Jahrbuch für
Geschichte,
Sprache und
Literatur
Elsass-Lothri
r
Historisch-Littera
Zweigverein des
yogesen-Clubs
JAHRBUCH
FÜR
GESCHlCHTü, SPRACHE UiNÜ LlTTtKATUR
ELSAi5S-l.UTllRli\GJir^S
HERAUSGEGEREN
VON DEM
HISTÜRISCH-UTTERARISCHEN ZWEiGVERElN
DRS
VOGESBN-CLÜBS.
XI. JAHRGANG.
SiKASSBURG
J. H. ED. HEITZ (HEITZ MÜNDEL)
j 8y3.
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Inhalt.
Seite
I. (iediclif.p. von f! h r i « t i .1 ii S r. h m i t f . . 1
II. Znr Qaachichtft der Stadt Riifach von T h e o b a I d
W Alt er 4
III Jorg Wickram von Eug. Waldner 6
IV. Die Grafschaft Ober-Ssiro in den Vogesen von Stieve
(Zahern) .... 7
V. Der golciene Wagen vom Heichensee (eine Mordfeldisage)
von A Barg mann . 20
VI Elf darch Lenz. Vo8b, Ciotter und Gockingk an
Pfeffel gerichtete Briefe von Schoell 21
VII. Allerlei us um Westrich von Stengel H9
VIII Ans vergilbten Papicion. Ein älteres Gedicht in el.sabhi-
scher Mundart 72
IX. Die goldenen Eierachalen vom Ungstein von Ferdi-
nand Rani ian , . , , , . 7h.
X, Die Rgfacher Vornamen von Heinrich Meng es . 77
XI. Strassburger Redensarten Mitgeteilt von einem oinhoimt-
Bchen Sprachkundigen . . . . 110
XII. Anekdoten ans Alt-Strasabiirg von A. Fried rieb . 132
XIII. Dö Päradegs an d'Hrdl. (Mundart von Qentringen, bei
Diedenbofcn.) Von M. Arnold 1H6
851856
— IV — .
<'XIV Zur Volkskande im alten Hananerland von Dr. Kassel 138
XV Die Knnkelytnbe (Fortaetzang) von Hans Lienhart. 202
XVt Die Mfinsterthäler Vornamen. Ein Nachtrag zu Jahr-
buch X. S. 2«il) -2S:t. Van .1. Spiosor. . 2(>9
XVIl. Die luundartlichoii Fo> men der Ortsnannjn der Umge-
gend von WaMbamhach von J. Spieser . ■ . 211
YVTII Phrnnik für IS^i . 22ä
XIX. Sit znngs Protokolle 226
. ii 1 : .'. .1.,; 'i;-t 1[ A ^uj. it . .! . ^-»j A 11/
i-Hi 11 .ji 1 M-.i I 1.. V Tu. Ii. II. Ii', ;. ml .ili>.
o'
1.
Gedichte.
Von
Christian Schmitt.
I.
Im Bergforst.
(Nach traben Krankheitstagen.)
(BatoUnd«n in Boeken am Zttriebtee,)
Breit' aus dein grünes Wipfeldach
Und nimm mieli aaf, n rattea
Fwn von des Leben« Ungemach
Dnd Ton dee Alltags Hasten.
Ich komm, in deinem ibchuttendom,
Umspielt vom DSmmerblinken
Und von der Dölte Flntenstrom,
Mir Hoffnungsmnt sn trinken.
Wohlan, durch deine Wundeikratt
Läse Leib nnd Geist geiMsen,
Nachdem in dfistrer Schmeraenshaft
Gefangen »h gewesen!
Noch einmal möcht' ich kühn empor
Wie deine Tannen streben.
Noch einmal mit der BrtLder Chor
Ins Reich der Schönheit schweben.
Besiege do, o Wald, den Bann
Und löse da die Schwingen,
Damit ich froh aufs neue kann
Aach deine Pracht besingen I
Abseits.
(Entstanden iu Am am Züricltsee.)
Dem Lärm der Welt entfloh'n, dem werktaglanten,
Bin ich znr engen Schlucht hinabgestiegen.
Au deren Hang sich scheue Büsche schmiegen,
Di« Mlton eines lieneehen Antllts scbaaten.
Des Lenzes Höhen wa&ser, die hier braaten,
Liest in dem äteingeröll die Qlut versiegen
Zuni Rietelbiek, ton dem sich tansend wiegen
Die Falter in den Fottt, den ftberblanten. —
Auf jenem Fels will icli int Hoot mieh legen,
Qeboigen toy des faeissen Mittags Helle
Und Tor dem 8tanb anf schattenlosen Wegen.
Dort mag der Gott des Tranms, der flOgeUehnelle,
Mir Hüter sein, indes der Freundschaft pflegen
Mein Uexascblag and das Lied der Plfttscberwelle*
III.
RUokkehr aus der Schweis.
(im.)
Hit schimmerndem Gefieder
Fliegt mir voraus, ihr Lieder,
Zum grünen Alsastiand!
Ich fahre jauchzend wieder
Hernieder
Ins Land, wo meine Wiege stand.
0 Heimat, einng eine,
Zu dir ziebrs mich zurftclil
Der fremden Reize keine
Bezaubern mich wie »leine : —
Am Wasgau nur, am Rheine
Blüht mir das GIdckl
Wohl ist im Souimeipi äugen
Der Hochwelt aufgegangen
Mein Herz nnd tief erglüht;
Und doch hielt ein Verlangen
Gefangen,
Wie leise? Sehnen, mein Oemftt.
0 Heimat, einzig eine,
Zn dir zieht's mich zurück !
Der fremden Resse keine
Bezaubern mich wie deine :
Am Wasgau nur. am Rheine
Blüht mir das Glück!
Nan sind die Alpengauen
Entschwunden fern im Blauen
Mit Berg und Wald und See'n;
t ioh darf ich wiederschuueu
Di« AiMOj
Wo meiner Kinilheit Tempel etebn
0 Heimat, einzig eine.
Zu t^ir ziebVs mich zurück!
Der fremden Reize keine
Bezaabern mich wie deine: —
Am Wasgan nur, am Bheitie
Biflbt mir das Olftckl
Die Abeudsctiatlen sinken,
Und ernst zu meiner Linken
Bagt der Togeaendom;
Zur Be«]itaii seh* ieh blinken
Und winken
Den Bilberbcllen Jurastrom.
0 Heimat, einzig eine,
Zu dir zieht's mich zurück!
Der fremden Beise kaine
Bezaubern mich wie deine: —
Am Wasgan nur, am Rheine
Blüht mir das Glück! —
Manch' Bild mag mich nmschweben
Und meinen Traum durchwehen
Mit hellem Wunderschein: —
Keins wird, wie du, beleben
Mein Streben,
Denn lieben kann iek dich allaint
0 Heimat, einzig eine,
Zu dir ziehls mich zurück!
Der fremden Reize keine
Bezaubern mich wie deine: —
Am Wasgau nur, am Rheine
Blftht mir das Glackl
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II.
Zur
Geschichte der Stadt liuläch.
Mitteilung
von
Theobald Walter.
JJie alte Bischofssiailt Rufach, am Fusse eiii«s Rebhfigels
^^ele^en, auf welchem sich die alte merowinjjische Isenburg
erhob, führt ihre Sonderstellung in der Geschichte unserer
el:<assi.schen Städte auf ein Dokument zurück, welches König
Da<,">lteri im Jahre 602 auf der Isenburg ausj!^estcllt haben poII.
Tn fliostM- Urknntle schenkt nämlicli ])agohert 11. (irr Kiiclie zu
Sii,;-sljurg (leii «pa^'i qui vocalui Riibiaca» aus Dankl)aikeit
<l;U'nr, <la«äs Bischof Arhojj^^asl .seinen totnn Sohn Sieghert wieder
zum Leben erweckt liat. Die Unechtiieil der Urkunde ist indes
längst erwiesen.»
Als man in der Zeit Ludwig XIV. den 'alten Rechten und
Freiheilen unserer elsässischen Siüdte zu Leibe ging, suchte
der Magistrat der Stadt Rufach alle alten Rechtsdokumente
zusammen und äbermittelte sie dem Erzbischof von Paris, da-
mit derselbe durch seine Beziehungen zum königlichen Hofe
von dem Könige eine neue Hcstätigungsurkunde für die ge-
änystigte Stadt erlange. Die lienuHiungen waren indes vergehen'?:
im Jahre 1705 erhielt der Magistrat einen eijrenhändi^'en Biief
von dem Erzbischof, wonach der König erklart haben soll
^ Die Urkunde ist abgedruckt bei Wiegand, Urkandenbach der
Stadt Straasburg I, 1 ff.
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«qu'il ne vouloit plus donner de ces sortes de lettre», i In
dieser mir vorliegenden Sammlung wird zwar in einem Begleit-
schreiben er2Shlt; «wie dass diese (Stadt Rufach) mit Trier
und Solothum die älteste Statt vor 4100 Jahren von König
Dagoberdt aus Fmnkcnreich erobert und durch Bisfhnf Amnndii«;
zum Chatolischen Glauben bekehren lassen, und nachinahlen dein
nistnru ^t'selicnktj, aber als fdtestei Rechtstit»'! figuriert eine
L i künde des Kaisers Wenzeslaus aus <lem Jahre 1384. Da diese
C'rkunde allen spatern als Stützpunkt dient, möge sie hier
wortgetreu lolgen.
War Wänetzläws Von Gottes gnaden Römischer König zue
allenzeiten llehrer des Reiches vnd König zue Beheim etc. 6e-
khennen vnd ihnen Khundt ofTentUch mit diesem BriefT, allen
den die Ihnen sehen oder hören lesen, dass Wur Haben ange-
sehn Dienst vnd Trewe, Alss vnss der Ehrwürdig fViderich,
BischofT Zue Sirassburg vnser Liebe Newe vnd first gethan Hat
vnd (irbass Thuen soll in Khönfltigen Zeiten, und Haben da
rumben mit wolbedachtem mueth mit guetem Rath vnsrer
tür.sten, Edlen vnd getrewen, thirrh Sondtcriichc Befh willen
desselben vnsers newen den Bürgern viull Lüflien gesessen
Zue Iluftach in der Statt vnd auch daraus;», die in dieselbe
gericht Vop:fey g'ehoron, vnd ihren Nachkomen die besondlere
gnadt gelhau, vndt thuen ihnen die mit Crafll dieses Briefs,
dass Niemand der da sey dieselbe Leuth alle, oder iren einer
Besondters flr kein Landtgericht, oder andler gericht firtreiben,
Laden oder Bekümmern solle oder möge in Keiner weiss,
Sondter wer zue ihnen ichts fursprechen hat, der soll das
suchen, vor dem Schultheissen daselbst^ vnd nirgenls andters
wo, do jederman recht soll widerfahren, es' wäre dann, dass
einem da recht nicht widerfahren möchte, oder \( i s.igt wmAc
der mag es dann firbass suechen, alss sich das den Heischet,
darunih gebieten wür allen vnd jeglichen Landrielilern andern
richtern, vnd auch sonst aller inänniglich, uie die genant seind,
vnsseren vnd des Reichs Lieben gelrewen, dass Sie die eL^e-
nante vnsere getrewe von Rulladi, vnd die in diesell>e geru lit-
vogtey vnd Pflege gehören, wo die gesessen seind, wider solch
vnsrer gnadt lir keine ihre gericht vndt Landtiichle lirbass
nicht Bekfimem Laden, oder Grtreiben, oder Sie Laden firtreiben
oder Bekümern lassen, vnd auch kein vrlhet vber Sie thuen
in keiner weiss, wan ob dawider ichts geschehe, dass soll kein
CralTt noch macht haben, wan wir dass mit diesem Brieff ab-
thuen vnd Tilgen gäntzlich vnd mit ganizeni wissen, daryber
1 Stadtaxehiv AA 2.
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— 6 —
auch irer doch (? unleserlich) freuentlich Ihele wider ihre frey-
heit, so Er der Khündtlichen vnlerweisct wäre, der soll in
vnssere vnd des jj^erichts schwehre vngiiadt vnd Zur Peeae
Zvvantzig Mark ;^^>ldes, die Hiilh in vnsere vnd des Reichs
Gammeni vnd halb den egenanten getallen soll sein.
Mit Urkliüiidt dieses Briefes versigelt mit vnserm KönigJ.
Majestät Insigel, geben Zue Lentzburg, dreynhfihundert darnach
in dem vier vnd achtigsten Jahre» am milwuchen vor sant
Martinstag. 1 '
1 Stadtarehiv AA 1.
lU.
Jörg Wickram.
In eir)»'in Urbar <ios St. Mnrtinsslifts zu Colmar v. J. 155B
wird W ickram als Maler bezeieiiiiol :
«Fryderich Kriegelstein zinst jährlich 12 '/«ß von einem
iiauP am ke^i^e^lin als man zun barfussern gat, ist ein eck-
hauP, ein seit neben her Hansen Serrern, anderseit neben
Jer^ Wickram dem maier» .
Damals war W. zwar schon in Burkheim, doch kann er
noch EigentbQmer des Hauses in Colmar gewesen sein ; dieser
Einfrag ist übrigens, wie dabei bemerkt, von einer Alleren
Aufzeichnung abgeschrieben,
Eug. Waldner.
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IV.
Die Grafschaft Ober-Salm
in den Vogesen.
Von
Stieve zu Zabern,
Ehrenpräsident des Yogestnklabs.
Widerich Graf im Trier- und Ifeda-Gau, Pfalzgraf zu
Achen 877 — 926 gilt als Stammvater der Grafen Salm.
Giselbert Graf von Luxemburg und Salm 1056 — 105U.
Heinrich I Grat' von Salm 1130--1163 hatte mel Söhne :
Friedrich
Stammvater der Salm in den
Ardennen (.Belgien) — Alt- oder
Nieder-Salm (rote Salmen und
rote Kreuze auf silbernem Schild).
aasgestorben mit
Heinrich VIII 28. September
1408. fiel in der Schlacht bei
Ottree als Bannerträger der Stadt
Lüttich gegen ihrcu Bischof Jo-
hann von Baiern.
Heinrich VIII hatte zani
Erben ernannt ssinen nächsten
Verwandten (Sohn seiner Schwe-
ster) Grafen Johann von Reiffer-
scheid.
Uerrmanh Oral von &>aim-
Reifferscheid war 1021—99 Kom-
mandant von Zabern im Dienst
des Bischofs von Stcassborg gegen
Mansfeld.
Heinrich II
Stammvater der Grafen von Ober-
Salm in den Yogeaeo, CM von
Blamont (Silberne Salmen in
einem mit silbernen Kreuzen be-
streuten roten Felde)
nm 1200, hatte eine schwere Fehde
gegen den Bischof von Metz, und
zog gegen denselben mit Reinald
Graf von Bar. Zweitausend Metzer
wiirdpn eripchlaii'en. Ein Vergleich
kiiin zu Ötande durch den hl.
Bernard von Clairvaux. Graf
Hf itn ich von Salm gab einen Teil
dessen, was er der Abtei Senones
weggenommen hatte , wieder
heraas.
Digiti/ea by CoOgle
— 8 ~
Die Abtei Senones ist gegründel 661 von Gondebert Erzbischof
von Sens. Dieser entsagte dem Erzbistum und zog aU Missionar
mit einigen Priestern seiner Diözese in die Vogesen an die
Ufer des Rabodeau, um der Arbeit und dem Apostolat zu
dienen nach Benediktiner-Regel. Sdienkung des Königs Ghil-
derich 661. iH r Name Senoiies kommt von Sens.
Unter den Karolinj^ern wurde die Abtei Senones ein Lelien
der Bischöfe von Metz. Bischof Drogo von Metz war ein Sohn
Kail's des Grossen, — Um 1000 war Geraixl von Türken^ein
Vogt der Abtei Senones,
Seit Ende des H. Jahrh. gelangte die Vogtschaft an
das iiaus Sulni- l>laiiionl.
VV(?il das Schlüss Blamuiil lu ('n\\(^<^cn war, ethielt Graf
lieiiirich II, welcher um i'20() Jutlilli von Lothringen (eine
Schwester des Herzogs Kerry) geheiratet hatte, vom Abt Gerard von
Senones die Erlaubnis, im Breuschfbal ein Schloss zu bauen,
etwa 1 Meile vom Donon, aber unter der Bedingung, dass er
kein Recht auf die Menscben, Gewässer, Walder und andere
Dependensen der Abtei baben solle. Er baute Schloss Salm 1S04.
Der Besitz der Abtei war ein sehr bedeutender, vom
Donon (Sarazenen- Weg) bogiDnend, das ganze obere Breuscb-
tbal l)i.s jenseits des Babodeau« einige 30 Dörter^ dazu viele
Guter in I.nthrinjron und Elsass.
Noch bei Leiizeiten Heinrichs H machte sein Sühn Hein-
rich ni es sich zur Auf{7al>e, die Abtei zu boranhen. setzte
3 Möncho iiefnngüii, dachte »laran, sich die Kai-oikionp zu
erwerljcii (lil-j, seinen Vater zu entsetzen nnd !?ich dio Vogt-
Schaft von Senones zu verschaffen. Er ualun aber ein trauriges
Ende. Sein Weib Sibtlla (Tochter des Grafen von- Bar) war
unfruchtbar. Die Eheleute liessen sich von ihrem Arzt ein
Mittel geben, welches liei der Gr&fin wirkte, aber den Grafen
tötete. Er wurde in der Abtei« Kirche von Haule-Seille be-
graben ; am nächsten Tage hdrte man in seioer Gruft dumpfes
Stöhnen ; man öffnete und fand ihn das Gesicht gegen die Ei*de
gewandt und erstickt.
Der Vater Heinrich H wurde sodann (iti-iO) von dem
zwei ton Sohn Friedrich aus dem Schlos-s Blamont ver-
trieben und starb auf Schloss Sahn.
Graf Frlcihich vergrössertc seine Hcrr.-clinft auf Kosten
der Allfeien Ilanle-Seille, St. Sauveur und Scrione?.. Er nahut
der Abtei Senones alles bis auf 8 Leute, welcJie zum Kirchen-
dienst notwendig waren, f 1247.
Ebenso gewaltsam verfuhr sein Neffe, der ihm folgte,
Heinrich IV (postumus Heinrich*s III), welcher Isabetla von
Lothringen geheiratet halle, und von der Abtei Senones die
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— 9
Schlösser Salm und Pierre-Percee sowie die Vogtschalt zu
Lehn trug. Er entdeckte die Eisen-Minen des Donon und beutele
sie aus, und zog An.«ipdler dorthin, welche frei wurden. Er
gründete Grandfontaine, Kraniont, MinitVre«. Ih'i Abt von
Senones bescliwerfe <ich üb^r diese Ein^riide l>eiiii I»iscliof von
Metz, dem Suzerain dej> Senoner Thuirs. Der l>i!^cllol, erzürnt
üljcr den Einj^riff in seine und der Abtei Rechte, liess die An-
lajicn des Graten Salm zerstören. Heinrich, von Schulden ge-
drückt und niinirty nahm seine Schlösser Salm and Pierre-Percte
vom Bischof von Metz xu Lehn. Er rSchle sich aber an der
Abtei Senones und Üess sie plündern, und schlug für seine
Hüttenwerke eine enorme Masse Holz ih den- Wäldern der
Ablei. Heinrich IV begleitete den jungen Konradin Herzog von
Schwaben 1268, um das Königreich Neapel zu erobern. Er
rettete sich aus der Schlacht von Tagliacozzo und starb in
Oest reich 1271.
I'nter Hoinricb IV bildete sich durch die vielen Ansiedler,
welche \oii ihm her.inj^ezogen wurden, <i.«s Pnlois des Breusch-
thales aus, me» kwürdi;.-- durch die vielen Vokale a und o, z. H.
n;aison-moon ; pouvons-|M.<>ii.s ; couvent-couent, zuerst ungewandt
in einem Verlrage von l'iül.
Sein Sohn Heinrich V (GiMii:ihIin I.ntnelte de Bourgogne)
lieble Kunst und Wissenscliatl, und lebte n.it der Abtei Senones
in Frieden, der einzige seines Stammes. Durch Verl rag mit
Abt Simon von Senones de 1284 wurde er Mtteigentrimer von
80000 Morgen Wald, (f 1309).
Ihm folgte sein Uruder Johann 1,
dann dessen Sohn Nicolaus,
dessen Sohn Johann H,
dessen Sohn Simon,
dessen Sohn Johann III.
Johann UI kaufte (mit der Bedingaug des HOckkaufs)
vom Bischof von Strassburg (1330) die Stadt und das Scbloss
Schirmeck und das obere Breuschthal, soweit es nicht Senones
gehörte, für 12000 fl. Er war ein Haudegen. In der Schlacht
von Ligny g(^n den Bischof von Metz begleitete er jeden Hieb
mit dem Schrei : tau parmentier», bis er selbst niedergehauen
wurde.
Sein Sohn Heinrich VI stand Anfangs unter Vormundschaft
dor Margaretha von Blamont (lo()S) und fiel gegen die Eng-
länder (englischen Kompagnien unter Enguerand de (loucy).
l^e^spu Sohn Heinrich VII fiel 1431 in dorSrhlathf vcnBoul-
j^eville ;:t'r:en den Herzo- Anl<>!i von Vaudonienf. Kr iiintt'rliess
zwei Söhne, unter denen die Gratschafi geteilt wurde 1431 :
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— 10
Heinrich VIII, welcher im
Bnnde mit dem Bischof von
Stxassburg 1471 das chüteau de
la Roche (bei Bellefosse), ein ca-
stellmn pr;idatürium ^Baabxitter*
Schlo&s) zerstörte.
Simon fiel anter Adolf von
Na?caTi, ohne Kinder, und hinter-
lit'äü iiiit halbe Graiaciiuli seiner
Nichte Johanna Ehefrau dei
Fhoi:i[:rafea Johann von Som-
mersberg.
Beide Linien hielten im Bauernkrieg (iSS5) mit dem Herzoge
Anton von Lothringen zusammen, besonders Heinrich VIII,
welcher zur Belohnung vom Herzog mit den Herrschaften Fins-
tingen und Chaligny belehnt wurde, und bald darauf Marschall
von Lothringen und Bur wurde.
1534 brannte die Abtei Senones und der ^^rösste Teil der
Stutit Senones nieder. Der Sohn Heinrti h's VIII, Heinrich IX,
war ebenfalls Marschall von Lothrinjren nml (lOMvei iieur von
Nancy 1550, und zeich ru U; sich um Hofe Kaiser Karl V in
versciiiedenen Geschäften aus.
Das Haus Sahn befreite sich um diese Zeil (da Melz an
t iaiikreich verloren gin;j) von der Lehusabhängigkeit von den
Bischöfen von Metz. Der Rbeingraf Jak5b von Salm war 1460 dm*
letzte gewesen, welcher dem Bischof Georg von Baden fQr die
Schlösser Salm und Pierre-Percte den Lehnseid leistete. 1473
erhielt er die Investitur von Kaiser Friedrich III, und seitdem
alle seine Nochfolger von den deutschen Kaisern.
Der Abt von Senones aber anerkannte die Souveränität der
Herzöge von Lothringen.
Der Rheiti'r^raf Sahii-Sommersberg halle 1540 den Cal\ inisnius
an;icnoni!Jieii. Die Graten Salin hesa^^sen noch nichts in Senone-^.
Sie lit'uut/teii den Toil Je« Abtes r\a(li)ux und die Neuwahl des
Abtes liavillo, leisten eine Garnison in die .\btei, und zwangen
den Abf, ihre Heirschatl anzuerkennen loOi. Sie Hessen die
lutiuia^i.->cheü Wappen herunlcrreissen, um .'>ie ikircli die des
Reiches zu ersetzen (1506) und proklamierten ihre Herrschaft in
folgender Weise, 30, September 1571:
Die Grafen Jobann IX (ältere Linie) und der Rhein- und
Wildgraf Friedrich von Salm (comle sau vage du Rhin et de
Salm) beriefen das Volk aus dem ganzen Gebiet der Ablei ins
Kloster; 20 Dörfer begaben sich in Masse dahin, die übrigen
Hessen sich durch ihre Magistrate vertreten. Die Grafen ver-
sprachen ihnen ein vaterliches Regiment. Das Volk schwur
ihnen Treue und Gehorsam. Ein Notar wurde herbeig»»njren
und der Akt von den Grafen und fol<^«^ndon Dörfern nnter-
zeichiief : Lahi'orjup, r.e^'jneiflles, Kroide-Fttnlaine. Salm, St.
Dlii-t', Bau tie la Koche, Vipuceite, .\lbet, Fiecunrupt, \'ac-
quenou.x, Grandl'ontaine, Plaine, Poutay, Dispach» Saulxurcs,
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— 11 —
Champenay^ Senoaes, le Mönil, St. Maarice, Vermont, Sattlcy,
Pelite-Raon, Moussey, Cbatas, le Puil, BellevauU.
Gegen dieses revolutionäre Vorgehen wandte sich die Abfer
lim Schutz an den kaiserlichen Landvogt Polwiller zu Hagenau,
welclier zu Gunsten der Abtei entschied. Die Graten apellirlen
an das Reichsgericht zu Speier. Kaiser Maximilian II nahm
(1572) die Abfei Senones unter seinen Schutz und t>eaufti'agte
den Bischot von Strassburg mit der Restitution 1573. F< blieb
aber dai>ei. Die Abtei verlor 116000 Moi'^'en Wald, die Hulteft
von Framont, die Dörfer, die Mühlen, Kalkofeu, Sagemühlen,
i'io Kirchen wurden simultan, weil die allere Linie Salm den»
Glauben treu blieb.
Diese ältere Linie starb übrigens jnil dorn üben erwähnten
Jobann L\ aus. Dessen Erbtochter Christine heiratete 1597
den Herzog Frans von Lothringen, Grafen von Vaudemont, den
Stammvater des jetzigen östreich i sehen Kaiser-
hauses. Aus diesem Anlass wurde am 8. und 9. September
1506 zu Badenweiler (Baudonviller), der Hauptstadt der Graf-
schaft, eine Teilung der seit 1^1 l^slehenden Gemeinschaft
gemacht, welche jedoch keineswegs das Terrilorium reell
halbierte, sondern nur die verschiedenen Anteile jeder Linie an
den einzehien Bestandteilen der Grafschaft fixierte.
Dieselbe ist unterzeichnet von:
Jan Conte De Salm- und Fri ReingrafT (Friedrich), und
findet sich abgedruckt in dem Bullolin de la Societe Philomatique
Vosjiienne ä St. Dic^ 1891, S. 370-^99; vgl. Gravier, histoire
de St. Die, Epinal, Gerard 1836.
Mit der Beraubung der Abtei (1571) hatten die Grafen ihr
Ziel j^ejxenübpr der Ablei erreicht, und gaben auch den damnls
vun iliiu'n an^'^enomnKMien Galvinismus bald wieder auf. Selion
. dei Siihn des» JUieinjj^rafen Frieili icb, Philipp Otto Rheingraf
Von Sahn, schwur denselben wieder ab und wurde von Kiiiser
Ferdinand II am 8. Januar KWJ in den Reichslüisteu -Stand
erhoben. Auch diese Ui kuuile ist in dem erwuiinten Bulletin
S. 400^103 abgedruckt. In derselben wird Philipp Otto Comte
sau vage de Dhaun et de Kirbourg, Rhingitive de Stain et
Gomte de Salm, conseiller en notre conseil de guerre et un de
aos colonels wegen seiner den Kaisern Rudolf II und Mathias
sowie dem Kaiser Ferdinand selbst in den TQrkenkriegen und
im 30jährigen Kriege und .sonst geleisteten Dienste mit dem
Recht der Nachfolge für den ältesten Sohn, als Besitzer
der Grafschaft Salm zum Reichst nrslen von Salm
erhoben. Das ganze Fürstentum ward wieder katholisch.
Philipp Otto Fürst von Salm f 163'^.
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_ 12 -
Sein Sohn Ludwig fiel bei der Belaji^erunir von St. Omer
ualer Piccoloinini und hinterliess keine Kinder.
I^essen l^nidoi 1 »'Kj old n;dini seinen Sitz aut dem Ueiclis-
ta;r in liegt-iisliuig nicht olinü Widerspruch mehrerer Fürsten
1(>54 ein, f l^'«^-
Dessen Solin Karl war Oimvenieur des Kaisers Joseph 1.
Herzog: Franz von Lothrin^jfen, auf welchen die fdtere Linie
Sahn überging (f 1(332), hatte als Nachfolger seinen Sohn
Uenog Kart IV, welcher im 30 jahrigen Kriege treu zum
Kaiser stand gegen Schweden und Frankreich. Die Schweden
okkupierten das Elsass unter Bernhard Ton Weimar und drangen
durch die Grafschaft Salm nach St. Di^ 1633. Herzog Karl
warf sie zurück nach dem Elsass und nahm Slellung bei Zaborn.
Oxenstjerna beklagte sich deshalb bei Lonis XIII, und Riehe»
lieu nahm daraus Veranlassung, durch das Parlament von
Paris 30. Juli 1H33 ein arr^t zu erlassen, das Herzogtum Bar
we'^»^znnphnif'ii, weil Herzog; Karl nicht dem König von Fi'ank-
reich den Li luisei«! j,;eleislet habe.
In diese '/- il fallen die ärgsten Greuelthaten der Schweden in
Lotltrin^en und die Zerstörung des Schlosses S.dni. Die Schweden
legten lü35 Sl. Die in Asche, iiuntier un«l Pest rallten die
Bevötkerang hinweg. 1(i40 verliess Karl sein Land. Die Schweden
waren nunmehr die Herren des unglQcklichen Landes und
verübten die ärgsten Barbareien. Sl, Di«^ wurde im 30 jährigen
Kriege von den französischen, schwedischen und kaiserlichen
Armeen mehr wie 20mal geplündert und von den Einwohnern
veil;iss< n. Die Schweden zerstörten um 1640 Schloss Salm.
Louis XIV erhielt durch den Frieden von Nym wegen (H>79)
<lie Histümer von Melz, Toul und Verdun, und das Parlament
von Metz (Reunions-Kaminoi) lienu^priK hfe die 4 Vo^^esen-
Abteien Senones, Moyennmutier, FJiv.il und Sl. Die als Znbelnjr
von Metz und Toul. Le grau'l conseil de France s|ii;i( li der
Abtei Seiuuies die Hfdfle der Ciralst iiafl Salm zu um! die andere
Hidfle dem König von Fi-ankreich. Aber der Ryswicker Friede
(1097) annullierte diese Teilung. Fürst Karl von Salm hatte
protestiert. Herzog Leopold \xm Lothringen wurde in seine Staaten
wieder eingesetzt und schloss 1709 mit dem Fürsten von Salm
einen Vertrag, wonach, wie in der Teilung von 1598, die Abtei
Senones unter der gemeinschaftlichen Souveränität der beiden
Kontrahenten stehen sollte. Dann schenkte er (1712) seinem
Bruder Franz seinen Anteil an der Abtei.
Herzog Leopold f 1729. Franz HI folj^te ihm. 1733 brach
der Krie^ wegen der Wahl de^ Koni,:'^ \<m pMlen ans. Durch
den Wiener Frieden r». Jmuar 17:it) kam Li«thringen als
Eigentum an Frankreich und zur Nutzniessung an
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— 13 —
Köni^ Stanislaus von Polen» den Schwiegervater Louis XV.
Herzog Franz bekam Toscana und bestieg (als Gemahl der
Kaiserin Maria Theresia) als Franz I den Kaiserthron,
Glückliche Zeit fQr Lothringen unter Stanislas le bienfaisant.
174 i (O.'slr. Erbfolgekriegp) überschriit Prinz Karl den
lUiein, nahm Weissen bur<!, Hagenau. Die iranzösische Armee,
St. Die passirenci, drang durch die Vogesenpasse von Schirmeck,
Markirch und Bonhommo nach dorn Elsa>:s.
Abt von iSenonet» (Bii>ciioi) de Macra schrieb de juslih-
catione.
Abt Petit-Di. lier f 1728. liitn tülgte der berühmte .Go-
schiciits< lireiher Lothringens Dom Cninjet (I7'28— 1757),
dessen mit eclitem Benediktiner-l ioiss geschriebene Werke
noch heule die Grundlage der lothiingischen Gescliichlsforschung
sind:
L*histotre eccl6siaslique et civiie de Lorraine (1728). 3 voL
in-foK Nancy.
L*bistoire des bommes illustres de I^orraine. 2 vol. in-(^
Bru.v.He< 1758.
Die Kloster-Bibliothek umfasste 15000 Bde. Dom (lalmellebfe
sehr einfach, wollte nie die Wohnung des AMes beziehen, liebte
nicht den Glanz ausser dem Ootle-sdienst, lehnte die ihm angc-
hntenon I^islümer ab. Sogar Voltaire, der Nihilist des 18. Jahr-
liiiiaierls, fuldle sich von dem hoscheiilcnei» Golohrten so an-
gezogen, dass er 1748 nach Seuuaes kaui und dod 3 Wochen
lang wie ein Mönch lebte, die Frohnieich na ms- Prozession mit-
machte und das Abt -Gebäude mieten wollte. Noch heute
werden im Kloster (jetzt Fabrik) die Ziminer gezeigt, welche
Voltaire bewohnle. Unter Dom Calmet wurde an die Abteikirche
von 1534 (dreischifTige Basilica) die Fa^ade angebaut. Die dank-
bare Stadt Senones hat ihrem Wohllhäter in der Kirche ein
schönes Grab>Denkma1 gesetzt, auf welchem die von Dom Cal-
met selbst verfasste Inschrift steht:
Hic jacet F. Augustinus Calmet,
Patria lotharius, religione christianus,
Fide catholico-romanus, professione monacus,
Nomine abbas hujus monasterii.
Legi, scripsi, oravi, utinam bene !
Hic especto, donec veniet immutatio mea.
Das Fürstentum Salm wurde von neuem geteilt am 521. De-
zember 1751 zwischen : den Königen von Frankreich und Polen
einerseits, und Nicolaus Leopold erster Fürst von Salm-^
Salm andrerseits, sich diesen Namen beilegend seit seiner
Verheirathung mit Dorothea Agnes geb. Prinzessin von Salm.
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14 —
Dies Mal aber war die TeiluDji; eine territoriale. Der
Plaine-Bach machte die Grenze, linlu Salni| rechts die KOnige,
-welche ausserdem die Baronie Finstingen, Anceviller und einige
andere Dörfer erhielten.
Das Fürstentum Salm umfaaste nunmehr : den Bann von
Salm, die Berge und Waldungen des Donon, die Hültenwerke
Graudlontaine, Labroque, Vipucelle etc. ; den Bann von Plaine
mit den Dörfern Celles, Raon-sur-Plaine, d:)< Ami St Siail
«Ic. ; den Kann von Serjones, Stadt Senones i^wekhe (iurcli den
Vertrafr Hesidenz wurde), die Abtei, die Dörfer dn Menil,
ist. Maurice, Pelit-Haon etc., im ganzen 32 Dörler mit 10000
Einwohnern.
Die Ffirsten Salm regierten wohlwollend und quasi als
konstitutionelle Pörsten. Für das regime municipal (Gemeinde*
Vorsteher) wurden von der Gemeinde drei Kandidaten gewählt,
yon denen der Fürst einen ernannte. Die so ernannten maires
üblen die Polizei und wählten die Friedensrichter,
«in merkwQrdiges präcedens des Dekrets der Assemblfe natio-
nale vom 24. August 1790:
«rl.es juges ."cront ^lus par les jusliciables.w
Die Häle des Fürsten lebten mit den ül)rigen Bürgern als
ihres;;leiclien. Da^ Jahres-Budj^et variierte von 25 — 30000 fr.
Das höchste von 1778 war folgendes :
Lasten des Reiches, Cercle du Hauf-Rhin und
andere Lasten (invariable) 2ü(KX) fr,
10 Brandsprifzen ä distribuer 500 —
Unterhalt der übrigen Khi ^
Armen-Arat 3li0 —
Chirurg 300 —
Dotcndieny^t (mes.'>ager) 170 —
für Brücken, Landstrassen, Inspektor und piqueur 4000 —
30370 —
Aus den Waldungen, Feldern, Wiesen, Hütten-
werken, Mühlen, Renten pp. bezogen die
Fürsten jährlich etwa 17S000 —
Total pp. 200000 fr.
Das Budget wurde jährlich vom Conseil des Fürsten unter
die 32 Gemeinden verteilt. Die maire:» machten die Deklara-
tionen, und letzlere wurden von Kommissaren geprüft, die vom
Volk gewählt waren.
Prozesse waren selten und wurden von dem Grand-bailli,
der zugleich Intendant war, entschieden.
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— 15 —
Die Finanzen waren in der Hand eines Beceveur g^nöral
und eines conseiller auditeur des coinptcs und eines zweiten
conseiller.
Die bewafTnete Macht bestand aus 30 Mann, weni^'er zum
Luxus, wie aU Kontingent des Fürstentums zum Cercle du
Haut-RIiin. Sie halle dreifachen Dienst : an den Grenzen, im
Innern unrl die Sch!oss-Waclie in der Hcsidenz Sonnnes.
Mit dem Bau des Schlosse? in Senones wuidf i>;ilfl unrh 1751
begonnen. \om Marktplatz jjelangt man durch einen ihurweg
auf den ge»äumi«(en Sclilossplatz. Das Scidoss ist heute eine
Spinnerei, und iül aichitekluuiscli unbedeutend. Vor demselben
steht eine Denksauie des lOOjüliri^en Jubiläums der Vereinig-
uns( mit Frankreich, auf der einen Seile die Jahreszabl 1793
mit dem Salm'schen Wappen, auf der anderen 1893 mit dem
gallisctien Hahn.
Unter dem patriarctiatiscben Regiment der Ftlrsten war das
Volk glöcklicb und treu. Ffirst Nikolaus Leopold von Salni-Sulm,
le prince-pere «jennnnl, starb 1770. Er halte aus erster Elie 18
Kinder. Da der äheste Solni schon verstorben war, ernannte
er testamentarisch seinen nächsten Sohn Louis zu seinem Nach-
f<'l;,'cr. Derselbe halle aber scIhhi die Sululiakonats-AVeihe
ernpt.inj^en. Sem Hiuder Maximilian maclite ihm deshalb die
Succesiuii streitig. Aber die Brüder einii-teii sich, indem Louis
dem Maximilian das Fürstentum Hoogslraten überliess.
Fürst Louis von Salm-Salm machte sich auf den Weg nach
Rom, um den Elie-Dispens tu erhalten, erhielt ihn aber nicht
und t 1778.
Ihm folgte sein Neffe Gonstantin, ein Sohn Maximilians,
unter der Vormundschaft des Wilhelm von Salm Bischofs von
Tournay, des jüngsten Sohnes des Fürsten Nikolaus Leopold.
Mit dem Fürsten Gonstantin gehl die Hen si hafl der Snlme
in den Vogesen zu Ende, ebenso wie die Existenz der Abtei
Senonos. Beide wurden verschlungen von der grossen fraozd-
sischen Devolution. Und zwar kam das so.
Das Jahr 1792 war ein Huni^erjrihr. l>urch Dekret vom
8. Dezember 17^hJ verbot die Convention nationale von Paris
bei Todesstrafe die Ausfuhr von (ietieide. Das Fürstentum Saint
lag als Enklave rings vom tVanzösischen Gebiet umschlossen.
Der Fürst Gonstantin hielt sich in Sirassburg auf und konnte
beim besten Willen das Elend seiner Unlerthanen nicht lindern,
dieselben schickten daher eine Deputation nach Paris mit der
Bitte, zu ihren ßunslen eine Ausnahme von dem Ausfuhr-
Verbot zu machen. Dort wurden sie natürlich sclmöde ab;,^e-
%viesen. Die Convention l>eschloss am 10. Februar 1793, qu'il
n'y a pas lieu ä delii)6rer. Darauf schrieben die ünterthanen
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— Kl —
ihiein Fürs^ten, welcher seit 1*). AuiK^ust 1701 mit Familie,
Dienersciiaft uiui seinein Infeiidaiiton Noel seine Residenz nach
Schloss Auholt (Weslfalen) verlegt halte, unterm 23. Februar
1793:
«M"n>ei^nem', . . . Le«f mennoes tie no<? voisin$, la penui ie
«des bleds, et la noi essit«' tl'une union tValeinclle enlre les
«Franrais et nous, onl reuni les habitans on a;«:?emblee g»^ne-
«rale, et le r^ultat est le voeu d'une rcunion ä la France.
<— Souverain I nous ne craignons point vos reproches, car vous
cötes ju$te; mais quels regrets ne nous causenl |>h8 vos verlus
«et Celles de vos ancdtres Prinoes si ch^ris ! pp i
Auf die Bitte der Abgeordneten von Sencnes vom 2.
März 1893 beschloss sodann die Convention nationale am
selben Ta^e : «La ci-devant principaute de Salm est räunie
«au territoire de la Republique et lait partie provisoirement du
d^partement des Vos};es » I>ie Kommissare, darunter
der berücliti^jl»^ Confhnn, wurden ernannl, um das Land in
Re-^^itz zu iieliiiicn uixl die Vorvvaltiin;^' zu oivani^^ipren, sjchlugen
die ^^allll'^^l^en \Vap|)»Mi ah, plrinderUMi die Abtei und die Archive
und herichtelen über die Austiihrung iJires Auftrags am 2*2,
Marz 17U3.
Alle Urkunden sind ahgedruckt in dem oben erwähnten
Bulletin S. 201-248.
Als durch den Frieden von Lunöville (9. Februar iSOl)
das ganze linke Rheinufer an Frankreich abgetreten "war,
erfolgte durch den Reichsdeputationshauptschluss (27. April 1805)
die Entschädigunip^ auch der Fürsten von Salm-Salm auf Kosten
der geistlichen Fürsten in Deutschland. Der Fürst Constantin
hatte 13 Kinder von 3 Frauen, wovon die erste eine Prinzessin
Löwon^tein, die zweite eine Gräfiii S^tcrnher;:-, und die di'ilfe
eine jun^^e SiiMssbur^erin Calliarina Bender war, deren Kinder
Grafen Salni-li<>o;^stialt.'n liie.s.><en unti eist nacli dem Kriejje
1870 71 auspre^^torben sind, die übrigen Fnrsteu Sulin-Salin {ge-
hören als mediatisirte deutsche Standesherren nach Art. 14
der deutschen Bundesakte zum hohen deutschen Adel.
Der Krieg von 187U 71 hal die Gratschatt Sahn andeis,
als bei der Teilung von. 1751, zwischen Frankreich und Deutsch-»
land geteilt. Aus militärischen Rücksichten ist die Wasserscheide
zwischen Breusch und Rabodeaü, als Grenzlinie bestimmt
worden, und dadurch der grössere Teil der Grafschaft zu
Frankreich, der kleinere zu Deutschend gekommen. Aber
auch in dem französisch gebliebenen Teil ist das Andenken an
die Salm'sche Herrschaft noch lani^e nicht erloschen. Am Rat-
haus in Senones und an vielen Wirtsschildern prangen wieder
die beiden Salmen als Wappen. Insbesondere wird dieser
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— 17 —
historische Partikularisinus gepflegt von der selir verdienten
Soci^tö Philomatique von St. Di6, deren Arbeiten vorstehend
mehrfach benutzt sind.i
1 Sehr zu empfehlen ist eine Fnsstom von Sdumeck über Schlots-
luine Salm, Katzenstein (Aassiebtsturm), Champenay (cheval blanc),
Wirtschaft Hans (L»eutsche Grenze) nach Senones (Hotel Bardol),
und von dort durch das reizende Kabodeau-Thal über iloyenmootier
und Etival nach St. Die. Zurück über Saales, Yoyamont, Lebateux,
Climonty Raumpt, Rnine Chfiteaa-d^-la-Rocho, Waldersb«eh, Rothan»
Schiimeck.
Wappen
der Ardennen-Grafen Salm (Alt-Salm oder
Nieder-Salm).
Seeweibcben auf dem Helm, welches in jeder Hand einen rote»
Salm hitt.
Fiftbiw, Geeebicbt« der Fftrsten Salm-Reiffersebeld {CÜln 1868. Reberle) S.a.
2
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Wappen
der Ardennen-Gi Rfen S a I m (Alt-Salm oder
Nieder-Salm).
Zwei loto Salme aaf sUbenieiii Felde, anf dem Helm eine
goldene Krone, ani welcher ein roter Salmenachwans herrorwicbet»
cf.
Fahn«. Geschichte der FQrsten Salm-BeiflTerscheid (Cöln 186$, Heberle) S. 4S.
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— lU —
Wappen
der Vogesen-Grafen Salm (Ober-Salm).
Die Salme silbern in einem mit eilbeinen Kreusen bestfeateu
roten Schilde.
cf.
Fftbaei Geacbicbte der Fürsten Salm-Reifforscheid ^Culn 180C. Heberle) S. 56.
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V.
Der goldene Wagen vom Belclieniiee.
(Eine Mordfeldsage.)
▼OB
A. Bargmann.
"iiis h\ schon lange her, <la sUejr aus Ucm Bclchcnssee,
wenn es gutes Weller geben st rllte, immer ein «^oidener Wagen
zur Berghohe hinan. Dierien Wagen sollten .tllein (3) Dril-
linge fassen, d. h. gewinnen können. Da begab es sich, das«
3 Bröder, die oben auf den Melkerbergen Hirten waren» den
Wagen in der That einstmals fiissten und in demselben auf
den Berg fubren. Aber unterwegs — auf dem Mordfeld —
ward einer von ihnen schlecht gesinnt und gedachte den kost-
baren Wagen allein für sich zu gewinnen. Er ermordete des-
halb seine zwei Brüder, aber sofort verschwand der goldene
Wagen wieder, d. h. er ging in den Beichensee hinab. Seit-
dem ist er nie wieder gesehen worden J
1 Diese Sage ist mir^Yon Hsim Lehrer Bobisolmiig an Wasser»
ling erzählt worden.
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VI.
Elf
durch Lenz, Voss, Gotter und Göokingk
an Plelfel gerichtete Briefe.
Mitgeteilt
von
Schoell.
Tn einem auf der Kolniarer Stadthibliothek aufliewahrten
Brit'f au All^^ Pri ier (8. Dez. 1797) schreibt Pieflel, er sei mit
einem zur OrioiUierung seines neuen Sekretars bef^limmten
Inventare seiner Papiere bcsdiäflii^t, da H. BuxtorC, sein Ins-
heriger (lehtille, ihn nach Neujahr verlasse, um in dem
Heimat kanton Basel die Stelle eines Vogteischreibers zu be-
kleiden.
Dieser neue Selcrelär war J. i. Rieder, der seit zwei Jahren
mit Ebrenfried Slöber die Schule des strassburgischen Findelhauses
leitete« Am 12. Dezember schrieb ihm PfelTel : «Um noch
vor der Abmse Ihres Vorgangers einige Bekanntschaft mit
meinen Geschäften und meiner Lebensweise zu erhalten,
wünschte ich, dass Sie am Donnerstag vor Weihnachten hier
eintrafen». Uehor (lio>o Geeohäfle und Lebensweise berichtet
Bieder am 17. Horniiii^^ ati seine Klf«M!i : iiMor^en«! von 8 I>is
i'2 nnd Nachmittags von D Ms 7 arbeite ich mit meinem
heben Patron auf seinem Zimmer oder mache Dt-su* he «xler
{reiie spazieren mit ihm. Die übrige Zeit ist ganz iiiv mich.
Den grössern Teil davon widme ich dem Studieren, den übrigen
dem Klavier und den häuslichen Familienfreuden».
Rieder lebte 10 glGcklicbe Monafe an Pfeffels Seite, bis er
zum Heeresdienst einberufen und, dank den Bemühungen
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- 22 —
meines PtTlrons und Fried, v. Tüiklieiin, durch General Sohaueii-
bürg zum Dolliuetischer bei einem Divisioiigkriegsrate der
Schweilerarmee ernannt wurde. Als solcher wohnte er den
Schlachten um Zürich bei und durch ihn erfuhr Pfeflel die
Verwundung seines Freundes Lavater. Er ist es auch, dem wir
die Erhaltung der folgenden Schriftstücke verdanken.
1.
Lenz.
Dieser unglückliche Dichler ist hesoiiders l)ok;uint als
Goelhe's Freund zur Sesenheimer Zeit. Ein livländischer Pfarrer-
<()hn, kam er mit 21 Jahren (1771) nach Strassbur^ und ge-
hörte/.um salzmännischen Kreise. 1774 erschienen seine Dramen:
Der Hofmeister und Der neue Menoza. Als G«ellje
im nächsten Frühling mit den Brüdern Stolberg in die Schweiz
reiste, begleitete ihn Lenz nach Emmendingen und verweilte
8 Tage bei dessen Schwager Schlosser, der damals in regem
Verkehr mit Pfeffel lebte. Als nun kurz darauf die neu
eingerichtete deutsche Gesellschaft in Strassbui'g
gegründet wurde, übernahm er es, in dem ersten der folgenden
Briefe Pfeffels Mitwirkung zu erbitten. Die 2 andern schrieb
er von Weimar aus, wo er einen Teil des nächsten Jahres bei
Goethe zubrachte und von wo er, seinem zerfahrenen Geiste
gemäss, plötzlich abgereist sein mu'^'s. Denn im letzten Brief
erwähnt er mit keiner Silbe die Möglichkeit seiner Flückkelir
— imd schon r.u Weilmachten, alw kaum einen Munal darauf,
ist er zu Emmendingen und dann eine Woche lang^ hei PfeßVI
selbst. Das lulgende Neujahr tinden wir ihn, als schwermütigen
Gast, im waldersbacher Pfarrhaus, wo er uucli die Kanzel be-
steigt. Im Juni begegnet iiim Pfeflel zum letzten Mal bei
Schlosser, der ihn, da sein Gemüt sich immer bedenklicher
umdiisterte, 1778 nach Riga zurückschickte.
Die hier abgedruckten Briefe zeigen das phantastische
Wesen ihres Verfassers und seine stark entwickelte Gräbelsucht,
die sich in vielen, oft ohne Zusammenhang angehäuften Fragen
kund gibt.
i.
Wie begierig ergreife ich gegenwüi U-c Gelegenheil, Ihnen,
mein Hebens* und verehrungswOrdiger Freund, das Vergnügen
auszudrucken, das mir Ihre letztere gütige Zuschrift gemacht.
Ihre kleine Kapelle sollte mir in der That die erwünschteste
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— 23 -
Zuflucht tur meine Weihnachtsandacht sein, wenn sich meine
äusseriiclien Umstände nur im Geringsten darnach fügen woll-
ten. So aber kann ich nur noch aus der Entfernung Ihnen zur
völligen Wiederherstellung Ihrer Kräfte den herabströmenden
Himmel an wünschen. So viel Nachrichten von Ihrer Person,
von Ihren Scl i k -11011, von Ihrer Verbindung haben sclion seit
Ian;,'er Zeit den Wunsch in mir rc<^c gemacht, eine W'all fahrt
zu Ihnen anzustellen und Sie in der Sphäre, Hie Sie anfüllen,
zu sehen ; ich behalte mir diese Freude auf bessere Zeiten vor.
Dürft' ich Ihnen einen Antrag thun? P^s verbindet sich
lii n* eine Gesellsichaft schätzbarer Gelehrter,» unter denen auch
Olliziere und hier anp^e-e«;f?ene Personen sind, zur Verbesserung^
tifr hiesigen deutschen Mundart «sowohl als zur möglichsten
Bei eii herung unsers in Schriften '^ehiäncblichen Ho' hileiitsch.
Wollten Sie, würdiger Mann, mit von unserer Anzahl sein?
Herr Lizenziat Ott wird ihnen mündlich eine ansttilirlichere
Ikschreibung von diesem Institut machen ((önoen. Wir erbitten
uns von Ihnen nichts als von Zeit zu Zeit, sobald es Ihre
Geschifle verstatten, einige Zeilen als Beitrag zu einem Idiotikon
vom Elsass, Vorschläge etwan wie ein und anderes kräftiges
Wort, der guten Sprache unbeschadet, in dieselbe aufgenommen
und vor dem ewigen Verdarnmungsurteil ProvinziaKvoi t gerettet
werden könnte. Ich rnnss Ihnen gestehen, dass bei dem ersten
Vorschlag einer deutschen Gesellscliaft im Elsass mir der Bei-
stand eines seiner ersten Schriftsteller nnentbehrlicb <t heint
und also dieser Antr,i;j '^.wiz und gr^r eigennützig ist. Herr
HotVal Schlosser wird ihnen (he ecsle Schritt niitleileii, flie
ich bei der Emlhjung dieser ( lesellschutt in dem H;mse cl»*s Hemi
Akluarius Salzmann abgelesen. Sie sind ■so gütig, mii •»ie
wieiler, nehst einer geneigten Antwort auf unsern Antrag, zu-
kommen zu lassen, weil sie in unser Archiv eingetragen werden
soll und ich noch keine Abschrift davon genommen.
Herr Lerse* ist nach Zweibrücken abgegangen, und ich
habe leider bei meinen häußgen Zerstreuungen seines Umgangs
nicht so häufig genie^n können als ich wohl gewünscht hätte.
' 32 Mitglieder, wovon 19 in Strassbarg : 8 Lehrer des Gym-
nasiums (Blessig, Fries, Lobstein, Otto, 2 Müller, Köderer, Leypold).
Job. y. Türkheim nnd Salzmann (Vetter des Akinars, kam eben von
Göttingen znräck, wo «r Hofmeister des Freiherm v. Stein ge-
wesen) u. 8. w.
^ War bis dahin Uaoslebrer bei Pfeffels Bruder in Versailles und
wurde mit Beginn des folgenden Jahres Inspektor dar Kolmarsr
Kritgsscliiile. Sein Vater war sweibxückischer Regiernngsrat.
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— 24 —
Empfehlen Sie mich unbekannter Weise Ihrer würdigen
Gemahlin und Familie. Ich bin mit der ungeschminktesten
Hochachtung
Dero
Sirassburg, den 13ten 8ber ganz ergebener
1775. Diener und Verehrer
JMRLenz.i
2.
Meine Abreise aus Sirassburg war j-n nii\ei mutet unti
laeiae Schicksale und Beschäftijfuugen kreuzlen sich seitdem so
wunderbar, dass ich von den wieBlitzen an mir vorüberfliegenden
Ai]^nblicken. bisher noch keinen habe haschen können, Ihnen
zu sagen wie unwandelbar meine Hochachtung für Sie sei und
wie alle Entfernung deo Zusammenhang mit Männern von
Ihrer Art nur etwas weiter ausdehnen, nie aber zerrelssen
könne.
Um was Geschäft ist zuerst auf die Seite zu räumen,
muss ich Sie bitten doch jrologcntlich Herrn Neukirch zu snp:en,
er möchte die Hapsodie, 8o ei' Ihnen vorgelesen, doch Herrn
Schlosser zurückschicken, sie war liir einen andern be?-liinint.
Ich hofTe aber mit diesem liehen Mann, wenn er Ln-t zu niii-
hal, in andere Unlerhaiidlungen zu treten, die lur uns beide
wichtiger sein werden.
Itzt zu Ihnen und Ihrem Institut. Darf ich mir doch einijfe
Nachrichten davon ausbitten? Sind auch französische Jun^^e
Edelleute darin? Worin werden sie unterrichtet? Was andere
zu vielen Lärmen machen, werter Freund, machen Sie zu
wenig !
Wollten Sie mir auch sagen, und Herr Professor Lerse
wird mir vielleicht darin mehr Licht geben können, was eigent-
lich aus der Ecole militaire in Paris geworden ist, wu
jetzt Ecoles mililaires angelegt worden, was aus dem
Hotel <1pv Invalides geworden, wo die Invaliden jetzf
verjillegl weiden, was aus der Landmiliz geworden und wozu
sie anjelzt gehrancht wird. Ich hrauche alle diese Nachrichten
notwendig. Verzeihen Sie meine Unhe.--cheidenheit, ich wei^s
sonst nicht an wen ich mich wenden soll.
Herr Basedow hat mir »lie Line angethan, mii einen Huf
1 Jakob Michael Reinhold.
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— 25 —
als SchrifUteller ans Pbtlaathropin i zuzuschicken ; ich musste
wirklich lachen über dieae neue Art zu komplimentieren. Indessen
bofie ich dennoch von dieser Anstalt in unseren Geg^enden viel
Gutes, wenn der Mann nur im Stande wäre sich die Grille
der allgemeinen Religion aus dem Kopfe za lassen, welches die
meisten Eltem von ihm abschmkt. Es ht (üv ihn, sowie für
unzähii^'c Prolestanten ein Unglück, «lass jemals ein Luther
gelebt hat. Nachdem er Ber^e ausgehoben, wollen sie mit eben
dem Geräusch Strohhäimchen wegscIialTen.
Meine Adresse ist in Weimar an llcirii i^clu'iirieri I,e-
palioaijral (lioHie, (ult^r liebtM- an ILitVal Wirlaml, weil erstuT
itzt {(leichraUs au( dt-in Lanih^ ist. I. Ii sdm.ecke die ganze
Wollu<:t der Einsamkeit auf den Koulrasl des Hofes.
Sie werden mich durch eine umstandhche Nachricht von
Ihrer Anstalt unendlich verbinden. Herrn Professor Lerse bitte
ich viel Schönes zu sagen.
Lenz.
(Undatirt. Den 3i. Juli 1776 in Kolmar empfangen).
3.
Icii liabe Ihren Brief und Naclirichl einer Dame vom Hofe
gegeben, die ihn einer treiflichen Dame von ihrer Bekanntschaft,
die eben mit ihrem Sohne zwischen Dessau und Salis* un^
schlüssig war, zugeschickt hat. Verzeihen Sie, dass ich in diesem
Stuck Ihre freundschaftliche Ordre überschritten. Es war mein
Herz, das mir dasu riet und dieses sündigt nie.
Ich bin der Jahreszeit ungeachtet noch immer auf dem
Lande, weil man n)ich in Weimar nicht brauchen kann. Neu-
li« b glaubte sich ein Franzose, der sich einen Zögling des
grossen Voltairt» sagte, seiner Sat-be schon jrewiss, als er mit
einem grossen Knipfehtungsschreiben vom Prinzen , * . ni!>>
Berlin, einem Verwandten unsprs Hauses, wurin <lt"> -^»'IIm' <len
geheimen Legalionsrat Gcelhe den deiil^jcheji Sliake-jieire und
den deutschen Voltaire nannte und gegenwärtigen Fremden
wegen seiner guten Sitten und iaienle nnd Verse empfahl, sich
meinem Freunde Goethe vorstellen Hess. Weil unsere Einrich-
tungen aber nicht für Fremde sind, musste der Zögling des
grossen Voltaire mit Schimpf und Schande abziehn. Ich bitte
diese Geschichte bekannt zu machen.
1 Basedow hatte 1774 seine Anstalt sn Dessan gegriuidet nnd
leitete sie 4 Jahre lang, worauf ihn Campe ersetzte
2 Das vou Planta in Zizers Ijei Ghur 1771 erri» htete Fhilan-
thtopia war 1775 von Salis eruorben und in seine Herrschaft
M arschlins Tezpflanst worden, wo es nnr noch sin Jahr bestand.
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— 20 —
Meine wärmsle Empfehlung Ihrem Freunde Lerse, dessen
wir uns mit Gu3the oft erinnert haben. Wie soll ich Ihnen
meinen Dank ausdrücken für die jjefällijfe Beanlwortunj;: meiner
fiirwitzijjen Frn^^en? Ich weiss nicht, welchen Anteil ich an
Frankreich neliine, dtjni ich doi li keine Verbindliclikeiten habe.
Ich wollte Ihnen ein Kxeiüplar der Beiden Alten und
andrer kleiner Aiifsäf/e l>eile;:eij, wenn es sieh der Mühe ver-
lohnle. Ich erwiihne dessen nur, weil die Vurlesunj;en in unsrer
Deutschen Gesellschaft, die ich Ihnen im Manuscript zuge*
schickt, darin abgedruckt worden. Sie ist gegenu'ärtig mit
einer ökonomischen Gesellschaft im Hause des Herrn von
TQrkheim i verbunden, nicht vereinigt, worden. Eine ähnliche
Gesellschaft unter Ihrer Aufsicht würde Colmar und Ihnen
Klire un<l die Hochachtung der Deutschen erwerben, bei deten
der Nationalgeist rege winl.
Ihr aufrichtigster Freund und Verehrer
Lenz.
(Am 4. Xber 177ü empfangen).
IL
Voss.
Lens wjir schon ein Jahr im Elsass, als Voss, gleichen
Alters, in Göttingen eintraf, wo er sich dem Hainbunde anschloss
und 1776 neben der von seinem nacbheri<,^en Schwager Boie
und von Gotter gegründeten und nun von Göckingk geleiteten
Blumen lese, einen andern Musenalmanach stiftete. IVi
diesem rnlernehmen war ihm er*5t Claudius in VVandsbeck
1778 und nach er (1780 — 1788) Üörkiii^^k behüldich. Nricli seiner
Verheiratung wind«- ev 1778 Reklor zu Olterndorf, wo er «Ite
Odyssee ül)erset/.le, mid i78'"2 zu Eutin, wo Luise und Ilias
erschienen. Seil 1805 wirkte er au der Umversilät Heidelberg,
von wo aus er im Herbst 1808 Pfeflfel besuchte. Wenige Stunden
nach dessen Tode kam noch ein Brief von Voss in Colmar an.
1.
Wandsbeck, den 21. Okiober 1776.
Ich danke Ihnen, mein lieber Pfeffel, für die schönen
Beiträge, womit Sie meinen Almanach geziert haben und noch
1 Schwager von Lilli, 1775 Senator, 1778 Arameister und 1779
Einundzwanziger; 1789 Depntirter d«r Stadt Strassburg bei den
Oeneralständen.
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mehr für die freundschaftliche GesinnuDjf» die Sie gegen mich
in Ihrem Briefe äussern. Sie sind einer von den Wenigen,
deren Beifall ich zu erringen strelw; denn Ihr Genius ist ein
ungefallener Sohn des Himmels und liann nur den liehen, der
auf gleicher Bahn zur Unsterblichkeit fliegt.
Dass Ihnen mein Aimanach ganz gefalle, c>r\varte ich gar
nicht ; ich habe manches aus Not drucken müssen. Wäre nur
Eine solche Sammlung, so könnte man ihiem Zweck, der
Ausbreitung des <^nh'n Geschmacks, näher kommen; aber jelzl
schreibt oder sammelt alles Almanache. Icli habe Hern»
Göekingk neulich deo Vor.schlag gelhan, mit seinen Kieimdeii
zu mir uberzugehn i und dann sollte gewiss bald nur Ein Ai-
manach genannt werden. Ich selbst werde durch äussere Um-
siftnde verhindert, meine Sammlung aufzugeben; und wen»
ich's auch könnte, so wurden doch meine Freunde, denen
Dietrichs Verfahren gegen mich bekannt ist, sein Verlagsbuch
nicht untersIGtzen wollen.
Guter Mann, ich habe Sie lieb und wünsche Sie näher zu
kennen. Sagen Sie mir doch in Ihrem nächsten Briefe recht
viel von sich, wie Sie leben, wie Sie arbeiten und wie lange
hon so wie Homer und Ossian. Die Unterschrift Ihres Namens
hat mich innig gerOln't.
Ich wünsclie, da>?s Sie mir Ihre Jieiträge ein wenig frui*
sthicken, denn Bohn, der nur lur den Veilag jährlich i<H> H.
gibt, will gern gleich nach Ostern mit dem Druck .inlan-un,
damit die Almanache gegen die Micbaelismesse gebunden
werden kdnnen. Wenn Herr Gdckingk so, wie ich helfe, meinen
Brief aufnimmt, so rechne ich auf viele Beiträge von Ihnen .
Leben Sie gesund und froh und beehren mich mit Ihrer
Freundschaft« J. H. Voss.
Ihren Auftrag an Klopstock hab' ich bestellt. £r ist jetzt
sehr fleissig an der deutschen Grammatik.
2.
Kulm, den '2. Oktober 1783.
Hier scliieke i« Ii meinem lieben Freund Pfeile! seine l>eideD
Almanaciie und ein Exemplar von Uöllys^ Gedichten. Eine
1 Dieser Gedanke wmde erst IT^'O erfülU, rils Voss und Göckingk.
zusammen den Hamburger MusenalmaDach überuahmeu, den sie
8 Jahre leiten tollten.
2 Vossens Studienfreund (1772 — 1774) uml Hainbündler. f zu
Hannover im 2Ö. Jahre, 1776. Diese erste Ausgabe der Höltysche»
Gedichte war von Voss selbst in etwas willkürlicher Weise besorgt
worden. Eine eveite. genauere, ist erst 1809 ersphienen.
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— ^ -
Fabel habe ich zurQckt^elassen, weil sie gerade in der Zeituog
als Probe aus Ihren Gedichten angeführt ward. Ihre Gedichte
habe ich noch nicht gesehen ; aber Slolberg^ der tum Geburts*
4age hier ward, hat mir viel Gutes davon gesagt.
Diesen Winter bleibt S(oll)erj bei seinem Bruder in Trems-
hu{{e\, dann geht er nach Oldenburg, und ich verlasse meinen
Freund. Wenn ich nur noch die nsch^'elassene Wobnun^f
meines Freundes > bfzifhon könnte ! Der alle Herr (Hausbesitzer)
isJ «obr steif; aber er wird sich am Ende dorb wobl IteqTienien
müssen. Im Ralbaii!«e ist es nicht ^'ut lOr einen, der die Stille
liebt, und im Winler liann man darin nicht einmal warm
\Yerden, mit den lieben Kindlein.
Klopstock vollendet jetzt seinen Heiiaanii und die
Fürsten. Ich habe ihn jj^ebelen, dass er nicht viele von den
wissenschaftlichen Oden mehr machen möchte, wie die im
Almanach und einige besonders gedruckte. Wer soll ihn lesen?
Sein Lob Josephs entwischte ihm. Ich glaube, dass er*s
jetzo gern zurücknähme.
Ich umarme Sie, mein edler Freund. Die Scltulstunde
sieb lägt. Schicken Sie mir die Gedicbte, die Sie dem künftigen
Almanach bestimmen, so früh als Sie können. Dieses Jahr, da
^jlles so spat einlief, war irh fast ents^chlossen, kein Almanach
nielir herauszugeben. Grüäseu Sie Ihren Lerse und lieben
Sic mich. Voss.
III.
Gotter
V^eboren 4746 zu Gotha, wo er später Geheimscbieil er des
Herzogs wird und 1797 stirbt, verbindet sich 1770 mit Boie
zur Herausgabe des von Kästner unterstützten, den Mercure
<l e France nnrliahmenden Ciöttin^rer ^f^•=e^nlnl:)n^(•hs, ver-
lässt jedoch bald Göttinnen und wird durch Dürrer au Ik)ies
iSeite ersetzt.
Dem Geiste des Hainbundes untreu, naliin ei* Wielan«!
und Gleim /.um Vorbild, m tLhIc Operetten nach Weisse'seber
Manier und bearbeitete französische Stücke für die deut.sche
Bflhne, wie Oberhaupt Gotha eine der norddeutschen SiSdIe ist,
wo sich der französische Etnfluss und Geschmack am längsten
behauptet hat.
* Der jüngere Stolberg war, wie Lenz. Vossens Altersgenosse.
Er war in die Dienste des Herzogs von Oldonbnrg getreten nnd hatte
sich 1781 in Eutin vermählt. Sein üiaabenswech^el und daheriges
Zerwttrfnis mit Voss ist bekannt. Sein Smder war Amtmann in
Ttomsbattel von 1777 bis IbOO.
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— 2J) -
Wie Göckingk, versuchte auch Goller borazische Episteif»
9EU schreiben.
Aus seinen beiden, hier veronenllichten Brieten erfahren
wir, dass er im Sommer 177 i eine Heise nach Lyon unlcrnahii>
und auf dem Heimwejfe Pfeßels persönliche Bekannt S( halt
machte. Warum dieser, ein s.ui-^f <<> fMuiklli( her Korrespondent
sein »^r^tp«, so freiindhches Sclneibeu unbeantwortet lies.s, müs-
^en wir dahinj^estellt lassen.
i,
Gotha, im Februar 1775.
Ün<l sie zojjen durch einen andern Weg:
wieder in ihr f. nnd. Vielleicht, mein teuerster Herr und
Freund, stellen Sie '^-m- in der Venniiliuig', tiass wir ins I.indi
der Schatten ^^en-i-t waren. Wirkli« h l.isst sich ant h fa-' -onst
liiclit Le^'reil'en, wie man so gar nitlits \un sich li.ticn larisei*
kann. Dieses mit allen seinen Urs;<clien zu erklären, würde
mehr Blätter anfüllen, als Sie Lust hatten sich vorlesen zu
lassen. Genug also, dass wir nach einem höchst vergnügten,
sechswochentUchen Aufenthall in Lyon durch die Schweis,
zurückgegangen sind ; dass wir nicht allein alle Stftdle und
Städtchen den Genfer See herauf bis Bern, sondern auch Zfiricb
gesehen, Lavaters und vieler braven Leute Bekanntschaft ge«
macht, auch Ihren Freund Iseliii * in Basel gesprochen ; dass-
wir aber hierauf, ich weiss nicht durch welchen Eigensinn un-
seres Fuhrmanns den neuen- AVe;: nach Slrnsslnny genommen
haben, datür durch die »'letvIcshMi Herlit'r;:en Itesliaft \vordt»n
und endlieh nrich nianclierlei AuieiiHiall im Ndv.-mlx'i' hei
untren Laren wieder angelangt sind. Diesej Anlenlhalt lührto-
hauplsüchlich von einer kranken ileisegefahrtin, Muhme des^
jungen i). Sulzer 3 hei', die wir in Zürich mitnahmen, weil sie-
durch die Reise ihre Gesundheil wiederherKUsteilen hoflle. Der
vierte Platz in unserm Wagen war leider dadurch, dass wir
' Als Lavater am 16. Jani 1774 zum ersten mal bei Pfeffel ein-
kehrte, war es mit einem noch vorhandenen Empfebhingsschreibea
des Philanthropen Isaak Iselin, des Verfassers der Geschichte der
HsDscbheit.
s längs des Rheins.
' In Pfeffels Fremdenbuch (22. Jnli 1778; steht ein Mediziner
dieses ^'amens. aas Winterthar. Nach Pfanuenschmied (Fremdenbacb^
8. 37y ist ein Prof. Saher aas Winterthar 1776 in Berlin tbutig, w»
ihm sein Landsmann Kaafmann besucht. Es kdnnt« wohl OotterS'
Beisegefährte sein.
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— 30 —
unsre kleine ariig^e St iefscli wester bei ihrer Schwester in Lyon
Jassen mussten, led'v^ gewoixlen.
Soviel von unfern Reirebeniieiten, denn etwas mu>sl' ich
doch nach holen. Aher wie kann ich Ihnen tlen iLindruok leb-
haft {jenug beschreiben, den Ihre persönliche Bekanntschaft
auf mein Hei'z gemacht hat? Ohne Schmeichelei, icii rechne
jenen Abend zu den glückUchsten meines Lebens. Noch nirgends
bin ich mit so warmer, unverstellter Freude empfangen worden.
Und alle die guten Männer« die Sie mir vorstellten — grüssen
Sie mir sie ja alle recht herzlich und melden Sie mir, wenn
ich bitten darf, ob man sieb noch der Erscheinung eines müden,
zerstreuten Reisenden erinnert. Ich habe seitdem meine Zeit
hier ganz artig zugebracht. Die Anwesenheit des ehmals wei*
manschen Thealers verschafft mir manchen frohen Augenblick,
aber auch mnnche Be>:chaftip:unfr. Sie ersehn aus der Beilage,
"WA^ ein gutes Theater gleicli für eine Gäbrung verursacht.
Herr Heifhard, einer meiner Freunde, ist der Verfnsser dieses
AInianachs. Ich hulTe, cler Gedanke soll Ihnen gefallen, da Sie
füi* alles, was das Theater an^^eht, sich interessieren. Bedenken
Sie, dass es nur der erste Einfall ist und dass man es mit
leichter Mühe in der Folge m einem sehr vollständigen theatra-
lischen Taschenbuche machen kann.
Wollten Sie wobt, mein wertester Freund, hierzu auch das
Ihrige beitragen? Wdlfen Sie uns, was Sie von Nachrichten
oder Anekdoten vorrätig haben, mitteilen, auch sonst Ihre
Cedanken darüber eröffnen ?
Die andere Beilage ist ein Brief von Herrn Hoder, der
f«ich der Freundschaft, mit welcher Sie seine verstorbene Frau
t)eehrt haben, nrn h dankbarlichst et innert und im Vertrauen,
<lass Sie solclie nun auf ihn verbreiten weiden, Sie nni Ihr
Fiiiwort in einem Pfandau>lu-ui);,'sf»:eschane, von deii\ ich
ül)rigens kein Wort weiss, ersucht. Verzeihen Sie, dass ich den
Brief auf meinern Pult habe so alt werden lassen und bellen
Sie dem ehrlichen Menseben, wenn Si« können. Er bat das
Glück des Ehestandes zum zweitenmal mit einer jungen Person
irersucht^ die mehr Tänzerin als Schauspielerin ist und meinem
Herzen wenigstens Jeannettens Stelle nie zu ersetzen vermag.
Ich erinnere mich, dass Dir vormaliger Sekretär diese
Ostern seine erste Reise nach Leipzig zu machen gesonnen ist ;
aber vielleicht weiss er nicht mehr, dass er mir versprochen
hat, n)i( b auf der Durchreise zu besuchen. Wie willkommen
wii'd er mir sein, da ihn mein lieher Pfeffel schickt, er, den
icli lieble und hocbscliatztej ehe i( Ii mir träumen Hess, dass
ich ihn jemals würde kennen lernen. Der trcundli« ben Ge-
hülfin Ihres Lebens sagen Sie viel Schönes von mir und ^eien
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— 31 —
Sie versichert, dass ich an Ihrer Zafriedenheil den wSrmsten
Anteil nehme und unveränderlich bin
Ihr ergel)enster Freund 6.
Gotha, den 10. Oktober 1775.
Geliebter Freund,
In der tjewissen Vermutung, dass Sie den Brief, welchen
ich Ihnen im Anfun*^ dieses Jahres schrieb, nicht eilialten
(denn würden Sie mich sonst so lange ohne Antwort {gelassen
halten?) cr^rreiP ich mit doppeltem Vergnü^^en die f,'egen\värtij:e
sichere Gele^^cniicit, Ihnen eini^'^e Nnchrirhl von mir zu i;:eben.
Herr Mi( iiaehs, Sohn des Orientalisten zu «iDltin^j'en, ^ ird Urnen
die.-?eu Brief von Sirassburg aus zus( hi< kon, \vosell)sl er ein
halbes Jahr der Arzneikunsl obzuhegeii «gedenkt. Am liebsten
fiberbrftchl* er Ihnen solchen selbst; denn er trägt, nach Ihren
Schriften und allem was ich ihm zu Ihrem Vorteil gesagt habe,
grosses Verlangen Sie xu kennen. Da sich aber dieses sogleich
nicht thun lassen will, so empfehl* ich ihn wenigstens auf den
Fall, dass er gegen das Frühjahr nach Colmar kommen soll,
Ihrer Gütigkeit und Hospitalität. Er ist ein junger ^^n^^l von
vielen Fähigkeiten, der dem Namen, welchen er fährt, Ehre
zu machen verspriclit. F'r ist acht Ta^^e bei un« {gewesen, hat
«ifh in meinem kleinen Zirkel mit herumgedreht und Ver-
gnügen und I.angweile treulich mit uns geteilt.
Ich bin Jetzt gesund und dem Feinde, vor welchem ich
damals floh, als wir uns zum ersten mal UFTKuinten, so 7iem-
licli -lus; dem 'It^-vicht gekommen. \)a^ i^t flas wichtigste, \v;)s
ich liineii zu mt:Mt'ii liahe. Sie nirtrlilen mich damals mit einem
neuangeliendeu Diu hhändiei" l)ekaiint, der mich auf seiner
i>urcliieise nach Leipzig besuchen sullle. Al>er <iie dritte Mes^e
seit dieser Zeit geht schon zu Ende und noch hat mich niemand
besucht. Grössen Sie mir doch einen jeden, den ich bei Ihnen
gesehen habe. Die Personen stehen noch alle vor mir, aber
die Namen sind meinem Gredächtnis entfallen — den jungen,
offenen Geistlichen, den Instructor fhrer militärischen Schule
und auch den guten Mann, der die Miniatur meiner Jeannette
besitzt. Es waren kunte, aber selige Stunden, die ich bei Ihnen
durchlebte. 0 dass uns das Schicksal nicht noch einmal zu-
sammenbrachte !
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— 3i -~
Die Nachfichly welche Sie von jeher mit den Produkten
meiner Muse gehegt haben, nmntert mich auf, Ihnen die an-
liegende Uebersetzuni,' oder Nachahmung vom 0 r e s t des
Voltaire und eine Medea, die ganz aus meinem Hirn ent-
sprungen i<t, m ubersenden. Ich schrieb letztere für Madame
Seiler (vormals Hensel), nn l nur von ihr wünsch* icli ^?ie ge-
spielt 7U sehen. Ihnen vuu tiifst'r Gattung einen deutlichen
Begrill zu ^eben, wäre für einen Hrief zu weitläufig. Ich lehe
aber der guten HofTnung, dnss sie ehestens auch unter unsem
Nachbarn näher bekannt gemacht weiden wird. Wenn Sie niii
hei Gelegenheit Ihren Peter den Grausamen anvertrauen
wollen, vielltiicht kann ich für das nunmehr hier errichtete
Hoflheater Gebrauch davon machen. Ich wiederhole hier den
Wunsch« welchen ich schon in unsrer Zeitung gelhan habe»
dass Sie Ihre Hand nicht von der BQhne abaciehen mflgen.
Noch eifriger aber wünsche und erbilt' ich mir von Ihnen die
Fortsetzung Ihrer Freuntlschaft und Ihres leider nur allzuoft
unterbnx'henen und mir dennocli so angenehmen Briefwechsels.
Niemand kann den Verdiensten Ihres Herzens und Ihres Geistes
mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen als
Ihr ergebenster Gotter.
IV.
Göekingk.
Jünger als Gotter, älter als Lenz und Voss, war Günther
von Gdckingk 1770—1786 preussiacher Kanzleidireklor zu Ellrich
am Harz, dann Kriegsrat in Bfagdeburg, Steuerrat in Wernige-
rode und 1793 Olierfinanzrat In Berlin. Bekannt wurde er be-
sonders durch die aus dem Briefwechsel mit seiner Verlobten
entstandenen, 1777 erschienenen Lieder zweier Liebenden.
Diese Verlobte war 1775 seine Frau geworden und 1781 ge-
storben, worauf er ihre jüngere Schwester heiratete, von der
in einem der folgenden Briefe die Rede sein wird.
Dass er aus Boie's Händen die Leitung des Göttinger
Musenalmanachs übernahm und acht Jahre lang Vossens Nfit-
arbeitcr heim Hamburger Musenalmanach war, ist bereits er-
wähnt Worden.
Das tlsass besuchte er 1781. Am 12. Juni zeichnete er sich
in PfelYels Fremdenbuch ein.
■
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^ 33 —
1.
Wohlgeborenei* Herr!
losonders hochzuehrender Herr Hofrat I
Herr Boie, der bisherige Herausgeber des Gdttingschen
Musenalmanachs gebl auf Reisen und an seiner Stelle hab* ich
die Besorgung der Blumenlese wieder ühernommen. Unter den
bisher von gans unbekannten Dichtern eingelaufenen Beiträgen
hi so viel Odengeächnaube und Bardengeschrei, dass ich von
diesen Aflen Klopstocks und Kretsclimanns ^ nicht Einen dem
Publico voi*steUen könnte, ohne mich zur Gesellschaft mit
lacherlicli /u inarlicii und so weit ;,'-f'ht denn doch die Liebe
des Nüchslcü niciit. Wie st.'hn' ich mich nach ein paai- launi}?en
Krzählungen, die der Kenner eben >o p:uf als der blosse Dilettanle
fühlt ! Und an wen könnt' ich midi nun deshalb besser wenden
als an Sie? Ew. Wohlgeb. werden mich unendlich verbinden,
wenn Sie die Gute haben wollen, diese Sehnsucht nur in etwas
zu stillen, und mein Bank dafQr wird ebenso gross sein als die
Hochachtung ist, womit ich zu sein die Ehre habe
Ew. Wohlg.
Ellrich Gehorsamster Diener
den 24, April Goeckingk
1775. Kanzleidirector.
2.
Ellrich» den 11. Juni 1775.
Tausend Dank, geehrtester Herr Hofrat, für Ihre aller-
liebsten Beiträge zum Almanache ! Hfttt* ich nur drei Dutzend
solcher Stficke erhalten, dann hofft' ich die beste Blumenlese
unter allen, die erscheinen werden, zu liefern. So aber bin ich
gezwungen, noch manches niillelmässige Gedicht aufzunehmen,
weil der Verle<jer von der Bogenzahl nicht abgeiien will. Nach
der El Ltuljnis, die Sie mir so gütig erleilt haben, weid" ich
Ihre Heitrage alle, bis auf das Unter Anton inus Hildnis
und Das Bild des Todes, dem Almanacli emverieiben.
» tRhingalf der Barde» (1738-1800), Qerichtsaktoar zu ZitUn,
iMsingt Hermanns Sieg nnd Tod ; ist mit dem Wiener Jesuiten Denis
der Uaaptveitreter der Bardenpoesie.
8
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- 34 -
Diejie Iteideii al>er linl)' icli \ve;rj.'olass;en, j e n e weil i. h micli
erinnere ein äliuliclies Gedieh! von Herrn Jaeolu ^ck^pn zu
haben un<l dieses weil es in Prosa {reschriehen ist, ob nur
es gleich au.sseronlentlicU gefallen hat.
Herr Dietrich i wird freilich seine üalanteiie fortsetzen,
und icb hab' ihm zu versieben i,^egeben, dass er*8 durch den
an^^ezeiglen Weg thun möchte. Werden Sie mir*s auch ver-
zeihen, dass ich so dreist gewesen bin, ohne Titulatur an Sie zu
schreiben? Es sind Fesseln, die ich gar zu gern abschüttele,
wo ich holTen darf, dnss man mir vei^ben wird, und darauf
hufT ich bei Ihnen allenlinj^s.
Ich habe die Elite, mit der vollkommensten und lebhaftesten
Hochachtung zu sein
Kllrich dero
den II. .luni Gehorsainstei Diener
1775. Goeckin^k.
3.
Ellrich, den 10. April 1783.
Seit Jahr und Ta};, mein teuerster Pfedel, hab* ich nicht
un Sie geschrieben, und ich wQrde darAber mehr I»esch3m1
sein, wenn sich nicht in dieser Zeit Veranderungen mit mir
zunetraj^en hätten, die mich unfähig machten, meinem Briefe
Wechsel so gewissenhaft als sonst abzuwarten. Seit Anfang
September v. J. bin ith wieder verheiratet. Meine zweite
Frau ist ein Vermächtnis der ersten, ilas sie auf ihrem Sterbe*
belle meinen Händen überjiab ; ihre einzijje Schwester, eine
vater- und njulterlose Wai'^e, die schon sechs .lahie hei mir in
dei Kost {gewesen w.n Wu' Tremniiijr von ihr würde itiir zn
jeth'i' Zeit well ^elliaii ii.ilM ii ; alter nach dem Tode meinet
IJnver^resslichen, würd' icii sie nicht zu erharren ira Stande
Ifewesen sein.
Schon vor Vollziehung meiner neuen Verbindung' war icb
entschlossen, eine Erziehungsanstalt für jnnjie Frauenzimmer
nnznli^en ; doch verzog es sich bis in den Oktober, ehe ich an
die wirkliche Ausführung ging. Von dieser Zeil an bis in den
vorigen Monat haben Wiirmb* und ich über den hiebeigefüglen
Entwurf mit unserm Hofe in CJnterhandhing gestanden. Au*«
' Der oben bereits in einem Voss'schen Briefe ei wahnto V rieger
Fran mn LiMigefeld, Schiller« Schvriegermatter, war eine
Gebonie vou Wurmb.
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— 35
dem V'orbericlit werden Sie ersrlicn, dass die Saclic dennorli
iiirlit zu Stande ■gekommen i«t, ei;zeiitlich weil das Ministeriiau
kciii Geld liatto, um dein Kgl. Amte inv den Kaum, den es
uns im Schlosse hätte überlassen müssen, einen andern aiizu-
weiseo, und keineD Mut um dem Könige diese Kosten ab*
zufordern.
Wurmb ist darüber die Lust vergangen, ins Preussisclie
zu ziehen und seinen Vorsatz darin auszuführen, um so mehr,
da ihm seitdem durch den Tod seines Bruders nocli ein Ver-
mögen von 12 Millionen rl. zu^'efallen ist. Allein sein Vor-
haben seli).sl bat er d.irum nicht aufgegeben, und es wird nur
dnrauT ankommen, dass (»r aufgefordert werde, ihn in einem
andern Lande zur Wii klii likeit zu l)iirij:en. ich bin nicht ab-
i:euei;it, srnrlann mit ihm ^jemeiiie '^Sache /u machen, welches
i» Ii Jetzt nii ht «"»IVentlich thun k.tnn, so lan^ icli n<X'h hiei' im
Lande und im Dienst des Königs hin. iH-sh.db imulit' iefi Sie
au:«drücklich bitten, im deutscheu Museum Ihr Urteil über
meinen Plan auszusprechen, im Fall er Ihnen nicht missflllt.
Dann würde das Publikum aufmerksamer darauf und manche
£ltem geneigter werden, der Anstalt ihre Töchter anzuvertrauen,
wenn sie in der Folge errichtet werden sollte. Und das Ver-
trauen des Publikums zu gewinnen, ist alles, was mein Freund
und ich suchen, weil wir bei einer Zahl von 12 bis 15 Zög-
lingen in einem Lande, wo man uns freie Hand Hesse, nichts
weiter begehren würden.
Lassen Sie mich mein lani^'es Stil!« h\veiL'en nirht entgelten,
sondern schreiben Sie mir l»ald, oli >ie mit l'rau, Kindern und
Freunden noch gesund und ob lieri Lerse und Herr König ^
noch bei ihnen sind. Von Herrn Luee weiss ich es. Frau von
La Roche hat mir geschrieben, dass Sie bei ihr gewesen sind.*
Um diesen Besuch hab' ich Sie beneidet.
Aus den Zeitungen sehe ich, dass Sie im Begriff sind,
eine Sammlung Ihrer Fabeln und Erzählungen herauszugeben.
Sie erfüllen dadurch einen meiner alten Wünsche. Aber es
werden doch noch ein Paar Stücke für den künftigen Musen-
' Im Juli 1780 hat sich ein Job Christ. König. Yik.ir in Lützel-
stem in FfefTels Fremdenbuch eingetragen. Er ist mit dem hier er-
wähnten zu identifizieren, der am 1. Jiuu i7h7 Colmar verliess und
ans seinem Heimatsorte Snlss am 17. Jnni, ans Paris am 2. Oktober
dees. J nn PfefTel zwei Briefe schriet;, die noch vorhanden.
^ Pfeflel hatte knrz vorher, Ende Februar, seine lötagige Heise
in die Pfalz «nternomiBen und dabei Lamey und den blinden
Weissenburg in Mannheim, Frau La Eoclie (deren Sohn sein Zö<:Vm^
war) in Speier, seinen Schwager Hoffmann in Landau, ßing in
Karlirahe, n. s. w. besacbt.
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— 36 —
aliii.iii.u h abialleii Vo<s und ich Ijesilzen mir noch ein einziges
un^^nlnuktes Lieiiichl von Ihnen und \\ üiiscijteu ihrer so viel
zu haben, dum ich mich schäme tiie Zahl zu nennen.
Loben Sie recht wohi und hören Sie nicht aut mich zu
liehen, so lang ich's durch meine brennende Freundschaft
gegen Sie verdiene.
Goeckingk.
*
4.
Ellrich, den 21). Juni 1783.
Sie sollen sich, lieber Picflel, um meines Erziehplans
willen, <« hlechlerding^s keine Stunde weder von Ihren Geschäften,
noch Ibieni Vergnügen entziehen; ilenn die Sache hat keine
so gru^^e Eile, da Baron Wunnl) nhuehi» erst seine Krbscliafts-
angelegenheit in Holland iK'richtigen muss. Aber wenn Sie
.sich einmal aufgelegl lühlen, Ihre Gedanken darüber nieder-
zuscbreiljen, so werden Sie Wurmb und mich sehr dadurch
verlnnden ; denn eb ich gleich vor der Hand nicht seibit an
der Ausführung Teil nehmen kann^ so wünachl* ich doch von
Herzen, dass mein Freund sie zu Stande brftchfe. Wir haben in
unsrer ganzen Gegend Iceine weihiiche Erziehungsanstalt, die
nur den Namen verdiente ; denn die bei Herrn Villaume in
Halberstadi ist bis auf einen Zögling zusammengeschmotien.
Das wa<; ich am Schlüsse des Vorberichtes zu meinem
Plane gesagt habe, ist mir jetzt schon fast ganz klar ge-
worden (.')• Wenn mein Erziohuni^sinstitut in Groningen * zu
Stande gekommen wäre, so würd' ich nnvermöj»end gewesen
sein, eine Familie zu unterstützen, die jetzt ihren Unterhalt
mit von mir erwartet. Mein Busenfreun»l Guldhagen, den Sie
wenigstens aus meinen Episteln kennen werden, ist vor acht
Wochen gestorben und hat eine Witwe mit sechs unversorgten
Kindern in traurigen Umständen hinterlassen. Mein Beutel
kann nichts für sie thun, aber wohl meine Hand. Daher ent*
schtoss ich mich kurz zur Ausfuhrung eines Plans, vor dessen
weilem Umfange ich schon einige Male zurfickgeschauert hatte.
Indess ist mir der Mut Jetzt so sehr gewachsen, dass ich mein
Abenteuer glöcklicb zu bestehen hode. Ich lege Ihnen einige
Exemplare von dem gedruckten Plane mit bei, und Sie werden
mich sehr verbinden, wenn Sie solche sowohl in dortiger Ge-
gend verteilen, als auch an Ihre Freunde in der Schweiz ge-
1 Oöckingks Geburtsort, bei Halberstadr.
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— 37 —
legentlieh ein paar Stücke versenden wollen. Die buJjx rihenfen
im El^^a^^s dürfen ihre Exemjilare nur beim Poslamte in Kehl
bestellen, um sie von dem lieichsuberpostanUe iu Frankfurt am
Main zu verschreiben, welches die Exemplare für einen alten
Louis d'or franco Kehl liefern wird. Die Subecribenten in der
Schweis hinge(,'ea werden am besten thun, sich an das Postamt
in Stutt|(art zu wenden ; denn ich zweifle nicht, daas dieses die
Exemplare postfrei bis Schaffbauseii senden kann.
Sie sagten mir bei meinem dortigen Aufenthalte, man
konnte Schlözemi für seinen Briefwechsel sehr interessante
Nachrichten von Colmar milteiteo, wenn er nicht so unvor-
sichtig wäre. Ich bofle, dass ich das niemals sein werde und
so wag' ich*s, Sie für mein Journal um diese Nachrichten zu
bitten. Wenn Sie Ihre Beiträge erst unter einem Umschlage
an die Uerreo Holenfeld u. Embser in Strassburg und dann
unter Adresse an den Professor Exter' in Zweibrücken abgehen
lassen, so werden sie eben so sieber in meine Hände kommen,
als wenn ich sie sell)st abj^^ebolt halte. Auf el>en diesem Wej,'e
werd' ich Ihre Fabeln, wenn Sie die Güte haben wollen, mir
ein Exemplar davon zu schicken, ohne Kosten eihalten.
Das ist doch in dei Thal besonders, mein teurer Pfeffel,
dass wir zu i^deiclier Zeit auf den Einfall geraten sind, eine
poetische Epistel tu « inander zu schreiben. Aber nun will ich
die Ihrige erst abwai ten. I^ir Ihre Beilnifre zum Almanach
danke ich Ihnen zvvai sehr, aber beim Empfang jener Epistel
will ich meinen Freunden ein Fest geben.
Ihrer Gattin und Ihrer Tochter, <lie mir zum Ab^-chied die
müssen Lietler vursanj^, küss' ich die Hunde. Giüss-en Sie
Luce,^ Lerse und Köni{(* von
Ihrem Goeckingk.
> Aug. Lndw. von 8chlüzer, Yetlasser ge&chichthcher Schuften
<l786^180e).
* Im folgendNi FrAhling wurde Pfeiel von einem Stnd. theol.
diesM NamenSi ebenfslls aas ZweibrQcksB btsoebt.
" Luce war Lehrer am Pft-ffelschon Institut und zu;:lcich Kon-
rMtor deBProtettantiscbea Gymuasiums, nachher Pfarrer iu Idunster
(1795— -180^, wo er an Pfeffel zahlreiche Briefe schrieb, die zum
grossen Teil «ilialteii, aher schwer a« entsiffecn sind.
* Dessen Schwester Sybille, aus Sulz, wird in Pfeffels Fremden-
buch, unterm t. November 1783, also wenige Monate nach Empfang
dieses Briettö, namhaft gemacht. Die unterm lü. Dezember 1781 er-
wähnte Maria Dorothea wird wohl die Mutter gewesen sein, die ihren
seit karsem in Colmar wohnhAftea Sohn besuchte.
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- 38 —
N. S. DürtV ich im Journal wohl einmal der seKsamen
Gabe Ihres Freundes, Leichen unter der Krde zu fühlen, mit
einem paar Worten erwähnen und mich «labei auf Sie be-
ziehen ? Noch lieher würde es mir freilich sein, >venn Sie das,
was Sie mir in Ihroui Garten davon erzählten, noch einmal
selbst erzählen wollten. i
' Einer der Sekretäre Pfeffels soll, wenn er letztern in den
Galten führte, jedesmal an einer bestimmten Stelle anwillkürlich
■tehea geblieben sein, bis man sie «ifgrab oad eine Lelebe fand»
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Vll.
Allerlei us um Westrich.
Mitgeteilt
TOB
Stengel.
1. Finster Gesiebt — Ungeduld — Zurn — Drohuog.
Der macht ä Gesiebt, üass mar sich fercht.
Der macht h Gesicht, wie wann er de Essig alle getrunk bUt.
Der macht h Gesicht, wie dr6i Ta Röjewetter.
Dhod kann mer nli anloüd, e so macht er e Gesicht.
Do muss em jo de Galt iwergehn.
Do mennt mer jo, mer mi-sst s Deiwels \vf»ra.
Do mennt mer jo, mer misst us th'r Hut erus talue.
Mer mennt, mer misst uf der Sou l'urt, uo vvanu mer ken
Ferkel im Stall hat.
Do mennt mer docli, mir misst mit Stiwle un Spiro drin sprin^je.
Do mennt mer doch, mer misst mit de Fies drin springe.
/ Do mennt mer doch, unser Herrgott sei wer misst drin schlaue.
Do mennt mer doch, mer misst mit' Prejie drin schlaue.
Ich vergeh nkch vur Ungeduld.
Do soll doch glich der Dünner drin sehUue.
Bist de dann ganz s Deiwels !
^Wärs e Wunner, wann ich dich tSt brün un bl5 schlaue.
Bi dem hats elf gewärf.
^, Der ist <^\'\ch owe drus.
Der sitzt allowil um ^ hocha Perd.
Der sitzt glich unii Esel.
> nfm.
f
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— 40 —
In dhne fohrts enin wie e Schutz.
Das isl e rechter Krakehler.
^ Das ist e rechter Zi\rijel.
Der wes sin Zar ken Eng.
^ Wann der im Zär ist, kennt er sich nimeh.
Icli kivj vur luler Zar noch de S( hwin(l>:iu ht an He Halscb.
Mer rneiinl, dem ist e Lux iwer de Lewer gekrawelt.
Mer iiiennt, der hat e Bobe im Hirn.
Wann de nume in Vinedig wärst !
Wann de numo um Bnstlverjr wärst !
Wann de nuine im iiiiiiiuel wäi*st !
Wann de nume in der Ewigket wärst !
Dftf dich nume unser Herrgott hole I
Warf, dem will ich« sfejdl
Wart, dem will ich zije, was dr6i Erbse für 9 Brie gin !
Wart nume, ich will dich schun Mores lehre!
Wart nume, ich will dich schun Moses un de Proföte lehre!
Wart nume, icli will der schun de Staare stteha!
Wart nume, i( h will der schun zl»jd, wu mer um Bartel de
Musl holi !
. Wart nume, du lii>^t iiäch tut iwer um Grawe! driwel
Warf nuiiie, du pillst nach us um en anere Loch! •
Das sollst de uier hiesse I
Das ist der «iisiiiäl nit geschenkt!
Uisnial schlä ich dir de Ohre väm Kopp er.tii !
Kumm nume, dismäl kr^jst de emil I
. Das vergess ich der nit, un wann ich hunnert Jar alt w6r.
Das soll der uf um Gewisse brenne.
Das raussl de n6cb in der Ewijrkfet biesse.
N^m dich in Acht, dn hast uf der Mihi.
IL Grobheit.
Der ist •^lob wie Sofdiohneslroh.
Bi dem iiiecht ich nit Soühirt sin.
Der geht mit em um, wi de SoQ mit um B^elsack.
^ Do kuromt mer an, wi de Son im Judehus.
Der ist noch nit wöja siner H^flichkM in de Soustall gesperrt w6r.
Das ist e grower Schwitzer.
Das ist e grower Latz.
Das ist e grower Flegel.
L)»s ist e lutherscher Dickkopp.
Das ist e rechter Flade.
Das ist c wisfer Gnst.
Der fahrt cm alle Dah zehnmal iwer de Nas.
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— 41
Dem bann ich gez^jt wu der ZimmermanD s Loch gemacht hat.
• ^^'Üer lassl sich nit uf de Zewo (relo.
Der ist nil links, der lassl nit mit sich spasse.
Der ist kui-z ufgebung.
Der schnouzt ene an» wie wann mer e Hund wär.
Der schnouzt ene an, dass kha HuaU ken Slick Brot meh van
em n^me däl.
Iii. Unvemhintheit Bosheit Troti.
Der jreht (iiuf e nin, \vi e Muni ut e H.uihule.
^ Wann mer d^ne vör enus jaul, kuimiU ei hinge erin.
Der geht driwer enin, wie e Wilder.
Der hat nit e so vil Scham wie e Hund.
Der hat de Scham in di Aue, un die drGckt er zu.
Das ist e schamloses Geschöpf.
Scham dich, du Gast.
Du unverschämter Galater«
^ Um e Besoffene soll e Hauwaue us um W^j gehn.
. Dem geherte de Hose gespannt.
Bi dem ist ken Strech verlor, as der wu derndwe geht.
Der ist um Deiwel vam Schwanz «jeschaht.
Der drlt inil sim Kopp durch e Mur edurch renne.
Der hat e Kopp wi e Mulesel.
Wann der emäl sal, ich will nil, dann isls tertij?.
An tiem nutze ken Rede nix.
Der ist nit se siede un net se hräte.
Der giawt an ken Himmel un an kkn H6II.
, Das ist e wildi Ripp.
Der lodt inger sich,- wl e Hienerdleb.
^ Das ist e rudiger Hund,
Der hat van der unsinnig Kuh gefress.
Der hat b^si Milch getrunk.
Der muss zu allem sin Senf jrin.
DfT nius? uf alles do Sleinpel dricke,
^ Dt*r lifin;:! um e jede sin SchlederliniJ an.
lU'ux kann niemand nix reclit mäche.
l)fr liiel ein 'J'rutz.
Dciic siüil mer mit Fimll'ini^erkrut zeche.
Dem gehert der Buckel e mal abjfeschniert.
Dem gehört ungebrennti fisch ufgelejt.
Dem gehört der Buckel e mal abgerumt.
Mer mönt» der wott öne mit de Aue durchsteche.
✓Mit dem ist nit gut Kirsche esse.
Der loQt hne an, wi e böses Dier.
V
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— 42
Do wott ich iiewer tot Bin« as bi dem lewe.
Das ist e rechter Giflmichel.
^ Der ist ftrger as um Driwel <\n Gi'os.«intttter.
Der sitzt uf ^oe, wie der Deiwel uf en armt Seel.
Das ist e Gasseneng^el \\n e Husdetwel.
Der hat Holz zum Fier gedrah, na vil er gekiunl hat.
^ Wer dem irij^^.'r <Ie Klowe talll, ist verlor.
Wann de mich liiinke willst, hfink mich ^lich.
i)o vveid Iiier iiit grad gehenkt WMi*e.
Der ist ut luiclt gefall, wie de Voül ut en Ihl.
^ Der fallt iwer ene enin^ wie der Weih ul e Huhn.
Nume draf, ich han h brfeler Buckel.
Mit dem ist nit gut k^jle, der werft em de Kiwel an de Kopp.
. Wann der em ins Hus kummt, soll mer s Kris macha.
Wann mer do hoe Döiwel erus schlit. schlit mer zehn toin.
Do muss mer sich us um Stab si hatre.
^ Der hat de Sterne vdm Himmel erah geflucht.
iV. Hissgiiasi ^ Feüidachaft — Haas — Zank.
b^v 'lunrit kein Mensclu' nix.
Der guiinl sicii selwer nix.
Der gunnl deii-Aimere nit ernäl s E-«se.
^, Der i^uniit em s Wis in tloa Aue iiil.
Der verguiint hm de Munfel Brod wu mer esst.
Der ist mer spinneflnd.
Der ist mer schun lang nit giin.
Der gäw gerat en Au drum, wann der anner kkns hätt.
• Däne hass ich wie e Krizspinn.
^ Dene han ich schun lang uf der Latt*
Wann ich dem emal kann e Ben stelle, w^r ich mich nit sum9.
Der ist mer schun lang e Där im Au.
Dr D<5iwel ist geschäftig.
Dci- Dt-iwel schiert Däu und Nai an de Litt.
Wer iner as Frind nix nutze kann, kann mer doch as Find
schade.
Wann mer bm nit hold ist, steckt mer 6m ken Maie.
V. Narrheit.
Das ist e rechter Schussel.
Das ist e so Stiewenarr.
Der krejt e so Ratte.
Mer mennt, der ist gepickt im Hirn.
Mer mennt, der ist nit klär im Kopp.
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— 4U —
y Ich glaw, der ist mit dre Belsekapp ^eschoss.
Der ist nit bi barer Minz.
Der ist iwero^eschnappt.
. Mr mennt, der ist verneweit.
Der hat e Sparre se vi! oder se wtoig.
Der werd nc»ch vur luter Gedanke, e Narr.
Wann unser Herrgott e Narr han will, nemt er um en alte
Mann de Fiau.
Wann de Narre \xi de Mark gehn, l»'.<e de Krämere Geld.
Um e jede Narr ^^efcllt sin Kapp, iin mir min Hut.
Der inachts, wie der Kasj>er im Komcdie.
y Der ist aller Litis Spolt.
Das ist en usgemachter Hanswurst
VI. PAffigkeit - Znagenfertigkeit - Lüge.
Der schmert em de Br^ ums Mul erum, awer k6ne toin.
Der i-l e Narr in sine Sack.
Dene kann nier werte, wie mer will, er fallt immer ut de
Fies wie a Katz.
Das ist ener van dene, wu mer de annere mit fangt.
^ Das ist en Iwei'gej'cheiter ; der liert s Gras wachse.
Der draht ut" 2 Schillere Wasser.
. Der w^, wi mer de Lilt de Wirme us der Nas zejt.
Der ist glatt wie e Scfal6-i.
/> Der ist glatt wie en Aal.
Der ist nit se schätze.
Der ist in kön Sack se bringe.
Der hat sin Schnitt gemacht.
Der hat sin Schäfel geachör.
Der lasst sich nil in^r^M' der Nas kriwie.
- Der lasst sich nil iwer de Nas fahre.
Der hat dich iwer de Leffel halwiert.
Do han n ich mich recht misse zamme nehme, sunsl hält der
njich dian krejt.
Do iiiuss mer sine 5 Siitne Zcimtne nehme.
^Der lasst sich nit vexiere.
Der fischt im Triwe.
Der wehrt sich, wie e Krott uf der Hechel.
^ Mit Speck fangt mer Mies.
Der w^s, dass zehn Pund Rindfi^h ebesseri Supp gön, as zwei-
Im Dunkle, ist gut munkle.
Du musst en alte Fuchs nit müse lehre.
Der Wolf verliert de Hör, awer de Nnppe nit.
Der bat zwo Mucke mit ^m Lappe tot geschla.
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— 44 —
Der ^^ 1 ft e grosse Fusch ins Wasser, um e klöne ee fSsinge.
(und umgekehrl.)
Der hall sich de Buckel süwer.
Der schilt's allewil um en annere in de Schuh.
Dem brucht mer nit mit um Scliiertor se winke,
^ Der sim liiert \vu er geht uii steht.
Der kann ^'wh <lutke, wann's sin muss.
^ Der wes, \vu mer um llurtel de Must holt.
^J)er wte ladtk te tchieke und se drfeje»
^ Der schmert de LitI mit ihrem eijene Schmalz.
Mer mennt, der kann kto dr^j sehle» un hatt's fastedick binger
de Ohre.
Mer muss sich senj^e, vrann mer *8 Kriz in der Hand haf.
Mer mennt) der verhext de Litt.
Der kann rede, wi en Advokat.
Der kinnt predij», wann*s sin misst.
Der kann rede, dass mor um ^rlawe muss.
. Mir ivdt kt'iiei' e Locli in de Kujtp.
Der neiuml's nit e so genau, der lässt Kuvvel iwer Holz get)n.
Der nemmt's nit e so genau, der lässt 11 grad sin, un nemmt
drizehn tur e Dutzet.
/ Du iiiusst mer nix wis mache, ich glaws doch nit.
Der kann rede, dass mer mennt, es ist e so.
Der kann us schwarz, wis mache,
Dem soll mer e Markschloas ans Mul l^je.
Dem ist's Mul in der Ruwj losgang.
^ Der ist nit ufs Mul gefall.
Dem mecht ich min Mul nit e Wuch lehne.
Dem sin Mul geht de ganze Dah, wie e Mihlrad.
Ich han gemennt, dem gehts Mul us ilor .\ngel.
So e hlanc-l>ec wie du, soll 's Mul halte.
Der iKit sin Fett ki t'jf.
An dem han se ken ^-^uies H;tr geliwt.
Der hat tlurch de Brems gemis-^t.
. D^ne hau se emäl (hjrchgehi^cheit.
. Der kann schiii4>e, wie e Rohrspatz.
Der babelt em febbes für sin Geld.
Der babelt em nit vil für 2 sous.
Oer redt vil, wann de Dah Lank sin.
Der redt um Deiwel en Ohr ewök.
Die kläppert de ^ranze Dah wie e Mihlrad.
Das ist e rechli Klapper.
Die s« hnattert an em Stick, wie e Gans.
iiede macht rede.
De Zung ist e ki^n Glid, kann awer e grosse Wald anzinge.
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Die bat e spitzi Zun^.
Mer muss sin Zung im Zahm halle.
Do werd alles eruni j^ezowell.
Mer darf 's Mul nit allewil läse spaziere gehn.
E guter Bell 1er verdeiht ni».
Der bezahlt ene mit barei Minz.
Der lijt, dass mer derbie tanze kinnt.
Der lijt e m ainik as e Pord rennt.
Der kann lije wie gedi uckl.
Der lijt, dass sich de Balke bieje.
Der lijt, dass es em schwarz für den Aue werd.
Der iijl 's Bloh vain Himmel erah.
Der geht mit nix as mit Lije ufs Land.
Wer Igt, stehlt ah.
Hit Lije kummt mer nit wit.
E guter Lije scliadt nix.
Das sin alles fule Fisch.
Do will ich Han> hriscli»?, wann «In-^; nit wehr ist.
Do will ich glich in^<*r ^olm, wann das nit wohr ist.
Do soll mich grad der Oe-iwel hole, wann's nit wolu ist.
VS'er emäi de Name Weife! hat, der hat ne äh bal Wolf.
Us d»Mn kinnt mer zwen Juile mache, uu dal doch näch
Christ iwrig hliwe.
Das ist alles Larifari.
Du wen! glich us öre Lus en Elephanl gemacht.
Was der sat, ist n&cfa lang ken Evangelium.
Das ist em&l e guter Schnitzer.
Do muss mer e gute Glawe han.
Wann de das glawst, hast de khn Pastet im Leib.
Das ist em blöer Newel vorgemacht.
Der lijt e so stark, wie e Geis drc>i. (tritt)
Dem kann mer nii saue, der verdattert alles.
Vll. Faulheit — Liederlichkeit - Unreinlichkeit
Der ist e so ful, dass er nit gesit.
Der ist e so ful, dass er nit gehn kann.
Der l^jt de ganze Dab uf de ful Hut.
Der hat sich nich kbn mied Glied gemacht.
Derzit dass de annere schaffe, lejt der im Bett.
Der hat sine dicke Pelz nit vom Schaife.
Der Ihut si( Ii el)!)es '^nit Sach an.
Das ist e rar, wie Murerschwes.
Der geht de i^^nz».- [)ah erum MulafTe fehl halte.
Der geht do erum, wie e so fuler tSchäfer.
- 46 —
Der hat »in Lfewe nach nix ^ecK'n.
/Der verdient iwei sim Schatle s Wasser nit wu er trinkt.
Für dem sin Schafle gäw ich nit vil Balze.
Das ist e rechter Bäreheiter.
Der ist iwer um Fullenze alt war.
^ Dene t rosse näch de Lies.
Der niii^-s nach uf um Misl v«^rfule.
Dei' i^t'lil alle n Äwet inil de Hihnere uf de Sättel.
^ Der klimmt allewil hinge nah, wie e lahmi Gans.
Das ist e tuler Lappes.
^ Der kummt hinge näh, wie de alt Fasenat.
Der wär gut nam Tod schicke, do kinnt mer lang Idwe.
Der geht wie e Schneck iwers Ackerfeld.
Das ist k6n BHtzloch.
^ Do gehts uf der Schnecki i
Dem i;ehfs Nvie <Ier Sclmeck. Die ist siwe Jähr lanj: am e
B diiii in de Heh jjekrawelt, un wie se dernäh erah gefall
ist, hat se gesät: «Ile bringt ken Glück.»
^ Do gehts: aKum ich hit nit, so kum ich märje.
Der lebt uf Unrechts Koste.
Wann der ebhcs lüu .>?uil, macht er e Katzebuckel.
Je wenijer mer tut, je wenijer will mer tun.
Der hat ken Schnied.
Der dät sich um alles in der Welt nit kihue.
Der hat näch nit vordient für in e hohle Zant.
Der ist nit just inger um Brusttuch.
Dem darf mer nit witer drofie, as mer na gesit.
Dem loQt de Liederlichkeit us de Aiu^ erus.
Der ist nit wert, dass ne der Bride draht.
Der ist nit wert, dass ne de Sunn hescbint.
Der ist nach meh as liederlich.
Der werd gehän|rt ew ei irwanzig Jähr alt ist.
Der kummt näch ufs Gaieo.
Dem gesit mer am Gesicht an, was mit um ist.
Der hat sine liichluui nh nit mit Recht.
Mer keaiit tie Voüel an de Federe.
Trau, schau, wem ! Inger toüsich kum ftm.
Der bringt dich nich um Sack un $el.
Der «tehlt wie en Atzel.
Der stehlt wie e Ratz.
Wann mer genuk hat« kummt's uf e Bissel nit an.
Wu gennk ist, krejt «ler Hund Peffer uf de Supp.
Do ist der Sehnoäz für de Trawal Birg wär. (2 Hirtenhunde.)
Iwer döne muss mer de S»>je spreche,
Vur dem muss mer *s Kriz mäche.
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— 47
üs anner Lilts Leder ist Bieme sihniede.
Dem sin Sack liai e Locli, es blit nix drin.
Der lässt nix l^je a.« e Mihlsten.
De Millere sin all Spitzbuwe. nwer <!•• S|iitzl)inve nit all Millere.
y Der ist nit \v»Mt, (hivs er de Ohre um Kopp hat.
rilirlic Briedere, gliche Kappe.
W t'i »ie Sa» k hpM, ist e so ;rut \vi der wu enin schilt.
y Das ist wahrers Zi;:ineipaik
Der hat 's Kainszeclie an der Stier.
Das ist e Spilzbuh so gross er hohl ist.
Do kummt Niemand ungeroppt dervan.
X Der suft, dass de Binse in ihm wachse.
X Ber ist voll wie e Kanfin.
' Der ist voll wie e Stiwel.
Für d^ne ist der Wij nit br^t genuk.
Um de Schulde bekimmer ich mich 's <:unz Jähr nit^ um die
kinne sich die hekimmere, wu ich schuldig sin.
Dns i«t e rechter Srhiüri.
|iit* -ehl (|i>lior \vi<' iludoliiianiis \Y»'-il),
Der loül drill, wie <ler Scliiiigerhannes.
Gell dich hat 's Ferkel gewäscht.
Der loQt drin wie e Mohr.
^ AVann mer döne an de Wand werfe dät, dät er dran hänge
^ bliewe.
Der wäscht sich alle Wuch e mä\.
Der wäscht sich alle Sundah» awer dann sch ^n.
Das ist e recht»»! S» limeerlappe.
Das ist der zweit Karchschmeerschmule.
VIII. Afmiit.
Dem l»nit 's Rlcn») /um Ge.'^icht erus.
y Die sm e arm, dass se krische.
Der hat ken Dehl meh an der Erd.
Mit Geld wir dem näeh se helfe.
^Der hat meh Schulde as Haar uf um Kopp.
^Der ist Gott un der Welt schuld ij^.
Der ist niemand nix schuldifr, as alle Litt.
Der lebt van de Schulde.
Ati dem ))Ut ah näch meh as öoer hange.
Der behalt nimeh e so viel iwri^s dass er sich e Strang kafe
knnn. nm <u h dran se hän'^'»^.
i»er behalt nimeh de Kscli in-t i um Fier iwrig.
Do grehts uf. wie uf Matze Hochzit,
Der ist pit'ite j^eholjrt.
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— 48 —
Der ist iwer dt^ Kniebis onus.
Der ist iwers Bacliel . mwer.
Wann der De-iwel huu-ii- ist, fresst er Miieke.
Dfetie kann mer dricke wie mer will, 's geht nix möb erus.
IJs dem ist nix meh erus se presse.
Der muss bald um Schelme entlafe.
Veränderlichkeit.
's ist iiil alle Dah Hoclizit.
Jelz wert emäl de iiauneie Wej eruni gelanzt.
Mer muss de Dali nit vur um Awet lowe.
^ Wie mer sich schickt, e so gehts.
Wie mer sich bett', e so löjt mer.
Wann mer ins Unglick komme soll, werd sich alles denn schicke.
Wann's Br^j röjt, ban ich ken Leffel.
Der hat sin Glick mit Fi^s getn\1.
's ^eht alle Dah e Slickel vani Lewe erum.
's bischt nit immer : Juh^ 's hascht gar se deck : 0 weh.
IX, Leid — Kiuimier - Unglück.
's lAI drickt mich näch in de Bade.
Ich ni^n, ich muss vergehn vur L6d.
Min Led nemmt ken Eng.
Der Kummer bringt mich nach um.
Ich han in de Wolke ge krisch.
Der hat llutz un Wa>:s»'r '/ehielt.
Der hat gehiell, dass mer de Häng hält inger de Thraue wasche
kiime.
Der verroüt sich häch.
Do vergeht ken Stun im Dah, wo ich nit dran denk.
. Ich kann mich schicke un dreje wie ich will, 's gehl doch nit.
Wus Unglick emal ingeriss ist, ist kön Widerstand meh se thun.
's feilt ken Siän vam Himmel, wu nit uf mich feilt.
Das ist e rechter Unglicksvofiel.
In dem sin Schuh roet ht ich ah nit stocke.
Dem i^t's nil e SO wobl, wie um Paflf am Osteidah.
^ Der krischl, dass mer mennt, er hat e Messer am Malsch.
Der Mensch kann nix wini^er vertraue, as de gut Sach.
Do kumiril mer us fiii P»'''ie in de Traf.
Der hat >irli e Hut uh-elxmfj, dass es en Art hat.
Dem kann ken Dokter meh helfe, «h-r ist veriar mit Hütt un H4r.
Dene hruchi mer nit se schlaue, der ist geschlah genfi.
Das ist e Strtjch vam helle Himmel erah gewenn.
's r6jt ah manchmal vam helle Himmel erah.
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^ 40 —
^ Van zwei I\v!e, rnuss- mor 's klinst wähle.
's ist ken Tn^ilit k e so ^i(><<, 's ist nhch e Glick ileibi.
Wann ich nume ztihn Klätu.i tiel' im liätle Uet leje.
, 's hat in der Welt e jeiler sin ^'ut Dehl se trduue.
's hat in der Welt e jeder sin Bindel se träaue.
Wann mer ken Gm bat^ macht mer sich.
*» i8t kän gr^r Grit as dass, wu mer sich selwer macht«
X. Lebensttbcrdrva« Krwikhelt.
Ich wolt, ich wär emäl iwer um Gräwel driwe.
Wanna nume ^nmäl fertig wär«
Wann ich nume im Himmel wär.
Nemmts awer nit bal en Eng?
Hält ich« doch nume kamk\ iwerstang.
Mir ist *S L^we verltnl.
Ich han an nix ken Fröd und ken Pletür meb.
Ich wott liwer doht sin, as 16we.
Der loüt drin, wio *?»^r haar Doht.
Der niachls ninieh 1 m^^, der liat jo de W^jslier ninieh.
Der hat de Schwindsucht am Halsch.
Der ;:eh»'rt de Gujruck nhiieh kriscbe.
Der init uf um lelzlc Loch.
Mer menot, deine han de Hexe geritt, so loüt er drin.
Mer mennt, dem bau de Hihnere 's Brod gefress.
Der kinnt e Geis zwische de Hemere kisse.
Ich menn, ich han e Mihlstto im Maue I4je.
Mir ists gl in un g^l wäf vur den Aue.
Wer hangt, der verlangt.
Hotsch^n, Dohtscben.
Dem sin Lt;we han;xt am Natsfade.
Ich menn 's Herz hfin^t mer am e Nätsfade.
Der macht ken giüsse Spring meh.
Bi dem ist's Mattliäi am letschte.
Der geht us wie e Licht.
XL Leichtsinn — Hochmut«
Das ist e lichtsinniger Trop.
Dem sin Lichtsinn hat ken F!ng.
Do nutzt alles nix, der ist blind un tauh.
Der ist verdärw ins Grund Krds Däde enin.
Was mer vur -W) Jahr faiiii, muss u\>^v nah 40 gehn*
Van dene gehn ah hunnert uf e Puu.l.
Wanns der Geis so wohl ist, ^^eht se uls Is un brecht 6 Bon .
Der denkt nit wiler as um de Xas geht.
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— 50 —
Der macht ^a*ad liiii;;c n,Mi, wie en Äff.
^ Was liier nit im Kopp hat, inuös rner in <l»'r Fies han.
Mach dr e Knopp in de Nas, dass de:» tiit ver^^^scht.
^ Der ist im Dirmel (Taumel).
' ^ Der geht in der Irr eram.
Do onennt mer ja, der Kinig biet dem de G&d«.
Der mennt ah, er ist'3.
Wer lank hat, lasst lank hänke, un wer näch länker hat, der
scbldfls näh.
Owe fin, inj,'e nix.
^ Wa« der sich nil alles inl)ildl \
i)ei- kann mache, was or will, der Hulir laft nin dorh hin^e näh.
Die kann mache was se will, der liubr loüt er doch zu aile
Falte erus.
Do iiieimt mer jo, da.s war e Prinzessin
Der bildt sich ah meh Kih in, as er Schwanz hat.
Do mennl mer jo, mer wär dem ebbes schuldig.
Das ist ^ SP 6 Grosshans.
^ Wann e Bettler ufs Perd kummt, ritt ers tot.
Der ist e so stolz, wie e Lus in der Grind.
Der ist e so stolz, wie e Piu.
/ Der bpat sich, wie e Pau. *
Mer muss mit hecher flieje wille, as em de Fliffi^^e ^^ewacbsl sin.
jr- Mer muss rode, wie em dr Schnawel gewachst ist.
Det' lint Wind im Lo-ih.
Besser e Sliek Brot im Sack, as e Feder uf um Hut.
Der ist hoch ge.sehär.
Der macht frehr de Grosse.
Das ist e rechter Windb^-itel.
XII. Liavertitaud — Duoiiuheit.
Der hat nit e so gross Verstand wie e Bohn.
Du iiast nit e so vil Verstand, wie e Kalb im Slall.
/ Das ist der dümmst Mensch, wu's uf Gottes Welt git.
Wiü kann mer numn e so unverständig sinl
Wlm" nmss um l'nvoistand zü pin.
Wann de k< n Verstand hast, muss mer der macha.
ftner Narr macht hunnert.
/ Der ist e so dumm, «tass mer kann Wand mit um inrenne.
y Der ist e so dumm, wio tlei D«'>iwel.
Du dummer D6-twel, der de bist !
Der versteht e so viel dervan, wie • Kuh van ere Muschkatnuss.
Der kann fransßsch, wie e Kuh spanisch.
Der ist dummer as e SchierdSr.
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Der glotzt ene Sn, wie e Kuh e SchierdSr.
Der ist e so. dumm, dass ne de Gän8 bisse.
Es nemmt 6ne nume Wunner, dass dem de Gäns nit Dalafe.
Du bist e so dumm, dass de ene dürsl.
Der ist dumnner ns e Süknlh (Saugkalb.)
Der hatp Pnlnier äh nit enieiikt.
Der jresil nit, um warin rner um de Nas druf tuppt.
Der tappt o so liinjjre nah, wie e Biinner.
Do hat ü eniäl e blinnes Huhn en Rrhs luntr.
Do mennt mer jo, 's bisst em e Kuh in de Kopp.
Je dummer, je erster kummt mer durch.
Der zähmt 's P6rd aliewil am Schwanz uf.
Do hätt ich besser de Finger ins Fier gehebt.
Der hat fth de Aue mit Dreck verschmert.
/ t's dem werd ken Kuh klug.
Der kann mit abgesitjte Hase abrije.
r Der frtn^t aliewil am hitze Eng an.
Zu dem bisi <le nit pefuxt.
/ Der i«1 dummer as dr^i Dä H^Jewelter.
Das ist en enfaltijer Zappe.
Der iiat de Flint am h'Hze Backe gehai.
Das ist en ^nfultiger Zippel.
Das ist e so «[Tapp ins Mäs».
XIU. Feigheit - iüigst.
Der bat nit e so vil Courage, wie e junger His.
Der ist gut lafe mache,
/ Das ist e rechter Hasefus.
Der lässt sich licht ins Bockshorn jäue.
.Der förcht sich vur siner eijene Schätt.
D< ne kinnt mer mache in c Musloch schiuffe.
Mer rnuss sii h nit lasse in e Musloch stecke.
Dem han de Z^hn p^ekläpperf vur Angst.
Heb du de Kuh, der Muni stosbl mich.
Wer sieh lercht. ist gut jäue..
De Furcht niuss de Wald biete.
Dem ist 's Herz in de Schuh gefall.
Der hat Lunte geschmackt.
XIV. Bhrlidikeit — Treue.
Dene kinnt mer uf e Hufe Gold sitze, er dät nix anriehre.
Dem kann mer alles anvertroäe.
Das ist e guter, ehrlicher Knoche.
52 —
Das ist e guter, dummer D6-iwel.
Der bat '9 Herz uf der Hand, der kann nix verstecke.
Zu gut, ist e Stick van der Liederlichkeit.
XV. Arbeitsamkeit — G^chieklichkeit — Sparsamkeit.
Der schafft wie e Biedermann.
^. Der scbaill Dah un Nacht.
Der roliert Dah un Nacht.
^ Der thut sich Dah un Nacht scliinge.
Der gunnt sich Dah un Nacht ken Ruhw.
Mer meont, der will alle Berje öwe miche.
Der ist alerte, wie e Wachtel.
Der rennt wie e Schäferhund.
Der lätt an ein Dah nin (ü) Bäna US.
Der git meh her as er hat.
Das Perd, wu de Hawer verdient, kr^jt ne nit.
Ich kann nit hexe.
's geht nix iwer e gut Kommando.
Wann *s Kommando nit gut ist, ^^ehn alle Schlachte verldir.
Dem sine H&og mache, was de Aue gesin.
✓ Wer de Heller nit ehrt, ist de Guide nit wert.
Wer e Sou nit drtjm&l in der Hand erum dr&jt, ew er ne
usgit, kummt zu nix.
Was mer erspart am Mund, fresst de Katz oder der Hund.
Mer rnuss sich nä der Deck strecke.
Mer muss kon li^^ie Spi in^ mache wide, as bis an dePlafond.
Mer l^u^s de t'ior ovf»l am Märje suche.
^ Sj»ar in der Zit, dann hast de in der Nut.
Frieh enin, und frieh erus, fillt um Bür de Scluer un's Bus.
Mist' un fahr', ist gut j awer ziej aJi ab tle Hut.
XVI. Gedald - JÜat.
Was ich nit andre kann, iiera ich ^eduldich an.
Wann mer Vejie lange will, muss mer uit mit Prijle drin werte.
W^ann mer Spatze fange will, muss mer nit mit Sten inger se
werfe.
Je ungeduldger mer werd, je wini^er geht's.
So geht's, waun mer sich dnmmle will.
Un wann mer do e Geduld hält, wie der Hieb, misst se em
usgehn.
Der fercht sich vur um De-iwel nit.
Der ist nit gut ferchte mache.
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- 53 —
Der lässt sich nit licht schrecke.
Der oeromt de Stier 1h de Hernere.
Der -halt us bis -uf de letechte Mann.
A.
Der hat dich in den April geschickt.
Das isl 80 en Eschepiderle.
Do werd's öbbes abse^se ; das ist Mibes dermehr.
£ so ki^jt mers m der Apet^k.
Der ist mit uin k blöe-n-Au den'an kum.
Abing (eh bien) ich sins zefride.
Das ist en ärsch^lig Ding.
B.
Wann mer dreimal Bankrot gemacht hat, ist mer e richer
Herr.
*8 Surkrut ist am fieste, wanns (0) i.inmal gewärmt ist.
Das muss gehn, un wann alle Bricke br^he.
Das ist en aller Bäre. (alff Kuh.)
Do gehts buntiweriks (ilinr)» emin ifM).
Wus Mud ist, sin^^t mer de Pumpernickel in der Kirch.
Mer muss um e bese Hund e Slick Brod hinwerfe.
Dö gelils Ulli, wie um Hampath (Dorf Givrecourl in Lotlu iiiyeu
bei Münster) 's Bache.
Zu geschehene Sache, muss mer *s Best rede.
Dr^imäl ist Buwerecht.
Nofie B^se kehre gut.
Pas ist e rechti Badik (unordentliche, z&nkische Familie).
Bettscli de gutt, so l^jst de gutt.
*s ist nit e jeder e Bflr, wu e Güscbel draht.
Do wott ich Ii wer e Buqier innebme> as das mache.
Bärjc, HKuht Sarje.
Kinnen ihr uf Bäi*g tanze, kann ich ä uf Barg s{>ile.
Wann iner trucke Brnt ps<5t, kr^jt mer rote Backe.
Fremdes Brot ist süres Biot.
Das ist e blinni iialalje (nur zum Schein).
Der ist strak, wie e Bulzer.
Der stinkt m der Boek am Micbelsdä.
Das ist e wahri fiobneslang.
Wer das mache will, muss meh kitin» as Brot esse.
Je ftiter der Bock, je härter 's Hörn.
Das ist e so rund wie e Bum^k (runde Hoixkugel).
Das ist e bossijes (sonderbares) Ding.
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— 54 —
Das kunimt juet- Itossij^ vor.
Das ist mer Gift ud Boberment.
Das ist e rechtes Blotzloch.
*8 ist backelhart gefrir.
Besser e Bloch, as e Loch.
Ich schli der*s Hui e so bret, wie e Blouel.
Um e BesoOcne soll e Hauwäae uswiche.
Vile Bridere, kl^ne Gitere.
G.
Das ist gerad wie: Cumire, bring nier niks.
Der nmss cuDterbiere, doss es ea Art hat.
Das ist e rechti Gana^e (canaille).
D.
Deiii liaake de Triwle e so iioch, wie um l'^uc hs.
Der D^-iwei ist nie e so schwarz, wi mer ne m<.
Rom ist nit an öm Dah geboQt vrftr.
Mer muss de D6-iwel nit an de Wand mlle, sunst kummt er.
Was de D6-iwe) nit tut ; do mennt mer jo Wunner was.
Vil Hann sin 's Hase Dot.
Do niecht ich nit ilot sin, vil winnyer Inwendig.
Das ist jo 9 toüsig Wunner.
Do ist alles durchenaaner wie Hej un Stroh.
Do inecht ich liewvt in de Dot gehn, as döhin.
Mer muss de Dole ruhwje lässe.
Do gelits US un in wie im e Duwesciilak.
her muss sich ducke.
Diesmal hast de de Dutnriie nil «Iruf gehat.
Der macht ganz desperat.
Das ist der Dunner schlah e Witt (eine Weide statt einer Buche).
Kummt Dah, kummt R4t.
Der duht mer de dürre Dah an.
£r ist dättersch anne gang.
Der dotzt, dass mer um nit zuloQe kann.
Das ist e rechter Dotzer.
fi so hau ich min D;i>-.?s Lewe nach niks gesin.
Wer nimand troül, dem ist nit se troQe.
Do hat der De-iwel siwe (7) gewärf.
Bekimmer dich nit um ungel^jte Eiere.
Wlonijer as Ens (1) kanns nit schlSae.
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— 55 —
Die {gliche ciiuiuier \vi eu Ei uiu ufinere.
Mer mennt, fier }^eht uf Kiere.
Der rei)iit, wie waiiii c Ilulia cu Ei loje will.
E Dutzet Eiere j^qt e '^ull Ainlett.
*S ist als in Ehr de anner wert.
Was de Eitere erschafft han, butze de Kinn druf.
Dem fehlt allewil in £bbes^ un mir zwei.
Do ist de Ehl länker as dei* Kram.
Der ist erschrock wie der Esel, wann um der Sack fallt.
Der hat mir ans Emsesäckel gestosst.
*s nemmt alles en En^', was nit ewig währt.
An tleni kann mer sich erkowre.
Wie die fcirwet, so der Luhn.
Vän dem werd er nit vi! pinhen» (erz^ihlen).
Der Esel hat ne nit us der Wand j^eblitzt.
0 Elend, läss dich bcijiawel
F.
Das ist e Fl^ke, däne wüscht ken Wasser meh ewick.
D l ! rennt wie *« wild Fier.
Mer kann n^imme e so lang in Fride l^we, as der Nächbär will.
Das passt wie e Fu.st uf en An.
Der hat um uf <ie Fies ;(ehoIf.
D'i ]>\«i ken Nfii-- ken Fade dervän.
De Kir«_li ist keu Ensch; se huppst nit furt.
E kleiier Funke kann e <rro'«se Wald atiziii^'^e.
Dem isl's e so wohl» wie um e Fusch im VVas.->er.
Der hat Fleh in de Haar.
Wann mer e gude Frind will han, muss mer ne nit se döck
Ijesuehe.
E rechter Find ist mer Uwer as e schlechter Frind.
Der ist ah vin Flisch un Blut wie Grassels Kats.
Was e Frau nit dehin bringt, bringt der D('>iwel nit dehin.
Wann mer dem de Finger langt, will er glich de ganz Hand.
Das i.«t e son alles Frauegereds.
Der hat sich de Fast voll gelacht.
Dt'in ist de F'red in de Brunne gefall.
im iSuiiiJiier reche de Fre^che zamme, was si im Winter ver-
zehrt han.
Der hat um elm gesteckt us um FF.
Der bat um ^hn gesteckt, dass er 's Fier im Schwizerland gesinn
hat.
Der zennt wi e hiizerner Fuchs.
Das ist krumm wi e Fiselboüe.
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— 56 —
Schmack Fuchs, 's ist e Riewesupp.
Fast ist ken Haas geschoss.
Das ist e roter Fikediwes.
Mit Gewalt drahl mer e Geis hing:e eruni.
Wann mer nimmeh ^esiit, brucbt mer numme se heirate, dann
jiesilt inor uno Hrill.
:' Das 'fiohi jü wie ^^eschrairt.
Warm mer «i-escliolt will sin, muss mer bi^irale, un wann mer
gelobt will sin, iims mer slervve.
V Du ist öner e so gut wie der anner; *s ist kenner niks nutt.
Der kröjts gekocht, das ers nit roOh brucht fresse,
^-^as nutzt mich e guldeni Schisael, wann niks drin ist.
Was nulxt mich e guldener GaQe, wann ich dran hinke muss.
Der ist uf um Galee.
Um e Gelehrte ist {?ut predije.
Unser Herr^'ott hat allerlei Geschepfe : Mensche, Vieh un Soidate.
Der Geschajdst gitt nah.
Do krejt mer jo e Gänseliutl.
Das glitzert wie <• Karlunkelslohn vur um Owelocb-
Wann mer (lt)h gerieint will w^re, muss mer sich sei wer rieme.
Ich han geschnattert vur Kfiit.
's ist nach keii Gelclirter väni iiiiinnel gefall.
Der loüi drin, wie e gestocheni Geis.
De kidne Krotte han ah Gift.
Das ist nit gehau un nit gesloeh.
's hat mer vam D6-iwel getramt.
Kidne Kinn, klines Kritz ; grosse Kinn, grosses Kritx.
\s Papier ist geduldig ; mer kann druf schriwe, was mer will.
Dem hat dt i Hut kel schun lang dernih gejuckt.
Geld rejiert de Welt.
Wer mir Guts thiit, ist min Nächster,
e so gehts, zitier as de Well steht.
Do soll mer jo e Kritz in de Schäi-sle uiacin .
Der Glawe macht selig, un der Win macht trehlich.
Der hat sich geslosst, wie der Stulit (Christoph) in der Apethek.
Das hat mich ferchlerlich gebiss.
Mer gewehnt sich an Alles, sogar ans Hänke.
Do ist nimmeh e so vil -Guts dran, as Schwaz inger um Njiuei.
Do ist nimmeh e so vil Guts dran, as &m weh im Au duht.
Wann de 's nit willst glawe, kannst de iofie gehn.
Wann de 's nit willst ^lawe, kannst de anne lafe.
Gebrennte Kinn ferchle 's Fier.
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— 57 —
An dem han ich yewunti, wie der lie-iuel an Riowo.
'So gehn (U* (V\n^' hat der Miller gesät, un doh hat er outnme
^ne gehall.
Der lässl sich ^'esimi flfi.««:! etwas Uraul gehen).
Do gehls, wie all inka gults.
Der hatü nil gefung un nit gestohl, der hats geerbt.
Oer bracht nil sesiue: Gott Blrkf mich, der ist genuk gc$tr&fi.
Der hat sich schun an Gott un an de Welt geweogt.
Er hat oms doüsig Gotts Will angehalt.
Der geht nfs G^i.
Der hat gqjebelty daas es en Art gehat hat.
Deraah ist iner gewischt un gewäscht.
Der steht do k»üe, wie e Gans in e Läüel (Lägel).
*s hat mich jrnnz j^eschuchert.
's ist Hier <^'anz kriwehch w4r ums Herz.
Der ist nil gippe)gäwisch .
D.(s hM iner schun lang gegroüelt.
Der iial mich gekujoniert bis ufs Blut.
Der ist los gang, was giste, was haste.
^Do ist gehupst, wie gesprung.
Das ist e Gnckau.
Ha
Ii Ii han ne bezahlt ut Heller un Pennig.
, Das ist e so e Herrefresse.
Ich kann zu mim Hly Stroh saüe, un zit mim Stroh Uäj, wann
ich will.
Es ist kt ii Hochzitl e .-^u kleii, 's macht sich <^hn.
i«^WeJ.^ dem lass ich mir keii s/räiHvs Häar wachse.
Der lebt wie der Voüel ut' um Hanlsame.
Ich kann das Ding weder höwe, noch l^jd.
Do geht alles im Hausier.
Was mer nit in der Hand tust, kann mer nit h6we.
De gute Gedanke un de kihme Gans kumme hinge n&h.
E Hundsfutt, der meh gilt as er hat*
's kummt sehe ebbis bessers hinge nAb.
>- Dene hat der Ha wer gestoch.
Wann <lo 's hast, dann hebb's (halte es).
Was ich nit weiss, macht mer nit heiss.
's Handwerk ni«'d (npiih t).
^^ u der Haas isi geixu , gelit er grlir Verlar,
's ist sch^n, wann mer wieder liin dart, wu mer schun emäl
gewenn ist.
*B gitt numme ^hn Hemm (Heimat).
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— 58 —
Wann mer hackt, kann mer nit grawe.
t^Hinge näh ist gut rede.
Der schläft wie e Haas mit uflfene Aae.
De Kinn mache em de Häar us de Aue.
^ Do gellt ^bner hott und da anner hahr [rechts und links].
Wer nit alt were will, muss sich junjf hänge lisse*
Dev ist Hahn im Kärb [der angenehmste].
Der ist e so ffif, wie e Holzbock.
^ Do sitzt der Haas im Peßer.
Das g^eht uf Mauel ua Wind [gedankenlos].
Bis der kuiaiiit, ist der Haas iwer der Heck [ist es zu spät].
Mer hat mer*s ufs Hänke verbot.
Der ist e so frindlicb, wie e Hasegärtel.
Do hätt ich um e Härel e Bock geachoss.
Das ist ö rechte Mubett [altes bauGtlliges Haus].
Der ist losgang wie e Hollinder.
Wann mer ens will han, muss mer '3 anner dran Itehre.
Der hat e Loch in de Himmel geloüt«
I.
^' Do ist's grad wie in ire Judesehul.
Das brennt wie gliedig Ise.
. Do werds hm iwel un weh.
^ 's hat micii ganz iwerlaf.
^ Wer de Supp ingel)iockt hat, kann se ah usesae.
Die misse ihr ganzes LtHve an ^hm Joch zije.
Do TChfs IUI in, wie im eu IinmebuQgst.
Der stinkt wie eii alter Jud.
Er hat sich zamme geringelt wie ea ^el.
0 Jem mer liehe, was ist das !
K.
Wann de Katz furt ist, sin de Mies Master.
Wann de Katz furt ist, tanze de Mies nf Sttöbl un Blink.
Der hat de Karch in de Dreck gefiebrt, er kann ab loue, wie
er ne erus bringt.
Do ists dunkel wie in ^re Kuh.
Das ist ea alter K radier.
Was mer nit im Kopp hat, muss mer in de Fiess han.
Es kinne nit zwen Hun an öhm Knoche naüe.
Mer muss e Sach nit '^rad iwer um Kniej abbreche.
Die iiaile zamme wie de Klette.
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- 50 -
Wer kejie will, muss ah ufselze.
Er gellt drum erutii, wie de Kalz um de heisse Br^j.
Do kuiinrit kon Katz drus.
Der Parre ^ohrrt uf de Kanzel un de Buhr in de Stall.
Was de Katz nil fresst, tressl der Hund.
ün wann mer e so alt werd wie e Kub, lehrt mer alle Dab
derzu.
Der hat sich j^ebe^serl wie Gros^els KaU.
Mer muss de alte KM ml rudle, er stinkt.
Der lästert wie e Kehlhaas.
Der ist ken dr^j fülle Käs hoch«
Wann mer ebbes nil kann, steht em *s Lehre wohl an.
Wann der kummt, sehnöjis grien.
Das kann ken Katz lese.
Der hat angehult wie e Krippel am Wfej.
Do ist mer ken Krimel Angst.
, Der ist für de Katz.
Der Uli ISS nach e paar KässcluniTc esse, bis er gross ist.
Der Iji uchl e Knecht für sine Ansclilaj se fresse.
Du ;,'ehu ich e Kirw kreje [lain;e zu heilen haben]
Dem ist der Knopp ufgebroch [ist das Verständniss gekommen].
Der Knoche wu em beseht ist, achlöft em ken Hund furl.
1^ Wer lang Knepple esst, werd alL
Der steht gut in de Knepp [Kndpfe] [ist reich].
Das werd sich klemme [MQhe kosten].
Kirsche rot^ Soöhandel tot.
Dt'i* laft wie en Ent.
Mit dem kannst de dich nit an de Lade lejo [.sich brüsten].
Der hats im GriÜ, wie «lei- Betf»'!fti uin de Lus.
Der laclil sich nach ztun e Lellelkerwol.
Mer muss ^ne nit se vil lowe, dass mer ^ne ah wider schelte
kann.
Der ist schun 's Land us ua 's Land in gelolf.
Wie de Litt sin, eso ist ah ihr Dings.
Der hat sich lätral [neutral] gehalt.
Der ist fertig bis uf s Lime [Leimen=Hau[rt8ache].
Kreiz Dunner Leder, was ist das!
Der ist usgang wie e Licht.
Die sin Lc'-ibskamerade.
De riche Litt sin wohlhabi-^^ un de Xvnw. Iiann's Brot netig.
iliche Litis Techtere [Töchter] un arme Litis Fille sin bal alt
genuh.
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60 —
Wantt 's Miesel satt ist, ist*s Mehl bitter.
Das ist gerad e so vil, wie wann e Muck in de Rhin fliejt.
's ist mer durch Mark un Bdhn ;^ang.
Zu ern gule Mc'^j gehert e guter Schlifst^ho.
E ieere Mäüe, lasst sich niks säüe.
Der loüt do erus, wie e Mus us 6re Wickel Wirk [Werg].
t/Der !:'(<st em 's Mul suwer [sauber\
I>o Inn irli disin;'«! *' ^fef /j»MGang gemacht,
Der Scilla ht dich nm-i aekt' [völlig] dot.
Wer de Milcli suli, kann ah de Kuh melke.
Der ist nit hinge wie vor, sunst wier er wie e Mis^thähr.
De Mehlsupp helft um Mann ufs Perd.
N.
Grad e Narr, wie unser Karr.
Das ist därt, wu de Häs un de Fichse nanner cGut Nacht» saüe.
Der rnu"<s sin Nas in alles stecke.
{ Ehner Narr kann meh traue, as 10 Gelehrte anfwärte kinoe.
Mer miiss uni e Narr de Finger nit in< Mul stecke.
Der hat sich in o warmes Nest gesetzt.
Natur geht iwer Lehr.
Der loüt betriebt in de Newel.
Oer denkt lit e so witi as um de Naas geht.
Wann de e Narr willst hann, l&ss der e hilzere mache.
o.
1/ Das will ich mer hinper's Ohr schriewe.
Du krejst ebbes geschenkt, iin wann'?; en Ohrfej i«;t.
■ Mit ilern lockt mer ken Hund hinger um Owe erus.
Dem kumrat's, w^e um Ochs de Milch,
p.
Das hätl ich der kinne »afle, wann ich schun kkn Profit sin.
' Aha, piffts US dem Loch!
Der hat e bitten Pill misse schlucke.
Für das gäw ich ken Pif Tuwak.
Das i^^t ken Pirferlinp: wert.
Müde wu piffe, un Uiehnere wu kräje, ^joll mer glich de Ualsch
erum divje.
's passiert niks, 's ist schun emal passiert.
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— «l —
Der hat 8ich fürt gescbticb, wie e nasser Padel.
Das ist gesaist un gepeflert.
Der sucht 's Pferd, un sitst druf.
^ Wann 's Pferd gestohl ist, macht mer de Stall zu.
R.
Der hat nit e so vil Ruhjw, wie en Erbs in der Qu all.
Aa dem hau ich gewunn, wie der Deiwel an de Riewe.
Das ist en alti Rossel (alte Frau).
In ere jede Herd gils rudige Schäf*
t VVu Baach ist, ist all Fier.
* Das^ nutzt ^»^erad e so vil, wies (inft Rad am Wiüe,
Was ölim recht i-^t, ist ufn annere billijj.
i Richtum niaclit nit j^licklich, awer mer hats gutt ilnrhi.
Do gelte ken Rede niks, tio gtlt numme schwarz ul wiss.
Wem nit se rälhe ist, dem ist ah nit se helfe.
Der iiat ineii Ruüef as Haar um Kopp.
Der will sich e rotes RMel verdiene.
Der hat kfen Rösun un ken Regard.
S.
i^er gult schmM, gut fährt.
De Supp ist gut, awer 's Rindflfesch ist besser.
's ist niks scheuer, as der Fride.
Bliw mer zehn Schritte väm Lfenb.
. Ich sin uf Schusters Rapp geritt.
Mir wiile emäl iwer der Sach scblät'e.
Das i*t e Schwitzet- (13).
Der slulpert iwer e jede Grashalme.
Der singt, wie de Nachtigall inger um Schuterkarch.
Durch Schade werd uior klug.
Der verkehrt de Aue, wie e Buck, wann er um Schräüe lejt.
Der ist do gestang, wie der Butter in der Sunn.
Ich käf ken Katz im Sack.
Der hat iwer de Schnur gehtu.
Der hat sich zwiscbe iween Stiehl gesetzt.
Der ist sim Mul k^n Stiefvatter.
Was mer an öbm Ort sch<^-it, llngt mer am annere.
Do kinnt mer se jo nit sclirner im e Storkenest binanner flnge.
Das ist e - > -.cicher, wie ->^'2 vier ist.
Do lejt e S[iilhiiann begraw [wo man stolpert].
*^Der bat iwer de Slrank geschlah.
Digitizeü by CoOgle
— <i2 —
l Die zije all an oliin Slrank.
£ner Vatter zijl zeiinerlei Kin uf.
*s muss alles sin Sach haa, sogar de Quetsche in der Blijt.
i *s Nachts sin alle Kleh schwarz.
Do 8tinki*s m fier FechtschuK
i^Der schnulTelt ixirerall enim.
Mer muss <1ie alle Sache nimineh rudle.
Der schlaht hm n&ch de Schnell.
Der schlaht nach hinge enus, wie e junges Fille.
Ri dem ess ich ah ken Sesler Wäse [Weizen] meh.
i/Der hals ufs h^ksl Spilzel gelriw.
Mer meniit, der ist mit Sied ufgezoh war.
Der hat de Sj)ui- verlär [ist nnf Al)we<:e geraten].
Zween harte :Stehn, male stelle relin [rein].
Der hat de hest Supp g^ss [seine guten Tage sind vorbei].
Der lebt van sim eijene Schmalz, wie der Daks.
An mir buizi e jeder de Schuh ab.
Das ist der Staat väm griene Kä^.
Der lässt de Schulde hlitze.
G^l de Schtftflies bisse dich?
Das ist miner Seel nit wohr.
Der ist uf um en annere SchloGder.
De hungrije Snüo trähmfs vam £2cker.
Der hat um de Staare gestoch.
i Der redt ken Sterweswerlpl.
Der i«t nnrii iiilin (H) S( )mli arjer es de annere.
Der lifiiigt am e silwero Gnije.
Der Sparer muss e Verthuner hau.
T.
Mer mönnt, dass sin lutter Tirke un Pandure.
Trau, schau, wem, inger doäsi{( (1000) kum ^hm.
\Vi mers tilwt, so gehfs,
Bi dem darf 's Tip|M_'l iwer um i nif telile.
's ist kin Wasser e so hell, 's werti enial trieb.
ü.
' Mer muss sich nit uszije ew mer schläfe geht.
Um e sunsl ist de Dot, awer er kost 's L^we.
Der hat an de Ulrich geruft,
ün\*ersuchl sclnueckt nit.
• Der machts wie der Uhlespiejei.
Umgekehrt ist ah gefahr.
Je ungörer mer ebbes duht, je w^er geschiehts ern.
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— 63 —
V.
's bliht nikä versteckt, 's kämmt alles aD de helle Hiddah.
' 's kann fthner VaUer besser siwe Kinn ernähre, as siwe Kinn
dhne Vatter.
Der muss e Vetler im Elsess han.
Wann mer kfen Vetter im Elsess hat, gehts nit.
11 dene kann mer sich verlasse, wie uf e gebrochene Stteke.
Der liat vur Verwunnerung Mul un Nas ufgesperrt.
Do kinnt mor sich «Ic Fingere verbrenne.
Je gelehrter, je verkelirtcr.
V Ich sin '^^1)7. venliiinmell un Kopp.
's ist tithfer se veKiiene, as zamme ze halte.
Verwerl, was nit ijiecht [bricht].
w.
Wann inei Inge» (ie Welt' ist, inus mer mit ne iiieliie.
liehre alle Wt;] nä Rom.
Aha, Mäst ülm' Wind dolierV!
^ Mer tiaii de Wohret. nit iiatner .säüe.
Das wte nunand as Gott un de Welt.
iHis wto nimand as de Kirchelitt un de Märklitt.
Gut Sach will Wil han.
Jetz kannst de dich warm lahfe.
Der Wolf fresst ah gezehlle Scb&f.
c D.i> Nvackeil wie o Kuhschwanz.
Ir^sst könn Wolf den annere.
Das wackelt wie en altes Huss.
Der iiat nach k^nn Wasserle getriebl.
Der hat 's Wissbrod zArsI jjefress.
Der ist gefdlt wie e Wurst.
Du gehts Wurst wider Wurst.
^ Wer niks wä-ul, der gewinnt niks.
Do gehts ventre-ä-terre.
E Wann ist kön Ritler [Sieb].
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- e4 -
Sprache.
Die Ittnf Finger.
1.
1. Das ist der Duine,
2. Der esst gehr Bruine,
3. Der saht, \vu hohle?
4. Der saht, in*s Heare Garte,
ö. ün iler Kl(^hn saht: Wart, wart, ich wills um
Herre üäüe.
2.
1. Das ist der Dume,
2. Der schittelt Brume,
Der hebht se uf»
4. Der draht se hemm,
5. ün der Kl^bn esst se all elehn.
3.
i. bei ist in de ikiscli gegange,
'2. Der hat e Hasel gelange,
3. Der hals heiuta gebracht,
4. Der bats gebräte,
5. Un der Klöhn, der hats verrätlie.
4.
Diiiihel, dainbel, rȟsenaiiipel,
Pe<er Licr, lehn mer tliene bruiiue btier,
Dass ich Korn in de Miehle tiehr.
Durch iluj>, durch liol, durchs Geweliiiger Schlosii.
's sitzt en alti Gflks im Garte,
Kann de Bibble wohl erwarte,
Bibbeli Huhn, Bibbeii Hibn,
Der klihn Finger muss dervAn.
5.
Reiter, Reiter iwer de Grawe:
Feilt er enein, so muss ers bawe :
Plumps, do lejt er.
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— Ö5 —
%
Reiter, Reiter, Ross,
Se Basel steht e Schloss,
Se Rom sieht e Glockehus,
Do loüe drej schene Junfere erus.
Die erst spinnt Siod,
De anner hasclipelt Wied,
De dritt spinnt Hawerstroh,
Se kn'^clie alle drej : Monljoh.
Kuimnt (k-r Rauer Inn^e näh, un macht ais:
Hüpi»eKli, iloppeliii, Hoppeldi hd!
Hoppeldi, Hoppeldi, ho!
7.
l>rosjs, ilinrss, drill,
Der Bituer hat e Fill*.
Das Filiche will nit Iahte,
Der Bauer duhts verkahfe.
Kummt als £hner hinge näh, un macht:
Hoppeldidah, Hoppeldidah,
Plumps, schnerrt er Iwers PM erah*
8.
Ji, Schimmel, jil
Im Dreck his an de Knie;
Mirje gehn mer Hawer dresche,
Der Schimmel muss de Spriere fresse»
Ji, S<"himmel, ji,
Im Dreck bis an de Knie.
9.
£)bne, döbne, mehne, Blatt,
Unsre Kinn sin alli satt.
Gredel, hast gctnolke?
Siwe Geiso un e Kuh,
Peter, schiiess de Thiere zu,
Werf de Schüssel iwer de Rhin,
Märje muss gull Weller sin.
1^
»
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- 60 —
10.
iihne, m^hne, Dintefass,
Geh in de Schul un lerne was.
Lerne, was der Vatter «nht.
Din Vatter ist e Sebnitzler,
Schnitzelt mir e Pt ifehe,
Do pe-if ich alle Märje drut,
Geh ins Üiakerhus
Hohl mer e K^rb voll Wecke erus .
Mir ihne, dir ^hne^
Alle Bttwe, köbne.
H.
fehne, mehne, Dinletass,
Wusch mer de Pelz, um mach mei ne nit nass.
12.
Hicke, hackr, hei,
Hacke, hacke, Dischle, h;iUr _l)oriij.
Min Vatter ist c Sihuilzier war,
Schnitzelt mir e Boll,
Do geh ich ins Zoll,
Domit fabr ich ins griene Gras.
Da sab! der Vatter, was ist das?
Das ist ken Fucbs, das ist kton Haas :
*8 ischt numme dioi lanfri Naas.
13.
1, '2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, nin (9).
Schlalit der fJauer in de Rhin,
Scblaht dem Herr de Fenschtre enin.
Kummt der Sittel un setit ne in,
Setst ne in das Dabierbus,
Liedel, Lädel, Hobbobocb,
Hfttt er sine Dahler noch.
i4.
Kiiis. z\v»-i, <lrei :
In de Jude ^nei,
In de Jude Kinnerlehr,
Steht en Engel für der Thier.
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— 67 —
Hat en Appel nn e Bier
Wollt es gerne esse,
Hat k6n Messer,
Fallt e Mes«er vam Himmel erah.
Engel lafl in D^kters Hu>,
Hintel fojt de SIuIm? us,
i>e Katz draht de Dreck enus,
De Muss springt zum Fenster erus.
15.
Hehle, hihlo. Katzche,
Kätzche hat vier Beine,
Vier Beine un e Schwanz,
Jetz ist alles wider ganz.
16.
Kikeriki,
Der H.'ihn ist derlii.
Der Halin ist im Feld,
Bring mir im dir e Säckel voll Gek).
17.
Stil neck ! Schneck, streck de H^hr e? iis ;
Oder ich werf dich iwer doüsich (lÜüO) Dehr enus«
48.
Schneck, Schneck, streck din langi Ohre erus,
Oder ich werf dicii iwer Mubr un Hus enus.
19.
Maikemmer, Maikemmer tliej,
Din Valter ischt im Kriej,
Din Mutter ist im Ungerland,
Bringt e Säckel voll Silwersand.
20.
Wewei-, \V6wer, wick, wick, wick,
Mach mer's Tuch dn'j Ehle dick,
Mach mers nit sc r»'iin [rein]
Sunst schlah ich ders ans Behn,
Mach mers nit se grob,
Sunst schlah ich ders an de Kopp.
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- 68 -
21.
W^wer, W^wer, wick, wick, wick,
L&88 de Spule laufe.
Ich will der e Wissbrod kaufe.
W6wer, W^wer, wick, wick, wick,
Läss din SchilTel laufe.
Heute Balze, Märje RUze,
Am Sunda gitts se saute.
23.
Storch, Storch, Deine,
Füej mer iwer Haine,
Flie.i mor hver 's Bäckerhiis.
Un briiii4 ilivj schehne Wecke erus :
Mir ^hne, <lir elme,
Arme Schelme ah ehne.
24.
Storch, Storch, Slipper <le Behn,
Drah mich uf um Ricke hemm,
Kannst de mich nit tri-üe,
Hol e kl^ne Wäne,
Nemm e wipse Srliimmel,
Un liehr mich in de Himmel.
.25.
Peter, wu steht er?
Im Stall, macht Futter für uns all.
26.
Pefer, \vn steht er? Im Stall.
Was macht er? Ev j-ilt de Pfer Futter.
Das thut er.
27.
Kia, popeia, srhlah- Hink»>l.' dohi,
Lejl mir ken Ki, un fresst mer min Brot.
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— 69 —
28.
£ia, popeia, 's rasselt iin Stroh,
•g Bibbel hat t- Gackei,
's Kindel ist liuli.
29.
Kailinele, kaiiinele, was maclie 6ire Gäns?
Se tiudle sich, .se pudle sich, se wasche ihre Schwänz.
ao.
Stock, Stock, Stock,
Der Schnieder macht e Kock,
Wann icii zehle, 1, '2,
Muss das Rücke! tertig sei.
31.
Schlat, Kindel gutt,
Im Garte wachst e I{üt,
Wachst' i^auze iiiuih; vull,
Wuiiiil Hier de Kinule atitze» soll.
Schläl, Kindel, schlaf,
Din Valter hiet de Schaf
Din Mutter ist iu de Kafleevisitt.
Se bringt der ehbes Schehnes mit.
33.
♦
Heisa, hopsa. ni»''weselal,
Wann mich ile Mutter nach emäl schlaht,
Nemm ich de liintel un werr Scldat.
Heisa, liopsa, RiewesMat,
Krej icli de Tochter nit,
Nemm ich de Mahd.
35. t. ^
Rache, bachc Kurlu-,
Der Racker liat gerul»
Wer will schehne Küche bache.
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70 -
Der mus8 bawe slwe (7) Sache;
Eiere un Schmalz^
Zucker un Salz,
Milch un Mehl,
ün Safran maclit de Kucbe gehl.
3(3.
Wann (ier Hewe Sunda kummt, «
Han mer niks se koche,
As e l)issel Schwineilescb,
Un e leere Knoche.
37.
Uerr^otlf hilf,
*8 kummt e Schiff v&m Himmel erah,
Bringt Win un Brot, Gott sei gelobt.
Mutter, bache Ki^te,
Ganze, ganze Wanne voll,
Die unser Kindel dann esse soll.
38.
Ich und du, un*8 Bauers Kuh,
Un's Millers Rind, sin Geschwisterkind.
3i|;
Beierleln, Beierlein tick, tack, tack,
Du hast e grosse Hawersack,
Du hast vii Wäse un vil Köm,
Beierlein, ich bah dich gar ze gem.
40.
Ihr Uwe Ginsle, kumme her I
Mir derfe nit.
AA'eje wem ? W'eje num Wolf.
Was fresst er? Griene Kresse.
Was sun or > Gehle Molke.^
Ihr liwe Gänsle, kumme her.
41.
Wann mer motze, han mer Speck,
Wann mer sferwe, sin mer ew^ck.
Wann mer bacho, hnn mer Brot,
Wann mer sterwe, sin mer dobt.
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- 71 -
's ist e Bäliiu, uii ul tieia Uähiii ist e Nast,
ün uf dein Nast, do ist e Ncscht,
Un in dem Nescht, do le-ji en Ei,
Un in dem Ei, do ist e Dotter,
tJn in dem Dotter iBt e Haas,
Der lahft de Damme iwer de Nas.
43.
£ia, eia, Hoppeldi doh,
's Ist in der Kiche giad e so,
L&ss de Griewe im HSwe.
Trink de Milch znm Tippe [Topfchen] ems,
Un jSa de Katz zum Fenster enus.
44.
Guguck im i^rinen Wald,
WIevil Jahr mör ist alt?
Sab mer's nit, s&h mer*s doch,
WIevil Jähr lew ich näch?
45.
A, bf Cj de Katz l^jt im Schnee,
Streckt de Wadel hoch in de Hdh.
46.
Hicke, hacke, liclile
Mir Wille uns scheüii stichle,
Was kinne Vatter un Mutter bruche ?
Der Vatter e fette Bock,
De Mutter e schöhne Rock,
Un alle zwei brave Kinnle genuck.
47.
E Pif, e Pif, un Tuwack drin,
E Deckel druf, geraacht muss sin.
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VIII.
Aus vergilbten Papieren.
Ein älteres Gedicht in elsässischer Mundart.
Meine erste ökonomische Mehlsuppe.
ile skizzirt, nach layuu Ptini^slmonlaj:, entworfen und
dem Herrn .secrelaire der IUimford"i>tJien Suppen- Anstalt er-
gebensl zugeeignet von dem Verfasser.
Anmerkung de»< Rezensenten : DiesM sebr viele facta ent-
haltende, jedoch etwas derb slvlisierte, wahrscheinHch dem
Froschtnäussler orler I^^inecke Fuchs nachgebildete Heldenjre-
diclit (der Verf i-^er ncmit o>j Ode, obgleich, so viel wir davon
f»insehen können, weder Klopslock, Wieland noch Schiller ea
gtM III' dafür anerkennen möchten) passt zu keiner bis jetzt uns
bekannten Melodie tmd ist daher bis weiter hin nach selbst
jfewahlter Mantei abzubringen.
«Und röst' dln ICthl tehön drin, Sals, Ziwwel, Lorberblatt
<Un Näjele derzn an Brod, dass* an ebs batt >
— r>!ps hnv i dann nnd wann, wenn min Fvnn knmmedirt.
1 denk 6 vvenni noch, glich schiesst iner der üedauke
Als wie e BUtz iu& Uirn, dies vrotV i au noch könne ;
Sft «ri, je dis, i sa^s, gUeh fang i an se renne
0n koeh 0 llehlmipp an!
So nur znm Müstcrle, awei hgndert liewen
Lad i derza zu Gast — nnr nm se versnobe
— «Stolz Bibbel aal laej do!» fangt einer an ze äache.
Wasseinlioiiu, May 1817.
«De nimnitl «erat dineti Anken
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- 7a -
Wie der guet koche kann! wenn noch en Eierknche
Un Win, «n Brod, and Fleisch derhi «ftr, gftng*s echnn an !
'S Geld far de Kaffe müsst mer an derzu noch laje,
Ze könnt nie si' doch d'heim an noch e Bissel freue.
Derhi sinn d'Kessel schwach, die dert sinn ingemurt,
Diss ha i gest schuu g'sehu. wie i ha ningeklurt
In d^Kiche ; werli jo, dies isch e kleiner Gspass,
Se eotte sinn so gross wie*B Heidelbeijer Fass,
Se k9nnt mer an ebbe genn, dass me hätt dran genne ;
S o isch e Portion nur für e kleiner ßue
Me will gtlcht han doch, dif^s nnicss me nit vergesse,
I wott eilein e so e Kessel voll usfiesse. —
— Nee, saat eu Andri druff, ze viel isch doch nng^sund;
Zefrlede wftr i sohnn, h&tt i nnx alle Stand e Schissel voll darvon
Me mnss die Andren an dessfhalben lewe lonl —
— E dritti setzt derzu : Diss kann e so nitt gehn,
Ze wenni haw' i kriejt : so kann me do nit l»*sfehii.
Für uiine Part mein' i. me sott ebbs Geld uns gewOi
£ di^issiger ungfähr; sun^ch hett luia bissel Le\ve
E wenni Kaffee g*hebt ; jctz kr5pft*s mi, wenni als
E dicki llehlbmej soll de Hals mer nnnterwntje,
Un manipfig Kiss nn Gerst — i wur noch dran verwurje!
E bissei Schnaps, mein i. hätt doch derzu noch ghört«
Dass mer's verdaue kann, i has min Lebdi ghört.
£ Tröpfel Brenndewin kann eim gar gut bekumme,
I ha'Sp ao lang i weisa* an allewyl genamme;
Doch jetzt isch er se dyr, es losst sich jeiz mmm mache ~
— E Yierti saat : I muss jetz üwer euch doch lache;
E Pfündel oder zwei gut Brod g'hört no derzu.
Suust Ion mer mini Litt doch Dah un Nacht ken Kuh,
I mnss doch heische gehu ! Do schlich i ho um d'Hüser
Heimli emm und geht e Dür uf, so kalmüsser
I glich mi nin. nn stell betrübt min Noth so Tor.
*8 gitt dann nn wann no Lütt, die han Respekt dervor
ün genn mer ebbs an Geld; do geh' i d'no zum Beck
ün kanf mer Brod; im Witsch isch d'no min Noth ewegg!
— Nee. saue Andri druf. mo biitt Geld soll»' L'f wp.
Se könnte mer doch au noch uuscrm ü taile lewe.
E jedwed*8 macht derno mit Sim wa'e kann nn will
Un so wir alles gnt g*sinn nn gebliewe still. —
— Mer sötte, mein i au, noch mit Gewalt druf dringe
Dass den' wo's welle han, me's sott in d'Hüser bringe —
— Duo g'schihfs au manchiuol. ilass me gern m tl Kirch mucht gehn,
Se könnt me eim sin Pari, gar wohl am t'yr Ion stehu,
Dass wenn me lang gcnae isch in der Kirch schnn g^sesse,
M*es doch noch warm bekäm, sin winzi bissei Esse, —
— Me sott den Antraa dhun, diess könnt mer wohl erlange.
Dass sie ihr Kocherei um Viere scliuii anfaii;^?.
Diess war für sie doch nur e ganz geringi Müh,
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— 74 —
'S wnrd mer so hOlIi glich am Morjes, in der Früh,
Se könnt diss Bissel Biüij eim <\och zum Frühstück diene.
So müs3 m es, wärli na, mit Warte abverdiene!
Un do kriej i e Zoru ; do gitt's au uoch so Laffe,
Die alsfort welle lian, dass mer aa seile schaffe
Un han doch nix im Lib. Mint Nochben Bae macht*» g'scheid .
Bi denr het*s gar ken Noth, dass der e Bein verheil;
Do knmmt e Hann za ihm, dem soll er Kirsche breche»
Verspricht em sechzeh Sn, de Kosten au /um T-ohn.
Do saat er : Meinen ihr, der Kitzel ward nii steche
Um deue Fries ? Ne, ne ! schön worr i's bliewe lohn,
Sechs Schini myn^s mer sinn, nn an derbi der Koste:
Sanscht geh' w&rzi na, ich keine Schritt vom Pfoste ;
Kiskire mahn i nix, i hol' im Sterae^ d'Snpp
ün t;ph de ganze Dah d'no nimm ns miner Stub
Der het ä jetz g'scheid gemacht, i muss recht drUwer lache;
Me sott s de riebe Lütt doch allewyl so mache
Un sotTs ne allen an recht weh no drüber g'schehn,
Se mühn sie es am End do noch an FresM genn.
— Nee, kommt en Andri draff nn setzt voll Ifer m:
Mo cott' nun Ion gebn. wie allewyl, min Bne
Der bringt mer meh noch in als e frischmelkidi Kuh.
Diess isch e Tenfelskiud, der geht nit von de Fenstern,
Bis er's Almnesse hett: wir aUea Vsetit mit Gspenstwn,
£r wicht i nit vom PlalSi d*Lfktt mnehn em d'no doch genn
Nnr nm ne los ze sinn, diess ha' i selber ^ /hn.
Jetz sane selber ihr, e Frau un vier, fünf Kinder
Mit so'm Bissel Riss, wie kdnne sie denn b'stehn?
I wott, der Teufel hoF, es war au gar bim Schinder
Diss gauzi Gschäft — i gsteh's ich alle frank und frey:
I san' wie allewyl: Bs leb* die Betteleyl
< Das Wirtehaus worin die Suppen« Ansult ein(erlcbtet war.
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IX.
Die goldenen Eierschalen
vom Hugstein.
Mitgeteilt
von
Ferdinand Bastian.
Unweit vom Hugsteio stand ein altes Häuschen. Der Be-
sitzer desselben lag krank darnieder, und das böse Fieber
rollte ihm heiss durch die Adern; selbst das Wasser vom
Hofbrunneu konnte ihm den brennenden Durst nicht loschen.
Er schickte deshalb seine Frau auf den Huy stein, um ein
Krüglein von dem kalten sprudelnden Quell zu holen. Eilend
macht sich die Frau auf, um diesem Wunsche nndiznkonimen ;
und als sie das Ki ü;::l«Mn in die Quelle lauchic, -fnnil plötzlich
ein fremd aussehender Mann vor ihr, in einen sciiwarzfi»
Falteniiiautel gehüllt und mit einem Dreispitz auf dem Kopie.
Derselbe winkle ihr, ihm zu foljfen. Die Fruu war starr vor
Schrecken, nicht allein des fremden Mannes wegen, sondern
die Burg stand vor ihr in voller Erhabenheit, stolz in die
Morgensonne ragend.
Der Mann winkte abermals, und zagend folgte die Frau.
Er fährte dieselbe in einen grossen Rittersaal, dffhete knarrend
einen schwarzen Schrank, welcher ganz mit Eierschalen ange-
füllt war. Der Hann winkte ihr davon zu nehmen, so viel sie
Lust hätte, was sie auch verlegen that. Dann eilte sie nach
Hause, um ihrem Gemahl das Geschehene mitzuteilen. Als sie
aber ihre Schürze ausbreitete, prallten beide zurück: die
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- 70 —
Eierschalen hatten sich in lauteres Gold verwandelt. Sie be-
reute jetzt, so weni^ genommen zu haben, und flugs eilte sie
wiederum den engen Bergpfad hinauf. Keuchend langte sie
oben an; aber zu ihrer Verwunderung,' sah sie nichts als das
alte zerfallene Mauerwerk und wildes GrestrQpp : die prächtige
Burg war verschwunden.
Enttäuscht zog sie wieder den Berg hinab.
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Die Rufaclier Vornamen.
fJKter&Qcliniig
von
Heinrich MeiiflM.
Jeder Vorname hat ursprünglich eine besondere Bedeut-
ung, ist von Haus aus eine sinnbildliche Bezeichuun^j^ seines
Trägers und diesem als geistiges Erbgut von den Eltern mit ins
Leben gegeben. So bedeutet z. B. der deutsche Name Waltfaers
Gewaltiger im Heere , griechisch Agatbe=dte Gute, lateinisch
Felix=der Gluckliche, hebräisch Johann^der von Jehovali Ge-
schenkte, arabisch Maria=die Bittere oder SprOde, englisch
Edward (romanisierte Form £duani)=: Hüter des Gutes, schwedisch
Gustav^Kampfstablräger, russisch Olga = die Erhabene. Gegen-
wärtig^ aber g^iebt und trägt dio Mehrzahl diese und andere
Vornamen, oline sich ihres Inhalts bewussl zu sein. Sie sind,
el»jn.<i' wie die später aufjjekonimeDei) Familiennamen, zu
blossen Erkcnnunyszeichen herabgesunken und werden verlielien
nach Familionfiljerlieferungen, nach Orts- nnd Tageslieili|^en
oder andern berühnUen Personen, nach den Palen, nach Laune
und Zufall. Der -Vorname an und fQr sich bezeichnet heutzutage
kein Musterbild mehr^ dem sein Trfiger nachstreben soll, ist
demnach für den Einzelnen auch nicht mehr von charakteristischer
Bedeutung.
Anders verhält es sich aber, wenn man die Vornamen
einer Gesamtheit, einer Ort- oder Landschaft, betrachte!. Hier
giebl sich aus dem Gebrauch und Missbrauch, der Bevorzugung
oder Vernachlässigung einzelner Namen eine unbewusste Orts-
78 —
Überlieferung kund, und der Vergleich der jetzigen Vornamen
mit den früheren offenbart ein Stöck verborgener Ortsgeschichte.
So gehören die Vornamen mit Mundart und Tracht, mit Ge-
schichte und Sa^e, mit Sitte und Brauch zum geistigen Land-
schaflsbilde, zur Eigenart einer Gegend, zum Volkslume der
Bewohner. Und es verlohnt sich wohl der Mühe, den Vornamen
nach örtlichen und zeitlichen Rücksichfen eine j^rösserc Bench-
tung zu .•^iheiiken. Dies ist in den letzten Jahren auch mehr-
fach geschehen. Auf elsässischem Gehiete sind j^ie meines
Wissens erst in zwei Gegenden näher berücksichtigt worden,
im Kanton RappoUsweiler (Ferdinand Oryohann : Die Vornamen
der Schuljugend des Kantons Rappoltsweiler, im Jahresbericht
der Realschule zu RappoUsweiler, 1883, Progr.-Nr. 527) und
in den Kantonen Zabern, Buchsweiler und MaursmOnsfer (Vor-
namen im Elsass, in Nr. 14 des Vogesenhlalles der Sti^assburger
Post vom 10. August 1894 und in Nr. 576 dieser Zeitung vom
16, August 1894).
Einen weiteren Heitrag zur elsässisrhen Namenkunde möchte
ich in den folgenden Zeilen durch die Betrachfunfr der
Bufacher Vornamen liefern. Ich stütze niicli dabei aber niclit
nur i'if die Namen der St hulkiudei , wie es Ortjohann und der
ungenannte Verfasser iu der Stnissburger Post gelhuu haben,
sondern berücksichtige die Vornamen aller Einwohner, auch
derjenigen aus flrfiherer Zeit, mit besonderer Beachtung der
häufigsten und der deutschen (I). Aus sprachlichem Interesse
kommt es mir femer auf eine genaue Bezeichnung ihrer Formen
tind ihrer Aussprache an (II). Und da mir die Stellung der
Vornamen im Volksleben von Wichtigkeit erscheint, füge ich
endlich ihre Verwertung: als Gattungsnamen, sowie ihre An-
wendung in volksmässigen Redensarten, Sprichwörtern, Reimen
und Liedern bei (III; wird später erscheinen).
L
In liufach, da> nach der letzten Volkszählung vom 1.
Dezember IBDU etwa?: mehr als :{2(M» Einwohner hatte, sind
gegeiiwärlij; 180 Vornamen im Gebrauche^ und zwar 101 männ-
liche und • 79 weibliche. Es kommen also auf einen Namen
durchschnittlich etwa 18 Personen. Hierbei sind solche Namen
von eingewanderten Beamten und ihren Familien, die das Volk
nicht verwendet, nicht mitgerechnet, z. B. Bruno, Friedrich,
Hugo, Otto, Oskar, Werner; Frida, Hedwig, Hilda, Laura«
Meta, Sophie. Da .sie dem hiesigen Volkstume fremd sind, wird
sich ihr Ausscheiden hier und im Folgenden rechtfertigen lassen.
Dagegen habe ich Namen aufgenommen, deren Träger xwar
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— 79
gealorben sind, die aber noch im Volksbewusstsein fortleben,
s. B. Adam, Gregorius, Kunif^unde, Leodej^ar, Markus, Thomas.
EMe beiden käufigiien Namen beiderlei Creschlechts sind
Joseph und Maria. In den Geburtsregistern von 34 Jahren
(1800—1893) stehen unter 3684 Namen 327 Joseph und 329
Mai-ia. Der Xame Joseph beträgt folglich 8,88o|o» Her Name
Marin S/n ^ 0 aller Rufacher Vornamen. Das folgende Vei zei( hnis
enlliiiltdie.HOhanfijrsten : 1. Maria (8,03 o/o), 2. Joseph (8,88
3, Josephine (ü/»?'^,,^, 4. Xaver {iyAOo^,), 5. Anna (3,i2o|t,),
6. Heinrich (2,90«|o), 7. Emil (2,52 0',), 8. Luisse (2,i7o,\,),
9. Ludwig (2,39«!ft), 10. Elisal»etli und Elise (2,39o]o), M. Leo
(2,25o/o), 12. Eugen (2,17 0 «), 13. Eugenie (1,71) o q), 14. Mag-
dalena (IjGOofj,), 15. Johann Baplit-l (1,49y!o), » K). Henriette
C1,49o,o), 17. Victor (i,49o/o), 18. Karl (l,44o,[o), 19. Eduard
(l,36o/o), 20. Katharina (1,33o/o), 21. Isidor (1,22oo), 22.
Rosalie (l,22o|^), 23. Pauline (1,i4o|o), 24. August (1,11 «io)>
25. Emilie (1,09 o|o), 26. Mathilde (1,09 o/o), 27. Therese
(1,06o/o), 28. Agathe (1,03o|o), 29. Paul (0,9S<yo), 30. Albert
(0,98 o|o).
Voh diesen 30 Namen sind 22 fremden und nur 8 deutseben
Ursprungs. Ungefähr dasselbe Verhältnis triflt auch für die
Gf'sarntheii der Riiracher \'<'i namen zu ; denn von 180 sind
133 tremdländisch. Die jremden Samen haben demnach ein
bedeutendes Ueherp"e\virht. Die heulen luiiifi-slen, Maria und
J(isepli, zei};en uns den We^, aut dem sie eiii^redrungeii sind.
Wiedie^e als Namen der Eltern Jesu durch dii' Kirche empfohlen
und verbreitet wurden, so ist auch beim Gebrauch der andern
biblisch-kirchlieher Einfluss massgebend. Der treuherzige Thanner
' Der Name Baptist kommt nie allein vor, aondam ist in den
G«btirttiegisteni and im Leben stets mit dem Nanun Johann su
dem Doppelnamen .Tohann Baptist verbnn I n. Ändere hänfigt Doppel-
namf^n sind: Anna Maria, Maria Anna, Maria Magdalena, Mr^i ia Lnise,
Maria Rosa. ^laria Therpsia. Maria Regina. Franz Joi-ej Ii Franz
Xaver, Johann Feter, Feter i'aul. Davon konmu n m der Mundart
Tor: Johann Daptiat [l^^mpatis]. Frans Joseph [i rautssep], Maria
Aaaa [Muuän], Aaaa Maria [Anamkrf, Anemüei], Maria Bosa
(MikriröB, iiärilurds], Johann Pater (S^mpito, ans fra. Jean-Pieixe].
* Ich bsiraebte Anna als einen fremdl&ndlBchen, aber Eduard,
Lnise und Henriette trotz ihrer fremden Form als deutsche Namen,
weil sie dentschrs Spra'^hgn* enthalten Auch im Folgenden behandle
ich dip romaiiisiorteu i'or^nea Alpiions, Robert, Franziskus und
Franziska direr Abkunft wegen als deutsche Namen. Aloys hinge-
gen reebne ich trots seiner wabrseheinlichen Verwandtschaft mit
Ludwig an den fremdlindischen.
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— 80 -
Barfüs-^ennonch Malachias Tscliambsei* setzt die Ursaclio des
Ilü< k-rnijt"s ileul^cher und il.-r V»'rbreiluii{j fremder Vornamen
im Elsiss allerdinj?s auf Ilecluuuiij Friedlich Barbarossas. Er
schreibt nfirniich in seiner Thanner Chronik (Cohnar, 18(54,
1. Bd., S. 5): aFnderich der Kayser, mub den Welschen zu
gefallen und ihre Geraüther, welciie er je länger Je mehr ihm
geneigter zu seyn verspörte stärker an dch m ziebn, brachte
die ChrisUiche Namen als : Joannes, Petru8> Andreas, Gregorius,
Augustinus, Ambrosius, Anna, Maria, Lucia, Catharina, Marga-
ritha etc. ins Teutschland, und führte solche aisgemach auch
in unseren Landen ein, da sonst die Teutschen von keinen
anderen Namen wQssten, als Friderich, Karlen, Huldreich,
Ehrmereich, Cuonemann oder Conrad, Waldrath , Ludwig,
Heinrieh, Adelheit, Mathild, Gutta, Hertha, Bianca, Gisella,
Kunigund, Rosenmund etc.a — Doch wird den Kaiser Barba-
rossa an diesem Wechsel keine grösser»? Selmid treffen als jeden
andern Deutschen, wenn auch sein Soini, Philipp von Schwaben
(11Ü8 — 1208), der erste ileutsche Kai^'r war, der einen uh-
deutscheu Nuiüen trug (Philipp aus griech. Plui-hippos=Pferde-
freund)« Wohl haben die häufigen BerAhrungen der Deutschen
mit Italien und dem Morgenlande dazu beitragen helfen, dass
namentlich seit dem Ausgange des 12. Jahrhunderts die Sitte
eindrang, die altdeutschen Namen durch kirchliche zu ersetzen. ^
Aber neben dem Schwinden der poesievollen Anschauung unserer
Ahnen und des Verständnisses för Sinn und Bedeutung ihrer
Namen hat Ijesonders der Kinfluss und die Macht der Kirche
die Einführung hebräischer, griechischer und lateinischer Namen
gefördert. F< entstand immer mehr die Sitte, dem Kinde den
Namen <Mnes Heiligen der Kirche zu geben, oft gerade des
Ta;re-h«'iligen, um es so unter seinen besondern Schutz zu
stellen. Und da es mit der örfti. hen und zeitlichen Ausbreitung
des Ciiristentums zusammenhangt, dass es mehi' Kirchenheilige
mit fremde als solche mit deulscben Namen giebt, ist es
begreiflich, dass die letzteren immer mehr schwanden. In der
katholischen Kirche besteht diese Sitte noch; denn sie ist auf
Veranlassung des Trienter Gonzils (1545 — iSßS) durch den
Catechismus Romanus den Katholiken zur Pflicht gemacht
worden.* Daher kommt es, dass im katholischen Ro£ach die
' Diese Zeit wird von vielen angenommen, z. B von Albert
Henitze: Die deutscheu Famdienuamen, 1882, S. 2b; aber nach Otto
Abel : Die deutschen Personennamen, 1889, S. 61, 62, 6a u. 66, «ftr«
das Aufkommen fremder Namen in Dentsclilaad hanptsftcUicb in das
14., 15. lind 16. Jahrhundert zu setzen.
' Durch sie erklärt sieb mancher eigenartige Vorname, z. B.
der des berfthmten Schriftstellers Rosogger in Oiaz: Petri Ketten-
feier.
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— 81 —
kirchliclien Namen so sehr vorherrschen. Es ist dies eine Er*
scheinung, die auch sonstwo beobachtet wird, und die Fried-
rich Kluge zu dem Satze veranlasst: «In den protestantischen
Landschaften und Kreisen erfreuen sich bis beute die alt-
germanischen Namen einer weit y:rösseren Verbreitung als in
den katholischen» (Von Luther bis Lessing, 1888, S. 124).
In Rufach belra<ren die deutschen Vornamen nur etwa V*
aller X.inien (iS: 180), Das folgende Vt^rzfirhnis tulirt sie nach
der Hautipkfit ihres Gebrauchs auf. Bo/,ii;j;lich der oirijjeklam-
rnerk'ii Di iitungen schlie'jse ich mich hauptsachlich dein deutschen
Natueidnii lilein von Ferdinand Khull an (1891), das nicht nur
auf der Hoho der Zeit steht, ^^ondern als viertes der Ver-
deutsciiungsbücher des allgemeinen deutschen Sprachvereins auch
eine weile Verbrdtung gefunden hat.
1. Heinrich (Fürst des Hauses),
2. Luise (weibliche Form zum frz. Louis^sLudwig),
3. Ludwig (ruhmvoller Kämpfer)»
4. Henriette (weibl. Form zum frs. Henri ^Heinrich),
5. Karl (der Mann),
6. Eduard (ronuinisierte Form f&r ags. Edward, aliU.
Otwart=Hriter des Gutes),
7. Mntliilde (machtvolle Kfunpferin),
8. Alheit (der durch Adel Glanzende),
y. K;i inline (weibl. Form zu Karl),
10. Ut))>ert (frz. Form fur das deutsche Huprechl=der an
liuiiiji Glänzende),
11. Franziska (weibl. Form zu Franziskus, Franz),
12. Alphons (der Edelbereite),
13. Gustav (der Kampfstab [träger])^
14. Emma (die Starke, Mächtige),
15. Franz (der Franke, Freie, aus latinisiertem Franciscus),
Bertha (die Gl&nzende),
17. Hermann (Kriegsmann, Mann des Heeres),
18. Ernst (der Ernste, Entschlossene),
19. .-Vdolf (der edle Wolf),
20. Adele (die Edio, hierluM- -ehört auch Adoline),
21. DieiwUi (nebst der fremden i^rm Theobald=der Volks-
kühne',
22. Alhertine (weibl. Form zu Albert),
23. .-Vmalie (die Arbeit im Kampfe),
24. Adelheid (die edle Person),
25. Odilie (die Besitzerin, Reiche, Glückliche),
26. Edmund (ags. Form für ahd. Otmund= Beschützer des
Gutes),
27. Ferdinand (der Fahrtkühne),
e
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— 82 —
28. Rudolf (der «flänzende Wolf),
29. Glotbilde (die ruhmvolle Eriegerin),
30. Leonliaril (der Löwenstarke, nur der zweite Teil ist
deutsch, der erste das lat. leo=Lö\ve),
31. Krnestine (weihl. Form zu Brnst),
3*2. Bernhnrd (der Bärenstarke),
33. Wilhelm (wjlüjier Schützer?),
34. Konrad (Berater dt r Sippe, oder : der im Bat Ruhne),
35. Kutiijy'unde (Kämpterin für die Sippe),
36. Dagobei l (der wie der Tag glänzt),
97. Gervasius (der Gerscharfe, nur das v und die Endung
ius sind lateinisch),
38. Hermine (die Starke, Mächtige),
39. Irma (die Starke, Mächtij^),
40. Hubert (der durch seinen Geist ^ISnzl),
41. Heribert (der im Kriege glänzt)^
42. Leopold (der im Volke Waltende),
43. Bichard (der starke Herr),
44. \V;ill»iuv (die prewallige Schützerin),
45. Wilhehniiu' (weihl. Form zu Wilhelm),
40. Willihaid (der im Willen Kühne),
47. Lewlegar (Ger des Volks),
48. Gertrud (die mit dem Ger Verlraule).
Die letzten 18 dieser Namen kommen sehr selten vor und
haben je nur einen oder zwei Träger, einige auch gar keinen
mehr, wie z. B. 37, 46 und 47.
Es ist lehrreich, mit den heuligen die früheren Vormamen
zu vergleichen, namentlich bezüglich ihrer Häufigkeit und Her>
kund. Eine Handhabe th/n Kielen uns Urkunden des Bufacher
Gemeindearrhivs. Aus der Zeit vom Anfange des 15. bis zur
Mitte des IS. Jahrhunderts haben wir Aufzeichnungen der
Bürgel- von Hufach mit ihren Vor- tmd '/unameii, zum Zwecke
der ISteuerzalilung. Diese Listen heis^^eii meisleiis «Gewerft
Büechlein» ; denn die Steuer hiess i.^ewcrliw. Sie wurden ge\s(*ii»i-
lich um Martini (11. November) jedes Jahres aufgestellt, ^o
ötehl z. B. über der von 1430 : «Anno MCCU> XXX beali
Martini ist das gewerff geleit. Ist Clawel Wagener gewerffer
worden.» Die Burger sind nach Zünften eingeteilt, und hinter
jedem Namen ist die zu bezahlende Summe angegeben. Diese
Aufzeichnungen reichen mit vielen Unterbrechungen Ton 1431
bis 1714. Ich wähle die Jahre 1428. 1402, im, 1598, 1660
und 1708. Für 1752 benutze i< h ein .uideres Steuer^Vei zeii h-
nis. Zwar fehlt bei einijren An^iaben der Vorname, und der
eine oder andere ist so «ehleclit }je.<( hrielirii, (l;is< ich ihn nicht
entzitTern kann ; das ändert aber am Ergebnis nicht viel. Diese
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— 83 —
Verzeichnisse j,^eben uos eine vollständige und zuverlässige
llebei>i( lit y\])('v die Vornamen der froheren Ru(a€her Borger
von 3»/2 Jaiirhundeiten. *
Leider gilt dies nur von den männlichen \'(>rnaroen.
Frauennawen sind nur wenige verzeichnet und können uns
daher kein zulreflendes Bild liefern. Ich fand nur die foljienden:
A^mes (auch: Anfiness), Calhnrina fauch: Cath.nin, Katheriii^
Cti>tin, Fh.sahelb, Gred, Mapd.iltMui, Maria, Anna Marin, Snlonie,
MiMiniie. Sonst sind die Kiaiu n mit Namen oder Jieruf des
Vaters, des Mauues, des üiuders oder des Sohnes bezeichnet,
z. B. des aithen Annbrusters dochter« Deckenn seli<>ren dochter
kind, der kremerin docfaler, die Ferberin, die Linckin, Berlerin,
die alt MarzolfiD« die alt Stattschribin, die Schribin und ir man
und ir kind, Wolff Steinmetzen frauw, Messerschmils witfib,
Hanns Dachsteins witlib, Diefaolt Dauler der hebamen man,
Fischers witlib und jüngste kinder, Hans nouin^arlers des
eiteren wittib, Boll Bibeissens Schwester, Hans Bnm und der
muter selig teil, Cuntzenhenslin und sin muten.
Belehrend sind auch die Familiennamen^ vor allem wril sie
un:> eikennfii las.sen, dass die Beilegung eines Zunamens im
15. Jaliriiuiidei I noch nicht ah^jesdi lassen w;n . Wir Cnden in
dieser Zeit eine Men^e Bezeichijini;:en, die nicht als Faniilien-
n.unen betrachtet werden können, die aber wahrscheinlich
stehend gewesen sind, später gekörzt wurden und sich zu
Familiennamen verdichte! haben. Derart sind die folgenden.
4421 : Luis der wöher, Glaimn von Enssheim, Hans von Ess-
lingen» Clawin zu der krönen rWirlschaft), RudollT der Stein-
metz von Pfaffenheimy der Spittelhenn, Peter von Sunthoffen. —
1428 : Heinrich von Ettlingen, Trutman der vischer, Hans von
Ehenheiro. Siffert v(m Hirtzfelden, Hans der Nürenberger,
DielK)lt von Morsswiler, der alt Wolf, Jecklin von Sunlheim. —
1492 : Au}rustin /um boren (Wirtschaft, die heute noch besieht),
Jej'fT von o!>ei' kileh, Jej^ in der B( denmiili (Bodenrnühle heute
nocli voiiiandcn), Hans von Begens)>m|;, Hans von Sant Gallen,
]) von Worms, Bichart der murei , Tliomari von Wirlzburg,
.lei^ der ziiiiei man, Böhrich der niuier, Budolf der murer,
Conrat der schryner, Ludwig der torwachter , Diebolt der jung,
Thenig von Illkilch, Marx der kan'er« Bans von Friburg, u. s. w. —
Doch ich will mich weilerbin nur mit den Vornamen beschäftigen.
> Im Folgenden schreibe ich die Namen mit groBsen Anfangs»
buchstabpn in lateinisrhci Schrift Tu dtr; I iknnden steht die deutsche
Schrift, grosse und kleine Äni>ug6buch6taben vechseln willkürlich,
tmd wegen der sodentliehen Schrift ist eise üatersebeidung nicht
immer mDgUch«
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- u —
Die Bürger sind nach folgenden Zünften eingeteilt: BroU
back, Snyder, Schumacher, Metzger, Wurtte, Smyde, Acker-
IQte, Anderes Bumans Zunft (eine Rebleutzunft, nach dem
Zunflmeister benrnnt, später biess sie: zum ßüi'gelin), zu der
gil^jen (eine zweite Rebleutzunft), Räte und Ratzgenossen, die
t'ryen lüte. '271 Büi*ger tragen die folgenden 44 Namen:
1. Johann (36 Hans, 11 Henslin) . • 47
2. Nililaus (i3 Clewi, Clewy, Clewin, 1 Glaus, i Cla) 45
3. Henn (Henn, Henny, Henni, Honin, Ue) ... 35
4. Heimicli (10 Heinrich, 13 HeinU) ^
5. Peter (Peter) 14
(l Weilin (Weiiiii, Wernlin) 9
^ 7. Jakoh (Jarol), Jeckly, Jecklin) 8
8. Conrad (.Cuiirat, Cuny, Cunemau, Cunuliu, Cuneliin, 7
9. Bertschi, ijerUcliiru Bersin 7
10. AnUreas (Andres, Andress, Enderlin) .... 5
11. Burkhard (Burckharl, Burkharf, Burklin) ... 5
12. Wallher ' 5
13. Oswald (Osswalt) 4
14. Michael (Michel, Michelman) 4
15. Jos (Joselin, Jöselin, Jösselin) 4
1(>. Martin (Martin, Mertlin, Merden) 3
17. Dielmid Diebolt) 3
18 l'.ufzsch, Uutzsc:h 3
in. Simon (Symon, äymony) 3
20. Erhard (Erhart) 3
21. Frif'dticU (Fridrich) 3
'2'2. Lud\vi|j (Lulzniau, Lutsi liinan, Lutscli.'iueuni) . 3
23. Tliüiuas (Thoman, Tlioinu) 2
24. Udlln 2
25. Gottfrieil (Götz) 2
26. Arbogast i Arbogast, Tarbogast) 2
27. Ulrich 2
28. Wolf (Wolf, Wölfflin) 2
29. Georg (Jörg) 1
.30. Lorenz ^Lentzlin) 1
31 . Pantaleon 1
32. Wilhelm 1
33. Hermann (Henna n) 1
3i. Trautniann Crrutman) . 1
35. Afiselin (Anshcliii) i
36. Harttnann (Hartman 1
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— 85 —
37. Richard (Richart) 1
38. Siegfrial (Sineit) i
39. Stephan (Steffan) 1
40. Rüdiger i
41. Maternus (Mateme) 1
42. Werther (Werder) 1
43 Ort lieb 1
44. Lucas (Lux) i
Von Hipsen 44 Namen sind '28 deutsch, nämlich 3, 4, 8,
^. 11, 12, 47, 1S, t>(), '21, 22, 24, 25. 26, 27, 28, 32,
33, 34, 35, 36, 37, 38, 40, 42, 43.
AnraerkuDgen:
Zu 2. Der Name tritt tu andern Jahrgängen hfiufig auch in
den Formen Glauwen , Gläuwen , Clouwen , Glawin ,
Gtäwen, Clawe), Klaugen, Klagen. Klagen auf. Sie sind
entstanden durch Zerdehnung der Abkürzungen Glaus
und Glas. \'^\. Wheri Heintzf, a a. 0., 180.
Zu 3. Henn ist eine einstämmige Kürzung der mit ahd. hagan
zusammengesetzten Namen (Haginbert, Haginhart u. s. w.);
hajran ist Erweiteninj? von ahd. hag, hac=Wald, Busch,
Gehege. Hifthfr ;:<'li()ren die uns noch geläufigen Namen
Ha^tMi, iiaimo, lieino, Heyne, Heinemann, Heunemann,
Henuiiig, u. w. Vgl. Heiiif/e, 132 und 133.
Zu 6. Wetlin, ilas in der Form Wochrlen in liutach noch als
Familienname vorkommt, ist eine Verkieinerungstonu der
Kürzung aus Zusammensetzungen mit ahd. warsswahren,
(Warfrid, Waraman, Warmut, u. s. w.). Vgl. Heintze, 219.
Zu 9. Die doppelte Verkleinerung einer Kürzung der mit ahd.
bero, mhd. bere=Bar gebildeten Namen (Berman, Berwin,
Berwald, u. s. w.). Die erste Verkleinerung geschah durch
7. (Berz , Bertsch), die zweite durch i, in. Heinlze, KU.
Zu 15. Jos ist nicht etwa eine Abkürzung von Joseph oder Jost,
sondern ein «selbständiger Name, <ier häutijj vorkam.
Vielleicht ist er au$ hebr. Joas entstanden, wie Joachim
aus Jojakim.
Zü It^. iu Rntzsch liahen wir die Küizung der mit ahd. lirod=
Scliall, liuhin gebildeten Namen, un<l zNvar eine Ver-
kleinerung mittels z, das in isch vergröbert wurde; Rozzo
ist Koseform von Hrodo=der Ruhmreiche.
Zu 22. Lutz ist eine durch z vollzogene Verkleinerung der
ersten Silbe von Ludwig.
Zu 24. Kfirzung und Zusammenziehung der mit ahd. uodals
Besitz, Erbgut gebiMeten Namen ; 1558 tritt er in der
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- 8ü
Fonii üeliia aut. Verwandt Jainil .sind Ulrich, L'liland,
UUmann u. a. in. Heintae, 183.
Zu 30. Die Form Lenz (Lentzlin) betrachte ich mit dem Deutschen
Wörterbuch (Bd. VI^ S. 753) als eine Verkürzung von Lorenz,
eigentlich von der lat. Form Laurentius. Einige sehen in ihr
die Koseform des altdeutschen Namens LandosLandmann.
Fol^eiitle Zuntte: Brotbeck Zunfff, Snyder ZunUt, Metziger
Zuntn, Scliniitt ZunlVt, ßiuijlen ZuntVl» Gilgen ZunQt, Rete und
Ratzgeno!«sen) Wittwea. 41S Bnnrer mit 57 Namen.
I. .Itihann (Hans, Haim-:) 112
'i. Nikiaus (Glaus, Clewin, Clewi, Cle) 39
3. Peter (Pctter) 29
4. Heinrich (Heinrich» Heintz, Heitz, Heitzi) . . . t27
5. Michael (Michel) id
6. Conrad (Gonrat, Gonradt) .12
7. Thomas (Thoman, Thomu) 1'2
8. Leonhard (Lienhart) 11
9. Matthias (Mathis) 11
10. \rwhM (Diebolt) 10
11. AikIkms Andrf»^, Anders) 10
12. Jakob ^Jacob, Jecklin) 9
13. Georj; (Jerg) 8
14. Martni . 8
15. Theni^i 8
16. Kaspar (Caspar) 7
17. Ulrich 6
18. Ludwig 5
19. Wallher 5
20. Jos (Jos, Joslin) 5
21. Friedrich (Fridrich) 4
22. Marcus (Marx) -4
23. Erhard (Erhart) 3
24. Stephan (Steflfan) 3
25. Jost (Jo<tin) 3
2(i. R irtholoiiifius ( Mai iholome, iJarthlome, Bartlonie) . 3
27. Lorenz (Luieiit/, Lciitz) 3
28. Dietrii-'h (Dielherich, Dietsch) 3
29. Sebastian (Bastian) 2
30. Rudolf 2
31. Pantaleon (Bantli) 2
32. Adam 2
33. Werlin 2
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— 87 —
34. Willieliii 2
:35. Valentin (Vel(in) 2
30. Christopli (Stoffel) 2
37. Auffu^tin i
38. Christ man , 1
39. llu[)ivrlit (liuppreclil) i
40. ElitM h.ii.i (Ebeiliait) i
41. li.titiuann (Hartman) 1
42. Richanl (Richart) 1
43. Balthasar (Balthassar) 1
44. Röhrich 1
'45. Lucas (Lux) i
46. fiauch 1
47. Alexander i
45. A.-idius (Gilg) 1
49. Veit (Vyl) i
5Ö. .Moritz (.Mautitz) 1
51. Wentllin 4
5*2. Herinunji (lieriiiaiij 1
53. Hieronymus (Jeronimus) 1
54. Bernhard (Bernhart) 1
55. 3ifalemiis (Mattern) i
56. Olfrid (Olfrit) 1
57. Berthold (Bechtold) * 1
Von diesen 57 Namen sind 26 deutsch, und zwar 4, 6, 8, 10,
15» 17, 18, 19, 21, 23, 28, 30, 33, 34, 38, 39, 40, 41, 42,
44, 46, 51, 52, 54, 56, 57.
Anmeikuagen:
Zu 1"). Auch Theng^, Then^e, üenjre ; Kürzung der mit ahd.
fliaiic, daiicJi, üihd. dank=denken , Ge<lanke gelHldelen
Namen ; v^M. Taukmar, Daukwart, Freidank, 'i'heurdank.
Heintze, 211.
Zu 44. Zusammenziehung des Namens Roderich. Heintze, 146.
Zu 46. Mit unfern Wörtern Bauch und biegen verwandt;
KQrzung der aus ahd. pouc, 'mhd. l)ouc=Rin^' gebildeten
Namen« Heintze, 99.
Zu 51. Verkleinerung zu Wendel; dies aus Wandal: entweder
zum Volksstamme der Vandalen, oder einfache Erweiterung
des Stammes Wand, Heintze, 218.
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- 88 -
155B.
Einteilung: Die Zunllt zum Hüiiilin, L)ie Zuiifft zum Ein-
horn, Zunfff zur Gilten. Die ZiinHI zum HellTant, Die Hiitli
und Freyuii, Witwi-n uiul Nvey^eii. 419 Bürger mit 73 Namen.
1. Johann (Hau*, Ilann^-) 97
2. Jakob (.lacoh, Jakob) 28
8. Nikiaus (Niclaus, Claus) 23
4. Diebold (Diebolt) 20
5. Georg (Jörg, Jerg) 17
e. Heinridi (Henrich) 13
7. Boll, Ball 11
8. Thenns Thenn;: 11
9. Andreas (An<ires) H
10. Michael (Midiel, Mi. hell) 10
11. Sebastian (Ristian) 9
12. Wolf (WoUIj 8
13. Walther 8
I i. Peter 7
15. Loren/. (LoieunU. Lenntz) 7
16. Ueliro 7
17. Jos e
18. Martin 6
19. Conrad (Conrad, Conradt) ........ 6
2C>. ThoiH as (Thoman) 6
21. Paul (Paulus) 5
22. Stephan (ätellan) ! 5
2;^. Batt 4
24. Ulrich 4
25. Wilhelm 4
20. Blasius (Blesin) 4
27. Mathias (Mal bis) 4
28. Werlin 3
29. Balthasar (Balthasar, ßalthassar) 3
30. Maternus (Mattern) 3
Hl, Erbard (Erharl) 3
32. Friedrich (Friderich) 3
33. Moritz 3
31. Marcus (Marx) 3
35. Christian (Christen, Chrislenn) 3
30. A. ;:i.iius (Gilg) 2
37. Ludwi;: , 2
:)8. CInu.lius (Cladcj 2
39. A.lan. 2
40. Simon (Symonj 2
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— &J —
41. Urban 2
42. Melchior 2
43. Barlholoinfius (Barthle) 2
44. Arabrodius (Brosius) 2
45. Kaspar (Caspar) 2
4U. Leonhard (Lienhnrl) 2
47. Philipp (Phillips) 2
48. Fnniz (Fraiintz) 2
49. IJcinli.iKl (Bernhart, Bernhartit) 2
50. Pankratius (Gratius) 1
51. Rudolf (Rudolff) 1
52. Albrecht 1
53. Hugo (Hüglin) 1
54. Arbogast i
55. Zacharias i
56. Veit (Vyth) 4
57. Au Justin 4
58. Kihan 1
59. Pfi^tf-r i
60. Zentius . i
61. Quiniu.s 4
02. Christoph (.SlofTel) 4
63. Mo.ses (Maunschiii) i
64. Joachim 1
65. Gervasius 4
ijß, Pantaleon (Pantbele) 4
67. Körin 4
68. Gregror (Gorius) 4
00. Cumpiecht 4
70. Wend hnj; 4
71. Siegfried (Syferl) 4
72. Lazarus (Lasarus) 4
73. Faiius . 4
Von diesen 73 Na iiM-n sind 28 d^■ut^.•ll : 4. 0, 7. 8, 12, 13. IG,
49, 23, 24, 25, 28, 31, 32, 37, 38, 40, 48, 49, 51, 52, 53,
54, 65, 07, 09, 70, 71.
Anmerkungen :
Zu 0. Einstämmige Kürzung der mit ahd. pald, hald, mhd.
balt=kühn gebildeten Namen (Balduin, Baldarich, Baldher,
u. s. w.). Ueintze, 98.
Zu 22. Kürzung der mit ahd. patusKampf gebildeten Namen
(z. B. Badoniar). Ueintze, 97.
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— ÜÜ —
Zu 37. Kürzung der mit uhd. hliltslaui zusammengesetzten
Namen (Clodobert, Clodowich, o. 8. w.); Jatinisierte Form :
Claudius. Heintze, 143.
Zu 67. Vielleicht Zusammenziehung eines mit ahd. kunni,
chunni, mhd. künne= Geschlecht gebildeten Namens, etwa
von Chiinihari, woraus auch der Name Kühner entstanden
ist. Heintze, 161.
1598.
Einteilung : Zunfüt zur Gülgen, Zunlll zum HellTandi, Zunfft
zum Finhorn, Zunfift zum Bärglin, Freyen und Rhäl, Wittiben
und Waisen. 594 Bürger mit 81 Namen.
1. Johann (Johann, Hans, meistens Hanns) . . . 128
2. Jakob (Jacob) i?
3. Niklau.s (Xiclau>', meistens Claus) 35
i. Georj; (Gf»oi'^', (ieurg, Jerg) 32
5. Diebold (Diebolt) 20
6. Michael (Michel) 19
7. Marlin (Martin, Martliin, Marten) 15
8. Heinrich (Heinrich, Heinreich) 13
9. Andreas (Andres) 13
10. Kaspar (Caspar) 13
11. Valentin (Veitin, Velten) 12
12. Boll 12
13. Matthias und Matthäus (Matbis, Mattbis, Mattbeus
Mattheis) 11
I i. Leonhard (Lienhnrdt) 10
IT). I homas (Thoman) 10
10. l'et. r 10
17. Seha:itian (I5astiun, r{;isclion) 10
18. Claudius (Clade) 9
19. Paul (Paulus) 8
20. Wolf (Wolflf) 8
21. Konrad (Conrad, Cunrad, Cuonradt, Gundus) . . 8
22. Lorenz (Laurents, Lorenlz, Lentz) 7
. 23. Blasius (Blesi, Blösien) 6
21. Friedrich (Fridrich, Fridreich) 6
25. Christoph (Cbristoff, Stoffel) 6
20. Adnm 0
27. Chiistian (Christen) 0
28. Wilhelm 6
29. Simon 0
30. Ballhasar 6
31. Veit 5
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32. Bartholomäus (Bartholome, BartliDy Bartle)
33. Melchior . .
34. Jo.s
3'). Ambrosius (Bfosius, Brosi)
Walther
37. Ludwig, (Ludwig, Ludtwig)
'3S. L'rban
Ritt, liath ....
4<]). Thongor
■il. Philipp (iniihps) . .
42. Ulrich (Ulrich, Ulreicb)
43. Brat, Brath .
44. Pantaleon (BantliQ, Pantel)
45. Bernhardt (Bernhaidt).
m. Burkhard (Burckhardt)
47. Otto (Ottman) .
i8. Bülloronus. . .
49. Lucn« (Lux) .
50. Heniiaüa (Herinan
51. Quirin, Quirinus
5ti. Corneliu?; .
53. Aliraham .
5i. Heim US . , .
55. Rudolf (Rudolf, Ruodoh)
56. Stephan (Steflan)
57. Lazarus (Lasarus)
58. Cosmann (Gkwman)
59. Augustin . .
60. Joachim . .
Ol. Gfiniprecht
&2. Mai ( US (Marx)
<i3. 1 r.inz (Frantz)
64. Di.-tilrh . .
t»5. Dui.steii
(i6. Asimus . .
67. Moritz (Mauritz)
66. Wendling. .
09. Moses (Moyses)
70. Onophrius. .
71. Chrysostomus.
72. Krasmus . .
73. Servatiu«; .
74. Kihrrn iKiliaiiius)
7.5. Aegidius (Gilg) .
70. Malcrnu.^ (Mathern)
4
4
4
4
4
3
3
3
3
3
3
3
2
2
2
o
2
2
Q
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77. Reiohard (Reinhardt) i
78. Jonas i
79. Anton (Anthoni) 1
80. Hieronvrn i- 'feronimus) 1
81. Werlin' (W elirlin) 1
Von diesen 81 Namen sind *21> deutsch : 5, 8, 1*2, 14, 18,
*J(>, il, 24, 28, 3(5, H7. 39, /*0, 42, 43, 45, 46, 47, 50, 54,
55. 58, 61, 63, 64, 65, 68, 77, 81.
