  Gegenstandes  u.  s.  w.  gedankt 
wurde.  Wo  der  Fall  wirklicher  Dankbarkeit  gegeben  war,  sagte 
man  :  «chiets  täqki  Kot,  pet  s  i  s  k  h  .wM  mä^^'  (j^^ 
dank  euch  Gott  bis  ichs  vergelten  kann.)  Ott  auch:  cw^spaeni 
hiets  äültik?»  (was  bin  ich  jetzt  schuldig?)  —  (nit,)  s  e§ 


»  Bemerkt  sei  hier  beil  üTifig.  dass  nie,  auch  anf  dem  Felde  nicht, 
ohne  Tiscbtach  (Te.sIäXd)  gegessen  wurde.  Die  Mublzeiten  waren 
<s  FrAiStek»  (FrllbstQek),  bsatahsnd  aas  «Kbfts  •  'VtjoU  bu  Tag«s 
anbrach,  »•  *Morjaasa>   btstaheiid  ans  iigMud  «n«n  Gamftta 

(Kryt,  Ry&w»,  Pä^neia.  ßpflmyüs,    P^rorojiks,  Kwatgapfsfr,  Plktp 

k^m:i1ts3ni.  Pfliits,  Arpsapäip,  Pyün^pJip  [Krant.  Rüben,  Gelbrüben, 
Apielaius,  Birnemnaa  Qaetficheiuuus,  «in  der  Platte  geschmelzte 
(Kartofieli))*,  Kartoffelbrei,  Erbsenbrei,  Bohnenbrei,]  u  s.  w.)  etwa  tun 
8  Uhr,  sTstfwaasa  (Uittagsmabl).  beslebend  aas  Khfts  •  &rtipfl  mit 
Wein  oder  Kbesmeh/  dazu,  s  Fiara^tekla  bestsbsnd  aus  Kise 
und  Brot  und  Wein,  und  endlich  s  N^'/t  as«  bestehend  ans  irgend 
einer  Sappe  oder  Kepraklte  f  Bratkartoffeln)  mit  «Khf  smeliyv  va  klie 
der  Kbiipyü  ia  der  «Heimpes»  vom  Berg  mit  heruntergebracht  hatte. 


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m  — 


nei  trwärt.»  —       H9  wöis  i  nit  Is  ikmk  tr  .Kot, 
pets  i  s  khä^  (mr  8  khaßna)  :wet  nia/d.  > 

Bei  ße<,'egnungeii  ausserhalb  des  Uauses  unlerliess  man  ei- 
nen eigentlichen  Gruss,  wcniyrstens  so  weit  mein  Gedächtais 
reicht.  Dit\  nur  |KM'.>6n!ichea  FtMaden  },'e^enüber  unterlassene, 
Hönit^hkeilsljezeu^run^  bestand   bloss  im    «^pas   tsyü  bim 
säko»  (etwas  zu  einem  saften),  was  meist  eine  Frage  enthielt. 
Nur  am  frühen  Morgen  sagte  mau  «cküta  -Morp»  —  woraul" 
der  andere  mit  ckütiiQk  *  antwortete  und  irgend  eine  der  na<;h* 
stebenclen  Fragen  daraa  koflpfte.  Bloss  «im  Pfarrer  oder  sonst 
einer  vornehmen  Persönlichkeit,  sagte. man  auch  cküta  Tä» 
und  ckü  lo  Nyo  WS»  (g.  Tag,  g>  Abend).  Die  Frdge,  die  man  statt 
ehies  Grusses  stellte,  richtete  sich- ganz  nach  dem,  was  der  An- 
geredete gerade  thai.  Gienjj  man  an  einem  ünlhälijfen  vorüber, 
so  fragte  man  «wäs  'kets?»  was  giebt  es?  worauf  die  Ant- 
wort folg-lo  ff -ne  t  I  i  1  .)  nicht  viel.  Dieselbe  Frag^e  rifhtete  man 
an  Leute,  die  auf  der  Strasse  beieinander  standen  und  schwatz- 
ten. In  diesem  Fall  sagte  man  %vohl  auch:  «  s  (  r  y  o  s  d  a  r  ?  » 
«  slrasset  »   ihr?''  —  "  j'i",   (In    solchen   Antworten  wurde 
das  sonst  kurze  a  voii   «ja  »   meist  gedehnt J.  Einen  Hirten 
fragte  man:  «hd§  (bxw.  ha.i^r)  kyüt  ShyJ »  (hast  du  gute 
Sache?)  Einen  Ruhenden  ctyütsds  (dsu)?  geht  es 'so?  oder 
«pe$  bzw.  (sse.i.r)  am  rui»?»  (bist  du  am  Ruhen?)  Einen» 
der  einem  auf  der  Strasse  begegnete,;  fragte  man:  €wet  (bzw. 
wa,i,r)  tö r i X  'nüf  (bzw.  türiy  'nä,)?» oder  auch  «w et  Ii e  i  ra?» 
öder  «wet  üf  *h^im  16s  .S.  (willst  da  nach  Hause?)  bzw. 
wel  'fürt?  wobei  man  natürlich  wissen  müsste,  wo  der  Be- 
treifende wohnte.  Bekanntere  Leute  fragte  man  auch  «wü-wet 
Än;»?»  (wo  willst  du  hin?)  «  wii    pes  k  ?  ;i\  ?  i  ("wo  bist  du 
gewesen?)  Zur  Essenszeit  fragte  mau:   wai,  r    o  ke  aso? 
wai^r  nfs  Tsowoasa  16s?  bzw.  hajj  -o  kaso?  haij  tsa 
Morjd  kasd?  h  aj^r  -t.söwdkaso?  haj^r  tsa  ^  «^/l^  kasa? 
Konnte  man  die  Frage  nicht  bejahen,  antwortete  man  etwa 
'het  ni^  net  (heut  noch  nicht) .oder  auch     *fil  myol  (schon 
oft).  Traf  mau  jeniand.  ^tt\.  Brunnen,  m»  lautete  die  Frage  je 
nach  der  BesehifUgung  cha^i.r  TürSt?»  ca,i«rW&«r  h'6'le?» 
waj.r  tränke  (tranken)?»  cwaj.r  s^fr  mäya?»  (wollt  ihr 
wasöhen  ?)  In  der  Heacrnte  fragte  man  die  Mäher:  «hoit  s 
OS  (p  r it  f) ?  oder  «  h  o  i  t s  k  y  ü  t  ? »  (schneidet  es  gut ?)  Ant- 
wort: «ja»  «(ja)i^,  oder  «-net  sr>  k:1r£>  (nicht  sehr);  oder  wenn 
einer  dengeltet  <Si^<i.r  am  4arpf  m^x^?»  «ta]|i9ur?^  Zu 

1  Unter  «  strasseti  »  versteht  Jer  Miinsterthaler  zunächst  auf  der 
Strasse  bei  einander  stehen  bleiben,  itm  zn  schwatzen  :  er  sagt  aber 
finch,;  M  «gehe  zu  Strassen»,  wenn  er  auf  Besuch  in  ein  Haus  ^ehi< 


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—    119  — 


den  andern  «  Heiwriit »  sagte  man  «8:ej,r  am  spreita?«  (seid 
ihr  am  ausbreiten  ?)  hzw.  \v  a  q  a  (wenden)  l»z\v.  t  s  a  m  a 
mäyo?  (zusnratnento^^en)  ofler  <(h  a  i  r  ters?»  (habt  ihr  Dür- 
res ?)  Hei  der  KartoH'elernle  fragte  man:  flcsa;j,r  am  talwo'» 
(seid  ilir  am  ausgraben?)  oder  «kcls  wyol  'vs?*)  (jjiebl  es 
guten  Krtrag?)  War  letzlere  Frajj:«»  nicht  zu  bejahen,  so  hiess 
die  Antwort  «  'n  e  t  s  a  k  ä  i  »  oder  <ics  kiel  k  aT  Q  i  ä  /  t 
*h&r>  (es  geht  gering  zu).  Einen  Fuhrmann  fragte  man  «ha,i,r 
*o  wetr  lätÜQ»  (habt  ihr  auch  wieder  Ladung ?)  einen  mit 
der  Herde  umsiehenden  Melker  oder  die,  die  mitgienn^ 
cw4«ti9nr?»  (zieht  ihr  um?).  Am  Sonntag  fragte  man :  «wa,i,r 
'0  e  ti  Kheli)r?Ji  (wollt  ihr  auch  in  die  Kirche?)  «wa^^r  *o 
patd?j»  chä§  '0  kapat?;»  War  ein  Leiclien])egängnis  ckien 
r  .'0  miBm  Liy  a?»  (geht  ihr  auch  mit  der  Leiche?) 

Selhstver-^t  indlich  macht  dies  V^erzeichnis  nuch  nicht  ent- 
fernt auch  nur    »nt   h^lbe  Vollständigkeit  Ansprucli.    Ks  <5oll 
nur  einen  Begnii  ^»  ben,  in  welcher  W^eise  man  einander  an- 
redete.   Oft  knuiifte  sieb  an  derlei  Fragen  noch  ein  weiteres 
Oesiprach.    Man  mag  in  die^>en  tiürussformchi^)  den  eigentlichen 
cGruss»  zwar  vermissen ;  aber  in  der  Sitte,  dass  der  Münster- 
thäler  an  keinem  menschlichen  Wesen  vorbeigeben  zu  dürfen 
glaubte,  cohne  etwas  zu  ihm  zu  sagen»,  lag  doch  etwas  sehr 
Schönes.   Das  NichtgrQssen  nennt  der  Münsterthäler  «n  &  w  d 
ni^lr  fer  loifa  we  Hüin»  (neben  einander  vorbei  laufen  wie^ 
Hunde)   und    bezeichnet   es    damit   als  menschenunwürdig. 
Dem  Münsterthäler  fällt  es,  wenn  er  z.  B.  in  die  Nordwesleckc; 
des  Elsasses!  kommt,  immer  sehr  auf,  dass  die  Leute  dort  im 
Dorf  beinahe  an  einander  stolpern,  ohne  einander  zu  beachten, 
und  »tass,  \v»'nn  sit'  einmal  etwas  zu  einander  sagen,  dies  in 
den  mei>;ft'ii  i' allen  ir^'^end  ein  IJz  ist. 

Und  was  ist  nun  aua  dem  genannten  Fornienreichtniii  heute 
geworden?  Es  ist  licinahe  alles  auf  die  beiden  frenulen,  unver- 
ständlichen Inteijektionen  <<[  p  ii S  6  r  »  und  «p  ü  s  w  ar»  zusammen 
geschrumpft.  Und  was  das  auflfallendste  ist,  dieses  vollständige 
Cberwuchem  des  Einheimischen  durch  Fremdes,  Welsches, 
hat  sich  grossenteils  erst  seit  1870  vollzogen,  seit  der  Zeit,  wo 
die  amtliche  Verwelschungsarbeit  aufgehört  hat.  Wer  trägt 
*  die  Schuld?  Einmal  die  sogenannten  Gebildeten  des  Thaies, 
die  um  ihre  überlegene  Bildung  zur  Schau  zu  tragen,  kein  besseres 
Mittel  wissen,  als  in  fremden  Zini^^en  zu  reden,  ah  ob  jeder 
welsche  I>ro(  ken  dem  Sprechenden  eine  Art  AdehbriiM"  verliehe. 
Sodann  scheint  es  mir  eine  Unterlassungssünde  von  Seiten  der 

I  Die  Beobachtung  habe  ich  zanächst  in  Waldhambach  gemacht, 
fli«  wird  aber  wohl  auch  far  die  Umgegend  vielfach  zntreffen. 


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—  420  — 


Schule,  dass  sie  solchem  irreleitenden  Einiluss  nichl  mit  aller 
Macht  ent^gentritt  und  deri.'Ieichen  Thorheiten  vor  der  heran- 
wachsenden Jugend  gebiihrcnrl  lächerlich  macht. 

Auf  den  volkswidri^jrcn  Kinllnss  der  vorhin  </enafinleri  Kreif?e 
ist  auili  die  Unsitte  wohlhabcniier  Bauern  dej>  Thaies  zuiück- 
y.ulUliren,  ihre  erwachsenen  Kinder  einige  Monate  «ins  Wels^ciie» 
zu  lliun,  als  oh  man  dadurch  Bildung  erlangte,  dass  man  in 
einer  zweiten  Sprache  ungebildet  iat.  Die  Sitte  ist  allerdings 
nicht  neu  und  hatte  vor 1870  ihren  Sinn,  obwohl  damals  schon  der 
Erfolg  nicht  immer  den  gemachten  Ausgaben  ^tsprach.  So 
enfthlt  die  Überlieferung  von  einem  Bauern,  der  der  reichste 
seines  Dorfes  war  und  es  darum  für  standesgemAss  hielt,  seinen 
Erbprinzen  tes  Wal  so»  zu  thun.  Die-^er  nauor  kam  eben 
von  einem  Besuch  seines  Sohnes  in  Pöfrt  C Beifort J  oder 
M  :p  i  p  1  •  k  a  i  t  ( MonthiHiard )  zurück,  und  wurde  von  feinen 
Landsleuten  geli  agt :  « w  e  e  s  s ,  k  h  l  i  n  r  P  y  ii  s  ii  w  a  1  s 
«wals  -röta  nä.  net»  war  die  Auskunft,  «äwr  äCäiio 
wals  'frasa»  (Wie  ist's?  Kann  lifiii  Sohn  sclioii  franzö- 
sisch? —  i  laiizosisch  s  p rechen  noch  nicht,  aber  einstweilen 
doch  französisch  fressen  (d.  b.  erbateinstweUenfranaSsisehe 
Tischsitte  angenommen)). 

Nun,  zum  welsch  Reden  babens  die  Hünsterthftler» 
Gott  sei  Dank,  auch  beute  noch  Dicht  gebracht,  aber  doch  zum 
welsch  G  r  ü  s  s  e  n ;  auch  sind  sie  eben  daran,  die  Vornamen, 
sowie  die  Bezeichnungen  für  verschiedene  Verwandt- 
schaftsgrade zu  verwelschen.  Auch  beginnen  sie,  leider  nach 
dem  Vorg^np:  der  sof^enanntcn  «Alfdeutschen«,  die  einheimischen 
deutsclitMi  M  o  ?i  a  t  s  ij  amen  durch  die  welschen  zu  ersetzen. 
Hoffentlich  dienen  diese  Zeilen  dazuj  das  Auge  unserer  S  Itul- 
behörden  auf  diese  Entwu  kelung  der  Dinge  zu  lenken,  und  sie 
zu  veranla.'^sen,  das  Ihrige  zu  tluui,  um  unter  einem  urdeulschen 
Volksstamm,  der  einst  sein  Deutschtum  unter  franzQmscber 
Herrschaft  so  treu  bewahrt,  deutsche  Art  und  Sitte  auch 
unter  deutscher  Herrschaft  zu  erhalten« 


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XI. 

Das  Elsässer  Judendeutsch. 

Von 

C.  Th.  Weist. 

JEs  isi  etwas  Eii^'enlhüinliches  um  die  Mundart  der  Juden. 
Als  sog.  Judendeutscli,  >  verachtet,  unterdrückt  oder  läclicrlich 
gemacht  wie  seine  Träger^  bietet  es  doch  für  Sprach-  und 
Volksgescbichte  loleressiintes  genug.  Einiges  davon  mag  hier 
angedeutet  werden,  soweit  es  auf  die  nachfolgende  Darsteliiiug 
des  Wortschatzes  des  heutigen  Elsässer  Judendeutsch  Bezug  hat. 

Zur  Geschichte  des  Jfldisch-dcutschen  ist  hier  nur  kurz  zu 
bemerken,  dass  sich  die  Juden  schon  zu  ihren  allen  Zeiten 
fremde  Sprache  und  Cultur  in  liohem  Grade  anzuei}?nen  ver- 
standen haben,  so  hej^onders  Aramaeisch.  ^^eitdem  sie  dann  unter 
den  Deutschen  lebten,  ;siii  hleii  sie  nalüilirli,  besonders  wi  und 
so  lange  ein  freier  und  re^er  Vei  kehr  zwi^iciion  lit'iiien  herrüclile, 
sich  in  Sprache  und  Leben  ihrer  Umgebung  zurechl  zufinden. 
Da  sie  aber  mhc  an  ihrem  fremden  Slammestum  festhielten 
und  äussere  und  innere  Störungen  die  Weiterentwicicelung 
hinderten,  blieben  sie  auf  halbem  Wege  stehen  und  so  zeigt 
ihre  Sprache  denn  alle  die  Gebrechen  und  Unvollltommenheiten, 
wie  sie  jeder  Fremde  im  Volkstum  bei  blosser  Aneignung  der 
Sprache  ohne  Aufgeben  seiner  Besonderheit  uns  heute  auch  zeigt, 


1  Die  vcrsoh.  Definitionen  des  Jndendentsch  n.  bei  Av6-Lallemant 
Das  deutsche  Gaanertum.    Leipzig  III  T.  S.  198-207.  üeber 

Judendeutsch  überhanpt  vcrgl.  bes.  A  v  6-L  al  1  e  m  ant  a.  a.  0. 
III.  T.  S.  41— 55,  1%— 537  idie  uUere  Litteratur  S.  211-259),  IV  T, 
Anhang  A.  8  881^612  (WGrtotbaeb  des  J.-D.;,  J.  II.  Jost  Ge- 
schichte des  Judentoms  n.  s.  Sekten  1859,  III  8.  206,  878  >  95; 
Z  u  n  z  Gottesdienstl.  Vorträge  1832,8.438—441.  Ersch  n.  Graber 
Aligem.  Encyclopädie  der  Wissenschaften  und  Künste  II  Sect.  T.  27 
S.  3^3  Art.  I.  D  von  J.  M.  Jost  und  später  citierte. 


—  122 


wie  z.  B.  bei  uns  ansässig  gewordene  italienische  Eisen- 
babnarbeiter. 

In  sich  abei'  war  diese  Spruche  gefesligl,  und  so  be<^ann 
für  sie  mit  Erfind iin;r  der  iiuchdruckerkunst  eine  Blütezeit. 
Aeusserlicti  verbroitele  sie  sich  nun  rasch  in  i^am  Mitteleuropa, 
sie  schut  sicli  eine  eigene  Sehrillai  t  und  brachte  es  zu  einer 
bedeutenden  Litteratur,  an  der  auch  das  Elsass  in  erheblicliem 
Maasse  belheiligt  war.  Ihr  Inhalt  war  (aal  ausschliesslich 
religiöser  vnd  moralischer  Natur.  Nachdem  das  Bedörfniss 
gestillt  war,  trat  bald  wieder  Yerfiill  ein,  und  als  endlich  seit 
Mendelssohn  eine  wirkliche  Reformation  des  Judentums  von 
innen  heraus  begann,  und  der  Staat  sie  in  die  Gemeinschaft 
seiner  Bürger  aufnahm,  da  verschwanden  jüdisch -deutsche 
Litteratur  und  Schriftsprache  immer  mehr  und  hörten  schliess- 
lich gan^  auf. 

Dagegen  hat  sich  <las  Jüdisch-deutsche  selbst,  von  Mund 
zu  Mund  überliefert,  in  den  niedern  Schichten  als  ^ioineine  Ver- 
kclirsspraclie  erhalten  ;  auch  ist  für  den  schriflliclion  Verkehr 
die  bequeme  Kurrentschrift  ül»lich  geblieben, besonders  fürRabbiner 
und  Geschäftsleute.  Denn  es  lasst  sich  in  ihr,  —  abgesehen 
davon,  dass  sie  fQr  Dritte  kaum  zu  entziffern  ist,  ^  auf  demselben 
Räume  mehr  als  doppelt  so  viel  mitteilen,  als  es  in  deutscher 
oder  lateinischer  Schrift  möglich  ist. 

Doch  auch  der  Umfang  dieses  mundartlichen  Juden- 
(b  iilsch  ist  in  stetem  Abnehmen  begrilfen.  Wie  der  deutsche 
Dialekt  von  den  höheren  Gesellschaflsschichten  abgelegt  und 
verleugnet  wird,  weisen  auch  die  eine  bessere  «soziale  Höbe 
einnehmenden  Juden  ihn'  an«r<*bnrene  Mundart  ab.  Die 
charakteri>-tisrlion  Züge  schwinden  .<o  allnialilirh  aus  deui  .hulen- 
deiilscb.  Ausf^or  den  gesellschafi liehen  Verhüllnissen  wirken 
hierfür  besonders  noch  zwei  Gründe,  einmal  der  gleichmachende 
Einfluss  der  Volksschule  und  dann  der  bessere  KeUgions-  und 
Sprach'Unterricht  der  eigenen  L^rer.  (Gebildete  und  geschulte 
Rabbiner  und  Vorsänger  haben  die  früheren  polnischen  Lehrer 
ersetzt,  die  den  in  Polen  modificierten  und  verdorbenen  Dialekt 
der  s«  i!  dein  15.  Jahrhundert  dahin  ausgewanderten  ol)erdeot-' 
sehen  Juden  zurückbrachten  und  weiter  pflegten  und  verdarben. 

So  sind  der  heranwachsenden  Jugend  schon  eine  ziemliche 
Menge  von  Ausdrücken  und  Worten  fremd  geworden  oder  un- 
bekannt; an  (ItMeii  Stolle  sind  deutsche  Worte  im  Gebraurh. 
Pflege  findet  da«  Ju-lfudeutsche  eben  nur  noc!»  m  der  Familie 
und  hier  mehr  na(  b  der  Seite  der  Beligiou,  Sitte  und  dem  Ge- 
brauche des  hüuilicheu  Lebens.  L'iid  auch  hier  —  es  sind 
die  einfachen  und  orthodoxen  Familien  —  zeigt  sich  der  Einfluss  der 
inneren  Emancipation  der  Juden,  es  werden  nämlich  die  Dialekt- 


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—  123  — 


Wörter  durch  die  in  die  deutsche  Sprache  eingestreuten  reinen^ 

ctassisch'hehräischen  Ausdrücke  ersetzt. 

Einen  Be\e^  für  das  Abslerl»en  erhalt  man,  wenn  man  z. 
B.  mit  dem  folj^enden  Wörterbuch  das  vor  etwas  über  iOO 
Jahren  nuf;:estGlto  und  bisher  vollständig  übersehene  «Verzeichnis^ 
der  \"n  ileneii  .Iiidcfi  «»iiderliefi  auf  Ross  Märklen  g^ebräucli behau 
heliraisi  lien  Worter  und  Kedeüsarlen9  von  W.  E.  Freiherrn  von 
Rei/.ensleiiiJ.Vaspaoh-Beyreulb.Geh.  Rat  undOI>erstallmeislei,sj);i- 
lern  Ober-Amtmann  zu  UUeubemi,  vergleicbt.  Trotzdem  ernui  die 
aus  dem  Hebr&iscben.  stammenden  Worte  glehly  bietet  er  doch 
einen  SfacbenWorlsctiAtz  und  zwar  nicht  etwa  bloss  Scliacfaeraus- 
drucke«  sendeten  ein  vollstdndiges  jüdisch-deutsches  Wörterbuch. 
Das  deutsche  Element  kömmt  in  den  lieigegebenen  5  Gesprä- 
chen zur  Geltung.  Man  vergleiche  auch  das  im  Anhang  mitge-. 
teilte  Gericbts-Protokoll  von  Mutzig  aus  der  Mitte  des  vorigeni 
Jahrhunderts  mit  seinem  Wortschatz. 

(relieii  wir  noch  weifer  zurück  uml  nehmen  ein  Klsäs<er 
Bei-spiel  seihet.  Da  stell!  uns  Moscheroseli  im  6ten  seiner  Ge- 
sichte Pbdanders  von  SillonWald  zweiten  Teils  ein  Verzeichnis 
der  Feldsprache,  d.  h.  Gaunersprache  von  ca.  Worten 
auf.^  Von  den  ca.  3U  jüdisch-deutschen  Worten  darunter  sind 
kaum  mehr  ein  Dutzend,  zum  Teil  etwas  verändert,  mit  Ablei« 
tungen  und  Zusammensetzungen  im  G<ebrauch,>  sei  es  nun^ 
dass  die  andern  als  specifische  Gaunerworter  in  Misscredit  ger 
raten  oder  dass  sie  sonst  abgegangen  sind. 

£ben  weil  sich  in  der  niederen  Scbachersprache  der  Judeik, 
gemeine  und  gemeuiste  Ausdrücke  genug  Finden,  die  nur  in 
engen,  fast  verl^orgenen  Kreisen  bekannt  sind,  ist  das  Juden» 
deutsch  vom  Gaunertum  für  seine  Zwecke  nu^^febeutet  worden. 
.\ls  man  sich  dann  n)il  der  G  a  u  n  e  r  s  p  r  a  c  Ii  e  näber  )>e.scbät- 
iigle,  und  in  der-eiben  die  vielen  hebrftisclion  Wörter  fand  und 
auch  das  Jüdisch-deulbclje  .selbst  einen  nicht  kleinen  Gebalt  von 
Bezeichnungen  für  moralische  und  andere  Defekte  bei  oft  derber 
und  niederer  Ausdrucksweise  aufwies,  kam  man  dazu,  Gauner*. 
Sprache  und  Judendeutscb  für'  gleichbedeutend  anzusehen. 

Trotzdem  ist  das  Judendeutsch  streng  zu  unter«tcheiden  von  der 

i'  '        ■  .      '  « 

'  Dasselbe  tindet  sich  in  dessen  Werk :  Der  vollkommene  Pfei'd«- 
kenner  etc.  1.  Teil.   Anhaug  S.  I7H  tf.  1780.  Anspach. 

*  H.  H.  llosch«nM6b  Wilst&ti*.  Gssichte  Philanders  Toni 
Sittewald.  Anderer  Tbeil.  StrMsbarg,  bey.  J.  R.  M&lben  1Q4& 
S.  629— 

8  Es  sind  die  folg.:  acheln  (No.  3),  alchen  (204),  barlen  (421), 
beth  (28),  bosshart  (61\  brajen  (426),  geuffeu  (157},  lehem  {232}^ 
iness  ti<jö;,  seffel  (378),  schoeker  .326). 


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-   124  — 


eigentlichen  Gaunersprache.  Beide  sind  in  ihren  Elementen 

Iprundverschieden. 

Allerdings  lag  es  sehr  nahe,  Juden-  wnd  Gaunerspruche  zu» 
sammenzuwerren,  schon  we^i^en  des  dehnbaren  BegriiTes  des 
Gauners.  Auch  stellten  die  Juden  einen  {grossen  Prozenlsatz  der 
Mitglieder  der  Gnunerjiresellschan,  oder  sie  bildelen  die  Helfer 
«nd  Hehler  dcrselheii.  Die  deutsche  silfliche  Hechts-Ans«  hauunfr 
aber  hat  von  jelier  den  Stehler  tür  so  ^r'it  wie  den  Hehler  ;.^e- 
iialien.  Dann  wird  al>er  auch  das  Jüdisch-deutsche  von  »ien 
Juden  gerne  als  geiieiuie  Geschäflsspracbe  benutzt.  Indem  ich 
Beispiele  aus  d«*  Litteratur  anzuföbren  unterlRsse»  mag  hier 
nur  bemerkt  werden,  dass  mir  selbst  der  Vorsieher  einer  gröss- 
eren Israelitischen  Gemeinde  rundweg  jede  Auskunft  verweigerte 
unter  der  ausführlichen  Begründung,  dass  durch  das  Erforschen 
und  Aufzeichnen  schliesslich  doch  nur  dem  j^emeinen  Manne 
und  Bauer  ein  Handbuch  der  jüdischen  Geschäflssprache  in  die 
Ilände  kommen  könne,  durch  welches  er  dann  in  Wirtschaften 
und  auf  dem  Markt,  in  Handel  und  Verkehr  die  Juden  be- 
lauschen könne  und  so  Einlilick  in  deren  Geschäfte  bekäme. 

Sehen  wir  das  Juden-deutsch  auf  seine  Bestandteile 
hin  an,  so  finden  wir  ^^rosse  Mannii^faltigkeit.  Den  Kern  des 
Wortschatzes  bilden  alt  hebräische  und  daneben  auch  aramäische 
und  rabhintsch-talmudische  Wörter  nebst  deutschsprachlichen 
Weiterbildungen  derselhen.i 

Auch  sinnlose  Bildungen  kommen  mitunter  vor,  die  mit 
der  früheren  Unterrichtsart  zusammenhing«!,  nach  der  die 
Kinder  ohne  Verständnis  oder  Erklärung  einfach  die  vorgespro- 
chenen Worte,  später  Zeile  um  Zeile  der  Gruodlehren  und  Ge- 
bete fler  jüdischen  Reli;jion  nachsprechen  und  auswendi^-^  lernen 
njussten.  Kin  Reis|iiel  bietet  Nr.  -"^2i;  v^l.  auch  '2  am  Ende. 

Kiue  kleine  Gruppe  bilden  die  aus  dem  Lateinischen,  Ara- 
bischen und  Französischen  aufgenommenen  \V(u  le.  Grösser  und 
interessanler  sind  die  Entlehnungen  aus  dem  Deutschen  und 
«einen  einzelnen  Mundarten. 

üie  aufgenommenen  deutschen  Worte,  denen  man  erst  in  neue* 
fer  Zeit  besondere  Beachtung  zu  schenken  scheint,*  sind  zugleich 
auch  ein  Merkzeichen  für  die  Kulturentwickelung  der  deutsehen 
Juden.  Die  meisten  sind  alten  Ursprungs  aus  mittelhoch- 
deutscher Zeit.  So  bat  die  jüdische  Sprachbildung  aus  jener  Zeit 
manches  getreulich  bewahrt,  das  uns  verloren  gegangen  i^t. 
Vgl.  in  Nr.  43  die  alle  Endung  auf  m,  wo  wir  heute  n  setzen 

'  Vereinzelt  auch  rablialistische  Bildungen  wie  die  No.  145.310. 
^  Vergl.  bes.  Max  Qr&ubaum  jüdisch  •  deutsche  Chrestomathie 
Leipzig  1882. 


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—  125  — 


Damals  lebten  die  Juden  nicht  nur  im  Volke,  sondern  auch  mit 
dem  YoIlce;6rst  mit  dem  14.  Jahrhundert  trat  die  grosse,  blei- 
bende Trennunj^  ein,  welche  die  Juden  in  ihrem  Verkehr  auf 
die  niedersten  ivhissen  beschiänkfe.  Vorher  heleili^ten  sich  Juden 
mit  bei  den  grossen  Kulturlt  i-^tm  ,?en  des  gruizeii  Volkes.  San;,' 
doch  in  Franken  ein  jüdischer  Mimu»san'ier,  Süsskind  von 
Triniberi(,  und  wn  kle  noch  1331-30  ein  Jude  im  Elsass,  Samp- 
son  Pine,  als  Dolmetsch  der  franzosischen  Vorlage  bei  der  Par- 
dvalerwetterung  mit,  die  Wisse  und  Colin  im  Auftrage  des  Herren 
Ulrich  von  Rappoltstein  dichleten.i  Ueber  den  Dolmetsch  ist 
nichts  fiberliefert  als  sein  Name.  Er  ist  aber  wohl  mit  den 
Flüchtlingen  in  Beziehung  zu  bringen,  die  Frankreich  in  der 
Zdt  von  1280-13U(>  verlassen  mussten  ;  denn  im  Allgemeinen 
xeigen  die  Eisässer  Juden  nicht  mehr  französische  Kenntnisse 
und  Beziehungen  als  die  Eisässer  sell)st.  Auch  gieht  es  eine 
jüdischdeutsche  Bearbeiliin,^  dr's  IVifferepos  von  Wigalois. 

Nicht  nur  die  Juden  li.»i)eii  liumals  ans  der  ileulsehen  Sprache 
sich  bereichert, sondern  auch  diese  nahm  manclies  iiebräische  Wort 
auf,  das  uns  heute  als  einheimisches  Volks wurt  ersclieinen  will.» 

Nicht  in  allen  deutsclien  Landern  erhielt  sich  Umfang  und  Bil- 
dung des  JOdischnleutschen  gleich .  Wie  sich  auch  die  deutsche  Spra- 
che in  ihre  Mundarten  gliedert,  so  serfitUt  auch  das  Jüdisch-deutsch 
anlehnend  an  diese  in  seine  Provinxiatdialekte.  Eine  bedeutende 
Stelle  unter  denselben  gebflhrt  dem  Els&sser  Juden-* 
deutsch.  Von  den  ältesten  Zeiten  leben  gerade  im  Elsass 
die  Juden  bis  in  die  kleinen  Dörfer  im  ganzen  Lande  zerstreut» 
wo  sie  mit  dem  Volke  in  engerer  Berührung  bleiben  mussten. 
AU  Erinnerung  an  diese  Zeit  enthält  denn  auch  das  Eisässer 
Jüdi-^t  Ii -deutsch  mnncli  alles  deutsches  Wort,  an  dessen  Stelle 
im  lienuchbarten  Baden  hebräische  Ausdrücke  peliraudil  werden 
z.  B.  die  No.  MX)  (173);  443  (38o),  43U.  43G.  vWi).  427. 

Aus  dem  Französischen  dagegen  hat  das  Eisässer  Juden- 
deutsch  nicht  m^r  entlehnt  als  der  Eisässer  Dialekt  selbst. 
Die  Eisässer  Juden  waren  deutsche  Juden  und  verkehrten  und 
handelten  auch  später  unter  französischer  Herrschaft  mehr  nach 
Deutschland  und  im  Lande  selbst  Vergl.  die  No.  421.  426. 
428.  430  (?) 

Einen  besondem  Eisässer  Juden  Dialekt,  verschieden  von 
der  allgemeinen  Mundart,  unterschieden  Mitte  des  vorigen  Jahr* 


>  Parcival  von  Claus  WitM  a.  Pb.  Colin  hg.  v.  K.  Schorbach  in 
B.  V  der  Eis.  Litt.  Denkm.  von  B.  Martin  a.  B.  Schmidt  1888,  Strass- 
barg,  S  XX.  XXXI,  .\LI. 

>  Bdisp.  giebt  0.  Behaghel,  Die  deutsche  Sprache,  in  Wiss.  der 
Oagenwart  1886.  S.  m. 


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hunderls  Prof.  Clu  y-;inder  in  seinem  iSciiriflcheii  «vorn  Nulzen 
-des  Juden  Deutseben».  1750.  Wolfenhuttel.  S.  4  wnd  unter  den 
Keuereu  J.  M.  Jost  in  Erseii  uiid  Gruber  a.  a.  0,  S.  3t25. 
;      Das  EligeutiiiulicUe  des  Elsäs.«er  Jüdisch-deulsch  zeigl  sich 
i>esonders,  wenn  man  es  mit  dem  der  NächbarrachaA  vergleicht. 

50  sind  in  Baden  eine  Menge  ehAsser  AusdrQcice  einfach  unbe- 
lannt,  sie  werden  nicht  verständen;  es  sind  die  unter  folgen* 
den  Nummern  aufgefahr ten :  %  i3. 18.  23.  26.  39.  40.  41.  47. 
^.  e2,b.  71  letzte  Redensari.  83  b.  87.  88.  08.  99.  115.  130 
Ra.  138.  171.  178.  183.  189.  212.  223  Eu.le.  234.235.  i>06  h. 
270.  271.  275.  277.  288.  315.  344.  361  lia.  37i.  Im^;  alle 
deutschen  Worte  bes.  416.  419.  421.  422.  424.  425.  427.  428. 
431.  434.  435.  .i38.  443.  449.  453.  m.  459.  4m.  470  473. 
475-77.  479.  481.  485.  Andre  werden  als  seilen  bezciehnel  und 
wieder  andere  gelten  als  verpönt»  ja  man  Ijezeichncl  tie  jieradezu 
als  ((Jauner  Wörterj»,  als  nur  l'ür  die  unterü^ten  Elemente 
iverst&ndlicb,  als  gemein  und  verachtet  sie. 

Anderseits  wieder  kennt  das  Elsässer  Judendeutsch  eine  Reihe 
isonst  üblicher  Ausdrücke  nicht,  so  z.  B..  die  in  Baden  gebrauchten 
wie  sie  die  folg.  Nummern  enthalten :  Nr.  3  G.  10.  20  Ra. 
47.    51.    54  Ra.  55.  56.   60.   60  b.  69.  72.    73  Ra.  74. 

51  Ende.  105.  108  b.  109.  124  b.  12r..  147.  150.  151  a.  152 
453,  154.161.  162.  173.  18!!..  i'Jü.  193  Ende.  200.  204. 
208.  209.  225.  226.  23U.  238.  2iüa.  248.  249a.  252.  255b. 
258.  261.  264  H-a.  209.  273  i;a.  276  b.  283.  284.  286.  291. 
294.  (3(Mi).  303.  3u4a.  306.  310d.  u.  31(i.-.  313b.  320b.  323. 
326.  3;)i.  332.  335.  347.  350.  1354.  361  b.  365.  367.  369.  380. 
386.  389.  391.  398.  405  Ha.  410.  411.  418.  430.  432.  437. 
440.  446.  448.  46L  464.  466.  467.  480. 

Vor  den  andern  zeichnet  sich  •  die  Elsässer  Mundart 
durch  iluren  fast  regellos  ei^heineaden  Vokalwechsel  aus> 
ihre  breite  Aussprache .  und  die  besondere  Vorliebe  für  den 
Diphthong  aUy  die  sie  nur  mit  den  schwabischen  und  pijinischen 
Juden  gemeinsam  hat.  Dieselbe  geht  soweit,  dass  sie  auch  in  fal- 
scher Analc»j;ie  deutsche  Worte  ergreift  z.  B.  470  und  055,  wo  un.ser 
deutsches  Wort  malen,  elsässisch  molp(mola),  zujdd.  maule  wird. 

.\ehnliehes  jhissirt  auch  mitunter  im  üi-reit  lie  der  deutsclien 
Mundarten  bei  deui  HenuiUen  sirh  schritUleuUch  auszudrücken. 

Eryiel^  Jsich  schon  au.->  dem  vorher "  Gesagten,  dass  das 
Judendeutsch  eine  deutsche  Mundart  ist,  so  tritt  dies  noch 
deutlicher  hervor,  wenn  man  die  Wort^  und  Satzbildung  näher 
verfolgt.  Wir  erkennen,  daSs  das  Elsässer  Jüdisch- deutsch  au| 
alemannischer  Grundlage  ruht,  dass  es  sich  eng  an  die  Vollcs- 
mundart  anschliesst.  Eine  Grammatik  desselben  gieht  es  nicht, 
vie  auch  der  einzelne  Volksdialekt  keine  hat. 


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Aussei'iiem  lial  das  Jüdisch-deutsch  doch  manche  hebrfiische 
Formen  gereltel:  so  die  Plural- Endungen  im  und  os  und  ;aich 
besonders  in  Zusammon-scJzun^ren  Hon  hehrusrhen  Artikel  lia  und 
einiges  Andere  mehr.  S()n>l  tritt  uutden  Korn  hebräischer  Stämme 
doulsLli^pi acliliclie  UniiMlinum-,  \iiv\  das  -io  jjestallete  Wort 
wird  uU  dt'ulsclies  weileriieliamlell ;  aber  nicht  nacli  Schrift- 
deutscli,  Sondern,  wie  oben  bemerkt,  «far  olt  in  veraltetem, 
verdorbenem,  mi^sverstundcnem  Dialektdeutocb.  Dieser  oft  son- 
derbar anmuteodeD,.  halb  unbeholfeneD,  halb  fremdartigen  und 
kindlichen  Ausdrucksweise  verdankt  das  Jüdisch-deutsche  seine 
grosse,  oft  unfreiwillige,  komische  Wirkung. und  Verwendung. 
Kein  reines  Judendeutsch  mehr  zeigt  sich  in  den  Juden -Witzen 
dfM'  Witsblälter, ,  etwa  der  «Fliegenden  Bläiteri»  mit  ihrer 
Sammlung  «Der  jüdische  iSpassvogel  Jocosus  Hebricosus» 
u.  dergl.  m.  Denn  es  ist  liici  eine  wohl  auf  tlem  einzelnen 
Charakteristischen  beruhende,  ahoi  verall;remeinei  l»'  und  blei  eotype 
JucJensprar  he  herausgebildet  worden,  ähnheb  der  Sprache  der 
Sludenleu,  der  Zoten,  dem  i^ieulenantsdeulsch  derselben 
.Witzblätter. 

Was  das  Hauptwort  angeht,  so  zeigt  die  jQdiscb-deulsche 
Sprache  bebrftische  Worte  in  allen  Formen,  vielfach  im  Plural, 
die  wie  ein  deutscher  Singular  behandelt  werden  (vergl.  2.  B, 
Nr,  3.  7.  14.  16.  149.) 

Neue  Worte  werden  gebildet  durch  Anhängen  der  Silbe 
ket  gleich  nnserm  deutschen  beit  an  hebräische  Adjective  B. 
Nr.  1«.  218.  t>8J. 

Eine  andere  jüdi^t  fi-deutscb''  Kndiing  ist  iseb,  die  aber  nur 
nc'b  veiein/idt  vorkommt:  so  hei  Nu.  (><>a  und  i4i.  Deliebt  wie 
im  AlciaaiHiisehen  und  Kränkiseheu  .-^ind  die  Deniinutiv-Endun- 
gen  auf  le  uiul  eiie,  die  auch  an  den  Plurul  an^^e.selzl  werden 
?.  B.  No.  41,  51.  152.  2-23.  310.  316.  351.  454.  401  402.  4ü 4. 
Das  Femininum  wird  sehr  mannigfach  gebildet  durch  Anhängen 
einer  Silbe:  vergl.  die  No.  129.  279.  220.  286.  309.  Der 
Plural,  wirft  ent.wed^r  bebraisch  gebildet,  oder  mit  der  deutschen 
form  er  wie  bei  No.  11.  204.  309.  332;  auch  ein  angebängtes 
S  findet  sich  einmal  bei  No.  316.  Manchmal  wird  das  Wort 
auch  mit  seinem  deutschen  oder  hebräisc^hen  Artikel  zur  Ein- 
heit verschmolzen  :  so  bei  No.  *M.  'WO.  402.  und  5.  7.  13.  187. 
2i0.  253,  11.  a.  m.  Kiiie  merk\vunli-e  Vmwanilhui;^  hat  beim 
Geschleebt  der  Wim  le  nach  deutiscb-thalectiicJicr  Seile  hin  slall- 
j^eiuiideii.  lui  iiebräisciien  ^'iebl  e>  kerne  Neutra.  Für  das  El- 
sässer  .Judendeulsch  werden  aber  eine  Menge  Worte  als  neutra 
bezeichnet,  die  vielfach  unter  dem  Einfluss  des  sächlichen  Ge- 
schlechts des  deutschen  Wortes  diese  Wandlung  vollzogen  haben 
werden;  so  die  unter  folg.  Nummern  berichteten  :  No.  5.  7. 14. 


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—  128  — 


59.  71.  73.  83.  85.  86.  94.  106.  108;  139. 158.  176.  182.  186. 
188.  195.  2:32.  '-m.  246.  254.  255.  256.  318.  347.  351.  371. 
376.  379.  384.  394.  m. 

Eine  Eiüentuniliclikcit  <ies  Jüdisch-deutschen  bilden  auch  die 
nach  deutscher  Aualügie  j^ebildelen  Zu.sammenselzungen,  in  denen 
sich  wohl  auch  hebräische  und  deutsche  Worte  zusammen  finden: 
vergl.  die  No.  28.  29.  30.  42.  60.  124.  134.  146.  183.  215. 
224.  (324),  349  und  No.  81.  87.  331. 

Das  Adjectiv  ist  nicht  sehr  stark  verlrelen  im  Judisch- 
deutschen  wie  auch  im  Hebräischen.  Einselne  deutsche  Bildun- 
;ren  linden  sich  z.  B.  in  No.  310  und  390,  eine  Besonderheit 
bietet  No.  436. 

Das  Fürwort  ist  fast  stets  da.s  deutsche,  doch  einige  he- 
bräische haben  sich  behauptet,  besonders  wo  sie  mit  dem  be- 
ztijrlichen  Worte  zusammenschmolzen  und  so  oft  interessante 
Neubildungen  ergaben,  vergl.  ive  und  in  No.  71.  98.  412.414; 
el,  le  bin,  zu  in  No.  22.  231.  23ü ;  be  in,  an,  mit  iti  No.  34. 
Am  bäulJiisten  ist  das  zur  Participialbiidung  gebrauchte  min, 
von  wegen,  das  als  mt,  uh^^^eschwächt  me,  vorgesetzt  wird,  vergl. 
u.  a.  No.  124.  241f42.  244.  202^.  272.  275)76. 

Ebenso  wie  bebrflisithe  Subslantive  und  Adjeclive  deutsch 
behandelt  werden,  wird  auch  der  hebräische  Verbabtamm  deutsch 
ronjugiert,  ja  es  werden  oft  einfach  hebräische  Worte  als 
Verba  nach  deutscher  Art  nectiert. 

Solche  einfache  Zeitwörter  sind  No.  3.  20.  40.  91.  115. 
117.  124.  185,  204.  218.  227.  457.  455.  252.  261.  271).  289. 
311.  321.  330.  334.  338.  345.  .399.  400;  173.  2.«).  .Vndine 
Verba  erhalten  deutsche  Praelixo  wie  ein  in  No.  115,  ver 
in  No.  277.  315.  320.  ßesonders  beliebt  sind  im  Jüdisch-deut- 
schen die  mit  sein  verbundenen  Adj.  und  Participialformen 
vergl.  z.  B.  die  No.  58.  115.  196.  211.  214.  242.  245.  263. 
263.  276.  280.  281.  Andere  werden  reflexiv  gebraucht,  so  No. 
40.  78.  274.  287.  358.  Auch  haben  und  machen  werden 
als  Hfllfszttitwdrter  angewandt  vergl.  die  No.  34.  47. 165.  181. 

Die  Aussprache  und  Betonung  ist  ganz  mundartlich  deutsch, 
der  Accent  tritt  von  den  Endsill>en  zurück  auf  die  Stammsilben, 
damit  verbunden  ist  eine  Abschwächung  der  Endsilben -Vocale. 
Aber  auch  sonst  zeigt  sich  bei  *len  Vocalen  i^rossei-  Wechsel 
in  der  Ausspradic,  hesomlers  Inlt  u  an  Stelle  des  o,  vielfach 
ei  an  Stelle  des  einfachen  e;  o  wieder  verwandelt  sich  in  au, 
u  wird  zu  i  (NO  77). 

Gleicherweise  werden  die  deutschen  Worte  behandelt.  Auch 
hier  herrscht,  in  Anschluss  und  Weiterbildung  an  die  Mund- 
art mannigfaltigster  Vokalwechsel :  z.  B.  werden  o  nnd  a  au  in 
No.  435.  470  475.  477,  dagegen  aus  auch  jd.  ach  und  in  No. 


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—   129  — 


415a.  447.  452,  ei  zu  e  465.  und  i  zu  ei  449.  464.  474. 
476.  483. 

EineS  .-hciiltin;:,  was  davon  deutschsprachliche  (mundartliche) 
und  judendeutsche  Bildung  h\,  knnn  hier  nicht  versucht  werden. 

Hestimmle  Re^^eln  lassen  sich  hier  nicht  leicht  aufstellen. 
Auch  «iic  Aussprru  lit;  der  Consonanten  weicht  vielfach  von  der 
graiiimati(;ilis(lioii  ah,  wodurch  das  Worthild  oft  sohr  weit  ver- 
Amlert  wird  ;  besüiiders  w^erden  auch  die  Anfan}^ssilheu  wie  im 
Deutschen  durch  Verschlucken  des  Vokals  verkürzt. 

Wir  haben  also  in  Wort-,  Satz-  und  Sprachbildung  eine 
deutsche  Mundart  nur  mit  fremden  Bestandteilen  vor  uns. 
Nur  aus  diesem  Grunde  wird  das  Judisch-deutsch  auch  von 
Nichtjuden  verstanden  und  wohl  im  Verkehr  angewandt  und 
aus  diesem  Giunde  hat  so  manches  hebräische  Wort  seinen 
Weg  in  den  deutschen  Sprachschatz  gefunden.  An  Orten,  wo 
schon  lange  Juden  dauernd  ansässig  sind,  versloht  das  ge- 
wöhnliche Volk,  das  in  stetem  V^erkehr  mit  ihnen  leht,  ihi  cUm- 
gangssprache  oft  fnst  vollst;ii](lig,  mitunter  he-^ser  als  z.  15.  ein 
be<^en  r  jüdischer  Kaufmann,  der  sich  bemüht  hochdeutsch 
zu  reden. 

lieber  das  im  niederen  Volk  bekannte  und  angewandte 
Jüdisch-deutsch  kann  ich  nur  för  Baden  einige,  vielleicht  auch 
hier  nicht  ganz  unangebrachte  Bemerkungen  machen.  Die  Kenntnis 
heim  Volke  ist  am  grössten,  wo  die  meisten  Juden  sind;  so 
sind  in  der  badisch-bayerischen  Pfalz  die  jödisch-deutschen  Aus* 
drficke  allgemein  bekannt,  ebenso  in  der  Ortenau :  liier  wird 
z.  B.  in  einer  Gemeinde  (Orschweier)  noch  Jüdisch-deutsch 
gekannt  und  gesprochen,  trotzdem  seit  1852,  wo  sich  die  israe- 
litipdic  Gemeinde  auflöste,  kein  Jude  mehr  daselbst  ansässig 
ist.  fast  gar  kein  jüdist  h-deutscher  Ausdruck  ist  im  Seekreis 
bekannt,  wo  bis  vor  etwa  i30  Jahren  Wangen,  Woiblmgen, 
Geilingen  und  Randegg  die  einzigen  A  (lenieind«  ii  mit  jüdischer 
Bevöikeiung  waren j  ebenso  wenig  wird  in  Württemberg  das 
Judendcutscb  gekannt  ausser  in  der  Gegend  um  Nordstetten. 

Auf  Sitten  und  Gebräuche  ist  nur  soweit  es  zum  Ver- 
ständnis der  Worte  nötig  war  Bezug  genommen  worden. 
Weiteren  Aufschluss  erhält  man  aus  Dan.  Stauben  (Pseud.  für 
Prof.  Aug.  Vidal)  .Seines  de  la  vie  juive  en  Alsace,  Paris  i8C>0, 

Zur  Zurückführung  der  Ausdrücke  auf  ihre  hebräischen 
Mutlerwörter  wurilen  die  Wörterbüt  her  von  Gesenius  (8.  Aufl.) 
und  Fürst  benutzt,  bisweilen  au'h  (i.  Perles  Beitrage  zur 
Geschichte  der  hehr,  und  aramaeischcn  Studien.  München  1882 
und  oheii  Citierfe. 

Von  den  im  folgenden  Worterbuche  angewandten  Zeichen 
bedeutet  ein  *  dass  das  betr.  Wort  auch  in  Baden  bekannt  sei ; 

9 


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—    130  — 


ein  fy  dflui9  das  betr.  Wort  nur  in  Baden  liekannt  sei ; 
ein  G-Spr.,  dass  das  betr.  Wort  in  die  Gaunersprache 

aufgenommen  sei. 

Worte  oline  Zeichen  sind  also  als  spezifisch  Elsässer  Aus- 
drücke anzusehen. 

Um  zimi  Srhh!«=se  ein  llci^piel  der  An  wem  hin;:  <1p?:  elsasser 
Judendeutscl«  zu  ^eht  n,  drucke  ich  al^drilte  Ahfeiluu«,'  die  Ah- 
schrifl  eines  Prolokoll.s  aus  dem  im  Hahbinats-Arcliiv  in  Mutzij^ 
befmdlichen  Prolokollhuch  über  die  vom  Rabbiner  Löb  Eisass 
ausgeübte  Gerichtsbarkeit,  hier  eine  Vormundschaftssache,  ab. 

Die  nicht  im  Wörterbuch  der  jetzigen  Judensprache  mehr 
vorkommenden  Ausdrucke  habe  ich  in  den  Anmerkungen  erläutert« 
fQr  das  hebräische  Urteil  eine  Interlinear-Ueberselxung  gegeben. 


Wörterbuoh  des  filsässer  Judendeutsoh.  ^ 

I,  Abteiluuif. 

Die  aus  de  m  H  e  b  r  ä  i  s  cli  e  n  und  d  a  ni  i  t  ver- 
wandten   Sprachen    stammenden    Wörter  des 

J  ud  e  n  d  e  u  t  seh. 

1.  Abikores(Apikör8s)  Gotteslftagner  *  m.  talmudiscb  von 

griecb.  e-'lxoypo;. 

2.  Achbrosch  O^y.prös)  Dieb  ;  von  unsicherer  Abstam- 
mung ;  vielleiciit  trotz  dem  Anschein  nirht  hebräisch.  Tendlau  * 
No.  2t)6  führt  e.>  auf  den  Spruch  Jer.  Baba  Mez.  8.  G. 
Achberi  rescliii  (.(/[jon  lesii)  die  M  iiistj  sind  Nicldswürdij^e  ziinick. 
Ilzijj  Feilei  Stet  n  erklärt  es  in  seinem  Lexicon  der  LussnckDudi- 
scben  Sprache  mit  A  :  eijjenllich  Achper-Roscb,  Mouskopf, 
pfifDger,  raflinirter  Mensch,  Schlingel,  Scbellem,  Voketives, 
Dieb,  Spitzbub,  Tuckmftuser.*  G.  Spr. 

3.  aohle  [aylo]  essen '  Verb.  hehr,  akhäl  essen.  Hierzu : 
Achilem.  (axilom)  m.  das  Essen  :t  hol  der  achilcm  ri  (höl 
tar  ayildm  ri)  bring  das  £ssen  herein  I  vom  hebr.  ökhel  pl. 
okhelini. 

4.  Af  (ät)  der  fünfte  Monal  des  Jüdischen  Jahres  * 
hebr.  Abh. 


1  Dies  Wörterbnchliinsichtlich  der  e^fmologisi  hen  Ableitung  durch- 
/niM^ho.i  nnd  zn  berichtigen  hat  aaf  unsere  Bitte  Herr  Prof  Enting 

die  Uülf  gthiibt.  Red. 

^  Äbr.  Teadlau  Sprichwürter  uud  Uedeusarteu  deut&ch*jüdi&cher 
Voiseit  Frankfurt  ».  M.  1860. 


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—  131 


5.  Afdaule  (aftäula)  Segenssprucli,  mit  welchem  die 
Werktage  eingeleitet  %verdeii*  n.  von  hebr.  iKidal  sclieiden,  inf. 
Aphel,  afdalih  Abtrannung. 

G.  Äff  TaQ  Nase  t  hebr.  äph  die  Nase. 

7.  Afeiles  (aföilas)  Trauer  *  n.  hebr.  ab)ielul  die  Tr-auer 
Bist  ;i.  komme?  Bist  Du  in  Trauer  gekommen  ?  et',  No.  25. 

8.  Afere  (afr^v»)  üobertretung  des  Gesetzes*  ;en  afere 
lliun  (an  aiera  lya)  .»»üniligen,  vom  hebr   ?ul»st.  'ahh.Mah. 

0.  ajen  (Ajan)  70*  vom  hebr.  *ajiü  dem  lü.  Buchstaben 
im  Alphabet  mit  dem  Zahhvert  70. 

10.  Aisig^  (<\isik)  Isak  f  hebr.  Jizchak,  vulgär  Itzig  und 
Eisig. 

11.  einajemer  (einäjdmdr)  die  Augen'  pl.  m.  hebr. 
^ajin,  Dualis:  *6najim  Auge*  cf.  No.  144. 

12.  aliifem  (aläfdm)  1000 '  vom  hebr.  filef,  pl.  alafim ; 
beisalufem  (peisairilam)  2000  etc. 

13.  Amhorez  (ämhörats)  Laie,  Unwissender  :  lu  lir.  zsges. 
^am  Volk,  dem  Artikel  ha  und  ärez  Land,  also  eigentlich  Volk 
<les  Landes.  G-Spr. 

14.  Allifes  (anifn^)  Deinnl  *  ii.  hebr.  subst.  'anawah 
die  I>omut  unti-r  ^Icichzeitijier  Verwechslung  mit  ''auiwuth 
«Armut»,    in  Baden  nur  t^elten  jjebraucht. 

15.  axboo  (arpoo)  vier '  vom  hebr.  ii.  arba'Ah. 

16.  Arufes  (ärüfas)  Bürgschaft  *  v.  hebr.  Subst.  'arabhülh 
hebr.  'arebh  Bargschaft  leisten,  Particip.  'orebh  Bürge.  Ich 
bin  der  erf  drfOr  (i/  piu  tar  krf  tarfyr)  beim  Handeln  gebraucht 
in  der  Bedeutung :  ich  übernehme  jede  Verantwortung  für  das 
HandelsobjiM  t  ;  ein  sehr  stark  gebrauchter  Ausdruck,  auch  den 
Bauern  gut  hekiuml.  Vgl.  No.  1-47. 

17.  Aschkenas  (ä.skanas)  Deutschland.*  hebr.  Aschke- 
nas  ein  Name  der  bibiisrlion  Völker-Geographie  [Genes.  10.  3] 
und  schon  frühe  mit  Deulsciiland  identificirt  cf.  J.  M.  Jost 
Gesch.  des  Judentums  III.  S.  199.  207  fT.  G.  Spr. 

18.  Asseskat  (äsoaküt)  Frechheit  f.  vom  hebr.  'assis  .stark 
frech,  schamlos  mit  der  jüdisch-deutschen  Endung  kat,  die  der 
Endung  keit  des  deutschen  entspricht. 

19.  asore  (as6r9,  asdro)  zehn/  hebr.  'asaräh  zehn. 

20.  asre  l&sn  u.  ösra)  för  verboten  erklären'  hebr. 
asär  binden,  part.  pass.  asür  verboten),  des  derfsch  osre  nit 
(t  (  ti  rfs  osra  nil)f  das  isch  der  o«re  (tas  i§  tor  dsr»)f  es 
ist  dir  verboten.  Ein  sehr  oll  gebrauchtes  Wort. 

21.  asuse  (asysa)  <'Gesundheit>  als  Zuruf  beim  Niessen.* 
vom  chnid.  a«iilba  die  Ilrilung. 

S'J.  Asusel,  Asosel  (äsusal,  äsös^l)  Teufel*  hpbr. 
'asasel  m.  Name  eines  Dämons,  Typhon?  lasusel  (Idsüsol)  zum 


r 

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-r-  m  — 


Teufel,  geh  lasosel,  geh  zam  Teufel,  hebr«  la  (le)  praep.  zu.  cf. 
m  Mos.  10.  G.  Spi  . 

23.  Atsumes  (ätsümas)  die  Kauchen  vc  *  hebr.  ezem, 
plur.  azamötli  der  knoi  lien. 

24.  Ander  (aulai)  der  12.  Monat  Im  jüdischen  Jahr 
(Februar/März).'  Hebr.  Addr  verjjl.  No.  414. 

25.  Aufel  (äufal)  ein  Trauernder.*  hebr.  abhöl  a^j. 
trauernd,  cf.  Nr.  7. 

ä6«  auleme  weje  (ialdraa  wäa).  Der  Welt  wegen,  hebr. 
'oläm  Ewigkeit  sjathebr.  Well,  wegen  em  aulem  (wdkan  am 
aubm)  der  Welt  zu  lieb. 

27.  auscher  (aiiSar)  reich f  bebr.  adj.  'aschir  reich 
subst.  'dscher  Reichthum. 

28.  Baljes  (l>ajd.s)  Haus.*  h.'ln-.  iKijilh  Haus.  Beiskise 
(pei.sklii>a)  Abort.  *  zs^es.  aus  hebr.  belh  und  kissii  eigentl. 
Haus  des  Stuhles. 

29.  Bai  (pal)  Herr  von  hebr.  bä'al,  nicht  allein  vorkom- 
mend, nur  in  Zusammensetzungen :  Balbus  Hausherr  (p&lpüs)* 
von  (b&'al)  herr  und  bäjilh  Haus  u.  BaUioste  fem.  (palpüsto) 
Hausherrin.  *  Balhuke  (palhdkha)  der  betreffende,  in  Rede 
stehende,  Gel^enheits  Mann.  *  vom  hebr.  bÄ'al  und  hakhä 
«cder  hier  Anwesende»,  man  bezeichnet  damit  auch  einen  Ver- 
liebten, der  zu  seinem  Mädchen  geht,  f  cf.  Tendlau  Nr.  1011. 
G.  Spr.  Baljeies  (päljeias)  ein  einj^ebildeler,  hochmütiger 
stolzer  Nfonsoli  Y  c.  Nr.  168.  vom  lieiir.  b'i'iil  und  fir^^'u  th  eigtl. 
Herr  d.  i.  lühaber  der  Huheit,  de«  Hacluiiulhs.  BalsaSSeren 
(pälsasaron)  Makler  *  m.  vom  hebr.  bä'al  u.  j.-d.  sarsur,  sasser 
(sarsur,  sasar)  Unterhändler,  Kuppler  vom  hebr.  sirsör  Mackler. 
G.  Spr.  siehe  Nr.  323  a. 

30.  Bar  (par)  der  Sohn*  aramäisch  bär  Sohn  G.  Spr. 
Bar  mizwe  (par  mitsw»)  eigtl.  Sohn  des  Gesetzes,  er  isch 
bar  m.  (or  is  par  mitswa)  ein  gesetzpQichüg  Gewordener  d.  fa. 
er  ist  in  kirchlicher  und  moralischer  Hinsicht  mündig,  ver- 
pniohletf  die  Gel)ote  wie  ein  Erwachsener  zu  beol>achten.  mizwäh 
Gebot.  Die  Geremonie  besteht  darin,  dass  der  Knabe  an  dem 
auf  sein  13.  Geburtstag  folgenden  Sabbath  in  der  Synn^ioge 
zur  Thorri  \'urlesung  aulgorufen  wird,  eine  rfli^^iose  Haatllnnsi, 
die  etwa  di  r  christlichen  Konhrmaliou  entspricht,  cf.  Zuuz 
Ges.  Si.liiirtrn.  U.  S.  214. 

31.  Purues  (pärnes)  eine  bedeutende  Persönlichkeit.* 
m.  von  chald.  parnäs  Verpfleger,  Ernährer,  Fürsorger,  Leiter,. 
Gemeindevorsteher. 


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32.  x>attere  (pätora)  fortschickea*  vom  bebr.  pat&r  eigtl. 
hervorbrechen,  frei  sein,  entlassen,  fortgehen,  ich  bahnen  ge- 
paltert  (kopitort)  ich  hab  ihn  wegj^ebracht.  t 

33.  patersche  (patorsa)  trächtig  sein  '  vom  hel)r. 
pöter  «Mutterleib»,  e  baddersch  bore  (a  pätarS  pöra)  eine  trdch> 
tige  Kuh  (d'.  No.  49). 

34.  bedeie  hawe  (-iwIim.»  liawd)  iiu  8iiin  IkiIkmi  *  z-riiijes. 
aus  der  hebi".  Prapü.s.  he  (ain»)  und  de'äh  «(Wissen,  binii». 
"Was  hosch  morn  bedeie?  (was  Ims  morn  p.)V  Was  hast  du 
für  morgen  vor?  f  cf.  No.  'il  i  und  2(>5. 

35.  Beheime  (poheima)  Tier,  dann  fiberlragea  dumm 
analog,  dem  frans.  b6te.*  f.  vom  hebr.  behemäh  Vieh;  des  isch 
e  B.  (tte  iS  9  p.)  Das  ist  ein  Dummkopf,  und  das  isch  e  mase 
beheime  (iis  9  miso  p.)  vom  hebr.  ma*asfth  das  Werk  in 
derselben  noch  verslärkten  Bedeutung.  (No.  2.'j5.) 

3G.  Bei,  B3  (pei,  pi')  Mund*  n.  vom  hebr.  päh  Mund: 
hall's  Bei  (balts  pei)  halte  den  Nfund.  G.-Sp»-. 

36a.  beis  (peis)  zwei*  vom  hebr.  bölli,  dem  2.  Buchstaben 
des  AIpbnbefs. 

37.  Pei  (pei)  die  Zalil  80  *  vom  hebr.  pe  Name  des  Buch- 
stabens p,  als  Zahlwort  80. 

38.  Beisech,  Peiser,  Besach  j  (peisoy.  pöisor,  posäy) 
Ostern,  Pastah'  f.  sing,  ohne  Dim.  u.  PI.  von  hebr.  p6sach 
VersOhnungsoprer,  Paschahfeier.  Peiser  i.st  die  filtere, 
aber  auch  schon  wieder  im  Abgehen  begrifiene  Form. 

39.  Ben,  Bein  (pen,  pein)  der  Sohn  m.  vom  hebr. 
b6n  Sohn.  cf.  No.  253. 

39  a.  benschen  von  laf.  benedicere. 

40.  berjene  (puirjona)  sich  in  seiner  jranznn  Grösse 
zeigen,  renommieren  vom  neuhebr,  bari  «jj;esund  kirifli,^;  wohl- 
bcI«Mbt'>  substantivisch  gebr.in<  ht  in  der  R.\.  ist  c  bei  jo  f.>r-  i:s 
a  iKcrj»)  er  ist  tüchtig  in  ^eiin'in  Fach,  f  <loi  \uA  skh  ^eberjent 
(ler  hol  siy  kopcerjent)  cf.  Tt^ndhui  Nu.  11K)8.  G.-Spi". 

41.  Beschke  (pesko)  Ma^^tl,  Mudchen  f.  vielleicht  umge- 
setzt aus  hebr.  schiphchdh  cMagd».  Dem«  Bischkeli  (pisk^li) 
[ScbmieheiiiiJ.  f 

42.  Bete-KÜne  (pöta  Kyna)  in  schönen  Kleidern  *  eigtl. 
in  den  Kleidern  des  Prieslertums,  zsmgezogen  aus  hebr.  bigd^ 
kehundh  («Kleider  des  Prie^itertums»)  «rin  pontificalibus». 

43.  Beten  (petan)  Leib,  Bauch"  m.  vom  hebr.  beten  Leib; 
in  Etfenheim  wird  Betern,  Bidem  (pötom,  pilam)  gesprochen. 
Me  hat  e  Bidem  vor  sich  (ma  hat  a  p^tam  for  siy)  er  ist  ein 
starker  (wohlhcleibtt.'rj  Mann,  f 

44.  betüch  (p^'y/J  bctuch  (petüy)*  wohliuibend  vom 
hebr.  Part  pass.  batüach  «versichert,  sicher)» ;  hierher  gehört 


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—  i34  — 


auch  die  RA.  er  ist  bedücht  (er  is'  p^tyyt)  er  ist  betruokeu 
cf.  Jahrluich  IV.  S   44.    IX  S.  118.  G.-Spr. 

45.  Pülein,  Bfele  (ptlld,  pfeid)  Gebetriemeu  *  von  uach- 
bibl.  lefTiniti  «GebetrieüioM»  G.-Spr. 

46.  Bilbülem  ipilpyUm)  Ränke,  Intrij^uen»  Lüi;eteien  * 
pl,  vom  rabb.  bilbul  Vermischung',  Verwirrung  ;  er  sucht  B. 
(ar  syyl  p.)  er  macht  Ränke,  chicauierl,  intriguierl.  G-Spr. 
(in  der  Form  balbal  =  unerlaubter  Beischlaf)  dazu  meiuibel 
(mafülpdl)  Pärt.  Puipal  verwirrt,  confos.  * 

47.  Pleite  machen  (pleita  ma-^a)  durchbrennen  vom 
hebr.  peletäh  Fluehl,  £rreUang,  Enlkommen,  cf.  Jahrbuch  IX. 
S.  119  ar  isch  bleide  (ar  pl^ita)  total  betrunken.  Das  Wort 
iftt  vollständig  ins  Deutsche  abergegangen.  Daher  stammt  aach 
der  Ausdruck  cFtölen  geben»  »plattdeutsch  «Aeiten  gabn».  G.-Spr. 

48.  Lau  poke  we  Uiu  nuge,  lau  büke  we  lau  nuge  (lau 
poka  \\d  lau  nOka,  lau  piika  wa  lau  nüka)  das  pa^;sl  durchaus 
nicht  hierher,  eigentlich  es  stösst  nicht  und  rührt  nicht  daran, 
vom  hehr.  lA  nicht  (cf,  No.  und  Stessen  nnd  nag.V 
berühren,  anrühren,  antasten.  Ddzu:  er  ist  böge  (ar  ist  pokd) 
er  is  j  nviHKlt,  ^eübl.f 

i'.*,  Bor  (por)  Stier.  Bore  Tpon»)  Kuli  '  f.  vom  hebr. 
pär  Stier,  pärah  Kuh.  E  haddersch  btire  (a  pätars  pöra)  eine 
trächtige  Kuh  (cl'.  No.  iJ  !).  Bei  Nichtjuden  sagt  man  von  einer 
alten,  schlechten  Kul»;  b'iisch  e  bore  (s  is  o  purajf  (Ettenheim.) 
G.-Spr. 

50.  Posche  (püsa)  ein  .Vbtrünniger.*  m.  -s.  vom  bebr. 
Partie,  poschö'a  Sünder. 

50a.  Brauges  cf.  No.  313. 

51.  Bräunle  (proeynla)  weiblicher  Eigenname  für  alle  mit 
B  beginnenden  andern  Namen  wie  Babette,  Bertha,  Betty,  Bona,  f 
Dem.  von  altd.  bruna  (pnina).  cf.  L.  Zunz  die  Namen  der  Juden 
S.  72-75. 

52.  Brero  (prt^ro)  Wahl  'f.  s.  vom  spälhebr.  Subst. 
beriir  «Wahb,  b^rirdh  «das  Aussuchen».  Du  hast  die  Br. 
Du  hast  die  Wahl,  f 

53.  Presmile  ( |)r.' ^mila)  Beschneidung  *  f.  s.  vom  hebr. 
herith  Bniid  und  iniLUi  I5es(  hneidung  (cf.  No.  251). 

54.  Bruche;,  ßeroche  (paruya,  paioya)  Sej^en*  f.  vom 
hebr.  berakbah  Segen.  B.  heisst  tler  Segen  ül>er  das  Brot 
am  Sabbatabend,  der  aber  im  Abgehen  ist.  Es  isch  kei  broche 
an  em  (s  iS  khei  pr.  an  am) ;  Man  bat  Unglück  mit  ihm  im 
geschädlichen  Verkehr,  f  (Ettenheim)  cf.  No.  257. 

55.  Bsohitem  (psitam)  ein  Pfennig,  f  Vom  hebr. 
Verb,  paschät,  ausbreiten,  also  eigentlich  PI.  peschitim  «ein 


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—    i35  — 


flaches  ilunnes  Geldstück»  im  Gegensatz  zum  solidus,  Flach- 
sfucke,  Pfennige.  S  isch  bschile  (os  is  psits)  es  isl  klar,  selbst- 
verständlich von  spälliebr.  adj.  peschila  einfach,  klar  j  (Pfalz). 

50.  Bsulo  (psulo)  die  keusche  Jun{?frau,  die  noch  kein 
Mann  erknnnt  ha»,  Fraulein  j  t.  vorn  hehr,  bellinlah  die 
Jnn*:lr;iii,  «iie  zurückgezogen,  d^»  Klie  lern  im  Elternhause  lebt. 
Auch  \ver<ieii  anständige  Christenrni'nlchen  (im  Gegeusatz  zu 
Schiksel  cW  N'o.  IJ51.)  so  bez(M<  hnet.  G.-Spr. 

57.  Budik  (piUik)  untersucht,*  in  Baden  hediko,  badiiic 
(patiko,  pälika)  beim  Schächten  vom  spathebr.  badak  eindringen, 
untersuchen,  hadik  untersucht. 

58.  Buke  sei  (puko)  erlahü^n,  bewandert  sein*  vom 
spathebr.  adj.  hak!  erfahren,  cf.  No.  48. 

59.  Buiiöin,  Boiiiiii  (punam,  p<'mini)  Gesicht,  die  Augen.* 
n.  vom  hei»',  pänlm  m.  pl.  die  Oberfläche«  Angesicht.  Mach 
kei  so  dumm  Bunem  (ma/  kei  so  tum  B.)  mach  kein  so  dumm 
Gesicht;  er  hat  en  B.  wie  e  tuches  (ar  hat  o  B.  wie  9  lü^^ds) 
er  ist  ein  hässlicher  Mensch,  (cf.  Nr.  130) 

60.  PÜrem  (pyram)  Fest  am  14.  u.  13.  Ädar»  z.  Z. 
unsrer  Fasnacht,  zum  Andenken  an  die  Rettung  der  Israeliten 
vor  der  Rachsucht  des  Haman.  eigl.  pl.  von  dem  pers.  Worte 
pur  (pür)  das  Looa. 

60a.  Von  den  Kindern  wird  an  diesem  Festtage  den  Ellem, 
Gros-seltem  und  Verwandten  folgendes  Ltedchen  vorgesungen, 
um  die  üblichen  Greschenke  zu  erhalten. 

QftI  Pürem,  gftt  Pftrem.  ihr  Kwi  Leit« 

Ich  well  eich  verzeileh,  was  Pftrem  bftdeit. 

Dr'  Purem  bedeit:  Kichlisch  ze  n'essei 

Und  der  Homer»  npt  zu  vergesse; 

Dr  Homen  esch  a  heiser  Hann, 

Hot  jan  ranti  Heslisch  an. 

D*  Fra  hast  Merlah, 

D'  Tochter  hast  Serlah, 

Dr'  Sün  hast  Kalme. 

Henk  sie  au  dr  galjeh 

Verna  an  die  NaadeUpetz  (Nadelspitze) 

W&  de  Homen  selber  setzt. 

(Kyt  pyrom,  k.  p.  9t  liwi  leit 
i/  wel  ei'X  farts^ile,  was  p.  pateit 
tar  p,  pateit :  ki/Hs  tsa  n  in», 
nnt  tat  Hdmen  nat  tan  farkisa; 

tar  Hom9n  es  a  p6isi?r  man, 
bot  jau  rauti  hTsli'/  an. 
t9  fni  hiist  Merla, 
te  tyotar  h&at  S<rla, 


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—  d36  — 


ter  gyn  häst  Kbalma, 
haQk  si  an  ter  Katja 
foEii»  «n  ti  N&atoltpAtB 
«7  t»  Homm  «Alpftr  tfttst) 

Auch  eine  Fasnachtszeitun;  wird  mitunter  auf  diesen  Tag 
susammengeslelU,  so  z.  B.  in  Altorf  liei  Ettenheim. 

61.  busolie  (puSa)  sich  jschämen  f.  vom  hebr.  bdsch,  sich 
schämen.  G.  Spr.  Dasa:  Bosches  Bonem  (pdSos  pönom) 
schüchtern^  keusch/  vom  hebr.  hinsehet  Scham,  Schande. 

62.  Buser  (pftsar)  Fleisch/  n.  vom  hebr.  iMsftr  Fleisch. 
G.  Spr.  O^ssor). 

63.  Pusik  (püsik)  Vers.*  m.  vom  hebr.  pasfik. 

64.  busel  (ptisal)  verboten  zum  Genüsse.'  adj.  vom  hebr. 
pusäl  eij^tl.  aushauen,  pasul  unerlaubt,  unlaui^lich. 

65.  butel  (pütdl)  müssi)^)  nichtig.*  adj.  vom  hebr.  batei 
vverllos. 

Ch. 

66.  GhatteSv  Kattes  (yatas,  Khatas)  Lump,  leichtsinniger 
Mensch,  besonders  einer,  der  trinkt.* 

m.  vom  hebr.  chattä  Söiidfr:  fh's  isch  en  schöne  Cliaites, 
das  ist  ein  rechter  Lump,  f  Kftcn lieim.  G.-Spr. 

66a.  Chadeisam  (yatt}is.Mii)  i^uinpim!  pl.  von  chatta,  cha- 
lesim  (yalesiui)  G.-Spr.  (chädeisin  —  Luiiipeu-üesindel). 

67.  Ghatiche  (x^itiya)  Stück. '  r.  vom  hebr.  chätikbah. 

68.  Ghidi^ch  (xitis)  Neuigkeit.  *  f.  vom  hebr.  chiddAsch 
Neues.  G.-Spr.  avon  sich  verchidische  (si^  ferxitiso)  sich  ver- 
wundern. *  G.-Spr. 

69.  Ghafruse  (yalVuso)  Gesellschaft,  Verkehr,  Gesellig- 
keit, t  r.  vom  s[>äthebr.  chabhrutha  Gesellschaft  Er  hebt  eh., 
er  hebt  Geseilschart.  Davon  en  Chafrusener  (an  x^fi'usanor) 
ein  Gesellschafter.  G.-Spr. 

70.  chajef  sain  fyajr>r  s.iiti)  schuKli^»-  scifi.  *  vom  hebr. 
chajj»  i>li  st  liüUli-,  »i  ivon  chajob  (xiijdb)  Schuldner  v.  hebr.  cUaj- 
jabh    S(  Imhiiiür  »  vgl.  No.  97. 

71.  Chajes  (yäj^*)  Leben  *n.  von  späthebr.  chajAlh  (bibl. 
chajjim)  «Leben».  Andre  Form  ist  Heijes  (heijas)  f  Ua.  das 
ist  mein  h.  Das  ist  mein  Lieb,  mein  Schatz,  f  e  verchei8t*s 
Paar  (a  füi  /i'i.<ts  pär)  ein  verliebtes  Paar.fchaj  wekajem 
rufe  (x4j  wakhajam  ryfa)  den  Himmel  um  Hilfe  anrufen  von 
hebr.  chaj  wekajj4m  cO  Lebendiger  und  Bestindiger». 

72.  Ghalaumes  (yalaumas)  leeres  Geschwätz,  f  pl.  eigtl. 
J'i  äuiiH'reien  von  hebr.  chäldm  (Pluralis  chälomdth)  der  Traum, 
okuleme  (xülama)  träumen.* 


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—   137  — 


73.  Ghalef  (yalaf)  das  Schlachtmesser,  speciell  das 
Scbftcht-Messer.  *  D.  von  talmudiscli  dialinfuMh  uad  chälaphoth 
f.  plur.  c Messer».  Wortspiel  en  chalef  isch  en  chalef 
(an  yaldf  is  911  ytkl»f)*  Ein  Wechsel  (cbiUikf;  isl  ein  Messer. 

t  Plaiz. 

7i.  Ghali  (y.Uj  Fensler  f,  abgeküi*2l  aus  hebr.  challou 
Fens^ler.  ri.-S|»r.  (Challon). 

75.  Chaiiier  (yämar)  Esel,  Dummkopl  '  von  bebr,  cha- 
mör  Esel.  G.-Spr. 

76.  ohamisohe  (xamitb)  fanf  *  von  hebr.  cbamischäh  ffinf. 

77.  Ghanike  (X'tnykoj  Name  eines  8tät(igen  Festes  um 
die  Weihnachtszeit'  von  hebr.  chanukkäh  Einweihunga-Fest 
des  Tempels. 

78.  sich  charbene  (sly  yarpono)  sich  schämen  *  von 
hebr.  ciiorpäh  Scham,  Schande,  Spott,  G.-Spr. 

79.  Ghas  we  schulem  (yas  wo  sülam)  ferne  sei 
daS;  Ciott  howahrel*  vom  hebr.  chas  «Schonung»^  we-schalom 
€und  Fiiede». 

8U.  Ghasen  (yasan)  V  orsänger,  Vorbeler  *  von  spatliebr. 
chassan  Vorhttoi-.  G.-Spr. 

81.  Giiaser  (yasar)  Schwein  '  von  hebr.  chasir  ni.  Schwein« 
e  Ghaserkopf  (a  yasarkhopQ  eigtl.  Schweinskopf  d.  h.  ein 
Mensch,  der  schwer  begraift,  ein  sehr  oft  gebrauchtes  Wort, 
bedeutet  auch  einen  un)(eschtckten,  frechen,  ungebildeten,  in 
Essen  und  Trinken  unmässigen  Menschen,  auch  die  Form 
Chaserresch  findet  sich  in  dri-cllxii  n.tloninnj;.  Saukopf, 
«Schweinigel»,  von  rosch  «Kopf»,  davon  ein  adj.  chaseresch 
(^asaras)  schweini'-ch. 

82.  Gharaute  (xarauta)  Beue'  f.  von  späthehr,  chäratdh 
die  Heue. 

8i>.  chaule  (yäubj  krank  "  vom  hebr.  clinläh  Part,  krank 
(seiend).    Dazu  Halas  (haläs)  Krankheit   n.   von  hebi.  cho. 

84.  Ghauscher  (yau^ar)  Finslernis  *  f.  verslünmiell  von 
hebr.  chöschekh  Finsternis. 

85.  Ghausem  (/äusam)  Siegel "  n.  von  hebr.  cholhäm. 
Siegel.  Der  muss  ufT  Alles  sei  Gh.  dricke  (tor  mys  üf  alds  sei 
Gh.  trika)  der  muss  überall  sein  Wort  mil reden. 

86.  Gbeider  (-^«^idar)  Zimmer  spec.  Schule  *  n.  pt.  cha- 
dorem  (yatoram)  von  hebr.  ch^er,  pl.  chüdarim  Gemach, 
Zimmer.  G.-Spr. 

87.  Schandel-Cheilcf  ('^'andal-cheilaf)  Talg,  zsgselzt  aus 
franz.  la  chandelle,  und  liebr.  chelebh  Fett,  Talg.*  cf.  «Schan- 
delliecht»  für  KVrz*«.  G.-Spr. 

88.  Cheilik  (//ilikj  'IVil  von  hebr.  cht'lek  m.  Teil,  An- 
teil. G.-Spr.   i».\.  *s  bot  e  jeder  ^sai  Ch.  (as  bot  a  jetar  .sai  Gh.) 


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—  138  ~ 


Jeden  fliückt  etwas;  in  Sierenz  spricht  man  Kchillik  fKyilik): 
es  is  iiuM-  ke  K<  h.  m»s  is  mar  khe  Ky.)  es  ist  mir  ;j;leicli.  Du 
ka^>i.li  (lio  ivÜL'li  kenne  olIci'  ait,  e<  isch  mer  iiser  ki'  kcli.  (ta 
khäs  ti  kliya  khieife  oder  nit,  os  is  niur  u.<or  khe  ky.)  Du 
magst  diese  Kuh  kaufen  oder  nicbl,  es  ist  mir  wahrlich  kein 
Unterschied. 

89.  Gheiii  {/ß'in)  Armut'  m.  von  hebr.  chöo  m.  Armut 
Sprw.  Ka  ch.  un  ke  schein  (Kba  un  khe  Sein)  u.  ch.  geit 
ewer  schein  (x*  keit  ^war  sein)  Anmut  geht  über  Schönheit. 

90.  Gherem  (yeram)  der  Bann*  m.  von  hebr.  cherem 
Fluchweihe  bes.  bei  eroberten  Städten,  wo  Menschen  u.  Tiere 
niedergemacht  wurden  u.  auf  die  Wiederaufhauung  ein  Fluch 
gesetzt  wurdo.  Luther  übersetzt  das  Verlium  mit  verbannen. 

90a.  Ghes  (yes)  die  Zahl  8*  IipIu.  cliet. 

91.  Ghesch  baunes  ryiVspiuin^)  Rechnungen'  von 
hehr.  chesrlihDiiüth  pl.  van  cheschbon  Rechnung.  G.-Spr, 
diese hbene  (/espana)  rechnen. 

92.  Gheschwen  (yeswan)  der  8.  Monat  des  jüdischen 
Jahres  (Okt.  u.  Nov.)  *  von  hebr.  marcheschwän  auch  bloss 
eheschwdn. 

Ol  Cholef,  Ghulef  .'xölof,  xtd9t)  Milch»  f,  von  hebr. 

chaiahh  süs.se  Milch. 

9i.  Ghorben  pl.  Ghorbenes  (yorban,  yorbanas) 
Verwüstun?,  I)ui ''h*Mnnnder.  *  n.  von  jd.  chorlian,  Verwüstung. 

9i.  Ghosen,  Kusem,  Chusem  (/osan,  Kimsom.  yu«an) 
Brautij^am*  m.  sing.  pl.  Kuseui.s  (Khnsams),  Demin.  Kusemle 
(Khusamla)  von  hebr.  chathan  m.  Bräutigam.  (VV.  Sommer 
Eis.  Gesch.  2.  283.)  RA.  Der  Chusem  und  die  Kalle  (Braut 
cf.  No.  136)  sin  mil*nander  im  Dreck  na  g'falle.  f  (Ettenheim.) 

96.  Ghotser  (x^t^ar)  Hof*  m.  von  hebr.  chazör  Vorhof, 
Hof.  G.-Spr. 

97.  Ghov  (xow)  Schuld,  die  man  einzutreiben  hat.  *  m. 
pl.  chauves    (/äuwas)  von  hehr,  chdbh  m.  die  Schuld,  cf. 

Xo.  366  und  70. 

08,  Chuchem,  Kochern  (yü/am,  Khoyam)  dei  Wci^e 
dazu  chochme  (/oyma)  für  Weisheit  von  hebi.  chakhinn 
weise,  chokhuiäii  \V»?i>h(»it.  HA.  Des  isch  en  ch.  das  ist  jetzt 
ein  gescheiter  Menscli.  Feichucliem  (feiyuyam)  ein  Super- 
kluger, ein  Uebergescheidter '  eigtl.  we-chakliuai  <i und  Weiser», 
d.  h.  noch  mehr  als  ein  Weiser,  wird  spöttelnd  von  jemand  gesagt, 
der  sich  immer  überweise  zeigen  will.  Vgl.  die  ähnl.  Wort- 
bildung No,  4i4.  412.  RA.  Der  ch.  schlaust  sich  an  allem 
(tdr  y,  flaust  sj}r  an  alom)  der  Weise  stösst  sich  an  allem, 
d.  h.  es  geht  ihm  nichts  Auflallendes  unbemerkt  vorbei»  auch 
im  Scherze  gebraucht,  wenn  sich  jemand  geflossen  hat.  * 


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—   139  — 


91).    Chulsche    (/.ül^)    Ohnmacht     f.    von  cbald. 

chulscha  ffScIjwäche». 

lOit.  C husch  (xys)  Gedanke,  Sinn*  von  hebr.  cbüsch 

Nachdenken. 

101.  Ghüsed  ()rusal)eiii  Fi-ommer*  pl.  clia v.'dfMii  (yaseldm) 
vom  hehr,  rhnsld  pl.  rhasidiai  adj.  fiüniui,  liehroidi. 

102.  Chusclieni  (yy^-im)  taub,  vergesslich  *  ist  vermutlich 
abzuleiten  von  Chuschini  einem  Sohne  des  Dan,  der  der  Sage 
nach  taub  gewesen  sein  aolL  f.  Mos.  46,  23  (Jalkut  Ber.  162). 

103.  Ghuzbe  (/.utspa)  Frechheit  f  vom  chald.  chuzpa 
Unverschämtheit. 

104.  Ghusohef  (X^SdQ  |pit,  sehr*  vom  Part.  pass. 
chaschnhh  angesehen,  geachtet.  Das  esch  cb.  (tas  eJj  xO  «J«* 
ist  gut.    Ks  isch  ch.  kalt,  es  ist  sehr  kalt. 

105.  Ghutse  (xutso)  Hälfte*  f.  vom  hebr.  cbäzi  Hälfte 
(Mitte)  cf.  No.  411). 

iO(>.  Ghufjes  (yüfjss)  Ftifer  der  Kuh  n.  vom  eliald. 
chäbliilh,  pl.  chahhijjöth  Fass  zum  Aurbewahicn  von  Wein  und 
dergl.  Im  Elsass  sagt  man,  diese  Kuh  hat  ein  Euter  wie  ein 
Fass,  auch  nennt  man  das  Euter  überhaupt  Fass. 

107.  Ghaklu  (x^klA)  grober  Flegel  *  m.  ungeschliffener 
Mensch  von  späthebr.  cbakla*dh  Bauer. 

108.  Tachschet  (t;V/>al)  Scluaurk,  (;os(  luneide,  Juwel  ♦ 
m.  ti.  n.  iron.  ein  Pra(  lilmen.srh,  das  isch  e  T.  (las  is  o  t.) 
das  ist  ein  guter  Junij;u.  Tachschilte  (la/sylo)  des  isch  et. 
(des  is  d  t.)  von  Frauen  und  Mädchen,  ernst  und  ironisch :  das 
ist  ein  schönes  Kind,  eine  schöne  Erscheinung,  auch  ein  schönes 
Benehmen.  Dann  überhaupt  etwas  «Schönes»  vom  hebr. 
takbschit  Schmuck  cf.  Tendlau  No.  49.  50.  997.  453. 

109.  Bajeine  (tajöina)  genug  f  vom  hebr.  daj  Subst, 
6enüp't\  ndv.  genug. 

110.  Dajes  (tajas)  Sorgen  *  pl.  vom  hebr.  deagdh  Kummer. 
III)  Dalfen  (lalfon)  ein  .\rmer*,  wird  sehr  verschieden 

erklärt,  wllzij,'  von  Z»inz  nis  Dal  von  :  Analogie  zu  unserm  Herrn 
von  Hai)eniclils.  ci.  Tendlau  No.  'i03.  789.  Am-  LiUemanl 
III.  ry,V2.  Im  ersten  Teil  steckt  jedeiitalls  das  h*'lu.  Adj.  d;'il 
«arm ja  er  isch  en  d.  (ar  is  au  t.)  er  ist  ein  armer  Tuntel. 
G.  -  Spr. 

112.  Dalles  (talas)  Geldverlegenheit,  Geldmangel,  Armut  * 
m.  von  hebr.  dallAth  «Armut»  RA.  Er  hat  den  D.  er  ist 
in  Geldverlegenheit.   Die  Christen  wenden  es  in  dem  Sinne  an : 


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—   140  — 

er  hat  den  D.»  er  ist  krank,  sehr  herunter  gekommen»  dem  Tode 
nah,  zum  Tode  reif,  f  G.-Spr. 

113.  Dam  (täm)  Gesrhmack  ♦  m.  vom  Iiebr.  \ä^i\m 
m.  Geschmack.  IIA.  Das  hot  ka  D.,  un  ka  reiech  (las  bot 
khä  t.  un  kh»i  reiay)  hehr.  rAach  Goiucli.  Das  ha!  kein  Chic: 
ri)»erhaupt  eine  Sirlio,  an  der  niclits  Gutes  und  Sf  hrMx'^;  isl. 
Davon  {gebildet  uiiljetamt  (unpot.imi)  uiigeschlilleu,  '^nAi. 

11 4.  Tames  (lämos)  der  i  Monat  des  jüdischen  Jahres 
Juni — Juli)'  von  hehr.  Taniinüs  der  Monat  der  Ädonis- 
feierlichkeiten. 

115.  tan  sain  (tkn  sain)  beschuldigen.  Jemanden  tan 
sain,  jemanden  beschuldigen;  von  hehr.  ta*Än  belasten,  tragen ; 
bildl,  eine  Meinung  \-ortragen  .aitane  (äiläna)  milsprechen* 

zsjiosetzt  vom  deutschen  ein  u.  lan.  RA.  Der  kan  net  aitane 
(ter  kban  noiait.),  der  versteht  gar  nichts  von  der  Sache.  Der 
tant  ai,  d;iss  mr  nit  zuhöre  kann.  Der  schwätzt  so  dumm,  dass 

 f  Du  tant»cii  ai  (tu  täns  ai)  Du  sprichst  mal  dummes 

Zeug.f 

Baues  (tanasj  Fastlag  *  m.  u.  f.  von  hehr,  taänith 
f.  Kasteiun'^^  Fasten, 

117.  teble,  dihle  (tepla,  tipb)  lallen  *  von  hehr,  naphäl 
fallen,  (tippol  du  wirst  fallen). 

118.  Teife,  Beife  (teifs)  die  Arche  (Noabs)*  f.  von 
hebr.  tebhdh  f.  Kiste,  Kasten.  G.-Spr. 

149.  Teifes  (t^ifas)  der  10.  Monat  des  judischen  Jahree 
(Dec.  Jan.)*  von  heb.  Tebhdt. 

120.  Tel  (lel)  neerdi;,'unj:,  Leichenzug/  f.  vom  hehr,  161  m. 
Aufschfittunjf,  Hüj^el.  Steinhaufen. 

121.  Deles  (Idias)  die  Thüre/  f.  von  hebr.  döleth  f. 
Thüre.  G.-Spr. 

122.  Tenef  (tenaf)  Kolh,  ünral,'  von  spälhebr.  tinnüph 
Schmutz,  Unrat.  G.-Spr. 

123.  Tes-wul  (l«.«s-\vril)  15.  zs^jes.  aus  hebr.  telh 
^  9  und  w4f=G,  au.^^nahmsweise,  \veil  die  re^^elrecbten  Zahl- 
zeichen jttd  =:  10  und  he  =  5  dife  beiden  Anfangs« 
buchstaben  des  den  Juden  unaussprechlichen  Namens  Jehovah 
enthalten.  Tes-sujen  (t^s-stgon)  16,*  ebenso  aus  denselben 
Rücksichten  ausser  der  Reihe  gebildet,  von  teth  9  und  sa'jin 
7.  Tischemeie  (tis'omeid)  900,*  zsgesezt  aus  leschä' 
(9)  und  me'ah  (100);  cf.  Xr.  265. 

124.  Tforem  beteilem  (Iforarn  pot^ilam)  leeres  Gerede, 
nicfiti'^'e  WoHo,*  hebr.  dehharini  belelim  «eitle  Worte»; 
Diwwere  (liw.nv«)  sprechen.!  G.-Spr.  medawere  (mo- 
tawro)  spiechen,*  von  liebr.  dibber  reden,  Particip.  medabbf^r 
cf.  Nr.  239. 


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—    141  — 

125.  Tischre  (lis'ia),  der  7,  Monal  des  jüdischen  Jahrea 
(vom  N'i:=;.in  ^'^oreirhnet).  (Sept.  Okt.)'  von  hehr.  Tischri. 

1*2().  Does  ftoo«:)  Iri'tum.t  pl.  van  ■«pathelir.  la'ulh  Irrtum. 

1*27.  tof  (lofj  gut,t  von  lieWr.  toljli  ^nit,  angenehm. 
G.-Spr;  ein  «ehr  oft  gebrauchte»  Wort,  auch  von  Christen. 

127a.  Doled  (tolat)  vier/  von  hebr.  daleth,  dem  4. 
Buchslalien  des  Alphnl)e1:s. 

Ii'8.  Tore  (löra),  das  Gesetz  Mosis,*  t.  von  hebr.  tor^h 
Lehre,  üesetz. 

129.  treife,  trefe  (trdifa,  tret'o,  tru^fa)  unkoscher,  ver- 
botene Spt  isen/  von  hebr.  terephah  f.  Zertssenes,  zum  Ge^ 
nusse  Verijotenes.  RA.  er  isch  tr.  (er  iS  tr.)  er  ist  ein  Pech- 
vogel.' G.-S[)r. 

130.  Duches  (tüyos),  das  GesAss,  Hinlere,  (enlsprecliend 
unserm  gemeinen  Arscii).*  Durch  Missverstündniss  aus  der  hebr. 
Präposition  fächalh  «unter,  an  iseiner  Statt».  G.-Spr.  (bes.  die 
RA.)  Er  liebt  de  Dukes  zum  P'enschler  nus  (or  hept  ta  lükes 
tsym  fensLir  nys)  =  £r  ist  iiankrott.  Die  RA.  ist  in  Baden 
nicht  l)ekannt. 

131.  Dugim  (tukim)  Fische/  pl.  von  hebr.  dajj  Fisch. 
131a.  turne  tarne  (lAmo,  tama)  unrein  (moralisch)/  von 

hebr.  1ain<"'  um  ein. 

i3'i.  ebscher  (epsär)  vielleicht/  von  spat  hebr.  ephschär 
möglich. 

E. 

133.  echod  (ö//)t)  eins/  von  hebr.  ochad  eins;  eohed- 
beched  (äyef-p^x^i)  100  Prozent  eigtl.  eins  auf  eins;  seil. 
Gewinn. 

ISi.  Efentof  (('tantof)  KHehfein/  zsgselzL.  aus  hebr. 
ebben  m.  Sleiji  und  tobh  gut.    (1.  Spr. 

135.  efer  (nfor)  blind*  von  hebr.  'i\v\v<^r  blind. 

13t>.  en-  Efere  (on  .>lcro  Ueljerlretung  (des  Gesetzes)* 
vom  hebr.  'abhcräli  L'eberlretung. 

137.  BIQen  (etjan)  Dürftiger,  Armer*  m.  von  hebr. 
ebhjdn  a^j.  dQrrtig^  arm, 

138.  Elohe  nur  in  der  R.-A.  Das  isch  en  eiche  (tas  is 
dn>  ei^9)  das  ist  ein  Jammer;  von  hebr.  ekhdh  «wie»  klagend: 
«warum  doch»  dem  Anfangs- Woiie  aller  Klagelieder. 

139.  Eigel  (eikc>l)  Kalb*  n.  von  liol.r.  S  -'l  f-  Kalb. 

140.  £ime  (^im?)  Angst*  f.  von  iiebr.  eiiiuh  Schrecken, 
Furcht. 

Iii.  Eitse  (Ml^o)  Hat*  f.  pl.  eitse:*  (eitsos)  R.-A.  Mit 
eitses  bin  ich  vt  rsehne,  bar  Geld  broch  ich  (mit  eit.sas  pin 
i}(  farsena,  par  kelt  pro/  iy)  von  hebr.  'ezah,   Pl.'ez6th  Hat. 

1  i2.  El  (el)  der  G.  Monat  des  jüdischen  Jahres  (August- 
Sept.)*  von  hebr.  m.  El  öl. 


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—   142  — 

14:3.  Olef  (olaQ  die  Znlil  eins*  von  hebr.  aleph  dem 
«rsten  Buchstaben  des  Alphabete. 

144.  £Ief  (feldO  1000*  vom  hebr.  öleph  m.  Tausend. 

145.  Enajim  (anujim)  die  Augen*  von  hebr,  '4jin, 
Auge,  Dualis  ^önijim.  cf.  No.  il. 

445a.  emes  (einas)  wnln-,  Wahrheit*  m.  vom  hebr. 
emfeth  Wahrheil.  HA.  Des  isch  eines  (tes  l§  einas)  das  ist 
wahr.  Da55  isl  der  emes,  mer  der  emes:  das  ist  wahr,  sag 
mir  die  Wahili«'it.f  G.-Spr.  (besonders  Geslündnis). 

146.  Emune  nur  in  den  Zusetzungen  :  Tauflemune 
und  Chadischemime  (tauflornfma,  yatiseinriii,»)  katholische 
und  protestantische  Ueli^ion  vom  hebr.  omunah  [\  Glauben  und 
hebr.  tabhäl  «untertauchen,  taufen*  und  cbadAsch  «neu»  cf. 
No.  68. 

147.  Eref  (erat)  Bürge  f  (richtiger  ördf?  vgl.  No.  16) 
vom  hebr.  *or6bh  Bürge.  R.-A.  Ich  bin  dir  erf  dervor  (i/ 
pin  tdr  6rf  tarfdr)  ich  steh  Dir  gut  dafür.  * 

147  a.  Erefraf  (firafräf)  Gesindel  von  späthebr.  Piur. 
'arabhr^bhin. 

148.  Erel  und  Orel  (dral,  örsl)  Nichtjude*  von  hebr. 
^ar6l  «unbeschnitten»  ein  Schimpfname  für  Nichtisraeliten. 

149.  en-  Esohires  (en-oMras)  eine  grosse  Menge  beliebige 
Gegenstande,  Reichtum*  vom  hebr.  ^aschirüth  cRelchtum» 
Der  hat  en  esch.   Das  ist  ein  reicher  Mann. 

G.  K. 

150.  Futze  Kappore  (Fütsa  Khapdra)  zerbrocthen,  ver- 
nichtet, f  Die  Ableitung  ist  schwierig:  wohl  von  hebr.  kapparflh 

Söhnopfer.  Fulze,  aucli  pfutze  leitet  Ave-I.  tllemant  IV.  S.  392 
von  vice  her,  also  f.  k.  =:  k.  vice  an  Stelle  des  Siihnopfers,  ein 
Fluchwort ;  fulze  könnte  auch  ein  Wort  des  .\bscheues  sdn, 
cimlich  un.'icrm  pt'ui  !  f  G.-Spr.  (Kapore  fetzen.) 

151.  Katsef,  Ghatsef  (Khatsaf)  Fleischer,  Melz'/er*  m. 
vom  spiillithr.  Kazzilbh  Mef/f^ei'.  Ketsaufes  (Kliotsaut^s) 
un<l  Ghatzaufes  (KhatsaufaiN)  Melzi^  -J-  n.  von  liebr.  pi.Jvazofos 
(KhiUböius),  und  godel  Ghatsaufes  Schlachthaus,  f 

152.  Kaf  (Khaf)  '20*  vom  liebr.  Kaph  dem  2Ü  len  Buch- 
staben des  hühr.  Alphabets  dazu  KafTer  (Khafar)  80  Pfennig, 
m.  8.  e  KafTerle  (d  Khafarla)  cein  Zwanzigerj»  ein  20  Sous- 
stück  s  1  Fr.  =  80  Pfennig  (Bappol Isweiler) ;  in  Baden  be- 
zeichnete man  die  Zwanzgerle  (Sechslräzner)  als  KafTerle ;  ebenso 
die  heutigen  ZwanzigpfennigstÖcke. 


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—    143  — 


153.  Kafifer  (Khafar)  Bauer,  Tölpel  f  vom  späthelir. 
Kophör  Bauer.  Unser  Schimpfwort  Kaffer  scheint  aich  hieron 
herzuleiten.  G.-Spr. 

15i.  Gafeh  (Kafa)  Stolz,  Einbildun^^  f  f.  vom  hebt", 
gaawah  Hochmut,  lia.  er  hat  ein  g.  er  ist  einjjrebildetci  Menj^ch. 
V<!t.  clsässisch  Gow9  annemmo  clüaj  was  nimmt  sieb  das  Maidle 
Gowa  an  ?» 

155.  Kaljes  machen  (K.ilju.-:  iiKv/d)  ji_'iiiaii<Ii-m  hiinlci  iul 
in  den  Wej»  treten.*  vuu  hebr.  kala  zurückhalten,  iiemmen. 
G,-Spr.  (Kalches.) 

156.  Kalle  (Khala)  Braut*  f.  s.  vom  hebr.  kalUh  f. 
Braut.  (W.  Sommer  Eis.  Gesch.  II.  284.)  G.-Spr. 

157.  Ganf,  Ganef  (Kanof)  Dieb  *  m.  vom  hebr.  gannäbh 
Dieb.   Davon  §^anfe  (kanfa)  stehlen.  G.-Spr. 

158.  Ganeiden  (Kan/Mton)  Paradies.*  n.  zsf,'s.  aus  hebr. 
$ran  Garten  und  '^den  m.  Wonne  also  Garten  der  Wonne> 
Wonneland. 

ITiO  Charef  fK'hnt?»f)  ein  Scharfsinniger*  von  spfithebr. 
cburiph  -(  hart',  scli  n  t<iiiiii.Lr. 

16U.  Kasne,  Ghasae  (Khä^n-V)  Hochzeit*  f.  s.  vom 
hebr.  eliäthuuiiah  f.  Hochzeit,  auch  von  Christen  f^ebraucht. 

i61.  Gäu  (Kil-y)  nur  in  der  Il.-A.  uf  d'gäu  gehe  (uf  te 
Ka;y  köba)  auf  den  Handel  gehen  vom  hebr.  gaj  Ebene,  Thal. 
Hauptsächlich  von  den  Melzg^ern  gebraucht,  wenn  sie  auf  die 
Dörfer  und  Höfe  gehen,  um  Vieh  einzukaufen.  Eine  weniger 
wahrscheinliche  Abteilunj?  wäre  vom  mhd.  gdu  —  Dorf. 

102.  Kaufel  CKhäiif..])  .l.-r  Hutf  m.  vom  hebr.  koblii* 
ni.  Helm,  Hut.  R,-A.  Die  hat  en  K.  auf,  die  hat  mal  einen 
«Deckel»  nnf. 

103.  Kaufer,  Koter  (Kh.-nit.M,  Kliof,»!-)*  Lr>ii;^iii'r,  <»iner, 
der  seinen  Giaultrn  vt  i  l;iii;iiiei  vom  ln-ln  .  kaphar  vci derken,  weg- 
ieupien.  Parlici|i.  Koph-  r  ein  Abtiüiiui^'^er,  Pro.'ielyl. 

164.  Kauscher,  Koscher  (Khaus^jr,  yosor)  zum  Genüsse 
erlaubt*  von  hebr.  adj.  koscher  <,'erade,  recht,  schtcklicli,  gut. 
G.-Spr. 

165.  Kedaohes  (Katö^as)  Fluchwort,  eigtl.  die  Fieber* 
hilze*  von  hebr.  kadddchath  Glut.  Du  K.  bonem,  ein  gemeines 

Schimpfwort,    (cf.  No.  59.) 

166.  Kedisch,  Kidisch,  Kadisch  (Khetis,  Khitis, 
Khatis)  der  Sej.iensspnich,  mit  dem  die  Keiertn^'-o  cin^roieitet 
werden,  ci^jti.  Heilijrnnf:*  vom  hebr.  kidflusrh  Heihgunj,', 
Se^ren-^sprnch,  jaijiM  K.  <ier  Se^en  mit  dem  Wein,  der  jeden 
Freilaj^  Aheiul  .slatt(in<l<'t.(cf.  No.  2(X>.) 

167.  Kefeilim  (Kholeilin»)*  Kfeilem  (Kt'eilam) -j-  ein 
Louisd'or  (24  Frcs.)  pl.  von  Keifel  (Kh^ifol),  Dublone  vom  hebr. 


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->  144 


kephel  m.  Venloppeluner,  Doppelte,  analog  dem  franz.  Double 
gebildet,  z.  B.  jus  beis  Kt.  12  Louisd'or. 

108.  Geies  ( Keio-)  Hocbmuth,  Stolz '  in.  vom  hebr. 
g^'üth  f.  iMlial.erilieit,  btolz.     cf.  Xo.  '2n 

inri.  Keilef  (KheiloQ  m.  Hund*  v-im  liohr.  kelebh  m. 
Huinl,  als  Schimpfwort  ubertragen  aucU  von  einem  Geizhais 
gesagt.  r;.-S[ir. 

170.  Gemore  kemura)  Talmufl  *  f.  von  gemara  die 
Vollentlunir,  Titel  des  zweiten  Teils  des  Talmud. 

171.  Kinem,  Kenem  {Kliiii.»ui,  Khen.im)  Läuse, 
Ungezicfoi"  n.  vuju  hebr.  Kiuuah,  Plur.  Kinnim  Mücke.  Die 
dritte  Plage  in  xVegyplen  (Rappoltsweiler) ;  in  Baden  nicht 
bekannt.  G.^Spr. 

172.  Keren  (Kh^ren)  Kapital  *  n,  vom  talmudtschen 
kören  Kapital,  Selbstkostenpreis.  G.-Spr. 

173.  Geschem  (Khe^am)  Regen  f  vom  hebr.  g^schem 
der  Regen,  's  gischemt  (as  klSamt)  es  regnet. 

174.  Gesere  (Kasör»)  schlimmes  Dekret,  Verhängnis* 
f.  vom  hebr.  geseräh  Verhängniss  (Judenverfolgung)  R.*A.  me 
hat  g.  man  hat  Streit.  G.-Spr. 

175.  Keslef  (Kheslef)  Name  des  neunten  Monats  im  jü- 
dischen Jahr  vom  Nisan  an  gerechnet,  ungefähr  December* 
vom  liebr.  Ki^!<Hv  m. 

176.  Getseke  (Kolsr-ko)  Gesrhrei*  n,  Subst.  gebildet 
vom  bebr.  Veil)uni  za'ak  schreien  mit  den  Deutschen  Prälix 
ge.  cf.  No.  KH). 

177.  Giber  (Kipar)  stark*    von  hebr.  gibbor  stark. 

178.  Giks  (Kiks)  Irrtum  m.  von? 

170.  Giljen  (Kiljdn)  Rand  an  den  Blättern  eines  Buches,* 
ra.  von  spathebr.  gillajön  unbeschriebener  Rand  eines  Buches. 

179  a.  Gimmel  (Kimsl)  die  Zahl  drei,*  von  hebr.  Gimel 
dem  3.  Buchstaben  des  hebr.  Alphabels;  auch  die  Form  gemel 
(Kdmdl)  kommt  vor. 

180.  Kibud©m(Khipydam)  Aufwarlungen,  Gomplimente, 
Höflichkeitshezeugunj^en,*  pl.  von  hebr.  kabhöd  m.  Ehre,  Ruhm. 
U.\.  mach  kei  k.  (uia/  khei  k.),  mach  keine  Geschichten» 
wenn  man  einom  Rpsridie  etwas  anluotet. 

181.  Kippe  (KhipaJ  halb.  Haltte,*  von  spiilhebr.  kuphäli 
Korb>  Schachtel  (im  Sinn  v.  Lade,  Gasse).  RA.  Kippe  machen, 
gemeinschaftlich  ein  spitzbübisches  Geschäft  machen,  coinpte 
k  deux.  [W.  Sommer  Eis.  Gesch.  IL  318.]  G.-Spr.  Ich  halt 
K.  dra,  ich  mache  halbpart,  f  &  K.  isch  e  Klippe  (9  K.  is  e 
Klipo)  eine  Companei  ist  eine  Teufelei,  d.  h.  eine  Klippe,  an 
der  man  scheitert,  die  einem  Verderben  bringen  kann. 


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—    145  — 


183.  Kischef  (Khisaf)  Hexerei,*  n.  von  spätliebr.  kisch- 
schdpb  m;  Zauberei,  Magie  cf.  N'o.  343. 

183.  Küpe  turne  (Klipa  tüm»)  ein  verschmitzter  Mensch 
zsges.  von  hebr.  toine  unrein  und  k&lipblh  Schale, 
Schüssel.  Kl.  t.  ist  cabbalistisch  die  Bezeichnung  der  unreinen 
Geister,  Dämonen,  riie  den  inneren  heiligen  Kreis  umechweben; 
cf.  «Cahban»  in  S}i  ik^^sneares  Sturm 

184.  Gnafter  (  Knartor),  in  Baden  Kafter  ( Khaftor)  Knopf, 
m.  von  hehr,  kiiplitnr  m.  Knaut,  eine  kugeHörnuife  Zierrai  am 
jfoltienen  I>ruchl«'r  [HappolIvwtMl.'i]. 

185.  Knase  (kiiasdj  ]>e.st.ralen,'  «leuUch  gebildetes  Verb, 
von  cbald.  kenäs  Strafe.  RA.  Ich  bin  ^^eknast  worden,  icli  bin  ge- 
straft worden. ,  G.^Spr. 

186.  Kol  (Khdl)  Stimme,*  n.  von  hebr.  köt  m.  Stimme 
G.-Spr. 

187.  Kol  (Kol)  alle,*  von  hebr.  kol  aUe,  ganz,  davon  hakel 
bakel  (häkal  pakal)  alles  zusammen,*  von  hebr.  ha-k6l  ba-k61 
Alles  in  Allem.  RA.  Dem  sei  H.  ist  so  und  so  viel,  sein  ganzes 
Vermögen  ist  so  und  so  viel  [Pfalz].  G.-Spr.  Kolbau  (Kol- 
pau)  im  Allgemeinen,*  Kol  bd  «Alles  darin»  ist  der  Titel 
eines  Buches,  das  iiir  alle  Ta^^e  im  .laiir  Mn<l  \uv  alle  Fälle  im 
menschlichen  Leben  die  religiösen  Vorschriften  enthalt.  Dann 
auch  von  Menschen  angewandt,  er  ist  ein  K.  er  ist  eni 
wandelndes  CSonversationslexikon^  einer  der  Alles  weiss,  ein 
All-Genie. 

188.  Kos  (Khos)  Glas,  Becher/  n.  von  hebr.  kds  Becher. 

189.  Grue  blue  lewe  (krys  plye  löwd)in  sehr  schmaler 
Kost  leben  zsges.  ans  den  hebr.  Partie,  pass.  karO'a  und  balü 
zerrissen  und  verlumpt. 

100.  Ksaunes  (Ksäunas)  Hemd,t  von  hebr.  Kethöneth 
Hemd,  Leibrock,  daher  uns»M-  KasonettstolT  und  Galun.  G.-Spr. 

101.  Ksifeue  (Ksifand)  schreiben*  von    hebr.  kathäb 

schroiben. 

19*2.  Gudel,  Godel  (Külal,  Kulol)  gross*  aJj.  von  hebr. 
gadöl  gross.  Godel  isch  (Kütdl  is  )  Bürgermeister,  raaire, 
eigtl.  grosser  Mann  (isch  cf.  No.  320)  G.-Spr.  Jam  hagodel 
(jam  bak^itdl)  der  Ocean  von  hebr;  jam  ha^j^addl  das  Meer, 
das  grosse.*  cf.  auch  No.  151. 

193.  Guj  (Küg)  der  Niehtjude,  spec.  Christ.*  m,  vom 
hebr.  gAj  Volk,  Völkerschaft,  besonders  die  nich^üdischen. 
G.-Spr.    goie  (gojs)  f.  eine  Christenfrau,  f 

195.  Gule  (Küla)  Erlösung*  f.  vom  hebr.  ge'AUh  Er- 
lösung. 

195.  Guies   (KuIa«)  Verbannung,  Exil*  n.  vom  hebr. 
galAih  Gefangenschalt,  Exil. 

10 

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—    146  — 


196.  Kusobe  sai  (Khüs  a  «ei)  auffallend  sein  ^  vom  liebr. 
kaschäh  hart,  schwer,  R.-A.  Es  isch  e  K.  es  ist  die  Frage, 
es  ist  n*x;h  nicht  bestimmt,  unsicher.   Es  iscli  mer  K.  es  ist 

mir  {{Icichgnlti;:. 

1^'7,  Kiiten  (kliütan)  klein*         voin  hehr,  kaloii  klein. 

190.  Kutsen  (KhutSc>n)  ein  reicher  Mann,  ein  Mann,  der's 
midien  kann,*  ui.  vom  hebr.  kazin  ni.  Enlscheider,  Bestimnier, 
Richter. 

H. 

199.  Hamenam  (hämanant)  Menge,  Aui'laut,  hesonders  hei 
Festen.*  m.  s.  vom  hebr.  ham6u  Menge  und  ^üni  Volk,  also 
Volksmenge  R.^A.  Das  ist  ein  h. 

200.  Harw6y  harbe  (harwa,  harpa)  vietf  vom  hebr. 
Inf.  absol.  Hipbil  harböh,  adverbialiter  ««viel. »  Wie  b.  ^le  viel? 

201.  Hefker  (hefkar)  herrenloses  Gut*  vom  spälhebr. 
häphker  frei,  Allmend. 

2('2.  Heiemeie,  Heilemeie  (hei^^mt^i^,  heilomeia) 
Zinsen.  *  vom  hehr,  he,  dem  5  ten  Burhstahen  des  heln  .  Alphaliets 
und  l(^-iiu'',(h    zum  (vom)  Hundert»   a'M)  ."i  von  1CK.>=:5^'  o 

'2();{.  Hesik  (hesik)  Schaden  *  m.  von  spüthebr.  hu-sek 
((d;(-  ßeM-hädijren»,  auch  von  Christen  viel  jjehraucht.  KA.  H. 
havve,  Schaden  haben,  mit  H.  verkaufen,  mit  Schaden  ver- 
kaufen. 

204.  holche  (hol/a)  fort^eiien.  f  von  hebr.  hal&kh  gehen 
G.-Spr. 

I.  X 

2(6.  Jad  (jät)  Hand ;  Macht,  Eiuflu'iä,  Ansehen. '  f.  von 
hebr.  jad  Hand.  G.-Spr. 

SOC).  Ja.jiii  (jajiii)  Wein.*  von  hehr,  j.ijin  m.  Wein.  G.-Spr. 
jainszorf  (jainstsorl)  Schnapü,  Branntwein  \uii  jäjin  sarüf  «ge- 
brannter Wein».  •)- 

S07.  Janifl^,  dim.  janilLle  (janik,  janikla)  jung,  ein  Kind, 
Fohlen.*  von  hebr.  jonök  Particip.  cS&ugling»  RA.  Sie  hat  eo 
Janikle.  Sie  bat  ein  kleines  Kind. 

208.  jaugre  (jäukra)  teuer. f  von  hebr.  jakdr  «teuer» 
RA.  Wiej.?  Wie  teuer?  G.-Spr. 

209.  Jaune  (jäun»)  Vul-äi  <'  Korm  für  .loiuih,  .lonas.  f 
'210.  RA.  des  i.sch  e  scheine  Jaudeielischel  (das  iis  9 

seine  j;iuti'io  liÄdl)  das  ist  ein  rechter  Dummkopf.  *  eigtl.  liehr. 
schä-i  ii«i  iodt^a'  li.sch'<M.  critier,  der  nichts  zu  fra^'en  weiss.» 

Üii.  jautse  sei  (juhim  sai)  seine  Pilicht  ^'ethan  haben* 
von  hebr.  Partie,  jozd'  «hervorgehend  (sein),»  verkürzt  aus  der 


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Formel  jizd  jedö  chobbalhö,  <l.  h.  aus  den  Händeo  (der  Macht, 
der  ÄnforderuDg)  seiner  Pflicht  hervorgegangen  sein,  ihr  entspro- 
chen haben.  G.-Spr. 

212.  Jaus,  Jauale,  Jeisle  (jau^  jaui^la,  jei&la)  Vulgär- 

formen  für  Joseph. 

213.  HA.  Das  ;reit  iwer  inai  Jechaules  (las  keit  iwar 
mei  j9/auU>s)  das  ^eht  über  mein  Vermögen. '  vom  hebr.  InOn. 
jekholelh  «das  KüiineiD). 

214.  Jedie  (julw)  Idee,  Ahnung.*  Wissen,  Kenntnis  vgl. 
No.  34.  f.  von  hebr.  jediuh  Erkennlniss  RA.  Er  ist  j.  er  weiss 
etwas. 

215.  Jeitser  höre  (jeitsar  hora)  des  böee  Trieb,  die  Be^ 
gierde.  *  ngesetzt  vom  hebr..jezer  ha-hk*  cDer  Trieb  sum  Bösen.» 

216.  Jerüsche  (jery^)  Erbschaft.*  f.  vom  hebr.  jeru- 

schab  uF'rbschan». 

217.  Jiches  (ji/ss)  Vornelimheit,  Adel,  «ehr  gut. '  von 
jichus  «Geschleehl,  Faudlic,  Ahstnmmimpr». 

218:  Jidischkat  (jilis'khat)  der  jüdiscli-reli;.nöse  Sinn,  das 
Leben  iiach  jüdjsobeni  Gebot.*  f.  von  Deutseben  «jüdiscli»  mit 
der  Substanfivendun;^  <tkeit».  (cf.Ave-Lallemanl.  III,  S.  5i.) 
dazu  :  jidäclie  (jitsa)  beschneiden,  jüdisch  d.  Ii.  zum  Juden 
machen.' 

219.  Ir  (ir)  Name  des  2ten  Monats  im  jüdischen  Jahr. 
(April)*  von  hebr,  Ijjär. 

220.  Xsch  (i^)  Mann  *  von  hebr.  isch  ro.  Mann.  RA.  e  scbei- 

ner  isch  (a  söinor  is)  ein  schöner  Mann.  vgl.  No.  192.  dazu  fem, 
Ische,  Ischo  (isa,  i.so)  Frau,  Weib.*  vom  hebr.  ischschab  G.-Spr. 

221.  JoscI^er  (jüsar)  das  Recbl,  adj.  recht.'  von  hebr. 
Adj.  ja.^char  recht  und  Subst.  jöscher  Oeradbeit,  Recht.  RA. 
der  Mann  hat  maschumti  j.  der  Mann  hat  memer  Seel  Recht  (cf. 
No.  296.) 

222.  Juched  (jü/at)  der  Einzelne,  einzig.  '  von  hebr. 
jachid  «einzig»  G.-Spr. 

223.  Jud  (jyO  *  ^^'^  hehr.  Jod,  dem  10.  Buchstaben 
des  hebr.  Alphabets,  davon  Jiiserle  (Jysarla)  ein  Zehner,  Zeh> 
nerle,  Jilhserla  (jysorla)  [Rappnlts weiter]  d.  h.  ein  Zehnerle 
(10  Sousstück  =  40 

224.  Jum,  Jörn  (jum,  jom)  Tag.*  von  hebr.  j6in  ni. 
Ta;:.  G.-Spr.  Jontev  (jontat')  Festtag,  pl.  Jomtaufem  (juntau- 
farnj  zsgs.  aus  jom  Tag  und  ^')bh  gut.  Jum  Kiper  (jum  Khi- 
p,^r)  Vorsölinunf;sta^'.  von  hehr,  jom  ha-kippurim  «Tag  der  Ver- 
söhnung.» (ct.  No.  lüUj. 


—    148  — 


225.  Lafaie  (lafdija)  Leichenzug,  Beerdigung,  f  vom  späU 
hebr.  üwj'lh  «Geleite,  Trauer»  G.-Spr. 

226.  Lailo,  Laile,  (iailo,  Ieil9)  Naclit  f  von  hebr.  läilah 
Nacht.  G.-Spr. 

227.  lajne  (Injnr»)  If^^on,  besonder?  in  den  Thora  liullen» 
Gehet,  Naclitgebet. *  Temllau  No.  KJi.  Grünbaum  S.  32.  UA. 
me  laint  (ma  laint)  sa<;t  man,  lange  au<  <ier  Tliorali-Fiulle 
vorgelesen  wird  (weil  die  öffentliche  Bibel-Lection  in  der  Syna- 
goge nicht  auswendig  vorgetragen  werden  darf,  nach  der  Stelle 
im  Targum  jer.  zu  Gen.  3,  15  )e*igjön  beongtbA.  Aus  diesem 
missverstandenen  Infinitiv  Pa*e1  mit  Pripos.  te  ist  ein  Verbum 
lejne  gemacht  worden.  G.-Spr. 

228.  Lamden  (l^fnl^n}  ^tn  Gelehrter  f  vom  hehr,  lamftd 
(lernen».  G.  Spr. 

229.  lamed  (lamat)  als  Zahlbucbstabe  30.t 

230.  lau,  lo,  (lau,  lo)  nichl.f  vom  hehr.  ndv.  hS  nicht,  s'isch 
loi  (as  if?  loi)  es  ist  nicht«?.  fOrschweier  l)ei  Ettenheim,  auch  in 
christlichem  Gebrauch].  Spf. 

231.  lechachles  (li»/_ci/lo^)  eigens,  express.f  aus  bebr. 
lehakh'is  «um  zu  argern».  IIA.  Das  ihu  ich  I.  Das  Uui  ich  zu 
Leid,  aus  Rache. 

233.  liechem»  Liaechem»  Ldohem  (l^ysm,  Ire/em, 
H^em)  Brot.*  n.  von  hebr.  m.  I^hem  Speise  Brot.  G.  Spr. 

JjBf  (1^0  Herz.'  n.  von  bebr.  Idbh  cHerzt.  Herz.  cf. 
N«,  349.  G.  Spr. 

234.  Lefisohe  (i^fisd)  Furz.  m.  s.  verdorben  aus  bebr. 
nephichäb  Wind,  crepitiis  v. 

2:T>.  Leiser  (leis.ir)  Vulgärform  für  den  Namen  Elieser  — 
Lazarus.  Eh'eser  (Loser)  I.r^zarus. 

2''M).  Leschasch  (l^sas)  zum  Teutel  *  zsgs.  au.s  Praep. 
le  «zua  und  «chasrh  einer  Abkürzung  aus  .<ch<>m  Namen  und 
schöd,  plur  schedim.  Dämonen,  Teufel,  ins  Teufels  Namen. 
G.  Spr.  Die  volle  Form  heisst  auch  leschem  scheidim,  zum 
TeufeL  (l^m  ^itim). 

237.  Levune  (lafAne)  der  Mond.'  L  von  bebr.  lebha- 
nih.  f.  Mond,  eigtl.  die  Weisse,  Wegen  des  fem.  vfgl.  Grün- 
baum S.  -43.  G.  Spr. 

238.  loiofen  (loiofan)  wustf  von  7 

239.  Loschen  (losan)  Zunge,  Sprache.*  von  hebr.  Ias(  hdn 
m.  u,  f.  Zimge.  R.A.  Der  hat  ne  «ichnene  I.  der  hat  eine  schöne 
Sprache.  G.  Spr.  Dazu  :  Luschen  hakaudisch  (hjs;»n 
hakhautis)  die  hebräi^^che  Sprache,  eigtl.  die  atte  heilige  Sprache 


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—   149  — 


aus  hebr.  leäcfaoD ha-ködesch  «Sprache der  Heiligkeiti) ;  lussene- 
kaudisch  madewwere  (lusano  kaute»»  matöward)  bebi-äisch 
sprechen  (cf.  No  124). 

240.  Luch  (lyy)  der  jüdische  Kaleoder.  *  f.  von  hebr, 
lüacb.  Tafel,  Tabelle.  G.  S^r. 

HI. 

241.  maberes  (mapero.-^)  äcbwanger/  von  hebr.  Partie. 
Pual  fem.  me'ubb^reth  tfgeschwSnijrerl». 

242.  maohule  mechulle  (raa^ül»,  mfi^üle)  Bankrott,  xu 
Grande  gerichtet. '  von  hebr.  Part.  Pual  mekhulläh  «zu  Ende 
gebracht,  ruinirt».  RA.  er  ist  m.,  er  ist  bankrott,  er  ist  m. 
worre  (ar  is  ni.  wöra)  er  ist  um  sein  Verniogen  gekommen,  m. 
sai,  in  schlechten  Veimögensverbältnissen  leben,  arm  sein. 
G.  Spr. 

243.  Machscheife  (ni.c/sLif,»)  Hexe.'  von  hebr.  Part. 
Piei  inekhaschschephäh  iZaubeieriu)'.  d.  182. 

244.  Maeliateinesen  (ninyatt''iiirt<üii)  Verxhwä^erte, 
Gegrenschwäger,  die  2  Mütter  verloijtei  Kinder.  '  Mechuten 
(mdyütan)  die  2  (Schwäger)  Vater  eines  verlobten  Paares*  vom 
hebr.  Part.  Pual  mekhuttän  «verschwägert». 

245.  mater  sai  (matar  sai)  erlauben.*  von  hebr.  matfir 
(Part.  Hi.  von  natär)  «erlaubend». 

246.  Majiin(iiiajiiii)  Wasser*,  n.  vonhebr.  m&jim  pl.Wasser. 
RA.*s  maijmt  (ds  niaijint)  es  regnet cf.  Xr.  173,  schoohOT 
majim,  schokeinnjim  (sox^rm.  sokam.)  Kafiee.  eigtl.  schwar- 
zes \\'asser,  von  schacbör  adj.  schwarz,  und  m^im  Wasser 
G.  Spr. 

247.  Makes  un  fauli  Fisch  (makas  un  laiiH  Fis)  Be- 
zeichnung eines  doppelten  Schadens*  pl.  von  hebr.  niakkah 
Schlag,  Wunde,  Plage,  ü.  Sjjr. 

248.  Malbisch  pl.  malhusche  (mal^dä,  nialpü^a) 
Kleid,  f  von  hebr.  malbüsch  Kleid,  m.  G.  Spr. 

2Ä.  MalecU  (mala*/)  Engel.  *  m.  von  hebr.  maU^kh 
m.  Bote,  Engel.  RA.  Du  bist  mein  meiler  (m^ilor)  Du  bist  mein 
Engel,  sagt  man  zu  seiner  Geliebten. -j- 

250.  Meilech  (meilayj  König."  von  hebr.  melekh.  König. 
Malke  fMalkho)  Königin  vom  hebr.  malkah  f.  Königin. 
Malches  (mal/ds)  Königtum,  n.  vom  hebr.  malkhüth  f.  Königs- 
herrschafl.  G.  Spr. 

251.  malle  (maK»)  hex  hni  idt.ii,  j^pec.  religiös  von  hebr. 
niül  schneiden,  besehiioideii.  Mul  (inül)  der  Beschaeider  (der 
Kinder)  ni.  von  hebr.  inoh^l,  Brosmile  (prosnnld)  Beschnei- 
dungsfest  von  berith  miläh  «Bund  der  Beschneidung»  G.  Spr. 


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—  150 


25'2.  Maloche  (maloyd)  Geschafl.  f  von  hebr.  melakhäh 
Geschäft,  Arbeit.  Davon  malauchne  (inalair/no)  Spitzbüberei 
treiben  henrbeiten ;  Kr  li-it  mich  malauciinet  (inal.itr/andt) 
er  hat  uüdi  l>etrogen.  Malocliner  (malö/nar)  ein  j^uter  Ar- 
beiter. Er  isch  a  in.  er  ist  ein  jfuter  Arbeiter  G.  tjpr. 

253.  Mamser  (mamsdr)  Bankert,  dann  überhaupt  Kind* 
vom  hebr.  mamsdr  m.  Unehlicher,  im  Talmud  ein  in  Ehebruch 
oder  Blutschande  erzeugtes  Kind.  HA.  Das  isch  e  schöns  Mam> 
Serie  (mamsarla)  das  ist  ein  hübsches  Kind,  f  M.  ben  ha- 
nide,  ssgzgen  benette.  (m.  p6ii  haaita,  pen^ta)  ein  un- 
echtes Kind  eigtl.  ein  in  moristriiis  <  nnripiertes  Kind,  von  hebr» 
mainser  Bankert^  ben  Sohn,  (Nr.  39.)  u.  niddah  Menstruation. 
Beides  sind  gemeine  Worte,  die  in  vielfacher  Bedeutung  ge- 
braucht werden  z.  B.  von  der  Person  Christi,  »l  uin  von  frechen 
Menschen  ((Bube»,  anfh  ein  witziger  dun  htnehener  Mensch, 
von  ileiu  man  niclil  Wf  i<;s,  wer  seine  Eltern  sind  und  woher  er 
slaiuiiit.  In  der  Gaunerspracbe  ist  es  das  fjonieinste  Schimpf- 
wort. Moses  halle  den  Gesciileclils-  und  jeden  anderen  Verkehr 
iwtschen  Mann  und  Frau  um  die  Zeit  der  Menstruation  bei 
Todesstrafe  verboten.  Weiteres  siehe  bei  J.  J.  Beck.  Thictatus 
de  juribus  Judaeorum,  vom  Recht  der  Juden  etc.  cap.  XllL 
g  18  S.  587  ff.  c.  VII  §  20  S.  118.  Nürnberj?  1761. 

manesohume  cf.  neschume. 

23 i.  Maref  (maroQ  Westen.*  n.  vom  hebr«  ma'ardbh 

Ort  wo  die  Sonne  Untergeht. 

255.  Mase  (mäso)  That,  Thun     n.  von  hehr,  nia'asäh  Werk. 

2r)r)a.  Masematten  (masomaton)  Hantlel,  Goschaff.  -j- 
/rssetzung  von  späthebr.  massd  «Nelmien}»  u-mattun  «und  üei>en» 
G.  Spr. 

25(>.  Maser  (mäsar)  der  zehnte  Theil.  *  u.  v.  ma'as^r  m. 
der  Zehnten. 

257.  RA.  xe  Massel  und  ze  Broche  (tsa  masdl  unt  t$9 
pröya)  SU  Glück  und  Segen.*  auf  den  judischen  Neujahrskarten 
steht  meist  m.  u.  br.  zum  neuen  Jahr,  vom  hebr.  massdl 
«GIQck»  und  herakhdh  «cS^en».  cf.  Nr.  54.  [W.  Sommer  Eis. 
Gesch.  II.  176.] 

258.  Massik  (masik)  ein  böses  Pferd  vom  hebr.  massik 
«beschudiu^end»  auch  von  unartig;en  Kindern,  du  bist  m.  du 
bist  unartig. 

258  a.  mazze  (mä'.s,»)  oder  Pluralis  inazzes  (mätsda),  von 
hebr.  ni:\//<'>\\\  ungvs.iufrle  Brode  (Ostersjx'i-f)- 

2.VJ.  Maukem  (maukoin)  die  Stadl "  vom  hebr.  makoui 
Ort,  Stelle,  Stadt,  Dorf.  G.  Spr. 

260.  Mauschef  (mauset)  unnätzes,  -werthloees  Zeug, 
Niznutz,  von  moschäbh  Sitz,  (Satz,  Ueberbleibsel).  Gewöhnlich 


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hört  man  M.  de  Buyonne.  M.  von  der  Stadt  B.  Aus  der 
Ge^^end  von  Saargemönd-Blieskastel  fQhre  ich  noch  den  Aus- 
druck Cbarauses  de  Bayonne  an  (^raratunas  auch  in  der  Bedeu- 
tung einer  werthlosen  Sache  ;  von  spdthebr.  chr»rdseth  (Mischung 
vnti  getrockneten  Frucliten,  bei  der  Passah-Uabizeit  gebraucht.) 
(vgl.  Nr.  377  u.  378.) 

2ßl.  mauschle  (maüsb)  zusammen  schwatzen,  tnscheln,f 
Villi  Mauschel  (mausel)  Spotfntnie  iüv  Juden  als  Deminutiv 
von  M  iusche  (Moses)  Grimm  VV.  B.  VI  1819  u.  1820  jüdisch- 
deutscii  rndon. 

*i(3'2.  mechabed  sei  (nioyapat  sei)  ehren/  von  iiebr. 

Partie.  Piel  iiieklKihhAfl  (feinen«!». 

•i03.  meohalel  sai  (m.iyäl.il  «cj)  entweihen,*  besonders 
Fejsl-  und  Sabh.ühlage,  ^^e;:tMi  'Vu-  (Irliote  handeln,  von  hebr. 
Part.  Pi.  ineehallel  «entweihemi»,  liA.  Ich  bin  lu.  ich  habe 
die  Gebote  überst  hntl.'n.-l- 
^Gi.  Mechile  praie  (la^yil^  praia),  um  Verztiliim},' 
bitten,*  vua  .s[>ü(helii.  niechilah  f.  Verzeihung  und  \n.  von 
franz.  prier.  RA.  Ich  praj  dich  m.  Ein  im  Absterben  be- 
be griflener  Gebrauch,  wo  die  Verwandten  und  Freunde 
an  den  olTenen  Sarg  eines  Veistorbenen  unten  heranl raten  und 
sprachen :  wenn  ich  dir  etwas  zu  Leid  gelbaii  hab,  so  sei  mir*8 
mochel  (m6)rel)  von  hebr.  Partie,  niocb^l  «verzeihen d».*|'  G.-Spr. 

265.  Meie  (inei^)  10(1/  von  hebr.  mö*äh  «hundert» 
meielofiin  (meio  lolnn)  hunderttausend  von  ni.  n.  ilem  pl.  ala- 
phiin  «Tausenden  von  eleph,  lausend  (cf.  No.  143).  RA.  Meies 
mache  Deies  (m.  maya  tei^>s)  Geld  bringt  schon  Ge«lanken 
im  M**nsclien  herxor, *  v>n  späfhf'br.  niA*Ath  Phir.  v.  ma'a 
(((.»Ii  ilii- »,  Plur.  fiGeldw,  dah«'r  auch  das  slinh'iilisi  he  .Mn(>s,  und 
Plur.  ■It'i'ttli  /Wissen,  Gedanken».  Die  Äusspr.iche  meics  («lie 
zunüchrst  alleidicigs  elier  aut  hebr.  ine'ölh  «Humlerteö  hinweisen 
wQrde)  ist  wohl  nur  durch  die  Anlehnnn-  an  deies  zu  er- 
klären, (cf.  No.  3i). 

266.  mem  (m^m)  40/  von  hebr.  mem,  Name  des  13. 
Buchstaben  im  hebr.  Alphabet;  memrat  (m^mrät)  .siehe 
No.  310  Memmer  (mömar)  ein  Vierziger,  ein  vierzig  Sous-stQck 
(sl  Jt  GO  ^)  [RappoHsweiler]. 

267.  Memme  (mema)  Mutter/  f.  wohl  au.«: dem  Deutschen. 
Das  Wort  ist  im  Abi,'ehen  begriflen  und  nur  noch  in  alt 
orthodoxen  Familien  in  Gebrauch,  (cf.  Ne.  456) 

'207a  momen  oder  mumes  (müman  mümds)  Geld,  von 
spätbeiir.  iinrnoii  TMunmon».*  G.-Spr. 

"JOS.  Meilings  Onenhik)  .Mode,  Gehrauch/  m.  von  hebr. 
uiinhäg  i'  ührun;;.  Brauch,  Kilus. 


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269.  Menuche  mduu;^<))  Ruhe,f  von  lieln.  inenucbAh 
f.  fRube». 

270.  menase  (manus»)  geprfiß,  böwihrt  von  bebr. 
Part.  Pu'al  inenitssSh  geprfift. 

271.  Menuwelte  (manufalta)  bä^slidies  Frauenzimmer .  f. 
(Avö-  Lallemant  IV  S.  409),  fem.  Part.  Pual.  menubbelelh  «eine 
Ve!  imstallete,  bäsülicb  Gewordene».  [W.  Sommer  Eis.  Gescb. 
S.  285). 

272.  Merame  (moram»)  ein  Betrügei,*  vnti  hebr.  Part. 
Piel  merammäb  «ein  Betrügender».  RA.  Ich  bin  ni.  gewesen, 
ich  hal)e  Rotru;.'  }?eubt.  G.-Spr. 

273.  Mesa  meschine,  Misemeschinne  (mesa,  mesena) 
ein  scbrecklicbes  Fluehwort,*  von  hebr.  mithdh  meschtinnfth 
«eine  absonderlicbe  Todesart»,  ein  jSber  ungewöhnlicher  Tod. 
RA.  e  M.  aineme  (am.  ain&ma)  [einnehmenj  eines  jähen  Todes 
sterilen.  Nimm  de  M.  nei  in  der  Bdtg.,  dass  dich  der  Teufel 
hol.t  G.-Spr. 

274.  sich  meesbne  (siy  masprin.-»)  ;jrenug  von  r  iner  Sache 
nehmen,  z.  B.  beim  Essen.*  von  lu'lu.  Part.  Hiphil  masbia' 
<!r5!ä1fi|.'en<l>5:  misbe  fmi^pd)  das  Futtor.f  von  hehr,  mispo  das 
Futter  ffiii  das  Vieh)  misbene  (mispand)  futtern,  von  talin. 
Aphel  aspe'  fidtern,  ätzen. 

27.J.  Meschamer  und  Matschel  (masam^jr  unt 
mathal)  .Vusruf :  0  Gott,  von  den  hebr.  Participien  meschammer 
cBewahrer»  und  mazzil  «Erretter» 

276.  mescbuUme  (ma^älma)  zahlen,  auszahlen/  von 
si^lhebr.  scfialldm  «wi^ererstffHen,  bezahlen».  G.-Spr.  RA.  gut 
meschulemt  sai  (Kyt  mdHubmi  sei)  gut  bezahlt  sein,  H.  h. 
hart  heim;^esurht  soin.* 

277.  Mesire  (m^sire)  Angeherei  f.  pl.  mesires  (masirds) 
Verleumdunfi:en,  von  hebr.  mesirah,  pl.  mcsirfttli  AusUeteruntr, 
Verrrdherei  (Kz.  20.  37),  R.A.  e  M.  anluinpe  (p  M.  anjM'ini) 
Jemnnden  verleumden;  vermasern  f  lV'rtn;is,-»r.'i)  verf\itli»'t).  * 
z^j:e-.  Villi  tloiiixh-Mi  Präfix  vor  und  hel>r.  maj?är  «überlietern 
(eir»  ( it'hfiiiim.^?.),  preis^relien». 

27S  Mesrach  (mesra/)  Osten.*  m.  von  misräch  m.  Son- 
nenaufi.an^s  Osten. 

27(1.  Mesujef  (masujaf)  bSsslicb/  fem.  Mesojefte 
(a  mdsüjafta)  ein  hässUches  Frauenzimmer  vom  hebr.  Part. 
Pual  mesujjäph  •'verfälscht,  verdorben.« 

280.  metsar  sei  (maisär  sei)  sich  betrüben,*  trauern, 
vorn  «pfithelu-,  Paii.  Pael  meza^^r  betrübend. 

281.  mies  sai  (mias  .^ei)  zuwioder  sein*,  mies  (niias) 
wfist,  hässlich'  von  spälhelir.  me'i.'«  verworfen,  zinvidf? ,  unleid- 
lich. G.  Spr.  RA.  Es  ist  mir  in.  es  ist  mir  verieidei,  bej^ouders 


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—  153 


viel  in  der  Plulz  so  uelmurhl.  Sie  ist  mir  m.  ^^ü;:!  man  von 
einem  häuslichen  Fi  am  azimnier .  Mueskat  (mfuisk.it  )  [vkel- 
haflijrkeit,  Hässlichkeil.*  f^ebiltiel  von  spälhebr.  mi  ü>  Häus- 
lichkeit. G.  Spr. 

28S  Milchume  (milyume)  Krie^.*  f.  von  hebr.  f.  mit- 
cbamih  Krieg.  G.  Spr.  dazu  mUcholem  (milyolam)  einKriegs- 
mann,  Soldat,  (gewöhnlicher  aber  bilmaeh,  eigentl.  bä^al  mil- 
cbamdh  Inhaber  des  Krieges.  Plur.  balmachumea). 

283.  Mischu§fgr®  (mis'ük^)  verrOckt.  f  von  hehr  Part. 
Piral  Mies'  Iiu^l: verrückt.  RA.  an  m.  Mensch,  eio  wilder 
Menscli,  en  Mischugg'er  (misükor)  ein  Verrückter. 

28:ii.  Mitswe  ct.  Xr.  30.  von  hebr.  mizwäb,  Gebot, 
Gesetz,  venliensiii«  hes  Werk  * 

283  b.  Mole  (niob)  voll,  vom  hebr.  adj  nialr  voll,  rrefülll. 

283  c.  More  (moro)  Furcht ;  tülschlich  auch  rnorijs  von 
hebr.  morü*  Furcht,  An^fi-l. 

284.  Moschef  (moS^df)  Abort,  j  von  hebr.  moschäbh 
m.   Silz,  Sessel, 

SI85.  Muohsen  (müxsdn)  Zöllner,  Oetroibeamter,  Steuer- 
einnehmer, Accisor,  von  hebr.  mokhds  Zöllner. 


28().  Nafzge,  Nafge  (naltska,  natke)  Dirne,  Hure  f 
von  spätlit'lii.  miphekat  (brufi)  o Herumläuferin  (nach  at»s-=f^n  , 
Unzüchtige))  Vj^I.  «austrainMi»  (in  den  deutschen  Fasnachts|)ieleo) 
in  G.  Spr.  die  iromcinste  ProsJituirle. 

287.  sich  naukeme  (j?ix  uaukamo)  sidi  rächen*  von  hebr. 
nakäm,  sich  rächen. 

288.  nauntae  (nauntsa)  murren.  Nebenform  von 
8chwäbi.5ch  und  alemannisch  maunze  wimmern,  winseln. 

289.  nausne  (nansna)  flehen.*  von  hebr.  nathin  geben. 
RA.  i  naus  der  eins  an  bunem  (i  naus  l9r  eins  an  pünom).  Ich 
schlage  dir  in's  Gesicht  ;  naus  em  sie,  z.  beim  Kuhhandel, 
gieb  sio  ihm.  G.  Sju  . 

29ü.  Nechauiies  (na/äunos)  Vorbereitungen*  von  hebr. 
nekhonoth  «FiereihMes,  7u;."0i ü*- totes i«.  RA.  mach  dir  kein  so  n., 
bei  Aiifwartiinif»Mi  (Vir  einen  Besuch,  mach  doch  nicht  so  viel 
Äufhei»eri.s,  We.<eu>. 

291.  nechile  (nayila)  nichts,  f  von  späthciir.  nekhilah 
«Trügerisches^». 

292.  Nedinje,  Netlnge  (naiinja,  nati^a)  Mitgift.*  f. 
von  sprdhebr.  nedunjd  Mitgift  der  Braut.  (W.  Sommer,  Eis. 
Gesch.  il.  284.) 


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—   154  — 


29^,  Nekume  fn^kum.»)  R  u  he,  Schadenfreutie.  '  f.  von 
hel)r.  nekamrUi  f.  Ii.ti  Ih',  ( It^iiu-thuiins".  RA.  Ich  hal>  n.  nn 
häp  n.  an  sin)  ich  livue  mi(:h,  «h<N  (>s  ihm  so  schlecht  ^«  bt. 

294.  Nelem  pL  nelemer  (ncUm,  rn'Mm^r)  Schuh, 
Schuhe.  1  von  hel)r.  nä'al,  pl.  ne'ah'm  iSandale,  Schuh.  G.  Spr. 

290.  Neschume  (nasümd)  Seele,*  von  bebr.  neschamah 
f.  Od^m,  Hauch,  Seele.  RA.  manesohnme  (mendSüma) 
Schwurforinel:  Meiner  SeeP^  fQrwahr/  zsges.  aus  dem  deutschen 
«mein»  unr)  hebr.  ne^iclinmikh  «Seele» ,  analog,  dem  flranz.  ma  foi 
gebildet.  G.^Spr. 

297.  newlch  (nöwl)r)  leider,'  wurde  verschieden  zu  er- 
klären {gesucht ,  so  von  Zunz  gottesdienstl.  Vorträge, 
S.  44!  aus  dem  Polnischen  (zu<  irMm  mutJzoj^en  aus  niech  Pan 
Bö^  lirnrii  «Gott  sei's  },'eklagl»),  Toa  l.  lu  No.  633;  nach  Ave- 
Lalleinant  nndr»rs.    G  -Spr. 

298.  Nisen  (nis^»ii)  Name  des  er^iten  Monats  im  jüdischen 
Jalir,*  von  hehr.  Nis.ln  m. 

299.  NitSBS  (nitsas)  Funken/  m.  von  hehr,  uizoz  Funke. 
309.  nu  (nn)  roi^elmassi};  das  erste  Worl,  mit  dem  die 

Juden  zu  sprechen  beginnen/  deutsch  «nuni» 

301.  Nafe  (nufd)  Prophet/  m.  von  hebr.  nabbi*  Prophet, 
in  G.-Spr.  Wahrsa^irer. 

302.  nun  (nyii)  50,  Name  des  14.  Ruchslabens  des  hebr. 
Alphabets  mit  dem  Zahlwerth  50. 


303.  Odem  (diam)  M6n:»ch.  f  m.  vom  Iiehr.  ailam  m. 
Mensch,  anch  coUectiv  Menschen. 

304.  Olef  (olaf)  eins.*  vom  hebr.  Aleph,  dem  Namen  des 
ersten  fiuchstaliens  des  hebr.  Alphabets.  Vgl.  Nr.  12  u.  143. 

30ia.  orum  (örum)  nakl.  f  vom  hebr.  *ar6m  nakt. 

305.  ea  Os  (an  os)  ein  Wort.*  vom  hebr.  oth  Zeichen, 
Buclistal)e. 

30G.  Osnaijim  (osnaijim)  die  Ohren,  f  vom  hebr.  Ösen, 
Dual  osn;\iim  f.  Ohr,  Ohren.  G.  Spr. 


307.  RacliUiUiies  ra/inunos) Barmherzijrkeit,  Krharmen, 
Erbarmunij,'  von  spathehr.  raehmaniHh,  «Erbarmen,  Milde» . 

308.  H>af  (rat)  Rabbiner,  spee.  der  angestellte  Rabbiner/ 
Rabheine  (rapeina)  hebr.  rabl^dnu  unser  Lehrer,  hejsst 
jeder  Gelehrte,  wenn  er  auch  nicht  angestellt  ist.  Rabbi 


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—   455  — 


(rapi)  mein  HeiT,  mein  Lehrei-.  Das  Wort  kornml  erst  im  Tai- 
miif}  vor,  über  Ursprunj;  und  Bedeutung  T.  Jost  Gesch.  des 
Jiiileiilums  11.  St'klen,  I.  S.  '270.  .Vndiv  Form  ist  Rewe 
(reWrj),  Rewetsen  (r.  wats.in)  iVw   Vr:\u  ItahUiners  und 

Rewetsche  {rvw^i^s).'  Zu  Grund  liegt  rähli  viel,  gro-<.s,  Meister. 
G.  Spr. 

nOD.  Baklajemer  (raktajamar)  pl.  Füsse/  vom  hebr.  r^- 
gel,  Dualis  raglajim  Fuss,  Fasse. 

310.  Rat  (rat)  Thaler.*  skrophonisch  aus  den  Aofanj^sbuch' 
Stäben  der  deutschen  Bezeichnung  R(eicbs)  T(haler).  Bimin.  rsd- 

tel  (ni'tol)  n.  sing.  1  Tlialer  (T»  Mark)  [llnppolt^wviler).  cha- 
disch  rat  (y/tlis  rät)  m.  ein  Kronthaler  cf.  Nr.t>8,  (6  frs.) 
auch  die  Korm  schalischiraf  f^ilisirät)  kommt  vor,  von  chaclasch 
«neu»,  also  Xeuthaler.  Jtihsrat  f  jv^ral)  m.  phir.  10  Thh*.  ? 
oder  Juhsrat  (Baden).  Foifrat  (toifrät)  m.  pliir.  5  Thlr.  (15 
M.)  ?  in  Baden  luibekauut.  ( Happoltsweiler].  Foifzarat 
(toiKsarat)  m.  plur.  1."»  Thh-.  ( 'm  M.)?  unhekauiil  in  Baden. 
IRappoltsweiler].  Khaüsciiira,t  (kha(i.sirat)  m.  plur.  20  Thlr, 
(60  M.)  aus  Kaph  =:  20  u.  der  Adj.  Bndung  iscfa,  auch  blos 
Kafrat  (khafrat)  s.  Nr.  152,  ausser  dem  allgem.  Crebrauch.  [Bap« 
poltsweiler].  Mdmrat  (mömiit)  iO  Tblr.  (120  M.)*  s.  Nr. 
266,  in  Bappoltsweiler  f^eich  25  Thlr.  (75  M.  ?) 

•M  l.  ratze  (ratsd)  laufen.*  vom  hebr.  rAz  laufen.  RA.  ^eh 
ratz  (ki'  rats)  geh  fort,  j  (i.  Spr. 

^5'-*.  Raufe  (raufr»)  Arzt."  vom  h.^hr.  rophe'  Ar/t.  G.  Spr. 
dazu  Hefue  (rafya)  h.'l)i.  iv|)lni'ih  I".  Heilung,  Heihnittel. 

ol'i.  rauges  (nuikis)  /..«irilg.*  vom  hehr,  ragas  erzürnt 
sein,  meist  in  der  l'orm  braukes  (prauk.)>)  ^ehntuidilicl»  von 
hebr.  Präpos.  he  «int>  und  rogfs  Suhst.  «/oriM.  BA.  er  Uc\\  hp. 
wora  (ar  i.s  praukas  wöra)  er  ist  lornig  geworden,  roches 
(n'iyos)  der  Zorn,  f  vom  hebr.  röges  Tolien,  Zora.  G.  Spr. 

3U.  Reiech  (rei^yj  Geruch,  vom  hebr.  r^ach  m.  Geruch, 
Duft.  G.  Spr.  RA.  do  ruachts  wieder  (lo  ruayts  witor)  es 
stinkt  da.  f 

315.  verrache,  verrueche  (varv/r>,  vc»rryayo)  in  Genus»- 
suchl  durchhringen,  verputzen,  mit  dem  deutschen  Praef.  ver 
gebiitletes  Verb.  v.  ruäch  Wind,  in  den  Wind  wei  ten  (verwehen). 

310.  Reifech  (reifd/)  ('»pwinn.*  m.  vom  Ih'Ij!  .  rAnnch 
Raum,  Weile,  Ausbreitung,  «l  utu  InMI.  (iewiun.  BA.  er  macht 
B.  (or  mäyt  neyfiy)  er  macht  Gewinn. 

'Ml.  Reikem  (reikam)  Soldat.  *  m.  pl.  Beikem.s  (n'Mkaui.-j. 
Dim.  Beikende  (reikomio)  von  hebr.  r«^k,  plur.  rekim,  leer,  los, 
dann  ssmuthwiilig,  leichtfertig,  Bösewicht.  G.  Spr.  RA.  Vorne 
getrummelt  un  hinte  kei  Reikem  (fornakatrummalt  un  hinta  khei 
reikam):  Viel  Lärm  um  nichts. 


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—   15ö  — 


318.  Retseiech  (rdtseia/J  Mörder/  m.  vom  hebr.  rozö- 
äch,  Mörder. 

319.  Hisches  (lisc*.«?)  Bosheit,  besonders  von  der  Vcrfol- 
i^ungssuchtge^en  Juden.' u.  vom  bebr.  risch'itth  Bosbeit,  Grüuel- 
Ihat. 

320.  Rosch  (ros)  Kojit. *  m.  vom  hebr.  rusch  Kopf".  G. 
Spr.  Zs.setzungen  Rausch-Ghauclcsch  (taus  /autas)  Neu- 
mond und  Resoh  ohaudisoh  /autis).'  vom  hebr.  rösch 
chödescb  «Anfang  des  Monats».  Rosch  haschone  (ro&  ha^aa). 
Neujahrsfest.'  vom  hebr.  rosch  ha-schandh  «Anfang  des  Jahres», 
vgl.  Nr.  81. 

321.  Ruf  (nlf)  Hunjrer.*  m.  vom  hehr,  ra'dbh  m.  Hunger, 
dann  rufig  (rüfik)  geizig,  karg  f  und  verrufe  (varOafo) 

v»bun{fern.' 

322.  rujene  (ngdaa)  sehen.'  vom  hebr.  ra'äh  heben. 


323.  samech  (sämdy)  60.'  Namen  des  15.  BocbstHbens 
des  hebr.  Alphabels,  mit  dem  Zahlwerlh  60. 

924.  Sanne  (sano)  SchQrzenjSger,  Huren vogel.  f  vom  spftt 
hebr.  sanna*  Hurer.  RA,  Du  bist  ein  Sannepeter,  du  bist  ein 
rechter  Hurenhengst. 

^iii.  Sasern  (sasarn)  Makler  von  spülbebr.  8nr:^0l-  Un- 
terhändler, Makler,  aus  dem  persisclien  stammend  simsar  Händ- 
ler, dar.ni^j  arabisch  siir-ur,  sriehkundi^'-er  Geschäft«ri!nnn  und 
dann  in  die  ahendländi.<«clien  Sprnehen  üi)ei'^euai)i:en  in  «ier 
Fojjji  «Srii^al»  Das  Ahslractum  ist  säseres  (sas^ras),  Thätigkeit 
(auch  Lohn)  eines  Maklers. 

325.  RA.  Der  ScliaJjijesolt;iüe  anhawe  (tar  >a\>0' 
soleina  inhawa)  das  Säbbatkleid  tragen."  d.  h.  er  ist  arm,  muss 
ohne  Unterschied  an  Werk-  und  Feiertagen  eben  anziehen,  wa.s 
ei'  hat.  Ein  gewohnheilsmässig  ohne  Sinn  zsgestoppeltes  Wort 
aus  schabbftt  ^alönu  «Sablial  auf  uns». 

326.  SchatChonim  (sat/onim)  Heirats- Vermittler,  Sdiad- 
chen.*  pl.  vom  späthel>r.  Verb.  schadd»>kh  verheiraten  (Heirat 
stiften)  Schadehen  pl.  Schadchonim  (salyen,  satyönim)  Ehever- 
railller.  G.  Spr.  s.  Nr.  34G.  (VV.  Sommer,  Fls.  Gesch.  ^.  281.) 

327.  Schsecher  (saeyar)  Rier.t  vom  hebr.  scbekhur  m. 
berauschendes  Geliänk.  G.  Spr.  s.  Nr.  350. 

328.  Schalle  ^iaila)  Frn«:e  auf  religiösem  (»dnel,  ul>  eJvvas 
erlaubt  sei  oder  nicht.'  wm  hebr.  Subst.  sche'eläh  Frage. 

329.  Schalef  (salaQ  Bursche,  rauher  Kerl.*  m.  von  un- 
sicherer Ableitung,  nach  Av^Laliemnnt  IV  S.  5ti5  ein  lang  aufge- 


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schosseiiei",  d.  h.  ungeschliÜener,  noch  in  der  iüldunt^  be^riflener 
junger  Mensch,  ein  unnützer  Bummler.  G.  Spr.  In  Baden  nur 
selten  gebraucht. 

330.  Schames  (saiuös)  Bedienter,  Diener  (besonders  der 
Synagoge.)*  in.  vom  spätUebf.  schammdsch  «Diener»  G.  Spr. 

331.  schaschlLene  (Altana)  viel  und  stark  trinken.* 
vermischt  aus  den  zwei  hebr.  Verben  schaihdh  und  schakdh 
ctrinken».  in  die  Volkssprache  öbergegangener  Ausdruck.  G.  Spr* 

RA.  e  lau  Schaufe  (9  lau  «sÄufa)  ein  Nichlsnutz.f 
vom  hebr.  16'  schowäh  tnichtswerthig». 

333.  sohaufel,  schofel  (saufal,  ^ofel)  schlecht,  arm- 
selt|f.  f  vom  hebr.  Adj.  schaphöl  niedrig,  gering.  Ist  in's 
Deutsche  auf'^'enoininen.  RA.  schaude  masemaddens  (^ufla  ma« 
samatans)  schlechte  Geschäfte  (s.  Nr.  255.)  G.  Spr. 

334.  Schaute,  Schote  (sauta,  hol»),  Dummkopf,  Narr, 
Einer  der  nicht  recht  irn  Kopf  ist.  f  m.  vom  späthehr,  scholäh 
(Parti  •.)  inend,  Narr  vgl.  33(5.  G.  Spr.  Zs.  Bechor  Schaute, 
Bchorr  Schaute  (pay^or  s.,  p^or  s.)  Erznarr.*  vom  hebr. 
bekhor  Krstgehorener. 

335.  schtikene,  schtichenem  (stikano,  ^tiyanom) 
schweigen.*  in  Builen  scbtigae  (stikne)  -|-  vom  spatheln  .  ^^rUd- 
täk  schvveig-en.  W'eiiii  mir  ein  Bekuimler  ein  (ieheimni.s  erzählt 
hat,  sagl  er  zum  Scldus:s;  awer  schtichenem  (awar  sti'^anam), 
abersub  rosa,  aber  reinen  Mund  i;;ehalten.  vgl.  unser  St!  Scbtl 
fist  l  ZächeUf  stille  zu  sein.  G.  Spr. 

336.  Schtnss  (stus)  Narrheiten  f  vom  späthebr.  sclietülh 
Unsinn,  Narrheit,  s.  Nr.  33  i. 

336.  Sehe  (^e)  Stunde.*  vom  spftthebr.  scha'dh  f.  Blick, 
Augenblick,  Minute.  G.  Spr. 

337.  Sched  (^i)  Teufel.*  vom  hebr.  schM  Dämon,  Teufel. 

338.  sohefe  (s^ta)  liegen,  sitzen,  besonders  im  Bett.*  von 
hebr.jaschäbh  sitzen.  RA.  er  schift,  er  «sitzt»  (im  Gefängnis.) 

339.  Sohefues  (^fyas)  Pfingsten.*  v.  hebr.  chig  scha- 
bhu'dth  «Fest  der  Wochen»,  weil  dasselbe  7  Wochen  nach  dem 
Mazzoth-Fest  gefeiert  wird. 

340.  Soheijets,  Soheits  (seijats,  ^ils)  dim.  Scheitsie 
(leitsla)  nichtjQdischer  Bursch,  Bub,  Bühle.*  vom  hebr.  schö'* 
kez  eigtl.  Greuel,  Bezeichnung  für  einen  Christenknaben,  s. 
Nr.  351. 

3il.  scheiker  (seikar)  lügenhaft,  ßilsch.*  vom  spStbebr. 

schakkdr  I.ügner,  Täuscher. 

342.  Sc  helmes  Bletter  (^imas  pl&lar)  Bli^tter,  auf  denen 
der  Name  Gottes  steht.^  pl.  vom  hebn  schöm,  pl,  schemöth 


Name,  ^^olche  BlUtler  (Zettel)  werden  aus  Pietät  gesammelt  und 
soi-gfulliif  aufbewahil.  In  J3adeD  ist  die  Sitte  aber  sch(  n  fast 
ganz  ab^'eütorhen.  RA.  er  handelt  mit  Sch.  Bl.  ist  eine  sclierz-' 
hatte  Antwort  uut  die  Frage  «was  treibt  eri,  mit  der  Bedeu« 
tung:  so  viel  wie  nicids. 

^*V-\.  Schemkene  (sf  rnkrno)  rehcrnaine ,  Si  liimpfnn- 
me.    vdiii  lit'hr.  scli«*iii  «Naiue»  vinU  kinnuj  l^iname,  Zuiitune. 

.'iii  rota  Scheniser  (luta  >iem!»;»r)  roler  Sclienis-er, 
Spitzname  tor  einen  rothaarigen  Menseben.  Etyniulo<^ie  dunkel. 
In  Baden  ist  der  Ausdruck  unbekannt. 

845.  schechte,  scheschte  (^t>-/td,  sest.^)  schlachten, 
schachten.*  vom  hebr.  schacbit  schlachten  s.  Nr.  368,  G.  Spr. 

346.  Schideoh  (kiUy)  Heirat,  Partie.*  vom  späthebr. 
schiddukli  Verheiratung,  s.  Nr.  3S5.  [W,  Sommer  Eis.  Geach. 

347.  Schiücbe  (sif/e)  Magd,  f  n.  vom  hebr.  schiphcbäh 

Dienerin,  Ma^^d. 

:U8  schife  (sifd)  Siethen.*  vom  bebr.  scb^bha',  fem.  schi- 
bh'ah  m.  sieben. 

Schiferlef  (-^it  M  lrf)  Herzeleid,  ricrzhivt  hend.*  vom 
hcl»r,  st-liflitiei  «ida^  Üreidien,  Bruch»  und  löbli  «Herz»  s.  Nr. 
'233. 

350.  Schikker  (i^kar)  Rausch,  f  dim.  Scbikkerii  (äikerli) 
vom  hebr.  schikkör  bitrunken,  s.  Nr.  326.  Das  Wort  ist  voll* 
ständig  in  den  Votksmund  übergegangen,  s.  Jahrbuch  IX.  S,  119. 

351.  Schikseli,  SohllLBele  (siksoii,  kiksala)  oichtjüdi- 
schea  Mädchen.*  Dim.  von  Scfatks  (iiks,)  das  nur  in  der  Verbin- 
dung Judenschiks  in  der  Pfalz  vorkommt  för  ein  (zwei- 

deutiffes)  jüdisches  Frauenzimmer,  f  in  Frankfurt:  schicksol, 
vom  hebr.  schekcz  eigtl.  Greuel,  (s.  Nr.  »UO.)  G.  Spr.  Auch 
findet  sich  Schiks  im  Volksmund  für  wegen  Unsittlichkeil  ver- 
rufen*' Mfiili  lirn .  <:loirhvii'l  (»l>  jüdisch  oder  (  liristlich. 

'Sy'I.  Schmajemer  i  inajomör)  Zühnv.'  [»l.  vom  hehr, 
sehen  III.  /ahu,  JJualiä  i^chinoäjim  Zähne  (eigtl.  die  l>eideu 
Zahnrt'ilii'ii) 

35:^.  schisciie  (»isa)  sechs.*  vom  hebr.  scbesch,  fem, 

schibchscliäli  serhs. 

354.  Schkorem  (>korem)  Unwahrheit,  f  vom  liebr.  sche- 
ker,  pl.  sctK'k;ii  UM  I.iigen.  Flausen.  G.  Spr.  KA.  der  macht  Sch. 
er  lügt,  er  ist  ein  Lüirenschwalzer. 

354a.  Schlamassel  (Slamässdl)  Unheil,  vom  hebr.  schäl- 
lö'massäl  fwas  kein  Glück  ist». 

355,  sohlausülie  (slausa)  drei.'  von»  hebr.  schal6scb, 
fem.  scheloschdh  «drei». 


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350.  Schiemil  (slömil)  Pechvogel,  Dummkopf/  unprak- 
tischer, unbiviuchlMrer  Mensch.  Von  unsicherer  Abstammung, 
vgl.  die  Erk]|lruQg  H.  Heines,  cf.  ferner  Tendlau  Nr.  625.  748. 

764.  S.  419  Anrn.  Chamisso  schrieb  Schlemihi.  G.  Spr.  Dazu 
Schlemuchem  Nebenfoim  und  synonym  zu  Schlemi!.*  hA. 

Du  bist  fin  rechter  S(  hl.   Du  bist  ein  unpraktischer  Mensch.* 

357.  Schlich,  Schlioch  (slir/,  «»Ii*/)  Gesandter,  Bote.* 

m«  vom  späthehr,  schehach  tlote. 

358.  sich  schmade  (siy  sniata)  zu  einer  andern  Hehgion 
übergehen.*  niclit  von  hehr,  schamäd  venierlion ,  abfallen, 
sondern  wie  schon  ll.ii  Gaon  Jahrh.)  richti^^  erklärt,  con- 
Irthirt  aus  >f!ia*iiie<i  (Scli;ik'l  *aniäd)  «taufen».  Part,  pas4>. 
«it-»clioinniL"il  (iiH's<  hu'niui|^  «j^ctaii II ". 

'3o\K  schmaune  (suiäun<^j  acht'  v.  hcbr.  sckcmonüh, 
fem.  schürnonah  «aclil». 

)ir)il:i.  SChmaUIieill  (suiamiani)  80.*  vom  li('l»r.  sdieiito- 
niiii  aachzi};».   Zssetzun^j    schmauaemeie  (>■  meia)  800. 

360.  Schmeche  (sme/o)  I'reu<le."  anderwärts  sinidie, 
f.  vom  hebr.  sinichah  Freude,  Fröhlichkeit. 

301.  Schmue  (smy.i)  Gerede.*  pl.  Schmues  (smyos)  Re- 
dereien, Gerächt,  vom  hebr.  sch^mu^äh  Gehörtes«  Gerücht,  plur. 
schemu*dth  Geruchte,  Redereieo.  G.  Spr.  RA.  Ich  hab  die  Sch. 
schon  'mal  gehört,  idi  habe  diese  Erzählung  schon  einmal 
gehört,  f  Spr.-W.:  e  heisi  Sch.  fligt  weit  (a  peisi  ^. 
flikt  weit)ein  bö.«es  Gmicht  verbreitet  sich  leiehl,  weit  und  rasch. 
SChmeie «  SChmeia  (srneio,  smeia)  hören,  f  vom  liebr. 
schamä'  und  schämen'  Verb,  «hören»  und  Adj.  verbale  «hörend». 
RA.  er  '}<(']{  loschmea  (er  is  losmea)  er  hört  nidits.  G.  Spr. 
Ein  (leut>(  lier  .Ausdruck  ist:  bisch  hoeruh'.'  (jn'-  \,ü(*r'v/)  hörM 
du  iiiclif.  j  Fem«'!-  ;jt-liört  hierher  schmusen,  Schmulis 
niacUen  (suivs^u,  .snnis  uiäyo)  (eii^entl.  «scheniu'uti»  laaclieu» 
leere  Redensarlrn  machen,  schmeicheln,  schön  thun),  und 
Schmuser  (^mAsar)  Schwätzer,  lästiger  Schmeichler,  f  G« 
Spr. 

363.  schnajixii (Miaj.>m)zwei.*  vom  hebr.  t^chenajim  ctweij». 

363.  schnorre  (änora)  betteln,  und  Substantiv  schnorrer 
(^norar)  Bettler  von  — ? 

364.  Schochet  (so^rel)  Schächter.*  m.  vom  liebr.  I'arlicip. 
schochet  Schlächter.  G.  Spr.  s.  Nr.  346,  ein  nur  jntern  jüdi- 
sches Wort,  bei  Christen  nicht  bekannt. 

36.*).  Schor  (sor)  Ochs.'  V(»m  hebr.  scliöi-  Stier. 

366.  S  chere  (s/ör.  )  StolT,  Waare.  f  vom  hebr.  sechoräh 
Handelsverkehr,  später  Waare. 


—    lOü  — 


367.  Schuk  (äyk)  Strasse,  Messe,  für  Markt»  f  vom  hehr. 
schOk  Strasse,  Markt.  6.  Spr. 

368.  Schulchen  (sylyen)  Tisch.*  vom  hebr.  schuIch^D 

Tisch,  dahin  ;fehörl  auch  Schiilchän  'arükh  «der  gedeckte  Tisch», 
Titel  des  in  4  Bücher  zerfallenden  jüdischen  Gesetzbuches,  von 
Joseph  Karo  verfasst.  G.  Spr. 

369.  Schumlichem  u.  Schülern  (sumliyatn,  sAldm) 
ist  der  jüd.  d.  Grnss  und  G<>'^enj,n'uss.  Das  erste  Wort  ist  zs, 
^'ezojjen  aus  schalöm  '  ilekhäm  Friede  üJ^er  euch»,  das  zweite 
ist  das  hebr.  sclialoai  «Fii»'«!«'  )  allein. 

370.  Schuiire(suiHv;  Katze.*  vom spfithebr.  schunnV  Katz»*. 

371.  S'chus  (s/us)  Verdienst.'  n.  vom  spüüiebr.  sekhutli 

«Reinheit,  meiitnin >). 

37*2.  SchuschJte  (suaka)  Kleinigkeit,  geringer  Preis.* 
Ableilunj^  dunkel. 

373.  Schwat  (swat)  der  11.  Monat  des  jüdischen  Jahres 
(Januar-Februar).*  vorn  hebr.  SchebhAt  m. 

374.  Schwije  Anije  singe  (.swija  anija  si^a)  ein 
Jainnierlied  sinjren.  Die  Hodensart.  ist  zugesetzt  aus  hebr.  sche- 
bliijjüli  'annijjüh  «arm.selige  Getangene».  Das  >iiul  die  Anfangs- 
worte eines  Versöhnungsgebeies,  von  Salonio  Gabirol  veifasst» 
und  dem  deutschen  Zeitwort  singen,  s.  Zunz«  Litgesch.  der  synag. 
Poesie  S.  411.  Nr.  9. 

375.  Sechel  (sc^xal)  Versland.*  m.  vom  hebr.  sökhel  Ein- 
sicht, Verstand. 

376.  Seicher,  Secher  (sei/ar,  Andenken.'  n. 
von  hebr.  sökher  Erinnerung,  Gedenken. 

377.  Seider  nur  in  der  KA.  Mer  mant  er  will  de  Seider 
gewe  (mar  mant  ar  wil  {9  seitsr  k^wd)  so  breit  und  bequem 
setzt  er  sich  hin.*  vom  hebr.  seder  Anordnung,  so  heisst  dl^ 
Feslfeier  am  Passahabend»  wo^<  n  welcher  mancherlei  Anord«* 

nungen  getroffen  werden.  Für  den,  welcher  die  Cerenionien 
ausführt,  wird  ein  l>esonderer,  bequemer  Sitz  bereitet,  dass  er 
sich  an  diesem  Abend  dt^i-  Refreiung  als  Freier  und  Edler 
fühlen  soll.  In  Bnden  nur  .^t>lt«Mi  gebraucht. 

378.  SeifeX  (seifal)  Mist,  Kot.*  m.  vom  späthebr.  s^bbe( 
Mist.  G.  Spr. 

370.  Seifer,  Sefer  (seifar,  sefar)  Buch.*  n.  vom  hebr. 

sephar  Buch. 

380,  Seir  (seir)  das  Haar,  f  vom  hebr.  se*ar  m.  Haar, 
8.  443. 

381.  Sekune  (saküua)  Gefahr.'  1,  vom  spüthebr.  .sakkanah 
«Gefahr:». 


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']S'2.  Sman  (samaii)  dip  Zeit.*  m.  u.  f.  ^'ewölinlich  ein 
hallj  Jrihr,  nnf  welche  Zeit  das  Ge<in<l(^  jiediin^^en  wirti.  vom 
fitpät  sniiän  m.  l)e^litlllI)^e  Z»>il,  l'ii-L  G.  Spr. 

Sike  (sike)  «lie  fluUe.*  l.  von  hehv.  sukkali  fem. 
Hülle,  Laul)hütle.  pl.  suUkulli,  davon  Sikejs,  iSigges  (sikas)  das 
Lnubhultenfest. 

384.  Sikoren  (sikoran)  Getlächlnis.*  n.  von  hebi\  sik- 
karön  m.  Andenken,  Gedächtnis.  RA.  a  schlecht  s.  hawe  (a 
§]e}(t  ä.  hawd)  ein  schlecht  Gedächtnis  haben. 

385.  Siwen  (siwan)  Name  des  3ten  Monats  im  jüdischen 
Jahr.*  vom  hehr.  Siwan. 

liSO,  Sliches  ^(sliy^s)  Gehete,  besonderes  Bussgebele.f  pl. 
vom  helir.  .«elicholh  Gebete  um  Vei-^^ebun«?  der  Sünden,  Buss- 
gebele.  Diese  G»^ltet-Büf  her  und  ^otlesdienstlichen  Riten  sind 
nach  den  verschiedenen  Landern  verschieden.  So  haben  die 
Elsässer  Juden  solche  von  den  in  Deutschland  üblichen  ab- 
weichende Sl.  Diese  «Sliches  Ebassj»  sind  aber  auch  bis  heute 
in  wenigen  früher  zu  elsässer  Terdtorieii  gehörenden  badischen 
Judengemeinden  erhalten  geblieben,  während  im  übrigen  Deutsch- 
land die  (SHches  Aschkenas»  im  Gebrauch  sind. 

387.  Snuss  (snus)  Buhlerin,  Dirne.*  vom  hcbr.  senüth 
f.  Buhlerei,  Unzucht. 

388.  Socher  (söy^r)  Krämer,  Kaufmann.*  eigtl.  einer, 
der  herum  (hausieren)  gehl,  von  hebr.  soeh^r  reisender  Han- 
delsmann. «  f.  Xi'.  ni>5, 

■{S't.  Sof  (sAD  Gulden. 7  eiirrl.  -ohof  vom  hfhr.  -ilnihh 
(toldmnnze,  Gold;:iiMtMi.  \uf  dem  Lande  wird  bisweilen  noch 
nach  Gulden  iierechuel.  G.  Spr. 

300.  Sude  (syte)  Mahlzeit.*  besonders  die  bessere  Mahl- 
zeit, f.  vom  späthebr.  se'udäh  Mahlzeit  (stomachum  futtura). 

39i.  Süden  (sütsn)  Teufel,  Satan.f  vom  hebr.  satdn 
Widersacher.  Gegner,  spez.  der  Widersacher,  Satan.  HA.  Geh 
em  Sudeni  zu  (ke  am  sütdm  tsu)  das.-»  dich  der  Teufel  hol.  f 

30*2.  sujen  (snjon)  sieben.*  von  Säjin  dem  7ten  Buch- 
staben des  hebr.  Alphabets. 

.■50.3.  Sunef  (sünof)  !)  v  inz,  Schweif.'  m.  vom  hebr. 
m.  '^in.dsli  S(  hweif,  Wedel.  G.  Spr.  Davon  in  Eltenheim  die 
venlni         I-urm  <  n  n  ft  (sünfl)  das  männlitiie  Glied,  P^^nis. 

3'.)4.  Sus  i^sus)  Pferd.*  n.  von  hebr.  sus  m.  lloss,  Pferd. 
G.  Spr. 

395,  Zadik  (tsatik)  ein  Frommer,  Gerechter.*  vom  hebr. 
zaddik  m.  Gerechter,  cf.  Nr.  398. 

11 


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—  168  — 


31)6.  Zarfes  (ts.irf^s)  Xarae  für  Frankreich.*  auch  die 
Form  Sarfes  (sarfas)  koinint  vor.  vom  hehr.  Zärefäth  Name 
eines  fernen  Lünde.s  der  bibUschen  Geo^^raphie,  das  als  Frank- 
reich  geileutel  wurde.  G.  Spr, 

397.  Zawer  (tsawarj  Hals,*  m.  auch  in  der  Foria  Zaler 
(tsafr).7  Vütn  hehr,  zawwar  m.  Hals.  G.  Spr. 

398.  Zdog'O  (fsluko)  Altnoseu.'  von  späthebr.  zedakSh 
Almosen.  KA.  madono  zdo^jo  (luätoao  ts'toko)  eine  Gabe,  Al- 
mosen, die  gew.  Bitte  beUelnder  Jiiden.  von  mattanä  z^akäh 
ceine  Gabe,  ein  Almosen»;  im  Els&ss  in  der  Form  z  ( u  k  e  (tstilks»)  f. 

399.  zefene  (tsefano)  .schlaffen.*  von  —  ? 

400.  zegene  lj>'ekona)8clipeien.*  vom  hehr,  za'äk  schreien, 
cf.  Nr.  HQ. 

401.  Zeilem  (Iseilam)  Kreuz.'  n.  vom  tiebr.  z61em  m. 
Bild,  spater:  Kreuz,  Götzenbild . 

402  Tschufe  (läywa,  tsyfa)  Antwort,  Busse.'  f.  von  spät 
hebr.  teschubhäh  i)  Umkehr  (von  den  Sftnden),  2)  Antwort. 

Tschufe  Woche  (Isyfawo^^a)  heis.sen  die  iO  Busstage  zwischen 
Neujahr  und  Versöhnun<:^it;i;i.  f  WX.  Worum  j^i.scli  mer  kei 
t-schufe?  (worum  kis  mor  kei  t.)  —  Warum  gibst  du  mir  keine 
Anlworl  ?  cf.  97.*  er  get  mer  ken  T.,  er  {ret  ken  T.  fnti  sich 
(ar  kei  mar  ken  t.,  ar  ket  kt-n  t.  fiin  siy)  er  lässl  .sich  nicht 
störeu,  gibt  keine  .\iitvvor(,  sclienkl  mii  kein  Gehör. 

•i03.  Zoche  (  t>^<7.a)  Llocbl  der  Lampe.*  spec.  der  Docht 
in  der  Sabbalblampe,  m.  von — V 

404.  Zluche  (IsliV/e)  Glück,  Gelingen*  vom  hebr. 
zelAchfih  (azlacba  )  Getleiben  Glück.  RA.  An  dem  i.sch  ka  Bruche 
Uli  ka  Tslucha  (an  tem  is  kei  pruj^a  un  ka  tslü^iraj  Au  diesem 
ist  kein  Segen  und  kein  GI6ck  cf.  Nr.  54. 

405  a.  Zor  wechor  (tsorwo/or)  Lumpengesindel.  Das 
Wort  eniliält  die  Figenamen  zweier  midianitiscber  Könige 
4.  Mos.  31,8. 

405.  Zure  (tsyra)  Gestalt.*  f.  vom  hebr.  zurAh  Bild,  Aussehen 
Gestalt*.  RA.  Du  hast  kei  schoentzur»  =Du  siehst  schlecht  aus.  f 

U. 

406.  tJohef  (üyef)  Bruder.*  vom  hebr.  ach  (äy)  Bruder 
(eigtl.  achiw  fsein  Bruder»). 

407.  Ufes  (üfds)  die  Väter*  vom  hebr.  äbh,  plur.  abhdth 
Vater.  Väter. 

U)8.  Urne  (äm»)  Sippe,  Gesellschaft.*  f.  vom  hebr.  um- 
mäh  Volk.  Nation. 


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—   1C3  — 


408  a.  -CLnbetamt  ungeschliffen  grob,  aus  deutsch  un  — 
und  hebr.  be-ta'am  also  eigtl.  nicht  mit  Oeschmacic. 

409.  nser  (üsdr)  Schwurfurmel  für  cnein>'  \om  hebr. 
Part.  pass.  asilr  gebunden  =  verboten,  also  so  viel  als  :  das 
soll  für  mich  verboten  sein.  RA.  Ich  Ihus  user  nit  (iX  tususer 
nit)  Ich  (hiie  « s  wahrhatti*;  nicht.  Das  isch  u.  wohr  (iäs  is  ü. 
wör)  das  ist  siciier  wahr. 

T. 

410.  vachuse  (vayütso)  halb,  die  Hultte.t  von  hebr.  chasi 

Hälfte  mit  vorj^eselztem  wa  aiind».  cf.  Nr.  404. 

411.  vajuchem  (vajiV/em)  sich  entfernen,  fortgeben,  f 
miösverstaii«le!i        hebr.  wajjakom  «und  er  stand  auf;) 

412.  vjifrach  (h]Gfr^y)  we^x^relien,  sich  enf fernen. *  aus 
dem  niissverstandenen  liehr.  w.ijjil) lirärh  «nnd  er  enflliili/>  eine 
beiiii  Handel  ^eln'äiichliche  Ueden.sarl.  Wenn  i.  B.  zwei  Juilen 
mit  eineiu  Bauern  in  Unterhandlung  über  einen  Kaut  flehen 
und  daa  Geschäft  vorteilhafter  \vird;  wenn  sich  einer  entfernt 
und  dem  andern  den  Absciibiss  fiberlSssl,  so  sagt  dieser  zu 
jenem  v.  Man  sagt  vifrach  holcha  c weiter  gehen». 

W. 

413.  wei  (Nvei)  Ausruf  awehe».'  vom  späthebr.  wäj 
«weliei). 

414.  Weiauder  (weiaular)  Name  des  im  jüdisclien 
Schaltjahre  eingeschalteten  13.  Mouats/  We'addr  eigtl.  zsgs. 
aus  hebr.  we  «und»  und  Adär  der  zwölfte  Monat  cf.  No.  24. 
eine  ähnl.  Bildung  vergl.  in  No.  96. 

415.  wuf  (wui)  sechs.  *  vom  hebr.  wäw  dem  Kamen  des 
sechsten  ßurhstuhens  des  hel^r.  Alphabels ;  auch  die  Form  fauf 
(fauf)  kommt,  aber  nur  im  Elsass,  vor. 


II.  Abtheilung. 

D  i  e  a  u  s  dem   Deutschen   und  andern   nicht  he- 
bräischen Sprachen  stammenden  Wörter  des 

Juden-deutsch. 

A. 

418.  Almemer  falmt^mar)  Pult,  woi  ;iul  m  ilt.i  Synagofie  die 
10  Gebote  gelesen  werden,  f  aus  deui  aiabisclien  aluiinbar  die 
Kanzel;  Ober  die  frühe  Ausbreitung  und  das  Vorkommen  des  Wortes 


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-    164  — 


cf.  Grünbaum  Chrestom.  S.  469.  Pedes  S.  56.  Ueiae  verwendet  es 
in  seinem  Romaiizei'O.  Ave-Lallemant  III  S.  203  Anm.  2. 
(Zuoz),  er  selbst  niniml  es  zu  omar  sa^'en  IV.  S.  3'2t). 

ilda.  Ag,  (dk)  Au^^e.  Deutsch.  In  Baden  unbekannt  cf. 
Nr.  144. 

416.  ai wasche  (aiwa^)  einweichen.  Das  deutsche  ein- 
wasciieii . 

417.  aiwerfe  (aiw("M-t<')  die  Hnhe  eines  Hochzeits-Oe- 
schenlvps  li^ehon.*  D,is  deutst  lic  einwerten  in  ilen  llniutx  hatz. 
Hast  tili  einen  s.  lir»iiea  Emwurf  ^jejjelwn?  tragt  wolil  ein  Huch- 
zeitsj;ast  den  ainleni. 

419.  Auer  (aii.^r)  Tllir.  f.  unser  Wort  Uhr. 

4'2ü.  bafen  (ijafwu)  trinkea.*  wohl  vom  laf.  bibere.  cf. 
Jaln  l>.  IX.  S.  IIÜ.  RA.  achle  un  bafo  (a/j^  uupal.i)};ut  essen 
und  trinken,  (bs.  in  RulTach.)  dazu  :  Bafmes  (patme^s)  Trink- 
geld* über  mes  (mes)  Geld  cf.  oben  Nr.  265.  in  der  G.  Spr. 
des  XVI  Jahrh.  boufen  bei  Avö-L.  IV.  S.  66. 

421.  RA.  nix  zebarlegise(mks  so  paibkisd)  sagt  man, 
um  das  Verlangen  eines  Andern  alauweisen.  barleist  das  franz. 
parier,  das  sich  auch  in  d.  G.  Spr.  Gndet.  (G.  Spr.  barlen). 
gise??  Beide  Worte,  auch  die  RA.  in  Baden  nicht  bekannt. 

422.  baufe  (paufa)  schlafen.  *  fast  nur  im  Eis.  bekannt, 
gemeines  Wort  ^egenOlxr  dem  gewöhnlioben  durme  Xr.  430. 
ein  abd.  u.  mbil.  Wort,  das  sonst  nur  noch  in  der  Kinder-  und 
Bordellspracbe  erbalten  ist  :  als  in  Puppeli,  clas  Kind  ins  P. 
le^'en,  es  soll  ein  P.  machen,  und  PulI=Bordell.  RA.  Der  boulR 
emoi  (ter  pouti  .'in^il). 

4*21.  beis  (p''is)  büs  cf.  No.  62  n.  'M>[. 

4*23.  beiisclie  (pönsa)  beten.  *  siauinit  aus  dem  ital.  seit 
Ende  XV.  J«djili.  /.ü  lat.  beneiiieere.  ct.  Perles  S.  129.  In  Ba- 
den nur  für  dio  Kiiulor  ^ebraucbt,  wenn  sie  Al>e!nl.s  lieim 
sollen  zum  b. ;  im  Lls.  noch  ^'leicb  sej^nen,  das  iJank^ebel  nach 
Tisch  verrichten. 

424.  berschte  Cpersto)  bürsten.  Deutsch. 

42ü.  RA.  s'Biettle  hot  sich  gwendt  (s'plella  bot 
siy  kw^nt)  Mit  dem  GIfick  ist  es  vorbei.  Deutsch. 

426.  braje  (präjo)  einladen.'  vom  franz.  prier.  cf.  Nr. 
264.  Grünbaum  S.  35.  G.  Spr. 

426a.  Bx^unle  cf.  Nr.  51. 

427.  Buch  (p>7)  Buch,  n:  in  Baden  wird  nur  Seifr  ge- 
braucht, cf.  Nr.  379, 

428.  Bunes  (pünas)  schalkhafter  Mensch;  Narr,  vom 
franz.  bonace,  in  Baden  unbekannt. 


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—  165  — 


429.  Doter  (Toter)  Theodor.* 

43U.  durme  (tririiie)  st:lilaien,-{-  von  lal.  duimire:  of^  scheint 
aber  eher  das  alte  Wort  durmeii  zu  sein  :  Sehmid,  .^cliwijeh. 
Wrlb.  II.  dürmeln  Grimm  II.      1733.  G.  Spr. 

431.  Dutsoh  (läU)  Name.  RA.  Du  bisch  ka  D.  (ty  bis 
ka  t.)  Du  bist  nicht  dumm  (ironisch)»  in  Baden  unbekannt. 
Zur  Abtei tunir  vs^l.  das  niedd.  Docz,  Dummkopf,  zu  Doz,  Duz, 
Lärm  von  ahd.  diezen,  diessen,  tosen,  betäuben  und  ditzen  in 
Seb.  Brants  Narrenschifl'.  cit.  Ijei  Ave-L.  IV.  S,  (51. 

432.  eh,  ei,  en  ein  unwilliger  Ausruf,  wenn  die  Kinder 
während  des  B<^ten«  L~\vm  machen,  sap^en  die  Alten  (Betenden) 
ei,  indem  sie  zurücktreten,  aljer  woitor  beten,  da  m;in  «-ein 
Gebet  nicht  unterbrefhen  darf.  Es  ist  ein  unarlikuüertei  Ausruf 
und  weder  <\oin  Deulsclioii  noch  dem  Hebr.  zuziisi  In  eibcn.  | 

433.  JELte  (eta)  Vater.  *  deutscli.  ahd.  atto,  aleni.  Aetti. 
Das  Wort  verschwindet  allmäh I ig  und  wird  im  Eis.  bes.  durch 
papa,  in  Baden  durch  Vatler  ersetzt.  G.  Spr. 

F. 

434.  Fan  ut  (fan  ul)  n.  Kind.*  Ableifunff?  zu  unserm 
Wort  Fant?  oder  zu  franz.  enfant,  lat.  infans.  cf.  das  l»ei 
Ave-L.  IV.  S.  70  aus  dem  «Bedelei  OnJen»  vom  Anfang  des 
XVT,  l'.Iiili.  vorgetTibrie.  Gaunerwort  Vantisfür  Kind  G.  Spr, 
(fontcfuer  Kinder)  cf.  Nr.  207. 

4»Cj.  RA.  Nach  Gott  unn  der  Welt  nix  frauge 
d.  b.  sich  um  kein  gültlicbes  noch  nien-'^cblitbes  üehoi  künuiiern. 
fraug^e  (frauke)  unser  fragen.  Die  ganze  BA.  stammt  aus 
dem  Deutschen. 

436.  gatingf  (kaÜQ)  angenehm  schön/,  schwäbisch  gattig 
zusammen  (passend). 

437.  8*g^edorrt  (s'kstort)  Fried hof.-J-  zs^zezogen  aus  dem 
deutschen  }^ter  Ort.  Im  \olk  faeissl  der  jüdische  Friedhof 
(in  Schmieheim)  der  ludt  n  Garten. 

438.  HA.Gvatterschaft  isch  en  Ehr,  macht  awer 
de  Beitel  leer.  (Kfatarsatt  an  dr,  ma^t  awar  ta  paitai  l^r) 
eine  deutsche  H.A. 

439.  gife  (kit^)  atmeji,  leben/  schon  seit  dnin  XIV.  .Tabrt. 
im  J.-  D.  Herkunit  dunkel,  wohl  von  mhd.  ^ewen,  ^iwen 
=  gühnen  (d.  h.  leben),  cf.  GrQnbaum  Cliiestom.  S.  405. 
Perles  S.  15.  Weiteres  Vorkommen  ».  Staub -Tobler  Schweiz. 
Idiotikon  II  S.  129. 


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—  166  — 


HO.  Gudl,  Gitel  (Kiklal,  Kitol),!  Kosenamen  für  GuHi, 
heute  tür  Ida  ^^ebi-aucht,  offenbar  ziin\  ileulschen  Wort  gut  '^e- 
hörend.  Schon  im  11.  Jahrdt.  J)ei  «Um  Juden  ein  beliebter 
Frauenname.  cf.  Zunz.  Ges.  Schrillen  II.  S.  49.  V^l.  Zimmer'sche 
Chronik  2.  Aud.  III  S.  3i7  Z.  15.  Bona  sive  Gula  coniitissa 
de  .  •  ,  . 

441.  RA.  des  isoh  harb  (tas  iS  harap)  das  ist  schwer 
zu  verstehen ;  harfo  ist  das  deutsche  herb. 

442.  Harrle  (härla)  Grossvater  *  (Herrlein)  spez.  schwäb. 
Wort.  cf.  L  C.  V.  Schmid.  Schwab.  Wtbucb.  1831.  Das 
Wort  ist  nicht  mehr  gebräuchlich  in  Baden,  nur  noch  in  der 
Beseichnung  «der  H.  setig»,  f 

443.  die  Hoor  (ti  bor)  die  Haare,  nur  im  Eis.,  in  Baden 
wird  das  hebr.  Wort  angewandt,  cf.  No.  380. 

4  Ii.  Jengple,  Jing^Iisoh  Qkn\9,  jiQlis)  ein  Jangling, 
junger  Mann.*  Deutsch. 

445.  Jochene  (jö^ana)  männl.  Vorname  f  aus  Jocbanan 

G,-Spi-. 

446.  Judel(jut9l)  männlicher  Vorname*  far  Judas.  G.-Spr, 


AM.  Kafe  (kafa)  kaufen.*  Deutsch. 

448.  Kalberich  (k&lperix)  Stierkalb.f  Deutsch. 

449.  e  Kimbett  unn  e  beisi  Bruscht  (a  Kimpet 
un  0  peisi  prust)  zur  Bezerchnunfx  eines  doppelten  UeL>els,  wo- 
von jedes  für  sirh  allein  gerade  ^enufi^  wäre.  Deutsch. 

•450.  Krais  (Krais)  m.  Fehler.*  Das  Wort  ist  schon  ver- 
schieilentlich  abzuleiten  versucht  wonlen.  Znnz  schieiht  Greis 
und  will  es  von  hebr.  griolh  herleiten  ;  Auerbach  liält  es  lür 
das  talmud.  garas,  lesen,  studieren,  atso  hier  ein  falsches 
Lesen,  falsche  Lesart.  Es  kann  auch  statt  Zirkel  gesetzt  wor- 
den sein  und  wQrde  dann  bedeuten,  einen  Zirkel  machen  im 
Definieren. 

451.  Kugel  (Kükal)  m.  eine  Mehlspeise,  Art  Pudding,  die 

am  Sabbath   gewöhnlich  ^e;?es<:en  wird.*    Das  Wort  stammt 
ollenbar  ans  dem  Deutschen :    cf.  Ave  Lnlletnont  III   S.  203 
Anm.  !.     Knrhel  (von  Kn-'lien)  u.  ebenda  (Zitierte.  x^\.  unser 
Gugel  in  der  Verhinduui;  Gugelhupf.  Schmeller  II  iS.  22. 
4ÖI  a.  lajne  cf.  No.  227. 

452.  lafe  (läfd)  laufen,*  schwab.  Form,  cf.  J.  G.  v.  Schmid 
Schwäb.  Wörlerb.  S.  338. 

453.  Leitsch  (leiis)  m.  kleine  Geldmünze,  Heller,  Deut 
vielleicht  zu  leitsche  (letissa)  Hündin,  um  etwas  Ver&chtHches 
und  Gemeines  zu  bezeichnen,  analog,  dem  derben  Hundsfott. 


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167  — 


464.  Madie  (mätia)  Mädchen.*  Deutsch. 

465.  maule  u.  mole  (maula,  moU)  malen.*  Deutsch, 

45(5.  Memme  (m*mo)  Mmter,'  cf.  No.  267.  cf.  Grimm 
VI.  S.  2004,  der  es  nacli  Vilinar  in  Hessen  angeblich  nur  in 
Jurlenkreisen  finde»,  vergl.  auch  die  Ali.  Mama  ebd.  S.  1517 
u.  Mamme  S.  1519. 


457.  ore  («^ra)  belen,*  vom  lat.  orare.  RA.  Wenn  ein 
Jude  aus  der  Sjnago^re  kouinil,  wird  er  gefragt  «hescli  yuel 
g'ort?»  hast  du  ;(ut  gebetet?»  Die  Christen  bezeichnen  damit 
auch  das  Schwatzen  der  auf  der  Gasse  beisammen  stehen^ 
den  Juden.  Der  Platz  in  Altorf,  wo  dies  meist  geschieht,  heisst 
der  Latschari-Plafz,  vielleicht  lehnt  sich  das  Wort  auch  an  das 
schwäb.  sd.  are,  rufen  an.  Schniid  u.  a.  0.  S.  26  u.  Beil. 
XVI.  G..Spr. 

P. 

45B.  Pupaier  (pupaior)  n.  Papier,  elsassisch,  schwäbisch : 
Papeier,  sonst  auch  in  der  Kindersprache. 


159.  räche  (v-r/c)  reichen,  deutsch.  RA.  dis  rachl  nil 
(ti.s  r.j/t  nit)      r.'ichi  iii.  hf. 

4<iO.  rejne  (ri'jno)  lo^non.*  dt-utsch,  nur  in  Eis.;  in  Baden 
wii'd  «Iri^  lii^lii'.  Wort  -.•hr.iuclil .  t  f.  Nr.  173. 

kil.  Reisele,  Roesele  {rt  i-«alr».  r««'>i)lo)  weibl.  Nnme 
för  Rosa.f  schon  im  lllen  Jahrhdt.  beliebter  Name,  cf.  /uiiz 
Ges.  ScbiifttM.  11.  S.  .50. 

402.  Resainle  (rosiinlo)  IlDsiiien.' 

4(>3.  Schalet  (>üloi)  m.  Biotkuohen,  eine  Art  Pu»bling, 
beliebJe  Sabljatspeise.-j-  auch  die  Form  Schalenl  k«»inmt  vor. 
Zsselzungen  Nudelschalet,  Matzeschalet.  Ableitung  ist  dunkel. 
Man  kann  vielleicht  an  das  franz.  galetle  denken.  Av6-Lalle- 
mant  III  S.  304  Anm.  verweist  auf  das  ital.  scaldato  nach  Zunz. 
S.  441. 

4<i4.  Scheinele,  Schoenele  (Reinald,  stcenofd)  weibl. 

Name.-j-  i<l  im  .\b«:an}4  be*;riflFen,  gehört  zum  deul^^chen  schön, 
cf.  Nr.  89,  und  Zunz  Ges.  Schriften  11  S.  50.  wie  Nr.  401. 


m 

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—   108  — 


4(55.  schmechle  {-iii-  y!.»)  !  irhp|n.*  unser  schmeicheln, 
ahd.  Mneii  lien ,  '  I.  fii;:l.  ti»  suulf  (lat  lien). 

4()(i.  schmutzen  (mhuU.^ii)  küssen. f  zum  detit>i  Ihmi 
Schmutz  iiiul  Si'liiiialz,  derbe  Bezeichnung  für  Kus^.  SchmelitM 
in  S.  479. 

467.  Schmu  (smu)  die  weililichen  Geschlechtsleile.f  eine 
Umstellung  vom  deutschen  musch,  mosche,  moese,  etc.  Schmeller 
Bayr.-Woeitb.  II  642.  (vei^l.  auch  III.  S.  402.  409.  Grimm 
VI  S.  2595  mosche  ei^ll.  junge  Kuh.  in  Schlesien  liebkosend 
für  Mädchen.  G.  Spr.  cf.  Nr.  301.  dazu  ScIi.  niachen,  schmusen, 
sich  in  j-eineiner  Art  um  die  Gimsi  Jemands  bewerben.  Anders 
Adelung  IV  S.  193  =  Gewinn  macheu. 

•WH.  schnorre  (snöra)  bellein,  Alniusen  fordern  *  u. 
SchiH'i KM  (snor^r)  Belller.  von  nlid.  sniirren,  schnunen,  schwid). 
schnurien  uinherlauleu  (ixluind  .i.  a.  O.  vergleichl  unt-er 
Schnurrant  und  Beltelmusikanl.  Schmeller  III  S.  494.  Ave  L. 
IV  S.  293.  G.  Spr. 

469.  nA.  Em  Schtas  gsat  (»m  stAs  ksät)  eigtl.  cdem 
Stein  sei  es  gesa$(t»,  die  RA.  wurzelt  im  Aberglauben  vom 
Anwänscben.  Wenn  Jemand  einem  Andern  von  einem  Uebel 
erzählt,  woran  er  leidet,  so  wird  diese  RA.  eingeschoben,  um 
zu  versichern,  dass  man  das  üebel  nicht  auf  den  Andern,  den 
Zuhörer,  fibei  lrn-^t^n  wissen  will.' 

•470.  sclitause  f^i  »uv,  )  stfi^^en.    Deutsch,  cf.  No.  98. 

471.  sich  schtrake  strakej  sich  hinlegen.'  Deutsdi 
(sich  slteck<'ii ). 

■472.  schU  aiidle  (slrantla)  zweifeln,*  ein  bildl.  .\usdi  uck 
wie  SebitTbruch  leiden,  eigtl.  kein  Mut  haben  und  daher  am 
Strande  hin  und  her  gehen,  zögern,  zweifeln.  Lallement 
IV  S.  012.  Schmid  S.  513  hat  es  in  der  Bdlg.  unschlüssig 
sein  und  vergleiclit  en  mit  frz.  trainer,  in  die  Länge  ziehen. 
Kommt  auch  in  der  ni»*deren  Volkssprache  in  Heidelliei'^  vor. 

473.  Schtul  (styl)  m.  Stuhl.  Deutsch. 
*  474.  seie  (>^eij^)  sidieii.*  Deutsch. 

475.  RA.  Der  Taud  will  an  Ursach  hawe  (Tr 
tnut  wil  on  ürsay  Irtwo).  Die  IIA.  enllKill  ci-ll.  eine  IJeobach- 
lung,  eine  Bemerkung;  d»*nn  wenn  .femauti  stm  1  cn  ist,  fragt 
und  turschl  Uinn,  wie  und  woiaii  »1er  Ikdretleude  gestorben  sei, 
obschon  die  lisaciie  sehr  naturlich  ist. 

470.  RA.  VilTechter,  geit  am  aus  s'  Glechter. 
(vil  Teyter,  keit  am  aus  as  Kl^ytar).  Bei  vielen  Töchtern  ver^ 
liert  man  das  Liehen.  Deutsch. 

477.  RA.  Trübsal  blause  (tripsal  p1aui«a).  Trübsal 
blasen.)  d.  h.  seufzen  und  stöhnen,  sich  im  Unglück  befinden 
und  darüber  jammern. 


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—   109  — 


478.  Trop  (trop)  m.  die  Accente  in  der  heiligen  Schrift,* 
wohl  vom  griech.  Tpdxoc<  cf.  Zunz  S.  4il 

479.  RA.  Fraind  tuns  am  (fraint  tyns  am).  Freunde 
schaden  einem. 

W. 

480.  WafELe  (wafld)  Mund^f  deulach  mdartl.  bs.  achwäb. 
wallel  f.  bdt.  einen  grossen  Mund,  Maul  mit  herabhängenden 
Lippen,  cf.  Scbmid  Wtb.  und  No.  36.  Schmeller  bayr.  Wtb. 
IV  S.  34. 

481.  RA.  Die  mir  welle  (timirwftb)  Verwünschung, 
eigtl.  die  mir  Böses  wollen,  denen  soll  es  schlimm  ergehen. 

4S2.  zachne  ((sä^na)  zeichnen.*  deutsch. 
4-83.  zeile  (iseile)  zählen.*  «leutsch. 

484.  zele  (tsel^)  zahlen.f  deutsch. 

485.  RA.  Dem  Zuluker  is  nix  zu  schwer  (T^m 
fsylykgr  is  niks  Isa  swer).  Dem,  der  zusrhnut  (zujfuckt)  ist 
nichts  zu  schwer,  der  findet  Alles  auslnhibar  uud  erträglich  etc. 

Dem  Zuschauer  ist  kein  Spiel  zu  hoch. 


III.  Abteilung. 

Ein  Protokoll  aus  dem  Gerieb  ts  b  u  che  des 
Rabbiners  in  Muliig  von  1746. 

Hai  jesömims  K*(har)>  Lase^  w'^ocbiv«  K^(bar)s  Awrohom 
benT  Awrohom  sal>  lövini'  Tdödemi«  K^har)  Läse  mikan» 
al  hejdso"  murscho»  scbeiohemi^  hatoroni'*  ni(dbri')><  Mosche 
Balberin  macbmasif  aswin>9  awi  siknoro'*  KharS  Seligman 

m'  Tanhach'o  sal^  sch*nimsar  rjudö'i  leli^s  lioi  infenlarium 

hanaaf^oh*»  h'Tanhath  jora^*  Rosrh-ehodesch**  Tamu^^*"J  Tn( 
Kuf  Alefw  soll  er  cfiesi  hhon  27  gctin  m'Kaholas«  w'hdzwss» 
ur'wnchiinso  sdiehnju  3oa  |o  30b  inin^o  (n6os'*&  han.il3i  sflieiiitits^r 
rjüilüSS  riOvvjisSa  hMjesoiiiiii)  31  \v'5L'  trn33  verlangt  schwiin-^s« 
apoin)p:5in  37  .scliekoi^a  clje-schhoiioj^uu^i^'  zeilek^'"»  w'^clieiiisasek  *' 
b'thulUm*«  I'inwus**  hrijWmitnM  khar*  Läse  liesc  dass 
er  kein  Apoiropos^^  isl  ywesin  laut  hotiafentariuin,  lak**  er 
hot  <o/t«  ha  iiioos^  tinnemin  unt  Thakozin^  khar  Aron 


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—   170  — 


Ufern.  [Randhemerkg.  in  anderer  Schrlfl:  unt  ploni  hakozin^ 
Hab'  Aron  ist  apotropos^?  ^wesin  ieilend  infentaria.]  beiao{(t 
cheschl>on,>^  hol  er  (Laser)  cheschhün  27  immom*'  ghalien 
rionai**  M\v'tn;jnrnnd  dAdöin  khai''  Ityi;:  iikliar  Nate^o 
im/  sie  habtn  mir  metn  chesclilion  27  (jcslaiiden\'!]  m'Kaholas** 
w*  hozoos*^  r;ik **eiseh Punkten,  <l'luMnu  »-  was  tch  for  Läse 
ausgebin  hab  (or  ein  Malbuscli&s  be  Kolmar  uni  m^in  bes 
sehubim,!^  welchi  er  V^whiv*  khar  Herzel  schejichje  gebin 
hoi  gam  for  roalbuschim ;»  wU  ihm  Khar  Laae  s^bm  gheisn 
hat  zu  §ebin  for  malbuachtm  hol  gsagt^  hetti  ei»  Scbabbos 
Malbuflcbu  nelig  wte  leiti  ochiv  i'Am  etil  Scbabbos  Malbusch 
kot  gemacht  achar  a6s  iet  Läse  latei^er  hmin  unt  hoi  g$aki,  er 
heti  ein  Maibusch  netig  Lütte  saht,  ist  schnnt^''  Choson^ 
gwetifi^  beoso  schohoößft  wie  er  das  Malbusch  scbliscbi*»  be- 
kumin hot  so  hol  kharä  Hijzfl  ihm  gemacht  unt  noch  sunschln 
iSachen,  was  er  nelig  hot  ghat,  unt  I.ase  josom  -  haiial^o  /,oi 
gwttst,  das  er  i'i^ochiv*  moin  lifs^i  s'linhim  yeOin  hol^  unt 
ich  bin  Tocbi«  orav«'  yatöin  uui  i/im  yheisin.  sciiejiclije,  er 
soll  for  Läse  aus  gebin,  unt  begtrt  Läse  i>eu  Menacheiit 

«tMen«  ob  sie  cheschbon*'  an  nemen^  gatn>^  Mi|rl  kbai* 
Läse  ben  Menachem,  dost  er  ha^iTioos,^  waa  noch  l'fi  cbeacb- 
bon>'  l'Mjsomiai*  gehört^  for  aam  s'cbar^  turcho^  halten 
wülf  Ursach  tekof«  b'schaas*^  chalukas<>  asowini*  anvi  sik- 
nom  J9  hanal^i  isi  kuminy  achoso«^  Moras'o  Matel "  im  w 
b'ooh"*  khar  Läse,  er  soll  imoiit«?  TTanbachw  wUib'joson^ 
niiirscho  '8  s<ihelohen,'5  unt  sie  wolin  ihm  was  zalen,  wie  er 
auch  «loli'i  jomini  schorn  7*  gwesin  ist  unt  jom '*  wolaj- 
loh  iiier  Kcsowjiiti  gsessm,  k;»;tsrlior''7  j'dua  Taadoni 
nuVi  80  hagooii«'  av  bes  diti.'*^  li-iiHlueinerkun},' :  j^aiu  bes  din 
irom  be  Rapisclivvir  gschi  ibn  hol  1111  dodoin  rmischpot  laut 
infentaria,  gam  fil  lurchu'^''^  gehat  ha  niuos  ein  zunemim  uni 
khar  Läse  «nl  Awrohom  habin  gheisn  die  Sachen  zu  sehreibn. 

Belangt  r'wwshiniM  sagi  khar  Läse  b'menachem,  er  ist  keine 
sehuldig,  meilin  er  J*plooi  bar  ploni  Ahron  hot  molin 
tekofM  bes  meosM  a'huwimtt  gebin,  so  er  ein  gnumin  hot 
w'lo  rozoli  8*  ploni  bar  ploni«»  Aliroti:  ach  hat  er  verbotin 
dodorn^io  in  Tanbaeh  sotin  ihm  kein  ntoos'i^  mehr  gebin^  ist  er 
gar  vool  zufridn  gwesin  ad rarlnn  öT  s^s»«  ist  khar  Itzig 
ezelM  plooii^  khar*  Aiiron  kumm  unt  ihm  \\\oos  ^■i  wolin  tjebin 
w'l<V  rozoh«<'  rkablom^J  w'^nosan»«  lo  »«^k'jsavys  schejiten»*  i  jaü-*j 
kliai3  Lisc  uwücbö«  kiiar  llzj^s  w'omar»^  l'Mkhar»  Läse,  wen 
er  ha-uiuoi>^  nit  ntml^  schickts  an  grer(fier?)ä«  unt  k'sav 
moi^ino  scbejidije  gewesa.  bell  er  nit 

wil  am  chodiscbM  demaeh  rerechi«»  Aal  er  mir  gbraeht 
arba^^i  meos^  uachloachini  w'achlosdio  tota^huwim^t*  diezmahr*^ 


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—   171  — 

ich  hab  «w  ^»omtii  sch'nasiM  tuf  1ml  alefi«  lefratkotonto« 
usch'nasiM  tuf  kaf  beisi^  Aa6  ein  gnomin  bei  idcI  beis  meos«* 
^vAachainischim  io!>  s'huwim&S;  habi  gleich  äüvon  ans  gebn  dies 
meiesiio  bachamis  him  i^sehubim^^  an  Mansche  Rumsweilri» 

unt  an  Henol.  llen  tiurf  unl  an  NentI  af'!iausom,n3  habt  ich  noch 
ibrig  gehat  i\o\el  mc\*'<  schnhlm  das  hab  ich  mttsen  behal- 
feTi,  wen  die  Jung  ri  tiwas  braucliu,  sie  zu  gebin^  wie  ich 
ihnen  auch  gebin  hab,  yam^'^  liabi  musji  n  i  is^i»  hanai'  in  der 
Hand  hallen^  weilin  ich  bin  oref«>  gwcsm  for  Läse,  vue  ich 
werochi^*  ihm  ein  Knas"*  glegl  habin^  habin  wir  awh  ge- 
tehribn  for  orefn  fof  dio  oedui^«;!!»  «m  tuf  kof  hei"* 
AoM  ich  ihm  et»  Knas"«  giegt,  hat  schon gwehri  von  tuf 
kof  giroel  bis  tuf  kof  hei,"^  $o  habi  ich  nit  gwusL  wenn  ich 
moot^  brauch,  unter  der  jeii  habi  ich  ihm  auch  fil  moos 
gebin  unl  schnas  >m  tuf  kuf  wof  ii*  Ifk.H«  kabi  ich  erst  wider 
dat  ihrig  ein  gnumn. 

Ht;ischif*5  ha  iDurschoi^  hnnnlsi,   ma 'es  sdieiio  omar 
Khar  Läse,  das  er  kein  apotmpos  ^'  ist  gncsin^  weil  in  man  ihm 
nit  dazu  gmacht  hot^  so  isi   zu  weisn,    das   man  ihm  nii 
niamio       gwesin  ha.  luoös**  in'iisovin bejuilo35  211  hallen, 
bechen hai  er  le;;aiijre'**  kein  reschus»«*  ha'  Jll()u^^*i  zu 
brauchn^  gam»  heiit  er  ein  poscheis^,  welche*  t«/ beloscbon 
Aschkenas"*  em  Mi»lgrtifu\  «eilin  er  hef  hamoos^^  le  lau 
ives»  joaomim'  an  wendin  »oln  f\  unt  het  ba  moos^s  for  ha' 
KoisenXY  rabbts**  Abron  ein  henäigen  tolin.  u^mai«  scho- 
omariMyST,  das  et  hai  tue/nt  leerech     heis  meiesiM  sehubimu  • 
ha'  Kof.seni*7  for  rabhii»  Ahron  ein  hendigen  unt  ptontw 
banalst  hat  es  nit  nemin  wolin,  ist  ho*  ursach,  weilin  er  ba 
moos^  7^it  bei  samen  ghat  hat,   das  ein  grause  snma  waftr^ 
hi<!('hwil   Kach  '»o  hat    planni  ^'^    1  a)>hi       Abron   banal  3»  nit 
nemin  wolin  acbas  le  achasi3j^        wan  schon  rahbii*^  Abron 
banal  3»  gar  ba  nioos*^  nii  het  wein  i  nemin,  het  er  ha  nemo- 
Des '5*  sich  meazmc'M  nit  gebin  soln  t,  sich  zu  ein  aj>otioj>o«  87 
zu  machiUt  rak44  er  Ael  soln  i  gein  ism  eizel<>  ho  afbesdin  n  um 
boafbesdin  zu  sagin  sulehs^  so  het  ho  af  bes  dto«  nero  joir>M 
schon  gewist  Kedas  ma  laasosi»  ha'  moos«  emes»  zu  gebin  le 
tauwestt  hsysomim.*  Lechen  >>•  Ml  das  ein  bweis,  das  er  meh- 
ader'M  hat  gwesin,  ha  moos«^  bejodo9&  zu  fialien^  unt  hat 
das  gethan  Je  tanwosA, bechen      hau  er  kein  sMiiresisT 
fordern,  ;rnm  hat  er  kein  s'cbiresi"   me"  afbesdinSä  be  Dan- 
bach  gfodert,  ist  zu  it'i*«,   das  er   kein   s'cliire?  n'  [erlangt 
hat,  rak^  hritiss  mikoachiaa  ketitusi*»  unt  meriwus»«  nii" 
haisomini  fordert  er  ba  s  cliires.is? 

[andere  iScbril'I.J  al  se  1**  hei  schif«  khar  Lasf*  das  der 
eiNSf  MS      eritt  kein  apolropos»'  gwesin,  rak    er  hat  ba  moos« 


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—  472  — 


ein  nemin  soini  unl  lojad  95  plaum  h:jnnl  3i  (jchin  faul  infent.^  tri 
er  ach  iaun  hol  wolin;  unl  das  er  ihm  ml  inthr  als  heis  meies 
s'bubiin^  gebin  hat  wolin.  ist  gwesin^  weilin  er  nil  mehr  ghal 
Aol,  und  das  ha  muracho'*  hanaUi  sagi  er  Ae/i  es  lejad^  af- 
besdeD  >*  neirao  joir  im  gebin  «o/»ft,  iu  er  mit  mechujef  <44  g^in 
Ittui  infentarium^ 

(hier  setzt  die  alle  Schrift  wieder  ein.)  um  weg  in  ha 
s*chire8  in  Aaf  mir  Läse  josem*  banal»  ein  sliechi^^  gschiki^ 
das  ich  knwun  toi  mtl  geagt;  das  er  mich  wil  zufiriden  tielin 
und  ein  jomM  darfor  hat  er  meh  gheisehen  kumin,  so  bin 
f cA  dolet  M>- jomen  iber  keso  w.im '6  gsesin  und  bin  mur- 
scho'*«  ywesn  ?,  welchs  ich  m  i  alpiw  afliesdenw  nerojoir 
Rapischwir  bweisn  kan,  was  an  langt  rewochim  *\  hat  L.ise 
josom '  hannl "  hefeini^rh  zu  mir  gsagt^  er  begehrt  fun  mir 
kein  rewüchiiri  3»),  u-cilin  ich  ihm  gar  fil  gutsch  gthan,  was  an 
li(jt  {m  1  chesl»eii27,  habi  scheloscho  i*^  '  l>c  nrrum  i*»-'*  m'7  sie 
grechnel  k'lbnai*^  iint  sie  habin  mir  alsch  (i4//es|  geschtandn, 
was  ich  aus  gebin  hab^  unl  was  ich  ochi®  Herzel  for  ihm 
gebin  hab;  unt  ich  kab  niks  glhan  beiijedies  i«9  fun  ha  ko- 
tsenUT  Rhar  Ahron  sehet  jchje  >m. 

tüun'äi  haiimrscho"  hanaUi  khar*  Läse  Ao/ ein  cheschlxxi 
momon<s*  ml  heu  achosoi<*  khar  Läse  auf  dolet  Louisd*or 
chodoscb  wochesi«>M  me/^Ae«  moot  ^  hat  er  bezahlt  bisch  wil  )M 
susoyiA»  90  er  koneh>M  hat  gwetin  bisch  wil  im  dodo'o*  khar 
Hersel  wie  auch  khar  Läse  davon  gioust  hat^  das  was  er 
handelt,  is  gwesin  for  khar  Uerzel ;  achscbow  i&t  fordert  er 
sach  1^  hahol^i  ati^i  Khar'  Läse  josom*  haii«l,9i  soer  b'wadaj  im 
suh-f..s  wert  im  75  dodo'o  khar  Herzel  ver  rechent  habin, 
weiltn  er  gwusl  hat,  das  hastjss  iw  gehert  l'khar*«  Heizet 
unt  ist  bisch  will)  i3ü  *  gekauft  worden,  hwhen  '22  goll  k\v,{v  T.ase 
kolel  77  hiscliwuoh  i'^f'  ser«,  ob  er  nioos  liatial  3'-  nit  mit  ocliiv« 
khar3  Her/el  ver  rechent  hat^  machnias  i •  luu  liamischini  ral,><> 
100*  khar  Lose  taant,'*'  er  het  sie  gebin  l'achiv  6  kliar  Hei  zel, 
loan  haiiiurscho  liatial,  u  er  hat  ihm  reschus  gebin^ 
moos^  hanaf  rochiv«  zu  yebin,  er  kan  inoos*'  hanal>t 
meochiv*  fordern. 

al  sehi**  he  schiv  «  khar  Läse,  was  aniangi  hacheschboo 
inomoQ  von  dolet  Louis  chodosch  wochezi,iu  ehtet  noch  mehr 
mooe«*  wnt  Sachen  dateit*^  to  kab  ich  ein  chesehhon  nioiiioD>9* 
Pen  ihm,  das  ich  ihm  eutehs  selbteht  gebin  hab,  machniasiT 
ha'chanitsehiiii  >M  rat,i*>  habi  ihm  ein  Malbusch  m  gmaekt  be 
Kolmar^  (am  Rand:  hat  gkoseht  kaf  olefm  s'huwimM)  im 
erschien  Jahr  wie  er(?)  I'ochiv«  fteaieii  ist  unt  mein  bes  s'whu- 
wiin>&  Aal  Läse  josom*  iAsi^Aeiefi^  er  toll  ihm  Kleider  kaufen. 


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—  i7S  — 


gam  55  isler  for  Läse  oiav«»  g'wesn  auf  Obere'f}hemfr  markt 
for  jM*^  beis      s'hiivvitn,55  welches  er  hat  zahlen  MUsen. 

Toan  läi  liainurscho  khar'  Läse  hat  selbscitln  ysagt  1'- 
kh  1-^,3  Laso  josoin *  habalichoso '"^  ezel  8»  dodo  khar  Herzel, 
das  kliar3  Herzel  ihm  wert  malbuschiin**  machen  b'chinnoin,^* 
wen  er  aber  gwuit  Ae^  das  baRialbuscbim »  intmonoi*' 
koitem,  het  er  sie  nti  ffnomin^  umab>o  xhetoaniu  khar  Laae, 
das  Laze  joaom  *  ihm  vtr  sprochen  hui  8*chini8,>n  so  ist  doch 
j'duo,i>  das  j'aomim  *  ik»  for  kein  mumho »  haben  netig 
geheU,  weiiin  doch  khar  morenu  hornw  Josef  Ruinsweiler 
Schorn  f&  gewesin  tml  hat  ihm  kein  s'chires  ist  ^er  sprochen. 

uniah  scheloan  iw.isi  khar  Laze,  das  sein  cheschboD  w 
ist  jeder  zeit  for  (jul  erkent  vcordn,  darauf  heischiv  ha- 
pfMrschoJs  rischon 'ß*  ist  Ae<n  cheschbon  unter  schribn  ubose 
iimkorj"^  dass  sie  haclieschbon  27  ^lit  for  gvt  erktnt  haben 
scIjeniJs is  in'waker  •'0  zusein,  Jöa- i ?' schtJu  i l)e  einuno^M 
m  i  moos^i»  haj'somiin  -  yehandell  hat^  weilicn  er  het  solinl  khar* 
Herze!  Ringndorf  ein  /co«'^*"-  schel icesef*  von  wof"*» 
Louisd'or  gebin  ««/  hat  es  ihm  nit  gebin  we  af  a1  pi  ken 
findet  mannit^  das  er  hamoos  *■>  für  den  becher  l'j'somiiD «  rechnet 
(Bandbemerkung:  sondern  er  rechnet  hamoos^  rj'somima  das 
er  hakosivs  schal  m  kesef  ihm  gebin  haf)  uwosech  m'wuor^ii* 
das  er  posche  hat  gwesin  b'moos«»  hajsomim^*  gam»  soll 
er  kolel  ^ein  bischwuosM  apotropsin^'  mah  scbex^hir- 
wiacbi'd  b'moostf  hajsomim,'  unt  wen  er  schon  nichts  damit 
gwuniny  hat  er  doch  po.scbe  «ss  ywesin;  das  er  hal  hamoos** 
b'jüdo  9^  ghallin.  ireilin  er  doch  nit  dazu  berufin  worden  isi, 
hainoos*s  laclias      jodo     zu  halten. 

Khar 3  Laze  toan,'-^'  das  es  schekcr^^'J  ist,  er  hal  nil 
gsagtf  das  khar  llei  zel  linn  inalbiiscbiiri  ^3  bethiiioni  »c«  machen 
wtrtf  rak**  er  hol  gsagty  tr  ist  bechinom'W  bei  ihm,  wen  er 
ihm  etwas  gibt,  is  er  ihm  schuldig  zu  danken,  gam*»  bleibt 
khor  Laze  be  laanuso^i«  das  ba  Laze  josom*  ihm  gheisn  hat^ 
er  ao/ochiv*  khar*  Hersel  gelt  gebin  for  malbuschim,^  gam» 
6/et6l  €r  belaanusoyisi  das  er  is  Uurscbo»  guiesin,  niacbmasi? 
bakos"«  .schel  "»  ke^^ef"*  hob  ich  khar  Herzel  bezahlt,  gnin'» 
we//in  Laze  josom «  gsagt  hat  lefonai,*»  das  ich  hab  falsc  h 
gschril  n  lif'S(  hhon  momon  '5«  von  dolel  Lou  sd'or  wochezi,*** 
sn  ver  lange  ich.  das  er  sol  es  m'warrer  «et«,  oder  ein 
onesch'öJ  zu  inarhcn  kinoyi].^^ 

ha  Murschü  haii  il  luiV:  al  mah«««  sehe»««  fcan'äi  Khar'Laz«, 
das  Laze  josoni«  hat  ihm  ver  spruchw^  er  w dl  Um  r  wocbimM 
wm  ihm,  toan»!;  Kacb»o  omar»'  Laze  josom«,  wenn  er  ihm 
sein  gelt  in  gutem^  was  ihm  gebihrt,  gibt,  «nt  braucht  nit 
xor  xusieiny  lifne  besdin  im,  so  will  er  ihm  etwas  naehlasn  b\V 


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—  174  — 


naim  sosibs,  W9ilin  suichi  a6er  «tcAi  gtickehn  io  fordert 
er  sei»  r*chwochtm>i^,  khar*  Laxe  toani&>  b'taanosoisi  hanaM', 

er  hol  b'  ferusch'«  gtctgtt  er  will  kein  r'woclilm  s''  von  ihm. 
Ko|i»6  hanoch»»  loan haaaM»»  hajoini»«  jom?*  dolelJe«*, 
wov>87b  kislev»87.  Tow  Kow  chetli  »»^a  Ifk.  Poh's»  Mulzi^j  Elieser 
bcn  M'nachem  Sal»  Elieser  ben  Avrohom  Sal.s  Avroboin  ben 
Avroboin  Sal.^ 

Urtett. 

L'achar>*ö     scheschomati    taanosovi^i  w'roisi 
nachdem  ich    (gehört  habe  seine  £inwände  und  gesehen  habe 

hamaase»9>.  badowor  hanaseh 

die  Sache  (Ooschiclile)     im  Betreflf    die  abgeschlossen  wurde 
roscil  (  liode«ch«*  ThamusS*  fnw  Kow  alef*« 

arn  Tag  des  Neumonds  im  Monat  Thamus  501  (=  1741  Chr.) 
b'  Tanbach  w'roisi  kol«»«  hacheschbonos"  srhoP'» 

in  Dambrich  und  ich  gesehen  habe  alle    Rechnungen  des 
Ithar»  Läse      ben       M'nnrhom    w^'arn35  cheschbon  momom'^' 
Herrn  Läse,  Sohnes  des  Menaclioin  und  auch  Rechnung 
«•hol    khnc    Läse,    In^n       Avrohom  pnsnkti, 
des  Horm  Läse,  Sohnes  des  Abraham,  habe  ich  entschieden, 
srhe  kh.'ir  Lri<o  m'ehiijowHt  r*»fh:ilern  *  rajsoinim*  schenischar 
dass  Herl"  Läse  sciiuldig  ijst  zu  zalili'u  den  Wnisen,  was  übrig  ist 
adaj  in         hcjodoi*  b'nionitinoin  Tfi 

noch     in  seiner  Hand       von  iiirem  Voniit>;^en  gemäss 
(?hesrlihonoiii 27       meoh  •*       usch'muniin  s'huwim 
ihrer  lU  rliiuirigeu    liundert  und  80  Gulden 

vv'khar'       Läse     jischbn       bahanoch.ts  jodo'^alö*! 
und  (dass)  Herr  Läse    schwüie,  durch  Auflegen    seiner  Hand 
sefer  *      Thoi  a  is>**    schekol  'se  eheschbouusuv  27  heino  emesi^* 
auf  die  Thoi a-Holle,    dass  alle  seine  Rechnugen  seien  wahr 

Wüzedek  w'jifrot 
und  gerecht  richtig  und  dass  besonders  von  ihm  zu  bestimmen  sei, 
schenosan^t  le^^^lvliar    Herzel  Ringsndort  hauioos** 

dass  er  gegeben  habe  dem  Herrn  Herzel  Ringsendorf  das  Geld, 
schebewi  b'  cheschbono'7  awur         Kds"*  schel 

das  er  in  seine  Rechnung      gebracht  hni  in  Betreff  des 
KesefiH  w*gam**    jifrot  schekohM  ma^  schebewi 

silbernen  Bechers  und  ebenso  erkl&re,  dass    Alles»  was  er  in 

b'  cheschbono  *T 
seiner  Rechnung  angeführt  hat, 


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—   175  — 


schenitanw  Tochi*   khar>  Hertel  awur 

dai  er    seioeni  Bruder,  Herrn  H.  gegeben  habe  in  Betreff 
khar    Lose  ben  Awrohom  nosan  ^      lo  mitchilo 
des  Hrn.  I^ase,  Sohnes  d.  Abr.  ihm  von  Anfanj^an  gegeben  habe 

Vzorech  khar     Läse      banal  w'noda 

für  das  BedQrfnis  des  Herrn  Läse  obenj^enannf,  und  das«  ihm 

lo  gam  ken  scheochivs  hoziom 

auch  bekannt  sei,      dass  sein  Bruder     sie  ausgegeben  habe 
Tzorcho  0    schekhar  Läse  ben  Awrohom  nosan^* 

zu  seinem  Bedarf,  oder  dass  Herr  Läse    S.  d.  Ahr.  ihm 

lo  reschusi**  Uten  lo  Tzorcho 

Erlaubnis  gegeben  habe  sie  ihm  gegeben  habe  zu  seinem  Bedarf; 

gams^  jifrot  schchamoos^ä^    nun  bes  s'hu- 

auch  soll  er  bestimmt  angehen,  dass  das  Geld        52  GuU 
Wim      aseher      jisch  lo  chr^rhhon  momon*'*  min  kbnr  Lnzar 
den,  von  dem  er        eine  Rechnung  hat        von  Herr  Laze 
banal  we  gam  jud  l»es  sehuwim**   scheorav«  bando 
obgen.  und  auch      12  Gulden     wehrender  er  sich  verbürgt  hat 
wegam^j    huzrach     t'sdiallern    b'Obrenheim  nosan 
und  aucli  genöligl  war  zu  zaiilen  in  Otipr-Rhnheim  auch  j^^egeben 
pr.mSä  ken  i'zorech  Läse     w'  lo     bischwiMs')  ochiv«  khar 
babe  zum  liedarf  Lazes  u.  nicht  wegen  soini's  Bruders,  Herrn 
Flerzel    w'  lo         kubbol  bamoos^^  lianaMi  rntjad'* 
Herzel,  u.  nicbt  genommen  babe  das  erw.  Geld  aus  der  Hand 

orhiv"  banal  31     w'gamSä  !o  hn  immo 

seines  gen.  Bruders  u.  auch  da^^s  er  nicbt  nnt  ibni  gekommen  soi 
iVbescbboii  ■-'  ad**8    selK^jikm  lo  w'  gam^' 

"ZU  ihm  zum   lle^  tmen    bis  er  ilin  ^erulen  habe    und  aucb 
|i(  hlol        hwu rf^d  lianal  "  m  licin 

soll  er  in  <lcjii  ilnu  t)beii  ;mti_'i  lt'^l<'n  Srluviu'  Ijelcucm,    du.s8  er 
bnjoh  lo  rewacb  90    rni  muo>     j  >(iiiiuu  ^  iianals'     o  sebejifrot 
keinen  Profil  halle  vom  Gelde  <ler  erw.  Waisen,   oder  dass  er 
kammo  bi  lo         w'  jillcii    lajsitmini »  banal  ocbeii 

bestimmt  sage,  wieviel  es  war  u.  i'>  haben  die  Waisen  jedocli 

liabriro*  b'jad'*         kbar  f/i/e    1'.  M.,  b'  im  sebwo/.o 

die  Wahl  iii  die  Hand  des  Hemj     L.    S,  d.  M.,  ob  er  goben 
litten   rj'M)mim«   banal  3'    mi  nioo.s*^  banal  scbebojo  b'jodo^* 
wolle   den  obgen.  Weisen  vom  bezgl.    Geld,  welches  siels  in 
tomiv  l*fi         cbeschbon«'         iianaP»  Tmeoh 

seiner  Hand  war     nach      der  Rechnung    wie  oben  5  vom 
r  schonoh        potur   misch*        wuoh  sos  machmasiT 
Hundert  jälirlich     soll   frei  sein  von  diesem  Schwur  wegen 


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—    17Ü  — 


hamoos»  w'al       dowor  8cbeloaii>»i       achekhar  ' 

des  Geldes  und  wegen  der  Sache,  daas  er  behauptel,  daas  Herr 
hm      ben  Afrohom       mocha)  lo         b*  fenisch«*  kol>* 

L.      S.   d.   Abr.    ihm  erlassen  habe  auadrücklich  alle 

hor'wochimM    jicblol  bischwuose        m  i  jiraech 

Zinsen      soll  er  in  seinem  Eide  aussprechen,  ob  er  will,  j 
schekhar  Laze     mochal  **   lo     b*  ferusch  im  b'  H  schum 
dasa  Herr  Läse,  ihm  erlassen  habe  auadrödüich  ohne  irgend  welche 

t*  noimm  w*  lo  k'mo  schetoani&i  kliar'  Laae      w*  jiftor 
Bedingung  und  nicht  wie  behauptet  Herr  Läse  und  er  absondere 

mechelek*  r'wochiniS<>  schel  khar  Laze   w'  jitten   1'  khar  . 

den  Teil  der  Zinaen   des  Herrn     L.    und  gebe  dem  Herrn 
Afrohom     cheiko"      ub'  m  i      scbejiraeh   khar  Laze  ben 
Abr.     sein  Anteil    und  wenn     Herr  Laze,  S.  d.  M.,  will 

M*nachem  jichlol      j^amss      ken  bisi  liwtiose  banal  55cir 

schlieä.se  er  aucii     in    seinen  ev.  Eid  ein,  dass 

khar  Lare     ben  Afrohom        w'  immo      Moras'"  Matel 
Herr    L.     S.  d.  Abr,     und  seine  MuKor,     Frau  M. 
hivfinrh         lo  b'  fcrusch       liten  In 

ihm  die  Versicherung?  g-egeben  habe  ausdrücklich  ihm  Belohnung 
sVhinis'37        OS  jusoni    s'char  tercb<>^'r> 
zu  gebet),  und  dann  wiid  ihm  sein  Müiielohn  auleriej^t  werden 

m'  itli  i'  zeiech    (V)    poh  hamdino. 
von  mir  nach  der  Schälzuu^'^  der  hiesigen  Provinz. 

[Die  iolj/i.  Zeile  ist  unleserlich.] 

hakol*^  schorir      w*  kajom 
Schluss-Formel :    Alles  ist  richtig  und  in  Ordnung  stehend:  ^ 
Poh     Mutiig       jom     he    dolet  Kislev  tov, 

hier  in  Mutsig,   Freilag  (5.  Wochentag)  den  4.  Kislev  506 

kov>  cbes.  (ges.)  hakoton**    lehudo  Leib  Elsass  m*  Mulzig  ' 
(=  1747  Chr..)  Der  kleine  (junior) Ichudo L5b  Elsass  von  Mulzig 
w'      hoachira   Khar  Laze   ben     Afrohom  w*  Khar  Afrohom 
und  die  Brüder   Herr   L.      S.      des  Abr.  u.  Herr  hlr. 

j*  kahb'  lu  b'  vherem  *  scheenu 

werden  übernehmen        unter  Strafe  des  Bannes,       daas  sie  ^ 

maschhiorn         V  dodom  >o      b'chinnon     V  chol  perotim 
nicht  sdiwören  lassen  ihren  Onkel  umsonst  nach  allen  FLr.k  e 

wk'lolim. 
und  allen  Einzelheiten. 

(gez.):  hakolon    Tbudo  Leib  Elsass  in  Mutzig. 


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—  177 


Anmerkungen  zu  Abtlieilung  III. 

>  hebr.  Artikel :  dtr ;  imnMr  mit  dorn  xag»li$r«nd«n  Wort  vw* 

•ohmolzen. 

2  pl.  die  Waisen   jossom,  pl.  jissomim 

^  K*'.  Abküii^aug.  f.  Kewod  hoiaw  rabbi  die  Kiue  des  gelehrieu 
Rabbi  swttrdigw  Herr. 

*  Läse  d.  filtere  Abkrsg.  f&r  Bliese  r.  Tgt.  Nr.  285. 
and. 

^  ach  =  Brader  vgl.  W.  B.  Nr.  406.  o  cbiv  eeia  Bruder,  Acbos 
Schwester,  achoso  seine  Schwester. 
«  Sohn.  vgl.  W.  B.  Nr.  39. 

s  Abkng.  f.  eicfarono  livrocho  sein  Andeaken  mI  geeignet. 

9  klagen,  bringen  vor. 

1"  ibe  rn  Oheim,  dod  Oheim,  dodom  mit  Pronom  possessiv. 
^>  Toa  hier  selbst,  Kngea  »os  min,   mi  von  a.  kaan  hier,  hier- 
aelbrt. 

Abkrz^  fftr  dafOr,  dam  iit  (setaud)  zsges.  aui  al  (von  olo) 
wagen,  fftr,  in  Oam&asheit  and  Patt  Form  T.  haja  sein. 
IS  d  Beaafiragta,  Sachwalter. 

'*  von  ihnen 

Thoragälebrter,  Artikl  ha  u. 
18  d.  Ehrwürdige,  der  Herr  von  jd.  moro  körperlich  gedeihen, 
stark,  morenn  borav  rab, 

1'  wegen. 

18  Verlassensciiaff;. 

>^  ihres  Gi  ossvaters ;  atisikm  Grofisvater.  mit  Possessiv  Pronoin. 
wie  Aura.  10.  vgl.  W.  B.  N.  4» '7. 

SO  von;  min,  mi,  me  von,  ans.  T.  ist  Dambach  (bei  Benfeld). 
*i  die  ihm  llbergebene. 
<s  gemftss,  nach 
gemacht. 

Abkrzg.  R.  Ch.  Xi  uinond  vgl.  W.  B.   Hr.  31Ö. 
•*  Monatsname  Tamus  vgl.  W.  B.  Nr.  Hi." 
[b]  ÖOl. 

Rechnung  ?g1.  W.  B.  Nr.  91. 

^  von  Einnahmen  vgl.  A.  20.  von  geb4  chald.  einsammeln. 

*9  und  Ausgaben  v.  hozoob.  id.  hauzes. 
*>  u.  Gewinn,  Zinsen  vgl.  Wß.  Nr.  31ö. 

12 

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—   178  — 


a  jd.  schobo  blftÜMD,  werden. 

30  b  ihm. 

51  die  ihm  aus  genanntem  Ueldö  geworden  sind-  Abkrzg    f.  ha« 
niskor  lael  des  ^der)  oben  Erwähnte.  Oedachte. 
dM  ihm  Übergeben  war.  A.  21. 
33  zam  Beeten,  ton  towa  Ottte,  Qefallen,  Wohl,  Qlftek  vgL  W. 

B.  Nr  127. 

3t  der  Waisen  A.  2. 
^  und  auch. 

M  Eid  pl.  an  tch'waa  von  bebr.  tebabaa  versiebnen.  vgl.  Anm. 
160,  eebirören  (weil  7  Zeagen  nOtig  waren). 

91  vom  griech.  chnx^ec  n.  Yormnnd,  dea  Hebe.  Wort  apo- 

iröpos,  richtiger  wäre  e~'.T{)0<!OQ. 

38  dass  cille   Aam.  18'J. 

39  vgl.  A.  27 

«0  richtig  vgl.  W.  Ii.  Nr.  HO-i  u.  .;9a. 

4*  und  daea  er  aieb  hat  angelegen  eetn  Uesen. 

4A  b«i  den  Reehnnngen. 

*^  er  erwidert  replicirt.  he,  fai,  bei  jd.  er  n.  jd.  neiBobef  ewn 

aTlt':'.'orf  on. 
■*4  nur 

«  vgl,  W.  B.  N.  26i. 

M  dem  aobtenswerten  vgl,  W.  B.  Nr.  198.  Anm.  1. 
mit  ihnen  (den  Waisen). 

*8  von  mir, 

nn-1  nnter  Bo  stand. 

Abkrzg.  f.  Natan. 
6*  einige. 

das  sind  nämlich  jd.  dehaino. 
»  Kleid  TgL  W.  B.  Nr.  248 

42.  abgkrzt   M  b. 
5ä  Gulden  Abkzg.  sh.  vgl  W.  B.  Nr.  38J. 
^  le  zu,  Dativ  Bezeichnung  vgl.  Anm.  48»  21,  3;),  46,  10. 

schon. 

w  Brftntigam  Tgl.  W-B.  Nr.  95. 

a  zu  dieser  Stunde  Anm.  67. 

das  dritte  vgl.  W.  B.  Nr.  856. 
^  der  obengenannte  Anra.  31. 
•>  Bürge  vgl.  W.  B.  Nr  147. 
<s  Akrzg.  b!  M!,  «  Bohn  des  Menacbem 
^  nach,  laut,  gemäss.  Anm.  22. 
c^/^^  Mühelohn  vgl  W.  B.  Nr.  3^5  von  seehar  Lohn. 
6ö  gleich,  sofort  jd  tekepf 

Augenblick,  knr^.e  Zeit,  ätunde  also  zur  Zeit,  in  der  Stunde 
von  jd.  Schoo  srhauen.  aufmerken. 

•8  Toilung  von  jd    cholak  teilen,  .  .  vgl.  W.  B.  Nr.  88. 

seine  Schwester,  Anm.  6. 

70  ehrwArdige  Frau,  die  Herrin,  fem.  zu  Anm.  16. 

71  Eigennamen. 


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—  179 


n  mit. 

TS»  ihnm  Sohn  D»t  vgU  W.  B.  Nr.  39. 

^*  sein 

75  a  i!n<i  den  Waisen  vgl.  Anra.  2,  56,  ö. 
7«  4  Tage  A.  138.  Abkrzg.  d  jom ,  vgl.  hinten  den  dwitoeh  ge- 
bUdeton  Fl.  joimn  vgl.  W.  B.  Nr.  2Ü. 

74  a  vier  vgl.  W.  B.  Nr.  127»  Abkzg.  d. 

"  dort. 

'5  a  und  Nacht  vgl.  W.  B.  Nr.  226. 

"^^  Schriftstücke,  Urkanden  jd.  Kessaw.  pL  Kessowim  za  Kot 
MW  schreiben 

n  Ks  —  naeher,  wie     dM  dicMs. 

73  wie  ilas  bekannt  ist  W    B.  Nr.  St. 
"'^  Dat   mit  le   meinem  Herrn  Tater, 

^  und  Lehrer  jd  raore. 

81  dem  ehrwürdigen,  herrlichen  Art.  ha.  u.  jd.  gaon  Herrlickeit. 
Bzoellens,  Titel  des  abereten  Lnndee  Bnbbinirs. 

t*  Oeriobts-Yorsitsender.  Abkrsg.  sbd  ss  «w  bes.  din.  Ehren* 
titel  des  Rabbinert  eigtl.  Vater  des  Hauses  des  Rech  s.  vgl.  Aani.  19- 

^  Dat.  dem  Herrn,  ploni  be  If^titete  der  Unbestimmte,  ansenn. 
N.  N.  u.  X.  entsprechend  bar  Sohn,  vgl.  W.  B.  N.  30. 

w  200  vgl.  W.  B.  Nr.  3«  a  und  2ti.ö 

nnd  er  hat  nicht  gewollt,  lo  nicht  vgl  W.  B.  Nr.  880. 

••bi». 

nach  dieaem  Abkrs.  ach"i. 

89  ZU,  bei 

^  vergl.  Anm  85. 

^1  atiuehmen.  empfangen  von  jd.  Kowal. 
9i  und  hat  gegeben  vgl.  W.  B.  289. 
ein  Schreiben  vgl.  Anm.  76. 

9*  zu  bringen,  übergeben. 

35  zn  Händen  vgl.  W.  B  Nr.  20"-».  unten  bejodo. 
^  und  sein  Bruder   vgl.  Anm.  5  u.  ti. 

nnd  er  hat  gesagt. 
^  von  nit  an  onleserUeh 
M  Monat  vgl.  W.  B.  N.  819. 

nach  der  Schätzung  =  circa.  etwa 

»Oi  vier  vgl   W    B    Nr  15. 

1^  und  88.,  schloschim  dreissig  and  scheloscho  fem.  drei  vgl. 

Anm.  69. 

Iva? 

101  Jahr,  achenos«  ecbonos  PL  von  achono. 

los  oOl  im  Jahre  oTm  jüd.  Eechnang.  Abkrsg.  T.  K.  A.  taw  s 

400  Kupf  =  IW,  Aleph  -  1. 

10«  Abkrzg.  Ifk.  nach  der  kleinen  Zahl  jd,  liphrat  Koten. 

107  tvi  vgl   Anm.  105  und  W  B   Nr.  3*^  a. 

108|  09  1250;  vgl.  W.  B.  Nr.  2?3.  H6a  Abkrsg.  zsgs.  von  we  und 
cbamischim  —  50  vgl.  W    B.  Nr.  7H. 

"0  850  fl  ;  chez  acht  vgl.  W.  B.  Nr.  90  a. 


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—   180  — 


in  nach  d«m  Dorf  Bonolswcilet  gMdetir  Kam«, 
iit  ihfe  8cbw«ator  Tgl.  A.  60  n.  6. 

m  40O. 

*  mein  Bruder. 

Busse.  Strafe  (in  Geld)  vgl.  W.  B.  Nr.  186. 

Mitgift  vgl.  W.  B.  Nr.  m. 
11«  (ö)  605.  »bgkrst  tK.li. 

Zwt,  Weile  vgl.  V.  B.  882. 
i>8  (5)  Ö05.  »ligkTflt  A.  K.  g.  —  A.  K.  b. 
1J9  5n6. 
i«o  er. 

ttt  maamin  (meinem)  lein,  glauben,  veruautn,  von  bebr.  emunah 
f.  Pesügkeit  vgl.  W.  B.  Nr.  146. 
m  itom,  •bento. 

IIS  vollatindig  ton  jd.  gontr  endigen  vgl.  W.  B.  Nr.  170. 

124  Erlaubnis. 

"*  Dnredlicher,  Cebelthätpr  vgl.  W.  B.  Nr.  50. 
IN  Abkizg.  bla.  in  der  deutseben  Sprache,  vgl.  W.  B.  Nr.  889 
und  17. 

Bicbter,  Weiser  Tgl.  W.  B.  Nr.  188. 

128  Äbkrzg.  1.  =  nach  der  Schätznng,  etwa,  ciiea.  Anm.  100. 

1J9  Abkrrg  r.  =  rabbi  vgl.  W.  B.  Nr  3' 8. 
rabb.  hebr.  (von)  wegen,  so,  für  «Kslialb. 

in  eins  zxx  eins,  eins  zum  anderen,  emzclu  —  abscbiagHch  vgl. 
W.  B.  Nr  183. 

m  ZoTerlSaelgkeit  Tgl.  Anm.  181  n.  W.  B.  Nr.  146. 

199  selbst  jd.  axmo  von  ozem  stark,  mächtig  «ein.  VS^%  gelten. 

lä'*  Abkrzg.  n.  j.  sein  T.icht  möpc  leuchten. 

186  was  er  zu  thnn  hatte,  stereotyp.  Wendung  nach  Esther. 

IM  Am  Rand  steht  die  £rklärnng  meheder  [nach  et  was  trachten, 
beabtiehtigen,  fftr  er  ist  darau  naeh  glofin.  woblsn.  j  d.cbodAr8ieb 
Torbe^n. 

18*  a  zu  seinen  Gunsten,  vgl.  A.  33. 

13'  Lohn.  Provision  PI.  von  jd.  sechiro  vgl    Anm.  64. 

138  eigtl.  ha  jom  den  Tag.  heute.  Anm.  74. 

iw  «af  Grand. 

1^  Zank.  Hader.  PI.  Ton  Ketoto,  Ketat. 

i<i  Streit  PL  Ton  meriwa  zu  riw  streiten,  zanken. 

1*2  Abkrzg.  as.  auf  dieses?  oder  ist  besser  zu  lesen  ad  sires? 

!*•  Wahrheit,  hier  als  m.  gehraucht  vgl.  W.  B.  Nr.  145. 

***  schuldig.  Partie,  form    vgl.  W.  B.  Nr.  97  u.  70. 

1«^  Bote  Tgl.  W.  B.  Nr.  857. 

14*  Anm.  lä.  Vomrond  I 

1*'  Rappoltsweiler. 

mit  An«drücklichkeit  jd.  bephemscb  sn  poraacb  trennen, 
unterscheiden,  erklären, 
lei  dreimal. 

i4Ba  gemeinseliaftlicb,  mit  ihnen. 

HS  ohne  Wissen  Tgl.  W.  B.  Nr.  214  u.  34. 

IM  Abkng.  sj.  dass  er  lebe.  TgL  W.  B.  Nr.  71. 


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—  18i  — 


.ui  El  wendet  ein,  enriedert  vgl.  W.  B.  Nr.  115. 

i^-  Abkrzg  ch.''  m.  Geldrechaong  Tgl.  Anm.  27. 

153         Sohne  seiner  Schwester  —  NcfTc  Tgl.  Anm.  11,  7,  8. 

4  Vi  neue  Ld  !  ygl.  W.  B.  Nr.  6Ö.  410. 

Pferd  vgl.  W.  B.  Nr.  691, 
^  Koae  tein  kaafen. 

*  üben.  Ar  tein  Onkel. 
IM  jetzt. 

die  Summe,  MenfTP 
1^9  bewadai  ganz  gewiss.  Tgl.  W.  B.  Nr.  109. 

•  fftr  ihn. 

in  Eid  genommen  werden  Ton  ach^wn»  Eid.  Ano.  36. 

1«  Thaler  vgl.  W.  B.  Nr.  310.  wegen  der  60  Thir. 

♦  vom  Bruder  vgl.  Anm.  20  n.  6. 

iGfi  21;  kaph.  zwanzig,  oleph  eine.  Abkrag.  K.  n. 

auf  dem  Wege, 
let  nmtonst. 
in  Ton  seinem  Oeld. 
1C8  -was,  wie. 

1^  erstlich  eigt  der  Eiftte,  AnCmg.  sa  roich  der  Kopf  Tgl. 
W.  B.  Nr.  319. 

>^  und  damit  ist  bewiesen. 

i'i  sweitena.  fem.  sn  sehen!,  der  zweite. 

IT«  nicht  mit  Qewissenhnftigkett  Tgl.  Ann.  86  nnd  W.  B. 
Nr.  146 

17=*  Gene  iv  Partikel,  Ton. 
Silber. 

1*1  a  sechs. 

1»  und  wenn  nneh,  so. 

der  Becher  TgL  W.  B.  Nr.  188. 
beschworen. 

er  verdient  hat  tu  it.  zn  rowack  wsit  werden,  marwiaeh 
sein  verdienen  vergl.  auch  Anm.  30. 

>W  unter  (seinen  Uäudeu)  vgl  W.  B.  Nr.  liJO. 

IBA  gelogen,  lügenhaft  Tgt  W.  B.  Nr.  341. 
bei  seiner  Behaaptoag  vgl.  Anm.  161. 

(Geld)  Strafe,  Basse  mit  Geld. 

IRS  yrie  fiblich, 

*  so  behaQ{>tet  er. 

IS»  vor  Gericht  Tgl.  Anm.  88. 

i*s  an  diesen  Bedingangen  Tgl.  Anm.  151.  181  sos  dieses. 

1»«  Alles  vgl.  W.  B.  Nr   137.  Anm.  88. 
ififla  der  vierte  Tag  d  L  MittWOOh 

18*  b  den  fünften 

IST  Monatsname  Kislev  vgl.  W.  B.  Nr.  175 
iMa  [51  5(18. 
iw  hier. 

PI.  hanis  korim  lemalo. 

ji«>  lea:  her  nachdem. 
»91  vgl  VV.  B.  255. 


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-   182  — 


•  vgl.      B  Nr.  976. 

**  vgl.  W.  B.  Nr.  266. 
■  *  vgl.  W.  B.  Nr.  »a». 
la^  Abkrzg.  s.  t. 

•  Tgl.  W.  B.  Nr.  3#9. 

•  vgl.  W.  B.  Nr.  6S. 

•  vgl.  W.  B.  Nr.  264 

vgl.  W.  B  Nr  88 

•  vgl  W.  B.  Nr.  90. 

Der  Kleine  vgl.  W.  B.  197. 


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XII. 


Volkstümliche 

Feste,  Sitten  und  Gebräuche 

im  Elsass. 
1896. 

Mitg«toüi  Ton 

Bruno  Stehle. 

Weihnachten. 

JAebsdorf  (Kreis  Altkirch. ^  —  Arn  Vorabend  Jes  Wcihnachtsfestes 
und  am  WeibnacbUtage  belbst  geiieu  arme  Kinder  abends  von  Uaus 
sa  Haas  und  bitten  um  Gaben.  Sie  erhalten  meist  Geld  oder 
Backwerk.  Frftber  gab  et  keinen  Weiknacbtsbaiim.  Er  wnrde  eret, 
als  das  Elsau  1871  wieder  dem  dentscben  Reiche  einterleibt  wurde, 
eingeführt. 

Ffetterhausen  (Kreis  Altkirch.)  —  An  Weihnachten  gehen  die 
Kinder  von  Haas  zu  Haus,  am  milde  Gaben  m  Empfang  zu  nehmen. 
Sie  eittgen  dab«  WubnaohUlieder,  wie:  «Stille  Nackt,  heilige  Nacht» 
n.     w.,  oder  «Ihr  Kinderlein  kommet» 

ÜJ^eitn  (Kreis  Mülhausen.)  —  Wenn  es  am  Chriatabend 
«Heilewog»  '  läutete,  nahmen  die  Leute  Strohbänder,  gingen  auf 
das  Feld  und  banden  die  Bänder  um  die  Obstbäume,  damit  sie 
mehr  Früchte  hervorbrächten.  Dieser  Gebrauch  kam  noch  vor  zehn 
Jabren  vor. 

MitUaek  (Kreia  Colmar.)  —  In  der  Cbriatnacbt  werden  in  allen 

Familien  drei  Kosenkränze  gebetet.  Hierraf  wird  ein  Gläschen 
Branntwein  getrunken  und  auch  M'ohl  etwas  gegessen.  Dm  12  Uhr 
geht  man  dann  vor  die  Hansthüre,  um  zu  selieii,  welcher  "Wind 
webt  Man  glaubt  daua,  daüä  dieser  Wind  das  guuze  Jahr  hinduich 
webe.  Auch  glaubt  man,  daes  in  dieser  Nacbt  das  Bindvieb  spfeeben 
kOnne. 


1  Yergt.  VI.  Jahrgang  1890  S.  102. 


—    184  — 


AU  Thann  (Kreis  Thann.)  —  S«it  der  ilUftten  Zeit  ist  e«  hier 

gebräuchlich,  die  WeihnachUrose  als  Wetterpropheten  für's  ganze 
folgeade  Jahr  zu  befragen  Am  Woihnachts  ibend  stellt  man  die 
genannte  Wanderrose  in  ein  Glas  mit  Wasser  und  harrt  mit  ge- 
ft|»»iiiiler  E^artang  des  Anfblftheoe.  ünd  wirklich !  —  Gegen  KUbt 
breiten  eich  die  BlUtenietcben  Mseioeader  and  verhreitoi  einen  uige- 
nehnien  Daft.  Die  Beobachter  sind  voller  Freude;  denn  das  Auf- 
blühen der  prophetisfhen  Rose  stellt  ein  fruchlbaref^  Tnhr  in  Aussicht. 
Blöht  die  Rose  aber  nicht,  SO  siebt  man  mit  Bangigkeit  dem  kom- 
menden Jahr  entgegen. 

Kembs  (Kreis  Mülhausen.!  —  Hier  herrscht  die  Sitte,  da&s 
man  zur  Weihuachthzeit  in  ein  mit  Erde  gefülltes  Oefass  die  Ter- 
■ehiedenen  Komarten  sftt  Diejenige  Kornnrt,  welebe  eich  mb 
ToUkookineneten  entwickelt,  gedeiht  im  nficheten  Sonmer  am  betten. 

Hipdteim  (Kreit  Etttein.)  —  In  der  Christnacht  nm  12  Uhr 
geben  die  Leate  ihren  Kflhen  und  Pferden  Futter,  damit  auch 
sie  in  dieser  heiligen  Stande  wach  seien  und  Freude  haben. 

Hipsheim  (Kreis  Erst  ei  n  /^  —  In  der  Christnacht  um  12  Uhr 
geben  die  jungen  Huisrhen  ira  Dorfe  umher  und  knallen  mit  der 
Peitsche,  um  die  Stunde  der  Qeburt  unseres  Heilandes  anzukündigen. 

Hipiheim  (Kreis  Erstoin.}  —  In  der  Cbristnacht  binden  manche 
Leute  Strohseile  am  ihre  Bäume.  Sie  glauben  nämlich,  data  die-i 
leihen  dadurch  im  folgenden  Jahre  viele  Fiftchte  tragen. 

CfeupoUhem  (Kreit  Brttein.)  —  Hier  herneht  der  Aberglaube, 
datt  in  den  Nftehten  Tor  Weihnachten  Hexen  in  der  Luft  umherfliegen. 
Dieselben  haben  Laternen  und  Besen  bei  sich  und  rote  Rücke 
ftTi  Hängt  zu  dieser  Zeit  zufallig  auf  einem  Baum  ein  Stftck  von 
einem  Kleid,  so  .«;agt  man.  das  rühre  von  den  Hexen  hör. 

Wittenheim  (Krois  Mülhausen.)  —  Am  Tage  vor  dem  hl.  Weih- 
nacbtsfeete  ging  der  Pfarrer  in  die  St&Ue  der  Bauern  und  besprengte 
dieeelben  mit  Weihwatter.  Wfthrend  et  dat  Fett  einliutete,  beteten 
die  Angehftr^en: 

Heiliwog. 
Qottesgob, 
Glick  ins  Hüs 
Un  *a  ünglick  drüt. 

Der  Gebrauch  herrschte  bis  1820. 

Wittenhetm  (Kreis  Mülhausen.)  —  Am  Tage  vor  dem  hl.  Weih- 
nachtsfeste, als  es  um  12  Uhr  das  Fest  einläutete,  wurden  alle 
Obitbftnme  mit  Stmhb&ndem  nmbuuden,  damit  et  reichlich  Obat 
daran  gebe. 

Der  Gebrauch  herrachte  bit  186(K 

BZotlfteim  (Kreta  Kfllhauaen.)  —  Um  die  Hexen  des  Dorfes  zu 

erkennen,  muss  man  drei  aasgefallene  Zähne  einer  Egge  bpsitzen, 
welche  man  von  ungefähr  so  tindet.  diiss  die  Spitzen  dprselben  dem 
Betreffenden  zugekehrt  sind  Diese  Zähne  weiden  übereinandergelegt« 
und  durch  dat  Loch,  weichet  man  hindurehbohr^  kann  man  dia 


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—  185  — 


Hexen  wührend  der  Wandlung  d«r  Mitternachtsmesse  sehen,  da  sie 
D&mlich  lückwärls  schauen.  Nun  mass  aber  der  Beobachter  machen, 
dass  er  mit  dem  Ende  des  Wandlungsläutens  zuhause  ii?t.  da  sonst 
die  Hexen  hin  zum  Augelnsläuten  in  der  Frühe  Crewalt  über  ihn 
liaben. 

St.  UMOt  (Kreis  Altkirch.)  -  Wenn  einer,  der  in  die  Mitte1^ 
naehUmesse  geht,  einen  Eggenzahn  findet,  nimmt  er  ilm  mit  in  die 
Kirche.  Diejenige  Frau,  welche  sich  bei  der  Wandlung  umdreht, 
wird  als  Hexe  bezeichnet.  Der.  welcher  den  Egpenzahn  gefunden 
hat,  stellt  sich  dann  auf  eineu  Kreuzweg;  hierhin  muss  sich  auch 
die  «Bexe»  stellen. 

DaUern  (Kreis  Thann.)  —  Ein  Kind,  das  an  Weihnachten 
wfthrend  der  Mitternachtsmesse  geboren  wird,  ist  ein  Olftckskind, 

Dammerkir^  (Kreis  Altkirch.)  —  So  lange  die  Weihnachtamesse 
danertf  soll  das  Vieh  im  Stalle  stehen.  Das  Heiliwogläuten  beginnt 
in  der  Weihnachfsnacht  nm  halb  1*3  Uhr.  Alles  steht  schon  lar.pe  vorher 
mit  einem  Bund  Stroh  bereit  und  mit  dem  ersten  Sc  hlag  rennt  jeder 
nach  seinem  Lieblingsbaum  und  bindet  das  Stroh  nm  den  Stamm, 
nm  ihn  so  vor  der  Gewalt  des  Windes  zu  bewahren. 

Sylvester  and  Nenjabr. 

Mittlach  iKr.  Colmar).  In  der  Sylvestemacht  gelit  die  männliche 
Jugend  des  Dorfes  in  die  Wirtschaften,  wo  nm  die  «Neujahrswecken» 
gespielt  wird.  Um  12  Uhr  w  ünscht  man  sich  dann  gegenseitig  Glück 
zum  neuen  Jahre,  worauf  den  Giisteu  Fleisch  (Schinken  \  Brot  und 
Wein  nnentgeltlieh  vorgesetzt  wii'd.  Dann  wird  das  Spielen  fortge- 
setzt bis  4  oder  6  Uhr.  Hierauf  gehen  die  jnngen  Bnrschen,  die 
gewonnen  haben,  vor  das  Haus  ihrer  Mfidchen  (Liebsten)  nnd  bringen 
ihnen  die  Wecken. 

AU-  'J  Innut  «Kr.  Ilianii  .  In  der  S\ Ivcf-terriat  ht  ist  es  hier  Piranch, 
dass  die  Kinder  vor  allen  Thüreu  singen,  um  eine  Gabe  zu  erhalten. 
Bekommen  sie  aber  in  einem  Hanse  nichts,  so  ist  es  üblich,  den 
«Knickern»  folgendes  SprUcblein  zu  sagen : 

I  wensch  i  ü  glickhaftig  Neijohr, 

A  B;ini;;ila  henter's  Ohr, 

A  Siel  en  d'r  Nacka, 

Dass'r  s*  ganzii  Juhr  d  jhenter  blibt  fejiicka 

P/ctierhausen  (Kr.  Altkirch).  Am  Sylvesterabeud  gehen  arme 
Kinder  von  Bans  zu  Hans,  nm  Gaben  sn  erhalten.  Dabei  singen 
sie  folgendes  Lied : 

•  Mer  kärama  dohar  am  Owa '  so  spof. 

Mer  wenscha  auch  alla  n  neies  püats  J«  Lr  ; 
A  neics  güat«!  .Tfdn-  und  eine  fmldb  he  Zeit, 
Die  uns  GoU  Vuier  em  lieiniuel  verlaiht. 

Mer  senga'  nn  pfiffe  so  tapfer  dtnff  los, 

We  mer  hia  nit  bekämma,  so  geh  uier  uf  Moos,' 

1  Abend.  *  singen.  >  ein  Nachbarsort. 


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—  186  — 


Und  wenn  der  is  jetzt  kai  Weckla  wait  g», 
So  säll  eich  der  Iltis  d'Hianer  all  nah. 
Und  das  escb  wohr,  und  das  e&ch  wohr, 
Her  wenselie  eich  alla  a  neiM  gftato  Johr. 

C^Actm  (Kreis  Mülhausen).  In  der  Nacht  von  Sylvester  auf 
Neqjahr  wird  den  alten  Jangfem,  welche  nicht  anter  die  Haube  ge- 
kommen sind,  eine  grosse  Strohbretzel  an  die  Dachrinne  gehängt. 
Für  den  Spott  in  den  nftchsten  Tagen  biaochen  die  Betrefiendoi 

nicht  zu  sorgen. 

Ohnenheim  (Kreis  Schlettstadt)  Am  Tage  vor  Npnjahr  soll  nicht 
gebacken  werden.  Das  Brot  hält  nicht,  so  lange  als  8oust;  <es  be- 
ech&tzt  nicht»,!  die  Leute  sagen.  Der  Qlanbe  herrscht  bei  vielen 
jest  noch. 

Wittemkem  (Kreis  Brstein).  Am  SyjTesterabend  siehen  Knaben, 
gewöhnlich  awei»  von  Hans  zn  Bant  und  aingen  ein  Neiyahnlied. 
Ist  dieses  gesnngen.  so  spreehm  sie  folgenden  Vers : 
«Liawi  Hüssvattr  nnn  liawi  Bässmiattra ! 
Len  euch  net  verdriassa 
Unn  thuau  ans  ebs  i  d  Tascba  schiassa ! 
A  Groscha,  ke  za  kleine  nnn  ke  za  grussa, 
DasB  er  nns  thnat  dr  Sack  verstussa.» 
Hernach  empfangen  sie  die  Geschenke:  Qeld,  Aepfel,  Wecken. 

J^etterhawten  (Kreis  Altkirch).  Hier  ist  jeder  Pate  und  jede 
Patin  verpflichtet,  den  Patenkindeman  Neujahr  die  Neujahrswecken 

und  an  Ostern  Ostereier  zu  spenden.  Die  Patenkinder  holen  die 
Geschenke  nicht  anders  als  in  weissen  Servietten.  Reiche  Lente 
haben  hier  sehr  viele  Patenkiuder,  weil  vom  Reichtum  der  Paten 
die  Grösse  der  Neujahrswecken  abhängt. 

St.  Vlrkh  (Kreis  Altkirch\  Am  1.  Jannar  ziehen  arme  Kinder 
vor  den  Hänsern  umher  und  bitten  um  eine  Gabe;  dabei  singen  sie: 

«M«t  kftmme  dehare  am  Owe  so  spot, 
Ife  winsche  ech  alle  e  nens  guets  Johr: 

e  neus  guets  Johr,  e  frehliche  Zeit, 

die  uns  Gott  Vater  vorn  Himmel  verleiht, 

vom  Himtuel  verleiht  un  s  ewige  Läwa, 

ihr  solle  das  Johr  mit  Freide  eriäwa, 

SU  Betlehem  in  der  kleine  Siadt 

wo  Maria  Chrischtkindala  gebore  hat; 

sie  hat*s  gebore  und  das  isch  wehr, 

jetz  schickt  uns  Gott  Vatter  e  neus  guets  Johr».  , 

Genifir  Kreis  Rappoltsweiler.)  An  Neujahr  ist  es  Sitte,  dass  die 
Messdiener  in  ihren  Kirchenkleidern  von  Haus  zu  Haus  gehen,  sich 
in  jeder  Wohnstube  aufsteUen  und  ein  Neujahrslied  singen.  Darauf 
rftttelt  einer  der  Hessdiener  eine  Sparkasse  snm  Zeichen,  dass  die 
Lente  ein  Geschenk  hineinlegen  sollen.    Die  Gesamteinnahme  wird 

1  d.  h.  e«  giebt  nicht  aus,  es  ist  nutslos  bald  gegessen. 


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dann  anter  die  Messdiener  vom  Pfarrer  verteiU  ond  dient  dazu, 
sie  für  den  Kircbeadieust  za  entschädigea. 

Fastnacht.  Fasten,  Fronfasten. 

Hircftlden  Kreis  Gebweiler).  —  In  Hirzfelden  und  Jen  nm- 
liegenden  Ortschaften  waren  bis  am  1860  der  Fastnacht-  Sonntag, 
Montag  und  Dienstag  grosse  Freudentage.  In  den  Wirtschaften  warde 
getanzt,  am  Dienstag  worden  in  ftlkn  Familien  Birnen-  und  Aepfel* 
■dinitze  mit  Sebinken  und  dfgl.  gekocht  Wer  w&hrend  dieter  Tage 
spann,  dem  frassen  nach  dem  Volksglaaben  die  Mäuse  das  Garn. 
Von  diesem  Aberglaabea  sind  einzelne  Leote  jetzt  noch  beherrscht, 

AU  Thann  (Kreis  Thann).  —  Am  Sonntag  nach  Fastnacht  (Weiber- 
oder alte  Fastnacht)  nach  der  Vesper  zogen  früher  die  Jünglinge 
mit  einem  Leiterwagen  darch  das  Dorf,  um  tiolz  für  die  Fastnacht- 
feaer  einzusammeln.  Unter  den  lauten  Eafen :  Stangäla.  Stängiilä 
Strai  iStroh),  oder  k  alti^  Lnmi^fimi]  (fran)  gingen  sie  von  einem 
Haue  zam  andern.  Hatten  nun  alle  ihren  Beitrag  abgeliefert,  so  fuhr 
man  mit  dem  aaf  dem  Leiterwagen  aaf2:oschichteten  Holze  auf  einen 
ausserhalb  des  Dorfes  liegenden  Schutthaufen,  wo  das  Holz  abgeladen 
und  in  2  Haufen  geteilt  wurde,  der  eine  für  die  Männer,  der  andere 
f&r  die  Weiber.  Bieranf  wurde  das  Hols  angesflndet,  und  bald  lo- 
derten die  Flammen  empor.  Die  herbeigeströmte  Volksmenge  tanzte 
nun  wohlgemut  um  die  beiden  Feuer  herum.  Nach  Beendigung  des 
Tanzes  ging's  ans  «Scheibenschiessen».  Ein  in  d^r  Nütte  durch- 
bohrtes, rundliches  Brettchen  wurde  an  einer  1  nigeu  Stange  ins 
Feuer  gehalten.  War  das  Brettchen,  Scheibe  genannt,  glühend  und 
feurig,  so  wurde  dasselbe  unter  dem  Rufe  irgend  eines  Mädchen- 
namens,  das  an  der  Feier  teilnahm,  in  die  Böhe  geschleudert.  Als 
die  Feier  zu  Ende  war.  gingen  die  Weibsleute  wieder  heim,  um 
ihren  hanslichen  Geschäften  nachzugehen.  Die  Jünglinge  und  Männer 
dagegen  begaben  sich  in  eine  Schenke,  um  sich  bei  einem  guten 
Glase  Wein  gütlich  zu  thun. 

Dieser  Brauch  wfthrte  bis  1850. 

AJU»Tkam  (Kreis  Thann).  ~  Hatten  an  Jnngfranenfastnacht 
(am  zweiten  Sonntag  nach  Fastnacht)  die  Jungfrauen  allerorts  die 

Fastnachtküchlein  gebacken,  so  wurden  sie  von  den  Jünglingen  ab- 
geholt. Waren  alle  eingesammelt,  so  wnrden  «^if^  v\  einem  Wirts- 
haus verzelnt  Fanden  sich  aber  unter  den  Kuclilein  welche,  die 
nicht  schmaci<haft  und  fehlerhaft  gebacken  waren,  so  versammelten 
sich  die  Jünglinge  vor  dem  R&thause  und  nagelten  die  misslungenen 
Küchlein  an  die  Thüre  desselben. 

Dottern  (Kreis  Thann).  —  Deber  den,  der  am  Aschermittwoch 
des  Abends  nach  dem  Liluten  des   englischen  Orusses  im  Freien 

umherläuft,  haben  die  bösen  Geister  Gewalt 

Alt-Thann  Kreis  Thann).  —  Am  Aschermittwoch  wurde  früher 
«die  Fastnacht  begraben >  Mehrere  Jünglinge  trugen  auf  einer  mit 
Btroh  belegten  Leiter  einen  ihrer  Oenossen  mehrmals  durch  die 
Strassen  des  Dorfes.  Gewöhnlich  war  der  auf  der  Leiter  Liegende 


V 

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-   188  — 


einer,  der  tags  zuvor  des  Giitpii  zu  viel  gelhan  hatte,  utul  bald  war 
er  in  des  Suhiafes  Armen  aller  Mühseligkeit  des  Lebens  enthoben. 
Die  Hiiucrgedankeu  meiner  Träger  merkte  er  niciit.  Sobald  sich  diese 
Qberzeugt  hatten,  dasB  «r  fest  sclilafe,  tragen  sie  ihn  an  die  nahe 
vorbeiflieMende  Thur,  —  nnd  plnmps,  —  lag  er  in  dem  kalten 
Nass;  das  unfreiwillige  Bad  weckte  ihn  aaa  aeinem  Tranm  nnd 
brachte  ihn  zur  Besinnnng 

Dieser  Brauch  währte  bis  1S85 

A8i>ach  (Kreis  AltkirchV  —  Am  1  Fa<-teiisonntag  wird  auf  eioeni 
nahegelegenen  Hügel  ein  gro&ses  Feuer  gemacht.  Nachmittags  ver- 
aammeln  aieh  die  jungen  Bni ecken  nnd  ziehen  dnrch  daa  Dorf,  am 
Holz  nnd  Stroh  einsoaamroeln. 

Dabei  aingen  aie  folgenden  Vera: 

Stroth.  Stroih, 

fer  a  alti  Froi : 

Stangel.  Stangel 
fer  a  Jjeeibangel: 

Stier,  Stier 
fera  Faanachtsfier. 

Abenda  wird  daa  Holz  nnd  daa  Stroh  angezflndet,  nnd  wenn 
das  Feuer  anagelöacbt  iat,  begiebt  aich  die  Jagend  anter  Oeaang 
nach  Hance. 

HirzfeUkn  (Kreis  Gebweiler).  —  Hierorts  aamraeln  sich  am 
Nachmittage  des  ersten  Fastensonntags  (der  sogenannten  Kiachlafa- 
sanaclit  Küchkinfasftnat  ht,  zum  Unterschiede  von  der  sogenannten 
Herrnia&tnacht)  die  jungen  Barscheu  und  die  Schuljugend  des  Dorfes, 
nm  znm  Faatnachtsfener  Holz  nnd  Stroh  zu  holen.  Die  fröhliche 
Schar  zieht  dabei  Ton  Hans  zn  Hana  nnd  aingt : 

«  Alti,  alti  Tftbhksfrau! 

Stier,  stier  zum  Fiistiächtafier. 

Gan  is  a  Bosa  ötrau 

Oder  a  Mti  Fran!> 
Bis  gegen  Abend  sind  zwei  bis  drei  Wagenladungen  Brennstoff 
geeammelt,  welcher  dann  nnter  Jabel.  Sang  nnd  fröhlichem  Sehei- 
benachlagen  anaacrhalb  dea  Dorfea  verbrannt  wird. 

Noch  bia  am  die  Milte  dieses  Jahrhunderts  wurde  beim  Fast- 
nacbtsfener  gescbospcn,  die  Mnsik  spielte,  und  Vater  nnd  Söhne, 
Mütter  und  Töchter  bewegten  sich  im  fröhlichen  Tanze  um  das  nächt- 
liche Feuer. 

Am  eraten  Fastenaonntage.  der  Kiachlefkaanacht,  gehen  die 
achnlpfliehtjgen  nnd  noch  nicht  achnipfiichtigen  Kinder  zu  ihren 
Taufpaten,  hier  Gätti  und  Gotta  genannt,  vm  Oheimen  und  Tanten, 
welch  letztere  hier  zu  Lande  auch  Basle  he;ssen.  um  bei  ihnen  die 
Fastnachtskflch'ein  und  zwei  oder  mehr  Butterwecken  zn  holen. 

Hirzfehl'i,  Kreis  Gebweiler..  —  An  Mittelfasten  begaben  sich 
die  Kommunikanien  in  eine  Scheune.  Dort  wurde  ein  Knabe  oder  ein 
Mädchen  yotlatftndig  in  Stroh  eingefloehten.  Mit  dem  Vermnmmten, 
der  «Hierlagieger»  oder  auch  « Biezagieger »  genannt  worde,  zog 


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—    18ü  — 


dann  die  kleine  Schar,  gefolgt  von  der  ganzen  Schnljagend,  toh 
Hans  an  Hans  nnd  aang: 

Hit  isch  Mittelfaschta, 

iiiües^  nns  Kiachlii  bacha. 
Wie  der  Wintoi-  isch  so  kalt. 
Drei  ßösle  doch  im  griana  WUid.  — 
Ma  hart  die  Fran  iwar  nffa  go, 
Sie  wird  nna  äbbis  kwa  lo. 
Wie  der  Winter  isch  »o  kalt. 
Drei  Ro».le  doch  im  griana  Wald.  — 
5la  herl  die  Pfämia  kriicha; 
Ma  wird  uiiä  Kiachla  bäcba. 
Wie  der  Winter  isch  so  kalt, 
Drei  Rösle  doch  im  griana  Wald.  — 
Ma  hert  d'r  SchÜBSLl  klingla, 
Ma  wird  uns  älbis  bringa. 
Wie  der  Winter  u.  s.  w.  — 
Gaomsi  Zwatschga, 
H*r  wann  ach*  nit  verratscha.  * 
Wie  der  Winter  n.  S.  w.  — 
Gaiinis  Pflfnna, 
M'r  wann  is  nit  versüma. 
Wie  der  Winter  u.  s  w.  — 
Un  wenn'r  uns  nit  wann  ga, 
Sn  mOass'eb  der  Marder  d*Hianer  na. 
Wie  der  Winter  n.  s.  w. 

In  jedem  Hanse  erhielt  die  jugendliche  Schar  Geld,  Kuchen, 
Zwetschen,  Pflaumen,  Aepfel  oder  Eier,  was  sie  dann  unter  sieh  ver- 
teilte. r>er  «Hierlagieger "  aber  erhielt  den  dreifachen  Anteil.  Dieser 
Gebrauch  be&tand  bis  vor  etwa  30  Jahren. 

Uirzfddm  (Kreis  Gebwetler).  Hier  and  in  der  Umgegend  aind 
die  Eltern  noglSckliob,  wenn  sie  an  Fronfaston  zwischen  elf 
und  zwölf  Uhr  ein  Kind  bekommen.  Ein  solches  Kind.  Fronfasten- 
kiiid  genannt,  kann  nfunlich  nach  dein  Glanben  des  Volkes  auf 
Erdon  nicht  glückUeh  werdon  >fan  glaubt  amli,  es  gehe  aus  den 
Frunt'uätenkinderu  vielfach  Nachtguiiger ;  wenn  sie  nach  dem  Angelus 
ausgehen,  haben  sie  Einblick  in  die  Geister-  nnd  Hexenwelt. 

PjeiUrhttmen  (Kieis  Attkircb.)  —  Hier  ist  es  allgemein  Gebranch, 
dass  am  Palmsonntag  nach  der  Palmenweibe  die  Palmen  in  den  Qe> 
müsegarten  gesteckt  werden.  Kindern  erzählt  man,  dass  der  Oster- 
hase Eier  in  dieselben  lege.  Die  Palmen  werden  bis  zum  Ostersonntag 
im  Garttn  gelassen  I.ässt  aber  jemand  seine  Palmen  an  diesem 
Tage  nach  dem  Angeluäiäuten  abeudä  noch  stehen,  dann  werden  sie 
Yon  den  Dorfbarschen  mit  Beschlag  belegt.  Die  Besitzer  müssen 
dieselben  dann  dnreh  drei  Ostereier  wieder  einlösen. 

1  Gebet  uns. 

2  Euch. 

s  Tsrretschen  =  verklatschen. 


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—   190  - 


BMfhtim  (Kreil  Miilhausen.)  —  E&  ist  Sitte,  dass  man  am 
Palmsonntage  die  geweihten  Palmen  in  den  Gnri(Mi  stockt  und  sie 
während  der  Kai  woche  bis  ziiiu  Osteitage  stehen  lusst  An  diesem 
Tage  holen  die  Kinder  die  buutea  Ostereier,  welche  der  Osterhase 
unter  die  P»!nien  gelegt  hat  Nachher  epieleii  die  Kinder  mit  den 
Eiern.  Sie  achlagen  nämlich  die  Spitzen  dexaelben  gegeneinander. 
Weseen  Ei  nnTeraebit  bleibt«  der  erb&lt  vom  ,  andern  ein  Osterei. 

Wnuenheim  (Kreis  Colmar.)  —  Stellt  man  am  Palmsonntag 
frischgeweihte  Palmen  anf  den  D&nger»  so  kommen  in  der  Kacht 
Hasen  and  legen  Eier  damnter. 

TSrJäuim  (Kreis  Colmar.)  —  Bekanntlich  werden  vom  Grünen 
Donnerstag  bis  zum  Karsamstag  die  Glocken  nicht  geläutet.  Nach 
dem  Glauben  der  Kinder  reisen  dieselben  während  des  Amts  am 
Grünen  Donnerstage  nach  Korn  zum  hl.  Vater  und  kommen  dann 
SArsamstag  mit  den  Ostereiern  wieder  von  da  zarück.  Im  Anschlnes 
an  diesen  Oianben  besteht  in  einigen  Familien  Türkheims  folgender 
Gebranch.  Bevor  sich  die  Kinder  am  Grünen  Donnerstag  in  das 
Hochamt  bogeben,  legen  sie  ein  Glückchen  vor  das  Fenster  Kommen 
die  Kinder  aus  der  Messe  znrück,  so  ist  es  verschwnndi  ii  Es  hat 
mit  den  Kirchenglocken  die  Reise  nach  Hom  angetreten.  Isach  dem 
Amt  am  Karsamstag  liegt  das  Glöukchen  wieder  vor  dem  Fenster. 
An  demselben  hängen  jetxt  abersch<}ne  Ostereier,  die  es  den  Kindern 
von  Born  mitgebracht  hat. 

Wiruteiiheim  (Kreis  Colmar.;  Anf  die  Küchlein,  die  am  Kar- 
freitag ansschlüpfen,  soll  man  besondere  Sorgfalt  verwenden,  denn 

es  giebt  sehr  gnte  Hühner.  Sie  legen  grosse  Eier  nnd  wechseln 
jedes  Jahr  am  Karfreitag  die  Farbe  ihres  Gefieders.  Diese  Hühner 
nennt  man  Karfroitn^hühner 

Bekanntlicii  soll  ia  der  Fronfastnacht  das  Fronfastenweibchen 
spinnende  Frauen  besuchen.  Es  wird  als  eine  Feindin  der  Flauen 
gefürchtet  denn  gewdhntich  stiftet  es  Unheil.  So  entfthlt  man  fol* 
gendes:  Eine  Frau  hatte  am  Tage  vor  der  Fronfastnacht  (Durch- 
spinnnacht)  Wasser  in  einen  Brennkessel  getragen.  In  der  Nacht 
kr>ru  ein  weisses  Friiulein  und  verlangte  einen  VVasserknbel.  Die 
Frau  aber  gab  ihm  einen  Korb.  (Sie  hatte  schon  gehört,  dass  muu 
dies  thnn  soll.)  Da  sagte  das  Frinlein :  «Da  hast  Olflck  gehabt, 
denn  ich  h&tte  Wasser  getragen,  bis  Da  in  dem  Hanse  ertranken 
wärest  •  Daranf  verschwand  es.  Des  andern  .  Tags  war  die  Fran 
kiank. 

HeiUgkreuM  (Kreis  Colmar.)  »  Wird  während  der  Fronfasten 
ein  Kind  geboren,  so  sagt  man,  dasselbe  werde  ein  Nachtgänper. 
Äbergläübische  Eltern  geben  sich  darum  alle  Hübe,  dies  bei  ihren 

Kindern  /m  verhüten. 

TlirzfeWfii  (Kreis  Gebweiler.)  —  Noch  vor  dreissig  Jahren  war 
hier,  so  wie  auch  in  Roggenhausen  der  Donnerstag  vor  dem  grtinen 
Donnerstag  der  letste  Fleischtag  vor  dem  Osterfeste.  Nach  dem 
11  ittagessen  Oibeten  sich  in  sftmtUcben  Hinsem  die  Fenster,  nndvon  allen 


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Seiten  vernalim  man  d«tt  dreimaligen  Bnf:  «Scbmatzig!  Sckmatsig! 

Schmutzig  '» 

Ban^enheim  (Kreis  Mülhansen.>  —  Der  Bauer  giebt  nio  ein 
Strohband  (von  einer  Garbe)  dem  Vieh  als  Sireu,  ehe  er  es  aufge- 
knftpft  hat.  Man  sagt  nftmlich,  es  gehe  in  den  Fronfatten  «ine 
Fran  heram.  welche  die  Kinder,  die  an  dieeem  T«ge  abends  zwischen 
II  und  12  Uhr  znr  Welt  kommen,  mit  diesen  Strobbändcrn  achlage* 

Aach  sollen  diese  Kiader  am  Abend  die  Geister  sehen. 

Karwoche. 

Witlelfheini  (Kreis  Thann}.  —  Am  Kaifreitag  werden  in  Wit- 
teisheim die  Hühnerställe  gereinigt;  ao  weiden,  wie  man  glaubt,  das 
ganze  Jahr  hiiuhuch  keine  Hühnerliiuse  mehr  in  dieselben  kommen. 

Hirz/eiikn  ^Kreis  Gebweiier;.  —  Ob  Ostern  früh  oder  spät  fiel, 
nnsere  Eltern  durften  erat  vom  Karfreitag  ab  barftiss  gehen;  auch 
wurden  die  Lftmmcben  an  dieeem  Tage  aam  ersten  Mala  ins  Freie 
gelassen. 

Den  am  Karfreitage  gelegten  Hühnereiern  schreibt  man  eine  ttber- 
tfatürliclie  Kraft  ztr  Wer  nanilich  am  Ostersonntag  nüchtern  eines 
dieser  KartVeitagseier  austrinkt,  soll  während  des  ganzen  Jahres  von 
keinem  Fieber  befallen  werden ;  die  ans  eokben  Biern  kriechenden 
Hfibner  sollen  al^&hrlich  ihre  Farbe  wechseln. 

Alt-Thann  (Kreis  Thann).  —  Bekanntlich  werden  während  der 
drei  letzten  Tage  in  der  Karwoche  die  Kirchenglocken  nicht  geläutet. 
Damit  die  Leute  dennoch  wussten,  wann  der  Gottesdienst  beginne, 
stieg  in  fiüherer  Zeit  der  Küster  auf  des  Kircbtorms  obersten  Gang 
nnd  gab  mittelat  einer  «BebeUde»  die  nötigen  Ankäudiguugeu.  Da 
aber  dies  Zeichen  nicht  von  allen  Leuten  gehört  werden  konnte, 
gingen  die  Kinder  mit  «Bebeladen».  «Raren»  und  «Rafein»  durch  die 
Strassen  des  Ortes  u!)d  verübten  damit  einen  ITöllenlürm,  wodurch 
nicht  selten  die  Ordnung  gestört  wurde,  weshalb  mau  diesen  ürauch 
um  das  Jahr  1860  abschaffte. 

Gebvceiler.  —  Zur  Zeit  der  Karwoche  durften  die  I'rauen  nie  ohne 
Schürze  daa  Hans  Terlassen,  weil  der  Teufel  sich  seiner  Zeit  vom 
Abte  von  Harbach  die  Erlaubnis  erbeten  hattCi  jede  Welle,  die  nicht 
gebunden  wäre,  als  sein  Eigentum  betrachten  an  dOrfen.  So  war  es 

bis  zum  Jahre  186B. 

Dollern  (Kreis  Thann).  —  Wenn  am  Karfreitag  die  Totennhr 
schlägt,  so  stirbt  jemand  aas  dem  Hause,  in  welchem  bie  geschlagen 
bat. 

Krüt  (Kreia  Thann).  —  Bei  vielen  Leuten  dines  Dorfes  herrscht 
der  Aberglaube,  dass  die  Bier,  welche  am  Karfreitag  gelegt  werden, 

nie  faulen,  sondern  austrocknen.  Wenn  man  ein  solches  Ei  an 
Weihnachten  in  die  ^ritteriiaclitmesse  nimmt,  so  sieht  man  die  Ilexcn 
des  Dorfes  Dieselben  kehren  sich  in  der  Kirche  nni.  Wie  es  al)er 
beginnt,  Wandlung  zu  läuten,  uiuss  man  sich  entfernen;  denn  ist 
man  nicht  au  Hanse»  wenn  es  au  Ifiuten  aufhört,  so  ist  man  den 
Hexen  preisgegeben  und  verloren. 


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—   192  — 


Bmuenhehn  (Kreis  Mülhausen).  —  In  früheren  Zeiten  ging  man 
in  der  Karsamstagnacht,  genan  nm  12  Uhr,  prozessionsweisc  um  die 
Kirche.  Die  Mädchen  und  Knaben  trugen  Wachskerzen.  Der  Uei- 
lamd  wurde       dem  Qrabe  genommen. 

Pfingsten. 

LUibsdorf  <Ereis  Altkifch )  —  Am  Pfingstsamstag  nachmitiags 

ging  früher  der  Hirt  des  Dorfes  in  den  Hfinsem  hernm.  Er  trug 
einen  Korb  bei  sich  und  in  der  Hand  halle  er  einen  gro^^s^ri  Stock. 
Im  Korbe  befaiul  sich  ein  Mehlsack.  Ein  zweiter,  es  wur  ein  Knabe, 
war  mit  schlechten  Kleidern  augethan.  Seine  Hände  und  sein  Gc' 
Nicht  waren  schwarz  gefärbt.  Um  den  Leib  hatte  er  eine  Kette, 
man  nannte  ihn  den  «Pfingstblibel.»  Der  Hirt  f&hrte  ihn  an  der 
Kette  Yon  Hans  an  Hans.  In  jedem  Hanse  sagte  er  den  Sprnch: 

•Mer  han  der  Pfingstblibsl  gfange 

Met  ere  isigc  Stange. 
Eier,  Mahl  cder  Anke  !» 

In  jedem  Hanse  erhielt  der  Hirt  ein  Geschenk.  Dieser  Gebraach 

ist  in  letzter  Zeit  abgekommen 

licutriibiirg  bei  Manrsuüiuster.  —  In  diesem  Orte  besteht  der 
Gebrauch,  dass  am  Ptingstmontag  ein  Knabe  so  in  ein  ätrohbüudel 
eingewickelt  wird,  dsss  man  nichts  mehr  von  ihm  sieht,  ala  den 
Kopf  nnd  die  Beine.  Dieser  Knabe  geht  mit  den  andern  im  Dorf 
nmher  und  fordert  von  den  Leuten  Eier  und  Speck.  Beinah  in 
jedem  Hanse  bekommt  er  etwas.  Beim  Empfange  der  Gaben  singen 
alle  Kinder:  «Do  han  mer  da  alte  Pongschteklotz :  ar  e.sch  vom 
Boeni  ^  aragt'alla  on  het  da  Rega  •  gebroche.  Der  Dokter  hei  uigü 
erlanbt  as  Eier  nn  Spack.»  Am  Abend  werden  die  Gaben  gemein- 
sam verzehrt. 

St  Jotaanni. 

Elsenheirn  (Kreis  Schlettstadt^,  —  An  Johanni  (24.  Juni)  geht 
die  mfinnliehe  Schuljugend  von  Haas  zu  Hans,  nm  Holz  zu  erbitten.. 
Dabei  singt  sie  folgeiules  : 

'Holz  er  US,  Holz  erüs, 

oder  mer  lunn'  i  dr  Fuchs  ens  Hiaurbüs  • 

Oder: 

«Holz  erüs,  Holz  erfts, 

Her  hatten^  ^  dmn^  a  Vatrnnser  ens  Hfts.» 

Das  gesammelte  Holz,  gewöhnlich  Ecisigw«  llen,  wird  auf  einem 
grossen  Ast  vor  das  Dorf  f i^eschleift»,  wobei  mehrere  mit  einer  Welle 
auf  dem  Kücken  rolgeti.  Nach  angebrochener  Dämmerung  wird  das 
Holz  unter  lautem  Jubel  verbrannt.  Dies  ist  das  sogen.  Kanzdifier. 
(Johannifener.) 

1  Banm.  *  Rücken. 

>  beten.  *  darnach. 


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—    103  — 

Il'pili'  IUI  'Kreis  Ersteiii).  —  Am  Aboncl  des  24.  Jani  ist  es  Sifto. 
vor  'ieiij  Dorfe  oiü  nhnniii?f?tipr  anzuzünden.  Am  Tage  vorher  fahren 
die  Knaben  lits  Durtes  uiii  euit;in  Wagen  umher  und  sammeln  das 
Holz.  Alle  Leote  versammeln  sich  am  Abend  bei  dem  Fener. 

Am  St  Jobftnnisfeste  sieben  die  Buben  Ton  Matsenbeim  nach 
dßr  Vesper  dnrch  die  Strassen  nnd  sammeln  Reisigwellen  und  rnfen 
dabei : 

dam  s  aui  a  Stirl 
Züam  a  Hanl  Firl ! 
St.  Tboma,  St.  Thoma, 

s'  well  gar  lang  nigs  kamma 

St.  Martha,  St.  >[artha, 

Mer  konna  nemm  erwarta. 

ist.  Bei.  St.  Bei, 

War  nik«  get,  kummt  in  d'Häll 

St.  Peternall.  St.  Peternall. 

Gani's  aui  a  gnissi  Wall! 

St.  Vit,  St  Vtt. 

Gan  's  auj  a  gruss  Schitt. 

St.  Blasa,  St.  Blasa, 

6ani*8  ani  a  alta  Basa. 

Haben  die  Buben  einen  Karren  toU  gesammeltt  so  fahren  sie 
damit  ins  Freie,  (am  liebsten  anf  eine  Wiesei  setzen  das  Holz  anf 

einen  Hänfen«  um  es  ansnzünden,  wenn  es  lunkelt.  Wenn  die  Flam- 
mten lirll  auflodern,  springen  die  lustigen  Buben  üher's  Feuer.  Sie 
rufen  einander  zu  :  *Nur  hoch  gesprungen,  dass  das  Korn  hoch  wjrd.> 

Reiliijkren:  i  Krei-"?  Tolmar)  —  An  dem  Feste  des  hl.  Johfinne?» 
d.  Tf.  steigt  aieiu.iu  l  aut  vinen  Baum  oder  eine  Leiter,  wenn  es  nicht 
dringend  notwendig  ist :  auch  geht  niemand  baden ;  denn  man  sagt: 
«An  diesem  Tage  f&tit  einer  tot  vom  Baume,  einer  ertrinkt  nnd  einer 
erhängt  sich  « 

Kirchweib. 

WinJtenhem  (Kreis  Colmar.)  —  Au  den  Kilbetagen  singen  die 

Kmder: 

Het  esch  Kelb  un  morn  esoh  Kelb  bis  am  Somschtig  zuwa  * 

Wann  dr  Vetter  Jcti  kummt,  said  er  gota  nuwa. 

Uota  nuwa  alti  (Jreth. 

Zeig  mer  wo  die  Bettlad  steht. 

Henderm  Ofa  an  der  Wand, 

Wo  d'  alt  Greth  Fleh  fangt 

Ausser  dem  Sacklaufen  besteht  hier  an  den  Kilbetagen  noch 

folgender  Gebrauch.  Eine  aufgestellte  Stange  wird  mit  Seife  einge- 
scbmiert,  so  dass  sie  recht  glatt  wird  Auf  derselben  wenlpn  seidene 
Tücher  oder  dergl.  betestigt  W^er  nun  diese  Stange  eikittT>?rn  kann, 
erhält  eines  der  Tücher  als  Preis.    Es  werde«  auch  andere  Preise 

>  Abend. 

13 


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—   194  — 


gegeben  wie  z.  B.  mehrere  Pfund  Seife.  Selbätverbtänd  icli  ist  das 
Erklettern  der  Stange  schwierig,  und  meistens  rutscht  der  Kletterer 
uuter  dem  üeiuchler  der  Zuschauer  wieder  herauter. 

Bs  kommen  hier  an  den  Kirchweihtesen  noch  folcftnde  Spiele 
vor.  Es  wird  ein  Zaber  mit  Wwser  geffiUt,  und  A«i^el.  Nflsse  nnd 
Talglicbter  hineingeworfen.  Wer  nan  mit  dem  Monde  von  den 
Sachen  aus  dem  Wasser  herausnehmen  kann,  darf  sie  hehaUeii 
Dieses  Spiel  ist  sehr  lustig,  da  die  Acpfcl  oder  die  Talglichter  aus- 
weichen, wenn  man  sie  mit  dem  Munde  fassen  will. 

Haachmnl  werden  auch  Krftge  anfgeh&ngt  and  zwar  in  einer 
Reihe  nngef&hr  2  m  hoch.  Einige  dei  Krüge  werden  mit  Aepfeln, 
Nüssen,  Spielsachen  oder  Kleidungsstücken  gefüllt.  In  andern  aber 
befindet  sich  Wasser.  Dem  Spielenden  werden  nun  die  Augen  ver- 
bunden. Mit  einem  Stocke  darf  er  einen  der  aufgehängten  Krüge 
aerscblagen.  Hat  er  Olttek,  so  sersehl&gt  er  einen,  in  wetchem  neb 
Ton  den  genannten  Sachen  befinden.  DIete  kann  er  behalten.  Er 
katm  aber  auch  einen  Krug  zerschlagen,  in  dem  eich  Wasser  befindet. 
Dieses  f&Ut  nun  natfirlich  auf  ihn  herab. 

Allerheiligen  und  Allerseelen. 

DoUern  (Kreis  Thann  i  —  Wer  am  Allerheiligenfe.ste  des  Abends 
nach  dfni  liänten  des  englischen  Grusses  bei  einem  Kirchhof  vor- 
beigeht, dci  li'^irt  die  Toten  miteinander  sprechen. 

PfetterhaiiacH  (Kreis  Altkirch  )  —  Am  Aüerheiligenabende  wird 
abends  nach  dem  Betzeitleuten  eine  Stande  laug  für  cÜe  armen  Seelen 
geUntet  Dies  besorgen  die  Erstkommunlkanten.  Wihiend  des 
Läatens  beten  die  Leute  in  den  Häusern  fftr  die  Seelenruhe  der 
Verstorbenen  drei  Rosenkränze.  Nach  dem  Läuten  wird  ein  Korb 
voll  Nüsse  auf  den  Tisch  gesetzt.  Alle  Hausbewohner  sitzen  um 
den  Tisch  herum  und  krachen  Nüsse,  bis  der  Vorrat  verzehrt  ist. 
Am  Alterseelenmorgen  inrd  wieder  eine  Stande  mm  gleichen  Zweeke 
gelfttttet  Nachher  gehen  die  «LAnter»  in  den  HIneem  nmher,  wo  sie 
entweder  Obst  oder  Geld  erhaltMi. 

Kingwiheim  (Kreis  llülhaasen.)  —  Jedes  Jahr  Unten  die  Mess- 
diener nm  Allerheiligenabend  ond  am  Allerseelenmorgen  eine  Stunde 
lang  die  Kirchenglocken.  Während  des  Läutens  werden  in  allen 
Familien  drei  Roseukrünze  und  Litaneien  zum  Tröste  der  armen 
Seelen  im  Fegfeuer  gebetet.  Nach  dem  Läuten  gehen  die  vier  ersten 
Messdiener«  je  an  sweien,  in  verschiedener  Bicbtnng.  mit  einer  brMi- 
nendm  Laterne  und  einem  Geldsäckchen  von  Haus  an  Baus  und 
bitten  nm  eine  Qabe  für  die  <L&uter>.   Vor  jedem  Hanse  rufen  sie: 

cHr  hau  fer  d  firma  iieela  glüta.^ 

Teila  nis  äbis  met, 

Wuuu  s  i  bliabt!.2 
Gewöhnlich  erhalten  sie  dann  Geld  (bis  l  JL).  beim  Metzger 
auch  an  ihrer  Stärkung  ein  Kr&nzchen  WQnte,  bei  den  Wirten  einen 


t  geUutet  i  beliebt. 


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—   1U5  — 


Schoppen  Wein  n.  s.  w.  Wenn  dagegen  auf  erneuertes  Bitten  niemand 
encheint,  so  rufen  lie  noch  lauter : 

«Hf  han  fer  d'&rma  SmI«  gifilt«, 

Teila  nis  Ibis  met. 
Oderts  geht  a  Bangala  nf  d'  Hep!>  > 
Allen  Familien,  dio  nichts,  oder  weniger  als  4  Pf.  geben,  werden 
mit  Kreide  grosse  Kreuze  an  die  Thüren  und  Laden  gemalt,  nm  sie 
80  öffentlich  als  «Bacher»  (d.  b.  Geizhuise)  ku  bezeichnen.   Am  fol- 
genden Tsg«  wird  der  Ertrag  der  Sainnhnig  dt»  Pfarrer  fibergeben 
der  ihn  nnt^  die  Uewdiener  verteilt. 

Wittenheim  (Kreie  Mttllianeeii.)  —  An  ilkrteelen  gehen  die 
Heeediener  von  Hane  zu  Hane  nnd  bitten  nm  Oeld,  indem  sie 
sprechMi: 

Fir  d'  Seele  hamm'r  glüte  fir  d'  ai-me ; 
Dmm  han  o  mit  ans  e  wenig  Erbarme. 

Fest  der  bl.  Breikünis«. 

ObeHmuJi  (Kreis  Thann).  An  diesem  Feste  ist  ss  bei  manchen 
Lenten  Sitte,  einen  Knchen  za  backen ;  in  diesen  Knchen  legt  man 
eine  schwarze  Bohne  Wer  nun  bei  Tisclir  Hie  Bohne  kriegf.  der 
ist  König.  Jedesmal,  wenn  dann  der  König  trinl(t|  so  mfeu  alle 
Gäste  :  «der  König  trinl^i  1  der  König  trinkt  !* 

WiUenheim  (Kreis  llflihansen).  Ehedem  (1840)  war  es  Sitte,  dass 
drei  Knaben  sich  verkleideten  nnd  in  ein  IR^rlhshans  gingen.  Sie 
assen  nnd  tranken  nnd  machten  sich,  ohne  KQ  bezahlen,  dSTOn. 
Die  Jagend  aber  lief  ihnen  nach  nnd  schrie: 

«D'heiligA  drei  Kinige  mit  ihrem  Starn 
S&ffe  nnd  frasse  an  zahle  ni  gern, 
oder 

«D'heilige  drei  Kinige  mit  ihrem  Stam 
Krache  die  Naas  nnd  fresse  d*r  Kam». 

Feüt  der  hl.  Agatha  (5.  Februar). 

Fliesen  (Kreis  Alikirch).  Am  Feste  der  hl  Agatha  werden  hier 
Brot  nnd  die  sog.  «Agathaxellei»  geweiht.  IFon  diesem  geweihten 
Brote  isst  jedes  Fsmilienglied  ein  bischen.  Aneh  wird  den  Bens- 
tieren  davon  gegeben,  anch  den  Bfihnem,  damit  sie  vor  Krankheit 
bewahrt  bleiben.. 

BedentnBgavoIle  Tage. 

Mwtler,  -  Da  an  Harift  lichtmess  (2.  Febmar)  die  Tage  linger 
an  werden  beginnen,  ae  pflegt  man  das  Spinniad.  den  Zeitvertreib 
der  langen  Winterabende,  bei  Seite  zn  stellen,  weshalb  man  sagt: 

«Maria  Liachtraasa 
Hett?  Syiinne  vergase', 
Bi  Tag  z'Nacht  gass!»' 

1  einen  Stecken  anf  die  Bippe. 
'  Iss  bei  Tag  zu  Nacht. 


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—   1*J0  - 


DdUern  (Kreia  Thann).  Ww  am  ertton  April  d«&  Kacktick 
Bcbreien  hOrt  und  Geld  in  der  Tasche  hat,  der  bat  das  ganze  Jahr 
hindurch  Geld. 

2iieden»oricJiweier  >Kt-eis  Rappoltsweiter).  In  der  Xacht  vom 
30.  April  zum  l  Mai  wurden  utn  12  Uhr  alle  Hl  ,  ken  geläutet,  da- 
mit anf  die  Pursprache  der  Matter  Gottes  die  lUb^n  vor  Reif  ?ind 
Früät  bewahrt  werden  sollten.  Vom  Jahr  ISiO  ab  lautete  es  für  den 
König  Ludwig  Philipp,  weil  sein  Namenstag  auf  .den  1 .  Mai  üeL 
Als  Ludwig  Philipp  abgesetzt  warde,-  Woeste  man  nicht  mehr,  dass 
früher  geläutot  wuide.  um  Reif  und  Frost  von  den  Reben  fernaa- 
halten»  und  der  Uebrauch  hörte  von  dieser  Zeit  ab  vollst&ndig  aof. 

Wittenheim  {Ktti»  MälhansenK    Am  I.Mai  bekclnsteo  mehrere 

Mädchen  eine  Frean«lin  mit  Laub  utid  Blumen  und  zogen  von  Hans 
zu  H  itis  ?^ie  hangen  und  samtneken  Mehl,  Eier,  Oel  u  s  w  Xacli- 
her  veisatutnalte  man  sich  in  eiaem  Hiuid.  liier  bereiteiü  mau 
Kuchen  und  den  Kaffee  und  verzehrte  es  unter  fröhlichem  Geplauder 
Die  Ifädchen  sangen  also  : 

«Der  Mai,  d  r  Mai  d  r  knnt  a 

Ups  eme  griaiie  Wald  ä»e. 

So  fahrt  il'r  Mai  in  d'Rose 

Wenn  ihr  uns  kai  Eier  wann  ga. 

MQas  i  der  Ihis  d'Hiahner  na. 
'  Wenn  ihr  uns  kai  Mahl  wann  ga» 

Maas  i  der  Miller  s'  halwe  na. 

Wenn  ihr  ans  k  u'  EI  ■  .vnnn  »n. 

Derf  i  der  Arker  koi  T,»'H':it-  me  ga. 

Wenn  ihr  uns  kai  Milcli  wann  ga, 

Mflas  i  d*Kft&h  kai  Milch  me  ga. 
Der  Gebrauch  herrschte  bis  1850. 

Sf.  Ulrich  (Kreis  Altkirch).  A'n  1  Mai  versammeln  sich  alle 
Bchulpflichttgen  M&dchen  und  bekrSnsen  ein  Tannenbftumchen ;  dann 
ziehen  sie  von  Haus  zu  Haus  und  sammeln  Eier,  Mehl,  Milch  und 

Oel,  die  sogenannten  cKiachla*  zu  backen. 

Dabei  singen  sie  : 

«Wenn  er  is  l^e  Eit-r  wann  gah.  säH  pch  der  litis  alie  nah  ; 
wenn  er  is  ke  Xlähl  vyann  g&h.  sali  ech  der  Miller  'sHalwe^  nah; 
wenn  er  is  ke  Milch  wann  gah.  seil  ecK  d*KQha  künni  meh  gah». 

Litbsdotj  Kreis  -\ltkirch.>  —  Die  Leute  sagen.  Am  Namenstag 
«Heinrich»  (15.  Inlil  m&sse  sich  einer  aufhingen,  einer  mttsse  er- 
trinken und  ein  dritter 'mässe  durch  Hernnterfalten  den  Tod  finden. 
Abergläubische  Leute  gehen  deshalb  an  diesem  Tage  nicht  auf  die 

Kirschbäume. 

Kingersheim  Kreis,  Mu  hnuson.)  —  Am  Maria  Ma-^daU-nentag© 
i22.  Juli)  schnei*li't  m;\n  tleii  MiVdchen  ein  wenig  von  den  Haarlocken 
ab,  weil  sie  dann  durch  die  Fürsprache  dieser  Heiligen  schönes^ 
volles  Haar  bekommen. 