Anmerkungen :
Zu 21. Cundus ist wohl die laliuisiei te deul^» lic Aldviirzung
und Verkleinerungsform Kunz ; vielleicht liegt in der ersten
Silbe auch der deutsche Stamm gund oder kund = Krieg.
Zu 43. Wahrscheinlich Kürzung der mit ahd. ])erahl (perht,
berbt) =s glänxend gebildeten Namen (Perahtgar, Beraht«
ram, BerahtoM). Heintze, 101,
Zu 54. Knrzun«r der mit ahd. heim = Heim, Haus zusammen-
gesetzten Namen (Heimperhl, Heimrad, Heimoald, Heimrieb
u. s. w.); Endung us lateinisch, sonst auch: Heimen.
Heintze, 134.
Zu 58. Dei' tTsir Teil ist wdIiI Verkijrziiii;j <it*i Kosrlni m (luzziio,
welche zu Gaulo und wahrscheiiilicli zum .\amen der
tiuten gehört. Mit Cos, Gos, Goz wurden viele Namen
{gebildet. Vjjl. Heintze, 121), und Otto Abel, a. a. 0., S. 13.
Zu 65. Sonst auch : Dursen ; gehdrt nach Heintse, 115, zu ahd.
diuri, tiuri, mhd. tiure = teuer und zu den Namen Deo-
rovald, Dioro*
1660.
Einteilung': Gottsheus$er, Freye und Rath; Die Zuntli zue
dem Helphandt \ Die Zunfft zue dem Einhorn ; Die Zunfft. zue
dem BQrgelin ; Die Zunfllt zue der Gili^on ; Wiltiben und
Waissen, auch Fremde. Nur 233 Börger mit 51 Namen. Diese
geringe Zahl bezeugt eine Entvölkerung der Stadt, die wir ohne
Zweifel den Folgen des verheeranden 30 jährigen Krieges
auzuschreiben halien. Dafür {ziebt es aber viele Doppelnamen :
Hans Heinrich (eininal), Hans Conrad (2), Hans Ditboll (8),
Hans Baschen (1), H.uis Andreas (1), Hans Jakob (12 , Hans
Jeör? ((V). Hnns Martn» ('i), Hans Paul (1), Hans Ulrich (2),
Hans Wilhelm (2), Juhann Melchior (1), Philips Heinrirh ("1),
Ctirly Lutlwip (1), Geör^ Alexander ^1), Wend« ! (Unisloph [\).
1. Johann (64 Hans, 3 Johannes, 2 Johann) ... 09
2. Jakob (Jacob) 29
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— 1)3 —
3. Geor^ (Georg, Jeorg» Jerg) ........ 16
4. Diebold (Diebolf) 9
5. Martin 8
0. Michael (Micliel) 7
7. Ainlieas 7
8. Mntthias (Mathis) 6
9. Cunra»! 5
10. Wilhelm 5
11. Melcliior (Melchior, Melcher) 4
12. Christian (C)iristian, Chrislen] 4
13. Peler .... 4
14. Niklaus (Niclaus, Claus) 4
15. Heinrich 3
16. Paul 3
17. Loi'enz 3
18. Kranz 3
U). Sehastian (Sebastian, Bascben) 3
20. A(f:nn • 3
21. Vh\\i[*\> -Philips) 2
22. K;»«|>ai' (Caspar) 2
23. Fried iH'h (Friderich) 2
24. CIrich 2
25. Valentin (Velten) 2
26. Matthäus (Matheus) 2
27. Wendel ....
28. Christoph ....
29. Dionysius ....
30. Erasmus ....
31. Alexander. . . .
32. Arl)..-;i^t
33. Karl vCarly) , . .
34. Ludvvi;.»-
35. Wiiaiidt ....
36. David
37. Genedikt (Benedict).
38. Rudolf (Ruedolfi. .
39. fiall
40. Marcus (Marx) . .
41. Burkhard (Burckharl)
42. Jost
4?. Erhard (Erhart). .
44. Chrysostoinus. . .
45. Ambrosius, . . ,
46. .Moritz (.Monz) . ,
47. Daniel
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— 04 —
AS. Anlon (Anthoni) 1
49. Leonhard (Leonhart) 1
50. ßorinu'; i
rA. Alb nullt i
Von tliesea 51 Namen sind 17 (ieulsdi : i, 0, 10, 15, 18,
23, 24, 27, 32, 33, 34, 38, 3i), 41, 43, 4i>, 51.
1708.
EinteiluDi^: Die Zunfft zue dem Elephanten, Wittibio,
Hindersäss ; Die ZunfFt zum Einhorn, Wittibin, Hindersfi.ss ;
Die Zuntlt zu dem Bürgeie, Wittibin, Hindersass ; Die Zunllt
zur Gilgen, Willil)iii, Hintersä«s ; Freye und Rüth. 443 Bürger
mit 68 Namen, dui unler lolj^ende Doppelnamen : Hanns Georg
(5 mal), Hanna Jacob (4), Uanos Ulrich C3)j Uanns Diebold (1),
Frantz Joscpli (1).
1. Johann {2 Johaun, 49 Johannes, 23 Hanns) . . 74
2. Jakol. (Jacob) 56
3. Georg (Georjj, Geöi^j ^^7
4. Marlin 21
5. Nikiaus (Niclaus, einmal Glaus) ...... 16
6. Andreas (Andres, Andtres) 15
7. Franz (Frantz) 15
8. Michael (Micbel) 14
9. Heinrich 13
10. Peter 12
11. Paul (Paul, Pauhis) 10
12. Joseph f Joseph , einmal Josephat) 10
13. Christoph (Christoph, einmal C^ristophel) ... 9
I i. Diebold ' 8
15. Conrutl (Conrad, Conrad!) 7
16. Valentin (Valentin, Veitin) 7
17. Melchior (Melcher) 7
18. Sebastian (Sebastian. Baschen) 6
19. Kaspar (Caspar) 6
Leonbardt (Lienbart) 6
21. Matthias (Mathias) 6
22. Adam 5
23. Lorenz (Lorentz, Lorenntz) 5
24. Erasmufi 5
25. Hudolf (RuedolC) 4
26. Thomas 4
27. Philipp (Philip) 4
28. Friedrich (Fridterich) 4
29. Wilhelm 4
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- 95 —
30. Ulrich 4
31. Ignatius 3
32. David . 3
33. Anlon (Anthoni) 3
34. Ludwirt 3
35. Durs, Durst 3
36. Siejfmund "2
37. Hieronymus 2
38. Mnftliäus (Matheus) 2
39. Btriiiiard (Bern hart) 2
4<). Qu ysostomiis 2
41. Marcus (Marx) 2
42. Bliaius (BiSsy) 3
43. Stephan 2
44. Simon 2
45. Abraham 2
\C}. Ambrosius (Ambrosius, Arobrosy) 2
47. Gabriel 1
48. Lucas i
49. Erh:>i .l fKrharl) 1
50. Wenriiin^ 4
5L Ildclius "1
52. Brath i
53. BenediivI (BeneUicl) i
54. Dionysius 1
55. Jost 4
56. Roman. 4
57. Balthasar (Baltzer) 4
58. Thobias 4
59. Emanuel 4
60. Werner (Wemhart) 4
61. Daniel 1
62. Baptist 4
63. Karl (Carl) 4
64. Cliristian (Christen) 1
(fö. Albrecht 4
66. Urban 4
67. Otto (Ottman) 4
68. Marimus 4
Von diesen 68 Namen sind 20 deutsch : 7, 9, 14, 15, 20,
25, 28. 29» 30, 34, 35, 36, 39, 40, 50, 62, 60, 63, 65, 67.
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1752.
Aus dem Jahr« 175t2 benutze ich ein frunzösi^^chesi Ver-
zeichnis, von dessen wunderlicher Orthographie »,'leich einige
Pio})en folgen werden. Leider ist es nicht voüsländig ; denn es
enthüll nur die Namen der Gewerbetreiliouden mit Angaln' der
Steuern, nicht aber die der Bnuern und Rebleule. Doch ver-
zeichnet es 257 Büiger mit 51 Vor- uiul Zunamen, immerhin
einen beachtenswerten Teil der gesamten Büi^erschaft. Die
Gewerbe sind genau und vollständig aufgezählt : Metzger
(Bouchers)f Hufschmiede (Marecheaux ferrans), Schlosser
(Serruriers), Maurer (Ma^^ons), Zimmerleute (Charpentiers)^
Schreiner (Menusiers), Drechsler (Toumeurs), Bildhauer
(Sculpteurs), Gerber (Tanneurts), Töpfer (Poliers de lerre),
Ziegler (Thuillier), Blechschmiede (Fers Blanetier), Glaser
(Vitriers), Gipser (Plattreurs), Seilte ((Innlu rs), Färber (Tintu-
riers), Rarbierer (Periiquiers), Maler (i-eintres), Apotbeker
(Apoticane), Mutzeuniacher (Bonnetiers), Nagler (Gloutiers),
Wagner (Cbarrons), Schröpfer (Evantouzeur) , Uhrmacher
(Hoilogeur), lleclienmacher (Faisseur de rateaux), Sattler
(Bourliers), Schuhmacher (Gordonniers), Schneider (Tailleurs
d'habits), Küfer (Tonnelliers), Böttcher (Gouvellers), Bäcker
(Böulangers), Weber (Tisseians), Müller (Meuniers), Schank-
wirte (Cabaretiers), Kaufleute und Krämer (Marcbands). Es
kommen folgende Vornamen vor:
1. Joseph (Joseph) 47
2. Johann (Jean) 32
3. Jakob (Jacques» Jacque) 18
i. Franz (Francois, einmal Fran^ois) 15
5. Anton (Antoine, einmal Anthoine) 13
6. Georg (George) 10
7. Diebold (Thiebaul) 10
8. Mattbias (Mathias) 8
0. Nikiaus (Nicdlas) 8
lU. Andreas (Andie, Andre, Andres) 8
11. Thomas (Thomas) 6
12. Michael (Michel) 5
13. Ignatius (Ignace) 5
14. Peter (Pierre) 5
15. Paul (Paul) 4
16. Adam (A«Iam) 4
17. Ludwig (Louis) 4
18. Sebastian (Sebastien) . 4
10. Melchior (Melchior) 3
20. Heinrich (Henry) 3
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— 97 —
'21. K;ul (Chniie). . .
2ti. Valentin (Valenlin) .
Frif^ilricli (Fridericli) .
24. Lceiiliard (l^etmiivd)
25. Coniatl (Cüuruil). . .
'2<). Erasmus (Erasrne) .
27. Iiapli-rl (Baptistej . .
28. Wilhelm (Guiltaume) .
29. Christian (Chi^j^tien) .
30. Hieronymus (Chyrome)
31. Bernhard (fiernard) .
:^t>. .Mallhäus (Mallliieu) .
33. Erhard (Erhard). . .
34. Dominik (Uuminique) .
35. .I(wt (.lost)
3ü. iilii i>lnjiii (Chrislopheji.
37. Phiii|n> (Philip) . . .
38. Marcus (M.uej ....
39. Hippolyt (IJypolite).
40. En^elbrecht (En<j:elbrccht)
41. Claudius (Claude) . .
42. Ursus ......
43. Leo (Leon) ....
44. Berchtold (Bechtolt) .
45. Augustin (Au^uatin) .
4<>. Hugo (Hugot) . . .
47. Blä.<ius (niaise) . . .
'iK. Lorenz (Laurent)
•W . A m I) losi US ( \ 1 1 1 broise).
5(.». Ulrich (Clnk) . . .
51 . Xaver (Xavier) .
Von diesen 51 Namen sind 10 deul
23, 24, 25, 28, 31, 33, 40, 41, 4i, 40,
S(
.Vus diesen Verzeicimissen ergieht sich
3
3
• 3
o
O
<■)
2
: 4, 7, 17, 20, 21,
äass die deulschen
Vornamen stetig abnehmen Es sind deutsch :
1428 V. 44 männl. Namen 28, demnach fast >|s aller Namen,
1492 » 57 D »
1558 j» 73 » j>
1508 a 81 » M
16(>i> « 51 ». j»
1708 ^) 08 » I»
1752 » 51 »> rt
^egenw. 101 »
26, » n. ganz ^% » »
28, » V. w. als >(a J» >
2i), j» etw.uberijs j» »
17, » jrenau » »
20, » et. w. als ' Ja » »
16, » Htst ''3 » »
28, fast if, .> )j
Die kleine Steij»erunir im .lahre 1752 kommt wohl daher».
dass das hetrefl'eijde Verzeichnis nicht voUstandiji ist.
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— 9Ö —
Ueber die einzelnen Namen wäre Verschiedene» zu be-
merken. Viele davon sind ausgestorben : Der Nnine Henn
z. B., der 1 'r2s unrh 35 mal auftritt, ist schon 1492 verschwunden.
Ausgastorbeu snui ferner :
gegen Ende den 15. Jahrliunderls ; Anselm, Berlsclii, Gott-
fried, (Götz), Oswald, Ortlieb, I«üdiger, Rutzsch,
Trautiiiann, Werlher:
in der Mitte d<>> 1(3. Jahrhunderts: Bauch, Eberhard, Hart-
luunn, Otlrid, Röhrich ;
am AusgHii^e des 16. Jahrhunderiit : Kürin, Siegfried,
Celiin, Zacharias ;
in der Mitte 17. Jalirhnnderls : Aegidius fGil^O, Ratt.
liollui (•ini.>, Coineüiis, ( InNiiiaiii), Dielrirli, Guiii-
preclil, Heiriius, Jos, .loacliiiii, Jonas, Kilian, Lazaj'iis.
Maternus, Mu>e>, Onu^ihriu», Quirin, Reinhard.
Servatius, Thenj:e, Veit, Wahher, Werlin, Wolf;
um Anlange des 18. Jaliihunderts : .Yrho^ast, Bali (Boll),
Borinus, Burkhard, Wirandl ;
in der Mitle des 48. Jahrhunderts : Abraham, Alhi%cht,
Balthasar, Bratb, Darsen, Daniel, Gabriel, Lucas,
Otto, Roman, Rochus, Sigmund » Tobias, Urban,
V^endilng, V^erner;
gegenwäilig: Berthold, Claudius, Engelbrechl, Friedrich,
Hugo, Erhanl, Jost, Melchior, Hippolyt, Ulrich.
Auflallend ist es, dass der Name Arbogast in Rufach au«»-
gestorben ist ; denn der heilige Arbogast ist der Patron der
hiesigen Pfarr- oder Arlx>ga.stkirche. Im hennchbarten Orte
Munweiler da}:egen, das den nämlichen S<Jiutzhei liefen verehrt,
ist der Name Arbogast (meistens in der Form Käiti) sehr ver-
treten.
Von den nmh vorhandenen niimnlic hiu Vornamen sind
Johann und Joseph die hemerlienswei testen, Johann wepen
seiner iVüljei'en, Joseph wejren seiner jelzij^'en Beiieutnng. Drei
Jahrhunderte lang (vielleicht noch langer) steht der Name Hans
in voller BIQte und herrscht weitaus über die andern Namen.
Dann wird er von Joseph aus dem Felde geschlagen. Dieser
Name ist 1706 erst zehnmal bezeugt. Er muss demnach am
Ausgange des il. Jahrhunderts eingedrungen sein. 1752 über-
wiegt er schon, und gegenwärtig noch mehr» während Johann
als Rufname, abgesehen von seiner Verwendung in Doppel»
naitien, knnin noch 10 Träger zflhlt.
Ausser Johann und Joseph sind noch andere Namen ye-
t^vnken oder yestiegen. An Gehiet lialien besonders An-
drea.*», Conrad, i)ielx>ld, Nikiaus, Leonhard, Matthias und
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— 99 —
Thomas verlaren. Daför sind aDdere der alten Namen bedeutend
in die Höhe j^egangen, z. B. Geoiy, Heinrich, Ludwig, namentlich
seil der Mitte des 18. Jahrhunderts. Neue Namen traten
auf in dem Masse, wie die alten schwanden, z. B. Christian,
Franz, Paul, Phihpp seit der Miltf, Anton seit dem Ende dos
1^1. Jahrhunderts, Benedikt und Karl seit der Mitte, Bnptisf,
I^jiialiuh und Valentin seit dem Ende de> 17, .fnluhiuuif.M t>.
Vielt' der häufigen oder ziemlich haufij^en Vüinanien siml erst
in neuerer Zeil eingedrungen, neben Joseph z. B. Alhert,
August, Eduard, Emil, Eugen, Gustav, Isidor, Julius, Leo,
Ludan, Roberl, Victor ; der seit der Mitte des 16. Jahrhunderts
verschwundene Name Hermann ist in der firt. Form Armand
wieder aufgeitommen. In wieweit dieser Wechsel durch geschicht-
liche Ereignisse oder veränderte Kulturzustände bedingt worden
ist, vermag ich nicht anzugeben. Das darf aber wohl behauptet
werden, dass bei der Einführung der zuletzt genannten, sowie
einiger selteneren (Achilles, Aniadäus, Benjamin, Quiiillus,
Casimir, Cölestin, Constanz, Desiderius, Edumnd, Justin,
Prosper, Renatus, Theodor, Theophil, u. s. w.). IVanzn>is( her
Einfluss die Schuld trägt. Schon daraus geht dies hervur, dass
bei den meisten von ihnen die frz. Aussprache allein- oder
doch vorherrscbeod ist.
II.
Ein grosser Teil der Biiracliei \'i»njanien h-lehf dherhaujit
unter dem Zeichen der franzusiaclten Ausäpiache, und zwar
die weiblichen noch mehr als die männlichen. Frei davon
sind nur die foigendoi 27 (22 männliche und 5 weib-
liche): Adam, Adelheid, Alexius, Ambrosius, Anastasia, Bar-
tholomäus, Bernhard, Bläsius» Dagobert, David, Diebold, Donat,
- Fabian, Gervasius, Gregor, Hyacinth, Kaspar, Konrad, Kuni*
|[unde, Marcus, Pantaleon, Rudolf, Thomas, Ursula, Vincenz,
'Willibald, Walburg. An andern ist der frz. ' Einfluss nicht
nachzuweisen, weil sie im Deutschen und Französischen ^deich
oder last i^leich klingen : Adolf. Alfred, Aloys, Anna, Casimir,
Donnnik, Ktnma, Emil, Elisabeth, Felix, Irma, Isidor, Leonie,
Leopold, Matthias, Melanie, Prosper, Philipp, Salome, Stephanie,
Theodor, Theophil, Valerie, Victor. Ebenso ist es bei einigen
weiblichen Namen, die auf e endigen ; der Ausfall dieses e kann
ebenso der frz. Aussprache als der süddeutschen Neigung zu-
geschrieben werden, das Endungs-e zu unterdrücken. Hierher
gehören: Adele, Agathe, Albertine, Apolline, Christine, Cto*
thilde, Elise, Emilie, Ernestine, Helene, Karoline, Leontine, Luise^
Malhilde, Philippine, Philomele, Bosalie, Seraphine, Therese,
Victorine, Wilhelmine. — Bei allen andern Vornamen zeigt
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- iOO -
sich der frz. EinQuss mehr oder weniger in der Aussprache»
am meisten bei deujoni|j;en, deren unverkiirzle Formen nur in
frz. riewande aiittrelen ('20 männhclie und '28 weibliche):
Arilin«', Adeliin', Alicf^, Alplnsnse, Amedee, Aiiue, Anielie,
An-flii|ue, Anh«iiiottt\ Arnutiitl, Auguste, Aujjustin, Au^ustiue,
Bonitace, Cauiiilc;, Ujcile, üelestin, CelcsUne, Clinriolte, Clemence,
CleunMitine, Constanl, Constance, Denis, Desir^, Edouard,
Eugene, Eugeuie, Fölicie, Georgette^ Henriette, Hortense, Jeanne^
Jo^phine, Jules^ Julien ^ Justin, Luden, Octavie, Odile, Pauline,
P^lagie, Römigue, Hi>i$e, Victoire, Vii^inie. Schwächer ist
der frz. Einflluss bei den Vornamen» von denen die deutsche
und die frz. Form nel>en einander ».'ebraucht werden, sei es,
dass bald die eimv h ild die andere vorhtM rs( iit . Hi. i her ;;e-
hören die folf^enden Namen : Ajjnes, Ali)erl, Alexander, Aloys,
Andreas, An-^ela, Anton, Baptist, Barbara, Benedikt, Benjamin,
Bertha, Chri'^tian, Con*;tnntin, Edmund, Erasmus, Ernst, Fer-
dinand, Franz, Frnnzistka, Fiidolin, Georg, Gertrud, Heinrich,
Heribert, Hieronymus, Ignatius, Juliann, .losepl», Karl, Klaia,
Leo, Leodeijar, Leonlianl, Lorenz, Ludwig, Maj;dalena, Marga-
retha, Maria, Martha, Martin, Matthäus Michael, Morilz, Niko-
laus, Paul, Peler, Regina, Renatus, Riehard, Robert, Seliastian,
Simon, Stephan, Susanna, Valentin, Veronika, Wilhelm, Xaver.
— Eine dritte Gruppe bildet der Name Jakob. Neben seiner
frz. Form Schaag; [Siikl und neben seiner deutschen Form
Joggl [JokI] giebt es eine dritte Schaggohb [^äkup], die halb
fra., halb deuiscb i-t. Hit'i iier konnte man noch einige Namen
mit u rechnen, z. B. Artbur, Gertrud, Gustav, Hiilt it, deren
u als l'iz. n ausgesprocben wird : Ardüür [Ai lyi j, Gerli iid
[Keiliyt], Güsl.iv {Kystät], Hrd)erl [Hypert], wif überhaupt u
vielliicb im Flsä^si^i heu. Hnrli i^^t es ni< bt si' Ici , An«
frz. Eiiitluss vorliegt (vgl. Adull Si»cirK S hi itt>iira» lie und Dia-
lekte im heutscbei», I8S8, S. Vi, Anmeik. 1.)
Trotz dieses starken frz. EinQusses auf die Aussprache ist
an den Rufacher Vornamen doch zweierlei deutsch, erstens
die Verkieinerungssilben te [lo] und ele |olo] (olo bezeichnet
eine «stärkere Verkleinerung als la), und zweitens die Be-
tonuf*g. Fast alle Namen weisen das germaiiische Betonun^^<-
geselz auf, d. h. der Ton ruht auf der ersten Silbe oiler
auf dein ersten Namenstetle. Nur aus euphonischen oder
aii-> I ji- hen Gründen worden einige Ausnahmen gemacht.
So liclonl man des Wobiklanges wegen Al.iksi f \Ie\iusj, Aiiä-
stäsiä, Ponifa<i (Bonifatin«-). Krisostöm^b ( ( ;iirv-n<ti>nius),
Krasmi (Ei.i^uius), FrantsUkh.i f Franziska), K. tw.im (lierva-
siusj, Mält'uas (Mattbaus), Wcjunikha (Veronika). Fnd .iic
durch das Sutli.v — i ei wciierlen Foriiiiijn vun Emil, Eugen und
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_ IUI
Leo lauten Emili, Yseni und Leoni, um sie .von den weihlicben
Formen Emi)i (Emilie), Yseni (Eugenie) >uq>1> .Leppi (t^cive)
unterscheiden zu können. Die unerweiterten Formen Emil, Eugen
und Leu diffegen tragen den Ton auf der ersten Silbe, wie
fast alle Voinaincii.
Die deutsche Hetonung (der ersten bilbe) herrscht in der
oe\vnhnl}('h»Mi L'mgan^^ssp^:1^flf' und wenn der Vornrjtne ohn^
<irn l'aiiiiliennamen ;;ehrau<lit wird, Hüft man ihn alter in
^lo^.^erer oder gerin;;erer KnlliM iiuii^^, so heloiil luan «lewöhn-
lieh die letzte Silhe, natürlich nie das Sufl'ix — i udei die V.m-
kleiuei uiiijssilhen 1?» und Man ruft also z. B. WilheUn,
Ätolli, Mari, Poljni, F^rlinant, Torndniki, Sosefin, Ötelani., Än-
tonytla. Die Uraache dieser fremden Betonung liegt darin, dass
beim lauten Rufen das Ende meistens kräftig ausklingt, um die
Aufmerksamkeit zu erhöhen. — Die nämliche B^nung hdren
wir auch dann, wenn der Vorname vtit dem Familiennamen
zusammen gesprochen wird. In diesem Falle steht der
Familienname zuerst, und dei- Vorname trägt, wenn er
zwei- oder dreisilhit; ist, den Ton auf der zweiten oder dritten
Silhe, z. B. dr Isnsr Rnp< r, s Pienar Afrl, dr Waknar Alek-
säntor, s Maior Kystatln. Hier scheinen mir Gninde des Wohl-
klangs riiass^t'l)end zu sein. Die re^^ehci iilc lictmiunj; ist dnrcli
den Hhylhnius lieseiti^t. Ks macht sich, wie in manchen Aus-
diiaken der Schriftsprache, das mechanische «Streben nach
bequemerer Gewichlsvei teiluii^w geltend (vgl. Behaghel : Sprach-
geschichte, in Pauls Grundriss der germanischen Philologie
L Bd., S. 555-557).
Ich hebe diese Betonung hervor, weil sie wichtig ist für
die Äbkürzuny der Vornamen. Im täglichen Leben wird
nämlicli von der Mehrzahl selten die volle Form gehraucht,
sondern der Name wiid gekürzt. Und diese Kürzung wird durch
die Betonung bedingt, nach t*inern nügomeinen deut^lien
Sj)ra(li;:t'setz, dass schwach- ndcr unJx'lonfc Sill>en allin.ililirh
\e! kiimmi'i II imd zulftzl ablallen. V»>n <ien 18ü liut'aehei Voi-
iiainen werden 13U gekürzt, und zwar giebt es ;i3 KTirzungen, die
aus dem ersten, und 105, die aus dem zweiten Nameüsteile
bestehen (einige Namen, z. B. Benedikt, weisen beide auf).
Wir sehen hieraus, dass die Betonung beim Rufen und hinter
den Familiennamen (zweite oder dritte bilbe) filr die Abkürz-
ungen eine grössere Rolle spielt als die Betonung in der ge-
wdhnlichen Umgangssprache und ohne Familiennamen. Ich
lasse hier die Vornamen ndt ihren Verkürzungen alphabetisch
folgen, gebe al>er zugleit ii auch alle andern gebräuchlichen
Formen und die ungekür/terj Namen an. Die Vornamen mit
Kürzung sind mit einem Sternchen * verüben.
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■ ••• •
Achilles : Asil, -i, -el^»;
Adam: Aläm, -i, Atainia ;
•Adolf: Alülf, -i, -I9, -i>ld,
Äl««lt, -I, -la, -alo, Tolfi,
Toltlc», Tolfab, Alein, Alelfla,
Alellolo, Telfi, jm^, Telfolo;
'Alexander: AlekstäiiUr, -la,
Ksäntar, -Id, Ksänii, Alek-
salr (frz. Alexandre) ;
'Alexius : Älaks, -i, -ela, Laksi,
Laksolo ;
* Alfred : A(\)ltret, -i, -1.^, -ole,
Freti, Fi ctlo, Frelolo ;
* Alherl : A(A)lpcrl, -i, -b, -ola,
Perti, A(Ä)lp^r, -i, -lo, olo,-
P^ri ;
*AUon<: Ahns, -i, -la, -ola,
Fusi, Fusla, Fiisolo, Alfüs,
-i, -la, -ela, FiUi, FAsla,
Aloys: A(A)lois, Ali*-, -i, -la,
AmadSus: Amete, (fre. Am^-
dde) -ni ;
Amatus : Arne (frz. Aim^),
* Ambrosius; Anipros, -i, -la,
-al», Prösi, Prösala;
* Anton : Au ton, -i, -Id, die,
Toni, Tonla, Tonald, Xtoan,
(frz. Antoine), -i, -laZ-ale;
'Arthur: Arlyr, -i, -la, -ala,
Tyri, Tyria, Tyrala ;
* August : OkysI (frz. Auguste),
'i, -la, -ala, Kysti. Kystla,
Kystala« Oky&t, -i, -la, ala,
Kysti, Kystia, KyStala;
'Augusfin: Okysti (frz. Augu>
stin), Kystj;
Weibliche Vornumen.
I
1 - Adele : A (A jtel, -i, -ala, T6li,
Telala ;
Adelheid : Ä(Ä)tolliait, -i, -alo ;
'Adeliue: Allin, -i, -la, -ala,
Lim, Liula, Linala ;
• At-athe : A(Äjka(ä)l, -i, -la,
-ala, Aki, Äkat, -la, Äkala,
Akalo ;
"Albertine: Alperlin, -i, -la»
-alr», Tiiii, Tinia, Tinala ;
'Alice ; Alis, -i, -la, -ala, Lisi,
Lisla, Lisala ;
* Avjnes : AQnes, -1, -la, -ala,
. Nes, -i, -la, -ala, Aijanes,
I -i, Anies, -i, -la, -ala ;
'Annalia: Ajneli,-ui, -nia, -nalo,
Lini, Liula, Linala, Amali,
Amala ;
! 'Angela : Aqala, Ast»! (frz.
Angölej, -i, -ala, Seli, ^lala;
'Angelika: Acelik, {Uz. An-
gelique), -i, -la, -alo, Liki^
Likla, Likala ;
1 * Anastasia : Anäsläsiä, !Sli\si,
I ' '
Stäsla, Slilsala ;
Anna : Ana, -ni, Ani, Ana,
Ana, Ani, Nän, -i, -la, -ala,
1 Nänel, Nänet, -i, -la, -ala ;
i * x\iitoitielle : ^loimM (frz. An-
j toiuetle), -i, -la, -ala, An-
tanet, -i, -la, -ala, Neti,
i N6ila, NMala ;
. Apolline : Ap<ilin, -i, -la, -ala ;
: * Augustine: Okysiin (frz. Au-
i gusline), -i, -la, ala, -Kyslini,
Kystinla, Kystinola;
■
1
!
«i
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— 103 —
' BteptHi: Päplist, Patist, Patis,
-i, -»Id, Tisi, Tisolo (im
Doppelnamen : Sämpotis, -i,
-0ld);
' Bartholomäus: Pdrtalme, Par-
tei, -d, Pdptld, Pdrii ;
•Benedikt: Pfenafikt, -d, -i,
Tikti, P^ni, Pönoa, (frz. 1
Benoit) ;
•^♦Mijaiiiin : P^njimin, P|äam},
(Ii /. Boiiiainin), Pu.s, -i, olo;
* Bernli.uxl : P:i i uliärt, -i, -la,
-M, HArti, H.uH ), HärUl^ ;
Blasius: Plasi, Plä^alö ;
* Bonifatius : Ponit;\si, Fasi ;
'Caniiiius: Kamil, -i, 9I9, Mili,
Mildid ;
■ Barbara. P.'iwi, P.i wUjPawala,
Pawel, -i, -la, -ah, Parp,
(IVz, Barhe), -i, -b, -ab ;
Bertha : PMa, -ni, -nala, P^rt,
'Cacilie: Sesil (frz. C^ile), -i,
-alo, Sili, Silala ;
'Casimir: Kasimir, Kasamir, *Char)otte : Safäjrlot, -i, -la,
i, -la, -ala, Simir, -i, -lo, , -ala, Loti, Lotala ;
olo, Miri, Mirli;
'Clui.stian ; Ki istiän, -i, Kri.sti,
KiLslel, Kri-(K>, Kri.itala,
Kreliy ^Irz. Clirelien), -ni,
-nid, -nala ;
Chi7:<o«tomus : Kriaostdmala ;
* Cöleslin : Selbst) (frz. G^lestin),
Selösli, Selöstal», Usti,
L&stold ;
Constanz : Ki)$t^ (frz.Gonstanf ),
-ni, -nala ;
*Constanlin: Kliünslänlin, -i,
-ala, Sfini, Ki)stäl\ (frz. Con-
stantin) ;
'Dagobert: Tdkopörl, -i. -\9,
-ala, Pirli ;
David : TäOl, -i, -la, -ala; I
I»esi(leriiis : Tesire (frz. D^sirö),
Tesiri, Tesirala;
* nieboki : Tia^K)ll, -i, -la, -ala,
Polti, Pollala, Wolti, Tiwfelt,
-i, -ala, Welli, Weltala ;
* Dionysius : T»^ni (frz. Denis),
Tenis, -i, -la, -ala, Nisi ;
'Christine: Kri.stin, -i, -la,
-.'»la, 'I inl.t, Tinala ;
Cleiiu'jitia ; Kloniä.s (frz. Cle-
nieiK -i, -la, -ala ;
Clemenliiie ; Kleinälin ( trz. Gl6-
meniine), -i. -la, -ala ;
• Ciofhitde: Klotilt, -i, -la, -ala,
Tiiti, Tirtio, Tütala ;
* Cölefttine : Selöstin» -i, -la,
•ala, Sfini, Stinia, Stioala;
Constanzia: Ki)st^s (frz. Con-
sta nee), -i, -la, -ala, Stäsi,
Stäftia, Snisala;
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— 1U4 —
* Dominik: Tornsnik» -i, -la,
Niki, Nikdla;
'Donat: TonAt, -i, -la, -al»,
Näli, Nätla, Nätala ;
'fcMuaitl: fitiär, -i. -b, -alo,
Tiari. Tiarb, Tiaiab ;
' Edinuti»! : Etinünt, -i, -ele,
Munli, Müntala, flimi) (frz.
Edmond) ;
'Emil: £mil, -i, -ala, Mili,
Milala ;
* Erasmus : firäsra, firasmi,
^.iasmi,£ra8i, £räsi, £rasald,
£rasla ;
*Ernsl : Anist, -i, Ernost, -i,
-la, -ala, N^sti, Nestia, Näs-
tab ;
* Kn;ren : Yst-n, -i, -b, -ab,
Sen», bünb, Söiiab;
* Fabian : Fäpiän, Fäwi, F4wl,
Fawala ;
'Felix: F6liks, -i, -ala, Liksi,
Liksob ;
* FenJinaiid : Ferlinänl, -i, -b,
-ob, Nanti, Näntio, Nänta'a,
F(*rlinä (frz. Feidinaiid) ;
Franz : b räiits, -i, -b, -ab,
Fraiit^i. Franlsab, Frasoa
(frz. Fraiuois), -ni, -nola:
•Fridolin : Fritolin, Frilel,
Frilülj (frz. Fridolin);
Georg: Jörk, -i, Jöri, äors
(frz. Georges), -i, -la, -ala,
äärsi^ -la, -ala ;
' Gervasius : Kferwäsi, Wasi,
Wasab ;
* Gn»|jor : Krekor, -i, -b, -ab,
Kuri, Knrio, Koi-ab :
'Gustav: Kyslaf, -i, -la, -rdlo,
Ky.stäf, -i, -b» -ob, Kysti,
Kvstb, Kyslob, Kys.ti, Ky.^lb,
Kystob, Tafi, Tabb ;
Eiiiiiia : Eiua, -ti, -tolo, Mati,
Malolo, finianob ;
Elisabeth (Elisa): fili^apet,
Lisp«M, -i, -la, -ala, Lisi»,
-i, -la, -ola, Elisa, Elis, -i,
-la, -ala, Lisi, Lisla, Lisala ;
Emilie : fcmili, ftnioli, -ti, -ni,
-nob, £maia, Uni, Linala,
Emi ;
Ernestine: Knio'^lin, -i. -le,
-ob, Stini, Stinb, btiii 'l.» ;
' Eugenie : Y^eni, -ni, beni,
Nini, Väi, V.sala ;
' Felicitas : Felisi , Felisala ,
Lisala ;
• Fiorentine : Florälin (frz.
' Fiorentine), Floranlin, Flöri,
BMorob ;
'Franziska : Fränts^lskli;i J Vanls,
-i, -b. -T'>b. Fl (fiz.
Fran(;üise)» Fani (engl.);
I • Georgelte : Sorsfet, -i, -la,
^1a, äeti, ^tla, S^tala ;
*Gertrac|: Kfertryi, -i, -b. -ab,
I Ti7ti, Trytb, Tiytab, ^r-
tryt, -i, -b, -ob ;
j 'Gustavine: Kystafin, -i, -!-^,
t -olo, Fji>i, Finlo, Finolo,
FiÜni, K-YSlawin, -i, -la, -ala ;
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— 1U5 —
Heinrich : Hainri/, HAri (frz.
Henri), Häri^ HärU, Härala,
Hdri, Hänh ;
'Heribert: Heripört, -i, Pferti,
Heripör (frz.) ;
* Hermann: Arm;"i (frz.), Ar-
mänfalo, Armänli, Annüni,
Mani, Aririätla, Matb, Ar-
inat;>l?>, MAt^b, ArmAti. Mäti,
Armani, Arinanla, Arman ilo :
'Hieronymus; Müsi , bt-Tüm
(frz.), -i ;
*Hyacinlli: Jätsint, -i, Tsinti ;
'Huberl: Hyparl, -i, -Id, -M^,
Hypörl, -i, -la, elo, Hypi,
Hypala ;
' Jakub : kikop, -j, ^k^pla,
Säk^[>ald, Sak (frz. Jac(iues),
-i, -la, -9la, Joki, Jokl, Jokalo ;
* I^inatius: l^näts, -i, -b, -ala,
Naisi, Nalsb, Xat.salo, N'atsl,
N'älsab, Inias, -i, -la, -olo ;
'Johann : Hans, -j, -ala,
t
ffrz. .fpan), S;iy, -j, -la, -ala ;
* .(osepli : .)öse|>, -i, -la, -ala,
S'pi, Sf-p.jla, Snsef, -i, -le,
-ala, Pepi, Pöpala ;
'Isidor: Isilör, -i, -la, -ala,
Tori, Torla, Torala ;
Julian : i^yli^ (frz. Julien),
^yli^ni, Sylienia, Sylii'-nala ,
SyliMi, Syli, ^ylala ;
Julius : Sy! (frz. Jules), -i, -ala ;
Justinus: ^ystj (frz. Justin),
Systini, S^-stinala ;
Karl : Khärl, -a, -ala, Khäri,
Sari (frz.), -i, Sari, Carola,
K;is|),)r; Khäipr, Kbasprla,
Klia^par, -i ;
Konrad : Khiunät, -i, Khon-
rati, Kii\aräli, KhyanrAt ;
'Helene: Helen, -i, -la, -ala,
Leni, Lenla, Lenala ;
'Henriede: Hariet (frz.), -i,
-la, -ala, Hdriöt, -i, -la, -ala,
J6li, Jfeila, Jetala, Häreli,
Har^tala, £ti, £;tdla, Härfela,
fcfa ;
* Horlen."«ia : Ortas, -i, Ja, -ala,
Ortas, -i, -la. -ala, Tasi,
Tasala, Täsi, Täsala;
I
Johanna : äan (tn, Jeanne), -i,
-ala ;
Mns('|tliiiif : Süsefin, -i, -la, -ala,
Fin, Fini, Finla, Finata,
Fifini,
Irma : Iruja, -Ii, -ala ;
Julia : Syli (frz. Julie), Svlala ;
•Justino : Sysfin (frz.), -i, -la,
-ala, btiiii, Slinia, Stinalaj
* Karoline : Kharolin, -i, -la,
-ala, Khärlin, -i, -la, -ala,
Lini, Linia, Linala;
'Katharina: Khatrin, -i. -la,
-ala, Kliati, Kh;it.tl,., KhatüQ,
-i, -la. -ala, Khalüiä ;
Klara ; Kidrä, Kiäri, Klarla,
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- 106 -
Leo: Leo, Leoni, Leonia, Le-
ondld: Leni, Loni, Le^i (frz.
L^on) ;
Leodejj;ar : Lol^kar, -i, -al»,
Le^e (frz.), Leseiii ;
* Leonharii : Lidiiharl, -i, Udrti,
Leoniir (frz.) ;
■ LoitMiz : Lötants, -i, -la, -ola,
Lauts, -I, -ala, Lor^ (frz ),
LoräQi« Loräuala ;
Lucian : Lysi^ (frz.)> Lysiöni,
Lysifenla, LysiöQdlo» Lysi ;
' Ludwig : Lylwlkas, Lüti, Lui
(frz.), Luil9, Luiale, Lyi,
Lyib, Lyiala ;
Markus : Mftrks, -i ;
Martin : Märtin, -Id, -ata,
Marti (frz.) ;
* Matthäus : Mäta«, M&töwas,
-le, -dla, T^was» -la, Matiö
(frz.) ;
Matthias: Mätiiis, MMis,
-I9, -ala;
Michao) : Mi/al, -a, Mi^i, Mih^I
(frz.) -i, -ala ;
* Mol Hz: Moni«?, -i, -la, -ala,
Ritsi, Moris (trz.);
' Niklau-s : iNikläys, -i, -la -ala,
Kiäys, -i, -la, -ala, Niki,
Nlkla, Nlkala, Nikola (frz.) ;
Kläraia, Kiarä, Klar (frz.),
-i -la, -ala;
I '
'Kunigunde: Kliüniknnt, -i,
I -)a, -ala, kuuli, Küulla,
KüDtdla j
I *Leonie: Leoni, -ni, -nala,
NIni, Looi, Lini, Linia, Linaia,
Lina ;
j *Leontine : Leoniin, -i, -le,
-ala, Tini, Tinia, Tinala ;
' Luise : Luis, -i, -la, -ala,
Lywis, r.ywif?!,>, Lywisdia,
Wisi, Wisla, Wisala;
I
I
'Margareta: Mirkröl, Ki-et,
-i, -la, -ala« Markörit (frz.),
-i, -la, -ala;
* Maria : Maria, -ti, -tla, -lala,
-ni, Miriä, Ma(ä)ri, -ki, -kala,
4i, Rikt, Rik, Rikala, Möi,
-la, -ala, Mfeiji ;
' • M.i^diilcna : Matlt^n (li-z.), -i,
-la, -ala, Leni, Lenia, L«!'nala,
j l.önol, MätItS Mätlüft, -i,-ala,
1 LÜQi, Lüftala ;
Marllia : Märta, M.irt.i, -ni,
' -nala, Marl (frz.), -i, -ala;
I * MalhiMe : Malill, -i, -la, -ala,
Tilti, Tillala;
'Melanie: Melani, -ni, -nala,
Nini, Ninala, Möni ;
I Oclaviti ; Oklali, -ni, -nala;
I •Odilie: Otil, -i, -ala. Tili,
Tilala ;
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— 107 —
Paul : Plmyl, -i, -ate, Pöl(frz. j 'Pauline: Polin (frz. PaulJne),
Pnul), -i, -9la; -j, Lini, Lina,
•Pantaleon : Päntilli , Tali, | LinI«, Linola;
Pänll, Pänti,Päntala, Päntü; ! 'Pelajria : Pelasi (fi-z. Pölagie)»
Peler: P(h)eh-, Petari, Petarla, ' -ni, Pisi, Pisala;
Pit^r (frz. Pierre), -i,-la,-elai ^ * Pliilippin.- Filipin, -i, -la,
-ala, Piiii, Pinlo, Pinala ;
I ' Philoinele : Filoind, -ni, -nia,
-nala, Meni, Menia, Meaala;
'Hemigius: Remik, -i, -te,
-9la» Miki, Mikala, Renii ;
Regina t Rekln, -i, -la, -db,
Rin (frz.), -i, -la, -ala ;
Renatus : Ren;»(i , Renälla, i Rosa: Rös, -i, -la, -alo, Rdsi,
Renäiala, Rone ffi/.);
•Richard; Riyhart, -i,-la, -ala,
Hru ti, Harllä, HArtal», Risär
(frz.), -i, -la, -ola ;
* Rol>ert : Ropört, -i, -In, -.»!.>,
Pf'Hi, Pörtl.:., P.Mt.il.., liopcr
(Irz.), -i, -la, -ala, Pöri,
Pörla, PtVala;
* Rudolf : Ryalolf, -i, -la, -ala, 1
Tolfi, Tolfala, Tolla, Rjalelli, :
Ryatölfla, R^atölfala, Tölfi, |
Tilfla, Tölfala ;
Resla, Rösala ;
Rnsalie : Rosali, -ni, -nla,
-naJa, Rosi. R()>lo, Rösaia,
R^si, Rj^sla, R^siola;
'Sebaslian: SepäsHan, -i, -la,
-ola, Päötiän, -i, -la, -ala,
Päbi, Pasala, P;is, -i, -l^^
-ala, fciepaitir (IVz.) ;
Simon : Simon, -i, -ja, -ala,
Siinenla, Simenolo, Öinm
(frz.);
* Stephan ; Slafän, -i, -la, -ala,
StaÜ, Sfafle, Stafala, Stafas,
Etifeß (frz.), -i, -lo, -ala,
Tieni ;
' Theodor : Theotö(o)r, -i, -la,
-ela, Tetö(o)r, -i, -la, -ala,
Tori, Torla, Torala ;
• Theophil : Theoül, -i, -ala,
Fili, Filala;
Thomas : Toraäs, -la, -ala,
Tümäs ;
.Salome: Salome, -nla, -nala,
Salmala, Salmi, Salome;
Seraphine : Serafin ;
Stephanie : ^tefani, -ni, -nla,
-nala ;
'Susanna : Sysanä, Sysänia,
Sy^ännla, Sysan, -i, -la, -ala,
Sysi, Tsysi, Tsy.saia;
' Therese : Theres, -i, -la, -ala,
Rösi, R^la, R^la;
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— 108
' ValeiiUo : F;»lto, F.illob,
Falti, -Mij -iilt«, -iihIo, Wali^iti
(frz.) ;
* Viclftr : Wiktü(())r, -i, -Ii», -olö, j
Wiki, Wikdia, Wikas :
* Vincenz ; Wintsants, -i» 'le,
•did, Fitsanls, -i, »la, -ola, >
Tsanls, -i, -Id, -ol»;
•Wilhelm: Wllhfelm, -i, -lo,
Kwiljom (frz. Guillaume); \
^ Willibald : Wilipält, -i, -dia, |
mHy Pältala.
•Ursula: Ür^i, Ürsel, Ürsala;
Valerie : Walen, Waleri, -ni,
-ki, -TiAlf» :
' Veiüuika : Weronik (fnc.)»
-3l,>, Wrionikhä, Feionikba,
Froni, Frnnil<ä ;
Victoria ; W ikioar (trz. Vicloire),
-i, -l9, -ala ;
•Viclorine: Wiklorin, -i, -1,»,
-dia, Rini, Rinia, Rinala:
• Virjrinie Wiriini (fn. Vir-
ginie), Wirsinala, Wirs, -i,
-ala ;
Walbuiy : \Val(na k, -i ;
Willielmine : Wilheirnin, -i,
-la, -ala, Mina, Mini, Minla»
Minald.
Anmerkuny zu Anna : Zur Ei kl inin;^ dfi Foi iu Naun
[Nan] sa^it Otto Ahoi (l)i<' deutsclicii Pci soDcnnMinrn. l.'^O,
S. 70); «Wie koiniul t>, ilass in vielen Teilen Deul^eli-
lands für Anna oder uucli Johanna Nanna, Nune (frz. Nanette,
engl. Nanny) gesprochen wird? Da wir Nanna (oder Nanda,
von ahd. nand-kfibn, z. B. in Ferdinand) als einen altdeutschen
Namen kennen gelernt haben, so erklärt es sich leicht : Nanna
ist das ursprüngliche und iial bloss der Geistlichkeit und der
heiligen Anna zu lieb ihr heidni.'^ches N ablegen müsspii, da^
alter im gewöhnlichen Leben sich immer wieder sein Recht
XU versehafTen weiss.»
Aus den mitgeleilten Na mens formen ersieht man. da<;<: die
int^isteii Vornamen, volle und i^ekürzte, durrli das Siif/ix -/
<'i\\riltil Werden. Dieses kuntmt in <ler liulachei- .Mundart
überhaupt ziemUcb häufig vor (aber nie die Verkleinerungssilbe
Ii, die im benachbarten Dorfe Bilzheim gang und gäbe ist).
Wenn es auch keine so grosse Rolle spielt wie in der Schweiz,
so tritt es doch noch zahlreich auf, und nicht nur an Eigen-
namen, wie Karl Weinhold meint (Alemannische Grammatik,
t863, §5269), sondern auch an Gattungsnamen, in der Kinder»
spräche bezeichnet das Suffix -i dun hweg eine Verkleinerung:
*s Handi [s Hanti] das Händchen, 's Gaggi [s Käki] das Ei,
's Katzi [s Khatsi] da?: Kfitzchen, u. s. w. Alicr in der Sprnrho
der Erwachsenen kennzeichnet das SuÜix -i meistens nicht die
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Koseformen, sonderu Wörter, die etwas Verächtliches, Lächer*
liches, Ungilttstiges ausdrücken, B. Lalli [Lali]=einer, der
lailt, d. h. den Mund offen hält und die lun^e heiausstreckl,
Öbertragen : ein dumntKHT, ungeschickter Mensch (im Vertrauen
lind im Vor ü hergehen sei es g^esagt, dass Lalli der Spitzname
der Buf';irhpr ist). '
Am liauli^'slcn erschemt das i aber an Namen, sowohl an
denjenigen von Tioron (z. H. Stnrni [Starni] Oclisf niil einem
weissen Fleck aul' dcv Sinn, Ivihli [Kli(ili| seh wai/i-.«, Pferd,
Gasdüuri [KastoriJ Bez-eicimung eines Hundesj, an denen
von Menschen. Bei den Vornamen tritt das i nicht nur dann
an, wenn sie auf einen Konsonanten endi;>en (Felix : Feliksi,
Liksi), sondern auch dann, wenn sie auf einen Vokal ausgehen.
Dann wird ein Konsonant eingeschoben: Amcte (Amadäus):
Ameteni, Ana (Anna^: Anani, £ma (Emma): £mali, Sylt^
(Julian): ^yli^li und Sylieni, Irma: Irmali, Leo: Leoni, Lysi^
(Lucian): Lyvi,'-ni, Maria: Mariati und Mariani. Das geschieht
selbst in dem Falle, dass der Name schon auf i endigt: Emali
(Kmilie): Fmolifi und fju^^lini, Y^eni (Ku<ienie) : Ys'eninl, Leoni
(Leonie) : Leonini. Mari (Marie): M^riki und Mnrili, Melani
(Melanie) : MeLinini, Oktafi (Octavie) : O'ktalini, Rosali (Ho.^alie):
Ilosolini , Sletani (StcjdKinie): ^^telaninl , \V:d»ni (Vrderie) :
Wnleriiii und W.iK i iki. Ol»wohl t\'\t'<t^ F^M intMi mitunter auch
Kitsc'lormen sind, haftet son.-l dvu \ <irn;mK'n auf-ietvvas Der-
hes in. Und d' m .luseph hört nicht ^ci u, dass man ihn Sabbi
[.Sepi] ruft, die Ajj^athe will nicht Aaj-i [Aki] genannt sem.
*
1 Eine vollständige Zusaiuinenstellang der r.ufadiir Oattungs
namen mit dam Suffix*] wsrde ich an anderer Stelle geben.
(Der III. Teil fol^t im Jahrbuch 1896,)
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XI.
Strassburg;er Redensarten.
Eine kleine Ergänzung des bereils Gesammelten und
publicirten Materials, im engeren Gebiete der Slrass-
burger Mundart.
Mitgeteilt
einem einheimisclien Sprachkundigen.
Wenn'8 grien schneit.
Wenn d'Küeh e Batze gilt.
Jetz hescb awer Zilt!
Geh mer vom Stund !
Loss mich unikeit ' '
Du hesch de Fade !
Kradiiel mer de Bukkel nufl
riolt, (iisz war sn o Fresse,
Kaini^'clit e ander Mol verbei
kumme.
Mache mer de Gaul nit schei.
Do lauft nocli viel Wasser de
Rin na!
Schenier Di niti
Da hesch dir de Finger am
lelate Blatz verbünde!
Loh kas I
Sie sin uf em HolzwSg.
i Anlvoortm.
Geh schisse 1
' Verz&hl disz lim Isere Mann,
der glaubts.
^ Geb im Deifel zue ; im Deicherl ^
ztie : im Schinder zue.
Dü kaiiMsch mich gern han.
Pack dich zuem Schinder.
Nein ! Nit nniV verrecke.
Loss dich heitn<^e%o (^'ei^ren).
Dort hei dei Ziuiinermann
's Loch gemacht.
Mach d'Thüer von drüsse zue.
Jo, hebe am föndel.
Jo, kannsch dir inbilde.
DisK doe ich dir : pfiffe, blose,
mole, schisse.
Geh und loss dich fönfere!
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— iii —
Abweisende Antworten.
Geh vor d'Thüer un schau ob ^Was gibt's ze esaeV üogeroteni
icli drüsse bin. Fehlhuenle !
^Du kann^ch dir krazz»'. Was l)iin;ir^f iner mit? E Furz
Was i<ch disz? Disz sind Fü- im Lumpe! [Ion!
Ozzle im Essi jrehlolzt. Mit dem kannsch Ii begrawe
y Was isch los? Was nil an^fe- Waij machst du niurje : Was
bunde isch, dumnis Luederl i hytl gesse hab!
Wo isch er? Im Hemd. Dich solle d'Ente verdrette I Du
/Wo itehii ihr bin? AU der gfallsch mer! [nix meh!
Naas noch. [Pfaff! Wenn i nur muest! Sunsch
Saa's noch erool ! I bin kein Waa het den? D'Nas de lange
Wo fahre ihr anne? Mit der Wäy un *s Muni ilwwer-
Hand üwwer'a Loch ! zwerch.
Ahnen.
/Dem geht e Liecht utt. Dem liet el)S geduddelt.
Der hets glich g?.chnieLkt. Der het e Uni Naas.
anyehn, einen etwas.
Loss du diu Naas do hm, Disz isch min Sach ; disz sin
Faj (In vor dinnere Dier. mini Sache. jEier.
/ Der kratzt wo's ne nit bisst. Kümmer di nit um uageleidi
Alle», volhiändig, ganz.
D*ganz Baschdet lejt im Dreck. Ao dem Hüs isch kein Zi^el
^D'ganz Büdick isch nix nutz. ganz gebliwwe.
's ganz Geschäft ist verpfuscht. Bis Hus isch bis unter de Bodde
Der ganz Brede isch verdorwe. verbrennt.
Von A bis Z. Mit Rumpf un Stumpf.
X in de £rds Grunds Bodde nin.
ärgerlich aueeehen
DQ schnidflcht awer e Fratz ! Was der e Bonem schnid I
HeschdöeKritzschbinngfressel /Bi dem isch R^ewetter.
/Was beseht uff der Lewwer ! ,/So luschdi flssehn wie e Doode-
Mach doch kein so Britsch. trl^erl
äryern.
y Sich wm aiiden fuchse. y Der macht eine jo ganz letz!
Mach mi nit wild I
»ich ärgern.
's schdeckt mir im Kropl; es Ich soll kein iieuei hau!
" thuet mi gxiißpfe. 'Die is'^h ganz grüengal worre
Bis duet roi awer wurme! vor Aerjer.
/Bis lejt mer uf der Lewwer.
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— 112 -
Arm.
/Der hch <o arm, <lass er Genn »lern arme Deifel ebbs!
kiebbert! [Dan! 's isch hait e urmer Duncler!
Der firt 's ganz .loor de huv^e Der siehl us wie d'dijr (leuer)
^ Dei' kuinmt «liirch e Nodelebr Zitt,
ifi <le Hintinol ! Dem '/ehr-^ hincierli !
Der liet e Hypulbek ufF ein Di «leiine vorrecke d'Mies in
Anm^linus. (SprofM-he! tler Diöchlad !
l's (lein retld <ier Hunger alli
Armui.
Do gil>(s nix ze bisse un ze Der isch so arm, dass em der
krache. Düwack nit in der Naas bebbt.
y^Dem kann mer d'Ribl)e zähle. ^Der nSut ä*ganz Johr am Huii'
Die han kein roti Sü meh. gerduech.
Die n)üen au (PLües um de Do setzt's scliniaii Bisse.
B.tlj; scliirule. [satt. Do wui«} Alles mitdünne Messer
Der isst sicii nur alle PUngsde geschnitle.
Augen^ grosse:
Der liel nix als Aue! Von tlenne Aue j;ehl nur enis
Disz solle kein Kulbsgückle sin ! ufs Dulzel.
kleine:
Der guckt nur durch e Schpalte.
eitrige :
Dreckeder Triefgöckei !
in s Beil yehen
, Kumni, mir ^<>hn ms Neschl. - Mer wolle uuö strecke.
Mer wölle uns laje.
schlechtes Bett.
K Luensch.
unytimachles Beil.
Der iejl in de alte Säije.
hartes Betl.
Disz isch e Dritsch, e Breit, e Schwärt.
bankrott.
Der isch uf de Druesse ! s^Müliers gehn de Krebsgang.
By denne bimpelt*«.
bartlos.
Der het schlechte ßt)dde am Kinn !
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— iia —
begierig.
Der duel mit de Aue esse 1 Der iscb griddi wie e Hund !
Der frissi KrOt und (Us I y^Der macht nit lang Fickeles
Der nimmt kein Zit zuem bisse I Fackeies.
Der brücht kein Gawwel. Macb mir kein langi Zähn.
^Der frisst wie e Drescherl
Oetua/ie.
, 's hei Uli viel gtehit. /üius Uauduuuiteje.
Bier.
$ehieeht€s Bier.
' Salchf^amborebruDz, Brenkelbier, Mischtlach, Säifel.
unständig bitten.
Kr isi b mer nit von der tSchweli Er hei so lang gebettelt, bis
gewiehe. er's i^^het het.
I bin iie mit eni be^ble Wille Er bei im so lang geblöujt, bis
nit los worre. [gange. er's ghet bei.
^Er isch mer nit vom Gnick
bUichy auszehrend.
Der macht niin lang. Der het nix meb wie Hüt und
Der lautt uf de letzte Schlappe. Knoche.
--Der pfift ul" cm letzte Loch. Disz sieht awerschnaikieht drin.
Der riecht aoch danne Holz. ^ Der schaut a wer verkohiiit di in .
Der isch geliflert. 's ist wyss wie der Doot, wie
Der isch mirb wie der .Wanze- e Linduech.
nauer Heri:gott I 's isch krydewyss, wyss wie e
Der himmelt I Wand.
borgen.
Ebbs uf buinsä hole. Lehn mei e Nickel.
Die nemme's iifs Buechel. Der kautt ut Borris.
y' Duen's ufschriwe.
geborgtes nicht erhalten.
^Do hesch s'Nochsehns. ^Disz hesch gsehn ! lesdaa.
^ Do kannscb bette 1 Disz bekunisch du am Mimmer-
boihaft.
y Disz isch e Stück von's Deifels (Vom Weib) Disz isch e Lueder,
Hossefuederl e Schlang.
/ Die hell Hocr uf de Zähn. Dis sin nix als Dejfeleye !
Die isch lütter Gali und Gifl. Disz isch der reinscht Giftbafe.
(Vom Mann) Disz ich e Satan.
8
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dick
Was der Iure Wau^^sl nüa- yUev liet e Büch wie e Dürke-
sUeckt. (Irunmi.
dicket Frauentimmer,
Luej was disi e Kaschte isch. Dieischsodickwied'Dambäche.
Die hei Fleisch im Liewel.
Drohuny^ ifegen kiiuier.
Bas!> uü, der Wäuwäu kunimt! Dich holt der KamiDßijerl
Der bös ühobhütV lioll di. . Wart i will dir!
Kumm^ch nit in de Himmel. Glich due ich dir de Grosvalter
Zue dir kuramt's Chrislkindel zaije.
nit. I setz der d'Xaas de lange Wäj
Witte Aptel? Ja ! (blasen) Fang und d'ilippe öwerawerch.
ne! Dort fliejt er.
Kv het e harte Kopf. Dem i^xh 's Hirn so dief ge*
Du hesch nix im Kopf» wie rutscht, dass er drowe sitzt.
gschnitte Stroh. Disz ist e LeUkopf, e Lett-
Dem gückl 's Stroh us de Ohre scliäddel.
er US . Der isch d n n i mer n I s si ii i t'iiesz I
bie (ieiu s^Liitiuklä in der Dach- Disz isch e Stuck Vieh !
kammer. y Disz isch e Ross Goltes am
Der isch ut de Kopf keyl. Pahnsimda !
Der isch vom Dumnikirchel Dü bisch e PfifTedeckel !
An dem hei e Ross gebftschelt. Dauwer Satan 1
Entrüstungsausrufe.
Disz isch jo zuem Verschienzel Jelz verreck Babbel
Disz i.sch nit gepermedirt. ^.Tetz schisst der Hund meb
Jetzt geht mer awer ball d'Gali wie d'Nachtigall.
iwwer. Potz Fahnehibele ! Potz Mogge!
i.)er Dunder schlaa ! / Do mörht mer jo an de Wand
Potz Krülsalat und Speck. Ewezemähr. [nut!
iieh trbreehem.
Dem kumml's owe eruf. [sich. Der soll nit gegerbt han.
Der gibt Lung und Lewer von Der het cBlümele>» g^aat.
erzürnen.
Macli mi nit wuedi. Jetz steijt mer der Senf in
Bring nii nit in de Harrasch! d'Naas.
Glich wurr i falsch. Glich lauft mer d'Gali üwwer.
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Esten,
Her meint der kaniint usz em
Hungerlaml ! [Naas.
Der isch au nit ganz under der
Wie der sich de Maadesack
füllt ! [krepiere.
An dein was er isst dAt Plerd
- Der verdraal Scliueüäjel.
fiie dem heisst's nur : E Schluck
un € Druck.
Disz isch kein Koschtverächter.
Der bissl ufl' beide Backe.
Der duet d' Wurmlöcher stopte.
Dis isch V Kradile.
Der het nui « iii»- Darm !
/^ie dem rutscht's awer I
Ich glaub, dir isch der Huii^r^
rieme ufgange.
Esten (sch(eehiet).
])\>7. isch Stiujtut'der ! Disz iscli jo 's rein ijpilalfueder !
So e Luiiipelueder I Galleefueder isch disz.
Disz schmeckt, wie wenn mer Disz schmeckt wie e Burjatz.
d*Zung zum Fenschder aus-
hängt.
Essen {gutet).
Dem soll's nit gschmekke. Disz isch e Schlekker.
^Wie der füedert ! Der frisst, min Sechs, kein
Der het e gslynete. Dreck.
Der halt ebs uf guedi Mömfele.
Faul.
Der het*s fuel Fe wer.
Der luejt <le ganze Daa wo der
Wind herpfiA.
x^Der losst sich d*Sunn in de
Rache schiene.
1 bin fix und ferdt.
fertig.
Flausen^ Scherze,
/Disz sin Faxe!
^Disz isch Buewedings; Kra<-
manzies; PIftn.
liacbe mir kein so Gachlungs
Verzähl mir kein Plan ! [vor.
Disz isch kein äwels Stückel !
Dem mache mer e Schpück !
Dem spiele mer e Schtossl
Mache doch kein Kaläumesl
keni Gschichlel
Ihr welle mir e Dorte spiele.
Machemer keinGschluss! kein
Narredeye.
Der macht '.s \uA\ widdcr.
Der isch voller Räuk un
Schwänk l
- 116 —
Flucht^ ßiehen.
iüch Uli uu tlervüii ! Der isch si luin lang Iüs !
Der isch durch d'Lalte. Der isch im iichiniler zue; in»
Der hell Ikcb kauft; Pech^ienii. Deifel zue.
Der hett d'filatt gebutzl. Der isch fldle gange.
Der hett sich eine genumme; Der isch au gassade gange.
eine gedrl^t. Er isch los ! Der het sich eine
Der isch — hesch mi gsehn. ^ genumme, awer e gekip-
Luej, der will uskratze. perte.
Der isch bleyde gange.
forijayen^ hinauswerfen .
Keje ne nüs. Denne duen mer spediere.
Jetz isch Zilt, dass du zcihscht ! Denne duen n»er imsspacke.
Gehn Sie zum Gfi^ikkl Wursch sehn, wie der nüs-
Denne han mer nüsigewimnielt. flattert!
Ich zaj dir wo der Zimmermann
*s Loch gemacht hei.
Fuu {Btin),
Der het krummi Schtolle. Was will der Krummadiunke»
Der het langi Schtelze. Der het mir de Knoche ver-
Was der Ländeldreller het. ' trelte.
Geiz^ geizig.
Der Kerl isch zäh wie Ledder, Der schind d'Lues um ihre Balg.
Der frisst sine eiene Di-eck vor Disch isch emol eGitzwueschtel.
ludder Gitz. DischischedrecketerGilzkraiie.
Geld,
Der hei Glänzerle ! Der het e Geldschisser.
Der het Fuechsle ! ^ Dei* schuUelt's üs em AermeU
Der bet awer Mummes I Dei het Geld wie Haij.
Gib mir e Bazzel. Der bet Me|jes.
Gtnicky Nacken,
Der het de Hals gebroche.
Nimm ne am Krips un echmiss ne nüs.
Dis isch mir ein Käs. ^ Do fröij i kein Dreck dernoch.
I>is macht mir nix üs. Do fröij i soviel dernoch, wie
Dis machf der Lieh kein Kind. noch mim erschte Hemd.
Dnfor freh i nit von «ler Slub- Do luej i nit drum num.
duer an d'Handzwebl.
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— 117 —
grob,
/Mit dem isch schlecht Kirsche Geh eweck, grower Fleijel I
GHinichnabiL
^Rotznas! Rotzlöffel^ Arschkrott, Hosselottel, Hosseschisser,
Gropfel, Gehlschnawel, LOesbuef
guimülig.
hü ehrliche Uuzzel I 's isch der besclit Deifel wo leht.
Hand.
^Dobe, Datze, Zange. (Nägel) Nlijel wie Strähl,
(Ffager) Klöuje. Kralle.
hassen.
^ Denne kann i nit schmekke. Dem steck i kein Maije.
Dem könt i kaltbluedi de Hals Der het's bie mir verschütt.
um Hreje. I)enne kann i nil verbutze, nit
Der wart mi noch kenne lehre. sehn, nil anlueje.
Mit (hm mach i emol kurze Dem könnt i Gift genn.
pjozess. Der isch mir s« Imn lang e Dorn
Der isch mir wie Gift un Bob- im Au.
berment \
Hauptschwiertgkeu,
^ Do leijt der Haas im PfenVi . Do hammer de Kerne.
Do huckt die Lues im Krütt.
E GelSchfer, e Barrack, E alti Mördergrueb.
E alti Kaschdell. E alts Dunderloch.
E alts Wändelnescht. E alti Kambus.*
E wahrs Burgverlies. E alti BQdik.
Emhfimt.
^ Der ioll kein Kraddel han. Dis isch e r;i( hier Äff.
Was der sich e Käs gilt. Der meint tler (irossmoggel isch
^Dis isch e ingebilder Tripsdrill. sin Unkel.
/' Her meint der het de Verstand
elein gfresse.
Mir falh der lierzbiuuiel nuiiter. Min Mafie ^'eht nf zwölf.
/I hah e Mordshunger, e Heiss- Ks isch mir ganz hoili.
hunger, e leid.s Hunger, söj-
mässi Hunger.
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— «8 —
im».
Der hei sich nit letz gsengelt. ^Distmol bisdi an de Lelze
Ihr sin uff eme lelze Strang t kumme.
He! Dorl geht*s nost Do hescht di awer verga-
Ibr ein uff em Holzwaj. löpperl.
Wenn dü disz glaubet, laufst Der leijt 's Ei newe 's Nescbt,
im Rad ! Dismol hesch di ^^^chnitle.
Besch jelz e Bock j^schosse l ^ Diamol hesch dir d'Zung ver-
demewe gscbosse I brüjt.
Der isch ersch drei Küs hoch. Bis dorthin müesch noch viel
DO bisch noch e Hosseloddel, Supp ease.
e Kneclces, e Luesbue» e
Botzlöffel, e Arscbkroft.
£ajfee (acAiecAler).
Was isch diaz for Blembel I
Kauenjammer.
Giggele mache. Der faet eini geniucbt.
kaum^ ml knapper Not.
Eriach blult un bloss mit em Denne hets fascht ^het.
Lewe dervon kumme. Denne hets nood j^^sl reift.
Er kann von Glück saue. £s geht noch so so, la la.
klug.
Der isch nil nlV de Kopf pfalle. Der tieft el)s hüsse.
Der weiss wo Barthel de Moschl ßie dem kummt mer nit so
bull. licht an.
Dem brOcht mer nit mit eine Der weiss eim nüszqjenne.
Ladernepfoly mit ere Disael Der weiss eine an de Platz ze
ze winke. stelle.
Kopf.
Mach dine Schaddel eweg. *s gibt ulfs Latälel.
I hau dir uff's Dach.
lange her.
*s isi h liall iiinirn wohr. Disz isch au nit vorder Wucb
Disz isch zelleuiüls gsin gschehn. [her.
Disz isch anno Zieh, anno Zelle- Disz isch schun e schoeni Ziti
mols, anno Düwack passirt. Disz sinjo schun sechs Ewikaite.
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langem.
^ Geh iner eweck, mit dem Herr- Wurt disz hijt noch lerdi.
gotstrendler. - ^ 's geht uf der Schneckeposl.
Der Labmarsch wurd an keim y Kumm i hyt nit, kumm i morje.
End ferdi. Der duet sich aii nix vorrenke.
Sei doch nit so lendelahni. 's t^ht em nix (is Hhad'n.
Itingnasif/er Memeh.
Näsele, Nasebauyjert, Naashoin. /Dem ?«in Naas macht Schelle.
langsam essen.
^Wie (ier am Esse erumzehhelt. i glauh 's will nit erecht
Wie der erum mangelt. rutsche.
Due nit eso am Esse erum*
schnaike.
lärmen., loben.
/Mach kein so Krambol! Ihr duen wie's Wuetheheer.
^ Due nit eso dewwere. So, duel 's lieb Vieh.
^ Mer hört josin aije Wort nimm ! --.Vfcr meint, der Deifel isch los!
sin jo gar nimzehewwe! ^Mer inemt jo, es wurd e Söj
Die sin ganz letz. gemetzt.
Alia ! Dl) isch Lewe ! Ihr sin wie von der Ketl !
^ Duen doch nit eso dowe !
läsiig, nneriräslieh,
/Die huckl eim allewyl uf em Disz isch e wahri SSg.
Buckel. >.Isch dis e filöejgeistl
/'DennekriejtmernitvoinGnick. By dem kriejt mer 's Ziiiherle.
Wenn ich nur die Klett los wär. geht mer züe de NTijel nüs.
Die macht wie wenn si do Isch disz e Klett I Isch disz e
dheim wfir. S;ij !
Do henn mir e Fuerweruk ; e ^'s isch nit züem üshalte.
Schleppet.
laufen.
Die isch awer furt gebäsL Der lautt wie nit gscheid.
Der lauft was gisch de was Der jaul .sich ze Dod.
hesch de. I-U'-j, wie der drut los füesselt.
Der lauft wie wenn er Fyr in Luej, wie der Schritt nimmt.
de Hosse hält. Dor lennl jo wie's Dundei^
Der rennt sich d'Bein ah. weiter.
Luej, wie die zwei verlieij i aase. W^öUe rner dem noch kajätze.
Wie der an aim durchsurrt.
Der isch awer druf los Ira-
wäddelt.
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— 190 —
lieben.
Dich kann i jjuet lyde.
Dü bisch mer ans Herz ge wachse, gebache.
Lüb (ironisch),
^ Dü bj.>ch })ra\, wenn d'>chloofst.
Dü bisch e Gassenengel awer e HüsUeilel.
Lü^tü strafen,
^ DUz isch altes erstUDke un er- ^ Der het mir e nette Bäre uf-
iöuje. ^'ehunde !
Der lüejt» dass eim <rAue Dia Pflaster xeijt nit.
Wasser genn. -Der will uns ebba wtss mache.
^> Der scimilzt eine an, dass mer ✓Was duet Her uns vormoole !
blöj anlauft. Disz pack ich owe eweck nit!
Mässiguny.
Halt de Gaul anl 1 mein, düt lan^^e lor hyt!
eich gemein machen.
Mit jemand im Kräwel erum- D'Söj mit jemand huete.
fahre.
müde.
bin fascht kaptlt. I kumm nimm in d^Heht
I bin halwer föddi. I meecht umkeye.
I kann mi nimm rage.
Mund,
NUhiI, Gusch) Schnurr, Waffel, Schnaik, der Fresser, der Lälli,
d'Schnuflel.
Hall d'Schnfitz!
mürrisch,
^ Mer meint d'ganz Welt isch em ebs schuld i.
müisiy gehen.
Im Herrjtolt de Daa abstehle.
Der losst unsere Herrgott e gueter Mann sin.
fatd.
Der halt viel uff lejendi Gueter.
Xoae ((jrosse).
E leids SiwoiK r itn Gsirhf lienn, E Portion MCil un Fucs for
•. E Klovvwe Nüniero ein> ! zwei.
Die Nans steht nü.«, wie ehhs
Böses.
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— 121 —
{unschöne )
Was der e Horn do nüsstehn Dev liet e Nuas wie ScJitiffel-
het. srhlal>hf.
Der hei e Knübbe im ü^icl»». hl .\ is von ändert hal we Pi'uQÜ.
üble Nachrede,
Der wei&s nix als eim Sclilödderle aiizehenke,
nie Iiis.
i. Der isch kein Schuss Pulver v Der i^ch kein Prys Düwack
wert, werU
tr Bie denne isch viel Gschrei un
wenni Woll»
Pechvogel.
E» isch halt e ünglucksvöjel.
prahlen, grossthun.
t W IV ilt-r ile Kowwt'l >lt'!ll. Lu(.'_j, wie tiei ilc Meni rissl.
Wie dei äich ;j\vtM ujeiiit. l>oi lüiu t aber Ineit Gleis !
i Brüchsch nit t^o gross ze duen, Mer meint der iscb üs eine
liier weiss was de Mach. andere Dreck do!
t' Der duet d'Naas awer hoch v Der blost »tcli uf wie e Kidder.
traue.
prügeln.
Denne welle mer emol ordentli Ordentli rmsse.
^ Denne wickle mer [klopfe, v Links und rechts um d'Ohre
Dem genii mer Bumljea! i.'Eine kurranze. [hauel
Der kriejt hyt noch Mäckes I Eim *& Fell gerwe.
»- Der wurt gedrikkelt. ^ Eine leddere.
Gell, dfi Witt Schmier. ^ 'Eine verkarwatsche.
Dem welle mir inbohne. Elm Schmier genn.
^ I schlaa der d'Ziinjjr in de Hals, > Eine verwixe.
d'Zäbn in de Hals. Dn gibts Däsche.
I jrib dir e Tritt, dass du sechs s^Eins versetze.
Weiche Galopp laul'sch, Mer wolle ne tupfe I
. Der wurd verlierifrelt. Denne welle mer zwiwwle.
u Dem haw i eiiii ;j;e[il(^n"ert. Denne welle mer jässe.
Die lienn sich an der Krawatt Der wurt ^^edi)l>i ht.
krie(t. Mer genn em ull* D.icli.
Die hann sich leidsmässi ver- Mer haue ne kelsch un hlöiy.
Eins boxe. [hrtort. Genn dem ufs Kappedächel;
Etni lange wo sitzt. uf d 'Krawatt.
Dichdi dueche. Dem wölle mer 's Fell ver-
Fuschdebaschdädle usdeite. drumme.
*
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— 423 —
Prügel (bei Kindern).
i i)n wursch yilitzl.
^ Dü wursch glich gehalschl.
Du kriejst de Farrewaddel jju-
geinesse.
<^ Du ki iejst 's Loch, den Anch,
*8 Sitiledder, de Dudder, de
Wecke, de liludde, de Hin-
dere, de Doke* u. s. w. ver-
dundert; verdeHfirl.
Du bekumsch Scbmedder.
Dil bekumsch Schmiaz.
Prügel (Im allgemeinen),
I gib dir : e Kopfnuss. <■ \V;tls( Ii, »• Däsdi, e Ohjfeij, e Dachtel,
e Pfüder, e Pluiupter, «'itii » inwtr uud nüwer, e Tritt» e
Datscb, e Husch, Schmier, Wix, von dene wo nix koschle,
Mäckes, Bunibes, links un rechts an de Schädde).
Prügel androhen.
Glich suecbsch de Kopf im e
Eck.
Wittel)?!*.' Gell, hesch noch kein
Ba< keznhn ^schluckt.
Glich gibtft uT d'Krawalt.
Dü bekuminsch glich Wix !
Ich will dir e Locbsupp ser-
wire etc.
Den» will ich e Liodel vor-i^le.
Dem will ich e Tanz ul-piele.
Dem will i e Denkzettel an-
lienke.
E Büsch, e Quascht, e Zacke.
Der isch hier- oder winsohilli.
Der duet iwwerwindlings näje.
. Der isi h bi^ofTe wie e Söu.
Der het ze diet in s Glas ge-
^MK"kt.
Der if*ch am iwwerlaule.
Der tscb boddeluschdi, oder^
boddeseeli.
. Dem stebts bis unter der Naas.
Lue, was der e Dött hett.
Der soll kein Schdefze han !
Der het e ordentlichi Fuss.
( ><'nn Acht, der isch total mäule »
Der saat «BInmele».
Der rüeft au bald im Ueleri I
Do ifehl einer, der hett was er
brächt.
Der isch so voll, das es glich
underscfai und üwersebi geht.
Der isch im Dackel.
Der find de Wäj nimm.
retcA.
Der hei Geld wie e Söujlnewer.
Der 8cbutfelt*s üs em Aermel.
Der hett e Geldschisser.
Der hei 's Geld xuem Fresse.
Der hei meh Geld als Grütz.
Der kann im Geld nüele.
Der het : Herz was begebrsch.
Der drejt nit jedi Sfl sechsmol
erum.
Die han'sl
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- 123 —
seMun, böses Maul,
Dem hiw i de Kawes erab^^e- Jetz haw i dichti isgeleert.
lese. Ich loss mir *s MOl ntt von dir
Brikchsch mi mtesoanzebruele. anbenke.
Ich loss mi nit eso von dir ab- Die weiss eim nösiegenn t
hutze. [i Ltlde. Die isch nit ufs Mül keyt.
Do kann mer sicli ilt> [iais üs- vUev soll nit gewettert hann.
Die liett awer ufbe^^ehit ! Die het e Mül wie e Schwert!
i- I hat) ^schölte wie e Bohi*spulz. Dere brficht mer d*Zung nit ze
' I nimm kein Blatt for's Muel. schlifTe.
w Üenne lian i abgekanzelt. Der het e «eile Lawass be-
Dem han i alli Schan<l gsaal. kuaime.
schielen.
Der ^ückt noch Lothringe, ob's in Bade brennt.
schmeicheln.
Dei stricht eim de Küzze. Der weiss eim ufs Brot ze
Der hind eim Schlekkel uf Duesch witlder flattire. [striche.
d'Zuog. Machsch 's guet Biännel widder.
schlechte Aussichten.
Do happerts. ♦ Do geht's letz.
Der het Di eck ain Stecke. Do wurd's noch ebs absetze !
Disz isch oit ghier.
schmutzig.
Drecketer Kerl, Dreckseckel. Drerk halt eine wann !
Disz isrl> e Sehlih!) ! Sini Kleider stebn elein vor
t. Die het awer o Bollhaiimiel. Dreck.
Der (Ira^it Leid uiuier de Näjel. Der isch hall propper wie e
An (lenne geht kein Lüüs vor Sü (sou).
lüdder Dreck. ^ Do heisst's au : Owe hui und
C' Die Litt dnen im Dr«ck ver- unde pfuit
Dreck macht fett. [stikke. Disz HOs schwitzt de Dreck.
Sehnapps.
E Jeck welle mer trinke. E Gläsel von dem Stifle.
Fuseh
E Portion P^trole, E Glas Bufz- Dira isch Kraddeldiewandnufl
wasser.
f
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— 124 ^
schnell^ Eile.
Hesch mi gsebn I
Bunt iwer ecks!
^ Der rennt wie wuedi.
✓ Dem pressirt*8.
V Dm gehl wie gschmiert.
In eim Wötsch bin i ferdi gsin.
JeU geht's uf Her Extrapost !
^ Disz geht im Kopf; im Huddei ;
in der Yl !
Oue dich nit so verwäfere.
Disz gellt wie gschmiert ; in
eim Rand!
Alle hopp ! Hyt noch! Wurd's
Wie *8 Dimderwetter. [batll
Was gisch de, was hesch de.
Heidebritsch 1 tsch er fürt gsin.
Eb da SB einer het könne drei
zähle.
^ Wie der Blitz; wie der Wind.
Cb das i nsgereilt bab ghet.
Schuft.
Disz isch uu einer von zelle. Disz isch e Nettele, e lieder'
Di^^z i«rh Galleefueder, eLump, licher Dieb,
e Schuft. Der ghört in's Raschpelhüs.
Schulden .
Der dtiet hy flott nn der Welt ^ h^'r het kein f-ii^MH- F<'fze.
im Buecli stehn. Oeris-cbGottunderWeltsehuldi.
tehwatzen.
i)i^£ ich e aiti Hätsch.
Nimm dich vur dere Mülhüer
in Acht.
Kennsch dü die Bahbelfotz au.
Dir tief e Müt wie e Jiettel-
nieubclj.
Die losst eine nit zuem Wort
kiinmie.
Loss dene alte Scbwttzbese nur ^ Die babbelt viel, wenn der Daa
redde.
Jelz henn mier awer Herz
fi^scbitt.
Bie deie haw i awer de Kropf
geleert.
schwere Arbeit,
lang isch.
Die bei e gfährlis Müölwerk.
Do geht*«« Muel schneller a\a
d'Händ.
Der niüt>8s jetzt au harti Brett le
Inline.
^ Di.-z is< li e harti Nnss ! | 3|
^ Disz ii«eh o waiiri Kriw- ; £
welnuss. ) ^'
Do schafft mer sieb jo bucklig.
Oer möss schaffe, dass eni
d'Schwarde krache.
Die schaffe, dass es kracht.
Die '«chaffe, das^ es Icttt.
Herl .leh I Was mues mer sich
do »hhunze.
Icli hab leider kein sechs Händ I
Nein ! So e Schinderei !
Do wurt mer nit ferdi mit
zakkere.
Disz wurd Hilz koschte.
Do butter1*s.
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— i25 —
schreien.
Hör ufT mit krische, mit jehle, Due doch nit eso belle,
mit jiixe, krakeele.
spassen.
Eins zueiii Heschde genu. Der weiss d'Fuehr ze iriewe*
Der kann U'Fick mache.
Spazierengehen,
Ich bab so e kleine Rutsch ge- Mer sin vor em Tbor erum-
macht . ^scbtreift.
Mier $in e bissei eininigelra- Hytt sin mir uf Kehl gstosse.
wädtiell. Mer sin uf Schilke ^^etroilileit.
Mier sin uf Schilke gfuesselt. Mer i«in ufs Neudörfel gewalzt.
Mier han hyt mitenand e Duür
(tour) gemacht.
stehlen.
Ebs kupere; ebs üsfuere; ebs Der het mir auch schun ehs
n>'-he. gSL-li<lcntzt.
Dir» Huet hell Füess kneit. Di>z lie.sch du mir eweji^'ehuUt.
For (iinno Mantel kan»cb itetle. Er huckt im Kaspeihüs, er het
Der hett dir 's Portmoneh jje^anft.
gschtüdil. Genn Acht, denn der duet
l.)u hesch iiiei disz Ding eweg- krappse.
lischtiwitzt, gekapert.
staunen.
kh hah geglaubt i muess anne lalle!
«Zersen.
Der iscb au am baikere. Er lejt sechs Scbue under em
Der isch jetx au 's Marters los. Bodde.
^Der hets uwerstarule. Jetz han sie denne au nüs-
Der het au dran glauwe muen. ;,'.schieppt.
Die het jetz an 's besser Theil Der het au de Bündel gschnäert.
erwählt. Der isch hieuisver.
Dem duet au kein Zahn meh l)er lejf jetz ;m «lru^!se.
weh. Der arm Deitel isch adbaderes
(Kindlich): D'Mamrae lejt im (ad patres) gange.
' Grundioch. Der geht nächstens au. ^chiewes.
^Jetz hab i schun alles zun« In alle Eck han i erunigenüelt.
dersch zew*>rsch gschmisse. I suech mi fasch zuem e Nai re.
D'ganz Menasch han i letz ge* Üweral han i erumgscbnuffett.
macht.
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ianzen,
Welle mer eine dii^em itenand? ^acbe mer so e Rfietscherle
Denne welle mer glauw i pfelze? mitenand ?
toben, Vfüthmi. *
u Der düet jo wie wenn er e Messer ini Halb liatt.
ioäkrank.
Der ist am Sankt-Gallemarsoh. Der isch witt drüiis.
Dem sielil mer de Doot nu. Der isch «relifferl.
Der kann alle Auesblicii ufl- ^Der macht nimmi lang,
schiiabbe. Der steck! in hü.-o H(.K<.<e.
i BiedeinischMalliiiiamletschdu. For dem s^iu Lewe jjih i kein
u Der kratzt au nächsteoir ab. SQ roeh.
Der isch am k&^üi gehn. Der lauft uf beese Socke.
Der geht in den Aracb. Der risst scbun Fäde fis der
Die steht nimm uff, kummt Dekked.
nimm in d'Höh. ✓Die arm Frau isch am mal-
^ Dem näije sie schun am Doode- [enker.
hemd.
Irinken.
K'\n< packe. Der kann nit letz lüpfe.
Ein hinter d'Krawatl schütle. Die duet de ^anze Daa Kaflee
Eins pichle. schlabbere.
Der versteht's Win rnemmle. Disz lossl sich schluzze.
» Mer riemme nocli eins zürn Ab-
jjevvehne.
tüehtiy anpacken.
Nit lang ems zwei drei zähle, ^>it ian^ erumzeble.
ubtl ytlaunt.
«
Der isch hyt awer massleidi. d'pr^inz Welt dir ebs schuldi
Dü machst e Gsicht als wenn 's is^cb mer nit im Lün. [war.
Ich hub's dick, wie's Dreck- I meecht's nimm anlueje.
's lejt mir uff em Maue. [fresse. 1 hab's satt,
i könnt 's nerame un an e Wand t 's geht mer bis unter d'Naas.
.«ichmisse.
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— 127 —
übirliiien,
1^ Eim eini uffbäblie. ^ Der ^'ill micli (^lauw ich fiwer-
t- Mach mh* nix vor! dölble.
Diszkansch bi andere anbringe. v^Der will eine au noch anfuere.
Mit dem fangsch dn mich nit. Mich fuehrsch nit an der Nas
w Uff denne Lym geh i nit. herum.
Do kannsch warde bis du mir ztnol henn merdiverwitscbt.
diaz w)'88 machst. Diszmol biacht awer angange.
übertrieben, zu viel.
Disz ^thi üwwer's Bolinelied. Der duet doch im Gueie ze viel.
umtttntt, vergebens,
Do isch HopTe un Malz verlöre! *8 i»ch grad für de Deifel.
Disz isch de Miese gepBITe. yEs hilft und batt nix.
's isch grad, wie wenn mer
im e Ochs ins Horn pfetzt.
undeutlich reden.
^ Mer meint der hett Bühb im ^ Was duet der du «j.iaxt- !
Muei. Der struddelt wenn er redt.
wngesehiekt., unbrauchbar.
^ Dich kann mer schicke! Dfi Der k^jt noch nwer sini eijene
Dappes 1 Fuss.
Der sieht do wie drei und elf. Mit dir isch mer gebutzt.
V Dir meecht mer allewyl helfe. i^Dich kann mer nit elein schisse
Der hett aliewyl Dreck in de gehn lohn.
Doobe. Dem kejt jo alle? fisdeHänd.
Lueje nur denne letzgedrejte Was der nur anlüejt isch füddi.
Kerl.
ungeselliger Mensch,
Was isch disz for e Mummel.
unniilzes thun.
In ile Bach spitze | a»RiI,gie Der duet sich de Büch striche.
In de Brunne spitze ) Disz iscii for nix un wider nix.
De Dreck duescht Dö us eim Der duet e Bluttkopf strähle.
Eck ins ander flye. u Der zählt d'Mucke an der Wand.
ftnreitbar verloren.
Der het was ei- hrüchl. Der i^ch veisonii.
t/ Der liet sin Fell. Der weiss wo'si raucht.
Der bschtelll nix nooch. Der hett sin Dail!
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— 128 —
ünweiier.
(X ICs hats< ht was vom Himmel v Hit rüjts nur emol.
erab kann. Hithet'eawereruntergewäscbe.
U' Disz isch e Wetter, dass mer Mer niaint der Himmel kummt
ken Hund nusjaue sott. erunter.
1 ^eli Uli wenu iJunderaxe falle Söjwetler, Hundswetter, Dreck-
(Al)ei|:laube). wetter.
(Fossil« Moficheln, ?or allem
very essen.
^ leb hab's uf der Zung. ✓ Disz isch mir ösgfalle.
Disz han i total verschwitzt.
verfehlen.
Disz i.sch ein Ii an der Nas Dissz bau ibr vei hoppassl.
verbei gange.
verkehrte Wahl,
Der nimmt e Söujblos for e Der .schnid d'Wui-scht uf der
Latern. letze Sytt an.
Der gehl üsz der Miich in de
Dinte.
verleben, verdutzt,
^ Dü jiiai lisi e Gsicbt wie e jjslu- Der isch gbch so verdattert,
cbeui Gais. Er weiss nil will er hüscbl
Stehst Widder do wie e ge- oder holt.
ropfdi HQenl Er weiss nil uf weitem Bein
Der steht do wie angebrunizt I er tanze soll.
u Mei> meint allewyl er het Steh doch nit so vertchrokke
d*Hosse voll! drin.
Mer meint er het Angscbt er
wurd gfresse.
verrückt.
V Der isch halt nil erecht im Der het sich 's Hirn verrenkt.
Kopf. Der het sich hinterdenkt.
Dem rappelts in der Dach- Der isch üwwergscbnappt.
kam mer. ^ Der isch nil ganz richdi.
Der isch ganz maschokke. Der hets im owere Parlement.
t> Die isch narrächt wore.
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129 —
versehmähtn, vtrachitn.
Vfl denne duel mer jo mit de v Bisz kannacb insabse.
Finger dytte. k^isz meechl iclj nit ^'henkl.
Denne möcht i nit abgemoolt Disz dät ich uf der Gasz nit
im Abtritt henke han. ufhewe.
Dir will ich d*Hinterduebr olTe ^ Disi ischzeschledit, dass mer's
Ion. in ere alle Kueh noch«
Dir will ich de BrolkuiL» hocli- schmisst.
henke. Dich meecht kein Hund an-
All ilii will ich mir li'Finger Itrunze.
nit ver<ir<»t ke. v Di-^z ineecht i net mit der Olie-
^ Denne intxiht kein Hund an- sjawel anniere.
1)1 unze. Dir aiehl luei liewer d'Fersche
Dem sieh icli liewer d'Ferschte als d'Zeh.
K LIf disz blos i dir. [als d'Zeh. /Dü kannach mer gschtole wäre.
^ Disz kannech dir unde an de Schpoit witt du mirufd'Waar
Buckel bäbbe. bietet
Disz isch vor nix |j(uet als zum Du kanscb dir in de Hals
drufhucke. schnide.
versc/itvenden.
Der (Inet nur sin Geld vergäg^'Ie. An dem hlijt nix henke.
Der het verhutzt was er hett. *■ By dem het nix e Bodde.
Der isch mit sim Sach bald i. Der hetjsin Mnz Veriuöjo ver-
fet fli gsin. Derhel .\lle< vei ilaon. [bemheit.
Der schmisst \s Geld eweck. Der gibt 's Geld unnutz üs.
vwtetzen.
Min Uehr isch bim Unkel! Dem sin Uehr lehrt bette.
Min Rock ist am Nauel.
verspätei,
Ihr sinn uf em Bummelzug ^Kumm i hyt nit, kumm i
{^t'i^ie, moije 1
Achtung, jetz kumt der baye-
risch Landsturm.
verspotten.
Die nemme mich ins Gschirr. Die mache de AÜ mit mir.
vitlj sehr.
Heh als genue. E ganzer Wisch.
E ganze HOffe. Der duet jo meineidi heischet
E ganzi Mass. Disz isch jo horrend dyr.
9
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— m —
voi'Zitylich.
Disz iäch Ü8 em ff. Mer kann uit genue krieje.
Disz <luet awer wüIiI, Disz i?»Lh Nünieio Plifl.
l)isz ^sclinie(kt iiiei. Disz i ch nit von schlechte
Disz iscli Saldi. Klt« ie.
Disz seiiiueckt iiucli Noch meh. Disz kann mer vertraue.
«
in den Weg treten, Schwierigkeiten meufhen.
Dem liaw i «' Stekke ins Bnd Mach niii keni S|i;n-ieiiiejite.
^^sch misse. D'Zeh loss i mir uit verlrette.
Ah ! Du Witt mir V Deui ^telltf.
Wein,
E famoses Tröpiel ; Wadehrecher.
schlechter Wem.
Krüllbröej. Schüssel wasser, Wackelsteinrebl>s, Schöpfeber};er,
Schöpfe«eciizi<:er. Srnäints, liurle^i-n, Itaches/" Rachebulier,
1,^ Krdtzer, Mischtlacb, Hii^berjemer Vorlauf.
vwdwMUer oder mitielmässiyer Wein.
Schäler; Gedaifler; Gänswin. Dreundnnerwin.
Der Win isch (lurch Waftsle Gschmflerder.
gelofle.
wettieii.
Gi'yne, hjle, jctnoere, pfQse» Hör uH mit «lere Musik!
pflenne. L'nter dere könnt mer d'Händ
Die hylt Rolz un Wasser. wasche.
Der iiyll wie e SchlosshunH. Die duet jo g-anz jiimmerli.
Jetzt fan^t der an ze plärre I Mir am d'Aue üwei^elotFe.
wenig.
Die Portion geht jo in e bohle Disz isch wie c Muck in e re
Zahn. Trumm ! [viel zum Sterwe.
Die Portion geht eim im Muel Zue wenig zuem Lewe un zue
verlohre. i Du k.mn i mirh dran butze.
Nit e Bil>!»eli' lVi*j i tii» dernoch. Besser e Lüüs im Krütt, als
Disz isch der Muej wert! j:ai kein l'leisrh. ..T
Disz isch so viel wie nix. , E Bissel, c Kiümmel, e Schluck,
Disz macht mir kein Breese! us. e Bisz, e Mül voll, e Mumfel.
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— 131 —
willfähriy sein.
Der lossl sich Hotz uff em
Buckel spalte.
De I ine kaan mer um de Finger
wickle.
Der lauft <'im durchs Fyr.
Der iscli allevvyl parat.
Denne brüchtroer nurzeheisse.
Dem brücbt mer nix zweimol
ze saue.
Der lauft >:licli ; Im Ii ^lich hi
der H;tud ; iscit glich hi der
Heck ; bedenkt sich alt lang.
zänl^itche Frau.
E böser Kail».
E lybhat'tiger iSatan.
V. Kl ittzliiirst.
E liippedeckel.
Zorn,
1 liab Uli niniui kennt vor Wuet.
D«M soll kein Reiie^ hnn.
D'-'i lieli e Stille (unterdrückte
Wuth),
Was uti ilu schlukke niüess,
her isch ^"^anz iisser ^'\c\\.
1 hab Uli in li'Sc«'! nyii veraürnt.
I rider und Uxidel lor Zorn.
Zuehthaut.
Was isch mit dem, der huckt jo.
Er huckt im Warme.
Er huckt im Druckene.
Er liuckt im Ilaschpelhüs.
Er duet Dutte bäbbe, Linse
raine, Hanf zopfe.
Er huckt im Käffi.
Er isch^hinlerSchlüss unReyel.
Sie hau ne.
Sie han ne gepackt, ^iepackell.
Er huckt im Loch!
Er fitzt zidder geweht.
Sie han ne uf d'Wfielunggfuert.
Er istch ufg'heht.
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XU.
Anekdoten aus Alt-Strassburg.
Jr i'ijer sinn alss d*junj$e Burscht uf d*Wander$cbaft gfang^e.
Mer hett welle, dass sie Höflikeit, Gscheithaile unn Mores be-
komme Sülle. Au hell mer Fraid K'hett, wenn der Jung ent-
weder hoclKÜt^h oder t'ranzösch von selbsch het kenne lere,
denn an Kenntnisse Irail der Mann nitl schwär. 'S isch jo lang
[)']< zum viertzii^ste Johr, wenn mer frijer durch fremd -Brodesse
unn ümgaiii^ mit (Veiiule I.ift ^j^rlunl kann were.
Awer 's Schullze-Josepp-Floi etizoii'< Sepp, wenn er au fürt
Ksch gsin, ze hell er schier viel vHrioie als ^^ewunne. Uf e
Paar Monete (Monate) mil's Valers Heiorle (Geldstücke) isch er
im Frankrich gsin, hett awer nilt i^schwind genü könne zeruck-
komme firr ze zaie was mer in de Fremde lere kann. *S iscb
awer doch e bissei ze frijh gsin, drum am e schöne Da iscb
er z'Nacbts durch d'Schir hinte eringschliche. 0*Eltere bann
sieb awer doch gfrelt, sinn mil*m nöss unn sinn ganz stolz
gsin, wenn der Sohn in de Litt, in de erste Däij kein recht i
Antwort hett kenne jjän, wenn si ne ebs uf ditsch gfröit hann.
In 're Schir (Scheune), wo sie um ne ernm-stande sin, dass
er ne ebs von der Hais soll verzehle. isdi e Reche (Rechen)
ufm Rodde <:f'läto. her Sopp isch ineie dem (die«pm) Sticke!
Gschirr gange unn helt j^iroil : tWie haii$>>t man denn das
Mitgeteilt
A. Friedrich.
1. Wie einer d* verlöre Muttersproooh
wider gfande hett.
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Obsctiä (0)>jet) do?» Alles hctt Mül unn Näs uf^^spent iwer e
Gelersamkait, unn verwundert sich vorm Sepp. Der awwer
lappl rum unn nun», tritt blindlings mit <inne schwäre Sclu'i
uf dVin Sift voin Km! vom Heche, wo d'Zinuke sinn, unn 's
Iii>t n'iiiiuiiit tscli eruiii j^'lare unn heU (lern Sepp niit'm Stiel
{iew;ilti uf d'N;<as j^schla, dass er ^:ehlütle hell. Der awer tiell
anlange mit sinner gs:chwollene Naas plich ze brüle : «'S Kritz
Dunderweller soll deue kaiwo llathe verschlawe ! )» Isch awer
glich verschwunde, denn d'ganz Schir hell anfange ze lache,
unn sich doch verwundert, dass e einfachs Stick Holz mit
Zinke .so m§cbtichi S|iröch-Wirikuni? kann bann.
(Die hübsche Geschichie ist ali und verbreitet: noch heute wird
ti« auch in Tirol tntfthU: a. di« Za. das Varein« Ar Volkaknnda 1884.)
2. Der ruhige Hausvater
(«in» wahr« Geachiebta.)
Nicht viele zu Sfrassburfr können sich an den Zustand der
Vorstädte eiinnorn, in^hej^tnidere den der Umgegend des alt^n
B.ihnhol>. Dort, nicht wiit von den Rempaifs, im grijnen
Bruch, wi»hnten sogenannte G.ulner, die Ackfiliau, Vieh-
mästen und sonst ländliche Ai Keilen von «len Elleni liev aus-
übten. Der Spechte Güstel wohnte in jenem Stadl-Viertel, und
hier ein kleines Abenteuer, welches ihm in der Herbstzeit
wiedrfuhr.
Der GQstel hett güX gedrunke g'hett, unn ganz spoot in
der Naacht, wo alles gscblofe hett« glaubt er in sin Stub ze
gehn, isch awer in der Vollheil deiiiewe in sine Soistall gerote,
unu hett sich hin gelait vor ze schlofe, denn er isch ze benewelt
g^in loi sich US zeie ze kenne. D'Söi (die Schweine) awer bann
Engste kreijl unn bann anfange ze grunze. Der Gfistel hett
awer gemaint, sin Frau tliiit mc schelte, wil er sich ze lang
im Wirtshüss ufghalte hett ^'liett : frSei diu h --fill, Giettc-
Selmf»!e. i wil e andersrnnl nimm m» >pul heimkiiniin. . > ^V(>
d'Siii gv,.|ui bann, dass tie iiieme nix macht. :-inii si wiedei-
gsm, unn bann turt ;js. hiole. Der Mann, wu iiill am licstlile
geläie isch, awer doch zetridde isch gsin, wie er glaubt bet, im
Truckne ze sinn, unn hett 's ScbnOfle von de Söi gbert, hett
ganz herzli üssgsproche: t'S isch doch e scheni Sach, wenn
e Hüssvatter mittle nnter siner Familli sin Nacht zQbringt unn
bi de Siniefae (bei den Seinen) .«ittsam thQt üssruie.»
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^ i34 —
3. Was die Alten sungen, daa switschern .
die Jungen.
Der Hans Jörn iscb zöm Herr Pfarrer wäie Gscheffte ge-
rulTe worre. Er kommt in 's Pfarrhuss wflr^nem Zmitta-Rsse unn
beU *de Herr Pfarrer am Disch (bei Tische) angetroffe. Wo si
Qssgeredt hann ghett unn der Mann widder hett welle furtgeh n
unn sin Glas, 'wo mer « in ingschenkt hett ghett, le« i hott «ler
Herr Pfarrer zuem gsail: Hans JOrri, ich niüss ich (IikIi uf
ebs iifmcrk^am mache, awer ihr honii doch Kinder, die besi
Gewohnhaile hann, die solle awer sittsam, hefli unn in Gottes-
furcht erzöie were. Eicr Hü hett <p'nr e hesi Gwohnheit sirh
nsyedriK k.' mit Flfirliwei ter, unn allerhand scIiIpi liti IC-drick
(Ausdnicko) konjineirin in. 's MTd, woher kann «ienn so he*i
Art herkomme, Hans Jörn ? — .la Herr Ehrwirdi, i waiss wol,
was er vor Redesarle hett, jtlauwe Si, dass ich's imni nilt
gsalt hab? I waiss sälwer nitt wo der Himmel-fane-dunder-
Wetters-BO diss verdammt Fläche hergenumme hell. I hab
ne scbunn derwäie geschlawe» dass er Büle (Beulen) bekomme
hett, dicker als d'Wirscht uf Ir'm Teller, unn so roth als Iri
Naas, 's hett nix genutzt. — Gut, Gut, sait awer glich ihr
Herr Pfarrer^ i hör jetz wpl, wer ne so scheen redde hett
lere (gelehret hat). Redde au z'erscht andersch vor imm, be-
denke doch allewil was Er (Ihr) redde, ohne selwer liilzi ze
were, Ion nurr gnti Werter here, thün nie flürhe ; < r wurd
noil fdnnn, nncliliei) e he^sri Reddesnfl *5ieh «cliuii ;iii;:<'\vene,
denn d'Kintler redde immer nurr wie si here von Andre. Gehn
jetz unn denke di-an I
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XllL
Dö Paradess an d Holl.
(Mundart von Gentringen, bei DiedenhofenJ.
Mitgeteilt
von
M, Arnold.
wee Pelerins, eii Armrn in u licit Iid waren up 'oiii VVee'
no'in Paiailes.s. Op dosser Wall hallo s«j ,uii <e!wö boiöf ^ö-
fewl, dö Ueichü an ün;;eiri sclienö Schlas<, <lö-n-Ai inö an ängor
Kambus. Mä d» Doot bot krin Eunei*sch¥4J, en Si* die zwee
d*ndmlfivhl Slonn görulT; an öso battö s5 i^ch op'eni paradesser
Wee begönt. Dö Wee wor Ma^ an oD^föinällech. DA Reicbd»
•lön ein;; deckecii Pänz hat, dämintö wie fi Scha-^tec-h ^ ; seinger
Dö a seingei- Lewü hat ftr nach not öso warOin jjöiiöl. Dö-n-
Arroo, «lön öso jföiäch* wor, wor (lö-n-äschlö'> l)ei «Tparadesser
Dier ; niä'' wo ö ;^'(>\v»'hnl wor, liworall schl^^t üznkariimö, wor
'■»r nof so i\äng' nri d'Dier rix rappln. O - iNi ht sfi. Ii op ein^^ern
'K'i k irho Slä an sfit. : «A« Ii well ('mini w irdn, liä?> mü reichö
Nöpor kennt, vlerchl as han osn k;iii^ zo rapplo.w O sass nacli
ö paar Minütö <io, da ^foscll or dö Keicljö komnio. Dü rappöll
»anz fördm im ^'Dier. No dum Görappöl kennt St. Peter d'Dier
op machö an sät öm Reicbö, den ein^ traurüch Scbness mächt :
«Äch mängö^, *t wär bessör tor däcli, net öso alTronteert zö
f*enn an d wenäcb meh Gödold zÖ bun.t Da gat ur dm Arm5
d'Hand, an ed ginn altö drei an dd Parloir. — «Ach loss äch
' Wejg. — hatte. — Schornstein. — * mager. •— * erste. —
< in. man. — ' kabn. — 8 ich meine.
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— lae —
5 wenäcb do, bddänkt äch gult, wat är äch wenscht.» No einge-
Verlülstonn kennt St. Pefor nfis örum' a frät so, op säch
bödSt hättö a wat so särh weliö wenschö. «Äciis, sät dö Reichö,
ff well an ängem gallo Schlas-s wunno, wie äch een op Här Wnlt
hat, gult z'ässön an zö drankö, an d'Gazelte för so jiösin au
och au couranf zö sin, wät öt op dar WäU Xoics «rät.» — Sl.
Peter frät en : «As dül allös, wäl da Härz Ijegährt?» — <rXä)),
sat dö lieichö, «äch wäll öso vi! Gäld am Kälter hun, dass
een et {xlatt net zählö ka.» — «Dal sollstö alles knöi>, sät St.
Peter, feer tön an & gdllö Schlass, an mScht d'Dier ma'm
Räd6l> 2U.
ZwanzSch, värzäch, hoonörl Johr gin drtwör, an dö Reichö
sätscbt täschönd * sä Gold a kreischt : cÄ.ch dommö-n-Esel,
wSt hun äch mär göwenschtl 'i gut Äsrn a Drankö sin äch
?ät, (TGazette lesp-n-äch och net meh, d'Let die öwal* op
d'Wält wunno, kännö-n-äcii net, an sö machö-n-öso gross
Duniniliätö, dns.s öt nnkh roso mächt; a mal meingem vilJö
Gäld k:utn i' li dach ni'isilif kafö.»
\\ iL' «lausoiui .lohr-ii-örötn vvoro, da kennt St. V^'\ev d'Dicr
op machö a frät dö lleii liö, wie öt öm gät ^öt'alilö, ^iDeiii IAm-
wöl gäf öt an öso ö Boleck gefahlö, dausönd .lolir ölö r.uinö&
wunnö, öl <;öseit ä nei.scht, 't hart u neii$cht, a kä Mensch
kSmmert ^ch um ein^m ! Wenn dat dö Paradesa soll ain, da
kennt är äch flatläru, äppö^t Schenes erdöchl zö hun I —
«Guttö JToQg, dö wäscht nit, wo-sch-dö hast ;< ebin,^ dö hast
an d'Häll, a maltö dra, a net an dö Paradess.» — «Mä», sät
dö Reichö, «cwo as da dö grossö Käs.sol an d*Deiwöllen ?» —
«Dänkschtau», sät St. Peter, «die Lei gätlo nach göhrotö gin
wie an dör Zeit? Nee, öwäl as dat net meb öso lj» Loröbönö^
mächt St. Peter d'Dier zu a gäht fordör.
Honnört Johr gin näs ömoi öroni a Sf. Peter wa.schl^
säch un d'Dier. «Waat hun äch no diu vorlängört ?» sät dö
Reichö, «hoscht au mäch ro.«<ö göiiut, soll ach ölei '^^ eiug ganz
t]wechkeet bläwö?» Doröhönö fän^il nr u zö kreischö a zö bröllö
an öso vil Tbrfin zö lössö, dass St. P«ler gödöt bot, ön bat
gönucb gölitlö för seing Gourmdise* cKomm mat h sät St. Peter,
cöwfll gin äch dar äppös Schenes weisö ; ölio owön änner*in
Dach kännö-n-äch ö kleingö Lach an eingem Bröt vu dör
Cloison.ii an ölio duröchö kaschtö öu Ack vum Paradess gesin !»
Sr» gin allö l)Öd owö kukö, niä dö Reichö wor zö kleing ä
muscbt säch op seing Zehö slräckö för äppös zö gesin. Eisö
* wieder zurück. - Riegel. — • zwischen — * jetzt — * hier
nnen. — u o da bist. — ^ eh bien. — ö darauf — » weist, zeigt. —
W hiei . — frz Scheidevraad. Bretterverschlag.
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- 137 —
Herrgott vror do op ein^fem gallo Thrunn an d*Äiigölöii an
d'HäTäch<(r woron i-ondörotn sä Thrunn ön äzöbet&. «Das *8 öso
schö», sät dö Heichöy «dass ä aäch dat op d*Wält net ka vier-
ställO ; nifi, St. Peter, sal Or, sö> mär ömol, wä dat as, dä
mär dö Räckö dniht a bei d'Fissön cisöm Hörr^ott as.» — «Dat
as dö-n-Armö, dä länsclit 2 dTir op dör Walt jxöwunnt höt an
och dö Paradesserwee mal <lär orop komm as. Wie ich ö gö-
fröt hun, wät ör säcli gäf wäilö wönscl»ö, hof ör mär nömmö
ou K^tabol» güfröl, för bei liTissön eissöm Herrgott sätzö zü
vei^n näs dauaönd Jfohr, St. Peter wor fordör ^'äiigö^
ohai dass dö Reichö ot gödo hat,^ 5so schö wor dal, waf ör
dm war zö gösin. Do klöppl ör öm op d'Schällörön an sät öm :
«Eiso Herrgott hot dar x'örzeiht; komm mat an dö Parade^s!»
> sag. -~ * ueben. ~ 8 Fuaaschemel. — * acht g^eben hatte.
I
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XiV.
Zur Volkskunde im alten
Hanauerland.
Mitgeteilt
von
Or. Kassel.
H*u«n aJVs, Ootl erbaU's !
Hbdiu alt's. in Ehren b'liull
J. Rathgebe r.
(li.il-. h;iü Hanau-Lii hteuberg, dri i^>teii flerr-
schalt im alleil EUas^;, >feliöi tt.'ii efwn lOd St;i(ilt' und boi loi' in
«ler iirntllirhen Hälfte 'los l'iilej -Elsa5..s. Diese Ortschaften
bildeten kein zu.sainnienhän^eiides Land, viele von ilnien waren
zerstreut und in fremde Gel>iet.steile ein;(escliiossen. In der Nahe
der Uauptsladi Buchsweiler jedoch la^^en die Dörfer dicht liei
einander, so dass man einigerraassen von einem aligeachlossenen
Gebiete sprechen kann» welches noch heute im Volksmunde
das Hanauerland oder das Hanauische heisst. Ks umfasst un-
^etahr die protestantischen Ortschaften, welche einjj^eschlossen
sind zwischen Iblgendot) Dörfern : Emolsheini, Oltersulzbach,
OlTweiler, Griesbach (Kanton Niederbnmrj), Alteckendoi t, Grit^s,
- Hordt, Flckwerslicini, ReitwiMler, Duiizeiilieim, Hallmatt. Die-es
•<( iioue Land, einer der ;fesegnet.slen und blühendsten .Striche
des KIsass, hat in Folj^^e einer Jahrhunderte lanj^en g^hkkliclien
He;;ierun^% durch ein gewisses pati )arclirtlisclie> Veihältnis der
Fürsten zu den Unterlhanen, durch einen regen gegenseitigen
Verkehr, besonders aber we^en der innigen Verschmelzung des
kirchlichen und des weltlichen Lebens vor allen anderen Herr-
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Bchaflen des alten Eltass eine so eigentämliche Kntwickelung li urch-
gemacht» dass es noch heute in vielen Din^ien, in Gewohnheiten
un<l Anschauungen, in Sitten und Gebrauchen als ein abge-
schlossenes Ganze ilaslelil. Die an^'o^^'chenen Grenzen sind
natürlich etwas Nvillkürlicli und sollen nur die lan;;\veili^e
Aufziihlun;; von elwn 60 Ortsnamen ersparen. iKi/u kommt
no':h, dass aucli die ehemals nicht-hanauischen pruteslan tischen
Dörfer, sowie teilweise .luch katholische Dörfer die nämlichen
Gehrauche hahen. Die Ortschatten der ehemaligen hanauiächen
Aemter Wörth und Hatten, des Stabs OlTendorf und teilweise
des Amts Westtiol'en haben grösstenteils andere oder überhaupt
keine Gebräuche. So deckt sich denn das oben erwähnte Gebiet
im wesentiichen mit den alten Aemtern Buchswetler, Ingweiler,
Pßitrenhoten und Brumath, und so oft im Folgenden von
«hanauiscb» schlechtwe<( die Rede ist, ist dieses Gebiet gemeint.
Am reinsten sind die Gebräuche erhalten in denjenigen
Dörfein, welche zu^Heich vom Getriebe der Well al)y:elegen und
der Sitz wnhihnhendei' (rro'^sbMuern sind, /,. T{. Mief«»-<h*^im,
|vstMihan<en, I^inzheim, Mittelhausen, Llnnzenlp im , lieitweiier.
Fast ^Mnzlich t«,'hli>n sie in Ortsr.haften mil stai k ausgeprägtem
städtischem Charakter, nändiclj in Buchsweiler, Ingweiler,
Pfaffenhofen, Brtimath und Neuweiier, ferner in Hochfelden
und Dett weiter.
Nicht unerwähnt sei endlich, dass die Gebräuche in den
protestantischen Ortschaften des Ackerlands zwischen Strassburg
und Wasselnheiin bis nach Balbronn hin ähnlich sind.
i. Anstand und U in g a n gs fo r m e n i m
A I i t a gs teile n.
Jeder Stand und jede Gesellschall hat zur Uegelung des
Verkehrs der Angehörigen unter sich gewisse Normen, deren
Beobachlunjc das gegenseitige Einvernehmen erleichtert oder
ülierhaupt ermöglicht. JDie Gesammtheit dieser Abmachungen
nennt man den Anstand. Je höher, wie man zu sagen pilegt,
der Gesellschaftskreis ist, um .so fest«ir und minutiöser sind
die Anslandsregeln, so dass in Allerhöchsten Kreisen hei-
nahe jede Bewegung und je(ies Wort vorgeschrieben ist.
Beim Bauern, als d.Mnjenigen Stand, der mit der Natur in
fortwährender I^cnihiung ist, entwickelt sich dor An^^fand an«;
dem natiulichoii Bedürfnis, ans der urwüchsigen Lehensan-
schauung. Er entspringt also lus der gleichen Quelle, wie
Sitten und Gebräuche. Demnach ist es et kUu lieh, dass heim
Bauern Sitte und Anstand innig miteinander verschmolzen
sind. Andei-erseits aber ist es auch leicht zu verstehen^ dass
— 140 —
<ler natürliche, deibe Volksvvilz im H;nieni-l md eine Ver-
breitung' ^lefuiulen hat, die irn verCeinerlen Anstaiidscotlev ilei
^ebiMetcn Kltisscti <^''nnz uiiinö^'lich wruv. Re^i .iller Af)NVt'i h><elun^
iiii lirlicii Leben aiier Iwihen die L inj^iinjistbrnieii in
eine li<>>( bi;iukte Anzahl von Ausdrücken umgesetzt, vvfhlie
all^tMiieiii jianji und jjähe simi und die <ler lieobaciiler otl n)il
rührender Keifehiiäs.sijjkeit wiederlindel.
Die unterste Stute des Verkehrs ist die ß e g e q u a g ,
die sich im Gruss potenziert. Im Allgemeinen ist der Bauer bei
aller Derbheit im Ausdruck doch höflich auf seine Art.
Wenn ihm ein Fremder be^e^e\, so würdigt er ihn ebenso
eines Grusse^ wie seinen Freund. Der Gruss für den
^ I nljekannten ist kurz und helrilll in der Bej^el die Taf:eszeit,
«laher iier Ausdruck «eini d'Zil biete»» = joniand j^iüssen.
Solche Grü.sse sind: «^'üele Ta ! «.'fiele Morje ! ^'ueten l'we !
(Abend))) oder ab<iescbMften, mit Verltist Her ersten Silbe:
*
«le TA! te Morje! ten Uwe!» Auch «buschur» !, abgekinzt
♦f^r htirv,, (},is frMDzn^isf he «bonj«itirt> ist sehr häuli^, wfdnend
«bonsüir» nicht ^i'brnnrbl wird Scilener ist «salü!», das fran-
zösische ffsnhit!». Ciih «lei Gtuss mehreren Pei&uiH'tu m wir(J
«binaiidt) oder uhinandei « hinzujjesetzt, also «güett' Ta liiiuiud !
busciiur binander!». Eigentümlich ist, dass auch bei Schulkin-
dern, wenn sie hochdeulsch sprechen, der Gru&^ an mehrere
Personen «Guten Tajf beisammen» lautet. Es ist dies ein Beweif«,
dass das Kind den Zusatz «lieisammen» für anstand i}( hält,
denn der Lehrer schreibt ihm tliesen un^tiochdeutschen Gru$s
nicht vor. Scherzhaft ist roljfende Antwort: «buschur binand !
— güete Morjen altein I».
Ganz anders ist im Allta^^sleben dei- Gruss des Bauern
<lenjeni{.'en Letten ^^f^^enüber. dio er kennt und mit denen et
im Verkehr zu.^ammenkouiint. SolL-lie Personen ^rü-^^t der f*aiHN
iiebt'ii der eben beschriebenen Art durch einen Ausruf oiier eine
l''ra}xe, worin er sich in teilnehmen<ler Weise in den }.'e^en-
wfirtigen Ideenkreis des Geyrüsslen hineinzudenk. n sucht oder
denjenigen Gedanken Ausdruck %'erleiht, von denen er selber
erfilllt ist. Diese eigentfimliche Art des Grusse-s ist stets kurz,
aber in ihrer Mannichfalti^^^keit ebenso verschieden wie im Inhalt.
In erster Linie kommt hier in Betrachl die Beschäftigung des
Gegrnssten, und, da der Bauer auf dem Land meistens seines*
I Die Schreibweise der Diaiekiaasdrücke entspricht nicht ganz
der Aussprache, sondern lehnt sich möglichst an das Scbriftdeutsche
an. Sie erscheint in dieser Art nni so niphr gerechtfertigt, ja ge-
boten, als in den verschiedenen Gegenden des behandelten Gebiet»
die Ausspiaehs auch micbieden ist.
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— 141 —
j^leicheii ljcget;riet, bilden die haus- und landwirUchallliclien
VerrichtiuigtfD das Uauptkontingent dieser GruMformeia* Wenn
man sie alle in einem Dorf das ganie Jahr durch aufschreiben
wollte, wurde man ohne weitere Mühe ein getreues Verzeichnis
aller Muerlichen Beschäftigungen erhalten. Hier einige GrQsse :
«Mist führe? z'Acker fahre? Rabe schnide? Grumbeere rühre ?>.
Es ist natürlich jedesmal ein Zeitwort zu erglänzen, so dass der
vollständige Gruss in Fraget'onn lauten würde : «Sinn ihr am
Mist tulire?j> u. s. w. In ^jleicher Weise wird selbstverständlich
die bereits verrichtete und die iitiabsichli^rtc H.'st haHi-iin^'^ be-
rürksii htigi, weiclie ^sich meisten-- aus der Klculung^, den mit-
geUilii tt'ij Geräten oder auilereu Umständen ohne Weiteres
erjjibt. So sagt der Bauer beispielsweise : «gsäit ? Fut ter ^huU ?
Aepfel gebroche? gemolkefj» und ferner: «setze? maje? iu de
Herbst ? uf de Mdrk(t) ?.» Im ersleren Fall ist zu ergänzen chan
ihrj»^ im letzteren c wellen ihr». Eine weitere Kategorie von
Grussformeln liefert das Wetter, von dem ja der Bauer so sehr
abhängig ist und welches seine stete Sorge bildet, sowie die
BeschafTenheit des Bodens, den er betUhrt und de/n er sein
Brot abringen muss. Diese Art von Grüssen wird vorzugsweise
gebraucht, wenn die Witterung eine Besonderheit bietet, z. B.
«glini Wättoi- ' 's iii;n !it warm ! wüster Wind ' frischer Luft
dene Morje I .vit.ier liaje ! an Schnee!» und weileriiin : «bös
fahre! «Ir,.ckit Walter! rülsclii ze '/ehn liitt ! Diäck, Dräck!».
Mehr allgemeiner Art sind folgende Grüsse, wel« lie luch teilweise
Bezug auf die Beschäftigung haben : «als flissi ! so isch rächt !
gi(})}t's bi-av ? Ihr sinn bizite hitt 1 au htesi ? spaziere gehn ? awer
e Wauye (Wagen) voll t Firofe (Feierabend)? wieder umgkehrt?»
u. a. m.
per Gegengniss ist entweder eine kurze Antwort auf den
Gruss, z. B. «Ja, ja! warum nit? doch nitl ich hab's vor!»
oder er wird in ebensolcher Weise gegeben wie der Gruss
selbst, z. B. «z'Mitta esse ? — Ja, un ihr au?; in d'Kirch gehn?
— un ihr wellen üwer Feld? ».
Eni stereotyper Gruss ist folgender. Wenn man Sonntags
geiiiütlicb durch ein Dorf fahrt, so fragen die Spaziergänger :
«isch'.'< güet bi i (euch)?» Der Gegengruss lautet: «Ii ! ja!»
oder «warum nit!*. Begegnen sich zwei Personen wiederliolt,
so tritt auch in den Grössen eine Abwechselung ein.
Nicht selten ist der Bauer zum Scherzen aufgelegt, und
kurze, schlagende i Witze» sind auch im Gruss allgemein üblich»
z. B. cüsgscfalofe? eh ich ufgstande bin I ». Auf das Wetter
wird hierbei oft Bezug genommen, z. B. im Winter: «Hitt
brächt nier d'Mucke nit ze wehre t mer han noch ken Kanzti-
wälterl». Im Sommer: cDato friert mer doch au nitl».
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Ferner bei Schneeweiter: cbi dem Walter schneit's ^ür(n)e!)c,
bei Uegenwetler: <e gOeter Räjeo isch nieniole schlecht t»^
bei kalter Witterung: cal as (so ianjj^e) es eso Wätter isch,
wurd's noch nit warm I bei schlechtem Wetter : cgnet Wätter
zum d*heimhliewe ! gsund Wätter für die, wo nit kraok sin !»,
bei hcni-crn Frost : tdo packe sich d'LiU im Bell an \f> u. älinl.
Alle diese Grussfonnein werden vorzugsweise von Erwach-
senen :in^'f'wn mit, und e< wohl erklärlich, liass sie leicht den
Ausgangspunkt und den Stoff für ein kinzeres oder Ifm'^'ere^
Gespräch ah^jehen, worin die Spiecheadeu vorzuj^s weisse das
ausdrücken, was sie ^^erade hewe^t. Auch hier liefern die
Landwirtschaft und das W..'tter den ^Gewöhnlichen Unterhaltun^s-
stoff, welcher stets in einer Reihe vun Befürchtungen, Wünschen,
Bauernregeln und Ratschlägen formuliert wird.
Von fiedeulnng sind fernerhin der Besuch und das damit
zusammenhängende Gespräch. Tritt der Bauer in ein fremdes
Haus oder Gehöft, so sucht er seine Ankunft schon draussen,
im Hof und in der «cHüsere» kundzugeben. Er tritt fest auf,
trampelt und scharrt mit den Füssen, um sich des Koths zu
eniledijien, muht sich auch wohl am Kratzeisen zu schaflen,
wo ein solches voi h.mden i<t, dann räuspert er sich und hustet
tiielunials. Koninit ilun niemand entjjej^eu, so tritt er an die
Thür der Wohnstube und klopft an. Die Antwuit lautet :
anumme rin^ ! als erin;.^ ! (herein)» odei', mit Anklang' an das
Hoclideutsche : «cerein .'d, worauf der Eintretende oft scherzliaft
mit hochdeutschem Endreim antwortet : (*s wnrd ken so gi'osser
Herr sein !». Häufig hei,^egnet man auch dem französischen
cantre!» (s entrez!), scherzhaft Andres = Andreas. Der Bauer
reicht jedem, den er schon lange nicht mehr gesehen hat,
«nd überhaupt jedem Gast zum Willkomm dii- Hand. Er
drückt sie lest, ohne einen Unterschied zu machen zwischen
Seinesgleichen und beispielsweise einer feinen Dame Dabei
schüttelt er den '^anz^^n Arm mehrmals gehörig? hin und her.
Gewöhnlich behält er im ersten Moment, auch bei dev Vor-
stellung den Hut auf. Nur vor hohen l'erstuilK likeiten lüftet er
iiin ein wenig uml macht eine leichte Verbeu^unj;. Eine Um-
armung findet nie statt, seligst zwi.schen den nächsten Verwandten
nicht, daran würde schon die breilkrämpige Kopfbedeckung
hindern. Erst zögernd wird diese abgenommen.
Der erste Gruss heim Eintritt in die Stulje heisst im AlU
gemeinen cguete Morje t güete Tä ! güeten Uwe 1 (Abend)»,
eni\ve(ier tonlos; oder nachdrücklich mit starkem Ton auf dem
Adjektiv. Weitere Grösse sind «buschur» (frz. bonjonr) und
dhälf Gott !», letzterer mit dem Gegengruss «dank Gott !»,
beide mit dem Ton auf dem Zeitwort. Auch die Begrnssung
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— 143 —
des EÜDlretenden mit twHIkomml» ini öblicb. Daran reiht sii:h
sogleich die Frage uach dem BeGnden: twie gelit's? wie geht's
dänu als bi i? (euch)». Die Antwort lautet entweder direkt und
sinngemäss, oder ausweichend cwie wurd's gehn? wie mer's
tribt ! I iii^'sain, \vi s Guld koiniiit ! N\ann's noch besser gän^'l,
köant i $ bal(d) niin üsfülirei». Veraltet, aber von Leuten, die
zu^^leich ihre französist hon Kenntnisse an den Tag le;:en
wollen, noch pTn scherzweise ^T'braucht sind die Fragen :
<rcuni!i»on' <;"« \y.}\\ ti ' c'i wall Ii hien?» «Wnfl ti»» isl dns
fr;inzi»si<che «va-l-ilv mit ^frhnzhatlei Anlciiniinj; au «.Wadel»
= Schwanz. Ist der l'jntieleiidti hei Sehrieewetter mit Stümet'
bedeckt, su wird er untehlbu- mit dem Ausruf «do kommt
jetzt e Schneemann 1» begrössl. Will der Bauer ausdrfteken,
dass er den Besuch der betreffenden Person schon lange er-
wartet hatte, so sagt er : «Kommen er (Ihr) au zCkees (uns)?» \
oder cdis isch jeti schier ienie fremds !». Wenn der Gast nicht
sicher ist, dass er in das richtige Haus geriet, so fragt er
«bin i do erächt?»» worauf ihm unfehlbar die Antwort wird:
«demnoch as er zfie ieme welle!». Tiitl man Morgens in eine
nnordpntiirhc, noch nicht anfgerfiumtp Stube, so hei-^^t es :
«jet/ rnüen er awer d'Füess lü|>ti')>I. ün«! wctm der Eintritt
in dl»' Stube während des Rssens ütattfanii, >o entbietet der-
Anl^unmiling den Gruss asäi s i (segne es Euch) Gottl», wo-
rauf er zur Antwort erhält «dank i Gott !» Im ^Vinter sagt der
eintretende Gast regelmässig bei der Einkehr in die warme
Stube : «do isch besser as dOsse !f , und es wird ihm unfehl*
bar die Entgegnung «dQssen isch kalt!»« oder «um e Hutzel»
d, h. es ist hier um so viel wärmer, wie wenn man einen
«Mutze» mehr anhalte.
Nachdem obligaten Händeschütteln ergeht die Auffurderung,
Platz zu nehmen: «sitze! (setzt Euch!)», worauf der stereotype
Bescheid erfolgt : «ich hin nitso rnüed ' (^der ocich steh grösser !» .
Ueber dir H»'wirtun^r v^l. den folj;entlen Aufsatz. Als erster
Gc^liräfli- t.if! dient d.is Wellei'. Der Ga?jtgeber leitet die Un-
ter iiailuni: cm mit den Wurten . «Ihr bringe .M li(»n (wüest, .
Räje-, Sclmee-, Winter-, Sommer- etc.) Walter mil l». Der
Gast bejaht. Oder letzterer fängt selbst vom Wetter an, indem
er zugleich den Kopf flüchtig nach dem Fenster wendet. Daran
knüpfen sich dann atigemeine Reflexionen über das Wetter, die
gewöhnlich in eine ganze Reihe von Bedingungssätzen einge-
kleidet sind.
Die .'Ansprache der Bauern ist allgemein folgenden Re-
geln unterworfen. Altersgenossen aus demselben Dorf duzen,
einander, ebenso ledige Bur.schen und Mädchen ohne Unter-
schied auf das Dorf. £rwach.«ene aus verschiedenen Dörfern
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— 144 —
sa^^en einander * Ihr u. Dasselbe ist der Fall von jüngeren
1 Bauern alleren Dortinsas^en gegenüber, falls der Unlei'schied
mindestens 15— '20 Jahre betragt. Kinder sagen zu ihren Eltern,
Gro8;?ellern und bojahiien Vpr^v^^(l^en schon vom frühen
Kinde^alfer ui «Ihi" ). i''<!(»('h koimuen hi»^i" \ n-^nahuien vor.
I)ei- Vater winl «< Vnttet n die Multei- «Müellei'i> udei' ^ Mielter »,
der Gros5>vator üGiovatter», die Grojäsmutter « Grossn»ielter »
^^jjder «Grusli» genannt und so angesprochen. Die Worte «Papa»
^nd <(Muina» gehören bloss dent zartesten Kiudesulter an. Sind
mehrere Generationen unter demselben Dach^ so heisst der-
jenige Vater bezw. Grossvaler, der in der Kleinstube wohnt .
«der Kieinstubvatter 1, die Grossmulter cd'Kleinstubmietter».
Der Bauer duzt ferner seine sämmtlicheo Dienslbolen, welche
den Hausvater mit «Bär», die Ilausfräu mit «Frau», seltener
« Bas » anreden, z. B. « Bär, seil ich jeU ans|>anne? Frau, der
Bür het gsait, Ihr seilen au nüskonimen ins Grunil>eerestück ! >
Diese Anrede würde sich ins H()<"hdetit<( Iip übersetzt sehr ko-
nii'Ärh aiisixdimen. Endlich werden enti'ernlere Vei waiidte jeibMi
Alters mit aVetteri» oder «Bäsj) angeredet , z. B. Vetter Hans»
Bäs Grel.
Zu lieuHlen Leuten aus dem Herrensland von» 20. — 25. Jahr
ab sagt der Bauer cSie». Er spricht sie an mit «Herr»,
insbesondere auch den Pfarrer, den Lehrer (Herr ScbQel-
meister) und bisweilen den BOrgermeister (Herr M&r, frz.
maire). Seinesgleichen spricht der Bauer niemals mit « Herr »
an. Herren>PersQiien weiblichen Geschlechts gegenQber wird
nicht selten jenes «Sie» mit der 3. Pers. Sing, angewandt:
«Ah! güete Tal Koniml sen (Sie) au zue es (uns)?». Frauen
werden in der Rej^el mit «Madam », Jungfrauen mit «Mamsell»
angeredet, Betonung auf der ersten Silbe. Sehr eigentündich
klingen solche Zusammen.stellimu^en wie: «Madam Kontrol^r,
Madam Amtsrichter^ Madam iJokter x>, und nicht minder unge-
wöhnlich: Madam Baron un*l «Madam Gial 9. Eine Aus-
nahme macht tiie PfaiTtrau, welche « Frau Ptarrere » genannt
wird. Die Praa des Lehrers faeisst c d^SehfieUrau », die des
ßargermeisters bisweilen «Frau Mire», das französische maire
mit der Dialekt-Endung -e = hochdeutsch -in. Bauern
vom alten Schlag reden alle fremden Herrenleute ohne Unter-
schieii mit « Ihr » an.
Erzählt der Bauer eine Geschichte, so setzt er stets seine
werte Person voran.«, er sagt regelmässig « ich un dü » oder
«ich un är». Diese Unhöflichkeit hat Anlass gegeben zu fol-
gendem Reimspruch, den man in vielen Dürtern hören kann :
«ich un dü, uns Becke Küh, uns Müllers Stier, sin ihre vier».
Wenn im Laufe des Gesprächs der Bauer sich über etwas
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informieren will, so sucht er .sich voralleiu zudecken und den An-
schein *ler ünwi.ssenheil zu verbergen. Er thut dies, indem er die
FrüHre mit der Formel einleitet : « jetz müess ich au dumm froeye
(fragen) . . .j» Hat er etwas dem Wortlaut nach nicht genau ver^
.standen, so fräj^t er: cwa ?» Ist ihm der Sinn unklar {geblieben, !$o
fragt er : « was han ihr jetz gsait? — xei g) sauye (sagen) dis
noch eniol, dasä ichs au versteh ! », Niesst jemand» so sar(t man :
« \V Iii hekomin's ! » (Antwort : «niersü») oder « häll i Gott ! j»
(Antwort : a dank i (lott I »). Zu Kindern sagt man « Gott^äjele ! i>,
das Deminutiv von Golte.ss+?gen.
(ilaubf der Bauei*, jeninnd fluri Ii W. rtc iiiiaii-t'nchiit ^i'-
wonien zu --ein, besonders weim die.>e «lic \ « i uiejullii Ii«- Wahr-
heit eni hielten, so entschuldiii;l er sich mii den Worten «. Nix
tiu unuüetlö, wozu <lie Erwiderung in «1er llegel lautet «ganz
un gar nitl». Will er von jemand Platz gemacht haben, oder
schreitet er in belästigender Weise vor ihrn weg, so sagt er :
Excüse! » (frz. excusez) oder mit scherzhaftem Anklang: «sechs
Kuhfuess!» (sechs Kuhfüsse).
Wenn der Bauer für etwas zu danken hat, so 1 er :
«mersil mersi au! mersi vielnioLs ! jetz sauy (sagei ich au vielmols
mersi ! jetz sauy icli au Dankl jetz bedank ich mich au I ». Will
er eme Gabe oder eine Getalligkeit als uneiit;;<*ltlich angesehen
wissHii, sai^t er duTninschlin : «mersi — wann s nix kost! »
Das ho* hdeutsclif kiiizr 'llanki' o ist nicht gebräucidich, je«ioch
pHegl man kleine Kmdtr die Formel «dank, dankelel» zu
lehren. Der galante Geber enlscliuldigt sich md folgenden Aus-
drücken : c für dis nit ! ohnen Ursach ! s iscb nit Ursach! s isch
gäre gschähn I jo, dis isch nit der Warth f jo mache Sache Ii».
Ist die Abschiedsstunde gekommen, so sieht der Gast nach der
Wanduhr. In der Regel entschuldigt er auch seinen Weggang
mit der vorgerückten Zeil. Nach mehreren vergeblichen Ver*
suchen, ilni /iii ückzuhalten, trägt ihm der Gastgeber Gnisse an
die Familie aut : ^Grüsse mer euer Lit ! Viel Gompiimenten
an euer LitI» und ähnl. Die Antwort lautet stets: «mersi, ich
will s üsrichte». Der pi^'^entlicltf^ Alischiodsgruss ist dersellx*,
wie der Gi uss. Als lirsduderer Si bei I« - m^s jedoch noch im
Gebiaucb i< Iduiel i (ii^Kl» mit rlei' Anlwoit : «dank i Gott!»,
lerner «adje» oder «adjes», das t'rz. (cadieu», un*l bei Nachtzeit:
«güet Nacht I», dieses stets mit dem Tun auf dem Hauptwort.
Stehende AusdrQcke sind ausserdem noch : cKomme güet heime!
läwen als gsund 1 halten i güet I». Die offizielle Einladungsformel
des Scheidenden zum Gegenbesuch lautet : ' c Kommen au bal(d)
züe unsl jetz können er mache, dasser au bal züe uns komme I».
Will der Scheidende in kurzer Zeit, das heisst spätestens
am selben Tag^ wiederkommen, so sagt er «adje derwiüji.
10
— 146 —
Der briefliche Verkehr ist dem Bauern ein Greuel. Der
Bauer vom alten Schlag holt den Kalender hervor, worin er
Briefpapier und Briefschetde aufbewahrt hat. Dann nimmt er
die Feder in die linke Hand und legt sie in umständlicher
Weise «wischen den Finfiei n der rechten Hand zureclit. Das
Tinterilass wird j;eschfillelt, die Feder ein^fetaucht und dann
auf tlem Kalender prohirt, ob der Slahlschna}«*! auch iieht und
ol» die Tiritf nicht zu ff weiss » ist. In E'i manj.'eluri;^ von Tinte
wird oft HI;lu\^•i^^;Ker i^>'l>iaucht. Jetzt j^eht es an die schwie-
rig»^ Aiil- ilii'. .leiiev Hriel beginnt uiil d'*n Worten o Ii li rr-
;:reik* div Feiler» o<ier «Mit vielen Schuierzen (mit gros.ser
Freude) ergreife ich die Feder, um...» Die Anfangshuch-
stuben jeder Zeile werden, wie in Gedichten, meist gross ge-
schrieben. Der Schluss des Briefes lautet regelmässig «Jetzt
endige ich mein Schreiben und {rrüsse Euch » oder ähnlich.
Jedoch muss besonders hervorgehoben weitlen, dass die jüngere
Generali(»n gewandter im Schreiben ist. Die Ueberschrill der
Liebesbriete lautet: Meine Verehrtesle im Herzen» oder «In-
niggeliebter meines Heinzens » u. ähnl.
Attch im Wirtshaus hat der Tituer seine Fi;^eiin' Fr
setzt den Hut gewöhnlich nicht alt. FUMlru htig trinkt er sein liier
und unterhält sich ü\\er alh rlci Diii^c gewohnlich ülier Wetter
odei Politik. Da.s lanilesübliclie Zaiden von Tournees ist zwar dem
Bauern bekannt, aber da es Geld kcstel, geht er gewöhnlich
erst in höherer Stimmung daran. Fremde dagegen, Geschäfts-
männer und besonders « Herren v macht er gern auf diese An*
standspflichl aufmerksam. Nicht selten gibt sich der Bauer dem
Kartenspiel hin und dann mit Eifer. Verliert er, so schimpft
er über sein Pech ; gewimil er, so ist es sein eigenes Verdienst :
<rTmm|if! und Trumpf* und noch einmal Trunipt! Habt Ihrs
jetzt gesehn, wie man spielt ?» — betrügen im Spiel gilt nicht
als unehK-fiiKift , !» r Bauer legt ganz olTen, unter den Augen
seiner Milsinoit i die Buben zusammen und mischt so. dass
diese zusamuHiibleilK'ii. Die andern scJiauen gleichgidtig zu
und machen nacliher «lasseibe. Wem es jiciingl, der gilt als
geschickt. Dem Andern in die Karten zu sehen, wiixl für eine
Schlauheit gehalten. Und als bestmders forsch gilt es, auf den
Tisch tu schlagen, dass die ganze Wirtsstube erdr&hnt und
dass die Karlen ganz verlx^n werden.
Bekommt der Bauer Streit, so schlägt er selten gleich
drauf los. Er sucht seinen G^pier zum Aii;.ri(T/.u reizen. «Was
Witt dü mit mir, hine? witt eps? Sa(g)I redsch nit? witt glich
Antwort gän ? » Gibt der Gegner Antwort, so sagt jener : « was
witt'* witt s Mul halten oder ich schlä der druf! ». .. Jeder
geht mit dem Gesicht nahe an das des Geguers, ein W'ort
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das andere, und su koiiuiil etf zum Jiluiul^emen»jfe, de^^n
F'olj^en (»It Messerstiche und jielährliclie Verwuinluni^t-n sind.
Es iät ullgeineio Usus», dem heinikeiu'enden Gegner im Dunkel
der Nacht aufkubuern» ihm, wie man sagt, auf den Weg zu
stehen/
Im Allgemeinen kann man wohl sagen« öass lieim hanauer
fiauern vielfach recht eigentümliche Anstandsbegrifle herrschen,
Al)er seine derbe Ausdrucksvveise atmet den reinen, frischen
Dutt unverfälschter Natur, während die höflichen Plirasen des
«Gebildeten» nur gar zu oft jenen künstlichen Parfüm aus-
hauchen, der sonst einen univequemen Dunst zu verdecken pflejit.
S(i spiegelt su h in 'meinen ( I^^^'t^^'■sf"nJ•mpn (Um* ijarr/<' \'nlks-
charakler des Hauauets wiecier. Kjomm utui rrdlit Ii, ,irt>eüi?aiii,
zfd), hieder und keruliaft, — steht er vor uns, zu'ileich ein
köstliches Gemisch von Stuiz, Verschlageobeit und Misstrauen
mit Bescheidenheit, Einfah und Treue.
'2. Bei Tisch.
So wie der hanauer Pmei in allen seinen Handlungen
eine '^'evvisse Ordnung beobachtet, so hefoljjl er auch im Essen
und Trinken feste Hegeln. AU Typus wählen wir die Uaupt>
utahizeit, das Mittagessen.
Je nach der Grösse der Familie, nacii der Gevvuhniieit
dl*- Hid^s oder dem Geschmack des Bauern sitzen die sämmt-
heben Huushaltunjfsmitglieilei ua einem Tisch vereint oder
an getrennten Tischen. In letzterem Falle befinden sich die
Dienstboten und die Familie des fiauern je an einem besonderen
viereckigen Tisch. Runde Tische sind selten und meist modern.
Ist die Familie klein, besteht sie bloss aus 2 oder 3 Mitgliedern^
so nimmt sie wohl auch Platz an einem sog. Aufhänge! isch.
Dieser ist an seinem einen Ende t)evve^li(h so an das Get.-del
der Wand befestigt, dass er in die Höhe geklappt werden
kann, wobei dann das Untergp^fell der andern Srito auf die
aufgeklappte Tisrhplatle berniedeitallL In diosi-r Stellung
wird der Ti.-' li Keim Nichtgebrauch dunli einen l»it^;^el fes!;:e-
halten. Im Soiimiei e>sen in vielen Gidiöften die Dienst lioteii
im Hausflur. Aucli kommt es wohl vor, dass ein ledij^ei Ver-
wandter oder die Eltern an einem getrennten Tisch essen,
während der Bauer mit seiner Familie und den Dienstboten
an ei n e m Tisch speist. Gewöhnlich aber sitzt die ganze Familie
mit Cinschluss der Dienstboten am nämlichen Tisch vereint.
Der Bauer sitzt oben am Präsidium auf der Bank, so dass
er die Stubenthür im Auge hat. Wenn die Familie vollzählig
ist, verteilen sich die Plätze wie folgt: zur Rechten des Bauern
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.siizen der Uoilie nach der Grussvater, die GrossmuUer, dann
die Hausfrau, ev, mit einem kleinen Kind auf dem Scho$s oder
neben sieb auf der fiank, dann die erwachsenen Töchter. Links
vom Hausvater nehmen die erwachsenen Söhne dem Aller nach
Platz, dann der Oberknecht, der Miltelknechl, der Bossbub»
die Magd, die Kleinmagd. Am Sonnta^^ behalten die männlichen
Tiscli^^eiiossen wfdirend des b:$sens den Hut auf, die weiblicheD
faaijen die Scldautkappe angelejrt.
Ein Tisclituch gibt es gewOhnlicii nicht, güni>tigen Falls
aller ein \V.n li<hich, \velrJit'< leicht zu w.-tschen ist. Ehen so
wetiii; uenieii Scfvietteu henützl, fidtzdein dt»i' Vorrat der
Hautri nliituen oft r.v hl gross ist. Blo.ss lur llern^uleute macht
man eine Au>iiahine. Das Essen wird aufgetragen von der
Frau. Vor der Mahlzeit spricht der Hausvater ein kuizes Tisch-
gebet. Sobald die ganze Familie versammelt ist, wird der idib
ßrot herumgereicht. Jeder schneidet sich der Reihe nach ein
Stfick, welches gewöhnlich nicht klein ist, denn der Bauer isst
gern Brot. Früher war es das Vorrecht des Hofbauern und
seiner Angehörigen, ein «Humstni k», ein Stück am Laib hinten
herum zu schneiden, das (lesinde durfte sich dies nicht erlauben.
Sogleich winl das Stück Brot von einem jeden mit den) Messt-r
zerkleineii und auch während doj- .Mahlzeit wird je<lei' Bis-en
geschnitten, nicht gel»io< hen. Das Messer lu ingt sich jeder
seiher mit. Vor der Benutzung' wird die Kliii-e ;)n der Hose
oder am Bock abgeputzt und gewohnlicli noch einuKil zwischen
Zeigefinger und Daumen ahgewisehl. In der Regel gibt es Ix-im
Mittagessen bloss einen Gang» der denn auch in einer
Schä.«sel aufgetragen wird, welche die Mitte des Tisches ein-
nimmt. Ist Fleisch dabei, so befindet es sich gleichfalls in der
allgemeinen Schüssel. Gewöhnlich wird aus der gemeinsamen
Schüssel gefressen, wenn es kein Fleisch gibt. Nur in
diesem Falle, und wenn es Fleischsnppe oder Häring gibt, issi
jeder ;miI' seineni Teller. Das Brot in der Suppe wird oft mit
der Gnbel in ih^r linken Hand auf den Lötlel gelegt, damit e'*
sciineller gehl. Die Speiden ritis rief «iemeinsamen Plntfe werden
mit dem LöHel gegessen, wrnii <if lli'is^ig odei" lial Ml ossig sind^
z. B. Mihh oder Erl)sen, wuhei jedesmal dei l.iillel jni dem
Bande tier Schüssel abgestreift wird, damit uichls auf
den Tisch tallt. Feste Speisen weiden mit der Gabel genononen,
z. B. Sauerkraut o<ler Salat. Die Gabel wird mögliehst voll
geladen und daher beim Sauerkraut oder Salat mehrmals in <lie
allgemeine Portion eingestochen. Auch wartet man nicht, hh
jede Gabel voll hinuntergeschluckt ist, sondern sobald der Bissen
im Mund ist, wird sogleich die Gabel von neuem beladen und
wartet dann des Augenblicks, wo ein Teil des Bissens hinab-
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^'cylitten ist, um liirerseits zum Mumie ^^elülirt v.n kIiik
Diese Gewoliulieit fällt selbst dem Bauein auf, bu da^?? mau ihn
fol<zendes Rätsel auf^'^elien hört : «Wie soll man Knöpfle
(Mehlkiösse) essen?» Die Auhvort lautet : «Eins im Mund, eins
auf der Gabel und eins im Aug^e» — nämlich jedesmal das
grösste aus der Platte. Mit dem Messer wird aus der gemein-
samen SchQssel der weisse Käse gelioit. Gibt es Pellkartoffeln,
so schält sich jeder seine ganze Portion, oft 10^12 StQck, zum
Voraus und legt sie auf den hianken Tisch. In manchen Häusern
wird ein grobes wirkenes Tischtuch gedeckt, so oft Pellk u fofleln
gemessen werden. Ks ^^eschiehl dies nicht etwa der Sauberkeit
halber, denn solche TischtuchiM- sehen meistens nichts \veni;jor als
rnitdicli aus, sondorn wp^on der Be(|uemlii likn-if Es ist nämlich
^aiiz praktisch, ti.K h Hcnuli-iu)^ des Kssens alle KartofTelscIialen
einfach im Tist.hlucb we«iZUtra<reü, tu welchem auch etwaij,;e
KarloHelreste leicht eintrwrknen und dann von sell»st abfallen,
während letztere von der blanken Tischplatte oder von einem
Wachstuch ungleich schwerer zu entfernen sind. Was nun
das fleisch anbelangt, so wird dasselbe in der Hegel an einem
Stück aufgetragen. Jeder Tischgenosse schneidet sieb der Reihe
nach ein Stuck herab. Er fasst die Gabel mit der linken Faust,
sticht sie von oben in das Stück, das er sich mit scharfem
Au,:r prspäht bat, m ' < hneidel es mit wenigen Zfigen los.
Er legt <las Fleisch aul den Teller, zerkleinert es weifer, in<lem
€1 noch inimpr die Gabel in der linken Faust bält und führt
<ln« lelzlf ShU k, das in der (l.iliel stecken bleibt, <n-lei( Ii zum
Mund. Erst dann nimmt er Au.' (lalK'l in die reclde H ind und
i.<st weiter. Früher, als e.-> nucli bitlzerne Teller gab, uahui
jeder der Reihe nach das ganze Stück Fleisch auf seinen Holz-
teller, schnitt sich die ihm zukommende Portion herunter und
gab es dann dem Nachbarn weiter. Das Gemüse wird» falls es
Fletsch und in Folge dessen auch einen Teller gibt, mit der
Gabel oder dem Löffel aus derSchOssel auf den untergestellten
Teller herausgescharrt. Befindet sieb am Fleich ein Knochen,
so wird diesem eine ganz besondere S .i-i ilt zugewandt. Ziieist
wird ganz groi» das Fleisch mit allen VVeichteilen losgelöst und
<lie Knorbenbaut abgeschabt, dann diingt der Esser mit der
Spitze des Messers in die Fugen und Winkel des Knochens
ein und saugt ihn von allen Seilen ui-^. damit kein bischen
Mark verloren geht. Ein solcher ivnotben, l>eispielsweisi' ein
Wirbelknocben, ist wie von einem anatomischen Präparator
zierlich hergerichtet, es bleibt auch nicht ein hXom essbarer
Substanz daran. Recht charakteristisch ist in dieser Beziehung
der allgemein gebräuchliche Ausdruck : «e Knoche süfer mache»
= abnagen. Der abgenagte Knochen wird nun entweder auf
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den Tisch, unter den Rand des Tellers gelegl, oder einlach
11 n t »' r fleii Tisch ijewoi fen, wo er eine willkommene Beule
dei Haujikalze ist. Im Allgeineitien läst der Rauer und nament-
lich der Dieii>ll)«jte immer mit vollem Mund, er knut mit
angefüllten R.k ken. Seine Haltung bei Tiscli ist seiir beijnem,
gewöhnlich legt er Leide Arme breit auf den Tisch. Braucht
er den Löffel, so wird der rechte Ellbogen fest aul't^eslemmt.
Das Einnehmen der Speisen und Flüssigheiten geschieht mit
hörbarem SchiQrfen, das Kauen oft laut und gerftuschvoll.
Was nun das Trinken anbelan>(t, m erfolgt es gewöhnlich
aus ein und demscllien Glas. F>s wird aus dem nandi<dien
Krii^iol eingeschänkt, welches der Bauer selbst im Weinkeller
{^•'tnllt hat. Ist die FHmilif» j^ross, nd«*f' hat der Bauer
deuj Gosinde eine besondere \Vf»ins<>rfe /.u^C(l:irht, so stehen
zwei Krügcl und tol;/lifh aucli zwei Gliiser aiit dem Tisch.
Das Glas wird zuerst voui B.uiern einj^escliaiikt und }.'eleert.
Dann tidlt er es wieder und gibt es zu seiner Rechlen weiter.
Das Krügel zirkuliert mit, aus ihm giesst jeder seinem Nacbl>ar
das Glas voll, gleichviel ob dieses ganz oder nur theil weise
geleert ward. Vor dem Trinken wischt sich jeder mit dem
Handrücken, wohl auch mit dem Aermel, von der Seile
her den Mund ah. Oft wird mit vollem Mund getrunken. Ist
die Runde vollendet, so wird von neuem an^efan^en^
und das leere Ki-ögel wird vom Bauern seihst wiederum
gefidll.
Der Teller wird mim Kndf der Mahlzeit ^iit -»><;iiiliert,
mit Brotslücken, welche au der Gabel betVsti^i sind, nn;:s
austjekehrt, besonders wenn es Sauce j,re}(el>eii hat, welche der
Bauer besonders wertschälzl. Dann wird das Messer wieder,
wie vorhin gereinijjrt, zu^^ekiappt und eingesteckt. Gabel
und Löffel werden auf den Teller ^e\t^^^i. Auf ein Zeichen tles
Einverständnisses durch den Blick, oft noch kauend, stehen
die Dien8tl)oten auf, jeder nimmt seinen Teller, wenn es einen
solchen gab, mit in die Küche. Gewöhnlich nehmen auch die
Dienstboten' ein Stück Brot mit, an dem sie noch lange herum-
knuspern. Will jemand Wasser trinken, m trinkt er aus der
«Krüch», dem j^emeinsamen Wasserkrujj;. Ort bleibt der Bauer
Reihet rifxh «»in Weilchen sitzen und leistet sirh n*^v\i ein
Gl;i-t ht'n Wein mler stochert in den Zähnen iiei'uin. Wenn
der T\« h "autVoliidu^n ab<?eräunit ist, ki>nimt die Ma^^d und
kehlt ihn mit dein iiandheson und durch Scharren mit der
Hohiliand ab. Während der ganzen Mahlzeit wird gewöhnlich
kein Wort j^esprochen.
Der Hanauer ist in hohem Grade gastfreundlich.
Bekommt er den Bettuch eines lielien Freundes oder eiues
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Fremden, so eilt er, ein Krügel Wein im Keller zu holen, ^r
lädt sdnen Gast zum Trunk ein und legt ihm «ien Laib Bröl
nebst einem Messer zum Gel)rauch vor. Die Gla-ri- werden
frisch gespült und umgestülpt auf einem Teller gebrachl. Wenn
sie eiuij'eschfinkl sin«i, wird mit «lern Worte «rG'^unilheif « beider-
seits angestossen. Sinti norh ander-e Personen anwesend, welch*'
nicht trinken, so sa^eu liies." : «Wohl hekoninil's Iw Ni* ht 'ge-
rade fein ist rias an «G'suiitlheit scherzhalt anklingende aliunds-
kaih!». Veraltet sind die französischen Worte «JSanle!» und «ä
la vOtre !«, jedoch sind beide Ausdrücke in der korrumpierten Be-
zeichnung ((alle Gebot Santo Ii erhallen. «Alle Gehot», welches be-
kannilich «alle Augenblick, öfters» heissl, ist scherzhaft verdreht
aus «äla vötre». Gleichfalls scherzhaft anklingend ist der Ausdruck
«alle Woch Samsti !».Istdie Gesellschaft (gross, kann oder mag ein
einzelner o<ler eine Mehrzahl von Trinkffenossen wegen zu
grosser Entfernung nicht anstossen, so sagt der HefrelVemle
«s gilt!» indem er mit dem Glas auf den Tisch aul'slössl.
Niemals verlehll dei- Gast, den Wein seines Ga^t^n'hers zu
loben und sich nach »1er HerknnTt des Gewächses zu ei kundigen.
Kine geläulige scherzhafte Wendung isl diese: «Wann icii nninme
von «lein halt, hits d Grnsl widerkomml!» d.h. itnmer, denn die
verstorbene Grossniutler kommt nie wieder. So oft getrunken
wurde, gies^t der Gastgeber nach und füllt das Glas von neuem auf.
Was das Etn^iessen selbst betrifft, so schenkt der G«ist>
geber zuerst sich selbst ein wenig ein, dann dem Gast und
zuletzt noch einmal sich selbst. Sind die Gläser ungleich an
Grösse, nimmt der Gastgeber das kleinere. Ferner i.<t es
Brauch, dass dieser weniger trinkt und dazu noch dem Gast
mebr zugiesst. Der Gast niachi beim Trinken gern Umstände.
Kr thut immer so, als wenn er nichts meli!' haben wollte und
hat doch nichts lieber, •.\\< ••h) gut Tn)|itch.'n. Ist . - ihm aber
wirklich ernst mit der .Vii^age, dann mmmt ei da> f'ilas \iini
Tisch und behalt es in d»M' Hand, oder er deckt es mit der
Hand zu, oder er macht es noch praktischer : er stellt das
leei*e Glas umgestQlpt auf den Tisch und steht auf zum Weg-
gehn. Dieses letztere Verfahren ist wirksam und nicht niiss-
zuversfehen. Oer Gastgeber pflegt «lann nicht weiter in den
Gast zu dringen. Jedoch gilt es auch nicht als unanständig,
wenn dieser einen Best Stehen lässt.
(Xt geschieht es, «lass ein Gast während der Mahlzeit in
das Zimmer tritt. Sein Gruss lautet alsdann : «Säi s i Gott !»
(Se-iie es euch Gott!). Die .Vntwort heissl: «Dank i Gott!»
Der Gastgeber lässt <\rh im Pässen nicht stören, er bleibt ruhig
sitzen. Der pjntretende pllegl ^uten .\j>petil zu wünschen, oder
er fragt «gschmackt s?i>, worauf er die .Antwort erhält: «Warum
nil, wann er s mithalte welle ?»), oder ihm scherzhaft die Be-
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nennuni; der Speise mit vor^'eselztoin «wie» ^iejjeben wird, z. B.
<';r^chrnarkt ^V» — «\Vi Sürkrüf und Späcklw Wird ^'erade
S< hw i iin'ni is( Ii ^jei^essen, so erlaul>t sich der Eintretende die
lieiiierkunt:; «du ^ciil s sauniässi zül». Alle Anwesenden lachen
über den Witz, obwohl sie ihn .^chon hundert Mal jj'ehört oder
selber gemacht haben. Ist die Mahlzeit l^endet, so aatworlen die
Tisch^enossen auf die Frage «rgschmackt s es h t gschmackt».
Wird die Mahlzeit eben begonnen» so erwidern sie «s sei)
gschmacke». Auch saj^ wohl der Bauer nach dem Essen scherz>
haft r «wann er e bissl eh wärte komme, hätten er mit könnte
halte — sauye d Sirosburjer». An h jetzt wird dem Gaste ein
Glas Wein angelwten. Der Bauer IVdlt zu fliesem Zweck sein
eij^^enes Glas anf und übent'K lit i>> mit den Worten : Tit h biin^^
s i!» oder «ich will s i Itrin^i !)» seinem Gast, \v('trii<»r mit
oGsniifUieit !» ti inkt, \v;ilirt'iiil die AfiweM»ndon ' wohl lirkomm s !»
Mi)>\V'>j'ten. Will dii' Hau>tiau artij.^ .sein. saj^t sie ihrem
Mann ^rleich beim tintnll des Gastes «alle! bring s m!» oder
«bring h ni zu l» Die Zurückweisung: eines in solcher Weise
antrebotenen Trunkes wQrde als Beleid i;,'ung angesehen. Geht
d«*r Gast vor Beendigung; der Mahlzeit wieder weg» so sagt er:
«alle, jelz Ion (lasst) s i voUs (vollends) gschmackeb. Nimmt
ein Gast die Einladung zum Essen an, dann wird er an den
Rh reuplatz zur Rechten des Hausvaters oder gar an dessen
i>telle selbst ge.selzt.
Ganz }>esonders anschaulich sind im alten Hanauerland die
•-.iti-'^en Gasleieien, wtdi he bei Verschreibunyen, Htc lszciten luui
kin«Uaulen jie;;eben wenli'ii. Fridier dauerte ein h/.' it--
si Initaus, den ich jetzt al.-s Typus t^iner Gasterei lu - In ciImmi
will, mehrere Tage und oft genug cino Woclie lang. Heule gilt
es nicht mehr als fein, wenn die Festlichkeiten mehr als zwei
Tage in Anspruch nehmen. Jedoch pflegt die Anzahl der Teil-
nehnier noch immer sehr stattlich zu sein. Sie betnlgt heute
noch oft 60^80 Personen und manchmal 420—150 und noch
mehr. Dass es bei «>iner solchen Menschenmasse recht bunt
zugeht, isl erklärlich. Insonderheit ist es di.- I'mstandlichkeit
<ler Ke^tleilnehmer, wolchc ttn^Mo .\ulineiksamkeit auf sich
lenkt. Schon im Hof und vor dem Haus will niemand aus der
Stelle Rieben. Ver^'cbens fordern Gasigeber und AufwSrterzum
Kinirjlt in du' S[>ei<eraume auf.
Endlit Ii >teheu die Gäste in den für -le b< vti,iiiiiten Kauin-
lichkeiteii. Dorf sind verschiedene gcti< iiiile Tische für sie
gedeckt. Da ist zuerst der Herrentisch für den Herrn Pfarrer,
den Herrn Lehrerund ihre Frauen und mehrei-e sHerrenteule»,
denn solche fehlen heutzutage bei keiner Hochzeit ; und der
Bauer setzt eine liesondere Ehre darein, wenn deren recht viele
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setner Eialadun^' ^^>ol^t sind. E*'erner gibt es einen oder meh-
lere Männer- und Weiherlisclie, woran jedesmal die verlieiratelen
Männer und dio Ft uicn ^»^of rennt sitzen Fndlich ist für die
jnn<:«''() Lviilc, wo/.u -^icli die Nenverniähltcu }fesellen, ein Ke-
*ndt„'i »•! Ti^i Ii da. Ant liiese Weise wi-i diMi nlU« Stid»en und
Kuiniteni de^ IJuihzeilshiiuses besetzt umi nianclima! no(li die
Ruundichkeiten «les Nachbars in Ansiiruch i^enumnien. Wenn
e^» sich gerade mit dem Wetter trifft ^ wird im Sommer auch
wohl in der Scheune an einer einsigen (grossen Tafel gegessen.
Jedoch strebt der Bauer dies nicht an» sein Ideal sind recht
viele Tische. So unterlässt der Hochzeitsvater denn auch niemals,
am Anfang des Schmauses sich in aufl^lliger Weise nach der
Anzahl der besetzten Tisclie zu erkundi;.fen. Scheinbar thut er
dies, um seine Kärsor;:i' rur d.is leiblirhe Wold d» i Gäste an
den Taj: zu le;,'en, in <ier Ihat alier ist es krasser Stolz, reine
Henoinniage. Diese Eitelkeit njöjiPii wnid sdion die alten Grafen
von Hanau-Lichtenberg auszunutzen t)eabsi(liti;rt haben, indern
sie il.»o: H(M hzeit>i-Ülin!;]reld nicht \on der Men^e des getrunkenen
AVeiiiL-, noch von dei Anzahl der Gäste, sondern von der Zahl
iler Tische erhoben (vjil. Kiefer, Steuern etc. in der Graf-
srhafl Hanau-Lichten herg. Strasshur«;, NoirieK Seite t28).
Der Tisch der jungen Leute, welcher sich gewöhnlich in
einem getrennten Zimmer hefindet, ffiltt sich rasch. Die Jugend
ist nicht wühlerisch, jeder Bursche nimmt sein Mädchen und
setzt sich bin, \\\> es ilun ;j:efällt, die Schulpflichtigen und
Kinder an einem Kndf d. r T tf» l oder wieder an einem j;e-
Irennten Tisch. Alsbald ^■^ebl auch der Scherz und die Heiterkeit
los unti treibt unter den Sorjilosen die ^lppi^^-f^■n Blüten. Ein
andeies Leben treflen wir in der Ge.sellscbatt der Erwac!i-^en>'n.
N.t( lidem beim c( Ansitzen» die Bedenken wejzen der nabeii oder
«--nUernten Vervvanilthcitalt aihnählicb geschwunden sind, baben
die einzelnen Tische sich endlich gefüllt. Sie sind alle sauber
^l ileckt, vor jedem Gedeck steht ein liesonderes Glas. Neben
den get>]umten Tellern liegen Messer, Gabel und LdlfeU Aber
daran kehren sich viele von den Alten nicht, welche nach
herkömmlichem Brauche ihr Taschenmesser mitgebracht haben.
Auch eine Taschen;:aliel war früher üblich, welche der Bauer
in der Xebentasche sichtbar Irujr, und in deren Zinken er, um
sieb nicht zu verletzen, ein Slück'hen Rn»t auf^iespiessl hatte.
M:iii iifloLTf'' l'rnliei' für solche testlirlit-n rrt'lt';.;etdrf üen ei;:ene
Mfc^sci und Gabeln mit bes<»nders kunstreich v^m tertijrtem Heft
zu ballen. Messer und G'jbel ^-iinf «'Xfra fein geputzt, ersteres
zur Feier des 'J'ages frisch gescldiUeii, denn es gilt beule einen
scharfen Slrauss auszufecbten. Und nicht umsonst sagt man zu
jemand, der ttichlig Fleisch essen kann: der hat ein scharfes
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Mess*-r ! Servielleii eiiuilteu nur Henenleule. Den Autwai leüienst
besorgen die Fainilienangehöriijeii jselbst oder befreundete Per-
sonen. Als Mundschenk fun^ürt der Küfer, der den besteo Wein
des Hofes in dickbäuchi^jen Wasserflaschen, nicht in Krügeln
auflrai^t. Ihm erwächst eine besonders schwere Aufgabe: er
hat die Oberaufsicht über das ganxe Trinkwesen. Er muss
immer auf den Beinen sein, denn die vielen Hochzeilsleute
«wollen etwas wissen».
Jetst hat der Herr Pfarrer la-^ Tischgebet jiesprochen, und
die Verteilunji dei Siipiie beginnt. Al>er da gehl am .Männer-
und Weibertisch die alle Unistandskränierei wieder \o<. Keiner
will zuerst serviert sein, und es kostet manchen wahres Ki»|.t-
zerbrechen, »len Verwandtschaflsi^rad festzuslellen, besonders wenn
er ziUTdli-r mit beiden Familien in der Freundschaft ist. Nach-
dem audi diese Klii.[)e -lückHch überwunden, beginnt das
Essen, langsam, wurdi-, behäbig, al>er mit erstaunlicher Ausdauer,
Auch hier will ich die Speisen nicht beschreiben. Die Art des
Essens ist im allgemeinen eben so ungeniert, wie im alltäglichen
Leben, wenn gleich etwas feiner. Wird es im Sommer zu heiss,
so öffnen die Bauern einfach ihre Weslcn oder sitzen hemd-
ärmlich. Der Hut wird gewöhnlich abgelegt. Mil besonderem
Stolz und oft pfle-l es das Ellernpn:ir zu betonen, wenn sie
alles Geschirr selber haben und nichts zu leihen brauchten.
Dies kommt jedoch seilen vor. Gewöhnlich ist das Geschirr aus
der Verwandtschaff und von den Naclibarn, auch wohl aus dem
Wirtshaus zusammen-eliehen. Die Unterhaltung wird bei Tisch
bald laut. Hecht [»iill illig ist die ewige Umständlichkeit, obwohl
es der Bauer eigentlich gar nicht -^o meint : «alle» n&hmen euch
doch noch!» — .<Ei, ich hab jo noch — ich wur mer
schon nähme, wann ich noch will. — Ei, nähmen ihr doch
i'erstl» u. ». w. Dagegert ist eine Absage gewöhnlich ent-
schieden : cNee, ich will nix meli ! Ich hab jetz genöe I Jetz
hört's ufU oder ähnl. Eine besondere Erwähnung verdient noch
der Zahnstocher. Als solcher wird benutzt — die Gabel und
das Messer.
Nach Beendigung der Mittagessens niachen die verheinlel. n
Leute und, wo nicht getanzt Vvird, auch die ledigen — >iie>e
.ilsflnnn petrennt — die Runde Wi denjcin-iii Bauern des
Dories, .iif zur (l.isterei gelatlen waren. Die>e kiedenzen ihren
Gästen \ uia beslou Wein. So rückt die Zeil tles N Ii tesseus heran,
bei weicliem es womöglich noch heiterer zugeht, als am Mittags-
tisch. Jedoch ist die Stunde der einzelnen Mahlzeiten in den
einzelnen Ortschaften und auch bei den einzelnen Familien
verschieden. Manchmal gibt es Tiberhaupt bloss eine Mahlzeit,
die natürlich auch danach ausfallt. Man sagt dann : «se han's
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in eim gän», sie Habens in einem gegeben. Meisl gibt es zwei
Mahlzeilen, oft aber auch noch eine dritte tVuh Morgens. Der
Tanz fallt Jiierbei wesentlich ins Gewicht. Bisweilen wird ohne
Unterbrechung b]< -[••it in tli«* Nacht ^^elanzt, nicht selten :il»er
auch in 2 Absätzen, welclie gclreniil .sukI dnrcli das Nachlos>en.
Am Ende jeder Mahlzeit wird ein Ti ink^ehl für die Kdcliin
erhoben. Oiese kijinnil gewöhnhch in Begleitung eines Autvvürtei'S,
welcher eine drolUge Geschichte erzählt. ][Eine arme Frau bat
sich verbrüht oder verbrannt. Sie hat ^nen Arm oder ein Bein
gebrochen, muss jetzt mit einer Krucice und einem Verband
herumhampeln und macht ein Kar jämmerliches Gesicht.
Manchmal ist der Aufwärter selbst als Frau verkleidet. Wenn
er die Erzählung beendigt hat, geht ein gros.ser Schaumlöffel
am Tisch herum, in welchem Geldspenden für die aüngh'ick-
liche» gesammelt werden. Dies nennt man «ebs in de Löffel
gän »). etwns in lien Lofl'el gel>en. Auch snnsti;/e Scherze werden
gelnebeu, und der Bauer lielit es nameuUich, Herrenleute auf
seine «lerbe Weise zu necken. So bek im ich einnial eine zu-
gedeckte Suppenschüssel gereicht. Niemand sagte ein Wort,
und alle .sahen auf mich. Nichts ahnend hob ich den Deckel
in die Höhe und heraus sprang — eine junge Katze. Sofort
erscholl ein unbändiges Gelächter, in das auch ich, um eine
Erfahrung reicher, freudig einstimmte.
Die scheidenden Hochzeitsgösle bekommen in der Begel
noch ein Geschenk mit nach Flanse, in Gestalt von Backwerk,
Kuchen, Kn^ielliopl, «Motz» «xier Torte.
In ähnlicher Weise, wie bei Hochzeiten, gehl es auch bei
anderen fVeudi;ien r.elegenlieiten, liei Kindtaufen und Konfir-
mationen, in kleinerem .Mass^tah aucli Ijei Ver.^clireibungen und
am Messti zu. .\ber auch liei liauri},'en Anlässen, bei Bej^rali-
nisseo, fehlt nie ein y^rosserei .Sciunaus dir die auswärtigen und
viele einheimischen Lcidtraj^enden, der sogenannte «r.icbtenimbs».
Wenn e.s dabei auch nicht so hoch hergeht, so iässl sich der
Bauer im Essen und Tnnken doch nicht beirren. Ja, schon
mehr als einer ist in einem Zustande nach Hause zurückgekehrt,
der dem Ernste des Tages recht wenig entsprach.
Das interessante und wichtige Kapitel vom Essen und
Trinken behalte ich mir vor, gelegentlich von anderen Gesichts-
punkten aus zu behandeln.
3. Liebe, Verlobung, Hochzeit.
Die.Vrt und Weise, wie die jungen Leute beiderlei Geschlechls
mit einander verkehren« ist im Hanauerland ganz eigentümlich;
Im Allgemeinen lassen die Eltern ihre Töchter recht frub.
— 156 -
iiümlirh j^leich nach der Konfirmation «aut die Gasse». Eine
Aufsicht von ihrer Seite wird nicht i.^elTihrl. So kommt es, dass
sich liald unter den jnni^en Leuten Liohespaare ^»^ehilfJot haben,
<]eien ganzes Siriiirn nml Tra^^hteii dahin geht, t^uli oft zu
treffen. Sol hr ( n-lc-i uheilea im Bt-gegnung sind auf dem Dorfe
häufig, und Hl dei iiegel gescliieht der Verkehr iiü Kreise der
ganzen Dorfjugend, wodurch dann imineihin eine gewisse ge-
Ifenseitige Kontrolle ausgeübt wird, welche Aasschreitungen
«inigermassen verhötet.
. Im Sommer kommen am Sonntag Abend alle jungen ledigen
Leute auf der Strasse vor dem Dorf zusammen. Man nennt
iiiesen Brauch den Abeiidmarkt (Nomärik). Die Mädchen, dietom
15. — 10. Lehensjahre an «unitgehn» dürfeUi geben vom«' Ii i . Arm
in .Arm. Sie heben es, sich mit Odeur zu parrümiren, welches im
Volksmund ^ (.luf-nior-no h » heisst. Hinter ihnen /iflipn die
Burschen lier, olmf Ordnung. In einer ^■^ewisseii I jit t« i iiuug
vom Dorf löst >ich die Reihe der Mädi lien aut. Si.' tci- ii mit
den ßurschen zusammen, und nun wird allerlei Jvui^wfil ge-
diehen. Bald lüsst die ganze Gesellschaft die heitcien oder
wehmötigen Weisen unserer schönen elsässischen Volkslieder
erschallen« Es gilt als besonders schön, wenn ein Bursche oder ein
Mädchen «die zweite Stimme», das heis^sl eine Terz tiefer singen
kann. Oder es werden Gesellschaftsspiele arrangiert, auf die
hier nicht näher eingegangen werden kann. In der Regel wird
auch getan/.l, und dies i.«t die Gelegenheit, bei welcher junge
Mädchen und Burschen das T.Miiz. n überhaupt lernen, denn
unter IG Jahifii darf rii^^mand aut dem Tanzhoden ers»'heintMi
Dabei wird (Mit\ved»'i ganz (dme Musik, einfach im Takt getanzt,
oder ein hi'-nmlcr- Ix irdiiglt'i Bursche, auch wohl ein M idchen
s\uv\l IUI 'IMn/fii »'me ''intache Weise auf einer Mundhannonika
vor. Gewöhuiich tanzen die beiden Geschlecliter gctieiml, also
Mädchen mit Mädchen und Bursche mit Bursche. Nur scheu
erhascht .sich manchmal ein Bursche die Maid, die ihm gut ist,
und schwenkt sie verstohlen ein paar mal im Kreise herum.
Doch niemand flarf es erfahren« denn Pfarrer und Bürgermeister
haben ein wachsames Auge auf alle Ausgelassenheiten, welche
in manchen Ddrfern auch vorkommen. Bei Einbruch der Dunkel-
heit kehrt die ganze fröhliche Gesellschaft singend ins Dorf
suruck und nach Hause.
Weiterliin begegnen -ich die jiu^gen Leute in dei" Kunkel-
.stui»e, wo gleichfalls Lieder gesungen und allerlei Pfandspiele
g^etriel»en werden. Da jedoch der Heimweg aus der Spuinslube
stets in hh>ter«n Nacht ei lbigt, so haben sie meistens nicht die
Billigung der Eltern. Wissen sie doch, dass die «Kunkelburat» nur
2U od den heimkehren<{en «Kunkelären», und meistens nicht
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ohne deren Einversländnis, nachstelleu. Da^ isl mit einer iler
Gründe, welche das AbkommeQ der Maistuben verschuldel
haben. (Näheres Ober die Spinnstufaen in Band VIII, Seite 70^
von Lienhart.)
Wenn ein ebenbürtiges» Verhältnis zwischen zwei jungen
Leuten ernster zu werden iie<:innt, so lassen die beidcrseili(;ei>
Eltern ruhig gewähren. t> wird dann auch niclil:« dage;:en
eiiigewandl, wenn das Pärchen allein und unheobaclifel verkehrt,
wenn die heidei» ani Sonnta;: in ein nalie.s Städtciien, inr>
Wirtsrhaus odei' .utf don Tanz ;:e}i(Mi und Idifr in spätei-
Nacht nach Haus koniuien. Die Alten halten :> ja auch so ^t iiKK Iii
Mau sa;;t von dem Uuischen : «er i^elil zu dem Mjuicijen»), von
dieser : «sie {^eiil mit »leui Burst hen».
Die Gelegenheit, wo jiin;;e Leute gewis.^eimas.sen m der Gesell-
schaltauflrelen, ist der Tanz. Gur mancher Bund fürs Lehen wurde
auf den staubigen Brettern einer Tanzhütte bei trohlichem Rei^fen
geknüpft, und man kann wohl sagen, dass auf dem Tanzboden
die meisten intimen Bekanntschaften zwischen jungen Leuten
geschlossen werden. Will der Bursche mit einem Mädchen
tanzen, s.i -^eht er einlach auf sie zu, packt mehr oder weni};er
♦*!c-aiii ihre linke Hand und saj^M : «alle hop')) oder «/ei(^),
(ii '')hl. wclfp mi^v etnc >. Ist die Maid einverslandiMi, >t>
saj4l sie nichts tiii»! lan/1 mit. Mau sie ;)|>(M" d»Mi hetn llcndeu
ini-ht, .so ^Mht sie ihm el>e!» .>u ImhhIil; iI- . iii-rjueden Anlwott ;
aich will uwer mt!» uder aloss iuk h nnl Friede Ij». Diesei- Korh
verdriesst aber den Burschen weiter nicht, ei sucht sich einl'nch
eine andere Tänzerin.
Im allgemeinen geniesst die hanauische Jugend den he-
gründeten Ruf Holten Tanzens. Der häufigste und beliebteste
Tnnz ist der Walzer. Ausserdem sind noch üblich die Polka,
Hoppler genannt (hopple = ruckweise springen, wackeln), die
Mazurka, Masürkah, auch scherzweise «Massiko ( = störrisches
Plerd) ^'enannt, seltener Scholtisch oiler « iJeutschei' i'olkaj).
Ks wiitl nicht ;.'esjM unj;en, sondern ^'esclilt i!I , und nanifntüch
der Walzer vviril tnil ;4niss(>f Klo^i-Mriz iretanzf. Ms l>i-~(iiid<'f'<
t"ein j^ilt es, «Imk^ lit'iunui zu tanzeji. l)ci- HiirsrlM- utiila^-t snin'
Tänzerin ijanz uup;eniert nnt heiden Annen um di.- Taille, wah-
rend diese das gleiche Ihul oder ihre Arme aul ilie Schultern
des Burschen stützt. Während des Tanzens jauchzt und schreit
er laut aus reinem Uebermut. Er Stampfl ab und zu zur Be-
tonung des Taktes fest auf den Boden, woher auch der Ausdruck
kommt : «eine träte = eine tanze».
Meistens -geschieht der Tanz hei irgend einem Messti, nn I
die hekanntesten ^''^J^sten Messtis. weh lie für la- Hanauerland
in Betracht kommen, sind der Zaherner, Buch»weiier, Pfatlen«
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böfer, Brumatber, in erster Linie aber der Hocbfeider Messti.
Dieser yeniessl bei den jungen Leuten eine solche Beliebtbeit,
dass sich beispielsweise Dienslboten beim AntriU ihrer Stelle
oft ausbedingen, dass sie ain Hochfelder Messti'^MontaK frei
Imben. Die Dorfmesslis koniuion t.-uitfSHm ah, und in vielen
Hanauerdüi'fern wurde seit Menschengedenken kein Messt i
mehr a hingehalten.
Gehl der Bursche nach detn Tnir/ spaziei en, fusst ei* seine
Ijehj5te oder Tänzerin hei der linken Hand und schaukelt damit
leicht hin und her. Istda.'^ Verhältnis riiniger, :<o umschlin^M er sie,
süjrar um hellen Tag, um die Taille. Anslössij^es wird hierin
uicht erblickt, blr bescheukt sie der Sitte gemäss mit Süs^igkeiten,
wobei er nie versäumt binsuiusetzen : «dass de siesser iQisch»»
(damit du sQsser dreinschaust). Das gebräuchlichste Naschwerk
ist die cPappeljut» (frz. papiilote), eine handgrosse Tafel Gersten-
zucker. Noch beliebter sind die Lebkuchen , wovon in der Regel
ein Dutzend geschenkt wird. Auch Lebkuchen in Her/forni,
worauf ein gedruckter Liel>esspruch aufgeklebt ist, sind der
Jungfrau willkommen und in ihrer stummen Symbolik leicht
verständlich. Sfissigkeiten sind überhaupt das einzipre, \\ i< der
Bursche seinem Lieh schenkt. Aus«ierdem hält er sie \n K>sen
und Trinken frei. Wirklich ernste Geschenke sind ;>elteti und
werden hluss Vdii reiclien liurschen gegeben, z. R. ein seidenes
Fuulard. Da» Mädchen hingegen schenkt ihreai Liehliaher bloss
Blumenstrüusschen. Von diesen Liebesgeschenken sind wohl zu
unterscheiden die eigentlichen Braul-und Hoclizeitsgeschenke.
Ist nun der Tanz zu Ende, so mut» der Bursche seine
Tänzerin heimföhren. Wenn die beiderseitigen Dörfer weit
auseinanderliegen, ist er auf diese Weise oft genötigt, Stunden
lang in der Nacht herumzugehen. Dieses «cHeimfflhren» gehört
zu den dunkeln Kapiteln unseres Volkslebens, sowohl was die
Moral anhelangt, als auch wegen der nur allzuoft in der Eifer-
sucht l)egangenen Baufereien, denen schon manches blühende
Leben tmiw Opfer fiel.
Dorh kommen ww ;(nf un^er Liel»espaar zurück. Wenn
auch die Kitern <ler jungeo Lenle, Melleichl .scimii lange, im
Prinzip mit der Heirat einverstanden Mud, so gehl die Sache
doch nicht so einfach zu, und es «kostet Hitzej», bis die Par«
leien einig sind. Die Festsetzung der Mitgift ist ein schweres
Stfick Arbeit. Wieviel winl da hin und her geredet, gehandelt,
disputiert ! Kein Vater möchte, dass von der anderen Seite
weniger mitgebracht wird, als sein Kind bekommt. Jeder Acker,
je<les Stück Vieh, jeder Ohm Wein, jede^ Stfu k «ier Aussteuer
wird der Reihe nach erwogen und abgeschätzt. Der eine Vater
kann es nicht verwinden, dass er mit 4 Kosjsen fährt, während
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— m -
der zukünftige cGei$enschwäher)» dereo nur 3 hat, der andere
aber findet es unbillig, dass er seiner Tochter 16 Acker mit*
geben soll, wo doch ihr Verlobter Moss 15 mitbekommt« Die
eint' Mutier hätte gern einen noch reictieren, nocli hräveren
und nocb schöneren Tochtermnnn. hinj^e^en mik^hte Hie andere
Mutter eine noch reichere, hrävere und schönere SolinsIVan in
ihr Hans einziehen sehen. Atirh <ite körperlichen und ■^[eisti^en
Fehler der jungen Leute werden \un der nndern Seile mit t yni-
schej- rnhHrnihei'zii4i\eit erwäliiil und bei der l estselzun;^ <lei
Mitjiiil herücksichfij^t. So wiid tüchtig •jeschrien, j;esch\vit/f,
auch wohl von anderen Leuten «Kaljes» (Versuch der Slöi uu^) ■
gemacht, bis endlich ein leidliches Einvernehmen enielt ist.
Jeder Bauer wQrde seiner Wörde etwas vergeben zu haben
glauben, wenn er nicht auf seinen Forderungen bestünde.
Sellen geschieht es, dass beide Parteien wirklich und auf-
richtig' <ianz zufrieden sind, und sogar di^enigen häufigen
Fälle, in denen n dem Verhfdtnis und zwar meistens mit
Ahsicht «ler heideii Beteiligten bereits Folgen entstanden sind,
vermögen oft nicht, die Unterhandlungen m hcchleunigen.
(iar oft gesi liielit e«, dass sich noch im letzten Auj^enblick an
dem Starrsinn der einen Seite alle^ zerschlägt, nml dass die
liotlnungsvolle Braut eine unglückliche Gelallene wiid. Uebrigens
gdl das vorzeitige Unterhalten inniger Beziehungen beim Bauern
keineswegs als unsittlich. Wenn sich unangenehme Folgen ein-
gestellt haben, ptlegt er scherzhaft zu sagen : die Jungen Leute
haben eben zu spät geheiratet. Hingegen ist es etwas AlUäg-
Hches, dass noch nach langen Jahren bei ehelichen Zwistigkeiten
das oder jenes «rgerichelt», hervorgehoben wird, was von der
einen Seite mehi*, von der anderen weniger <nnitgehracht)» wurde.
Wenn nun alle Abmachungen glücklich gediehen sind,
wird imvoi^züglich zur Aufstellung des nofariellen Akt»; ge-
schritten. Diese Verrichtung winl in m.inchen Oi t<t liafien
\erschreihung, in andeien Handstreich genannt. Sie vvnnle IViiher
auf dem Dorf gehulten, und zwar wenn das Brautpaar in ver-
schiedenen Dörfern wohnte, in demjenigen, wo die Hochzeit
nicht stattfinden sollte. Schon früh am Morgen rückte der
cNotariüs» mit seinem Schreil)er an, um die cEhbreitung» zu
machen. Unter «Ehbreitung» (von demalten reiten rechnen)
ist der geschriebene Ehekontrakt zu verstehen. Doch sprechen
wir der Einfachlieii halber im Präsens.
Nachdem di)> « Klibreitung» aufge-^etzt ist, wird sie von den
Beteiligten unterschrieben. Wenn die Reibe an die Braut kommt,
ist diese zum Schrecken des Bräutigams versrhwimden und
halt sich irgendwo im Hause ver-horgen Man ^elif anf die
Suche, zieht sie aus ihiem Versteck tiervor, damit sie unter-
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— im —
schreibt. Aber sie will es absolut nicht thun, und der Bräutigam
muss sie mit ^uten Worten un<i Versprechungen, auch wohl
durch ein niit^ehrachles Gosi henk «uler l>are.< Geld überred6n.
Nach \ieleni Sträuben entschiiessi sie sich endlich zu unter-
schreüjen.
Nun L'«"fit ('< ,ni >lt«' 'la'-fer«'), \vi>/,ii ilie iranze FreunW-rhaff »,
viele L)<'i'ii>!"v\Nhiifr uii'i >fll.-t\.,Tstan(ili( li :iiii h der Notai' iiiil
seinem Srhit-il i'i i-iii^ela«leii tben .scliukl man sic-ji an,
Platz zu iiL'iiiat'ii, da ertönt dianssen in» Hol" ein Pisloleiisehnss.
Herein Iritl im Sonutaj;.sj>utz ein jun^jer Bursclie, yewolmlit Ii
der zukilnflige Brautführer, manchmal mit noch einem DuriK:hen.
Er trätet in der einen Hand eine Flasche edeln Weins, in der
andern einen Strauss aus künstlichen Blumen. Dieser ist das
Geschenk der ledit^en Dorfburschen und wird von ihrem Dele-
girten der Braut etwa mit tollenden i kurzen Glück wun^th
überreicht : cJetz wfini^ch ich m Hochzifer un der Jumjdei-
lloclizileren au viel Glück in den Klistand ; un do seil ich euch
deneSlrüss Presänt mache.)) Man dankt, hewundert den scliönetj
Stiaus- und heirist jenen, ^u h an »Mn'^M Platz setzen, der lioieits
vorher r- -er\iert war. Ki li- nkt li u Nachharn au> >einer
Weinllasi he ein, um n i. Ii kuivcm A iit. nlhalt mit Irisch yt^tülller
Flas( he sich wieder in entfernen, im Hot' ertönt ahermals ein
Schuss, und der Bursche verschwindet. Als Belohnung für die
lihrenbezeiigunt^ wird von dem Brautpaar ein iTrumbotte» ge-
spendet.
Was ist der Trumbotte? Was zunächst die Etymologie
des W'Ortes anbelangt, so scheint es passend, dieselbe erst am
Schlüsse diesei .Ausführunjj'en zu erörtern. Der Trumbotte ist
eine Spende von Wein, ein altei- Hrauch, welcher seit Menschen-
gedenken im Hanauerland ^enbt wird. Va- wird der Gesammllieit
der ledi^f'fi fUnschen, ferner den jun;j;en Mannern tin 1 tli ii
verlieh aU-'ten Weihern ;;e^'^ei>en, und zwai' bekommen beid. ii
ersl;,'enannten Kate^^orien je ein «rStändU, eine Stütze voll, ilie
Weiber enien Limer voll, .\riiu l.eule holen sich luai.» hiual
einen Rru^' voll davon. Der Wein wird in der Re^iei von
den Burschen im Wtrishaus gemeinschaß lieh genossen, und
zwar in demjenigen, wohin nachher die Festgesellschafl zum
Tanz kommt. Es bietet sich dann neue Gelegenheil zur Lust^
barkeit. Die Männer und die Weüjer nehmen den Trunk stets
in einem Privatliaus, erstere auch wohl im Freien auf dem
Boden ein. Wo kein Wirtshaus besteht, Ihun die Burschen
dasselbe. Aber selten ^renügl die eiwähnte Menge Weins. Die
/•'i li^enossen wissen, dass der Dauer einen Stolz darein setzt,
dii' \*»M'schreibMn;j' mit inÖLrüf'ist yi-os-em Pmitp an-/ii<f:itt''n,
und der Dauer wurde es als nicht slaudesiientass ansehen, wenn
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— m —
er der Bitte um eine weitere Stütze Weins nicht entspräche.
So kommt es, dass zwei, drei und noch mehr Stützen im Fest-
hause geholt und getruniien werden, und sogar die Weiher
genieren sich nicht, einen weileren Kübel voll Wein zu ver-
langen. Bei solchen Anlä^üen, die nicht selten zum Schluss das
Gepi ii^»' wusler Gelage annehmen, geht es rcdit Imnl, jn toll zu,
und hesuinlers die Weiber, welche an den uberinassi^en Wein-
genuss nicht gewöhnt sind, geraten ganz aussei Rand und
Band, so dass oft der schamloseste Unfug getrieben wird. Das
Tollste ist aber, dass man die Gelegenheit 2ur Erschwingung
eines Trumbotte möglichst oft herbeizuführen sucht, ja in
manchen Ortschaften wird von den Burschen in dieser Beziehung
eine wahre Tyrannei geübt. Es würde zu weit führen» die ein-
zelnen Dörfer hier hei Namen zu nennen, und es sei rühmend
hervorgehoben, dass in der Hegel bei diesen Auswüchsen nur
die ledigen Burschen, auch wohl vereinzelt leichtsinnige Männer
bpt.Mlii^t sind. Solche Gelegenheiten sind das Abfidiren und das
Zutühron der Aussteuer, ferner Hochzeiten von Dorfgenossen
jüdischer Religion, solchen aus dem Herrenstande u. s. w.
Weiterhin wird ;im Hoclizeitstag«- seihst alieniials ein Tjum-
liutte veiiau;;t und gegeben. Jedoch bestehen in allen diesen
Dingen örtliche Abweichungen, so dass beispielsweise in etlichen
Dörfern bloss am Tage der Verschreibung, in andere nur am
Hochzeitstage ein Trumbotte stattfindet, selbst wenn beide Braut-
leute aus dem nämlichen Dorfe stammen. In andern Dörfern
wird bei der Verschreibung Geld (s. u.), bei der Hochzeit Wein
gespendet, wieder in andern wird ein Trumbotte bloss dann ge-
geben, wenn ein fremder Bursche hineinheiratet. Am häuligsten
kommt es vor, dn<ts an beiden Tagen ein Trumbotte «jG^^eben
wird, seltener heiin Handstreich ein ^^rösjserer und bei dei-
Hochzeit ein kleinerer und noch sellener bloss am Verniähl-
iingstage. Die unerlass liehe Bedingung zur Spende eiue.<* Trum-
botte ist aber überall jedesmal das Schiessen und der Slrauss.
Es sei nachmals betont, dass diese ganze Beschreibung des
Trumbotte ältere Zeiten betrifft. Die Sitte der Trumbotte ist in
Folge verschiedener Umstände ihres idealen Anstrichs entblösst
worden, so dass sich bei weitem in den meisten Ortschallen
der Trumbotte auf die Spende eine< Freitrunks im W^irtshaus
beschränkt, woran in der Regel bloss die Burschen teilnehmen.
Die sinnige Ueberreichung eines Strausses kommt leider all-
mählich nh. Entweder wird dein Vertreter der Gesammtheit
der Bur-^ch.M! »»itie Geldsumme ein^^elifuuli;,'!, oder '^ie wird einem
mier melu eren Wirten gegeben, oder es wird im Wirtshaus eine
liesünimle Men^'e Wein und Bier gutpeheis^cn, odei es werden
endlich geistige Gelranke nach Beheben verschenkt. Vorsichtige
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Hochzeiter pflei^en auch wdhl Gutscheine f^i Bons») auszustellen.
Auch Essen wird manrlimal verahreicht, z. B. ein oder melirere
L.iih Weisshrol ans «H(»llinelil und Bierhah)», den W'eil)€rn
lll^s\vellen ein Kuchen, utlei- jt^ler Person ein Paar Knack-
würste. l)ie)5e Art der Ernietiiipun'^r des Tniiiiliotte liiulet na-
türhch i»ei den Wirten ungeteilten Beit'ull. Denn sie verdienen
nicht nur an den verabreichten Getränkeik ein s«cii5nes StOck
Gekl, sondern sie venapfeu, wie leicht erklSriich, noch fiber
die fejttf^tzte Men^ hinaus, dann aJlerdings auf' Kosten der
Zecher. Ist aber keine genaue Kontrolle da, so wird an alle
möglichen Leute, die ja bei solchen Gelegenheiten nie fehlen»
zu trinken gegeben» damit nur möglichst bald aus der Tasche
der angetrunkenen und daher freigebigen Kneipgenossen be-
zahlt wirft, fn es ist sofrar schon da^^ewesen, dass der Wirt
aus Hab-^Hclif den Bursrhen einen Teil dei vernhredelen Men^e
vorenthielt und das Geld einfach in die Tasche steckte. So j.sf
es denn ;»ekoinnien, dass liic |nti-i le Generation das Wort
Truinbotte allgemein im Sinn vuji « 1 1 mk^^eld» oder cFreitrunk
bei Hochzeiten» autfasst, ja der Begriff wird sogar für andere
Gelegenheiten angewandt, z. B. den Frdtronk bei Versteigerungen,
Wahlen, Vereinsfestlichkeiten u. s. w. Interessant ist folgende
AufTaifSung tiber den Zweck jdes Trumhotte« der man vielfach
begegnet: Der Hochzeiter ^ gibt ihn den Burschen, damit er
von ihnen kommt, den Minnern, damit er zu ihnen
kommt.
Die ideale Seite des Trundiolle scheint mir noch am mei'«ten,
wenn auch nicht ganz, in den Dörfern des ehemaljfren hanan-
ischen Amts Westhofen und Umfreprend erhalten zu sein.
Abweichend von anderen Dörfern ersciieinen bei der Hochzeit
mehrere Burs^chen, und zwar jeweils die Militärpflichtigen des
betreffenden Jahrgangs, in Balbronn saj^en gewöhnlich 3 der-
selben Spruche, indem sie auf einem Teller einen Blumenstrauss
überreichen. Folgendes sind die Q blichen Sprüche, welche ich
der Liebenswürdigkeit des Herrn Pforrers Kiefer verdanke.
Der erste spricht :
Oer ichi^ita Tag der ist ersebiantn
Dir, Brftntigam, dur, holde Braut,
Da ihr auf a^g dflsll hieniden
Als werte Gatten sein getraut.
Das scliönste Loos das ist erscbientn,
Es sturt euch ja keiu Ungemach,
Der Himmel dffnet sich in Ihnen
Und stets blüht Qlftek anf jeden Tag.
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Der zweite spricht:
So Itlit vergnügt, gleich EngelHohaifn,
Lebt jeden Tag gesund nnd froh, '
Dann feiert ihr nach fünfzig Jabien
Die goldne Hochzeit ebenao.
Der dritte sprichf:
Euer Glück haben wir mit Blamea gebuodeo.
Nie sollt ihr miverzaget sein.
Ja wir baben ea selbst gebunden
Mit allem Glflek nnd Segen drein.
Hieiaut erfül^'t ;,'egenseitijfer HfMiHedruck und eine kurze
llewirlunj^' mit Wein. Nachher cinjitan^^pn Hie liuischen dais
Geld, d. h. <len Tiuiiil»oUo, welcher nn Wirtbiiaus; verzeehl
wird, im Allgemeinen ist der Tiumholte heulzutaj^^e eine kosl-
<*pielige Geschichte. Unter 20 Mark ^eht ea wohl nie ab, oft
kommt er aber auch auf 100 Mark and noeh teurer zu stehen.
Nach diesen ausfohrKcben Auseinandersetzungen wird es
leichter sein, sich über die Etymologie des Worts kUr zu
werden. Die erste ^Ibe tTrum» ist ohne Weiteres als = «Trunk»
erkennbar. Schwieriger ist «hotte» zu deuten. Im Volksbewusst-
sein steckt kein annehmbarer Sinn. Ich habe mich in allen
Teilen des alten Hanauerlands darüber erkundigt und erhielt
riiMi<!fns den Bescheid : es ist hall so ein Wort ! Nicht einmal
dei Mnn von Trum = Trunk wurde enipluuden, was um so
vt'i stiindlicher ist, als das Wort «Trunk » im Dialekt nicht vor-
lioMimt ! Von einer Seite l»ekant ich die Krkläruntr: Trunk aul
dem ikKien, nämlich im Freien. Von einer andern : Ti unk auf
einem Boden, d. h. Trunk in einem Privatzimmer. Vielfach
wurde cbotte» zusammengebracht mit i Bote», weil die Burschen
gewissermassen den Tnmk als Bolen holen. Dem widerspricht
aber direkt der Sprachgebrauch. Denn einmal heisst der Bote
«Boti» und nicht «Botle»^ und dann wird das Wort niemals in
Bezug auf die betreffenden Burschen gebraucht, sondern stets auf
die ganze Einrichtung bezogen. Man sagt daher nicht : die
Trunkboten sind f;ekommen, sondern : den Trunkhotte holen,
den Trunkhotte vertrinke, einen Trunkliotln i^eiien u. s. w.
Nur in Olfweilei hestehen neben diesem Sprachgehrauch
ntich «Die Tnuikliote», womit eine Art Todtengraber Ijezeichnet
werden. Doch darül>er ein ander Mal ! Schon plausibler wäre
es, an «bieten» in hd. aenlbieten» zu denken. In der Dialekt-
sprache ist das Wort im Sinne von «auiTordem» gebriuchlich.
Man sagt beispielsweise: Der Gemeindediener bietet die Ge-
meinderatsmitglieder zur Ratssitzung, der Strassenwart bietet
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einen Mann zum Fiohntlienst u. älinl. Jn d^^i ! ittoralur habe
ich ein«' Frklarung^ dp< Worts nicht gel'unden. Auch in niohterea
Hanau»'! Pt'ari- und (rt'jneinfieni'fhivon habe ich e> nicht ge-
funden, obwohl ich ^eiaile diejeiiiüeu Akten flaiaulhin yeprütt
habe, wo es am ersten stehen iDÜssle, iiänilicli die i'resbyterial-
protokolle des vorigen Jahrhunderts. In Lothringen, der Pialz,
Batlen und der Schweiz ist die Sitte des Tninkbotle nicht be-
kannt. Wie weit sie nach dem Ober-Elsass hin vorkommt,
entzieht sich meiner Kenntnis. Im Unler-Elsass trifft man
sie im Kreise Weissenburg nicht mehr. Auch von Weinburg
ab nach Norden ist sie unbekannt.
Ich wäre geneigl, das Wort «B otic» mit «Bottich« zu-
sammenzubringen. Dies würde nach der oben gegebenen
SehiMei ung des Trumbotte als einer Spende von Wein in natura
und in Holz^'etTissen den Ihat^ächlirhen Verhältnissen am näehsten
kommen. Die Ausdrücke «den Tiinnhotte holen» und «einen
Trunihoile gei)en» wären auf Uie>e Weise auf die Weinspende
und tnf die jetzt meistenteils übhche Geldgabe anwendbar,
und auch der Ausdruck «den Trumbotte vertrinken» hätte
nach der Cntwickelung der Silte nichts Befremdendes. Alter
aucli hier ist wieder ein Haken. Das Wort Bottich ist nämlich
im hanauer Dialekt gleichfalls unbekannt. Vielleicht vermögen
urkundliche Belege oder der Sprachgebrauch anderer Gegenden
unser «Trumbotte« besser zu erkl un.
Nach tier Verschreibung sieht »ler Bauer die beiden jungen
Leute als verheiratet an. Sie leben durchaus in ehelicher Weise
zusammen, und niemand nimmt daran .\ergernts. Die-^e ver-
kehrte Anschaunn;^ veilierl ertreulicher Wei^e mit jedem Jahr
an Vertretern, (iotlloh, denn schofj man( he Braut wurde dadurch
und UüU alledem ins tlngha k ^^estürzl.
Alsbald schickt man sich nun zu den Vorbereitungen für
die Hochzeit an, welche am zukilnfligen Wohnsilz des Ehepaar»
stattfindet. Die Einladungen werden auf zweierlei Weise Im-
werkstelligt. Die häufigste ist die, dass Bräutigam und Braut
zusammen die Gäste einladen. Solche Reisen werden stets an
Sonntagen gemacht, wo jedermann sicher daheim anzutrelTen
ist. Seltener, aber früher allein üblich, ist die Einladung der
Gäste «Inrch den Bnutigam und den zukünfti^^e:» Brautführer.
Beide erscheinen zu Pferd, in flottem Trab, mit lautem Huf-
schla^'. Die Tiere sind s.uihei' p»]>tifzt, mit schönem Ge^i'hirr
aus;,'estaliH{ und, -lei( h den Beitern, mit Bändern und Bhiioen
geschmückt. Vor jedem Han-«, w»^ ein^^daden wird, künden die
beiden ihre Ankunft durch je einen i'i?5tt.tlen>Lhuss au. iJies
geschieht auch der Renomma^e halber auf '.(fener Strasse. Die
Nachbar.sleule gucken aus den Fenstern, und die Dorf^chönen
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blicken verstohlen nach den beiden ^jtraninien Burschen. Die
Hocbieiterin wird im Süllen um ihren Geliebten beneidet, und
ob der Brautführer wohl noch tedig sein mag? In der Stube
angekommen, werden die beiden mit ausgesuchter Fi'euadHchkeit
empfongen. Der Bauer holt sogleich ein Krugel vom Besten
herauf, um! nirht selten wird rasch eine Platte voll cGebrat*s»
oder «Ripple» und Bratwurst zubereitet. Doch ohe man «ransitzt»,
sajrt der Braut l'ührei" : «Ja, dis Ding isch iiit eso!» und >ipricht
in m?i^'lichst reinem Hochdeutsch einen Ladungsspruch mit
ungetahr folgendem Wortlaut :
Hier konuntn wir in Gottes Namen,
Ench freundlich, laden allzasainmen
Am Dienstag 7u '1cm Hochzeitsiiiahl
Mit aller werten Freunde Zahl.
Doch eratlich werdet Ihr gebeten,
Ins Gotteshans mit ehuatreten
Ond dort an heü'ger Stfttt' und Ort
Zu hören das heiVge Gotteswort;
Zunächst für diese Ebelent zn bitten,
Gott möge sie reichlich überschütten
Mit seinem Segen, Gnaü uud Geist,
Damit ihr Ehestand glücklich heisst;
Sodann zugleich mit anznschaueni
Wie sich die jungen Eheleuf lassen tränen,
Diid flftbei treue Zeugen sein.
Auf dass ihr Ehestand sei keusch und rein.
Und wenn dies Alles ist geschehn,
Nach Gottes Segen forhragehn
Aus der Kirche ins Hochseitshans,
Wo Alles heirlich stehet aus;
Jedoch znvor und nach dem EsscTt
Die Dankbarkeit auch nicht vergessen,
Damit ein jeder lilirlidi sieht,
Dass alles ordentlich zageht
So wird die Hochaeit wohl vollbracht.
Und endlich wird auch Dank gesagt. Amenl
Der Geladene dankt fAr die schöne Einladung und wünscht
dem Brftuligam GlOck in den Ehestand. Dann setzen sich alle
an den Tisch nnd sprechen den vorgesetzten Getrftniien und
Speisen wacker tu. Besonders bekommt der Braut ffihrer tüchtig
eingeschenkt, denn von seiner lan^^en Rede hat er einen gani
troc kenen Mund I >« > k <> 1 1 1 m o n . A he r ha Id Stehen die beiden wieder
auf, denn sie haben heute noch viel zu reiten und zu schiessen
und zu reden und zu trinken, und sif müssen sich hfeilen,
soii.st werden sie nicht mehr fertig. Dem Gastgeber wird gedankt
für die freundliche Aufwaitung, dann werden die Pistolen von
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Neuem geladen und mit dem Wunsche : cAlle, jelz können er
mache, daes er am Zisti um d^halwer elfen all do sinn, denn
um d*elfe geht's los» — verlassen die Hochxeitslader das Haus^
schwingen sich auf die ungeduldigen Pferde und galoppieren
von (lannen. Diese ideal schöne, an das Ritterliche {grenzende
Art der üochzeitsladung ist, wie ;?esa}^l, leider im Abjjtanjj^ be-
i^q-ilTen, wozu nicht am wenigsten die Straliälligkeit des Schiessens
beigetrnjij'en haben mag.
Die Aussicht auf eine ^Tosse Hochzeii ist immer ein Ki'
eitfnis, welches in weiter Unij^eg^nd die Bevulkei nng in Auiregung
halt. Nameiilhch .sind die jun>,'en Leute daraut gespannt, ob
die oder jene, dei' oder jener ^^eladen wird. Die Einladunjj^ ^ilt
nicht nur als eine grosse £bi'e, aljer es wird auch manchem
Burschen und manchem Mädchen Gel^enheil g^ben, mit dem
Herzen seiner Wahl zusammenzutreffen. Eine Uebergebung oder
ein Versehen war Nchon mehr als einmal der Anlass zu einer
Todfeindschaft. — Die Einladun^^ von Herrenleuten ertolj^t ge-
meiniglich nicht in der eben beschriebenen umständlichen Weise«
sie wird Ott durch eine dritte Person besorjjrl.
Geraume Zeit vor dem Hochzeit stajje wird die Aussteuer,
oder, wie es auf dem Land heisst, die Hau<<l*Miet (anleimend
an Hausrat) der einen Partei nach dem ziikuntiiiieii \VMhn>itz
des jungen Paars überj^etührt. Auf mehreren Wagen werden die
Hau$haltungsge]^enstünde nach dem neuen Heiin gebraclit. Die
feurigen Rosse und die Fahrer sind mit Bändern und Blumen
ausgestattet. Unter den Fahrern befindet sich auf dem ersten
Wagen der Hochzeiter mit der «Nächsten». Aul' den Wagen
sind untergebracht : das Hochzeitshett, vollständig ausgestattet
und mit dem besten Linnen frisch fiberzogen, sodann das
Brauträdel, mit Hanf behangen, mit Bändern reich geschmückt^
an der Spitze eine grosse Schleife und ein künstlicher Strauss;
weiterhin der Srhi'ank und die Trnhe, beide mif ko«;t})arem
Leinen, nut «zu^en.ditein Cietnch" ^^-iTiIlt ; ferner Kul»el und
Wisch, und endlich die — Kinderwie^^e. In tiemden Döi fern wird
«lielUdrautlos gefahren, mit laulem und wohl 10 Mal hin und her
wiederholtem Peitschenknall, dem sogenannten «zehnten Streich»«
oft in rasendem Galopp. Aber die Durchfahrt ist manebmal
nicht so leicht. Die Burschen des Dorfes haben die Sache er-
fohren, sie halten die fremden Wagen an und lassen sie nicht
eher los, bis sie ein ordentliches Lösegeld erhalten haben. Wird
ihnen dieses vom Bräutigam verweigert, so spannen sie ohne
Weiteres die Pferde aus, bis ihre Forderung erffdit ist. Da ein
solches Freikaufen mehrere Mark kostet, so ziehen es die Fuhr-
leute oft vor, auf Umwegen durch andere Dörfer zu fahr- n,
wo ihre Durchfahrt gewöhnlich nicht erwartet und daher zu
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spät bemerkt wird. Doch kam es auch schon vor, dass sie dort
hereinfielexi.