>  Oel.  *  Repe.  »  die  Ü&lfta. 


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—    1Ü7  — 


« 

Bangenhem  (Kieis  Hfilhwgen.)  —  Wenn  einer  am  Fette  des  hi. 

Laurentius  nO.  Angusti  zwischen  11  —  12  Uhr  mittags  an  irgend 
einer  Stelle  die  Ertk-  aufgräbt,  so  findet  er  ganz  gewiss  Holzkohlen. 
Der  hl.  Lanrentins  starb  den  Feuertod  zwischen  11  — li^  Uhr. 

Bamenh^vp  Kreis  Mülhausen.)  —  Am  Feste  der  hl.  Katharina 
(25.  November)  standen  frtTher  alle  Mühlen  still;  es  wurde  kein  Ge- 
treide gemahlen.    Die  hl.  Katharina  wnrde  nftmlich  gerSdett 

Lußetidorf  (Ältkircli  ) ,  —  Den  Vorabend  des  Festee  des  W. 
Andreas  benutzen  die  jungen  Ufidchen  von  Lnffendorf.  nm  zu  er- 
fahren, was  sie  fftr  einen  Mann  bekommen  weiden..  Dabei  verfabren 

sie  folgendermassen:  Sie  stellen  sich  so  an  einen  Holz- 
hanfen.  der  auf?  kleingespaltenem  Hol?,  besteht,  dass  der  Kücken 
dem  Haufen  zugewandt  ist.  Dann  heben  sie.  ohne  auf  den  Haufen 
zu  M hauen,  ein  Stück  auf,  und  je  nach  der  Beschaffenbeit  und  dem 
Aussehen  dieses  Stückes,  schli  essen  die  Uidchen  auf  das  Aussehen 
ihres  zukünftigen  Gatten.  Ist  das  Holzetlick  z.  B.  lang,  so  1  edeutet 
es  einen  hochgewachsenen  Mann,  ist  es  dagegen  knrz.  ec'  l)edctitet 
es  einen  kleinen  Mann  Hat  das  Hol^slnck  Erhi  hungfn,  so  bedeutet 
es  einen  Mann  mit  emem  Buckel,  und  ist  das  Stück  mit  Moos  be- 
wachsen, 80  deutet  es  einen  Mann  mit  einem  starken  Bart  an. 

Gebweiler,  —  Am  Andieastage  (30.  November',  dem  giössten 
Jahrmarktstage  in  Oebveiler,  kaufen  die  Jünglinge  grosse  Lebkuchen- 
manner,  gehen  am  Abend  vor  die  Häuser  ihrer  Geliebten  und  singen' 

«Jungfer.  Jungfer!  herfts,  herüs! 
S  iseh  a  zuckeniasser  Hann  difis.» 

Fest  des  hl.  Nikolann. 

Oberbrutik  (Kreis  Thann)  —  Hehrere  Wochen  lang  vor  dem 

Feste  beten  die  Kinder  jeden  Abend  den  Rosenkranz,  damit  ihnen 
der  hl  Nikolaus  lerbt  schöne  Geschenke  beschere.  Sie  haVren  ein 
sogenanntes  ..Bathelzli  •  ;  '  in  dieses  Stäbchen  wird  nach  jedem  vol- 
lendeten Ho&enkranz  ein  Schnitt  gemacht.  Kommt  dann  der  hl. 
Nikolaus,  so  Terlangt  er  gleich  das  «Balhelz^i»;  sied  dann  die  Ein* 
schnitte  in  demselben  zahlieich,  eo  i>>t  au<h  das  Geechenk  dem  ent- 
sprechend; sind  sie  aber  selten,  so  kriegt  der  faule  Beter  derbe 
Rutenstreiche. 

GchneUer.  An  St.  Nikolaus  (G.  Dezember)  pflegt  die  muntere 
Jugend  sich  bisweilen  einen  Seherz  zn  erlaul)en,  uidtm  sie  ein  langes 
Seil,  an  dem  wohl  auch  ein  Korb  befestigt  ibt,  am  Fensteiflügel  an« 
bindet  und  auf  den  Boden  binablisat,  um  am  andern  Morgen  zn 
sehen,  ob  Knecht  Bnprecht  auch  dieses  Jahr  wiederum  seine  segens- 
reiche Band  aufgethan  habe. 

Mittlach  (Gemeinde  MeJzeral )  —  Vom  6.  Dezember  (St  Nikolans- 
tag)  ab  geht  jeden  Sonntag  das  ( hvislkindlein  dnich  die  Häuser. 
Drei  junge  Mädchen  verkleiden  sich  ^  ebenso  ein  junger  Bursche. 

1  Bethulzcben. 


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—  198  — 


Dieser  mnss  als  Esel  ilienen  und  wiH  Pirkevese!  p^eiiannt.  Dann 
gehen  alle  vor  eiu  Hauis.  Der  Pickeiesel  mubs  Uiaussea  warfen, 
wahreud  die  andern  fragen:  «Darf  das  hi.  Christkindleiu  nicht  hm- 
•in?»  Antwort:  «J»  doch.»  Darauf  tritt  das  Chritlkiiidlttn  in  di« 
Stube  und  sagt:  «Jetzt  tret'  ich  in  die  Stab  hinein,  aU  ein  schnee- 
weißes Christkindelein,  die  braven  Kinder  za  besnchen,  ob  sie 
schwören  oder  fluchon.  Die  Bösen  nimm  ich  auf  die  schwarze  Grabb 
(Bezeichnung  für  Pickeresel)  und  fuhr  sie  in  die  Huil"  hinab.  Die 
braven  Kinder  nehm  ich  auf  einen  Schimmel  und  führ  sie  in  den 
HimmeL»  Daraaf  rnttiaan  die  Kinder  beten»  Wenn  sie  nicht  scli&n 
beten  können,  erhalten  sie  eine  Rate;  andemCtlle  werden  sie  mit 
Obat  und  Zo^ereaehen  beschenkt. 


s 


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XIII. 

Petrus  Dasypodius. 

von 

M.  Erdmann. 

Dieser  Gelehrte  war  nicht  Arzt,  ytne  das  J(ieher*sche  Cre- 
iehrtenlexikon  (älschlich  angiebt  (so  auch  Grimm  DWB I,  Spalte 
XX.  XXXI)»  sondern  Schullehrer.  Das  Richtige  steht  in  der 
Monographie  \nn  Hirsel  (im  Schweiler  Museum,  Basel  1866)  : 
«D.  hatte  Ztlrich.  wo  er  als  Lehrer  wirkte,  1530  verlassen  und 
war  nnrh  Frauenfeld  als  Predig? er  und  Lehrer  zurück- 
gekehrte. Mit  dem  Landvogt  Brunner  war  er  befreundet. 
Xnrh  der  Schlar-ht  he\  K.ippel  wiiiflt'  ^oifie  Lage  tinerträglich  ; 
«iuich  Bulhnger's  und  BlarerVs  V^M  initlluüg  wurde  ihm  die  An- 
stellung in  Strassburg  zuleiL  Ueher  die  Verhandlungen  betreffs 
seiner  Berufung  existieren  noch  handschrillliche  Bemerkungen 
im  Thomas -Archiv  (Auszüge  aus  den  Rats-Protokollen),  aus 
welchen  mit  Sicherheit  hervorgeht,  dass  er  eigentlieh  Peter 
Hasenfuss  hiess  (also  nicht  Rauchfuss^  wie  bei  Ersch  und 
Gniber  steht,  auch  nicht  Rauhbein :  Meyer*s  Conv.Lex.  5.  Aufl.), 
auch  nicht  Hase,  wie  Grimm  vermutete,  auch  nicht  Hasenfratz, 
was  Hirzel  bewiesen  zu  haben  j^laubte. 


Aas  Branfs  Protokoll -Auszügen 

fortgesetzt  von  Wenker. 

(Thomas  -  Archiv) : 

Mittwoch  15.  X.  Meisler  Chrijftophel  Rauhe,  Bürger^ 

Sohn  ülhie  supplicierl  und  hütet  um  das  Schulmeisteramt  7.u 
Frawenbrndern.  Daneben  hat  H.  J.  Sturm  und  H.  Kniebs  an- 
zeifrt,  nachdem  ihnen  als  Schulherren  befohlen,  nach  einem  zu 
gedencken,  seien  ihnen  vier  anzeigt,  der  allenthalben  sie  Er> 


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liiliiun^'  i.inl  Nriehttaj:  ^elinlil.  Sei  der  eiiiL-  l'elru*  H^i^t^n- 
f  11  ^.  S.  |j(ilüiei"«lei  zu  FiautMifeM  liei  Ct^^tanz  ....  h!<-^<  r 
haucli.  nis  <ie  hören,  sei  gelelirl  j^enu;:,  :iIkm-  zu  .seinei  .Iu;:«.'ini 
ziemlith  frech  und  eines  slulzen  Gcisthns  ....  Krkandt: 
den  von  Frauenfeld,  Ma{r.  Petrum  Dasypodiuni  oder 
Hasenfus  aiixtinehtnen  .  .  . 

Vei^l.  E  n  I  in  der  Feslschrirt  des  Prot.  Gymn.  I  S.  119. 
Auch  ein  Exemplar  de$  Dictionaniints  auf  der  Str.  Un.-  Bib). 
hat  liandschriftitch  Hasenfuss  neljen  Dasypodtus. 


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XIV. 

Chronik  für  189o. 

"2.  Jan.:  stirbt  der  Dichter  Aii;;ust  Lustig  in  Mülhausen, 
geb.  4.  Nov.  1840  in  Hnrtinannsweiler  hei  5Sulz. 

'23.  Febr.:  Goldene  Hc»chzeit  des  Staatsrathes  Dr.  J.  von 
Scbiumberger  in  Gt-bweiler. 

11,  MHrz  :  .«stirbt  D.  Cluuie?«  Schmidt,  Prot,  enier.  der  Uni- 
versität zu  Strasshur;!.  <rol».  20.  .luni  1812  zu  Slrasshurg. 

17.18.  April:  H.iu[tt Versammlung  des  Vereins  lür  Retor- 
mationsgeschicbte  in  Strassburg. 

18.  Mai  bis  15.  Sepl.;  Oberrheinische  Industrie-  und  Ge- 
Werbeausstellung  in  Strassburg. 

26.  Mai :  Enlhüllun;^  des  Ne$i$lerdenknials  in  Stras^b(lrg. 

2.  Juni  bis  15.  Okt.:  Ausslelhing  für  Kunst  und  Alfer- 
thuni  in  der  Oraujrerii'  zu  Strasj^burg. 

4.  5.  Augui^t :  VI.  Kreisturniest  des  X.  Ueutäclieu  Turn- 
gaues in  Slrassburp. 

8.  Sept.  Trachleiizii;:  niif  der  Slr.i«^bur;.'er  AusstHllunii. 

18  Sept.:  Enlhüilun;^  des  Denkmal:;  tür  Kaiser  Friedrich  III. 
in  WiuUi. 

18.  1!).  Okt.:  Kaiser  Wilhelm  11.  und  Kaiserin  Auguste  Vic- 
toria in  Strassburg. 

20.  Nov.:  Ein  weih  un<^  des  Neuen  Bibliotliekgebäudes  in 
Strassburg. 


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XV. 


Sitzungsberichte . 

Vorstandssitznng 

17.  Nuvember  1895.  im gem&aistischen  Seminar  der  Uiiivei»irät. 

Anwesend  :  (iie  Herren  Barack,  Ericlison,  Euting,  Harborilt, 
Lienhart,  Martin,  v.  SMilumberp'er. 

Entschuldigt :  die  Herren  Deecke,  Francke,  HerrenscimeiUer, 
Mündel,  Roniud,  VVip/and. 

Der  V.>r-:iJ/,ende  Prof.  Mu  lin,  zunäch-«!  einige  Schrift- 
stücke, die  von  ausw.irligen  V<^reiiiea  bei  iliui  eiugelauten 
sind,  zur  Kenntnisnahme  vo»*.  Ev  teilt  sodami  im  Namen  des 
abwesenden  Kassenwarts  mtl,  dass  die  Rechnungslage  günstig 
und  der  Kassenabschluss  durchaus  berriedi^^en  d  sei. 

An  Stelle  der  freiwillig  ausscheidenden  Mitglieder  Deecke 
und  Herrenschneider  werden  die  Herren  Prof.  Dr.  Faber  aus 
MQlhausen  und  Dr.  Aug*  Kassel  aus  HocIiTelden  vorgeschlagen. 

Um  die  Einnahmen  unseres  Zweig  Vereins  2u  crböben, 
schlägt  Pi'tf.  Eulin^j  vor,  die  Landesl)ibliolhek  um  einen  be- 
stimmten Ziiso!iii<-;  zu  ersuchen  für  die  THU<i  h''voiTi(ilar<»  des 
Jahrbuchs,  die  tlor-^elben  jetzt  unent «/eil lieh  zui^vrstolll  werden. 
Die  Mehrheit  der  Anwesenden  erklärl  sk  h  mit  diesem  Vorschlag 
einverstaiuleu  ;  zu  einer  endgilli^M-n  Entscheidung  kam  es 
indessen  nicht,  weil  die  Versammlung  nicht  beschlussfahig  war. 

Nach  einem  kurzen  Hinweis  auf  das  zu  errichtende 
Stöberdenkmal  werden  sndann  die  für  das  nächste  Jahrbuch 
vorlieiwden  Arbeiten  besprochen,  und  zur  BeurteiUing  unter 
die  Mitglieder  verteilt.  Dar  Vorsitzende  stellt  ausserdem  für 
den  12.  Bind  ein  Ges^mtregister  aller  bis  jetzt  vom  Zweig* 
verein  verütfentlichlen  Arbeiten  in  Aussicht. 


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Geheimerat  Biiack  berichtet  soilaiin  über  die  mit  uns  im 
JSchrittenauslausch  stehenden  Gesellschaften  und  Vvreinc.  Atis- 
{„'e«chieden  ist  der  Histori<rhe  Verein  Im  Ermland  ia  ßrauns- 
ber^;  neu  bei^'etreten  sind  im  Jahre  I8i>0  : 

1.  der  V^erein  für  luxemburgische  Geschichte,  Lilteratur 
und  Kunst  in  Luxemburg  ; 

2.  der  Alterlumsverein  in  Wien  ; 

3.  der  akademische  Verein  deatscher  Historiicer  in  Wien, 
80  dass  die  Anzahl  der  Taaschexemplare  jetzt  auf  116  ge^ 
stiegen  ist. 

Es  foi^t  darauf  die 


Allgemeiae  äitzuug. 

Prof.  Martin  eröffnet  dieselbe  mit  dem  Rechenschaftsbericht 
Ober  die  Ent Wickelung  des  Zweigvereins  im  abgelaufenen  Jahre 
und  stellt  als  Oj*t  der  nächstjährigen  Eiauptversammlung  das 
neue  Gebäude  des  Bezirksarchivs  in  Aussicht.    Er  teilt  femer 

das  Ei  -eliuis  der  vorgenommenen  Neuwahlen  mit  und  kommt 
im  An<rlilu>>?  nn  das  ?:ch6ne  Trachtenfest  i^elej^enllich  uosei'er 
hiesiixen  Industrie-  u.  G'-werb  nuiNslelluii;;  auf  <ten  A^iftrag  zurück, 
welcher  dem  V'orslnn  l  ,nit der  l«'tzlen  Hauptversammlung  ertei  It 
wuritt',  mit  detn  Bemerken  freilich,  dass  es  demselben  bis  7.  Z. 
unmöglich  ij'cweseu  --ei,  irjienii  eine  betriedigende  Lösung  jener 
Aufjjabe  herbeizuführen. 

Zum  Schluss  hält  Prof.  Martin  einen  Vorlra^^  übai*  «Das 
Wörterbuch  der  elsässischen  Mundarten welcher  am  No- 
vember in  den  hiesigen  cNeuesten  Nachrichten»  und  sodann 
auch  als  Sonderdruck  erschienen  ist  und  —  so  lange  der  Vorrat 
reicht  —  von  dem  Vortragenden,  Ruprechtsauer  .Allee  4i,  hier 
unentgeltlich  bezogen  werden  kann. 


Vorstandssitzimg 

11.  Xftrz  1896,  Im  germanistischen  Seminar  der  Universität. 

Anw^^ond:  die  Herren  Barack,  Erirh«:on,  Eutinp-,  Harbordt, 
Kassel,  Li^Miii.irt,  Marlin,  Mündel,  Sehricker,  Wiegand. 

Entschuldi;(t :  die  Henen  Faber,  Ihme,  Renaud. 

Der  Vorsitzende  teilt  eine  Zuschrift  Sr.  Durchlaucht  des 
Fürsten  Statthalters  mit,  in  welcher  der  Dank  für  die  Zusen- 
dung des  letzten  Jahrbuchs  ausgedrückt  ist,  sowie  ein  Schreiben 
Sr.  Excellenz  des  Herrn  Staatssekretärs  von  Puttkamer,  in 


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—   *204  — 


Nvoh  IhMi!  wiüflfM-  »Mii  Zusl  huss  von  300  Mark  aU  Beihtlle  i'ür 
das  näcliste  Jahrlna  h  zii'/e'^icliert  wini 

Bei  tler  unveiniulet  msrlicn  ^^«Jeiiiei un^  «ler  Mi!- Iie<ieiz.(lil 
^v;lllIeIl(l  des  vorijien  J^^hle^  >iu<\  eine  j:iu.s>i're  Anzahl  von 
allen  Mitgliedern,  «leren  Beilrüge  .**eür  J*pr«t  einiieianten  sind, 
um  das  Jahrbuch  X  zu  kurz  gekommen.  Es  soll  deshalb  eine 
entsprechende  Anzahl  des  betr.  Jahrbuches  auf  anastatischem 
Wejre  hergestellt  und  den  Mil gliedern,  die  noch  nicht  im  Besiti 
desselben  sind,  zugestellt  wenlen,  wozu  der  Vorstand  einen 
Kredit  von  200  Mark  liewilli^'t. 

Um  einen  von  mehreren  Seilen  laut  ^^ewordenon  Wunsch 
zu  erfiillen,  .<oll  künftig  jedem  .laiirliuch,  das  sj>rachhche  Ar- 
heifcii  enthält,  in  denen  die  Kraeuter'f?che  Laul.-^chrirt  zur  An- 
Wi  nilting  kommt,  ein  Öchlü^^el  des  lielr.  Lautsy$tem$  bei<:etügl 
werden. 

Anschliessend  an  «iir  l*  l/te  Vorslandssilzunji  s^lellt  sodann 
Prot".  Enting  folgenden  Antiäii; 

«Es  möchte  die  Landesbibliolhek  ffir  die  von  ihr  im  Tauseh 
bezojrenen  Exemplara  unseres  Jahrbuchs  der  Vereinskasse  einen 
Betrag  von  einer  Mark  ffir  das  Exemplar  ent richten». 

Der  Antrag  wird  angenommen.  Geheimerat  Barack  als 
Dii  f  kt<ir  der  Landes-  und  Universitätsbihlioihek  will  weiter 
fiJ)erlejien.  wie  tr  sich  in  Zukunft  in  Betreff  der  Tauscliexeni- 
plare  verhallen  will. 

Dr.  Hans  Lienhart, 

Schrfltlidii  4't . 


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Uebersiclit 


über  den  Inhalt  der  Bände  1— XII. 
I.  Mitarbeiter. 

Arnold  M. :  XI  185—137. 

Bargmann  A. :  II  174-176;  II  178-191«  III  115-145,  V  151—160; 

IV  101—104.  VI  I  '.l  u.  132,  XI  20. 
Bastian  Ferdinand:  XI  75—76. 
Bechstein  0  :  VII  1—82. 
Bolte  0.:  VI  70-- 82. 
Bresch  F. :  VIII  8^—137.  IX  194—342. 
Bachenao  H  :  I  109.  1 10. 

Bühler  W.:  Bilder  V  156;  X  (Tgl.  X  284-285.) 

V  Da  leisen:  V  151  — IßO. 

Dahlet  J.  :  VII  ITÖ-lT-i. 

Iieecke  W.:  VIII  37-44;  X  1  —  11. 

Dtetz  Augost:  III  109.  110;  XII  1. 

Eber  Carl:  III  91—98;  VI  183-137. 

Ehi  ism.uin  II  :  X  110—164. 

EnstVl  U  i  E  l  :  II  159—165;  V  107-111;  Vil  lÜl-105. 

Erdmann  M.  XU. 

Ericbson:  II  178-191. 

Fabar  K  W. :  IX  4-75.  XII  44-57. 

Francke :  II  178—181 ;  II  193. 

Friedrich  A. :  XI  132-134. 

Fnchs,  .A  :  IV.  122^129. 

Gasser:  II  178— IDl 

Gayeliu  Georg:  l  77.  7d;  II  10i)-l73;  II  178-191. 
Graf  J  r  IV  80-89. 
Grabet  JoUns:  X  189-216. 

Hackenschmidt  K  :  VIII  45^56. 

Hedera  IhAiK  :  X  98-95. 

Hering  Ed.:  I  45-56  ;  II  9ö— III. 

Herrenschneider  E  Ä.:  1  25-39,  II  156-158;  III  77—80.  ■ 
Hertzog  A.:  VIU  ä07-225;  X  65  -90;  XII  3-39 
Hollaender  Alcain  :  III  94-98;  V  112-114. 

Horning  Wilhelm  :  VI  11- Gl. 

Hots  h  Daniel  Gustav  Adolph:  VIU  182—193;  X  1^5—170, 
Ihme  F.  A. ;  I  67  —  76. 


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—   2ü6  — 

Jansen  :  V  151-160. 

Kassel:  X  1«0-188;  XI  138-201  ;  XII  68—66. 
Knod  G.  :  T  54— 6ß. 
Koßsmann  E.  F.  :  X  96-109. 
Lancbert  Friedrich :  VI  120--180. 

LempMd  H«iimcb:  III  65-  76;  Hl  144  und  145;  IT  88— 100. 

Lempfrid  Tritt :  HI  81—90. 

Let7  Fl  itz  :  VI  69—75. 
Letz  Karl:  X  02-64. 

Lienhart  Hans:  il  112-144.  III  23-56.  IV  19-62;  lU  189 und  190; 
VU  188-199;  VH  907.  908;  VHI  76—80,  XI  808-206;  Tin 
164.  165;  IX  167—193;  X  251—288. 

Lfip«r  C. :  U  72-95. 

Lnstig  Ä.:  VIl  181.  182. 

Mankel  W.  .  III  189.  190;  IV  130. 

Marckwald  E.  II  214—260;  III  146—188. 

Martin  Einst:  5-24;  lUo;  107;  II  61  lu  68;  145—165; 
193—194;  1111—29;  189  n.  190;  63—56;  116;  IV  57— 62; 

130:   131:   1.^2-135;    V  90-106:  141-1Ö0;  VI  81  u.  82; 
82u.  83;   84-95.  97-107;  117;   154-160;    VII  109-116; 
117-122:  207  u.  208;  VIII    2—36;  IX  102-114;  129—147; 
167-193;  X  251-283;  XII  67—80. 
Mathis  Fritz:  Vil  150-174. 

Meuges  Heinfidi:  IX  115—128;  XI  77—109,  XH  81-106. 

Uündel  C:  I  107-100 ;  111-144;  H  187.  214—260;  UI  146—188. 

Natsler  F  :  III  106—109. 

Ney  C.  E  :  IX  148-166.  X  12-30. 

Oberthür  Emil:  VII  183—187;  VUI  194-208. 

Ratbgeber  Julius  :  I  82-87;  lY  63-71;  V  67-89;  VI  106-112; 

188— 148;VII  123-127 ;  128-140;  141—145 ;  VIII 67-  62;  81-84 ; 

84-87;  IX  98-101. 
Beinbatt  Th.  (s  auch  Theodor  Volpiniia).  I  1—4;  II  61—67. 
ReiUB  Rudolf:  II  196-213. 
Schadow  Richard  :  II  5—60 
Schemmel  :  II  178-191;  III  115-145. 
Schmidt  Adolf:  I  57-68. 

Schmidt  ChriaUan :  II  176  n.  177-;  VI  118  v.  119;  119  n.  120 ; 
VUI  1  n.  2;  IX  1;  2  n.  3;  X  91;  91  u.  92;  92  n.  98 ;  XI  1-3, 

Schöll  Th.:  X  31-36;  XI  21-38. 
Schräder:  III  110-145;  V  151-160. 

Schricker  August;  I  40-44;  III  99-106;  IV  122  u  123;  YII 

106—108. 
Socin  A.:  II  192  u.  193. 
Spaniar  U . :  VIII  68—75. 

Spieser  J.:  1 78-89;  n  166-169;  IV  72-79;  V  127-132 ;  133-140; 

VI  144-153;  VIII  138-142;  143—168;  1X23-97;  X248-250; 

XI  87-92.  200,-224. 
Spracbknndiger.  ein  «inbeimiacber :  XI  110—131. 


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—   207  — 


Stehle  Bruno:  UI  n7-tU:  115-145:   IV  112—121;  VI  161-180; 

VII  200—206  :  Vill  159— Ibl;  X  217-242  ;  Xil. 
Stengel :  1  87— 92  ;  XI  39—71. 
Stieve :  XI  7—19. 

Stdber  Adolf:  I  93—104:  UI  110— lU;  XY  105- III;  V  Il5*-ia6; 
VI  113—116;  VII  179^161:  VIII  996—239;  VlII  930  a.  231. 

Streiiiz  Franz:  IX  7i)  — 8jf. 
Tille  Alexander:  VI  02- (Jb. 

ühlhoru  A.;  lY  !  12— 121;  Vil  146-749;  IX  83-86. 
Ttüpiimi  Tlieodor  (s.  tach  Th.  Runhirt)  :  IV  6—18;  V  1*56;  VI 
1-10;  X  H7-61. 

Waldner  Eugen  :  XI  6. 

Walter  Tbeobald  :  XI  4-6:  Xll  40—48. 

Weiss  C.  Th  XII  121-!82. 

Welhly  Üustav:  VI  117  u.  118. 

WinckelmaDn  Otto:  VII  88—100 

Wolfram  Georg :  I  106  n.  107. 


n.  Nach  dem  Inhalte.' 

A.  Geschichte. 

a)  Staat»-  und  StamiuesgeHcbuhte. 

a)  Uczait  and  rdmische  Herrachaft. 

Die  Ligaier  im  Elsata,  X  1 — 11. 

Notiz  tiber  den  üisprunp  von  Barr,  II  9fi— III. 

Der  Donon  und  seine  iJenk'm&ler,  VII  1—82. 

Argentovaria-Horburg,  I  25—39,  II  156—158. 

Die  lloaella  des  Dec.  Uagiras  Ausouiiis  deutsch  IV  5—18. 

3)  M  i  1 1  e  lul  i  er. 
Drei  lateinische  elsässische  Kaisergedichte  aus  alter  Zeit,  Vi  1—10. 
Diehtnngen  des  Ermoldos  Nigellvs,  II  61—71. 

Die  Marca  aquileiensis  oder  Eichelmark,  IV  122—129. 
Oünthers  von  Pairis  Historia  Constantinopolitana,  V  1—56. 
Die  Grafschaft  Ober-Salm  in  den  Vogeseo,  XI  7—19. 

1f)  Neuzeit. 

Ein  Fürdeier  des  Verkehrswesens  in  Elsass-Lothxingen  im  16.  Jahr- 

hundert,  VIT  83—100. 
,Das  Vaterunser  so  im  Elsass  anno  1610  ist  gebetet  worden  von  den 
Baitam%  V  112—114. 


>  Die  Beitrftge  ünd  nur  einmal  angtlOhrt;  wenn  einige  an  meh- 
reren Stellen  erscheinen  könnten,  entschied  der  Hanptgesiohtspnnot. 


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—  ''im  — 


Ans  einer  elsft^sischeu  F.imiliouubrouik  Bilder  bus  dem  dreiMigjäh- 

iig.n  Kriege,  VII  124  —  121. 
Die»  Lieder  auf  »Strassbuigs  Ueboigabe  16>il,  VI  .6  —  83. 
Die  Gedenktafel  am  Qebartshaase  der  Lan*lgi-üfiu  Caroline  von  Hes- 

8en<Darmatadt  in  Straesbnrg,  II  194. 
Das  EUass  bei  dem  Ausbruch  der  fraiizösiichen  Revolution.  V  57— b9. 
In  der  .Schreckenszeit  von  Boorglibre  (Saint-Lonis)  nach  Colmar  und 

zurück,  VIII  2-36. 
Graf  Dürckheuii.  Ein  Lebensbild.  VIII  45  -  "■<(). 
Chronik  (fär  1684—1895)  I  14&,  U  2.il,  III  t9t,  IV  1S6,  V  16t,  VI 

ISI,  VII  209,  Vm  2S2,  IX  943,  X  286*  XI  2ib,  XII  24d. 

b)  Ortageschichte. 

3t)  Städt  e  und  Dörfer. 

Si.  AinaiiiitlKil :   Beamleu-  und  Bürgereide  des  St  As.,  III  65—76. 
Hagenau:  Die geschichtUcbe  Entwieklang  der  jetzigen  Eigentamsver- 
h&ltnisie  in  dem  heiligen  Forste  bei  H.,  IX  148*166,  X  12-30. 
Ingweiler  :   Auszug   aus  der  Chronik  der  Stadt  I ,  VI  69—  75.  Zur 

Geschichte  von  I..  X  G'J—U. 
Lothringische  Orte:  Vers«  hwiuidene  1.  O  .  IV  83—100. 
Hetz  :  Volkssprache  in  .M.  im  Ui.  Jahrhundert,  I  107. 
Uinveraheim:  Ifinwersbeim  oder  Minvenheim?  XII 56—66. 
KnCacb:  Zur  Geschichte  der  Stadt      XI  4— 6. 
Strassbnrg:  Das  napoleonische  Wappen  von  St.,  VII  10<i— 108. 
"Wattweiier  :  .Stailfordnnng  von  \V  i?n  Oberebass.  ITT  57— 6i, 
Weier  :  Aus  dem  öemeiudebuch  von  Der:"  W.,  Iii  77— fO. 

3)  Bargen  und  Schlösser. 

Bilstein  :  Die  zwei  Schlösser  B..  V  107— i  Ii. 

Fleckenstein :  Zwei  Berichtigungen  betreffend  Bnrg  F.,  I  67—76. 

Hohkünigsborg:  Le  ch&teau  de  Hohkoentgsboarg,  I  45-^56.  Notix. 

über  den  Neubau  von  U79,  II  192  u.  193. 
Heichenstein  oder  das  alte  Schloss  bei  Reiohenweier,  VII  101—105. 
ScUwauaa  zerstört,  I  lOä. 

c)  Kli'cbengeschlchte. 

Amuletriuge  des  Heiligen  Theobald  von  TUanu,  VIll  37—44. 

Das  Stift  Jang-St,  Feter.  Beitrftge  2a  seiner  Geschichte,  VI  11—61. 

Die  Sirassbnrger  nnd  di3  St.  Petersburger  Blessigstiftnng,  VIII  57—62. 

d)  Knnstgpeachichte. 

Die  Fensterrosetten  der  Parade  des  Sndkrenzes  am  Strassborger 

Münster.  T  l'»-4  l. 
Bilderwerke  an  Huuseiii,  lüü  u  HO. 

Haudzeichnungen  von  Thomas  Manier  zu  seiner  üebersetzoug  der 

Weltgeschichte  des  Sabellictis,  IX  102—114. 
Bilder  zam  Siegfriedslied  von  1580  i?\  VI  81-96. 


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Daniel  Specklin.  a«in  Lebeil  und  seine  Thätigkeit  Baumeister, 

II  h-m. 

Analecta  Specklimaua.  iL  196 — 213. 
Theophil  Schaler,  III  1—16 

e)  Ralturgeachicbte. 

(Gewerbe.  Zünfte.  Klimn.  UnirUi«;ksfalIc.  Strafordlintlg ) 
Zii!  Goi^(  hi«  !ite  (Jor  Bcr.'werke  bei  Maikirch,  II  72 — tfö. 
Schützenordnuug  von  Reicbenweier,  II  159--1*>6. 
Färberzuuftordnung  des  Bistums  Strassburg  iiixidet-  Grafäcliaft  Lieb» 

tenberg  vom  Jahre         60«  III  81—90. 
AbBchriffeu  einiger  Protokolle  der  Strnmpf«  nnd  Hotenttriekerzitiiit 

von  Oherbronn,  III  91-9.9. 
(Jidiiuiiireii  iler  Strassburger  Malcrzunfr,  III  99 — lOö. 
Eine  elsässiscbc  Mäklerzuuft.  VIII  209— 22>. 

Da»  els&Miacke  WirtahaasUhen  w&brend  des  Mittelalters,  X  65—90. 
Oescbtchte  des  Weinbaas,  XII  8—39. 
Harter  Winter  1789,  I  107—109. 

Brand  der  Herberge  zam  Spanhpt  in  Strassburg  HUT,  I,  57 — 63. 
Knlturhistorifiche-?  ans  den  .Jahren  154ß  und  1547.  IH  95 — 9S. 
Eine  Hinrichainij  in  Bischivciler  im  Jahre  1G07,  IX  ?J3— 86. 

f)  Sittettgeachicbte. 

Die  Hexenpifttze  in  den  Rafacher  Hexenproxeasen,  Xlt  40—43. 
Elsässer  Landestracht  im  10.  Jahrhundert.  III  94  und  95. 

Memorabilia  qnaedam  Arfronf or  if i  ob«ervntafa.  VI  62—08. 

Notizen  eines  Strassburger  Hitrgers  um  1620,  VII  109 — 116. 

Zur  elsässisehen  Sittengeschichte,  I  86  u.  87. 

Die  KnnkelstDbe.  VIU  76-80,  XI  209-208. 

Zur  Volkssitte  im  Elaass.  X  170— IJ^. 

Volkstrachten  in  Oberseebach,  X  284  n.  285. 

Zur  Volkskunde  im  alten  Hauam  rlanl  XT  13«^  -  201. 

Volkstümliche  Feste,  Sitten  und  Gebräuche  in  Elsass-Lothringen, 
II  178—191,  in  116—145.  IV  112— Iii,  V  151-160,  161—180, 
YII146  n.  147,  200-906,  Vm  IÖ9-181,X  217-942,  XII 188-198. 

sr)  L Itter rttm'jBreschit'ht^. 

Ein  bisher  iriib.  k  iniitt  s  Werk  Sebastian  Brants,  I  lOö  n  1<^7. 
lieber  Thomas  .Maruers  Ueberaetaangen  aas  dem  Hebräischen,  VIIL 

63  -75. 
Jörg  Wickran,  XI  6 
Petras  Dasypodias  XII. 

Ein  Strassbnr^'oi  Vogelbuch  von  15.Ö4,  IV  58- 5(i. 

Landsknochto  nnd  ITofleate  in  elsässischen  Dramen  des  16-  Jahr- 
hundert«. V  iHj— 106. 

Die  Schicksale  einer  Strasaburger  Bibliothek,  IV  63—71. 

Zur  Oeschichte  des  Meiatergesangs  in  Strassbnrg,  IX  76-83. 

Eine  Straaabnrger  Dichterin  ans  dem  Anfang  des  IH.  Jahrhnndarti» 
IV  57—68. 

14 


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—   210  — 


Elsiissische  Litteratur  zur  Zeit  (rattsi-heds,  VII  117—122. 
Der  Goethehügel  bei  Seseobeau.  Vi  97  —  107. 

Ein  btraasbarger  Scballehxer  uud  Geschichtsschreiber  vor  100  Jtltreil 

(JohannM  FM«m)»  X  Bl— 87. 
Angiitt  Sidber,  I  6— :f4,  VI  106—112. 
Adolf  Stöber,  Leben  und  Sohriften«  IX  199— U7. 

Georg  Gnydin   VT  121-13C. 
Georg  Zetter.  ill  19-22. 

Zwei  elsässicbe  Dichter  \^Carl  Candidus  und  Gustav  MtLhl),  II  146— 166w 

Jalinft  Friadrieb  Binil  Rathgeber.  Lebensbild  «inM  eltlniMben  «Tan- 
geliteben  Geuttiehtn  und  Qelehrten,  X  110—164. 

Drti  Mitfo rachern  zum  Gedächtnis  (Johann  Friedrich  Kr&ntcr,  Wil- 
helm itankel,  Johannes  Crn<7Pr\  V  14!— 150 
h)  Bdefe  von  horühmten  Männern  und  au  »olehe. 

Sechzehn  Briefe  Peter  Schotts  an  Geiler  von  Kaysersberg.  X  37—61. 

Zwölf  ungedruckte  Briefe  von  Pfeffel,  YII  120—140. 

Elf  durch  Lenz,  Voss.  Qottor  und  Oöckingk  m  Pfeffel  geriebtet* 
Briefe.  XI  91—88. 

Briefe  von  Hebel,  XTT  67—74. 

Briefe  von  I^udwig  Uhland  an  August  Stöber,  I  20 — 24. 
Briefwechsel  van  Adolf  Stöber  and  Gustav  Schwab,  X  96 -110. 


B.  Sprache. 

a)  Allgeneiaes. 

Aafrnf  tat  Heritellang  eines. ejeftiaisclisn  Idiotikons. IH  189.  190. 
Zorn  elsässischen  IdioUkon  17  181.  VI  154-160. 
Das  Wörterbuch  der  elsässischen  Mundarten  VII  207.  208. 
Zum  Wb.  der  eis.  Mnndartea  IX  167—198.  X  251-288. 

b)  BlisolttiUKtarteB. 

3t)  Oberelsass. 

Rnfacher  Ausdrücke  für  die  Begriffe:  trinken,  betranken  seiOt  Ge- 
wohnheitstrinker IX  115—128. 

Sprachproben  ms  dorn  Mtlosterthnle  179;  VI  144,  145. 

MftnstortlAler  Anekdoten  V  127.  188;  IX  87-91;  X  948.  960. 

Einige  Bemerkungen  zar  schriftstellerischen  Behandlung  der  Mund- 
arten durrh  Beispiele  aus  dem  Uftnstertliäler  Dialekt  erl&aUrt^ 
Vin  138-141. 

Schwammen  IV  180. 

MUnstertbUer  VolksliwUr  YII  81—106. 

llünstirthileff  Chmssfonneln  XII  107-120. 

3)  Dnterelsass. 
Strassbarger  Redensarten  XI  110—131. 

Die  linndait  des  fnlttlenm  Zornthales  lezicalisch  dargestellt  II 
118-144,  m98--M,  IT  19-59. 


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-  tili  - 


Alliteration.  Anonanz  and  VetgUichangen  in  der  ZornthaUr  Uandart 

VTT  i88-rjy. 

Zilliuger  Sprachproben  V  I  Vd — 140. 

Sprichwörter  in  Waldhambacher  Mundart.  In  lauttrener  Schreibung 
IX  98—97. 

Moodartliche  Sprachproben  aus  den  Dörfern  Wiebenweilert  Wald- 
hambach und  Rosteig  VITT  l'ii^ibß. 
Allerlei  us  um  Westrich  XI  39 — 64. 

Die  Saargemüuder  Redensart:   Ich  lege  den  Schlüssel  anfs  Grab 

n  198. 

v)  Das  JudendentBch  im  £laasi  XII 131—182. 

c)  Namenkunde 
(i)  Ortsnamen: 

Die  Form  Vosegns  als  alter  Name  des  Wasgans  II  194. 
Der  Name  Beleben  II  193.  li>4. 

Die  Münsterthäler  Ortsnamen  YIII  08—107 ;  IX  194-242. 
Die  MondartUcliea  Formen  der  Ortmamen  der  Umgegend  von  Wald- 
hambach XI  211—924. 

^)  Pereonenn  amen. 

Die  Eofacber  Vornamen  XI  99—109 ;  X(I  81-106. 
Die  MansterlhUer  Vornamen  XI  909.  210. 

G.  Litteratur. 

A)  iOedichte  in  der  Sebrlflspniehe. 

All  Vorwort,  von  Tb.  Beinbart,  I  1—4. 

Epistel  an  Angnet  StSber,  Jnni  1807.  von  F.  0.,  I  17—19. 

Poetisches  aus  dem  Elsass,  von  Adolf  Stöbsr  (t.  Das  Land  dei  fünf 

guten  W..  2.  Elsüsser  BauTierfniben.  3  Peter  von  Hagenbachs 

Vermählung  und   Sturz  Anno   1474,    4.  Kitter  Lazarus  von 

Schwendi  1522—1583),  I  93—102. 
Der  letste  Golteadienat  in  der  llattenkirebe  bei  Markireb,  Ton  Gt«ti- 

inger,  II  86  ond  87  Anmerkung. 
Die  weisse  Fran  am  Montorifelsen,   von  A.  Bargmann,  II  174—176. 
Mein  Elsas»,  von  Chr  Schmitt,  II  176  und  177. 
Fata  Morgaus,  von  F.  Nessler,  III  106 -1Ü9. 
FrOUings  Brantsng,  von  Diets,  III  109  and  110. 
Uhrieb  von  Hntten  in  llahlbaoaen,  von  Ad.  Stdber,  IV  105—109. 
Marie  Antoinette  in  Strassbnrg,  V  115-121 

£inige  nngedruckte  Gedichte  von  Aug.  Stöber.  1.  Lottchens  Engel- 
rnf.  ^.  Mein  Lied,  H.  Weihnachtslied,  4.  Verse  für  ein  Stamm» 
buch,  5.  Der  Gänse  Jubellied  bei  Erfindung  der  Stahlfedern. 
6.  Volkeliedchen),  VI  108—111. 


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—   ilü  — 


An  Adolf  Stober  zum  t'üiifzigjühngeu  Pfarieijabiläam  ftm  29.  März 

18bO,  vou  E.  Mniiia.  VI  117. 
Lebenswege,  vou  G.  VYetUly,  VI  117  und  118. 
Ein  Brantpaar,  von  Chr.  Schmitt.  VI  118  and  119. 
Der  Bosheitner  KeUerkiieg,  von  Chi  Sdimjit,  VI  119.  120. 
An  mein  EUass.  von  Chr.  Schmitt.  VIII  1 

£Uii  ungedrucktes  Gedicht  vou  Karl  Boese  (Btim  Ausstockeu  lu  Al- 

gerieu).  VIII  8ü  und  87. 
Daa  HildabiandBlied.  In  fraier  Nachdichtang.  Von  Ad.  Stöber,  VIK 

M&rzlied,  tob  Cbr.  Schmitt,  IX  1. 

Herbststimmuiig  von  ('iir  Schmitt,  IX  2. 

Der  Markircher  bilbeizwerg  (Eiuc  Vogesensage  in  freier  liearbeUung) 

vou  Chr.  Schmitt,  IX 
Albam  der  deaticben  Geeellsebaft  zur  Rettung  Schiffbrüchiger  1883, 

Ton  Ad.  Stöber,  IX  135. 

Frühling,  Tpn  Chr  Schmitt,  X  91. 
Ergebnnj».  von  Chr.  Schmitt,  X  91  und  92. 

Dichterwunsch  (Beiin  f-f-st  n  drr  Gedichte  von  August  Stüber),  vou 

Chr.  Schmitt,  X  üi  und  93. 
Graf  Hngos  Bueee,  von  Heder»  Helix,  X  9^~«9ö. 
An  Gnatay  Schwab  (Spitjahr  1837),  von  August  Stöber  X  108. 
Am  Grabe  Julius  Rathgebers,  von  Eduard  .Spach.  X  14ü 
Im  Hergfotst  (Nurh  trüh»-n  Krankhcitstageu  entStauden  in  Bocken  am 

Züncherseej,  von  Chi.  Schmitt,  XI  1. 
Abseits  (eutstandeu  in  Arn  am  Zürichsee),  von  Cbr.  Schmitt.  XI  2. 
Rückkehr  ans  der  Schweiz  1894«  von  Chr.  Schmitt.  XI  2  und  3. 
Auf!  in  die  Vogesen!  von  A.  Dictz  XII  1. 
Gedichte  von  C.  W.  Faber  XII  44-54. 
Gedichte  eines  FrühvoUendeten  |J.  C.  Gulmann)  XII  78—80 

b.  Gediehte  in  iler  Mandart 

Obereleäseieche  Dichtungen  von  Oayeltn  [1.  's  SchAferthal  bei  Snlz* 

matt.  Volkssage;  2.  Qnacksalverei,  Schwank;.  I  77  und  78. 
E  Gaartners  Gschichtel  von  Anno  1418  cStrasebnrger  Mundart),  von 

Ad.  Stöber,  I  102  und  103. 
Der  Bohnenkönig  (Strassburgcr  Mundart)  von  Ad  Stöbei.  1  103  uud 

104. 

D*zwfti  Stiftiichwesterle,  von  G.  Gayelin,  U  169— lYa 

Aufzug  elsässischcr  Bauern  vor  Kaiser  Wilhelm  am  14.  September 
1880  -^trassbur^ei-  Mundart>,  von  Ad.  Stöbor  Hl  110—113. 

D'Zit  isch  do !  d'Zit  isch  do!  (Strassburger  Mundart)  von  Ad.  Stöber, 
III  113  und  114 

Die  Holzschiitter  im  Wasgau,  von  Ad.  Stfiber,  IV  109  und  110 

Wie  ee  im  £)sass  in  Spinnstnben  zugebt,  von  Ad.  Stöber,  rV  110 
untl  111. 

Elsüs&ische  Dialektdichtnng  vom  Jahrp  1749.  IV  131  —  135. 

Wie  es  um  Neujahr  schueit,  auch  wenn's  nicht  schneit  (Strassburger 

Hundart),  von  Ad.  Stöber.  V  123  n^d  124. 
Der  Nnssbäiune  Klagelied  (Strassburger  Mundart)«  von  Ad  StÖber, 


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—   213  — 


V  125  and  126. 

Ein  Steckelburjer-Ausflag  (StvAssbarger  Uimdart),  von  Ad.  Stöber 

VI  IIH  uikI  114. 

£iti  Schifltfr&iechcn  auf  der  III  ^Strassbarger  Mundart),  von  Ad.  Stö* 

b^r,  VI  115  uud  liti. 
Knabenliedchen  im  Mai  von  Ad.  Stöber,  VI  116. 
Wie  goet  mer'8  in  der  Heimet  bet  (Strasibarger  Mundart),  von 

Ad.  Stüber.  VII  179—181. 
ürwes  lEriniiennig'.  von  A.  Luj.tig,  VII  ISI  und  182 
Mei6etilockeii>treicb  gegen    cUmi   Fianzosenkonig  Anno  1551  (Ötrass- 

bnrger  MuudartJ  von  Adult  Siüber.  Vlli  230  und  231. 
Slsate-Lied  (von  J.  Schoerliui,  IK  71-74. 
Dr.  Sandgäu  (von  J.  Otte),  IX  74  ond  75. 

Ans  vergilbten  Papieren,  ein  älteres  Gedicht  in  elsässiecber  Mandart : 
Meine  erate  ökonomiacbe  Mebisappe),  XI  72—74. 

c)  MondArtlfelie  Dramen. 

Der  Pankrats  —  Da  oder  e  Tbee-Owen  am  Waeeerzoll  iStraaebnr- 
ger  Mandart),  Schwank  in  einem  Akt,  von  Emil  Oberthttr,  Vit 

J8;i-]8<. 

Der  Hüsberr  (Stiassbnrger  Mundart]  Laetsi>iel  in  e.  Akt,  von  D.  6*' 

Ad   Morsch,  Vlll 

D'MiiJonediinde  üss  Amerika  oder  d' Verwände  uf  der  Prob  (htrass- 
bnrger  Mandart;,  Schwank  in  2  Akten,  von  £.  OberthÜTi  VIII 

Dr  Dnkel  (Straeabnrger  Mondart),  Com€die  in  ein  Akt,  von  D.  0.  A. 

Horsch,  X  lti5-179. 

£  Uochzydder  im  Kloidorkascbte  (Strassburger  Mundart),  Schwank 
in  1  Aufzug,  von  Jul.  Greber,  X  21(5. 

d)  VolkstOmliclte  SprkbwSiter,  Spiflche,  Reime  und  Lieder 

Ans  dem  Untereleaes  (Elalssische  Kinder-  und  Wi^nlieder.  Liebes- 

frennd  nnd  Liebeiachmerz  im  eUftstischen  Volkslied,  Der  frfihe 

Morgen,  t  8S>8ö. 
Kirme&s  Lied  aus  Deutsch-Lothringen,  I  80. 
Sprüche  in  Forbacher  Mundart,  IV  ^0— 82. 
Elsüssische  Kinder-  und  Wiegenlieder,  Kindereime.  VI  133-^37. 
Elsässisf  !ip   Sprichwörter    und    sprichwörtliche  Redensarten,  auch 

Volksremie  und  Kinderlieder  dabei  VI  13e— ll.t,  VU  141-146; 

VIII  «1-87,  IX  Ü8— 101. 
Spräche  zum  Necken,  Absäblen  usw.,  VII  147—149. 
Bbissische  Kinderlieder  in  Rappolteweiler  Mundart,  VII  105—174. 
Ter  Thiwelt  iUie  Törtel,  Gedieht   in  Völlerdinger  Mundart  VII 

175'-17a 

Liedchen  beim  Heiraths-Spiel  in  der  Knnkelatnbe,  VIU  80. 

Weihnachtslieder  St.  Veits-Lied.  Karfreitaglied  ond  Pfingetlied  aus 

dem  Snndfjau,  IX  60  und  61.  fi2.  (55. 

8  Urschel,  ein  Kunkelstuben  Lied  (von  Beidelle),  XI  207  und  206. 


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—  2i4  - 


e)  Märchen,  bageu,  bchwänke  auü  andere  Erzählungen  in  Pi>o»a. 

OL)  ■chriftdentieb«. 

Die  silberne  Kose,  II  U5. 

Elaämr  Sagen,  IV  101—104  (1.  Nächtliche  Irrfahrten  des  Ammer* 
sehweier  Müllan,  8.  Der  Oeiet  Lud  im  Biederthaler  SchloiSt  8. 
Der  nacbgemaohte  Hexeoritt,  4.  Die  ertappte  Hexenbvant).  VI 

131  — 

Sagen  und  Volksgr brauche  aus  dem  Sund-Gau,  IX  4—71. 
Der  goldene  A\  ageu  vom  Beichensee  (Eine  Mordfeldsage),  XI  20. 
Die  goldenen  Eiersohelen  toiq  Hagstein,  XI  75  oud  76. 
Ei  im  Fondament  efnee  Hansei  XII  64— 4M. 

mundartliche. 

'  BlaXaaieehe  VolktnSrcben  in  onterelBiieiacher  Mundart  (1.  Die  diei 
Wünsche,  2.  Das  Mirchen  won  Schnftrchele  und  Sebnirchele)»  . 

I  85  und  86. 

Sagen  und  Geschichten  aus  I*eutsrh  Lothringen  (1.  Dr  wild  Jüger. 
2.  Dr  Deiwel  nu  ae  Kartespieierc,  3.  Dr  Schäferpeter  an  dr 
Klee,  4.  Wie*i  Bftnrel  mehlt.  5.  Dr  alt  Jackob,  6.  Dr  growe 
Dokter,  7.  Wa  nas  mit  der  Ißlcbrapp?),  I  87— 

Dorfpubliciiät  vein  Volksscherz  in  oberelsissischer  Mundart),  VI  160. 

Anekdoten  ans  AU-Strass^nri?  1.  Wie  einer  d'verlorc  Muttersprooch 
wider  gfunde  hct,  2.  Der  ruhige  Hausvater,  3.  Was  die  Alten 
snngen,  das  zwitschern  die  Jungen)  XI  132—134. 

D5  P4raden  an  d'flOll  (Hnndart  von  Oentringen  bei  Diedenbofen) 
XI  185-187. 


Anhang. 

1.  Bibliographie. 

Eleass'Lothnngische  Bibliographie  188cJ  — 1884,  bearbeitet  von 
C.  Mündel,  I  111—144;  desgleichen  für  1885,  bearbeitet  von 
E.  Marokwald  nnd  C.  Httndel,  II  214—860 ;  desgleicbea  fOr 
1D88,  bearbeitet  von  B.  Uarckwald  nnd  C.  HUndel,  m  146- 
186 ;  desgleichen  für  1887,  IV  138. 

Anzeige  der  H.  Auflauf  der  Geicbicbte  des  Eleaaiet  von  0.  Loreni 
und  W.  Scherer.  11  lyö. 

Eine  Freisaufgabe  des  Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böh* 
raen,  II  196. 

Uebersirht  6ber  den  Inhalt  der  Binde  I— XII,  xn  906—816. 

2.  Statuten,  Gescbttftsordnnng^  SitsungBberichte. 

Statuten.  I  147. 
Geschäftsordnung,  I  147. 

Sitzungsberichte,  I  148,  II  852  and  838^  III  192  nnd  198^  IV  187  nnd 


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-   215  — 


138,  V  162  und  163,  VI  182  und  183,  VII  211  und  212,  VUI 
m  ond  m.  IX  m  und  245,  X  387  and  288.  XI  226—228,  XII. 

S.  VenMichnis  der  Vereine  nnd  CtoaeUschttften« 

welch«  mit  dem  Zwei^cnin  in  SehriilentattaaMh  getreten  sindf  II 
264-  966,  IV  189,  XI  2S6  nnd  927. 

4.  Veneiciiiiis  der  Mitglieder  des  Zweigrerelmi 

aus  dem  Jahre  188G,  III  194—204. 


Bilder 

in  Farbendrack  befinden  aich  im  Bd.  II.  V.  X. 


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JAHRBUCH 

GESCHICHTE,  SPRACHE  UND  LITTERATUR 

ELSASS-LOTHRINGENS 

HERAUSGEGEBEN 

VON  DSM 

HISTÜRISCH-LITTERARISCHEN  ZWEIGVEREiN 

DBS 

VOGESEN-CLUBS. 

XIII.  JAHRGANG. 


STRASSBÜKG 
J.  H.  ED.  HEiTZ  (HEITZ  &  MÜNDEL) 

1897. 

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Inhalt. 


L  Gediehto  von  Chri*tia&  Sehmitt   1 

IL  StraMburg  mar  Zeit  des  erstan  Eng)ftnd«reiiifallM  136Ö  Ton 

Hans  Witt«   3 

m.  Die  Posiverbindnng  zwischen  Bari-  nnd  Sti-assbnrg  in  det 

2.  Hälfte  des  18.  Jabrbwiderts  von  P.  A.  Helm  er    .  66 

IV,  Niedermagstatt,   Beiträge  zm  Ktiltnrgeschichte  der  Dorf- 

Schäften  im  Sundgau  von   Theobald   Walter    .    .  72 
V.  Die  AdelsverbältnisBe  zu  Ingweiler  im  Ib. — 18.  Jahrhun- 
dert Ein  Beitrag  zor  Geschichte  dee  elefteiieefaen  Adele 
Ton  Dr.  Eaeiel  in  Hoehfelden  100 

Yl,  Ffeffel  und  Sunisin.  llitteilnitgen  von  Tb.  8 eh 011  .  .  IdS 
Vn.  ünb  ekannte  Gedieble  Ton  lloacheroeeh.  Ungeteilt  von  J. 

Bo  I  te  in  Berlin    151 

VIII.  Zur  Judensprache  im  Elsass  von  C.  W.  Faber  .  .  .  171 
'iX.  Das  Suffix  -i  in  der  Mundart  von  Bnfach  von  Heinrich 

Menges   184 

X.  Beiträge  znr  elsässiscbeu  Philologie  von  Ernst  Martin  203 

XI.  Die  Tracht  vun  Mietesheim.    (Zu  anserm  Bilde)  ....  227 

XH.  Chronik  fiir  18'JG   .229 

Xiil.  Sitzungsberichte   230 


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1. 


Gedichte 

Christian  Schmitt. 

I. 

Stimmungsbild. 

(1896.) 

Schwarzamflort,  wie  Riesensärge, 
SteigMi  dunkltt  Wolkanberge 
Fern  »m  Abendhimm«!  anf. 
Oloeken  kOnden  ernsten  SchlagM 
Rings  den  Fall  des  nni(i6n  Tages, 
Der  erlag  im  Kampfeslaaf. 

Seliw«r«  Seliatteii  «alloi  aiedtr. 

Jäh  verklingen  Lnst  nnd  Lieder, 
Und  die  Fluren  weinen  stnmm. 
Das  Gebüsch  der  Hugelhalde 
Schauert  auf,  nnd  auch  im  Walde 
Oeht  ein  klagend  Rannen  nm. 

Tiefe  Stille  nun.  —  Es  streichen 
I^ebel  übers  Land,  die  Zeichen 
Dm  Besiegerin,  der  Nacht  — 
Sieb,  da  naht  tie  selbst  I  Entboten 
Bat  sie  schon  ins  Feld  des  Toten 
Einen  Stein  znr  Ehrenwaoht. 


2  — 


II. 

Zu  einer  Verm'ählung^sfeier. 

(Ein  Oruss  rom  Züiichsee.) 
(1894.) 

Hell  stieg  die  Sonne  über  dem  Gestade 

Vom  Höhensaum  empor  im  Glanzgeschmeide  ; 

Nun  spiegelt,  weich  uroschmiegt  vom  Ötrablenkieide, 

I^r  Bild  sich  klar  im  feacht«ii  Wellenbade. 

Sie  zieht  dahin  auf  ihrem  heiterji  Pf;ide, 

Hoch  ob  der  Erde  Lust  und  ilaeni  Leide. 

Mit  mildem  Segeusblick  schaut  sie  auf  beide 

In  gleicher  Huld  herab  und  gleicher  Gnade.  —  — 

Dass  doch  so  rein  und  wolkenlos  Euch  bliebe 
Die  Zukunft,  wie  an  diesem  Tag  die  Sphären, 
Wenn  Ihr  rereint  nnn  geht  ins  Weltgetriebe!  — 

Ach,  Sorgen  wird  anch  Etier  Bund  gebären ; 

Doch  mög^  Euch  allezeit  der  Stern  der  Liebe 

Za  Häapten  stehn  and  Glück  und  Schmerz  verklären! 

Eurhaus  Bocken. 


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II. 


-Strassbur^'  zur  Zeit  des  ersten 
Engländereinlalles  136d. 


AJurch  die  umfassenden  Urkundenpublicationen  der  letzten 
Jabie  ist  eine  solche  Fülle  bisher  uobekannten  Materials  der 
Oefienltichkeif  übei^eben  worden,  dass  selbst  Deuei-e  Arbeilen 
über  elsAssische  Geschichte  in  ihren  Ei^febnissen  mehrfacher 
Richtigstellungen  bedörfen. 

Es  wäre  daher  eine  ebenso  notwendige  wie  lobnende  Auf* 
gäbe,  wenn  endlidi  t  inmal  eine  umfassende  Neubearbeitung 
unserer  Landesgesclüclite  ernstlich  in  Anj,MifT  j^enommen  würde. 
Ihr  mag  dnnn  auch  nn(  lifolponde  kleine  Darsl»  Illing  einer  in- 
teressantf'ti  Epuche  Strassburger  und  elsässiscbcr  Geschichte  als 
Baustein  dienen. 

Die  Englrui(ieioiiitTtIle  in  das  Elsass  sind  l^ereits  18!M  in 
einer  lialleuser  bis.sei  tation  *  eingehend  behandelt  worden,  aber 
lediglich  auf  Grund  des  damals  gedruckten  Materials.  Durch 
die  inzwischen  erfolgten  Urkundenpublikalionen,  namentlich 
durch  die  in  Band  V  des  Strassburger  Urkundenbucbs  mitge- 


^  liudolf  Bott,  die  Kriegszüge  der  engliscb-frauzösisclien  Sold- 
kompugni«eQ  nach  dun  EliaM  und  der  Schweiz  unter  der  Regierong 


Von 


Hans  Witte. 


V Orb em  e  r  k  u  ii  i^;. 


Kaiser  Karls  IV.  Halle  a.  8.  1891. 


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—  4 


teilten  neuen  archivalischen  Materialien  dürfte  sich  ein  Bild  er- 
geben, das  von  dem  zuletzt  ;:ezeicbneten  in  maDcben  Zügen  er- 
hebliche Abweichungen  aufweist. 

L  Erstes  Anklopfen  der  Engländergefahr. 

Der  nach  jahnehntelangem  Ringen  zwischen  Franlcrelch 
und  England  am  8.  Mai  1S60  geschlossene  Friede  von  Bretigny 
unterbrach  zwar  fQr  eine  kurze  Reihe  von  Jahren  die  schier 
endlosen  Kämpfe  zwischen  beiden  Staaten,  aber  den  langersehn- 
ten Frieden  führte  er  für  Frankreich  nicht  herbei.  Die  Söldner, 
mit  denen  auf  lieiden  Seilen  der  Kriep^  geführt  wurde,  dachten 
nicht  daran,  nach  Abschluss  des  Friedens  in  die  Heimat  zu- 
rückzukehren und  den  Rest  ihres  Lehens  mit  friedlicher  Be- 
schäftigung nuszuffilleü.  Der  Krieg  halte  liinea  lange  Jahre 
hindurch  die  Grundlage  ihrer  materiellen  Existenz  geboten. 
Und  wenn  die  beiden  Mächte,  in  deren  Solde  sie  bisher  gekämpft 
hatten,  nun  Frieden  miteinander  schlössen,  so  waren  sie  Manns 
genug,  den  Krieg  auf  eigene  Faust  fortzusetzen,  mitten  im 
Frieden  einen  Kriegszustand  aufrecht  zu  erhalten,  der  jedes 
politischen  Gedankens  bar  nur  den  einen  Zweck  verfolgte, 
doi  angesammelten  Suldnerschaaren  in  der  gewohnten  Weise 
ihren  Lebensunterhalt  zu  verschaffen. 

So  hatte  sich  die  Lage  Frankreichs  durch  den  Friedens- 
schluß?: knnrn  ;_'el)ess»'rf .  Zwar  besland  iiiil  En^iland  Fi'ieiie, 
aber  dessen  Söldnerheer  nicht  nur  sundern  aucii  die  \on  Frank- 
reich .selber  entlassenen  kriegsgeübten  Schaaren  hausten  in  dem 
erschöpften  Lande  so  schlimm,  wie  es  nur  ein  auswärtiger  Feind 
thun  konnte.  Die  Nachharifinder  Spanien  und  Italien  wurden 
von  ihren  Plunderuugszügen  gebrandschatzt,  und  auch  das- 
deutsche  Reich  sollte  noch  schwer  unter  dieser  Geissei  des  west- 
lichen Europa  leiden. 

Im  sri(l\\<'>tlichen  Deutsc  hland  war  man  schon  früh  auf  die 
von  P^'ankreich  her  drohende  Gefahr  aufmerksam  geworden. 
Gegen  Ende  Juni  1360  war  ein  englisi  hei-  Haufe  vor  Vesoul  er- 
schienen und  halle  die  Stadt  mit  slürtnend  r  Hand  «genommen. 
In  Montbeliard,  da*?  dem  Elsass  so  nahe  j^^elegen  nnd  durcli  so 
enge  Beziehunjren  mit  ilini  ^i  iliunden  war.  fühlte  man  ^ich 
schwer  beunruhij^u  denn  man  iiatte  m  Eilaiiiung  gebracht, 
dass  das  englische  Heer,  dessen  Stärke  man  auf  10000  Pferde 
schätzte,  in  das  Elsass  einfallen  wollte.  Der  Weg  dortbin  führte 
durch  die  Grafschaft  Mömpelgard,  wahi'scheinlich  auch  über  die 
Hauptstadt  selber,  der  sich  die  feindlichen  Schaaren  immer 
mehr  näheiien.  Schon  waren  sie  bis  nahe  an  Lure  vorgerückt. 
So  berichtete  man  voller  Sorge  an  das  in  nächster  Linie  be- 


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—  5  — 


drohte  Basel,i  das  sich  beeilte,  durch  Weitergabe  dieser  Alarm- 
naehricht  auch  Sirassbury  auf  zu  erwartende  schwere  Ereignisse 
vorzubereiten. 

Bald  langten  auch  direkte  Nachrichten  in  Strassburg  an : 
Am  19.  Juli  13(30*  berichlol  Hans  zum  Baume  aus  Thann  dem 
Ikleister  und  Rat  von  der  Gesellschaft  der  «Engeischen»,  die 
sich  in  Vp«oul  fest^jesetzt  hatte  und  von  dort  aus  das  umIiop:ende 
Land  verheerte.  An  dem  vernichtenden  Schlage,  der  \im  den 
Herren  von  l.oihringen,  Bar,  Bnr;^nind  nn(\  Savoyen  ^e^on  sie 
geplant  war,  wollte  sich  aucli  «nienig  hidermau»  auü  dem 
EUaäs  und  den  benachharleß  deutschen  Landschaften  beteiligen. 
Oraf  Hans  von  Habeburg,  ein  Bitter  von  Toggen  bürg  mit  2 
Söhnen  und  «die  gesellen  uff  den  zwein  Sewen»  zogen  den  V^r- 
leidigem  des  burgundischen  Landes  zu  HQlfe.  Sie  trieb  nur  die 
Lust  nach  Abenteuern  in  den  Kampf,  deun  noch  schien  ihnen 
die  Heimat  —  wenn  auch  dem  Schauplätze  dieser  Ereignisse 
nicht  tern  —  nicht  unmittelbar  bedroht,  und  auch  dem  Schrei« 
l)er  dieses  Briefes  ist  von  einem  heahsichtifiten  Eindringen  der 
Engländer  in  das  elsässische  Land  nichts  beknniit. 

"Die  Kaniitflüst  dieser  deutschen  Herren  konnte  tür  diesmal 
noch  Keine  Betriedi^^ung  finden,  denn  schon  am  23.  Juli  gelang 
es  dem  Herzog  von  Burgund,  durch  Zahlung  einer  beträcht* 
liehen  Summe  Geldes  die  englischen  Führer  zum  Abzug  aus 
dem  Lande  zu  veranlassen.  So  wurde  das  niVrdliche  Burgund 
von  einer  grausamen  Landplage  erlöst,  und  damit  war  auch 
für  die  benachbarten  deutschen  Landschaften  die  Gefahr  eines 
Einfalles  dieser  Söldnerschaaren  bis  auf  Weiteres  in  eine  grössere 
Feme  gerückt.  — 

Aus  dem  äussersten  Süden  Frankreichs  drang  im  folgenden 
Jahre  auch  nach  Strassburg  der  Hfilferuf  des  Papstes.  I)ie.ser 
hatte  sich  in  seiner  schweren  Bediän^nis  durch  eine  «böse  Ge- 
sellschaft» hülfesuchend  an  Kaisei-  Karl  IV.  gewandt,  der  nun 
zur  Beratung  hiorüber  und  übei  andere  Anliegen  des  Reichs 
die  Boten  des  Strassburger  Rates  auf  den  20.  Marz  nach  Nürn> 
berg  entbietet.^  Das  war  das  erste  Mal^  dass  sich  die  Reichs- 
gewalt selber  mit  der  Eugländergefahr  zu  befassen  hatte. 

Zwar  konnte  von  einer  Gefihrdung  deutschen  Bodens  vor 
der  Hand  noch  keine  Rede  sein,  aber  wer  konnte  dafür  bür- 
gen, dass  die  nahezu  das  ganze  Frankreich  erfüllenden  Frei- 


i  Am  4.  Juli  vgl.  den  Abdruck  im  Anhang.  Dasa  Clerc»  Essai 
€ur  l'histoire  de  la  Frauche-Coiute  II,  117. 

«  Strassbnrgev  ürkundenbnch  (Str  ü.  B.)  V  nr.  019. 

3  Str.  U  B.  V  iir  hm  am  14.  Febr.  1861.  Der  Tag  wurde  aaf 
den  11.  April  verschoben. 


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—  6  — 


beulersehaaren  nicht  eines  Tages  auf  den  nahe  liegenden  Ge- 
danken kommen  würden,  dies  schon  durch  den  voraufgegangenen 
Krieg  bis  aufs  Blut  ausgeplünderte  Land  zu  verlassen  und  in 

die  })enachbarten  deutschen  La ndsc  haften  einzubrechen,  wohin 
schon  die  Aussicht  auf  weit  reichere  Beute  locken  musste. 

Vielleicht  waren  es  Erwägunjren  dieser  Art,  welche  zum 
Abschlüsse  des  ersten  elsässischen  Bündnisses  gegen  die  Eng- 
I3n<ier  tüln  ten.  Jedfiilalls  war  eine  wirkliche  Gefalir  nicht  vor- 
handen, als  am  56.  Juni  1361  Bischof  Johann  IL  von  Strass- 
burg,  Abt  Johann  von  Murbach,  die  Herren  Hanneinann,  Ludwig 
und  Symont  von  Lichtenberg,  Ottemann  Herr  zu  Ochsenstein, 
die  Stadt  Strassburg,  Stislav  von  der  Weiten m Ahl  als 
Unterlandvogt  im  KIsass  und  die  10  Reichsstädte  (Hagenau» 
Colmar,  Schlettstadf,  Weissenburg,  Oberehnheim,  Rosheiro, 
Mülhausen,  Kaysersberg,  Türkheim  und  Münster)  sich  in  Möls- 
heim bis  zum  25.  Dezember  verbündeten  gegen  «die  geselleschaft, 
die  ielzent  gewesen  ist  in  dem  lande  zü  Frankri(  Ii,  die  i^^enant 
warent  in  ^^emeinem  Iftffe  die  Engellender».  i  Diese  führten 
gegenwärtig  im  Dienste  des  Markgrafen  von  Monllerrat  in  Italien 
gejjen  die  Vifjconli  Krieg.  Daher  auch  wolil  die  geringe  Be- 
teihgung  an  dem  Bündnis,  das  dies  erste  Mal  noch  durchaus 
auf  das  Elsass  lieschränkt  war ;  daher  sein  summarischer  In- 
halt, der  sich  damit  begnügte,  die  Aufnahme  von  Angehörigen 
oder  Helfershelfern  der  «Gesellschaft»  2U  verbieten  und  den 
Gliedern  des  Bundes  die  Pflicht  bewafTaeten  Einschreitens  auf«> 
zulegen,  falls  eine  «huffunge,  samenunge  oder  geselleschafl» 
gemeinschidlicber  Art  im  Lande  entstünde.  Das  wo^r^'^zon  man 
sich  vereinte,  war  also  nicht  ein  gewaltsamer  Einbruch  grösserer 
bewaffneter  Massen  in  das  Land,  sondern  eine  Zusammenrottung 
von  herübergelaufenem  Iresindel  aus  den  Frankreich  plündern- 
den Randen,  verstärkt  tlurcli  einheimisclie  gei.stej> verwandte 
Elemente.  Und  dass  man  fürs  erste  nicht  au  die  Bildung  grossje- 
rer  Banden  dachte,  geht  daraus  hervor,  dass  zunächst  nicht  der 
Bund  sondern  allein  das  nächste  Bundesglied  zum  Einschreiten 
verpflichtet  war.  Dies  hatte  das  Recht  im  Notfalle  den  näch* 
sten  verbfindeten  Nachbarn  zu  mahnen»  der  dann  mit  aller 
seiner  Macht  Hülfe  leisten  sollte.  Und  erst  wenn  beider  Kräfte 
nicht  ausreieliten,  sollte  auf  ihre  Mahnung  der' ganze  Bund  in 
Thätigkeit  treten.  Weiler  enthält  das  Bündnis  nur  noch 
die  Bestimmung  des  Schadenersatzes  und  erfeilt  dem  Hischof 
und  der  Stadt  Strassburg  sowie  Slislav  die  Befugnis,  neue 


1  Str.C.  ß  V  nr.  542.  Bas  Btkndnii  liegt  nar  als  Pergament- 
Concept  im  Strassburger  Stadtarchiv  vor  Dass  es  aber  thatsächlich 
abgeschlossen  war,  dürfte  kaum  zti  bezweifeln  sein;  vgl.  unten. 


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-   7  — 


MiUrlieder  namentlich  Basel  und  Freiburg  in  den  Bund  aufzu- 
nehmen. 

Die  im  September  1361  erfolgte  Rnckkehr  der  Haupt- 
masse des  Söldnerheeres  aus  Italien  und  ihre  Fesl.setzunj.'^  in 
Brij^nais  bei  Lyon,  wo  -.ic  amti.  Api  il  V.M)"!  dem  französi.schen 
Heoie  tinU^r  .lakol)  vi»ri  Hourhon  eiiif  \tMniclitende  Niederlaj:e 
beiluac-lilt;,  koiintfii  nicht  ohne  \Virkun<j  auf  das  Elsass  blei- 
l»en.  Die  Gefahr  war  um  ein  ^iites  Stück  naher  ^'erückt  ;  da- 
gejy'en  war  das  Bündnis  gegen  die  Engländer  am  25.  Dezember 
1301  abgelaufen.  Auf  einem  Tage  in  Schlettstadt  am  25.  April 
1362  kam  die  Erneuerung  dieses  Bündnisses  zur  Sprache :  seine 
Erweiterung,  die  bereits  in  der  Bundesurkunde  vom  26.  Juni 
1361  ins  Auge  gefasst  war^  wird  jetzt  bestimmt  in  Aussicht 
genommen.  Zur  eingehenden  I^eratun;;  des  Bün<it)isses  wird 
ein  Tag  in  Schlettstadt  auf  den  3.  Mai  angesetzt.»  Und  am 
25,  Mai  erfolgt  dann  in  Colmar  sein  offizieller  Ahschluss.' 

Die  ei'höhte  Gefahr  halt(»  die  Beteiligung  ausserordentlicli 
^■esteijit'rl.  Ausser  den  Teihieinnern  am  ersten  Bfuulnis  lindtMi 
wir  jetzt  in  der  Bündnisurkunde  als  Mitglieder  genannt  : 
Bischof  Johann  von  Basel,  Bischof  Johann  von  Gurk  als  Ver- 
weser der  Herzöge  von  Oesterreich  zu  Schwaben  und  Elsass, 
die  Grafen  Johann  von  Habsburg,  Johann  und  Hugo  von  Ffir- 
stenberg,  die  Herren  Walther  und  Heinrich  von  Geroldseck- 
Tübingen,  Johann,  Ulrich  und  Bruno  von  Rappoltstein,  Johann 
und  Friedrich  von  Geroldserk  am  W.isichen,  Heinrich  von  Ge- 
roldseck-Lahr, die  freien  Städte  Basel  und  Freiburg,  die  Reichs- 


»  Str.  U.  B.  V  nr.  &57  and  ööö.  Beide  Stacke  sind  ohne  Jahres- 
angabe.  Naeh  ihrem  Inhalt  hat  bisher  noch  kein  Engländereinfall 

stattgefunden,  und  in  das  Jahr  1375  können  sie  schon  deswegen  nictit 
gehören,  weil  man  damals  Ende  April  nnd  Anfang  Mai  von  einer 
Engländergefahr  nichts  ahnte.  Das  erste  Manifest  des  Herrn  von 
Coaey  wurde  erst  am  H  August  in  Paris  geschrieben.  Das  späteste 
für  die  Datierung  in  Betracht  kommende  Jahr  ist  also  I3G5.  Dies 
ist  aber  ausgeschlossen,  weil  in  ihm  bereits  im  Januar  weit  vorge- 
schrittenere Verhandinngen  über  Rüstungen  stattfinden.  Ebenso  die 
Jalirt'  ]'^>V.\  und  weil  in  ihnen  ein  Bündnis  gegen  die  Engländer 

bestand  vgescblossen  am  2b.  Febr.  1363 — i3ö4  Dec.  25).  Da  das  erste 
von  beiden  SQsammengehörigen  Stücken  einen  früheren,  bereits  abge- 
laufenen Bund  gegen  die  Engh'indf  r  erwähnt,  so  bleibt  ffir  die  Datierung 
allein  das  Jahr  1362,  das  sich  von  vorn  herein  durch  den  unmittelbar 
folgenden  formellen  Bändnisschluss  empfiehlt,  mit  absoluter  Sicherheit 
bestehen.  Weiter  folgt  daraas.  dass  das  Bündnis  von  1861  formell 
abgeschlossen  worden  ist  (vgl.  oben). 

*  Str.  ü.  B.  V  nr.  560.  Welche  Besorgnis  der  Erfolg  der  Gesell- 
schaft gegen  das  französische  Heer  weithin  in  deatschen  Landen  her- 
vorrief, zeigt  die  Thatsachc.  dass  sirli  im  Jahr  1362  auch  ein  starker 
mittelrheinischcr  Bund  gegen  die  Engländer  bildete.  Vgl.  Böhmer- 
Hnber  Rsiehssachen  nr.  876. 


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—  8  — 


Stadt  Selz  mnl  die  w  in  t lern iiergische  Vogtei  Reiclieuweier,  So- 
iiiil  stollle  (loi  lU\n*\  nahezu  eine  Vereinigung  des  ganzen  ober- 
rlteiaiächeu  La/ules  dar,  und  die  Grenzen  des  von  ihm  zu 
schützenden  Gebietes  bildeten  dem  entsprechend  die  Kumm- 
ÜDieh  des  Wasgau  und  des  Schwanwaldes  von  Wdssenburg 
und  der  Oos  bis  St.  Hippolyte,  Montböliard»  Beifort  und  Rhein- 
felden.  Sachticli  zeigt  das  Bündnis  keine  erheblichen  Abweich- 
ungen von  seinem  Vorgänger.  Seine  Dauer  ist  auch  sehr  kurz 
—  bis  zum  25.  Dezember  —  bemessen.  Auf  den  Tagen  zu 
Schlettstadt  hatte  man  eine  längere  Dauer  in  Aussicht  genora- 
men.  Aber  der  Kaiser,  dessen  Genehmigung-  eingeholt  werden 
musste,  scheint  nicht  darauf  eingepanjren  zu  sein.  Ihm  blieb 
sogar  tiolz  i\>'v  kurzen  Dauer  des  IJiuidnisses  die  Berechtigung 
dieses  autzuhebcu  ausdrücklich  iiewahrl. 

Am  28.  Februar  1363  wurde  das  Bündnis  in  derselben 
Form  und  Ausdehnung  —  es  fehlten  diesmal  nur  die  Herren 
von  Rappoltstein  —  zu  Colmar  erneuert  und  bis  Weihnachten 
1964  ausgedehnt.^  Jetzt  hatte  es  in  der  That  den  Anschein, 
als  sollte  es  bald  praktische  Bedeutung  erlangen  :  die  Engländer 
waren  Anfang  des  Jahres  1363  unter  der  FQhrung  des  gefürch- 
teten Erzpriestcrs  Arnold  von  Cervolaals  Hülfsiruppen  des  Grafen 
von  Vaudemont  gegen  den  Herzog  von  Lothringen  und  Bar 
in  dessen  Land  eingefallen.  Auf  die  dringenden  Vorstellungen 
Graf  Eberhards  von  Württemberg,  des  Schwiegervaters  des 
Herzogs  Johnnn  von  L'»iliriri;j:en,  s<hien  sirli  >o;:ar  Kaiser 
Karl  IV.  eütöchiussen  zu  halien,  zu  GuhsUti  iles  hart  liediiinp- 
ten  Lothringen  mit  der  Macht  des  lieicbes  einzuschieiteu  : 
wenigstens  forderte  er  am  5.  März  Strassburg  auf,  mit  aller 
Macht  dem  Unternelimen  gegen  die  Gesellschaft  zu  Hülfe  zu 
ziehen,  an  dem  sich  auch  «viele  Fürsten,  Herren,  Städte,  Ritter 
und  Knechte»  beteiligen  wollten.*  Jedenfalls  hatte  es  aber  mit 
dieser  Keichshülfe  gute  Weile,  wenn  bei  Karl  Oberhaupt  der 
ernste  Wille  vorhanden  war  in  diese  Kämpfe  einzugreifen. 
Sein  Brief  an  Strassburg  war  so  unbe.'^timmt  gehalten,  —  er 
enthielt  weder  eine  Angabe  der  Zeit  noch  des  Ortes  einer -mög- 
li(  heil  Vereinii;ung  des  iSlrassburger  (Kontingentes  mit  den 
(.•vi.'lrt)  Fürsten,  Herren ^  u.  8.  w.  —  dass  den  Sli assburgem 
kaum  etwas  /\nders  zu  liiiin  möglich  war,  als  diesen  Brief  als 
erhebenden  Beweis  kaiserlicher  Türsorge  zu  den  Akten  zu  le- 
gen.  Dafür  dass  in  Strassburg  Rüstungen  zum  Beistand  des 

1  Str.  U.  B.  V  nr.  567.  Die  Rappoltsteiner  hatten  bereits  die 
Toranfgebende  Bundesurkuude,  ui  der  t>ie  ali»  Mitglieder  genannt 
waren,  nicht  gesiegelt. 

*  Sur.  ü.  B.  V  iir.  568. 


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9  — 


Hei'zoj^s  von  Lothringen  stattgefunden,  oder  das  kai-Heiliciie 
Schreiben  irgend  eine  sonstige  Wirkung  gehabt  h&tte,  ist  nir- 
gends das  geringste  Anzeichen  zu  finden ;  ebenso  wenig  wie 
jemals  bekannt  geworden  ist»  wer  die  cvielen  Fürsten,  Her- 
ren» u.  8.  w.  waren,  die  nach  des  Kaisers  Mitteilung  für 
Lothrinrron  ins  Feld  ziehen  wollten.  Gethan  hat  es  niemand; 
der  Kaiser  selber  blieb  bis  Anfang  April  in  Nürnberg,  um  sich 
von  dort  wieder  nnrh  Pra^  und  weiter  nach  Polen  und  Schlesien 
zu  begeben.  l'n<\  wenn  sich  nicht  die  zunächst  bedrohten 
Fünften,  Herren  und  Slüiltf  von  Lotlirin{,^en,  Rar,  Luxemburg, 
Biali.'inl,  Trier,  Melz  u.  a.  sfllun-  jielioIlVii  liätten,  so  hätten  sie 
Wohl  lange  auf  die  Hülfe  des  Reichs  warten  können.  Vor 
ilueii»  starken  Bundesheere  zog  sich  die  Gesellschaft  wieder  in 
das  Innere  Frankreichs  zurück.  — 

IL  Strassburgs  Slädlebundspolitik. 

Ungeßbr  um  dieselbe  Zeit  und  wahrscheinlich  gefördert 
durch  die  trostlose  Unsicherheit  in  den  westlichen  Nachbar- 
ländern lebte  der  Gedanke  der  Gründung  eines  umfassenden 
Stadtebondes  wieder  auf.  Der  erste  grosse  rheinische  Städte- 
bmid  von  l^'  i  war  nach  kurzer  Zeit  des  Bestehens  wieder  zer- 
fallen. In  der  Folgezeit  hatte  man  einen  Ersatz  für  ihn  ge- 
sucht, indem  sich  die  Slädle  nach  ihrer  landschaftlichen  Grup- 
pierun»j  zu  Einzelbündnissen  zusammenschlössen,  l^nter  den 
SlädltMi  des  Oherrheins  nahm  Sirassburg  sdion  (hiirii  seine 
Giü^^se  ilie  erste  Stelle  ein.  Am  24.  März  1350  halle  e»  sich 
mit  Basel  und  Freihurj^,  Breisach  und  Neuenbürg  wieder  zu 
eiuem  Bunde  zusammengeschlossen,  in  dem  es  die  unbestrittene 
Führung  in  Hftnden  hatte. 

Am  weitesten  nach  Norden  vorgeschoben  und  dadurch  in 
stetem  freundnachbarlichem  Verkehr  mit  den  sogenannten  nie- 
deren Stadien«  den  freien  Reichsstädten  Mainz,  Wonns  und 
Speyer,  war  der  Stadt  Siia^sliurg  durch  die  Natur  der  Dinge 
die  Holle  eine-  vei  bindenden  Mittelgliedes  zwischen  diesen  und 
der  oberrheinisi  hen  Städtegruppe  zuerteilt.  iJer  Gedanke  einer 
Bundeserweiterung  bezw.  der  Vereini<:un<r  mehrerer  landschaft- 
licher Einzelbünde  zu  einer  «rrösseren  Einheit  lag  hier  ^ewisser- 
massen  in  der  Luft.  Bezeichnend  für  diese  Vermittlerrolle 
Strasshurgs  ist  e.s,  dass  es  sich  bei  der  Buiulesschliessuny  mit 
Basel  am  24.  März  135(i  ausdrücklich  die  Befugnis,  mit  Worms, 
Speyer  und  anderen  Bündnisse  einzugehen  vorbehielt.!  Das 

1  Str.  U.  B.  Y  m;  331  S.  'Sil, 


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—    10  — 


hätte  zwar  noch  keine  Bundeserweiterung  bedeutet,  sondern  le- 
diglich die  Abscblieseung  eines  neuen  Bündnisses  formell  un« 
abbäng^ig  von  dem  vorauft^egang^enen  aber  docb  thatsSchiich  mit 

ihm  in  einem  wenn  auch  losen  Zusammenhan«;  <;telioml  da- 
<liirch,  «1;(<-  cif!  Mit^hed  ihnen  beiden  premeinsani  war.  Und 
da  die»  lu msame  Glied  Slrassbur^^  luil  '-eirit^c  ;iclitun«r<j[ebieten- 
den  Muclitstelhmj*^  «rewesen  wäre,  die  anerkannle  Führerin  des 
einen  der  beiden  üünde,  so  wäre  wohl  ein  ^^edeihüches  Zu- 
sammenwirken beider  die  Folge  gewesen. 

Bald  sollten  indessen  diese  noch  unbestimmt  auf  das  Ziel 
eines  umfassenderen  Bundes  hindeutenden  Wunsche  und  Streb- 
ungeo,  die  während  der  nftchsten  iahre  völlig  geruht  zu  haben 
scheinen»  in  bestimmter  Form  wieder  auftauchen  als  fertige 
Pläne,  an  deren  Ausführung  von  Seilen  Strassburgs  mit  ziel- 
bewussler  Thatkraft  gearbeitet  wurde.  Der  Allammei'ster  Hnns 
Heilmann,  de<?«cn  ent«!eheidende  Mitwirkung  bei  fast  allen  Er- 
eignissen voti  politischer  \Virhti;j:keif ,  v(in  denen  Strassburg  um 
jene  Zeit  hetroffen  wurde,  deiitli(  Ii  zu  erkennen  ist,  hatte 
bei  einem  in  Strassburg  mit  dem  Luzerner  Bürger  Johann  von 
Büron  genaniil  Schriber  stattgehabten  Zusammenlreft'en  ein 
BQndnis  zwischen  den  Slädlen  Strassburg,  Basel  und  Freiburf; 
einer-  und  Zürich,  Bern  und  Luzern  andererseits  als  wunschens> 
wert  bezeichnet  und  ihn  beauRragt,  die  Sache  in  seiner  Heimat 
weiter  zu  verfolgen. 

Nach  längerer  Zeit,  nm  13.  Mai  1364,  berichtete  Johann 
von  Büron  über  den  Erfolg  seiner  Thätigkeil :  er  hatte  heimlich 
mit  eindussreichen  Lii/erner  Rntsmitglieder  geredet  und  mit 
deren  Unterstütznn;^^  Jtci  Zmii  li  und  liern  angekloptl.  Uehprall 
hatte  er  Geneigtheit  zu  dem  von  Heilniatin  an«^eregten  ikuule 
gefunden.  Jetzt  erbot  er  sich  die  Anheiaumung  eines  Tages 
zur  gemeinsameu  Besprechung  der  Angelegenheit  in  Basel  zu 
vermitteln.! 

Diese  günstige  Botschaft  wurde  alsbald  dem  Strassburger 
Rat  vorgelegt.  Auf  ihn  kam  es  jetzt  in  erster  Linie  an,  wenn 
die  wettschauenden  Pläne  Heilmanns  zur  That  werden  sollten. 
Der  Rat  ging  freudig  darauf  ein,  die  Sache  «war  ihm  ernst», 
wie  er  selber  in  seinem  Schreiben  an  Basel  mitteilte.  Es  wuixle 
ein  Tag  mit  Basel,  Freiburg  und  Breisach  anberaumt.  Aber 
nur  Basel  wurde  heimlich  mitgeteilt,  dass  die  Schweizer  Städte* 


»  Str.  ü.  B.  V  nr.  590. 

*  Der  Brief  sagt  nar  €die  von  Berne»;  es  sind  aber  jedenfalls 

die  im  Schreiben  Johanns  von  Büron  genannten  drei  Städte  gemeint. 
Unzweifelhaft  gehören  beide  Briefe  eng  zusammen.  Der  Brief  Strass- 
bnigs  an  Basel  (Str.  ü.  B.  V  nr,  591)  ist  nur  in  einem  Bniohstück  des 


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—  11  — 


geneigt  seien,  sich  ilneiu  ßüiulnisse  anzuschliessen,  damil  iliese 
Stadt  sogleich  Ober  diese  wichtige  Angelegenheit  Beschluss  fomen 
und  ihre  Boten  instruieren  könnte. 

Aber  nicht  allein  um  ein  Bündnis  mit  den  Schweizerischen 
Städten  sollte  es  sich  auf  jenem  Tage  handeln.  Strassburgs 
Pläne  {fingen  bereits  viel  weiter :  Es  hatte  gleiclizeitig  ein 
Bündnis  mit  den  elsässischen  Reichsstädten  und  den  «nie- 
deren  Städten»»  in,s  Auge  gefassl  und  hotrie  auf  Grund  ver- 
traulicher Mitteil nn,.'pn,  hierfür  die  Genehmi^run'^'  der  Krnsers 
zu  erlangen,  ohne  iKitür  etwas  von  den  städtischen  Freiheiten  und 
Hechten  aulopleru  ^u  uuissen.  Man  ^'laubte  sogar  in  Strassburg, 
dass  dieser  in  Aussicht  genommene  Städtebund  das  Verhältnis 
seiner  Glieder  zum  Reiche  weit  günstiger  gestalten  würde,  in 
sofern  sie  «iroe  (dem  Kaiser)  noch  dem  riebe  nit  soltent  vürbas 
beholfen  sin  wände  nuwentdaz  die  stetle  enander  beholfen  soltent 
sin,  alse  sie  g^en  enander  verbunden  werent».  Worauf  sich 
diese  Qberschwänglichen  HofTnnngen  gründeten,  lässt  sich  heute 
nicht  mehr  erkennen.  Aber  dass  ihr  Vorhamlensein  als  starker 
Ansporn  zur  Bundesscbliessung  wirken  musste,  kann  nicht  be- 
zweifelt werden. 

Tchpr  den  weiteren  Wrl.nif  der  Bunde^verhandlungen 
I1ie>si'n  ilie  Uerirlite  nicht  mehr  so  reichhaltig  :  ist  es  «loch  als 
ein  Ijesuiuiers  gluckhcher  Zufall  zu  begrüssen,  dass  von  so  in- 
timen Correspondenzen  überhaupt  noch  Spuren  bis  auf  uns  ge- 
langt sind. 

Am  24.  März  1365  waren  die  Boten  der  sechs  freien  Städte 


Conzeptcs  anf  der  Rüeksoitp  t  iner  Änfzeicbnung  von  Ratsvorlagen  er- 
halten, deren  eine  diesen  Biief  in  AaBsicht  simmtt  Ihm  sind  auch 
die  weiteron  obigen  Mitteilang«ii  «insehtietclich  des  wörtlichen  Citates 
entnommen.  —  Leider  enthält  er  keinerlei  Zeitangabe,  nnd  der  Briof 
Job.  von  Bürens  giebt  nnr  das  Tagesdatnm  ohne  Jahr.  Jedenfalls 
ist  dieser  der  frühere  und  Johann  von  Büron  der  in  den  Rats^orlagen 
enr&hnte  «frAnt.  .  .  .  der  uns  het  ges.it,  daz  die  von  Berne  gerne 
werent  in  nnserre  fnintsctiaft>.  Der  Biief  an  Bast  i  ist  wohl  nicht  Tangf- 
nach  Eintreifen  der  Mitteilungen  Bürens  geschrieben.  Beide  Stücke 
setzen  das  Bettehen  eines  Bfkndnisset  mit  Basel  voraus,  dadurch 
würde  sich  die  Zeit  von  1356  März  24—136^  Nov.  IT  als  Grenze  er- 
geben. Heilmaun  war  schon  vorher,  1H54,  und  innerhalb  dieser  Zeit 
1369  Ammeiater;  durch  seine  Kennang  als  Altammeister  wird  also 
nur  ilas  Jahr  1362  ansgeschlosüen.  Eine  bessere  Möglichkeit  der  Da* 
tierung  gewähren  die  folgenden  Ereignisse:  Der  Bund  mit  den  niedern 
Städten  wurde  am  15.  Mai  1365  geschlossen;  schon  am  1».  April 
(nr.  628)  war  man  dem  Abschlösse  nahe.  Nr.  590  und  501  müssen 
vorher  —  spütestons  1364  —  gewesen  sein  ;  nnd  bei  dem  Eifer,  mit 
dem  in  Strassburg  die  Bandesangelegenheit  betrieben  wurde,  dürfte 
man  kaum  ein  frflberes  Jahf  wählen:  schon  1363  wäre  anwabr- 
scheinlich  weit  von  den  Ereigni5;sen  des  Jahres  1365  abgerückt  und 
1362  vollends  nnmöglich  aas  obigem  Qrnnde. 


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—  42  — 


am  Rhein  in  Worms  zu  Beratungen  versammelt,  deren  Ei^eb- 
nisse  in  drei  Arliiceln  niedergelegt  wurden :  der  erste  bandelte 

von  der  Rückerslattung  gestohlenen  Gutes,  der  zweite  verbot 
den  Ueberläufern  zu  den  Engländern  die  Niederlassung  in  jeder 
der  spcbs  Städte,  der  dritte  endlich  setzte  fest,  dass  wer  «unfüg 
und  hose  unverli'^rf^  dinjr»  in  einer  der  sechs  Städte  hegangen 
hätte,  auf  (leren  Mahlum^;  in  j'Mler  der  übrigen  fünf  im  Falle 
der  Anwesenlieit  geriditet  weriir'u  mü.ss^le.  ' 

Von  Verhandlun;,'en  über  ein  Ünndnis  ist  aUo  in  dem  Pro- 
tokoll keine  Rede zu  solchen  war  auch  damals  keine  Veran- 
lassung, denn  ausser  den  Abgesandten  von  Mainz,  Worms, 
Speyer,  Strassburg  und  Basel  nahmen  noch  die  Boten  von  Köln 
an  den  Beratungen  teil ;  und  ein  BQndnia  mit  dieser  Stadt  war 
nicht  in  Aussiebt  genommen.  Wenn  daher  bei  der  offiziellen 
Tagung  die  Frage  des  Bündnisses  zwischcm  den  Städten  des 
Ober-  und  des  Mittelrheins  nicht  zur  Sprache  kommen  konnte, 
so  schliesst  dies  doch  keineswegs  aus,  dass  in  dieser  Angelegen- 
heil  die  Abgesandten  der  bot^'ili'^'^ton  Städte  in  vertraulicher  Art 
Füblung  miteinander  nahmeti.  Djss  dies  geschehen,  ist  sogar 
sehr  wiibrsLlieiidich,  denn  bereits  am  'iO.  Ajiril  s^ollle  wiederum 
in  Worms  ein  Tag  stattfinden,  auf  dem  noch  einmal  über  die 
drei  Artikel,  aber  auch  über  einen  Bund  zwischen  Strassburg 
und  den  niederen  Städten  verhandelt  wei-den  sollte.* 

Basel  konnte  sich  an  diesem  zweiten  Wormser  Tage  trotz 
offenbaren  Interesses  an  der  Sache  nicht  beteiligen,  da  es  das 
Einladungsschreiben  Strassburgs  erst  am  Abend  des  18.  April 
erhalten  halte.  Das  Ergebnis  der  von  den  Boten  der  Städte 
Strassburg,  Mainz,  Worms  und  Speyer  gepflogenen  Beratungen 
liegt  in  einem  ausfuhrlichen  Protokoll  vor: 3  eine  Freundschaft 
\\\yi\  ffMif'h  den  leüflen,  die  ilzunt  in  den  landen  sint»,  als 
^vÜIlS(•^»ens^vert  heliachlet.  Beisonders  soll  mun  einander  war- 
nen, falls  itsich  ein  folg  zu  samen  machte,  uie  daz  genant 
were,  .  .  .  daz  der  stete  eyne  schedigen  wolle  ....  und  dem 
eelben  folke  weder  beraten  noch  behülfen  zu  sin  wider  die  ob- 
genanten  stete».«  Wird  eine  Stadt  belagert,  so  sollen  die  an* 


>  Ötr  U.  B.  V  nr.  r,2i. 

8  Str.  U,  B.  V  nr.  628  ohne  Jahresangabe,  aber  chronologisch 
gesichsrt  durch  dio  Erwähnung  der  H  Artikel  vom  '24.  Müiz:  1365. 

^  Str.  U.  B.  V  nr.  629  ohne  jede  Zeitangabe,  aber  dem  Inhalte 
nach  mit  Sicherheit  auf  den  SO.  April  sit  datieren ;  fftr  ihn  spricht 
auch  der  genannte  Ort  der  Ilunilhnig  Worms  und  das  Fehlen  von 
Basel,  an  deasen  Beitritt  man  allerdings  nicht  mehr  gedacht  zu  haben 
«oheint  Denn  schon  am  t9.  April  in  seinem  Briefe  an  Strassburg 
(nr.  628)  schreibt  Basel  von  einem  «bmnt  zwischent  den  niedern  stet- 
ten  nnd  üch>  (niclit  uns). 

*  Diese  Bestimmung  bezieht  sich  zweifellos  auf  die  Engländer 


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—  13  ~ 


dem  ihr  zu  Hülfe  kommen.  Dann  wird  von  den  3  Artikeln 
der  ge^j'en  den  Uofug  gferichtete  wiederholt.  Ein  «^»oschworrner 
Bund  von  2 — Jnhren  Dauer  wird  in  Aussicht  genommen. 
Die  Düteii  sollen  diese  Punkte  ihren  Halen  vorlegen  und  von 
diesen  mit  Vollmacht  für  einen  weiteien  Tag  versehen  werden. 
Die  Räte  sollen  auch  über  die  Aufnahme  von  Fürstun  und 
Herren  in  den  Bund  fieschluss  fassen. 

So  schienen  die  Bemfihungen  Strassburgs  endlich  von  Er- 
folg gekrönt  werden  zu  sollen :  die  Notwendigkeit  der  Bundes- 
AcbliessuDg  war  von  den  Boten  der  beteiligten  Stftdte  rQckhalts- 
lo8  anerkannt  worden,  und  der  formelle  Abschluss  konnte  nun 
h!  riH'hr  Innge  auf  sich  warten  lassen.  .\ber  über  den 
Bundesbestrebungen  Strasshurgs  schien  ein  Unstern  zu  walten : 
Ein  Bündnis  mit  den  niederen  Stadien  kam  zwar  am  15.  Mai 
in  Weisseninnp:  in  aller  Fnrm  zu  stände ;i  aber  es  trat  von 
vorn  herein  vei .slüiniiieü  auf  den  Plan  :  Mainz,  )m  weitem  die 
hervorragendj>te  der  niederen  Städte  befand  sich  nicht  unter  den 
Gliedern  des  neuen  Bundes  ! 

Was  diese  Stadt  vermocht  hat,  im  letzten  Augenblick  ihre 
Mitwirkung  an  einem  Bündnisse  zu  versagenj  an  dessen  Zu- 
standekommen sie  noch  vor  wenigen  Wochen  milgearheitet 
hatte,  das  wird  sich  heule  schwer  ei^nden  lassen.  Anhalts- 
punkte,  die  ein  bestimmtes  Urleil  darüber  ermöglichen,  lassen 
sich  in  den  gleichzeitigen  Correspondenzen  nicht  entdecken ; 
und  in  offiziellen  Akten  sind  sie  von  vorn  herein  nicht  zu  er- 
warten. Sicher  ist  nur,  dass  kein  Bruch  zwischen  Mainz  und 
seinen  en<reren  !nittelrheiniselien  Bundesgenossen  stattfrefunden 
hatte,  dass  Wohl  aucli  keine  reindschaft  zwi«;rhen  ihm  und  Strass- 
huriT  bpslaud,  deun  in  der  Buiidesurkuude  wurde  ausdrücklieh 
von  Würms  und  Speyer  der  Beitritt  von  Mainz  vurhehalten. 
Im  übrigen  konnte  eine  Aufnahme  von  Städten  oder  Herren 
in  den  Bund  nur  bei  Einstimmigkeit  samtlicher  Glieder  erfol- 
gen.  Das  Bündnis  sollte  währen  bis  zum  11.  November  1368. 

Inzwischen  hatten  die  Verhandlungen  mit  den  Schweizeri- 
schen Städten  keineswegs  geruht.  Ihr  Ergeluiis  ist  uns  er- 
halten in  dem  Entwurf  eines  Bündnisses,  das  die  Städte  Mainz, 
Worms,  Speyer,  Strassburg,  Basel,  Freihur^%  Breisach,  Neuen- 
burg, Zürich,  Bern,  Snlofurn  und  Lu/.eni  unifasseo  und  bis 
Weihnachten  13(»S  wähieu  -rillte.  Dieser  uuu  hti^^e  Bund,  der 
die  drei  provinzialeii  Städtehüude,  des  Mittel-  und  des  Uher- 
rheins  und  der  Schweiz  zu  einer  politischen  Einheit  zusammen- 

imd  beweist,  eine  wie  grosse  Rolle  deren  drohender  Einbrach  bei 
den  Bnodaabsstiebniigen  Stnwtbnrgs  gespielt  hat. 
1  Str.  U.  B.  T  nr.  688. 


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—  44  — 


f,T->;tp,  (Ifi*  sich  von  M.tinz  ttof  in  das  Alpengebiet  hinein 
ersitreckle,  sollte  (he  Kt<'iuni;:  iit  >  von  Str.issburj;  err>liehien 
Bundesjjehüudes  dar.sieüen.  In  ihm  waien  alle  Be-^tandteile  ver- 
einijj't,  aul"  deren  Milwirkuiij;  mau  vor  der  Hanu  rechnen 
konnle,  und  dnrch  seine  Besiegelung  wäre  das  Städlewesen 
des  deutschen  Südwestens  zu  einem  HacJitfaktor  erhoben  worden, 
dem  in  seinem  Bereiche  kein  ebenbürtig^es  politisches  Gebilde 
an  die  Seite  gestellt  werden  konnte  und  der  sich  auch  in  alten 
Fragen  der  ReichspoHtik  die  •.'^ehiihrende  Beachtung  zu  erzwin« 
gen  Venn  life.  Und  für  diese  ohnehin  schon  SO  mficht ige  Ver- 
einigung he-^Jand  die  Möghchkeit  einer  naliezu  unljegrenzten 
Ausdehnung,  indem  jeder  tlcr  drei  Gniftiteu  ;:e5ttat(et  werden 
sollte,  Herren  und  Slftdte  in  <len  Iliind  ;iul zunehmen.  Für  den 
Oberrhein  wären  in  dieser  Bezieliuu^  wohl  in  erster  Linie  die 
elsässischen  Reichsstädte  in  Betracht  j^ekuniniL'u,  die  Stras.si)urg 
ja  schon  seil  längerer  Zeit  in  seine  Bundesplüne  einbezogen 
hatte.  —  Am  15.  Juni^  sollte  noch  ein  Tajj^  in  der  At.^  .ogen- 
heit  dieses  grossen  Bundes  zu  Breisach  stattfinden. 

Hatte  Strassburg  in  seiner  Bundespolitik  den  niederen 
Städten  gegenüber  wenigstens  einen  halben  Erfolg  erzielt,  dieser 
weil  grösseren  Sache  der  Begründung  eines  nahezu  allgemeinen 
südwestdeutschen  Slüdtebundes,  einer  Vereinigung  jedenfalls, 
die  diesem  erstrebten  Ziele  schon  liei  seiner  Entstehung  sehr 
nahe  gewe-^eii  wäre,  ist  anch  das  ;jerin:j>>te  Krgohnis  versrjp^t 
blieben.  I'er  sueijeu  skizzierte  iiündni-entw urt'  i^t  d;i>  letzte, 
was  wir  in  dieber  anfanglich  so  hofl'nun^'sreichen  An-elegeidieit 
ettahren.  Welche  Ergebnisse  der  auf  den  15.  Juni  in  Breisach 
angesetzte  Tag  gehabt,  ob  er  überhaupt  stattgefunden  bat, 
darüber  ist  nicht  die  geringste  Spur  in  den  Urkunden  zu  ent- 
decken. 

So  weit  war  diese  Angelegenheit  geführt  worden,  dass  man 


1  Str.  U.  B.  V  nr.  686  am  Sonntag  nach  Fronleichnam.  Dieser 
undatierte  Entwarf  kann  irar  dem  Jatir  1365  angehören,  da  die  Ver- 

haiiil!un<ren  mit  den  niederen  Städten  und  denen  der  Schweiz  parallel 
lauten.  Der  Text  lehnt  sich  in  vitalen  Punkten  an  das  Büudiiiä  vom 
16.  Mai  1365  an.  Jedenfalls  muss  der  Entwurf  vor  dem  Jahr  18M 
ent^tandpn  spin  wegen  dtr  Fehde  Freibuigs  mit  seinein  Herrn  Egon, 
der  in  dem  Bündnisse  noch  ausgenommen  ist,  und  weil  seit  dem  11. 
November  1866  bereits  das  dnrch  den  Entwurf  Toransgeaetste  Ein- 
zelhündnis  Strasshr.rgs  mit  den  übrigen  oberrlieinischen  Stä<lten  nicht 
mehr  bestand.  Erst  am  20.  September  1370  wurde  wieder  ein  Bünd- 
nis swisefaen  Straasbarg  nnd  Basel  geschlossen.  1864  ist  ebenfalls 
unmöglich,  weil  in  diesem  Jahre  die  Bandesangelegenheit  noch  nicht 
nr>  weit  voi'geschritten  sein  konnte  Da  Ps  von  dem  anf  Sonntag  nach 
Fronleichnam  angesetzten  Tage  hei&st,  er  sei  boiuitag  über  drei 
Wochen,  (S  «IH,  i),  so  muss  der  Entwurf  in  der  WooEe  swisehen 
dem  18.  nnd  2ö.  Mai  geschrieben  sein. 


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—   45  — 


den  glQckliclien  Abschluss  bestimmt  tVir  die  näclisle  Zeit  er- 
warten 7M  müssen  p'laulil  :  die  Sch\vei7.e^i^•'•hp^^  Städte  waren 
von  vorn  lierein  bereit  will ij^  auf  den  liundes^/edanken  ein^e- 
ganjjen  :  Strassbnrg  hatte  ihn  an^^eregl  und  stellte  seinen  weit- 
traj^enden  Einfluss  in  den  Dienst  dieser  Sache,  unterstützt  von 
Basel,  das  von  vorn  herein  ins  Vertrauen  t^ezogen  wurde.  Nir- 
gends findet  man  eine  Spur  von  irgend  welcher  Gegnerscbafl 
gegen  das  Projekt.  Soeben  hatten  sich  die  niedem  Städte  mit 
Strassburg  verbündet,  und  wenn  auch  Mainz  die  erwartete  Mit- 
wirkung hierbei  versagt  hatte,  so  stand  doch  sein  Name  in  dem 
Entwurf  dieses  umfassenden  Bundes,  dessen  ausführliche  Nie- 
derschrift nur  noch  der  letzten  endgfdtigen  Redaktion  und  ur- 
kundliehen  Ausfertijiunji  l)edurfte.  Soweit  gediehen  konnte 
(Iii  s  Werk  nicht  im  Saude  verlauten.  Und  wenn  es  trotzdem 
nicht  zu  stände  k:iii),  so  kann  es  nui-  das  iil<)tzli<he  Eintreten 
gewaltiger  Ereignisse  gewesen  sein,  wodurch  die  ßesiegeiung 
dieses  halbvollendeten  Bündnisses  verhindert  wurde. 

Die  Engländergefahr  hatte  einsf,  als  sie  noch  von  fem 
drohte,  an  der  Entstehung  des  Bundesgedankens  mitgewirkt.  Bei 
dem  Abschlüsse  mit  den  niederen  Städten  hatte  sie  bereits  eine 
deutlich  erkennbare  Rolle  gespielt.  Jetzt  war  sie  ganz  nahe 
herangekommen,  und  ihre  hisher  die  Bundesangelegenheit  för- 
dernde Wirkung  mussle  dadurch  ins  Gegenteil  nnischiagen. 
Im  Juni  hausten  die  Englander  im  benachbarten  Lothringen  ; 
Schreckeiisbotscliiin  auf  Schreckensbotschaft  ^elan^te  ins  El- 
sa ss ;  man  nins:?te  sich  jeden  Tag  auf  den  Kinhi  iu  h  dieser  ge- 
waltigen Massen  gefasst  machen.  Muglich  dass  angesichts  dii^sei 
Unsicherheit  von  heule  auf  morgen  der  geplante  Breisucher  Tag 
am  15.  Juni  nicht  mehr  20sfande  gekommen  ist.  Wenn  er 
doch  stattfand,  so  hat  er  jedenfalls  den  beabsichtigten  Bund 
noch  nicht  vollendet,  und  später  konnte  von  einer  Zusammenkunft 
der  Boten  von  Städten,  die  über  ein  so  weites  Gebiet  zerstreut 
waren,  keine  Rede  mehr  sein,  Sirassburg  und  Basel  waren 
zudem  von  der  Not  des  Augenbhcks  viel  zu  sehr  in  Ansprucli 
genommen,  nm  sieh  neeh  ferner  liegenden  Dingen  widmen  zu 
können,  mocliten  sie  ihnen  früher  aucli  noch  so  sehr  am  Herzen 
gelegen  haben.  — 


III.  Der  oberrheinische  Bund  gegen  die 

Engländer. 

Es  war  wiederum  eine  Fehde  gewesen,  die  den  Engländern 

die  Veranlassung  geboten  hatte,  in  Lothringen  einzubrechen, 
Graf  Theobald  von  Biamont,  der  sich  nur  mit  Mühe  seiner 


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♦legner,  des  Grafen  von  Salin,  des  Herrn  Theobald  von  Raven- 
stein lind  Bischof  Johanns  von  Strassbiirj:  erwehren  konnte, 
hatte  .sicli  in  seiner  Not  an  Arnold  von  Cervol;i,  den  Anftihrer 
des  ^,'ewaltigen  Söldnerheeres,  um  Hülfe  gewandt.  Durdi  sein 
Heranrücken  wurde  diesmal  das  Elsass  unmittelbar  gefährdet; 
lagen  doch  die  Grafschaften  Blamoni  und  Salm  unweit  Strass- 
bürg  ab  unmittelbare  Grenznacbbaren  der  elaAaaischen  Lande 
dergestalt,  dass  die  Grafschaft  Salm  sogar  im  Breuschthal  in 
das  heutige  Elsass  übergriff.  Aber  damit  nicht  genug:  das 
£l8a88  war  an  der  Fehde  in  der  Person  des  Rischofs  von  Slrass- 
burg  direkt  beteiligt,  und  die  Stadt  Strnsshurg  hatte  al^  do^isen 
Biinde<:pfeno?sin  dem  Grafen  von  Blamont  am  20.  Dezember  1364 
Fehde  angesagt. ^ 

So  herrschte  schon  mit  Beginn  des  .Jahres  rege  Tba-- 

tigkeit  unter  den  Mitglie<lern  des  gegen  die  Engländer  abge- 
schlossenen Bundes,  eine  Thätigkeit  von  der  Art,  wie  sie  nur 
die  Erwartung  eines  nahe  bevorstehenden  bewaffneten  Einfalles 
hervorrufen  konnte.  Der  Bund  gegen  die  Engländer  war  so- 
eben —  am  25.  Deaeember  1364  —  abgelaufen.  Jetxt  galt  es 
in  aller  Schleunigkeit  neue  Abmachungen  su  treffen,  um  auf 
alle  Möglichkeiten  vorl)ereitet  su  sein.  Am  14.  Januar  1365 
sollte  deswegen  ein  Bundestag  zu  Scbletlstadt  stattfmden,  dem 
folgende  Punkte  zur  Beschlussfassung  unterbreitet  werden  soll- 
ten :  i.  Ernennung  von  sechs  Hauptleuten  mit  der  Befugnis  zu 
mahnen  und  alles  zum  Schutze  de?!  Lnndes  Xotwendip-e  ffze 
besorgende  und  us/.etra^ren».  2.  Feslstelluu^^  der  Contingente.* 
3.  Hegen  Auswärti^u«,  die  diu  Gei;ells(liaJt  ins  Land  führen, 
soll  man  ebenso  verlahieuj  wie  wenn  es  ein  Landesangeböriger 
gethan  hätte.  4.  Obiges  soll  dem  BQndnisbnef  einverleibt  wer- 
den. 5.  Abgrenzung  des  Bundes:  a)  för  den  Fall,  dass  sich 
der  Bischof  von  Basel  nicht  beteiligt,  eine  Linie  Ober  Rhein- 
felden,  Munpach  (abgeg.  in  Baselland)  diesseits  Lieslal,  Zwingen, 
den  Blauen,  Ilasenburg,  Florimont,  «St.  Steryen»  (?),  Höricourt, 
Beifort  <len  \Vas;>;ui  hinab  und  jenseits  des  Rheins  der 
Schwar'wald.  b)  Beteiligen  sich  nur  der  Bischof  von  Strassbiirg, 
der  Abt  von  Murbach,  Strassburg,  der  Landvogt  und  die  Reichs- 


>  Str.  Ü.  B.  V  nr.  611. 

^  Str  U.  B.  V  nr.  61B.  Als  deren  Gesammtzabl  wird  in  dieser 
Tagesordimng  20000  in  Vorschlag  gebrar^ht-  «ob  man  blibon  wolle  nf 
der  erttten  samtne  zweutzig  tnsent,  lüiine  oder  mc».  Und  auch 
bei  Brwfilmiing  der  6  Hanptleute  findet  sich  der  Znsatz  «als  mt  gtt> 
wesen  sint>.  Es  waren  also  schon  früher  einmal  ähnliche  Rüst-angen 

Segen  die  Gesellschaft  beschlossen  worden.    Das  kann  wohl  nur  im 
abr  1363  gewesen  sein,  in  dem  die  Lage  im  £laass  ebenso  geflUirdet 
war  wie  gegenwärtig. 


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—  17  — 


Städte,  —  «Bütenheim  .  .  .  oben  am  Rine»  über  Brunstalt, 
UfTholz,  den  Wasgau  bis  eine  Meile  vor  Weissen hurfi^,  und 
j  ii^eils  des  lUieins  ein  entsprechendes  Stück.  Dieser  ver- 
kleinerte Bund  Süll  nur  drei  Hauplleute  l[iai)en. 

Davun,  duas  der  in  dieser  Tagesordnung  in  Aussiebt  genoin- 
iDenen  Erneuerung  des  Bundes  stattgegeben  worden  wäre,  ist 
nirgends  eine  Spur  m  entdecken.  Es  hat  sieh  bisher  weder 
ein  neues  Bundesinstrument  nodi  der  Entwurf  eines  solchen 
auffinden  lassen.  Am  38.  Februar  1963  ist  zum  letzten  Male 
ein  oberrheinischer  Bund  gegen  die  Engländer  geschlossen  wor- 
den. Da  dieser  nunmehr  abgelaufen  war,  scheint  man  sich 
entschlossen  zu  haben,  angesichts  der  dring^iden  Gefahr  von 
der  Erneuerung  einer  formellen  Bundesurkunde  abzusehen  und 
auch  ofine  eine  solche  den  von  den  Bundesversammlungen  ge- 
fassleu  Beschlüi>.sen  bindende  Kraft  zuzuerkennen. 

Der  in  Aussicht  genommene  Bundestag  prinp  nicht,  wie  in 
der  Tageäoidnung  ang^eben,  am  14.  sondern  bereits  am  10. 
Januar  in  Sehlettaladt  vor  sidi.  Dkm  Verlegung  muss  im  leis- 
ten Augenblick  stattgefunden  haben,  denn  FVeiburg  hatte  noch 
am  11.  Januar  keine  Kunde  von  ihr  und  war  daher  auf  dem 
Tage  nicht  vertreten.!  Der  Tagesordnung  entsprechend  wurden 
die  sechs  Hauptleute  wieder  ernannt  und  für  die  Zeit  bis  zum 
24.  Juni  vereidigt.  Ausdrücklich  wurde  ihnen  die  Befugnis 
zuerkannt,  mit  der  Gesellschaft  zu  nnterliandeln  sowie  Diener 
und  Boten  zu  «gewinnen.  Zifht  nuiri  7u  l^^lde,  so  sollfMi  sich 
die  unterhalb  lk)lmar  geseaseuen  Bundesgheder  um  diesen  Ort 
sammeln.  itX)  Schätzen  sollen  zur  Bewahrung  des  Hauptein- 
fallsthores  des  Landes  in  die  Vesten  Beifort,  Delle,  1  lumnont, 
Rougemont,  Grandvillaic*  Porrentruy  und  Mülhausen  gelegt 
Verden.  Von  ihnen  soll  die  Herrschaft  Oesterreich  100,  die 
Bischöfe  von  Strassburg  und  Basel,  die  Stftdte  Strassburg,  Basel 
und  Freiburg  sowie  die  Gesamtheit  der  Reichsstidte  je  50  auf- 
bringen. An  diesem  Tage  wurden  endlich  auch  die  Contingente 
der  einzelnen  Bundesglieder  festgestellt.  Die  Ansätze  geben  ein 
bezeichnendes  Bild  von  dem,  was  das  Elsass  mit  seiner  nächsten 
oljerrheinischen  Naclibarschatt  im  Falle  dringendster  Not  zu 
leisten  vermochte.  £s  sollten  zu  Felde  ziehen  nach  dem  ur- 
sprOngUchen  Ansatz : 


>  Str.  ü.  B.  V  iir.  ni5  nnc^  616.  Mit  diesf^n  pehort  613  eng 
zusammen.  Das  nirgends  genaaute  Jahr  ist  wegen  der  in  nr.  6lb 
stattfindend«»  Erwftbniing  Gonrad  Snewiis  mit  Freiburgcr  Bürger- 
meister bestimmt  !.1Rn  ;  55.  Forts,  d.  Beitr.  z.  GescVi  der  Stadt 
Freibarg.  Auch  in  diesen  beiden  Stocken  ist  von  dem  Bunde  gegen 
die  Engländer  die  Bede,  der  demnach  als  za  Becht  bestebena  an- 
gesshsB  werden  miiss. 

8 


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—  18  — 


Der  Bischof  von  StrMtburg  mit  SOOO 

D«r  Bfeehof  ron  Basel  •  900 

Der  Abt  von  Marbach  „  1000 

Die  Herrschaft  Oesterreich  n  8000 

Die  Stadt  Strasibarff  ,  SOOO 

Di«  Stu  it  Has.  l  ,  3000 

Die  Beicli64»tadte  «  SOOO 

Relcheoifeler  «  i€0 


Gewaffneten  iOO  Glefea 
40  « 


100  , 


nnd  100  SchUtien 


000 
100 


Das  würde  eine  Heeresinachl  des  Bundes  von  10  000  Ge- 
waffneten,  1190  GJefen  und  800  Schützen  ergeben  haben.»  Die 
Conlingente  von  Basel,  Bischof  sowohl  wie  Stadt,  wurden  in- 
dessen wieder  gestrichen  und  nur  für  Basel-Stadt  ein  neuer 
verminderter  Ansatz  von  1200  Gewaffneten  und  200  Schfitieo 
nachgetragen.'  Dem  Strassbui^er  Bischof  wurden  die  Gtefen 
auf  200  vermindert.  Damit  stellte  sich  die  Summe  auf  13300 
GewafTnete,  840  Gtefen  und  800  Sdiüiz.  n. 

Immerhin  noch  eine  sehr  hodeiitende  Macht,  hosotidor^ 
%veiin  in;»n  ervvä<_'l,  iln-:s  flif  400  zum  Schutze  des  IieltV»ilor 
Loches  iH'Sliiniiite'ii  .><  hiil/-  n  nicht  in  diesen  Zahlen  enthalten 
sind,  dass  das  ruit  dem  Taj^c  unvcrtrctcn  jiebliebene  Freihurjf 
ifein  Contingenl  noch  nicht  ange<;eben  hatte,  und  dass  endlicii 
noch  Ludwig  und  Simont  von  Lichtenberg  sowie  die  Herren 
von  OchsensteiD  und  von  Geroldseck  am  Wasichen  nach  ihrem 
Vermögen  dem  Bunde  UnterstQtzung  leisten  wollten. 

Im  Vergleich  zu  den  beiden  Bündnissen  von  1362  und 
13G3  hatte  sich  doch  die  7;ih1  derer,  die  an  der  Verteidigung 
des  Landes  {?egen  die  Knp:länder  mitzuwirken  bereit  waren, 
erheiilicli  jrelichtet  :  die  Herren  von  Rappollslein  fehlten  bereits 
im  Bündnis  von  13(k{  ;  jetzt  sucht  mnn  auch  Grnf  Johann  von 
Habsburg,  die  (Irafen  von  Förstenheiv,  die  Heiren  von 
roldserk -Tu hingen  und  ('•eioldseck-Lahr  und  den  elsässisclien 
Landvügt  vergeblich  unler  der  Zahl  der  Continizente  stellenden 
Bundesglieder.  Waren  auch  sie  nicht  rechtzeitig  von  der  Ver- 

>  Diese  Summe  ist  nicht  genau.  Ja  die  letzten  Einzelauäritzo 
wegen  starker  Beschädigung  des  Papieres  nicht  mehr  vollständig  er- 
halten sind.  Pri  Basel  ist  hinter  dem  Wort  «gewaffent»  ein  Stück 
Papier  ausgerissen,  auf  dem  nur  ein  Zahlwort  gestanden  haben  kaf^n 
vor  dem  dann  folgenden  Wort  «hundert».  Es  mflaattt  daher  (Br 
diese  Stadt  mindestens  je  200  Glefen  und  Schützen,  vielleicht  auch  3O0 
angesetzt  werden.  Bei  den  Reichsstädten  ist  die  Zahl  der  Scbtttzeu,  wobl 
auch  mindeitens  100  ausgerissen ;  auch  hinter  Reichenweier  kann  auf 
dem  abgerissenen  Papier  noch  etwas  gestanden  haben.  Somit  muss  die 
ftesamtzahl  des  nrsprünglic  hen  Ansatzes  nntor  .-illen  Umständen  er- 
Ijühl  werden  um  100  Glefen  und  200  Schützen  ----  lÜlHJU  üewat^nete, 
1290  Glefen  und  1000'  Schützen.  Dabei  sind  die  Contingente  von 
Freilurg,  den  Herren  von  Lichtenberg,  Ocheenstein  und  Oeroldaeck 
am  Wasichen  noch  nicht  mitgerechnet. 

*  Auch  hier  kann  noch  eine  Anzahl  Glefen  gefolgt  sein  auf 
dem  abgerissenen  Papier. 


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—  19  — 


legung  des  Tages  unterrichtet  viorden,  so  hätte  man  wohl  ilirer 
in  der  Art,  wie  es  mit  Freibur^^  ^^esrhah,  Erwäfinun^r  fjeflian. 
Und  nun  halle  ^ar  iiocli  d^r  Bischof  vfin  Basel  sein  (Kontingent 
zurücki^ezo^^en  und  die  Sladt  Basel  das  dirige  eihel>lich  ver- 
mindert !  War  in  den  rrühejen  Bfmden  nahezu  die  gesamte 
Krall  lies  Oberrheiiis  zwischen  Wasgau  und  Schwarzwald  ver- 
einigt, jetzt  ruhte  die  Aufgabe  der  Verteidigung  des  deutsehen 
Bodens  gegen  den  verheerenden  Einbruch  gewaltiger  kriegsge- 
wohnter Schaaren  fast  nur.  noch  auf  dem  Elsass,  das  wenig- 
stens den  ersten  Stoes  allein  auszulialten  hatte. 

Immerhin  war  die  vereinigte  Heeresmacht  der  elsdssischen 
Herren  und  Städte,  wenn  i-echtzeitig  aufgeboten  und  am  rechten 
Orte  aufgestellt,  stark  genug,  nm  jedem  Feinde  den  Einbruclj  in 
das  leicht  zu  verteidij^ende  Land  zu  wehren.  I'm  die  Kostender 
Rüs!iin;.u'n  anfzul)rin)^en,  l>esehloss  man  dem  Land  eine  Srhalz- 
un^  aufzuleimen.  Aiiei  wenn  auch  schon  auf  dem  Tage  zu  Scidelt- 
stadt  beslinunt  wurde,  dass  der  Bischof,  die  Stadt  Strassburg 
und  die  Reichsstädte  am  21.  Januar  je  4  GewafTnete  zur  Ein- 
treibung der  Schaltung  zu  Colmar  haben  sollten^'  so  hatte  die 
damit  bekundete  gute  Absicht  doch  nicht  den  Erfolg,  die  Auf- 
bringung des  notwendigen  Geldes  zu  beschleunigen.  Es  ent- 
standen infolge  der  Schatzungseintreibung  Misshelligkeiten 
zwischen  den  verbündeten  Städten  Strassbui^  und  Hajrenau  ;  • 
der  Land  vogt  verbot  sogar  den  dem  Reiche  zupfehörigen  Klöstern 
und  Dörfern  die  Bezahlung  der  auf  sie  gelegten  Anteile; 3  und 
arn  15.  März  1366,  als  die  Eiii::läiider  «Jcbon  lange  wieder  aus 
dem  J.ande  gewichen  waren,  iiieit  man  es  noch  für  nötig,  sich 
durch  das  Zeugnis  Symnnds  von  Licliteid.iei'g  die  Berechtigung 
^ur  Erliebung  der  Schaltung  urkundlich  bestätigen  zu  lassen.  ^ 

Dergestalt  wurde  das  Land  durch  selbstverschuldete  Sschwie- 
ngkeiten  bei  der  Geldeintreibung  in  innere  Unruhen  und 
Zvriste  gestürzt  zu  einer  Zeit,  in  der  ein  Zusammenwirken  aller 
Krftfte  zur  Abwendung  der  gemeinsamen  Gefahr  nötiger  war 
als  je.  Das  drohende  Verhängnis  gewann  eine  immer  grein)arere 
Gestalt :  Am  19.  April  berichtete  Basel  an  Strassburg,  dass  ein 
grosser  Haufe  Engländer  nur  zwei  Tagemärsche  weit  zu  öSy» 
liege.*  Auch  in  entfernteren  deutschen  Landen  war  man  liereifs 
aufmerksam  geworden  und  blickte  voller  Besor^ni^  n.ifli  iler 
Entwicklung  der  Dinge  im  Sudwesten :   Von  den  zu  Wurms 


1  Str.  U.  B.  V  nr.  612,  614,  617. 
«  Str.  U.  B.  V  nr.  TOS. 

8  Str.  U  B.  V  nr.  709. 
♦  Str.  U.  B.  V  nr.  710. 

5  Str.  U.  B.  Y  nr.  628.  Scey  im  Arr.  Vesoul  oder  Besanvon. 
beide  uogefftbr  gleich  weit  von  Basel. 


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—   20  — 


am  24.  März  zwischen  den  sechs  freien  Städten  am  Rhein  ver- 
einbarten 3  Arlikehi  setzte  der  eine  gemeinsame  Massregeln 
gegen  Ueberlänfer  su  den  EnglSiideni  fest.  Woklie  Rolte  ferner 
die  EngUndergefiihr  bei  der  fiandesangelegenbeit  StraBsburgs- 
mit  den  niederen  ivie  mit  den  ecbweixeriacben  Städten  gespielt 
hat»  ist  schon  an  anderer  Stelle  anagefilhrt  worden.  Und  berdt» 
am  22.  April  teilte  Graf  Heinrich  von  Veldenz  dem  Meister 
und  Rat  von  Strassburg  in  seiner  Eigenschaft  als  Hauptmann  des 
Landfrieden*?  am  Mittelrhein  mit,  dass  dieser  beschlossen 
hatte,  mit  aller  seiner  Macht  «mit  l)ilssen  und  geschütze»  gegen 
die  Gesellschaft  zu  ziehen,  f:\\h  diese  in  das  Land  einbrechen 
wollte;  und  dass  sie  sich  citzunt  dar  uf  steiien^  als  solden  sie 
über  aht  tage  kommen».! 

Während  inzwischen  Strassburg  durch  die  Städtebundsan- 
gelegenheit in  Anspruch  genommen  war,  nftherten  sich  die  im 
Januar  zu  Schlettstadt  getroffenen  Veretnharungen  gegen  die- 
Engländer  dem  Ende  ihrer  G&itigk«t.  In  der  Erwartung  einer 
nahe  bevorstehenden  Entsdieidung  hatte  man  damals  die  aech» 
Bundeshauptleute  nur  bis  zum  nächsten  Johannistage  vereidigt. 
Ihre  Befugnis  drohte  abzulaufen  ;  und  jetzt  gerade  nahm  die- 
Lage  des  Elsasses  einen  bedrohlicheren  Charakter  an  als  jemals 
Es  war  daher  drin^^end  nötig,  dass  zur  Verlän<?erun}j^  des  Ab- 
kommens Veih'iiniliiu'^'-en  unter  den  Bundesgliedern  ein'Tpleilet 
wurden.  Zu  dieseni  Zwei  ke  wuide  auf  den  10.  Juni  ein  liuudes- 
tag  nach  Strassburg  berufen.  Es  sollte  sich  auf  diesem  Tage 
nicht  lediglieh  um  die  Neu-  bezw.  Wiederemennung  der  sechs 
Hauptleute  handein :  wieder  stand  auch  diesmal  die  Bestimmung 
der  Gesamtstärke  des  Bundesheeres  sowie  die  Festsetzung  der 
Gontingente  der  Bundesglieder  als  erster  Punkt  auf  der  Tages» 
Ordnung.  Wieder  legle  man  der  Beratung  die  alte  Gesamtstärke 
von  mm  Mann  zu  Fuss  und  1200  Giefen  zu  Grunde,  stellte 
es  jedoch  der  Bundesversammlung  anheim,  diese  Zahl  zu  min- 
dern oder  zu  mehren.  Aber  jetzt  wollte  man  sich  nicht  mehr 
beprnögen  mit  der  Festsetzung  von  Zahlen^  die  sich  auf  dem 
I*apier  ganz  schön  ausnahmen,  deren  recht /.ei  ti^^e  Umsetzung 
in  ein  kriegstüchtiges  Heer  aber  seine  grossen  Schwierigkeiten 
hatte.  Es  galt  den  Bund  auf  alle  Fälle  mit  einer,  wenn  auch 
kleinen,  so  doch  stets  schlagfertigen  Mililirmacht  ausaturOsten ; 
und  deswegen  wurde  vorgeschlagen,  Söldner  bis  zur  Zahl  von 
500  mit  einem  Hauptmann  auf  Bundeskosten  anzuwerben ;  mit 
sollten  wohl  den  Kern  bilden,  an  den  sich  dereinst  im  Falle 
der  Not  die  einzelnen  Bundeskontingente  angliedern  könnten. 


1  Str.  ü.  B.  Y  nr.  630.  ' 


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—   21  — 


Von  hoher  Wichtigkeit  für  die  Verteidigung  des  Landes 
vnr  die  Stellung  des  Grafen  von  Montbeliard  zum  Bunde;  sein 
Land  zwar  klein,  aber  es  lag  gemde  in  der  gefährdeten 
Löcke  iwiachen  Wasgau  und  Jura,  durch  die  so  leicht  ein  ent- 

schlo^nener  Feind  in  das  sonst  durch  seinen  Gebirgswall  so 
trefflich  geschützti?  RIsass  eindringen  konnte.  Ueber  seine  Auf- 
nahmo  in  den  Bund  sollte  auf  dem  Strassbur^er  Tage  Beschluss 
-gpfasst  werden  —  Kndlirli  sollten  dif*  Hnten  mit  Vollmachten 
behutü  Ernennung  der  Hauplleute  versehen  sein  und  der  Rund 
-auf  dem  Slrasshurger  Tage  unter  allen  Umslämien  ah^'o^chlossen 
werden,  mochten  auch  einige  Herren  und  Städte  ihren  Beitritt 
versagen. 

Welche  Beschlüsse  auf  Grund  dieser  Tagesordnung  auf  dem 
Strassbui'ger  Bundestage  gefasst  worden  sind,  ist  im  einzelnen 
nicht  bekannt.  Das  darf  indessen  mit  Sicherheit  angenommen 
werden,  dass  die  Beschlösse  im  grossen  und  ganzen  den  Inten- 
tionen  der  Tagesordnung  entsprochen  haben.  Fest  steht  nur 
die  Ernennung  der  sechs  Haupt leute;  sie  waren  von  den  her- 
vorragendslen  Bundesgliedern  gestellt  worden  :  vom  Slrasshurger 
Bischol*  Herr  Jakob  von  Schönau,  von  der  Stadl  Strasshurp- Cunz 
Bock,  von  (Irr  Herrschaft  Oesterreirh  Heiniich  Ha^aMihach,  von 
-der  Sladt  Basel  Herr  Conrad  von  Rärenteis,  von  der  Statll  Frei- 
burg Herr  Heinrich  Turner,  endlich  von  den  Beichsstjdteü  Herr 
VVullher  Sciiullheiss  von  Colmar.  Binen  wurde  es  anheiriijieslelll, 
<]ie  5üÜ  Söldner  zu  gewinnen  cwenne  ez  sie  notdurflig  duncket».^ 

IV.   Der  Einbruch. 

So  schien  mon  im  El^^ss  alle  Massregeln  för  den  in  naher 
TIeil  zu  erwartenden  Flinhi  u»  h  der  Engländer  getroflen  zu  haben. 
Die  diplom;ilis(  lie  Thäti^'keil  wenigstens,  die  Slrasshurg,  doch 
zum  Teil  durch  die  drohende  Gefahr  angeregt,  entfaltet  hafte, 
war  eine  so  lehendij:e  gewesen,  wip  wir  sie  sonst  in  jener  Zeit 
nur  äusserst  selten  heohachlen  können  :  Gleichzeitig  hatte  es 
Bundesverhandluiij^'en  mit  den  Slädten  des  Mittcirheins  und 
<ler  Schweiz  begonnen  ;  der  Gedanke  eines  umfassenden  iSlädte- 
hundes  halte  wieder  eine  kraft ig<^  Anre>^ung  und  eine  zielbe- 
wusste  Fönierung  durch  unsere  Stadt  erführen.  Und  wenn  es 
•auch  für  diesmal  noch  nicht  gelungen  war,  die  hoch  strebenden 

I  Diese  Besrlilü^sc  auf  der  l«ückscile  der  Tagesordnung  von 
Hloiihci-  Hand  Srv.  U.  H.  V  nr.  644  olme  Jalimnngstbe,  aber  sicher 
nn<  Ii  iloni  S- lilettf^t.idu  r  Tngc  vom  Jaimai  1  < ')  \\ej;cn  des  Fehlens 
Biücliois  von  ba&ei  uitier  den  Eiuennetik  der  llau^Ucute  und  vor 
<doro  EngländereinfaU.  Also  zweifellos  VdM- , 


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—  22  — 


Pläne  Strassburgs  in  ihiein  ganzen  Umfan^^e  zur  Thal  werden 
zu  lassen,  so  waren  doch  auf  alle  Fälle  die  Stfulte  eines  au3- 
gedehnlen  Gebietes  wieder  machfig'  an  die  Gemeinsamkeit  ihrer 
Interessen  {gemahnt,  und  wenn  auch  noch  nicht  durch  das  Band 
eines  sie  alle  uuischliessenden  Bündnisses  geeint,  so  waren 
sie  doch  in  gemeinsamer  ernster  politischer  Arbeit  einander 
näher  i;etreten.  Ditte  Arbeit  hatte  niehl  2U  dem  gewunediteii 
Ergebnisse  gefuhrt,  aber  die  Bedeutung  einer  Saat,  die  einmal 
in  einer  glflcIcUeheren  Zukunft  au^faen  und  Frucht  bringen 
musete,  wird  ihr  nicht  abzusprechen  sein,  indem  sie  end- 
lich einmal  wieder  aus  der  Kleinlichiceit  der  politischen  Ver- 
hältnisse, an  denen  auch  daa  St&dtewesen  des  Südwestens  da- 
mals krankte,  herauszukommen  und  den  SiädlLMi  die  Md<(lich- 
keit  einei  politiscliea  Wirksamkeit  mit  weitem  Horizont  zu 
erschliessen  strebte. 

Der  grosseu  Gefahr  allerdiii;.;s,  v<ir  der  zu  jenen  Zeiten  das 
elsässische  Land  buugte,  hätte  dieser  Städtebund  nur  in  iie- 
sciiräaklem  Masse  abhelfen  können.  Dazu  waren  seine  Glieder 
über  ein  viel  xu  ausgedehntes  Gebiet  zerstreut  und  die  gegen- 
seitige Httlfsleistung  dem  entsprechend  nicht  immer  gerade  im 
kritischen  Moment  zu  ermöglichen.  Auch  die  Unterstätzung 
durch  den  Mittelrheinischen  Landfrieden,  deren  sich  Strass- 
burg  versichert  hatte,  konnte  erst  bei  längerem  Verweilen  des 
Feindes  auf  elsässischem  Boden  praktische  Bedeutung  gewinnen. 
In  erster  Linie  mussten  Herren  und  Städte  des  Elsass  selbst 
auf  d*^!i  Plan  treten  :  -^ie  waren  zu  diesem  Zwecke  zu  einem 
Bündiji  r  \creinigt  ;  die  Stärke  de.-  Bundesheeres  und  der  Con- 
tinyent»;  uir  fest|:estellt,  die  Hauptleule  ernanut,  mit  weil- 
gebenden Befugiiidt>en  ausgestattet  iiinsichtlich  Autbielung  des 
Heei'es,  Anwerbung  von  Söldnern,  Verhandlungen  mit  dem 
Feinde  und  Deschlussfassung  jeder  Ai*t,  wie  sie  gerade  durch 
die  Umstände  geboten  war. 

Und  es  war  an  der  Zeit,  die  letzlen  Vorbereitungen  zum 
Kampfe  zu  treffen;  denn  dass  das  Unheil  nochmals  vorüber- 
ziehen würde,  erschien  von  Tag  zu  Tag  unwahrscheinlicher; 
immer  drohender  lauteten  die  Bnfschatleii  aus  Lotliringen  ;  immer 
häufijrer  ti*afen  sie  in  unserer  \n  an;.;stvoller  Spannung  harren- 
den Stallt  ein:  Haid  nacli  Mitte  Juni  hei ichtele  der  Slra?!sburj,'er 
Bürger  Johann  Erl>e  dem  Mei.ster  und  Rat  von  Strnssl)urg  über 
Verhandlungen  zwischen  Burchard  von  Finstiugen  und  dem 
Erzpriester,  dem  Föhrer  der  Gesellschaft :  diese  lag  vier  Meilen 
von  Metz  und  hatte  die  ausgesprochene  Absicht  ins  Elsass  zu 
ziehen.!  Ein  Ungenannter,  der  um  dieselbe  Zeit  an  den  Leut- 

1  Str.  ü.  B.  Y  nr.  647. 


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—   -23  — 

priester  von  All-  S.  Peter  schreibt,  bezeichnet  ebenfalls  das 
Elsass  als  das  Ziel  der  Engländer.*  Eine  weit  bedrohlichere 
Lage  Hess  schon  das  Schreiben  Heintaemanns  von  Masrnünster 
an  Strassburg  erkennen  :  Ein  kleiner  Haufe  der  Engländer  hatte 
bereits  den  Vormaisch  gegen  das  Elsass  angetreten  und  lag 
etwa  auf  hall)em  We«re  zwischen  Metz  und  Zabern  zu  «Wieders- 
dorC»  (heule  Ver,^aville  n.  o,  Dieuze).  Der  grosse  Ilaule  war 
noch  nicht  nachgefolgt ;  er  la^'  noch  um  Metz.«  Am  '20.  Juni 
war  der  Vorlral)  der  Engläti<lor  nur  noch  fünf  Meilen  von 
Saarwerden  entfernt,  wie  Clara  von  Finstingeu,  die  Gräßn  von 
Saarwerden,  auf  eine  Anfrage  der  Straasburger  Boten  millalte. 
Sie  sehfttzfe  den  Feind  auf  30000  Streiter,  die  sich  jedoch 
durch  betrftditlicben  Zuzug  noch  vermehren  wQrden.*  Genauere 
Angaben  über  die  Lage  desselben  Tages  sandte  Johann  Schencke 
den  Strassburgem :  er  hatte  von  Claus  Alman,  dem  Knecht  des 
Erzpriesters  selber  vernommen,  dass  dieser  mit  seinen  Schaaren 
ins  Ehn«s  einbrechen  wollte.  Der  Nachtrah  des  Feindes  lag  am 
Abend  des  *2(3.  um  Diedersdorf  (sfidi.  Falkenherg)  «und  in 
Wassicher  dal»  (?),  war  also  auch  schon  auf  dem  Vormarsch 
in  der  Richtung  auf  das  F'lsass  begriften,  der  Vortrab  mar- 
!<<  liierte  auf  Domevre  und  Blamont.  Zweifelhaft  war  daher  nur 
noch,  welchen  Vogesenpass  die  Gesellschaft  zum  Einmarsch  ins 
Elt^aas  wählen  würde :  Die  Zabemer  Steige  oder  eine  weiter 
südlich  gelegene  Strasse.*  Ein  Schlettstadter  Schreiben  an 
Strassbnrg  vom  27.&  rechnete  bereits  mit  der  Möglichkeit  eines 
unmittelbar  bevorstehenden  Einfalls:  ein  Hanfe  von  2000  Eng* 
Iftndern  war  im  Thale  von  St.  Diö  gemeldet. 

So  konnte  man  in  Slrasshurg  und  im  ganzen  bedrohten 
Elsass  Schritt  für  Schritt  die  Annäherung  der  Gefahr  verfolgen.  .\n 
der  Absicht  der  Gesell. schaff  ins  Elsass-  einzufallen  konnte;  seit 
Mitte  Juni  niemand  mehr  zweifehi.  Und  wenn  aue.h  nicht  in 
fast  allen  Berichten  aus  Lothringen  zum  Teil  auf  Grund  von 
Erkundigungen  hei  namhaften  Gliedern  der  Gesellschaft  das 
Elsass  als  deren  Ziel  bezeichnet  worden  wäre,  so  mu9i<ten  schon 
die  genauen  Nachrichten  über  den  Vormarsch  keinen  Zweifel 
mehr  darüber  lassen,  dass  es  sich  um  nichts  Anderes  handeln 
konnte. 

Was  geschah  nun  im  Elsass,  um  dieser  Getahr,  mit  deren 
Herannahen  man  schon  lange  gerechnet,  und  an  deren  Herein- 

•  Str.  U.  B.  V  nr.  650. 
2  Ebd  nr.  «61. 
s  Ebd.  nr  652. 
«  Ebd.  nr.  654. 
&  Ebd.  nr.  «63. 


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—  24  — 

brechen  man  jetzt  nicht  mehr  zweifeln  konnte,  wirksam  zu  be- 
gegnen? Am  10.  Juni  waren,  wie  oben  dargetban,  auf  dem 
Bundestage  su  Strassbui^  Beschlöne  gebest  worden  zur  Ver* 
teidigung  des  Landes  gegen  die  bereits  klar  erkannte  Ge&br. 

Als  wenige  Tage  darauf  —  etwas  nach  der  Mitte  des  Monats  — 
die  ersten  Na(  lu  ichten  in  Strassburg  eintrafen,  die  mit  aller 
Bestimmtheit  das  Elsass  als  das  Ziel  der  Engländer  bezeichne- 
ten, konnte  wohl  niemand  die  L^ge  des  Landes  als  eine  ver- 
zweifelte betrachten:  die  Engländer  h<xen  noch  vor  Metz;  von 
einem  Vormaisch  nach  Osten  war  m  >  h  keine  Rede.  Hallen 
jetzt  die  Hauptleute  des  Bundes  vun  iluen  Befugnissen  Gebrauch 
gemacht,  indem  sie  die  500  Söldner  anwarben  und  die  CSontingento 
der  BuDdesglieder  aufboten,  so  häUe  noch  in  aller  Ruhe  die 
Vereinigung  des  Sterken  Bundesbeeres  erfolgen  können.  Und 
mit  mehr  als  ^  000  Mann  wftre  es  wohl  möglich  gewesen,  die 
Engpässe  der  Vi^esen  seihst  gegen  einen  weit  überlegenen  Feind 
zu  Ii  iltf  ii.  Aber  man  Itielt  vielleicht  den  Zeitpunkt  für  energi- 
sche Rüstungen  noch  nicht  für  gekommen,  da  sich  der  Feind 
noch  niclit  in  Tfewegung  gesetzt  hatte.  Nun,  darüber  dass  der 
Vormarsch  an^jetreten  und  sich  gerades  We*;es  auf  das  Elsas« 
zu  bewegle,  konnte  bei  Eintreffen  des  Sc  lireibens  Heinzenianns 
von  Masmünster  kein  Zweifel  mehr  obwalten.  Und  bei  ener- 
gischem Handeln  wäre  auch  jetzt  noch  die  Rüstung  des  Landes 
gemäss  den  Beschlossen  des  Strassburger  Bundesteges  und  die 
Verteidigung  der  Vogesenpässe  möglich  geweseo, 

Strassburg  wenigstens  hatte  Boten  nach  Lothringen  ge- 
sandt, um  zuverlässige  Nachrichten  aber  die  Bewegungen  der 
Gesellschaft  zu  erhalten.  Am  26.  Juni  waren  .sie  }>ei  der  Gräfin 
von  Saarwerden  eingetroffen;  auch  Johann  Scliencke  war  zu 
seinem  Bericht  durch  einen  Sfrassburger  Bot*Mi  veranlasst  wor- 
den.' Aber  davon  dass  der  üund  in  dieser  ^'^efahidroliemien 
Zeit  irgend  etwas  unternonimen  hätte,  lässt  sich  in  den  Quellen 
nicht  die  gerinjjsle  Spur  entdecken.  Speziell  für  diesen  Fall, 
für  die  Verleiiligung  des  Landes  gegen  die  Engländer,  abge- 
schlüs.sen,  halte  er  eine  reiche  vorbereitende  Thätigkeil  ent- 
wickelt. Mit  Bundestagen  und  Beratungen  war  man  nicht  spar« 
sam  gewesen ;  man  hatte  Protokolle  angefüllt  mit  grossen  Zahlen, 
die  Heeresmachl  des  Bundes  erschien  auf  dem  Papier  in  der 
That  gewaltig.  Und  jetzt,  wo  die  verderbendrohenden  Massen 
sich  langsam  heran  wälzten,  geschah  nichts  um  die  Bunrles- 
heschlflsse  in  <lie  Wirklichkeil  umzusetzen.  Am  27.  jedenfalls 
hatte  der  Bund  noch  nichts  unternommen ;  das  beweist  der  an 


>  Str.  U.  B.  V  nr.  «52  u.  «54. 


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—   25  — 


Strusburg  gerichtete  Notschrei  das  gefingsteten  Schleti4itadl, 
ivelches  bat:  tdaz  ir  dar  zö  gedenken  weüent,  wie  das  lant 
versehen  werde,  da/  nüt  gros  schade  von  in  ufstande».' 

In  derThat,  wollte  »i  K!  m  dem  Feinde  überhaupt  Wider- 
sland leisten,  so  musste  jetzt  bei  dem  völligen  Versagen  des 
Bundes  Strassburg  selh.sf  iiuH'^'^  vorgehen.  An  eine  Verhinderung 
des  feindlichen  Einbruches  war  nun  nicht  mehr  zu  Henken  : 
das  Bundesheei"  konnte  nur  von  den  bevt*lUuachligten  üaupt- 
leuten  autgebulen  werden;  Sirassburg  war  dazu  nicht  befugt. 
Unsere  Stadt  konnte  sich  vor  der  Hand  nur  darauf  Iwschrftnken, 
seine  Bundesgenossen  und  andere  t>erreundete  Herren  und  Städte 
ffir  sich  um  Hülfe  zu  bitten,  war  sie  doch  durch  die  schoD  vor 
dem  29.  Juni  erfolgte  Ankunft  der  Engländer  an  der  Zaberner 
Steiges  selber  auf  das  schwerste  bedroht.  Und  in  diesem  Augen- 
blick höchster  Not  musste  Strassburg  von  dem  eng  verbündeten 
Basel  noch  eine  Bitte  um  Nachlass  der  Hült'eleistung  erfahren  ! 
Der  Baseler  Bischof  Johann  II.  war  am  10.  Juni  eines  plölzhchen 
Todes  gesturhett.  Die  Stadt  Bui^el  glaubte  daher  hei  der  all^'e- 
nieinen  rnsidiei  lieit  der  Zeil  und  angesichts  der  beslelieadea 
Streitigkeiten  des  Bistums  mit  den  welschen  üerren  ihre  mili- 
tärische Kraft  nicht  vermindern  zu  düil'en.^  Was  hatle  es  dem 
Ausbleiiien  dieser  nahen  und  starken  Bundesstadt  gegenflber 
zu  bedeuten,  wenn  Rottweil  am  29.  Juni  antwortete,  es  habe 
seinen  zu  dem  gerade  in  Ulm  stattfindenden  Tage  der  schwibi- 
schen  Städte  abgesandten  Boten  angewiesen,  dort  für  Strass- 
burg zu  wirken  und  überall  die  Not  der  Stadt  und  die  Auf- 
forderung zur  Hülfeleislung  zu  verbreiten?  Botlweil  selber  wollte 
einijjre  Schützen  zur  Hülfe  senden,  mit  t!fM-en  Anwerhun-j  bereits 
begonnen  war.  Diese  Anteihudunc  der  sdiwälnsclien  Stadt  er- 
^)fTnete  zwar  bei  einer  län;.'*M*Mi  L)anei'  der  Englandernol  Aus- 
.sichten  für  die  Zukunlt ;  aber  für  dit«  Gefahr  des  Augenblicks 
konnte  sie  nur  geringen  Trost  gewähreti. 

So  war  es  denn  gekommen,  dass  die  Engländeram  4.  Juli« 
die  Zaberner  Steige  überschreiten  konnten,  ohne  auf  irgend 
weichen  Widerstand  zu  stossen.  Von  einem  elsdssiscben  Bundes- 
heerc  war  nirgends  eine  Spur  zu  finden ;  die  einzelnen  Bundes- 
glieder  waren  viel  zu  schwach,  um  sich  lüesen  erdrückenden 
Massen  in  den  Weg  werfen  zu  können.  Und  an  eine  Samm- 
liiH'^r  des  [{iiiidosheeres  war  jetzt  nicht  mehr  zu  denken,  denn 
nnt  seinein  ^cwalti^en  Heeie  —  Köni^T'^hofen  «rliiilzl  mf 
40  UOÜ  Reiter  und  Fussganger  —  war  xVrnold  von  Cervola  nullen 


1  Str  U.  B  V  nr.  r.iS:4. 

-  Ebendort  nr.  6.ift  S.  627,  4. 

3  Ebd.  !ir  fi57. 

-*  Vgl.  Königshofen  (ed.  Hegel/  S  486  ff. 


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^  26  — 

unter  die  Verbündeten  gefahren.  Ihm  lag  ja  das  Land  offen; 
und  sa  war  sein  Vortrab  gleich  am  ersten  Tage  bra  unter  die 

Mauern  Strassburgs  vorgedrungen.  Hier  baUe  er  am  Abend  des 
4.  Juli  Köni^'shofen  und  die  Vorstadt  unter  Wagenor  geplündert 
und  verbianiit.  Am  nächsten  Mor{?<»n  stand  seine  vereinigte 
Sireitmacht  auf  der  Nordseite  der  Stadt  in  der  Nähe  des  Galgens 
und  fonierlo  Strassburg  zum  Kampfe  hetMu^. 

Aui  Ii  unsere  Stadt  bot  einen  krie^^erisvchen  Ani»lick  :  alle 
waCTenfülHgen  Bürger  eilten  zu  Ross  uud  zu  Fuss  auf  den  Platz 
vor  dem  Münster,  wo  sie  sich  nach  alter  Sitte  versammelten. 
Aber  aus  dem  Thore  zu  nehm  mm  Streit  wider  die  Engländer, 
dasu  l[onnte  man  sich  nicht  entschlieaaen,  so  sehr  auch  die 
allezeit  kampflustige  Zunft  der  Meliger  dafür  eintrat.  Um  einem 
solchen  Feinde  auf  offenem  Felde  zu  begegnen,  halle  es  anderer 
Streitkräfte  l>edurft  als  Strassburg  sie  aufbringen  konnte.  Zudem 
war  ja  die  Stadt  durch  ihre  Mauern  und  Türme  völlig  gesichert ; 
weder  für  sie  nnrh  für  das  Land  konnte  also  ein  Kampf  mit 
dem  i'ibertnäcliti'^ren  Feinde  von  Vorteil  sein.  Resser  war  es 
jedenfalls  die  St  mm  i  k  rälte  der  Stadt  aufzusparen  für  eine  Zeit,  in 
der  man  dein  Feinde  mit  Aussicht  auf  Frfol^^  he^Jiegneii  konnte. 