Wenn das Verhältnis von dem Publikum noch för keuach
{{ehalten wird, so gehen um Tage vordem Hochzeilstage Bräu*
tigam und Braut in das Pfarrhaus. Der Herr Pfarrer redet
ihnen ins Gewissen und fragt sie frei heraus, ob er sie auch
in Khivn zti'^ammenfifehen kann. Dann erteilt er ihnen väter-
lii.Iie ll.ilsi lilage und ermahnt sie, die letzten Stunden vor dem
wichti^^en Gt\w^ noch in christlicher Zucht zu/.uhrin^^on.
Fnillich ist derjrrosse Taj? ^^ekommen. (lowoluilich finden »lifi
Hochzeiten am Dienstag, in neuester Zeit we^en des Lehiers
und der schulpflichtigen Kinder meistens am Donnerstag statt. Es
steckt hinter diesem Brauch ein bischen Aberglauben. Die beiden
erwähnten Tage gelten als günstig, während der Freitag und
der Mittwoch als unglöckbringend angesehen werden. Vom
Mittwoch sagt der Hanauer scherzweise, es sei überhaupt kein
Tag. Diese Anschauung gilt aber bloss für den Vermählungstag
selber, denn oft dauern die Festlichkeiten die ganze Woche
hindurch.
Die aiivwnrtii^en Gäste rücken allmälilich ;«n. Wenn es nicht
ganz giin>~tige*, heileres Wetter ist, hrin^^t jeder Gast ausser
dem unvermeidlichen Hlumensäckchen einen giossen Regenschirm
mit. Die Brautstncke (Hochzeitsgesclienke) werden sogleich ab-
gegeben, es sind lauter nützliche Sachen, meistens Geschirr.
Vor mehreren Jahren war es üblich, am zweiten Tage eine mit
Wein gefüllte Zinnkanne zu schenken. Von hervorragender Be-
deutung ist das Brauträdel, worüber auf die Beschreibung einer
Mietesheimer Hochzeit im letzten Jahrbuch, Seite 187, ver-
wiesen sei. Dann wird den Fremden einstweilen ein Glas
VVein aufgetragen. Nm hnj^sam stellen sich die Auswäiiigen
ein, und die H.msmutter hat alle Mühe, bei der vielen Arbeit
den Moment abzupussen, wo alle dn «ind Denn auf dem Dorf
kommt es auf eine halbe Stunde nicht au, auch zeigen die ein-
zelnen Dortulnen vfisehieden an. Wie<leibüH fragt sie z. B. :
«<Sin dann d'Pnaziier noch i»it tlo? Sin d'Kinvvillei jetz do?»
— «Sin er jelz all do ? — Sauye's jetz im Hei r Pfarre, er
kann Ute Ion, « sin all do h
Aber schon beim zweiten Zeichen haben Braulfnbrer und
Brautjungfer sich ins Pfarrhaus, oder, wenn der Pfarrer nicht
im Dorf ansässig ist, ins Schulbaus begeben, um dem Herrn
Pfarrer die Brautsuppe zu bringen. Vor dem Haus wird ein
Pistolenschuss losgelassen. Eine grosse Schüssel mit vnr/ü^ilicher
Fleischsuppe und einem grossen Stück Fleisch nel>-t Laib
lirot wird ihm in einem Korb, mit einem Korbtüchel zuiiederkt,
von der Brautjungfer, eine Flasche Wein vom Bräutigam über-
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reicht. Dies geschieht« wie der Bauer scherzhaft meint, damit
der Herr Pfarrer nachher in der Kirche besser cpnpple» Icann.
In manchen Dörfern ist die Brautsuppe ungebräuchlich, dagegen
erhält der Pfarrer ein feines Taschentuch mit einem Rosmarin-
stenjiel.
Nun läulet es zur Kircli»'. .ledtT Hochzeitsj:asl hat von der
Brniitjirnfrfer einen Hosmari n'=^tt'ri'^'^c| erhalh'ii, nmi uian s( im kl
sich an, die Aufsteliunp' vor/uiK luiieii. Nach vieleu UiasUtiKien
gelinj^l dies, und der Zuij geht lauj^saui zui Kirche, an deren
Ein^an^ eine Person aus dem Hochzeitshause steht, um die
Gftste SU zählen. Denn es ist Ehrenpflicht eines jeden Geladenen,
auch mit in die Kirche zu gehen, und so bat die Köchin einen
genauen Anhaltspunkt zur Feststellung der Teilnehmeriahl. Am
Eingang; der Tliüre sleht*n aber noch, falls kein Gendarm «um
den Weg» ist^ in Reih' und Glied eine Anzahl Burschen mit
geladeneu Gewehren und Pistolen, welche sie der Reihe nach
in die Lull ahschiessen. Früher führten auch dif Burschen
i m Hüchzeits'/u^ ein jeder ein»»n Sac kpufler bei sich, und die
Burschen m Imbsen zum Scherz einlach ajit einander los ! Oft
{Tab es aut liie^e Wei.^e Unglücksfalle. Vor Zeiten war e> auch
gebräuchlich, im Moment des lUngwecbsels einen Schuss in das
Innere der Kirche abzufeuom, so dass die Braut manchmal vor
Schreck den Ring fallen liess. Im Zuge gebt der Hochzeiter
voraus. Er fahrt am Arm die Braa^ungfer, auch Brautmidchen,
Traueljungfer, Trauermfidchen , öchmolljungfer, Schmollerin
oder Nächste, je nach dem Orisgehrauch, genannt. Sie ist eine
Freundin der Hochzeilerin, wie der BrautfQbrer ein Freund des
Hochz. iters i-t. Auch K'bt es Dörfer, wo zwei Braut.jun^,'fern
gebräuchlich sind, jedoch wird immer bloss die eine die «Nächste»
frennnnt, nämlich die am nächsten mit dor Braut verwandte.
In diesem Fall führl dann der Hochzeit»'! an jt.'iloui .\tfit eine
Hrautjunjrfer. Hinler ihnen kommt zuna( list dci Brautliihrpr
mit de» iiüchzeiterin. Die übrigen Gäste folgen paarweise Ann
in Arm, oder seltener in breiter Reihe, nacli Geschlechtern
getrennt, die Männer zuerst.
Der Zug wird bisweilen beim Gang nach der Kirche und
oft noch auf dem VVe^ aus dem Crotteshaus von armen Kindern
angehalten, welche einen Strick quer ülier die Strasse spannen
und ein kleines Lösegeld verlangen, das sie auch erhalten.
Ist die TrauuniT vollzogen, so führt der Neuvermählte die
jun;:e Frau nm Arm, der Brautführer die eine oder-'beide
Brautjungfern. Früher ji^(l<»ch führte der Brautführer die junge
Frau aus dor Kirche heim und übergab sie eist im HiM lr/pits-
haus zögernd ihrem Manne gegen Entrichtung eine» Ge-
schenks.
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— 4U0
Nun werden noch voi dem Essen eine Reihe von FestUch-
keiteu veranstaltet, welche mehr als Volkshelu-^fi^un^«^ .mzitsohen
sind und sich in Folge des-^en einer jfros.seii Beliebtheit i>i>wuld
in den [leihen der Mitwirkenden, als auch unter den Uochzeits-
gästen erfreuen.
Da haben wir zunächst das «Goberite« — Gabenreiten, ein
Wettreiten der Barscbm um einen von der Mochieiterin ge-
stifteten Preis, eine «Golj». Die Burschen rücken chell», sauber
gekleidet, gestiefelt und gesport, jeder mit einer Reitpeitsche,
die Pferde und das Geschirr fein propper» vor dem Hochzeits-
hause an. Oft geschieht dies mit Trompelenschall. Das Reiten
sellisl eifol^i im Galopp, ^.owöhnlic!» auf der Landstiasse, in
der Hej^el nach einen« benachbarten Dorf mit Wendepunkt und
zurfick. Die«Goh» besteht in einer Peitsche, einem Zaum, einem
roten Brusttuch u. ;ilud. Ausserdem wird das Pferd des Siegers
mit bunten Bänileni ;ieschmückt.
Nach «lein Gal>enreiten findet dami ein «Gaiieiil.iufen» statt
und zwar in zwei Abteilunjj^en, zueisl die Bursclien, d ino die
Frauen und Jungfrauen. Die Entfernung beträi^t einige Hundert
Meter auf der Dor&trasse. Die cCrob» besteht für die Burschen
in einem Halstuch, einem Paar Handschuhen u. s* w., für die
Wettläuferinnen ist es ein Taschentuch, eine Bftndelkappe, ein
Foulard od. Shnl. Namentlich das Wettlaufen der Weiber und
Mädchen ruft ergötzliche Szenen hervor. Nfehr als eine fällt
über ihren eigenen Hock, aber manche entblödet sich auch
rdclif, diesen mehr oder weni^^er in die Höhe ZU heben, um
sicli (Ins Lauten zu erleichtern
Und damit auch die Buben nicht leer ausjjrehen. vviid tnr
>it' ein « ß;iunigratteln», ein Stan^enkletlern veranstaltet. Liu
holier Birkenslamm wird geschält und mit Seife eingerieben,
damit den Kletterern ihre Aufgabe recht schwer wird, und
vor dem Hochzeitshause fest eingerammt. Der Baum hat noch
seine Krone, an welcher die Prei-te aufgehängt sind, 2. B.
Hosenträger, Foulard, Handschuhe u. a. m. Der Sieger macht
gewöhnlich kurzen Prozess und -~ nimmt einfach alle Gegen-
stände mit. — Alle diese Volksbelustigungen kommen im
nördlichen Hanauerland nicht mehr vor, hingegen florieren sie
noch im Süden und insonderheit auch im benacilbarten Acker-
land, namentlich dns Gabenn iten.
Jetzt erst begibt sich die iliu hzeitspepellxlvitt zu Tisch.
X;iih Beendiij^uiig der latfltVeuden des ersten Tages, über
die bereits ausfidirlich berichlel wurde, be;:elien sali die Neu-
vermählten ins Hochzeiisgemach. Eine Hociizeitsreise isl unbe-
kannt. Aber das Eindringen in das Schlafgemach ist nicht so
einfach. Oft haben die Burschen es verschlossen und den
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Schlüssel niitgenommen oder sie haben die Thür von innen ver-
rammelt oder veinaj^elt. Nicht selten geschieht es, dass die vier
Stollen des Hochzeilsbettes nbjre^^rigt imd wieder «^'c^t hickt auf-
t?esetzt f.fler dass die Biftlcr- des Bettbodens ausgehoben siad.
Auch anderer Ulk schlüpfriger Art wird bisweilen verübt.
Es isl wohl aujjel)racht, hier einer alten Sitte zu j^edenken,
die schon im Juhre 1737 durch eine herrschaftlich hanauische
Verordnuuii öt^'^'e^ wurde. Diese hat folgenden Wortlaut :
c Wegen dem Schlafensingen bey Hochzeilteli. Demnach man
zuverlässig berichtet worden, wie dass in denen mehrsten Orthen
dieser Graffscbafft die Gewonbeit eingeschlichen, dass bey denen
jeweiligen Hochiettten des Abends von zusammen lauffenden
Töchtern, Mäfrden und Weiliern vor dem Hochzeit tshauss bald
geistliche Abendgesang bald unzüchtige Liedlein unter dem
Vorwand, dass sie der Brandt schlafensinjj^en wolten, abgesungen
und so fort die Nacht mehrentheil< niil Tanfzen und Schwermen
der Jungen zugebracht werde ini i dmm ein solches eine>;theils
zur Aergernuss Chrisllieh ^^eMMiitei Iremullier gereichet, anderen
Theiis aber die geistÜLhe Lieder dadurch missbrani lit und
profaniret worden, «las Nachtschwermen auch denL*n erjjangenen
und vielfältig erneuerten Ordnungen durchaus^} zuwieder ist,
derohalben auch als ein wieder die Erbarkeit und gute Christ-
liche Zucht lauffendes Unwessen nicht gestattet werden mag :
Alss wird denen samptlichen jungen Leuten und wer sich
sonst dergleichen gelösten lassen möchte, dasselbe hiemit nicht
nur bey willkührlicher Strafl* untersaget, sondern auch Eltern,
Meister und Frauen ernstlich dahin angewiessen, dass Sie die
Ihrige gäntzlicli davon abhalten und hingegen zu guter Zucht
und Erbarkeit, wie in diessen also auch in anderen Füllen n»il
behörigein Christlichem Eytler anweisen sollen. Wornarh sich
aUxi je<lermanni'^li(li zu achten hat. Üecretum in (ion^ilio
Buchsweyler, lü. AugUi>U 1737.» Aus dieser Verordnung ist
ersichtlich, dass die Sitte schon damals entartet war. Sie scheint
denn auch im Hanauischen untergegangen zu sein, wenigstens
habe ich nirgends davon Kunde erhalten können. Sehr interes-
sant war mir jedoch eine Mitteilung des kurzlich verstorbenen
SOjährigen Gemeindedieners Franz Napoleon Wendling aus
Bossendorf, einem Aruher zur Landvogtei Hagenau gehörigen
katholischen Dorf, weichet* in seinen Mannesjahren, d. h. vor
etwa 40 — 5() Jahren die Sitte des Schlafensingens noch mitan-
gesehen hat. Er schilderte sie ungetahr wie folgt. Am Abend
des H<Hhzeitsta'/es scharten sich vor d<Mii Hoehzeitshause
mehrere san^eskuudige Flauen und Juiigfraueu zusammen. Es
wurde gewartet, bis das Erlöschen der Lichter vermuten liess,
dass das neuvermählte Paar sich zur Ruhe begel)en hatte. Dann
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stellten sie sich unter dem Fenster des Brautgemach^ im Kreise
herum und liessen allerlei schöne Volkslieder in die Nacht
hinaus erklingen, von Treue, von verschmähter Liebe, vom
Ehestand und vom ehelichen Gh1ck. Aucii fromme Weisen
wurden vorgetragen, und man stellte sich vor, dass dem jun-^'en
Paare, welches unter dem Eindruck diesor -chönen Lieder
einschlief, auch Heil und Segen für «las spatetf Leben l>evor-
stand. Die Sangerinnen, meist der ärmeren Klasse aoj.'^chorig,
erliiellen am nächstfolgenden Morgen reichliche Beloiuiung für
das Standchen.
Heute wird im Hanauischen den Neuvermählten noch am
spaten Abend von der Musik, wenn eine solche zur Stelle ist,
eine cSerenade» gebracht.
Bei keiner Hochzeit kommen die Armen leer weg. Ge-
wöhnlich werden sie am Festtage selbst t r ; hlich mit Brot und
Fleisch beschenkt, und die «Arosen», da«» Uebriggebliel)ene,
stehen später gleichfalls zu ihrer Verfripfim-^'. Auch die Kinder
des ganzen Dorfes werden in manclien Ortschaften mit Brot
oder Wecken erfreut.
Es drängt mich, hier noch eines Vorkomumisses Krwähiiung
zu thun, welches zwar wahrscheinlich vereinzelt dastelit, aber
deshalb eine gewisse Bedeutung gewonnen hat, weil eine Be-
sehreibung vom forstlichen Hofapotheker König (1740-1811) zu
Buchsweiler im Druck verdCTentlicht und in vielen Exemplaren
an Freunde nnd Bekannte verteilt wurde. Ausserdem ist aber
die Begebenheit für die Gesinnung des alten hanauer Bauern
so charakteristisch, dass sie der Nachwelt wohl erhalten zu
werden verdient, zumal eine Beschreibung Königs nicht mehr
zu existitTcn sdieinf. Die Hochzeit der Urgrosseltern des jetzt
62jähri;icti Hi.r^^eririei^lors Srlififor von Is^(>nliauscn <lauerto. da-
iiialimMii Bi aucli ^'t'iaäss (um 1785), \'1ti f>it'iislag hi.s Samstag'. Am
Donner-Ia^'^ Vormitlag nfirli dem Fnili^tiuk zoyen der Hociizeiler
mit der Hochzeitei in, der llrautlührer mit den Trauerjungfrauen
und alle jungen Leute, welche bei der Hochzeit waren, hinaus
ins Feld, begleitet von den 4 Musikanten. Dort waren zwei
Pflüge bereit gehalten, und jeder war mit zwei Pferden bespannt.
Der Hochzeiter und der Brautführer mussten nun zusammen
das StAck pflügen, welches einen Acker gross war. Während
des Fahrens spielten die Musikanten auf, und alle jungen Leute
tanzten. Auch der Giossvalor der Braut tantto mit dieser und
legte noch eine weitere l*robe seiner Gelenkigkeit ab, indem er
von hinten einem Her Pferde vom Boden ans auf den Rücken
sprang. Nnrh ht^cmli^tt^f Ojieration zo;r dn' ^anze Gf»sellschaft
wieder mit klin;4cn<iciii bpiel zurück in lias stille Dort, wo ihrei
das Mittagsmahl harrte.
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Kb war mein Bemühen, (.<i';:('>elien\'on derzuletzl erwähnteo
fiegebenbeit) nur das zu schildLi d, was im alten Hanaueiinnd
auch wirklich allgemein gebräuchlich ist oder war. Wohl in
jedem Dorf ^nbl es loknio Eigentümlichkeiten, welche alter im
Grn«spn und Ganzen at\ dem i^^einallen Bilde nitdits Wesentliches
ändero dürtten. Auch ist mir sicherlich manches entgangen.
4. Ueber Blume nkullus.
Wenn man wfthrend der guten Jahreszeit durch ein Hanauer-
dorf gehl, flllt sofort in den Gärten, welche an der Strasse
4;elegen sind, die statllicbe Menge der verschiedenslen Bluinen
auf. Fast jedes Viertel ist mit Dlumen eingefasst, manche
kleinere Rabatten sind ganz mit solchen au^efäUt. Auch auf
<1en äusseren Fenstergesimsen, auf hölzernen, abnehmbaren
Vorstössen und festen eisernen Gestellen, welche ei^rens tu
diesem Zweck angebracht sind, pranpren an jedem Haus mehrere
ßlumentöpt»^, welche oft das Innere der Stuhe verdunkeln. Ks
gibt Geludle, bei denen die ganze, der Dortstrasse zugekehrte
Front au sämmtlichen Fenslern mit buntem Ülumenschmuck
ausgestattet ist. In manchen Gemeinden bildet der Kirchhof
geradezu einen Blumengarten, und ohne die Gewohnheit, Blumen
zu ziehen, wäre wohl mancher Verstorbene weit fräher vergessen
und seine Grabstatte vom Unkraut überwuchert. Auch im
Winter wird den Blumenstöcken eine rege Sorgfall zugewandt.
Besonders beliebt sind die grellfarbigen Blumen. Folgendes
sind diejenigen^ die im Hanauerland vorzugsweise gehalten
werden, jedoch soll die Liste keinen Anspruch auf Vollständig-
keit machen. (Die Blmnen sind im Plural p'enannt), Schnee-
glöckle, .Mäi7.el)lneme (Hyazinthe), Himmelssi Jdü.ssele (Scliiussel-
t)lume), Arikele (l^riiuel, i^i imula auricula), Morjestärne, Tidipa
(Tulpe, Tulipa Gesneriana), Sohn vor m Vatter (Leberblunm, so
genannt, weil die Bluten vor den Bl&ttem kommen), Vilofte
(Veilchen), Zirinke (Flieder, Syringa vulgaris), Jiljele (Lilie und
Schwertlilie), Wissjifjele (weisse Lilie), Rose, Balsaminle, Ritter-
spdmie, Lavkoje oder Schirofle (frz. girofl6), Reseda, Gähilotte
<Gelbveigelein, Goldlack), Goldrose (Todlenblume), Näjelblüeme
(Nelke), Graf^hlneme (Federnelke), Buschehlöeme (Barlnelke),
Pfingslnäjele (Nachtviole), Stinkeder Hoffarl (Sammtnelke), Ver-
gissmeinnichtle. Dreifaltigkeitle (Stiefinntterehen), Sonnehlüeme,
f lolzsrhiejie (Kisenhut), Bl iietsi i ü|)He (Adonisröschen), Grethl
binter der Heck (,luii;^ler itn Gniueii), Stan^^eiose (Rosenpappel),
spanisrhi Wiek (wohh iech^nde Wicke), Haiinekridle (Hahnen-
kamm), Kapezinerle (Kapuzinerkresse), Glockeblüeme (Glocken-
blume und Ackelei), gfülltt Gänsblilemle, Strohblüeme, Schnee-
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balle> Ilüseinilele (Löwenmaul), Asteie (Soinmerasler), Kaktus^
Ad.il.je oder Na<ialje (Georj^ine, Üahlia vaiiabilis), Sclieranjuin
f Pelarj^^imif', frz. ^vraniuni), Kathrinerösle (Wintci nsf«M-, atn Ka-
iIkü inonl.'i;: lilülieml) um! viele aiiHere. Manche liluairii haben
iuehi'«'io Naiii.'M, iiinl uiri'^ekelirt wird ilerselbe Namen in
versoliieileiieii JJuilern l'iu versi:liiedeue Pflanzen ;;ebraucht.
Die JSorjfe für den Blumengarten obliegt der Hausfrau und
den erwachsenen Töcbiern, welch letztere oft ein eigenes Äbieil
im «Gärtel» för ihre persönlichen Zwecke unterhalten. Die
filumen im Garten werden aber nicht allein als Garlc»nschmuck
gezogen, sondern auch vorsugsweise zur Verrertigung von
Sträussen, zur Zierde der Maien u. äiinl. So ist es denn
gekommen, dass <ler Plural von r<ßtume» im hanauer Dialekt
geradezu unjTebrauchlich ist und an dessen Stelle der Plural
von ((Strausso angewandt winl. Der Bauer sagt nicht: «schötif
niurnf^ii i:n Grirteii'», sondern {fschün«' S|i'riu>se im G.irfeh. Ms
heisst iiii lit •! j5hnii»'ii>tiH k >), ^ Hin iiientopf . (iai tfiihhuiien
sondern «Slr.iMs<sf>irki), « Str;iU'^.shal"eii *>, »<Gartt'ls1raus>i' ». In der
Kindel jsinaclie ist l>ezeii:bnender Weise auch im Singular das
Wort Strauss = Blume im Gebrauch. Sobald eine Blume im
Garten gedflTiiet ist, l&lit sie ihrer Verwendung zum Strauss
anbei m. Dass man sie stehen und verblähen lä9!»t, ist ungleich
seltener. Dabei wird zwischen befreundeten Bauernfrauen oft
ein TaUiH^hverbiltnis in besonders scliönen Blumen unterhalten,
$0 dass öfters eine ganze Ortschat*t dieselbe, bisweilen seltene
Varietät einer l>eslimmlen Pllanze zielii, wahrend sie in einem
Naciihardorf gänzlich iinbi'knnnt ist. Strauss seliger ist ge-
wrilmlicli ^osi liiiKu klos vorl'erligt, und aus denselben Rhimen,
liie (tei Stä IttN /II t'inetn reizenden Bon<|net gruiipicmt v. iir(le,
entsteht 'mm Imntt's Gewirr ^^rosser und kleiuei, litllei und
dunkler ßlumen. Je greller die Farben, je grosser mul duftendei*
die Blumen, desto wertvoller der Strauss. Nicht unerwälmt
mag hier bleiben, dass die Bezeichnung cBouquet» im Hanauer-
land niemals Eingang gefunden hat. Das Wort ist gänzlich
unbekannt. Es heisst da immer auf gut deutsch «Strauss».
Mit' der Vorliebe für gewisse Blumen mögen wohl einige
Hofnamen zusammenhängen^ welche Blurnenbezeicbnungen ent»
halten. Namentlich kommt die Lilie in vielen Hanauerdörtern
in diesem Zusammenhang vor, z. B. in*s Jilje, in's .liljebüre
(beides hfiulig), in s Jilinrj«', in's .liljnrkels (VValtenheim) u. s. w .
Offenbar wurden in «Irn )>el lellendcn Gehöften vor l^.eilen
aulfidU nd \ie!e Lilien gezogen. Hierher jiehörl auch ttUoselünzej>
(Sa-sobhemi).
Ausserordentlich /alih'eich sind die Gelegenheiten, bei de-
nen Blumen und Siräusse angewandt werden. Der Sinn für
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das Bluiuenreicli winl schon tVüh im Kinde erweckt uiiH
os>gezo?en. Man kann utl Sonntags kaum 2jährige Mädchen
ölulz auf (lei Strasse einherschreitea sehen, welche den ganzen
Nachmittag hindurch in ihren niedUcben Händchen einen Slrauss
zur Schau tragen, der dem braven Kind von der Uutter, der
Grossmufter oder der Göttel als besonders wertvolles Geschenk
fibergeben worden. Aust^edehnle Verwertung geniessen die
Blumen am Sonntag beim Kirchgang. Die ersten FrOhlings-
blumen fallen dieser Anwendung tum Opfer, und im Summet
Ware es schwer, eine weihliche B:iuerni>erson zu finden, weiche
keinen Sfraus-; hätte. Dieser l)esteht aus einigen Blumen, welche
in das Gesangbuch gelegt werden. Niemals fehlt dahei der
Rosmarin oder, wie der Bauer kurz s.«gt, «hM" Marin, indem
der erste Bestantiteil des Worts als gleichlHjdeuterul mit «Rose»
aulgefasst wiid. Wegen seines sc.harfen Geruchs ist er vorzugs-
weise dazu geeignet, seinen Träger vor dem Einschlafen in der
Kirche zu liewahren. Ueberhaupt ist ein regelmässiger Bestand^
teil des Kircbgangstinusses irgend ein wohlriechendes Kraut,
welches jenen wichtigen Dienst zu leisten berufen ist. Dies ist
auch der Grund, weshalb die Männer, welche sonst keine gnwse
Zuneigung zu frischeti Blumen haben, einen kleinen scharf-
riechenden Zweig mit zur Kirche nehmen. Eigens zu diesem
Zweck wird das Basilicum (Rasiii, Brasili, Bresili) gepflanzt,
eine sehr empfindliche Pllanze mit kleinen, woisscii Blüten
aus der Familie der Labiatpo. Der Bauer nennt su' (Umiii auch
nacii ihrer Bestimmung <«S<litiiackel» = «Schmeckiclit ». "Schmek-
ken» wird bekanntlich nn elsässischen Dialekt im Sinne von
«riechen» und speziell «wohlriechen» gebraucht. Dieses letztere
Wort ist ungebrftuchlicb. fSchmackett ist daher gleich «wohl-
riechende Substanz». Anstatt cscharf riechen« sagt der ICIsässer
flaut schmecken».
Frauen und Mftdchen pflegen ihre Zuneigung zu den Blumen
dadurch an den Tag zu legen, dass sie sich Sonntags mit einem
selbstgeptlückten Strausse ausrdsten. Seinen Platz fmdet er ge-
wöhnlich am Busen hinter dem Vorstecker, und die stolze Maid
braucht ihr Köpfchen bloss ein klein w«M(iir vorwärtszubeut:»^!,
um <lit' wurmigen Düfte mit vollen Zügen ;:eniessen zu können,
eme Bewegung, tlie sie nicht versäumt, öfters auszutühren.
Uebrigens kommt diese Art, den Strauss zur Schau zu tragen,
mit dem Verschwinden der Vorstecker allmählich ab.
ßn Strauss in der Wohnstube ist bei den Bauern recht
beliebt, und oft wird das ganze Gemach von einem betäubenden
Blumengeruch erfQlll. Sehr beliebt ist ein Kranz von Vei)(is8-
meinnicht'Pflanzen, welcher auf einen mit Wasser gefnillen
Suppenteller gelegt wird und lange blüht.
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Auch zum (le^chenk an freinde Leute wird ein hübijcher
Strauss sehr h;iuli^ l)eiiulzf. In iini^^tändlicher "Weise, aber ^e-
schmarklo«; werden die einzelnen Stengel neheneinanHerjjelefjl.
Dann kommt die ^vichti;.^sle Operation : das Binden. Sie ^ie-
schieid mit t.'ineni Bauiuaiillladen, der wohl t?0 M.d tost um
die Stiele gewickelt winl. I^t der Faden g^ebunden, ao werden
die Enden mit den Zahnen abj^ebissen oder mit dem Messer ab-
irescbnitten. Zum Schluss werden die Stiele mit einem scharfen
Messer unten gleichmässig abgestutzt, und der Strauss ist fertig.
Die Bauersfrau, welche einen Verwandten oder Bekannten
in der Stadt besucht, unterlägst niemals, demselben in der
BUinnenzeit einen ungeheuren Strauss mitzubringen. Hat der
Bauer Besuch von auswärts, seien es nun gleichfalls Bauern
oder aucli «Henviilenfe)), so eilt die Frau in der Trennunjjs-
slnnde ins Gärtel und schneidet fnr die werten Gäste ein ganzes
Bimdo! Blrnnen ah, wobei der unvermeidliche Rosm uin nie
leldl. Ganz tindonkbar wäre ferner eine landliche Festlic hkeit
ohne Bkimen, i. B. ein landwirtschaftliches Fest. So bekam
bei seiner Fahnenweihe 1891 der Hwrhtelder Kriegerverein von
seinen zahlreichen hanauischen Mitgliedern unaufgeforctert ganze
Wagenladungen voll der herrlichsten Blumen gebracht. Der
Bauer irermag sich eben ein Fest ohne Blumen nicht vor-
zustellen.
Als Hegel gilt, dass nur das weibliche Geschlecht frische
Blumen liebt. Lässt sich ein ha nauer Mädchen photograpbieren,
so hat sie gewöhnlich ein Sträusschen in der Hand, welches
nicht selten vom Photograplien noch ^'efärbt wird, denn das
nimmt sich srhön aus. Auch ein Blumenkörbchen, welches der
Photograph eigens für solche Fälle zur Hand hat, wird oft
mit|»hotogrd[»hiert. Der Mann mag frische Blumen nicht wegen
ihres Geruchs, der ihm zuwider ist. Bloss das Kirchgang-
sträusscben macht eine Ausnahme. Doch sieht man hie und da
am Sonntag auch wohl einen Bauern mit einer einzelnen frischen
Blume. Er trägt aber dieselbe weder in der Hand, noch im
Knopfloch, sondern im Hund. Knopflöcher bat er nämlich am
Festrock keine ; sie sind zwar vom Schneider verfertigt ,
aber zugleich wieder zugenäht und dienen bloss zur Parade.
Der Rock wird vorn mit einem Seidenband oder einer Knopf-
schnur geschlossen. Ausserdem aber leistet der Blumenstiel im
Munde des Bauern noch einen andern Dienst, er ersetzt ihm das
ßauclion, welches vdio allen Hanauer vielfach nis unanständig
angesehen vvird. .Vhgesehen von die:>en beiden Fällen bedient
sich der Bauersmann für seine persönlichen Zwecke in der
Regel der könsfliehen Blumen, welche er cdfirref Strauss»
nennt zum Unterschied vom «lebendigen Strauss», welcher
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fhscbe Blumen bedeutet. Für dürre = verwelkte Blumen hat
er ührijfens wieder ein anderes Wort: er nennt sie «welliger
Strauss >. fwolti;^' = welki^ = welk). Als der Typus der künst-
liohi^n Blumeil k;inn tnnn den bekannten Strauß ansflien. mit
(I.Mii <\oh di«' iiiilitäriiilii-litigcn jungen Leute am Zie!iuii-<l;ig
schniikken. Kr hostebl aus bunten, grellfarbigen Blumen,
welche mehr der Phantasie als der Wirklichkeit entsprechen,
aus Gold- und SüberOittern, gefärbten Federn, nachgeahmten
Früchten, z. B. Trauben, Johanmstraaben, Kirschen a. a. m.
Wenn wir nun die einzelnen UmstSnde durchgehen, unter
denen die Blume Verwendung findet, so zeigt es dich gleich,
dass sie bei allen wichtigen Ereignissen und Feierlichkeiten und
in allen Lebensabschnitten von der Kindlaufe bis zur Beer-
digung eine hervorragende Rolle spielt.
Bei der Kindtaule trn^^en dit* PtV'tter TPathen) als Abzeichen
ihrer Würde zum Kirchgan;; einon niachfi/«Mt Shawss, natfirlii h
aus künstlichen Blumen, auf der linken >eite der Brust. Da in
der Hegel an liem Festgewand kein ollene^ Knujinuch ist, wird
<ler Strauss angonaltt und «ler Stiel durch einige bunte, manch-
mal zu einer Schleife zusamniengeschlungene schmale Bänder
verdeckt. Sobald die Jugend der Schule entwachsen ist und der
gegenseitige Verkehr der beiden Geschlechter beginnt, wird
von der Maid die Blume als der stumme Uefaerbringer der
sehnsüchtigsten Liebens wünsche an ihren Herzenserkorenen ge-
wählt. Sie schenkt dem Glücklichen auf dem Heimweg vom
Abendmarkt ein duftendes Sträusschen. Eine eigentliche Blumen-
spracbe ist jedoch unl)ekannt, kaum dass die wci>*se Farbe als
die der Unschuld, <lie rote ds Treue anL'e-ehen wird.
Eine besonders wichtij^e \erwendung linden die HImnen
bei der Sitte des «Maien-Steckens». Es besteht nämlich im
Hanauerland der Brauch, dass der Uursche am Hause seiner
Geliebten am 1. und am letzten Mai einen sogenannten Maien
anbringt. Ein Tannenldumchen, Birkensfftmmchen oder irgend
ein grünender Strauch wird mit frischen Blumen, auch wohl
mit Bändern, geziert und bisweilen ganz überladen. In finsterer
Nacht wird er dann an dem Wohnhaus der Angebeteten be-
festigt, je höher oben^ um so lieber. Meistens geschieht dies
auch auf dorn First des ülierdachten Einj^Tni^thores, indem
einfach ein Ziegel weggerissen und der Maien eingerammt
wird. Zu solcher Arl>eit ist ^elbstv»n"sländlirh eine Leiter nötig,
welche von eineni vertrnuten Freunde gehalten wird, der ge-
w«)hnlich andersw.i dif gleichen Al*sirhten hat. Oft aber wird
der Maien auf den uljersten Gieliel des Hauses selbst aufge-
pflanzt, und diese halsbrecherische Arbeit hat schon manchem
jungen kraftigen Burschen einen unglücklichen Sturz und sogar
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den Tod zugezogen. Die Jungfrau weiss wohl immer, dass und
von wem sie den Maien gesteckt bekommt. Sie verhält sich
daher in der betreffenden Nacht hüh^ch ruhig, falls sie die
Neigung ilires Anbeters erwidert. Itn entgegei^feselzten Fall
sucht sie, sohahl es ^ehi, wenn mö^flich schon vor Tagesanbruch,
'la-'5 Iv!che.«p;tnr*M* 711 cntfornon, und ^nr oft findet der ver-
.scliuiühte Lit'ldiaher ;\m iVfilitMi Mi>r;^en sein Angehindp im
Koth am Sd .tssi'iir,unl. In inanchon Gemeindeu wcnlt-n in
jener Nacht alle liluiuoni^^ärteu ohne Wahl geplüinlcrt, uiul die
Einwohner sind jjezwungen, die Nacht über Waihe zu halten,
wenn sie nieht ihre sämmtlichen Blumen einbüssen wollen. In
übertragener Weise wird das «Maienatecken» auch andern
Personen beim Eintritt eines freudigen Ereignisses erwiesen,
so z. B. einem neu ernannten Bfii^rmeister, einem Hochzeits-
paar, einem EhejubiJäumspaar u. s. w. Von diesem Gebrauch
kommt das bekannte Sprichwort her : «Wem man nicht hold
ist, dem steckt man auch keinen Maien».
Die Kehrseile dv^ Maiensteckens ist das Stecken eines
«Schandinniens^^. Dips»^ Silte wird, wie es flas Wort^ schon
Sii;:t, ;4t*iilit, Ulli jem.-uid Schande unzuthuii odci- Verdiuss zu
bereiten, unii zsviir suwnliJ jun^jen Mädchen, wie andern Per-
sonen gegenüber. In diesem Falle wird natürlich der Maien
nicht mit Blumen geziert, sondern mit allerlei schmucklosen
oder schmutzigen Gegenstanden behangen ^ z. B. Strohseilen,
Steinen, Eierschalen, zerrissenen Strumpfen, alten Schuhen,
einem ausgestopften Hasenbalg, dem Kadaver eines jungen
Gänschens oder Kaninchens n. a. m. Es besieht demnach
zwisclien einem wirklichen Maien und einem Schandmaiou das-
selbe Verhältnis, wie zwischen ^musikalischem Ständchen und
Katzenmusik.
Wii' kamen nun zur Hetrachtung einiger rfel)rau( lie <ler
Jugend hei der I Ikirchweih , dem sogenamilen Messli
(= Messlag). Auch hierbei findet die Blume reichliche Ver-
wendung. Nach allem Hanauerbrauch sauuiielt sich die ge-
summte Dorljugend nach dem Nachmiltagsgotlesdienste vor dem
Tknzlokal, oder, wo im Freien getanzt wird, vor einem Wirts-
haus. Arm in Arm geht es nun nach dem Festplalz. 0en Zug
eröffnet, noch vor der Musik einfaerschreitend, allein, in
Hemdsärmeln der «Messlihütera. Er trägt auf der Weste links
ein Slräusschen aus künstürhen Blumen, dazu einige bunte l^uuder
und einen Blechlölfel. Ausserdem f&hrt er auf der linken
Schuller ein geladenes Schiessgewehr, an dessen Mündung
seitlich einige Blumen und Bänder anpebrnelit sind. Gehf es
hoch her, d, h. wenn <\r\i viele I^ur^ohen mit grösseren
Summen beteiligen, so erhalt jeder Musikant gleichfalls ein
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Sti*ftuB8chen. Hinter der Musik kommt dann dor «Messtibui sche»,
ein Gornisrh von nitllkommissar, Arrangeur und Genera Ipächter.
Sein Hut )^•t luit einem p:rossen künstlichen Blumenstr.diss und
zahlreichen Bantlern jieschnmckt und wird während dor jrnnzen
Dauer des Tanzes- nicht al>prelefr!. .\u»]\ seine Tänzeiin, «las
«Messtiniaid»')! isf nnt (>"mern Sf räu^s(•llen bedacht, welciies auf
der link»?n IJi nslscitc prangt. Iktkle tr;i^M'n aussei-dem auf der
Brust einen BleehlölleK Ist der Zug auf dem Feslplatz angekommen,
so gibt der Messt ihüter einen Schuss ab. Die Anwesenden stellen
sich im Kreise um den Maien oder Messtibaum auf. Es ist das ein
hoher Stamm, gewöhn lieh dne Birke, deren untere Aeste ab-
}^hauen sind. Das obere Ende ist mit vielen frisclien Blumen
und Bändern geziert. Nachdem die Gesellschaft einige Male um
den Maien getanzt, begibt sie sich nach dem Tanzboden zurück.
Bei Stadtmesstis kommen in der neueren Zeit öfters Biuleti
vor, wo als Preis für einen getroffenen Schuss, einen geschickt
geworfenen Hill, einen gut geführten Hamnierschlag etc. künst>
liebe Blumen<tr ui'5schen abg^el>en werden. Die Budenbo-ilzor
thun das mit klii;.^er Berechnung, denn sie wissen, da^s die
Aussicht auf ein Blumensträussclien den jungen Burschen
doppelten Mut und Eifer einflösst. Ist in solchen Buden die
Wahl zwischen Cigarren und Strftusschen freigestellt, so er-
freuen sich die Blumen regelmässig eines grösseren Zuspruchs,
und der Bursche kehrt nicht selten stolz nach Hause, den Hut
ganz mit Blumen t>eselzt, die er entweder daheim an den
Spiegel steckt oder - ui. i Angebeteten verehrt.
Eine weitere Gelegenheit, bei welcber der Bauernbursche im
Blumenschmuck erscheint, bildet das Aushebungsgeschäft. Ein
grosser <,'ir'ilf;irhigpr Strauss aus künsllifiicii Blumen zierf nt»bst
m<'hi (M en, ott hfalh geblümten Bän«lern die KoplWdi'i kung
ujid bisweilen auch die Brust des Militärpflichtigen. Das Ergebui.>der
Mustei ung ist dabei gleichgültig, der SUauss zierl ebensowohl den
zuküntti^en Vaterlandsverteidiger als den Dienstuntauglichen.
Scharenweise ziehen die Burschen, Arm in Arm, durch die Strassen
und nachher in ihr Heimalsdorf, an ihrer Spilze einen oder meh-
rere Musikanten, welche ebenfalls durch Blumen und Bänder am
Hut als zur Musterung gehörig gekennzeichnet sind. Besonders
reich mit Sträussen geschmückt ist ein gewandter Bursche,
welcher vor der Musik her nach Art der Tambourmajors einen
Tambourmajorslock schwingt und mit allerlei Faxen und
Sprün-^'^en bogloitet. Der Sim k i*t niif Bändern und kfinst liehen
Blumen ;ins;i,'[)utzt Dio^i- Sitte \<\ wohl als ein l eherbleibsel
des im (ll■e^^sigJälln;:en Kriege beliehten Fahnen«piel> <ler Lands-
knecbtheere aufzufassen. Nicht selten koinail es vor, dass der
Bursche seinen Aushebungsstrauss noch lange zu Hause in
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Ehren hftlt, und ich habe wiederholt solche Strftusse eingerahmt
und hinter Glas aufbewahrt gesehen, welche noch von der
französischen Zeit herstammen.
Von ganz ausgedehnter Anwendung sirul die Blumen bei
allen Feierl iclikeilen, die mit der Heirat als dem grössten
Freudenfest im Leben zusammenhängen. I)ass dci Bursche seiner
IJehsfen oft durch Hlurnensponden seine (Tcfuhlp aisdiückt, und
uiiigekelu-l \vurt]e i)t'reits hetonl. Ungeujein jntere.-5sant ist ferner
der Siraiiss. welcher dem Brautpaar zur Erfangung eines
Truiubülte dargebracht wird. Dieser Strauss, welcher oft einen
Itedeutenden Umfang einnimmt und nicht selten 20 Mark und
noch mehr gekostet hat, besteht aus kfinstlichen Blumen.
Zwischen die einseinen Blumen sind Zweige von frischem Ros-
marin eingebunden, welche den den Frauen so angenehmen
würzigen Duft verbreiten. Um den kegelförmigen Slrauss selber
ist ein Band von schwaraem oder geblümtem Sammt geschlungen,
wie er zur Einfassung am unteren Ende des Weiberrockes
dient. Da der Stolz des Mäddiens und der Frau sich nnrh der
Anzahl dei' Sammltonren l)erechnet, womit der Rock besetzt
ist, so wird nicht s.' fe?! dem Strausse Band für 3—5 Touren
beigegeben, was einen Wert von über 10 Mark ausmacht.
Der Bauer stellt sich hiermit zugleich das Zeugnis eines prak-
tischen und eines sinnigen Menschen aus. Dieser Strauss also
wird dem Brautpaar mit einem kurzen Glückwunsch überreicht
und findet seinen Platz auf der Tafel. Ist er gross, so wird er
auf einem eigens su diesem Zweck vorhandenen dreieckigen
Gestell untergebracht. Auch ist es üblich, ihn spftter einzu-
rahmen und noch lange Jahre ^iufzube wahren. Allgemein ge-
bräuchlich ist folgender niedliche Spruch, welcher von den
Ueberbringern des Strausses gesprochen wird, wenn der
Bräutigam ans einem andern Dorf ist : «Es ist ein Fremdling
als Gärtner in unsern Hlumeni^arten L'ekomrnen, um eine der
schönsten Blumen zu ptim ken. Wir wollen ihn nicht beneiden,
sondern ihm zum Andenken diesen Strauss überreichen 1»
Wirklich ein recht sinniger Vergleich, der dem Bauerngeschmack
alle Ehre macht t
In etlichen Dörfern ist es ferner Brauch, das eheliche
Aufgebot Im Kästchen des BOrgermeisteramts mit einem schönen
Slrauss aus künstlichen Blumen zu versehen. Der gleichen
Sitte begegnet man im bad Ischen Hanauerland.
Die Einladung zur Hochzeit wiid heim Hanauer Bauern in
iler lle^el persönlich besorgt. Heutzutage wird sie ^'ewöhnlich
durch das Brautpaar ühorhrncht, und der Bräutigatn trä^'t al<<-
dann am Hnt einen künstlichen Strauss. Wird aber die Ladung
durch den Hochzeiter und den Brautführer zu Pferd vorge-
r'
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nommen, so tragen ^te lieide mächtige Bluuiensträusse, um!
zwar der erstere am Hut lerlils, der letzlere link«;. E))enso ist
dns Pferd an den Pu»-^»MU'U zu l>eidt'a Seiten des Kopfs mit
Blumen und FJänderii '^eintvl, desj^leichen die Reilpeitsclie.
BfM der Ueberfuhrung des [iausiats an den knnlligeji
Wohnui l des jungen Paars spielen die lilumeu wietierum eine
grosse Rolle. Die säranitiichen Fubrleute sowie die Brautjuug-
frau tragen Blumenschmuck, teils am Hut, teils auf der
Brust, ebenso 'die Pferde an Kop^eschirr und Schwanzriemen.
Die schönste Zierde der Aussteuer bildet aber das Brauträdel,
welches mit Blumenbändern reich ausgestattet ist und an der
SpiUe des Kunkelstocks einen prachtvollen Strauss aus kQnst-
liehen Blumen aufweist.
Am Ho< lizeitslMfie selber hat der Br.nttffihier seinen Hut
mit einem ^nelllarltijcn Strauss geschmückt, während der
Bräutigam umen -soh I c t auf der Brust trägt. Jedoch hat bis-
weilen auch der Brauiiuhrer seinen Strau5;s auf die linke
ßrustseite geheltet. Im iiuchieilszuge tragen süniniinidie Teil-
nehmer im Gesangbuch einen Rosmarioüteugel, welcher ihnen
vorher im Brautfaaus eingehftndigt wurde. Endlich sei noch er-
wähnt, dass Pferde und Peilscben der Hochseitsgiste beim Zu>
und Abgang fast immer mit natürlichen und künstlichen
Blumen und bunten Bändern geschmückt sind.
Aber auch zu Brautgeschenken werden Blumen vielfach
benutzt. FAix oder mehrere schöne Blumenstöcke bilden ein eben
so billiges a's schnnes und gern angenommenes Geschenk.
Va^^eji mit künstlichen Blumenstöcken, namentlich Hyaeinllien
und Bosen sind gleichfall-^ sehr beliebt. Das Prächligstt- aber,
wn< es in dieser Art gibl, sind irrosse Gruppen bunter künst-
licher Blumen mit glänzenden GuhllUlleru, Silberblätlern und
Fäden. Sie dienen, unter einer halbovalen oder halbkugeltoi niigen
Glasglocke aufbewahrt, als Zierde einer besseren Stube und
bilden eine ansehnliche und dauerhafte Hochxeitsgabe.
Das Gegenstück zum Hochzeitsfeste ist das Begräbni«^
ilie eigentliche Trauerfeier. Und auch hier findet wiederum die
Blume sinnige Anwendung, die letzte und schönste Gabe, welche
einen lieben Dahingeschiedenen zur letzten Ruhestätte begleitet.
ha<s von Freun<len und Bekannten Blumenkronen der ver-
schiedensten .\rt gestiftet werden, soll Iiier nicht weiter betont
werden, es ist ein allgemeiner Brauch. In der Ht.'gel aber werden
Blumenkränze im HanauiM heri älieien Leuten nicht ndl^egeben,
und ihre Anwendung bleibt lediglielj aut verstorbene Kinder
. und jüngere ledige Personen beschränkt. Das Hauptschauslück
bildet ein grosser Kranz, welcher mit 4i — 10 langgestiellen Strftuss-
eben aus natürlichen oder künstlichen Blumen (je nach der
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Jahreszeit} üergeslalf besetzt ist, dass das ansehnliche Ganze
eine cylinder- oder fossähnliche Gestalt gewinnt. Eine oder
niehi«re solcher f Kronen», wozu die Kosten durch Kameraden
des Verstorbenen oder Schulkinder unter der Burgerschaft
gesammelt werden, tragt man dem Sarge voran. Wahre Prachi-
stficke dieser Art, ganze grosse Gestelle, sind in Offweiler im
Gel»rauch. In neuester Zeil kommt Hie Sitte ab, mnn spart
sich die Mühe der Aiiferli^iun^^ es werden einfache künstliche
Blumenkränze p kault. Vm di-n >^ar;f selbst wiril ein Elphoti-
geflecht mit eiüyej^treutoa iilunieii fielest. Es wird auf dem
Kirchhof abgenommen und dient, nachdem das üjali zuge-
woiloii. als Einfassung des Grabhügels. Diese letztere Ge-
pflogenheit ist auch l)ei angesehenen Genleindemitgliedern, z.
B. Pfarrer, Lehrer, Bürgermeister u. s. w. im Gebrauch.
Ausserdem erhalten die Todtentrfiger aus naheliegenden Gründen
einen Stengel scharfnechenden Rosmarins.
Aber wenn auch der Verstorbene zur ewigen Ruhe gebettet
ist, das Andenken an ihn bleibt docli lebendig erhalten, und
da ist es wiederum die Blume, welche in mannichfacher Gestalt
die Erinnerung an den Verblichenen wach hält. Künstliche und
natürliche Blumenkränze werHon nm eine Inschiift geh^prt,
welche ontwe<ler einen frnnirinMi S|iruih oder einen schönen
Bihelvers daistellt, meisleiis ;d»er Name und Aller des Dnhin-
geycliiedenen sowie don Leichentext ;ingibt. Das Ganz»' wird in
einem runden, i-, G- oder 8 eckigen Balnuen eingeialnnt, unter
Glas gelegt und zu Hause an einer bevorzugten Stelle der Wohn-
stube aufgehängt. Es ist gewissermassen ein Denkmal im Zimmer.
Allgemein verbreitet war fröher die Anbringung solcher einge*
rahmler Blumen krSnze, jedoch bloss soweit sie verstorbene Kinder
und ledige junge Leute betrafen, im Inneren der Kirche. Dieser
an sich lobenswerte Brauch artete jedoch allenthalben in Ueber-
tieibung oder Unfug aus, so dass allmählich die Kirchenwände
zum prn«^?;»^n Teil damit ^^eradfzti tapeziert wanni. So wurde denn
die Sitte durch ITarrer oder Bürgermprstor verboten. In Schwiii-
dratzheim he-^iand sie noch vor wenigen Jahren und ist, soweit
meine Kenntnis reiclil, jetzt nirgends mehr gel)rüuchlich.
Von anderen Sitten, bei welchen die Blume gebraucht
wird, seien noch folgende erwähnt. Am VSTeihnachtshaum werden,
entsprechend der Jahreszeit, kunstliche Blumen angewandt,
welche von den Frauen selbst aus Seidenpapier, Mohr-
rfibm, gefärbten Runkelrüben etc. verfertigt werden. Ka-
tüi lich ist die Kunstfertigkeit und die Auswahl in den Blumen
nicht gross. .Tedoch zeigt sich in neuerer Zeit vielfach das
Desfreben, die Herstellunti künstlicher Blumen systematisch zu
erlernen, und mau kann schon bisweilen in Bauernhäusern
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grosse Zweige mit den so sehr beliebten Schneebällen antreffen,
deren geschiclLte Anfertigung auch einem Stadifraulein alle
Ehre machen würde.
7m Pfingsten ist der Brauch des «Pliugstetilaufens» im
Hanauischeii allgeiiiein verbreitet. Hierbei wird ein Maien und
in mani heil Dörfern eine sogenannte Pfinj^istfahne durch das
Dorf Uiuhergetraj^en. Beide sind mit Bändern und frischen
Blumen reich gesclnnückt.
In gleicher Weise ist der Maien, welchen die Zimmerleute
nach dem Aufschlagen des Dachwerkes bei einem Neubau auf
dem Giebel außcupllanzen pflegen, mit vielen Bändern und
buntem Blumenwerk ausgestattet. Dasselbe gilt von den Kletter-
stangen zur Volksbelustigung bei Hochzeiten und andern Fest-
lichkeiten.
Endlich sei biei- noch die Gewohnheit der jungen ßauern-
mädchen mancher Dörfer erwähnt, die Spitze des Spinnrockens
mit einem künstlichen Blumenstrauss zu schmücken. Derselbe
hält die Fli iimerung an irgen«! ein freudiges Fest, eine Hoch-
zeit <»(ler einen Messti wach, oder es ist der Aushehan^ssfiauss
desGeheljteiiin der fernen Garnison. Sooft die Maid uubeul)uclitet
ihre Augen eniporschlagt nach dem letzten Geschenke des Aller-
liebsten, gedenkt sie der Treue, die sie ihm gelobte. Und wenn
der Junge Reservist nach Hause zurückgekehrt ist und in die
^innstube tritt, erkennt er mit stiller Freude das vergilbte
und verblassle Siräusscfaen am Rocken wieder, er weiss, dass
die Treue ihm nicht gebrochen wurde.
Nachdem wir bis jetzt ausführlich darüber gehandelt, in wie
mannigfaltiger Weise (|i)> Hlume in natura beim ha nauer Bauern
zur Anwendung gelaugt, kommen wir nun zur Betraehtun«:: der
Blunie Inder volksthümlicben bildenden Kunst, d Ii in dfi Hild-
hauerei. Holzschnitzerei, Zeichnung und nanienl lu h in der Malerei.
Kein Platz, kern Winkel in Haus und Hof, kein (leräte,
kein Geschirr und fast kein Kleidungsstück ist von der Blume ver-
schont geblieben, üeberall iiringt der Bauer seineu Liebling
an. Gleich über der Hoflhüre und dem Hofthor sind an der
Inschrift, welche den Namen des Erbauers angibt, Blumen
angebracht, ratweder in Stein eingehauen oder auf eine Hols-
tafel gemalt oder in ii^end einen Raiken eingeschnitten. Die
Hausnummei- ist gleichfalls häufig von einer ßlumenranke um-
geben. Am Kamin und au abgelegenen Teilen des Wohnhauses
und dei Srheune hat der Maurer mit der Kelle oder mit weisser
Gypsschritt phanlasiereiche Blumengebilde dargestellt. Die
schönen kernhaften Insehriften an der .\u.s:>en seile der Häuser,
welche für das Hanuuerlan»! so kennzeichnend sinil, werden
von Blumenzvveigen eingerahmt oder häutiger zwischen grossen
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Blumentöpfen, Gruppen und Airnngemeiits eingestreut. Die
Hanauer Hüuser erscheinen mit solchen Hluinenverzierunnen
äus-^ersf rnaleris4:ii trotz des f!K>noff>n(Mi Farbentons, welcher
sich auf hellgrün, fahljfclb, braun uikI sciiwai'z hpschränkt. Aurh
die Auswahl der ßlumensorten i<( ;:^ering. Ilie Verrerliger solcher
Malereien und Sciiaitifereiea, uieisi gevvohuli« he Arbeiter, wfdden
stets Blumen mit einfachen, aber doch charakteristischen Kon-
touren aus. Als solche trifft man ausschliesslich an : Morgen-
stern« Tulpe und insonderheit die Lilie. Die öflentlicbe Dar-
stellung der letzigenannten Blume als des Symbols des fran-
zösischen Königsturos wurde in der Revolutioiiszeit verboten.
Noch jetzt wird in Wickersbeim ein Haus gezeigt, an dessen
Fensterbögen die eini^ehauenen Lilien entfernt worden mussten.
Man sieht heule noch deutlich die Spuren der Zerstörung.
Betreten wir das Innere des Wnhnh.Miv,'.;. In der Stube
bp^'e'^nen wir der lihinie an versehieilejien Stellen. Sie ist ein-
;;es.-hnitzt in der Stuhllelme, an der Stubeiithur, der Thür des
Wanduhisdiranks, auf dem Känsterie (Eck.suhrank), auf dem <^
Bretterverschlag zwischen Wt)hnstube und Schlafabteilung, eiu-
gemeisseli auf der steinernen Ofenunterlage und auf dem monu-
mentartigen steinernen Postament, welches, den in Frankreich
üblichen «cfaeminöes» ähnlich an Gestalt, vielfach an der Wand
zwischen Ofen und Küche angebracht ist. Doch verweilen wir
gleich beim Ofenl
Der alte ßauernofen, wie er noch jetzt im Hanauerland
fast aus.schliesslich ;iehalten wird, ist ein grosser Würfel, .sozu-
sa'/en eine eisern»; Kisl»; von 1 in Seitenlänge. Die GrundHäche
ruht auf einem steinernen Postament, ilie Decke ist durch einen
kleinen, gleiciitalls wni telföi niigen, sogeiiannlen überoten belegt, •
un«l an einer Seite .-steht der Ofen in idlener Verbindung mit
der Küche, von wo aus eingeheizt wird. An Haupt- und
Oberofen bleiben demnach je 3 Seilen dächen frei. Diese werden
durch gusseiserne Platten gebildet, welche in Zinsweiler ge-
gossen werden und neben anderen Dingen auch Blumen auf-
weisen. Sie sind, seit über 150 Jahren in denselben Modellen,
nicht geschmacklos, wenn auch manchmal übertriebener Weise
auf den Seiten des Ofens reliefarlig an^ehradii. Von häufigen
Zusammenstellungen seien genannt : 1) 4 Sonncnblumeti Inden
Ecken; "I) Körbchen milBouijue' au< Ho<en, Tulpen, Morgenstern ;
3) ;rrosseres Körbchen mit Chrysanthemen und I'heder: i)
I Tul|ie und 1 Ko-e iH-iderseits ; 5) mehrere grosse Blumenvasen
mit Henkeln, dicht nebeneinander angebracht u. s. w.
Sehen wir uns weiter in der Stube um, so tallt uns auf, '
dass alle Möbel rot augeslricheii sind. Mit der roten Farbe
hat es eine eigne Bewaninis. Bis vor etwa 25 — 30 Jahren näm-
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licli wurde im Khas^ die Anpflanzung dct KärU^i iük- (tider de;«
Krc<pi>>«) .scliwun;;hail lx?lrieben. hol Krlindun^' der Anilinf.ii l»eii
kam die Röte {f^üiizlicli ab und wird jetzl nirgends mehr ang;e-
baut. Mit der «lus der Röte gewonnenen Farbe nun iifle<;te der
Bauer alle seine hölzernen Hausräte und Möbel ganz oder
teilweise anzustreichen, und auf solch rotem Untergrund
wurden von den Schreinern Blumen in mannigfacbpr Ab-
\veclis<dunjf dargestellt . Meist waren es wiederum Lilien, beson>
ders der Türkenhund, ferner Morgenstern und Tulpe, oft aber
aiicli Blumen und Zusiimmenstellnn^en, welfho in das Heicli
d» i Phanta-i«' «/oliöfen. Auf diese Weise sind iM'inall : Kleider-
schrank, Km ht'iiJH( liiaiik, Kckschrank, l iscli- utiil Stuhllehne,
Wio^'e, l)i ltlade und H-Itliirnmel, Tis<;hschublade, oft auch das
Getäfel dtjr Stubenwimde, elc.
Eines unscheinbaren GegensUinds möge noch Erwähnung:
gescliehen, nämlich der Klle. Sie hat sich trotz des Metermasses
ülieralt erhallen, sie fehlt in keiner Haushaltung und wird noch
tSglich neu angefertigt. Zwei Seitenflächen werden regelmässig
eingenommen durch den Namen der Besitzerin und die grossen
rnnenäbnliclion Buchstaben des lateinischen Alphabels , die
beiden anderen Flächen sind durch eingeschnilztc Blumen
geziert. Wiederum sind es vorwiegend Lilien, Morgenstern un<l
Bdsniarin, deren einfache Conlouren bi-wHIen in wahrhnO
künstlerischer Weise, ofl aber auch in stümperhaftei' Ausführung
dargeslelll sind.
in der Haushaltung ist fernei alle^ Tafelgeschirr mit Blumen
bemalt. Seit dem Anfang dieses Jahrhunderts, wo das zinnene
von dem Porzellangeschirr verdrängt wurde, linden wir auf
letzterem die verschiedenartigsten Gruppiningen grellfarbiger
Blumen angebracht. Bosen, Tulpen, Aurikeln, Astern, Hyazinthen
und Vcrgissmeinnicbt sind die hauptsächlichsten Blumen, mit
denen das ältere Geschirr l>emalt ist. Dassellte Muster schmückt
jeweils di.' ganze Ausrüstung, welche be-tt ht aus länglichen
und miidi'ii Suppensc hüsseln, Salatschüssel, Weinkrügel, ovalen
und riiinlon Platten und Tellern. Ks ist erstaunlich, welche
rrn ln' Füll»' von reizenden Modellen auf solrlinii allen G»»sf|iii"r
aijj;tdMai bt wur<le. Heutzutage erfreut sich das -t iiinniii' Geschirr
aucl» noch einer grossen Beliebtheit, aber unser alles nivelliei endes
Zeitalter kennt keine grosse Abwechselung mehr. Die Modelle
neuerer Geschirrstucke sind weniger geschmackvoll. Es ist eben
dem Bauern hauptsächlich um den billigen Preis zu thun» und
dafür kann der Fabrikant nicht viel Gutes bieten. Sehr ver^
breitet sind Teller und die unvermeidlichen Kaffeetassen mit
Inschriften, z. B. «Zum Namenstag, zum Geburtstag, zum An*
denken, der Mutter» u. s. w.^ welche ein Blumenkranz um>
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^\h\. \\\«ry «lii'som Go^cliirr" hat aber 'Ici Mail' r noch nixlpc*»'«;,
rtriuicüUicli ila.'s ^«•wühnhche hrntjn»^ T(i|»ter^feac!iii r, worau!»
Platten und Sohüssehi, Blutneu- uiiii KuLhenlöple verlerti^rt sind,
und das Sleingut^fc^chirr, aus dem Wasserkruir, üelkrug, Essjg-
fass und Töpfe ^^emaeht werden. Auf keinem dieser Gegen>
«tinde fehlt die Blume. Manchmal allerdings gehört eine geübte
Phantasie dazu, aus einem {^rossen Schnörkel eine Blume heraus*
zufinden, aber Tbatsache ist, dass der Bauer beim Einkauf
der Waare immer solches Geschirr vor hinmenlosem lievorzuj^t
und dass Fabrikanten und Händler diesem Geschmack Bech-
nung trairon.
Auch in der Tracht finitof Aic Blnmp nu«5p^edphnle Anwend-
un\i. Man trifft ^ie an alieii ieileii >\ri Klt iduufT. Sie ist auf
der Kappe und namentlich auf dem \ ()r<(r( kcr in rfi^sfall von
Gühitadeii ein^e.'stickl oder aus Platlchen zusammengestellt.
Die breiten Kappenschlaufen, die Schürze und tlas Halstuch,
letzleres bloss an den ausserlich sichtbaren Stellen, sind mit
bunten Blumen reich au8ii;estaltet. Das Bruststück des Bocks
und der Unterrock sind aus besonderem geblümtem Stoff ver-
fertigt. Die Schnrzenbänder sind mit Blumen versehen, die
Schuhe und d<-(- seitliche Schürzenrand leilweise mit einer
schmalen geblümten Borte ein^'efasst und der untere Rand
des Rockes mit sogenanntem {resträussellem Sjimmtjjarnierl. Auch
der Stoff d^r neumodisthen jfemusterft ii und Kaitunröcke ist
stets gehiuml. Der Geschmack ist hierni vollkommen einheit-
lich, und der Kaufmann wpis?j. dass di«» I^iutMiilViii «t'twas
Gelduiiiti^s» lialit'ii will, wenn sie seinen L-nlen bctiitt. Aus
solcht'iu geblumleu Zeu^^ ist auiii das lilumensäckchen ver-
fertigt, der treue Begleiter jedes echten Hanauers auf seinen
Reisen. Und damit auch der edle Rosmarin nicht fehlt, ist in
die weissen Sonnlagsströmpfe des Weibes ein schöner «Ros-
marinzwickel» i jour eingestrickt. Ausserdem pflegt noch der
grosse breitkrampige Strohhut, dessen steh die Weil>er bei dei
Feldarbeit bedienen, mit einer ^rmssen Rose aii>-ostattel ZU
sein. Endlich sind auch von der Männertracht eini;ie Teile
mit Blumen versehen. Das Bruststück des Hemdes, welches
hei festlichen Anlässen «getragen wird, ist schon mit Blumen
be^lickt, ebenso die Gravalte, die der Bauer in der Stadt kauft.
Auch die Goldknöpfe auf der altertümlichen roten Weste
zeigen nicht selten eine Blume.
Sehr beliebt und weil verbreitet ist die Gepflogenheit, die
WSnde der Stube mit Blumenszenen zu schmGcken. Solche
Gruppen, welche nach Vorlagen oder in freiem Entwurf aus-
geführt wurden, sind unter Glas und Rahmen sehr beliebt.
Bemerkenswert ist, dass die Schwarzwftlder Uhrmacher zu
r
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einer Zeit, wo sie noch häuli^ im Klsaas verkehrteo, in den
50er und (jOer Jaliren viele solche Blunienszenen malten. Sie
sind im Sfyle der bekannten Bauernwanduln'en in Oeltarbe
auf H<.|z ;,feiiialt und, obwohl nicht eingerahmt, sehr hallbar.
Gewöhnlich stellen sie eine Giu|)pe piüclitiger iloseii mit oder
uline Körbchen dar. Kiiie kurze Ins( lirift : «Zum Andenken»,
«zum Vergnügens u. alinl. vervollständig l iiie schönen Tafeln.
Viele Leute sind aber nichl sehr wählerisch in der Aus-
wahl der einzurahmenden Blumenszenen. In der neuesten Zeit
trtin man fast in jedem Bauernhaus NevQahrswfinsche, Gratu-
lalionskarten. Köpfe von Neigahrs- und Liebesbriefen und viele
andere Produkte der modernen Industrie, welche bloss um der
Blumen willen eingerahmt und zwischen Photographien und
anderen .\ndenken aufgehängt sind. Oft linden sich 2 und
mehrere solcher Sachen nebeneinander unter demselben Flahmen.
In wirklich sitinirrcr Wei«:e ist die Bluiue dargestellt auf
Erinnerunj^sblätterii, welclie der hanatier Bauer zum Andenken
an wichtige Ereignisse einjierahinl iti seiner WuiiiiNlube
aubnujjt. Was dem Katiiuliken die Heiligenbilder, was de.n
nioderneit Soldaten oder dem Studenten Gruppenbilder aus
dem Kameraden- und Freundeskreise für den Zimmerschmuck
sind^ das sind für den hanauer Bauern diese Tafeln. Sie sind
ausnahmslos von Hand gemacht und zwar meistens von gewöhn-
lichen Dorfbewohnern, von Leuten, die keinerlei Vorbildung
genossen und lediglich nach eigenem Geschmack gemalt haben.
Diese Kunst ist nicht älter als unser Jahrhundert. Die i'dteste
Tafel, die ich kenne, hängt ins Ifodenbauern in BerstetI, sie
stammt ans dem Jahre iSlW).
Was nun die einzelnen Arten von Tafeln mhetriin, <o
sin«l besonder** die religiösen in viel verbredelem Gehrauch.
Da haben wir /unachst die Ijollelbriele. .^ie werdrMi dem
Täutling vom Pathen als Andenken gestiftet. Da taut steht der
Name des Kindes mit dem betreiTeiiden Bibelspruch, dann ein
Kernspruch oder eine Ermahnung und endlich der Zusatz : cDies
wünscht dir von Herzen dein getreuer Pfelter (deine getreue
Göttel) N. N.i mit dem Datum. Das ganze ist mit einem
prächtigen Kranz bunter i^lumen eingefasst. In ftbnlicher Weise
sind die Kontirmalionssclieine beschaflen : Name des Konfir-
manden, Denkveis, Datum und Name des Pfarrers, darum ein
gtr-^ih mar k volles Blumengewinde. S)Wohl Gntfelhriefe wie Kon-
Hi niati<»nssebeine sind in dieser -itmiu^en Form am Aussterben
bejiiineii, seitdem durch den lliiulel gedruckte raulsi heine
mit hübscher Blumeneinfassung und Konlirmations^c heine nut
religiösen Eiid>lemen und Szenen eingetuhi t >ind, welch letztere
durch die Geistlichen fertig zum Einrahmen ausgefertigt werden.
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— 187 —
Von religiösen Sachen sind weiterhin zu uemien die Hoch*
zeits- und Leichentexte. Auf ersleren befindet sich der Naiue
der Neuvermählten mit dem Einsegnungsspruch und dem
Datum der Hocliz^^it Die l'^mrahmuii^ wird, entsprechend dem
freudigen Ereignisse, mit grelltarJjjgen Blumen und Blumen-
töpfen in lieblicher Gruppirung gebildet. Auf den Leicheu-
texten finden sich der Namen, das Aller und der Todesl^ig mit
dem Bibelspruch. Im Allg^euieinen siod die Farbea hierauf
nicht so grell. Vergissmeinnicht und dunkle Stiefmötterchen
fehlen nie. Auch ist gewöhnlich zu beiden Seiten eine Trauer-
weide und in der Milte der Gruppe ein Leichenstein AbgelMtdet.
Bisweilen gesellen sich hierzu noch Urnen, Fackeln und andere
Trauerembleme. Man findet auch gezeichnete Leichentexte mit
nicht getarbten Blumen. Ausseroitlentlich verbreitet ist end-
lich eine besondere Gattung von Leicheniexten, welche mit
Grold-^ehrift ;iuf die hintere Seite einer mit lluss und Leim be-
stricheaeii ( il (sscIkmI»».' iie/.oichnel werden. Üie?ie Sorte, Schwarz
mit (toH, luavht einen ernsten und äusserst vvirkun;^svollen
Eindruck. Sie kosten 1(5 — 120 Mark und noch mehr. Eine
ausserordentlich charaktert:$tische Lachentafel habe ich beim
Tagner Burkhardt in Wickersheim gesehen. Da der arme
Mann keine Mittel besass, um aich eine schöne Tafel zum An-
denken an sein verstorbenes Kind malen zu lassen, nahm er
das mit Blumen bemalte Titelblatt eines Nei^ahrsbriefs und
schrieb Namen und Leichentext des Kindes eigenhändig hin.
Dabei passierte ihm das Missgeschick, da!=:< er einen Teil des
Spruches über, den andern unter die lux hrift or Herzlichen
Glückwunsch» setzte, so dass das ganze lautet: «Kühl wohl
ihr Totitengebeine, herzhchen Glückwunsch, fnr die Ewigkeit!*
Dem Mann waren die Blumen die Hauptsache, wie er mir
auch ausdrücklich erklärte.
Etwas ganz Eigenartiges bietet das Hanauerland in den
sogenannten Musterungsscheinen. Bekanntlich wurde zu franzö-
sischen Zeiten das Loos gezogen, ob der betreffende junge
Mann 7 Jahre zu dienen hatte oder nicht. Wurde er frei, so
pflegte er den französischen Looeungsschein im Original oder
in Nachbildung aufzukleben und durch den deutschen Zusatz :
cErinnerung an den Ziehuogstag» oder cGezugen von N. N.»
verständlich zu machen. Das Ganze wurde dann von einem
Künstler mit reichem Blumen^chmnfk niri;:eben. Hermerkens-
wert ist, dass patriotisf-he Embleme gänzlich darauf fehlen,
ebenso franzöaischt.' Zusätze. Ich hal>e auf über 1(K) .>uicher
Scheine keine einzige französische Inschrift und nur einmal
eine blau-weiss-rote Fahne gesehen. Um so häufiger sind Ab-
bildungen, welche den Stand des Inhabers angeben oder
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— 188 —
versinnbildlichen. Der pflQgende Bauer in der filuse mit 2
Rossen, die Peitoche schwingend ist ein häufiges Attribut der
Loosungsscheine. Sclireiner-, Saltler , \VelM?r-, Schneider-, Bnr-
biei - und andere Werkzeuge deuten auf das Handwerk des Be-
tretFenden hin Auch ein sprinixender «Consciil», welcher die
Hand mit dem «:iri( kl-rinj-enden Zeltel juhelud in die Höhe hnll,
ist nicht selten uni<'i <lt'r Nummer al)|jeltild(»f. Kint'i .<( Iiönt^i Tat'el
nmss ich noch Erwähnung: thun, der sc lionslen, welche ich j^e-
seliCM lialif. Sie ist im Besitz des S iirifitlers Urban in Sciiwin-
dralzheiiu uiiii slauiint aus dem Jahre 18'W). In der Milte ist der
IV'inzdsische Loosungsschein, zur Linken unter einandei- der
Tauf- und Konfirmationstext des Mannes, zur Rechten das
Oleiche von der Frau, ausserdem der Hochzeilstext. Jede ein«
zelne Angalie ist, wie oben beschrieben, ausiiefuhrt und mit
Blumen und Goldpapier umgeben. Die 6j*uppen-Tafel ist recht
gut erhalten und oin wahres Kunstwerk in ihrer Art. —
Ferner sei noch erwähnt, dass oft die ^'rosscrn {Buchstaben
dieser Tafeln mit Blumen geziert sind oder einfach aus einer
Blumenreiho bestehen. Die Contouren älterer Sa lien sind durch
Nadel s l i t ■ I le 1 1 < Tvor^^* 'hohen.
Voll filniliih au>j4et>tattelen Jateln, weklie seltener vor-
kumiuen, .seien schliesslich hervorgehoben : jjeistliche Sprüche,
Bibelworle, das Vaterunser, der christliche Haussegen, die
häuslichen Tugenden u. a. m., welche immer mit bunten
Blumen umgeben und eingerahmt sind. Diese Sachen kommen
gedruckt in den Handel, in der letzten Zeit (mit kluger Be-
rechnung) als Gratisbeigabe zu den Cichorienpacketen.
Folgendes sind die Namen verstorbener und noch lebender
Künstler, weh-he id>er ihr Dorf hinaus bckannl ^^e worden sind.
1. Friedrich Claude, Lehrer in \Valdersl>ach, f 2, Johann
Lienhardt, Ackerer atj<^ Dim/enheim, f 3. Mai tin f^orenz, Weber
Hänfer und Musikant iti Geudertheim, f ^- Heitiiirli Bnlntzer,
Lehrer a. D. in Sehn Ikendorf, f 5. Georj; Scliaeter, Arkerer
in Rin^iMidoi t', t G. Andce.ts S< hultz. Ackerer in Oherniorloi n, j
7. Thcupiiil Müllei-, Glaser daselbst, f 8- Georg Werner,
Schreiner daselbst, Ü. Jakob Dutt, Ackerer daselbst, 10. Johann
Schultz Vater, daselbst ii. Georg Tro^r, Ackerer in Altecken-
dorf, 12. Johann Cartiiner aun Sehwindratzheim, Barbier in
Strassburg, Kinderspielplatz 2, — 13. Georg MarzolfT aus
Wickersheim, Gärtnerin Neudorf, 14. Jakob Lapp aus Schwin-
dratzbeim, Sergeant im Inf.-rtegt. Nr. 114 in Konstanz. Bei
weitem die schönsten Sachen hat Lorenz aus Geudertheini
verfertigt, hie \nu ihm ^'prn.nlton un<l mit Gold- und Silber-
^streifen ausgestatlfton 'liilein ino;:»'n mehrere Hunderte belrajren,
jede einzelne ein wahres Kunststück. Derjenige, der jetzt am
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meisten Zu^[)iii('li li;>t, i<t Dult in ( >l)ermo(lern. Eine Vüll-
«täniiiy eingeraliiiite Talel kostet bei iiim (i — S Mark. Früher
betrug iler Preis (lui-< h\ve;jf 5 Franken. Ilerlit inN'n'-sint ist,
dass Seij^eant Lajtp in Kouslaiu iiucli inHJier liir seine bek. Hinten
solche Sachen zeichnet, obwohl er seit langen Jahren in anderen
VerhSltDissen lebt. Gewiss ein nlhrendes Zeichen von Anbän^^-
Uchkeit an die heimatliche Sitte!
Endlich hält sich der Bauer noch folj^ende Gegenstände
voriugs weise mit Blumen, namentlich Lilien ausgestaltet : Wachs-
tiicli als Tischdecke, Lampenl)ehälter, Lichtstocli, Zifferblatt
der Wandnhr, Handbesen, Kamnifutleral, Vorhang, Tapeten,
Spinnrad (durch Ilornnäpel), Säcke. Halfter und alicrlei Ge-
schirr (dmrh Lederaulla^'cn odtM- Mefalln:i^^el).
Andi im Vo I ksl i od , wciclies im K!<;i«'j durch schriftliche
L'.'li.M liel'erung sich bis ;uif unsere Ta-e «'i h.iltcn hat, ist it)
zahh eichen Stellen, tuimenthch in Liebeslicdci u iler Üluinoii
Krwähnung yethan. Fol^^cndc selbsti^eÄimmelte Lieder und
einzelne Verse zeugen hier\'on :
Rose^ Tulpe und MorKenstem.
1. Schönstes Uöseleiu rot,
Dieb will ich lieb«n bis in den Tod,
Dieb will ich lieben alle Tag und Stand«
Bis daes mein krankes Herz wird gesund.
2. Öcböuster Tuhpa,
Deine Schönheit lacht mich an.
Deine Scbdnbeil wird vergehn,
Wie die Rosen im Garten stebn.
3. Schönster Morgeiiäteni,
Ach wie seh ich dich so gern.
Wenn ich dich von weitem seh.
Mein ich, wenn ich nur bei dir steht
Sehnsucht nach dem Frühling.
1. Schöner Fiühliiig, komm doch wieder,
Lieber Frahhng, komm doch- bald.
Bring ans Blnmra, Laub und Lieder,
Schmtkcke wieder Feld ond Wald.
2. Auf die Berge möcht ich fliehen.
Möchte sehn jus gcUue Thal,
UÖdit* ins Gras und Blnmcn liegen
Und mich frenn am Sonnenstrahl.
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— 190 —
VergiMmeimiielit.
1. Es gibt ein lüümcheu in der Welt,
Dem nichts au seiuer Schönheit fehlt.
Dm Blflawheii hvisst, foxiere nicht.
Dm BlAnehii« hnuA Yttt^iMintmiiicbt. ■
2. Wenn ich ein Mädchen küssen will,
So biaach ich darzn gar nicht vitl,
An Litbc fehlt m bei mir nicht»
Ich Bchenk* ihr ein YergiMmeinnicbt.
BinMlne Vene Ton LiebeeliederiL
Sebets, wenn dn willet in den Garten gehn.
Wo 80 schöne Röseleitt ttehn,
Qeh^ nnr hin, wo sie Hm schönsten ttehn,
Brich sie »b and denk an mich.
Bosen Marein and Lorchenblfttter (Lorbeer)
Geb ich dir sn einem Stnnae,
Und das eoll sein mein letxt Gedcokent
Weil ich von dir scheiden mose
Setzt euch nieder in die Blumen
Dort an jenen grünen Platz,
Bnre Glieder sollen ruhen,
Ewig biit und bleibet mein Sehet«.
Die Rosen Hlüh'n allein im Felde
Bald stehn sie welk und blätterleer.
Drum pflücket Rosen und windet Kränze,
SehSn igt die Jngend, sie kommt nSobt mehr.
1. Mein Sobeis thnt frohlocken,
Ist munter und wohlauf,
Thnt Rosen abbrechen
Dnd stellt sie schön auf.
9. Sie riechen so wobl,
Ganz munter und freudvoll.
Meinen Augen Omt'p louchtcn,
Meinem Schätze 1 geht's wohl.
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— 4M —
Sieh, dieser Bot* Dornen,
Sie stechen gar zw sehr,
Doch ach ! Die Liebesflammen,
Die breimeu noch viel mehr.
Mädcheu, wenn ich einstmals sterbe,
Und der Tod das Aug« Inieht,
Gib mir dann als Liebeserbe
Eine Blnm* VergiMmeinnieht.
Nimm diesen Strauss, der Liebe Pflieht,
Von Blumen und Vt rgissmeinnicht.
Sie blühen oft nnd welken immer
In dem vergnügten Herzensschimmer.
Gedenke nah, gedenke fem.
Gedenke meiner oft und gern,
Gedenke oft an meinem Grabe,
Wie eehr ich dich geliebet hnbe.
Es kommt ab und zu einmal vor, dass dci Bauernhursche
einem Mädchen eine schriflliche Liebeserklärung macht. Früher
pile^te eine solche Epistel mit einer geschmackvollen Blumen-
dekoration versehen zu sein. Heutxutage ist die Sache viel
einfacher : Der Bursche kauft sich einen Briefbogen mit Blumen-
aufdruck. Dieser Blumenschmuck fehlt überhaupt nie in wich-
ti<;en Briefen, z. B. zu Neiyahrswanschen oder an eine vor-
nehme Person u. s. w.
Vieltei(]il wird mancher Leser dieser Zeilen sich eines
Lächelns nicht erwehren können und den Vorwurf erheben,
dass in vielen der beschriebenen Gebräuche nn<l Kinridituugen
die RoUe der Bhiuie von mir mit einer gevvifj.veM Pednnferie
gesucht, an den Haaren herbeij^ezoifen worden ist. Er maj?
teilweise recht haben 1 Jedenfalls ist aber sicher« dass der
hanauer Bauer einen ganz hervorragend entwickelten Sinn fQr
die Blume hat, und dass seine ganze Sinnesrichtung in ernsten
und heiteren Dingen, in alten und neuen Sitten durch die An-
wendung der Blume ^ewissermassen einen idealen Anhauch
l>ekommen hat. Man ist gewöhnt, den Bauer als einen derben,
realistisch angelegten Menschen anzusehen, das^- der Hanauer
von Alters her auch ein un^^ewöhnliclies Mass höheren Em-
pfindens besitzt, m;icht ihn uns doppelt \v<m i und anziehend.
Wir lernen in ihm ein Volk kennen, dessen <i bonstes
Kleuiod das kü.sili( he Gut tiefer Empfindung und idealen
Fuhlens ist, ein Volk, welches es versteht, sein ganzes Thun
und Streben mit dem Dufte und Schimmer einer der edelsten
Naturgaben zu umgeben.
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5. Die Veränderung und das Verschwinden
alter Eigenart.
So wie iri) Leben der Völker iei- Mangel an Ablenkunjj
nach Aus>on einem Linde seinen ItesiiiimitHn nationalen Cha-
rakter vei kihi, haben auch die Eigenlümhchkeiten des Dorf-
lebens eni Uiii so schärferes Geprüge, je strenger die Ahge-
schlossenheit der Bewohner in grösserem oder kleinerem Umkreise
ist. Wo eine ruhige Entwickelung Platz greift, wo körperliche
Arbeit und geistig« SchalfTen gleichmässige Förderung finden,
wo die Zwistigkeiten jeglicher Art im Inneren des Doifes ein
unbekanntes Ding sind, da hat auch der Geist der Zufriedenheit
seinen Einzuj^ gehalten. Die gemeinsame Stnintneszugehörigkeit,
die gleichartige Beschäftigung, die nämliche Religion bedingen
auch die Gemeinst haft der Interessen und die üehereinstimmung
in der Le|iensaiill;issuiig.
Die alle iianaui-scbe liegierung \vus:<te diesen riii>tiiii(li'n
in vollem Masse llechnung zu tragen. Vondem palnarchaUsclien
Veiliällnis zwischen dem Fürstenhaus und den Unterthanen
lebt die Erinnerung noch bis in die neueste Iml fort. Die ech-
ten hanauer Bauern wissen noch viel zu erzählen von der
guten» alten Zelt, und manche unter ihnen nährten sich nach
dem lel-^ten Kriege mit der geheimen Hoflfnung, dass die ehe-
maligen Verhältnisse wiederhergestellt werden würden.
Ini Allgemeinen bot das alte Hanauerland seit den Zeiten
der Hofurmation bis gegen Ende de^ vorigen Jahrhunderts ein
Bild der schönsten Blntt\ Das Siliulwesen war musterhaft
eingerichtet, das Gerichtswesen wohl organisiert, die Steuern
und Abgaben wurden trotz ihrer ansehnlichen Höhe willig ent-
richtet, die Verwaltung ailieilete j^ut ungeachtet ihres Zopfes
und des langatmigen Amtsstyls, und das kirchliche Lei>eu
war frei von Spaltungen und Meinungsverschiedenheiten. Auch
nach der grosse Revolution wurden die Dorfzustände von der
französischen Regierung wenig beeinflusst. Wesentliche Störun-
gen kamen nicht vor, weder in der Politik und in den Wahlen >
noch durch das Auftreten sozialer Missstände. Ja man kann
sagen, dass sich der Hanauer recht wenig um die Lösung
wichtiger wirtschaftlicher Fragen ^nikümmert hat. Der zähe
Konservativismus, die ererbte Arbeitsamkeit und das feste Gott-
v«'rfr;iii*'n dieses Völkchens werden es nnrh in der Neuzeit über
die weltbewegenden Probleme biiiwe^Midnen, welche die Sorge
so vieler Bauern diesseits und jen5.eils »les i{lleih^ bilden. Der
Hanauer wird nicht leicht ein Sozialdemokrat werden, wenn
auch sein Wohlstand unter dem zwingenden Einfluss der Ver-
bältnisse gelitten hat.
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Noch ist eine staltlkhe Zahl von Dörfern vom Getriebe der
lirtis^.^en Welt ahgelejien. njanch altes Mülterlein und manche
juij;:e Mai«! hat noth iiichf das Bollen des Kisoiil)aliuwagens
{;espuft. VieUach herrscht noch tiie alte Gewohnheit, tlass die
jun^y'en Leute unter sich im nämlichen Dorf, woinögUcb in
derselben Familie heiraten» damit der Grundbesiis recht hübsch
beisammen bleibt.
Unter solchen Verhältnissen, auf solchem Boden entwickelt
und erhält sich der Sinn für «gemeinsame Abmachungen im
Kreise der Altersj^enossen oder im Rahmen gewisser festlicher
Anlasse. Diese Abmachungen, diese Gebräuche, welche aus dem
tiefsten Inneren der Volksseele entsprungen sind, spiegeln auch
deren getreueste Kin[»lindnnpren wieder. Und weil ihre Wurzeln
so fest in natrnii»h«'iii UjiltTgrund eingewaclisen sind, darum
hält es aiuli icliwer, sie ganz auszurotten.
Erfreulicher Weise lial es seit den Zeiten August Stöbers
eine Reihe von Männern gegeben, die den Volkssitten ihre
Aufmerksamkeit geschenkt haben. Slöber selbst war wohl der
erste, der systematisch an die wissenschaftliche, geschichtliche
und mythologische Erklärung elsässischer Gebräuche und Ein-
richtungen ging und schon dadurch für ihre Fortpflanzung
wirkte. Aber andereiseits bietet auch der Bauer als der Träger
des Volkstums die Hand zu ihrer Erhallung. Das Interesse hö-
herer Kreise an seinen Gebräueben macht ihn stolz, die Wür-
digung mancher Institution und die Wicliti^'keit, die ilir von
Herreulcutcn beigelegt wird, iässt ihn erkennen, dass doch
nicht alles, was *ibloss» beim Bauern üijlitli ist, minderwertig
und verüchtlicli ist. Diese Erfahrung kann man täglich machen.
Und wenn es gelingt, ihn xu überzeugen, dass so manche Einriebt«
ung in ihrer unscheinbaren Einfiatchheit doch von einem gewissen
Idealismus durchwoben ist, dass beispielsweise im Volkslied
und in den Volksapruchen mit ihren hinkenden Versen wahre
Perlen des Volksgeistes verborgen sind, dann wird er, der
Bauer selbst, der eifrigste Mitarbeiter zur Erhaltung von dem,
dessen er sich vorher geschämt hat. Bei den Sitten und Ge-
bräuchen gehl es aber auch so, wie bei einem soliden Geschäft:
Je älter, desto j^rössej- die Garantie für das Weilerbeslehen.
TjClrichleu wir nun einmal die Frage der Erlialtung aller
Eini iciiUingen v<m der andern Seile, und suchen wir uns zu
vergegenwärtigen, in welcher Weise sie schädigend beeintlusst
werden können. Es sei gleich hervorgehoben, dass in den fol-
genden Ausführungen die hanauische Eigenart im allerweitesten
Sinne des Wortes betrachtet werden soll, insonderheit auch die
Sprache.
Zunächst kann kein Zweifel darfiber obwalten, dass alte
18
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Efnriditun^'eii sich, \\U' ,\\U^> r>.->fehende, allmählich verruidern
müssen. Das ist der Laut der Welt, und der Mensch will zu
allen ZfMtcii ehv.is Neues haben. Vieles Altherkömmliche passt
nicht mein in die modernen Vcrlirdtnisse, verlrä«;t ^ieh nicht
mit den aufjieklürlen An^rhiinuu-tii des jetzt lebenden lle-
schlechls. So kommen immer jiiehr ab die Vorslellnnjien, welcJie
auf dem (ilauben au Hexen, Gespenster und übermenschliche
Erscheinungen beruhen, Vorstelliiugen, die leider noch bis in
unsere Tage so tief in das Geislesleben von Hoch und Niedrif^
ein|(ewurzelt sind und die fröher allgemein die Unterlage für
eine ffanse Reihe aberirläubischer Verrichtungen abgaben.
Die |)oliti!<chen Verhrdtni>;se, insbesondere jirosse Kriege
und Wechsel in der Herrschart sind gleichfalls geeignet, auch
im Volkslehen liefjfreil'ende Veränderun'/en hervorzurufen. Im
All^'emeinen ist jedoch seit dem lUljähri^ren Krie<re im alten
Hanaiioriand von dieser Seite aus keine erhebliche Anders-
jieslaUun;: ei lol^-^t. Heller die intimen DorlVerhriMni-^c* vor jener
unseli;:en Zeit Nlanden mii nur wenige Dukuuienic zu (ieiiote.
In den Gemeinderechnuugen von Gimhrett, welche bis 1010
zurückreichen, steht bis in den Krieg hinein regelmässig dne
Geldsumme aufgeführt, welche altem Brauche gemäss den
Frauen zu Pfingsten und Weihnachten von der Gemeinde ge-
spendet wurde, zu welchem Zweck, ist nicht gesagt. Nach dem
Krieg ist keine Rede mehr davon, lieherh.uipf scheinen damals
mit den Menschen, dem Viehstand, der Landwirt.>chart, dem
Volksgeist auch viele alte Sitten, Gebrauche und Hinrichtungen
vernichtet worden zu sein. Si(^ mögen unter dem verderblichen
Eintluss der zahlreichen kriege reclit langsam wiodor rmtge-
lebt sein und erst um die Mitte des N nigfii Jahrhunderts ilue
alte Höhe wieder erreicht haben. Die iVanzösische Hevoiution
mit den sich anschliessenden kriei,rerischen Ereignissen hat ei-
gentfimlicher Weise einen dauernden Ruckschlag auf die bäuer-
lichen Einrichtungen und GebFäuche nicht gehabt, und die
Ereignisse des Jahres 1870 sind sozusagen spurlos daran vor-
öbergezogen.
r 'Ix i haupt hat die fi*anzösi<> lir Herrschaft als solche auf
unser Volkstum nicht denjenigen Einfluss ausgeilbt, den eine
über 200 .fahre lange Domination eigentlich haben sollte. Die
Franzosen haben wenig Lust gezeigt, durch Verwaltungsmns-^-
regeln in das dpn1<f he We^pn der «»stüchen Gebietsfeile rin/ii-
gneifen. und auderersetlfs hat vvohl da< zähe Festhallen au der
Sitte de» Altvordern im deutschspreclieudeii Elsass nicht wenig
dazu beigetragen, dem Euj»hingen tranzösischeu Einflusses in
das Volksleben erfolgreichen Widerstand entgegenzusetzen,
Wohl hat der Intendant de la Grange in diier Verordnung .
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vom Jahre 1685 die Abschaffung der cuitschicklichen und kost-
spieligen» Tracht im Kocher8l)erger Lande und dessen Umgebung
vorgeschrieben, aber es ist bei diesem Gebot geblieben. Auch in
unserro Jahrhundert, welches nach den Stürmen der Hevolution
die herzliche Zuneigung des Elsass gegen Frankreich brachte,
hat sich die deutsche Eigenart grösslenleils erhallen. So konnte
noch Stöt»pr in der crf^ten Nummor d«'s EI^;;1s;sischen Sanistajr?il)l.it(s
1856 lohend hervorheben, dass es ein Grundsatz der iianzösi-
schen Verwaltung ist, «bei allem Streben nach der ;j;ros.sen
Einheit, deniiocli jeder Provinz ilie .sel])sirm(lige Eniwu kelung
ihres eigentümUcliei», geschichtlich begriuuk'leü und rait der
Zeit natfirtich ausgebildeten Charakters zu lassen».
Viel schneidiger zog die hanauische Regierung in Buchs<->
Weiler gegen manche Gebrftuche ins Feld, welche sie als Un-
sitlen auffassen zu müssen glaubte. Namentlich wurden die
Zügel sti'affer angezogen, als im Jahre 1796 die Grafschaft an
das Haus Hessen-Darnisladt übergegangen war. So entstand im
Jahre 4713 ein Dekret, \velches das Neujahranschiessen mit
10 Thaler Strafe belegte (veröfT. in den «Strassb. Neuest.
Nachr.» 1892, Nr. nOf)). 17^(5 wiii-de die «von denen Rosshiihen
aufl Ptingsten zu vetühon gewonliche Thorheit» luil Slrate be-
droht (daselbst 189:?. N? . 117). 1737 kam die bereits oben er-
wähnte Verordnuni; i;egen das Schlafensingen heraus. Im
gleichen Jahre wurden die Pfingstverkleidungen der Rossbuben
und der bei den AbendmSrkten auftretende tgrosse Mutwille
und Unordnung» bd 3 Gulden Strafe untersagt. Die ganze Zeit
endlich von 1796 bis zur Revolution war ein unablässiger
Kampf des kirchlich st i engen hessischen Regiments gegen die
Messtage (Messti), die cSabbathsscb&ndung»» .das unselige Tan-
zen, das (ffressen, sauffen, bulen» und wie die schönen Aus-
drücke alle heissen. Auf diese Weise ist '^•^okonunen, dass
in etlichen hanauer Dörlein \un ninnrlicn ehedem blühenden
Gebräuchen nicht die S|iiir ubiig geblieben ist.
Doch 'kommen vvii aui die französischen Verhältnisse
zurück. In einem Punkte hat der französische Einfluss doch
einen wesentlichen Erfolg zu verzeichnen gehabt, nämlich in
.der Sprache. Es sind eine ganze Reibe von Wörtern, etwa
5200—300, in den elsässiscben Sprachschatz berdbergenommen
-worden, welche allgemein üblich sind und für den Begriff, den
sie uiwiergeljen, oft vorwiejiend angewandt werden, so dass das
hochdeutsche Wort entweder ganz unbekannt oder wenig ge-
bränrhlirli i-^t. Man» he sind so innig mit der Sprache ver-
schmolzen, (Inss sie mit deutschen Präpositionen zusammenfreset/t,
durch deut.^ciie Kn«lungen verändert oder durch Anklang ;iri
sinnverwandte deutsche Worte bis zur Unkenntlichkeit ver-
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stQmmelt sind. Nur diejenigen Ausdrücke, welche der Soldaten-
VerwaHungs-, Gerichts- und Schalsprache entlehnt wurden, kom-
menallmShlich ab, werden aber auch vonder jüngeren Generation
noch verstanden. Die weitere Ausführung dieses Punktes würde
natürlich zu weit führen. Von anderen Rinrichtungen, welche mit
dem Aufhören der französischen Herrscliatt verschwmiden sin-L
nennen wir die hlumengezierten Loosun;^^ssclieine, sie kouiinen
natürlich nicht wieder. Hin^'"e<?en hat dns floife Conscritleben
bei <)er Musterung, die bunten Sträuä:»e und Bänder und der
alte Tambourmajorstock mit der Rückkehr des Patrtotismus er-
freulicher Weise auch wieder seinen £inzug getialten.
Aber wenn wir uns das Innere des Dorfes genauer an-
sehen, so erblicken wir ein«n gewaltigen Unterschied gegen
früher. Das Gefühl beschaulicher Ruhe nimmt beim Bauern
stetig .»b und macht immer mehr dem der Sorge Platz. Durch
die kolossale Ausdehnung und die Schnelligkeit des Verkehrs
ist er gezwungen, seine Bücke weiteriiin zu richten, als, wie
früher, in das nächst»^ Stiidtcheii. llei Weifmarkf bestimmt den
Preis für seine Botlenerzeugnisse, wclciio trotz der Entwertung
des üeldes viel wenijrer eintragen. Der Bauer muss sieh mit
fremden Handelsleuten abgeben, die aus weiter Ferne kommen,
um ihm seine Produkte abzunehmen. In Fdge des Ungeheuern
Aufschwungs des Fabrikwasens ist die Hausindhatiie, insbe-
sondere das Weberhandwerk zu Grunde gegangen. Der Hausier-
handel mit seinen Auswüchsen hat seinen Weg in das Dorf
gefunden, die ßrotfrau mit dem Stadtklatsch, der Metzger mit
altem Kuhfleisch und der StofikranuM mit der neuesten Pariser
Mode, und schon beginnt eine andere Einrichtung sich auf dem
Lande ein7uni-;ten, die der Konsumgenossenschaften. Während
es früher ein Krei^;^nis wit, 'A'enn einmal ein Briet aufs Doi-f
kam, ist jetzt tasl jeder be-iscre Ackersmann an die Zeiiun;;
abonniert, welche ihm von den sozialen Nolslauden auf der
ganzen Welt, von Dynanut und Ilevolution, von der .Sozialde-
mokratie, dem Anarchismus und dem Umsturz berichtet. Hef-
tige Wahlkämpfe für grossere und kleinere politische Körper-
schaften halten ihn in Aufr^ung. Immer neue Steuern belasten
ihn, jedes Jahr fast bringt Neuerungen, das Krankenkaasengesetz,
das Unfallgesetz, die Alters- und Invaliditätsgesetzgehun^. Der
Staat svill Geld und wieder Geld ! Gelehrte Leute, welche nie-
mals den Pflug in der Hand hatten, schreiben ihm vor, was und
wie er anbauen soll. Ungläubig srhütfelt er den Kopt. W^ie
ganz anders war i s in der guten allen Zeit !
Der alte lluthauer scliltesst die Augen, und sein Sohn muss
sich in die neue Well fügen. Schon iVüh hat er den Ernst des
Lebens kennen gelernt. Er hat tüchtig arbeiten müssen, denn
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die Dienstboten sind selten. Sie ziehen in die Städte und Fa-
Itrikpii, dem leichton Vcidipiist . dei' <'Soiiiita;:si-nhe» nnil ii»»n
\ erijniii(unj,'eu nach. Der Bauer aber mun& horrende Luluie
l)ezahlen, denn ohne Diensthoten kann er e$ nicht machen.
Und dazu muss er sie oft aus weiter Enlferniiajf herholen.
Andererseits hat wiederum die Erleichterung des Verkehrs, die
Vergrösserung des EisenbahnneUes einen fortwihrenden Aus-
tausch von Elementen; den Zuzug fremder und den Abgang
einheimisclier Personen lur Folge.
Unter solchen Verhrdtnissen ist iWe Wnhe auch im aligele-
genen Dorfe geetdrt. Sie weicht der Unzufriedenheit. Ein niiss-
vergnügler Bauer aber küni inert sich nicht mehr wie ehedem
um seine Dorf^enossen, ihn heschleicht ?iir]i< <lie Freude an
gemeinsamen Festlichkeiten, an allen keinhallen Sitten, iinter
denen seine Väter j^i^oss ^^ewoiden sind. Sie khn^'^en iiim alhnäh-
lich wie Märchen an das Olir, er hat jetzt and. ren Mealen
nachzujagen und zu drängen und zu hasten, die ihn in der Be-
sorgnis um die ^kunß der Seine» und des Hofes gegen jede
edlere Regung blind machen. Gleichgültigkeit hält ihn um-
fangen, der Geiz und die nicht unberechtigte Habsucht haben
seine Tasche für alles t Ueberflflssige» verschlossen. Was aber
das Schlimmste, ist dass der Bauer seine heimische Sitte und
Eigenart verachten lernt. Er wird, wie Pfarrer Han^akob so
treflenH f^agt, zum l>esseren Hausknecht. Wenn eine ganze
Reihe von Hauern im nämlichen Dorf diese traurige .\nwandlung
durchgeninchf dann ist es bald iiiii das Volkstum geschehen.
Niciit ininder froffdirlieh ist eine andere Kategorie von
I><)rfbewohnern, wekije gleich falls den bäuerlichen Verhältnissen
entwachsen sind, nämlich die sogenannten Herrenbauern. Bei
ihnen ist das leitende Motiv der Stolz. Sie haben gewöhnlich
Umgang mit cHerren», mit Beamten und * Ihresgleichen und
dünken sich mit ihrer Halbbildung weit über die «Bauern»
desselben Dorfe erhaben. Am Sonntag besuchen sie gern die
Stadt, trinken täglich ihren Kaffee im Wirtshaus und spielen
ihre Partie bei einer dampfenden «Ktrnn^rrr». Ihre Kleider
haben den rnodis( hen Sthnitl. auch die ihrer Familie, und die
Sprache ähnelt der städtischen. Ach, dass sie den Bauern ganz
abstreifen konnten !
Wozu denn die ulten Inschritlen am neu getünchten
Wohnhaus I Das passl gar nicht zu»auimen. Und der Maurer
llsst es sieh nicht zweimal sagen: Mit wenigen Pinselstrichen
ist das alte Zeug weggewischt, das die Leute doch bloss an-
gaffen, wenn sie vorbeigehen. Wenn Pfingsten heranrückt,
wird den Buben verboten, den alten Unsinn ihrer Kameraden
mitzumachen. Das war früher so Mode, aber jetzt sind die
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Leute nicht mehr so einiältig. Unfmrmhei'zijr weiden iVermle
Jungen abgewiesen, und wären e» selbst arme Kinder, die
einen Pfennig oder ein Ei oder ein Stückchen S^>eck ganz gut
gebrauchen könnten. Wenn der Messti herankommt, hält sich
der H«rrenbursche cnobeli nirflck. Das G^uclise beim Auf-
zieheQ auf der Strasse und das Taovea um den Maien ist doch
gar nicht anstflndig 1 Auch gefällt ihm der Messlibursche nicht,
denn dieser ist arm und er selbst hai's nicht nötig, sich etwas
von ihm vors( hmben zu lassen. Einmal kommt endUch auch
die Verschreibung angerückt. Wie ist doch da der .Trumbolle
»ju M'ifi^' ! Was brauchen denn fremde Leute vom besten Wein
zu Innken! Da macht man die Sache ^imz einfach. Die Fi^^^fne-
sellschaft geht in dr^«? nächste Städtchen zum Notar. Nacnher
i^ist man im Wirtshaus, da isl nii ht die ^'eringste Last we^en
de^ Kochens, hiau bruucltt nicht da;» ganze Dorf einzuladen,
der Notar isst auch nicht mit, und die Burschen zu Hause
bekommen ein GoldstOck, damit sollen sie anfangen, was sie
wollen.
So gebt es mit vielen alten Gebriluchen. Die Vertreter der
Dorfaristokratie, die reichen Bauernburschen als die Tifiger der
Dorfsitte, wenden ihr Interesse von dem Altherkömmlichen ab,
dann wird die Sitte von den ärmeren Klassen und jüngeren
halbwüchsigen Burschen geübt, gerät in Misskredit und sliri>t
allmähni'h aus.
Die veideiblichf ftleichniaciierei hat feiner im Kieider-
wesen ein )>esonders lru( litbares Gel)iel der Thätigkeil getunden.
Der ücidimmste Feind der Tiaclit, die Mode ist es, die hier ihr
tyrannisches Szepter schwingt. Kaum hat die Bauernmaid in
die Stadt bineingerochen, so muss sie auch 3Gbon nach der
Stadtmode gekleidet sein. Ueber diesen Teil meines Themas
sei auf die < MitteiluDgen des Yogesenklubs 1894 » ver-
wiesen, wo der Gegenstand ausführlich behandelt ist. Hier
i t bloss in Bezug auf die weibliche Tracht noch hinzuzu-
fügen, dass unabhängig von der herrschenden Stadtmode auch
Mode«chwankungen auf dem Land vorkommen . So lässt sich
seil etwa *2 Jahrzehnten deutlich Ijeohachten, wie der Kleider-
schnill des Ackerlands, der lange Kock mit lueitem Faltenwurf
und tiefer Taille sowie die mächtige Srhiaufkappe alhnaliUcli
nach dem Hanauisciien iortschreitet und langsam den früheren
Schnitt, kurzen Rock mit hoher Bnistdnschnürung und die
schmalen Kappcnbändel verdrängt. In MQhlhausen bei Bucbs-
weiler kann man jettt noch bei Vertraterinnen dreier verschie-
dener Generationen verschiedene Stadien dieses Kleiderwechsels
konstatieren. Der gleiche Unterschied in der Gewandung besteht
xwischen älteren Zeiten und der Jetstzeit, auch Im Ackerland,
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das geht aus den Photojxraphien der üUer Jahre und alteren
Bildern deutlich hei voi . Hierher gehört auch die Tra;^^wei>;t.' des
Halstuchs, entweder über die Schultern geworten, oder unter
die Anue gebunden.
Auch im Bau, sowohl was die äussere Einrichtung als die
iDDere Ausstattung hetriilt« lässt steh in der .letzten Zeit eine
Dicht geringe Aendening nachweisen. Während die älteren
Häusei' mit ihren Wetterdächern, dem Pachwerk und den
Walmen einen recht nialeiischen Eindruck hervorrufen, kann
man das von der jetzigen Bauart nicht mehr behaupten. Anstatt
der mit Lehm verbundenen Stecken und Strohbüschel wird
heute mit den solideren Backsteinen gebaut. Das Faclivverk ver-
schwindet, i(i Tolge dessen auch die Wefterdärlier, die /u
seinem Schutz vor den Unbilden der Willeiun^ dienen. Das
ganze Wohuhaus ist nicht selten mit Spritzwurt belegt. Die
langen eichenen Balken, welche die Decke der Stuben zu bilden
ptlegten, werden durch eiserne Balken ersetzt, die unsichtbar
in die Decke eingelassen sind. Das Cretäfel ist abgekommen und
durch weisse Tänchung oder eine schöne Tapete verdrängt.
Auch die Möbel haben ein modernes Aussehen. Der rote An-
strich mit seinen In'il) « h* n Verzierungen ist seit dem Unter-
gang der Krappkuhur abgekommen. Die ebrwürrligen alten
Pommerofen, die Ofenplalten mit ihren religiösen, patriotischen,
ländlichen und Blumenszenen und Inschriften sind modernen
Oefen gewichen. Die äussere Anlage jedoch, die Bauart ist
noch stets der unveränderte, schöne allemanische Styl. Kaum
dass die grossen FIngellhore <lurch Uollthore verdrängt sind.
Wir hätten nun noch eine wichtige Seite zu betrachten,
nämlich die der Gevralt. Von einflussreichen Leuten aus dem
geistlichen wie aus dem weltlichen Stand wird vielen Gebräuchen
und Einrichtungen mit Eifer zu Leibe gelingen. Die Frage
nach <lei' Berechtigung einer solchen Handlungsweise las.sen wir
hier unberfihri. S.» werden manche Faslnachts- und Pllngstge-
bräuche, insbesondere das interessante Scheiben werfen als heid-
nische Anschauungen angesehen und vernichtet. Dn' Festlich-
keiten am Mes-^li, die Knnkelstuhen, welche seif dem Niedergang
<ler Hauswebcrei zu Strickstuben tierabsanken, und die .\bend-
märkte werden als Vergnügungssucht und Gelegenheiten zu
unsittlichem Gebahren gebrandinarkl. Manche Trachtstücke,
z. B. steif« Vorstecker, kui-ze Höcke und wetUiusgeschniltene
Hemden verwirft man, weil sie zur unmoralischen Schaustellung
gewisser Körper formen dienen.
Auch das Gesetz und die Verwaltungsmassr^eln treffen
manche alle (Un)sitte und zerstören sie nicht selten ganz. Das
Schiessen, wodurch schon so manches Unglück hervorgerufen
r
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wurde, ist der Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit von
Seiten der Polizei. Bei Kindtaufen, Verschreibungen um! Hoch-
zeiten, zu Neujahr, am Messti uml in der Weinlese wird stets
aufgepasst, dass das Verbot nicht übertreten wird. Trotzdem
wird <l;is Schicsson tiorh hfmfi^r penug geübt, d**nn rmrh die
Burs( hnhen ein wrirliv-unes Auge auf die Gendarmen und
wissen oii ihren Nai listellun^j^en zu entgehen. Nicht unerwähnt
sei ferner die Absclialfung des «Gabenschiessens», welches
früher am Messti oder auch ohne besondern Anlass im Herbst
auf freiem Feld veranstaltet wurde. Es musste der öffentlichen
Sicherheit halber seit der Einführung weittragender Gewehre
eingehen. Die nAmliche Rucksicht auf die dffentliche Sicherheit
bewirkte die Ueberwachung und Einschränkung des Gabenreitens
und Baumklettems bei Hochzeiten. Die Verhütung der Feuers-
gefabr war es, welche man -fi M' Orten die Absi hafTmip^ der
Fastnachls-, .lohannistng- und andei tM' Feuer ver'Jcluildete. .\n( h
wurden }ye\ solchen Golegonhoiten oft ruhe SrhtMv.e verübt. Das
PiMtschcn knallen zu lYingsten wiid als grober Unfug oder
nächtliche lluhesloi un«.^ aufgefassl und demgemäss geahndet.
Unter den Lotlerie^iaragraphen fallt das Ausspielen von Gegen-
ständen am Messti, und die Spende des Trumbotte in natura
musste fallen, seitdem der Transport von Wein Ober die Strasse
ohne Lösung eines Scheines strafbar ist. Von Verwaltungs-
wegen wird ferner in armen Gemeinden das Fahren der Ab-
wandfurche auf Gemeindekosten untersagt, in Folge dessen
kommen auch die damii verknüpften Gebräuche ab. Und wie
geringfügig manchmal die Ursache für das Abkommen einer
Kinrichtung ist, beweist ein Vorkommnis in Dnnzt'iifi'Mm, wo
der Gemeindeschäfer protokolliert wurde, weil seine Schafe das
der Stra.«.senbauverwaltutig geböri;;«' Gias im Slr,is<engraben
ai»\veideten. Der Hirt legte .sein Amt nieder, ein Nachfolger
war nicht zu finden, und so kam in Dunzenheim die Schaf-
zucht ab.
Nicht selten aber wiixl auch von den Gerichtsbehörden
eine unschuldige Sitle unrecht aufgefasst und beurteilt. So wur-
den im vorigen Jahr im südlichen Oberelsass mehrere Burschen,
weicht^ <ler Sitte gemäss Fassnachtsküclieln gesammelt lijflten,
wegen Betlelns gerichtlich l»estraft. («Elsässert Tom 1*2. 3.94.)
Und noch vor kumor Zeit war das Zerreissen einer Fnline durch
Gestellnn^spllichiige m (Mtrotf der Gegenstand einei' jreiieht-
lichen Veihandlung, die mit einer Verurteilung endete. («Eis.»
1895, Nr. 40 u. 9()). Ilaben nicht die alten Landsknecbtheere
bei Auüösung ihres Truppenteils dasselbe «iethan? Uebri^ens
besteht dieser Brauch auch in Hochfelden und hat noch nie
Anslosa erregt.
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«
Zam Schluss entsteht nun die Frage : Was kann man thun
zur Erhaltung alter Sitte und Eigenart? oder richtiger: Soll
man alle alten Einrichtungen zu erhalten suchen? Nichts sei uns
femer als das ! Gar viele rohe Sitten sind verschwunden und
sollen auch nicht wiederkehren. Dank dem aufgeklärten Zeit-
geist ist ferner auch Vieles allgekommen, was in unsere Ver-
hältnisse nicht mehr passt. Es sei bloss kurz auf den Aber-
glauben hingewiesen. Noch bleiben uns viele Sitten, welche
sich zum Teil überlebt haben, a!>er iloch im Gi nnde genommen
erhaltuiip^swäi'dig sind. So wie aber ein vernfinttii^er Mann einen
Baum, der keine oder schlechte Früchte träj:jt, be.schneidel uder
veredelt, um einen bessern Ertrag zu erzielen, nicht aber ihn
gleich abs> 'Uad samt den Wurzeln ausrottet, so soll auch das
Gute, das Schöne, das Ideale an einzelnen Sitten mit Zähigkeit
festgehalten und gepflegt werden. Möge man in diesen Fällen,
die Auswüchse geissein, nicht aber die ganze Sitte verdammen.
Solche Einrichtungen sind vor allem das Volkslied, die Hoch-
zeitsbräuche in geläuterter Auswahl, die Pfin^st- und Weihnaclits-
gebräucbo, die Volkstracht u. a. m. Wo freilich ein Brauch
schon läiig^ere Zeit aivp'ekommen und das* Verstrnnlnis verloren
ge^antjen ist, wird es schwer hallen, ihn wieder eiiizufüliren.
ha es endlich niclil unmöglich ist, dass auch neue Sitten auf-
kommen, so wird diesen gleichfalls einige Aufmerksamkeit
geschenkt werden müssen.
Trotzdem nun im alten Hanauerland manches Alte durch
die Macht der Zeit und der Gewohnheit abgekommen ist, steckt
doch noch ein recht grosser und kostbarer Schatz darin, welcher
der geeigneten Persönlichkeiten harrt, um aus der verborgenen
Einsamkeit des Landes das helle Licht der Forschung und
der wissenschaflli lieii Beurteilun«? hervorgezogen zu werden.
Namentlich i^laube ich, dnss auf manchen Gebieten noch viele
lokale Eigentümlichkeiten zu erforschen f^ind, deren 7usammen-
stellun^ interessante Ergebni!«j;e liefern uüide. im Z ihller des
Verkehrs durch Eisenbahn, Post und Fahrrad <luilit* d^e^e
Aufgabe auch für den Einzelnen nicht unüberwindlich sein.
Und darum noch einmal :
Hanau alt's, Gott erhalt's !
Hanau alt's, in Ehren b'hall's 1
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XV.
Die Kunkelstube,
(Fortsetzuiitf.)
Von
Han» Llenhart
Die im 8. Jahrgang unseres Jahrbachs enthaltene kurze
Schilderung der Kunkelslube und der damit zusaininenliüiigenden
Bräuche in einigen Gegenden des Unter-Elsass hat erfreulicher^
weise in den Kreisen unsrer Mitarbeiter am Elsässer Wörter-
buch sowie auch anderwärts (Miie unerwartet freundliche Auf-
nahme gofuiidon und nliorrtll tüi Lande zu ferneren Aufzeich-
nungen Anlass ^e<,^t?l)iMi. iJie Beilni^«' zu diesem Kapitel unsres
Volkslebens Uosbeii iclIiL reichlich, so dass wir in diesem Jahre
in der angenehmen Lage sind, unseren Irübei en auf persönlicher
Beobachtung beruhenden Mitteilungen einige neue hinxuxufCigen,
und zwar zunächst aus dem Mittel -Elsass.
Leider ist auch hier allgemein die wenig erfreuliche Thal-
sache festzustellen, dass die Kunkelstube lu deigenigen Volks-
brftuchen gehört, die, wie die schönen alten Trachten, zusefamids
und unaufhaltsam dahinschwinden.
In Bi sc hüf s Ii ei m, an der Bahnlinie Mulsheim-Schlell-
.«tadt, unweit Oherehnheim, sollen die Kunkelstuben noch vor
etwa 15 — "JO Jahren in schönster Blüte ;:eslanden haben, wäli-
rentl lieutzula^e nur noch weni},»- junge iMäddien das Spiunen
erlernen. An den Zusammenkunflsaljenden .<piQiien fa.>t aus-
schliesslich die Alten ; die Jüngeren .stricken oder häkeln. Ge-
arbeitet wird bis um 9 Uhr ähentls ; dann tritt eine Pause ein, in
der das Spinnrad oder die Strick- bezw. Häkelarbeit in Be-
gleitung des Verehrers, der draussen längst wartete, nach
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— 203 —
Haiwe gebracht wird. Nachher kehren sie mit einander in die
Gesellschaft zurück, wo dann Branntwein gelrunken wird ; aucb
Brot und Aepfel werden dazu gegessen. Einer der Anwesenden
spielt die Ziehharmonika, Harmeni, wie es im Volksmunde
heisst, ein Musikinstrument, welches die frühere Geige nach
und nach verdrängt. Die Haimeni ist natürlich leichter zu
spielen als die Geige, und ihre vollen Akkorde mit Bas^be-
^leilung sprechen solche Leute aucit iiieht an als die einför-
migen Töne, die der Dorfmasikant seiner Geige oft nnr mit
Mfliie zu entlocken vermag. Dazu wird erst gesungen und
später auch getanzt. Und die^r zweite Teil dar Kunkelstnbe
ist fflr die jungen Leute natürlich die Hauptsache. Wer möchte
es ihnen auch verdenken ? Die Gesellschaft bleibt oft bis Mit-
ternacht zusammen, bei Gesang und Tanz, al)wechselnd mit
allerhand Scherzen und Spielen, von denen die beliebtesten die
folgenden sind :
Baumwolle bioser«.'
Es setzen sich alle Anwesenden dicht um den Tisch herum.
Sodann wirft einer ein Stückchen Wolle oder Watte auf den-
selben. Jeder sucht es von sich weg zu blasen, so dasä es plötzlich
an allen Ecken und Enden herumfliegt. Fällt es dabei zur Erde,
so mu'^-^ dorjenifje, an dessen fechter Seit^ e-' ilni^hLrin}?, ein
Pfan«! j^'ehen. Die Pfänder woitleu später wieiier eingel'^t, und
dabei spielen die Küsse als Lösepreise die Haii[)lrolle, und des-
halb ist dieses Spiel aucb eins der bevorzugtesten.
MeAl schiiideif.
Man füllt eine Schussel mit Mehl, türmt dasselbe hoch auf
und setzt oben auf die Spitze einen Fingerhut. Der Reihe nach
schneidet sodann jeder der Anwesenden einen Teil des Mehles
ab, so dass schliesslich nur noch eine ganz schlanke Säule mit
dem aufsitzenden Fingerhut übrig bleilU. Wer denselben endlich
zu Fall bringt, muss ihn mit dem Munde aus dem Mehl her-
ausholen.
Telegraphieren«
Es wird einer gefragt, wohin man für ihn telegraphieren
soll. Nachdem er einen Ort genannt hat, holt man einen Teller
und steigt damit auf einen Stuhl, so dass man ihn an deu Balken
der Decke halten kann. Alsdann gibt man dem Betreffenden
^ Di« enrsiven Buchstaben siad in der Handart stamm.
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einen Stab und forciert ihn auf, mit deni-elhen an den Teller zu
drücken, damit er nicht herunterfallt. So läMt man ihn eine
Zeit l:ui|j stehen luni fangt dann an, ihn zu foppen. Den Teller
kann er vom Fussboden aus nirlit heruntenif hmen, ihn fallen
lassen — da? wäre ja scli;i le; wenn er indessen kein Thor ist,
$0 thut ers schlies!«lich doch, falls sich nicht jemand seiner
erbarmt.
Den äcblap^n (= Pantoffel) sueche».
Es setzen sich alle Anweseoden im Kreis oder in einer Reihe
sur Erde nieder und ziehen die Beine an sich heran, so dass
unter den Knieen eine Wölbung entstellt. Durch diese wird
nun ein Sc hlappen — oder auch ein anderer Gegenstand —
schnell hin- nnd herjfegel)en. Finer steht im Kreise oder vor
der Heihe und sucht den Sciilapften. Von Zeit zu Zeit winl ihm
damit ceine heruntergehauen», so dass t-r erfahrt, wo etwa der-
selbe steckt. Findet er ihn schliesslicli, so rnuss derjenige suchen,
bei dem er erwischt wurde.
Eine Menagerle maehe».
Ein Mitdchen und ein «Mannskerl» hieihen in der iSluhe,
alle übrigen gehen Ijinaus. Sodann niiuml das Mädclien einen
Spiegel unter die Schfirze. Einer nach dem andern wird nun
hereingerufen und gefragt, was er für ein Tier sehen will.
Sagt er z. B. rein Kameel!», so wird ihm der Spiegel vorge-
hallen, dass er das Kameel in demselben betrachten kann.
Blnei» hipotenisleren.
A geht mit B eine Wette ein, dass er ihn in kurzer Zeit
zum Schlafen bringen kann. Alsdann nimmt er zwei Teller,
ecbwftrzt den einen auf der Unterseite mit Russ und gibt diesen
dem B, den andern behält er för sieb selber. Nun fordert A
den B auf, ihm scharf in die Augen zu sehen und alle Zeichen
und Ik^wogungen nachzumaclien. Er greift wiederholt unter den
Teller und tahrt dann mit der Hand ü'ier das Gesicht, markiert
den Schnurrbarl, den Backenbart, den VolHiart, und B thut
gewi.ssenhaft dasseH>e, bis er sich /ulet/t das ;^;ui7e fT»'si( ht be-
schmiert hat. Unter grossem Geiät hter winl er dann vor den
Spiegel geführt, damit er sein Konterfei bewundern kann.
Daa Schöffengerieht.
Drei der Anwesenden, ein tiichler und zwei Schöffen, bleiben
in der Stube, die übrigen müssen vor die Thüre gehen. Es
werden nun zwei Stflhie so aufgestellt, dass eine Lücke, etwa
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von der Brette eines Stuhles, dazwischen ^^eiassen wird. Die
Stöhle werden dann mit einem grossen Tuch fiberdeckt, und
die ganze Vorrichtung sieht mithin einem Sopha nicht unähnlich.
Die zwei Schöffen setzen sich jetzl auf ihre Stfihle, und ein An-
geschuldigter » gewöhnlich der Dümmste der Gesellschaft —
wird herein^'erufen. Der Richter befiehlt ihm, zwischen den
iSchölTen Platz zu nehmen. Aljer In dem Auj;en blick, wo er sich
niederlassen will auf das be«|ueme HuhehetI, erheben sich die
lii'fTHTi, und unter dem .dlj.'^emeinen lielaehter aller Uehrigen,
die iiuii auch wieder liereiukommen, stürzt er zwischen den
zwei Stühlen zur Erde nieder.
Einet» öktteloH (= abkühlen).
A steckt dem B vorn einen Trichter ohen zur Hose hinei n
und gibt ihm ein GeldstQck, dAs er auf die Stirne hallen muss.
Er nimmt darauf selber ein Geldstuck in die Hand» geht ziemlich
weit von B weg und veisicherl ihm dann, er werde dasselbe
40 werfen, dass es dasjeiii^'e von B trelfen und mit demselben
in den Trichter fallen müsse. Unterdessen kommt ein anderer
von hinterwärts und giesst ein Glas kaltes Wasser, in den Trichter.
Höninr suechen«
Kin Mädchen i^eht mit einer Schüssel voll Wasser und einem
darin befindlichen Lappen von eineai zum andern und stellt ilabei
allerhand Fragen, die man aber — was sie zu Anlanjj ihres
Rundgangs ausdrücklich verboten hat — weder mit ja noch mit
nein beantworten darf. Thut das doch einer» so schlSgl sie ihm
den nassen Lappen ins Gesicht mit den Woilen : cSe (da) besl
Honip !»
JDa» Blättel der LiebA
A verteilt ein Spiel Karten unter die anwesenden jungen
Leute. Wenn er fertig ist, fragt er seinen Nachbar B zurrechten :
cHesf du da» Blftttet der Lieb nit gesehn ?» worauf B seiner-
seits nun den A wieder fragt: «Werum wi/ütt's wisse», welcAi
Körte WxlUi kü.<}seii?f \ nennt dann dne Karte, z. B. ci)ae
Schüfet Ass l> Jetzt muss dasjenige Mädchen, das diese Karte
hat, dem A einen Kuss gei)en, der ihr redlich wieder zurück-
gezahlt wird. Trifft es sich, dass ein Bursche M die «renannte
Karte liat, so geben sich einfach X und M die Hnnd. Nun wird
da:< Sjtit'l fortj^esetzl ; B fragt seinen Nachbar genau so, wie
er vorher von A gefragt wurde u. s. w.
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— 206
Einet» zaem Lacheii bringet».
Um den X zu foppen, der von der Y durchaus einen Kuss
baben möchte, macht man folgendes :
Die Y lep! sich scheintot ir^iendwo hin, nachdem sie den
Mund voll \\'a.sser }(enommen hat. FJiu'r n;u h dem andren
kommt nun an «ie heran und «fibt ihr einen Kuss, indem er
sie gleichzeitig zum Lachen zu bringen sucht. Wenn man
merkt, dass sie sich des Lachens nicht mehr enthalten kann,
rauss auch X herantreten ; aber in dem Augenblick, wo er
sieh zum Kuss anschickt, spritzt ihm die Y das Wasser ins
Gesicht,
Wm fllr • Nnmero het dinni Liebsti?
Mau hat viele Nummern auf einem ßiaü aul'gc'M;hrieljen.
Bei jeder steht etwas über die Eigenschaften und das Aus-
sehn eines M&dchens. A fragt nun den B : cWas f3r e
Numero het dtnhi Liebsti ?» worauf B eine beliebige Nummer
nennt. Was bei der betreffenden Zahl steht, das bezieht sich
auf seine Zukünftige. Ebenso lässt man das Alter derselben
erraten.
Ausser den genannten Spielen isl auch noch sehr beliebt
«Der schworze Peter», das ja allgemein bekannt ist, und Brue-
der, ich bin gebu/zt 1>« wie es im Jahrg. VIII, S. 79 beschrieben
wurde .
Neben Scherz und Spiel koitnat aljer auch das Lied zu
seinem Hecht. Einzelne Lieder sind sehr beliebt und .-ehr ver-
breitet. Sehr gern sangen die Alten das Lied tWir winden dir
den Jungfernkranz», das man allabendlich auch auf dem Ko-
chersberg uiid im Zomthal bdren konnte. Nachlrftglich sei an
dieser Stelle noch hinzugefügt, dass frQher in diesen nördlichen
Strichen des ELs^iss, westlich von Strassburg, u. a. noch fol-
gende Lieder mit besonderer Vorliebe gesungen wurden, die
mir in 2 alten handschriftlichen Liederbüchern aus den Jahren
und 1848 voHie^^fn r Heinrich schlief bei seiner Neuver-
mählten. — ich an tMiioin Sommertag. — Leb' wohl, du
teures Land, das tnicli geboien. — Thul's mir weh im Herzen.
— Ich jjing einst hei der Nacht. — Freund, ich bin es zu-
frieden, u. .s. w.
Neben den Liedern, die von der ganzen Gesellschaft ge-
sungen werden, püegt man auch den Einzelge.sang oder den
Hundgesang, Eingeleitet wird derselbe durch die bekannte
Strophe :
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207 —
I : Es geht ein ßundgesang an unserm Tisch haimm : {
Drei mal drei ist nenne, vis-a-vis ist raeine.
£s gebt eiu Ruudgesang au uuseim Tisch hemm
Vidibnm!
Bei dem letzten Worte zei^^t man auf einen Anwesenden,
und dieser muss sofort ein Lied zum besten geben. Ist das-
selbe beendigt, so singt man :
I : Hat's gut gemacht, hat's gut gamaeht,
Drum wild er auch nicht ansgalacht : |
Hat aber ik'v Belivtli'iidf niclil sulort zu sin;:en aniJretanp:en^
oder überhaupt jjar iiichl gesungen, so wird er verspottet mit
den Worten :
I : Hat's schlecht gemirht hat's schlecht gamacht,
Dram wird er jetst auch ansgahicht : |
und zur Strafe muss er ein Pfand bergeben, das dann spftter
mit den bekannten Scherzen wieder eingelöst wird.
Znm Schluss soll noch ein Lied aus Hi^chofsheim mitgeteilt
werden, das man dort auch jetzt noch sehr häufig in den
KunlLelstulien singt:
*a Uiacbel.
1. Lauf ich so in der Stadt eram,
Ze wirf ich d Anja nun an nam,
£b ich min Urschel nit erblick :
Denn s Urschel zo sehn I s isch min Qlftck.
Kommt sie vo wittern geje mir,
Weiss ich nit, wa& i mim Lib ich &pür :
I : ün s Hers klopft mar, wann*s nflhdar kmnint,
Qrod wie m wenn dar Dambttr drammi : j
"A- liu ge mer als i d Erbseiaa b ;
Dert git's ken Beja un kan Staub.
Ze sahn git*s darta allerbannd,
Mer bliwe stehn o jedem Stannd
Dn gaffe all dis Dings do an,
Un dis un zell mecht s Urschel han :
I : Wenn ich me Späue hätt, du Dotscb,
Ze mikeBoh de mar han, Urschel, was da wotlscht: 1
3. Doch, leider, how i nit vil Geld,
*8 geht schönfei zue uf dere Welt I
Dar ein hat allaa, aandri nix,
0n ich bin aalbst a-n-ormer Zisc.
Oft sAff i Wasser sue mim Brot ;
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— 208 —
Minni Kleider sin nit ä U mode;
I : Ich fohl- an nieinols i der Kutsch,
Du dü biscb selbit e-n^ormi DräUcii. : i
4 Docb wenn i munme ricber wir,
Dn wie nun GeldsMk nit so Imt,
Dft müescht mer han» H«zx was begehrsckl
I wott .sehn, oh '\e nit zefridde wärsch.
Da müescht de uettste ßock mix han
Mit KrinoUn an Volant dran ;
) : Dq mSuuetA 6M bMtti so diok do stohn,
Dass d duMh ksn Thor mo doreli könnsoh gthn.
5. Vom Stemtlior uu i d Krütenan
G&b's kmrn sso nstt gopatsti BVaii;
Vom Bonggswehr a *s Bftddelthor
Brfiohtsch mer an keniii me eso vor.
Doch leider isch mi Meijes ' gJ'iTig,
Kanf ich dir do e GroBcherni;.' -
I : Heb Sorri druf, er kummt vo maer,
Er koscht • gaoiue Schopps BisrI : ]
Qeld. — 2 Fingerring für 8 Pfg.
XVI.
Die Münsterthäler Vornamen.^
Ein Nachtrag zu Jahrbuch X, S. 269^283.
Mitgeteilt
von
J. Spieser.
Abraham 'iwrhftm ; Adam äita ; AndreoM '^lUräs; Bar-
thoUmäuM 'pä^rtlin^i ; Benjamin «panjämin ; Chritiian krejtla ;
Daniel täDji»), -t4m, «tanila; David tiifil, ik\i(\9); Dietrich
'tietdii; Elia* leias; Franzjosef 'fräntsfep; Friedrich frets;
Gabriel •kä\sit!^^\ \ Georg jeri ; Heinrich h^'inv ; Isaak '\}säk;
Jakob jop ^ ; Joachim joyrn ; yoAanMe« bänas, hänts'; Johann
Adam häntsaittj; Johann Georg 'häntsjöri; Johann Jakob
•liänlsjop ; Johann Martin '\\i\\\\<\\v<\yv\\a \ Josef sep ; Karl
\\\yA\rU\ Konrad kliyinol ; Lorenz loiraiils, I^udwig lupik,
lülwik^ Lukas lyksj Markus luarks, luarks; Mariin 'iuä|rtin«
' Zur Schreibung bemerke ich, dass ich mich im allgemeinen
an das System Krauters halte; nur gebrauche ich für sch statt des
zosammengesetzten s das einfache ^, ferner als Dehnungszeichen statt
eines Aksents ein nachgesetztes ), und als Zeichen der Betonung
•inen vor die starke Silbe gesetzten Punkt (). Vgl. Jahrb. TX
S. 87 ff. In den früheren Jahrgängen ist oft durch Abspringen des
ÄkMiits die Läogebezeiebnnng mloren gegangen, mit \ ist dies
nicht zu befürchten. Das Zfichrn ist einstweilen als Notbehelf vom
Setzer ans { zarechtgeschmtteo worden. Die vollständige Ausmerzang
der QronIraehBtabeii in Ltiitsehrift wird von Krftnter im Gegensatz
TO dem im Jahrbuch herrschenden Gebrauch ausdrücklit h gefordert.
* Aber 'jokopstaf (25. Juh), *]okopspcira, jok.opstriiwl usw.
3 Dte Worte khäntstik, khkatstri|wl u;ei£en auf eme ausgestorbene
Form khtoes oder khknts.
14
— 210 —
irinirta. maiHla ; Maternus 'rnälarn ; Matthäus "niäleiw.is ;
Matthias mäts, mälis, mälsla, niatsla ; Michael meyl ; Nikolaus
kläis, klais ; Paulus päili; Peler pietr : Samuel säml ; Se-
bastian {ta^o : Stephan ^tafa; Theobald wult, wehr, \v()lt(r))l3 ;
Thomas Uuhö; Tobias läweias; Ulrich 'yiilari ; Urban ürwa ;
Va/enlm falls; TViMc/w welam; Xaver 'ksäföiri.
Apnei 'i|i9iiite ; Ann« Barbara 'änaparp; Anno Katharina
'ändkhat ; Anna Maria 'änaniei ; Barbara parp ; Elisabel lesl^
lespM; Fronzitka fräntsejt ; Josefine ün; Katharina khaiinüf
khat ; Katharina Barbara 'khatrindparp ; Luise 'lywif? : May-
dalena \i3^\n ; Margareta kviei ; Maria mei, ( niaitM) : Maria
Barbara •mätipurp; Maria Anna -inärjän ; Salome sälm^i,
saliu; Sara sajr; Susanna tsy]s; Therese -tere|$.
Man beachte die echt germanische Betonung aller dieser
Kamen. Bis auf ganz wenige Aiisnahraen, die fast alle nicht
eigentlich mfinsterthälisch sind, ist immer die erste Silbe
betont.
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XVII.
Die mundartlichen Formen
der Ortsnamen der Umgegend von
Waldhambach.^
Uitgeteilt wid Wproeli«ii
von
J. Spieser.
Die zufallig frt^nia» hte Beohiichtung, dass in den Kircht'n-
büchern meiner i'taiiei Waldhambach, der Name des frühern
Filiats, das jetxt den amtUchen Namen Volfcsbirg iOhrt, sidi
TOT 1832 niemals mit k geschrieben flndet^ sondern entweder
Solfi^fterg oder IBoItlbero oder fßüil\ptx^ oder jBoIt»
f))UTfl oder ähnlich^ sowie die Tbatsache> dass der Name des
Ortes io der Mundart cfoKpürk» lautet, ebenfalls ohne Spur
Ton einem k, legte mir die Vermutung nahe, dass ähnliche
amtliche Verhiillliornungen von Ort!>;namen noch öfter werden
vorgek(»rn!ivri sein, und erregte in mir den Wunsrh, ^o!che
mit Hilie (lor mundai tli» hen Namen^lormen nachzuweisen. Ein
Solcher Nachweis schien mir obendrein .^ehr geeignet, im all-
gemeinen die mundartlichen Orlsnamcnlormen in ihrem Wert
für die Bestimmung der richtigen Namensform zu Ehren zu
bringen.
Ich stellte daher ein Verzeichnis der Ortschaften auf, die
im Gesichtskreis der hiesigen Ortsbevölkerung liegen, und er-
mittelte durch Nachfragen die mundartlichen Namen derselben.
Nachdem ich nun auf die»e Weise die F&lle festgestellt, in
1 Zur SdireibQng vgl. Anm. 1 zu vorsteb^nder Arbeit
— 212 —
denen die vom Volke gesprochene Nainonsfnrm mif der zur Zeit
^feilenden amtlichen Schrei huii^-^ in Widefispruch steht, •«■hien
es mir wünschenswert, die Hichli^keit der von mir gezo^^enea
Schlüsse au den Schreibunj^en der Namen in den allen Ur-
kunden zu prüfen. Da ich mich nun seihst noch nicht mit ur-
kundlichen Forschungen hefasst hatte) wandle ich mich zunächst
aD Hrn. Pfarrer G. Mattbis in Eyweiler mit der Bitte, mir die aus
eeinen orlsgeschichtiichen Forschungen ihm erinnerlichen alten
Namensfoitnen in meine Liste einzutraji^en. Die gleiche Bitte
richtete ich später an den durch seine Ge^hichte von Herbitz-
heim bekannten Hrn. Pfarrer Levy in t^orenzen. Heide Herren
haben meiner Bitte in der zuvorkommendsten und dankens-
wertesten Weise entsproehen. Znlefzt habe auch ich noch
einiges ans dem hiesi-jien ülleslen Kiri liciiluich (1083—1720)
naclij^etragen. Durch tlie fnihern Si hreibweisen fand ich meine
aus den mundarlliclicii Namenslormen gezogenen Schlüsse aul
Schrill und Tritt bestätigt.
Ich gebe nun nachstehend in alphabetischer Ordnung zu-
nächst die amtlichen Ortsnamen, dahinter in Klammem die
Aussprache in Waldhambacher Mundart, und endlich in Kur*-
sivschrifl frühere Schreibungen in Auswahl. Beigefügtes ^ be-
deutet dabei cnach Matthis», ^: «nach c Levy >, ^: «Watdham-
Lacher Kirch^buchi. Nachträglich erhielt ich auch noch
einige Notizen von Hrn. Archäolog Schlosser in Drulingen, die
ich mit ^>>i. bezeichnet habe.
Achen [äya] Achken Achkena, Achain^.
Adamsweiler [wilr] Atumanswiller^'^ ; Wihr^ (1695).
All>esdorf [-älStrafl. Ueber den Ausfall de.^ b vgl. unter
Herbitzheim.
Altweiler* [-ältwelr] AltwiUer
Arzweiler [feir^welr] HauswUlet, Arizweüler^, Das m
der amtlichen Schreibung, wie das e der mundartlichen Form
dürften beide euphemistischen Gründen entsprungen sein. —
Franz. ArchciiKe im l(i. Jrh. M,
Assweiler [äiswelr] Ascovilhre ?, Aßuuller^. Die
jetzi'^e Schreibung verführt dazu, die erste Silbe kui-2 zu
spiecht.'n, dieselbe ist aber entschieden lang. Um die rirhti<re
Aussprache zu sichern, müsste man entweder Aaswe/Ier
oder doch Asweiler schreiben. — Im 14. Jrh. einmal AU-
weifer
Bärendorf [•paeir^truf] BeronU Villa^ Berenäorf^K
Bärenthal [*p»|rat4il. Berenäal (4318), Berie)nthalK
Bensdorf [pjenstörfjÄcneÄitor/iaOO, Betmesfürfy Bentek^
dorfK Man sollte cp^njtruf» erwarten. Ber Name kam aber
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— 213 —
den Wal(! hambachern durch die Scliritl zu. Ehe der Ort Bahn-
ülation war. kannten sie ihn nicht.
Berg [pieire^] Villa MontiSf Berge ^.
Berlingen [peerleQd] Btroldin(jen{?), Btrc%linguaf^\
Berldingen (14. Jib.) Sehl.
Berthelmingen [paertlme^d] Ermenb9rt(nfiUaref J?»-
heriwUla ? ^ ; Bwrtolfinfftn (XVI. Jrh.) K Von cBartho-
lomäus» ? Sciü,
Bottweiler [paifweU-] Betwiller M j Bedweiller In
der Mundart heisst «Bell» cp^tt, und «beten» cpgeta», also Bet-
weiler !
Bickenholz [ pckahoLs].
Bissert [pe)srl] Büßen Die jetzige amthche Schreibung
verdeckt di»- Lfm^e des Vokals. Ob tie» oder tu» zti st lneihen
ist, er^^iebt die inuiidartlicbc Form nicht jedentallä aber keine
zwei s! — 13 'f2 : Bußeren S"'»'.
Bitsch, Ipety Bytis-Castrum (1172), BUes, ßUeU (1203),
Bitze
Bliesbriicken [preka] Biiesbrücken ; Blysesbrücken^
Briiyken ^,
Bolchen [polya] Bollei fil«S4), Bolke^ Bolichen i«.
Buchsweiler [püswelrj Buvosvilare (724), Bushwilre
(1157), BuxovUla (1006) Das amiliche ch scheint demnach
apogryph zu sein. Die mundartliche Form schliessl es allerdings
. nicht ganz aus, indem oft ya mit der Zeit zu s wird. So giebt
es hier einen Flurnamen fläislönl, offenbar «Flachsland». Die
Lautverbindunpr yfs ist nur mit starkem Lufldrucli aus den
Lunj^^en deutlidi spreohbar. Daher die Neigung, sie in ks oder
hs übergehen zu la^soii. Das h in hs pflej^^t aber seiner geringen
Hörbarkeit wegen bald zti v»M sr]in im^Mi Ttifolge dessen kommt
die ihiu zukommende Zeit deni rlier;:eiienden Vokal zu gute,
der dadurch gedelint wird. Muii inusste also, wenn ursprüng-
lich ein ch in dem Wort gewesen wäre, «pi'osweh » erwarten.
Doch wäre Verkäi^ung im Lauf der Zeit nicht ausgeschlossen.
— Witte fährt («Deutsche u. Keltororaanen» S. 91) Plun»»»-
lare (724), Buxuuilari (737) und Bwutouilare an.
Büst [peSt] Bischt^', BuetlontivUlaif) ^; £if|W(i6e2).
Die letztere Schreibung will naturlich keine andern Laute dar-
stellen als die Schreibung BiichL — Biiteheit Scbi.
Bütten [pitd] Bilien, Bielen
Burbach ['pyii päyj Bürbach ^< ^. pyir heisst in der
Mun i irt cB;njpr>, auch tFubrmann, Pferdebesitzer».
Burscheid [•pürjeiaa]. Birsinr/en
Dagsburg^ [ takspürk] Tagsburg ^ } ToyesOury^ Dochs-
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— 211 —
purg, Dasborc, Toyisbure^ Dasburch ^. Nach Jahrbuch X,
S. 271 sind täk, täkas mundarl liehe Formen für Dagoliert.
Dann und Vierwinden [Ir *kÄlrwoii] Tawn^;
Dkanne^ Dann (1766)
Dehling^en [tai|lead] Dellinyenf Dillingen Zu II
vgl. uiitei (Utweiler.
Diedendorf [•teit^nüf] Piedendorf ^.
Diemeringen [ teimdreua] Dymrinycn Dimrinyen^
JHmarinyen, Demeringen (1487) ^; .i)ttmeri«i^eft^. Wahi^
scheinlich: «Dietmaringen».
Bieuze [tüis] Tkns K
Domfesael ['tünfSaesl] Dutuvatsel ^ ; Domus Vasallorum^
DtMfffässel ^. Das Domus Vasall i ist eine Spielerei Mo-
scheroschs. Ihr verdanken wir die jetzige amtliche Na mensform.
Die Mundart erhebt dreifach ji^egen sie Einspruch: 1. mit ü
statt 0) (bzw. vor Nasal : ö]), 5. mit n statt in trotz i nnchfoljrendem
f, 3. mif statt e. Aho : icDunfäSSel>>. So leicht es sich
befTHMfeiJ ias-st, wie die Akleu.-ichreiber den Oi tstiainen inil der
scliönon *rotischen Kirche <\o< Orte«, die au einen tDoin» ei-
innern mag, iu Verbindung bringen und aus D anfasse! Dom-
fessel machen konnten» so schwer w9re zu fassen, wie die
Ortsbewohner aus dem cDom» ein «Dun» gemacht hätten. Auch
hat wohl der Ort Dunfässel längst vor dem darin erbauten
«Dorn» bestanden, kann also nicht nach ihm benannt sein.
(Vgl. auch die Ausführungen von Matthis über (da> Stift zu
DotnfesseU S. 201 ff. seiner c Bilder aus der Kirchen- und
Dörfergeschichle der Grafschaft Saarwerden.») — Im ältesten
Lorenzer Kirchenbuch steht von 1H71 — 1077 Thumfässel, von
da ;d) von (ler«;e!beii Haml Domfiissel. Nach Hrn. Archäoln^'-
ISclilusser in Drulingen ist die älteste Schieihung (134^2) Dune-
vassel. Derselbe leitet den eisten Teil des Namens voti donno
— domno — dominus ab, und erinnert an die im französischen
Lotbringen so häufigen Ortsnamen mit Dow-, z. B. Dombash*
Darnach hälte der Ort den Namen etwa von einem «Heiligen
Basoltus». (Vgl. die syrische Bezeichnung aior für «Herr» und
«Heiliger».) Der erste Vokal der mundartlichen Namensform lässt
diese Ableitung zu, da in Fremdwörtern vor m n q häufig kurzes
ü für romanisches o stehl. Aber wie wäre das «f» zu erklären ?
> Mit diesem «trotz» 'will ich nicht sagen, dacs die hießige
Mundart eine Abneigang gegen die Lantverbindang ti/ habe, was
nicht der Fall ist Aber anderwärts ist dioso AbTioiptme nnsser-
ordentlich verbreitet. Deshalb sprachen wohl die iuei»teu lu bun-
f&ssel und Umgegend ansässigen Fremden (Beamte, GeisÜicha) von
jeher mf nnd Bchrie) c n laber den Ortsnamen ihrer eigenen Aus-
epiache gemäss mit m statt n.
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215 —
Dossenheim [-tojsüina] DeotitheiM^ Toxenkeim^.
DruUngen [tryile^d] Truhäeldingen ^ TnUdingen^;
Trullmgin (1(>92) Zu U vgl. unter Ottweiler.
Bürstel [tätr$l] DuHstoldat^ Durttolden » ; 7\iresto/da,
Dnri$iuahl(i ' . Zum Ausfall des / vyl. unter Siersthal.
Enchenherg" [.Tnjapien] Einchenberg (1571) k
Erkartsweiler [airkdlswelr] Eggolkersweiler ; Ecol-
thesiviire. ErkemjeriswilrBy Emgetwilre ; Ergertweiiet' (ili)^)^
Erckers u-cyler (17 08 ) .
Ernolsheim ja ii 1*.^] Heroläshetm : Arnoläsheim ^.
Eschhurg" [tr iti^purk] Espurg^^ ; A&ckberg (i(58r»)W,
Die Läu^e der ersten Sillje ist aulVallend ; a;| entspricht sonst
hochdeutschem ti', auch giebt es uDWeitder nördliehen Greoze
von Lothringen ein Dorf cEisch weilen.
^Schweiler [^Swejr] Exwilre ^ ; Erlenvinvüare ^.
Ettingen [^te^a] 'Ailingen^ Eitingin fl751)^.
Eyweiler [^iwclr] Viü»7re, lewiller, Euwesweilery Eh-
weiler ^. Wiifuni die amtliche Schreibung nicht w Siweiler
verbessert wird, ist nicht einzusehen.
Finstingen ffpu^fcri;»] PhHisiingae^ ; Filisiengesy Phg^
Uilanni^'i Vi nstinga, PlmisUHgen ^.
Fieisheim (fUojsinn].
Frohmühl [t •IVonnnl) Fronmülin ^^
Gebliiigen [ka wieua] Gebeldinyen ; Utlare Geboaldo
(713) Witte.
Givryoourt [tr 'hoimphät].
Görlingen [kGe^rleQd] Geroldingen ^.
Gosselmingen [IcoisImeQd] Gosselminga^ Goxelingen^
Gossmingen ^.
GötzenbrUck [t -liätseprek] Golzembruek^ GöUembruck,
Goizbrick ^.
Grosshlittersdorf [^kro)<-pletr$früfl Grosbficdeslroff
Grossrederchingen | ki «»is-retreyen^": Hctresinyen^ Re-
derchingen (1322), Rodcnrhingen^ RiJfrchin<jen
Gungweiler [kiir\\velr] GundovtUa . (iuiHlrlijDjas
Mundartliches q entspriclit häuli;? hochtleutscheiu nd. Die hoch-
deutsche Form mOsste Gniidweiler lauten.
Hambach [tröihöimpay] Büghel Bagenbaeh bey Albe^
Trois Hambach^ Les äeux Hambachs, Les Jiambachs K
Hangweiler [höQa-wilr] Hangenweiller, HanehioeiUer^
HangeweiUer ^. Der mundartlichen Form wörde hochdeutsches
Hangenweiler entsprechen.
Harskirchen ['höir^kher^d] Ua/r&kirehen ^ ; Haare-
kirchen ^
Hattmatt [häk-mät] IJackmaii ^. Also Hackmatt !
— 216 -
Heilerinnen [ba^dre^d] HeÜgeringen ^ ; Hderinga,
Heigtrmso ^.
Herbitzheim [haerlsum] Heribotesheim ^ ; Heribodes-
Aetf» (870), Her bodes heim (II "'2), Herboäenheim, Herbodenes-
heim, Herbozheim (1'251). Herborslieim (1*271), Harborzheim
(lt>01), Harboldsheim, HerboUzeymi VMiy), Ht rbolozheimiVS'H),
Herbisheim Herbesh^im ft:'i5). Herhushcm, Herbshem,
Herbeshem, Herboitzheim, Herbucäa ( IH'-iö), Herbelzhemi Wri^),
Herwertzhaimb (lG'ir>), Herbisdeshem, Herbisdaheim (1728),
Erbisheim (175.)), Herbiizhemme (1784). Ich habe diese Namen
im Auszuj^ aus «Lovy, Geschichte des Klosters, der Voglei und
Pfarrei Herbitzheim, Slrassburjj 1892» angeführt, weil sie
zeigen, wie die alten Schreiber fortwSbrend an den Namen
gedreht und gedeutelt haben, und wie die Veränderungen der
Schreibungen durchaus nicht dem* Gang der lautlichen Ent-
wicklung der Namensform entsprechen. Man achrieb nicht nach
dem, wai? man hörte, sondern darnach, wie man sich das Ge-
hörte deutele. Die thatsächliche ftnlwickelun^^ mag folgender-
maassen verlaufen sein : Ans etwa 'iKPriiljoidasih^^im wurde
durch Ausfall der schwachen Vokale •ha'rbo(i)ls:ht'iin : das
dadiirdi aus halb- in schwachbetonte Silbe ^'eratene oi, wurde
zuiiäihst zu o gekürzt, und in vveiU'ci'i Al»»<:hvvächung in
sciiwaches i verwandelt. (In meiner Heimat heisst «Herzog» :
h^rtsik, «Sonntag» : süntik.) Daduixh haben wir bereits die
amilich noch erhaltene Form cUerbitsheim». Das b dieser
Form scheint aber schon im 16. Jahrhundert lu w geworden
KU sein, und das ei zu a, so dass wir ha^rwilsam bzw. mit
weiterer Verflüchtigung das i hicrwatsam haben ; vor a muss
nämlich das h aus l:nil physiologischen Gründen ausfallen. Die
Silbe wa konnte sich aber in dieser Stellung kaum lange er-
halten, haM walsam wurde zu ha>rtsc»m (V;:l. Alhesdorf, Hil-
besheim.) Nun pflegt ;jher in hiesiger Gegend 9 voi dorn
Lip|)enlaut m mit L}|»ptMinin>luiiu' ;^iis«:esprochen zu wettieii,
d. h. es wird (l;^^.■^u^ ü. {»Mtl lieisst Z. B. : mel älüni.)
So ei halten wii die jetzige Form lia?rtsüm, die eig«'ntlich be-
reits nahezu der weitem Eutwickelungsstufe hx-alsüm gewichen
ist. Da das r immerhin zuweilen von alten Leuten noch ge-
sprochen wird, und der Zweck meines Aufsatzes eine Bezeich-
nung der verschiedenen Stufen des r-Schwundes beim Jüngern
Geschlecht nicht erfordert, gbubte ich, durchweg das volle r
schreiben zu sollen. Näheres Jahrbuch VIII, S. i43 f. Vgl.
auch unter Tietfenbacb.
Hilbeslieim [heljüm]. V^d. unter Albesdorf, Herbitz-
heim tind WoHskin-berf. — Hifhotliayo /inis (763) ^''l''.
Hinsburg [Ir hni^purk] Hmschbert/ (.1U57), Hinßbery M;
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— 217 —
HüiueMerg^ Hünsekberg ^. Vom Volksround als cHengstbei'g»
gedeutet.
Hinsingen [hensena] Heifngesinge (1328), Hin$ingen
Hirsohland [herSlönt] Hirteiaiuhn ».
Hunkirch [hurnklierya] Hunkirchen, Honckie.rchen,
Hvnkerchen^ Honkirch ^. Das m isl aun'alleinl, al)er hier all-
gemein. Die VValdhamktcher kamen in früherer Zeit oft in das
Dorf, um ckep» /u holen, ein als Düngmiltel benutztes Mit>eral.
In Wiohersweilcr spricht nun nach der An^nbe «ii's H._^rrn
Lohrei-s Sten^rel in iJehlin^'en hi'iQkher/, iiideii» die ICiitlun^ en
dort allgemein ^^aiiz \or>-rli\vindet. An diese AusspHuhe halt
sich die amtliche Schreibung. Ein Lautwandel von uik zu Qk
liegt sehr nahe, w&hrend ein Uebergaux von ursprünglichem
Qk zu mk ischwer denkbar ist.
Ingpweiler [e^welr] Ingonivillare^ Jlunvilare ^ ; Ingich-
wilre^ IngewilreK
Insmingen [a'ismeqa].
Kahl hausen ,khäl*hytsd] A'aMüse«^; Kalienhausen,
Cülhauzen^ Calhausen
Keskastel [kbäjtl] Kaysekasiel ; Cnslfe ( I TiOk Kese-
kaslel Kdsip/ KaisersCastel I \^y'i-2), keeßCa^sel
(lü4.j;, Ktiiscrca^isti, Kt^tscrvaslel < H><»! ), Kacskaslel (H>70),
Kaiskastel (i7'i8) l. — Im 14. Jrh. k*>umit irmz. Chastel-vouc
{voue, avout Vogt) vor; also t Vogtskaslel», uud du der Vogt
in den Weislömern von Herbitsheim und Ormiogen als <Ka^-
Togt», «KaiKogt bezeicbnet wird, so wäre der vollständige
Name Kaßvoglskastel ^,
Kirberg [kherprex] Kirberg, Kirrberg Vgl. «Kerp-
rich« in Lothringen. Wohl == cKirchberg», aber nicht c franz.
Verstümmelung» daraus:, wie Witte n. a. 0. S. 37 annimmt.
Lauterfingen [lytrfeqa^ Lauterfany
Lemberg h unpa'ii' VtUa Leymberg^ Leimberg, Lern-
burg^ Lolifmbery, Limberg ^.
Lichtenberg neiylojiurkl Liechtenberg ^. V<ir der
Doppelkonsonauz cht isl im hochdeutJ««:hen «Luht» die Vukal-
länge vei>chwuiiden,
Lixheim [liksum] Lukukeim ^ ; Linkeshmen, Lukes-
htim, Lisiagen^ Lüxheim ^.
Lohr [lö)r] Li^ra ^ ; Lora, Lare K Derselbe Name wie
das badiscbe Lahr, das dort im Volksmund «loin gesprochen
wird. (Vgl. lirö!\B = Stra>!*e.)
Liorenzen [*lo)raensd] Sankt-Lauretizien ^ ; Sankt Lo-
rentzen ^.
Liitzelburg' [letsapüi k' Lützelnburg ; Luxemburg,
Luczeinbtirgum, Lutzeinburg ^.
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— 218 —
LUtzelStein [-letj^ljtccin] Lülzehieln, Parva Petra M.
Mackweiler [mäkweli j MachwM viUar€^ ; MaewM'
vilhrf, UuHlarc Machone (712) Murwifre i-.
Meisenthal fs •m;»^isaiatP Maizendhal, Meysendkal k
Mettingen [ma?leuöj Meiling ^.
Mittelbronn f-tnetlprun] MillclMurn^ ; Milielbrun{n) ^.
Mittersheim jneilrjoj. In VViebersweiler : meilrj". (Vgl.
unter Hunkirch.) Zu U vgl. uDter Ottweiler.
Mombronn (n)u]mdrd) Mommera^ Mumm^m^ Montbronn,
Momborn^ MonUberonK
Monsweiler ['münswelr] Mtinevtilare, HionoUwiUtr ^ ;
Afvnolsweiler (1316) K
Münzthal [s'menstä^l] Muntzdhal^ Muntzendal K
Mutterhausen [mülr hy^sa] Mutter husen ' .
Neunkirclien ['nifnkherxa] NuwenkirchentNeinkirchen,
Nunkirrhc u ^.
NeuwfMler [nöysvi'lrl Neon/are ; Xovumwillare (8ii0),
Neovilla, \ ilia NovUlartnsis, Opj/idum Novumvillare^ Novi'
lariense, Xumwilre^ Opptdum de Novillari. ^,
O^p-^ I st^'^ssel [Jtensl] Sieinsal K
Ober- r ^^^^^^ [mdftdra] Maira/ MoihernK Zum
Vokal vgl. oben unter «Lohr».
Ormingen [dyrmeQa] Orming^ Ehrmingen ^ ; Ormingen
(1150), Orminga (Vm), Imringhem^ Emring (t525), Ermingen
(1770), Erming (178i) i-,
OfTweiler [ofwelr] Offwilre
Ottweiler [n)twf')i'' OdonowiHare, OdwiHcr (noch im
vori^^en .Taliili.)^^ ; Oilewilre, Dofcnrilare^", Ü^/Atcc/Ver ( 1f>(>2) w.
Die Wif 1 1 lierjslellun^ ilt's l i« liti^^en d statt tt dni lti' srlion um
ilei' V. I . ,n ii.sluH},' iiiit Ollweiler in der Rheinproviuz » rwünsjcbl
sein, lui Lorenzer Kirchenbuch von 1671 11". steht von derselben
Hand Othweifer und OUvseiler^ ein Beweis, dass man Konso-
nantenvenlupplun;; noch nicht als Körzungszeichen ansah.
Petersbach [phfeltrjpäx] Bederspach^.
Pfaffenhofen [ph&fhowt»]. Zum w für f vgl. unter
Tieirt'nliaci).
Pfalzburg^ [philspürk] Pfatzburgum ^; Einhards hausen
(au «|pr Stelle diesem Dorfes wurde Pfalzburg aufgebaut)
Pfalzweier f|>}iäls wei8r].
Philippsburg" '^ felop-^purk^ Philippsburg
PiSdorf 'peltrulj Ihstorf Dei- t i <f.' Teil ist wohl
«Bisrliti vj;!. oben unter «Bast». Zvvisch.'ii \VaMli;Miil),icli und
Dienierjugen liejjt der <pejp«jri». In der bieuierin^er üoiuariv-
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— 21Ü —
ung giebt es einen Flurnamen «em peJ1>. Die richtige Schreibung
durfte Bisohdorf oder Bischtdorf sein*
Postdorf [*pho|/lrttf] Polstorf ^; Potdorf^ Posiarf^,
Prinzheim [prensa] Bruningsivilare
Puberff [tr püiprt] ßoukbert (lOS'O ; Buppberg (1693),
Bupperg, Buperg^ Bopperl (1707) Zusammenhang mit
cBer^r» scheint mir durch die Mundart ausj^eschlossen. Zur
Vergleichun«; mochte ich <Umi Ortsnamen Bisserl heranziehen,
sowie die Namen der Annexe Giessert (Gem. Harskiicheu),
Hellerl (Gem. Da;:>l»in-^) und Röserl [reisrt] [Gem. Volksherg).
Die Ahieilunj,- von «Haid (= Wald) scheint mir die wahrschein-
lichste (vgl. cSpessarf»). Da die Mundart im Anlaut p und
nicht ph aurweist, so möchte ich als amtliche Schreibung
(Bupert» vorschlagen. Dieses Beispiel zeigt, wie zäh oft das
Volk am Alten feslhält, und wie wenig es sich durch die ge-
lehrten Schrullen irre machen lässt,
Püttlingen [phelleud] PuuUnga » ; PutUelingen^ PH-
lingen K
Kahlingen [r&)IeQ9] Raläingen ^ ; Radingen^ RoHingen^
Raulingen ^ Raliny ^.
Ratzweiler [•rüttjwelr] Balramnis villare ^' ; Bairamini
vilare ; RathRweyhr (1(385), liatschiceiler (1705)
Stammvokal lanj: ist, ist mindf'>tens das tz der amtlichen
Schreihunjj;^ vom IJehel ; also; «Razweiler», oder he.sser
Ratsweiler hzw. Rathsweiltr oder Haalstv eiler ^ da der
s-Laut Genitiv-s ist.
Rau Weiler [.röyweh ] Ruwilre M.
Reichshofen [*rishow9] Richenethoven ^. Vgl. unter
Bocbsweiler.
Reipertsweiler /riprtswehj Raperiiviiare^^; Rad-
pertivilare ^»
Rexinf^en [nekse^s] Rekesingen ^.
Rimling^en [remleQa] RemitingaSy Rgm{'m)elingen^ Rimi-
linga^ Rwnelingen ^.
Rimsdorf [ rimStrüf] Rimne vilare ^; Rimovilare,
Reinersdorfs Rimersdorf .
Rohrbach [*ro)rpa}(] Rwbach ^ ; Rorebaeh, Rombach^
Rhorb'frh 1'
Rü mmülfing'en ("rümlfenn].
Rosteig (t TofliL-i] Rostey ; RoBsley (1684), Roülieig
(1720) w.
Rothhach ['ro^pay] Raibach, Bnppach
Saaralben [älwa] Alben Albe, Alba^ Albane Awlbe^
Sar-Albe, Saravi Alba^ Aulbe, Tsar- Alben i*.
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— 220 —
Saaraltdorf ['äUrüf] Altorf m • AUorf tupra Saram,
SaloUorf, Saraiforf, SaaraUroff^,
Saarburg [*8ö|t pnrk] Kaitfmannt-Saarlmrs^ Saraburga^;
SareburgOy Süraburg^ Sa.Tburc ^.
Saargemünd [sörka'minj Gemünäe ^ ; Gamunäatj Gor
mundia^ Cfmnnde ^.
Saar Union [pukanüm bzw. t "noy/tat' Buckenlietm M ;
(Saar-* Hnckenheim, fiockennm ^' Zur Eiidunp: üiii = heim
V}^l. untci « Hei hitzheiiiu uiui ciScliupp^^Mten». Der Vokal des
Slammes ist aber nicht o, sondern u, liat ulr?o mit den Böcken
de:> Stadtwappens nichts zu thun. Dass man in Ermangelung
einer bessern Erklärung iieim Namen an einen Bock dachte,
solche auch ins Wappen aufnahm und ihnen zu liebe die
Schreibung des Namens änderte, lag f&r die Volksphantasie ja
nahe genug. Will man die Bocksabstammung von Buckenheim
aufrecht erhalten, so wird man wohl an das keltische buecü
denken müssen. Immerhin bliebe dann noch unerklärlich, warum
die Cf(M'in iiipii 'If- n beibehielten.
Saar werden ['s6|rwa[*rta, sdr-wae)rta]Saaru>er/Ä ^; iSar-
uierde(n) ^.
Schalhach ( Jj'ilpäyJ Schallitiibach ; fichaUkbach
SchmiUw eiler [ JmettwebJ Schmtltesweilery Schmiet-
Weiler K Zu it vgl. unter Oltweiler.
Schönburg [tr Jö^npürk] SchSnenberg und -bürg, Sehö-
nenbühel (id^) ^.
Sohopperten [Joprto] Sehopperien^ ; Sehopperfheim
(1702) w. Die Endsilbe cheimi in letzterer Form ist wohl
bldsse Vermutung eine- solchen, in dessen Heimat man diese
Endsilbe zu a abschwächte. Hierzuland wird aber «heim» nicht
zu -e, sonilorn zu um. fVV^I. unfiT Herbitzheim.) Das ü dieser
Endunij: ist iibri^on^ nur der Klun^^trulii^, nicht aber dem Nach-
druck (Starkej^ratl) nach von r» vt ix hn'den.
Siersthal f'siirjl] Sirslhal ; Styerslliol ^ Seiersial,
Siristhall Zu Jtl > Jl v;^I. Durstel und kra-]!! — Ürauflhal.
Sieweiler [ :.t)weh] Synnweiler'^ ; Sinewilre, Suliehen-
mlare (?) ^ ; Sielvteyler (Lorenzer Kirchenbuch 1672) ; Seff-
willer Schi . üilare Soneehone (700) wiit«.
Sparsbaoh [Jp6)r|päx]-
Steinburg [/kriwaiey] Steivwirke^ Steingewire '^^ ; Stein-
geivirke (1306), Steinberg (1*52.".) i .
Struth [iJlriiH] Struth, in Lohr sa^^t man «üfümjlrü)t»
statt «uf Ir Jlru]t». t^^hor dio Hedeutung des Wortes vgl. Jahr-
buch IX, S. uiitrr .Jtnel».
Sucht [t suylj Sucht.
Thal [tail] Dale m.
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Tieffenbaoh ['le)fa(r)pix] TAeo^poe, Dietbach^; Diefen-
bach (1703)^. Wie das f (iieftes Namens aus einem t ent-
sieben Jtonnte, ist mir bis jetzt ein Rälsel. Die amtliche Ver-
doppelunff des f hinter dem lanj,'en Vokal widerspriclU den
elementarsten Regeln der ticuligen deutschen Iicchtsrln eibung'. In
IVühei'er Zeit sind wohl mit fT und i zuweilen vei .srliiederie
Laute (ioi-esfellt worden, in der Wei«e, dass oline liiK ksicht
auf die Dauer des vorherj,?ehen<len Vokals tV den Z ahnli|»penl;iut
darstellte, den wir jetzt unter t verstehen, und einfaches t den
stimmlosen Zweilippen-Ileibelaut. lu der Waldhambacher, wie
io den benachbarten Mundarten entspricht schriftdeutschero «fs
bald f, bald w. V^^l. u)Wd Ofen, pi)rh^)w Hefe, hä\vf9 Topf
{Hafen)y hhm Hafer, khtciwr {oder khseimr) Käfer ^ hhewey Käfig ^
küw Slecknadely hv)w\ grüne NusiSchale {Läu\'e\), liwara liefern^
Jywl Schaufel, Jiwi Scfiiefer^ Jliwr (oder jWtuv) Spliiler» /wa>twl
Schwefely teiwi Teufel^ unkatsiwi- Ungeziefer^ IsweiwI Zweifel^
wolwl wohlfeil. — Nachdem ich Vorstehendes bereits nieder-
«,'esch riehen hatte, hörte ich einen der alteslen Leute des
Dorfes den Namen von Tieflenbach tle)fr|jay» aussprechen
und heli.»ii[>Ien, dass dies die allgemeine Aussprache sei. Beim
r-Schwuiid der Mundart (vgl. Jahrhut h Vlli, S. l-W f.) ist
nun aber das Vorhandensein eines r-Laules bei dem Jüngern
Geschlecht nicht mehr festzustellen. Wenn das r der genannten
Form nicht persönliche Eigenheit ist, was mir nicht als wahr»
scbeinlich vorkommt, i [der Mann sagte, der und der sei von
«teffrpäx* gebürtig], so haben wir wohl in dem cfr» den Rest
einer vollem Silbe vor uns, so dass der Name etwa als cDiet-
fridhach» zu deuten wäre. Dann wäre im alten Dietbach nur
die zweite Silbe des Grundwortes unterdrückt. 3 L's käme nun
darauf an, in den allen Urkunden wiiklicli ein eDietfridbach»
oder sonst ein «hietf.r, . . bach» nachzu wei-en. Damit wäre
dann sowohl dns alfe / wie das jelzige f erkl irt. Y.uv ersten
Silbe vgl. Die-mer-ingen. Die richtige Schreibung dürfte also
Dieferbach sein.
Völlerdingen [-felrteoel Vilderadingas, Vilderdingen ^' ;
ViUerdingen 1707 ^; Vellerdingen (Lorenzer Kii-chenbuch
1671 ff.) Richtige Schreibung mit e statt ö.
' Seit Absondting des Maiiaskriptes habe ch die Aussprache
«teifrpl^y» so oft, so deutlich und von so verschiedenen altern Per-
sonen des Dorf«St aneh von einem noch jüngem in Pnberg wohn-
haften Volksberger, gehört, dass mir das r in diesem Wort über
allem Zweifel steht. Jede Erklärung des Namens wird daher mit
diesem r rechnen müssen.
* Vgl. oben die Termntmig Ton Maitbis betreffend Keslustei.
— 222 —
Volksberg [tr foljpürk] Foliesberg (1365), Vollesperg
(137r>)M ^ Volschberg^ Vollspttrg . Die Silbe tlol» wird Ahkün:-
ung eines Namens sein. Denkhar ist auch <lie Herkunli m>ii cNoHel».
In) Inlaut lallt das das jedenralis trülier als ülimnilianer
Roibeiaul iiesprochen wurde, gern aus. Vgl. den folgen(ieii
Ortsnamen. Allerdings pflegt in solchen Fällen der vorlier-
geliende Vokal gedehnt zu werden. Doch kommt auch die
Nichtdebnung vor. Vgl. ckhylop», ein GebSck, das im Münster*
ihal ckhüklhäpf» also «Kugelhopf» beisst. «Mit Vogel» be-
ginnende deutsche Ortsnamen sind sehr häufig. Die zweck-
mässigste Scbraibung dürfte Wölsbev^ sein.
Waldhambach [-hö^mpl^^] Haganbaeh ^ * VtU» Ha-
ganbach quae nuneupatur Disciacu (1V^)^'\ Hambach, Wald-
hambach Die Schreibung Hambach statt Hagenbach tritt
nach der Angabe meines Vorgängers, des Herrn Pfarrers
Dahlot, jet/f in ErnolslM'ini. 7M<ist -1547 auf. In der Orts-
rniiiidart heisst auch di»^ eiiainhiirlir'» (im Müiisterthal eh^lk^-
pjuy»): -hö^mpü)'/. Urii die lalsclie Aussprache c-haiiimbat Ii»
seitens Fremder zu verhüten, müssle man -hSLambach oder
-Aahfw^ücA schreiben. — 1560; Haimbach^ ; 718: C/uiganbac
qui vocatur Ditiagut'^'^^^.
Weckersweiler [•wa.'krjwelr] Weiekersweiler ^' ; Wek-
kertweiller ^.
Weinburg^ [-winpürk].
Weifislingen [wisle^a] Butweiler^; Bußweiler,
Bueßwegler, Wißlingen (1700) ^. Der Name Bu{e)sweiler mit
seinen Schreibvarianten herrscht im hiesigen Kirchenbuch auch
nach 1700 noch lange vor, z. B. noch 1772. Der Volksmund
deutet den jetzigen Namen als «weisse Linde». — 1672: Vetling
in fran7ö>is( hor rrknndo
Weitersweiler [witrjweir]. Videroldi Villa
Wesöhheim Iwa'Jum].
'Weyer [wt i.u] Wijfjer'^K Dio natüi li< lH' S( hreibuug der
jetzigen Namonsturjn uäie Weier. In Wyger ist das g
natürlich als Reibelaut {j) zu lassen.
Wiebersweiler [wi)wr/welr] Wiperisweiler M. (Vgl.
«Weitprecht».)
Willerwald fwilrwilt] WilUr, Waiermld^: ViUir-
waläl, WeitlerwaldtK
Wilsberg [wel/pürk] Wyl$pereh, Wildetbrm, Wildu-
beg, Vihperg^ Vülzberg^ Viltehberg ^.
Wimmenau [wemandey] Villa Wimincva, Wymwunowe ^.
Wingen [N^ t Q^j. q vertritt sowohl ng als nd. Vgl. den
Ort Winden in der Piaiz.
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— 223 —
Wintarsburg [Ir *wentr/p(irk] Wmitrßberg, Winiers-
berg ^
Wittringeii [welreft»] BiUtringtn^ Witieringen^ WUt-
ring(a) l.
Wolfskii eben [•woljklier /.i] Wolveskirehen, Wolbes-
kirchen^^; WoUchktrcUen Wollffskirchen (H);ir))W.
In der Nähe ist der Wolswald [tr vvoljt] und der Wolshof.
Mattbis erinnert an einen um 800 in der Gegend auftauchenden
Personennamen Volvo, Zum be. in Wolbeskirchen vgl. unter
Albesdorf, Herbitzbeim, Hilbesheim.
Zabern [tsl^iwar^] Tabemae,, Zabama^; Ttet 7*0-
bernai Zeabwna, Zabern[i)a, Zaberne, Zabem (1303).
zäunten [Mse^le^a]. SoHie um der Länge der Slamm-
Silbe willen Zielingen geschrieben werden. — Im 17. Jrh.
nimer Zielingen
Zins Weiler [• Isens welrj Ztnzinwillare ^ ; CincioneS"
willare L.
Zittersheim [ t^ctr/a]. Die Endung «,». statt «nm> (vgl.
unter Herbitzheim und Schopperlen) mag von den Ziltei.^heiinern
stammen (die sich im Eichellhal nicht als von tsetrjüin, sondei n
als von tsetrjo vorstellten).
Zollingen ['tsoleQd] ZoUingtn ^.
Zutzendorf ['sütsetorf]
Als Anhang mOgen iiuch die Namen einigper An-
nexe folgen:
Eich ['■17'>1.
Grauithal [s kro^fl] Cruchdal, Crutet\dal ; Claus-
triacum^ Crouchäal, KrauslhalL GroffcL Krußtlhal, Crofthal^
Crapslal |vra.')fl wird aus. kia'jf'tl iiliiilit h tMil-Unideii sein, wie
bijrjl aus sijrjtl. Zum Vokal vgl. klia jk) kaujtn. Zum Wechsel
von 5f und f vgl. fü/tsL)a = 15, fiiytsez = 50, ferner auch
hochdeutsch NeStt Nichte und deutsch tKrafi* : holländisch
tktacht» u. s. vir.
Kliagpmlihle [t-klsQkmi^l]. Die richtige Schreibung
dörfte KUfnkmuhh sein.
Kuppertsmühle [l'küprtsmi)!] Goppertsmühl (1695),
C Upper ismühl (1699), Guppersmühl (1735)^^'. Man kann etwa
an einen Ei^^ennamen cGundbrecht» (Mafthis vermutet cGnlhort»)
denken; jedenfalls ist das K grundfalsch. Also: GuppertS-
mühle.
Rehmühle [t*remi)l] Rennmühle (i7;}5, 1754; Der
Name hat natürlich mil einem lieh [r^]] nichts zu iiiun. Also
Remmühle oder HennmUhle.
Speckbronn [tr pakprüna]. Richtiger; Speekbrunnen,
r
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— 224
Nachwort. Ich um sehr wohl !i*^vvussf, in dem
vorsfeheiul (ifhutentMi nur riii recht man«,^elh,iftes Slückwerk
geheterl zu liaheti. Eine jrrüntJliche Arbeit halte sich nicht auf
Hie Narnensformen in der Mundart des einen Dorfes heschräukeu
dürfen, da ja dieselbe Ortschaft nicht überall gleich ausge-
sprochen wird. Ferner hätte das urkundliche Material in viel
grösserem Umfange beigebracht und kritisch gesichtet werden
müssen. Ich war dazu nicht in der Lage. Wenn es mir ge-
lungen ist, von der hohen. Bedeutung der mundartlichen
Namensformen als geschichtlicher Quellen zu überzeugen und
Andere lu weiterer Forschung in dieser Richtung anzurejjen,
so ist der nächste Zweck rneinei* Ail)eil erreicht. Der weitere
Zweck Ware (h«nn (Uir, durch Naciiweis» der Verkehrtheit mancher
jetzt p^ehräuchhcheii amtlichen Nameusroruieu etwas zu ihrer
AbscIialTung beizutragen.
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XVIII.
Chronik für 1894.
1. Jiin. : Krwinia, Verein^^hlatt <rAtsabunde8i erscheint.
tiU. Jan. Iiis 4. März: .Vrnüldü «Piin^'stiiionlag> wird in
Sirasäbun,' auffiefülui unter Loilunj; von A. Hessler.
i. März: Auttöleliun^ der Modelle für das Stdlierdenkiual
'20. Mai : Ausstellung' «1er Gesellschaft der Kunätlrouude
iui Hause KainiinMzcll in SlrassKurff.
10. Juni. Einwciliunj« tlei lierjjeslellten Kapelle zu Dusen-
bach.
17. Juni : Generalversammlung' des Vogesenclubs in Münster.
27. — 31. August : XI. Wanderversammlung der deutschen
Architekten- und Inj^enieurveretne in Sfrassburg.
10. Okt. : Uebergahe des Hirndenkmals an die Stadt Col-
mar, in Ge;:enwarl «les Meislers Bartlioidy.
20. Okt. : Fürst Chlodwi^j von Hohenlohe-Scliillinj^'slTnst zum
deutsc hen Keichskanzler und preussischen Minislerpräsidenten
ernannt.
5. Nov. : Fürst Hermann von Holienluhe-Langenburg zum
Stalthalter von FIsass-Lof hrm^^cn ernannt.
7. Nov. : Mr)<) i;ihri«r(' < MMlächlnisleier iles theol. bludien-
bljltes Colle^iian VVilliclmiiuuuin /,u Slrasshurj;.
18. Nov. : Abschied des bisherigen Slattlialters von Slrass-
hurg.
22. Dec. : Aufführung des «Herzog Bernhard von Weimar»
vun Hermann Stegemann im Stadttheater zu Sl rassbarg.
15
XIX.
Sitzuligsprotokolle.
Vorstandssitzung.
18. NoTvmber 18M, im gerauuiistlaelieii Seiniiiar der üniTenitftt.
An\v(>8on(i: die Herren Barack, l«lrichson, Franke, Lienharl.
Marlin, Mündel, Ilentiud.
Knl.scliuldij^l : die Herren Deecke, Eitting, Harlx)iiit,
iJchlundjer^^er, Wie«^and.
Üer Voi-silzende, Prot. Marlin, lejjt zunächst den Milylie-
deru eini^je ScbrifUiiücke^ die bei ihm Qin|f;elauren i»iiiiJ, xur
Kerintnisnahme vor. Er teill sodann inil, dass er Sr, Durch-
laucht dem Füreten Statthalter» jetzigen Reichskanslei*, und
Sr. Exzellenz dem Herrn Staatiiaekrelär je ein Exemplar des
Jabrhiicli.s überreiclil liuhe.
Mili^iied Mündel berichtet üi)er den Peri^smiallie^lanii und
die Kjissenla^'e. Der hiütur.-lilter. Zweijfverein zähle 140U Mil-
^dietler, die bis zum hinili^'^tm Taj;«' ihre Gelder ein;j;esehickt
hällcMi ; es slehn ihm Ii aus die lieili.i^a' um 0»liii:ir, Hagenau,
Lülzelüleiii und Mülhuuseu, so dasa »ich die Mitj^iiederzühl uuch
höher .stellt.
Prof. Barack stellt den Anlra^s dass für das nächüle Jahr
1750 Exemplare des Jahrl>uchs j,'ed ruckt werden «ollen,- was
cinstimmijr aui^enommen wird, und berichtet aodann ober die
mit uns im Schriftenauatausch stellenden Geaellschaften und
Vereine. Auä|;e8chieden ist der Vetiein für Geschichte und AI-
iertumskund«; in Hohenxolleru zu Si^marini^en, und neu bin*
zugetreten sind:
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I
— 227 —
1 lit'i iiislorische Verein in Lemberg;
'2. die K'^\. Gesellschaft der Wisseiischaflen in üöUingen ;
3. die Socielc des Lellres, Sciences et Arts de Bar-Ie-Duc;
4. die fledaktioo der Ethnologischen MiUeilunfren aus
Ungarn in Biida-Pesl;
5. die Sociötö d'Aivhöologie de BruxeÜes:
0. der deulecbe K^schichlsforidchende Verein des Kantons
Freibiir^ in <Ier Schweiz,
so dass <he Anzahl der Taust lu xeniplare auf Iii yeslieycii ist.
Drei für das nächste Jahrhucli hereitü eingelaufene Arbei-
ten werden zur iierichterätattung verleilt.
En erfolgt darauf die
AUgemeiue Sitzung.
Prof. Marlin erölFn«?! die Silzunj; niil dein Reche n sc h :dls-
hertcljl über die l'Jnlwickelun^' des Zwei-^^voreiiis im ab^^elaiib'-
niMi Jahre und y:il>l drinn ciiicii Uebciblick übei- die Tbätigkeit
de&iiclben in den rrsieii /» iiti Jahren seines 13eslohüJi.s.
Der Kassenbericht des Herrn Mündel wird durcli zwei
Milglieder geprüft und richtig befunden.
Der bisherige Vorstand wird durch Zuruf wiedergewählt.
Sodann kielt Herr Dr. med. A. Kassel aus Hochfelden
einen Vortrag fiber Sitte und Anstand beim Hanauer Bauern
im Elsass, dem sich eine Disitussion anscbluss über das von
deinsclhen Hedner bcsjM u» linu- Thema : Was lässl sitrh zui
Kihaltuii^' der Volkslruchleu im KIsass Ihun? Der V(u.sl irnl
wild sihliesslicb von der Versammlunj? beauftra^M, Millel und
VVe^e zu linden, wie man in dieser vkiutie etwas tslrspriesslichei»
erreiclieii könne.
Vorstaudssitzoug.
März Lbüö im BcKirtcs-Archiv.
Anwetwnd : die Herren Barack, Erichson, Franke, Har-
bordt, Lienhail» Marlin, Reuaud, Scblumberger, Wiegand.
Kiti>(;huldigt : die Herren Deecke, Euting, Herrenschneider
und Schrickert
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— 228 —
Der Vor^sitzenile teilt mit, daifs wie bitsher ein Zuschuss
von Ü0() Mark scUoiks (icr Iterierung gezahlt und duss ein
Exemplar des Jahrbuchs dein neuen Statthalter überreicht
worden sei.
Die ein^elaulenei) Beil räjiie zum neuen Uaiule des Jjihrbuches
vvcnlen ln-spnx^hen und zur L{«'iicliler.staUunj{ verleilt; des-
glci' lien wird die Jalireschrunik l'esfj^esU'lll.
Miii,di<nl Wienand \vi»^^imi ;nHl<Mweihj;t i -l;iiker Be-
lastung sein And diu ISt lii ilüuiner nietlei*, dai> Mitglied Lien-
hart übeininiint.
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JAHRBUCH
FÜR
GESCHICHTE. SPRACHE UND LITTERATUR
ELSASS-LOTHRINGENS
HERAUSGEGEBEN
VON 0£M
HiSTORlSCU-LlTTERARlSCHEN ZWEIGVEREIN
DBS .U'l^S-
VÜGESEN-CLUBS. ^^' Z ,
'/
XII. JAHRGANG.
STRASSßUKG
J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL)
i8q6.
1
Inhalt.
Seite
I. Oedicbt TOD Allgast Dieti 1
IL Di« Entwickelang and Organiaaiion de« «ItiMiiebtn
Weinbaaet im Mitt«Ulter von Pr. Aug. Bari sog . . &
DL Di* Hezenplätze der Bnfkcber Hcxenorkoaden tob
Theobald Walter 40
IV. Gedichte nnd Mittheil nn gen Ton C. W. Faber . . . 44
V. Minwersbeim oder Minversbeim tod Dr Kassel. . . 68
VL Briefe von Johann Peter Hebel an Frau Weiler in
Strassbnrg von ErnstMartin . 67
VII. Gedichte eines Flühvollendeten 75
VIII. Die Kufacher Viirnamen von EeinricbMeages . . 81
IX. Münsterthäler Volicslieder von J. Spieser . . . . 107
X. Die Münsterthäter Ginssformeln einst nnd jetzt von
JSpieser. 115
XI. Das Elsässer Judendeatsch von C. Th. Weiaa . . . 181
xn. Volkalhamliche Faste. Sitten nnd Gebr&Dche im Elsass
von Brnno Stehle 18S
XIIL Petras Dasypodias von H. Erdmann 199
XIV. Chronik für 1896 901
XV Sitsangsberichte 909
Cebersicht fiber den Inhalt der Binde I-XII .... 905
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I.
Auf! in die Vogesen!
Von
Allgatt DietB.
Wi
ilJst leiblich, geistig du genesen.
Drückt dich der Qualm der Städteluft,
Auf, auf, mein Freund, in die Vogesen
Und atme würz'^en Tannenduft!
Hier, in den lichten Bergesrfiumen,
Hier liebet freier sich die Brust ;
Hier ma{?st' dein Erdenweh verträuinen,
Hier schwelgt das Herz in Hinimelslust I
VJie reiht, in zauberprächt'gem Kranze^
Sich majestätisch Firn an Firn,
Wie prangt im blauon Aetherglanze
Ottiliens lel^^^e krönte Stirn!
Des Ungersbergejj inachi'i^e Kuppe,
Wie ragt sie stolz am Horizont,
Und dort, ob malerischer Gruppe,
Wie königlich der Belchen thront I
Und hundert traute Burgen ragen,
Die stuiamen Zeugen alter Zeit,
Erzählen uns viel Wundersagen
Von längst entscbwundner Herrlichkeit.
Wo halbzerborstne Bogeahallen
Jetit schmückt des Epheus dunkle Zier,
Klang klirrend dnst der Waffen Schallen
Vom ritterlichen Kampflurnier.
0 komm', — im schattendüstero Haine,
Wo Tanne sich an Tanne reiht,
Wie trftumt es heirlich sich alteine,
In lauschiger Waldeinsamkeit I
— 2 —
Hier kmnst du andachtschauernd lauschen.
Umspielt vom lieii'gen Dämmerlicht,
Wo nur des Bächleins murmelnd Rauschen
Die Kircheustille unterbricht!
Und siehst du frei auf hohen Zinnen,
Das Herz von sel'ger Lust geschwellt.
Wie schweift dein Blick entzückt von binnen
In Gollcs schöne Wunderwelt I
Des Schwaiiswalds Gipfel traulich grüssen
Von drüben, nnchbarlicli verwandt,
Und schimintM iid glänzt zu deinen Füssen
Das paradio^'sche Heimatland.
Uii'l Ahends erst, wenn ferne winken
Hclveliens Gletsther hrlir und klar.
In ros'jTP'' Flamiupnjlüt sie blinken,
Altäre Gotles. wun(i».M-hai' —
Wie iiiu.>s da wonnejul)elnd sinjrcn
Dein Mund: cO prächtige Gotteswelt 1»
Wie muss, wie Lerebenlied, sich schwingen
Dein Lobgebet zum Himmelszelt ! . . . .
Druai willst von Leulea du genesen,
Drückt dich der Qualm der Städleluft,
Auf, aut, mein Freund, in die Vogesen
Und atme wOrz'gen Tannenduft!
Von ZauberflOgeln fortgetragen,
Entfleucht der Sorgen dfisti'e Pein,
Verstummen alle Schmeraensklagen :
üier musst, hier musst du selig sein.
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II.
Die Entwickelung und Organisation
des
Elsässischen Weinbaues
im Mittelalter.
Von
Dr. Aug. Hertzog
in Colmar.
In unsrer r);n>:teltiin^ folgen wir im AUgeinetnen der
Forschung und den Ro.<ultalon, welche Lamprecht in seiner
den Ischen Wirtschaftsge^bichte für das MoseUand festge-
legt hat.
beim wie das Mospj^rehiet, war auch unser Elsass vor-
\vie;.'^end ein fränki.^che.s Land, hafte wie jenes fränkisches
Hecht, fränkische Einrichtungen und Kuiturgewohnlititen.
Eines aber dürfen wir von unserer bescheidenen Epigo-
neoarbeit sagen» dass die EinrichtuDg und Organisation des
Weinbaues in iinaerem Elsass noch von keinem unserer Vor-
gänger auf dem Gebiete elsftsaischer Geschichte erörtert wor-
den ist, so dass wir f&r unsere elsSssischen Leser, welche wohl
zumeist Lamprecht's Studien nicht Icennen, doch recht viel
Neues bringen dürften.
Wenn wir ferner im Laufe dieser Arbeit eine gedrängte
Darstellung der Entwickelung des Weinbaues durch Jahrhun-
derte hindurch jjehen können, so gl,iu))on wir ein gutes Stück
li(Mlun;:s- und Bef>iedeluri^s;tres( liiclite ^^e>rliriehen zu halicn ;
i>ei der Schilderung der elsassischun Weinl)autechnik der Vei-
gangenheii werden wir auch die Möglichkeit bekommen, einen
recht interessanten Vergleich der elsässischen Gegenwail mit
jener Vergangenheit anzustellen.
- 4 —
Aus unserer Schilderung wird aber vor Allem hervoi-ge-
hen, dass in unserer Provini, wo schon sein* früh allerlei
Speztalkuituren in Schwung kamen, der hufrechtliche Verhand
ausnehmend .schnell ^'^elösl wurde und aus dem Leben unseres
Bauernvolkes s«^hr früh verschwuriil^n ist ; dass bereits im
XVI. Jahrhundert, die Weislhrimer Keciile lestsfellten, welche
damals scliou slark im Gedächliiisse der Betheilijjlen verbiasst
waren. Die Wei^Uiumer sind schon in jener Zeit bei uns nur
noch Rechtsalterthümer, viele von ihren Bestimmungen wurden
damals schon nichl mehr geübt.
Diese frühe Emanapation der elsässischen [Bauero, und am
frühesten di^eni^e der Weinbauern, begründet sich und er-
klärt sich leicht in wirtschaftlicher Hinsicht, aus dem Ueber'
wi^en der Spezialkuituren, und zwar hauptsachlich des Wein-
bauesj welches von jeher eine grössere Freiheit in der Betriebs-
organisation und in der Botlen- Verfügung erforderte, um die
grö-sfinöi^ilirliefi Krtraj^e zu eriuillen. Die grössere Freiheit in
dem De!riehe «iei .(rli;,'er Landgüter hing eng niit dem wich-
tigen UmsLaiide zusammen, dass diese Spezialkulturen meist
Aussenfeldei" oder Garleuland einnahmen, welche von der Ge-
bundenheit des Hofenlandes befreit waren. Die aus dieser
Freiheit entstehende Betriebsorganisation des Weinbaues hat
es schnell zuwege gebracht, dass ursprünglich ganz unfreie
Arbeiter wie die Weinbauern, eine bevorzugte freiere Stellung
einnahmen, wie sie keinem anderen Teile der ländlichen Be-
völkerung vor 1789 zuerkannt wurde.
Die-^e gesamte Entwickelun;^ soll nun im Folgenden
an der Hand zahlreicher Urkunden dai^estelit weixlen.
I
Bekanntlich ist der Weinbau im Elsass sehr früh heimisch
geworden. Die schöne. Hügelreihe vor und längs den Vogesen
musste sofort den Weinbau-kundigen Römern in die Augen
fallen. Ob der bekannte Erlass des Kaisers Probus, 270 n. Chr.,
den Weinbau wirklich erst hierzulande eingeführt bat, ist nicht
bestimmt testxnstellen; wir sind geneigt zu glauben, dass dieser
schon vorher Eingang gefunden hatte. Wenn Tacilus sagt :
«Proximi ripae Germnni et vinum mercaiitur» so möchten wir
dies ^ernde als einen FJeweis unserer liehauptung anführen ;
«lenn liwerlich dürften die gallischeii Handelsleute oder Wein-
verkäuter den Wein au^ entfernten Gegenden hergeholt und
eingeführt haben, zu einer Zeit, da das berühmte römische
Strassennetz noch nicht ausgebaut war. Dieser Wein, den die
Germanen lu TacituK Zeiten kauften, wuchs damals wol schon
an den sonnigen Hügeln des linken Rheinufers, welche nach
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— 5 —
und nach von iiirem Waldgestrüpp befreit \v(»rdeii waren. Das
hekannte Edikt Domitians bat dann den Weinbau auch nicht
gänzlich verboten ; untersajj^t ward er nur da, wo viel besser
Getreidebau oder überbaupt Ackerhau ^'etriolien werden konnte;
(lies Verbot halte in neuerer Zeit oiii Analoijün an <ieni be-
kannten Verbote Ludwig's XV. der den Weinlwu im Elsas<;e
ebenfalls in bestimmte Grenzen schlug ; die Motive waren
dieselben : Sicherung der Brotfrucht. Durch ein Verbot Wein
auf den Högein zu bauen, auf welchen öberhaupt nichts an^
deres angebaut werden konnte, wäre weder dem Ackerbaue
noch dem Lande überhaupt gedient gewesen ; eine eolcbe Nai«
vetät dürfen wir dem sonst so klugen römischen Gesetzgeber
gewis> ht zutrauen. Ein solches Gebot, alle Reben auszurot-
ten, wäre überbaupt sehwerh'ch ausgeführt worden. Im Edikte
de«; Probus finden wir somit keine Einfühninfr He^^ Weinbaues
in Gallien, -ondorn nur die Aufhebung der Domitianischen
Verfügung und lioM hiankung.
Ferner erzählt Plinius schon in «seiner «Hi>-toria naturalii«.»
von einer merkwüi dij^tii Eigeiistliait eines Rebgewächses, das
im Wein ein Pechbouquet aufweise, den er den Weinen der
Auvergne, des Sequanerlandes und der Helviker entgegenstellt.
Es wurde also damals im sequanischen Oberelsass schon die Rebe
angebaut. Viele Schriflsleller möchten diese Notiz nur auf das
innere Sequanerland, die beutige Franche-Comt^ beziehen. Wenn
man aber l)edenkt, dam das elsassische Klima viel milder ist
und war, als dasjenige der Franche-Comte, so spricht dies dafür,
dass jener Sequanerwein wol Elsässer Wein sein konnte, zum
Teil jedenfalls.
Wie es in Italien üMich war, wo man die Hügel schon
längst mit Reben liepflanzte, nicht aber das llailK' Land, den
Acker, so wurden auch die meisten elsässischen Hügel unserer
ältesten Weindörfer durch die Römer und iliregaUischen Schuler
auf diesem Gebiete« gerodet und mit Reben bestockt. WSre dies
nicht der Fall, so könnten nicht so früh in den elsSssischen Ur-
kunden und in den geschichtlichen Mitteilungen über unser
Land Reben auf Hügeln erwShnt werden; der spatere kapitalarme
fränkische oder alemannische Bauer hätte unter den Drangsalen
der Völkerwanderung keine Neurodungen und Neuanlagen vor-
nehmen können.
Auch darf man nicht glauben, dass die Kriep'e der Völker-
wnnderung die lAelibeig^e ganz und gar zerstört li;illen. Allerdings
mögen viele Peli^lnrl<c lange Jahre hintereinand«^- nicht ange-
baut worden sein, wie wir dies auch aus der Zeil des dreissig-
Jährigen Krieges wii^sen. Die Beben sind aber geblieljen ; die
Anlagen waren höchstens verwildert, wurden auch vielleicht
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6 —
nachträglich nicht alle mehr in den früheren Stand gesetzt,
wurden wieder zur Allmend, aber pin </e\visser Bestand an
Reben blieb immer. Die Hügehebeii stanuaen m den ällestea
Weinorten ohne Zweifel aus der rüiniscben Zeit.
Der Rebbau ging natürlich durch Vernachlässigung stark
desimiert auf die AietnaDnen und Franken über ; aber nie ver*
schwand er in seinem ganzen Umfange.
Als erobertes Land gingen die RebstQdte in's Königsland
Ober und wurden unter die frinkisclien Grrossen verthellt ; daher
kommt es, dass uns die ältesten Urkunden die Rebländer meist
in den Händen reicher Dynasten, fränkischer Groesengeschlechter,
zeigen. Auch hängt es wol damit zusammejn, dass die Reben
seihst als römischer Latifundien besitz nur wiederum als solcher
koiistituierl werden konnlon, da kleine Leute ntclil genug Ka-
pital und Arbeitskräfte zur Verfügung gehabt hätten, um sie zu
übernehmen ,
Es war also unter den Franken tier Weinbau eine wahre
IfUxuskuttur. Zur Zeit, als die Könige und Grossen det^ Landes
unsere ber&hmten Benediktinerabteien dotierten, trägt der Reben-
besits derselben, wie all ihr übriger Besitz ganz den Charakter
von Latifundien, ab<r doch Latifandienbesitz in Gemengelage ;
solche Grosstiesitze waren meist Streubesitz. Als Beispiel kann
hier dienen der mächtige Besitz der £tichoniden, der elsässischen
Herzogsfamilie, der sich über das ganze Land ausdehnte. Dieser
weltliche Grossgrundhesitz stammt wol zum Teil aus dei* Fr-
übei'iing selbst, zum Teil aber auch aus königlichen Schenkungen.
Ihn erwähnen unsere ältesten Kloslerscbenkunfren und Grün-
dungen : s(» z. B. eine Schenkung des Eticbonidet) Kberhard
an Murbach, worin auf dei' Gemarkung mehrerer Urlschaften,
unter anderen «1er meines Geburtsdorfes Geberschweiher
Reben geschenkt werden (728) ; femer eine andere Schenkung
ffir Weissenburg von 713, in der an einem Uwarigar genann-
ten Orte des Niederelsasses im Zornthale ebenfalls Reben aufge-
zählt werden. Es sind dies zugleich die zwei ältesten Rebenerwah-
nungen in Urkunden unseres Landes. Die Gründungsurkunde
von Weisse nbiiri?, angeblich von Ö55, spricht auch schon von
Reben, jedoch besitzen wir diese T^rkunde nicht in ihrer ur-
sprünglichen Gestalt, sondern nur in spateren Urkunden aus-
zugsweise, so dass die Erwähnung der Reben als Appendizien
de«5 ^esclieiikten Gebietes wohl erst später hinein gelangen
konnte. Sicher aber waren um 050 herum schon Reben in der
schönen Umgebung von Weissenburg. Hauptsächlich haben sich
die zahlreich um's sechste und siebente Jahrhundert gegründe-
ten Abteien unseres Landes, besonders aber die königlichen
Villen um Hebung des Land- und Weinbaues verdient gemacht.
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Bekanntlich kennen einzelne Hand-^chriflen der Lex Sa-
iica die Reben und erwähnen dieAVcinbauern, welche damals ins-
gesamcQt unfreie^ aber gelernte Spezialarbeiter waren und darum
auch einen hohen g^eselzlichen Sühnewert zugesprochen erhieH<Mi.
Die Aufnahme dieser Bestimmungen in ein/.ehie Handschnt-
!en der Lex Salica beweist, duss zur Vj^ü ilner Aulzeichnung
der Rebbau im tränkischen Rei( h hei<'it< solche Wii htigkeit
erlangt hatte, dass der Gesetzgeber liesliinmun^en darüber zu
erlassen sich bewogen fühlte. In der Zeit von 650 bis 900
finden w in unseren elsässisehen Urkunden schon 110 Reb*
ddrfer, d. h. solche» bei denen die Urkunden ausdrücklich der
Reben Erwähnung thun, genannt, welche jetzt noch alle auf
der elsässischen Weinbuukarte figurieren, und bis 1300 erhöht
sich ihre Zahl bis auf 172. Die Summe der jetzigen Rebdörfer,
wenn man darunter nur die nahmhaflen Ortschaften mit Reb-
bau versteht, beträgt kaum etwas mehr wie 420. Bedenkt man,
da*«s alle diese Ortscliaften schon ältei" sind als das XllL .lahr-
hundei l, üo kann ruhig liehaujitet weiden, da-s ihm K5ÜU hermn
der weitauügrösste Teil des elsässischen \Vein!aude> angestockl
war: denn mit der Uutlung wurde auch sicher der Rebbau
dort hingebracht.
Was bei der germanischen Besiedelung nicht okkupirt
ward, also auch gewiss alle wieder zu Gestrüpp gewordenen
Reben der Gallo-Römer, das blieb als Allmend liegen. Nach
wie vor lagen die Reb^^ärten ausserhalb der Ackermark, nach
der deutschen St>s>haftmachung also auf der Markallmende
oder im eigentlichen Gartenlande. Die Römer kannten keine
Allmendländereien. Was nicht Privateigentum war, da«; gehörte
den Gemeinden oder dem -staatlichen Fiskus, daiier i rklärt es
sich, dass so viele Reben in königlichem «»der herz<v'''hem
Besitze waren, wie dies durch die alten Kluslcr-ürkunden
dargethan wird.
0ass die Reben auf der Allmend lagen, das kann heute
noch deutlich in vielen Rebgemarkungen unseres Landes er*
kannt werden. So z. B. in dem Banue der früheren Reichs-
stadt Oberehnbeim, all wo auf dem Plateau des Rebberges
noch ausg^ehnte Allmendflächen sich ausbreiten, während die
Bergabhänge in Privateigeuthum sich befinden und nichts als
Reben tragen. Vorn gegen die Stadt zu ziehen die Parzellen
Reben vom Fusse des Hügels bis dicht an die Plnlffnnn iiinauf ;
weiter von der Stadt aber hat noch jede Rebparzelle eine Ver-
längerung als Wald. L's ist nicht zu leugnen, in früii<Mtjn Zt i-
ten war der ganze Rergaldiang mit Wald bedeckt und Allniend-
gut. Aul' dieser Allmend wurde nacli und nach gerodet und der
Weinberg angelegt.
— 8 -
Roden konnte aber in friihesten Zeiten wer wollte und un-
entgeltlich ; doch dies dauerte nicht lange ; mit der Zunnhme
der Bevölkerung^ wurde das Roden einfreschränkt und an die
Erlaubnis der Gemeinde ^-^olxinden, s[iäter, im XV, Jalirhun-
dert, wurde das Roden üL)erhaupt verholen.
Das Recht der Rodung, das Bifangrecht, konnte natürlich
am besten durch die Grossen aiugeQbt werden, weil diesen
genug Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Auf den von der
Mark ausgeschlossenen grossen grundherrlichen Rodkoniplexen
entwickelte sich eine besondere Wirtschaftsfornii die des Beun-
detandes, welche hauptsächlich auf der Frondepflicht der Höri-
gen gegenüber dem Grundherren gegründet war. Die Spuren
von Beunde und Bi fangen finden wir in unseren elsässischen
Urkunden und in den jetzt noch rt])l!(i!f' n FInrnamen sehr oft;
wir werden weitei- unten solciic vorfnlireii. Da wo der Grund-
herr, wie dies liierziilande \v<.hl iiimier rier Fall war, auch
noch Obereigentünier der Allmend gewesen ist, entwickelte
sich das Recht des Grundherren Rodabgahen zu erheben ; so
entstanden Reben auch neben den grundherrlichen Beundereben
auf dem Rodland der Allmend. Während ein Gewann oder das
andere eine Beunde war, wie wir solches in vielen Ortschaf-
ten urkundlich nachgewiesen vorfinden, waren alle anderen Ge-
wanne durch die Bauern selbst umgebixKihen worden und zwai-
derart, dass auch die zu Rebanlagen bestimmten Flächen bei
der Verteilung an die Einwohner einer Mark, wie die Aecker,
gewannweise eingeteilt wurden, diese Gewanneinteiinng ist im
Elsass überall no« Ii deutlich tu erkennen : hierbei ist auch
zu erwähnen. da:?s in späterer Z» il al< die Rebkullur wirtschaft-
lich die Oberhand l^ekam , lieben auch in der Ackeruiark
selbst angelegt wurden: hier bestand aber immer die Eintei-
lung in (Gewanne.
Die Reben waren in frfiheren Zeiten immer Annexe, Zu-
behöre der Hufe ; erst später enstanden die selbständigen Reb-
gfiter.
Um das Jahr 1CM)0 herum beginnt im Elsasse die Zeit des
giössten Ausbaues für Special kulturen. Den Beweis dafür er-
blicken wir darin, das.s bis dahin die elsässischen Urkunden
solche Hufanbänr;sel beinahe niemals orwährion, oder wenn dies
fresrhieht, nni- in *^ehr allgemein peli;)ltenen I-ormeln e« thun,
olme >-ie :111t ilnc Oberfläche und topographische Lage in der
Mark näher zu besliuimen.
So heissl es in einer Schenkungsurkunde eines gewissen
Ebrohart's von 739 : t Vineas tres cum viniloribus», oder in
vielen andern elsässischen Urkunden : c Quidquid habere visus
sum in villa N. tarn mansis, mancipiis, vineis, terris, campis,
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— 9 -
priscuis, sihi-. tquis »quarumve decursibu-s », oder auch :
Ad villam N. totum, tarn lerris, ecciesiis, doinilnis, edifieii*,
pniti«, pa«rui«, vineis, silvis, aquis aquaruinve decursibiis
([iKnihHni.iiii<|iie mihi et palerno mihi l»';;ihiis ultvciiit vel
<lt' quiicunque hln-f attrarto. So zn le>eu in Oit^challeii, in
wekhen {ranz hestiinint xlioii im Jahrhundert Reben sich
vorfanden. Sie waien al» liuteu-xVppendizieii, welche alle Mark-
geaossen kannten, der Aufzählung noch nicht gewürdigt. Vom
9. Jahrhundert an wird die Erwähnung der Reben als Hufen-
Appendizien immer häufiger, um in den Reborten dann re-
gelmässig zu werden, ebenso di^enige anderer Ausbaufelder,
die dann beinahe immer neben dein Huflande als «cJurnale^ et
terra aratoria» oder als Wiesen näher bezeichnet werden. Wenn
mit der Zeit das Ackerfeld zu klein wurde für die angewach-
sene Bevölkerung', wurde einfach Allmend gei^odet, so auch
für den Rebbau.
Unter den ältt ren elsässischen Tradilions-Ürkuiiden aus
dem 8. und 0. lalniiundei t gehen nur \venij;e derselben j«o
detaillierte Aiigaheii, wie diejenijje einer Schenkung an Weissen-
bun( von Seiten eines gewissen Cngilbert'a. Dieser giebt in
der Dfiminger Gemarkung eine Hufe, auf welcher ein unfreier
Bauer, und zwar wohl ein Winzer, dem Gute nach zu schliessen,
ein Haus mit Scheune und Garten sich einrichten kann, und
als Aiisbauannesen dieser Hufe werden erwähnt: {21 Jurnales
(Morgen) de terra arraturia (Kodland); de piato carnidas 4
(Wiesen zu 4 Waj^en Heu), hier waren sogar die Wiesen noch
nicht einmal nach einor «/cfrohenen feslf^n Fläclie geteilt, son-
dern nur narli ^'i^em Krlraijc v^ni 4 ^X'a^cn IfiMips, so dass
dir der Hute zulalle?Tde Wioeiilläclte jedes Jahr verschieden
sein konnte, je na« Ii der Fruchtbarkeit des Jahrganges; und
ferner eine Rebe worauf ein Wagen Wein wächst. Auch hier
noch dasselbe Phänomen wie bei den Wiesen, auch bei den
Reben deutet dies aus sehr frühen Zeiten her auf zuerst unge-
teilten Besitz der oder einer gesammten Fläche, etwa eines
Gewannes, deutet weiter darauf hin, dass wohl ein Gewann
Allmend durch eine Genossenschaft der oder eines Teiles der
Markgenossen voi'geriommen wurde. Wo der kleine Mann sein
Bifangrerlit : n der gemeinen Mark ausüben wollte, da war
die?< wohl aiilänglich die ühliche Art und Weise zu roden.
Das normale HofjZtit oluo^i Rajioin wii'd rlann inuner als
Mansus l)eztMchiiet, und zwar ohne iiizeiid welche M;is>aDgabe.
nur seilen wird es auf Morgen bestimmt ; das Fruhiiiiegut, die
«terra salica, indominicata*, wird dagegen regelmässig in Jur-
näles aufgezählt, und ftlr die Reben kommt dann auch der
Arpent in Gebrauch.
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— 10 —
Die Schenkungsurkunde des Strassburger Bischofs Heddo
ven Ettenheini-Münster (7(>^]) spiicht von zwei Hufen zu Rufach
«cum vineis», jedoch ohne nähere Ansähe.
Doch erhalten wir schon sehr früh zwei Urkunden
iienaue Nachrichten über den Flächeninhalt zweier an Miirhach
geschenkter Fcidslncke, die ilirer Natur nach AlUneiidaiishauten
waren, näniHch eines ßauuigarten zu Annghis^haim an der
Feclit (Ingersheim hei Ck)hnar) : «qui liabet in lon^o perticas
deccui et seplem (17 Ruthen) et in latiun perticas duas et dinii-
diam Ruthen), ferner eines Ackers zu Rftdersheim : qui
habet in longo perticas viginti ei sex (26 Ruthen) et in latus
perticas quindecim et sedecim et dimidiam (15 und Ruthen),
Hiermusste natürlich jedes einselne Grundstock genau bezeichnet
werden, weil sie von der Hufe losgetrennt worden sind. Dies
erwähnen wir, wiewohl hier nicht von Reben die Rede isl,
als ilie ältesten Angaben über genaues Mass. Wir tlnden solche
aber auch in Bezug auf Reben, so zu Erboldisvillare (an der
Zinselj (?) 828: de vinea aripennos «juatuor; Sigolsheim : (>
arpeiites Rel)en ; Wanjicn 828 : de vinea aripennos (bms ; Zein-
heim 828 : de vinea aripennos duos. Es folgen nuu luer auch
noch andere Angaben, welche einigermassen auf das Mass der
Oberfläche und auf die Einrichtung eines Weingutes schliessen
lassen : Dümingen 742 und 787 : vinea una, carrada una; Goersdorf
787: vmea i carradas 4; Handschuhheim 804: ad sicloH 90:
Kirrweiler 851 : vineam i carradas 3; Nietern 737 und 742:
hobas 4 vineas 3. (Wie viel ist die Vinea, wenn sie so aufgezählt
wird?); Ratolfesdorf heute Rotteisheim 828: vineas 2; Weiler
880: homines 20, de vin » unde exercere possunt karradas 20;
es scheinen somit diese 20 Mann eine wahre Rebbaugenossen-
schaft gebildet /.u haben. Biehlenheini 1120: ad carradas 4:
Colmar 86") mensum cum vineis: hiei die Rehen einfarh als
Appenilix erwähnt. Duiizenlieim 1120: viles atl carradas Ires ;
serviunt in putandis et fodiendis vineis. Danibach 1 130 : 2
jugera vineae: Ergersheini 950 : ganz altgemein: quid'luid vini-
feri ; Eichhofen 1097 : viniferos agros duos. (Oh Mas« ? dennoch
walirscheinlich) ; Fessenheim 1120: vineae ad carradas 4;
Hohgoeft 1120: vitis ad carradas 0; Geudertheim 1120: vinea
ad carradas 2 ; Gebweiler 1135: vineam unam (wie viel?)
Hegeney 742: hobas i, vin. as 3: Hattstadt 1180: curiam cum
vineis; Habsheim 1130: curtem et vineas; Marlenheim 1120:
laciunt vineas et sterrorant a<l niedietatein vini ; vinearum f-unl
23 ad medietatem vini et carradas 12 ; Mühlhausen 1264 : <|ual-
tuor peticias vinearum ; Ingersheim, Angabe eines Gewann-
namens 785: loco rdgoltesberg ; 704 bezeichnend der Ausdruck:
in supercilio montis ; Onoltsweiler 1004 : vineam unam ; Oudels-
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willara i190: vineae ad 4 carraclas;,Randas (Handingen?) 1120:
de vineis ad carradns 0; Reuteoburg 1120: vinearum ad cari'a-
das vini; Hixheim 1273: 5 manwerk vinearum ; Sindeisberg
112<): vinea duas fairadas ; Schnersheim 1120: 5 solides
solviiiitur L'\ viiieis ; operaiilnr et uno(jiiaque manso 4 ju^ora
viiieaium suo opere et suis siiuiplibus ; colligunt ipsum viiium
suis» ijuniptilms ; sunt vineae ad carrada«! (>, sedet in cetcris
vineis ad uiedietatem ; Sulzbad 1120 : ad niedietatein viui ; wie
hieraus ersichtlich isL der Halbbau vielfach üblich; Sennheim
1139, 1180 : Cellarium et vineas, 1267 : die älteste urkundliche
Verwendung des Wortes Schatz: Schados 23 fQr 30 Mark
Silbers verkauft. Steinbach 1187 : cellarium cum vineis ; Sieranz
1198: einfach Vineta; Westhalten 1103 : curiam 1 cum vineis;
in üffholz 1254: 15 carradas rub el vini defecati ; Winj^ersheim
1120: 17 agri vinearum; Zellen berg 1120 : de vineis ad carra-
das 10 ; Zellweil(M- 1133 : dimidium agrum vineae. In allen
diesen Urkunden ist der Zusammenhanj^ der Heb^r;,rien mit ilei-
Hufe recht deutlich; am deutlichsten aber in einer 1" luschui-
kunde z\vi>nlien Graf Er( hen^iar und der Abtei Schwarzacii,
worin das llufeuland al:> die Surs den Appendizien }(egenfd)er^e-
slellt wird (823) ; in Zeinheiiii, Wangen und Marlenheim werden
vier Arpents lieben, mit den dazugehörigen Unfreien 34 an der
Zahl eingetauscht gegen zu Erboldsweiler gelegene 17 Hufen
mit Wiesen zu 50 carradas Heu und ebenfalls 4 Arpents Reben
mit 84 Servi.
Betrachten wir diese Tauschurkunde, sowie viele andere,
nrdier, so erkennen wir leicht, dass sie zum grössten Teile
über Frohndegul verfügen ; dio^e Boundeländereien waren aber
immer durch unfreie oder halhtVeie Bauern in Kultur gehalten,
darum werden solche samt ihren Hufensilzen auch immer mit-
verkauft oder verlausclit, um daduicli die Arbeit dem Grund-
herrn 2u sichern. Der Zweck solcher Güter lausche war aber
die Arrondierung des oft zu grossen Streuhesitzes der Klöster
und Grossen, die ihre Besitzungen nicht fiskusarlig wie das
königliche Haus an einem Stücke besassen, sondern im ganzen
Lande zerstreut, je nach Gelegenheit der Schenkungen oder
Käufe durch welche sie dieselben erliielten.
Dann aber finden wir auch Urkunden, in v !i hen das Huf-
schlagsland allein verkauft wiril, und der Verkäuler folglich für
sich nur die Oeiinden behalL Hiezu zählen aber die Rehen.
Mit ihrer iVeien Dewii l.sch iftun;r waren sie für den Grundherrn
entsrhieden von höherem XiitztMi als das Hnfenland.
Der Allmendausbau wini immer starker heliieben ; die
Hulenannexen als : Ackerland für Spezialkulturen, Gärten und
Weinberge werden immer zahlreicher, ja es entstehen jetzt
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Landgüter, welche nur aus Rodland zusammengeselzt sind, so
dass nun beim Verkaufe derselben, eine grössere Detaillierung
der Gutsleile nolwendi;: wird; mit der zunefameniien UiIkip-
macbiin^ und der Zunaliiue der Landbevölkerung, (ritt die Not-
wendijrkeit ein, die Güter zu teilen, da das Ausgreifen auf die
Allmend nicht mehr möglich ist, und neue Güter- und ßauern-
loose zu sciiatlen.
Jetzt lauten nahniii h die iiieisten Urkunden nicht mehi
wie früher auf ganze Villen, jetzt sind es nur noch einzelne
Hufenparzellen und Rodlandslücke, welche verkauft werden. Wie
sehr auch das Rodland lugenommen hat lässl, sich deullich aus
den elsüssischen Polyplichen und Gülerurbarien bis auf 1900
nachweisen ; ja zuletzt öbersfeigl .«ogar das Rodland die ursprüng-
liche Loosgemarkung um ein Bedeutendes. Nocli sind aber
diese Landereien nicht von der Hufe losgelöst.
So hat z. H. ein Lebngut zu GinpAlingen von 1 Hufe«
nach dem Weissenhurger Polyptichon, ein Rebstück zu i
Wagen Weins als Hufennppendix ; nach dersolhen Quelle hat
ein anch'rcs /u ITrnnlieiiii elienfalls eine Hufe und »'in Rehslück
zu 1 W.i;:('n Weins: ein Benefizium /u Gritemanstcin 3 Hufen
und Rt Ix n /u 4 Wagen Weins; am seihen Orte imd .inderes
1'J2 Hulen und Rehen zu 1 Wagen Weins. Im Verzeichnis
des Ahtes Edeltn von Weissenburg sind die Weinabgaben der
Grundhörigen ausserordentlich zahlreich, und sind jedesmal auf
die Hufe Ackerlands bemessen, welche die Hörigen zu Erblehn,
jure hereditarid, besitzen. Da sther eine Hufe damals in den
meisten Fällen mehrere Besitzer hatte, so bildeten diese sozusagen
eine Abgabengenossenschaft; sie bildeten auch eine Arbeits-
genossenschaft, wie wir das weiter unten noch darlegen werden.
W'as nun die Art der Aiil.ip^tt de- n<'])en anbelnn^it. wur-
den di^se ontwt'iler Mix kwL'isf n ler L;e\v;iiinwf»i*ip an^^elrv'- Wo
der Grundiierr fui sii h und durrh M.'iue /.alilrficlicii uidreien
Arbeiter ein Reundeland zu Rehen anlegen odei » inen Garten
mit Reben ansetzen liess, da ist von einer Blockanlage zu reden ;
überall wo die Bürger einer Gemeinde, vielleicht sogar gemein-
schaftlich einen Berg in Rodung nahmen, oder da wo der
Grundherr eine Beunde zum Rebbau an eine Genossenschaft
auf Teill>au verlieh, da ist die Anlage gewannweise geschehen.
Gewannlage herrscht aber im KIsass überall vor. Mit der
Zeit wurden auch die Blockanlagen in einzelne Gewannparzellen
aufgeteilt, so dass in späteren Zeiten der Cdiarakter einer Block-
aidage verloren gieng. Aus dem jetzigen Zustande könnte man
ni«dit iiipfir auf fi ühere Blockanlage s< hlies^on : nur nits Ur-
kumiiMiaiigahen ('ilidiir^n wir, dn-^* diese Anln-e nciieii der gc-
waunweisen vorkam, aucli die iieule noch üblichen Gewann-
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namen weisen oft deutlich auf eine Bloclianlage. Solche Block-
anlagen waren wohl die in (ien Rüljgemarkungen im Kataster
oft erscheinenden Gewanne mit fol^indea Bezeichnungen: Ue b-
garten oiler Pflentzer (Plantatio); auch wo im Rebgelände
der Gewaonname Bund, Bundte oder Beund. ferner der
Name F^if'nnj,^ und seiue verschiedenen Weisen vorkonimeUj
ebenlall.s wo die Gewannbezeichnuui; Werbacker auttiilt,
kann man auf Blockanlage schliesseu, da.^5<elbe gilt lür das
Wort Brügel. Eine Anzahl recht deuthcher Blockanlagen
finden wir im Lehnsverzeichnisse des Bischofs von Strassburg
im oberen Mandate (Gegend um Rufacb) aus der ersten Hälfle
des 14. Jahrhunderts; auch finden sich solcher mehrere im
Urbar der Abteien Marbach, Murbach und Munster. Von urkund«
lieh genannten Blockanlagen erwähnen wir hier nur aus vielen :
üi«' Franlzen haben zu Lehen 00 Schatz Reben ,"t 011-
weiler ; die von Hattsfadl ein solches Feld Reben des luhall-j
von <jü Schatz im B;mn von Ifnttstadt in der Lüss. Innwendig
lies Dorte:^ WeÜolbheim linden wii dann einen Reh|;arlcn von
10 Schatz. Im Marbacher Meyeilclien zu Geberschweilier be-
gegnen wir einer solchen Blockanlage von 30 Schalz Reben
dicht neben dem Meyerhofe gelegen «in dem garten» ; ebenso
einem Block von 12 Schatz in der Suntgasse (SQdgasse) des
Dorfes gelegen, somit ebenfalls eine Gallenanlage ; in demselben
Meyerlehen begegnen wir weiter einer solchen Blockanlage von
20 Schalz Reben, welche einer Genossenschaft von Lehniänern
zu Erblehen verlieben sintl; fernereinem solchen von 28 Schatz,
die ebenfalls aneinander liegen und zu Erblehen vergehen sind,
<lem Augenscheine nach (diese Beispiele sind aus der Gemar-
kung des Gebui tsdorfes des Vei tassers, Geberfchweihei J gehörten
noch 20 Scliatz zu denibellieu Gou][»ie\e .-owie «^ie zum selben
Lehen gehören, so dass dieser Rebenbiock die bedeutende Fiacljc
von i8 Schatz inne hatte ; der Werbacker, den wir im Mar-
bacher Urbar finden, der jetzt noch ein Gewann in Hattstadter
Gemarkung bildet, ist ebenfalls ein grosser Block von 50 Schatz.
£in grosses Rebstuck, das der Bischof Berthold von Strassburg
(1333) an Hugo von Nortgassen zu Geberschweier verliehen
hat, und ausdrücklich als Bunde (Beunde) jedoch ohne Gehalts»
angäbe, bezeichnet. Auch eine Beunde war das nachtraglich noch
näher 7a\ betrachtende Rottland, welches 1157 Abt Erpho von
Neuweiler an eine Genossenschaft zur Anlage vnn Reben ver-
geben hat. El»eidall.s an eine Blockanlage deutet sicher der
Gewaunname Fronberg hin. Einem Fron}>erge begegnen wir
in der Egisheimer Gemarkung. Sehr zahlreich sind die Gc-
wannanlagen in den Lehenbuchern und den Urbanen ; mehr
Beispiele davon aufzahlen zu wollen hätte keinen Werth.
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Id «tiesen Aufzählungen, die beinahe alle aus dem Ober-
Elsasa stammen, finden wir nun ein neues Feldmnss für Rehen;
€s isl der Schatz. Die älteste Erwähnung des Schatzes finden
wir in einer Verkaufsurkunde von 12f)7 nus Sennheim (Oher-
Elsass), worin 23 Schndos für 30 Mark Silbers verkrnift wurden.
Der Schatz als Masseinheit für Reben ist honte nocli \rn OIk^i-
Kl?5af!*i, nher auch nur da im Gehr.iuch . er ist je^loch nicht
üherali gleicli gross, er wech^selt fio'^M oft in einem und lieni-
selhen Banne, wo er in der Ebene tfrösser ist als im Gebirge,
wie man dort ohen schon das Hebhügelland bezeichnet. Er
bildet jedoch keine wirtschaftliche Einheit wie im Nieder-El-
sasse im Wetssenburger Gebiete die Piclura, die Pisler oder
Pichter, oder wie der Arpent, Morgen, im flbrigen Elsasse.
Diese Bezeichnungen entsprachen ursprün^dieh gewöhnlich der
wirtschaftlichen Einheit, die der Hufe als Zubehörung zugeteilt
ward. Der Schatz als Hufenannexe hätte par keine wirtschaf!-
liclie nedeutiin^r, dnzu wäre er viel zu klein. Er ist ein Strei-
fen Landes zu RiiMu'n T.anpe und einer Ruthe Breite und
deutet ^ouiil auf eine überwiegende Aidage in Streifen ; waiir-
scheinlich war damals ein Zusi.uid starker Zerstückelung in (len
fi üheren Arpenls, Morgen, den allen Anlageeinbeiten, eingerissen.
Als Blockanlagen sind döch wohl alle Reben anzusehen, l>ei
welchen es in den Urkunden heisst : una vinea oder vinea,
beides mit einer hohen Zahl von Wagen Weins begleitet. Wenn
es in einer Schenkungsurkunde eines gewissen Radoinus an
die Abtei Weissenburg heisst : er schenke den vierten Tlieil
der Rehen <lie er auf dem Warigarberge besitzt, so ist darin
entschieden eine Blo( kanlage zn erkennen; die Winzer werden
mit verschenkt. Wo der Ausdruck Vinea nur auf kleine Stücke
7M scbües^en erlanlil. da sind diese Reben meist in der He-
inen;:elai^e versrhiedener Gewanne. Wie gross solche Relisincke
waren, wo keine Erlragsangahen gemacht werden, ist nicht
leicht zu bestimmen ; wir vermuten aber, dass es meist die
wirtschaftliche Einheit des Arpenls, des Ackers angeben soll.
Manchmal heissen solche Rebstücke gewannweiser Anlage pe-
ciolflB, kleine Stückchen, Streifen, wie diese eben in jedem
Gewanne vorhanden waren, und diese wfihrend der fortwfthren-
den Ertiteilung notwendi;.^ entstehen mussten. Als Peciolae w&>
ren dann die mit Schatz bezeichneten Parzollen anzusehen.
Eine Blockanlage wurde manchmal schon bei der Errichtung
in Streifen desselben Flächeninhalts eingeteilt und so ward da-
raus binnen Kurzem eine Gewannanlajre.
Ein deutliches Rild dic•^es Vorgange.s gewahrt die Erzäh-
lung einer Urkunde des Abtes Erpho von Neuweiler über
zwei Beundeländereien aus dem Jahre 1157. Neuweiler besass
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damals zwei teri'^e salic»» «c in der oberen und unteren Wolf-
krefze» (soviel wie Wolfsgrube), welche öber zwanzig Jahre
schon wüst lagen und ^ar keinen Ertrag abwarfen. Der Abt
übergab nun diese Beunden zu Erhieben an einige Hofgenossen,
Gehüfer, zum Anbau von Reben, q:epren eine jährliche Weinal)-
gabe eine< < Ehmens (50 Liier) We'\n vom Morgen und eines
halben OhmciK^ vom halben ^^lIven. Die^ ein scliiuit's Beispiel
einer Wein-(.«eiioferscliut"l. i>ns Ltml wurde beliuis der Anlage
von Uel>eii in Parzellen vuu 1 und '2 Morgen aufgeteilt. Eine
solche Parzelle von 1 bis 2 Morgen wurde dann oft als Vinea
kurzweg bezeichnet.
Eline Rehe mit einem Wagen, 25 Ohmen Weins entspricht
bei normalem Jahresertrage einem Morgen oder rund i/4 bis
1/5 Hektar. Solche Rebstucke kommen in den GOterverzeich-
nissen oft vor.
Allem Anscheine nach war also der Arpent, der Morgen,
der Acker, das Mannwerk, alles Aus lrücke für dieselbe Kel)-
fläche, die der Hnfe zugeteilte Wirtschaftseinheit für Reljen,
s<i Inn;^<" nicht ausschliesslich oder überwiegend au- Reben
bL'r>lelien(ie Bauerngüter gab, wie dies in den eigenllichen Re)»-
diti lei ri mit der Zeil eintreten mus^tc. Den Ausdruck Vinea in
den älteren Urkunden, biö in s Xlll. Jahihundert hinein, Jial-
ten wir also gleichbedeutend mit dem Morgen ; die Peeiola da-
g«:gen mit dem weil kleineren Schatz.
Das Alles deutet auf eine frühzeitige und grosse Zerstficke*
lang des Reblaodes; denn wie wir sahen, kommt die Bezeich-
nung Scadus, Schatz schon um 1267 in den oberelsassischen
Urkunden vor. Somit herrschte damals schon eine Zerstücke*
lung der Relien, die weit unter den Morgen hinabgieng. Der
Morgen = 20 bis 25 Ar, der Schatz = 4, 5 bis 8 Ar, er war
nnlanglich wuhl der fünfte Teil des Ackers, oder des Morgens
oder de?» Arpents, was er annähernd ja jetzt noch m vielen
Gegenden ist, nämlich da, wo der Schatz 4 rsp. 5 Ar misst; er
entspräche dann dem niederelsässsischen Viertzel oder Vierdegezal,
ein Mass das wir als Parzelle schon im Jahre 1196, in einer
Urkunde aus der Zeit der Herrad von Landsberg vorfinden ; ja
sogar verschenkt man um jene Zeit schon eine noch kleinere
Rebparzelle an das Kloster Hohenburg, nftmlich einen halbvier^
zeligen Rebacker: «; .\gr um unum viniferum halbvirtigen]».
l)a^ k nnte nicht auslilelben ; denn die Reben als Allmend-
ansbauten, al> nirlit zum HutVchlagiande gehörig, waren Hnruni
sehen allen eibicriit liehen rjesehränkungen entzogen, denen
jenes Land unlerwurien war; das Hufschlagsland, die Sors der
Bauern, und später nach Aulkummen der Feudalverfassung,
besonders das hofhörige, lehnrechtliche Gut, durfte meist nicht
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(geteilt werden; erst verfaäUnismfissig spät ward auch hier
Teilung üblich.
Wollte man aher teilen, so inu<ste man ein kleineres Ein-
heitsmass schaffen und das ist der ScüatSj ein Bruchteil des
alten Morgen oder .Juch.
Dass die n)ten i* luclieunuis^e nicht überall -leicii sind,
hangt damit zusammen, dnss un^en' Vorelferii heim Ahmessen
ihrer Güter deren natuiiidie Fruclitliarkeil mit in IJetracht
zogen; in fruchtbaren Feldern wurde der Morgen kleiner zu-
gemessen als in weniger fruchtbaren, ebenso auch die Hufe, von
welcher der Morgen den dreissigsten Tbeil bildet, so mussten
auch die Bruchtheile dieser Einheiten grösser oder kleiner werden.
Hufe und Morgen, ursprAnglicfa wirkliche Feldmasse, wur«
den beim germanischen Bauern zu Wirtschaftseinheiten. War
doch der Arpent ein römisches Feldmass )>estimmten Inhalts.
Die Hufe ist das normale Bauerngut, und der Morgen die nor-
male Grösse einer Hnfcnannexe, welche selbstversländlich
immer demjenigen entsprechen musste, was ein Hul'ner neben
seinem Hul'si hlagland (Sors) bebauen konnte. Darum ist der
Morgen auch zum Mannwei k geworden ; diejenige Reben- oder
Acker- oder Wiesenfläche, welche ein Mann neben seinem
Norraalbesitze noch mit seinen eigenen Kräften bearbeiten
konnte. So wurde das Mannwerk \on einer WirtschaAseinheit,
mit der Zeit zu einer Flächeneinheit.
In dem Weissenhurger Polyptiebon beisst diese £inbeit
der Hufannexen für Bebland die Pictura, in anderen Urkunden
peditua, pedatura. Ursprünglich wie der Arpent eine römische
Feldmesseinheit, wurde auch die Pictura zur Wirthschaflseinheit
und bedeutele in jenen Gegenden wo sie üblich war — in
oberelsässischen Urkunden trilft man sie nirgends — diejenige
Weinbergflärhe, welche jeder einzehien Hufe zugegeben wurde.
Dass sich dies lateinische \Vart, die Bezeichnung eines lö-
mi'^chen Fclrlmnsses erhallen liat, ist wieder ein Beweis, dass
der Beijhau in unseren Gegenden schon zu Römerzeiten stark
verbreitet war; bedenken wir dass der Ausdruck pedetura,
pictura, sich gerade im Mosel- und im Rheinlande erhalten
bat, so können wir mit Recht auf das hohe Alter des Rebbaues
unserer Gegenden scbliessen.
In der bereits erwähnten Weissenhurger Urkunde beisst
es von den Diensthufnern oft: cFaciunt pedituram».
Anfangs machten diese unfreien Hufner die Arijeiten der
pictura auf dem Beundeland der Klosterreben nur für Heclinung
•ler Gnmdherren, in Verpflichtung für das von ihnen innge-
liuble Bauernlehngut ; er-1 spalei- erhielten sie dann dieselben
Picturae zu Erblehen oder in Erbpacht, ja ott auch nur zu
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Zeitpacbt gegen Weinabgaben; neben diesen grundherrlichen
Reben hauten die Hufner woiil auch mit Erlaubnis des AU-
mendberren'auf der Allmend neue Reben an, wofür sie wiederum
Weinabgaben jährlich entrichlen mussten. Diess I ler Gop-
pel te Ursprung der in den Urkunden erscheinenden Uörigkeits-
abgaben .
])ie Güter diesei' Weinbauern können wir fü^Hich als Wein-
güter bezeichnen; denn um das XIII. Jahrhundert lieruni giebt
ihnen die Zugehörigkeit von Iiebstücken zu denselben und zwar
in hervorragendem Veriiällnisse, diesen Charakter. An solche
Weingüter müssen wir denken, wenn wir in der Schenkungs-
urkunde eines gewissen Ebrohart's für Weissenburg (8. Jhdt.)
lesen, dass dieser der genannten Abtei tres vineas schenkt mit
den Winzern, welche 'sie bebauen. Auf jede vinea oder peditura
entfiel wohl meist ein Mann mit seiner Familie;
Auch hier konnte es nicht ausbleiben, Jass die Pichter,
als ein .\llmendaushau, noch mehr wie die Uufei ganz verschie-
dene Grössen annahm ; denn die Bodenbedinjrunj^en für Rodung
sind nicht überall die gleichen nach Grösse, Lage und Zugang-
lichkeil der betreffenden Allmenden; lerner musste infoige
dessen ganz lie-sonders die Höhe der ersten Aulagekosten
srliwankon. Diese verschiedene Grösse der Pichler bedingte
nach Laniprecht, und Alles was die elsässischen Urkunden
daiihun, bestätigen seine Ansicht auch fftr unser Land» einoi
verschiedenen Entwickelungsgang : kleine .Pichter konnten als
Nehenbauten immer im Hufenverbande bleiben, die dauernde
Bestellung grdsserer ging aber selbstverständlich über die Kräfte
auch eines Vollhafners liinans; sehr bald bildeten die grosseren
Pichter selbständige Rebgüter.
Aus den ursprünglich grundherrlichen Beundelandereien
mit ihrer eigentümlichen Bewirtschaflungsform durch Frohn-
dearbeit, entstanden später einfach Weinlehen|?üter. ^vie die in
Logunslfin vom Weissenburger Polyplichon orwälmlen;
Ruodeiah vineas 5 et jurnales 7 ; Relig vineas "2 et jurnales
6 ; W'illibrord vineas 8 et jurnales 10 ; Dagilo vineas 3 et jur-
nales 7 ; Waldbrot vineas 5 et jurnales 8 ; Edilin vineas 2 et
jurnales 7; Ruodil vineas 3 et jurnales 8; Favilo vineas 3 et
jurnales 7; Guother vineas 3 et jurnales 15. Infolge des lieber*
gangs der grundherrlichen Reben-Beunden auf ihre Winzer
oder auf andere Lehner^ musste die Spezialbezeichnung ftlr
diese, der Name Pictura» IPicbter» auch bald wegfallen, und
nun konnte man den hufenprewonnenen Weinberii: des gewohn-
Jirlipn Mannes nicht mehr vom freien Weingut des Grundherrn
unterscheiden. Eine Erinnerung an ihre fndiere Fjgenschafl
blieb nur in lokaler Bedeutung, im Gewannamen übrig. Im
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OberelsRss kommt aber die Picbter als Gewannamen nicht vor ;
ob sie im Weisseiiburger Gebiete vorkommt, ist uns unbekannt;
sicher ist sie aber durch Lamprecbt im Mosellande nachge-
wiesen .
Da die Allmcnrlcn Im tilsass alle grundherrliche Allmenden
waren, so waren die Hehjrüter meist zins- und frohiidt'[inichtig.
Nun war aber Hie Möglichkeit ^^e^^ebf-'n, das«? e«; eiü Inlir iuIit
mehrere .l ihi»^ keinen Wein jjab, in tliostMu Falle heisst (^-s dann
in den Urkunden, snIIhMi die Rebenbesilzer die Ab;jrabe in
Geld bezahlen ; in jenen Zeilen aber jirosser Kaiiilalarniul musste
es oft vorkommen, dass ein solcher Zins völlig uneinbringlich
war. Dann ward auch oft festgesetzt, dass der verfallene Zins
im nSchsten Jahre, wenn es Wein gäbe, mit erstattet werden
müsse, und falls es auch diesmal nicht geschehen könne, so
sollte der Grundherr nach seinem Belieben über das Rebstäck
verfügen. Auch finden wir aus dem XIII. Jahrhundert Urkun>
den, in denen Heben nur gegen Geldzins verliehen werden.
Infolj^e der wohl allzuoft vorkommenden Weinernten-Aus-
talle verfiel man auf den Gedanken, den Grundlierrn nuch an
den FrntenausfäÜen feilnehmen zu lassen: iniii besinninte die
jähriiclie Abgabe eines Heb'^'utes als einen testen .Ankil an dt^ni
Erlrage, so z. B, auf »Ii.' Hälfte des Ertrages, wie dies idirigens
in den eisässischen Likunden ^^ehr trüli erscheint, z. ii. in
einer Urkunde des Abtes Anselm von Mauersmfinster (4146-1154);
überhaupt ist die Halbpacht in diesem Jahrhundert schon selir
verbreitet im elsässischen Reblande.
In dem Masse als die Rebbauem noch «gene Reben be-
sassen neben denjenigen, die sie von Grundherren zu Lehen
hatten, wuchs natürlich auch die Sicherheit der ALigaben;
denn dann waren sie meist gezwungen, die Leistungen airs
ihren eigenen Reben zu entrichten, wenn letztere einen Ertrag
hatten und <lip'"Pirhfcr nicht« trugen.
I);uin wird spater in (b'n Vei leihungsurkunden gewoliulicli
die Bedingung ausgesprochen, dass auch ilno anderen Kelten
oder einzelne Stücke derselben mit ihrem Ertrage für die
grundherrlichen Rebenzinsen hafteten ; ja sogar andere Grund«
stucke, oder selbst das ganze übrige Gut wurde dafür verfestet j
verhaftet erklärt.
Ein solches aus grundberrlichen Reben und eigenen Wein-
bergen, sowie aus Hof» Aeckern, Wiesen und Gartenland be-
stehendes Gut, konnte nun gross otler klein sein, und Jässt
sich mit allen möglichen Bedingungen denken : bald mit mehr
gi'undlierrlichen, bald mit mebr eigonon f»eben ; wo die pigf^-
nen Hoben vorhen -rbten, da mussle dies liald mit die ganze
Bewirtschaftung von Eintluss werden. Solche Bebgüler waren
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weit freier, als die reinen Ackergüter. Die Reben wurden schon
sehr früh als wertvoller Bestandteil eines Gutes iniiuer und
^evne ;j('(eil! ; jeder Bauer liielt daran, in der Gemarkung irgend
ein Stück ileben zu besitzen. Daher entwickelte sich auch ein
regerer Geschäftsverkehr in I^ebon ; sie wurden oft verkautt
und wiederverkauft. Wir finden in den Polypticlien des XII.
Jhrliilts. bereits recht kleine Rebgüter, und daun zählen ganz
kleine Rebgüler sclion eine grosse Anzahl vuü raizellen. In
den Urbarien vun» 14. Jahrhundert k«.'iiimen grosse Rebkum-
plexc, falls die Reben zu Lehen gegeben sind, schon beinahe
nie mehr vor; nur noch im Ruflacher Lehosbucbe des oberen
Mundais, kommen grössere Kebanlagen als adelige Leheugüter
vor; der kleine und mittlere Bauer hätte mit solch grossen
Komplexen nichts machen können.
So zählt das Weissenburger Gutsverzeichniss viele solcher
kleiner Parzellen unter dem Frongute der Abtei auf : zu Heries-
heim, Weinbcrjr zu 40 situlos otler 20 Ohmen ; in Frigesbach
ein -solches zu 10 s?tulos oder 5 Ohmen (darunter ist immer
«1er elsassische Uhmen von 50 Liter und nicht die Ohm vi.u
150 Liter genieint) so viel aU der Durch>clinitl>erti von
einem Schatz Reben von 4 Ar; zu Heriesheim nocli eines zu
SO Situlos oder 10 Ohmen, gleich dem Ertrage von 2 Sehatx ;
in Hagenbeim sogar ein solches kleines RebstQck zu 8 Situlos,
4 Ohmen, somit etwas weniger als ein Schatz Relien. Solche
Beispiele könnten noch bei Vielen angegeben werden. Gehen
wir jetzt noch in's Oberelsass, so treffen wir dort um dieselbe
Zeit schon dieselben Verhältnisse der GulszerstGckelung an. Die
angegebenen Beispiele ziehen wii ;tl)ermals aus dem Lehnsver-
i'.eichnisse des Bischof* von Strassburg für das obere Mnnd:il,
auv der Hälfte des 14. Jahrhunderts. Da linden wir P;iizelleu
Von 0, 0, 10, 12, (M) und 66 Schatz Reben, daneben aut:h ganz
klein»j Parzellen von 1, 2 und 3 Schatz; Stfu-ke von 4 und 5
Schatz sind ebenfalls keine SeltenheiL Die Duichschnittparzelle,
die sich aus Hunderten von Angaben aus dem Marbacher Urbar
von 1433 herausrecbnen ISsst, erreicht nicht die 5 Schatz;
dies ist auch heute noch die Durchschnittsgrösse einer Rebpar-
zelle im elsässiscben Reblande; die Zerstückelung der Reben
war also damals so stark, als sie es jetzt ist : eine Folge ein-
mal der streifenweisen Anlagen in den Gewannen und dann der
meist üblichen Erbteilung der Reben bei Todesfall.
Bei dieser weitgehenden Zerstückelung mnsslen mit der
Zeil auch die kleinen Hehgnter <lie grossen an der Zahl weit
überragen ; die tndieien Beundekomplexe gingen nach und
nach ganz in den Lehnbe?=itz der Bauern über. W.ni hauern-
rechtlichen Hoflebn konnle der Gi undheir nie grus^^eie l!irträge
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bekommen, für dieses war <ler Lehnzins für immer feslprestellt.
Nur die Beunden konnten treier verpachtet werden, somit
höhere Pachtj^elder erreichen und fol;^hch die Griindherren
starker am Ertra^^e <ies Gutes betheil ii^-^ca. li- i den Houudeläu-
dereieu kommt zuerst die gesvöhnliohe Erhpaciit, ja schon sehr
früh die Zeitpacht in Gebrauch und Geltung. Wir werden dies
Lelzlere ganz hesooders weiter unten noch eingehender zur
Darstellung bringen.
In Mutzig finden wir z. B. in einer UriLunde des Propstes
xtt St. Thomas von 1150 Erwähnung eines Rebgutes von
6 Acker, das zum Dritielerlrag zu Erblehen vergeben wird;
dies dürfte damals schon die mittlere Ausdehnung eines Heb*
gutes gevvesen sein : so unjrefahr 30 — iO Scliatz ; die«e
Grösse findet sich in der That als Inhalt vieler lieblehen
im 14. Jahrhundert, wie dies im erwähnten Lehnsbuche
des Bischofs von Strassburg oft vorkommt. Es entspricht
dieser Inlialt einem so ziemlich landübhchen Mittel für
Rebgüter in einer Zeit, wo die Rebgüter bereits sich als selbst
ständige GAter hervorthaten, wo sie die wirtschaftliche Grund*
läge der Gutswirtschaft bildeten. Der allmali^^e Verfall der
Hufenverfassung erleichterte den Ankauf von Ländereien auf
dem Mark- und Hufenlande; allmählig wurden die Aecker in
Reben umgewantlelt, und so kam es, dass es heute Gemark-
ungen giebt, die nur einen verschwindend kleinen Theil Aecker
aufzuweisen hal)en. Aber auch der Markwald, der im 11. und
12. Jahrhundert sicher noch viele unserer Hebhügel zierte^
mussle der Rehe Platz machen.
In jener Zeil n.imlich taiid in unserem Rebluude, wo fast
lauter fräiikische und allemaimische Dorfschaften bestanden,
ein letzter kolouisatorischci Aalaul statt : die Kolonisation des
Mfinslerthales, des Betchenlbales bei Gebweiler, des Thaies
von Sultzmalt, überhaupt aller unserer Vogesenthäler. Bei die-
ser Besiedelung wurden in jenen Thälern, so weit es die Na-
tur gestattete, die Hügel des breiteren unteren Teiles mit Reben
angepflanzt. Die Neubesiedelungen Igingen dann immer von
einem Mtttterdorfe aus, das früher in diesen Thälem sich un-
mittelbar um eine Abtei herum gebildet hatte ; an der Peri-
pherie der n^emeinen .Nf trck bildeten sich neue Dorf- und Reb-
anlagen. Sm enlstandon wohl in dieser Zeit — denn vorher
finden wir sie nirgends in Urkunden erwähnt — am Rand der
gemeinen Mark der zwei Dörfer Pfaflenheim und Geberschweier
im Oberelsass zwei Tochteruiederlassungen : Sultzmalt und
Osenbach, mit den Annexen Osenbühr und Wintzfelden. Sultz-
malt erscheint zum ersten Male in den Urkunden um 1044.
Mit dem Kloster St. Marx hinter Geberschweier liegend, bil-
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deten diese vier Dörfer in der Thftt eine Markgenossenschafl,
weiche 1258 noch deutlich erkennbar ist in einer Weidebe-
recbtigung des Klosters, das auf der Mark errichtet worden
war, an der Allmend der vier Dörfer. Um H60 kamen die
Dörfer Sultzmatti Pfaffenheim und Geberschweier, sehr in
Aufschwung, wie e? eine zeitgenössische Aufzeichnung ver-
merkt ; in jener Zeit wurden wohl die berühmten Terras^^f^n-
relten (Kanunern) der Gebersdi weierer Pfaffenheimer, Sultz-
raatter und Osenhacher Gemarkungen angelegt.
Solche AUmeiidauübauten linden wir auch in der Geschichte
der Abtei Murbach und der Gründung sowie der Entwickelung
der Stadt GebweÜer ; ebenso auch im Mönaterlhale. Auch fttr
die Reichsstadt Oberehnheim ist fQr jene Periode die Vornahme
der Rodung der Allmend deutlich nachweisbar. Im 14. Jahr-
hundert war ja hier die Rodung der Allmend schon nicht mehr
frei. Aehnlich war der Vorgang sicher überalt, und im 15.
Jahrhundert spätestens war die Allmend völlig okkupiert ; nur
noch ganz kleine Flächen blieben jetzt als Bürgerland übrig,
das sich bis auf un-ere Tage erhallen liat, tla wo der fran-
zo.'^isrhe Kaiserstaat nit lit mehr damit aufrännien konnte. So
hat sich der Weinbau im Elsasse nach und nach alle Hügel
bedeckend und die Gegend hert!ichernd ausgedehnt, so dass t»r
um das 14. Jaluliuuderl herum dem heutigen Rebbaue an
Ausdehnung sicher nicht nachstand.
11.
Werfen wir nun einen Blick auf den Verkehr mit Wein
wahrend des Mittelalters; auf die Technik des Weinbaues
sowie auf die Organisation der Einzelwirtschaften, so finden
virir darin ein nieiit minder mannigfaltiges Bild, das uns auch
zu seinem Teile die rechtliche und wirtschaftliche Emanzipation
des Reblandes zu deuten hilft.
Von ei^entlii heni Weinhandfl ist in altes>leii Zeiten gar
keiiit' Hede. Die Grundlierren hatten zum Behufe des Weiu-
verkaulcs iu ihrer Grundherrschafl, auf ihre Grundherrlichkeil
begründet, den Weinbann ; was sie nicht in ihrem Haupthofe
oder in ihrer Pfalz, oder in der Nähe des Klosters und in
demselben selbst verbrauchten, das wurde durch Frohndefuhr-
leute an andere Orte ihres oft weit?erbreiteteD und weit zer-
streuten Besitzes verführt. Daher auch die Erscheinung, dass
viele clsässiKche Klöster Häuser und Höfe in den elsassischen
Städten besassen. So Maursmünster, Neuweiler, Marbach und
andere mehr in Stra^shurg; die Abteien Paris, Alspnch zu
Colmar. In den Städten mit ihrem regen Handwerksleljen und
Marktverkehre gab es Gelegenheiten genug, den Wein vorteil-
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2'i —
hall los 2U werden. Die Angaria, die Pro'mfuhre war bekannt -
lieh eine Rofil!:ist für gewisse hön;.»e Hufen. An solchen Markt-
slädten oder Marktorten erhielten dann die Klöster und Kirchen,
sowie andere Gnindherren vom Köni}?e das Recht eine Schenk-
wirlschnft zu halten. Dann standen Kirchen, Klöster und Gross-
er.itKlbesilzer untereinander in verwandtschaftlichem, freund-
schaftlichem und geschärt liehen) Verkehre. Der A)>1 eines
Klosters im reben losen Norddeutschland schrieb wohl an seinen
Freund, der das Gluck hiiUe, A.bt eines Reben besitzenden
Klosters su sein ; ein Bischof beschenkte seinen Mitbrader in
minder begünstigten Gegenden» oder ein Fürst gab seiner lieben
Tochter ein slaUliches Quantum Wein mit in die neue nor-
dische Heimat. Ein grosse Teil der eiieugten Weine kam
ferner auch liadurch zur Ausfuhr, dass fiemde Grundherr-
schaften, Könige, Fürsten oder Bischöfe sowie Klöster Rebberge
im Elsass kauften, oder sich schenken lif?s>!*»n oder auch damit
belehnt wurden. So erhielt die Abtei Fulda 8S5 Beben in Ost-
heini 1). Colmar und in Kienzheim, ferner im selben Jahre
noch zu Oberehnlieim und Barr. Zahlreich waren von jeher
die fremden Rebbesitzer in unseren elsassisch»»n Wein! in ien.
üm's Jahr 900 herum gab es folgende fremde Grundlierr-
schaften mit Rebbesitz im Elsass : Die Kirche von Spder in
Jebsheim; Kloster Ettenheim-Mfinster in Epfig, Nieder-, Mittel-
und Oberhausbergen, sowie zu Rufach ; Kloster Fulda in Wolx-
^ heim-Allbronn, Avolsheim, Barr, Breuschwickersheim, Dings-
heim, Dinslieim, Fridolsheim, Handschuhheim, Hörtigheim,
Kienzheim, NietTern (zerstörtes Dorf), Oberehnhetm, Oslheim,
Rosheim und Wal f.
Kloster Gengenbach (Baden) zu Kinzheim und Scherr-
weiler; Kloster Hornbach (Pfalz) in Elbersweiler (zerstörtes
Dorf) und Wassel n hei ni ; Kloster Scbuttern (Biden) in Herr-
lisheini h. (lolinar; Klusler Seh warzach (Bulen) in Dangolsheim,
Küttolsheim, Lampertheim, Schwiudralzbeim, Tränheim, Ven-
denheim, Wangen, Zeiaheim und Zinsweiler.
Die Kirche von Chur (Schweiz) in Schlettsladl ; Kloster
Granfelden (Schweiz) in Sigolsheim; Kloster St. Gallen (Schweiz)
in Habsheim; Kloster Zürich in Altheim (zerstört), Ammersch-
weier, Kienzheim, Kinzlieim und Schlettstadt.
Die Kirche von Rheims (Frankreich) in Bischofsheim b.
Oberehnheim.
Kloster Etival, (Frankreich) zu Andlau, Sigolsheim; Klo^^ter
Luxeuil (Frankreich) zu Al^chweiler (zerstört), Arzenheim,
Bennweier, Ingersheim, Rotlern. Rosheim, Obersulz und Zel-
lenberg; Kloster Moyenniuiitier in Bergheim b. Rappol Isweiler,
Hindisheim und Niederehnheim. Das Kloster von iSt. Denis
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— '23
b. Paris zu ßennweier, Fiiedoblieim, HinUisbeim, Mauchen-
heim (zerstört), Orscbweiler, Happoltsweiler und St. Ptlt.
Kloster St. Diö in Hunaweier, Ingersheim, Mittelweier und
Sigolsbeim. Beretheida, Gemahlin des Grafen Ulrich von Argen-
und Linzgau, hatte Reben zu Sierenz ; Bertha, Tochter König
Ludwig' des Deutschen, Aehtissin des Klosters Zürich in Am-
me rschweier und Schiet t Stadt.
Erchenjjar, Graf vom Norlgau, in ßüenschweiler und Kiti/-
heim; Fulrad, Al»t zu Sl. Denis, in Or.>>chweiler, nnfi ontlln ii
Liutward von Veicelli, Erzkaplan Kaiser Karls des iurkei», in
Kinzheirn, Schieltstadt und VViuzfüheim. Soviel aus der frän-
kischen Zeit. Für die späteren Zeiten liessen sich v\'ohl die
fremden Besitier von Reben im Etsassa naeb Hunderten auf-
zählen.
Durch Leben kam ebenfalls viel Wein an fremdländische
Adelige : so ehielt Heriog Heinrieb von Lothringen vom
Kaiser 60 Wagen Wein verliehen, sur Hälfte in Boppard am
Rhein und zur Hälfte im Elsass; Kaiser Philipp verlieh eben-
talls an Heinrich I, Herzog von Brabant (1204), 30 Fuder Weio
aus Reben zu RUhronn.
Mit dem AutkojiniiHii der Städte bildete sich erst der kauf-
männische Weinhandel aus. Schon zur Zeit des zweiten Stiass-
burger Stadtrechts (1214) war in Sirassburti ein bedeutender
Weinmarkt ; von liiei aus wurden die Weine auf Schitleu
den Rb^n binunt«' nach Kj^n verfrachtet, allwo der elsässische
Wein hoch in Ehren stand, um von dort in die Niederlande,
ja bis nach England verführt zu werden.
In jenen allen Zeiten hörte man nie von Weinqualitaten,
verschiedenen Weinsorten oder Gewachsen erzählen» der Wein-
bau war damals noch allzu extensiv betrieben; und gab in
jener Zeit keine (grosse Mannigfoltigkeit in den Traubenvarie-
täten. Mit Ausnahrno der zwei Traubeng^attunj^en fränkisch und
Heuniseh linden wir in den rrkunden jener Zeit keine Trau-
hen.-Liiteu aiigfi^relieu, und wir {glauben nicht irre zu *^eh(Mi
vveaii wir behaupten, dass diese zwei Namen die Sammelriauien
waren von verschiedenen Traubenji^attuni^^en, mit dem Begriffe
gut auf einer, schlecht auf anderer Seile, wie man heute noch
das EdelgewSchs vom gemeinen Gewächs unterscheidet, ohne
dabei auf die botanische Verschiedenheit der Trauben Acht zu
geben.
So erscheint denn in der Karolinger Zeit und noch bis
spät itt's Mittelalter hinein der Unterschied von Vinum huni-
cum und Vinum Francicum : Kdel- und gemeiner Wein. Die
Hunnen mussten damals die Bezeichnunfi für alK - S 'hlochle
hergeben; alles Gute dagegen war fränkisch. Nun haben wir
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in unserm ebässischen Reblunde heute noch eine ganz gemeine
Traube, welche die Heuniscbe, Grünbeunische gtioanat vrii-d,
80 dass man daraus achliessen könnte, dass in jenen ersten Zei-
ten unseres noch jungen Weinbaues, als die Gaumen unserer Vor-
eltern noch nicht an Besseres gewohnt waren, wohl diese Traube
den Hauptsatz der elsissischen Weinberge gebildet hat. Vom
Rheineiben, einer anderen elsässischen Traubensorte geht die
Sage, dafs es die fdteste, sogar einheimische Trau})e sei ; die
Römer hallen sie längs tl^Mi I'fern de?? Rheins vnr^refmulen
und sie « Rheni all)a uvn » ri iiiul, weisse Traube des Rlieinr.s.
Ihr Name deutet entscliieden darauf hin. Urkundlich liaben
wir diese Traubenvarieläl nirgends erwähnt vorgefunden. Es
bildet in unseren Zeiten in vielen Gegenden des Elsasses das
gemeine Gewächs, der Burger, wie der Rheinelben auch genannt
wird, den Hauptsats. Dessen Wein ist ziemlich gut und er lie-
fert besonders reiche Erlrige. Heunisch und Burger sind jeden-
falls die ältesten Traubenvarietäten unseres Landes.
Ein allgemeiner Qualitätsunterschied lag ferner in jenen
Zeiten hauptsächlich in der Herkunft des Weines ; se unter-
schieden die Strassburger Weinmarktordnungen unter den el-
sässiischen Weinen nur die Ober- und Unterländer und die
von der Zorn : von fremden Weinen erwähnen sie die Brei<-
gauer und Oberländer Weine jenseits des Rheineai. Alle diese
Weine halten ihre eigenen Standplätze auf dem Markte, damit
man durch den blossen Ueberblick desselben Auskunft erhalte
über die Qualitäten« wie sie wenigstens durch das Ursprungs-
land bedingt und charakterisiert werden.
Dann unterschied man noch Weiss- und Kothweine; das
rothe Gewäcbs wird wohl von jeher das aus Frankreich, Bur>
gund zu uns herüber^jekummene gewesen sein, das heute n(»ch
als Burgunder l)ezei( hnet wird. Dessen Traube betest der Pinot
noir. Die elsässischen Weinzinsverlräge lantcn meist auf Weiss-
wein. In ein»'!- Lehiisnrknnde von 'l''27U idier Rehen in der
(reniarkun;: < »heisulz spriidit man von einem Jahreszin^ einer
Gar rata « Albi vini melioris » Weisswein besseren Gewächses.
Dieselben Ausdrücke kommen vor in einer Reihe von Urkun-
den aus jenen Jahren und aus jener Gegend. Zu UQholz erscheint
um l!254 ein Weinsins von 15 Karren von der Hefe abgelas-
senen Rothweins: cl5 carradas vini rubei defecati ». Um 1430
erbalt das Kloster Marbach im Ober-Elsass nicht unbedeutende
^^ ! - en Rothweinzinses aus den Reben des Dorfes Geberschweier.
Im allgemeinen aber stand von jeher der Weisswein hierzulande
in grösstem Ansehe-;, nie dies auch heule noch der F'all ist.
Wie wenig dn- nuaHtätsiuiterNi Inede in jener Zeit zur
Geltung gelangten, beweist ferner der Umstand, dass es in
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den Weinwirtschßften immer verboten war, zu zwei Preisen
Wme aussuscheDken. Zu einem andern Preise durfte man
nur geben, wenn das anpre^stochone Fass leer war ; und der
Weinschla^' wurde im AVeinlando immer ohne Anschauung der
Qualität ITir alle Weine einer Gemarkung- fest'^^e«=te!!t. Damit
war al)ei niclit gesagt, daf*s die Weine zum \V»Miis< hla;^'spreise
verkautt werden mussten ; hier natürlich konnte nur Angebot
und Nachfrage den Preis bestimmen. Der Weinschlag war wei-
ter nichts als ein oflfisieller Mittelpreis, der bei etwaigen Um-
rechnungen von Weingfilten in GeJd als massgebender Satz an^
genommen werden mtisste.
Auch heute wird in unsem Rebddrfern beim Weinverltauf
auf die Qualität bei der Preisfestsetzung nicht viel geachtet ;
glei» h nach dem Herbst bildet sich ein Weinpreis, der mass-
gebend ist für die Verkäufer aller Weine des Dorfes, ja einer
ganzen Gegend, ein Preis, den Jedermann zu erhalten trachtet,
ohne Rücksicht auf die Sorte und OiialitAt. Eist in nene-lor
Zeit entstand mit der Kinführung edlerer Traubensorten, als Glev-
ner, Riessling, Ruländer, etc., in einigen vorgesciiritteneren Ort-
schaften des Reblandes die Tendenz, für diese besseren Weine
auch höhere Preise zu bekommen als für den gemischt gelese-
nen Wein. Der gemischte Satz und das gemischte Einlagern
der Moste ist aller heute noch überall der Hauptgebrauch» ein
Gebrauch» der von uralten Zeiten her auf uns überkommen ist.
Für die Zinsweine schrei}>ed die Weinlehensurkunden meist
die Abgabe von besseren Weinen vor. Der Grundherr hatte das
Recht, seine Traul>en zuerst herbsten zu lassen, sowie dieselben
von dem Orlu des Rebsliickes zu nehmen, an dem er «ie als die
besten befand ; dies deutet entschieden auf j^emisLhieu Sritz
hin. War aber ein Satz edler Trauben im Stück (de nobilio-
ribus vineis), iu musstc vuu iliesen der Zins dargereicht werden.
In einigen Gegenden des Ober- Elsasses, besonders im ol)e- .
ren Mundalgebiete (Ruffach, Sultzmatt, Orschweier, Gebersch-
weier, u. s. w.) findet man heute noch eine Traube, die einen
weitberQhmten Wein liefert : die c Ol wertraube ». Das Bouquet
ihres Weins ist sehr fein, jedoch dessen Qualität würde heute
nicht mehr den Ruf vergangener Zeiten behaupten, daimu
wird auch ihr Anbau ganz verlassen ; die Olwertrau))e reift in
spüten Jahrgangen nicht mehr gut aus. Früher fand man bei-
nahe in jedem Reb'^^!n -k einige Zeilen dieses Gewächses, und
alte Leute haben uns (iie Mitleilun^r gemacht, es seien dies die
Trauben gewesen von tlenen meist der Zehnt und die Wein-
zinsen gegeben v\orden seien. W^arum wurde dann aber der
Olwerwein so berühmt? Wir glauben das Richtige zu trefien,
wenn wir annehmen, dass der Most im Kloster- oder Pfarrkeller
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mit Honig verbessert wurde; von jeher waren in den geistlichen
Stiltungen grosse Bienenzüchter und gute Kellermeister. Das
Beispiel des Ohvers als guter Bouquettraube, aber von minde-
rer Weiuqualität sticht nicht vereinzelt da. Bekanntlich ist die
Riesslingtraube nichts weniger als eine gute Traube; es niuss
schon selir gutes Wetiei geben, bis diese Sorte allein geherbstet
werden kann oder unverzuekert einen feurigen Wein liefert.
Wenn wir nun die Wetnbergsarbeiten unserer Zeit mit
denen der früheren Zeilen vergleichen, so werden wir leicht
sehen, dass vom 13. Jahrhundert an bis auf die erste Hälfte
unseres Jahrhunderts kein so grosser Unterschied darin be-
steht, wie man ihn der Läng«* der Zeil nach wol vermuthen
möchte. Wollte man streng urteilen, so könnte man sogar, ohne
Unrecht zu begehen, wohl die Behauptung aufstellen, dass bei
dem Mangel an prenauer Kontrolle, wie sie das mittelalterliche
Hot- und Stadtpolizeirecht kannte, ilie Arl>eiten heutigen Tages
an ixjrgläliigkeil geiren jene Zeiten an manchen Orlen und aui
manchen Gütern eingebüsst haben.
Was die Auswahl des Standortes der Rebanlagen betrifft,
so darf man wohl uerolich sicher annehmen, dass zu allererst
durch die kleineren Landwirte immer diejenige Stellen dafür
ausgewählt wurden, welche am wenigsten Mühe verui*sachten,
somit nicht diejenigen Standorte, die zu unserer Zeit die iwslen
und berühmtesten Weine hervorbringen. Darauf weist schon
das öftere Vurkommen von liebgewannen mit dem Namen Reh-
garten hin ; das Gartenland fand sich eben immer in nächster
Nähe des Dorfes und der Wohnungen. Wo nicht schon die
liuiiier Hügelrelien angele^ft halten, wurden diese erst am Knde
des Allmendausl)aues angepllanzt.
Wenn man Weinberge anlegt, so beginnt man mit dem
Ziehen von Gräben, von welchen je einer dne oder auch zwei
Reihen Stöcke erhält ; der zu beiden Seiten aufgeworfene Grund
heisst der «Balken»: ein kleiner Damm. Wo diese Balken
sehr breit gemacht werden, da treibt man Zwischenkultur dar-
auf. Im Niederei -av^e, zu Oberehnheim z, B. hat sich bis
heul/ula^e eine Anlageweise erhalten, die wohl aus uralten
Zeiten herstammen dürfte, aus der liodungszeil, wo des mangeln-
den Betriebskapitals wegen, man ^■^ezwiinpren 'war langsamer zu
Werke zn -eh.Mi, wed dann, zumal in den schwierig zu roden-
den, mit (lesti Mjiji lieilcv kten Waldhügeln der Allmend, dadurch
die erstea Arda^ekoslen vermindeit wurden. Hier pflanzt man
also zwei Rebenreiheu so weit au.seinander, dass man später
von ihnen aus eine Reihe in der Mitte, durch Verlegen cVer-
gruben» von Stöcken bilden kann. Dieses zweifellos sehr alle
Verfahren wird aber jetzt immer mehr verlassen. Es kann
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durch keine technischen Torzüge sich stützen und rechtfertigen ;
nur die in früheren Anlageperioden herrschende extensive
Kulturart der Rehen kann es uns erklären und für jene Zeiten
als be>?ründel erscheinen Ktssen.
Die Rebensetzlinge sind entweder Blindhölzer «Klaben» oder
Wurzelreben «Würzlinge^. H mdi Vergruben sind es Absenker
eines älteren Slockes. Im Durchschnitl sind heute die Slörke
nich beiden Seiten hin 1 m dis 1.20 ui eutfernt, auch lindel
uuiii Reh^nlagen, wo in der Reihe die Stöcke nur 80 cm weit
auseinaniler stieben, In ganz alten lieben ist oft, durch das
athnfthlige Verziehen der Stöcke beim jährlichen Aufstellen und
Richten der Weinpföhle, dem s. g. cSticken», im Laufe der
Jahre die Reihe ganz verschwunden, und das Stück erscheint
dann nicht mehr slockrecht, wie der Winzer sagt. Die jungen
Stöcke sind sorgfältig zu pflegen, besonders vor Verunkrautung
zu schützen; im dritten Jahre tragen sie dann die ersten
Trauben ; einen vollkommenen Herbst erhält man jedoch erst
mit dem fünften Lauhe. Die Hauptarbeiten im Weinberge sind
der Reibe naeli :
1. Das i>chneidea. Beschneiden der Stöcke; 2. das Sticken,
Aufstellen der Rebpfahle; 3. das Anl)inden der Stocke an die
Ptuide, «Sleckeni) ; 4. das Diej^en der beim Schneiden stehen
gebliebenen Ruthen, cGerlen» ; 5. das erste Hacken ; 6. das
Heften der grünen lang gewordenen Schosse ; 7. das Verkürzen
der Trauben tragenden Aeste und Aushi-echen der Austriebe
am alten Holze, «Verbrachen»; 8. das zweite Behacken oder
«Rühren», oft auch ein drittes; 9. Einkürzen dei- Jahrestriebe
im August zur r>etördening der Holzreife ; iU. Auslauben
«Riumen» zur Beförderung der Tranbenreife ; di. Herbsten;
12. alle fünf Jahre wird gedüngt. Diese Angaben halten wir
zum besseren Wi sliiiidni«;;« des Xachful^emlen für geraten.
Im MitleUilier tiiulen wir in einei- Üolniarer Verordnung
von 1438 folgende Rebarbeiten aufgezahlt:
1. Schneiden; 2. Sticken; 3. Vergruben und Äufwerfen
der Gruben im Voraus ; 4. Binden ; 5. Biegen ; 6. Hacken ;
7. Heften ; 8. Röhren ; 9. Verbrechen ; 10. Räumen ; 11. Dfin-
gen ; 12. Herbsten ; 13. Pflhle ausziehen nach Herbst (geschieht
heute noch in 0>lmarer Gemarkung auf der Au, aber nur in
diesem Gewanne), denn es werden 14. die Stöcke über Winter
in die Erde gelegt, um sie vor Winlerfrost zu schützen.
Um 1471 erwähnt eine Mülhauser Weinbauverordnung
folgenden Arljeitenrykhi'^ :
i. Schnellten; '2, Sticken: 3. Anbinden; 4. F>\e\ieu ; 5.
Hacken ; 6. Grui)enanflhun zum Versenken von Ersatzstocken ;
7. Düngen ; 8. Heften und Verbrechen ; 9. erstes Rühren ; 10.
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zweites Rühren; 11. Rfturoen celQdmachen» so viel als die
Staude ausrichten ; 12. Herl)sten.
Aus diesen zwei Arbeitskalalogren ersehen wir, dass unsere
heutijjen Reharbeilen einer sehr alten Praxis entspnngen.
Erst wenn wir hi« in's 13. Jahrhundert zurück;rehon, finden
wir ein viel weni^^cr sorj^-^laltiges uiui iiiton?=ives Kuhurvcrlahren
in den Ouciifu angeyeljen. Im Polyplicho>n des Ables Edeiinus
von Weissenburg^ (1202 — 93) finden wir nur folgende Rebar-
beiten verzeichnet:
1. Putare, Schneiden: 5i Sticlien ; 3. Vincire, Binden; 4.
Fodere, Hacken ; 5. denuo federe, zweites Hacken i 6. fimare,
stercorare, Düngen und 7. Herhsten.
Eine Vorschrift, die wir einer Urkunde der schweizerischen
Abtei Muri aus dem XI. Jhdrt. entnehmen (die Abtei hatte
zu jenor Zeit Güter im Elsasse), lässt uns granz genau in die
damabgen Gebräuche hineinbUcken. Die Urkunde sagt : Jeder
Rehmann soll in seinem Mnnnwork (quod imi viro commiltiiur
ad colendum) alle Jahre siclien ^Va;;«'n seines eigenen Mistes
einführen (dasselbe auf den Rebgütern von Maursmünster) ;
dann soll er die Reben schneiden nnd anbinden ; somit war
<las Dungeinführen übei Winter gemacht. Ferner soll er zwei
Mai mit dem Karste bauen (Hacken) und die Reben, nachdem
die Gruben dazu gemacht worden sind, wenn not ig verpflanzen
und ersetzen, ja vermehren; sie mit einem Hage oder auf
sonstige Art beschützen, auch soll er Sorge tragen das zum
Bepfählen nötige Holz aus eigenen Mitteln sich zu beschaffen ;
wenn dann die Trauben gross sind, soll er die Stöcke ausputzen,
{das obenerwähnte Räumen) und dem gemeinen Bannwarlen
seinen Lohn geben. Wenn zu Osterzeit die Reben norh nicht
^-■e^i liiiitleii und geharkt waren, so wurde der Winzer gericht-
li(di und holVechllich Ijolangt, das^olbe geschah auch, wenn um
Joliunni herum die Rehen i\o<\\ nichi /.um zw<Mten Male gehackt
und aufgeheftet worden waren. Nach Vandalberl (X. Jhdrt.) fand
damals der Schnitt im Februar statt und zwei Monate später,
im April steckte man die Pf&hle und die zweizinkigen Gabeln^
um die Gerten mit Bast daran zu binden. Gewöhnlich fiel der
Herbst in den Oktober, es ist unberechtigt, wenn einige be-
haupten, früher sei die Lese vor diesem Termine vorgenommen
worden. Septetul erhet hsie sind von jeher eine Seltenheit und
ein Zeichen guter Jahrgänge gewesen.
Die Trauben wurden mit den Füssen auf der Kelter ge-
treten, was Karl der Grosse in meinem Cnpitulai»- de Villis
verbnten hat. weil er dabei die Reinhchkeit veiiais:>te. Dieser
riobrauch bestand im elsä«=i«ch*>n Reblande bis auf un>ere
Taj^e vielfach fort ; erst in uer zweiten Haltte unseres Jhrdt's
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ward er auO^^e^rebeD, doch wir m&chten keine Wette darauf
eingehen, dass er überhaupt niijj^ends mehr geübt werde. Aus
rein technischen Gründen kann das Treten nicht gerade ver-
worfen werden : die Trauben werden dabei besser gemischt ; und
e? [riebt Oenologen, die behaupten, es fördere sogar die Cfib-
rung und die Ho^quHcntwickeIunu^ Tn neuerer Zeit hat mal»
aber Maschinen geliaut, die das Misciieii ebenso gut und jeden-
faii.s achneller, auch liilhger besorgen.
In den ältesten Urkunden finden sich sogar nur folgende
. Rebarbeilen angegeben : 1. Putare, Schneiden, 2. fodere, Hacken
und 3. Kaden, was selbstverständlich eine vierte voraussetzt : •
4. das Bepfählen. Wohl hat man in jenen ähesten Zeiten den
Stock noch nicht so aufgeputzt wie sp&ter; da waren wohl
öberali die Stöcke nur ganz klein, Kopfschnitt, und die Gerten
wie es Vandnlhert andeutet, wurden nur mit hölzernen Gabeln
hoch> und festgehalten. Vielleicht war sogar das Düngen nicht
regelmässig ; findet man ja houtijren Ta^-es noch immer Gewanne,
deren Reben man< hinal in *2l0 Jahren kein einziges Mai Dünger
bekommen. Dessihalb wird doch geheihstet.
Vom 13. Jahrhunderl ab also sehen wir in der Zunahme
dei jälirlichen i lebarbeiten einen Fortschritt in der Technik
des Kebbaues, der sich dann im 14. Jhrdrt. in Colmar schon
ganz auf derselben Höhe befindet, wie in unseren Zeiten selbst.
Alle Weinbauordnungen schrieben vor, bis zu welchem
Termin die Arbeiten fertig sein mussten, so die Bergheimer
(Kr. ßappoltsweiler) : Schneiden, Sticken, Biegen und Hacken
sollen auf Georgitag (23. April) fertig sein; Erbrechen, Heften
und Rühren sollen auf Johanni gemacht sein; das Schiben
und Rümen auf Barlholomäustag (24. August). Die Arbeiter
wurden durch Schauer he^^ichtigt, im Auftrage des Bau^redings,
das auch ril)er sclilechle Arbeiten urteilen musste. In einer
Reihe von \'(Mkaul.-5- und Lehen.->urkunden wird immer von
einem grundh»'rrlichen Boten des Klosters St. Leonhard zu
Basel gesprochen (XIII. Jhdrf., Lei Tiouillat), welcher die
Reben zu beetchtigen kam und der Weinlese auf Kosten der
I^henshalter anwohnen musste, um den ausbedungenen Wein-
zins entgegenzunehmen.
Unterrichtend sind die Bedingungen eines Weinlehns von
1402, welches Kloster Marbach (Kr. Colmar) einem gewissen
Henselin Bartscher zu Ammerscliweier über Reben im dortigen
und Sigolsheimer Banne von 1 Acker und 1 Viert zel = 25 Ar
Flärhengohnlt erteilte : der Lehensinhaber muss die Reben
misten, dün^-^»'!), und sie so halten und bauen, «mit allen
Würchten (Aiijeiien) nach beder l)ennen re<"bt und gewohnheit
ane geverde und soUent er und sin erben jerlich daruf tun zwei
r
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fuder mistes und sollen denselben mist ungeverlich uf die guter
teilen und dehein voitheils dar inne suchen«.
Das Kloster hat »las Recht diese jährlich tu heFchniicn, und
falls cMisswOrchte» konstatiert würden, soll der Inhaber nach
Crtoil tler e)»r})aren Leute, weiclie die Reben schauten, dem
Kloster Clenü^^e tliiin.
Aii> <\ov mannigfaltigen ui kundlii lien I 'eberliefei'unfr, he-
suntler> aus Hen Güterverzeichni^sea unserer elsässisrhen Ab-
teien, geht hervor, dass die Inhaber einiger iJieuislhutcu. aut
welchen zugleich grund herrliche Reben verbunden waren, all-
jährlich von ihrem selbstgewonnenen Dünger in die Frohnreben
bringen musslen ; in den Reblehensurkunden stand auch immer
eine diessbezögliche Clausel, welche vorschrieb, wie gedüngt
werden musste. Es wurde, da aiyährlich dieselbe Menge DQngers
eingetragen werden musste, eine gewisse Rotation bei der
Düngung eingehalten. Im obigen Murbacher Beispiele sehen
wir, dass nuf ein Rebgut von 25 Ar jährlich 2 Fmler bünger
eingeführt werden mussten ; zwei Fiidei- Dfinfjer reichen aber
zur Dilnp^ung von 5 Ar, somit tinden wir hier den allseits im
Reblaniie heute noch üblichen fünfjahri'^en Düngungsturnus.
Bei dem schon erwähnten Beispiel von Muri werden auf
ein Mannwerk Reben alljährlich sieben Ca rradas Dünger (Karren,
wie diese Fahrzeuge heute noch im Reblande in Gebrauch
stehen) einzufSbren vorgeschrieben. Ein Mannwerk ist aber 20
Ar ; 7 Karren reicht gerade für 4 Ar aus, somit auch hier
ein ffinfjahriger Turnus.
Im 15. Jahrhdrt. war zu Colmar die Düngung der Reben
ebentalls alle fünf Jahre vorgeschrieben. Wie das Düngen wai
aueh das Erneuern der Reben unterm nllen Rennde-\\'trts( hatts-
.'^ystein mit seinen Frohnden eine jiUirlicti wiederkehrende Arbeit,
\\(d( iie duich die Gehöfer geleistet werden musste ; das Erneuern
<iei Helsen gt'S( liieht entweder durch Neuanptlanzen von \\'ur7.el-
reben oder auch und /umeist durch Vergruben. So finden wir
im Weissenburger Gutsverzeichnisse zu Altenstädt bei Weisseu-
burg Diensthufen cHobae ad opus domini abbatis pertinenles»
welche cad transplantandas vites» zum Vergraben, Verpflanzen
der Reben, copus sufQciens» alle erforderliche Arbeit frohnde-
weise leisten mussten.
Zum Weinbau bedurfte man aber der Weiden, Piilble,
Fässer und Reifen. Die Weiden wurden durch Anlagen in be-
sonderen Gewannen, prewöhnlich auf nnhon gut liewäs-erten
Wiesen, wd sie sieh heiitc noch hefinden. anf:el'aüt und bildeten
iiiesellien sowie ilic .mdt-ien obgenannten ( ieut-nslände oft auci{
eine Fruhndal^jialje der Hutner an den Griindlierrn. Das Pt'ald-
holz wurde durch d:e Gehuler m trülieien Zeiten, wo die
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Beundewirlijcliaft noch hlühle, aus ihrem Hufeaanteile am
Markwalile entnommen, sowie auch das Fasslio!/, das Brennholz
und die Heiff^ zum Binden der Weinbottiche uu<] snn«;}i^en
Herlisf^el'.i.-.-e ; inrinrhmal und in den mei>l0M Fallen, wohl wo
nichts Nfiherrs danii»'!- an?e{?ebon wird, sind al<er (ht- in den
Polypiichen erwälinteu Holzluhren nut solche von Holz aus
dem Kammerwalde, dann wai'en die Hufner nur zum Hauen,
Zubereiten und Heimfahren des Holzes verpflichtet. Wo dann
das Holz an den Kellerer abgegeben werden musste, da können
wir wohl darin Fass- oder sonstiges Daubenholz erkennen ; nur
an zwei Stellen des Edehnischen Veizeichnisses von Weissen-
hurjr begegnet uns eine Abgabe für Kassreife, al^ nicht die
IStMl«' selbst wurden mehr geliefert, sondern eine kleine Geld-
ahj;;d)e (»rsfnttet : an Marift Geburt (8. Septemh«'i ) 2 Pfennige
und einen Heller, ferner für Pech und Reife ö Pleniii>;e. Im
Xni. Jhdrl., in der Zeit der Ahfassuu.;; des ei \\;dinten Inventars
von Weissenburg, wni- i-heii die Reundewirtschaft mit ilnen Frohn-
arheiteii schon stark duichbrocheii. Die Frohnarheilen wurden
von Jahr zu Jahr schlechter ; die späteren Besitzer von Dien^$t-
hufen, welche vielleicht auch mit anderen namhaften privaten
Lasten bel^t worden waren, sahen sich durch die Frohnar-
heiten beim Grundherren allzusehr bedrückt, und dies konnte
auf die Gewissenhaftigkeit der Leistungen nicht anders als
deprimirend einwirken. Daher finden wir im XU. Jhdrt. schon
in der Mark Maursmünsler die Frohnden der Triduani, d. h,
der Diensthufner, welche drei Ta*^e in der Worhe frohnen
mussten, dureh « ine Geldah-,die von einigen l)er)nien ersetzt.
Auch wichtigere Weiniierg.sarheilpn in den Fiohnbergen,
wie das Schneiden, das Hacken und Bimlen wurden zu Alten-
städt bei Weissenburg mit Geld geleistet ; 5 Denare für das
Schneiden ; 10 för das erste Hacken ; 4 Denare fiir das zweite
und 3 für das Binden. Solche Beispiele könnten aus vielen
anderen Teilen des Elsasses noch mehr mitgeteilt werden ; zur
Bereitung der Kelter und Instandlialtung des Kelterbauses ; zum
Instandselzen der Herbstgelasse und zur Weinlese mussten die
Altenstädler Hufner aber damals noch (XIII. Jhdrt.) die nötige
Arbeit leisten. Solche Frohnarbeiten finden wir eltenfalls in
den Urkunden Maursmimsters sowie in den verschiedensten
Weistüniern aus dem elssäsischeu Weiid indt'.
Mit dem Masse aber, als diese Arbeilen im l^infe der
.lahre in Geld umgewandelt wurden, wuchs natürlich aucii
die persönliche Freiheit der Rebenarbeiter; nach einigen Ge-
nerationen kannte Niemand mehr die Begründung jener Pfen-
nige ; dann wurden sie am Ende gar abgelöst oder nachgelassen ;
denn deren Einzug kommt meist teurer zu stehen als ihr Eiirag.
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— 3'i —
So Warden die Rebarbeiter oder die Hufenbesitzer, welche
solche Frohnden verrichten musüten, mit einem Male ganz
freie Leute. An Stelle der alten Beundewirtschafl mit ihren
Frohnden trat nun die gewöhnliche, einträglichere Zeil- oder
Erbpacht zu einem gewissen Teile des Erlra«;res.
Mit dei" Zeit verschwindet sogar noch das einzi*;»' HofVechts-
band, die Jjingptlielit und lia.-? feudale iJanornlehn, deieii Ver-
pdichtungen zum Ersclicinen beini Huoixiing- immer lästiger
vvuid<in. Dieser Befreiungsprocess wird uns auch deutlicher
entgegentreten, wo wir von der hofrechtlichen Weinbaugenos-
senschafl und ihrer Auseinandersprengung handeln werden.
Wir können ihn hier nur flüchtig andeuten.
In den StSdten finden wir dann einen eigenen Reharbeiter^
stand, der sogar als cBebleutzünfte]» oder cc Winzerzünfte»
zünftige Verfassung hatte, wie die anderen Handwerlcer.
Zu Ck>lniar (1605) musste jeder Bürger, der Rebmann werden
und Rehen zur Bearbeitung in Verding nehmen wollte, zuvor
folgende Probe bestehen : 1. Muss er jeden Stock nach Art
und Gattiini,' erkennen, besonders sollte er darthun, dass er
folgende Tiaulien Varietäten erkennt : Kdell raube (lieute Ruth-
edel, Traiainer, lleiligensteiner Klüvner), den Burger (gemein
Gewächs, weiss Gemeines, Rheinelben), die Heuniscbe (Grün-
heunisch), den Olber (weisse Bouquettraube) und das rothe
Gewächs. Femer muss er beweisen, dass er vergruben und an-
pflanzen kann. Die «Kr&flzen», Gruben darf er in Abwesenheit
der Schauer ausführen, aber setzen muss er unter ihren Augen ;
endlich muss der Zunftkandidat ungeAfar einen halben Schatz
schneiden, sticken und anbinden. Hat er all dies bestanden,
so wird ihm verstattet Reben im Verdinge anzunehmen, wo
nicht, so muss er ^\eh noch weiter ausbilden. In allem anderen
gleichen die Ziinflvoi st hiitien der Winzer denjenigen aller an-
deren städtischen Zünfte.
Der Herbst gab in jenen Zeiten so ziemlich dasselbe lebhafte
Bild wie noch heute ; die Arbeiten waren dieselben, und das dabei
eingehaltene Verfahren hat sich bis in unsere Tage erhalten ;
erst in neuerer Zeit kommen verbesserte Kelter« und Zerklei-
nerungs-Maschinen zur Anwendung. Noch heute stehen im
Reblande viele Keltern, welche über dreihundert Jahre alt sind ;
diejenige meines Vaterhauses stammte von 1580, welche Jahres-
zahl in zierlichen Charakteren oben am Kelterbaume eingehauen
war. Das Treten der Trauben auf dem Kelterboden ist nir^rends
mehr id)li< h, oder doch nur noeh selten wohl anzutreten. Die
grossen Rehi)esitzer halten ihre ei^f<'nen Keltern, daneben gab
es aber ati' h Bannkeltei-n der Grundherren oder der Gemeinden;
der Kelterzwang bestand aber bereits im XVI. Jhdrt. in unseren
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— 33 —
fiehorten nirgends mehr ; die Gemeinde- oder ßannkelter diente
eben nur den kleineren Rebbesitzern, welche keine eijjene
«'IVottcD besassen, und diese Verhältnisse triflft man noch in
manchen Ortschaften des elsässischen Weinlandes.
Einige Wochen vor der Traubennife wurden die Weinberge
durch die grundherrlichen oder Gemeindebeanilen geschaut und
dann ward der Bann als geschlossen erklärt ; für die Zeit bis
zum Herbsie wurden HOlfebannwarte bestellt^ und Niemand
durfte ohne obrigkeitliche Erlaubnis die Wege des Rebgeltodes
betreten. Dies geschieht auch heute noch in vielen Gemeinden
des Reblandes.
Was nun die Weinbehandlung im Keller hetrüny so unter-
schied sie sich nicht wesentlich von der heutigen, allgemein
üblichen Kellerwirtschaft; nirgends mehr als auf diesem Gebiete
sind unsei-e elsfis^iisclir'n Weinhaiiocu im altgewohnten, enipi-
rist'h aus^ei)ildeteu Schlenilrian yt;i)liei)ea. Ja wir behaupten,
da>s heutigen Taf^'es henn kleinen Hauer allgemein und auch
vielt"ai:h beim j^rosisereu liebbe.^itzer, die Weine schlecliler ge-
ptlegt werden, als in den Kellereien der Grossbesitzer früherer
Zeit oder der Klöster und anderer kirchlichen Stiftungen. Die
GQte der Klosterweine war allbekannt, die Mönche waren von
jeher «Passes maitres» in dieser Beziehung. Der Honig wurde
vielfach zur Verbesserung der Weine verwendet, und die Bienen-
stöcke sowie zahh^iche Gewürzpflanzen fehlten gewiss in keinem
Klostergarten.
III.
Zum ijciilusa bleibt uns nur noch übrig, das Lehnverhält-
nis der Weinbauern etwas näher zu betrachten, um so dadurch
zur Erkenntnis zu gelangen, dass gerade in diesem Lehnver^
hältnisse, welches die alte .Unfreiheit der Weinbauern schon
sehr früh beseitigte, der Keim zu ihrer recht frühen Emanci-
pation, zur Befreiung vom Hofrechte, gelegen bat. Da die
Weinbauern anfänglich als fachlich ausgebildete Arbeiter deta.
Grundherrn angehörten und nur der grundhen lii lien Reben
wegen gehalten wurden, anfänglich auch nicht jeder Bauer,
jeder Höri^^e Rebmann war und «ein konnte, so wurflen sie
durch da< HotVecht wie beamtete Handwerker behandelt ; sie er-
hielten dei' Zeit i^'oniä-.s als Entirelt ihrer Arbeitsleistungen auf
dem grundherrlichen Salgule, ein kleines oder auch grosseres
Gut, als ministerialiscbes; so zu sagen als Aratslehen. Noch in
der karolingischen Zeit, zur Zeit der schriftlichen Alifossung der
Lex salica, derjenigen Handschriften zumal, in denen von den
Reben und den Winzern die Rede ist, waren die Bebleute
mit den Handwerkern auf eine Stufe gestellt. Schon durch ihr
3
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— 34 —
liDhen-s Welir^reld <,'eueiinlier dem «^'eineiiien Bauern, slamien
die Kel)leuto weil über diesem. Unter der Guast reicheren Er-
trages eiue.-j yelernten Handwerkes einerseits, sowie anderseits
der an sich höheren Einkünfte aus dem Weingut, welches bald
als selbständiges Weingut vom Hufenverbande sich los und
frei machte, musste der Winzerstand recht bald zu einem
«wirklich bevorzugten Bauernstände sieh erbeben. J>ie Win-
geribauerschafl bildete, um mit Lamprechl zu reden, ein wah-
res Mittelglied zwisciien höherer Ministerialität und bäuerlicher
Hofgenossenschüft ; die Weinbauern wurden die Arislokratie
der j^rundhörignn Bewohner einer Ge^-end. Während in frühf?-
ren Jahrhunderten, bis liTs XI. hitiein, (ho \ erk.uifsurkiinden
mit dem verkauften oder verlaust htcn Gule .-sehr ott unfreie
Winzer erwähnen, verschwinden in der zweiten Hälfte des
Mittehdters solche Angaben j^an/. aus den Urkunden. Einmal
wol, weit man immer mehr zur Ueberzeugun^^ gelan),nc, dass
der Verkauf von Menschen als Sachen nicht am Platze war, und
zweitens, weil mit dem Hofrecht die volle persönliche Uiifmbeit
aufgebobeo worden war. Während in frühester Zeit der Verkaut
«der Umlausch von Mancipien an sich gestattet war, so kennt
das Hofrecht nur noch die Veräusserung dei>ell>en »nit dem
(irite, aut dein <-\q Sassen. Sobald nun einmal überall Rel»ei)
aiigele^-^l woideii waren, sobald jeder Hownhner eines Weindorle-
ein AViiiZfi- war, da ward weder eine Veräiis-eriin^' mit dem Gnie
noch eine solche ohne das Gut mehr notwendig. So jrlauben
wir, waren es zumeist vvirt.sclwltlicho Ilucksichten, mehr noch
als siltlich-relij^iöse, welche zu diesem Fortschritte ij^efidnl haben.
In fietracht kommt dann hiefOr auch der Ersatz der Frohn-
arbeiten durch Geldabgaben. Das älteste urkundliche Beispiel
hieffbr finden wir in den Urkunden der Alitei Maursmünster
um 1120. Von da an war ein Verkauf des Winzers durch den
Grundherrn unnötig. Es war dies ein erster Sclu'itf zur Befrei-
ung; es bedurfte nur noch der Sprenixung aller hofrechtlichen
Rande, welche die Weinlehn};ehöferschaft zusammenhielt. Am
wirksamsten war hierfür die Aufhehnn^'^ der IHnp-pflicbt der
H<>fnf»n.»^sen, wie wir dies fiir Geljw eiler erfalnen, wo schon
IUI Jaiiro 144-4 der Dinghof zu Gebweiler durch Alit Dietrich
von Hausen , Piulal von Murbach, autgehoben, und die Güter,
die zu ihm gehörten, in einfache gemeinrechtliche Erbpachten
umgewandelt wurden.
Aus dem frühmittelalterlichen feudalen Rehzinslehen ward
eine einfache landrechtliche Erbpacht. Solehe Erbpachtgüter
konnten dann zwischen den Erben geteilt werden, was ohne
Erlaubniss des Grundherrn mit den feudalen Lehngütern nicht
geschehen durfte. Aus vielen Urkunden ersehen wir, dass die
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Eigentümer einer Lehnhube oder eines Menlage^s, zur Erstattung
des Gesammtztoses desselben einen einzigen sogen. Hufenträger
bezeichneten, und so eine Zinsgenossenschaft bildeten ; denn
der Einzug der auf die einieloen Parzellen entfallenden Zin-
sen wfire sonst fGr den Grundherren viel zu umständlich ge-
worden. Dufru- aber iiefand sich der Hufentrdger immer in
Gefahr, für andere arbeil s.schf^nn, sorglose oder arglistige Genos-
sen zahlen 2u müssen, weil er allein dem Grundherren (Vir die
Lehnzinsen haftete. Auch diese Uebun^r musste recht bald hin-
f;«lli«r werden: e<! ward immer schwieriger einen Hufentiäger
zu (in<1eii ; nicinaiul wollte mehr die-'e Ehre annehmen, so
wutdeii die Geiiosfecn.sciiaft.slelieii, süwoiil leudale als geniein-
rechtliche, in individuelle Pachten umgewandelt, ja die Zeitpachl
tnit im Elsass schon sehr früh auf.
Vom XVI. Jahrhundert ah wusste man hierzulande in den
Weinorten nur wenig mehr von den Huobdingen ; jedes Dorf
hatte sein Dorfgericbt, und die kleineren Grundherren, wie
Kirchen imd Klöster hatten schon längst die Gewohnheit auf-
gegeben, in ihren Dinghöfen die Jahrgedinge abzuhalten. Die
Meierhöfe wurden sogar, wie uns das Urbar von Mailjach von
•14;^0 belehrt, damal< schon in Zeitpacht, von einer Dauer von
neun bis zwölf Jahren an den Meier vergeben, welcher nur
noch die Zinsen und Gefälle einzog; von einem Hubdinge ist
aber dort schon keine Hede mehr. Gerichtsherr war nur noch
der Bischof von Strassburg oder sonsl ein Grundherr, der för
sich die Regalien erworben hatte. Im XVII. Jhdrt. ist die
Dingpflicht mit wohl wenigen Ausnahmen im Elsasse überall,
selbst für die Bauern des platten' Landes aufgehoben. Dies
hing dann auch wiederum mit der grossen Verbreitung zusam-
men, welche die Handelspflanzen damals im Elsass erhielten,
die mit ihrer freieren Wirtschaftsweise die alten hofrechtlichen
Satzungen babi untergraben hatten. Am längsten hielten sich
die flu'tbilin«re im eigentlichen Körnerbau Ireihenden Tbeile
unseres Landes, dem Sundgaue. I)oi t liiidfi) \\\v no* h Hofge-
richte im \VI1L Jlulrt. und VVeistüiner, welche erst in jener
Zeit gesclirieben worden sind. Es war das Hofrecht in seineu
letzten Zuckungen, welches sich noch wehrte und ungern ver*
schwand. Um 1789 waren die grundherrlichen Meier weiter
nichts mehr als gewöhnliche Schaffner, Gutsverwalter ohne jede
Gerichtsbarkeit.
Im XVH. Jahrhundert waren die Heben schon beinahe
völlig frei und ledig geworden, und dies gewiss nur durch all-
mähliche Ablösung aller darauf lastenden grundherrlichen Ab-
gaf)en und Grundzinsen. Ein in nioinem T'e-itze befindliches
Hausbuch von lÜUU, mit einem auätührlicben Güterverzeicluiis
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eines Urahnen thul dar, dass von 20 Parzellen» die der Bauer
in der Gemarkung von Geberschweiher besass, keine einzige ir<-
gend etwas mehr zinsle. Nur der Zehnte wurde noch davon
gerei( hl und zwar an die Gemeinde seihet, welche denselben
vom Zehntherrn gekauft hatte.
So lange jedoch das feudale Band des Zinslehnes für die
Rebgüler noch be-^tand, fanflcn sich ancli die Winzer überall
itn KKrtsso (ioiii i^i uiKlhi'i i liclu'n Meyer noch unlei •^vfn fi-n ; als
LfilLM- der FruiinholfjwirlscliMfl lun^rierle über dem Meyer meist
ein Kellerer. Der Meyer hielt auch die Bau<redin{re ab, in wel-
chen die Rebenarbeiten der trohnenden Gehöter auf ihre Qua-
lität untersucht, und die hofrechtJich zu belangenden Vei^geben
gegen die Hofordnung durch die Genossen abgeurteilt wurden.
Der Meyer flberwachte alle bereits ausfuhrlich erwähnten Fron-
arbeiten, so in Rosheim, in einem stark Weinhau treibenden
Städtchen des Nieder-Elsasscs, in welchem Kloster Hohenburg
einen Din|^hof besa-s. Zu diesem pflichteten alle Hinlersassen
des Klosters, welche in Rosheim wohnten, sie bildeten in Mitte
einer freien Reidisstadf eine VVirizerjrenossonschaft gerade wie
dies Lampreclit tu di iVii- da.« Moseilaiid dartliut. Solche kleinere
und j;rössere Geliulersc liafien konnte rnan vor dem XVI. Jhdrt.,
vor der Zeil der Autlösung der Dinghöfe, zu Hunderten auf-
zählen.
Den feudalen Winzerlehen eigentömlich waren dann, wie
auch dem Ritterteben, folgende Bedingungen : der Lehnhalter
musste dem Grundherren huldigen, wie das dem feudalen Lehen
entspricht ; er bekam das Lehen chereditario jure> und vererbte
es natürlich aucli nach Lehenrecht, das hcisst: ein solches Wein-
zinslehen durfte ohne spezielle Einwilligung des Grundhen^n
nicht unter die Erben naturaliter getheilt werden. Nichts hin-
derte diese aber natürlich, flen Erfrag unter sich zu theilen.
Behufs Anl>nue^ neuer Weinberge wurde das I.and oft auf
einige Jahre i^; m/ /iuslrei verliehen. Der Zins wurde vielfach
als eine Theilbauquote, die Hälfte der Trauben, festgestellt, meist
aber betrug diese Quote des Gehöfers nur den drillen Teil.
Der Lehninhaber darf das Lehngut nicht ohne Erlaubniss
des Grundherrn verkaufen, darf es nicht mit Renten und Ver-
pfändung belasten. In der oben bereits erwähnten Rodungs-
uf künde des Abtes von Neu weiter (1157) wird bestimmt, dasa
die Lehensinhaber nur bei starker Noih verkaufen dürften, aber
zuerst das Gut an ihren nächst verwandten Hofgenossen, dann an
den Abt selbst resignieren sollten ; wollten diese das Gut nicht
an- oder zurücknehmen, dann konnten sie dasselbe an einen
andern, aber immer uuv IlütVen*>->en verkaufen. Auch durften
sie niclils anderes in dem gerodeten Lande anbauen als Reben>
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unter StralV iles Vt>rlu??les ihres Erbanteils. Im Falle von
säuniniss wurde der Lehensinhaber durch Vogt und Abt in
Strafe genommen (das Buding) und darauf bei dauernder
Weigerung des Gutes verlustig erkifirt. Hier ist entschieden
auf eine solche direkt unterm Grundherrn stehende Gebtifer-
schalt, wie sie Lamprecht fär das Moselland erwähnt, zu schlies-
sen. Hier wird sogar eines Meyers nicht Erwähnung gethan.
Die Zinsansätze waren gar mannigfaltig, und der Zehnt lastete
immer auf dem Weinbauern. Um uns von dieser Mannig-
faltigkeit der feudalen Lasten eines Re))gutes zu übenei^n,
düifon wir nur jene Knpilel des Weissenbnrger Uiliar«, sowie
aller an(l»M*cri Kl i-tnr, und Städten rharicn HiuN'hlesen, in welchen
die Al)j^al)en weinbautreibender Orte ant^ezeichnet sind, und
wo von Grundzinsen auch ausdrücklich die l\e^\e ist. Das Wein-
lehen fiel an den Grundherren heim, ganz nach denselben
Grundsätzen wie das höhere, rainislerial-ritterliche Lehen; Un-
treue, schlechte W^irlschaftsweise, Ungehorsam heim Baugeding,
Nichterscheinen bei demselben und Weigerung der Huldigung,
dies Alles konnte das Lehengut heimfallen machen ; femer fiel
es heim heim Abslerben der Familie des Leheninhabers. Bd
regelmässiger Zinsen irichtung und andauernd guter Kultur
durfte aber das Gut nicht zMi ückgenommen werden. Wie über-
all im Lehenrecht richteten die Genossen selbst über solche
Fülle. Jede Hofgennsseii'^fbaft bildete auch eine Zinsgemeinschaft,
sie zwang ihren Genossen den Zins rictitig abzutragen oder er-
klärte ihn bei dauernder Weigerung seiner Rechte verlustig;
sie überwa( hte ebenfalls die gewissenhalte Arbeitsvei riehtung
ihrer Genossen durch bestellte und beeidigte Schauer, sie ur-
theilte Über «Hisswfirchfen» im Baugeding, das bei den Reben
um Johanni gehalten wurde. Solche Dinge fanden wir auch auf
der Mark Maursmünster, Je nach der Heuernte, und zwar
wurden sie auf den Frohnwiesen selbst im Freien abgehalten.
So geschah es auch im Reblande zur Konfiulle der Sommer-
arbeiten : dies finden w^ir in allen Rebbauordnungen <les Ober-
elsass: Colmar, Rerglieim, Rappoitsweiler, Ammerschweier u.
s. w. Die Klöster schickten alljährlich ihre Nuntii vindemiarum,
ihre Windelboten, nm die Arheilen zu besichtigen.
Eine ffanjitur sache der Auflösung stih her Lehensgenossen-
schaften wurde n.(lui li( I), wie wii- es hnn oben angedeutet
liaben, die Aufnahme der landrechtlichen Erbpacht (sowie auch
der Zeilpacht) und die damit verbundene freier« Bewegung in-
folge von Erbteilungen und Yeräusserungen. Auf diese Weise
mussten die Anteile an einer Hufe oder an einem Hebgute so
zahlreich werden, und so schnell ihre Besitzer wechseln, dass
es den Grundherren immer schvi'ieriger werden musste, die
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Gefalle einzutreiben — war Uies ohnehin schon eine sehr um-
sländ liehe Naluralpei*zeption : denken wir nur an die Art der
Zehnteinziehunjjf — und die Dingptlichl der Gehöferzu erzwingen.
Daneben wurde noch ein anderer Keil in die feudale Lehen^^e-
nossenechafl eingetrieben : die Zeil{Micht, welche fQr den Grund«
berren sowie l'ör den Pächter eine weilgehende Bewegungsfrei«
heil begründete. Doch hat dies Institut sich bei den Rel>en
nicht howährt, besonders nicht im Gefäße der Hofgenossenschaft,
während hei der gemein^chafthclien Erbpacht immer noch die
für den Grundliei r»Mi mehr Garantie hielende Zinsj^emeinschaft
be.stf'hoa bleiben konnte und auch bestehen blieb. Die Zeitpacht
finden wir in unseren elsfissisLbeii privalrechtlichen Urliunden
schon im Aus^.u)^ des 12. Jiulrtr>.
lialil war «lie völli{ie Auflösung der schwer funktioniienden
und wirtschaftlich für beule Teile nicht mehr renlirenden Ge-
hdferschafl nur noch eine Frage der Zeit, und wirklich fing
man schon im 11. Jhdrt. an — wie Gebwetler und Marbach
es beweisen — eine individuale Erbpacht einzuführen. Solche
individuale Erbpachten, ohne jeden hofrecht liehen Anstrich
mehr, sind alle Erblehen, welche im Marbacher Urbar (Mor-
bach b.| Colmar) verzeichnet stehen.
Somit war der Weinbauer völlig frei. Die Dingpflicht war
verschwunden und da*^ I.ehenshand, das Band dei persönlicb<^n
Unterlbanii^keit, mit ihren Mannenpflichten, war zerrissen. So
kamen denn unsere elsässischen Weinbauern ziendich Irüb zu
einer Stellung, welche ihnen gestaltete, ihre Kräfte unbeschränkt,
nach eigenem Gutdünken in freier Wirthschafts weise zu benul-
sen. Der Weinzinsen, die noch bestanden und weiter fortgege-
ben wurden, erinnerte sich Niemand mehr in Bezug auf ihren
Ursprung und Begründung. Von vielen konnte man nicht mehr
sagen, ob Kapitalrente oder Grundzins.
Durch die immer mehr überhandnehmende Ablösung von
Weinzinsen und wohl auch in hohem Masse infolge des Dreissig-
jährigen Krieges, welcher eine ganz neue Ansiedelung benötigte,
giu'^'en viele Zinsen verloien oder geriefhen in Vergessenheit.
Nac h diesem unheilvollen Kriege, der unser elsässisches lieb-
laml besonders hart mitniibm, war es dann nicht immer mög-
lich, die alten Zinsen wieder aufleben zu lassen, obschon es hie
und da versucht wurde.
So sagt das oben zitierte Hausbuch eines unserer Urahnen
von 1690 von einem Rebstück, das als cledig eigen» bezeichnet
wird : cSoll yetz dem Probst nacher St. Marx (Kloster bei Ge-
berschweier, Oberelsass) Zinsen 16 Mass Wein», oder von einem
Haus : «Anno l()88 liaben die Herren von Marbach Ein Zinss
auff diss Hauss Erfundten aiss Nämlich 4 blapperl und Ein
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Rappen ä Vier hatz gerechnet. Nur 8 Parzellen mit zusammen
15 Schatz nuf über sechzif;- Schatz Roben, die das ofterwfdinte
Hausi)uch nachweist, waren zinspüichtig, also im Verhältnisse
von i zu 4.
Diese rechUiche uii l wirUchafliiche Freiheit mussle aber
aul (Ion Wohlstand des elsässischen Rebbauern besonders lör-
dernd einwirkeii, und in der That war ja auch das elsässische
Rebland von jeher bekannt durch den grossen Reichtum, den
es In seinen schönen Dörfern barg. War ja doch auch unser
Elsass eines der Länder, welche am fnlhesten und schnellsten
zum Klee- und Kartoffelbau, sowie zu sonstigen fortschrittlichen
Spezialkulturen dberging* n.
Die {grosse französische Umwälzung des letzten Jahrhunderts
fand im Elsasse einen Bauernstand vor, der nicht mehr zu
befreien war und jrerado zu jener Zoll wirthschafllich sehr gut
Strand. Die Feudallns^ten waren zumt ist beseiti<;t, am schwersten
tirleii die Abgaben an lien Köiii^ von Frankreich und dei Zehnt,
Avelclier natürlich als Steuer votn Bruttoerträge besonders schwer
di ücken inusste. Dessenungeachtet meidet die elsässische Ge-
schichte kein Sterbenswörtchen aus jener Zeit von Bauernunler-
drQckung und masslosem Bauernelende, wie dies in anderen
Landestheilen des fV*anzösischen Königreiches der Fall war. Man
darf nur die damaligen Gahiers de dol^ances durchlesen, um
daraus zu ersehen, wie harmlos die Forderungen unserer Wein-
bauern dazumal gewesen sind.
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III.
Die Hexenplatze
der
Rufacher llexenurkunden.
]Iitt«Uiuig Ton
Theobald Walter.
Das Rufacher bladtai hiv enthält die I^iolokolle odrt
^^Vrjrichte» \nn 15 in Her Z<'it von 1585 — !^'>t27 verurteilten
IJexen. Die liiri;^erichteten Opfer <reliören sänitlicli dorn weib-
lichen Gesciileclile an und sind aus dem oberen Mandat gefänjj-
lich nach liufach eingezogen worden. Wir treffen da etliche
Frauen aus Egisheim, Wettolsbeim und Sukmatt, die meisten
aber. stammen aus Rufach selbst.
Das Hexenwesen In unserm Elsass ist nun zwar schon durch
A. Stöber in seiner Alsatia Jahrg. 1856-57, S. !265-338 und von
J. Kl^le, Hexenwahn und Hexenprozes^e in der elieniali-en
Reichsstadt und Landvo^^tei Hagenau, 1893, u. A. eingehend
behandelt worden. Nichtsdestoweniger glaubte ich die Rufncher
Urkunden, die Stoher kaum erwähnt, einm.i! einer gründlichen
Durchsii lil unteiziehen zu solli'U. utii wornttgiich einen weitei en
Beitrag zur Ge.scliit hfe jener uiibeimiichen Zeit zu liefern. Allein
es stellte sich bald heraus, dass die «Yrgiehtejä im ailgeuieiuen
wenig von den von Slöber aus anderen elsüssischen Archiven
mitgeteilten abwichen, und so richtete ich denn mein Haupt-
augenmerk auf die in den Urkunden angegebenen Versamm-
lungs- und Hochzeitsplfttze. Ich gebe Im Laufe der kurzen
Abhandlung stets den Urtext und fQge die nötigen Erklärungen
in Fussnoten bei. Nicht uninteressant ist vielleicht auch die
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das Bild des ScharfrichterSi das ich inwendi^r auf der Decke
eines alten Geiichtsbuches aus dem Jahre 1526 aufj^efuoden
habe.
Barbara Herl)ollerin (101?5) bekennt :
Baldt daraulV sey sie sambt Ihren Gespielen auf! einen
Karren, darfor ein Schwarlz Ross ;^ewessen aufT den Pollen-
berp-* gefahren, allda mil besaf^tem Ihrem buohlen hochzeit
gehalten.
Sey vngefohr vor einem halben Jahr mit Ihren Gespielten
auff dem Bollenberg j^^ewesst, Alldorten gezehrt Fleisch-
Brottes vndt win aber khein Brodt noch Saltz gehabt.
Hab eine von Gebweyler auff dem Pollenberg Hochzeit ge-
haldten, damahlen habe Eine von ^^emeltem Gebweyler ein
Wetter {gemacht, welches Ober den Leimen* fibei'khomen,
aber kheinen Schaden ^ethan.
Ferner sey sie vngefähr Siehen .Fahr mit Ihrem gespiellen
aulF (len^ A fCeDbergS zuesainbenkhommen. daiiey sich andre
mehr l)etunden.
Sie hab mil demsellien Ihrem Buohlen Schnelle nulT
G a uc h m a t le n * Hochzeit gehaldten, auff einem Wagen, <iai-
for zwey Schwartz Ross gewessen, dahin gefahren.
Barbara Ruelroannin (1616) hat «Mit Ihrem Buelen, der
sich Peterlin geheissen^ auff dem Fürstacker^ hochzit ge-
halten» welcher ein Pfiffer aursraspielt.s
Anna, Hans Humhrechts Hausfrau (1627) ist tmit Ihren
Zwey Gespiellen (welche aulT Kazen) Sie aber auff des Maul
Bekhen huodt vber dass -Hingelsthor<: hinaussgefahren undt
^ Der BoUenbei";^ zwisclien Orschweier. Westhaltfii und Bergholz,
mit seiner alten Apolloniakirche. Beinern altfränkischen Grabfelde,
seinen alten Steinkreisen and Menbiren nnd seiner Icablen, anfracbt-
baren Hochfläche, machte auf daa Volk von jeher den Eiadrack einaa
aiiheiniUchen Ortes; desshalb ist er auch von alteraher zum elafin-
sischen Blocksberg gestempelt worden.
Der Leimen ist der Xordabbang des BoUeubergeS^ woselbst
beute noch Lehmgruben zu treffen sind.
9 Af^'enberg heisst der südliche Abhang des BoUenberges. in der
Bichtnug gen Bergholz.
A Die Oavchmatten befinden sieh im Schftferthal .bei Snlsmatt
Auf dem Gauchfelde liegt im Geb&sch verloren ein gewaltiger Men-
hir, der Langenstein genannt. Vergl Gebweile r Kreisbl. 1898 N®. 00.
* Der heutige Firstplan oberhal!) Sulzmiitt.
8 Eigentlich Rheingrafenthor, südliches Thor von Hufach bei dem
heutigen Amtsgericht. Bin Weg hinter dem Amtsgerieht betest beute
noch der Hezenpfad.
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— 42 —
bey St. Stephans B r u n n e n ^ viel andere Ihrer gespiellen
angetroffen.«
Susanna Bechereriii (1(516) gesteht: Weyters im Barren-
giisslin'^ ein inaheit gehalten, darzu eine einen schwarzen
pfefier vndt sie ein iogel voll win gebracht, ^^es^jcn vndt ^^edanzt.
Apollonia Gross (16'i7) hat «mit ileniselhea Ihrem Buelen
(welcher Henunerhn geheissen) Ihr hochzeil auf der Jaden-
matts gehalten.
Zu gleichen bekhendt Anna Marquartin (1625), das sie
vnd Ihre gespielen hiebevor nachts nit weit von Pfaffen-
heimber Capell« bey dem brunnen wider zusammen-
lihommen, ein Hocbseit zu halten. Haben nur zu Irinkhen
gehabt.
Ungefohr bey 5 Jahr Sey sie sambt Ihren gespielten a u f f
dem Scbauenbergs gewessen, Alldohier Sie samt Ihrer
Gevatterin Agatha häusslerin auf Kazen gefahren.
Bekhandt ferner, dass aufT ein Zeit sie vnd Ihre gespiellen
na<?hls hey Ihieni hau?s zu- unhenkhomhen vnd auf steckhen,
der lliri^ sei mit schwarzer salb vun liirem huohlen gesalbt
worden, vITdie grossen Geberschweyrer Matten«
gelahren, allda einen Dantz abgehalten.
< Der Stephansbrannen vnx ein Ü«berrest des im XIT. Jabr>
hnndert veraehwaadeaen Dorfes Sontheim. Der Bnmnen ist heute
verschwanden; aber ein Rebstnck fährt noch den Namen <St. Steffen
und bezeichnet den Standort der einstigen Kirche zn St Stephan,
der Pfarrkirche von Suntheim. Vergl. Th. Wa tiier. Die verBcbwan'
denen Dörfer des Kreises Gebweiier, Gebweiler Ihüo S. 4 S.
s Bekanntlich hatte Eafaeh an setner Sfldseite frfther einen Yor-
ort, die sog. Bote Vorstadt, die ▼erbrannt wwde- Sioielne
Gebäulichkeiten erhielten sich aber noch dnrch mehrere Jabrhanderte
hindurch; desi^lcichen blieben <{i' nlt-^n «Tiej^fTniamen als Flnr-
namen bestehen. So giebt es ausser dem Barrengusslein, das hierher
gehört, auch ein Schliffgösslein in demselben Lievier.
> Die Jndennstte ist heute ein der Stadt Rnfach gehöriges
Pachtgat, das etwa 3 km östlich von der Stadt liegt Der Sage nach
sollen dortselbst in den Jndenverfolgangen I (?) viele Juden le-
bendig verbrannt worden sein. Vergl. Brwinia, Vereinsblatt des Alsa-
bnndes, 1894. S.
* Hier ist die St Leonhardkapelle oberhalb Pfaffenheim gemeint.
St Leonhard war frfther ein Kloster, das in den Banemwirren 1G8Ö
seinen Untergang fand. Von der nachher eingerichteten und 1793
lerstörten Kapelle sind nnr noch Trnramer vorhanden.
Der Schauenberg: ist die von ijagen umsponnene Wallfahrts-
kirche znr schmerzhaften Qottesmutter oberhalb Pfaffenheim.
< Genanere Lage ist mir anbekannt
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_ 43 —
Sie bekhendt auch es seye wohl 8 Johr, das sie hochzit
habe gehatten im Waldt gegen Marbach, i dahin sie nachts
auf steckhen gefahren, seyen dr^mahlen veriagt worden durch
Ituthe von Vokhelzhofen, allda sie wein vnd gläser stehen ge«
lassen.
Agnesen Sponin (1647) hat «rfolgendls mit (leinsell)en Ihrem
liuel Ihr hüchzeit auf d re y e n Ejj; i s h e i m gehalten, haben
wein, gebrotes vnd Fleisch aber khein Saltz nuch Brod geiiabt.»
Von Elisabeth Geigerin erfahren wir: Baldt darnach habe
Bemeldter Federlin Ihr Buel sie zue Nacht in Ihr stückh reben
in Bannen BühM gefürt, aUda hochzit mit demselben zue
halten.
Und baldt demnach seye sie zue hoheneck^ mit Ihren
Gespiellen wiederumb zusarnl)onkhommen undt alldort eine
yeder Ihnen frische hochzit gehalten.
^ Ein Wald bei Vögtlioshofen, d«r früher dem nahen Kloster
Maxbach gehörte.
* Die sog. Egisheimer SohUtossr, drei Exen, die schoii im Seehs-
plappettkriege 1466 serstdrt worden waxeu.
* Hente keittt der Ort Bfthel und ist ein Bebkflgel bei Wettols-
heim.
* Der bekannte Bergzipfel oberhalb Drei Aehren.
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IV.
Gedichte und Mittheiluiigen.
Von C. W. Faber. i
I. Martin Mallerer
I.
Der Fischzug.
jEJerr Mallerer steht an dem Fenst«? und sieht
Hinab auf die Btnidelndoii Wellen,
Wie Woge auf Woge vorüberzieht^
Die Fiscblein sich tummeln und schnellen
Im SonneDscbein
Bei Breisach im Rhein;
Und wie auf den rauschenden Flatsn
Geschäftigs ll&nner sich spaten
Stroinabwärts ziehen die Schiffe Torbei,
Getragen von tanzenden Wogen ;
Stromaufwärts werden mit grossem Geschrei
Die andern gen Basel gezogen,
Und auf dem Strand
Durchwahlen den Sand «
Die Männer und sieben und wasdien.
Gediegenes Gold an erhaschen.
In niedrigen Weidlingen fahren dahin
Die Fischer, die Netze zu hohen
Sie ziehen sie auf. Wie wimmelt's darin
Von vielgestaltigem Leben !
Mit Sobellenschall
Und Peitsehengeknall
Wird dort ein Wagen voll AVaren
Znm Zoll an der Brücke gefahren.
'Quelle: Pnsikan die Helden von Sen>| ach. Nach der Dar>
stellnng Srhreiliprs, war Mivtin Malterer der Sohn einer s hönen
Metzgerstochter von Freibiug nnd zu dieser Stadt in der Eugelgasse
geboren. Man zeigt allda noch sein (iebnrtshaus.
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So aieht tr snm sehimineriides Rheine hinab
Ond spricht in seinen Gedenken :
«Was ich nar bin und was ich nur hab\
Dm iiab ich dem Rheine zu denken:
Dnd Blut nnd Mnt
£riiiächt mir du« Flui
Dee Rheines, wmin ich im Bade
Mich meiner Müde entlade.
Es ffthren die Waren atromanf und stromab
Für mich die gedungenen Knechte,
Für uusre Tafel liefert man ab
Die schönsten 8a)mpa und Hechte.
la meiueui Öold
Durchwühlen nach Oold
Die Wäscher das Ufergerölle,
Für mich erhebt man die Zölle.»
Doch pldtzlich nmflort sich sein heiterer Blick :
«Für wen soll ich weiter erwerben?»
Es nahm mir vor Jahren ein herbes Osschtck,
Den einzigen Sprossen und Erben.
Denn ach ! mein Kind,
Mein einziges Kind,
Pas ist im Bade rersnnken
0nd hilBos im Rheine ertrunken.
0, da bist neidisch und treulos zugleich.
Was schenkst du mir Gaben nnd Güter
Im (Jebermasse. Mich machst du nicht reich.
Ich bin nicht Besitzer, nur Hüter.
Und Well anf Well,
Gehaltlos ond schnell.
So eilen die Tage von hinnen.
Bis im Meere des Tods sie zerinnen !>
Doch siehe! Da treibt auf dem Rheine heran.
Ein Kahn ohne Ruder und Segel.
Die Fischer verfolgen ihn, halten ihn an
Gerade beim Breisacher Pegel
in raschem Lauf
Kommt ein Fischer herauf:
illerr Malterer, kommt zu besehen.
Was Wunder am Rheine geschehen.»
Und er findet ein Knäblein, so fein und so Hurt|
Allein auf dem Boden im Nachen.
Es reibt sich die Acuglcin nach Kinderart,
Will eben vom Schlafe erwachen,
Der Unschuld Bild,
So lieblich und mild.
Und es wird, an das Händlein gebunden.
Ritt Zettelein bei ihm gefunden :
— 46 —
«Bwchirm' dich Qott, unser einsige» Kindt
Nm dürfen wir offen bekennen,
Wer deine Eltern gewesen sind.
Wir muBsen auf ewig uns trennen.
üott scbiitze dich Kind,
Duser herziges Kind.
Seine Engel^n mOgen dich leiten.
Die Flfigelein aber dich breiten 1»
Da wird es dem alten Malterer wann
üms Herz und in stillem Entzücken
£rfas8t er das Knübleiu and nimmt's auf den Arm
Dm es an den Ensen «i dr&eken.
Hein Kindl Hein Bandl
Mein einsiges Kind.
Der Flncb ist von mir genommen.
Ich habe dich wieder bekommen.
Das will iek vor Gottes allmächtigem Thron
Htt ewigem Danke lobpreisMi,
Drum sollst dn, wie mein verewigter Sohn
Aach Martin Malterer heissen.
Wie will ich. o Rhein,
Stets dankbar dir sein,
Dass da mir anfs nene snm Leben
Die Würae and Weihe gegeben.»
II.
Das Turnier
1888.
Alt-Zofingeu zeigt ein entzückendes Bild
Bei der Aar anf dem blnmiehten Werde;
Es tnmmeltt die Ritter mit Lanse nnd Sehild
Die prächtig gerüsteten Pferde.
Zum Festturnei
Strömt alles herbei
Aus der Schweiz, dem Elsass and Schwaben;
So will es Herr Leopold haben.
Quelle: L Schoenhaupt. L'iötel de ville de Mulbonse,
Text von E. Meininger.
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— 47 —
Des Herzogs Gemahlin, auf hob«iii Balkon
Umgeben von leizoiiden Schönen,
Bereitet die Kränze, mit würdigem Lobu
Die Stirne des Siegers zu krönen.
So manche Brost
Erbebt da mit Lnst
Und doch mit vorzeihliehem Zagen»
Den Kampf um die Krone zn wagen.
Dnd neben dem rol überzogenen Zelt
Der Bürgermeister, Herr Thuet, '
Bei ileii Eiirengfisten von Zofiiigeii b<.
Sein verständiges Angenmcxk luliet
Mit Lustgefühl
Anf dem bunten Gewühl,
Das sieht prächtig nnd krftftig gestaltet,
Vor den wondernden BHeken entfaltet.
Und der Herzog winkt; es begmnt das Spiel
Mit dem schmetternden Bnf der Fanfare.
Des Gegners Schild nimmt die Lanze zum Ziel,
Dnd es sprengen die mutigen Paare
Heran mit Macht.
Die Lanze erkracht.
Die Schifte fahren in Splitter,
Zn Boden fliegen die Bitter.
Nnr einer verbleibt in dem Sattel gerecht,
Wenn alle strancheln und fallen.
Da Porta, ^ ein Herr von welschem Geschlecht,
Scheint den Sieg '/m behalten vor allen;
Denn jeder sinkt —
Herr Leopold winkt
Einen alten Ritter zur Seite,
Der rftstet sich eilig zum Streite
Httrr Gulerolf ruft den Herrn Ihuet und fragj :
«Sagt an! Wie nennt ihr den Alten,'
t Thnet war Bürgermeister von Zofingen. Er fährte in der
Sdilacht bei Sempach auf österreichischer Seite das Banner der Stadt.
Zuletzt hielt er es noch mit den Zähnen fest Seitdem mnss der
Bannerträger von Züfingen schwören, sein Banner zu verteidigen
wie Bürgermeister Thuet.
*Da Porta, ein Hailänder Ritter, später zn Flnelen beheimatet
und Zur Pforten genannt. In der Schlacht von Sempach war er
nach des Gnndoldingers Fall Anführer der Eidgenossen
3 Ulench liitter von Dornach genannt Guterolf, war si^iter der
erste Bürgermeister von Mülhausen, ein Gegner der Habsburgischen
Macht. Siehe folgende Erzählung.
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— 48 —
Der den nngleichon Kampf mit dem Uailftnder wagt?
Den Sieg wn-d er lümmcr behalten!
Herr Ibuei spricht:
Den kennet ihr nicht?
Man darf nur den Malterer nennen,
So wird ihn anch jedermann kenn«ii!>
«Ist s der, den &\s kleiues verlassenes Kind
Man einst aus dem Rheine gezogen ?
Dem die Gdtter de» Glfickes ergeben «ind
Und die Grossen der Erde gewogen,
Den Kaisers Macht
7nm Frei Herrn gemacht,
Der die höchsten Würden erklommen.
Eine Gräfin zar Gattin bekommen ?>i
Herrn Malterer schwingt sich behende aols fioss
Und richtet sich auf in dem Bügel.
Sie senken die Laiuc zum sicheren Ötoss
Und fassen die hangenden Zftgel
Dnd stftnen los
Mit Sturraesgetos',
Es straucheln und stürzen die Pferde,
Doch dor Welsche fliegt rücklings zur Erde.
Und rauschend nnd sansend erbraaset im Faid
Der Menge begeistertes Rnfen.
Von dem Herzog geleitet, empfängt unser Held
Au des Thrones erhabenen Stufen
Des Sieges Pfoad
Ans der Heraogin Hand.
Wie der Gattin glückselige Angen
Sich tief in die Seele ihm sangen 1
Die Freunde des llaiUnders schweigen verstimmt
Nor Guterolf, Ritter von Dörnach
Hnft. tief in der innersten Seele ergrimmt.
Dem Eitter in rasendem Zorn nach:
«Gieb acht! Gieb acht!
Es kommt über Nacht.
Dran sollsl dn mit Sehrecken erscbanen.
Ob's klng ist, dem Olftcka an traoan!»
1 Martin Mallerer war Landvogt des Herzogs Leopold von
Oesterreich im Breisgau nnd Haupt des adligen Löwenbundes. Er
hatte eine Orfifin Thierstein snr Gemahlin. Er hintarliesa 9 TOchtar,.
aber keinen Sohn.
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III.
Der Ueberfall Mttlhauaens
1885.
Der BfirgeriMistcf Htrr OnteroU hg
Um BCiU«rnacbt wach in dem Bette.
Er sann nnd sann bei Nacht und bei Tag,
Womit er Mülhausen errette.
Doch horch, was ruft?
Waa kommt durch die Luft
Ana Xammerfenater gepraaBelt,
Wie Hagel ina Aehrenfed raaaelt?
Er Mhei den Laden dea Feaaterleina weit
Und apMi^ was die Zeichen wohl meinen.
Da sieht er den Pröpstlein, der rtift und schreit
Und wirft nach dem Fenster mit Steinen :
«Wacht aaff Wacht anfl
Sa kommen za Hanf
Dea Halterera blutige Scliergen,
Die im ülaaeher Forate Moh bergen !»
Da riea der Ritter daa Sehwert von der Wand
Und rasch entflog ea der Scheide,
Dann eilte er so, wie er ging, wie er atand»
Im Uemd nur als einzigem Kloi le
Znm Stall, zam ätaud,
Wo geaattelt er fond
Sein Eoee nnd die reiamgen Kneditet
GerOatet anm emsten Gefechte.
Er ruft die Befehle; raech »ehwingt er sieh auf,
Durchfliegt mit heftigem Grimme
Die Strassen der Stadt in gestrecktem Lauf
Und raft mit dröhnender Stimme:
«FüTjo! Fürjol
Der Find isch do!
Ba kommen dea Malterera Schaian!
Wacht aof, die Stadt an bewahren.»
Und jimmerlich hallen die Glocken vom Torrn
Der Stepbanskirehe, es apringen
Die Bürger sofort aas dem Bett, nnd im Storm
Die gellenden Rufe erklingen:
«Mordjo! Mordjo!
Der Find iach do I
Ergreif et die Schwerter, die Helme!
Yertieibet die blotigeo Schelme t>
— ÖO —
Sie eilen zar Mauer ; es war ftbtr Zeit,
Fast sind schon die Zinnen erstiegen
Doch nach einem icarzen nnd blutigen Streit
Die f»cbrecklicben Feinde erliegen.
Mit blatigem Schopf,
Mit gMpftltraem Kopf
Wird, was die Zinnsn «rklettei-t,
Sofort in die lief« geicbmettert.
Im Osten erbebt eich der Sonne Strahl,
Die goldene Glat zu entfachen :
Da endet der Streit, da beginnen zumal
Die guten Mülbauser zu lachen.
Der Manu im Hemd,
Der dttokt sie so fremd;
Der Rock» die Bosen, die Schuhe,
Die liegen m Hnos anf der Trohe.
So möge uns Oottes allgüUger Bat
Stets Männer als Obrigkeit schenken,
Bereit und gerüstet zu männlicher Tbat
Und frei ?oa kleinen Bedenken»
Bei Tag und Nacht
Oelrenlieh bedacht,
Den Bürgern mit Eifer zu nfttsen,
Da* fiecbt and die Freiheit au scbfttaenl
IV.
Die Letstliiige der bcblacht von Sem^eh.
Martin Malterers Tod.
». JuU im.
Causa victnx placet Cicerom^ victa Catoui.
Und endlich geht zur Rüste auch dieser heisss Tag,
Wo Leopold, d^r Biedre, den Feinden unterlag
Er hält um sich geiianuncU soui letztes Aufgebot,
Kntbchloääen und gerüstet zur letzten Todesnot.
Quelle: Pusik;ui die Helden von Sempach.
* Die Ii HtMiuich waren : 1. Rudoit. genannt Hutschmann, 2.
Bndolt ü, des Vongen Sohn, 3. Ulrich, ^. Friedrich, 5. Heinrich,
A. Gunther.
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51 —
Wo sind die blanken Ritter? Wo ist die grosse Schar,
Die an dem frülitii Horgw mit aoigeaogoB war?
Dort lifgaii ibrt Lmbtr aafii Uiit*ga Faid feaftt,
8ia hat das Todai SkM mit braitam Solmitt gamiht
Dan atarJcaa Stamm dtr Bainaeh liat liaut dar Stmrn anllaiiM^
Seeht tainar bast» Söbaa bat ihm daa Sebwart fambt.
Es liegen dort erschlagaa am blatgetränkten Bsia
Dar jonga Oaroldaeckar, dar alta Oabaanatain.
So tank das Adala Blftta vom Bhain- und Donanatnmd,
Tom Aargan und vom Thuj^an imd vom Tirolar Laad.
Es blutet für den Fürsten so mancher Bürgersmann,
So mancher brave Bauer zu Sempacb auf dem Plan.
Auch bei den toten Schweizern gewahrst du edle BiUtn,
"Vorab den Gnndoklirgen. Altschaltheiss von Luzern:
Er hat die Schlacht geleitet, Iis er erschlagen war,
Nun führt an seiner Stelle da Porta seine Schar.
Im Schatten eines Birnbaums auf hartgestampftem Feld'
Utiegt mitten unter Leichen ein todeswunder Held.
Solang noeb Haldmitbatan besingen wird ein liad,
Wird man dich selig pratsan, a Arnold Winkalriadt
Am Saum des Waldes halten, um Leopold geschart,
Daa Fflratan letita Bitter, vom Toda aufgespart ;
Obf lateh Ton Kampf und Hitaa armattat bis ins Made,
Noeb immer kampfeamntif nnd todasfrendig stark.
Dar Herzog nimmt vom Hanpta den Helm mit galdnam Batf,
Oaschmfiokt mit Habsbargs ZeiehMi, d«n bnnten Pfanenschwaif,
Die goldnan Locken wallen, bis auf die Schalter hin. *
Da beagan sich die Bitter, vor Gott dem Herrn an knien.
Beim Herzog kniet Harr Harlin, der llalterar genannt^
Dnrch seine Heldenthaten im Lande weit bekannt.
Und als man anscrebetet das letzte Stossgebet,
Fasst dieser alte iütter des Herzogs Hand und fleht :
«Herr Herzog, lasst euch bitten, nehmt hier das letzte BoSi^
Das uns allem gebiieben Die andern nahm der Tross,
Als er zur Flacht sich wandte. Wir halten tapfer stand
Und daekea enern Abzag. Erhaltet euch dem Land!»
1 Man zeigt noch die Stätte von Winkelrieds Aafopfeinng. Es
stand dort zwischen Eichen ein nrünbirnbauni ; doch hat er das
halbe Jahrtausend nicht aufgehalten^ 1822 hieb ihn Bartlme Troxler
altersbalbea nm.
2 Aach die österreichischen Bitter und Hannen adunflektan
Wappen, Helm und Hut mit der Pfaufeder.
Strophe 11 u. 12 enthält Leopolds. Antwort beinahe wörtlich.
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— 52 —
Dft lelilkttelt ' seine Loekeii der edle Fttnt und iprielits
cO lieber, alter Martin, gewiie io denkst dn Biebt.
Du hast in alten Tagen mich ritterlich belehrt,
Wie mau mit £hren streitet ond K*mpfgenossea ekrt.
«Heut kat Ar mich gestritten so mancher tapfre Mam;
Bei diesen will ich bleiben, solang ich atmen kann.
Viel besser ist es sterben, als wie in Schande gehn
Und bei den edlen Frauen nicht mehr in Ehrt» stehn.»
«Doch sieh! der ächwyzer Uaufen hat uumnehr ausgerukt^
Er fliegt daher zum Kampfe mit neagestärkter Wutl»
Da sekwingt dar trent Martin das Buiner in der Luft:
«Hie Oestenreiek! kia Habsbarg!» der alte Rede« mit
Von allen Seiten stünnen die Feinde mächtig ein ;
Bs fliegen ilire Bolae, es fliegt manek sekwerer Stein.
Kein Helm wird anfgebonden, kein Sekild wird anfgesftekt;
Die tapfem Bitlsr stehen dem Tode miTerrftakt.
Es sbreitet wie ein L&we der Herzog Leopold ;
Auf seine Schultern wallet der Locken rotes Qold;
Ea ficht nn seiner Seite ein Held nach deutscher Art,
Der sieggewohnte Martin, in grauem Haar und Bart.
Doch ach' des Herzogs Klinge zerbricht beim letzten Streick^
Dn 1 welirlos sii.kt zu Boden der Herr von Oesterreich.
Lh stützt den lodeawuadea des Martins linker Arm,
Der reekte wehrt mit SehUlgen der Feinde grimmem Schwärm.
«Herr Jmu!» stöhnt noch einmal der Herr Yon Oesterreich.
Dnon hat er ansgerOckelt, kin sinkt er starr und bleiok.
Dana bettot aof die Erde dia Lek^ sttnet Herrn
Der altbewihrte Becke and kUt die Feinde fem.
Dann fasst er mit der Linken Herrn Leopolds Panier.
Nock einmal rausCkt Itt Winde des Hersogs Bkreasier.
Dann sinkt anch er getroffen vom schweren Morgenstern
Und deckt mit Leib und Bauuer die Leiche seines Herrn.
So hat sich dfnt~rho Trono, mit Hand und ilund gelobti
Bei Fürst und Mann aufa jieue in Not und Tod erprobt.
So mag anch uns umdunkeln des Schicksals Wetternacht:
Der Stern soll immer fiinkeln in seiner kehren Praditl
Die Miiclisuppe von Kappel
im
Bei Kappel anf fireiem Felde man sieht
Einen Stein mit Wappen als Zeichen,
Wie weit die Lnzerner mit ihrem Gebiet
Bie an die Zfkricker reicken.
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— S3 —
Kein Ki>^ genösse vermag diMen Stein
Je ohne Rührung za Keben.
Drum soll hier getreolicb berichtet sein.
Wi* b«i dieMin Stein« geicbeheii.
Einst lagen Zürich, Mülhausen and Bern,
In Streit mit den al'eii fünf Orten;
Noch kiimpften zu Uaua die gebietenden Herrn
Zunächst nur mit spitzigen Worten.
Und Stra&sburg hatte, auf Frieden bedacht,
Seinen Städtemeister gesendet,
Heim Jneob Stnrni, und all seine Macht
Zorn Beeten dee Friedens verwendet
Doch an den Grenzen da standen bereits
Die Mannen mm Kampfe gerilstet
Man sieht's an den Augen, wie sehr es des Strsits
Die mutigen Hersen gelästet
Da fftlirt manch schneidender, beissender Wits
Geflügelt hinüber, herüber,
Und donnerndes Lachen begleitet den Blits,
Und trüber wird's immer und trüber.
Doch immer noch weiss man die blotige Ihat
Mit grossem Geschick zn vermpitlen;
Man wartet noch, bis sie zu Hause im Hat
Ueber Krieg und Frieden entscheiden.
So ist auf beiden Seiten die Wacht
Zn allem gerüstet an finden.
Doch was man snm Essen von Hanse gebracht
Beginnt bedenklieb an sehwinden.
Die Schwyser nnd Umer, die haben anr Not
Noch Milcb, doch es fehlen die Brocken;
Bei den Zürichern giebt es zwar immer noch Brot,
Doch ist's leider voll Schimmel und trocken.
Da schleppen die Schwyzer die Mutten heran
Und stellen sie über die Grenze
Und rufeu aisdann die Züricher an^
Auf dass man die Suppe ergänze.
Quelle: Heinrich üuUingers Chronik. Der Grenzstein steht
nock beute.
Mutten eigentlich ein Oetreidemass, ein Bester oder Metaen,
von lat^nisch modins. Es hatte nngefthr die Forni eines Sobweizer-
k&ses; der Inhalt eines solchen (Jefüsses war etwa 10 Liter.
Die Vorhandlnngen führten damals zn dem Verpifirlie von
Kappel. Der eigentliche Kappeler Krieg, in dem Zwingli ixei. brach
erat 2 Jabre spftter aus.
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— 54 —
Die briiig«ii das Brot and schneiden M ein,
Und bald erweichen die Brocken.
Da siebt inati sie alle in trautem Verein
Bei der Milchsuppe iitzen nnd hocken.
Ein jeglicher zieht aus der labche hervor
Einen LdffeU giMhaiiedet von Etiea,
Und ftlibeld beginnt mnn in monterem Chor
Den Inbelt der Hatten sn ipeieen.
Doch wenn mner fiber die Mitte hinfiUirt,
Ein grösseres Stück zu erwischen,
So wird von den andern gleich nnfbegehrt:
tihr habt hier bei uns nichts zu fischen!
Genaa durch die Mitte der Matten hinsieht
Die Grenze von unseren Landen.
Die Hälfte dort drüben ist eaer Gebiet :
Der Reet tteht n nneein Ibnden !»
Und Eidgenoesen, so will es mir nnch
Noch heute am besten erscheinen :
Es bestehe ein jeder nach altem Gebrauch
Getreu und getrost auf dem Seinen.
Doch will euch verführen zu blutigem Streit
Der Parteien erregtes Gepappel,
80 denket nurllek nn die frühere Zeit,
Und die Milchbroekenaappe von Kappel.
IL £1 im Fundament eines Hauses.
Im Februar 1894 Hessen die Herren Ehrisman, Nihma-
schinenhändler hier, den Neubau ihres sogenannten Zwillings-
baues in dem Rathausdurchgang beginnen. Zu diesem Zwecke
wurden die Häuser swiseben der III und der Pfhffengasse
niedergerissen. Dieselben waren nach dem Rathausbrande von
1551 neu aufjgefAhrt worden und hatten der häufigen Ueber-
schwemmungen wegen nur kleine oberirdische Keller. Hier an
dieser Stelle war man mit dem Fundament nur wenige Fu.ss
unier die 01>»^rn 'trh»^ '^Mp^m^ren, ^vpil man die Druckwasser aus
der anstosseiideii Iii zu lurchten li;itle. Als man am 1. Mäiz
das mittlere der 3 Häuser in der Pfatleiij^asse fast zur lloutu-
fläche abgerissen lialle, bemerkten die Arbeiter an der Giebel-
seiie zwischen den ae/br unregelmussigea Mauersteine eine
sorgfältig gearbeitete, horizontalgelegene Steinplatte, die beim
Anklopfen einen dumpfen Ton abgab.
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— 55
Die Arbeiter vermuleten soforl em künstlich hergerichteles
Versteck, alle eilten herbei und spähten erwartungsvoll nach
den erhofften Schällen.
Die Platte wurde gehoben; unter derselben zeigte sich»
wie man vermutet hatte, ein kleiner Hohlraum und in dem*
seihen stett aller Schätze ~ ein Hühnerei in einer kleinen
Tasse aufrechtstehend, sonst nichts!
Die Enttäuschung war ^ross. Schon wollte der gläckliche
Finder den neckischen Fund wegwerfen, als der Wirt des
nahjrelcg^enon Wilhelm Teil sich denselben von dem Arbeiter
ausbat. Gerne überiiess ihm dieser Tasse und Ei und tröstete
sich mit dem schlechten Witz, der Wirt werde ihm wohl aus
dem Ei einen Eierdotsch (Ochsenauge) machen lassen und für
den Becher das entsprechende Nass spenden.
Der WiTt benutzte den Fund als Reklame für seine Wirt-
schaft und lless den verschiedenen Zeitungen eine Notiz Ober
den Fund zugehen.
Ich habe mir denselben am 22. März i8d4 angesehen und
habe folgendes gefunden.
In einer Pappschachtel lag auf Watte gebettet eine kleine
Tasse mit einem nicht ungewöhnlich grossen Ei.
Die Tasse hatte eine Höhe von unjjefahr 2 i/j Cenlimeter
und den Umfanp" eins gewöhnlichen Eierbechers. Sie schien
aus Metall gestanzt oder gelriel>en zu sein. Der schwarten
Grundfarbe we|,^en hielt rnan das Metall lur Eisen, der regel-
mässigen Arbeit wegen glaubte ich auf Kupfer schliessen zu
müssen .
An der emen Seite ist vom oberen Rande nach dem un-
tern Drittel der Tasse ein etwa 3 Millimeter breiter Streifen
als Henkel angenietet. Das Ganze ist sehr sauber gearbeitet.
Die Grundfarbe ist schwarz, aussen ist dieselbe mit einer
roten Farbe (ob Mennige?) gedeckt, innen nach der Aussage des
Wirts weiss angestrichen. Die Schale des Eres ist braungrau
jedoch nicht vollständig gleichraässig, etwa so wie ein in
Zwiebelschalen gekochtes Ei, das wegen einer Feltschichte nicht
die ganze Farbe angenommen h;il : und zwnr bezieht sich
dieser Vergleich sowohl auf den Farhenton als auf die un-
gleiche Verteilung dtM- Farbe auf dem Ei.
Jedenfalls scheint das Ei })eim Einmauern weiss gewesen
zu sein und die Farbe eisit durch Vertaulen seines Inhalts und
durch Ablagerung einer Staubschicht bekommen zu haben.
Als das Ei aufgefunden wurde, war es noch ganz, und
erst durch die häufigen Beruhrungen fiel die Schale in verhältnis-
mässig grosse Stficke. Der durch dieses Zerbrechen angerichtete
Schaden vrird reichlich aufgewogen darch den Vorteil, dass
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— 56
man jetzt den Inlialt tlerselbeii betraehlen kann. Derselbe ist
hart und fest und schliesst sich in) allgemeinen den Formen
des Eies an, zei^jt aber statt der ursprünglich glatten Wände
eine mehr oder rniiuier hfVckerige Ohei H-if lip ; nn der Spitze
fehlt etwa il» des Gesaiiitinhalts. Ob die^ei Schwund dem
Eintrocknen zuzuschreiben ist, oder ob die VeiNrlnel>nn;r der
Bodenbiase eine Senkung des Inlialtes bewirkt lial, kunu ich
nicht eQtscheiden.
Die Farbe des Inhaltes ist dem der Schale ähnlich, nur
etwas dunkler im Ton. Die Rücken der einzelnen Runsein er*
scheinen heller geförbt. An der Spitze befinden nch kleine
weisse Stellen, als ob sich dort Schimmel angesetzt iuttte.
Die Annahme^ dass dieses Ei durch einen Zufall in das
Fundament gekommen sei, ist durch die ganze Anlage seines
Versteckes ausgeschlossen ; wenn es aber mit Absicht einge-
mauert wnide. was sollle es dort ?
I)ie deutsclie Mylhulogie von Jakob Grimm 4. Aufl. "1870
berichtet Band II, Seite 956: «Tiere aber zeigten nicht blo??:^
den Ort des Baues, es wurde auch oft für nötig erachtet,
lebendige Tiere, selbst Menschen in den Grund ein-
zumauem, auf welchen das Gebäude errichtet werden sollte,
gleichsam ein der Erde gebrachtes Opfer» welche die Last auf
sich duldet: durch diesen grausamen Gebrauch wähnte man
unerschütterliche Haltbarkeit oder andere Vorteile zu erreichen.»
Neben lebenden Menschen, besonders Kinder> werden auch
Pferde, Lämmer, Hunde, Schwein«», Hühner und Hähne
erwähnt. Besonders bei Brückenbanlen nnd sonsii;^<'n Bauten auf
vom Wasser ^ielaiitdcten Bndt'n wfilinlt' man einer ^Midien Vm -
sieht zu bedürfen. uBei lifin neuen Brückenbau zu lialie, iler
im Jahre 1843 vollführt wui <le, wähnte auch das Volk, dass man
eines Kindes zum Einmauern in den tjlrund bedürfe.» Späterhin
hat man wenigstens symbolisch leere Särge eingemauert.
Aus dem Vorstehenden wird die Absicht klar. Nach einer
auf derselben Wand angebrachten Jahreszahl war der Bau 1553
aufgeführt worden, also zu einer Zeit, wo die Erinnerung an
den alten Aberglauben noch lebendig, die Sitten aber bereits
so gemildert waren, das« man von der Einmauerung eines leben«
den Huhnes oder Hahnes Abstand nahm und sich mit einem
Ei begnügte, da<^ j;i ilen e n t w i ( k e I u ng sf äh ige n keim
eines leben<len Wesens entliäit.
Wohin Ei und Eierliecher gekoninicn sind, habe ich nicht
erfalueu können. DaHiai> (-22. März 1804) bestand die Absi< ht,
es dem historischen Museum zu überweisen, wenn es seine Zug-
kraft — als Reklame ftlr die Wirtschaft verloren haben sollte.
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— 57 —
Bericlitigung.
Jn dem Jahrbach für 1893 veröffentlichte ich unter den «Sagen
nnd Yolksgebräacben» als Nr. 20 ein Elsass-Lied. dem ich folgende
Beinerknng beifügte: «Den Verfasser, der nach den in dem Liede
enthaltenen Andeutungen wohl noch leben könnte, habe ich nicht
•nmtielii kdOMii.»
Nach einw Mitteilung des Berrn Heitnsann, Redakteur am
hiesigen Express, ist der Verfasser Herr Schörlin, der ab penaioiiier-
ter Lehrer in Neuweiler, Kreis Mülhansen. lebt
Ebenso schrieb ich zu dem folgetulea Liede 1> r Sundgait :
«Dieses Sundgaulied ist jedenfalls von einem nicht unerfahrenen
Knnatdiehter nnd ftlter als das ▼oranstohende ElBaaa-Lied. Den Yer»
ÜMter kenne ich nicht»
Herr L. Schoenhaupt teilte mir noch kurz vor seinem Tode mit,
dass Herr Georg Zetter, der anter dem Namen Fr. Otte ecbrieb,
dieses Lied verfasst habe.
Ich benutze diese Gelegenheit, beide Verfasser zu ihrem Rechte
kommen an laaeen. Meine Vermntnngen Uber Stellung der Dichter
nnd die Aufeinanderfolge der Dichtungen sind durch dieee Aulfclir-
nngen Tollet&ndig bestätigt worden.
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V.
Minvversheiin oder Minversheim?
Von
Dr« KatMl in Hocbfeldeo.
'Von dem Dorfe Minvershdm im CaDton Hochfelden beste-
llen zur Zeit die zwei verschiedenen Schreibweisen, welche den
Titel dieser Abhandlung bildm. Wenn es schon im Interesse
der Sache dringend geboten erscheint, die richtige Schreib-
weise festzustellen und allein zuzulassen, so ist es nicht min-
'Um interessant, über die Fnf-tf liunt^ und Beiwhtij^unji der bei-
lieii Schreibweisen narhzuiuix kien. Die Er^^ebnisse solcher Un-
tersuchungen bilden den ( leji^enstand der vorliegenden Arbeit.
Von den zahlreichen Quellen betrachten wir zuerst die geo-
graphischen Karlen des Elsass, auf welchen das Dorf verzeich-
net ist. Wir sehen da folgende Namen :
1) Specklin, Under Elsas, 1576 : Minuersbeim.
2) Mercator, Vnter Elsass, 1597: Minuersh.;
3) Jansson,Ten itoriurn Argentoratense, i633: Minversheim.
4) desgl. 1650: Minversheim.
5) Sanson, Tribocci, Evesche deSlrasbour;,'^ 1659: Minnersh. ;
6) Gg. Fried. Meyer, Alsatiae «:upei iuris et inferioris accu*
ratissima geographica Descriptio, 1677 : Mümucrschen.
7) Seuter, Als. sup. et inf., 1702: Minverse.
8) LoUer, Colur. Kai te d. Üb.-u. Unt.-Els., 1760: Minversche,
9) Utriusque Alsatiae superioris ac inferioris nova tabula,
aus der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts : Minuersh.;
10) Visseber, Totius Alsatiae etc.: Munversche.
11) de Wit, Utriusque Als. etc. : Minversche.
1:2) de Sandrart, Als. »up. et inf. etc.: Munversche.
13) Hotnann, Landgraviatus Alsatiae : Munversche.
14) Homanni heredes, Cursus Rheni a Basilea usque ad Bon-
nam, Sectio 11: Manverschen.
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— 59 —
^ 15) Lehr» Carte fitodale de l'Alsace en 1789 : Mmversheim.
/" 16) Jacob Andreas Fridrich« Carte de la Haute et Basae
Alsace, um 1790: Minversheim.
17) Pedetti, Ganz neue Vorstellung des Rheinstroms von
fiasel bis Coblenz, 1794: Minversheim.
18) d'Houdan, D4p. du Bas-Rhin, 1818: Minversheim.
19) Simon, Carle niini'ralojxique, um 1840: Minversheim.
20) Laguillermie et Uainaud, Dep. du Bas-Hhin, um 1840 :
Minversheim.
21) Carte topographique du d^partement du Bas-Rhin,
Straabourg chez Vve Levrault, 1841 : Hinwersheim.
22) Franxdsiache Karte aus der gleichen Zeit» ohne nähere
BeKeichnung : Minwersheim.
23) Carte top. du d^pt. du Bas^Rhin (d'apr^s la carte du
d^pöt de la guerre), Straab., E. Simon, später als 1851 : Min-
wersheim.
'-' 24j Histclhuher, Carted. (lep*d. Bas-Rhin. 1-^51 : Minwersheim.
25) Kieppert, Speoialkarte der deutsch-tranzüsischen Urenz-
länder mit An^-^ahe der Sprach^M'enze, i8G7 : Minwersheun.
26) Stiaubs giosse, anscheinend eip^en^iandig gezeichnete
Karte de^ Elsass, aus der neuesten Zeil : Minversheim.
27) Riquols Karte im Dictionnaire, 1849: Minversheim.
28) Algermissen, Specialkarte des Elsass: Minwersheim.
29) Wagner, Wandtafel von Els.-Lothr. ; Minwersheim.
30) Kirchner, Eis. i. J. 1648 (1878): Minversheim.
31) Kirchner, Eis. i. J. 1789 (1880): Minversheim.
32) Reuter, Dislanzkarte v. £ls.-Lothr. 1880 : Minwersheim.
33) Generalslabskarte : Minwersheim.
Messtisehhlatt 3608: Minwersheim.
35) Wandkarte der Kreise (Verlag von Bolze in Gebwei-
ler): Minwersheim.
Hieraus ist ersichtli« h. dns^ Minversheim auf den alteien
Karlea bis zur französibciien He\üiutioi\ (ausser 5) einzig
und allein mit v oder u geschrieben wird, nie mit w. Der ab-
weichende Vocal der 1. Silbe in Xo 10, 12 und 13 (Mutiverschen)
und N« 14 (Manverschen) kommt hier niclil in Betracht, ist auch
wohl lediglich ein Schreib- oder Druckfehler. Die Karte No21 vom
Jahre 1841 ist die erste, welche den Namen Minwersheim bringt.
Diese Schreibweise findet sich dann auf allen neueren Karten,
auch auf denen, die ich nicht namentlich aufgeffihrl habe. Nur
die (in meinem Besitz befindliche), wie ich glaube von der
Hand des f Generalvicars Dr. Straub gezeichnete historische
Karte des Elsass weist den Namen Minversheim aul*. Jeden-
falls hat der ausgezeichnete Gelehrte einen Grund gehabt, das
Wort, abweichend von sämmtliciien modernen Karten, mit v zu
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schreilten. Aehiilicli verliält ei» ^ich mit N'^ 27, 30 u. 31. Die
Schreibweise mit w i.st demnach zuerst aufgetreten in der Zeit
zwischen der französischen Revolution und dem Jahre 1841.
Betrachten wir weiterhin das Gemeindearchiv wm Hinvers^
beim. Die älteste Urkunde ist das alte Bannbuch» betitelt: Ge-
neral-Banns>Renovations-Pro(okoll, vom lahr 1690. Daselbst
stellt durchw^ Minverslieimb. Im Einklang hiermit ist im Pro-
tokoll der Sitzunj? des Presbyleriums von Alt- und Eckendorf
vom 10. Juni 1738 Minversbeim zu lesen. Hingegen ist auf
ein.un Plan der Gemarkun<r Minversbeim, welcher, wie der
Vt I II . rk «Bailliage de Hagueuaui» beweist, aus der Zeil vor der
fi anzuzischen Revolution stammt. Minwersheim zum 1. Mal mit
w^ geschrieben. Otleiibar hat sie dei betreffende Feldmesser ge-
braucht nach Analogie der vielen deutschen Orts- und Feldbe-
zeichnungen Jenes Plans, welche mit ^v geschrieben sind. Jeden-
falls glaubte er, dass das v des franzdsischen Alphabets im
Deutschen durch w dargestellt wird. So wird es auch verständlich,
warum er jenes w durch swei nebeneinanderstehende v (fi-z.
double-v) darstellt. Seine mangelhafte Kenntniss der deutschen
Sprache document^rt sich übrigens auch durch zahlreiche
falsch «reschriebene Bannl)ezeicltnunpen.
Im Jahre 1810 trell.Mi wir zum ersten Mal den Namen
Minwei .<heini in einem Dili/iellea Aktenstüok, und zwar auf
den TilelMättern Ae-i vilie* (ieil ulliciel des acte» de la pr^fecturn
du Bas-Illiinj^ über die Jahre 1810 und 1812, während alle
vorhergehenden und folgenden Recueits von 1806 bis 1848 theils
ohne Aufscbrin sind, theils Minversheim haben. Diese Schrift-
stAcke wurden an der Strassburger Präfectur geschrieben«
Die PrAfung der standesamtlichen Urkunden, welche bis
zum Jahre 1800 hinaufreichen, ergibt, dass bis 1817 sowohl
in den franzasischen, ah in den deutsch abgefassten Acten
Minversheim y'esehrieben ist. Am ^O. December 1817 lieffen
wir auf dem Titelblatt für d Oeburlsregisler von 1818 den
Niitnen Minwersiieiin. Die Urkunde ist }:f*-<-hrieben und unter-
zeichnet V"Mi Ri<'hter Holtmann am Tril»un;il de l*' instance
in Zibern. L)ie ^ieicbe Scbreil»vveise itsi gebraucht auf den
Tiltlblutlern der Gehurlsre^Mster lur 1810, 18'22, 1825, 1833,
183S, I8i0 — i3, 18i5, 1849, ferner auf den Titelblättern der
Heirathsreglster für 1819, 1823, 1825-28, 1831, 1834, 1835,
18iO~4*2, 18i5 und der Sterberegister für 1837, 1839—44
und 1846. Abgesehen von einer vorübergehenden Ausnahme
1862, wo die drei Re;rister mit Minwersheim betitelt sind,
ist auf allen nicht auf;:efuhrlen H --i^^tern bis zum Jahr 1870
die Schreibweise «les Zaberner Tribunals Minversbeim.
Die erwähnten l'itelblätter bis zum Jahre 1831 sind zu-
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— 61
meist vom Richter Hoüinanii, theil\v»^i^«^ von den Richfern
Schirmer und Lutlier zu Zahern eiiffnlian li^ geschrie))€U und
unterzeichnet. Die Schulil au der Eiulühiung der Schreibweise
Minwersheim trägt demnach in erster Linie die Strassburger
Prftfectur, später fällt sie den. Zaberner Rkhtem Hoffmann,
Scbiroier und Luther xu» und mangels einer anderen Erklärung
bleibt eben keine andere Annahme Ohrig» als Unachlsamkeit
von Seiten jener Beamten. Als Entschuldigung kann bloss die
Thatsache dienen, dass alleniin;: die Consonantengruppe nv
auch den Elsässern — und als solche mässen wir doch wohl
die Herren HolTnnnnn, Schirmer und Luther ansehen — un-
gewöhnUcher ersclieint» als die Zusammenslelhing nw.
Anders verhält sieh die Sache nach 18:11. Von da an
brauchte der Piäsident des Zaberner Tril)unals oder dessen
Stellvertreter, ein Richter, regelmässig Schreihhrdfe, und die
Schuld an der abweichenden Schreibweise lallt daher den
Schreibern zur Last. Diese waren nun theils Franzosen und
des Deutschen nicht sehr mächtig. Das geht beispielsweise aus
den Worten Minvercheim auf dem Geburtsregister fSr 1834
und Miniverhein auf dem Titelblatt des Geburtsregisters für
'J8i'» hervor. Zum anderen Theil waren die Schreiber Elsftsser,
und mehreren unter ihnen war die niundartliehe Ausspradie
des Dorfnaniens zweifV'llx bekannt. Das ist zu schliessen aus
der Schreil)weise Mimversheim auf den Sterheregistern für
1845 und 1847 und dem Heirafh«:register für 1847. Diesen
Elsässern bereitete die französische Spiache eben so viele
Schwierigkeiten, wie den Fraazusen das Deutsche, so dass
wir z. B. auf dem Geburtsregister für 1836 cquators» statt
cquatorze» und auf einem andern cquinzaine» statt «quin-
zi^me» lesen. Sehr interessant ist die Ueberscbrift auf dem
Heirathsregtster für 1849, wo zuerst Minwersheim ge-
schrieben war» welches nachträglich in Minversheim verbessert
wurde. Die Bezeichnung Minwersfaausen auf dem Geburtsregister
für 1846 (nachträglich verbessert in Minwersheim) ist auch
ein Zeichen mangelnder Aufmerksamkeil von Seiten des
Schreibers. Dieser Leichtsinn ist es wohl einzig und allein, der
die planlose Verschiedenheil in den beiden Schreibweisen ver-
schuldete, trotzdem derselbe Secretär jeweils die Titelblätter
aller 3 Register schrieb.
Während sich nun der Standesbeainle von Minversheim
Anfangs um die ungewöhnliche Schreibweise nicht kümmerte,
finden wir in mehreren Sterbeurkunden vom April 1829
Minwersheim mit w geschrieben. In grosserem Ifassstab findet
sich Minwersheim inden Sterberegistem vom Jahre 1830, jedoch
noch immer nebenbei Minversheim. Zum letzten Male tritt
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^ 62 —
Minwersbeiin auf in einem Act vom 1. Januar 1831 imHeinUis-
register. Von da an bis 1870 findet sich in den Gffilstands-
regletern ausnahmslos Minversheim. Eine ErlcUrung dieser
eigentbümlicben Verhältnisse soll unten versucht werden. Bei
der Durchsicht der Gemeinderathsprotokolle (Registre des ddi-
b^ralions) ergibt sich, dass Minversbeim (mit den unten zu
erwähnenden sehr interessanten Ausnahmen) von 1794 bis
1826 durchweg, auch in französischen Acten mit u, ganz ver-
eiiuell mit v, aber nieni ds inil >v «jeschrieben ist. Am 2-4. Juli
18*26 stossen wir auf Minwersheim und finden bis zum 2ö.Juli
1831 theils v, theils vv. Die RalhsprotokoUe sind in jener
Zeit meist in französischer Sprache abgefasst. Das einzige in
deutscher Sprache abgefasste vom 1. Deiemher 1829 weist die
Schreihweise Minversheim auf* Vom 25. Juli 1831 an bis zum
Jahre 1870 ist Minversheim ausnahmdoi mit ▼ ge-
schrieben. Es sind demnach auf Grund der Ergebnisse des
Gemeindearchivs 3 Perioden zu unterscheiden:
1) die ältere Periode von 1690 bis 1826, wo Minversheim
(mit der ganz vereinzelten, bereits näher beleuchteten Aus-
nahme des Bannplans) durehwej: mit u oder v geschi iel>en ist,
2) einen vorui>ergehenden Zeitraum von 1826 bis 1831, wo
die Schreibweise w neben der bisherigen mit v gebraucht ist,
3) eine neuere Periode von 1831 bis 1870, in weicher das
Wort auschUesslich rnil v j^^eschrieben ist.
Die Scfariftenvergleichung ergibt nun, dass die Schreib-
weise Minwersheim in der Gemeinde selbst suerst 1826 von
einem Schreilmr angewandt wurde, der (wohl in Vertretung
des damaligen Lehrers und Gemeindescbreibers Hoffmann)
mehrere Gemeinderathsprotokolle abfasste und sich wahrschein-
lich in der Schreibweise des Dorfnamens an das Geburts- und
Heirathsre^tster de? vorhergehenden Jahres riclitete, das, wie
wir oben gesehen haben, vom Landrichter HollVnann in Zabern
überschrieben worden war. Iiiese Schreibweise wurde von dem
seit 1828 als Gemeindeschi»'il)er fun;j^iren(len Lehrer Ledoj^ar
angenommen und bis zum Jahre 18;M in allen Registern fort-
gebraucht. Es mag ihm dann wohl mitgetbeiit worden sein,
dass die einheimische Schreibweise Minversbeim sei. Mit den
fransösischen Kenntnissen dieses Ledogar, übrigens damals eines
ganz Jungen Hannes, war es auch nicht sonderlich gut bestellt.
£s finden sich nämlich in den von ihm verfassten Acten, fol-
gende fals. Ii rre>clirit'l>ene Worte, welche gerade för den vor-
liep<^nden Fall das grösste Interesse halien : Sawerne, janwier,
awril, wingt, quatrewinjrt, de son wivant, weuf, wendemiaire etc.
Dieses Restrehen, w statt v zu schreiben, erstreck!«' *irh offenbar
auch auf das Wort Minversiieim und war durch den Umstand
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— d3 —
bej2^änsfigt, dass die Aussprache von v und w im Französischen
diesf lhe ist. Dass umprekehrt auch v statt w gesetzt wurde,
i>ewe!s.ea Worte wie: Kinviller, Veitbruch etc., denen wir in
dieser Schreibweise wiederholt beg^egnen.
Wenn es demnach keinem Zweit'el unterbeut, dass die
Schreibweise Minwersheim durch Unachtsamkeit eingerissen ist,
so fragt es sich nun, wie sie sich bis auf unsere Tage fortge>
pflanzl hat} trotadero, wie wir gesehen haben, in der Gemeinde
selbst bis 1870 ausschliesslich die Schreibweise Minversheim
angewandt wurde.
Im amiiichen Annuaire du Bas^Rbin findet sich von 1805
bis 1870 ausnahmslos Minversheim. Das «Dictionnaire des Postes
aux lettres» vom Jahre 1835, ein dicker Band, der in der Post-
verwaltunf^ bis 1870 mas.sgei>end war, hriiijjt hinf^egen die
Jkhreibweise Minwersheim. Vielleicht rülut sie von einer be-
hördlichen Mittheilung aus jener Zeit her, wo sie auch in den
Gemeindeakten vorwiegt. Aus diesem Diclionnaire des Postes ge-
langte möglicherweise die Schreibweise llinwersheun auf iigend
eine Landkarte und von dieser, da bekannilich die Gbartographen
von ftltereo Karten absuschreiben pOegen, auf alle folgenden«
Im Jahre i870 bediente sich die deutsche Verwaltung in
dem ersten amtlichen Schreiben an die Gemeinde Minversheim
der Schreibweise Minwersheim. Dies fiel dem noch jetzt im
Amte befindlichen Gemeindeschreiber Herrn Lehrer Hertzog auf,
jedoch hielt der damrili;:e, nunmehr verstorbene Biirgenneister
Webf^r die S.trhe niclil lur wichtig genug, um die Behörde darauf
aufiiiei ksarn zu machen, dass die allgemein übliche Schreibweise
Min versheim sei. Ein Theil der Schuld fällt aber wiederum auf
die Behörde zurück, der das amtliche Annuaire du Bas-Rhin
mit der Schreibweise Minversheim vorliegen musste, falls sie
nicht etwa das v als franxösisclie Schreibweise statt w hielt.
Seit 1870 findet sich vollkommene Ungleichheit in den amt-
lichen Venieichnissen und in sonstigen Aeusserungen der Be-
hörden. Auf den Gemeinderechnungen fär 1870/71 steht w,
von 1872-1874 v, von 1875-1883 w, und seitdem wieder v. Im
Amtsblatt de^ Bezirks ünter-Elsas^ »fiu 187(), S. 124 (Volks-
zählung von ISTö) stellt v, ebenso im Amtsltlatt für 1881, S.
80 t^Vitlk^szuhluiig vüu 1881.)). Hingegen schreibt die Beilage zu
NO 50jl886 zum Ceulrul- und Bezirks-Amlsblall für Elsass-Loth-
ringen in der Uebersichl über die Volkszählunj,' von 1885 w.
Im gleichen Blatt für 1891 49 ist aber in der Uebersicht
der Volksifthlung von 1890 v geschrieben, jedoch merkwürdi-
gerweise im Beiblatt der nächsten Nummer als Druckfehler(!)
' bezeichnet und in w geändert. Seitdem ist Minwersheim die
amtliche Schreibweise 1
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64
Von andern Verzeichnissen seien noch erwähnt das Kieffer-
sche Adressbuch des Unler-Elsass vom Jahre 1874, welches
auf S. 16 des I. und S. 124 des II. Theils Minversheim, hin-
^^e^^en auf Seile 110 des 1. und Seite 10 des II. Teils Minwers-
lieim anf^nbt. im u Verzciehniss derOrlschal'ten Elsass-Lothringens:»
von 1877, sowie in dem für die Steuerbehörden bestimmten Zim>
mei^schftn «Alphabetischen Verzeicbniss der Gemeinden und
Annexen in Elsaas^Lothringen » von 1884 steht' Minwersbeini.
Ebenso schreiben das Ortschallsveneeichniss der Post von 1889»
die Handbucher für Elsass-Lotbringen von 1888(89 und 1882,
die amllichen Distanztahellen der Gerichtsbehörden und der
Wegebau Verwaltung, sowie die Lehrerlialender der lebeten 6
Jahre durchweg Minwersheim.
Eine ähnliche Verschieden lieit zei^^t sich im Materini der
Wcgebauverwaltung. Diese schrieb lu tVnnzösischer Zeit stets
Minversheim, wie aus den noch vorhandenen Schriftstöcken jener
Zeit hervor<,'eht. Namentlich liudet sich auf dem «Etat g^n^ral
des chemias ruraux » von 1839 und auf einem Plan der Orts-
traverse von Minversheiin aus den 40er Jahren Minversheim. Die
filteren deutschen Wegweiser führen hingegen, abweiehend von
den franzdsischen, die Beieichnung Minwersheim. Es sind dies:
1) der alte Wegweiser an der Brücke lu Alteckendorf, vor
4 Jahren entfernt ;
S) der Wegweiser am Kreuzunppunkt der Ettenddrfer
Strasse zu Alteckendorf ;
3) die (2) Wegweiser auf der Schwindratzheimer Höhe,
4) in Ilütlendorf,
5) iu Mommenheim an der ßrumather Strasse und
6) dascllisf am Wiftersheimer Weg.
Auf den neuen Wegvveisern steht ausnahmslos die Be-
zeichnung Minversheim. Ks sind dies folgende :
1) am Galgenberg bei Hocbfelden;
2) auf der Höhe zwischen Lizbausen und Alteckendorf ;
3) der neue gusseiserne Wegweiser an der Bahnhofsstrasse
zu Alteckendorf;
4) die Blechtafel am Hause der Hebamme Etter daselbst ;
5) der Wegweiser zu Wittersheim an der Hagenauer Strasse.
Der Wegemeister von Hocbfelden sagte mir auch, dass sämmt-
liehe neuen Wegweiser diese Bezeichnung erhalten würden und
war sehr erstaunt, auf meinen Hinweis in seiner Distanztabelle
die amtüche S< hreihweise Minwersheim zu Gnden.
ijer krasseste Widerspi uch tritt aber darin zu Tage, dass
die alten, wie die neuen, vor kaum drei Jahren angebrachten
OrtsJafehi die Aufschrift Minwersheim tragen, während die drei
Gemeindestempel auf llinversheim lauten^ und zwar :
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— 05 —
i) der älteste, bis 1856 und von ,1870—73 benulzlej
t2) der kaiserlich französische Stempel (1856—70), und
3) der jetzt ««ilti-e Stempel.
Endlich sei nudi erwähut, ilass «las geinalle Wappenschild,
wolclips zur Decoialioii 'let- Strnssen Iteim Einpfan;; des hoch-
seli^jeii Kaisei s Willielia /u I loclifeliieii im .F;<lire 1 87U verwendet
wurde, <;leicht;dU die Aul-Mlirift Minw'i-lH'im fülirt.
\V:iS nun die S lu iitstiu ke der Vei vvaÜun^>!)eht»rdeii und
insondef heil (ieti Briefwechsel zwisciioii ihnen und der Gemeinde
Miuversheini seit 1870 anbelan;:t, so findet sieh dieselbe Ver-
si-hietlenheit biszum heul igen Tage vor. Bald wird Minversbeim,
bald Minwersheim geschrieben, und eine gewisse Consequenz
lu?tst sich in keiner Weise finden. Jedoch scheint es, dass
dieKi*ei$direktion vorwitvnd Minverslieim, das Bezirkspräsidium
ötter Minwersheiin schrieb. Das Börgerineisteraml Minversheiin
schreibt stets Minversheiin.
Zum Sch1u9S sei noch i^e.<itiittei, die Schreibweise folgender
Geschichtswerke und Bücher anzuführen :
1) Billings Geschichte und Beschreibung des Elsass, Basel
1782« S. t259: Münversheim.
2) Aufschlagers «Elsass» 1825, S. Ü269: Minversheiin.
3) Bii q uul s Djii;t ion nai re 18iU: Minversheini.
4) IJaquuI-[{i>f(:Hiubers biet. 186."), S. 'iü8 : Minversheim.
ö) Kahls tleiiaalhkunde des Landkreises Strasssurg 18S8,
S. : Minveri^heim.
Die Autorität dif^^er Fuchwerke wird uns bei ili*n S^hlusä^
lvl^eruUK»^n untersluUeii.
Soviel niter die Sehreii>\veise. Suidien uir nun noili
einige Anii iit>^punkle in <ler Au>>spi .*ciie zu gewinnen. Der
Sehreibweise Minversheiin ent^pri» ht da^ jetzt ühliche nmndart-
li< he Memptars.) (— Miin|dec«i ;:i ; i, ». während Minwei'sheim in
der Mundart Mei.\vv.»i>.« i_=.Mui^i\versrlieiiii) er*:ehen wünie. Sehr
interessant sind nn< mehrere Sielleu des Prulokolll>uchs der
Gemeinderalbssilzuuge:! aus den Jahren 1794->-U6, welche be-
weisen, dass dam.tb- ebenfalls «Mimpferscheim)» ausgesprochen
wurde. Während nrunlich, wie bereüs oben erwähnt, in den
Sitzungsprotokollen ausschho^stieh die Bezeichnung' Minuersheim
oder Minversheiin ^ehram la f-ren Schleih^vei^^e in der
Gemeinde testj>tand, l>odienvn sich Fremde derjenii^en Sehreih-
weise, die der im V«i.u>niunde j^eliräuchhehen Aussprache -.im
njuhsten kumnit. So sclpeflien voi -chiedene HequisitionslM amte
auf Seite II des erwähnten iJuid-'^ Mümver-t lilieim, S. 19
Minferscheuii. S. '2U Minfersheim . I> i Ad|iURl von Hochfelden
schreibt auf S. 21 Miujuerschheim und ein Couunissar S. 38
5
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— (iO —
Mimverheim. Dann schreibt im Jahre 18-20 (S. 191)) ein neuer
Gemeimleschreiher — ilerselbe, (ler die unselige Schreibweise
Miiiwersheiiu einlührle — Mimver.scheirn, untl en«llii;h heiiient
sich der Sei retär des Trihunal.s zu Z iIhm t» auf dem Tjlelhlall der
l5terl)ereyi.<ter tm 1845 und 1847 iiiid des Heirathsre^i^ters für
1847 «>. ) der S( hreihweise Mimversheim. Ehoiivo steht in
einem Tautakt ile> kalliolischen Plarrliuclis von Ingweiler vom
3, Sepleiirher 1755 zu leseu Mmdlersheim.
Es wäre jetzt noch der Einwand su entkräften, dai»» etwa
vorüberj^^ehend Ute Aussprache v (= I) in w abj^escli wacht woixlen
und dass die Schreibweise Minwerabeiro dadurch erklärlich und
berechtiget ist. Dieser Annahme ist entj^egenxuhallen, dass eine
Abschwächung von v ((j^esprochen f) zu w(=nlul. \v und b) iu
der 2U Minversheim «^ej^procheiien Mundart niemals vorkomnd,
Hin<jre},'en ist -gerade das Üm;;ekehrte sehr oft der Fall, z. Ii.
^pyestäfa' = Buchstaben, syf9r' = "«aiiber, ^firufe' = FeieralM ii.!,
^wünforfuts' = Wundei witz (Nen;jiiMtle") ii. a. Bei Wort. »in. die
dein Fr uizösischen entlehnt Sind, ist dieser (>nsonanlen\ve( li>e|
L:eiade/ü liie Ile'^>el. So sind ^xebildet lätör' = lavoir, t.iksieiv»'
— ve\ei , lal'l8=labulieren (phantasieren), ^iesir=visite, ^tesaliera'
=:visiler (ärztlich unlersuchenj, .tikäri* =: vicaire, ,lisikäl6r* =
v^sicatdre (Blasenpflaster) u. a. m.
Aus allen diesen Ausführungen ergibt sich Folji^endes:
1) Die Schreibweise Min wersheim hat weder eine geschicht-
liche, noch eine sprachgesetzliche Unterlage und ist unter allen
Umständen uniialtbar. Sie wurde durch französische Beamte,
welche der deutscli-Mi Sprache inelir oder weniger unkundi^'^
waren, zuerst j'ebraucht, im Dorfe selbst vorübergehend nach-
;reschrieb';n. nh'r seit 1831 auf^'e^ie})»!* Sie fand auf st hwer
erklärliche Wei>e ihren \Ve/ in da-= Dictionu tue des Postes ( lN.ir>j
und auf sänitüllicbe Landkarlen d.'r letzten tiiufzi^i^ Jahre nul
Ausnahme der rein wissenschafllichen. Die deutsche Verwaltung
hat diese Schreibweise, welche sich 1870 wieder eingeschlichen
und mangels eines Widerspruchs der Gemeinde Mioversheim
bis in unsere Tage fort erhallen hat, als die amtliche erklärt.
Jedoch ist in der letzten Zeit daneben wieder die Schreibweise
Minversheim im Gebrauch.
2) Die einzig richli(^e, geschichtlich mit aller Hestimintheit
nachweisbare und durchaus im Einklang mit der hnidlänlt^en
Aussprache des Worte«^ stehen<le Schreibweise ist Minvers-
heini- Sie i<t zw.'ilellos entstanden aus dem bislnriseh
beglaubigten Munifredouilla (7 VI) und Muuitredeshem (743^.
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VI.
Briefe
von Joliann Peter Hebel an Frau Weiler
in Strassburg.
Mitgetheilt von
Ernst Martin.
Briefe von Hel)el an seine Strassburger Freunde, schöne
Denkmäler seines Geistes und Herzen?, hat August Sloher in
der Alsatia für 1875 und 1876 veniHeiitlichl ; uuilassendpr und
mit werlvülleu Beigaben ist die Sanindung' wie<liMliolt wDnlen
in «Briete von J. P. Hobel, hjj. von 0. F^ehagheb i Karl.siuUe
1883. Dazu iioniiuen die Ijier folg^enden, welche sich im Nach-
Jasfie einer 1895 g^tjslorbenen Enkelin der Adressgitin, Frl. Amalie
Weiler vorfandeii und mir von ihrem Neffen^ meinem lieben
Gevatter Herrn H. Drandhofer in Ütjon anvertraut worden
aind. Frau Weiler, geb. Scbneegans, trägt einen Namen, der
auch in der elsässischen Kunalgeschichle bekannt ist : auf unsrer
Ausstellung 1895 waren mehrere Miniaturportrats auf Email
von Weiler zu sehen fs. K ilaln;: der Ausstellunf»- von Kunst und
Alterlhum in Elsass-Lothringen No. 1'252— Il25i.)
Ihr Sohn Daniel war ein Schüler Hebels in KarlMuhe, er
sludirte Theolu^Mt? in Strasslmrrr, ward aber Advocat und >tarb
nach 1870. Von seiner Auliiabme nnias Karlsruher Gvmnasiuiu
1806 handeln wesentlich diese Briefe Hebeis. Doch berühren sie
auch liiterariacbe Dinge, so die Werke Jean Pauls ; selbst die
Politik wird gestreift. Die Bewunderung fQr Napoleon stimmt zu
Hebels damaligen Kalenderaufsfttzen ; schon bald darauf dachte
er anders von den schrecklichen, unaufhörlichen Kriegen
Napoleons. DtM Grundton auch dieser Briefe ist aber seine
innige t hat ige Freundschaft, die sich elienso sartsinnig als lustig
scherzend ausspricht.
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— 08 —
i.
(lo) Es mir schon lange auf dem Merzen, theuei'ste Freuii-
dinn, dass ich schon, ich weiss .selber nimtner wie ianj,^, nicht
an Sie geschrieljen habe. Sie sind so gut gegen mich, und ich
bin Ihnen so gut, und doch iiommt man liald nicht mehr dazu,
sich einen schönen gutt n Abend und eiutMi fn iimllii hen Dank zu
bieten. Wenn man nur nicht eine $<> wicht i;:e Mine dazu madien
niässle, wenn man von meinen vielen Geschriften sprechen will,
80 möchte ich tnich j;eine ein weniff damit entscliul(h<:en. Aber
ich will niu" so viel geslehn : Wenn iih so viel 7.\i thnn umi
bisweilen aii«h so viel mitznnin<hen habe, ilas:? luir nur kaig-
liche Zeit zum Schreiben ubri- l>u las-ie ich oft die ^^ulen
Freunde am länj^sten warten, zu denen ich das beste Zutrauen
habe, von de(lb)nen ich das beste Zutrauen erwarte, und denice,
wir kennen uns ia. Sie werden sagen, diss sey die Maxime eines
unartigen Freundes. Ich will wohl etwas daran gelten lassen.
Ich will ia nicht Recht gegen Sie haben. Ich wollte mich nicht
entschuldigen, sondern nur beichten und mich absolviren las-
sen. Und das thut Ihr frommes l'reundiiches Gemüt ia ^"^erne.
Nicht wahr? — Empfangen Sie meinen besten freundliclien
Dank für die Slra-^btn ^^p:* Pn-t»»le. Es i-t mir fill*»< «o werlh,
was von Klein Strasssiiuig k ■miiit, selbst die Scli.tchteln, noch
viel nielir Was darinn i^t. n(M h \ ielmehr die Hand, lÜe e- liincin
legt. Ich hab wohl ;;cnierkt, wo sie hcikam, bah sie anclj imt
guten Freunden draufhin freudiy^ verzehrt. Aber eigentlich
haben Sie es nicht Ihun sollen, zumal da Sie selber so viel
MQhe damit gehabt habe.i
Haufe's Geschichte* »macht mir schon lange Mühe und Sor-
gen, eigentlich (Ic) schon von ihrem Anfang her. Er schrieb mir
erst davon, als der Schritt geschehen und nichts mehr mit
gutem Rath zu fruchten war. Ich verhebe ihm daher meine
Meinung zwar nicht, dass man einem Beruf Ii-mi bleiben sollte,
in dem Gott einem Brod und Frmi tmd Kind geschenkt hat,
indessen d i der Srhrift -»»srhehiMi war, wollte ich seinen Mulh
«lun h keine iledenklicbke den iii« .icr^chlnjren. Auch hotitc ich
wirkhch, dass die dorli;,'en Verh.tltni>>c zu seinen» l'nttiueh-
men günsti;;er seyn möchten, als mir bekannt sey. Leider schei-
nen die neuen Ereignisse und Dekrete diese Hoffnungen nicht
1 «habe» ^teht in der Hs.
- Hauffe, der den Lesern des Schatzkästleius wohlbekannte Gold-
schmied.
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^ 60 —
st:^!ir zu i »'rlitlrrti^t^n. Wns ini< h oini^rer ?nai».sen })orulii^el, auch
wt'nn <iiese> l iit» riicliuien s-i lieiteni sollte, \<\ *h\« Zutrauen zu
i>einer Geschtcklichkeii iiiii zu seinem Versl.iiiil, wenn er ein-
mal gewilziget ist, und u h kehre zu meinem etilen Trost zurück,
den ich in dieser Sache t'aüte, itass ^;erade die unsichem Zeiten
auch dieieni^en sind, in welelien dem Muth, dem Talent und
dem GtQck alles gelingen kann.
(Id)AulTailend ist es mir, dass ich aus Ihrem Brief schliessen
muss, er sey selbst der Unternehmer. Wie er mir münd-
lich sagte, wäre er nui der Dritte in einer Societät. Der eine
davon, und wie es mir .schien, der Hauptunternehmer wäre ein
gelernter P^dtrikniif iti <liesem Fach und zu der Solidität und
Besonnenheit des andern haiie ich SO viel Zutrauen, dass mich
auch das in etwas l?ernhi</t.
Ich m<Vhte Sie j^erue bilU n. mir bisweilen Nachricht uher
diif An^cle^cnlieilen unserer Froumle zu jrehen, itbei die ich sie
nicht selber Tragen mag^. Ich hätte dabei noch den schönen Gewinn
neben her manches Liebliche von Ihrer Freundschaft xu hdren.
Aber ich darf es Ihnen nicht zu muthen. Sie schreiben mir auch
gar nichts von Ihrer Gesundheit, an der mir so viel gelegen ist,
auch nichts von Baniel, den ich so lieb habe. Fast sollte ich mit
Ihnen zanken. Aber Nein. Man muss im Frieden schliessen. Le-
ben Sie vergnögt und wohl. Ich bin mit herzliclier Freund-
schaft
Ihr ergebenster
H.
'2.
(Adresse) An
Madame Weiler
abzugeben bey
HEn. Bijoutier Haufe
Fischmarkt Nr. 116
in
Strassburg.
(^ia) Carl-sruhe d. 2. Sept. 1806.
Wenien Sie mir nicht böse, meine theuersle Freundinn,
Oller bleiben Sie es nicht, denn wahrscheml. sind Sie es schon,
dass ich Sie auf die Antwort zu Ihrem lieben Schreiben so
lan;?e warten Hess. Theils war Herr Kirchen-Rat Sander, mit
welchem ich vorher noch reden wollte, noch nicht aus dem
Bade zurßck, theils war ich auch ein wenig krank.
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— 70 —
Ich halte es für ^'ut, da$s Sie Ihren Sohn Daniel ausser
Slrassburjf sein Studium wollen fortsetzen lassen, u. lohe
Herrn Weiler d tfür. da*«; er «ein«» Finwilligung dazu jrefreben
hat. Wollen iSie tlen gulen Jün^lin^^ unserer hiesigen Schul-
an>talt anvertrauen, so erwarte ich ihn mit Vertrnü^'^en, und
alles was Sie von einem ehrlichen Manu und vuu einem aul-
richtigeu und guten Freund erwarten und wünschen können,
und was in meinen Kräflen steht, das sey Ihnen för Ihn von
mir zugesagt.
(2b) Zu dem, was ich Ihnen, oder eigentlich Herrn Schneegans
auf Ihre und seine Veranlassung nach meiner letzten Heimreise
V. Strassburg über diese Angelegenheil geschrieben habe, kann
ich inde^^t'ii vor d- r Hand nicht viel neues hinzusetzen. Die
Haupt«:a( lH' ist '^nle Wrpfleirun^'- in Kost und Lo<ris. Kirchen-
Siiijilci', ein Mann d^r di»' Juj^rnd sehr jruf and vernünftig
zu lieli.uideln und zu leiten weiss ;,'ii>f Wohnun^^ mit ßelU
Lichl, Holz und kleine Aufwai tuu;^, Fi idistut k, Mittii^^s- und
Abendtifich wöchenll. für sieben Gulden, hat übrigenü keine
Frau, sondern eine Haushälterinn, und Daniel würde «:in artiges
und geräumiges Logis von 1 Stube und 1 Cammer mit einem
andern Pensionair HEn v. Rettberg aus Rheinweiler, einem
artigen JAngling gemeinschafl). haben. Gefällt Ihnen diese
Gelegenheit, .so kann er eintreten, wenn er will. Bey der ge<
ringen Wahl weiss ich Ihnen keine l>e.sse(2c)re zu empfehlen. Mit
der Ankunft hätte es vor Ende des Oktober keine Eile. Die
Lektionen das gegenwärtigen hall>eu .lahres gehen mit diesem
Monnt 711 Ende und im Herbst sind mehrere Wochen Ferien,
b Ii Wi rde Ihnen we<ren der Zeit, wenn die Winterlektionen
ihren Anfang nehmen si hdii wieder Nachricht geben.
Wäre es doch nur auch etwas naher nach Strassburg, etwa
so weit als nach Lichtenau, gern rodehte ich geschwind 2U
Ihnen hinaufiliegen und mich su Ihnen gegenüber ans Fensler
setzen und dieses und was sonst die gute Stunde brächte,
mündlich mit Ihnen besprechen. Dass Sie diesen Sommer nicht
nach Baden gekommen sind, will ich für ein gutes Zeichen
Ihrer Gesundheit halten. Uder halien Sie sich vor mir ver-
heimlicht? Doch nein das haben Sie nicht, auch wäre es
Ihnen übe! ^'ehin.:en. Denn ich habe in allen Verzei' hnissen
der aiigekummeueu (iur^aste, nnrh fleis^jrf nach den lieben
Strassburger N;unen uin^esclien. Leh?n Ste w<dil, meine
Iheuersle Fieundinn und lein lieiterl Meine lierzliclien Grüsse
in Ihrem und dem freundlichen Schneegausischen Hause.
Ich bin mit gutem Blut
Ihr ergebenster Fr. H.
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- 71 -
3.
(Adresse) An
Madame Weiler
in
Klein Slrass-
b u r g.
(3a) Mfino llieueistc Fiemniiiin I
Slalt nv'iiit'ii rr.'utli;.^eii Herl>Ntllu- iiiich Slrassbmy zu thiin,
und in unsfciii liehen Greisen mein Leben svie<ier inil schonen
Stunden zu würzen, sitze ich da, und schreibe einen lahmen
Ürief. So Wollens dtftmal die Umstände. Aber Sie sind mir
doch lyrut, und behalten mir ein freundliches Gesicht auf das
nächstemal vor. Kost u. Logis etc. ist für den {^uten Daniel
besorgt. Unsere Winterlektionen werden bis den 20. dieses
Monats ihren Antanj^ nehmen. Wir wünschen daher, dass
Daniel etwa auf den Freyta^' vorher, i?»! zu sajren a«n Ta^^e
Sankt Florentin hier eintreO'en mö^^e, damit die nöti};en An-
sialten zu eirier Aufnahme in das Institut kimnen -^otiofTon wer-
den. Bis dorthin wird auch Herr San(3l»)der von enier klriiien
Heise, w.uiiit er seine Ferien ausfüllt zurück seyn. Ich erwarte
ihn, u. wer den scliöiieii l:]tnf.dl haben wird ihn zu l)e;:leiten,
mit freundlichem Herzen. Leben .Sie wohl meine Freundinn und
lieiter. Utr^a Ihnen der Himmel au Ihren Kindern viel Freuden
aufbewahrt haben. Von Herzen
Ihr er^^ebenster Fr. Heliel.
4.
Adresse) An
Madame Weiler
hinter d. Mauern bey
d. Gasthof zur Stadt Wien
in
Strassbu rj^.
(4a) Mt'jinj theui r-t'' I- r>'unilinn !
Dass unser *^u\cr iJaniel zur heslimmlen Zfil ^^rsuud inxl
wohl hei uns angekommen ist, wi<:sen Sie sthuii aus seinem
ei^jenen Drief, war mir sehr angenehm, dass der Vorsteher
unserer Lehranstalt die voHäuflge Prüfun$r desselben mir selbM
anvertraut hat, und noch mehr ver^nu<;le mich der Erfund
seiner Kenntnisse. Entweder war er letztes Frühiahr, als ich
in Ihrem Hause eine kleine Pnlfung mit ihm vornahm, etwas
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72 —
verle^'tMi u. vtMi ieth uii hl, was er in sich Imlle, oder er h il
in die.">er Zwi^cljenzeit sehr glückliche Forlschrilte yeaiaclil.
Genug er leistete mehr als ich erwrirtel halte, u. ich konnl«
ihn in die zweite Clns.se unseres GriDnasü empfehlen, und ihm
Hoffhunsr machen, (ib) wenn er recht fleissijr sein würde, bis
Ostern in die erste zu kommen«
Herr Kirchenrath San«l»M- ii.it ihn in seinen» H.-uis.e sehr
freiunlhch aufgenonjtnen. Vielleicht Ii »(» 'n Sie ihm selhei solion
j!esclnie!)en, otier thun e> norli. Kr isl ein Mann, iler viel
Sinn für der^^leiehen f'.eweise von Atilmei k'^nmkeil *:e;:en ihn
hat, und "^ich ni' hf il n mf einv. hiänkt, das zu lei-len, \v<»rur
ei- h^/ahU wird, ».ii km aurh l u»^ m. mit vieler Knn;?! n.
belikatesse an!" den \\i>lanii nnd Char.ikter ^eilie^• iungeu Haus
u, Tischgerio^sen wirkt.
Da sich Daniel ieizt noch mit solchen Lehrj^e^enständen
beschaf liefet, die in jedem ^^elehrlen Fache erforderlich sind, u.
in iedem gebildeten Stand zur Empfehlung dienen, so ma^ er
immerbin in der Wahl eines Derufs noch unentschieden seyn.
Alles was er letzt zu lernen hat, ist dem Arzt, dem Rechts-
gelehrlen u. Geistlichen ;:leich nölhi;; und nützlich. . Ge(k)nuK,
dass er sich einsweilen ' zum Studium scheint entschieden
zu hahen. Bis< zum lelzten halhen Jahr, li*^ f r die Tnivei silät
bezieht >leht ihm, wenn er zur Vd: si»i';;e dt« !i das Hehiaisch»;
mitleint, die nähere Wahl noi-h immei" oO'en. rriterdes>en
und sich St hon eine i>eslinjmle Nei;:un^ entwickeln, u er
wird ein Jahr s^>aler hesonnener wählen, als ein Jahr Irüher,
Ich wünsche u. liolTe, Ihnen immer angenehme Nach-
richten ertheilen zu können. (. . . .)< möchte ich Ihnen auth
rühmen , wie enthusiastiscli ich in diesem Krie*: Ihre
Parthie, nemlich die Französische vertheidi^e. Abn* theils will
ich do( h an ein so lV<»mnie,s und >aid"les Gemülh wie das Ihrijie
keine kriegerischen Discour^-e adie>siereji theils habe ich auch
nicht mehr Zeit. Meine herzlidien Bejirüssunj-en Ihnen u.
dem Schnee;;an<i*cheu H.m<>e. lieben Sie wohl meine Freundin I
J. P. Hel>el.
1 einsweilen: so die Hs
^ Lücke tm Papier
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— 73 —
5.
(Adresse) An
Madame We i I e r
wohnhaft bev dem Gast- *
hof zur Stadt Wien
hinler den Mauern
zu
Strassburg.
(5a) Ich benutze mit Veri^mi^^eti eine Veranlassung^ die mir
Mad. Haufe gibt, an Sie theuerste Fretindinn, zu schreiben» und
vor allen Dingen Ihnen zu sagen, dass unser Daniel gesund,
.«ehr fleissig, u. brav ist, u. die Zufriedenheil und den Beifall
aller :«einer Lelirer hat. Ich schicke Ihnen vielleiclil bald einen
innren Geistliclien, Mahlberg zum Besuch, der bisher Daniels
Tiscli u. Hausgenosse war» und Ihnen mehrer«$ mündlich
sagen kann.
Was Hie Ma<l. Haufe u. mein «j^flioimp« Einver.^tändniss
mit ihr hinter ihrem Mann betriff, so ]»itle Siv. ihr fol-
};on(les zu sap;eii oder zu lesen zu geben» aber ia dass es der
Mann nicht merkt.
Von Jean Paul ist in allen unseren lUichläden nichts zu
haben. Auch wage ichs nicht die Flegeliahre von Frankfurt
zu beschreiben, weil sie theurer sind, als die verwilligte Summe
be(5b)sagt. Sie kommen auf 10 fl. Manche FlegelJabre sind
zwar schon theurer gewesen. Doch finde ich diese auch nicht
wohlfeil. Wenn Sie iedoch — ich meine meinen braven
Minister, > in einen süssen Apfel beissen wollen, so hat es no« h
immer Zeil, wenn Sie mir nur mit nächster INist wieder Nach«
lii hl gehfn wollen. Denn ifh krmn Ihnen das Buch im Noth-
f.ille aus eint 1 hiesi^^en Lesebildiutliek schicken, wo es noch
ganz neu, umi erst durch eine Hand jjejjranjion i<t.
Die uui^ichtbare Loge soll, wie ich ieduch niclil luii Zuver-
lässigkeit versicliern kann, zwar nur auf 12 Liv. roh zu stehen
kommen. Allein der Buchhändler sieht mir nicht daftlr, sie
noch zeitlich genug tifern zu können. Zwar könnte ich Ihnen
dieselbe aus der nemlichen Lesehibliothek ebenfalls geschwind
verschaffen, allein man sieht doch dem Buch an, dass es schon
gebraucht ist. Lassen Sie mich doch ia mit nächster Post wissen,
wasichthua soll. (5c) Und nun meine beiden lieben Freundinnen,
> Seinen Minister nannte Hebel scherzhaft Madame Hanfe.
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— i* —
leben Sie wohl. Zwar ich bin ia noch nicht fertig. Es ist mir
~~ doch nein, ich will aufhören, und der Pfarrer von Mahlberg
Solls Ihnen milndlich sagen. Bleiben Sie freundlich und gut
Ihrem
ergebensten
Fr»
Meine herzlichen
Grösse an die ,
Männer und alle
Ft funde (I. ö len
December.
1 Rest abgsriBien.
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Vll.
(jedichte
eines Frtlhvollendeten.
Friedrich Julius Cultnuiut, gt-l». 18-27 zu Landau, fand
im Juli 1841) durcli einen Herzschhig einen plötzlichen Tod in
den Wellen der III zu Slrassburji;, wo ei" seinen Studien oblag.
A.US seineo hinterlassenen, von treuer Hand bewahrten Gedichten
folgt hier eine kleine Auswahl, ein Echo jener ffir die Lyrik
günstiger gestimmten Zeit. — £. M.
Ruhm.
Was ist der Ruhm ? So hab' auch ich gefragt.
Und sshirarbedentend klang mir*t in die Ohren:
«Es ist der Rahm ein Irrlicht in der Naoht,
Ein falscher Kobohi, dessen l)üse ^^acht
Verfolgend, mancher seinen Weg verloren.»
Was ist der Ruhm? «Als wachsende Lawine
Rollt er und schwillt zu einem Berg heran.
V^älzt seinen Ball verheeiend durch das Griiae,
Doich Berg und Thal — und wenn die Sonne schiene,
Sähst Dq ihn schmelzen mitten anf der Bahn.»
Was ist der Ruhray «Wenn die Gewitter brausen,
Die Erde rings umher im Donner bebt
Dann blicke durch der Elemente Grausen,
Dann sieh' den Blitzstrahl durch die Wolken sausen.
Und folg' ihm, wenn er trealos schön entschwebt!»
Es ist der höchste Ruhm ein falscher Port,
Und lockt zum Schiffbruch woitrondes Oetämmel.
Dem Weisen ist er nur ein leeres Wort.
Heia Schall geht schwach und imiuer schwächer iort
Und wird sn Nichts im nnermess'nen Himmel.
9. Aug. 184Ö.
— TU —
KUckkehr zum Kheine.
S« mir gftgrÜMet, Dentschlands lr«iier Hort,
O Vater Rhein, gegrüsat sei tauBendm.il !
Mein Herz schlägt wonnig und der Blick schweift fort
Zu Höhen, über Berge in das Thal
Wie liess ich tönen schmerzlichen Gesang,
Als ich in fremdem Landü musste säanien.
Dich wollt' ich feiern! Nur in Verses Klang
Könnt' ich znrnck zu deinem Strom mich träamen
Hier, wo die Erde goKl iif Fi Uchte trägt.
Wo reich die Thäler und die Berge prangen,
Bior, wo die Liebe tiefre Warxeln schlägt,
Wo Tide hehre deutsche Dichter sangen:
Hier thnt ein Himmel neu sich vor mir aof«
IVarme Oefflhle in der Bmsl erwachen;
Hinabgebogen folg* ich Deinem Lanf,
Hit süsser Ahnung lausch* ich Deinen Sagen.
Du ftiesaest maieslätisch hin und groasl
Wie weitet g eh das Herz bei dem Oedanken,
Pass dort in Deinem klaren Wasserschooss
Vitil lansend Jahre wohl Uie Fluten schwanken-
In I>einen Wellen spie::eU sich dio Stirn
Des Alpengletschers rof:i;: piülifiul uieder,
In deinen Fluten wöget dah Gestirn
Der donkein Nacht so tr&nm*risrh anf nnd nieder.
Und wenn die Öouue aus dem Duukel steigt,
Wenn Deinen Cfern ihren Strahl sie sendet,
Wenn noch geheimnisavoll die Welle schweigt
Und aufwärts die Natur sich betend wendet:
Dann weithin schimmern wie ein Fenermeer
Im keuschen Licht der Sonne Deine Fluten.
Rot, blutig rot blitzt es nnd glänzt umher,
Das dürstend Auge reisst es in die Ghueü
Ein unnennbar Gefühl schläft in der Brust
GohoiinsltMi Tiefen erwacht zum Leben,
Nicht eine wilde, fesseiluie Lust.
— Ein ahnungsvotle«. nie gefühltes Leben.
Wer S( iiuf l>ich, grosser Strom V l'nd wessen Hand
Schrieb deinen Lauf so leuchtend in die Fernen?
Gross! — > doch ein Grdsserer iit mir bekannt.
Es lebt ein Gott, ein Schdpfer über Sternen.
7. Sept. 1845.
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- 77 ^
All pref«nt life Is bot
nii interjectioii, an
r..\h' md -Oh- of joy
«ud mfwry. Byron.
An meine Schwester.
Da eilest. Schwester, von dem Mutterherzen,
Vom Hause we«j:. wo Alles Dich gelieht
Glücklich und froh I — Du ahnest keine Schmerzenj,
(Unschuldig Kind Du!) wie die Welt sie gibt
0 mög«6t leben Da in diesem GUoben,
Von keiner bösen Wolke je getröbt!
Mög' nie das Unglück Deinen Wahn Dir rauben.
Den frommen Wahn, der ach. so leicht zerstiebt!
Er ranbe nicht die guUiumsäumte Jugend,
Dein Herz, das pocht für Wahrheit und für Tugend.
Im ftemden Kreise wast Du Dich bewegen;
Kein Vater sciiliesst Dich Kachelnd mehr in Arm,
Dort schlägt kein Bruderherz Dir froh entgegen,
Dort , hält Dich keine Hntterbrnst mehr warm.
Kalt und ,'?efiihllos wird man um Dich stehen,
Mitit'ili;! lächeln über Deinen Harm:
Gclii-bte ■ Ja. m.Tn uirrl Dich sterben sehen
Mit trock iicni Auge, denn die Welt ist arm.
Arm an Gefühlen für des Frenndes Freuden,
Dnendlich ärmer noch für seine Leiden.
Den Vater nur kann rühren Dein Geschick,
Den Vater nnd die Ifnttcr nnd die Brüder.
Verdunkeln Thränen Deinen heitern Blick,
So bluten ihre treuen Herzen wieder ;
Und schmeichelt Dir das wechselvolle Glück,
So werden sie allein dem Gotte danken,
Der Dich gesegnet ', fliehet es zurück»
So stehen sie, wenn alle Stützen wanken,
Noch aufrecht da; an den verwandten Herzen
Solist, Schwester Du. vergessen Deine Schmerzen.
Wohlan denn, Theure! nimm von meinem Iffnnde
Den letzten Kuss der Brnderliebe mit !
Vielleicht, o Schwester Du' iu dieser Stunde
Eilst Du dahin mit freudbewegtem Schritt
Zn Deiner Freundin, bringst die frohe Knude,
Dass. wenn die Sonne an den Himmel tritt
Mit neuem Qlanze. Du die grünen Felder
Der Heimath und die Ber/^e nnd die Wälder
Verlassest — aber denke bei dem Scheiden,
Dir folgen Brudergrüa»e in die Weiten —
d. Apr. 1845.
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— 78 —
Sohwanenlied.
Sanft spielend^ als wolUen sie Liebe verkünden
Durchzieheu die silbernen Wölkeben die Luft,
Als tollt' er in ihren TertrAaliGfaen Orftnden
Binathmen den edMen, fttheriechen Dnft —
E« kommen die Wölkchen vom theneren Strande,
AU Boten der Liebe am Himmel heran;
Sie locken ihn fort za dem gastlichen Lande,
Da spreizt er die Flügel, da hebt sich der Schwan,
Und eilet, als wollt^ er die Wolken erjagen,
Im Chore der Wölkchen zar Heimnth empor;
Und höher and höher stets wird er getragen,
Da schmettert ein Lied er am himmlischen Thor.
Anf fliegen die Pforten und hebliche Töne
Erwecken die Sehnsucht, die Himmel erglüh n,
£r aehaot voll Entsftcken daa E#ige, SehOne
Und. eehmilzt in harmoniachen KIftngen dahin.
18. Okt 1844.
Sonett an Kömer*s £iche.
Was Da geahnet, hast Da laat gesongen:
Die Freiheit nnd Dein dentsehes Vaterland;
Du hast mit starker, kriegerischer Hand
Die Leier hooh und hocA das Schwert geschwnngen.
In alle Herzen ist Dein Lied gedrungen,
Es war der deutschen Helden schönstes Band,
Der Freiheit war ea und der Ehre Pfand,
Und donnernd ist es in der Schlacht erklangen.
Doch nicht allein im wilden Kriegestoben
Ertönte, Edler, I'ein erhaben VSort,
Es schlag auch sauft und friedlich Deine Leier.
Sie liess wie Himroelslaate nns von Oben
Vernehmen mauchen zärtlichen Akkord, —
Der Frieden war ihr, wie die Schlachten thener*
29. Apr. 1846.
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- 79 -
An Alma.
Von Paimeu hab' ich viel geträumt,
Und wie im klklmeB Sebwertertans
' Das Boas aieh n&tem Raitor Hamt,
So strebt' ich nach dem Sfti^erkranz.
Ich glaubte schon, ein Kind des Rahmea,
Mich in dem Schatz des Heiligthumes.
Da nahtest Du mif Dt in- r Liebe.
So himmlisch rein und fromm und gut:
Ich loigie einem bessern Triebe,
Und air den atolaan Jagendmotb,
Mein Hoffen all' und air mein Streben,
Da nabmat ea bin mit meinem Leben.
14. Febr. 1845.
Dn weinest, Mädchen V Trockne diese Ziihren
l'nd komm', Geliebte, an raein treues Herz!
Lass sie, die Menschen, unserm Glücke wehren,
Da aollst nicht weinen- nimmer darf der Schmerz
In dieaen frommen, milden Angen wohnen,
Kur Freuden sollten folgen Dir und Sehers.
Doch will Dich Gottes Liebe nicht belohnen,
Verzweifelst Du an Deines Lebens Glück
Und kann auch Dich der Kammer nicht verschonen,
Wohlan! ao trage, trage Dein Qeaehlek,
Reich' mir die Hand anf dunkeln Lebenawegen,
Und richte aufwärts Deinen Engelblick.
Dann tritt ein Freund, der letzte, nns entgagen,
Der alle Eidenleideu sicher heilt
Und weiht uns beide ein mit seinem Segen.
16. Apr. 1Ö45.
Distichen.
I.
Blicke^ mein Mädchen, empor an dem aternbeaäeten Himmel,
Ob das unendliche Heer je Du zu zählen vermagst,
Und dann blicke auf mich und zähle die Thrrinen der Liebe>,
Welche Dir flössen; sie sind, Alma, unendlicher noch.
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— 80 —
Ii.
Sängerin, deren Gesang M bimmliBch ertönet t Dir fehlen
Alma'ft Ange, ihr Hers, Qm erst vollkommen zu sein.
III.
Quiile nicht länger ilas Glfu k mit citeln Klagen und Thränen.
Zürne eher i'ir selbst, dass Da bisher ihm gelraut.
IV.
Achtzehn Jahre nicht ait und doch zum Sterben bereitet
Bin ioh seit Jahren ; der- Tod ist mir der treueste Freund.
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vm.
Die Rulacher Vornamen.
Untersüchimg
von
Heinricli Mangos.
III.
Die Slellunjj der \iuii.tiiien im Volk.slehen erkennt man
am besten aus ihrer Verwendung als Gattung^snamen,
in Redensarten und Sprichwörtern, in Keimen
und Liiedern. Ich teile daher noch mit, was ich hierüber
im Laufe der Jahre von 67 Vornamen für Rurach gesammelt
habe. Da<s daLei maaches Derbe mit unterläuft, das wird nie-
mand Wunder nehmen, der unsere Mundarten kennt« Ich
glaube nicht, dass ich hier Döti<r habe, mich deshalb SU ent-
scliuldii^en. Naturwüchsijrkeit und Derbheit j^ehören nun einmal
zu unseit?in Vnlksfpben uml unserer Volkssprache. Aber sie
halieii hei in i^ewohiiiichen Volke kuii^e nit !it den bösen I3eii,^e-
.sc iuiiat k, den sie bei dem in der feiuoion Schi ill.sprache Ge-
bildeten erzeuj(en. Wer indessen schwache Nerven hat oder
sittlichen Schaden befDrcbtet, möge die folgenden Zeilen unge-
lesen lassen.
Unter den verwendefen Namen finden wir die häufigsten
und die seltensten. Selbstverständlich sind auch Joseph und
Maria stark vertreten. Der Name Joseph kommt z. B. in dem
folgenden Abzählspruch vor:
Aue däne düftbie [ftno tfino ty'pie].
kämme drii Familie [khuma tr^i Fhinilie],
FnasfTiacht vuu Josäf [Fäsana/t fun JosAf|,
7 i-i:Librot, Zuggerbrof fTsükarprot, Tftükarpröt].
liuu bisch das [ty' pi's tüsj!
6
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— 82 —
£r trSgt mil seiner scherzliaflen Sinn« und Zusammea*
hangslosigkeit das Gepräge eine« echten Aluahlreims. Der Name
Joseph ist hier wahrscheinlich nur deshalb •lehiaucht, weil er
<Jem Kinde, d.is den Sj)ruch zum ersten Male bildete oder bil-
den half, als häutiger Nuine gerade einfiel, oder vielleicht auch
weil /uffiliijr ein Joseph in der spiolcndon Kinderschnr w.ir. —
He\vui»:>l und ubsichtlich kuniuil der Nanie in einem Spoltreiiii
vor ;
Sabbele mit dr Giig [SepaU mit tr kikj,
Sftbbele mit dam Bass [SCpala mit tarn Pka],
Säbbela bit in d'Hoosa gsehiaia {Sipsla In t*HÖ8» k'aisa].
Sibbela. was isch das [Sipala, wh» l'a ii»}t
i)a der Is*ame Joseph so häufiir in Rufach vorkommt, ist
er zu dem geworden, was er und jeder andere Voroanie zuerst
war, nämlich zu einem Gattungsnamen, allerdin^^s im ungQn-
s!i^t'ii Sinne. Von einer ;>turken und derben Weibsperson, die
/ keck und mulig autlriU, sagt man : iDas isch e ^bbi [les i's d
Mil il.-m X.iiiicii Fiünziskü tritt Ji)-t'|ili in einem Reime
auf, den 'Ii«' Kimler otX auf der Strasse &ini;en :
Scholkbihrebuimlf. Gliickele dra f'SolopIrepainila, Klekala trä],
Fian/üle mües dr Subbelc huh [s Frantseld myss tr ^epald hä]!
iSobpiro sind grosse harte Birnen.
Häutig werden Jose]>h und Magdalena 7tj<animenireslellt,
und zwar in den Foinien Sepi uml I/mi. r.<'ide Namen ver-
treten hier die ander.swo gebränchlu lic l'onnel : Häusel und
Grelel. Von» Si'\n und Leni handelt z. H, ilwi lolgende Spruch ;
Dr Säbbi suit züeiu Leni [tr Sepi sait ts^am L4iiij :
Lern &cbank dr li [L^ui 'saUk tr i],
aa isab, bi Gott, vnm g&ada [as Va, pi Kot, f&m kfata]
Bearl^anndrwii [P6ilakaiitrwf].
Perlakantrwi ist eine sfiasshafle verdunkelnde Bezeicimunt^
d(fs Weins. Dos Wort ist eine Zusammenrück ung des Satzes :
Reerle gana dr Wii [Perla kan tr WiJ Beerlein geben den
Wein. Ebenso bekannt ist ein anderer Reim :
Dr Sibbi satt süem Lsni [tr S&pi saii isyam Lftni):
Leni, ISgg di ah [L6ni Uk ü a] !
Kninm, mir wann in s Kurze [khutn. mir wan in s Khürts»],
Ziwweleuaai tZwiebelkuchen) müesch hah [TsiwaUwai myd's hä]!
's Kliüif-> sctieinl eine Irnhere IJäckerei odei- VVirtschall
m'weM ii /II s.'in. Neuer»lings konnte man die Zusatnmenslellniij
der luiinen S«'pi und L/'iii auch in einer I*:un(ii(.' aui vlm Au-
lang dc> auch hier verlneiU'tcn Ga!?senhauei> li-u (»n : Im Gru-
newald) im Grunewald ist Holzauktion. Sie hegiiinl :
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— 83 —
Di Säbbi laüft im Leni mit dr üolz&x uoo [ti- Öepi Ikyli im
Um mit tr HoUbUcs nö] !
Allein eri?cheint der Name Maj'ilalt?na in dem Namen einer
frühreifen Bii iieu-sui le : Magdelenebihr [Mäktolendpir], und ia
einem Scherzreim. Wenn beim Essen das Brot auf dem Tische
fehlt, 80 sa^'t man wohl verblGmt:
Hailigi Magdaleue [hailiki MycUüöuaj,
's Brot mie mi lehne [s Prot mi» mr Itoe],
Wamr kommt tu LAdd«badi [t Wässr Ichtot lüL7ttpk/J;
itoh diM ait e schMiii Sach \y» tH lAl • 's6iii ShxJ?
Gemeint ist mit dem Wasser die vorüherfliessende Lauch, die
im Crehweiler Thale, hinter tiaulenhach [Lylapii/J, entspringt.
Der Spruch veraltet nach und nach ; früher wurde er oft
gebraucht.
Noch häufiger als der Name Joseph kommt sein weibliches
Settenstück Maria in Reimen vor. Zusammen treten sie in
eini-m Liede auf, dessen einförmi;;»? W«'I.<c von dt r Armut und
Kai^heil der Worte noch an Kunällusi^keil übertrofl'en wird:i
1. 0 Linsetnbb, o UniMabb [Unaasikp],
oh. oh. 0 Linsesabb,
0 Linscsubb !
2. Wer bat si kocht, wer bat ai kocht [wer hkt si kho/tj,
ob, ob, wer bat si kocht
w«r hät si kocht?
3. Dfis Mfiiele. dSs M&isle [tte MAiole].
oh, oh, dis MSisIe»
das HlUele 1
4. Firr weene denn, firr woMie dsnn [fir wfo» tdn],
oh, oh, firr Weene denn,
firr Weene denn ?
5. B'irr dr :Säbbele, firr dr Säbbele [fu- tr SepeleJ.
ob, oh, firr dr Säbbele,
firr dr Sftbbelel
Die Trä^^erin des Niimens Maria wird i^eneckl :
Marii, Marii [Mkii. MüriJ,
lo88 d'üieuer uii (sonst : iine [inej) [los t'üianar nij
unii losi dr Qailer (auch : Qülli. Güggl) lafile [An los tr Kyler
Ihyfe]!
Her wann e morn vrkaüfe [mar wan o morn frkhayfe],
mer lege-n-e uff dr Disch [mor U'ko n-9 üfF tr Ti's'
nn broode-a-e wie-n-e Fish [du prote-n-e wia-n-a Fl'tj
I Die 3. Zeilo jeder Strophe iat an Zeitdauer so lang als jede
der beiden vorbergehendeu.
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— 84 —
Mit Gfilier, GüUi, GQggl ist der Haushahn gemeint; dieser
heisst aLer Hahne [Häo»]» und Guller oder GfiUi ist der Name
des Truthahns. — Ein anderer schon etwas veralteter Neckreim
auf den Namen Maria lautet also :
Marii, Uaraa [Msti. Slari],
Marigg mer saa [Marik mar s&],
wo ist denn deine Orossmama?
Si liigt im Bätt [si liiwt im Pet]
onn £ftngt ihr* Fleh [tu fSkQkt Ii
nnn sieekt st in das Botdmonneh [tai *tUkt si In tiw
Portmonft].
Auch in Rufach, wie üherall, spielen die Kinder gern Schule.
Wenn dann derSchüelmaischdr ['Syalmai'str] oder die Schwaschdr
['SwA'str] eins auflbrdert, etwas aufzusagen, so wird von ihm
oft der folgende Reim vor(,^etragen, natfirlich in der Schrift-
sprache, wie es sich in der Schule geziemt :
Tanz (mit d gssprochen), Marie, tansl
llorgen kommt der Frans*
Er ist Schneider,
bringt neue Kleider
Tanz, Mari«, tansl
Deine Sehnhe sind noch gans.
Von dem Namen Marie sei auch ein Scherzä|ii uch ange-
führt, der voD den Kindern auf jeden beUebigen männlichen
^ oder weiblichen Vornamen gesagt wird:
^ Mari isch e scheene Namme [Mtoi l*s s *s6n8 Niune]»
Mari mächt i doch nit haise [M&ri mhy(,i i toX nit liaiss].
Mari hü, Mari haa [Märi hi, Mari ha],'
Mari isch e Dschoddlbaar [Märt i's a T'Mtlp&r] !