Da  die  Strassburger  den  angebotenen  Kampf  nicht  an- 
nahmen, suchten  die  Engländer  raubend  und  plündernd  die 
Dörfer  des  Landes  heim.  Die  Bauern  hatten  trots  der  War- 
nungen  nicht  daran  geglaubt,  dass  die  Engländer  ins  Land 
kommen  würden  ;  sie  waren  sorglos  in  ihren  J)örfem  geblieben, 
anstatt  sich  mit  ihrer  Habe  in  die  festen  Stüdte  zu  flüchten. 
Das  flache  Land  litt  unermesslich  durch  die  Plünderungen, 
Brandschafzungen  und  Gewaltlhalen  des  Feindes,  der  in  ihm 
als  alleiniger  Herr  schaltete  :  niemand  durfte  es  wagen  im 
Lande  ohne  seinen  Geteitsbrief  zu  reisen  !  Al)er  auf  das  tlache 
Land  blieb  auch  seine  HeirschafL  i)esrluäni\t  ;  er  wagte  zwar 
hier  und  da  den  Sturm  kleinerer  Sti'ulle  und  Festen,  aber  es 
gelaiij^:  ihm  nicht  eine  zu  gewinnen  wegen  Mangels  an  ße- 
lagerungsmaterial.  So  war  doch  die  Herrschaft  der  Englinder 
im  Lande  keine  uneingeschränkte :  Ueber  das  ganze  Land  hin 
unterbrachen  die  zahlreichen  Städte  und  Vesten  ihr  Herrschafls* 
gebiet;  und  wenn  man  auch  jetzt  noch  nicht  wagte,  von  hier 
aus  Angriffe  auf  sie  zu  unternehmen,  so  konnten  ihnen  doch 
diese  unliezwungenen  Inseln  eines  Tages  gefährlich  werden. 


V.  Kaiser  Karl  IV.  und  die  Engländer. 

Vor  der  Hand  allerdings  brauchten  die  Engländer  sich  hier- 
über keine  Sorgen  zu  machen :  einzeln  konnten  die  elsässischen 


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—  27  — 


Stfidle  nichts  Entscheidendes  gegen  sie  unternehmen,  und  eine 
gefährliche  Verdnigung  stidiiseher  Streitkräfte  Iconnten  sie  sIs 
Herren  des  flachen  Landes  auf  alle  Ffille  verhindern.  Aus  eigener 

Krafi  konnte  das  Ei^ass  sich  nicht  von  dieser  Landplage  be- 
freien ;  und  bis  sich  aus  den  Nachbarländern  ein  starkes  An- 
griff?heer  vereinigt  haben  würde,  konnte  noch  manche  Summe 
Geldes  (lein  rei(  })en  Lande  und  noch  viele  Seufzer  seiner  schwer 
gepeinigten  Bevölkerung  abgepresst  werden. 

Es  war  hohe  Zeit,  dass  sich  die  Reichsgewalt  endlich  auf 
ihre  nächste  Pflicht,  den  Schutz  deutschen  Landes  gegen  äussere 
Feinde,  besann.  Was  war  bisher  vom  Reiche  zur  Steuer  der 
Englftnden^efahr  geschehen? 

Am  24.  April  1  1365  war  Karl  IV.  in  Strassburg  einge- 
troflen  und  mit  grossem  Gepränge  empfangen  worden:  alle 
Handwerke  hatten  sich  im  Waffenschmuck  in  der  Münstergasse, 
durch  die  der  Kaiser  einfuhr,  aufgestellt.  War  es  doch  das 
erste  Mal,  dass  er  als  Kaiser  in  unserer  Stadt  seinen  Einzug 
hielt. 

Schon  seit  Beginn  de».  Jahres  lasteten  schwere  Besorgnisse 
aut  dem  Lande  und  der  Stadt,  die  jetzt  ihrem  Kaiser  einen  so 
glänzenden  Empfang  bereitete.  Im  Januar  bereits  hatte  man 
eingehende  Besprechungen  gepflogen,  um  jedem  dem  Lande 
von  Seiten  der  Engländer  drohenden  Angriff  mit  bewaffneter 
Hand  entgegentreten  zu  können.  Nur  wenige  Tage  vor  des 
Kaisers  Ankunft,  am  19.  April,  hatte  Basel  an  Strassburg  die 
Schreckenshotschaft  gesandt,  dass  ein  grosser  Haufe  der  GeselU 
Schaft  nur  zwei  Tagemärsche  weit  von  ihnen  liege.  Für  so  ge- 
Tihrdel  liielt  man  gerade  in  diesen  Tagen  die  Lage,  dass  der 
Landfriede  am  Nfitlehhein  am  'iii.  April  den  Beschluss  fasste, 
gich  mit  seinen  Rüstungen  so  einzurichten,  als  könnte  der 
feindliche  Einbruch  in  acht  Tagen  erfolgen.  Und  man  hatte 
alle  Ursache,  sich  auf  das  Schlimmste  gefasst  zu  machen,  denn 
das  unmittelhar  benachbarte  Lothringen  hatte  abermals  alle 
Schrecknisse  auszukosten,  mit  denen  die  zflgellosen  Schaaren 
der  Engländer  ein  I^and  heimsuchen  konnten. 

Aber  der  Kaiser  war  nicht  nach  Strassburg  gekommen, 
um  für  den  Schutz  des  Landes  gegen  den  drohenden  Einfall 
der  Engländer  geschweige  deren  Vertreibung  vom  Boden  des 
Reiches  Sorge  zu  tragen.  Die  weit  ausschauenden  Pläne,  welche 
jetzt  seinen  Geist  beschäftigten,  Hessen  ihm  keine  Zeii,  an  die 

■  Nach  KODigsbofen  (Hegel  485)  in  saut  Jergentage,  also  am 

23.  April.  Aber  am  24.  urkuiulet  er  noch  in  Hagenau  Böhmer- 
Haber  nr  4150);  richtiges  Oaiam  bei  Math.  Nawenb.  cont.  293: 
crastmo  Georgii  ^  Apiil  24. 


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—  28  — 


ErfOUung  seiner  nficbttliegenden  Pflichteii  zu  denken.  In  StrasM- 
bürg  hielt  er  nur  kurze  Rast :  nachdem  er  am  25,  April  d«r 
Stadt  das  Privileg,  vor  kein  Hof-  und  Landgericht  gezogen 
werden  zu  dürfen,  beslätigt  hatte,  i  trat  ev  noch  an  demselben 
Tajre  seine  "Weiterreise  nach  Avignon  an,  wo  er  wichtige  Ver- 
handlungen mit  dem  Papste  Urban  Y.  zum  Äbschluss  zu  bringen 
gedachte.  * 

Auf  dem  dorfliin  riiusste  Karl  das  arelaljvi  lie  König- 

reich durchziehen.  In  ihm  lialte  das  französische  Königtum  in 
letzter  Zeit  nicht  ohne  Erfolg  einen  Ersatz  für  die  schweren 
Verluste  an  England  zu  finden  gesuchl,  einen  Ersatz,  dessen 
Kosten  Überall  das  beilige  römische  Reich  zu  tragen  hatte. 
Karl  IV.  beabsichtigte  daher,  seine  Reise  zur  Zurückdrftngung 
des  überall  im  Arelat  in  unaufhaltsamer  Zunahme  begriffenen 
französischen  Einflusses  zu  benutzen.  Aber  an  eine  erfolgreiche 
Durchführung  dieses  Planes,  an  eine  dauernde  Befestigung  der 
Stellung  des  Reiches  in  diesen  für  uns  so  entloj,^Gnen,  für 
Frankreichs  Abrunduni,'^  dagegen  wie  geschallenen  Landen 
konnte  niclit  gedacht  wenl^^n,  weil  Karl  IV.  das  einzige  Mif!»^I, 
mit  dem  dit-s  hätte  «^rroicht  werden  können,  djc  Entfaltung 
einer  starken  Wafleninacht,  niciit  anwenden  wollte.  So  erinnerte 
er  zwar  durch  die  Ausübung  von  allerlei  Hoheitsrechten  wieder 
daran,  dass  der  deutsche  Kaiser  als  solcher  der  Herr  der  Lande 
am  Gestade  der  Rhone  war.  Durch  sein  zahlreiches  Gefolge 
von  Forsten  und  Herren,  durch  die  Vornahme  feierlicher  Gere* 
monien,  die  üiren  Höhepunkt  in  der  am  4.  Jum'  zu  Arles  voll- 
zogenen Königskrönung  fanden,  umgab  er  das  Reich,  als  dessen 
Vertreter  er  hier  erschien,  mit  einem  schon  lange  nicht  mehr 
gesehenen  Glanz.  Ai)er  eine  dauernde  politische  Wirkung  war 
von  solchen  Schau>1ellnn^aMi,  so  sehr  sie  auch  die  Genn'ifer  der 
Zeitjjenossen  hescliäfti^^en  mochten,  nicht  zu  erwarten.  .\n  den 
iiarten  Msichlsei  hallnis.sen,  wie  sie  üicli  hiei'  zu  Ungunsten 
Deutschlands  herausgebildet  hatten,  vermochten  sie  nichts  zu 
ändern :  Frankreichs  Macht  blieb  in  diesen  nur  noch  locker 
mit  dem  deutschen  Kaisertum  verbundenen  Landen  im  Auf- 
steigen. 

Die  Unterhandlungen  des  Kaisers  mit  dem  Papste  drehten 
sich  um  die  Hückverlegun-  d<'=;  päpstlichen  Stuhles  nach  Rom 
und  um  die  Untern  ilime  eines  Kreuzzii^jes  ins  heilige  Land. 
Die  Voraus.<et/u ng  tür  i)eides  war  die  Beseitigung  der  wie  in 
Lothringen,  so  auch  in  der  Provence  und  in  Italien  bausenden 

1  Str.  ü.  B.  V  nr.  631. 

2  Hierüber  und  über  die  areiatische  Reiie  vgl.  Werunsky,  Oesch. 
Kaiser  Karls  IV.  and  ssiner  Zeit.  Band  III  ö.  311,  315  ff. 


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—  29  — 


Gesellfichafteo.  Dadurch  stehen  die  Verhandlungen  von  Avignon 
in  engem  Zusammenhang  mit  den  Geschicken  des  Landes 
iwischen  Rhein  und  Wasgaii. 

In  der  Absicht,  Europa  von  der  Plapre  der  ijuseu  (  II- 
Schäften  zu  belVeien  und  damit  gleichzeitig  für  die  Auslülirung 
des  Kreuzzugsplanes  Material  zu  erlangen,  beschlossen  Kaiser 
und  Papiit  den  Versuch  zu  machen,  die  Gesellschaften  für  den 
Kreuzzug  zu  gewinnen  und  sich  so  ihrer  lu  entledigen.  FGr  den 
Fall,  daas  der  Ktoig  von  Ungarn  diesen  eigenartigen  Kämpfern 
tlQr  das  Christentum  den  Durchzug  durch  sein  Land  gestattete, 
wollte  Karl  IV.  ihre  Verpflegung  von  den  Grenzen  Frankreichs 
bis  zum  Eintritt  ins  Königreich  Ungarn  übernehmen.  Andern- 
falls sollten  sie  auf  dem  Seewege  ins  heilige  Land  befördert 
werden.  Sollte  es  nötig  weniön,  die  Gesollschaften  zum  Zuge 
gegen  die  Uncrläubigen  zu  zwingen,  so  erhol  sich  Knrl,  zu 
diesem  Rrlinte  einen  Bund  der  deutschen  Forsten  und  Städte 
zu  staioie  /Ak  hrin^^en.  —  Der  König  von  Ungarn  winde  durch 
den  von  Kaiser  und  Papst  abgesandten  Arnoul  li  Audrehem  um 
Gewährung  des  Durchzuges  ersucht,  und  König  Karl  V.  von 
Frankreich  wurde  am  9.  Juni  auf  Grund  dieser  Abmachungen 
vom  Papste  zu  Unterhandlungen  mit  den  Gesellschaften  in 
seinem  Reiche  ermächtigt.^ 

Nachdem  Karl  IV.  in  diesen  und  anderen  Angelegenheiten 
ein  Einvernebmen  mit  dem  Papste  hergestellt  hatte,  trat  er  am 
9.  Juni  die  Heimreise  an.  Als  er  am  29.  Juni  abermals  in 
Strassburg  eintraf,  hatten  die  drohenden  Wolken,  welche  schon 
bei  seinem  lol/len  Strasshurger  Aufenthalt  den  Ausblick  in  die 
Zukunft  verdunkelten,  sich  zu  dichten  Massen  zusammengeballt  : 
das  l^nheil  musste  unaufhaltsam  hereinbreclien ;  das  Elsass 
stand  unmütelbar  vor  dem  Einfall  des  Erzprieslers  Arnold  von 
Cervola  mit  seinen  ungezählten  kriegsgeübten  Schaaren.  Davor 
konnte  auch  die  Anwesenheit  des  Kaisers  das  Land  nicht  mehr 
bewahren,  selbst  wenn  dieser  seiner  Pflicht  gemäss  sofort 
Schritte  zu  seiner  Verteidigung  gethan  hätte. 

Daran  dachte  jedoch  Kar!  IV.  nicht :  er  fuhr  den  Rhein 
hinab  nach  Selz  «und  lag  <lo  stille»,  wie  Königshofen  rnit  präg- 
nanter Kürze  schreibt.*  in  Sirassburg  und  dort  hat  er  eine 
grosse  Anzahl  von  Urkundungen  vorgenommen,  aber  keine 
einzige  besrfiäfiigte  si(  Ii  mit  der  Abwendung  der  so  nahe  über 
dem  Lande  schwebenden  Gefahr,  bis  er  sich  endhch  am  4.  Juli 
eotschloss,  die  Fürsten  und  Städte  des  Reiches*  zu  mahnen, 


1  Vgl.  Werunsky  a.  a.  0.  III,  S.  324  £, 

•  Hegel  485. 

*  Erhalten  ist  nur  die  Mahnung  an  Aogsborg  (B&hmsr-Hnbsr 


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mit  aller  ihrer  Macht  zu  Ross  und  zu  Fuss  zu  ihm  nach  Selz 
zum  Schutze  des  Reiches  m  zieh<!n.  Volle  sechs  Tm^-^p,  von  seinem 
EintrelTen  in  Stnii^sbur;^^  an  ^^erfchnet,  hotte  er  ^^etjraiicht,  um 
sich  zu  dieser  ersten  so  (irin^eial  nutwetidjgen  Massregel  auf- 
zuraden.  Und  an  deniseihen  Tage,  an  dem  diese  Botschaft 
hinausging  in  die  deutschen  Lande,  brachen  die  feindUchen 
Schaarea  ins  Elsass  ein. 

So  hatte  sich  durch  das  £iotreffen  des  Kaisers  im  Augen* 
blick  der  höchsten  Gefahr  die  Lage  des  Elsass  nicht  günstiger 
gestallet,  eher  war  das  Ciegenteil  der  Fall :  Strassburg,  das  bei 
dem  Versagen  des  Bundes  selbständig  Massregeln  zur  Vertei- 
digung des  Landes  ergriffen  hatle,*  war  jetzt  durch  die  An- 
wesenheit des  Kaisers  die  Führunp:  aus  der  Hand  genommen. 
Die  Bundesgenossen  und  befreundeten  Städte,  deren  Hülfe 
unsere  Stadt  schon  vor  dem  29.  Juni  an^'^erut'en  halle,  wunlen 
angesichl«  der  abwartenden  Haltung,  die  Slrassburg  nunmehr 
dem  Kaiser  gegenübei  annehmen  musste,  unsicher.  Sie  wussten 
nicht,  was  mit  den  schon  teilweise  in  Bereitschaft  gehaltenen 
Hfllfstnippen  beginnen,  da  Strassburg  keioe  weiteren  Weisungen 
erlassen  konnte  und  der  Kaiser  sich  scheinbar  noch  nicht  ent- 
schlossen hatte,  der  drohenden  Gefahr  mit  bewaffneter  Hand 
zu  Iteg^neo.  £ine  Verzögerung  der  Verteidigungsßhigkeit  des 
Landes  war  daher  die  nächste  Wirkung  der  Anwesenheit  des 
Kaisers. 

Die  durch  das  Felileii  jeder  Leitunp-  entstandene  Unsicher- 
heil der  Lage  wurde  norli  versciilimraert  durch  eine  schrani<.en- 
lose  Gei  üchtbbildmii;  ;  halte  Ruitweil  vernommen,  dass  Strass- 
burg ein  Abkommen  mit  der  Gesellschaft  geschlossen  hätte.  Es 
fr£^te  daher  am  4.  Juni  bei  Strassburg  ao,  ob  die  Absendung 
der  Schölzen,  die  es  zur  Unterstützung  der  Stadt  bereits  aus- 
gerüstet hatte,  noch  erforderlich  wäi*e.>  Strassburg  konnt.e  darauf 
nur  antworten,  dass  man  auf  die  Mahnung  des  Kaisers  warten 
und  ihr  entsprechend  handeln  solle.' 

Als  dann  endlich  die  Mahnung  des  Kaisers  eintraf,  nach- 
dem des  Erzpriester?  Randen  dem  elsässischen  Lande  schon 
unermesslichen  Schaden  zujjefügt  hatten,  da  j^danbte  man  doch 
den  Beginn  einer  kiatlij^en  Abwehr  erwarten  zu  «lurfen.  Und 
die  Lage  war  für  einen  vernichtenden  Schlag  keineswegs  un- 

nr.  7I7'2i,  at)er  stattgefunden  hit  sicher  in  weitem  Umfange.  Dass 
dies  vom  Kaiser  beabsichtigt  wurde  and  dass  auch  Rottweil  eine 
aolofae  Mahnong  erhalten  hat,  ist  urkundlich  best&tigt  (Str.  D.  B. 
Y  nr.  662). 

i  Vgl.  oben. 

*  Str.  C.  B.  Y  nr.  SSL 

8  Ebeodoft  nr.  662. 


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-   91  - 


günstig,  denn  «relanpr  e?,  den  Enjrländern  im  Elfass  fine  Ent- 
scheidende Niederlage  beizubiin^^en,  '-n  wnr  niler  Wahrschein- 
lichkeit nuch  ihr  völliger  Untergang  hesj  It  ;  an  ein  Entkommen 
durch  die  wenigen  Pässe  des  unwej^samen  Grenzgehirjres  war 
tür  ein  gei>chlngenes  Heer  kaum  zu  denken ;  und  den  ein/igen 
breiten  und  bequemea  Aasgang  bei  Beifort  konnte  man  leicht 
sperren.  Der  Gedanke,  die  Engländer  so  gleichsam  in  einer 
Falle  zu  fangen,  die  gebildet  wurde  durch  den  Rhein  im  Osten 
und  den  unwegsamen  Wasgaii  im  Westen»  ferner  durch  das 
von  Norden  unter  der  Führung  des  Kaisers  heranrflckende 
Aeicbsheer  und  durch  die  im  Süden  des  Elsass  sich  sammeln- 
den oberländischen  Bimdes'^enossen,  lag  in  der  That  sehr  nahe. 
Und  tln<>^  er  in  Wirklichkeit  h^standen  buf,  zei^it  der  Briet  de*« 
^eti  t'iitii  BoUweil,  in  dem  i  >  den  vorjährigen  Anuneisler  Götz 
Wilhelm  um  NachricUten  iii)er  die  Lage  im  EUass  hat  und  be- 
sonders nach  der  Stellung  der  Streitkräfte  der  oberen  Städte  und 
Lande  fragte ;  diese  war  in  der  That  für  das  Gelingen  eines 
solchen  Planes  von  entscheidender  Wichtigkeit.  Nur  zwei  Mög- 
lichkeiten gab  es  far  die  tapfo«  Stadt :  entweder  entkamen  die 
Engländer  oder  sie  wurden  in  der  Falle  vernichtet,  mit  den 
Worten  des  Briefes :  «ob  die  Engenlender  von  der  Sache  komen 
mügint  oder  ob  sü  da  bi  beliben  müssint». 

Aber  wer  auch  immer  auf  die  letzte  MO;^liclikeit  seine 
HofTnun;;  gesetzt  haben  morhte,  der  hatte  nicht  gerechnet  mit 
dem  jeder  kraftvollen  und  lücksichtslosen  militärischen  Aktion 
abholden  Wi  ^en  des  kai.serlicben  Kriegssherni.  An  die  Eröfl- 
nung  eiiier  kriegerischen  Tliätigkeit  war  ohnehin  noch  nicitt 
zu  denken,  da  bis  zum  Eintreffen  der  vom  Kaiser  aufgebotenen 
Contingente  noch  einige  Zeit  vergeben  musste :  die  schwerste 
Zeit  des  Harrens  und  des  Bangens  sollte  fQr  das  gemisshandelte 
Land  jetzt  erst  beginnen. 

Derweil  sass  der  Kaiser  zu  Selz  und  musste  den  Jammer 
des  schönen  Landes  aus  nftchster  Nähe  beobachten.  Ob  ihm  die 
schwere  Schndi*rnn}r  Slrassburgs  in  den  Vorstädten  und  Dörfern 
sehr  7M  Herzen  ge^;an;ren  ist.  das  darf  wohl  bezweifelt  werden. 
Sein  aller  Zorn  ^(';:en  diese.s  stolze  Gotnein wesen,  das  ihm 
einst  —  im  Jahre  —  in  der  Ausliürgerangelei^enheit  otten 

Trotz  geboten  hatte,'  war  wieder  neu  angefacht.  Nie  hat  er 
der  Stadt  ihre  selbstbewusste  Haltung  verziehen,  die  ihn  so 
schonungslos  an  die  Grenzen  seiner  Macht  erinnerte.  Von  1353 
bis  1365  hat  er  sich  nicht  in  ihren  Mauern  gezeigt.  Und  als 
er  Ende  Juni  1365  auf  seiner  RQckkehr  von  Avignon  den  Rhein 


1  Str.  U.  B.  y  nr.  406. 


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-  32  — 


hinabfuhr,  da  schien  rnan  in  Stl•as^i»ul•^  zu  besorgen,  dass  er 
wie  swhon  früher  einmal*  an  ihrer  Stadt  vorn  hereilen  sviirde. 
Mochte  itiaii  nun  die  Stadt  einer  äolcheii  abeinialigea  aulTalligen 
BezeiguQg  kaiserlicher  Ungnade  nicht  aussetzen,  oder  mochte 
man  —  was  wohl  angesichts  der  gefahrvollen  Lage  wahrschein- 
licher —  dringende  Verhandlungen  mit  dem  Kaiser  zu  führen 
hahen,  jedenfalls  hatte  man  ihn  unter  Föbrung  des  Altammelslers 
Heitmann  auf  dem  Rhein  erwartet  und  ihn,  der  in  der  Thai 
einen  Resuch  Strassburgs  nicht  beabsichtigte,  am  29.  Juni  mit 
sich  in  die  Stadt  geführt. 

Dieser  von  neuem  erlittene  Schimpf  nai(fe  an  dem  tierzen 
des  Kaisers,  während  er  nach  dem  kurzen  nicht  gewollten 
Strassburger  Aufenthalt  in  Selz  der  Dinge  harile,  die  da 
kommen  sollten,  iiiine  Slrassburger  Gesandtschaft,  die  in  den 
nächsten  Tagen  zu  ihm  nach  Selz  geritten  kam,  kehrte  von 
einem  Freunde  der  Stadt  gewarnt  noch  rechtzeitig  um.  Sonst 
hätte  sie  wohl  den  Zorn  des  Kaisers  am  eigenen  Leibe  spQren 
mflssen.* 

Dass  dieser  unleidliche  Zwiespalt  zwischen  dem  Kaiser 
und  der  freien  Stadt  der  Verteidigung  des  Landes  nicht  dienlich 
sein  konnte,  liegt  auf  der  Hand.  Um  nur  etwas  ^^egen  die 
Engländer  /u  thun,  wachte  der  Slrasshnrj^er  Rat  darüber,  dass 
aus  der  Stadt  kein  Geld  und  kehio  rTiiter,  wie  sie  die  Fn;.'^länder 
als  Schatzunj^  von  ihren  Gefan«jeneii  zu  erpressen  püc-lt  d,  aus- 
geführt wurden.  8   Aber  auch  so  mussle  den  beutegierigen 


»  Im  Mai  1354  Str.  U.  B.  V  nr.  300. 

2  Dies  and  die  anfreiwillige  Einkehr  des  Kaisers  in  Slrassburg 
wird  in  auaftthrliebar  und  lebendiger  Sebildernng  in  der  BittachriR 

des  Malers  Konrad  an  Strassbarg  lebendort  nr.  1238)  mitgeteilt. 
Wenn  anch  der  Bittsteller  wobl  die  Beteiligong  Miner  Peraon  ans 
nahe  liegenden  Qrfinden  in  baeonders  günstiger  FftTbnnK  dargestellt 
bat  und  daher  das,  was  er  über  sich  persönlich  mitteilt,  wohl  nur 
teilweifip  alc  volle  Wahrheit  benommen  werden  darf,  so  kann  doch 
audererüfits  iiiciit  angenommeii  werden,  dass  er  die  bczuglicli  Stiabs- 
bargs  berichteten  and  mit  ausgiebigem  Detail  and  Namonnennungen 
anschanlich  dargestellten  Thatsachen  erfunden  habe.  Etwa  10  Jahre 
nach  den  oben  berichteten  Ereignissen  musste  es  im  ätrassbarger 
Rat  Miantr  genng  geben,  dl«  sieh  ihrer  noeb  gensn  erinnerten;  eine 
Fälschung  der  demnach  in  Strassbarg  knntrolicrbaren  Thatsachen 
ist  daher  nicht  anannebmen,  da  der  Bittsteller  damit  gegen  sein 
eigenes  Interesse  gebändelt  bitte.  Sieher  hat  bei  der  Binreiebnng  der 
Bittscbrift  der  in  ihr  vielgenannte  Ältammeistsr  Hans  Heitmann  ffe> 
lebt  —  er  ist  noch  im  Jahre  1B80  am  Leben  (ebendort  nr.  I39v); 
ebenso  Götz  Wilhelm  nnd  Kunz  Müller,  die  Auiiueister  der  Jahre 
1864  und  1866,  die  in  den  in  Band  VII  za  veröffentlichenden  Straas- 
bnrger  Privaturkundpn  bis  1893  Aug.  23  bezw.  1894  April  13  nach- 
weisbar smd.  Somit  darf  die  Bittschrift  für  das  was  Strassbarg  an- 
geht aU  eine  sehr  wichtige  Quelle  betraebtet  werdu. 
»  Kfinigabofen  CÖtgSi)  4S7,  4. 


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—  33 


Schaaren  des  Erzpriesters  in  dem  i'eichen  Lande  noch  auf 
lan^^e  Zeit  ausreichende  Gelegenheit  zu  Baub  und  Plönderung 

verbleiben. 

Tiul  Arnold  von  Cervula,  der  erzpriesterliche  Anführer  der 
Geselisi  liafl,  liess  sich  nicht  die  günstij^e  Tiolo'^'onheil  entjrohen 
seinem  Plündennifj^szuge  eine  höhere  Weihe  zu  verleihen,  In- 
den» er  erkläile,  er  sei  im  AnHra},'e  des  Kaisers  ins  Land  }^e- 
koninien.i  Könij^  Kail  V.  von  Frankreich  hatte  auf  Grund  der 
päpstlichen  £miächligung,  die  steh  auf  die  bekannlen  Abmach- 
ungen mit  dem  Kaiser  begründete,  in  der  Thai  Verhandlungen 
mit  ihm  angeknüpft.  Dem  französischen  Herrscher  konnte  ja 
nichts  angenehmer  sein,  als  auf  diese  bequeme  Art  die  Horden, 
die  schon  so  lange  die  Geissei  seines  Landes  gewesen  waren, 
mit  kaiserlicher  und  päpstlicher  Aulorisation  ins  liebe  Nachhar- 
land  abzuschieben.  Die  Vrrliandlungen  schrillen  bei  der  l)€i«ler- 
seili^ron  Genei^rlheil  —  der  Krzpriesler  be^^rüsste  in  ihnen  wohl 
iiiit  die  willkommene  Möglichkeit,  seinen  schon  beahsichli^^ten 
riünderun^szug  ins  Elsas.s  ntil  einem  S  liem  des  lit-i  hts  zu 
um^jeben,  —  schnell  von  Stallen.  Und  schon  am  'JU.  Juni 
konnte  der  Papst  König  Karl  V.  von  BVankreich  ermächtigen^ 
dem  Erzpriester,  «falls  er  seinem  Versprechen  gemäss  seine 
Banden  gegen  die  Ungläubigen  führe»  einen  Teil  des  <lem  König 
vom  Papste  behufs  Verlreibung  der  Kompagnieen  verliehenen 
Zehnten  von  den  Kirchengütern  Frankreichs  zu  ii  her  weisen».  * 

Die  kaiserlich-päpstlichen  Abmachungen  über  die  Ver- 
wendung der  Freibeuterbanden  zum  Heile  <ler  Kirche  und  der 
Christenlieit  begannen  damit  in  die  Thai  umgesetzt  zu  werden. 


'  Matth.  V.  Neuenburg:  Böhmer.  Fontes  lY.  20'5  Matthias  lüsst 
den  Erzpriester  diese  Aeusserung  allerdings  erst  tbiiti,  als  er  vor  dem 
anrückenden  kaiserlichen  Heere  ans  dem  Elsass  fliehen  musste. 
Aber  damit  ist  nicht  gesagt,  dass  er  sich  niemals  vorher  in  dem 
Sinne  aasgesprochen  habe  Er  hatte  durchaus  keiue  Veranlassung, 
{Iber  die  mit  ihm  im  Auftrage  des  Kaisers  gepflogenen  Verhandlangen 
zu  schweigen;  im  Gegenteil,  ihre  möglichste  Verbreitniig  konnte  ja 
nor  seiner  Sache  dienen.  Das  frühe  Entstehen  des  den  Kaiser  be> 
sehnldigenden  Gerüchtes  liest  sich  nar  so  erklftren. 

Wenn  Topf  (Zeitschr  f  Gesch.  d.  Oberrh.  XXXVI,  18  ff  )  meint, 
Königshofen  habe  durch  Verewigung  dieses  Verdachtes  seinem  Lokal- 
patriotismus ein  Denkmal  setzen  wollen,  so  muss  einer  solchen  In- 
sinuation mit  aller  Entschiedenheit  widersprochen  werden.  K.  hat 
lediglich  einen  Verdacht,  dessen  Vorhandensem  auch  durch  das  Chron. 
Mognnt.  sowie  urkundlich  bestätigt  wird,  verzeichnet  ohne  ihn  zu 
dem  seinigen  zu  machen.  Und  dsaa  war  er  als  Geeehlchtssehreiber 
nicht  nur  berechtigt,  sondern  mit  der  Unterdrücknng  einer  so  be- 
deatangs vollen  und  folgenreichen  Thatsache  würde  er  sich  einer  sträf- 
lichen Verschweigung  schuldig  gemaoht  hab«i. 

*  Werantky  a.  a.  O.  ÜI,  029. 

3 


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—  34  — 


—  früher  jedenfalls  als  der  Kaiser  erwartet  liatle.  L'nd  wenn 
gar  >,.itiL'  dem  Papste  in  dieser  Sache  '^ezei'^le  Bereit  Willigkeit 
nicht  ernst  gemeint  war,  »  wenn  er  die  Durchführunjj  der 
Banden  durch  das  Gebiet  des  Reiches  von  der  Durchzuj^sge- 
nelimij;ui)g  des  Ungarnkünig^s  ahlulng^ig  maclite  in  der  Meinuntj. 
da«s  du  so  niemals  erteilt  werden  würde  ;  dann  hätte  er  bef«ser 
gethaii,  die  Verhandlungen  mit  den  Gesellschallen  sieh  selber 
vorzubehalten  oder  sie  zum  wenigsten  nicht  übermässig  Ver- 
trauens voll  in  die  Hände  seines  freundlichen  franxösischen  Nach- 
barn XU  legen,  der  doch  ein  gar  zu  augenfälliges  Interesse  in 
dieser  Angelegenheit  hatte.  So  spielte  er  jetzt  —  seine  Unauf- 
richligkeit  dem  Papste  gej^enüber  voran s*feselzt  —  die  kläg- 
liche Bolle  (Ii's  betrogenen  Betrügers  :  die  Gesellschaft,  die  ja 
grossenteils  schon  wahrend  der  Avignoner  Verhandlungen  auf 
romanischem  Heichsboden  stand,  hatte  j»»t7t  dfn  Fti?s  auf  deut- 
sches Land  gesetzt;  der  König  von  Frankreich  hatte  in  ht 
begreiflicher  Eile  niclit  auf  die  Antwort  des  Ungariikoui^s  ge- 
wartet, hinter  der  sich  der  Kaiser  zu  verschanzen  geUaclile. 

Hatte  der  Kaiser  aber  in  gutem  Glauben  gehandelt,  dann 
tiatte  er  In  unbegreiflicher  POichlvergessenheit  die  seinem 
Schutze  befohlenen  deutschen  Lande  der  Plönderung  und 
Drangsalierung  durch  die  aus  ganz  Europa  zusammengeströmten 
R&uberbanden  preisgegeben. 

Eine  klägliche  Rolle  hat  er  nl=o  auf  jeden  Fall  gespielt. 
Und  auf  jeden  Fall  war  der  Erzpriesler  Arnold  von  Cervol.i 
berec  lili^i,  wenn  er  auch  im  innersten  Hei  Tipn  niehl  ent lernt 
an  eiixMi  Kreuzzug  dachte,  sieh  auf  einen  ilmi  ^»'wordenen 
kai^erliflien  Auftrnpr  m  l)eiulen,  da  er  nidit  nur  unter  der 
üetiehniigung,  »oiidern  auf  Veranlassung  des  kaiserlichen  und 
päpstlichen  Bevollmächtigten  seinen  Zug  ins  Elsass  unter- 
nommen hatte. 

Welche  Stimmung  mussle  sich  angesichts  dieser  Dinge  des 
schwer  heimgesuchten  elsassischen  Landes  bemächtigen !  In 
der  Hand  von  fremdem  Raubgesindel,  gegen  dessen  Uebermacht 
niemand  im  Lande  die  Waflen  zu  erheben  vermochte,  hatte  es 
von  Tag  zu  Tag  darauf  gehofll,  dass  der  Kaiser  an  der  Spitze 
der  gesammelten  Macht  des  Reiches-  auf  dem  Schauplätze  de« 
Unheils  als  Siep'er  und  Refreiei'  erselieinen  würde.  Vnn  Tag  zu 
Tag  hatte  man  vergel^ens  gewartet  :  der  Kaisei*  hliel»  untliätig 
in  Selz  liefren.  Und  nun  vernahm  man  gar,  er  sei  es,  der 
diesen  iuichlbaren  Feind  herbeigerufen  habe  !  Wie  sollte  dann 
noch  eine  Erlösung  von  ihm  möglich  sein? 


i  Wie  Botl  meint,  a.  a.  0.  19  f. 


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—  35  — 


Im  elsAssischen  Lande  schenkte  man  dem  Gerüchte^  die 
Engtänder  seien  auf  Geheiss  des  Kaisers  im  JLAode,  Glauben.' 

Die  unentsclilüssene  Hallung  des  Kaisers  und  vor  allen  Dingen 
wülil  aufli  der  ümsland,  dass  er  jetzt  begann  mit  dem  Krz- 
priesler  Unterhandlungen  anzuknüpfen,  holen  für  üppi«^  wiichenub' 
Gerüchte  einen  fruchtbaren  Niiluboüeii.  Anj  8.  Juli  fordt'ite 
der  Kaiserden  Slrassburger  Hut  auf,  dem  Grafen  von  Leiningen, 
den  er  zum  Ei^priester  entsandte,  einen  seiner  Angehörigen 
beizugeben. 

Was  diese  Verhandlungen  zum  Gegenstand  gehabt  haben, 
daraber  verlautet  in  den  Quellen  nichts;  wahrscheinlich  dflrfle 
wohl  der  Kaiser,  nachdem  die  Engländer  nun  doch  einmal  im 
Lande  \vai(Mi,  einen  Versuch  genmdit  bnben,  dem  Kreuz- 
zugsunternehmen dienstbar  zu  machen. <  Zunächst  scheint  auch 
der  Erzpriester  den  Enfgcirenkommenden  p^espiolf  z«  haben. 
Am  12.  Juli  sicherte  ilini  die  Stadl  Strassbiir^'^  sowie  Her  fiischof 
Johann  IL  von  Lichtenbei;:  freies  Geleil  für  Hin-  und  ilück- 
reise  zum  Kaiser  mit  lUO  Lanzen  und  20  Bogenschützen  zu.^ 
Aber  dem  Erzpriester  war  es  nicht  ernst  mit  diesen  Verhand- 
lungen ;  von  den  Geleitsbriefen  zum  Kaiser  hat  er  niemals  Ge- 
brauch gemacht;  die  Plünderung  des  elsässischen  Landes  wurde 
mit  ungeschwächten  Kräften  forlgesetzt. 

Inzwischen  hatten  sich  die  den  Kaiser  als  Urheber  der 
Leiden  unsere  Landes  anklagenden  Geröchte  mit  grosser 
Schnelligkeit  ausgebreitet ;  sie  blieben  keineswegs  auf  des  Elsass 
beschränkt  ;  über  den  ganzen  deutschen  Südwe^sten  verbreiteten 
sie  sich  in  w^^iijren  T.i^'-en.  Und  je  weiter  ^!ie  .sieh  entfernten, 
um  so  schiankeulüser  konnte  sich  die  Pliantasie  in  ihitM-  V'er- 
grösserung  ergeben  *  In  Pfullendoi  t  liatle  man  vcrnoninien,  der 
Kaiser  liege  mit  den  Engländern  bei  Selz  und  scldage  dort  eine 
Brücke  über  den  Rhein,  um  sie  nach  Schwaben  zu  füluren. 
Schon  am  9.  Juni  baten  unter  allen  Anzeichen  schwerer  Besorg- 
nis Amman  und  Rat  dieser  schwäbischen  Sladt  Strassburg  um 
Auskunft  hierfiber.« 

Auch  der  Mainzer  Chronist  bestätigt,  dass  man  weithin 
glaubte,  der  Kaiser  habe  die  Engländer  über  den  Rhein  tuhren 
wollen  und  sei  daran  nm'  durch  das  Widerstreben  der  Be- 
völkerung des  deutscheu  Südwestens  gebindert  worden.^ 


^  Hegel,  Königshofen  487. 

2  So  fa«st  aach  Weranskj  diese  Sendung  auf  III,  329. 
>  Str.  ü.  B.  Y  nr.  667  mit  Anm. 

*  Str.  U.  ß.  V  nr.  666. 

^  Deutsche  Strid{echronik>-n  XVII,  169:  «et  famr.  coramnnis 
volavit,  quod  ex  coii&ilio  et  luvore  impeiatoris  illuc  veuis&ei,  qtiia 
ipsoB  trans  Benum  duxisss  Tolnit,  si  non  populav  terre  obstetisset* 


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—   30  - 


So  uferlose  Vertlächtiyunj,'en  scheinen  in  der  Bevölkerung 
des  Elsass  nicht  die  Herrschaft  erlangt  zu  haben;  dazu  war 
man  hier  den  Erei^-nissen  zu  nahe.  Aherdie  Resor;?nisse  steigerten 
sich  mich  liier  durch  die  mit  dem  Frzpriester  gepflogenen  l'nter- 
hatiiilungen,  und  am  12.  Juni  sah  sich  Colmar  geni'lifTl  hei 
Slra.sfshurg  anzufragen  wegen  der  im  Lande  umlHiiffMidon  Ge- 
rüchte üher  Verhandlungen  etlicher  Herten  mit  den  Hngländern.' 

Die  ablehnende  Haltung,  die  der  Erzpriester  schliesslicb 
den  kaiserlichen  Vorschlägen  gegenüber  annahm,  hatie  wenij^tens 
den  Erfolg,  das«  der  Kaiser  nunmehr  ernstlich  die  Herbei- 
führung einer  Entscheidung  durch  die  Waffen  ins  Auge  211 
fassen  und  vorzuhereiten  .schien.  Auf  die  Anregung  des  Sfrass- 
burger  Bischofs  Johann  11.  von  Lichtenberg  berief  er  diesen 
mit  den  Boten  der  Slädte  Strassburg,  Freihurg  und  Bassel  auf 
den  17.  Juli  zu  sich  nar  h  Selz,  um  dort  mit  ihnen  .sowie  mit 
dem  Pfalzgrafen  Huprci  ht  dem  ällfren  und  den  Boten  von 
Mainz,  AVorms  mui  S[teyer  zuni  Wohl  des  Reiches  und  de* 
elsässischen  Landes  Hat  zu  pflegen.  « 

Die  militärische  Position  des  Kaisers  hatte  sich  inzwischen 
durch  das  Eintreffen  mehrerer  der  von  ihm  aufgebotenen  Reichs» 
conlingente  befestigt :  ein  starlies  Heer  zofg  sich  in  der  Nähe 
von  Selz  zu  beiden  Seiten  des  Rheins  zusammen ;  am  16.  Juli 
waren  die  Streilkräfie  des  Pfalzgrafen  sowie  der  freien  Slädte 
des  Mittelrhcins  Mainz,  Wurms  und  Speyer  in  der  Nachhar.schafl 
von  Selz  versammelt.  Und  am  gleichen  Tage  erging  ein  kaiser- 
licher Belehl  an  Strassburg,  Lebensmittel  bereit  ZU  halten  und 
sie  dem  Heere  zu  veikinifen,  3 

Aber  bis  sich  das  li<'ei  unter  Führung  des  Kaisers  endlich 
in  Bewegung  setzte,  nuissle  Strassburg  eine  abei  tnali;^e  Plün- 
derung steinet  Vorstädte  durch  die  Englrmder  erdulden.*  An^ 
21.  Juli  musste  es  noch  einmal  die  Hülfe  seiner  Bundesgenossen 
Basel  und  Freiburg  anrufen,  an  demselben  Tage,  an  dem 
endlich  der  Kaiser  bestimmte  Beschlösse  über  den  Vormarsch 
nach  Süden  fasste : »  am  22.  Juli  wollte  er  von  Selz  aufbrechen 
und  in  Hagenau  ubernachten,  um  sich  am  23.  zwischen  Hage- 
nau und  Strassburg  mit  dem  Plalzgrafen.  der  am  21.  noch  in 
ilem  heute  nicht  mehr  vorhandenen  Ort  Stackmalt  bei  Zuzen- 
liansen  in  I^id.  n  Irip^,  sowie  mit  dem  Erzbischof  von  Mainz  und 
anderen  zu  vereinigen. 

'  Str.  ü.  B.  V  nr  668. 

-  Kail  IV.  an  Bischof  Johann  IL  Juli  16.   Ebendoit  nr.  671. 
3  J^tr.  L   B.  V  nr.  67  '. 
*  Ebendort  nr.  <i72  n.  ^71. 

^  Schreiben  des  Ffalzgrafen  Eaprecht  d.  ä.  an  Strassburg  vom 
21.  Jnli.  Ebendort  nr.  BIS, 


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—   37  — 


Dies  Programm  scheint  aasgeCuhrt  worden  zu  sein ;  siclier 
ist  wenigfstens,  dass  sich  der  Kaiser  am  25.  Juni  vor  Strassburg 

im  Feldlager  IjefaiuU  Hier  stiessen  zu  seinem  Heere  auch  die 
Contingente  des  Bischofs  und  der  Stadt  Strassburg:  ein  Zelt* 
?an:er  wurde  im  Westen  der  Stadt  auf<re«elibfjen  ;  der  Kaiser 
la«ferte  hei  Krkholsheim  und  die  Strausburger  bei  Sl.  Ai'ix>^st 
«wischen  dem  ]v;iiser  und  der  Stadt.* 

So  wnv  (las  Heer  des  K;ustMS  auf  seinem  lanpfsamen  Vor- 
marsch ^ewalli^  anjjewachseii.  Nicht  lanye  vor  seiner  letzten 
Vergrösserung  durch  die  beiden  Strassburj^'er  Conting^ente  halten 
sich  zwischen  Hagenau  und  Strassburg  die  Schaaren  des  Pfolz- 
grafen  und  des  Enbischofs  von  Mainz  mit  ihm  vereinigt.  Viel- 
leicht waren  dort  auch  die  freien  Städte  Mainz,  Worms  und 
Speyer  hinzugekommen,  wenn  es  nicht  schon  frQher  geschehen 
war.  Sie  hatten  ja  schon  am  16.  Juni  ebenso  wie  der  Pfalz- 
graf nahe  beim  Kaiser  gelegen. 

Mit  Sicherheit  nachweisl)ar  sind  ini^serdem  noeh  im  Feld- 
iHger  vor  Strasshurjr  Oraf  IHrlrb  von  \Viiilleii)l)eiv,  der  Mark- 
graf Rudolf  VI.  von  Baden,  Friedrich  V.  Burggraf  von  Nürnberg 
damals  Landvogt  im  Elsass,  Burklim d  Burggraf  von  Magdeburg,* 
<ler  Marschall  von  Pappenheim  und  die  Hagenauer.* 

Damit  war  aber  die  Zahl  der  Forsten,  Herren  und  Städte, 
die  sich  an  dem  Zuge  gegen  die  Engländer  beteiligt  haben, 
keineswegs  erscb5pfl :  es  ist  bekannt,  dass  auch  der  Erzbischof 
Kuno  von  Trier  nebst  zahlreichen  Grafen  und  Ritlern  von 
Bhein,  Mosel,  Lahn  und  Main,*  der  Bischof  von  Augsj.nrg* 
und  die  Stadt  7  stark  gerüstet  ins  Elsass  gezogen  sind.  Unge- 
wiss ist  nur,  ob  sie  sich  schon  mit  dem  kaiserlirhen  Heer  ver- 
einigt hatten,  als  das  Feldlager  vor  den  Thoren  Sti'assburgs 
bezogen  wurde.  ■ 

Aber  aui  Ii  wenn  sie  noch  fehlten,  hatte  der  Kaiser  in 
seiner  Hand  eine  gewaltige  Heeresmacht  vereinigt;  und  wenn 
flieh  ihre  Starke  auch  niemals  zahlenmässig  bestimmen  lassen 


*  Böhmer  H'ibrr  nr 

*  Uegel,  KOuigshofeu  408  and  genauer  in  der  Bittschrift  des 
Halen  Konrad.  Str.  H.  B.  T  nr.  1888  8.  90^  5. 

3  Nicht  Erzbischof  Dietrich  von  Magdeburg«  wie  Bott  a.  a.  0.  26 

im  Anscbln{>s  an  Hegel  1041  meint. 

<  Str.  ü.  B.  Vnr.  1238  S.  902;  jedenfalls  auch  noch  die  VYeissen- 
borcer.  Die  übrigen  elsSssischen  Reichsstädte  befanden  sich  in  dem 
noch  von  den  Engländern  beherrschten  Gebiete  und  haben  sich  wohl 
erst  während  des  weitereu  Vormarsches  dem  Heere  des  Kaisers  an- 
geschlossen. 

*  Limburger  Chronik  42. 

6  Chron.  Mogont.  in  Deutsche  Städtechroniken  XYIII,  169. 
f  Meyer,  Drkb.  d«r  Stadt  Angsbnrg  II,  127  f.  * 


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—  38 


wird,*  .^0  'larf  iWU  als  sicher  angenommen  werden,  dass  nicht 
nw  der  Bischof  Jolinnn  und  die  Stadt  älraashut'f^,  sondern  aucli 
die  in  zweiter  Linie  bedrohten  Ffirston  und  Städte  des  Ober- 
iind  MiUelriieius  ihr  Bestes  getiiun  liahen,  urn  «ias  ülior  ihren 
Hau|ttern  schwebende  Unheil  abzuwenden.  Hatten  sich  doch 
zuvor  die  Fürsten,  Herren  und  Städte  des  KIsass,  nur  verstärkt 
durch  einige  reclil^rlieinische  Bundesjrenossen,  vermessen,  ein 
Heer  von  20tXX)  Mann  zu  Fuss  und  1200  Glefen  zur  Vertei- 
diguni(  des  Landes  außtustellen !  Angesichts  dieaer  durdi  glaub- 
hafte Einzelansätze  gestuf zten  Zahl  dürfte  die  Slärkeangatte  der 
Umburger  Chronik  (nahezu  24000  Sireiter)  doch  wohl  kaum 
öi)ertriehen  zu  nennen  sein. 

Jeiienfulls  hatte  der  Kaiser  naeli  der  Vereinigung  mit  den 
beiden  Strassburger  Contingenlen  eine  Streitmacht  unter  seinen 
Befehlen  vereinijrt,  die  derjenigen  der  Fn:_'länder  zum  minde-fpn 
jjrewarhsi'n  war.  2  Einen  ausserordenllidien  Voiv.n-  aber  hatte 
seine  Stellung  vor  (ierjenipron  f«einei-  Gegner  duK  Ii  lien  Um- 
stand, dass  diese  überall  inmitten  ihres  Herrschaflir»gebiutes  und 
im  Rücken  bedroht  waren  durch  die  Streitkräfte  der  unbe- 
Kwungenen  St&dte,  die  ihnen  zwar  bisher  wenig  Abbruch  gethan 
hatten,  deren  Geiahrlichkeit  aber  nunmehr  durch  die  Nähe  des 
starken  Reichsbeeres  eine  erhebliche  Steigerung  erfahren  musste. 
Eine  Stadt  von  der  Bedeutung  Basels  im  Rücken  und  in  un- 
mittelbarer Nähe  der  ein/.igen  Rückzugsstrasse  im  Falle  eines 
unglücklichen  Kampfes  mit  dem  Reichsheere,  das  war  in  der 
Thal  eine  nicht  unbedenkliche  Lage,  die  '^'oradozu  verhän'^'^nis- 
voll  werffcn  konnte,  talls  es  Basel  ^»«Inni^,  die  militärische  Kraft 
«ler  obert'lfca^>s;i.««*  l)eu  Städte  und  der  schweizerischen  Nachbar- 
schaft rechtzeitig  an  sich  zu  ziehen. 

Aber  so  günstig  stand  es  doch  nicht  unt  die  Sache  der 
Verleidiger  des  Etsass,  dass  man  schon  jetzt  von  einer  ernsten 
Gefährdung  der  Ruckzugslinie  der  Engländer  hälle  sprechen 
können.  Das  einzige  Ergebnis  des  kaiserlichen  Vormarsches 
war  bis  jetzt  die  Sicherung  des  Unterelsass  bis  Slrassbur^  vor 
abermaligen  Plümlerungen  durch  die  Freibeuterschaaren.  Den 
ganzen  Süden  des  RIsass  bis  in  die  Nähe  von  Strassburg  b atten 
d'wif  noch  in  Händen  und  beherrschten  ihn  unbedingt.  Am 
•21.  Juni  erst  halte  Strassburg  p'^ren  sie  die  Hülfe  seiner 
Bundesgenossen  anrufen  müssen ;  und  schon  einen  Tag  Stüter 

>  Dia  Angaben  der  Chronisten  schwanken  swisohen  100  OOO  und 
34000  vgl.  Bott  a.  a.  0.  27. 

5  Sonst  würdo  Stvassbui-g  'X'ohl  nicht  znm  Angriff  gedrängt 
haben ;  demi  von  einem  Siege  der  Engländer  luusste  gerade  diese 
Stadt  besonders  schwer  getroffiBo  werden. 


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—  89  — 


sah  sich  Basel  durch  sie  in  eine  so  getahrdete  Lage  gebraclit, 
dass  CS  die  Mahnung  Strassburg.-^  mit  einer  Bitte  um  Hülfe 
für  sich  beantwoi  [.>n  zu  müssen  glaubte.'  Das  war  .m  dem 
Tage,  an  dorn  Kail  IV.  «einfii  Vormarsch  in  Sc!/,  antrat.  .lel/t 
war  zwar  der  Merrschan-^hercii  li  dei-  KD^iländer  etwas  uinj^^o- 
schränkt ;  Slrasshurj»  war  tur  sie  nirhl  niehr  erreichbar.  Aber 
den  übrigen  Teil  hielten  sie  noch  mit  fester  Hand  ;  bis  Basel 
hinauf  zitterte  alles  vor  ihrer  Gewalt.  Wie  sollte  sich  da  eine 
Streitkraft  sammeln,  die  stark  genug  war,  dem  Feinde  in  olfe- 
nem  Kampfe  entgegenzutreten? 

Einzig  und  allein  ein  entschlossenes  Vorgehen  des  Kaisers 
hätte  die  im  südlichen  Ehass  vt  r/cltellen  städtischen  Streit- 
kräfte der  allgemeinen  Sache  dienstbar  macheii  können.  Tet/t 
wurden  sie  durch  die  weithin  im  Lande  zerstreuten  Haufen 
des  Ff'indes  niedergehalten.  Wiim  der  Kaiser  ohne  längeren 
Aufenthalt  an  Strassburg  vorfibtT^^ezii^cii,  so  wären  'entweder 
die  Ehi;laiuler  sofort  auf  d»T  Hclfnitcr  Strasse  entwichen;  sie 
beherrschten  das  Land  bis  di»itliin;  der  Ausgang  war  frei.  Oder 
aber,  wenn  sie  es  auf  einen  Kampf  mit  dem  Kaiser  hätten  an- 
kommen lassen,  waren  sie  gezwungen  sich  zu  conzentrieren. 
Und  dann  konnten  sie  es  nicht  mehr  verhindern » dass  sich  die 
militfirische  Kraft  des  Oberlandes  hinter  ihrem  Rücken  ver- 
einigte. Ein  entschlossenes  Vorg^en  Karls  IV.  war  unter  allen 
Umstünden  geboten  :  im  ersten  weniger  gün<li;^en  Falle  hätte 
es  doch  die  Leiden  des  so  lan^^o  gepeinigten  Landes  abgekürzt 
und  im  zweiten  wäre  die  vollständige  Vernichtung  dieses  Raub* 
gesindels  zu  erreichen  gf.'vve.sen. 

Kinen  heissen  Kampt  würde  es  treiix  Ii  -ekoslet  haben. 
Al>er  uas  Heer,  das  Karl  IV.  imter  den  .Mauern  Slrassburgs 
zusammengezogen  hatte,  war  so  stark,  dass  er  mit  ihm  jeder 
Eventualität  gewachsen  war. 

Aber  so  wenig  der  Kaiser  Strassburg  liebte,  er  schien  sich 
nicht  von  den  Mauern  dieser  Stadt  trennen  zu  können.  Und 
so  wenig  schien  sein  Sinn  mit  dei  einzigen  Aufgabe,  deren  Er- 
füllinig  ihm  jelzt  vor  allen  anderen  oblag,  mit  der  Vt-rtreibun;;  der 
fremden  Eindringlinge  vom  Boden  des  deutschen  Heiches,  l)e- 
srhäfti;.,'!  zu  »ein,  dass  eine  ji^cringfügiiie  Ursache  ihn  in  Ver- 
su(  liiin.u'  tnliren  konnte,  das  lieichsheer  im  Angesichl  des  Fein- 
des duich  ein  Blutb.td  zu  ver^lümmeln.  Jetzt  wo  es  galt,  alle 
Kräfte  des  Landes  gegen  den  äusseren  Feind  zusammenzufassen, 
wurde  kleinliche  Rachsucht  in  ihm  übermächtig  und  brachte 
ihn  nahe  daran,  den  Vemichtungskampf  gegen  eins  der  Glieder 

»  Str.  ü.  B.  V  ar.  «74. 


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—  40  - 


deb  llciches  7U  proklamieren  und  daniil  «ItMn  Ki  ind»;  oinou 
werlvollen  Dieiibl  zu  leisten,  vielleicht  ihn  wieder  zum  Herrn 
der  Lage  zu  machen. 

Der  Zorn  des  Kaisers  gegen  Slrassbuig  war  wieder  mScb- 
tig  aufgewallt,  als  ihm  von  der  Streitigkeit  eines  Strassburgers 
mit  einem  seiner  Diener  berichtet  wurde.i  Jetzt  schien  ihm 
die  Gelegenheit  günstig,  den  unleidlichen  Stolz  dieses  blühenden 
und  selhstbewussten  Gemeinwesens  tu  brech<^n  :  .j<  t/t  stand  er 
der  Stadt,  von  der  er  schon  manches  Mal  hitlere  Kränkung 
erfahren  liatle,  ni«  hl  mehr  ohnmächtig  gegenüher;  in  seinen 
Händen  hielt  er  die  lleeresmacht  des  !{eirhes,  der  frcfrenTdier 
die  SIreilkratI  StiMs>l»iir^^s,  de-^  S(  hulzes  der  Mauern  beraubt, 
nur  »  in  kleines  verlorenes  lirmflfin  war.  Er  war  fest  ent- 
schlossen und  hatte  es  sicli  in  der  Aufwallung  der  Leidenschaft 
mit  einem  Schwur  gelobt,  jetzt  den  vernichtenden  Schlag  gegen 
Strassburg  zu  führen.  Und  vor  allen  anderen  sollte  jetzt  cKaiser 
Heilmann  von  Strassburg»,  wie  ihn  der  Kaiser  in  grimmiger 
Ironie  nannte,  seine  Hand  fühlen ;  er  sollte  besonders  und  höher 
hangen  als  die  anderen. 

Aber  zum  Glück  für  unsere  Stadt  war  Karls  Befehlsgewalt 
über  das  vereinigte  Heichsheer  nur  eine  sehr  besc  hränkte.  Sein 
Bacheplrin  hntfe  um  dntiti  Anssicht  auf  Ertüliung,  wenn  die 
Mitwirkun-  der  anwcx  iiden  Fürsten  erlangt  werden  konnte ; 
und  an  (iiesi'r  liedin^un^  imisste  er  scheitern.  I)ürch  die  fuss- 
iülligeii  liillen  des  Strassburger  Biscliofs  Johann  il.  und  mancher 
anderen  Herren  wurde  Karl  endlich  vermocht,  auf  die  Befrie- 
digung seiner  Rachegedanken  zu  verzichten.  — 

Eben  noch  voll  kriegerischen  Feuers  gegen  die  Strassburger, 
zeigte  der  Kaiser  den  Engländern  gegenüber  eine  Zurückhaltung 
und  Vorsicht,  durch  welche  die  Geduld  seiner  Bundesgenossen 
und  besonders  der  immer  noch  nicht  von  der  En^ländernot 
erlösten  Elsässer  auf  eint-  harte  Probe  gestellt  wurde«  Während 
seine  Bundesgenossen  und  besonders  Strassburg  nur  fioi  Ii  die 
eine  Besorrnis  hrttlen,  der  Feind  möchf»'  dank  der  l'nenl- 
schlossenheit  des  Kaisers  un^M-siratt  entk»>miiieii,  hielt  Kail  iV. 
sein  };ro-«5>;es  Heer  immer  noch  nicht  für  stark  i^^enu;:,  niu  eine 
günstige  Entscheidung  herbeitührcn  zu  können.  Auch  hier 
stehen  der  Kaiser  und  Strassburg  einander  diametral  gegenüber  : 
Strassburg  drängt  beständig  zum  Angriff  i  wie  es  schon  bei  der 
ersten  Bedrohung  seiner  Mauern  durch  die  feindlichen  Massen 
den  Gedanken,  nach  dem  Beispiel  von  Metz  durch  die  Zahlung 
einer  hohen  Abfindungssumme  die  Gefahr  abzuwenden,  mit 

1  Hegel,  Königshofen  488  und  Str.  U.  B.  V  nr.  1238  S.  802. 


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—  41  — 


aller  Kntscbiedenbeit  a hingewiesen  halte,  so  wollte  es. sich  auch 
jetzt  nii'hi  mit  einem  halhen  Erfolfie  zufriedengeben.  Entka- 
men die  Engländer,  so  wnr  il;is  Land  zwar  befreit,  aber  wer 
weiss  auf  wie  lnn{:e.  Die  Gefahr  schwebte  dann  weiter  über 
dem  Lande  wie  schon  so  viele  Jaiire  zuvor.  Beseitigen  konnte 
sie  nur  die  völlige  Vernichtung  der  Feinde  ;  aber  wenigstens 
sollten  sie  die  Scbärfe  des  deutschen  Schwertes  empfindlich 
spüren,  damit  ibneD  die  Lust  wiederzukommen  auf  immer  be- 
nommen würde.  —  Der  Kaiser  dagegen  wartete  Tag  für  Tag: 
es  konnten  ja  noch  so  manche  Fürsten  und  Herren  mit  ihren 
Heerhaufen  eintrefien,  und  warum  sollte  er  heute  durch  die 
Gefahrnisse  eines  blutigen  Kampfe.s  das  erzwingen^  wns  er 
vielleicht  morgen  durch  eine  blosse  Demonstration  erreichen 
konnte  ? 

Endlich  veimoclifo  er  Jtlier  dem  iinmcr  un'^eslumeren 
l)irni;:rn  Sti  a-^sliuigs  und  amliner  Stä<Up  nicht  mehr  zu  wider- 
slelien.  Nachdem  er  etwa  aclit  Tage  unthalig  vor  Strassburgs 
Mauern  gelegen  hatte,  brach  er  uuf.^  Und  jetzt  trat  das  ein, 
was  Strassburg  befürchtet  hatte ;  was  Hottweil  im  Anfange  des 
Unternehmens  gegen  die  Gesellschaft,  als  es  mit  der  Art  kaiser- 
licher Landesverteidigung  noch  nicht  genügend  vertraut  war, 
in  kühner  Hoffnung  herbeiwünschte,  ward  kläglich  tu  schänden. 
Das  was  der  gesunde  Versland  dieser  Kleinbürger  auf  den  ersten 
Blick  gesehen  halte,  dass  alle  Bedingun;4^r»n  zu  einfM-  völligen 
Vernichtung  dieses  Uaubgesindels  durcli  die  Natur  ih  s  Landes 
in  seltener  Gunst  dargeboten  waren,»  das  scheint  dem  Feld- 
herrnhiick  Karls  IV.  niemals  auf^^egangen  zu  sein.  Jedenfalls 
hat  er  nicht  das  Geringste  gethan,  um  aus  der  so  günstigen 
Lage  Vorteil  zu  ziehen. 

Wahrend  er  in  dem  achttägigen  Lagerleben  vor  den  Mauern 
Strassburgs  sdne  starke  Streitmacht  brach  liegen  Hess,  war 
die  Hauptmasse  des  Feindes  auf  fienfeld,  Dambach  und  Schlett- 
stadt  zurückgewichen ;  ein  weit  nach  Süden  vorgeschobener 
Haufe  hielt  Basel  in  Schach,«  sicherte  vor  Ueberraschungen 
von  der  Schweiz  her  und  hielt  damit  zugleich  die  RückxugS' 
Strasse  über  Belforl  frei.  Als  Kar!  «lann  endlich  in  langsamem 
Vormarsche  von  Strassburg  auf  Colmar  vorrückte,  da  flohen 
die  Eii;iläii(ier  in  Eilmärschen  —  «und  lurent  eines  tages  vener 
denne  der  keyser  und  die  stette  in  elvvie  manigem  tage  niöh- 
tent  getün»  schreibt  Küuigsholen  —  und  entkamen  durch  das 
Belforler  Loch,  ohne  die  geringste  Schlappe  erlitten  zu  haben. 


I  Also  etwa  um  die  Wende  des  Juli  zum  August. 

*  Vgl.  oben  8.  39  und  Tscbudi,  Cbronicon  Helvetienm  I,  4ßS. 


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—  42  — 


Beinahe  einen  vollen  Monat  waren  sie  die  Heri'en  des  Elsass 

gewesen. 

Der  Kaiser  Itehrte  nacli  diesrin  Erfolge  lieini:  tn  9,  August 
urkundet  er  wieder  in  Speyer.*  Das  elsässische  Land  aber  hatte 
in  »  iner  seclT^jahrigen  Teuerung  an  den  Folgen  dor  von  Freund 
und  Feind  angerichteten  Verwfisfunirpn  zu  tra^^cn. 

Wie  sehr  Slrassbur^  mit  si-incr  a^rgressivtMi  Haltung  im 
Recht  gewesen  war,  sollte  sich  uur  /u  l)ald  zeigen.  Kaum 
waren  die  Engländer  aus  dem  Elsass  entflohen,  so  wurde  das 
Land  schon  wieder  durch  Alarmnachrichten  in  Unruhe  versetzt : 
schon  am  9.  August  berichtete  Bischof  Johann  II.  dem  Meister 
und  Hat  von  Strassburg^,  dass  die  Gesellschaft  su  «Porte»  liege. 
Ob  damit  Port-sur-Saöne  oder  Port-sur-Seille  gemeint  ist,  kann 
nur  schwer  entschieden  werden.  Wahrscheinlicher  ist  das  erstere. 
Tn  noch  bedrohlicherer  Nähe  sollte  sich  ein  Haufen  hei  Beifort 
lipfinden.  Ahor  der  Bischof  wusste  niclit,  ob  diese  ihm  vom 
Hnfincistei'  des  Melzer  Biscliofs  frownrdonp  Miftcilnng  auf  Wahr- 
heit i»et  ulile.2  Tn  Strassburg  hielt  man  die  Iv.-ige  fiir  so  ^^etalinlet, 
dass  man  «joIoiI  an  lien  gelreuen  lüschol'  tlie  Weisung  ergelien 
Hess,  das  lireuschthal  durch  Anlage  von  Veriiauen  in  Vertei- 
digungszusland zu  setzen. 3 

Und  es  schien  wirklich,  als  sollten  diese  Verteidigungs- 
massregeln den  Engländern  gegenüber  in  Anwendung  kommen: 
Am  5.  September  wurde  Hagenau  die  Botschaft  g&<»ndt,  dass 
sie  —  allerdings  in  der  stark  reduzierten  Starke  von  nur  500 
Glefen  —  in  und  um  M;trimont  im  östlichen  Lothringen  nicht 
weit  von  der  elsässischen  Grenze  (in  Weisterrich  zii  Molsperg) 
ständen ;  sie  hätten  die  he^^fimmte  Absicht,  wieder  ins  Elsass 
zu  ziehen  und  dort  und  im  W'esfrich  zu  überwintern.  Man 
warte  uur  nocii  aut  den  Er/pi  iester,  der  nach  Frankreich  ge- 
ritten sei,  um  neue  Schaaren  zur  Verstärkung  seines  Ht^res 
herbeizuführen. 4 

Jedenfalls  war  auch  Strassburg  der  Meinung  des  unge- 
nannten Briefschreibers,  dass  es  besser  sei,  die  Gesellschaft 
jetstt  In  ihrem  geschwächten  Zustande  anzugreifen  und  zu  ver* 
Dichten,  als  die  Rückkehr  des  Erzpriesters  mit  seinen  Ver- 
stärkungen abzu^-arten.  Noch  an  demselbw'n  5.  September  er- 
gingen von  Strassburg  aus  Schreiben  an  die  Bnndesgenossen 
Basel  und  Speyer,  dazu  an  Mainz,  Bern>  Zürich,  Luzem  und 


»  Böhmer-Huber  nr.  4198  ff. 
«  Str.  U  B.  V  nr.  677. 
»  Ebendort  nr.  680. 
*  Ebeadort  nr.  «88  Anm.  2. 


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—   43  — 


die  Heiclisstädte  im  Elsass;!  Die  Engländer  la^^eii  wieder  nahe 
an  der  Zaberner  Steige  und  wollten  abermals  in  das  Elsass 
einfallen.  Allo  woidon  zu  unver/fipürher  Hfilfeleislun{if  aufjr^^- 
tbrderl.  Der  Plalijj^rat  bei  Rhein  wiinie  durcli  die  Boten  der 
Stadt  mündlich  um  Hülfe  angejj^anpen.^ 

Ob  diese  MaliiiurjL^en  Entsendungen  von  Hulfssc haaren  nach 
Strassburg  zur  Fol^e  gehabt  halien,  wissen  wir  nicht ;  es  scheint 
nicht  80.  Erhalten  ist  nur  ein  undatiertes  Antwortschreiben  von 
Mainz,  in  dem  sich  diese  Stadt  zur  Hdlfsletstung  bereit  erklSrt 
und  um  Angpabe  eines  Termines  bittet.' 

Beseitigt  wurde  die  Gefahr  jedenfalls  nicht,  denn  noch  am 
!>.  XovtMiiber  sah  sich  Strassburg  j^enöligt,  seine  Bundesgenossen 
Basel  und  Freiburg  gegen  die  Gesellschaft  um  Hülfe  zu  mahnen.^ 

Wie  sehr  die  Hesorg^nis  vor  einem  abermaligen  Kinbriuh 
der  Hngländer  zu  jener  Zeit  die  Gemüter  beherrschte,  zeigt  die 
Slellunjj,  welclie  die  Stadt  in  der  Fnige  der  Neubesetzung  des 
durch  den  Tod  Johanns  von  Licldenberg  erledigten  bischöf- 
lichen Stuhles  einnahm  -  sie  wünschte  einen  Bischof  von  der 
Art  des  dahingeschiedenen,  auf  den  sie  sich  in  Zeiten  der  Not 
verlassen  konnle.  Deshalb  wandte  sie  sich  am  31.  Oktober  an 
den  Papst  mit  der  Bitte,  entweder  Johann  von  Ochsenstein 
oder  Egon  von  Kiburg  zu  ihrem  Bischof  zu  machen,  wdl  sie  in 
jedem  der  beiden  Schirm  und  Beistand  gegen  die  Engländer  zu 
tinden  vertraute.^ 

Von  nun  an  gestaltet  sich  die  Lage  von  Tag  zu  Tag  zu- 
friedenstellender. Es  laufen  keine  Alarmnachrichten  mehr  ein. 
Unfl  am  Hl,  Jnü  i!^(»(ider  Hheims(>r  Bürger  Johnnnf»s  Largus 
dem  StrussburgiT  Ainnu'isler  Kunz  Müller  seinen  ausführlichen 
Bericht  über  die  I^iidtMi  seiner  Heimat  durch  das  aus  dem 
Elsass  entwichene  ßandenheer  erstattete,  ^  da  war  dieses  schon 
seit  langer  Zeit  dem  Gesichtskreise  der  Strassburger  völlig  ent- 
schwunden. Und  was  sie  jetzt,  dank  der  weitverzweigten  Ver- 
bindungen ihres  Gemeinwesens  vernahmen,  konnte  ja  nur  dazu 
dienen,  ihr  Vertrauen  in  die  Zukunft  zu  stärken. 

Vor  Ueberraschungen  konide  man  indessen  bei  der  unstäten 
Beweglichkeit  der  Engländer  niemals  völlig  sicher  sein.  In  der 
Thnt  hat  gegen  Ende  des  Jrdiios  1307  und  zu  Anfang  1368 
norli  einmal  ein  Kiiiltnu  h  Aev  Engländer  das  KIsass  und  die 
Rheiidande  aus  nächster  X  iln>  l>e<lrohl.  Und  1375  cilolgti'  ein 
solcher  wirklich  unter  der  i  ührung  Enguerranrls  von  Coucy. 
Wenn  auch  mit  ahnlichem  Material  unternommen  wie  1365, 

1  Str.  ü.  B.  V  nr.  686,  ÜÖ7,  688.    2  Ebendort  nr.  6^8  S.  541. 
3  Ebendort  nr.  6t<9.  *  Ebendort  nr.  tiÜ5. 

«  Ebendort  nr.  094.  •  Ebendort  nr.  724. 


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—   44  — 


unterscheidet  >ii  Ii  diese  Invasion  dor  }»  wesentlieli  von  der  früheren. 
Während  Arnold  von  Cei  vohi  lediglich  durch  die  Holl'nuny:  auf 
Beule  angezogen  wuule,  unternahm  Enj^uerrand  seinen  grossen 
Zu^  zur  Veleidijifung  seines  Rechts,  wohei  er  sicli  allerdings  der 
Süldnerscliaaren  hedienen  mussle. 

VI.  Nachwirkung  auf  die  Beziehungen 
Strassburgs  zum  Kaiser. 

Das  Hochgefölil  des  Siegers  schwellte  das  IJerz  des  Kaisers 
nicht,  als  er  dem  Lande  seiner  jüngsten  Thaien  den  Rücken 
kehrte.  Schon  bei  .seinem  p]inlritt  in  das  Land  war  sein  Stolz 
<iurcli  die  aufgedrängte  üa-stlVeund-Hchatt  Strassburgs  tief  ver- 
letzt worden ;  und  jetzt,  als  er  nach  dem  Entweichen  der  Eng- 
länder sich  zur  Heimfahrt  in  seine  böhmischeo  Erblande  an- 
schickte, da  halte  ihn  niemand  im  Lande  zwischen  Rhein  und 
Wasgau  als  den  Befreier  aus  der  Hand  des  Feindes  gepriesen ! 
Mit  Misstrauen  war  man  ihm  begegnet,  seit  er  in  Selz  einen 
günstigen  Punkt  zum  Abwarten  und  Beobachten  gefunden  halle ; 
von  ihm  —  so  ging  in  den  weitesten  Kreisen  des  Volkes  die 
Rede  —  seien  die  En^rländer  ins  Lmd  gerufen.  Und  das,  was 
er  als  oberster  Führet'  des  gegen  sie  zusrimmen^-ernfcnen  Heeres 
geleistet  hatte,  konnte  nni-  zur  Vcrslärkung  diese:;  ihn  be- 
schimpfenden Verdaclitrs  l)('itr;i;;en.  Jetzt  legte  man  ihm  auch 
das  Entkommen  der  Kngländer  zur  La.sl,  als  sei  dies  die  Folge 
eines  gegenseitigen  Einverständnisses  gewesen.^ 

Das  GefQhl  der  Kränkung  hierQber  verband  sich  in  ihm 
mit  der  älteren  Verstimmung  gegen  Sirassburg;  und  wenn  er 
in  begreiOichem  Unwillen  eine  Genuglhuung  für  die  ihm  an- 
gethane  Verdächtig; ung  zu  erlangen  strebte,  so  wollte  er  damit 
gleichzeitig  durch  eine  tiefe  Demütigung  Strassbui^  seinem 
verletzten  Stolz  einen  lindernden  Balsam  bereiten. 

Heute  kennen  wir  die  (J'uello  der  ge;;en  den  Kaiser  in  Um- 
lauf gesetzten  (lerüchte.  Köni;4.siiofen  betont,  dass  sie  sieh  in 
der  Landbevölkei  iin^  verlireileten,  also  in  den  Srhichlen,  die  am 
meisten  uiil  den  Engländern  in  peräonliclie  liemln  ung  kamen.  Von 
Matthias  von  Neuenburg  wissen  wir  ferner,  dass  der  Erzpriester 
selber,  gestutzt  auf  die  kaiserlich^pSpstlichen  Abmachungen  und 
die  auf  Grund  dieser  mit  ihm  gepflogenen  Verhandlungen,  sich 
auf  einen  kaiserlichen  Auftrag  berufen  hatle.  Mithin  war  in 
letzter  Linie  der  Kaiser  selber  der  Urheber  der  GerQchte,  fflr 

I  Städtecbioniken  (Chron.  Mognnt.)  XVIII,  169:  «bec  omnia  ex 
consilio  imperatoria  eommniiiter  esse  facta  nanantar». 


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—  45  — 


die  er  jetzt  Genu^jlKuung  fonJern  zu  müssen  glaubte.  Aber  wer 
sollte  (Jiesn  (Inntii^tlimmj;  leisten?  Waren  docli  <liese  Verflärh- 
tigun<;en  iiirht  nur  im  ganzen  eUässischon  f.nndo.  sondern  weit- 
hin über  dtMi  deul.sc  hon  Süilen  mit  aljt;uleuet  lii  lien  Uebertreib- 
unj^en  veibieitet  und  get,daubl  wurden.  Der  Kaiser,  liem  diese 
Tbalsuchea  sicher  ebenso  wenijy  verbor^ren  waren,  wie  uns 
heule,  war  mit  der  Beantwortung  dieser  Frage  schnell  fertig. 
Für  ihn  war  es  eine  ausgemachte  Sache»  dass  nur  das  verhasste 
Strassburg  Urbeber  eines  so  beleidigenden  Geredes  über  ihn 
sein  konnte.  Indem  er  diese  Stadt  zwang,  eine  demillige  Abbitie 
zu  leisten,  wollte  er  sich  zn^^leich  entschädigen  für  alle  Unbilden^ 
die  er  bisher  von  ihrem  Uebermut  halte  erdulden  müssen. 

Wie  Bischof  Johann  H.  einst  die  Strassburj;fer  vor  <lep 
bliiti'^cii  luK  lif  (\pH  Kaisers  jiereltet  hatte,  so  suchte  er  auch 
jetzt  zwischen  beiden  Parteien  die  Vermittlerrolle  zu  sj>it'lHti  ; 
er  legte  den  Slrassburgern  das  Fnrmiilar*  eines  Schreibens  vnr. 
das  diese  den»  Willen  des  Kaisers  j^emäss  ausser  an  tlieseii 
auch  dem  König  von  Ungarn  sowie  den  Städten  Worms,  Mainz, 
Köln,  Basel,  Zürich,  Rottweit,  Esslingen,  Reutlingen,  Hall, 
Augsbttiig,  Ulm,  Nördlingen,  Donauwörth,  Constanz,  Ravensburg- 
und Rotenburg  a.  d.  Tauber  senden  sollten.  Das  Schreiben 
sollte  enthalten,  dass  Karl  «rgnedeclich,  vliszecltch  und  mit  allen 
truwen»  an  der  Verlreibung  der  Engländer  gearbeitet  habe. 
Wenn  daher  I>örger  von  Strassburg  oder  jemand  anders  den 
Kaiser  heselniMi^f  hätlen.  er  hal)e  die  P^ngländer  ins  Elsass 
i^erufen,  so  thue  «t  iliiu  I'imvht  urui  Imho  nicht  die  "W.ilir- 
heit  gesagt,  «wenne  wir  (d.  h.  die  Slras-liui-er)  in  tieii  e^e- 
nanten  sachen  sino  «inade,  sine  Iruwe  und  sinen  vlis  wol  und 
gentzelich  erfunden  h.djent». 

Es  sollte  das  letzle  Werk  sein,  dem  Bischof  Johann  von 
Lichtenberg  seine  Unterstützung  lieb :  am  13.  September  starb 
er,  ohne  es  tuende  geführt  zu  haben.  An  seine  Stelle  trat  jetzt 
Bischof  Dietrich  von  Worms,  vom  2.  November  an  Bischof  zu 
Metz.  Aber  auch  ihm  gelang  es  nicht,  die  Stadt  Strassburg  zu 
der  Absendung  von  Schreiben  zu  bewegen,  in  denen  dem  Ver- 
halten des  Kaisers  g»^g''n  die  Fni^lruider  ein  uneinyeschränkles 
Lob  gespendet  wurde.  Am  6.  Januar  13G6  sah  sich  daher  der 
Bischof  L.impi'erht  von  Speyer  angesichts  der  stei;iPnden  Thige- 
duld  des  Kaisers  genöti^rt^   j^)  Angelegerdieil  enizuj^reiten. 

Als  geborener  K!-,i>-er  v.>n  Hanse  ans  der  Stadt  Strassburg 
nahe  stehend  und  zugleich  im  Besitze  des  kaiserlichen  Ver- 
trauens war  er  zur  Vermittlung  in  dieser  schwierigen  Sache 


1  Str.  ü.  B.  y  nr.  690. 


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—  46  — 


hervorragend  geeignet.  Er  stellte  den  Sirassburgern  vor,  wie 
der  Kaiser  zürne,  das«»  sie  die  verlangte  Erklärung  nicht  gegeben 
hatten.  Diese  Missslimmunj?  wäre  noch  durch  alle  die  andern 
Bes('hwcr:len,  die  der  Kaiser  von  früher  her  ^io^^en  Stra^^sburg 
hatte,  ^'^esti»i;;ert  worHen  :  jetzt  heklaijte  er  sich  aui-h  (lanil)er, 
dass  die  Slrassburger  dem  Gesetz  (le&  Keiches  ztiia  Trotz  noch 
immer  Pfahlbürger  hielten,  und  dass  sie  einst  die  Reichsstadt 
HagenaUj  aU  diese  ihrem  üblen  Beispiel  folgend  die  dem  Reichs- 
geselle  gemSas  entlawenen  Pfablbörger  wieder  aufnehmen  wollte, 
bekriegt  und  belagert  hätten.  Endlich  hätten  sie  neuerdings 
einen  Zoll  auf  der  Breusch  errichtet  und  damit  in  die  kaiser- 
lichen Gerechtsame  ClbergegrilTen.  Alle  diese  Sachen  wolle  der 
Kaiser  dem  auf  den  B.  Mäi^  nach  Nürnberg  berufenen  Reichs- 
tage zur  Beratung  unterbreiten.  Ks  sei  daher  besser,  wenn  sie 
sich  mit  dem  Kaiser  in  Güte  richteten,  wozu  er  seine  Vermitt- 
lung anbietet.' 

Welche  Wirkung;  hat  nun  dies  im  Kinversläntlni-s  mit  dem 
Pfalzj^^rateii  lUi|ire(  lit  dem  älterei»  an  Strassburg  gerichtete 
Schreiben  auf  den  llal  ilies.er  Stadt  ausnenht  ?  Die  Sprache  war 
eniiiringiicli  genug.  Und  es  war  nicht  mehr  zu  Ijezweil'eh»,  dass 
wenn  Strassburg  weiter  in  seinem  ablehnenden  Schweigen  ver- 
harren warde,  die  schwersten  Gefahren  für  die  Stadl  herauf- 
»efaen  konnten. 

Strobel>  beantwortet  diese  Frage  dahin,  dass  die  Stadt  cauf 
der  Stelle  einen  offenen  Brief  an  alle  ihre  Verbündeten  gelangen» 
Hess,  in  dem  sie  dem  Kaiser  die  gewünschte  Genügt  liuung 
gewährte.  Und  Rott»  schliesst  sich  dem  an,  mit  dem  Unter- 
schiede, dass  er  dies  Entschuldigungsschreiben  hinter  den  gleich 
zu  erwähnenden  Biief  de-  Grosshans  von  Rosheim  stellt.  Zur 
Begründun-  he-nugen  sich  beide  mit  der  Fussnote  «Wencker, 
von  Ausbürgern  87». 

Au  die:>er  Shdle  lindet  sich  der  EntwurT  eines  Entschuldig- 
ungsschreibens Stra:>ftburgs,*  der  auch  bei  Weuckei'  als  Concept 
bezeichnet  ist.  Das  blosse  Vorhandensein  dieses  Entwurfes  kann 
aber  nun  und  nimmer  als  Beweis  dafür  angenommen  werden, 
dass  die  betreffenden  Schreiben  nun  auch  wirklich  in  der  durch 
ihn  bestimmten  Form  oder  in  einer  beliebigen  anderen  an  die 
verschiedenen  Adressaten  abgegangen  sind  geschweige  denn, 
dass  dies  «cauf  der  Stelle»  geschehen,  denn  ein  Datum  ist  in 
dem  Entwurf  nicht  angegeben. 


>  Str  ü.  B.  V  nr.  701. 

2  11,  350. 

3  a  u.  0.  36. 

4  Str.  U.  B.  V  ur.  702. 


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—  47  — 


Auf  Grund  des  Wenckerschen  Abdruckes  kann  man  des- 
wegen leicht  zu  einer  solchen  Annahme  '^'elan^'^en,  weil  in  ihm 
der  nahe  lie^uMidfn  Vermutung,  als  handle  es  s!(  h  utu  ein  in 
der  Kaiiiclei  iles  Slrasshur;^er  Rates  entstantleiies  (^unept, 
nicht  widerspinc  hen  wird.  HiHlen  beide  Autoren  das  Ix'tiellen- 
de  JSchriftstück  selber  in  Hunden  gehabi,  so  wurden  sie  ge- 
sehen haben,  dass  es  sich  auch  hier  —  wie  bei  dem  vorher 
vom  Biffchof  Johann  IL  vorgelegten  Formular  —  um  einen 
ausserhalb  der  Straasbui^r  Ratskanzlei  entstandenen  Entwurf 
handell.i  Man  wird  kaum  fehlgehen,  wenn  man  ihn  entweder 
dem  fiiüchof  Dietrich  von  Worms  oder  Lamprechl  von  Speyer, 
die  sich  ja  beide,  wie  wir  wissen,  nach  dem  Tode  des  Strass- 
burger  Hischols  mit  diesci  Aogeiegeulieit  i)eschäfti^'t  Iiaben, 
zuweist.  Welchem  von  beiden,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 
Auch  die  orth<>;:r:iphif;rhen  und  spraehlichen  Eigentümlichkeiten 
des  Entvvuifes  deuten  mit  aller  Bestimralbeit  auf  das  Gebiet 
des  Miiteli  heins. 

Aber  eljeiiso  wie  es  mit  dem  ersten  Entwurf  preschah, 
koiiiile  auch  diesei  zweite  lediglich  von  Strassburg  zu  deu  Akten 
gelegt  worden  sein,  ohne  dass  ihm  Folge  gegeböi  wurde.  Und 
jedenfalls  muss  derjenige,  welcher  behauptet,  Strassburg  habe 
die  verlangten  Briefe  geschrieben,  dafür  weitere  Beweise  er- 
bringen ;  das  Vorhandensein  des  Conceptes  kann  als  ein  solcher 
nicht  gelten.  Dass  von  »o  zahlreichen  gleichlautenden  Schreiben, 
wie  sie  Strassbui^  auf  Wunsch  des  Kaisers  an  16  Städte  Süd- 
deutschUndes  und  der  Schweiz  senden  sollte,  bisher  kein  ein- 
ziges gefunden  worden  ist,  spricht  jedenfalls  nicht  für  diese 
Meinung. 

Ein  bestitiunles  l'rtei!  nf)er  die  Haltung  Slra'fburgs  in 
dieser  kritischen  Angelegenheit  ermöglichen  erst  die  kommenden 
Ereignisse. 

Zunächst  noch  einen  Blick  auf  den  Inhalt  des  zweiten 
Entschuldigungsenlwurfes  !  Das  Lob  des  Kaisers  wai'  in  ihm  ge- 
genQber  dem  vom  Bischof  Johann  IL  vorgelegten  Entwurf  er- 
heblich abgeschwächt ;  man  habe  nie  anders  an  ihm  erfunden, 
cdao  daz  er  uns  und  dem  lande  zu  tröste  und  zu  helfe  kommen 
waz9.  Daher  thue  ihm  der  Unrecht,  der  sage,  er  habe  die 
böse  Gesellschaft  ins  Land  gebracht.  Was  die  Strassburger 
verhindern  konnte,  einen  solchen  Entwurf  /.u  dem  ihren  zu 
machen,  war  wohl  der  Umstand,  dass  ihnen  wahrend  der  Dauer 
des  kaiserlichen  Aufenthaltes  im  Lande  über  den  «Trost  und  die 
Jiülfej»  Karls  eine  Belehrung  geworden  war,  die  sich  mit  dem. 


^  Dass  or  voll  auswärts  an  Strapsbnrjj  gesandt  wurde,  «rkeoBt 
man  schon  daran,  duss  er  wie  ein  litief  gefaltet  ist. 


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—  48  — 


was  der  Brief  aussagen  sollte,  doch  schwer  vereinigen  Hess. 
Ferner  entsprach  es  nicht  den  Thatsuchen,  wenn  sie,  wie  auch 
der  zweite  Entwurf  wollte,  sich  selber  mit  dem  Odium  der 
Urheberschaft  dieses  Gerüchtes  belasteten.  Mochte  auch  dieser 
Entwurf  im  Ver^^leich  zum  fifiberen  den  Strassburgern  in  et- 
was entp^jjf'nkommen,  eine  tiefe  Doninfi^-'ung  bedeutete  es  doch, 
wenn  sie  sich  einem  solchen  AnsiinHMi  unterwarfen  ;  um  so 
tiefer  als  die  Unterweilunj^  nach  su  laniitT  Zeit  unbi«<hn'^'ter 
Ablehnung  durch  das  j^erinj^e  Ent^'ejteiikoiniiKJU  im  Wortlaut 
des  zweiten  Entschuldijjungsentwurfes  keine  ausreichende  Be- 
gründung gewonnen  haben  Wörde. 

Rührte  der  Entwurf  vom  Bischof  Dietrich  von  Worms 
her,  so  muss  er  vor  dem  2.  November  1365  aligefasst  sein, 
denn  nur  als  Wormser  Bischof  und  nicht  mehr  als  Inhaber 
des  Melzer  Stuhles  hat  er  sich  dieser  Sache  angenomiiten.  War 
er  dagegen  vom  Bischof  Laropreclit  den  Strassburgern  fil)er- 
sandt,  so  muss  dies  im  Januar  130(3  «reschehen  sein.  In  diesem 
Monat  hatte  er  seine  vermittelnde  Tliätigkeit  begonnen  nnd 
sehr  bald  darauf  eine  Reise  nach  Avij^mon  an;retreten.  Da  er 
bereits  am  19.  März  wieder  ztirMrk^'ckclirt  von  Pra-/  aus  an 
Strassburg  schreibt, *  po  ist  die  Keise  walirsi  läcinlich  sciion  im 
J;niuar  angetreten  wunieii ;  und  das  Ende  dieses  Monats  ist 
der  letzte  Termin,  an  dem  der  Entwurf  in  Strassburg  einge- 
traJTen  sein  kann.  — 

Mochte  auch  der  Brief  des  Bischofs  Lamprecht  die  Stimm- 
ung des  Kaisers  als  gefahrdrohend  fOr  Strassburg  geschildert 
haben,  die  Stadt,  die  schon  zweimal  dem  durch  Mittelspersonen 
au  sie  gerichteten  Verlangen  des  Kaisers,  seine  verletzte  Ehre 
durch  eine  an  «iie  namhaftesten  Städte  des  deutschen  Südens 
gesandle  schrifiliche  Erklärung  wiederherstellen  zu  helfen, 
widerstanden  hatte,  zeigte  auch  diesmal  Iceine  i3ereitwilligkeit, 
sich  der  kniscrlirlien  Forderung  zu  unterwerfen. 2 

Der  iCir  doii  8.  März  i^cplanfe  Tag  in  Nürnberg,  atif  dtMa 
der  Kaiser  dfu  Furstcn,  IlcrrcMi  und  Städt<*n  des  Roh  Iios  meinen 
Streit  nnt  Sfrasshuc;^'  \ni  le;^fen  wollte,  kam  nicht  zu  staniU' ;  der 
Kaiser  weilte  unuulerl)ro<:ben  bis  zum  t20.  April  in  Prag. 

Es  war  ein  Glück  für  Strassburg;  denn  bei  der  Stimmung 
des  Kaisers  gegen  die  Stadt  wSre  wohl  ein  unheilvolles  Ergebnis 
unvermeidlich  gewesen.  Vom  Hochsommer  des  Jahres  1365 
bis  in  den  März  1366  —  mehr  als  ein  halbes  Jahr  —  hatte 

»  Str.  U  B.  V  nr.  713. 

S  Das  beweist  der  Brief  des  Grosahans  von  Rosheim,  in  dem 
klar  und  dentlicb  mitgeteilt  ist,  dass  Strassbnrg  etwa  bis  zum 
96.  Härs  dem  Kaiser  gegentkbei:  keine  Schritte  gethan  bat.  Vgl.  unten. 


—  49  — 


KnrI  vergeblich  darauf  j;ewarlet,  das.«  ihm  die  jrewünschte  Ge- 
nui^'thuung  wurde.  War  es  ein  Wunder,  wenn  er  jetzt  be- 
gann ungeduldig  zu  weitien  und  den  Gedanken  oiner  gewalt- 
samen Kntscheidun^  der  Angelegenheit  enisllich  in  Kiwä^ung 
zog?  Eine  Missachiung,  wie  sie  von  Slrassbuig  mit  Beharilich- 
keit  und  unverhüllter  Oflenheit  seinem  kaiserlichen  Willen  ent- 
gegengesetxt  wurde,  musste  schlieitslich  auch  einen  Mann  von 
der  Art  Karls  IV.  von  der  UnumgänglichkeU  einer  Entschddung 
mit  deo  Waffen  überzeugen. 

War  er  im  Januar  noch  der  Meinung  gewesen,  sich  mit 
der  im  Einvernehmen  mit  den  ReichsstSnden  zu  erlassenden 
Achtserklärung  gegen  Sirassburg  begnügen  zu  können,  jetzt, 
nachdem  diese  Sladt  trotz  dreimaliger  dringender  AufTorder- 
ungen  bis  tief  in  den  Mär/  hinein  keinen  Srlirift  gethan  hatte, 
um  «liirch  Unterwerfung  uiiler  seinen  kaiserlichen  Willen  die 
versrher/le  OiKule  wieder/u^owinnen,  jetzt  schien  ilini  dies 
bei  weiten»  niclit  mehr  auszureichen.  Persönlich  hatte  er  sicli 
durch  das  Gerücht,  dessen  LntsteJiung  er  den  Strassburgern 
zur  Last  legte^  verletzt,  sich  in  setner  Ehre  als  kaiserlicher 
Schirmherr  deutsclien  Landes  lief  beleidigt  gefühlt.  Und  jetzt 
schien  ihm  durch  das  beharrliche  Schweigen  der  Strassburger 
der  entehrende  Vorwurf,  der  fdr  ihn  in  dem  Gerüchte  lag,  mit 
hewusster  Absicht  aufrecht  erhalten.  Jetzt  schien  ihm  ein 
persönliches  Eingreifen  mit  bewaffneter  Hand  nicht  mehr  um- 
gangen werden  zu  können,  und  er  war  fest  entschlossen,  nach 
der  Krönung  des  hocliwichtigen  Erbvertrni:e<  mit  den  Habs- 
Inirgern  «lur«  h  Knt^'^ejrennahme  der  Eventualliuidigung  in  Wien 
und  naeli  ert'ol^^ter  Kmipfung  iles  nirbt  minder  verheissungs- 
vollen  F.heverlübnissci, zwischon  seinem  Sühne  und  der  Nichte 
des  Ungaruküuigs,  Stiassburg  mit  den   WalVeu  atizugreiien.» 


^  Str.  U.  B.  V  ur.  711.   Brief  des  Grosshans  von  Rosheim  an 
den  Ämmeister  Conrad  Müller,  undatiert,  aber  durch  seinen  Inhalt 
chronologisch  vollständig  gesichert.    Ak  uächstbevorstehendes  Er- 
«ignis  wird  die  aof  den  83.  April  festgesetzte  Reise  Karls  IV.  nach 
Wien  zur  Entgegrnnahme  der  anf  Gtund  der  luxemburgisch-habs- 
bargischen  Erbverbrüderang  vom  20.  März  1366  za  leistenden  Eveu- 
taalbaldigung  der  SsterreicSusehen  Herren  nndLandvOgte  mitgeteilt 
Der  Brief  mnss  also  nach  dem  26.  März,  vielleicht  auch  ganz  kurz 
vorher,  als  der  Abschluss  der  Erbvcrbrütlorung  schon  vöUicr  gesichert 
erschien,  gebchriebeu  seiuj  auf  alle  Falle  vor  deai  2^.  Marz,  da  Ver- 
handlungen Strassbnrgk  mit  dem  Kaiser  noch  nicht  stattgefunden 
hatten;  ebenso  sicher  nacli  dein  19.  ifärz.  dem  Tage  der  Doppel- 
hochzeit am  kaiserlicheu  Uofe,  and  zwar  näher  am  26.  als  am  19.  März^ 
da  der  augenscheinlich  gut  anterriehtete  Groashans  sieher  dies  wich» 
tige  Ereignis  erwähnt  tiaben   würde,  wenn   er  noch   hätte  glauben 
können,  den  ätrassburgern  damit  etwas  Neues  mitzuteilen,  und  wenn 
es  nicht  schon  durch  die  bevorstehenden  Ereignisse  völlig  in  dea 

4 


r 

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—  50  — 


Die  Acht  des  Reiches  sollte  allen  Herren  gestatten,  sich  an  dem 
Gute  der  Strassburger  auf  becjupme  Art  zu  liereichern. 

7m  anderen  Zeiten  hätte  vielleicht  Slrasslmr;:  dataut'  zählen 
können,  in  diesem  Zustande  der  Pie!s;^al)e  an  alle,  denen  es 
wohl  gefiel,  sicii  mit  fremdem  Gute  einen  leichten  Gewinn  zu 
verschaffen,  wenigstens  hei  den  Stfuiten  Unterstützung  oder 
doch  eine  wohlwollende  Neutralität  zu  linden.  Jetzt  waren  aber 
auch  die  Städte  versUmmt  gegen  Sirassburg  und  klagten  laut 
bei  dem  Kaiser  äber  das  cUngelt»,  ivomit  wahrscheinlich  der 
von  der  Stadt  neu  errichtete  BreuschsoU  gemeint  war,  durch 
den  die  Handelsinteressen  der  Städte  notwendigerweise  geschA- 
digt  werden  mussten. 

Dem  Kaiser  konnte  diese  I.^olierun','  Strassburgs  nur  will- 
kommen sein.  Unterwarf  es  sich  nicht  noch  rechtzeitig,  so 
musste  der  Augenblick  kommen,  vco  das  Geschick  der  stolzen 
Stadt  in  seine  Hände  gofrohen  war. 

Aber  es  hatte  nicht  mehr  dieser  Mitleüungen  tles  Strass- 
burger  Burgers  Grosshans  vou  Uo.>lieini,  der  in  eigenen  An- 
gelegenheiten nach  Prag  gegangen  war,  bedurft,  um  seine  Vater- 
stadt vun  der  stetigen  Verschlimmerung  ihrer  Lage  zu  übei  - 
zeugen.  Schon  vor  dem  Eintreffen  seines  Schreibens  hatte  man 
dort  erkannt»  dass  man  die  Stadt  der  schwersten  Gefahr  aus- 
setzte, wenn  man  fortfuhr,  auf  dem  bis  dahin  eingenommenen 
Standpunkt  absoluter  Ablehnung  su  verharren. 

Möglich  dass  Bischof  Lamprecht  von  Speyer  seine  Heise 
nach  Avignon,  die  ihn  ja  nahe  an  Strassburg  vorbeiführen 
mu<;ste,  dazu  benutzt  hat,  noch  weiter  in  versöhnlichem  Sinne 
auf  diese  Stadt  einzuwirken.  Sicher  ist,  dass  ihu  Boten  der 
Stadt  zur  Zeit  seiner  mutmasslichen  Ruckkehr  in  Nürnberg 
erwarteten.  Nach  vergeblichem  Harren  kehrten  sie  am  14.  Mäi'z» 
wieder  heim.  Hätten  sie  sieh  nur  einen  Tag  länger  geduldet^ 
so  wären  sie  mit  Lainprecht  zusammengetroffen. 

Wenn  aueli  ein  persönlicher  Meinungsaustausch  durch  die 
verfrühte  Abreise  der  Slrassburger  Boten  nicht  zu  stände  ge- 
kommen war,  die  Vermittlerrolle  lag  in  den  rechten  Händen, 
und  Bischof  Lamprecht  Hess  es  sich  nicht  verdriessen,  auch 
nach  seiner  Rückkehr  an  den  kaiserlichen  Hof  dem  Werke  der 

Hintergrund  gedrängt  worden  wäre.  Es  ergeben  sich  also  für  die 
Datierung  dieses  Schreibens  die  engen  Grenzen  vom  19.  bis  tum 
29.  März  mit  einem  hohen  Grade  von  Wahrscheinlit  hkeit  für  eine 
Abfassung  in  nächster  Nähe  des  26.  März.  Im  Urkandenbucb  ist  der 
Brief  mithin  em  wenig  zu  früh  eingereiht.  —  Bs  ist  klar,  dass  bis 
dabin  die  Entschaldigangsbriefe  Ton  Strassburg  nicht  eingetroffen 
waren. 

*  Str.  U.  B.  Y  nr.  713  Brief  Bischof  Lamprechts  au  Strassburg. 


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—   51  — 

Versdhnung  weiter  zu  dienen.  Am  10.  März  schon  teilte  ei  dem 
Strassbui^er  Rat  die  Vereitelung  des  ZusammentreiTens  in  Nürn- 
berg bedauernd  mit,  dass,  falls  sie  sich  zur  Absendung  einer 
Botschaft  an  den  Kaiser  enterb  Ii  essen  sollten,  er  init  seinen 
Freunden  nach  Kräften  ihre  JSache  fördern  würde.  Und  in  dieser 
Ricbtun^^  war  er  schon  jetzt  thätig  gewesen,  indem  er  mit  dem 
Kaiser  darüber  gesprochen  halte. 

Zur  Entsendung  der  ihnen  in  so  entgegenkommender  Weise 
nahegelegten  Botschaft  haben  sich  die  Strassburger  nun  endlich 
in  der  That  entschlossen.  Am  29.  Mftrz  gewahrte  ihnen  Karl 
freies  Geldt  bis  zum  34.  Juni  fQr  die  mit  ihm  zu  fahrenden 
Unterhandlungen,  und  die  EnfsenduDg  der  Boten  der  Stadt 
echeint  dann  auch  in  Bälde  nach  dem  Eintreffen  des  kaiserliehen 
Geleitsbriefiss  erfolgt  zu  sein. 

Zur  Anknüpfung  von  Verhandlungen  hatte  sich  Strassburg 
bereit  finden  lassen ;  nur  der  Forderung  der  Entsendung  von 
Entschuldigungsschreiben  halte  es  einen  unef  •acbütterlichen 
Widerstand  entji;-egengesetzt.  Um  einen  solclieii  Preis  lialte  es 
die  Versolinun;.'^  mit  dem  Kaiser  nicht  erkaufen  woüen  ;  und  so 
lange  diese  Fordei  un^f  im  Vordergrunde  stand  als  conditio  sine 
i{Ud  non  für  die  Herstellung  besserer  Beziehungen,  konnte  von 
Verhandlungen  zwischen  der  freien  Reichsstadt  und  dem  Kaiser 
keine  Rede  sein.  Im  letzten  Briefe  des  Bischofs  Lamprecht  war 
dieser  Forderung  mit  keinem  Worte  mehr  Erwähnung  gethan; 
bestand  man  also  nicht  weiter  auf  ihrer  Erfüllung,  oder  zeigte 
man  sich  wenigstens  bereit,  in  Verhandlungen  einzutreten^  ohne 
dass  Strassburg  vorher  den  vom  Kaiser  gewünschten  Akt  der 
Unterwerfung  vollzogen  hatte,  so  hatte  diese  Stadt  keinen  Grund 
mehr,  auf  dem  bis  dahin  l)eobachteten  Standpunkt  eisiger 
Zurückhaltung"  nnch  ferner  7M  beharren.  Ihr  konnte  so|^ar  nichts 
gelegener  kommen  -ils  dies  Angebot  direkter  Unterhandlungen 
mit  dem  Kaiser,  die  sie  dazu  benutzen  konnte,  das  Reichs- 
obcrliaupt  von  der  Grundlosigkeit  seines  VeHachtes  zu  über- 
zeugen und  die  sie  demütigende  Form  einer  brieflichen,  an 
zahlreiche  Fürsten  und  Städte  zu  richtenden  Entschuldigung  zu 
ersetzen  durch  eine  mündliche  Erklärung  an  den  Kaiser  allein. 

Hätten  die  Strassburger  dem  Kaiser  durch  Absendung  der 
Entschuldigungsschreihen  Genüge  geleistet,  dann  wäre,  Alls 
überhaupt  noch  Verhandlungen  von  nöten  waren,  die  grosse 
Viirsiehl  unbegreiflich,  mit  der  die  Stadt  jetzt  verfuhr.  Dann 
hülle  sie  eines  kaiserlichen  Geleitsbriefes  nicht  bedurft.  Denn 
was  den  Kaiser  ^repren  Strassbur^r  anflirachte,  war  doch  vor  allen 
Dingen  das  dieser  SlaHt  zuj^escbriebeiie  Gerücht,  die  Engländer 
seien  von  ihm  herbeijjei ufen,  und  ihre  \Vei;j^erun^%  die  ge- 
wünschten Entschuldigungsbriefe  abzusenden.  Hätte  Strassburg 


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—  5a  — 


diesem  Ansinnen  nachgegeben,  so  wären  die  übrigen  Kiage- 
punitle,  difi  der  Kaiser  in  seinem  {regenwarti^^cn  Unwillen  gegen 
die  Stadt  laut  v.cnlon  Hess,  sehr  hald  zu  volli'^rj^r  liedeutunj^s- 
losigkeit  herabyesuiiken  und  mit  Hülfe  der  ^juten  \  crbindunj^en, 
über  die  Strassburg  am  kaiserlichen  Hofe  verfügte,  ohne  jede 
Schwierigkeit  beigelegt  worden.  In  ihnen  lag  kein  Keim  zu  ge- 
fährlichen Verwickelungen. 

Aber  weil  Strassburg  die  verlangte  Genugthuung  nicht  ge- 
lebtet hatte  und  eotachlossen  vrar,  sie  nach  wie  vor  zu  ver^ 
weigern»  darum  iLOunte  es  nicht  wissen,  welchen  Ausgang  seine 
Verhandlungen  am  Prager  Hofe  nehmen  wCrden.  Deswegen 
mussle  es  sich  für  den  Fall,  dass  der  Kaiser  auch  ferner  an 
seiner  ersten  Bedingung  festhalten  !=^ollte,  auf  alles  gefasst 
machen.  Dann  bedeuteten  die  Verhandlungen  für  die  Stadt  nur 
einen  Gewinn  an  Zeit,  die  auszunutzen  man  sofort  die  geeigneten 
Massrep^eln  ergriff. 

Während  der  Anwesenheit  der  Engländer  im  Elsass  war 
Strassburg  auf  die  empfind huhste  Weise  an  die  schwachen 
Punkte  seiner  VeileidigungSiiteUuug  geiuabul  worden.  Zwar 
konnte  sich  die  Stadt  gegen  jeden  Gegner  halten.  Aber  ausser- 
haib  des  Kranzes  der  festen  Mauern  lagen  vor  den  Thoren  die 
Vorstädte,  schutzlos  den  Handstreichen  und  PlQnderungen  jedes 
entschlossenen  Feindes  preisgegeben.  Zweimal  hatte  Strassburg 
in  ihnen  die  raulie  Hand  der  Englander  fühlen  müssen* 

Dem  sollte  jetzt,  so  schnell  es  in  der  Eile  ging,  wenigstens 
notdürftig  abgeholfen  werden.  An  die  Errichtung  von  festen 
Mauern,  wie  sie  das  alle  Strassburg  umschlossen,  zum  Schutze 
der  Vorstädte  konnte  wegen  dei'  Kürze  der  zu  Gebote  siehenden 
Zeit  nicht  gedacht  werden.  Man  be^fmi^te  sich  damit,  sie  einsl- 
weilen  durch  Anlage  von  mil  Palhsaden  verstärkten  Gräljen  in 
verteidigungsfähigen  Zustand  zu  »etzeu.  i  Es  wurde  mit  so 
grossem  Eifer  gearbeitet,  dass  die  Befestigung,  wie  es  scheint» 
noch  während  der  Abwesenheit  der  an  den  Kaiser  gesandten 
Boten  fertiggestellt  wurde.* 


^  Str.  0.  B.  V  ur.  741  andatiert,  aber  eesicbert  durch  den  aaf 
der  sttdern  Seite  des  Blattes  stehenden  Bescnioss  die  100  Glefen  auf- 
mstellen  vom  17.  April.  Unter  dem  letsten  Absatz  sielit  man  di» 
oberen  Schäfte  der  Bachstaben  einer  neuen  Zeile,  die  durch  einen 
glatten  Schnitt  abgetrennt  ist.  Die  Ratsbeschlüsse  von  nr.  7il 
standen  also  bereits  auf  dem  Blatt,  als  aaf  der  Rftckseite  der  Be- 
sohlnss  vom  17.  April  verzeichnet  und  das  Blatt  nach  diesem,  aber 
ohne  Kücksicht  auf  die  Beschltt&se  der  anderen  Seite  zugeschnitteii 
wurde.  Diese  sind  mithin  vor  dem  17.  April  aufgeseidiiiatt  aber 
nicht  lange,  da  die  Boten  an  den  Kaiser  schon  abwesend  waren» 
dessen  Gdeitsbrief  erst  vom  29.  Mfirr,  datiert  ist. 

2       ist  die  Kede  von  einem  «buwe  .  .  .  den  man  da  ;d.  h.  in 


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—  53  — 


Von  den  Kosten  sollte  ein  Drittel  durch  das  Uogelt  aufge- 
bracht ^verden;  die  übrigen  zwei  Drittel  wurden  den  Grund- 
und  Rentenbesitzern  dt  r  Vorslfidte  auferlegt.  Die  Instand  halt  ung 
der  Befestigungjjvverke  lag  denen  ob,  auf  deren  Grund  und 
Boden  sie  ani^clegt  waren.  Für  Abbruch  der  Pallisaden  wurde 
1  Jahr  Vorh  iniHinfT  und  eine  Geldstrafe  von  5  Pfund  angedroht. 

Diese  Hesciilüsse  des  Rates  riefen  unter  der  vorstädtischen 
Bevölkerung  grosse  Erbitterung  hei  vor;  ein  Teil  der  dortigen 
Besitzer  weigerte  sich,  die  verlangle  Zahlung  zu  leisten  :  Die 
Engländergefahr  drohte  ja  nicht  mehr;  warum  also  brauchte 
man  die  Befestigung  der  Stadt  mit  so  fieberhafter  Eile  und  mit 
so  starker  Inanspruchnahme  des  Privateigentums  su  betreiben? 
Es  kam  zu  stürmischen  Scenen  auf  der  Pfalz.  Aber  der  Rat 
iiess  sich  in  dem  als  notwendig  Erkannten  nicht  irre  machen. 
Mit  drakonischer  Strenge  wurde  eingesi;hritten :  Jeckelin  Bader 
und  Slammeler  wurd^  auf  Lebenszeit  aus  der  Stadt  verwiesen 
und  7  andere  Personen  mit  Verbannungsstrafen  von  1  bis  zu 
lüjähriger  Dauer  belegt,  i 

Auch  dnfür,  dass  im  Falle  der  Not  eine  lu-wafTnetc  Mann- 
schaft zur  Verfii^niii^r  stand,  wurde  *^esor^t,  indem  der  Hat  am 
17.  April  den  Beäcliluss  lasste,  lUO  Glefen  unter  zwei  Haupt- 
leuten aufzustellen,  die  bis  zum  Weihnachtsfest  stets  «gerüstet 
und  gespannen»  sitzen  solUen.* 

Welchen  Verlauf  die  unter  so  ernsthaften  militärischen 
Vorbereitungen  begonnenen  Verhandlungen  Strassburgs  mit  dem 
Kaiser  genommen  haben,  darüber  berichtet  weder  eine  Urkunde 
noch  ein  Brief.  Von  dem  Zerwürfnis,  das  bis  dahin  in  den 
zeitgenössischen  Aufzeichnungen  so  deutliche  Spuren  hinter- 
lassen hat,  wird  es  jet/(  ^anz  still.  Aus  dieser  Thatsache  kann 
man  wenigstens  für  den  Ausgang  der  Verhandlungen  einen 
öchluss  ziehen  :  völlig  gescheitert  können  sie  nicht  sein. 

Dass  sie  dein  Verhältnis  Strassburgs  zum  Kaiser,  das  nun 
scliuu  eine  lan-e  Keilie  vun  Jahren  hindiu'ch  kein  erlieuliches 
mehr  jrewesen  war,  sofurl  wieder  den  Stempel  herzlicher  Freund- 
schalt aufdrücken  würden,  das  hat  wohl  weder  in  Strai?sburg 
noch  unter  den  mitwissenden  Zeitgenossen  jemand  erwartet. 
So  rechnete  der  Pfalzgraf  bei  Rhein  auf  den  Beitritt  Strassburgs 
zu  dem  Bündnis,  das  er  mit  den  freien  Städten  des  Mtttelrheins 
zur  Wahrung  ihrer  Freiheiten  und  Gerechtsame  auch  dem 
Kaiser  gegenüber  zu  schliessen  wünschte.  Der  Pfalzgraf  wollte 


den  Vorstädten)  gemachet  het».  Welcher  Art  dieser  Bau  war, 
seigt  nr.  732  o.  779. 

1  St.  U  B.  V  nr  740. 

2  Ebendort  nr.  718. 


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—  54  — 


damit  den  Bestrebungea  Karls  IV.,  das  Reich  an  die  Krone 
Böhmen  su  riehen^  einen  Damm  ent^^egensetzen.  Am  i7.  Juli 
sollte  diese  Angelegenheit  zu  Germersheim  unter  seiner  persön- 
liclien  Teilnahme  beraten  werden.  *  Aber  seine  Bestrebungen 
hatten  kaum  einen  lialt>en  Erfoljj :  der  am  5.  Aupfust  zu  Ger- 
raei'sh^'irn  ^-^eschlossene  Bund  war  beschränkt  auf  die  beiden 
Pfalzyralen  Kupreclil  den  älteren  und  den  jüngeren  und  die 
Städte  Worms  und  Speyer.  Für  SlrasäLurg  untl  Mainz  wurde 
der  Beitritt  ein  Jahr  lang  offen  gehalten.  Fürs  erste  waren  sie^ 
die  mächtigsten  der  Städte,  also  nicht  gewonnen  worden.  Und 
in  das  Bundesinstrumeni  wurde  keine  Besümmung  aufgenommen» 
auf  Grund  deren  eine  gegentieitige  BundeshQlfe  auch  gegen  den 
Kaiser  hätte  stattfinden  müssen.  Im  Gegenteil,  man  beteuerte 
g^en  Karl  IV.  und  das  Reich  seine  Anhänglichiceit  mit  einer 
Inbrunst,  wie  sie  sonst  in  den  Bikndnissen  jener  Zelt  vergeblich 
gesucht  wird. 2 

Am  7.  Oktober  noch  war  man  im  Strassburger  Hat  uneinig, 
ob  man  die  vor  kurzem  aufgestellte  bewaffnete  Maclil  noch  be- 
halten, ofier  oh  man  sie  entlassen  .sollte. 3  Darnacb  sclieinen 
die  I5t  /Irl innren  zum  Kaiser  sich  allerdings  verbessert  zu  haben, 
aber  noc  ii  nic  ht  bis  zum  vüllipren  Verschwinden  jeder  Besorgnis. 

Auf  je*len  Fall  ist  dies  die  leLzle  Spur  eines  noch  nicht 
hergestellten  völligen  Einvernehmens  mit  dem  Kaiser.  Und  wenn* 
auch  StFSSsburg  tu  Karl  IV.  niemals  in  so  engen  Beziehungen 
gestanden  hat  wie  zu  dessen  Vorgänger  Ludwig  dem  Baiern» 
gegen  den  unsere  Stadt  in  ihrer  Treue  niemals  gewankt  faat^ 
so  zeigt  doch  von  nun  an  der  Verkehr  zwischen  Kaiser  und 
Stadt,  wenn  auch  keine  besondere  Herzlichkeit  so  doch  noch  viel 
weniger  irgend  welche  Feindschaft  oder  Gehässigkeit. 

»  Bericht  der  Strassburger  Bottn.  Str.  0.  B.  V  nr.  728. 
»  Wormser  ü.  B.  U  nr.  620. 
9  Str.  U.  B.  V  nr.  78t. 


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—   55  — 


Anhang. 

MbntMiard  an  Basel:  NachrkhUn  über  die  Englander 

[1300  Juli  d.] 

Rectmmendadone  famuhsa  previa  cum  effeciu,  Nu- 
merum,  quantiiatem  Anglarum  et  vbi  eint  ad  presensy  vobie 
tenore  preseneium  iniimamue,  Quantitas  et  numerus  ipsorum 
est  circa  decem  milia  equitnrn,  sicut  nobis  ab  estimatoribns 
est  relulumy  et  sunt  in  Visidio  mmc  locati^  qui  locus  de 
Visulio  distat  a  loco  i\fontisblig[ardi]  Septem  leuciSy  et  jam 
quedam  pars  ipf^orum  circa  Montem  JuMinum  isto  sabbato 
su)it  locati  et  Semper  appropinquantc^  comital[fn]  Montif^bi- 
Ug[ardi]  an  antea  in  Almciam  incedere  cupienteSy  quos  de 
die  in  diem  apud  Moiitembiliglarduin\  venturos  sicut  dicitur 
prestolamur.  Ei  ad  unam  brevem  leucam  sunt  nunc  tem- 
paris  prope  Lutram,  que  est  de  et  sub  tutda  comitatus  Phir- 
retamm,  ipsam  volentee  infra  erasHnum  eapere  vU^enter, 
prout  nobis  est  veracüer  intimatum,  Scituri  feria  quinta 
nupeit  lapsa  mmmo  mane  isto«  wMleSy  qui  secuntur,  in 
Chariaco  viriliter  fore  eaptoSt  videlieet  dominos  Heinricum 
et  Jacohum  de  Yianna  cum  filiis  eorundemy  dominum  de 
Mo)demertino  cum  fUto  suo,  tres  dominos  de  /?ta,  duos  do- 
minos de  Torafiia,  WiHtelminn  de  Bella  Opera  mifite'^  cum 
octoginta  viris  annads  in  Cliariaco  consistentibus  cum  eisdem, 
Quare  prevideatis  cos  efficnciter  super  ist^s.  Conaercet  vos 
gracia  salvatoris.  Datum  sabbato  post  festum  bealomm 
Petri  et  Pauli  apostolorum. 

Thcobafdus  de  Bavans  miles  et 
Hugo  cc^tellanus  Montisbiliylardi]  per  omnia  toti  vestn» 

[In  verso]  Magne  nobilitatis  et  Industrie  viro  domino 
Cünrado  de  Berenvels  militi  magistro  civium  B<isilien[sium]f 
8U0  domino  et  amico, 

* 

Str,  St.  A.  O.  0.  P.  lad.  32  nr.  5.  ef*p,  ch.  cotm* 


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Iii. 


Die  Postverbindunji: 

zwischen  Barr  und  Strassburg  in  der 
2.  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts. 


Um  die  MiMo  de«  aclilzehnlen  Jalirbuiiilert-'  war  die  Herr- 
schaft Barr,  die  zw  ;ir  nur  aus  den  5  Gerneirnlen  Barr,  Heilip^on'^ftMii, 
Gfrt wfilcr,  Tioxwciler  und  Burgheim  hcstnnd,  trolziiem  eine 
der  Ijeileultndsten  und  reichsten  (Ichiot»'  der  Piovinz  Elsass, 
sowohl  mit  Ilücksieht  auf  <ii«'  loichcu  \Vnl(lun;ien  des  Südab- 
hanjj'-es  des  OdiHenherges  und  th?r  Kirneck-  und  oberen  Andlau- 
thäier,  um  welche  letztere  die  Cremeinden  mit  dem  Inhaber  der 
Herrschaft,  der  SUdt  Strassburif,  fast  anderthalb  Jahrhundert 
langf  bei  den  verechiedensten  Gerichten  im  Prozesse  lagen,  als 
Auch  infolge  des  regen  Gewerbefieisses  und  der  Emsigkeit  der 
Bewohner  des  StSdtchens  Barr,  das  damals  den  Charakter  eines 
arl>eitsamen  Handwerkerslädtchens  hatte.  Diese  Herrschaft  war 
eine  der  bevölkertsten  Ge<(enden  der  Provinz  Elsass,  und  mit 
wenigen  Ausnahmen  waren  sämtHche  Insassen  Gewerljet  reibende, 
sei  e«?  Kanflente,  «ei  es  Handwerker  jeder  Art,  die  sich  eines 
niciil  unbodcuffHti(Mi  Wfihlslainli'-  erfreuten,  sodass  die  in  der 
Herrschaft  in  Furiu  de?»  Zsvunzi;,^^teii  erhobene  (iewei  hesleuer 
dem  Fiskus  die  für  damalige  Verhältnisse  nicht  unbedeutende 
Summe  von  2000  Livres  eintrug. 


Eine  um  17S0  aofgesletlte  Tabelle  gtebt  Ober  die  Hand 


Von 


P.  A.  Helmer. 


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—  57  — 


werker,  insoweit  sie  als  Zunftmeister  eu  den  13  ZQnften  der 
Stadt  gehörten,  folgende  Angaben : 

Chapelliers  7,   Cloutiers  10, 

Ürapiers  iO,    Meunieis  et  boulangers  51, 

Tonneliers  53,   Cordonniers  94, 

Serrurier?  9,    Tanneurs  52, 

Armiirier?  3,    Menuisiers,   ma(."ons  et  tail- 

Tailleurs  (Phabits  40,       leurs  de  pierres  30, 

Menuisiers  15.    Charpentieis  14. 

Beirnclilot  man  diese  Tahelle  näher,  so  erkennt  man  leicht 
sowülil  aus  der  Art  eini}j;er  lidiidwcrker,  die  üe^^enstfinde  iier- 
stellen,  welclie  nicht  bestimmt  sind  blns  an  Ort  nnd  Stelle  ab- 
geselzl  zu  werden,  sondern  aut  ein  grösseres  Aij.salzgebiet  als 
das  Städtchen  und  die  umliegenden  Dürfer  hinweisen,  als  auch 
aus  der  grossen  Zatil  anderer,  deren  Eneugnisse  nicht  Amtlich 
in  der  Herrschaft  verbraucht  werden  konnten,  dass  der  Gewerlie- 
fleiss  der  Bewohner  der  Herrschaft  ein  grösseres  Absatzgebiet 
fOr  die  hergestellten  Waren  notwendig  machte  und  dass  daher 
einstige  Verkehisverhältnisse  eine  Lehen^liedinj^unp  für  das 
Blühen  und  Gedeihen  der  Barrer  Industrie  im  18.  Jahrhundert 
waren.  Die  hohe  Zahl  der  in  Barr  arbeitenden  Schuhmacher, 
Knfcr,  Gerher  nnd  Schneider,  fnr  die  das  Gebiet  der  Herrschaft 
allein  nnmöi^lich  einen  ansreic  lienilen  Markt  dnr!)n|,  zwinpt  zu 
der  Ann  dune,  dass  diese  Handwerker  ilire  \\'ar(ni  htMstdlten, 
um  sie  Weiler  zu  versenden  und  in  der  Ferne  zu  vei  kaufen. 

Hieiiu  he^nündet  sich  das  «zrosse  Interesse,  welches  Uie 
{ranze  Herrschaft  an  geregelten  Post  Verbindungen  mit  der  etwa 
30  lern  entfernten  Hauptstadt  der  Provinz,  mit  der  sie  auch  in 
engerer  politischer  Verbindung  stand,  und  zwar  sowohl  hin- 
fsichtlich  der  Personenpost,  als  auch  der  Brief-  und  Packetposf 
hatte. 

Die  hohe  Bedeutun<r,  welclie  von  den  Bewohnern  der  Herr- 
.Schaft  dieser  Post  beijrelegf  wurde,  führte  im  Verein  mit  der 
Persönlichkeit  des  Poslhallers,  dei  wohl  auch  seihst  nicht  der 
friedferhV'sfe  Men<rh  war,  in  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen 
JahrhundtM  ts  zu  ni.inniLj l  iehen  Slreiti^^keilen  zwischen  der  ßür- 
j^ersihatt  nud  den»  Inhaber  der  Post,  (ieren  Niederschlag  iu 
Gestalt  eines  Aklcnbündelsi  über 

Jean-Micbel  Diffin^, 
bourgeois-boulanger-aubergiste  de  Barr,  messager  ordinaiie  du 


'  Befindet  sich  nunmehr  in  der  Kaiserl.  Universitüts-  und  Landes- 
bibliothek  in  Strassbarg,  ElsasS'Lothringiscbe  Handschriften  Nr.  1110. 


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_   58  — 


d^paiiement  et  de  la  seigneurie  de  Barr  et  maitre  de  la  voiture 
stabile  en  forme  de  (iiligence,  in  dem  Archiv  des  Amtsgerichts  Barr 

aufbewahrt  ist.  Wenn  auch  Hie  belrcflcnden  Schriftstücke  im 
Grunde  nur  den  Zweck  verfolgten  einzelne  Streitpunkte  zwischen 
Difllne  und  der  Sl.idf  Barr  oiicr  einzelnen  Bürj^ern  zu  erledi{?en, 
m  lü^st  sich  düi  h  durch  ihre  Gesamtheit  das  j^rnnze  Institut  der 
damaligen  Posf  irn  (ieiste  ^ewissermasf^en  wieder  aufbauen,  j'o 
dass  man  dadurc.ii  einen  P^inhUck  erhält  in  di«»  Art,  wie  dei" 
einzelne  in  jener  Zeil  rei.sle  und  wie  der  Staat  lur  regelmässige 
Verkebrsverbiud  u w^e n  sorgte. 

Die  Kenntnis  dieser  Postverbindungen  zwischen  einem 
kleineren  Provinzialstidlchen  und  der  Provinzialhauptstadt  mag 
heutzutage  nicht  ohne  Interesse  sein,  wo  die  Errungenschaften 
der  modernen  Technik  auf  dem  Gebiete  des  Verkehrswesens: 
Eisenbahnen»  Weltpostverein,  Telegraphe  und  Telephone  uns 
die  Umständlichkeiten  vergessen  machen,  mit  denen  unsere 
Vorfahren  beim  Gedankenaustausche  und  beim  Reisen  zu  rechnen 
hatten  und  wo  anderseits  die  wissenschaftlichen  Untersuchungen 
der  damaligen  Zustände  sich  fast  ausschliesslich  auf  den  allein 
politisch  bedeutsamen  Verkehr  auf  den  grösseren  Staatsstrassen 
erstrecken. 


Die  Verkehrseinrichtungen  zwischen  Barr  und  Strassburg 

umfassten  in  damaliger  Zeit  die  Beförderung  von  Personen 
mittels  der  Diligence,  die  Uebermittlung  von  Briefen,  Wert- 
sendungen und  Packeten,  während  von  einer  Extrapost,  welche 
den  Reisenden  nur  die  Pferde  zum  Ahlösen  lieferte,  keine  Rede 
ist,  da  woiil  auch  hierzu  auf  der  kurzen  Strecke  zwischen  Barr 
und  Strassburg  kein  Bedürfnis  war. 

Die  Belorderunjj  von  Personen  erfolgte  in  damalin^er 
Zeit  in  jenen  geräumigen  Wagen,  die  man  heutzutage  nur  noch 
in  entlegenen  Gebirgsgegenden  oder  an  fast  völlig  des  Verkehrs 
mangelnden  Orten  der  Ebene  in  Gehrauch  sieht,  die  man  aber 
^  wenigstens  alle  drei  Monate  ^  in  jeder  guten  Familienieit* 
schritt  auf  Bildern  aus  der  «guten  alten  Zeit»  findet.  Auf  vier 
Banken  konnten  im  ganzen  12  Personen  in  diesen  Wagen  Auf- 
nahme fmden.  Freilich  mag  die  Notwendigkeit  zu  dreien  ge- 
drängt auf  einer  Bank  zu  sitzen  der  damaligen»  bauschigen 
Frauentracht  nicht  recht  entsprochen  haben.  Denn  seihst  die 
Gewerhefreihcnden,  die  der  Geschäfte  halber  von  Barr  nach 
Stnissburg  fuhren,  klagten  darüber,  da«s  man  auf  den  Bänken 
der  Diligence  sich  kaum  regen  konnte,  und  sie  zogen  es  zum 
teil  angeblich  aus  diesem  Grunde  vor,  in  jenem  zweiräderigeu 


1. 


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—  59  — 


Korbwagen,  dem  Bennenkarch,  der  heule  nur  noch  zum  Trans- 
port von  Kartoffeln  und  Zwiebeln  dient,  zu  fahren,  als  sich  in 
den  wandelnden  Kasten  der  Diligence  einpferchen  zu  lassen. 

Vier  starke  Pferde  mussten  in  der  Regel  an  dem  Wagen 
ziehen  und  ihre  Kraft  reichte  nur  aus,  wenn  die  Strassen 
trocken  und  leicht  fahrbar  waren.  Im  Winter  dagegen,  wenn 
die  Strassen  vom  Regen  und  Schnee  durchweicht  waren  und 
die  Räder  des  Wa<^en«=  nur  >chwer  voran  kommen  komiten, 
he<lnrt'fe  es  liäiiüj^  eines  fünften,  ja,  unter  besonders  schwierigen 
Verhältnissen  6t)gar  eines  sechsten  Pferdes. 

Dieses  stattliche  Gespann  veiinüchle  jedoch  holz  iler  Zahl 
der  Pferde  die  etwa  30  km  lange  Fahrt  von  Barr  nach  Strass- 
burg  nur  in  6i/s  Stunden  zurückzulegen.  Denn  so  lange  muss 
die  Fahrt  in  der  Regel  gedauert  haben,  wenn  die  Itemerkung 
richtig  ist,  dass,  als  Diffinö  das  Trinkgeld  des  Fuhrmanns  auf 
6  Deniers  pro  Stunde  festsetzte,  dieser  bei  Hin-  und  Rückfahrt 
mit  voll  besetztem  Wagen  3  Livres  i8  Sols  erhalten  hätte.  Aber 
auch  andere  Anhaltspunkte  weisen  darauf  hin,  dass  die  Fahrt 
6  bis  7  Stunden  gedauert  habe. 

Aus  diesem  Grunde  miis>ile  die  Pos!  morgens  in  aller  Frühe 
Barr  vorln5;<5en,  damit  die  Heisentlen  noch  des  Vormittags  in 
Strasshur^^  Zeit  fanden  ihre  GeschäOe  zu  erledigen  und  die  I>ili- 
genee  nech  um  die  Mitte  des  Nachinillags  die  llurkfalirl  n;ich 
Barr  antreten  konnte.  Nach  langen  Klagen  über  die  ünregel- 
mSssigkeit  der  Abfahrt  sowohl  in  Barr  wie  in  Strassburg, 
infolgederen  zahlreiche  Reisende  den  Wagen  verfehlten,  wurde 
durch  die  Ordonnance  vom  27.  Juni  1774,  welche  den  Post- 
verkehr eingehend  regelte,  angeordnet,  dass  die  Diligence  fortan 
des  Morgens  um  3  Uhr  von  Rarr  und  des  Nachmittags  im 
Sommer  ebenfalls  um  3  Uhr,  im  Winter  um  2  Uhr  von  Strass- 
burg  abfahren  sollte.  Dem  Reisenden  bliel)  also  nicht  viel  Zeit 
zum  Aufenthalte  in  Strassburg.  Schon  frühzeitig  musste  er  sich 
nach  Milln|_r  im  «f»ebsfock»  in  der  Langgasse  wieder  einfinden, 
wo  die  Halteätelie  der  iiiligence  war.  Wollte  er  länger  in  Strass- 
burg verweilen,  so  musste  er  gleich  eine  liallie  Woche  auf  eine 
neue  Gelegenheit  zur  Rückfahrt  mit  der  Diligence  warten.  Denn 
die  Post  luhi  nicht  alle  Tage.  Nur  zweimal  wöchentlich,  Mon- 
tags und  Donnerstags,  fuhr  sie  —  und  die  Wahl  dieser  Tage 
war  um  so  unglücklicher,  als  es  den  Rarrern  zum  teil  daran 
gelegen  war,  Freitags  zum  llarkttage  nach  Sirassburg  zu  kommen. 

Der  Preis  für  Hinfahrt  sowohl  wie  Rückfahrt  war  jedesmal 
24  Sola.  Auf  diese  Summe  wurde  er  nämlich  durch  die  Ordon- 
nance von  1774  festgesetzt,  nachdem  die  Bürger  von  Barr  sich 
bitter  darüber  beklagt  hatten,  dass  Diffme  keine  festen  Preise 
hatte,  sondern  einen  jeden  nach  Gutdünken  taxierte*  Für  den 


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—  eo  - 


Preis  von  24  SoU  durfte  man  unentgeltlich  Handgepäck  mit- 
nehmen bis  xum  Gewichte  von  20  Pfund.  Durch  die  Zulassung 

von  Freigepäck  wurde  dem  Umstände  Rechnung  gel rniren,  dass 
die  Fahilen  von  Barr  nach  Strassburp:  hauplsrichlich  um  der 
Geschäfte  willen  erfoljjten  und  die  Fahrt  ohne  Gepäck  nur  äii':- 
serst  seilen  vorkam,  sodass  ihn-  Preis  tür  das  Gepäck  zugleich 
in  dem  Personenfahrpreis  uutgenonirnen  werden  konnte. 

Der  Preis  von  24  Sols  war  derjenijfe  der  Konkurrenten  des 
Dilline,  die  ihm  Irotz  seines  Monopols  ins  Handwerk  pluschten, 
und  die  gerade  mit  der  Behauptunjj  verteidigt  wurden,  dass 
die  Fuhrt  bei  DifTind  teuerer  sei.  Als  aber  Diffin^  eine  Taxe  von 
24  Sols  für  die  Fahrt  auferl^t  wurde,  suchten  seine  Gegner 
ihn  dadurch  zu  bekämpfen,  dass  sie  bebauplelen»  es  wären  Leute 
in  Barr  (namenllicb  ein  Diebolt,  n^ociant),  welche  sich  mit 
20  Sols  begnüjieu  würden.  Hierauf  ging  jedoch  die  Verwaltung 
nicht  ein,  da  sie  ofTenhar,  nicht  wie  es  heute  öfters  bei  Subroi^ 
sionen  gescliielit,  ohne  Prüfung  die  Offerle  desjenigen  annehmen 
wollte,  der  am  wenigsten  forderte,  somlern  die  Angemessenheit 
des  Preises  dei'  ei;;eneii  Heui  leilung  nrderzog  und  sie  otVenhai"  zu 
tler  Ansirlit  kam,  dass  die»  Diligence  nicht  fortbestehen  könnte, 
wenn  iler  Preis  inx  li  mehr  herahgesetzt  winde. 

Ausser  dem  Fahrpreis,  der  dem  lnhal>er  der  Diligence  zu- 
kam, mussfe,  wie  es  damals  in  alten  Ländern  gang  und  gäbe 
war  und  auch  jeixt  noch  ist,  dem  Kutscher  ein  Trinkgeld,  les 
guides  du  posfillon,  gegeben  werden.  Dieselben  wurden  jedoch, 
um  Bevorzugungen  und  den  daraus  entstehenden  Streitigkeiten 
vorzubeugen,  vorher  festgesetzt.  In  einem  Kalender  für  das 
Jahr  i771  war  das  Trinkgeld  für  eine  Fahrt  von  Barr  nach 
Strasshurg  auf  2  Sols  und  ebensoviel  für  die  Rückfahrt  fest- 
{resetzt.  Als  derselbe  Kalender  drei  Jahre  darauf  4  Sols  an- 
gab, und  man  annahm,  dass  dies  nicht  auf  einem  Druckfehler 
beruhe,  sondern  auf  die  Veranlassung  DitVines  liin  geschehen 
war,  erhohen  die  ]5arrer  dcslmll)  neue  Klagen  ge^eii  diesen. 
Difüne  .suclite  nun  nachzugeben,  indem  er  die  guides  auf  6 
JJeiiiers  pro  Stunde  testsefzte.  Diese  Art  der  Berechnung  wirkte 
nicht  nur,  wie  ganz  selbst  verstand  lieh  ist,  alseine  auf  langsames 
Fahren  gesetzte  Prämie  für  den  Fuhrmann;  denn  je  langsamer 
er  fuhr>  desto  grösser  war  das  Trinkgeld.  Sondern  sie  enthielt 
auch  bei  regelmässiger,  sechsundeinhallistündiger  Fahrt  noch 
immer  eine  Steigerung  des  Trinkgeldes  von  2  Sols  auf  3  Sols 
3  Deniers.  Deshalb  wurde  in  f  r  Itereits  mehr! n  h  erwähnten 
Ordonnanc  e  vom  27.  Juni  1774  das  Trinkgeld  wieder  auf  2  Sols 
pro  Fahrt  festgesetzt,  sodass  der  Fuhrmann  bei  voll  besetzter 
Diligence  immer  noch  2  Livres  8  Sols  für  die  Hin-  und  Hück- 
fubrl  einnahm. 


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—    öl  — 


Zugleich  mit  der  Personenpost  hatte  DifQnö  noch  die  Ver- 
yraltung  der  Brief-  und  Packetpost.  Im  allgemeinen  durfte  er 

hierbei  die  Annahme  ebensowenig  ablehnen  %vie  heutzutage  die 
Post.  Jedoch  brauchte  er  die  sofortige  Ueberinittiung  von  Briefen 
nicht  an  Taj^en  zu  übernehmen,  an  denen  die  Diliyence  nicht  fuhr. 

Da  auch  boi  dor  Briefpost  ihm  vorjfeworfen  wurde,  dns'? 
er  zu  hohes  Porto  Ix-rechne  oder  die  Briefe  zweimal  flankieren 
lasse,  wurden  durch  die  Ordonname  von  1774  auch  diese  Ver- 
bältnisse geordnet,  indem  für  eiufai  heu  uder  doppelten  Brief 
mit  oder  ohne  Umschlag  die  I  raukatur  auf  2  Sols  festgesetzt 
wurde. 

Zugleich  wurde,  da  auch  daröher  geklagt  worden  war,  dass 
DiCßnö  die  Briefe  nicht  sobald  es  angängig  war,  ablieferte,  sondern 
dieselben,  namentlich  die  für  die  Umgegend  bestimmten,  1  oder 
2  Tage  und  noch  mehr  liegen  Hess,  auch  die  Bestelbeit  der 
Briefe  geordnet.  Es  war  für  die  induslriereiche  Bevölkerung, 
deren  Gescliäflsverkehr  hfuiiig  die  eilige  Bestellung  von  Briefen 
erforderte,  von  grosser  Bedeutung,  dass  die  Briefe  sobald  wie 
möglich  zugestellt  würden.  Xacli  Regelung  der  Abfahrtszeiten 
der  Dili;zcnro  blinl)  selbst  bei  einer  Verspätung  von  ' bis  i 
Stunde  docii  aui  ia^^e  st.>lbst  wenigstens  im  Sommer  noch  Zeit 
genug,  um  die  für  die  Stadt  Barr  bestimrnleti  Ih  iete  zii/.n>lelleu. 
Dies  wurde  daher  angeordnet  und  für  die  Winterszeit  bestimmt, 
dass  Briefe  für  die  Stadt  am  folgenden  Tage  vor  10  Uhr  dem 
.Adressaten  ins  Haus  gebracht  werden  mQssten.  För  die  Dörfer 
der  Herrschaft  genügte  Sommer  wie  Winter  Zustellung  an  dem 
Tage  nach  der  Ditigence. 

Auch  fflr  die  Packet^  und  Geldsendungen  bestand 
wie  für  Briefe  Annahmezwang.  Für  Parkele  wurde  das  Porto, 
nachdem  auch  in  dieser  Beziehung  das  Verhalten  DilTines  zu 
Klagen  .\nlass  gegeben  halte,  durch  die  mehrerwähnte  Ordon- 
nnnre  von  1774  auf  12  Sols  für  den  Zentner,  (i  So!s  für  den 
halben  Zentner  und  3  SoU  för  Packete  bis  zu  25  Pfund  fest- 
gesetzt . 

Zur  Sicherung  der  Auftraggeber  musste  Diffin^  die  Gelder, 
Packele  und  Waren,  die  ihm  mi  Weitersendung  mitgegeben 
wurden,  in  ein  Register,  dessen  Seiten  zu  diesem  Zwecke  mit 
Seitenzahl  und  Paraff  versehen  sein  sollten,  eintragen.  Aus 
diesem  Geschäftsbuch  konnte  man  einen  Einblick  in  den  €re- 
schAflsgang  gewinnen  und  auch  den  Nachweis  erbringen,  dass 
und  wann  eine  bestimmte  Sendung  Dilfinä  üiiergebea  worden 
war.  Es  war  eine  notwendige  Voraussetzung  des  regelmässigen 
Betriebes  der  Post,  namentlich  wenn  dem  Poslhalter  wertvollere 
Sendungen,  besonders  hObere  Geldbeträge  sollten  anvertraut 
werden  können. 


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—  02  — 


Das  bisher  gesagte  betraf  die  Bedingungen,  unter  denen 
Difftn«'  die  Aufträge  der  einzelnen  Bewohner  der  Heirschafl 
auszuführen  hatte.  Er  hatte  alier  nicht  hioss  die  Poslsendnngen 
des  Puhlikuins  zu  übernehmen,  sondern  stand  zugleich  auch  im 
Dienste  d<M  P  r  o  v  i  n  z  nnd  der  H  e  r  r  s  c  h  a  f  t. 

Als  ruessa^^er  ordinaire  et  particulier  du  di'parteinent  de 
Barr  unterstand  er  dem  Intendanten  l)eziehuugbvveiöc  dessen 
Be.-^mten,  dem  Auitujanii.  In  dieser  Jtij;enschaft  hatte  er  sowohl 
die  Steuereinnahmen  nach  Strassburg  zu  bringen,  als  auch 
die  Packete  und  Briefe  des  Amtmanns  zu  befördern,  so- 
fern dieselben  adressiert  waren :  an  den  Intendanten  oder  an 
dessen  Bureaux,  an  den  Kommandanten  der  Provinz,  an  die 
Subdelegation,  an  die  Receveurs  des  finances,  an  den  comrois« 
saire  provincial  des  guerres  (hinsichtlich  der  aus  der  Provinz 
ausgehobenen  Soldaten)  oder  an  den  commissaire  des  guerres 
particulier  (hinsichtlich  der  in  der  Herrschaft  lebenden  Inva- 
liden). Diese  Sendungen  waren  portofrei,  ebenso  die  an  den 
Afütitiann  in  Bari-  gerichteten.  Zui-  Be^oi-;,'ung  dieser  Obliegen- 
iii  iteii  war  der  Posthalter  verpllicbtt^t,  wöclientlich  zweimal  am 
raiai>  des  Intendanten  (der  späleioa  iVäfektur,  dem  heutigen 
Statthaltei  [)alais)  und  an  der  Subdelegation  vorzusprechen,  um 
die  etwaigen  Aufträge  zu  übernehmen,  die  er  sofort  nach  seiner 
RöcJckehr  nach  Barr  zu  erledigen  hatte. 

Difilnö  war  auch  messager  ambulant  de  la  seigneurie,  sog. 
dauffender  Bott»  im  Dienste  der  Herrschaft  Barr.  Diese  Stelle 
war  von  der  ersteren  unabhängig,  da  sie  naturgemSss  von  der 
Stadt  Strassbuiig  verliehen  wurde,  Dass  Difiinö  die  verschiede- 
nen Aemter  in  seiner  Person  vereinigte,  war  nur  Zufall  —  oder 
auch  kein  Zufall,  da  Diffin^  seihst  gegen  den  früheren  «laufTen- 
dt'ii  Bott»  Christian  Hneherl  we-en  Verletzung  seines  Monopols 
der  Persüuenpost  eine  Ordonnance  des  Intendanten  vom  0.  Sep- 
teml>er  1757  ei  wirkt  hatte,  die  jenen  des  Amtes  entsetzte.  Er 
liüss  sich  darauf  selbst  die  Stehe  übertragen  und  vereinigte  so 
in  seiner  Person  das  herrschaftliche  Amt  mit  denen,  die  er  von 
der  Provinz  hatte. 

Für  die  zuieUt  aufgeführten  Poslauftr&ge,  die  Diffinö  porto* 
frei  zu  übernehmen  hatte,  erhielt  er  eine  Pauschsumme  als 
Vergütung. 

Als  Bote  des  Amtmanns  erhielt  er  ein  Aversum,  welches 
iliin  von  der  Herrschaft  bezahlt  wurde.  Dasselbe  betrug  jährlich 

Livres,  eine  Summe,  welche,  wie  Diffin«^  einmal  —  freilich 
ohne  seine  Behauptung  begründen  zu  kfmnen  —  nngiebt,  seit 
dorn  Bestehen  der  Provinz  für  die  Botenstelle  ühlicli  wai'.  Aus 
diesem  Grunde  wuide  die  Suniine  auch  beibehalten,  trol/dem 
die  Einwohner  von  Barr  mehrmals  geltend  machten,  es  wären 


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—  68  — 


daselbst  Leute,  die  den  Bütendienst  für  die  Summe  von  100 
Livres  Obernehmeii  würden.  Ausserdem  wäre  durch  die  Herab- 
setzunjr  rfes  Aversiims  auch  der  Betrieh  der  Diliyence  infra^e 
gestellt  wurden,  da  ilies«di)e  infoliie  der  urierlauhteii  Konkurrenz 
Meilig  eintrü^^lich  war  und  oft  nur  mit  2  oder  3  Personen,  ja 
öfters  g^anz  leer  fahren  musste.  Iis  war  daher  zweckmässig  im 
Interesse  des  urdenlliciien  Verkehres,  die  regeimässij^  fahrende 
Diligence  auch  dadurch  zu  uDterstützen,  dass  man  ihrem  In- 
haber fQr  anderweitige,  amtliche  Thfitigkeit  einen  höheren  Geld- 
zuschuss  gewährte,  als  ihm  an  und  fOr  sich  sukam. 

Daneben  erhielt  Diffin^  als  laufender  Bote  der  Stadt  jähr- 
lich 6  Sack  Getreide,  6  Ohm  Wein,  30  Livres  in  Geld  und 
ausserdem  2i  Livres  für  die  f-ivr^e. 

Diffine  hatte  für  seine  Thatigkeil  nicht  bloss  Anspruch  auf 
piivahccht liehen  Entgelt  in  Form  der  Fahrpreise  und  der  Porti, 
beziehungsweise  der  Pauschsunimen,  die  ihm  Provinz  und  Herr- 
schaft zahlten.  Er  hatte  auch  offen t lieh -rechtliche  Ansprüche, 
nämlich  ein  Monopol  und  JSteuei-hcfrciung. 

Es  musste  iiiui  als  iuiiaiicr  der  Diligence  ein  Eulgelt  zu- 
stehen, der  nicht  allein  in  dem  von  den  Reisenden  zu  bezahlen- 
den Fahrpreise,  dem  Brief-  und  dem  Packetporto  bestand. 
Benn  er  war  verpflichtet  die  Fahrt  zweimal  in  der  Wodie, 
Montags  und  Bonnerstags,  zu  unternehmen,  auch  wenn  nur 
wenige  Reisende  oder  gar  keine  da  waren,  auch  wenn  er  nur 
wenig  Briefe  und  Packete  zu  besorgen  hatte.  Die  Sendungen 
musste  er  annehmen  und  das  Risiko,  ^vel(hes  liel  wertvollen 
Gegenständen  und  namentlich  bei  Geld  ein  )>edeutendes  war, 
auf  sich  nehmen.  Im  Interesse  des  regelmässigen  Verkehrs 
zwischen  Barr  und  Slra^-shur;:,  der  für  die  Gesammtheit  wie 
für  die  Einzelnen  von  grosser  Bedeutung  war,  musste  für  ein 
Institut  gesorgt  werden.  da.s,  wie  heule  noch  die  Pusl,  die  Be- 
förderung von  Briefen  und  arideren  Gegenständen  auch  in  dem 
Falle  übernehmen  muss,  wenn  aus  der  Besorgung  dieses  ein- 
zelnen Auftrages  ein  Gewinn  nicht  zu  erwarten  ist.  Bagegen 
muss  die  Gesammtheit  daför  sorgen,  dass  die  Geschäfte  in  solcher 
Zahl  bei  diesem  Institut  zusammenkommen,  dass  schliesslich 
die  Betriebskosten  gedeckt  und  etwa  auch  ein  Gewinn  erzielt 
werden  kann.  Ber  Yerpflichtung  die  fraglichen  Geschäfte  zu 
öbemehmen  entsprach  das  Recht  sie  ausschliesslich 
ausführen  zu  dürfen. 

Wo  ein  derartige«;  Institut  nicht  schon  durch  seine  Eigen- 
art, wie  z.  B.  die  Kiseidialmen,  vor  jeder  hedentenderen  Kon- 
kurrenz gesiclii'rt  i>t,  geschieht  es  ilurch  da.s  \'erliut  an  andere 
Leute,  dieselbe  Geschäfte  zu  helieihen,  mit  einem  Worte  durch 
Erteilung  eines  Monopols  au  den  Belriebsinhaher. 


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—  6i  — 


Wie  heute  Post  und  Tele^'^rapliie  ihr  Monopol  haben,  welclies 
ihnen  die  zur  Enlelnu^  eines  Gewinnes  erforderliche  Aozahl 
von  Geschäflen  siduMf,  so  halte  auch  der  Intendant  der  Briel- 
und  Personenposl  von  Ji.Trr  nruh  Strasshurjj  ein  Monopolrecht 
erleill.  Soweit  Difiine  verpUichtel  war  Personen  und  Briefe  Jtu 
befördern,  soweit  war  er  auch  allein  hoieehligt  es  zu  fiiun. 

Dieses  Monnpol  wuide  am  7.  Februar  1774  erneuert  und 
die  nochmalige  Publikation  dessell)en  angeordnet  durch  folgende 
Verordnung : 

Nou8,  conseiller  d'Etat,  Intendant  d'Alsace,  faisons  li-6s 
expresses  inhibitions  et  delTenses  aux  nommös  Nörliel  et  Geiler 
et  ä  tous  autres  habilants  de  Barr  de  mener  ä  prix  d'arjxent 
aucunes  personnes  sur  leurs  voittire«?  nt  de  so  charger  de  lettres 
et  paquets  cachetes  de  l'unc  a  rauhe  villc  (de  Barr  ä  Stras- 
hourjr),  ä  peine  de  tiois  rents  livres  d'amende  el  de  Ions  depens, 
dommages  et  int»'Mets,  ordonnuns  que  notrc  presente  urdounance 
sera  lue  et  publiee  audit  Bau  ,  la  communaute  rassembiee. 

Fait  ä  Strasbourg,  le  7  Cävrier  1774. 

8ig.  de  Blair. 

Nachdem  sich  Stadt  und  Gemeinden  der  ileirscluill  darüber 
beschwert  hatten,  dass  die  Gewerlietreibenden  von  Barr  mit 
der  Diligence  nicht  auf  den  Markt  in  Strassburg,  der  am 
Freitag  abgehalten  wurde,  kommen  konnten,  wurde  das  Verbot 
auf  die  Diligencetage  beschränkt.  Es  war  demnach  an  allen 
anderen  Tagen  den  Fuhrleuten  erlaubt  Personen  nach  Strass- 
bürg  zu  fahren,  wobei  ihnen  nur  unlersagt  wurde,  ihre  Fahrten 
öffentlich  anzukündi^^en. 

Das  Monopol  Diffines  hallo  demnach  schliesslich  den  Inhalt, 
dass  am  Monta;jr  und  Donnerstag  nur  er  Personen  nach  Slrass- 
bnrj;  fahren  duiKe,  das'^  an  anderen  Tajren  dagegen  auch  an- 
dere Fuhrleute  dies  timu  durfleuj  sefei  n  <\e  <larum  angegangen 
wurden,  ohne  dass  sie  sich  dazu  öUenllich  erboten  liätlen.  Die 
Briefbesorgung  stand  Ditlinö  ausschliesslich  zu.  Wer  an  anderen 
als  den  Diligencetagen  einen  Brief  nach  Strassburg  senden  wollte, 
musste  dies  durch  einen  zu  diesem  Zwecke  besonders  nach 
Strassburg  gesandten  Boten  thun,  der  nicht  von  mehreren  Per- 
sonen zugleich  die  Besorgung  von  Briefen  übernehmen  durfte. 
Das  Briefpostmonopol  Diffinäs  hatte  also  denselben  Umlang,  wie 
das  der  heuligen  Post. 