Auch ein Reigenlied, in dem der Name wecliscU, möge
hier mit dem Xamen Maria anij^ejjeben werden. Die kleinen
Mädciien halten sich ao deu Händen und drehen sich im Kreise,
indem am fingen :
Wir treten anf die Kette,
dass die Kette klingt;
• wir haben einen Vogel,
der so Bch^Jns singt;
> Dass dss r in h&rsher trotz der Verschleohtsrong des Reimes
auf pir nur den Torhsrgehenden ht zuliebe ausgefallen ist, ersieht
man aueh ans anderen Standarten. Wo man n&nüich h! spricht, sagt
man in diesem Sprnchc hä, z. B auch in Reichenweier. Wo es aber
bin heisst, steht här ; su lautet der Sprach z. B in Westhofen (Kreis
Mölsheim;: Fritsl is e seiiar Niima, — Fritsl uie/.t i toX «it häisd,
— Fritsl hin, Fzltsl h&r — Ftltsl l*s • Tsotlp&r.
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— Sö-
der Vogel singt schon sieben Jabre;
sieben Jahre sind hemm ;
Mamsell Mari« dreht sich nm.
Marie ist der Name eines mit spielenden Mädchens. Bei
Nennun«^ seines Namens dreht es sich um und geht nun rfick-
vvHrJs im Kreise hemm. Dnnn wird das Lied wiederholt. Ein
aiiik'ies Nfädchen winl nun ^rcnannt und nius? sich umdrehen.
So {Teilt duM Spiel lurtj l)is ;ille Kinder an die Reihe p-ekonrimen
sind. Nachher wird ein anderes Rei^enlied ge<nnj:»'n. — Die
Form Mai [Mei] enihallen zwei Ah/JUdrcime. Der kleinere lautet:
Ais, zwai, dräi [ais, tswai. treij,
sait das Mai [sait tes Mei].
Der grössere heisst :
Sobbebäi [Süpdpei],
pRTip inr üss de Boliiio k:iii mr ys io Piuia].
wenn dr Pf;iddr Miclil kiuniUl [\\vn tr Pft'tr Mi/1 kiiümt\
K6 schleed dr er ais uiT d'ühre ^so 'slet ar tr ais uf t Oraj.
Die Koseform Mäieie [Meiald] bringt ein anderes Sprüchlein:
0 If&iele, 0 M&iele [o Hiiele. o Möiald],
stand nfF nnn schlag p Liocht ['stanl üf hn 's]C\k o Llo/t]!
Es rnmblt in dr Knch erum [^s rüniplt in tr Ktiü/ arüni',
inr inaint joo, 8 isch e Dieb [rar maint jo, s i's 3 Tiap].
Ein im Elsass bekannter und viel ^gebrauchter Bibelspruch,
Ev. Joh. 3, 16, wird mit seinem Anfange auch in Rufach oft
im Spass angeführt, und zwar im Anschluss an das häufig
vorkommende Wörtchen also. Wenn einer "^ngl ; Also [also], so
fällt ein zweiter sofort ein : hat Crolt die Welt geliehf Hiät Kr»t
Ii Wt-ll k.dipl]. Ein drilter faint fort: Unn dr IM'an- dr Kocli
[ün h Pläi' tr Kho/J. Und ein vierler (oder auch der erste,
zweite) schliesst mit der Spitze : Unn daa faftt Marie ghaise [ön
{& höt M&ri khais9]. ~ Maria als Name der Mutler Gottes
[Mydlerliolas] wird in dem Ausruf angewendet : 0 Jeere Mariaa
(0 Htb Mänä] I Er dient zur Bezeichnung des Schrecltens, der
Verwunderung, des Erstaunens und wird ungemein hftufig ge-
braucht, im Ernst und im Spass. Wenn ihn ein Mädchen in
nicht ernster Lage anwendet, fügt man wohl im Spass hinzu :
I mües e Mann haa [i myos a Män hA] ! — Auch der Doppel-
name Maria Anna [Marian] wird manchmal missbraucht. Wenn
jemand tallt, anstü^ist oder geschlagen wird, so rufen die An-
wesenden :
Baüff, Mariann [Fäyf, Märiüiu]!
Bftbb di an dr Wand [hip ti 1a tr Wänt]!
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— 86 —
Der letzte Zusatz fehlt aiu Ii bisweilen ; das Wort j)äyl' ahmt
den Fall, Sloss oder tSclilag nach. — Ein Madchen, das den
umgekehrten Doppeinamen Anna Maria trägt, muss sich
Folgendes nachrufen lassen :
Anne Mani hüt känoer Mann [kn<) Marl hut kbendr Mkaj,
ADue Uuii iaeli Schuld darahn [Ans Uh,ri Vb 'S&U tkrftn (tonit :
tr<l)l;
Anne Marii hat alles verklopft [Ana Märt kies farklopft),
dr Undarrock (auch frz. cbignon^ mit samt em Gaffedopf [tr
ijntarrok mU samt em lUfetopf (aonat: KAfeh&fa)].
Oder 8ie wird mit den folgenden Worten geneckt :
Ann« Marii hftt d'Mablsnbb Ttrbnnnt [An« Ukri hftt tlf&laftp
ferpr^nt],
iacbmit am Koebtaffl d'Staag aave grennt (i's mit om Kho/l4fi
d'^Stäk äwd krent].
Dieser Spruch wird niir-h auf andere weililiche Namen an-
gewendet. Dafür kann die Anna Maria aber von sicli rühmen:
Anne Mariannle hais i [Än^ Märiänla hais i],
Bcheen bin i, das wais i ('sen p'in i, tes wais i],
doisik Dahler rrmag i [toiaik Tälar frmäk i],
doiaik Dabier iach na nit gnüa [toiaik T&lar i's nk nlt kat»}*
tttttt • aebeanar Bfla datsfta [An • «ataar trtaya).
Eine etwas veränderte und verlängerte Foini dieses Spru-
ches dient auch als Schaukellied. Nur wird dann ein beliebiger
Name gewählt, gewöhnlich der, den das Kind trägt, das der
Erwachsene auf den Knieen hält, z. B. vom Adolf:
Adälfele hais i [AtMfala Lais i.\
scheen bin i, d&s wais i [s^a pia i, tds waia i].
codi Sohialele trag i [t6ü 'Stalala trik i].
hundert Dahler vrmag i [hüntart Tälar frmäk i],
hundert Dahler iRch nit. genüe [huntart Tiil'ir i's nit kanfaj,
noch 9 acheeni Babb dizüe [noy e 'seni Püp trtsya].
Hat i doch di Bubb nit gnummc [hat i lo/ ü Püp nit kuümej,
ae waar i nit in s Unglick kämme [sa war i nit in s ÜnkUk
kbAma]!
Jats wais i^ was i mach [Jita wais i, was i mkX]*
I nimm ai uff dr Bnggl mn trag si in dr Bach [i nim si M
tr Pakl UD tiäk si in tr Pa/J.
Der erste dieser SprQche mit dem Namen Maria wird bis-
weilen auch mit dem Namen Katharina gesprochen : Kathrü,
Kathiii, loss d'Hiener nii [Kliatri, Khatri, los fllianar nl], u.
8. w. Ein anderer Kaim auf diesen Namen lautet :
Kathrine [Khatrtna]
loaat dr Winder iina [loat tr Winiar ina].
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— 87 —
Dieses Sprichwort bezieht sich auf den Tag der beilif^en
Katharina ('25. November), nn dem der Winter vor der Thnre
steht. nir>^<'r T.ipr i!«t für f^iifat h in doppeher llinsiclil wichtig,
einmal \v«'-< ii <los Kalhriinezin^ [Khatrinalsins], de-«; am Kathrii-
neda;»*,'- [Kliatriiiot;ik] füHifren Pachtp<'ldi's (au^scrdciii giehl e.s
noch den Mardiiuizins [Mäi linit^;in.s|), und sodann wegen des
kathriinemark [Khatrinamark], eines der am stärksten besuch-
tea der fünf Rufacher Jahrmärkte. Der Name Katharina steht
also in Ehren, was schon aus seiner Häufigkeit hervorgeht.
Das kommt wohl daher, dass die heilige Katharina die Beachfit-
zerin des früheren hiesigen Franziskanerkto^ters war, dessen
Kirche als Gloschderkirech [Klö'slarkhiroyJ jetzt noch vorhanden
ist und })enut2t wird. Kin grosses Altarbild darin stellt die Leiden
der hl. Katharina dar. Frnhor ^rnb es nu ht weit davon in der
Stadtmauer auch einen Kalharinenturm, von dem je<loch keine
Spur mehr zu «eben ist. Trotz seines Ansehens und seiner
schönen Bedeutung («kriech, die lieiiio) luijss der Name Katha-
rina auch hier zur llezeichuung einer Sache dienen, die man
nicht gern beim rechten Namen nennt : d'schnall Kathrin
[t*'snall Khatrin]. Aber daran tragen die Rufacher keine Schuld.
Der Ausdruck, der ja wohl auf scherzhafte Weise mit Anleh-
nung an lat. catarrus = Fluss entstanden ist, hat sich aus
dem übrigen Deutschland auch hier eingebüi^ert. — Denselben
Sinn wie die obige Wetterregel hat eine andere mit den Namen
Simon und Juda :
Simon Jüftdi (28. Oktober) [Simön Jy ti]
hangt Sobikse an d*Stäüdi [ha4kt'Sn6 knVStyti] (sonst. 'Sty ta«
Stauden).
Der Ulli der Koselonn Meiola angeführte Sprutdi wirti mit
einigen Abänderungen auch huuüg mit dem Namen Susuinna
gebraucht :
Sftsaanele, Süsanneie [Sysänab. Sysaii<>l9],
stand uff unn mach e liiechtelc '"stäiit uf An mu/ o l i.i/t^le"!!
Es lauft e Gaischt im Uüss eram [os lüyft d Kai'st lui Hyn
arüm (sonst: tma)];
i main, es isch e Dieb [i maln, ss l's s Tlap). —
0, o, i fSfireh mi nit [o, 6, i f&rX nii alt]!
Zwei Verkleinerungsformen dieses Naniens, Dsüüsi [Tsy'si]
und DsüCisele [Tsy saldJ, sind zu Gattungsnamen für ein kleines
artiges Mädchen geworden. Das vorschlagende d ist wohl nichts
anderes als der mundartliche weibliche Artikel d* = die.
Von dem mit Maria zusammengestellten Namen Franx sei
hier gleich noch ein Spottreim erwähnt :
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— 88 —
Fran?: [Frants],
Kabbidanz [Khüpitänts (auch: KhümpdtUnts, Kbüpotünts)],
dr&t Neegl (aach : Eesl) [trei mk\ (ancb : ^sl)],
dr&i Keegl (a«ich: FlMgl) [trfii Kb«kl (»nch: Fi6kl)],
OaggügglKykjk)!
Ich habe vorhin beiläufig die' Namensformen Hanse) und
Grelel erwähnt. Dass beide deutsche Abkilrzungen und Verklei-
nerungen der fremden Namen Johannes und Margareta sind,
weiss Jedermann. Wie Jo8e|ih, so ist auch Johann infolge
seiner überaus häufigen Anwcn(]uii<; in früherer Zeil zum Gai-
lunjjsnainen ^jewonien. Das nämliche kann man ja auch in der
Scliriftsprache l»eohachten, z. 15. in diMi '/iisammonsotzun^'on
Fabelhans, Marlcrhans, PraltHi ms, Scluualiiaus, S|);irhans, Saut-
hans. Dem Worte klebt Iki diesem üehran< hi' stets etwas Nie-
dri^'es und Spöllisches an, wie dem Au^stiru* l<e Ket l. — Fine
starke, derbe Frauenspersou, die keck und mänalich aultrill,
heisst in Rufach nicht nur Säbhi [Scpi]^ sondern auch Hans
[H4nf], und zwar ist das Wort männlich (vgl. Grimms Deut-
sches Wörterbuch IV* 458). — Hans [Häns], Hansi [Hänsi],
Hansl [Hänst] oder Haosele [Hänsab] ist ein beliebter Name
für Pferde und gezähmte V5gel (z. B. Grabb [Kräp] Rabe»
Aagerscht [Akar'sl] Elster, Manncnwactider [Mänawaytar] Turm-
falke, Wäi [Wei] Weihe, Uül [Yl] Dohle, Kanaari' [Khänari]
Kanarienvogel). — l*'ür den BegtilV, den man in der Sclirift-
spiarho mit <lom Ftemdwort renomiiiiei en bezeichne!, sagt der
iUitaclit'i : der (isi hwulle spihlc [Ir K'swiilo 'spila], o<ler : dr
Grosslians mache [ii Kr6sbän< m;'r/o]. Der letzte Ausdruck ist
ohne Zweifel ein Kest aus tiülierer Zeit ; tieim im IG. und
17. Jalirhunderl gebrauchte man tür einen reichen, angesetie-
nen Mann die formelhafte Bezeichnung : grosser Haus oder
Grosshans, im Gegensatz zum Kleinhans (Deutsches Wörter-
buch IV« 456 und V ÜiO). — Auch die seit dem i5. Jahrhundert
häufige Bezeichnung eines Dummkopfs oder Narren mit dem
Worte Hans liegt noch in der Rufacber Versicherungsformel :
Ich will Hans haise, wenn s nit wehr iscb [r/ wil Hans haisa,
wf'fi s Mit Nvor i's], einer Redensart, <l»e si* h im ganzen Elsass
unii auch in anderen deutschen Gej-enden lintlet, z. II. in Thü-
ringen, während «Hans heissen» in Bayern i^i iade tlas Gegen-
teil bezeicliiiel : vorzüglich sein in seiner Ai l (Sclinieller, Bay-
risches Wörterbuch, Ausgabe von Fronmiaau, 1 1134). —
Dann ist ein Hans auch weniger ein dummer als ein gutmdtl-
ger Mensch. Wer den andern gegenüber immer dienstbereit
ist« oder wer allerlei Arbeiten verrichtet, die nicht jeder thun
mag, zu dem sagt man wohl : Hans, hank dr Moon usse [Häns
haQk tr M6n yse] I Hans, worum häsch d*Starne na nit ahzunde
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~ 80 —
[Hlinf^, won'iin t'.Starnj» nä nil al^iiint.)]? — Audi in eini-
pen \Vortvcrbin*1iin;ipn, in denen tlas Worf Uruis aU erster
Teil mit einem Niinen oriiT mil einem .S'»ii<!i-en Aus-
drucke zusamiiien^ienkkl i-l, li.U es etwas Läclici liches nnd
Vnirünsli;fes an sich. Das Dentsclie i.st sehr reich an solchca
Verbindungen. Moritz Heyne führt in Grimms D. W. IV2 ioU
nicht \veni<j^er als 45 an (v;;!. aueh das unterelässiaN^he Hans
Drabb [Häxift Trap]). Die Kufacher Mundart besitzt «lie ful>
genden. Ein Han$kasclil)er [Hänskhä'sper] oder Hanskasehberie
[H&nskhä'sparla] ist eine di'olli;;ef spasshafle Person. Mit dem-
selben Sinne wird aucli der Ausdnn k Hanswurschl [Hans-
wurst] j(ebraucht, z. l^. in den folgenden Iledensarten: Du
bisch e H. [ly 11 - .» H.", ; jelz kumm ich, seit dr H. ['\>-\<
khnm iy, sait Ir H. : s jfebt \nu<^, l>is « })ä«ser kummt, sail dr
H. [s kel läR. pi-s s n«'sar khümt. saif ti M.l. Vrrwnndf drtinit
ist die Zn^aiiiiiienrückun'^r Hansnii« hl [H;ui>iiiiyl |. .So nennt man
in Rufach einen Spassmaclier, der die Gesellschaft durch seine
lustigen, näirischen Einfälle aufheiterl. Vielicichl kommt dei"
Name von dem Titel des liier (gelesenen« schwänkereichen Ka-
lenders : Der lustige Hans Michel. So Meht der Name Hans
auch in folgenden Scherz-Fragen und -Antworten :
Wie haisch [wia hai's]? — Hans Oaisclif fHans Kai'st] 1
Wie noch [wia noyj? — Haus Bloch [Hüas Plo/J !
Wie meh fwlo m^f? — S Säggele voll Fteb [e S«kale fol Fii)!
Etwas j,'an2 andere^ i<l ein Srliindiitn- ['Sirdhans", nämlich
einer, der sclnv«! arbeilel f iler .<ihmdet. Das Wort klin<;t
wohl ein wcnijr an den Nantcn des liern«'hli;;len Käuherhaupl-
manns Schinderhannes an. Wie im j:anzen Lande, so erzählt
man sich auch in Rufuch von ihm und seinen Streichen. Einem
weinenden Kinde wird gedroht : Bisch still, odder dr Schinder-
hannes kummt unn holt di lPi*s *$fil, otar tr ^Sintarhlmas khümt
ün holt ti] ! Und einen, der Menschen und Tiere quält, nennt
man einfach Schinderhannes ''Sinlorhän.»s] . — Sogar für etwas
Lebloses verwendet der Ilufacher das Wort Hans. Er nennt
fioläute, womit jeden Samslaj: Abend die Woche f;leichsam
zu Grabe geläutet wird, Wik hehans [WiV/dliäns] (an anderen
Orlen, z. lt. in Rallersdni l l.t i Allkirch, hei;<sl es WuchemiclielK
Der Ausdi iK k i-t mtimiiIIii h aus Scherz entstanden. Man kann
jetzt noch die fulpieuile Fra;;e und Anlwoil hören. Wenn einer
nicht gerade daran denkt, dass es Samstag .\bend ist, und beim
Läuten verwundert fragt : Was liddels jiii/e [Wäs litots j6lsd] ?
oder : Wer isch gstorw» fwirl*s k'storw«]? so erhält er in spöt-
tischem Tone die Antwoil : \, s isch dr Wuchehans [ae, s is
tr Wüyafa&ns] ! Auf diese Weise, zum Hohn für den Frager,
r
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— 90 -
ina;f Xntno Win lifh-ins auf;;ekom)nen «fin. Ibs Wort Hans
hat mau als AllfM'welisnainen für etwas vtn weiulel, wot'üi" iiiitn
nicht eine audtMe Bt'zj'ichniinji hatte. So ;jfeht e« <lem Naiuen
Hans gerade wie dem der Katze, der auch so häufi},? misshraiicht
wii'd. Aehnlich ist es noch in zwei anderen Ausdrücken. Wer
gern, disputiert, immer Recht haben uml Meisler sein will, wird
DIschbedihrhans [Ti'spaiirhikiisjoder Maischderhan^ [Mai^stsrhäns]
genannt. — Die Geringschätzung, die in dem Namen Hans
liegt, ist wohl Schuld daran, dass das jüngere Geschlecht diese
Namensform nicht mehr {rehraucht. Es lieht mehr das frz. Jean
oder dessen Ersatz Schang ['SanJ, Schau;:! [^Säfti]. Doch auch auf
diese Form hat sich etwas vom Hans nhiMtragen, freilich nur
in der Zusammonselzunpr Salal<chanj,n [SalAt'saiii]. So nennt
man -inen Menschen, der j(ern und viel Salat ist. — Zum
Schlüsse sei noch ein Meini erwr4hnl, den man im ganzen Lande
sinjft und sa«rt, der vom Uam im Si hnu(>;,^eloch. V'on einem
stets unzutViedeiien Menschen ;jehen auch hier die folgenden
Worte im Schwan«? :
Dr Hans im Scbnoogeloch [tr Hans im 'Snökelo/J
hat alles, was er will \hvt Mas, w?is qt vvU].
Unn was er will, das ba.t er nit [ün wüs dr wil, tes hut ar nit];
unn was er b&t, dfts will .er nit [ikn w&s ar Mt, tds wil ar nit].
Dr Hans im Scbnoogeloch [tr Elms Im 'Sndkalox]
bftt alles, was er will [hht Mas, wäs ar wllj.
Mit dem Namen Bapti^ ist Johann zu dem häuGgen Dop-
pelnamen Johann Bapti^ verbunden, mundaillich Schambediss
['Sämpetis]. Ihm wird von der fröhlichen Kinderschar auf der
Gasse der folgende Vers ins Stammbuch geschrieben (natürlich
nicht buchstäblich):
Sehambediss ['Slmpatis],
griidewis [kritawi«],
kobleschwarts [khöla'swarts],
Bäcke(n)na8 [Pekan&sj!
Auch zum Gattungsnamen ist dieser Doppelname geworden.
Wenn einer vom andern etwas verlangt, was dieser nicht thun
will, weil es Gberflössig ist, so sagt er;
Kasch der iibilde, Sambediss 'khä*s tr ipilta, 'Schkmpstis],
d'Gans geh barfüas [t*Kans kb^ pfcrf^a«] I
Diese Redensart erinnert mich an eine andere, fast gleiche,
mit dem Namen IgnoM, Wenn nämlich einer eine Forderung
stellt, deren Nichterfüllung sich von seihst versteht, so sagt
man wohl zn ihm : Joh, kn-< Ii «Ii iihilde, Nazi [J6, khä's tr
ipiit9, Nätsi] ! Manchmal wird noch hinzugefügt : s gidd e Wal-
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- Ol -
ZGi' [s liU d Wäll.'*;>r] I Oi-^ hedeulel so viel als die Redens-
arien: Kummsch moin <iure [khimrs morn türa] ! oder: Mer
drait dr s noch haim [mar Irail tr s noy liaimV udei : Habb
da Nfnüs am Waadl [hep ta Mys äm Wäll] ! od.M : Job, Pfifle-
däg-1 [Jö, Pfifatekl] ! oder : Job, Hafekaas [Jö, iiafakbäs] ! Der
Name Ignaz j^ilt überhaupt als Sinnbild der Dummbeil und
Einßilt. Wer mit diesen Gaben ^^ese^et ist, den nennt man
kurzweg Nazi [Nätsi], oder man sag^ von ihm geradezu: dfis
isch e dummer Nazi [tös i's 0 fum»r Ndtsi]. Er brauchl des-
halb ^rii ni( h) Ignaz zu beissen.
Wir hal>en vorbin -eliörl, dass die Rufacber den Hanswurst
aucb Hanskascbber (Hänskbä spar] nennen. Der Name Kaspar
ist bi»M tiich zum Gattunjjsnamen geworden nnd bnt, wie Hans,
den Silin eines lustigen, rlrolligen Mon^clicn angenommen.
Diese Bedeutung»' lie;:t liesonders in der Vorkleineruni^sforni.
Ein Kascbberle [kba» parla] ist ein Geck und Sjus^niacber, wolil
mit Rücksicht auf das Kascbbcrletbealer [Kba'^^parla^beatarJ
Puppentheater. Ein dummes, unwahres Gerede heisst Kaschber-
larifaari [Kb&s'pdrlärißiri] : DQ dummer SimbI, dSs isch Kasch-
berlariCuiridings [ty tüm»r Simpl, t&s Ts Khäs'parlärirftriÜQs] !
— Auch der Teufel wird in euphemistischer Rede Kascbberle
genannt; ein gottloser Wunsch lautet: Wenn e nmr dr Kascb-
berle daat lüde [w^n a nur tr Kba'sparla tat bola] ! Den gleichen
Namen trägt ein Gespenst oder Kol)old ; einem unarti-
gen Kinde drobt man : Wenn d' nit brav biscb, se holt di
s Kascfiberle [\\>n t' nit urU' pi's, sa b«)lt ti *f Kha'sp.T-la ) !
Damit vei wamlt ist die nen«'nnnn;j; d».'S Todes ; zu einem Kran-
ken sagt der ItL'viirli.'iide Freund wohl: Wehr di, ass di s
Kascbberle nit hull [Wer ti, äs ti s Kba'.sparla nit bolt) ! —
Diese Bedeutungen bat (nach dem D. W. V 259} der Name Kas-
par daher erhalten, dass in den früheren Dreikdnigsspielen
von den heiligen drei KiVnigen Kaspar, Melchior und Balthasar
der eine, eben Kaspar, als lustige Person und als Mohr mit
gescinvarztem Gesicht aufgetreten ist« In dem Äbglanze dieser
Spiele, dem Mmberzieben dreier Knaben als Sternsinger, gab
und giebt sieb der eine stets als Kaspar aus dem Mohrenlande
aus (vgl. Jabrb. VH 205, X 221).
Doch icb niuss nun wieder zur Margarete zurückkehren,
die icb bei dem Namen .loliann fi wfiliut hal>»*. Reide geboren
unter der Form Hän>cl und Grelel im Volksliewu^stsein zu-
saninieu, wie uns 5.clion das bekauale Märclicii lebrl. Wenn
sie in Rufach auch durch den Sepi und die I.eni vertreten wer-
den, so kommen sie doch auch hier in einem Schnaderbüpfel
vor. Es lautet :
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— 92 —
f ,' Dr Hansl nnn s Greeitl [tr Hiinsl ün s Kit-tT
y sinn baidi brnvo Lait [sin paiti pntfd Lait (soust: Lit);
dr Hansl isch narricht [tr Hansl Vs näriyt],
nnn 8 Greedl isch uit gachait [ün s Kr6tl i's nlt k'sait] (sonrt:
k'siit).
Aucb sonst haben beide Namen manches Gemeinsame. Sie
werden gleich seilen gebraucht, und auch Marj^arele wird zur
Bezeichnung der Dummheil verwendet. Eine einfältige Frau heisst
dummi Gred [t&mi Rr^t] ; selbst einem Tiere sagt man so, x.
B. einer Katze, wenn sie nicht g^Icich das hingeworfene Stück-
chen Fleisch findet. Und die folgenden Reime zeugen auch nicht
von besonderer Ehrung des Namens:
Grcedle [Kiefl?].
zaig di Baschdeedle [taaik ti Pii'st^tlo]!
Greedl, Basehdeedl [Kritl, Pk'st4t1],
was machen die O&ns'?
Sie ßitzeti im Wassor
ond Wäschen die äcbwänz !
und^
Hitt isch Kilb nnn morn isch Kilb [hit l's Khllp, ün morn i's
Khllp],
bis am Zisdidig s Oowe [pls Tsi'stik ts Öw»].
. ' Wenn dr Pf&ddr Michl knmmt [wen tr Pfetr Mi/l kbüimt],
* se sait er gücte-n-Üow3 'ga säit or kyot3-n-6\v3\
güete-n-Oowe, aldi (ireed [kyato-n-nw.i -ilti Kiotl
zaig mr. wü di Büddlaad schteet [tsaik mr, wiiti Petlat 'Bt6t]! —
Buiderm Oofe än dr Wand [blntorm Öfo kn tr Wiint],
wü di alt Greed dTIeh fangt [vü Ii klt Krtt tTU fkQt]
(Variante: Kiechle backe isch ke Scband [KMey.19 pa/.a l's khd
'Sänt)J.
■
Der Name Margarete wird auch in einem andern Spruche mira-
braucht, den man einer älteren ledigen Frauensperson singt : .
Greedl nnrr Qednld, Geduld« [Kr6tl, nür Ketült, Eetült],
bis emohl aine kommt [pls emol aina kln'unt]!
Bis etnolil niiie kommt [pls omol aina khümtj«
Greedl, nurr Geduld [Kietl, nür Kstidt]!
Doch in einer Deziehunjr wird der Name Mar},'arete, i^^ciner Be-
deutung; (die Perle) enlsprecheiK), {^pehrt : eine in Gärten ge-
zojiene Spielnrt des jiewörmliclien Oan^mhlrirnrhon« oder ^fass-
lielw ben- (in l^>ur;ii h Massbliemic [ Maspli^imla]) hei>sl Margeriddle
[Mai koi itl.)], nach dem frz. rnarguerite = MassÜt lx hen.
Aucii der Michael, der als Pfetler Michel öchun hei der
Mei und bei der Gred aulhat, i^l niclil ^ross angesehen. Man
kennt hier zwar keinen deutschen Michel, wohl aber einen
französischen. Den frz. Liniensoldalen wird nämlich, wie aucb
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aDderswo im Elsass, der Spoltoame Michele [Mi/alaj gegeben,
aber nicht wegeo ihrer Unbeholfenbeit uod GutmQligkett, son-
dern wegen ilires kleinen Wuchses. So nennen die Rufacber
Ivnalx n auch die frz. Fusssoldaten auf den Bilderbojjen, um
die sie aut der Gas:«c Balliederlis; mache [PAliolarlis may;»], d.
h. mit kleinen Ku„'eln (Päliatai-) spi»^len. — Fün Knalie, der
den Nauieii Michat'l lift^^t, wirtl vnn s.'iaen Allersgewossen mit
dem folgenden hübschen Ueinie geneckt :
Micbele, Stachele [Mi/ala, Ma/,dld],
brunz ins Kachele [prünts in s Kha^^le]!
S Kachola rinnt [s Khn/j»U rint\
ü Micliele stinkt [s s tlukt] !
Und dem erwachsenen Michel singt man im Wirtshause oder
an anderen Versammlungsorten gerne ein höchst poesieloses
SpotUied :
Dt Miebl, dr Miehl (auch frs. Michel) [tr Mi/j. tr Mi/1],
der isch e brayc Mann [tftr i*s e prftfa Ukn] ;
er macht jo gaarn mtach, rntach, ratsch [ar mh,'/t jo ^4m
rüi'8, rüt's, rüt's],
uoa doobai geht er fatsch [aa töpai köt ar fas)!
Der Name Michael gilt auch xur Bezeichnung der Beschränkt-
heit. Den Aui^ruck «dummer Michelj» kann man häufig liören.
Wie Josepb> Johann, Ignaz, Margarete und Michael, so
werden noch andere Vornamen im niedrij^en Sinne als Gat-
tung<nnmen verwendet. Es sind nieist solche, die hier seilen
odej' '^-M nicht gctraj^en werden. Zur Üezcichnuii'r der Dumm-
heit ^clu aui ht man liier, wie anderswo, lien Namen Chri>,loj)ft
in der Veikürzung Slollel ['Stofl] : das isch e St. jlcsia a bluüj,
e dmainc St. [o lümo 'Stoll], e 'sliü'e St. [o *slifa' Stollj (wenn
er noch ungeschickt ist).
Noch ärger ist aber der Name Urban gesunken, Irotz seiner
schönen Bedeutung (der Städtische, Gesittete, Höfliche) ; denn
ein Urwe [Orwa] ist hier ein häutiges, sehr starkes Scheltwort
mit der Bedeutung: dumm, tölpelbaflig. Dass dieser Name so
sinken konnte, hangt wahrscheinlich mit einer alten Sitte zu-
sammen. Der heilige Urhan war auch im Elsass der Schutz-
patron des Weinslocks, und das Welter an seinem Tage (25.
Mai) betrachtete man als massgebend lür die Güte des Weins.
Refjnele es, !*o rni*>riet «rie Weinernte; war es aber schön, so
'^mI) es einen yuten Truptej». .\ugust Stöher führt in Frommanns
deulsclien Mundailen (VI 8) einen darauf bezüglichen ehässi-
schen Spruch an, <lem ich Iiier die Bezeichnung in der Laut-
schrift beifäge :
- 94
Het Sankt Urwe Sanneschiin [het S&likt Ürwa Sün9'&io],
gitt « im Herbscht e güete Wiin (kit 8 im Höfp*«t e kf »te Win].
Ebenda berichtet August Stöber Aber eine früher in Sfui-
deutschland verbreitete Sitte : c Dass St. Urban sogar der Haupt-
Weinheld war, bezeugt Flemining in seinem volUtSndigen deut«
sehen JSger III 330 : t Man findet fast im ganzen Jahre keinen
Tag, an dem die Alten des Weins halber so viel ersehen, als
eben an liiesem, da sie St. l'rbnn füi- <len rechten Weinbeiligen
gehalten, deswe^^^en auch sein Biidniss an etlichen Orten he-
rumgetragen wild. I3ei heilerm Wetter «ind sie mit j^ro^sem
Frohloc-ken ins W irl>haus ^ezrt^eii und b.iben sich allda mit
dem Trünke sein fitVeuf, weil &ie e.«« tnr ein gutes VorzoirliL-n
gehalten, dass e> em n-iches Weinjahr ^'el>en weide. i>i aKer
Regenwetter tiiij^elaileu, so halben sie iljren Weinheiligeu in
den Brunnen geworlen, zum Zeicljen, dass die Weinernte miss-
raten und man daför Walser trinken mösse. » — In Nnrn-
bei^ wurde der St. Urbanstag, noch im 17. Jahrhundert, mit
grosser Feierlichkeit begangen, wobei die Weinausrufer einen
besondern Tmzu^^ l)ildeten, den Vulpius, Curiositäten IV 221,
also bescineibt : « Voran gien^-^ ein Sladtdiener, ihm folgten
Musikanten mit Sackpfeifen und S< halmeien, hierauf ein rot
gekleideter Mann niil rundem Hute, einen jungen Fichlenhaum
tragend, der mit Spieyelchen unil .illerlei rthskngelcben behan-
gen war. iJunn kau« St. I'rhnn selbst, aul »einem Rosse bin
und her wankend, einem Tiunkenen gleicl), zuweilen au?-ni-
fend : Juchhei I Juchhei ! llim zui Seite gieng ein Mann, de»
ihn zuweilen zu stützen schien und einen silbernen Becher trug,
aus welchem St. Urban zuweilen einen Zu(^ that. Dem Trink-
patron zur andern Seite gieng eine Frau, einen Korb auf dem
Rücken, gefQllt mit Spii^elchen und Glaswaren, die der Hei-
lige teils verkaufte, teils verschenkte. Hinler Dnn gien^^en
zwei rot gekleidete Männer mit roten Hüten, an einem Rohre
über die Achsel zwei grosse Flaschen tragend, in welche sie
den geschenkten Wein füllten. Dem Zu;ie nach strömte die
Volksmenge und schi ie : ri lt tn, Urban, du nmsst in den Trog I
Regnete es an dem l.i-e «ies Cmzugs, so wurde der Repräsen-
tant des Heiligen in einen der Lorenzkircbe gegenüijer J>elind-
lichen VVassertrug geworfen» (Frommanus deutsche Mundar-
ten VI, 8 u. 9). — Diese Sitte bestand wahrscheinlich auch im-
Elsass und der PHngschlpQidderi [Ptiq'sipfliori] im benachbare
len Dorfe Pfafleuheim (vgl. Jahrbuch VI 1(57) ist wohl der letzt
Re«>t davon. Die schlechte Behandlung, die sich der heilige Ur-
ban liei ungünstigem Weiler gefallen lassen musste, trägt ver-
mutlich die ScIiuM, dass sicii mit seinem Namen allmählich der
Begriir der Dumii.heit und Töl|)clhanjgkeit verband.
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— Ü5 —
Nicht so schlecht steht es mit dem Namen Jakob, Er
dient mehr zar Bezeichnung einer gutmütij^en, unbeholfenen
Mannsperson: Jo«;gl [Jokl], Jog^^ele [JokdlaJ, [Joki]. Die
ZusammenselzunK ürackjog^l [Trakjokl] kennzeichnet einen un* ]
saubei'en Mann oder Knaben. Einen jj'ezälimten j^iössei en Yogel
nennt man Schaa^'i 'Sakij oder Schaa^ele ['Sdkaia] (vom frz.
Jacques). Auf «len Namen Jakob j^iebt es auch ein Lie<l, das
l>esonders in der Wcinlest» häufig im Chor ^ffstiii^en wird (v^l.
dazu das unter(•l^ä-^i^l•lle Märchen vom Schnürcl»eie und JSchüür-
ciiele, Jahrbuch 1 8oj :
1. Dr Haiscbder schickt dr Jogget« lim [tr lUi'atsr 'sikt tr Jo-
ksl« yB9]
firr ge Bihrle scbiddle 'fir kt» Ptiio 'sitlal.
Joggele will nit Bihrte £clitddl<i i^Jukdlo wil iiit FirU '»UUj»
Bihrle wann nit falle [Piib wan ult fäld].
JftlUi«, Joggel«. bee [Jy h«. Jokdls, U] !
Joggele will nit haime geh [Jok«l« wit nit haime k6].
2. Dr Maiscbder schickt däs Hindele fUse [tr Hai'st»r <slkt t^'
Hlntsle yse]
firr ge Joggele bibsc [fir ke Jok^Io pisa].
Hindele will nit Joygoie bisse lliutdla wil nit Jokdld pis9\
Joggele will nit Bihrle scbiddle [Jokala wU uit Pirld 'i>itld].
Bihrle wan nit falle [nrle «an nit f&l»].
Jüühfi, Joggele, hee [Jy h6, Jokele, hi]
Joggele will nit haime geh [Jokele wil nit baima k^].
8« Dr llaisehder schickt dis Bangele üsse [tr Mai'star *8lkt tk%
PaQsla yss]
firr ge Uindele schlänge [fir ke Hintola 'shika].
Baugele will nit Hmdele schlaage [Pa\ldl3 wil nit Hint^U blüke],
Hindele will nit Joggele bisse [Hlnidla wil nit Jokele pisa],
u 8. w. wie der Schlnss von Strophe 2.
4. Dr Maiscbder schickt däs Fiirle üsse [tr Mai'stsr 'slkt tde
Firle yse],
firr ge Bangele brenne [fir ke PaUdla prcnd].
Fiirle will uit Bangele brenne [P'irle wil nit PnUjU» jauna],
Bangele will uit Hindele 8ch1ria<i;e [PaQele wil uit UiutoU 'slükej,
u. &. w. Wie iti 6lr, 3.
5. Dr. Uaischder schickt däs Wasserle üsse [tr Mai star 'sikt tes
Wasarld ys»],
firr ge Fiirle lasche [fir ke FirU le'se],
Wasserle will nit Firrle Iftscbe [Waserle wil nit Firle Wt»],
Fiirle will nit Bangele brenne Tirle wil nit Fabele prene];
tt. s. w. wie in Str. 4.
6. Dr Maiscbder schickt däs Kalwelo tsse [tr Mai'btor siki tcs
KhalwdU ysd]«
firr ge Wasserle süffe [fir ke Wasarla s>ta].
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— y«s —
Kalwele will nif Wasserle süffe [Khahvdl-J wU uit Wasdrb syfaj;
Wasserle will oit Fiirle lasche ^Wasdrld wU nit Firla ld'»aj;
u. 8. w. wie in Str. 5.
7. Dr. Maischder schickt dr Mät/.gei' üsse [tr Mai stdr 'sikt tr
UAUkM ysdj,
firr g» KiUwela m&tzge [flr ke Khalw»U mötska].
Mätzgei' will jo Kalwele matzge [Metskar wll jo KhalwaU metska]
Kalwele will jo Wasserle süffe [Khalwala wil jo Wasarle Sffaj;
Wasserle will jo Fiirle läschc [Wasoi lo wil jo Firla l(^'sa!;
Fiiile will jo Bangele breuue | Firld wil jo Fa^ala prüiidj;
B*nge1e will jo Hiadele schlag«;u [Pa^ala wll jo Hlntala 'sl&ka];
Hindele will jo Joggele bisse [Hiatala wll jo Jokota pisa];
Joggelc will jo Bihrle schiddle [Jokala wil jo Plrla ^sltla];
Bibrle wann jo falle 'Pirla wann jo fula],
Jüühe, Joggele, hee [ li lie, .TokaU, he]!
Joggele will jo haime geh [Jokala wil jo haimo kej!
Voüi Naaien Jakob wuro noch zu sai^^eii, dass eine fiüh-
i-eife Traubensorle Joggobstriiwl [Jokopstrivvl] huisst, weil sie
in warmen Sommern um Jakobi (25. <Äuli) retCI^ und dass er,
mildem Namen Philipp zusammengeätelll, in dem folgenden
Reim vorkommt:
Philipp «nn Jakoowi [FIQp ün J&khöwi]
sin oi zwee groowi [sin oi tswe kröwi].
Ob sich der Spruch auf die beiden Heiligen dieses Xainens
und auf das Welter an iliren T:»^'en bezieht, weiss ich nicht.
Auch Frauennamen «lietien zur Bezeichnung der Einfältij,'-
tigkeit. So betifcit nun inil dem hier gar nicht gebräuchlichen
Namen Leonore eine dumme Frau": Dü dummi Leeuor [ty
lümi Leijor] I
AVenn sie dabei noch sleii" und uu;{eschickt ist, nennt man
sie laizi Hoen [latsi Hyan], latzi Glefons [laisi Kleti)sJ (wahr-
scheinlich eine Zusammensetzung aus dem ersten Teile von
frz. Cl^mence und dem zweiten Teile von Alphonse) oder latzi
Doredee [latsi Tordtö]. Das letzte Wort ist die mundartliche
Form des Namens Dorothea, der al<er in Rufacii gar nicht
vorkommt. Da^>s er hier nicht in Ehren steht, das geht aus
den iuigendeii Heimen hervor:
Dorodee [Tonte ^
hiit Liis unn Fk-li [hrt Lis üu Fle]
bat Aier im Sack \\ict .\.ior im iSkk^,
macht gaggedigagg [ma/.t kUcatikak] (d. h. schlfigt sie aneinan-
der).
und :
Oorede mit de lange Fiese [ToratÄ mit ta Uaa FSasa (sonst :
Fias)]
iäch Uti-i .lohr iiu liimiul gäih [i s trei Jor im Ulml ksi],
h&t Widder awe miese Ihöt witar &wa mtasa (sonst: mtonj]!
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- 97 —
Aehnlich wie Dorothea wird auch 'Iherese als Galtunj^s-
mrne gebraucht. Dü bisch elatzi TlitTees [ly pi's a ialsi Theres]!
sagt tlio Mutter zu ihrer unautinerk^nmnn \uv\ un^'^os. hi( kten
Tochter. Die IVzeichnnn;: snH von einer iu Aen 7Uer .I;ihieu
viM slorliciieii l'r.iu liot i riliicii, die Therese hiess, sehr hequem
uiul uitge.>t;hit:kl war und, wo sie ging unii stand, die linke
Band auf dem ROcken trug.
Eine schmutzige Frauenspersoa wird mit dem Namen t/r- j
suh belegt: Urschi [Ursi] , Urschl [C'r:<l]« Drackurschi ^
[Trakürsi], Drackarschl [TrakärSllTKuddlurschi [Khdtlär'si].
Der Valer sagt z. B. 2u seiner unreinlichen Tochter : Dn kummsch
dohaar wie ne KuddUirschi [ty khüinS toh&r wia nd KhüllürSi] t
Eine Kuddl [Khütl] ist sonst ein Darm oder eine Blutwurst.
Der Ausdruck erklärt sich wohl daher, dass die Gestalt einer
grol>en, UTiht lioUcnen Person an eine Wurst erinnert; vgl. den
Ausdruck Hanswurst (I). W. IV» 4(31). i l'.'hi i-ens hat der
Name Ursula in llutacli nur eine Vertrctcria, welche zudem
aus der N.n hljaischaCl eiu^elieiratel ist.
Das Seitt iistück dazui.*;! der Name üebaslian. Drack-
haschi [Trakpä.si] oder Soihaschi [Soipä.si] ist ein häufiger Aus-
druck für einen schmutzigen Mann, Jungüng oder Knaben.
Einer, der viel Waai [Wäi] (Flammenkuchen) isst, wird Waaiba-
schi [Wäipiäi] genannt.
Ein unsauherer Junge, der im Kote spielt, heisst Soidoui
[Soitoni]. Dass der Name Anton mit dem Namen des grun-
zenden, ini Kote sich wälzenden Tieres zusammengesetzt wird,
soll nach der Ueherlieferung der Bevölkerung darin seinen
Grund haben, dass der heilige Anl(>niu< aus grosser Besrhoiden-
heit Sauhirt war. Der Name diese.> IIeili^x*n wird beim Suchen
eines verlorenen Gegenstandt s angerufen ;
Hailiger Andonio [hailikar .\iit»'nio],
hilf mei' süecliej was i verlöre hah [hilf mar sya'/a,
frlöro U] 1
Statt Soidoni [Suilöni] wird mitunter auch Soiniggl [Soinikl| \
gesagt. Der zweite Teil dieses Wcuts ist eine Abkürzung von
Dominik. Andere Zusammen.setzungen mit diesem Namen
bezeichnen verschiedene Dinge : Dummeniggl [Tümouikl]
ist ein dummer, Drackniggl ]Traknikl] ein unsauberer, Stumbe- j
niggl ['Stümpdnikl] oder Duümeniggl [Ty'menikl] ein
1 Unihalm Borohardt: Dia aprieliwj^iiliditn Badensatten im
dänischen Tol]csmonde(Nenbaarbeitattg von GastavWastmann,6. Aofl.,
8. 809) erklärt den Ausdruck anders: «Hanswnrst bezeichne t eigentlich
einen Menschen, dor sich von andern als Hans gebrauchen lässt, nm
bei ihnen zu schmarotzen (eine Wurst zu vorzehreuj.»
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- 08
kleiner M miscIi. Il it ein Knabe sein Kopfhaar abschneiden lassen ^
so necken ihn die andern :
ScTiooreniggele pSoranlkDla],
Drack am Biggele [Irak am PikaloJ !
Der Name Dominik wird auch in einer Redensart verwendet.
Wenn nfiialicli einer l;in;,'sam arlieilet unJ seine Ges.rh;ifte ver-
nachlässigt, so urleilt man von ihm : Ar isch ailewill Inndo-
drah wi dr Dirre Ni'^'gi [ar is älawil hinlatra wi tr Tiro Mki|.
Diese I\edensart kommt von einem früheren Schmied Dominik
Dürr her, dessen Langsamkeit und Gleichmütigkeit spridivrdrllich
geworden ist.
Ein schlapper, fauler Mensch heisst Lunzi [Lüntsi], wenn
er noch unsauber ist, Dracklunzi [Traklünttti]. Wir haben hier
wohl eine frQhere Ko'^efbrm de? Xamons Laontiusy mit An-
lehnung an das mundartliche Zeitwort lüentsche [lyanl'sa] =
faul umherlieji^en (D. W. VI 1309 ; Schweizerisches Idiotikon
III 1347). Ein Spottreim auf einen solclien Menschen lautet:
Dr Lonii kämmt, dr Lunsi kommt [tr Lüntsi kh&mt, tr
LÜDtsi khümi],
mit eine Sack voll Lumbe [mit oina Silk fol L>impa1 ;
i bah — n — e heeie blumbe (d. h. älaik auftreten) [i hä
— n — ohAiQ plümpa]:
blum, blum, blnm [plftm, plAm, pl&mjl
Ein anderes Scheltwort liefert der Name ^^ites. Von
einer unzufriedenen, kla^^enden Frau heisst es: DSs isch e
rachdi Angenees [tös iä e ra^ti Aitdnös] I oder dfls ische
dummi Nees [t^ i's 9 tümi Näs]l Eine N^s (mit Nasen-
laut gesprochen) ist mne durch die Naso sprechende, Nissi
[Nlsi] eine zänkische Frau. Wenn das Mädchen hei Tische
wählerisch ist und dieses oiler jen( > Gericht nicht will, so
sagt der Vater oder die Mutter zu ihm: Dil hisch e Neesi
[ly pi's 9 NesiJ ! — Der Reim
Neesle fNeslo'
mit em tileesle mit am Kl^sld]!
soll von einer frühoieii Frati A;rnc^ herrühren, die dem Trunk
ergehen war u)id von den Kindern <i;iiiiit oft ver^j>otlet wurde.
bei' Name Mathilde wird in der Fona Matz [MatsJ als
Bfzcidiuuny ITir ein leichttei ti^es Frauenzimmer gebraucht. Von
dem schriftdeulschen Metze gilt ja dasselbe (D. W. VI 2151).
Als Sinnbild der Unordnung kommt der Name EUscä>eÜi
(Elise) vor. Ein Madchen oder eine Frau, deren Haare nicht in
Ordnung sind, heisst KOtzelüsi [Khytsalisi]. Man sagt auch wohl:
S isch e Küljs [s i*s a Khyts], si isch vrkQlzt [si i's frkhytsl];
und die Mutter schilt die zerzauste Tochter: Dü bisch kützig
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— Ü9 —
hlte, me maint, dfi haitsch di nit gstrahlt [ty pi^s khytsik blt9,
ma maint, ty hat*8 Ii nit k^str<] ! Eine frz. Form des Namens
Elisabeth, üsette [LisM], mrird, eiienso wie Charlotte fSär-
lot 'Särloti] und Georgette ['Soi's^>t, 'Sor*sfeli], als Pferdena-
men viel verwendet. Dafür iiommt Elisabeth in einem allorlleh-
stcn Sprüchlein zu Ehren. Wenn <K^r ßnrsch sein Mädchen zum
Tanz auffordert, sagt er wohl im Spa.s!> :
Hopsa, Lissele, lipf dr Fües [hopsa, Llsald, lipf tr Fyw],
wenn i mit dr danzt- mües [wenn i mit tr täntsa myosjl
liäiize, danze kah-ii i nit [tänt£9, tantss kbä-n-i nit],
wwn d dr Ffles oii lipfe witt [wten tr Fyos nit Hpfo wlt]!
Auch die Kinder auf der Gasse singen diesen Reim als i\ei-
genlied.
Ganz nnbeiiebt ist der Name Barbara. Er dient fur Be»
feichnung verschiedener Eigenschaften. Eine unsaubere Frauens*
person nennt man Drackbaawi [TrakpAwi]; eine dickei unbe-
holfene heisst Blumhiumbaawi [Plumplümpawi] ; eine Schwätze-
rin wird Libblbaawi [Uplpiwi] gescholten. Von einem ge-
schwätzigen Mädchen sagt man in weniger derber Weise: .
Ein anderer Neckreim auf diesen Namen lautet :
Baawele, Baaw«U, bick, bick, bick LPäwele, Fäwal«, pik, pik,
maeb msr d'&abb nit so diok [m&y mit t* Süp ntt so Ük],
ma«b mar si nit so laas (mk% msr si nit so räs}«
odder i scblaag dr sis ins Gfraas (oisr i 'släk tr ais his Kfräs] t
Die Unbelieblheit des Namens Barbara geht noch aus einem an-
dern Kinderspruche hervor. Er enthüll • ine Bitte nn den heili-
gen Nikiaus, den Sandiklaüs [Sänti-KJäysj. Am Vorabend des
Niklaustajxes (6. Derember) j^eht dieser in Gestalt eines ver-
mummten Jiurschen fodrr MrMl( lM'?is), boprieifet vom Knechte
Rüiibälz rnypelts], im Orte uiiiIht, i>esu( ht die Kindfr, hestrafl
die bösen und belohnt die guten mit allerlei F!s>- und Spiel-
■waaren.' L>a »lart i>ei den Mädchen natürlich die Puppe nicht
1 Der erste Teil von RypiltsO) gehört wohl sn Bnprscht fahd»
Hvtiodpraht — der Ruhniglänzende\ einem Ehrennamen Wodans;
uud der zweite Teil von Ry pöltsii) erinnert an das Pelzkleid dieses
Gottes. Öknti-Klüyi» und Fy peltaii) vertreten in Rafach die uuterel-
sissiseben Christkind«! und Usnstrapp. Sie sind, wie diese beiden,
wahrBcheinlicb auf die nächtlichen Umzüge sarni^snf&hren, welche
nach altgermaniecher A^schaaung Wodan und Berchta am die Win-
tersonnenwende in deutschen Landen hielten. I">er F.eel. der in Ru-
fach den bänii-Kli^ys und den Ryp^U8(i) früher begleitete, i&t ein Ver-
treter Toa Wodans ScbimmeJ.
S isch s Baawele [s i's s P&wels]
mit em Schnaawele [mit 9m 'Sn&wale].
pik].
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— 100 -
fehlen. Aber sie wollen keine mit dem Namen Barbara und
bitten deshalb den Hcilii^en :
Sandi-KIaüs, i bitt di [Santi-Kläys, i pit ti],
bring mcr doch e Bibbi [piiil raor toy o Plpi]
(Variante : schank mer e scheeu Bibbi ['saQk mor 9 süu Pipi]),
awwer k&QDs« wa Baawi haisst [awar kh^ns, wü Pawi haistj,
tTiacht will i kais [«ü«st wll t khais]!
Wenn die Kinder nicht mehr recht glauben wollen, dass die
vermummte Gestalt der Sänti-KUya bt, so sagen die Erwach-
senen zu ihnen :
Saadi-KIafla hifidam Lada [Sknti-Klkjs blntarm L&t»],
daa, wa-a-e känat, daa hat dr Schada [xik, wik^a-a khtot, ti htt
tr 'Sita] I
Diese Worte haben wohl folgenden Sinn : Wer die vermummte
Gestnlt (M'kennt und als^o weiss, dass sie nicht der Sänti-Klays
ist, der erhalt auch nichts molir von ilim. — l)em umheilie-
benden !:Kinti-Kläys .sin<*en die Buben aut der Gasse nach :
Niggo-, Nigogolaüs [Niko- , Nikoläyi],
Niggo-, Niglaüs [Nlko-. Nikoläys],
düü bisch dr schöne Niggolaüs [ty' pi^s tr 'süiio .Mkolhys]!
Das Liedchen wird bisweilen auch zu andern Zeiten ge-
?iun;,^en, und zwar als Spott auf den X tmen eines weltlichen
Sikluu6. Nach seinen Worten und seiner Weise ist ein an-
derer Reim gelnldet ; nur hat er einen gemeinen Zusatz:
Kiitze-, Kützeklaüs Khytso , Khytsakläys],
aciiiss in d'HauJ iinn lischaüs [s'iS In d*H^nt ün p'bhvsI!
Diiü hisch dr schOue KuLzckluys [ty' pi's tr 'sön-j KhyisokKiys] !
Damit vei spotten die Gassenjungen manchmal einen unter dem
Namen Ivhyls.dviäys !?ladtbekannten Mann. Der eiiile Teil dieses
Namens ist niciii etwa sein Familien-, sondern ein ererbter
Spitzname.
Oer Sänti-Kläys kommt noch in einem andern Reim vor,
in dem auch der Name Andreas steht:
Andrees [Antresj.
macht dr Saudi Klays bees [mJiyt tr Sänti-Kluys pes].
Dieser Spruch dient zwar meistens zui- Verspotlnn;: ii^Mid eines
Andreas, geht aber wahrscheinlich aut den Atulieasla- ("^(K No-
vember), der darin als Vuriiiufer des Niklaustages Jjetrachtet
wird, weil er wie dieser, schon d'Winderkälde [t Wintarkhälla]
bringt.
Ei seien hier gleich noch ein paar andere Namen genannt»
die auf Heiligenlage Bezug haben. Vom Ufatthkt» geht das im
ganzen Lande bekannte Sprüchlein auch hier im Schwange :
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^ lOl —
Msddis [Mätit]«
bricht s Iss [pri/t s Is];
hat er kais [h.'it or kbais],
macht er als [luu/t or ais\
Wie der Matthias das bevorstehende Ende des AVinfors
(24. Februar^, so liczeichnet Lorenz das des Somtnei's (10»
August); dessiialh sagt das Volk :
T«oranz [Lörants],
1os8 im Sommer e Schrai)/. [los im bümsr e Srants]!
Ein Spottreim auf diesen >(anien (auch auf Vincenz [Fitsanls]) i
lautet :
Dr LoraD2s [tr Lörants]
hftt d'Hooa« vnehlansi [höt t*HdM fr'ftlantst],
dl Kiddl Ttniue [tr Khitl farisd],
d'Bai aaira gschisM [t'Pai ftwa k^slae].
Aehalich wird der Träger des Namens Moritz geneckt :
Moritz [U6rita]
bftt d'Hooae vertpritst [böt CHÖs« fr'aprltst].
Von der Agathe sagt man im Hinblick auf den Agathetag
(5. Hornung), an dem die Erde oft aufgeweicht ist:
8 Aagat iaeh a Dra«kloeh [a Xkat l'a a TxakloX].
Da der April oft Fröste bringt, heisst es in einer Wetter-
rege) von den Tagen des heiligen iGeorg (23. April) und des
heiligen Marcus (25. April) :
Jerg ann Marks [J6rk tn Mfcrka]
bring« noch was Arks [prlQa noX wi« Arks].
Der Name Georg ist in seiner Verkleinerungsform auch tum
Gattungsnamen geworden. Bei Tische sagt wohl einer zum
andern : Scharscheie, läng d*Blatl ['Sir^sdld, leQ iTIät] ! Der
Ausdruck wird vielleic)it aus dem Grunde gehrauclit, aus dem
man mit 'Sor's (Georg) einen Kellner bezeichnet, wie mit Johann
einen Hausknecht (D. W. V 2749).
Früher beteten die Kinder vor dem Schlafengehen zum
heiligen Veit :
Hailiger Sant-Vit [hailikdr S^nt-Fit],
wäck mi in der Zit [w6k mi in tr Tsit],
dass i nit z friej unn /. spoot itäs i alt ts frlaj iiu in spütj.
daas i in dr Zit kämm [tii« i In tr Tsit kh4tm]!
Der heilige Veit ist nämlich nicht mit der Boschülzci und
Heiler der vom Veitstanze Befallenen, sondern aucli der Be-
wahrer der Kinder vor nächtlicher Bettnässe.'
Curt Mündel führt in seinen Hanssprüchen und Inschriften
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— 102 —
Den Namen des heiligen (Utrndius enthält der folgende
Reim :
Sant-Ndli [Sknt-Neli),
vnn • Umn (Fnft) well (will) i [üui • Iliui (Friy) wel i]t
Er wird den Unverheiralelen nachgeru ff^ n , die ni Ii dem
Scliauenberg bei Geberschweier oder nach dem Scliäl'erthale
bei Sulzmalt walirahrlen. In der Nähe beider Wallfahrtsorte
befinden si<-h nämiich kleine Kapellen, die dem heiligen Cor-
nelius gewirlmel sind.
Auf l< tt Namen Bläsiui geht der folgende Reim:
Blaasi [Pläsi],
i schhigg (Variaate: schiss) dr ais uff s Naasi [i siak^ 8 tr ais
Das wird von den Knaben auf tler SUasse huuG;j^ zur Zeit des
BIftsiustages (3. Hornung) gesprochen. Durch eine kirchliche
Feier werden sie an diesen Tag erinnert. Den GlSubigen, na-
mentlich den Schulkindern, werden nämlich an diesem Tage
I die Hälse g*wiche[kwlxa] geweiht, d. h. der Priester hält ihnen
zwei ;;o\voilite brennende K- rz ri kreuzweise vor den Hals und
spricht einige Worte dazu. Dadurch wird der Hals gegen al-
lerlei Uebel geschützt; denn der hl. Bläsios ist der Helfer
gegen Halskrankheiten.
Hoch nun wollen wir die lleili^'^en verlassen und noch
einige Henne anführen, die sich auf gewolinhche Menschen
beziehen. Da ist zunächst einer auf den Namen Thomas ;
Dnmas [Türaasj,
drei Mous (ein Moos=2 1.) mache dr üalä uass [trei ll6s m^yTo
tr Wn ntojl'
Das ist eine Redensart, mit der im Wirtshause mitunter einer
aufgefordert wird, den andern etwas xu bezahlen.
Von dem Vornamen Christine stammt der Gattungsname
Grischingele [Kri^siQdld]. Damit bexeichnet man eine alte ledige
etwas wunderliche Weibsperson. Der Ausdruck hat sich auch
auf alte Junggesellen übertragen.
Der Name Felix li*itt nur in einem Spottreime auf.
Wenn eine Verlobung zurückgegangen ist, wird den Beteiligten
gesungen :
aus dsm Elsass (Strastbarg, S. 04) einsn gans ähnlichen Sprach
an, der auf einer Uhr stand. Er lautet:
Heiliger Sanct Veit,
Weck mich in der Zeit,
Weck nicht zu früh nnd nicht zn spat,
Weck mich, wenn es f&nfe schläbt.
Vgl. auch Jahrb. IX, S. 69.
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— 103 —
Du mein liewec Felix [tü main Uw9r Ftiikt],
»Iis vantt Liwt ist ja widdM aiz [ky Anarar Uw» lit Ik wltor
Bika]!
Nur des Reims wegen steht der Name Augu$t mit
seiner frz. Form Aufrüste in der folgenden Redensart :
Sehllst [*Sjsi) (lin. jnsiesrichtigl,
Ogfi<t[Okrst]l
Sie wird im Spass bAuGg angewendet, um die Zu- und lieber-
einstimmung auszudrücken.
Der seltene Name Salome wird mit den folgenden Worten
verspottet :
HobbttcBt bobberdi, Salomee [Hoparli, hoparti, Salome],
S Dans« wurd di- scha vergeh [s Tltntss wärt tr *mü frk4J !
Dass auch der Name Peter nicht sehr geachtet ist« ersieht ^
man aus dem folgenden Reime:-
Beeder [Pdtar].
stopf dt EmI, sc geht er ['stüpf tr £sl, s» köl arj 1
Ein unsauberer Mensch \\'m\ Flohhee<ler [Flöpetor] genannt.
Die AntoineUe oder die Eugenie necken die Kinder:
Andonäddle [AntonStld],
Bihrebläddle [PtraplötloJ,
üeschenii [Y'seni],
Bai-eblii [PkrapliJ !
Der Name Martin tritt mit frz. Aussprache in einer
scherzhaften Redensart auf. Um einen zuia Stillschweigen auf-
zufordern, .sagt man hüuGjj: Dü doa, Mardin [le loa, Marti J
(fiz. tais— ioij ICartin)!
Der verliebte Jfingling singt seiner angebeteten Hosa die I
Sehnsucht und die Bewunderung in den folgenden Worten : ^
Dü harzgebobbeltes Ueesle [ty hartskapopaltas B68I9J.
o wenn i di narr hatt [o wÄn i ti n&r hat]!
Vam Käpile bis ans Fiesle [füm Khftpfla pis kna Fiasla]
bisch dü 80 matnaidig nat [pl's ty so mainaittk nat]!
EUne Abkürzung des Namens Bartholomäus haben wir
wohl in einer Redensart, die im (ganzen Elsass und (hMil)er
hinaus bekannt ist : Wart i will dr zai^^e, wu dr üardi dr '
Moscht holt [wart, i wil tr Isaika, wü tr Parti tr Most holt] I
So droht wohl einer dem nndern. Doch ist die Herleiltmg-
vom Namen Bartholomaus niciit sie Ium , da der Ursprung der
Redensiirt noch nicht genügend auigeklail
In einer andern, ebenso häuügen Rfdcnsart stehen die
Namen Konrad und ßerahurd mit Iii reu Verkürzungen
KOenz [Khjants] und Banz [Pants] für eine grossere Gruppe
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— 1Ü4 —
alltäglicher Menschen. Wenn x. B. jemand einen Gegenstand
hei verschiedeneu Poi sonon vcrL:('l)lich gesucht hat, so sagt er
zuletzf niissmutig: I bin bim Küenz unn bim Banz umegloffe
unn liali s riit bekiitnme [i pin pim Khyants un pim Pants
ümoklof.i unha s nit pokhümaj ! Unil wenn die Krau fl Unrecht
ihres MaiinP'« bezeu-ren will, Iw rufl sie sich auf das öflentiiche
Urleil mit 'len Worlea : Du kahach züom Küenx uim züem
Banz [j^eh. «In wur^sch nit Riehl finde [ty khjl*s tsyam Khyants
ün tsyani Pauls ke, ly wur's nit Baj^t finlaj ! — Den Tod reicher
Leute köndigt man an, indem man alle, den armer Leute,
indem man nur zwei Glocken läutet. Im letzteren Falle
strengen sich die lÄuter nicht an, weil sie doch nicht viel dafür
bekommen. Es giebt daher oft nur eine Baromeläi [Pftmal^]
ein schwaches Geläute. Dann sui^^t das Volk: As liddet Orr
dr KücDz unn dr Ranz, Küenz, Banz [as litat fir tr Kliyants
ün tr Pants, Khyants, Pants]. Dahei ahmt es durch die Wieder-
holung dieser belHon Namensformen das Geläute nach. ' — Die
elsässische Zusammensli llun.ir heider Namen hedeutel also das-
selbe wie die sehriftdeiil>i heu Hmii und Kunz (Heinrich und
Kourad, D. W. V 274« und IV« 88i)) oder Hans und Kunz
(D. W. IV s -456).
Auch die Namen Leodegar und Gertrud werden auf
ähnliche Weise gebraucht. Auf die neugierige (Vage: Wer
hät der s gsait [wer het tar s ksail]? erfolgt wohl im Spass
die ausweichende Antwort : S Loodegaaris Drüddi [s Lötakäris
Tryli]! Das ist nur scheinbar eine Antwort; denn so jemand
giebt es hier nicht. Die Seltenheit der beiden Namen hat
wohl tlie Redensart veranlasst.
Fine ei;;enartiyo NeliPtihedeutung hat der Name Justinus
erlaubt. Seine frz. I'orin Jii^lin Itozfirhnef in Rufarh einen
drollii,'en, iiiiersp innti'ii Menschen, eheu-n die Zu*iriiiiiiienseU-
ungen S«dnisllbäml)es [Sysllbpärnpas] und ScJiüslIgadoors
['Systlkatörsj.
Noch sonderbarer ist es dem Namen Julius ergangen.
Die frz. Form /ules (in Rufaeh: 'Syl) ist nämlich auch eine
euphemistische Bezeichnung des Nachttopfes (anscheinend aus
Frankreich eingeführt).
1 Hi«r noch ein anderes Bsiq»i«l ans Rafacb, wie das Volk den
Glockeaton dantet. An jedem Wochentage wird nni 1 1 Uhr Yormittags
das Gloscbderglöckle |K16'st3rklc>kId), das Glücklein aaf der Kloster-
kirche, geläutet um den Leuten im Feld und in den Rehen den T>e-
vorstehenden MittriL' anznknndi^^en. Den eintönigen Klang ahmt
man nach, indem mau bingeud sugt : Gang heim, trink ois (kalU
hatm, triQk ais) !
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iÜ5 —
Auch Thiöbaud, die frz. Form von Diebold ist hier ein
Galtunganame. Diebbo [TiepoJ heisst nSmIich ein viel gebrauchler
Rauchtabak. Das Wort kommt aber nicht von dem Vornamen
her, der hier ^mt nicht in der frz. Form Qblich ist, sondern
von dem Familiennamen des auf den Päckchen genannten
Stras:sbur«;er Fabrikanten.
Die Hedensart: im l'^lrioli riefe [im Ylri/ riafo] hpfletilH
auch in Hiifrich : sich crljrechen. Si(^ hnt ihren Grund n\n'V nur
in der Klaug-Ahiiliclikeit des Namens Ulrich mit dem wider-
lichen Tone jener Thrdij,'k<Mt.
Von jüdischen Xanien ^jehen in Heimen besonders Itznj
(Isak) und Schmule (Samuel) im Schwange, obgleich kein
einsig^er Jude hier vrohnt* Ich führe nur zwei Sprilche an :
Dl Itzig kuuiuit r&ide [tr Itsik kliüait ke raita (sonst: ritdjjt
dl Zaidnng in dt Eand [ti Tsaitftijl (sonst: TsitüQ) in tr Hkat],
nnn sprach (sonst ksin Imperfekt) sfts seiner Uämme [im ^sprUx
tsyd sainar (sinre) Mftne]:
di QoWn isob im Land [ii Xolr& i's im Lkat]
und :
Dr Itzig uun dr iSchmule [tr Itsik üu tr 'Smule],
digehn mitnander in d'Sehalle [ti kta mUnimter In t'*8üls (sonst :
dr Itzig nimmt das Nftfldlebratt [tr Itsik nimt täs Ny'tloprat]
nnn schleed Im Schmnile d*Naas evagg [üu 'sl^t im *SmüU f N4s 9wak j.
Viele Namen freien in dem Lieil von der armen Magd
auf. Es ist halb schrilfdeuisch, halb mundartlich und soll hier
den Heschlu?<s bilden:
Ach, icli anno Magd!
Meine Not mich täglich plagt.
Solang ich noch ledig sei,
schlaf ich alle Nacht allein.
Sei es Tag oder Nacht,
schlaf ich oder sei erwacht,
mich begrüssen
auf den Füssen *
und mein armes Bild veracht't.i
AUe Morgen in der Früh'
taXV ich nieder anf meine Knie,
bete alle Gotter an
mir za boscheren einen Hann.
Er mag buckhg sein^
oder mit einem krummen Bein,
er mag hinken oder stinken,
Schlaf ich doch nicht mehr altein!
Hier scheint etwas zu fehlen oder verstümmelt zu sein.
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Jiirg, Beeder, Michel. Franz [Jork, P6tor, Miyol, Frünts],
Kaschber, Mälcher oder Uana LH.bä'8par. 3i^l}(^fr uUr Uaus^i
Valediines, Laadewig [FkUtiaas, Lutawlk],
Bftudle odd«r Ooonenik [PArtto ot»r Tdmanik],
baist «r Nun odd«r Staffe [kaist «r Nfttsi otor «Staf«],
hailt er Michael [haist ar MV/äöl].
Ulrich o.Ider Raffn^l ;ülrix oter Rkfk6l),
haist er Chnschdian [haist er Kri'stiän]
odder Baachdian [otor Pät atiän]:
wenn ■ nnrr haist: et lifit Hoose — n — ah [wta • nftr haiet:
or b^t Höse — n — ft).
Sai er Beck odder Färber [sai er Ptk otar Färpar],
Schnaider oddei- snnscht e Gärber ['Snaitar otar suti'st o KäcperJ,
sai es glaich e liosestricker [sai ds klat/ d Ilüsa-strikdr],
Scbäeschder odder sunscht e Fiicker ['Syd'ater otar aiLn'sta Flikar]»
sai es glaieh ja gar a Jaager [sai es klai^ jk kftr e J&ker],
miiretwaage e—n— andere Faager fm(retw&ke »— n— &nteie P&ker],
sai es glaich e Müsikant [sai as klaiy a Mysikhänt].
kämm i e GtotU Kamme &s em leediu'" Stand 'khüm i a Kots
Nama ys am letike 'Staut] 1
Nachtrag : Aus Versehen ist aiit S. 102 des vorigen Jahr-
gangs hinter Ambrosius der Name Andrea$ vergessen geblieben.
Seine P^ormen lauten : Antres, -i, -la, -ala, Tr^si, Tr^la^
Träsale, Ä.tre (frz. Andr^).
Schlüssel zur Lauibezeicliaimg nacli Kräuter.
Jeder Laat hat nur ein Zeichenjedes Zeichen bedeutet nor einen
Laut. Daher '/ = t^'. Q - ^^fl' oder $ — sch. ts = s. Da das Elsas-
sische b und p. (1 und t nicht unterscheidet, so wird mir p t gebraucht;
g wird durch k vertreten, k vor Vokal erhu.it ein h : i/^ khan =■ ich
kann. Doppelkonsonanten werden vereinfischt Bei den Toluüen wird
offene, dem a nfthera Aassprache durch Gravis aagedsatet: d ist
= ü; ä ist dunkles a; Accent bezeichnet Länge: S6 — See; Circum-
fleK Länge bei offener Aussprache: Tsän = Zahn. Dehnungszeichen
fallen weg. y ist = ü : 9 dnmpfes e 'u\ Nehensilben. Nasalirte Vo-
kale erhalten ein uutergeschriebenes Häkchen, welches die Druckerei
in Ermangelnng der hieran nötigen Typen darch ein Hfikchm aar
Seite ersetst hat: JA,t s Land im Ifünsterthale. JP. M.
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IX.
Münstertlullor Volkslieder.
Gesammelt von
J. Spieser.
A. Satirisches.
a » Jtek fkm Sü.tr nä.liet. ^
Tr Khäphmitsdld khCirot \9 KbölwAi ri, kdt&pt»
r hfet ti Pöltskhäp evvr a,'.i, Yor "iiä, kalipt.
loift r fürt pets e la -Wäll,
sd würt m iox *Yor ne(t) kliälti
LeidSd Mätsala khämi *o trtsyü;
lar höt a -Jtjom äs we a 'Khyü;
r hH tswei 'Falja ün a 'Peil.
tyiit tox Leiasd 'MatsaU so weill
1 Fflr die (von Kr&uter vorurteilte) VerwendaDg von Orossbach-
staben innorhalb meiner diesjiihrigen Lantschrifttexte lohne ich die
Verantwortung ab. Der Leiter des Jahrbachen hat dieselben in meine
Haudächrift hineinkorrigiert. Ich hatte ganz lu derselben Weise ge-
Mhri«b«ik wie im vorigen Jnhrbnch S. 209 ff. Da die Draekerei so
S keine Xajnakel betitzt, hat sie dieaelbe dnreti J enetst. J.
> Wie mein Vnter mir eraihlte, gab es einit in Sondernaeh ein
Lied, in dem jeder einzelne Bürger des Dorfes mit einem Spottvers
bedacht war, Ans diesem Lied kannte er aber nur die Paar Verse,
die ich hier mitteile. Die Art, wie darin die Eigenheiten jedes der
Besangenen karz und treffend gezeichnet sind, genügt wohl* um die
Anlagen der alten Sondemacher an satirischer Dichtung sn kenn*
zeichnen. Nach der nachfolgenden Obersetanng darf freilieh das
Original nicht beurteilt werden.
«Der K. kommt den Kohhveg liereingetappt, er hat die Pelz-
mütze über das eine Ohr hinabgestüipt ; so gebt er fort bis in den
— 108 —
Tr •Lörd^tsarnalr,
tiis es e äld -FaljamAyr er Fätr.
r inse.i.t, r es tr riyst e tr -kä^ls 'Kamöin;
r hät 'sewdtsö Fieitl */pak lah^im.
Hiete käu i *n8ein e >JüQrs Hys;
tr 'Pall tn'ikt ti 'Myra nys;
e Jüqrs -Hys, terl es s •ne(t) khlr:
Ii Jpära 'äiesa ßn tr Jir.
Jailr wyünt iit Sü.trnd,,
OS es 0 t;onr läqr Ma ,
(a)r es uunul aon 8 Wallola käqa
ü hei 3 Mys fer d Eiyr kfa^d. i
3 JYiilr wyünt öf Si'i.trna,,
tar h^t 90 kifeint LUaIr,
S9 t&pa n 901 ewr ta PukI nä^
we so jA^i Misalr. >
4.
Wfpn tr Jnitr 'riU wel,
rit r üf in Pok;
nyo 'spant r s Kilülo fürua Irä^,
nyo föra sa xm KäMop.'
Wald. So wird ihm wenigstens das eine Ohr nicht kalt. — L. M.
kommt auch daza, der hat eine Stimme wie eine Kuh; er hat zwei
Felgen nud ein Beil. Wie thut doch L. M. so wild! — D«r L.-
d«r iat alltr Felgwimaeliw Tat«r. Er maint, «t sei d«r BeiehsU ia
der gansen Gememde. Er hat it&mHch 17 Viertol Speck sa Haue.
— Jet/J geh ich nicht mehr in J.*8 Hans. Die Armat drftckt die
Wände hinaus; in J.'s Hans ists nicht gehener, die Sparren schiessen
von der Scheune». (Leiasd, Qen. t. Leias d. i. Elias, hier Hüfname.)
1 <EUn Schneider wohnt za Sondernach, es ist ein dünner langer
Hann, er gieng einmal in ein Wäldchen und fieng eine Hans fBr ein
Siohhömehen».
2 Ein Schneider wohnt zu Sondemach, der hat so Meine Lftosehen,
^ie laufen ihm den Buckel hinab wie so jnnge Manschen.
* Wenn der Schneider reiten will, so reitet er auf dem Bock;
dann spannt er die Ziege vornc dran, daua iahreu sie im Galopp.
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— 1Ü9 —
B. Melkeriied er.
5.
Helkers Berglied. >
•W.Tn ti Tni'ijkla :kliei|o,
•Wien ti Malkr :saäu^,
•wii'ii lä^' kri'Mio :Kräs
•iif t;) P.u'i :stu't ;
•\v;rii ti Klii'ilr ;\veitt»,
•liet Ir Malkr :Frcita :
Wiuu ti Süll üfwa/l
■im e s Hetid läyt,
*kiöt tr 'Malkr nys,
«lost ti *Kh6ilr ys.
'wsen ti 'Khöilr wöit»,
•hol tr Malkr Frfeita :
'lü^tik *jyo*höl
Khumt tr Mexlstä,
mäs r fäm Pari rd.
Kryt du Ryiiwa müs r frasa,
Tsekr ü Potmät müs r frkas9,
6 ty tryriks Meyali
fer läs Malkrlif
6.
Melkers Abschiedslied am Steptaansta^. '
*Het e§ trei
'PffiDldbstA,
•morn e& tra
•Trel.
I Anoh hiervon kann ich leider nar ein Bruchstück mitteilen
tWenn die «Trinkein» (eine Art Knhgloeke aas Bleeh) klingen, and
die Melker singen, wenn das grüne Gras anf den Bergen steht« weno
die Kühlcin weiden, hat der Melker Freuden. Wenn die Sonne anf-
wacht, and ins fiftttlein lacht, geht <l6r Melker hinaus, lägst dii»
Köhlein aus Kommt der Uiuhaelistag, muss er vom Berg
hefab, Kraut und RUben mnsi er fressen, «Ziger» and «Bottmatt»
(gewiase als Delikatesse geltende Helkerspeisenf die er sieh anf dem
Berg nach Belieben herstellen konnte) mnss er vergessen. 0 dn traa»
rige^ Mirholciii für das Melkcrlein ! »
- X;i( Ii ilt 111 Grundsatz « ein Knecht, eine Magd und ein Stroh-
hut smd nur tur ein Jahr gut» (vgl. Jahrb. VI, S. 147) piiegteu die
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— 110 —
'laki mi tr äit
•Meisir :»'nn Ars,
•Wien r mi nmm
•weU
7.
•fipflniyus ü Peraniyüs
'mä/t äs iy fäm Mäiälr myüs,
•äwr Kryt ü $pak
'prse^t mi nel »wak.*
8.
Wie^nlied.
'NijQdId nä.nold; Wäkaid Jtroi,
*hit i kh Khtentab, w&ri kö Froi.
*bät i nie Jc& MA, kdnüma,
*w&ri nie es Ünklek khüma.
•Selwari R6if ön täfoti Päin,
•ha ni kaireit xm lelika Jtäin.
•älas hei mr tr Ma, frsofa,
•$ m 8 Kürila 'näJk9\o(9.*
Baaern, bevor Fabriken im Thal waren, alljährlich ihre Knechte zu
wsehseln. Am 26. Chrirtmonat fand der Umrag der Knechte, das
«Bündeln» za ihrem neuen Meister statt. Wamm das Wort «drei»
liineingeflickt ist, «heut' ist DreibOnde'eiiistag > ivriss ich nicht zn
sagen, ebensowenig den Ansdrtick «Prei Drill» zu erklären. Sollte
vielleicht ein Tanz oder sonst eine Lustbarkeit am dritten Weih*
nselitstag stattgefunden haben und damit gemeint sein ?
1 Beispiel «ines Konj. Pris., welebes nicht MMgestorben ist, wie
Mankel gemeint hat (« Laat> nnd Flexionslehre > Seite 49.) Andere
Beispiele: khüm r ^tr khüm r net; mä/^ r whs r wel; khQr dtr
nei; sei r tsofreto öfr net.
* Apfelmus und liiraenmus wacht dass ich vom Meister muss;
•bar Krant nnd Speck bringt mich nicht hinweg. — «mjt«> statt
«müa», nnd «äwr» statt «äwr» um des Reimes nnd der Betonung willea.
3 Ninele, nanele, Wiegelchen, Stroh, hfitt ich kein Kindchen,
wär ich keine Fran. Hätt' ich nie einen Mann genommen, war ich
nie ins Elend gtjkommcn. Silbere Lii'ife und taffetno Bnnder bab ich
getragen im ledigen Stand Alles hat mir der Mann versoffen, es ist
ihm die Gorgel hinahgelanfen.
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9.
S slül 1 €» Pewela» a Ir Wa^l,
liM d fipfab e tr Hd.l«;
hfet s Nvülo piutai,
eä m ne ksrötai.
8 khümt 9 Mys
ün pist m 1179;
8 khumt 9 Kfaftt)
ün lakti) m tsüi)
s kliüint d Keis
ün losl 9 krdsri), krdsr Pyr^SMs. <
10.
Kilo, rilo. Rtjsola!
üf P-\^\ Miel 9 Jles^lA,
üf Klioliiir sliM 0 Klokahvs.
s lyiik» [rei Märeia rys:
fein §pa'nt Sito
Ii ä,tr 5i nt [oder trÄitl Wit»
ti tret Spa nt [oder rälnX] Häwrstroi :
half tr Kol, mi liewi Pattfroi. «
' Für stiel, piewala, pryot^. koiyoto. khyü, tsyü, kryosr. Inder
Kindersprache treten für die Diphthongen ie, ie, yo, yü die langen
Vokale 6, e, u, ü ein, bzw. haben sich erhalten. Solange ein Kind
4iMe Diphthongen, sowie das Zacgen-r nicht sprechen kann, sagt mau,
M rede «kheiniS* (kindisch).
* «hft|t» statt «}iai}> um des Reimes willen. Doch kommt es
anch snnst vor; z. Ii. fä hä t von Hand; ferner in allen Znsammeusetz-
UDgen; hü thC-p, hfL.t^reft, h;V.tyüy_ (Handhabe. Handschrift, Handtuch .
9 £s steht ein Büblein an der Wand, hat ein Äpflein in der
Hand, bat es wollen braten, es ist ihm nicht geraten. Es kommt
eine llans nnd beisst ihm draus, es kommt eine Knh nnd sieht ihm
an; es kommt eine Gais und ISsst einen grossen, grossen Banemsoh
* Wird geeangen, wenn man ein Kind anf den Knien schaukelt :
Reiten, reiten, Pferdchen. Zu Basel Kteht ein Schlösschen, zu Kolmar
steht ein Gluckenhaus, es schauen drei Marien (?) heraus. Die eine
spinnt Seide, die andere dreht Weiden, die dritte reuugt Haberstroh:
helf dir Gott, meiae liebe Rettelfraa!
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11.
Jtira slira Mekalo,
tr Her seki nii cwi- s Prek^U»,
wei' mr ep«*s ket, tär es a Ayala,
ü \v»}r mr ait ket, es a firik, lirik ülopayol^,»
12.
LuJSlik, wil mr -letik sa,y,,
lu^lik, wü iiir lävva,
wj'ii ti Triwl -tsitik sa,\i^,
kie<ii) mr e ti Biw».*
13.
Anonieiala 'heis i,
heps piL'ni, tAs 'wfeis
ryuli Jtiajj^pfalr ha^ni,
hd,lrt Tdir frmä, ni.
hü.trt Tälr s^X '^^ kanyü,
9 müs nä, n a hep^r '|äU trtsyü. '
14
Kikarikik aem kriena Kräs,
i ha, ti h^ra rysa.
Meitala, n.em ke piesr Md,,
ta khä^s na nacm frtysa. *
15.
Ryotr Wi,
ü Tst'ikr tr'i !
harlsiik Jalsala, ty pes nü,
awr net fer eika.
1 Qenuigvn tdh «iMm Kinde, das die Aagen sadrflckt and die
Hand ausstreckt: «Steaert, steaert Mftckchen, der Herr schickt mich
übers Brnckrhpn Wpr mir etwas j^ieht, der ist Engelein, und
wer mir nichts giebt. ist ein feurig, feurig Ofeubengelein.>
Lustig, 80 lang wir ledig sind; lustig so lang wir leben: wenn
dl« Tnraben zeitig sind, gehen wir in die Reben.
3 Äiinamariechen heiss ic]i. hübsch bin ich, dass weiss ich; rot«
Strümpfchen hab ich, Hundeit Thaler vermag ibesitz) ich Hundert
Thaler sind noch nicht genug, es mass noch ein hübscher ächfttz
dazu.
4 Kikmki im grünen Qrw, ich h»b dich hdren miMben. Hftd*
cben« nimm keinen böeen Hann, dn knnntt ihn nicht mehr vertmuchen.
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- 113 —
Jis ef5 Khapold
syk am Tsepfob,
s würt tr sü fiicitdl'
10.
Wet ty mix
wel iy liy net,
»3 bi\, iy tiy n;i'm karn ;
UQ laks ty miy pi Tu u'ni Ärö,
99 pryx^ ty Lä'tarn.*
17.
hdp s Watalo wii *näJ9
18.
/iiiik, Juak, stiuk Ii Hörnr ly.s»
i *werf ti ewr &1i 'H^ka nys. «
11).
Tr -Häntsl arn Pay
h^t 'loitr kyi'it Säy,
liet w'i'l? ke *lesa,
höt ti 'Hüsa, fr — resa. *
Sfepab Pepala P;\rolrak,
pis e tr Khäts 98 Lox dwak.<
I iioier Weiu und Zacker drein ; herzig Schätzchen du bist
mein. Aber nieht f&r eigen* Seh. ina K&ppeheD, sang am Zipfel-
ehen, es wird schon Terletden!
* Willst da mich moht, Will ich dich nicht, so hab ioh dioh
nicht mehr gern, and . . so braachst du keine Laterne.
^ Eselein, ia ; Halt 's Schwänzchen weit hinab !
* Schnecke, Schnecke, strecke die Hörner heraaSi oder ieh
werfe dich ftber alle Hecken hinana.
^ cDer Hansel am Bach hata einzig gut : hat wollen fischen
gehn. hat die Hosen ver — rissen.» Wird Knaben, die Hans heissen»
nachgesangen.
3 Spottlied aaf den Namen Josef. Seppele, Peppele, Bärendreckt
Beiss der Katx das L. hinweg
8
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- Iii -
2i.
•Ryotr -Fuks ;t'in •Hi. iii vtäl,
«fres U fdr^kl9 Hienr ä\J
oo
Kikdli kik<^li ralsa.
morn kbü'ma ti ^pätsa,
ewrmorn Ii FivQk,»,
ä\i Jytd Sta^Qka.«
*>3.
[ Xü :'i>o inirir sMinr*.
ti Kliatsa iiiay.t Juyo,
söwone en •niin "Nayl.
. Ir Tc'ifl hol ti Jvlv> ktuiiayl.ä
24.
F&senftytliet.«
Siloi;jL> aui las H\>
6 btiel 0 sieni Frui a'in lUn.
Khieyh ryß, Khiexlr i yt,
6tr i SId a Lo}^ e s Bysl
1 Spottlied filr Rothaarige. Boter Facht im Hühnei-etall, Friss
die verreckten Hfthner alle.
" Geigen, geigen, ratzon ! raor^rn kommen die Spatsen. über-
morgen die Finken allo Juden stinken.
3 Mit Nachaumung der Judeusprache. „. ? Neschomme [hebr.
ne§&m& Seele] die Katzen machen Jnnge, aieben in einev Nacht, der
Teufel hat die Jaden gemacht.'*
* Gesungen beim SaAimeln der Fasnachtsküchelchen am Sonn«
tag Invocavit Dieeen Sonntag nannte man auch die Bauernfasnacht
(«PyrafAsaiKi'/t» ), zum ünterschied von >\(-r <Herrenfasnacht> am
Sonntag vorher. Seit 2 oder 3 Jahren scheinen sich die Grossthiiler
Bauern als «Herren» zu fühlen, indem sie jetzt ebenfalls die «Herren*
fasnaeht» feiern im Oegeneata aam frahom Gebrauch Seidenfaden
um das Haus ! Es steht eine schöne Frau im Hans. KQchlein, heran»,
Kächlein heraas ! oder ich schlag ein Loch in's Haas.
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Die Münsterthäler Grussformeln
einst und jetzt.
I\\s Knabe bdrte ich öAer l'olgendes Geschlchtchen erzählen:
Ein Münsterihftler gieng einsl «ins Welschem» (es waläa) um eine
Kuh zu kaufen und kehrte mit seinem fies^leiter, den er als
Dolmetscher milgenommen hatte, in Gerzei (Kirlsäi, franz.
Gemrdmer) in ein Wirtshaus ein. Dort fiel ilirn das Benehmen
eines ihm gegenüber sitzenden Gastes auf, der ihm, so oft er
niesen mussle, die unverständlichen Worte vö! sa tc!» (ä volre
sanU) zurief. Er hielt das für S|io!t und liaj^te seinen Bej^leiter,
was es wäre. Der teilte ihm mit, es isri ein arges S<him}»f-
worl. was jener iiumer wiedethole, er wisf^e aher noch ein
viel ärgeres, das er ihm als gehührende Antwort empfehle, und
das laute «m^rsi». Unser Münsterthäler. merkte sich diei^es
Wort genau, und als der urelsche Tischnachbar ihm wieder
sein «a völ ^^Xe% zurief, antwortete er mit grosflier Entrüstung:
«Mörsi, 'Mörsi, ü *ni^ myol MfersiV'ty 'kröwr 'üipüj»'
Der also seinen Gefühlen Luft gemacht, hätte gewiss nicht
geahnt, dass einst in yeiner Heimat das "NVort, welches kt als
vermeintliches groJies Sdiimplvvort einem «Welschen» an den
Ktipf geworfen, nls «höflichere», «vornehmere» Daukcsformel
-das einheimische «laiilNikof) odci o läijklrkotj), l»ank euch (<lir)
GoltI verdrängen würde, iiie MeuiUi*|;, dass im Kamj)f ums
'.Dasein immer das Ücssere siege, und das Miiitlei'werfii^c 7urm:k-
weithe, wird unter anderni auch duich die Ueobachlung Lüjieii
Gesammelt von
J. Spieser.
Leitwort :
O iu>;,'lück!<t>rKe Slunde. da das Fremde
In diese sUU beglückten Tbhler kam.
Der Sitten fromme Unschuld zu zerstören.
SctiiUer.
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— 116 —
gestraft, dass im Münsterthal die abgeschmackten eintönigen
Interjeklianen «'piisür» und « püswar», Cbon joury bon soirj,
bei denen sicli die Mehrzahl der Sprecher nichts zu denken
vermag, die schönen, tnannij^falligen, sinnigen Giiissfortnehi,
deren f<ich die ThalbewohncM' bis noch vor zwei oder drei Jahr-
zehnten bedienten, fast völli^r aus dem Felde geschlaj^en lialii n.
Uin die in den allen Grussforraehi enthaltene Well voll
Poesie nicht t^anz in Ver^e^ssenheit sinkea zu lassea, möchte
ich hier den Versuch machen, sie wenigstens auf dem Papiere
der Nachwelt zu überliefern.
Ich möchte dabei einen Unterschied machen, xwiiichen
Grussformeln, die im Hause und solchen, die beim Be^gnen
aut der Strasse gebraucht wurden.
Trat man am Morgen i n ein Haus, so lautete der Gruss
gewöhnlich «cküto Morja», die Antwort darauf entweder
«kutäiik» oder «-tä^ktr Kol» (bczw,, wenn der Eintretende
rd ter war die Angeredeten, c täQki Kot»). Ebenso lautete
ih r Gruss am Abend «'k u ta N yo wa» — «'k üTaq ks,' bezw.
c(täi]klr Kot (t ä 1} k i Kot). Kam man zu einer andorn
Tageszeit, su j^ru^ssle uiaii beim Eialrelea in die Wohiistuhe
mit «'KAt half i> (Gott belf euch), worauf ebenfalls mit
«*Kütä«k» gedankt wurde. Traf man die oder den Haus-
bewohner vor dem Hause an und gieng dann mit ihm in die
Stube, so erfolgte dei' Gruss erst beim Betreten derselben.*
Ob dieser Gebrauch mit Hat. 10, 12 cWo ihr aber in ein Haus
gehet, so grQs^^et dasselbe» zusammen hängt, möchte ich nicht
entscheiden. Traf man die Leute beim Essen, so sagte man
«•Küthalfi, Rai "Kot» (segnet Gott) — «t ä q k t r Kot,
wet (b«.'7.w. wa j/) -o methälta? (willst du auch mitballen?)
— «n»''i, '^es tä^kaswÄrt, i hä, *krät o kaso» (nein, es
ist dankenswert; ich habe soeben auch gegessen). Gieng man
fort, sü lautete der Abschiedsgruss <*K h ü |>iet ij» (Gott behüt
euch) [mit Versetzung der Aspiration in die Tonsilbe, vgl,
griechisch gen. xptx«^» t h r i k s, t r i k h ö s, J* die Antwort
lOb «Ku'täQk» iOottdanks) oder tkü* TkQk» (gaten Dank) za
schreiben ist, Yermag ich nicht za entscheiden. Das Beispiel zeigt
eben, wie anzaträglich &b«rbaapt äroubachstaben in wissenschaft-
hcher Schieibang aiad.
2 Auch wenn die Stabs gans leer war.
* Segnen hslist s&is; ia unbetonter Stellang wird s&i sa
sai verkürzt.
* Ein arideres Beispiet dieser Art bietet der mundartliche Name
des Ephen, der in Günsbach »*a \) h ä i». in MUhlbach « h ä w 6 i»
heisst Die hochdeutscbts Aussprache «Efea* beruht bekanntlich aaf
ftulscher Aaffsssnog das pb.
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— 117 —
f*phieti Kot». Fand der Abacbied nachts etalt (war man
ttsd kwaha» [tarn Abendbeauch] gewesen), so lautete der Gniss
cküt -NA](t» — cphieti Kot», wozu etwa noch kam
fSlyo fo w y ol !» — twa^ns Kola 'Wel aS üo 'IJ 'o!»
(Wenn's Gottes Wille ist, und du auch!)
Beim Zutrinken snj^te man tKsunlhöit», worauf der
An(Jere erwiderte «s a i -Kol». «Gesund» heisst aber in der
Mundart fk'^n l», somit ist das Ziifrinken mit «K.sünthf»if)>
verhällnisiii 1 Mg junger; in älterer Zeit soll man statt dessen
gesa}?t h;<lit;!i «i pra?Q Irs» (ich bring dir's), zu dessen Ver-
ständiiis zu beachten ist, dass alle aus einem Glase tranken.
«sai'Kot *lkQktr Kot» (ti^kikot) war auch der Gruss,
wenn man auf dem Felde vorQbergieng, wo gerade ein Imbis
oder das Mittagsmahl eingenommen wurde .1
Wenn einer niesen musste, so sagte man c*halftr Kot»
('half i Kot), worauf er antwortete «'tä^k i Kot, half as
Kot e äla!» (Dank Ihnen Gott! helf uns Gotf allen!)
Am Neujahrstag lautete der Gruss : «'Kuthalfi (küta-
morja) ; i w je,i,s i a klekhaftik säli k(s) nüiJyor, Kiek,
ü Ksi\theit ün älas wäs r i salwr waej^so. » — «i
wif'j^s f m r wM'^iJa) tr (i) -o sö fil.» (Gott helf Ihnen : ich
wünsche Hillen ein glückhaf^i},' selig Neujahr, Glück und Gei^(iil(^-
heit und allesj, was ihr euch selber wünscht ! — ich wünsche
(wir wünschen) dir (Ihnen) auch so viel !)
Was die Formel des Dankes anbelangt, so ist zu bemerken,
dass nicht fOr jede Kleinigkeit, wie ThSraubnachen, Aufheben
eines auf den Boden gefallenen Gegenstandes u. s. w. gedankt
wurde. Wo der Fall wirklicher Dankbarkeit gegeben war, sagte
man : «chiets täqki Kot, pet s i s k h .wM mä^^' (j^^
dank euch Gott bis ichs vergelten kann.) Ott auch: cw^spaeni
hiets äültik?» (was bin ich jetzt schuldig?) — (nit,) s e§
» Bemerkt sei hier beil üTifig. dass nie, auch anf dem Felde nicht,
ohne Tiscbtach (Te.sIäXd) gegessen wurde. Die Mublzeiten waren
<s FrAiStek» (FrllbstQek), bsatahsnd aas «Kbfts • 'VtjoU bu Tag«s
anbrach, »• *Morjaasa> btstaheiid ans iigMud «n«n Gamftta
(Kryt, Ry&w», Pä^neia. ßpflmyüs, P^rorojiks, Kwatgapfsfr, Plktp
k^m:i1ts3ni. Pfliits, Arpsapäip, Pyün^pJip [Krant. Rüben, Gelbrüben,
Apielaius, Birnemnaa Qaetficheiuuus, «in der Platte geschmelzte
(Kartofieli))*, Kartoffelbrei, Erbsenbrei, Bohnenbrei,] u s. w.) etwa tun
8 Uhr, sTstfwaasa (Uittagsmabl). beslebend aas Khfts • &rtipfl mit
Wein oder Kbesmeh/ dazu, s Fiara^tekla bestsbsnd aus Kise
und Brot und Wein, und endlich s N^'/t as« bestehend ans irgend
einer Sappe oder Kepraklte f Bratkartoffeln) mit «Khf smeliyv va klie
der Kbiipyü ia der «Heimpes» vom Berg mit heruntergebracht hatte.
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m —
nei trwärt.» — H9 wöis i nit Is ikmk tr .Kot,
pets i s khä^ (mr 8 khaßna) :wet nia/d. >
Bei ße<,'egnungeii ausserhalb des Uauses unlerliess man ei-
nen eigentlichen Gruss, wcniyrstens so weit mein Gedächtais
reicht. Dit\ nur |KM'.>6n!ichea FtMaden },'e^enüber unterlassene,
Hönit^hkeilsljezeu^run^ bestand bloss im «^pas tsyü bim
säko» (etwas zu einem saften), was meist eine Frage enthielt.
Nur am frühen Morgen sagte mau «cküta -Morp» — woraul"
der andere mit ckütiiQk * antwortete und irgend eine der na<;h*
stebenclen Fragen daraa koflpfte. Bloss «im Pfarrer oder sonst
einer vornehmen Persönlichkeit, sagte. man auch cküta Tä»
und ckü lo Nyo WS» (g. Tag, g> Abend). Die Frdge, die man statt
ehies Grusses stellte, richtete sich- ganz nach dem, was der An-
geredete gerade thai. Gienjj man an einem ünlhälijfen vorüber,
so fragte man «wäs 'kets?» was giebt es? worauf die Ant-
wort folg-lo ff -ne t I i 1 .) nicht viel. Dieselbe Frag^e rifhtete man
an Leute, die auf der Strasse beieinander standen und schwatz-
ten. In diesem Fall sagte man %vohl auch: « s ( r y o s d a r ? »
« slrasset » ihr?'' — " j'i", (In solchen Antworten wurde
das sonst kurze a voii «ja » meist gedehnt J. Einen Hirten
fragte man: «hd§ (bxw. ha.i^r) kyüt ShyJ » (hast du gute
Sache?) Einen Ruhenden ctyütsds (dsu)? geht es 'so? oder
«pe$ bzw. (sse.i.r) am rui»?» (bist du am Ruhen?) Einen»
der einem auf der Strasse begegnete,; fragte man: €wet (bzw.
wa,i,r) tö r i X 'nüf (bzw. türiy 'nä,)?» oder auch «w et Ii e i ra?»
öder «wet üf *h^im 16s .S. (willst da nach Hause?) bzw.
wel 'fürt? wobei man natürlich wissen müsste, wo der Be-
treifende wohnte. Bekanntere Leute fragte man auch «wü-wet
Än;»?» (wo willst du hin?) « wii pes k ? ;i\ ? i ("wo bist du
gewesen?) Zur Essenszeit fragte mau: wai, r o ke aso?
wai^r nfs Tsowoasa 16s? bzw. hajj -o kaso? haij tsa
Morjd kasd? h aj^r -t.söwdkaso? haj^r tsa ^ «^/l^ kasa?
Konnte man die Frage nicht bejahen, antwortete man etwa
'het ni^ net (heut noch nicht) .oder auch *fil myol (schon
oft). Traf mau jeniand. ^tt\. Brunnen, m» lautete die Frage je
nach der BesehifUgung cha^i.r TürSt?» ca,i«rW&«r h'6'le?»
waj.r tränke (tranken)?» cwaj.r s^fr mäya?» (wollt ihr
wasöhen ?) In der Heacrnte fragte man die Mäher: «hoit s
OS (p r it f) ? oder « h o i t s k y ü t ? » (schneidet es gut ?) Ant-
wort: «ja» «(ja)i^, oder «-net sr> k:1r£> (nicht sehr); oder wenn
einer dengeltet <Si^<i.r am 4arpf m^x^?» «ta]|i9ur?^ Zu
1 Unter « strasseti » versteht Jer Miinsterthaler zunächst auf der
Strasse bei einander stehen bleiben, itm zn schwatzen : er sagt aber
finch,; M «gehe zu Strassen», wenn er auf Besuch in ein Haus ^ehi<
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— 119 —
den andern « Heiwriit » sagte man «8:ej,r am spreita?« (seid
ihr am ausbreiten ?) hzw. \v a q a (wenden) l»z\v. t s a m a
mäyo? (zusnratnento^^en) ofler <(h a i r ters?» (habt ihr Dür-
res ?) Hei der KartoH'elernle fragte man: flcsa;j,r am talwo'»
(seid ilir am ausgraben?) oder «kcls wyol 'vs?*) (jjiebl es
guten Krtrag?) War letzlere Frajj:«» nicht zu bejahen, so hiess
die Antwort « 'n e t s a k ä i » oder <ics kiel k aT Q i ä / t
*h&r> (es geht gering zu). Einen Fuhrmann fragte man «ha,i,r
*o wetr lätÜQ» (habt ihr auch wieder Ladung ?) einen mit
der Herde umsiehenden Melker oder die, die mitgienn^
cw4«ti9nr?» (zieht ihr um?). Am Sonntag fragte man : «wa,i,r
'0 e ti Kheli)r?Ji (wollt ihr auch in die Kirche?) «wa^^r *o
patd?j» chä§ '0 kapat?;» War ein Leiclien])egängnis ckien
r .'0 miBm Liy a?» (geht ihr auch mit der Leiche?)
Selhstver-^t indlich macht dies V^erzeichnis nuch nicht ent-
fernt auch nur »nt h^lbe Vollständigkeit Ansprucli. Ks <5oll
nur einen Begnii ^» ben, in welcher W^eise man einander an-
redete. Oft knuiifte sieb an derlei Fragen noch ein weiteres
Oesiprach. Man mag in die^>en tiürussformchi^) den eigentlichen
cGruss» zwar vermissen ; aber in der Sitte, dass der Münster-
thäler an keinem menschlichen Wesen vorbeigeben zu dürfen
glaubte, cohne etwas zu ihm zu sagen», lag doch etwas sehr
Schönes. Das NichtgrQssen nennt der Münsterthäler «n & w d
ni^lr fer loifa we Hüin» (neben einander vorbei laufen wie^
Hunde) und bezeichnet es damit als menschenunwürdig.
Dem Münsterthäler fällt es, wenn er z. B. in die Nordwesleckc;
des Elsasses! kommt, immer sehr auf, dass die Leute dort im
Dorf beinahe an einander stolpern, ohne einander zu beachten,
und »tass, \v»'nn sit' einmal etwas zu einander sagen, dies in
den mei>;ft'ii i' allen ir^'^end ein IJz ist.
Und was ist nun aua dem genannten Fornienreichtniii heute
geworden? Es ist licinahe alles auf die beiden frenulen, unver-
ständlichen Inteijektionen <<[ p ii S 6 r » und «p ü s w ar» zusammen
geschrumpft. Und was das auflfallendste ist, dieses vollständige
Cberwuchem des Einheimischen durch Fremdes, Welsches,
hat sich grossenteils erst seit 1870 vollzogen, seit der Zeit, wo
die amtliche Verwelschungsarbeit aufgehört hat. Wer trägt
* die Schuld? Einmal die sogenannten Gebildeten des Thaies,
die um ihre überlegene Bildung zur Schau zu tragen, kein besseres
Mittel wissen, als in fremden Zini^^en zu reden, ah ob jeder
welsche I>ro( ken dem Sprechenden eine Art AdehbriiM" verliehe.
Sodann scheint es mir eine Unterlassungssünde von Seiten der
I Die Beobachtung habe ich zanächst in Waldhambach gemacht,
fli« wird aber wohl auch far die Umgegend vielfach zntreffen.
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— 420 —
Schule, dass sie solchem irreleitenden Einiluss nichl mit aller
Macht ent^gentritt und deri.'Ieichen Thorheiten vor der heran-
wachsenden Jugend gebiihrcnrl lächerlich macht.
Auf den volkswidri^jrcn Kinllnss der vorhin </enafinleri Kreif?e
ist auili die Unsitte wohlhabcniier Bauern dej> Thaies zuiück-
y.ulUliren, ihre erwachsenen Kinder einige Monate «ins Wels^ciie»
zu lliun, als oh man dadurch Bildung erlangte, dass man in
einer zweiten Sprache ungebildet iat. Die Sitte ist allerdings
nicht neu und hatte vor 1870 ihren Sinn, obwohl damals schon der
Erfolg nicht immer den gemachten Ausgaben ^tsprach. So
enfthlt die Überlieferung von einem Bauern, der der reichste
seines Dorfes war und es darum für standesgemAss hielt, seinen
Erbprinzen tes Wal so» zu thun. Die-^er nauor kam eben
von einem Besuch seines Sohnes in Pöfrt C Beifort J oder
M :p i p 1 • k a i t ( MonthiHiard ) zurück, und wurde von feinen
Landsleuten geli agt : « w e e s s , k h l i n r P y ii s ii w a 1 s
«wals -röta nä. net» war die Auskunft, «äwr äCäiio
wals 'frasa» (Wie ist's? Kann lifiii Sohn sclioii franzö-
sisch? — i laiizosisch s p rechen noch nicht, aber einstweilen
doch französisch fressen (d. b. erbateinstweUenfranaSsisehe
Tischsitte angenommen)).
Nun, zum welsch Reden babens die Hünsterthftler»
Gott sei Dank, auch beute noch Dicht gebracht, aber doch zum
welsch G r ü s s e n ; auch sind sie eben daran, die Vornamen,
sowie die Bezeichnungen für verschiedene Verwandt-
schaftsgrade zu verwelschen. Auch beginnen sie, leider nach
dem Vorg^np: der sof^enanntcn «Alfdeutschen«, die einheimischen
deutsclitMi M o ?i a t s ij amen durch die welschen zu ersetzen.
Hoffentlich dienen diese Zeilen dazuj das Auge unserer S Itul-
behörden auf diese Entwu kelung der Dinge zu lenken, und sie
zu veranla.'^sen, das Ihrige zu tluui, um unter einem urdeulschen
Volksstamm, der einst sein Deutschtum unter franzQmscber
Herrschaft so treu bewahrt, deutsche Art und Sitte auch
unter deutscher Herrschaft zu erhalten«
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XI.
Das Elsässer Judendeutsch.
Von
C. Th. Weist.
JEs isi etwas Eii^'enlhüinliches um die Mundart der Juden.
Als sog. Judendeutscli, > verachtet, unterdrückt oder läclicrlich
gemacht wie seine Träger^ bietet es doch für Sprach- und
Volksgescbichte loleressiintes genug. Einiges davon mag hier
angedeutet werden, soweit es auf die nachfolgende Darsteliiiug
des Wortschatzes des heutigen Elsässer Judendeutsch Bezug hat.
Zur Geschichte des Jfldisch-dcutschen ist hier nur kurz zu
bemerken, dass sich die Juden schon zu ihren allen Zeiten
fremde Sprache und Cultur in liohem Grade anzuei}?nen ver-
standen haben, so hej^onders Aramaeisch. ^^eitdem sie dann unter
den Deutschen lebten, ;siii hleii sie nalüilirli, besonders wi und
so lange ein freier und re^er Vei kehr zwi^iciion lit'iiien herrüclile,
sich in Sprache und Leben ihrer Umgebung zurechl zufinden.
Da sie aber mhc an ihrem fremden Slammestum festhielten
und äussere und innere Störungen die Weiterentwicicelung
hinderten, blieben sie auf halbem Wege stehen und so zeigt
ihre Sprache denn alle die Gebrechen und Unvollltommenheiten,
wie sie jeder Fremde im Volkstum bei blosser Aneignung der
Sprache ohne Aufgeben seiner Besonderheit uns heute auch zeigt,
1 Die vcrsoh. Definitionen des Jndendentsch n. bei Av6-Lallemant
Das deutsche Gaanertum. Leipzig III T. S. 198-207. üeber
Judendeutsch überhanpt vcrgl. bes. A v 6-L al 1 e m ant a. a. 0.
III. T. S. 41— 55, 1%— 537 idie uUere Litteratur S. 211-259), IV T,
Anhang A. 8 881^612 (WGrtotbaeb des J.-D.;, J. II. Jost Ge-
schichte des Judentoms n. s. Sekten 1859, III 8. 206, 878 > 95;
Z u n z Gottesdienstl. Vorträge 1832,8.438—441. Ersch n. Graber
Aligem. Encyclopädie der Wissenschaften und Künste II Sect. T. 27
S. 3^3 Art. I. D von J. M. Jost und später citierte.
— 122
wie z. B. bei uns ansässig gewordene italienische Eisen-
babnarbeiter.
In sich abei' war diese Spruche gefesligl, und so be<^ann
für sie mit Erfind iin;r der iiuchdruckerkunst eine Blütezeit.
Aeusserlicti verbroitele sie sich nun rasch in i^am Mitteleuropa,
sie schut sicli eine eigene Sehrillai t und brachte es zu einer
bedeutenden Litteratur, an der auch das Elsass in erheblicliem
Maasse belheiligt war. Ihr Inhalt war (aal ausschliesslich
religiöser vnd moralischer Natur. Nachdem das Bedörfniss
gestillt war, trat bald wieder Yerfiill ein, und als endlich seit
Mendelssohn eine wirkliche Reformation des Judentums von
innen heraus begann, und der Staat sie in die Gemeinschaft
seiner Bürger aufnahm, da verschwanden jüdisch -deutsche
Litteratur und Schriftsprache immer mehr und hörten schliess-
lich gan^ auf.
Dagegen hat sich <las Jüdisch-deutsche selbst, von Mund
zu Mund überliefert, in den niedern Schichten als ^ioineine Ver-
kclirsspraclie erhalten ; auch ist für den schriflliclion Verkehr
die bequeme Kurrentschrift ül»lich geblieben, besonders fürRabbiner
und Geschäftsleute. Denn es lasst sich in ihr, — abgesehen
davon, dass sie fQr Dritte kaum zu entziffern ist, ^ auf demselben
Räume mehr als doppelt so viel mitteilen, als es in deutscher
oder lateinischer Schrift möglich ist.
Doch auch der Umfang dieses mundartlichen Juden-
(b iilsch ist in stetem Abnehmen begrilfen. Wie der deutsche
Dialekt von den höheren Gesellschaflsschichten abgelegt und
verleugnet wird, weisen auch die eine bessere «soziale Höbe
einnehmenden Juden ihn' an«r<*bnrene Mundart ab. Die
charakteri>-tisrlion Züge schwinden .<o allnialilirh aus deui .hulen-
deiilscb. Ausf^or den gesellschafi liehen Verhüllnissen wirken
hierfür besonders noch zwei Gründe, einmal der gleichmachende
Einfluss der Volksschule und dann der bessere KeUgions- und
Sprach'Unterricht der eigenen L^rer. (Gebildete und geschulte
Rabbiner und Vorsänger haben die früheren polnischen Lehrer
ersetzt, die den in Polen modificierten und verdorbenen Dialekt
der s« i! dein 15. Jahrhundert dahin ausgewanderten ol)erdeot-'
sehen Juden zurückbrachten und weiter pflegten und verdarben.
So sind der heranwachsenden Jugend schon eine ziemliche
Menge von Ausdrücken und Worten fremd geworden oder un-
bekannt; an (ItMeii Stolle sind deutsche Worte im Gebraurh.
Pflege findet da« Ju-lfudeutsche eben nur noc!» m der Familie
und hier mehr na( b der Seite der Beligiou, Sitte und dem Ge-
brauche des hüuilicheu Lebens. L'iid auch hier — es sind
die einfachen und orthodoxen Familien — zeigt sich der Einfluss der
inneren Emancipation der Juden, es werden nämlich die Dialekt-
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— 123 —
Wörter durch die in die deutsche Sprache eingestreuten reinen^
ctassisch'hehräischen Ausdrücke ersetzt.
Einen Be\e^ für das Abslerl»en erhalt man, wenn man z.
B. mit dem folj^enden Wörterbuch das vor etwas über iOO
Jahren nuf;:estGlto und bisher vollständig übersehene «Verzeichnis^
der \"n ileneii .Iiidcfi «»iiderliefi auf Ross Märklen g^ebräucli behau
heliraisi lien Worter und Kedeüsarlen9 von W. E. Freiherrn von
Rei/.ensleiiiJ.Vaspaoh-Beyreulb.Geh. Rat undOI>erstallmeislei,sj);i-
lern Ober-Amtmann zu UUeubemi, vergleicbt. Trotzdem ernui die
aus dem Hebr&iscben. stammenden Worte glehly bietet er doch
einen SfacbenWorlsctiAtz und zwar nicht etwa bloss Scliacfaeraus-
drucke« sendeten ein vollstdndiges jüdisch-deutsches Wörterbuch.
Das deutsche Element kömmt in den lieigegebenen 5 Gesprä-
chen zur Geltung. Man vergleiche auch das im Anhang mitge-.
teilte Gericbts-Protokoll von Mutzig aus der Mitte des vorigeni
Jahrhunderts mit seinem Wortschatz.
(relieii wir noch weifer zurück uml nehmen ein Klsäs<er
Bei-spiel seihet. Da stell! uns Moscheroseli im 6ten seiner Ge-
sichte Pbdanders von SillonWald zweiten Teils ein Verzeichnis
der Feldsprache, d. h. Gaunersprache von ca. Worten
auf.^ Von den ca. 3U jüdisch-deutschen Worten darunter sind
kaum mehr ein Dutzend, zum Teil etwas verändert, mit Ablei«
tungen und Zusammensetzungen im G<ebrauch,> sei es nun^
dass die andern als specifische Gaunerworter in Misscredit ger
raten oder dass sie sonst abgegangen sind.
£ben weil sich in der niederen Scbachersprache der Judeik,
gemeine und gemeuiste Ausdrücke genug Finden, die nur in
engen, fast verl^orgenen Kreisen bekannt sind, ist das Juden»
deutsch vom Gaunertum für seine Zwecke nu^^febeutet worden.
.\ls man sich dann n)il der G a u n e r s p r a c Ii e näber )>e.scbät-
iigle, und in der-eiben die vielen hebrftisclion Wörter fand und
auch das Jüdisch-deulbclje .selbst einen nicht kleinen Gebalt von
Bezeichnungen für moralische und andere Defekte bei oft derber
und niederer Ausdrucksweise aufwies, kam man dazu, Gauner*.
Sprache und Judendeutscb für' gleichbedeutend anzusehen.
Trotzdem ist das Judendeutsch streng zu unter«tcheiden von der
i' ' ■ . ' «
' Dasselbe tindet sich in dessen Werk : Der vollkommene Pfei'd«-
kenner etc. 1. Teil. Anhaug S. I7H tf. 1780. Anspach.
* H. H. llosch«nM6b Wilst&ti*. Gssichte Philanders Toni
Sittewald. Anderer Tbeil. StrMsbarg, bey. J. R. M&lben 1Q4&
S. 629—
8 Es sind die folg.: acheln (No. 3), alchen (204), barlen (421),
beth (28), bosshart (61\ brajen (426), geuffeu (157}, lehem {232}^
iness ti<jö;, seffel (378), schoeker .326).
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- 124 —
eigentlichen Gaunersprache. Beide sind in ihren Elementen
Iprundverschieden.
Allerdings lag es sehr nahe, Juden- wnd Gaunerspruche zu»
sammenzuwerren, schon we^i^en des dehnbaren BegriiTes des
Gauners. Auch stellten die Juden einen {grossen Prozenlsatz der
Mitglieder der Gnunerjiresellschan, oder sie bildelen die Helfer
«nd Hehler dcrselheii. Die deutsche silfliche Hechts-Ans« hauunfr
aber hat von jelier den Stehler tür so ^r'it wie den Hehler ;.^e-
iialien. Dann wird al>er auch das Jüdisch-deutsche von »ien
Juden gerne als geiieiuie Geschäflsspracbe benutzt. Indem ich
Beispiele aus d«* Litteratur anzuföbren unterlRsse» mag hier
nur bemerkt werden, dass mir selbst der Vorsieher einer gröss-
eren Israelitischen Gemeinde rundweg jede Auskunft verweigerte
unter der ausführlichen Begründung, dass durch das Erforschen
und Aufzeichnen schliesslich doch nur dem j^emeinen Manne
und Bauer ein Handbuch der jüdischen Geschäflssprache in die
Ilände kommen könne, durch welches er dann in Wirtschaften
und auf dem Markt, in Handel und Verkehr die Juden be-
lauschen könne und so Einlilick in deren Geschäfte bekäme.
Sehen wir das Juden-deutsch auf seine Bestandteile
hin an, so finden wir ^^rosse Mannii^faltigkeit. Den Kern des
Wortschatzes bilden alt hebräische und daneben auch aramäische
und rabhintsch-talmudische Wörter nebst deutschsprachlichen
Weiterbildungen derselhen.i
Auch sinnlose Bildungen kommen mitunter vor, die mit
der früheren Unterrichtsart zusammenhing«!, nach der die
Kinder ohne Verständnis oder Erklärung einfach die vorgespro-
chenen Worte, später Zeile um Zeile der Gruodlehren und Ge-
bete fler jüdischen Reli;jion nachsprechen und auswendi^-^ lernen
njussten. Kin Reis|iiel bietet Nr. -"^2i; v^l. auch '2 am Ende.
Kiue kleine Gruppe bilden die aus dem Lateinischen, Ara-
bischen und Französischen aufgenommenen \V(u le. Grösser und
interessanler sind die Entlehnungen aus dem Deutschen und
«einen einzelnen Mundarten.
üie aufgenommenen deutschen Worte, denen man erst in neue*
fer Zeit besondere Beachtung zu schenken scheint,* sind zugleich
auch ein Merkzeichen für die Kulturentwickelung der deutsehen
Juden. Die meisten sind alten Ursprungs aus mittelhoch-
deutscher Zeit. So bat die jüdische Sprachbildung aus jener Zeit
manches getreulich bewahrt, das uns verloren gegangen i^t.
Vgl. in Nr. 43 die alle Endung auf m, wo wir heute n setzen
' Vereinzelt auch rablialistische Bildungen wie die No. 145.310.
^ Vergl. bes. Max Qr&ubaum jüdisch • deutsche Chrestomathie
Leipzig 1882.
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— 125 —
Damals lebten die Juden nicht nur im Volke, sondern auch mit
dem YoIlce;6rst mit dem 14. Jahrhundert trat die grosse, blei-
bende Trennunj^ ein, welche die Juden in ihrem Verkehr auf
die niedersten ivhissen beschiänkfe. Vorher heleili^ten sich Juden
mit bei den grossen Kulturlt i-^tm ,?en des gruizeii Volkes. San;,'
doch in Franken ein jüdischer Mimu»san'ier, Süsskind von
Triniberi(, und wn kle noch 1331-30 ein Jude im Elsass, Samp-
son Pine, als Dolmetsch der franzosischen Vorlage bei der Par-
dvalerwetterung mit, die Wisse und Colin im Auftrage des Herren
Ulrich von Rappoltstein dichleten.i Ueber den Dolmetsch ist
nichts fiberliefert als sein Name. Er ist aber wohl mit den
Flüchtlingen in Beziehung zu bringen, die Frankreich in der
Zdt von 1280-13U(> verlassen mussten ; denn im Allgemeinen
xeigen die Eisässer Juden nicht mehr französische Kenntnisse
und Beziehungen als die Eisässer sell)st. Auch gieht es eine
jüdischdeutsche Bearbeiliin,^ dr's IVifferepos von Wigalois.
Nicht nur die Juden li.»i)eii liumals ans der ileulsehen Sprache
sich bereichert, sondern auch diese nahm manclies iiebräische Wort
auf, das uns heute als einheimisches Volks wurt ersclieinen will.»
Nicht in allen deutsclien Landern erhielt sich Umfang und Bil-
dung des JOdischnleutschen gleich . Wie sich auch die deutsche Spra-
che in ihre Mundarten gliedert, so serfitUt auch das Jüdisch-deutsch
anlehnend an diese in seine Provinxiatdialekte. Eine bedeutende
Stelle unter denselben gebflhrt dem Els&sser Juden-*
deutsch. Von den ältesten Zeiten leben gerade im Elsass
die Juden bis in die kleinen Dörfer im ganzen Lande zerstreut»
wo sie mit dem Volke in engerer Berührung bleiben mussten.
AU Erinnerung an diese Zeit enthält denn auch das Eisässer
Jüdi-^t Ii -deutsch mnncli alles deutsches Wort, an dessen Stelle
im lienuchbarten Baden hebräische Ausdrücke peliraudil werden
z. B. die No. MX) (173); 443 (38o), 43U. 43G. vWi). 427.
Aus dem Französischen dagegen hat das Eisässer Juden-
deutsch nicht m^r entlehnt als der Eisässer Dialekt selbst.
Die Eisässer Juden waren deutsche Juden und verkehrten und
handelten auch später unter französischer Herrschaft mehr nach
Deutschland und im Lande selbst Vergl. die No. 421. 426.
428. 430 (?)
Einen besondem Eisässer Juden Dialekt, verschieden von
der allgemeinen Mundart, unterschieden Mitte des vorigen Jahr*
> Parcival von Claus WitM a. Pb. Colin hg. v. K. Schorbach in
B. V der Eis. Litt. Denkm. von B. Martin a. B. Schmidt 1888, Strass-
barg, S XX. XXXI, .\LI.
> Bdisp. giebt 0. Behaghel, Die deutsche Sprache, in Wiss. der
Oagenwart 1886. S. m.
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hunderls Prof. Clu y-;inder in seinem iSciiriflcheii «vorn Nulzen
-des Juden Deutseben». 1750. Wolfenhuttel. S. 4 wnd unter den
Keuereu J. M. Jost in Erseii uiid Gruber a. a. 0, S. 3t25.
; Das EligeutiiiulicUe des Elsäs.«er Jüdisch-deulsch zeigl sich
i>esonders, wenn man es mit dem der NächbarrachaA vergleicht.
50 sind in Baden eine Menge ehAsser AusdrQcice einfach unbe-
lannt, sie werden nicht verständen; es sind die unter folgen*
den Nummern aufgefahr ten : % i3. 18. 23. 26. 39. 40. 41. 47.
^. e2,b. 71 letzte Redensari. 83 b. 87. 88. 08. 99. 115. 130
Ra. 138. 171. 178. 183. 189. 212. 223 Eu.le. 234.235. i>06 h.
270. 271. 275. 277. 288. 315. 344. 361 lia. 37i. Im^; alle
deutschen Worte bes. 416. 419. 421. 422. 424. 425. 427. 428.
431. 434. 435. .i38. 443. 449. 453. m. 459. 4m. 470 473.
475-77. 479. 481. 485. Andre werden als seilen bezciehnel und
wieder andere gelten als verpönt» ja man Ijezeichncl tie jieradezu
als ((Jauner Wörterj», als nur l'ür die unterü^ten Elemente
iverst&ndlicb, als gemein und verachtet sie.
Anderseits wieder kennt das Elsässer Judendeutsch eine Reihe
isonst üblicher Ausdrücke nicht, so z. B.. die in Baden gebrauchten
wie sie die folg. Nummern enthalten : Nr. 3 G. 10. 20 Ra.
47. 51. 54 Ra. 55. 56. 60. 60 b. 69. 72. 73 Ra. 74.
51 Ende. 105. 108 b. 109. 124 b. 12r.. 147. 150. 151 a. 152
453, 154.161. 162. 173. 18!!.. i'Jü. 193 Ende. 200. 204.
208. 209. 225. 226. 23U. 238. 2iüa. 248. 249a. 252. 255b.
258. 261. 264 H-a. 209. 273 i;a. 276 b. 283. 284. 286. 291.
294. (3(Mi). 303. 3u4a. 306. 310d. u. 31(i.-. 313b. 320b. 323.
326. 3;)i. 332. 335. 347. 350. 1354. 361 b. 365. 367. 369. 380.
386. 389. 391. 398. 405 Ha. 410. 411. 418. 430. 432. 437.
440. 446. 448. 46L 464. 466. 467. 480.
Vor den andern zeichnet sich • die Elsässer Mundart
durch iluren fast regellos ei^heineaden Vokalwechsel aus>
ihre breite Aussprache . und die besondere Vorliebe für den
Diphthong aUy die sie nur mit den schwabischen und pijinischen
Juden gemeinsam hat. Dieselbe geht soweit, dass sie auch in fal-
scher Analc»j;ie deutsche Worte ergreift z. B. 470 und 055, wo un.ser
deutsches Wort malen, elsässisch molp(mola), zujdd. maule wird.
.\ehnliehes jhissirt auch mitunter im üi-reit lie der deutsclien
Mundarten bei deui HenuiUen sirh schritUleuUch auszudrücken.
Eryiel^ Jsich schon au.-> dem vorher " Gesagten, dass das
Judendeutsch eine deutsche Mundart ist, so tritt dies noch
deutlicher hervor, wenn man die Wort^ und Satzbildung näher
verfolgt. Wir erkennen, daSs das Elsässer Jüdisch- deutsch au|
alemannischer Grundlage ruht, dass es sich eng an die Vollcs-
mundart anschliesst. Eine Grammatik desselben gieht es nicht,
vie auch der einzelne Volksdialekt keine hat.
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Aussei'iiem lial das Jüdisch-deutsch doch manche hebrfiische
Formen gereltel: so die Plural- Endungen im und os und ;aich
besonders in Zusammon-scJzun^ren Hon hehrusrhen Artikel lia und
einiges Andere mehr. S()n>l tritt uutden Korn hebräischer Stämme
doulsLli^pi acliliclie UniiMlinum-, \iiv\ das -io jjestallete Wort
wird uU dt'ulsclies weileriieliamlell ; aber nicht nacli Schrift-
deutscli, Sondern, wie oben bemerkt, «far olt in veraltetem,
verdorbenem, mi^sverstundcnem Dialektdeutocb. Dieser oft son-
derbar anmuteodeD,. halb unbeholfeneD, halb fremdartigen und
kindlichen Ausdrucksweise verdankt das Jüdisch-deutsche seine
grosse, oft unfreiwillige, komische Wirkung. und Verwendung.
Kein reines Judendeutsch mehr zeigt sich in den Juden -Witzen
dfM' Witsblälter, , etwa der «Fliegenden Bläiteri» mit ihrer
Sammlung «Der jüdische iSpassvogel Jocosus Hebricosus»
u. dergl. m. Denn es ist liici eine wohl auf tlem einzelnen
Charakteristischen beruhende, ahoi verall;remeinei l»' und blei eotype
JucJensprar he herausgebildet worden, ähnheb der Sprache der
Sludenleu, der Zoten, dem i^ieulenantsdeulsch derselben
.Witzblätter.
Was das Hauptwort angeht, so zeigt die jQdiscb-deulsche
Sprache bebrftische Worte in allen Formen, vielfach im Plural,
die wie ein deutscher Singular behandelt werden (vergl. 2. B,
Nr, 3. 7. 14. 16. 149.)
Neue Worte werden gebildet durch Anhängen der Silbe
ket gleich nnserm deutschen beit an hebräische Adjective B.
Nr. 1«. 218. t>8J.
Eine andere jüdi^t fi-deutscb'' Kndiing ist iseb, die aber nur
nc'b veiein/idt vorkommt: so hei Nu. (><>a und i4i. Deliebt wie
im AlciaaiHiisehen und Kränkiseheu .-^ind die Deniinutiv-Endun-
gen auf le uiul eiie, die auch an den Plurul an^^e.selzl werden
?. B. No. 41, 51. 152. 2-23. 310. 316. 351. 454. 401 402. 4ü 4.
Das Femininum wird sehr mannigfach gebildet durch Anhängen
einer Silbe: vergl. die No. 129. 279. 220. 286. 309. Der
Plural, wirft ent.wed^r bebraisch gebildet, oder mit der deutschen
form er wie bei No. 11. 204. 309. 332; auch ein angebängtes
S findet sich einmal bei No. 316. Manchmal wird das Wort
auch mit seinem deutschen oder hebräisc^hen Artikel zur Ein-
heit verschmolzen : so bei No. *M. 'WO. 402. und 5. 7. 13. 187.
2i0. 253, 11. a. m. Kiiie merk\vunli-e Vmwanilhui;^ hat beim
Geschleebt der Wim le nach deutiscb-thalectiicJicr Seile hin slall-
j^eiuiideii. lui iiebräisciien ^'iebl e> kerne Neutra. Für das El-
sässer .Judendeulsch werden aber eine Menge Worte als neutra
bezeichnet, die vielfach unter dem Einfluss des sächlichen Ge-
schlechts des deutschen Wortes diese Wandlung vollzogen haben
werden; so die unter folg. Nummern berichteten : No. 5. 7. 14.
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— 128 —
59. 71. 73. 83. 85. 86. 94. 106. 108; 139. 158. 176. 182. 186.
188. 195. 2:32. '-m. 246. 254. 255. 256. 318. 347. 351. 371.
376. 379. 384. 394. m.
Eine Eiüentuniliclikcit <ies Jüdisch-deutschen bilden auch die
nach deutscher Aualügie j^ebildelen Zu.sammenselzungen, in denen
sich wohl auch hebräische und deutsche Worte zusammen finden:
vergl. die No. 28. 29. 30. 42. 60. 124. 134. 146. 183. 215.
224. (324), 349 und No. 81. 87. 331.
Das Adjectiv ist nicht sehr stark verlrelen im Judisch-
deutschen wie auch im Hebräischen. Einselne deutsche Bildun-
;ren linden sich z. B. in No. 310 und 390, eine Besonderheit
bietet No. 436.
Das Fürwort ist fast stets da.s deutsche, doch einige he-
bräische haben sich behauptet, besonders wo sie mit dem be-
ztijrlichen Worte zusammenschmolzen und so oft interessante
Neubildungen ergaben, vergl. ive und in No. 71. 98. 412.414;
el, le bin, zu in No. 22. 231. 23ü ; be in, an, mit iti No. 34.
Am bäulJiisten ist das zur Participialbiidung gebrauchte min,
von wegen, das als mt, uh^^^eschwächt me, vorgesetzt wird, vergl.
u. a. No. 124. 241f42. 244. 202^. 272. 275)76.
Ebenso wie bebrflisithe Subslantive und Adjeclive deutsch
behandelt werden, wird auch der hebräische Verbabtamm deutsch
ronjugiert, ja es werden oft einfach hebräische Worte als
Verba nach deutscher Art nectiert.
Solche einfache Zeitwörter sind No. 3. 20. 40. 91. 115.
117. 124. 185, 204. 218. 227. 457. 455. 252. 261. 271). 289.
311. 321. 330. 334. 338. 345. .399. 400; 173. 2.«). .Vndine
Verba erhalten deutsche Praelixo wie ein in No. 115, ver
in No. 277. 315. 320. ßesonders beliebt sind im Jüdisch-deut-
schen die mit sein verbundenen Adj. und Participialformen
vergl. z. B. die No. 58. 115. 196. 211. 214. 242. 245. 263.
263. 276. 280. 281. Andere werden reflexiv gebraucht, so No.
40. 78. 274. 287. 358. Auch haben und machen werden
als Hfllfszttitwdrter angewandt vergl. die No. 34. 47. 165. 181.
Die Aussprache und Betonung ist ganz mundartlich deutsch,
der Accent tritt von den Endsill>en zurück auf die Stammsilben,
damit verbunden ist eine Abschwächung der Endsilben -Vocale.
Aber auch sonst zeigt sich bei *len Vocalen i^rossei- Wechsel
in der Ausspradic, hesomlers Inlt u an Stelle des o, vielfach
ei an Stelle des einfachen e; o wieder verwandelt sich in au,
u wird zu i (NO 77).
Gleicherweise werden die deutschen Worte behandelt. Auch
hier herrscht, in Anschluss und Weiterbildung an die Mund-
art mannigfaltigster Vokalwechsel : z. B. werden o nnd a au in
No. 435. 470 475. 477, dagegen aus auch jd. ach und in No.
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— 129 —
415a. 447. 452, ei zu e 465. und i zu ei 449. 464. 474.
476. 483.
EineS .-hciiltin;:, was davon deutschsprachliche (mundartliche)
und judendeutsche Bildung h\, knnn hier nicht versucht werden.
Hestimmle Re^^eln lassen sich hier nicht leicht aufstellen.
Auch «iic Aussprru lit; der Consonanten weicht vielfach von der
graiiimati(;ilis(lioii ah, wodurch das Worthild oft sohr weit ver-
Amlert wird ; besüiiders w^erden auch die Anfan}^ssilheu wie im
Deutschen durch Verschlucken des Vokals verkürzt.
Wir haben also in Wort-, Satz- und Sprachbildung eine
deutsche Mundart nur mit fremden Bestandteilen vor uns.
Nur aus diesem Grunde wird das Judisch-deutsch auch von
Nichtjuden verstanden und wohl im Verkehr angewandt und
aus diesem Giunde hat so manches hebräische Wort seinen
Weg in den deutschen Sprachschatz gefunden. An Orten, wo
schon lange Juden dauernd ansässig sind, versloht das ge-
wöhnliche Volk, das in stetem V^erkehr mit ihnen leht, ihi cUm-
gangssprache oft fnst vollst;ii](lig, mitunter he-^ser als z. 15. ein
be<^en r jüdischer Kaufmann, der sich bemüht hochdeutsch
zu reden.
lieber das im niederen Volk bekannte und angewandte
Jüdisch-deutsch kann ich nur för Baden einige, vielleicht auch
hier nicht ganz unangebrachte Bemerkungen machen. Die Kenntnis
heim Volke ist am grössten, wo die meisten Juden sind; so
sind in der badisch-bayerischen Pfalz die jödisch-deutschen Aus*
drficke allgemein bekannt, ebenso in der Ortenau : liier wird
z. B. in einer Gemeinde (Orschweier) noch Jüdisch-deutsch
gekannt und gesprochen, trotzdem seit 1852, wo sich die israe-
litipdic Gemeinde auflöste, kein Jude mehr daselbst ansässig
ist. fast gar kein jüdist h-deutscher Ausdruck ist im Seekreis
bekannt, wo bis vor etwa i30 Jahren Wangen, Woiblmgen,
Geilingen und Randegg die einzigen A (lenieind« ii mit jüdischer
Bevöikeiung waren j ebenso wenig wird in Württemberg das
Judendcutscb gekannt ausser in der Gegend um Nordstetten.
Auf Sitten und Gebräuche ist nur soweit es zum Ver-
ständnis der Worte nötig war Bezug genommen worden.
Weiteren Aufschluss erhält man aus Dan. Stauben (Pseud. für
Prof. Aug. Vidal) .Seines de la vie juive en Alsace, Paris i8C>0,
Zur Zurückführung der Ausdrücke auf ihre hebräischen
Mutlerwörter wurilen die Wörterbüt her von Gesenius (8. Aufl.)
und Fürst benutzt, bisweilen au'h (i. Perles Beitrage zur
Geschichte der hehr, und aramaeischcn Studien. München 1882
und oheii Citierfe.
Von den im folgenden Worterbuche angewandten Zeichen
bedeutet ein * dass das betr. Wort auch in Baden bekannt sei ;
9
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— 130 —
ein fy dflui9 das betr. Wort nur in Baden liekannt sei ;
ein G-Spr., dass das betr. Wort in die Gaunersprache
aufgenommen sei.
Worte oline Zeichen sind also als spezifisch Elsässer Aus-
drücke anzusehen.
Um zimi Srhh!«=se ein llci^piel der An wem hin;: <1p?: elsasser
Judendeutscl« zu ^eht n, drucke ich al^drilte Ahfeiluu«,' die Ah-
schrifl eines Prolokoll.s aus dem im Hahbinats-Arcliiv in Mutzij^
befmdlichen Prolokollhuch über die vom Rabbiner Löb Eisass
ausgeübte Gerichtsbarkeit, hier eine Vormundschaftssache, ab.
Die nicht im Wörterbuch der jetzigen Judensprache mehr
vorkommenden Ausdrucke habe ich in den Anmerkungen erläutert«
fQr das hebräische Urteil eine Interlinear-Ueberselxung gegeben.
Wörterbuoh des filsässer Judendeutsoh. ^
I, Abteiluuif.
Die aus de m H e b r ä i s cli e n und d a ni i t ver-
wandten Sprachen stammenden Wörter des
J ud e n d e u t seh.
1. Abikores(Apikör8s) Gotteslftagner * m. talmudiscb von
griecb. e-'lxoypo;.
2. Achbrosch O^y.prös) Dieb ; von unsicherer Abstam-
mung ; vielleiciit trotz dem Anschein nirht hebräisch. Tendlau *
No. 2t)6 führt e.> auf den Spruch Jer. Baba Mez. 8. G.
Achberi rescliii (.(/[jon lesii) die M iiistj sind Nicldswürdij^e ziinick.
Ilzijj Feilei Stet n erklärt es in seinem Lexicon der LussnckDudi-
scben Sprache mit A : eijjenllich Achper-Roscb, Mouskopf,
pfifDger, raflinirter Mensch, Schlingel, Scbellem, Voketives,
Dieb, Spitzbub, Tuckmftuser.* G. Spr.
3. aohle [aylo] essen ' Verb. hehr, akhäl essen. Hierzu :
Achilem. (axilom) m. das Essen :t hol der achilcm ri (höl
tar ayildm ri) bring das £ssen herein I vom hebr. ökhel pl.
okhelini.
4. Af (ät) der fünfte Monal des Jüdischen Jahres *
hebr. Abh.
1 Dies Wörterbnchliinsichtlich der e^fmologisi hen Ableitung durch-
/niM^ho.i nnd zn berichtigen hat aaf unsere Bitte Herr Prof Enting
die Uülf gthiibt. Red.
^ Äbr. Teadlau Sprichwürter uud Uedeusarteu deut&ch*jüdi&cher
Voiseit Frankfurt ». M. 1860.
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— 131
5. Afdaule (aftäula) Segenssprucli, mit welchem die
Werktage eingeleitet %verdeii* n. von hebr. iKidal sclieiden, inf.
Aphel, afdalih Abtrannung.
G. Äff TaQ Nase t hebr. äph die Nase.
7. Afeiles (aföilas) Trauer * n. hebr. ab)ielul die Tr-auer
Bist ;i. komme? Bist Du in Trauer gekommen ? et', No. 25.
8. Afere (afr^v») üobertretung des Gesetzes* ;en afere
lliun (an aiera lya) .»»üniligen, vom hebr ?ul»st. 'ahh.Mah.
0. ajen (Ajan) 70* vom hebr. *ajiü dem lü. Buchstaben
im Alphabet mit dem Zahhvert 70.
10. Aisig^ (<\isik) Isak f hebr. Jizchak, vulgär Itzig und
Eisig.
11. einajemer (einäjdmdr) die Augen' pl. m. hebr.
^ajin, Dualis: *6najim Auge* cf. No. 144.
12. aliifem (aläfdm) 1000 ' vom hebr. filef, pl. alafim ;
beisalufem (peisairilam) 2000 etc.
13. Amhorez (ämhörats) Laie, Unwissender : lu lir. zsges.
^am Volk, dem Artikel ha und ärez Land, also eigentlich Volk
<les Landes. G-Spr.
14. Allifes (anifn^) Deinnl * ii. hebr. subst. 'anawah
die I>omut unti-r ^Icichzeitijier Verwechslung mit ''auiwuth
«Armut», in Baden nur t^elten jjebraucht.
15. axboo (arpoo) vier ' vom hebr. ii. arba'Ah.
16. Arufes (ärüfas) Bürgschaft * v. hebr. Subst. 'arabhülh
hebr. 'arebh Bargschaft leisten, Particip. 'orebh Bürge. Ich
bin der erf drfOr (i/ piu tar krf tarfyr) beim Handeln gebraucht
in der Bedeutung : ich übernehme jede Verantwortung für das
HandelsobjiM t ; ein sehr stark gebrauchter Ausdruck, auch den
Bauern gut hekiuml. Vgl. No. 1-47.
17. Aschkenas (ä.skanas) Deutschland.* hebr. Aschke-
nas ein Name der bibiisrlion Völker-Geographie [Genes. 10. 3]
und schon frühe mit Deulsciiland identificirt cf. J. M. Jost
Gesch. des Judentums III. S. 199. 207 fT. G. Spr.
18. Asseskat (äsoaküt) Frechheit f. vom hebr. 'assis .stark
frech, schamlos mit der jüdisch-deutschen Endung kat, die der
Endung keit des deutschen entspricht.
19. asore (as6r9, asdro) zehn/ hebr. 'asaräh zehn.
20. asre l&sn u. ösra) för verboten erklären' hebr.
asär binden, part. pass. asür verboten), des derfsch osre nit
(t ( ti rfs osra nil)f das isch der o«re (tas i§ tor dsr»)f es
ist dir verboten. Ein sehr oll gebrauchtes Wort.
21. asuse (asysa) <'Gesundheit> als Zuruf beim Niessen.*
vom chnid. a«iilba die Ilrilung.
S'J. Asusel, Asosel (äsusal, äsös^l) Teufel* hpbr.
'asasel m. Name eines Dämons, Typhon? lasusel (Idsüsol) zum
r
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-r- m —
Teufel, geh lasosel, geh zam Teufel, hebr« la (le) praep. zu. cf.
m Mos. 10. G. Spi .
23. Atsumes (ätsümas) die Kauchen vc * hebr. ezem,
plur. azamötli der knoi lien.
24. Ander (aulai) der 12. Monat Im jüdischen Jahr
(Februar/März).' Hebr. Addr verjjl. No. 414.
25. Aufel (äufal) ein Trauernder.* hebr. abhöl a^j.
trauernd, cf. Nr. 7.
ä6« auleme weje (ialdraa wäa). Der Welt wegen, hebr.
'oläm Ewigkeit sjathebr. Well, wegen em aulem (wdkan am
aubm) der Welt zu lieb.
27. auscher (aiiSar) reich f bebr. adj. 'aschir reich
subst. 'dscher Reichthum.
28. Baljes (l>ajd.s) Haus.* h.'ln-. iKijilh Haus. Beiskise
(pei.sklii>a) Abort. * zs^es. aus hebr. belh und kissii eigentl.
Haus des Stuhles.
29. Bai (pal) Herr von hebr. bä'al, nicht allein vorkom-
mend, nur in Zusammensetzungen : Balbus Hausherr (p&lpüs)*
von (b&'al) herr und bäjilh Haus u. BaUioste fem. (palpüsto)
Hausherrin. * Balhuke (palhdkha) der betreffende, in Rede
stehende, Gel^enheits Mann. * vom hebr. bÄ'al und hakhä
«cder hier Anwesende», man bezeichnet damit auch einen Ver-
liebten, der zu seinem Mädchen geht, f cf. Tendlau Nr. 1011.
G. Spr. Baljeies (päljeias) ein einj^ebildeler, hochmütiger
stolzer Nfonsoli Y c. Nr. 168. vom lieiir. b'i'iil und fir^^'u th eigtl.
Herr d. i. lühaber der Huheit, de« Hacluiiulhs. BalsaSSeren
(pälsasaron) Makler * m. vom hebr. bä'al u. j.-d. sarsur, sasser
(sarsur, sasar) Unterhändler, Kuppler vom hebr. sirsör Mackler.
G. Spr. siehe Nr. 323 a.
30. Bar (par) der Sohn* aramäisch bär Sohn G. Spr.
Bar mizwe (par mitsw») eigtl. Sohn des Gesetzes, er isch
bar m. (or is par mitswa) ein gesetzpQichüg Gewordener d. fa.
er ist in kirchlicher und moralischer Hinsicht mündig, ver-
pniohletf die Gel)ote wie ein Erwachsener zu beol>achten. mizwäh
Gebot. Die Geremonie besteht darin, dass der Knabe an dem
auf sein 13. Geburtstag folgenden Sabbath in der Synn^ioge
zur Thorri \'urlesung aulgorufen wird, eine rfli^^iose Haatllnnsi,
die etwa di r christlichen Konhrmaliou entspricht, cf. Zuuz
Ges. Si.liiirtrn. U. S. 214.
31. Purues (pärnes) eine bedeutende Persönlichkeit.*
m. von chald. parnäs Verpfleger, Ernährer, Fürsorger, Leiter,.
Gemeindevorsteher.
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32. x>attere (pätora) fortschickea* vom bebr. pat&r eigtl.
hervorbrechen, frei sein, entlassen, fortgehen, ich bahnen ge-
paltert (kopitort) ich hab ihn wegj^ebracht. t
33. patersche (patorsa) trächtig sein ' vom hel)r.
pöter «Mutterleib», e baddersch bore (a pätarS pöra) eine trdch>
tige Kuh (d'. No. 49).
34. bedeie hawe (-iwIim.» liawd) iiu 8iiin IkiIkmi * z-riiijes.
aus der hebi". Prapü.s. he (ain») und de'äh «(Wissen, binii».
"Was hosch morn bedeie? (was Ims morn p.)V Was hast du
für morgen vor? f cf. No. 'il i und 2(>5.
35. Beheime (poheima) Tier, dann fiberlragea dumm
analog, dem frans. b6te.* f. vom hebr. behemäh Vieh; des isch
e B. (tte iS 9 p.) Das ist ein Dummkopf, und das isch e mase
beheime (iis 9 miso p.) vom hebr. ma*asfth das Werk in
derselben noch verslärkten Bedeutung. (No. 2.'j5.)
3G. Bei, B3 (pei, pi') Mund* n. vom hebr. päh Mund:
hall's Bei (balts pei) halte den Nfund. G.-Sp»-.
36a. beis (peis) zwei* vom hebr. bölli, dem 2. Buchstaben
des AIpbnbefs.
37. Pei (pei) die Zalil 80 * vom hebr. pe Name des Buch-
stabens p, als Zahlwort 80.
38. Beisech, Peiser, Besach j (peisoy. pöisor, posäy)
Ostern, Pastah' f. sing, ohne Dim. u. PI. von hebr. p6sach
VersOhnungsoprer, Paschahfeier. Peiser i.st die filtere,
aber auch schon wieder im Abgehen begrifiene Form.
39. Ben, Bein (pen, pein) der Sohn m. vom hebr.
b6n Sohn. cf. No. 253.
39 a. benschen von laf. benedicere.
40. berjene (puirjona) sich in seiner jranznn Grösse
zeigen, renommieren vom neuhebr, bari «jj;esund kirifli,^; wohl-
bcI«Mbt'> substantivisch gebr.in< ht in der R.\. ist c bei jo f.>r- i:s
a iKcrj») er ist tüchtig in ^eiin'in Fach, f <loi \uA skh ^eberjent
(ler hol siy kopcerjent) cf. Tt^ndhui Nu. 11K)8. G.-Spi".
41. Beschke (pesko) Ma^^tl, Mudchen f. vielleicht umge-
setzt aus hebr. schiphchdh cMagd». Dem« Bischkeli (pisk^li)
[ScbmieheiiiiJ. f
42. Bete-KÜne (pöta Kyna) in schönen Kleidern * eigtl.
in den Kleidern des Prieslertums, zsmgezogen aus hebr. bigd^
kehundh («Kleider des Prie^itertums») «rin pontificalibus».
43. Beten (petan) Leib, Bauch" m. vom hebr. beten Leib;
in Etfenheim wird Betern, Bidem (pötom, pilam) gesprochen.
Me hat e Bidem vor sich (ma hat a p^tam for siy) er ist ein
starker (wohlhcleibtt.'rj Mann, f
44. betüch (p^'y/J bctuch (petüy)* wohliuibend vom
hebr. Part pass. batüach «versichert, sicher)» ; hierher gehört
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auch die RA. er ist bedücht (er is' p^tyyt) er ist betruokeu
cf. Jahrluich IV. S 44. IX S. 118. G.-Spr.
45. Pülein, Bfele (ptlld, pfeid) Gebetriemeu * von uach-
bibl. lefTiniti «GebetrieüioM» G.-Spr.
46. Bilbülem ipilpyUm) Ränke, Intrij^uen» Lüi;eteien *
pl, vom rabb. bilbul Vermischung', Verwirrung ; er sucht B.
(ar syyl p.) er macht Ränke, chicauierl, intriguierl. G-Spr.
(in der Form balbal = unerlaubter Beischlaf) dazu meiuibel
(mafülpdl) Pärt. Puipal verwirrt, confos. *
47. Pleite machen (pleita ma-^a) durchbrennen vom
hebr. peletäh Fluehl, £rreUang, Enlkommen, cf. Jahrbuch IX.
S. 119 ar isch bleide (ar pl^ita) total betrunken. Das Wort
iftt vollständig ins Deutsche abergegangen. Daher stammt aach
der Ausdruck cFtölen geben» »plattdeutsch «Aeiten gabn». G.-Spr.
48. Lau poke we Uiu nuge, lau büke we lau nuge (lau
poka \\d lau nOka, lau piika wa lau nüka) das pa^;sl durchaus
nicht hierher, eigentlich es stösst nicht und rührt nicht daran,
vom hehr. lA nicht (cf, No. und Stessen nnd nag.V
berühren, anrühren, antasten. Ddzu: er ist böge (ar ist pokd)
er is j nviHKlt, ^eübl.f
i'.*, Bor (por) Stier. Bore Tpon») Kuli ' f. vom hebr.
pär Stier, pärah Kuh. E haddersch btire (a pätars pöra) eine
trächtige Kuh (cl'. No. iJ !). Bei Nichtjuden sagt man von einer
alten, schlechten Kul»; b'iisch e bore (s is o purajf (Ettenheim.)
G.-Spr.
50. Posche (püsa) ein .Vbtrünniger.* m. -s. vom bebr.
Partie, poschö'a Sünder.
50a. Brauges cf. No. 313.
51. Bräunle (proeynla) weiblicher Eigenname für alle mit
B beginnenden andern Namen wie Babette, Bertha, Betty, Bona, f
Dem. von altd. bruna (pnina). cf. L. Zunz die Namen der Juden
S. 72-75.
52. Brero (prt^ro) Wahl 'f. s. vom spälhebr. Subst.
beriir «Wahb, b^rirdh «das Aussuchen». Du hast die Br.
Du hast die Wahl, f
53. Presmile ( |)r.' ^mila) Beschneidung * f. s. vom hebr.
herith Bniid und iniLUi I5es( hneidung (cf. No. 251).
54. Bruche;, ßeroche (paruya, paioya) Sej^en* f. vom
hebr. berakbah Segen. B. heisst tler Segen ül>er das Brot
am Sabbatabend, der aber im Abgehen ist. Es isch kei broche
an em (s iS khei pr. an am) ; Man bat Unglück mit ihm im
geschädlichen Verkehr, f (Ettenheim) cf. No. 257.
55. Bsohitem (psitam) ein Pfennig, f Vom hebr.
Verb, paschät, ausbreiten, also eigentlich PI. peschitim «ein
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flaches ilunnes Geldstück» im Gegensatz zum solidus, Flach-
sfucke, Pfennige. S isch bschile (os is psits) es isl klar, selbst-
verständlich von spälliebr. adj. peschila einfach, klar j (Pfalz).
50. Bsulo (psulo) die keusche Jun{?frau, die noch kein
Mann erknnnt ha», Fraulein j t. vorn hehr, bellinlah die
Jnn*:lr;iii, «iie zurückgezogen, d^» Klie lern im Elternhause lebt.
Auch \ver<ieii anständige Christenrni'nlchen (im Gegeusatz zu
Schiksel cW N'o. IJ51.) so bez(M< hnet. G.-Spr.
57. Budik (piUik) untersucht,* in Baden hediko, badiiic
(patiko, pälika) beim Schächten vom spathebr. badak eindringen,
untersuchen, hadik untersucht.
58. Buke sei (puko) erlahü^n, bewandert sein* vom
spathebr. adj. hak! erfahren, cf. No. 48.
59. Buiiöin, Boiiiiii (punam, p<'mini) Gesicht, die Augen.*
n. vom hei»', pänlm m. pl. die Oberfläche« Angesicht. Mach
kei so dumm Bunem (ma/ kei so tum B.) mach kein so dumm
Gesicht; er hat en B. wie e tuches (ar hat o B. wie 9 lü^^ds)
er ist ein hässlicher Mensch, (cf. Nr. 130)
60. PÜrem (pyram) Fest am 14. u. 13. Ädar» z. Z.
unsrer Fasnacht, zum Andenken an die Rettung der Israeliten
vor der Rachsucht des Haman. eigl. pl. von dem pers. Worte
pur (pür) das Looa.
60a. Von den Kindern wird an diesem Festtage den Ellem,
Gros-seltem und Verwandten folgendes Ltedchen vorgesungen,
um die üblichen Greschenke zu erhalten.
QftI Pürem, gftt Pftrem. ihr Kwi Leit«
Ich well eich verzeileh, was Pftrem bftdeit.
Dr' Purem bedeit: Kichlisch ze n'essei
Und der Homer» npt zu vergesse;
Dr Homen esch a heiser Hann,
Hot jan ranti Heslisch an.
D* Fra hast Merlah,
D' Tochter hast Serlah,
Dr' Sün hast Kalme.
Henk sie au dr galjeh
Verna an die NaadeUpetz (Nadelspitze)
W& de Homen selber setzt.
(Kyt pyrom, k. p. 9t liwi leit
i/ wel ei'X farts^ile, was p. pateit
tar p, pateit : ki/Hs tsa n in»,
nnt tat Hdmen nat tan farkisa;
tar Hom9n es a p6isi?r man,
bot jau rauti hTsli'/ an.
t9 fni hiist Merla,
te tyotar h&at S<rla,
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ter gyn häst Kbalma,
haQk si an ter Katja
foEii» «n ti N&atoltpAtB
«7 t» Homm «Alpftr tfttst)
Auch eine Fasnachtszeitun; wird mitunter auf diesen Tag
susammengeslelU, so z. B. in Altorf liei Ettenheim.
61. busolie (puSa) sich jschämen f. vom hebr. bdsch, sich
schämen. G. Spr. Dasa: Bosches Bonem (pdSos pönom)
schüchtern^ keusch/ vom hebr. hinsehet Scham, Schande.
62. Buser (pftsar) Fleisch/ n. vom hebr. iMsftr Fleisch.
G. Spr. O^ssor).
63. Pusik (püsik) Vers.* m. vom hebr. pasfik.
64. busel (ptisal) verboten zum Genüsse.' adj. vom hebr.
pusäl eij^tl. aushauen, pasul unerlaubt, unlaui^lich.
65. butel (pütdl) müssi)^) nichtig.* adj. vom hebr. batei
vverllos.
Ch.
66. GhatteSv Kattes (yatas, Khatas) Lump, leichtsinniger
Mensch, besonders einer, der trinkt.*
m. vom hebr. chattä Söiidfr: fh's isch en schöne Cliaites,
das ist ein rechter Lump, f Kftcn lieim. G.-Spr.
66a. Chadeisam (yatt}is.Mii) i^uinpim! pl. von chatta, cha-
lesim (yalesiui) G.-Spr. (chädeisin — Luiiipeu-üesindel).
67. Ghatiche (x^itiya) Stück. ' r. vom hebr. chätikbah.
68. Ghidi^ch (xitis) Neuigkeit. * f. vom hebr. chiddAsch
Neues. G.-Spr. avon sich verchidische (si^ ferxitiso) sich ver-
wundern. * G.-Spr.
69. Ghafruse (yalVuso) Gesellschaft, Verkehr, Gesellig-
keit, t r. vom s[>äthebr. chabhrutha Gesellschaft Er hebt eh.,
er hebt Geseilschart. Davon en Chafrusener (an x^fi'usanor)
ein Gesellschafter. G.-Spr.
70. chajef sain fyajr>r s.iiti) schuKli^»- scifi. * vom hebr.
chajj» i>li st liüUli-, »i ivon chajob (xiijdb) Schuldner v. hebr. cUaj-
jabh S( Imhiiiür » vgl. No. 97.
71. Chajes (yäj^*) Leben *n. von späthebr. chajAlh (bibl.
chajjim) «Leben». Andre Form ist Heijes (heijas) f Ua. das
ist mein h. Das ist mein Lieb, mein Schatz, f e verchei8t*s
Paar (a füi /i'i.<ts pär) ein verliebtes Paar.fchaj wekajem
rufe (x4j wakhajam ryfa) den Himmel um Hilfe anrufen von
hebr. chaj wekajj4m cO Lebendiger und Bestindiger».
72. Ghalaumes (yalaumas) leeres Geschwätz, f pl. eigtl.
J'i äuiiH'reien von hebr. chäldm (Pluralis chälomdth) der Traum,
okuleme (xülama) träumen.*
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73. Ghalef (yalaf) das Schlachtmesser, speciell das
Scbftcht-Messer. * D. von talmudiscli dialinfuMh uad chälaphoth
f. plur. c Messer». Wortspiel en chalef isch en chalef
(an yaldf is 911 ytkl»f)* Ein Wechsel (cbiUikf; isl ein Messer.
t Plaiz.
7i. Ghali (y.Uj Fensler f, abgeküi*2l aus hebr. challou
Fens^ler. ri.-S|»r. (Challon).
75. Chaiiier (yämar) Esel, Dummkopl ' von bebr, cha-
mör Esel. G.-Spr.
76. ohamisohe (xamitb) fanf * von hebr. cbamischäh ffinf.
77. Ghanike (X'tnykoj Name eines 8tät(igen Festes um
die Weihnachtszeit' von hebr. chanukkäh Einweihunga-Fest
des Tempels.
78. sich charbene (sly yarpono) sich schämen * von
hebr. ciiorpäh Scham, Schande, Spott, G.-Spr.
79. Ghas we schulem (yas wo sülam) ferne sei
daS; Ciott howahrel* vom hebr. chas «Schonung»^ we-schalom
€und Fiiede».
8U. Ghasen (yasan) V orsänger, Vorbeler * von spatliebr.
chassan Vorhttoi-. G.-Spr.
81. Giiaser (yasar) Schwein ' von hebr. chasir ni. Schwein«
e Ghaserkopf (a yasarkhopQ eigtl. Schweinskopf d. h. ein
Mensch, der schwer begraift, ein sehr oft gebrauchtes Wort,
bedeutet auch einen un)(eschtckten, frechen, ungebildeten, in
Essen und Trinken unmässigen Menschen, auch die Form
Chaserresch findet sich in dri-cllxii n.tloninnj;. Saukopf,
«Schweinigel», von rosch «Kopf», davon ein adj. chaseresch
(^asaras) schweini'-ch.
82. Gharaute (xarauta) Beue' f. von späthehr, chäratdh
die Heue.
8i>. chaule (yäubj krank " vom hebr. clinläh Part, krank
(seiend). Dazu Halas (haläs) Krankheit n. von hebi. cho.
84. Ghauscher (yau^ar) Finslernis * f. verslünmiell von
hebr. chöschekh Finsternis.
85. Ghausem (/äusam) Siegel " n. von hebr. cholhäm.
Siegel. Der muss ufT Alles sei Gh. dricke (tor mys üf alds sei
Gh. trika) der muss überall sein Wort mil reden.
86. Gbeider (-^«^idar) Zimmer spec. Schule * n. pt. cha-
dorem (yatoram) von hebr. ch^er, pl. chüdarim Gemach,
Zimmer. G.-Spr.
87. Schandel-Cheilcf ('^'andal-cheilaf) Talg, zsgselzt aus
franz. la chandelle, und liebr. chelebh Fett, Talg.* cf. «Schan-
delliecht» für KVrz*«. G.-Spr.
88. Cheilik (//ilikj 'IVil von hebr. cht'lek m. Teil, An-
teil. G.-Spr. i».\. *s bot e jeder ^sai Ch. (as bot a jetar .sai Gh.)
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— 138 ~
Jeden fliückt etwas; in Sierenz spricht man Kchillik fKyilik):
es is iiuM- ke K< h. m»s is mar khe Ky.) es ist mir ;j;leicli. Du
ka^>i.li (lio ivÜL'li kenne olIci' ait, e< isch mer iiser ki' kcli. (ta
khäs ti kliya khieife oder nit, os is niur u.<or khe ky.) Du
magst diese Kuh kaufen oder nicbl, es ist mir wahrlich kein
Unterschied.
89. Gheiii {/ß'in) Armut' m. von hebr. chöo m. Armut
Sprw. Ka ch. un ke schein (Kba un khe Sein) u. ch. geit
ewer schein (x* keit ^war sein) Anmut geht über Schönheit.
90. Gherem (yeram) der Bann* m. von hebr. cherem
Fluchweihe bes. bei eroberten Städten, wo Menschen u. Tiere
niedergemacht wurden u. auf die Wiederaufhauung ein Fluch
gesetzt wurdo. Luther übersetzt das Verlium mit verbannen.
90a. Ghes (yes) die Zahl 8* IipIu. cliet.
91. Ghesch baunes ryiVspiuin^) Rechnungen' von
hehr. chesrlihDiiüth pl. van cheschbon Rechnung. G.-Spr,
diese hbene (/espana) rechnen.
92. Gheschwen (yeswan) der 8. Monat des jüdischen
Jahres (Okt. u. Nov.) * von hebr. marcheschwän auch bloss
eheschwdn.
Ol Cholef, Ghulef .'xölof, xtd9t) Milch» f, von hebr.
chaiahh süs.se Milch.
9i. Ghorben pl. Ghorbenes (yorban, yorbanas)
Verwüstun?, I)ui ''h*Mnnnder. * n. von jd. chorlian, Verwüstung.
9i. Ghosen, Kusem, Chusem (/osan, Kimsom. yu«an)
Brautij^am* m. sing. pl. Kuseui.s (Khnsams), Demin. Kusemle
(Khusamla) von hebr. chathan m. Bräutigam. (VV. Sommer
Eis. Gesch. 2. 283.) RA. Der Chusem und die Kalle (Braut
cf. No. 136) sin mil*nander im Dreck na g'falle. f (Ettenheim.)
96. Ghotser (x^t^ar) Hof* m. von hebr. chazör Vorhof,
Hof. G.-Spr.
97. Ghov (xow) Schuld, die man einzutreiben hat. * m.
pl. chauves (/äuwas) von hehr, chdbh m. die Schuld, cf.
Xo. 366 und 70.
08, Chuchem, Kochern (yü/am, Khoyam) dei Wci^e
dazu chochme (/oyma) für Weisheit von hebi. chakhinn
weise, chokhuiäii \V»?i>h(»it. HA. Des isch en ch. das ist jetzt
ein gescheiter Menscli. Feichucliem (feiyuyam) ein Super-
kluger, ein Uebergescheidter ' eigtl. we-chakliuai <i und Weiser»,
d. h. noch mehr als ein Weiser, wird spöttelnd von jemand gesagt,
der sich immer überweise zeigen will. Vgl. die ähnl. Wort-
bildung No, 4i4. 412. RA. Der ch. schlaust sich an allem
(tdr y, flaust sj}r an alom) der Weise stösst sich an allem,
d. h. es geht ihm nichts Auflallendes unbemerkt vorbei» auch
im Scherze gebraucht, wenn sich jemand geflossen hat. *
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91). Chulsche (/.ül^) Ohnmacht f. von cbald.
chulscha ffScIjwäche».
lOit. C husch (xys) Gedanke, Sinn* von hebr. cbüsch
Nachdenken.
101. Ghüsed ()rusal)eiii Fi-ommer* pl. clia v.'dfMii (yaseldm)
vom hehr, rhnsld pl. rhasidiai adj. fiüniui, liehroidi.
102. Chusclieni (yy^-im) taub, vergesslich * ist vermutlich
abzuleiten von Chuschini einem Sohne des Dan, der der Sage
nach taub gewesen sein aolL f. Mos. 46, 23 (Jalkut Ber. 162).
103. Ghuzbe (/.utspa) Frechheit f vom chald. chuzpa
Unverschämtheit.
104. Ghusohef (X^SdQ |pit, sehr* vom Part. pass.
chaschnhh angesehen, geachtet. Das esch cb. (tas eJj xO «J«*
ist gut. Ks isch ch. kalt, es ist sehr kalt.
105. Ghutse (xutso) Hälfte* f. vom hebr. cbäzi Hälfte
(Mitte) cf. No. 411).
iO(>. Ghufjes (yüfjss) Ftifer der Kuh n. vom eliald.
chäbliilh, pl. chahhijjöth Fass zum Aurbewahicn von Wein und
dergl. Im Elsass sagt man, diese Kuh hat ein Euter wie ein
Fass, auch nennt man das Euter überhaupt Fass.
107. Ghaklu (x^klA) grober Flegel * m. ungeschliffener
Mensch von späthebr. cbakla*dh Bauer.
108. Tachschet (t;V/>al) Scluaurk, (;os( luneide, Juwel ♦
m. ti. n. iron. ein Pra( lilmen.srh, das isch e T. (las is o t.)
das ist ein guter Junij;u. Tachschilte (la/sylo) des isch et.
(des is d t.) von Frauen und Mädchen, ernst und ironisch : das
ist ein schönes Kind, eine schöne Erscheinung, auch ein schönes
Benehmen. Dann überhaupt etwas «Schönes» vom hebr.
takbschit Schmuck cf. Tendlau No. 49. 50. 997. 453.
109. Bajeine (tajöina) genug f vom hebr. daj Subst,
6enüp't\ ndv. genug.
110. Dajes (tajas) Sorgen * pl. vom hebr. deagdh Kummer.
III) Dalfen (lalfon) ein .\rmer*, wird sehr verschieden
erklärt, wllzij,' von Z»inz nis Dal von : Analogie zu unserm Herrn
von Hai)eniclils. ci. Tendlau No. 'i03. 789. Am- LiUemanl
III. ry,V2. Im ersten Teil steckt jedeiitalls das h*'lu. Adj. d;'il
«arm ja er isch en d. (ar is au t.) er ist ein armer Tuntel.
G. - Spr.
112. Dalles (talas) Geldverlegenheit, Geldmangel, Armut *
m. von hebr. dallAth «Armut» RA. Er hat den D. er ist
in Geldverlegenheit. Die Christen wenden es in dem Sinne an :
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er hat den D.» er ist krank, sehr herunter gekommen» dem Tode
nah, zum Tode reif, f G.-Spr.
113. Dam (täm) Gesrhmack ♦ m. vom Iiebr. \ä^i\m
m. Geschmack. IIA. Das hot ka D., un ka reiech (las bot
khä t. un kh»i reiay) hehr. rAach Goiucli. Das ha! kein Chic:
ri)»erhaupt eine Sirlio, an der niclits Gutes und Sf hrMx'^; isl.
Davon {gebildet uiiljetamt (unpot.imi) uiigeschlilleu, '^nAi.
11 4. Tames (lämos) der i Monat des jüdischen Jahres
Juni — Juli)' von hehr. Taniinüs der Monat der Ädonis-
feierlichkeiten.
115. tan sain (tkn sain) beschuldigen. Jemanden tan
sain, jemanden beschuldigen; von hehr. ta*Än belasten, tragen ;
bildl, eine Meinung \-ortragen .aitane (äiläna) milsprechen*
zsjiosetzt vom deutschen ein u. lan. RA. Der kan net aitane
(ter kban noiait.), der versteht gar nichts von der Sache. Der
tant ai, d;iss mr nit zuhöre kann. Der schwätzt so dumm, dass
f Du tant»cii ai (tu täns ai) Du sprichst mal dummes
Zeug.f
Baues (tanasj Fastlag * m. u. f. von hehr, taänith
f. Kasteiun'^^ Fasten,
117. teble, dihle (tepla, tipb) lallen * von hehr, naphäl
fallen, (tippol du wirst fallen).
118. Teife, Beife (teifs) die Arche (Noabs)* f. von
hebr. tebhdh f. Kiste, Kasten. G.-Spr.
149. Teifes (t^ifas) der 10. Monat des judischen Jahree
(Dec. Jan.)* von heb. Tebhdt.
120. Tel (lel) neerdi;,'unj:, Leichenzug/ f. vom hehr, 161 m.
Aufschfittunjf, Hüj^el. Steinhaufen.
121. Deles (Idias) die Thüre/ f. von hebr. döleth f.
Thüre. G.-Spr.
122. Tenef (tenaf) Kolh, ünral,' von spälhebr. tinnüph
Schmutz, Unrat. G.-Spr.
123. Tes-wul (l«.«s-\vril) 15. zs^jes. aus hebr. telh
^ 9 und w4f=G, au.^^nahmsweise, \veil die re^^elrecbten Zahl-
zeichen jttd =: 10 und he = 5 dife beiden Anfangs«
buchstaben des den Juden unaussprechlichen Namens Jehovah
enthalten. Tes-sujen (t^s-stgon) 16,* ebenso aus denselben
Rücksichten ausser der Reihe gebildet, von teth 9 und sa'jin
7. Tischemeie (tis'omeid) 900,* zsgesezt aus leschä'
(9) und me'ah (100); cf. Xr. 265.
124. Tforem beteilem (Iforarn pot^ilam) leeres Gerede,
nicfiti'^'e WoHo,* hebr. dehharini belelim «eitle Worte»;
Diwwere (liw.nv«) sprechen.! G.-Spr. medawere (mo-
tawro) spiechen,* von liebr. dibber reden, Particip. medabbf^r
cf. Nr. 239.
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125. Tischre (lis'ia), der 7, Monal des jüdischen Jahrea
(vom N'i:=;.in ^'^oreirhnet). (Sept. Okt.)' von hehr. Tischri.
1*2(). Does ftoo«:) Iri'tum.t pl. van ■«pathelir. la'ulh Irrtum.
1*27. tof (lofj gut,t von lieWr. toljli ^nit, angenehm.
G.-Spr; ein «ehr oft gebrauchte» Wort, auch von Christen.
127a. Doled (tolat) vier/ von hebr. daleth, dem 4.
Buchslalien des Alphnl)e1:s.
Ii'8. Tore (löra), das Gesetz Mosis,* t. von hebr. tor^h
Lehre, üesetz.
129. treife, trefe (trdifa, tret'o, tru^fa) unkoscher, ver-
botene Spt isen/ von hebr. terephah f. Zertssenes, zum Ge^
nusse Verijotenes. RA. er isch tr. (er iS tr.) er ist ein Pech-
vogel.' G.-S[)r.
130. Duches (tüyos), das GesAss, Hinlere, (enlsprecliend
unserm gemeinen Arscii).* Durch Missverstündniss aus der hebr.
Präposition fächalh «unter, an iseiner Statt». G.-Spr. (bes. die
RA.) Er liebt de Dukes zum P'enschler nus (or hept ta lükes
tsym fensLir nys) = £r ist iiankrott. Die RA. ist in Baden
nicht l)ekannt.
131. Dugim (tukim) Fische/ pl. von hebr. dajj Fisch.
131a. turne tarne (lAmo, tama) unrein (moralisch)/ von
hebr. 1ain<"' um ein.
i3'i. ebscher (epsär) vielleicht/ von spat hebr. ephschär
möglich.
E.
133. echod (ö//)t) eins/ von hebr. ochad eins; eohed-
beched (äyef-p^x^i) 100 Prozent eigtl. eins auf eins; seil.
Gewinn.
ISi. Efentof (('tantof) KHehfein/ zsgselzL. aus hebr.
ebben m. Sleiji und tobh gut. (1. Spr.
135. efer (nfor) blind* von hebr. 'i\v\v<^r blind.
13t>. en- Efere (on .>lcro Ueljerlretung (des Gesetzes)*
vom hebr. 'abhcräli L'eberlretung.
137. BIQen (etjan) Dürftiger, Armer* m. von hebr.
ebhjdn a^j. dQrrtig^ arm,
138. Elohe nur in der R.-A. Das isch en eiche (tas is
dn> ei^9) das ist ein Jammer; von hebr. ekhdh «wie» klagend:
«warum doch» dem Anfangs- Woiie aller Klagelieder.
139. Eigel (eikc>l) Kalb* n. von liol.r. S -'l f- Kalb.
140. £ime (^im?) Angst* f. von iiebr. eiiiuh Schrecken,
Furcht.
Iii. Eitse (Ml^o) Hat* f. pl. eitse:* (eitsos) R.-A. Mit
eitses bin ich vt rsehne, bar Geld broch ich (mit eit.sas pin
i}( farsena, par kelt pro/ iy) von hebr. 'ezah, Pl.'ez6th Hat.
1 i2. El (el) der G. Monat des jüdischen Jahres (August-
Sept.)* von hebr. m. El öl.
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14:3. Olef (olaQ die Znlil eins* von hebr. aleph dem
«rsten Buchstaben des Alphabete.
144. £Ief (feldO 1000* vom hebr. öleph m. Tausend.
145. Enajim (anujim) die Augen* von hebr, '4jin,
Auge, Dualis ^önijim. cf. No. il.
445a. emes (einas) wnln-, Wahrheit* m. vom hebr.
emfeth Wahrheil. HA. Des isch eines (tes l§ einas) das ist
wahr. Da55 isl der emes, mer der emes: das ist wahr, sag
mir die Wahili«'it.f G.-Spr. (besonders Geslündnis).
146. Emune nur in den Zusetzungen : Tauflemune
und Chadischemime (tauflornfma, yatiseinriii,») katholische
und protestantische Ueli^ion vom hebr. omunah [\ Glauben und
hebr. tabhäl «untertauchen, taufen* und cbadAsch «neu» cf.
No. 68.
147. Eref (erat) Bürge f (richtiger ördf? vgl. No. 16)
vom hebr. *or6bh Bürge. R.-A. Ich bin dir erf dervor (i/
pin tdr 6rf tarfdr) ich steh Dir gut dafür. *
147 a. Erefraf (firafräf) Gesindel von späthebr. Piur.
'arabhr^bhin.
148. Erel und Orel (dral, örsl) Nichtjude* von hebr.
^ar6l «unbeschnitten» ein Schimpfname für Nichtisraeliten.
149. en- Esohires (en-oMras) eine grosse Menge beliebige
Gegenstande, Reichtum* vom hebr. ^aschirüth cRelchtum»
Der hat en esch. Das ist ein reicher Mann.
G. K.
150. Futze Kappore (Fütsa Khapdra) zerbrocthen, ver-
nichtet, f Die Ableitung ist schwierig: wohl von hebr. kapparflh
Söhnopfer. Fulze, aucli pfutze leitet Ave-I. tllemant IV. S. 392
von vice her, also f. k. =: k. vice an Stelle des Siihnopfers, ein
Fluchwort ; fulze könnte auch ein Wort des .\bscheues sdn,
cimlich un.'icrm pt'ui ! f G.-Spr. (Kapore fetzen.)
151. Katsef, Ghatsef (Khatsaf) Fleischer, Melz'/er* m.
vom spiillithr. Kazzilbh Mef/f^ei'. Ketsaufes (Kliotsaut^s)
un<l Ghatzaufes (KhatsaufaiN) Melzi^ -J- n. von liebr. pi.Jvazofos
(KhiUböius), und godel Ghatsaufes Schlachthaus, f
152. Kaf (Khaf) '20* vom liebr. Kaph dem 2Ü len Buch-
staben des hühr. Alphabets dazu KafTer (Khafar) 80 Pfennig,
m. 8. e KafTerle (d Khafarla) cein Zwanzigerj» ein 20 Sous-
stück s 1 Fr. = 80 Pfennig (Bappol Isweiler) ; in Baden be-
zeichnete man die Zwanzgerle (Sechslräzner) als KafTerle ; ebenso
die heutigen ZwanzigpfennigstÖcke.
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153. Kafifer (Khafar) Bauer, Tölpel f vom späthelir.
Kophör Bauer. Unser Schimpfwort Kaffer scheint aich hieron
herzuleiten. G.-Spr.
15i. Gafeh (Kafa) Stolz, Einbildun^^ f f. vom hebt",
gaawah Hochmut, lia. er hat ein g. er ist einjjrebildetci Menj^ch.
V<!t. clsässisch Gow9 annemmo clüaj was nimmt sieb das Maidle
Gowa an ?»
155. Kaljes machen (K.ilju.-: iiKv/d) ji_'iiiaii<Ii-m hiinlci iul
in den Wej» treten.* vuu hebr. kala zurückhalten, iiemmen.
G,-Spr. (Kalches.)
156. Kalle (Khala) Braut* f. s. vom hebr. kalUh f.
Braut. (W. Sommer Eis. Gesch. II. 284.) G.-Spr.
157. Ganf, Ganef (Kanof) Dieb * m. vom hebr. gannäbh
Dieb. Davon §^anfe (kanfa) stehlen. G.-Spr.
158. Ganeiden (Kan/Mton) Paradies.* n. zsf,'s. aus hebr.
$ran Garten und '^den m. Wonne also Garten der Wonne>
Wonneland.
ITiO Charef fK'hnt?»f) ein Scharfsinniger* von spfithebr.
cburiph -( hart', scli n t<iiiiii.Lr.
16U. Kasne, Ghasae (Khä^n-V) Hochzeit* f. s. vom
hebr. eliäthuuiiah f. Hochzeit, auch von Christen f^ebraucht.
i61. Gäu (Kil-y) nur in der Il.-A. uf d'gäu gehe (uf te
Ka;y köba) auf den Handel gehen vom hebr. gaj Ebene, Thal.
Hauptsächlich von den Melzg^ern gebraucht, wenn sie auf die
Dörfer und Höfe gehen, um Vieh einzukaufen. Eine weniger
wahrscheinliche Abteilunj? wäre vom mhd. gdu — Dorf.
102. Kaufel CKhäiif..]) .l.-r Hutf m. vom hebr. koblii*
ni. Helm, Hut. R,-A. Die hat en K. auf, die hat mal einen
«Deckel» nnf.
103. Kaufer, Koter (Kh.-nit.M, Kliof,»!-)* Lr>ii;^iii'r, <»iner,
der seinen Giaultrn vt i l;iii;iiiei vom ln-ln . kaphar vci derken, weg-
ieupien. Parlici|i. Koph- r ein Abtiüiiui^'^er, Pro.'ielyl.
164. Kauscher, Koscher (Khaus^jr, yosor) zum Genüsse
erlaubt* von hebr. adj. koscher <,'erade, recht, schtcklicli, gut.
G.-Spr.
165. Kedaohes (Katö^as) Fluchwort, eigtl. die Fieber*
hilze* von hebr. kadddchath Glut. Du K. bonem, ein gemeines
Schimpfwort, (cf. No. 59.)
166. Kedisch, Kidisch, Kadisch (Khetis, Khitis,
Khatis) der Sej.iensspnich, mit dem die Keiertn^'-o cin^roieitet
werden, ci^jti. Heilijrnnf:* vom hebr. kidflusrh Heihgunj,',
Se^ren-^sprnch, jaijiM K. <ier Se^en mit dem Wein, der jeden
Freilaj^ Aheiul .slatt(in<l<'t.(cf. No. 2(X>.)
167. Kefeilim (Kholeilin»)* Kfeilem (Kt'eilam) -j- ein
Louisd'or (24 Frcs.) pl. von Keifel (Kh^ifol), Dublone vom hebr.
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-> 144
kephel m. Venloppeluner, Doppelte, analog dem franz. Double
gebildet, z. B. jus beis Kt. 12 Louisd'or.
108. Geies ( Keio-) Hocbmuth, Stolz ' in. vom hebr.
g^'üth f. iMlial.erilieit, btolz. cf. Xo. '2n
inri. Keilef (KheiloQ m. Hund* v-im liohr. kelebh m.
Huinl, als Schimpfwort ubertragen aucU von einem Geizhais
gesagt. r;.-S[ir.
170. Gemore kemura) Talmufl * f. von gemara die
Vollentlunir, Titel des zweiten Teils des Talmud.
171. Kinem, Kenem {Kliiii.»ui, Khen.im) Läuse,
Ungezicfoi" n. vuju hebr. Kiuuah, Plur. Kinnim Mücke. Die
dritte Plage in xVegyplen (Rappoltsweiler) ; in Baden nicht
bekannt. G.^Spr.
172. Keren (Kh^ren) Kapital * n, vom talmudtschen
kören Kapital, Selbstkostenpreis. G.-Spr.
173. Geschem (Khe^am) Regen f vom hebr. g^schem
der Regen, 's gischemt (as klSamt) es regnet.
174. Gesere (Kasör») schlimmes Dekret, Verhängnis*
f. vom hebr. geseräh Verhängniss (Judenverfolgung) R.*A. me
hat g. man hat Streit. G.-Spr.
175. Keslef (Kheslef) Name des neunten Monats im jü-
dischen Jahr vom Nisan an gerechnet, ungefähr December*
vom liebr. Ki^!<Hv m.
176. Getseke (Kolsr-ko) Gesrhrei* n, Subst. gebildet
vom bebr. Veil)uni za'ak schreien mit den Deutschen Prälix
ge. cf. No. KH).
177. Giber (Kipar) stark* von hebr. gibbor stark.
178. Giks (Kiks) Irrtum m. von?
170. Giljen (Kiljdn) Rand an den Blättern eines Buches,*
ra. von spathebr. gillajön unbeschriebener Rand eines Buches.
179 a. Gimmel (Kimsl) die Zahl drei,* von hebr. Gimel
dem 3. Buchstaben des hebr. Alphabels; auch die Form gemel
(Kdmdl) kommt vor.
180. Kibud©m(Khipydam) Aufwarlungen, Gomplimente,
Höflichkeitshezeugunj^en,* pl. von hebr. kabhöd m. Ehre, Ruhm.
U.\. mach kei k. (uia/ khei k.), mach keine Geschichten»
wenn man einom Rpsridie etwas anluotet.
181. Kippe (KhipaJ halb. Haltte,* von spiilhebr. kuphäli
Korb> Schachtel (im Sinn v. Lade, Gasse). RA. Kippe machen,
gemeinschaftlich ein spitzbübisches Geschäft machen, coinpte
k deux. [W. Sommer Eis. Gesch. IL 318.] G.-Spr. Ich halt
K. dra, ich mache halbpart, f & K. isch e Klippe (9 K. is e
Klipo) eine Companei ist eine Teufelei, d. h. eine Klippe, an
der man scheitert, die einem Verderben bringen kann.
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183. Kischef (Khisaf) Hexerei,* n. von spätliebr. kisch-
schdpb m; Zauberei, Magie cf. N'o. 343.
183. Küpe turne (Klipa tüm») ein verschmitzter Mensch
zsges. von hebr. toine unrein und k&lipblh Schale,
Schüssel. Kl. t. ist cabbalistisch die Bezeichnung der unreinen
Geister, Dämonen, riie den inneren heiligen Kreis umechweben;
cf. «Cahban» in S}i ik^^sneares Sturm
184. Gnafter ( Knartor), in Baden Kafter ( Khaftor) Knopf,
m. von hehr, kiiplitnr m. Knaut, eine kugeHörnuife Zierrai am
jfoltienen I>ruchl«'r [HappolIvwtMl.'i].
185. Knase (kiiasdj ]>e.st.ralen,' «leuUch gebildetes Verb,
von cbald. kenäs Strafe. RA. Ich bin ^^eknast worden, icli bin ge-
straft worden. , G.^Spr.
186. Kol (Khdl) Stimme,* n. von hebr. köt m. Stimme
G.-Spr.
187. Kol (Kol) alle,* von hebr. kol aUe, ganz, davon hakel
bakel (häkal pakal) alles zusammen,* von hebr. ha-k6l ba-k61
Alles in Allem. RA. Dem sei H. ist so und so viel, sein ganzes
Vermögen ist so und so viel [Pfalz]. G.-Spr. Kolbau (Kol-
pau) im Allgemeinen,* Kol bd «Alles darin» ist der Titel
eines Buches, das iiir alle Ta^^e im .laiir Mn<l \uv alle Fälle im
menschlichen Leben die religiösen Vorschriften enthalt. Dann
auch von Menschen angewandt, er ist ein K. er ist eni
wandelndes CSonversationslexikon^ einer der Alles weiss, ein
All-Genie.
188. Kos (Khos) Glas, Becher/ n. von hebr. kds Becher.
189. Grue blue lewe (krys plye löwd)in sehr schmaler
Kost leben zsges. ans den hebr. Partie, pass. karO'a und balü
zerrissen und verlumpt.
100. Ksaunes (Ksäunas) Hemd,t von hebr. Kethöneth
Hemd, Leibrock, daher uns»M- KasonettstolT und Galun. G.-Spr.
101. Ksifeue (Ksifand) schreiben* von hebr. kathäb
schroiben.
19*2. Gudel, Godel (Külal, Kulol) gross* aJj. von hebr.
gadöl gross. Godel isch (Kütdl is ) Bürgermeister, raaire,
eigtl. grosser Mann (isch cf. No. 320) G.-Spr. Jam hagodel
(jam bak^itdl) der Ocean von hebr; jam ha^j^addl das Meer,
das grosse.* cf. auch No. 151.
193. Guj (Küg) der Niehtjude, spec. Christ.* m, vom
hebr. gAj Volk, Völkerschaft, besonders die nich^üdischen.
G.-Spr. goie (gojs) f. eine Christenfrau, f
195. Gule (Küla) Erlösung* f. vom hebr. ge'AUh Er-
lösung.
195. Guies (KuIa«) Verbannung, Exil* n. vom hebr.
galAih Gefangenschalt, Exil.
10
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196. Kusobe sai (Khüs a «ei) auffallend sein ^ vom liebr.
kaschäh hart, schwer, R.-A. Es isch e K. es ist die Frage,
es ist n*x;h nicht bestimmt, unsicher. Es iscli mer K. es ist
mir {{Icichgnlti;:.
1^'7, Kiiten (kliütan) klein* voin hehr, kaloii klein.
190. Kutsen (KhutSc>n) ein reicher Mann, ein Mann, der's
midien kann,* ui. vom hebr. kazin ni. Enlscheider, Bestimnier,
Richter.
H.
199. Hamenam (hämanant) Menge, Aui'laut, hesonders hei
Festen.* m. s. vom hebr. ham6u Menge und ^üni Volk, also
Volksmenge R.^A. Das ist ein h.
200. Harw6y harbe (harwa, harpa) vietf vom hebr.
Inf. absol. Hipbil harböh, adverbialiter ««viel. » Wie b. ^le viel?
201. Hefker (hefkar) herrenloses Gut* vom spälhebr.
häphker frei, Allmend.
2('2. Heiemeie, Heilemeie (hei^^mt^i^, heilomeia)
Zinsen. * vom hehr, he, dem 5 ten Burhstahen des heln . Alphaliets
und l(^-iiu'',(h zum (vom) Hundert» a'M) ."i von 1CK.>=:5^' o
'2();{. Hesik (hesik) Schaden * m. von spüthebr. hu-sek
((d;(- ßeM-hädijren», auch von Christen viel jjehraucht. KA. H.
havve, Schaden haben, mit H. verkaufen, mit Schaden ver-
kaufen.
204. holche (hol/a) fort^eiien. f von hebr. hal&kh gehen
G.-Spr.
I. X
2(6. Jad (jät) Hand ; Macht, Eiuflu'iä, Ansehen. ' f. von
hebr. jad Hand. G.-Spr.
SOC). Ja.jiii (jajiii) Wein.* von hehr, j.ijin m. Wein. G.-Spr.
jainszorf (jainstsorl) Schnapü, Branntwein \uii jäjin sarüf «ge-
brannter Wein». •)-
S07. Janifl^, dim. janilLle (janik, janikla) jung, ein Kind,
Fohlen.* von hebr. jonök Particip. cS&ugling» RA. Sie hat eo
Janikle. Sie bat ein kleines Kind.
208. jaugre (jäukra) teuer. f von hebr. jakdr «teuer»
RA. Wiej.? Wie teuer? G.-Spr.
209. Jaune (jäun») Vul-äi <' Korm für .loiuih, .lonas. f
'210. RA. des i.sch e scheine Jaudeielischel (das iis 9
seine j;iuti'io liÄdl) das ist ein rechter Dummkopf. * eigtl. liehr.
schä-i ii«i iodt^a' li.sch'<M. critier, der nichts zu fra^'en weiss.»
Üii. jautse sei (juhim sai) seine Pilicht ^'ethan haben*
von hebr. Partie, jozd' «hervorgehend (sein),» verkürzt aus der
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Formel jizd jedö chobbalhö, <l. h. aus den Händeo (der Macht,
der ÄnforderuDg) seiner Pflicht hervorgegangen sein, ihr entspro-
chen haben. G.-Spr.
212. Jaus, Jauale, Jeisle (jau^ jaui^la, jei&la) Vulgär-
formen für Joseph.
213. HA. Das ;reit iwer inai Jechaules (las keit iwar
mei j9/auU>s) das ^eht über mein Vermögen. ' vom hebr. InOn.
jekholelh «das KüiineiD).
214. Jedie (julw) Idee, Ahnung.* Wissen, Kenntnis vgl.
No. 34. f. von hebr. jediuh Erkennlniss RA. Er ist j. er weiss
etwas.
215. Jeitser höre (jeitsar hora) des böee Trieb, die Be^
gierde. * ngesetzt vom hebr..jezer ha-hk* cDer Trieb sum Bösen.»
216. Jerüsche (jery^) Erbschaft.* f. vom hebr. jeru-
schab uF'rbschan».
217. Jiches (ji/ss) Vornelimheit, Adel, «ehr gut. ' von
jichus «Geschleehl, Faudlic, Ahstnmmimpr».
218: Jidischkat (jilis'khat) der jüdiscli-reli;.nöse Sinn, das
Leben iiach jüdjsobeni Gebot.* f. von Deutseben «jüdiscli» mit
der Substanfivendun;^ <tkeit». (cf.Ave-Lallemanl. III, S. 5i.)
dazu : jidäclie (jitsa) beschneiden, jüdisch d. Ii. zum Juden
machen.'
219. Ir (ir) Name des 2ten Monats im jüdischen Jahr.
(April)* von hebr, Ijjär.
220. Xsch (i^) Mann * von hebr. isch ro. Mann. RA. e scbei-
ner isch (a söinor is) ein schöner Mann. vgl. No. 192. dazu fem,
Ische, Ischo (isa, i.so) Frau, Weib.* vom hebr. ischschab G.-Spr.
221. JoscI^er (jüsar) das Recbl, adj. recht.' von hebr.
Adj. ja.^char recht und Subst. jöscher Oeradbeit, Recht. RA.
der Mann hat maschumti j. der Mann hat memer Seel Recht (cf.
No. 296.)
222. Juched (jü/at) der Einzelne, einzig. ' von hebr.
jachid «einzig» G.-Spr.
223. Jud (jyO * ^^'^ hehr. Jod, dem 10. Buchstaben
des hebr. Alphabets, davon Jiiserle (Jysarla) ein Zehner, Zeh>
nerle, Jilhserla (jysorla) [Rappnlts weiter] d. h. ein Zehnerle
(10 Sousstück = 40
224. Jum, Jörn (jum, jom) Tag.* von hebr. j6in ni.
Ta;:. G.-Spr. Jontev (jontat') Festtag, pl. Jomtaufem (juntau-
farnj zsgs. aus jom Tag und ^')bh gut. Jum Kiper (jum Khi-
p,^r) Vorsölinunf;sta^'. von hehr, jom ha-kippurim «Tag der Ver-
söhnung.» (ct. No. lüUj.
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225. Lafaie (lafdija) Leichenzug, Beerdigung, f vom späU
hebr. üwj'lh «Geleite, Trauer» G.-Spr.
226. Lailo, Laile, (iailo, Ieil9) Naclit f von hebr. läilah
Nacht. G.-Spr.
227. lajne (Injnr») If^^on, besonder? in den Thora liullen»
Gehet, Naclitgebet. * Temllau No. KJi. Grünbaum S. 32. UA.
me laint (ma laint) sa<;t man, lange au< <ier Tliorali-Fiulle
vorgelesen wird (weil die öffentliche Bibel-Lection in der Syna-
goge nicht auswendig vorgetragen werden darf, nach der Stelle
im Targum jer. zu Gen. 3, 15 )e*igjön beongtbA. Aus diesem
missverstandenen Infinitiv Pa*e1 mit Pripos. te ist ein Verbum
lejne gemacht worden. G.-Spr.
228. Lamden (l^fnl^n} ^tn Gelehrter f vom hehr, lamftd
(lernen». G. Spr.
229. lamed (lamat) als Zahlbucbstabe 30.t
230. lau, lo, (lau, lo) nichl.f vom hehr. ndv. hS nicht, s'isch
loi (as if? loi) es ist nicht«?. fOrschweier l)ei Ettenheim, auch in
christlichem Gebrauch]. Spf.
231. lechachles (li»/_ci/lo^) eigens, express.f aus bebr.
lehakh'is «um zu argern». IIA. Das ihu ich I. Das Uui ich zu
Leid, aus Rache.
233. liechem» Liaechem» Ldohem (l^ysm, Ire/em,
H^em) Brot.* n. von hebr. m. I^hem Speise Brot. G. Spr.
JjBf (1^0 Herz.' n. von bebr. Idbh cHerzt. Herz. cf.
N«, 349. G. Spr.
234. Lefisohe (i^fisd) Furz. m. s. verdorben aus bebr.
nephichäb Wind, crepitiis v.
2:T>. Leiser (leis.ir) Vulgärform für den Namen Elieser —
Lazarus. Eh'eser (Loser) I.r^zarus.
2''M). Leschasch (l^sas) zum Teutel * zsgs. au.s Praep.
le «zua und «chasrh einer Abkürzung aus .<ch<>m Namen und
schöd, plur schedim. Dämonen, Teufel, ins Teufels Namen.
G. Spr. Die volle Form heisst auch leschem scheidim, zum
TeufeL (l^m ^itim).
237. Levune (lafAne) der Mond.' L von bebr. lebha-
nih. f. Mond, eigtl. die Weisse, Wegen des fem. vfgl. Grün-
baum S. -43. G. Spr.
238. loiofen (loiofan) wustf von 7
239. Loschen (losan) Zunge, Sprache.* von hebr. Ias( hdn
m. u, f. Zimge. R.A. Der hat ne «ichnene I. der hat eine schöne
Sprache. G. Spr. Dazu : Luschen hakaudisch (hjs;»n
hakhautis) die hebräi^^che Sprache, eigtl. die atte heilige Sprache
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aus hebr. leäcfaoD ha-ködesch «Sprache der Heiligkeiti) ; lussene-
kaudisch madewwere (lusano kaute»» matöward) bebi-äisch
sprechen (cf. No 124).
240. Luch (lyy) der jüdische Kaleoder. * f. von hebr,
lüacb. Tafel, Tabelle. G. S^r.
HI.
241. maberes (mapero.-^) äcbwanger/ von hebr. Partie.
Pual fem. me'ubb^reth tfgeschwSnijrerl».
242. maohule mechulle (raa^ül», mfi^üle) Bankrott, xu
Grande gerichtet. ' von hebr. Part. Pual mekhulläh «zu Ende
gebracht, ruinirt». RA. er ist m., er ist bankrott, er ist m.
worre (ar is ni. wöra) er ist um sein Verniogen gekommen, m.
sai, in schlechten Veimögensverbältnissen leben, arm sein.
G. Spr.
243. Machscheife (ni.c/sLif,») Hexe.' von hebr. Part.
Piei inekhaschschephäh iZaubeieriu)'. d. 182.
244. Maeliateinesen (ninyatt''iiirt<üii) Verxhwä^erte,
Gegrenschwäger, die 2 Mütter verloijtei Kinder. ' Mechuten
(mdyütan) die 2 (Schwäger) Vater eines verlobten Paares* vom
hebr. Part. Pual mekhuttän «verschwägert».
245. mater sai (matar sai) erlauben.* von hebr. matfir
(Part. Hi. von natär) «erlaubend».
246. Majiin(iiiajiiii) Wasser*, n. vonhebr. m&jim pl.Wasser.
RA.*s maijmt (ds niaijint) es regnet cf. Xr. 173, schoohOT
majim, schokeinnjim (sox^rm. sokam.) Kafiee. eigtl. schwar-
zes \\'asser, von schacbör adj. schwarz, und m^im Wasser
G. Spr.
247. Makes un fauli Fisch (makas un laiiH Fis) Be-
zeichnung eines doppelten Schadens* pl. von hebr. niakkah
Schlag, Wunde, Plage, ü. Sjjr.
248. Malbisch pl. malhusche (mal^dä, nialpü^a)
Kleid, f von hebr. malbüsch Kleid, m. G. Spr.
2Ä. MalecU (mala*/) Engel. * m. von hebr. maU^kh
m. Bote, Engel. RA. Du bist mein meiler (m^ilor) Du bist mein
Engel, sagt man zu seiner Geliebten. -j-
250. Meilech (meilayj König." von hebr. melekh. König.
Malke fMalkho) Königin vom hebr. malkah f. Königin.
Malches (mal/ds) Königtum, n. vom hebr. malkhüth f. Königs-
herrschafl. G. Spr.
251. malle (maK») hex hni idt.ii, j^pec. religiös von hebr.
niül schneiden, besehiioideii. Mul (inül) der Beschaeider (der
Kinder) ni. von hebr. inoh^l, Brosmile (prosnnld) Beschnei-
dungsfest von berith miläh «Bund der Beschneidung» G. Spr.
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25'2. Maloche (maloyd) Geschafl. f von hebr. melakhäh
Geschäft, Arbeit. Davon malauchne (inalair/no) Spitzbüberei
treiben henrbeiten ; Kr li-it mich malauciinet (inal.itr/andt)
er hat uüdi l>etrogen. Malocliner (malö/nar) ein j^uter Ar-
beiter. Er isch a in. er ist ein jfuter Arbeiter G. tjpr.
253. Mamser (mamsdr) Bankert, dann überhaupt Kind*
vom hebr. mamsdr m. Unehlicher, im Talmud ein in Ehebruch
oder Blutschande erzeugtes Kind. HA. Das isch e schöns Mam>
Serie (mamsarla) das ist ein hübsches Kind, f M. ben ha-
nide, ssgzgen benette. (m. p6ii haaita, pen^ta) ein un-
echtes Kind eigtl. ein in moristriiis < nnripiertes Kind, von hebr»
mainser Bankert^ ben Sohn, (Nr. 39.) u. niddah Menstruation.
Beides sind gemeine Worte, die in vielfacher Bedeutung ge-
braucht werden z. B. von der Person Christi, »l uin von frechen
Menschen ((Bube», anfh ein witziger dun htnehener Mensch,
von ileiu man niclil Wf i<;s, wer seine Eltern sind und woher er
slaiuiiit. In der Gaunerspracbe ist es das fjonieinste Schimpf-
wort. Moses halle den Gesciileclils- und jeden anderen Verkehr
iwtschen Mann und Frau um die Zeit der Menstruation bei
Todesstrafe verboten. Weiteres siehe bei J. J. Beck. Thictatus
de juribus Judaeorum, vom Recht der Juden etc. cap. XllL
g 18 S. 587 ff. c. VII § 20 S. 118. Nürnberj? 1761.
manesohume cf. neschume.
23 i. Maref (maroQ Westen.* n. vom hebr« ma'ardbh
Ort wo die Sonne Untergeht.
255. Mase (mäso) That, Thun n. von hehr, nia'asäh Werk.
2r)r)a. Masematten (masomaton) Hantlel, Goschaff. -j-
/rssetzung von späthebr. massd «Nelmien}» u-mattun «und üei>en»
G. Spr.
25(>. Maser (mäsar) der zehnte Theil. * u. v. ma'as^r m.
der Zehnten.
257. RA. xe Massel und ze Broche (tsa masdl unt t$9
pröya) SU Glück und Segen.* auf den judischen Neujahrskarten
steht meist m. u. br. zum neuen Jahr, vom hebr. massdl
«GIQck» und herakhdh «cS^en». cf. Nr. 54. [W. Sommer Eis.
Gesch. II. 176.]
258. Massik (masik) ein böses Pferd vom hebr. massik
«beschudiu^end» auch von unartig;en Kindern, du bist m. du
bist unartig.
258 a. mazze (mä'.s,») oder Pluralis inazzes (mätsda), von
hebr. ni:\//<'>\\\ ungvs.iufrle Brode (Ostersjx'i-f)-
2.VJ. Maukem (maukoin) die Stadl " vom hebr. makoui
Ort, Stelle, Stadt, Dorf. G. Spr.
260. Mauschef (mauset) unnätzes, -werthloees Zeug,
Niznutz, von moschäbh Sitz, (Satz, Ueberbleibsel). Gewöhnlich
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— 151 —
hört man M. de Buyonne. M. von der Stadt B. Aus der
Ge^^end von Saargemönd-Blieskastel fQhre ich noch den Aus-
druck Cbarauses de Bayonne an (^raratunas auch in der Bedeu-
tung einer werthlosen Sache ; von spdthebr. chr»rdseth (Mischung
vnti getrockneten Frucliten, bei der Passah-Uabizeit gebraucht.)
(vgl. Nr. 377 u. 378.)
2ßl. mauschle (maüsb) zusammen schwatzen, tnscheln,f
Villi Mauschel (mausel) Spotfntnie iüv Juden als Deminutiv
von M iusche (Moses) Grimm VV. B. VI 1819 u. 1820 jüdisch-
deutscii rndon.
*i(3'2. mechabed sei (nioyapat sei) ehren/ von iiebr.
Partie. Piel iiieklKihhAfl (feinen«!».
•i03. meohalel sai (m.iyäl.il «cj) entweihen,* besonders
Fejsl- und Sabh.ühlage, ^^e;:tMi 'Vu- (Irliote handeln, von hebr.
Part. Pi. ineehallel «entweihemi», liA. Ich bin lu. ich habe
die Gebote überst hntl.'n.-l-
^Gi. Mechile praie (la^yil^ praia), um Verztiliim},'
bitten,* vua .s[>ü(helii. niechilah f. Verzeihung und \n. von
franz. prier. RA. Ich praj dich m. Ein im Absterben be-
be griflener Gebrauch, wo die Verwandten und Freunde
an den olTenen Sarg eines Veistorbenen unten heranl raten und
sprachen : wenn ich dir etwas zu Leid gelbaii hab, so sei mir*8
mochel (m6)rel) von hebr. Partie, niocb^l «verzeihen d».*|' G.-Spr.
265. Meie (inei^) 10(1/ von hebr. mö*äh «hundert»
meielofiin (meio lolnn) hunderttausend von ni. n. ilem pl. ala-
phiin «Tausenden von eleph, lausend (cf. No. 143). RA. Meies
mache Deies (m. maya tei^>s) Geld bringt schon Ge«lanken
im M**nsclien herxor, * v>n späfhf'br. niA*Ath Phir. v. ma'a
(((.»Ii ilii- », Plur. fiGeldw, dah«'r auch das slinh'iilisi he .Mn(>s, und
Plur. ■It'i'ttli /Wissen, Gedanken». Die Äusspr.iche meics («lie
zunüchrst alleidicigs elier aut hebr. ine'ölh «Humlerteö hinweisen
wQrde) ist wohl nur durch die Anlehnnn- an deies zu er-
klären, (cf. No. 3i).
266. mem (m^m) 40/ von hebr. mem, Name des 13.
Buchstaben im hebr. Alphabet; memrat (m^mrät) .siehe
No. 310 Memmer (mömar) ein Vierziger, ein vierzig Sous-stQck
(sl Jt GO ^) [RappoHsweiler].
267. Memme (mema) Mutter/ f. wohl au.«: dem Deutschen.
Das Wort ist im Abi,'ehen begriflen und nur noch in alt
orthodoxen Familien in Gebrauch, (cf. Ne. 456)
'207a momen oder mumes (müman mümds) Geld, von
spätbeiir. iinrnoii TMunmon».* G.-Spr.
"JOS. Meilings Onenhik) .Mode, Gehrauch/ m. von hebr.
uiinhäg i' ührun;;. Brauch, Kilus.
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269. Menuche mduu;^<)) Ruhe,f von lieln. inenucbAh
f. fRube».
270. menase (manus») geprfiß, böwihrt von bebr.
Part. Pu'al inenitssSh geprfift.
271. Menuwelte (manufalta) bä^slidies Frauenzimmer . f.
(Avö- Lallemant IV S. 409), fem. Part. Pual. menubbelelh «eine
Ve! imstallete, bäsülicb Gewordene». [W. Sommer Eis. Gescb.
S. 285).
272. Merame (moram») ein Betrügei,* vnti hebr. Part.
Piel merammäb «ein Betrügender». RA. Ich bin ni. gewesen,
ich hal)e Rotru;.' }?eubt. G.-Spr.
273. Mesa meschine, Misemeschinne (mesa, mesena)
ein scbrecklicbes Fluehwort,* von hebr. mithdh meschtinnfth
«eine absonderlicbe Todesart», ein jSber ungewöhnlicher Tod.
RA. e M. aineme (am. ain&ma) [einnehmenj eines jähen Todes
sterilen. Nimm de M. nei in der Bdtg., dass dich der Teufel
hol.t G.-Spr.
274. sich meesbne (siy masprin.-») ;jrenug von r iner Sache
nehmen, z. B. beim Essen.* von lu'lu. Part. Hiphil masbia'
<!r5!ä1fi|.'en<l>5: misbe fmi^pd) das Futtor.f von hehr, mispo das
Futter ffiii das Vieh) misbene (mispand) futtern, von talin.
Aphel aspe' fidtern, ätzen.
27.J. Meschamer und Matschel (masam^jr unt
mathal) .Vusruf : 0 Gott, von den hebr. Participien meschammer
cBewahrer» und mazzil «Erretter»
276. mescbuUme (ma^älma) zahlen, auszahlen/ von
si^lhebr. scfialldm «wi^ererstffHen, bezahlen». G.-Spr. RA. gut
meschulemt sai (Kyt mdHubmi sei) gut bezahlt sein, H. h.
hart heim;^esurht soin.*
277. Mesire (m^sire) Angeherei f. pl. mesires (masirds)
Verleumdunfi:en, von hebr. mesirah, pl. mcsirfttli AusUeteruntr,
Verrrdherei (Kz. 20. 37), R.A. e M. anluinpe (p M. anjM'ini)
Jemnnden verleumden; vermasern f lV'rtn;is,-»r.'i) verf\itli»'t). *
z^j:e-. Villi tloiiixh-Mi Präfix vor und hel>r. maj?är «überlietern
(eir» ( it'hfiiiim.^?.), preis^relien».
27S Mesrach (mesra/) Osten.* m. von misräch m. Son-
nenaufi.an^s Osten.
27(1. Mesujef (masujaf) bSsslicb/ fem. Mesojefte
(a mdsüjafta) ein hässUches Frauenzimmer vom hebr. Part.
Pual mesujjäph •'verfälscht, verdorben.«
280. metsar sei (maisär sei) sich betrüben,* trauern,
vorn «pfithelu-, Paii. Pael meza^^r betrübend.
281. mies sai (mias .^ei) zuwioder sein*, mies (niias)
wfist, hässlich' von spälhelir. me'i.'« verworfen, zinvidf? , unleid-
lich. G. Spr. RA. Es ist mir in. es ist mir verieidei, bej^ouders
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— 153
viel in der Plulz so uelmurhl. Sie ist mir m. ^^ü;:! man von
einem häuslichen Fi am azimnier . Mueskat (mfuisk.it ) [vkel-
haflijrkeit, Hässlichkeil.* f^ebiltiel von spälhebr. mi ü> Häus-
lichkeit. G. Spr.