Der  Umstand,  das«?  Diffine  verpllichtet  war,  den  Diligence- 
und  Botenverkehr  regelmässig  zu  besorgen  und  demnach  ge- 
radezu als  öffentlicher  Bcnmler  erschien,  hatle  noch  weitere 
Vergünstigungen  für  ihn  zur  Folge.  Da  er  dauernd  im  Dienste 


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—   65  — 


des  Publikums  stand  und  ihm  seine  Arbeit  und  seine  Zeit  wid- 
mete, erschien  er  nach  den  damaligen  Anschauungen  über  die 

Heranziehung  des  Einzelnen  zur  Tagung  der  oßentlichen  Lasten 
gerecUt,  ihn  von  deigenigen  Steuern  und  anderen  Belastungen 
zu  befre  i  e  n )  die  gerade  auf  diesen  Teil  seines  Gescbätles 
oder  auf  seine  Person  g-ofall'm  waren. 

Die  Sfeuerprivile^'icn,  die  inlbl^-^edessen  DitTine  in  (iemselbcn 
Umfange  wie  seinen  Vorgängern  gewäiu't  wurden,  beruhten  auf 
der  Verordnung  vom  4.  Juni  i768: 

Diffinö  jouiru  eu  s;»  quaütd  de  messager  de  la  ville  de  Barr 
de  Texemplion  des  corvM^es  personnelleü  ensemble  de  celles  du 
nombre  des  chevaux  ndcessaires  pour  le  Service  de  la  diligence 
dont  il  est  charg6  au  dit  lieu,  et  en  outre  de  la  partie  des  im- 
posittons  qui  lombe  sur  l'industrie,  et  pour  raison  des  biens 
fonds  qu'il  possMe,  il  seia  sujet  aux  impositions  ainsi  qu'aux 
corvdes  rfelles  pour  le  nombre  de  chevaux  dont  il  aura  besoin 
pour  leur  exploitalion,  ä  Tinstar  de  lout  autre  habitant  du  lieu» 
sauf  neanmoins  la  capitation,  pour  laquelle  il  sera  et  demeurera 
compris  dans  le  rftle  des  exempts  et  pnvil<''fii<''s  du  hailüage. 

nifflnö  '^enoss  demnafh  Steuerfreiheit  hin-irhiHch  der  Kopf- 
steut  i  und  der  Handfrohfuh  n,  ferner  hinsichliic  h  der  Spaan- 
frohnden,  soweit  die  zun»  tietriebe  der  Dili-^ence  erforderlichen 
Pferde  in  Frage  kamen,  endlich  noch  rüeksichllich  der  Gewerbe- 
steuer. Dagegen  war  er  für  sein  Grundeigentum  verptlichtet 
Spannfrohnden  zu  leisten  mit  demjenigen  Pferden,  die  zu  dessen 
Bebauung  erforderlich  waren. 

Diese  Steuerfreiheil  suchte  Diffinö  gerade  so  weiter  auszu* 
dehnen,  wie  auch  heute  noch  jedermann  möglichst  wenig  Steuern 
zu  bezahlen  sucht.  Nachdem  er  längere  Zeit  hindurch  f&r  6  bis 
8  Pferde  Freiheit  von  den  Spannfrohnden  genossen  hatte,  wurde 
die  Zahl  der  von  den  Frohnden  befreiten  durch  obrigkeitliche 
Verordnung  auf  4  festges^-f/f.  um  die  Stri'iti^:keiten,  die  sich 
zwischen  der  Herrschaft  un  i  Ihlfine  ülier  fliesen  I*iinkt  erhoben 
hallen,  /u  beendipfon.  Als  ai»er  später  ImHiii'''  j^elteml  machte, 
dass  4  Pferde  zum  Betrieb  dei-  Dilifrence  niciil  ausreichten, 
wurde  nacli  eingehender  Kntjuete  die  Steuerfreiheit  aul  0  Pterde 
ausgedehnt. 

II. 

Die  Einrichtungen,  welche  die  Personen-,  Brief-  und  Pucket- 
post  zwischen  Barr  und  Strassburg  in  der  zweiten  Hältte  des 
vorigen  Jahrhunderts  bildeten,  sind  in  dem  %*origen  insoweit 
geschildert  worden,  als  das  vorliegende  Aktenmalerial  es  erlaubt. 
Diese  Akten  gewähren  aber  aucli  einen  Einblick  in  die  Art, 

5 


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—  66  — 


wie  dieses  Inslilut  in  Wirklichkeit  funkt ionnierte.  Zur  Erörter- 
ung dieser  Frn^e  muss  auf  zwei  Punkte  eingegangen  werden  : 
einmal  wie  Dillino  seine  Geschäfte  besorg-to,  und  dann,  in  welchem 
Verhältnisse  er  mit  Rücksicht  auf  seioe  privil^ierte  Stellung 
zu  der  Bevölkerun«?  stand. 

Diftin»^  war,  wie  er  selbst  einmal  ziip^estehl,  «de  quelque 
ruslicit^,  saus  education  de  la  premiere  portfc  qui  ivexige  pas 
de  lui  uue  politesse  audessus  de  son  <^tat».  Er  war  eben  1  uhr- 
roann  und  tnt  ftfters  den  Menschen  in  dem  Tone  entgegen, 
den  er  mit  seinen  Pferden  anxunehmen  pflegte.  Wenn  er 
schlechter  Laune  war,  konnte  er  grob  werden.  Namentlich 
sprach  er  aich  Ober  die  Bewohner  von  Barr,  wenn  dieselben 
etwas  thaten,  was  ihm  nicht  gefiel,  ganz  unumwunden  aus. 
Als  er  sich  weigerte  die  hohe  Geldsendung  des  Stadl  sein  eibers 
zu  übernehmen,  that  er  das  in  einer  sehr  beleidigenden  Weise 
und  ein  anderes  Mal  erklärte  er  in  der  Dilij^ence  öfTenllich, 
die  Herren  und  Bürger  von  Barr  wären  alle  (mit  Ausnahme 
des  Herrn  Amtmanns)  odes  roquins)^. 

Daneben  wurde  ihm  von  seinen  Gejj^aern  vorgeworfen,  er 
.sei  weblüui  par  une  aviditt«  huiniliante,  guide  par  une  envie 
deplac^e»  und  lasse  sich  daher  neben  seiner  Unver^chämtlieit 
noch  Erpressungen  in  den  Preisen  uxid  andere  Veruntreuungen 
zu  schulden  kommen.  Nicht  nur  trete  er  den  Bürgern  von  Barr 
in  frecher  Weise  entgegen  und  b^nstige  die  Fremden  im 
G^nsatz  zu  den  Bewohnern  von  Barr,  sondern  er  fordere 
immer  höhere  Preise,  unterschlage  das  Briefporto,  eröfTne  ver- 
Hcblossene  Briefe  u.  s.  w.,  u.  s.  w.  Thatsächlich  wurde  auch 
dem  Amtmann  von  einem  Beamten  der  Intendantur  mitgeteilt, 
dass  die  Briefe,  welche  von  der  Beliörde  dein  Difßn^  fil)ergel)en 
würden,  sämtlich  fortan  versiegelt  würden  und  das:<  der  Amt- 
mann die  Unversehrtheit  des  Siegels  feststellen  sollte. 

Anderseits  sucht  nicht  bloss  Diffme  sich  sell)st  zu  recht- 
fertigen, indem  er  seine  Pünktiiciikeif,  seine  Ordnung  und 
Gewissenhaftigkeit  lobt  und  seine  Unschuld  iiinsichtJicb  der  ihm 
gemachten  Vorwürfe  beteuert,  sondern  auch  der  Amtmann 
Kleinklaus  erteilt  ihm  für  seine  amtliche  Thfttigkeit  das  denkbar 
beste  Zeugnis.  Zwar  habe  derselbe  dflers  den  Schultheiss,  4 
Heimbufger  und  zahlreiche  Bürger  sich  über  Diffinö  beklagen 
hören,  er  selbst  aber  habe  keinen  Anlass  zu  irgend  weldier 
Kia^e.  Im  Gegenteil :  Diffinö  est  solvable,  trhs  exact,  an  fait  de 
toutes  les  commissions  et  j'en  suis  on  ne  saurait  etre  plus 
content. 

l>ie  Betoniinir.  dass  Diffine  .solvable,  zahlun^rstTdiii:  sei,  ist 
keine  zulalli;:e.  J)iese  Kijfcnschaft  ist  eine  dei-  unumj^änglich 
notwendigen  Voraussetzungen  für  den  Dilijjencedienst  und  sie 


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—  67  — 


wird  daher  an  verschiedenen  Stellen  von  seilen  der  Behörden 
besonders  hervorgehoben,  wahrend  die  Barrer  hei  ihren  Gegen- 
kandidaten diesen  Umstand  nicht  Jjerücksichligen.  Denn  ist 
erforderlieh,  dass  clerjenii^^e,  der  den  Poftverkehr  ühernimmt, 
die  Mittel  ])esilzt,  das  in  diesem  Betrieb  liegende  HiMku  zu  trapren 
und  für  etwa  verloren  gehende  Sendungen  oder  nicht  erfüllte 
AulUage  Schadeneräatz  zu  leisten. 

Diffin^  besass  nach  dem  obigen  das  volle  Zutrauen  der 
BebMe«  die  mit  seiner  Thätigkeit  ganz  zufrieden  war.  Es 
fragt  sich  daher»  ob  die  Barrer,  die  sich  so  sehr  Ober  ihn  he» 
klagen,  nicht  einen  anderen  Gmnd  des  Grolls  halten»  als  die 
angeblich  mangelhafte  Geschäftsführung  Dififinte.  In  der  That 
behauptet  dieser,  dass  es  einen  "solchen  gebe. 

In  einer  Eingabe  aus  der  Mitte  des  Jahres  1769  führt  Difißn^ 
aus,  dass  die  VtMordnung  vom  i.  Juni  i708,  welche  ihm,  wie 
ohen  ausfi-eführt,  Steuerfreiheit  gewährte,  den  Schult heiss  und 
die  Heinihur^^er  von  Barr  geärgert  habe,  dass  dicselhen  seither 
in  Einem  fort  eine  Gelegenheit  gesucht  hatten,  uni  ihm  .seine 
bevoraigte  Stellung  vergellen  zu  lassen.  Xumnehr  hätten  sie 
eine  solche  gefunden  und  verweigerten  ihm  das  Ualkenhoiz,  auf 
das  er  bei  seinem  Neubau  als  Bärger  von  Barr»  der  er  seit  i74d 
sei,  Anspruch  habe.  Quelle  incons^uence  de  la  part  des  Magis- 
trats de  vexer  un  pauvre  bouiigeois  en  se  prövalant  d'une  faveur 
accordte  per  son  sup^rieur ! 

Die  Stadtverwaltung  war  offenbar  im  Unrecht.  Denn  sie 
wurde  von  der  Behörde  zur  Leistung  des  streitigen  Holzes  ver- 
urteilt. Von  dieser  Zeit  an  lebte  aber  Diffinö  in  fortwährendem 
Streit  vnit  der  Stadtverwaltnnr^  von  13arr. 

Deinnächist  wurde  Diffine  aufgefurdei  t,  einen  Dohlen,  der 
Wasser  aus  seinem  Keller  in  den  Predigerpfad  abführte  und 
dadurch  den  letzteren  ungangbar  gemacht  hahen  soll,  zu  ent- 
fernen. Da  er  dies  nicht  that,  erhoben  der  Schuitheiss,  die 
Heimburger  und  das  Gericht  zu  Barr  Klage  gegen  ihn.  Nach- 
dem die  Sache  anderthalb  Jahre  gedauert  hatte  und  gerade  ein 
Beschluss,  betreifend  die  Einnahme  des  richterlichen  Augen- 
scheines dem  Beklagten  zugestellt  worden  war,  erinnerten  sich 
die  Klüger,  dass  sie  zur  Erhebung  der  gansen  Klage  ohne  £r- 
mfichtigüng  der  Verwaltungsbehörde  überhaupt  nicht  herechtigt 
waren,  und  suchten  diese  Ermächtigung  nachträglich  heim  Inten- 
danten nach.  Wahrscheinlich  wurde  den  Klägern  hedeutet,  dass 
sie  auch  hier  im  Unrechte  waren ;  denn  nnt  dem  Antrage  auf 
Ermächti;j:ung  hören  die  Nachrichten  über  diesen  Prozess  auf, 
und  der  fragliche  Dohlen  —  hesteht  heule  noch. 

Eines  aher  hatten  die  Darrer  aus  diesem  Prozesse  {.•^eiernt: 
dass  zur  Erhebung  einer  Klage  vor  dem  ordentlichen  Gerichte 


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—  68  — 


die  Genehmigung  der  Verwaltungsbehörde  erforderlich  war.  Als 
bun  das  Jahr  darauf  (1773)  der  nächstfolgende  Streit  ausbrechen 
sollte,  beanl!n;,Me  die  Stadtverwaltung  zur  Erhelnin;/  der  Kla^r^ 
vor  dem  ordentlichen  Gerichte  erruachtifj^l  /u  werden.  Diei>er 
Antrag  der  Stadt  musste  jedoch  abjjewiescu  werden,  weil  hier 
überhaupt  das  ordentUcbe  Gericht  niciit  zuständig  war. 

Es  handelte  sich  damals  um  die  Bezahlung  einer  Grund- 
schuldy  die  Diflini  deshalb  verschaldete,  weil  er,  um  im  Aligne- 
menl  mit  seinem  Nachbarn  zu  bleiben,  einige  Pubs  auf  das 
städtische  Eigentum  vorgeräckt  war. 

Difhne  wallte  nur  soviel  zahlen  als  der  fragliche  Nachbar» 
wurde  jedoch  (im  Jahre  1773)  zur  Zahlung  einer  ewigen  Rente 
von  2  Livres  oder  einer  einmaligen  Summe  von  80  Livres  ver- 
urteilt. Als  nun  Diffine  erfuhr,  dass  der  Nachbar  nichts  bezahle, 
pelitiounierte  er  im  Jahre  1774  iirn  Aufhebung  dieser  Verpflicht- 
ung. Diese  Eingabe  hatte  zwar  für  Difüne  keinen  Frfnl<r.  Sie 
tührte  aber  »iie  VerwaUungsl)ehurde  dazu,  zu  prüten,  wie  der 
Nachbar  zu  der  unentgeltlichen  Ueberla^sung  des  städtischen 
Bodens  gekommen  war.  Hierbei  stellte  sich  heraus,  dass  der- 
selbe, namens  Lanli,  als  er  St^ultheiss  der  Sfadt  Barr  war, 
den  betreffenden  Boden  an  sich  selbst  geschenkt  hatte.  Infolge- 
dessen endigte  auch  dieser  Streit  mit  einer  moralischen  Nieder- 
lage der  Stadtverwaltung,  indem  derselben  ausdrücklich  einge- 
schärft wurde,  sie  habe  sich  künftighin  jeder  Verfugung  über 
das  städtische  Grundeigentum  ohne  höhere  Genehmigung  zu 
enthalten. 

Diese  auf  einander  folgenden  Niederlagen  der  Stadtverwalt- 
ung waren  natürlich  nicht  geeijrnet,  den  Hass  gegen  Difline 
zu  verniind-^Tn.  M  tn  suchte  vielmehr  ihn  in  jeder  Weise  zu 
schädigen.  L'ieieui  Wi  halten  ;ie^enül)er  autwurtele  l)iffin^  damit, 
dass  er  die  Bürgerscliaft  nicht  immer  sehr  zuvoi  koiniuend  be- 
handelte und  damit,  dass  er  seine  Steuerprivilegien  soweit  wie 
möglich,  auszudehnen  suchte,  um  sie  doch  wenigstens  möglichst 
auszunutzen,  da  sie  zum  grossen  Teil  an  dem  Hass,  den  man 
gegen  ihn  hatte,  schuld  waren. 

Abgesehen  von  dem  oben  bereits  erwähnten  erfolgreichen 
Versuche  seine  Steuerfreiheit  hinsichtlich  der  Spannfrohnden 
zu  erweitern,  stützte  sich  Diffine  rücksichtlich  der  Gewerbe- 
steuer auf  tlen  Umstand,  dass  die  Belreiung  von  derselben  nicht 
aTi^drücklich  auf  den  Diligence-  und  Botendienst  beschrankt 
war,  und  vtM'weigerte  die  Zahlung  des  Zwanzi;Tsten  anch  für 
'^eui  .\el)en^'t'-rh;ift.  Ursprünglich  war  er  Räcker,  sciieint  aber 
iliescs  Gesi'liaft  ball!  autgegeben  zu  haben  luid  betrieb  zu  der 
fia^'lieheu  Zeit  diejenige  Wirtschaft  am  nördlichen  Eingange 
von  Bari ,  deren  Schild  auf  dem  Silbermannschen  Bilde  des 


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~  60  — 


Fleckens  Barr  im  Jahre  1781  deutlich  erkennbar  ist.  Auch  für 
bliesen  Betrieb  beanapnicbte  er  Steuerfreiheit,  bis  eine  Verord- 
nuDg  vom  30.  April  1774  auadrOcklicb  erklSrte,  dass  er  nur 

«Ib  Bole  und  Diligencier  vom  Zwanzig.slen  exin  i  1 1  war. 

Da  die  Bürgerschaft  von  Barr  Diffine  nicht  leiden  konnte, 
so  war  es  ganz  natürlich,  dass  sie  danach  strebte,  ihn  daselbst 
unmöjrlich  zu  machen.  Man  hätte  gern  sein  Geschäft  ruiniert, 
wenn  nicht  »las  Monopol  dein  entgegengestanden  wäre.  nen.en 
-dieses  richteten  sich  daher  ganz  besonder.^  die  Angnlle  der 
Burgerschaft. 

Die  auf  Voilelzung  die>es  Monopols  gesetzte  Stiafe  war  in 
der  von  uns  behandelten  Zeit  tuv  Anwendung  gekommen  am 
"9.  Septemlier  1757  gegen  den  früheren  laufenden  Boten  ChHs- 
tlan  Huebert,  der  trotz  vorheriger  Verwarnung  am  23.  August 
Personen  in  einer  cvoiture  en  forme  de  l>enne  ou  en  alleroand 
Benenkarchi  nach  Barr  geführt  halte  und  von  dem  Gerichts- 
vollzieher Toussaint  in  der  Nähe  von  Niederehnlieim  abgefasst 
worden  war.  Trotzdem  die  Reisenden  einstimmig  erklärten 
keinen  Fahrpreis  ausgemacht  zu  haben  und  dem  Huebert  geben 
zu  wollen,  was  billig  sei,  wurde  Huebert  zu  einer  fleld^trafe 
von  30Ü  Livres  \ei'urteilt,  zahlbar  zur  Hallte  an  den  Fiskus,  zur 
Hälfte  an  den  Hesi  hädi^ilen  Diffine.  Zugleich  wurde  er  seines 
Amtes  als  laufcndtT  Boie  entsetzt. 

Spater  versliessen  gegen  das  Monopol  die  beiden  Fuhrleute 
Körpel  und  Geiler»  indem  sie  ohne  Rücksicbl  auf  die  Diligence 
Personen  und  Briefe  nach  Strassburg  brachten  und  sogar 
die  Abfahrtszeilen  ihrer  Wagen  ölTentlich  ankündigten.  Die 
Briefe  freilich  gaben  sie  als  Begleitschreiben  zu  den  von  ihnen 
beflirderlen  Waren  aus,  eine  Ausrede,  die  jedoch  bei  der  Be- 
hörde keinen  Glauben  fand.  Nachdem  Nörpel  und  Geiler  auch 
nach  der  ausdrücklichen  Erneuernnp-  und  Publikation  des  Ver- 
botes wieder  ^»^egen  das  Monopolrecht  Diffines  handelten,  wurde 
•die  an^^edrohte  Geldslrafn  ü\)pv  ^ic  verhiin^it.  Nunmehr  erhohen 
aber  (he  Stadt  und  üie  tienieinden  tier  Henschatt  lüinäpruch 
liegen  dies;«  Strafe,  indem  sie  alle  möglichen  Anklagen  gegen 
Diftine  vorbrachten  und  ausserdem  geltend  machten,  dass  man 
bei  Nörpel  und  Geiler  billiger  fahre,  dass  man  nicht  zu  dreien 
auf  einer  Bank  zu  sitzen  brauche  und  endlich,  dass  die  Gewerbe- 
treibenden von  Barr  mit  der  Diligence  nicht  auf  den  Markt  in 
Strassburg,  der  am  Freitag  abgehallen  werde»  kommen  könnten. 

Es  waren  namentlich  die  Rot-  und  Weissgerber  und  die 
Woüenweber  (ausdrücklich  genanunl  Jean  Üegermann,  drapier), 
welche  dm  Ii  Unterstützung  der  Konkurrenten  Diflines  ihm 
.schaden  wollten.  Ander  Spitze  stand  der  Schultheiss  Steinfelder, 
wie  Difiine  sagt,  un  homme  rempli  d'opprobre  et  qui  est  le 


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—   7U  — 


boute-feu.  Kleinklaus  selbst  schrieb  in  dem  Concept  eines  Be* 
ricbtes  <Si  Nörpet  et  Geiler  etcelui  quiar^digö  leur 
requ^te,  ne  cherchaient  surpreodre  la  religion  de  votre 
Grandeur  ....  Wenn  er  aocb  die  unterstrichene  Stelle  nach- 
träglich ffeslrichen  hat,  s<i  ^^eht  doch  daraus  hervor,  dass  auch 
er  niclit  liie  Uebertreler  des  Monopols  für  die  eigentlichen  SchuU 
digen  liieit. 

Zweck  der  'ganzen  Hetze  j^egen  DitTine  war  an  seine  Stelle 
den  Barier  Uioholt  zu  setzen  nnd  ah  Werkzeug  im  Kampfe 
dienten  die  beiden  Fuhrleute  Niu-pel  und  (leiler. 

Die  zu  Gunsteu  der  i>eidea  letzteren  an  den  Iniendanten 
gerichtete  Requete  vom  Februar  1774  warf  Diffin^,  wie  gesagt, 
Untreue  und  Pflichtvergessenheit,  willkürliche  FesUetzung  der 
Preise,  Chikanierung  der  Bevftlkerung  u.  s.  w.  vor.  Das  Ziel« 
die  Absetzung  Diffin6s,  wurde  aber  dadurch  nicht  erreicht« 
sondern  lediglich  die  Regnlierung  des  Post  Verkehrs  durch  die 
Ordonnance  vom  27.  Juli  1774,  während  die  Strafe,  die  über 
Nörpet  und  Geiler  verhängt  worden  war,  bestätigt  wurde.  Die> 
sen  letzteren  konnte  man  aber  nichts  anhaben.  Denn  sie  waren 
beide  zu  arm,  um  die  Geldbusse  zahlen  zu  können.  Nichts- 
destoweniger Hessen  sie  sich  durch  die  Ge^nier  Diffines  immer 
wieder  verleiten,  das  Monopnlrec  hl  des  Posthallei  s  zu  verlelzen. 
Wenn  sie  dann  bestraft  winden,  wurden  sie  von  ihren  Hinter- 
mannern im  Stich  gelassen  und  mussten  um  Herabsetzung  der 
Strafe  betteln  :  Les  suppliants  ne  manqueront  en  reconnaissance 
de  cette  gräce  d^adresser  avec  leurs  pauvres  enfants  leurs  Toeux 
au  ciel  pour  la  conservation  de  Votre  Grandeur  I  Der  Intendant 
war  dann  gerecht  und  grossmflttg  genug,  die  Höbe  der  Strafe 
für  ein  Vergehen  herabzusetzen,  an  dem  sie  weniger  schuld 
waren  als  andere,  die  man  aber  nicht  zur  Verantwortung  ziehen 
konnte. 

Es  erilbrigt  noch  zum  Schlüsse  die  Stellung  der  Verwal- 
tungsbebörden  zu  den  streitenden  f ie;:ensätzen  und  zu  den 
Sonderinteressen  der  Parteien  zu  charakterisieren.  Der  Intendant 
de  Blair  und  sein  Beamter,  der  Amtmann  Kleinklaus,  hätten 
leicht  der  Versuchung  erliegen  können  entweder  einseitig  Diffin^ 
zu  unterstützen  und  ihm  infolgedessen  auch  da  tlecljt  zu  geben, 
wo  seine  Forderungen  unbegründet  waren,  um  dadurch  seine 
Stellung  in  der  damaligen,  nun  einmal  auf  Privilegien  basierten, 
ständischen  Gesellschaft  zu  kräftigen  und  zu  heben,  oder  aber 
ilin  völlig  aufzugeben,  um  dadurch  der  Bevölkerung  von  Barr 
zu  Willen  zu  sein  und  ihre  Sympathien  zu  gewinnen. 

In  dieser  Beziehung  gereicht  es  nun  dem  Iniendanten  und 
seinem  Beamten  zur  Khre,  dass  sie  unentwegt  sich  überall  nur  vom 
Standpunkt  der  Gerechtigkeit,  nicht  von  dem  der  politischen 


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—  71  — 


Zweckmässigkeit  haben  leiten  lassen.  Der  Intendant  zeigt  sich 
überall  in  seinen  Entscheidungen  als  ein  den  Sonderinteressen 
der  Streitenden  gleich  fremder,  dem  Interesse  der  Gesamtheit 
aber  y.U''u-]\  befreundeter  Beamter.  Die  Forderungen  Diliines 
auf  Anxieiinun^^  seiner  Privilegien  und  Steuerfreiheiten  weist 
er  entschieden  ab,  wu  sie  auch  den  damaligen  Anschauungen 
über  die  Gerechtigkeit  wideri^prachen.  Eljenso  aber  giebt  er 
den  Klagen  der  Bevölkerung  nur  insoweit  nach,  als  es  die 
Heilung  der  gerügten  Missstände  erfordert  und  vermeidet  es  mit 
grossem  Creschick  sieb  von  dem  interessierten  Drängen  der 
Stadtverwaltung  zu  Handlungen  gegen  DiCGn^  verleiten  zu  lassen, 
die  das  Interesse  der  Gesamtheit  nicht  erforderte,  und  die  wohl- 
erworbene Redde  Diffinäs  geschmälert  hätten. 

Der  Intendant  de  Blair  und  sein  Amtmann  Kleinklaus,  der 
ja  in  seiner  Thätigkeit  nur  die  Grundsätze,  die  von  oben  her 
bestimmt  wurden,  verfolgte,  haben  in  ihrer  Verwaltung,  soweit 
es  ans  den  vorliegenden  Akten  hervorj^ehl,  weder  durch  I?cvMr- 
zugung  der  in  ihrem  Dienste  tliäti^jen  Personen  ein«'n  besimdcren 
Beamtenstand  zw  gründen  gesucht,  noch  aucl»  liaben  >ie  den 
Interessen  und  dem  Willen  einer  besonderen  Klasse  der  Bevöl- 
kerung eine  höhere  Bedeutung  und  grösseren  Einfluss  auf  ihre 
Willensentschliessungen  gewährt.  Sie  suchten  die  Provinz  Elsass 
weder  zu  einem  Beamtenstaate  zu  machen,  noch  duldeten  sie 
eine  Nolabelnregierung ;  sondern  durch  Recht  und  Billigkeit 
erstrebte  eine  gerechte  Verwaltung  das  Gedeihen  und  die  Wohl- 
fahrt der  j^anzen  Bevölkerung  und  suchte  das  soziale  Interesse 
der  Gesamtheit  zu  pflegen  und  zu  fördern. 


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IV 


Niedermagstati. 

Beiträge  zur  Kulturgeschichte  der  Dorfschaften  im 

Sundgau. 

Ton 

Theobald  Walter. 

I. 

£itwa  in  der  Mitte  zwischen  Basel  und  MQlbausen  Hegt 
an  der  Eisenbahn  das  Slädtchen  Sierenz,  das  alte  Seilende  (835). 
Wenden  wir  uns  bei  der  Zweigstrasse  inmitten  des  Ortes  nach 

links,  SO  gelangen  wir  n.idi  weni^jen  Schrillen  auf  eine  bequeme 
Thalslrasse,  die  ül>er  die  Hügelreihen  nach  Allkirch  führt.  Wir 
schreiten  das  mühlenreiche  Thal  aufwärts,  verlassen  aber  die 
Strasse  bald,  um  bei  der  sog.  Werbemülile  auf  einem  Seiten- 
we<re  dns  Tlial  zu  dnrrhqncron  und  durch  das  vielzipflige  Uff- 
heim  die  Höhe  de»  ilügeU  zu  {gewinnen,  von  wo  au.s  uns  ein 
schattifrer  We^  nach  Niedenna;,^staU,  dem  Orte  unseier  Ab- 
handlung', führt,  iiiu  ganze  zurückgelegte  Strecke  wird  4  km 
kaum  aberschreiten. 

Niedermagsiatt  ist  ein  kleines  Dorf.  Die  Zahl  der 
Ortseingesessenen  erreicht  etwa  die  Höbe  von  und  ist 
heute  noch  immer  im  RQckgange  begriffen.  LAndHche  Fried- 
samkeit  ruht  über  den  stattlichen  Obstgärten,  aus  denen  die 
rötlichen  Ziei^eldächcr  der  liAuerlichen  Behausungen  und  das 
hübsche  Kirchtürmchen  aus  massiven  Quadern  verstohlen  her- 
vorschauen. 


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Gleich  am  Eingänge  des  Dorfes  befinden  wir  uns  auf  einer 
Kremstrasee  angesichts  des  hübschen  1846  erbauten  Schulhauses, 
das  von  einem  roten  Holztürmchen  überragt  wird,  von  welchem 
ein  helltonendos  Olocklein  die  muntere  Dorfjugend  zum  Unter- 
richte unii  'Ho  bedächtigen  D  r  lTtlteslen  zur  Ratpversammhin^j 
ruft.  Von  (leinüise-  und  Biumengärten  umlagert,  faf>t  iminei 
einige  Scliritle  von  den  geräumigen  Scheunen  entlornl,  stehen 
die  Wohnhäuser  aus  Fachwerk  aufgeführt.  Die  grün  gestriche- 
nen Fensterladen  und  die  sauber  gepaegten  GiebeMude,  die 
stets  der  Strasse  zugeliehrt  sind,  gewähren  einen  wohlthuenden 
Anblick,  welcher  durch  die  auf  dem  Fenstergesims  aufgestellten 
Reihen  wohlgepflegter  Rlumentdpfe  noch  erhöht  wird.  Ist  dies 
letitereder  Fall,  sohlst  du  auch  sicher,  dass  im  Innern  eine  holde 
Bauernschtae  der  Haushaltung  waltet  und  des  Freiers  harrt. 

Das  Hans  ist  das  alemannisclie  Bauernhaus,  wie  es  über- 
all im  Sundgau  zu  treffen  ist.  Zu  beiden  Seilen  der  Eingangs- 
thür, die  sich  nicht  in  der  Mitte  befindet,  liegen  die  frrosse  und 
die  kleine  Stnbe,  die  aber  ihre  eit;entlirhe  Bedeutung  heute 
verloren  hnlieii  ;  denn  in  alleren  Zeiten  zug  sich  der  Altbauer, 
nachdem  er  die  Verwaltung  seines  Gutes  seinein  Soline  über- 
geben hatte,  ins  kleine  Stübchen  zurück,  das  er  bis  zu  seinem 
Tode  bewohnte,  was  jetzt  nicht  mehr  der  Fall  ist.  Der  Ein- 
gangsthür gegenüber  liegt  die  oft  enge  und  finstere  Küche  mit 
dem  unvermeidlichen  Backofen  neben  der  Hinterthör.  Der  Keller 
ist  stets  in  den  Boden  eingegraben.  Der  Speicher  wird  haupt* 
sächlich  zum  Aufbewahren  der  Getreidekörner  benutzt.  Das  nur 
auf  den  Speicher  mündende  Kamin  ist  erst  in  der  letzten  Zeit 
gänzlich  verschwunden. .  Im  ganzen  Dorfe  sind  ausser  den  Ge- 
mein(legel);iu(len  nur  zwei  Wohnhäuser  aus  Mauersteinen  auf- 
geführt. Von  diesen  trägt  das  eine  nachfolgende  Inschrift: 

Christofel  Hng  Diter  Zit  Landfierer  Vnd  Angnet 

Hoinaterin  Sein  Eheliche  Hvsfravw  Haben  Das  Hvs  Attferbaven. 
Maria  Erlang  Vns  Durch  Ibr  Firbit  Gut  Zae  Scbanwen.  1632. 

Die  Scheune  ist  ebenfalls  ein  Fachbau.  Den  Mittelpunkt 
derselben  bildet  die  aus  festgestampllem  Lehm  bestehende  Tenne. 
Zu  beiden  Seiten  liegen  die  Ställe  und  der  Wagenschuppen  mit 
den  Schweineställen.  Ueber  der  Tenne  erhebt  sich  ziemlich 
hoch,  um  das  Dreschen  mit  dem  Flegel  nicht  zu  hindern,  das 
«Bregi»  und  links  und  rechts,  aber  etwas  tiefer,  die  fUeu* 
und  Kornbuhneii».  Fehlt  letztere,  so  dass  der  Raum  von  Grund 
aus  zur  Verfügung  steht,  so  nennt  man  den  ganzen  Oi  l  «Walile», 
Zusammenhängende  Häuserreihen  ?ind  im  '^•^nn/.en  Dorfe  keine 
zu  treflen :  ^'bensovvenig  eine  Thoruölbung,  ein  Hoflhor  oder 
eine  Hotmauer. 


Der  Bauer  ist  ein  f|;e8under,  kräftiger  Menschenschlag, 
vras  er  wohl  meistens  seiner  einfachen,  aber  nahrhaflen  KosI 
und  seinem  schlichten  natiuveiiiässoii  Leben,  das  meistens  nur 
zwischen  der  anstrengenden  Feldarbeit  und  der  erquickenden 
Ruhe  wechselt,  zu  verdanken  liat.  Streit  mit  thüthchen  Ueber- 
;rriffeii  i^ehören  zu  den  Seltenheiten,  obschon  auch  unser  Dorf- 
bewohner fixch  von  Zeit  zu  Zeit  einm-il  oinei-  ^erin^^fu^ji^ren 
Ursache  we-^en  mit  seinem  Nachbar  au-^sJuniplen  niusü.  Millun 
ist  auch  der  J )orlTihername  «Ruri»,  v^as  einen  stets  grollenden 
Menschen  bezeiciuiet,  nicht  mehr  zutrelleiid. 

Die  alte  Kleidetiniekt  ist  der  neuem  Mode  fast  vollslAndig 
gewichen.  Sie  bestand  bei  den  Männern  in  niederen  c Schnal- 
lenschuhenschafwollenen  Strömpfen,  Kniehosen,  deren  Naht 
mit  einer  langen  Reihe  Messingknöpfe  besetzt  war,  einem 
grossen  Kittel,  der  bis  zur  Kniekehle  reichte,  einem  steifen, 
aufgestellten  Hemdekragen,  um  den  eine  schwarze  Halsbinde  so 
geschlun<ren  war,  üass  die  beiden  Zipfel  gleich  einem  Ungeheuern 
Sapeurharte  nach  aussen  standen,  und  einem  dreieckigen 
schwarzen  Hufe.  Fin  selbstgeferligter  Nafurslock  diente  hei 
Reisen  als  Stütze  und  das  Rebmesser  als  WaflV» ;  daher  auc  h 
die  Redensart :  «dr  tihnetel  unjrerm  Chettel  unä-Uaiuaser  ein 
Sacki».  Die  Weiber  und  Mädchen  hatten,  soweit  sich  äUeie 
Leute  erinnern  können,  nie  eine  besondere  Tracht.  Aber  in 
einigen  Familien  werden  noch  einzelne  alte,  mit  Gold-  und 
Silberfäden  durchwirkte  Hauben  aufbewahrt,  die  zu  einer  längst 
verschwundenen  Tracht  gehört  haben  mögen. 

In  der  Sprache  ist  schon  der  Einfluss  des  Schweizer  Di- 
alektes bemerkbar.  Fast  alle  Worte,  die  im  Schriftdeulschen 
mit  K  anlauten,  werden  hier  mit  ch  (als  Gutturallaut)  gespro- 
chen ;  also  :  Chilche  (Kirche),  Chuchi  (Küche),  Cherai  (Kamin), 
Chenslerle  (Kasten,  St  h rank).  Die  Endung  «nd»  wird  zu  «ng»  : 
Ching  (Kinrl),  Wang  (Wand);  das  «i»  ist  fast  vollständig  zu 
«e»  gevvonlen  :  icMeinseh  meh 'N  (Meinest  du  mich?)  während 
das  kurze  (eo  sich  vielfnh  nähert:  Alf,  zwälf.  Rädig  (Ret- 
tich), s'biannt  (es  brennl;.  Die  Inlinitinornien  ;,'ehen  und  stehen 
sind  in  «goh»  und  «stob»  abgelautet:  «Wei  inr  iilla  goh?» 
(Wollen  wir  hinaufgehen  ?)  «Ar  esch  bliba  stob».  (Cr  ist  stehen 
geblieben).  Dem  Dorfe  und  der  Umgegend  eigen  ist  das  Flick- 
wort camig»,  das  einzelne  Personen  in  jeden  Satz  einschieben. 
«Äs  esch  amig  ä  so !»  (Es  ist  so)  «As  losst  sech  amig  net  an- 
gerscht  mache  !j»  (Es  lässt  sich  nicht  anders  machen  .)t 


1  »amig»  kommt  sonst  im  Woifscliatze  nicht  vor»  Vielleicht  ist 
es  ans  t einmal*  oder  «einen  Weg>  eutstaaden. 


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—   75  — 


Gegen  Frande  ial  der  Maii:staUer  als  echter  Sundgi'iuer 
freu,  gastfreundlich  und  meistens  auch  «retigäbigj».  Be-  | 
sonders  gern  berichlel  er  Ober  den  Stand  seiner  Felder  und 
seiner  Wirtschaft^  Ober  das  Welter  nnd  seine  mutmasslichen 
Einflüsse  und  über  frühere,  bessere  Zeiten,  das  Korn  leuer 
und  der  Wein  wohlfeil  war. 

Die  bäuerlichen  VerhiUtniase  kann  man  irn  rossen 
Ganzen  als  {,'esund  l)('zei(  hncn,  obschon  der  Mangel  an  Tage- 
löhnern sich  oft  recht  fühlbar  macht :  denn  frei  sitzt  noch 
der  Dauer  anf  dem  schuldenfreien  Erbe  soinor  Väter.  Der 
Wohlstand  der  einzelne?!  Familien  wir«!  noch  dadurch  zu  heben 
gesucht,  dass  von  mehrereri  Geschwistern  ^'ewöhnlich  nur  ein 
oder  zwei  Angehörige  sich  verheiraten.  Die  andern  bleiben  ledig 
und  arbeiten  unter  Aufsicht  und  auf  Rechnung  des  Familien- 
oberhauptes für  die  gemeinsamen  Interessen.  Haushaltungen 
mit  drei  bis  fünf  solcher  Onket  und  Tanten,  die  bei  alten 
Verheiratungen  die  Familie  bei  reffend  ein  gewichtij^es  Wort 
mitzusprechen  haben,  hat  es  von  jeher  gegeben.  Infolge  dieser 
Umstände  sehen  wir  die  Bevölkerungsziffer  der  Dorfchens  von 
Jahr  zu  Jahr  zurückgehend  Um  sich  Hülfsarbeiter  für  die 
Landwirtschaft  heranzuziehen,  sehen  sich  viele  Familien  genö- 
tigt, Waisenkinder  aus  dem  Spital  zu  Mülhausen  aufzunehmen. 
Die  Diirrhschnittszahl  dieser  aur;i:enommenen  Kinder  beläuft  sich 
auf  6  bis  8®/o  der  Hevölkenin^isziirer. 

Wie  in  fast  ie(lem  Dorfe,  so  hat  auch  in  Niedernia^^st.dt 
jede  Familie  ihren  sog.  Uebernuitien,  der  mristens  be- 
kannter und  gebräuchlicher  ist,  als  der  eigentliche  Geschlechls- 
name.  Diese  Bezeichnungen  können  zurückgehen  auf  ältere 
Personennamen:  'sClausa  (Klaus,  Nikolaus), 'sCaschbers (Kaspar), 
s  Bäschs  (Bastian),  's  Donimichels  (Anton  Michael),  's  Johannese 
(Johann);  auf  die  Beschäftigung  einer  längstverstorbenen  Per- 
son der  Familie:  's  Hirtemicheles  (Hirt,  der  Michel  hiess),  's 
Kuferhanse  (Küfer  Hans),  Schrinerschari  (Schreiner  Karl),  *8 
Schnidermichels  (Schneider Michael),  Bei  kfried (Bäcker  Fridolin); 
auf  die  Gestalt  der  Person:  's  Dicks,  's  Grosse;  auf  die  Lage 
des  Wohnhausos  :     Blatzjaks  (Jakob,  der  am  Dorfplatzc  wohnte). 

Was  die  Taufnarnen  oder  Vornamen  anbelangt,  so  sind 
die  iti  den  älteren  Zeiten  üblichen  fast  vollsl.imii^Tr  verschwunden. 
In  den  Kirchenregislern  von  1594— IMi  sind  im  Ganzen  28 
Kinder  eingetragen,  die  sich  in  12  Namen  teilen.  Wir  treffen 
da :  Hans  (3),  Hansjakob  (3),  Morand  (i),  Lienhard  (4),  Jerg 


1  Naeb  der  Volkssfthhing  von  1846  hatte  der  Ort  828  Einwohoer 
und  nach  dtr  yon  1695  nur  261. 


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—  76  — 


(1),  Anna  (i),  Ursula  (3),  Ci  ischen,  Chrislina  (1),  Barbara  (2), 
Maria  (1),  Katharina  (1)  und  Elisabeth  (1).    Hundert  Jahre 
später,  1f>94— 9(>,  hahen  '20  Kinder  15  Namen:  Anna  Maria  (6), 
Hansjakob  (5),  Nikulaus  (2),  Hanstheubald  (1),  Christian  (1), 
lleini  icb  (1),   Martin  (1),   Hansadam  (i),  Fran/in  inrich  fl), 
Hansjerg:  (1),    thsaljetli         Maria  Magdalena  (1  j,  Anna  (1), 
.  Eva  (1)  und  Jobanna  (1).  Der  Name  Anna  Maria  taucht  zum 
entenmale  iOSO  auf  und  behauplet  das  Feld  bis  Mitte  dieses 
Jahrhunderts ;  beute  ist  er  erloschen.  Verschwunden  sind  eben- 
r  falls  die  beliebten  Doppeinamen  mit  Hans.  1670  treffen  wir  den 
I  heute  ebenCsills  im  Aussterben  liegriflenen  Namen  Joseph  zum 
i  ei*stenmale.  Ueber  auderthalb  Jahrhunderte  bleiben  sich  jetzt 
die  Namen  mit  geringen  Abweichungen  gleich.   Von  1892 — 94 
sind  auf  14  Kinder  14  Namen.    Davon  sind  bloss  4  einCache  : 
Joseph,  Leo,  Lui<!e  nnd  Emil;  8  sind  einfach  zusainmeng^esetzt  ; 
Maria  Kosniia,   Franz  Joseph,  Maria  Melania,  Morand  Eugen, 
Maria  E()<jrenia,  Josepii  Albert,  Maria  Virginia,  Maria  Katiiarina  ; 
und  2  sind  so^i^ai  doppelt  zusammengesetzt:  Maria  Anna  Ka- 
rolina und  Leopuld  Albert  Viktui. 

Betrachten  wir  nun  die  Namen  im  Volk$munäe.  Das 
Volk,  das  die  Namen  im  täglichen  Verkehr  sehr  oA  anwenden 
rouss,  sucht  sich  dieselben  mundgerecht  umsugestalten.  So  wird 
auch  in  Niedermagstatt  nicht  ein  Name  so  ausgesprochen,  wie 
er  in  Wirklichkeit  lautet.  Alois  wird  zu  Alis,  Theodor  zu  Dorle, 
Joseph  ZU  Sepp,  Geoi  1^  zu  Schorsch  und  Jerg,  August  zu  Güschti, 
Aljdions  zu  Funzi,  Ursula  zu  Ursi,  Anna  Maria  zu  Amerej  und 
Mejele,  Regina  zu  IU»gi,  Bastian  zu  ßaschi,  Wilhelm  zu  Welem, 
Magdalena  zu  Madie  und  I.eni,  Xaver  zu  Feri,  Rlisnhcfh  zu  Lis- 
'  beth  und  Lisele,  Apollonia  zu  liluni,  Katharina  zn  Katherle 
und  Trini,  Veronika  zu  Vroni,  Theresia  zu  Besi,  Lienhard  zu 
Lieni,  Ignatius  zu  Nazi,  i.ukas  zu  Lux,  Ludwig  zu  Ludi,  Karl 
zu  Schari  und  Balthasar  zu  Daser. 

Eine  Eigeutümhchkeit  des  Volkes  besteht  auch  darin,  an 
gewisse  Namen  Sgtrüche  und  Scherzgediehie  zu  binden,  die 
zwar  meistens  im  Kindermunde  leben,  aber  auch  sonst  im  täg- 
lichen Verkehr  von  älteren  Personen  «zum  Spass  machen»  an* 
gewandt  werden.  In  Niedermagslalt  sind  folgende  üblich: 

I  ha-n-a  mol  a  Sebatsele  g*ha, 

Lisele  hat  es  g^heisse; 

Uli  wenn  i  wider  sa  eis  ha, 

So  jag  i'ft  met  da  Qeissal 

&p»  Sep,  dfx  alter  Lump! 
Hasch  net  g'wosst.  as  d  Cholbi  (haut? 
Hatsch  di  Gahl  em  Seckli  l>'haUa, 
Uatsch  dü  cheuna  Cbelbi  haita ! 


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Ei,  Imtiger  Vettar  MkM! 
Ei,  lästiger  Vetter  Bans ! 
Hasch  mi  geschter  wella  frais«, 
Hit  fiarsch  mi  zam  Dans! 

Mi$  (Sduanpeiiss), 
Chridawiae, 

Cholaschwars, 
Cbafeaatz  1 

Emilie^, 
Panpli, 
Sidaschniarrle, 
Chrodatiarla! 

Zepfelchappo  deiii, 
dTraft  beieit  Xem; 
Zepfelchappe  düz, 
dTraft  beiest  Lüx. 

xm  aiot  tewa  Sejala; 

s'Trinele 

im  aini  aewa  Cblineie. 

Babdi,  lang  das  Gigeli  abe ! 

Z*  Basel  flf  em  BiaamabUtz, 

En  dr  langi  Ganse, 

Dert  Spelt  a  Has, 

Dert  danzt  a  Fuchs, 

A-n-Eseli  schloht  dTrnmma; 

AlU  His,  wo  Wadel  hei, 

Sella  sn  dr  Hoobait  cbimima, 

Z'frasse  und  Z^sülfe  met  na  bringa, 

O'Stiabl  QU  d'£ank  an  d'Wadeli  benga* 

ScboUebeiebainieie,  Zetzerle  dxa, 
Dr         mOass  a  Liabsti  ha! 

Tbne  d'Hiahner  i, 

IjOss  der  Gugrl  Infifp, 

Breng  cn  üf  der  Disch, 

Mer  wei  lüaga,  wia-n-er  esch. 

Rothi  Panteffeli, 

Schnalleli  dra; 
a'  Melanie  hat 
cbleini  Schialeli  a. 


—  78  — 

BitBch,  Batsch,  Prter, 
Hengerm  Ofe  steht  er, 

Vor  «m  Ofe  wechst  er  d'Schüiih, 
*s  chant  »  alti  llex  drzüa. 

Auch  über  Fiumamen  will  ich  gleich  hier  Einige«  an- 
fügen. Die  Gesamt^i^emarkung  umfusst  335  ha  und  enthalf  viel 
sumpfiges  Gelände;  deshalb  bezctichnet  der  Bauer  auch  einen 
grossen  Teil  seiner  Besitzungen  mit  dem  Ausdruck  cRied, 
Bieder))  (von  ahd.  hriot=Stimpfgras,  Sumpf),  so  «Aimerieder», 
«Munilied».*  Die  Strasse  Kölzingen-Stetten  teilt  die  Flm-  in  ein 
Oher-  uivl  ein  Niedert  I  I,  wahrend  die  alte  Dieiteiiung  die 
Zeige  «wieder  das  Re<  kliuliler  dem  huesen  holiz  zue»,  «wieder 
den  Stockhrunen»  und  {.c^an  Kozinj^enx  aufweist. 

In  der  Zeige  awiedei  das  lleckholder*  Irellen  wir  Bezeich- 
nungen wie :  Am  Steinacker,  am  mittleren  Stein,  am  BatfeU 
weg  (cby  den  Syfritzb&um  oder  Basselweg»  i537),  am  Rain, 
am  Hölzweg,  am  Beclienlhalberg,  im  Stockacker,  im  Klingel- 
acker, am  Uffbeimerweg,  in  der  Osterlänge,  in  der  Halle*,  aufs 
Medersacker,  auf  dem  Höbneracker,  am  starken  Acker. 

Die  Zeige  «wieder  den  Stockhrunnens  enthält  nachfolgende 
Gelände ;  Im  Lin.senherg  (gespr.  Lejseberg),  am  Schwichhart, 
an  der  Winterstiege,  in  der  Werbe,  neben  dem  Stockbrunnon, 
in  der  Wassergalle,  am  Ganser  (gespr.  Gauser),  in  den  äusse- 
ren Strenjren. 

Die  dritte  Zel;re  ugeu  Közin^en  '  »unfas.st :  Auf  die  Sulz, 
im  Sulzacker,  im  Klingelhag,  am  i)reiten  Weg,  im  Grund,  im 
lUfang,  am  Salzmallberg. 

Die  Wiesengelande  sind  seit  1733  dieselben  geblieben.  Aus 
jener  Zeit  nennt  uns  ein  Klosterurbarium  die  Stockbrunnen- 
matten, die  Hutenmatten,  die  Dorfmatten,  die  Weiermatten, 
die  Matten  auf  den  Bacbgraben  und  die  Bitzenmatlen.* 


1  Im  Gemeiudearctuv  traf  ich  aus  dem  Jahre  1790  einen  «Fnes&en 
aeort  vom  Mnnygraben».  Das  Wort  «Friesen»  fftr  Wieseagrtber  ist 

nur  wenigen  älteren  Personen  noch  bekannt,  sowie  auch  ein  Verbum 
«frieseu»,  welches  die  Th&tigkeit  bezeichnet  Die  heutige  Bevölkerung 
gebraaoht  den  Ansdrack  «Saebne»  für  Wiesengraben.  «Zum  Sechsten 
ist  die  Saone  in  der  Saltsbronen . .  *  zu  manatenieren.»  1067. 
Archiv  Waltenheim. 

*  «an  der  Halden»  1537. 

'  lieber  diese  Bezeichnung  schreibt  Back,  Oberdentaehei  Fltus 

namenbuch,  S.  2^,  folgendes:  «Bitze  ahd.  bizuna.  Es  sind  ursprünglich 
eingezäunte  Güter  meist  anmittelbar  hinter  dem  Dorfzaune.  Im  Mittel- 
alter Dingab  jedes  Dorf  ein  bober  feaCer  Zann,  das  Friedhag.  Ettar 

XX.  s.  w.  genannt».  Dies  scheint  auch  für  unsere  Be/.eichnang  zu 
stnnrnen  :  denn  die  lützenmatten  liegen  unmittelbar  am  Dorfe,  und 
ältere  Urkunden  nennen  den  jetzt  unbekannten  «Etterpfad». 


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Ich  komme  nun  zum  Kapitel  öber  Orts-  odd'  Volkspoesie, 
Es  giebt  zwar  Menschen,  die  behaupten,  unserm  Volke  sei  der 
Sinn  für  Poesie  in  den  harten  Zeiten  verloren  gegangen,  der 
allzuschwere  Kampf  ums  liebe  tägliche  Brot  habe  die  Quellen 
unserer  allen  Volkslieder  vorliegen  und  die  sangres frohen  Kehlen 
verstummen  machen.  Das  mag  ja  für  die  Arbeiterbevölkorunfr 
der  Stadt,  die  den  grössten  Teil  ihrci^  Lebens  zwischen  vier 
kahlen  Wanden  zubringen  muss,  vielleicht  stimmen.  Aber  lür 
den  Landbewohner,  der  täglich  in  innige  Wechselbeziehung 
lu  der  Natui*  und  ihrer  Mannigfaltigkeit  zu  stehen  kommt«  ist 
diese  Beliauptung  vollständig  unzutreffend.  Rätsel,  Scherzfrage, 
Beimspruch  und  Lied  beherrschen  noch  wie  zur  Zeit  der  Ur- 
grossväter  fat»t  alle  ländlichen  Zusammenkfinfle.  Zum  Beweise 
A^'ill  ich  hier  nur  die  bessern  aus  dem  mir  zu  Gebote  siebenden 
StoflF  unseres  Dörfchens  mitteilen. 

Da  haben  wir  zunächst  das  Rätsely  das  wieder  hauptsäch* 
lieb  dem  Kindermunde  eigen  ist. 

Bickerli,  Raekwlif 
Springt  eher  alli  Ackerli, 

Hat  inehi-  Bei 

As  '&  Herrc  Ueiigli  Edelstei! 
(Die  Egge.) 

's  escli  a  lange  Magere. 
Hat  weder  Fleisch  noch  Blüat, 
un  esch  iiumtua  d'Hüt  güat! 
(Der  Hanfstengel.) 

"s  steht  einer  üf  de  Gattere, 
Er  riaft  alli  bini  Gevattere  1 
(Der  Hahu.) 

Hocbgebore. 
Nedergsckore, 
Vit  Virsirtit, 
Noch  samma  gUsit! 
(Das  Heu.) 

*s  esch  a  schwatz  Brinli, 

's  fahrt  henger  de  Ziell, 

's  fahrt  oliilf  Pflüag, 
•  iubit  alli  Lit  gnüag! 
(Der  Maulwurf.) 


—  80  — 

esch  a  rot  Heweli, 
ü  hat  a  rot  Fedeli, 
*•  liat  Hin  Hit» 
's  bint  «Iii  Ut! 
(Die  ZwielMl.) 

£m  Holz  werds  g'baüa, 
Drno  speunes  d*  Fraäa, 
Drao  wftWM  d*  Wftw«r, 

Drno  garwM  d'  Garwer, 

Drno  sattlerts  dr  Sattler, 
Drno  schmedpt«;  dr  Schraed; 
Bot,  was  das  z&mrna  getl 
(Das  Kammet) 

«Dft  langi.  dü  inagsri, 
Wu  wet  dü  hs  ?> 

«Dn  gschorene  Mutti, 
Was  frogsch  dn  rne'» 
(Zwiegespräch  zwischen  äense  und  Wiese.) 

Ausser  diesen  mehr  oder  weni|?er  in  gebundeaer  Kede  ge- 
haltenen Rftlseln  giebl  es  noch  eine  (leihe  in  freier  Rede  z.  B. : 

's  sen  32  Wkllcli  rrii  a  Hissli;   s  chene  o  weniger  si;  le  seo 

allewil  nass  ua  "i,  lagtiit  iiia  diüf.    (Die  Zahne.) 

's  laufe  yiera  a  nanger  no  an  's  veiwetacbt  chen  dr  anger. 
(Der  Haspel.) 

's  seil  viar  Bnader  em  a  Hisli,  nu  's  cha  cheuer  em  anger  üf. 
mache.   (Die  Nqsb.) 

*s  stobt  einer  üf  eim  Bei,  nn  hat  vieravierzig  Chappli  feil.  (Der 
Kohlkopf.) 

*s  esoh  a  grian,  grian  Deng,  *8  hat  *s  Hars  em  Chopf.  (Der 
Kohlkopf.) 

Cbeme  se»  so  cheme  se  net,  nn  eherne  se  aet,  so  eherne  se. 
{Um  YOgel  und  die  Sameakörner.) 

*s  goht  ehis  am  *s  Hfis  ama  an  macht  bick  bick.  (Die  Dach- 
traafeO 

Viaie  htmpe,  viare  tramba»  an  viare  Ifiaga  der  Bimmel  a. 

(Die  Kuh.) 

Unter  den  Sprüchen  von  Tieren  .seien  auch  einige 
erwShnt.  Um  das  Marienkftferchen  zum  Fliegen  zu  bringen, 
singen  die  Kleinen  : 

Liabaherrgottstiarli,  tiiag  eher  dr  Rbi, 
Breng  dr  Hüalergottes  a  Scbeppele  Wi 
Un  thila-n-a-ra  a  Zackerbiedli  dri  1 


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—  81  - 


oder  auch: 

Liabafaerrgottstierli  luriDg  em  Clüng  Mehl  im  Mildi,  as  es  eha 

Pappeli  chocha. 

Der  Kuckuck  mit  seiner  Geirassigkeit  wird  mit  dem  Zwie- 
gespräch geäfft : 

«Gügtig, 

Wq  beicli?» 
«Em  WaldU» 

«Was  hasch?» 
««Ä  Presch  !>» 
«Ge  mev  o !» 
«<Nei,  Nei!>> 
«Gitshalsl» 

Hat  die  geangstigte  Schnecke  sich  in  ihr  Gehäuse  zurück- 
gezogen, so  .suchen  die  Kleinen  sie  durch  die  Drohung  zum 
VViedererscheinen  zu  bew^en : 

Schnack,  Schnack,  sti^ck  d'Hörner  üssa, 
Oder  t  werf  die  m-nere  finge  Brack  ftsaa!  — 

Fernere  Tierspruche  der  Kinder  sind : 

Dllflater 

Ott  dr  Chüah  *s  Ffiater, 
Em  Eseli  ^s  Hei 
Abs  alh  bedi  heil 

Wenn  i  's  Herre  Bisseh  war, 

DU  t  lehra  mftesa; 

D*  Btaga  nüf  en  's  Chammerli 

De  Morge  vreder  üssa ; 

Un  wfMii!  «Ir  Speck  em  Chammerli  war» 

Dats  mr  uet  drab  grosse. 

Von  den  Handwerkern  muss  nur  der  Schneider  her- 
halten : 

Dr  Scbnider  met  dr  Scher, 

Er  meint  er  seig  a  Her, 

Er  meint  er  seig  u  LandTog(t), 

Dn  esch  nnmma-n-a  dammer  Geisboek. 

Sclinid.  i,  Schnidcr  hopp,  hopp,  hopp! 
Mach  mr  miue  neue  Kock, 
Net  zae  gross  an  net  zue  cbli, 
Horn  mttass  er  fer^  si. 

Der  Grojjsvater,  dem  das  hebe  Enkelsöhnchen  keine  Ruhe 
lassen  will,  setzt  r»«?  wolil  auf  das  Kiii»',  das  er  m  auf-  und 
abvvartsgehende  Bewegung  setzt,  und  siugt  dazu  tolgendes 
Schaukellied : 

6 


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Es  ridda  die  Heria  ein  Stei.  em  Stei, 
Se  gei  em  •äcbimmei  Um  Hei,  das  Uei, 
Se  gei  «m  Choli  dr  Haber,  der  Haber, 
Ach  Oott,  wia  eseb  daa  Beasli  ao  mager. 

Der  heimlich  Verliebte  klagt  sein  Leid  in  den  Worten: 

0  Jera  Gott,  0  Jara  Oott, 
Wia  get's  doch  süri  Qaatschga! 

1  hör  lai  Schatzelc  tin  seh  mi  Sohatseia, 
Un  cha  not  mit  em  schwatza. 

Hat  aber  ein  Bursche  keinen  Schatt,  so  cesch-r^aoa  am 
Rhi  un  hat  weder  Wada  no  Ghnie»,  der  Schatz  nämlich. 

Der  kleine  Arbeiter  vertraut  seine  Not  dem  Sprüchlein: 

Ich  ben-a-chleiner,  wonaiger  Bfia» 
Schwari  Arbet  tbüa! 
Hiahner  üssa  jaga, 
Staba-n-dssa  flaga, 
Butsa  dia  Schflahl  — 

Das  Abzählen  der  Kinder  he  im  Spielen  ^^eschieht 
auch  oft  nach  Sprüchen,  so  dass  jedes  einzelne  Kind  eine 
betonte  Silbe  trifift.  Von  diesen  Abzählreimen  sind  hier  gang  und 
gäbe: 

Einige  Beinige  Düpenda 
Diche],  Daehfl  Domiue 
Ankebrot,  ZenkeiiKt 
Egerspegel,  Chapa,negel 
Sallars  Anka 
Beok,  Back,  Bader 
Ausgang. 

Eue  daae  losa  mi  laba» 

Ich  wall  dr  a  adiena  Togal  ga» 

Vogel  mer  Strau  ga, 
Stran  ich  Thiiah  pa, 
Chuah  raer  Milch  ga, 
Melch  ich  Beck  ga, 
Back  mar  Laiwli  ga, 
Laiwlt  ich  M nater  ga» 
Mfiater  mer  Sü  ga. 
Sä  esch  verlora, 
0n  dü  besch  gebora. 

'•    Eis,  zwei,  dri, 
D'  Magd  holt  Wi, 
Dr  Knecht  schenkt  i, 
Dr  Herr  sauft  aus, 
Pack  dich  sam  Dar  hinaaa. 


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-  88  — 


Die  Stabreim etiden  Sprechübungen  sind  wohl  überall 
zu  Hause.  In  Niedermagstatt  habe  ich  nur  drei  ausfindig 
machen  können. 

Hengwa  Hem  Biabn^ftas  bat  *•  Harra  Hana  hnndai't  Haaa 
liara  hiU! 

Mi  Miller  mahlt  mr  mi  Mahl! 

Daa  dieh  doch  dr  dflaige  Daifal  dar  das  Dor  dfiia  draga  dat! 

UnU  nuu  zuit)  Schlüsse  dieses  AbschniUes  noch  einiges 
Ober  das  Volküied,  Es  giebt  wohl  wenige  Gemeinden,  wo 
ao  viel  gesungen  wird,  wie  in  unserm  Dörfchen.  Es  ist  ein 
wahres  Vergnügen»  an  stillen  Sommerahenden  den  einfachen 
zweistimmigen  Volksweisen  zu  lauschen,  die  bald  da,  bald  dort 
in  die  friedliche  Dummerung  hinaustönen.  Leider  sind  aber 
unst're  aUen  elsässischen  Volkslieder,  die  charakleri;»iischrn 
Weisen  unserer  Väier  fast  verschwunden,  weil  die  Spinnstuben, 
jene  Meisterschulen  des  Volksgesanges,  schon  seit  Jahrzehnten 
unlor^^e-aiit^^en  sind.  Die  meisten  jetzt  nldichen  Gesänge  sind 
von  den  Bursciien  aus  ihrer  S*jldalenzeit  mit  gebracht  und  .««o 
von  Alideutschland  hieher  gepflanzt  worden.  Als  ältere  ein- 
heimische Volkslieder  sind  uiir  folgende  heute  noch  gesungene 
mitgeteilt  worden. 

Ich  tha  es  nichts  lieber  als  jagen  allein, 

H ;  Meinem  Sch&tzchen  an  gefallen, :  ||  wenna  trawig  möcht  aeio. 

Wo  ist  ea  mein  Sebilalein,  wo  ist  es  mein  Schatz  ? 
II :  Er  tat  dranaaen  im  Gatten, :  ||  bricht  Röaeleia  «b  I 

«Koaun  an  mir  in  Qartan,  komm  an  aair  in  Klee, 

tt :  Komm,  klag  mir  deinen  Jammer» :  ij  komm,  klag  mir  drai  Web.» 

cWaa  aoU  ich  dir  klagen,  hersUmaiger  Scbats, 

\{ :  Dan  wir  beide  m&aaen  scheiden,  :  U  weiaa  keiaea  kein'n  Plata. 


Non  adje,  jetst  ilts  beschlossen: 
Ein  Körblein  hab  ich  dir  geflochten, 

II :  Nimm  da  es  bin  so  hübsch  nnd  fein 
Und  leg  dein  falachea  Hers  hinein.  :  || 

Warum  bist  da  so  hoch  gestiegen, 
Und  hast  dein  Falschheit  rrir  ver<ichwiegen? 
[|  Bei  Tag  und  Nacht  hab  ichs  gewacht 
Und  hab  deiu  falsches  Herz  betia-cht*  :  |i 

Reicb  bist  du,  aber  nicht  Icr  Reichste; 
Du  bist  schön,  aber  nicht  der  Öchönste; 
II :  Und  wer  du  bist,  das  bin  auch  ich, 
Drum  hör*  nnr  auf  an  lieben  mich!  :  ti 


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—  84  — 


Arm  biu  ich,  das  muss  ich  selbst  gesteben, 
Und  moM  mf  melnM  gleichen  mImd; 
Wenn  ieh  wftr  rtieh  nsd  hfttV  vsel  Geld, 
So  thät  ich  lieben,  wer  tnirs  gef&llt ! 
Doch  ich  bin  arm  und  hab  kein  Geld, 
So  moM  ich  lieben,  wem's  gefällt  I 


Es  war  ein  Knab'  von  achtzehn  Jahr, 
Der  liebt'  sein  Schatz  schon  zwei,  drei  Jahr, 
Schon  zwei,  drei  Jahr  uud  noch  viel  mehr, 
Die  Liebe  nahm  Icein  Ende  mehr. 

Der  Knab'  zo*!  fort  in's  fremde  Land, 
Derweil  vvurd  ihm  sein  Schätzele  krauk. 
So  krenlc,  eo  krank  ble  aaf  den  Tod, 
Drei  Tag,  drei  NSeht*  red't  eie  kein  Wort 

Sie  schreiben  einen  Brief  ins  fremde  Land: 
«Komm*  heim,  komm^  heim  I  dein  Sehati  iit  knakt 
Er  iet  M  krank  bis  anf  den  Tod, 
Drei  Ta^,  drei  Nftehi*  ledt  aie  kein  Wort» 

ünd  ala  der  jung  Knab  in  die  Stabe  nein  tra^ 
Sein  Schaia  im  Bette  kranke  lag. 

cQrüss  Gott,  grüss  Gott!  lieb  Schätzelein^ 
Wae  machat  da  da  im  Bett  allein?» 

«Schon  Dank,  schön  Dank,  da  janger  Knabt 

Die  Lieb^  ist  ans,  ich  tnass  ins  Grab; 
In's  kühle  Grab,  wohl  vor's  Gericht, 
Wo  mir  mein  Gott  das  Urteil  spricht!» 

cNicht  so  geschwind,  lieb  Schätzelein, 
Ich  will  für  dich  znm  Doktor  gehn!» 
«Zum  Doktor  gehn.  das  brauchst  du  nicht i 
Sie  nehmen's  Gc-ld  und  helfen  nicht.* 

«Zündet  an,  zündet  an  ein  Kerzenlicht, 

Sonst  stirbt  mein  Schatz,  man  g'sieht  es  nicht U 

Er  nahm  den  Schatz  in  seinen  Arm, 

Sein  Schatz  war  kalt  and  nicht  mehr  warm. 

«Jetzt  muss  ich  suchen  ein  altes  Weib 
Das  mir  meiu'n  Schatz  schne^weiss  bekleid't 
Jetzt  moss  ich  soeben  sechs  junge  Knaben, 
Die  mir  meinen  Schatz  aaf  den  Kirchhof  tngen. 

Jetzt  muss  ich  kaufen  ein  schwarzbraun  Kleid, 
lluss  tragen  für  mein  Scbätzchen  leid, 
Mass  tragen  leid,  moss  tragen  leid, 
Bis  dass  der  Weidenbaam  Rosen  trait  (trftgt)!» 


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Einst  lebt  ich  so  glücklich, 
£iiiat       ieh  so  frob; 
Da  wohnte  meine  Liebe 
In  einer  Bfttte  von  Stroh, 

Da  wohnte  meine  Liebe, 
Dft  blühte  mein  Olflck : 
0  ihr  seligen  Stunden ! 
Wann  kehrt  ihr  zarödc? 

Ach,  Mädchen,  du  bist  traurig, 

Und  dein  Fenster  ist  le<>r ; 

"Wir  sind  jetzt  nicht  mehr  glücklich, 

Und  wir  seh'n  uns  nicht  mehr. 

Dort  oben  auf  dem  Berge, 
Wo  die  Sonne  aafgeht. 
Da  sitst  sie  auf  dem  Berge 
Und  wftttsoht  mir:  Adje. 


II:  Es  waren  drei  Töchter  allein;  ;  ü 

II :  Die  jflngste,  die  war  es  die  schlimmste, 

Sie  rief  dem  Knabsn  hinein.  :  || 

Sie  stellte  ihn  hinter  die  Thfir, 

Bis  Yater  and  Matter  sn  schlafen  gehn; 

Dann  nahm  sie  ihn  wieder  herfdr. 

Sie  fahrte  ihn  d*8üege  hinanf. 

Er  meinte,  sie  woll'  ihn  schlafen  ffthr*n, 

Znm  Fenster  fiel  er  hinaus. 

Er  fiel  es  anf  ein*n  Stein ; 

Er  brach  zwei  Rippen  im  Leibe, 

Dazu  das  linke  Bein. 

Er  schleppt  sich  wohl  über  den  Weg; 
Da  kam  ein  altes  Woibelein 
Und  half  es  ihm  ans  dem  Weg. 

Er  schleppt  sich  vor's  Mütterlis  Tbftr: 
«Ach,  Matter,  ich  bin  es  gefallen 
Vor  meiner  Hensliebsten  Thür.> 

«Ach.  Sohn,  es  gescbali.'  dir  recht. 
Wärst  du  zu  Haas  geblieben, 
Wie  andere  Banersknecht  > 

Sie  setzte  ihn  hinter  den  Tisch, 
Und  gab  ihm  essen  uad  trinken. 
Dasn  gebsckene  Fisoh. 

Sie  legte  ihn  auf  das  Bett; 

Und  als  das  Olöckelein  zwölfe  schlägt 

Hat  ihn  der  Tod  gestreckt. 


—  86 


Wm  gab  sie  ihm  unter  den  Kopf? 
Ein  paar  gehobelte  Spftnetoin. 
Da  halt  du,  da  inner  Tropft 


II. 

Uosetv  I>(trfs('liaiteii  sinii  zum  j^rössten  Teile  sehr  alt,  weit 
Siter,  als  sie  urkundlich  nachweisbar  sind,  aber  docli  zu  ver- 
schiodeuen  Zeilen  entstanden;  sie  sind  nicht  wio  die  Pilze  eines 
Waldes  in  einer  Nücht  aus  dem  Boden  ersprü»»en,  sondern 
langsam  kamen  die  kolonisierenden  Stftmme  in  den  fremden 
Grund,  und  langsam  nur  vermochten  sie  in  demselben  vorzu- 
dringen, sich  denselben  anzueignen.  Unser  Niedermagstett  reicht 
urkundlich  zum  Jahre  788  herauf ;  in  diesem  Jahre  ist  es  näm- 
lich in  den  Traditiones  possessionesque  Wizenburgenses  als 
Ifo^esfef  erwähnt.  Aller  Wahrscheinlichkeil  nach  erhob  sich  aber 
schon  zur  Römerzeit  eine  kleine  Ansiedelung  in  dem  frucht* 
baren  Thälihen.  Dafür  sprechen  f«)l;.'eiide  Thatsarhen. 

Zunächst  zo^r  eine  alle  Hömerstras^e,  die  von  der  o  Hohen 
Strasse»  bei  <len  <(L)rei  Häusern»  vorbei  nach  Kembs  lühne 
dicht  an  dem  heutig-en  Orte  vorüber.  Sie  kam  nämlich,  soviel 
meine  Untersuchung  ergab,  von  der  sog.  Tafeleiche  oberhalb 
Stetten  durch  ein  Ackerfeld,  das  heute  noch  «dui*chs  Strässle» 
heisst,  olischon  nur  etliche  eigentumliche  Abstöi»e  das  alte 
Strftssle  bezeichnen»  in  den  Linsenberg,  wo  di^lbe  noch  auf 
eine  Strecke  von  ungefähr  300  m  als  überwachsener  Hohlweg 
kenntlich  ist,  der  den  Namen  cRossweg»  führt;  von  da  durch- 
schneidet sie  die  heutige  Steltener  Sd  asse  und  fuhrt  quer  Ober 
des  «Groffen  Acker»  Uffheim  und  Sierenz  zu.  Bei  trockener 
Sommerzeit  macht  sich  die  Strasse  durch  das  frühere  Gelh- 
werden  der  Frucht  kenntlich ;  auch  führt  ein  Teil  des  Feldes 
den  Namen  «zwischen  bed  Stross»..  Im  Lin^'Miherg  wurden 
schon  oft  römische  Münzen  aufgetnuden,  sowie  die  Ueberr^te 
menschlicher  Skelette  mit  Bruchstnc  ken  alter  Waffen. 

Die  vielfach  im  Ziegelacker  getrollenen  Mauerreste,  Hohl- 
und  Flachziegel  habe  ich  leider  nicht  zu  Ge.sicht  bekommen ; 
es  scheint  sich  jedoch  hier  um  die  Ueberreste  einer  Ziegelhütte 
Jüngern  Datums  zu  handeln.  Nichtsdestoweniger  sollen  in  dem 
nahen  cMedersacker»  in  den  sechziger  Jahren  Münzen  aus  der 
Zeit  des  Kaisers  Augustus  gefunden  worden  sein  und  bei  Erd- 
arbeiten in  dem  ebenfalls  nachbarlichen  «c Tafelacker»  zwei  fisch- 
ähnliche  GegensUUide  au>  Metall  von  0,30—0,35  m  liänge,  die 
an  einen  Händler  verscbacherl  worden  sind. 


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—  87 


Der  interessanteste  Fund  wurde  im  Jabre  1883  in  der  cReb- 
gasse»  gemacht^  woselbst  man  in  einer  Erdhöhle  das  Skelett 
eines  römischen  (?)  Kriegers  in  voller  Rüstung  entdeckte.  Die 
Fundstäcke  gingen  in  den  Besitz  des  Rentmeisters  H.  Schön* 
haupt  über. 

Aus  (1cm  allem  erhellt,  dass  die  Römer  den  Platz,  wo  heute 
Niederrnngstatt  steht,  auch  gekannt  und  vielleicht  besiedelt 
haben.  Dr-r  Ort  selbst  muss  im  Laufe  der  Zeit  seine  Lage  ver- 
ändert liabiMi ;  wenigstens  wurden  in  den  lel/.len  Jahrzehnten 
oft  Mauerreste  und  kleinere  Gewölbe  in  der  Umgebung  des 
Dorfes  ausgeffrahcn. 

Die  ersten  Ansiedler^  die  nach  dem  Untergänge  der  römi- 
schen Kultur  im  Anfange  des  5.  Jahrhunderts  sich  wieder  der 
verödeten  Gaue  bemfichtigten,  drangen  sippenweise  von  Osten 
her  in  unsere  Sundgauer  VorhQgel.  Sie  suchten  hier  wasser- 
reiche, fruchtbare»  gegen  heftige  Nordwinde  geschätzte  Plätze 
auf,  erbauten  dort  ihre  Blockhäus(M-  uiid  gründeten  so  ein  Ur^ 
dorf,  das  vielfach  nach  dem  Gest  liU dite  benannt  wurde.  Alten 
Dorfsagen  gemäss  soll  dieses  Urdorf  für  unser  Thal  Kötzingen 
sein.  In  der  Thnt  ist  Kötzini!»Mi  (Kotzin^^on  1200),  welches  die 
Sippschaft  eines  Kozzo  hezeirliiit  u  !n;ij,%  der  ein/.i^'e  patronymisrhe 
Name  des  Thale:>.  B'eroer  waren  tasl  sämtliclie  Guter  der  üm- 
gebunjr  iu  den  Dinghof  zu  Kötzingen  (ebenfalls  den  einzigen  des 
Thaies)  zinspilichlig. 

Wuchs  eine  Genossenschaft  infolge  des  damals  reichlichen 
Kindersegens  an  und  drohte  Nahrungsmangt  I,  so  zogen  einzelne 
Familienverbände  aus  und  grandeten  sog.  Zweig-  oder  Tochter' 
dorfer.  Die  Trift  vmrde  nach  Schneeschmehen  und  Wasser- 
scheiden  verteilt  und  jedem  Dorfe  je  nach  der  Anzahl  seiner 
Familten  ein  bestimmter  Teil  zugewiesen.  Waren  keine  natQr- 
liehen  Grenzen  vorhanden«  so  liess  man  oft  eine  Feidmark  zu 
gemeinschaftlicher  Nutzniessung  als  Grenzmark  liegen. 

Auf  die  eben  angedeutete  Weise  mögen  die  beiden  Nfag- 
statt,  Gutzweiler  und  Rantsw.iler,  die  den  Thalgrund  um 
Kötzingen  einnehmen,  entstanden  sein. 

Höchstwahrscheinlich  bildeten  die  beiden  Magstatt  in  der 
üllesleu  Zeit  nur  eine  Gemeinschaft^  da«  lienfi|?e  XiiMlerma^^- 
slalt.  Das  Gebiet  derselben  erstreckte  sich  zwischen  ilern  Linsen- 
berg im  Süden,  der  Zäsingcr  Höhe  im  Westen  und  dem  sog. 
Hellmattgraben  im  Norden.  Im  Osten  war  keine  natürliche 
Grenze;  deshalb  finden  wir  dort  die  Grenzmark  zwischen  Uff* 
heim  und  Bfagstatt  gemeinsam.  Die  letzten  Spuren  der  ehe- 
maligen Grenzmark  sind  noch  in  dem  Bannscheideprotokoll  von 
1604  enthalten,  woselbst  es  heisst :  cZwischen  diesen  zweyen 
alten  steinen  aber  iigt  ein  rieth,  so  man  die  Witten  matten 


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—  88 


nennt ;  welches  rieth  die  von  Vflieimb  biesher  genutzt,  Tnd  ist 
aber  allhier  des  Witten  rieths  halber  zue  wissen,  wan  die  von 
Vfheimb  die  nutzun^  darab  genohinen,  dass  die  von  niedermag- 
statt  den  weitl^ang  darinnen  haben».*  Das  Grundstück  führt 

heute  den  Namen  «Uffheimer  Muniried)^  Nach  der  Ortf^^ag-e 
sollen  die  Rechte  auf  das  Gut  alij,'<'treten  worden  sein,  damit 
Uflfheim  das  Durnliti'eibeii  des  Vielws  nacli  dpn  ilartweiden  ge- 
statten möchten.  Auch  an  der  Hann;,n  »  ti/f  von  Waltenheim 
waren  vielfach  «Spänn  und  Irrungen»,  jtHlenfalls  auch  Uei>er- 
reste  der  alten  Grenzmark,  die  erst  1G28  beigelegt  wuixlen. 

Das  Banngebiet  der  Bfagstatter  wurde  dardi  einen  HGgel- 
zug,  auf  dem  ein  mächtiger  Wald  wuchs,  in  zwei  gleiche  Thal- 
keseel  geteilt,  in  einen  obem  und  einen  niedem.  infolgedessen 
teilte  sich  die  Genossenschaft,  und  ein  Teil  gründete  jenseits 
des  Waldes  ein  oberes  Magstatt.  Diese  Teilung  fallt  jedenfalls 
auch  schon  in  die  fdleste  Zeit,  obschon  wir  erst  1090  Güter  ein 
superiori  Mahstatt»  nachweisen  können.^  Die  Trennung  scheint 
indes  anfanfr?;  des  XTV.  Jahrhunderls  noch  nicht  strenj^^e  durch- 
geführt gewesen  zu  sein,  wie  wir  aus  nachfolgendem  Kaufakte 
ersehen . 

«In  dem  Jore  do  man  zaite  von  gotles  geburle  dritzehen 
Iiun(icrt  vnd  zvventzig  vnd  fünf  Jor,  am  samstag  vor  niilton 
vasten,  do  kom  für  gerichte  des  otlicials  des  hofs  von  Basel, 
Johann  iutieler,  den  man  sprach  von  Magsfatt,  vnd  gab  zu 
kAffende  Heinrich  von  Angen,  eim  burger  von  Basel,  ein  hus 
vnd  ein  schüren  vnd  ein  garten  gelegen  zue  Hagstat  bi  der  Rdten 
gilt,  vnd  ein  hus  vnd  garten  och  gelegen  ze  Magstat,  vnd  stosset 
an  der  frowen  gut  an  den  Sieinen  vü  dem  sitzet  hans  azmann 
vnd  beschah  dure  köefTe  vmh  zwei  phunt  Bassler  phenningen».* 

Verschwand  in  der  Folge  durch  Kriege  oder  sonstige  Un- 
plncks'fTdle  eine  Genn<senschaft  vollständig,  so  wurde  ihr  Bann 
zwischen  den  Anwohnern  ;:eteilt.  So  erging  es  nämlieh  mit 
GutzwUler  und  seinen  Giilera.  Aus  dem  Jahre  14f80  hci  esi : 
«Der  Gutzweiller  ist  ein  ander  Bann,  soll  vor  Zeithen  t-m  idein 
Doilicin  oder  Wyler  gewesen  sein,  in  das  Kilchspiel  Kötzingen 
mit  Wun  und  Weidt  gehörig.  Diese  Güter  Zinsen  in  das  Kloster 
St.  Alban  Bodenzinss».*  Gulzweiler  verschwand  im  13.  o«1er  14. 
Jahrhundert,  und  die  Nacbbargemeinden  Uantsweiler,  KtMzingen 
und  Obermagstatt,  ja  selbst  das  genossenschaflsfiremde  Zäsingen 
von  jenseits  der  Wasserscheide,  erhoben  Erbanspruche,  d.  h, 

*  Gemeindearchiv  Niedermagstatt. 
«  Stoffel,  Topographiwhei  Wörterbuch.  IL  Anfl.  400. 
^  Staatsarchiv  Basel.  3Iaria  MagdsleuM«  Papienarknnden  39. 
Gemeiadearchiv  Kötzingen. 


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—   89  — 


sie  stritten  sieb  um  den  Besitz  der  besten  Flurstucke  bis  in 
dieses  Jahrbundert  binein. 

Nichtsdestoweniger  verprösseiie  diese  Erbschaft  den  Besitz 
der  Dörfer  und  ermöglichte  ein  schnelleres  Anwachsen  dersell>en, 
während  das  kleine  Niederroagstatt,  das  in  dem  Streite  bloss 
von  Zeit  zu  Zeit  Schiedsrichter  war,  immer  zurück  blieb.  Halte 
es  doch  noch  1568  nur  15  Bfirper  ;  allerdings  zählte  damals 
Oberma^sfatt  auch  nur  49.  Aber  17*24  ist  das  Verhältnis  schon 
32  in  Nh  .it  rma'^stalt  zu  5i  in  Obcniiagstalt.' 

In  der  ältesten  Zeit  gehörten  beide  Magstatt  zum  Hause 
Oesterreich.  Das  Güterverzeichnis  der  «herzogen  von  Osterrich, 
die  Lantgrauen  sint  in  Obern  Elsas»  meldet  aus  dem  Jahre 
1303 :  cDaz  torf  ze  Obemmachstat  bat  gehen  für  herlierig  zem 
meisten  VIII  vierenzal  habem ;  zem  minsten  VI  von  ie  von 

dem  bus  I  vasnaeht  hvon  Daz  lorf  ze  Niedernmachsfat 

vnn  der  hersehaft  lute,  die  ober  dem  Tlonberg  sint  gesesisen» 
hant  geben  ze  sture  bi  dem  meisten  XV  IIb.  zem  minsten  X 
lib.  herberig  nah  genaden,  vnn  von  ie  dem  hus  I  vasnaeht 
hvon.  Du  berschaft  hat  ouch  da  twing  vnn  ban,  vnn  rieht  tvb 
viin  vreven/1  fTrouillat  III.  57).  Als  dann  dif^  Oeslerreicher 
nach  dem  Aussteiben  der  Pfirter  IS'Ü  in  den  Besitz  jener 
Grafschaft  gelangten,  wurde  Mag.«tatt  der  Henscbaft  Altkirch 
als  Mciertum  zugeteilt  («mageslat  meigertom»  ]38ü).  Kode  des 
15.  Jahrhunderts  scheint  es  aber  wieder  zur  Hemchafl  Land^ 
ser  zurückgekommen  zu  sein  ;  denn  es  bildet  von  da  an  mit 
Rantsweiler,  Landser,  KAtzingen,  Geispilzen  und  Waltenheim 
das  erste  Schultbeisslum  der  Herrschaft  Ober-Landser. 

Unsere  eingewanderten  Urvater  waren  nalurlich  Heiden, 
treue,  feste  Verehrer  ihrer  alten  Gottheiten.  Besonders  war  es 
Odin  oder  Wodan,  der  Gott  der  Luft,  der  Beherrscher  der  Asen 
nnd  der  Besch ützer  des  mensr  lili(-lien  Geschlechts,  dem  sie  nber- 
all  auf  erhabener  Stätte  Altäre  errichteten.  Als  nun  die  christ- 
lichen Sendboten  den  lieuinischen  Völkern  dns  Lieht  des  iMan- 
geliuins  l)ra(  hten,  vermochten  sie  den  All^^ewalligen  nicht  so 
leichten  Kaufes  mit  einem  Schlage  zu  verdrängen.  Sie  schoben 
ihm  deshalb  vielfach  einen  andern  mächtigen  lierr.scher  unter, 
der  ihn  in  den  Anschauungen  der  Heiden  ersetzte.  Es  war 
dies  St.  Michael,  der  Besieger  Luzifen$,  der  FQhrer  der 
himmlischen  Heerscharen.  Die  zahlreichen  PcUronaie  tu  St, 
Micliael  gehören  deshalb  auch  zu  den  ältesten  Stiftungen  un* 
seres  Landes,>  und  ein  solches  Palronat  ist  das  Hägelkirchlein 


>  Bisehdfl.  Archiv  nt  Prantrat,  Vitifationes  bisextiles. 

^  Vergl.  Ch.  Braun.  Legendes  da  Florival  ou  Mythologie  alle- 
mande  dans  ane  valUe  d'Alsace.  Qebweiler  186Ö.  S.  27. 


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^  90  - 


von  Niedermagstatt  von  nitersber.  Nach  den  Urkunden  ist  es 
auch  die  Mutteikirche  von  Kötzingen  und  Ohermagstatt.t 

Die  ersten  Glaubensboten  scheinen  vod  Basel  aus  nach  *dea 
Hüiieln  des  ö'^tiichen  Sundganes  ^^esamlt  worden  sein :  denn 
tlaliiii  richten  sich  alle  älteren  Schenkun;;en  und  Sliftun^^en  ; 
auch  gehörte  die  KoUatur  von  Niederniagstall  von  jeher  detii 
Slifiskapitel  von  Basel.  Diesen  Umständen  ist  es  auch  zuzu- 
schreiben, dass  vor  der  französischen  Hevolulion  die  meisten 
Güter  in  Händen  Basler  Klöster  waren.  Da  war  zuerst  das 
Kloster  St.  Alban,  gestiftet  1083  von  Bischof  Barkhardt,  mit 
reichlichen  Gütern  im  «Zeig  wieder  den  Reckholder,  im  Zeig 
gegen  den  Slockbrunnen  und  im  Zeig  gen  KöUingen» ;  dann 
erhob  das  Stift  St.  Leonhard,  gegründet  1033  durch  den  Propst 
Exelinus,  jährlich  2  Viertel  Dinkel,  2  Vierte)  Hafer  und  1  Huhn 
als  Zehnten.  Femer  besass  das  Kloster  Klingenthal  in  Kleinbasel, 
erbaut  1297,  in  Niedermagstalt  Güter,  die  6  Viertel  Dinkel  ab- 
trugen ;  desj;teichen  das  Kloster  Gnadenthal  «von  alters  her 
schon  Vü)  der  reforniation  i^'^esin».  Der  i233  unter  Bischof 
Heinrich  eingewanderte  Piedi^^erorden  erhob  ehent'alls  '^  Sack 
2  Sester  und  2*/2  Küpile  Kernen.  Ausserdem  ruKh-n  wir  noch 
in  den  Zinsregistern  vertreten:  die  Karthäuser,  die  tfLülkili  he 
zu  Sl.  Martin»,  das  Stift  St. -Peter  und  das  Nonnenkloster  zu 
den  cRewenden  an  den  Steinen  zu  Basel» ;  alle  besassen  GGter 
und  Häuser  in  dem  kleinen  Dorfbanne.* 

Gehen  wir  wieder  zur  Dnrfkirche  xorück.  Wer  sie  gebaut, 
wer  den  Grundstein  zum  niedlichen  Bau  auf  der  Uügelspitze 
gelegt  hat,  wissen  wir  nicht.  I>a$  Fest  der  Einweihung  wurde 
feiei'lich  begangen  bei  Mahl  und  Tanz  und  andern  W  lksheiust- 
Igun'/en ;  desgleichen  auch  der  jährlich  wiederkehrende  Ge- 
dächlnistag.  Langsam  trennte  sich  die  wellliche  Belnsttgunfr  von  > 
der  kirchlichen  Feier  und  entwickelte  sich  zur  heuii<i<'n  Kilbe 
Der  «[Danlzi)latz»  von  Niedermagslatt  lag  neben  dem  "Heylii^-^cn 
Gärlhn  von  St.  Albam»,  d.  h.  an  der  Stelle,  wo  lieule  das 
Schulhaus  steht.  Derselbe  bestand  noch  ani  Anfange  dieses.  Jahr- 
hunderts und  zwar  aus  einem  festgestampften  Lehmboden,  in 
dessen  Mitte  sich  der  mit  Bändern  reichlich  verzierte  Maien 
erhob.  Sobald  der  Kilbentag,  der  heute  auf  den  dritten  Sonntag 
nach  Ostern  fallt,  herannahte«  begaben  sich  die  Dorfburschen 
au  die  Ausbesserung  des  ländlichen  Vergntigungsplatzes.  Als 
Aufspieler  diente  ein  fahrender  Spielmann  oder  eine  Zigeuner- 
bande. 


1  Bibclititt   Archiv  zu  Priintrut.  Vis.  bis. 
^  Staatsarcluv  in  Basei.  Abi.  Klosterarchiv. 


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Aus  der  Zeit  der  Gründung  der  Kirche  stammt  auch  der  so^^ 
^MichaeUhcreim».  Dessen  Ursprunf^  ma^;  lolf^eiidei'  sein.  Als  die 
Kirche  erbaut  war,  galt  es  auch  deren  ikstehen  zu  sichern  und 
für  (leren  Unterhalt  zu  sor;jen.  Da  traten  die  frommen  Dorl- 
älteslen  zur  JBeraluu;;  und  Hülfe  zubaniaieu.  Die  llaupterfurder- 
nisse  für  die  Opfer  waren  cKerneo»  zu  «OfTelaten»,  Oel  zur  ewigen 
Lampe  und  Wachs  zu  Kerzen.  Die  Bürger  gaben  nun  ein  Gui, 
ein  Haus  oder  einen  Garten  in  den  Dienst  der  Kirche;  die 
Kirche  ihrerseits  belehnte  den  früheren  Eigentümer  wieder  da- 
mit und  erhob  dafür  die  Abgaben  in  Kernen,  Oel  oder  Wachs 
in  natura.  Erst  später  wurde  die  Abgabe  in  Geld  umgewandelt. 
Das  letzte  «Urbarium»  wurde  1(101  aufjgestellt,  weil  die  früheren 
in  den  Kriegsjahren  verloren  ire<„''nngen  waren.  Wie  sehr  die 
Leute  an  <len  Uehei  lieferungen  ihrer  Väter  testhallen,  beweist 
der  T'snsfund,  dass  Iü  iti  noch,  trotz  d(M'  erlösendeü  franzö^i?^rhen 
Revolution,  die  alten  f,isten  IjozhIiII  werden  ;  ja  heim  \'erkaule 
eines  belasteten  (iniml^tikkeö  muss  sich  der  Käufer  zur  Weiter- 
zahlung des  «Bereins»  verpflichten. 

Wie  man  die  Gemeinde  dem  Schutze  des  hl.  Michael  an^ 
vertraute,  so  stellte  man  auch  bald  die  Viehherden  unter  den 
Schutz  eines  besondern  Heiligen ,  cfes  M,  Blttsius^  dessen  Fest 
am  3.  Februar  feierlich  begangen  wurde.  Fast  sämtliches  Vieh 
der  Gemeinde,  sowie  viele  Pferde  der  nahen  Durfschaften  wurden 
an  diesem  Tage  an  den  Fuss  der  hoben  Kirchmauer  gefuhrt, 
von  wo  aus  der  Geistliche  die  Segnung  vornahm. i  So  wurde 
das  Kiichlein  von  Niedermagslalt  zur  Wallfahrtskirche  gegen 
Viehkrankheiten.  Von  allen  Seiten  strömten  inul  strömen  heute 
noch  die  W'allfabier  zum  Hlasienfeste,  und  rt-ichlicb  tlus>en  «lie 
Opfer.  Die  KirLheiirechnung  von  1607  berichtet  ualtr  andern 
Opfern ;  «tAu  SL.  Blasius  Tag  ist  zur  opler  gefallen  so  angenom- 
men 3  sesleren  Dinkhel  gewesen  und  daraus  erlosst  8  ^  4  t>. 
It.  auss  Schwei  nenhamen  (Schinken)  erlösst  5  ^  4  d 
It«  auss  2  Alten  hembden  erlAsst  2  ß 

It.  auss  einem  kleinen  Kündtshembt  2  ß 

It.  auss  Ankhen  (Butter)  erlösst  1  ß 

It.  auss  einem  weiberhemdt  erlossl  5  ß.»  » 

Neben  der  Kirche  stand  eine  alte  Ka[>elle  mit  einetn  Beinen- 
gewölbe,  dem  sojr.  «/Cärner».  In  demselben  wurden  die  Seelen- 
messen für  die  Abgestorbenen  abj^ehallen  ;  denn  in  den  Stif- 
tniiiien  lieissl  es  oft  ansdrrickli(  Ii  wein  äwig  Jarzeit  UlTem  Altar 
im  K(!rner)).-  In  diese  Seoleiinieisien  kamen  aiis^^er  den  Ver- 
wandten auch  die  armen  Leute  der  Gemeinde,  um  ebenfalls 

1  In  Tagsdoif  bei  Altkirch  besteht  die  Sitte  beute  noch. 
'  Pfanariihiv  Niedermagstatt. 


—  U2  - 


für  den  Verslorbenen  2u  beten  und  erhielten  eine  Belohnung  in 
Gpld.  <ri  fi  (Inn  Armen  leülhen  so  heywonen«  sind  keine  vor- 
handen  sols  der  Kirche  Ijleylien».* 

Um  (las  RiM  aus  dieser  Zeit  zu  vervollsirmdi^en,  will  ich 
auch  das  Einkoitimen  eines  jeireiligen  Pfarrherrn  liinziilVi;:en. 
Dasselbe  betrug  nach  einer  Schätzung  am  Ende  des  17.  Jahr- 
hunderts : 

«cDinkhel  24  Säcke. 

Vom  Widumberein  £vangeliengarl»en  64  stück. 

streu w  200  wällen. 

gelt       80  U  Stehler. 

wein    150^200  ohmen.  (sie). 

It.  den  schafzehnlen. 

It.  Gartenhamen  von  jeder  Haushaltung  einen. 

It.  die  strol. 

Vom  Hanfzehnten  200  8f  risten».s 

Diesps  Einkommen  ist  anf  beide  Mnprstalt  berechnet.  Der 
älteste  Bericiit  über  die  gemeinsame  Pfm're  stammt  ans  dem 
Jahre  1431.  Burkhard  Münch  von  Lantihkron,  Vo^.-^t  zu  Landser, 
schlichtet  einen  Streit,  der  einer  Glocke  wegen  zwischen  beiden 
Dörfern  aus|zebrochen  ist.»  Aus  dieser  Urkunde  erfahren  wir, 
dass  die  von  Obennagstaft  «in  allen  nolwendigkheiten  in  ge- 
baüern  und  Kirchenornaten  den  drilten  pfenning  und  in  fronun- 
gen die  Halbe  leisten  und  verrichten  müssen.» 

1627  begann  der  Bau  der  heutigen  Kirche,  die  am  8.  April 
1G30  feierlich  eingeweiht  wurde.  In  döm  schdn  gewölbten  Chor 
^^^tischen  Stiles  ist  heute  noch  ein  hObsches  Sakramentshaus 
in  Stein  mit  der  Jahreszahl  1628  zu  sehen. 

Inzwischen  hiitte  sich  auch  der  Schauplatz  der  kriegerischen 
Handlunjjen  indem  schon  1018  ausgebrochenen  dreissigjährigen 
Kriege  dem  Els.iss  ^'onTdiort.  Die  schwedischen  Heei*e  begannen 
1()33  ihre  S(  hr«'t  keiisili.iien  im  Ober-Elsass.  Der  .schutzlose 
Bauer,  ticr  seiue  Ei  nie  \enii(  htpt,  seine  F<'l(lor  zerstampft  sah, 
dem  die  fremden  Krieger  tlas  \  i»>h  weggetriel>ea  lialten  und 
der  selbst  alle  Entbehrungen  ertragen  und  Misshandlungen  über 
sich  ergehen  lassen  musste,  er  griff  zu  den  verrosteten  Acker- 
gerfiten,  wandelte  sie  in  MordwalTen  um  und  machte  dem  Feinde 
seines  heimischen  Heerdes  den  Krieg  auf  Leben  und  Tod.  Aber 
er  war  den  rohen  Kriegsgesellen  gegenüber  zu  unerfahren,  zu 
Schwad),  und  zu  Tausenden  mussten  sie  auf  schreckliebe  Art 
ilir  Leben  lassen.   FQr  unsere  Gegend  kommen  bloss  die  aus 

<  Pfarrarchiv  Niedermagstatt  K i rcbenrecbnimg  von  1629. 

*  R'sctiöfl.  Arctiiv  Prnntmt  Vis  bis. 
<.Temeiudearchiv  Niedermagstatt. 


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—  93  — 


der  Geschichte  zur  Genüge  bekannten  Massenmorde  von  Bloiz- 
heim  und  Landser  in  Betracht,  wo  über  3000  Bauern  das  Leben 
verloren, 

liegt  auf  der  Hainl,  ila^s  unser  in  der  Nalie  ^t-le^enes 
Niedor[Ma«jstatt  sich  auch  an  die^^en  blutigen  Auftrittea  beteiligte, 
in  den  alten  Kirchenbüchern  sind  noch  folgende  spärliche  £in> 
tragungen  erhalten: 

«1633.  10  jan  k  Suecds  Soopeto  petitua  perijt  joannis 
Simon  Goepfert  filius  joannis  qui  cum  alijs  fuit  in  Lanaeren. 
R.  I.  P. 

Die  8.  Februarlj  eongregatis  Ruslicis  occiasis  in  Bietzen 
ab  impio  Harpfen.  [Obijt  Jacobus  Muller  civia  SepuUus 

in  agro  prope  Attenschwilr. 

Die  8.  Februarij  modo  enumerato  Obijt  Georgias  Brunner 
civis.  U.  J.  P.  A.  nescilur  quo  devenerit  ille. 

Die  14.  in  festo  Valentini  rnai  lyris  miserriine  trucidatus 
»'<f  Joannes  Spies  cum  alijs  ÜOO  et  30  in  Lanseren.  Se- 
pullusi  in  campo. 

Die  10.  feb.  cum  alijs  inisenime  tracidatus  est  Mo- 
randt  Rapp  Filius  Christiani  R.  J.  P. 

Die  8.  Febr.  inaocentus  suspensua  est  Horandt  Brun* 
ner  ab  impio  et  crudeli  Tyranno  S.  H.  jacet  in  Hftsingen. 

Anno  salutis  1633. 

Hoc  anno  fuit  talis  et  tantus  p.  Sueccorum  timor  et 
terror  nemo  celebravit  nuptiae  in  nostro  pago.»' 

Ende  dieses  Jahrhunderts  wurde  dif»  Gemeijide  in  einen 
liostspieligen  Waldprozess  verwickelt.  Es  handelte  sich  um  ein 
aog.  Itienholz  bei  Kembs,  im  Gemeindebanne  von  Istein.  Nieder- 
magstatt  behauptete  nämlich  Rechte  an  die  Waldecke  zu  besit- 
zen^  hatte  aber  keine  diesbezüglichen  Urkunden.  Das  Domkapitel 
von  Basel,  das  Zehnt herr  in  Istein  war,  beanspruchte  seinerseits 
ebenfalls  das  Eigentumsrecht,  indem  es  sich  auf  alte  Bereine 
stützte.  Als  sich  dann  noch  das  Stift  von  Oltmarsheim  in  den 
Streit  mischte,  musste  Niedermagstatt  nachgeben  und  die  Kosten 
bezahlen. - 

Uel>er  ein  Dorfv'ctppe.n,  das  heut»!  nirf^euds  nielir  zu  tretTcn 
ist,  \:'\v\)\  uns  il:is  Anuorial  de  la  Göneralitr  trAlsiire  l'ol;?enden 
Aulscbluss  ;  La  {  oununnaute  des  habitants  du  village  de  Nieder- 
magstatt ;  Porte  d'argeut  a  une  croix  haussee  de  gueules,  posee 
Sur  trois  degrSs  de  möme  accostee  de  lettres  N  et  T  de  sable.» 
Ausserdem  besassen  noch  Wappen  im  Dorfe  der  Ackerer  Jakob 


'  Gemeindearchiv  Niedormagstait. 
•  Be^irksarchiv  Coltuar.  Domkapitel. 


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—  Ö4  — 


Belgue  (Bilger) :  «cPorte  d'argent  ä  un  hourdon  de  sable,  postV 
en  pal,  accosle  de  deux  coquilles  de  {j^ueulo«;,»  und  Georg  Fon- 
taine, prevöt  du  village  :  «-Püiie  d'azur  n  iine  Fontaine  ä  trois 
robinets  d'or  desquels  coule  son  eau  d'argent.j» 

Es  war  im  Jahre  4701,  als  der  m^.  spanische  Erbfolge- 
krieg  die  Flammen  der  Verheerung  von  Neuem  unter  die 
Aolker  Europas  brachte.  Unser  Elsass,  als  französische  Grenz- 
mark, erhielt  natOrlicb  auch  -wieder  setDen  Teil  an  den  drücken- 
den Kriegsfichatzungen.  Selbst  unser  DArfchen  litt  schwer  unter 
dem  Drucke  der  neuen  Auflagen.  Die  Dorfrechnung  von  1705 
spricht  von  Auegaben  wie :  > 

citem  den  wfichtern  in  den  redouten  am  Rhein  fAr  Pulver, 
Kuglen,  liechtern  und  Einer  Axt  3  flf  6  ß. 

Item  denen  Scbantzeren,  so  durch  das  gantze  Jahr  in  den 
linien  zu  Hagenauw  arbeiten  micssen  von  der  gantzen  Gemeind 
ein^'p/'><jon  und  einem  jeden  auf  den  weeg  geben  3  S  stebler 
thut  ;i88  ar. 

Item  zur  Bezaliliing  deren  Jeiiige«  pferdten  vndt  ochsen  so 
in  zweymuliligen  luehr  in  dem  Beyeriand  verloren  gaugen 
276  ff  10  {»  10  d. 

Item  zur  Besablung  der  schantncbreiber  zu  Newenbreysach 
vnd  dann  denen  Gonduktoren,  welche  die  wägen  nacher  Strass- 
burg  und  schletlstaft  geführt  27 

Item  zur  Bezahlung  de^enigen  Heues,  das  man  nach  Col- 
mar hat  liefern  müssen  208  AT. 

Item  dasjenige  Oeldt  zur  erhaltung  aller  schantzen  am 
Rhein  und  in  den  linien  bei  Üagcnauw  81      17  ß.» 

Im  Jahre  1706  lieferte  die  Gemeinde  20  Klafter  Holz  in 
die  Kedoiitcii  am  Rhein,  uuterliielt  dorlselbsl  7  «Serganlen» 
und  zalille  ausserdein  8-i  ff  für  Unterlialtung  der  Linien  an 
der  Lauter,  an  der  Moder  und  hei  Zaliern.  1710  wurde  ein 
Diagoneriejjiraent  nach  der  Herrschaii  l>aiidser  verlegt.  Nieder- 
inagslatt  wurde  zwar  von  der  Einquartierung  verschont,  ent- 
richtete aber  die  ungeheure  Summe  von  44S^  ff  5  ß  8  ^  für 
cfourage». 

Trotzdem  schon  1714  der  Friede  zu  stände  kam,  ver- 
schwinden diese  Ausgaben  erst  1720  aus  unaern  Gemeinde- 
rechnungen. Dann  erst  auch  konnte  die  Gemeinde  mit  der 
Rückzahlung  der  beim  Stifte  in  Ottmarsheim  geliehenen  Gelder 
beginnen. 

Im  Jahre  1726  erhielt  die  Filiale  Obermagstalt  nach  vielen 
Untersuchungen  einen  vom  Rektor  in  Niedermagstatt  abliangigen 


1  Q«meindeaxcbiv  Kisdermagstatt. 


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—  95  — 


«vicarius».  Infolgedessen  kam  es  zwischen  Rektor,  Gemeinde 
und  Domkapitel  zu  Streitigkeiten  der  Untei  baltungskosten  w^en, 
die  sich  durch  dns  iranze  Jahrhundert  hinzogen. 

Im  Jahre  M9:\  wunlo  ilei-  Leiiror  Sättelin  zum  Gciuoinde- 
prokurator  ernannt,  Ais  solcher  leitete  er  das  schwanke  Ge 
ineindeschifflein  durch  die  empörten  Hevolutionswogen  ;  denn 
der  i  ieiheitstaumel  er<;riH  auch  unsere  Hügelbewobner.  Das 
Kirchleiu  wurde  ausgeplündert  und  in  den  Tempel  der  Ver- 
nunft  umgewandelt,  woselbst  statt  religiteer  Hymnen  patriotisciie 
Lieder  ertönten.  Die  GKJcklein  wurden  nach  Colmar  Oberge- , 
fuhrt,  auf  dem  Gemeindeplatz  der  längst  wieder  verschwundene 
Freibeitsbaum  gepflanzt,  und  Pforrer  Didner,  der  den  con* 
stitutionellen  Eid  verweigerte,  liegab  sich  ins  Ausland* 

Aus  diesem  Jahrhundert  ist  nichts  Bemerkens  weil  es  zu  ver- 
zeichnen. Nur  hie  und  da  hört  man  noch  von  den  Dorfaltesten 
berichten,  wie  1815  die  Alliierten  mit  einem  j^rossen  Heere 
von  Sierenz  aus  die  Högel  bestiegen,  um  eine  vermeintliclie 
Ma^stadt  zu  Ijesetzen,  und  wie  sie  angesichts  des  kleinen 
Dörfchens  schimpfend  wieder  abzogen.  Interessant  ist  noch  zu 
vermerken,  dass  die  Gemeinde  bis  zunt  Jahre  19(H  keinen 
Rekruten  mehr  aufzuweisen  hat. 


III. 

•  Ein  tiefer  Sinn  licet  in  Jen 
altea  Bräuchen  i  mau  muss  sie 
ehren.»  Schiller. 

Die  allen  Sagen  und  Gehräuclie  i-ind  in  Niederma^statt 
vollständig  im  Verschwinden  hegriüen.  Noch  weni^r^  lahre, 
und  Niemauil  kann  sich  mehr  der  alten  Volkseii^t  iiUiniiichkeiten 
erinnern !  Sic  sind  dahin  für  immer.  Den  grösslen  Teil  des 
nachfolgenden  Stoffes  mnsste  ich  jetzt  schon  hei  den  ältesten 
Personen  des  Ortes  sammeln. 

Die  Stelle,  wo  heule  das  Gemeindehaus  sich  erhebt,  war 
früher  der  Dorf-  oder  Gemeindeplatz,  Inmitten  des  Platzes  lag 
ein  grosser  Stein,  wa in  scheinlich  der  alte  «Trattstein»,  von 
welchem  aus  die  Verkündigungen  an  das  Volk  geschahen.  In 
lauen  Frühlings-  und  kühlen  Sommernächten  war  die  Stelle 
der  Verdamm  hl  nprs  platz  der  Burschen  des  Dorfes,  wo  gemüt- 
lich die  Pfeifen  geraucht  und  die  Tagesnf*ni;jkeiten  ausfjetauscht 
wurden.  Unliebsam  soll  aber  die  GeNeilscliaft  oft  durch  ein 
Untier  gestört  worden  sein,  das  urplötzlich  dem  Erdreich  unter 
dem  Steine  entstieg  unti  «las,  bald  einem  Schafe,  bald  einem 
Kalbe  ähnlich,  auf  sie  losstQrzte.  Man  nannte  es  da»  PkttUier. 
Etliche  beherzte  Burschen  rfickten  ihm  indess  einmal  zu  I«eibe. 


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—  96 


Schon  freuten  sie  sich  des  kühnen  Fanges ;  da  sprang  das  Un- 
getüm haushoch  über  sie  hinvveg^  und  verschwand  mit  einem 
grässlirhen  Schrei.    Man  iiat  es  seillier  selten  m^hr  gesehen.  — 

Im  Ivirchlcin  zu  St.  Michael  hing  auch  das  Glöcklein  711 
Sl.  Michael,  das  eine  wiiiiderh.u  o  Macht  gegen  da«;  Wetter  be- 
sass.  Einsl  durchzog  ein  furchtbares  Gewitter  die  Hügel  des 
Sundgaues,  und  schwerer  Hagelschlag  bedrohte  die  fruchtreifen 
Felder  von  Niedermagstatt.  Aber  der  wachsame  Kircbwart  eilte 
zum  Turme.  Das  Gldcklein  zu  St.  Michael  ertönte,  und  sofort 
.  wendete  sich  das  drohende  Wetter  seitwärts.  In  der  Höhe  aber 
vernahm  man  ein  Stimmengewirr,  aus  dem  man  nur  die  Worte 
entnehmen  konnte:  «Lasst uub  Hiehon,  die  Mirhaelikufa  brOllt!» 
In  den  Revolutionstagen  ging  das  Glöcklein  verloren. 

Jener  unheimhche  Geselle  der  (inslern  Nathle,  der  in  den 
elsassischen  Dorfern  gewöhnlich  unter  dein  Nrnnen  Nachtjäger 
Ii'  k  innt  ist,  treibt  auch  in  unserm  Dörfchen  seinen  Spuk.  In 
dunkehl  Nächlt  n  zieht  er  mit  seinem  heulenden  Gefolge  unter 
dem  lauten  Üufe  tdlussa  huttatais  durch  die  Lüfte.  Wehe  dem- 
jenigen, der  den  Rut  des  Wilden  nachahmt.  Einmal  zur  Dreschens- 
zeit  that  es  ein  böswilliger  Drescher  in  der  frühesten  Morgen- 
stunde. Alsobald  föllfe  sich  die  Scheune  mit  Hündchen  und 
Schweinchen,  die  schrecklich  zu  toben  anflogen  und  erst  bei 
dem  Klange  der  Moi^oglocke  plötzlich  verschwanden.  —  Eine 
andere  Person,  die  den  äffenden  Ruf  auf  dem  Felde  ausge- 
Stessen  hatte,  fand  kaum  noch  Zeit,  sich  zu  bekreuzen  und  in 
eine  Furche  zu  ducken,  und  die  wilde  Jagd  brauste  mit  schreck- 
lichem Toben  über  sie  hinweg,  ohne  ihr  ein  Leid  zuzufüg^cn. 

Auf  dem  Ufllieimerwege  sah  man  in  älteren  Zeiten  oft  einen 
gespenstischen  Fuhrmann  mit  vier  kohlschwarzen  Pferden. 
Er  knallte  heftig  mit  der  Peitsche  in  die  stille  N'ncht  hinaus, 
als  wäre  er  mit  seinem  Fuhrwerke  stecken  gebhehen.  Pölten 
die  Leute  hinaus,  um  zu  helfen,  so  fanden  sie  ihn  mit  dem- 
selben TiUrm  auf  der  Anhöhe  vor  dem  Dorfe,  von  wo  er  dann 
plötzlich  verschwand.  Da  der  Spuk  sich  oft  in  fOrchterlicher 
Weise  v<riederholte,  so  wurde  an  dem  letzten  Hause  des  Dorfes 
ein  Bild  der  14  Nothelfer  angebracht,  des  heute  noch  an  der 
mit  Heben  übersponnenen  Giebel  wand  zu  sehen  ist.  Seither 
soll  auch  nichts  mehr  dergleichen  gesehen  worden  sein. 

Als  «verrufene»  Orte  im  Banne  gelten  :  Die  Furchmalte, 
woselbst  ein  fexrrigcr  Mann  mit  feurigem  Rade  nmhorwandelt ; 
der  Ltnsenherg,  in  welchem  ein  hrnideartiges  Cngeltener  den 
nächtlichen  Wanderer  oft  irre  t'uhi't  ;  das  lieckholder,  das  von 
einem  huhnai'liyen  Tier  bewohnt  wird,  welche^  «chon  manchen 
arg  betrogen  bat  und  die  Hellbagbrücke,  woselbst  ein  gäuzUch 
missgestaltetes  Untier  liausl.  — 


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—   97  — 


Um  die  Hexeo  des  Ortee  zu  erkennen^  muss  man  am 
Weihnaehtsaibend  einen  unverhofft  gefundenen  Eggezahn  durch- 
bohren und  in  der  Mittcrnacht$nies8e  durch  das  Bohrloch 
schauen :  sämtliche  Hexen  haben  statt  Hauben  Milchgeschirre 

auf  dem  Kopfe. 

Arn  Weihnachtsabend  wurde  früher  von  den  Messdienern 
j^esammelt.  Derselbe  wurde  inGlasku^'^ehi,  hinter  denen  bren- 
nctiili   Lichllein  standen,  auf  den  Altar  {gestellt  und   nach  dem 
Dieikoni<,'äfeste  von  den  Einsammlern  und  den  Kirchensängern 
gelruni<eii. 

An  demselben  Abend  muss  der  Dieb  etwas  stehlen,  und 
wenn  es  auch  nur  ein  Strohhalm  ist. 

Beim  HeUiwolftuten  werden  die  Ohstb&ume  gebunden,  da* 
mit  sie  recht  viele  Früchte  bringen  möchlen. 

In  früheren  Zeiten  ging  auch  der  Lehrer  des  Ortes  in  der 
hl.  Nacht  mit  einem  Weihwedel  und  Weihwasser  von  Haus  zu 
Haus,  um  Stuben,  Kammern  und  StftUe  zu  besprengen.  Der 
Segensspruch  lautete: 

Heili  wog ! 
Qottes  Oob! 
Qliiok  ins  Hflas, 
Ungiack  d'r&si*. 

Ueber  den  Blasiustag  (3.  Fuhr.)  habe  icli  schon  iin  ge- 
schichtlichen Teile  berichtet.  Heute  bestehen  nur  noch  die  Hais- 
und Brotsegnungen.  Letzteres  geschieht  auch  an  St,  Agatha 
(5.  Febr.). 

Am  Fa$lnacht8dien8t<ig  wurde  ein  in  Stroh  eingehüllter 
Bursche  unter  allerlei  Sprüngen  und  Possen  an  einem  Seile  im 
Dorfe  herumgeführt. 

Das  am  Fastnachtsdienstag  gesponnene  Garn  fres^^en  die 
Mäuse ;  deshalb  bleibt  an  diesem  Abend  das  Spinnrad  unbe- 
rührt. 

Tm  Honuing  sieht  man  lieber  einen  Wolf,  als  einen  Mann 
in  Heindäniieln. 

Wie  das  Wetter  am  AsciiermUtwocIi  ist,  so  soll  es  wahrend 
der  ganzen  Fastenzeit  sein. 

Am  ersten  Fasiensonnlag  wird  abends  auf  einem  nahen 
Hfigel  das  Fastnachtsfeuer  angezündet,  wobei  sich  jung  und  alt 
einCndet.  Die  Hauptbelustigung  der  DorQugend  besteht  im 
cScheibenSf^hlagen».  Um  das  Feuer  wird  ein  Reigentani  ange- 
führt. Je  höher  die  jungen  Paare  dabei  hüpfen  und  springen, 
um  so  besser  wird  der  Hanf  geraten.  Längs  des  Rheines  und 
im  Schwarzwald  drüben  sieht  man  auch  überall  Feuer  aufflammen, 
und  es  geht  die  Sage,  so  viel  Feuer  man  zfihle,  so  viel  Jahre 
habe  man  noch  zu  leben. 

7 


f 

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—  98  — 


Bläst  dfir  Südwind  in  das  Fastnachtsfeuer,  so  giebt  es  ein 
gutes  Jahr,  Weht  aber  der  Nordwind,  so  «jagt  er  's  Heu  in  die 
Schweiz». 

Am  St.  Fndolinstag  (ö.  Nfürz)  werden  die  jungen  Zugtiere 
zum  «Gewöhnen»  zum  erstenniale  angespannl. 

Am  Pafi'iisonnfrrrj  \v»Mv]on  in  der  Kirche  die  Palmen  ge- 
weiht und  nuclilitr  in  den  Gemüsegarten  gesJefkt.  Beim  «Jud- 
verbreimen»  am  Ostersamstag  werden  dann  wieder  so  viele 
Stückchen  Holz  zum  Feuer  gebracht,  als  man  Palmen  weihen 
liess.  Sind  die  Holzstückchen  angebrannt,  so  werden  sie  aus 
dem  Feuer  gezogen  und  im  Gemüsegarten  genau  in  dasselbe 
Loch  gesteckt,  in  dem  die  Palme  gestanden  hat.  Dies  alles  be- 
sorgt die  Schuljugend,  die  dann  auch  am  Ostertage  die  Oster- 
wecken und  Ostereier  datur  fordert.  Damit  aber  der  Osterhase 
brav  Eier  legen  möge,  binden  die  Knaben  Haselruten  in  die 
Palmen. 

Wenn  es  am  Charfreitag  regnet,  so  l)leibt  der  Ro^'en  das 
ganze  Jahr  ohne  Wirkung  auf  das  Gedeihen  iltM-  Prianzen. 

An  diu.Nom  Tage  darf  auch  die  Erde  nii  ht  fienihii  werden, 
d.  h.  es  dürfen  keine  Erdarbeiten  vorgenommen  werden. 

Hühner,  die  aus  Charfreilagseiern  ausgebrütet  sind,  wech- 
seln jährlich  die  Farbe. 

Gharfreitagseier,  am  Ostermorgen  genossen,  schützen  vor 
Fieber. 

Wenn  am  Gregoriiag  (22*  MSrz)  der  Nordwind  weht,  giebt 
es  wenig  Heu. 

«Am  ersten  April  kann  man  den  Narren  schicken,  wohin 
man  will.» 

Am  St.  Georgsiag  (23.  April)  soll  sich  ein  Rabe  im  Korn 

verberp^en  können, 

Wenn  im  3/aimonaf  der  Nenmond  in  das  Zeichen  des  Stieres 
tällt  (« Stierneu w),  so  priol't  es  imch  Eis  und  Frost. 

Am  Pfi)i(isttnont(ig  n),ieii  die  Schuljungen  von  Haus  zu 
Haus,  um  Eier  einzusammeln.  L>abei  sangen  sie : 

Pfingsteier  roh 

D'Chleini  Büaba  sin  no  uit  alli  do. 
D'r  Vogel  ewer's  Hüs 
D^Jongfiraua  namma  d'Eier  üb 
Wenn  dr  ais  ehai  Ei  wait  ga. 
H&ess  eich  dr  Iltis  d'Hiahaer  nal 
Wenn  dr  eis  chei  Anka '  wait  ga, 
Müass  eich  d'Cbüah  chei  Milch  meh  ga  1 


1  Bntter  gesotten  und  uugeäotten. 


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99  — 


Wenn  dr  eis  chei  Mühl  wait  ga, 

Mäass  eich  dr  MüUei  d'r  Malzer  ^  doppelt  ua! 

Jetz  esch's  üss; 

Gant  it  Eier»  as  mr  chra»  ca's  Nochb«»  HfisI 
Wenn  es  am  Medardustag  (8.  Juni)  regnet,  so  regnet  es 
noch  40  Tage. 

Regnet  es  am  Dreifaltigkeitsonntagy  an  dem  übrigens  auch 
Salz  geweiht  wird,  so  darf  man  bei  der  Ernte  je  das  dritte 
Oarbenband  zu  Hause  lassen. 

In  der  Fronleichnamswoche  wcrdon  Kränzchen  ans  «cJesu 
Ruh»  (ManerplentM)  in  der  Kirche  ;,'e\veiht.  Dieselben  werden 
im  Haust'  aiil\,^ehäii;,'t,  bis  sie  (iiirr  sind  und  dann  verbrannt. 

Auf  deia  letzleu  Weizeiiacker  wird  nach  den  übüdien  7 
Vaterunser  von  einem  Kinde  das  aus  7  schönen  Aehren  beste- 
hende <LGlückhäinpfelei>  abg^eschnitten.  Der  junge  Schnitter 
findet  dann  gewöhnlieh  ein  Geldgeschenk  daranter  vergraben. 
Die  Aehren  werden  hinter  dem  Kruzifixe  in  der  Wohnstube 
bis  zur  Sftenszeit  aufbewahrt.  Alsdann  werden  sie  ausgeklopft 
und  die  Kdrner  dem  Samen  beigemischt,  damit  er  gedeihe. 

An  St.  Ulrich  (4.  Juli)  *;i  ntuliert  man  scherzhafterweise  den 
Mannsleuten,  wie  an  St.  Dorothea  (6.  Februar)  den  Weibsleuten. 

An  67-  Nikolaus  (6.  Dez.)  verkleidet  sich  ein  Erwachsener 
und  geht,  Geschenke  austeilend  oder  strafend,  durch  die  Kin- 
^lerätuben. 

An  Adelheidstag  (12.  Dez.)  soll  in  den  Spinastuben  IVuhe 
Feierabend  gemacht  werden,  sonst  findet  man  am  andern 
Morgen  das  gesponnene  Garn  in  den  Bäumen  verwickelt. 

Hängt  in  der  AdwnUzeü  viel  Duft  an  den  Bäumen,  so  ist 
eine  reichliche  Obsternte  xu  erwarten. 

Sämtliche  Aposteltage  galten  frfiher  als  Unglfickstage,  an 
welchen  man  nicht  ari»eiten  durfte. 

Wer  in  der  Fronfastenwoche  geboren  ist,  erkennt  die  Ge- 
spenster und  sieht  die  sonst  unsichtlmren  Geister. 

Wöchnerinnen  dürfen,  so  lange  sie  nicht  ausgesegnet  sind, 
das  Haus  nicht  verlassen. 

1  lauen,  die  in  den  Wochen  sterben,  erhalten  die  Schuhe 
mit  ins  Grab. 

Stirbt  jrinand  in  dem  Hause  eines  Bienenzüchters,  so  muss 
der  Tod  den  Bienenstöcken  durch  Klopfen  und  Nennen  des 
Namens  des  Verstorbenen  mitgeteilt  werden,  da  sie  sonst  ab- 
sterben würden;  desgleichen  auch  dem  Wein  im  Fasse  und 
dem  Vieh  im  Stalle. 


1  Mahlzins,  den  der  Mflller  von  dw  zum  Mahlen  übetgsbsnen 
f  rocht  wegnimmt. 


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V. 


Die  Adels  Verhältnisse  zu  Ingweiler 

im  16. — 18,  Jaiirhundert. 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  elsässischen  Adels. 

Von 

Dr.  KasMl  in  Hochfelden. 

Quellen:  Bezirksarchiv  zu  Strassbarg.  Stadtarchive  von  Sirass- 
burg, Ingweiler,  Niederbronn,  ev.  Ffarrarchiy  za  lugvveiier,  Gemeinde« 
aiehiTeTOiiDiinMiiheiiD,  Mdhlbaiisen,  Oberbrona,  ObenulsbMb,  Witton- 
htSm,  Familienpapiere  des  Herrn    Gallenitein  in  Niederbronn  nnd  der 

Madftme  Ad^s  geb  Cayrel  zu  Zabern.  NB.  Die  Ingweiler  Archivalien 
sind  nnvol!?'* findig.  Sie  umfassen  folgende  Zeiträume:  ev  Taufbüch 
23.  Jnli  157u— 1792  mit  Lücke  vom  2u.  April  1612—8.  Oktober  ltil4, 
ev.  Copulationsbacb  12.  Mai  1573—25.  April  1575,  29.  September  loS5 
— 1.  Angnst  1618,  2d.  NoYember  1659—1798,  ev.  Begrfttnisbaelk 
83.  Angntt  1570—1792  mit  L&cke  vom  23.  November  1612—96.  Sep- 
tember 1614;  kath.  Tauf-,  Heiraths-  nnd  Begräbnisbnch  1695—1724, 
kath.  Taofbnch  27.  Mei  1746-3.  Joli  177Ö.  Seit  1792  iet  alles  voll- 
ständig. 

Litteratur:  v.  d.  Becke-Klüchtzner,  Stammtafeln  des  Adels 
des  Orossherzogthnms  Baden,  1886;  Hellbach,  Adelslezikon,  1885; 
Hnmbradit»  Stammtafeln,  1707;  Kassel,  Ans  dem  alten  Hananerland» 

im  Ev.-prot.  Eirchenboten  1896,  Nrn.  23,  24,  25  u.  2G:  Kindler  V. 
Knobloch,  Das  goldene  Buch  v.  Strassburg,  1885-1886;  derselbe, 
OberbadischesOeschlechtsbuchjiiüch  im  Erscheinen  begriffen;  Kneschke, 
Deutsches  Adelslexikon,  1861;  Lehr,  TAlsace  noble,  1Ö7U;  Letz  (Karl), 
Qesehichte  der  Stadt  Ingweiler,  1896;  Siebmacher,  Grosses  Wappen- 
bneh,  1871. 

AbkttTsnngen:  geboren,  f  —  gestorben,  begr.  =  be- 
graben. Q.  =r  Gemahl.  Gemahlin,  get  =  getauft,  Jr.  =  ,Tunk<^r, 
N.  =  unbekannter  Vor-  oder  Familiennamen,  S.  =  Sohn,  T.  =  Tochter. 
Tz.  =  Taufzenge,  Taufzeugin. 


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—    101  — 

Es  ist  bekannt,  dass  Graf  Jakob  v.  Lichtenberg  im  Jahre 
1472  zu  Ingweiler  ein  Schloss  baute,  worin  er  1480  als  Letzter 
des  Mannsstamnies  sein  bewegtes  Leben  beschloss.  Neben 
anderen  Gebietsteilen  der  Grafschaft  fiel  auch  das  Amt  Ing- 
weiler an  die  Grafen  \on  ZweybrQcken-Bitsch,  kam  jedoch  be- 
reits 1570  an  die  Grafen  von  Hanau,  welche  nunmehr  die 
ganzen  lichlenbergischen  Lande  unter  sich  vereinigten.  Während 
nun  die  Grafen  von  Hanau  die  Reforniatian  in  ihrem  Teile 
schon  seil  "15 15  zulie«?en  und  bet^ünsti^-ten,  blieb  der  bitschisrhe 
Teil  der  ehemals  lichlenbergischen  Lande  katholisch.  Hier  tührle 
erst  Graf  Philipp  IV.  die  Reformatiüii  ein,  und  so  nahmen  auch 
Stadl  und  Amt  Inj^weiler  im  Jahre  1570  den  evan;;elischen 
Glauben  an.  Es  ist  notwendig,  diese  bekannten  Verhältnisse 
hier  vorauszuschicken,  um  zu  verstehen,  weshalb  mit  dem  Ein- 
zug der  Grafen  von  Hanau^Lichtenberg  in  das  Ingweiler  Schloss 
Ingweiler  der  Mittelpunkt  eines  regen  gesellschaftlichen  Lebens 
wurde,  welches  den  gesamten  evangelischen  Adel  der  Grafschaft 
umfasste  und  über  anderthalb  Jahrhundeiie  fortdauerte. 

Die  ersten  Anfön^^e  näherer  Beziehungen  zwischen  den 
Grafen  von  Hanau  und  dem  elsässischen  Adel  fallen,  soweit  sie 
die  Stadt  Ingweiler  hetrelTen,  schon  in  das  achte  Zehnt  des  16.  Jahr- 
hunderts, Zunächst  war  es  der  hanauische  Hofstaat  zu  Buchs- 
weiler, welcher  einf-  ganze  Anzahl  Beamten,  Frauen  und  Fräulein 
aus  adeligen  Gesthit^chlei-n  vereinigte.  Daun  waren  die  oberen 
und  obersten  Verwallungsumler  der  Grafschaft  ausschliesslich 
mit  adeligen  Vertretern  besetzt.  Sodann  hatte  auch  das  Ingweiler 
Schloss  eine  Reihe  adeliger  Beamter.  Sehr  innig  waren  ferner 
die  freundschaftlichen  Beziehungen  zu  und  zwischen  den  Adels- 
geschlechtern, welche  kürzere  oder  längere  Zeit  ihren  Sitz  in 
den  benachbarten  Ortschaften  hatten,  in  Buchsweiler,  Obersulz- 
bach, Weinburg,  Assweiler,  Middhauscn,  Oberbronn  und  BüS- 
Weiler,  sowie  auf  den  Schlössern  Rauschenburg  und  Lichtenberg. 

Auch  als  von  1625  ab  das  Ingweiler  Schloss  nicht  mehr 
bewohnt  war,  blieb  der  intime  Vorkehr  der  jrraflichen  Familie 
mit  dem  Adel  der  Graf.^chalt  bestehen.  Dieser  Verkelir  äusserte 
sich  hauptsächlich  hei  den  Kind  taufen,  welche  das  Stelldichein 
der  hervorragend.slea  Edelleute  von  Nah  und  Fern  waren.  Und 
da  die  evangelischen  Geistlichen  jener  Zeil  alle  Taulzeugen  mit 
peinlicher  Soi^falt  zu  verzeichnen  pflegten,  bieten  die  Ingweiler 
Pfarrakten  ein  itusserst  wertvolles  Material,  welches  nicht  nur 
den  lokalen  Adel  betrifft,  sondern  auch  schätzenswerte  Auf- 
schlösse Ober  den  deutschen  Adel  Oberhaupt  bietet. 

Aber  die  trockenen  Tauf-,  Hochzeits-  und  Begräbnisbächer 
geben  uns  noch  Kunde  von  manchen  anderen  Verhftitnissen, 
Es  war  mir  eine  lebhafte  Freude,  aktenmflssig  konstatieren  zu 


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—   102  — 


können,  dass  das  sprichwÖrUicbe  patriarelialiscbe  Verhftltnis 
der  Grafen  von  Hanau-Uditenberg  su  ihren  Unterthanen,  dessen 

Andenken  noch  heute  im  elsftssischen  Hanauerland  als  teures 
Vermächtnis  fortlebt,  schon  vor  zwei  und  drei  Jahrhunderten 
ein  äusserst  herzliches  gewesen  ist  und  auch  zu  Ingweiler  oft 
in  wahrhaft  rührender  Webe  in  die  Erscheinun';:  trat.  Und  da 
die  Grafen  als  die  ersten  in  der  Herrscliatt  tonrni  jeluMid  wirkten, 
ist  es  verständlioh,  dass  alle  adeligen  Eih^iesc^bt  iien  zu  Ing- 
weiler ihrem  Beispiele  fol<rten  und  die  Schranken  mehr  oder 
weniger  übersciu  itten,  weiche  noch  in  jener  Zeit  vielfach  zwischen 
dem  exclusiven  Adel  und  dem  gemeinen  Volke  bestanden.  So 
findet  sich  sehr  hänOg  ein  gegenseitiges  Patenverhältnis  zwisclien 
Addigen  und  Böi^riichen,  so  zwar,  dass  jene  5fler  von  diesen 
als  Taufaeugen  gebeten  wuitlen,  denn  umgelcehrt. 

Vor  allem  waren  es  die  jeweiligen  evangelischen  Pfarrer 
von  Ingweiler  und  den  umliegenden  Dorfern,  sowie  die  Diakonen 
(HülfspCarrer)  von  Ingweiler^  welche  ungemein  oft  in  diesem 
Verhältnisse  standen,  und  namentlich  ist  hierunter  Pfarrer  Itzstein, 
der  erste  und  langjährige  evangelische  Geistliche  von  In^rwciler 
zu  erwähnen,  welcher  drei  Mal  verheiratet  war  und  1")  oder 
lü  mal  ValertVeuden  erlebt  hat.  Von  anderen  lierrsch  irtlichen 
Beamten  iiallen  ferner  diese  Khre  der  Herr  SeertMuriu:>  zu 
Buchsweiler,  die  iScliulliieissen  von  Ingweiler  und  Umgegend, 
der  AmtsschalFner,  der  Stadtscbreiber,  der  Burgermeister,  der 
Kirchenschaffner  und  Sfräter  die  zahlreichen  Tabakgarden  (gardes 
de  tahac),  welche  zu  Ingweiler  und  Menchhofen  postiert  waren. 
Dann  waren  eine  ganze  Reihe  ehrbarer  Handwerfcerfamilien 
beteiligt,  deren  AuMhlung  zugleich  einen  kleinen  Ausblick  in 
die  Blötezeit  mancher  Berufsarten  gewährt :  Mutler,  Wagner, 
Schuhmacher,  Schreiner,  Schneider,  Wirt,  Steinmetz,  Zimmer- 
mann, Hafner,  Metzger,  Bäcker,  Küfer,  Gerber,  Glaser,  Barbier, 
Rotgerber.  Krirsctmer,  Leinenwehcr,  Wollspinner,  Wollenweher, 
Bruchsriineider,  ja  sogar  njehrni als  der  Kuhhirt.  Von  speziellen 
Angestellten  im  Haushalt  der  adeligen  Herren  sind  endlich  zu 
nennen  der  Meyer,  der  Hofmann,  Fuhrknecfite  und  Tajilöhner. 

Icli  kann  mir  nicht  versagen,  hier  einige  bezeii  hnende  Fälle 
hervorzuheben.  Der  Oberamtmann,  Graf  Philipp  Ludwig  von 
Hanau,  war  1600  Pate  bei  einem  TQncher  neben  seinem  eigenen 
Diener.  Im  folgenden  Jahre  waren  die  Herren  v.  Waldtmans- 
hausen  und  Nüttel  v.  Treppach  Taufzeugen  in  der  Familie  des 
jungen  herrschaftlichen  Kochs,  allerdings  einer  nicht  zu  ver- 
achtenden Persönlichkeit.  Im  Jahre  1603  versahen  die  nämlichen 
Herren  neben  dem  Herrn  v.  Bolsenheim  Pateostelle  beim  Beit- 
kne(  ht  des  erstgenannten.  Besonders  häufig  aber  war  der  Herren- 
diener Biscbel  gen.  Schleicher  Taufzeuge  in  adeligen  Familien 


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—  i(J3  — 


und  umi^ekehrt.  So  stand  am  15.  Aiuil  KMK)  die  regierende 
Gräfin  Maria  Elisabelli  neben  der  «(leiclilalls  adelijjen  Frau  des 
OberaiTitmanns  von  Buchsweiler  als  Taufzengin  hei  oinem  seiner 
Kinder.  Hfhiit^eiis  hraihle  es  ein  Nachkonini«'  dieses  liischel 
später  bis  zum  lUltmeister  (II.  Mai  1(i57).  Schon  hofremdender 
ist  es,  dass  die  regierende  Graliii  Johanna  nebst  lauter  adeligen 
Zeugen  Pale  stand  bei  eiaeni  Kinde  des  Pächters  des  Hofs 
Seelhofen,  ivelcber  damals  c  wegen  vilfeltigen  Ehebruchs  des 
lands  verwisen  war»  (25.  September  1631).  Und  endlich  sei 
noch  ein  Fall  namentlich  aurgeführt,  bei  dem  sicherlich  die 
Kameradschaft  und  Waffoihrfiderschafl  über  das  wenig  erbau- 
liche Ejneignis  hinweghelfen  musslen.  .\in  30.  November  1764 
waren  Franz  Joseph  und  Friderike  Sophie  Christiana,  Kinder 
des  Kapitäns  Franz  Ludwig  v.  Schmidtburg,  Tauizeugen  bei 
einem  unehelirhon  Kinde  des  Lieutenants  Jakob  Philipp  Routschy 
vom  Fieikorjis  ((Lotion  ilr  Cnnflanst  in  Knsisheim,  welches 
nach  damaliger  Vorschrift  mit  dem  Famiiiennauieu  des  Vaters 
belebt  wurde. 

Was  in  den  Ingweiler  Kii  chenbuchern  auftaiit,  i<(,  dass 
die  Taufakten  des  Adels  selbst,  ihr  Vorkommen  überhaupt,  ihre 
Häufigkeit  und  die  Zahl  der  Paten  mit  den  bewegten  Ei'eig- 
nissen  eigentlich  nicht  stimmen,  welche  das  Elsass  und  speziell 
die  Ingweiler  Gegend  im  17.  und  18.  Jahrhundert  heimgesucht 
haben.  WAren  nicht  in  anderen  Akten  Bemerkungen  über 
kriegerische  Begebenheiten,  Pest  und  schwere  Not  eingeflocblenf 
man  gewänne  wahrlich  ein  ganz  falsches  Bild  jener  denkwär- 
iligen  Zeit.  So  fanden  mitten  im  dreissigjährij^en  Krieg  mehrere 
Taufen  statt,  <lie  zugleich  einen  l?eleg  geben  für  das  vorzüfrliche 
Verhältnis  des  einlieimi^rhen  Vdels  zu  den  Oftizieren  liei-  Ing- 
weiler Garnison,  weit  lie  vvahrsriieinlich  auch  nicht  anders  war, 
als  amlere  Truppenteile  im  i^iossoii  Kriege.  Ubersllieutenanl 
tiiva,  iler  tapfere  Kommandeur  des  weimaranischen  Regiments 
Wurmbrandt,  war  im  Leidensjahr  1637  Pate  beim  kleinen 
Hans  Dietrich  v.  Waldtmanshausen  nebst  anderen  Vertretern 
des  elsasser  Adels.  Im  Jahre  1644  wurde  das  Tdchterchen 
des  hanauischen  Rittmeisters  Philipp  Friedrich  v.  Einschringen 
unter  anderen  von  Georg  Jakob  v.  Steincallenfels,  Major  im 
weimaranischen  Regiment  Oehm,  und  Qnartiermeisler  Nörschütz 
vom  weimaranischen  (?)  Regiment  Scharfensee  über  die  Taufe 
gehoben.  Und  im  folgenden  Jahre  waren  eine  .-Vnzahl  einhei- 
mischer Adeli^jer  nelten  drei  Üflizieren  Taufzeugen  bei  der 
Tochter  des  LieuleiiaiiN  Neppel  vom  fruizö^isrlien  Kavallerie- 
Regiment  Mazariü.  Sowohl  die  Auswahl  als  ilie  Zahl  der  Palen 
lassen  keinen  richtigen  Schluss  auf  Not  und  Elend  jener  Zeit  zu. 

Fbenso  gehen  die  Taideu  der  Adeligen  in  den  vierziger 


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—  104 


und  fünfziger  Jahren  g^nnz  ruhig  ihren  Gang,  wie  wenn  nichts 
besoniif^pp'^  v(irL:ek<>nunen  wäre,  ja  die  Tauten  in  den  snrhziger 
Jahren  iielinieii  emea  ümt'ang  an,  der  j^eradezu  als  Luxus  bezeich- 
net vv»M(len  mus^is.  Drei  ISchmidlburgiscIie  Taufen  der  Jahre  1604, 
1ü(R)  und  1667  weisen  14,  14  uud  12  Taufzeui,^ea  auf,  fast 
durchweg  von  Adel.  Und  zwei  andere  Taufen,  ebenfalls  in  be- 
wegter Zeil,  fielen  noch  grossartiger  aus,  die  eine  bei  Henrn 
V.  LötMn  zu  Obersulzbach  mit  14  und  die  andere  bei  Herrn  v. 
Schmidibuxg  lu  Ingweiler  gar  mit  16  Palen. 

Ehe  ich  nun  auf  den  speziellen  Teil  übersehe,  er&brigt  es 
mir  nochi  einige  erläuternde  Bemerkungen  vorauszuschicken. 
In  den  evangelischen  Tauf-  und  Begrähnisakten  ist  dflcrs  das 
Datum  der  Geburt  und  das  des  Todes  nicht  angegeben,  es 
musste  daher  mit  den  Daten  der  Taufe  und  der  Heerdigung 
vorlieb  genommen  werden.  BeztV^dich  der  letztgenannten  Ver- 
i  iclitung  kann  man  wohl  annelunen,  dass  sie  spätestens  U  Tage 
nach  dem  Ableben  stattfand,  üeber  den  ZwiM  henraum  zwischen 
Geburt  und  Taufe  lasst  sich  wenigstens  annähernd  eiue  Ver- 
mutung aussprechen  auf  Grund  eiuer  Notiz  des  Pfarrers  vom 
i.  November  16(H,  welcher  es  als  besonders  schweres  Vergehen 
ansieht,  dass  ein  Vater  sein  Kind  12  Tage  lang  ungetauft  liegen 
Hess.  Es  ist  daraus  zu  folgern,  dass  die  Taufe  sich  sehr  nahe 
an  die  Geburt  anschloss  und  jedenfalls  einen  Zwischenraum  von 
8  bis  10  Tagen  nicht  uberstieg.  Sie  fand  nicht  immer  an 
Wochentagen  noch  ausschliesslich  an  Sonntagen  statt.  Auch  ist 
eine  Bevorzugung  einzelner  Wochentage  und  eine  Vermeidung 
anderer  Tage  als  Dies  nefasti,  wie  hente  noch  nhlich,  in  jener 
Zeit  nicht  nachzuweisen.  Doch  das  hlos  nebenbei  ! 

Ferner  ist  bei  verschiedenen  Personen  ihre  Kigenschaft  als 
Taufzeuge  an  einem  gewissen  Tage  der  einzige  Ariliallspunkt, 
der  sich  über  ihr  Alter  ermitteln  liess.  Nach  oben  liisst  sich 
natüi4ich  keine  Grenze  angeben,  aber  auch  ein  bestimmte« 
MinimaUilter  kann  nicht  bezeichnet  werden.  Zwnr  kam  es 
zweifelsohne  bei  Weitem  am  häufigsten  vor,  dass  der  Taufpate 
b««its  konGrmirt  war.  Aber  aus  mehreren  Fällen  geht  es  ebenso 
unzweideutig  hervor,  dass  dies  kein  notwendiges  Erfordernis 
bildete.  So  war  die  Gräfin  Johanna  Magdalena  v.  Hanau  (*  18. 
Dezember  lOtiD)  Patin  am  23.  Januar  1669  im  Alter  von  8 
Jahren,  desgleichen  Christian  Reinhard  v,  Löben  (*  5.  Juli  1600). 
8  Jnhre  aU,  Taufzeuge  am  4.  September  1  "07.  Friedrich  J"h-^nu 
Keinii.iid  V,  Sciitiiidlbuig  versah  I'atef)steiie  am  12.  November 
1601)  iii)  Allel'  vuM  til  g  Jahren,  und  die  Gräfin  Charlotte  Chris- 
tine Magdalena  Johanna  v.  Hanau  (*  2.  iMai  lüiHJ)  war  gar  erst 
3  Jahre  alt,  als  sie  zu  diesem  Amte  auserkoren  ward.  Nur  in 
zwei  Fällen,  und  zwar  bei  den  zwei  Kindern  des  Amtmanns 


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—   105  — 


Uaffner  v.  Wasslenheim  zu  Weslhofen,  ist  ausdrficklich  ver* 
merkt,  dass  sie  noch  nicht  koDfirmirt  pe%%'esen  seien  und  dass 
au5?  Hiesem  Grunde  ein  vollg^ülti^ier  Stellvertreter  neben  ihnen 
stand,  so  dass  zugleich  die  ErforLlemisse  der  Relisfion  und  die 
Ehrung-  des  Taufpaten  ;je\vnhr}  l)lip!)on.  Im  Uebrigen  scheint 
die  ganze  Eiiii ichtunj^  der  jugeiidliclien  i*aten  ein  durch  die 
Geistlichkeit  •geduldetes  Vorrecht  des  Adels  gewesen  zu  sein. 

Was  nun  die  Ingweiler  Adelsf^eschlechter  selbst  bctrifll,  so 
sind  sie  zum  weitaus  grössten  Teil  in  der  Litteratur  wenig:  Ije- 
kannt,  die  eine  Familie  nicht  einmal  dem  Namen  nach.  Ich  habe 
ihre  Spuren  verfolget  und  auch  diejenigen  Verwandten  bertlck- 
sichiigt,  welche  zwar  nicht  in  Ingweiler  gewohnt  haben,  deren 
^geschichtliche  Kenntnis  jedoch  iQckenhaft  ist.  Ueberhaupt  sind 
in  dem  vorli^enden  Aufsatze  bloss  solche  Angaben  enthniten, 
M eiche  mir  neu  zu  sein  scheinen  und  geeignet  sind,  das  bisher 
i]ekannte  zu  erfjänzen  oder  in  zuverJassI^i^er  Weise  zu  berich- 
tigten oder  Nvelthe  sonst  allgemeines  Interesse  bieten.  Aus  der 
Litteratur  hai)e  ich  unter  Anp:al)e  der  (^)nelle  nur  das  an^^etVdirt, 
was  zum  Verständnis  o(]er  zur  l)esseren  Beurteilung  der  Lebens- 
zeit unbedingt  erforderlich  war. 

Das  älteste  adelige  Geschlecht,  welches  sich  zu  Ingweiler 
naehweben  lässt,  waren  die  Herren  v.  NeUpaeh.  Ihr  Name 
scheint  in  der  Litteratur  unhekannt  zu  sein. 

I.  Caspar,  Amtsschaffher  zu  Ingweiler,  f  1566,  6. :  Anna  N. 
(alias  Agnes  S9.  April  1S86X  f  22.  November  1584.  Beide  sind 
begraben  in  der  Ingweiler  Kirche,  nahe  der  Kanzel,  vor  dem 
Kirchenstuhl  der  Familie.  Ihr  Sohn 

II.  Wilhelm,  wolinhaft  in  Ingweiler,  ohne  Amtsbezeichnung^ 
18.  Mai  15G9  und  3ü.  Juli  1560,  als  Schu]lhei«s  erwähnt  IM). 
Juli  1570 — 7.  Oktober  1574,  als  Amtssrhnftner  5.  Oktober  i575 
bis  zu  seinem  'J'od,  j  2.  Dezember  ibVHj  an  der  Pest,  begr.  in 
Äfliaer  Ellern  Gralu  G.  :  1)  Appolonia  Weydackher,  eine  reiche 
Ingweiler  iiorgerstochter,  -J-  8.  Mai  158:}  zu  OlTweiler  auf  der 
Flucht  vor  der  Pest,  begr.  in  der  Ingweiler  Kirche  unter  dem 
Stein,  cdarauf  weidenlauh  gestochen».  Das  Weidentaub  heneht 
sich  jedenfalls  auf  den  Namen  Weydackher.  2)  vor  12.  Juli 
1584  Agnes  Scbreyber,  T.  von  Reinhard  Schreyber  mit  dem 
Zunamen  Wiederker,  bitscbischer  und  nachher  hanauischer 
«Rath  und  Dienert»  30.  .Tuni  15d7).  Dieselbe  f  kinderlos  an 
der  Pe>;t  am  5.  Dezember  1596  und  wurde  begr.  in  der  Ing- 
weiler Kircli^e,  Kinder  aus    1.  Ehe: 

1.  Anna,  geb.  7.  Oktober  157i  in  OlTweiler,  tdahin  sie 
von  Sterbens  wegen  geflohen»,  —  in  Ingweiler  wütete  damals 
die  Pest  — ,  f  6.  August  1576. 

2.  Regina,  get.  5.  Oktober  1575,  G. ;  6.  November  1593 


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—   406  — 


Ambrosius  Brall,  kurfürstlich  pfälzischer  Fähnrich,  S,  des  -j- 
hnnauischon  Amimanns  frleichen  Namens  zu  Halten  und  hei 
siMiier  Multor  in  Weissenburg  wohuhaft,  woselbst  er  'iü.  April 
i'AH'y  als  Hiii^^er  he/.eicbnet  wird.  Re^Miia  Iball  kam  Anfangs 
15UÜ  i^chw erkrank  iii  das  viiterlichc  Haus  nach  Ingweiler,  -|- 
29.  April  1590  alUla  und  wurde  begr.  in  ihrer  Muller  und 
Grossmutter  Grab,  cmit  weideniaub  signirt».  Ihr  Mann  -f 
vor  1600. 

3.  Barbara,  get.  21.  April  1577,  G. :  7.  Mai  1504  Dr.  Sig- 
mund  Hafner,  Advokat  am  Kammergericht  in  Speyer,  dem 
sie  2  Töchter,  Anna  Katharina  und  Sophie  Barbara  schenkte, 
welche  beide  im  Juni  1597  zu  Ingweiler  an  der  Ruhr  starben. 
Beide  Elfern  leben  1600. 

4.  Noch  eine  Anna,  gel.  19.  Okiober  1578,  G. :  nach 
11.  Febninr  1596  Marlin  Nfittel  v.  Trepparh. 

5.  Agnes,  -et.  t>8,  Februar  1580,  lebt  iedi;^  '2'.^.  April  1597. 

0.  Ein  Sohnlein,  j  7.  Mai  1583  zu  Oflweder  an  der  Pest. 
An  die  v.  Nelspach  schliessen  sich  nalürlichei-  Weise  die 

Nüttel  V.  Tteppach  an.  Kiiidler  v.  Knobloch  erwähnt  sie  uls 
Alliance  der  Haffner  v.  Wasslenbeim  und  mit  dem  falschen 
Namen  Nüttel  v.  Ti  eppau  als  Alliance  der  Prechter.  Femer 
erw&hnt  Lehr  die  Nittel  (!)  v.  Treppach  gleichfalls  als  Alliance 
der  Haflner.  Sonst  scheinen  sie  in  der  Litteratur  nicht  be- 
kannt zu  sein.  Auch  in  Pforzheim,  wo  das  Stadtarchiv  bei 
der  Zerstörung  von  1G89  zu  Grunde  ging,  hat  sich  keine  Kunde 
von  dip'^em  Geschlecht  erhallen.  Die  dortijren  evangelischen 
Kirchenbücher  sind  erst  von  1()07  an  vorhanden. 

1,  .loseph,  zo^  wahrscheinlich  in  Folge  niis>licher  Vcr- 
mögensverhallnisse  im  Aiuil  1(»0*2  von  Plbiziieini  zu  .meinem 
Sühne  nach  Ingweiler,  wo  er  nur  8  Wochen  meist  krank  lebte, 
•j-  30.  Mai  1002,  begr.  «vor  der  Nelspachin  stui  inn  der  kiichen», 
G. :  Anna  (alias  Euphrosyna  27.  Januar  1000)  Kircher,  f  12.  März 
1609  am  Schlagt! u.ss,  begr.  f neben  dem  sIein,  so  das  weiden 
laub  oben  vff  hat,  zur  Bui^perstuben  zu».  Letz  führt  irrtüm* 
lieber  Weise  diesen  Joseph  v.  Treppach  als  Schwi^rsobn 
der  (!)  Edeln  von  Nelspach  und  als  Amtmann  von  Ingweiler 
und  Neuweiler  an.  OlTenbar  handelt  es  sicJi  um  eine  Ver- 
wechselung mit  dessen  Sohn  Marlin.    Kinder  Josephs; 

1.  Anna,  G. :  1580  Hans  Jakob  Gross,  S.  des  Stadlschreibers 
von  Pforzheim,  wegen  Schulden  «geschieden  im  Dezember  1506, 
+  in  Inj» Weiler  i.  Dezember  159M. 

2.  Marlin  (s.  u.).  * 

Ii.  Marlin,  zog  mit  oder  vor  seiner  St  liwtvster  spätestens 
1508  nach  Ingweiler,  wo  er  vor  21.  Dozemljcj  1598  die  Anna 
v.  Nelspach  heiratete  (f  27.  Mai  1623).   1004  war  er  Amt- 


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—    107  — 


mann  zu  lo^rweiler  und  versah  diesen  Posten  bis  xu  seinem 
Tode.  Er  wurde  begr.  9,  September  1622  toi*  dem  Altar»  neben 

seinem  Vater  gegen  die  Kirchthüre  xu.    Kinder : 

1 .  Johann  Reinhard,  *  10.  Januar  1600,  G* :  Anna  Rosina 

Prechler.    Ihre  Tochter : 

a)  Anna  Sophie,  *  -i.  Septcml>er  1625,  ledig  31.  März  lG4i, 
G.  Nikolaus  Jalcob  1  Uallner  v.  Wasslenbeim,  Amtmann  in 
Westiiuien. 

2.  Anna  Maua,  *  4.  Juni  1()<M,  lebt  lOU). 

3.  Regina,  *  17.  Juli  1003,  f  13.  September  1603,  begr. 
cvnden  an  Reinhard  Weidackers  stein,  der  zum  Oelberg  zu 
liegt». 