28S Milchume (milyume) Krie^.* f. von hebr. f. mit-
cbamih Krieg. G. Spr. dazu mUcholem (milyolam) einKriegs-
mann, Soldat, (gewöhnlicher aber bilmaeh, eigentl. bä^al mil-
cbamdh Inhaber des Krieges. Plur. balmachumea).
283. Mischu§fgr® (mis'ük^) verrOckt. f von hehr Part.
Piral Mies' Iiu^l: verrückt. RA. an m. Mensch, eio wilder
Menscli, en Mischugg'er (misükor) ein Verrückter.
28:ii. Mitswe ct. Xr. 30. von hebr. mizwäb, Gebot,
Gesetz, venliensiii« hes Werk *
283 b. Mole (niob) voll, vom hebr. adj nialr voll, rrefülll.
283 c. More (moro) Furcht ; tülschlich auch rnorijs von
hebr. morü* Furcht, An^fi-l.
284. Moschef (moS^df) Abort, j von hebr. moschäbh
m. Silz, Sessel,
SI85. Muohsen (müxsdn) Zöllner, Oetroibeamter, Steuer-
einnehmer, Accisor, von hebr. mokhds Zöllner.
28(). Nafzge, Nafge (naltska, natke) Dirne, Hure f
von spätlit'lii. miphekat (brufi) o Herumläuferin (nach at»s-=f^n ,
Unzüchtige)) Vj^I. «austrainMi» (in den deutschen Fasnachts|)ieleo)
in G. Spr. die iromcinste ProsJituirle.
287. sich naukeme (j?ix uaukamo) sidi rächen* von hebr.
nakäm, sich rächen.
288. nauntae (nauntsa) murren. Nebenform von
8chwäbi.5ch und alemannisch maunze wimmern, winseln.
289. nausne (nansna) flehen.* von hebr. nathin geben.
RA. i naus der eins an bunem (i naus l9r eins an pünom). Ich
schlage dir in's Gesicht ; naus em sie, z. beim Kuhhandel,
gieb sio ihm. G. Sju .
29ü. Nechauiies (na/äunos) Vorbereitungen* von hebr.
nekhonoth «FiereihMes, 7u;."0i ü*- totes i«. RA. mach dir kein so n.,
bei Aiifwartiinif»Mi (Vir einen Besuch, mach doch nicht so viel
Äufhei»eri.s, We.<eu>.
291. nechile (nayila) nichts, f von späthciir. nekhilah
«Trügerisches^».
292. Nedinje, Netlnge (naiinja, nati^a) Mitgift.* f.
von sprdhebr. nedunjd Mitgift der Braut. (W. Sommer, Eis.
Gesch. il. 284.)
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29^, Nekume fn^kum.») R u he, Schadenfreutie. ' f. von
hel)r. nekamrUi f. Ii.ti Ih', ( It^iiu-thuiins". RA. Ich hal> n. nn
häp n. an sin) ich livue mi(:h, «h<N (>s ihm so schlecht ^« bt.
294. Nelem pL nelemer (ncUm, rn'Mm^r) Schuh,
Schuhe. 1 von hel)r. nä'al, pl. ne'ah'm iSandale, Schuh. G. Spr.
290. Neschume (nasümd) Seele,* von bebr. neschamah
f. Od^m, Hauch, Seele. RA. manesohnme (mendSüma)
Schwurforinel: Meiner SeeP^ fQrwahr/ zsges. aus dem deutschen
«mein» unr) hebr. ne^iclinmikh «Seele» , analog, dem flranz. ma foi
gebildet. G.^Spr.
297. newlch (nöwl)r) leider,' wurde verschieden zu er-
klären {gesucht , so von Zunz gottesdienstl. Vorträge,
S. 44! aus dem Polnischen (zu< irMm mutJzoj^en aus niech Pan
Bö^ lirnrii «Gott sei's },'eklagl»), Toa l. lu No. 633; nach Ave-
Lalleinant nndr»rs. G -Spr.
298. Nisen (nis^»ii) Name des er^iten Monats im jüdischen
Jalir,* von hehr. Nis.ln m.
299. NitSBS (nitsas) Funken/ m. von hehr, uizoz Funke.
309. nu (nn) roi^elmassi}; das erste Worl, mit dem die
Juden zu sprechen beginnen/ deutsch «nuni»
301. Nafe (nufd) Prophet/ m. von hebr. nabbi* Prophet,
in G.-Spr. Wahrsa^irer.
302. nun (nyii) 50, Name des 14. Ruchslabens des hebr.
Alphabets mit dem Zahlwerth 50.
303. Odem (diam) M6n:»ch. f m. vom Iiehr. ailam m.
Mensch, anch coUectiv Menschen.
304. Olef (olaf) eins.* vom hebr. Aleph, dem Namen des
ersten fiuchstaliens des hebr. Alphabets. Vgl. Nr. 12 u. 143.
30ia. orum (örum) nakl. f vom hebr. *ar6m nakt.
305. ea Os (an os) ein Wort.* vom hebr. oth Zeichen,
Buclistal)e.
30G. Osnaijim (osnaijim) die Ohren, f vom hebr. Ösen,
Dual osn;\iim f. Ohr, Ohren. G. Spr.
307. RacliUiUiies ra/inunos) Barmherzijrkeit, Krharmen,
Erbarmunij,' von spathehr. raehmaniHh, «Erbarmen, Milde» .
308. H>af (rat) Rabbiner, spee. der angestellte Rabbiner/
Rabheine (rapeina) hebr. rabl^dnu unser Lehrer, hejsst
jeder Gelehrte, wenn er auch nicht angestellt ist. Rabbi
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— 455 —
(rapi) mein HeiT, mein Lehrei-. Das Wort kornml erst im Tai-
miif} vor, über Ursprunj; und Bedeutung T. Jost Gesch. des
Jiiileiilums 11. St'klen, I. S. '270. .Vndiv Form ist Rewe
(reWrj), Rewetsen (r. wats.in) iVw Vr:\u ItahUiners und
Rewetsche {rvw^i^s).' Zu Grund liegt rähli viel, gro-<.s, Meister.
G. Spr.
nOD. Baklajemer (raktajamar) pl. Füsse/ vom hebr. r^-
gel, Dualis raglajim Fuss, Fasse.
310. Rat (rat) Thaler.* skrophonisch aus den Aofanj^sbuch'
Stäben der deutschen Bezeichnung R(eicbs) T(haler). Bimin. rsd-
tel (ni'tol) n. sing. 1 Tlialer (T» Mark) [llnppolt^wviler). cha-
disch rat (y/tlis rät) m. ein Kronthaler cf. Nr.t>8, (6 frs.)
auch die Korm schalischiraf f^ilisirät) kommt vor, von chaclasch
«neu», also Xeuthaler. Jtihsrat f jv^ral) m. phir. 10 Thh*. ?
oder Juhsrat (Baden). Foifrat (toifrät) m. pliir. 5 Thlr. (15
M.) ? in Baden luibekauut. ( Happoltsweiler]. Foifzarat
(toiKsarat) m. plur. 1."» Thh-. ( 'm M.)? unhekauiil in Baden.
IRappoltsweiler]. Khaüsciiira,t (kha(i.sirat) m. plur. 20 Thlr,
(60 M.) aus Kaph =: 20 u. der Adj. Bndung iscfa, auch blos
Kafrat (khafrat) s. Nr. 152, ausser dem allgem. Crebrauch. [Bap«
poltsweiler]. Mdmrat (mömiit) iO Tblr. (120 M.)* s. Nr.
266, in Bappoltsweiler f^eich 25 Thlr. (75 M. ?)
•M l. ratze (ratsd) laufen.* vom hebr. rAz laufen. RA. ^eh
ratz (ki' rats) geh fort, j (i. Spr.
^5'-*. Raufe (raufr») Arzt." vom h.^hr. rophe' Ar/t. G. Spr.
dazu Hefue (rafya) h.'l)i. iv|)lni'ih I". Heilung, Heihnittel.
ol'i. rauges (nuikis) /..«irilg.* vom hehr, ragas erzürnt
sein, meist in der l'orm braukes (prauk.)>) ^ehntuidilicl» von
hebr. Präpos. he «int> und rogfs Suhst. «/oriM. BA. er Uc\\ hp.
wora (ar i.s praukas wöra) er ist lornig geworden, roches
(n'iyos) der Zorn, f vom hebr. röges Tolien, Zora. G. Spr.
3U. Reiech (rei^yj Geruch, vom hebr. r^ach m. Geruch,
Duft. G. Spr. RA. do ruachts wieder (lo ruayts witor) es
stinkt da. f
315. verrache, verrueche (varv/r>, vc»rryayo) in Genus»-
suchl durchhringen, verputzen, mit dem deutschen Praef. ver
gebiitletes Verb. v. ruäch Wind, in den Wind wei ten (verwehen).
310. Reifech (reifd/) ('»pwinn.* m. vom Ih'Ij! . rAnnch
Raum, Weile, Ausbreitung, «l utu InMI. (iewiun. BA. er macht
B. (or mäyt neyfiy) er macht Gewinn.
'Ml. Reikem (reikam) Soldat. * m. pl. Beikem.s (n'Mkaui.-j.
Dim. Beikende (reikomio) von hebr. r«^k, plur. rekim, leer, los,
dann ssmuthwiilig, leichtfertig, Bösewicht. G. Spr. RA. Vorne
getrummelt un hinte kei Reikem (fornakatrummalt un hinta khei
reikam): Viel Lärm um nichts.
r
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— 15ö —
318. Retseiech (rdtseia/J Mörder/ m. vom hebr. rozö-
äch, Mörder.
319. Hisches (lisc*.«?) Bosheit, besonders von der Vcrfol-
i^ungssuchtge^en Juden.' u. vom bebr. risch'itth Bosbeit, Grüuel-
Ihat.
320. Rosch (ros) Kojit. * m. vom hebr. rusch Kopf". G.
Spr. Zs.setzungen Rausch-Ghauclcsch (taus /autas) Neu-
mond und Resoh ohaudisoh /autis).' vom hebr. rösch
chödescb «Anfang des Monats». Rosch haschone (ro& ha^aa).
Neujahrsfest.' vom hebr. rosch ha-schandh «Anfang des Jahres»,
vgl. Nr. 81.
321. Ruf (nlf) Hunjrer.* m. vom hehr, ra'dbh m. Hunger,
dann rufig (rüfik) geizig, karg f und verrufe (varOafo)
v»bun{fern.'
322. rujene (ngdaa) sehen.' vom hebr. ra'äh heben.
323. samech (sämdy) 60.' Namen des 15. BocbstHbens
des hebr. Alphabels, mit dem Zahlwerlh 60.
924. Sanne (sano) SchQrzenjSger, Huren vogel. f vom spftt
hebr. sanna* Hurer. RA, Du bist ein Sannepeter, du bist ein
rechter Hurenhengst.
^iii. Sasern (sasarn) Makler von spülbebr. 8nr:^0l- Un-
terhändler, Makler, aus dem persisclien stammend simsar Händ-
ler, dar.ni^j arabisch siir-ur, sriehkundi^'-er Geschäft«ri!nnn und
dann in die ahendländi.<«clien Sprnehen üi)ei'^euai)i:en in «ier
Fojjji «Srii^al» Das Ahslractum ist säseres (sas^ras), Thätigkeit
(auch Lohn) eines Maklers.
325. RA. Der ScliaJjijesolt;iüe anhawe (tar >a\>0'
soleina inhawa) das Säbbatkleid tragen." d. h. er ist arm, muss
ohne Unterschied an Werk- und Feiertagen eben anziehen, wa.s
ei' hat. Ein gewohnheilsmässig ohne Sinn zsgestoppeltes Wort
aus schabbftt ^alönu «Sablial auf uns».
326. SchatChonim (sat/onim) Heirats- Vermittler, Sdiad-
chen.* pl. vom späthel>r. Verb. schadd»>kh verheiraten (Heirat
stiften) Schadehen pl. Schadchonim (salyen, satyönim) Ehever-
railller. G. Spr. s. Nr. 34G. (VV. Sommer, Fls. Gesch. ^. 281.)
327. Schsecher (saeyar) Rier.t vom hebr. scbekhur m.
berauschendes Geliänk. G. Spr. s. Nr. 350.
328. Schalle ^iaila) Frn«:e auf religiösem (»dnel, ul> eJvvas
erlaubt sei oder nicht.' wm hebr. Subst. sche'eläh Frage.
329. Schalef (salaQ Bursche, rauher Kerl.* m. von un-
sicherer Ableitung, nach Av^Laliemnnt IV S. 5ti5 ein lang aufge-
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schosseiiei", d. h. ungeschliÜener, noch in der iüldunt^ be^riflener
junger Mensch, ein unnützer Bummler. G. Spr. In Baden nur
selten gebraucht.
330. Schames (saiuös) Bedienter, Diener (besonders der
Synagoge.)* in. vom spätUebf. schammdsch «Diener» G. Spr.
331. schaschlLene (Altana) viel und stark trinken.*
vermischt aus den zwei hebr. Verben schaihdh und schakdh
ctrinken». in die Volkssprache öbergegangener Ausdruck. G. Spr*
RA. e lau Schaufe (9 lau «sÄufa) ein Nichlsnutz.f
vom hebr. 16' schowäh tnichtswerthig».
333. sohaufel, schofel (saufal, ^ofel) schlecht, arm-
selt|f. f vom hebr. Adj. schaphöl niedrig, gering. Ist in's
Deutsche auf'^'enoininen. RA. schaude masemaddens (^ufla ma«
samatans) schlechte Geschäfte (s. Nr. 255.) G. Spr.
334. Schaute, Schote (sauta, hol»), Dummkopf, Narr,
Einer der nicht recht irn Kopf ist. f m. vom späthehr, scholäh
(Parti •.) inend, Narr vgl. 33(5. G. Spr. Zs. Bechor Schaute,
Bchorr Schaute (pay^or s., p^or s.) Erznarr.* vom hebr.
bekhor Krstgehorener.
335. schtikene, schtichenem (stikano, ^tiyanom)
schweigen.* in Builen scbtigae (stikne) -|- vom spatheln . ^^rUd-
täk schvveig-en. W'eiiii mir ein Bekuimler ein (ieheimni.s erzählt
hat, sagl er zum Scldus:s; awer schtichenem (awar sti'^anam),
abersub rosa, aber reinen Mund i;;ehalten. vgl. unser St! Scbtl
fist l ZächeUf stille zu sein. G. Spr.
336. Schtnss (stus) Narrheiten f vom späthebr. sclietülh
Unsinn, Narrheit, s. Nr. 33 i.
336. Sehe (^e) Stunde.* vom spftthebr. scha'dh f. Blick,
Augenblick, Minute. G. Spr.
337. Sched (^i) Teufel.* vom hebr. schM Dämon, Teufel.
338. sohefe (s^ta) liegen, sitzen, besonders im Bett.* von
hebr.jaschäbh sitzen. RA. er schift, er «sitzt» (im Gefängnis.)
339. Sohefues (^fyas) Pfingsten.* v. hebr. chig scha-
bhu'dth «Fest der Wochen», weil dasselbe 7 Wochen nach dem
Mazzoth-Fest gefeiert wird.
340. Soheijets, Soheits (seijats, ^ils) dim. Scheitsie
(leitsla) nichtjQdischer Bursch, Bub, Bühle.* vom hebr. schö'*
kez eigtl. Greuel, Bezeichnung für einen Christenknaben, s.
Nr. 351.
3il. scheiker (seikar) lügenhaft, ßilsch.* vom spStbebr.
schakkdr I.ügner, Täuscher.
342. Sc helmes Bletter (^imas pl&lar) Bli^tter, auf denen
der Name Gottes steht.^ pl. vom hebn schöm, pl, schemöth
Name, ^^olche BlUtler (Zettel) werden aus Pietät gesammelt und
soi-gfulliif aufbewahil. In J3adeD ist die Sitte aber sch( n fast
ganz ab^'eütorhen. RA. er handelt mit Sch. Bl. ist eine sclierz-'
hatte Antwort uut die Frage «was treibt eri, mit der Bedeu«
tung: so viel wie nicids.
^*V-\. Schemkene (sf rnkrno) rehcrnaine , Si liimpfnn-
me. vdiii lit'hr. scli«*iii «Naiue» vinU kinnuj l^iname, Zuiitune.
.'iii rota Scheniser (luta >iem!»;»r) roler Sclienis-er,
Spitzname tor einen rothaarigen Menseben. Etyniulo<^ie dunkel.
In Baden ist der Ausdruck unbekannt.
845. schechte, scheschte (^t>-/td, sest.^) schlachten,
schachten.* vom hebr. schacbit schlachten s. Nr. 368, G. Spr.
346. Schideoh (kiUy) Heirat, Partie.* vom späthebr.
schiddukli Verheiratung, s. Nr. 3S5. [W, Sommer Eis. Geach.
347. Schiücbe (sif/e) Magd, f n. vom hebr. schiphcbäh
Dienerin, Ma^^d.
:U8 schife (sifd) Siethen.* vom bebr. scb^bha', fem. schi-
bh'ah m. sieben.
Schiferlef (-^it M lrf) Herzeleid, ricrzhivt hend.* vom
hcl»r, st-liflitiei «ida^ Üreidien, Bruch» und löbli «Herz» s. Nr.
'233.
350. Schikker (i^kar) Rausch, f dim. Scbikkerii (äikerli)
vom hebr. schikkör bitrunken, s. Nr. 326. Das Wort ist voll*
ständig in den Votksmund übergegangen, s. Jahrbuch IX. S, 119.
351. Schikseli, SohllLBele (siksoii, kiksala) oichtjüdi-
schea Mädchen.* Dim. von Scfatks (iiks,) das nur in der Verbin-
dung Judenschiks in der Pfalz vorkommt för ein (zwei-
deutiffes) jüdisches Frauenzimmer, f in Frankfurt: schicksol,
vom hebr. schekcz eigtl. Greuel, (s. Nr. »UO.) G. Spr. Auch
findet sich Schiks im Volksmund für wegen Unsittlichkeil ver-
rufen*' Mfiili lirn . <:loirhvii'l (»l> jüdisch oder ( liristlich.
'Sy'I. Schmajemer i inajomör) Zühnv.' [»l. vom hehr,
sehen III. /ahu, JJualiä i^chinoäjim Zähne (eigtl. die l>eideu
Zahnrt'ilii'ii)
35:^. schisciie (»isa) sechs.* vom hebr. scbesch, fem,
schibchscliäli serhs.
354. Schkorem (>korem) Unwahrheit, f vom liebr. sche-
ker, pl. sctK'k;ii UM I.iigen. Flausen. G. Spr. KA. der macht Sch.
er lügt, er ist ein Lüirenschwalzer.
354a. Schlamassel (Slamässdl) Unheil, vom hebr. schäl-
lö'massäl fwas kein Glück ist».
355, sohlausülie (slausa) drei.' von» hebr. schal6scb,
fem. scheloschdh «drei».
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350. Schiemil (slömil) Pechvogel, Dummkopf/ unprak-
tischer, unbiviuchlMrer Mensch. Von unsicherer Abstammung,
vgl. die Erk]|lruQg H. Heines, cf. ferner Tendlau Nr. 625. 748.
764. S. 419 Anrn. Chamisso schrieb Schlemihi. G. Spr. Dazu
Schlemuchem Nebenfoim und synonym zu Schlemi!.* hA.
Du bist fin rechter S( hl. Du bist ein unpraktischer Mensch.*
357. Schlich, Schlioch (slir/, «»Ii*/) Gesandter, Bote.*
m« vom späthehr, schehach tlote.
358. sich schmade (siy sniata) zu einer andern Hehgion
übergehen.* niclit von hehr, schamäd venierlion , abfallen,
sondern wie schon ll.ii Gaon Jahrh.) richti^^ erklärt, con-
Irthirt aus >f!ia*iiie<i (Scli;ik'l *aniäd) «taufen». Part, pas4>.
«it-»clioinniL"il (iiH's< hu'niui|^ «j^ctaii II ".
'3o\K schmaune (suiäun<^j acht' v. hcbr. sckcmonüh,
fem. schürnonah «aclil».
)ir)il:i. SChmaUIieill (suiamiani) 80.* vom li('l»r. sdieiito-
niiii aachzi};». Zssetzun^j schmauaemeie (>■ meia) 800.
360. Schmeche (sme/o) I'reu<le." anderwärts sinidie,
f. vom hebr. sinichah Freude, Fröhlichkeit.
301. Schmue (smy.i) Gerede.* pl. Schmues (smyos) Re-
dereien, Gerächt, vom hebr. sch^mu^äh Gehörtes« Gerücht, plur.
schemu*dth Geruchte, Redereieo. G. Spr. RA. Ich hab die Sch.
schon 'mal gehört, idi habe diese Erzählung schon einmal
gehört, f Spr.-W.: e heisi Sch. fligt weit (a peisi ^.
flikt weit)ein bö.«es Gmicht verbreitet sich leiehl, weit und rasch.
SChmeie « SChmeia (srneio, smeia) hören, f vom liebr.
schamä' und schämen' Verb, «hören» und Adj. verbale «hörend».
RA. er '}<(']{ loschmea (er is losmea) er hört nidits. G. Spr.
Ein (leut>( lier .Ausdruck ist: bisch hoeruh'.' (jn'- \,ü(*r'v/) hörM
du iiiclif. j Fem«'!- ;jt-liört hierher schmusen, Schmulis
niacUen (suivs^u, .snnis uiäyo) (eii^entl. «scheniu'uti» laaclieu»
leere Redensarlrn machen, schmeicheln, schön thun), und
Schmuser (^mAsar) Schwätzer, lästiger Schmeichler, f G«
Spr.
363. schnajixii (Miaj.>m)zwei.* vom hebr. t^chenajim ctweij».
363. schnorre (änora) betteln, und Substantiv schnorrer
(^norar) Bettler von — ?
364. Schochet (so^rel) Schächter.* m. vom liebr. I'arlicip.
schochet Schlächter. G. Spr. s. Nr. 346, ein nur jntern jüdi-
sches Wort, bei Christen nicht bekannt.
36.*). Schor (sor) Ochs.' V(»m hebr. scliöi- Stier.
366. S chere (s/ör. ) StolT, Waare. f vom hebr. sechoräh
Handelsverkehr, später Waare.
— lOü —
367. Schuk (äyk) Strasse, Messe, für Markt» f vom hehr.
schOk Strasse, Markt. 6. Spr.
368. Schulchen (sylyen) Tisch.* vom hebr. schuIch^D
Tisch, dahin ;fehörl auch Schiilchän 'arükh «der gedeckte Tisch»,
Titel des in 4 Bücher zerfallenden jüdischen Gesetzbuches, von
Joseph Karo verfasst. G. Spr.
369. Schumlichem u. Schülern (sumliyatn, sAldm)
ist der jüd. d. Grnss und G<>'^enj,n'uss. Das erste Wort ist zs,
^'ezojjen aus schalöm ' ilekhäm Friede üJ^er euch», das zweite
ist das hebr. sclialoai «Fii»'«!«' ) allein.
370. Schuiire(suiHv; Katze.* vom spfithebr. schunnV Katz»*.
371. S'chus (s/us) Verdienst.' n. vom spüüiebr. sekhutli
«Reinheit, meiitnin >).
37*2. SchuschJte (suaka) Kleinigkeit, geringer Preis.*
Ableilunj^ dunkel.
373. Schwat (swat) der 11. Monat des jüdischen Jahres
(Januar-Februar).* vorn hebr. SchebhAt m.
374. Schwije Anije singe (.swija anija si^a) ein
Jainnierlied sinjren. Die Hodensart. ist zugesetzt aus hebr. sche-
bliijjüli 'annijjüh «arm.selige Getangene». Das >iiul die Anfangs-
worte eines Versöhnungsgebeies, von Salonio Gabirol veifasst»
und dem deutschen Zeitwort singen, s. Zunz« Litgesch. der synag.
Poesie S. 411. Nr. 9.
375. Sechel (sc^xal) Versland.* m. vom hebr. sökhel Ein-
sicht, Verstand.
376. Seicher, Secher (sei/ar, Andenken.' n.
von hebr. sökher Erinnerung, Gedenken.
377. Seider nur in der KA. Mer mant er will de Seider
gewe (mar mant ar wil {9 seitsr k^wd) so breit und bequem
setzt er sich hin.* vom hebr. seder Anordnung, so heisst dl^
Feslfeier am Passahabend» wo^< n welcher mancherlei Anord«*
nungen getroffen werden. Für den, welcher die Cerenionien
ausführt, wird ein l>esonderer, bequemer Sitz bereitet, dass er
sich an diesem Abend dt^i- Refreiung als Freier und Edler
fühlen soll. In Bnden nur .^t>lt«Mi gebraucht.
378. SeifeX (seifal) Mist, Kot.* m. vom späthebr. s^bbe(
Mist. G. Spr.
370. Seifer, Sefer (seifar, sefar) Buch.* n. vom hebr.
sephar Buch.
380, Seir (seir) das Haar, f vom hebr. se*ar m. Haar,
8. 443.
381. Sekune (saküua) Gefahr.' 1, vom spüthebr. .sakkanah
«Gefahr:».
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']S'2. Sman (samaii) dip Zeit.* m. u. f. ^'ewölinlich ein
hallj Jrihr, nnf welche Zeit das Ge<in<l(^ jiediin^^en wirti. vom
fitpät sniiän m. l)e^litlllI)^e Z»>il, l'ii-L G. Spr.
Sike (sike) «lie fluUe.* l. von hehv. sukkali fem.
Hülle, Laul)hütle. pl. suUkulli, davon Sikejs, iSigges (sikas) das
Lnubhultenfest.
384. Sikoren (sikoran) Getlächlnis.* n. von hebi\ sik-
karön m. Andenken, Gedächtnis. RA. a schlecht s. hawe (a
§]e}(t ä. hawd) ein schlecht Gedächtnis haben.
385. Siwen (siwan) Name des 3ten Monats im jüdischen
Jahr.* vom hehr. Siwan.
liSO, Sliches ^(sliy^s) Gehete, besonderes Bussgebele.f pl.
vom helir. .«elicholh Gebete um Vei-^^ebun«? der Sünden, Buss-
gebele. Diese G»^ltet-Büf her und ^otlesdienstlichen Riten sind
nach den verschiedenen Landern verschieden. So haben die
Elsässer Juden solche von den in Deutschland üblichen ab-
weichende Sl. Diese «Sliches Ebassj» sind aber auch bis heute
in wenigen früher zu elsässer Terdtorieii gehörenden badischen
Judengemeinden erhalten geblieben, während im übrigen Deutsch-
land die (SHches Aschkenas» im Gebrauch sind.
387. Snuss (snus) Buhlerin, Dirne.* vom hcbr. senüth
f. Buhlerei, Unzucht.
388. Socher (söy^r) Krämer, Kaufmann.* eigtl. einer,
der herum (hausieren) gehl, von hebr. soeh^r reisender Han-
delsmann. « f. Xi'. ni>5,
■{S't. Sof (sAD Gulden. 7 eiirrl. -ohof vom hfhr. -ilnihh
(toldmnnze, Gold;:iiMtMi. \uf dem Lande wird bisweilen noch
nach Gulden iierechuel. G. Spr.
300. Sude (syte) Mahlzeit.* besonders die bessere Mahl-
zeit, f. vom späthebr. se'udäh Mahlzeit (stomachum futtura).
39i. Süden (sütsn) Teufel, Satan.f vom hebr. satdn
Widersacher. Gegner, spez. der Widersacher, Satan. HA. Geh
em Sudeni zu (ke am sütdm tsu) das.-» dich der Teufel hol. f
30*2. sujen (snjon) sieben.* von Säjin dem 7ten Buch-
staben des hebr. Alphabets.
.■50.3. Sunef (sünof) !) v inz, Schweif.' m. vom hebr.
m. '^in.dsli S( hweif, Wedel. G. Spr. Davon in Eltenheim die
venlni I-urm < n n ft (sünfl) das männlitiie Glied, P^^nis.
3'.)4. Sus i^sus) Pferd.* n. von hebr. sus m. lloss, Pferd.
G. Spr.
395, Zadik (tsatik) ein Frommer, Gerechter.* vom hebr.
zaddik m. Gerechter, cf. Nr. 398.
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— 168 —
31)6. Zarfes (ts.irf^s) Xarae für Frankreich.* auch die
Form Sarfes (sarfas) koinint vor. vom hehr. Zärefäth Name
eines fernen Lünde.s der bibUschen Geo^^raphie, das als Frank-
reich geileutel wurde. G. Spr,
397. Zawer (tsawarj Hals,* m. auch in der Foria Zaler
(tsafr).7 Vütn hehr, zawwar m. Hals. G. Spr.
398. Zdog'O (fsluko) Altnoseu.' von späthebr. zedakSh
Almosen. KA. madono zdo^jo (luätoao ts'toko) eine Gabe, Al-
mosen, die gew. Bitte beUelnder Jiiden. von mattanä z^akäh
ceine Gabe, ein Almosen»; im Els&ss in der Form z ( u k e (tstilks») f.
399. zefene (tsefano) .schlaffen.* von — ?
400. zegene lj>'ekona)8clipeien.* vom hehr, za'äk schreien,
cf. Nr. HQ.
401. Zeilem (Iseilam) Kreuz.' n. vom tiebr. z61em m.
Bild, spater: Kreuz, Götzenbild .
402 Tschufe (läywa, tsyfa) Antwort, Busse.' f. von spät
hebr. teschubhäh i) Umkehr (von den Sftnden), 2) Antwort.
Tschufe Woche (Isyfawo^^a) heis.sen die iO Busstage zwischen
Neujahr und Versöhnun<:^it;i;i. f WX. Worum j^i.scli mer kei
t-schufe? (worum kis mor kei t.) — Warum gibst du mir keine
Anlworl ? cf. 97.* er get mer ken T., er {ret ken T. fnti sich
(ar kei mar ken t., ar ket kt-n t. fiin siy) er lässl .sich nicht
störeu, gibt keine .\iitvvor(, sclienkl mii kein Gehör.
•i03. Zoche ( t>^<7.a) Llocbl der Lampe.* spec. der Docht
in der Sabbalblampe, m. von — V
404. Zluche (IsliV/e) Glück, Gelingen* vom hebr.
zelAchfih (azlacba ) Getleiben Glück. RA. An dem i.sch ka Bruche
Uli ka Tslucha (an tem is kei pruj^a un ka tslü^iraj Au diesem
ist kein Segen und kein GI6ck cf. Nr. 54.
405 a. Zor wechor (tsorwo/or) Lumpengesindel. Das
Wort eniliält die Figenamen zweier midianitiscber Könige
4. Mos. 31,8.
405. Zure (tsyra) Gestalt.* f. vom hebr. zurAh Bild, Aussehen
Gestalt*. RA. Du hast kei schoentzur» =Du siehst schlecht aus. f
U.
406. tJohef (üyef) Bruder.* vom hebr. ach (äy) Bruder
(eigtl. achiw fsein Bruder»).
407. Ufes (üfds) die Väter* vom hebr. äbh, plur. abhdth
Vater. Väter.
U)8. Urne (äm») Sippe, Gesellschaft.* f. vom hebr. um-
mäh Volk. Nation.
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— 1C3 —
408 a. -CLnbetamt ungeschliffen grob, aus deutsch un —
und hebr. be-ta'am also eigtl. nicht mit Oeschmacic.
409. nser (üsdr) Schwurfurmel für cnein>' \om hebr.
Part. pass. asilr gebunden = verboten, also so viel als : das
soll für mich verboten sein. RA. Ich Ihus user nit (iX tususer
nit) Ich (hiie « s wahrhatti*; nicht. Das isch u. wohr (iäs is ü.
wör) das ist siciier wahr.
T.
410. vachuse (vayütso) halb, die Hultte.t von hebr. chasi
Hälfte mit vorj^eselztem wa aiind». cf. Nr. 404.
411. vajuchem (vajiV/em) sich entfernen, fortgeben, f
miösverstaii«le!i hebr. wajjakom «und er stand auf;)
412. vjifrach (h]Gfr^y) we^x^relien, sich enf fernen. * aus
dem niissverstandenen liehr. w.ijjil) lirärh «nnd er enflliili/> eine
beiiii Handel ^eln'äiichliche Ueden.sarl. Wenn i. B. zwei Juilen
mit eineiu Bauern in Unterhandlung über einen Kaut flehen
und daa Geschäft vorteilhafter \vird; wenn sich einer entfernt
und dem andern den Absciibiss fiberlSssl, so sagt dieser zu
jenem v. Man sagt vifrach holcha c weiter gehen».
W.
413. wei (Nvei) Ausruf awehe».' vom späthebr. wäj
«weliei).
414. Weiauder (weiaular) Name des im jüdisclien
Schaltjahre eingeschalteten 13. Mouats/ We'addr eigtl. zsgs.
aus hebr. we «und» und Adär der zwölfte Monat cf. No. 24.
eine ähnl. Bildung vergl. in No. 96.
415. wuf (wui) sechs. * vom hebr. wäw dem Kamen des
sechsten ßurhstuhens des hel^r. Alphabels ; auch die Form fauf
(fauf) kommt, aber nur im Elsass, vor.
II. Abtheilung.
D i e a u s dem Deutschen und andern nicht he-
bräischen Sprachen stammenden Wörter des
Juden-deutsch.
A.
418. Almemer falmt^mar) Pult, woi ;iul m ilt.i Synagofie die
10 Gebote gelesen werden, f aus deui aiabisclien aluiinbar die
Kanzel; Ober die frühe Ausbreitung und das Vorkommen des Wortes
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- 164 —
cf. Grünbaum Chrestom. S. 469. Pedes S. 56. Ueiae verwendet es
in seinem Romaiizei'O. Ave-Lallemant III S. 203 Anm. 2.
(Zuoz), er selbst niniml es zu omar sa^'en IV. S. 3'2t).
ilda. Ag, (dk) Au^^e. Deutsch. In Baden unbekannt cf.
Nr. 144.
416. ai wasche (aiwa^) einweichen. Das deutsche ein-
wasciieii .
417. aiwerfe (aiw("M-t<') die Hnhe eines Hochzeits-Oe-
schenlvps li^ehon.* D,is deutst lic einwerten in ilen llniutx hatz.
Hast tili einen s. lir»iiea Emwurf ^jejjelwn? tragt wolil ein Huch-
zeitsj;ast den ainleni.
419. Auer (aii.^r) Tllir. f. unser Wort Uhr.
4'2ü. bafen (ijafwu) trinkea.* wohl vom laf. bibere. cf.
Jaln l>. IX. S. IIÜ. RA. achle un bafo (a/j^ uupal.i)};ut essen
und trinken, (bs. in RulTach.) dazu : Bafmes (patme^s) Trink-
geld* über mes (mes) Geld cf. oben Nr. 265. in der G. Spr.
des XVI Jahrh. boufen bei Avö-L. IV. S. 66.
421. RA. nix zebarlegise(mks so paibkisd) sagt man,
um das Verlangen eines Andern alauweisen. barleist das franz.
parier, das sich auch in d. G. Spr. Gndet. (G. Spr. barlen).
gise?? Beide Worte, auch die RA. in Baden nicht bekannt.
422. baufe (paufa) schlafen. * fast nur im Eis. bekannt,
gemeines Wort ^egenOlxr dem gewöhnlioben durme Xr. 430.
ein abd. u. mbil. Wort, das sonst nur noch in der Kinder- und
Bordellspracbe erbalten ist : als in Puppeli, clas Kind ins P.
le^'en, es soll ein P. machen, und PulI=Bordell. RA. Der boulR
emoi (ter pouti .'in^il).
4*21. beis (p''is) büs cf. No. 62 n. 'M>[.
4*23. beiisclie (pönsa) beten. * siauinit aus dem ital. seit
Ende XV. J«djili. /.ü lat. beneiiieere. ct. Perles S. 129. In Ba-
den nur für dio Kiiulor ^ebraucbt, wenn sie Al>e!nl.s lieim
sollen zum b. ; im Lls. noch ^'leicb sej^nen, das iJank^ebel nach
Tisch verrichten.
424. berschte Cpersto) bürsten. Deutsch.
42ü. RA. s'Biettle hot sich gwendt (s'plella bot
siy kw^nt) Mit dem GIfick ist es vorbei. Deutsch.
426. braje (präjo) einladen.' vom franz. prier. cf. Nr.
264. Grünbaum S. 35. G. Spr.
426a. Bx^unle cf. Nr. 51.
427. Buch (p>7) Buch, n: in Baden wird nur Seifr ge-
braucht, cf. Nr. 379,
428. Bunes (pünas) schalkhafter Mensch; Narr, vom
franz. bonace, in Baden unbekannt.
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— 165 —
429. Doter (Toter) Theodor.*
43U. durme (tririiie) st:lilaien,-{- von lal. duimire: of^ scheint
aber eher das alte Wort durmeii zu sein : Sehmid, .^cliwijeh.
Wrlb. II. dürmeln Grimm II. 1733. G. Spr.
431. Dutsoh (läU) Name. RA. Du bisch ka D. (ty bis
ka t.) Du bist nicht dumm (ironisch)» in Baden unbekannt.
Zur Abtei tunir vs^l. das niedd. Docz, Dummkopf, zu Doz, Duz,
Lärm von ahd. diezen, diessen, tosen, betäuben und ditzen in
Seb. Brants Narrenschifl'. cit. Ijei Ave-L. IV. S, (51.
432. eh, ei, en ein unwilliger Ausruf, wenn die Kinder
während des B<^ten« L~\vm machen, sap^en die Alten (Betenden)
ei, indem sie zurücktreten, aljer woitor beten, da m;in «-ein
Gebet nicht unterbrefhen darf. Es ist ein unarlikuüertei Ausruf
und weder <\oin Deulsclioii noch dem Hebr. zuziisi In eibcn. |
433. JELte (eta) Vater. * deutscli. ahd. atto, aleni. Aetti.
Das Wort verschwindet allmäh I ig und wird im Eis. bes. durch
papa, in Baden durch Vatler ersetzt. G. Spr.
F.
434. Fan ut (fan ul) n. Kind.* Ableifunff? zu unserm
Wort Fant? oder zu franz. enfant, lat. infans. cf. das l»ei
Ave-L. IV. S. 70 aus dem «Bedelei OnJen» vom Anfang des
XVT, l'.Iiili. vorgetTibrie. Gaunerwort Vantisfür Kind G. Spr,
(fontcfuer Kinder) cf. Nr. 207.
4»Cj. RA. Nach Gott unn der Welt nix frauge
d. b. sich um kein gültlicbes noch nien-'^cblitbes üehoi künuiiern.
fraug^e (frauke) unser fragen. Die ganze BA. stammt aus
dem Deutschen.
436. gatingf (kaÜQ) angenehm schön/, schwäbisch gattig
zusammen (passend).
437. 8*g^edorrt (s'kstort) Fried hof.-J- zs^zezogen aus dem
deutschen }^ter Ort. Im \olk faeissl der jüdische Friedhof
(in Schmieheim) der ludt n Garten.
438. HA.Gvatterschaft isch en Ehr, macht awer
de Beitel leer. (Kfatarsatt an dr, ma^t awar ta paitai l^r)
eine deutsche H.A.
439. gife (kit^) atmeji, leben/ schon seit dnin XIV. .Tabrt.
im J.- D. Herkunit dunkel, wohl von mhd. ^ewen, ^iwen
= gühnen (d. h. leben), cf. GrQnbaum Cliiestom. S. 405.
Perles S. 15. Weiteres Vorkommen ». Staub -Tobler Schweiz.
Idiotikon II S. 129.
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— 166 —
HO. Gudl, Gitel (Kiklal, Kitol),! Kosenamen für GuHi,
heute tür Ida ^^ebi-aucht, offenbar ziin\ ileulschen Wort gut '^e-
hörend. Schon im 11. Jahrdt. J)ei «Um Juden ein beliebter
Frauenname. cf. Zunz. Ges. Schrillen II. S. 49. V^l. Zimmer'sche
Chronik 2. Aud. III S. 3i7 Z. 15. Bona sive Gula coniitissa
de . • , .
441. RA. des isoh harb (tas iS harap) das ist schwer
zu verstehen ; harfo ist das deutsche herb.
442. Harrle (härla) Grossvater * (Herrlein) spez. schwäb.
Wort. cf. L C. V. Schmid. Schwab. Wtbucb. 1831. Das
Wort ist nicht mehr gebräuchlich in Baden, nur noch in der
Beseichnung «der H. setig», f
443. die Hoor (ti bor) die Haare, nur im Eis., in Baden
wird das hebr. Wort angewandt, cf. No. 380.
4 Ii. Jengple, Jing^Iisoh Qkn\9, jiQlis) ein Jangling,
junger Mann.* Deutsch.
445. Jochene (jö^ana) männl. Vorname f aus Jocbanan
G,-Spi-.
446. Judel(jut9l) männlicher Vorname* far Judas. G.-Spr,
AM. Kafe (kafa) kaufen.* Deutsch.
448. Kalberich (k&lperix) Stierkalb.f Deutsch.
449. e Kimbett unn e beisi Bruscht (a Kimpet
un 0 peisi prust) zur Bezerchnunfx eines doppelten UeL>els, wo-
von jedes für sirh allein gerade ^enufi^ wäre. Deutsch.
•450. Krais (Krais) m. Fehler.* Das Wort ist schon ver-
schieilentlich abzuleiten versucht wonlen. Znnz schieiht Greis
und will es von hebr. griolh herleiten ; Auerbach liält es lür
das talmud. garas, lesen, studieren, atso hier ein falsches
Lesen, falsche Lesart. Es kann auch statt Zirkel gesetzt wor-
den sein und wQrde dann bedeuten, einen Zirkel machen im
Definieren.
451. Kugel (Kükal) m. eine Mehlspeise, Art Pudding, die
am Sabbath gewöhnlich ^e;?es<:en wird.* Das Wort stammt
ollenbar ans dem Deutschen : cf. Ave Lnlletnont III S. 203
Anm. !. Knrhel (von Kn-'lien) u. ebenda (Zitierte. x^\. unser
Gugel in der Verhinduui; Gugelhupf. Schmeller II iS. 22.
4ÖI a. lajne cf. No. 227.
452. lafe (läfd) laufen,* schwab. Form, cf. J. G. v. Schmid
Schwäb. Wörlerb. S. 338.
453. Leitsch (leiis) m. kleine Geldmünze, Heller, Deut
vielleicht zu leitsche (letissa) Hündin, um etwas Ver&chtHches
und Gemeines zu bezeichnen, analog, dem derben Hundsfott.
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167 —
464. Madie (mätia) Mädchen.* Deutsch.
465. maule u. mole (maula, moU) malen.* Deutsch,
45(5. Memme (m*mo) Mmter,' cf. No. 267. cf. Grimm
VI. S. 2004, der es nacli Vilinar in Hessen angeblich nur in
Jurlenkreisen finde», vergl. auch die Ali. Mama ebd. S. 1517
u. Mamme S. 1519.
457. ore («^ra) belen,* vom lat. orare. RA. Wenn ein
Jude aus der Sjnago^re kouinil, wird er gefragt «hescli yuel
g'ort?» hast du ;(ut gebetet?» Die Christen bezeichnen damit
auch das Schwatzen der auf der Gasse beisammen stehen^
den Juden. Der Platz in Altorf, wo dies meist geschieht, heisst
der Latschari-Plafz, vielleicht lehnt sich das Wort auch an das
schwäb. sd. are, rufen an. Schniid u. a. 0. S. 26 u. Beil.
XVI. G..Spr.
P.
45B. Pupaier (pupaior) n. Papier, elsassisch, schwäbisch :
Papeier, sonst auch in der Kindersprache.
159. räche (v-r/c) reichen, deutsch. RA. dis rachl nil
(ti.s r.j/t nit) r.'ichi iii. hf.
4<iO. rejne (ri'jno) lo^non.* dt-utsch, nur in Eis.; in Baden
wii'd «Iri^ lii^lii'. Wort -.•hr.iuclil . t f. Nr. 173.
kil. Reisele, Roesele {rt i-«alr». r««'>i)lo) weibl. Nnme
för Rosa.f schon im lllen Jahrhdt. beliebter Name, cf. /uiiz
Ges. ScbiifttM. 11. S. .50.
402. Resainle (rosiinlo) IlDsiiien.'
4(>3. Schalet (>üloi) m. Biotkuohen, eine Art Pu»bling,
beliebJe Sabljatspeise.-j- auch die Form Schalenl k«»inmt vor.
Zsselzungen Nudelschalet, Matzeschalet. Ableitung ist dunkel.
Man kann vielleicht an das franz. galetle denken. Av6-Lalle-
mant III S. 304 Anm. verweist auf das ital. scaldato nach Zunz.
S. 441.
4<i4. Scheinele, Schoenele (Reinald, stcenofd) weibl.
Name.-j- i<l im .\b«:an}4 be*;riflFen, gehört zum deul^^chen schön,
cf. Nr. 89, und Zunz Ges. Schriften 11 S. 50. wie Nr. 401.
m
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— 108 —
4(55. schmechle {-iii- y!.») ! irhp|n.* unser schmeicheln,
ahd. Mneii lien , ' I. fii;:l. ti» suulf (lat lien).
4()(i. schmutzen (mhuU.^ii) küssen. f zum detit>i Ihmi
Schmutz iiiul Si'liiiialz, derbe Bezeichnung für Kus^. SchmelitM
in S. 479.
467. Schmu (smu) die weililichen Geschlechtsleile.f eine
Umstellung vom deutschen musch, mosche, moese, etc. Schmeller
Bayr.-Woeitb. II 642. (vei^l. auch III. S. 402. 409. Grimm
VI S. 2595 mosche ei^ll. junge Kuh. in Schlesien liebkosend
für Mädchen. G. Spr. cf. Nr. 301. dazu ScIi. niachen, schmusen,
sich in j-eineiner Art um die Gimsi Jemands bewerben. Anders
Adelung IV S. 193 = Gewinn macheu.
•WH. schnorre (snöra) bellein, Alniusen fordern * u.
SchiH'i KM (snor^r) Belller. von nlid. sniirren, schnunen, schwid).
schnurien uinherlauleu (ixluind .i. a. O. vergleichl unt-er
Schnurrant und Beltelmusikanl. Schmeller III S. 494. Ave L.
IV S. 293. G. Spr.
469. nA. Em Schtas gsat (»m stAs ksät) eigtl. cdem
Stein sei es gesa$(t», die RA. wurzelt im Aberglauben vom
Anwänscben. Wenn Jemand einem Andern von einem Uebel
erzählt, woran er leidet, so wird diese RA. eingeschoben, um
zu versichern, dass man das üebel nicht auf den Andern, den
Zuhörer, fibei lrn-^t^n wissen will.'
•470. sclitause f^i »uv, ) stfi^^en. Deutsch, cf. No. 98.
471. sich schtrake strakej sich hinlegen.' Deutsdi
(sich slteck<'ii ).
■472. schU aiidle (slrantla) zweifeln,* ein bildl. .\usdi uck
wie SebitTbruch leiden, eigtl. kein Mut haben und daher am
Strande hin und her gehen, zögern, zweifeln. Lallement
IV S. 012. Schmid S. 513 hat es in der Bdlg. unschlüssig
sein und vergleiclit en mit frz. trainer, in die Länge ziehen.
Kommt auch in der ni»*deren Volkssprache in Heidelliei'^ vor.
473. Schtul (styl) m. Stuhl. Deutsch.
* 474. seie (>^eij^) sidieii.* Deutsch.
475. RA. Der Taud will an Ursach hawe (Tr
tnut wil on ürsay Irtwo). Die IIA. enllKill ci-ll. eine IJeobach-
lung, eine Bemerkung; d»*nn wenn .femauti stm 1 cn ist, fragt
und turschl Uinn, wie und woiaii »1er Ikdretleude gestorben sei,
obschon die lisaciie sehr naturlich ist.
470. RA. VilTechter, geit am aus s' Glechter.
(vil Teyter, keit am aus as Kl^ytar). Bei vielen Töchtern ver^
liert man das Liehen. Deutsch.
477. RA. Trübsal blause (tripsal p1aui«a). Trübsal
blasen.) d. h. seufzen und stöhnen, sich im Unglück befinden
und darüber jammern.
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— 109 —
478. Trop (trop) m. die Accente in der heiligen Schrift,*
wohl vom griech. Tpdxoc< cf. Zunz S. 4il
479. RA. Fraind tuns am (fraint tyns am). Freunde
schaden einem.
W.
480. WafELe (wafld) Mund^f deulach mdartl. bs. achwäb.
wallel f. bdt. einen grossen Mund, Maul mit herabhängenden
Lippen, cf. Scbmid Wtb. und No. 36. Schmeller bayr. Wtb.
IV S. 34.
481. RA. Die mir welle (timirwftb) Verwünschung,
eigtl. die mir Böses wollen, denen soll es schlimm ergehen.
4S2. zachne ((sä^na) zeichnen.* deutsch.
4-83. zeile (iseile) zählen.* «leutsch.
484. zele (tsel^) zahlen.f deutsch.
485. RA. Dem Zuluker is nix zu schwer (T^m
fsylykgr is niks Isa swer). Dem, der zusrhnut (zujfuckt) ist
nichts zu schwer, der findet Alles auslnhibar uud erträglich etc.
Dem Zuschauer ist kein Spiel zu hoch.
III. Abteilung.
Ein Protokoll aus dem Gerieb ts b u che des
Rabbiners in Muliig von 1746.
Hai jesömims K*(har)> Lase^ w'^ocbiv« K^(bar)s Awrohom
benT Awrohom sal> lövini' Tdödemi« K^har) Läse mikan»
al hejdso" murscho» scbeiohemi^ hatoroni'* ni(dbri')>< Mosche
Balberin macbmasif aswin>9 awi siknoro'* KharS Seligman
m' Tanhach'o sal^ sch*nimsar rjudö'i leli^s lioi infenlarium
hanaaf^oh*» h'Tanhath jora^* Rosrh-ehodesch** Tamu^^*"J Tn(
Kuf Alefw soll er cfiesi hhon 27 gctin m'Kaholas« w'hdzwss»
ur'wnchiinso sdiehnju 3oa |o 30b inin^o (n6os'*& han.il3i sflieiiitits^r
rjüilüSS riOvvjisSa hMjesoiiiiii) 31 \v'5L' trn33 verlangt schwiin-^s«
apoin)p:5in 37 .scliekoi^a clje-schhoiioj^uu^i^' zeilek^'"» w'^clieiiisasek *'
b'thulUm*« I'inwus** hrijWmitnM khar* Läse liesc dass
er kein Apoiropos^^ isl ywesin laut hotiafentariuin, lak** er
hot <o/t« ha iiioos^ tinnemin unt Thakozin^ khar Aron
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— 170 —
Ufern. [Randhemerkg. in anderer Schrlfl: unt ploni hakozin^
Hab' Aron ist apotropos^? ^wesin ieilend infentaria.] beiao{(t
cheschl>on,>^ hol er (Laser) cheschhün 27 immom*' ghalien
rionai** M\v'tn;jnrnnd dAdöin khai'' Ityi;: iikliar Nate^o
im/ sie habtn mir metn chesclilion 27 (jcslaiiden\'!] m'Kaholas**
w* hozoos*^ r;ik **eiseh Punkten, <l'luMnu »- was tch for Läse
ausgebin hab (or ein Malbuscli&s be Kolmar uni m^in bes
sehubim,!^ welchi er V^whiv* khar Herzel schejichje gebin
hoi gam for roalbuschim ;» wU ihm Khar Laae s^bm gheisn
hat zu §ebin for malbuachtm hol gsagt^ hetti ei» Scbabbos
Malbuflcbu nelig wte leiti ochiv i'Am etil Scbabbos Malbusch
kot gemacht achar a6s iet Läse latei^er hmin unt hoi g$aki, er
heti ein Maibusch netig Lütte saht, ist schnnt^'' Choson^
gwetifi^ beoso schohoößft wie er das Malbusch scbliscbi*» be-
kumin hot so hol kharä Hijzfl ihm gemacht unt noch sunschln
iSachen, was er nelig hot ghat, unt I.ase josom - haiial^o /,oi
gwttst, das er i'i^ochiv* moin lifs^i s'linhim yeOin hol^ unt
ich bin Tocbi« orav«' yatöin uui i/im yheisin. sciiejiclije, er
soll for Läse aus gebin, unt begtrt Läse i>eu Menacheiit
«tMen« ob sie cheschbon*' an nemen^ gatn>^ Mi|rl kbai*
Läse ben Menachem, dost er ha^iTioos,^ waa noch l'fi cbeacb-
bon>' l'Mjsomiai* gehört^ for aam s'cbar^ turcho^ halten
wülf Ursach tekof« b'schaas*^ chalukas<> asowini* anvi sik-
nom J9 hanal^i isi kuminy achoso«^ Moras'o Matel " im w
b'ooh"* khar Läse, er soll imoiit«? TTanbachw wUib'joson^
niiirscho '8 s<ihelohen,'5 unt sie wolin ihm was zalen, wie er
auch «loli'i jomini schorn 7* gwesin ist unt jom '* wolaj-
loh iiier Kcsowjiiti gsessm, k;»;tsrlior''7 j'dua Taadoni
nuVi 80 hagooii«' av bes diti.'*^ li-iiHlueinerkun},' : j^aiu bes din
irom be Rapisclivvir gschi ibn hol 1111 dodoin rmischpot laut
infentaria, gam fil lurchu'^''^ gehat ha niuos ein zunemim uni
khar Läse «nl Awrohom habin gheisn die Sachen zu sehreibn.
Belangt r'wwshiniM sagi khar Läse b'menachem, er ist keine
sehuldig, meilin er J*plooi bar ploni Ahron hot molin
tekofM bes meosM a'huwimtt gebin, so er ein gnumin hot
w'lo rozoli 8* ploni bar ploni«» Aliroti: ach hat er verbotin
dodorn^io in Tanbaeh sotin ihm kein ntoos'i^ mehr gebin^ ist er
gar vool zufridn gwesin ad rarlnn öT s^s»« ist khar Itzig
ezelM plooii^ khar* Aiiron kumm unt ihm \\\oos ^■i wolin tjebin
w'l<V rozoh«<' rkablom^J w'^nosan»« lo »«^k'jsavys schejiten»* i jaü-*j
kliai3 Lisc uwücbö« kiiar llzj^s w'omar»^ l'Mkhar» Läse, wen
er ha-uiuoi>^ nit ntml^ schickts an grer(fier?)ä« unt k'sav
moi^ino scbejidije gewesa. bell er nit
wil am chodiscbM demaeh rerechi«» Aal er mir gbraeht
arba^^i meos^ uachloachini w'achlosdio tota^huwim^t* diezmahr*^
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— 171 —
ich hab «w ^»omtii sch'nasiM tuf 1ml alefi« lefratkotonto«
usch'nasiM tuf kaf beisi^ Aa6 ein gnomin bei idcI beis meos«*
^vAachainischim io!> s'huwim&S; habi gleich äüvon ans gebn dies
meiesiio bachamis him i^sehubim^^ an Mansche Rumsweilri»
unt an Henol. llen tiurf unl an NentI af'!iausom,n3 habt ich noch
ibrig gehat i\o\el mc\*'< schnhlm das hab ich mttsen behal-
feTi, wen die Jung ri tiwas braucliu, sie zu gebin^ wie ich
ihnen auch gebin hab, yam^'^ liabi musji n i is^i» hanai' in der
Hand hallen^ weilin ich bin oref«> gwcsm for Läse, vue ich
werochi^* ihm ein Knas"* glegl habin^ habin wir awh ge-
tehribn for orefn fof dio oedui^«;!!» «m tuf kof hei"*
AoM ich ihm et» Knas"« giegt, hat schon gwehri von tuf
kof giroel bis tuf kof hei,"^ $o habi ich nit gwusL wenn ich
moot^ brauch, unter der jeii habi ich ihm auch fil moos
gebin unl schnas >m tuf kuf wof ii* Ifk.H« kabi ich erst wider
dat ihrig ein gnumn.
Ht;ischif*5 ha iDurschoi^ hnnnlsi, ma 'es sdieiio omar
Khar Läse, das er kein apotmpos ^' ist gncsin^ weil in man ihm
nit dazu gmacht hot^ so isi zu weisn, das man ihm nii
niamio gwesin ha. luoös** in'iisovin bejuilo35 211 hallen,
bechen hai er le;;aiijre'** kein reschus»«* ha' Jll()u^^*i zu
brauchn^ gam» heiit er ein poscheis^, welche* t«/ beloscbon
Aschkenas"* em Mi»lgrtifu\ «eilin er hef hamoos^^ le lau
ives» joaomim' an wendin »oln f\ unt het ba moos^s for ha'
KoisenXY rabbts** Abron ein henäigen tolin. u^mai« scho-
omariMyST, das et hai tue/nt leerech heis meiesiM sehubimu •
ha' Kof.seni*7 for rabhii» Ahron ein hendigen unt ptontw
banalst hat es nit nemin wolin, ist ho* ursach, weilin er ba
moos^ 7^it bei samen ghat hat, das ein grause snma waftr^
hi<!('hwil Kach '»o hat planni ^'^ 1 a)>hi Abron banal 3» nit
nemin wolin acbas le achasi3j^ wan schon rahbii*^ Abron
banal 3» gar ba nioos*^ nii het wein i nemin, het er ha nemo-
Des '5* sich meazmc'M nit gebin soln t, sich zu ein aj>otioj>o« 87
zu machiUt rak44 er Ael soln i gein ism eizel<> ho afbesdin n um
boafbesdin zu sagin sulehs^ so het ho af bes dto« nero joir>M
schon gewist Kedas ma laasosi» ha' moos« emes» zu gebin le
tauwestt hsysomim.* Lechen >>• Ml das ein bweis, das er meh-
ader'M hat gwesin, ha moos«^ bejodo9& zu fialien^ unt hat
das gethan Je tanwosA, bechen hau er kein sMiiresisT
fordern, ;rnm hat er kein s'cbiresi" me" afbesdinSä be Dan-
bach gfodert, ist zu it'i*«, das er kein s'cliire? n' [erlangt
hat, rak^ hritiss mikoachiaa ketitusi*» unt meriwus»« nii"
haisomini fordert er ba s cliires.is?
[andere iScbril'I.J al se 1** hei schif« khar Lasf* das der
eiNSf MS eritt kein apolropos»' gwesin, rak er hat ba moos«
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— 472 —
ein nemin soini unl lojad 95 plaum h:jnnl 3i (jchin faul infent.^ tri
er ach iaun hol wolin; unl das er ihm ml inthr als heis meies
s'bubiin^ gebin hat wolin. ist gwesin^ weilin er nil mehr ghal
Aol, und das ha muracho'* hanaUi sagi er Ae/i es lejad^ af-
besdeD >* neirao joir im gebin «o/»ft, iu er mit mechujef <44 g^in
Ittui infentarium^
(hier setzt die alle Schrift wieder ein.) um weg in ha
s*chire8 in Aaf mir Läse josem* banal» ein sliechi^^ gschiki^
das ich knwun toi mtl geagt; das er mich wil zufiriden tielin
und ein jomM darfor hat er meh gheisehen kumin, so bin
f cA dolet M>- jomen iber keso w.im '6 gsesin und bin mur-
scho'*« ywesn ?, welchs ich m i alpiw afliesdenw nerojoir
Rapischwir bweisn kan, was an langt rewochim *\ hat L.ise
josom ' hannl " hefeini^rh zu mir gsagt^ er begehrt fun mir
kein rewüchiiri 3»), u-cilin ich ihm gar fil gutsch gthan, was an
li(jt {m 1 chesl»eii27, habi scheloscho i*^ ' l>c nrrum i*»-'* m'7 sie
grechnel k'lbnai*^ iint sie habin mir alsch (i4//es| geschtandn,
was ich aus gebin hab^ unl was ich ochi® Herzel for ihm
gebin hab; unt ich kab niks glhan beiijedies i«9 fun ha ko-
tsenUT Rhar Ahron sehet jchje >m.
tüun'äi haiimrscho" hanaUi khar* Läse Ao/ ein cheschlxxi
momon<s* ml heu achosoi<* khar Läse auf dolet Louisd*or
chodoscb wochesi«>M me/^Ae« moot ^ hat er bezahlt bisch wil )M
susoyiA» 90 er koneh>M hat gwetin bisch wil im dodo'o* khar
Hersel wie auch khar Läse davon gioust hat^ das was er
handelt, is gwesin for khar Uerzel ; achscbow i&t fordert er
sach 1^ hahol^i ati^i Khar' Läse josom* haii«l,9i soer b'wadaj im
suh-f..s wert im 75 dodo'o khar Herzel ver rechent habin,
weiltn er gwusl hat, das hastjss iw gehert l'khar*« Heizet
unt ist bisch will) i3ü * gekauft worden, hwhen '22 goll k\v,{v T.ase
kolel 77 hiscliwuoh i'^f' ser«, ob er nioos liatial 3'- nit mit ocliiv«
khar3 Her/el ver rechent hat^ machnias i • luu liamischini ral,><>
100* khar Lose taant,'*' er het sie gebin l'achiv 6 kliar Hei zel,
loan haiiiurscho liatial, u er hat ihm reschus gebin^
moos^ hanaf rochiv« zu yebin, er kan inoos*' hanal>t
meochiv* fordern.
al sehi** he schiv « khar Läse, was aniangi hacheschboo
inomoQ von dolet Louis chodosch wochezi,iu ehtet noch mehr
mooe«* wnt Sachen dateit*^ to kab ich ein chesehhon nioiiioD>9*
Pen ihm, das ich ihm eutehs selbteht gebin hab, machniasiT
ha'chanitsehiiii >M rat,i*> habi ihm ein Malbusch m gmaekt be
Kolmar^ (am Rand: hat gkoseht kaf olefm s'huwimM) im
erschien Jahr wie er(?) I'ochiv« fteaieii ist unt mein bes s'whu-
wiin>& Aal Läse josom* iAsi^Aeiefi^ er toll ihm Kleider kaufen.
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— i7S —
gam 55 isler for Läse oiav«» g'wesn auf Obere'f}hemfr markt
for jM*^ beis s'hiivvitn,55 welches er hat zahlen MUsen.
Toan läi liainurscho khar' Läse hat selbscitln ysagt 1'-
kh 1-^,3 Laso josoin * habalichoso '"^ ezel 8» dodo khar Herzel,
das kliar3 Herzel ihm wert malbuschiin** machen b'chinnoin,^*
wen er aber gwuit Ae^ das baRialbuscbim » intmonoi*'
koitem, het er sie nti ffnomin^ umab>o xhetoaniu khar Laae,
das Laze joaom * ihm vtr sprochen hui 8*chini8,>n so ist doch
j'duo,i> das j'aomim * ik» for kein mumho » haben netig
geheU, weiiin doch khar morenu hornw Josef Ruinsweiler
Schorn f& gewesin tml hat ihm kein s'chires ist ^er sprochen.
uniah scheloan iw.isi khar Laze, das sein cheschboD w
ist jeder zeit for (jul erkent vcordn, darauf heischiv ha-
pfMrschoJs rischon 'ß* ist Ae<n cheschbon unter schribn ubose
iimkorj"^ dass sie haclieschbon 27 ^lit for gvt erktnt haben
scIjeniJs is in'waker •'0 zusein, Jöa- i ?' schtJu i l)e einuno^M
m i moos^i» haj'somiin - yehandell hat^ weilicn er het solinl khar*
Herze! Ringndorf ein /co«'^*"- schel icesef* von wof"*»
Louisd'or gebin ««/ hat es ihm nit gebin we af a1 pi ken
findet mannit^ das er hamoos *■> für den becher l'j'somiiD « rechnet
(Bandbemerkung: sondern er rechnet hamoos^ rj'somima das
er hakosivs schal m kesef ihm gebin haf) uwosech m'wuor^ii*
das er posche hat gwesin b'moos«» hajsomim^* gam» soll
er kolel ^ein bischwuosM apotropsin^' mah scbex^hir-
wiacbi'd b'moostf hajsomim,' unt wen er schon nichts damit
gwuniny hat er doch po.scbe «ss ywesin; das er hal hamoos**
b'jüdo 9^ ghallin. ireilin er doch nit dazu berufin worden isi,
hainoos*s laclias jodo zu halten.
Khar 3 Laze toan,'-^' das es schekcr^^'J ist, er hal nil
gsagtf das khar llei zel linn inalbiiscbiiri ^3 bethiiioni »c« machen
wtrtf rak** er hol gsagty tr ist bechinom'W bei ihm, wen er
ihm etwas gibt, is er ihm schuldig zu danken, gam*» bleibt
khor Laze be laanuso^i« das ba Laze josom* ihm gheisn hat^
er ao/ochiv* khar* Hersel gelt gebin for malbuschim,^ gam»
6/et6l €r belaanusoyisi das er is Uurscbo» guiesin, niacbmasi?
bakos"« .schel "» ke^^ef"* hob ich khar Herzel bezahlt, gnin'»
we//in Laze josom « gsagt hat lefonai,*» das ich hab falsc h
gschril n lif'S( hhon momon '5« von dolel Lou sd'or wochezi,***
sn ver lange ich. das er sol es m'warrer «et«, oder ein
onesch'öJ zu inarhcn kinoyi].^^
ha Murschü haii il luiV: al mah««« sehe»«« fcan'äi Khar'Laz«,
das Laze josoni« hat ihm ver spruchw^ er w dl Um r wocbimM
wm ihm, toan»!; Kacb»o omar»' Laze josom«, wenn er ihm
sein gelt in gutem^ was ihm gebihrt, gibt, «nt braucht nit
xor xusieiny lifne besdin im, so will er ihm etwas naehlasn b\V
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— 174 —
naim sosibs, W9ilin suichi a6er «tcAi gtickehn io fordert
er sei» r*chwochtm>i^, khar* Laxe toani&> b'taanosoisi hanaM',
er hol b' ferusch'« gtctgtt er will kein r'woclilm s'' von ihm.
Ko|i»6 hanoch»» loan haaaM»» hajoini»« jom?* dolelJe«*,
wov>87b kislev»87. Tow Kow chetli »»^a Ifk. Poh's» Mulzi^j Elieser
bcn M'nachem Sal» Elieser ben Avrohom Sal.s Avroboin ben
Avroboin Sal.^
Urtett.
L'achar>*ö scheschomati taanosovi^i w'roisi
nachdem ich (gehört habe seine £inwände und gesehen habe
hamaase»9>. badowor hanaseh
die Sache (Ooschiclile) im Betreflf die abgeschlossen wurde
roscil ( liode«ch«* ThamusS* fnw Kow alef*«
arn Tag des Neumonds im Monat Thamus 501 (= 1741 Chr.)
b' Tanbach w'roisi kol«»« hacheschbonos" srhoP'»
in Dambrich und ich gesehen habe alle Rechnungen des
Ithar» Läse ben M'nnrhom w^'arn35 cheschbon momom'^'
Herrn Läse, Sohnes des Menaclioin und auch Rechnung
«•hol khnc Läse, In^n Avrohom pnsnkti,
des Horm Läse, Sohnes des Abraham, habe ich entschieden,
srhe kh.'ir Lri<o m'ehiijowHt r*»fh:ilern * rajsoinim* schenischar
dass Herl" Läse sciiuldig ijst zu zalili'u den Wnisen, was übrig ist
adaj in hcjodoi* b'nionitinoin Tfi
noch in seiner Hand von iiirem Voniit>;^en gemäss
(?hesrlihonoiii 27 meoh •* usch'muniin s'huwim
ihrer lU rliiuirigeu liundert und 80 Gulden
vv'khar' Läse jischbn bahanoch.ts jodo'^alö*!
und (dass) Herr Läse schwüie, durch Auflegen seiner Hand
sefer * Thoi a is>** schekol 'se eheschbouusuv 27 heino emesi^*
auf die Thoi a-Holle, dass alle seine Rechnugen seien wahr
Wüzedek w'jifrot
und gerecht richtig und dass besonders von ihm zu bestimmen sei,
schenosan^t le^^^lvliar Herzel Ringsndort hauioos**
dass er gegeben habe dem Herrn Herzel Ringsendorf das Geld,
schebewi b' cheschbono'7 awur Kds"* schel
das er in seine Rechnung gebracht hni in Betreff des
KesefiH w*gam** jifrot schekohM ma^ schebewi
silbernen Bechers und ebenso erkl&re, dass Alles» was er in
b' cheschbono *T
seiner Rechnung angeführt hat,
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— 175 —
schenitanw Tochi* khar> Hertel awur
dai er seioeni Bruder, Herrn H. gegeben habe in Betreff
khar Lose ben Awrohom nosan ^ lo mitchilo
des Hrn. I^ase, Sohnes d. Abr. ihm von Anfanj^an gegeben habe
Vzorech khar Läse banal w'noda
für das BedQrfnis des Herrn Läse obenj^enannf, und das« ihm
lo gam ken scheochivs hoziom
auch bekannt sei, dass sein Bruder sie ausgegeben habe
Tzorcho 0 schekhar Läse ben Awrohom nosan^*
zu seinem Bedarf, oder dass Herr Läse S. d. Ahr. ihm
lo reschusi** Uten lo Tzorcho
Erlaubnis gegeben habe sie ihm gegeben habe zu seinem Bedarf;
gams^ jifrot schchamoos^ä^ nun bes s'hu-
auch soll er bestimmt angehen, dass das Geld 52 GuU
Wim aseher jisch lo chr^rhhon momon*'* min kbnr Lnzar
den, von dem er eine Rechnung hat von Herr Laze
banal we gam jud l»es sehuwim** scheorav« bando
obgen. und auch 12 Gulden wehrender er sich verbürgt hat
wegam^j huzrach t'sdiallern b'Obrenheim nosan
und aucli genöligl war zu zaiilen in Otipr-Rhnheim auch j^^egeben
pr.mSä ken i'zorech Läse w' lo bischwiMs') ochiv« khar
babe zum liedarf Lazes u. nicht wegen soini's Bruders, Herrn
Flerzel w' lo kubbol bamoos^^ lianaMi rntjad'*
Herzel, u. nicbt genommen babe das erw. Geld aus der Hand
orhiv" banal 31 w'gamSä !o hn immo
seines gen. Bruders u. auch da^^s er nicbt nnt ibni gekommen soi
iVbescbboii ■-' ad**8 selK^jikm lo w' gam^'
"ZU ihm zum lle^ tmen bis er ilin ^erulen habe und aucb
|i( hlol hwu rf^d lianal " m licin
soll er in <lcjii ilnu t)beii ;mti_'i lt'^l<'n Srluviu' Ijelcucm, du.s8 er
bnjoh lo rewacb 90 rni muo> j >(iiiiuu ^ iianals' o sebejifrot
keinen Profil halle vom Gelde <ler erw. Waisen, oder dass er
kammo bi lo w' jillcii lajsitmini » banal ocbeii
bestimmt sage, wieviel es war u. i'> haben die Waisen jedocli
liabriro* b'jad'* kbar f/i/e 1'. M., b' im sebwo/.o
die Wahl iii die Hand des Hemj L. S, d. M., ob er goben
litten rj'M)mim« banal 3' mi nioo.s*^ banal scbebojo b'jodo^*
wolle den obgen. Weisen vom bezgl. Geld, welches siels in
tomiv l*fi cbeschbon«' iianaP» Tmeoh
seiner Hand war nach der Rechnung wie oben 5 vom
r schonoh potur misch* wuoh sos machmasiT
Hundert jälirlich soll frei sein von diesem Schwur wegen
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— 17Ü —
hamoos» w'al dowor 8cbeloaii>»i achekhar '
des Geldes und wegen der Sache, daas er behauptel, daas Herr
hm ben Afrohom mocha) lo b* fenisch«* kol>*
L. S. d. Abr. ihm erlassen habe auadrücklich alle
hor'wochimM jicblol bischwuose m i jiraech
Zinsen soll er in seinem Eide aussprechen, ob er will, j
schekhar Laze mochal ** lo b* ferusch im b' H schum
dasa Herr Läse, ihm erlassen habe auadrödüich ohne irgend welche
t* noimm w* lo k'mo schetoani&i kliar' Laae w* jiftor
Bedingung und nicht wie behauptet Herr Läse und er absondere
mechelek* r'wochiniS<> schel khar Laze w' jitten 1' khar .
den Teil der Zinaen des Herrn L. und gebe dem Herrn
Afrohom cheiko" ub' m i scbejiraeh khar Laze ben
Abr. sein Anteil und wenn Herr Laze, S. d. M., will
M*nachem jichlol j^amss ken bisi liwtiose banal 55cir
schlieä.se er aucii in seinen ev. Eid ein, dass
khar Lare ben Afrohom w' immo Moras'" Matel
Herr L. S. d. Abr, und seine MuKor, Frau M.
hivfinrh lo b' fcrusch liten In
ihm die Versicherung? g-egeben habe ausdrücklich ihm Belohnung
sVhinis'37 OS jusoni s'char tercb<>^'r>
zu gebet), und dann wiid ihm sein Müiielohn auleriej^t werden
m' itli i' zeiech (V) poh hamdino.
von mir nach der Schälzuu^'^ der hiesigen Provinz.
[Die iolj/i. Zeile ist unleserlich.]
hakol*^ schorir w* kajom
Schluss-Formel : Alles ist richtig und in Ordnung stehend: ^
Poh Mutiig jom he dolet Kislev tov,
hier in Mutsig, Freilag (5. Wochentag) den 4. Kislev 506
kov> cbes. (ges.) hakoton** lehudo Leib Elsass m* Mulzig '
(= 1747 Chr..) Der kleine (junior) Ichudo L5b Elsass von Mulzig
w' hoachira Khar Laze ben Afrohom w* Khar Afrohom
und die Brüder Herr L. S. des Abr. u. Herr hlr.
j* kahb' lu b' vherem * scheenu
werden übernehmen unter Strafe des Bannes, daas sie ^
maschhiorn V dodom >o b'chinnon V chol perotim
nicht sdiwören lassen ihren Onkel umsonst nach allen FLr.k e
wk'lolim.
und allen Einzelheiten.
(gez.): hakolon Tbudo Leib Elsass in Mutzig.
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— 177
Anmerkungen zu Abtlieilung III.
> hebr. Artikel : dtr ; imnMr mit dorn xag»li$r«nd«n Wort vw*
•ohmolzen.
2 pl. die Waisen jossom, pl. jissomim
^ K*'. Abküii^aug. f. Kewod hoiaw rabbi die Kiue des gelehrieu
Rabbi swttrdigw Herr.
* Läse d. filtere Abkrsg. f&r Bliese r. Tgt. Nr. 285.
and.
^ ach = Brader vgl. W. B. Nr. 406. o cbiv eeia Bruder, Acbos
Schwester, achoso seine Schwester.
« Sohn. vgl. W. B. Nr. 39.
s Abkng. f. eicfarono livrocho sein Andeaken mI geeignet.
9 klagen, bringen vor.
1" ibe rn Oheim, dod Oheim, dodom mit Pronom possessiv.
^> Toa hier selbst, Kngea »os min, mi von a. kaan hier, hier-
aelbrt.
Abkrz^ fftr dafOr, dam iit (setaud) zsges. aui al (von olo)
wagen, fftr, in Oam&asheit and Patt Form T. haja sein.
IS d Beaafiragta, Sachwalter.
'* von ihnen
Thoragälebrter, Artikl ha u.
18 d. Ehrwürdige, der Herr von jd. moro körperlich gedeihen,
stark, morenn borav rab,
1' wegen.
18 Verlassensciiaff;.
>^ ihres Gi ossvaters ; atisikm Grofisvater. mit Possessiv Pronoin.
wie Aura. 10. vgl. W. B. N. 4» '7.
SO von; min, mi, me von, ans. T. ist Dambach (bei Benfeld).
*i die ihm llbergebene.
<s gemftss, nach
gemacht.
Abkrzg. R. Ch. Xi uinond vgl. W. B. Hr. 31Ö.
•* Monatsname Tamus vgl. W. B. Nr. Hi."
[b] ÖOl.
Rechnung ?g1. W. B. Nr. 91.
^ von Einnahmen vgl. A. 20. von geb4 chald. einsammeln.
*9 und Ausgaben v. hozoob. id. hauzes.
*> u. Gewinn, Zinsen vgl. Wß. Nr. 31ö.
12
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— 178 —
a jd. schobo blftÜMD, werden.
30 b ihm.
51 die ihm aus genanntem Ueldö geworden sind- Abkrzg f. ha«
niskor lael des ^der) oben Erwähnte. Oedachte.
dM ihm Übergeben war. A. 21.
33 zam Beeten, ton towa Ottte, Qefallen, Wohl, Qlftek vgL W.
B. Nr 127.
3t der Waisen A. 2.
^ und auch.
M Eid pl. an tch'waa von bebr. tebabaa versiebnen. vgl. Anm.
160, eebirören (weil 7 Zeagen nOtig waren).
91 vom griech. chnx^ec n. Yormnnd, dea Hebe. Wort apo-
iröpos, richtiger wäre e~'.T{)0<!OQ.
38 dass cille Aam. 18'J.
39 vgl. A. 27
«0 richtig vgl. W. Ii. Nr. HO-i u. .;9a.
4* und daea er aieb hat angelegen eetn Uesen.
4A b«i den Reehnnngen.
*^ er erwidert replicirt. he, fai, bei jd. er n. jd. neiBobef ewn
aTlt':'.'orf on.
■*4 nur
« vgl, W. B. N. 26i.
M dem aobtenswerten vgl, W. B. Nr. 198. Anm. 1.
mit ihnen (den Waisen).
*8 von mir,
nn-1 nnter Bo stand.
Abkrzg. f. Natan.
6* einige.
das sind nämlich jd. dehaino.
» Kleid TgL W. B. Nr. 248
42. abgkrzt M b.
5ä Gulden Abkzg. sh. vgl W. B. Nr. 38J.
^ le zu, Dativ Bezeichnung vgl. Anm. 48» 21, 3;), 46, 10.
schon.
w Brftntigam Tgl. W-B. Nr. 95.
a zu dieser Stunde Anm. 67.
das dritte vgl. W. B. Nr. 856.
^ der obengenannte Anra. 31.
•> Bürge vgl. W. B. Nr 147.
<s Akrzg. b! M!, « Bohn des Menacbem
^ nach, laut, gemäss. Anm. 22.
c^/^^ Mühelohn vgl W. B. Nr. 3^5 von seehar Lohn.
6ö gleich, sofort jd tekepf
Augenblick, knr^.e Zeit, ätunde also zur Zeit, in der Stunde
von jd. Schoo srhauen. aufmerken.
•8 Toilung von jd cholak teilen, . . vgl. W. B. Nr. 88.
seine Schwester, Anm. 6.
70 ehrwArdige Frau, die Herrin, fem. zu Anm. 16.
71 Eigennamen.
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— 179
n mit.
TS» ihnm Sohn D»t vgU W. B. Nr. 39.
^* sein
75 a i!n<i den Waisen vgl. Anra. 2, 56, ö.
7« 4 Tage A. 138. Abkrzg. d jom , vgl. hinten den dwitoeh ge-
bUdeton Fl. joimn vgl. W. B. Nr. 2Ü.
74 a vier vgl. W. B. Nr. 127» Abkzg. d.
" dort.
'5 a und Nacht vgl. W. B. Nr. 226.
"^^ Schriftstücke, Urkanden jd. Kessaw. pL Kessowim za Kot
MW schreiben
n Ks — naeher, wie dM dicMs.
73 wie ilas bekannt ist W B. Nr. St.
"'^ Dat mit le meinem Herrn Tater,
^ und Lehrer jd raore.
81 dem ehrwürdigen, herrlichen Art. ha. u. jd. gaon Herrlickeit.
Bzoellens, Titel des abereten Lnndee Bnbbinirs.
t* Oeriobts-Yorsitsender. Abkrsg. sbd ss «w bes. din. Ehren*
titel des Rabbinert eigtl. Vater des Hauses des Rech s. vgl. Aani. 19-
^ Dat. dem Herrn, ploni be If^titete der Unbestimmte, ansenn.
N. N. u. X. entsprechend bar Sohn, vgl. W. B. N. 30.
w 200 vgl. W. B. Nr. 3« a und 2ti.ö
nnd er hat nicht gewollt, lo nicht vgl W. B. Nr. 880.
••bi».
nach dieaem Abkrs. ach"i.
89 ZU, bei
^ vergl. Anm 85.
^1 atiuehmen. empfangen von jd. Kowal.
9i und hat gegeben vgl. W. B. 289.
ein Schreiben vgl. Anm. 76.
9* zu bringen, übergeben.
35 zn Händen vgl. W. B Nr. 20"-». unten bejodo.
^ und sein Bruder vgl. Anm. 5 u. ti.
nnd er hat gesagt.
^ von nit an onleserUeh
M Monat vgl. W. B. N. 819.
nach der Schätzung = circa. etwa
»Oi vier vgl W B Nr 15.
1^ und 88., schloschim dreissig and scheloscho fem. drei vgl.
Anm. 69.
Iva?
101 Jahr, achenos« ecbonos PL von achono.
los oOl im Jahre oTm jüd. Eechnang. Abkrsg. T. K. A. taw s
400 Kupf = IW, Aleph - 1.
10« Abkrzg. Ifk. nach der kleinen Zahl jd, liphrat Koten.
107 tvi vgl Anm. 105 und W B Nr. 3*^ a.
108| 09 1250; vgl. W. B. Nr. 2?3. H6a Abkrsg. zsgs. von we und
cbamischim — 50 vgl. W B. Nr. 7H.
"0 850 fl ; chez acht vgl. W. B. Nr. 90 a.
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— 180 —
in nach d«m Dorf Bonolswcilet gMdetir Kam«,
iit ihfe 8cbw«ator Tgl. A. 60 n. 6.
m 40O.
* mein Bruder.
Busse. Strafe (in Geld) vgl. W. B. Nr. 186.
Mitgift vgl. W. B. Nr. m.
11« (ö) 605. »bgkrst tK.li.
Zwt, Weile vgl. V. B. 882.
i>8 (5) Ö05. »ligkTflt A. K. g. — A. K. b.
1J9 5n6.
i«o er.
ttt maamin (meinem) lein, glauben, veruautn, von bebr. emunah
f. Pesügkeit vgl. W. B. Nr. 146.
m itom, •bento.
IIS vollatindig ton jd. gontr endigen vgl. W. B. Nr. 170.
124 Erlaubnis.
"* Dnredlicher, Cebelthätpr vgl. W. B. Nr. 50.
IN Abkizg. bla. in der deutseben Sprache, vgl. W. B. Nr. 889
und 17.
Bicbter, Weiser Tgl. W. B. Nr. 188.
128 Äbkrzg. 1. = nach der Schätznng, etwa, ciiea. Anm. 100.
1J9 Abkrrg r. = rabbi vgl. W. B. Nr 3' 8.
rabb. hebr. (von) wegen, so, für «Kslialb.
in eins zxx eins, eins zum anderen, emzclu — abscbiagHch vgl.
W. B. Nr 183.
m ZoTerlSaelgkeit Tgl. Anm. 181 n. W. B. Nr. 146.
199 selbst jd. axmo von ozem stark, mächtig «ein. VS^% gelten.
lä'* Abkrzg. n. j. sein T.icht möpc leuchten.
186 was er zu thnn hatte, stereotyp. Wendung nach Esther.
IM Am Rand steht die £rklärnng meheder [nach et was trachten,
beabtiehtigen, fftr er ist darau naeh glofin. woblsn. j d.cbodAr8ieb
Torbe^n.
18* a zu seinen Gunsten, vgl. A. 33.
13' Lohn. Provision PI. von jd. sechiro vgl Anm. 64.
138 eigtl. ha jom den Tag. heute. Anm. 74.
iw «af Grand.
1^ Zank. Hader. PI. Ton Ketoto, Ketat.
i<i Streit PL Ton meriwa zu riw streiten, zanken.
1*2 Abkrzg. as. auf dieses? oder ist besser zu lesen ad sires?
!*• Wahrheit, hier als m. gehraucht vgl. W. B. Nr. 145.
*** schuldig. Partie, form vgl. W. B. Nr. 97 u. 70.
1«^ Bote Tgl. W. B. Nr. 857.
14* Anm. lä. Vomrond I
1*' Rappoltsweiler.
mit An«drücklichkeit jd. bephemscb sn poraacb trennen,
unterscheiden, erklären,
lei dreimal.
i4Ba gemeinseliaftlicb, mit ihnen.
HS ohne Wissen Tgl. W. B. Nr. 214 u. 34.
IM Abkng. sj. dass er lebe. TgL W. B. Nr. 71.
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— 18i —
.ui El wendet ein, enriedert vgl. W. B. Nr. 115.
i^- Abkrzg ch.'' m. Geldrechaong Tgl. Anm. 27.
153 Sohne seiner Schwester — NcfTc Tgl. Anm. 11, 7, 8.
4 Vi neue Ld ! ygl. W. B. Nr. 6Ö. 410.
Pferd vgl. W. B. Nr. 691,
^ Koae tein kaafen.
* üben. Ar tein Onkel.
IM jetzt.
die Summe, MenfTP
1^9 bewadai ganz gewiss. Tgl. W. B. Nr. 109.
• fftr ihn.
in Eid genommen werden Ton ach^wn» Eid. Ano. 36.
1« Thaler vgl. W. B. Nr. 310. wegen der 60 Thir.
♦ vom Bruder vgl. Anm. 20 n. 6.
iGfi 21; kaph. zwanzig, oleph eine. Abkrag. K. n.
auf dem Wege,
let nmtonst.
in Ton seinem Oeld.
1C8 -was, wie.
1^ erstlich eigt der Eiftte, AnCmg. sa roich der Kopf Tgl.
W. B. Nr. 319.
>^ und damit ist bewiesen.
i'i sweitena. fem. sn sehen!, der zweite.
IT« nicht mit Qewissenhnftigkett Tgl. Ann. 86 nnd W. B.
Nr. 146
17=* Gene iv Partikel, Ton.
Silber.
1*1 a sechs.
1» und wenn nneh, so.
der Becher TgL W. B. Nr. 188.
beschworen.
er verdient hat tu it. zn rowack wsit werden, marwiaeh
sein verdienen vergl. auch Anm. 30.
>W unter (seinen Uäudeu) vgl W. B. Nr. liJO.
IBA gelogen, lügenhaft Tgt W. B. Nr. 341.
bei seiner Behaaptoag vgl. Anm. 161.
(Geld) Strafe, Basse mit Geld.
IRS yrie fiblich,
* so behaQ{>tet er.
IS» vor Gericht Tgl. Anm. 88.
i*s an diesen Bedingangen Tgl. Anm. 151. 181 sos dieses.
1»« Alles vgl. W. B. Nr 137. Anm. 88.
ififla der vierte Tag d L MittWOOh
18* b den fünften
IST Monatsname Kislev vgl. W. B. Nr. 175
iMa [51 5(18.
iw hier.
PI. hanis korim lemalo.
ji«> lea: her nachdem.
»91 vgl VV. B. 255.
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- 182 —
• vgl. B Nr. 976.
** vgl. W. B. Nr. 266.
■ * vgl. W. B. Nr. »a».
la^ Abkrzg. s. t.
• Tgl. W. B. Nr. 3#9.
• vgl. W. B. Nr. 6S.
• vgl. W. B. Nr. 264
vgl. W. B Nr 88
• vgl W. B. Nr. 90.
Der Kleine vgl. W. B. 197.
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XII.
Volkstümliche
Feste, Sitten und Gebräuche
im Elsass.
1896.
Mitg«toüi Ton
Bruno Stehle.
Weihnachten.
JAebsdorf (Kreis Altkirch. ^ — Arn Vorabend Jes Wcihnachtsfestes
und am WeibnacbUtage belbst geiieu arme Kinder abends von Uaus
sa Haas und bitten um Gaben. Sie erhalten meist Geld oder
Backwerk. Frftber gab et keinen Weiknacbtsbaiim. Er wnrde eret,
als das Elsau 1871 wieder dem dentscben Reiche einterleibt wurde,
eingeführt.
Ffetterhausen (Kreis Altkirch.) — An Weihnachten gehen die
Kinder von Haas zu Haus, am milde Gaben m Empfang zu nehmen.
Sie eittgen dab« WubnaohUlieder, wie: «Stille Nackt, heilige Nacht»
n. w., oder «Ihr Kinderlein kommet»
ÜJ^eitn (Kreis Mülhausen.) — Wenn es am Chriatabend
«Heilewog» ' läutete, nahmen die Leute Strohbänder, gingen auf
das Feld und banden die Bänder um die Obstbäume, damit sie
mehr Früchte hervorbrächten. Dieser Gebrauch kam noch vor zehn
Jabren vor.
MitUaek (Kreia Colmar.) — In der Cbriatnacbt werden in allen
Familien drei Kosenkränze gebetet. Hierraf wird ein Gläschen
Branntwein getrunken und auch M'ohl etwas gegessen. Dm 12 Uhr
geht man dann vor die Hansthüre, um zu selieii, welcher "Wind
webt Man glaubt daua, daüä dieser Wind das guuze Jahr hinduich
webe. Auch glaubt man, daes in dieser Nacbt das Bindvieb spfeeben
kOnne.
1 Yergt. VI. Jahrgang 1890 S. 102.
— 184 —
AU Thann (Kreis Thann.) — S«it der ilUftten Zeit ist e« hier
gebräuchlich, die WeihnachUrose als Wetterpropheten für's ganze
folgeade Jahr zu befragen Am Woihnachts ibend stellt man die
genannte Wanderrose in ein Glas mit Wasser und harrt mit ge-
ft|»»iiiiler E^artang des Anfblftheoe. ünd wirklich ! — Gegen KUbt
breiten eich die BlUtenietcben Mseioeader and verhreitoi einen uige-
nehnien Daft. Die Beobachter sind voller Freude; denn das Auf-
blühen der prophetisfhen Rose stellt ein fruchlbaref^ Tnhr in Aussicht.
Blöht die Rose aber nicht, SO siebt man mit Bangigkeit dem kom-
menden Jahr entgegen.
Kembs (Kreis Mülhausen.! — Hier herrscht die Sitte, da&s
man zur Weihuachthzeit in ein mit Erde gefülltes Oefass die Ter-
■ehiedenen Komarten sftt Diejenige Kornnrt, welebe eich mb
ToUkookineneten entwickelt, gedeiht im nficheten Sonmer am betten.
Hipdteim (Kreit Etttein.) — In der Christnacht nm 12 Uhr
geben die Leate ihren Kflhen und Pferden Futter, damit auch
sie in dieser heiligen Stande wach seien und Freude haben.
Hipsheim (Kreis Erst ei n /^ — In der Christnacht um 12 Uhr
geben die jungen Huisrhen ira Dorfe umher und knallen mit der
Peitsche, um die Stunde der Qeburt unseres Heilandes anzukündigen.
Hipiheim (Kreis Erstoin.} — In der Cbristnacht binden manche
Leute Strohseile am ihre Bäume. Sie glauben nämlich, data die-i
leihen dadurch im folgenden Jahre viele Fiftchte tragen.
CfeupoUhem (Kreit Brttein.) — Hier herneht der Aberglaube,
datt in den Nftehten Tor Weihnachten Hexen in der Luft umherfliegen.
Dieselben haben Laternen und Besen bei sich und rote Rücke
ftTi Hängt zu dieser Zeit zufallig auf einem Baum ein Stftck von
einem Kleid, so .«;agt man. das rühre von den Hexen hör.
Wittenheim (Krois Mülhausen.) — Am Tage vor dem hl. Weih-
nacbtsfeete ging der Pfarrer in die St&Ue der Bauern und besprengte
dieeelben mit Weihwatter. Wfthrend et dat Fett einliutete, beteten
die Angehftr^en:
Heiliwog.
Qottesgob,
Glick ins Hüs
Un *a ünglick drüt.
Der Gebrauch herrschte bis 1820.
Wittenhetm (Kreis Mülhausen.) — Am Tage vor dem hl. Weih-
nachtsfeste, als es um 12 Uhr das Fest einläutete, wurden alle
Obitbftnme mit Stmhb&ndem nmbuuden, damit et reichlich Obat
daran gebe.
Der Gebrauch herrachte bit 186(K
BZotlfteim (Kreta Kfllhauaen.) — Um die Hexen des Dorfes zu
erkennen, muss man drei aasgefallene Zähne einer Egge bpsitzen,
welche man von ungefähr so tindet. diiss die Spitzen dprselben dem
Betreffenden zugekehrt sind Diese Zähne weiden übereinandergelegt«
und durch dat Loch, weichet man hindurehbohr^ kann man dia
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— 185 —
Hexen wührend der Wandlung d«r Mitternachtsmesse sehen, da sie
D&mlich lückwärls schauen. Nun mass aber der Beobachter machen,
dass er mit dem Ende des Wandlungsläutens zuhause ii?t. da sonst
die Hexen hin zum Augelnsläuten in der Frühe Crewalt über ihn
liaben.
St. UMOt (Kreis Altkirch.) - Wenn einer, der in die Mitte1^
naehUmesse geht, einen Eggenzahn findet, nimmt er ilm mit in die
Kirche. Diejenige Frau, welche sich bei der Wandlung umdreht,
wird als Hexe bezeichnet. Der. welcher den Egpenzahn gefunden
hat, stellt sich dann auf eineu Kreuzweg; hierhin muss sich auch
die «Bexe» stellen.
DaUern (Kreis Thann.) — Ein Kind, das an Weihnachten
wfthrend der Mitternachtsmesse geboren wird, ist ein Olftckskind,
Dammerkir^ (Kreis Altkirch.) — So lange die Weihnachtamesse
danertf soll das Vieh im Stalle stehen. Das Heiliwogläuten beginnt
in der Weihnachfsnacht nm halb 1*3 Uhr. Alles steht schon lar.pe vorher
mit einem Bund Stroh bereit und mit dem ersten Sc hlag rennt jeder
nach seinem Lieblingsbaum und bindet das Stroh nm den Stamm,
nm ihn so vor der Gewalt des Windes zu bewahren.
Sylvester and Nenjabr.
Mittlach iKr. Colmar). In der Sylvestemacht gelit die männliche
Jugend des Dorfes in die Wirtschaften, wo nm die «Neujahrswecken»
gespielt wird. Um 12 Uhr w ünscht man sich dann gegenseitig Glück
zum neuen Jahre, worauf den Giisteu Fleisch (Schinken \ Brot und
Wein nnentgeltlieh vorgesetzt wii'd. Dann wird das Spielen fortge-
setzt bis 4 oder 6 Uhr. Hierauf gehen die jnngen Bnrschen, die
gewonnen haben, vor das Haus ihrer Mfidchen (Liebsten) nnd bringen
ihnen die Wecken.
AU- 'J Innut «Kr. Ilianii . In der S\ Ivcf-terriat ht ist es hier Piranch,
dass die Kinder vor allen Thüreu singen, um eine Gabe zu erhalten.
Bekommen sie aber in einem Hanse nichts, so ist es üblich, den
«Knickern» folgendes SprUcblein zu sagen :
I wensch i ü glickhaftig Neijohr,
A B;ini;;ila henter's Ohr,
A Siel en d'r Nacka,
Dass'r s* ganzii Juhr d jhenter blibt fejiicka
P/ctierhausen (Kr. Altkirch). Am Sylvesterabeud gehen arme
Kinder von Bans zu Hans, nm Gaben sn erhalten. Dabei singen
sie folgendes Lied :
• Mer kärama dohar am Owa ' so spof.
Mer wenscha auch alla n neies püats J« Lr ;
A neics güat«! .Tfdn- und eine fmldb he Zeit,
Die uns GoU Vuier em lieiniuel verlaiht.
Mer senga' nn pfiffe so tapfer dtnff los,
We mer hia nit bekämma, so geh uier uf Moos,'
1 Abend. * singen. > ein Nachbarsort.
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— 186 —
Und wenn der is jetzt kai Weckla wait g»,
So säll eich der Iltis d'Hianer all nah.
Und das escb wohr, und das e&ch wohr,
Her wenselie eich alla a neiM gftato Johr.
C^Actm (Kreis Mülhausen). In der Nacht von Sylvester auf
Neqjahr wird den alten Jangfem, welche nicht anter die Haube ge-
kommen sind, eine grosse Strohbretzel an die Dachrinne gehängt.
Für den Spott in den nftchsten Tagen biaochen die Betrefiendoi
nicht zu sorgen.
Ohnenheim (Kreis Schlettstadt) Am Tage vor Npnjahr soll nicht
gebacken werden. Das Brot hält nicht, so lange als 8oust; <es be-
ech&tzt nicht»,! die Leute sagen. Der Qlanbe herrscht bei vielen
jest noch.
Wittemkem (Kreis Brstein). Am SyjTesterabend siehen Knaben,
gewöhnlich awei» von Hans zn Bant und aingen ein Neiyahnlied.
Ist dieses gesnngen. so spreehm sie folgenden Vers :
«Liawi Hüssvattr nnn liawi Bässmiattra !
Len euch net verdriassa
Unn thuau ans ebs i d Tascba schiassa !
A Groscha, ke za kleine nnn ke za grussa,
DasB er nns thnat dr Sack verstussa.»
Hernach empfangen sie die Geschenke: Qeld, Aepfel, Wecken.
J^etterhawten (Kreis Altkirch). Hier ist jeder Pate und jede
Patin verpflichtet, den Patenkindeman Neujahr die Neujahrswecken
und an Ostern Ostereier zu spenden. Die Patenkinder holen die
Geschenke nicht anders als in weissen Servietten. Reiche Lente
haben hier sehr viele Patenkiuder, weil vom Reichtum der Paten
die Grösse der Neujahrswecken abhängt.
St. Vlrkh (Kreis Altkirch\ Am 1. Jannar ziehen arme Kinder
vor den Hänsern umher und bitten um eine Gabe; dabei singen sie:
«M«t kftmme dehare am Owe so spot,
Ife winsche ech alle e nens guets Johr:
e neus guets Johr, e frehliche Zeit,
die uns Gott Vater vorn Himmel verleiht,
vom Himtuel verleiht un s ewige Läwa,
ihr solle das Johr mit Freide eriäwa,
SU Betlehem in der kleine Siadt
wo Maria Chrischtkindala gebore hat;
sie hat*s gebore und das isch wehr,
jetz schickt uns Gott Vatter e neus guets Johr». ,
Genifir Kreis Rappoltsweiler.) An Neujahr ist es Sitte, dass die
Messdiener in ihren Kirchenkleidern von Haus zu Haus gehen, sich
in jeder Wohnstube aufsteUen und ein Neujahrslied singen. Darauf
rftttelt einer der Hessdiener eine Sparkasse snm Zeichen, dass die
Lente ein Geschenk hineinlegen sollen. Die Gesamteinnahme wird
1 d. h. e« giebt nicht aus, es ist nutslos bald gegessen.
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dann anter die Messdiener vom Pfarrer verteiU ond dient dazu,
sie für den Kircbeadieust za entschädigea.
Fastnacht. Fasten, Fronfasten.
Hircftlden Kreis Gebweiler). — In Hirzfelden und Jen nm-
liegenden Ortschaften waren bis am 1860 der Fastnacht- Sonntag,
Montag und Dienstag grosse Freudentage. In den Wirtschaften warde
getanzt, am Dienstag worden in ftlkn Familien Birnen- und Aepfel*
■dinitze mit Sebinken und dfgl. gekocht Wer w&hrend dieter Tage
spann, dem frassen nach dem Volksglaaben die Mäuse das Garn.
Von diesem Aberglaabea sind einzelne Leote jetzt noch beherrscht,
AU Thann (Kreis Thann). — Am Sonntag nach Fastnacht (Weiber-
oder alte Fastnacht) nach der Vesper zogen früher die Jünglinge
mit einem Leiterwagen darch das Dorf, um tiolz für die Fastnacht-
feaer einzusammeln. Unter den lauten Eafen : Stangäla. Stängiilä
Strai iStroh), oder k alti^ Lnmi^fimi] (fran) gingen sie von einem
Haue zam andern. Hatten nun alle ihren Beitrag abgeliefert, so fuhr
man mit dem aaf dem Leiterwagen aaf2:oschichteten Holze auf einen
ausserhalb des Dorfes liegenden Schutthaufen, wo das Holz abgeladen
und in 2 Haufen geteilt wurde, der eine für die Männer, der andere
f&r die Weiber. Bieranf wurde das Hols angesflndet, und bald lo-
derten die Flammen empor. Die herbeigeströmte Volksmenge tanzte
nun wohlgemut um die beiden Feuer herum. Nach Beendigung des
Tanzes ging's ans «Scheibenschiessen». Ein in d^r Nütte durch-
bohrtes, rundliches Brettchen wurde an einer 1 nigeu Stange ins
Feuer gehalten. War das Brettchen, Scheibe genannt, glühend und
feurig, so wurde dasselbe unter dem Rufe irgend eines Mädchen-
namens, das an der Feier teilnahm, in die Böhe geschleudert. Als
die Feier zu Ende war. gingen die Weibsleute wieder heim, um
ihren hanslichen Geschäften nachzugehen. Die Jünglinge und Männer
dagegen begaben sich in eine Schenke, um sich bei einem guten
Glase Wein gütlich zu thun.
Dieser Brauch wfthrte bis 1850.
AJU»Tkam (Kreis Thann). ~ Hatten an Jnngfranenfastnacht
(am zweiten Sonntag nach Fastnacht) die Jungfrauen allerorts die
Fastnachtküchlein gebacken, so wurden sie von den Jünglingen ab-
geholt. Waren alle eingesammelt, so wnrden «^if^ v\ einem Wirts-
haus verzelnt Fanden sich aber unter den Kuclilein welche, die
nicht schmaci<haft und fehlerhaft gebacken waren, so versammelten
sich die Jünglinge vor dem R&thause und nagelten die misslungenen
Küchlein an die Thüre desselben.
Dottern (Kreis Thann). — Deber den, der am Aschermittwoch
des Abends nach dem Liluten des englischen Orusses im Freien
umherläuft, haben die bösen Geister Gewalt
Alt-Thann Kreis Thann). — Am Aschermittwoch wurde früher
«die Fastnacht begraben > Mehrere Jünglinge trugen auf einer mit
Btroh belegten Leiter einen ihrer Oenossen mehrmals durch die
Strassen des Dorfes. Gewöhnlich war der auf der Leiter Liegende
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einer, der tags zuvor des Giitpii zu viel gelhan hatte, utul bald war
er in des Suhiafes Armen aller Mühseligkeit des Lebens enthoben.
Die Hiiucrgedankeu meiner Träger merkte er niciit. Sobald sich diese
Qberzeugt hatten, dasB «r fest sclilafe, tragen sie ihn an die nahe
vorbeiflieMende Thur, — nnd plnmps, — lag er in dem kalten
Nass; das unfreiwillige Bad weckte ihn aaa aeinem Tranm nnd
brachte ihn zur Besinnnng
Dieser Brauch währte bis 1S85
A8i>ach (Kreis AltkirchV — Am 1 Fa<-teiisonntag wird auf eioeni
nahegelegenen Hügel ein gro&ses Feuer gemacht. Nachmittags ver-
aammeln aieh die jungen Bni ecken nnd ziehen dnrch daa Dorf, am
Holz nnd Stroh einsoaamroeln.
Dabei aingen aie folgenden Vera:
Stroth. Stroih,
fer a alti Froi :
Stangel. Stangel
fer a Jjeeibangel:
Stier, Stier
fera Faanachtsfier.
Abenda wird daa Holz nnd daa Stroh angezflndet, nnd wenn
das Feuer anagelöacbt iat, begiebt aich die Jagend anter Oeaang
nach Hance.
HirzfeUkn (Kreis Gebweiler). — Hierorts aamraeln sich am
Nachmittage des ersten Fastensonntags (der sogenannten Kiachlafa-
sanaclit Küchkinfasftnat ht, zum Unterschiede von der sogenannten
Herrnia&tnacht) die jungen Barscheu und die Schuljugend des Dorfes,
nm znm Faatnachtsfener Holz nnd Stroh zu holen. Die fröhliche
Schar zieht dabei Ton Hans zn Hana nnd aingt :
« Alti, alti Tftbhksfrau!
Stier, stier zum Fiistiächtafier.
Gan is a Bosa ötrau
Oder a Mti Fran!>
Bis gegen Abend sind zwei bis drei Wagenladungen Brennstoff
geeammelt, welcher dann nnter Jabel. Sang nnd fröhlichem Sehei-
benachlagen anaacrhalb dea Dorfea verbrannt wird.
Noch bia am die Milte dieses Jahrhunderts wurde beim Fast-
nacbtsfener gescbospcn, die Mnsik spielte, und Vater nnd Söhne,
Mütter und Töchter bewegten sich im fröhlichen Tanze um das nächt-
liche Feuer.
Am eraten Fastenaonntage. der Kiachlefkaanacht, gehen die
achnlpfliehtjgen nnd noch nicht achnipfiichtigen Kinder zu ihren
Taufpaten, hier Gätti und Gotta genannt, vm Oheimen und Tanten,
welch letztere hier zu Lande auch Basle he;ssen. um bei ihnen die
Fastnachtskflch'ein und zwei oder mehr Butterwecken zn holen.
Hirzfehl'i, Kreis Gebweiler.. — An Mittelfasten begaben sich
die Kommunikanien in eine Scheune. Dort wurde ein Knabe oder ein
Mädchen yotlatftndig in Stroh eingefloehten. Mit dem Vermnmmten,
der «Hierlagieger» oder auch « Biezagieger » genannt worde, zog
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— 18ü —
dann die kleine Schar, gefolgt von der ganzen Schnljagend, toh
Hans an Hans nnd aang:
Hit isch Mittelfaschta,
iiiües^ nns Kiachlii bacha.
Wie der Wintoi- isch so kalt.
Drei ßösle doch im griana WUid. —
Ma hart die Fran iwar nffa go,
Sie wird nna äbbis kwa lo.
Wie der Winter isch »o kalt.
Drei Ro».le doch im griana Wald. —
5la herl die Pfämia kriicha;
Ma wird uiiä Kiachla bäcba.
Wie der Winter isch so kalt,
Drei Rösle doch im griana Wald. —
Ma hert d'r SchÜBSLl klingla,
Ma wird uns älbis bringa.
Wie der Winter u. s. w. —
Gaomsi Zwatschga,
H*r wann ach* nit verratscha. *
Wie der Winter n. S. w. —
Gaiinis Pflfnna,
M'r wann is nit versüma.
Wie der Winter u. s w. —
Un wenn'r uns nit wann ga,
Sn mOass'eb der Marder d*Hianer na.
Wie der Winter n. s. w.
In jedem Hanse erhielt die jugendliche Schar Geld, Kuchen,
Zwetschen, Pflaumen, Aepfel oder Eier, was sie dann unter sieh ver-
teilte. r>er «Hierlagieger " aber erhielt den dreifachen Anteil. Dieser
Gebrauch be&tand bis vor etwa 30 Jahren.
Uirzfddm (Kreis Gebwetler). Hier and in der Umgegend aind
die Eltern noglSckliob, wenn sie an Fronfaston zwischen elf
und zwölf Uhr ein Kind bekommen. Ein solches Kind. Fronfasten-
kiiid genannt, kann nfunlich nach dein Glanben des Volkes auf
Erdon nicht glückUeh werdon >fan glaubt amli, es gehe aus den
Frunt'uätenkinderu vielfach Nachtguiiger ; wenn sie nach dem Angelus
ausgehen, haben sie Einblick in die Geister- nnd Hexenwelt.
PjeiUrhttmen (Kieis Attkircb.) — Hier ist es allgemein Gebranch,
dass am Palmsonntag nach der Palmenweibe die Palmen in den Qe>
müsegarten gesteckt werden. Kindern erzählt man, dass der Oster-
hase Eier in dieselben lege. Die Palmen werden bis zum Ostersonntag
im Garttn gelassen I.ässt aber jemand seine Palmen an diesem
Tage nach dem Angeluäiäuten abeudä noch stehen, dann werden sie
Yon den Dorfbarschen mit Beschlag belegt. Die Besitzer müssen
dieselben dann dnreh drei Ostereier wieder einlösen.
1 Gebet uns.
2 Euch.
s Tsrretschen = verklatschen.
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— 190 -
BMfhtim (Kreil Miilhausen.) — E& ist Sitte, dass man am
Palmsonntage die geweihten Palmen in den Gnri(Mi stockt und sie
während der Kai woche bis ziiiu Osteitage stehen lusst An diesem
Tage holen die Kinder die buutea Ostereier, welche der Osterhase
unter die P»!nien gelegt hat Nachher epieleii die Kinder mit den
Eiern. Sie achlagen nämlich die Spitzen dexaelben gegeneinander.
Weseen Ei nnTeraebit bleibt« der erb< vom , andern ein Osterei.
Wnuenheim (Kreis Colmar.) — Stellt man am Palmsonntag
frischgeweihte Palmen anf den D&nger» so kommen in der Kacht
Hasen and legen Eier damnter.
TSrJäuim (Kreis Colmar.) — Bekanntlich werden vom Grünen
Donnerstag bis zum Karsamstag die Glocken nicht geläutet. Nach
dem Glauben der Kinder reisen dieselben während des Amts am
Grünen Donnerstage nach Korn zum hl. Vater und kommen dann
SArsamstag mit den Ostereiern wieder von da zarück. Im Anschlnes
an diesen Oianben besteht in einigen Familien Türkheims folgender
Gebranch. Bevor sich die Kinder am Grünen Donnerstag in das
Hochamt bogeben, legen sie ein Glückchen vor das Fenster Kommen
die Kinder aus der Messe znrück, so ist es verschwnndi ii Es hat
mit den Kirchenglocken die Reise nach Hom angetreten. Isach dem
Amt am Karsamstag liegt das Glöukchen wieder vor dem Fenster.
An demselben hängen jetxt abersch<}ne Ostereier, die es den Kindern
von Born mitgebracht hat.
Wiruteiiheim (Kreis Colmar.; Anf die Küchlein, die am Kar-
freitag ansschlüpfen, soll man besondere Sorgfalt verwenden, denn
es giebt sehr gnte Hühner. Sie legen grosse Eier nnd wechseln
jedes Jahr am Karfreitag die Farbe ihres Gefieders. Diese Hühner
nennt man Karfroitn^hühner
Bekanntlicii soll ia der Fronfastnacht das Fronfastenweibchen
spinnende Frauen besuchen. Es wird als eine Feindin der Flauen
gefürchtet denn gewdhntich stiftet es Unheil. So entfthlt man fol*
gendes: Eine Frau hatte am Tage vor der Fronfastnacht (Durch-
spinnnacht) Wasser in einen Brennkessel getragen. In der Nacht
kr>ru ein weisses Friiulein und verlangte einen VVasserknbel. Die
Frau aber gab ihm einen Korb. (Sie hatte schon gehört, dass muu
dies thnn soll.) Da sagte das Frinlein : «Da hast Olflck gehabt,
denn ich h&tte Wasser getragen, bis Da in dem Hanse ertranken
wärest • Daranf verschwand es. Des andern . Tags war die Fran
kiank.
HeiUgkreuM (Kreis Colmar.) » Wird während der Fronfasten
ein Kind geboren, so sagt man, dasselbe werde ein Nachtgänper.
Äbergläübische Eltern geben sich darum alle Hübe, dies bei ihren
Kindern /m verhüten.
TlirzfeWfii (Kreis Gebweiler.) — Noch vor dreissig Jahren war
hier, so wie auch in Roggenhausen der Donnerstag vor dem grtinen
Donnerstag der letste Fleischtag vor dem Osterfeste. Nach dem
11 ittagessen Oibeten sich in sftmtUcben Hinsem die Fenster, nndvon allen
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Seiten vernalim man d«tt dreimaligen Bnf: «Scbmatzig! Sckmatsig!
Schmutzig '»
Ban^enheim (Kreis Mülhansen.> — Der Bauer giebt nio ein
Strohband (von einer Garbe) dem Vieh als Sireu, ehe er es aufge-
knftpft hat. Man sagt nftmlich, es gehe in den Fronfatten «ine
Fran heram. welche die Kinder, die an dieeem T«ge abends zwischen
II und 12 Uhr znr Welt kommen, mit diesen Strobbändcrn achlage*
Aach sollen diese Kiader am Abend die Geister sehen.
Karwoche.
Witlelfheini (Kreis Thann}. — Am Kaifreitag werden in Wit-
teisheim die Hühnerställe gereinigt; ao weiden, wie man glaubt, das
ganze Jahr hiiuhuch keine Hühnerliiuse mehr in dieselben kommen.
Hirz/eiikn ^Kreis Gebweiier;. — Ob Ostern früh oder spät fiel,
nnsere Eltern durften erat vom Karfreitag ab barftiss gehen; auch
wurden die Lftmmcben an dieeem Tage aam ersten Mala ins Freie
gelassen.
Den am Karfreitage gelegten Hühnereiern schreibt man eine ttber-
tfatürliclie Kraft ztr Wer nanilich am Ostersonntag nüchtern eines
dieser KartVeitagseier austrinkt, soll während des ganzen Jahres von
keinem Fieber befallen werden ; die ans eokben Biern kriechenden
Hfibner sollen al^&hrlich ihre Farbe wechseln.
Alt-Thann (Kreis Thann). — Bekanntlich werden während der
drei letzten Tage in der Karwoche die Kirchenglocken nicht geläutet.
Damit die Leute dennoch wussten, wann der Gottesdienst beginne,
stieg in fiüherer Zeit der Küster auf des Kircbtorms obersten Gang
nnd gab mittelat einer «BebeUde» die nötigen Ankäudiguugeu. Da
aber dies Zeichen nicht von allen Leuten gehört werden konnte,
gingen die Kinder mit «Bebeladen». «Raren» und «Rafein» durch die
Strassen des Ortes u!)d verübten damit einen ITöllenlürm, wodurch
nicht selten die Ordnung gestört wurde, weshalb mau diesen ürauch
um das Jahr 1860 abschaffte.
Gebvceiler. — Zur Zeit der Karwoche durften die I'rauen nie ohne
Schürze daa Hans Terlassen, weil der Teufel sich seiner Zeit vom
Abte von Harbach die Erlaubnis erbeten hattCi jede Welle, die nicht
gebunden wäre, als sein Eigentum betrachten an dOrfen. So war es
bis zum Jahre 186B.
Dollern (Kreis Thann). — Wenn am Karfreitag die Totennhr
schlägt, so stirbt jemand aas dem Hause, in welchem bie geschlagen
bat.
Krüt (Kreia Thann). — Bei vielen Leuten dines Dorfes herrscht
der Aberglaube, dass die Bier, welche am Karfreitag gelegt werden,
nie faulen, sondern austrocknen. Wenn man ein solches Ei an
Weihnachten in die ^ritteriiaclitmesse nimmt, so sieht man die Ilexcn
des Dorfes Dieselben kehren sich in der Kirche nni. Wie es al)er
beginnt, Wandlung zu läuten, uiuss man sich entfernen; denn ist
man nicht au Hanse» wenn es au Ifiuten aufhört, so ist man den
Hexen preisgegeben und verloren.
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Bmuenhehn (Kreis Mülhausen). — In früheren Zeiten ging man
in der Karsamstagnacht, genan nm 12 Uhr, prozessionsweisc um die
Kirche. Die Mädchen und Knaben trugen Wachskerzen. Der Uei-
lamd wurde dem Qrabe genommen.
Pfingsten.
LUibsdorf <Ereis Altkifch ) — Am Pfingstsamstag nachmitiags
ging früher der Hirt des Dorfes in den Hfinsem hernm. Er trug
einen Korb bei sich und in der Hand halle er einen gro^^s^ri Stock.
Im Korbe befaiul sich ein Mehlsack. Ein zweiter, es wur ein Knabe,
war mit schlechten Kleidern augethan. Seine Hände und sein Gc'
Nicht waren schwarz gefärbt. Um den Leib hatte er eine Kette,
man nannte ihn den «Pfingstblibel.» Der Hirt f&hrte ihn an der
Kette Yon Hans an Hans. In jedem Hanse sagte er den Sprnch:
•Mer han der Pfingstblibsl gfange
Met ere isigc Stange.
Eier, Mahl cder Anke !»
In jedem Hanse erhielt der Hirt ein Geschenk. Dieser Gebraach
ist in letzter Zeit abgekommen
licutriibiirg bei Manrsuüiuster. — In diesem Orte besteht der
Gebrauch, dass am Ptingstmontag ein Knabe so in ein ätrohbüudel
eingewickelt wird, dsss man nichts mehr von ihm sieht, ala den
Kopf nnd die Beine. Dieser Knabe geht mit den andern im Dorf
nmher und fordert von den Leuten Eier und Speck. Beinah in
jedem Hanse bekommt er etwas. Beim Empfange der Gaben singen
alle Kinder: «Do han mer da alte Pongschteklotz : ar e.sch vom
Boeni ^ aragt'alla on het da Rega • gebroche. Der Dokter hei uigü
erlanbt as Eier nn Spack.» Am Abend werden die Gaben gemein-
sam verzehrt.
St Jotaanni.
Elsenheirn (Kreis Schlettstadt^, — An Johanni (24. Juni) geht
die mfinnliehe Schuljugend von Haas zu Hans, nm Holz zu erbitten..
Dabei singt sie folgeiules :
'Holz er US, Holz erüs,
oder mer lunn' i dr Fuchs ens Hiaurbüs •
Oder:
«Holz erüs, Holz erfts,
Her hatten^ ^ dmn^ a Vatrnnser ens Hfts.»
Das gesammelte Holz, gewöhnlich Ecisigw« llen, wird auf einem
grossen Ast vor das Dorf f i^eschleift», wobei mehrere mit einer Welle
auf dem Kücken rolgeti. Nach angebrochener Dämmerung wird das
Holz unter lautem Jubel verbrannt. Dies ist das sogen. Kanzdifier.
(Johannifener.)
1 Banm. * Rücken.
> beten. * darnach.
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— 103 —
Il'pili' IUI 'Kreis Ersteiii). — Am Aboncl des 24. Jani ist es Sifto.
vor 'ieiij Dorfe oiü nhnniii?f?tipr anzuzünden. Am Tage vorher fahren
die Knaben lits Durtes uiii euit;in Wagen umher und sammeln das
Holz. Alle Leote versammeln sich am Abend bei dem Fener.
Am St Jobftnnisfeste sieben die Buben Ton Matsenbeim nach
dßr Vesper dnrch die Strassen nnd sammeln Reisigwellen und rnfen
dabei :
dam s aui a Stirl
Züam a Hanl Firl !
St. Tboma, St. Thoma,
s' well gar lang nigs kamma
St. Martha, St. >[artha,
Mer konna nemm erwarta.
ist. Bei. St. Bei,
War nik« get, kummt in d'Häll
St. Peternall. St. Peternall.
Gani's aui a gnissi Wall!
St. Vit, St Vtt.
Gan 's auj a gruss Schitt.
St. Blasa, St. Blasa,
6ani*8 ani a alta Basa.
Haben die Buben einen Karren toU gesammeltt so fahren sie
damit ins Freie, (am liebsten anf eine Wiesei setzen das Holz anf
einen Hänfen« um es ansnzünden, wenn es lunkelt. Wenn die Flam-
mten lirll auflodern, springen die lustigen Buben üher's Feuer. Sie
rufen einander zu : *Nur hoch gesprungen, dass das Korn hoch wjrd.>
Reiliijkren: i Krei-"? Tolmar) — An dem Feste des hl. Johfinne?»
d. Tf. steigt aieiu.iu l aut vinen Baum oder eine Leiter, wenn es nicht
dringend notwendig ist : auch geht niemand baden ; denn man sagt:
«An diesem Tage f&tit einer tot vom Baume, einer ertrinkt nnd einer
erhängt sich «
Kirchweib.
WinJtenhem (Kreis Colmar.) — Au den Kilbetagen singen die
Kmder:
Het esch Kelb un morn esoh Kelb bis am Somschtig zuwa *
Wann dr Vetter Jcti kummt, said er gota nuwa.
Uota nuwa alti (Jreth.
Zeig mer wo die Bettlad steht.
Henderm Ofa an der Wand,
Wo d' alt Greth Fleh fangt
Ausser dem Sacklaufen besteht hier an den Kilbetagen noch
folgender Gebrauch. Eine aufgestellte Stange wird mit Seife einge-
scbmiert, so dass sie recht glatt wird Auf derselben wenlpn seidene
Tücher oder dergl. betestigt W^er nun diese Stange eikittT>?rn kann,
erhält eines der Tücher als Preis. Es werde« auch andere Preise
> Abend.
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— 194 —
gegeben wie z. B. mehrere Pfund Seife. Selbätverbtänd icli ist das
Erklettern der Stange schwierig, und meistens rutscht der Kletterer
uuter dem üeiuchler der Zuschauer wieder herauter.
Bs kommen hier an den Kirchweihtesen noch folcftnde Spiele
vor. Es wird ein Zaber mit Wwser geffiUt, und A«i^el. Nflsse nnd
Talglicbter hineingeworfen. Wer nan mit dem Monde von den
Sachen aus dem Wasser herausnehmen kann, darf sie hehaUeii
Dieses Spiel ist sehr lustig, da die Acpfcl oder die Talglichter aus-
weichen, wenn man sie mit dem Munde fassen will.
Haachmnl werden auch Krftge anfgeh&ngt and zwar in einer
Reihe nngef&hr 2 m hoch. Einige dei Krüge werden mit Aepfeln,
Nüssen, Spielsachen oder Kleidungsstücken gefüllt. In andern aber
befindet sich Wasser. Dem Spielenden werden nun die Augen ver-
bunden. Mit einem Stocke darf er einen der aufgehängten Krüge
aerscblagen. Hat er Olttek, so sersehl> er einen, in wetchem neb
Ton den genannten Sachen befinden. DIete kann er behalten. Er
katm aber auch einen Krug zerschlagen, in dem eich Wasser befindet.
Dieses f&Ut nun natfirlich auf ihn herab.
Allerheiligen und Allerseelen.
DoUern (Kreis Thann i — Wer am Allerheiligenfe.ste des Abends
nach dfni liänten des englischen Grusses bei einem Kirchhof vor-
beigeht, dci li'^irt die Toten miteinander sprechen.
PfetterhaiiacH (Kreis Altkirch ) — Am Aüerheiligenabende wird
abends nach dem Betzeitleuten eine Stande laug für cÜe armen Seelen
geUntet Dies besorgen die Erstkommunlkanten. Wihiend des
Läatens beten die Leute in den Häusern fftr die Seelenruhe der
Verstorbenen drei Rosenkränze. Nach dem Läuten wird ein Korb
voll Nüsse auf den Tisch gesetzt. Alle Hausbewohner sitzen um
den Tisch herum und krachen Nüsse, bis der Vorrat verzehrt ist.
Am Alterseelenmorgen inrd wieder eine Stande mm gleichen Zweeke
gelfttttet Nachher gehen die «LAnter» in den HIneem nmher, wo sie
entweder Obst oder Geld erhaltMi.
Kingwiheim (Kreis llülhaasen.) — Jedes Jahr Unten die Mess-
diener nm Allerheiligenabend ond am Allerseelenmorgen eine Stunde
lang die Kirchenglocken. Während des Läutens werden in allen
Familien drei Roseukrünze und Litaneien zum Tröste der armen
Seelen im Fegfeuer gebetet. Nach dem Läuten gehen die vier ersten
Messdiener« je an sweien, in verschiedener Bicbtnng. mit einer brMi-
nendm Laterne und einem Geldsäckchen von Haus an Baus und
bitten nm eine Qabe für die <L&uter>. Vor jedem Hanse rufen sie:
cHr hau fer d firma iieela glüta.^
Teila nis äbis met,
Wuuu s i bliabt!.2
Gewöhnlich erhalten sie dann Geld (bis l JL). beim Metzger
auch an ihrer Stärkung ein Kr&nzchen WQnte, bei den Wirten einen
t geUutet i beliebt.
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— 1U5 —
Schoppen Wein n. s. w. Wenn dagegen auf erneuertes Bitten niemand
encheint, so rufen lie noch lauter :
«Hf han fer d'&rma SmI« gifilt«,
Teila nis Ibis met.
Oderts geht a Bangala nf d' Hep!> >
Allen Familien, dio nichts, oder weniger als 4 Pf. geben, werden
mit Kreide grosse Kreuze an die Thüren und Laden gemalt, nm sie
80 öffentlich als «Bacher» (d. b. Geizhuise) ku bezeichnen. Am fol-
genden Tsg« wird der Ertrag der Sainnhnig dt» Pfarrer fibergeben
der ihn nnt^ die Uewdiener verteilt.
Wittenheim (Kreie Mttllianeeii.) — An ilkrteelen gehen die
Heeediener von Hane zu Hane nnd bitten nm Oeld, indem sie
sprechMi:
Fir d' Seele hamm'r glüte fir d' ai-me ;
Dmm han o mit ans e wenig Erbarme.
Fest der bl. Breikünis«.
ObeHmuJi (Kreis Thann). An diesem Feste ist ss bei manchen
Lenten Sitte, einen Knchen za backen ; in diesen Knchen legt man
eine schwarze Bohne Wer nun bei Tisclir Hie Bohne kriegf. der
ist König. Jedesmal, wenn dann der König trinl(t| so mfeu alle
Gäste : «der König trinl^i 1 der König trinkt !*
WiUenheim (Kreis llflihansen). Ehedem (1840) war es Sitte, dass
drei Knaben sich verkleideten nnd in ein IR^rlhshans gingen. Sie
assen nnd tranken nnd machten sich, ohne KQ bezahlen, dSTOn.
Die Jagend aber lief ihnen nach nnd schrie:
«D'heiligA drei Kinige mit ihrem Starn
S&ffe nnd frasse an zahle ni gern,
oder
«D'heilige drei Kinige mit ihrem Stam
Krache die Naas nnd fresse d*r Kam».
Feüt der hl. Agatha (5. Februar).
Fliesen (Kreis Alikirch). Am Feste der hl Agatha werden hier
Brot nnd die sog. «Agathaxellei» geweiht. IFon diesem geweihten
Brote isst jedes Fsmilienglied ein bischen. Aneh wird den Bens-
tieren davon gegeben, anch den Bfihnem, damit sie vor Krankheit
bewahrt bleiben..
BedentnBgavoIle Tage.
Mwtler, - Da an Harift lichtmess (2. Febmar) die Tage linger
an werden beginnen, ae pflegt man das Spinniad. den Zeitvertreib
der langen Winterabende, bei Seite zn stellen, weshalb man sagt:
«Maria Liachtraasa
Hett? Syiinne vergase',
Bi Tag z'Nacht gass!»'
1 einen Stecken anf die Bippe.
' Iss bei Tag zu Nacht.
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— 1*J0 -
DdUern (Kreia Thann). Ww am ertton April d«& Kacktick
Bcbreien hOrt und Geld in der Tasche hat, der bat das ganze Jahr
hindurch Geld.
2iieden»oricJiweier >Kt-eis Rappoltsweiter). In der Xacht vom
30. April zum l Mai wurden utn 12 Uhr alle Hl , ken geläutet, da-
mit anf die Pursprache der Matter Gottes die lUb^n vor Reif ?ind
Früät bewahrt werden sollten. Vom Jahr ISiO ab lautete es für den
König Ludwig Philipp, weil sein Namenstag auf .den 1 . Mai üeL
Als Ludwig Philipp abgesetzt warde,- Woeste man nicht mehr, dass
früher geläutot wuide. um Reif und Frost von den Reben fernaa-
halten» und der Uebrauch hörte von dieser Zeit ab vollst&ndig aof.
Wittenheim {Ktti» MälhansenK Am I.Mai bekclnsteo mehrere
Mädchen eine Frean«lin mit Laub utid Blumen und zogen von Hans
zu H itis ?^ie hangen und samtneken Mehl, Eier, Oel u s w Xacli-
her veisatutnalte man sich in eiaem Hiuid. liier bereiteiü mau
Kuchen und den Kaffee und verzehrte es unter fröhlichem Geplauder
Die Ifädchen sangen also :
«Der Mai, d r Mai d r knnt a
Ups eme griaiie Wald ä»e.
So fahrt il'r Mai in d'Rose
Wenn ihr uns kai Eier wann ga.
MQas i der Ihis d'Hiahner na.
' Wenn ihr uns kai Mahl wann ga»
Maas i der Miller s' halwe na.
Wenn ihr ans k u' EI ■ .vnnn »n.
Derf i der Arker koi T,»'H':it- me ga.
Wenn ihr uns kai Milcli wann ga,
Mflas i d*Kft&h kai Milch me ga.
Der Gebrauch herrschte bis 1850.
Sf. Ulrich (Kreis Altkirch). A'n 1 Mai versammeln sich alle
Bchulpflichttgen M&dchen und bekrSnsen ein Tannenbftumchen ; dann
ziehen sie von Haus zu Haus und sammeln Eier, Mehl, Milch und
Oel, die sogenannten cKiachla* zu backen.
Dabei singen sie :
«Wenn er is l^e Eit-r wann gah. säH pch der litis alie nah ;
wenn er is ke Xlähl vyann g&h. sali ech der Miller 'sHalwe^ nah;
wenn er is ke Milch wann gah. seil ecK d*KQha künni meh gah».
Litbsdotj Kreis -\ltkirch.> — Die Leute sagen. Am Namenstag
«Heinrich» (15. Inlil m&sse sich einer aufhingen, einer mttsse er-
trinken und ein dritter 'mässe durch Hernnterfalten den Tod finden.
Abergläubische Leute gehen deshalb an diesem Tage nicht auf die
Kirschbäume.
Kingersheim Kreis, Mu hnuson.) — Am Maria Ma-^daU-nentag©
i22. Juli) schnei*li't m;\n tleii MiVdchen ein wenig von den Haarlocken
ab, weil sie dann durch die Fürsprache dieser Heiligen schönes^
volles Haar bekommen.
> Oel. * Repe. » die Ü&lfta.
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— 1Ü7 —
«
Bangenhem (Kieis Hfilhwgen.) — Wenn einer am Fette des hi.
Laurentius nO. Angusti zwischen 11 — 12 Uhr mittags an irgend
einer Stelle die Ertk- aufgräbt, so findet er ganz gewiss Holzkohlen.
Der hl. Lanrentins starb den Feuertod zwischen 11 — li^ Uhr.
Bamenh^vp Kreis Mülhausen.) — Am Feste der hl. Katharina
(25. November) standen frtTher alle Mühlen still; es wurde kein Ge-
treide gemahlen. Die hl. Katharina wnrde nftmlich gerSdett
Lußetidorf (Ältkircli ) , — Den Vorabend des Festee des W.
Andreas benutzen die jungen Ufidchen von Lnffendorf. nm zu er-
fahren, was sie fftr einen Mann bekommen weiden.. Dabei verfabren
sie folgendermassen: Sie stellen sich so an einen Holz-
hanfen. der auf? kleingespaltenem Hol?, besteht, dass der Kücken
dem Haufen zugewandt ist. Dann heben sie. ohne auf den Haufen
zu M hauen, ein Stück auf, und je nach der Beschaffenbeit und dem
Aussehen dieses Stückes, schli essen die Uidchen auf das Aussehen
ihres zukünftigen Gatten. Ist das Holzetlick z. B. lang, so 1 edeutet
es einen hochgewachsenen Mann, ist es dagegen knrz. ec' l)edctitet
es einen kleinen Mann Hat das Hol^slnck Erhi hungfn, so bedeutet
es einen Mann mit emem Buckel, und ist das Stück mit Moos be-
wachsen, 80 deutet es einen Mann mit einem starken Bart an.
Gebweiler, — Am Andieastage (30. November', dem giössten
Jahrmarktstage in Oebveiler, kaufen die Jünglinge grosse Lebkuchen-
manner, gehen am Abend vor die Häuser ihrer Geliebten und singen'
«Jungfer. Jungfer! herfts, herüs!
S iseh a zuckeniasser Hann difis.»
Fest des hl. Nikolann.
Oberbrutik (Kreis Thann) — Hehrere Wochen lang vor dem
Feste beten die Kinder jeden Abend den Rosenkranz, damit ihnen
der hl Nikolaus lerbt schöne Geschenke beschere. Sie haVren ein
sogenanntes ..Bathelzli • ; ' in dieses Stäbchen wird nach jedem vol-
lendeten Ho&enkranz ein Schnitt gemacht. Kommt dann der hl.
Nikolaus, so Terlangt er gleich das «Balhelz^i»; sied dann die Ein*
schnitte in demselben zahlieich, eo i>>t au<h das Geechenk dem ent-
sprechend; sind sie aber selten, so kriegt der faule Beter derbe
Rutenstreiche.
GchneUer. An St. Nikolaus (G. Dezember) pflegt die muntere
Jugend sich bisweilen einen Seherz zn erlaul)en, uidtm sie ein langes
Seil, an dem wohl auch ein Korb befestigt ibt, am Fensteiflügel an«
bindet und auf den Boden binablisat, um am andern Morgen zn
sehen, ob Knecht Bnprecht auch dieses Jahr wiederum seine segens-
reiche Band aufgethan habe.
Mittlach (Gemeinde MeJzeral ) — Vom 6. Dezember (St Nikolans-
tag) ab geht jeden Sonntag das ( hvislkindlein dnich die Häuser.
Drei junge Mädchen verkleiden sich ^ ebenso ein junger Bursche.
1 Bethulzcben.
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— 198 —
Dieser mnss als Esel ilienen und wiH Pirkevese! p^eiiannt. Dann
gehen alle vor eiu Hauis. Der Pickeiesel mubs Uiaussea warfen,
wahreud die andern fragen: «Darf das hi. Christkindleiu nicht hm-
•in?» Antwort: «J» doch.» Darauf tritt das Chritlkiiidlttn in di«
Stube und sagt: «Jetzt tret' ich in die Stab hinein, aU ein schnee-
weißes Christkindelein, die braven Kinder za besnchen, ob sie
schwören oder fluchon. Die Bösen nimm ich auf die schwarze Grabb
(Bezeichnung für Pickeresel) und fuhr sie in die Huil" hinab. Die
braven Kinder nehm ich auf einen Schimmel und führ sie in den
HimmeL» Daraaf rnttiaan die Kinder beten» Wenn sie nicht scli&n
beten können, erhalten sie eine Rate; andemCtlle werden sie mit
Obat und Zo^ereaehen beschenkt.
s
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XIII.
Petrus Dasypodius.
von
M. Erdmann.
Dieser Gelehrte war nicht Arzt, ytne das J(ieher*sche Cre-
iehrtenlexikon (älschlich angiebt (so auch Grimm DWB I, Spalte
XX. XXXI)» sondern Schullehrer. Das Richtige steht in der
Monographie \nn Hirsel (im Schweiler Museum, Basel 1866) :
«D. hatte Ztlrich. wo er als Lehrer wirkte, 1530 verlassen und
war nnrh Frauenfeld als Predig? er und Lehrer zurück-
gekehrte. Mit dem Landvogt Brunner war er befreundet.
Xnrh der Schlar-ht he\ K.ippel wiiiflt' ^oifie Lage tinerträglich ;
«iuich Bulhnger's und BlarerVs V^M initlluüg wurde ihm die An-
stellung in Strassburg zuleiL Ueher die Verhandlungen betreffs
seiner Berufung existieren noch handschrillliche Bemerkungen
im Thomas -Archiv (Auszüge aus den Rats-Protokollen), aus
welchen mit Sicherheit hervorgeht, dass er eigentlieh Peter
Hasenfuss hiess (also nicht Rauchfuss^ wie bei Ersch und
Gniber steht, auch nicht Rauhbein : Meyer*s Conv.Lex. 5. Aufl.),
auch nicht Hase, wie Grimm vermutete, auch nicht Hasenfratz,
was Hirzel bewiesen zu haben j^laubte.
Aas Branfs Protokoll -Auszügen
fortgesetzt von Wenker.
(Thomas - Archiv) :
Mittwoch 15. X. Meisler Chrijftophel Rauhe, Bürger^
Sohn ülhie supplicierl und hütet um das Schulmeisteramt 7.u
Frawenbrndern. Daneben hat H. J. Sturm und H. Kniebs an-
zeifrt, nachdem ihnen als Schulherren befohlen, nach einem zu
gedencken, seien ihnen vier anzeigt, der allenthalben sie Er>
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liiliiun^' i.inl Nriehttaj: ^elinlil. Sei der eiiiL- l'elru* H^i^t^n-
f 11 ^. S. |j(ilüiei"«lei zu FiautMifeM liei Ct^^tanz .... h!<-^< r
haucli. nis <ie hören, sei gelelirl j^enu;:, :iIkm- zu .seinei .Iu;:«.'ini
ziemlith frech und eines slulzen Gcisthns .... Krkandt:
den von Frauenfeld, Ma{r. Petrum Dasypodiuni oder
Hasenfus aiixtinehtnen . . .
Vei^l. E n I in der Feslschrirt des Prot. Gymn. I S. 119.
Auch ein Exemplar de$ Dictionaniints auf der Str. Un.- Bib).
hat liandschriftitch Hasenfuss neljen Dasypodtus.
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XIV.
Chronik für 189o.
"2. Jan.: stirbt der Dichter Aii;;ust Lustig in Mülhausen,
geb. 4. Nov. 1840 in Hnrtinannsweiler hei 5Sulz.
'23. Febr.: Goldene Hc»chzeit des Staatsrathes Dr. J. von
Scbiumberger in Gt-bweiler.
11, MHrz : .«stirbt D. Cluuie?« Schmidt, Prot, enier. der Uni-
versität zu Strasshur;!. <rol». 20. .luni 1812 zu Slrasshurg.
17.18. April: H.iu[tt Versammlung des Vereins lür Retor-
mationsgeschicbte in Strassburg.
18. Mai bis 15. Sepl.; Oberrheinische Industrie- und Ge-
Werbeausstellung in Strassburg.
26. Mai : Enlhüllun;^ des Ne$i$lerdenknials in Stras^b(lrg.
2. Juni bis 15. Okt.: Ausslelhing für Kunst und Alfer-
thuni in der Oraujrerii' zu Strasj^burg.
4. 5. Augui^t : VI. Kreisturniest des X. Ueutäclieu Turn-
gaues in Slrassburp.
8. Sept. Trachleiizii;: niif der Slr.i«^bur;.'er AusstHllunii.
18 Sept.: Enlhüilun;^ des Denkmal:; tür Kaiser Friedrich III.
in WiuUi.
18. 1!). Okt.: Kaiser Wilhelm 11. und Kaiserin Auguste Vic-
toria in Strassburg.
20. Nov.: Ein weih un<^ des Neuen Bibliotliekgebäudes in
Strassburg.
r
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XV.
Sitzungsberichte .
Vorstandssitznng
17. Nuvember 1895. im gem&aistischen Seminar der Uiiivei»irät.
Anwesend : (iie Herren Barack, Ericlison, Euting, Harborilt,
Lienhart, Martin, v. SMilumberp'er.
Entschuldigt : die Herren Deecke, Francke, HerrenscimeiUer,
Mündel, Roniud, VVip/and.
Der V.>r-:iJ/,ende Prof. Mu lin, zunäch-«! einige Schrift-
stücke, die von ausw.irligen V<^reiiiea bei iliui eiugelauten
sind, zur Kenntnisnahme vo»*. Ev teilt sodami im Namen des
abwesenden Kassenwarts mtl, dass die Rechnungslage günstig
und der Kassenabschluss durchaus berriedi^^en d sei.
An Stelle der freiwillig ausscheidenden Mitglieder Deecke
und Herrenschneider werden die Herren Prof. Dr. Faber aus
MQlhausen und Dr. Aug* Kassel aus HocIiTelden vorgeschlagen.
Um die Einnahmen unseres Zweig Vereins 2u crböben,
schlägt Pi'tf. Eulin^j vor, die Landesl)ibliolhek um einen be-
stimmten Ziiso!iii<-; zu ersuchen für die THU<i h''voiTi(ilar<» des
Jahrbuchs, die tlor-^elben jetzt unent «/eil lieh zui^vrstolll werden.
Die Mehrheit der Anwesenden erklärl sk h mit diesem Vorschlag
einverstaiuleu ; zu einer endgilli^M-n Entscheidung kam es
indessen nicht, weil die Versammlung nicht beschlussfahig war.
Nach einem kurzen Hinweis auf das zu errichtende
Stöberdenkmal werden sndann die für das nächste Jahrbuch
vorlieiwden Arbeiten besprochen, und zur BeurteiUing unter
die Mitglieder verteilt. Dar Vorsitzende stellt ausserdem für
den 12. Bind ein Ges^mtregister aller bis jetzt vom Zweig*
verein verütfentlichlen Arbeiten in Aussicht.
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Geheimerat Biiack berichtet soilaiin über die mit uns im
JSchrittenauslausch stehenden Gesellschaften und Vvreinc. Atis-
{„'e«chieden ist der Histori<rhe Verein Im Ermland ia ßrauns-
ber^; neu bei^'etreten sind im Jahre I8i>0 :
1. der V^erein für luxemburgische Geschichte, Lilteratur
und Kunst in Luxemburg ;
2. der Alterlumsverein in Wien ;
3. der akademische Verein deatscher Historiicer in Wien,
80 dass die Anzahl der Taaschexemplare jetzt auf 116 ge^
stiegen ist.
Es foi^t darauf die
Allgemeiae äitzuug.
Prof. Martin eröffnet dieselbe mit dem Rechenschaftsbericht
Ober die Ent Wickelung des Zweigvereins im abgelaufenen Jahre
und stellt als Oj*t der nächstjährigen Eiauptversammlung das
neue Gebäude des Bezirksarchivs in Aussicht. Er teilt femer
das Ei -eliuis der vorgenommenen Neuwahlen mit und kommt
im An<rlilu>>? nn das ?:ch6ne Trachtenfest i^elej^enllich uosei'er
hiesiixen Industrie- u. G'-werb nuiNslelluii;; auf <ten A^iftrag zurück,
welcher dem V'orslnn l ,nit der l«'tzlen Hauptversammlung ertei It
wuritt', mit detn Bemerken freilich, dass es demselben bis 7. Z.
unmöglich ij'cweseu --ei, irjienii eine betriedigende Lösung jener
Aufjjabe herbeizuführen.
Zum Schluss hält Prof. Martin einen Vorlra^^ übai* «Das
Wörterbuch der elsässischen Mundarten welcher am No-
vember in den hiesigen cNeuesten Nachrichten» und sodann
auch als Sonderdruck erschienen ist und — so lange der Vorrat
reicht — von dem Vortragenden, Ruprechtsauer .Allee 4i, hier
unentgeltlich bezogen werden kann.
Vorstandssitzimg
11. Xftrz 1896, Im germanistischen Seminar der Universität.
Anw^^ond: die Herren Barack, Erirh«:on, Eutinp-, Harbordt,
Kassel, Li^Miii.irt, Marlin, Mündel, Sehricker, Wiegand.
Entschuldi;(t : die Henen Faber, Ihme, Renaud.
Der Vorsitzende teilt eine Zuschrift Sr. Durchlaucht des
Fürsten Statthalters mit, in welcher der Dank für die Zusen-
dung des letzten Jahrbuchs ausgedrückt ist, sowie ein Schreiben
Sr. Excellenz des Herrn Staatssekretärs von Puttkamer, in
r
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— *204 —
Nvoh IhMi! wiüflfM- »Mii Zusl huss von 300 Mark aU Beihtlle i'ür
das näcliste Jahrlna h zii'/e'^icliert wini
Bei tler unveiniulet msrlicn ^^«Jeiiiei un^ «ler Mi!- Iie<ieiz.(lil
^v;lllIeIl(l des vorijien J^^hle^ >iu<\ eine j:iu.s>i're Anzahl von
allen Mitgliedern, «leren Beilrüge .**eür J*pr«t einiieianten sind,
um das Jahrbuch X zu kurz gekommen. Es soll deshalb eine
entsprechende Anzahl des betr. Jahrbuches auf anastatischem
Wejre hergestellt und den Mil gliedern, die noch nicht im Besiti
desselben sind, zugestellt wenlen, wozu der Vorstand einen
Kredit von 200 Mark liewilli^'t.
Um einen von mehreren Seilen laut ^^ewordenon Wunsch
zu erfiillen, .<oll künftig jedem .laiirliuch, das sj>rachhche Ar-
heifcii enthält, in denen die Kraeuter'f?che Laul.-^chrirt zur An-
Wi nilting kommt, ein Öchlü^^el des lielr. Lautsy$tem$ bei<:etügl
werden.
Anschliessend an «iir l* l/te Vorslandssilzunji s^lellt sodann
Prot". Enting folgenden Antiäii;
«Es möchte die Landesbibliolhek ffir die von ihr im Tauseh
bezojrenen Exemplara unseres Jahrbuchs der Vereinskasse einen
Betrag von einer Mark ffir das Exemplar ent richten».
Der Antrag wird angenommen. Geheimerat Barack als
Dii f kt<ir der Landes- und Universitätsbihlioihek will weiter
fiJ)erlejien. wie tr sich in Zukunft in Betreff der Tauscliexeni-
plare verhallen will.
Dr. Hans Lienhart,
Schrfltlidii 4't .
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Uebersiclit
über den Inhalt der Bände 1— XII.
I. Mitarbeiter.
Arnold M. : XI 185—137.
Bargmann A. : II 174-176; II 178-191« III 115-145, V 151—160;
IV 101—104. VI I '.l u. 132, XI 20.
Bastian Ferdinand: XI 75—76.
Bechstein 0 : VII 1—82.
Bolte 0.: VI 70-- 82.
Bresch F. : VIII 8^—137. IX 194—342.
Bachenao H : I 109. 1 10.
Bühler W.: Bilder V 156; X (Tgl. X 284-285.)
V Da leisen: V 151 — IßO.
Dahlet J. : VII ITÖ-lT-i.
Iieecke W.: VIII 37-44; X 1 — 11.
Dtetz Augost: III 109. 110; XII 1.
Eber Carl: III 91—98; VI 183-137.
Ehi ism.uin II : X 110—164.
EnstVl U i E l : II 159—165; V 107-111; Vil lÜl-105.
Erdmann M. XU.
Ericbson: II 178-191.
Fabar K W. : IX 4-75. XII 44-57.
Francke : II 178—181 ; II 193.
Friedrich A. : XI 132-134.
Fnchs, .A : IV. 122^129.
Gasser: II 178— IDl
Gayeliu Georg: l 77. 7d; II 10i)-l73; II 178-191.
Graf J r IV 80-89.
Grabet JoUns: X 189-216.
Hackenschmidt K : VIII 45^56.
Hedera IhAiK : X 98-95.
Hering Ed.: I 45-56 ; II 9ö— III.
Herrenschneider E Ä.: 1 25-39, II 156-158; III 77—80. ■
Hertzog A.: VIU ä07-225; X 65 -90; XII 3-39
Hollaender Alcain : III 94-98; V 112-114.
Horning Wilhelm : VI 11- Gl.
Hots h Daniel Gustav Adolph: VIU 182—193; X 1^5—170,
Ihme F. A. ; I 67 — 76.
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— 2ü6 —
Jansen : V 151-160.
Kassel: X 1«0-188; XI 138-201 ; XII 68—66.
Knod G. : T 54— 6ß.
Koßsmann E. F. : X 96-109.
Lancbert Friedrich : VI 120--180.
LempMd H«iimcb: III 65- 76; Hl 144 und 145; IT 88— 100.
Lempfrid Tritt : HI 81—90.
Let7 Fl itz : VI 69—75.
Letz Karl: X 02-64.
Lienhart Hans: il 112-144. III 23-56. IV 19-62; lU 189 und 190;
VU 188-199; VH 907. 908; VHI 76—80, XI 808-206; Tin
164. 165; IX 167—193; X 251—288.
Lfip«r C. : U 72-95.
Lnstig Ä.: VIl 181. 182.
Mankel W. . III 189. 190; IV 130.
Marckwald E. II 214—260; III 146—188.
Martin Einst: 5-24; lUo; 107; II 61 lu 68; 145—165;
193—194; 1111—29; 189 n. 190; 63—56; 116; IV 57— 62;
130: 131: 1.^2-135; V 90-106: 141-1Ö0; VI 81 u. 82;
82u. 83; 84-95. 97-107; 117; 154-160; VII 109-116;
117-122: 207 u. 208; VIII 2—36; IX 102-114; 129—147;
167-193; X 251-283; XII 67—80.
Mathis Fritz: Vil 150-174.
Meuges Heinfidi: IX 115—128; XI 77—109, XH 81-106.
Uündel C: I 107-100 ; 111-144; H 187. 214—260; UI 146—188.
Natsler F : III 106—109.
Ney C. E : IX 148-166. X 12-30.
Oberthür Emil: VII 183—187; VUI 194-208.
Ratbgeber Julius : I 82-87; lY 63-71; V 67-89; VI 106-112;
188— 148;VII 123-127 ; 128-140; 141—145 ; VIII 67- 62; 81-84 ;
84-87; IX 98-101.
Beinbatt Th. (s auch Theodor Volpiniia). I 1—4; II 61—67.
ReiUB Rudolf: II 196-213.
Schadow Richard : II 5—60
Schemmel : II 178-191; III 115-145.
Schmidt Adolf: I 57-68.
Schmidt ChriaUan : II 176 n. 177-; VI 118 v. 119; 119 n. 120 ;
VUI 1 n. 2; IX 1; 2 n. 3; X 91; 91 u. 92; 92 n. 98 ; XI 1-3,
Schöll Th.: X 31-36; XI 21-38.
Schräder: III 110-145; V 151-160.
Schricker August; I 40-44; III 99-106; IV 122 u 123; YII
106—108.
Socin A.: II 192 u. 193.
Spaniar U . : VIII 68—75.
Spieser J.: 1 78-89; n 166-169; IV 72-79; V 127-132 ; 133-140;
VI 144-153; VIII 138-142; 143—168; 1X23-97; X248-250;
XI 87-92. 200,-224.
Spracbknndiger. ein «inbeimiacber : XI 110—131.
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— 207 —
Stehle Bruno: UI n7-tU: 115-145: IV 112—121; VI 161-180;
VII 200—206 : Vill 159— Ibl; X 217-242 ; Xil.
Stengel : 1 87— 92 ; XI 39—71.
Stieve : XI 7—19.
Stdber Adolf: I 93—104: UI 110— lU; XY 105- III; V Il5*-ia6;
VI 113—116; VII 179^161: VIII 996—239; VlII 930 a. 231.
Streiiiz Franz: IX 7i) — 8jf.
Tille Alexander: VI 02- (Jb.
ühlhoru A.; lY ! 12— 121; Vil 146-749; IX 83-86.
Ttüpiimi Tlieodor (s. tach Th. Runhirt) : IV 6—18; V 1*56; VI
1-10; X H7-61.
Waldner Eugen : XI 6.
Walter Tbeobald : XI 4-6: Xll 40—48.
Weiss C. Th XII 121-!82.
Welhly Üustav: VI 117 u. 118.
WinckelmaDn Otto: VII 88—100
Wolfram Georg : I 106 n. 107.
n. Nach dem Inhalte.'
A. Geschichte.
a) Staat»- und StamiuesgeHcbuhte.
a) Uczait and rdmische Herrachaft.
Die Ligaier im Elsata, X 1 — 11.
Notiz tiber den üisprunp von Barr, II 9fi— III.
Der Donon und seine iJenk'm&ler, VII 1—82.
Argentovaria-Horburg, I 25—39, II 156—158.
Die lloaella des Dec. Uagiras Ausouiiis deutsch IV 5—18.
3) M i 1 1 e lul i er.
Drei lateinische elsässische Kaisergedichte aus alter Zeit, Vi 1—10.
Diehtnngen des Ermoldos Nigellvs, II 61—71.
Die Marca aquileiensis oder Eichelmark, IV 122—129.
Oünthers von Pairis Historia Constantinopolitana, V 1—56.
Die Grafschaft Ober-Salm in den Vogeseo, XI 7—19.
1f) Neuzeit.
Ein Fürdeier des Verkehrswesens in Elsass-Lothxingen im 16. Jahr-
hundert, VIT 83—100.
,Das Vaterunser so im Elsass anno 1610 ist gebetet worden von den
Baitam% V 112—114.
> Die Beitrftge ünd nur einmal angtlOhrt; wenn einige an meh-
reren Stellen erscheinen könnten, entschied der Hanptgesiohtspnnot.
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— ''im —
Ans einer elsft^sischeu F.imiliouubrouik Bilder bus dem dreiMigjäh-
iig.n Kriege, VII 124 — 121.
Die» Lieder auf »Strassbuigs Ueboigabe 16>il, VI .6 — 83.
Die Gedenktafel am Qebartshaase der Lan*lgi-üfiu Caroline von Hes-
8en<Darmatadt in Straesbnrg, II 194.
Das EUass bei dem Ausbruch der fraiizösiichen Revolution. V 57— b9.
In der .Schreckenszeit von Boorglibre (Saint-Lonis) nach Colmar und
zurück, VIII 2-36.
Graf Dürckheuii. Ein Lebensbild. VIII 45 - "■<().
Chronik (fär 1684—1895) I 14&, U 2.il, III t9t, IV 1S6, V 16t, VI
ISI, VII 209, Vm 2S2, IX 943, X 286* XI 2ib, XII 24d.
b) Ortageschichte.
3t) Städt e und Dörfer.
Si. AinaiiiitlKil : Beamleu- und Bürgereide des St As., III 65—76.
Hagenau: Die geschichtUcbe Entwieklang der jetzigen Eigentamsver-
h<nisie in dem heiligen Forste bei H., IX 148*166, X 12-30.
Ingweiler : Auszug aus der Chronik der Stadt I , VI 69— 75. Zur
Geschichte von I.. X G'J—U.
Lothringische Orte: Vers« hwiuidene 1. O . IV 83—100.
Hetz : Volkssprache in .M. im Ui. Jahrhundert, I 107.
Uinveraheim: Ifinwersbeim oder Minvenheim? XII 56—66.
KnCacb: Zur Geschichte der Stadt XI 4— 6.
Strassbnrg: Das napoleonische Wappen von St., VII 10<i— 108.
"Wattweiier : .Stailfordnnng von \V i?n Oberebass. ITT 57— 6i,
Weier : Aus dem öemeiudebuch von Der:" W., Iii 77— fO.
3) Bargen und Schlösser.
Bilstein : Die zwei Schlösser B.. V 107— i Ii.
Fleckenstein : Zwei Berichtigungen betreffend Bnrg F., I 67—76.
Hohkünigsborg: Le ch&teau de Hohkoentgsboarg, I 45-^56. Notix.
über den Neubau von U79, II 192 u. 193.
Heichenstein oder das alte Schloss bei Reiohenweier, VII 101—105.
ScUwauaa zerstört, I lOä.
c) Kli'cbengeschlchte.
Amuletriuge des Heiligen Theobald von TUanu, VIll 37—44.
Das Stift Jang-St, Feter. Beitrftge 2a seiner Geschichte, VI 11—61.
Die Sirassbnrger nnd di3 St. Petersburger Blessigstiftnng, VIII 57—62.
d) Knnstgpeachichte.
Die Fensterrosetten der Parade des Sndkrenzes am Strassborger
Münster. T l'»-4 l.
Bilderwerke an Huuseiii, lüü u HO.
Haudzeichnungen von Thomas Manier zu seiner üebersetzoug der
Weltgeschichte des Sabellictis, IX 102—114.
Bilder zam Siegfriedslied von 1580 i?\ VI 81-96.
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Daniel Specklin. a«in Lebeil und seine Thätigkeit Baumeister,
II h-m.
Analecta Specklimaua. iL 196 — 213.
Theophil Schaler, III 1—16
e) Ralturgeachicbte.
(Gewerbe. Zünfte. Klimn. UnirUi«;ksfalIc. Strafordlintlg )
Zii! Goi^( hi« !ite (Jor Bcr.'werke bei Maikirch, II 72 — tfö.
Schützenordnuug von Reicbenweier, II 159--1*>6.
Färberzuuftordnung des Bistums Strassburg iiixidet- Grafäcliaft Lieb»
tenberg vom Jahre 60« III 81—90.
AbBchriffeu einiger Protokolle der Strnmpf« nnd Hotenttriekerzitiiit
von Oherbronn, III 91-9.9.
(Jidiiuiiireii iler Strassburger Malcrzunfr, III 99 — lOö.
Eine elsässiscbc Mäklerzuuft. VIII 209— 22>.
Da» els&Miacke WirtahaasUhen w&brend des Mittelalters, X 65—90.
Oescbtchte des Weinbaas, XII 8—39.
Harter Winter 1789, I 107—109.
Brand der Herberge zam Spanhpt in Strassburg HUT, I, 57 — 63.
Knlturhistorifiche-? ans den .Jahren 154ß und 1547. IH 95 — 9S.
Eine Hinrichainij in Bischivciler im Jahre 1G07, IX ?J3— 86.
f) Sittettgeachicbte.
Die Hexenpifttze in den Rafacher Hexenproxeasen, Xlt 40—43.
Elsässer Landestracht im 10. Jahrhundert. III 94 und 95.
Memorabilia qnaedam Arfronf or if i ob«ervntafa. VI 62—08.
Notizen eines Strassburger Hitrgers um 1620, VII 109 — 116.
Zur elsässisehen Sittengeschichte, I 86 u. 87.
Die KnnkelstDbe. VIU 76-80, XI 209-208.
Zur Volkssitte im Elaass. X 170— IJ^.
Volkstrachten in Oberseebach, X 284 n. 285.
Zur Volkskunde im alten Hauam rlanl XT 13«^ - 201.
Volkstümliche Feste, Sitten und Gebräuche in Elsass-Lothringen,
II 178—191, in 116—145. IV 112— Iii, V 151-160, 161—180,
YII146 n. 147, 200-906, Vm IÖ9-181,X 217-942, XII 188-198.
sr) L Itter rttm'jBreschit'ht^.
Ein bisher iriib. k iniitt s Werk Sebastian Brants, I lOö n 1<^7.
lieber Thomas .Maruers Ueberaetaangen aas dem Hebräischen, VIIL
63 -75.
Jörg Wickran, XI 6
Petras Dasypodias XII.
Ein Strassbnr^'oi Vogelbuch von 15.Ö4, IV 58- 5(i.
Landsknochto nnd ITofleate in elsässischen Dramen des 16- Jahr-
hundert«. V iHj— 106.
Die Schicksale einer Strasaburger Bibliothek, IV 63—71.
Zur Oeschichte des Meiatergesangs in Strassbnrg, IX 76-83.
Eine Straaabnrger Dichterin ans dem Anfang des IH. Jahrhnndarti»
IV 57—68.
14
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— 210 —
Elsiissische Litteratur zur Zeit (rattsi-heds, VII 117—122.
Der Goethehügel bei Seseobeau. Vi 97 — 107.
Ein btraasbarger Scballehxer uud Geschichtsschreiber vor 100 Jtltreil
(JohannM FM«m)» X Bl— 87.
Angiitt Sidber, I 6— :f4, VI 106—112.
Adolf Stöber, Leben und Sohriften« IX 199— U7.
Georg Gnydin VT 121-13C.
Georg Zetter. ill 19-22.
Zwei elsässicbe Dichter \^Carl Candidus und Gustav MtLhl), II 146— 166w
Jalinft Friadrieb Binil Rathgeber. Lebensbild «inM eltlniMben «Tan-
geliteben Geuttiehtn und Qelehrten, X 110—164.
Drti Mitfo rachern zum Gedächtnis (Johann Friedrich Kr&ntcr, Wil-
helm itankel, Johannes Crn<7Pr\ V 14!— 150
h) Bdefe von horühmten Männern und au »olehe.
Sechzehn Briefe Peter Schotts an Geiler von Kaysersberg. X 37—61.
Zwölf ungedruckte Briefe von Pfeffel, YII 120—140.
Elf durch Lenz, Voss. Qottor und Oöckingk m Pfeffel geriebtet*
Briefe. XI 91—88.
Briefe von Hebel, XTT 67—74.
Briefe von I^udwig Uhland an August Stöber, I 20 — 24.
Briefwechsel van Adolf Stöber and Gustav Schwab, X 96 -110.
B. Sprache.
a) Allgeneiaes.
Aafrnf tat Heritellang eines. ejeftiaisclisn Idiotikons. IH 189. 190.
Zorn elsässischen IdioUkon 17 181. VI 154-160.
Das Wörterbuch der elsässischen Mundarten VII 207. 208.
Zum Wb. der eis. Mnndartea IX 167—198. X 251-288.
b) BlisolttiUKtarteB.
3t) Oberelsass.
Rnfacher Ausdrücke für die Begriffe: trinken, betranken seiOt Ge-
wohnheitstrinker IX 115—128.
Sprachproben ms dorn Mtlosterthnle 179; VI 144, 145.
MftnstortlAler Anekdoten V 127. 188; IX 87-91; X 948. 960.
Einige Bemerkungen zar schriftstellerischen Behandlung der Mund-
arten durrh Beispiele aus dem Uftnstertliäler Dialekt erl&aUrt^
Vin 138-141.
Schwammen IV 180.
MUnstertbUer VolksliwUr YII 81—106.
llünstirthileff Chmssfonneln XII 107-120.
3) Dnterelsass.
Strassbarger Redensarten XI 110—131.
Die linndait des fnlttlenm Zornthales lezicalisch dargestellt II
118-144, m98--M, IT 19-59.
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- tili -
Alliteration. Anonanz and VetgUichangen in der ZornthaUr Uandart
VTT i88-rjy.
Zilliuger Sprachproben V I Vd — 140.
Sprichwörter in Waldhambacher Mundart. In lauttrener Schreibung
IX 98—97.
Moodartliche Sprachproben aus den Dörfern Wiebenweilert Wald-
hambach und Rosteig VITT l'ii^ibß.
Allerlei us um Westrich XI 39 — 64.
Die Saargemüuder Redensart: Ich lege den Schlüssel anfs Grab
n 198.
v) Das JudendentBch im £laasi XII 131—182.
c) Namenkunde
(i) Ortsnamen:
Die Form Vosegns als alter Name des Wasgans II 194.
Der Name Beleben II 193. li>4.
Die Münsterthäler Ortsnamen YIII 08—107 ; IX 194-242.
Die MondartUcliea Formen der Ortmamen der Umgegend von Wald-
hambach XI 211—924.
^) Pereonenn amen.
Die Eofacber Vornamen XI 99—109 ; X(I 81-106.
Die MansterlhUer Vornamen XI 909. 210.
G. Litteratur.
A) iOedichte in der Sebrlflspniehe.
All Vorwort, von Tb. Beinbart, I 1—4.
Epistel an Angnet StSber, Jnni 1807. von F. 0., I 17—19.
Poetisches aus dem Elsass, von Adolf Stöbsr (t. Das Land dei fünf
guten W.. 2. Elsüsser BauTierfniben. 3 Peter von Hagenbachs
Vermählung und Sturz Anno 1474, 4. Kitter Lazarus von
Schwendi 1522—1583), I 93—102.
Der letste Golteadienat in der llattenkirebe bei Markireb, Ton Gt«ti-
inger, II 86 ond 87 Anmerkung.
Die weisse Fran am Montorifelsen, von A. Bargmann, II 174—176.
Mein Elsas», von Chr Schmitt, II 176 und 177.
Fata Morgaus, von F. Nessler, III 106 -1Ü9.
FrOUings Brantsng, von Diets, III 109 and 110.
Uhrieb von Hntten in llahlbaoaen, von Ad. Stdber, IV 105—109.
Marie Antoinette in Strassbnrg, V 115-121
£inige nngedruckte Gedichte von Aug. Stöber. 1. Lottchens Engel-
rnf. ^. Mein Lied, H. Weihnachtslied, 4. Verse für ein Stamm»
buch, 5. Der Gänse Jubellied bei Erfindung der Stahlfedern.
6. Volkeliedchen), VI 108—111.
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— ilü —
An Adolf Stober zum t'üiifzigjühngeu Pfarieijabiläam ftm 29. März
18bO, vou E. Mniiia. VI 117.
Lebenswege, vou G. VYetUly, VI 117 und 118.
Ein Brantpaar, von Chr. Schmitt. VI 118 and 119.
Der Bosheitner KeUerkiieg, von Chi Sdimjit, VI 119. 120.
An mein EUass. von Chr. Schmitt. VIII 1
£Uii ungedrucktes Gedicht vou Karl Boese (Btim Ausstockeu lu Al-
gerieu). VIII 8ü und 87.
Daa HildabiandBlied. In fraier Nachdichtang. Von Ad. Stöber, VIK
M&rzlied, tob Cbr. Schmitt, IX 1.
Herbststimmuiig von ('iir Schmitt, IX 2.
Der Markircher bilbeizwerg (Eiuc Vogesensage in freier liearbeUung)
vou Chr. Schmitt, IX
Albam der deaticben Geeellsebaft zur Rettung Schiffbrüchiger 1883,
Ton Ad. Stöber, IX 135.
Frühling, Tpn Chr Schmitt, X 91.
Ergebnnj». von Chr. Schmitt, X 91 und 92.
Dichterwunsch (Beiin f-f-st n drr Gedichte von August Stüber), vou
Chr. Schmitt, X üi und 93.
Graf Hngos Bueee, von Heder» Helix, X 9^~«9ö.
An Gnatay Schwab (Spitjahr 1837), von August Stöber X 108.
Am Grabe Julius Rathgebers, von Eduard .Spach. X 14ü
Im Hergfotst (Nurh trüh»-n Krankhcitstageu entStauden in Bocken am
Züncherseej, von Chi. Schmitt, XI 1.
Abseits (eutstandeu in Arn am Zürichsee), von Cbr. Schmitt. XI 2.
Rückkehr ans der Schweiz 1894« von Chr. Schmitt. XI 2 und 3.
Auf! in die Vogesen! von A. Dictz XII 1.
Gedichte von C. W. Faber XII 44-54.
Gedichte eines FrühvoUendeten |J. C. Gulmann) XII 78—80
b. Gediehte in iler Mandart
Obereleäseieche Dichtungen von Oayeltn [1. 's SchAferthal bei Snlz*
matt. Volkssage; 2. Qnacksalverei, Schwank;. I 77 und 78.
E Gaartners Gschichtel von Anno 1418 cStrasebnrger Mundart), von
Ad. Stöber, I 102 und 103.
Der Bohnenkönig (Strassburgcr Mundart) von Ad Stöbei. 1 103 uud
104.
D*zwfti Stiftiichwesterle, von G. Gayelin, U 169— lYa
Aufzug elsässischcr Bauern vor Kaiser Wilhelm am 14. September
1880 -^trassbur^ei- Mundart>, von Ad. Stöbor Hl 110—113.
D'Zit isch do ! d'Zit isch do! (Strassburger Mundart) von Ad. Stöber,
III 113 und 114
Die Holzschiitter im Wasgau, von Ad. Stfiber, IV 109 und 110
Wie ee im £)sass in Spinnstnben zugebt, von Ad. Stöber, rV 110
untl 111.
Elsüs&ische Dialektdichtnng vom Jahrp 1749. IV 131 — 135.
Wie es um Neujahr schueit, auch wenn's nicht schneit (Strassburger
Hundart), von Ad. Stöber. V 123 n^d 124.
Der Nnssbäiune Klagelied (Strassburger Mundart)« von Ad StÖber,
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— 213 —
V 125 and 126.
Ein Steckelburjer-Ausflag (StvAssbarger Uimdart), von Ad. Stöber
VI IIH uikI 114.
£iti Schifltfr&iechcn auf der III ^Strassbarger Mundart), von Ad. Stö*
b^r, VI 115 uud liti.
Knabenliedchen im Mai von Ad. Stöber, VI 116.
Wie goet mer'8 in der Heimet bet (Strasibarger Mundart), von
Ad. Stüber. VII 179—181.
ürwes lEriniiennig'. von A. Luj.tig, VII ISI und 182
Mei6etilockeii>treicb gegen cUmi Fianzosenkonig Anno 1551 (Ötrass-
bnrger MuudartJ von Adult Siüber. Vlli 230 und 231.
Slsate-Lied (von J. Schoerliui, IK 71-74.
Dr. Sandgäu (von J. Otte), IX 74 ond 75.
Ans vergilbten Papieren, ein älteres Gedicht in elsässiecber Mandart :
Meine erate ökonomiacbe Mebisappe), XI 72—74.
c) MondArtlfelie Dramen.
Der Pankrats — Da oder e Tbee-Owen am Waeeerzoll iStraaebnr-
ger Mandart), Schwank in einem Akt, von Emil Oberthttr, Vit
J8;i-]8<.
Der Hüsberr (Stiassbnrger Mundart] Laetsi>iel in e. Akt, von D. 6*'
Ad Morsch, Vlll
D'MiiJonediinde üss Amerika oder d' Verwände uf der Prob (htrass-
bnrger Mandart;, Schwank in 2 Akten, von £. OberthÜTi VIII
Dr Dnkel (Straeabnrger Mondart), Com€die in ein Akt, von D. 0. A.
Horsch, X lti5-179.
£ Uochzydder im Kloidorkascbte (Strassburger Mundart), Schwank
in 1 Aufzug, von Jul. Greber, X 21(5.
d) VolkstOmliclte SprkbwSiter, Spiflche, Reime und Lieder
Ans dem Untereleaes (Elalssische Kinder- und Wi^nlieder. Liebes-
frennd nnd Liebeiachmerz im eUftstischen Volkslied, Der frfihe
Morgen, t 8S>8ö.
Kirme&s Lied aus Deutsch-Lothringen, I 80.
Sprüche in Forbacher Mundart, IV ^0— 82.
Elsüssische Kinder- und Wiegenlieder, Kindereime. VI 133-^37.
Elsässisf !ip Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten, auch
Volksremie und Kinderlieder dabei VI 13e— ll.t, VU 141-146;
VIII «1-87, IX Ü8— 101.
Spräche zum Necken, Absäblen usw., VII 147—149.
Bbissische Kinderlieder in Rappolteweiler Mundart, VII 105—174.
Ter Thiwelt iUie Törtel, Gedieht in Völlerdinger Mundart VII
175'-17a
Liedchen beim Heiraths-Spiel in der Knnkelatnbe, VIU 80.
Weihnachtslieder St. Veits-Lied. Karfreitaglied ond Pfingetlied aus
dem Snndfjau, IX 60 und 61. fi2. (55.
8 Urschel, ein Kunkelstuben Lied (von Beidelle), XI 207 und 206.
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— 2i4 -
e) Märchen, bageu, bchwänke auü andere Erzählungen in Pi>o»a.
OL) ■chriftdentieb«.
Die silberne Kose, II U5.
Elaämr Sagen, IV 101—104 (1. Nächtliche Irrfahrten des Ammer*
sehweier Müllan, 8. Der Oeiet Lud im Biederthaler SchloiSt 8.
Der nacbgemaohte Hexeoritt, 4. Die ertappte Hexenbvant). VI
131 —
Sagen und Volksgr brauche aus dem Sund-Gau, IX 4—71.
Der goldene A\ ageu vom Beichensee (Eine Mordfeldsage), XI 20.
Die goldenen Eiersohelen toiq Hagstein, XI 75 oud 76.
Ei im Fondament efnee Hansei XII 64— 4M.
mundartliche.
' BlaXaaieehe VolktnSrcben in onterelBiieiacher Mundart (1. Die diei
Wünsche, 2. Das Mirchen won Schnftrchele und Sebnirchele)» .
I 85 und 86.
Sagen und Geschichten aus I*eutsrh Lothringen (1. Dr wild Jüger.
2. Dr Deiwel nu ae Kartespieierc, 3. Dr Schäferpeter an dr
Klee, 4. Wie*i Bftnrel mehlt. 5. Dr alt Jackob, 6. Dr growe
Dokter, 7. Wa nas mit der Ißlcbrapp?), I 87—
Dorfpubliciiät vein Volksscherz in oberelsissischer Mundart), VI 160.
Anekdoten ans AU-Strass^nri? 1. Wie einer d'verlorc Muttersprooch
wider gfunde hct, 2. Der ruhige Hausvater, 3. Was die Alten
snngen, das zwitschern die Jungen) XI 132—134.
D5 P4raden an d'flOll (Hnndart von Oentringen bei Diedenbofen)
XI 185-187.
Anhang.
1. Bibliographie.
Eleass'Lothnngische Bibliographie 188cJ — 1884, bearbeitet von
C. Mündel, I 111—144; desgleichen für 1885, bearbeitet von
E. Marokwald nnd C. Httndel, II 214—860 ; desgleicbea fOr
1D88, bearbeitet von B. Uarckwald nnd C. HUndel, m 146-
186 ; desgleichen für 1887, IV 138.
Anzeige der H. Auflauf der Geicbicbte des Eleaaiet von 0. Loreni
und W. Scherer. 11 lyö.
Eine Freisaufgabe des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böh*
raen, II 196.
Uebersirht 6ber den Inhalt der Binde I— XII, xn 906—816.
2. Statuten, Gescbttftsordnnng^ SitsungBberichte.
Statuten. I 147.
Geschäftsordnung, I 147.
Sitzungsberichte, I 148, II 852 and 838^ III 192 nnd 198^ IV 187 nnd
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- 215 —
138, V 162 und 163, VI 182 und 183, VII 211 und 212, VUI
m ond m. IX m und 245, X 387 and 288. XI 226—228, XII.
S. VenMichnis der Vereine nnd CtoaeUschttften«
welch« mit dem Zwei^cnin in SehriilentattaaMh getreten sindf II
264- 966, IV 189, XI 2S6 nnd 927.
4. Veneiciiiiis der Mitglieder des Zweigrerelmi
aus dem Jahre 188G, III 194—204.
Bilder
in Farbendrack befinden aich im Bd. II. V. X.
/
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JAHRBUCH
GESCHICHTE, SPRACHE UND LITTERATUR
ELSASS-LOTHRINGENS
HERAUSGEGEBEN
VON DSM
HISTÜRISCH-LITTERARISCHEN ZWEIGVEREiN
DBS
VOGESEN-CLUBS.
XIII. JAHRGANG.
STRASSBÜKG
J. H. ED. HEiTZ (HEITZ & MÜNDEL)
1897.
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Inhalt.
L Gediehto von Chri*tia& Sehmitt 1
IL StraMburg mar Zeit des erstan Eng)ftnd«reiiifallM 136Ö Ton
Hans Witt« 3
m. Die Posiverbindnng zwischen Bari- nnd Sti-assbnrg in det
2. Hälfte des 18. Jabrbwiderts von P. A. Helm er . 66
IV, Niedermagstatt, Beiträge zm Ktiltnrgeschichte der Dorf-
Schäften im Sundgau von Theobald Walter . . 72
V. Die AdelsverbältnisBe zu Ingweiler im Ib. — 18. Jahrhun-
dert Ein Beitrag zor Geschichte dee elefteiieefaen Adele
Ton Dr. Eaeiel in Hoehfelden 100
Yl, Ffeffel und Sunisin. llitteilnitgen von Tb. 8 eh 011 . . IdS
Vn. ünb ekannte Gedieble Ton lloacheroeeh. Ungeteilt von J.
Bo I te in Berlin 151
VIII. Zur Judensprache im Elsass von C. W. Faber . . . 171
'iX. Das Suffix -i in der Mundart von Bnfach von Heinrich
Menges 184
X. Beiträge znr elsässiscbeu Philologie von Ernst Martin 203
XI. Die Tracht vun Mietesheim. (Zu anserm Bilde) .... 227
XH. Chronik fiir 18'JG .229
Xiil. Sitzungsberichte 230
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1.
Gedichte
Christian Schmitt.
I.
Stimmungsbild.
(1896.)
Schwarzamflort, wie Riesensärge,
SteigMi dunkltt Wolkanberge
Fern »m Abendhimm«! anf.
Oloeken kOnden ernsten SchlagM
Rings den Fall des nni(i6n Tages,
Der erlag im Kampfeslaaf.
Seliw«r« Seliatteii «alloi aiedtr.
Jäh verklingen Lnst nnd Lieder,
Und die Fluren weinen stnmm.
Das Gebüsch der Hugelhalde
Schauert auf, nnd auch im Walde
Oeht ein klagend Rannen nm.
Tiefe Stille nun. — Es streichen
I^ebel übers Land, die Zeichen
Dm Besiegerin, der Nacht —
Sieb, da naht tie selbst I Entboten
Bat sie schon ins Feld des Toten
Einen Stein znr Ehrenwaoht.
2 —
II.
Zu einer Verm'ählung^sfeier.
(Ein Oruss rom Züiichsee.)
(1894.)
Hell stieg die Sonne über dem Gestade
Vom Höhensaum empor im Glanzgeschmeide ;
Nun spiegelt, weich uroschmiegt vom Ötrablenkieide,
I^r Bild sich klar im feacht«ii Wellenbade.
Sie zieht dahin auf ihrem heiterji Pf;ide,
Hoch ob der Erde Lust und ilaeni Leide.
Mit mildem Segeusblick schaut sie auf beide
In gleicher Huld herab und gleicher Gnade. — —
Dass doch so rein und wolkenlos Euch bliebe
Die Zukunft, wie an diesem Tag die Sphären,
Wenn Ihr rereint nnn geht ins Weltgetriebe! —
Ach, Sorgen wird anch Etier Bund gebären ;
Doch mög^ Euch allezeit der Stern der Liebe
Za Häapten stehn and Glück und Schmerz verklären!
Eurhaus Bocken.
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II.
-Strassbur^' zur Zeit des ersten
Engländereinlalles 136d.
AJurch die umfassenden Urkundenpublicationen der letzten
Jabie ist eine solche Fülle bisher uobekannten Materials der
Oefienltichkeif übei^eben worden, dass selbst Deuei-e Arbeilen
über elsAssische Geschichte in ihren Ei^febnissen mehrfacher
Richtigstellungen bedörfen.
Es wäre daher eine ebenso notwendige wie lobnende Auf*
gäbe, wenn endlidi t inmal eine umfassende Neubearbeitung
unserer Landesgesclüclite ernstlich in Anj,MifT j^enommen würde.
Ihr mag dnnn auch nn( lifolponde kleine Darsl» Illing einer in-
teressantf'ti Epuche Strassburger und elsässiscbcr Geschichte als
Baustein dienen.
Die Englrui(ieioiiitTtIle in das Elsass sind l^ereits 18!M in
einer lialleuser bis.sei tation * eingehend behandelt worden, aber
lediglich auf Grund des damals gedruckten Materials. Durch
die inzwischen erfolgten Urkundenpublikalionen, namentlich
durch die in Band V des Strassburger Urkundenbucbs mitge-
^ liudolf Bott, die Kriegszüge der engliscb-frauzösisclien Sold-
kompugni«eQ nach dun EliaM und der Schweiz unter der Regierong
Von
Hans Witte.
V Orb em e r k u ii i^;.
Kaiser Karls IV. Halle a. 8. 1891.
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— 4
teilten neuen archivalischen Materialien dürfte sich ein Bild er-
geben, das von dem zuletzt ;:ezeicbneten in maDcben Zügen er-
hebliche Abweichungen aufweist.
L Erstes Anklopfen der Engländergefahr.
Der nach jahnehntelangem Ringen zwischen Franlcrelch
und England am 8. Mai 1S60 geschlossene Friede von Bretigny
unterbrach zwar fQr eine kurze Reihe von Jahren die schier
endlosen Kämpfe zwischen beiden Staaten, aber den langersehn-
ten Frieden führte er für Frankreich nicht herbei. Die Söldner,
mit denen auf lieiden Seilen der Kriep^ geführt wurde, dachten
nicht daran, nach Abschluss des Friedens in die Heimat zu-
rückzukehren und den Rest ihres Lehens mit friedlicher Be-
schäftigung nuszuffilleü. Der Krieg halte liinea lange Jahre
hindurch die Grundlage ihrer materiellen Existenz geboten.
Und wenn die beiden Mächte, in deren Solde sie bisher gekämpft
hatten, nun Frieden miteinander schlössen, so waren sie Manns
genug, den Krieg auf eigene Faust fortzusetzen, mitten im
Frieden einen Kriegszustand aufrecht zu erhalten, der jedes
politischen Gedankens bar nur den einen Zweck verfolgte,
doi angesammelten Suldnerschaaren in der gewohnten Weise
ihren Lebensunterhalt zu verschaffen.
So hatte sich die Lage Frankreichs durch den Friedens-
schluß?: knnrn ;_'el)ess»'rf . Zwar besland iiiil En^iland Fi'ieiie,
aber dessen Söldnerheer nicht nur sundern aucii die \on Frank-
reich .selber entlassenen kriegsgeübten Schaaren hausten in dem
erschöpften Lande so schlimm, wie es nur ein auswärtiger Feind
thun konnte. Die Nachharifinder Spanien und Italien wurden
von ihren Plunderuugszügen gebrandschatzt, und auch das-
deutsche Reich sollte noch schwer unter dieser Geissei des west-
lichen Europa leiden.
Im sri(l\\<'>tlichen Deutsc hland war man schon früh auf die
von P^'ankreich her drohende Gefahr aufmerksam geworden.
Gegen Ende Juni 1360 war ein englisi hei- Haufe vor Vesoul er-
schienen und halle die Stadt mit slürtnend r Hand «genommen.
In Montbeliard, da*? dem Elsass so nahe j^^elegen nnd durcli so
enge Beziehunjren mit ilini ^i iliunden war. fühlte man ^ich
schwer beunruhij^u denn man iiatte m Eilaiiiung gebracht,
dass das englische Heer, dessen Stärke man auf 10000 Pferde
schätzte, in das Elsass einfallen wollte. Der Weg dortbin führte
durch die Grafschaft Mömpelgard, wahi'scheinlich auch über die
Hauptstadt selber, der sich die feindlichen Schaaren immer
mehr näheiien. Schon waren sie bis nahe an Lure vorgerückt.
So berichtete man voller Sorge an das in nächster Linie be-
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— 5 —
drohte Basel,i das sich beeilte, durch Weitergabe dieser Alarm-
naehricht auch Sirassbury auf zu erwartende schwere Ereignisse
vorzubereiten.
Bald langten auch direkte Nachrichten in Strassburg an :
Am 19. Juli 13(30* berichlol Hans zum Baume aus Thann dem
Ikleister und Rat von der Gesellschaft der «Engeischen», die
sich in Vp«oul fest^jesetzt hatte und von dort aus das umIiop:ende
Land verheerte. An dem vernichtenden Schlage, der \im den
Herren von l.oihringen, Bar, Bnr;^nind nn(\ Savoyen ^e^on sie
geplant war, wollte sich aucli «nienig hidermau» auü dem
EUaäs und den benachharleß deutschen Landschaften beteiligen.
Oraf Hans von Habeburg, ein Bitter von Toggen bürg mit 2
Söhnen und «die gesellen uff den zwein Sewen» zogen den V^r-
leidigem des burgundischen Landes zu HQlfe. Sie trieb nur die
Lust nach Abenteuern in den Kampf, deun noch schien ihnen
die Heimat — wenn auch dem Schauplätze dieser Ereignisse
nicht tern — nicht unmittelbar bedroht, und auch dem Schrei«
l)er dieses Briefes ist von einem heahsichtifiten Eindringen der
Engländer in das elsässische Land nichts beknniit.
"Die Kaniitflüst dieser deutschen Herren konnte tür diesmal
noch Keine Betriedi^^ung finden, denn schon am 23. Juli gelang
es dem Herzog von Burgund, durch Zahlung einer beträcht*
liehen Summe Geldes die englischen Führer zum Abzug aus
dem Lande zu veranlassen. So wurde das niVrdliche Burgund
von einer grausamen Landplage erlöst, und damit war auch
für die benachbarten deutschen Landschaften die Gefahr eines
Einfalles dieser Söldnerschaaren bis auf Weiteres in eine grössere
Feme gerückt. —
Aus dem äussersten Süden Frankreichs drang im folgenden
Jahre auch nach Strassburg der Hfilferuf des Papstes. I)ie.ser
hatte sich in seiner schweren Bediän^nis durch eine «böse Ge-
sellschaft» hülfesuchend an Kaisei- Karl IV. gewandt, der nun
zur Beratung hiorüber und übei andere Anliegen des Reichs
die Boten des Strassburger Rates auf den 20. Marz nach Nürn>
berg entbietet.^ Das war das erste Mal^ dass sich die Reichs-
gewalt selber mit der Eugländergefahr zu befassen hatte.
Zwar konnte von einer Gefihrdung deutschen Bodens vor
der Hand noch keine Rede sein, aber wer konnte dafür bür-
gen, dass die nahezu das ganze Frankreich erfüllenden Frei-
i Am 4. Juli vgl. den Abdruck im Anhang. Dasa Clerc» Essai
€ur l'histoire de la Frauche-Coiute II, 117.
« Strassbnrgev ürkundenbnch (Str ü. B.) V nr. 019.
3 Str. U B. V iir hm am 14. Febr. 1861. Der Tag wurde aaf
den 11. April verschoben.
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— 6 —
beulersehaaren nicht eines Tages auf den nahe liegenden Ge-
danken kommen würden, dies schon durch den voraufgegangenen
Krieg bis aufs Blut ausgeplünderte Land zu verlassen und in
die })enachbarten deutschen La ndsc haften einzubrechen, wohin
schon die Aussicht auf weit reichere Beute locken musste.
Vielleicht waren es Erwägunjren dieser Art, welche zum
Abschlüsse des ersten elsässischen Bündnisses gegen die Eng-
I3n<ier tüln ten. Jedfiilalls war eine wirkliche Gefalir nicht vor-
handen, als am 56. Juni 1361 Bischof Johann IL von Strass-
burg, Abt Johann von Murbach, die Herren Hanneinann, Ludwig
und Symont von Lichtenberg, Ottemann Herr zu Ochsenstein,
die Stadt Strassburg, Stislav von der Weiten m Ahl als
Unterlandvogt im KIsass und die 10 Reichsstädte (Hagenau»
Colmar, Schlettstadf, Weissenburg, Oberehnheim, Rosheiro,
Mülhausen, Kaysersberg, Türkheim und Münster) sich in Möls-
heim bis zum 25. Dezember verbündeten gegen «die geselleschaft,
die ielzent gewesen ist in dem lande zü Frankri( Ii, die i^^enant
warent in ^^emeinem Iftffe die Engellender». i Diese führten
gegenwärtig im Dienste des Markgrafen von Monllerrat in Italien
gejjen die Vifjconli Krieg. Daher auch wolil die geringe Be-
teihgung an dem Bündnis, das dies erste Mal noch durchaus
auf das Elsass lieschränkt war ; daher sein summarischer In-
halt, der sich damit begnügte, die Aufnahme von Angehörigen
oder Helfershelfern der «Gesellschaft» 2U verbieten und den
Gliedern des Bundes die Pflicht bewafTaeten Einschreitens auf«>
zulegen, falls eine «huffunge, samenunge oder geselleschafl»
gemeinschidlicber Art im Lande entstünde. Das wo^r^'^zon man
sich vereinte, war also nicht ein gewaltsamer Einbruch grösserer
bewaffneter Massen in das Land, sondern eine Zusammenrottung
von herübergelaufenem Iresindel aus den Frankreich plündern-
den Randen, verstärkt tlurcli einheimisclie gei.stej> verwandte
Elemente. Und dass man fürs erste nicht au die Bildung grossje-
rer Banden dachte, geht daraus hervor, dass zunächst nicht der
Bund sondern allein das nächste Bundesglied zum Einschreiten
verpflichtet war. Dies hatte das Recht im Notfalle den näch*
sten verbfindeten Nachbarn zu mahnen» der dann mit aller
seiner Macht Hülfe leisten sollte. Und erst wenn beider Kräfte
nicht ausreieliten, sollte auf ihre Mahnung der' ganze Bund in
Thätigkeit treten. Weiler enthält das Bündnis nur noch
die Bestimmung des Schadenersatzes und erfeilt dem Hischof
und der Stadt Strassburg sowie Slislav die Befugnis, neue
1 Str.C. ß V nr. 542. Bas Btkndnii liegt nar als Pergament-
Concept im Strassburger Stadtarchiv vor Dass es aber thatsächlich
abgeschlossen war, dürfte kaum zti bezweifeln sein; vgl. unten.
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- 7 —
MiUrlieder namentlich Basel und Freiburg in den Bund aufzu-
nehmen.
Die im September 1361 erfolgte Rnckkehr der Haupt-
masse des Söldnerheeres aus Italien und ihre Fesl.setzunj.'^ in
Brij^nais bei Lyon, wo -.ic amti. Api il V.M)"! dem französi.schen
Heoie tinU^r .lakol) vi»ri Hourhon eiiif \tMniclitende Niederlaj:e
beiluac-lilt;, koiintfii nicht ohne \Virkun<j auf das Elsass blei-
l»en. Die Gefahr war um ein ^iites Stück naher ^'erückt ; da-
gejy'en war das Bündnis gegen die Engländer am 25. Dezember
1301 abgelaufen. Auf einem Tage in Schlettstadt am 25. April
1362 kam die Erneuerung dieses Bündnisses zur Sprache : seine
Erweiterung, die bereits in der Bundesurkunde vom 26. Juni
1361 ins Auge gefasst war^ wird jetzt bestimmt in Aussicht
genommen. Zur eingehenden I^eratun;; des Bün<it)isses wird
ein Tag in Schlettstadt auf den 3. Mai angesetzt.» Und am
25, Mai erfolgt dann in Colmar sein offizieller Ahschluss.'
Die ei'höhte Gefahr halt(» die Beteiligung ausserordentlicli
^■esteijit'rl. Ausser den Teihieinnern am ersten Bfuulnis lindtMi
wir jetzt in der Bündnisurkunde als Mitglieder genannt :
Bischof Johann von Basel, Bischof Johann von Gurk als Ver-
weser der Herzöge von Oesterreich zu Schwaben und Elsass,
die Grafen Johann von Habsburg, Johann und Hugo von Ffir-
stenberg, die Herren Walther und Heinrich von Geroldseck-
Tübingen, Johann, Ulrich und Bruno von Rappoltstein, Johann
und Friedrich von Geroldserk am W.isichen, Heinrich von Ge-
roldseck-Lahr, die freien Städte Basel und Freiburg, die Reichs-
» Str. U. B. V nr. &57 and ööö. Beide Stacke sind ohne Jahres-
angabe. Naeh ihrem Inhalt hat bisher noch kein Engländereinfall
stattgefunden, und in das Jahr 1375 können sie schon deswegen nictit
gehören, weil man damals Ende April nnd Anfang Mai von einer
Engländergefahr nichts ahnte. Das erste Manifest des Herrn von
Coaey wurde erst am H August in Paris geschrieben. Das späteste
für die Datierung in Betracht kommende Jahr ist also I3G5. Dies
ist aber ausgeschlossen, weil in ihm bereits im Januar weit vorge-
schrittenere Verhandinngen über Rüstungen stattfinden. Ebenso die
Jalirt' ]'^>V.\ und weil in ihnen ein Bündnis gegen die Engländer
bestand vgescblossen am 2b. Febr. 1363 — i3ö4 Dec. 25). Da das erste
von beiden SQsammengehörigen Stücken einen früheren, bereits abge-
laufenen Bund gegen die Engh'indf r erwähnt, so bleibt ffir die Datierung
allein das Jahr 1362, das sich von vorn herein durch den unmittelbar
folgenden formellen Bändnisschluss empfiehlt, mit absoluter Sicherheit
bestehen. Weiter folgt daraas. dass das Bündnis von 1861 formell
abgeschlossen worden ist (vgl. oben).
* Str. ü. B. V nr. 560. Welche Besorgnis der Erfolg der Gesell-
schaft gegen das französische Heer weithin in deatschen Landen her-
vorrief, zeigt die Thatsachc. dass sirli im Jahr 1362 auch ein starker
mittelrheinischcr Bund gegen die Engländer bildete. Vgl. Böhmer-
Hnber Rsiehssachen nr. 876.
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— 8 —
Stadt Selz mnl die w in t lern iiergische Vogtei Reiclieuweier, So-
iiiil stollle (loi lU\n*\ nahezu eine Vereinigung des ganzen ober-
rlteiaiächeu La/ules dar, und die Grenzen des von ihm zu
schützenden Gebietes bildeten dem entsprechend die Kumm-
ÜDieh des Wasgau und des Schwanwaldes von Wdssenburg
und der Oos bis St. Hippolyte, Montböliard» Beifort und Rhein-
felden. Sachticli zeigt das Bündnis keine erheblichen Abweich-
ungen von seinem Vorgänger. Seine Dauer ist auch sehr kurz
— bis zum 25. Dezember — bemessen. Auf den Tagen zu
Schlettstadt hatte man eine längere Dauer in Aussicht genora-
men. Aber der Kaiser, dessen Genehmigung- eingeholt werden
musste, scheint nicht darauf eingepanjren zu sein. Ihm blieb
sogar tiolz i\>'v kurzen Dauer des IJiuidnisses die Berechtigung
dieses autzuhebcu ausdrücklich iiewahrl.
Am 28. Februar 1363 wurde das Bündnis in derselben
Form und Ausdehnung — es fehlten diesmal nur die Herren
von Rappoltstein — zu Colmar erneuert und bis Weihnachten
1964 ausgedehnt.^ Jetzt hatte es in der That den Anschein,
als sollte es bald praktische Bedeutung erlangen : die Engländer
waren Anfang des Jahres 1363 unter der FQhrung des gefürch-
teten Erzpriestcrs Arnold von Cervolaals Hülfsiruppen des Grafen
von Vaudemont gegen den Herzog von Lothringen und Bar
in dessen Land eingefallen. Auf die dringenden Vorstellungen
Graf Eberhards von Württemberg, des Schwiegervaters des
Herzogs Johnnn von L'»iliriri;j:en, s<hien sirli >o;:ar Kaiser
Karl IV. eütöchiussen zu halien, zu GuhsUti iles hart liediiinp-
ten Lothringen mit der Macht des lieicbes einzuschieiteu :
wenigstens forderte er am 5. März Strassburg auf, mit aller
Macht dem Unternelimen gegen die Gesellschaft zu Hülfe zu
ziehen, an dem sich auch «viele Fürsten, Herren, Städte, Ritter
und Knechte» beteiligen wollten.* Jedenfalls hatte es aber mit
dieser Keichshülfe gute Weile, wenn bei Karl Oberhaupt der
ernste Wille vorhanden war in diese Kämpfe einzugreifen.
Sein Brief an Strassburg war so unbe.'^timmt gehalten, — er
enthielt weder eine Angabe der Zeit noch des Ortes einer -mög-
li( heil Vereinii;ung des iSlrassburger (Kontingentes mit den
(.•vi.'lrt) Fürsten, Herren ^ u. 8. w. — dass den Sli assburgem
kaum etwas /\nders zu liiiin möglich war, als diesen Brief als
erhebenden Beweis kaiserlicher Türsorge zu den Akten zu le-
gen. Dafür dass in Strassburg Rüstungen zum Beistand des
1 Str. U. B. V nr. 567. Die Rappoltsteiner hatten bereits die
Toranfgebende Bundesurkuude, ui der t>ie ali» Mitglieder genannt
waren, nicht gesiegelt.
* Sur. ü. B. V iir. 568.
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9 —
Hei'zoj^s von Lothringen stattgefunden, oder das kai-Heiliciie
Schreiben irgend eine sonstige Wirkung gehabt h&tte, ist nir-
gends das geringste Anzeichen zu finden ; ebenso wenig wie
jemals bekannt geworden ist» wer die cvielen Fürsten, Her-
ren» u. 8. w. waren, die nach des Kaisers Mitteilung für
Lothrinrron ins Feld ziehen wollten. Gethan hat es niemand;
der Kaiser selber blieb bis Anfang April in Nürnberg, um sich
von dort wieder nnrh Pra^ und weiter nach Polen und Schlesien
zu begeben. l'n<\ wenn sich nicht die zunächst bedrohten
Fünften, Herren und Slüiltf von Lotlirin{,^en, Rar, Luxemburg,
Biali.'inl, Trier, Melz u. a. sfllun- jielioIlVii liätten, so hätten sie
Wohl lange auf die Hülfe des Reichs warten können. Vor
ilueii» starken Bundesheere zog sich die Gesellschaft wieder in
das Innere Frankreichs zurück. —
IL Strassburgs Slädlebundspolitik.
Ungeßbr um dieselbe Zeit und wahrscheinlich gefördert
durch die trostlose Unsicherheit in den westlichen Nachbar-
ländern lebte der Gedanke der Gründung eines umfassenden
Stadtebondes wieder auf. Der erste grosse rheinische Städte-
bmid von l^' i war nach kurzer Zeit des Bestehens wieder zer-
fallen. In der Folgezeit hatte man einen Ersatz für ihn ge-
sucht, indem sich die Slädle nach ihrer landschaftlichen Grup-
pierun»j zu Einzelbündnissen zusammenschlössen, l^nter den
SlädltMi des Oherrheins nahm Sirassburg sdion (hiirii seine
Giü^^se ilie erste Stelle ein. Am 24. März 1350 halle e» sich
mit Basel und Freihurj^, Breisach und Neuenbürg wieder zu
eiuem Bunde zusammengeschlossen, in dem es die unbestrittene
Führung in Hftnden hatte.
Am weitesten nach Norden vorgeschoben und dadurch in
stetem freundnachbarlichem Verkehr mit den sogenannten nie-
deren Stadien« den freien Reichsstädten Mainz, Wonns und
Speyer, war der Stadt Siia^sliurg durch die Natur der Dinge
die Holle eine- vei bindenden Mittelgliedes zwischen diesen und
der oberrheinisi hen Städtegruppe zuerteilt. iJer Gedanke einer
Bundeserweiterung bezw. der Vereini<:un<r mehrerer landschaft-
licher Einzelbünde zu einer «rrösseren Einheit lag hier ^ewisser-
massen in der Luft. Bezeichnend für diese Vermittlerrolle
Strasshurgs ist e.s, dass es sich bei der Buiulesschliessuny mit
Basel am 24. März 135(i ausdrücklich die Befugnis, mit Worms,
Speyer und anderen Bündnisse einzugehen vorbehielt.! Das
1 Str. U. B. Y m; 331 S. 'Sil,
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— 10 —
hätte zwar noch keine Bundeserweiterung bedeutet, sondern le-
diglich die Abscblieseung eines neuen Bündnisses formell un«
abbäng^ig von dem vorauft^egang^enen aber docb thatsSchiich mit
ihm in einem wenn auch losen Zusammenhan«; <;telioml da-
<liirch, «1;(<- cif! Mit^hed ihnen beiden premeinsani war. Und
da die» lu msame Glied Slrassbur^^ luil '-eirit^c ;iclitun«r<j[ebieten-
den Muclitstelhmj*^ «rewesen wäre, die anerkannle Führerin des
einen der beiden üünde, so wäre wohl ein ^^edeihüches Zu-
sammenwirken beider die Folge gewesen.
Bald sollten indessen diese noch unbestimmt auf das Ziel
eines umfassenderen Bundes hindeutenden Wunsche und Streb-
ungeo, die während der nftchsten iahre völlig geruht zu haben
scheinen» in bestimmter Form wieder auftauchen als fertige
Pläne, an deren Ausführung von Seilen Strassburgs mit ziel-
bewussler Thatkraft gearbeitet wurde. Der Allammei'ster Hnns
Heilmann, de<?«cn ent«!eheidende Mitwirkung bei fast allen Er-
eignissen voti politischer \Virhti;j:keif , v(in denen Strassburg um
jene Zeit hetroffen wurde, deiitli( Ii zu erkennen ist, hatte
bei einem in Strassburg mit dem Luzerner Bürger Johann von
Büron genaniil Schriber stattgehabten Zusammenlreft'en ein
BQndnis zwischen den Slädlen Strassburg, Basel und Freiburf;
einer- und Zürich, Bern und Luzern andererseits als wunschens>
wert bezeichnet und ihn beauRragt, die Sache in seiner Heimat
weiter zu verfolgen.
Nach längerer Zeit, nm 13. Mai 1364, berichtete Johann
von Büron über den Erfolg seiner Thätigkeil : er hatte heimlich
mit eindussreichen Lii/erner Rntsmitglieder geredet und mit
deren Unterstütznn;^^ Jtci Zmii li und liern angekloptl. Uehprall
hatte er Geneigtheit zu dem von Heilniatin an«^eregten ikuule
gefunden. Jetzt erbot er sich die Anheiaumung eines Tages
zur gemeinsameu Besprechung der Angelegenheit in Basel zu
vermitteln.!
Diese günstige Botschaft wurde alsbald dem Strassburger
Rat vorgelegt. Auf ihn kam es jetzt in erster Linie an, wenn
die wettschauenden Pläne Heilmanns zur That werden sollten.
Der Rat ging freudig darauf ein, die Sache «war ihm ernst»,
wie er selber in seinem Schreiben an Basel mitteilte. Es wuixle
ein Tag mit Basel, Freiburg und Breisach anberaumt. Aber
nur Basel wurde heimlich mitgeteilt, dass die Schweizer Städte*
» Str. ü. B. V nr. 590.
* Der Brief sagt nar €die von Berne»; es sind aber jedenfalls
die im Schreiben Johanns von Büron genannten drei Städte gemeint.
Unzweifelhaft gehören beide Briefe eng zusammen. Der Brief Strass-
bnigs an Basel (Str. ü. B. V nr, 591) ist nur in einem Bniohstück des
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geneigt seien, sich ilneiu ßüiulnisse anzuschliessen, damil iliese
Stadt sogleich Ober diese wichtige Angelegenheit Beschluss fomen
und ihre Boten instruieren könnte.
Aber nicht allein um ein Bündnis mit den Schweizerischen
Städten sollte es sich auf jenem Tage handeln. Strassburgs
Pläne {fingen bereits viel weiter : Es hatte gleiclizeitig ein
Bündnis mit den elsässischen Reichsstädten und den «nie-
deren Städten»» in,s Auge gefassl und hotrie auf Grund ver-
traulicher Mitteil nn,.'pn, hierfür die Genehmi^run'^' der Krnsers
zu erlangen, ohne iKitür etwas von den städtischen Freiheiten und
Hechten aulopleru ^u uuissen. Man ^'laubte sogar in Strassburg,
dass dieser in Aussicht genommene Städtebund das Verhältnis
seiner Glieder zum Reiche weit günstiger gestalten würde, in
sofern sie «iroe (dem Kaiser) noch dem riebe nit soltent vürbas
beholfen sin wände nuwentdaz die stetle enander beholfen soltent
sin, alse sie g^en enander verbunden werent». Worauf sich
diese Qberschwänglichen HofTnnngen gründeten, lässt sich heute
nicht mehr erkennen. Aber dass ihr Vorhamlensein als starker
Ansporn zur Bundesscbliessung wirken musste, kann nicht be-
zweifelt werden.
Tchpr den weiteren Wrl.nif der Bunde^verhandlungen
I1ie>si'n ilie Uerirlite nicht mehr so reichhaltig : ist es «loch als
ein Ijesuiuiers gluckhcher Zufall zu begrüssen, dass von so in-
timen Correspondenzen überhaupt noch Spuren bis auf uns ge-
langt sind.
Am 24. März 1365 waren die Boten der sechs freien Städte
Conzeptcs anf der Rüeksoitp t iner Änfzeicbnung von Ratsvorlagen er-
halten, deren eine diesen Biief in AaBsicht simmtt Ihm sind auch
die weiteron obigen Mitteilang«ii «insehtietclich des wörtlichen Citates
entnommen. — Leider enthält er keinerlei Zeitangabe, nnd der Briof
Job. von Bürens giebt nnr das Tagesdatnm ohne Jahr. Jedenfalls
ist dieser der frühere und Johann von Büron der in den Rats^orlagen
enr&hnte «frAnt. . . . der uns het ges.it, daz die von Berne gerne
werent in nnserre fnintsctiaft>. Der Biief an Bast i ist wohl nicht Tangf-
nach Eintreifen der Mitteilungen Bürens geschrieben. Beide Stücke
setzen das Bettehen eines Bfkndnisset mit Basel voraus, dadurch
würde sich die Zeit von 1356 März 24—136^ Nov. IT als Grenze er-
geben. Heilmaun war schon vorher, 1H54, und innerhalb dieser Zeit
1369 Ammeiater; durch seine Kennang als Altammeister wird also
nur ilas Jahr 1362 ansgeschlosüen. Eine bessere Möglichkeit der Da*
tierung gewähren die folgenden Ereignisse: Der Bund mit den niedern
Städten wurde am 15. Mai 1365 geschlossen; schon am 1». April
(nr. 628) war man dem Abschlösse nahe. Nr. 590 und 501 müssen
vorher — spütestons 1364 — gewesen sein ; nnd bei dem Eifer, mit
dem in Strassburg die Bandesangelegenheit betrieben wurde, dürfte
man kaum ein frflberes Jahf wählen: schon 1363 wäre anwabr-
scheinlich weit von den Ereigni5;sen des Jahres 1365 abgerückt und
1362 vollends nnmöglich aas obigem Qrnnde.
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— 42 —
am Rhein in Worms zu Beratungen versammelt, deren Ei^eb-
nisse in drei Arliiceln niedergelegt wurden : der erste bandelte
von der Rückerslattung gestohlenen Gutes, der zweite verbot
den Ueberläufern zu den Engländern die Niederlassung in jeder
der spcbs Städte, der dritte endlich setzte fest, dass wer «unfüg
und hose unverli'^rf^ dinjr» in einer der sechs Städte hegangen
hätte, auf (leren Mahlum^; in j'Mler der übrigen fünf im Falle
der Anwesenlieit geriditet weriir'u mü.ss^le. '
Von Verhandlun;,'en über ein Ünndnis ist aUo in dem Pro-
tokoll keine Rede zu solchen war auch damals keine Veran-
lassung, denn ausser den Abgesandten von Mainz, Worms,
Speyer, Strassburg und Basel nahmen noch die Boten von Köln
an den Beratungen teil ; und ein BQndnia mit dieser Stadt war
nicht in Aussiebt genommen. Wenn daher bei der offiziellen
Tagung die Frage des Bündnisses zwischcm den Städten des
Ober- und des Mittelrheins nicht zur Sprache kommen konnte,
so schliesst dies doch keineswegs aus, dass in dieser Angelegen-
heil die Abgesandten der bot^'ili'^'^ton Städte in vertraulicher Art
Füblung miteinander nahmeti. Djss dies geschehen, ist sogar
sehr wiibrsLlieiidich, denn bereits am 'iO. Ajiril s^ollle wiederum
in Worms ein Tag stattfinden, auf dem noch einmal über die
drei Artikel, aber auch über einen Bund zwischen Strassburg
und den niederen Städten verhandelt wei-den sollte.*
Basel konnte sich an diesem zweiten Wormser Tage trotz
offenbaren Interesses an der Sache nicht beteiligen, da es das
Einladungsschreiben Strassburgs erst am Abend des 18. April
erhalten halte. Das Ergebnis der von den Boten der Städte
Strassburg, Mainz, Worms und Speyer gepflogenen Beratungen
liegt in einem ausfuhrlichen Protokoll vor: 3 eine Freundschaft
\\\yi\ ffMif'h den leüflen, die ilzunt in den landen sint», als
^vÜIlS(•^»ens^vert heliachlet. Beisonders soll mun einander war-
nen, falls itsich ein folg zu samen machte, uie daz genant
were, . . . daz der stete eyne schedigen wolle .... und dem
eelben folke weder beraten noch behülfen zu sin wider die ob-
genanten stete».« Wird eine Stadt belagert, so sollen die an*
> Ötr U. B. V nr. r,2i.