4.  Anna  Barbara,  *  d.  August  1604,  ledig  4.  September 
1625,  6. :  vor  26.  Dezember  1640  N.  v.  Rinckenburg. 

5.  Johann  Wilhelm,  «  26.  Oktober  1606,  f  9.  April  1607 

an  den  Pocken. 

6.  Johann  Christoph,  ♦  11.  Februar  If^iS. 

7.  Noch  ein  Johann  Wilhelm,  *  15.  April  1010. 

S.  Ern==i  Friedrich,  *  1614,  Oberstlieutenant, f  29. Mai  1662, 

in  der  Kin'he  begr. 

Die  Xüllel  v.  Treppach  mnd  nach  dem  Tode  des  Amtmanns 
Martin  um  die  Mitte  <ies  17.  Jahrhunderts  von  Ingweiler  vei"- 
Z'jgeii , 

In  derselben  Zeit ,  wo  Caspar  v.  Neispaeh  die  Amts- 
schaffen ei  Ingweiler  verwaltete,  finden  wir  einen  andern  Edel- 
mann, dessen  Name  gleichfalls  in  der  Litterat ur  unbekannt  zu 
sein  scheint. 

Johann  Slumpff  V,  Simmern  hesass  zu  Ingweiler  in  den 
60er  und  7üer  Jahren  des  16.  Jahrhunderts  einen  Hof.  Er  war 
vermählt  mit  Aurelia  VölLsch,  ■}-  4.  Mai  1572  und  liegt  be- 
1,'rahen  fander  dem  zweiten  stein,  wie  man  forn  hinein  rrhet. 
vnd  lies  ihm  traw  Anna  Beridi<ildit»  Witt we,  nach  30.  i hären, 
Aü  602.  ein  Epithaphium  vflVic  hteno.  Ks  ist  dies  wahrschein- 
lich dieselbe  Anna,  welche  30.  Juli  1070  als  «Bas»  des  Junkers 
KrwahnuD},^  lindcl.  Die  Witwe  des  weyland  Kdlcn  und  Elu  en- 
vesten  Junkers  Hans  Stumptf  heiratete  25.  April  1575  Hans 
Beck  aus  Burgcanstatt  in  Franken,  den  —  Knecht  ihres  ver- 
storbenen EUiegatten.  Es  ist  sehr  eigentQmlich,  verrSt  aber 
anch  einen  guten  Teil  von  Volkshumor,  dass  dieser  Beck 
meistens  tder  StQmpftin  Hans»,  seltener  cStumpffen  Hans» 
genannt  wird.  Trotz  der  Missheirat  blieb  Aurelia  zu  Ingweiler 
beliebt,  und  nicht  minder  hatte  sich  «der  Slümpftin  Hans»  einer 
gewissen  Sympathie  zu  erfreuen.  Dies  zeigt  sich  unzweitelhatt 
d^rin,  dass  erstero  vnti  1572  bis  15SS  nit  lit  wenijrer  als  20  mal 
ratenstelie  vergab,  während  Hans  von  seiner  Heirat  an  bis  1580 


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—  108  — 


in  15  Fftllen  Taufzeuj:e  wnr,  eine  Eine,  welche  später  selbst 
den  ^esNia  iitesten  Verlret"rn  des  Adels  nicht  in  so  reichem  Masse 
widerfuhr.  Die  «Stüinpllin»  -j-  25.  Dezember  1588  und  ward 
begr.  «vnder  den  ersten  grabstein,  an  der  förder  Kirchen  thür, 
innwendigy  her  neben  ires  Juncker  Stumpff  seligen  bäumt. 
(Baum  =  Todtenbftum  =  Sarg.)  Sie  wurde  also  ungeachtet 
ihrer  M^lliance  noch  zum  lokalen  Adel  gerechnet.  «Der 
StQmpflin  Hans»  aber  heiralete  schon  nach  kaum  3  Wochen, 
i7.  ianuar  1589,  seine  —  Köchin,  Maria  Krischer  aus  Tinten 
im  Lützelbur{:;er  Land.  Auch  jetzt  wird  der  Neuvermählte  noch 
cder  Stümpffin  Hans»  genannt.  Er  sollte  sich  jedoch  keines 
langten  Ehestands  mit  seiner  zweiten  Frau  crfrouen,  am  1,  Ok- 
tober 159()  starb  «Sturapflin  Hanssen  Flau»  im  VVochenbett 
nacli  einer  Tüdf^'^eburf ,  Jetit  lilieb  Hans  ein  Witwer  und 
starb  10.  März  1597  an  der  Pest.  Er  war  im  alten  Ingweiler 
entschieden  eine  beliebte  Persönlichkeit,  und  dieser  Umstand 
rechtfertigt  es  gewiss,  das«  ich  ein  wenig  über  den  Rahmen 
meines  Themas  hinausgegangen  bin. 

In  der  Litieratur  gleichfalls  unbekannt  ist  Junker  Hierony* 
mus  Genger»  Er  war  gebOrtig  aus  Barr«  lebte  2.  Mai  1591 
in  Ingweiler,  wo  er  einen  Hof  besass,  i'  daselbst  15.  Hirz  1596 
uud  wurde  begraben  in  der  Kirche  «hart  neben  der  MQdz- 
gesellen  neuem  stui».  (Die  gräflichen  Münzbeamten  hatten  das 
Privilegium  eines  besonderen  Kirchenstuhls  an  bevorzugter 
Siclle.)  G. :  vor  28.  Juli  1504  Mar^^^relhe  v.  Kippenheim. 
Diese  tfebar  ilun  ein  Kind,  Anna  Maria,  ^et  8.  Januar  1598, 
-j-  20.  Juni  1599  au  der  Ruhr  und  neben  dem  Crucifix  be- 
graben. Die  Witwe  heiralete  später  Johann  v.  Waldtmans- 
hausen. 

Ueber  die  Familie  v.  Kippenheim,  ein  uraltes  elsussisches 
Adelsgeschlecht,  ist  folgeodes  ergänzend  mitsuteilen : 

I.  Bernhard,  lebt  7.  Januar  1599.  Seine  Kinder,  wahr« 
achelnllch  in  folgender  Reihenfolge  geboren : 

1.  Mai'garethe,  G. :  1)  Hieronymus  Genger,  2)  Johann  v. 
Waldtmanshausen. 

2.  Felicitas,  lebt  bei  der  Ebenfrenannlen  von  vor  8.  Januar 
1596  bis  zu  ihrer  Verheiratung  am  13.  April  1613  mit  Wilhelm 
Orerop  v.  Freudenstein,  Amtmann  zu  Rabenhansen. 

3.  Martha,  f  ledig  "I"!.  Mai  15! )7  an  der  Pest,  begr.  auf 
<lem  Kirchhof  zu  Ingweiler  neben  dein  Crnritiv. 

•i.  Maria,  verm.  mit  Jakob  Rapst  v.  RuL-enheim  zu  Strass- 
Luru  als  dessen  *2.  Frau,  beide  leben  1ü.  Oktober  1603. 

5.  Rudolf,  Tz.  7.  Januar  1599.  Dessen  Sohn ; 

a)  Heinrich  Balthasar,  G. :  Anna  Maria  Kempinska.  Diese 
lebt  23.  April  1663,  jener  lebt  23.  Januar  1669.  Wahrschein* 


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—   109  — 


lieh  war  ihre  T.  Susanna  Margaretha,  Tz.  ledig  26.  Dezember 
1640  und  31.  März  1644. 

6.  Johann  Wilhelm,  Tz.  23.  August  1607,  G. :  vor28.  No- 

vernl)er  1633  Sii'^nnna  Magdalena  Lummert  (soll  heissen  Lum- 
hart), lebt  3ü.  JauLiar  1645.  Di<?sf>  -J-  n.u  h  Kiodler  v.  Kooblocb 
i656  als  J.et7te  ihres  Namens.  Ihr  Soliii 

a)  Philipp  Ludwig,  Tz.  ieili;^'^  6.  April  1648. 

II.  Anna  Maria,  geb.  Vüllsch,  Tz.  20.  Januar  1635,  nach 
Kindler  v.  Knohloch  Letzte  ihres  Namens  (f  lüii)  und  G. 
Eberhards  (?)  v.  Kippenheiro. 

VoD  den  Kraffl  v.  WaldtmanshoMsen  ist  in  der  Litteralur 
so  gut  wie  nichts  bekannt.  Lehr  erwähnt  bloss  die  Heirat 
Friedrich  Ludwigs  v.  Schmidtburg  mit  Maria  Magdalena  v. 
Waldtmanshausen.  Im  Sfra  -l  iirger  Stadtarchiv  ist  unter  den> 
30.  Mai  1620  ein  Herr  v.  Waldtmanshausen,  königlich  böhmi- 
scher Obrist  über  ein  Regiment  Fussvolks  erwähnt,  mit  welchem 
die  Stndt  Strasshur^  wogen  Uobernahme  des  Kommandos  über 
die  städtischen  Truppen  Unterhandlungen  ptlog,  die  indessen  er- 
folglos gewesen  zu  sein  scheinen.  In  welchem  verwandtschaft- 
lichen Verhältnis  er  zu  Johann  v.  "Waldtmanshausen  stand, 
ob  er  <,'ar  mit  diesem  identisch  ist,  lässt  sich  mangels  näherer 
Angaben  nicht  sagen.  Die  eigenartige  Schreibweise  «Waldt- 
manshausen» findet  sich  übereinstimmend  in  diesem  Schrifl- 
stQcky  im  Bezirksarchiv  und  in  sämmtlichen  Akten  der  Ing- 
weiler Pfarrbucher.  Demnach  ist  die  Schreibweise  cWaldmans- 
hausen»  bei  Lehr  unrichtig. 

1.  Johann  KrafTt  v.  Waldtmanshausen,  *  12.  Oktober  '1502» 
kam  um  die  Wende  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  an  den  ha- 
nauischen Hof.  Am  10.  Januar  IßOO  stand  er  in  Vertretung  des 
Grafen  Johann  Reinhard  I.  v.  Hanau-Lichtenberg  bei  Johann 
Reinhard  Nüttel  v.  Tipppach  ahs  T/.  n»^ben  Margarethe  v. 
Kippenheim,  der  ju>,'endlicheü  Wilwe  Hieronymus  Gengers. 
MOglieherweise  war  dieses  Zusammentrellen  nicht  uid)eabsichtigt. 
Am  7.  Juli  lüüü  heiratete  er  sie  in  Jr.  Bernholds  Hofau  VVoU 
liäheim  im  Beisein  des  regierenden  Grafen  und  der  Gräfin. 
Die  Hochzeit  fand  Abends  7  Uhr  statt  und  ist  am  folgenden 
Tag  «öffentlich  inn  der  Kirchen  bestetiget  worden.»  Bei  dieser 
Gelegenheit  ist  Johann  als  banauischer  Falkner  aufgeführt. 
Durch  seine  Hochzeit  fiel  ihm  jedenfalls  der  Gengersche  Hof 
in  Ingweiler  zu,  und  er  Hess  sich  in  dieser  Stadt  nieder.  Im 
Jahre  1611  schenkte  ihm  Graf  Johann  Reinhart  L  als  Aner- 
kennung für  treu  geleistete  Dienste  eine  4  Mannsmallen  (= 
Acker)  grosse  Wiese,  die  Weyliermatt,  im  In;r\veiler  Bann,  und 
1(331  erhielt  fT  vom  (iratVn  Philipp  \V()if;jian;i  als  Erblehen 
etliche  Leiinstücke  und  Güter,  welche  durch  den  Tod  von 


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—  4iO  — 


Meinlach  Marx  v.  Eckwersheim,  dem  Letzten  seines  Geschlechts 
(-{-  1596),  erledigt  waren.  Am  25.  September  1631  ist  er  hanau- 
ischer fIo[Vncister  und  j  al.-^  solcher  zn  Stiassburg^  10,  M'irz 
1038.  Kl'  liegt  be^i'.  in  der  lM;:woiler  Kirclie.  Seine  Mutter  ^nv 
eine  geborene  Fürstin  Weitpreclü  v.  Hoseidtury  und  Schwester 
des  Johanniternieisters  zu  Heiltersheim.  Kinder: 

1.  A|4allie  Maria,  *  0.  Januar  löO^,  ledijjf  8.  November 

1624,  G. :  1)  N.  v.  Buch,  2)  vor  26.  Juni  1650  Jr.  Neppel. 
Dieser  tot  23.  April  1063,  sie  selbst  lebt  29.  Okloiier  1667. 

2.  Anna  Eva,  *  13.  November  1603,  ledig  4.  September 

1625,  G. :  vor  20.  Januar  1635  Nikolaus  Jakob  v.  Sultz. 

3.  Heinrich  Baltbasar  (s.  u.). 

4.  Anna  Jakobe,  *  8.  M&rs  1607,  1 4,  August  1607  an  den 

Pocken. 

5.  xMaria  Katharinn,  *  ?   JmH  IGIO,  f  14.  Juli  1610. 

II.  Heinrich  Balthasar,  *  1;^  iJezemher  ItKii.  hepr.  26. 
März  1039,  G. :  Agathe  Demuth  von  Aurbach,  T.  von  Bern liard 
Dietriih  und  Agnes  v.  Westphalen,  f  18.  August  1638  in 
Kindsnüten.  Kinder: 

1.  Marijarethe  Magdalena,  *  28.  November  1033,  ledig  11. 
Mai  1657,  G. :  Friedrich  Ludwig  v.  Schmidtburg. 

2.  Anna  Elisabeth,  *  20.  Januar  1635,  begr.  23.  August 
1635. 

3.  Jobann  Dietrich,  *  15.  März  1637. 

4.  Ein  totes  Knäblein,  18.  August  1&38. 

III.  Johann,  Vetter  von  Johann,  *  1577,  Kapitän  in  nieder- 
ländischen Diensten,  f  auf  Besuch  <eine-^  Ingweiler  Vetters 
16.  September  1G07  an  der  Ruhr,  ledig,  kinderlos.  Er  wurde, 
M-eil  calvinisch,  nicht  in  der  Kirche,  sondern  auf  dem  Kirchhof 
begr.,  «rzwi«c}ien  dem  Creutz  und  dem  weg,  der  zur  Kirch* 
Ihüren  ghet.^ 

Das  Erbe  und  die  Nachfolge  derer  v.  Waldtmanshauseu  ia 
materieller  und  geselischaltlicher  Beziehung  traten  die  Herren 
V.  Schmidtburg  an. 

Die  Herren  v,  Sekmidtburg  waren  ein  uraltes  rheinländi- 
flches  Geschlecht,  von  dem  ein  Zweig  noch  jetzt  in  Oesterreich 
bläht.  Nach  Lehr  kamen  mehrere  Vertreter  des  Geschlechts  im 
mittleren  Drittel  des  17.  Jahrhundert>  ins  Elsass.  Sie  schreiben 
«ich  bis  ins  18.  Jahrhundert  ((Sclunidtberg»,  seltener  cSchmid- 
berg»  und  «S(  hmitburg»,  später  « Schmidtburg»  und  einige 
Male  «Schmidlbour;,'-».  Ausser  der  Waldtmanshausenschcn  Erb- 
schaft besassen  sie  zu  Ingweiler  ein  Haus  und  Güter,  welche 
sie  von  den  Erben  des  Herrn  HafTner  v.  Wnsslenheiui  käuflich 
«rworben  !i;itlen,  fei  ner  Güter  und  Gefälle  in  Weitbruch,  Üor- 
lisheim  und  Dunzonheim. 


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—  III  — 


I.  Johann  Simon,  6.:  Magdalena  v.  Bosseck. 

II.  Johann  Ludwig,  dessen  Soiin,  *  1503,  30.  Juni  1639 
ninrk;rräflich  badeu-durlachiscber  Forstmeister,  -}-  21.  August 
1667  in  Ingweiler,  G. :  Hanna  v,  Baumann,  die  Letzte  ihres 
Kamens,  f  31.  Mai  ^668. 

III.  Friedrich  T  inKvit^  dessen  Sohn,*  um  die  Jahreswende 
4636  auf  i637,  Jüirerjnei.-.i.'r  (2.  April  1667)  in  Tnp-weiler,  1676 
in  die  niederelsässische  lieu  hsritlersi  haft  aul;,^eiiurnmen.  Letz 
meint  in  Band  VI  dieses  Jahihiu  hs,  S.  72  Anni.,  es  sei  dies 
der  Oberst,  dessen  Regiment  1637  längere  Zeit  dort  einquartiert 
war.  Aus  dem  im  Bagi^bnisregister  genau  angegebenen  Alter 
ergiebt  sich,  dass  die  Vermutung  nicht  zutrefTen  kann.  Wahr- 
scheinlicli  war  dies  der  unten  zu  erwähnende  Oberst  Philipp 
Wilhelm.  Ob  letzterer  identisch  ist  mit  dem  Obersten  v.  Schmidi- 
buri(,  welcher  1633  vor  Philippsburg  lag,  und  ob  dieser  wieder- 
um jener  Herr  v.  Schmidlburg  war,  der  im  Jahn*  1636  im 
Auftrage  Ludwigs  XIII.  ein  Regiment  von  '20üO  Mann  im 
Elsass  anwarb,  —  in  der  betreffenden  Urkunde  i>t  er  bloss  «le 
sieur  de  Sidimidtlierj^^)  jrenannf,  —  lässt  sich  nii  ht  entscheiden, 
da  ein  Vornarne  nicht  bekannt  ist.  Friedrich  Ludwig  war 
1681  — liafrslierr  zu  Strasshur;a  und  wurde  bejrr.  in  der 
Kirche  zu  Ingweiler  7.  Api  il  1693.  G. :  vor  31.  August  1662 
Margarethe  Magdalena  v.  Waldtmanshausen,  welche  ihm  einen 
Hof  und  die  ihrem  Grossvater  von  den  Grafen  v.  Hanau  seiner 
Zeit  verliehenen  GQter  zu  Ingweiler  in  die  Ehe  brachte.  Sie 
lebt  22.  Mai  1704.  Kinder: 

1.  Friedrich  Johann  Reinhard  (s.  u.). 

1.  Anna  Margarethe,  gel.  3.  Juli  1664,  f  5.  Oktober  1664. 

3.  Magdalena  Ludovica,  get.  15.  Juli  1666,  f  2.  August  1667. 

4.  Johann  Ludwig,  get.        Oktober  1667. 

5.  Hanna,  get.  23.  Januar  1669,  lel)t  ledig  19.  April  1705. 

6.  Katharina  Margarethe,  Tz.  31.  Mai  1685,  G. :  zwischen 
11.  Januar  16U3  u.  4.  Mai  1703  Woifgang  Sigismund  v.  Lands- 
perg. 

Ferner  sind  wahrscheinlich  Kinder  derselben  : 

7.  Magdalena  Sophie,  Tz.  27.  Juli  1693,  G. :  vor  4.  Mai 
1703  Jcdiann  v.  Ocahan,  kgl.  franz.  Kapitän.  DieOcahan  sind 
ein  jetzt  ausgestorbenes  irisches  Geschlecht,  welches  sich  am 
Ende  des  17.  Jahrhunderts  in  Frankreich  niederliess. 

8.  Johann  Reinhard,  Lieutenant  im  Regiment  Royal-Alsace 
27.  Dezember  1701,  später  Oberstlieutenant  dieses  Regiments 
und  Rrigadier  des  ärmeres  du  roi,  f  13.  November  174i  zu 
Ohcrdieim,  WO  er  ein  Haus  besass,  ledig  oder  als  kinderloser 
Wittwer. 

IV.  Friedrich  Johann  Reinhard,  get.  23.  April  1663,  wird 


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—  112  — 


als  Tz.  beim  Melker  seines  Vaters  19.  Juni  1681  kurzweg 
Fritz  genannt,  Kapitän  im  Regiment  Royal-AIsace  20.  Okiober 
1695  u.  5.  Juli  1699,  f  7.  Juli  1730,  begr.  im  Lanp:brius  der 
Kirche  zu  Ingweiler,  Vater  eines  unehelichen  Knt  h  -  Sii?  inna 
(*  28.  April  1G93).  G. :  Sophie  Aujrusle  Franziska  Welzel  v. 
Marsilien.  Diese  *  12.  SepteiiibcM-  1U79,  wohnt  25.  August  1740 
in  Zinsweiler,  f  zu  Ingweiler  18.  Juli  1755,  begr.  neben  ihrem 
Mann,  T.  v.  Jobann  Peter,  pfalz-birkenfeldischem  Hofmeister 
und  Bat  tu  Geudortheim,  Nach  dem  Tode  Friedrich  Johann 
Reinhards  traten  alle  seine  Kinder  lum  Katholizismus  über. 

1.  Johann  Friedrich,  *  27.  Dezember  1701,  tot  18.  Juli  1755. 

2.  Franz  Ludwig  (s.  u.). 

3.  Christian  Philipp,  *  4.  Mai  1703,  Tz.  7.  April  1751, 
Kapitän  im  Regiment  Royal -Alsace  16.  April  1758,  Capitaine 
d'Invalides  in  Ingweiler  2.  November  1767  — 18.  August  1786, 
6. :  Freifrau  Eleonore  Sophie  Maria  v.  Berstett.  Diese  f  -vor 
18.  August  1786.  Ihr  Kind: 

a)  Charlotte  Friederike  Philippine,  *  4.  Hai  1736. 

4.  Chariotte  Franziska,  Tz.  9.  September  1723,  G.:  24.  Januar 
1730  Johann  Ludwig  Mader,  hohenlohischer  Oberforstmebter 
und  ffEisenherr>  (24.  Juli  1730  Direktor  des  Eisenwerks)  zu  Zms- 
Weiler,  S.  von  Johann  Georg,  Oberforstmeister  des  Forsten 
zu  Hessen-Homburg.  Derselbe  trat,  gleich  seiner  Frau,  zum 
Katholizismus  über.  Am  Ii.  Oktober  1731  wurde  ihnen  ein 
tote.s  Söhnlein  geboren,  welches  noch  im  evangelischen  Tauf- 
buch steht.  Marler  f  18.  September  1743  zu  Zinsweiler  und 
wurde  auf  dem  dortigen  Kirchliof  durch  den  iiv^lh.  Pfarrer  von 
ülierbronn  bep^nben.  Die  Witwe  zog  nach  Ingweiler  und  iei»t 
dort  4.  September  1757. 

5.  Magdalena  Beatri.K,  Tz.  ledig  8.  Dezember  1720,  G. ; 
Leopold  V.  Detlling,  lebt  18.  Juli  1755. 

V.  Franz  Ludwig,  Kapitän  im  Regirueat  Roy al-ALsace," wohnt 
in  Ingweiler,  der  Reihe  nach  erwähnt  als  verabschiedeter 
Kapitän  30.  Januar  1749,  Capitaine  k  la  suite  de  Phalsbourg 
1752  und  175.^,  später  virieder  einßich  als  Kapitän  und  ehemaliger 
Kapitän,  3.  Dezember  1765  als  Veteran,  lebt  4.  JuU  1774,  G.: 
Maria  Magdalena  v.  Wagner,  lebt  4.  Juli  1774.  Ihre  Kinder: 

1.  Mari.«  Charlotte  Franziska,  Tz,  16.  Apr.  1758,  G. :  in 
oder  vor  1770  .Anton  Michel  v.  Berquen,  *  1720,  Ritter  des 
St.  Ludwigsorden^.,  kgl.  franz.  Hofrai,  prevöt  general  ile  h 
mr^rrrhau.ssee  d'Alsnce,  vcrah'^ehiedet  mit  dem  Rang  als  Oberst- 
lieutenant der  Kavallerie,  wohn»  in  lu^'weiler,  lehf  noch  da- 
selbst G.  Februar  1704  und  unlersclireibt  Bereuen.  Ihre  Kinder 
Lehr  unbekannt): 


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—   113  — 


a)  Friederike  Adelheid  Charlotte  Antonia  v.  Berquen^  *  1770 
oder  1771,  i  G.  Februar  1794,  led^. 

b)  Micbel  Hosalius  Leodegar,  *  20.  Januar  1772. 

c)  Ludwig  Claudius  Felix,  ♦  24.  Mai  1773. 

d)  Franz  Anton  Ludwig:,  ♦  4.  Juli  1774. 

Am  18.  Juni  1870  lebten  2  JSohne  und  3  Töchter. 

2.  Fj.inz  J.KPp},,  *  29.  Dezeml>er  17  i9,  lebt  21.  Oktober  1761. 

3.  Fritnitinke  bophie  Christiane,  *  15,  Juni  1753,  lebt  ledig 

18.  Juni  1780. 

4.  Mana  KaHi  uma,  ■  ii5.  April  1755. 

5.  Ludovica  Magdalena  Rosalie,  *  4.  Sepleiuber  1757. 

VI.  Friderich  iobann,  baoauischer  Jägermeister  15.  Juli  1666. 

VII.  Sophie  Elisabeth  Margarethe,  wahrsdieinlicb  T.  des 
Obersten  Philipp  Wilhelm,  vielleicht  auch  des  vorigen.  6. :  vor 
1684  Johann  Jakob  Wurmser  v.  Vendenheim,  lebt  4.  Mai  1703. 

VIII.  Johann  Christoph,  wird  3.  Juli  1664  als  Tz.  «Frei- 
herr XU»  Schmidtburg  genannt,  därfle  eiuer  nicht-^lsässischen 
Linie  ang-ehör^'n. 

Schon  vor  der  französischen  Revolution  waren  die  v.  Schmidt- 
bürg  aus  Intiweiler  verf^ch wunden. 

Doeli  kehren  wir  wieder  in  das  lO.  Jahrhunderl  zunick  zu 
eineiü  alten  fränkischen  Adel-sgeschlecht,  nämlich  den  Henen 
V.  Bernhold.  Sie  kamen  im  Gefolge  der  Grafen  von  Hanau 
1529  ins  Elsass,  wo  ihr  Name  vor  ungefähr  einem  Jaitrhundert 
erloschen  ist. 

I.  Jakob,  Amtmann  zu  Wolfisheim,  als  solcher  erwähnt 
7.  Februar  1501.  Demnach  wäre  die  Angabe  von  Kindler  v. 
Knobloch,  dass  er  1581-92  auf  dem  Hohensteg  xu  Strassburg 

diente,  nur  teilweise  zutreffend.  Er  war  noch  Amtmann  29. 
März  1601  und  f  vor  8.  September  1602.  G. :  Anna  Surger 
V.  Mutzig  vor  7.  November  1591,  wie  6S  scheint  kinderlos.  Die 
Witwe  heiratele  Jr,  Friedrich  Prechter. 

TT.  Johann  Geoi  {^,  J^ruder  des  vorigen,  Kapitün  auf  Lichten- 
ijery  8.  Juli  n:»cli  Lehr  Amtmann  zu  Hatten  und  verm. 

mit  Maria  von  iiecliher*,'-.  Wahr;?!cheinlich  in  2.  Ehe  vor  19.  Sep- 
tember 1627  verm.  mit  Maua  Jakobe  v.  Barr.  Diese  ist  8.  März 
1607  als  «cder  Gräfin  von  Hanau  Jungfrau»  erwähnt  und  fungiert 

19.  September  1627  unter  dem  Namen  cgeborene  zu  Barr»  als 
Tz.  Sie  ist  Kindler  v.  Knobloch  nicht  bekannt,  der  seine  An- 
gaben Ober  die  Freiherrn  v.  Barr  mit  1585  abaehliesst.  Kinder 
aus  1.  Ehe : 

1.  Anna  Elisabeth,  Tz.  19.  September  1627. 

2.  Georg  Albrecht  (nacli  L.  *  1581,  f  16i2),  Rat  und  Amt- 
mann zu  Buchsweiler,  G.  :  Elisabeth  v.  Westhausen,  diese  lebt 

20.  Januar  1635.  Ihre  Kinder: 

8 


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—   Iii  — 

a)  Johann  Jakob  (nach  Lehr  *  1616),  Tz.  ohne  weitere  Be- 
nennun;^  3<>.  November  16^40,  Riltmeister  26.  Januar -1651,  eJr. 
in  Buchsweilero  21.  Dezember  165*2,  G.:  Magdalena  Ursula 
Böcklin  V.  Bücklinsau  vor  2.  April  4654,  f  vor  23.  April  1663. 
Die  Witwe  lebt  '23.  Ai)ril  1003. 

b)  Agathe  Elisabeth  (nach  L.  *  1018),  lebt  ledig  10.  Jan.  1641 . 
3.  Philipp  Jakob,   Aintinann  zu  higwiMler  19.  September 

1627  und  25.  September  1631,  G. :  Susanua  Zorn  v,  Plobs- 
heim.  liire  KiiKier  : 

a)  Maria  Amelia,  *  19.  September  1627. 

b)  Susanna  Regina,  *  3.  Mai  1629,  begr.  18.  Mai  1629. 

c)  Philipp  Albrecht,  *  14.  August  1631,  lebt 23.  Januar  16G0. 
Nach  I.ehr  war  Philipp  Jakob  Oberst  in  französischen 

Diensten,  er  scheint  also  in  jener  bewegten  Krii^zeit,  um  1632 
dem  Rufe  LudM'igs  XIII.  gefol^^t  zu  sein 

Nur  kurze  Zeit  lebte  in  Ingweiler  der  folgende  Kclehiiann. 

I.  Friedrich  Prechter,  Sprössling  eines  hagenauisi  licii  Adels- 
geschlechts, wovon  spfder  mehrere  Verfrcf«M-  /u  f!«'n  fei'  lien 
Kautleuteii  Stras^hurgs  gehörten,  wähit-iKi  ein  aiterur  i  riedrich 
Prechter  in  der  ersten  Hidfte  des  16.  Jahrhunderts  eine  Zeit 
lang  im  Besitze  von  Hochfelden  war.  Frau  Aima  Uosina  Nüttel 
V.  Treppach  wird  4.  September  1625  als  geborene  Prechter 
von  Friesebeck  (soll  heissen  Preuscheck)  bezeichnet.  Jr.  Friedrich 
war  hanau-lichtenbergischer  Kammerrat  28.  August  1608, 
verm.  in  2.  Ehe  vor  1.  April  1604  mit  Anna  Surger  v.  Mutzig, 
Witwe  von  Jr.  Jakob  fiernbold  (s.  d.),  der  Letzten  ihres 
Namens  (f  1635).  Prechter  f  27.  Dezember  1615.  Er 
wohnte  noch  28.  März  1664  in  Strnssburg,  siedelte  jedenfalls 
mit  seiner  zweiten  Verheiratung  nach  Ingweiler  über,  wo  er 
Besilzei-  eines  Hofes  wurde  oder  war.  Der  Prechtershot'  i«=t 
9.  Juli  Xmi  erwähnt,  und  10.  Juli  lüU8  wird  Jr.  Preclitei> 
\iehina-(l  als  Tz.  genannt.  Die  Stelle  eines  hanauischen  Kam- 
inenals  verdankte  ei"  wahrjjciieinlich  .seiner  Heirat  mit  der 
Witwe  des  dem  hanauischen  Hofe  nahestehenden  Amtmanns 
V.  Bernhold  (vgl.  die  Hochzeit  Johanns  v.  AYaldtmanshausen  im 
Bemholdschen  Hof  zu  WolGsheim).  Kinder  aus  1.  Ehe : 

1.  Johanna,  Tz.  ledig  18.  August  1605. 

2.  Jobann  Wilhelm,  Tz.  29.  Dez.  1606,  lebt  30.  Juli  1615. 

3.  Juliane,  Tz.  ledig  13.  März  1611. 

4.  Anna  Rosina,  G. :  Jobann  Reinhard  Nuttel  v.  Treppacb, 
vielleiclit  aus  2.  Ehe  entsprossen. 

11.  Wilhelm,  fürstlich  markgrfiftich-durlachiächer  Rat  zu 
Badenweiler,  Tz.  4.  September  1625. 

Ueber  «lie  r.  EnscJirhtgen,  ein  altes  Iu\ea)l)ui';:iscliL'^ 
Adebgeschlecht,  tindea  sich  in  der  Lilteratur  ungenaue  Au- 


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—  145  — 


gabeD.  Hellbach  meint,  dass  sie  im  4.  Jahrzehnt  des  17.  Jahr- 
hunderts ausgeslorhen  ^vlen.  Kneschke,  welcher  übrigens  En- 
chrin^^en  schreibt,  weiss  keine  bestimmte  Angabe  zu  machen. 
L'eber  den  Aufenthalt  derer  v.  Enschringen  im  Elsass  ist  im 
Aufsatze  Dajjobert  Fischers  über  die  ehemalige  Herrschaft  Ass- 
weiler in  Stöhers  Alsatia  'i875-lN7G  nichts  zu  finden,  uud  auch 
die  Stammtafel  Ix  i  Humbracht  ist  sehr  dürftig. 

I.  Philijjp  Jaküb,  G. :  9.  Februar  1608  Eva  Elisabelli  v. 
Rödern,  «wurden  gegen  abend  im  Schloss  vnder  dem  Himmel 
^usamen  geben,  vnd  den  andern  tag  die  bocbzeit  Predigt  inn 
der  Pforrkirchen  gehalten».  Diese  romantische  Gepilogenheit 
scheint  damals  im  Gebrauch  gewesen  zu  sein  (vgl.  die  Hochzeit 
Johanns  v.  Waldtroansbausen).  1619  bekam  er  von  Johann 
Reinhard  I.  in  Anbetracht  der  Dienste,  die  er  ihm  «nun  etliche 
Jähret  gel(  i  ;<  t.  den  Hol  Seelhofen  als  Erblehen.  Von  16!27— 33 
balle  er  den  Schweighof  bei  Lichtenberg  in  Pacht  und  war  in 
dieser  Zeit  Kapitän  auf  I.ichtenherp:.  Das  «gleiche  Amt  vei>nh 
er  noch  10.  Januar  \eU  L'.  Juli  1043,  tot  1(m4.  Kinder: 

1.  Maria  Kalliarina,  Tz.  iedip-  28.  November  l(v{3.  Ob 
^ine  am  15.  Juli  !(>(>()  als  Tz.  erwähnte  ledige  Person  gleichen 
Namens  mit  dieser  identisch  ist,  bleilit  dahingestellt. 

2.  Wolfgang  Heinrich,  G. :  Susanna  Ursula  v.  SteincaUen- 
fels.   Kinder : 

a)  Johann  Philipp,  *  22.  Juni  1641,  Tz.  ohne  Benennung 
23.  Januar  1609,  Kapitän  auf  Lichtenberg  8.  Juni  1673,  und 
eigentümlicher  Weise  noch  13.  Denmlier  1677  als  solcher 
erwähnt,  nachdem  das  Scbloss  Lichtenberg  einige  Wochen 
vorher  durch  Crequi  eingenommen  und  geplündert  war.  Er 
lebte  spater  in  Hnnnu  und  verkauffe  von  dort  aus  10.  Mai  1680 
<len  Hof  Seelhoten  an  den  Graten  Friedrich  Casimir  v.  Hanau 
zuriK  k.  Die  Anga)>en  von  Karl  Letz  über  Seelhofen  (s.  auch 
oben)  sind  «lahin  zu  erjjänzen.  Johann  Philipp  war  verm.  vor 
<i.  Mai  lü78  mit  Anna  Maria  N.  und  lebte  noch  zu  Hanau 
20,  September  1094.  Er  war  der  letzte  bochgräflich  hanauisclie 
Kapitän  auf  Lichtenberg.  Später  bekam  die  Burg  französische 
Besatzung  und  französische  Kommandanten  bis  9.  August  1870. 

b)  Friedrich  Georg,  *  15.  Dezember  1648. 

c)  Juliane  Elisabeth,  *  19.  Oktober  1651,  f  29.  April  1052. 
II.  Philipp  Friedrich,  Nefle  des  vorigen,  Riitnn  ister  15.  März 

1037  und  22.  Juli  lfö8  und  als  solcher  30.  November  1(340 
Vertreter  des  Grafen  Philipp  Wolfgang  bei  der  Taufe  eines 
Kindes  des  Diaconus  Hnler,  lebt  10.  Oktober  1051  ohne  die 
Amtsbenennung  eines  ilittuiei^tns.  Hochzeiler  15.  März  1037, 
O.:  1037  Maria  Amelia  v,  Rin<  kenhuig,  Witw»-  des  Forst-  und 
Jägermeisteis  Heinrich  v.  Schachten.    Ihre  Ivinder: 


r 

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1.  Loysa  Amelia,  *  26.  Dezember  1640,  be^n  .  10.  April  1642. 

2.  Dorothea  Loysa,  ♦  30.  Dezember  1642,  f  9.  Februar  1649. 

3.  Anna  Magdalena,  *  31.  März  1044. 

4.  Christian  Philipp,  *  0.  April  UUS. 

5.  Sibylla  Susanna,  ♦  22.  Oktober  1650,  Jebt  ledig  23.  Ja- 
nuar 1669. 

III.  Georg  Wolfgang,  Kapitän  auf  Lichtenberg  21.  Sep- 
tember 1030,  dessen  T. 

1.  Anna  Katbarina,  Tz.  ledig  21.  September  1630. 

IV.  Johann  Friedrich,  Kapitän  auf  Lichtenberg  3.  Juli  ld64. 

V.  Margarethe  Elizabeth,  verm.  mit  N.  Veyt  v.  Caatell  vor 
23.  Januar  1609. 

Der  Verwandtschaftsgrad  der  drei  Letztgenannten  lässt 
sich  nicht  feststellen.  Bemerkenswert  ist,  dass  4  Herren 
V,  En  seil  ringen  Kapitäne  auf  Liclitenl)erg  waren. 

Ueber  die  Herren  v.  CaUenstein  tindet  sich  in  der  Lit- 
leratur  nichl>5,  nicht  einmal  der  Name.  H!n;jej:pn  fallt  sofort 
die  Aehnlichkeit  dieijes  Namens  mit  demjenigen  eineü  woiilbe- 
kannten  alten  Adelsixesehlechtes  auf,  nämlich  derer  v.  Slein- 
calleiifels.  In  der  Tliat  stehen  die  Ijeideu  Familien  mit  einander 
in  Beziehung,  und  zwar  begründet  sieb  die  Enlstehuug  des 
Namens  Gallenstein  auf  die  persönliche  Tapferkeit  eines  braven 
Offiziers,  auf  die  Verdienste,  welche  ein  hervorragender  Vertreter 
des  elsässischen  Adels  in  schwerer  Zeit  und  auf  blutigem  Schlacht- 
feld um  Kaiser  und  Reich  errungen  hat.   Und  das  kam  so. 

Georg  Jakob  v.  Steincallenfells,  dessen  Familie  bekanntlich 
seit  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  in  Assweiler  ansässig  war^ 
stand  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  in  österreichischen  Militär- 
dien-t'ri  Er  machte  den  Krieg  gegen  die  Türken  mit  (1688^ 
— yu)  und  hatte  das  Unglück,  in  türkische  Gefan;^^en.schafl  zu 
geraten.  In  die  Gefangenschaft  begleitete  ihn  freiwillig  Justina 
Anna  Franziska  Cacilia,  Tochter  des  österreichischen  Lieutenants 
Franz  Wursten  aus  Schwellüll  in  Oesterreich,  mit  welcher 
Herr  v.  Steincallenfels  bis  dabin  im  Einverständnis  mit  ihren 
£ltem  zusammengelebt  hatte.  Sechs  Jahre  lang  achmachteta» 
die  beiden,  bis  ihnen  die  Freiheit  wiedergegeben  ward.  Herr 
V.  Steincallenfels  trat  wieder  in  kaiserliche  Dienste  und  focht 
mit  Auszeichnung  in  der  Schlacht  bei  Höchstddt  (i704),  wo  er 
zahlreiche  Verwundungen  erhielt.  Zuletzt  stand  er  als  Oberst- 
lieutenant im  Kürassierregiment  Lobkowitz.  Nun  ^'ar  Georg 
Jakob  V.  Steincallenfels  in  rechtmässiger  Ehe  niemals  ver- 
heiratet, während  aus  seinem  Verhältnis  mit  Jiistina  Wursten 
zwei  Söhne  eiitspros'«en  wjtren,  .\ls  er  dann  im  Jahre  1700 
in  Folge  seiner  Verwun'iungen  und  vor^escliritlenen  Allers  aus 
dem  Militiirdienst  ausscheiden  rnussle  und  keine  Hoünung  mehr 


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bestand,  dass  er  noch  eheliche  Nacbkommenschafl  erteugen 
wurde,  erwies  ihm  Kaiser  Joseph  I.  die  Gnade,  dass  er  jenen 

beiden  unehelichen  Söhnen  einen  Adelsbrief  ausstellte.  Derselbe 
ist  datiert  vom  5.  April  4709  und  verleiht  den  erwrlhnlen 
Kindern  den  Namen  »'.  CallenAtein  mit  allen  Vorrechten  des 
Adel*.  In  dem  Briefe  sind  ausdrücklich  die  Verdienste  Geor{f 
Jakobs  V.  Steincallenfeh  um  die  osterreichisclie  Kmiio  in 
30jähri;j[er  Dienstzeil  annkniint.  Auch  ist  hervor^elioben,  das.s 
der  Gros^vriter  der  Ix'idcn  Kimlor  vttn  luülfei  licher  Seite  18  Jahre 
gedient  hatte  und  das.s  das  Kmassierrejiiment  Lobkowitz  zum  Theil 
aus  der  Herrschaft  Assweiler  gezogen  war.  Folgendes  Wappen 
Wurde  von  Kaiser  Joseph  I.  fGr  die  Herren  t.  Gallenstein  festgesetzt. 


Ein  auf  einem  Wappenmantel  ruhender  Schild,  in  dessen 
blauem  Feld  ein  gekrönter  leopardierter  Löwe  erscheint,  der 

mit  der  rechten  erhobenen  Vorderpranke  eine  sechsgliederige 
Kette  (die  (i  Jahre  Gefan<;enschafl),  mit  der  linken  ein  mit 
seinem  Ende  den  Boden  berührendes  Schwert  hält,  üeber  dem 
Schild  ein  Helm  mit  oflenem  Fhi^^  und  Helmdecke.  Aus  dem 
Wappenmantel  wächst  ein  gekrönter  Doppelnd h.T  mit  Srepfer  in 
iler  rechten  und  Schwert  in  der  linken  Klaue  lierv<ir.  Dieses 
Wappen  hat  mit  dem  Steine alltMifel^ischen  nichts  ijemein. 

Georg  Jakob  v.  Sleincallenlels  beschloss  seine  Tage  in  Ass- 
weiler und  hatte  die  Justina  Wursten  dahin  mitgenommen, 
ohne  dass  es  jedoch  zu  einer  recbtmilssigen  Ehe  gekommen  wäre. 
Die  beiden  Brfider  v.  Gallenstein  siedelten  sehr  bald  nach  Ing- 
weiler Ober,  und  ihre  Mutler  schktss  sich  ihnen  an.  Letztere 
ist  in  2  Ingweiler  Taufakten  vom  20.  August  1717  und  6.  Ja- 
nuar 1718  als  Patin  erwähnt,  und  zwar  eigentündicher  Weise 
mit  der  Bezeichnung  cDomina  de  Gallenstein»  ohne  den  sonst 
riomnis  fehlenden  Namen  des  Mannes.  Sie  starb  zwischen  1724 
und  1746.  Die  beiden  evangelischen  Brüder  Johann  Jakob  Con- 


—  118  — 


stariliti  und  Fj  uiz  J.xopli  Alhicclil  »ahmen  den  Glauben  ihrer 
Mutter  an  und  wurden  kalhulia.ch,  der  letzlere  im  J;ilii  1711. 
Es  ist  wohl  gewiss,  dass  sie  nun  einüussreiche  Stützen  des 
Kütholizismus  wurdeo  zu  einer  Zeit,  wo  dieser  sich  aufs  Neue 
in  Infi^weiler  auszubreiten  hegann,  und  hierzu  trug  nicht  wenig 
die  Heirat  Gonslantins  mit  einer  Verwandten  des  Pfarrer» 
Baldecky  eines  eifrigen  Proselylenmachers,  bei.  Nfthere  Bezieh- 
ungen derer  v.  CalleDStein  zum  hanauischen  Hof  bestanden  nicht. 
Sie  waren  anfänglich  die  einzigen  katholischen  Edelleute  in 
Ingweiler.  Erst  bei  dem  Ueliertritl  der  Herren  v.  Schmidlburg 
zum  Katholizismus  um  1730  traten  ]ie'u\o  Fnrnilien  in  engere 
Bt^i-fihrun;:.  Dies  ist  auch,  al»;_'^es»'hen  von  wenigen  an;^eheirateteii 
VeiUetern  des  Adels,  das  einzige  Adelsjiesrhiecht,  welches  mit 
denen  v.  Gallenstein  in  intimerem  Familienverkehr  stmd.  Ein 
bedeutendes  Besitztum  hat  <iio  Fauiilie  nie  gehabt,  auch  ver- 
sah ein  einziger  ihrer  Augehüiigeii  Militärdienst.  Mehrere  Ver- 
treter waren  des  Schreibens  unltundig. 

Nach  den  Ereignissen  von  1789  blieben  die  v.  Gallenstein 
in  Ingweiler  und  l^en  die  Adelspartikel  ab.  Jedoch  war  das 
Standesbewusstsein  schon  vorher  geringer  gewesen,  denn  einige 
von  ihnen  unterzeichnen  sich  als  Taufzeugen  ohne  die  Adels- 
pfii  tikt  !  (Franz  Ludwig  23.  Juni  1754,  Francisca  17.  März  1760 
und  Bernhard  2.  Juli  1769).  Das  gegenseitige  Patenverhältnis, 
worin  sie  mit  vielen  Familien  Ingweilers  a»is  allen  Berufsklassen 
standen,  eikliit  sich  ohne  Weiteres  aus  dem  Umstände,  fki^.* 
sämmtiiche  nachweisbaren  v.  Gallenstein,  mit  einer  einzigen 
Ausnahme,  Biagerliehe  heirateten.  Ei^^cntümiicher  Weise  ist 
wiederum  ein  Schneider  Namens  Duscli  auliallend  häufig  er- 
wähnt. 

Um  1774  war  ein  Vertreter  derer  v.  Gallenstein  nach  Ober- 
bronn übergesiedelt  und  wurde  der  Stammvater  einer  kinder- 
reichen Linie,  welche  s^ter  in  zwei  Zweigen  zu  Niederbronn 
blQhte,  wftbi'end  der  Name  zu  Ingweiler  ausstarb.  Nach  der 
Wiederherstellung  der  Monarchie  nahmen  die  v.  Gallenstein  die 
Adelspartikel  nicht  sogleich  wieder  an.  KvM  ^^pälei  wurde  den 
Stammv&tern  der  beiden  Niederbronner  Zweige  die  Adelspartikel 
wieder  zuerkannt,  und  zwar  dem  Franz  Jof?ej)li  durch  Urteil 
de*;  Tribunal  de  premi^re  instance  zu  W^eissenbui'^^  vom  Au- 
^'ust  18ki  und  dem  Jakob  Augustin  durch  Urteil  (b's  <ileicliei> 
(iericli'sliofe-i  vom  '25.  März  ISIT.  Auf  Grund  dieser  Urteile 
wurden  samnit liehe  Standesurkunden  bis  181 1  zurück  in  Nieder- 
bronn reklitiziert,  und  seit  185i  bis  zum  heuti;:eu  läge  sind 
die  zahlreichen  Urkunden  in  den  dortigen  Givilstandsregistern 
mit  der  Adelspartikel  versehen.  Der  Stammbaum  dieses  interes- 
santen Geschlechts,  welcher  wegen  der  Lückenhaftigkeit  der 


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katholischen  Kirchenbüchei-  zu  Ingweiler  erst  von  der  Milte  des 
vorigen  Jahrhunderts  ab  vollständig  sein  kann,  gestaltet  sich 
im  Einzelnen  \vi.>  folfrt. 

I.  Johann  Jakuli  < 'nnstantin,  Tz.  U\.  Februar  1710,  l«'lit 
18.  Februar  1723,  Ü.;  Maria  Mar};areth:i  BiMwk,  vermullich 
Schwester  de?<  kalh.  Pfarrers  Michel  Bulileck,  welcher  von 
Au^^usl  17iü  bis  mindestens  17ii  zu  Ingweiler  amtierte.  Diese 
lebt  20.  Juni  1724.  Kinder  :         •  • 

I.  Maria  Francisca,  *  18.  Februar  1723. 

2»  Maria  Sophie,  G.:  Karl  Wilhelm  Hoym,  Major  im 
kgi.  französischen  Fretcorps  «Volontaires  Royauxi,  welcher  von 
16.  Oktober  1749  bis  20.  Oktober  1752  in  Ingweiler,  am 
31.  August  1755  aber  nicht  mehr  dort  wolint.  Kinder: 

a)  Johanna  Mnria  Sofdiie  CliiisHane,  *  3.  Marz  1750. 

b)  Christian  (ihristoph  Michel,  *  7.  .April  1751. 

c)  Francisca  Catharina  Kejjina,  *  20.  Oktober  1752. 

d)  Caroline  Francisca  Sophie,  *  'M.  Au;,ni.st  1755. 

e)  ein  totp'j  Knäblein  (Fi  üh^'^ohiirl),  *  25.  April  1756. 

II.  Frau/  Josi'ph  Albrechl,  Btutler  des  von^ien,  Lieutenant 
im  Kegiiiient  iu>yal-.\lsace,  wohnt  später  in  Inj^'ueiler  und  tiilt 
<Iaselbst  1711  zum  Katholizismus  über,  G.:  Kutharin«  losl, 
welche  8.  November  1729  katiiolisch  wurde,  so  dass  anzuneh- 
men ist,  dass  sich  die  Heirat  unmittelbar  an  den  Uebertritt 
anschloss.  Franz  Joseph  lebt  12.  Dezember  1747.  Kinder : 

1.  Maria  Francisca,  Tz,  19.  Oktober  1747,  G. :  1)  Franz 
Bruno  Fagat,  Gerichtsbote  zu  Ingweiler.  2  SOhne,  *  1756  und 
[1T)>(.  2)  Miclit'I  Herzog,  Zimmermann  zu  Ingweiler.  2  Kinder, 
*  17üi  und  1707.  Beide  Ellern  leben  1777. 

2.  Maria  .Anna,  kann  nicht  .schreiben,  Tz.  ledi^'^  18.  .Mai 
1749,  G.;  Johann  Jakob  Cayrr;!,  S.  des  ^'leichnami^en  Schult- 
heissen  (1737)  zu  W^inbur«:,  riiinir^j;  uihI  in  in^iwcilei"  wohn- 
halt  2IJ.  August  17.j(J,  (^hirm  ^neii-iiiajcir  im  Srliweizerre^jiment 
Reding-Suisse  in  k<„'l.  iraiizosist  hcn  iiienstt'u  (18.  Ffhruar  1758), 
Von  seinen  9  Kindern  wurden  2  Sjohne  Cliirurijen.  Der  ältere, 
Jobann  Jakob,  stand  als  Chirurgien  1.  Oktober  1777  beim  Ke- 
giment  Royal-Alsace,  erhielt  1786  das  Diplom  als  cmädecin  et 
Chirurgien»,  wird  sogar  im  trockenen  Amtsstyl  der  alles  gleich- 
machenden Republik  am  26.  Frimaire  V  (=16.  November  1796) 
als  berQhroler  Cbirui^us  bezeichnet.  Vater  von  5  Kindern.  Der 
Name  der  Gayrel  ist  in  Ingweiler  erlosrlu  n,  jcdrx  h  Iiosteht  die 
Erinnerung  an  ihre  segensreiche  ärztliche  Thätigkeit  l>ei  alteren 
Leuten  nf»ch  weiter. 

3.  IJernhnrd  (s.  u.). 

4.  Jakob  Franz  Fudwi-  (<.  ii.). 

5.  Charlotte,  *  174Ü,  f  10.  Juni  18 11,  kann  nicht  schrei- 


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ben,  0. :  Johann  Goorg:  Ostheimer,  Töpfer  in  Injrweiler  (*  12, 
Dezeniber  17.?^,  f  15.  Marz  1809),  dorn  sie  5  Kinder  gebar, 
wovon  das  älteste  *  18.  Februar  17Ü8. 

B.  Franz  Joseph,  *  25.  SeplernbtT  1747. 

IIIA.  Bernhard,  *  1744  oder  174'>,  Ackersmann  in  Ing- 
weiler, spAter  Fuhrmann,  wohnt  «im  Entenpfuhb,  f  10.  Juni 
1816,  6. :  1)  Maria  Anna  Arth,  T.  eines  Ackersmanns  in 
Bitschhofen.   2)  vor  1789^  Therese  Eckert.   Beide  Eheleute  tot 

8.  August  18S5.  Kinder : 

1.  Johann  Michel  Jakob,  *  2.  Juli  1769,  Ta^lOhner  in 
Inp^weiler,  wohnt  vor  dem  Ol)erthor  an  der  Hauptstrasse.   G.  : 

1)  Maj^dalena  Korb.  2)  16.  Juni  1802  Maria  Srhmitt,  ♦  1780, 
T.  <ies  Brennmeislers  auf  der  ZiegelhOtte  bei  Ingweiler.  Erstere 
gebar  ihm  : 

a)  Franz  Josppb,  ♦  3.  Au^-ust  1709,  f  7.  Juni  1W0. 

2.  Franz  Jose|»h  Bcrnliard,  *  27.  Do/.piriber  1770,  f  im 
Feld  bei  Inj^weiler  während  eines  epileptischen  Anfalls  13.  Mai 
1793. 

3.  Maria  Salome,  *  5.  Februar  1773. 

4.  Maria  Magdalena,  *  27.  Februar  1774,  f  24.  Februar 
1837,  G.:  Joseph  Martin,  cJugendlehrer»  in  Ingweiler,  *  1763 
zu  Merzheim  oder  Momzheim  in  Bayern,  f  13.  November  1833. 

5.  Maria  Anna,  •  1777  oder  1778,  f  10.  August  18n6,  G. : 
90.  April  1805  Johann  Drouard,  Kufer  in  Ingweiler. 

6.  Therese,  *  4.  August  1789,  G. :  8.  August  1825  Georg 
Anton  Futterer,  Sattler,  später  Strassenwärter  in  Tn^rwoiler, 
*  9.  Januar  1778  zu  Rotenburg  am  Neckar,  f  17.  März  1851. 
Ein  Nachkomme  iel)t  noch  zu  Ingweiler. 

7.  Bernhard,  *  25.  Okfobor  1701.  f  1.  März  1795. 

8.  Franz  Joseph,  *  3.  Dcz«Miiher  1795,  f  21.  Juli  1822  im 
Hötel-Dieu  zu  Douai  als  Canonier  de  la  3"  Compagnie  du  1«' 
Regiment  d'Artillerie  ä  cheval. 

HIB.  Jakob  Franz  Ludwig,  *  Juni  1747  in  Ingweiler, 
Reiter  in  der  Maröchauss^  31.  Okiober  1774  und  9.  Oktober 
177&,  1785  nach  27-  oder  28-jähriger  Dienstieit  als  Reiler  pen- 
sioniert, wohnt  seit  1774  in  Oberbronn,  1787  Krämer,  spfiter 
Kommandant  der  National ;;arde  daselbst.  Während  der  R  v  - 
lution  emigrierte  er  eine  Zeil  lang,  ward  aber  am  22.  Juni  1803 
mit  «:pinpr  Fraii  und  6  lobenden  Kindern  amnestiert,  f  4.  Au- 
gust 1803.  G.:  1)  31,  hntinr  177i  Maria  Ma^fdalena  Wächter, 
T.  eines  Ackersmanns  iii  Kinzweiler,  t  21.  November  1774. 

2)  Maria  Ma<jdalena  Doufflong,  *  1753,  Dalum  der  Fhebereilung : 

9.  Okiuber  1775,  T.  eines  Krämers  in  Walk,  f  18.  Februar 
1830  in  Niederbronn.  Kinder : 

1.  Franz  Balthasar,  *  31.  Oktober  1774,  f  13.  November  1774. 


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2.  Katharina  Magdalena,  *  1.  August  1776,  f  >n  Philipps- 
liurK,  tot  20.  iVfärz  1829.  G.:  25.  April  4803  Ludwig  Loren« 
Wiedei  hold  (*  28.  Dezember  1773),  cpensioniert  und  retinerter 
Militär»  in  Oberbronn,  zog  spSitei  nach  Niederbronn,  wo  er 
eine  zweite  Ehe  einging  und  als  Taglöhner  f  13.  März  1837. 

3.  Georg  Ludwig,  ♦  1778,  erst  Uiirmacher  in  Oherbronn, 
später  Sandgiesset  in  Niederbronn,  f  iedig  5.  November  1837. 

4.  Franz  Joseph  (s.  u.). 

5.  Maria  Franziska,  ♦  4.  August  1785.  f  4.  April  1787. 

6.  l'ianzislia  Barbara,  *  Mai  1787,  G. :  It».  September 
1806  Jakob  Specht,  Leinenweiser  in  Wittersheim.  Dieses  Ehe- 
paar scheint  jedoch  nicht  zu  Wittersheim  gewohnt  zu  haben. 

7.  Cornelius  Jakoh,  *  2.  April  1789»  tot  22.  iuni  1803. 

8.  Ignaz  Martin,  *  29.  Härz  1791,  tot  22.  Juni  1803. 

0.  Ludwig  Ignaz,  *  25.  August  179»,  f  5.  März  1799. 

10.  Jakob  Augustin  (s.  u.). 

11.  Fi  MHZ  oder  Joseph*  Bei  AuMhlung  der  6  Kinder  am 

22.  Juni  1803  is(  ein  Franz  und  ein  Joseph  genannt.  Der  eine 
der  beiden  ist  der  iinU'r  4  erwrilmte  Franz  Joseph,  der  vor- 
li^ende  mufss  dann  noch  einen  zweiten  Namen  gehnbl  haben. 

12.  Bernhard,  erwähnt  22.  Juni  180.'^.  Die  Familiontradition 
kennt  diesen  nicht.  Wenn  auch  nicht  nii.>igeschlüi>.-;en  i.Nl,  dass 
er  verzog  und  anderswo  Name  und  Familie  fortpilauzte,  so  ist 
doch  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich,  dass  er  schon  als  Kind 
starb. 

IVA.  Franz  Joseph,  *  25.  Män  1780  zu  Oberbronn, 
26.  Februar  1806  Handelsmann  daselbst  und  ledig,  6.  August 

1814  Uhrmacher  in  Niederbronn,  f  daselbst  11.  Mai  1854.  O. : 
Elisabeth  Menner,  Tochter  eines  in  Ingweiler  wohnhaften  Ge- 
richt svotiziehers  aus  Cengen  (?)  «in  Deutschland».  Kinder  : 

1.  Eii'^nbetb,  *  6.  August  1814,  Rentnerin  in  Strassburg, 
t  1890  ledig. 

2.  Joseph,  *  23.  Februar  1816,  Uhrmacher,  später  llontnor 
in  Metz,  f.  G. :  13.  November  1846  Marie  Gastor,  Rentners- 
tochter, Kinder : 

a)  Feli.\,  *  August  1847,  f  18.  Februar  184U. 

b)  Josephme,  *  19.  Mfirz  1851,  f  14.  December  1^7. 

c)  Clementine,  *  21.  Oktober  1855,  f  13.  November  1872. 

3.  Adelheid,  *  25.  September  1818,  war  zuerst  im  Kloster 
zu  Oherhronn,  trat  dann  aus  und  starb  als  Rentnerin  in  Hetz. 

4.  Au;jrustin,  *  25.  September  1818,  Uhrmacher  in  Nieder- 
hronn,  f  20.  Januar  1881.  G. :  1)  13.  September  1853  Josephine 
Breuer,  ♦  182:5,  T.  eines  ehemaligen  Försters  in  Rott,  f 
28.  August  1854.  2)  2.  Fehi-nr,r  1858  Maria  Ma^rdalena  Weis», 
*  1828,  Tochter  eines  Schusters  in  Niederbronn.  Kinder  : 


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a)  August  Joseph,  *  t>-i.  Juni  1S54,  f        Juli  1854. 

b)  Maria  llil.efte,  *  2.  Au;,ni^t  185^1,  f        August  1^59. 
r)  Joseph  Augu.^l,  *  lt2.  Au;,hi>I  1860,  Uhrmacher  in  Nieder- 

broaa.  ('..:  11.  Juni  18Ö3  Katharina  Saling,  Wirtslochler  aus 
EgelsharUl.  Kind  : 

a)  Maria  Augusta  Gabriele,  •  24.  März  1894. 

d)  Josephine  August  ine,  *  13.  Oktober  1861,  f  10.  April  1862. 

e)  Franz  Felix,  *  27.  Mai  1863.  f  21.  Juni  186a. 
0  Felix  Franz,  *  3.  Mai  1865,  f  26.  Mai  1865. 

g)  Lucas  Eroif,  *  24.  September  1866,  Uhi*fnacher  in  Nancy, 
G.  :  Aprill884Justine  Gustin, T.  eines  Gutsbesitzers  in  Epinal. 

h)  Maria  Magdalena  iosephine,  *  5.  August  1868,  f 
20.  August  18^8. 

5.  Felix,  *  ;iO.  Mai  18^20,  f^?.  Oktober  1843  ,U  TaiulK)ur- 
major  bei  einem  Gnrde-Inf.iiiterie-Re'iiiin'tit  zu  bl.-Etiemie. 

(».  Helene,  *  ^>0.  Dezember  1821,  G. :  Leinin^er,  Pa^teten- 
backer  in  Sti as?:bnr;r,  vei-zog  später  nach  Paris,  wo  beide  ver- 
schollen sind,  "i  Mailcheji. 

7.  Franz,  *  9.  März  1824,  f  21.  April  1826. 

8.  Franz  Xaver,  ^  9.  MSrz  1827,  Juwelier  in  Metz,  jetzt 
Rentner  in  Lilie.  G. :  2.  Januar  1855  Ursula  Castor,  Rentners- 
tocbter,  Schwester  der  G.  seines  Bruders  Joseph.   Kinder : 

a)  August,  *  31.  Dezember  1856,  Juwelier  in  Roubaix  ; 
G. :  15.  Juni  1891  Helene  Flinois,  *  10.  September  1866, 
Rentnerstochter.  Kind  : 

a)  Germaine,  *  21.  .\pril  1892. 

I))  Paul,  *  10.  lX'«.»ml)er  1867,  Juwelier  in  Lille,  ledig. 

9.  Anna  Maria,  *  5.  Mai  18:10,  f  18.  Februar  1839. 

10.  Lucas,  14.  Juli  1832,  f  ö.  März  18:13. 

IVB.  Jakob  Ausrustin,  ♦  28.  Februa»  17!)7,  Sandgiesser 
in  Niederbrunn,  f  13.  Dezeniber  1821.  G.:  .\nna  .Maria  Marck- 
reuter,  *  23.  August  1793  in  Jügerllial,  T.  eines  Schnielzer- 
meisters  auf  dem  Eisenwerk,     i2.  November  1863.  Kinder: 

1.  Franz,  *  19.  Februar  1822,  Sandgiesser  in  Nieder- 
bronn,  f  ledig  28.  Januar  1844. 

2.  Ludwig  August,  *  22.  Mai  1823,  Sandgiesser  in  Nieder- 
bronn, t  17.  Januar  1884.  G.:  7.  Februar  iS53  Magdalena 
Wollt  1828  oder  1829),  T.  eines  Ackerers  in  Niederbronn. 
Kinder : 

a)  Ludwig  Joseph,  *  21.  Januar  18r4,  f  22.  April  1869. 

b)  August,  *  1i.  August  18o5,  f  2:1.  Februar  1871. 

c)  .Viaria  Magdalena,  *  2o.  September  1857,  ♦  29.  AprillSoO. 

d)  Maria  Magdalena,  ♦  9.  April  186l\  f  2.  .Vpril  1866. 

e)  Franz  Ludwig,  *  i.  Juli  1862,  f  18.  Dozeml»er  1805. 
()  Maria  Rosine,  *  18.  Juni  1864,  im  Kloster  zu  Nancy. 


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—    123  — 


g)  Maria  Aana,  *  25.  Oktober  d866,  f  6.  Januar  i870. 
b)  Maria  Elisabeth,  *  26.  März  i869,  f  16.  April  1870. 

i)  Ludwig  Josepii,  *  20.  Mai  1870»  Beamter  auf  der  Glas- 
hütte zu  Münzthal,  hiVi'j!;. 

k)  .Maria  Anna,  *  5.  Februar  1873,  f  27.  Februar  1873. 

3.  Elisabeth,  *  20.  Dezember  182^4,  f  zu  Oberbronn  im 
Kloster.  —  Al)^^psch!n^«:r'n  am  20.  Mai  1897.  — 

Nachdem  nun  die  in  In;,'\veiler  ansässig  {re\vo.-?enen  Adels- 
faniilien  beleuchtet  worden,  erübri;:t  es  nor!i,  eine  .Vnzahl  kurz 
gefasster  und  zum  Teil  kritiscii  gehallener  Mitleilungeii  in  Form 
von  Collectaneen  cnzuschliessen,  die  aus  dem  erwähnten  Akten- 
material herausgezogen  sind.  Auch  hier  habe  ich  mich  bemüht, 
bloss  Neues  zu  bringen,  und  manches  mag  vielleicht  einmal  den 
Fachmännern  auf  diesem  Gebiet  eine  willkommene  Ergänzung 
oder  Bestätigunjs  ihrer  Notizen  bilden. 

i.  a)  Philipp  IV.,  Graf  v.  HanaU'Lichtenberg,  «  21.  Sep- 
tember 1514,  t  in  Lichtenberg  und  in  der  dortigen  Schloss- 
kirche begr. 

b)  Philipp  IV.  hatte  ausser  dem  späteren  Grafen  Philipp  V. 
noch  einen  Sohn  Namens  Philipp  Ludwig.  Dieser  ist  29.  August 
1573  ohne  Zusatz  als  Jr.  Philips  Ltidwig  v.  Hanau  erwähnt.  Am 
25.  Januar  1579  ist  er  Obt'i anitmann,  «iesgl.  8.  .lanuar  1598 
und  9.  November  1600.  Seine  Gem.  hie.ss  Uegina  und  ist  am 
5.  Okloher  1575  und  31.  März  1577  erwähnt. 

c)  PliilippV.  j  in  Niederbronn,  «al.s  iro  Gnaden  zu  Nider- 
brunn  etliche  wenige  wochen  gebaden,»  und  ward  begraben  zu 
Lichtenberg. 

d)  Katharina  v.  Wied,  die  2.  Gem.  Philipps  V.,  f  zu  Lich- 
tenau und  wurde  in  der  Ingweiler  Kirche  begraben. 

e)  .Agathe  v.  Limburg,  3.  Gem.  lund  Witwe  Philipps  V., 
lebt  ü.  Januar  ir»02. 

f)  Eleonore,  Schwester  Johann  Reinhards!.,  lebt  ledig  1G08. 
;.')  Agathe  Maria,  T.  .Johann  Reinhards  I.  und  Gem.  Georg 

Friedri''hs  v.  Rappolt^tein,  lebt  25.  Sepleml»er  1631. 

h)  F*hilipp  Wolf^aii-  f  im  Schloss  zu  Buchs weiloi. 

i)  Johanna  Magdalena,  T.  Johann  Reinhards  IL,  lebt  ledig 

5.  Dezeniliei-  1077. 

k)  Loui.se  Siplne,  ihre  Schwester,  verm.  mit  Friedrich 
Ludwig  V.  Nassau,  leb!  5.  .luli  1099. 

Es  l'ol|:l  zunach--?!  der  alte  t'U.i-^sische  .\del. 

2    Maria  Elisabeth  v.  Bet'ckheim,  geb.   v.  Stein,  lebt 

29.  Uktnijer  lti67. 

3.  Franz  .\nton  v.  Bii'ckivald,  Mnjor  im  Regiment  Royal- 
Alsace  5.  Juli  1099,  wahrscheinlich  identisch  mit  Franz  du 


f 

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—   124  — 


Perrier  v.  Birckwatd^  den  Lebr  ohne  Angabe  der  Jahreszahl 
4\s  Bataillonschef  im  Regiment  Royal-Danois  erwähnt. 

4.  a)  Johann  Ludwig  BöckHn  v»  BocklimaUt  wohnt  in 
Ingweiler,  jedenfalls  im  Schloss,  um  HjOO.  F.-  i  t  ii  <  Iit  der 
Johann  Ludwig,  den  Kindler  v.  Knobloch  (ol)erb;i(l.  Geschlechts- 
buch 1,  "2 ;  1b94)  als  den  Stifter  der  Linie  zu  Bischheim  er- 
wähnt, noch  i^e'in  ^leichnamii,^er  Sohn  7u  Hüttenheim,  sondern 
<ier  :iut  Tat.  I,  S.  133  «Twähnle  Johann  Ludwig-,  dessen  Frau 
l^rsida  Heiid>old  v.  Hagenau  richtig  genannt  ist.  Diese  f  20.  Sep- 
tember l(j<_)0  zu  Ingweiler  und  liegt  aut  dem  Kirchhof  hei  dem 
Cnuiiix  begialien.  Sie  hinlerliess  2  Tochter,  Esther  Susanna, 
*  1597,  und  Hosina  Margaretha,  *  in  Ingweiler  und  get. 
10.  April  ItfOO. 

b)  Magdalena  Ursula,  G. :  Johann  Jakob  v.  Bernbold,  lebt 
-21.  Dezember  1652. 

c)  FrSulein  Margaretha  Magdalena  29.  Oktober  1667. 

d)  Dorothea  Sophie,  geb.  v.  Kreyelsheim  (soll  wohl  heissen 
•Crailsheim)  17.  April  1706. 

5.  Die  «all  Colmarin»,  Hofmeisterin  zu  Buchsweiler  6.  Ja- 
nuar 1G02.   Es  handelt  sich  vielleicht  um  die  Witwe  des  nach 
Kindler  v.  Knobloch  15^0  f  Hieronymus  Christoph  v,  Colmar^ 
■des  letzten  des  Mannsstammes. 

6.  Anna  Maria  v.  Geispitzheim.,  westerburgische  HoQung- 
frau  zu  Uauschenhurg  2.  April  ItiiO  u.  22.  Juni  1G41. 

7.  a)  Die  \Vitwe  von  Dionysius  Gremp  v.  Freudemiein 
iebt  8.  Januar  l.VdS. 

b)  PhiHpp,  Tz.  17  Juh  1(103. 

c)  Wilhehn  (iiientisch  mit  dem  vorigen?;  Tz.  5.  August  1Ö04 
4ind  8.  Marz  lüÖ7. 

d)  Christoph,  Anilmana  zu  JJuchsweiler  11).  September  1027. 

e)  Susanna  Elisabeth,  Tz.  ledig  3.  Juli  1064. 

f)  Johanna  t.  Oberkirch,  geb.  Gremp,  lebt  15.  Juli  1666. 

g)  Magdalena,  geb.  v.  Glaubits,  lebt  29.  Oktolier  1667. 

h)  Philipp  Friedrich,  im  iCktllegio  llluslri»  2U  Tubingen 
5.  Februar  1091. 

i)  Luise,  Tz.  25.  Oktober  1700  u.  4.  Mai  170a,  ledig  in 
^uchsweiler. 

8.  Nikolaus  fakob  I.  Ilaffner  V.  Wasslenheim.,  Amtmann 
•in  Westhofen  31.  August  1002  u.  3.  Juli  1004.  Seine  Kinder: 
Dorothea  Sibvlle  Sophie,  II,  Apiil  1607  noch  nicht  konfirmiert, 
4ind  Johann  Jakob,  12.  April  1008  noch  nicht  konfirmiert. 

0.  Johann  Mathias  r.  llaindeL  30.  Mai  1703  u.  17.  April 
17u()  liauauiscber  Geheimer  Hat  und  Hofmeister  zu  Buchsweiler. 
5ein  Vater  hiess  Woltgang  Christoph. 


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—   125  — 

10.  Cuno  t;.  Mittdhausen  lebt  za  Buehsweiler  12.  Juni  1572^ 

19.  Oktober  1578  und  nc»ch  27.  Junt  1507,  toi  8.  Januar  1398. 
Seine  Witwe  Eva  v.  Wangen  lebt  noch  daselbst  13.  Noveni' 
ber  1603. 

11.  Susanna  Elisabeth  Mueg  v.  Booftzheitn,  Frau  des 
Rittmeisters  Philipp  Jakob  Voltz  v.  Altenau,  lebt  5.  Juli  1ÜÜ9^ 

12.  a)  Johann  Wolfgang  i\  Rathsamliausen  zu  Ehenweiher^ 
nach  Lolir  ♦  16(>'2,  am  5.  Dezember  1677  stiid.  phil.  in  Slrassbiirg. 

h)  Sophie  Dorothea  N.,  G.  von  Jakob  Sinison,  lebt  6.  März1702. 

13.  Jakob  Stunn  v.  Sturmeck  wohnt  26.  Oktober  1606  zu. 
Breuschwickersheim. 

14.  a)  Johann  P^ter  Wetze!  v.  May^^ilieiiy  pfalz-bii-cken- 
leldisclier  Ilofniei-h  r  und  Rath  zu  üeudertheim  5.  JuU  1699- 
und  27.  Dezember  17ol. 

b)  Maria  Friederike  Qual  (?),  jjeb.  Welzel,  Tz.  27.  De- 
zember 170J. 

c)  Dorothea  Symphoria,  Tz.  ledig  27.  Dezember  1701. 

15.  a)  Wirich  vom  Stehle  dessen  Witwe  Anna  Stälj» 
f  in  Strassburg  25.  August  1575,  begr.  sa  Ingweiler. 

b)  Wirich  V,  Bruel  (alias  Brie!  31.  Augast  1576,  BQel^ 

20.  Juli  1600,  Bühel  8.  Juni  1585)  gen.  Speckesser,  Burgvogr 
von  Philippsburg,  f  28.  Juni  1585,  begr.  in  Ingweiler,  G. : 
1)  Margarethe,  j  'M.  August  1576,  he^r.  in  Ingweiler«  2)  Bar- 
l>ara,  f  10.  Dezomlter  158(3.  Seine  T.  Baibara,  Tz.  ledig  16. 
April  1600  und  20.  Juli  Um.  Kindler  v.  Koobloch  gibt  Wirich 
V.  Erlenburg  1554  als  Letzten  seines  Namens  an.  Die  W'iricb 
vom  Stein  und  v.  Bi  nel  scheinen  in  der  I.ittPiatnr  nicht  bekannt 
zu  sein.  Jedoch  wäre  es  auch  nicht  uimioj^dich,  dass  Wiricl> 
als  Vornarne  anzusehen  wäre,  womit  IVeilicli  die  Erkhlrung  der 
Herkunll  »lieser  ilerrun  noch  grössere  Schwierigkeiten  böte. 

lü.  a)  Anna  Wurmser  v.  Schafftolsheim,  T.  Jakobs  11,^ 
von  Lehr  nicht  erwähnt,  *  1517,  G.;  15(32  Wilhehn  v.  Weit- 
tersheim  (f  1574),  vrobnt  bei  Johann  v.  Waldtmanshausen. 
13.  November  1603,  -f  daselbst  5.  April  1605  und  auf  denv 
.  Kirchhof  zu  Ingweiler  vorn  am  Kreuz  begraben. 

b)  Amalie,  G. :  Jakob  Zorn  v.  Plobsheim,  lebt  als  solche- 
19,  September  1627. 

17.  a)  Franz  Jakob  Wurmter  v.  Vendenheirny  nach  Lehr 
*  20.  Mai  1C(>2,  wai  Rittmeister.  Seine  erste  Gem.  Katharina- 
Elisabeth  v.  Wachholz  lebt  5.  Juli  1099. 

b)  Friedrich  Jakob,  25.  Oktober  1700  hanaui.scber  Regier* 
UUgsrat  in  F^uchsweilei . 

18.  Fräulein  .Susanna  Clara  Zorn  v,  Plobaheim,  wohnt  ia 
Sirassburg  30.  Mai  1703. 


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—   12Ü  — 


19.  ;<)  Joiiann  GeoPi:  Zuckt/iante!  c.  Bmmath  war  li€i 
seiner  Veriiinlilun'^^  mit  Maria  Anastasia  Stüi'zel  v.  Bucbheim 
4.  Juni  1(350,  welche  in  der  Kirche  von  Winzenheim  im  Ko- 
chershcr^'-erland  staltfand,  noch  evangelisch.  Er  wohnte  bei 
Johann  Ludwig  v.  Landsperg  zu  Mutzig. 

b)  Ein  Fräulein  v.  Znckmantel  ist  7,  Juni  1685  als  eitrige 
Katholikin  zu  Winzenlieim  ti  waliiil. 

Ks  tülgen  mehrere  VerUeler  iiiclilelsässischer  deutscher 
Adelsfamilien,  von  denen  ein  Zweig  im  Elsass  ansässig  ge- 
worden ist. 

20.  a)  N.  V.  Buch,  G. :  vor  30.  November  1640  Agathe 
Maria  Krafft  v,  Waldtmanahausen,  tot  5.  September  1642.  Ihr 
äohn:  Philipp  Ludwig.  Tz.  25  Januar  4641,  lebt  23.  April  1663. 

b)  Philipp  Ltj<lwi;x,  hanauischer  Hofniel-ter  Uöd  Amtmann 
in  Wörth,  tot  6.  Marz  ITnj,  G. :  vor  23.  Jatiuar  l(i()9  Anna 
Barbara  Wurmser  v.  Vendenheim,  lebt  6.  März  1702.  ihre 
Kinder : 

a)  Agathe  Sophie,  G. :  Ferdinand  Ralllinsni-  v.  Lohen. 

ß)  Philipp  Ludwi-,  27.  I)ezeml)er  ITdl  uiul  6.  März  1702 
Lieutenant  im  riC-iuieuL  iluyal-Al.^ace,  1710 — 23  in  Sirassbuig. 

f)  1  riederiko  Dorothea  (alias  Dorothea  Maria  Magdalena 
und  Magdalena  Margaretha),  ledig  19.  Man  1692,  0. :  vor 
30.  Mai  1703  Johann  Christoph  v.  Oberkirch,  beide  leben 
i7.  April  1706. 

21.  a)  Wilhelm  Friedrich  v,  Dormentz,  lebt  29.  Oktober  1667. 
h)  Anna  Elisabeth,  Tz.  3.  Juli  1664,  wai*  eine  geb.  Boss 

V.  Waldeck,  vielleicht  aus  dem  hagenauer  Schoflengeschlecht, 
aus  welchem  Kindler  v.  Knoblocb  1561  Hans  in  Strassburg 
«rwähnt. 

22.  Georg  McinlKutl  Flach  r.  SchtvartzeiiUarg,  lianaui?Jcher 
Rat  und  Amtmann  zu  Plallenliufen  20.  Dezember  Ilik). 
Kneschke  erwähnt  ihn  unter  den  angeblicii  letzten  Vertretern 
<les  Geschlechts  am  .Vnfang  des  17.  Jahrhunderts  nicht. 

23.  Maria  Katharina  v.  Fleckenstein^  geb.  v«  Rathsam« 
hausen,  lebt  4.  Mai  1703. 

24.  a)  Philipp  Heinrich  Gayling  o.  Altheinif  Tz.  ohne 
Amtsbenennung  11.  Mai  1657  und  3.  Juli  16(>4,  am  14.  Okto- 
ber 1674  hanauischer  Rat  und  Amtmann  zu  Infi^weiler  und 
Keuweiler. 

b)  Seine  T.  Eva  Maria  Magdalt-na.  Tz.  ledig  14.  Oktober  1074. 

c)  Soiii  S.  fleim  ich  Dietrich,  Kapitän  im  Reimen t  Royal- 
Alsarc         Oktober  17U(>. 

d)  i^eui  Sohn  Philipp  Ciiii^toph,  hanauischer  Geheimer 
Rat,  Präsident  und  Oberjägeimeister  lü.  Februar  1689  —  4. 
Mai  17U3,  tot  17.  April  1700. 


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e)  Dessen  T.  Franüska,  Tz.  ledig  25.  Oktober  1700  und 
17.  April  1706. 

25.  a)  Enimericb  v.  Homberg,  hanauiscber  UoQunker  26. 

Oklül)er  um. 

b)  Gertrud,  peh,  Zorn  v.  I'hdj'-heim,  Tz.  14.  August  1031 
und  dasellist  nii  lit  Wilwe  {icnaiinl.  L<  muss  also  wohl  iiir  Mann 
Woirpan^'-  Dietri(  Ii,  «ier  Letzte  des  Geschlechts,  als  dessen  Todes- 
jahr Kiudler  und  Knobloch  1028  angiebt,  damals  noch  gelebt 
haben. 

26.  Die  V.  Kirchheim  waren  »ach  Knescbke  ein  altes  ful- 
daisches Geschlecht,  welches  später  auch  zu  dem  schwäbischen 
und  elsassiscben  Adel  gerechnet  wurde.  Aehnlich  Hellbacb. 
Siebmacher  und  Lehr  hingegen  geben  an,  dass  der  Adelsstand 
von  Kaiser  Ferdinand  III.  dem  sogleich  zu  erwähnenden  David 
V.  Kirchheim  verliehen  wurde.  Welche  von  beiden  Ansichten 
zutrifll,  lässl  sich  nicht  entscheiden. 

a)  David  v.  Kirchheim  war  15.  Dezember  1648  Oberamt- 
mann zu  Hurlü^vvt^ilei  T  23.  Seplcmliei-  1658  hanauischer  Rat 
und  Oberamtmann.  1  't.  Oktober  1674  dazu  not  h  Hof*iericlifs- 
präsident  in  Riu  h>\veilei .  G.  :  vor  22.  OktüLer  1650  Anna 
Yeioiiita  Suäautiu  v.  Muuchonijciuj  geu.  Bechtoldsheiui,  diese 
lebt  23.  April  1663. 

b)  Ihr  S.  Philipp  David  war  5.  November  1678  Amtmann 
in  Bntmath  und  vor  5.  Dezember  1677  verm«  mit  Maria  Sophie 
V.  Reischach. 

27.  a)  Ferdinand  Baltha>ar  i\  Löben,  Herr  zu  Obersulz- 
bach,  5.  Juli  1699  Kapitän  im  Regiment  Royal-Alsace,  f  16. 
Januar  1723  und  begr.  in  der  Kirche  zu  Obersulzbach,  wo  der 
die  Gruft  deckende  Stein  im  Glockenhaus  noch  heule  zu  sehen 
ist,  jednrh  ohne  Inschrift.  G.  :  1607  Agathe  Sophie  v.  Buch, 
*  15.  SeptemlnT  1672,  f  30.  Juni  1740  an  der  Wassersucht 
und  begr.  in  Obersulzbach.  Dort  sind  auch  folgende  Kinder 
geboren  : 

a)  Chri.slian  Reiidiard,  *  5.  Juli  1099. 

ß)  Philii>i>  Christoph,  *  25.  Oktober  1700,  wird  1729  ka- 
tholisch. 

Y)  Sophie  Barbara,  *  6.  März  1702. 

Charlotte  Maria  Magdalena,  *  30.  März  1703,  f  ^-  Ok« 
tober  1703  am  Schlagfluss. 

s)  Franziska  Salomea,  *  17.  April  1706,  lebt  ledig  12. 
JuU  1727. 

Z)  Magdalena  Elisa))eth,  *  3.  August  1708,  f  16.  Juni  1709 

und  in  Obersulzbach  be<:r. 

b)  Frie<lerike  Dorulliea  v.  l;i>tlieiiburu,  geb.  v.  Löben,  Tz. 
7.  Oktober  1742  und  27,  November  1743. 


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—   128  — 


28.  Johann  Heinri( ii  v.  Rechburgy  Letzter  des  strassburger 
Zweij^es  einer  hasler  Familie,  lebt  19.  September  1627« 

29.  Ernst  Ludwig  Röder  v.  Diersburg,  gewesener  Hof- 
nieisler  zu  Ol^erbronn,  vermählt  im  Schlnss  zu  Rauschenbur«^ 
«im  Beisein  vieler  voti  Adel»  29.  Mai  1(>(>2  mit  Maria  Juliane 
V.  Leininj^en-Rixiuj^ea,  «so  von  ilim  lioclischwaDger  gaogen  Uöd 
gleich  den  andern  Tajf  mit  ihm  forl^^'etnu^jst». 

'10.  a)  Heinrich  r\  Steincallenfels,  tot  23.  September  1605. 

b)  dessen  älteüter  Knkel  Johann  Heinrich,  pfalzgräthcher 
Amtmann  zu  Lützelslein  t>.  April  1G48  und  15.  Dezember  1G48. 

c)  Georg  Jakob^  wahrscheinlich  föUchlichei'  Weise  statt 
Johann  Jakob  dem  jüngeren,  Major  in  dem  in  kgl.  französischen 
Diensten  stehenden  weimaraniachen  Regiment  Oehm  31.  Mftrz 
1644,  30.  Januar  1645  und  15.  Dezember  1618. 

d)  Sarah  Elisabeth,  geb.  Helmstatt,  Tz.  19.  Oktober 
1651  neben  Anna  Juliane,  geb.  v.  Helmstatt,  der  Frau  des 
ebengenannten. 

31.  a)  Johann  Philipp  u.  SuUx,  aus  einem  schwäbischen 
Geschlecht,  Oberamtmann  lu  finchsweiler  10.  April  1600—8. 
JuU  1610,  G.:  Regina  N.  Kinder: 

a)  Anna  Pelronella,  Tz.  ledig  8.  März  1607. 

ß)  Nikolaus  Jakob,  ledig  28.  November  1633,  G. :  vor  SO. 
Januar  1635  Anna  Eva  v.  Waldtmanshausen,  bdde  leben  23. 
April  1663. 

b)  Maria,  Schwester  von  Johann  Philipp,  G. :  vor  8.  März 
1607  Johann  Werner  Brack  v.  Klingen;  dieser  tot  8.  Juli  1610 
und  war  vielleicht  ein  Sprosse  des  österreichischen  Ritterge- 
scblechts,  welches  Kreschke  bloss  bis  1526  kennt. 

32.  Johanna  Juliane  v.  Zedlitz^  Tz.  ledig  5.  Juli  1699  und 
27.  Dezember  1701,  jedenfalls  eine  T.  des  Strassburger  Statt- 
meisters Johann  Georg  aus  der  noch  blähenden  schlesischen 
Adelstamilie. 

Von  anderen  deutschen  A<lelsj,^eschlechlern,  die  sich  nicht 
nachweislich  dauern«!  im  F.lsass  nieder^^elassen  hahen,  sind  zu- 
nüclist  drei  Namen  aus  dem  riieiiilnndi-^chen  Adel  zu  erwähnen. 

;>:!,  a)  Wolt;,Mnj;  Plherhard  v.  Horneck,  *  zu  Oheringelheim 
aut  lUiein,  Hotmeister  des  Grafen  Philipp  Wolfgang  v.  Hanau 
1.  Januar  1(H)8. 

h)  Fräulein  v.  Horneok  22.  Juni  1641. 

34.  Maiia  r.  yrukircJien  gen.  V.  Nyienltaniy  Witwe  des 
Hauptmanns  Fehx  liueher,  wohnt  in  Menchhülen,  f  daselbst 
2U.  ULtoher  1597  nebst  zwei  Töchterchen  an  der  Pest. 

35.  Heinrich  v.  Weslphalen^  Jägermeister  zu  Philippsburg 


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17.  Juli  1603»  Oberjägermeister  13.  Dezember  1604»  G. :  De- 
mut V.  Flershdm,  diese  Tz.  17.  Juli  1603. 

36.  WeinoM  v.  Plettenberg,  Amimann  zu  Lichtenau  20. 
Januar  1635  und  26.  Dezember  1640,  aus  einem  westfälischen 

Geschlecht. 

37.  Anna  Maria  v.  Dorstadt,  Tz.  ledig  7.  November  1642, 
10.  November  1650  und  3.  Juli  1664,  vom  braunschweigischen 

Adel. 

;)8.  Johnnn  Dieliicli  i'.  Görnitz  gen.  Ster/fif^,  Alikormne 
oincr  preussischen  Familie,  Tz.  22.  Juni  UV'tl,  :M.  Miirz  1644 
und  15.  Dezember  lüi8,  G.  :  Anna  Amclia  v.  Rothenburg,  Tz. 
31.  März  1644  und  15.  Dezember  1648. 

39.  Ein  altes  Ihüt ingisdies  Adelsg-esciilecht  (Inden  wir  ver- 
Irelen  in  dem  hanauischen  Münzmeisler  Jakob  Dietrich  v.  Saat- 
feld^ welcher  vor  11.  Februar  1596  und  nach  10.  Juni  1599 
zu  Ingweiler  beamtet  war.  Am  10.  Februar  1600  hatte  er  seine 
Stelle  nicht  mehr,  zog  dann  nach  Hagenau,  wo  er  vor  21.  Sep- 
tember  1600  und  nach  13.  März  1603  ebenfalls  Münzmeisler 
war.  Er  starb  vor  9.  November  1606,  seine  Witwe  Dorothea 
heiratete  am  1.  Dezember  1607  Heinrich  Lorich,  Amtsschaffner 
in  Ingweiler. 

iO.  Einem  alten  sächsischen  Geschlecht  ^oliörte  Hartmann 
Wilhelm  v.  Holleuffer  an,  ein  S.  des  f  Jr.  Friedrich  v*  Hol-« 
leuü'er,  schwarzburgischen  IlotVneistors  in  Häringen.  Derselbe 
kam  1672  als  Diaronus  (Ptarrgehüife)  nacli  Ingweiler  und  hei- 
ratete 15.  April  1673  Susanna  Margaretha,  di<>  Tochtor  des 
unglücklichen  Pfarrers  Johann  Paul  Luck,  weicher  1685  durch 
die  französische  Regierung  4  Wochen  lang  zu  Hagenau  ins 
Gefängnis  gesetzt,  dann  verbannt  und  später  Studtpfarrer  zu 
Hanau  wurde.  Dieser  Ehe  entsprang  ein  Töchterchen,  Susanna 
Margaretha,  get.  5.  Juli  1674.  Im  folgenden  Jahre  kam  Herr 
V.  Holleuffer  als  Pfarrer  nach  Reitweiler  und  f  i679  bei  Samm- 
lung einer  Kirchensteuer  zu  Tönningen  in  Holstein.  Seine 
Witwe  heiratete  18.  Januar  1681  Johann  Gottfried  Kiel,  S.  eines 
Handelsmanns  zu  Pfaffenhofen. 

41.  Vom  sächsischen  Adel  ist  ferner  Jobann  Christoph  r. 
Ponickauy  königlich  polnischer  Rat  in  Sachsen  zu  Bombsen(?), 
Tz.  27.  Dezember  1701, 

42.  Aus  einem  meissenschen  Geschlecht  entspross  Anna 
Maria  r.  Starschedel,  Tz.  ledig  31.  März  1644. 

43.  Zur  reichsfreien  Ritterschaft  in  Schwaben  gehörten: 

a)  Johann  Ludwig  r.  Heimstatt,  Tz.  19.  Oktober  1651. 

b)  Anna  Juliane,  Tz.  ledig  22.  Juni  1641  und  31.  März 
1644.  S.  auch  Sleincallenfels. 

8 


—   130  — 

44.  a)Philibert  Graf  v.  Candell,  forstl.  Württembei|;i8elier 
iLmtmanu  zu  Nagell,  G. :  Amelia  Barbara  N.,  Tz.  6.  April  1648. 

b)  Anna  Barbara  GtüQn  zu  Candell,  geb.  v.  Aurbach  (die- 
selbe?), 3.  Juli  1664. 

c)  Johann  Mathias,  Geheimer  Rat  und  Hofmeister  zu  Buchs- 
weiler 4.  Mai  1703. 

Von  unbestimmter  Herkunft,  weil  mehrere  Geschlechter 
gleichen  Namens  existtren,  sind  folgende. 

45.  Hans  Christoph  v,  Bsryen^  Tz.  11.  Februar  1608. 

46.  Johann  Christian  u.  Fischer,  Führer  des  französischen 
Freikorps  cVolontaires  Royaux»,  vermählt  mit  Luise  Vin- 
cent, ihr  Sohn  Johann  Christian  *  16.  Oktober  1749  zu  Ing- 
weiler. 

47.  Leonorus  v.  Garniert  bischöflicher  Forstmeister  und 
Hofrat  zu  Zabem  21.  März  1757,  Amtmann  in  Oberkirch«  Op- 
penau  und  Ettenheim  14.  Dezember  1763  und  17.  Dezember 
1767,  scheint  also  kein  Spross  der  von  Kneschke  als  1721  er- 
loschenen, ehemals  elsässischen  Famihe  zu  sein. 

48.  Christoph  von  der  Heyden,  wohnt  in  Ingweiler,  Dessen 
Töchter:  Maria  Mai^d.dena,  get.  27.  Juni  1597  und  Anna  Do- 
rothea, get.  21,  D«Eember  1598. 

40.  Andreas  v.  Koch,  Kommandant  der  Fe-tung  Licbten- 
bei^,  G.  :  Ilo^jaiie  Jourdain.  Beide  lehen  14.  .Tuni  1772. 

50.  a)  Maria  Anna  v.  Wülaumef  geb.  v.  Wangen,  Tz.  3. 
März  1750. 

]))  N.  V.  Willaume,  kath.  Pfarrer  in  Minversheim  3.  Sep- 
tember 1755. 

Die  nachsteliendf'n  Namen  scheinen  in  der  Lilteratur  gäuz> 
lieh  unbekannt  zu  sein. 

51.  n)  Witwe  Agnr»>:  r.  Aurhaclt  (anscheinend  ein  «  liwä- 
hisclx  s  G.'srlilecht),  gel»,  v.  Westplialeu,  Tz.  28.  November 
1633  u.  18.  Januar  KKC).  Ihi  v  TArliler  : 

a)  Agathe  Demuth,  G.:  Heinrich  Balthasar  v.  Waldlmans- 
hausen. 

jj)  Maria  Elisihotli.  Tz.  ledig  15.  Oktuljcr-  10:;:. 

h)  Anna  Barbara  X..  Witwe  des  Jägermeisters  Philipp 
Jakob,  Tz.  15.  März  !<•  '>7. 

c)  Anna  Barbara  Gräün  zu  Candeil,  geb.  v.  Aurbach,  Tz. 
3.  Juli  1G('4. 

(1)  Johanna  Elisabetii  v.  Horburg,  geb.  v.  Aurbach,  Tz. 
3.  Juli  1004. 

52.  Jr.  Bartholomeiii>,  Tz.  10.  ^September  1570. 


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—   131  — 

58.  Jolianii  Ludwige  v.  BeyeHe,  Direktor  der  strassburger 
MQnze,  Herr  zu  NiederweUer,  Tz.       April  1761. 

54.  Eva  Rosina  v.  BiUhardf  geb.  v.  Landsperg,  io  Hanau, 
Tz.  !27.  Dezember  1701 . 

55.  Wenzeslaus  Ehrt  v.  Zerlin^  Tz.  90.  Januar  1645,  viel- 
leicht identisch  mit  Wenzeslaus  v.  Gerth,  pfalzgraflichem  Hof- 
meister zu  Bischweiler  6.  April  1648,  und  Wenzeslaus  Georg 
V.  Sardien  (?),  Tz.  19.  Oktober  1651. 

56.  Johann  Mathias  v.  Hambiich,  Schaffner  in  Lützelstein 
^.  April  1599. 

57.  Johann  Peter  i;.  Hachhatisen,  hanauischer  Oberstall- 
meister zu  Buchsweiler  6.  Marz  1702. 

58.  Sophie  Sibylla  Hüsplery  geb.  Zorn  v.  Bulach,  Tz. 
15.  Juli  1666. 

59.  Jr.  Hanss  Haininann  v.  MHIa,  Tz.  '28.  November  1024. 

60.  Jr.  Mündt,  überrheinischer  giütlich  hanauischer  Hof- 
meisferH.  Mai  1057. 

61.  M;ir^;;\ri'Hia'' TV'eiss,  jj-ebnrene  zu  B;ii  r,  Tz.  14.  AugUSt 
1631,  Ueber  die  v.  IJair  s.  auch  unter  Bernholtl. 

Ferner  sind  zwei  Namen  zu  nrwälinen,  von  denen  der  eine 
einem  ausländischen  .\(lelsj:<'S(  lil«n  lit  angehört  ihm!  wahrschein- 
hrh  nichl  ganz  ri(  hti;:  ^»'schrieben  ist,  während  die  zuletzt  ge- 
nannte Person  mit  dem  Ingweiler  Adel  eigenllicli  gar  nichts 
gemein  hatte. 

62.  Johann  Ritter  r.  }fetiviers  de  Labesse ,  Ritt mei*5fer  <ie< 
ivouighch  iVanzösischen  liegiiiients  de  Chartres-Cavalei  ie,  lütter 
des  St.  Ludwigsiordens,  17.  Dezember  1767.  G. :  Johanna  Mar- 
garethe Drolenvaux,  T.  von  Hugo,  eliemahgem  Inspecteur  prin- 
cipal  des  ponts  et  chauss^s  d'Alsace.  Seine  Mutter  (?) :  Anna, 
Witwe  von  N.  du  Baicale  (?). 

63.  Katharina  Luise  w.  Neuftfüle,  T.  des  f  hessen-darm- 
stadtischen  Kriegsrats  und  Residenten  zu  Frankfurt  a.  M.,  ver- 
mählt 16.  Mai  1784  zu  Ingweiler  mit  Christian  Ludwig  Leopold 
Neidhard,  Kirchschaffner  der  Aemter  Ingweiler  und  Pfafien- 
hofen.  Beide  lebten  noch  nach  der  Revolution  in  Ingweiler* 

Nur  dem  Namen  nach  seien  endlich  einige  Geschlechter 
angefölirt,  weiche  bis  jetzt  nicht  genannt  wurden  und  mit  dem 
Ingweiler  Adel  nähere  Beziehungen  als  Taufpaten  hatten,  deren 
Besprechung  jedoch  nichts  Neues  bieten  würde  :  Pfalz-Bircken- 
feld,  V.  Anälaw,  v.  Anhalt^  r.  Landsperg,  r.  MüUen}keim, 
V.  Rothenburg,  v,  Salmj  v.  Turckheim,  v,  Weiitershwn, 
V.  Wickersheitn, 


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—   132  — 


Aus  den  vielen  klangvollen  Namen  elsftssischer  und  deutscher 
Adelsgeschleclj^ter»  denen  wir  im  alten  Ingweiler  begegnen^  lässt 
sich  ersehen,  wie  fest  der  elsftssisehe  Adel  unter  sich  zusammen- 
hielt und  besonders  wie  rege  die  Beziehungen  und  wie  zahlreich 
die  Allianccn  mit  dem  deutschen  Adel  gewesen  sind.  Zugleich 
ist  aber  auch  unbestritten,  d;iss  es  den  vielen  Hunderten  von 
Grafen,  Freiherren  und  fcxielleuten,  welche  einst  von  Nah  und 
Fern  ihre  Schritte  naih  Ingweiler  lenkten,  dort  wohl  gefallen 
hat.  Mit  Stolz  darf  daher  Inp^weilerin  die  Ulritter  seiner  Vergangen- 
heit zurückblicken,  und  es  wird  niemals  die  glücklichen  Tage 
vergessen,  die  der  alten  hanaui<3chen  Amtsstadt  Ober  zv^'ei  Jahr- 
hunderte lang  unter  den  Grafen  von  Hanau-Lichlenberi:  und 
den  Landgrafen  von  Hessen  besehieden  waren. 

Nachschrift.  Die  zweite  Gorrectur  dieses  Aufsatzes 
lag  mir  bereits  vor,  als  bei  Gelegenheit  der  Benovation  der 
alten  Ingweiler  Kirche  mehrere  Grabsteinplatten  mit  Inschriften 
entfernt  wurden.  Zwei  davon  erwiesen  sich  als  diejenigen  des 
Johann  Stümpff  v.  Simmern  (hier  Sümmern  geschrieben)  und 
der  Anna  Stüttel  v.  Treppach,  Gemahlin  des  Amtmanns  Joseph 
Stüttel  V.  Treppach  Dio  3  anderen  Platten  haben  für  den 
vorli^nden  Aufsatz  nur  entferntes  Interesse. 


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VI 


Pfeffel  und  Sarasin.* 

Mitteilungen 

Th.  Sch6IL 
L 

Entstehung  des  Freundschaftsbundes. 

Jakob  Sarasin  war  bekanntlich  «Ehrend  25  Jahren  Pfeffels 
vertrautester  Freund.  Um  6  Jahre  jünger,  war  er  den  2(3.  Ja- 
fiuar  1742  in  Basel  geboren,  ^vo  <t^\n  Ürgrossvater,  von  Reli- 
gion^^weg-en  niis  Metz  vertrieben,  2  10'2<S  das  Bfirfrerrecht  erhal- 
ten lind  (K'is  Hau.s  a/.uiii  CardinaU  erworbea  hatte,  das  lange 
im  Faniilienhe.sitz  lilieh. 

Fl  I die  Waise  gewurtleii,  kam  Jakob  erst  unter  die  Leitung 
des  Mülhauser  Kandidaten  Marlin,  dann  —  im  11.  Jahre  — 
in  ein  Neuenburger  Pfarrhaus,  von  wo  er  1758  nach  Augsburg^ 
Zug,  um  die  Handlung  zu  erlernen.  Nach  2  jfihrigem  Aufenthalt 
•daselbst,  reiste  er  ein  Jahr  lang  durch  Italien,  machte  sich  in 
Bergamo  mit  der  Seidenkultur  vertraut  und»  in  die  Vaterstadt 
zurückgekehrt,  widmete  er  sich  mit  so  viel  Elifer  als  Erfolg 
der  von  seiner  Familie  und  andern  Hugenotten  bereits  in 
Schwung  gebrachten  Bandfabrikation,  ohne,  als  ächter  Schwei- 


1  Auf  Grund  von  68  anvei5iftntliebtMi  Briefen  Sarasins  aa 
Pfeffel,  aas  dem  Jahre  1784. 

*  Das«  der  aas^ewanderte  Zweig  mit  dem  Stammland  in  Yer- 
bindong  blieb,  beweist  eine  Stelle  ans  Sarasins  Briefen,  in  der  er 
mitteilt,  dnss  er  den  Besuch  zweier  Vettern  ans  Lothringen  erwartet. 

*  Dort  lebte  ein  Vetter  Pfeffels,  der  von  demselben,  und  später 
Ton  Witwe  und  Töchtern,  noch  vorhaadena  Briefe  erhialt 


—   134  — 

zer,  das  Gebiet  der  üflentlichen  Tütigkeit  zu  vernachlässigen. > 
Er  unterstutzte  Iselins  philanthropische  und  Lavaters  religiöse 
Bestrebungen,  war  auch  Gelten  heil  sdichter.< 

Am  8.  Januar  1770  heirat«te  er  Gertrud  Batlier,  die 
18jährige  Tochter  des  Handelsmannes  und  Grossrates  Felix 
Battier,  ebenfalls  eines  Hugenottensprösslings.  >  Von  schwacher 
Gesundheit,  schenkte  sie  ihm  doch  3  Söhne  und  6  Töchter. 

Im  Herbst  1774  trat  Sarasin  zuerst  in  brieflichen  Verkehr 
mit  PfefTe!,  des^jen  Institut  eben  den  t?.  Jnhrg-anp:  eröfTnet^^,  um 
die  Aufnahmt'  seines  Neflen  in  fl!e<?e  Anstalt,  die  schon  in  der 
ganzen  Schweiz  im  besten  Rute  stand,  zu  erbitten.  Der  Knabe 
ward  Kriegsschulei-  am  1.  Dezembei-  nnd  l)lieb  es  bis  zum  1. 
April  1778.  Somit  war  der  erste  Schritt  zur  Annäherung  getan. 
Das  weitere  bewirkte  die  Schinznacher  Gesellschaft,  wo  Beide 
gemeinsame  Freunde  antrafen:  Schlosser  aus  Emmendingen, 
Breill nger,  4  Hotze,  IseKn,  Hirzel  u.  s.  w.  Im  Sommer  1776 
sind  sie  schon  vertraut  genug,  um  ihre  Briefe  mit  «liebster 
Freund»  lu  beginnen  und  Frau  Sarasin  mit  cunsre  Seraphine»  ^ 
zu  bezeichnen.  Folgendes  Jahr  wird  der  Freundschaftsbund 
förmlich  ;ros(  blossen  und  nun  fiiil  das  vertrauliche  Du  auf. 
Derselbe  Iselin,  der  den  Lavater  1774  seinem  Kolmnrer  Freund 
empfahl,  wird  ihn  auch  seinen  Mitbürp^er  5><irasin  haben  scliatzf^n 
lehren.  Und  in  der  Tat  finden  wir  ihn  olT  in  den  Brieten  des 
Letztern  erwähnt ;  oft  so^^ar  frohrn  I^fell'els  Briefe,  an  ilni,6  wie 
später  die  an  Jakobi,  tinrch  Sarasin's  Hände.  .Ausserdem  haben 
Lenz  und  Kaufmann  wahrsclieinlich  zur  Annäherung  auch  bei- 
getragen. 

Der  1774  so  begonnene  Briefwechsel  dauerte  ununterbro- 
chen bis  zu  Sarasins  Tode,  also  28  Jahre.  Pfeffels  Briefe,  in 
der  Familie  des  Letztern  s&mmilich  aufbewahrt,  sind  von  Ha- 


'  So  beteiligte  er  sich  an  flrr  Gründung  der  noch  bestehenden 

femeinnätsigen  Gesellschaft.    «Er  war  ein  heitrer  Mensch,  dessen 
isch  und  Beutel  Vielen  offen  stand»,  sagt  Piuuienschmid.  (Fremden- 
buch, S.  163.) 

2  Siehe  darüber  den  2.  der  im  Anhang  mitgeteilten  Briefe.  Der 
letzte  derselben  spricht  auch  von  Jakobs  Bruder  Lukas,  mit  dem 
jener  gemeinsam  Bandweberei  trieb.  Sie  bewohnten  auf  dem  Uänsteiy 
platz,  gegen  die  Rheinbnickr  hin,  2  neue  grosse  Nachbarbäaser 
gleichen  Stils,  die  noch  zu  sehen  sind.  Jakob  besass  das  weisse,, 
Lukas  das  blane, 

3  Job.  BattieTi  aus  der  Gegend  von  Lyon  flflchtig,  war 
Basler  Bürger. 

*  Nicht  J.  J,  den  berühmten  Verfasser  der  Diskurse  der 
Maler  (f  1776),  sondern  den  im  Anbang  (Brief  8}  gleichfalls  er» 
wähnten  Zürcher  Mathematiker. 

^  Ein  Scbäfername.  der  bald  durch  Zoe  ersetzt  ward.  Im  Herbst 
1776  widmet  ihr  Pfeffel  ein  Gedieht,  und  seit  Juni  178S  dntst  er  sie. 

•  Epistel  an  die  Naehwelt,  S.  69. 


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—   135  — 


genbach  *  in  seiner  Abhandlung;  über  Sarasin  und  dessen 
Freunde  benutat  worden.  Elf  davon  bat  Bör^^ermeister  Felix 
Sarasin,  Jakobs  Enkel,  dem  Aug.  Stöber  lar  Veröffentlichung  mit- 
geteilt.* In  dem  2.  derselben  (44.  Nov.  1777)  finden  wir  eine 
bestimmte  Andeutung  über  Zeit  und  Grund  des  Vertrautwerdens 
(S.  -i9  :  Hier  eine  F'abel  an  unsere  Zoe  u.  s.  \v.).  Eben  dieses 
Schreiben  enthält  aucli  Pfeflels  Glückwünsche  zur  Erwerbung 
des  Wirtshauses  mm  Engeis  in  Pralteln,  das,  sogleich  zum 
^'emfitlichen  Landhaus  umgewandelt,  ihm  bald  gastliche  Auf- 
nahme bieten  sollte. 

II. 

Cagliostro. 

Wie  oben  gesagt  ist,  war  Frau  Sarasin  .-fl  von  der  Krank' 
heit  heim^^esuclil,  so  wieder  im  Herbst  178n,  wo  PfetTel  an 
ihrem  Krankenli(>tt  »Tscliien  (FremdeniMK  h,  S.  1()9).  Um  die^e 
Zeit  prorade  g-e«  hah  i  s,  dass  der  Jault'  Uul'  von  Gagliostros 
wunderlatii(en  Heiluii-*'ii  nnch  l^imA  «li  iii';- 

Dieser  jj^rosse  Kcdiut  imd  Benutzer  (i<'r  lucu^clilirhon 
Leichlgläui)igkeil  Avm-  im  Süptoiaber  in  Strassburjf  angekommen, 
wo  er  gleich  eben  so  feurige  als  blinde  Anbeter  sich  KU  er- 
wecken verstand.  Der  bekannteste  unter  ihnen  ist  kein  gerin- 
gerer als  der  Kardinal  von  Rohan,«  der  seit  einem  Jahr  den 
Bischofssitz  inne  hatte  und  1784  seinen  Götzen  in  die  Halsband- 
gescliichte  verwickeln  sollte.  Im  Frauenschwarme,  der  den  si- 
ztiianischen  Zauberer  bald  umflatterte,  zeichnete  sich  Gräfin 
Hranconi  aus,  eine  geborne  von  Aisner,  die  im  Mai  1771)  bei 
PlefTel  gewesen,  im  d irautFolgenden  October  von  Göthe^  in  I^au- 
snnntN  tind  mm,  am  'Jl,  faniiar  1781,  in  Strassburg  von  I.ava- 
tei'  aui'ge.suclit  wiirJf.  lj^e^e^  liriiit  f^s  somit  gewesen  zu  seui, 
der  bei  seiner  Ilückkehr  den  Freund  Sarasin  aul  den  Hemden 


1  1801 — 1874,  Prof.  der  Theol.  in  Basel,  Sohn  eines  mit  Sarasin 
«ng  befreundeten  Ziniftmeisters,  scfarieb  seine  Studie  in  Beitrftge 
snr  vaterl.  Gesch.  iV,  1850. 

*  Epistel  an  die  Nachwelt,  S.  46 — 75. 

3  Daher  der  Name  Engelwirt  und  Engelwirtin,  der  dem 
gastlichen  Paar  sogU-idi  beigelegt  wird 

*  Cagliostros  V  erhältnis  zum  Fürstbischof  ist  reizend  geschildert 
in  den  H^moires  de  1a  baronne  d*Oberkircb,  L  8.  134 
nnd  14fi. 

5  Der  seine  Eewniidertnifj  über  ihre  Schönheit  ansspricht  tind 
sie  an  seinem  lulchstcn  Geburtstag  in  Weimar  empfängt.  1772  hatte 
sie  mehrere  Züge  zar  Emiiia  Galotti  geliefert.  Ihr  Sekretär  Mattei, 
der  sie  nach  Strassbnrg  begleitote.  war  zagleich  Erzieher  ihres 
Sohnes,  der  auf  die  Fürsprache  des  Herzogs  von  Braunschweig  von 
Joseph  II.  zum  Orafen  von  Forstenburg  ernannt  wurde  and  1788^89 
Hauptmann  im  Iranz&aiscben  Dragonerregiment  -w.  Schömberg  war. 


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Wunderanl  aufmerksam  machte  und  auf  deo  Gedanken  brachte, 
demselben  die  Heilung  seiner  Frau  anzuvertrauen.  Schnell  ent- 
schlossen,  schrieb  Sarasin  sofort  an  PfefTel,  um  sich  Ober  Ca- 
gliostro  und  zugleich  über  einen  guten  Strassburger  Gasthof 

zu  erkundigen. 

Er  erhielt  zur  Antwort:  «Der  rTn-^lhof  a  la  ville  de 
Lyon,  den  ieli  in  Slrassbur^  für  den  besten  halle.  !fe,jf  m 
der  Schlossergasse,  gegen  der  Pfalz  liber,  und  der  Wirlii  iieisst 
Durkhardt.  Vom  Grafen  Cagliostro  i^ehu  allerhand  ungünstige 
und  zum  Teil  ziemlich  zuverlässige  Nachrichten  ein.  Lr  nmuul 
zwar  kein  Geld,  schickt  aber  die  Leute  zu  einem  gewissen 
Apotheker,  der  sich  die  Arzneien  zehnfach  Ober  den  Preis  l>e- 
zahlen  Iftsst.  Dieses  geschah,  unter  andern»  dem  hiesigen  No- 
tarius  Nancö.  Unser  Praetor  und  noch  einige  Kranke,  die  er 
zu  heilen  versprach,  gehn  sehr  schlimm.  Noch  will  ich  aber 
kein  Urteil  über  ibn  fallen  .  .  .  s  i 

Acht  Tage  darauf  (14.  März)  schrieb  ihm  Pfeffel  einen  an- 
dern Brief,  dessen  Ton  grundverschieden  ^  :  (tDu  hn^^t  Rerhf, 
dass  du  über  Strassburg  reisen  willst.  Hr.  Dr.  Divoux  ^  hat 
mir  von  Cc/lioslro  ganz  zuverlässige  Nachrichten  mitgetheill, 
wovon  inundiich  ein  Mehreren.  Sie  geben  einen  sehr  vortheil- 
haflen  BegrifT  von  dem  Charakter  des  schätzbaren  Fremdlings. 
Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  der  Wucher  mit  den  Arzneien 
seinem  Chirurgus  und  Apotheker  zur  Last  fSlIt  .  .  .» 

Die  Kur  wurde  versucht.  Am  22.  April  reiste  Frau  Sarasin 
über  Kqlmar  nach  Sirassburg,  wo  sie  bis  zum  18.  November 
des  folgenden  Jahres  blieb.  Ihr  Sohn  Felix  folgte  ihr  bald 
nach  und  machte  die  Kur  eine  Zeitlang  mit.  Anfangs  Juni 
wurde  sie  von  PfefTel  und  seiner  Frau  besucht,  die  am  Kranken- 
bett mit  Cagiioslro  persönlich  IJekannfschafl  machen.*  Im 
Januar  endlich  finden  wir  Sarasin  selbst  dort ;  er  ist  vom  Wunder- 
täter ;;anz  beherrscht,  der  auch  unterdessen  PfefTels  Vertrauen 
so  sehi  ;^c\vonnen,  dass  dicsci  im  Mai  seine  Frau  zur  Heilung 
gleichfalls  nach  Strassbnr;,^  schickt. 

Am  2.  üiler  3.  August  betJ'rüsst  Frau  Sarasin,  die  wir  von 
nun  an  Zoe  nennen  wollen,  im  Aullrage  PfefTels,  das  ihr  noch 
unbekannle,  von  Grottingen  nach  Rappoltsweiler  reisende  Ehe- 
paar Lers.  ^  Darauf  machte  Cagliostro  seine  Lyoner  Reise, 
wobei  er  (wahrscheinlich  auf  der  Rückkehr),  am  28.  Sept. 
1782,  bei  Pfeffel  einkehrte.   Erst  im  Juli  nachher  verliess  der 


1  Epistel  an  die  Nachwelt.  S 

»  Job.  Feter.  1713-1787,  Oheira  der  Frau  Pfeffel,  Arzt  in  Kolmar. 
S  Im  Lauf  dSMolben  Sommera  traf  aach  Pfeffel  mit  Sarasin  und 
Lavater  in  Ölten  zatammen. 

*  Von  welchem  auch  einige  Briefe  an  Pfeffel  in  nnsem  Hinden  sind. 


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Craukler  das  Elsas»,  unerschütterlichen  Glauben  an  ihn  in  den 
Heraen,  und  Rezepte  zu  Salben,  Pillen  und  Pnlvern  in  den 
Händen  seiner  Anbänger  Kurücklassend. 

Zur  selben  2Eeit  knüpfte  sich  ein  neues  Band  zwischen 
Kolmar  und  Basel,  ind« m  I  i  jun^e  Felix  in  die  Kriegsschule 
eintrnt,  woselbst  er  bis  1785  verl)lie}).  Sunnit  wird  wohl  das 
Jahr  1784,  dessen  vollständijrer  Briefweciisel  uns  gerade  —  viel- 
leicht nicht  zufällig  —  erhalten  ist,  eines  der  üierk\vüidi}jsten 
sein  in  der  Geschichte  des  Freuud$cUaftsverhäUnis.^es,  dessen 
Fädon  wii-  iiier  verlolgeii. 

Sarasin  war  daniais  42,  Zoe  :>2  Jahre  alt.  Aus  dieser  Zeit 
werden  die  Bilder  wohl  stammen,  die  wir  in  der  Lage  wären, 
dem  Leser  vor  die  Augen  führen  zu  können. 

III. 

Therese  Paradis  und  Ramond  de  Garbonni^re. 

Dass  Pfeffel  für  Blinde  ein  ganz  besonderes  Mitgefühl  em- 
pfand, ist  natürlich.  Wenn  er  einem  solchen  Leidenshiuder 
begegnete,  5:0  j^teigerte  sich  noch  der  sympathische  Zug,  der  ihn 
zu  allen  Hfdfshedfnnigen  hinneigte.  So  hatte  er,  ein  Jahr  vor- 
her auf  seiner  Pfälzer  Reise,  mit  regem  Interesse  den  Blinden 
Weissemhurg,  den  Sohn  eines  aus  Oherelsass  stammenden 
kurpfälzisclien  Kammerdiener:?,  kennen  gelernt.*  Nun  sollle  ^ich 
ihm  uuervvarlel  die  Aussicht  erülVuen,  in  Kolmar  selbst  einer 
solchen  Unglücksgefahrlui  Ijchülllich  sein  zu  dürfen. 

Es  hatte  nämlich  die  im  26.  Jahre  stehende,  seit  dem  4. 
Jahre  wie  Weissembui^  erblindete  Wiener  Klavierspielerin 
Therese  Paradis  eben  eine  Reise  durch  Europa  ang^etreten,  und 
erschien  Mitte  Januar  in  Kolmar.  Ihre  Lage  war  besonders 
bedauernswert,  'weil  ihr  Joseph  II.  die  von  seiner  Mutter  aus- 
gesetzte Pension  jängst  entzogen  hatte.  Auch  nahm  sich  Pfeffel 
mit  der  grössten  Wärme  ihrer  sofoi  f  nn. 

Da  sie  nach  dem  Elsass  die  S(  hweiz  durchreisen  wollte, 
jschrieh  er  am  *29.  Januar  an  Livaler,  um  sie  eitrig  zu  em- 
pfehlen. Bei  Sarasin  konnte  er  es  mündlich  thun.  Dieser  halle 
namlirh  gerade  in  der  Zeil,  uiil  seiner  Frau  eine  Reise  nach 
Stiasshurg  unternommen  und  unterwegs  in  Kolmar  die  Wiener 

*  Siehe  Fremdenbach  S.  *?25.  Einer  dor  Briefe,  welche  er 
seinem  treaen  Schreiber,  dem  Barrer  Christian  Schmitt,  fiir  Ffeifel 
dikiirte,  ist,  vdt  eigeohfindiser  Unterschrift,  grösstenteils  erhalten. 
Pfeffel  auch  nnterseiGlmete  alle  seine  Briefe  selbst. 


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Künstlerin  gesehen  und  gehört'   Pfeffel  aber  begnügte  sich 

mit  solchen  Empfehlungen  nicht,  sondern  that  noch  mehr 
für  sie,  wie  es  ein  Gedicht  in  15  fünfzeili^en  Strophen  be- 
weist, das  wir  in  Separatdruck  vor  den  Auj^en  haben  und 
dessen  Titel  lautet:  Der  blinden  C  1  a  v  i  e  r  ?  p  i  e  l  er  i  n 
Paradis  Schicksal  von  i  Ii  r  m  blinden  Freunde 
P  f  e  f  f  e  1  in  Colmar  und  i  Ii  r  c  ni  Lehrer  der  H  ;i  r- 
monick  Vogler  besungen  und  am  Hoch  fürstlich - 
Markgräflich-Badischen  Hof  in  Carlsruh  auf- 
g  e  t  ü  h  r  t. 

Am  4.  Februar  kam  sie  in  Basel  an,  nachdem  sie  noch 
in  Uülbausen  gespielt,  und  gibt  am  6.  ein  Konzert,  in  welchem 
sie,  schreibt  Zoe,  wenigstens  iOO  Thaler  netto  einnehmen  wird. 
Sonntags,  den  8.,  reist  sie,  Mömpelgart  aufgebend,  nach  Zürich, 
mit  neuen  Empfehlungen  versehen.  Vergnügt  verlässt  sie  Basel, 
■wo  der  Buchdrucker  Haas  ihr  eine  kleine  Druckerei  und  Zoe 
ein  Bild  der  Frau  La  Koche  verehrte.  Von  Zürich  beabsichtigt 
sie  nach  Genf  und  Paris  zu  ziehen.  PfelTel  schreibt  noch  über 
sie  einen  Artikel  tür  Pomona,  die  Zeitschrift  der  Sophie  de 
Laroche. 

Ausser  Frl.  P;)radis  lernen  wir  aus  den  Briefen  eine  lieihe 
gemeinsamer  llekanuler  näher  kennen.  So  !»ekommt  das  Basler 
Paar  gleich  am  8.  Januar,  am  ll<i(  lizeitstn;^,  den  unerwarteten 
Besuch  zweier  Strassburger  Freunde,  tles  Direktois  der  Klingeii- 
fabrtk  Straub  und  des  Generals  Barbier,  der  im  Mai  1781, 
mit  einem  Mitgliede  der  Familie  Sarasin,  bei  Pfeffel  zu  Gast 
gewesen. 

Am  5.  Mürz  ist  von  einer  Zeichnung  Hamonds  de  Car- 
bonni^re  die  Rede.  Da  dieser  Name  üflers  in  unsern  Briefen 
wiederkommt  und  der  Träger  desselben  in  Kolmar  wie  in  Basel 
eine  öfiers  und  gern  gesehene  Persönlichkeit  war,  so  ist  es 
passend,  dass  wir  ihm  einige  Zeilen  widmen.  1755  geboren, 
der  S>hn  eines  Neu-Breisacher  Kriegszahhneislers,  Mitglied  der 
Str;e«shnrger  Deutsche  n  (r  e  4;  e  I  I  s  c  h  a  f  t,  '  Verfasser  einer 
Nachahmung  Goetzens  v.  BcrhchingeQ,^  Ueberselzer  englischer 

1  Von  Strassbarg  fährt  das  Paar,  nach  4{ägigem  Anfenthalt, 
nach  Emmendingen,  wo  es  Abends  spät.  Donnerstags,  ankommt  und 
den  folgenden  Tag  an  der  Knabentaufe  Teil  nimmt  Zoe  und  Pfcffei 
halten  Gevatterschaft.  Sonnabend  geht's  fort  und  wird  in  Müllheim 
(Ibsmaehtet.  In  ScUiengen  bleibt  der  Postwagen  in  Eis  ond  Wasser 
stecken,  so  dass  man  6  und  7  Pferde  branchte,  am  Iba  heraos  sn 
sieben. 

2  Siehe    Jalirbuch.  XI,  S.  22—23. 

3  La  gaerre  d'Alsace  pendant  le  grand  sehisme 
d'Oceident,  Basel  1780. 


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Briefe  fiber  die  Schweiz, ^  Lensians  und  später  Lafayette's  Freund^ 
ivar  er  damals  Geheimschretber  und  {^ebeimer  Rat  des  Fürst- 
bischofs; Mitglied  der  Legislative  während  der  Revolution» 
floh  er  nach  dem  10.  August,  machte  während  der  Schreckens- 
zeit eine  wissenschaflliche  Reise  durch  die  Pyrenäeu,  über  die 
er  schon  1789  ein  Werl^  verö(Tentlii  lit  liatto,  wurde  darauf 
Lehrer  der  Nalurgeschichle  an  der  Zenti  il.-chule  der  Ha  Ute s- 
Pyrönees,  Abjjeordneler  und  Präfocl  unter  dem  Kaiserreich; 
von  .\,ij)nloon  in  df»n  Crrafenstnnd  erhoben,  von  der  Ueslauralion 
zum  SUi.itsiat  emanul.  IW  i  seinem  Tode  (1827)  galt  er  für  den 
Bej(rfinder  A^v  flcoloo^ii?  in  Frankreich.* 

Im  Sellien  Jliiel"  ist  von  einer  {geheimen  HeiratMui;?o!*'gen- 
heit  die  Rede:  «Ich  weiss  nicht,  schieibt  Sarasin,  ob  du  Irl. 
Y.  Ralhsamhausen  in  Slrassburij  kennst.  Der  soll  ich  einen 
Mann  verscbalTen,  damit  sie  sich  nicht  im  Unmuth  ihrer  Seele 
an  einen  Offizier,  Herrn  von  Zobel,  wegwerfe,  der  nach  aller 
Beschreibung  ihr  Mann  nicht  wäre.  Hab  Schlossern  deswegen 
geschrieben.  Bas  Mädchen  schmachtet  unter  der  Zucht  einer 
unmenschlichen  Mutter.  Ber  kalte  Schweighäuser >  schreibt  mir 
darüber  mit  Wärme.  Weiin  si<  iiir  Canonicat  vertauscht,  so 
bleiben  ihr  noch  ca.  18Ö0  F.  jahri.  Renten*  Ihre  weiteren  Um- 
stände wird  dir  Scliweighäuser  melden.» 

Ansfor  diesen  Sor^ren,  welche  «ein  nicnsrhonfroundlicher 
Sinn  iliui  auferl'^^rtp,  h;itlt>  er  tWo  nälitM  lie^fnden  nni  seinen  Sohn 
in  Kniiiiar.  flltMili  im  rrsten  Brief  hekoninit  (iit\«er  eine  ener- 
•:;ische  Strafpi fdifff,  weil  er  ver«^«'s-eii,  diMH  (liossvater  seine 
Neujabrswün^cbe  m  ?ien<len.  Daun  knninicn  oft  Melduuf^cn  von 
nachfolgenden  Päckchen  mit  Troidtn  uml  Pillen,  nacli  C^igliostro's 
Anweisungen  von  Sarasin  selbst  verfertigt  und  zuvörderst  für 
den  jungen  Felix,  gelegentlich  aber  auch  für  heilsbedQrftige 
Mitglieder  der  Pfeffelschen  Familie  bestimmt.  Dabei  wird  ander- 
weilige  ärztliche  Hülfe  nicht  ganz  verschmäht«  Benn  am  15. 
Februar  wird  dem  Arzt  Morel  ein  Louis  d*or  fOr  die  Kur 
des  Knaben  zugescliickl,  und  am  14.  Marz  blickt  die  väterliche 
Fürsorge  in  dei»  Worten  durch:  «Was  ist  denn  an  der  Krank- 
heit, die  in  Colmar  grassiren  und  so  viele  Menschen  wegnehmen 

.1  Von  William  Coxe.  Die  Uebersetzang  wurde  2  mal  gedrackt, 

1780  und  1782. 

s  Am  0.  April  sehreibt  Sarasin ;  «Hab  einen  Tranemden  neben 
mir,  Ramond,  dem  seine  Hrossrantter  gestorben > 

3  Joh.  Georg,  Prof.  dar  griech.  Litt,  am  Gymnasinm  u.  Stadt- 
bibliothekar  (1742—1830),  besucht  Pfeffel  im  Herbst  1779.  Sein  Sohn 
Gottfried,  der  Altertumsforscher  (1776—1844),  verlebte  im  Herbat  1795 
2  Monate  in  Pfrffels  Haus,  auf  eine  Stelle  an  der  Kolmarer  Zcntral- 


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soll?  Es  fragt  mich  Jeder  und  ich  möchte  gern  Antwort  geben. 
Spürt  ihr  was  davon  im  Institut?» 

IV. 

Kolmarer  Lesezirkel  und  Helvetische  Gesellschaft. 
Gegenseitige  Dienstleistungen. 

«Wenn  ihr  mich  wolll  zum  Ehrenmitglied  eurer  F  p*PL^e- 
sellschatl,  so  wird  es  niii  Khre  «seiny»,  so  druckt  sich  Sarasin 
;im  9.  Mnrz  aus.  Der  Kohnarer  I>eseverein  he«tcHi(l  seit  17G0 
und  z;"(hlte  zu  seinen  Mitgliedern,  :ujsser  PlelJel  urici  seinen  Ge- 
hilfen, den  Verfiiisser  der  Chrouikcn  Sijf.  Billin<:,  die  Brüder 
Melzjier  und  Dartlioldi;  den  Maler  Kasimir  Kai^»U,  i  Nikolaus 
Sandherr,  der  am  *29.  März  1789  mit  Pfeflel  die  Klagen  von 
^  privilegirten  Mitbörgern  nach  Scblettstadt  brachte;  endlich 
-den  Sohn  des  ältesten  Stadtphysikus,  des  zweibrfickischen  Hof- 
rats Benjamin  Gloxin,  den  Dr.  Gloxin,  dessen  Gedichtnisfeier 
den  6.  März  1784  in  der  Lesegeaellscliafl  gehalten  wurde*  und 
-dessen  Tod  Sarasin  am  5.  MSrz  erwShnt. 

Die.<er  gelehrte  Verein  versammelte  sich  alle  Monate  unterm 
Vorsitz  eines  halbjährlichen  Präsidenten,  zu  Sommerszeiten  im 
Oarten  Bar!holdi,  den  ein  Laucharm  durchfloss.  In  jeder  Sitzung 
wurden  Arl)eiten  vor;rele?en  und  dann  gemeinsam  besprochen.  Die 
Titel  einiger  dieser  Arbeiten  sind  von  Slöher  (P  f  e  f  f  e  1  s  Ver- 
dienste n  m  Erziehung  und  S  r  h  u  l  e,  S.  39  Anin.  2)  fiher- 
lieferl  uuitlen.  «Die  Lesegeselisehaft, j»  sagt  dieser  weiter,  («nahm 
jjowohl  die  deutsche  als  die  französische  Litterat ur  in  ihren  Kreis 
auf  und  entsprach  somit  vollkommen  dem  Geiste  der  Doppel- 
bildung, die  dem  richtig  denkenden  und  fühlen- 
•den  Elsässer  immer  von  grossem  Gewinne  war 
und  segensreich  auch  in  das  Familienleben  drang.  Aber  auch 
praktisch  wirkte  die  Gesellschaft,  indem  sie  alle  städtischen, 
iremeinnQtzigen  Zwecke  befördern  half,  und  ihnen  entsprech^de 
Anstalten  hervorrief;  so  legte  sie  1783  eine  freie  Zeichenscbule 
für  24  arme  Kinder  an. 

Die  Bevolution  löste  den  Verein  auf,  der  am  9.  März  1801 
<lurch  die  Naclieiferungsgesellschaft  ersetzt  ward,  mit  PfelTel 
al^  Vize-Präsident.  (Zeilscbr.  f.  Gesch.  des  Oberrb.,  IbUt?,  S.  62, 
Anm.  "2). 

AVelche  vielfachen  .\ul trage  der  bhnde  Dichter  und  sein 


1  Zeitsch.  für  Gesch.  des  Oberrh.  1^96  S.  61,  Anm.  4, 
«.  B«TQe  d'Alsace  1866  S.  S89. 

>  Sein  Enkel  starb        in  Kolmar  als  Letzter  seines  Namens. 


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ßasler  Freund  emunder  beständig  besorgten,  ersehe  man  au» 
folgenden  Aussögen: 

cHabdeinen  Hiief  gleich  Biscboffen  u.  Merian's  gesandt.... 
cBürgermeister  Debary  wfiascht  sehnlich,  dass  du  seinen 
Grosssohn  zu  dir  nehmest.  .  .  . 

«Hier  ein  Brief  an  Mme  La  Hocbe,^  den  ich  dich  bitte 
zu  Jjesnrgen.  .  .  . 

(fHab  dein  Päckciien  bekoininen  und  .sojileiih  an  Thiirn- 
eis.en2  bestellen  las-^en,  der  mich  versichert,  alles  sei  nach 
deiner  Vorschritt  in  Arbeit.  Den  Prul>ebogen  wirst  du  empfangen 
haben.  .  .  . 

«Bitte  durch  den  ersten  Nachtwagen  meinen  Pilatua 
(beide  Teile)  an  Prof.  Schweighäuser  zu  senden  .  .  . 

«Hab  deine  Gommission  an  Touchon*  ausrichtet ;  da  er 
nach  Ostern  selbst  nach  Neuchätel  reist,  hofft  er  dort  etwas 
taugliches  für  dich  ausfindig  zu  machen.  .  .  . 

«Tabellen  und  Ret-hnung  hab  ich  empfangen,  *  erwarte  den 
Schein  von  Paravicini,  um  ihn  zu  bezahlen.  Wegen  der  Ta^ 
bellen  weiss  ich  nichts  zu  erinnern,  als  dass  mir  sehr  daran 
iie«;t,  dns?  der  .Tun<:e  im  Französischen  profiliere;  denn  da 
hält's  noch  gewaltig,'  ...» 

Anfangs  Mai  ting  tnan  an,  sich  nut"  die  jälirliche  Zusammen- 
kunft der  Helvetischen  Gesellschaft,  die  damals  in  Ölten  statt- 
fand, vorzubereiten.  Der  diesjährige  Präsident  war  Baron 
V.  Beroldingen,  *  der  am  3.  Mai  Sarasin  besuchte.  «Er  wird^ 
schreibt  dieser,  von  Luzern  nach  Ölten  kommen.  Die  Frau  La 
Roche  reist  den  6.  von  Speier  ab,  lässt  ihren  Sohn  in  Ck>lmarund 
kommt  auch  nach  Ölten.  Schlosser  dagegen  schreibt,  er  werde 
schwerlich  kommen  können.»  Im  folgenden  Brief  (18.  Mai) 
lesen  wir :  «Samstag  erwarten  wir  dich  und  Sonntag  Nachmit- 
tag wandern  wir  zusammen  nach  Ölten.  Zoe  gehl  bestimmt 
mit.  .  .  Hab  einen  Brief  von  Schlosser  für  Fi  au  La  Roche...» 

Die  Sitzung  fiel  auf  den  Sonntag  2:5.  Mai.  Pfetfel,  der  seit 
7  Jahren  Mitglied  war  und  schon  mehrmals  den  Vorsitz  aus- 


1  Di«  bekaimts  RomanBchreiberin,  die  bald  darauf  in  die  Schweis 
reiste  and  Mitte  ATignet  übrr  Kolmar  nach  Speier  7.nriirk  kehrte. 

S  J.  J.  Thorneybeu,  bei  dem  ein  Jahr  vorher  Ffetlels  Fabein 
der  HelTetisehen  Oesellsehaft  gewidmet  erschienen  waren 
Spftter  war  Wilbeloi  Haas  sein  Basler  Verleger. 

3  Prediger  der  französischen  Gemeinde  in  Basel. 

*  Die  Tabellen  unid  die  vierteljährlichen  Zeugnisse  der  ixriegs- 
Bokftler,  und  die  Rechnung  ist  das  Schulgeld,  das  Pfsffels  Basler 
Banqnier  Paravicini  f i  r  ihn  einkassiert 

^  Qeb.  1738,  Domherr  za  Speier  und  Hildesheim,  Merck's  Frennd. 
Ueber  seine  Familie  siehe  Gatrio,  DieAbtei  Uurbaehim  Elsas» 
II,  64a 


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geselila^en  hatte,  liess  «ich  jetzt  überreden,  denselben  für  das 
iiäctiste  Jalir  anzunehmen.  Die  Wahl  erfolgte  am  25.  Nach 
Kolmar  zurückgekehrt,  erwarb  er  ««ich  ein  Landhaus  mit  Gar- 
ten, auf  dem  Wege  nach  dem  Log«'lli  k  h,  und  ^'ab  ihm  den 
Kaineti  lia^jatella.  Daher  der  Kk;her/uame  Burgherr  v.  Baga- 
lella.  • 

Fahrcu  wir  fort,  in  iSarasin's  Bneleu  Auslese  zu  iialleii  ; 

13.  Juli.  «I^vater  ist  bei  mir  bis  Mutgeu.  Am  Sonntag 
war  Prinz  Heinrich  von  Preussen  bei  mir.  Ich  stiflele  auch  in 
seinem  Herzen  Cagliostro  ein  Denkmai;  von  allen  Fürsten  die 
ich  noch  gesehen^  *  ist  er  der  interessanteste ;  jetzt  weilt  er 
in  Mömpelgarty  kommt  aber  wieder  hierdurch.» 

20.  Juli :  «cPrinz  Heinrich  war  Samstag  in  Bern;  von  dort 
wird  er  sicti  nach  NeuchAtel  wenden,  um  vermutlich  Über 
Genf  nach  Paris  zu  reisen  » 

.\m  12.  Au«j.  meldet  Zoe :  «Frau  La  Roche  ist  da  seit 
gestern.  Lass  dir  doch  die  Ges'  hiclite  der  2  Brüder  v.  Wurnib 
durcli  sie  erzählen  ...»  Lud  fol.Licndeu  Ta;.;es  füg^t  er  hinzu  : 
( !>ie  iiiusis  m  Mülhau.sen  übernachten,  da  sie  die  Prinzessin 
V.  Zerbst  sprechen  will.  Sie  kommt  Montag  oder  Dienstag  nacii 
Colmar.}» 

Pfeffel  führ  bis  Meienheim,  mit  einer  Schaar  berittener 
Schüler,  der  Schriftstellerin  entgegen,  die  eine  seiner  Töchter 
mit  sich  nahm,  an  Stelle  ihres  zurückgelassenen  Sohnes.  * 


V. 

Das  £nde  des  Jahres  1784. 

Um  diese  Zeit  beschäftigten  sich  beide  Freunde  mit  einer 
Angelegenheit,  die  sie  nur  andeutend  und  mit  unbestimmten 
Worten  mit  einander  besprechen,  so  dass  wir  auf  das  Raten 
angewiesen  sind.  Es  handelt  sich  darum,  durch  Carbonni&res 
Vermittlung  von  dem  Füi-stbischof  eine  Gunst  zu  erhalten,  und 
zwar  für  Luce,  den  Lehrer  an  der  Kriegsschule  u.  Konrectoi 
des  Kotmarer  Gymnasiums.  Aus  einer  einzigen  kurzen  Stelle 
schein  zu  erheilen,  dass  es  galt  den  Sundbausern  einen  Pfarrer 
zu  geben.   Somit  wird  sich  wohl  Lucö,  seit  Kurzem  mit  Frl. 


1  Als  solcher  erliess  er  den  hamoristifloheii  Erlass  zur  Zusun- 

menborufun^'  der  Ilc-lvt  tischen  Gesellschaft  (17.  JanOSC  l7g5wPfeff eis 
Verdienste  um  Erziehung  u.  8.  w.  S.  62). 

2  Der  mächtigste  derselben  war  Joseph  IL,  der  auf  seiner  Rück» 
kehr  von  Paris  1777  bei  ihm  einkehrte. 

>  Fremdenbuch,  S.  272. 


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—   143  — 


Minna  WiJd  aus  Baden  verheiratet,  uui  dieses  Amt  beworben  und 
des  FQrstbischofs  Unterstötzung  dazu  bedurft  haben.  Wie  dem 
auch  sei,  steht  feüt,  dass  Luoä  noch  11  Jahre  in  Kolmar  blieb 

und  dann  erst  die  Münsterer  Pfarrei  erhielt. 

Nachher  kam  eine  Gouvernantenjfeschichte  aufs  Tapet. 
Frl.  Gerard,  welche  lan^-c  Jahre  F-^t /iehung  der  Töchter 
Sarasin's  geleitet  hatte,  wollte  üich  zuni ck/iehen  und  mussfe 
ersetzt  werden.  Eist  hatte  Fr.  La  Roche  eine  Lehrerin  aus 
Lausanne,  dann  Dr.  \Vildernietl »  eine  andere  in  Aussicht  ^o- 
stollt.  Man  hat  uns  auch  eine  M?"l  Gallot  vorgeschlajren,  die  sich 
dato  auf  l*i(>bezeit  bei  Titels «  befinden  soll.  Wir  wurden 
sie  schon  nehmen,  wenn  uns  Tilot  nicht  Muhe  machte.  Sags 
ihm  doch  frei  heraus  und  melde  seine  Antwort;  sag'  dass 
einer  ihrer  BrQder  sie  uns  empfohlen  hat.» 

Dies  wurde  am  3.  October  geschrieben.  Da  Titot^  der 
Vorsteher  des  Mädcheninstituts,  gerade  abwesend  war,  konnte 
die  Entscheidung  erst  am  Ende  des  Monats  fallen,  und  zwar 
zu  Gunsten  der  Frl.  Galiot.  Da  nun  Preflel  eine  Reise  nach 
Risel  vorhatte,  nahm  er  sie  mit.  Sarasins  Wa;»cn  erwartete 
die  Reisenden  in  Hüuingen.  Frl.  Gerard  war  bis  zum  27.  in 
ihrer  Stelle  jjebliehcn.  so  dass  letzten-  nur  2  Ta^fe  unbesetzt 
war.  IMc  Nciianj^^ekoiiiiiHMie  «letiel.  «Sie  lässt  sich  gut  an. 
.sr.hreil)!  /of  am  l'J.  Nov.  Die  Mädchen  lieben  sie  mehr  ah  die 
(iörai«l.  Uli  Bi  nder  von  Sololhurn  war  einige  Tajre  hier  u.  hat 
jjulen  EiiuhiKk  gemacht.    Auch  bessert  sich  ihre  Gesundheil.» 

Dazwischen  kommen  wieder  die  Sorten  um  des  Knaben 
Erziehung :  cEr  hat  nun  noch  ein  Jahr,  hatte  sein  Vater  am 
30.  Sept.  geschrieben.  Er  möchte  die  Civilbaukunst  mit' 
machen,  wenn  du  und  Wilds  es  für  gut  finden.» 

Dazu  kommen  sogar  scbrilLstelierische  Quälereien :  cMeine 
Mahomediade,  beichtet  Sarasin  am  19.  November,  will  nicht 
recht  aus  der  Feder,  doch  muss  sie  noch  dies  .Fuhr  heraus  .  .  .» 
Und  am  12.  Dezember :  «Mitten  im  Fieber  hab'  ich  meinen 
Mahomed  beendij^t ;  bis  Neujahr  muss  er  reisefertijjr  sein.»  Am 
23.  Novernher :  ffVerjriss  Schweighäusers  nicht,  sie  wohnen 
jetzt  in  Dr.  Loreuizens*  Haus.  Hab'  ihnen  eiiea  Vei'slein  zum 
Namenslag  gesandt  !j» 

>  Zwei  Brüder  Wildermett  lebten  in  Biel,  der  eiu«  aU  lianner- 
kerr,  der  andere  als  Kanzler.  Beider  Söhiio  waren  Kriegssehtkler  und 
worden  Oftiziere,  einer  in  Riel,  sein  Vetter  in  i'reussen. 

^  iSiehe  Fremden  buch  S.  157  und  Annales  de  lEst  1895 
S.  666.  Am  4.  Desember  brachte  Hr.  Kolb,  Major  d«r  Baaler  Hilis. 
seine  Tücli*rr  zu  Titot  nnd  zugleich  einen  Brief  der  Zoe  an  Pfeffel. 

^  Lehrer  an  der  Krieesschuie,  Lace's  Schwager.  Siebe  Jahr- 
buch 1891  S.  128. 

*  J.  D.  Lorents,  Fhatet  in  Barr,  besuchte  den  Pfeffel  im  Juli 


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—   144  — 


Das  Jahr  schiiesst  mit  neuer  Vaterfreude.  Am  17,  De- 
zember meldet  er  die  Geburt  der  kleinen  Antoinetle,  von  deren 
Hochzeit  weiter  die  Rede  sein  soll.'  Ihre  P.ilhen  waren:  Bux- 
torf,  Barl)ier  und  Garbonni^jre,  die  Pathmnen:  Fjau  Sirnih, 
Legrand  und  Kliiu«»:er.  Eine  andere  uns  bekannte  To»:hter  Zoe's 
war  Gertrud,  welcher  Pfeflel  i792  die  Lehren  an  Eg-Ie 
widmete,  eine  freie  und  vennehrle  Ueberselzung  aus  dem  Fran- 
zösischen des  Pavillon  (lt>32 — 1705),  welche  folgendei'massen 
beginnt : 

Darf,  Egle.  dich  die  Freundschaft  unterrichten? 

Ich  weiss  zwar  wohl,  in  unsrer  Flitterwelt 

Ißt  eine  Vorschrift  strenger  Pflichten 

Dftt  Mittel  nicht,  vrodnrck  ein  lied  geföllt. 

Doch  Zocns  Tochter  flieht  im  Leos  der  Jahre 

Die  Flitterwelt  sammt  ihrer  honten  Wnare» 

Mit  Wonne  hat  dein  alter  Freund  o;(>sf>hn 

Da- 9  ilim  (lein  edles  Herz  zavorgekominen. 

Lud  dass  du  von  dir  seibgt  den  Weg  genommen, 

Anf  dem  er  dir  nnn  winkt,  noch  weiter  fortsngehen  n.  a.  w. 

Schon  1777  hatte  der  Dichter  seinem  Freund  eine  Epistel 
und  ein  Gedicht  (Der  ^f^ienkäfer)  gewidmet.  Im  rol;i^eiidcn 
Jalir  erhielt  Zoe  Die  Freundschaft  und  178ii,  auf  ihren 
Geburtstag:,  das  Gedicht,  das  ihren  Namen  trägt.  Nach  ilirem 
Tode  (1791)  schrieb  er  für  ihren  Gatten  Der  Hase  und 
seine  Freunde  (1793).  Endlich  erwähnt  er  ihr  Andenken 
und  das  der  Frau  Lers  in  der  Epistel  an  die  Nachwelt 
(Vers  224-7),  deren  baldiges  Erscheinen  er  am  24.  August  1800 
dem  Sarasin  verlcDndel. 


VI. 

A  n  b  a  n  g. 

Die  Revolution  hilnnte  nairn  ln  Ii  den  Verkehr  zwischen 
Kolmar  und  Dasei.  Dueli  kaum  wm  in  letzter  Stadt  der  Frie- 
den geschlossen  (5.  April  1795),  so  wurden  die  Verbindungen 
wieder  angeknüpft.  Am  11.  September  1796  pankt  Pfeffel  für 
die  gute  Aufnahme  seiner  Schützlinge  Karpff  und  Bach.  Dann 
geht  er  in  Unterbandlungen  ein  mit  seinem  ehemaligen  Schü- 


1788  und  eine  Frau  Wittwe  Lorenz  hatte  später  dauernden  Brief- 
wechsel mit  dem  Dichter.  Bei  ihr  wohnte  J.  J.  Bieder  in  den  Ferien 
wfthrend  seiner  Tübinger  Stndienseit. 
1  Anhang,  2.  BrieL 


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—   145  — 


1er  und  Verleger  seiner  Poet.  Versuche  (1789)  Wilhälm 
Haas,  zum  Zweck  einer  neuen  Ausgabe.  Zwar  stirbt  dieser 
schon  1800,  Levor  ilas  Unternehmen  begonnen,  das  nun  Ck)tta 
in  die  Hand  uliumt.  Aber  'Haasens  Valer  beb&lt  Fühlung  mit 

dem  Dichter. 

Als  im  Ht-rbst  1798  des  Letalem  Schreiber,  iu.  der,  zum  Heer 
Massena's  einberufen  wurde,  kam  er  durch  Basel  und  kehrte  bei 
Saraüin  ein.  Als  Mililärdolmetscher  wohnte  er  der  Schlacht 
um  Zürich  bei  und  war  der  erste,  der  Pfellehi  Lavaters  Verwun- 
dung melden  konnte. 

Kun  darauf,  ge^^en  den  1.  Dez.  i799,  kam  Oberlins  Sohn 
durch  Kolmar»  ebenfalls  zur  Schweiierarmee  eingezogen.  Er 
brachte  dem  Dichter  einen  Biief  von  Ehr.  Stoeber  und  nahm 
einen  für  Sarasin  mit  (Epistel  an  die  Nachwelt,  S.  67). 

Ueber  Sarasin's  beide  letzten  Lebensjahre  geben  uns  er» 
wönschten  Aufacbluss  die  7  folgenden  Briefe. 


Ja,  Bruder,  da  stehen  wir  am  Rande  des  Jahrhunderts 
das  uns  erzeugt,  gepflegt,  uroj^s^^ezogen  u.  {,'ezüchtigt  hat.  Mir 
ist  djt"ier  Abschied  u.  der  Ije vorstehende  IJeberj^ang  recht  fest- 
lich u,  es  i^^t  mir  seit  eini^ifen  Ta^en  als  wenn  icii  auf  einem 
pavinieiilu  vuii  lauter  EUeUteinea  einhertriite.  Ich  weiss 
nicht  ob  mir  jemand  dieses  Bild  nachempfinden  kann. 

Sonst  hab*  ich  seit  einigen  Wochen  bftse  Zeit  gehabt. 
Mein  Alexander  lag  in  Roueu  an  einem  hitzigen  Faulfieber  u. 
dem  Friesel  auf  dem  äussersten,  u.  man  hlilt  seine  Gonvales- 
cenz  für  ein  Wunder.  Gottlob,  nun  bin  ich  seinetwegen  be- 
ruhigt. So  ging's  mir  auch  mit  meiner  Tochter  Gertrud,  die 
auch  an  Folgen  ihres  Wochenbetten  ein  paar  mahl  mit  dem 
Tode  rang.  Ich  selbst  hatte  wogen  eines  starken  Flusses 
Hausarrest  u.  Schoelli  war  ebenfatU  ein  paar  Wochen 
lang  in  bedenklichem  Zustande. 

Ich  erzähle  nicht  alles,  aber  docri  genug  um  dicli  merken 
zu  lassen,  dass  das  alte  Jahrhunderl  noch  recht  hat  wollen  an 
meiner  Existenz  zurecht  hobeln.  Mags  seyn  !  Ich  bücke  meinen 
Nacken  ;  k.tiiu  es  mir  doch  diese  Existenz,  die  es  mir  ge- 
geben, in  alle  Ewigkeit  nicht  mehr  nehmen. 

Jetzt  mdcht'  ich  gern,  wenn  ich  Worte  hätte,  dir  noch 
für  deine  Freundschaft  danken,  die  mir  so  stattlich  hat  helfen 


^  S«ina  HauBhälterin.  Ob  eine  Verwandte  des  Baobdruckers  aod 
spitaren  Qaschichtaschnibers  Fritdricfa  8.,  der  damals  in  Basel  war 


i.  (80.  Des.  1800.) 


10 


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—  146  — 

Freud*  und  Leid  zusammentragen.  Aber  das  iässt  sich  besser 
empßnden  als  sa«ron,  nicht  wahr?  Weisst  du  was?  Berufe 
den  Zirkel  deiu.  r  Lieben  zusammen  u.  umarme  sie  so  hefzlich 
als  ich  dich  mi  l  J)  >nsi  umarme.  Zei|^'  ilmon  dann  die  i>eiden 
beykommendeii  Bildchen,*  die  nur  zum  Muster  dienen  sollen. 
Du  kannst  deren  soviel  bekommen  als  du  hiauchsl.  Den  Gom- 
mentar  darüber  will  ich  andre  machen  lassen. 

Leb   wohl  u.  Iteliilte  mich  lieb. 
Von  Her/en  dein  alter  redlicher 

Jakob  Sarasio. 

Anfaners  Februar  soll  wahrscheinlieh  Aatoinetfen's*  Hoch- 
seil  seyn.  Ich  hatte  sie  lieber  bis  nach  Ostern  verschoben, 
ward  aber  nicht  Meisler. 


2.  (11  April  1801.) 

Hier,  lieber  Bruder,  kommt  ein  armer  Müdling  endlich 
auch  wieder  einmahl  mit  einem  Brieticin  an^-^ekiochen .  Wenn 
ich  sa;:e  dass  ich  20  mahl  deinen  nierkwürdigen  Brief  vom 
15.  HornuiifT  beantworten  wollte,  so  sag'  ich  viel  zu  weni^^ : 
aber  nie  könnt'  ich  die  Stimmun^if  erhalten,  die  meine  Antwuri 
erfoi^ert  hätte,  nicht  dass  ich  nicht  mit  dir  fühlte,  aber  ich 
hatte  nicht  festliche  Müsse  zu  einer  Herzensei-giessung.  Ausser 
den  Zerstreuungen  hatte  ich  zwar  auch  manchen  erquickenden 
Seelengenuss,  konnte  aber  auch  da  nicht  mittheilen,  weil  meine 
Stimmung  gar  zu  oft  u.  schnell  von  einer  Modulation  zur 
andern  übergehen  musste« 

Was  ich  um  Antoinettens  Hochzeit  herum  zu  denken  u. 
zu  wirken  ^  ontioi  lilc,  wirst  du  aus  beykommenden  Beimereyen* 
ersehen,  die  ich  bis  zu  deiner  Herkunft  behalten  wollte,  um 
dir  nicht  unnütze  Kosten  zu  machen  ;  aber  ich  fürchte,  ich 
sterbe  darüber  u.  meine  Erben  ver^^essen's  dann,  u.  diesen 
Schabernak  möcht'  ich  nicht  haben. 