8 Str. U, B. V nr. 628 ohne Jahresangabe, aber chronologisch
gesichsrt durch dio Erwähnung der H Artikel vom '24. Müiz: 1365.
^ Str. U. B. V nr. 629 ohne jede Zeitangabe, aber dem Inhalte
nach mit Sicherheit auf den SO. April sit datieren ; fftr ihn spricht
auch der genannte Ort der Ilunilhnig Worms und das Fehlen von
Basel, an deasen Beitritt man allerdings nicht mehr gedacht zu haben
«oheint Denn schon am t9. April in seinem Briefe an Strassburg
(nr. 628) schreibt Basel von einem «bmnt zwischent den niedern stet-
ten nnd üch> (niclit uns).
* Diese Bestimmung bezieht sich zweifellos auf die Engländer
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— 13 ~
dem ihr zu Hülfe kommen. Dann wird von den 3 Artikeln
der ge^j'en den Uofug gferichtete wiederholt. Ein «^»oschworrner
Bund von 2 — Jnhren Dauer wird in Aussicht genommen.
Die Düteii sollen diese Punkte ihren Halen vorlegen und von
diesen mit Vollmacht für einen weiteien Tag versehen werden.
Die Räte sollen auch über die Aufnahme von Fürstun und
Herren in den Bund fieschluss fassen.
So schienen die Bemfihungen Strassburgs endlich von Er-
folg gekrönt werden zu sollen : die Notwendigkeit der Bundes-
AcbliessuDg war von den Boten der beteiligten Stftdte rQckhalts-
lo8 anerkannt worden, und der formelle Abschluss konnte nun
h! riH'hr Innge auf sich warten lassen. .\ber über den
Bundesbestrebungen Strasshurgs schien ein Unstern zu walten :
Ein Bündnis mit den niederen Stadien kam zwar am 15. Mai
in Weisseninnp: in aller Fnrm zu stände ;i aber es trat von
vorn herein vei .slüiniiieü auf den Plan : Mainz, )m weitem die
hervorragendj>te der niederen Städte befand sich nicht unter den
Gliedern des neuen Bundes !
Was diese Stadt vermocht hat, im letzten Augenblick ihre
Mitwirkung an einem Bündnisse zu versagenj an dessen Zu-
standekommen sie noch vor wenigen Wochen milgearheitet
hatte, das wird sich heule schwer ei^nden lassen. Anhalts-
punkte, die ein bestimmtes Urleil darüber ermöglichen, lassen
sich in den gleichzeitigen Correspondenzen nicht entdecken ;
und in offiziellen Akten sind sie von vorn herein nicht zu er-
warten. Sicher ist nur, dass kein Bruch zwischen Mainz und
seinen en<reren !nittelrheiniselien Bundesgenossen stattfrefunden
hatte, dass Wohl aucli keine reindschaft zwi«;rhen ihm und Strass-
huriT bpslaud, deun in der Buiidesurkuude wurde ausdrücklieh
von Würms und Speyer der Beitritt von Mainz vurhehalten.
Im übrigen konnte eine Aufnahme von Städten oder Herren
in den Bund nur bei Einstimmigkeit samtlicher Glieder erfol-
gen. Das Bündnis sollte währen bis zum 11. November 1368.
Inzwischen hatten die Verhandlungen mit den Schweizeri-
schen Städten keineswegs geruht. Ihr Ergeluiis ist uns er-
halten in dem Entwurf eines Bündnisses, das die Städte Mainz,
Worms, Speyer, Strassburg, Basel, Freihur^% Breisach, Neuen-
burg, Zürich, Bern, Snlofurn und Lu/.eni unifasseo und bis
Weihnachten 13(»S wähieu -rillte. Dieser uuu hti^^e Bund, der
die drei provinzialeii Städtehüude, des Mittel- und des Uher-
rheins und der Schweiz zu einer politischen Einheit zusammen-
imd beweist, eine wie grosse Rolle deren drohender Einbrach bei
den Bnodaabsstiebniigen Stnwtbnrgs gespielt hat.
1 Str. U. B. T nr. 688.
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— 44 —
f,T->;tp, (Ifi* sich von M.tinz ttof in das Alpengebiet hinein
ersitreckle, sollte (he Kt<'iuni;: iit > von Str.issburj; err>liehien
Bundesjjehüudes dar.sieüen. In ihm waien alle Be-^tandteile ver-
einijj't, aul" deren Milwirkuiij; mau vor der Hanu rechnen
konnle, und dnrch seine Besiegelung wäre das Städlewesen
des deutschen Südwestens zu einem HacJitfaktor erhoben worden,
dem in seinem Bereiche kein ebenbürtig^es politisches Gebilde
an die Seite gestellt werden konnte und der sich auch in alten
Fragen der ReichspoHtik die •.'^ehiihrende Beachtung zu erzwin«
gen Venn life. Und für diese ohnehin schon SO mficht ige Ver-
einigung he-^Jand die Möghchkeit einer naliezu unljegrenzten
Ausdehnung, indem jeder tlcr drei Gniftiteu ;:e5ttat(et werden
sollte, Herren und Slftdte in <len Iliind ;iul zunehmen. Für den
Oberrhein wären in dieser Bezieliuu^ wohl in erster Linie die
elsässischen Reichsstädte in Betracht j^ekuniniL'u, die Stras.si)urg
ja schon seil längerer Zeit in seine Bundesplüne einbezogen
hatte. — Am 15. Juni^ sollte noch ein Tajj^ in der At.^ .ogen-
heit dieses grossen Bundes zu Breisach stattfinden.
Hatte Strassburg in seiner Bundespolitik den niederen
Städten gegenüber wenigstens einen halben Erfolg erzielt, dieser
weil grösseren Sache der Begründung eines nahezu allgemeinen
südwestdeutschen Slüdtebundes, einer Vereinigung jedenfalls,
die diesem erstrebten Ziele schon liei seiner Entstehung sehr
nahe gewe-^eii wäre, ist anch das ;jerin:j>>te Krgohnis versrjp^t
blieben. I'er sueijeu skizzierte iiündni-entw urt' i^t d;i> letzte,
was wir in dieber anfanglich so hofl'nun^'sreichen An-elegeidieit
ettahren. Welche Ergebnisse der auf den 15. Juni in Breisach
angesetzte Tag gehabt, ob er überhaupt stattgefunden bat,
darüber ist nicht die geringste Spur in den Urkunden zu ent-
decken.
So weit war diese Angelegenheit geführt worden, dass man
1 Str. U. B. V nr. 686 am Sonntag nach Fronleichnam. Dieser
undatierte Entwarf kann irar dem Jatir 1365 angehören, da die Ver-
haiiil!un<ren mit den niederen Städten und denen der Schweiz parallel
lauten. Der Text lehnt sich in vitalen Punkten an das Büudiiiä vom
16. Mai 1365 an. Jedenfalls muss der Entwurf vor dem Jahr 18M
ent^tandpn spin wegen dtr Fehde Freibuigs mit seinein Herrn Egon,
der in dem Bündnisse noch ausgenommen ist, und weil seit dem 11.
November 1866 bereits das dnrch den Entwurf Toransgeaetste Ein-
zelhündnis Strasshr.rgs mit den übrigen oberrlieinischen Stä<lten nicht
mehr bestand. Erst am 20. September 1370 wurde wieder ein Bünd-
nis swisefaen Straasbarg nnd Basel geschlossen. 1864 ist ebenfalls
unmöglich, weil in diesem Jahre die Bandesangelegenheit noch nicht
nr> weit voi'geschritten sein konnte Da Ps von dem anf Sonntag nach
Fronleichnam angesetzten Tage hei&st, er sei boiuitag über drei
Wochen, (S «IH, i), so muss der Entwurf in der WooEe swisehen
dem 18. nnd 2ö. Mai geschrieben sein.
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— 45 —
den glQckliclien Abschluss bestimmt tVir die näclisle Zeit er-
warten 7M müssen p'laulil : die Sch\vei7.e^i^•'•hp^^ Städte waren
von vorn lierein bereit will ij^ auf den liundes^/edanken ein^e-
ganjjen : Strassbnrg hatte ihn an^^eregl und stellte seinen weit-
traj^enden Einfluss in den Dienst dieser Sache, unterstützt von
Basel, das von vorn herein ins Vertrauen t^ezogen wurde. Nir-
gends findet man eine Spur von irgend welcher Gegnerscbafl
gegen das Projekt. Soeben hatten sich die niedem Städte mit
Strassburg verbündet, und wenn auch Mainz die erwartete Mit-
wirkung hierbei versagt hatte, so stand doch sein Name in dem
Entwurf dieses umfassenden Bundes, dessen ausführliche Nie-
derschrift nur noch der letzten endgfdtigen Redaktion und ur-
kundliehen Ausfertijiunji l)edurfte. Soweit gediehen konnte
(Iii s Werk nicht im Saude verlauten. Und wenn es trotzdem
nicht zu stände k:iii), so kann es nui- das iil<)tzli<he Eintreten
gewaltiger Ereignisse gewesen sein, wodurch die ßesiegeiung
dieses halbvollendeten Bündnisses verhindert wurde.
Die Engländergefahr hatte einsf, als sie noch von fem
drohte, an der Entstehung des Bundesgedankens mitgewirkt. Bei
dem Abschlüsse mit den niederen Städten hatte sie bereits eine
deutlich erkennbare Rolle gespielt. Jetzt war sie ganz nahe
herangekommen, und ihre hisher die Bundesangelegenheit för-
dernde Wirkung mussle dadurch ins Gegenteil nnischiagen.
Im Juni hausten die Englander im benachbarten Lothringen ;
Schreckeiisbotscliiin auf Schreckensbotschaft ^elan^te ins El-
sa ss ; man nins:?te sich jeden Tag auf den Kinhi iu h dieser ge-
waltigen Massen gefasst machen. Muglich dass angesichts dii^sei
Unsicherheit von heule auf morgen der geplante Breisucher Tag
am 15. Juni nicht mehr 20sfande gekommen ist. Wenn er
doch stattfand, so hat er jedenfalls den beabsichtigten Bund
noch nicht vollendet, und später konnte von einer Zusammenkunft
der Boten von Städten, die über ein so weites Gebiet zerstreut
waren, keine Rede mehr sein, Sirassburg und Basel waren
zudem von der Not des Augenbhcks viel zu sehr in Ansprucli
genommen, nm sieh neeh ferner liegenden Dingen widmen zu
können, mocliten sie ihnen früher aucli noch so sehr am Herzen
gelegen haben. —
III. Der oberrheinische Bund gegen die
Engländer.
Es war wiederum eine Fehde gewesen, die den Engländern
die Veranlassung geboten hatte, in Lothringen einzubrechen,
Graf Theobald von Biamont, der sich nur mit Mühe seiner
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♦legner, des Grafen von Salin, des Herrn Theobald von Raven-
stein lind Bischof Johanns von Strassbiirj: erwehren konnte,
hatte .sicli in seiner Not an Arnold von Cervol;i, den Anftihrer
des ^,'ewaltigen Söldnerheeres, um Hülfe gewandt. Durdi sein
Heranrücken wurde diesmal das Elsass unmittelbar gefährdet;
lagen doch die Grafschaften Blamoni und Salm unweit Strass-
bürg ab unmittelbare Grenznacbbaren der elaAaaischen Lande
dergestalt, dass die Grafschaft Salm sogar im Breuschthal in
das heutige Elsass übergriff. Aber damit nicht genug: das
£l8a88 war an der Fehde in der Person des Rischofs von Slrass-
burg direkt beteiligt, und die Stadt Strnsshurg hatte al^ do^isen
Biinde<:pfeno?sin dem Grafen von Blamont am 20. Dezember 1364
Fehde angesagt. ^
So herrschte schon mit Beginn des .Jahres rege Tba--
tigkeit unter den Mitglie<lern des gegen die Engländer abge-
schlossenen Bundes, eine Thätigkeit von der Art, wie sie nur
die Erwartung eines nahe bevorstehenden bewaffneten Einfalles
hervorrufen konnte. Der Bund gegen die Engländer war so-
eben — am 25. Deaeember 1364 — abgelaufen. Jetxt galt es
in aller Schleunigkeit neue Abmachungen su treffen, um auf
alle Möglichkeiten vorl)ereitet su sein. Am 14. Januar 1365
sollte deswegen ein Bundestag zu Scbletlstadt stattfmden, dem
folgende Punkte zur Beschlussfassung unterbreitet werden soll-
ten : i. Ernennung von sechs Hauptleuten mit der Befugnis zu
mahnen und alles zum Schutze de?! Lnndes Xotwendip-e ffze
besorgende und us/.etra^ren». 2. Feslstelluu^^ der Contingente.*
3. Hegen Auswärti^u«, die diu Gei;ells(liaJt ins Land führen,
soll man ebenso verlahieuj wie wenn es ein Landesangeböriger
gethan hätte. 4. Obiges soll dem BQndnisbnef einverleibt wer-
den. 5. Abgrenzung des Bundes: a) för den Fall, dass sich
der Bischof von Basel nicht beteiligt, eine Linie Ober Rhein-
felden, Munpach (abgeg. in Baselland) diesseits Lieslal, Zwingen,
den Blauen, Ilasenburg, Florimont, «St. Steryen» (?), Höricourt,
Beifort <len \Vas;>;ui hinab und jenseits des Rheins der
Schwar'wald. b) Beteiligen sich nur der Bischof von Strassbiirg,
der Abt von Murbach, Strassburg, der Landvogt und die Reichs-
> Str. Ü. B. V nr. 611.
^ Str U. B. V nr. 61B. Als deren Gesammtzabl wird in dieser
Tagesordimng 20000 in Vorschlag gebrar^ht- «ob man blibon wolle nf
der erttten samtne zweutzig tnsent, lüiine oder mc». Und auch
bei Brwfilmiing der 6 Hanptleute findet sich der Znsatz «als mt gtt>
wesen sint>. Es waren also schon früher einmal ähnliche Rüst-angen
Segen die Gesellschaft beschlossen worden. Das kann wohl nur im
abr 1363 gewesen sein, in dem die Lage im £laass ebenso geflUirdet
war wie gegenwärtig.
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— 17 —
Städte, — «Bütenheim . . . oben am Rine» über Brunstalt,
UfTholz, den Wasgau bis eine Meile vor Weissen hurfi^, und
j ii^eils des lUieins ein entsprechendes Stück. Dieser ver-
kleinerte Bund Süll nur drei Hauplleute l[iai)en.
Davun, duas der in dieser Tagesordnung in Aussiebt genoin-
iDenen Erneuerung des Bundes stattgegeben worden wäre, ist
nirgends eine Spur m entdecken. Es hat sieh bisher weder
ein neues Bundesinstrument nodi der Entwurf eines solchen
auffinden lassen. Am 38. Februar 1963 ist zum letzten Male
ein oberrheinischer Bund gegen die Engländer geschlossen wor-
den. Da dieser nunmehr abgelaufen war, scheint man sich
entschlossen zu haben, angesichts der dring^iden Gefahr von
der Erneuerung einer formellen Bundesurkunde abzusehen und
auch ofine eine solche den von den Bundesversammlungen ge-
fassleu Beschlüi>.sen bindende Kraft zuzuerkennen.
Der in Aussicht genommene Bundestag prinp nicht, wie in
der Tageäoidnung ang^eben, am 14. sondern bereits am 10.
Januar in Sehlettaladt vor sidi. Dkm Verlegung muss im leis-
ten Augenblick stattgefunden haben, denn FVeiburg hatte noch
am 11. Januar keine Kunde von ihr und war daher auf dem
Tage nicht vertreten.! Der Tagesordnung entsprechend wurden
die sechs Hauptleute wieder ernannt und für die Zeit bis zum
24. Juni vereidigt. Ausdrücklich wurde ihnen die Befugnis
zuerkannt, mit der Gesellschaft zu nnterliandeln sowie Diener
und Boten zu «gewinnen. Zifht nuiri 7u l^^lde, so sollfMi sich
die unterhalb lk)lmar geseaseuen Bundesgheder um diesen Ort
sammeln. itX) Schätzen sollen zur Bewahrung des Hauptein-
fallsthores des Landes in die Vesten Beifort, Delle, 1 lumnont,
Rougemont, Grandvillaic* Porrentruy und Mülhausen gelegt
Verden. Von ihnen soll die Herrschaft Oesterreich 100, die
Bischöfe von Strassburg und Basel, die Stftdte Strassburg, Basel
und Freiburg sowie die Gesamtheit der Reichsstidte je 50 auf-
bringen. An diesem Tage wurden endlich auch die Contingente
der einzelnen Bundesglieder festgestellt. Die Ansätze geben ein
bezeichnendes Bild von dem, was das Elsass mit seiner nächsten
oljerrheinischen Naclibarschatt im Falle dringendster Not zu
leisten vermochte. £s sollten zu Felde ziehen nach dem ur-
sprOngUchen Ansatz :
> Str. ü. B. V iir. ni5 nnc^ 616. Mit diesf^n pehort 613 eng
zusammen. Das nirgends genaaute Jahr ist wegen der in nr. 6lb
stattfindend«» Erwftbniing Gonrad Snewiis mit Freiburgcr Bürger-
meister bestimmt !.1Rn ; 55. Forts, d. Beitr. z. GescVi der Stadt
Freibarg. Auch in diesen beiden Stocken ist von dem Bunde gegen
die Engländer die Bede, der demnach als za Becht bestebena an-
gesshsB werden miiss.
8
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— 18 —
Der Bischof von StrMtburg mit SOOO
D«r Bfeehof ron Basel • 900
Der Abt von Marbach „ 1000
Die Herrschaft Oesterreich n 8000
Die Stadt Strasibarff , SOOO
Di« Stu it Has. l , 3000
Die Beicli64»tadte « SOOO
Relcheoifeler « i€0
Gewaffneten iOO Glefea
40 «
100 ,
nnd 100 SchUtien
000
100
Das würde eine Heeresinachl des Bundes von 10 000 Ge-
waffneten, 1190 GJefen und 800 Schützen ergeben haben.» Die
Conlingente von Basel, Bischof sowohl wie Stadt, wurden in-
dessen wieder gestrichen und nur für Basel-Stadt ein neuer
verminderter Ansatz von 1200 Gewaffneten und 200 Schfitieo
nachgetragen.' Dem Strassbui^er Bischof wurden die Gtefen
auf 200 vermindert. Damit stellte sich die Summe auf 13300
GewafTnete, 840 Gtefen und 800 Sdiüiz. n.
Immerhin noch eine sehr hodeiitende Macht, hosotidor^
%veiin in;»n ervvä<_'l, iln-:s flif 400 zum Schutze des IieltV»ilor
Loches iH'Sliiniiite'ii .>< hiil/- n nicht in diesen Zahlen enthalten
sind, dass das ruit dem Taj^c unvcrtrctcn jiebliebene Freihurjf
ifein Contingenl noch nicht ange<;eben hatte, und dass endlicii
noch Ludwig und Simont von Lichtenberg sowie die Herren
von OchsensteiD und von Geroldseck am Wasichen nach ihrem
Vermögen dem Bunde UnterstQtzung leisten wollten.
Im Vergleich zu den beiden Bündnissen von 1362 und
13G3 hatte sich doch die 7;ih1 derer, die an der Verteidigung
des Landes {?egen die Knp:länder mitzuwirken bereit waren,
erheiilicli jrelichtet : die Herren von Rappollslein fehlten bereits
im Bündnis von 13(k{ ; jetzt sucht mnn auch Grnf Johann von
Habsburg, die (Irafen von Förstenheiv, die Heiren von
roldserk -Tu hingen und ('•eioldseck-Lahr und den elsässisclien
Landvügt vergeblich unler der Zahl der Continizente stellenden
Bundesglieder. Waren auch sie nicht rechtzeitig von der Ver-
> Diese Summe ist nicht genau. Ja die letzten Einzelauäritzo
wegen starker Beschädigung des Papieres nicht mehr vollständig er-
halten sind. Pri Basel ist hinter dem Wort «gewaffent» ein Stück
Papier ausgerissen, auf dem nur ein Zahlwort gestanden haben kaf^n
vor dem dann folgenden Wort «hundert». Es mflaattt daher (Br
diese Stadt mindestens je 200 Glefen und Schützen, vielleicht auch 3O0
angesetzt werden. Bei den Reichsstädten ist die Zahl der Scbtttzeu, wobl
auch mindeitens 100 ausgerissen ; auch hinter Reichenweier kann auf
dem abgerissenen Papier noch etwas gestanden haben. Somit muss die
ftesamtzahl des nrsprünglic hen Ansatzes nntor .-illen Umständen er-
Ijühl werden um 100 Glefen und 200 Schützen ---- lÜlHJU üewat^nete,
1290 Glefen und 1000' Schützen. Dabei sind die Contingente von
Freilurg, den Herren von Lichtenberg, Ocheenstein und Oeroldaeck
am Wasichen noch nicht mitgerechnet.
* Auch hier kann noch eine Anzahl Glefen gefolgt sein auf
dem abgerissenen Papier.
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legung des Tages unterrichtet viorden, so hätte man wohl ilirer
in der Art, wie es mit Freibur^^ ^^esrhah, Erwäfinun^r fjeflian.
Und nun halle ^ar iiocli d^r Bischof vfin Basel sein (Kontingent
zurücki^ezo^^en und die Sladt Basel das dirige eihel>lich ver-
mindert ! War in den rrühejen Bfmden nahezu die gesamte
Krall lies Oberrheiiis zwischen Wasgau und Schwarzwald ver-
einigt, jetzt ruhte die Aufgabe der Verteidigung des deutsehen
Bodens gegen den verheerenden Einbruch gewaltiger kriegsge-
wohnter Schaaren fast nur. noch auf dem Elsass, das wenig-
stens den ersten Stoes allein auszulialten hatte.
Immerhin war die vereinigte Heeresmacht der elsdssischen
Herren und Städte, wenn i-echtzeitig aufgeboten und am rechten
Orte aufgestellt, stark genug, nm jedem Feinde den Einbruclj in
das leicht zu verteidij^ende Land zu wehren. I'm die Kostender
Rüs!iin;.u'n anfzul)rin)^en, l>esehloss man dem Land eine Srhalz-
un^ aufzuleimen. Aiiei wenn auch schon auf dem Tage zu Scidelt-
stadt beslinunt wurde, dass der Bischof, die Stadt Strassburg
und die Reichsstädte am 21. Januar je 4 GewafTnete zur Ein-
treibung der Schaltung zu Colmar haben sollten^' so hatte die
damit bekundete gute Absicht doch nicht den Erfolg, die Auf-
bringung des notwendigen Geldes zu beschleunigen. Es ent-
standen infolge der Schatzungseintreibung Misshelligkeiten
zwischen den verbündeten Städten Strassbui^ und Hajrenau ; •
der Land vogt verbot sogar den dem Reiche zupfehörigen Klöstern
und Dörfern die Bezahlung der auf sie gelegten Anteile; 3 und
arn 15. März 1366, als die Eiii::läiider «Jcbon lange wieder aus
dem J.ande gewichen waren, iiieit man es noch für nötig, sich
durch das Zeugnis Symnnds von Licliteid.iei'g die Berechtigung
^ur Erliebung der Schaltung urkundlich bestätigen zu lassen. ^
Dergestalt wurde das Land durch selbstverschuldete Sschwie-
ngkeiten bei der Geldeintreibung in innere Unruhen und
Zvriste gestürzt zu einer Zeit, in der ein Zusammenwirken aller
Krftfte zur Abwendung der gemeinsamen Gefahr nötiger war
als je. Das drohende Verhängnis gewann eine immer grein)arere
Gestalt : Am 19. April berichtete Basel an Strassburg, dass ein
grosser Haufe Engländer nur zwei Tagemärsche weit zu öSy»
liege.* Auch in entfernteren deutschen Landen war man liereifs
aufmerksam geworden und blickte voller Besor^ni^ n.ifli iler
Entwicklung der Dinge im Sudwesten : Von den zu Wurms
1 Str. U. B. V nr. 612, 614, 617.
« Str. U. B. V nr. TOS.
8 Str. U B. V nr. 709.
♦ Str. U. B. V nr. 710.
5 Str. U. B. Y nr. 628. Scey im Arr. Vesoul oder Besanvon.
beide uogefftbr gleich weit von Basel.
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— 20 —
am 24. März zwischen den sechs freien Städten am Rhein ver-
einbarten 3 Arlikehi setzte der eine gemeinsame Massregeln
gegen Ueberlänfer su den EnglSiideni fest. Woklie Rolte ferner
die EngUndergefiihr bei der fiandesangelegenbeit StraBsburgs-
mit den niederen ivie mit den ecbweixeriacben Städten gespielt
hat» ist schon an anderer Stelle anagefilhrt worden. Und berdt»
am 22. April teilte Graf Heinrich von Veldenz dem Meister
und Rat von Strassburg in seiner Eigenschaft als Hauptmann des
Landfrieden*? am Mittelrhein mit, dass dieser beschlossen
hatte, mit aller seiner Macht «mit l)ilssen und geschütze» gegen
die Gesellschaft zu ziehen, f:\\h diese in das Land einbrechen
wollte; und dass sie sich citzunt dar uf steiien^ als solden sie
über aht tage kommen».!
Während inzwischen Strassburg durch die Städtebundsan-
gelegenheit in Anspruch genommen war, nftherten sich die im
Januar zu Schlettstadt getroffenen Veretnharungen gegen die-
Engländer dem Ende ihrer G&itigk«t. In der Erwartung einer
nahe bevorstehenden Entsdieidung hatte man damals die aech»
Bundeshauptleute nur bis zum nächsten Johannistage vereidigt.
Ihre Befugnis drohte abzulaufen ; und jetzt gerade nahm die-
Lage des Elsasses einen bedrohlicheren Charakter an als jemals
Es war daher drin^^end nötig, dass zur Verlän<?erun}j^ des Ab-
kommens Veih'iiniliiu'^'-en unter den Bundesgliedern ein'Tpleilet
wurden. Zu dieseni Zwei ke wuide auf den 10. Juni ein liuudes-
tag nach Strassburg berufen. Es sollte sich auf diesem Tage
nicht lediglieh um die Neu- bezw. Wiederemennung der sechs
Hauptleute handein : wieder stand auch diesmal die Bestimmung
der Gesamtstärke des Bundesheeres sowie die Festsetzung der
Gontingente der Bundesglieder als erster Punkt auf der Tages»
Ordnung. Wieder legle man der Beratung die alte Gesamtstärke
von mm Mann zu Fuss und 1200 Giefen zu Grunde, stellte
es jedoch der Bundesversammlung anheim, diese Zahl zu min-
dern oder zu mehren. Aber jetzt wollte man sich nicht mehr
beprnögen mit der Festsetzung von Zahlen^ die sich auf dem
I*apier ganz schön ausnahmen, deren recht /.ei ti^^e Umsetzung
in ein kriegstüchtiges Heer aber seine grossen Schwierigkeiten
hatte. Es galt den Bund auf alle Fälle mit einer, wenn auch
kleinen, so doch stets schlagfertigen Mililirmacht ausaturOsten ;
und deswegen wurde vorgeschlagen, Söldner bis zur Zahl von
500 mit einem Hauptmann auf Bundeskosten anzuwerben ; mit
sollten wohl den Kern bilden, an den sich dereinst im Falle
der Not die einzelnen Bundeskontingente angliedern könnten.
1 Str. ü. B. Y nr. 630. '
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— 21 —
Von hoher Wichtigkeit für die Verteidigung des Landes
vnr die Stellung des Grafen von Montbeliard zum Bunde; sein
Land zwar klein, aber es lag gemde in der gefährdeten
Löcke iwiachen Wasgau und Jura, durch die so leicht ein ent-
schlo^nener Feind in das sonst durch seinen Gebirgswall so
trefflich geschützti? RIsass eindringen konnte. Ueber seine Auf-
nahmo in den Bund sollte auf dem Strassbur^er Tage Beschluss
-gpfasst werden — Kndlirli sollten dif* Hnten mit Vollmachten
behutü Ernennung der Hauplleute versehen sein und der Rund
-auf dem Slrasshurger Tage unter allen Umslämien ah^'o^chlossen
werden, mochten auch einige Herren und Städte ihren Beitritt
versagen.
Welche Beschlüsse auf Grund dieser Tagesordnung auf dem
Strassbui'ger Bundestage gefasst worden sind, ist im einzelnen
nicht bekannt. Das darf indessen mit Sicherheit angenommen
werden, dass die Beschlösse im grossen und ganzen den Inten-
tionen der Tagesordnung entsprochen haben. Fest steht nur
die Ernennung der sechs Haupt leute; sie waren von den her-
vorragendslen Bundesgliedern gestellt worden : vom Slrasshurger
Bischol* Herr Jakob von Schönau, von der Stadl Strasshurp- Cunz
Bock, von (Irr Herrschaft Oesterreirh Heiniich Ha^aMihach, von
-der Sladt Basel Herr Conrad von Rärenteis, von der Statll Frei-
burg Herr Heinrich Turner, endlich von den Beichsstjdteü Herr
VVullher Sciiullheiss von Colmar. Binen wurde es anheiriijieslelll,
<]ie 5üÜ Söldner zu gewinnen cwenne ez sie notdurflig duncket».^
IV. Der Einbruch.
So schien mon im El^^ss alle Massregeln för den in naher
TIeil zu erwartenden Flinhi u» h der Engländer getroflen zu haben.
Die diplom;ilis( lie Thäti^'keil wenigstens, die Slrasshurg, doch
zum Teil durch die drohende Gefahr angeregt, entfaltet hafte,
war eine so lehendij:e gewesen, wip wir sie sonst in jener Zeit
nur äusserst selten heohachlen können : Gleichzeitig hatte es
Bundesverhandluiij^'en mit den Slädten des Mittcirheins und
<ler Schweiz begonnen ; der Gedanke eines umfassenden iSlädte-
hundes halte wieder eine kraft ig<^ Anre>^ung und eine zielbe-
wusste Fönierung durch unsere Stadt erführen. Und wenn es
•auch für diesmal noch nicht gelungen war, die hoch strebenden
I Diese Besrlilü^sc auf der l«ückscile der Tagesordnung von
Hloiihci- Hand Srv. U. H. V nr. 644 olme Jalimnngstbe, aber sicher
nn< Ii iloni S- lilettf^t.idu r Tngc vom Jaimai 1 < ') \\ej;cn des Fehlens
Biücliois von ba&ei uitier den Eiuennetik der llau^Ucute und vor
<doro EngländereinfaU. Also zweifellos VdM- ,
Digrtizecl^y Google
— 22 —
Pläne Strassburgs in ihiein ganzen Umfan^^e zur Thal werden
zu lassen, so waren doch auf alle Fälle die Stfulte eines au3-
gedehnlen Gebietes wieder machfig' an die Gemeinsamkeit ihrer
Interessen {gemahnt, und wenn auch noch nicht durch das Band
eines sie alle uuischliessenden Bündnisses geeint, so waren
sie doch in gemeinsamer ernster politischer Arbeit einander
näher i;etreten. Ditte Arbeit hatte niehl 2U dem gewunediteii
Ergebnisse gefuhrt, aber die Bedeutung einer Saat, die einmal
in einer glflcIcUeheren Zukunft au^faen und Frucht bringen
musete, wird ihr nicht abzusprechen sein, indem sie end-
lich einmal wieder aus der Kleinlichiceit der politischen Ver-
hältnisse, an denen auch daa St&dtewesen des Südwestens da-
mals krankte, herauszukommen und den SiädlLMi die Md<(lich-
keit einei politiscliea Wirksamkeit mit weitem Horizont zu
erschliessen strebte.
Der grosseu Gefahr allerdiii;.;s, v<ir der zu jenen Zeiten das
elsässische Land buugte, hätte dieser Städtebund nur in iie-
sciiräaklem Masse abhelfen können. Dazu waren seine Glieder
über ein viel xu ausgedehntes Gebiet zerstreut und die gegen-
seitige Httlfsleistung dem entsprechend nicht immer gerade im
kritischen Moment zu ermöglichen. Auch die Unterstätzung
durch den Mittelrheinischen Landfrieden, deren sich Strass-
burg versichert hatte, konnte erst bei längerem Verweilen des
Feindes auf elsässischem Boden praktische Bedeutung gewinnen.
In erster Linie mussten Herren und Städte des Elsass selbst
auf d*^!i Plan treten : -^ie waren zu diesem Zwecke zu einem
Bündiji r \creinigt ; die Stärke de.- Bundesheeres und der Con-
tinyent»; uir fest|:estellt, die Hauptleule ernanut, mit weil-
gebenden Befugiiidt>en ausgestattet iiinsichtlich Autbielung des
Heei'es, Anwerbung von Söldnern, Verhandlungen mit dem
Feinde und Deschlussfassung jeder Ai*t, wie sie gerade durch
die Umstände geboten war.
Und es war an der Zeit, die letzlen Vorbereitungen zum
Kampfe zu treffen; denn dass das Unheil nochmals vorüber-
ziehen würde, erschien von Tag zu Tag unwahrscheinlicher;
immer drohender lauteten die Bnfschatleii aus Lotliringen ; immer
häufijrer ti*afen sie in unserer \n an;.;stvoller Spannung harren-
den Stallt ein: Haid nacli Mitte Juni hei ichtele der Slra?!sburj,'er
Bürger Johann Erl>e dem Mei.ster und Rat von Strnssl)urg über
Verhandlungen zwischen Burchard von Finstiugen und dem
Erzpriester, dem Föhrer der Gesellschaft : diese lag vier Meilen
von Metz und hatte die ausgesprochene Absicht ins Elsass zu
ziehen.! Ein Ungenannter, der um dieselbe Zeit an den Leut-
1 Str. ü. B. Y nr. 647.
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— -23 —
priester von All- S. Peter schreibt, bezeichnet ebenfalls das
Elsass als das Ziel der Engländer.* Eine weit bedrohlichere
Lage Hess schon das Schreiben Heintaemanns von Masrnünster
an Strassburg erkennen : Ein kleiner Haufe der Engländer hatte
bereits den Vormaisch gegen das Elsass angetreten und lag
etwa auf hall)em We«re zwischen Metz und Zabern zu «Wieders-
dorC» (heule Ver,^aville n. o, Dieuze). Der grosse Ilaule war
noch nicht nachgefolgt ; er la^' noch um Metz.« Am '20. Juni
war der Vorlral) der Engläti<lor nur noch fünf Meilen von
Saarwerden entfernt, wie Clara von Finstingeu, die Gräßn von
Saarwerden, auf eine Anfrage der Straasburger Boten millalte.
Sie sehfttzfe den Feind auf 30000 Streiter, die sich jedoch
durch betrftditlicben Zuzug noch vermehren wQrden.* Genauere
Angaben über die Lage desselben Tages sandte Johann Schencke
den Strassburgem : er hatte von Claus Alman, dem Knecht des
Erzpriesters selber vernommen, dass dieser mit seinen Schaaren
ins Ehn«s einbrechen wollte. Der Nachtrah des Feindes lag am
Abend des *2(3. um Diedersdorf (sfidi. Falkenherg) «und in
Wassicher dal» (?), war also auch schon auf dem Vormarsch
in der Richtung auf das F'lsass begriften, der Vortrab mar-
!<< liierte auf Domevre und Blamont. Zweifelhaft war daher nur
noch, welchen Vogesenpass die Gesellschaft zum Einmarsch ins
Elt^aas wählen würde : Die Zabemer Steige oder eine weiter
südlich gelegene Strasse.* Ein Schlettstadter Schreiben an
Strassbnrg vom 27.& rechnete bereits mit der Möglichkeit eines
unmittelbar bevorstehenden Einfalls: ein Hanfe von 2000 Eng*
Iftndern war im Thale von St. Diö gemeldet.
So konnte man in Slrasshurg und im ganzen bedrohten
Elsass Schritt für Schritt die Annäherung der Gefahr verfolgen. .\n
der Absicht der Gesell. schaff ins Elsass- einzufallen konnte; seit
Mitte Juni niemand mehr zweifehi. Und wenn aue.h nicht in
fast allen Berichten aus Lothringen zum Teil auf Grund von
Erkundigungen hei namhaften Gliedern der Gesellschaft das
Elsass als deren Ziel bezeichnet worden wäre, so mu9i<ten schon
die genauen Nachrichten über den Vormarsch keinen Zweifel
mehr darüber lassen, dass es sich um nichts Anderes handeln
konnte.
Was geschah nun im Elsass, um dieser Getahr, mit deren
Herannahen man schon lange gerechnet, und an deren Herein-
• Str. U. B. V nr. 650.
2 Ebd nr. «61.
s Ebd. nr 652.
« Ebd. nr. 654.
& Ebd. nr. «63.
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— 24 —
brechen man jetzt nicht mehr zweifeln konnte, wirksam zu be-
gegnen? Am 10. Juni waren, wie oben dargetban, auf dem
Bundestage su Strassbui^ Beschlöne gebest worden zur Ver*
teidigung des Landes gegen die bereits klar erkannte Ge&br.
Als wenige Tage darauf — etwas nach der Mitte des Monats —
die ersten Na( lu ichten in Strassburg eintrafen, die mit aller
Bestimmtheit das Elsass als das Ziel der Engländer bezeichne-
ten, konnte wohl niemand die L^ge des Landes als eine ver-
zweifelte betrachten: die Engländer h<xen noch vor Metz; von
einem Vormaisch nach Osten war m > h keine Rede. Hallen
jetzt die Hauptleute des Bundes vun iluen Befugnissen Gebrauch
gemacht, indem sie die 500 Söldner anwarben und die CSontingento
der BuDdesglieder aufboten, so häUe noch in aller Ruhe die
Vereinigung des Sterken Bundesbeeres erfolgen können. Und
mit mehr als ^ 000 Mann wftre es wohl möglich gewesen, die
Engpässe der Vi^esen seihst gegen einen weit überlegenen Feind
zu Ii iltf ii. Aber man Itielt vielleicht den Zeitpunkt für energi-
sche Rüstungen noch nicht für gekommen, da sich der Feind
noch niclit in Tfewegung gesetzt hatte. Nun, darüber dass der
Vormarsch an^jetreten und sich gerades We*;es auf das Elsas«
zu bewegle, konnte bei Eintreffen des Sc lireibens Heinzenianns
von Masmünster kein Zweifel mehr obwalten. Und bei ener-
gischem Handeln wäre auch jetzt noch die Rüstung des Landes
gemäss den Beschlossen des Strassburger Bundesteges und die
Verteidigung der Vogesenpässe möglich geweseo,
Strassburg wenigstens hatte Boten nach Lothringen ge-
sandt, um zuverlässige Nachrichten aber die Bewegungen der
Gesellschaft zu erhalten. Am 26. Juni waren .sie }>ei der Gräfin
von Saarwerden eingetroffen; auch Johann Scliencke war zu
seinem Bericht durch einen Sfrassburger Bot*Mi veranlasst wor-
den.' Aber davon dass der üund in dieser ^'^efahidroliemien
Zeit irgend etwas unternonimen hätte, lässt sich in den Quellen
nicht die gerinjjsle Spur entdecken. Speziell für diesen Fall,
für die Verleiiligung des Landes gegen die Engländer, abge-
schlüs.sen, halte er eine reiche vorbereitende Thätigkeil ent-
wickelt. Mit Bundestagen und Beratungen war man nicht spar«
sam gewesen ; man hatte Protokolle angefüllt mit grossen Zahlen,
die Heeresmachl des Bundes erschien auf dem Papier in der
That gewaltig. Und jetzt, wo die verderbendrohenden Massen
sich langsam heran wälzten, geschah nichts um die Bunrles-
heschlflsse in <lie Wirklichkeil umzusetzen. Am 27. jedenfalls
hatte der Bund noch nichts unternommen ; das beweist der an
> Str. U. B. V nr. «52 u. «54.
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— 25 —
Strusburg gerichtete Notschrei das gefingsteten Schleti4itadl,
ivelches bat: tdaz ir dar zö gedenken weüent, wie das lant
versehen werde, da/ nüt gros schade von in ufstande».'
In derThat, wollte »i K! m dem Feinde überhaupt Wider-
sland leisten, so musste jetzt bei dem völligen Versagen des
Bundes Strassburg selh.sf iiuH'^'^ vorgehen. An eine Verhinderung
des feindlichen Einbruches war nun nicht mehr zu Henken :
das Bundesheei" konnte nur von den bevt*lUuachligten üaupt-
leuten autgebulen werden; Sirassburg war dazu nicht befugt.
Unsere Stadt konnte sich vor der Hand nur darauf Iwschrftnken,
seine Bundesgenossen und andere t>erreundete Herren und Städte
ffir sich um Hülfe zu bitten, war sie doch durch die schoD vor
dem 29. Juni erfolgte Ankunft der Engländer an der Zaberner
Steiges selber auf das schwerste bedroht. Und in diesem Augen-
blick höchster Not musste Strassburg von dem eng verbündeten
Basel noch eine Bitte um Nachlass der Hült'eleistung erfahren !
Der Baseler Bischof Johann II. war am 10. Juni eines plölzhchen
Todes gesturhett. Die Stadt Bui^el glaubte daher hei der all^'e-
nieinen rnsidiei lieit der Zeil und angesichts der beslelieadea
Streitigkeiten des Bistums mit den welschen üerren ihre mili-
tärische Kraft nicht vermindern zu düil'en.^ Was hatle es dem
Ausbleiiien dieser nahen und starken Bundesstadt gegenflber
zu bedeuten, wenn Rottweil am 29. Juni antwortete, es habe
seinen zu dem gerade in Ulm stattfindenden Tage der schwibi-
schen Städte abgesandten Boten angewiesen, dort für Strass-
burg zu wirken und überall die Not der Stadt und die Auf-
forderung zur Hülfeleislung zu verbreiten? Botlweil selber wollte
einijjre Schützen zur Hülfe senden, mit t!fM-en Anwerhun-j bereits
begonnen war. Diese Anteihudunc der sdiwälnsclien Stadt er-
^)fTnete zwar bei einer län;.'*M*Mi L)anei' der Englandernol Aus-
.sichten für die Zukunlt ; aber für dit« Gefahr des Augenblicks
konnte sie nur geringen Trost gewähreti.
So war es denn gekommen, dass die Engländeram 4. Juli«
die Zaberner Steige überschreiten konnten, ohne auf irgend
weichen Widerstand zu stossen. Von einem elsdssiscben Bundes-
heerc war nirgends eine Spur zu finden ; die einzelnen Bundes-
glieder waren viel zu schwach, um sich lüesen erdrückenden
Massen in den Weg werfen zu können. Und an eine Samm-
liiH'^r des [{iiiidosheeres war jetzt nicht mehr zu denken, denn
nnt seinein ^cwalti^en Heeie — Köni^T'^hofen «rliiilzl mf
40 UOÜ Reiter und Fussganger — war xVrnold von Cervola nullen
1 Str U. B V nr. r.iS:4.
- Ebendort nr. 6.ift S. 627, 4.
3 Ebd. !ir fi57.
-* Vgl. Königshofen (ed. Hegel/ S 486 ff.
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^ 26 —
unter die Verbündeten gefahren. Ihm lag ja das Land offen;
und sa war sein Vortrab gleich am ersten Tage bra unter die
Mauern Strassburgs vorgedrungen. Hier baUe er am Abend des
4. Juli Köni^'shofen und die Vorstadt unter Wagenor geplündert
und verbianiit. Am nächsten Mor{?<»n stand seine vereinigte
Sireitmacht auf der Nordseite der Stadt in der Nähe des Galgens
und fonierlo Strassburg zum Kampfe hetMu^.
Aui Ii unsere Stadt bot einen krie^^erisvchen Ani»lick : alle
waCTenfülHgen Bürger eilten zu Ross uud zu Fuss auf den Platz
vor dem Münster, wo sie sich nach alter Sitte versammelten.
Aber aus dem Thore zu nehm mm Streit wider die Engländer,
dasu l[onnte man sich nicht entschlieaaen, so sehr auch die
allezeit kampflustige Zunft der Meliger dafür eintrat. Um einem
solchen Feinde auf offenem Felde zu begegnen, halle es anderer
Streitkräfte l>edurft als Strassburg sie aufbringen konnte. Zudem
war ja die Stadt durch ihre Mauern und Türme völlig gesichert ;
weder für sie nnrh für das Land konnte also ein Kampf mit
dem i'ibertnäcliti'^ren Feinde von Vorteil sein. Resser war es
jedenfalls die St mm i k rälte der Stadt aufzusparen für eine Zeit, in
der man dein Feinde mit Aussicht auf Frfol^^ he^Jiegneii konnte.
Da die Strassburger den angebotenen Kampf nicht an-
nahmen, suchten die Engländer raubend und plündernd die
Dörfer des Landes heim. Die Bauern hatten trots der War-
nungen nicht daran geglaubt, dass die Engländer ins Land
kommen würden ; sie waren sorglos in ihren J)örfem geblieben,
anstatt sich mit ihrer Habe in die festen Stüdte zu flüchten.
Das flache Land litt unermesslich durch die Plünderungen,
Brandschafzungen und Gewaltlhalen des Feindes, der in ihm
als alleiniger Herr schaltete : niemand durfte es wagen im
Lande ohne seinen Geteitsbrief zu reisen ! Al)er auf das tlache
Land blieb auch seine HeirschafL i)esrluäni\t ; er wagte zwar
hier und da den Sturm kleinerer Sti'ulle und Festen, aber es
gelaiij^: ihm nicht eine zu gewinnen wegen Mangels an ße-
lagerungsmaterial. So war doch die Herrschaft der Englinder
im Lande keine uneingeschränkte : Ueber das ganze Land hin
unterbrachen die zahlreichen Städte und Vesten ihr Herrschafls*
gebiet; und wenn man auch jetzt noch nicht wagte, von hier
aus Angriffe auf sie zu unternehmen, so konnten ihnen doch
diese unliezwungenen Inseln eines Tages gefährlich werden.
V. Kaiser Karl IV. und die Engländer.
Vor der Hand allerdings brauchten die Engländer sich hier-
über keine Sorgen zu machen : einzeln konnten die elsässischen
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— 27 —
Stfidle nichts Entscheidendes gegen sie unternehmen, und eine
gefährliche Verdnigung stidiiseher Streitkräfte Iconnten sie sIs
Herren des flachen Landes auf alle Ffille verhindern. Aus eigener
Krafi konnte das Ei^ass sich nicht von dieser Landplage be-
freien ; und bis sich aus den Nachbarländern ein starkes An-
griff?heer vereinigt haben würde, konnte noch manche Summe
Geldes (lein rei( })en Lande und noch viele Seufzer seiner schwer
gepeinigten Bevölkerung abgepresst werden.
Es war hohe Zeit, dass sich die Reichsgewalt endlich auf
ihre nächste Pflicht, den Schutz deutschen Landes gegen äussere
Feinde, besann. Was war bisher vom Reiche zur Steuer der
Englftnden^efahr geschehen?
Am 24. April 1 1365 war Karl IV. in Strassburg einge-
troflen und mit grossem Gepränge empfangen worden: alle
Handwerke hatten sich im Waffenschmuck in der Münstergasse,
durch die der Kaiser einfuhr, aufgestellt. War es doch das
erste Mal, dass er als Kaiser in unserer Stadt seinen Einzug
hielt.
Schon seit Beginn de». Jahres lasteten schwere Besorgnisse
aut dem Lande und der Stadt, die jetzt ihrem Kaiser einen so
glänzenden Empfang bereitete. Im Januar bereits hatte man
eingehende Besprechungen gepflogen, um jedem dem Lande
von Seiten der Engländer drohenden Angriff mit bewaffneter
Hand entgegentreten zu können. Nur wenige Tage vor des
Kaisers Ankunft, am 19. April, hatte Basel an Strassburg die
Schreckenshotschaft gesandt, dass ein grosser Haufe der GeselU
Schaft nur zwei Tagemärsche weit von ihnen liege. Für so ge-
Tihrdel liielt man gerade in diesen Tagen die Lage, dass der
Landfriede am Nfitlehhein am 'iii. April den Beschluss fasste,
gich mit seinen Rüstungen so einzurichten, als könnte der
feindliche Einbruch in acht Tagen erfolgen. Und man hatte
alle Ursache, sich auf das Schlimmste gefasst zu machen, denn
das unmittelhar benachbarte Lothringen hatte abermals alle
Schrecknisse auszukosten, mit denen die zflgellosen Schaaren
der Engländer ein I^and heimsuchen konnten.
Aber der Kaiser war nicht nach Strassburg gekommen,
um für den Schutz des Landes gegen den drohenden Einfall
der Engländer geschweige deren Vertreibung vom Boden des
Reiches Sorge zu tragen. Die weit ausschauenden Pläne, welche
jetzt seinen Geist beschäftigten, Hessen ihm keine Zeii, an die
■ Nach KODigsbofen (Hegel 485) in saut Jergentage, also am
23. April. Aber am 24. urkuiulet er noch in Hagenau Böhmer-
Haber nr 4150); richtiges Oaiam bei Math. Nawenb. cont. 293:
crastmo Georgii ^ Apiil 24.
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— 28 —
ErfOUung seiner nficbttliegenden Pflichteii zu denken. In StrasM-
bürg hielt er nur kurze Rast : nachdem er am 25, April d«r
Stadt das Privileg, vor kein Hof- und Landgericht gezogen
werden zu dürfen, beslätigt hatte, i trat ev noch an demselben
Tajre seine "Weiterreise nach Avignon an, wo er wichtige Ver-
handlungen mit dem Papste Urban Y. zum Äbschluss zu bringen
gedachte. *
Auf dem dorfliin riiusste Karl das arelaljvi lie König-
reich durchziehen. In ihm lialte das französische Königtum in
letzter Zeit nicht ohne Erfolg einen Ersatz für die schweren
Verluste an England zu finden gesuchl, einen Ersatz, dessen
Kosten Überall das beilige römische Reich zu tragen hatte.
Karl IV. beabsichtigte daher, seine Reise zur Zurückdrftngung
des überall im Arelat in unaufhaltsamer Zunahme begriffenen
französischen Einflusses zu benutzen. Aber an eine erfolgreiche
Durchführung dieses Planes, an eine dauernde Befestigung der
Stellung des Reiches in diesen für uns so entloj,^Gnen, für
Frankreichs Abrunduni,'^ dagegen wie geschallenen Landen
konnte niclit gedacht wenl^^n, weil Karl IV. das einzige Mif!»^I,
mit dem dit-s hätte «^rroicht werden können, djc Entfaltung
einer starken Wafleninacht, niciit anwenden wollte. So erinnerte
er zwar durch die Ausübung von allerlei Hoheitsrechten wieder
daran, dass der deutsche Kaiser als solcher der Herr der Lande
am Gestade der Rhone war. Durch sein zahlreiches Gefolge
von Forsten und Herren, durch die Vornahme feierlicher Gere*
monien, die üiren Höhepunkt in der am 4. Jum' zu Arles voll-
zogenen Königskrönung fanden, umgab er das Reich, als dessen
Vertreter er hier erschien, mit einem schon lange nicht mehr
gesehenen Glanz. Ai)er eine dauernde politische Wirkung war
von solchen Schau>1ellnn^aMi, so sehr sie auch die Genn'ifer der
Zeitjjenossen hescliäfti^^en mochten, nicht zu erwarten. .\n den
iiarten Msichlsei hallnis.sen, wie sie üicli hiei' zu Ungunsten
Deutschlands herausgebildet hatten, vermochten sie nichts zu
ändern : Frankreichs Macht blieb in diesen nur noch locker
mit dem deutschen Kaisertum verbundenen Landen im Auf-
steigen.
Die Unterhandlungen des Kaisers mit dem Papste drehten
sich um die Hückverlegun- d<'=; päpstlichen Stuhles nach Rom
und um die Untern ilime eines Kreuzzii^jes ins heilige Land.
Die Voraus.<et/u ng tür i)eides war die Beseitigung der wie in
Lothringen, so auch in der Provence und in Italien bausenden
1 Str. ü. B. V nr. 631.
2 Hierüber und über die areiatische Reiie vgl. Werunsky, Oesch.
Kaiser Karls IV. and ssiner Zeit. Band III ö. 311, 315 ff.
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— 29 —
Gesellfichafteo. Dadurch stehen die Verhandlungen von Avignon
in engem Zusammenhang mit den Geschicken des Landes
iwischen Rhein und Wasgaii.
In der Absicht, Europa von der Plapre der ijuseu ( II-
Schäften zu belVeien und damit gleichzeitig für die Auslülirung
des Kreuzzugsplanes Material zu erlangen, beschlossen Kaiser
und Papiit den Versuch zu machen, die Gesellschaften für den
Kreuzzug zu gewinnen und sich so ihrer lu entledigen. FGr den
Fall, daas der Ktoig von Ungarn diesen eigenartigen Kämpfern
tlQr das Christentum den Durchzug durch sein Land gestattete,
wollte Karl IV. ihre Verpflegung von den Grenzen Frankreichs
bis zum Eintritt ins Königreich Ungarn übernehmen. Andern-
falls sollten sie auf dem Seewege ins heilige Land befördert
werden. Sollte es nötig weniön, die Gesollschaften zum Zuge
gegen die Uncrläubigen zu zwingen, so erhol sich Knrl, zu
diesem Rrlinte einen Bund der deutschen Forsten und Städte
zu staioie /Ak hrin^^en. — Der König von Ungarn winde durch
den von Kaiser und Papst abgesandten Arnoul li Audrehem um
Gewährung des Durchzuges ersucht, und König Karl V. von
Frankreich wurde am 9. Juni auf Grund dieser Abmachungen
vom Papste zu Unterhandlungen mit den Gesellschaften in
seinem Reiche ermächtigt.^
Nachdem Karl IV. in diesen und anderen Angelegenheiten
ein Einvernebmen mit dem Papste hergestellt hatte, trat er am
9. Juni die Heimreise an. Als er am 29. Juni abermals in
Strassburg eintraf, hatten die drohenden Wolken, welche schon
bei seinem lol/len Strasshurger Aufenthalt den Ausblick in die
Zukunft verdunkelten, sich zu dichten Massen zusammengeballt :
das l^nheil musste unaufhaltsam hereinbreclien ; das Elsass
stand unmütelbar vor dem Einfall des Erzprieslers Arnold von
Cervola mit seinen ungezählten kriegsgeübten Schaaren. Davor
konnte auch die Anwesenheit des Kaisers das Land nicht mehr
bewahren, selbst wenn dieser seiner Pflicht gemäss sofort
Schritte zu seiner Verteidigung gethan hätte.
Daran dachte jedoch Kar! IV. nicht : er fuhr den Rhein
hinab nach Selz «und lag <lo stille», wie Königshofen rnit präg-
nanter Kürze schreibt.* in Sirassburg und dort hat er eine
grosse Anzahl von Urkundungen vorgenommen, aber keine
einzige besrfiäfiigte si( Ii mit der Abwendung der so nahe über
dem Lande schwebenden Gefahr, bis er sich endhch am 4. Juli
eotschloss, die Fürsten und Städte des Reiches* zu mahnen,
1 Vgl. Werunsky a. a. 0. III, S. 324 £,
• Hegel 485.
* Erhalten ist nur die Mahnung an Aogsborg (B&hmsr-Hnbsr
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mit aller ihrer Macht zu Ross und zu Fuss zu ihm nach Selz
zum Schutze des Reiches m zieh<!n. Volle sechs Tm^-^p, von seinem
EintrelTen in Stnii^sbur;^^ an ^^erfchnet, hotte er ^^etjraiicht, um
sich zu dieser ersten so (irin^eial nutwetidjgen Massregel auf-
zuraden. Und an deniseihen Tage, an dem diese Botschaft
hinausging in die deutschen Lande, brachen die feindUchen
Schaarea ins Elsass ein.
So hatte sich durch das £iotreffen des Kaisers im Augen*
blick der höchsten Gefahr die Lage des Elsass nicht günstiger
gestallet, eher war das Ciegenteil der Fall : Strassburg, das bei
dem Versagen des Bundes selbständig Massregeln zur Vertei-
digung des Landes ergriffen hatle,* war jetzt durch die An-
wesenheit des Kaisers die Führunp: aus der Hand genommen.
Die Bundesgenossen und befreundeten Städte, deren Hülfe
unsere Stadt schon vor dem 29. Juni an^'^erut'en halle, wunlen
angesichl« der abwartenden Haltung, die Slrassburg nunmehr
dem Kaiser gegenübei annehmen musste, unsicher. Sie wussten
nicht, was mit den schon teilweise in Bereitschaft gehaltenen
Hfllfstnippen beginnen, da Strassburg keioe weiteren Weisungen
erlassen konnte und der Kaiser sich scheinbar noch nicht ent-
schlossen hatte, der drohenden Gefahr mit bewaffneter Hand
zu Iteg^neo. £ine Verzögerung der Verteidigungsßhigkeit des
Landes war daher die nächste Wirkung der Anwesenheit des
Kaisers.
Die durch das Felileii jeder Leitunp- entstandene Unsicher-
heil der Lage wurde norli versciilimraert durch eine schrani<.en-
lose Gei üchtbbildmii; ; halte Ruitweil vernommen, dass Strass-
burg ein Abkommen mit der Gesellschaft geschlossen hätte. Es
fr£^te daher am 4. Juni bei Strassburg ao, ob die Absendung
der Schölzen, die es zur Unterstützung der Stadt bereits aus-
gerüstet hatte, noch erforderlich wäi*e.> Strassburg konnt.e darauf
nur antworten, dass man auf die Mahnung des Kaisers warten
und ihr entsprechend handeln solle.'
Als dann endlich die Mahnung des Kaisers eintraf, nach-
dem des Erzpriester? Randen dem elsässischen Lande schon
unermesslichen Schaden zujjefügt hatten, da j^danbte man doch
den Beginn einer kiatlij^en Abwehr erwarten zu «lurfen. Und
die Lage war für einen vernichtenden Schlag keineswegs un-
nr. 7I7'2i, at)er stattgefunden hit sicher in weitem Umfange. Dass
dies vom Kaiser beabsichtigt wurde and dass auch Rottweil eine
aolofae Mahnong erhalten hat, ist urkundlich best&tigt (Str. D. B.
Y nr. 662).
i Vgl. oben.
* Str. C. B. Y nr. SSL
8 Ebeodoft nr. 662.
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günstig, denn «relanpr e?, den Enjrländern im Elfass fine Ent-
scheidende Niederlage beizubiin^^en, '-n wnr niler Wahrschein-
lichkeit nuch ihr völliger Untergang hesj It ; an ein Entkommen
durch die wenigen Pässe des unwej^samen Grenzgehirjres war
tür ein gei>chlngenes Heer kaum zu denken ; und den ein/igen
breiten und bequemea Aasgang bei Beifort konnte man leicht
sperren. Der Gedanke, die Engländer so gleichsam in einer
Falle zu fangen, die gebildet wurde durch den Rhein im Osten
und den unwegsamen Wasgaii im Westen» ferner durch das
von Norden unter der Führung des Kaisers heranrflckende
Aeicbsheer und durch die im Süden des Elsass sich sammeln-
den oberländischen Bimdes'^enossen, lag in der That sehr nahe.
Und tln<>^ er in Wirklichkeit h^standen buf, zei^it der Briet de*«
^eti t'iitii BoUweil, in dem i > den vorjährigen Anuneisler Götz
Wilhelm um NachricUten iii)er die Lage im EUass hat und be-
sonders nach der Stellung der Streitkräfte der oberen Städte und
Lande fragte ; diese war in der That für das Gelingen eines
solchen Planes von entscheidender Wichtigkeit. Nur zwei Mög-
lichkeiten gab es far die tapfo« Stadt : entweder entkamen die
Engländer oder sie wurden in der Falle vernichtet, mit den
Worten des Briefes : «ob die Engenlender von der Sache komen
mügint oder ob sü da bi beliben müssint».
Aber wer auch immer auf die letzte MO;^liclikeit seine
HofTnun;; gesetzt haben morhte, der hatte nicht gerechnet mit
dem jeder kraftvollen und lücksichtslosen militärischen Aktion
abholden Wi ^en des kai.serlicben Kriegssherni. An die Eröfl-
nung eiiier kriegerischen Tliätigkeit war ohnehin noch nicitt
zu denken, da bis zum Eintreffen der vom Kaiser aufgebotenen
Contingente noch einige Zeit vergeben musste : die schwerste
Zeit des Harrens und des Bangens sollte fQr das gemisshandelte
Land jetzt erst beginnen.
Derweil sass der Kaiser zu Selz und musste den Jammer
des schönen Landes aus nftchster Nähe beobachten. Ob ihm die
schwere Schndi*rnn}r Slrassburgs in den Vorstädten und Dörfern
sehr 7M Herzen ge^;an;ren ist. das darf wohl bezweifelt werden.
Sein aller Zorn ^(';:en diese.s stolze Gotnein wesen, das ihm
einst — im Jahre — in der Ausliürgerangelei^enheit otten
Trotz geboten hatte,' war wieder neu angefacht. Nie hat er
der Stadt ihre selbstbewusste Haltung verziehen, die ihn so
schonungslos an die Grenzen seiner Macht erinnerte. Von 1353
bis 1365 hat er sich nicht in ihren Mauern gezeigt. Und als
er Ende Juni 1365 auf seiner RQckkehr von Avignon den Rhein
1 Str. U. B. y nr. 406.
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- 32 —
hinabfuhr, da schien rnan in Stl•as^i»ul•^ zu besorgen, dass er
wie swhon früher einmal* an ihrer Stadt vorn hereilen sviirde.
Mochte itiaii nun die Stadt einer äolcheii abeinialigea aulTalligen
BezeiguQg kaiserlicher Ungnade nicht aussetzen, oder mochte
man — was wohl angesichts der gefahrvollen Lage wahrschein-
licher — dringende Verhandlungen mit dem Kaiser zu führen
hahen, jedenfalls hatte man ihn unter Föbrung des Altammelslers
Heitmann auf dem Rhein erwartet und ihn, der in der Thai
einen Resuch Strassburgs nicht beabsichtigte, am 29. Juni mit
sich in die Stadt geführt.
Dieser von neuem erlittene Schimpf nai(fe an dem tierzen
des Kaisers, während er nach dem kurzen nicht gewollten
Strassburger Aufenthalt in Selz der Dinge harile, die da
kommen sollten, iiiine Slrassburger Gesandtschaft, die in den
nächsten Tagen zu ihm nach Selz geritten kam, kehrte von
einem Freunde der Stadt gewarnt noch rechtzeitig um. Sonst
hätte sie wohl den Zorn des Kaisers am eigenen Leibe spQren
mflssen.*
Dass dieser unleidliche Zwiespalt zwischen dem Kaiser
und der freien Stadt der Verteidigung des Landes nicht dienlich
sein konnte, liegt auf der Hand. Um nur etwas ^^egen die
Engländer /u thun, wachte der Slrasshnrj^er Rat darüber, dass
aus der Stadt kein Geld und kehio rTiiter, wie sie die Fn;.'^länder
als Schatzunj^ von ihren Gefan«jeneii zu erpressen püc-lt d, aus-
geführt wurden. 8 Aber auch so mussle den beutegierigen
» Im Mai 1354 Str. U. B. V nr. 300.
2 Dies and die anfreiwillige Einkehr des Kaisers in Slrassburg
wird in auaftthrliebar und lebendiger Sebildernng in der BittachriR
des Malers Konrad an Strassbarg lebendort nr. 1238) mitgeteilt.
Wenn anch der Bittsteller wobl die Beteiligong Miner Peraon ans
nahe liegenden Qrfinden in baeonders günstiger FftTbnnK dargestellt
bat und daher das, was er über sich persönlich mitteilt, wohl nur
teilweifip alc volle Wahrheit benommen werden darf, so kann doch
audererüfits iiiciit angenommeii werden, dass er die bczuglicli Stiabs-
bargs berichteten and mit ausgiebigem Detail and Namonnennungen
anschanlich dargestellten Thatsachen erfunden habe. Etwa 10 Jahre
nach den oben berichteten Ereignissen musste es im ätrassbarger
Rat Miantr genng geben, dl« sieh ihrer noeb gensn erinnerten; eine
Fälschung der demnach in Strassbarg knntrolicrbaren Thatsachen
ist daher nicht anannebmen, da der Bittsteller damit gegen sein
eigenes Interesse gebändelt bitte. Sieher hat bei der Binreiebnng der
Bittscbrift der in ihr vielgenannte Ältammeistsr Hans Heitmann ffe>
lebt — er ist noch im Jahre 1B80 am Leben (ebendort nr. I39v);
ebenso Götz Wilhelm nnd Kunz Müller, die Auiiueister der Jahre
1864 und 1866, die in den in Band VII za veröffentlichenden Straas-
bnrger Privaturkundpn bis 1893 Aug. 23 bezw. 1894 April 13 nach-
weisbar smd. Somit darf die Bittschrift für das was Strassbarg an-
geht aU eine sehr wichtige Quelle betraebtet werdu.
» Kfinigabofen CÖtgSi) 4S7, 4.
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— 33
Schaaren des Erzpriesters in dem i'eichen Lande noch auf
lan^^e Zeit ausreichende Gelegenheit zu Baub und Plönderung
verbleiben.
Tiul Arnold von Cervula, der erzpriesterliche Anführer der
Geselisi liafl, liess sich nicht die günstij^e Tiolo'^'onheil entjrohen
seinem Plündennifj^szuge eine höhere Weihe zu verleihen, In-
den» er erkläile, er sei im AnHra},'e des Kaisers ins Land }^e-
koninien.i Könij^ Kail V. von Frankreich hatte auf Grund der
päpstlichen £miächligung, die steh auf die bekannlen Abmach-
ungen mit dem Kaiser begründete, in der Thai Verhandlungen
mit ihm angeknüpft. Dem französischen Herrscher konnte ja
nichts angenehmer sein, als auf diese bequeme Art die Horden,
die schon so lange die Geissei seines Landes gewesen waren,
mit kaiserlicher und päpstlicher Aulorisation ins liebe Nachhar-
land abzuschieben. Die Vrrliandlungen schrillen bei der l)€i«ler-
seili^ron Genei^rlheil — der Krzpriesler be^^rüsste in ihnen wohl
iiiit die willkommene Möglichkeit, seinen schon beahsichli^^ten
riünderun^szug ins Elsas.s ntil einem S liem des lit-i hts zu
um^jeben, — schnell von Stallen. Und schon am 'JU. Juni
konnte der Papst König Karl V. von BVankreich ermächtigen^
dem Erzpriester, «falls er seinem Versprechen gemäss seine
Banden gegen die Ungläubigen führe» einen Teil des <lem König
vom Papste behufs Verlreibung der Kompagnieen verliehenen
Zehnten von den Kirchengütern Frankreichs zu ii her weisen». *
Die kaiserlich-päpstlichen Abmachungen über die Ver-
wendung der Freibeuterbanden zum Heile <ler Kirche und der
Christenlieit begannen damit in die Thai umgesetzt zu werden.
' Matth. V. Neuenburg: Böhmer. Fontes lY. 20'5 Matthias lüsst
den Erzpriester diese Aeusserung allerdings erst tbiiti, als er vor dem
anrückenden kaiserlichen Heere ans dem Elsass fliehen musste.
Aber damit ist nicht gesagt, dass er sich niemals vorher in dem
Sinne aasgesprochen habe Er hatte durchaus keiue Veranlassung,
{Iber die mit ihm im Auftrage des Kaisers gepflogenen Verhandlangen
zu schweigen; im Gegenteil, ihre möglichste Verbreitniig konnte ja
nor seiner Sache dienen. Das frühe Entstehen des den Kaiser be>
sehnldigenden Gerüchtes liest sich nar so erklftren.
Wenn Topf (Zeitschr f Gesch. d. Oberrh. XXXVI, 18 ff ) meint,
Königshofen habe durch Verewigung dieses Verdachtes seinem Lokal-
patriotismus ein Denkmal setzen wollen, so muss einer solchen In-
sinuation mit aller Entschiedenheit widersprochen werden. K. hat
lediglich einen Verdacht, dessen Vorhandensem auch durch das Chron.
Mognnt. sowie urkundlich bestätigt wird, verzeichnet ohne ihn zu
dem seinigen zu machen. Und dsaa war er als Geeehlchtssehreiber
nicht nur berechtigt, sondern mit der Unterdrücknng einer so be-
deatangs vollen und folgenreichen Thatsache würde er sich einer sträf-
lichen Verschweigung schuldig gemaoht hab«i.
* Werantky a. a. O. ÜI, 029.
3
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— 34 —
— früher jedenfalls als der Kaiser erwartet liatle. L'nd wenn
gar >,.itiL' dem Papste in dieser Sache '^ezei'^le Bereit Willigkeit
nicht ernst gemeint war, » wenn er die Durchführunjj der
Banden durch das Gebiet des Reiches von der Durchzuj^sge-
nelimij;ui)g des Ungarnkünig^s ahlulng^ig maclite in der Meinuntj.
da«s du so niemals erteilt werden würde ; dann hätte er bef«ser
gethaii, die Verhandlungen mit den Gesellschallen sieh selber
vorzubehalten oder sie zum wenigsten nicht übermässig Ver-
trauens voll in die Hände seines freundlichen franxösischen Nach-
barn XU legen, der doch ein gar zu augenfälliges Interesse in
dieser Angelegenheit hatte. So spielte er jetzt — seine Unauf-
richligkeit dem Papste gej^enüber voran s*feselzt — die kläg-
liche Bolle (Ii's betrogenen Betrügers : die Gesellschaft, die ja
grossenteils schon wahrend der Avignoner Verhandlungen auf
romanischem Heichsboden stand, hatte j»»t7t dfn Fti?s auf deut-
sches Land gesetzt; der König von Frankreich hatte in ht
begreiflicher Eile niclit auf die Antwort des Ungariikoui^s ge-
wartet, hinter der sich der Kaiser zu verschanzen geUaclile.
Hatte der Kaiser aber in gutem Glauben gehandelt, dann
tiatte er In unbegreiflicher POichlvergessenheit die seinem
Schutze befohlenen deutschen Lande der Plönderung und
Drangsalierung durch die aus ganz Europa zusammengeströmten
R&uberbanden preisgegeben.
Eine klägliche Rolle hat er nl=o auf jeden Fall gespielt.
Und auf jeden Fall war der Erzpriesler Arnold von Cervol.i
berec lili^i, wenn er auch im innersten Hei Tipn niehl ent lernt
an eiixMi Kreuzzug dachte, sieh auf einen ilmi ^»'wordenen
kai^erliflien Auftrnpr m l)eiulen, da er nidit nur unter der
üetiehniigung, »oiidern auf Veranlassung des kaiserlichen und
päpstlichen Bevollmächtigten seinen Zug ins Elsass unter-
nommen hatte.
Welche Stimmung mussle sich angesichts dieser Dinge des
schwer heimgesuchten elsassischen Landes bemächtigen ! In
der Hand von fremdem Raubgesindel, gegen dessen Uebermacht
niemand im Lande die Waflen zu erheben vermochte, hatte es
von Tag zu Tag darauf gehofll, dass der Kaiser an der Spitze
der gesammelten Macht des Reiches- auf dem Schauplätze de«
Unheils als Siep'er und Refreiei' erselieinen würde. Vnn Tag zu
Tag hatte man vergel^ens gewartet : der Kaisei* hliel» untliätig
in Selz liefren. Und nun vernahm man gar, er sei es, der
diesen iuichlbaren Feind herbeigerufen habe ! Wie sollte dann
noch eine Erlösung von ihm möglich sein?
i Wie Botl meint, a. a. 0. 19 f.
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— 35 —
Im elsAssischen Lande schenkte man dem Gerüchte^ die
Engtänder seien auf Geheiss des Kaisers im JLAode, Glauben.'
Die unentsclilüssene Hallung des Kaisers und vor allen Dingen
wülil aufli der ümsland, dass er jetzt begann mit dem Krz-
priesler Unterhandlungen anzuknüpfen, holen für üppi«^ wiichenub'
Gerüchte einen fruchtbaren Niiluboüeii. Anj 8. Juli fordt'ite
der Kaiserden Slrassburger Hut auf, dem Grafen von Leiningen,
den er zum Ei^priester entsandte, einen seiner Angehörigen
beizugeben.
Was diese Verhandlungen zum Gegenstand gehabt haben,
daraber verlautet in den Quellen nichts; wahrscheinlich dflrfle
wohl der Kaiser, nachdem die Engländer nun doch einmal im
Lande \vai(Mi, einen Versuch genmdit bnben, dem Kreuz-
zugsunternehmen dienstbar zu machen. < Zunächst scheint auch
der Erzpriester den Enfgcirenkommenden p^espiolf z« haben.
Am 12. Juli sicherte ilini die Stadl Strassbiir^'^ sowie Her fiischof
Johann IL von Lichtenbei;: freies Geleil für Hin- und ilück-
reise zum Kaiser mit lUO Lanzen und 20 Bogenschützen zu.^
Aber dem Erzpriester war es nicht ernst mit diesen Verhand-
lungen ; von den Geleitsbriefen zum Kaiser hat er niemals Ge-
brauch gemacht; die Plünderung des elsässischen Landes wurde
mit ungeschwächten Kräften forlgesetzt.
Inzwischen hatten sich die den Kaiser als Urheber der
Leiden unsere Landes anklagenden Geröchte mit grosser
Schnelligkeit ausgebreitet ; sie blieben keineswegs auf des Elsass
beschränkt ; über den ganzen deutschen Südwe^sten verbreiteten
sie sich in w^^iijren T.i^'-en. Und je weiter ^!ie .sieh entfernten,
um so schiankeulüser konnte sich die Pliantasie in ihitM- V'er-
grösserung ergeben * In Pfullendoi t liatle man vcrnoninien, der
Kaiser liege mit den Engländern bei Selz und scldage dort eine
Brücke über den Rhein, um sie nach Schwaben zu füluren.
Schon am 9. Juni baten unter allen Anzeichen schwerer Besorg-
nis Amman und Rat dieser schwäbischen Sladt Strassburg um
Auskunft hierfiber.«
Auch der Mainzer Chronist bestätigt, dass man weithin
glaubte, der Kaiser habe die Engländer über den Rhein tuhren
wollen und sei daran nm' durch das Widerstreben der Be-
völkerung des deutscheu Südwestens gebindert worden.^
^ Hegel, Königshofen 487.
2 So fa«st aach Weranskj diese Sendung auf III, 329.
> Str. ü. B. Y nr. 667 mit Anm.
* Str. U. ß. V nr. 666.
^ Deutsche Strid{echronik>-n XVII, 169: «et famr. coramnnis
volavit, quod ex coii&ilio et luvore impeiatoris illuc veuis&ei, qtiia
ipsoB trans Benum duxisss Tolnit, si non populav terre obstetisset*
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— 30 -
So uferlose Vertlächtiyunj,'en scheinen in der Bevölkerung
des Elsass nicht die Herrschaft erlangt zu haben; dazu war
man hier den Erei^-nissen zu nahe. Aherdie Resor;?nisse steigerten
sich mich liier durch die mit dem Frzpriester gepflogenen l'nter-
hatiiilungen, und am 12. Juni sah sich Colmar geni'lifTl hei
Slra.sfshurg anzufragen wegen der im Lande umlHiiffMidon Ge-
rüchte üher Verhandlungen etlicher Herten mit den Hngländern.'
Die ablehnende Haltung, die der Erzpriester schliesslicb
den kaiserlichen Vorschlägen gegenüber annahm, hatie wenij^tens
den Erfolg, das« der Kaiser nunmehr ernstlich die Herbei-
führung einer Entscheidung durch die Waffen ins Auge 211
fassen und vorzuhereiten .schien. Auf die Anregung des Sfrass-
burger Bischofs Johann 11. von Lichtenberg berief er diesen
mit den Boten der Slädte Strassburg, Freihurg und Bassel auf
den 17. Juli zu sich nar h Selz, um dort mit ihnen .sowie mit
dem Pfalzgrafen Huprci ht dem ällfren und den Boten von
Mainz, AVorms mui S[teyer zuni Wohl des Reiches und de*
elsässischen Landes Hat zu pflegen. «
Die militärische Position des Kaisers hatte sich inzwischen
durch das Eintreffen mehrerer der von ihm aufgebotenen Reichs»
conlingente befestigt : ein starlies Heer zofg sich in der Nähe
von Selz zu beiden Seiten des Rheins zusammen ; am 16. Juli
waren die Streilkräfie des Pfalzgrafen sowie der freien Slädte
des Mittelrhcins Mainz, Wurms und Speyer in der Nachhar.schafl
von Selz versammelt. Und am gleichen Tage erging ein kaiser-
licher Belehl an Strassburg, Lebensmittel bereit ZU halten und
sie dem Heere zu veikinifen, 3
Aber bis sich das li<'ei unter Führung des Kaisers endlich
in Bewegung setzte, nuissle Strassburg eine abei tnali;^e Plün-
derung steinet Vorstädte durch die Englrmder erdulden.* An^
21. Juli musste es noch einmal die Hülfe seiner Bundesgenossen
Basel und Freiburg anrufen, an demselben Tage, an dem
endlich der Kaiser bestimmte Beschlösse über den Vormarsch
nach Süden fasste : » am 22. Juli wollte er von Selz aufbrechen
und in Hagenau ubernachten, um sich am 23. zwischen Hage-
nau und Strassburg mit dem Plalzgrafen. der am 21. noch in
ilem heute nicht mehr vorhandenen Ort Stackmalt bei Zuzen-
liansen in I^id. n Irip^, sowie mit dem Erzbischof von Mainz und
anderen zu vereinigen.
' Str. ü. B. V nr 668.
- Kail IV. an Bischof Johann IL Juli 16. Ebendoit nr. 671.
3 J^tr. L B. V nr. 67 '.
* Ebendort nr. <i72 n. ^71.
^ Schreiben des Ffalzgrafen Eaprecht d. ä. an Strassburg vom
21. Jnli. Ebendort nr. BIS,
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— 37 —
Dies Programm scheint aasgeCuhrt worden zu sein ; siclier
ist wenigfstens, dass sich der Kaiser am 25. Juni vor Strassburg
im Feldlager IjefaiuU Hier stiessen zu seinem Heere auch die
Contingente des Bischofs und der Stadt Strassburg: ein Zelt*
?an:er wurde im Westen der Stadt auf<re«elibfjen ; der Kaiser
la«ferte hei Krkholsheim und die Strausburger bei Sl. Ai'ix>^st
«wischen dem ]v;iiser und der Stadt.*
So wnv (las Heer des K;ustMS auf seinem lanpfsamen Vor-
marsch ^ewalli^ anjjewachseii. Nicht lanye vor seiner letzten
Vergrösserung durch die beiden Strassburj^'er Conting^ente halten
sich zwischen Hagenau und Strassburg die Schaaren des Pfolz-
grafen und des Enbischofs von Mainz mit ihm vereinigt. Viel-
leicht waren dort auch die freien Städte Mainz, Worms und
Speyer hinzugekommen, wenn es nicht schon frQher geschehen
war. Sie hatten ja schon am 16. Juni ebenso wie der Pfalz-
graf nahe beim Kaiser gelegen.
Mit Sicherheit nachweisl)ar sind ini^serdem noeh im Feld-
iHger vor Strasshurjr Oraf IHrlrb von \Viiilleii)l)eiv, der Mark-
graf Rudolf VI. von Baden, Friedrich V. Burggraf von Nürnberg
damals Landvogt im Elsass, Burklim d Burggraf von Magdeburg,*
<ler Marschall von Pappenheim und die Hagenauer.*
Damit war aber die Zahl der Forsten, Herren und Städte,
die sich an dem Zuge gegen die Engländer beteiligt haben,
keineswegs erscb5pfl : es ist bekannt, dass auch der Erzbischof
Kuno von Trier nebst zahlreichen Grafen und Ritlern von
Bhein, Mosel, Lahn und Main,* der Bischof von Augsj.nrg*
und die Stadt 7 stark gerüstet ins Elsass gezogen sind. Unge-
wiss ist nur, ob sie sich schon mit dem kaiserlirhen Heer ver-
einigt hatten, als das Feldlager vor den Thoren Sti'assburgs
bezogen wurde. ■
Aber aui Ii wenn sie noch fehlten, hatte der Kaiser in
seiner Hand eine gewaltige Heeresmacht vereinigt; und wenn
flieh ihre Starke auch niemals zahlenmässig bestimmen lassen
* Böhmer H'ibrr nr
* Uegel, KOuigshofeu 408 and genauer in der Bittschrift des
Halen Konrad. Str. H. B. T nr. 1888 8. 90^ 5.
3 Nicht Erzbischof Dietrich von Magdeburg« wie Bott a. a. 0. 26
im Anscbln{>s an Hegel 1041 meint.
< Str. ü. B. Vnr. 1238 S. 902; jedenfalls auch noch die VYeissen-
borcer. Die übrigen elsSssischen Reichsstädte befanden sich in dem
noch von den Engländern beherrschten Gebiete und haben sich wohl
erst während des weitereu Vormarsches dem Heere des Kaisers an-
geschlossen.
* Limburger Chronik 42.
6 Chron. Mogont. in Deutsche Städtechroniken XYIII, 169.
f Meyer, Drkb. d«r Stadt Angsbnrg II, 127 f. *
Digrtizerf^y Google
— 38
wird,* .^0 'larf iWU als sicher angenommen werden, dass nicht
nw der Bischof Jolinnn und die Stadt älraashut'f^, sondern aucli
die in zweiter Linie bedrohten Ffirston und Städte des Ober-
iind MiUelriieius ihr Bestes getiiun liahen, urn «ias ülior ihren
Hau|ttern schwebende Unheil abzuwenden. Hatten sich doch
zuvor die Fürsten, Herren und Städte des KIsass, nur verstärkt
durch einige reclil^rlieinische Bundesjrenossen, vermessen, ein
Heer von 20tXX) Mann zu Fuss und 1200 Glefen zur Vertei-
diguni( des Landes außtustellen ! Angesichts dieaer durdi glaub-
hafte Einzelansätze gestuf zten Zahl dürfte die Slärkeangatte der
Umburger Chronik (nahezu 24000 Sireiter) doch wohl kaum
öi)ertriehen zu nennen sein.
Jeiienfulls hatte der Kaiser naeli der Vereinigung mit den
beiden Strassburger Contingenlen eine Streitmacht unter seinen
Befehlen vereinijrt, die derjenigen der Fn:_'länder zum minde-fpn
jjrewarhsi'n war. 2 Einen ausserordenllidien Voiv.n- aber hatte
seine Stellung vor (ierjenipron f«einei- Gegner duK Ii lien Um-
stand, dass diese überall inmitten ihres Herrschaflir»gebiutes und
im Rücken bedroht waren durch die Streitkräfte der unbe-
Kwungenen St&dte, die ihnen zwar bisher wenig Abbruch gethan
hatten, deren Geiahrlichkeit aber nunmehr durch die Nähe des
starken Reichsbeeres eine erhebliche Steigerung erfahren musste.
Eine Stadt von der Bedeutung Basels im Rücken und in un-
mittelbarer Nähe der ein/.igen Rückzugsstrasse im Falle eines
unglücklichen Kampfes mit dem Reichsheere, das war in der
Thal eine nicht unbedenkliche Lage, die '^'oradozu verhän'^'^nis-
voll werffcn konnte, talls es Basel ^»«Inni^, die militärische Kraft
«ler obert'lfca^>s;i.««* l)eu Städte und der schweizerischen Nachbar-
schaft rechtzeitig an sich zu ziehen.
Aber so günstig stand es doch nicht unt die Sache der
Verleidiger des Etsass, dass man schon jetzt von einer ernsten
Gefährdung der Ruckzugslinie der Engländer hälle sprechen
können. Das einzige Ergebnis des kaiserlichen Vormarsches
war bis jetzt die Sicherung des Unterelsass bis Slrassbur^ vor
abermaligen Plümlerungen durch die Freibeuterschaaren. Den
ganzen Süden des RIsass bis in die Nähe von Strassburg b atten
d'wif noch in Händen und beherrschten ihn unbedingt. Am
•21. Juni erst halte Strassburg p'^ren sie die Hülfe seiner
Bundesgenossen anrufen müssen ; und schon einen Tag Stüter
> Dia Angaben der Chronisten schwanken swisohen 100 OOO und
34000 vgl. Bott a. a. 0. 27.
5 Sonst würdo Stvassbui-g 'X'ohl nicht znm Angriff gedrängt
haben ; demi von einem Siege der Engländer luusste gerade diese
Stadt besonders schwer getroffiBo werden.
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— 89 —
sah sich Basel durch sie in eine so getahrdete Lage gebraclit,
dass CS die Mahnung Strassburg.-^ mit einer Bitte um Hülfe
für sich beantwoi [.>n zu müssen glaubte.' Das war .m dem
Tage, an dorn Kail IV. «einfii Vormarsch in Sc!/, antrat. .lel/t
war zwar der Merrschan-^hercii li dei- KD^iländer etwas uinj^^o-
schränkt ; Slrasshurj» war tur sie nirhl niehr erreichbar. Aber
den übrigen Teil hielten sie noch mit fester Hand ; bis Basel
hinauf zitterte alles vor ihrer Gewalt. Wie sollte sich da eine
Streitkraft sammeln, die stark genug war, dem Feinde in olfe-
nem Kampfe entgegenzutreten?
Einzig und allein ein entschlossenes Vorgehen des Kaisers
hätte die im südlichen Ehass vt r/cltellen städtischen Streit-
kräfte der allgemeinen Sache dienstbar macheii können. Tet/t
wurden sie durch die weithin im Lande zerstreuten Haufen
des Ff'indes niedergehalten. Wiim der Kaiser ohne längeren
Aufenthalt an Strassburg vorfibtT^^ezii^cii, so wären 'entweder
die Ehi;laiuler sofort auf d»T Hclfnitcr Strasse entwichen; sie
beherrschten das Land bis di»itliin; der Ausgang war frei. Oder
aber, wenn sie es auf einen Kampf mit dem Kaiser hätten an-
kommen lassen, waren sie gezwungen sich zu conzentrieren.
Und dann konnten sie es nicht mehr verhindern » dass sich die
militfirische Kraft des Oberlandes hinter ihrem Rücken ver-
einigte. Ein entschlossenes Vorg^en Karls IV. war unter allen
Umstünden geboten : im ersten weniger gün<li;^en Falle hätte
es doch die Leiden des so lan^^o gepeinigten Landes abgekürzt
und im zweiten wäre die vollständige Vernichtung dieses Raub*
gesindels zu erreichen gf.'vve.sen.
Kinen heissen Kampt würde es treiix Ii -ekoslet haben.
Al>er uas Heer, das Karl IV. imter den .Mauern Slrassburgs
zusammengezogen hatte, war so stark, dass er mit ihm jeder
Eventualität gewachsen war.
Aber so wenig der Kaiser Strassburg liebte, er schien sich
nicht von den Mauern dieser Stadt trennen zu können. Und
so wenig schien sein Sinn mit dei einzigen Aufgabe, deren Er-
füllinig ihm jelzt vor allen anderen oblag, mit der Vt-rtreibun;; der
fremden Eindringlinge vom Boden des deutschen Heiches, l)e-
srhäfti;.,'! zu »ein, dass eine ji^cringfügiiie Ursache ihn in Ver-
su( liiin.u' tnliren konnte, das lieichsheer im Angesichl des Fein-
des duich ein Blutb.td zu ver^lümmeln. Jetzt wo es galt, alle
Kräfte des Landes gegen den äusseren Feind zusammenzufassen,
wurde kleinliche Rachsucht in ihm übermächtig und brachte
ihn nahe daran, den Vemichtungskampf gegen eins der Glieder
» Str. ü. B. V ar. «74.
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— 40 -
deb llciches 7U proklamieren und daniil «ItMn Ki ind»; oinou
werlvollen Dieiibl zu leisten, vielleicht ihn wieder zum Herrn
der Lage zu machen.
Der Zorn des Kaisers gegen Slrassbuig war wieder mScb-
tig aufgewallt, als ihm von der Streitigkeit eines Strassburgers
mit einem seiner Diener berichtet wurde.i Jetzt schien ihm
die Gelegenheit günstig, den unleidlichen Stolz dieses blühenden
und selhstbewussten Gemeinwesens tu brech<^n : .j< t/t stand er
der Stadt, von der er schon manches Mal hitlere Kränkung
erfahren liatle, ni« hl mehr ohnmächtig gegenüher; in seinen
Händen hielt er die lleeresmacht des !{eirhes, der frcfrenTdier
die SIreilkratI StiMs>l»iir^^s, de-^ S( hulzes der Mauern beraubt,
nur » in kleines verlorenes lirmflfin war. Er war fest ent-
schlossen und hatte es sicli in der Aufwallung der Leidenschaft
mit einem Schwur gelobt, jetzt den vernichtenden Schlag gegen
Strassburg zu führen. Und vor allen anderen sollte jetzt cKaiser
Heilmann von Strassburg», wie ihn der Kaiser in grimmiger
Ironie nannte, seine Hand fühlen ; er sollte besonders und höher
hangen als die anderen.
Aber zum Glück für unsere Stadt war Karls Befehlsgewalt
über das vereinigte Heichsheer nur eine sehr besc hränkte. Sein
Bacheplrin hntfe um dntiti Anssicht auf Ertüliung, wenn die
Mitwirkun- der anwcx iiden Fürsten erlangt werden konnte ;
und an (iiesi'r liedin^un^ imisste er scheitern. I)ürch die fuss-
iülligeii liillen des Strassburger Biscliofs Johann il. und mancher
anderen Herren wurde Karl endlich vermocht, auf die Befrie-
digung seiner Rachegedanken zu verzichten. —
Eben noch voll kriegerischen Feuers gegen die Strassburger,
zeigte der Kaiser den Engländern gegenüber eine Zurückhaltung
und Vorsicht, durch welche die Geduld seiner Bundesgenossen
und besonders der immer noch nicht von der En^ländernot
erlösten Elsässer auf eint- harte Probe gestellt wurde« Während
seine Bundesgenossen und besonders Strassburg nur fioi Ii die
eine Besorrnis hrttlen, der Feind möchf»' dank der l'nenl-
schlossenheit des Kaisers un^M-siratt entk»>miiieii, hielt Kail iV.
sein };ro-«5>;es Heer immer noch nicht für stark i^^enu;:, niu eine
günstige Entscheidung herbeitührcn zu können. Auch hier
stehen der Kaiser und Strassburg einander diametral gegenüber :
Strassburg drängt beständig zum Angriff i wie es schon bei der
ersten Bedrohung seiner Mauern durch die feindlichen Massen
den Gedanken, nach dem Beispiel von Metz durch die Zahlung
einer hohen Abfindungssumme die Gefahr abzuwenden, mit
1 Hegel, Königshofen 488 und Str. U. B. V nr. 1238 S. 802.
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— 41 —
aller Kntscbiedenbeit a hingewiesen halte, so wollte es. sich auch
jetzt nii'hi mit einem halhen Erfolfie zufriedengeben. Entka-
men die Engländer, so wnr il;is Land zwar befreit, aber wer
weiss auf wie lnn{:e. Die Gefahr schwebte dann weiter über
dem Lande wie schon so viele Jaiire zuvor. Beseitigen konnte
sie nur die völlige Vernichtung der Feinde ; aber wenigstens
sollten sie die Scbärfe des deutschen Schwertes empfindlich
spüren, damit ibneD die Lust wiederzukommen auf immer be-
nommen würde. — Der Kaiser dagegen wartete Tag für Tag:
es konnten ja noch so manche Fürsten und Herren mit ihren
Heerhaufen eintrefien, und warum sollte er heute durch die
Gefahrnisse eines blutigen Kampfe.s das erzwingen^ wns er
vielleicht morgen durch eine blosse Demonstration erreichen
konnte ?
Endlich veimoclifo er Jtlier dem iinmcr un'^eslumeren
l)irni;:rn Sti a-^sliuigs und amliner Stä<Up nicht mehr zu wider-
slelien. Nachdem er etwa aclit Tage unthalig vor Strassburgs
Mauern gelegen hatte, brach er uuf.^ Und jetzt trat das ein,
was Strassburg befürchtet hatte ; was Hottweil im Anfange des
Unternehmens gegen die Gesellschaft, als es mit der Art kaiser-
licher Landesverteidigung noch nicht genügend vertraut war,
in kühner Hoffnung herbeiwünschte, ward kläglich tu schänden.
Das was der gesunde Versland dieser Kleinbürger auf den ersten
Blick gesehen halte, dass alle Bedingun;4^r»n zu einfM- völligen
Vernichtung dieses Uaubgesindels durcli die Natur ih s Landes
in seltener Gunst dargeboten waren,» das scheint dem Feld-
herrnhiick Karls IV. niemals auf^^egangen zu sein. Jedenfalls
hat er nicht das Geringste gethan, um aus der so günstigen
Lage Vorteil zu ziehen.
Wahrend er in dem achttägigen Lagerleben vor den Mauern
Strassburgs sdne starke Streitmacht brach liegen Hess, war
die Hauptmasse des Feindes auf fienfeld, Dambach und Schlett-
stadt zurückgewichen ; ein weit nach Süden vorgeschobener
Haufe hielt Basel in Schach,« sicherte vor Ueberraschungen
von der Schweiz her und hielt damit zugleich die RückxugS'
Strasse über Belforl frei. Als Kar! «lann endlich in langsamem
Vormarsche von Strassburg auf Colmar vorrückte, da flohen
die Eii;iläii(ier in Eilmärschen — «und lurent eines tages vener
denne der keyser und die stette in elvvie manigem tage niöh-
tent getün» schreibt Küuigsholen — und entkamen durch das
Belforler Loch, ohne die geringste Schlappe erlitten zu haben.
I Also etwa um die Wende des Juli zum August.
* Vgl. oben 8. 39 und Tscbudi, Cbronicon Helvetienm I, 4ßS.
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— 42 —
Beinahe einen vollen Monat waren sie die Heri'en des Elsass
gewesen.
Der Kaiser Itehrte nacli diesrin Erfolge lieini: tn 9, August
urkundet er wieder in Speyer.* Das elsässische Land aber hatte
in » iner seclT^jahrigen Teuerung an den Folgen dor von Freund
und Feind angerichteten Verwfisfunirpn zu tra^^cn.
Wie sehr Slrassbur^ mit si-incr a^rgressivtMi Haltung im
Recht gewesen war, sollte sich uur /u l)ald zeigen. Kaum
waren die Engländer aus dem Elsass entflohen, so wurde das
Land schon wieder durch Alarmnachrichten in Unruhe versetzt :
schon am 9. August berichtete Bischof Johann II. dem Meister
und Hat von Strassburg^, dass die Gesellschaft su «Porte» liege.
Ob damit Port-sur-Saöne oder Port-sur-Seille gemeint ist, kann
nur schwer entschieden werden. Wahrscheinlicher ist das erstere.
Tn noch bedrohlicherer Nähe sollte sich ein Haufen hei Beifort
lipfinden. Ahor der Bischof wusste niclit, ob diese ihm vom
Hnfincistei' des Melzer Biscliofs frownrdonp Miftcilnng auf Wahr-
heit i»et ulile.2 Tn Strassburg hielt man die Iv.-ige fiir so ^^etalinlet,
dass man «joIoiI an lien gelreuen lüschol' tlie Weisung ergelien
Hess, das lireuschthal durch Anlage von Veriiauen in Vertei-
digungszusland zu setzen. 3
Und es schien wirklich, als sollten diese Verteidigungs-
massregeln den Engländern gegenüber in Anwendung kommen:
Am 5. September wurde Hagenau die Botschaft g&<»ndt, dass
sie — allerdings in der stark reduzierten Starke von nur 500
Glefen — in und um M;trimont im östlichen Lothringen nicht
weit von der elsässischen Grenze (in Weisterrich zii Molsperg)
ständen ; sie hätten die he^^fimmte Absicht, wieder ins Elsass
zu ziehen und dort und im W'esfrich zu überwintern. Man
warte uur nocii aut den Er/pi iester, der nach Frankreich ge-
ritten sei, um neue Schaaren zur Verstärkung seines Ht^res
herbeizuführen. 4
Jedenfalls war auch Strassburg der Meinung des unge-
nannten Briefschreibers, dass es besser sei, die Gesellschaft
jetstt In ihrem geschwächten Zustande anzugreifen und zu ver*
Dichten, als die Rückkehr des Erzpriesters mit seinen Ver-
stärkungen abzu^-arten. Noch an demselbw'n 5. September er-
gingen von Strassburg aus Schreiben an die Bnndesgenossen
Basel und Speyer, dazu an Mainz, Bern> Zürich, Luzem und
» Böhmer-Huber nr. 4198 ff.
« Str. U B. V nr. 677.
» Ebendort nr. 680.
* Ebeadort nr. «88 Anm. 2.
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— 43 —
die Heiclisstädte im Elsass;! Die Engländer la^^eii wieder nahe
an der Zaberner Steige und wollten abermals in das Elsass
einfallen. Allo woidon zu unver/fipürher Hfilfeleislun{if aufjr^^-
tbrderl. Der Plalijj^rat bei Rhein wiinie durcli die Boten der
Stadt mündlich um Hülfe angejj^anpen.^
Ob diese MaliiiurjL^en Entsendungen von Hulfssc haaren nach
Strassburg zur Fol^e gehabt halien, wissen wir nicht ; es scheint
nicht 80. Erhalten ist nur ein undatiertes Antwortschreiben von
Mainz, in dem sich diese Stadt zur Hdlfsletstung bereit erklSrt
und um Angpabe eines Termines bittet.'
Beseitigt wurde die Gefahr jedenfalls nicht, denn noch am
!>. XovtMiiber sah sich Strassburg j^enöligt, seine Bundesgenossen
Basel und Freiburg gegen die Gesellschaft um Hülfe zu mahnen.^
Wie sehr die Hesorg^nis vor einem abermaligen Kinbriuh
der Hngländer zu jener Zeit die Gemüter beherrschte, zeigt die
Slellunjj, welclie die Stadt in der Fnige der Neubesetzung des
durch den Tod Johanns von Licldenberg erledigten bischöf-
lichen Stuhles einnahm - sie wünschte einen Bischof von der
Art des dahingeschiedenen, auf den sie sich in Zeiten der Not
verlassen konnle. Deshalb wandte sie sich am 31. Oktober an
den Papst mit der Bitte, entweder Johann von Ochsenstein
oder Egon von Kiburg zu ihrem Bischof zu machen, wdl sie in
jedem der beiden Schirm und Beistand gegen die Engländer zu
tinden vertraute.^
Von nun an gestaltet sich die Lage von Tag zu Tag zu-
friedenstellender. Es laufen keine Alarmnachrichten mehr ein.
Unfl am Hl, Jnü i!^(»(ider Hheims(>r Bürger Johnnnf»s Largus
dem StrussburgiT Ainnu'isler Kunz Müller seinen ausführlichen
Bericht über die I^iidtMi seiner Heimat durch das aus dem
Elsass entwichene ßandenheer erstattete, ^ da war dieses schon
seit langer Zeit dem Gesichtskreise der Strassburger völlig ent-
schwunden. Und was sie jetzt, dank der weitverzweigten Ver-
bindungen ihres Gemeinwesens vernahmen, konnte ja nur dazu
dienen, ihr Vertrauen in die Zukunft zu stärken.
Vor Ueberraschungen konide man indessen bei der unstäten
Beweglichkeit der Engländer niemals völlig sicher sein. In der
Thnt hat gegen Ende des Jrdiios 1307 und zu Anfang 1368
norli einmal ein Kiiiltnu h Aev Engländer das KIsass und die
Rheiidande aus nächster X iln> l>e<lrohl. Und 1375 cilolgti' ein
solcher wirklich unter der i ührung Enguerranrls von Coucy.
Wenn auch mit ahnlichem Material unternommen wie 1365,
1 Str. ü. B. V nr. 686, ÜÖ7, 688. 2 Ebendort nr. 6^8 S. 541.
3 Ebendort nr. 6t<9. * Ebendort nr. tiÜ5.
« Ebendort nr. 094. • Ebendort nr. 724.
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— 44 —
unterscheidet >ii Ii diese Invasion dor }» wesentlieli von der früheren.
Während Arnold von Cei vohi lediglich durch die Holl'nuny: auf
Beule angezogen wuule, unternahm Enj^uerrand seinen grossen
Zu^ zur Veleidijifung seines Rechts, wohei er sicli allerdings der
Süldnerscliaaren hedienen mussle.
VI. Nachwirkung auf die Beziehungen
Strassburgs zum Kaiser.
Das Hochgefölil des Siegers schwellte das IJerz des Kaisers
nicht, als er dem Lande seiner jüngsten Thaien den Rücken
kehrte. Schon bei .seinem p]inlritt in das Land war sein Stolz
<iurcli die aufgedrängte üa-stlVeund-Hchatt Strassburgs tief ver-
letzt worden ; und jetzt, als er nach dem Entweichen der Eng-
länder sich zur Heimfahrt in seine böhmischeo Erblande an-
schickte, da halte ihn niemand im Lande zwischen Rhein und
Wasgau als den Befreier aus der Hand des Feindes gepriesen !
Mit Misstrauen war man ihm begegnet, seit er in Selz einen
günstigen Punkt zum Abwarten und Beobachten gefunden halle ;
von ihm — so ging in den weitesten Kreisen des Volkes die
Rede — seien die En^rländer ins Lmd gerufen. Und das, was
er als oberster Führet' des gegen sie zusrimmen^-ernfcnen Heeres
geleistet hatte, konnte nni- zur Vcrslärkung diese:; ihn be-
schimpfenden Verdaclitrs l)('itr;i;;en. Jetzt legte man ihm auch
das Entkommen der Kngländer zur La.sl, als sei dies die Folge
eines gegenseitigen Einverständnisses gewesen.^
Das GefQhl der Kränkung hierQber verband sich in ihm
mit der älteren Verstimmung gegen Sirassburg; und wenn er
in begreiOichem Unwillen eine Genuglhuung für die ihm an-
gethane Verdächtig; ung zu erlangen strebte, so wollte er damit
gleichzeitig durch eine tiefe Demütigung Strassbui^ seinem
verletzten Stolz einen lindernden Balsam bereiten.
Heute kennen wir die (J'uello der ge;;en den Kaiser in Um-
lauf gesetzten (lerüchte. Köni;4.siiofen betont, dass sie sieh in
der Landbevölkei iin^ verlireileten, also in den Srhichlen, die am
meisten uiil den Engländern in peräonliclie liemln ung kamen. Von
Matthias von Neuenburg wissen wir ferner, dass der Erzpriester
selber, gestutzt auf die kaiserlich^pSpstlichen Abmachungen und
die auf Grund dieser mit ihm gepflogenen Verhandlungen, sich
auf einen kaiserlichen Auftrag berufen hatle. Mithin war in
letzter Linie der Kaiser selber der Urheber der GerQchte, fflr
I Städtecbioniken (Chron. Mognnt.) XVIII, 169: «bec omnia ex
consilio imperatoria eommniiiter esse facta nanantar».
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— 45 —
die er jetzt Genu^jlKuung fonJern zu müssen glaubte. Aber wer
sollte (Jiesn (Inntii^tlimmj; leisten? Waren docli <liese Verflärh-
tigun<;en iiirht nur im ganzen eUässischon f.nndo. sondern weit-
hin über dtMi deul.sc hon Süilen mit aljt;uleuet lii lien Uebertreib-
unj^en veibieitet und get,daubl wurden. Der Kaiser, liem diese
Tbalsuchea sicher ebenso wenijy verbor^ren waren, wie uns
heule, war mit der Beantwortung dieser Frage schnell fertig.
Für ihn war es eine ausgemachte Sache» dass nur das verhasste
Strassburg Urbeber eines so beleidigenden Geredes über ihn
sein konnte. Indem er diese Stadt zwang, eine demillige Abbitie
zu leisten, wollte er sich zn^^leich entschädigen für alle Unbilden^
die er bisher von ihrem Uebermut halte erdulden müssen.
Wie Bischof Johann H. einst die Strassburj;fer vor <lep
bliiti'^cii luK lif (\pH Kaisers jiereltet hatte, so suchte er auch
jetzt zwischen beiden Parteien die Vermittlerrolle zu sj>it'lHti ;
er legte den Slrassburgern das Fnrmiilar* eines Schreibens vnr.
das diese den» Willen des Kaisers j^emäss ausser an tlieseii
auch dem König von Ungarn sowie den Städten Worms, Mainz,
Köln, Basel, Zürich, Rottweit, Esslingen, Reutlingen, Hall,
Augsbttiig, Ulm, Nördlingen, Donauwörth, Constanz, Ravensburg-
und Rotenburg a. d. Tauber senden sollten. Das Schreiben
sollte enthalten, dass Karl «rgnedeclich, vliszecltch und mit allen
truwen» an der Verlreibung der Engländer gearbeitet habe.
Wenn daher I>örger von Strassburg oder jemand anders den
Kaiser heselniMi^f hätlen. er hal)e die P^ngländer ins Elsass
i^erufen, so thue «t iliiu I'imvht urui Imho nicht die "W.ilir-
heit gesagt, «wenne wir (d. h. die Slras-liui-er) in tieii e^e-
nanten sachen sino «inade, sine Iruwe und sinen vlis wol und
gentzelich erfunden h.djent».
Es sollte das letzle Werk sein, dem Bischof Johann von
Lichtenberg seine Unterstützung lieb : am 13. September starb
er, ohne es tuende geführt zu haben. An seine Stelle trat jetzt
Bischof Dietrich von Worms, vom 2. November an Bischof zu
Metz. Aber auch ihm gelang es nicht, die Stadt Strassburg zu
der Absendung von Schreiben zu bewegen, in denen dem Ver-
halten des Kaisers g»^g''n die Fni^lruider ein uneinyeschränkles
Lob gespendet wurde. Am 6. Januar 13G6 sah sich daher der
Bischof L.impi'erht von Speyer angesichts der stei;iPnden Thige-
duld des Kaisers genöti^rt^ j^) Angelegerdieil enizuj^reiten.
Als geborener K!-,i>-er v.>n Hanse ans der Stadt Strassburg
nahe stehend und zugleich im Besitze des kaiserlichen Ver-
trauens war er zur Vermittlung in dieser schwierigen Sache
1 Str. ü. B. y nr. 690.
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— 46 —
hervorragend geeignet. Er stellte den Sirassburgern vor, wie
der Kaiser zürne, das«» sie die verlangte Erklärung nicht gegeben
hatten. Diese Missslimmunj? wäre noch durch alle die andern
Bes('hwcr:len, die der Kaiser von früher her ^io^^en Stra^^sburg
hatte, ^'^esti»i;;ert worHen : jetzt heklaijte er sich aui-h (lanil)er,
dass die Slrassburger dem Gesetz (le& Keiches ztiia Trotz noch
immer Pfahlbürger hielten, und dass sie einst die Reichsstadt
HagenaUj aU diese ihrem üblen Beispiel folgend die dem Reichs-
geselle gemSas entlawenen Pfablbörger wieder aufnehmen wollte,
bekriegt und belagert hätten. Endlich hätten sie neuerdings
einen Zoll auf der Breusch errichtet und damit in die kaiser-
lichen Gerechtsame ClbergegrilTen. Alle diese Sachen wolle der
Kaiser dem auf den B. Mäi^ nach Nürnberg berufenen Reichs-
tage zur Beratung unterbreiten. Ks sei daher besser, wenn sie
sich mit dem Kaiser in Güte richteten, wozu er seine Vermitt-
lung anbietet.'
Welche Wirkung; hat nun dies im Kinversläntlni-s mit dem
Pfalzj^^rateii lUi|ire( lit dem älterei» an Strassburg gerichtete
Schreiben auf den llal ilies.er Stadt ausnenht ? Die Sprache war
eniiiringiicli genug. Und es war nicht mehr zu Ijezweil'eh», dass
wenn Strassburg weiter in seinem ablehnenden Schweigen ver-
harren warde, die schwersten Gefahren für die Stadl herauf-
»efaen konnten.
Strobel> beantwortet diese Frage dahin, dass die Stadt cauf
der Stelle einen offenen Brief an alle ihre Verbündeten gelangen»
Hess, in dem sie dem Kaiser die gewünschte Genügt liuung
gewährte. Und Rott» schliesst sich dem an, mit dem Unter-
schiede, dass er dies Entschuldigungsschreiben hinter den gleich
zu erwähnenden Biief de- Grosshans von Rosheim stellt. Zur
Begründun- he-nugen sich beide mit der Fussnote «Wencker,
von Ausbürgern 87».
Au die:>er Shdle lindet sich der EntwurT eines Entschuldig-
ungsschreibens Stra:>ftburgs,* der auch bei Weuckei' als Concept
bezeichnet ist. Das blosse Vorhandensein dieses Entwurfes kann
aber nun und nimmer als Beweis dafür angenommen werden,
dass die betreffenden Schreiben nun auch wirklich in der durch
ihn bestimmten Form oder in einer beliebigen anderen an die
verschiedenen Adressaten abgegangen sind geschweige denn,
dass dies «cauf der Stelle» geschehen, denn ein Datum ist in
dem Entwurf nicht angegeben.
> Str ü. B. V nr. 701.
2 11, 350.
3 a u. 0. 36.
4 Str. U. B. V ur. 702.
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— 47 —
Auf Grund des Wenckerschen Abdruckes kann man des-
wegen leicht zu einer solchen Annahme '^'elan^'^en, weil in ihm
der nahe lie^uMidfn Vermutung, als handle es s!( h utu ein in
der Kaiiiclei iles Slrasshur;^er Rates entstantleiies (^unept,
nicht widerspinc hen wird. HiHlen beide Autoren das Ix'tiellen-
de JSchriftstück selber in Hunden gehabi, so wurden sie ge-
sehen haben, dass es sich auch hier — wie bei dem vorher
vom Biffchof Johann IL vorgelegten Formular — um einen
ausserhalb der Straasbui^r Ratskanzlei entstandenen Entwurf
handell.i Man wird kaum fehlgehen, wenn man ihn entweder
dem fiiüchof Dietrich von Worms oder Lamprechl von Speyer,
die sich ja beide, wie wir wissen, nach dem Tode des Strass-
burger Hischols mit diesci Aogeiegeulieit i)eschäfti^'t Iiaben,
zuweist. Welchem von beiden, wage ich nicht zu entscheiden.
Auch die orth<>;:r:iphif;rhen und spraehlichen Eigentümlichkeiten
des Entvvuifes deuten mit aller Bestimralbeit auf das Gebiet
des Miiteli heins.
Aber eljeiiso wie es mit dem ersten Entwurf preschah,
koiiiile auch diesei zweite lediglich von Strassburg zu deu Akten
gelegt worden sein, ohne dass ihm Folge gegeböi wurde. Und
jedenfalls muss derjenige, welcher behauptet, Strassburg habe
die verlangten Briefe geschrieben, dafür weitere Beweise er-
bringen ; das Vorhandensein des Conceptes kann als ein solcher
nicht gelten. Dass von »o zahlreichen gleichlautenden Schreiben,
wie sie Strassbui^ auf Wunsch des Kaisers an 16 Städte Süd-
deutschUndes und der Schweiz senden sollte, bisher kein ein-
ziges gefunden worden ist, spricht jedenfalls nicht für diese
Meinung.
Ein bestitiunles l'rtei! nf)er die Haltung Slra'fburgs in
dieser kritischen Angelegenheit ermöglichen erst die kommenden
Ereignisse.
Zunächst noch einen Blick auf den Inhalt des zweiten
Entschuldigungsenlwurfes ! Das Lob des Kaisers wai' in ihm ge-
genQber dem vom Bischof Johann IL vorgelegten Entwurf er-
heblich abgeschwächt ; man habe nie anders an ihm erfunden,
cdao daz er uns und dem lande zu tröste und zu helfe kommen
waz9. Daher thue ihm der Unrecht, der sage, er habe die
böse Gesellschaft ins Land gebracht. Was die Strassburger
verhindern konnte, einen solchen Entwurf /.u dem ihren zu
machen, war wohl der Umstand, dass ihnen wahrend der Dauer
des kaiserlichen Aufenthaltes im Lande über den «Trost und die
Jiülfej» Karls eine Belehrung geworden war, die sich mit dem.
^ Dass or voll auswärts an Strapsbnrjj gesandt wurde, «rkeoBt
man schon daran, duss er wie ein litief gefaltet ist.
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— 48 —
was der Brief aussagen sollte, doch schwer vereinigen Hess.
Ferner entsprach es nicht den Thatsuchen, wenn sie, wie auch
der zweite Entwurf wollte, sich selber mit dem Odium der
Urheberschaft dieses Gerüchtes belasteten. Mochte auch dieser
Entwurf im Ver^^leich zum fifiberen den Strassburgern in et-
was entp^jjf'nkommen, eine tiefe Doninfi^-'ung bedeutete es doch,
wenn sie sich einem solchen AnsiinHMi unterwarfen ; um so
tiefer als die Unterweilunj^ nach su laniitT Zeit unbi«<hn'^'ter
Ablehnung durch das j^erinj^e Ent^'ejteiikoiniiKJU im Wortlaut
des zweiten Entschuldijjungsentwurfes keine ausreichende Be-
gründung gewonnen haben Wörde.
Rührte der Entwurf vom Bischof Dietrich von Worms
her, so muss er vor dem 2. November 1365 aligefasst sein,
denn nur als Wormser Bischof und nicht mehr als Inhaber
des Melzer Stuhles hat er sich dieser Sache angenomiiten. War
er dagegen vom Bischof Laropreclit den Strassburgern fil)er-
sandt, so muss dies im Januar 130(3 «reschehen sein. In diesem
Monat hatte er seine vermittelnde Tliätigkeit begonnen nnd
sehr bald darauf eine Reise nach Avij^mon an;retreten. Da er
bereits am 19. März wieder ztirMrk^'ckclirt von Pra-/ aus an
Strassburg schreibt, * po ist die Keise walirsi läcinlich sciion im
J;niuar angetreten wunieii ; und das Ende dieses Monats ist
der letzte Termin, an dem der Entwurf in Strassburg einge-
traJTen sein kann. —
Mochte auch der Brief des Bischofs Lamprecht die Stimm-
ung des Kaisers als gefahrdrohend fOr Strassburg geschildert
haben, die Stadt, die schon zweimal dem durch Mittelspersonen
au sie gerichteten Verlangen des Kaisers, seine verletzte Ehre
durch eine an «iie namhaftesten Städte des deutschen Südens
gesandle schrifiliche Erklärung wiederherstellen zu helfen,
widerstanden hatte, zeigte auch diesmal Iceine i3ereitwilligkeit,
sich der kniscrlirlien Forderung zu unterwerfen. 2
Der iCir doii 8. März i^cplanfe Tag in Nürnberg, atif dtMa
der Kaiser dfu Furstcn, IlcrrcMi und Städt<*n des Roh Iios meinen
Streit nnt Sfrasshuc;^' \ni le;^fen wollte, kam nicht zu staniU' ; der
Kaiser weilte unuulerl)ro<:ben bis zum t20. April in Prag.
Es war ein Glück für Strassburg; denn bei der Stimmung
des Kaisers gegen die Stadt wSre wohl ein unheilvolles Ergebnis
unvermeidlich gewesen. Vom Hochsommer des Jahres 1365
bis in den März 1366 — mehr als ein halbes Jahr — hatte
» Str. U B. V nr. 713.
S Das beweist der Brief des Grosahans von Rosheim, in dem
klar und dentlicb mitgeteilt ist, dass Strassbnrg etwa bis zum
96. Härs dem Kaiser gegentkbei: keine Schritte gethan bat. Vgl. unten.
— 49 —
KnrI vergeblich darauf j;ewarlet, das.« ihm die jrewünschte Ge-
nui^'thuung wurde. War es ein Wunder, wenn er jetzt be-
gann ungeduldig zu weitien und den Gedanken oiner gewalt-
samen Kntscheidun^ der Angelegenheit enisllich in Kiwä^ung
zog? Eine Missachiung, wie sie von Slrassbuig mit Beharilich-
keit und unverhüllter Oflenheit seinem kaiserlichen Willen ent-
gegengesetxt wurde, musste schlieitslich auch einen Mann von
der Art Karls IV. von der UnumgänglichkeU einer Entschddung
mit deo Waffen überzeugen.
War er im Januar noch der Meinung gewesen, sich mit
der im Einvernehmen mit den ReichsstSnden zu erlassenden
Achtserklärung gegen Sirassburg begnügen zu können, jetzt,
nachdem diese Sladt trotz dreimaliger dringender AufTorder-
ungen bis tief in den Mär/ hinein keinen Srlirift gethan hatte,
um «liirch Unterwerfung uiiler seinen kaiserlichen Willen die
versrher/le OiKule wieder/u^owinnen, jetzt schien ilini dies
bei weiten» niclit mehr auszureichen. Persönlich hatte er sicli
durch das Gerücht, dessen LntsteJiung er den Strassburgern
zur Last legte^ verletzt, sich in setner Ehre als kaiserlicher
Schirmherr deutsclien Landes lief beleidigt gefühlt. Und jetzt
schien ihm durch das beharrliche Schweigen der Strassburger
der entehrende Vorwurf, der fdr ihn in dem Gerüchte lag, mit
hewusster Absicht aufrecht erhalten. Jetzt schien ihm ein
persönliches Eingreifen mit bewaffneter Hand nicht mehr um-
gangen werden zu können, und er war fest entschlossen, nach
der Krönung des hocliwichtigen Erbvertrni:e< mit den Habs-
Inirgern «lur« h Knt^'^ejrennahme der Eventualliuidigung in Wien
und naeli ert'ol^^ter Kmipfung iles nirbt minder verheissungs-
vollen F.heverlübnissci, zwischon seinem Sühne und der Nichte
des Ungaruküuigs, Stiassburg mit den WalVeu atizugreiien.»
^ Str. U. B. V ur. 711. Brief des Grosshans von Rosheim an
den Ämmeister Conrad Müller, undatiert, aber durch seinen Inhalt
chronologisch vollständig gesichert. Ak uächstbevorstehendes Er-
«ignis wird die aof den 83. April festgesetzte Reise Karls IV. nach
Wien zur Entgegrnnahme der anf Gtund der luxemburgisch-habs-
bargischen Erbverbrüderang vom 20. März 1366 za leistenden Eveu-
taalbaldigung der SsterreicSusehen Herren nndLandvOgte mitgeteilt
Der Brief mnss also nach dem 26. März, vielleicht auch ganz kurz
vorher, als der Abschluss der Erbvcrbrütlorung schon vöUicr gesichert
erschien, gebchriebeu seiuj auf alle Falle vor deai 2^. Marz, da Ver-
handlungen Strassbnrgk mit dem Kaiser noch nicht stattgefunden
hatten; ebenso sicher nacli dein 19. ifärz. dem Tage der Doppel-
hochzeit am kaiserlicheu Uofe, and zwar näher am 26. als am 19. März^
da der augenscheinlich gut anterriehtete Groashans sieher dies wich»
tige Ereignis erwähnt tiaben würde, wenn er noch hätte glauben
können, den ätrassburgern damit etwas Neues mitzuteilen, und wenn
es nicht schon durch die bevorstehenden Ereignisse völlig in dea
4
r
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— 50 —
Die Acht des Reiches sollte allen Herren gestatten, sich an dem
Gute der Strassburger auf becjupme Art zu liereichern.
7m anderen Zeiten hätte vielleicht Slrasslmr;: dataut' zählen
können, in diesem Zustande der Pie!s;^al)e an alle, denen es
wohl gefiel, sicii mit fremdem Gute einen leichten Gewinn zu
verschaffen, wenigstens hei den Stfuiten Unterstützung oder
doch eine wohlwollende Neutralität zu linden. Jetzt waren aber
auch die Städte versUmmt gegen Sirassburg und klagten laut
bei dem Kaiser äber das cUngelt», ivomit wahrscheinlich der
von der Stadt neu errichtete BreuschsoU gemeint war, durch
den die Handelsinteressen der Städte notwendigerweise geschA-
digt werden mussten.
Dem Kaiser konnte diese I.^olierun',' Strassburgs nur will-
kommen sein. Unterwarf es sich nicht noch rechtzeitig, so
musste der Augenblick kommen, vco das Geschick der stolzen
Stadt in seine Hände gofrohen war.
Aber es hatte nicht mehr dieser Mitleüungen tles Strass-
burger Burgers Grosshans vou Uo.>lieini, der in eigenen An-
gelegenheiten nach Prag gegangen war, bedurft, um seine Vater-
stadt vun der stetigen Verschlimmerung ihrer Lage zu übei -
zeugen. Schon vor dem Eintreffen seines Schreibens hatte man
dort erkannt» dass man die Stadt der schwersten Gefahr aus-
setzte, wenn man fortfuhr, auf dem bis dahin eingenommenen
Standpunkt absoluter Ablehnung su verharren.
Möglich dass Bischof Lamprecht von Speyer seine Heise
nach Avignon, die ihn ja nahe an Strassburg vorbeiführen
mu<;ste, dazu benutzt hat, noch weiter in versöhnlichem Sinne
auf diese Stadt einzuwirken. Sicher ist, dass ihu Boten der
Stadt zur Zeit seiner mutmasslichen Ruckkehr in Nürnberg
erwarteten. Nach vergeblichem Harren kehrten sie am 14. Mäi'z»
wieder heim. Hätten sie sieh nur einen Tag länger geduldet^
so wären sie mit Lainprecht zusammengetroffen.
Wenn aueli ein persönlicher Meinungsaustausch durch die
verfrühte Abreise der Slrassburger Boten nicht zu stände ge-
kommen war, die Vermittlerrolle lag in den rechten Händen,
und Bischof Lamprecht Hess es sich nicht verdriessen, auch
nach seiner Rückkehr an den kaiserlichen Hof dem Werke der
Hintergrund gedrängt worden wäre. Es ergeben sich also für die
Datierung dieses Schreibens die engen Grenzen vom 19. bis tum
29. März mit einem hohen Grade von Wahrscheinlit hkeit für eine
Abfassung in nächster Nähe des 26. März. Im Urkandenbucb ist der
Brief mithin em wenig zu früh eingereiht. — Bs ist klar, dass bis
dabin die Entschaldigangsbriefe Ton Strassburg nicht eingetroffen
waren.
* Str. U. B. Y nr. 713 Brief Bischof Lamprechts au Strassburg.
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— 51 —
Versdhnung weiter zu dienen. Am 10. März schon teilte ei dem
Strassbui^er Rat die Vereitelung des ZusammentreiTens in Nürn-
berg bedauernd mit, dass, falls sie sich zur Absendung einer
Botschaft an den Kaiser enterb Ii essen sollten, er init seinen
Freunden nach Kräften ihre JSache fördern würde. Und in dieser
Ricbtun^^ war er schon jetzt thätig gewesen, indem er mit dem
Kaiser darüber gesprochen halte.
Zur Entsendung der ihnen in so entgegenkommender Weise
nahegelegten Botschaft haben sich die Strassburger nun endlich
in der That entschlossen. Am 29. Mftrz gewahrte ihnen Karl
freies Geldt bis zum 34. Juni fQr die mit ihm zu fahrenden
Unterhandlungen, und die EnfsenduDg der Boten der Stadt
echeint dann auch in Bälde nach dem Eintreffen des kaiserliehen
Geleitsbriefiss erfolgt zu sein.
Zur Anknüpfung von Verhandlungen hatte sich Strassburg
bereit finden lassen ; nur der Forderung der Entsendung von
Entschuldigungsschreiben halte es einen unef •acbütterlichen
Widerstand entji;-egengesetzt. Um einen solclieii Preis lialte es
die Versolinun;.'^ mit dem Kaiser nicht erkaufen woüen ; und so
lange diese Fordei un^f im Vordergrunde stand als conditio sine
i{Ud non für die Herstellung besserer Beziehungen, konnte von
Verhandlungen zwischen der freien Reichsstadt und dem Kaiser
keine Rede sein. Im letzten Briefe des Bischofs Lamprecht war
dieser Forderung mit keinem Worte mehr Erwähnung gethan;
bestand man also nicht weiter auf ihrer Erfüllung, oder zeigte
man sich wenigstens bereit, in Verhandlungen einzutreten^ ohne
dass Strassburg vorher den vom Kaiser gewünschten Akt der
Unterwerfung vollzogen hatte, so hatte diese Stadt keinen Grund
mehr, auf dem bis dahin l)eobachteten Standpunkt eisiger
Zurückhaltung" nnch ferner 7M beharren. Ihr konnte so|^ar nichts
gelegener kommen -ils dies Angebot direkter Unterhandlungen
mit dem Kaiser, die sie dazu benutzen konnte, das Reichs-
obcrliaupt von der Grundlosigkeit seines VeHachtes zu über-
zeugen und die sie demütigende Form einer brieflichen, an
zahlreiche Fürsten und Städte zu richtenden Entschuldigung zu
ersetzen durch eine mündliche Erklärung an den Kaiser allein.
Hätten die Strassburger dem Kaiser durch Absendung der
Entschuldigungsschreihen Genüge geleistet, dann wäre, Alls
überhaupt noch Verhandlungen von nöten waren, die grosse
Viirsiehl unbegreiflich, mit der die Stadt jetzt verfuhr. Dann
hülle sie eines kaiserlichen Geleitsbriefes nicht bedurft. Denn
was den Kaiser ^repren Strassbur^r anflirachte, war doch vor allen
Dingen das dieser SlaHt zuj^escbriebeiie Gerücht, die Engländer
seien von ihm herbeijjei ufen, und ihre \Vei;j^erun^% die ge-
wünschten Entschuldigungsbriefe abzusenden. Hätte Strassburg
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— 5a —
diesem Ansinnen nachgegeben, so wären die übrigen Kiage-
punitle, difi der Kaiser in seinem {regenwarti^^cn Unwillen gegen
die Stadt laut v.cnlon Hess, sehr hald zu volli'^rj^r liedeutunj^s-
losigkeit herabyesuiiken und mit Hülfe der ^juten \ crbindunj^en,
über die Strassburg am kaiserlichen Hofe verfügte, ohne jede
Schwierigkeit beigelegt worden. In ihnen lag kein Keim zu ge-
fährlichen Verwickelungen.
Aber weil Strassburg die verlangte Genugthuung nicht ge-
lebtet hatte und eotachlossen vrar, sie nach wie vor zu ver^
weigern» darum iLOunte es nicht wissen, welchen Ausgang seine
Verhandlungen am Prager Hofe nehmen wCrden. Deswegen
mussle es sich für den Fall, dass der Kaiser auch ferner an
seiner ersten Bedingung festhalten !=^ollte, auf alles gefasst
machen. Dann bedeuteten die Verhandlungen für die Stadt nur
einen Gewinn an Zeit, die auszunutzen man sofort die geeigneten
Massrep^eln ergriff.
Während der Anwesenheit der Engländer im Elsass war
Strassburg auf die empfind huhste Weise an die schwachen
Punkte seiner VeileidigungSiiteUuug geiuabul worden. Zwar
konnte sich die Stadt gegen jeden Gegner halten. Aber ausser-
haib des Kranzes der festen Mauern lagen vor den Thoren die
Vorstädte, schutzlos den Handstreichen und PlQnderungen jedes
entschlossenen Feindes preisgegeben. Zweimal hatte Strassburg
in ihnen die raulie Hand der Englander fühlen müssen*
Dem sollte jetzt, so schnell es in der Eile ging, wenigstens
notdürftig abgeholfen werden. An die Errichtung von festen
Mauern, wie sie das alle Strassburg umschlossen, zum Schutze
der Vorstädte konnte wegen dei' Kürze der zu Gebote siehenden
Zeit nicht gedacht werden. Man be^fmi^te sich damit, sie einsl-
weilen durch Anlage von mil Palhsaden verstärkten Gräljen in
verteidigungsfähigen Zustand zu »etzeu. i Es wurde mit so
grossem Eifer gearbeitet, dass die Befestigung, wie es scheint»
noch während der Abwesenheit der an den Kaiser gesandten
Boten fertiggestellt wurde.*
^ Str. 0. B. V ur. 741 andatiert, aber eesicbert durch den aaf
der sttdern Seite des Blattes stehenden Bescnioss die 100 Glefen auf-
mstellen vom 17. April. Unter dem letsten Absatz sielit man di»
oberen Schäfte der Bachstaben einer neuen Zeile, die durch einen
glatten Schnitt abgetrennt ist. Die Ratsbeschlüsse von nr. 7il
standen also bereits auf dem Blatt, als aaf der Rftckseite der Be-
sohlnss vom 17. April verzeichnet und das Blatt nach diesem, aber
ohne Kücksicht auf die Beschltt&se der anderen Seite zugeschnitteii
wurde. Diese sind mithin vor dem 17. April aufgeseidiiiatt aber
nicht lange, da die Boten an den Kaiser schon abwesend waren»
dessen Gdeitsbrief erst vom 29. Mfirr, datiert ist.
2 ist die Kede von einem «buwe . . . den man da ;d. h. in
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— 53 —
Von den Kosten sollte ein Drittel durch das Uogelt aufge-
bracht ^verden; die übrigen zwei Drittel wurden den Grund-
und Rentenbesitzern dt r Vorslfidte auferlegt. Die Instand halt ung
der Befestigungjjvverke lag denen ob, auf deren Grund und
Boden sie ani^clegt waren. Für Abbruch der Pallisaden wurde
1 Jahr Vorh iniHinfT und eine Geldstrafe von 5 Pfund angedroht.
Diese Hesciilüsse des Rates riefen unter der vorstädtischen
Bevölkerung grosse Erbitterung hei vor; ein Teil der dortigen
Besitzer weigerte sich, die verlangle Zahlung zu leisten : Die
Engländergefahr drohte ja nicht mehr; warum also brauchte
man die Befestigung der Stadt mit so fieberhafter Eile und mit
so starker Inanspruchnahme des Privateigentums su betreiben?
Es kam zu stürmischen Scenen auf der Pfalz. Aber der Rat
iiess sich in dem als notwendig Erkannten nicht irre machen.
Mit drakonischer Strenge wurde eingesi;hritten : Jeckelin Bader
und Slammeler wurd^ auf Lebenszeit aus der Stadt verwiesen
und 7 andere Personen mit Verbannungsstrafen von 1 bis zu
lüjähriger Dauer belegt, i
Auch dnfür, dass im Falle der Not eine lu-wafTnetc Mann-
schaft zur Verfii^niii^r stand, wurde *^esor^t, indem der Hat am
17. April den Beäcliluss lasste, lUO Glefen unter zwei Haupt-
leuten aufzustellen, die bis zum Weihnachtsfest stets «gerüstet
und gespannen» sitzen solUen.*
Welchen Verlauf die unter so ernsthaften militärischen
Vorbereitungen begonnenen Verhandlungen Strassburgs mit dem
Kaiser genommen haben, darüber berichtet weder eine Urkunde
noch ein Brief. Von dem Zerwürfnis, das bis dahin in den
zeitgenössischen Aufzeichnungen so deutliche Spuren hinter-
lassen hat, wird es jet/( ^anz still. Aus dieser Thatsache kann
man wenigstens für den Ausgang der Verhandlungen einen
öchluss ziehen : völlig gescheitert können sie nicht sein.
Dass sie dein Verhältnis Strassburgs zum Kaiser, das nun
scliuu eine lan-e Keilie vun Jahren hindiu'ch kein erlieuliches
mehr jrewesen war, sofurl wieder den Stempel herzlicher Freund-
schalt aufdrücken würden, das hat wohl weder in Strai?sburg
noch unter den mitwissenden Zeitgenossen jemand erwartet.
So rechnete der Pfalzgraf bei Rhein auf den Beitritt Strassburgs
zu dem Bündnis, das er mit den freien Städten des Mtttelrheins
zur Wahrung ihrer Freiheiten und Gerechtsame auch dem
Kaiser gegenüber zu schliessen wünschte. Der Pfalzgraf wollte
den Vorstädten) gemachet het». Welcher Art dieser Bau war,
seigt nr. 732 o. 779.
1 St. U B. V nr 740.
2 Ebendort nr. 718.
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— 54 —
damit den Bestrebungea Karls IV., das Reich an die Krone
Böhmen su riehen^ einen Damm ent^^egensetzen. Am i7. Juli
sollte diese Angelegenheit zu Germersheim unter seiner persön-
liclien Teilnahme beraten werden. * Aber seine Bestrebungen
hatten kaum einen lialt>en Erfoljj : der am 5. Aupfust zu Ger-
raei'sh^'irn ^-^eschlossene Bund war beschränkt auf die beiden
Pfalzyralen Kupreclil den älteren und den jüngeren und die
Städte Worms und Speyer. Für SlrasäLurg untl Mainz wurde
der Beitritt ein Jahr lang offen gehalten. Fürs erste waren sie^
die mächtigsten der Städte, also nicht gewonnen worden. Und
in das Bundesinstrumeni wurde keine Besümmung aufgenommen»
auf Grund deren eine gegentieitige BundeshQlfe auch gegen den
Kaiser hätte stattfinden müssen. Im Gegenteil, man beteuerte
g^en Karl IV. und das Reich seine Anhänglichiceit mit einer
Inbrunst, wie sie sonst in den Bikndnissen jener Zelt vergeblich
gesucht wird. 2
Am 7. Oktober noch war man im Strassburger Hat uneinig,
ob man die vor kurzem aufgestellte bewaffnete Maclil noch be-
halten, ofier oh man sie entlassen .sollte. 3 Darnacb sclieinen
die I5t /Irl innren zum Kaiser sich allerdings verbessert zu haben,
aber noc ii nic ht bis zum vüllipren Verschwinden jeder Besorgnis.
Auf je*len Fall ist dies die leLzle Spur eines noch nicht
hergestellten völligen Einvernehmens mit dem Kaiser. Und wenn*
auch StFSSsburg tu Karl IV. niemals in so engen Beziehungen
gestanden hat wie zu dessen Vorgänger Ludwig dem Baiern»
gegen den unsere Stadt in ihrer Treue niemals gewankt faat^
so zeigt doch von nun an der Verkehr zwischen Kaiser und
Stadt, wenn auch keine besondere Herzlichkeit so doch noch viel
weniger irgend welche Feindschaft oder Gehässigkeit.
» Bericht der Strassburger Bottn. Str. 0. B. V nr. 728.
» Wormser ü. B. U nr. 620.
9 Str. U. B. V nr. 78t.
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— 55 —
Anhang.
MbntMiard an Basel: NachrkhUn über die Englander
[1300 Juli d.]
Rectmmendadone famuhsa previa cum effeciu, Nu-
merum, quantiiatem Anglarum et vbi eint ad presensy vobie
tenore preseneium iniimamue, Quantitas et numerus ipsorum
est circa decem milia equitnrn, sicut nobis ab estimatoribns
est relulumy et sunt in Visidio mmc locati^ qui locus de
Visulio distat a loco i\fontisblig[ardi] Septem leuciSy et jam
quedam pars ipf^orum circa Montem JuMinum isto sabbato
su)it locati et Semper appropinquantc^ comital[fn] Montif^bi-
Ug[ardi] an antea in Almciam incedere cupienteSy quos de
die in diem apud Moiitembiliglarduin\ venturos sicut dicitur
prestolamur. Ei ad unam brevem leucam sunt nunc tem-
paris prope Lutram, que est de et sub tutda comitatus Phir-
retamm, ipsam volentee infra erasHnum eapere vU^enter,
prout nobis est veracüer intimatum, Scituri feria quinta
nupeit lapsa mmmo mane isto« wMleSy qui secuntur, in
Chariaco viriliter fore eaptoSt videlieet dominos Heinricum
et Jacohum de Yianna cum filiis eorundemy dominum de
Mo)demertino cum fUto suo, tres dominos de /?ta, duos do-
minos de Torafiia, WiHtelminn de Bella Opera mifite'^ cum
octoginta viris annads in Cliariaco consistentibus cum eisdem,
Quare prevideatis cos efficnciter super ist^s. Conaercet vos
gracia salvatoris. Datum sabbato post festum bealomm
Petri et Pauli apostolorum.
Thcobafdus de Bavans miles et
Hugo cc^tellanus Montisbiliylardi] per omnia toti vestn»
[In verso] Magne nobilitatis et Industrie viro domino
Cünrado de Berenvels militi magistro civium B<isilien[sium]f
8U0 domino et amico,
*
Str, St. A. O. 0. P. lad. 32 nr. 5. ef*p, ch. cotm*
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Iii.
Die Postverbindunji:
zwischen Barr und Strassburg in der
2. Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Um die MiMo de« aclilzehnlen Jalirbuiiilert-' war die Herr-
schaft Barr, die zw ;ir nur aus den 5 Gerneirnlen Barr, Heilip^on'^ftMii,
Gfrt wfilcr, Tioxwciler und Burgheim hcstnnd, trolziiem eine
der Ijeileultndsten und reichsten (Ichiot»' der Piovinz Elsass,
sowohl mit Ilücksieht auf <ii«' loichcu \Vnl(lun;ien des Südab-
hanjj'-es des OdiHenherges und th?r Kirneck- und oberen Andlau-
thäier, um welche letztere die Cremeinden mit dem Inhaber der
Herrschaft, der SUdt Strassburif, fast anderthalb Jahrhundert
langf bei den verechiedensten Gerichten im Prozesse lagen, als
Auch infolge des regen Gewerbefieisses und der Emsigkeit der
Bewohner des StSdtchens Barr, das damals den Charakter eines
arl>eitsamen Handwerkerslädtchens hatte. Diese Herrschaft war
eine der bevölkertsten Ge<(enden der Provinz Elsass, und mit
wenigen Ausnahmen waren sämtHche Insassen Gewerljet reibende,
sei e«? Kanflente, «ei es Handwerker jeder Art, die sich eines
niciil unbodcuffHti(Mi Wfihlslainli'- erfreuten, sodass die in der
Herrschaft in Furiu de?» Zsvunzi;,^^teii erhobene (iewei hesleuer
dem Fiskus die für damalige Verhältnisse nicht unbedeutende
Summe von 2000 Livres eintrug.
Eine um 17S0 aofgesletlte Tabelle gtebt Ober die Hand
Von
P. A. Helmer.
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— 57 —
werker, insoweit sie als Zunftmeister eu den 13 ZQnften der
Stadt gehörten, folgende Angaben :
Chapelliers 7, Cloutiers 10,
Ürapiers iO, Meunieis et boulangers 51,
Tonneliers 53, Cordonniers 94,
Serrurier? 9, Tanneurs 52,
Armiirier? 3, Menuisiers, ma(."ons et tail-
Tailleurs (Phabits 40, leurs de pierres 30,
Menuisiers 15. Charpentieis 14.
Beirnclilot man diese Tahelle näher, so erkennt man leicht
sowülil aus der Art eini}j;er lidiidwcrker, die üe^^enstfinde iier-
stellen, welclie nicht bestimmt sind blns an Ort nnd Stelle ab-
geselzl zu werden, sondern aut ein grösseres Aij.salzgebiet als
das Städtchen und die umliegenden Dürfer hinweisen, als auch
aus der grossen Zatil anderer, deren Eneugnisse nicht Amtlich
in der Herrschaft verbraucht werden konnten, dass der Gewerlie-
fleiss der Bewohner der Herrschaft ein grösseres Absatzgebiet
fOr die hergestellten Waren notwendig machte und dass daher
einstige Verkehisverhältnisse eine Lehen^liedinj^unp für das
Blühen und Gedeihen der Barrer Industrie im 18. Jahrhundert
waren. Die hohe Zahl der in Barr arbeitenden Schuhmacher,
Knfcr, Gerher nnd Schneider, fnr die das Gebiet der Herrschaft
allein nnmöi^lich einen ansreic lienilen Markt dnr!)n|, zwinpt zu
der Ann dune, dass diese Handwerker ilire \\'ar(ni htMstdlten,
um sie Weiler zu versenden und in der Ferne zu vei kaufen.
Hieiiu he^nündet sich das «zrosse Interesse, welches Uie
{ranze Herrschaft an geregelten Post Verbindungen mit der etwa
30 lern entfernten Hauptstadt der Provinz, mit der sie auch in
engerer politischer Verbindung stand, und zwar sowohl hin-
fsichtlich der Personenpost, als auch der Brief- und Packetposf
hatte.
Die hohe Bedeutun<r, welclie von den Bewohnern der Herr-
.Schaft dieser Post beijrelegf wurde, führte im Verein mit der
Persönlichkeit des Poslhallers, dei wohl auch seihst nicht der
friedferhV'sfe Men<rh war, in der zweiten Hälfte des vorigen
JahrhundtM ts zu ni.inniLj l iehen Slreiti^^keilen zwischen der ßür-
j^ersihatt nud den» Inhaber der Post, (ieren Niederschlag iu
Gestalt eines Aklcnbündelsi über
Jean-Micbel Diffin^,
bourgeois-boulanger-aubergiste de Barr, messager ordinaiie du
' Befindet sich nunmehr in der Kaiserl. Universitüts- und Landes-
bibliothek in Strassbarg, ElsasS'Lothringiscbe Handschriften Nr. 1110.
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_ 58 —
d^paiiement et de la seigneurie de Barr et maitre de la voiture
stabile en forme de (iiligence, in dem Archiv des Amtsgerichts Barr
aufbewahrt ist. Wenn auch Hie belrcflcnden Schriftstücke im
Grunde nur den Zweck verfolgten einzelne Streitpunkte zwischen
Difllne und der Sl.idf Barr oiicr einzelnen Bürj^ern zu erledi{?en,
m lü^st sich düi h durch ihre Gesamtheit das j^rnnze Institut der
damaligen Posf irn (ieiste ^ewissermasf^en wieder aufbauen, j'o
dass man dadurc.ii einen P^inhUck erhält in di«» Art, wie dei"
einzelne in jener Zeil rei.sle und wie der Staat lur regelmässige
Verkebrsverbiud u w^e n sorgte.
Die Kenntnis dieser Postverbindungen zwischen einem
kleineren Provinzialstidlchen und der Provinzialhauptstadt mag
heutzutage nicht ohne Interesse sein, wo die Errungenschaften
der modernen Technik auf dem Gebiete des Verkehrswesens:
Eisenbahnen» Weltpostverein, Telegraphe und Telephone uns
die Umständlichkeiten vergessen machen, mit denen unsere
Vorfahren beim Gedankenaustausche und beim Reisen zu rechnen
hatten und wo anderseits die wissenschaftlichen Untersuchungen
der damaligen Zustände sich fast ausschliesslich auf den allein
politisch bedeutsamen Verkehr auf den grösseren Staatsstrassen
erstrecken.
Die Verkehrseinrichtungen zwischen Barr und Strassburg
umfassten in damaliger Zeit die Beförderung von Personen
mittels der Diligence, die Uebermittlung von Briefen, Wert-
sendungen und Packeten, während von einer Extrapost, welche
den Reisenden nur die Pferde zum Ahlösen lieferte, keine Rede
ist, da woiil auch hierzu auf der kurzen Strecke zwischen Barr
und Strassburg kein Bedürfnis war.
Die Belorderunjj von Personen erfolgte in damalin^er
Zeit in jenen geräumigen Wagen, die man heutzutage nur noch
in entlegenen Gebirgsgegenden oder an fast völlig des Verkehrs
mangelnden Orten der Ebene in Gehrauch sieht, die man aber
^ wenigstens alle drei Monate ^ in jeder guten Familienieit*
schritt auf Bildern aus der «guten alten Zeit» findet. Auf vier
Banken konnten im ganzen 12 Personen in diesen Wagen Auf-
nahme fmden. Freilich mag die Notwendigkeit zu dreien ge-
drängt auf einer Bank zu sitzen der damaligen» bauschigen
Frauentracht nicht recht entsprochen haben. Denn seihst die
Gewerhefreihcnden, die der Geschäfte halber von Barr nach
Stnissburg fuhren, klagten darüber, da«s man auf den Bänken
der Diligence sich kaum regen konnte, und sie zogen es zum
teil angeblich aus diesem Grunde vor, in jenem zweiräderigeu
1.
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— 59 —
Korbwagen, dem Bennenkarch, der heule nur noch zum Trans-
port von Kartoffeln und Zwiebeln dient, zu fahren, als sich in
den wandelnden Kasten der Diligence einpferchen zu lassen.
Vier starke Pferde mussten in der Regel an dem Wagen
ziehen und ihre Kraft reichte nur aus, wenn die Strassen
trocken und leicht fahrbar waren. Im Winter dagegen, wenn
die Strassen vom Regen und Schnee durchweicht waren und
die Räder des Wa<^en«= nur >chwer voran kommen komiten,
he<lnrt'fe es liäiiüj^ eines fünften, ja, unter besonders schwierigen
Verhältnissen 6t)gar eines sechsten Pferdes.
Dieses stattliche Gespann veiinüchle jedoch holz iler Zahl
der Pferde die etwa 30 km lange Fahrt von Barr nach Strass-
burg nur in 6i/s Stunden zurückzulegen. Denn so lange muss
die Fahrt in der Regel gedauert haben, wenn die Itemerkung
richtig ist, dass, als Diffinö das Trinkgeld des Fuhrmanns auf
6 Deniers pro Stunde festsetzte, dieser bei Hin- und Rückfahrt
mit voll besetztem Wagen 3 Livres i8 Sols erhalten hätte. Aber
auch andere Anhaltspunkte weisen darauf hin, dass die Fahrt
6 bis 7 Stunden gedauert habe.
Aus diesem Grunde miis>ile die Pos! morgens in aller Frühe
Barr vorln5;<5en, damit die Heisentlen noch des Vormittags in
Strasshur^^ Zeit fanden ihre GeschäOe zu erledigen und die I>ili-
genee nech um die Mitte des Nachinillags die llurkfalirl n;ich
Barr antreten konnte. Nach langen Klagen über die ünregel-
mSssigkeit der Abfahrt sowohl in Barr wie in Strassburg,
infolgederen zahlreiche Reisende den Wagen verfehlten, wurde
durch die Ordonnance vom 27. Juni 1774, welche den Post-
verkehr eingehend regelte, angeordnet, dass die Diligence fortan
des Morgens um 3 Uhr von Rarr und des Nachmittags im
Sommer ebenfalls um 3 Uhr, im Winter um 2 Uhr von Strass-
burg abfahren sollte. Dem Reisenden bliel) also nicht viel Zeit
zum Aufenthalte in Strassburg. Schon frühzeitig musste er sich
nach Milln|_r im «f»ebsfock» in der Langgasse wieder einfinden,
wo die Halteätelie der iiiligence war. Wollte er länger in Strass-
burg verweilen, so musste er gleich eine liallie Woche auf eine
neue Gelegenheit zur Rückfahrt mit der Diligence warten. Denn
die Post luhi nicht alle Tage. Nur zweimal wöchentlich, Mon-
tags und Donnerstags, fuhr sie — und die Wahl dieser Tage
war um so unglücklicher, als es den Rarrern zum teil daran
gelegen war, Freitags zum llarkttage nach Sirassburg zu kommen.
Der Preis für Hinfahrt sowohl wie Rückfahrt war jedesmal
24 Sola. Auf diese Summe wurde er nämlich durch die Ordon-
nance von 1774 festgesetzt, nachdem die Bürger von Barr sich
bitter darüber beklagt hatten, dass Diffme keine festen Preise
hatte, sondern einen jeden nach Gutdünken taxierte* Für den
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— eo -
Preis von 24 SoU durfte man unentgeltlich Handgepäck mit-
nehmen bis xum Gewichte von 20 Pfund. Durch die Zulassung
von Freigepäck wurde dem Umstände Rechnung gel rniren, dass
die Fahilen von Barr nach Strassburp: hauplsrichlich um der
Geschäfte willen erfoljjten und die Fahrt ohne Gepäck nur äii':-
serst seilen vorkam, sodass ihn- Preis tür das Gepäck zugleich
in dem Personenfahrpreis uutgenonirnen werden konnte.
Der Preis von 24 Sols war derjenijfe der Konkurrenten des
Dilline, die ihm Irotz seines Monopols ins Handwerk pluschten,
und die gerade mit der Behauptunjj verteidigt wurden, dass
die Fuhrt bei DifTind teuerer sei. Als aber Diffin^ eine Taxe von
24 Sols für die Fahrt auferl^t wurde, suchten seine Gegner
ihn dadurch zu bekämpfen, dass sie bebauplelen» es wären Leute
in Barr (namenllicb ein Diebolt, n^ociant), welche sich mit
20 Sols begnüjieu würden. Hierauf ging jedoch die Verwaltung
nicht ein, da sie ofTenhar, nicht wie es heute öfters bei Subroi^
sionen gescliielit, ohne Prüfung die Offerle desjenigen annehmen
wollte, der am wenigsten forderte, somlern die Angemessenheit
des Preises dei' ei;;eneii Heui leilung nrderzog und sie otVenhai" zu
tler Ansirlit kam, dass die» Diligence nicht fortbestehen könnte,
wenn iler Preis inx li mehr herahgesetzt winde.
Ausser dem Fahrpreis, der dem lnhal>er der Diligence zu-
kam, mussfe, wie es damals in alten Ländern gang und gäbe
war und auch jeixt noch ist, dem Kutscher ein Trinkgeld, les
guides du posfillon, gegeben werden. Dieselben wurden jedoch,
um Bevorzugungen und den daraus entstehenden Streitigkeiten
vorzubeugen, vorher festgesetzt. In einem Kalender für das
Jahr i771 war das Trinkgeld für eine Fahrt von Barr nach
Strasshurg auf 2 Sols und ebensoviel für die Rückfahrt fest-
{resetzt. Als derselbe Kalender drei Jahre darauf 4 Sols an-
gab, und man annahm, dass dies nicht auf einem Druckfehler
beruhe, sondern auf die Veranlassung DitVines liin geschehen
war, erhohen die ]5arrer dcslmll) neue Klagen ge^eii diesen.
Difüne .suclite nun nachzugeben, indem er die guides auf 6
JJeiiiers pro Stunde testsefzte. Diese Art der Berechnung wirkte
nicht nur, wie ganz selbst verstand lieh ist, alseine auf langsames
Fahren gesetzte Prämie für den Fuhrmann; denn je langsamer
er fuhr> desto grösser war das Trinkgeld. Sondern sie enthielt
auch bei regelmässiger, sechsundeinhallistündiger Fahrt noch
immer eine Steigerung des Trinkgeldes von 2 Sols auf 3 Sols
3 Deniers. Deshalb wurde in f r Itereits mehr! n h erwähnten
Ordonnanc e vom 27. Juni 1774 das Trinkgeld wieder auf 2 Sols
pro Fahrt festgesetzt, sodass der Fuhrmann bei voll besetzter
Diligence immer noch 2 Livres 8 Sols für die Hin- und Hück-
fubrl einnahm.
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— öl —
Zugleich mit der Personenpost hatte DifQnö noch die Ver-
yraltung der Brief- und Packetpost. Im allgemeinen durfte er
hierbei die Annahme ebensowenig ablehnen %vie heutzutage die
Post. Jedoch brauchte er die sofortige Ueberinittiung von Briefen
nicht an Taj^en zu übernehmen, an denen die Diliyence nicht fuhr.
Da auch boi dor Briefpost ihm vorjfeworfen wurde, dns'?
er zu hohes Porto Ix-rechne oder die Briefe zweimal flankieren
lasse, wurden durch die Ordonname von 1774 auch diese Ver-
bältnisse geordnet, indem für eiufai heu uder doppelten Brief
mit oder ohne Umschlag die I raukatur auf 2 Sols festgesetzt
wurde.
Zugleich wurde, da auch daröher geklagt worden war, dass
DiCßnö die Briefe nicht sobald es angängig war, ablieferte, sondern
dieselben, namentlich die für die Umgegend bestimmten, 1 oder
2 Tage und noch mehr liegen Hess, auch die Bestelbeit der
Briefe geordnet. Es war für die induslriereiche Bevölkerung,
deren Gescliäflsverkehr hfuiiig die eilige Bestellung von Briefen
erforderte, von grosser Bedeutung, dass die Briefe sobald wie
möglich zugestellt würden. Xacli Regelung der Abfahrtszeiten
der Dili;zcnro blinl) selbst bei einer Verspätung von ' bis i
Stunde docii aui ia^^e st.>lbst wenigstens im Sommer noch Zeit
genug, um die für die Stadt Barr bestimrnleti Ih iete zii/.n>lelleu.
Dies wurde daher angeordnet und für die Winterszeit bestimmt,
dass Briefe für die Stadt am folgenden Tage vor 10 Uhr dem
.Adressaten ins Haus gebracht werden mQssten. För die Dörfer
der Herrschaft genügte Sommer wie Winter Zustellung an dem
Tage nach der Ditigence.
Auch fflr die Packet^ und Geldsendungen bestand
wie für Briefe Annahmezwang. Für Parkele wurde das Porto,
nachdem auch in dieser Beziehung das Verhalten DilTines zu
Klagen .\nlass gegeben halte, durch die mehrerwähnte Ordon-
nnnre von 1774 auf 12 Sols für den Zentner, (i So!s für den
halben Zentner und 3 SoU för Packete bis zu 25 Pfund fest-
gesetzt .
Zur Sicherung der Auftraggeber musste Diffin^ die Gelder,
Packele und Waren, die ihm mi Weitersendung mitgegeben
wurden, in ein Register, dessen Seiten zu diesem Zwecke mit
Seitenzahl und Paraff versehen sein sollten, eintragen. Aus
diesem Geschäftsbuch konnte man einen Einblick in den €re-
schAflsgang gewinnen und auch den Nachweis erbringen, dass
und wann eine bestimmte Sendung Dilfinä üiiergebea worden
war. Es war eine notwendige Voraussetzung des regelmässigen
Betriebes der Post, namentlich wenn dem Poslhalter wertvollere
Sendungen, besonders hObere Geldbeträge sollten anvertraut
werden können.
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— 02 —
Das bisher gesagte betraf die Bedingungen, unter denen
Difftn«' die Aufträge der einzelnen Bewohner der Heirschafl
auszuführen hatte. Er hatte alier nicht hioss die Poslsendnngen
des Puhlikuins zu übernehmen, sondern stand zugleich auch im
Dienste d<M P r o v i n z nnd der H e r r s c h a f t.
Als ruessa^^er ordinaire et particulier du di'parteinent de
Barr unterstand er dem Intendanten l)eziehuugbvveiöc dessen
Be.-^mten, dem Auitujanii. In dieser Jtij;enschaft hatte er sowohl
die Steuereinnahmen nach Strassburg zu bringen, als auch
die Packete und Briefe des Amtmanns zu befördern, so-
fern dieselben adressiert waren : an den Intendanten oder an
dessen Bureaux, an den Kommandanten der Provinz, an die
Subdelegation, an die Receveurs des finances, an den comrois«
saire provincial des guerres (hinsichtlich der aus der Provinz
ausgehobenen Soldaten) oder an den commissaire des guerres
particulier (hinsichtlich der in der Herrschaft lebenden Inva-
liden). Diese Sendungen waren portofrei, ebenso die an den
Afütitiann in Bari- gerichteten. Zui- Be^oi-;,'ung dieser Obliegen-
iii iteii war der Posthalter verpllicbtt^t, wöclientlich zweimal am
raiai> des Intendanten (der späleioa iVäfektur, dem heutigen
Statthaltei [)alais) und an der Subdelegation vorzusprechen, um
die etwaigen Aufträge zu übernehmen, die er sofort nach seiner
RöcJckehr nach Barr zu erledigen hatte.
Difilnö war auch messager ambulant de la seigneurie, sog.
dauffender Bott» im Dienste der Herrschaft Barr. Diese Stelle
war von der ersteren unabhängig, da sie naturgemSss von der
Stadt Strassbuiig verliehen wurde, Dass Difiinö die verschiede-
nen Aemter in seiner Person vereinigte, war nur Zufall — oder
auch kein Zufall, da Diffin^ seihst gegen den früheren «laufTen-
dt'ii Bott» Christian Hneherl we-en Verletzung seines Monopols
der Persüuenpost eine Ordonnance des Intendanten vom 0. Sep-
teml>er 1757 ei wirkt hatte, die jenen des Amtes entsetzte. Er
liüss sich darauf selbst die Stehe übertragen und vereinigte so
in seiner Person das herrschaftliche Amt mit denen, die er von
der Provinz hatte.
Für die zuieUt aufgeführten Poslauftr&ge, die Diffinö porto*
frei zu übernehmen hatte, erhielt er eine Pauschsumme als
Vergütung.
Als Bote des Amtmanns erhielt er ein Aversum, welches
iliin von der Herrschaft bezahlt wurde. Dasselbe betrug jährlich
Livres, eine Summe, welche, wie Diffin«^ einmal — freilich
ohne seine Behauptung begründen zu kfmnen — nngiebt, seit
dorn Bestehen der Provinz für die Botenstelle ühlicli wai'. Aus
diesem Grunde wuide die Suniine auch beibehalten, trol/dem
die Einwohner von Barr mehrmals geltend machten, es wären
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— 68 —
daselbst Leute, die den Bütendienst für die Summe von 100
Livres Obernehmeii würden. Ausserdem wäre durch die Herab-
setzunjr rfes Aversiims auch der Betrieh der Diliyence infra^e
gestellt wurden, da ilies«di)e infoliie der urierlauhteii Konkurrenz
Meilig eintrü^^lich war und oft nur mit 2 oder 3 Personen, ja
öfters g^anz leer fahren musste. Iis war daher zweckmässig im
Interesse des urdenlliciien Verkehres, die regeimässij^ fahrende
Diligence auch dadurch zu uDterstützen, dass man ihrem In-
haber fQr anderweitige, amtliche Thfitigkeit einen höheren Geld-
zuschuss gewährte, als ihm an und fOr sich sukam.
Daneben erhielt Diffin^ als laufender Bote der Stadt jähr-
lich 6 Sack Getreide, 6 Ohm Wein, 30 Livres in Geld und
ausserdem 2i Livres für die f-ivr^e.
Diffine hatte für seine Thatigkeil nicht bloss Anspruch auf
piivahccht liehen Entgelt in Form der Fahrpreise und der Porti,
beziehungsweise der Pauschsunimen, die ihm Provinz und Herr-
schaft zahlten. Er hatte auch offen t lieh -rechtliche Ansprüche,
nämlich ein Monopol und JSteuei-hcfrciung.
Es musste iiiui als iuiiaiicr der Diligence ein Eulgelt zu-
stehen, der nicht allein in dem von den Reisenden zu bezahlen-
den Fahrpreise, dem Brief- und dem Packetporto bestand.
Benn er war verpflichtet die Fahrt zweimal in der Wodie,
Montags und Bonnerstags, zu unternehmen, auch wenn nur
wenige Reisende oder gar keine da waren, auch wenn er nur
wenig Briefe und Packete zu besorgen hatte. Die Sendungen
musste er annehmen und das Risiko, ^vel(hes liel wertvollen
Gegenständen und namentlich bei Geld ein )>edeutendes war,
auf sich nehmen. Im Interesse des regelmässigen Verkehrs
zwischen Barr und Slra^-shur;:, der für die Gesammtheit wie
für die Einzelnen von grosser Bedeutung war, musste für ein
Institut gesorgt werden. da.s, wie heule noch die Pusl, die Be-
förderung von Briefen und arideren Gegenständen auch in dem
Falle übernehmen muss, wenn aus der Besorgung dieses ein-
zelnen Auftrages ein Gewinn nicht zu erwarten ist. Bagegen
muss die Gesammtheit daför sorgen, dass die Geschäfte in solcher
Zahl bei diesem Institut zusammenkommen, dass schliesslich
die Betriebskosten gedeckt und etwa auch ein Gewinn erzielt
werden kann. Ber Yerpflichtung die fraglichen Geschäfte zu
öbemehmen entsprach das Recht sie ausschliesslich
ausführen zu dürfen.
Wo ein derartige«; Institut nicht schon durch seine Eigen-
art, wie z. B. die Kiseidialmen, vor jeder hedentenderen Kon-
kurrenz gesiclii'rt i>t, geschieht es ilurch da.s \'erliut an andere
Leute, dieselbe Geschäfte zu helieihen, mit einem Worte durch
Erteilung eines Monopols au den Belriebsinhaher.
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— 6i —
Wie heute Post und Tele^'^rapliie ihr Monopol haben, welclies
ihnen die zur Enlelnu^ eines Gewinnes erforderliche Aozahl
von Geschäflen siduMf, so halte auch der Intendant der Briel-
und Personenposl von Ji.Trr nruh Strasshurjj ein Monopolrecht
erleill. Soweit Difiine verpUichtel war Personen und Briefe Jtu
befördern, soweit war er auch allein hoieehligt es zu fiiun.
Dieses Monnpol wuide am 7. Februar 1774 erneuert und
die nochmalige Publikation dessell)en angeordnet durch folgende
Verordnung :
Nou8, conseiller d'Etat, Intendant d'Alsace, faisons li-6s
expresses inhibitions et delTenses aux nommös Nörliel et Geiler
et ä tous autres habilants de Barr de mener ä prix d'arjxent
aucunes personnes sur leurs voittire«? nt de so charger de lettres
et paquets cachetes de l'unc a rauhe villc (de Barr ä Stras-
hourjr), ä peine de tiois rents livres d'amende el de Ions depens,
dommages et int»'Mets, ordonnuns que notrc presente urdounance
sera lue et publiee audit Bau , la communaute rassembiee.
Fait ä Strasbourg, le 7 Cävrier 1774.
8ig. de Blair.
Nachdem sich Stadt und Gemeinden der ileirscluill darüber
beschwert hatten, dass die Gewerlietreibenden von Barr mit
der Diligence nicht auf den Markt in Strassburg, der am
Freitag abgehalten wurde, kommen konnten, wurde das Verbot
auf die Diligencetage beschränkt. Es war demnach an allen
anderen Tagen den Fuhrleuten erlaubt Personen nach Strass-
bürg zu fahren, wobei ihnen nur unlersagt wurde, ihre Fahrten
öffentlich anzukündi^^en.
Das Monopol Diffines hallo demnach schliesslich den Inhalt,
dass am Monta;jr und Donnerstag nur er Personen nach Slrass-
bnrj; fahren duiKe, das'^ an anderen Tajren dagegen auch an-
dere Fuhrleute dies timu durfleuj sefei n <\e <larum angegangen
wurden, ohne dass sie sich dazu öUenllich erboten liätlen. Die
Briefbesorgung stand Ditlinö ausschliesslich zu. Wer an anderen
als den Diligencetagen einen Brief nach Strassburg senden wollte,
musste dies durch einen zu diesem Zwecke besonders nach
Strassburg gesandten Boten thun, der nicht von mehreren Per-
sonen zugleich die Besorgung von Briefen übernehmen durfte.
Das Briefpostmonopol Diffinäs hatte also denselben Umlang, wie
das der heuligen Post.
Der Umstand, das«? Diffine verpllichtet war, den Diligence-
und Botenverkehr regelmässig zu besorgen und demnach ge-
radezu als öffentlicher Bcnmler erschien, hatle noch weitere
Vergünstigungen für ihn zur Folge. Da er dauernd im Dienste
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— 65 —
des Publikums stand und ihm seine Arbeit und seine Zeit wid-
mete, erschien er nach den damaligen Anschauungen über die
Heranziehung des Einzelnen zur Tagung der oßentlichen Lasten
gerecUt, ihn von deigenigen Steuern und anderen Belastungen
zu befre i e n ) die gerade auf diesen Teil seines Gescbätles
oder auf seine Person g-ofall'm waren.
Die Sfeuerprivile^'icn, die inlbl^-^edessen DitTine in (iemselbcn
Umfange wie seinen Vorgängern gewäiu't wurden, beruhten auf
der Verordnung vom 4. Juni i768:
Diffinö jouiru eu s;» quaütd de messager de la ville de Barr
de Texemplion des corvM^es personnelleü ensemble de celles du
nombre des chevaux ndcessaires pour le Service de la diligence
dont il est charg6 au dit lieu, et en outre de la partie des im-
posittons qui lombe sur l'industrie, et pour raison des biens
fonds qu'il possMe, il seia sujet aux impositions ainsi qu'aux
corvdes rfelles pour le nombre de chevaux dont il aura besoin
pour leur exploitalion, ä Tinstar de lout autre habitant du lieu»
sauf neanmoins la capitation, pour laquelle il sera et demeurera
compris dans le rftle des exempts et pnvil<''fii<''s du hailüage.
nifflnö '^enoss demnafh Steuerfreiheit hin-irhiHch der Kopf-
steut i und der Handfrohfuh n, ferner hinsichliic h der Spaan-
frohnden, soweit die zun» tietriebe der Dili-^ence erforderlichen
Pferde in Frage kamen, endlich noch rüeksichllich der Gewerbe-
steuer. Dagegen war er für sein Grundeigentum verptlichtet
Spannfrohnden zu leisten mit demjenigen Pferden, die zu dessen
Bebauung erforderlich waren.
Diese Steuerfreiheil suchte Diffinö gerade so weiter auszu*
dehnen, wie auch heute noch jedermann möglichst wenig Steuern
zu bezahlen sucht. Nachdem er längere Zeit hindurch f&r 6 bis
8 Pferde Freiheit von den Spannfrohnden genossen hatte, wurde
die Zahl der von den Frohnden befreiten durch obrigkeitliche
Verordnung auf 4 festges^-f/f. um die Stri'iti^:keiten, die sich
zwischen der Herrschaft un i Ihlfine ülier fliesen I*iinkt erhoben
hallen, /u beendipfon. Als ai»er später ImHiii''' j^elteml machte,
dass 4 Pferde zum Betrieb dei- Dilifrence niciil ausreichten,
wurde nacli eingehender Kntjuete die Steuerfreiheit aul 0 Pterde
ausgedehnt.
II.
Die Einrichtungen, welche die Personen-, Brief- und Pucket-
post zwischen Barr und Strassburg in der zweiten Hältte des
vorigen Jahrhunderts bildeten, sind in dem %*origen insoweit
geschildert worden, als das vorliegende Aktenmalerial es erlaubt.
Diese Akten gewähren aber aucli einen Einblick in die Art,
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wie dieses Inslilut in Wirklichkeit funkt ionnierte. Zur Erörter-
ung dieser Frn^e muss auf zwei Punkte eingegangen werden :
einmal wie Dillino seine Geschäfte besorg-to, und dann, in welchem
Verhältnisse er mit Rücksicht auf seioe privil^ierte Stellung
zu der Bevölkerun«? stand.
Diftin»^ war, wie er selbst einmal ziip^estehl, «de quelque
ruslicit^, saus education de la premiere portfc qui ivexige pas
de lui uue politesse audessus de son <^tat». Er war eben 1 uhr-
roann und tnt ftfters den Menschen in dem Tone entgegen,
den er mit seinen Pferden anxunehmen pflegte. Wenn er
schlechter Laune war, konnte er grob werden. Namentlich
sprach er aich Ober die Bewohner von Barr, wenn dieselben
etwas thaten, was ihm nicht gefiel, ganz unumwunden aus.
Als er sich weigerte die hohe Geldsendung des Stadl sein eibers
zu übernehmen, that er das in einer sehr beleidigenden Weise
und ein anderes Mal erklärte er in der Dilij^ence öfTenllich,
die Herren und Bürger von Barr wären alle (mit Ausnahme
des Herrn Amtmanns) odes roquins)^.
Daneben wurde ihm von seinen Gejj^aern vorgeworfen, er
.sei weblüui par une aviditt« huiniliante, guide par une envie
deplac^e» und lasse sich daher neben seiner Unver^chämtlieit
noch Erpressungen in den Preisen uxid andere Veruntreuungen
zu schulden kommen. Nicht nur trete er den Bürgern von Barr
in frecher Weise entgegen und b^nstige die Fremden im
G^nsatz zu den Bewohnern von Barr, sondern er fordere
immer höhere Preise, unterschlage das Briefporto, eröfTne ver-
Hcblossene Briefe u. s. w., u. s. w. Thatsächlich wurde auch
dem Amtmann von einem Beamten der Intendantur mitgeteilt,
dass die Briefe, welche von der Beliörde dein Difßn^ fil)ergel)en
würden, sämtlich fortan versiegelt würden und das:< der Amt-
mann die Unversehrtheit des Siegels feststellen sollte.
Anderseits sucht nicht bloss Diffme sich sell)st zu recht-
fertigen, indem er seine Pünktiiciikeif, seine Ordnung und
Gewissenhaftigkeit lobt und seine Unschuld iiinsichtJicb der ihm
gemachten Vorwürfe beteuert, sondern auch der Amtmann
Kleinklaus erteilt ihm für seine amtliche Thfttigkeit das denkbar
beste Zeugnis. Zwar habe derselbe dflers den Schultheiss, 4
Heimbufger und zahlreiche Bürger sich über Diffinö beklagen
hören, er selbst aber habe keinen Anlass zu irgend weldier
Kia^e. Im Gegenteil : Diffinö est solvable, trhs exact, an fait de
toutes les commissions et j'en suis on ne saurait etre plus
content.
l>ie Betoniinir. dass Diffine .solvable, zahlun^rstTdiii: sei, ist
keine zulalli;:e. J)iese Kijfcnschaft ist eine dei- unumj^änglich
notwendigen Voraussetzungen für den Dilijjencedienst und sie
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wird daher an verschiedenen Stellen von seilen der Behörden
besonders hervorgehoben, wahrend die Barrer hei ihren Gegen-
kandidaten diesen Umstand nicht Jjerücksichligen. Denn ist
erforderlieh, dass clerjenii^^e, der den Poftverkehr ühernimmt,
die Mittel ])esilzt, das in diesem Betrieb liegende HiMku zu trapren
und für etwa verloren gehende Sendungen oder nicht erfüllte
AulUage Schadeneräatz zu leisten.
Diffin^ besass nach dem obigen das volle Zutrauen der
BebMe« die mit seiner Thätigkeit ganz zufrieden war. Es
fragt sich daher» ob die Barrer, die sich so sehr Ober ihn he»
klagen, nicht einen anderen Gmnd des Grolls halten» als die
angeblich mangelhafte Geschäftsführung Dififinte. In der That
behauptet dieser, dass es einen "solchen gebe.
In einer Eingabe aus der Mitte des Jahres 1769 führt Difißn^
aus, dass die VtMordnung vom i. Juni i708, welche ihm, wie
ohen ausfi-eführt, Steuerfreiheit gewährte, den Schult heiss und
die Heinihur^^er von Barr geärgert habe, dass dicselhen seither
in Einem fort eine Gelegenheit gesucht hatten, uni ihm .seine
bevoraigte Stellung vergellen zu lassen. Xumnehr hätten sie
eine solche gefunden und verweigerten ihm das Ualkenhoiz, auf
das er bei seinem Neubau als Bärger von Barr» der er seit i74d
sei, Anspruch habe. Quelle incons^uence de la part des Magis-
trats de vexer un pauvre bouiigeois en se prövalant d'une faveur
accordte per son sup^rieur !
Die Stadtverwaltung war offenbar im Unrecht. Denn sie
wurde von der Behörde zur Leistung des streitigen Holzes ver-
urteilt. Von dieser Zeit an lebte aber Diffinö in fortwährendem
Streit vnit der Stadtverwaltnnr^ von 13arr.
Deinnächist wurde Diffine aufgefurdei t, einen Dohlen, der
Wasser aus seinem Keller in den Predigerpfad abführte und
dadurch den letzteren ungangbar gemacht hahen soll, zu ent-
fernen. Da er dies nicht that, erhoben der Schuitheiss, die
Heimburger und das Gericht zu Barr Klage gegen ihn. Nach-
dem die Sache anderthalb Jahre gedauert hatte und gerade ein
Beschluss, betreifend die Einnahme des richterlichen Augen-
scheines dem Beklagten zugestellt worden war, erinnerten sich
die Klüger, dass sie zur Erhebung der gansen Klage ohne £r-
mfichtigüng der Verwaltungsbehörde überhaupt nicht herechtigt
waren, und suchten diese Ermächtigung nachträglich heim Inten-
danten nach. Wahrscheinlich wurde den Klägern hedeutet, dass
sie auch hier im Unrechte waren ; denn nnt dem Antrage auf
Ermächti;j:ung hören die Nachrichten über diesen Prozess auf,
und der fragliche Dohlen — hesteht heule noch.
Eines aher hatten die Darrer aus diesem Prozesse {.•^eiernt:
dass zur Erhebung einer Klage vor dem ordentlichen Gerichte
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— 68 —
die Genehmigung der Verwaltungsbehörde erforderlich war. Als
bun das Jahr darauf (1773) der nächstfolgende Streit ausbrechen
sollte, beanl!n;,Me die Stadtverwaltung zur Erhelnin;/ der Kla^r^
vor dem ordentlichen Gerichte erruachtifj^l /u werden. Diei>er
Antrag der Stadt musste jedoch abjjewiescu werden, weil hier
überhaupt das ordentUcbe Gericht niciit zuständig war.
Es handelte sich damals um die Bezahlung einer Grund-
schuldy die Diflini deshalb verschaldete, weil er, um im Aligne-
menl mit seinem Nachbarn zu bleiben, einige Pubs auf das
städtische Eigentum vorgeräckt war.
Difhne wallte nur soviel zahlen als der fragliche Nachbar»
wurde jedoch (im Jahre 1773) zur Zahlung einer ewigen Rente
von 2 Livres oder einer einmaligen Summe von 80 Livres ver-
urteilt. Als nun Diffine erfuhr, dass der Nachbar nichts bezahle,
pelitiounierte er im Jahre 1774 iirn Aufhebung dieser Verpflicht-
ung. Diese Eingabe hatte zwar für Difüne keinen Frfnl<r. Sie
tührte aber »iie VerwaUungsl)ehurde dazu, zu prüten, wie der
Nachbar zu der unentgeltlichen Ueberla^sung des städtischen
Bodens gekommen war. Hierbei stellte sich heraus, dass der-
selbe, namens Lanli, als er St^ultheiss der Sfadt Barr war,
den betreffenden Boden an sich selbst geschenkt hatte. Infolge-
dessen endigte auch dieser Streit mit einer moralischen Nieder-
lage der Stadtverwaltung, indem derselben ausdrücklich einge-
schärft wurde, sie habe sich künftighin jeder Verfugung über
das städtische Grundeigentum ohne höhere Genehmigung zu
enthalten.
Diese auf einander folgenden Niederlagen der Stadtverwalt-
ung waren natürlich nicht geeijrnet, den Hass gegen Difline
zu verniind-^Tn. M tn suchte vielmehr ihn in jeder Weise zu
schädigen. L'ieieui Wi halten ;ie^enül)er autwurtele l)iffin^ damit,
dass er die Bürgerscliaft nicht immer sehr zuvoi koiniuend be-
handelte und damit, dass er seine Steuerprivilegien soweit wie
möglich, auszudehnen suchte, um sie doch wenigstens möglichst
auszunutzen, da sie zum grossen Teil an dem Hass, den man
gegen ihn hatte, schuld waren.
Abgesehen von dem oben bereits erwähnten erfolgreichen
Versuche seine Steuerfreiheit hinsichtlich der Spannfrohnden
zu erweitern, stützte sich Diffine rücksichtlich der Gewerbe-
steuer auf tlen Umstand, dass die Belreiung von derselben nicht
aTi^drücklich auf den Diligence- und Botendienst beschrankt
war, und vtM'weigerte die Zahlung des Zwanzi;Tsten anch für
'^eui .\el)en^'t'-rh;ift. Ursprünglich war er Räcker, sciieint aber
iliescs Gesi'liaft ball! autgegeben zu haben luid betrieb zu der
fia^'lieheu Zeit diejenige Wirtschaft am nördlichen Eingange
von Bari , deren Schild auf dem Silbermannschen Bilde des
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Fleckens Barr im Jahre 1781 deutlich erkennbar ist. Auch für
bliesen Betrieb beanapnicbte er Steuerfreiheit, bis eine Verord-
nuDg vom 30. April 1774 auadrOcklicb erklSrte, dass er nur
«Ib Bole und Diligencier vom Zwanzig.slen exin i 1 1 war.
Da die Bürgerschaft von Barr Diffine nicht leiden konnte,
so war es ganz natürlich, dass sie danach strebte, ihn daselbst
unmöjrlich zu machen. Man hätte gern sein Geschäft ruiniert,
wenn nicht »las Monopol dein entgegengestanden wäre. nen.en
-dieses richteten sich daher ganz besonder.^ die Angnlle der
Burgerschaft.
Die auf Voilelzung die>es Monopols gesetzte Stiafe war in
der von uns behandelten Zeit tuv Anwendung gekommen am
"9. Septemlier 1757 gegen den früheren laufenden Boten ChHs-
tlan Huebert, der trotz vorheriger Verwarnung am 23. August
Personen in einer cvoiture en forme de l>enne ou en alleroand
Benenkarchi nach Barr geführt halte und von dem Gerichts-
vollzieher Toussaint in der Nähe von Niederehnlieim abgefasst
worden war. Trotzdem die Reisenden einstimmig erklärten
keinen Fahrpreis ausgemacht zu haben und dem Huebert geben
zu wollen, was billig sei, wurde Huebert zu einer fleld^trafe
von 30Ü Livres \ei'urteilt, zahlbar zur Hallte an den Fiskus, zur
Hälfte an den Hesi hädi^ilen Diffine. Zugleich wurde er seines
Amtes als laufcndtT Boie entsetzt.
Spater versliessen gegen das Monopol die beiden Fuhrleute
Körpel und Geiler» indem sie ohne Rücksicbl auf die Diligence
Personen und Briefe nach Strassburg brachten und sogar
die Abfahrtszeilen ihrer Wagen ölTentlich ankündigten. Die
Briefe freilich gaben sie als Begleitschreiben zu den von ihnen
beflirderlen Waren aus, eine Ausrede, die jedoch bei der Be-
hörde keinen Glauben fand. Nachdem Nörpel und Geiler auch
nach der ausdrücklichen Erneuernnp- und Publikation des Ver-
botes wieder ^»^egen das Monopolrecht Diffines handelten, wurde
•die an^^edrohte Geldslrafn ü\)pv ^ic verhiin^it. Nunmehr erhohen
aber (he Stadt und üie tienieinden tier Henschatt lüinäpruch
liegen dies;« Strafe, indem sie alle möglichen Anklagen gegen
Diftine vorbrachten und ausserdem geltend machten, dass man
bei Nörpel und Geiler billiger fahre, dass man nicht zu dreien
auf einer Bank zu sitzen brauche und endlich, dass die Gewerbe-
treibenden von Barr mit der Diligence nicht auf den Markt in
Strassburg, der am Freitag abgehallen werde» kommen könnten.
Es waren namentlich die Rot- und Weissgerber und die
Woüenweber (ausdrücklich genanunl Jean Üegermann, drapier),
welche dm Ii Unterstützung der Konkurrenten Diflines ihm
.schaden wollten. Ander Spitze stand der Schultheiss Steinfelder,
wie Difiine sagt, un homme rempli d'opprobre et qui est le
Dlgitizeci Ly ^^oogle
— 7U —
boute-feu. Kleinklaus selbst schrieb in dem Concept eines Be*
ricbtes <Si Nörpet et Geiler etcelui quiar^digö leur
requ^te, ne cherchaient surpreodre la religion de votre
Grandeur .... Wenn er aocb die unterstrichene Stelle nach-
träglich ffeslrichen hat, s<i ^^eht doch daraus hervor, dass auch
er niclit liie Uebertreler des Monopols für die eigentlichen SchuU
digen liieit.
Zweck der 'ganzen Hetze j^egen DitTine war an seine Stelle
den Barier Uioholt zu setzen nnd ah Werkzeug im Kampfe
dienten die beiden Fuhrleute Niu-pel und (leiler.
Die zu Gunsteu der i>eidea letzteren an den Iniendanten
gerichtete Requete vom Februar 1774 warf Diffin^, wie gesagt,
Untreue und Pflichtvergessenheit, willkürliche FesUetzung der
Preise, Chikanierung der Bevftlkerung u. s. w. vor. Das Ziel«
die Absetzung Diffin6s, wurde aber dadurch nicht erreicht«
sondern lediglich die Regnlierung des Post Verkehrs durch die
Ordonnance vom 27. Juli 1774, während die Strafe, die über
Nörpet und Geiler verhängt worden war, bestätigt wurde. Die>
sen letzteren konnte man aber nichts anhaben. Denn sie waren
beide zu arm, um die Geldbusse zahlen zu können. Nichts-
destoweniger Hessen sie sich durch die Ge^nier Diffines immer
wieder verleiten, das Monopnlrec hl des Posthallei s zu verlelzen.
Wenn sie dann bestraft winden, wurden sie von ihren Hinter-
mannern im Stich gelassen und mussten um Herabsetzung der
Strafe betteln : Les suppliants ne manqueront en reconnaissance
de cette gräce d^adresser avec leurs pauvres enfants leurs Toeux
au ciel pour la conservation de Votre Grandeur I Der Intendant
war dann gerecht und grossmflttg genug, die Höbe der Strafe
für ein Vergehen herabzusetzen, an dem sie weniger schuld
waren als andere, die man aber nicht zur Verantwortung ziehen
konnte.
Es erilbrigt noch zum Schlüsse die Stellung der Verwal-
tungsbebörden zu den streitenden f ie;:ensätzen und zu den
Sonderinteressen der Parteien zu charakterisieren. Der Intendant
de Blair und sein Beamter, der Amtmann Kleinklaus, hätten
leicht der Versuchung erliegen können entweder einseitig Diffin^
zu unterstützen und ihm infolgedessen auch da tlecljt zu geben,
wo seine Forderungen unbegründet waren, um dadurch seine
Stellung in der damaligen, nun einmal auf Privilegien basierten,
ständischen Gesellschaft zu kräftigen und zu heben, oder aber
ilin völlig aufzugeben, um dadurch der Bevölkerung von Barr
zu Willen zu sein und ihre Sympathien zu gewinnen.
In dieser Beziehung gereicht es nun dem Iniendanten und
seinem Beamten zur Khre, dass sie unentwegt sich überall nur vom
Standpunkt der Gerechtigkeit, nicht von dem der politischen
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— 71 —
Zweckmässigkeit haben leiten lassen. Der Intendant zeigt sich
überall in seinen Entscheidungen als ein den Sonderinteressen
der Streitenden gleich fremder, dem Interesse der Gesamtheit
aber y.U''u-]\ befreundeter Beamter. Die Forderungen Diliines
auf Anxieiinun^^ seiner Privilegien und Steuerfreiheiten weist
er entschieden ab, wu sie auch den damaligen Anschauungen
über die Gerechtigkeit wideri^prachen. Eljenso aber giebt er
den Klagen der Bevölkerung nur insoweit nach, als es die
Heilung der gerügten Missstände erfordert und vermeidet es mit
grossem Creschick sieb von dem interessierten Drängen der
Stadtverwaltung zu Handlungen gegen DiCGn^ verleiten zu lassen,
die das Interesse der Gesamtheit nicht erforderte, und die wohl-
erworbene Redde Diffinäs geschmälert hätten.
Der Intendant de Blair und sein Amtmann Kleinklaus, der
ja in seiner Thätigkeit nur die Grundsätze, die von oben her
bestimmt wurden, verfolgte, haben in ihrer Verwaltung, soweit
es ans den vorliegenden Akten hervorj^ehl, weder durch I?cvMr-
zugung der in ihrem Dienste tliäti^jen Personen ein«'n besimdcren
Beamtenstand zw gründen gesucht, noch aucl» liaben >ie den
Interessen und dem Willen einer besonderen Klasse der Bevöl-
kerung eine höhere Bedeutung und grösseren Einfluss auf ihre
Willensentschliessungen gewährt. Sie suchten die Provinz Elsass
weder zu einem Beamtenstaate zu machen, noch duldeten sie
eine Nolabelnregierung ; sondern durch Recht und Billigkeit
erstrebte eine gerechte Verwaltung das Gedeihen und die Wohl-
fahrt der j^anzen Bevölkerung und suchte das soziale Interesse
der Gesamtheit zu pflegen und zu fördern.
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IV
Niedermagstati.
Beiträge zur Kulturgeschichte der Dorfschaften im
Sundgau.
Ton
Theobald Walter.
I.
£itwa in der Mitte zwischen Basel und MQlbausen Hegt
an der Eisenbahn das Slädtchen Sierenz, das alte Seilende (835).
Wenden wir uns bei der Zweigstrasse inmitten des Ortes nach
links, SO gelangen wir n.idi weni^jen Schrillen auf eine bequeme
Thalslrasse, die ül>er die Hügelreihen nach Allkirch führt. Wir
schreiten das mühlenreiche Thal aufwärts, verlassen aber die
Strasse bald, um bei der sog. Werbemülile auf einem Seiten-
we<re dns Tlial zu dnrrhqncron und durch das vielzipflige Uff-
heim die Höhe de» ilügeU zu {gewinnen, von wo au.s uns ein
schattifrer We^ nach Niedenna;,^staU, dem Orte unseier Ab-
handlung', führt, iiiu ganze zurückgelegte Strecke wird 4 km
kaum aberschreiten.
Niedermagsiatt ist ein kleines Dorf. Die Zahl der
Ortseingesessenen erreicht etwa die Höbe von und ist
heute noch immer im RQckgange begriffen. LAndHche Fried-
samkeit ruht über den stattlichen Obstgärten, aus denen die
rötlichen Ziei^eldächcr der liAuerlichen Behausungen und das
hübsche Kirchtürmchen aus massiven Quadern verstohlen her-
vorschauen.
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Gleich am Eingänge des Dorfes befinden wir uns auf einer
Kremstrasee angesichts des hübschen 1846 erbauten Schulhauses,
das von einem roten Holztürmchen überragt wird, von welchem
ein helltonendos Olocklein die muntere Dorfjugend zum Unter-
richte unii 'Ho bedächtigen D r lTtlteslen zur Ratpversammhin^j
ruft. Von (leinüise- und Biumengärten umlagert, faf>t iminei
einige Scliritle von den geräumigen Scheunen entlornl, stehen
die Wohnhäuser aus Fachwerk aufgeführt. Die grün gestriche-
nen Fensterladen und die sauber gepaegten GiebeMude, die
stets der Strasse zugeliehrt sind, gewähren einen wohlthuenden
Anblick, welcher durch die auf dem Fenstergesims aufgestellten
Reihen wohlgepflegter Rlumentdpfe noch erhöht wird. Ist dies
letitereder Fall, sohlst du auch sicher, dass im Innern eine holde
Bauernschtae der Haushaltung waltet und des Freiers harrt.
Das Hans ist das alemannisclie Bauernhaus, wie es über-
all im Sundgau zu treffen ist. Zu beiden Seilen der Eingangs-
thür, die sich nicht in der Mitte befindet, liegen die frrosse und
die kleine Stnbe, die aber ihre eit;entlirhe Bedeutung heute
verloren hnlieii ; denn in alleren Zeiten zug sich der Altbauer,
nachdem er die Verwaltung seines Gutes seinein Soline über-
geben hatte, ins kleine Stübchen zurück, das er bis zu seinem
Tode bewohnte, was jetzt nicht mehr der Fall ist. Der Ein-
gangsthür gegenüber liegt die oft enge und finstere Küche mit
dem unvermeidlichen Backofen neben der Hinterthör. Der Keller
ist stets in den Boden eingegraben. Der Speicher wird haupt*
sächlich zum Aufbewahren der Getreidekörner benutzt. Das nur
auf den Speicher mündende Kamin ist erst in der letzten Zeit
gänzlich verschwunden. . Im ganzen Dorfe sind ausser den Ge-
mein(legel);iu(len nur zwei Wohnhäuser aus Mauersteinen auf-
geführt. Von diesen trägt das eine nachfolgende Inschrift:
Christofel Hng Diter Zit Landfierer Vnd Angnet
Hoinaterin Sein Eheliche Hvsfravw Haben Das Hvs Attferbaven.
Maria Erlang Vns Durch Ibr Firbit Gut Zae Scbanwen. 1632.
Die Scheune ist ebenfalls ein Fachbau. Den Mittelpunkt
derselben bildet die aus festgestampllem Lehm bestehende Tenne.
Zu beiden Seiten liegen die Ställe und der Wagenschuppen mit
den Schweineställen. Ueber der Tenne erhebt sich ziemlich
hoch, um das Dreschen mit dem Flegel nicht zu hindern, das
«Bregi» und links und rechts, aber etwas tiefer, die fUeu*
und Kornbuhneii». Fehlt letztere, so dass der Raum von Grund
aus zur Verfügung steht, so nennt man den ganzen Oi l «Walile»,
Zusammenhängende Häuserreihen ?ind im '^•^nn/.en Dorfe keine
zu treflen : ^'bensovvenig eine Thoruölbung, ein Hoflhor oder
eine Hotmauer.
Der Bauer ist ein f|;e8under, kräftiger Menschenschlag,
vras er wohl meistens seiner einfachen, aber nahrhaflen KosI
und seinem schlichten natiuveiiiässoii Leben, das meistens nur
zwischen der anstrengenden Feldarbeit und der erquickenden
Ruhe wechselt, zu verdanken liat. Streit mit thüthchen Ueber-
;rriffeii i^ehören zu den Seltenheiten, obschon auch unser Dorf-
bewohner fixch von Zeit zu Zeit einm-il oinei- ^erin^^fu^ji^ren
Ursache we-^en mit seinem Nachbar au-^sJuniplen niusü. Millun
ist auch der J )orlTihername «Ruri», v^as einen stets grollenden
Menschen bezeiciuiet, nicht mehr zutrelleiid.
Die alte Kleidetiniekt ist der neuem Mode fast vollslAndig
gewichen. Sie bestand bei den Männern in niederen c Schnal-
lenschuhenschafwollenen Strömpfen, Kniehosen, deren Naht
mit einer langen Reihe Messingknöpfe besetzt war, einem
grossen Kittel, der bis zur Kniekehle reichte, einem steifen,
aufgestellten Hemdekragen, um den eine schwarze Halsbinde so
geschlun<ren war, üass die beiden Zipfel gleich einem Ungeheuern
Sapeurharte nach aussen standen, und einem dreieckigen
schwarzen Hufe. Fin selbstgeferligter Nafurslock diente hei
Reisen als Stütze und das Rebmesser als WaflV» ; daher auc h
die Redensart : «dr tihnetel unjrerm Chettel unä-Uaiuaser ein
Sacki». Die Weiber und Mädchen hatten, soweit sich äUeie
Leute erinnern können, nie eine besondere Tracht. Aber in
einigen Familien werden noch einzelne alte, mit Gold- und
Silberfäden durchwirkte Hauben aufbewahrt, die zu einer längst
verschwundenen Tracht gehört haben mögen.
In der Sprache ist schon der Einfluss des Schweizer Di-
alektes bemerkbar. Fast alle Worte, die im Schriftdeulschen
mit K anlauten, werden hier mit ch (als Gutturallaut) gespro-
chen ; also : Chilche (Kirche), Chuchi (Küche), Cherai (Kamin),
Chenslerle (Kasten, St h rank). Die Endung «nd» wird zu «ng» :
Ching (Kinrl), Wang (Wand); das «i» ist fast vollständig zu
«e» gevvonlen : icMeinseh meh 'N (Meinest du mich?) während
das kurze (eo sich vielfnh nähert: Alf, zwälf. Rädig (Ret-
tich), s'biannt (es brennl;. Die Inlinitinornien ;,'ehen und stehen
sind in «goh» und «stob» abgelautet: «Wei inr iilla goh?»
(Wollen wir hinaufgehen ?) «Ar esch bliba stob». (Cr ist stehen
geblieben). Dem Dorfe und der Umgegend eigen ist das Flick-
wort camig», das einzelne Personen in jeden Satz einschieben.
«Äs esch amig ä so !» (Es ist so) «As losst sech amig net an-
gerscht mache !j» (Es lässt sich nicht anders machen .)t
1 »amig» kommt sonst im Woifscliatze nicht vor» Vielleicht ist
es ans t einmal* oder «einen Weg> eutstaaden.
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— 75 —
Gegen Frande ial der Maii:staUer als echter Sundgi'iuer
freu, gastfreundlich und meistens auch «retigäbigj». Be- |
sonders gern berichlel er Ober den Stand seiner Felder und
seiner Wirtschaft^ Ober das Welter nnd seine mutmasslichen
Einflüsse und über frühere, bessere Zeiten, das Korn leuer
und der Wein wohlfeil war.
Die bäuerlichen VerhiUtniase kann man irn rossen
Ganzen als {,'esund l)('zei( hncn, obschon der Mangel an Tage-
löhnern sich oft recht fühlbar macht : denn frei sitzt noch
der Dauer anf dem schuldenfreien Erbe soinor Väter. Der
Wohlstand der einzelne?! Familien wir«! noch dadurch zu heben
gesucht, dass von mehrereri Geschwistern ^'ewöhnlich nur ein
oder zwei Angehörige sich verheiraten. Die andern bleiben ledig
und arbeiten unter Aufsicht und auf Rechnung des Familien-
oberhauptes für die gemeinsamen Interessen. Haushaltungen
mit drei bis fünf solcher Onket und Tanten, die bei alten
Verheiratungen die Familie bei reffend ein gewichtij^es Wort
mitzusprechen haben, hat es von jeher gegeben. Infolge dieser
Umstände sehen wir die Bevölkerungsziffer der Dorfchens von
Jahr zu Jahr zurückgehend Um sich Hülfsarbeiter für die
Landwirtschaft heranzuziehen, sehen sich viele Familien genö-
tigt, Waisenkinder aus dem Spital zu Mülhausen aufzunehmen.
Die Diirrhschnittszahl dieser aur;i:enommenen Kinder beläuft sich
auf 6 bis 8®/o der Hevölkenin^isziirer.
Wie in fast ie(lem Dorfe, so hat auch in Niedernia^^st.dt
jede Familie ihren sog. Uebernuitien, der mristens be-
kannter und gebräuchlicher ist, als der eigentliche Geschlechls-
name. Diese Bezeichnungen können zurückgehen auf ältere
Personennamen: 'sClausa (Klaus, Nikolaus), 'sCaschbers (Kaspar),
s Bäschs (Bastian), 's Donimichels (Anton Michael), 's Johannese
(Johann); auf die Beschäftigung einer längstverstorbenen Per-
son der Familie: 's Hirtemicheles (Hirt, der Michel hiess), 's
Kuferhanse (Küfer Hans), Schrinerschari (Schreiner Karl), *8
Schnidermichels (Schneider Michael), Bei kfried (Bäcker Fridolin);
auf die Gestalt der Person: 's Dicks, 's Grosse; auf die Lage
des Wohnhausos : Blatzjaks (Jakob, der am Dorfplatzc wohnte).
Was die Taufnarnen oder Vornamen anbelangt, so sind
die iti den älteren Zeiten üblichen fast vollsl.imii^Tr verschwunden.
In den Kirchenregislern von 1594— IMi sind im Ganzen 28
Kinder eingetragen, die sich in 12 Namen teilen. Wir treffen
da : Hans (3), Hansjakob (3), Morand (i), Lienhard (4), Jerg
1 Naeb der Volkssfthhing von 1846 hatte der Ort 828 Einwohoer
und nach dtr yon 1695 nur 261.
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— 76 —
(1), Anna (i), Ursula (3), Ci ischen, Chrislina (1), Barbara (2),
Maria (1), Katharina (1) und Elisabeth (1). Hundert Jahre
später, 1f>94— 9(>, hahen '20 Kinder 15 Namen: Anna Maria (6),
Hansjakob (5), Nikulaus (2), Hanstheubald (1), Christian (1),
lleini icb (1), Martin (1), Hansadam (i), Fran/in inrich fl),
Hansjerg: (1), thsaljetli Maria Magdalena (1 j, Anna (1),
. Eva (1) und Jobanna (1). Der Name Anna Maria taucht zum
entenmale iOSO auf und behauplet das Feld bis Mitte dieses
Jahrhunderts ; beute ist er erloschen. Verschwunden sind eben-
r falls die beliebten Doppeinamen mit Hans. 1670 treffen wir den
I heute ebenCsills im Aussterben liegriflenen Namen Joseph zum
i ei*stenmale. Ueber auderthalb Jahrhunderte bleiben sich jetzt
die Namen mit geringen Abweichungen gleich. Von 1892 — 94
sind auf 14 Kinder 14 Namen. Davon sind bloss 4 einCache :
Joseph, Leo, Lui<!e nnd Emil; 8 sind einfach zusainmeng^esetzt ;
Maria Kosniia, Franz Joseph, Maria Melania, Morand Eugen,
Maria E()<jrenia, Josepii Albert, Maria Virginia, Maria Katiiarina ;
und 2 sind so^i^ai doppelt zusammengesetzt: Maria Anna Ka-
rolina und Leopuld Albert Viktui.
Betrachten wir nun die Namen im Volk$munäe. Das
Volk, das die Namen im täglichen Verkehr sehr oA anwenden
rouss, sucht sich dieselben mundgerecht umsugestalten. So wird
auch in Niedermagstatt nicht ein Name so ausgesprochen, wie
er in Wirklichkeit lautet. Alois wird zu Alis, Theodor zu Dorle,
Joseph ZU Sepp, Geoi 1^ zu Schorsch und Jerg, August zu Güschti,
Aljdions zu Funzi, Ursula zu Ursi, Anna Maria zu Amerej und
Mejele, Regina zu IU»gi, Bastian zu ßaschi, Wilhelm zu Welem,
Magdalena zu Madie und I.eni, Xaver zu Feri, Rlisnhcfh zu Lis-
' beth und Lisele, Apollonia zu liluni, Katharina zn Katherle
und Trini, Veronika zu Vroni, Theresia zu Besi, Lienhard zu
Lieni, Ignatius zu Nazi, i.ukas zu Lux, Ludwig zu Ludi, Karl
zu Schari und Balthasar zu Daser.
Eine Eigeutümhchkeit des Volkes besteht auch darin, an
gewisse Namen Sgtrüche und Scherzgediehie zu binden, die
zwar meistens im Kindermunde leben, aber auch sonst im täg-
lichen Verkehr von älteren Personen «zum Spass machen» an*
gewandt werden. In Niedermagslalt sind folgende üblich:
I ha-n-a mol a Sebatsele g*ha,
Lisele hat es g^heisse;
Uli wenn i wider sa eis ha,
So jag i'ft met da Qeissal
&p» Sep, dfx alter Lump!
Hasch net g'wosst. as d Cholbi (haut?
Hatsch di Gahl em Seckli l>'haUa,
Uatsch dü cheuna Cbelbi haita !
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Ei, Imtiger Vettar MkM!
Ei, lästiger Vetter Bans !
Hasch mi geschter wella frais«,
Hit fiarsch mi zam Dans!
Mi$ (Sduanpeiiss),
Chridawiae,
Cholaschwars,
Cbafeaatz 1
Emilie^,
Panpli,
Sidaschniarrle,
Chrodatiarla!
Zepfelchappo deiii,
dTraft beieit Xem;
Zepfelchappe düz,
dTraft beiest Lüx.
xm aiot tewa Sejala;
s'Trinele
im aini aewa Cblineie.
Babdi, lang das Gigeli abe !
Z* Basel flf em BiaamabUtz,
En dr langi Ganse,
Dert Spelt a Has,
Dert danzt a Fuchs,
A-n-Eseli schloht dTrnmma;
AlU His, wo Wadel hei,
Sella sn dr Hoobait cbimima,
Z'frasse und Z^sülfe met na bringa,
O'Stiabl QU d'£ank an d'Wadeli benga*
ScboUebeiebainieie, Zetzerle dxa,
Dr mOass a Liabsti ha!
Tbne d'Hiahner i,
IjOss der Gugrl Infifp,
Breng cn üf der Disch,
Mer wei lüaga, wia-n-er esch.
Rothi Panteffeli,
Schnalleli dra;
a' Melanie hat
cbleini Schialeli a.
— 78 —
BitBch, Batsch, Prter,
Hengerm Ofe steht er,
Vor «m Ofe wechst er d'Schüiih,
*s chant » alti llex drzüa.
Auch über Fiumamen will ich gleich hier Einige« an-
fügen. Die Gesamt^i^emarkung umfusst 335 ha und enthalf viel
sumpfiges Gelände; deshalb bezctichnet der Bauer auch einen
grossen Teil seiner Besitzungen mit dem Ausdruck cRied,
Bieder)) (von ahd. hriot=Stimpfgras, Sumpf), so «Aimerieder»,
«Munilied».* Die Strasse Kölzingen-Stetten teilt die Flm- in ein
Oher- uivl ein Niedert I I, wahrend die alte Dieiteiiung die
Zeige «wieder das Re< kliuliler dem huesen holiz zue», «wieder
den Stockhrunen» und {.c^an Kozinj^enx aufweist.
In der Zeige awiedei das lleckholder* Irellen wir Bezeich-
nungen wie : Am Steinacker, am mittleren Stein, am BatfeU
weg (cby den Syfritzb&um oder Basselweg» i537), am Rain,
am Hölzweg, am Beclienlhalberg, im Stockacker, im Klingel-
acker, am Uffbeimerweg, in der Osterlänge, in der Halle*, aufs
Medersacker, auf dem Höbneracker, am starken Acker.
Die Zeige «wieder den Stockhrunnens enthält nachfolgende
Gelände ; Im Lin.senherg (gespr. Lejseberg), am Schwichhart,
an der Winterstiege, in der Werbe, neben dem Stockbrunnon,
in der Wassergalle, am Ganser (gespr. Gauser), in den äusse-
ren Strenjren.
Die dritte Zel;re ugeu Közin^en ' »unfas.st : Auf die Sulz,
im Sulzacker, im Klingelhag, am i)reiten Weg, im Grund, im
lUfang, am Salzmallberg.
Die Wiesengelande sind seit 1733 dieselben geblieben. Aus
jener Zeit nennt uns ein Klosterurbarium die Stockbrunnen-
matten, die Hutenmatten, die Dorfmatten, die Weiermatten,
die Matten auf den Bacbgraben und die Bitzenmatlen.*
1 Im Gemeiudearctuv traf ich aus dem Jahre 1790 einen «Fnes&en
aeort vom Mnnygraben». Das Wort «Friesen» fftr Wieseagrtber ist
nur wenigen älteren Personen noch bekannt, sowie auch ein Verbum
«frieseu», welches die Th&tigkeit bezeichnet Die heutige Bevölkerung
gebraaoht den Ansdrack «Saebne» für Wiesengraben. «Zum Sechsten
ist die Saone in der Saltsbronen . . * zu manatenieren.» 1067.
Archiv Waltenheim.
* «an der Halden» 1537.
' lieber diese Bezeichnung schreibt Back, Oberdentaehei Fltus
namenbuch, S. 2^, folgendes: «Bitze ahd. bizuna. Es sind ursprünglich
eingezäunte Güter meist anmittelbar hinter dem Dorfzaune. Im Mittel-
alter Dingab jedes Dorf ein bober feaCer Zann, das Friedhag. Ettar
XX. s. w. genannt». Dies scheint auch für unsere Be/.eichnang zu
stnnrnen : denn die lützenmatten liegen unmittelbar am Dorfe, und
ältere Urkunden nennen den jetzt unbekannten «Etterpfad».
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Ich komme nun zum Kapitel öber Orts- odd' Volkspoesie,
Es giebt zwar Menschen, die behaupten, unserm Volke sei der
Sinn für Poesie in den harten Zeiten verloren gegangen, der
allzuschwere Kampf ums liebe tägliche Brot habe die Quellen
unserer allen Volkslieder vorliegen und die sangres frohen Kehlen
verstummen machen. Das mag ja für die Arbeiterbevölkorunfr
der Stadt, die den grössten Teil ihrci^ Lebens zwischen vier
kahlen Wanden zubringen muss, vielleicht stimmen. Aber lür
den Landbewohner, der täglich in innige Wechselbeziehung
lu der Natui* und ihrer Mannigfaltigkeit zu stehen kommt« ist
diese Beliauptung vollständig unzutreffend. Rätsel, Scherzfrage,
Beimspruch und Lied beherrschen noch wie zur Zeit der Ur-
grossväter fat»t alle ländlichen Zusammenkfinfle. Zum Beweise
A^'ill ich hier nur die bessern aus dem mir zu Gebote siebenden
StoflF unseres Dörfchens mitteilen.
Da haben wir zunächst das Rätsely das wieder hauptsäch*
lieb dem Kindermunde eigen ist.
Bickerli, Raekwlif
Springt eher alli Ackerli,
Hat inehi- Bei
As '& Herrc Ueiigli Edelstei!
(Die Egge.)
's escli a lange Magere.
Hat weder Fleisch noch Blüat,
un esch iiumtua d'Hüt güat!
(Der Hanfstengel.)
"s steht einer üf de Gattere,
Er riaft alli bini Gevattere 1
(Der Hahu.)
Hocbgebore.
Nedergsckore,
Vit Virsirtit,
Noch samma gUsit!
(Das Heu.)
*s esch a schwatz Brinli,
's fahrt henger de Ziell,
's fahrt oliilf Pflüag,
• iubit alli Lit gnüag!
(Der Maulwurf.)
— 80 —
esch a rot Heweli,
ü hat a rot Fedeli,
*• liat Hin Hit»
's bint «Iii Ut!
(Die ZwielMl.)
£m Holz werds g'baüa,
Drno speunes d* Fraäa,
Drao wftWM d* Wftw«r,
Drno garwM d' Garwer,
Drno sattlerts dr Sattler,
Drno schmedpt«; dr Schraed;
Bot, was das z&mrna getl
(Das Kammet)
«Dft langi. dü inagsri,
Wu wet dü hs ?>
«Dn gschorene Mutti,
Was frogsch dn rne'»
(Zwiegespräch zwischen äense und Wiese.)
Ausser diesen mehr oder weni|?er in gebundeaer Kede ge-
haltenen Rftlseln giebl es noch eine (leihe in freier Rede z. B. :
's sen 32 Wkllcli rrii a Hissli; s chene o weniger si; le seo
allewil nass ua "i, lagtiit iiia diüf. (Die Zahne.)
's laufe yiera a nanger no an 's veiwetacbt chen dr anger.
(Der Haspel.)
's seil viar Bnader em a Hisli, nu 's cha cheuer em anger üf.
mache. (Die Nqsb.)
*s stobt einer üf eim Bei, nn hat vieravierzig Chappli feil. (Der
Kohlkopf.)
*s esoh a grian, grian Deng, *8 hat *s Hars em Chopf. (Der
Kohlkopf.)
Cbeme se» so cheme se net, nn eherne se aet, so eherne se.
{Um YOgel und die Sameakörner.)
*s goht ehis am *s Hfis ama an macht bick bick. (Die Dach-
traafeO
Viaie htmpe, viare tramba» an viare Ifiaga der Bimmel a.
(Die Kuh.)
Unter den Sprüchen von Tieren .seien auch einige
erwShnt. Um das Marienkftferchen zum Fliegen zu bringen,
singen die Kleinen :
Liabaherrgottstiarli, tiiag eher dr Rbi,
Breng dr Hüalergottes a Scbeppele Wi
Un thila-n-a-ra a Zackerbiedli dri 1
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— 81 -
oder auch:
Liabafaerrgottstierli luriDg em Clüng Mehl im Mildi, as es eha
Pappeli chocha.