Jetzt  ist  das  junge  Khpaar  in  Frankfurt  u.  ich  bin  so 
kinderlos  als  den*  Tag  vor  meiner  Hochzeit.    Zwar  ist  mein 


*  Der  Schäfername  der  Frau  Pfeffel.  Beiisar  war  der  ihres  Gatten 
2  Die  in  anserm  Texte  untgeieilt  werden  sollten.    Es  kam  aber 
aioht  dazu. 

s  Sein»  Tochtw,  dei«a  Gebart  am  17.  Dcsembsr  1784  «twftknt 
wurde. 

<  Liedlein  am  9.  Hers  1801  auf  Antoinettens  Hoch* 

seit  und  Epistel  an  d&s  liebe  Brautpaar  E manne! 
Barckbardt  and  Antoinette  Sarasin. 


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~  147  — 


YTildfong  Alexander  seit  dem  29.  März  von  RoueD  abgereist, 
aber  durch  einen  Missverstand,  wegen  Nichtbeantwortung  dnes 

Briefes  nach  Paris,  noch  nicht  hier..  Wahr  ist's^  er  hat  ein 
bischen  ein  bös  Gewissen.  Indessen  vermehren  dergleioh^l 
Widerwärtigkeiten  den  guten  Humor  so  wenig  als  der  nun 
^inhergesto!perte  Friede^  grossen  Jubel  verursacht.  Es  scheint, 
iler  erste  Consul  sieht  un<  Srlnvei/or  für  gute  Kettenhunde 
«n,  (Vk^  mnn  ja  an  dem  ilalsbatid  der  Einheit  u.  Untheilbar- 
keit  herum  In  Ii  ren  niuss,  wenn  sie  nicht  gegen  das  erUttene 
■Unrecht  einen  Ausfoll  machen  sollen. 

Mit  Schoell  geht  es  endUch  besser.    Jetzt  wird  sie 

^ber  eine  Luftveränderung  machen  wollen,  u.  da  hah*  ich  denn 
wieder  niemand,  dem  ich  nur  einen  Schlfissel  anT^rtrauen  darf, 
v.  täglich  droht  man  uns  noch  mit  Durchmärschen  u*  vier- 
facher Einquartierung.  Wenn  ich  mir  nur  das  Denken  er- 
laube, so  möchte  ich  oft  den  Kopf  wider  die  Wand  schlagen ; 
da  man  aber  die  Scherben  zu  gar  nichts  mehr  brauchen  könnte, 
ao  lass'  ich's  doch  vor  der  Hand  1 1<  ilu^n.  Wenn  wir  nur  ein- 
mal unsre  Heben  Freunde  und  Bundeagenossen  vom  Halse 
hätten ;  die  bringen  mich  noch  um. 

In  8  Tagen  soll  Stilling  hier  durch  kommen.'  Da  er 
aber  nur  zwei  Tajje  bleiben  will,  so  weiss  k  Ii  nirht  ob  ich  ihn 
anders  werde  zu  scheti  bekommen,  als  für  eine  Augenconsulta- 
tion  mit  meinom  S(  iogersolm  lledfinjier.  Ich  hätte  gern 
mit  ihm  ein  ruhiges  Siündclien  Conversatiun  mögen  veranstalten 
können ;  aber  Rath  Schoendorf,  bey  dem  er  absteigt,  wird 
ihn  belagert  halten,  u.  da  er  mich  weiter  gar  von  nirgend  her 
kennt,  so  mag  ich  nicht  mit  dnem  Quodlibet  anfangen. 

A  propoal  In  der  lotsten  Strassburger  Zeitung  habe  ich 
lielesen,  dass  du  oberster  HofQbersetKer  geworden  bist,  wozu 
ich  herzlich  gratuHere.  Ich  denke  aber,  dies  wird  dich  nicht 
hindern  die  Republik  für  einige  Tage  zu  verlassen;  denn  du 
wirst  doch  nicht  an  einem  fort  übersetzen  müssen.  Will  also  gern 
hören,  wenn  dein  Sprung  nach  Basel  einmal  vorsieh  gehen  wird. 

Am  Montag  geh'  ich  für  3  Tage  zu  Pfarrer  Spörlio  nach 
Sissach  um  den  Kopf  ein  bischen  auszuruhen  .  . 


>  von  Lunöville,  9.  Februar  1801. 

*  Jung  Stilllng,  damals  Marburger  Professor,  hatte  am  27.  Ifftfs 

seine  erste  Schweizerreise  angetreten,  von  Pfarrer  Salzer,  dem  Neffen 
des  Berliner  Professors  dieses  Namens,  nach  Winterthor  gerufen.  Auf 
seiner  Bftckkehr  blieb  er  In  Basel  vom  SS.  bis  97.  Apnl.  Er  hatte 

die  Absicht  auch  Pfeffel  zu  besuchen,  wird  aber  gewarnt,  den  fran- 
zösischen  Boden  nicht  zu  betreten  und  reist  auf  dem  rechten  Dfer 
weiter. 

»  Pfeffers  sofortige  Antwort  auf  diesen  Brief  (14.  April)  hat 


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—  448 


3.  (13.  September  1801.) 

Der  ^vürdige  junge  Mann,  der  dir  diesen  Brief  präsentiere» 
wird,  ist  Herr  Bernoulli,  der  Sohn  nieiaes  Freundes,  des  Herrn 
Prof.  BernoulU.i  Er  reist  nach  Goettingen,  um  seinen  schönen 
Studien  noch  eine  Zierde  beyzule{?en.  Er  durstet  nach  deiner 
Bekanntschaft  und  möchte  prern  deinen  Segen  auf  seine  alva- 
deniische  Laufbahn  tnilnehinen.  .  .  Ich  holTe  zu  dieJ?em  Ende, 
die  :?rhle(hte  Witterung  werde  deinen  Ausflug  zu  Freund 
Jacobi  *  um  ein  paar  Tage  verschoben  haben.  Sollte  er  aber 
dich  nicht  treffen,  so  ist  dein  Eydam,  Herr  Pmf.  Berger,  nebst 
meinem  herzhchen  Gruss,  ersucht  ihn  deiner  Familie  vorzu- 
stellen. Es  wird  ihm  auch  in  Beiug  auf  sein  Institut»  nicht 
gleichgültig  seyn,  Herrn  Bemoulli's  Bekanntschaft  lu  machen^ 
weil  er  zu  einer  Familie  gehört bey  velcher  das  Erziehungs- 
wesen nicht  Nebensache  ist. 

Von  Breitingern  hab'  ich  noch  keine  bestimmte  Nachricht* 
Ich  erwarte  sie  am  Donnerstag  und  theile  sie  sodann  gleich 
mit.  Ich  denke  es  wird  sich  auf  den  Anfang  des  8  bris  treffen.* 

4  (IS.  Okloher  1801.) 

Es  ist  ein  verdriessliches  Wesen,  Bruder,  um  die  Colmarer 
Post.  Sie  kommt  um  H  Uhr  an  und  geht  um  1  Uhr  wieder 
ab.  Wartet  m;ui  nun  auf  die  Briefe,  so  läuft  man  iinnrer  Ge- 
fahr, nicht  Mielir  Zeit  zum  Antworten  zu  haben....  So  iialt'  ich. 
dir  längst  schon  s;i;ien  können  und  sollen,  dass  mich  deine 
glückliche  Heikunfl  ausnehmend  geheut  hat,  dass  mein  Barbier 
für  sein  Trinkgeld  sehr  erkenntlich  ist,  noch  erkenntlicher  aber 
alle  die  Meinen  für  dein  Andenken,  und  am  allerarkenntlichsteD 


Stoeber  veröffentlicht  (Epistel  an  die  Nachwelt,  S.  71).  Ein 
Enapfehlnngsschreiben  an  Stilling  begleitete  sie. 

1  Dieser  rühmliche  Basier  Name  war  Pfeffel  wohlbekannt.  Drei 
KriegtselifUer  fShrtea  ihn  (Pfuinentchmid,  Fremdenbveh  8. 197). 

*  Nach  Freibarg  im  Breisgau.  Die  Zeitschrift  fär  die  Ge- 
schichte (1  f>  s  0  b  e  r  r  h  e  i  II  s  hat  im  1.  Heft  letzten  Jahres  Jacobi'a 
Thiefe  au  rtefiel  veröffentlicht. 

^  Caspar  Berger  ans  Mömpelgart  hatte  em  14.  Febraar  1794 
I'f*  tTt  ls  ültestn  Tochter  geheiratet.  Er  wnr  seit  1796  Professor  der 
Urammatik  au  üer  CentraUcbole  and  hatte  nebenbei  Zöglinge  in  seinem 
Hanee,  u.  a.  Lehr,  der  spftter  eine  Annhl  PfeffelBcher  Fabeln  über- 
setzte. 

*  David  Breitinger,  Prof.  der  Math  in  Zürich,  war  am  So.  Juli 
nSOmi  t  Lavatei-  imd  Sporlia  ia  Kolmar.  Seinen  2.  Sohn  —  der 
erste  befand  sich  gerade  bei  Sarasin  —  wünschte  Pfeffel  (Januar 
1784)  als  Schreiber  oder  Lehrer  bei  sich  zu  haben.  Der  Vater  aber 
antwortet,  er  wolle  ihn  in  Zürich  behalten. 


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—   14«J  — 


ich,  dass  rlu  mir  drei  frohe,  glückliche  Tn^'-e  durch  deine  Gegen- 
wart gemacht  hast.  Gottlol),  dass  wir  uns  wieder  an  einander 
messen  konnten.  Dies  ist  mein  r):iiikgel>et. 

Der  Mann,  von  dem  man  dir  gesprochen  hat,  seye  nichts 
für  dich,  meint  Hagenbach.  An  korrektes  Französisch  wäre 
nicht  zu  denken,  und  ausser  dem  stylo  euriae  möchte 
«elbst  das  Deutsche  hoppera.> 

ft.  (21.  Not.  1801.) 

Soll  ich  den  Sonntagsrock  und  mein  Gilet  mit  Fnmssen  an- 
-zieben  um  dir  zu  deinem  festlichen  Tage  Ghick  zu  wünschen.* 
Ja  wohl  will  ich  den  Montag  in  meinem  und  in  eurem  Namen 
feyern,  und  wenn  ihr  bey  eurem  hAuslichen  Abendmahl  hej* 
^mmen  sitzt»  so  denkt  dass  ich  In  Basel  anf  euer  Wohlseyn 
trinke,  und  zwar  nicht  einsam ;  denn  gerade  am  Montag  kommt 
mein  Freund  Dr.  Rathsherr  Diethelm  Lavater  hey  mir  an,  und 
<ler  muss  mir  roitfeyem  helfen.  Das  ist  auch  der  Erprobten 
Einer,  der  weiss  was  Theiinahme  Ist.  .  . 

Ich  wolhe  dir  noch  gern  vieles  schreiben;  aber  da  ich  cal- 
•culire,  dass  dies  gerade  auf  das  Fest  kommt,  so  sey's  auf  ein 
andermal  gespart.  •  .  . 

«.  (16.  MArs  180S.) 

Hier,  Bruder,  Jacobi's  Antwort. 3 

Bedaure  dass  dir  dein  Sekretariatswesen  so  viel  Ungelegen- 
heit  macht.  .  .  . 

Als  Neuigkeit  melde  ich  dir  die  Niederkunft  meiner  Tochter 
Susette  mit  einem  gesunden  Buben.  .  .  . 

7.  Juni.) 

Abermals  eine  langerwarlete  Freude  zu  Wasser  geworden. 
Mein  geliebter  Bruder,  der  schon  seit  mehrerer  Zeit  gewaltig 
4in  Lebenskrftflen  abnahm,  war  seit  S  Tagen  bettlftgerig,  und 


1  Yergh  £piftel  an  di«  Nachwelt,  S.  70. 
s  Zur  Hoebssit  der  4.  Toehtsr  Pfeffels,  Sophie,  mit  Franz  Ehr- 
mum,  Apellrat 

Seit  der  Revolution  bestand  keine  direkte  Postverbindnng  mehr 
zwischen  Koimar  and  Fieiburg,  so  dass,  wenn  keine  Privatgelegen- 
heit sich  darbot,  Jacobi  seine  Briefe  Aber  Stnssbiifg  oder  Basel 
senden  TTtn^^te   Erst  im  folgenden  Jahrs  wdo  sia  lageUnlssigw 

Verkehr  wieder  augeknüpft. 


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—   150  — 

aller  angewandtea  Mühd  unerachtet  konote  mao  der  Krankheit 
nicht  steuern»  so  dass  er  geatem  frfth  sanft  verschied,  im 
72.  Jahre.! 

Dass  das  keine  Zeit  ist  zum  Visitengeben  noch  empfongea 
versieht  sich  von  selbst.  .  . 


1  Di«i  Monate  nachher  war  ihm  Jakob  bersits  ins  Giab  nach» 
gefolgt  (10.  September). 


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Vll. 

Unbekannte  Gedichte  von  Moscherosch. 

Mitgeteilt  von 

J.  Bolte  in  Berlin. 
L 

WarhalTtige  Relation  |  Von  |  Arcetusa  vnd  Mayfarsus,  |  Auif 
die  weise  :  j  Ck)ridon  der  gien;:  betrübet,  etc.  |  A.  S«  V.  H.  O. 
H.  N.  W,  I  H.  J.  E.  W.  H.  C.  E.  I  Hot.  :  Od :  11.  üb. 
4.  I  IHsparem  vites,  age,  jam  meorum  |  finis  amonim»  |  (Nbn 
enim  posthac  alia  calebo  |  Foemina)  condisce  modos,  amanda  | 
Voce  qvos  reddas»  minuuntur  atrae  |  Carmine  curae.  | 

1  Als  Mayfarsus  ia  der  Heyden, 
Do  £r  voller  Sorgen  gieug, 
Eia«ii  hfilMclioa  Yogtl  fieng, 
Baadt  «v  jhn  mit  "biuidUr  Seydea 
T»d  gab  diesen  Zoddel-fiisa 
Sdaer  LielMten  Arcetoaa. 

*  JJebrte/  aagt*  er,  ,do  aioh  heataa 

Anff  der  Jagt  nichts  fangen  liess. 

Schrie  ich  endlich  mit  veHriess: 
Pannus,  gib  mir  was  zur  Beuten, 
Vmb  der  Arcetusen  gunst! 
Sonst  verschwer*  ich  deine  Kiiiiat. 

8  .Dranff  erwischt'  ich  demct-wegen 
Diesen  Vogel,  den  ich  dir, 
Arcetusa,  trage  f&r 
Alas  dan  k1«iB«ii  Jäger  Segea. 
Doout  nimb  da  Hertzen-dieb, 
Bisa  sich«  besser  fingt,  vorlieb !' 


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—  152  — 


*  Aieeton  dacht  im  HtitMii : 

,Was  hilfft  mir  der  HenSSirliilg  ? 

Pnckt  etirh  mit  solch  Lnmpen<iing  ' 
Soit  ich  so  mein  Hcyl  veischijrtzeil  ? 
Habt,  Mayfarsns,  Dank  dafür 
Ynd  Terwftlirt  dits  Flügel-Thier!' 

*  Daranff  ward  sein  Hertz  geschwrinde 
Als  wie  ]>ley  vnd  Eisen  schwor, 
Doch  gedacht  Er  iiiu  vnd  her, 
WoTOB  dieM  Bed*  «iittlftadt, 

Tnd  apiMh  kfirtslieh :  ,0  mein  Ltochi, 
DiMtr  Togal  bindet  nieht. 

9      lit  brrach  bey  jaogoi  Leat«n 
Vad  gtMhidht  an  dieiar  Ztit 

Anss  gerechter  Hdffligkeit; 

Niemand  kan  es  übel  denten, 
Wo  er  nicht  Uanss  führe  Mist 
Oder  Dreeas  von  Briaich  int. 

'  ,Die  Vernnnfft  mag  selbsten  aaagea, 
Ob  wol  Aicetass'  hierbey 
Irgend  was  versehen  sey. 
leb  wü  ttoek«  itill«  aebweigen  ; 
Foftebt  jbr  «ad'  vnd  aabegin, 
AllerUfigito  Meirterinl' 

^  Arceiasa  voller  Gallen 
Nahm  den  Vogel,  teUoti  jbn  ein 
Tnd  Ueai  nach  dem  angenecheln 

Sich  die  Gaben  miesgefallen, 
Bisa  Mayfarsns  Graben  tieff 
In  gedanoken  von  jhr  UefE. 

*  Ateetnea  war  geseboieen 

Gegen  Hylaa,  daaa  sie  gar 

Wie  ein  altei  Tischtuch  war. 

So  mit  Bchwartz  Fleisch  ist  begosaen. 

Dramb  verliess  Sie,  wiü  erscheint» 

Diesen  jhren  alten  Freundt. 

>^  Knrtz  als  dieses  war  geschehen, 
Kam  Hyrcan,  der  Stachel -Facha, 
Fewer  üugig  wie  ein  Lachss, 
Seinen  alten  Schuss  zu  sehen, 
Tnd  fand  als  ein  apttread  Wind 
Dae  Tenebenekto  Fedar-Kindt 

Er  fjriff  vmb  sich  wie  die  Eulen, 
Nahm  den  Vogel  sampt  den  Baudt 
In  die  lebarife  Klawea-Haadt, 


—  153  - 


All  ged&cht  er  jhn  za  theilen, 

Dft  dM  airme  ScbubeUvieh 

Wm  «in  aterbead  Minaohgan  aehria, 

12  Vnd  verehrte  Lysabellen 

Diaaan  Fang,  doch  nur  anu  Neyd, 
Wall  Hayfarau  jadanmt 

Sich  bey  jhr  pflag  einmatellen. 

Aber  sie  sprach:  .Grossen  Dank; 
Mir  beliebt  kein  Vogelklangk/ 

13  Letzlieh  kam  er  zu  Starsillen 
Vnd  gab  den  Gewin  der  Jagt 
Dieser  armen  LdfFe!-Ma<?flt. 
Die  griff  za  mit  alieu  willen, 
Sobarrte,  neigte  aieh  so  kmmb 
Yttd  Tardanakt  aa  Tmb  Tnd  mb. 

**  Juno  wolle  das  nicht  leiden, 
Das  MayfarsuB  Uertzen-pfandt 
Bliab  in  solehar  llttsan  Handt, 
Sondern  liess  den  Strick  saischnaidMi, 
Dass  der  Henfferling  entflog 
Vnd  hin  za  Mayfarans  zog. 

Also  kriagta  diasar  widar 

Die  Tarachanckte  Fröligkeit, 
Daas  er  nunmehr  Müh  vnd  Lafd 
Frey  vnd  ledig  wirftet  nieder. 
Wol  dem,  dem  es  so  gelückt, 
Wann  jhn  Neid  Tnd  Ynglflck  drOekt 

Ich  könte  zwar  noch  mehr  vou  Arcetusa  klagen. 

Doch  wil  ichs  ihr  zur  gnnst,  vnd  mir  zur  Tugendt  tragen. 

Johan:  Mich:  Moacharoach. 

Qu  taeat  ak  atnltnm  acit  aimälata,  aapit 

\orsteiiemles  Gedicht  ist  auf  zwei  kleinen  Quartl>lattern 
0.  0.  u.  J.  ^^edi  uckt,  die  tlei-  Berliner  Martin  Friedrich  beulel  * 
in  seine  KoUektaneeu  zu  einer  Selbsll)io;rraphie  (Berliner  Mscr. 
boruss.  fol.  200)  eingeklebt  bat.  Seinem  Platze  nach  würde  es 
ia  die  Jahre  1645^1646  gehören,  in  denen  der  junge  Jariat 
die  Univeraität  Marbui  g  beaucfate  und  Gber  Wildungen,  MQnster 
und  Qeve  nach  Leiden  gieng.   Vermutlich  bewahrte  er  daa 


1  1621— Debet  sein  Leben  habe  ich  in  einem  Berlinar 
Sohnlprogramme  {IHM  no.  59)  gehandelt  Er  atand  mit  den  Dichtam 

Simon  Darb,  Johann  Franck  und  Heinrich  Held  in  freundschaftlichem 
Verkehr.  Vgl.  Jentsch  im  Neuen  Lausitz.  Magazin  18  und  Bolto, 
Altpreossische  Monatsschrift  23,  451  (1886). 


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—   154  — 

Blatt  2uni  Andenken  'an  eine  pendnlicfae  Begegnung  mit  Mo- 
scherosch  auf. 

Der  Dichter  hält  darin  der  Dame  ArcetU8a  eine  kleine 
Strafrede  über  die  Nichtachtung,  mit  der  sie  das  Geschenk 
ihres  Verehrers  Mayfarsus  aufnimmt,  und  schildert  seine  end- 
giltige  Abkehr  von  der  launisclien  Schönen.  Zweifeln  möchte 
ich  noch,  ob  sich  Moscheroscli  selber  unter  der  Person  des  ge- 
krankten Liebhabern,  dem  schliesslich  der  mehrfach  verschenkte 
HanÜing  \vie<1er  zufliegt,  darsteWen  oder  mir  eine  Begebenheit 
aus  seinem  iiekanntenkreise  in  Verse  bringen  wollte.  Vielleicht 
vermögen  die  rätselhaften  Initialen  der  Ueherschi  ift  darüber 
Aufschluss  zu  geben.  Immerhin  verdient  das  Gedicht  ebenso 
gut  wie  die  von  Erich  Schmidt  in  der  Zeitaehr.  f.  dtech.  Altert. 
S3,  71  abgedruckten  Ptoesien  Ifoecberoachs  der  Vergeaaenheit 
entrisaen  zu  werden. 

•  Die  Melodie  «Coridon  der  gieng  betrübet»  geb6rt  einem  Liede 
Opitiens  (Deuladie  Poemata  1525  S.  176)  an,  das  z.  B.  von 
Kittel  (Arien  und  Gantaten  1638  Nr.  3)  komponiert  worden  war. 

II. 

Die  nachstehende  Dichtung  Moscheroschs  erweckt  nach 
verachiedenen  Seiten  hin  Interesse,  Der  Biograph  des  Dichters  > 
erftbrt  hieraus  von  einem  von  1680  fatlenden  Aufentlialte 
in  Tübingen  und  von  seinen  Beziehungen  zu  schwäbischen 
Gelehrten  wie  Andrea,  Lansaus,  Zeiller,  Hönisch,  Wieland.  Für 
Moscheroschs  lebendigen  Patriotismus  und  treue  Heimatsliebe 
legt  seine  Klage  über  die  auch  nach  der  Beendigung  dea  dreis- 
sigjährigen  Krieges  fortdauernden  Unruhen  im  Elsass  und  über 
die  Verwüstung  seines  Geburtsortes  Wilstät  ein  neues  Zeugnis 
ab  ;  und  zugleich  erhebt  das  warme  Gefühl,  das  aus  der  Klaffe  um 
den  scheidenden  A>u^'<lnir^fHr  Freund  spricht,  die  anniutii^e  \'er- 
gegenwärtigung  der  Wjiiterreise  u)»'  i  den  Kniebis  uiul  die  zier- 
liche Mischung  antikisierender  Myliiulugie  und  alemannischer 
Mundart  das  Werkchen  weil  über  die  grosse  Masse  der  gleich- 
zeitigen Gelegenheitspoeme. 

Ueber  die  Person  des  hier  angeredeten  Augabuigers  Me* 
1  and  er  vermag  ich  leider  keinen  Aufschluss  zu  bie(«D.  Da 
der  Dichter  ihn  auch  Erhard  und  Melchior  anredet^ 
darf  man  in  ■  ihm  vielleicht  einen  Verwandten  des  1635  ver- 
storbenen Augsbur^^er  Arztes  Jeremias  Erhard*  oder  des  an 
St.  Ulrich  vrirkenden  Predigers  M.  Georg  Erbart«  vermuten» 


1  L.  Pariser,  Beiträge  sa  einer  Biographie  •  von  Moscheroioh. 
Diss.  München  lä91  S.  6. 

«  F.  A.  Veith,  Bibhotheca  Aagaatana  9,  43.  (1793). 

8  P.  V.  Stetten.  Gesch.  von  Angsborg  8, 49. 16a  845. 1196  [im). 


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—  155  — 

der  sweimal  während  des  dreissigjährigen  Krieges  (16S29  and 
ld35)  aus  Augsburg  ebzieheii  musste.  (Vgl.  den  Naehlrag.) 

Melanders  |  Alisdieid  j  vnd  |  Phiianders  )  Glürkwuu^cliun^  ( 
in  Strassbur^j  |  den  19.  Jenaer  |  iG52.  |  7  Bl.  4*).  (Berlin  Yi 
4281). 

[Ajb]   Es  wird  ja  dis  Oedicbt  in  Deinem  hohen  Stand, 

M  Blander,  treft«r  Freund,  nicht  fibel  aufgenommen? 
Dan  wan  wir  werden  dort  im  grab  zusammen  kommen. 
So  wild  noch  Du  nodi  ieb  d«r  Welt  mehr  leyn  bekent: 
Was  aber  wir  su  lob  der  Tentschen  Twa  Je  aehieiben« 
Das  soll«  waa  Do  vnd  ich  nicht  leben  mehr,  doch  bleiben. 


[Age]  00  mm?  Da  Bdlsr  geirt  Helander,  mnss  es  sejn? 

Du  Teatscher  Hertsen-Freand !  daas  Da  wilst  von  vns  weichen  ? 
Ist  deinem  Angsparg  dann  kein  Stntt  mehr  za vergleichen? 
Geht  Sie  Dir  allen  vor  ?  vnd  mag  all  mein  Latein, 
Mein  Bitten,  Witz  and  Kon&t,  vnd  was  ich  weiss  vnd  kan, 
Didi  nicht  mehr  halten  aof?  nodi  der  beliebte  Orden 
Dem»  die  dorcb  Teatoche  Treft  eeind  Deine  Frennde  worden, 
Ynd  nicht  dnrob  Wein  vnd  Bier  der  Freondschallt  blossen  wahxu 

>s  (bän  Fieiindsehiit  misttch  stehet, 

Die  sich  macht  bey  dem  Tronch, 
Wan  es  zar  Probe  gebet. 
So  steht  sie  auf  dem  sprangg ; 

Wo  aber  Tugend,  Ehr 
^  Vnd  Kunst  die  Freundscliafft  geben, 

Da  falt  sie  nimmermehr^ 

Vnd  bleibt,  so  lang  Wir  leben.) 

Daramb  durch  Teutscbe  Trefi,  sag  ich,  da  die  W.  E.  K.  A.  B.  iL. 
Dein  kalt-erhartes  Hertz  nicht  mehr  erweychen  k6nuen 
^  Zur  Liebe  gegen  vns :  Vnd  wilst  kortzam  von  hinnen 
Bey  dleer  wilden  Zeit  ?  Da  hörst  ja  den  aUarm 
Im  gantzen  Lande  gehn  !    Ich  bitte  dnrch  das  Bandt 
Der  Freundschafft:  bleib»  ach  bleib!  dnrch  Deiner  Tagend 
fruchte, 

Dorch  Deiner  Wissenscbafft  vnd  Redlichkeit  ger&chte, 
^  Vnd  was  der  Himmel  guts  in  Dich  noch  mehr  gewandt, 
Darob  allee,  was  Da  bist,  dardi  alles,  was  mao  sanst 

Beim  Bitten  wendet  ein,  darch  Olaaben,  Tre&'vnd  Ideben, 

Durch  alles  dis  vnd  das,  was  Du  vnd  ich  geschrieben, 
Durch  Deiner  Kunst  verstand,  dnrch  Deiner  Feder  gnost. 
85  ])||  }|ig(      sonst  ein  Mann,  der  sich  erbitten  lasst. 
Der  zugefallen  thut,  was  andre  grob  versagen, 
Der  sieb  mit  iedermann  weiss  frenndllcb  sabetragen, 
Ein  Mann,  der  alle  liebt  vnd  nur  die  H&oehler  bamt- 


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—   156  — 


Wan  ftb«r  tAU  Bit!  Ynd  Hoffnang,  die  Da  mir 

Vor  4iMtt  s«it  ftmaeliti  itti  woK  in  bronntii  IUI011, 

80  1ms,  ftch  lasse  dooli  Da,  den  ich  lieb  Tor  allen, 

Mein  Erller  Erhard  Da,  dis  gehn  zu  Hcrtzen  Dir: 
(Aijbj  Schau,  wie  der  greise  Sehne  deckt  vnsre  Mezgei  Au  ! 

Was  meynsta  werd'  es  dan  dort  aaf  dem  Schwartzwald  geben; 

^  Da  alles  ist  Tereysst?  Mich  daoii  das  zarte  Leben 
D«t  Jlbglingi,  d«i  Du  liebst,  Saio  Matter  dtin«  Frao. 
Denck  Dn  nnr  änderst  nicht,  als  clan  Mlbtt  die  Natorp 
Die  Mntter  aller  ding,  woll  Dir  den  pass  verlegen 
Ynd  streite  wider  dich  vnd  halte  Dir  entgegen 

^  Ihr  Schwerd,  vnd  sie  hab  Dir  verruckt  Kompaas  md  Vhrl 

Du  aber  sprichst  7a\  mir,  Dn  achtest  keine  Noth. 

Du  seyst  in  Heim  Boruff,  Gott  werde  Dich  erhalten. 

Der  kalte  Zemblt^r  ^urd  der  mug  deu  mcbt  eriuilteu. 

Der  leiBem  Vaterland  la  dientteD  trolst  den  Todt. 

Wolaa,  ieb  läse  es  teyn :  Biet  Da  dan  alio  freeb, 

So  zieh  nur  immer  hin!   Ihr  aber,  Wiesen,  Felder, 

Statt,  DörfTer,  I.nfft  vnd  Land.  Ihr  Wasser,  Wnnne,  W&lder 

Vnd  du,  du  Ed  k  r  Rhein,  Ihr,  Neckar,  Donau  Lech, 

Da  wertfae  Kintze  du,  die  da  mein  Sittewaldt 

^  Witflt&tt,  iet«  wild  vnd  «d.  mit  deinem  strohin  beteichest, 
N^t  Uber  gross,  doch  gnt  mit  Lachs  vnd  Holts  bereichest, 
WilstAtti  befireyter  lost  vorbin  ein  anffentbalt, 
Jetzt,  das«?  e«  Gott  erbarm,  ein  ciTigeuschte  Statt, 
Du  werthe  Kintze  du,  m  deren  ich  geschwommen 

^  Jnng,  Mattig,  ehe  ich  war^  aujs  deiner  schooss  genommen, 
'  tatst  ee  Mel'ander  niehl  ea^ieUea,  dass  er  h^ 
Den  K5nig  aller  Thftm,  die  trefte  Fronnde  sein 
Anss  acht,  anss  lieb,  auss  bald,  ia  fast  aass  seinem  BertMtt 
Gelassen  vnfl  erwAhlt  das  flocken-stfiimig  schertzen 

"^^  Des  schnLidLiid-ibt  iiarffcn  Nords,  des  Vnglücks  in  gemein. 
So  man  im  wilden  wald,  zu  harter  Winterzeit, 
Bty  Reysen  ftberlaad  moss  alle  stand  befahren! 
"Dotk  wen  Dich  Qotlss  Heer  aacb  dissmahl  wird  bewahren, 
Wie  Da  gianbet  vnd  ich  wflnsch,  so  bleifas  Da  wohl  befreyt. 

Man  so  sieht  Metaader  fr«y. 
Lasst,  Ihr  Wiesen,  Wasser,  W&Ider, 
Lasst  Ihn,  G&rten,  Berge,  Felder, 
Efire  Pässe  gehn  vorbey, 

{Aiija|  Dass  Er  nhngeffthi-det  sey ! 

^  Helfl't  ihm  über,  helft i  Ibra  vnder, 

Tha,  Natur,  an  Ihm  dis  wunder, 
DaM  der  Jenner  werde  tf ay, 

Das8  Er  komme  frisch  gesund 
Za  den  Eltern  vnd  Verwandten, 


w  D.  h.  das  SCrassbnrger  Ml&nster. 


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—   i57  ^ 


*^  Zn  den  Freanden  vnd  Bekandten ! 

Ql&cklich  ley  Ihm  Tftg  vnd  Stund, 

Da  Er  weg  von  StnMSbnrg  reyst. 

Da  Er  sich  bey  Anp;8purg  nahot, 
Da  die  Mutter  Ihn  ambfabet, 
^  Die  durch  Ihn  ietzt  wird  gepreist! 

Alles,  was  sonst  hindern  mag, 
Das  mftss*  Ihm  zu  nutz  vnd  fxommoD, 
Zu  gewiaa  fiid  ttattaik  Icomman, 
8«lbftt  di«  Naoht  werd'  Ihm  som  Tag  t 

8*  Lofft  ?nd  Dafft  die  m&ssea  sich 

In  Tiol-  viid  Boten  baden, 
Daat  Ihm  mAg  kein*  Eilte  achadefli 
Kein  Gefiibr  e^jn  hinderliohl 

Alle  floeken,  die  der  Schnee 
JOO  Yen  aich  blaset  anf  die  Erden» 

Hftssen  Zncker-Erbsen  weiden. 
Alle  Steine  BenUoe! 

Diebe  mftssen  werden  blind, 

R.^nber  mfissen  krnm  erlamen. 

Alle  wilde  Thier  erüaineii, 

Die  man  zwischen  Augspurg  find! 

Alle  Bäame  müssen  fein 
Ihm  zam  wilkom  Kftsslein  geben. 
Alle  Rofilen,  die  noch  leben, 
iie  Bringen  ihre  Leberlein  I 

Wo  der  Weg  vnwegig  ist, 
Wuiien  ihn  die  Bauern  haeken, 
AUe  Weiber  Nodla  backen, 
BiM  Wae  benere  angeepiasi! 

[Ai^b]  Allee,  wa»  Er,  vnd  waa  lein, 

Das  soll  aller  gfahr  entnommen 

Zu  gewftnschtem  Ende  kommen. 
Wie  £r  will,  so  soll  es  seyn ! 

Doch,  Ach  ">felauder,  wan  Du  konist  nach  Sittewalcl 
^•0  Vnd  die  vor-schöne  St&tl  icat  siebest  in  gefildern, 

In  Kirch,  Schloss,  Gärten,  M&hl  vnd  H&usera  so  verwildern. 
Die  dorch  Ynmilnschen  grimm  verstälte  vngestalt, 
Ach,  eo  beeenfÜM  doeh  mein  armes  Yaiterlandl 
Das  Eaoss,  darinn  ich  bin  an  dise  Welt  gebohren, 
1^  Das  ist  dorch  Schnaaberey  im  Fe&r  vnd  Bauch  verl ehren. 
0  weh  vnt  Tentsrhen,  weh  !  Es  ist  nicht  vmb  die  schand 
Noch  vmb  den  spoit  aiiem :  Es  ist  vielmehr  des  schad 


><w  Bnfflen,  mir  unklar.  [VielletchtsRaffolken.  eineFisehaxt?] 


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—  158 


Des  armen  Tentschen  lands.  das  lang  genag  gelitten 
Vnd  wider  seinen  Ruhm  vud  Freyheit  selbst  gestritten. 

180  Der  Vntergang  gchleioht  ein,  die  Re&  ist  vil  zu.  spath  j 
Daa  dichte  Teatscbe  üold,  d&&  alt  ererbte  Gut 
bt  fbity  atobft  6d,  ligt  da:  wir  Mbtios  all  ein  boiMii, 
Wan  man  nw  ngt  davon,  wia  •yfrig  tia  TargoisiDt 
Die  redlich  —  Tentsche  Fanst.  ihr  freyes  Helden  Blnt* 

135  Jff\r  (icncken  nicht  einmahl  an  hölff  vnd  mittel,  die 
Vor  hundert  Jahren  vns  die  Eltern  fest  erworben ; 
£s  scheint,  aU  wären  wir  deu  Frembden  heimgestorben, 
Vnd  giha  nr  Schlachtbank  hin  als  wie  daa  thnmma  Vieh. 
Wir  ligan  anf  der  Waag.  Waa  Ootl  nicht  Haidan  schickt, 

1^  Die  Gottesforcht  zuvor,  dan  Tenttcben  Glauben  lieben 
Ynd  mit  gppaartem  Sinn  sich  heiliglich  erftben. 
So  bleiben  wir  im  Krieg,  in  Noth  vnd  Todt  verstrickt. 
Dia  ist  der  Jammer,  den  ich  klage  mit  dem  Mund. 
Vir  seind  —  Ach  was  seind  wir?  —  £in  seheftsal  msern 
Freunden, 

Den  Nachbarn  ein  gesp&tt,  ein  anstoss  vnsern  Feinden : 
Di*?  ist  der  schöne  Ruf,  der  allen  Völckern  knnd 
So  hab  ich  offt  vnd  wohl,  doch  ohne  danck  geklagt. 
Man  hat  mit  vnserm  Blat  gekriegt,  man  hat  den  Frieden 
Mit  vnserm  Scb  weiss  erkanlft;  doch  ist  man  nicht  zofrieden, 
ISS  Ynd  seind  im  Frieden  wir  mehr  als  im  Krieg  geplagt 
CA4a]  0  Edler  Friede  da,  Du  tlieure  Gottes-gaab, 

"Wir  thumra  vnd  tolles  Volck,  wir  hatten  dich  verlohren 
Vnd  jüngst  Gott  in  die  hand  mit  nenem  Eyd  geschworen. 
Ach  wie?  da  ligst,  du  kracbsi.  du  sinckest  gegen  grab! 
155  Uan  denckt,  man  dicht,  man  tracht,  man  grftbelt^  sucht  vnd 

Wie  man  den  ttienzan  Byd  —  O  grosser  Gott,  0  Becher, 
0  Baach  vnd  grosser  Öottl      Durch  Cslsohheit  vnd  grol^ 

Sprecher 

Durchlöchern,  schftchern  m6g?  0  Fefter  Himmel,  Lafft! 

Dein  ist  die  Baach,  0  Gott.  Du  hast  la  die  gestrafft, 
ISO  Wo  Christen  dir  ein  Eyd  geschworoi  vnd  gebrochen, 

Du  hast  mit  Vntergang  des  Frevlers  es  gerochen 

Vnd  ihn  in  deinem  Zorn  vnd  Grimm  hinweg  gerafft. 

Die  Türcken  rAhmen  es  vnd  preisen  dich  darumb 

Hast  du  nun,  Gott  der  Baach,  die  Türcken  dort  crrctret, 
165  Sq  wirst  da  ja  dein  Volck,  das  ängstig  zu  dir  bettet. 

In  gleichem  hftren  noch. 


130  Ueber  die  vielfach  onerwfknachte  Auslegung,  die  damals  die 
französische  Begiemng  von  den  BestinmitiTitTen  des  wostfälif^chen 
i'  iiedens  im  Elsass  machte,  und  über  die  Kaabereieu  der  xm  Laude 
streifenden  lothringischen  Troppen  vgl.  Strobelf  Qeseh.  des  Elsasses 
6,  6  fr.  (184G).  Auch  unten  V.  325  f. 

Am  Bande :  Clades  Vamensis  in  Vngaria,  de  qua  Aeneas  Syl- 
vins Enrop.  c.  5  et  Bpp.  52.  81.  87,  nbi  docet:  Fidem  non  modo 
•domesUcis  Fidei,  sed  etiam  hostibns  servsadam. 


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—   150  — 


▼nd  das  ists,  wan  man  sich  mit  Eyden  nnv  vexirt, 
0  Vntreu,  falsche  Tren.  der  Christen  gröate  seuche, 
Zerrftttnng  alUr  Ötänd',  zergliedernng  im  Reiche, 
110  Ynd  was  auß  diser  wird  in  kortzem  eingef&hrt, 
Tfirlliiehto  Kodowj,  WAltoh«  Statitterey, 
YnelirisÜioh  Dentelaf,  Tyrannisches  Qemftdie, 
Bin  wilde  Barbarey  vnd,  welches  Gott  Terhüto, 
solche  Glmatenlieit,  die  Arger  als  Ttlirekey. 

O  Du  KBM  TvoteoUind  dn. 
Wie  bist  du  genebtet  n! 

Vor  wärest  dn  an  allen  Gfttern  reich, 
letz  bist  dn  mehr  als  einer  Wittwen  gleich. 
Wir  K.iuder  seind  mit  kummer  gantz  bedecket 
Tod  alt  vefwayst,  geängstigt  vnd  ectdumäet 
Das  Land  ist  «ftst,  die  Felder  Ilgen  bloP, 
Der  Baur  yeijagt,  die  Fl&sse  werden  groia 
Von  Thränen,  die  man  hört  das  VolcV  vergio^^^en, 
Von  Thränen,  die  man  sieht  wie  Ströme  fliessen. 
Die  Thearnng  komt,  der  Vorrath  ist  verzehrt, 
Veraehinng  volgt.  wan  Soh&tse  leind  gel&hrL 
Die,  denen  vir  ein  sohrecken  vor  gewesen, 
Die  lachen  ietst  vnd  spotten  vnser  wesen. 
Vnd  was  noch  mehr  der  zornig  Himmel  trftnt» 
Komt  alles  her  von  vnsrer  weichigkeit. 
0  da  liebes  Teutschland  du, 
Wie  bist  da  gerichtet  za! 

Dn  aber  stoltzer  Berg,  da  hoher  Knipbif»  ^nr. 

Da  KniebiP,  der  da  mich  schon  in  die  Kuie  gebissen, 

1'^  Als  ich,  vmb  Knnst  vod  Lehr  von  Lansius  zu  wissen, 
ReysI  nach  Tftbingen  hien,  nun  tber  swantiig  Jahr 
Vnd  was  noch  drftber  ist,  da  stoltzer  Kniebiß  dn, 
Der  da  gehst  Wolcken  an,  ein  schätz  vnd  tratz  der  Schwaben,  -~ 
DeP  Altpn  frpypu  Volcks.  so  jemahl  Volck  erhaben 

20"  Vüu  Teutsrhem  vrsprung  ward,  in  Spannioii  auch  daza. 
Des  grossen  Airofests  vnd  König  Breuuers  Heer, 
Von  Hertsen  gat,  ohn  falsch,  Tieft,  Redlich,  ohne  tadel 
Vnd  die  berAhmtiste  von  altem  Tentsobem  Adel, 
Frey  mit  der  Fanst,  Behertzt,  so  liebet  Kanst  vnd  Ehr,  — > 
Nim,  hoher  Kniebif'.  nim  Melander  freudig  auf, 
"Melaiitler  leiiien  Freund,  der  von  dir  hergekommen, 
Als  £r  sein  erste  Keys  von  Augspurg  aub  genommen 
Zu  VDSerm  weisen  Ehein,  ietst  wider  gebt  bienanf ! 
Bs  worden  an  dem  ort  —  Mel ander,  zweifle  nieht  ~ 


Thomas  Lansias  (1577— lüü7),  Tübinger  Jorist 
Airovest,  Ehrenfest  nennt  Moseberosen  in  den  Gesiebten 

Philanders  (A  la  Mode  KehrauP.  11  1  ed.  in.'>0  =  S.  129  ed.  Bobertag 
1883)  den  König  Ariovistos;  als  Schwaben  feiert  ei  ihn  unten  V.  270. 


IS» 


iSS 

[A4b] 


ISO 


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sio  Die  Q6tter  in  gesamt  mit  freaden  ynd  verlangen, 
Yorsb  Htreini«  die  Nimfe,  Dich  empfangen; 
Aneh  ist  die  The mia  Dir  sofot  vilmahl  verpflicht. 
Wiewol  die  zierd  der  Zeit  vnd  Welt,  die  Flora  aehfin» 

Ist  ietznnd  ausser  Land  nach  Ormns  hingezogen. 
Die  Charitinnen  auch  zar  Lima  aufgeflogen 
Vnd  Pallas  iu  geschafft  nicht  kan  Ton  hanse  gehn, 
Za  dem  auch  frische  Post  auf  Rüssen  kommen  an, 
Wie  Ceres,  Bacchus,  nnb  mit  Venös  saergAtsen, 
Sich  za  Vnlcanas  in  die  warme  Stabe  setseil. 
Weil  ihrer  keines  nicht  die  Kält  woU  kiden  kau, 
So  ist,  Mplander,  doch  der  Chioneen  Chor 
[Bja]  Dir  beygethan    Dan  sie  vrsd  aiKire  gloiche  GAtter 

Dir  samiea  durch  die  Ludt  die  leichL-geiiockte  blutter 
Vnd  wehen  Dir  sie  sn.  Aneh  Sy  Wia  bevor 

tt^  Bexiehret  Dir  damit  ein  Bmif-bednllten  Itrants. 

Die  Christallinen  aneh,  die  weiche  Najadinnen 
Dir  bringen  Jnlep  zn.  ein  Trnnck  aaß  jhren  Brflnnen. 
Der  Pfeiffer  Ä  e  o  1  u  s  pfeifft  Dir  ein  Zitter-dantz, 
Die  Feen  rüsten  za  ein  Scbneweit»  lindes  Bett 

SSO        mitten  anf  dem  Berg.  Napeen  aneh  sieh  fleissen 
Vnd,  welch  die  erste  Dich  Willkommen  m^ge  heissen. 
Dir  laoffen  federleicht  entge^l  in  die  wett. 
Sic  birteii  dir  die  hfind ;   Saabina  thnt  das  Wort; 
Sie  trfigt  ein  gelbes  Kleid  geb)6n)t  nur  Ihacintheu 

Y  moin,  y  hayr  eas  scbaon  day  graosäe  Compiimiiita: 
*Haer  Docner,  mar  haonds  gaon  lang  gwartet  an  deam  ort, 
Winsehn  ny  a  gnoata  Tag  ond  ny  haera  gann  an, 
DVaeil  ists  eaba  gar  lang,  da(>  ayr  gaan  as  spaot  komme. 
Wao  ists  kloin  Aerihle?  hajrti  haond  ayrs  nyt  mit  ny 

gnoraraa  ? 

**ö  Hand  uyrs  Beinle    d'hoim  glaon,  duy  Docnere  uyr  Frau? 
Woast  mar  na  bald  suy  keäm,  sott  eai   &ch&ou  au  n'ajhr 
gseheaa. 

Na  glAck  ond  hoal,  ny  soll  kosn  Loadle  «idazfahn» 

Mar  weant  zun  ayhran  ny  koan  dingle  draan  varspara, 
Mar  weaut  v£f  uinsra  kost  mit  uy  vfT  Ylm  zaagean. 

Y  schwAr  ay  stoan  vnd  bleach«  Kimel  vnd  Yntzian, 
Day  Ospahnaa  soUn  ny  gann  a  sa  bahr  anssa  bgloatha, 
Vnd  was  der  schönen  Wort  noch  mehr  seind  an  sn  denten : 
Aan  Haer  gang  du  TOaran !  Wdlffle  gang  dn  voaranl 

Das  thuoa  abr  y  gnnti  nyt.  Kientzle  gan^  dn  voarsn  ! 
2^  M6schle  gang  du  voaran  !  Rust  mag  as  sy  nit  schicka, 

Aan  haer  gaotbs  na  gmachnan,  as  dar£F  sy  naints  deas  b&cka, 
Aorle  gang  da  voarnanl  Gang  da,  gang  da  voaran  I* 


239  A  e  r  t  h  1  e,  der  kleine  Erhart? 
MO  Beinle  SS  Sabine. 

UB  Wohl  eine  Anspielnng  aaf  die  anf  dem  Kniebis  eahqpfftngen* 
den  Flösschen  (Woifach,  Kinzig,  Morg,  Acher). 


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Vnd  das  wird  alles  Dir,  hoff*  ich,  sayn  kein  verdrnss. 
Wan  du  nnn  d»  vorbey  wirst  an  den  Neckar  reicbra, 

•5ö  go  gifiss  den  Oottesmann,  dem  keiner  zu  vergleichtn» 
Den  Grossen  Andreas  dort,  den  aUea  Lansins! 
[BjbJ  Oehe  Stntgard  nicht  vorbey,  sprich  da  den  Hohen  Rath 
Dm  klagen  Fftnton  u,  cU«  tbeiuh>gdobte  Heldtn, 
Von  denen  Tnier  Mm  vnd  Themit  vil  vermeldtnl 

S60  Tbost  Dn  es  nachmittag,  so  wird  es  Dir  za  epnib. 
Inionders  bitte  Gott  für  Hertzog  Eberhard, 
Den  frommen  Fürsten  stlljst,  den  Ffir5?ten  aller  Schwaben, 
Auö  Den  uU  Christeu-voick  ihr  Aug  vud  Hoffnung  haben ! 
Dm  Joeh.  dM  S^ne  Land  getnidcet  «Im  hart, 
Soll  forthin  nicht  mehr  Myn  nd  ewig  UeibM  an». 
Hingegen  Fried  vnd  Treu  in  alle  Ewjc;ki  Iten 
Ihm  bleiben  Widerbold  vnd  m&chtig  fir  Ilm  ?f reiten. 
Der  durch  Allmacht  allein  erhalt  dis  Hohe  Uaass, 
Dis  Hohe  Fftrsten-Haos  des  Grossen  Eberhards, 

fto  Dig  Welt-berflhmte  Heqm  dM  VMten  Airo?Mten, 

Don  Kern  des  TentMhen  Reiehs»  Qott  Mgne  Seine  Festen 
Tnd  dämpffe  List  vnd  Macht  seine  tischen  widerpartt. 
Erhob,  o  Schwabenland,  dein  vor-verhftlt  Gesicht! 
Der  Frieden  der  ist  dein  ;  Dein  Kluger  Ffirst  der  wachet 

175  Ynd  sorget  Vätterlich.  Ob  zwar  der  Friede  krachet 
Tnd  lieht  gef&hrlieh  nnss,  Lasa  dich  erschr&cken  nicht! 
Fftroht  Gott»  bleib  King,  eteh  Vest,  halt  Qlaaben  immer  fort! 
So  hast  du  QottM  hftllH  Dan  der  anss  falschem  Hertzen 
Mit  Frieden,  Eyd  vnd  Gott,  mit  Blut  vnd  Christen  schertaen 

28)  Ynd  Tfirckisch  handien  will,  den  richtet  Gottes  Wort. 

Komst  Du  den  bien  nach  Vlm,  der  Thouau  Lust  vud  Liecht, 
So  lass  Herrn  Zeil  lern  Dir  zu  gr&ssen  wolgefallenl 
Es  mtn  dM  Podagram  von  minem  Leibe  wallen 
Ynd  komme  dem  ina  Hertz,  der  rnsem  Frieden  bricht 

CSS  Den  ftbrig  gantzen  weg  fürhin  auf  Augspurg  zu 
Den  soll  Pandora  Dir  mit  Goldklee,  mit  Narcissen, 
Mit  Rosen,  Kosmarin  zierlich  beerßnen  mfissen. 
Gott  wolle  Deiner  Statt,  Dir  m  ihr  geben  ruh. 
Die  Iftblich  Obrigkeit,  die  werthe  Bnrgersehafit 

^  In  Lieb  vnd  Einigkeit  vnd  Tentscher  Tren  erhalten 
Ynd  Dich  zu  beider  nutz  begnüget  lassen  alten ! 
Ich  meyn  ja,  diser  Wunsch  hab  in  sich  safft  vnd  kraSI. 
[B^a]  J^en  Herren,  die  der  Statt  mit  Ptlegde  stehen  für. 

Weis,  Steth,  Geheimbd  von  Rath,  den  wolle  Nestors-Ldben, 

Job  Valentin  Andren  (1586—1654)  lebte  seit  1650  als  Abt 
in  Bebenhausen  bei  Tübingen.  Moscherosch  hatte  ihn  1645  in  seinen 
lateiniachen  Epigrammen  2,20  als  seinen  Patronus  maximus  gefeiert. 

Eberhard  III.  von  Wflrttemberg  (1614-1674)  hatte  1634 
nach  der  Schlacht  bei  Nördlingen  eine  Zeit  lang  in  Stnwabnrg  Znflacht 
gesacht. 

«88  Martin  Zeiler  (1588-16611,  der  bekannte  Geograph,  lebte  als 
Bphoms  dM  Gymnasinma  in  Ulm. 

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—   162  — 


Angustns  Glftck  in  Fried  der  Allerhöchste  geben, 

Auch  segnen  Kirch  vp()  Srhol      Vnd  dass  ich  nach  begMr 

Den  Vatter  hoher  Kunst  vnd  HimmcUscher  Lehr, 

Von  der  liippocrutes  vnd  Celsus  je  geschrieben, 

Die  Q«ber,  Tbtopbnwt  vnd  Hermes  je  getrieben. 

*M  Den  tbenreii  He  nie  dort  mit  meinem  woneeh  Teielur, 

So  woll  nechst  Qott  die  Kanet,  dnrob  die  jenseit  dem  Rbein 
Er  seither  dreyssig  Jahr  den  Krancken  hat  srjipben 
Befristung,  ihn  gesund  so  vil  Jahr  machen  leben  ; 
So  wird  selbst  der  Natur  sein  Leben  nützlich  seyn. 

^  Boti,  wer  feit  mir  noeb  ein?  der  trefflieh  Wie  1  and  dort. 
Dein  wertber  Sebwnger  iete,  Melander.  Mich  verlanget 
Zu  wissen,  wie  Er  itt  —  Da  weist  wohl,  wo  es  hanget  — 
Vom  Hut-stnrra  kommen  heim.  Grfiss  Ihn  mit  einem  WOrtl 
Bun  Eile!  Eile  nnn  '  Dein  schönes  Vatteriand, 

910  Dm  Edle  Augsparg,  komt  vnd  ist  schon  vnderwegen. 
Der  leichte  Lech  der  lacht  vnd  lauffet  dir  entgegen, 
Sr  eehnet  eich  nach  Dir  ala  eeinem  Irenen  Pfand. 
Wann  aber  Dn  daaelbet  nnn  wirst  seyn  hochgeacht, 
So  denck  jeweilen  noch  an  vns,  dein"  alte  Freunde, 

S'^  Vnd  bett'  zugleich  mit  vns  auch  wider  vnsre  Feinde  ! 
Gut  Hoffnung  haben  wir,  Gott  hat  vns  schon  bedacht, 
Dieweil  Ein  Weiser  Rath  dorch  freye  Wahl  vnd  Satz 
Gemdner  Statt  sa  Nnts  Herrn  Storcken  eingeeetset 
Zum  Haupt  dee  Regiment  vnd  damit  anasgewetzet 

evo  Den  scbad,  der  vns  geschah  nechst  bey  dem  StefEaue  Fiats. 
GOTT  spgnp  dispü  Ta«?  '  Tii>-  fruhe  Sif-ben  Vhr 
Har  VHS  i  in  fiMig  Herl/.,  ein  hci tziiches  beginnen, 
iiiiu  ireudig'Ueyt'U  Muth  vnd  VursaLz  zu  gewinnen, 
Nnr  laat  au  spath  gebracht  die  langgewftnachte  Chnr. 
Nnn  mnae*  das  wütend  Yolok,  dae  vniein  Laster-Heer 
Mit  sohreoken,  forcht  vnd  weh  anss  ▼nsern  St&tten  schweben, 
Pass  so  lang  wird  ein  Storck  i?i  v?i<:rpm  Lande  leben, 
Kein  Vngeziffer  gifft  vna  könne  schaden  mehr. 
[Bijbj  Drum,  in  dem  ich  die  Zeit  vnd  vnsern  Stand  betracht, 
So  sag  ich  noch  einmahl:  Vergise  nidit  alte  Freunde 
Ynd  bitt  angleich  mit  vna  ancb  wider  vnere  Feinde! 
Dis  seind  mein  letste  Vers;  Nim  sie  zu  guter  Nacht! 
Doch  soll  anrh  dise  ScbrifTt  von  ]pf?.t  vnd  immer  hin 
Ein  recliter  Zeuge  seyn  dt-r    rcundscliafft,  die  wir  haben 

3S'>  in  unser  beider  üertz  vnd  Sinnen  eingegraben. 

Drom  bleib  ich,  wie  Da  bist;  bleib  Dn  nur,  wie  ich  bin 
Dein  ewig  trener  Freund  vnd 
  vngefilrbter  Bruder  Philander  von  Sittewald. 

Job.  Henisch  oder  Heujsius  ^^I58ö  — IGÜö),  Stadtphysikus 
von  Augsburg. 

3  Wohl  nicht  Joh  Heinrich  Wiel  and  i  tf>1*;-107G).  seit  1647 
Pfarrer  zu  Usfeld,  der  um  Iü40  in  Strassbnrg  gewesen  war,  sondern 
der  Angsburger  Notar  Joh.  Dlrich  Wieland,  den  F.  v.  Stetten,  Qe* 
schichte  von  Augeburg  9.  lOSl  (1758)  erwähnt     »i«  Storck  [?] 


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[B8aJ  Epigrammata 

Melchior  dvdYp.  Hic  melior. 

Melchior  iste  trium  Rcgam  Rex,  die  mihi  Lectoz, 
Cor  prior  iu  fasüs  scnbitar  ille  tui8? 

An  quoniam  primiu  donavit  miinera  CHRISTO? 
Ab  qnonUnn  SopbiA  prioiiw?  vtromque  pnto. 

Est  boniM^  Mt  nagiUM  reliqnoram  qnisqa«  dooram; 
Hic  Urnen  wt  major  Melchior  et  melior. 


Erhart  versetzt  Harret. 
Auf  sein  Abreyseu. 

Soll  ich  was  kfinfTti<?  schreiben. 
So  Harr  vnd  hleihv  lue! 
Da  mast  nnr  bey  mir  bleiben, 
Soll  iek  Dieh  liebta  ie. 
^  Wollet  Da  mich  aber  laeeen, 

So  kßnt  ich  nimmer  doch, 
Mein  IlSsser.  Dich  drumb  hassen; 
So  lieb  bleibst  Da  mir  noch. 


Avf  soine  Winter- Reyte. 

Du  ziehst  fort  durch  Eiss  und  Sehne, 
Ach,  md  laat  mich  hie.  gefaugen 
In  der  hitz.  nach  Dir  Terlangen, 

Dass  ich  brennend  fast  vergeh. 
Las?.  Melandcr,  mit  Dir  ffthren. 
Mein  üertz,  so  wird  Dich  nicht  frCüren. 


(Bdb]  Phtlander  ist  nicht  mobr. 

Ich  bin  jetst  nicht  mehr  Phil  an  da  ri 
loh  bin  nnr  halb,  waa  ich  bin ; 

Dan  mein  ander  Ich  Melander, 
Der  ist,  mein  Hertz  mit  Ihm  hin. 

*  Drtimb  von  Wohlgeschickten  dingen 

Kan  ich  forthien  nimmer  singoii. 
Wan  dan  mein  Oeiat  iat  gezweyt 
Vnd  mag  nnr  halb  bey  mir  bleiben, 
Balber  aber  von  mir  aeheidt, 

1^  Was  wolt  ich  dan  k&nncn  schreiben? 

Alles,  Meine  Witz  vnd  Öinn 
Die  seind  mit  Melander  hin, 
Reymen.  Lachen,  FrÖlichkeiten, 
Tentach  Vertrauen,  Zierlichheiten. 


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—   164  — 

I*  Nun  bekenn  ich  rnnd  vnd  frey. 

Dm»  Pliil»nd«r  nicht  mehr  tey* 


DttB,  Nm,  So»  Dort. 

An  den  Leser. 

Daas  ich  so  vilmahl  Dort, 
Dann.  Nnn,  Ja,  Nnr,  Tnniassea 
Vnd  noch  nielu  solche  Wort 
Hierin  hab  stehen  lassen, 

*  Dis  ist  dem  alles  gar, 

Der  evk(«  zu  erlauben ; 
Ein  Gftck  mmg  hundert  Jmhre 
An  einem  Wftrtlein  klanben. 

Waa  ieh  m  tdireiben  eyl, 
10  leh  mich  niebt  gern  Y«nrejl 

Die  Feder  offt  tu  tpitten ; 

Mir  wftre  die  gr6tle  plag, 
Wan  ich  mAtt  Jahr  Tnd  Tag 
Ob  einem  Beymen  iitsen. 

Ueber  Moscfaerofichs  Pseudonymen  Freund  Melander^deD  dieser 
im  Verlaufe  des  Gedichts  auch  als  Melchior  und  Erhard  anredet» 
vermag  ich  nachträglich  dank  einer  gütigen  Auskunft  des  Herrn 
Stadtarchivars  Dr.  A.  Bu0  zu  Augsburg  folgendes  hei2ubringen. 
Melchior  Erbard  war  1607  oder  bald  danach  zu  Augsburg 
als  Sohn  des  aus  Landsber^  stammenden  Kaufmanns  David 
Erhart  (^^eb.  uni  1579,  gest.  1654)  und  der  Anna  Marie  Müllerin 
(heiratet  1606,  gest.  1655)  n, -»boren.  Nachdem  er  den  juristischen 
Doktorgrad  erworben  hatte,  verhpir  iffie  er  sich  am  11 .  Februar  1631 
mit  Einbetha  (oder  Imhetla)  Kocliletlliii  von  Stin^^^ljur^^  und  Hess 
sich  in  der  Heimat  seiner  Frau  nieder.  1651  ward  er,  wie  das 
Protokoll  des  evangelischen  Geheimen  Rates  vom  10.  August  d.  J. 
ausweist,  zum  Uatskonsulenten  der  Stadt  Augsburg  an  Stelle 
des  verstorbenen  Dr.  Phiner  gewählt  und  am  SO.  Februar  1652 
als  solcher  vereidigt.  Nachdem  er  seine  Frau  am  10.  März  1657 
durch  den  Tod  verloren  hatte«  vermählte  er  sich  schon  ein 
halbes  Jahr  darauf  mit  Euphrosinu  Böckhlerin.  Er  starb  am 
30.  Dezember  16^  zu  Augsburg. 

Seine  Schwester  Anna  Maria  Erhard  in  heiratete  am 
11.  Mai  1642  den  verwitweten  Augsburger  Notar  Johann  Ulrich 
W  i  e  1  a  n  d ;  dessen  Moscherosch  in  seinem  Gedichte  gedenkt. 


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—  105  — 


Iii.  Zu  Moscheroscbs  Köpfkram. 

In  der  Zeitschria  für  deutsches  Altertum  23^  79^84  (1879) 
hat  Ericli  Schmidt  ein  in  sechsieiligen  Strophen  geschriebenes, 
ohne  Angabe  von  Ort  und  Jahr  erschienenes  Bildergedicht 
Moscheroschs  mitgeteilt,  das  den  Titel  führt  ccNewer  Köpff-Kram, 
Das  ist :  Kurtzer  Bericht,  von  allerhand  seltzamen  vnd  wunder- 
lichen Köpffen,  die  hin  vnd  wider  gefunden  werden»  und  mit 
den  Worten  beg^innt :  «Viel  KöpfT,  viel  Sinn,  ein  Sprichwort  ist». 
(Auf  (i>  1  ['niversität.sbibliothek  zu  Strassburg.)  Hier  ^vird  ein 
Tau>f'ii<l  k  unsller  dargestellt,  der  mit  seinen  Gebilfen  Männein  umi 
Weibern  ihre  alten  und  verkehrten  Köpfe  abnmimt,  unihackt 
oder  gegen  hübsche  junge  Köpfe  umtauscht.    Er  rühmt  sich: 

Die  alte  Köpff  kau  ich  wo!  tiicken 
Oder  von  uewem  backen  &ie. 
Wie  du  sihtt  in  dem  Bildaoas  hie. 
Die  KOplF  heb  ich  fein  aittaam  ab, 
loh  nim  den  alten,  gib  ein  newen. 

Zur  Eriilärung  dieser  absonderlichen  Vorstellung  hat  Schmidt 
mit  Recht  auf  die  seit  dem  15.  Jahrhundert  und  früher  be- 
kannten Schwanke  von  den  Jungbrunnen,  Feueröfen  und  Runiel- 

mOhlen  hingewiesen  i.  Doch  lag  dem  Dichter  wohl  ein  anderes, 
vermutlich  aus  Frankreich  herstammendes  Vorbild  noch  näher. 

Schon  auf  einem  dem  16.  Jahrhundert  angehörigen  Relief 
an  einem  Fenster  des  Schlosses  Villeneuve  in  der  Auverjrne  sind, 
wie  Champfleury  2  berichtpt,  drei  Teufel  zu  sehen,  die  einen 
Frauenkopf  schnnetien,  wahrend  drei  Engel  uujen  Mumerkopf 
in  gleicher  Weise  bearbeiten.  Iü57  aber  erscheint  im  uliecueil  des 
plus  illustres  proverbesi»  des  Pariser  Siechers  Jacques  Lagniet  ein 
ähnlicher  wunderthüliger  Meisler  wie  bei  Moscherosch,  geheissen 
Lustttcrud.  i.  L'eusses-tu-cru,  der  sich  erbietet  an  verkehrten 
und  tollen  Frauenkdpfen  die  schmerzlose  Operation  des  Um- 
Schmiedens  zu  vollziehen  > : 

cGeäns,  Mre  Lustucru  a  un  secret  admtrable,  qu'il  a  rap- 
portö  de  ICadagascar,  pour  reforger  et  repolir,  sans  mal  ni 


1  Vgl.  meine  Naehweise  Im  Aiohiv  llkr  slavische  Philologie  18, 

132  f.  Auch  auf  der  <Abbildung  der  wunderbaren  Werckstatt  des 
Weltatreichenden  Artzta  Simplioissimi»  (Berliner  Museum.  Qrimmelt- 
bausen  4,  918  ed.  Keller)  sieht  man  einen  Hann  aas  dem  Backofen 
hervorholen  mit  der  Beischrift :  «Neä  gebackne  Terinngerde  Mentsen*» 
Der  Destillierofen,  in  dem  hier  die  bösen  Dünste  aus  dem  hineinge- 
steckten Kopfe  vertrieben  werden,  begegnet  8chou  auf  einem  Flug- 
blatte von  164B.  «Doetor  Wurmbrandt»  (BerUn.  Kgl.  Bibliothek.) 

^  Histoire  de  la  caricatnre  an  moyen  &ge  1871  p.  85. 

s  Cbampfleorr,  Hiatoire  de  l'imagezie  popuUixe  1869  p.  2öö. 


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douleur,  les  tesles  des  femnies  acariaslres,  ligeardes,  cnuides, 
dyablesses,  emag^es,  fantasques,  glorieuses,  hargneuses,  insup- 
portables»  softes,  testues,  volontaires,  et  qui  oot  d'autres  in- 
oommoditte,  le  tout  h  prix  raisonnable,  ceux  ricbes  poiir  de 
l'aricent,  et  oeux  pauvres  gratis.»  Auf  einem  andern  aus  der 
Normandie  stammenden  Holzschnitte  des  17.^18.  Jahrhunderts, 
den  ChampOeury  reproduziert,  sieht  man  Mre.  Lustucru  in  voller 
Thrdii^^keit ;  er  hat  einen  Frauonkopf  mit  der  Zange  auf  dem 
Aml>os  und  hämmert  auf  ihn  los  mit  den  Worten :  «Je  te 
rendrai  bonne» ;  sein  ebenfalls  den  Hammer  schwingender 
Gehilfe  ruft :  «Maris  rejouises  voiis,  wahrend  der  Fraiienkopf 
ein  «Jamals»  ertönen  lässt.  So  }>os*  hreibt  auch  Tallemnnt  des 
Reaux  (c.  1619— i6?^2)  in  seinen  Historiettes*  den  Meisfer 
Lustucru :  «Quelque  folätre  s'avisa  de  faire  un  almanach,  oü  il 
y  avoit  uue  espece  de  forgeron,  groJesquement  habille,  qui 
tenoit  une  fcmme  avec  des  tenailles  et  ia  redressoit  avec  son 
marteau.  Son  nom  ^toit  L'Eusses-lu-cru,  et  sa  qualitä  m^decin 
cöphalique,  voolant  dire  que  c'^toit  une  chose  qu'on  ne  croyuit 
pas  qui  pöt  Jamals  arnver  que  de  redresser  la  töte  d'une  femme.» 

Das  UDgalanle  Verfahren  des  Meislers  Lustucru  rief  auch 
Verteidiger  der  Frauen  wach.  Es  erschienen  Bilderbogen,  die 
«Lustucru  massacr^  par  les  femmes»  zeigten;  in  Saumaises 
Komödie  «Les  v^ritables  Pr6cieuses>  (1660)  deklamiert  ein 
Dichter  8  Verse  über  «La  mort  de  Lustucru  lapid^  par  les 
femmes.»  Andre  Bilder  hatten  zum  Gegenstande  «L'invenlion 
des  fommes  qui  fera  Mev  la  niechancote  de  la  töte  de  leurs  maris.» 

In  Deutschland  wurden  zur  spHipu  Zeit  Kupferstii  lie  ver- 
breitet, die  d^n  Hiidern  des  kuiv  t i  t  ii  hen  Schmiedes  LustUCru 
noch  näher  standen  als  Moscheioschs  Koptkram. 

A)  Weiberhau pt  Artzt 

betitelt  sich  ein  im  Kupferstichkabinet  des  Berliner  Museums 
befindlicher  Kupferstich  des  il.  Jahrhunderls,  38,1  cm.  hreit, 
26,4  cm.  lioch,  aul  dem  eine  Schmiedewerkstatt  dargestellt 
wird,  in  der  Ecke  reelits  liegt  ein  Weiberkopf,  von  dem  der 
den  Blasbalg  ziehende  Geselle  sajit :  ,Das  ist  ein  halstariger 
kopfrs  Auf  dem  Ambos  in  der  Mitie  liegt  ein  andrer,  auf  den 
drei  Schmiede  losh&mmern ;  der  eine  sagt:  , Meister  best  dus 
glaubt',  worauf  die  Antwort  erfolgt :  ,Starck  aufo  maul  si  hat 
ein  bdsse  zungen^.   Linics  wird  ein  dritter  Kopf  im  Schraub-- 


>  In  der  nennbftndigdn  Ausgabe  Ton  1lonniirqu6  und  P.  Paria 
(1854—60)  yermag  ich  die  Ton  Cnampflsiirj  angsffthrto  Stella  aiigeii- 
bUokliob  nicht  aofirofindtn. 


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—  167  — 


stock  geraspelt ;  der  Geselle  meint :  ,Die  ist  h^s  «u  machen', 
worauf  der  harrende  Ehemann  erwidert:  »Ich  will  dir  ein 
drinckgelt  gebend  Vorn  links  drängen  zwei  Männer  eine  sich 
sträubende  Frau  berdn  (,Ihr  mist  auch  hin*  —  ^Ich  will  nit 
hin'),  rechts  werden  andre  Köpfe  in  einem  Rückenkorbe  und 
auf  einem  von  einem  Aflfen  gelenkten  Esel  oder  Pferd  (,Der  ist 
geladen  mit  bosheil')  herzugeschleppt;  wieder  andere  werden 
im  Hinter<rrinH)  aus  einem  Schiff  hergetragen  und  gekarrt. 
Oben  drüber  sieht  in  zwei  Spalten; 

Du  arme  U&nnertchar,  wie  bistu  doch  geplaget  1 
Der  doUe  weibcr  geiat  den  man  so  oifl  Terktaget 

Will  karziun  Meister  sein;  «oUn  komt  her  zu  mir, 
Ihr  findet  villeicht  Rath  in  meiner.  Werrkstatt  hier 
^  Mein  feil  viid  Hamer  m\ii>  (\ot  Weiber  köpff  bezwingen. 
Ich  will,  was  giitl>,  UarHin  cid  anders  hiren  bringeu, 
Vnd  solte  icbon  daaselb  gleioh  wie  der  Tollmond  sein. 
So  dringt  doch  meine  krallt  vom  batoer  tieff  hinein. 
Secht  doch  mein  werckstait  an.  sccht  doch  der  köplF  gewimmel! 

1'*  Von  allen  orfhen  her  erhebt  sich  ein  gedüinmel. 

Von  lioch  vnd  nidren  stand  laufft  man  dem  laden  zu: 
Ich  hab  zu  tag  vnd  nacht  darinnen  keinne  Bah. 
Zu  Sehiir  vnd  auch  sa  Pferd,  ia  gar  in  lUn  Schieb  karren 
Bringt  man  die  weiber  kSpff:  wir  darffen  gar  nicht  harren. 

1^  Auf  arbeit,  bis  sie  komt.  Mir  ist  nicht  schlafTens  brauch, 
le  mer  der  köpffe  sind,  ie  arger  sind  sie  auch. 

Unten  auf  oiuoi  von  zwei  Füchsen  (, Listigkeit*  und  ,Be- 
triegeri')  gehaltenen  Tafel  steht : 

Boz  Velten  es  gerath,  die  knn?;*  liat  imfrecrhlagen, 
Der  Meister  darf  sein  wahr  f:;ir  wol  zu  marckt  hintragen. 
Es  geth  ohn  schmerzen  au.  was  hier  geschmidet  wird : 
^  Secht,  wie  so  meisterlieh  der  mann  die  köpff  poliert! 
Die  Närrische  schreiende  rasende  kÖpffe, 
Die  stolze  hoffärtig  Ehrgeizige  Zöpffe, 
Die  bösse  halsstarrig  Rachgirige  hrnt. 
Freiwillig  Vnleidige  scbmidet  er  gat. 

B)  Unartigen  Weiber  Haupt  Schmid. 

Die»  mi  üeiinamschen  Mu-seuui  zu  Nürnherg  Ih  üikI liehe 
Flugblatt,  von  dem  ich  durch  das  j?ötige  Entge^'eiikummen, 
des  Herrn  Direktors  Hans  Boesch  eine  Durchzeichnung  erhal- 
ten habe,  enthält  einen  mit  dem  unter  A  beschriebenen  Bilde 
genau  Übereinstimmenden  Kupferstich  im  Gegensinne,  37,5  cm. 
breit  und  26,5  cm.  hoch.  Der  Text  umfasst  gleichfalls  24  Verse, 
die  auf  dieselben  drei  Steilen  des  Bildes  verteilt  sind ;  doch 


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weicht  der  Auidruck  vielflUtig  ab.  Die  Ali  dieser  Abweichungen, 

die  Umwandlung  der  daktylischen  Verse  am  Schlüsse  in  Alexan- 
driner und  die  Schreibweise  (neben  dem  einen  Fuchs  steht 
K«  B.  cBetrügerey»  statt  cBetriegeri»)  zeigt,  dass  B  eine  sp&tere 
Kopie  der  Vorlage  A  ist. 

Wer  «bar  Eigen-Sinn  da9  böien  WeibM  klagat 
Und  eine,  deren  kopff  ihm  gäntzlich  nicht  behaget, 

Dnhcim  im  Hanse  hat.  der  bringe  sie  zu  mir  ; 

Er  findet  Habt  vielleicht  m  meiner  Werkstat  hier. 
6  Ich  heile,  was  sich  nicht  mit  üammeru  last  bezwingen, 

Kaa  bald  ein  lindere  Hirn  In  harta  kOplle  bringen. 

Das  Weib  bab  einen  koplf  dem  vollen  Monde  gleich, 

Macht  ihn  mein  Hammer  doch  behende  zart  und  weich. 

Schant  meine  Werckstat  nn,  srhant  dieses  Köpff>Qewinunell 
*®  Von  allen  Orten  her  erhebt  sich  ein  Getümmel, 

Von  Uoch  und  Niedrigen  l&nfft  man  der  Schnüeden  zu 

Und  lastet  weder  Nacht  noch  Tag  dem  Ambon  Bnh. 

Man  bringt  an  Boia  nnd  Schiff  ja  in  geschoben  Karten 

Die  Welber-köpff  herbey.    Sie  machen  schier  zam  Narren 
1*  Den  Meister  samt  den  Knecht,  so  toll  sind  sie,  so  hart; 

Es  kostet  manchen  Schlag,  bevor  sie  werden  zart. 

Doch  wiest!  mein  Hammer  Streich  bringt  ihnen  keine  Schmerizen, 
trifft  nur  an  den  Kopff  and  reicht  nicht  biss  zum  Hertzen. 

Wiewol  ein  KopS  wird  hart,  der  andere  eaniß  ber&hrt, 
^  Nach  dem  man  nemlich  ihn  hart  oder  sanffter  spührt, 

Dennoch  ist  keine  nicht  so  gnt,  die  mich  nicht  schwitzen 

Offt  macht,  eh  ihr  der  kopff  nach  meinem  kopff  wil  aitsen. 

Waö  aber  dieser  köpff  ihr  Mangel  se}  gebest. 

Das  findet  ihr  bibey  :  schaut  unten  hin  und  lest ! 


C)  Ein  New  a  u  ff  get  b  ane  ner  Köpffkram. 

Während  die  ßilderbogen  A  un«l  B  das  Ausjjlühen,  Häm- 
mern und  Feilen  der  VVeiberköpfe  (tarstellen,  tritt  auf  dem  der 
Königlichen  Bibliotliek  zu  Berlin  gehörigeo  Blatte  C  wie  bei 
Moscherosch  da.s  Abnelimen  und  Aufsetzen  der  Köpfe  in  den 
Mittelpunkt  des  Bildes,  und  nicht  nur  Frauen,  sondern  auch 
Mflnner  unterziehen  sich  dieser  Operation.  Es  liegt  hier  ofien- 
bar  eine  Nachahmung  Moscheroscbs  Flugblatt  vor,  in  der  die 
vterfüssigen  Verse  in  das  modische  Mass  des  Alexandriners 
umgewandelt  sind.  Die  Frage,  ob  Moscherosch  für  sein  Bild 
und  Gedii  hi  eine  französische  Vorlage  oder  eins  der  verwandten 
deutschen  Flugblätter  benutzte,  wird  steh  ohne  genaue  Ver- 


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gleichuDg  der  sämtlichen  Darstellungen  kaum  mit  Sicherheit 
entscheiden  lassen«  i 

Ein  New  auffgethanener  Köpffkram,  |  Darinnen 
allerhand  possierliche  wolanstftndige  Männer  |  vnd  Weiber  KöpflFe 
vor  Junge  vnd  Alle  Personen  befindlichen.  [Darunter  ein  13  cm« 
hoher  und  21,7  cm.  langer  Kupferstich,  der  im  wesentlichen 
Schmidts  Beschreibung  von  Moscheroschs  Bilderbogen  entspricht. 
Das  folgende  Gedicht  ist  iweispaltig  angeordnet] 

Es  ist  eiu  altes  Wort  vnd  waares  Wort  im  Land, 
In  Eeaasen.  Preussen,  hiar,  dort,  überal  bekand: 
So  visl  man  Menschen  find,  so  viel  find  man  aach  Eöpffe, 
Vi«l  Kftpffe,  tnurn  visl  Sinn,  vi«l  KttebenMug,  viel  Töplb, 
^  Ein  jedsr  Sinn  vnd  Kopff  trägt  seinen  eygenen  Hut, 
Vnd  was  er  thnt  vnd  macht  ist  alles  recht  und  gnt, 
Es  tau^  nicht,  oder  tan^,  Vnd  diss  in  allen  Ständen, 
lu  weit-  [vndj  breiter  Welt,  an  allen  Ort  vnd  Enden, 
An  Höfen  sonderlich,  in  Städten  gross  vnd  klein, 

10  Beym  Borger'Baosrsnuuui,  disieits  vnd  ftbam  Khein, 
Bey  jangen  Jangfervolok,  bevor  bey  «lUn  W«ilMni, 
Die  hetten  junge  KöpfiF  die  schön,  anff  alten  Leibsm. 
An£f  diesen  Köpfferaarck  ein  jeder  komm  heran, 

In  diesen  Kuptlekram  bäckt  sie  (i(  r  Kuprteman. 

11  Hat  etwau  einer  jhm  Coineiiuis  JxupÜ  erkohrcn. 

Er  kraaet  seine  Haar,  md  sncht  es  bey  den  Obren, 
Der  krieget  hier  voib  Qeld  «in  »nsspolirtMi  Kopl^ 
Mit  Haaren  aoffgekrfiust  mit  eiBem  langen  Zopff. 
Der  Meister  pflegt  hierzu  viol  SaHren  mit  zuführen, 
20  Mit  denen  er  iein  lind,  den  alten  Zopff  rauss  schmieren, 
Der  Balsam  macht  Jhu  weich,  dass  er  nicht  veste  hält, 
Tnd  ohne  Schmertzens  angst  vom  Nacken  herab  fällt, 
Dareoff  wird  also  bald  em  Newer  aoffgesetsel, 
Die  Zunge  wird  geschabt,  der  Hals  mit  Sefft  benetset, 
Die  Ohren  werden  auch  gereinigt,  aussgeziert, 
Die  Haar[e]  krauss  gepntzt,  mit  Wassern  balsamiert, 
So  wifd  der  uewe  Kopff  sehr  schon  vnd  ausserlesen, 
Niobt  voll  Melancoley,  voll  lauter  Frewdenwesen. 
Ist  jenuind  nieht  geiaad  in  aeinem  dämmen  Hin, 


1  Auch  in  einem  andern  Falle  berührt  sich  Moscherosch  mit  der 
gleiehseitigen  Flngblattlitteratnr.  Seine  scheltende  Aufzählung  der 
vielen  welschen  Bartmoden  in  «A  la  Mode  Kehxaass>  (Gesichte  S.  144 
ed.  ßobertag)  stimmt  auffallig  zn  dorn  von  einem  Gedichte  begleiteten 
Stiche:  «Qantz  new  eröffneter  Bartkram,  darinnen  24  Sorten  aller- 
hand zierliche  wolmtindirte,  teut&ch-frantzösisehe  vnd  dieser  Zeit  ge- 
brrinrhliche  Bärte  zu  finden».  Vgl.  die  Nachbildung  im  55  Anktions- 
kauioge  der  Hofkunsthandlung  Amtier  und  Bathardt  (Berlin  1897} 
&  61  sa  Mr.  1087. 


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—  170  — 


>®  Ihr  Weiber  habet  jhr  gefaltne  Beutelatirn, 

H»bt  jbr  «in  silbmi  Htur  Tncl  Angen  wi«  Rubinen. 
Von  gelben  Agtetein  Zahn,  reacht  ewer  Unnd  nach  Bienen 
Den  Privetraamern  gleich,  habt  jhr  ein  grosses  Manl 
Vnd  zugespitzte  Ohron  gleich  einem  Kärnerganl 
Kommt  her,  jhr  Mütteiiein,  mit  grossen  nutz  vnd  frommen 
Könnt  jhr  in  kurtzer  Zeit  ein  newen  Kopff  bekommen, 
Sebftn  weite,  rotb,  büpsch.  jung,  rnnd.  wie  man  ihn  «ünteben 
soll. 

Der  Ofen  ist  bewehrt,  der  bäckt  sie  alle  wol. 

Wolt  jhr  euch  annoch  hier  auff  dieser  Welt  erquicken, 
^  Mögt  jhr  encb  auff  die  Key&&  zum  ivöpffebändler  schicken. 

Da  lest  «nch  einen  ansi,  der  «wren  Mann  gt fiUlt ! 

Jnngfranen,  kanffet  hier  den  Seböneten  in  der  Welt  I 

Hat  eine  Jungfrau  nur  gesunde  schöne  Glieder, 

So  krieget  sie  das  Geld  vorm  Kopff  gedoppelt  w.der; 
*i  Dessgleichen  ein  Gesell,  hat  er  ein  Haar  wie  Gold, 

Kriegt  auch  ein  schönes  Bild,  die  jhm  bringt  Gold  tnd  Hold. 

Glück  zu.  glück  auff  den  Weg  den  Jungen  Tnd  den  Alten! 

Ich  wil  noeh  eine  Zeit  mein  alten  Kopf  behalten. 

ENDE. 

Zu  finden  in  Nürnberg,  bey  Paulus  Färsten  Kunslbtadler 
ailda  etc. 


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VlU 


Zur  Judensprache  im  Elsass. 

Von 

C.  W.  Faber. 

Die  im  XU.  Jahrgange  dieser  Zeitochrifl  erscbieneDe  Ab- 
handlung des  Herrn  G.  Th.  Wfeisa  über  «Das  Ekfisser  Jüden- 
deutsch»  kommt  einem  lebhaft  empfundenen  Eedfirfnis  ent- 
gegen. Die  Schwierigkeilen,  mit  denen  der  Sammler  auf  diesem 
Gebiete  zu  kämpfen  hat,  sind  richtig  gewürdigt.  Aus  diesen 
Gi  üMiien  erlaube  ich  mir,  eine  kleine  Nachlese  jüdisch-hebräi- 
scher Ausdrücke  zu  veröffentlichen. 

Bei  manchen  Wörtern  sind  es  nur  Zusätze  zu  den  Bemer- 
kunf,'en  des  Herrn  Weiss;  ich  lial>e  datin  immer  in  Klammer 
W  nebst  der  entsprechenden  Nuiiüner  beigesetzt. 

Bei  meiner  Sammlung  üble  ich  die  Controle,  ob  die  Aus- 
drücke, welche  mir  von  früher  her  bekannt  waren^  auch  im 
Elsass  übhch  sind  dadurch,  dass  ich  einen  mir  befreundeten 
Herrn,  einen  CSirislen,  der  zu  froheren  Zeilen  NMaiiatsklerc 
gewesen  war  firagte,  ob  er  den  Ausdrur'k  kenne,  bei  manchem 
hat  er  mich  selbst  aufmerksam  gemacht;  fOr  die  Etymologie 
erhielt  ich  manche  scbälxenswerle  Aufklärung  von  den  beiden 
jüdischen  Religionslehrern  unserer  Anstalt  Herrn  Rabbiner 
Moog  und  Herrn  Woch,  Voi-steher  der  israelitischen  Gewerbe- 
schule Mülhausen. 

Ausserdem  machte  ich  Auszüge  aus  den  Elsrtssis<  hen  Er- 
zählungen von  Alexander  Weill  und  Daniel  Stanlu  n  (A.  Widal); 
in  beiden  Ffdlen  habe  icli  tiniU*r  dem  hei  Teilenden  Ausdruck 
den  Namen  des  Schriftstellers,  der  ihn  gebraucht,  in  Klammern 
beigefügt. 


—   172  — 


Meiner  Meinun^r  nach  ist  die  Sammlung  und  Forschung 
auf  dieaem  Gebiete  noch  nicht  abgeachloasoi:  möge  der  ein- 
mal fQr  diese  Sache  erwachte  Eifer  nicht  erlahmen  1 


Wörterveroeiolinis. 

1.  Am  haarez  (Stauben)  pl.  am  haarezim  Landwirt, 
Bauer. 

2.  Bacher  i  ba/or),  ein  flotter  junger  Mann,  ein  Student. 
V.  h.  bachur  Jün^^lin^^ 

3.  Bacliinem  (l>a)^inam)  um  geringes,  umsonst.  Das 
Wort  besteht  aus  dem  Prsefinum  be,  dem  Artikel  ha  und  chi- 
nom  kostenlos,  gratis  et  frustra. 

4.  Bai  (W  29)  Herr.  —  Plural  von  Baibus  oder  Balbais 
Landmann,  Bauer,  ist  Balbatim.  Bal-etze  der  Advokat,  Bai- 
Israel  der  Israelit,  Bal-mischpat  der  Richter,  6al<Kebolle  Doktor 
der  Kabbala  (Stauben),  Bal-tokea  Trompetenbläser,  Balmachom 
Soldat.  BaUzaseres  Makler. 

5.  Barohes  oder  Berches  Sabbatbrot.  v.  heb.  berachoth 
eigentlich  Segnungen,  Ge^e^nietes. 

6.  Batige  das  Uniersuchen  eines  p^eschlachteten  Tieres, 
ob  es  koscher  oder  ireplie  ist.  Der  Schlächter  ist  meist  auch 
Baliger.  v.  he!),  hndak  er  zerriss. 

7.  Bave  i  ru  ken  woher  ?  ?  RA  acheie,  bavele,  bofele  is  ach 
dei  beseht  melocliele. 

8.  Behemeschuk  (bahema^uk)  Viehmarkt,  v.  heb.  be- 
hemah  Vieh  und  schuk  Markt. 

9.  Beis  Melis  200.  Der  Name  des  Piquetspieles. 

10.  Bekofe  (bakofd)  angesehen,  vornehm,  v.  heb.  kobhe 
berfihmt  mit  der  deutschen  Vorsilbe  he. 

11.  Besohtusst  nftrrisch.  von  Schtuss  (W  336)  Narrheit. 

12.  BesiDL  Eier.  —  Da  bei  dem  englischen  Namen  der 
Irländer  Irishmen  das  erste  I  wie  ei  ausgesprochen  wird,  werden 
dieselben  von  den  deutschen  und  polnischen  Juden  der  Vef^ 
«inigten  Staaten  Bezimer  genannt. 

13.  Bezinem  Wurste,  woher?  Koscher  beinern  Würste, 
die  den  Israeliten  zu  essen  erlaubt  sind  (nur  in  der  Pfalz). 

14.  BikaiL  hier,  vom  heb.  Ken  II  Ort  mit  dem  lokalen 
Praef.  be. 

15.  Boker  (bokor)  iiel».  der  Morgen. 

16.  Boruch  hoho  Gelobt  sei,  der  da  kommt!  Grusswort 
für  einen  Neueintretenden.  Pbalm  118  V.  126. 

17.  Brsmile  Bund  der  Beschneidung,  Beschneidungsfest. 
Wenn  einer  Judenfomilie  ein  Kind  geboren  wird,  sagt  man  für 


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—   173  — 


den  FaU,  daas  daa  Kind  ein  Knabe  ist:  cHerr  NN  hat  eine 
Brsinile»  ;  ist  es  aber  ein  Müdchen  .  «Frau  NN  ist  Kindbellerin.» 

18.  Buschka'im  Hosen ;  ob  von  buskai  der  Gerber,  da 
man  früher  fast  nur  Lederhosen  trug?  Man  beachte  die  Dual- 
form (im  Elsn^*  wenig  gebräuchlich). 

19.  Chajef  (W.  70)  sihuldi-r.  Auf  dem  Frankenthaler 
Thor  zu  Worms,  oder  war  es  auf  dem  Wormser  Thor  zu  Fran- 
kenthal —  kurz  es  war  an  einem  Ort,  bei  dern  der  Viehmarkt 
abgehalten  wurde  —  soll  früher  foljj;ende  Inschrift  gestanden  sein; 

Schekher  (Lüge)  hilit  uix. 
Roges  (Zürnen)  batt't  nix. 
Wer  ch^ef  is,  musa  beschulme  (besahlen). 

20.  Ghait  (xait)  heb,  der  Schneider. 

21.  Ghasser  (W.  81)  Schwein,  auch  daaa  Äsa  beim  Kar- 
tenspiel, pl.  Chasevrim,  Chaaerboser  Schweinefleisch.  Chaserboser- 
achiler  ein  Schweineffleischesser  ist  ein  böses  Schimpfwiirt> 
namentlich  für  nicht  ganz  strenggläubige  Juden. 

2-.  Chasiher  Brief,  v.  heb«  Zeitwort  khathab  er  schrieb. 

23.  Chasi  heb.  fromm. 

24.  Ghasores  oder  Chasäres,  Fehler,  v.  heb.  Zeitwort 

chaser  fehlen  (im  Eisass  selten). 

25.  Gheme  Butler  heb.  chemeah. 

26.  Ghole  (yo^^)  Ki:iMkheit  v.  heb.  choli  Krankheit.  Nach 
der  Etymologie  Her  Juden  war  die  Cholera  ihren  Vorvätern 
längst  bekannt,  den  Cholera  bedeutet  Choie  rah  d.  h.  schlimme 
beinahe  unheilbare  Krankheit. 

27.  Ghomisch  die  5  BQcher  Mosis.  v.  dem  Suhst.  chö- 
mesch  Pentas. 

28.  Ghoschem  und  epho  Schildlein  und  Binde  am 
Anzug  des  Hohenpriesters  (2  Moses  20.  v.  4). 

29.  Ghozbe  stolz,  frech;  wohei*? 

30.  Chozen  [)1.  chozinem  rauh. 

31.  Glalji  ias  der  Name  eines  Kartenspiels,  [holl.  Klaver- 
jas  von  Klaver  Kleeblatt  Schweiz.  Id.  3,  69.] 

32.  Dal  heb.  Adjectiv  arm.  Davon  erweitert 

33.  Dalfen  (W.  IH)  pl.  Dalfonem,  ist  eigentlich  der 
Name  eines  der  10  Söhne  Hamans,  denen  gleich  ihrem  Vater 
bei  jedem  Purimfeate  immer  noch  symbolisch  eine  tfichtige 
Tracht  Prögel  verabreicht  wird  fiQr  ihr  Verhalten  gegen  Esther 
(Esther  9.  7 — 9).  Von  den  10  Namen  dieser  Söhne  beginnen  2 
mit  dem  Buchstaben  Aleph,  4  schliessen  damit,  3  haben  ein 
Aleph  am  Anfang  und  am  Ende,  nur  der  einzige  Dalphon  hat 
cnichts  hinten  und  nichts  vorn,i  ist  also  ganz  arm. 

34.  Bin  heb.  Urteil»  Recht. 


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^5.  I>iwere  sprechen,  vom  heb.  dahar  er  sprach,  piel 
diber. 

35a.  Dofes  Gefängnisstrafe.  Dofe-l>ai$  Gefängnis.  Woher? 
(Pfalz). 

35  h.  Doges  der  HitKlorn  podex. 

3ü.  Dx  eifass.  Dieser  sehr  bekannte  Familiennamen  soll 
nicht  von  dem  gleichnamigen  Geriete  hflrkommea,  sondern  von 
Dariavascb,  der  heb«  Form  von  Darin«. 

36  a  Dogon  Korn  Roggen  heb.  dagan. 

37.  Dulgfol  der  nicht  jüdische  Lehrer  und  iwar  soll  das 
Wort  eigenllich  Scbul-Goi  d.  i.  der  Schul-Heide  gebeissen  haben. 

3^.  Emmes  (W.  145a)  Wahrheit ;  wirklich?  gewiss!  Sp. 
W. :  Emmes  steht  fest,  Scheklier  wackelt.  Wahrheil  besteht, 
Lüge  sieht  nicht  solide.  Man  hat  hierbei  die  hehrüisch  geschrie- 
benen Worle  n?3N  und  *^p^  im  Auge,  und  in  de?*  Tlial  haben 
die  3  Buchstaben  des  ersten  Worts  je  2  Stützpnnkle  i;uf  der 
Linie,  wahrend  die  '-^  Bucliblaben  von  1pl2^  nur  je  einen 
Stützpunkt  haben,  also  leicht  umfallen  können. 

39.  Efed  (ef^d)  der  Kneclil.  heb.  eblied. 

40.  Eitze  (eise)  (W.  141)  dei  Kat.  vom  heb.  ezah.  Bai-  " 
eltze  der  Advokat. 

41.  Eref  beb.  erebh  Abend. 
41a.  Erf  Bürge. 

42.  Esuf  Tabak,  v.  beb.  esebh  Kraul,  e  madche  esuf  eine 
Prise  Schnupftabak. 

43.  Esch  lieb.  Feuer. 

44.  Ez  heb.  der  Baum,  das  Holz. 

45.  Fachutse,  Facholze  (W.  410)  vom  heb.  Chachuze 
«zur  Hälfte»,  ist  nicht  va  chulse  «und  die  Hälfte»  zu  erklären 
(W.  4i<>)  z.  B.  Sluss  facholse  ist  nicht  anderthalb  Narr,  sondern 
ein  Halbiiarr,  Gimmel  Mabeh  facholse  ist  nicht  3  und  i/i  Batze 
sondern  drillhalb  Balzen.  Das  facholse  bezieht  sich  immer  auf 
die  letzte  der  in  der  Vürauj,felien<len  Zahl  bezeichuelea  Einheit 
und  halbieil  diiiselbe.  z.  B.  Ka|ih  Rai  facliolse  ist  nicht  20 
halbe  Thaler  sondern  19« Tlialer. 

46.  Feicbochem  (W  98)  ein  Ueberkluger  ist  nicht  mit 
dem  vav  oopuletivum  zu  erkläreo,  sondern  der  erste  Teil  des 
Worts  ist  deutsch  und  heisst  fein,  also  ein  Finessenpeter. 

47.  Frommel  Abkürzung  von  Aphrom  Abraham. 

48.  Fu61i,  Faueli  =  Raphael. 

40.  Fatze  Kappores  (W.  150)  Vllze  Kappores  (Pfalz)  halb 
unbrauchbar,  zerbrochen,  verdorben  vonChachotzi  (Siehe oben 45) 
zur  Hälfte  und  Kapporelh  das  Sühnopfer,  also  dem  Tode  geweiht. 

50.  Galach  pl.  Galochim  Priester,  kalhulisdior  (leist- 
licher,  eigentlich  der  Geschorene  von  heb.  galacb  er  schor,  er 


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—  475 


rasierte;  chaischiemone  galach  ein  protest.  Geistlicher,  tofle- 
mone  galach  ein  katholischer  Geistlicher. 

51.  Ganfen  (W.  157)  stehlen  vom  heb  Zeil  wort  j^anahh.  er 
Stahl.  RA  eines  verst.  Verwandten  des  Pauamistea  Artou ;  «Als 
der  grade  Weg  gegangen  und  j;e;^aiitl.i 

52.  Gedibbel,  eine  Kiankh»^if  (vielleicht  die  Masern 
pfälzisch  :  Getüpfel)  von  heb.  Zeilw.  dabal  coegil  in  massum 
rotunam  und  dibelali  Kuchen  aus  Feigen  deren  Oberfläche 
lauter  rande  Ringe  zeigen  wie  die  Heut  des  Masemkrankeii) 
RA  cSollst  du  Icrieche  des  Gedibbel  uffem  blose  Leibi»  Auch 
das  fallende  Weh,  vom  Zeitw,  tabal  er  fiel. 

53.  Gemedawers,  Schwatzerei,  dentsche  Weiterbildung 
des  heb  pari  piel  von  dabar  er  sprach  medaber. 

54.  Giks  Iniuin.  Sollte  dieses  Worl,  das  eine  onomatho- 
poetische  Nachbildun«^^  des  ))eli-etTeiiden  Sclialles  ist,  nicht  vom 
Diliardspiel  in  die  gewöhnliche  Sprache  übeigegaugen  sein?  £s 
bezeichnete  dann  einen  Fehlsfos?;. 

55.  Hajom  heute,  zusammengesetzt  aus  dem  hesU  Arliicel 
ha  und  jom  Tafr. 

5(;.  Hakel  (W.  187)  alles  HA.  Hakel  hefel  alles  ist  eitel, 
liai  k«  I  Kl  n  inachulten  BliUs  beromet  lo.  ist  eine  Reihe  un- 
zusanimenhüngender  Ausdrücke  ohne  allen  Sinn,  die  angewen- 
det werden,  wenn  man  mit  einem  spricht,  der  sich  für  einen 
Kenner  des  Lescbone  Kodesch  ausgeben  mdchle  und  doch  nichts 
davon  versteht. 

56a.  Hall  oder  Hallel  =  Hallelujah  Festgebet  besteht 
aus  den  Psalmen  113—118.  Das  ist  das  grosse  Ball.  Wird 
aber  Psalm  115  v.  1 — 11  und  116  v.  1 — 11  ausgelassen,  so  ist 
es  *1 1      f  <M  11  e  Hall. 

57.  Halmoed  Hnlbfeslzeit  bei  den  grossen  Festen,  von 
mo^.  best  im  Ulfe  Zeit,  Fest. 

58.  Haman  ein  Braten  meistens  geränchorfes  Rindfleisch, 
das  am  Piirimfest  ^e^ essen  wird  und  nach  Haman,  dem  Feinde 
der  Esther  benannt  ist. 

5'.).  Hanuche  Zutriedenheit,  Freude  v,  heb.  hinochah 
und  miacli  Hube.  Befriediji^ung. 

60.  Haphthores  Auszüge  aus  den  Prophet,  von  phathar 
auslegen  interpretieren  [Haflaroth  Pericopen  aus  den  Pi  opheten]. 

61.  Hefel  (hefol)  nicht  von  heb.  hebhel  RA  siebe  56. 

62.  Hilel  haschem  Schandfleck  (Alex.  Weill)  haschem 
der  Name. 

63.  Jensen  beschlafen. 

64.  Jofe  (jofo)  schön  von  heb.  japbeh  schön.  Davon  das 
Gegenteil  Jojofen  (\V.  !238)  eigentlich  lo  s  nicht  in  jofe  =  schOn. 

65.  Jomtof  Festlag  von  jom  Tag.  tobb  gut. 


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66.  Jubel  Jubiläum  pp.  von  heb.  Julx^ljahr.  Das  49.  oder 
50.  Jahr,  in  dem  alle  Sklaven  frei^^elassen  v.inden  und  aller 
Grunil}i*'silz  wietlci  .itj  <lie  Frmiilien  dttr  ur^pi  ünghelien  Besitzer 
zui  ückliel.  Das  Jahi  wuide  so  genannt  von  jubel  (die  Posaune  i,  weil 
der  Be«:inn  dieses  Jahres  mit  dem  Klange  des  Jubelhornes  be- 
grüsst  wurde  (13  Mos.  25). 

67.  Kaffer  (VV.  153)  Bauer  pl.  Kaferim  bezeichnet  auch 
die  Bauern  (Wensel  oder  Unter)  im  Kartenspiel. 

68.  Eafter  oder  Gnafter  der  Knopf  (W.184).  Ein  a^r 
gebrfluclilicher  Wits  wird  mit  der  ersten  Form  dieses  Worts 
gemacht.  Wenn  s.  B.  einer  von  einem  andern  eine  Cigarre 
verlangt,  so  sagt  der  Angeredete  nichts  weiter  als:  «doli»  und 
zeigt  auf  seinen  Rockknopf.  Diese  stumme  Antwort  bedeutet 
cKafler  !»  d.  i.  tKaufe  dir!  von  mir  bekommst  du  nichts I» 

69.  Kanphoth  Ecken  von  heb.  Kanaph  Flügel  Ecke  pl. 
kanephoth. 

70.  Kasphaime  schreiben  von  heb.  Zeitw.  Kathab  er 
schrieb. 

71.  Kasphaimer  Schreiher,  speciell  der  Notar. 

72.  Kehile  (Stauben)  die  Gemeinde,  v,  heb.  Kehilah  Ver- 
sammlung. 

73.  "Ken  ja,  also,  so.  heb.  Ken  I. 

74.  Kene.  Zerreissen  der  Kleider  heim  Beg^rähnis  von 
Kara  er  riss  ab.  Es  wird  in  den  Umschlag  des  Rockes  ein 
Schnitt  mit  dem  Messer  ^^emaciit  und  etwa  10 — 15  Centimeter 
tief  weiter  eingerissen.  l>ic  iiander  des  Bisses  werden  häufig 
mit  Band  eingefasst. 

7ia.  Kerie.  Wehruf  «Wehel»  z.  Ii.  Keri  uir  über  ka 
Geld  webe  mir  über  kein  Geld !  Wehe,  wenn  man  kein  Geld 
hati  Keri  od  krieg  mr  über  die! !  (pfälzisch). 

75.  Kesef  (Kesaf)  Silber;  Keset'che  die  kleinste  Silber* 
mftnze  in  der  Pfote  und  in  Baden  früher  der  Groschen  3 
Kreuier. 

76.  Ki80  Sack.  heb.  Geldbeutel»  bes.  in  der  RA  Hees 
im  Ki8>  Geld  im  Sack ;  macholle  im  Kis,  schlecht  stehnd,  heisst 
eigentlich  krank  im  Greldheutel.  Bekannt  ist  der  Spruch; 

Kai  lechem  (Brot)  im  Bais  (Haus) 

Kai  mes  (Geld)  im  Kis 

Un  e  Goje  (Magd)  iss  badersch 

Do  is  der  Dalles  (Unglück)  gewiss. 

77.  B^nasmal  (Stauben).  Yerlobungsmaly  hei  dem  eine 
Tasse  geknassi  (zerbrochen)  wird. 

78.  Kohne  machen  -  kaufen,  von  heb.  miknah  der  Kauf, 
abgeleitet  von  dem  Zeitwort  kanah  er  kaufte. 


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—  177 


79.  Kotzen,  sich  erbrechen,  von  heb.  Zeitwort  kuz  I  er 
hatte  Eckel,  er  erbrach  sich. 

80.  Ksaf  Schrift,  schriftlicher  Vertrag  von  Ketabh  Schrift. 
8t.  Kslflija  Handschrift  von  heb.  Kethubhah  das  Ge* 

scbriebene  in  ja  die  Hand. 

82.  KtUnmelblättohen*  eigentlich  Gimmelblättchen  das 
bekannte  Gauner-  und  Bauernföngerspiel  mit  3  Karten,  das 
Dreiblatt  von  gimmel»  dem  3.  Buchstaben  des  heb.  Alphabeths 
und  Zeichen  für  «He  Zahl  3  und  dem  deutschen  Wort  Blällchen. 

83.  Laziinc  nx  die  Musikanteo,  vom  heb.  lezon  der  Leicht* 
lebige,  der  Spotter. 

84.  Lecho  dodi  (la<i  Sabl)i(ihe(l,  so  benannt  nach  seinen 
Einganij^sworten,  die  in  deutscher  Hehersetzung  lauten:  «Gehe, 
mein  Freund,  entgegen  deiner  Biaul  (dem  Sabbat)  HH. 

85.  Lekeche  Q^keyjd)  nehmen,  einnehmen,  heb.  laUach 
er  nahm. 

86.  liOkecher  der  Einnehmer,  der  Rentmeister. 

87.  Ijef  Herz  (W.  85)  bezeichnet  auch  die  Herzkarle, 
schwarz  Lef  bedeutet  beim  Spiel  Schippen  oder  Grnn. 

88.  Lulef  (Stauden)  Palmen,  heb. 

89.  Lolone  nichts,  gar  nichts,  eine  Verstärkung  des  ein« 
fachen  Lo  (W.  '230).  Die  Erklärung  erhellt  aus  folgendem 
typischen  Gespräch:  A:  Lolone!  B:  Lolone  steht  in  Hall!  A: 
Warum  steht  Hall  nit  in  Lolone?  B:  Weil  Hall  grösser  ist  als 
Lolone.  Lolone  hl  nämlich  gar  nix  h 

Hall  ist  das  an  FesIlajzt'U  zu  sprccliende  Jubelgebet,  das 
mit  dem  Worte  Hall  (elujali)  beginnt.  In  demselben  kommt  nun 
der  116.  pHnlm  vur,  dessen  Anfangsworte  lolonu,  lolonu,  d.  b. 
Nicht  uuij,  nicht  uns,  o  Herr,  sondern  deinem  Namen  gieb  Ehre. 

90.  Mabeh  Eitzen,  wober?  (Pfalz)  z.  B.  gimmel  mabeh 
fachotze  2  Vt  Batze  =  10  Kreuzer. 

91.  Machazis  ba  schekel  die  Hälfte  eines  Scheicel, 
eine  silberne  TempelmOnze,  etwa  von  der  Gr^tose  einer  Mark, 
ein  Opfer,  das  an  Festtagen  für  die  Juden  in  Kanaan  gebraucht 
wird.  Machazis  kommt  von  Choze  die  Hälfte  her. 

92.  Machol  =  Michael. 

93.  Machule,  machole  (maxule)  (W.  242)  krank 
(siehe  Nr.  27)  part.  von  choleh  krank  sein.  Machulen  im  Kiss 

=  krnnk  am  ricldheut(>l,  •^rhlecht  stehend. 

Di.  Machsechovim  (Stauhcn)  Hexen,  ("leisler.  Der  erste 
Teil  des  Wortes  ist  da'^  Nr.  l'l  genannte  .Mathazith  hall).  Der 
zweite  hcdeulct  rhaim  l.eheride ;  also  Halblebeiide.  Mespenster. 

95.  Madchen  ein  hiäsohen,  ein  \veni^%  das  kleinste  Mass 
einer  Sache,  z.  B.  e  Madehe  esuf  eine  Pii^e  Taliali,  e  Madehe 
scheker  ein  Glas  Bier. 

12 


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—   178  — 

95  a.  Maim-ratzer  scherzhafte  BezeichnuDg  für  Fische 

(eigentl.  Wasserläufer). 

96.  Maloche  (W.  262)  Geschäft;  dazu  RA.  Achele 
(Es.sen)  Bavele  (Trinken)  Bochele  (Schlafen)  is  ach  (auch)  dein 
horcht  Melochele  (Geschäflchen).  Oresmelochener  der  Gether, 

Dogesmelochener  der  Krifchrr. 

97.  Malech  ha  movess  (Sl.iiihen)  Todesengel  vom 
heb.  malech  der  Bote,  ha  der  bestimmte  Artikel  und  maveth 
der  Tod. 

98.  Marib  das  Abendgebet  von  erebh  der  Abend. 

99.  Massik  (238  W.)  der  GerichUvollsieher. 

100.  Medinxie  Gegend,  Provinz,  Gerichtsgebiet,  vom  heb. 
medtonah. 

101.  MespLlle  Geschriebene  Pergamentrolle,  besonders  das 
Buch  £8ther.  vom  heb.  megillah  Holle,  aufgerolltes  Buch. 

102.  Melach  Salz.  heb. 

103.  Meleoh  (W.  25<))  pl.  Melochim,  auch  die  Könige 
l)eini  Karlenspiei.  Meiecb-rat  der  Königsthaler,  der  preussische 

Thaler  (Pfniz). 

104.  Melome  Lehrei-,  Gelehrter,  part  von  lamad  er 
lehrte. 

1()4n.  MemesG  (memoso)  stoi  ben.  von  part  hiphl.  d.  2^itw. 
inolh.  l'>r  liat  ^^eiiuMncsl  =  er  .'^l.'irh. 

105.  Mendele  ^nniiiddld)=L]inmanuel,  davon  Mendelsohn. 

106.  Mesume  Geld  und  Gebet  zur  Mittagszeit.  RA.  Man 
bekommt  eher  Minje,  Nachtgebet,  wozu  10  nötig  sind,  als 
Mesume,  das  nur  3  erfordert.  Hier  liegt  der  Witz  in  dem 
Doppelsinn  von  Mesume:  d.  h.  man  bekommt  Gebete  aber 
kein  Geld. 

107.  MesuS86  eine  kleine  Pergament  rolle,  die  an  den 
Thürpfosten  (heb  mesusse)  befestigt  ist  und  das  mit  Scliuiah 
Israel  (Höro  Israel)  beginntMnle  Stossgebet  der  Juden  enthrdl. 

108.  Mies  (W.  281)  HA.  Mach  dich  mies  mit  die  Kosacke, 
Was  kümmerst  du  dich  um  Sachen,  die  dich  nichts  aii^'ihoti. 

109.  Mikva  (Slaubfn)  Dadeberkcn  der  jndj<?chen  l'iaui'n. 
vom  li<*l>.  niikvah       ein  Ort,  wo  da^^  AVasisei  zusanimeiistrüint. 

1  Hl.  Minje  Nachmittags^ebel,  Minje  mache,  beten  von 
miiiohali  Galio.  Opfor. 

110a.  Mischpaclie  Familie,  Sippe,  Stamm,  Geschlecht, 
heb.  mischpachah. 

111.  Mischpat  Prozess.  vom  heb.  mischpat  Urteil.  Bai 
mischpal  (eigentlich  Herr  des  Urteiles)  der  Richter,  sonst  auch 
Scliofet  part  p.  von  schafat  er  richtete. 

112.  Mizrach  Osten  in  den  Wohnungen  der  gläubigen 
Juden  ist  Oslgegend,  die  Richtung  von  Jerusalem»  wohin  man 


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♦ 


—  i79  — 

sich  beim  Beten  wenden  soll,  mit  einem  eingerahmten  Papier, 
auf  dem  Mixrach  steht,  heieichnet 

113.  Mögen  Schild.  Mögen  David  —  Davids  Schild  ist 
eine  aus  3  Stäben  hergestellte  Vertierung  in  mitten  der  Laub- 

hfltte  (Stauben). 

114.  Mordche  =  Mardocliai.  Siehe  Buch  Estlier. 

115.  Mosohuf  Mauschef  (W.  200)  Dreck,  schlechtes 
minderwertiges  Zeug,  pari  hiph.  vom  heb.  Zeitwort  jaschab  11 

sitzen,  also  Sitzengebliebenes,  Zurückgesetztes. 

Ein  unreellor  Kaufniann  sagt  wohl  zu  einem  Christen,  der 
das  Leschone  huilesch  nicht  versteht:  Sehen  Sie,  Iiier  ist  echt 
Pariser  Moselmf  oder  echt  englischer  Denet'  (Dreck)  erster 
Qualität.  El  glaubt  dannt  sein  Gewissen  beruhigen  zu  können. 

116.  Musuph  Zusatzgebet  an  Festtagen  (Stauben),  heb. 
Wort. 

117.  Nile  (nild)  Schlussgebet  v.  Zeilw.  naol  er  schloss, 
er  riegelte  zu. 

118.  Oberberaess  (zu  Nr.  31 W.)  der  Obenrorsteher,  sehr 
hftufig  ironisch  gebraucht  fär  einen  Wichtigthuer. 

119.  Of  Gan?i.  heb.  nph  der  Vogel. 

120.  Olem  (oldm)  ewig,  viel,  unendlich  viel.  heb.  olam. 

En  olem  Sach  unendlich  viel ;  auch  die  Welt. 

121.  Omer  die  Zeit  zwischen  Ostern  und  Pfinj^sten.  Ei- 
gentlicli  bedeutet  das  Wort  ein  bestinuntes  iMa.ss  (liei  Luther 
Goiner  ;;enannt),  das  mit  Gerste  angefüllt  während  dieser  Zeit 
gleichsam  alb  Üpler  aufgestellt  wird.  Dieser  Zeitraum  lieisst 
auch  Zephire  (Ab^ählung  Aufschreibung),  weil  man  die  einzel- 
nen Tage  abzahlt. 

122.  Ore  heb.  die  Haut,  plural  ores,  davon  Ores  melo- 
cbener  der  Mann,  der  die  Häute  bearbeitet,  der  Gerber. 

123.  Ophe  der  R5cker,  part  des  Zeitw.  aphah  et  huck, 

124.  Orech  der  Gast  (Stauben). 

125.  Oscliheser  Wirt.  Oschbcs  das  Wirtshaus,  z.  B. 
gangsch  mit  mer  ins  oschbes?  von  lat.  hospitium. 

120.  Parach  (paraj^)  Ausschlag  Grind,  von  heb,  Zeitwort 
parach  es  schlug  aus.  Davon 

lti7.  Parach-iiiükuin  Grünstadt  in  der  Pfalz,  das  IVüher 
wirklich  auch  Grindestadt  hiess. 

l'JTa.  Parle  g'ise  =  par  excuse  ähnlich  gebildet  wie 
par  respect,  par  hazard  also  nix  ze  parle  gise  (W  421).  Nichts 
mit  eurer  Erlaubnis ! 

128.  Pesach  Osterlaram  und  Osterfest.  Man  fmdet  sehr 
häufig  Pliitten  mit  der  Inschrift  Pesach  Mazzes  Morror,  d.  i. 
Osterlamm,  ungesäuertes  Brot,  bitlere  Kräuter  (Chigorie.) 


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129.  Pleite  <W.  N.)  RA  Pleite  schelte  (PTalz)  foitgehn^ 
untenfebn. 

idO.  Phra  u  rebu  Seid  fruchtbar  und  mehret  euch  t 

Ein  Zuruf,  mit  «lern  die  NeuvermShlten  am  Morgen  nach  der 
Hochzeit  in  der  Vorhalle  der  Synaj^oge  mit  Waiienkömem,  den 
Symbol  der  Fruchtbarkeit,  beworfen  werden. 

131.  Rachaidle  oder  Rachaile  beschlafen,  woher  ? 

13'i.  Hewach,  Rewech,  Rewes,  (W.  316)  Grewinn.  plural 
Refochern  Zinsen. 

13:^.  Roschim  Otuziere.  piural  von  Rosch  (VV.  320). 
Huupt,  Kopf,  Chef;  man  vergleiche  die  Abbessinische  Ras  z.  B. 
Makonen, 

134.  Rumim  nacht. 

135.  Sohnohern  Abhandeln  v.  Zlw.  aachar  umhergehen,, 
hausieren,  Handel  treiben. 

13&a.  Sablaness  Greschenke,  spec.  Hocbzeitsgeschenke. 
heb.  sablanoth. 

136.  Saadler  Schuhmacher ;  obss  Sandalenmacher? 

137.  Sar  Fürst,  Vornehmer  i.  B.  Saropheh  Oberbäcker. 

138.  Sohaoharith  Morgengebet,  von  heb*  schacbar 
Morgenröte. 

139.  Schabbesdeckel  der  Hut,  weil  die  Juden  in  den 
Dörfern  am  Sabbath  mit  einem  Hut  in  die  Synagoge  gehen ^ 
am  Werktajre  tragen  sie  Mützen. 

140.  Schadai  der  Ewige,  Name  Gottes.  Derselbe  wird 
auch  eingerahmt  an  der  Wand  des  Zimmers  angebracht  oder 
auf  einem  Amulett  am  Halse  getragen. 

140a.  Schbuhi  Hafer  vom  heb.  schiboleth  die  Aehre,  der 
Hafer.  Ueber  die  Bedeutung  dieses  Worts  Schiboleth  als  etnes- 
sicheren  Unterscheidungszeichens  siehe  Richter  12  v.  6. 

141.  Schebua  (W.  339)  die  Woche ;  plur  Pfingsten. 
145S.  Scheie  =  Jesatas. 

143.  Schern  der  Name,  heb. 

144.  Schir  Segensgebet  (Stauben)  eigentlich  das  Lied. 
Schir  ha  schirim  das  Lied  der  Lieder  =  das  Hohelied. 

145.  Scliciciiteii  (zu  W.  304)  rituell  scli lachten  von  heb. 
Zeitw.  schachat  er  schlachtete. 

146.  Schlach,  maiiesb  Geschenke  aus  feinem  Gebäck, 
die  man  sich  gegenseitig  am  Purimfesle,  14.  Adar,  giebt.  von 
heb.  schalach  er  schickte  und  manolb  Portionen. 

147.  Sohlemel  oder  Schlimiel  ein  UnglOcksmenscb,  ein 
Pechvogel,  von  heb.  sehe  lo  im  el  s  der  nicht  mit  Gott  ist^ 
also  ein  Gottverlassener. 

147a.  Schlammassel  oder  Schlimmassel  Unglück 


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—   181  — 


Ableitung  entw.  von  sehe  lo  massel  wo  kein  Glöckstern  oder 
Schlimm  Maaeel  ein  schlimmer  GlQckstero. 

148.  Sohmah Israel !  verkfintt Schmäh Is  1  Hftre Israeli 
Ausruf  der  Verwundrung.  Eb  istsugleich  der  Anfang  der  Mesusse 
<Nr.  107)  5  Mose  6  v.  4. 

449.  Schmuhs  brientes  (zu  W.  361)  leeres  Gerede. 
Scliinulis  =  Geschwätz  brientes  soll  aus  dem  französischen  cpour 
den  <lire,  um  nichts  zu  sagen»,  entstanden  sein.  Demnach 
«lichtssagende  F^wiensarten. 

150.  Schnokes  Dummlieilen,  Spa-se  scheint  trot^  seiner 
Fornn  nicht  hebi  äischen  l  i  spi  unf^s,  sondern  das  norddeutsche 
Schnack  oder  Snack  mit  der  hebräischen  Pluralendung  des 
Femininums  ess  statt  oth. 

IM.  Schofer  Horn,  ein  aus  einem  gekrOmmten  Widder- 
iiom  bergestetites  Blasinstrument,  das  am  Vers6hnungätage  ge- 
iilasen  wird. 

152.  Schofet  Richter,  part.  des  verb.  scbaphat  er  richtete« 

153.  Sohomer  Hfiter,  part.  des  verb.  schamer  erfaehötete. 
15Ba.  Em  Sohtas  gsat  (W  4€9)  heisst  eigentlich  im 

Scbtuss  (nicht  im  Ernst !)  gesagt. 

154.  Schucken  kosten  zu  Schuck  (W.  367)  der  Markt. 
3.  B.  Wie  jocker  schu^kt  de  Bore  =  was  kostet  die  Kuh. 

155.  Schwuh  der  Schwur,  von  heb.  schhliuah.  RA  wer 
■de  schwuh  hat,  (gewinnt  der  mi^chpet,  wem  der  Schwur  hat 
{schwören  darf)  ;^ewiniit  den  Prozess. 

156.  Seder  (W.  377)  Festessen  (Stauben)  mit  gewissen 
Zeremonien  am  Neujahrstag.  vom  heb.  seder  Anordnung. 

157.  Sliches  (W.  380)  Gebet,  auch  die  Woche  vor 
Neujahr,  von  selichoth  Vergebung,  weil  man  in  dieser  Woche 
«durch  seine  Gebete  Vergebung  seiner  Sünden  und  Erlass  der 
-drohenden  Strafe  erlangen  kann.  (Siehe  weiter  unten  bei  Zorn.) 

158.  Sender  =  Alexander.  Als  Alexander  der  Grosse 
«uf  seinem  Zuge  nach  Aegypten  den  Tempel  von  Jerusalem  so 
sehr  n^echrt  halte,  verordnet  der  Hohepriester,  dass  alle  KnSbleln, 
•die  in  einem  Jahre  geboren  wurden,  Alexander  heissen  sollten. 

159.  Sepher  (W.  .170)  auch  die  Schrift. 

160.  Simche  Freude,  heb.  simdiah.  Simcho  Thore  Fest 
^er  Gesctzesfreude,  das  vielfach  mit  einem  grossen  Subscriptions- 
ball  gefeiert  wird. 

161.  Ski  der  Hase,  das  Kaninchen,  von  dem  sonst  nur 
im   plnral  f,^ebrau(liiichen  heb.  skipim  Troglodyten.    Es  liegt 
^tso  hier  die  gleiche  Anschauung  wie  in  dem  süddeutschen 
Kinekele  (vom  lat.  cuniculus  der  Ben„^mann)  zu  Grunde.  Ski 
-eres  Hasen  pelz,  siehe  oben  ore. 

161a.  8ooher  (so^ar)  der  Hfindler,  Kaufmann,  Hausiere. 


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—  m 


161b.  Sof  Gulden  pl.  suchum. 

162.  Sohar  eigentlich  Glanz,  der  Name  eiaes  Buches,  das 
Hauptwerk  der  talmudischen  Mystik. 

16IV  Sopher  der  Schreiber,  der  Thorascbreiber. 

163  a.  Sore  Gerste  beb.  dorah  (das  haarige,  bärtige  Ge- 
treide). 

164.  Srore  vornehmer  Herr,  vom  heb.  verb.  sarar  er  war 
Fürst,  Herr. 

165.  Stikem  (W.  335)  Silentium!  Still!  Rubel  ein  Zu- 
ruf der  häufig  von  den  Hörern  spottend  ergänzt  wird :  stikem 
is  der  Hecht,  un  TFalarum  19»  e  Scbubkareh  (Pfals). 

166.  Suka,  Hütte  pl.  Sukkoth  LaubhOUeDfest. 

167.  Tachrichim  LeichentOcher,  Toienkleider. 

168.  Talles  Gebetsmantel,  vom  verb  talal  er  deckte. 

169.  Tares  fehlerhaft.  (Stauben  :  les  psaumes  sont  tarte.) 

170.  Thalemud  die  Lehre,  Name  der  Bücher,  die 
neben  der  Thora,  der  Bibel  alten  Testaments,  die  Grundlage  der 
jrabbinischen  Weisheit  enthfilten. 

171.  Thenoim  Ehevertrag  (Stauben). 

172.  Thines  Lobgesänge,  vom  verb.  thanoh  er  lobte. 

173.  Tephue  Getreide,  heb.  ihebliucli  Hodenerzeu^mis. 

174.  Tiphele  Gel)et,  reli«,Möser  Gesang.  \riiii  hei),  tephilah. 
RA.  die  Tiphele  schlageu  die  Orgel  spielen  (PiaUj.  Aehnlich 
dem  Gebelbuch  von  32  Blättern  bedeutet  Thiphele  auch  die 
Spielkarte,  z.  B.  die  Thiphele  nusene  =  die  Karten  geben. 

175.  Thiphelines  die  Gebetsriemen. 
175  a.  Thilem  =  Psalmen  tbehilim. 

176.  Tohn  va  liotiu  wOste  und  leer,  durcheinander, 
Chaos.  Siehe  1  Mos.  1.  2.  Die  Franzosen  lassen  das  kopulative 
Vav  weg  und  sagen :  Cötait  un  veritable  tohu-bohu. 

177.  Tofe  mokum  guter  Ort,  ein  Euphemismus  für 
Begräbnisstette,  Friedhof,  vom  heb.  tohh  gut,  mnkom  Ort. 

178.  Tokea  Trompete.  Bd[  token  Trompetenbläser,  der  am 
>Jeiyahr.stage  den  Schofer  bläst. 

178a.  Wachtnacht  oder  Waiznacht  heisst  *lu' 
Nacht  vor  der  Beschncidiinp-  eines  Knäbleins  (Brsmile).  In  tiie- 
ser  Nacht  treiben  die  Hexen  ihr  Wesen,  dem  nur  mit  der 
grössten  Wachsamkeit  unter  Gebet  und  religiösen  Ceremonien 
gewehrt  werden  kann. 

179.  Weil  dieser  oflgenannte  Jüdische  Familiennamen  ist 
nicht  von  einem  Ort  Weil  abzuleiten,  sondern  er  ist  entstanden 
durch  Umsetzung  der  Buchstaben  von  Lewi. 

180.  Zelem  (W.  461)  Kreuz.  Davon  Zelemokum  Kreuz- 
nach, auch  Heilig-Kreuz  im  Elsass. 

181.  Zal  der  Kreuzer  der  60.  Teil  eines  Gulden. 


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—    183  — 


182.  Zizis  die  Scbaufftden  oder  Quasten  am  Gebetsmantel 
Talles,  welche  den  Beter  an  Gottes  Gebote  erinnern  sollen.  4. 
Mos.  15,  38— 39,  von  heb.  zizith. 

18n.  Zorn  Fasten,  heb.  zom.  Am  Neujahrstage  weiden 
nach  der  Anschauung  der  Juden  alle  Dinge  vorausbestimmt, 
welche  den  Manschen  im  neubefronnenen  Jahre  troffen  sollen. 
Die  lx>sen  Gcsc  lucke  abzuwenden  giebt  3  Mittel,  Fasten  (zom) 
Beten  mit  licr  Sliinme  (kol)  und  Almo^engeben  in  Geld  (rnamon). 
Man  hat  nun  die  Bemeiknnfj  j^'emacht,  dass  die  Bucbstabeii 
der  3  Worte  zoin,  inatnon  und  kol,  als  Zahlzeichen  angesehen, 
dieselbe  Summe  ilki  geben. 


z 

=  90 

k  = 

100 

m 

40 

V 

=  6 

6 

m 

40 

m 

=  40 

1  := 

30 

V 

6 

n 

50 

136 

136 

136 

Also  Fasten,  Beten  und  Almosen  spenden  sind  gleichweilig. 
Das  ist  aber  nichi  so  zu  verstehen,  dass  eines  durch  das  an- 
dere ersetzt  werden  könne,  sondern  dass  alle  drei  gleich 
grosse  Beachtung  verdienen  und  demnach  keines  unterlassen 
werden  darf. 

18i.  Zores,  Bedrängnisse.  Spr.  Die  einen  leben  in  Sro- 

res  (UeiTlichk»'if  1,  die  andern  in  Zores. 

185.  Zephire,  die  Zeil  von  Ostern  bis  Pfingsten ;  eigent- 
licii  der  Abzahlung,  da  die  Tage  von  50  abgezählt  werden. 


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IX. 

Das  Suiüx  -i 

in  der  Mundart  von  Rufach/ 

« 

Von 

Heinrich  Monges. 

Der  Bildungslaut  -i  (nelisf  seiner  Zusaninieiisef zunji  -Ii 
in  Verkleinerungs-  umi  Koselornicn )  ersclieinl  in  den  inoislen 
schweizerischen  Mundarten  so  häufig,  dass  er  geradezu 
als  ein  Kennzeichen  derselben  betrachtet  werden  kann.  llaii> 
Wissler  bespricht  dieses  -i  eingehend  in  seiner  Inaugural-Dis- 
sertation  :  Das  Suffix  >i  in  der  Bemer  resp.  Schweizer  Mundart 
(Frauenfeld,  1891). 

Es  kommt  aber  auch  im  E 1  s  a  s  s  vor,  und  zwar  bis  zur 
Nordgrenze.  So  nennt  man  z.  B.  in  meiner  Heimat  Nieder- 
betschdorf  (Kreis  Weissenbuiig)  einen  unbeholfenen  Mensehen 

[P&tü],  einen  faulen  [SIeköri],  schlechten  Kaffee  [Läpoliri],  und 
ein  Sprichwort  lautet: 

['^  küti  Xby]  eioe  gute  Knh 

[tekt  k\i  Armdt  ts^]  deckt  alle  Armut  za. 

Häufiger  als  im  ünlerelsass  tritt  ilas  Suffix  -i  im  Oberelsass 
auf,  und  da  wieder  um  so  mehr,  je  näher  die  Schweizer  Grenze 
ist.  Au-jn-^t  Strd)er  erwähnt  es  in  seinem  Mülhauser  Wörter- 
büchlein t^Anhan^»-  711  der  Schrift :  Die  letzten  Zeilen  der  eiie- 
maligen  eidgenüs^isclien  Republik  Mülhausen,  Mülhausen  1876, 


^  Die  Kitiitencba  Lantsehrift  steht  ühtndl  swisohen  ecfcigan 

Klammern. 


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S.  57—123)  auf  S.  88  mit  den  folgendeii  Worten:  ci,  als 
Endung,  1.  von  Ortschaften  :  Durni  Dornach,  2.  diroin«  von 
Eigennamen :  Drän  Andreas,  Pliräsi  Euphiasia,  3.  verächt- 
lich :  Schüerbi  saumseliger  Mensch,  Tsckieli  Schielender, 
4.  Endun;?  anderer  Hauptwörter :  Bammi  Rausch.»  Daneben 
enthält  das  Vei'7eichuis  eine  grosse  Menj^e  Wörter  auf  -i. 

Ich  will  in  den  folgenden  Zeilen  die  Beispiele  aus  der 
Mundart  von  Rufach  zusainmenstellen,  einem  Städtchen, 
das  ungefähr  in  der  Mille  des  Oberelsasses  liegt,  wo  also  von 
einem  nennenswerten  Einfiusse  durch  die  Schweiz  nicht  wohl 
geredet  werden  kann.  Wenn  das  SufGx  hier  auch  nidit  so  o(l 
vorkommt  wie  in  der  Schweiz,  so  erscheint  es  doch  noch  hftüGg 
genug,  um  die  Aufmerksamkeit  zu  verdienen.  Ich  kann  mich 
auf  ^i  heschrftnken  und  die  Verkleinerungssilbe  -Ii  beiseite 
lassen,  da  die  letztere  in  Rufoch  nicht  auftritt.  Nur  in  der  Be- 
zeichnung mancher  Kinderspiele  scheint  -Ii  enthalten  zu  sein: 
[ktswirwalis  mäya]  mit  dem  Kreisel  spielen,  [Jäkarlis  mäya] 
Jäger  spielen,  [Kh^kolis  nAy^i]  eine  Art  Kegelspiel,  [Krömarlis 
mäya]  Krämer  spieleUi  [Krosfätarlis  mäya]  Grossvater  spielen, 
[Litalis  mäya]  Schnell k Uffeln  in  ein  [Lilala]  Grübchen  schnellen 
([Lttala]  ist  Verkleinerung  zu  Lüt]),  [Melsksrlis  mäya]  Metzger 
spielen,  [Päpolis  (MAmalis)  mdyn]  Papa  (Mama)  spielen,  [Pä- 
llstdrlis  mä/aj  mit  Schnellkugeln  spielen,  [Pänidi  iis  niä/a]  Hann- 
wart spielen,  [Raiwariis  mäyaj  Räuber  spielen,  [Resarlis  mä/a] 
Pfeniespiel,  [Rilarlis  mäya]  Reiter  spielen,  [Sältätalis  m^ya] 
Soldaten  spielen,  [Saforlis  niäye]  Schäfer  spielen,  [Sjolmai.sl^>rlis 
(Swfesldrlisj  mäya]  Schulmeister  (Schulscliwesler)  spielen,  u.  dglJ 
Sonst  ist  in  Rufach  nicht  -Ii,  sondern  (neben  -i)  -la  oder  -ala 
die  Verkleinerungs-  und  Kosesilbe,  wovon -la  jawohl  aus  frühe - 
rem-li,  -9l9  aus  frOherem  -ilo  oder  -IIa  oder  -ili  abgeschwftcht  ist 
(vgl.  Weinhold  :  Alemannische  Grammatik,  Berlin,  1863,  §  270).* 

£s  bleiben  im  Folgenden  selbstversfftndlich  alle  Wörter  un- 
lierücksichtigt ,  die  zwar  auf  4  ausgehen ,  bei  denen  aber 
dieses  -i  kein  deutsches  Suffix  ist,  sondern 

a)  mit  dem  ganzen  Ausdruck  ein  SehaUwori  bildet,  z.  B. 


'  Das  B  ist  hier  wahrscheinlich  das  aus  mhd.  Spielbezeichnnngen 
eihalttiae  Oenitiv  s.  Die  äiilne  -ii  äcbeint  mit  diesem  s  uui  audere 
Spielnamen  übertragen  worden  an  sein:  [FaQdlis  mW/<d]  Fangspiel, 
jriniif^rkhiyfarlis  tnliya]  Hähne  verkaufen,  [tsapfmarlis  maye]  Kisen- 
babDspiel,  [Kilis  mäy^<»],  [Kryp^rlia  maVa],  [Färlis  mä/^a]  Barrepiel, 
[Poiarlit  mk/«]  Bauspiel,  [Raifwii«  mayo]  R«if  sehlagen,  [Rtoerlis 
mk/e]  Nachlaufen,   [Farstelcarlis  mä/a]  Verstecken  spielen,  u.  dgl. 

Aber  im  benachbarten  Dorfe  Bilkheim  (Kreis  Ochweilpr)  ist 
-Ii  |äQg  u»d  gäbe.  Bilkheim  bildet  indessen  sprachlich  ein  Eiuächlass- 
gabiat  and  ist  wohl  dareh  Schwsiser  besiedelt  worden. 


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—   186  — 


[batsi,  hniki]  Begleitwort  beim  Niesen  (vgl.  Scbweizerisches 
Idiotikon  I  627);  [Hi]  Name  des  Pferdes  in  der  Kinderspracbe, 
nach  dem  Treibruf  Hil  (aucli  Hü!  Jü!  Jüit);  [Hoi]  Zuruf  an 
Zu}j;üclisen,  um  sie  anzntieiben ;  [Holariti,  Holarati],  [Kukumar- 
sälat]  Gurkensalat,  [mi  Salsla  is  k^lorwa]  mein  Scliälzchen  ist 
^'eslorben,  [jet^  wur  i  Sältat]  jelzl  werde  ich  Soldat;  [Hipalti, 
Hopdiii,  Hoporli]  Ausdrücke  zur  Bezeichnung?  des  Hüpfens  und 
Tanzens  in  eincin  derben  Scherzsju  uch :  [LIn  o  Hipalli  ün  a 
Hopalli]  usw.  und  in  dem  Neckroim  :  [Hopnrti,  Hoporti,  Salomt'*] 
usw.  (v;rl.  Jahrb.  XII  10;V);  [Kikaiiki,  Kikoliki]  Nachahniuu;,' 
de.";  llaliucn^eschreis ;  [Larif;ii  i  i  dummes-,  unsinnij^es  Gerede 
(vgl.  D.  \Vb.  VI  202);  Sariwaiij  Katzenmusik  (aus  dem  Fran- 
zösischen, vielleicht  kein  Schallworl,  vgl.  Littre  :  Diclionnaire 
de  la  langue  franyaise,  I  505) ;  [Siupü]  ein  IWf  beim  Verstecken- 
spiel der  Kinder ;  [Tsi^kaldmarat^i]  ein  Wort«  das  die  Bnben 
den  Italienern  zurufen  und  das  eigentlich  die  italienische  Sprache 
nachahmen  soll ; 

b)  tum  Stamme  gekört  und  entweder  aus  einem  alten 
Vokale  besteht  <[PIi1  Blei,  mbd.  bli;  [ttpi]  dabei,  mhd.  där-bi), 
oder  durch  den  Abfall  eines  Konsonanten  an  das  Wortende 
(gekommen  ist  ([flrsij  vorwärts,  aus:  für  sich;  [Foleij  lielrun- 
kener,  wohl  das  weiter  landabwürls,  z.  B.  in  Heichenweier, 
iihliehe  [FolejI]  Volli;:e) ;  Sprichwort:  [Tr  Hawi  pfesar  äs  tr 
Hatij  der  Halnj-ich  ist  besser  als  der  Hä!t(>-!ch,  d.  h.  ein  Spatz 
iu  dei- Hand  ist  t)e?'*er  als  eine  Taube  auideui  Dache* ;  [Kbami] 
Schornstein,  mUJ.  kainin;  [Kutf^rtämi]  Fluchwort,  aus  Gott 
verdamm'  mich ;  [Mötri]  Ackergauchheil,  aus :  Modrich ; 
[Spitsdwulari]  Wegerich;  [ti]  dein,  mhd.  din  ;  [Wi]  Wein,  mhd. 
win;  [waitiij  ordentlich,  aus:  weidlich,  u.  s.  w.S; 

c)  der  Bestandteü  eines  Lehn"  oder  f\remdaHnis  ist, 
und  zwar  aus  dem  Französischen  stammt  ([fyti]  verloren,  aus 
frz.  fontu  =  zum  Teufel;  [Häri]  Heinrich,  aus  frz.  Henri; 
[Kh&m^ti]  Komödie,  aus  frz.  com^ie ;  [M4ri]  Maria,  frz.  Marie; 
[M^rari]  Bärgermeisterei,  frz.  mairie;   [Piropli]  Regenschirm, 


1  In  [Häwi]  liegt  sehriftdentscIiM  Einflass  vor;  saeh  d«r  Mimd- 

art  sollte  das  Wort  [Hiini]  lauten. 

2  Die  Namen  der  Wochentage  (mit  Ausnahme  des  Mitt  w  ochs 
[Mitwüy])  endigen  in  Kuiach  nicht  auf  -di,  wie  z.  B.  bei  Schlettstadt, 
sondern  auf  -dik  [Süntik,  Mäntik,  Tsistik,  Tünstik,  Fritik,  Samstik], 
wohl  ein  Beweis  dafür,  dass  jenes  -di  [Sünti,  BJanti.  u.  s  w.]  weder 
von  der  frz.  Endung  -di  (londi,  nuurdi^  mercredi,  jeudi,  vendredi« 
samedi),  noch  unmittelbar  vom  Ut  dies  (Tag)  kommt,  sondern  ans 
dem  deutschen  "Wort  Tag  durch  Ausfall  des  g  und  durch  Erhöbung 
des  a  zu  i  entstanden  ist.    Vgl.  im  Münsterthal  [Hertsik]  Herzog. 

[Khitnstik]  Johannistag  (Jahrb.  XI,  209)  und  im  Sundgan  [^Itarpi] 
Sehlietbach,  [Fi  yopij  Bnibacli,  n.  s.  w. 


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—   187  — 


frz.  parapluie ;  [Pisa^ii]  Salat  aus  den  Blättern  des  Löwenzahns» 
frz.  pissenlit,  u.  dgl.),  oder  -aus  einer  lat.  Endung,  gewöhnlich 
ans  der  Nominativendung  »ins  oder  aus  der  Genilivendun^r 
'ly  entstand  ([KhämMAri]  Polizeikommissarius ;  Khünträri] 
das  Gefpenteily  lat.  contrarius ;  [Notäri]  Notarius ;  [Mät^ri] 
Eiter,  lat.  materia;  [Pikhari]  Vikarius;  [Johftni]  Johanni; 
[UlirtiniJ  Martini;  [Miyeli]  Michaeli,  u.  s.  w.) 

Von  diesen  Fällen  abgesehen,  erscheint  das  deutsche  Suf- 
fix -i  bei  der  Woiibildung  und  bei  der  Wortbiegung. 


I.  Wortbildung. 

Bei  der  Wortbiltluii^»^  koimnen  nur  H  a  u  p  l  w  ö  r  t  e  r  \n 
Betrncht.i  Darunter  können  dreierlei  Bildungen  unterschieden 
werden :  1.  das  -i  bezeichnet  eine  Verkleinerungs-  oder 
Koseform  und  verursacht  gegebenen  Falls  häufig  den  Umlaut 
beim  vorhergehenden  Stammvokale;  2.  das  -i  drückt  der 
betreffenden  Woi*lbildung  etwas  Lacherliches  oder  Verächlliches 
auf  und  bewirkt  In  der  Regel  keinen  Umlaut;  3.  das  -t 
ist  ganz  unwirksam  und  beeintlusst  weder  den  Inhalt  noch  den 
StariHiivokal  des  Worts.  —  Einzelne  Fälle  gehen  in  einander 
Ober,  besonders  bei  den  zwei  ersten  Gruppen. 

In  allen  diesen  Bildungen  scheint  das  -i  dieiielbe  Hcr- 
knnt't  zu  haben,  nümlich  von  dem  germanischen  Suffix  -ja 
(aui  h  j6),  dasahd,  i  oder  i  lautele.  Wir  haben  in  den  mund- 
artlichen WöHern  nnf  -i  wohl  Anklänge  an  die  ahd.  Sprache, 
in  der  e>-  kanullich  viele  ilaupl Wörter  auf  -i  (-i)  <:al),  z. 
die  -ja-Maiiime  alldri  (Altar),  enii  (Ende),  «(ibirgi  (Gebirge), 
hirli  (Hirt),  kdsi  (Käse),  rucki  (Kücken),  u.  s.  w.,  die  -jö- 
Sfämme  mit  den  Nebenformen  brunni  (Brunnen),  minni  (Minne)^ 
redi  (Rede),  wunn!  (Wonne),  u.  s.  w,,  und  die  weiblichen 
Abstrakta  auf  -i :  linsiri  (Finsternis),  gedigani  (Gediegenheit), 
hdhi  (Höhe),  menniski  (Menschheit),  loufi  (Taufe),  weri  (Wehr), 
u.  8.  w.  (vgl.  hierzu  Wilh.  Braune:  Althochdeutsche  Grammatik, 
Halle  a.  S.,  1886,  §198-202,  209—213).  Ob  nun  das  «nund- 
artliche  Suffix  -i  die  unrniltelbare  Forlsetzung  des  ahd.  -i  (-1) 
ist,  oder  ob  es  durch  Erhöhung  des  aus  ahd.  -i  (-i)  abgeschwäcfa» 
ten  mhd.  geschlossenen  -e  entstanden  ist,  das  soll  hier  uner- 


1  Nar  eni  Eigeusciiattswort  weist  -i  auf.  [Santil  heilig  (Sankt^ 
haaptsScblich  in  dem  Namen  [Sänti-Kl&ys]  heiliger  Nikolaas.  HS^r 
ist  es  aber  derart  mit  dem  Hauptwort  verschmolzen,  dass  es  als 
einen  Teil  desselben  angesehen  werden  moss.  Zadem  ist  das  -i  hier 
lat  Ursprungs. 


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—   188  — 


friert  bleiben.   Wer  sich  dafQr  intereaeiert,  den  verweise  ich 

auf  die  Schrift  von  Hans  Wissler.  Mir  komrnl  es  hier  nur 
darauf  an,  die  in  der  Rufacher  Mundart  vorhandenen  Fälle  an* 
zuführen  und  bei  einigen  eine  Abieilun;^  der  Stämme  anzugeben. 

Wie  ^resagt,  kennzeichnet  -i  in  Rufach  vielfach  die  Ver- 
kleinei  un};s-  und  Koseformen,  Diese  Wirkung  des  -i 
ist  im  Alemannischen  '^chon  alt.  Karl  Weinhold  fuhrt  im  §  *2<il) 
meiner  Al«'iii  tnni<ch(  ii  Grammatik  aus  derälleieii  Sprache  ausser 
■einigpii  \ei  kürzten  Personennamen  (Jenni,  Ertii,  Haini,  Kuoni, 
Fölki,  Kuutii,  Uoii,  Welti,  Wiirui,  Bell,  Elli,  Jutzi)  die  folgenden 
Beispiele  an:  eimberi,  eni,  fugili,  lingiri,  roageti,  bäsi,  gütti.* 
Von  den  jetzigen  alemannischen  Mundarten  sai^  er  (ebeada): 
«Auch  heule  sind  diese  verkleinernden  Neutra  in  -i  dem  Ale- 
mannischen noch  lebendig,  z.  B.  Aeugi,  Aeni,  Fuessi,  Hdsi, 
Oehri  u.  s.  w.»  Wenn  er  aber  fortfilhrt:.  clm  Elsass  werden 
nur  von  Personennamen  Koseformen  in  -i  gebildet^  von  Sach* 
-Worten  in  -le,^'  so  befindet  er  sich  im  Irrtume.  Auch  hier  in 
Aufach  giebt  e?:  Verkleinerungsformen  auf  -i. 

Ein  recht  bezeichnendes  Beispiel  ist  der  Aus> 
druck  [3  pltsi]  ein  his.schon,  ein  wenig;  denn  er  enthält  stets 
■eine  starke  Verkleinerung,  etwa  in  dem  missbiUigendeii  Satze: 
[Tes  'U  kwor  a  pitsi  stärk]  dns  ist  aber  ein  hisschen  stark! 
<»der  in  der  hruifigen  Gi  ussforniel  :  [Shi  or  tlütk  ?  —  Jü,  a 
pitsi]  seid  ihr  Heisig?  — Ja,  ein  hisschen  I  In  neuerer  Zeit 
wird  das  Wort  häufig  durch  das  gleichbedeutende  [a  wenikldj 
ein  wenig  ersetzt,  das  eine  doppelte  Verkleinerung  enthält. 

Die  meisten  Koseformen  kommen  in  der  Kinder  spräche 
vor.  Hier  spielt  der  BUdungslant  A  neben  den  Silben  -I9 
und  -elo  eine  grosse  Rolle.  Und  das  ist  wohl  die  Ursache, 
dass  das  der  Kindheit  noch  nAher  stehende  jüngere  Geschlecht 
<ler  Knaben  und  Mädchen  die  Wortbildungen  auf  h  mehr  ge- 
braucht als  die  Erwachsenen.  Ein  kleines,  artiges  Kind  ist  der 
Mutter  ihr  [Härtsi]  Herz,  [Nati]  oder  [Nyli],  [Tüti]  oder  [TytiJ 
{gehört  wohl  zu  [Titla,  Titi]  Mutterbrust,  ahd.  tutto,  tutta,  futti, 
mhd.  tutte),  Salsij  Srhrit/,.  Das  jüngste  Kind  einer  Familie 
heissl  [Hyrysi].  So  nennt  man  auch  das  schwächste  Tier  einer 
Schweine-,  Hunde-  oder  Kat/enfamilie  oder  einer  Vogelbrut. 
Das  Wort  hat  ungeHihr  denselhen  Sinn  wie  das  schrifldeulsche 
Nesthocker  und  kommt  wohl  von  dem  mundarlln  heii  Zeitwort 
(hyra]  kauern,  dab  z.  B.  in  Heichen weier  übiicli  ist.*  Vater 


>  Eni  und  götti  scheinen  aber  keine  Verkleinettnigen  va  sein ; 
vgl.  Hans  Wissler.  a.  a.  0.,  S  17. 

*  In  Rafach  sagt  man  [krype]  dafür.  —  Das  Schweiz.  Liior,  II 
1585  and  1586  leitet  Hürus  junger  Kriegsmanu  und  das  mit  uuserm 
lüjrfn]  in  den  Bedentangan  aieh  teilweise  deckende  HMif  tOB 


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—    18U  — 


und  Mutter  nennt  das  kleine  Kind  neben  [Tat»]  und  fNand) 
auch  [Tati]  und  [Nani],  neben  [Pipo]  und  [Mf&me]  auch  [Päpi] 
und  [Mimi],  die  Mutter  [M6ti],  die  Grossmutter  [Krom&ti].  t 
Andere  Peraonen  seiner  Bekanntschalt  heissen  [ÜQki]  Onkel, 
[Tänti]  Tante,  [Pföti]  Pale,  (Kitil  Patin,  [PAwi]  Bube,  [Maiti} 
Mädchen,  [Mini]  Mann.  Auch  viele  Sachnamen  endigen  in  der 
Kindersprache  auf  -i:  [Firi]  Feuer,  [Himi]  Himmel,  [Kiifi] 
Griffel,  [Masi]  Messer,  \Pä/\]  Buch,  [Panli]  Band,  [Pinti} 
Pfropfen  (zu  [Pünta]),  [Plywisi]  Bleislift,  [Snäri]  Schnur,  [^Isi] 

Schüssel,  [Sdli] Schule,  [Spaki]  Speck,  [T40]  Tafel,  [Tiri]  Thür, 
[Koti]  Kruzifix  (kleiner  Gott),  u.  s«  w.  Zu  diesen  Sachnamen 
auf  -i  gehören  hesonders  die  Namen  von  solchen  Diujpen,  die 
dem  Kinde  nahe  stehen,  wie  Kleidungsstücke,  Nahrungsmittel, 
Körperteile.  K!eidiin;x??lficke :  [Ftrtij  Schürte,  [H«''mi)  Hemd, 
[HätiJ  ilul,  [Hälstäyi]  Halstuch,  [Khapi]  Mütze,  [Manti]  Mantel, 
[Reki]  Röckrhen,  [Slrimpfi]  Strumpf,  u.  8.  w.  Ess-  und  Trink- 
waaren  :  [Kpli]  Apfel,  [Flai'si]  Fleisch,  [Flüli]  Fialen,  [Kafeni] 
Kailee,  [Kha/i]  Kiuheri,  [Mami]  Trinken,  [Papi]  Pappe,  d.  h. 
Brei,  [Piri]  Birne,  [Proli]  Brot,  [Püli]  JJutler,  [Rawi]  Rube, 
[Sjlaivvi]  Soulaibchen,  d.  i.  ein  Brötchen  für  4  Pfennig,  [Weki] 
Wecken,  (Wirsti]  Wurst,  [Hapi]  Kartoffel  (woiil  der  er.sle  Teil 
des  kindlichen  [Häptpnj  für  [Hartepfl]),  ii.  s.  w.  Körperteile: 
[Khepfi]  Kopf,  [Nasi]  Nase,  [Haisi]  Hals,  [Prisli]  Brust,  [Hanti] 
Hand,  IKiki]  Auge  (auch  ein  Licht),  [llri]  (Jhr,  [Tyti]  Bauch, 
[Ar6i]  Hintere,  [Fasi]  Fuss,  u.  s.  w.  Wenn  das  Kind  brav  ist, 
darf  es  mit  der  Mutter  [ati  k6]  adieu  geben  oder  mit  dem 
Vater  [öf  s  W&ki  sitsa  ün  mitrite]  auf  den  Wagen  sitzen  und 
mitfahren.  Hat  es  Scldaf,  so  sagt  die  Mutter  zu  ihm  :  [Khüm, 
ke  a  Nyni  mäya,  Kliinf]  Komm,  mache  ein  Schläfchen,  Kind,o(Jei  : 
[Khürn,  ke  in  s  Peti]  Komm,  geh  in  s  Bettchen !  ([Nyni]  gehört 
zum  Riif;i(lier  Zeitwort  [nyne]  schlafen  von  Kindern,  und  zum 
bayerisctien  nauuefn  =  schlummern,  !)eson(iers  unter  Tags, 
vgl.  Schmeiler :  Bayerisches  Wörterbuch,  1  174Ü).>    Die  £r- 


Umstandswort  Jnir  heuer  ab.  —  Oder  hängt  das  Wort  mit  dem  bayer. 
Huraus  maskiert«  Person  in  der  Fast nachtszeit,  urspr.  eine  ArtHeze^ 
zutiaiuuieu  ^vgl.  Schmeiler:  Bayerisches  Wörterbuch*  I  1158)? 

>  Das  ft  steht  hier  in  der  Klnderspiaehe  für  das  e]  der  Er- 
wachsenen; Matter  heisst  sonst  [Myeter]. 

*  Das  Zeitwort  [uyno]  schlafen  tritt  in  rwcx  Wiegenliedern  auf. 
Das  erste  laatei:  [Ny,  ny,  FipalaJ  schlaf,  schial,  Püppelein  —  [Kho^ 
Im  Kbhit(e1e)  e  Slpsl«)  kooh  dem  Kind  ein  Süppelein  —  [H^X  * 
Stikala  Ts£ikar(Ia)  tn]  rauch  ihm  ein  Stürklein  Zucker  hinein  — 
[Tks  Ui9  Khlnt  khät  lü.stilc  sl|  dass  das  Kind  kann  lastig  sein.  Da» 
zweite  Wiegenlied  lautet:  [Ny,  ny.  Plpal9,  slüf]  schlaf,  schlaf,  Päpp- 
lein, schlaf!  —  [M  te  MM»  waitd  i'Süfj  auf  deu  Wiesen  weiden  die 


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wachsenen  machen  ihm  Angst,  wenn  sie  sagen:  [Tr  Myi  khiimt] 
der  Maulesel  kommt  ((las  ist  Dainlich  in  der  kindlichen  An- 
schauung der  Begleiter  des  [Kypellsi]  Knechtes  Ruprecht).  Dem 
Besuche  darf  es  aber  [Palii  raäya}  mit  der  Hachen  Hand  auf  die 
Hand  srhlngen,  dass  es  [pätst]  klatscht  faucli  mit  der  Hand  ins 
Wasser  .schlagen).  Zum  Lohne  hekomnit  es  Patsi]  einen 
Batzen,  d.  h.  ein  Stück  Geld,  oder  [Pümpumi]  Honhuns,  oder 
sonst  [e  Kylbi]  etwas-  Gutes  (Naschwerk),  odei  ein  [Läli]  Lädeben 
mit  Spielsachen.  Die  grös»8te  Freude  bereitet  man  aber  dem 
Mädchen,  wenn  man  ihm  (e  PIpi]  ein  Püppchen  schenkt.  Knaben 
und  Madeben  freuen  sich  gleichermassen»  wenn  sie  mit  der 
Mutier  [i*  Käkt]  die  Eier  aus  dem  Neste  der  Hühner  holen  dürfen 
(das  Wort  gehört  iivahrscheinlich  zu  dem  Heonenraf  gack»  vgl. 
Schmelter,  P.  W.  I  881).  Das  Huhn  selbst  nennen  aie  [Pipi] 
oder  J'ijtijla].!  Auch  die  Namen  der  andern  Tiere,  besonders 
der  Haustiere,  endigen  in  ihrer  Sprache  ^jewöhnlich  auf  -i : 
[Anti,  Kifi]  Ente  (der  zweite  Name  nach  dem  Lockruf;  [Kitb, 
kit.  kil,  kitl);  [I^si]  Esel;  [Feki]  Vogel;  [Hasi,  Mini]  Hase  oder 
Kiiiinchen  (der  zweite  Name  nach  dein  Lockruf:  [Mini,  mini, 
iiiiiii,  iriinil]);  [Hlnti,  Tuti)  Hund;  [Hyt.si,  Haiisi,]  Schwein 
(p^chcirt  Wühl  zum  Treihriif  [hys!],  wofür  man  im  Kantou  Bern 
hoiz  t^agt,  vgl.  Schweizerisches  Idiotikon  11  1835;  dieser  Treib- 
ruf gehört  vielleicht  zu  mbd.  hossen  =  schnell  laufen,  oder  zu 
mbd.  biu3en,  bü)en  =si  zur  Verfolgung  rufen) ;  [Khatsi,  PisiJ 
Katze ;  [Kitsi]  Ziege  (ahd.  chizzi  :=  Zicklein) ;  [Misi]  Maus ; 
[Rösi]  Pferd;  [^ß,  Mäli]  Schaf;*  [Tiwi]  Taube;  [Wyrij  Gans. 
[Wyri]  ist  der  Lockruf  der  Gänse,  der  gewöhnlich  dreimal 
hintereinander  gesagt  wird  :  [Khüm,  Wyri,  Wyri,  Wyri]  I  Er 
tritt  auch  in  zwei  Roigenliedern  auf.  Das  erste,  das  zugleich 
ein  Spottreim  auf  die  Knaben  ist,  lautet  im  Munde  der 
Mädchen  so : 

[Bai9»  Bais«  Rdss]  Beih«,  B«ike,  Bosen, 

[t  Pyawa  trake  (sisa  in  t')  HÖ88]  die  Buben  tragen  Hosen, 
[t  Maitele  trÄka  Krantsala'  die  Madclien  tragen  KrtUizchen. 
[Wyri,  Wyri,  KanssUJ  Würi,  Würi,  Gänschen! 

Das  zweite  Reigenlied  besteht  aus  folgenden  Fragen  uud 
Antworten : 

Schafe,  —  [\Ji  la  Lanier  t'Lamöla]  auf  den  Aeckern  die  Lämmlein; 

—  [Slöf,  mi  koltiks  AQdleJ  schlaf,  mein  goldigs  Engelein! 

1  In  [Pipi]  haben  wir  abw  nicht  den  Bildiin|pua.vt  -i,  sondern 
eine  Znsammeniftcknng  des  Lockrufe;  bil  bil  (Tgl.  Weinbold  a.  a. 

0.,  §  208). 

In  Bayern  bezeichnet  Mudel  eine  Katze,  ihren  Balg,  Weiden- 
kätzchen, u  dg\ ,  scheint  also  auf  etwas  Wetehee  hiasudiaten  (vgl 
Schmeller,  B.  W.  i  1071). 


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[Wjri,  Wyri,  Wyti,  wto  hkk  im  Skk9U]  wu  hast  da  im  S&ekeben  ? 

[  „  •  Ffttarw^kald]  ein  Butterweckchen. 

[         „         „  wer  het  tr  s  M]  wer  hat  es  dir  g^eben? 

[  „  .,  ,  tr  Kröspäpä]  der  Grosspapa. 

[  „      „  .,  ,  wäs  mk'/k  jeis  mit]  was  machst  da  jetzt  mit  ? 

[  „  „  i  M  tr  8  nlt]  Ich  sage  dir  *g  nieMl 

Doch  enflijjen  viele  T  i  e  r  n  a  m  e  n  auch  in  d  e  r 
Sprache  der  Erwaclisenen  auf  -i.  Ihi  üliarakler  als 
KosenaineQ  ist  dann  aber  nicht  mehr  so  au-sge^^ptocben  wie  in 
der  Kinderaprache.  Ein  männliches  Kaninchen  heisst  nicht 
nur  [Rämlar],  sondern  auch  [KhlQkdfömani]  oder  bloss  [Mani] 
Männchen.  Das  Wort  [Mani]  wird  auch  von  einer  männlichen 
Person  gebraucht  und  bezeichnet  dann  einen  grossen,  starken 
Mann  oder  einen  kräftigen  Knaben«  [Müni]  ist  die  Bezeichnung 
des  Stiers,  auch  ein  Scheltwort  für  einen  groben  oder  aus- 
schweifenden Mann.  Ochsennamen  auf  -i  sind :  [Plasi]  (ge- 
fleckt),  [Saki]  Schecke,  [Starni]  (mit  weissem  Fleck  auf  der 
Stirne),  [Päsi]  (wohl  eher  von  Pascha  als  von  Sebastian  abzu- 
leiten, vgl.  die  Hundenainen  [Tirki]  Türke  und  [Sylti]  Sultan), 
[Hirsi]  (nach  dem  israelitisclit  ii  Viehhändler  Hirsc  h  aus  Hatt- 
stadt,  d»»r  viele  Ochsen  an  die  lUif;i(her  veikaull  und  hier 
Hirschi  genannt  wirdj,  [Lemani]  (nach  dtMii  Viehliandler  Leh- 
mann aus  Herrüsheim).  Die  meisten  Hundenanien  gehen  auf 
-i  aus:  [Fauori],  [Fiteli]  (zu  frz.  fid^te  =  treu),  iFineti] 
(nach  dem  Schweis.  Idiot.  I  837  cus  dem  Italienischen,  ebenso 
Fino),  [Finoti]  und  [Noii]  (zu  Fino),  [H6ktori]  Hector,  [Kastori] 
Kastor,  [Khürisi]  (zu  frz.  courage  =^  Mut),  [Lyksi]  Luchs, 
[Mepri]  und  [Mopri]  kleiner  und  dicker  Hund,  [Miri],  [Mopi] 
(scheint  wie  das  bayerische  Moppel,  Schmeller  I  4633,  zu 
Mops  zu  gehören),  [Muri],  [Nt^kri]  Negei-  (schwarzer  Hund), 
[Palti],  [Pnri^  [Pasiii],  [Peli]  und  [Peloli]  Bello,  [Polyksi]  Pol- 
lux,  [liati]  (zu  Hatte,  entweder  ein  Piattentanger  oder  ein  Hünd- 
rlipn,  das  fast  so  klein  i?;t  wie  eine  Patte),  [Snaytsi]  (zu 
Srhiiauze),  [Snäpsi]  (zu  S(  hnaps),  [Soli]  (wahrscheinlich  zu  frz. 
jitli  =  hnbscli),  [Spitzi]  Spitz.  [Sipeli]  (aus  frz.  Cybele  —  grierh, 
Höllenhund),  | Sylti]  (zu  Sullaii),  [Tak^i]  Dach«,  [lamiiij,  [Ti- 
kri]  Tiger,  [TiikiJ  'liirke,  [TokiJ,  Düg;:('.  Auch  ciiii^.'  Katzen- 
naiiiüii  endigen  auf -i :  [PhisMi]  (eine  \V(ns>e,  zu  Irz.  blanchette 
weisslich),  [Kiiseti]  (eine  ;4iaue,  zu  irz.  grisette),  [Pasi'tiJ.  JJer 
Kater  (das  Tier)  heisst  [Iloli]  (zum  Zeil  wort  [rolu]  wild  umher- 
springen, tosen),  ein  rotes  Pferd  [Füksi]  Fuchs,  ein  braunes 
[Prynöli]  (zu  frz.  brünette),  ein  schwarzes,  auch  wohl  eine 
schwarze  Katze  oder  ein  schwarzer  Hund,  [Khöli]  zum  scbrift- 
deutschen  Kohle,  vgl.  Schweiz.  Idiot.  III  208  u.  200).  Andere 
Pferdenamen  auf  -i  sind :  [Fritsi]  Fritz^  [Hänsi]  Hans,  [Lisfetti] 


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fre.  Lisette,  [Lisi]  Elise,  [Miki],  [Ricki]  Marie,  [^rloti]  frz. 
Charlotte,  [Soräfeti]  frz.  Georgette,  [S^pi]  Joseph.  Den  Namen 
[H&nsi]  tragen  auch  häufig  grossere  gez&hinte  Vögel«  wie  Raben, 
Elstern,  Staare,  ebenso  den  Namen  [S&ki]  frz.  Jacques.  Oer 
Truthahn  beisst  [Kybr]  oder  [Kyh]. 

Einige  dieser  Pfeivle-  und  Yogelnamen  sind  ursprünglich 
menschliche  Vornamen,  die  auf  Tiere  üherf  ragen  worden 
sind.  Und  hier  kommen  wir  auf  ein  Gebiet,  wo  der  Rildunjr^- 
laut  -i  io  Rufach  die  weileste  Vprbreitung  hat.  Es  giebt  unter 
den  180  hiesi^ren  Vornamen  keinen  einzigen,  hei  dem  ni^  lit  -i 
angehängt  wiid,  sei  es  an  die  gewöhnUchen  oder  nn  vorküi z,ie 
oder  erweiterte  Formen,  z.  R.  [Artyrl]  Arthur,  [P^ni]  Beaedikt, 
[Harti]  Bernhard,  [Leoni]  Leo,  [Malilti]  Mathihle,  [Wirsi]  Vir- 
ginie,  [Uli]  Odilie,  [W&larini]  Valerien  Das  -i  ist  hier  der  eine 
von  den  bdden  Vokalen,  die  schon  in  ahd.  Zeit  die  verkfirzten 
Namensformen  kennzeichneten  (der  andere  ist  -o,  z.  B.  in  Gero, 
der  Schmeichelform  zu  Gerbert,  Gerhard,  Gemot,  Gerwig, 
Gerwin).  Bei  den  Rufacher  Familiennamen  dagegen  ist  die  An* 
(ugung  eines  -i  eine  seltene  Ausnahme.  So  wird  ein  hiesiger 
Einwohner^  der  Spinnenbirn  heisst,  gewöhnlich  [^indhimi] 
genannt. 

Von  diesen  Namensformen  auf  -i  sind  nur  wenige  Kose- 
formen, meistens  dann,  wenn  die  vollen  Formen  erweitert 
werd«^n  und  sich  auf  o\n  jugendliches  Aller  lieziehen,  z.  B. 
[Armam]  Armand  (Hermann),  [Melanin!  |  Mehuiie.  Die  meisten 
Formen  auf  -i,  namentlich  die  verkürzten,  haben  bin;;ejxen  et- 
was Kräftiges,  ja  etwas  I.)L'rl)t's,  Ilaiihes,  Unari^fenebmes  an 
sich  und  werden  von  iiiren  Trägern  nicht  gerade  jicrae  ge» 
hört.  Der  Georg  ist  nicht  gern  [Jerki],  die  Maria  nicht  gein 
[Mei]  genannt.  Daher  kommt  es  wohl,  dass  gerade  meistens 
Vornamen-Formen  auf  -i  zu  ungünstigen  Gat- 
tungsnamen geworden  sind.  So  bezeichnet :  [Piwi] 
Barbara  eine  unangenehme,  [PlAmplümpawi]  eine  dicke,  [Trak- 
pawi]  eine  unsaubere,  [Uplpäwi] eine  schwatzhafte  Frauensperson, 
[Trakjerki]  Georf;  eine  unsaubere,  [Nätsi]  Ignaz  eine  dumme, 
[Soitoni]  Anton  und[Soiniki]  Dominik  eine  schmutzige  Mannsper- 
son, [Joki]  Jakob  einen  unbeholfenen,  aber  gutmöti^'en  Menpohen, 
[Käfesäki]  frz.  Jacques  einen  -^^ülchen,  der  gern  Kaflee  liinkt, 
[Salalsnrji]  Johann  (IVz.  Jean)  einen,  der  viel  Salat  isst,  [Räp- 
sepi]  Joseph  oder  [Fiappolti]  Leopold  einen  einlaltigen,  [LutiJ 
Ludwig,  auch  [TraklütjJ,  einen  unsuubern,  [Lüntsij  I^ontius, 


1  Eine  vollständige  Aafzäblnng  der  Rauher  Vornameu  and 
ihrar  Formen,  aach  derer  auf  -i,  habe  ich  in  mtinam  Aufsaia«  Ikbar 
«die  Rnfaeher  Vornamen»  gageban,  Jahrb.  XI  (I89&)i  S.  108.  ff. 


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auch  [TrakluDtsi],  einen  schlappen  Menschen,  [Nesi]  Agnes  eine 
wählerische,  [Nisi]  eine  zänkische,  [Ursi]  Ursula,  auch  [Trakürsi], 
eine  unsaubere  Frauensperson,  [Päsi]  Sebastian,  auch  [Trak-] 
oder  [Soipäsi]  eine  schmutzige  männliche  Person ,  [Wdiopisi] 
einen,  der  viel  [Wai]  Flammenkucken  isst,  [Platsarniki]  Do- 
minik einen  Knaben,  der  [Platsar]  Grind  auf  dem  Kopfe  hat, 
fSv>il  ^^iKanna  ein  kleines,  artiges  Mädchen,  [Soipolli]  Leopold 
einen  Sauhund.«  Auch  den  Nnmon  Napoleons  III.  sprach  und 
spricht  man  niiinchmal  in  f\ev  l-orm  [Napi]  veräclitlich  aus. 

Noch  mehr  als  an  Vornamen  zeigt  sich  die-ser  |)ess;imi«jtische 
Zug  des  -i  an  eigentlichen  G  n  1 1  u n  g s  n  a  m  e  n  ,  die  we- 
der zur  Kiuder.sprache  gehören  noch  Verklcinct  ungs-  oder  Koso- 
formen  sind.  Auch  für  Kufach  gilt,  wenn  auch  in  Ii6>.chrank- 
terem  Masse,  was  Hans  Wissler  fQr  die  Schweiz  sagt  (a.  a. 
0.«  S.  6) :  «Durch  das  Suffix  ^i  werden  von  Verben  persön- 
liche Concreta  männlichen  Geschlechts  abgeleitet.  Zu  dieser 
Ableitung  werden  hauptsächlich  schwache  Verba  benutzt, 
und  zwar  speciell  solche,  welche  eine  lächerliche,  unartige, 
unangenehme  odev  verächtliche  Thäfigkeit  ausdrücken.  Die 
Ableitung  bezeichnet  dann  eine  männliche  Person,  welche  diese 
Thäti^k»'!»  ^(nvohnheitsmässig,  häufig,  mit  Vorliebe  an>übl.» 
In  Rutach  werden  einige  dieser  Ausdrücke  nicht  von  Zeitwör- 
tern abgeleitet ;  violo  hezdchnen  auch  Frauenspersonr'n,  und 
wenige  sind  Begrillsnamen  (Abstracta).  Ich  führe  sie  hier  nach 
der  Buchstabenfolge  auf. 

[Fäkli]  -wov  unruhig  ist  und  unbestimmte  Bewegungen  aus- 
führt, zu  [üiiionüntar  fäkla). 

[Hikorij  Hinkender,  zu  (hikoro)  hinken. 

(Holpari],  bisweilen  auch  [HylpariJ,  ungeschickter  Mensch, 
zu  [holparaj  stolpern,  anstossen. 

[Kaiferi]  dummer  Schwätzer,  zu  [kaifara]  geifern,  dumm 
schvi^tzen.  Als  Zwischenstufe  zwischen  dem  schrifldeutschen 
(auch  schon  spät-mhd.)  und  dem  mundartlichen  Begriff  geifern 
muss  man  sich  die  folgende  Bedeutung  denken:  beim  Reden 
Speirhrl  ausfliessen  lassen,  sich  also  dabei  dumm  und  unge- 
schickt benehmen. 

[Kaitsi]  dummer  Schwätzer,  zu  [kaitsaj  dumm  schwätzen. 
Dieses  Zeilwort  bezeichnet  wohl  ursprünglich  als  S(  hallworl 
das  plätschernde  Geräusch  des  Wassers,  womit  dann  das  sinn- 
lose Hinplappern  von  Worten  verglichen  wurde.    lu  Basel  ist 


'  Ueber  die  weitere  Vorweiiduiig  der  Rufacher  Vornamen  als 
Qattangsnamen  siehe  den  III.  Teil  meines  Aufsatzes  über  «dieEttfacber 
Vornamen,  im  Jahrb.  XII  (1896),  S.  81—106. 

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—  m  — 


eine  GaaUchi  aucli  ein  starker  Regen.   Vgl.  Schweiieriscfaes 

Idiotikon  II  560—562. 

[Käkari]  dummer  Schwätzer,  mitunter  auch  der  Gansericli^ 
zum  schallDuchahmenden  Zeitwort  [k^kard],  das  eigentlich  das 
Schnattern  der  Gfmse  K»ezeichnel. 

[KMi]  »rrosser  und  starker  Mensch,  nach  dem  Schweiz. 
Miotiknn  11  122  Verkürzung   des  aUtestameutlicheu  Namens 

[Khitöri]  wer  luälig  und  anhaltenU  aullaclil;  zu  (khitars] 
kicliern  und  in  hohen  Tönen  lachen.  Wohl  Nebenform  zum  nhd. 
Schaltwort  kichern.  (In  Niederfoetachdorf  beisst  dei'  Tfittberlcfa 

LKhitor].) 

[Klätri]  Kletterer;  zu  [kldtoraj  klettern. 
[Klöpri]  Durchfall,  wer  in  die  Hosen  macht,  ein  starker 
und  plumper  Mann  ;  tum  Schallwort  [kl^pora],  da^  mit  dem 

schril'ldeul^rheii  klappern  verwandt  ist  und  entweder  einen 
kIa1-(  henden,  krachenden  oder  einen  klirrenden  Ton  bezeichnet, 
(in  Jungholz,  Kr.  Gebweiler,  heisst  der  Hü}(el,  um  den  der 
jüdische  Kirchhof  Ii<«jrf,  im  Volksmunde  [tr  Klepri],  nach  den 
armen,  j^eiufinen  Lfiitcn,  die  <l:u:iul  wolmen.) 

[Klüqkdrij  l;iii;:es  Kindeniachthemd,  ein  Kind  in  einem 
solchen  (auch  [Ih  niklüqkari]),  ein  einfalliger  Mensch  (wer  also 
geisti;;  noch  ein  Kind  ist^ ;  zu  LklÜQkdrdJ  baumeln,  eine  Arbeit 
aufschieben. 

[Klütdri],  auch  [Hösaklütari,]  ein  kleiner  Knabe,  der  noch 
in  die  Hosen  macht,  übertragen:  ein  schwächlicher,  unver- 
mögender Mensch ;  zu  [kltitara]  das  plätschernde  Geräusch  einer 
Fifissigkeit  bezeichnend. 

[Klyri]  Schielender;  zu  [kiyrs]  schielen,  das  zu  mbd.  lüren, 
nhd.  Inuien  gehört  wie  das  mundartliche  [Klüst]  zum  schnft- 
deutschen  Lust. 

[Knäpi]  wer  beim  Gehen  in  die  Kniee  knappt;  zu  [knäpa] 
knappen. 

[Kn  itvi]  wer  beim  Efc>eii  oder  Trinken  mit  den  Lippen 
sclimalzt ,  /Hin  Schallwort  Iknalsj»]. 

[KnäytsiJ  wer  eine  Arbeit  ni*  ht  ordentlich  verrichtft  :  ?ii 
[knaytsa]  das  wulil  zum  mlid.  kiioizeii  =  quetschen  gehört  iiiid 
ursprünglich  in  Schallwort  ist.  Vgl.  Schweiz.  Idiotikon  III 
769—773. 

[Knüt(a)ri]  mürrischer  Mensch;  zum  Schallwort  [knütara] 
knurren,  das  zum  schriftdeutschen  knattern  gehört. 

[Kräkdli]  Krakeeler,  ausgelassener  Mensch ;  zu  [Kräkdl]. 

[Krati]  wer  schwerfällig  und  mit  gespreizten  Beinen  gebt, 
auch  ein  O-beiniger  Mensch ;  zu  [krata  mit]  gespreizten  Beinen 
gehen. 


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—    1Ö5  — 

[Krä^i]  Kracber^  wer  hörbar  die  Zähne  auf  einander  beisst 
oder  krachend  einen  Apfel  oder  eine  Birne  isst;  zu  [kräye] 
krachen. 

[Kritsi]  ein  Scbuler,  der  beim  Schreilien  mit  dem  GrifTel 
oder  der  Feder  hörbar  kratzt ;  zu  [kritsd],  das  wohl  im  Ablaut- 
Verhältnis  zu  kratzen  steiit. 

[Läyti]  (i Ummer  Spassmacher,  nlirscheinlich  !<clia!lnach- 
ahmend  und  entstanden  aus  der  Hedensarf  :  [tr  Läyli  siqb]  jodeln. 

[Läytsi]  wer  zwecklos;  umher^jcht  und  -steht  ;  zti  [!ayt<o]. 

[Laywi)  Tölpel,  halb  verrück I.m  M<m»«  Ii  ;  wohl  vom  Ochsen 
aul  ilvn  Mt'ii>^chen  üherlrajfen.  In  de»  ^cliweiz  norh  riuln  inie 
des  Zugüch^ens,  ebenso  bei  Hebel  (vgl.  sein  alemannisches 
Gedicht :  Die  Ver};äng:lichkeit.) 

[Lali]  wer  den  Mund  aufsperrt  und  die  Zunge  herausstreckt, 
auch  ein  Tier,  das  vor  MOdii^keit  oder  Durst  die  [Lal]  Zunge 
heraushangt,  etwa  ein  Pferd  oder  ein  Hund,  Obertragen:  ein 
dummer  Mensch ;  zu  [lala]  die  Zunge  herausstrecken.  [Lali]  ist 
auch  ein  Spitzname  der  Rufacber.  Er  soll  von  dem  [Kir/alali] 
kommen,  einer  grotesken,  den  Mund  weit  öfTnenden  Figur,  die 
jetzt  im  Stadthaus  auHjewahrt  wird,  früher  aber  über  dem 
Haupteingange  der  Kirche  stand,  mit  dem  Uhrwerk  verbunden 
war  und  beim  Schlagen  der  Stunden  jedesmal  die  Zunge  ber- 
vorstreckte. ' 

[Latiiori]  langer,  unordentlich  gekleideter  Mensch  ;  zu  dem 
u'hIi  Hl  der  Schweiz  lebenden  lamrnc'rc  (etwas  tni^e  thun), 
da.s  eine  Ahlciliing  vom  Eigenschaftswort  [läm]  lahm  ist  ^vgl. 
Schweiz.  Idiotikon  III  1264.) 

[Lantsi]  wer  undeutlich  redet;  zu  [lautsüj.  Vielleicht  /n 
[lyantsa]  faul  undier  liogen. 

[Lä|)i]  ungeschickter  und  einfältiger  Mensch:  zu  [unwlapt»] 
schlapp  umhergehen. 

[Latiil  Dun  lifall,  wer  in  die  Hosen  macht.  unbeholtL'in  r 
Mensch ;  zu  [latrd]  das  plätschernde  Geräusch  einer  Flnssigkeil 
bezeichnend. 

[Lätsi]  trager  Mensch  ;  zu  (lälsa]  sich  trag  benehmen. 
[Liiij  Faullenzer,  mit  Stabreim  und  Ablaut  auch  [Läpoliri| ; 


1  Es  sei  hier  noch  auf  eine  eigenartige  bildliche  Änwendtiiig  des 
Zeitworts  [Iftl^]  hingewiesen.  Das  Aufflackern  der  Flamme  einer  Laiui<e 
über  dsLH  Glas  hinaus  (deutsch  qualmen,  frz  filer,  davon  in  Reichen- 
weier [filir»])  nennt  man  in  Rufach  neben  'yspiLiio]  auch  [lala]:  das 
obere  £ade  des  Glases  ist  der  geöffnete  Mund,  die  herausschlagende 
Flamme  die  vorgestreckte  Zunge.  Aehnlich  wird  [lale]  in  der  Schweis 
angewendet,  vgl.  Schweiz.  Idiotikon  III  1268.  Es  ist  nicht  mit  dem 
Bchriftdeutscben  lallen  zu  verwecbseln,  das  in  der  Uandart  [lala] 
lautet. 


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zu  fümdlire]  an  einer  Arbeit  nicht  voran  machen.  Auch  Dreh» 
orgelmann;  zu  [Ur]  Drehorgel  und  [Uro]  teiem,  drehen. 

[Loteri]  unordentlicher  Mensch,  [Hösaloteri]  wenn  die  Uoseo 

schlappen;  zu  [lotdra]  schlappen. 

[Lotsi]  unordentlich  gekleideter  Mensch;  zu[lotso]  schlapp 

herahlifuijien. 

[Lülij.  auch  [IViyalüIi]  duinrnpr  Mensch,  eigenllich  :  wer 
sich  in  riuer  Vei  lt';:eiiheit  niclit  zu  heltV'ii  weiss,  «sondern  gleich- 
sam da  steht  und  an  den  ?^ingerii  saugt,  [Tyinalühj  ein^  am 
Daumen  saujjendes  Kind  ;  zu  [h'daj  saugen. 

[Moh,  Mohkhüpt  j  Uickkopf,  auch  dessen  Tiäjjei,  Iledensart : 
[ins  Pye/  Mohkhopl  Ichünia]  ins  schwarze  Buch  kommen^ 
schlecht  angeschrieben  werden. 

[Miipfi]  wer  im  Zorn  keine  oder  eine  undeutliche  Antwort 
gibt ;  zu  [mupfd].  Im  Bayer.  W6rterb.  I  1647  stellt  Schmeller 
das  verwandte  bayer.  murf^n  zum  schnftdeutschen  murmeln. 

[Müri]  mürrischer  Mensch;  zu  [müra]  murren. 

[Mutari]  Unzufriedener ;  zu  [mütare]  brummend  \Yider< 
Spruch  äussern.  Verwandt  mit  hayer.  maudem  (Schmeller  1 
1570)  und  mit  unterelsiiss.  [mütia]. 

[Müti]  Trotzkopf,  Träger  eines  solchen. 

[Myari,  Trakmyari]  unsauberer  Mensrli  ;  zu  [Myar]  Morast. 

[Myyli]  ein  heimhch  thuender  Mensch ;  zu  [mjyje]  heim- 
lich reden  oder  thun. 

[Natsi]  dummer  Schwätzer;  zu  [naLsoJ  eintTdtig  reden. 

[Ni^lij  TrackniaU]  im  Kot  spielendes  Kind,  unsauberer 
Mensch;  zu  [niala]  wühlen. 

[Päroli]  umherziehende  und  Unfug  Ireiboide  Person,  be- 
sonders Weibsperson»  auch  ein  Kindergespenst ;  wohl  zusammen- 
gesetzt aus  [Pär]  Bär  und  [Roli]  Kater. 

[Pät^i]  ungeschickter  Mensch;  zum  schallnachahmenden 
Zeitwort  [pälsa]  schallend  auftreten  oder  aufschlagen. 

[Pflitar]  schwäcldicher  Mensch,  der  besonders  für  Kälte 
empfindlich  ist.  In  Bayern  Pßiterling  (Schmeller  I  '45'J).  Vgl. 
den  [PriQ^tpflitariJ  im  benacbbarlen  Dorfe  Pfaßenheim  (Jahrb. 
VI  lf)7). 

[Piatsi^  pluiiijier  Mensch;  zum  laulinaleiidpn  [plälse]  einen 
plumpen  Ton  liezeiclmend.  Vgl.  [Plälsräke]  Platzregen,  [Trak- 
plätsi]  wer  im  Kot  umhertappt. 

[Pläytari]  Schwätzer;  zu  [playl^r^J  plauderu. 

[PollariJ  plumper  Mensch;  zu  [poltara]  poltern. 

[Poli]  Mensch  mit  grossen  oder  hervorstehenden  Augen, 
[Poläykaj;  zu  [dpola]  anglotsen. 

[PHali]  Schreier;  zu  [priala]  brfillen. 

[Pürnari]  kleiner,  dicker  Mensch;  fibertragen  von  einer 


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—   197  — 

Huntlebezeiclmung,  die  ursprünglich  auf  «eine  aus  Pommern 
stammende  Art  Spitzhund»  Miröckgeht  (D.  Wb.  VII  1996). 

[Pärni]  Mensch  mit  j^riesgrätnigem  Gesiebt;  vielleicht  zu 
bayer.  burren  brummen  (Schmeller  I  268)  und  zu  mhd.  bur- 
ren  =  sausen. 

[Safari]  wei*  seine  Sachen  leichtsinnig  verhandelt;  zu  [far^ 

[Sali]  Schielender;  zu  [si^b]  schielen. 

ßtämpri]  langer,  unordenthch  gekleideter,  bequemer  Mensch ; 
zu  [ilampara]  unordentlich  aussehen. 

[SlaQkari],  auch  [Slaijkaijkn,  Käsoslaflkri],  langer,  magerer, 
lebharter  Mensch  ;  zu  [slaqkaro]  leMiafl  bewegen. 

[äläpari]  wer  beim  £ssen  oder  Trinken  [^läpart]  d.  b.  etwas 
Tergiesst. 

[älepi]  fauler  Mensch,  der  sieb  gleichsam  umherschleppt; 
zu  [slepa]  schleppen. 

[Slirki]  fauler  Mensch,  scliiechter  Arbeiter,  auch  [Trak- 
^lirki]:  zum  Schallworl  [srirkf>]  träge  und  rutschend  -eben. 

[SlotariJ  heiliges  Zitterti  vor  Kälte  uder  Angst  ;  zu  [<>lotDrd] 
zittern. 

[SliirwiJ  triif^er  Mensch,  der  beim  Gehen  die  Füsse  nicht 
hebt ;  zum  Schallwurl  [slurwaj  nachlässig  und  rutschend  gehen. 

[Smyorli,  Traksmyorli]  schmutziger  Mensch  ;  zu  [üma^my- 
arld]  unsauber  eiuiiergehen. 

[Siiätari]  wer  friert,  dass  er  zittert  und  mit  den  Zahnen 
klappert,  auch  dieses  Frieren  selbst;  zu  [änätara], 

[^Dütri]  unreinlicher  Knabe,  dessen  Nase  voll  Schleim  ist, 
übertragen:  vorwitziger,  dreister  Junge,  Lausbube;  zu  [SnAtar] 
Nasenschleim. 

[^nüri]  barscher  Mensch ;  zu  [änüre]  schnurren. 

[Spiantsli],  doch  mehr  [Spiantslsr,  -o],  wer  einem  andern 
etwas  Angenehmes  zeigt,  ihm  aber  nichts  davon  giebt;  zu 
[spiantsla]. 

[Stülpori]  unbeholfener  Mensch;  zu  [.stolpora]  stolpern. 
[Stotori]  Stotterer  ;  zu  [^lolara]  stottern. 

fSwajdi]  duiiiiutM  Schwätzer;  zu  [^wäpla]  dumm  schwiilzen, 
eigeutlu  li  das  Gernusdi  einer  bewegten  Flüssigkeit  bezeichnend, 

[^wäyldril  (iumiuer  Schwätzer,  zu  [^wäytdra]  dumm 
schwätzen.  Walnsdieinlich  zu  schwadern. 

[Suri]  iiiüi  risi  her  Mensch,  auch  ein  surrend  vorbei  fliegen- 
der Käfer  ;  zu  [süro-  surren. 

[TäpiJ  lappischer  Mensch,  zu  [täpa]  tappen,  schwer  auf- 
treten. 


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—  m  — 


[T^lori]  einfältiger  Mensch,  wie  [Ünva]  oder  [Tolwök].  Der 
firste  Teil  vielleicht  zum  echweizeriscben  Namen  Teil,  tum  un- 
terelsäss.  [Tob]  Dummkopf,  zum  bayer.  Deilemele  einfiltiger 
Tropf  {Seh melier  I  499),  dill^  dell  verwirrt,  daUn  reden  wie 

klein»'  Kiihlcr  fSchmeller  I  498). 

[Toilari]  Tölpel;  zu  [ümatoltar^]  unnützer-  und  slörender- 
weise  umherlaufen.  Gehört  [toUard]  zum  hayer.  Thölderer  Thii- 
bewohner  (Srhnieller  I  597)? 

[Träpi]  plumper,  grober  Mensch;  zum  üchallwort  [träpa] 
Irappen,  derb  niiftivlcii. 

[TiampliJ  langsamer  Mensch  ;  zu  [trämpla]  lan^^sam  gehen. 
Vgl.  die  JSliassburger  Volksetymologie  [Trämpiwäua]  trauisvay 
(Schmidt,  Wörterbuch  der  Slrassbur^er  Mundart,  S.  27). 

[Tryali]  unsauberer  Mensch ;  zu  [tryalaj  beim  Essen  und 
Trinken  Speisen  und  Getränke  auf  die  Kleider  fallen  lassen. 

[TsiaQkiJ  wer  mit  krummen  Beinen  oder  Absätzen  geht; 
zu  [fsidQka].  Vielleicht  zu  mhd.  scbiec  =  schief. 

[Tsöti]  gutmütiger,  beklagenswerter  Mensch.  In  Strassburi; 
[Tsöri].  Woher? 

[TätliJ,  doch  mehr  [Tütle],  ungeschickter  Mensch  ;  vielleicht 
zu  [tytld]  langsam  gehen. 

[Tütri]  dummer,  erschrockener  Mensch,  eigentlich,  wer  in 
die  Hosen  gemacht  hnt.  Vielleicht  zu  [Tutor]  Dotter. 

[Wäkli]  wer  umlierwackelt ;  zu  [ümawakla]. 

[Wätli]  wer  durch  Wasser  oder  Sumpf  watet;  zu  [wAle] 
waten. 

[Zani]  wer  mit  verzogenem  Gesicht  Zornesworle  murmelt ; 
zu  [tsana]. 

[Tsekari]  wer  [Tsekor]  Augenbutter  in  den  Augen  hat. 

[Tsiteri]  Jas  Zittern,  wer  zittert,  das  mittlere  Zittergras 
(Briza  media),  das  in  NiederbetschdoK  [Hasaprdt]  Hasenbrot 
heisst,  in  der  letzten  Bedeutung  sächlich;  zu  [tsitera]  zittern. 

Hauptwörter,  in  denen  das  Suffix  -i  ganz  un- 
wirksam ist  und  weder  den  Inhalt  noch  den  Stammvokal 
des  Worts  beeinflusst,  kenne  ich  nur  wenige.  Es  sind  die 
folgenden : 

[Äntlß],  m.,  Endiviensalat ;  wohl  aus  frz.  endive  gebildet. 

[fimpfesili],  m.,  Dummkopf;  zu  [firnpäsil]  franz.  imb^le. 

[Fit&li],  m.«  ein  grösserer  irdener  oder  steinerner  Topf, 
worin  Wein  aus  dem  Keller  geholt  wird ;  vielleicht  weil  sein 
Inhalt  die  Trinker  [üt^l]  lustig  macht. 

[Herkyli],  m.,  sehr  starker  Mensch,  neben  [HMyl]  und 
[H^rkyl^s];  zu  franz.  Hercule. 


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^  499  — 


[Knäli],  m»,  Knallbüchse,  wie  sie  die  Knaben  aus  Hollun- 
derzweigen  herstellen;  zu  [knild]  knallen.  Der  Knabe,  der  eine 
solche  KnallbQchse  handhabt,  lieisst  [Knabr]  Knaller.  (Die 
BQdise  heisst  in  Butach  auch  i^Slepiks]  Schlehenbüchse,  in 
Niederbet s(  ii(ioi  r  [Sn/'piks],  in  Beicheniveier  [Puntaklepfar],  zu 
[Pünta]  Pfropfen  und  [klepfa]  knallen. 

[Kykiri],  m.,  neben  [Kykar],  gelindes  S(  hellworl  füi'  einen 
«rhl.iuen,  bushaflen  Mensrhen,  auch  Bezeichnung  eines  schlech- 
ten Pferdes;  wohl  vom  Namen  dfs  Kuckuck«;  abzuleiten,  der 
hier  wie  in  luaiu  hen  andern  Ausdrücken  für  den  Teufel  steht, 
z.  B.  in  (ItT  Rcdeusari :  fts  K\  kos  ke]  zu  Grunde  gehn. 

[Pasi],  saclil.  altertüiuliclier  Ausdruck  für  Base  (cousine), 
auch  för  Tante  oder  eine  entfernte  Verwandte. 

[P:i[  hj,  sSchl.  Pips  der  Vögel;  zu  abd.  mhd.  phiphi). 

[l*lt?psi],  m.,  dummer  Mensch,  neben  [Pieps]. 

[Primi],  m.,  der  erste  oder  vornehmste  einer  Gesellschaft ; 
vielleicht  zu  frz.  premier. 

[Rati],  m.«  Rausch. 

[Bypeltsi],  m.,  Knecht  Buprecht,  neben  [RypfeUs] ;  der 
zweite  Teil  zu  [P^lts]  Pelz,  der  erste  vielleicht  zur  ersten  Silbe 
von  Ruprecht. 

[Tsüli]  m.,  Sau^^heutel  kleiner  Kinder  ;  zu  dem  im  bayeri- 
schen Fr.inken  üblichen  Zeitwort  zulLcn  saugen  am  iSauglappen 
(Schmeiler  11  1116). 

[Tysi],  m.,  stiller  Mensch  ;  zu  [lys]  still  und  sanft  (aus  frz. 
düuce). 

[Wj^e'/ariJ,  m.,  Wucherer,  neben  [Wya^^ararj ;  zu  [wya^^ora] 
wuchern. 


II.  Wortbiegung. 

Bei  der  Worlliie^'ung  spielt  das  Suffix  -i  eine  geringere 
Bolle  als  bei  der  Wortbildung'.  Die  Hauptwörter  auf  -i 
haben,  wie  alle  andern,  in  der  lUilacher  Mundart  keine  Bie^unps- 
endungen  und  bleiben  auch  iu  der  Mehrzahl  unverändert.  Be- 
sondere Mehrziihlformen,  die  aus  ahd.  Z*.'it  ilieEudun^  -i  l)ewahrt 
haben  oder  Ijoi  denen  sich  ein  früheres  -e  zu  -i  erlioht  hat, 
wie  sie  Haus  Wissler  (a.  a.  0.,  §  48)  aus  der  Schweiz  anführt, 
gibt  es  in  Bufach  nicht.  Wohl  aber  ist  das  Suffix  -i  noch  bei 
der  Fallhiegung  der  £igenschafts-,  der  meisten  Für-  und  einiger 
Zahlwörter  vorhanden. 

Die  Formen  der  Eigenschaftswörter,  welche  auf  -i 
ausgehen,  schliessen  sich  an  das  Ahd.  und  Mhd.  an.  Da  endigen 
einige  Fälle  der  starken  DecUnation  auf  -iu,  und  zwar  der 


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—  200 


Xom.  'Irr  Einzahl  <les  weiblichen  und  der  Xorn.  und  Acc.  der 
Mehrzahl  des  srinhüchen  Tfeschlecht^;.  Dienern  alid.  und  nihd. 
-iu  enlJ^prii  lit  in  den  j»en;iiinten  Fällen  der  starken  Declinntion 
«ias  inuiidaitliche  -i.  Die  Mundart  ;ielit  aher  hei  der  starken 
Declinalion  noch  weiter,  wahrscheinlich  infolge  von  Fuiaiühür- 
Iragunjj; ;  denn  sie  weist  das  -i  auch  iin  Acc.  der  Einzahl  des» 
weiblichen  Geschlechts  und  im  Nona  und  Acc.  der  Mehrzahl 
aller  drei  Geschlechter  auf.  Ja,  das  -i  erscheint  sogar  bei  der 
schwachen  DecKnation  an  allen  Eigenschaftswörtern  im  Nonn, 
und  Acc.  der  Mehrzahl.  Die  folgendeZusammenstelluni^  zeigt  dies. 

a)  Starke  Biegung. 

Einzahl. 

N.  [läqi  Tsit]  lange  Zeit,  [j*  lai^i  Kasj  eine  lange  Gasse, 
[khe  läQi  Myr]  keine  lange  Mauer,  D,  [loi  laijar  T^\\\,  [in  or^ 
\ki^^  Käs],  [ä  klienar  laiso  Myr]  ;  A.  [ona  iafti  Tsilj,  [türa/  9 
läQi  Käs])  [hinlar  khe  laqi  Msi]. 

Uehrzahl. 

N.  [p^ti  Fiss]  beide  Füsse,  [p&ü  Bant]  beide  Hände,  [paiti 
kjk9]  beide  Augen ;  D.  [fd  p6t9  Flas],  [mit  pAta  Hant],  [ys  paite 

Äykd];  A.  [türd^  P^ti  Fids],  [üfpöti  Hant],  |äm  paiti  Ayks]. 

Andere  Beispiele:  [9  äntari  Frök]  eine  andere  Frage,  [a 
fyli  Pir]  eine  faule  Birne,  [wenik  siosi  Milay]  wenig  süsse  Milch, 
[krosi  Hera]  grosse  Herren,  [älti  Sällata]  alte  Soldaten,  [läiji 
Fii.iei]  lange  Finger,  [prenti  Khintar]  gebrannte  Kindel',  fkswelti 
Hartepll]  geschwellte  Kartoffeln,  'frei  höli  Tsän]  drei  iiohie 
Zähne,  [ül  katültiki  Söf]  viele  geduldige  Schafe,  u.  s.  w. 

b)  Schwache  Biegung. 

Mehrzahl. 

N.  [I'krösi  Kinlor]  die  grossen  Kindei ,  [tio  pesi  Ppwa]  diese 
bösen  Buhen,  [mar\ki  armi  Lilj  laaiiehe  anue  Leute,  D.  [in  ta 
krosd  Khintar],  [in  lano  (diesen)  pesa  Pyawa],  [pi  (bei)  ma^jke 
ärma  Lil] ;  A.  [üntar  tkrösi  Kbinter],  [fir  tia  pdsi  P^'awa],  [fir 
maQki  ärmi  Lit]. 

Andere  Beispiele:  [äli  priß  Mön^]  alle  braTe(n)  Menschen, 
[etliki  riyi  Pyra]  etliche  reiche  Bauern,  [sali  s^ni  fipfl]  jene 
schönen  Aepfel,  (tini  nöii  Klaitar]  deine  neuen  Kleider,  [ünsri 
jülQi  Hianla]  unsere  jungen  Hühnchen  usw. 

Die  mundartliche  Endung  ist,  wie  in  der  Schriftsprache, 
die  nämliche,  wenn  das  Eigenschaftswort  ohne  Hauptwort 
steht,  dies  also  zu  ei^änzen  ist.  Wenn  die  Mutter  ihre  Tochter 


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—   201  — 


fort^rliickt,  in  einem  Lail»Mi  Wn!lr>  zu  kaufen,  .so  ruft  sie  ihr 
noch  nach  :  [Ty  priij^  swäiisi]  du  l^ringst  schwarze.  Der  Baum- 
zfichter,  dem  die  jungen  Obstbäumchen  seines  Nachbars  nicht 
gefallen,  rühmt  von  den  seinigen :  [I  hkn  ^nari]  ich  habe 
scb5nei«.  Ein  hftufi^es  Schnaderhflpfel  lautet  .* 

[t'ri/i  Lit  hau  VLnie  tsyej  die  reichen  Leute  haben  die  Läden  zu, 
[an  tYirmi  han  si  ofa]  ond  dih  armen  haben  aie  offen  \ 
[t^xi'/j  lai  ban  Kalt  kenf«)  die  reiohen  Lente  haben  Geld  genng, 
[An  t*ftrmi  han  *t  fersofe]  nnd  die  armen  haben  es  ▼ertrunken. 

Ebenso  werden  die  suhstantivierten  Eigensckaft9Worter^heug\, 
wie  es  der  folfpende  Abzählreim  zeij;t: 

[FAaenk'/.t  hii  J&Qi  knihyt]  Fastnaeht  hat  Jnnge  gemacht, 
[fimfetawhntsik  in  ainer  Nh7t]  35  in  einer  Nacht. 

Wie  heim  Eigenschaftswort,  genau  so  ist  es  beim  besitz* 
anzeigenden»  hinweisenden,  fragenden,  bezütriichen  und  unbe- 
stimmten Fürwort.  Es  heisst  also: 

a)  hetm  besiizameigenden  Fürtoorti  \l  hän  mini  Myotor 
kfrokt]  ich  habe  meine  Mutter  gefragt ;  flini  F4t9ra  sin  nlt  kvdt» 
mini  sin  pfesar]  deine  Federn  sind  nicht  gut,  meine  [die  mei- 
nigen] sind  besser ;  [siiii  Syo  sin  farlsd]  seine  Schnhe  sind  zer- 
rissen ;  [as  hri  sini  Klailar  forterpt]  es  hat  seine  Kleirlor  verderbt; 
fsi  het  iri  Khinfor  su  in  s  P^t  kl^kt]  sie  hat  ihre  Kinder  schon 
in  das  Bett  gelegt ;  [he.^  unsri  Hyan  nil  ksa]  hast  du  unser 
Huhn  nicht  '^»^p^jehn?  [mir  sin  iin-^ri  fir»rr>J  wir  sind  unsrer  vier; 
[kal,  oiri  Mäkt  het  üfkintat]  nicht  wahr,  eure  Magd  hat  nufjre- 
kürirli|,'^t  '  [J6,  ün  eiri  oi]  ja,  und  eure  (die  eurige)  auch?  [Si 
waij,  klüyw  i,  in  iri  Haimnt  un  iri  filtara  'pflAka]  sie  wollen, 
glaube  ifh,  in  ihre  Heitnat  und  ihre  Eltern  pflegen. 

b)  beim  himveisenden  Fürwort [Tai  Ii  sali  .h'imfor  ni(t) 
kiSilo]  wQrde  dir  jene  Jungfrau  nicht  gefallen?  [Nui,  a  soniki 
wil  i  nit]  nein,  eine  solche  will  ich  nicht ;  [sali  intar  ihri  wot 
i  önler]  jene  andere  dort  wollte  ich  eher;  [9  s6  aini  Üt  mor 
p6sdr  kfild]  eine  solche  wCIrde  mir  besser  gefallen« 

c)  beim  fragenden  Furvoorii  [Wili  Mit  sola  mar  hito 
ts<^r.^  mäjd]  welche  Wiese  sollen  wir  heut  zuerst  mähen  ?  [Weli 
fü  eiy  het  t^s  ksait]  welche  von  euch  hat  das  gesagt?  [W;>li 
Wala  sin  öiar]  welche  Wellen  sind  euer?  [To  priQ  i-n-i  tswu 
Sorta  Pir9,  weli  wan  or  khayfa]  da  bringe  irh  ouch  zwei  Sorten 
Birnen,  welche  wollt  ihr  kaufen?  [Was  fii-  aini  is  tesj  wa<;  für 
eine  ist  das?  [Was  Tiriki  han  ar  no}^  thaim]  was  für  welche 
habt  ihr  zu  Hause? 

d)  beim  hezi'fffhc}t('}i  Fünrovt  welche  :  [Vf  weli  Sit  fol  i 
M^j  auf  welche  Seite  .soll  ich  stehn  ?  [Llf  weli  äs  ta  wit)  auf 
welche  (dassj  du  willst. 


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e)  beim  unbeaUmmten  Fürwort:  [Pry/a-ii'ar  khd  Pisa] 
brauch I  ihr  keine  Besen?  [üäx,  mir  piT/^  kh^ni]  nein,  wir 
brauchen  keine  (Mehrzahl.)  [I  hkn  khört,  l'  Fik»  seia  9  so  k^al, 
i  ha  no  kh^ni  kasa)  ich  habe  gehört,  die  Feigen  seien  so  gut, 
ich  hnhe  noch  keine  (Einzahl)  *,'o;:;osson.  [J^ti  khosiat  a  Mark] 
jede  kostet  eine  Mark,  ['s  sin  ^tliki  fü-n-ana  tö  ksi  (ksina)]  es 
«find  etliche  \on  ihnf>n  da  gewesen.  [Mar  ni]^9n  (mian)  äli  ätarwa] 
wir  müssen  alle  sterben.  [Un  ioy^  maina  ma^ki,  si  seia  p&sar 
äs  änli  ij  und  doch  meinen  manche,  sie  seien  he«5:er  a!-  andere, 
['s  ht't      •<ü  mai]ki  kirlj  es  hat  sirli  «lion  manche  geirrt. 

Von  den  Zahlwörtern  W(  i>eii  «las  Suffix  -i  nur  die 
folgenden  auf:  [aini]  eine,  wenn  e<  ohne  Hauptwort  steht :  [Wi 
Iii  Te^rtar  het  ar)  wie  viele  Töchter  hat  erV  [Aini]  eine  ist  es 
adjectivisch  gebraucht,  so  lautet  es  [ai] :  [i  hä  nüma  ai  Falar] 
ich  habe  nur  eine  Feder),  und  die  unb^mmten  Zahlwörter 
[älijalle:  [äli  Fal]  alle  Falle,  [elliki]  Gliche:  [Mliki  Maitia] 
etliche  MSdchen,  [a  jöti]  jede :  [a  jöti  Fräy]  jede  Frau,  [maqki] 
manche:  [ma^ki  Fdklj  manche  Vögel.  Entsprechend  der  Regel 
über  die  Eigenschaflswörter^  weisen  diese  Zahlwörter  das  Suffix 
-i  im  Noni.  und  Acc.  auf,  wie  es  die  folgende  Zusammenstellung 
zeigl.i 

Einzahl  Mehrzahl 

N.  [a  jöti  Fräy]  je<le  Frau,         [äli  Fal]  alle  Fälle, 

D.  [in  j^tara  I'Väy]  jeder  Frau,    ffü  äln  Fall  von  allen  Fällen, 

A.  [fir  ajeli  Fräy]  für  jede  Frau,    [ul  uii  Falj  auf  alle  Falle. 

'  Die  Grundzahlwörter  4  —  19  zeigen,  wenn  sie  ohne  Hauptwort 
stehen,  in  Rafach  (auch  südlich  dftvon;  nicht  das  Saffix  -i,  wie  z.  B. 
in  Colmar,  sondern  endigen  in  diesem  Falle  anf  -»  (oder  ein  helles  -a; : 
^ere,  fimfa.  sekie,  slwana.  ii/.ta,  niue,  ts^na.  elf»,  tswelf»,  trits&ua, 
hör-,  füf-.  1/  siwa-,  a'/-,  nints^na].  Die  Formen  [taw^ni]  nnd  [zw6ni] 
für  den  munuiichen  und  weiblichen  Acc.  von  zwei  habe  ich  zwar  schon 
gehört ;  sie  und  ab«r  nicht  Regel. 


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X. 


Beiträge  zui*  elsässischen  Philologie 

von 

Ernst  Martin. 

I.  Daniel  Hartiii* 

Straf:shnr<T  hat  an  der  IJiiipfoslaltung  des  deulschen  Geistes- 
lel)ens,  \vo)(  he  sicli  um  <iie  Wende  des  IG.  und  17.  Jahr- 
hunderts vollzog,  einen  hedeut.^ainen  Anteil.  Das  eigentümlicli 
Volksmässige  der  Reformationszeit,  das  Derbe,  Grobianische, 
Groteske,  iwie  es  sieh  in  dea  Figuren  Eulenspiej^^els,  der  Laien- 
bürger, des  Doctor  Faust  u.  a.  ausprägte  und  von  Deutschland 
aus  zu  den  Nachbarvölkern  hinüber  drang,  beherrscht  besonders 
die  elsassische  Litteratur  jener  Zeit,  und  von  Murner  bis  zu 
Fischart  braust  dieser  nnächtige  Strom  in  manigrachem  Wechsel, 
wie  der  nahe  Rhein  sein  Bette  beständig  ändernd  und  doch 
stets  derselbe.  Schon  der  zuletzt  genannte  Schriftsteller  aber 
zeigt  das  Eintreten  einer  neuen  Richtung.  Dajs  Fremde,  Roma- 
nische, Chssicisli^che  löst  das  Volkstümliche  ab,  das  sich  erschöpft 
um  dann  \m  dreissig-jahri^feii  Krie^;  seinen  fnst  vnllii;en  Unter- 
gang 7U  finden.  ISlrassburg  nimmt  durch  sieineii  grusüen  Päda- 
gofren  Jüliannes Sturm  eine  Fülirerslelle  ein  in  der  humanistis( dien 
Bewegung,  die  hier  schon  durch  Wimpleling  eingeleitet  war. 
Sein  akademisches  Theater  unter  Brülovius  erringt  die  Palme 
des  Schuldramas  in  Deutschland.  Daneben  bestrebt  sich  die 
Akademie  eine  feinere  Bildung  zu  bieten,  wie  sie  durch  die  viel- 
fachen Beziehungen  zu  den  Hugenotten  Frankieichs  nahe  lag:  es 
bereitet  sich  schon  damals  die  für  den  Adel  so  anlockende  Anleitung 


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~  204  — 


zur  diplomatiscben  Laufbahn  vor,  für  die  Strassbarg  im  i8.  Jahr- 
hundert  unter  Schöpflin  und  Koch  bis  zu  Metternichs  Jugend 
80  hohes  Ansebn  besass  und  vromit  es  selbst  dem  jungen 
Goethe  winkle. 

Die  ersten  Verfechter  jener  neuen  Dichtkunst,  welche  durch 
die  «Poeterei»  von  Opilz  ihr  Proj^rainm  erhielt,  waren  in  Strass- 
bur^  zu  Hause:  Peter  Denaisius  und  Isaac  Habrecht.  Ihre 
Gediclite  wurden  mil  denen  von  Opitz  zusammen  1624  in 
Slrassburj^  veröfTenllicht.  Noch  tiilt  hier  wie  mml  in  Deutsch- 
land die  Nachahmung  italienischer  und  spani^^rhor  Dichter  nehpn 
dem  französischen  KinMiis«;  hervor;  -ilnM-  (iiest-r  »Mslaikt  ni*'iii- 
und  mehr  und  das  Ende  de.>  Jahi  hundcrts  unlervvirlt  sich  .lut  h 
in  pootisilier  Beziehung  völlig  dem  Glänze  des  lioi-Soieil, 
Ludwij,^  XI  \'. 

Mit  dein  Slrassburger  Dichterkrei.se,  der,  selbständig  und 
nicht  ohne  Eifersucht  auf  den  übermSchtigen  Ruhm  von  Opitz, 
doch  dessen  Streben  nach  Sprachreinheit  und  nach  einem  tact« 
m&ssigen  Versbau  teille,  stand  ein  französischer  Schriflsteller 
in  Strassburg  in  manigfacher  Beziehung,  Daniel  Martin,  aus 
Sedan  gebürtig,  aber  seit  1622  Strassburger  Börger.  Aus  einer 
Hochburg  des  Calvinismus,  woher  schon  unter  Job.  Sturm  ein  Duc 
de  Pxiuillon  nach  Strassburg  als  Student  gekommen,  trat  er  in  die 
damals  völlig  protestantische  Bürgerschaft  Strassburgs  ein,  wie 
schon  vorher  in  die  ebenfrdls  ans^chlipsslirh  protestantische 
Universität.  Ueber  seine  Aufnahme  in  die  Ijür^'^erschaft  gehen 
(i'»^  Verfiandlungen  der  XXI  Aufschlus>,  woln^i  wir  auch  nltet 
an  loie  persönliche  Verhältnisse  manches  ertahrea.  Es  heissi 
hioi  : 

Am  29.  Juni  1622  ersuchte  Daniel  Martin  Sprachmeister 
um  das  Bürgerrecht.  Am  7.  Oktober  erschienen  für  «Frideiich 
-  Bronnen  seeligen  V^Tittib  und  Kind  (deren)  Vögt  und  Verwandten 
Dr.  Theobald  Faber,  M.  Grusius  pra;ceptor  primse  classis  und 
Consorten,  bitten  man  wolle  D.  M.  den  Studiosum  und  Sprach* 
meister  von  Sedan  gebürtig  (der  sich  mit  Jungfraw  Catharina 
Bronnin  verlobt  und  ihr  mit  Gehfil  (Zustimmung)  der  Freund  Eh 
die  zugesagt)  zum  Börger  aufnehmen  ...  Er  ^ey  6  .Tahr  allhier 
gewesen,  ehrlich  still  sparsamb  und  hält  die  Fi  eundst  hallt  [d.h.  der 
Kreis  der  Verwandten]  es  für  ein  gross  glück  dass  die  Dochter 
also  underkomnie  und  von  ihm  (Martin)  Mutter  und  Kind, 
Wittib  und  Weysen  Kost  hallen  .  .  .  Erkani:  Hr.  Schilling, 
Hr.  Sibenhan  sollens  hedencken.» 

21  Dez.  .  .  .  «Herr  Sihaller,  Pfarrer  zum  Münster,  dessen 
Sohu  un<l  sonst  andere  er  Daniel  instituieri,  ^ab  ihm  ein  sehr 
gutes  Zeugni.s.    Ei  k.  :  Man  soll  ihn  annehmen:». 

Die  hier  angegebene  Zeit  der  Ankunft  in  Strassburg,  1616, 


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—  205  — 


vielleicht  auch  schoa  1615,  wird  durch  die  Schriften  D.  Martins 
bestätigt;  aus  diesen  erfahren  wir  auch,  dass  er  1637  nach 
längerer  Krankheit  starb,  erst  43jäbri{;)  so  dass  er  1594  geboren 
sein  wird. 

Die  Angaben  unseres  Schriftstellers  über  seine  Lebensver- 
hältnisse hat  bereits  der  1892  verstorbene  Siia>sburgt'r  Local- 
forsclier  Ferdinand  Heiher  aus;?ezogen,  im  Anliang  iu  seinem 
Büchlein  «Küchen-Zellel  ittt  1  Hegeln  eines  strasshurger  Frauen- 
klo.stersdes  XVI.  Jahrhiindeils^»,  Sti  nssbur«:,  Heilzu.  Mündel, 1891; 
vgl.  auch  Rod.  Reuss  in  der  Kiiileitung  zum  Catalogue  de  la 
Colleclioii  dWlsatiqucs,  (1896)  und  /u  Xr.  070G,  6707. 

fieiber  besass  auch  die  unter  dei  ersteren  dieser  Nummern 
bezeichnete  franzö.sische  Grammatik  mit  deutschen  und  ialei- 
nischen  Erläuterungen,  unter  dem  Titel  Fa  v  u  s  p  i" io  c  e  p  - 
torum  Ungute  gaIMcss  conslructus  .  .  .  Argen-* 
tinse,  1621,  mit  einem  gestochenen  Titelblatt,  welches  sechs 
Wappensehilde  aufweist,  in  8^  wie  auch  die  sonstigen  erhaltenen 
Werke  Martins.  Reihers  Exemplar,  des  Verfassers  Handexemplar, 
dem  auch  10  Blätter  mit  handschriftlichen  Bemerkungen  bei- 
g^eben  waren,  ist  wieder  in  Privatbesitz  übergegangen. 

In  der  französischen  Vorrede  KU  den  sfiäter  zu  nennenden 
C  o  1 1 0 1|  u  e  s  bemerkt  M.  dass  er  «les  premicesde  mon 
es  tu  de»  1610  veröffontlicht  und  1621  mit  Verbessenin^ren 
wiederholt  habe.  1625  habe  er  dann  fol^^en  lassen  «les  plus 
c  o  m  m  u  11  s  p  1*  o  V  e  r  b  e  s  et  1*  a  (,•  o  n  s  de  parier  m  e  t  a  - 
plioriques  et  proverbiales  qui  soni  les  idio- 
tismes  de  n^tre  langue. » 

Als  dnlle  Au.sgabe  seiner  praiceptorum  Galil- 
eo r  u  m  bezeichnet  er  dann  eine  Grammatik,  die  den  gelehrten 
Titel  trägt :  Mupo&r^x'ov  KeXtucov  seu  Grammatica  Gallica 
sententiosis  exem p i is  ceu  fragrantibus  floribus 
referta.  Huic  accesserunt  Proverbia  gallica, 
Epistolas  atque  tractatulus  novas  o fficiosasque 
compellationes  ac  responsiones,  quas  Compli- 
mens  vulgo  vorant  complectens.  Lucubraiio- 
nibus  Danielis  Martini  Sedanensis  Glossodida- 
scali  Argentoratensis.  Argentorali.  Impens. 
Eberhard  i  Zetzneri,  Bibl.  M.  DC.  XXXII.  Der  Titel 
Salbenhüchse  erklärt  sich  wohl  aus  der  Anerdote  dass  Alexander 
der  Grosse  eine  jKMsisclie  Salhenl)rn}isc  znu:  Rehäller  seines 
Hornel-  gemacht  liaijen  soll.  Auch  diese  Giaiiiinatik  hat  iil)ri;j:eii.s 
kaum  einen  anderen  Wert  als  den  etwa  die  Geschichte  der 
Iraiizüsischen  Sprachstudien  ihr  anweisen  ma^.  Doch  wird  die 
Aussprache  vielfach  gegeben,  z.  B.  auf  S.^  39  die  eines  ge- 
reimten Psalms: 


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—   206  — 


0  Lumiere  Eterncllo 

Q u i  du  f  1  a m  h  f  a Ti  des  c i e n x 

Ebclaires  ma  pruneUe 

Bends  moy  devotieax 

Ponr  deft«mfiitt  t«  rendre 

Orftces  »  0«  matin, 

Etmes  Bftinctt  to^ox  t*«p- 


0  Iflmiehr  iUrn«!!« 
Ki  da  flftnbeoh  d&  8i5> 


Par  duemau  te  randre 
GrsMdft  a  se  matin 
E  m&  sin  vö  tspandre 


Ekliiie  ma  prünelle 
Kail  moü  devobsiö 


pendre 
Loüant  ton  nom  tans  fin. 


Laau  tan  nan  a&n  fin. 


Weit  iDteressantar  sind  die  zwei  noch  übrigen  Werke 
Martins,  welche  das  Französische  nach  der  aach  heute  noch 
viel  beliebten  Weise  gesprächsweise  lehren  wollen.  Hier  zeigt 
der  Orammaliker  sich  als  einen  Weltmann,  der  zugleich  mit 
grossem  Fleiss,  wie  er  selbst  hervorhelien  darf,  sich  um  Aus- 
drücke und  Wendun;(en  des  gewöhnlichen  Lebens  wie  der  ver- 
schiedenen Künste  und  Fertigkeiten  hemüht  hat.  In  wiefern 
diese  Werke  zusammenhängen  mit  älteren  Versuchen  dieser 
Art  ist  hiernii  ht  zu  iintersiirhen :  unter  ihnen  würde  ein  frei- 
lich sehr  primitiver  scliuii  we^en  seines  ürspninfrs  in  der 
Gegend  von  Alltesdoil  und  im  10.  Jahrhunderl  uns  n.iher  an- 
gehn;  ganz  besonders  aber  konnten  auf  D.  Martin  die  Lolloquiu 
des  Ki;jsmus  eingewirkt  imben. 

Darauf  deutet  der  folgentie  Titel ;  Les  colloques  Fran- 
ca i  s  et  A  1  I  e  m  a  u  d  s  (t  e  Daniel  Martin  m  a  i s  t  r e  e n 
la  langue  Frangoise  ä  Strasbourg,  ausquels  esi 
adjoustee  Une  Nomenclati»re  non  encore  veüe. 
La  Methode  de  composser  lettres  Fran9oises. 
LaMonnoye  coursable  enFrance.  Une  grammaire 
Fran^oise.  Frantzoslsche  und  Teutsche  Gespräch 
Danielis  Martini  (u.  s.  w.  Uebereetzung  des  firz»  Titeb). 
A  Strasbourg,  aux  despens  d*Euerard  Zetzner 
1  i  br  a  i  re.  Nun  folgt  im  Exomplai  der  Universitäts-  und  Landes- 
bibliothek  die  Jahreszahl  M.DC.xLII  (so!).  Das  wim  also  1642. 
Aber  damals  war  D.  M.  schon  tot :  und  die  Vorrede  ist  unter- 
zeichnet ä  Slrasboiirj  !e  \  Sej^t.  1627.  Danach  ist  die 
.•\ngal)e,  dass  das  Buch  1t>'i8  erbchieu,  wohl  zulrefl'end.  Auch 
die  angehängte  kurze  Grammatik  Cnmpendiuin  tavi  pra-- 
ceploruiü  l.  G.  trägt  unter  der  Vorrede  das  Datum 
20  Jul.  1627. 

Der  I.  Teil  der  Colloques  hat  den  Titel:  Du  voyage 
de  F  r  a  n  c  e  ,  von  der  Reyse  in  Frankreich.  Es  ist  eine  Reihen^ 
folge  von  Gesprächen  zwischen  mehreren  Studenten»  Meister 
Claudi  dem  Kutscher,  den  Lackeyeu,  den  Wirten  und  den 
Mägden.  Beim  Abschiedsschmause  kommt  noch  Hans  Wurst, 
Schmarotzer  hinzu,  er  lässt  sich  den  oft  etwas  unfeinen  Witx  der 


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jiinj^'en  Herren  gern  ^^et'allen,  da  er  auf  ihre  Kosten  mit 
schmausen  und  zechen  darf.  Wir  erfahrenj  dass  die  Reise  nach 
Paris  fGr  8  Personen  je  10  Reicbsthaler  kostete  und  8  Tage 
dauerte ;  dass  man  die  Zaberner  Steige  neben  dem  Wagen 
hinauf  stief^'  un«l  sich  hier  vor  Räubern  nicht  ganz  sicher  frihltc; 
dass  man  in  F^liilzhur^'  sclion  Gelegenheit  hall«'  sich  im  Fran- 
zösischen zu  üben.  Seltsam  berührt  uns  die  Mischung  derber. 
y.{  iintiri!i^''«T  (doch  nicht  lüsterner)  Redensarten,  wie  sio  iieim 
Schmause  geführt  wcKlt  n  (im  Wirt>h;»ii-^  wird  sogar  die  Frage 
nach  einem  gewissen  (»rte  t'iii;:t'lie!iii  lit>li;uidelt)  «nil  der  fnjmmen 
Neigung  Gebete  cin/.idloLhlen  Vau  solches  leitet  den  Abs(  hi('il<- 
schmaus  ein  und  beschliesst  ihn  :  freilicli  bemerkt  einer  der 
Tischgenossen ;  «Wie  ich  sehe,  so  ist  der  Herr  von  denen,  die 
gern  kurtze  Gehett  und  lange  Bratwurst  haben.»  Bemerkenswert 
ist  auch,  die  übermässige  Fülle  der  Complimente.  Daneben  die 
vulgärsten  Redensarten,  die  heute  noch  gäng  und  gAbe  sind  ; 
so  namentlich  für  körperliche  Gebrechen.  Von  einer  Pocken- 
narbigen heisst  es :  man  hat  Erbsen  auf  ihrem  Gesicht  ge- 
droschen; von  einem  Menschen  mit  grossem  Mund:  die  Ohren 
frewen  sich,  sein  Maul  gehet  zu  ihnen  zu  Stuben  ;  von  einem 
Grossnrisi^-^en  :  Ihr  seidt  tapfer  gelaufen,  wie  man  die  Nasen 
ausgetheilt  hat.  Ein  Zor!ii;^^'T  «  sitzt  bald  auf  clem  Esel  T)ie 
Steuerauf^olipr  fgrhon  \i>ii  l  iinMn  Wirthsliauss  zum  andcrii  zu 
schn^ickrn  odrr  riechen  was  mau  kocht. i»  Bei  rlm  «  Hallten  aufT 
die  Teulbclie  Maniei"  nehet  man  die  Weiblein  ans  \Vanuii>  imd 
die  Miinnlein  oder  Hacken  an  die  Hosen.»  Wir  liahen  überall 
jene  dialectus  Alsatica  vor  uns,  welche  Opitz  seinen 
Strassburger  Freunden  mit  der  Sprache  Luthers  zu  vertauschen 
riet.  Martins  Schritten  sind  eine  wahre  Fundgrube  für  unser 
Wörterbuch  der  elsässischen  Mundarten  gewesen ,  wie  schon 
Charles  Schmidt  von  ihnen  ausgibigen  Gebrauch  gemacht  hat. 

Merkwürdig  ist  im  Gesprach:  «Von  <len  Kleidern»  eine 
Anspielung  auf  eine  eben  erschienene  Schrift,  welche  Martin 
offenbar  etwas  emplindlich  berührt  hat.  Es  heisst  hier: 

(tP(etor) :  Man  schilt  sehr  an  den  Franzosen  dise  begird  der 
newen  saclien. 

G(arl):  Ein  jegliche  Nalion  hat  ihre  sondci  licJie  t.uiel  :  sie 
suchen  das  vollkoaiinen  int  Wechsel  :  >r»iisten  .•>ejnd  di«?  jeiiige 
viel  mehr  m  helttMis  vnd  ausslachenswerth  die  diese  Unhe-^tändig- 
keit  schellen,  und  nichts  desto  minder,  wie  rechte  Aflen,  tljuu 
sie  es  ihnen  in  allen  sacheu  nach,  tragen  bald  ein  hohen  spitzigen 
Humpen  zum  Hut,  bald  ein  nidrigen  mit  breiten  sülpeii  wie 
schwammen.  Unter  denen  ist  derjenige  dessen  unverschämte 
Unbedachtsamkeit  so  gross  gewest  ist,  dass  er  sie  mit  gedruckten 
schrillten  nicht  allein  für  unbeständige  und  leichtfertige  Ge^ 


~  208  - 


sellon,  -«  nilera  auch  für  verderbte  Schandschelmen  auss^e- 
i'Uilen  hat. 

P.  Ks  möchie  ihn  wol  noch  oinma!  «^eiewen.» 

Hier  ist  wohl,  wenn  nirlil  das  AlrxandrinerjjTedichl  «Wn- 
modo  Monsiers»  1628  (.1.  Opel  luid  A.  (lohn.  Der  Hreissi'rjiihrij4e 
Krie«,''^  Halle  18r)'2  S.  <ii  dnuh  etwas  Aehnliche.s  j^t'ineinl. 

Ueber  die  Rinfiihiuui;  th-i  iVamösischen  Mode  in  Tracht  und 
Sprache  kiaj^l  ja  bes<.»ndets  Moscherosch,  und  ihm  habe  ich  im 
Jahr-Buch  der  Gesellschaft  für  lothringische  GescMdite  und 
Altertumskunde,  3.  Jg.  i891,  S.  11,  wenigstens  vermutungs- 
weise die  Verfasserschaft  des  Gedichts  cAlamodo  Honsiers» 
zugeschrieben :  Moscheroscb  wird  von  den  Studenten,  aller- 
dings erst  in  späterer  Zeit»  verklagt,  weil  er  über  ihre  Kleidung 
((etliche  Teutsche  Versch»  gedichtet  habe.  Einzelne  Schriften 
Moscheroschs  könnte  man  auch  als  Concurrenzarbeilen  zu  denen 
Martins  auffassen  s.  a.  a.  0.  6. 

Immerhin  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  D.  Martin 
von  einem  Freunde  Mosrlierovchs,  Job.  Heinrich  Schill,  in  «Der 
Teutsclien  Sprach  Kln eii-lvi anl/.  Neben  enietn  Namenbiieli »i, 
Strassbur«,'  1<>W,  heitälli^  an^elVdirl  \vir<l.  Ks  ist  die  Uede  von 
den  tj unzu.->i»i;hen  l'lnrlien  mit  Um  listabenver.-etzun^'"  :  aV^er- 
tubieu  und  verlubleu  =  vorlu  (dcj  Dicu,  verlugoy,  cbeii.>uviel.  Wie 
solches  nicht  ohne  bewejjnuss  Daniel  Marlin  in  seiner  Fr. 
Grammatic  An.  1632  mit  mehrerem  erweis8et.t  Dass  auch 
Philipp  von  Zesettj  der  berufene  Purist,  D.  Martin  anerkennend 
aufführt,  beweist  allerdings  nicht  viel. 

Der  Inhalt  der  C  o  II  o  q  u  e  s  von  Marlin  ging  nun  grossen- 
teils  über  in  sein  Hauptwerk,  dessen  Titel  zu  lang  ist  um 
vollständig  mitgeteilt  zu  werden.  Es  ist  das  <P a r  I  e  m  ent 
nouveau  ouGenturie  interlineaire  de  deuis  face- 
tieusement  serieux.et  s erieu sement  facetieux... 
ouvragenon  moins  utile  pour  le  public  quede- 
lec  table  ponr  la  variete  des  rencontres  ,  .  .  pnr 
Daniel  Martin  i  n  u  i  s  t  e  ,  ä  S  t  r  a  s  }>  ( »  n  r  ^'  ,  n  u  x 
<i  e  jj  p  e  n  s  des  H  e  r  i  t  i  e  r  s  d  e  1 U  ii  L  a  /  a  i-  u  s  /,  e  t  z  n  e  r  , 
anno  M.DC.XXX VlI.  (Deutsch:  New  Parlanient  udei- Hundert 
Kurzweilige,  docii  nützliche  Gesprach  usw.)  Eine  2.  AnÜage  soll 
IGGü  erschienen  sein. 

Die  Form  ist  derart,  dass  nicht  nur  swischen  den  Zeilen 
eine  wortgetreue,  sondern  auch  zur  Seite  eine  Uebersetzung  dem 
Sinne  nach  gegeben  wird.  Als  Beispiel  diene  das  erste  Gapitel. 

Vom  Meiste i  schulen. 

Da  maistfe  d'Escolo.  Vom  Schulmeister. 

Wohin  gehet  ihr.  wohin  ist 
es  das  ihr  gehet? 


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—   200  — 


Oii  allez-yont  ?  Oft  est  ce  qoe  toqs 

allez  ? 

Ich  gehe  zti  der  schulen 

Fr  ant  zös  ische. 
Jt  vay  k  TeMole  Frangoite. 
Wositt  hftlt  maa?  Wo  istes 

daa  man  sU  h&lt? 
Oü  la  tient  on  ?  oA  est^ce  qn'on 

la  tient. 

In  dergas^en  dessMunsters. 

En  la  raii  uu  Moustier. 

In  waleiier  Gegend? 

En  qnel  endroit  ? 

Neben  dem  becken.  der  seit 

dessMün  sier»  oder  sadem 

Münster. 
Joignant  le  boulenger,  dw  coste 

du  Mousüer,  ou  vers  le  Moustier. 


Wo  wolt  ihr  hinf 

Ich  gehe  in  die  französische  Schule. 

Wo  h&U  man  aie  ? 

in  der  Münstergassen. 
Wo  zugegen  ? 

Neben    dem    Weissbecken  dem 
Münster  an. 


Wir  erfahren  dann  Preis  und  Zeit  der  Unten  iehlsslunden : 
sie  finden  von  "10—11  und  3 — 4  statt,  «danriit  die  Classsbuewcn 
(Scliüler  des  Gyimiasium^;)  dai  ein  komuieii  können;*  ;  auch  vom 
Gegenstand,  Gang  uiui  Ziel  des  Unterrichts  handelt  der  Autor. 

Und  so  werden  wir  in  100  Capiteln  durch  das  ganze  da- 
malige Strassburg  getülirt,  wir  wechseln  unser  Geld,  wir  wer- 
den mit  S|»ei&  und  Trank,  mit  Kleidung  und  Schuhwerk  ver- 
sehen, wir  bestellen  uns  Holz,  wir  lassen  uns  barbieren,  wir 
holen  uns  Briefe  auf  der  Post,  wir  lernen  fechlen  und  reiten, 
wir  spielen  Kegel  und  zahlreiche  andere  Spiele,  wohnen  einer 
Hochzeit  und  einem  Begnlbnis  bei  usw.  usw.  Sirassburg  wie 
es  leibt  unrl  lebt  und  inmitten  der  Schrecken  des  dreissig- 
jährigen  Kriegs  einen  freilich  getahrlichen  Frieden  geniesst, 
tritt  vor  uns.  Selbst  der  Hexengiaube,  von  dem  auch  der  gute 
Daniel  Martin  nidil  frei  ist,  stellt  sirli  uns  vor  Anp:en.  Wir 
liop^ipitVn  wie  ein  Liol)li;il)<^r  des  alten  Strns>hnr^%  wie  Ferdinaad 
Reiiier  das  Buch,  uin  die  Worte  >enies  Nachrufs  zu  gebrauchen, 
beständig  unter  dem  Kopfkissen  liegen  hatte. 

Nur  zwei  Kapitel  mögen  al^«  Probe  folgen,  weldie  die  Stu- 
denten der  alten  Universität  Strasshuig  uns  vei  tTdnen;  ih^  erste 
mit  der  Duellsuclil,  welche  von  Frankreich  aus  gerade  ilanials 
nach  Deutschland  sich  verbreitete;  —  beklagt  doch  Barclai  in 
seinem  köstlichen,  fär  den  jungen  König  Ludwig  Xlll.  geschrie- 
benen Buche  Icon  animorum  eben  diese  französische  Un- 
sitte; —  das  andere  mit  dem  mehr  deutschen  Pennalismus. 
Zu  beiden  Scenen  giebt  das  Speculum  Cornelia num, 
Strassburg  1608,  welches  vor  ein  par  Jahren  hier  wieder  abge- 

14 


r 

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—  210  — 

druckt  wurde,  JSeiteuslücke  ia  Bildern,  wie  man  sie  nur  wün- 
schen mag.* 


Das  vier  viid  zwantzig^ste  Gapitei.  (P.  N.  250  88.) 

Vom  Balbierer  vnd  Wundartzt. 

[Student]  Wehe,  mordio,  helfn  jhr  gute  freund  t 

[Leute]  Was  ists?  was  mangelt  euch?  «er  hat  euch  gethan? 

—  Hebet  ihn,  hebet  ihn! 

—  Er  ist  gar  xu  wol  zu  fuss,  dass  man  jhn  erlauffen  könne. 
[Stud.]  Erbat  mich  gar  vbel  ^'chawen  :  fQhret  mich  geschwind 

zu  einem  Balbierer,  weil  ich  noch  ^ehen  kan:  ich  weiss  nichi 
ob  ich  darvon  komme,  ich  bin  tödlich  verwundet ;  der  verlusl 
meinem:  [reblüU  wird  mir  ein  Ohnmacht  verursachen,  wann  es 
nit  bald  gestillet  würd, 

[I.eute]  Wir  stehen  schon  vor  Meisler  Philips  hauss, 
kloplet  an! 

—  KlopfU  an,  bola,  schlafTet  ihr  schon  alle  mit  einander 
darinnen  ? 

[Balbierer]  Wer  ist  da? 

[Leute]  Gute  .freund,  macht  geschwind  auffl 

[Balb.]  Was  ists»  Ihr  Herren  ? 

[Leute]  Bringt  ein  liecht  her,  so  werdet  jbrs  sehen. 

[Balh,]  Ach,  Herr,  wer  bat  euch  also  su  gertcht?  fürwar 
es  kdnten  euch  ewere  beste  freund  in  diesem  zustand  nicht 
erkennen. 

[Stud.]  Helflet  mir  geschwind,  meister !  dann  die  langen 
gespräch  schicken  sich  jetzt  ^'nntz  und  gar  nicht. 

[Baib.|  Herr,  ich  bin  gaiitz  ferli<r :  sobald  jhr  mich  berich- 
tet habt,  NYo  und  durch  wen  euch  solches  ini^-^t^than  ift  worden, 
will  ich  zur  ai  beit  greiflen :  dann  wir  müssens  beym  eyd  der 
oberkeit  anzeygen. 

[Stud.]  Wol  an  dann,  so  will  ich  euch  den  gantzen  handel, 
ohne  Verfälschung  der  warheit  kurlziich  erzählen. 

Als  ich  zu  gast  gessen  halte,  und  gienge  wider  heim,  hab 
ich  einen  Soldaten  angetroffen,  der  sein  gelt  an  nasse  wahr  gelegt 
hatte  und  einen  löwen  wein  gesoffen. 

Als  derselbe  nun  blerrete  wie  ein  Mertzenkalb,  imd  schrie 


*  Im  folgenden  Abdruck  sind  die  ünterredner  iu  eckiger  Klam- 
Dtern  bezeichnet,  die  Interpunktion  und  in  nebensächlichen  Dingen 
auch  die  Orthographie  der  nnsrigen  angen&heit,  sichere  Druckfehler 
verbessei't. 


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—  211  ^ 

sa,  sa,  sa^  hab  ich  zu  jhm  gesagt:  wer  hat  dir  gethan  V  was 
mamgell  dir? 

DaraufT  hat  er  von  leUder  gezogen,  iu  die  steine  gehawen, 
und  zur  antwort  gegeben : 

«Was  gehets  dich  an,  du  penal,  schulbub,  bachant,  black- 
scheisser,  bungerldder,  gerstenfresser? 

Komm  her  mit  dem  degen  in  der  fiiust,  so  du  einen  hast, 
und  wehre  dich  meiner:  sonsten  iwiU  ich  didi  flftchling  himmel- 
blaw  schlagen». 

Ichf  dei'  ein  redlicher  Student  bin,  der  ich  schon  vor  drey 
jähren  deponirl,  mein  iienal  jähr  aussgestanden  hab,  und  bin  bey 
xwey  Jahren  aus  dem  statu  innocentiae  (wie  man  pflegt 
zu  sagen)  als  ich  mich  hab  so  grausam  und  hart  an  meinen 
ehren  angetastet  empfunden,  hab  ich  aisshald  mein  rapier  aus«- 
gezogen,  mit  willens  dieses  naiTen  freybeil  zu  begegnen  vnnd 
nider  zu  lo'^en. 

AIh  I  Iri  Jpr,  am  ersten  g^ng  hab  ich  jhn  gefrohren,  fest 
und  hart  wie  einen  stein  befunden:  dann  Avie  ich  jhrn  einen 
friscIuMi  stosi.  gradt  aufi"  die  brüst  gelauj^t  hab,  hat  sich  Uiein 
degen  auü  seine  scbelmiscbe  brüst,  als  ein  bogen,  gekrümmet, 
und  ist  gantz  nicht  hinein  gangen. 

El-,  mit  einem  geschwinden  gegenstreich,  hat  mir  einen 
solchen  hieb  über  den  kopff  (oder  grind)  versetzt,  dass  ich  ver- 
meinte er  were  mir  entzwey  gespalten. 

Da  das  blut  auss  der  wunden  bauffenweiss  sprang,  und  mir 
über  die  äugen  geloflen,  bat  es  mich  des  gesichts  beraubt  und 
zugleich  alle  mittel  mich  zu  wehren  benommen,  hab  also  um 
bilff  schreyen  müssen. 

Wie  micli  diese  Herren,  welche  nicht  über  zwantzig  oder 
dreyssig  schritt  wt^'ü  von  mir  waren,  haben  also  hören  scrheyen, 
und  an  der  sliinme  erkant,  seyn  sie  darzu  <;elauflen:  doch  uil 
zeitlich  unui^y  dann  under  dessen  hat  er  mir  noch  einen  stoss 
durch  den  arm  geben. 

[Balb.]  Kennet  ihr  ihn  woi? 

[Stud.]  Nicht  anders  als  von  gesicht.  Er  wacht  offt  am 
Melzgerlhor. 

[Balb.]  Ihr  bettet  besser  gethan,  wann  jhr  stillgeschwi^n 
bettet,  und  jbn  lassen  schreyen:  wisset  ihr  nicht  das  wir 

au  fr  Teutsch  sagen,  ein  fuder  bew  solle  einem  vollen  mann 
weichen,  ich  bin  allbereit  zwantzig  Jahr  in  dieser  statt,  und  bin 
bey  nacht  fast  alle  stunden,  ja  nach  Miltemacht  über  die  gassen 
{rangen,  hab  aber  noch  nie  einen  trunckenen  mann  angetroffen, 
der  mit  mir  einen  bände!  angefangen  habe;  hat  mir  auch  die 
schaarwacht  die  panizt  ih  nul'^fhuh  niema!«  zu  versuchen  gehen. 
Die  ursacb  i:$t  da&a  ich  jene  stillschweigend  bab  iür  über 


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212  — 


gehen  lassen,  diesen  aber  gute  werte  gegeben.  Ein  gutes  wort 
findet  ein  gute  statt:  und  wie  das  wasser  das  feuer  verlöschet^ 
also  auch  den  lorn  ein  gutes  wort.  Aber  es  ist  für  dissmabl 
genug  gepredigt,  zu  geschehenen  Sachen  soll  man  das  best  reden* 
Sitzet  in  den  stui,  wann  es  euch  beliebt. 

hm<^,  bring  ein  wenig  lawlicht  wasser  das  blut  vom  gesiebt 
und  den  haaren  ab  zu  waschen,  unnd  weissen  warmen  wein, 
die  wund  zu  seuhern,  und  ein  scheermesser  die  haar  herumh 
abzuscheren. 

Acli  !  wie  ist  sie  j^toss  I  weich  nur  lia  her  '=  frz.  Donne- 
moy  l  esprouvetie,  und  darülier:  Gib  mir  ein  wundeysenj,  dass 
ich  sehe  wie  dtetf  sie  ist. 

Mache  carwey  [=  frz.  charpie,  darüber  schleiss]  auss 
einem  alten  lamplein,  und  schab  es  mit  der  schneid  eines 
roessers,  meissel  drauss  zu  machen.  - 

Nimm  die  bindbQchse  [=  frz.  )a  bouette  aus  ongues,  dar- 
über: die  hüchs  zu  den  salben]  und  mit  einer  spatel  streiche 
von  der  grünen  salben  auff  ein  tüchlein  zu  einem  pfiaster.  für 
die  erste  Verbindung. 

F&rwahr  die  wunde  ist  ziemlich  tieff :  ich  sorg  die  bim- 
schal  wfirdt  verletzt  sein.  Wann  das  were,  mOste  man  euch 
trepanieren,  die  «prussel  heraus  zu  nehmen:  sonsten  möchte 
das  hirn  ersch wären  und  euch  ohu  allen  zweifei  under  den  Grund 
bringen . 

Lasst  uns  stdien  was  dran  ist.  Gott  sey  gelobt,  der  schad 
ist  nicht  so  gross  als  mich  hesorj^^ete. 

Jedoch  das  sicherste  zu  spielen  und  nichls  zu  wagen,  würd 
man  die  geschwornen  nieislei  zusaniuien  beruffen  müssen,  so 
bald  der  tag  kommen  ist.  Unter  dessen  will  ich  di»  pfiaster 
drauff  legen,  und  eine  bausch  drfiber,  damit  nichts  im  schlaffen 
dran  ßcket. 

Das  fünft  und  zwantzigste  Gapitel.  (282  ss.) 

Vom  Penal  und  Schulf uchsen. 

[A.]  Ich  hab  newlich  ein  schreiben  hören  lesen,  das  ein  Junger 
Doctor  in  der  artzney  an  einen  freund  geschrieben,  darinnen  er 
das  stndenlen  leben  hoch  lebete,  welchem  er  ^^ute  nacht  sagen 
müsle,  sich  in  den  Khe-  und  Wehestand  zu  stecken.  Sagt  mir 
doch,  lieber,  ist  da.ssell)ige  so  histig,  als  man  es  macht? 

[ß.j  Ja  wann  nur  zwey  i^eding  gesetzt  seyud,  nemblich 
dass  der  seckel  wol  gespickt,  und  das  böse  penal  jähr  fürüber 
seye,  dann  auff  den  hoben  schulen,  da  die  UbermSsffige  frey- 
heiten  oder  privilegia  allen  bubensföcken  und  schelmereyen. 


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—  213  — 


<?in  nnln  rs  })en  hnben,  ist  nichts  elender  unnd  arJijeitseliger 
als  emus  penals  U-hen. 

[A.]  Was  nennet  ihr  dann  einen  Gelbschnabel?  ist  es  ein 
halber  mensch  und  iialber  vogel,  dass  ihr  ihm  einen  Schnabel 
{wie  die  teutschen  federn)  zuschreibet? 

[B.]  Nein,  es  ein  junger  Knabe,  der  kein  bachant  mehr 
ist,  sondern  ist  anif  die  teutscbe  manier  deponiert  und  zeucht 
anff  eine  hohe  schule  die  publieas  lectiones  anzuhören. 

Er  heisst  gelbschnahel,  dieweil  er  auss  der  schulen,  wie 
ein  junger  vogel  mit  einem  gelben  schnabel  aussm  Nest,  gantz 
unerfahren,  ungeschickt,  närri>ch  und  voller  eyteler  vermessen- 
heit auss  und  in  die  Höhe  lleucht,  die  Schwachheit  seiner  federn 
unbetrachtet,  deren  kiel  noch  jjanlz  weich  und  blutig  seynd. 

[A]  Wo  kompt  der  name  Penal  iier,  so  man  ihm  auff 
Teutsch  gibt? 

[B]  Wann  das  wort  vom  Hebräischen  Nnppnpl  (das  ist  ein 
mißgeburl,  dteweüerihm  ein  vollkommene  Geschicklichkeit  ein- 
J)il(lftl,  die  doch  nicht  mehr  ist,  als  ein  unförmliche  und  un- 
zeilliche  tVucht  ist)  nicht  herkommen  süli,  s<»  halle  ich  dartür, 
•es  sey  verderbt  von  einem  andern,  das  heisst  Nabel,  das  ist 
närrisch  thun,  wie  gemeiniglich  zu  thun  pflegt  ein  junger 
Student,  dessen  him  der  Kunst  Iftr  ist,  und  steckt  eyteler  ein- 
bildungen  voll.  Versetzet  die  bucbstaben,  so  werdet  ihr  Benal 
-drauss  machen,  und  durch  Verwandlung,  dess  6  in  P,  Penal. 
Dann  was  die  Ursachen  anlangt,,  dadurch  etliche  beweisen  wollen, 
es  komme  von  Pen  na,  seynd  sie  leichtfertig  wie  federn. 

[A]  Was  dunckt  euch  aber  von  so  vielen  gespött  und  phigen, 
die  man  diesen  jünglingen  an  thut  ? 

[B]  Nichts  (?uts  :  dann  wiewo!  solche  vexirerey  g^ejjen  ihnen 
anlanglich  angeslellet  worden,  damit  sie  ein  jrrowel  und  hass  wider 
ihren  Unverstand  inid  grobheit schöpften  und  Cassten,  nach  derregul 
Vexalio  dat  i  a  t  e  11  e  c  t  u  m  ,  so  hat  docii  der  schandliche 
missbrauch  der  weisen  Ohcrkeit  dieser  Statt  und  hohen  Schulen 
anlass  geben,  den  gebrauch  sammt  dem  missbrauch  abzuschallen : 
•dieweil  vil  weniger  gefahr  daran  ist,  einen  jungen  tölpel  etliche  säw 
einlegen  zu  lassen  als  zu  leiden  dass  ein  hauSen  scbelmen,  so  nur 
vermummete  Studenten  seynd,  sein  hauss  nachtlicher  weil  stürmen, 
die  thürn  einstossen,  die  fenster  einwerffen,  die  stubenö£Fen  ein* 
tretten,  seine  bücher  zum  fenster  hinauss  in  diegasse  werfen,  ihm 
nasenstüber  geben,  ihn  mit  tritten  und  s|iorenstreichen  zwingen, 
sich  under  den  disch,  oder  under  die  banck  zu  verkriechen : 
und  mit  diesem  allen,  diesen  dollen,  rasenden  zuchlmeistern 
und  vermeinten  reformirern  der  sitlen,  zwey  oder  drey  Tag 
Jang  zu  fre.s«en  und  saijflen  7u  ^reben,  wiewol  sie  ihn  under- 
•dessen  hunds  übel  halten,  ihm  &>tätä  mit  diesen  spottischen 


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nameii  l  uiieii  :  huy  Uahsclmabel,  trag  auff,  schenck  ein,  du 
jijinlilvN iinn,  ^clireckenberger,  (ayx,  paphan,  zölner,  feudisl, 
scliuLiieni^el,  butx  das  liecht,  Ih^ir  jnhannes,  Dorn  ine  feudi: 
wie  ^eläh  dir  das  leben,  junger  Herr  Urian,  liechtbuUer, 
Quando  venisti?  Domine  Nicodeme,  Herr  Benedict, 
Neoviste,  Domine  jnvenalU.  Darauff  muss  er  antwor- 
ten, Ego  suni  quasimodo  genilua,  Studiosus  occa«> 
sionatus,  Luca.«  de  penna. 

[A]  Habt  ihr  diese  grewiiche  exoess  Qbersehen,  das«  ihr  so 
natürlich  und  ei|;enttich  darvon  sagen  könnet? 

[B]  Einen  Theil  hab  ich  gesehen,  und  den  andern  von 
glaubwürdigen  leuten  erfahren,  die  solches  mit  unlust  offl  haben 
sehen  müssen. 

[A]  Womit  verantworten  die  schlr^mmcr  ein  solche  schinderey  ? 

[B]  Sie  sajrcn  oin  jt>;:liclies  jun;:es  bliit,  das  auss  seiner 
mutter  «choss  herkoinpl,  seye  init  inultergelt  wo)  ver??t»hen,  uinl 
sey  !5ein  einsiarnl  iiiiil  willkointn  oder  ein  penalsclimaus  siimi- 
dig ,  und  wnnn  er  dieser  Ordnung  widerstreben  will,  reciieQ 
sie  sich,  wie  vor  gemell. 

[A]  Wer  aber  freywülig  spendiert,  und  gibt  solchen  Herren 
einen  schmauss,  ist  er  ins  kunfftig  vor  dieser  barbarischen 
tyranney  befreyet? 

[fi]  Ja,  wann  er  nur  bey  &hrt,  nicht  die  erste  stelle  bei 
Tis<*.h  einzunemmen,  oder  oben  an  zu  sitzen  begert,  zQchtig 
isset,  den  schleckbisslein  nicht  nachlrachtet ;  dann  wann  es  ge- 
schieht, das  ein  Penal  eines  Kalbsbratens  Nieren  behält  (welche 
sie  den  Schultheiss  oder  Burgermeister  nennen)  oder  eines  ge- 
bratenens  Capauns  flieget,  den  deckel  an  einer  Pnstelen  von 
Spanisehen  tey^j,  die  Zun^^^e  an  einem  KarpfTen,  oder  Spanfärcklin 
schiiule,  so  stellet  nmn  ihm  eiti  ^^rosses  (ilass  ofler  B«:>cher  vor, 
und  .s;\^^t  in.in  zu  ihm,  Herr  ürian,  auf  ein  guts  Bissiem  ^"^ehört 
ein  guter  Irunck.  Dat  uU^r  säufl"!  die  gaalze  Burscli  den  üi)r  i{?en 
Tag  und  die  Nacht  aufl*  seinen  sacke!:  oder  aber  stellens  biss 
auff  den  andern  tag  ein,  da  besuchen  sie  ihn  ins  gesambt  auff 
seiner  stuben,  rucken  ihm  seinen  Unverstand  auff,  und  straffen 
ihn  umb  einen  Schmauss,  der  in  eine  Cvasterey  von  einem  tag 
und  einer  nacht  verwandelt  wird,  die  gemeiniglich  auff  funfftzig 
oder  sechtzig  reichsthaler  kombt. 

[A]  Wozu  dienet  diese  grewiiche  Verschwendung  und  ver- 
zehruii^^  des  Guts? 

[Bj  Ihn  zu  witzigen  (sprechen  sie)  nach  dem  Sprichwort^ 
Schad  macht  klug. 

Ja,  aber  sie  irren  sich,  und  mi^^sbrauchen  dieses  Sprich- 
wort :  »lann  der  weise  Vatter  leitlet  vielmehr  den  schaden,  als 
der  unverständige  Sohn:  und  werden  darzu  viel  junge  Knaben» 


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die  eiiifaltit.'^  uiul  forchtsam  setod,  gantz  plump,  bethört  und 
dess  sludiercns  l'eimlt. 

Welches  diese  henschalU  bewegt  hat,  so  viel  schädliche 
Privilegien,  die  allen  Lastern  ein  anlass  geben,  auffzuheben, 
und  der  Studenten  Sprungriem  und  Zaum  in  ihren  Händen 
2U  behalten,  geldstraff  auflzulegen,  sie  einsuzteheo,  strafTen, 
zu  relegireoj  und  zu  richten  nach  heschaffenheit  ihrer  uber- 
trettungen  und  lasier. 

Darumb  das  man  alle  Tag  hörete  von  mordten,  welche 
auff  andern  hohen  Schulen  durch  der  Rectorn  nachlässigkeil. 
klinnmOthigkeil  und  gunst  ungestrafTt  blieben,  indem  sie  die 
Mörder  weglaulTen  und  entrinnen  Hessen. 

Welclit  s  auch  eine  ursach  war  das  sich  viel  Ellern  wägerten 
ihre  Kinder  studieren  zu  lassen,  diewcil  sie  fTirchtefen,  dass 
di('st'lbi;ie  umb  leib  und  seele  urider  einem  Haull"  solcher 
Schwärmer  kämen,  die  da  auss  dem  ^^assalum  ^^ehtMi  und  auss 
dem  blarreu  wie  unsinnige  Thier,  und  auss  huren,  ein  Hand- 
werk machen. 

[A]  Meinet  ihr  dann,  diese  hohe  bcimle  sey  gantz  und  gar 
dieses  ungezillors  Frey? 

[BJ  Freylich  nein.  Aber  diese  BurgerschatTt  i.st  so  gross 
und  slarck,  dass  sie  dieselbe  nicht  ermeistern,  hudeln  und  trillen 
können,  wie  sie  in  den  Stüttleiu  zu  thun  pllegeQ,  darinnen  sie 
die  Burger  in  der  anzahl  Qbertrefien. 

Die  harten  Sprungriemen  und  brembsen,  die  man  allhie  den 
bösen  Rossen  anlegt,  machen  dass  sie  weder  beissen  noch 
hinder  sich  schlagen  können,  und  machen  sie  so  geschlacht, 
dass  man  sie  umb  einen  Finger  wickeln  köndte«  und  madien 
auss  reissenden  WölfTeo,  fromme  und  gedultige  Schäfflein. 

Derenthalben  schickt  man  allenthalben  her  junge  Studenten 
in  diese  Statt,  als  in  die  beste  und  berQmbteste  holie  Schule  im 
teutsch-Landf  darein  sich  die  Musae,  welche  Martis  gescbrey 
von  andern  orten  verscheicht  hat,  als  in  eine  veste  Burg  und 
einige  Zuflucht,  begeben  haben. 

Es  seindt  noch  andere  Ursachen,  dieses  zuiaulls  der  Stu- 
denten, nemblich  die  nachbarschaft  dess  Frankreichs,  die  gelegen- 
heit  underschiedliche  sprachi«n  zt»  erlehrnen,  und  dio  i  xcrciticn 
für  die  Stut/t'i  ,  als,  die  l'icke  und  Fahnen  schwingen,  reiten, 
auff  der  Laulcu  und  Mandor  schlagen. 

h^on^ton  ist  der  armen  und  elenden  ^Studoiitcu  Wagnt't,  das 
gute  mittei  ihr  Lrliea  zu  erhallen,  und  -it  Ii  nusszuhringen, 
mit  liurgers  Kin<lern,  die  sie  lesen  und  sclireibeu  lehren. 

[A]  Was  gild  man  ihnen  woclienllich  ? 

[B]  JDrey  Schilling  oder  fünffbatzen,  mit  einem  iVeyen  im- 


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])is$,  oder  mablzeit.  [=  Neuf  ou  dix  sols  NeuQ  oder  Zehen  weiss- 
pfenning.] 

[AJ  Können  sie  sich  mit  diesem  geringen  gewinn  auss- 
bringen  ? 

[B"J  Ja,  dann  es  liat  ein  je^lichor  t'ünff  oder  sechs  solche 
Schuler,  die  iliiu  uhn^efälii'  einen  Iieichsthalei",  oder  zvveen 
Guiden  wöchentlich  bezahlen,  damit  .sie  so  hin-  und  kümmer- 
lich ausskommen  kAnnen. 

[A]  Wie  ist  es  müglicb? 

[B]  Ich  wills  Euch  sagen.  Es  gibt  viel  Handwercks  Leul, 
die  tvochenflich  drey  oder  vier  batzen  nemmen,  umb  eines  der- 
gleichen Kerles  geliger  oder  Herberg,  und  umb  die  brühe  die 
sie  ihm  auff  seine  Suppen  anrichten :  und  dahero  werden  sie 
dreybatzen -Studenten  genant. 

Sonsteu  iLaufTen  sie  ihr  Brod  ))eim  Becken,  und  hoUen 
ihren  Wein  auss  dem  Tieflfenkeller»  oder  beym  Wirth  zum  langen 
Arm,  und  beym  Herr  nvon  Brunnen,  welcher  Wein  heist  Anv- 
bacher,  Ileichenweyer,  von  Wasserheiu,  Wetterwein  und 
Rheinischer  Wein. 

Es  ist  ein  lauterer,  u  n^escIiwefTeUer  wein,  der  in  den  Kopf 
nicht  steigt,  verwirret  das  Hirn  nicht,  und  ist  desswegen  ein 
erwünschter  Trunck  für  studierende  Leut. 

[A]  Auss  was  ursach  nennet  man  sie  Kahlmeyser  auffTeutsch  ? 

[B]  Es  meinen  etliche,  sie  werden  also  genant  a  Cala- 
mitate  musarum,  aber  sie  irren  sich.  Ich  halte  darfür, 
das  wort  komme  vom  Hebrftischen  Kai,  das  ist,  kahl  und 
liederlich,  und  Musar,  Lehr  oder  Geschicklichkeit:  diewdl 
solche  Leut,  die  weder  das  Geld  haben,  noth wendige  Bücher 
mnzukaufTen,  noch  die  Zeit  und  weil  dieselbige  zu  lesen,  wann 
man  sie  ihnen  schon  leihen  vvolte,  darumb  dass  sie  schier  den 
gantzen  Tag  mit  Kinder  lehren  zu  bringen,  und  haben  kein 
Liecht  hei  Nacht  zu  wachen,  verbleiben  sie  bey  nahe  in  dem 
Zustnndt,  da  sie  waren,  wie  si'>  auss  den  Glassihus  kommen 
seind,  und  haben  nichts  andeis  zum  l)esten,  als  eine  überlästige, 
verdriissliche  Schülluchsisclie  kunst,  die  da  aulF  ein  bisslein 
Latein  bestehet.  Dannenhero  geschichls,  dass,  nachdem  sie  Bärtig, 
und  umbs  Kinn  allein  Philosophi  worden  sind,  man  sie, 
auss  erbarmuDg  zu  einer  Pfarr  bafdrdert,  nicht  die  Schaaffherde 
zu  weiden,  sondern  von  ihrer  Wollen  bekleidet  und  gespeiset 
zu  werden.  Alsdann  (Sprach  vor  etlichen  Jahren  ein  junger, 
aber  gelehrter  Doctor  inaugurandus)  nemmen  sie,  und 
reiten  gewaltiglich  die  Post,  das  ist,  sie  lehrnen  eine  Predigt 
au<s  einer  Postill  ausswendig,  und  sagen  dieselbige,  wie  eine 
lection,  in  der  Kirchen  auff. 


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II.  Isaac  Habrecht. 

Zu  dem  wenigen,  was  ü1)lm'  diesen  Vorläufer  Hes  Opitz 
Lekaiinf  Wnckernaj^el,  Litteraturgeschichlo    I(ii,9)  kommt 

noch  eine  von  ihm  lioai  heitele  Anleitung  zur  leiclUeren  Erlernung 
der  fremden  Spnuhen.  Hierauf  durch  Moscheroschs  Ausgabe 
von  G.  Guinpelzhaimeri  Gymnusma  de  exercitits  academicurum 
S.  lOd  aufmerksam  gemacht,  nahm  ich  auf  der  Berliner  Biblio- 
thek die  zwei  Auag^ben  dieses  Werkes  vor,  von  denen  die  eine 
16Si,  die  andere  1639  erschienen  ist.   Die  erslere  ist  betitelt : 

Janua  tinguarum  Quadritinguis  Latina  Germanica  Gallica 
Hispanica  sive  modus  ad  integritatem  linguarum  compendio 
cognoscendain  maxime  acc^modatus:  ubi  sententiarum  seiectiorum 
Geoturiis  duodenis  omnia  fundamentalia,  necessaria  et  fi>equen- 
tiora  vocabula  semel  sineq'  repetitione  comprehenduntur.  Cum 
introduclione  et  duplici  indice  vices  voc«ibiilririi  supplente. 

Vierfacbo  spraarhcn  Thür  (  Latini'^fh,  Teutsch.  Frantztisisch 
und  Spaiinisch  Oder  ein  Newe  vorl!ieili;^e  Weis::  allerhand 
Spraaclieii  aufT  das  aller  leichlest  zu  oi  lernen:  da,  in  zwölß 
Hundert  ausscrlessnen  Sprüchen  alle  ur.sprüngliche  \  nothwendige  [ 
und  gebräuchliche  Wort  ;;edachler  Spraachen  ohn  unnöthige 
Widerholung  begrilTea  seind.  Sampt  beygefügtem  fernerem 
Bericht  |  und  doppelten  Register,  welches  anstatt  eiaes  Vocabular- 
buchs  zu  gebrauchen.  Argentine  sumptibus  Eberhardi  Zetzneri 
Bibliopolse.  Anno  MDCXXIV. 

Die  Ausgabe  von  1629  ist  silinguis,  umfasst  auch  die  Hngua 
Ilalii  a  utid  die  1.  Anglica  ;  hier  nennt  sich  der  Verfasser  auf 
dem  Titel:  Auclore  Isaaco  Haltrechto,  Phil,  et  Med«  D.,  wahrend 
er  in  der  früheren  Ausgai)e  sich  nur  unter  der  epistola  dedi- 
catoria  so  nntorschreibt. 

In  der  Kinleilung,  die  von  der  Sprachtreunuug  beim  baby- 
lonischen Tiinuliau  ausjjeht,  hcisst  es: 

p.  ^1.  «da  in.ui  Junge  Knaben  und  Dücliterliii  in  Fraiickrifb, 
Welschlaud  iuiei  andere  Ort  vcrs-hickt,  dieselben  auch  ohne 
mühe,  versaunuius,  einigen  streich  und  J)esondern  Lehrmeister, 
innerhalb  zweyen  Jahren  die  Frantzösisch,  Welsch  oder  andre 
Spraachen  stattlich  begriffen :  und  offt  anders  darneben  gelernt. 

Zum  andern  erfahrt  man,  das  wann  oiTi  junge  Herren  vom 
Adel;  und  andere  in  Frembde  land  vereissen  [so]  das  die 
jüngsten,  ja  ofil  die  Lakeyen  vil  eher  und  besser  die  frembde 
Spraach  begreilfen,  als  ihre  Herren  Preceptoren,  die  das  Latein 
an  schuhen  verdretten,  dazu  dag  und  nacht  aufT  den  gramma- 
ticken  ligen. 

p.  2^^  .  .  das  merckliche  exempel,  welches  der  frantzüsische 
Herr  Michael  De  la  montaigne  von  seinem  söhn  erzelet :  [dieser 


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lernt  ganz  auf  lateinisch  sprechenden  Umgang  beschränkt  in  zwei 
Jahren  vortrefflich  Latein.] 

Dessen  dann  Herr  Johann  Walch  vor  wenig  Jahren  ein 
augenscheinlich  muster  an  zweyen  Elsäsischea  Edelknaben  er- 

wie^sen,  so  jetzund  bey  Fürsten  und  Herren  in  hohem  ansehen 
seincl,  wie  darüber  sein  Kxempelbüchlein  zu  besahen. 

Also  hat  der  Irrläadischen  Nation  Collegium  zu  Salamanca 
in  Hispanien  ein  Newe,  Hochlöblicho  iinnd  sehr  Nützliche  In- 
ventinn  und  T  h  n  r  zu  allen  S  p  r  a  a  c  h  e  n  oröfl'iiel,  zu 
welcher  alle  ubiiclie,  gemeine,  radieal  Wort,  der  gantzen  La- 
tinischen Spraacli  he^MifTeii,  und  in  vei'släiulliche,  Hebliclie  und 
lehrhaffte  zweltiiundert  Spruchlin  also  eingetheilel,  das  in  deu- 
selben  keines  zweymahl,  jedes  aber  in  ffebürlicher  ConslrucUon 
und  art  Lateinischer  Zungen  gesetz  (so!)  wirdt.  Sobaldt  die 
erste  Edition  dises  Wercks  Latin  und  Spannisch  in  Engelland 
kommen.  Ist  es  daselbst  von  Förnemen  und  Hochgelehrten 
approbirt,  sehr  gelobt,  und  im  1615.  Jahr  in  ihrer  Spraach  auch 
getruckt  worden. 

Da  ich  nun  .  .  hab  ich,  der  anderes  gescbäffl  halb  selbiger 
Orten  zu  verbleiben  hntte,  auch  wollen  helfen  eine  Nebenfhür 
einbrechen  .  .  Hab  desshalben  diese  Spraachenthür  zu  London 
Anno  1617  ersten tnahls  viersprächig  gemacht  .  .  und  die 
Franfzösisch  Sprach  liinzugethan. 

Xim  .  .  Müt  aussiassung  des  Englischen  die  Xeulsche  Spraach 
an  ihre  statt  .  .  zu  seizen. 

Die  er.<le  Abteilunfj^  ist  betitelt : 

.  .  ^^Üas  erste  Hundert  Der  Moralischen  oder  Hölihchen 
Sprüche.    Vou  den  Tugenden  und  Lastern  ins  gemein.» 

Als  Beispiel  diene: 

«Deteriora  pertinacius  ha^rcnt.  |  Das  arge  henckt  hefftig 
an.  I  Les  pires  choses  sattachent  ä  nous  le  plus  fort.  |  Le  peor 
se  nos  pega  mas  tenazroente.» 

III.  Volles-  uncl  ModebUcher 
zur  Zeit  des  dreissigjfthrigen  Krieges. 

Für  die  Litteraturgeschiclite  is!  es  nicht  nur  wichlii:  zu 
wissen,  was  gedichtet  und  geschriclien  worden  ist.  sondern  auch 
was  man  gehört  und  gelesen  hat.  Angaben  hierüliei  i»e«egnen  uns 
l>esonders  aus  der  Zeit,  in  welcher  die  alle  lebendige  Volks- 
Überlieferung  durch  den  Eeligionskrieg  fast  vernichtet  worden 
ist  und  die  gelehrte  Beschäftigung  mit  den  Bflchem  nur  einen 
käi^lichen  Ersatz  dafQr  bot.  Was  man  im  zweiten  Viertel  des 
17.  Jahrhunderts  las,  daräber  geben  die  folgenden  drei  Ver> 


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^9  — 


zeichnisse  Bericht.  Das  erste  stammt  aus  lien  Papieren  des 
Glasers  Lorenz  Fritscli,  der  um  1625  in  Strassbur^^  lebte : 
s.  Jahrb.  VII,  S.  lOÜ  IT.  Von  ihm  haben  wir  zwei  nicht  ganz 
ubereiQstiinmeDde  Kataloge  seiner  Bücher«  einen  in  folio,  den 
anderen  in  Q», 

I.     1)  Fol.  1.   Das8  seindt  meine  Bücher,  wie  sie  hie 
vnnden  nach  einander  geschriben  stehen 

Einn  geachribene  Hauss  Cronick  in  follio.  |  Einn  ander 
geschriben  buch  in  folio,  darinn  |  allerhanndt  historien  geschriben 
steb^.  I  Ein  geschrihen  Schuldtbuch  in  foiio.  |  Ein  hauss- 
poslilla.  I  Des  fürstenthumbs  wurtemherp  hoffgerichls  |  Ord- 
nung in  foUo.  I  Ein  alt  Kirchenbuch,  oder  dass  Irrige  Schaff, 
(von  Geiler)  |  in  foHo.  |  Ein  Buch  der  Sprichwörter  Reiine^weis.  | 
Dn->s  ?)e\ve  Testament.  |  geschriben  Betbuchlein.  |  Habermann. 

I  S(  iiwarlzes  handtbikhlein,  in  schwartzem  samat  einp^ehunden. 

I  Psalter.  |  Seyrach.  j  Gesang  vnd  EuangeHumbuch  in  ein 
bundt.  I  Cathohsches  handbüchlin.  |  Jungen  Leut  Laster- 
spiegel, f  Passionsbüchlein.  |  Vergissmein  nicht  dz  ist  leg 
mich  nit  under  die  Banckb.  |  2  Caihecissmus  der  gross  mit 
denn  3.  haupt  Simpolum.  |  GrossliQnsIlich  Rechenbuch,  l 
Ein  ander  Rechenbuch  mit  der  Visier  Rueten.  |  Aber  ein 
Klein  Recbenbuchlin  von  Jörg  Höfflin.  [  Ein  geschriben 
Rechen  Rechenbuch  vom  H.  Ruodioif.  |  Slubanus  Specerey- 
hendler.  |  Ein  wegeweyser. 

fol.  2. 

Schreiben  Sixti  5.  pp.  |  Jornal  Biuli.  |  Besclireihung 
aller  gedenkwinli^^en  Sachen  des  teutschen  laiidts,  j  Fra^'  ob 
die  Weiber  Menschen  seyen  oder  nicht,  j  Vom  Grosslür?^ten 
in  der  Moscha.  |  Ein  Kupfferstück  sainpt  ein  liedt  darbey,  von 
der  grossen  Buben.  (  Ein  grosse  band,  Eins  wunderbarlichen 
Fischs,  für  Kaliiiasonl.  |  Ein  Becept,  eins  weilberümpten 
Künstlers,  Johann  |  Cranich  genandt.  Admonition,  auss  der 
Medicin.  |  Gorny,  von  dem  hertzog  von  Alba.  |  Der  keösche 
Papst.  I  Beschreibung  des  Römischen  Kriegs  im  Uertz  und 
Apprilen.  |  Kätater  Ezechiel  Meth.  wie  man  wein  und  esig 
macht.  [  Ein  liedt  vom  pracht,  Ein  liedt  von  Strassh :  Ein 
tiedt  vom  Todt  vnd  eim  Jungen  man.  Ein  liedt  vom  Bader- 
knecht. I  Ein  I>ie(lt  vom  Bentzenawer.  Zwei  gebet  zur  Kri^ 
I  Zeiten.  Ein  Liedt  vom  Erdtbitem  m  wien.  Ein  liedt  |  vom 
Bitter  in  der  Sleyren  marckh.  Ein  liedt  von  der  |  Juppen.  Ein 
liedt  vom  Koni^  Lässla.  Der  Fincken  Rfittor.  |  Ein  «rhones  Ratzel 
von  der  Schreibteder.  rürufr  ;ui^'en  j  s]t!e;,^el.  Vom  Eydts(  !i\\*MeM. 
Educationis.  Di-ey  |   Namenbücher  geiiruckt.  4  Sprüchbüchlein 


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—  220 


von  dem  j  graffen  von  Soyrien.  (Savoyen?)  Des  Morgens  feell »  | 
Von  4.  [  undenchiedüicbea  Religionsirtickeln*  Von  der  Löflelei. 
I  Die?  wemsenM.  Der hirnen Seyfridt. Schiltbflrger.  |  Blan(e)ten- 
buch.  Siauffenbeiger.  Albertus  Ifagnus«  |  1  Kunstböchlein.  j. 
Illuroinierbuch.  Calhecissmus.  |  Sfibilla  Weissagung.  Dischiurbt, 
passion«  Der  91.  |  psalm  in  zwo  predigten  mehr  3  predigen 
darbey.  |  Furtunatus.  TQtelbuch.  Doct.  Fusty.  AUex-  |  ander 
\  on  Metz.  Ein  drein  (1.  trauqi-)Büchlein>  vnnd  ein  Schreib  | 
Täffelin. 

2)  Register  der  BQcher. 

1.  Haui^-Postil  in  foiio. 

2.  Cronick  d'  keyP'  gedruckt  in  folio. 

3.  geschrihon  hau^Cronick. 

4.  Eine  [wuVq  angefangen  geschriben  baufcranig  in  fol. 

5.  hofT^ioi-ii  htfsordnung:  in  fol. 

0.  ein  all  larcli'  bucli  su  il'  kiudtheit  Christi  in  folio. 

7.  ein  geschriben  Beibuch. 

8.  Ein  Testament  new. 

9.  Ein  alt  gesangbuch  mit  dem  Euangelioböchlein. 

10.  D*  jung'  Leut  Lasterspiegel. 

11.  D'  Psaltat. 

12.  Haberman. 

13.  D'  buchlein  v'gif  mein  nicht. 

14.  ein  schwartz  Samet  handbucbtein. 

15.  Syrach. 

16.  Ein  weg  weiß'. 

17.  Bapischtischer  Kniend'  büchlein. 

18.  Pnssional  Pürlilein. 

19.  ein  \\vc\un\\)nr\\  weiß  (Miipf )»Hn'ion . 

20.  ein  Arl/.t  neybuch  mit  eim  weisen   Uermeut  eingebunden. 

21.  Ein  Schuldtbiirh  in  folio. 

22.  15  vürgeüchri Ilten. 

23.  Ein  weinbüchlein  wie  man  den  wein  gut  behalten  soll. 

24.  D*  bOchlein  Albertus  Magnus. 

25.  Ein  bfichlein  vom  grotfürslen  in  d'  Hoschauw. 

26.  ein  Büchlein  Qber  dz  buchhalten. 

^7.  Artickelspuncten  des  hertzogen  von  Alban. 

28.  ob  die  weiber  menschen  Seyen  oder  nicht. 

29.  Ein  büchlein  ob  dz  Bischthumb  Strafburg  anno  1692. 


^  Vgl.  hierüber  Zs.  f.  dtsch.  Alt.  39,  19.  Im  übrigen  würde  der 
f^rrinriP  Xarhwois  der  gemeinten  Bücher  mehr  Zeit  erfordera  ale  mir 

gegeiiwurüg  za  Gebote  steht.  £.  M. 


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30.  Ein  new  Meili(  inal  Buch. 

31.  iO  newe  Zeitungen  oder  gescbichlen. 

32.  d'  keuj?chfi  Papsf 

33.  GrundhOc  lilein  druP  zu  lehren  2  Historien  od'  Relation  Büch* 

34.  Traumhüchlein  j^rien, 

35.  Vom  Eydt schweren. 

36.  D'  91  psalrn  auß;?elei,'t. 

37.  Ein  predighüclilin  über  Uenfersch  ich  wil  feiudtscliafft  setzen. 

38.  kuDstbuchlein. 

39.  £ylenspiegeL 

40.  finckenritter. 
vom  köuig  lafift. 

von  d'  Juren  Zud'  Jub. 
Ritter  auf  d'  Stt  uermarkh. 
Ertlhitem  zu  Wien, 
•il.  Education. 

42.  Vom  Cathoiiscben  fegf.  vnd  ihren  opffem. 
RoPenkrantz. 

Straßb.  Taxordnung. 
2  Tnnentarium. 

43.  (T  Bapiäten  handtbüchlein. 

44.  f^urtunatus. 

45.  Circkelbuch. 

46.  klarer  Augen  ^^piegel. 

47.  Schenck  u.  TiUelbuch. 

48.  7  weilten  Meister. 

49.  hirnen  Seyfridt. 

50.  Scbiltburg^. 

51.  (Planeten-Buch  ist)  zerris  (durchstrichen  t). 

52.  (!'  heilig  Brodtkorh. 

53.  54.  geschriben  vnd  geUruckts  Bechenbuch. 

55.  Pasion. 
Dischzucht. 
Sibyla  Weißagung, 
Chatecißuium. 

56.  Rechenhüchlein. 

57.  Docl.  Fausti. 

58.  Ritter  punlus. 

59.  von  d'  Leffeley. 

00.  3  Namenbficblein  vnd  4  Spruchböchlein. 

61.  Alexander  von  Metz. 

62.  lUuffiinierbuch. 

63.  Schillwacht. 

64.  Geht  im t  s  Kunstbüchlein. 

65.  Stauifenberg. 


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233 


66.  iluußapoteck. 

67.  Mörlens  Fell. 

68.  uff  Stal  u.  Ey^eo  zu  Etzen. 

69.  Keyf  Fridrich  Barbaro9. 

70.  Aller  practick  grolmat*. 

71.  Histori  v5  Hertzo;  Ernsten. 

72.  Goldlfaden. 

73.  History  des  Ritleis  vö  f. 
7-4.  Des  Ritters  vö  Hadt. 

75.  Jlüll\va<jen. 

70.  History  <V  Nff^llusina. 

77.  Die  garten;;eseUschaft. 
StraPb.  Trachtbuch. 

IL  D.  Martin  Pari  Nouv.  im  43.  Capitel  cvom  Hauaieren»  382. 

«Es  seind  noch  andere  die  bin  und  wieder  feyl  herum 
tragen  Calender,  Nahmenbfichlein  (livrets  d'Abece),  die 
woehentliche  und  extraordinär!  Zeitungen^  Legenden  unnd 
kleine  Märleinbüchlein  von  Melusina  |  Maugis  |  von  den  vier 
Söhnen  Aimonis,  Gottfridt  mit  dem  langen  Zahn,  Valentin  und 
Orsos,  "Wendunmuth,  weltliche  schändliche  und  unzQchtige 
Lieder,  so  vom  unreinen  geist  dictirt  werden,  Gassenhawer 
(Vaud  evi  II  es)  Bawren-  und  Uofllieder,  Saufflieder,  welche 
alle  durch  dess  En;;els  auss  dem  Abgrund  eing-ebung^,  denen 
zu  nutz  und  gebrauch  erdichtet  und  componirt  werden,  welche 
lust  und  lieb  zu  desselben  dienst  haben.» 

in.  Der  Teutseben  Sprach  Ehren-Krants  304: 

«iJanit  manche  [Dame]  hat  schöne  mitSauiinel  oder  scbwarlz 
Cardoau  uberzo^jene  vergälle  Bücher  mit  allerhand  Bendeln, 
so  ihres  Liebsten  Favor,  wie  sie  es  nennen,  gewesen,  in  ihrer 
Stuben,  dem  ansehen  nach  meynt  einer  es  weren  Roeen-Gflrt- 
lein,  Catechismus-Schul,  Psalter,  Jesus  Syrach,  Paradiae-Gärtlein, 
Andachten,  Wasserquelie,  Arndts  Wahres  Christenthumb,  der 
Selbet*Betrug,  aber  wann  man  solche  aullbiftttert,  so  find  man 
was  sie  seynd,  nembltch  der  Amadiss,  Scfaäfferey,  Schimpff 
und  Ernst,  Fortunatus,  Astrea,  Diana  de  moote 
majore,  Ritter  Low,  Mageil  ona,  der  Ritter  P o n t u s,  der 
Ritter  Gallini,  [I.  Galmi],  Herr  Tr  i  st  ra  m  ,  Albertus 
Magnus,  Melusina,  Ortavianus,  Eulen-Spif  jzoK  (\e- 
fang^niss  «lor  Liob,  C  nr  «•  e  )  1  de  Amor.  Schiinpll'  udiI  ['nist 
und  amifre  der^''ei(  hen  Liebes  und  Eitelkeiten  Büchern  mehr, 
welche  nit  ubel  den  Egyplischen  Frösclien  können  vertflichen 
werden,  von  welchen  geschrieben  stehet,  das-?  sie  in  dem  Hauss, 
in  den  Kammern,  aufi*  dem  Lager   und  den  Betten  herumb 


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kriechen,  mit  ihrem  Unflath  alles  heischmf^issen,  jn  auch  unsere 
Ruhf  (lunh  schandliche  Tiautne  verunruiiea,  wie  der  edele 
HarssilOriler  hievon  zu  i  eilen  pflegt.» 

IV.  StammLuch  mit  Emträg-en 
von  Fridenke  und  Sophie  Brion. 

Durch  die  Güte  der  Besitzerin  habe  ich  Einsicht  in  ein 
Stammbuch  erhallen,  welches  ihre  Grossmultep  Frau  Mai^a- 
retha  Bellzor  {reb.  Wehrlen,  angeleprt  hatte.  In  oblongem 
Format,  in  rotes  Leder  mit  Goldschnilt  und  Golddruck  i:el)un- 
den,  zei^'t  es  aut  der  Rüciiseite  der  Einbanddecke  die  Buch- 
staben M.  W.  ISlHJ. 

Die  EHiUä;?e  enthalten  die  Jahreszahlen  1801  bis  1834; 
als  letzte  Josef  Krysztoporski,  Polnischer  Freiheitskämpfer  1832 
und  Dorant  (mit  allerliebster  Zeichnung)  1884.  Auch  sonst 
sind  manche  hübsche  Bilder  eingemalt  oder  eingeklebt. 

Von  den  eingetragenen  Namen  sind  wohl  hervonuheben 
Ab.  Th.  M.  Mäder,  Lobslein,  Braun,  Eisenlohr,  Werner, 
Herrenschneider,  Sophie  Oberlin,  G.  J.  Oberlin,  Fritz,  Spindler, 
Schneegans,  August  I>amey,  D.  E.  und  C.  F.  Slöher,  Donauer, 
Louise  Rosenstiel  geb.  Weyland  (vermutlich  dieselbe  Familie, 
bei  welcher  Friderike  Brion  zu  Versailles  die  Anfän^^e  der  Revo- 
lution  /eit  verlel)t  hat,  Gopp,  Biessi;: ;  von  Orten  Strassburg, 
Paris,  Louisenthal  b.  Saarbrücken,  Landau. 

Die  ältesten  Einträge  weisen  auf  Rothau,  wo  vermutlich 
die  jugendliche  Besitzerin  in  Pension  war. 

Hier  trug  sich  auch  Frtdeiike  Brion  ein  mit  folgenden 
Worten : 

Bkibe,  Edles  Mfidchen!  Was  da 

Bist,  der  Trost  Deines  würdigen 
Vaters!  der  Stolz  Deiner  Freunde! 
Die  Freude  aller  die  Dich  kenntn 
Und  glaube  der  Versicherung 
Dass  Da  im  Stdntbal,  kein 
Steinernes  Hen  gefonden.  - 

wild  dich  lieben  nnd  sehfttzen 

Frid.  Brion. 

Rothau  d.  22.  MeP.  im  10.  Jahr. 

Friderikens  Schwester  folgt  hierauf: 

Dass  Beste  Glück,  wodurch  man  Sich  unr 

glücklich  neunt,  das  wünsch  ich  dir  

and  das  dein  Edles  Hertz»  mich  Stets  als 
Frenndin  kennt,  das  «flnsch  ich  mir 

Sophie  Brion. 

Rothau  den  10.  Mefi. 


Unter  beide  Namen  hat  die  pietAtsvoUe  Besifzerin  ein 
Kreuz  geschrieben,  wie  bei  den  meiaten  andern;  gewiM  ein 
Zeichen,  dass  sie  bis  lum  Tode  auch  dieser  beiden  gedachte* 

So  auch  bei  D.  E.  Stoeber,  dessen  Eintrag  lautet: 

Em  Hen  Ton  saxter  WeibUdikeit 
Zum  stillMi  Tempel  sich  geweiht: 

Dies  ist  das  höchste  Heiligthum, 
DieS|  Freundin,  ist  ihr  Eigenthum. 
Und  von  Herzen  wünscht 
Glück  daza 

Ihr  Srgeheasler 
D.  £.  Stoeher 
not 

Strassb.  d.  25.  Oktober  läOü. 

Unmittelbar  vorher  geht: 

Fordre  beut  vom  Freande  kein  Gedicht,  — 
Wo  sein  Hers  von  F^eundsehaft  spricht» 
Sagt  er  wahr  and  dichtet  nicht 

Zur  Erinnerang  an  Ihren  Ah.  Th.  U.  IfSder. 

Strassburg,  25.  Oktober  1806. 

V.  Wilhelm  Scherer. 

Das  F^lsuss,  unter  den  deutschen  Landsrhat'len  vielleiflil  .'iin 
Mteiäteii  lit'fjünstigl,  bat  vuii  jeher  zahlreiche  Einwanderer  ui 
sich  gezogen,  die  dann,  wie  schon  in  alter  Zeil  scherzhalt 
bemerkt  wurde,  es  meist  nicht  wieder  verlassen  wollten.  Es  hat 
sber  auch  von  ihnen  manche  Förderung  erfahren,  besonders  auf 
geistigem  Gebiete»  Was  wäre  die  elsässische  Gescbichtschreibung 
ohne  Schöpflin,  der  aus  dem  Badischen  nach  Strassburg  Icam? 

An  solchen  Austausch  erinnerte  uns  vor  kurzem  das  S5jährige 
Jubiläum  der  Universitftt.  Ehemalige  Lehrer  und  Schüler  unserer 
Hochschule  sahen  wir  wieder,  auf  die  wir  immer  mit  Stola 
blicken  werden.  Andere  deckt  bereits  der  Rasen,  zu  deren  frühem 
Ende  das  Ueljermass  ihres  Arbeitseifers  mit  beigetragen  hat. 

Einen  von  ihnen  rechnet  die  elsässische  Philologie,  rechnet 
auch  der  Vogesencluh  sicli  in  be.sdtiderem  Masse  zu  eiyen  : 
Wilhelm  Scherer,  den  zn«rleich  geistreirhen  und  gründlich 
gelehrten  Verfasser  der  «(lese  hichte  des  Elsasses»  1871  (3.  Aufl. 
•1886),  die  unter  den  Proviu/.iahirheitcn  dieser  Art  weitaus  her- 
vorragt ;  einen  annuiligea  Vortrag  von  ihm  über  den  Wasigen- 
stein  brachte  das  2.  Heft  unserer  Mitteilungen  1874. 

Scherer  war  1841  in  der  Nähe  von  Wien  geboren ;  er  hatte 


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—  «15 


in  der  KaisersUdt  an  der  Donau  seine  Schul-  und  Universität«- 
bildung  erhalten  und  war  dort,  ehe  er  hierher  kam,  in  jnnf^en 
Jahren  schon  als  Gelehrter,  Schriflsteller  und  Redner  mit  Recht 

lux  li^o'fcici  i  worden.  Und  docli  folg^te  er  gern  dem  Rufe  in  das 
i-teichsland,  da  seine  {)olitisc}ien  Ueberzeuj^ungen  — >  nicht  ohne 
innere  Kämpfe  —  ihn  der  Heimat  entfremdet  lialfen. 

In  Berlin,  wo  er  von  185!)  .-ih  studiejio,  halte  ihm  der 
I)ietnini  sche  Kai  l  Mnllptilioff  auch  die  vvissenschartliche  Richtunpf 
«^e^eben  :  mit  MülleiiholV  vorhunden  war  er  18»)i  als  Heraus- 
>reher  der  «'Denkmäler»  d.  h.  der  kleineren  Litteraturwerke  der 
ailhoclideutbc  liLij  Zeil  uul^elrelen  ;  neben  MiiileuiiotT  lehrte  er 
vun  1877  ab  in  Berlin  deutsche  Philologie. 

Auf  Hfillenhoff  paast  ein  Wort  Lessings  über  den  Alter- 
tumsforscher:  «Ein  anderes  ist  der  Altertumskrämer,  ein 
anderes  der  Aller lumskundi^^e.  Jener  hat  die  Scherben,  dieser 
den  Geist  des  Altertums  geerbt.  Jener  denkt  nur  kaum  mit  den 
Aujren,  dieser  sieht  aucli  mit  seinen  Gedanken.  Übe  jener  noch 
sa^t :  so  war  das,  weiss  jener  schon  ob  es  so  sein  kann.»  In 
MulleniiofT  lebte  der  alte  Germane  wieder  auf,  auch  mit  seiner 
Rauheil,  die  doch  ein  Hens  voll  Güte  verbar,^  und  immer  nur 
der  Sache  dienen  w(dlte.  Mit  wunderbarem  Gefühl  hat  Xffjllen- 
hoir  selbst  aus  Trürnniern  und  Spuren  der  Vorzeit  die  herrliclisle 
Pm^sie  \vi«»der  niin»'lM'ii  lassen,  Al>et'  dies  Gefühl  war  verbunden 
mit  der  strenji,.sleu  Früfunj^  der  Ueberlieterungen,  mit  einer 
umfassenden  und  sicheren  Gelehrsamkeit. 

Eben  diese  Metbode,  diese  Ricbtunj,^  auf  das  grosse  Ganze 
bei  der  schärfsten  Beobachtung  der  Einzelbeilen,  diese  zusammen- 
hängende Untersuchung  •  bis  zum  letzten  ^rkennbami,  hat 
Scherer  sich  in  Möllenhoffs  Schule  angeeignet.  Er  hat  die 
deutsche  Philologie  auf  allen  Gebieten  bereichert,  ja  ihr  neue 
Gebiete,  insbesondere  die  Litteraturgeschichte  der  Neuieit  erobert. 
Selbst  auf  angrenzende  Felder  der  Forschung  hat  .er  diese 
Metbode  übertrafen.  MüUenhoff  bezeichnete  einmal  als  gross- 
arti^^ste  Leistung  Scherers  eine  Unterauchunpr  über  Raphaels 
Schule  von  Athen,  wodtu'ch  die  schwierifre  und  durch  manche 
Vorarbeit  nui  ei  Schwerte  Deuiung  des  berühmten  Bildes  klar 
und  sicher  hergestellt  Wunten  ist. 

Als  Haiijil w^'ike  unter  den  zahlreichen,  mit  ^«Mtiaier  Leich- 
ti^^keiL  horvuri^c'l)rachleu  Schriften  Scherers  sind  wohl  zwei  zu 
nennen.  Einmal  eines  .seiner  frühesten  Bücher :  Zur  Geschichte 
der  deutschen  Sprache,  1868.  Wie  Jakob  Grimm,  dem  ächerer 
damals  schon  eine  ausgezeichnete  Biographie  gewidmet  hatte, 
durch  seine  Deutsche  Grammatik  unsere  Wissenschaft  begrün- 
dete, .so  bat  Scherer  ihren  Neuliau  entworfen  und  eingeleitet: 
von  den  Buchstaben  zu  den  Lauten  vorzudringen,  das  war  die 

16 


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voll  ihm  aufgestellle  Foi  Horung,  der  sich  anderci-seils  dir  psyrholo- 
^Ms<;he  Erklärung  der  Sprach vorgftiHfe zur  Seite  stellle.  AutSchei'ers 
Bahnen  weiter  211  j,'elieii,ijabenzwei  Hauplverlreler<lerso^^enannlen 
junj^^j^^rammalischen  Richtung,  O.sthofT  und  Brui?inrinn,  in  der  Vor- 
retle  zu  ihren  Morphologischen  Unlersurliungen  ah  ilu  o  Absirhtan. 

Und  wiederum  aus  der  xpfdenni  /«mI  Scherers  i>l  vor  allem 
s»»in»'  (i.-M  liii  hte  der  d<'uts(  jien  Litleralur  zu  iiemien,  dif 
•/uci.sL  1883  erftchieii,  ein  <lurch  gediegene  rielehrsanikeil  td)enso 
wie  durch  geschmackvolle,  warme  Daistelluug  ausgezeichnetes 
Werk.  Als  der  400jährige  Geburtstag  Luthers  gefeiert  wurde, 
zählte  ein  protestantischer  Theologe  die  Dtirstellung  des  Befor- 
malors  in  dem  Buche  des  Katholiken  Scherer  zu  dem  hesten, 
was  damals  über  Luther  erschienen  war.  Scherer  hatte  den 
Standpunkt  Goethes  sich  zu  eigen  gemacht,  und  diesem,  unserem 
giössten  Dichter,  eine  würdige  Biographie  zu  widmen,  war  sein 
inniger  Wunsch,  den  nur  sein  früher  Tod,  188ti,  abschnitt. 
Doch  haben  S<*herers  Aufsätze  über  Goethe  die  wissenschaftliche 
Würdigung  des  Dichters  ebenso  wie  das  Verständnis  lür  ihn  in 
weiten  Kreisen  nifulili^  <>-eför<lert. 

iSu  ;iu(  1»  ;iu  iiijscier  Universität,  der  Scherer  vom  Ilrrltvt 
1872  bi^  /um  Herlj^l  1877  angehörte.  Ludwig  Spacli  liut  ia 
einem  feinsiimigen  Artikfl  Si  licrers  oUeiil liehe  Vorlesungen 
ü})er  Goethe  geschildert,  die  /um  ersten  Mal  einen  grossen 
Kreis  von  Gebildeten  aller  Berufsklasseu  in  der  UniversitSt  ver- 
sammelten. Er  heht  seine  schlichte,  aber  lebhafte  und  gelegent- 
lich bumorislische  Vortragsweise,  die  Fülle  und  Neuheit  seiner 
Gedanken  hervor.  Nicht  weniger  war  Scherer  als  Lehrer  in 
seinem  Universitätsfache  ausgezeichnet:  er  vereinigte  eine 
grosse  Anzahl  begeisterter  Schüler  um  sich,  von  denen  einige 
gegenwärtig  zu  den  ersten  Namen  gehören.  Ihnen  gab  er  sich 
auch  auf  dem  «Germanistenabend»  mit  einer  Traulichkeit  und 
Munterkeit  hin,  die  zuglt^i«  h  das  österreichische  Gemüt  und  die 
beste  Seite  der  Berliner  Knlik  in  ihm  vereini^H  zeigten. 

Jjiö  Strassburger  Zeit  war  vielleicht  die  IViu  iillKirstc  ArlH'ils- 
zeit  für  Scherer.  Wohl  fühlte  er  hier  schon,  wenn  er  die  T;i;,'t' 
durchgearbeitet,  imli  »Ii»-  \ Oi lesujigeii  geiiaiten,  dann  bis  zuiu 
Abend  unter  den  Kuchem  gesessen  hatte,  sich  oft  körperlich 
abgespannt  und  der  Odilienberg  oder  Baden-Baden  wurden  dann 
für  den  Wochenschluss  sein  Zufluchtsort.  Damals  mögen  die 
Schlaganfälle,  denen  er  in  der  Zeit  der  besten  Kraft  erlegen  ist, 
sich  vorbereitet  haben.  Aber  die  Früchte  seiner  unermüdlichen 
Thätigkeit  überleben  ihn.  Und  das  Vorbild  seines  edlen  Strebens, 
der  Zauber  seiner  Liebenswürdigkeit  werden  denen  nie  ent- 
schwinden, die  ihm  persönlich  haben  näher  treten  können. 


V 


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XL 

Die  Tracht  von  Mietesheim. 

(Zn  nitserni  Bilde.) 

iVXielesheim  ist  ein  Dorf  im  Kanton  Niederhi  ujii,  unweit 

der  Bahn  Ha^'eiiau-Bilsch,  mit  7Üi)  grösstenteils  protestantisschen 
Einwohnern. 

1)  Jungfrauentracht.  Haare  mit  Mittelscbeitel  nach  den  Seifen 
gekämmt.  Darfiber  d  ie  Kappe  mit  grossem  schwarzem  Seidenband 
(Schlupf)  nach  Art  eines  Schroetterliogs,  dieses  gezackt.  Weisses 
Hemd  mit  Spitzenärmeln,  Aermel  gerafft.  Der  Kragen  befindet 
sich  am  Nackmäntele,  einem  rudimentHren  Oberhemd,  weiches 
unter  den  Achseln  festgebunden  wird.  Auf  dem  Bild  ist  es  in 
Gestalt  einer  kleinen  Krause  am  Halse  sichtbar.  Rock  aus  ein- 
larltigeni  Stolf  (Flanell,  Pumesin  oderähnlit  h).  pfirsichrot,  grün, 
hell-  oder  ilunkelhlan,  nnfen  in  einiger  Entfernung  vom  Hnnde 
ein  Ilind  von  <jes!r:iusselleni  .Samml.  Rockhrusl  iius  saninit- 
artigein  StoM  mit.  eingestreuten  hnnten  Rlumen,  ;nn  (Hinu-and 
durch  ein  Blumenband  eingefas^t,  vorn  winkelig  ausgeschnitten 
zur  Aufnahme  des  Vorsteckers,  vvelciier  lose  hineingesteckt 
wird.  Dieser  besteht  aus  einem  Stück  Pappdeckel,  der  mit 
einem  geblQmten  Stofi  tkberzogen  und  mit  bunten  Füttern,  Gold- 
und  Silber plaltchen  bestickt  ist.  Weisse  Schörze  mit  längs- 
laufenden durchbrochenen  Einsätzen.  Um  den  Hals  wird  ein 
grosses  gemustertes  Tuch  mit  Fransen  und  reichem  Faltenwurf 
geschlungen,  ein  einfacher  Knoten  hinten.  Weisse  Strümpfe  mit 
eingestricktem  Zwickel.  Einfache  Pantoflelschuhe  mit  schwarzer 
Schleife  und  schwarzsammtner  Einfassung. 

2)  Tracht  der  Braut.  Unare  ohne  Scheitel  nach  hinten  ge- 
kämmt un(i  nm  Wirbel  durch  ein  «lurchlochertes  ovales  Stück 
Pappdeck«'!  i:ezogen,  nm  dieses  geschlnn-^en  und  dnrnn  festge- 
näht. Aul  diesen  leston  Untergrund  wird  ein  Kuppelten  gestülpt. 


—   228  — 


das  noch  besondere  festgebunden  wird.  Dieses  Käppchen,  Knnz 
genannt,  ist  mit  grossen  Goldhiechflittarn  benäht.  Den  haupt- 
sächlichsten Khrenschmuck  l>ildet  das  aus  Silberdraht  gefloch- 
tene, mit  burifen  FIitt«Mii  verzierte  Ki*ünchen.  Dieses  wiH 
(hi?(l!  ein  rotes  ^^ezackles  Seidenband  befestigt,  welches  seinen 
Uiikten  Rand  lR?(le(kt  und  hinten  zu  einer  Schleife  «geknüpft 
wird.  Vom  Henid  .sind  nur  am  Halse  die  Spitzen  sichtbar, 
iiock  und  Rockbrust  bestehen  aus  schwarzem  seidenrihnli(  heni 
Sluir.  Der  Rock  ist  unlun  mit  3  Reihen  schwarzem  Siunmt- 
baitd,  die  langen  Aermel  am  Handgelenk  mit  einigen  Reihen 
Sammtband,  das  hoeh  hinaufreichende  geschloseene  Mieder  mit 
Sammtband  eingefasst  and  wagerechi  besetzt.  Vorstecker, 
schwarzes  seidenes  Halstuch,  Schuhe  und  Strümpfe  wie  oben. 
Unterrock  mit  schottischer  Borte,  welche  unter  dem  Rock  her- 
vonieht.  Schwarzseidene  gemusterte  Schürze.  Die  Handehalten 
ein  weisses  Taschentuch,  in  welches  ein  Rosmarinsiengel  ein- 
gewickelt ist. 

3)  Tracht  des  Bräutigams.  Auch  er  hält  ein  Zwei^-^lein 
Rosmarin,  Oros^^er  Hut  inif  steifer  Krempe,  welche  hinten 
einj^eschnillen  und  J»ochgebnn<icn  ist.  Um  diesen  Dreispitz  ist 
eine  hunte  Schnur  geschlun^/'n,  seine  Krempe  dicht  bedeckt 
mit  biintl'ai  higen  Papierbliuu.  a  nnd  goldigen  oder  silberigen 
Gräsern,  liemdkragen  ein  VateimüiUei  nnl  schwarzer  Hals- 
binde umschlungen.  Rothe  Weste  mit  2  Reihen  kleiner  gokiiger 
Knöpfe.  Schwarze  lange  Hose,  an  der  Naht  unterhalb  der 
Tasche  mit  goldigen  Knöpfen  besetzt.  Schwarzer  langer  Rock 
mit  zugenähten  Knopflöchern,  durch  schwarzes  Seidenband  vorn 
geschlossen. 

Im  Uebrigen  vgl. :  Eine  Hochzeit  in  Mietesheim  in  Band  X 

dieses  Jahrbuchs,  S.  i8l.  Die  Trageweise  des  Kranzes  ist  dort 
unrichtig  beschneben,  da  bei  der  betreffenden  Hoctizeit  die 
Krftnze  unrichtig  getragen  wurden.  B.  u.  K. 


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XII. 


Chronik  für  1896. 

18.  Jan.  Zur  Feier  der  Begründung  des  detttschen  Kaiser« 
reich«  vor  ffinf^ndzwanzig  Jahren  findet  ein  Kommers  der 
Studenlenscbaft  zu  Strassburg  statt;  deren  Zahl  bat  in  diesem 
Semester  zum  ersten  Mal  die  Zahl  iOOO  überschritten. 

Am  8.  Marz  starb  der  elsässiscbe  Schriftsteller  Alphons 
Pick  zu  Strassburg,  ^'cl>.  ebenda  4.  Juni  1808. 

4. — 7.  Apiil:  13.  Verbandstag  des  deutschen  Techniker- 
Vereins  in  Slrat-sburg. 

16.  Mai :  das  Lyceum  zu  Strassburg  feiert  sein  25 jähriges 
Bestehen. 

4.  Juli:  iMoilnun;^  <le«  neuen  Bezirk-sarchivs  in  Strassbmj^^. 

(>.  Au^-^iisl :  liiitliuilun};  des  Denkmals  fiir  den  elieinalijreri 
iU'icbsta>(ä<  und  Lande^^usschussabgcordnelen  Charles  Grad  in 
Türkbeini. 

23.—*^.  September:  der  Deutsche  Verein  für  Armenpflege' 
und  Wohlthätigkeit  hfilt  seioe  16.  Jahresversammlung  in  Strass- 
burg ab. 

Am  26.  Nov.  starb  Christian  Wurst,  Buchdrucker  und 
Dichter,  58  jährig,  zu  Strassburg. 

Am  t>5.  Dez.  starb  der  Schriflsleller  KonsistorialprSsident 
A.  SdiäfTer  in  Colmar. 


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Xlll. 

Sitzungsberichte . 

Vor  Standssitzung 

29.  November  1896,  im  neuen  Besirksarcbivgebäude,  Schwarz- 
waldfttrasse. 

Anwosend:  die  HH.  Barack,  Erichson,  EuJini?,  Faber, 
Francke,   Harborüt,    Kassel,  Lienhart,   Martin,  Mündel,  v. 

SchliiinlKM%;or,  Wie^'atid. 

D.  r  Vor-^it/t  ii.lt«,  Herr  Prof.  Marlin,  lej?l  zunächst  die  für 
den  IM.  des  Jnlirhiu Iis  ointrelaufotx  ii  Arbeilen  vor  und  ver- 
teilt dieselben  zur  Einsi^M  und  Beurteilung  unter  die  anwe- 

aenden  Mil«rlieder. 

Da  erlVeulh  hfrweise  auch  in  diesem  Jalii'  wiciltM  ein  /ii- 
war.liM  an  Mil;:li<'<h'rii  711  verzeiclinen  ist,  so  wini  b<;sclil(iss.'n. 
das  Dfiehsle  .lahii>iuli  in  t2iKX>  Exemplaren  ber/uslellen,  um 
allen  Bedürfnissen  ent};e<jenzukonuneu. 

folgt  darauf  die 

Allgemeine  Sitzung. 

Der  Vorsitzende  eri)flnel  «lioselljo  niil  tleui  llechensclialts- 
berichl  über  die  Kntwickelung  des  /weig Vereins  im  abgelaufenen 
Jahre  und  stellt  namentlich  unter  Hinweis  auf  das  im  12.  Bd. 
enthaltene  Gesamtregister  aller  bis  jetzt  vom  Zweigverein  veröf« 
fentlichten  Arbeiten  fest,  dass  derselbe  der  im  ö  1  der  Sat- 
sangen  ihm  gestellten  dreifachen  Aufgabe  gerecht  geworden  ist. 

Die  Jahresrechnung  wird  von  den  Mitgliedern  Dr.  Fritz 
und  Dr.  Witte  geprüft  und  für  richtig  befunden,  worauf  dem 
Vorstand  Entlastung  erleilt  wird. 


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—   231  — 

Bei  der  nun  folgenden  Neuwahl  wurde  auf  Vorschlag  von 
Dr.  Bechstein  der  hishenge  VursitiEende  und  der  gesamte  Vor- 
aland durch  Zuruf  wieder^^ewähll. 

Zum  Schluss  hielt  Herr  Prof.  Dr.  Wit  .Liaml  einen  Vortrag 
Qber  die  FliiJ^entünilichkeiten  den  archivaiisciien  DieusU's  und  dnsi 
W»»s<^n  der  Bezirlvsarc.hiv«?  im  Elsn.ss,  nn  woNhcn  sirli  iiiifi^r 
Fiilirung  <Ies  Vorti'ajrondon  ojne  nin'f:i'litMi(l('  HesifhliL^un^^  dfs 
neuen  (iezirksarcbivj^cbuudes  und  -seiner  inneren  Einrichtung 
Schlots. 

Vorstandssitzung 

17.  März  181>7,   im  •^ennani'-Hsrhen  Seminar  df»r  fhiivorsilät. 

Anwesend:  dio  HH.  Barark,  Frinfist»n,  Ijilin;^,  Fianrke, 
Harbordf,  Kassel,  Lienharl,  Marlin,  Mümlel,  Kenainl,  v.  Schlum- 
l>erjTer,  Wie/aiid,  sowi»^  der  Schrit'lführer  des  Cenlraiau«sciiUÄses 
Direktor  Dr.  Lutlumr. 

Entschuldigt:  Faber,  llime. 

Der  Vorsitzende  leilf  den  Inhalt  einer  Zuschria  Sr.  Dunh- 
laucht  des  FQrsten  Stall  ha  Hers  mit,  in  welcher  der  Dank  für 
die  Zusendung  des  letzten  Jahrbuchs  ausgedruckt  ist,  sowie  ein 
Schreiben  Sr.  £xvellenz  des  Herrn  Staatssekretärs  v.  Piittkamer 
vom  23.  Dezember  1896,  in  welchem  wiederum  ein  Zuschuss 
von  30()  Mk.  als  Beihilfe  ITir  das  Jahrbuch  gewahrt  wird. 

Nacli  filier  »  in^ielienden  Besprechung^  un<l  Beurteilung  der 
ein;;elaui'enen  Arbeiten  wird  die  Keihenfolge  derselben  ffir  den 
Druck  festgesetzt. 


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LOAN  DEPT. 

Renewcd  books  are  subjea  to  immedi«*  »»Ii. 


STKCKS  1  ^ 


(G442t8l0)476B 


General  Ltbraty  . 
UniTcnity  of  Califonu« 
Beckeier 


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