Der Kuckuck mit seiner Geirassigkeit wird mit dem Zwie-
gespräch geäfft :
«Gügtig,
Wq beicli?»
«Em WaldU»
«Was hasch?»
««Ä Presch !>»
«Ge mev o !»
«<Nei, Nei!>>
«Gitshalsl»
Hat die geangstigte Schnecke sich in ihr Gehäuse zurück-
gezogen, so .suchen die Kleinen sie durch die Drohung zum
VViedererscheinen zu bew^en :
Schnack, Schnack, sti^ck d'Hörner üssa,
Oder t werf die m-nere finge Brack ftsaa! —
Fernere Tierspruche der Kinder sind :
Dllflater
Ott dr Chüah *s Ffiater,
Em Eseli ^s Hei
Abs alh bedi heil
Wenn i 's Herre Bisseh war,
DU t lehra mftesa;
D* Btaga nüf en 's Chammerli
De Morge vreder üssa ;
Un wfMii! «Ir Speck em Chammerli war»
Dats mr uet drab grosse.
Von den Handwerkern muss nur der Schneider her-
halten :
Dr Scbnider met dr Scher,
Er meint er seig a Her,
Er meint er seig u LandTog(t),
Dn esch nnmma-n-a dammer Geisboek.
Sclinid. i, Schnidcr hopp, hopp, hopp!
Mach mr miue neue Kock,
Net zae gross an net zue cbli,
Horn mttass er fer^ si.
Der Grojjsvater, dem das hebe Enkelsöhnchen keine Ruhe
lassen will, setzt r»«? wolil auf das Kiii»', das er m auf- und
abvvartsgehende Bewegung setzt, und siugt dazu tolgendes
Schaukellied :
6
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Es ridda die Heria ein Stei. em Stei,
Se gei em •äcbimmei Um Hei, das Uei,
Se gei «m Choli dr Haber, der Haber,
Ach Oott, wia eseb daa Beasli ao mager.
Der heimlich Verliebte klagt sein Leid in den Worten:
0 Jera Gott, 0 Jara Oott,
Wia get's doch süri Qaatschga!
1 hör lai Schatzelc tin seh mi Sohatseia,
Un cha not mit em schwatza.
Hat aber ein Bursche keinen Schatt, so cesch-r^aoa am
Rhi un hat weder Wada no Ghnie», der Schatz nämlich.
Der kleine Arbeiter vertraut seine Not dem Sprüchlein:
Ich ben-a-chleiner, wonaiger Bfia»
Schwari Arbet tbüa!
Hiahner üssa jaga,
Staba-n-dssa flaga,
Butsa dia Schflahl —
Das Abzählen der Kinder he im Spielen ^^eschieht
auch oft nach Sprüchen, so dass jedes einzelne Kind eine
betonte Silbe trifift. Von diesen Abzählreimen sind hier gang und
gäbe:
Einige Beinige Düpenda
Diche], Daehfl Domiue
Ankebrot, ZenkeiiKt
Egerspegel, Chapa,negel
Sallars Anka
Beok, Back, Bader
Ausgang.
Eue daae losa mi laba»
Ich wall dr a adiena Togal ga»
Vogel mer Strau ga,
Stran ich Thiiah pa,
Chuah raer Milch ga,
Melch ich Beck ga,
Back mar Laiwli ga,
Laiwlt ich M nater ga»
Mfiater mer Sü ga.
Sä esch verlora,
0n dü besch gebora.
'• Eis, zwei, dri,
D' Magd holt Wi,
Dr Knecht schenkt i,
Dr Herr sauft aus,
Pack dich sam Dar hinaaa.
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- 88 —
Die Stabreim etiden Sprechübungen sind wohl überall
zu Hause. In Niedermagstatt habe ich nur drei ausfindig
machen können.
Hengwa Hem Biabn^ftas bat *• Harra Hana hnndai't Haaa
liara hiU!
Mi Miller mahlt mr mi Mahl!
Daa dieh doch dr dflaige Daifal dar das Dor dfiia draga dat!
UnU nuu zuit) Schlüsse dieses AbschniUes noch einiges
Ober das Volküied, Es giebt wohl wenige Gemeinden, wo
ao viel gesungen wird, wie in unserm Dörfchen. Es ist ein
wahres Vergnügen» an stillen Sommerahenden den einfachen
zweistimmigen Volksweisen zu lauschen, die bald da, bald dort
in die friedliche Dummerung hinaustönen. Leider sind aber
unst're aUen elsässischen Volkslieder, die charakleri;»iischrn
Weisen unserer Väier fast verschwunden, weil die Spinnstuben,
jene Meisterschulen des Volksgesanges, schon seit Jahrzehnten
unlor^^e-aiit^^en sind. Die meisten jetzt nldichen Gesänge sind
von den Bursciien aus ihrer S*jldalenzeit mit gebracht und .««o
von Alideutschland hieher gepflanzt worden. Als ältere ein-
heimische Volkslieder sind uiir folgende heute noch gesungene
mitgeteilt worden.
Ich tha es nichts lieber als jagen allein,
H ; Meinem Sch&tzchen an gefallen, : || wenna trawig möcht aeio.
Wo ist ea mein Sebilalein, wo ist es mein Schatz ?
II : Er tat dranaaen im Gatten, : || bricht Röaeleia «b I
«Koaun an mir in Qartan, komm an aair in Klee,
tt : Komm, klag mir deinen Jammer» : ij komm, klag mir drai Web.»
cWaa aoU ich dir klagen, hersUmaiger Scbats,
\{ : Dan wir beide m&aaen scheiden, : U weiaa keiaea kein'n Plata.
Non adje, jetst ilts beschlossen:
Ein Körblein hab ich dir geflochten,
II : Nimm da es bin so hübsch nnd fein
Und leg dein falachea Hers hinein. : ||
Warum bist da so hoch gestiegen,
Und hast dein Falschheit rrir ver<ichwiegen?
[| Bei Tag und Nacht hab ichs gewacht
Und hab deiu falsches Herz betia-cht* : |i
Reicb bist du, aber nicht Icr Reichste;
Du bist schön, aber nicht der Öchönste;
II : Und wer du bist, das bin auch ich,
Drum hör* nnr auf an lieben mich! : ti
Digitizeci Ly vjüOgle
— 84 —
Arm biu ich, das muss ich selbst gesteben,
Und moM mf melnM gleichen mImd;
Wenn ieh wftr rtieh nsd hfttV vsel Geld,
So thät ich lieben, wer tnirs gef&llt !
Doch ich bin arm und hab kein Geld,
So moM ich lieben, wem's gefällt I
Es war ein Knab' von achtzehn Jahr,
Der liebt' sein Schatz schon zwei, drei Jahr,
Schon zwei, drei Jahr uud noch viel mehr,
Die Liebe nahm Icein Ende mehr.
Der Knab' zo*! fort in's fremde Land,
Derweil vvurd ihm sein Schätzele krauk.
So krenlc, eo krank ble aaf den Tod,
Drei Tag, drei NSeht* red't eie kein Wort
Sie schreiben einen Brief ins fremde Land:
«Komm* heim, komm^ heim I dein Sehati iit knakt
Er iet M krank bis anf den Tod,
Drei Ta^, drei Nftehi* ledt aie kein Wort»
ünd ala der jung Knab in die Stabe nein tra^
Sein Schaia im Bette kranke lag.
cQrüss Gott, grüss Gott! lieb Schätzelein^
Wae machat da da im Bett allein?»
«Schon Dank, schön Dank, da janger Knabt
Die Lieb^ ist ans, ich tnass ins Grab;
In's kühle Grab, wohl vor's Gericht,
Wo mir mein Gott das Urteil spricht!»
cNicht so geschwind, lieb Schätzelein,
Ich will für dich znm Doktor gehn!»
«Zum Doktor gehn. das brauchst du nicht i
Sie nehmen's Gc-ld und helfen nicht.*
«Zündet an, zündet an ein Kerzenlicht,
Sonst stirbt mein Schatz, man g'sieht es nicht U
Er nahm den Schatz in seinen Arm,
Sein Schatz war kalt and nicht mehr warm.
«Jetzt muss ich suchen ein altes Weib
Das mir meiu'n Schatz schne^weiss bekleid't
Jetzt moss ich soeben sechs junge Knaben,
Die mir meinen Schatz aaf den Kirchhof tngen.
Jetzt muss ich kaufen ein schwarzbraun Kleid,
lluss tragen für mein Scbätzchen leid,
Mass tragen leid, moss tragen leid,
Bis dass der Weidenbaam Rosen trait (trftgt)!»
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Einst lebt ich so glücklich,
£iiiat ieh so frob;
Da wohnte meine Liebe
In einer Bfttte von Stroh,
Da wohnte meine Liebe,
Dft blühte mein Olflck :
0 ihr seligen Stunden !
Wann kehrt ihr zarödc?
Ach, Mädchen, du bist traurig,
Und dein Fenster ist le<>r ;
"Wir sind jetzt nicht mehr glücklich,
Und wir seh'n uns nicht mehr.
Dort oben auf dem Berge,
Wo die Sonne aafgeht.
Da sitst sie auf dem Berge
Und wftttsoht mir: Adje.
II: Es waren drei Töchter allein; ; ü
II : Die jflngste, die war es die schlimmste,
Sie rief dem Knabsn hinein. : ||
Sie stellte ihn hinter die Thfir,
Bis Yater and Matter sn schlafen gehn;
Dann nahm sie ihn wieder herfdr.
Sie fahrte ihn d*8üege hinanf.
Er meinte, sie woll' ihn schlafen ffthr*n,
Znm Fenster fiel er hinaus.
Er fiel es anf ein*n Stein ;
Er brach zwei Rippen im Leibe,
Dazu das linke Bein.
Er schleppt sich wohl über den Weg;
Da kam ein altes Woibelein
Und half es ihm ans dem Weg.
Er schleppt sich vor's Mütterlis Tbftr:
«Ach, Matter, ich bin es gefallen
Vor meiner Hensliebsten Thür.>
«Ach. Sohn, es gescbali.' dir recht.
Wärst du zu Haas geblieben,
Wie andere Banersknecht >
Sie setzte ihn hinter den Tisch,
Und gab ihm essen uad trinken.
Dasn gebsckene Fisoh.
Sie legte ihn auf das Bett;
Und als das Olöckelein zwölfe schlägt
Hat ihn der Tod gestreckt.
— 86
Wm gab sie ihm unter den Kopf?
Ein paar gehobelte Spftnetoin.
Da halt du, da inner Tropft
II.
Uosetv I>(trfs('liaiteii sinii zum j^rössten Teile sehr alt, weit
Siter, als sie urkundlich nachweisbar sind, aber docli zu ver-
schiodeuen Zeilen entstanden; sie sind nicht wio die Pilze eines
Waldes in einer Nücht aus dem Boden ersprü»»en, sondern
langsam kamen die kolonisierenden Stftmme in den fremden
Grund, und langsam nur vermochten sie in demselben vorzu-
dringen, sich denselben anzueignen. Unser Niedermagstett reicht
urkundlich zum Jahre 788 herauf ; in diesem Jahre ist es näm-
lich in den Traditiones possessionesque Wizenburgenses als
Ifo^esfef erwähnt. Aller Wahrscheinlichkeil nach erhob sich aber
schon zur Römerzeit eine kleine Ansiedelung in dem frucht*
baren Thälihen. Dafür sprechen f«)l;.'eiide Thatsarhen.
Zunächst zo^r eine alle Hömerstras^e, die von der o Hohen
Strasse» bei <len <(L)rei Häusern» vorbei nach Kembs lühne
dicht an dem heutig-en Orte vorüber. Sie kam nämlich, soviel
meine Untersuchung ergab, von der sog. Tafeleiche oberhalb
Stetten durch ein Ackerfeld, das heute noch «dui*chs Strässle»
heisst, olischon nur etliche eigentumliche Abstöi»e das alte
Strftssle bezeichnen» in den Linsenberg, wo di^lbe noch auf
eine Strecke von ungefähr 300 m als überwachsener Hohlweg
kenntlich ist, der den Namen cRossweg» führt; von da durch-
schneidet sie die heutige Steltener Sd asse und fuhrt quer Ober
des «Groffen Acker» Uffheim und Sierenz zu. Bei trockener
Sommerzeit macht sich die Strasse durch das frühere Gelh-
werden der Frucht kenntlich ; auch führt ein Teil des Feldes
den Namen «zwischen bed Stross».. Im Lin^'Miherg wurden
schon oft römische Münzen aufgetnuden, sowie die Ueberr^te
menschlicher Skelette mit Bruchstnc ken alter Waffen.
Die vielfach im Ziegelacker getrollenen Mauerreste, Hohl-
und Flachziegel habe ich leider nicht zu Ge.sicht bekommen ;
es scheint sich jedoch hier um die Ueberreste einer Ziegelhütte
Jüngern Datums zu handeln. Nichtsdestoweniger sollen in dem
nahen cMedersacker» in den sechziger Jahren Münzen aus der
Zeit des Kaisers Augustus gefunden worden sein und bei Erd-
arbeiten in dem ebenfalls nachbarlichen «c Tafelacker» zwei fisch-
ähnliche GegensUUide au> Metall von 0,30—0,35 m liänge, die
an einen Händler verscbacherl worden sind.
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— 87
Der interessanteste Fund wurde im Jabre 1883 in der cReb-
gasse» gemacht^ woselbst man in einer Erdhöhle das Skelett
eines römischen (?) Kriegers in voller Rüstung entdeckte. Die
Fundstäcke gingen in den Besitz des Rentmeisters H. Schön*
haupt über.
Aus (1cm allem erhellt, dass die Römer den Platz, wo heute
Niederrnngstatt steht, auch gekannt und vielleicht besiedelt
haben. Dr-r Ort selbst muss im Laufe der Zeit seine Lage ver-
ändert liabiMi ; wenigstens wurden in den lel/.len Jahrzehnten
oft Mauerreste und kleinere Gewölbe in der Umgebung des
Dorfes ausgeffrahcn.
Die ersten Ansiedler^ die nach dem Untergänge der römi-
schen Kultur im Anfange des 5. Jahrhunderts sich wieder der
verödeten Gaue bemfichtigten, drangen sippenweise von Osten
her in unsere Sundgauer VorhQgel. Sie suchten hier wasser-
reiche, fruchtbare» gegen heftige Nordwinde geschätzte Plätze
auf, erbauten dort ihre Blockhäus(M- uiid gründeten so ein Ur^
dorf, das vielfach nach dem Gest liU dite benannt wurde. Alten
Dorfsagen gemäss soll dieses Urdorf für unser Thal Kötzingen
sein. In der Thnt ist Kötzini!»Mi (Kotzin^^on 1200), welches die
Sippschaft eines Kozzo hezeirliiit u !n;ij,% der ein/.i^'e patronymisrhe
Name des Thale:>. B'eroer waren tasl sämtliclie Guter der üm-
gebunjr iu den Dinghof zu Kötzingen (ebenfalls den einzigen des
Thaies) zinspilichlig.
Wuchs eine Genossenschaft infolge des damals reichlichen
Kindersegens an und drohte Nahrungsmangt I, so zogen einzelne
Familienverbände aus und grandeten sog. Zweig- oder Tochter'
dorfer. Die Trift vmrde nach Schneeschmehen und Wasser-
scheiden verteilt und jedem Dorfe je nach der Anzahl seiner
Familten ein bestimmter Teil zugewiesen. Waren keine natQr-
liehen Grenzen vorhanden« so liess man oft eine Feidmark zu
gemeinschaftlicher Nutzniessung als Grenzmark liegen.
Auf die eben angedeutete Weise mögen die beiden Nfag-
statt, Gutzweiler und Rantsw.iler, die den Thalgrund um
Kötzingen einnehmen, entstanden sein.
Höchstwahrscheinlich bildeten die beiden Magstatt in der
üllesleu Zeit nur eine Gemeinschaft^ da« lienfi|?e XiiMlerma^^-
slalt. Das Gebiet derselben erstreckte sich zwischen ilern Linsen-
berg im Süden, der Zäsingcr Höhe im Westen und dem sog.
Hellmattgraben im Norden. Im Osten war keine natürliche
Grenze; deshalb finden wir dort die Grenzmark zwischen Uff*
heim und Bfagstatt gemeinsam. Die letzten Spuren der ehe-
maligen Grenzmark sind noch in dem Bannscheideprotokoll von
1604 enthalten, woselbst es heisst : cZwischen diesen zweyen
alten steinen aber iigt ein rieth, so man die Witten matten
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— 88
nennt ; welches rieth die von Vflieimb biesher genutzt, Tnd ist
aber allhier des Witten rieths halber zue wissen, wan die von
Vfheimb die nutzun^ darab genohinen, dass die von niedermag-
statt den weitl^ang darinnen haben».* Das Grundstück führt
heute den Namen «Uffheimer Muniried)^ Nach der Ortf^^ag-e
sollen die Rechte auf das Gut alij,'<'treten worden sein, damit
Uflfheim das Durnliti'eibeii des Vielws nacli dpn ilartweiden ge-
statten möchten. Auch an der Hann;,n » ti/f von Waltenheim
waren vielfach «Spänn und Irrungen», jtHlenfalls auch Uei>er-
reste der alten Grenzmark, die erst 1G28 beigelegt wuixlen.
Das Banngebiet der Bfagstatter wurde dardi einen HGgel-
zug, auf dem ein mächtiger Wald wuchs, in zwei gleiche Thal-
keseel geteilt, in einen obem und einen niedem. infolgedessen
teilte sich die Genossenschaft, und ein Teil gründete jenseits
des Waldes ein oberes Magstatt. Diese Teilung fallt jedenfalls
auch schon in die fdleste Zeit, obschon wir erst 1090 Güter ein
superiori Mahstatt» nachweisen können.^ Die Trennung scheint
indes anfanfr?; des XTV. Jahrhunderls noch nicht strenj^^e durch-
geführt gewesen zu sein, wie wir aus nachfolgendem Kaufakte
ersehen .
«In dem Jore do man zaite von gotles geburle dritzehen
Iiun(icrt vnd zvventzig vnd fünf Jor, am samstag vor niilton
vasten, do kom für gerichte des otlicials des hofs von Basel,
Johann iutieler, den man sprach von Magsfatt, vnd gab zu
kAffende Heinrich von Angen, eim burger von Basel, ein hus
vnd ein schüren vnd ein garten gelegen zue Hagstat bi der Rdten
gilt, vnd ein hus vnd garten och gelegen ze Magstat, vnd stosset
an der frowen gut an den Sieinen vü dem sitzet hans azmann
vnd beschah dure köefTe vmh zwei phunt Bassler phenningen».*
Verschwand in der Folge durch Kriege oder sonstige Un-
plncks'fTdle eine Genn<senschaft vollständig, so wurde ihr Bann
zwischen den Anwohnern ;:eteilt. So erging es nämlieh mit
GutzwUler und seinen Giilera. Aus dem Jahre 14f80 hci esi :
«Der Gutzweiller ist ein ander Bann, soll vor Zeithen t-m idein
Doilicin oder Wyler gewesen sein, in das Kilchspiel Kötzingen
mit Wun und Weidt gehörig. Diese Güter Zinsen in das Kloster
St. Alban Bodenzinss».* Gulzweiler verschwand im 13. o«1er 14.
Jahrhundert, und die Nacbbargemeinden Uantsweiler, KtMzingen
und Obermagstatt, ja selbst das genossenschaflsfiremde Zäsingen
von jenseits der Wasserscheide, erhoben Erbanspruche, d. h,
* Gemeindearchiv Niedermagstatt.
« Stoffel, Topographiwhei Wörterbuch. IL Anfl. 400.
^ Staatsarchiv Basel. 3Iaria MagdsleuM« Papienarknnden 39.
Gemeiadearchiv Kötzingen.
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— 89 —
sie stritten sieb um den Besitz der besten Flurstucke bis in
dieses Jahrbundert binein.
Nichtsdestoweniger verprösseiie diese Erbschaft den Besitz
der Dörfer und ermöglichte ein schnelleres Anwachsen dersell>en,
während das kleine Niederroagstatt, das in dem Streite bloss
von Zeit zu Zeit Schiedsrichter war, immer zurück blieb. Halte
es doch noch 1568 nur 15 Bfirper ; allerdings zählte damals
Oberma^sfatt auch nur 49. Aber 17*24 ist das Verhältnis schon
32 in Nh .it rma'^stalt zu 5i in Obcniiagstalt.'
In der ältesten Zeit gehörten beide Magstatt zum Hause
Oesterreich. Das Güterverzeichnis der «herzogen von Osterrich,
die Lantgrauen sint in Obern Elsas» meldet aus dem Jahre
1303 : cDaz torf ze Obemmachstat bat gehen für herlierig zem
meisten VIII vierenzal habem ; zem minsten VI von ie von
dem bus I vasnaeht hvon Daz lorf ze Niedernmachsfat
vnn der hersehaft lute, die ober dem Tlonberg sint gesesisen»
hant geben ze sture bi dem meisten XV IIb. zem minsten X
lib. herberig nah genaden, vnn von ie dem hus I vasnaeht
hvon. Du berschaft hat ouch da twing vnn ban, vnn rieht tvb
viin vreven/1 fTrouillat III. 57). Als dann dif^ Oeslerreicher
nach dem Aussteiben der Pfirter IS'Ü in den Besitz jener
Grafschaft gelangten, wurde Mag.«tatt der Henscbaft Altkirch
als Mciertum zugeteilt («mageslat meigertom» ]38ü). Kode des
15. Jahrhunderts scheint es aber wieder zur Hemchafl Land^
ser zurückgekommen zu sein ; denn es bildet von da an mit
Rantsweiler, Landser, KAtzingen, Geispilzen und Waltenheim
das erste Schultbeisslum der Herrschaft Ober-Landser.
Unsere eingewanderten Urvater waren nalurlich Heiden,
treue, feste Verehrer ihrer alten Gottheiten. Besonders war es
Odin oder Wodan, der Gott der Luft, der Beherrscher der Asen
nnd der Besch ützer des mensr lili(-lien Geschlechts, dem sie nber-
all auf erhabener Stätte Altäre errichteten. Als nun die christ-
lichen Sendboten den lieuinischen Völkern dns Lieht des iMan-
geliuins l)ra( hten, vermochten sie den All^^ewalligen nicht so
leichten Kaufes mit einem Schlage zu verdrängen. Sie schoben
ihm deshalb vielfach einen andern mächtigen lierr.scher unter,
der ihn in den Anschauungen der Heiden ersetzte. Es war
dies St. Michael, der Besieger Luzifen$, der FQhrer der
himmlischen Heerscharen. Die zahlreichen PcUronaie tu St,
Micliael gehören deshalb auch zu den ältesten Stiftungen un*
seres Landes,> und ein solches Palronat ist das Hägelkirchlein
> Bisehdfl. Archiv nt Prantrat, Vitifationes bisextiles.
^ Vergl. Ch. Braun. Legendes da Florival ou Mythologie alle-
mande dans ane valUe d'Alsace. Qebweiler 186Ö. S. 27.
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^ 90 -
von Niedermagstatt von nitersber. Nach den Urkunden ist es
auch die Mutteikirche von Kötzingen und Ohermagstatt.t
Die ersten Glaubensboten scheinen vod Basel aus nach *dea
Hüiieln des ö'^tiichen Sundganes ^^esamlt worden sein : denn
tlaliiii richten sich alle älteren Schenkun;;en und Sliftun^^en ;
auch gehörte die KoUatur von Niederniagstall von jeher detii
Slifiskapitel von Basel. Diesen Umständen ist es auch zuzu-
schreiben, dass vor der französischen Hevolulion die meisten
Güter in Händen Basler Klöster waren. Da war zuerst das
Kloster St. Alban, gestiftet 1083 von Bischof Barkhardt, mit
reichlichen Gütern im «Zeig wieder den Reckholder, im Zeig
gegen den Slockbrunnen und im Zeig gen KöUingen» ; dann
erhob das Stift St. Leonhard, gegründet 1033 durch den Propst
Exelinus, jährlich 2 Viertel Dinkel, 2 Vierte) Hafer und 1 Huhn
als Zehnten. Femer besass das Kloster Klingenthal in Kleinbasel,
erbaut 1297, in Niedermagstalt Güter, die 6 Viertel Dinkel ab-
trugen ; desj;teichen das Kloster Gnadenthal «von alters her
schon Vü) der reforniation i^'^esin». Der i233 unter Bischof
Heinrich eingewanderte Piedi^^erorden erhob ehent'alls '^ Sack
2 Sester und 2*/2 Küpile Kernen. Ausserdem ruKh-n wir noch
in den Zinsregistern vertreten: die Karthäuser, die tfLülkili he
zu Sl. Martin», das Stift St. -Peter und das Nonnenkloster zu
den cRewenden an den Steinen zu Basel» ; alle besassen GGter
und Häuser in dem kleinen Dorfbanne.*
Gehen wir wieder zur Dnrfkirche xorück. Wer sie gebaut,
wer den Grundstein zum niedlichen Bau auf der Uügelspitze
gelegt hat, wissen wir nicht. I>a$ Fest der Einweihung wurde
feiei'lich begangen bei Mahl und Tanz und andern W lksheiust-
Igun'/en ; desgleichen auch der jährlich wiederkehrende Ge-
dächlnistag. Langsam trennte sich die wellliche Belnsttgunfr von >
der kirchlichen Feier und entwickelte sich zur heuii<i<'n Kilbe
Der «[Danlzi)latz» von Niedermagslatt lag neben dem "Heylii^-^cn
Gärlhn von St. Albam», d. h. an der Stelle, wo lieule das
Schulhaus steht. Derselbe bestand noch ani Anfange dieses. Jahr-
hunderts und zwar aus einem festgestampften Lehmboden, in
dessen Mitte sich der mit Bändern reichlich verzierte Maien
erhob. Sobald der Kilbentag, der heute auf den dritten Sonntag
nach Ostern fallt, herannahte« begaben sich die Dorfburschen
au die Ausbesserung des ländlichen Vergntigungsplatzes. Als
Aufspieler diente ein fahrender Spielmann oder eine Zigeuner-
bande.
1 Bibclititt Archiv zu Priintrut. Vis. bis.
^ Staatsarcluv in Basei. Abi. Klosterarchiv.
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Aus der Zeit der Gründung der Kirche stammt auch der so^^
^MichaeUhcreim». Dessen Ursprunf^ ma^; lolf^eiidei' sein. Als die
Kirche erbaut war, galt es auch deren ikstehen zu sichern und
für (leren Unterhalt zu sor;jen. Da traten die frommen Dorl-
älteslen zur JBeraluu;; und Hülfe zubaniaieu. Die llaupterfurder-
nisse für die Opfer waren cKerneo» zu «OfTelaten», Oel zur ewigen
Lampe und Wachs zu Kerzen. Die Bürger gaben nun ein Gui,
ein Haus oder einen Garten in den Dienst der Kirche; die
Kirche ihrerseits belehnte den früheren Eigentümer wieder da-
mit und erhob dafür die Abgaben in Kernen, Oel oder Wachs
in natura. Erst später wurde die Abgabe in Geld umgewandelt.
Das letzte «Urbarium» wurde 1(101 aufjgestellt, weil die früheren
in den Kriegsjahren verloren ire<„''nngen waren. Wie sehr die
Leute an <len Uehei lieferungen ihrer Väter testhallen, beweist
der T'snsfund, dass Iü iti noch, trotz d(M' erlösendeü franzö^i?^rhen
Revolution, die alten f,isten IjozhIiII werden ; ja heim \'erkaule
eines belasteten (iniml^tikkeö muss sich der Käufer zur Weiter-
zahlung des «Bereins» verpflichten.
Wie man die Gemeinde dem Schutze des hl. Michael an^
vertraute, so stellte man auch bald die Viehherden unter den
Schutz eines besondern Heiligen , cfes M, Blttsius^ dessen Fest
am 3. Februar feierlich begangen wurde. Fast sämtliches Vieh
der Gemeinde, sowie viele Pferde der nahen Durfschaften wurden
an diesem Tage an den Fuss der hoben Kirchmauer gefuhrt,
von wo aus der Geistliche die Segnung vornahm. i So wurde
das Kiichlein von Niedermagslalt zur Wallfahrtskirche gegen
Viehkrankheiten. Von allen Seiten strömten inul strömen heute
noch die W'allfabier zum Hlasienfeste, und rt-ichlicb tlus>en «lie
Opfer. Die KirLheiirechnung von 1607 berichtet ualtr andern
Opfern ; «tAu SL. Blasius Tag ist zur opler gefallen so angenom-
men 3 sesleren Dinkhel gewesen und daraus erlosst 8 ^ 4 t>.
It. auss Schwei nenhamen (Schinken) erlösst 5 ^ 4 d
It« auss 2 Alten hembden erlAsst 2 ß
It. auss einem kleinen Kündtshembt 2 ß
It. auss Ankhen (Butter) erlösst 1 ß
It. auss einem weiberhemdt erlossl 5 ß.» »
Neben der Kirche stand eine alte Ka[>elle mit einetn Beinen-
gewölbe, dem sojr. «/Cärner». In demselben wurden die Seelen-
messen für die Abgestorbenen abj^ehallen ; denn in den Stif-
tniiiien lieissl es oft ansdrrickli( Ii wein äwig Jarzeit UlTem Altar
im K(!rner)).- In diese Seoleiinieisien kamen aiis^^er den Ver-
wandten auch die armen Leute der Gemeinde, um ebenfalls
1 In Tagsdoif bei Altkirch besteht die Sitte beute noch.
' Pfanariihiv Niedermagstatt.
— U2 -
für den Verslorbenen 2u beten und erhielten eine Belohnung in
Gpld. <ri fi (Inn Armen leülhen so heywonen« sind keine vor-
handen sols der Kirche Ijleylien».*
Um (las RiM aus dieser Zeit zu vervollsirmdi^en, will ich
auch das Einkoitimen eines jeireiligen Pfarrherrn liinziilVi;:en.
Dasselbe betrug nach einer Schätzung am Ende des 17. Jahr-
hunderts :
«cDinkhel 24 Säcke.
Vom Widumberein £vangeliengarl»en 64 stück.
streu w 200 wällen.
gelt 80 U Stehler.
wein 150^200 ohmen. (sie).
It. den schafzehnlen.
It. Gartenhamen von jeder Haushaltung einen.
It. die strol.
Vom Hanfzehnten 200 8f risten».s
Diesps Einkommen ist anf beide Mnprstalt berechnet. Der
älteste Bericiit über die gemeinsame Pfm're stammt ans dem
Jahre 1431. Burkhard Münch von Lantihkron, Vo^.-^t zu Landser,
schlichtet einen Streit, der einer Glocke wegen zwischen beiden
Dörfern aus|zebrochen ist.» Aus dieser Urkunde erfahren wir,
dass die von Obennagstaft «in allen nolwendigkheiten in ge-
baüern und Kirchenornaten den drilten pfenning und in fronun-
gen die Halbe leisten und verrichten müssen.»
1627 begann der Bau der heutigen Kirche, die am 8. April
1G30 feierlich eingeweiht wurde. In döm schdn gewölbten Chor
^^^tischen Stiles ist heute noch ein hObsches Sakramentshaus
in Stein mit der Jahreszahl 1628 zu sehen.
Inzwischen hiitte sich auch der Schauplatz der kriegerischen
Handlunjjen indem schon 1018 ausgebrochenen dreissigjährigen
Kriege dem Els.iss ^'onTdiort. Die schwedischen Heei*e begannen
1()33 ihre S( hr«'t keiisili.iien im Ober-Elsass. Der .schutzlose
Bauer, ticr seiue Ei nie \enii( htpt, seine F<'l(lor zerstampft sah,
dem die fremden Krieger tlas \ i»>h weggetriel>ea lialten und
der selbst alle Entbehrungen ertragen und Misshandlungen über
sich ergehen lassen musste, er griff zu den verrosteten Acker-
gerfiten, wandelte sie in MordwalTen um und machte dem Feinde
seines heimischen Heerdes den Krieg auf Leben und Tod. Aber
er war den rohen Kriegsgesellen gegenüber zu unerfahren, zu
Schwad), und zu Tausenden mussten sie auf schreckliebe Art
ilir Leben lassen. FQr unsere Gegend kommen bloss die aus
< Pfarrarchiv Niedermagstatt K i rcbenrecbnimg von 1629.
* R'sctiöfl. Arctiiv Prnntmt Vis bis.
<.Temeiudearchiv Niedermagstatt.
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— 93 —
der Geschichte zur Genüge bekannten Massenmorde von Bloiz-
heim und Landser in Betracht, wo über 3000 Bauern das Leben
verloren,
liegt auf der Hainl, ila^s unser in der Nalie ^t-le^enes
Niedor[Ma«jstatt sich auch an die^^en blutigen Auftrittea beteiligte,
in den alten Kirchenbüchern sind noch folgende spärliche £in>
tragungen erhalten:
«1633. 10 jan k Suecds Soopeto petitua perijt joannis
Simon Goepfert filius joannis qui cum alijs fuit in Lanaeren.
R. I. P.
Die 8. Februarlj eongregatis Ruslicis occiasis in Bietzen
ab impio Harpfen. [Obijt Jacobus Muller civia SepuUus
in agro prope Attenschwilr.
Die 8. Februarij modo enumerato Obijt Georgias Brunner
civis. U. J. P. A. nescilur quo devenerit ille.
Die 14. in festo Valentini rnai lyris miserriine trucidatus
»'<f Joannes Spies cum alijs ÜOO et 30 in Lanseren. Se-
pullusi in campo.
Die 10. feb. cum alijs inisenime tracidatus est Mo-
randt Rapp Filius Christiani R. J. P.
Die 8. Febr. inaocentus suspensua est Horandt Brun*
ner ab impio et crudeli Tyranno S. H. jacet in Hftsingen.
Anno salutis 1633.
Hoc anno fuit talis et tantus p. Sueccorum timor et
terror nemo celebravit nuptiae in nostro pago.»'
Ende dieses Jahrhunderts wurde dif» Gemeijide in einen
liostspieligen Waldprozess verwickelt. Es handelte sich um ein
aog. Itienholz bei Kembs, im Gemeindebanne von Istein. Nieder-
magstatt behauptete nämlich Rechte an die Waldecke zu besit-
zen^ hatte aber keine diesbezüglichen Urkunden. Das Domkapitel
von Basel, das Zehnt herr in Istein war, beanspruchte seinerseits
ebenfalls das Eigentumsrecht, indem es sich auf alte Bereine
stützte. Als sich dann noch das Stift von Oltmarsheim in den
Streit mischte, musste Niedermagstatt nachgeben und die Kosten
bezahlen. -
Uel>er ein Dorfv'ctppe.n, das heut»! nirf^euds nielir zu tretTcn
ist, \:'\v\)\ uns il:is Anuorial de la Göneralitr trAlsiire l'ol;?enden
Aulscbluss ; La { oununnaute des habitants du village de Nieder-
magstatt ; Porte d'argeut a une croix haussee de gueules, posee
Sur trois degrSs de möme accostee de lettres N et T de sable.»
Ausserdem besassen noch Wappen im Dorfe der Ackerer Jakob
' Gemeindearchiv Niedormagstait.
• Be^irksarchiv Coltuar. Domkapitel.
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Belgue (Bilger) : «cPorte d'argent ä un hourdon de sable, postV
en pal, accosle de deux coquilles de {j^ueulo«;,» und Georg Fon-
taine, prevöt du village : «-Püiie d'azur n iine Fontaine ä trois
robinets d'or desquels coule son eau d'argent.j»
Es war im Jahre 4701, als der m^. spanische Erbfolge-
krieg die Flammen der Verheerung von Neuem unter die
Aolker Europas brachte. Unser Elsass, als französische Grenz-
mark, erhielt natOrlicb auch -wieder setDen Teil an den drücken-
den Kriegsfichatzungen. Selbst unser DArfchen litt schwer unter
dem Drucke der neuen Auflagen. Die Dorfrechnung von 1705
spricht von Auegaben wie : >
citem den wfichtern in den redouten am Rhein fAr Pulver,
Kuglen, liechtern und Einer Axt 3 flf 6 ß.
Item denen Scbantzeren, so durch das gantze Jahr in den
linien zu Hagenauw arbeiten micssen von der gantzen Gemeind
ein^'p/'><jon und einem jeden auf den weeg geben 3 S stebler
thut ;i88 ar.
Item zur Bezaliliing deren Jeiiige« pferdten vndt ochsen so
in zweymuliligen luehr in dem Beyeriand verloren gaugen
276 ff 10 {» 10 d.
Item zur Besablung der schantncbreiber zu Newenbreysach
vnd dann denen Gonduktoren, welche die wägen nacher Strass-
burg und schletlstaft geführt 27
Item zur Bezahlung de^enigen Heues, das man nach Col-
mar hat liefern müssen 208 AT.
Item dasjenige Oeldt zur erhaltung aller schantzen am
Rhein und in den linien bei Üagcnauw 81 17 ß.»
Im Jahre 1706 lieferte die Gemeinde 20 Klafter Holz in
die Kedoiitcii am Rhein, uuterliielt dorlselbsl 7 «Serganlen»
und zalille ausserdein 8-i ff für Unterlialtung der Linien an
der Lauter, an der Moder und hei Zaliern. 1710 wurde ein
Diagoneriejjiraent nach der Herrschaii l>aiidser verlegt. Nieder-
inagslatt wurde zwar von der Einquartierung verschont, ent-
richtete aber die ungeheure Summe von 44S^ ff 5 ß 8 ^ für
cfourage».
Trotzdem schon 1714 der Friede zu stände kam, ver-
schwinden diese Ausgaben erst 1720 aus unaern Gemeinde-
rechnungen. Dann erst auch konnte die Gemeinde mit der
Rückzahlung der beim Stifte in Ottmarsheim geliehenen Gelder
beginnen.
Im Jahre 1726 erhielt die Filiale Obermagstalt nach vielen
Untersuchungen einen vom Rektor in Niedermagstatt abliangigen
1 Q«meindeaxcbiv Kisdermagstatt.
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— 95 —
«vicarius». Infolgedessen kam es zwischen Rektor, Gemeinde
und Domkapitel zu Streitigkeiten der Untei baltungskosten w^en,
die sich durch dns iranze Jahrhundert hinzogen.
Im Jahre M9:\ wunlo ilei- Leiiror Sättelin zum Gciuoinde-
prokurator ernannt, Ais solcher leitete er das schwanke Ge
ineindeschifflein durch die empörten Hevolutionswogen ; denn
der i ieiheitstaumel er<;riH auch unsere Hügelbewobner. Das
Kirchleiu wurde ausgeplündert und in den Tempel der Ver-
nunft umgewandelt, woselbst statt religiteer Hymnen patriotisciie
Lieder ertönten. Die GKJcklein wurden nach Colmar Oberge- ,
fuhrt, auf dem Gemeindeplatz der längst wieder verschwundene
Freibeitsbaum gepflanzt, und Pforrer Didner, der den con*
stitutionellen Eid verweigerte, liegab sich ins Ausland*
Aus diesem Jahrhundert ist nichts Bemerkens weil es zu ver-
zeichnen. Nur hie und da hört man noch von den Dorfaltesten
berichten, wie 1815 die Alliierten mit einem j^rossen Heere
von Sierenz aus die Högel bestiegen, um eine vermeintliclie
Ma^stadt zu Ijesetzen, und wie sie angesichts des kleinen
Dörfchens schimpfend wieder abzogen. Interessant ist noch zu
vermerken, dass die Gemeinde bis zunt Jahre 19(H keinen
Rekruten mehr aufzuweisen hat.
III.
• Ein tiefer Sinn licet in Jen
altea Bräuchen i mau muss sie
ehren.» Schiller.
Die allen Sagen und Gehräuclie i-ind in Niederma^statt
vollständig im Verschwinden hegriüen. Noch weni^r^ lahre,
und Niemauil kann sich mehr der alten Volkseii^t iiUiniiichkeiten
erinnern ! Sic sind dahin für immer. Den grösslen Teil des
nachfolgenden Stoffes mnsste ich jetzt schon hei den ältesten
Personen des Ortes sammeln.
Die Stelle, wo heule das Gemeindehaus sich erhebt, war
früher der Dorf- oder Gemeindeplatz, Inmitten des Platzes lag
ein grosser Stein, wa in scheinlich der alte «Trattstein», von
welchem aus die Verkündigungen an das Volk geschahen. In
lauen Frühlings- und kühlen Sommernächten war die Stelle
der Verdamm hl nprs platz der Burschen des Dorfes, wo gemüt-
lich die Pfeifen geraucht und die Tagesnf*ni;jkeiten ausfjetauscht
wurden. Unliebsam soll aber die GeNeilscliaft oft durch ein
Untier gestört worden sein, das urplötzlich dem Erdreich unter
dem Steine entstieg unti «las, bald einem Schafe, bald einem
Kalbe ähnlich, auf sie losstQrzte. Man nannte es da» PkttUier.
Etliche beherzte Burschen rfickten ihm indess einmal zu I«eibe.
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— 96
Schon freuten sie sich des kühnen Fanges ; da sprang das Un-
getüm haushoch über sie hinvveg^ und verschwand mit einem
grässlirhen Schrei. Man iiat es seillier selten m^hr gesehen. —
Im Ivirchlcin zu St. Michael hing auch das Glöcklein 711
Sl. Michael, das eine wiiiiderh.u o Macht gegen da«; Wetter be-
sass. Einsl durchzog ein furchtbares Gewitter die Hügel des
Sundgaues, und schwerer Hagelschlag bedrohte die fruchtreifen
Felder von Niedermagstatt. Aber der wachsame Kircbwart eilte
zum Turme. Das Gldcklein zu St. Michael ertönte, und sofort
. wendete sich das drohende Wetter seitwärts. In der Höhe aber
vernahm man ein Stimmengewirr, aus dem man nur die Worte
entnehmen konnte: «Lasst uub Hiehon, die Mirhaelikufa brOllt!»
In den Revolutionstagen ging das Glöcklein verloren.
Jener unheimhche Geselle der (inslern Nathle, der in den
elsassischen Dorfern gewöhnlich unter dein Nrnnen Nachtjäger
Ii' k innt ist, treibt auch in unserm Dörfchen seinen Spuk. In
dunkehl Nächlt n zieht er mit seinem heulenden Gefolge unter
dem lauten Üufe tdlussa huttatais durch die Lüfte. Wehe dem-
jenigen, der den Rut des Wilden nachahmt. Einmal zur Dreschens-
zeit that es ein böswilliger Drescher in der frühesten Morgen-
stunde. Alsobald föllfe sich die Scheune mit Hündchen und
Schweinchen, die schrecklich zu toben anflogen und erst bei
dem Klange der Moi^oglocke plötzlich verschwanden. — Eine
andere Person, die den äffenden Ruf auf dem Felde ausge-
Stessen hatte, fand kaum noch Zeit, sich zu bekreuzen und in
eine Furche zu ducken, und die wilde Jagd brauste mit schreck-
lichem Toben über sie hinweg, ohne ihr ein Leid zuzufüg^cn.
Auf dem Ufllieimerwege sah man in älteren Zeiten oft einen
gespenstischen Fuhrmann mit vier kohlschwarzen Pferden.
Er knallte heftig mit der Peitsche in die stille N'ncht hinaus,
als wäre er mit seinem Fuhrwerke stecken gebhehen. Pölten
die Leute hinaus, um zu helfen, so fanden sie ihn mit dem-
selben TiUrm auf der Anhöhe vor dem Dorfe, von wo er dann
plötzlich verschwand. Da der Spuk sich oft in fOrchterlicher
Weise v<riederholte, so wurde an dem letzten Hause des Dorfes
ein Bild der 14 Nothelfer angebracht, des heute noch an der
mit Heben übersponnenen Giebel wand zu sehen ist. Seither
soll auch nichts mehr dergleichen gesehen worden sein.
Als «verrufene» Orte im Banne gelten : Die Furchmalte,
woselbst ein fexrrigcr Mann mit feurigem Rade nmhorwandelt ;
der Ltnsenherg, in welchem ein hrnideartiges Cngeltener den
nächtlichen Wanderer oft irre t'uhi't ; das lieckholder, das von
einem huhnai'liyen Tier bewohnt wird, welche^ «chon manchen
arg betrogen bat und die Hellbagbrücke, woselbst ein gäuzUch
missgestaltetes Untier liausl. —
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— 97 —
Um die Hexeo des Ortee zu erkennen^ muss man am
Weihnaehtsaibend einen unverhofft gefundenen Eggezahn durch-
bohren und in der Mittcrnacht$nies8e durch das Bohrloch
schauen : sämtliche Hexen haben statt Hauben Milchgeschirre
auf dem Kopfe.
Arn Weihnachtsabend wurde früher von den Messdienern
j^esammelt. Derselbe wurde inGlasku^'^ehi, hinter denen bren-
nctiili Lichllein standen, auf den Altar {gestellt und nach dem
Dieikoni<,'äfeste von den Einsammlern und den Kirchensängern
gelruni<eii.
An demselben Abend muss der Dieb etwas stehlen, und
wenn es auch nur ein Strohhalm ist.
Beim HeUiwolftuten werden die Ohstb&ume gebunden, da*
mit sie recht viele Früchte bringen möchlen.
In früheren Zeiten ging auch der Lehrer des Ortes in der
hl. Nacht mit einem Weihwedel und Weihwasser von Haus zu
Haus, um Stuben, Kammern und StftUe zu besprengen. Der
Segensspruch lautete:
Heili wog !
Qottes Oob!
Qliiok ins Hflas,
Ungiack d'r&si*.
Ueber den Blasiustag (3. Fuhr.) habe icli schon iin ge-
schichtlichen Teile berichtet. Heute bestehen nur noch die Hais-
und Brotsegnungen. Letzteres geschieht auch an St, Agatha
(5. Febr.).
Am Fa$lnacht8dien8t<ig wurde ein in Stroh eingehüllter
Bursche unter allerlei Sprüngen und Possen an einem Seile im
Dorfe herumgeführt.
Das am Fastnachtsdienstag gesponnene Garn fres^^en die
Mäuse ; deshalb bleibt an diesem Abend das Spinnrad unbe-
rührt.
Tm Honuing sieht man lieber einen Wolf, als einen Mann
in Heindäniieln.
Wie das Wetter am AsciiermUtwocIi ist, so soll es wahrend
der ganzen Fastenzeit sein.
Am ersten Fasiensonnlag wird abends auf einem nahen
Hfigel das Fastnachtsfeuer angezündet, wobei sich jung und alt
einCndet. Die Hauptbelustigung der DorQugend besteht im
cScheibenSf^hlagen». Um das Feuer wird ein Reigentani ange-
führt. Je höher die jungen Paare dabei hüpfen und springen,
um so besser wird der Hanf geraten. Längs des Rheines und
im Schwarzwald drüben sieht man auch überall Feuer aufflammen,
und es geht die Sage, so viel Feuer man zfihle, so viel Jahre
habe man noch zu leben.
7
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— 98 —
Bläst dfir Südwind in das Fastnachtsfeuer, so giebt es ein
gutes Jahr, Weht aber der Nordwind, so «jagt er 's Heu in die
Schweiz».
Am St. Fndolinstag (ö. Nfürz) werden die jungen Zugtiere
zum «Gewöhnen» zum erstenniale angespannl.
Am Pafi'iisonnfrrrj \v»Mv]on in der Kirche die Palmen ge-
weiht und nuclilitr in den Gemüsegarten gesJefkt. Beim «Jud-
verbreimen» am Ostersamstag werden dann wieder so viele
Stückchen Holz zum Feuer gebracht, als man Palmen weihen
liess. Sind die Holzstückchen angebrannt, so werden sie aus
dem Feuer gezogen und im Gemüsegarten genau in dasselbe
Loch gesteckt, in dem die Palme gestanden hat. Dies alles be-
sorgt die Schuljugend, die dann auch am Ostertage die Oster-
wecken und Ostereier datur fordert. Damit aber der Osterhase
brav Eier legen möge, binden die Knaben Haselruten in die
Palmen.
Wenn es am Charfreitag regnet, so l)leibt der Ro^'en das
ganze Jahr ohne Wirkung auf das Gedeihen iltM- Prianzen.
An diu.Nom Tage darf auch die Erde nii ht fienihii werden,
d. h. es dürfen keine Erdarbeiten vorgenommen werden.
Hühner, die aus Charfreilagseiern ausgebrütet sind, wech-
seln jährlich die Farbe.
Gharfreitagseier, am Ostermorgen genossen, schützen vor
Fieber.
Wenn am Gregoriiag (22* MSrz) der Nordwind weht, giebt
es wenig Heu.
«Am ersten April kann man den Narren schicken, wohin
man will.»
Am St. Georgsiag (23. April) soll sich ein Rabe im Korn
verberp^en können,
Wenn im 3/aimonaf der Nenmond in das Zeichen des Stieres
tällt (« Stierneu w), so priol't es imch Eis und Frost.
Am Pfi)i(isttnont(ig n),ieii die Schuljungen von Haus zu
Haus, um Eier einzusammeln. L>abei sangen sie :
Pfingsteier roh
D'Chleini Büaba sin no uit alli do.
D'r Vogel ewer's Hüs
D^Jongfiraua namma d'Eier üb
Wenn dr ais ehai Ei wait ga.
H&ess eich dr Iltis d'Hiahaer nal
Wenn dr eis chei Anka ' wait ga,
Müass eich d'Cbüah chei Milch meh ga 1
1 Bntter gesotten und uugeäotten.
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99 —
Wenn dr eis chei Mühl wait ga,
Mäass eich dr MüUei d'r Malzer ^ doppelt ua!
Jetz esch's üss;
Gant it Eier» as mr chra» ca's Nochb«» HfisI
Wenn es am Medardustag (8. Juni) regnet, so regnet es
noch 40 Tage.
Regnet es am Dreifaltigkeitsonntagy an dem übrigens auch
Salz geweiht wird, so darf man bei der Ernte je das dritte
Oarbenband zu Hause lassen.
In der Fronleichnamswoche wcrdon Kränzchen ans «cJesu
Ruh» (ManerplentM) in der Kirche ;,'e\veiht. Dieselben werden
im Haust' aiil\,^ehäii;,'t, bis sie (iiirr sind und dann verbrannt.
Auf deia letzleu Weizeiiacker wird nach den übüdien 7
Vaterunser von einem Kinde das aus 7 schönen Aehren beste-
hende <LGlückhäinpfelei> abg^eschnitten. Der junge Schnitter
findet dann gewöhnlieh ein Geldgeschenk daranter vergraben.
Die Aehren werden hinter dem Kruzifixe in der Wohnstube
bis zur Sftenszeit aufbewahrt. Alsdann werden sie ausgeklopft
und die Kdrner dem Samen beigemischt, damit er gedeihe.
An St. Ulrich (4. Juli) *;i ntuliert man scherzhafterweise den
Mannsleuten, wie an St. Dorothea (6. Februar) den Weibsleuten.
An 67- Nikolaus (6. Dez.) verkleidet sich ein Erwachsener
und geht, Geschenke austeilend oder strafend, durch die Kin-
^lerätuben.
An Adelheidstag (12. Dez.) soll in den Spinastuben IVuhe
Feierabend gemacht werden, sonst findet man am andern
Morgen das gesponnene Garn in den Bäumen verwickelt.
Hängt in der AdwnUzeü viel Duft an den Bäumen, so ist
eine reichliche Obsternte xu erwarten.
Sämtliche Aposteltage galten frfiher als Unglfickstage, an
welchen man nicht ari»eiten durfte.
Wer in der Fronfastenwoche geboren ist, erkennt die Ge-
spenster und sieht die sonst unsichtlmren Geister.
Wöchnerinnen dürfen, so lange sie nicht ausgesegnet sind,
das Haus nicht verlassen.
1 lauen, die in den Wochen sterben, erhalten die Schuhe
mit ins Grab.
Stirbt jrinand in dem Hause eines Bienenzüchters, so muss
der Tod den Bienenstöcken durch Klopfen und Nennen des
Namens des Verstorbenen mitgeteilt werden, da sie sonst ab-
sterben würden; desgleichen auch dem Wein im Fasse und
dem Vieh im Stalle.
1 Mahlzins, den der Mflller von dw zum Mahlen übetgsbsnen
f rocht wegnimmt.
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V.
Die Adels Verhältnisse zu Ingweiler
im 16. — 18, Jaiirhundert.
Ein Beitrag zur Geschichte des elsässischen Adels.
Von
Dr. KasMl in Hochfelden.
Quellen: Bezirksarchiv zu Strassbarg. Stadtarchive von Sirass-
burg, Ingweiler, Niederbronn, ev. Ffarrarchiy za lugvveiier, Gemeinde«
aiehiTeTOiiDiinMiiheiiD, Mdhlbaiisen, Oberbrona, ObenulsbMb, Witton-
htSm, Familienpapiere des Herrn Gallenitein in Niederbronn nnd der
Madftme Ad^s geb Cayrel zu Zabern. NB. Die Ingweiler Archivalien
sind nnvol!?'* findig. Sie umfassen folgende Zeiträume: ev Taufbüch
23. Jnli 157u— 1792 mit Lücke vom 2u. April 1612—8. Oktober ltil4,
ev. Copulationsbacb 12. Mai 1573—25. April 1575, 29. September loS5
— 1. Angnst 1618, 2d. NoYember 1659—1798, ev. Begrfttnisbaelk
83. Angntt 1570—1792 mit L&cke vom 23. November 1612—96. Sep-
tember 1614; kath. Tauf-, Heiraths- nnd Begräbnisbnch 1695—1724,
kath. Taofbnch 27. Mei 1746-3. Joli 177Ö. Seit 1792 iet alles voll-
ständig.
Litteratur: v. d. Becke-Klüchtzner, Stammtafeln des Adels
des Orossherzogthnms Baden, 1886; Hellbach, Adelslezikon, 1885;
Hnmbradit» Stammtafeln, 1707; Kassel, Ans dem alten Hananerland»
im Ev.-prot. Eirchenboten 1896, Nrn. 23, 24, 25 u. 2G: Kindler V.
Knobloch, Das goldene Buch v. Strassburg, 1885-1886; derselbe,
OberbadischesOeschlechtsbuchjiiüch im Erscheinen begriffen; Kneschke,
Deutsches Adelslexikon, 1861; Lehr, TAlsace noble, 1Ö7U; Letz (Karl),
Qesehichte der Stadt Ingweiler, 1896; Siebmacher, Grosses Wappen-
bneh, 1871.
AbkttTsnngen: geboren, f — gestorben, begr. = be-
graben. Q. =r Gemahl. Gemahlin, get = getauft, Jr. = ,Tunk<^r,
N. = unbekannter Vor- oder Familiennamen, S. = Sohn, T. = Tochter.
Tz. = Taufzenge, Taufzeugin.
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— 101 —
Es ist bekannt, dass Graf Jakob v. Lichtenberg im Jahre
1472 zu Ingweiler ein Schloss baute, worin er 1480 als Letzter
des Mannsstamnies sein bewegtes Leben beschloss. Neben
anderen Gebietsteilen der Grafschaft fiel auch das Amt Ing-
weiler an die Grafen \on ZweybrQcken-Bitsch, kam jedoch be-
reits 1570 an die Grafen von Hanau, welche nunmehr die
ganzen lichlenbergischen Lande unter sich vereinigten. Während
nun die Grafen von Hanau die Reforniatian in ihrem Teile
schon seil "15 15 zulie«?en und bet^ünsti^-ten, blieb der bitschisrhe
Teil der ehemals lichlenbergischen Lande katholisch. Hier tührle
erst Graf Philipp IV. die Reformatiüii ein, und so nahmen auch
Stadl und Amt Inj^weiler im Jahre 1570 den evan;;elischen
Glauben an. Es ist notwendig, diese bekannten Verhältnisse
hier vorauszuschicken, um zu verstehen, weshalb mit dem Ein-
zug der Grafen von Hanau^Lichtenberg in das Ingweiler Schloss
Ingweiler der Mittelpunkt eines regen gesellschaftlichen Lebens
wurde, welches den gesamten evangelischen Adel der Grafschaft
umfasste und über anderthalb Jahrhundeiie fortdauerte.
Die ersten Anfön^^e näherer Beziehungen zwischen den
Grafen von Hanau und dem elsässischen Adel fallen, soweit sie
die Stadt Ingweiler hetrelTen, schon in das achte Zehnt des 16. Jahr-
hunderts, Zunächst war es der hanauische Hofstaat zu Buchs-
weiler, welcher einf- ganze Anzahl Beamten, Frauen und Fräulein
aus adeligen Gesthit^chlei-n vereinigte. Daun waren die oberen
und obersten Verwallungsumler der Grafschaft ausschliesslich
mit adeligen Vertretern besetzt. Sodann hatte auch das Ingweiler
Schloss eine Reihe adeliger Beamter. Sehr innig waren ferner
die freundschaftlichen Beziehungen zu und zwischen den Adels-
geschlechtern, welche kürzere oder längere Zeit ihren Sitz in
den benachbarten Ortschaften hatten, in Buchsweiler, Obersulz-
bach, Weinburg, Assweiler, Middhauscn, Oberbronn und BüS-
Weiler, sowie auf den Schlössern Rauschenburg und Lichtenberg.
Auch als von 1625 ab das Ingweiler Schloss nicht mehr
bewohnt war, blieb der intime Vorkehr der jrraflichen Familie
mit dem Adel der Graf.^chalt bestehen. Dieser Verkelir äusserte
sich hauptsächlich hei den Kind taufen, welche das Stelldichein
der hervorragend.slea Edelleute von Nah und Fern waren. Und
da die evangelischen Geistlichen jener Zeil alle Taulzeugen mit
peinlicher Soi^falt zu verzeichnen pflegten, bieten die Ingweiler
Pfarrakten ein itusserst wertvolles Material, welches nicht nur
den lokalen Adel betrifft, sondern auch schätzenswerte Auf-
schlösse Ober den deutschen Adel Oberhaupt bietet.
Aber die trockenen Tauf-, Hochzeits- und Begräbnisbächer
geben uns noch Kunde von manchen anderen Verhftitnissen,
Es war mir eine lebhafte Freude, aktenmflssig konstatieren zu
uiyiu<-Cü Ly Google
— 102 —
können, dass das sprichwÖrUicbe patriarelialiscbe Verhftltnis
der Grafen von Hanau-Uditenberg su ihren Unterthanen, dessen
Andenken noch heute im elsftssischen Hanauerland als teures
Vermächtnis fortlebt, schon vor zwei und drei Jahrhunderten
ein äusserst herzliches gewesen ist und auch zu Ingweiler oft
in wahrhaft rührender Webe in die Erscheinun';: trat. Und da
die Grafen als die ersten in der Herrscliatt tonrni jeluMid wirkten,
ist es verständlioh, dass alle adeligen Eih^iesc^bt iien zu Ing-
weiler ihrem Beispiele fol<rten und die Schranken mehr oder
weniger übersciu itten, weiche noch in jener Zeit vielfach zwischen
dem exclusiven Adel und dem gemeinen Volke bestanden. So
findet sich sehr hänOg ein gegenseitiges Patenverhältnis zwisclien
Addigen und Böi^riichen, so zwar, dass jene 5fler von diesen
als Taufaeugen gebeten wuitlen, denn umgelcehrt.
Vor allem waren es die jeweiligen evangelischen Pfarrer
von Ingweiler und den umliegenden Dorfern, sowie die Diakonen
(HülfspCarrer) von Ingweiler^ welche ungemein oft in diesem
Verhältnisse standen, und namentlich ist hierunter Pfarrer Itzstein,
der erste und langjährige evangelische Geistliche von In^rwciler
zu erwähnen, welcher drei Mal verheiratet war und 1") oder
lü mal ValertVeuden erlebt hat. Von anderen lierrsch irtlichen
Beamten iiallen ferner diese Khre der Herr SeertMuriu:> zu
Buchsweiler, die iScliulliieissen von Ingweiler und Umgegend,
der AmtsschalFner, der Stadtscbreiber, der Burgermeister, der
Kirchenschaffner und Sfräter die zahlreichen Tabakgarden (gardes
de tahac), welche zu Ingweiler und Menchhofen postiert waren.
Dann waren eine ganze Reihe ehrbarer Handwerfcerfamilien
beteiligt, deren AuMhlung zugleich einen kleinen Ausblick in
die Blötezeit mancher Berufsarten gewährt : Mutler, Wagner,
Schuhmacher, Schreiner, Schneider, Wirt, Steinmetz, Zimmer-
mann, Hafner, Metzger, Bäcker, Küfer, Gerber, Glaser, Barbier,
Rotgerber. Krirsctmer, Leinenwehcr, Wollspinner, Wollenweher,
Bruchsriineider, ja sogar njehrni als der Kuhhirt. Von speziellen
Angestellten im Haushalt der adeligen Herren sind endlich zu
nennen der Meyer, der Hofmann, Fuhrknecfite und Tajilöhner.
Icli kann mir nicht versagen, hier einige bezeii hnende Fälle
hervorzuheben. Der Oberamtmann, Graf Philipp Ludwig von
Hanau, war 1600 Pate bei einem TQncher neben seinem eigenen
Diener. Im folgenden Jahre waren die Herren v. Waldtmans-
hausen und Nüttel v. Treppach Taufzeugen in der Familie des
jungen herrschaftlichen Kochs, allerdings einer nicht zu ver-
achtenden Persönlichkeit. Im Jahre 1603 versahen die nämlichen
Herren neben dem Herrn v. Bolsenheim Pateostelle beim Beit-
kne( ht des erstgenannten. Besonders häufig aber war der Herren-
diener Biscbel gen. Schleicher Taufzeuge in adeligen Familien
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— i(J3 —
und umi^ekehrt. So stand am 15. Aiuil KMK) die regierende
Gräfin Maria Elisabelli neben der «(leiclilalls adelijjen Frau des
OberaiTitmanns von Buchsweiler als Taufzengin hei oinem seiner
Kinder. Hfhiit^eiis hraihle es ein Nachkonini«' dieses liischel
später bis zum lUltmeister (II. Mai 1(i57). Schon hofremdender
ist es, dass die regierende Graliii Johanna nebst lauter adeligen
Zeugen Pale stand bei eiaeni Kinde des Pächters des Hofs
Seelhofen, ivelcber damals c wegen vilfeltigen Ehebruchs des
lands verwisen war» (25. September 1631). Und endlich sei
noch ein Fall namentlich aurgeführt, bei dem sicherlich die
Kameradschaft und Waffoihrfiderschafl über das wenig erbau-
liche Ejneignis hinweghelfen musslen. .\in 30. November 1764
waren Franz Joseph und Friderike Sophie Christiana, Kinder
des Kapitäns Franz Ludwig v. Schmidtburg, Tauizeugen bei
einem unehelirhon Kinde des Lieutenants Jakob Philipp Routschy
vom Fieikorjis ((Lotion ilr Cnnflanst in Knsisheim, welches
nach damaliger Vorschrift mit dem Famiiiennauieu des Vaters
belebt wurde.
Was in den Ingweiler Kii chenbuchern auftaiit, i<(, dass
die Taufakten des Adels selbst, ihr Vorkommen überhaupt, ihre
Häufigkeit und die Zahl der Paten mit den bewegten Ei'eig-
nissen eigentlich nicht stimmen, welche das Elsass und speziell
die Ingweiler Gegend im 17. und 18. Jahrhundert heimgesucht
haben. WAren nicht in anderen Akten Bemerkungen über
kriegerische Begebenheiten, Pest und schwere Not eingeflocblenf
man gewänne wahrlich ein ganz falsches Bild jener denkwär-
iligen Zeit. So fanden mitten im dreissigjährij^en Krieg mehrere
Taufen statt, <lie zugleich einen l?eleg geben für das vorzüfrliche
Verhältnis des einlieimi^rhen Vdels zu den Oftizieren liei- Ing-
weiler Garnison, weit lie vvahrsriieinlich auch nicht anders war,
als amlere Truppenteile im i^iossoii Kriege. Ubersllieutenanl
tiiva, iler tapfere Kommandeur des weimaranischen Regiments
Wurmbrandt, war im Leidensjahr 1637 Pate beim kleinen
Hans Dietrich v. Waldtmanshausen nebst anderen Vertretern
des elsasser Adels. Im Jahre 1644 wurde das Tdchterchen
des hanauischen Rittmeisters Philipp Friedrich v. Einschringen
unter anderen von Georg Jakob v. Steincallenfels, Major im
weimaranischen Regiment Oehm, und Qnartiermeisler Nörschütz
vom weimaranischen (?) Regiment Scharfensee über die Taufe
gehoben. Und im folgenden Jahre waren eine .-Vnzahl einhei-
mischer Adeli^jer nelten drei Üflizieren Taufzeugen bei der
Tochter des LieuleiiaiiN Neppel vom fruizö^isrlien Kavallerie-
Regiment Mazariü. Sowohl die Auswahl als ilie Zahl der Palen
lassen keinen richtigen Schluss auf Not und Elend jener Zeit zu.
Fbenso gehen die Taideu der Adeligen in den vierziger
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— 104
und fünfziger Jahren g^nnz ruhig ihren Gang, wie wenn nichts
besoniif^pp'^ v(irL:ek<>nunen wäre, ja die Tauten in den snrhziger
Jahren iielinieii emea ümt'ang an, der j^eradezu als Luxus bezeich-
net vv»M(len mus^is. Drei ISchmidlburgiscIie Taufen der Jahre 1604,
1ü(R) und 1667 weisen 14, 14 uud 12 Taufzeui,^ea auf, fast
durchweg von Adel. Und zwei andere Taufen, ebenfalls in be-
wegter Zeil, fielen noch grossartiger aus, die eine bei Henrn
V. LötMn zu Obersulzbach mit 14 und die andere bei Herrn v.
Schmidibuxg lu Ingweiler gar mit 16 Palen.
Ehe ich nun auf den speziellen Teil übersehe, er&brigt es
mir nochi einige erläuternde Bemerkungen vorauszuschicken.
In den evangelischen Tauf- und Begrähnisakten ist dflcrs das
Datum der Geburt und das des Todes nicht angegeben, es
musste daher mit den Daten der Taufe und der Heerdigung
vorlieb genommen werden. BeztV^dich der letztgenannten Ver-
i iclitung kann man wohl annelunen, dass sie spätestens U Tage
nach dem Ableben stattfand, üeber den ZwiM henraum zwischen
Geburt und Taufe lasst sich wenigstens annähernd eiue Ver-
mutung aussprechen auf Grund eiuer Notiz des Pfarrers vom
i. November 16(H, welcher es als besonders schweres Vergehen
ansieht, dass ein Vater sein Kind 12 Tage lang ungetauft liegen
Hess. Es ist daraus zu folgern, dass die Taufe sich sehr nahe
an die Geburt anschloss und jedenfalls einen Zwischenraum von
8 bis 10 Tagen nicht uberstieg. Sie fand nicht immer an
Wochentagen noch ausschliesslich an Sonntagen statt. Auch ist
eine Bevorzugung einzelner Wochentage und eine Vermeidung
anderer Tage als Dies nefasti, wie hente noch nhlich, in jener
Zeit nicht nachzuweisen. Doch das hlos nebenbei !
Ferner ist bei verschiedenen Personen ihre Kigenschaft als
Taufzeuge an einem gewissen Tage der einzige Ariliallspunkt,
der sich über ihr Alter ermitteln liess. Nach oben liisst sich
natüi4ich keine Grenze angeben, aber auch ein bestimmte«
MinimaUilter kann nicht bezeichnet werden. Zwnr kam es
zweifelsohne bei Weitem am häufigsten vor, dass der Taufpate
b««its konGrmirt war. Aber aus mehreren Fällen geht es ebenso
unzweideutig hervor, dass dies kein notwendiges Erfordernis
bildete. So war die Gräfin Johanna Magdalena v. Hanau (* 18.
Dezember lOtiD) Patin am 23. Januar 1669 im Alter von 8
Jahren, desgleichen Christian Reinhard v, Löben (* 5. Juli 1600).
8 Jnhre aU, Taufzeuge am 4. September 1 "07. Friedrich J"h-^nu
Keinii.iid V, Sciitiiidlbuig versah I'atef)steiie am 12. November
1601) iii) Allel' vuM til g Jahren, und die Gräfin Charlotte Chris-
tine Magdalena Johanna v. Hanau (* 2. iMai lüiHJ) war gar erst
3 Jahre alt, als sie zu diesem Amte auserkoren ward. Nur in
zwei Fällen, und zwar bei den zwei Kindern des Amtmanns
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— 105 —
Uaffner v. Wasslenheim zu Weslhofen, ist ausdrficklich ver*
merkt, dass sie noch nicht koDfirmirt pe%%'esen seien und dass
au5? Hiesem Grunde ein vollg^ülti^ier Stellvertreter neben ihnen
stand, so dass zugleich die ErforLlemisse der Relisfion und die
Ehrung- des Taufpaten ;je\vnhr} l)lip!)on. Im Uebrigen scheint
die ganze Eiiii ichtunj^ der jugeiidliclien i*aten ein durch die
Geistlichkeit •geduldetes Vorrecht des Adels gewesen zu sein.
Was nun die Ingweiler Adelsf^eschlechter selbst bctrifll, so
sind sie zum weitaus grössten Teil in der Litteratur wenig: Ije-
kannt, die eine Familie nicht einmal dem Namen nach. Ich habe
ihre Spuren verfolget und auch diejenigen Verwandten bertlck-
sichiigt, welche zwar nicht in Ingweiler gewohnt haben, deren
^geschichtliche Kenntnis jedoch iQckenhaft ist. Ueberhaupt sind
in dem vorli^enden Aufsatze bloss solche Angaben enthniten,
M eiche mir neu zu sein scheinen und geeignet sind, das bisher
i]ekannte zu erfjänzen oder in zuverJassI^i^er Weise zu berich-
tigten oder Nvelthe sonst allgemeines Interesse bieten. Aus der
Litteratur hai)e ich unter Anp:al)e der (^)nelle nur das an^^etVdirt,
was zum Verständnis o(]er zur l)esseren Beurteilung der Lebens-
zeit unbedingt erforderlich war.
Das älteste adelige Geschlecht, welches sich zu Ingweiler
naehweben lässt, waren die Herren v. NeUpaeh. Ihr Name
scheint in der Litteratur unhekannt zu sein.
I. Caspar, Amtsschaffher zu Ingweiler, f 1566, 6. : Anna N.
(alias Agnes S9. April 1S86X f 22. November 1584. Beide sind
begraben in der Ingweiler Kirche, nahe der Kanzel, vor dem
Kirchenstuhl der Familie. Ihr Sohn
II. Wilhelm, wolinhaft in Ingweiler, ohne Amtsbezeichnung^
18. Mai 15G9 und 3ü. Juli 1560, als Schu]lhei«s erwähnt IM).
Juli 1570 — 7. Oktober 1574, als Amtssrhnftner 5. Oktober i575
bis zu seinem 'J'od, j 2. Dezember ibVHj an der Pest, begr. in
Äfliaer Ellern Gralu G. : 1) Appolonia Weydackher, eine reiche
Ingweiler iiorgerstochter, -J- 8. Mai 158:} zu OlTweiler auf der
Flucht vor der Pest, begr. in der Ingweiler Kirche unter dem
Stein, cdarauf weidenlauh gestochen». Das Weidentaub heneht
sich jedenfalls auf den Namen Weydackher. 2) vor 12. Juli
1584 Agnes Scbreyber, T. von Reinhard Schreyber mit dem
Zunamen Wiederker, bitscbischer und nachher hanauischer
«Rath und Dienert» 30. .Tuni 15d7). Dieselbe f kinderlos an
der Pe>;t am 5. Dezember 1596 und wurde begr. in der Ing-
weiler Kircli^e, Kinder aus 1. Ehe:
1. Anna, geb. 7. Oktober 157i in OlTweiler, tdahin sie
von Sterbens wegen geflohen», — in Ingweiler wütete damals
die Pest — , f 6. August 1576.
2. Regina, get. 5. Oktober 1575, G. ; 6. November 1593
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— 406 —
Ambrosius Brall, kurfürstlich pfälzischer Fähnrich, S, des -j-
hnnauischon Amimanns frleichen Namens zu Halten und hei
siMiier Multor in Weissenburg wohuhaft, woselbst er 'iü. April
i'AH'y als Hiii^^er he/.eicbnet wird. Re^Miia Iball kam Anfangs
15UÜ i^chw erkrank iii das viiterlichc Haus nach Ingweiler, -|-
29. April 1590 alUla und wurde begr. in ihrer Muller und
Grossmutter Grab, cmit weideniaub signirt». Ihr Mann -f
vor 1600.
3. Barbara, get. 21. April 1577, G. : 7. Mai 1504 Dr. Sig-
mund Hafner, Advokat am Kammergericht in Speyer, dem
sie 2 Töchter, Anna Katharina und Sophie Barbara schenkte,
welche beide im Juni 1597 zu Ingweiler an der Ruhr starben.
Beide Elfern leben 1600.
4. Noch eine Anna, gel. 19. Okiober 1578, G. : nach
11. Febninr 1596 Marlin Nfittel v. Trepparh.
5. Agnes, -et. t>8, Februar 1580, lebt iedi;^ '2'.^. April 1597.
0. Ein Sohnlein, j 7. Mai 1583 zu Oflweder an der Pest.
An die v. Nelspach schliessen sich nalürlichei- Weise die
Nüttel V. Tteppach an. Kiiidler v. Knobloch erwähnt sie uls
Alliance der Haffner v. Wasslenbeim und mit dem falschen
Namen Nüttel v. Ti eppau als Alliance der Prechter. Femer
erw&hnt Lehr die Nittel (!) v. Treppach gleichfalls als Alliance
der Haflner. Sonst scheinen sie in der Litteratur nicht be-
kannt zu sein. Auch in Pforzheim, wo das Stadtarchiv bei
der Zerstörung von 1G89 zu Grunde ging, hat sich keine Kunde
von dip'^em Geschlecht erhallen. Die dortijren evangelischen
Kirchenbücher sind erst von 1()07 an vorhanden.
1, .loseph, zo^ wahrscheinlich in Folge niis>licher Vcr-
mögensverhallnisse im Aiuil 1(»0*2 von Plbiziieini zu .meinem
Sühne nach Ingweiler, wo er nur 8 Wochen meist krank lebte,
•j- 30. Mai 1002, begr. «vor der Nelspachin stui inn der kiichen»,
G. : Anna (alias Euphrosyna 27. Januar 1000) Kircher, f 12. März
1609 am Schlagt! u.ss, begr. f neben dem sIein, so das weiden
laub oben vff hat, zur Bui^perstuben zu». Letz führt irrtüm*
lieber Weise diesen Joseph v. Treppach als Schwi^rsobn
der (!) Edeln von Nelspach und als Amtmann von Ingweiler
und Neuweiler an. OlTenbar handelt es sicJi um eine Ver-
wechselung mit dessen Sohn Marlin. Kinder Josephs;
1. Anna, G. : 1580 Hans Jakob Gross, S. des Stadlschreibers
von Pforzheim, wegen Schulden «geschieden im Dezember 1506,
+ in Inj» Weiler i. Dezember 159M.
2. Marlin (s. u.). *
Ii. Marlin, zog mit oder vor seiner St liwtvster spätestens
1508 nach Ingweiler, wo er vor 21. Dozemljcj 1598 die Anna
v. Nelspach heiratete (f 27. Mai 1623). 1004 war er Amt-
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— 107 —
mann zu lo^rweiler und versah diesen Posten bis xu seinem
Tode. Er wurde begr. 9, September 1622 toi* dem Altar» neben
seinem Vater gegen die Kirchthüre xu. Kinder :
1 . Johann Reinhard, * 10. Januar 1600, G* : Anna Rosina
Prechler. Ihre Tochter :
a) Anna Sophie, * -i. Septcml>er 1625, ledig 31. März lG4i,
G. Nikolaus Jalcob 1 Uallner v. Wasslenbeim, Amtmann in
Westiiuien.
2. Anna Maua, * 4. Juni 1()<M, lebt lOU).
3. Regina, * 17. Juli 1003, f 13. September 1603, begr.
cvnden an Reinhard Weidackers stein, der zum Oelberg zu
liegt».
4. Anna Barbara, * d. August 1604, ledig 4. September
1625, 6. : vor 26. Dezember 1640 N. v. Rinckenburg.
5. Johann Wilhelm, « 26. Oktober 1606, f 9. April 1607
an den Pocken.
6. Johann Christoph, ♦ 11. Februar If^iS.
7. Noch ein Johann Wilhelm, * 15. April 1010.
S. Ern==i Friedrich, * 1614, Oberstlieutenant, f 29. Mai 1662,
in der Kin'he begr.
Die Xüllel v. Treppach mnd nach dem Tode des Amtmanns
Martin um die Mitte <ies 17. Jahrhunderts von Ingweiler vei"-
Z'jgeii ,
In derselben Zeit , wo Caspar v. Neispaeh die Amts-
schaffen ei Ingweiler verwaltete, finden wir einen andern Edel-
mann, dessen Name gleichfalls in der Litterat ur unbekannt zu
sein scheint.
Johann Slumpff V, Simmern hesass zu Ingweiler in den
60er und 7üer Jahren des 16. Jahrhunderts einen Hof. Er war
vermählt mit Aurelia VölLsch, ■}- 4. Mai 1572 und liegt be-
1,'rahen fander dem zweiten stein, wie man forn hinein rrhet.
vnd lies ihm traw Anna Beridi<ildit» Witt we, nach 30. i hären,
Aü 602. ein Epithaphium vflVic hteno. Ks ist dies wahrschein-
lich dieselbe Anna, welche 30. Juli 1070 als «Bas» des Junkers
KrwahnuD},^ lindcl. Die Witwe des weyland Kdlcn und Elu en-
vesten Junkers Hans Stumptf heiratete 25. April 1575 Hans
Beck aus Burgcanstatt in Franken, den — Knecht ihres ver-
storbenen EUiegatten. Es ist sehr eigentQmlich, verrSt aber
anch einen guten Teil von Volkshumor, dass dieser Beck
meistens tder StQmpftin Hans», seltener cStumpffen Hans»
genannt wird. Trotz der Missheirat blieb Aurelia zu Ingweiler
beliebt, und nicht minder hatte sich «der Slümpftin Hans» einer
gewissen Sympathie zu erfreuen. Dies zeigt sich unzweitelhatt
d^rin, dass erstero vnti 1572 bis 15SS nit lit wenijrer als 20 mal
ratenstelie vergab, während Hans von seiner Heirat an bis 1580
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— 108 —
in 15 Fftllen Taufzeuj:e wnr, eine Eine, welche später selbst
den ^esNia iitesten Verlret"rn des Adels nicht in so reichem Masse
widerfuhr. Die «Stüinpllin» -j- 25. Dezember 1588 und ward
begr. «vnder den ersten grabstein, an der förder Kirchen thür,
innwendigy her neben ires Juncker Stumpff seligen bäumt.
(Baum = Todtenbftum = Sarg.) Sie wurde also ungeachtet
ihrer M^lliance noch zum lokalen Adel gerechnet. «Der
StQmpflin Hans» aber heiralete schon nach kaum 3 Wochen,
i7. ianuar 1589, seine — Köchin, Maria Krischer aus Tinten
im Lützelbur{:;er Land. Auch jetzt wird der Neuvermählte noch
cder Stümpffin Hans» genannt. Er sollte sich jedoch keines
langten Ehestands mit seiner zweiten Frau crfrouen, am 1, Ok-
tober 159() starb «Sturapflin Hanssen Flau» im VVochenbett
nacli einer Tüdf^'^eburf , Jetit lilieb Hans ein Witwer und
starb 10. März 1597 an der Pest. Er war im alten Ingweiler
entschieden eine beliebte Persönlichkeit, und dieser Umstand
rechtfertigt es gewiss, das« ich ein wenig über den Rahmen
meines Themas hinausgegangen bin.
In der Litieratur gleichfalls unbekannt ist Junker Hierony*
mus Genger» Er war gebOrtig aus Barr« lebte 2. Mai 1591
in Ingweiler, wo er einen Hof besass, i' daselbst 15. Hirz 1596
uud wurde begraben in der Kirche «hart neben der MQdz-
gesellen neuem stui». (Die gräflichen Münzbeamten hatten das
Privilegium eines besonderen Kirchenstuhls an bevorzugter
Siclle.) G. : vor 28. Juli 1504 Mar^^^relhe v. Kippenheim.
Diese tfebar ilun ein Kind, Anna Maria, ^et 8. Januar 1598,
-j- 20. Juni 1599 au der Ruhr und neben dem Crucifix be-
graben. Die Witwe heiralete später Johann v. Waldtmans-
hausen.
Ueber die Familie v. Kippenheim, ein uraltes elsussisches
Adelsgeschlecht, ist folgeodes ergänzend mitsuteilen :
I. Bernhard, lebt 7. Januar 1599. Seine Kinder, wahr«
achelnllch in folgender Reihenfolge geboren :
1. Mai'garethe, G. : 1) Hieronymus Genger, 2) Johann v.
Waldtmanshausen.
2. Felicitas, lebt bei der Ebenfrenannlen von vor 8. Januar
1596 bis zu ihrer Verheiratung am 13. April 1613 mit Wilhelm
Orerop v. Freudenstein, Amtmann zu Rabenhansen.
3. Martha, f ledig "I"!. Mai 15! )7 an der Pest, begr. auf
<lem Kirchhof zu Ingweiler neben dein Crnritiv.
•i. Maria, verm. mit Jakob Rapst v. RuL-enheim zu Strass-
Luru als dessen *2. Frau, beide leben 1ü. Oktober 1603.
5. Rudolf, Tz. 7. Januar 1599. Dessen Sohn ;
a) Heinrich Balthasar, G. : Anna Maria Kempinska. Diese
lebt 23. April 1663, jener lebt 23. Januar 1669. Wahrschein*
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— 109 —
lieh war ihre T. Susanna Margaretha, Tz. ledig 26. Dezember
1640 und 31. März 1644.
6. Johann Wilhelm, Tz. 23. August 1607, G. : vor28. No-
vernl)er 1633 Sii'^nnna Magdalena Lummert (soll heissen Lum-
hart), lebt 3ü. JauLiar 1645. Di<?sf> -J- n.u h Kiodler v. Kooblocb
i656 als J.et7te ihres Namens. Ihr Soliii
a) Philipp Ludwig, Tz. ieili;^'^ 6. April 1648.
II. Anna Maria, geb. Vüllsch, Tz. 20. Januar 1635, nach
Kindler v. Knohloch Letzte ihres Namens (f lüii) und G.
Eberhards (?) v. Kippenheiro.
VoD den Kraffl v. WaldtmanshoMsen ist in der Litteralur
so gut wie nichts bekannt. Lehr erwähnt bloss die Heirat
Friedrich Ludwigs v. Schmidtburg mit Maria Magdalena v.
Waldtmanshausen. Im Sfra -l iirger Stadtarchiv ist unter den>
30. Mai 1620 ein Herr v. Waldtmanshausen, königlich böhmi-
scher Obrist über ein Regiment Fussvolks erwähnt, mit welchem
die Stndt Strasshur^ wogen Uobernahme des Kommandos über
die städtischen Truppen Unterhandlungen ptlog, die indessen er-
folglos gewesen zu sein scheinen. In welchem verwandtschaft-
lichen Verhältnis er zu Johann v. "Waldtmanshausen stand,
ob er <,'ar mit diesem identisch ist, lässt sich mangels näherer
Angaben nicht sagen. Die eigenartige Schreibweise «Waldt-
manshausen» findet sich übereinstimmend in diesem Schrifl-
stQcky im Bezirksarchiv und in sämmtlichen Akten der Ing-
weiler Pfarrbucher. Demnach ist die Schreibweise cWaldmans-
hausen» bei Lehr unrichtig.
1. Johann KrafTt v. Waldtmanshausen, * 12. Oktober '1502»
kam um die Wende des 16. und 17. Jahrhunderts an den ha-
nauischen Hof. Am 10. Januar IßOO stand er in Vertretung des
Grafen Johann Reinhard I. v. Hanau-Lichtenberg bei Johann
Reinhard Nüttel v. Tipppach ahs T/. n»^ben Margarethe v.
Kippenheim, der ju>,'endlicheü Wilwe Hieronymus Gengers.
MOglieherweise war dieses Zusammentrellen nicht uid)eabsichtigt.
Am 7. Juli lüüü heiratete er sie in Jr. Bernholds Hofau VVoU
liäheim im Beisein des regierenden Grafen und der Gräfin.
Die Hochzeit fand Abends 7 Uhr statt und ist am folgenden
Tag «öffentlich inn der Kirchen bestetiget worden.» Bei dieser
Gelegenheit ist Johann als banauischer Falkner aufgeführt.
Durch seine Hochzeit fiel ihm jedenfalls der Gengersche Hof
in Ingweiler zu, und er Hess sich in dieser Stadt nieder. Im
Jahre 1611 schenkte ihm Graf Johann Reinhart L als Aner-
kennung für treu geleistete Dienste eine 4 Mannsmallen (=
Acker) grosse Wiese, die Weyliermatt, im In;r\veiler Bann, und
1(331 erhielt fT vom (iratVn Philipp \V()if;jian;i als Erblehen
etliche Leiinstücke und Güter, welche durch den Tod von
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— 4iO —
Meinlach Marx v. Eckwersheim, dem Letzten seines Geschlechts
(-{- 1596), erledigt waren. Am 25. September 1631 ist er hanau-
ischer fIo[Vncister und j al.-^ solcher zn Stiassburg^ 10, M'irz
1038. Kl' liegt be^i'. in der lM;:woiler Kirclie. Seine Mutter ^nv
eine geborene Fürstin Weitpreclü v. Hoseidtury und Schwester
des Johanniternieisters zu Heiltersheim. Kinder:
1. A|4allie Maria, * 0. Januar löO^, ledijjf 8. November
1624, G. : 1) N. v. Buch, 2) vor 26. Juni 1650 Jr. Neppel.
Dieser tot 23. April 1063, sie selbst lebt 29. Okloiier 1667.
2. Anna Eva, * 13. November 1603, ledig 4. September
1625, G. : vor 20. Januar 1635 Nikolaus Jakob v. Sultz.
3. Heinrich Baltbasar (s. u.).
4. Anna Jakobe, * 8. M&rs 1607, 1 4, August 1607 an den
Pocken.
5. xMaria Katharinn, * ? JmH IGIO, f 14. Juli 1610.
II. Heinrich Balthasar, * 1;^ iJezemher ItKii. hepr. 26.
März 1039, G. : Agathe Demuth von Aurbach, T. von Bern liard
Dietriih und Agnes v. Westphalen, f 18. August 1638 in
Kindsnüten. Kinder:
1. Marijarethe Magdalena, * 28. November 1033, ledig 11.
Mai 1657, G. : Friedrich Ludwig v. Schmidtburg.
2. Anna Elisabeth, * 20. Januar 1635, begr. 23. August
1635.
3. Jobann Dietrich, * 15. März 1637.
4. Ein totes Knäblein, 18. August 1&38.
III. Johann, Vetter von Johann, * 1577, Kapitän in nieder-
ländischen Diensten, f auf Besuch <eine-^ Ingweiler Vetters
16. September 1G07 an der Ruhr, ledig, kinderlos. Er wurde,
M-eil calvinisch, nicht in der Kirche, sondern auf dem Kirchhof
begr., «rzwi«c}ien dem Creutz und dem weg, der zur Kirch*
Ihüren ghet.^
Das Erbe und die Nachfolge derer v. Waldtmanshauseu ia
materieller und geselischaltlicher Beziehung traten die Herren
V. Schmidtburg an.
Die Herren v, Sekmidtburg waren ein uraltes rheinländi-
flches Geschlecht, von dem ein Zweig noch jetzt in Oesterreich
bläht. Nach Lehr kamen mehrere Vertreter des Geschlechts im
mittleren Drittel des 17. Jahrhundert> ins Elsass. Sie schreiben
«ich bis ins 18. Jahrhundert ((Sclunidtberg», seltener cSchmid-
berg» und «S( hmitburg», später « Schmidtburg» und einige
Male «Schmidlbour;,'-». Ausser der Waldtmanshausenschcn Erb-
schaft besassen sie zu Ingweiler ein Haus und Güter, welche
sie von den Erben des Herrn HafTner v. Wnsslenheiui käuflich
«rworben !i;itlen, fei ner Güter und Gefälle in Weitbruch, Üor-
lisheim und Dunzonheim.
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— III —
I. Johann Simon, 6.: Magdalena v. Bosseck.
II. Johann Ludwig, dessen Soiin, * 1503, 30. Juni 1639
ninrk;rräflich badeu-durlachiscber Forstmeister, -}- 21. August
1667 in Ingweiler, G. : Hanna v, Baumann, die Letzte ihres
Kamens, f 31. Mai ^668.
III. Friedrich T inKvit^ dessen Sohn,* um die Jahreswende
4636 auf i637, Jüirerjnei.-.i.'r (2. April 1667) in Tnp-weiler, 1676
in die niederelsässische lieu hsritlersi haft aul;,^eiiurnmen. Letz
meint in Band VI dieses Jahihiu hs, S. 72 Anni., es sei dies
der Oberst, dessen Regiment 1637 längere Zeit dort einquartiert
war. Aus dem im Bagi^bnisregister genau angegebenen Alter
ergiebt sich, dass die Vermutung nicht zutrefTen kann. Wahr-
scheinlicli war dies der unten zu erwähnende Oberst Philipp
Wilhelm. Ob letzterer identisch ist mit dem Obersten v. Schmidi-
buri(, welcher 1633 vor Philippsburg lag, und ob dieser wieder-
um jener Herr v. Schmidlburg war, der im Jahn* 1636 im
Auftrage Ludwigs XIII. ein Regiment von '20üO Mann im
Elsass anwarb, — in der betreffenden Urkunde i>t er bloss «le
sieur de Sidimidtlierj^^) jrenannf, — lässt sich nii ht entscheiden,
da ein Vornarne nicht bekannt ist. Friedrich Ludwig war
1681 — liafrslierr zu Strasshur;a und wurde bejrr. in der
Kirche zu Ingweiler 7. Api il 1693. G. : vor 31. August 1662
Margarethe Magdalena v. Waldtmanshausen, welche ihm einen
Hof und die ihrem Grossvater von den Grafen v. Hanau seiner
Zeit verliehenen GQter zu Ingweiler in die Ehe brachte. Sie
lebt 22. Mai 1704. Kinder:
1. Friedrich Johann Reinhard (s. u.).
1. Anna Margarethe, gel. 3. Juli 1664, f 5. Oktober 1664.
3. Magdalena Ludovica, get. 15. Juli 1666, f 2. August 1667.
4. Johann Ludwig, get. Oktober 1667.
5. Hanna, get. 23. Januar 1669, lel)t ledig 19. April 1705.
6. Katharina Margarethe, Tz. 31. Mai 1685, G. : zwischen
11. Januar 16U3 u. 4. Mai 1703 Woifgang Sigismund v. Lands-
perg.
Ferner sind wahrscheinlich Kinder derselben :
7. Magdalena Sophie, Tz. 27. Juli 1693, G. : vor 4. Mai
1703 Jcdiann v. Ocahan, kgl. franz. Kapitän. DieOcahan sind
ein jetzt ausgestorbenes irisches Geschlecht, welches sich am
Ende des 17. Jahrhunderts in Frankreich niederliess.
8. Johann Reinhard, Lieutenant im Regiment Royal-Alsace
27. Dezember 1701, später Oberstlieutenant dieses Regiments
und Rrigadier des ärmeres du roi, f 13. November 174i zu
Ohcrdieim, WO er ein Haus besass, ledig oder als kinderloser
Wittwer.
IV. Friedrich Johann Reinhard, get. 23. April 1663, wird
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— 112 —
als Tz. beim Melker seines Vaters 19. Juni 1681 kurzweg
Fritz genannt, Kapitän im Regiment Royal-AIsace 20. Okiober
1695 u. 5. Juli 1699, f 7. Juli 1730, begr. im Lanp:brius der
Kirche zu Ingweiler, Vater eines unehelichen Knt h - Sii? inna
(* 28. April 1G93). G. : Sophie Aujrusle Franziska Welzel v.
Marsilien. Diese * 12. SepteiiibcM- 1U79, wohnt 25. August 1740
in Zinsweiler, f zu Ingweiler 18. Juli 1755, begr. neben ihrem
Mann, T. v. Jobann Peter, pfalz-birkenfeldischem Hofmeister
und Bat tu Geudortheim, Nach dem Tode Friedrich Johann
Reinhards traten alle seine Kinder lum Katholizismus über.
1. Johann Friedrich, * 27. Dezember 1701, tot 18. Juli 1755.
2. Franz Ludwig (s. u.).
3. Christian Philipp, * 4. Mai 1703, Tz. 7. April 1751,
Kapitän im Regiment Royal -Alsace 16. April 1758, Capitaine
d'Invalides in Ingweiler 2. November 1767 — 18. August 1786,
6. : Freifrau Eleonore Sophie Maria v. Berstett. Diese f -vor
18. August 1786. Ihr Kind:
a) Charlotte Friederike Philippine, * 4. Hai 1736.
4. Chariotte Franziska, Tz. 9. September 1723, G.: 24. Januar
1730 Johann Ludwig Mader, hohenlohischer Oberforstmebter
und ffEisenherr> (24. Juli 1730 Direktor des Eisenwerks) zu Zms-
Weiler, S. von Johann Georg, Oberforstmeister des Forsten
zu Hessen-Homburg. Derselbe trat, gleich seiner Frau, zum
Katholizismus über. Am Ii. Oktober 1731 wurde ihnen ein
tote.s Söhnlein geboren, welches noch im evangelischen Tauf-
buch steht. Marler f 18. September 1743 zu Zinsweiler und
wurde auf dem dortigen Kirchliof durch den iiv^lh. Pfarrer von
ülierbronn bep^nben. Die Witwe zog nach Ingweiler und iei»t
dort 4. September 1757.
5. Magdalena Beatri.K, Tz. ledig 8. Dezember 1720, G. ;
Leopold V. Detlling, lebt 18. Juli 1755.
V. Franz Ludwig, Kapitän im Regirueat Roy al-ALsace," wohnt
in Ingweiler, der Reihe nach erwähnt als verabschiedeter
Kapitän 30. Januar 1749, Capitaine k la suite de Phalsbourg
1752 und 175.^, später virieder einßich als Kapitän und ehemaliger
Kapitän, 3. Dezember 1765 als Veteran, lebt 4. JuU 1774, G.:
Maria Magdalena v. Wagner, lebt 4. Juli 1774. Ihre Kinder:
1. Mari.« Charlotte Franziska, Tz, 16. Apr. 1758, G. : in
oder vor 1770 .Anton Michel v. Berquen, * 1720, Ritter des
St. Ludwigsorden^., kgl. franz. Hofrai, prevöt general ile h
mr^rrrhau.ssee d'Alsnce, vcrah'^ehiedet mit dem Rang als Oberst-
lieutenant der Kavallerie, wohn» in lu^'weiler, lehf noch da-
selbst G. Februar 1704 und unlersclireibt Bereuen. Ihre Kinder
Lehr unbekannt):
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— 113 —
a) Friederike Adelheid Charlotte Antonia v. Berquen^ * 1770
oder 1771, i G. Februar 1794, led^.
b) Micbel Hosalius Leodegar, * 20. Januar 1772.
c) Ludwig Claudius Felix, ♦ 24. Mai 1773.
d) Franz Anton Ludwig:, ♦ 4. Juli 1774.
Am 18. Juni 1870 lebten 2 JSohne und 3 Töchter.
2. Fj.inz J.KPp},, * 29. Dezeml>er 17 i9, lebt 21. Oktober 1761.
3. Fritnitinke bophie Christiane, * 15, Juni 1753, lebt ledig
18. Juni 1780.
4. Mana KaHi uma, ■ ii5. April 1755.
5. Ludovica Magdalena Rosalie, * 4. Sepleiuber 1757.
VI. Friderich iobann, baoauischer Jägermeister 15. Juli 1666.
VII. Sophie Elisabeth Margarethe, wahrsdieinlicb T. des
Obersten Philipp Wilhelm, vielleicht auch des vorigen. 6. : vor
1684 Johann Jakob Wurmser v. Vendenheim, lebt 4. Mai 1703.
VIII. Johann Christoph, wird 3. Juli 1664 als Tz. «Frei-
herr XU» Schmidtburg genannt, därfle eiuer nicht-^lsässischen
Linie ang-ehör^'n.
Schon vor der französischen Revolution waren die v. Schmidt-
bürg aus Intiweiler verf^ch wunden.
Doeli kehren wir wieder in das lO. Jahrhunderl zunick zu
eineiü alten fränkischen Adel-sgeschlecht, nämlich den Henen
V. Bernhold. Sie kamen im Gefolge der Grafen von Hanau
1529 ins Elsass, wo ihr Name vor ungefähr einem Jaitrhundert
erloschen ist.
I. Jakob, Amtmann zu Wolfisheim, als solcher erwähnt
7. Februar 1501. Demnach wäre die Angabe von Kindler v.
Knobloch, dass er 1581-92 auf dem Hohensteg xu Strassburg
diente, nur teilweise zutreffend. Er war noch Amtmann 29.
März 1601 und f vor 8. September 1602. G. : Anna Surger
V. Mutzig vor 7. November 1591, wie 6S scheint kinderlos. Die
Witwe heiratele Jr, Friedrich Prechter.
TT. Johann Geoi {^, J^ruder des vorigen, Kapitün auf Lichten-
ijery 8. Juli n:»cli Lehr Amtmann zu Hatten und verm.
mit Maria von iiecliher*,'-. Wahr;?!cheinlich in 2. Ehe vor 19. Sep-
tember 1627 verm. mit Maua Jakobe v. Barr. Diese ist 8. März
1607 als «cder Gräfin von Hanau Jungfrau» erwähnt und fungiert
19. September 1627 unter dem Namen cgeborene zu Barr» als
Tz. Sie ist Kindler v. Knobloch nicht bekannt, der seine An-
gaben Ober die Freiherrn v. Barr mit 1585 abaehliesst. Kinder
aus 1. Ehe :
1. Anna Elisabeth, Tz. 19. September 1627.
2. Georg Albrecht (nacli L. * 1581, f 16i2), Rat und Amt-
mann zu Buchsweiler, G. : Elisabeth v. Westhausen, diese lebt
20. Januar 1635. Ihre Kinder:
8
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— Iii —
a) Johann Jakob (nach Lehr * 1616), Tz. ohne weitere Be-
nennun;^ 3<>. November 16^40, Riltmeister 26. Januar -1651, eJr.
in Buchsweilero 21. Dezember 165*2, G.: Magdalena Ursula
Böcklin V. Bücklinsau vor 2. April 4654, f vor 23. April 1663.
Die Witwe lebt '23. Ai)ril 1003.
b) Agathe Elisabeth (nach L. * 1018), lebt ledig 10. Jan. 1641 .
3. Philipp Jakob, Aintinann zu higwiMler 19. September
1627 und 25. September 1631, G. : Susanua Zorn v, Plobs-
heim. liire KiiKier :
a) Maria Amelia, * 19. September 1627.
b) Susanna Regina, * 3. Mai 1629, begr. 18. Mai 1629.
c) Philipp Albrecht, * 14. August 1631, lebt 23. Januar 16G0.
Nach I.ehr war Philipp Jakob Oberst in französischen
Diensten, er scheint also in jener bewegten Krii^zeit, um 1632
dem Rufe LudM'igs XIII. gefol^^t zu sein
Nur kurze Zeit lebte in Ingweiler der folgende Kclehiiann.
I. Friedrich Prechter, Sprössling eines hagenauisi licii Adels-
geschlechts, wovon spfder mehrere Verfrcf«M- /u f!«'n fei' lien
Kautleuteii Stras^hurgs gehörten, wähit-iKi ein aiterur i riedrich
Prechter in der ersten Hidfte des 16. Jahrhunderts eine Zeit
lang im Besitze von Hochfelden war. Frau Aima Uosina Nüttel
V. Treppach wird 4. September 1625 als geborene Prechter
von Friesebeck (soll heissen Preuscheck) bezeichnet. Jr. Friedrich
war hanau-lichtenbergischer Kammerrat 28. August 1608,
verm. in 2. Ehe vor 1. April 1604 mit Anna Surger v. Mutzig,
Witwe von Jr. Jakob fiernbold (s. d.), der Letzten ihres
Namens (f 1635). Prechter f 27. Dezember 1615. Er
wohnte noch 28. März 1664 in Strnssburg, siedelte jedenfalls
mit seiner zweiten Verheiratung nach Ingweiler über, wo er
Besilzei- eines Hofes wurde oder war. Der Prechtershot' i«=t
9. Juli Xmi erwähnt, und 10. Juli lüU8 wird Jr. Preclitei>
\iehina-(l als Tz. genannt. Die Stelle eines hanauischen Kam-
inenals verdankte ei" wahrjjciieinlich .seiner Heirat mit der
Witwe des dem hanauischen Hofe nahestehenden Amtmanns
V. Bernhold (vgl. die Hochzeit Johanns v. AYaldtmanshausen im
Bemholdschen Hof zu WolGsheim). Kinder aus 1. Ehe :
1. Johanna, Tz. ledig 18. August 1605.
2. Jobann Wilhelm, Tz. 29. Dez. 1606, lebt 30. Juli 1615.
3. Juliane, Tz. ledig 13. März 1611.
4. Anna Rosina, G. : Jobann Reinhard Nuttel v. Treppacb,
vielleiclit aus 2. Ehe entsprossen.
11. Wilhelm, fürstlich markgrfiftich-durlachiächer Rat zu
Badenweiler, Tz. 4. September 1625.
Ueber «lie r. EnscJirhtgen, ein altes Iu\ea)l)ui';:iscliL'^
Adebgeschlecht, tindea sich in der Lilteratur ungenaue Au-
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— 145 —
gabeD. Hellbach meint, dass sie im 4. Jahrzehnt des 17. Jahr-
hunderts ausgeslorhen ^vlen. Kneschke, welcher übrigens En-
chrin^^en schreibt, weiss keine bestimmte Angabe zu machen.
L'eber den Aufenthalt derer v. Enschringen im Elsass ist im
Aufsatze Dajjobert Fischers über die ehemalige Herrschaft Ass-
weiler in Stöhers Alsatia 'i875-lN7G nichts zu finden, uud auch
die Stammtafel Ix i Humbracht ist sehr dürftig.
I. Philijjp Jaküb, G. : 9. Februar 1608 Eva Elisabelli v.
Rödern, «wurden gegen abend im Schloss vnder dem Himmel
^usamen geben, vnd den andern tag die bocbzeit Predigt inn
der Pforrkirchen gehalten». Diese romantische Gepilogenheit
scheint damals im Gebrauch gewesen zu sein (vgl. die Hochzeit
Johanns v. Waldtroansbausen). 1619 bekam er von Johann
Reinhard I. in Anbetracht der Dienste, die er ihm «nun etliche
Jähret gel( i ;< t. den Hol Seelhofen als Erblehen. Von 16!27— 33
balle er den Schweighof bei Lichtenberg in Pacht und war in
dieser Zeit Kapitän auf I.ichtenherp:. Das «gleiche Amt vei>nh
er noch 10. Januar \eU L'. Juli 1043, tot 1(m4. Kinder:
1. Maria Kalliarina, Tz. iedip- 28. November l(v{3. Ob
^ine am 15. Juli !(>(>() als Tz. erwähnte ledige Person gleichen
Namens mit dieser identisch ist, bleilit dahingestellt.
2. Wolfgang Heinrich, G. : Susanna Ursula v. SteincaUen-
fels. Kinder :
a) Johann Philipp, * 22. Juni 1641, Tz. ohne Benennung
23. Januar 1609, Kapitän auf Lichtenberg 8. Juni 1673, und
eigentümlicher Weise noch 13. Denmlier 1677 als solcher
erwähnt, nachdem das Scbloss Lichtenberg einige Wochen
vorher durch Crequi eingenommen und geplündert war. Er
lebte spater in Hnnnu und verkauffe von dort aus 10. Mai 1680
<len Hof Seelhoten an den Graten Friedrich Casimir v. Hanau
zuriK k. Die Anga)>en von Karl Letz über Seelhofen (s. auch
oben) sind «lahin zu erjjänzen. Johann Philipp war verm. vor
<i. Mai lü78 mit Anna Maria N. und lebte noch zu Hanau
20, September 1094. Er war der letzte bochgräflich hanauisclie
Kapitän auf Lichtenberg. Später bekam die Burg französische
Besatzung und französische Kommandanten bis 9. August 1870.
b) Friedrich Georg, * 15. Dezember 1648.
c) Juliane Elisabeth, * 19. Oktober 1651, f 29. April 1052.
II. Philipp Friedrich, Nefle des vorigen, Riitnn ister 15. März
1037 und 22. Juli lfö8 und als solcher 30. November 1(340
Vertreter des Grafen Philipp Wolfgang bei der Taufe eines
Kindes des Diaconus Hnler, lebt 10. Oktober 1051 ohne die
Amtsbenennung eines ilittuiei^tns. Hochzeiler 15. März 1037,
O.: 1037 Maria Amelia v, Rin< kenhuig, Witw»- des Forst- und
Jägermeisteis Heinrich v. Schachten. Ihre Ivinder:
r
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1. Loysa Amelia, * 26. Dezember 1640, be^n . 10. April 1642.
2. Dorothea Loysa, ♦ 30. Dezember 1642, f 9. Februar 1649.
3. Anna Magdalena, * 31. März 1044.
4. Christian Philipp, * 0. April UUS.
5. Sibylla Susanna, ♦ 22. Oktober 1650, Jebt ledig 23. Ja-
nuar 1669.
III. Georg Wolfgang, Kapitän auf Lichtenberg 21. Sep-
tember 1030, dessen T.
1. Anna Katbarina, Tz. ledig 21. September 1630.
IV. Johann Friedrich, Kapitän auf Lichtenberg 3. Juli ld64.
V. Margarethe Elizabeth, verm. mit N. Veyt v. Caatell vor
23. Januar 1609.
Der Verwandtschaftsgrad der drei Letztgenannten lässt
sich nicht feststellen. Bemerkenswert ist, dass 4 Herren
V, En seil ringen Kapitäne auf Liclitenl)erg waren.
Ueber die Herren v. CaUenstein tindet sich in der Lit-
leratur nichl>5, nicht einmal der Name. H!n;jej:pn fallt sofort
die Aehnlichkeit dieijes Namens mit demjenigen eineü woiilbe-
kannten alten Adelsixesehlechtes auf, nämlich derer v. Slein-
calleiifels. In der Tliat stehen die Ijeideu Familien mit einander
in Beziehung, und zwar begründet sieb die Enlstehuug des
Namens Gallenstein auf die persönliche Tapferkeit eines braven
Offiziers, auf die Verdienste, welche ein hervorragender Vertreter
des elsässischen Adels in schwerer Zeit und auf blutigem Schlacht-
feld um Kaiser und Reich errungen hat. Und das kam so.
Georg Jakob v. Steincallenfells, dessen Familie bekanntlich
seit der Mitte des 16. Jahrhunderts in Assweiler ansässig war^
stand am Ende des 17. Jahrhunderts in österreichischen Militär-
dien-t'ri Er machte den Krieg gegen die Türken mit (1688^
— yu) und hatte das Unglück, in türkische Gefan;^^en.schafl zu
geraten. In die Gefangenschaft begleitete ihn freiwillig Justina
Anna Franziska Cacilia, Tochter des österreichischen Lieutenants
Franz Wursten aus Schwellüll in Oesterreich, mit welcher
Herr v. Steincallenfels bis dabin im Einverständnis mit ihren
£ltem zusammengelebt hatte. Sechs Jahre lang achmachteta»
die beiden, bis ihnen die Freiheit wiedergegeben ward. Herr
V. Steincallenfels trat wieder in kaiserliche Dienste und focht
mit Auszeichnung in der Schlacht bei Höchstddt (i704), wo er
zahlreiche Verwundungen erhielt. Zuletzt stand er als Oberst-
lieutenant im Kürassierregiment Lobkowitz. Nun ^'ar Georg
Jakob V. Steincallenfels in rechtmässiger Ehe niemals ver-
heiratet, während aus seinem Verhältnis mit Jiistina Wursten
zwei Söhne eiitspros'«en wjtren, .\ls er dann im Jahre 1700
in Folge seiner Verwun'iungen und vor^escliritlenen Allers aus
dem Militiirdienst ausscheiden rnussle und keine Hoünung mehr
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bestand, dass er noch eheliche Nacbkommenschafl erteugen
wurde, erwies ihm Kaiser Joseph I. die Gnade, dass er jenen
beiden unehelichen Söhnen einen Adelsbrief ausstellte. Derselbe
ist datiert vom 5. April 4709 und verleiht den erwrlhnlen
Kindern den Namen »'. CallenAtein mit allen Vorrechten des
Adel*. In dem Briefe sind ausdrücklich die Verdienste Geor{f
Jakobs V. Steincallenfeh um die osterreichisclie Kmiio in
30jähri;j[er Dienstzeil annkniint. Auch ist hervor^elioben, das.s
der Gros^vriter der Ix'idcn Kimlor vttn luülfei licher Seite 18 Jahre
gedient hatte und das.s das Kmassierrejiiment Lobkowitz zum Theil
aus der Herrschaft Assweiler gezogen war. Folgendes Wappen
Wurde von Kaiser Joseph I. fGr die Herren t. Gallenstein festgesetzt.
Ein auf einem Wappenmantel ruhender Schild, in dessen
blauem Feld ein gekrönter leopardierter Löwe erscheint, der
mit der rechten erhobenen Vorderpranke eine sechsgliederige
Kette (die (i Jahre Gefan<;enschafl), mit der linken ein mit
seinem Ende den Boden berührendes Schwert hält, üeber dem
Schild ein Helm mit oflenem Fhi^^ und Helmdecke. Aus dem
Wappenmantel wächst ein gekrönter Doppelnd h.T mit Srepfer in
iler rechten und Schwert in der linken Klaue lierv<ir. Dieses
Wappen hat mit dem Steine alltMifel^ischen nichts ijemein.
Georg Jakob v. Sleincallenlels beschloss seine Tage in Ass-
weiler und hatte die Justina Wursten dahin mitgenommen,
ohne dass es jedoch zu einer recbtmilssigen Ehe gekommen wäre.
Die beiden Brfider v. Gallenstein siedelten sehr bald nach Ing-
weiler Ober, und ihre Mutler schktss sich ihnen an. Letztere
ist in 2 Ingweiler Taufakten vom 20. August 1717 und 6. Ja-
nuar 1718 als Patin erwähnt, und zwar eigentündicher Weise
mit der Bezeichnung cDomina de Gallenstein» ohne den sonst
riomnis fehlenden Namen des Mannes. Sie starb zwischen 1724
und 1746. Die beiden evangelischen Brüder Johann Jakob Con-
— 118 —
stariliti und Fj uiz J.xopli Alhicclil »ahmen den Glauben ihrer
Mutter an und wurden kalhulia.ch, der letzlere im J;ilii 1711.
Es ist wohl gewiss, dass sie nun einüussreiche Stützen des
Kütholizismus wurdeo zu einer Zeit, wo dieser sich aufs Neue
in Infi^weiler auszubreiten hegann, und hierzu trug nicht wenig
die Heirat Gonslantins mit einer Verwandten des Pfarrer»
Baldecky eines eifrigen Proselylenmachers, bei. Nfthere Bezieh-
ungen derer v. CalleDStein zum hanauischen Hof bestanden nicht.
Sie waren anfänglich die einzigen katholischen Edelleute in
Ingweiler. Erst bei dem Ueliertritl der Herren v. Schmidlburg
zum Katholizismus um 1730 traten ]ie'u\o Fnrnilien in engere
Bt^i-fihrun;:. Dies ist auch, al»;_'^es»'hen von wenigen an;^eheirateteii
VeiUetern des Adels, das einzige Adelsjiesrhiecht, welches mit
denen v. Gallenstein in intimerem Familienverkehr stmd. Ein
bedeutendes Besitztum hat <iio Fauiilie nie gehabt, auch ver-
sah ein einziger ihrer Augehüiigeii Militärdienst. Mehrere Ver-
treter waren des Schreibens unltundig.
Nach den Ereignissen von 1789 blieben die v. Gallenstein
in Ingweiler und l^en die Adelspartikel ab. Jedoch war das
Standesbewusstsein schon vorher geringer gewesen, denn einige
von ihnen unterzeichnen sich als Taufzeugen ohne die Adels-
pfii tikt ! (Franz Ludwig 23. Juni 1754, Francisca 17. März 1760
und Bernhard 2. Juli 1769). Das gegenseitige Patenverhältnis,
worin sie mit vielen Familien Ingweilers a»is allen Berufsklassen
standen, eikliit sich ohne Weiteres aus dem Umstände, fki^.*
sämmtiiche nachweisbaren v. Gallenstein, mit einer einzigen
Ausnahme, Biagerliehe heirateten. Ei^^cntümiicher Weise ist
wiederum ein Schneider Namens Duscli auliallend häufig er-
wähnt.
Um 1774 war ein Vertreter derer v. Gallenstein nach Ober-
bronn übergesiedelt und wurde der Stammvater einer kinder-
reichen Linie, welche s^ter in zwei Zweigen zu Niederbronn
blQhte, wftbi'end der Name zu Ingweiler ausstarb. Nach der
Wiederherstellung der Monarchie nahmen die v. Gallenstein die
Adelspartikel nicht sogleich wieder an. KvM ^^pälei wurde den
Stammv&tern der beiden Niederbronner Zweige die Adelspartikel
wieder zuerkannt, und zwar dem Franz Jof?ej)li durch Urteil
de*; Tribunal de premi^re instance zu W^eissenbui'^^ vom Au-
^'ust 18ki und dem Jakob Augustin durch Urteil (b's <ileicliei>
(iericli'sliofe-i vom '25. März ISIT. Auf Grund dieser Urteile
wurden samnit liehe Standesurkunden bis 181 1 zurück in Nieder-
bronn reklitiziert, und seit 185i bis zum heuti;:eu läge sind
die zahlreichen Urkunden in den dortigen Givilstandsregistern
mit der Adelspartikel versehen. Der Stammbaum dieses interes-
santen Geschlechts, welcher wegen der Lückenhaftigkeit der
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119 —
katholischen Kirchenbüchei- zu Ingweiler erst von der Milte des
vorigen Jahrhunderts ab vollständig sein kann, gestaltet sich
im Einzelnen \vi.> folfrt.
I. Johann Jakuli < 'nnstantin, Tz. U\. Februar 1710, l«'lit
18. Februar 1723, Ü.; Maria Mar};areth:i BiMwk, vermullich
Schwester de?< kalh. Pfarrers Michel Bulileck, welcher von
Au^^usl 17iü bis mindestens 17ii zu Ingweiler amtierte. Diese
lebt 20. Juni 1724. Kinder : • •
I. Maria Francisca, * 18. Februar 1723.
2» Maria Sophie, G.: Karl Wilhelm Hoym, Major im
kgi. französischen Fretcorps «Volontaires Royauxi, welcher von
16. Oktober 1749 bis 20. Oktober 1752 in Ingweiler, am
31. August 1755 aber nicht mehr dort wolint. Kinder:
a) Johanna Mnria Sofdiie CliiisHane, * 3. Marz 1750.
b) Christian (ihristoph Michel, * 7. .April 1751.
c) Francisca Catharina Kejjina, * 20. Oktober 1752.
d) Caroline Francisca Sophie, * 'M. Au;,ni.st 1755.
e) ein totp'j Knäblein (Fi üh^'^ohiirl), * 25. April 1756.
II. Frau/ Josi'ph Albrechl, Btutler des von^ien, Lieutenant
im Kegiiiient iu>yal-.\lsace, wohnt später in Inj^'ueiler und tiilt
<Iaselbst 1711 zum Katholizismus über, G.: Kutharin« losl,
welche 8. November 1729 katiiolisch wurde, so dass anzuneh-
men ist, dass sich die Heirat unmittelbar an den Uebertritt
anschloss. Franz Joseph lebt 12. Dezember 1747. Kinder :
1. Maria Francisca, Tz, 19. Oktober 1747, G. : 1) Franz
Bruno Fagat, Gerichtsbote zu Ingweiler. 2 SOhne, * 1756 und
[1T)>(. 2) Miclit'I Herzog, Zimmermann zu Ingweiler. 2 Kinder,
* 17üi und 1707. Beide Ellern leben 1777.
2. Maria .Anna, kann nicht .schreiben, Tz. ledi^'^ 18. .Mai
1749, G.; Johann Jakob Cayrr;!, S. des ^'leichnami^en Schult-
heissen (1737) zu W^inbur«:, riiinir^j; uihI in in^iwcilei" wohn-
halt 2IJ. August 17.j(J, (^hirm ^neii-iiiajcir im Srliweizerre^jiment
Reding-Suisse in k<„'l. iraiizosist hcn iiienstt'u (18. Ffhruar 1758),
Von seinen 9 Kindern wurden 2 Sjohne Cliirurijen. Der ältere,
Jobann Jakob, stand als Chirurgien 1. Oktober 1777 beim Ke-
giment Royal-Alsace, erhielt 1786 das Diplom als cmädecin et
Chirurgien», wird sogar im trockenen Amtsstyl der alles gleich-
machenden Republik am 26. Frimaire V (=16. November 1796)
als berQhroler Cbirui^us bezeichnet. Vater von 5 Kindern. Der
Name der Gayrel ist in Ingweiler erlosrlu n, jcdrx h Iiosteht die
Erinnerung an ihre segensreiche ärztliche Thätigkeit l>ei alteren
Leuten nf»ch weiter.
3. IJernhnrd (s. u.).
4. Jakob Franz Fudwi- (<. ii.).
5. Charlotte, * 174Ü, f 10. Juni 18 11, kann nicht schrei-
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— 120 —
ben, 0. : Johann Goorg: Ostheimer, Töpfer in Injrweiler (* 12,
Dezeniber 17.?^, f 15. Marz 1809), dorn sie 5 Kinder gebar,
wovon das älteste * 18. Februar 17Ü8.
B. Franz Joseph, * 25. SeplernbtT 1747.
IIIA. Bernhard, * 1744 oder 174'>, Ackersmann in Ing-
weiler, spAter Fuhrmann, wohnt «im Entenpfuhb, f 10. Juni
1816, 6. : 1) Maria Anna Arth, T. eines Ackersmanns in
Bitschhofen. 2) vor 1789^ Therese Eckert. Beide Eheleute tot
8. August 18S5. Kinder :
1. Johann Michel Jakob, * 2. Juli 1769, Ta^lOhner in
Inp^weiler, wohnt vor dem Ol)erthor an der Hauptstrasse. G. :
1) Maj^dalena Korb. 2) 16. Juni 1802 Maria Srhmitt, ♦ 1780,
T. <ies Brennmeislers auf der ZiegelhOtte bei Ingweiler. Erstere
gebar ihm :
a) Franz Josppb, ♦ 3. Au^-ust 1709, f 7. Juni 1W0.
2. Franz Jose|»h Bcrnliard, * 27. Do/.piriber 1770, f im
Feld bei Inj^weiler während eines epileptischen Anfalls 13. Mai
1793.
3. Maria Salome, * 5. Februar 1773.
4. Maria Magdalena, * 27. Februar 1774, f 24. Februar
1837, G.: Joseph Martin, cJugendlehrer» in Ingweiler, * 1763
zu Merzheim oder Momzheim in Bayern, f 13. November 1833.
5. Maria Anna, • 1777 oder 1778, f 10. August 18n6, G. :
90. April 1805 Johann Drouard, Kufer in Ingweiler.
6. Therese, * 4. August 1789, G. : 8. August 1825 Georg
Anton Futterer, Sattler, später Strassenwärter in Tn^rwoiler,
* 9. Januar 1778 zu Rotenburg am Neckar, f 17. März 1851.
Ein Nachkomme iel)t noch zu Ingweiler.
7. Bernhard, * 25. Okfobor 1701. f 1. März 1795.
8. Franz Joseph, * 3. Dcz«Miiher 1795, f 21. Juli 1822 im
Hötel-Dieu zu Douai als Canonier de la 3" Compagnie du 1«'
Regiment d'Artillerie ä cheval.
HIB. Jakob Franz Ludwig, * Juni 1747 in Ingweiler,
Reiter in der Maröchauss^ 31. Okiober 1774 und 9. Oktober
177&, 1785 nach 27- oder 28-jähriger Dienstieit als Reiler pen-
sioniert, wohnt seit 1774 in Oberbronn, 1787 Krämer, spfiter
Kommandant der National ;;arde daselbst. Während der R v -
lution emigrierte er eine Zeil lang, ward aber am 22. Juni 1803
mit «:pinpr Fraii und 6 lobenden Kindern amnestiert, f 4. Au-
gust 1803. G.: 1) 31, hntinr 177i Maria Ma^fdalena Wächter,
T. eines Ackersmanns iii Kinzweiler, t 21. November 1774.
2) Maria Ma<jdalena Doufflong, * 1753, Dalum der Fhebereilung :
9. Okiuber 1775, T. eines Krämers in Walk, f 18. Februar
1830 in Niederbronn. Kinder :
1. Franz Balthasar, * 31. Oktober 1774, f 13. November 1774.
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2. Katharina Magdalena, * 1. August 1776, f >n Philipps-
liurK, tot 20. iVfärz 1829. G.: 25. April 4803 Ludwig Loren«
Wiedei hold (* 28. Dezember 1773), cpensioniert und retinerter
Militär» in Oberbronn, zog spSitei nach Niederbronn, wo er
eine zweite Ehe einging und als Taglöhner f 13. März 1837.
3. Georg Ludwig, ♦ 1778, erst Uiirmacher in Oherbronn,
später Sandgiesset in Niederbronn, f iedig 5. November 1837.
4. Franz Joseph (s. u.).
5. Maria Franziska, ♦ 4. August 1785. f 4. April 1787.
6. l'ianzislia Barbara, * Mai 1787, G. : It». September
1806 Jakob Specht, Leinenweiser in Wittersheim. Dieses Ehe-
paar scheint jedoch nicht zu Wittersheim gewohnt zu haben.
7. Cornelius Jakoh, * 2. April 1789» tot 22. iuni 1803.
8. Ignaz Martin, * 29. Härz 1791, tot 22. Juni 1803.
0. Ludwig Ignaz, * 25. August 179», f 5. März 1799.
10. Jakob Augustin (s. u.).
11. Fi MHZ oder Joseph* Bei AuMhlung der 6 Kinder am
22. Juni 1803 is( ein Franz und ein Joseph genannt. Der eine
der beiden ist der iinU'r 4 erwrilmte Franz Joseph, der vor-
li^ende mufss dann noch einen zweiten Namen gehnbl haben.
12. Bernhard, erwähnt 22. Juni 180.'^. Die Familiontradition
kennt diesen nicht. Wenn auch nicht nii.>igeschlüi>.-;en i.Nl, dass
er verzog und anderswo Name und Familie fortpilauzte, so ist
doch im höchsten Grade wahrscheinlich, dass er schon als Kind
starb.
IVA. Franz Joseph, * 25. Män 1780 zu Oberbronn,
26. Februar 1806 Handelsmann daselbst und ledig, 6. August
1814 Uhrmacher in Niederbronn, f daselbst 11. Mai 1854. O. :
Elisabeth Menner, Tochter eines in Ingweiler wohnhaften Ge-
richt svotiziehers aus Cengen (?) «in Deutschland». Kinder :
1. Eii'^nbetb, * 6. August 1814, Rentnerin in Strassburg,
t 1890 ledig.
2. Joseph, * 23. Februar 1816, Uhrmacher, später llontnor
in Metz, f. G. : 13. November 1846 Marie Gastor, Rentners-
tochter, Kinder :
a) Feli.\, * August 1847, f 18. Februar 184U.
b) Josephme, * 19. Mfirz 1851, f 14. December 1^7.
c) Clementine, * 21. Oktober 1855, f 13. November 1872.
3. Adelheid, * 25. September 1818, war zuerst im Kloster
zu Oherhronn, trat dann aus und starb als Rentnerin in Hetz.
4. Au;jrustin, * 25. September 1818, Uhrmacher in Nieder-
hronn, f 20. Januar 1881. G. : 1) 13. September 1853 Josephine
Breuer, ♦ 182:5, T. eines ehemaligen Försters in Rott, f
28. August 1854. 2) 2. Fehi-nr,r 1858 Maria Ma^rdalena Weis»,
* 1828, Tochter eines Schusters in Niederbronn. Kinder :
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a) August Joseph, * t>-i. Juni 1S54, f Juli 1854.
b) Maria llil.efte, * 2. Au;,ni^t 185^1, f August 1^59.
r) Joseph Augu.^l, * lt2. Au;,hi>I 1860, Uhrmacher in Nieder-
broaa. ('..: 11. Juni 18Ö3 Katharina Saling, Wirtslochler aus
EgelsharUl. Kind :
a) Maria Augusta Gabriele, • 24. März 1894.
d) Josephine August ine, * 13. Oktober 1861, f 10. April 1862.
e) Franz Felix, * 27. Mai 1863. f 21. Juni 186a.
0 Felix Franz, * 3. Mai 1865, f 26. Mai 1865.
g) Lucas Eroif, * 24. September 1866, Uhi*fnacher in Nancy,
G. : Aprill884Justine Gustin, T. eines Gutsbesitzers in Epinal.
h) Maria Magdalena iosephine, * 5. August 1868, f
20. August 18^8.
5. Felix, * ;iO. Mai 18^20, f^?. Oktober 1843 ,U TaiulK)ur-
major bei einem Gnrde-Inf.iiiterie-Re'iiiin'tit zu bl.-Etiemie.
(». Helene, * ^>0. Dezember 1821, G. : Leinin^er, Pa^teten-
backer in Sti as?:bnr;r, vei-zog später nach Paris, wo beide ver-
schollen sind, "i Mailcheji.
7. Franz, * 9. März 1824, f 21. April 1826.
8. Franz Xaver, ^ 9. MSrz 1827, Juwelier in Metz, jetzt
Rentner in Lilie. G. : 2. Januar 1855 Ursula Castor, Rentners-
tocbter, Schwester der G. seines Bruders Joseph. Kinder :
a) August, * 31. Dezember 1856, Juwelier in Roubaix ;
G. : 15. Juni 1891 Helene Flinois, * 10. September 1866,
Rentnerstochter. Kind :
a) Germaine, * 21. .\pril 1892.
I)) Paul, * 10. lX'«.»ml)er 1867, Juwelier in Lille, ledig.
9. Anna Maria, * 5. Mai 18:10, f 18. Februar 1839.
10. Lucas, 14. Juli 1832, f ö. März 18:13.
IVB. Jakob Ausrustin, ♦ 28. Februa» 17!)7, Sandgiesser
in Niederbrunn, f 13. Dezeniber 1821. G.: .\nna .Maria Marck-
reuter, * 23. August 1793 in Jügerllial, T. eines Schnielzer-
meisters auf dem Eisenwerk, i2. November 1863. Kinder:
1. Franz, * 19. Februar 1822, Sandgiesser in Nieder-
bronn, f ledig 28. Januar 1844.
2. Ludwig August, * 22. Mai 1823, Sandgiesser in Nieder-
bronn, t 17. Januar 1884. G.: 7. Februar iS53 Magdalena
Wollt 1828 oder 1829), T. eines Ackerers in Niederbronn.
Kinder :
a) Ludwig Joseph, * 21. Januar 18r4, f 22. April 1869.
b) August, * 1i. August 18o5, f 2:1. Februar 1871.
c) .Viaria Magdalena, * 2o. September 1857, ♦ 29. AprillSoO.
d) Maria Magdalena, ♦ 9. April 186l\ f 2. .Vpril 1866.
e) Franz Ludwig, * i. Juli 1862, f 18. Dozeml»er 1805.
() Maria Rosine, * 18. Juni 1864, im Kloster zu Nancy.
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— 123 —
g) Maria Aana, * 25. Oktober d866, f 6. Januar i870.
b) Maria Elisabeth, * 26. März i869, f 16. April 1870.
i) Ludwig Josepii, * 20. Mai 1870» Beamter auf der Glas-
hütte zu Münzthal, hiVi'j!;.
k) .Maria Anna, * 5. Februar 1873, f 27. Februar 1873.
3. Elisabeth, * 20. Dezember 182^4, f zu Oberbronn im
Kloster. — Al)^^psch!n^«:r'n am 20. Mai 1897. —
Nachdem nun die in In;,'\veiler ansässig {re\vo.-?enen Adels-
faniilien beleuchtet worden, erübri;:t es nor!i, eine .Vnzahl kurz
gefasster und zum Teil kritiscii gehallener Mitleilungeii in Form
von Collectaneen cnzuschliessen, die aus dem erwähnten Akten-
material herausgezogen sind. Auch hier habe ich mich bemüht,
bloss Neues zu bringen, und manches mag vielleicht einmal den
Fachmännern auf diesem Gebiet eine willkommene Ergänzung
oder Bestätigunjs ihrer Notizen bilden.
i. a) Philipp IV., Graf v. HanaU'Lichtenberg, « 21. Sep-
tember 1514, t in Lichtenberg und in der dortigen Schloss-
kirche begr.
b) Philipp IV. hatte ausser dem späteren Grafen Philipp V.
noch einen Sohn Namens Philipp Ludwig. Dieser ist 29. August
1573 ohne Zusatz als Jr. Philips Ltidwig v. Hanau erwähnt. Am
25. Januar 1579 ist er Obt'i anitmann, «iesgl. 8. .lanuar 1598
und 9. November 1600. Seine Gem. hie.ss Uegina und ist am
5. Okloher 1575 und 31. März 1577 erwähnt.
c) PliilippV. j in Niederbronn, «al.s iro Gnaden zu Nider-
brunn etliche wenige wochen gebaden,» und ward begraben zu
Lichtenberg.
d) Katharina v. Wied, die 2. Gem. Philipps V., f zu Lich-
tenau und wurde in der Ingweiler Kirche begraben.
e) .Agathe v. Limburg, 3. Gem. lund Witwe Philipps V.,
lebt ü. Januar ir»02.
f) Eleonore, Schwester Johann Reinhards!., lebt ledig 1G08.
;.') Agathe Maria, T. .Johann Reinhards I. und Gem. Georg
Friedri''hs v. Rappolt^tein, lebt 25. Sepleml»er 1631.
h) F*hilipp Wolf^aii- f im Schloss zu Buchs weiloi.
i) Johanna Magdalena, T. Johann Reinhards IL, lebt ledig
5. Dezeniliei- 1077.
k) Loui.se Siplne, ihre Schwester, verm. mit Friedrich
Ludwig V. Nassau, leb! 5. .luli 1099.
Es l'ol|:l zunach--?! der alte t'U.i-^sische .\del.
2 Maria Elisabeth v. Bet'ckheim, geb. v. Stein, lebt
29. Uktnijer lti67.
3. Franz .\nton v. Bii'ckivald, Mnjor im Regiment Royal-
Alsace 5. Juli 1099, wahrscheinlich identisch mit Franz du
f
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— 124 —
Perrier v. Birckwatd^ den Lebr ohne Angabe der Jahreszahl
4\s Bataillonschef im Regiment Royal-Danois erwähnt.
4. a) Johann Ludwig BöckHn v» BocklimaUt wohnt in
Ingweiler, jedenfalls im Schloss, um HjOO. F.- i t ii < Iit der
Johann Ludwig, den Kindler v. Knobloch (ol)erb;i(l. Geschlechts-
buch 1, "2 ; 1b94) als den Stifter der Linie zu Bischheim er-
wähnt, noch i^e'in ^leichnamii,^er Sohn 7u Hüttenheim, sondern
<ier :iut Tat. I, S. 133 «Twähnle Johann Ludwig-, dessen Frau
l^rsida Heiid>old v. Hagenau richtig genannt ist. Diese f 20. Sep-
tember l(j<_)0 zu Ingweiler und liegt aut dem Kirchhof hei dem
Cnuiiix begialien. Sie hinlerliess 2 Tochter, Esther Susanna,
* 1597, und Hosina Margaretha, * in Ingweiler und get.
10. April ItfOO.
b) Magdalena Ursula, G. : Johann Jakob v. Bernbold, lebt
-21. Dezember 1652.
c) FrSulein Margaretha Magdalena 29. Oktober 1667.
d) Dorothea Sophie, geb. v. Kreyelsheim (soll wohl heissen
•Crailsheim) 17. April 1706.
5. Die «all Colmarin», Hofmeisterin zu Buchsweiler 6. Ja-
nuar 1G02. Es handelt sich vielleicht um die Witwe des nach
Kindler v. Knobloch 15^0 f Hieronymus Christoph v, Colmar^
■des letzten des Mannsstammes.
6. Anna Maria v. Geispitzheim., westerburgische HoQung-
frau zu Uauschenhurg 2. April ItiiO u. 22. Juni 1G41.
7. a) Die \Vitwe von Dionysius Gremp v. Freudemiein
iebt 8. Januar l.VdS.
b) PhiHpp, Tz. 17 Juh 1(103.
c) Wilhehn (iiientisch mit dem vorigen?; Tz. 5. August 1Ö04
4ind 8. Marz lüÖ7.
d) Christoph, Anilmana zu JJuchsweiler 11). September 1027.
e) Susanna Elisabeth, Tz. ledig 3. Juli 1064.
f) Johanna t. Oberkirch, geb. Gremp, lebt 15. Juli 1666.
g) Magdalena, geb. v. Glaubits, lebt 29. Oktolier 1667.
h) Philipp Friedrich, im iCktllegio llluslri» 2U Tubingen
5. Februar 1091.
i) Luise, Tz. 25. Oktober 1700 u. 4. Mai 170a, ledig in
^uchsweiler.
8. Nikolaus fakob I. Ilaffner V. Wasslenheim., Amtmann
•in Westhofen 31. August 1002 u. 3. Juli 1004. Seine Kinder:
Dorothea Sibvlle Sophie, II, Apiil 1607 noch nicht konfirmiert,
4ind Johann Jakob, 12. April 1008 noch nicht konfirmiert.
0. Johann Mathias r. llaindeL 30. Mai 1703 u. 17. April
17u() liauauiscber Geheimer Hat und Hofmeister zu Buchsweiler.
5ein Vater hiess Woltgang Christoph.
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10. Cuno t;. Mittdhausen lebt za Buehsweiler 12. Juni 1572^
19. Oktober 1578 und nc»ch 27. Junt 1507, toi 8. Januar 1398.
Seine Witwe Eva v. Wangen lebt noch daselbst 13. Noveni'
ber 1603.
11. Susanna Elisabeth Mueg v. Booftzheitn, Frau des
Rittmeisters Philipp Jakob Voltz v. Altenau, lebt 5. Juli 1ÜÜ9^
12. a) Johann Wolfgang i\ Rathsamliausen zu Ehenweiher^
nach Lolir ♦ 16(>'2, am 5. Dezember 1677 stiid. phil. in Slrassbiirg.
h) Sophie Dorothea N., G. von Jakob Sinison, lebt 6. März1702.
13. Jakob Stunn v. Sturmeck wohnt 26. Oktober 1606 zu.
Breuschwickersheim.
14. a) Johann P^ter Wetze! v. May^^ilieiiy pfalz-bii-cken-
leldisclier Ilofniei-h r und Rath zu üeudertheim 5. JuU 1699-
und 27. Dezember 17ol.
b) Maria Friederike Qual (?), jjeb. Welzel, Tz. 27. De-
zember 170J.
c) Dorothea Symphoria, Tz. ledig 27. Dezember 1701.
15. a) Wirich vom Stehle dessen Witwe Anna Stälj»
f in Strassburg 25. August 1575, begr. sa Ingweiler.
b) Wirich V, Bruel (alias Brie! 31. Augast 1576, BQel^
20. Juli 1600, Bühel 8. Juni 1585) gen. Speckesser, Burgvogr
von Philippsburg, f 28. Juni 1585, begr. in Ingweiler, G. :
1) Margarethe, j 'M. August 1576, he^r. in Ingweiler« 2) Bar-
l>ara, f 10. Dezomlter 158(3. Seine T. Baibara, Tz. ledig 16.
April 1600 und 20. Juli Um. Kindler v. Koobloch gibt Wirich
V. Erlenburg 1554 als Letzten seines Namens an. Die W'iricb
vom Stein und v. Bi nel scheinen in der I.ittPiatnr nicht bekannt
zu sein. Jedoch wäre es auch nicht uimioj^dich, dass Wiricl>
als Vornarne anzusehen wäre, womit IVeilicli die Erkhlrung der
Herkunll »lieser ilerrun noch grössere Schwierigkeiten böte.
lü. a) Anna Wurmser v. Schafftolsheim, T. Jakobs 11,^
von Lehr nicht erwähnt, * 1517, G.; 15(32 Wilhehn v. Weit-
tersheim (f 1574), vrobnt bei Johann v. Waldtmanshausen.
13. November 1603, -f daselbst 5. April 1605 und auf denv
. Kirchhof zu Ingweiler vorn am Kreuz begraben.
b) Amalie, G. : Jakob Zorn v. Plobsheim, lebt als solche-
19, September 1627.
17. a) Franz Jakob Wurmter v. Vendenheirny nach Lehr
* 20. Mai 1C(>2, wai Rittmeister. Seine erste Gem. Katharina-
Elisabeth v. Wachholz lebt 5. Juli 1099.
b) Friedrich Jakob, 25. Oktober 1700 hanaui.scber Regier*
UUgsrat in F^uchsweilei .
18. Fräulein .Susanna Clara Zorn v, Plobaheim, wohnt ia
Sirassburg 30. Mai 1703.
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19. ;<) Joiiann GeoPi: Zuckt/iante! c. Bmmath war li€i
seiner Veriiinlilun'^^ mit Maria Anastasia Stüi'zel v. Bucbheim
4. Juni 1(350, welche in der Kirche von Winzenheim im Ko-
chershcr^'-erland staltfand, noch evangelisch. Er wohnte bei
Johann Ludwig v. Landsperg zu Mutzig.
b) Ein Fräulein v. Znckmantel ist 7, Juni 1685 als eitrige
Katholikin zu Winzenlieim ti waliiil.
Ks tülgen mehrere VerUeler iiiclilelsässischer deutscher
Adelsfamilien, von denen ein Zweig im Elsass ansässig ge-
worden ist.
20. a) N. V. Buch, G. : vor 30. November 1640 Agathe
Maria Krafft v, Waldtmanahausen, tot 5. September 1642. Ihr
äohn: Philipp Ludwig. Tz. 25 Januar 4641, lebt 23. April 1663.
b) Philipp Ltj<lwi;x, hanauischer Hofniel-ter Uöd Amtmann
in Wörth, tot 6. Marz ITnj, G. : vor 23. Jatiuar l(i()9 Anna
Barbara Wurmser v. Vendenheim, lebt 6. März 1702. ihre
Kinder :
a) Agathe Sophie, G. : Ferdinand Ralllinsni- v. Lohen.
ß) Philipp Ludwi-, 27. I)ezeml)er ITdl uiul 6. März 1702
Lieutenant im riC-iuieuL iluyal-Al.^ace, 1710 — 23 in Sirassbuig.
f) 1 riederiko Dorothea (alias Dorothea Maria Magdalena
und Magdalena Margaretha), ledig 19. Man 1692, 0. : vor
30. Mai 1703 Johann Christoph v. Oberkirch, beide leben
i7. April 1706.
21. a) Wilhelm Friedrich v, Dormentz, lebt 29. Oktober 1667.
h) Anna Elisabeth, Tz. 3. Juli 1664, wai* eine geb. Boss
V. Waldeck, vielleicht aus dem hagenauer Schoflengeschlecht,
aus welchem Kindler v. Knoblocb 1561 Hans in Strassburg
«rwähnt.
22. Georg McinlKutl Flach r. SchtvartzeiiUarg, lianaui?Jcher
Rat und Amtmann zu Plallenliufen 20. Dezember Ilik).
Kneschke erwähnt ihn unter den angeblicii letzten Vertretern
<les Geschlechts am .Vnfang des 17. Jahrhunderts nicht.
23. Maria Katharina v. Fleckenstein^ geb. v« Rathsam«
hausen, lebt 4. Mai 1703.
24. a) Philipp Heinrich Gayling o. Altheinif Tz. ohne
Amtsbenennung 11. Mai 1657 und 3. Juli 16(>4, am 14. Okto-
ber 1674 hanauischer Rat und Amtmann zu Infi^weiler und
Keuweiler.
b) Seine T. Eva Maria Magdalt-na. Tz. ledig 14. Oktober 1074.
c) Soiii S. fleim ich Dietrich, Kapitän im Reimen t Royal-
Alsarc Oktober 17U(>.
d) i^eui Sohn Philipp Ciiii^toph, hanauischer Geheimer
Rat, Präsident und Oberjägeimeister lü. Februar 1689 — 4.
Mai 17U3, tot 17. April 1700.
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e) Dessen T. Franüska, Tz. ledig 25. Oktober 1700 und
17. April 1706.
25. a) Enimericb v. Homberg, hanauiscber UoQunker 26.
Oklül)er um.
b) Gertrud, peh, Zorn v. I'hdj'-heim, Tz. 14. August 1031
und dasellist nii lit Wilwe {icnaiinl. L< muss also wohl iiir Mann
Woirpan^'- Dietri( Ii, «ier Letzte des Geschlechts, als dessen Todes-
jahr Kiudler und Knobloch 1028 angiebt, damals noch gelebt
haben.
26. Die V. Kirchheim waren »ach Knescbke ein altes ful-
daisches Geschlecht, welches später auch zu dem schwäbischen
und elsassiscben Adel gerechnet wurde. Aehnlich Hellbacb.
Siebmacher und Lehr hingegen geben an, dass der Adelsstand
von Kaiser Ferdinand III. dem sogleich zu erwähnenden David
V. Kirchheim verliehen wurde. Welche von beiden Ansichten
zutrifll, lässl sich nicht entscheiden.
a) David v. Kirchheim war 15. Dezember 1648 Oberamt-
mann zu Hurlü^vvt^ilei T 23. Seplcmliei- 1658 hanauischer Rat
und Oberamtmann. 1 't. Oktober 1674 dazu not h Hof*iericlifs-
präsident in Riu h>\veilei . G. : vor 22. OktüLer 1650 Anna
Yeioiiita Suäautiu v. Muuchonijciuj geu. Bechtoldsheiui, diese
lebt 23. April 1663.
b) Ihr S. Philipp David war 5. November 1678 Amtmann
in Bntmath und vor 5. Dezember 1677 verm« mit Maria Sophie
V. Reischach.
27. a) Ferdinand Baltha>ar i\ Löben, Herr zu Obersulz-
bach, 5. Juli 1699 Kapitän im Regiment Royal-Alsace, f 16.
Januar 1723 und begr. in der Kirche zu Obersulzbach, wo der
die Gruft deckende Stein im Glockenhaus noch heule zu sehen
ist, jednrh ohne Inschrift. G. : 1607 Agathe Sophie v. Buch,
* 15. SeptemlnT 1672, f 30. Juni 1740 an der Wassersucht
und begr. in Obersulzbach. Dort sind auch folgende Kinder
geboren :
a) Chri.slian Reiidiard, * 5. Juli 1099.
ß) Philii>i> Christoph, * 25. Oktober 1700, wird 1729 ka-
tholisch.
Y) Sophie Barbara, * 6. März 1702.
Charlotte Maria Magdalena, * 30. März 1703, f ^- Ok«
tober 1703 am Schlagfluss.
s) Franziska Salomea, * 17. April 1706, lebt ledig 12.
JuU 1727.
Z) Magdalena Elisa))eth, * 3. August 1708, f 16. Juni 1709
und in Obersulzbach be<:r.
b) Frie<lerike Dorulliea v. l;i>tlieiiburu, geb. v. Löben, Tz.
7. Oktober 1742 und 27, November 1743.
r
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— 128 —
28. Johann Heinri( ii v. Rechburgy Letzter des strassburger
Zweij^es einer hasler Familie, lebt 19. September 1627«
29. Ernst Ludwig Röder v. Diersburg, gewesener Hof-
nieisler zu Ol^erbronn, vermählt im Schlnss zu Rauschenbur«^
«im Beisein vieler voti Adel» 29. Mai 1(>(>2 mit Maria Juliane
V. Leininj^en-Rixiuj^ea, «so von ilim lioclischwaDger gaogen Uöd
gleich den andern Tajf mit ihm forl^^'etnu^jst».
'10. a) Heinrich r\ Steincallenfels, tot 23. September 1605.
b) dessen älteüter Knkel Johann Heinrich, pfalzgräthcher
Amtmann zu Lützelslein t>. April 1G48 und 15. Dezember 1G48.
c) Georg Jakob^ wahrscheinlich föUchlichei' Weise statt
Johann Jakob dem jüngeren, Major in dem in kgl. französischen
Diensten stehenden weimaraniachen Regiment Oehm 31. Mftrz
1644, 30. Januar 1645 und 15. Dezember 1618.
d) Sarah Elisabeth, geb. Helmstatt, Tz. 19. Oktober
1651 neben Anna Juliane, geb. v. Helmstatt, der Frau des
ebengenannten.
31. a) Johann Philipp u. SuUx, aus einem schwäbischen
Geschlecht, Oberamtmann lu finchsweiler 10. April 1600—8.
JuU 1610, G.: Regina N. Kinder:
a) Anna Pelronella, Tz. ledig 8. März 1607.
ß) Nikolaus Jakob, ledig 28. November 1633, G. : vor SO.
Januar 1635 Anna Eva v. Waldtmanshausen, bdde leben 23.
April 1663.
b) Maria, Schwester von Johann Philipp, G. : vor 8. März
1607 Johann Werner Brack v. Klingen; dieser tot 8. Juli 1610
und war vielleicht ein Sprosse des österreichischen Ritterge-
scblechts, welches Kreschke bloss bis 1526 kennt.
32. Johanna Juliane v. Zedlitz^ Tz. ledig 5. Juli 1699 und
27. Dezember 1701, jedenfalls eine T. des Strassburger Statt-
meisters Johann Georg aus der noch blähenden schlesischen
Adelstamilie.
Von anderen deutschen A<lelsj,^eschlechlern, die sich nicht
nachweislich dauern«! im F.lsass nieder^^elassen hahen, sind zu-
nüclist drei Namen aus dem riieiiilnndi-^chen Adel zu erwähnen.
;>:!, a) Wolt;,Mnj; Plherhard v. Horneck, * zu Oheringelheim
aut lUiein, Hotmeister des Grafen Philipp Wolfgang v. Hanau
1. Januar 1(H)8.
h) Fräulein v. Horneok 22. Juni 1641.
34. Maiia r. yrukircJien gen. V. Nyienltaniy Witwe des
Hauptmanns Fehx liueher, wohnt in Menchhülen, f daselbst
2U. ULtoher 1597 nebst zwei Töchterchen an der Pest.
35. Heinrich v. Weslphalen^ Jägermeister zu Philippsburg
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17. Juli 1603» Oberjägermeister 13. Dezember 1604» G. : De-
mut V. Flershdm, diese Tz. 17. Juli 1603.
36. WeinoM v. Plettenberg, Amimann zu Lichtenau 20.
Januar 1635 und 26. Dezember 1640, aus einem westfälischen
Geschlecht.
37. Anna Maria v. Dorstadt, Tz. ledig 7. November 1642,
10. November 1650 und 3. Juli 1664, vom braunschweigischen
Adel.
;)8. Johnnn Dieliicli i'. Görnitz gen. Ster/fif^, Alikormne
oincr preussischen Familie, Tz. 22. Juni UV'tl, :M. Miirz 1644
und 15. Dezember lüi8, G. : Anna Amclia v. Rothenburg, Tz.
31. März 1644 und 15. Dezember 1648.
39. Ein altes Ihüt ingisdies Adelsg-esciilecht (Inden wir ver-
Irelen in dem hanauischen Münzmeisler Jakob Dietrich v. Saat-
feld^ welcher vor 11. Februar 1596 und nach 10. Juni 1599
zu Ingweiler beamtet war. Am 10. Februar 1600 hatte er seine
Stelle nicht mehr, zog dann nach Hagenau, wo er vor 21. Sep-
tember 1600 und nach 13. März 1603 ebenfalls Münzmeisler
war. Er starb vor 9. November 1606, seine Witwe Dorothea
heiratete am 1. Dezember 1607 Heinrich Lorich, Amtsschaffner
in Ingweiler.
iO. Einem alten sächsischen Geschlecht ^oliörte Hartmann
Wilhelm v. Holleuffer an, ein S. des f Jr. Friedrich v* Hol-«
leuü'er, schwarzburgischen IlotVneistors in Häringen. Derselbe
kam 1672 als Diaronus (Ptarrgehüife) nacli Ingweiler und hei-
ratete 15. April 1673 Susanna Margaretha, di<> Tochtor des
unglücklichen Pfarrers Johann Paul Luck, weicher 1685 durch
die französische Regierung 4 Wochen lang zu Hagenau ins
Gefängnis gesetzt, dann verbannt und später Studtpfarrer zu
Hanau wurde. Dieser Ehe entsprang ein Töchterchen, Susanna
Margaretha, get. 5. Juli 1674. Im folgenden Jahre kam Herr
V. Holleuffer als Pfarrer nach Reitweiler und f i679 bei Samm-
lung einer Kirchensteuer zu Tönningen in Holstein. Seine
Witwe heiratete 18. Januar 1681 Johann Gottfried Kiel, S. eines
Handelsmanns zu Pfaffenhofen.
41. Vom sächsischen Adel ist ferner Jobann Christoph r.
Ponickauy königlich polnischer Rat in Sachsen zu Bombsen(?),
Tz. 27. Dezember 1701,
42. Aus einem meissenschen Geschlecht entspross Anna
Maria r. Starschedel, Tz. ledig 31. März 1644.
43. Zur reichsfreien Ritterschaft in Schwaben gehörten:
a) Johann Ludwig r. Heimstatt, Tz. 19. Oktober 1651.
b) Anna Juliane, Tz. ledig 22. Juni 1641 und 31. März
1644. S. auch Sleincallenfels.
8
— 130 —
44. a)Philibert Graf v. Candell, forstl. Württembei|;i8elier
iLmtmanu zu Nagell, G. : Amelia Barbara N., Tz. 6. April 1648.
b) Anna Barbara GtüQn zu Candell, geb. v. Aurbach (die-
selbe?), 3. Juli 1664.
c) Johann Mathias, Geheimer Rat und Hofmeister zu Buchs-
weiler 4. Mai 1703.
Von unbestimmter Herkunft, weil mehrere Geschlechter
gleichen Namens existtren, sind folgende.
45. Hans Christoph v, Bsryen^ Tz. 11. Februar 1608.
46. Johann Christian u. Fischer, Führer des französischen
Freikorps cVolontaires Royaux», vermählt mit Luise Vin-
cent, ihr Sohn Johann Christian * 16. Oktober 1749 zu Ing-
weiler.
47. Leonorus v. Garniert bischöflicher Forstmeister und
Hofrat zu Zabem 21. März 1757, Amtmann in Oberkirch« Op-
penau und Ettenheim 14. Dezember 1763 und 17. Dezember
1767, scheint also kein Spross der von Kneschke als 1721 er-
loschenen, ehemals elsässischen Famihe zu sein.
48. Christoph von der Heyden, wohnt in Ingweiler, Dessen
Töchter: Maria Mai^d.dena, get. 27. Juni 1597 und Anna Do-
rothea, get. 21, D«Eember 1598.
40. Andreas v. Koch, Kommandant der Fe-tung Licbten-
bei^, G. : Ilo^jaiie Jourdain. Beide lehen 14. .Tuni 1772.
50. a) Maria Anna v. Wülaumef geb. v. Wangen, Tz. 3.
März 1750.
])) N. V. Willaume, kath. Pfarrer in Minversheim 3. Sep-
tember 1755.
Die nachsteliendf'n Namen scheinen in der Lilteratur gäuz>
lieh unbekannt zu sein.
51. n) Witwe Agnr»>: r. Aurhaclt (anscheinend ein « liwä-
hisclx s G.'srlilecht), gel», v. Westplialeu, Tz. 28. November
1633 u. 18. Januar KKC). Ihi v TArliler :
a) Agathe Demuth, G.: Heinrich Balthasar v. Waldlmans-
hausen.
jj) Maria Elisihotli. Tz. ledig 15. Oktuljcr- 10:;:.
h) Anna Barbara X.. Witwe des Jägermeisters Philipp
Jakob, Tz. 15. März !<• '>7.
c) Anna Barbara Gräün zu Candeil, geb. v. Aurbach, Tz.
3. Juli 1G('4.
(1) Johanna Elisabetii v. Horburg, geb. v. Aurbach, Tz.
3. Juli 1004.
52. Jr. Bartholomeiii>, Tz. 10. ^September 1570.
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— 131 —
58. Jolianii Ludwige v. BeyeHe, Direktor der strassburger
MQnze, Herr zu NiederweUer, Tz. April 1761.
54. Eva Rosina v. BiUhardf geb. v. Landsperg, io Hanau,
Tz. !27. Dezember 1701 .
55. Wenzeslaus Ehrt v. Zerlin^ Tz. 90. Januar 1645, viel-
leicht identisch mit Wenzeslaus v. Gerth, pfalzgraflichem Hof-
meister zu Bischweiler 6. April 1648, und Wenzeslaus Georg
V. Sardien (?), Tz. 19. Oktober 1651.
56. Johann Mathias v. Hambiich, Schaffner in Lützelstein
^. April 1599.
57. Johann Peter i;. Hachhatisen, hanauischer Oberstall-
meister zu Buchsweiler 6. Marz 1702.
58. Sophie Sibylla Hüsplery geb. Zorn v. Bulach, Tz.
15. Juli 1666.
59. Jr. Hanss Haininann v. MHIa, Tz. '28. November 1024.
60. Jr. Mündt, überrheinischer giütlich hanauischer Hof-
meisferH. Mai 1057.
61. M;ir^;;\ri'Hia'' TV'eiss, jj-ebnrene zu B;ii r, Tz. 14. AugUSt
1631, Ueber die v. IJair s. auch unter Bernholtl.
Ferner sind zwei Namen zu nrwälinen, von denen der eine
einem ausländischen .\(lelsj:<'S( lil«n lit angehört ihm! wahrschein-
hrh nichl ganz ri( hti;: ^»'schrieben ist, während die zuletzt ge-
nannte Person mit dem Ingweiler Adel eigenllicli gar nichts
gemein hatte.
62. Johann Ritter r. }fetiviers de Labesse , Ritt mei*5fer <ie<
ivouighch iVanzösischen liegiiiients de Chartres-Cavalei ie, lütter
des St. Ludwigsiordens, 17. Dezember 1767. G. : Johanna Mar-
garethe Drolenvaux, T. von Hugo, eliemahgem Inspecteur prin-
cipal des ponts et chauss^s d'Alsace. Seine Mutter (?) : Anna,
Witwe von N. du Baicale (?).
63. Katharina Luise w. Neuftfüle, T. des f hessen-darm-
stadtischen Kriegsrats und Residenten zu Frankfurt a. M., ver-
mählt 16. Mai 1784 zu Ingweiler mit Christian Ludwig Leopold
Neidhard, Kirchschaffner der Aemter Ingweiler und Pfafien-
hofen. Beide lebten noch nach der Revolution in Ingweiler*
Nur dem Namen nach seien endlich einige Geschlechter
angefölirt, weiche bis jetzt nicht genannt wurden und mit dem
Ingweiler Adel nähere Beziehungen als Taufpaten hatten, deren
Besprechung jedoch nichts Neues bieten würde : Pfalz-Bircken-
feld, V. Anälaw, v. Anhalt^ r. Landsperg, r. MüUen}keim,
V. Rothenburg, v, Salmj v. Turckheim, v, Weiitershwn,
V. Wickersheitn,
üy Google
— 132 —
Aus den vielen klangvollen Namen elsftssischer und deutscher
Adelsgeschleclj^ter» denen wir im alten Ingweiler begegnen^ lässt
sich ersehen, wie fest der elsftssisehe Adel unter sich zusammen-
hielt und besonders wie rege die Beziehungen und wie zahlreich
die Allianccn mit dem deutschen Adel gewesen sind. Zugleich
ist aber auch unbestritten, d;iss es den vielen Hunderten von
Grafen, Freiherren und fcxielleuten, welche einst von Nah und
Fern ihre Schritte naih Ingweiler lenkten, dort wohl gefallen
hat. Mit Stolz darf daher Inp^weilerin die Ulritter seiner Vergangen-
heit zurückblicken, und es wird niemals die glücklichen Tage
vergessen, die der alten hanaui<3chen Amtsstadt Ober zv^'ei Jahr-
hunderte lang unter den Grafen von Hanau-Lichlenberi: und
den Landgrafen von Hessen besehieden waren.
Nachschrift. Die zweite Gorrectur dieses Aufsatzes
lag mir bereits vor, als bei Gelegenheit der Benovation der
alten Ingweiler Kirche mehrere Grabsteinplatten mit Inschriften
entfernt wurden. Zwei davon erwiesen sich als diejenigen des
Johann Stümpff v. Simmern (hier Sümmern geschrieben) und
der Anna Stüttel v. Treppach, Gemahlin des Amtmanns Joseph
Stüttel V. Treppach Dio 3 anderen Platten haben für den
vorli^nden Aufsatz nur entferntes Interesse.
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VI
Pfeffel und Sarasin.*
Mitteilungen
Th. Sch6IL
L
Entstehung des Freundschaftsbundes.
Jakob Sarasin war bekanntlich «Ehrend 25 Jahren Pfeffels
vertrautester Freund. Um 6 Jahre jünger, war er den 2(3. Ja-
fiuar 1742 in Basel geboren, ^vo <t^\n Ürgrossvater, von Reli-
gion^^weg-en niis Metz vertrieben, 2 10'2<S das Bfirfrerrecht erhal-
ten lind (K'is Hau.s a/.uiii CardinaU erworbea hatte, das lange
im Faniilienhe.sitz lilieh.
Fl I die Waise gewurtleii, kam Jakob erst unter die Leitung
des Mülhauser Kandidaten Marlin, dann — im 11. Jahre —
in ein Neuenburger Pfarrhaus, von wo er 1758 nach Augsburg^
Zug, um die Handlung zu erlernen. Nach 2 jfihrigem Aufenthalt
•daselbst, reiste er ein Jahr lang durch Italien, machte sich in
Bergamo mit der Seidenkultur vertraut und» in die Vaterstadt
zurückgekehrt, widmete er sich mit so viel Elifer als Erfolg
der von seiner Familie und andern Hugenotten bereits in
Schwung gebrachten Bandfabrikation, ohne, als ächter Schwei-
1 Auf Grund von 68 anvei5iftntliebtMi Briefen Sarasins aa
Pfeffel, aas dem Jahre 1784.
* Das« der aas^ewanderte Zweig mit dem Stammland in Yer-
bindong blieb, beweist eine Stelle ans Sarasins Briefen, in der er
mitteilt, dnss er den Besuch zweier Vettern ans Lothringen erwartet.
* Dort lebte ein Vetter Pfeffels, der von demselben, und später
Ton Witwe und Töchtern, noch vorhaadena Briefe erhialt
— 134 —
zer, das Gebiet der üflentlichen Tütigkeit zu vernachlässigen. >
Er unterstutzte Iselins philanthropische und Lavaters religiöse
Bestrebungen, war auch Gelten heil sdichter.<
Am 8. Januar 1770 heirat«te er Gertrud Batlier, die
18jährige Tochter des Handelsmannes und Grossrates Felix
Battier, ebenfalls eines Hugenottensprösslings. > Von schwacher
Gesundheit, schenkte sie ihm doch 3 Söhne und 6 Töchter.
Im Herbst 1774 trat Sarasin zuerst in brieflichen Verkehr
mit PfefTe!, des^jen Institut eben den t?. Jnhrg-anp: eröfTnet^^, um
die Aufnahmt' seines Neflen in fl!e<?e Anstalt, die schon in der
ganzen Schweiz im besten Rute stand, zu erbitten. Der Knabe
ward Kriegsschulei- am 1. Dezembei- nnd l)lieb es bis zum 1.
April 1778. Somit war der erste Schritt zur Annäherung getan.
Das weitere bewirkte die Schinznacher Gesellschaft, wo Beide
gemeinsame Freunde antrafen: Schlosser aus Emmendingen,
Breill nger, 4 Hotze, IseKn, Hirzel u. s. w. Im Sommer 1776
sind sie schon vertraut genug, um ihre Briefe mit «liebster
Freund» lu beginnen und Frau Sarasin mit cunsre Seraphine» ^
zu bezeichnen. Folgendes Jahr wird der Freundschaftsbund
förmlich ;ros( blossen und nun fiiil das vertrauliche Du auf.
Derselbe Iselin, der den Lavater 1774 seinem Kolmnrer Freund
empfahl, wird ihn auch seinen Mitbürp^er 5><irasin haben scliatzf^n
lehren. Und in der Tat finden wir ihn olT in den Brieten des
Letztern erwähnt ; oft so^^ar frohrn I^fell'els Briefe, an ilni,6 wie
später die an Jakobi, tinrch Sarasin's Hände. .Ausserdem haben
Lenz und Kaufmann wahrsclieinlich zur Annäherung auch bei-
getragen.
Der 1774 so begonnene Briefwechsel dauerte ununterbro-
chen bis zu Sarasins Tode, also 28 Jahre. Pfeffels Briefe, in
der Familie des Letztern s&mmilich aufbewahrt, sind von Ha-
' So beteiligte er sich an flrr Gründung der noch bestehenden
femeinnätsigen Gesellschaft. «Er war ein heitrer Mensch, dessen
isch und Beutel Vielen offen stand», sagt Piuuienschmid. (Fremden-
buch, S. 163.)
2 Siehe darüber den 2. der im Anhang mitgeteilten Briefe. Der
letzte derselben spricht auch von Jakobs Bruder Lukas, mit dem
jener gemeinsam Bandweberei trieb. Sie bewohnten auf dem Uänsteiy
platz, gegen die Rheinbnickr hin, 2 neue grosse Nachbarbäaser
gleichen Stils, die noch zu sehen sind. Jakob besass das weisse,,
Lukas das blane,
3 Job. BattieTi aus der Gegend von Lyon flflchtig, war
Basler Bürger.
* Nicht J. J, den berühmten Verfasser der Diskurse der
Maler (f 1776), sondern den im Anbang (Brief 8} gleichfalls er»
wähnten Zürcher Mathematiker.
^ Ein Scbäfername. der bald durch Zoe ersetzt ward. Im Herbst
1776 widmet ihr Pfeffel ein Gedieht, und seit Juni 178S dntst er sie.
• Epistel an die Naehwelt, S. 69.
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— 135 —
genbach * in seiner Abhandlung; über Sarasin und dessen
Freunde benutat worden. Elf davon bat Bör^^ermeister Felix
Sarasin, Jakobs Enkel, dem Aug. Stöber lar Veröffentlichung mit-
geteilt.* In dem 2. derselben (44. Nov. 1777) finden wir eine
bestimmte Andeutung über Zeit und Grund des Vertrautwerdens
(S. -i9 : Hier eine F'abel an unsere Zoe u. s. \v.). Eben dieses
Schreiben enthält aucli Pfeflels Glückwünsche zur Erwerbung
des Wirtshauses mm Engeis in Pralteln, das, sogleich zum
^'emfitlichen Landhaus umgewandelt, ihm bald gastliche Auf-
nahme bieten sollte.
II.
Cagliostro.
Wie oben gesagt ist, war Frau Sarasin .-fl von der Krank'
heit heim^^esuclil, so wieder im Herbst 178n, wo PfetTel an
ihrem Krankenli(>tt »Tscliien (FremdeniMK h, S. 1()9). Um die^e
Zeit prorade g-e« hah i s, dass der Jault' Uul' von Gagliostros
wunderlatii(en Heiluii-*'ii nnch l^imA «li iii';-
Dieser jj^rosse Kcdiut imd Benutzer (i<'r lucu^clilirhon
Leichlgläui)igkeil Avm- im Süptoiaber in Strassburjf angekommen,
wo er gleich eben so feurige als blinde Anbeter sich KU er-
wecken verstand. Der bekannteste unter ihnen ist kein gerin-
gerer als der Kardinal von Rohan,« der seit einem Jahr den
Bischofssitz inne hatte und 1784 seinen Götzen in die Halsband-
gescliichte verwickeln sollte. Im Frauenschwarme, der den si-
ztiianischen Zauberer bald umflatterte, zeichnete sich Gräfin
Hranconi aus, eine geborne von Aisner, die im Mai 1771) bei
PlefTel gewesen, im d irautFolgenden October von Göthe^ in I^au-
snnntN tind mm, am 'Jl, faniiar 1781, in Strassburg von I.ava-
tei' aui'ge.suclit wiirJf. lj^e^e^ liriiit f^s somit gewesen zu seui,
der bei seiner Ilückkehr den Freund Sarasin aul den Hemden
1 1801 — 1874, Prof. der Theol. in Basel, Sohn eines mit Sarasin
«ng befreundeten Ziniftmeisters, scfarieb seine Studie in Beitrftge
snr vaterl. Gesch. iV, 1850.
* Epistel an die Nachwelt, S. 46 — 75.
3 Daher der Name Engelwirt und Engelwirtin, der dem
gastlichen Paar sogU-idi beigelegt wird
* Cagliostros V erhältnis zum Fürstbischof ist reizend geschildert
in den H^moires de 1a baronne d*Oberkircb, L 8. 134
nnd 14fi.
5 Der seine Eewniidertnifj über ihre Schönheit ansspricht tind
sie an seinem lulchstcn Geburtstag in Weimar empfängt. 1772 hatte
sie mehrere Züge zar Emiiia Galotti geliefert. Ihr Sekretär Mattei,
der sie nach Strassbnrg begleitote. war zagleich Erzieher ihres
Sohnes, der auf die Fürsprache des Herzogs von Braunschweig von
Joseph II. zum Orafen von Forstenburg ernannt wurde and 1788^89
Hauptmann im Iranz&aiscben Dragonerregiment -w. Schömberg war.
Digitizeo Ly ^OOgle
— i30 —
Wunderanl aufmerksam machte und auf deo Gedanken brachte,
demselben die Heilung seiner Frau anzuvertrauen. Schnell ent-
schlossen, schrieb Sarasin sofort an PfefTel, um sich Ober Ca-
gliostro und zugleich über einen guten Strassburger Gasthof
zu erkundigen.
Er erhielt zur Antwort: «Der rTn-^lhof a la ville de
Lyon, den ieli in Slrassbur^ für den besten halle. !fe,jf m
der Schlossergasse, gegen der Pfalz liber, und der Wirlii iieisst
Durkhardt. Vom Grafen Cagliostro i^ehu allerhand ungünstige
und zum Teil ziemlich zuverlässige Nachrichten ein. Lr nmuul
zwar kein Geld, schickt aber die Leute zu einem gewissen
Apotheker, der sich die Arzneien zehnfach Ober den Preis l>e-
zahlen Iftsst. Dieses geschah, unter andern» dem hiesigen No-
tarius Nancö. Unser Praetor und noch einige Kranke, die er
zu heilen versprach, gehn sehr schlimm. Noch will ich aber
kein Urteil über ibn fallen . . . s i
Acht Tage darauf (14. März) schrieb ihm Pfeffel einen an-
dern Brief, dessen Ton grundverschieden ^ : (tDu hn^^t Rerhf,
dass du über Strassburg reisen willst. Hr. Dr. Divoux ^ hat
mir von Cc/lioslro ganz zuverlässige Nachrichten mitgetheill,
wovon inundiich ein Mehreren. Sie geben einen sehr vortheil-
haflen BegrifT von dem Charakter des schätzbaren Fremdlings.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Wucher mit den Arzneien
seinem Chirurgus und Apotheker zur Last fSlIt . . .»
Die Kur wurde versucht. Am 22. April reiste Frau Sarasin
über Kqlmar nach Sirassburg, wo sie bis zum 18. November
des folgenden Jahres blieb. Ihr Sohn Felix folgte ihr bald
nach und machte die Kur eine Zeitlang mit. Anfangs Juni
wurde sie von PfefTel und seiner Frau besucht, die am Kranken-
bett mit Cagiioslro persönlich IJekannfschafl machen.* Im
Januar endlich finden wir Sarasin selbst dort ; er ist vom Wunder-
täter ;;anz beherrscht, der auch unterdessen PfefTels Vertrauen
so sehi ;^c\vonnen, dass dicsci im Mai seine Frau zur Heilung
gleichfalls nach Strassbnr;,^ schickt.
Am 2. üiler 3. August betJ'rüsst Frau Sarasin, die wir von
nun an Zoe nennen wollen, im Aullrage PfefTels, das ihr noch
unbekannle, von Grottingen nach Rappoltsweiler reisende Ehe-
paar Lers. ^ Darauf machte Cagliostro seine Lyoner Reise,
wobei er (wahrscheinlich auf der Rückkehr), am 28. Sept.
1782, bei Pfeffel einkehrte. Erst im Juli nachher verliess der
1 Epistel an die Nachwelt. S
» Job. Feter. 1713-1787, Oheira der Frau Pfeffel, Arzt in Kolmar.
S Im Lauf dSMolben Sommera traf aach Pfeffel mit Sarasin und
Lavater in Ölten zatammen.
* Von welchem auch einige Briefe an Pfeffel in nnsem Hinden sind.
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— 137 —
Craukler das Elsas», unerschütterlichen Glauben an ihn in den
Heraen, und Rezepte zu Salben, Pillen und Pnlvern in den
Händen seiner Anbänger Kurücklassend.
Zur selben 2Eeit knüpfte sich ein neues Band zwischen
Kolmar und Basel, ind« m I i jun^e Felix in die Kriegsschule
eintrnt, woselbst er bis 1785 verl)lie}). Sunnit wird wohl das
Jahr 1784, dessen vollständijrer Briefweciisel uns gerade — viel-
leicht nicht zufällig — erhalten ist, eines der üierk\vüidi}jsten
sein in der Geschichte des Freuud$cUaftsverhäUnis.^es, dessen
Fädon wii- iiier verlolgeii.
Sarasin war daniais 42, Zoe :>2 Jahre alt. Aus dieser Zeit
werden die Bilder wohl stammen, die wir in der Lage wären,
dem Leser vor die Augen führen zu können.
III.
Therese Paradis und Ramond de Garbonni^re.
Dass Pfeffel für Blinde ein ganz besonderes Mitgefühl em-
pfand, ist natürlich. Wenn er einem solchen Leidenshiuder
begegnete, 5:0 j^teigerte sich noch der sympathische Zug, der ihn
zu allen Hfdfshedfnnigen hinneigte. So hatte er, ein Jahr vor-
her auf seiner Pfälzer Reise, mit regem Interesse den Blinden
Weissemhurg, den Sohn eines aus Oherelsass stammenden
kurpfälzisclien Kammerdiener:?, kennen gelernt.* Nun sollle ^ich
ihm uuervvarlel die Aussicht erülVuen, in Kolmar selbst einer
solchen Unglücksgefahrlui Ijchülllich sein zu dürfen.
Es hatte nämlich die im 26. Jahre stehende, seit dem 4.
Jahre wie Weissembui^ erblindete Wiener Klavierspielerin
Therese Paradis eben eine Reise durch Europa ang^etreten, und
erschien Mitte Januar in Kolmar. Ihre Lage war besonders
bedauernswert, 'weil ihr Joseph II. die von seiner Mutter aus-
gesetzte Pension jängst entzogen hatte. Auch nahm sich Pfeffel
mit der grössten Wärme ihrer sofoi f nn.
Da sie nach dem Elsass die S( hweiz durchreisen wollte,
jschrieh er am *29. Januar an Livaler, um sie eitrig zu em-
pfehlen. Bei Sarasin konnte er es mündlich thun. Dieser halle
namlirh gerade in der Zeil, uiil seiner Frau eine Reise nach
Stiasshurg unternommen und unterwegs in Kolmar die Wiener
* Siehe Fremdenbach S. *?25. Einer dor Briefe, welche er
seinem treaen Schreiber, dem Barrer Christian Schmitt, fiir Ffeifel
dikiirte, ist, vdt eigeohfindiser Unterschrift, grösstenteils erhalten.
Pfeffel auch nnterseiGlmete alle seine Briefe selbst.
r
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— 138 —
Künstlerin gesehen und gehört' Pfeffel aber begnügte sich
mit solchen Empfehlungen nicht, sondern that noch mehr
für sie, wie es ein Gedicht in 15 fünfzeili^en Strophen be-
weist, das wir in Separatdruck vor den Auj^en haben und
dessen Titel lautet: Der blinden C 1 a v i e r ? p i e l er i n
Paradis Schicksal von i Ii r m blinden Freunde
P f e f f e 1 in Colmar und i Ii r c ni Lehrer der H ;i r-
monick Vogler besungen und am Hoch fürstlich -
Markgräflich-Badischen Hof in Carlsruh auf-
g e t ü h r t.
Am 4. Februar kam sie in Basel an, nachdem sie noch
in Uülbausen gespielt, und gibt am 6. ein Konzert, in welchem
sie, schreibt Zoe, wenigstens iOO Thaler netto einnehmen wird.
Sonntags, den 8., reist sie, Mömpelgart aufgebend, nach Zürich,
mit neuen Empfehlungen versehen. Vergnügt verlässt sie Basel,
■wo der Buchdrucker Haas ihr eine kleine Druckerei und Zoe
ein Bild der Frau La Koche verehrte. Von Zürich beabsichtigt
sie nach Genf und Paris zu ziehen. PfelTel schreibt noch über
sie einen Artikel tür Pomona, die Zeitschrift der Sophie de
Laroche.
Ausser Frl. P;)radis lernen wir aus den Briefen eine lieihe
gemeinsamer llekanuler näher kennen. So !»ekommt das Basler
Paar gleich am 8. Januar, am ll<i( lizeitstn;^, den unerwarteten
Besuch zweier Strassburger Freunde, tles Direktois der Klingeii-
fabrtk Straub und des Generals Barbier, der im Mai 1781,
mit einem Mitgliede der Familie Sarasin, bei Pfeffel zu Gast
gewesen.
Am 5. Mürz ist von einer Zeichnung Hamonds de Car-
bonni^re die Rede. Da dieser Name üflers in unsern Briefen
wiederkommt und der Träger desselben in Kolmar wie in Basel
eine öfiers und gern gesehene Persönlichkeit war, so ist es
passend, dass wir ihm einige Zeilen widmen. 1755 geboren,
der S>hn eines Neu-Breisacher Kriegszahhneislers, Mitglied der
Str;e«shnrger Deutsche n (r e 4; e I I s c h a f t, ' Verfasser einer
Nachahmung Goetzens v. BcrhchingeQ,^ Ueberselzer englischer
1 Von Strassbarg fährt das Paar, nach 4{ägigem Anfenthalt,
nach Emmendingen, wo es Abends spät. Donnerstags, ankommt und
den folgenden Tag an der Knabentaufe Teil nimmt Zoe und Pfcffei
halten Gevatterschaft. Sonnabend geht's fort und wird in Müllheim
(Ibsmaehtet. In ScUiengen bleibt der Postwagen in Eis ond Wasser
stecken, so dass man 6 und 7 Pferde branchte, am Iba heraos sn
sieben.
2 Siehe Jalirbuch. XI, S. 22—23.
3 La gaerre d'Alsace pendant le grand sehisme
d'Oceident, Basel 1780.
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— 139 —
Briefe fiber die Schweiz, ^ Lensians und später Lafayette's Freund^
ivar er damals Geheimschretber und {^ebeimer Rat des Fürst-
bischofs; Mitglied der Legislative während der Revolution»
floh er nach dem 10. August, machte während der Schreckens-
zeit eine wissenschaflliche Reise durch die Pyrenäeu, über die
er schon 1789 ein Werl^ verö(Tentlii lit liatto, wurde darauf
Lehrer der Nalurgeschichle an der Zenti il.-chule der Ha Ute s-
Pyrönees, Abjjeordneler und Präfocl unter dem Kaiserreich;
von .\,ij)nloon in df»n Crrafenstnnd erhoben, von der Ueslauralion
zum SUi.itsiat emanul. IW i seinem Tode (1827) galt er für den
Bej(rfinder A^v flcoloo^ii? in Frankreich.*
Im Sellien Jliiel" ist von einer {geheimen HeiratMui;?o!*'gen-
heit die Rede: «Ich weiss nicht, schieibt Sarasin, ob du Irl.
Y. Ralhsamhausen in Slrassburij kennst. Der soll ich einen
Mann verscbalTen, damit sie sich nicht im Unmuth ihrer Seele
an einen Offizier, Herrn von Zobel, wegwerfe, der nach aller
Beschreibung ihr Mann nicht wäre. Hab Schlossern deswegen
geschrieben. Bas Mädchen schmachtet unter der Zucht einer
unmenschlichen Mutter. Ber kalte Schweighäuser > schreibt mir
darüber mit Wärme. Weiin si< iiir Canonicat vertauscht, so
bleiben ihr noch ca. 18Ö0 F. jahri. Renten* Ihre weiteren Um-
stände wird dir Scliweighäuser melden.»
Ansfor diesen Sor^ren, welche «ein nicnsrhonfroundlicher
Sinn iliui auferl'^^rtp, h;itlt> er tWo nälitM lie^fnden nni seinen Sohn
in Kniiiiar. flltMili im rrsten Brief hekoninit (iit\«er eine ener-
•:;ische Strafpi fdifff, weil er ver«^«'s-eii, diMH (liossvater seine
Neujabrswün^cbe m ?ien<len. Daun knninicn oft Melduuf^cn von
nachfolgenden Päckchen mit Troidtn uml Pillen, nacli C^igliostro's
Anweisungen von Sarasin selbst verfertigt und zuvörderst für
den jungen Felix, gelegentlich aber auch für heilsbedQrftige
Mitglieder der Pfeffelschen Familie bestimmt. Dabei wird ander-
weilige ärztliche Hülfe nicht ganz verschmäht« Benn am 15.
Februar wird dem Arzt Morel ein Louis d*or fOr die Kur
des Knaben zugescliickl, und am 14. Marz blickt die väterliche
Fürsorge in dei» Worten durch: «Was ist denn an der Krank-
heit, die in Colmar grassiren und so viele Menschen wegnehmen
.1 Von William Coxe. Die Uebersetzang wurde 2 mal gedrackt,
1780 und 1782.
s Am 0. April sehreibt Sarasin ; «Hab einen Tranemden neben
mir, Ramond, dem seine Hrossrantter gestorben >
3 Joh. Georg, Prof. dar griech. Litt, am Gymnasinm u. Stadt-
bibliothekar (1742—1830), besucht Pfeffel im Herbst 1779. Sein Sohn
Gottfried, der Altertumsforscher (1776—1844), verlebte im Herbat 1795
2 Monate in Pfrffels Haus, auf eine Stelle an der Kolmarer Zcntral-
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— 140 —
soll? Es fragt mich Jeder und ich möchte gern Antwort geben.
Spürt ihr was davon im Institut?»
IV.
Kolmarer Lesezirkel und Helvetische Gesellschaft.
Gegenseitige Dienstleistungen.
«Wenn ihr mich wolll zum Ehrenmitglied eurer F p*PL^e-
sellschatl, so wird es niii Khre «seiny», so druckt sich Sarasin
;im 9. Mnrz aus. Der Kohnarer I>eseverein he«tcHi(l seit 17G0
und z;"(hlte zu seinen Mitgliedern, :ujsser PlelJel urici seinen Ge-
hilfen, den Verfiiisser der Chrouikcn Sijf. Billin<:, die Brüder
Melzjier und Dartlioldi; den Maler Kasimir Kai^»U, i Nikolaus
Sandherr, der am *29. März 1789 mit Pfeflel die Klagen von
^ privilegirten Mitbörgern nach Scblettstadt brachte; endlich
-den Sohn des ältesten Stadtphysikus, des zweibrfickischen Hof-
rats Benjamin Gloxin, den Dr. Gloxin, dessen Gedichtnisfeier
den 6. März 1784 in der Lesegeaellscliafl gehalten wurde* und
-dessen Tod Sarasin am 5. MSrz erwShnt.
Die.<er gelehrte Verein versammelte sich alle Monate unterm
Vorsitz eines halbjährlichen Präsidenten, zu Sommerszeiten im
Oarten Bar!holdi, den ein Laucharm durchfloss. In jeder Sitzung
wurden Arl)eiten vor;rele?en und dann gemeinsam besprochen. Die
Titel einiger dieser Arbeiten sind von Slöher (P f e f f e 1 s Ver-
dienste n m Erziehung und S r h u l e, S. 39 Anin. 2) fiher-
lieferl uuitlen. «Die Lesegeselisehaft, j» sagt dieser weiter, («nahm
jjowohl die deutsche als die französische Litterat ur in ihren Kreis
auf und entsprach somit vollkommen dem Geiste der Doppel-
bildung, die dem richtig denkenden und fühlen-
•den Elsässer immer von grossem Gewinne war
und segensreich auch in das Familienleben drang. Aber auch
praktisch wirkte die Gesellschaft, indem sie alle städtischen,
iremeinnQtzigen Zwecke befördern half, und ihnen entsprech^de
Anstalten hervorrief; so legte sie 1783 eine freie Zeichenscbule
für 24 arme Kinder an.
Die Bevolution löste den Verein auf, der am 9. März 1801
<lurch die Naclieiferungsgesellschaft ersetzt ward, mit PfelTel
al^ Vize-Präsident. (Zeilscbr. f. Gesch. des Oberrb., IbUt?, S. 62,
Anm. "2).
AVelche vielfachen .\ul trage der bhnde Dichter und sein
1 Zeitsch. für Gesch. des Oberrh. 1^96 S. 61, Anm. 4,
«. B«TQe d'Alsace 1866 S. S89.
> Sein Enkel starb in Kolmar als Letzter seines Namens.
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— 141 —
ßasler Freund emunder beständig besorgten, ersehe man au»
folgenden Aussögen:
cHabdeinen Hiief gleich Biscboffen u. Merian's gesandt....
cBürgermeister Debary wfiascht sehnlich, dass du seinen
Grosssohn zu dir nehmest. . . .
«Hier ein Brief an Mme La Hocbe,^ den ich dich bitte
zu Jjesnrgen. . . .
(fHab dein Päckciien bekoininen und .sojileiih an Thiirn-
eis.en2 bestellen las-^en, der mich versichert, alles sei nach
deiner Vorschritt in Arbeit. Den Prul>ebogen wirst du empfangen
haben. . . .
«Bitte durch den ersten Nachtwagen meinen Pilatua
(beide Teile) an Prof. Schweighäuser zu senden . . .
«Hab deine Gommission an Touchon* ausrichtet ; da er
nach Ostern selbst nach Neuchätel reist, hofft er dort etwas
taugliches für dich ausfindig zu machen. . . .
«Tabellen und Ret-hnung hab ich empfangen, * erwarte den
Schein von Paravicini, um ihn zu bezahlen. Wegen der Ta^
bellen weiss ich nichts zu erinnern, als dass mir sehr daran
iie«;t, dns? der .Tun<:e im Französischen profiliere; denn da
hält's noch gewaltig,' ...»
Anfangs Mai ting tnan an, sich nut" die jälirliche Zusammen-
kunft der Helvetischen Gesellschaft, die damals in Ölten statt-
fand, vorzubereiten. Der diesjährige Präsident war Baron
V. Beroldingen, * der am 3. Mai Sarasin besuchte. «Er wird^
schreibt dieser, von Luzern nach Ölten kommen. Die Frau La
Roche reist den 6. von Speier ab, lässt ihren Sohn in Ck>lmarund
kommt auch nach Ölten. Schlosser dagegen schreibt, er werde
schwerlich kommen können.» Im folgenden Brief (18. Mai)
lesen wir : «Samstag erwarten wir dich und Sonntag Nachmit-
tag wandern wir zusammen nach Ölten. Zoe gehl bestimmt
mit. . . Hab einen Brief von Schlosser für Fi au La Roche...»
Die Sitzung fiel auf den Sonntag 2:5. Mai. Pfetfel, der seit
7 Jahren Mitglied war und schon mehrmals den Vorsitz aus-
1 Di« bekaimts RomanBchreiberin, die bald darauf in die Schweis
reiste and Mitte ATignet übrr Kolmar nach Speier 7.nriirk kehrte.
S J. J. Thorneybeu, bei dem ein Jahr vorher Ffetlels Fabein
der HelTetisehen Oesellsehaft gewidmet erschienen waren
Spftter war Wilbeloi Haas sein Basler Verleger.
3 Prediger der französischen Gemeinde in Basel.
* Die Tabellen unid die vierteljährlichen Zeugnisse der ixriegs-
Bokftler, und die Rechnung ist das Schulgeld, das Pfsffels Basler
Banqnier Paravicini f i r ihn einkassiert
^ Qeb. 1738, Domherr za Speier und Hildesheim, Merck's Frennd.
Ueber seine Familie siehe Gatrio, DieAbtei Uurbaehim Elsas»
II, 64a
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— m —
geselila^en hatte, liess «ich jetzt überreden, denselben für das
iiäctiste Jalir anzunehmen. Die Wahl erfolgte am 25. Nach
Kolmar zurückgekehrt, erwarb er ««ich ein Landhaus mit Gar-
ten, auf dem Wege nach dem Log«'lli k h, und ^'ab ihm den
Kaineti lia^jatella. Daher der Kk;her/uame Burgherr v. Baga-
lella. •
Fahrcu wir fort, in iSarasin's Bneleu Auslese zu iialleii ;
13. Juli. «I^vater ist bei mir bis Mutgeu. Am Sonntag
war Prinz Heinrich von Preussen bei mir. Ich stiflele auch in
seinem Herzen Cagliostro ein Denkmai; von allen Fürsten die
ich noch gesehen^ * ist er der interessanteste ; jetzt weilt er
in Mömpelgarty kommt aber wieder hierdurch.»
20. Juli : «cPrinz Heinrich war Samstag in Bern; von dort
wird er sicti nach NeuchAtel wenden, um vermutlich Über
Genf nach Paris zu reisen »
.\m 12. Au«j. meldet Zoe : «Frau La Roche ist da seit
gestern. Lass dir doch die Ges' hiclite der 2 Brüder v. Wurnib
durcli sie erzählen ...» Lud fol.Licndeu Ta;.;es füg^t er hinzu :
( !>ie iiiusis m Mülhau.sen übernachten, da sie die Prinzessin
V. Zerbst sprechen will. Sie kommt Montag oder Dienstag nacii
Colmar.}»
Pfeffel führ bis Meienheim, mit einer Schaar berittener
Schüler, der Schriftstellerin entgegen, die eine seiner Töchter
mit sich nahm, an Stelle ihres zurückgelassenen Sohnes. *
V.
Das £nde des Jahres 1784.
Um diese Zeit beschäftigten sich beide Freunde mit einer
Angelegenheit, die sie nur andeutend und mit unbestimmten
Worten mit einander besprechen, so dass wir auf das Raten
angewiesen sind. Es handelt sich darum, durch Carbonni&res
Vermittlung von dem Füi-stbischof eine Gunst zu erhalten, und
zwar für Luce, den Lehrer an der Kriegsschule u. Konrectoi
des Kotmarer Gymnasiums. Aus einer einzigen kurzen Stelle
schein zu erheilen, dass es galt den Sundbausern einen Pfarrer
zu geben. Somit wird sich wohl Lucö, seit Kurzem mit Frl.
1 Als solcher erliess er den hamoristifloheii Erlass zur Zusun-
menborufun^' der Ilc-lvt tischen Gesellschaft (17. JanOSC l7g5wPfeff eis
Verdienste um Erziehung u. 8. w. S. 62).
2 Der mächtigste derselben war Joseph IL, der auf seiner Rück»
kehr von Paris 1777 bei ihm einkehrte.
> Fremdenbuch, S. 272.
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— 143 —
Minna WiJd aus Baden verheiratet, uui dieses Amt beworben und
des FQrstbischofs Unterstötzung dazu bedurft haben. Wie dem
auch sei, steht feüt, dass Luoä noch 11 Jahre in Kolmar blieb
und dann erst die Münsterer Pfarrei erhielt.
Nachher kam eine Gouvernantenjfeschichte aufs Tapet.
Frl. Gerard, welche lan^-c Jahre F-^t /iehung der Töchter
Sarasin's geleitet hatte, wollte üich zuni ck/iehen und mussfe
ersetzt werden. Eist hatte Fr. La Roche eine Lehrerin aus
Lausanne, dann Dr. \Vildernietl » eine andere in Aussicht ^o-
stollt. Man hat uns auch eine M?"l Gallot vorgeschlajren, die sich
dato auf l*i(>bezeit bei Titels « befinden soll. Wir wurden
sie schon nehmen, wenn uns Tilot nicht Muhe machte. Sags
ihm doch frei heraus und melde seine Antwort; sag' dass
einer ihrer BrQder sie uns empfohlen hat.»
Dies wurde am 3. October geschrieben. Da Titot^ der
Vorsteher des Mädcheninstituts, gerade abwesend war, konnte
die Entscheidung erst am Ende des Monats fallen, und zwar
zu Gunsten der Frl. Galiot. Da nun Preflel eine Reise nach
Risel vorhatte, nahm er sie mit. Sarasins Wa;»cn erwartete
die Reisenden in Hüuingen. Frl. Gerard war bis zum 27. in
ihrer Stelle jjebliehcn. so dass letzten- nur 2 Ta^fe unbesetzt
war. IMc Nciianj^^ekoiiiiiHMie «letiel. «Sie lässt sich gut an.
.sr.hreil)! /of am l'J. Nov. Die Mädchen lieben sie mehr ah die
(iörai«l. Uli Bi nder von Sololhurn war einige Tajre hier u. hat
jjulen EiiuhiKk gemacht. Auch bessert sich ihre Gesundheil.»
Dazwischen kommen wieder die Sorten um des Knaben
Erziehung : cEr hat nun noch ein Jahr, hatte sein Vater am
30. Sept. geschrieben. Er möchte die Civilbaukunst mit'
machen, wenn du und Wilds es für gut finden.»
Dazu kommen sogar scbrilLstelierische Quälereien : cMeine
Mahomediade, beichtet Sarasin am 19. November, will nicht
recht aus der Feder, doch muss sie noch dies .Fuhr heraus . . .»
Und am 12. Dezember : «Mitten im Fieber hab' ich meinen
Mahomed beendij^t ; bis Neujahr muss er reisefertijjr sein.» Am
23. Novernher : ffVerjriss Schweighäusers nicht, sie wohnen
jetzt in Dr. Loreuizens* Haus. Hab' ihnen eiiea Vei'slein zum
Namenslag gesandt !j»
> Zwei Brüder Wildermett lebten in Biel, der eiu« aU lianner-
kerr, der andere als Kanzler. Beider Söhiio waren Kriegssehtkler und
worden Oftiziere, einer in Riel, sein Vetter in i'reussen.
^ iSiehe Fremden buch S. 157 und Annales de lEst 1895
S. 666. Am 4. Desember brachte Hr. Kolb, Major d«r Baaler Hilis.
seine Tücli*rr zu Titot nnd zugleich einen Brief der Zoe an Pfeffel.
^ Lehrer an der Krieesschuie, Lace's Schwager. Siebe Jahr-
buch 1891 S. 128.
* J. D. Lorents, Fhatet in Barr, besuchte den Pfeffel im Juli
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— 144 —
Das Jahr schiiesst mit neuer Vaterfreude. Am 17, De-
zember meldet er die Geburt der kleinen Antoinetle, von deren
Hochzeit weiter die Rede sein soll.' Ihre P.ilhen waren: Bux-
torf, Barl)ier und Garbonni^jre, die Pathmnen: Fjau Sirnih,
Legrand und Kliiu«»:er. Eine andere uns bekannte To»:hter Zoe's
war Gertrud, welcher Pfeflel i792 die Lehren an Eg-Ie
widmete, eine freie und vennehrle Ueberselzung aus dem Fran-
zösischen des Pavillon (lt>32 — 1705), welche folgendei'massen
beginnt :
Darf, Egle. dich die Freundschaft unterrichten?
Ich weiss zwar wohl, in unsrer Flitterwelt
Ißt eine Vorschrift strenger Pflichten
Dftt Mittel nicht, vrodnrck ein lied geföllt.
Doch Zocns Tochter flieht im Leos der Jahre
Die Flitterwelt sammt ihrer honten Wnare»
Mit Wonne hat dein alter Freund o;(>sf>hn
Da- 9 ilim (lein edles Herz zavorgekominen.
Lud dass du von dir seibgt den Weg genommen,
Anf dem er dir nnn winkt, noch weiter fortsngehen n. a. w.
Schon 1777 hatte der Dichter seinem Freund eine Epistel
und ein Gedicht (Der ^f^ienkäfer) gewidmet. Im rol;i^eiidcn
Jalir erhielt Zoe Die Freundschaft und 178ii, auf ihren
Geburtstag:, das Gedicht, das ihren Namen trägt. Nach ilirem
Tode (1791) schrieb er für ihren Gatten Der Hase und
seine Freunde (1793). Endlich erwähnt er ihr Andenken
und das der Frau Lers in der Epistel an die Nachwelt
(Vers 224-7), deren baldiges Erscheinen er am 24. August 1800
dem Sarasin verlcDndel.
VI.
A n b a n g.
Die Revolution hilnnte nairn ln Ii den Verkehr zwischen
Kolmar und Dasei. Dueli kaum wm in letzter Stadt der Frie-
den geschlossen (5. April 1795), so wurden die Verbindungen
wieder angeknüpft. Am 11. September 1796 pankt Pfeffel für
die gute Aufnahme seiner Schützlinge Karpff und Bach. Dann
geht er in Unterbandlungen ein mit seinem ehemaligen Schü-
1788 und eine Frau Wittwe Lorenz hatte später dauernden Brief-
wechsel mit dem Dichter. Bei ihr wohnte J. J. Bieder in den Ferien
wfthrend seiner Tübinger Stndienseit.
1 Anhang, 2. BrieL
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— 145 —
1er und Verleger seiner Poet. Versuche (1789) Wilhälm
Haas, zum Zweck einer neuen Ausgabe. Zwar stirbt dieser
schon 1800, Levor ilas Unternehmen begonnen, das nun Ck)tta
in die Hand uliumt. Aber 'Haasens Valer beb< Fühlung mit
dem Dichter.
Als im Ht-rbst 1798 des Letalem Schreiber, iu. der, zum Heer
Massena's einberufen wurde, kam er durch Basel und kehrte bei
Saraüin ein. Als Mililärdolmetscher wohnte er der Schlacht
um Zürich bei und war der erste, der Pfellehi Lavaters Verwun-
dung melden konnte.
Kun darauf, ge^^en den 1. Dez. i799, kam Oberlins Sohn
durch Kolmar» ebenfalls zur Schweiierarmee eingezogen. Er
brachte dem Dichter einen Biief von Ehr. Stoeber und nahm
einen für Sarasin mit (Epistel an die Nachwelt, S. 67).
Ueber Sarasin's beide letzten Lebensjahre geben uns er»
wönschten Aufacbluss die 7 folgenden Briefe.
Ja, Bruder, da stehen wir am Rande des Jahrhunderts
das uns erzeugt, gepflegt, uroj^s^^ezogen u. {,'ezüchtigt hat. Mir
ist djt"ier Abschied u. der Ije vorstehende IJeberj^ang recht fest-
lich u, es i^^t mir seit eini^ifen Ta^en als wenn icii auf einem
pavinieiilu vuii lauter EUeUteinea einhertriite. Ich weiss
nicht ob mir jemand dieses Bild nachempfinden kann.
Sonst hab* ich seit einigen Wochen bftse Zeit gehabt.
Mein Alexander lag in Roueu an einem hitzigen Faulfieber u.
dem Friesel auf dem äussersten, u. man hlilt seine Gonvales-
cenz für ein Wunder. Gottlob, nun bin ich seinetwegen be-
ruhigt. So ging's mir auch mit meiner Tochter Gertrud, die
auch an Folgen ihres Wochenbetten ein paar mahl mit dem
Tode rang. Ich selbst hatte wogen eines starken Flusses
Hausarrest u. Schoelli war ebenfatU ein paar Wochen
lang in bedenklichem Zustande.
Ich erzähle nicht alles, aber docri genug um dicli merken
zu lassen, dass das alte Jahrhunderl noch recht hat wollen an
meiner Existenz zurecht hobeln. Mags seyn ! Ich bücke meinen
Nacken ; k.tiiu es mir doch diese Existenz, die es mir ge-
geben, in alle Ewigkeit nicht mehr nehmen.
Jetzt mdcht' ich gern, wenn ich Worte hätte, dir noch
für deine Freundschaft danken, die mir so stattlich hat helfen
^ S«ina HauBhälterin. Ob eine Verwandte des Baobdruckers aod
spitaren Qaschichtaschnibers Fritdricfa 8., der damals in Basel war
i. (80. Des. 1800.)
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— 146 —
Freud* und Leid zusammentragen. Aber das iässt sich besser
empßnden als sa«ron, nicht wahr? Weisst du was? Berufe
den Zirkel deiu. r Lieben zusammen u. umarme sie so hefzlich
als ich dich mi l J) >nsi umarme. Zei|^' ilmon dann die i>eiden
beykommendeii Bildchen,* die nur zum Muster dienen sollen.
Du kannst deren soviel bekommen als du hiauchsl. Den Gom-
mentar darüber will ich andre machen lassen.
Leb wohl u. Iteliilte mich lieb.
Von Her/en dein alter redlicher
Jakob Sarasio.
Anfaners Februar soll wahrscheinlieh Aatoinetfen's* Hoch-
seil seyn. Ich hatte sie lieber bis nach Ostern verschoben,
ward aber nicht Meisler.
2. (11 April 1801.)
Hier, lieber Bruder, kommt ein armer Müdling endlich
auch wieder einmahl mit einem Brieticin an^-^ekiochen . Wenn
ich sa;:e dass ich 20 mahl deinen nierkwürdigen Brief vom
15. HornuiifT beantworten wollte, so sag' ich viel zu weni^^ :
aber nie könnt' ich die Stimmun^if erhalten, die meine Antwuri
erfoi^ert hätte, nicht dass ich nicht mit dir fühlte, aber ich
hatte nicht festliche Müsse zu einer Herzensei-giessung. Ausser
den Zerstreuungen hatte ich zwar auch manchen erquickenden
Seelengenuss, konnte aber auch da nicht mittheilen, weil meine
Stimmung gar zu oft u. schnell von einer Modulation zur
andern übergehen musste«
Was ich um Antoinettens Hochzeit herum zu denken u.
zu wirken ^ ontioi lilc, wirst du aus beykommenden Beimereyen*
ersehen, die ich bis zu deiner Herkunft behalten wollte, um
dir nicht unnütze Kosten zu machen ; aber ich fürchte, ich
sterbe darüber u. meine Erben ver^^essen's dann, u. diesen
Schabernak möcht' ich nicht haben.
Jetzt ist das junge Khpaar in Frankfurt u. ich bin so
kinderlos als den* Tag vor meiner Hochzeit. Zwar ist mein
* Der Schäfername der Frau Pfeffel. Beiisar war der ihres Gatten
2 Die in anserm Texte untgeieilt werden sollten. Es kam aber
aioht dazu.
s Sein» Tochtw, dei«a Gebart am 17. Dcsembsr 1784 «twftknt
wurde.
< Liedlein am 9. Hers 1801 auf Antoinettens Hoch*
seit und Epistel an d&s liebe Brautpaar E manne!
Barckbardt and Antoinette Sarasin.
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~ 147 —
YTildfong Alexander seit dem 29. März von RoueD abgereist,
aber durch einen Missverstand, wegen Nichtbeantwortung dnes
Briefes nach Paris, noch nicht hier.. Wahr ist's^ er hat ein
bischen ein bös Gewissen. Indessen vermehren dergleioh^l
Widerwärtigkeiten den guten Humor so wenig als der nun
^inhergesto!perte Friede^ grossen Jubel verursacht. Es scheint,
iler erste Consul sieht un< Srlnvei/or für gute Kettenhunde
«n, (Vk^ mnn ja an dem ilalsbatid der Einheit u. Untheilbar-
keit herum In Ii ren niuss, wenn sie nicht gegen das erUttene
■Unrecht einen Ausfoll machen sollen.
Mit Schoell geht es endUch besser. Jetzt wird sie
^ber eine Luftveränderung machen wollen, u. da hah* ich denn
wieder niemand, dem ich nur einen Schlfissel anT^rtrauen darf,
v. täglich droht man uns noch mit Durchmärschen u* vier-
facher Einquartierung. Wenn ich mir nur das Denken er-
laube, so möchte ich oft den Kopf wider die Wand schlagen ;
da man aber die Scherben zu gar nichts mehr brauchen könnte,
ao lass' ich's doch vor der Hand 1 1< ilu^n. Wenn wir nur ein-
mal unsre Heben Freunde und Bundeagenossen vom Halse
hätten ; die bringen mich noch um.
In 8 Tagen soll Stilling hier durch kommen.' Da er
aber nur zwei Tajje bleiben will, so weiss k Ii nirht ob ich ihn
anders werde zu scheti bekommen, als für eine Augenconsulta-
tion mit meinom S( iogersolm lledfinjier. Ich hätte gern
mit ihm ein ruhiges Siündclien Conversatiun mögen veranstalten
können ; aber Rath Schoendorf, bey dem er absteigt, wird
ihn belagert halten, u. da er mich weiter gar von nirgend her
kennt, so mag ich nicht mit dnem Quodlibet anfangen.
A propoal In der lotsten Strassburger Zeitung habe ich
lielesen, dass du oberster HofQbersetKer geworden bist, wozu
ich herzlich gratuHere. Ich denke aber, dies wird dich nicht
hindern die Republik für einige Tage zu verlassen; denn du
wirst doch nicht an einem fort übersetzen müssen. Will also gern
hören, wenn dein Sprung nach Basel einmal vorsieh gehen wird.
Am Montag geh' ich für 3 Tage zu Pfarrer Spörlio nach
Sissach um den Kopf ein bischen auszuruhen . .
> von Lunöville, 9. Februar 1801.
* Jung Stilllng, damals Marburger Professor, hatte am 27. Ifftfs
seine erste Schweizerreise angetreten, von Pfarrer Salzer, dem Neffen
des Berliner Professors dieses Namens, nach Winterthor gerufen. Auf
seiner Bftckkehr blieb er In Basel vom SS. bis 97. Apnl. Er hatte
die Absicht auch Pfeffel zu besuchen, wird aber gewarnt, den fran-
zösischen Boden nicht zu betreten und reist auf dem rechten Dfer
weiter.
» Pfeffers sofortige Antwort auf diesen Brief (14. April) hat
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— 448
3. (13. September 1801.)
Der ^vürdige junge Mann, der dir diesen Brief präsentiere»
wird, ist Herr Bernoulli, der Sohn nieiaes Freundes, des Herrn
Prof. BernoulU.i Er reist nach Goettingen, um seinen schönen
Studien noch eine Zierde beyzule{?en. Er durstet nach deiner
Bekanntschaft und möchte prern deinen Segen auf seine alva-
deniische Laufbahn tnilnehinen. . . Ich holTe zu dieJ?em Ende,
die :?rhle(hte Witterung werde deinen Ausflug zu Freund
Jacobi * um ein paar Tage verschoben haben. Sollte er aber
dich nicht treffen, so ist dein Eydam, Herr Pmf. Berger, nebst
meinem herzhchen Gruss, ersucht ihn deiner Familie vorzu-
stellen. Es wird ihm auch in Beiug auf sein Institut» nicht
gleichgültig seyn, Herrn Bemoulli's Bekanntschaft lu machen^
weil er zu einer Familie gehört bey velcher das Erziehungs-
wesen nicht Nebensache ist.
Von Breitingern hab' ich noch keine bestimmte Nachricht*
Ich erwarte sie am Donnerstag und theile sie sodann gleich
mit. Ich denke es wird sich auf den Anfang des 8 bris treffen.*
4 (IS. Okloher 1801.)
Es ist ein verdriessliches Wesen, Bruder, um die Colmarer
Post. Sie kommt um H Uhr an und geht um 1 Uhr wieder
ab. Wartet m;ui nun auf die Briefe, so läuft man iinnrer Ge-
fahr, nicht Mielir Zeit zum Antworten zu haben.... So iialt' ich.
dir längst schon s;i;ien können und sollen, dass mich deine
glückliche Heikunfl ausnehmend geheut hat, dass mein Barbier
für sein Trinkgeld sehr erkenntlich ist, noch erkenntlicher aber
alle die Meinen für dein Andenken, und am allerarkenntlichsteD
Stoeber veröffentlicht (Epistel an die Nachwelt, S. 71). Ein
Enapfehlnngsschreiben an Stilling begleitete sie.
1 Dieser rühmliche Basier Name war Pfeffel wohlbekannt. Drei
KriegtselifUer fShrtea ihn (Pfuinentchmid, Fremdenbveh 8. 197).
* Nach Freibarg im Breisgau. Die Zeitschrift fär die Ge-
schichte (1 f> s 0 b e r r h e i II s hat im 1. Heft letzten Jahres Jacobi'a
Thiefe au rtefiel veröffentlicht.
^ Caspar Berger ans Mömpelgart hatte em 14. Febraar 1794
I'f* tTt ls ültestn Tochter geheiratet. Er wnr seit 1796 Professor der
Urammatik au üer CentraUcbole and hatte nebenbei Zöglinge in seinem
Hanee, u. a. Lehr, der spftter eine Annhl PfeffelBcher Fabeln über-
setzte.
* David Breitinger, Prof. der Math in Zürich, war am So. Juli
nSOmi t Lavatei- imd Sporlia ia Kolmar. Seinen 2. Sohn — der
erste befand sich gerade bei Sarasin — wünschte Pfeffel (Januar
1784) als Schreiber oder Lehrer bei sich zu haben. Der Vater aber
antwortet, er wolle ihn in Zürich behalten.
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— 14«J —
ich, dass rlu mir drei frohe, glückliche Tn^'-e durch deine Gegen-
wart gemacht hast. Gottlol), dass wir uns wieder an einander
messen konnten. Dies ist mein r):iiikgel>et.
Der Mann, von dem man dir gesprochen hat, seye nichts
für dich, meint Hagenbach. An korrektes Französisch wäre
nicht zu denken, und ausser dem stylo euriae möchte
«elbst das Deutsche hoppera.>
ft. (21. Not. 1801.)
Soll ich den Sonntagsrock und mein Gilet mit Fnmssen an-
-zieben um dir zu deinem festlichen Tage Ghick zu wünschen.*
Ja wohl will ich den Montag in meinem und in eurem Namen
feyern, und wenn ihr bey eurem hAuslichen Abendmahl hej*
^mmen sitzt» so denkt dass ich In Basel anf euer Wohlseyn
trinke, und zwar nicht einsam ; denn gerade am Montag kommt
mein Freund Dr. Rathsherr Diethelm Lavater hey mir an, und
<ler muss mir roitfeyem helfen. Das ist auch der Erprobten
Einer, der weiss was Theiinahme Ist. . .
Ich wolhe dir noch gern vieles schreiben; aber da ich cal-
•culire, dass dies gerade auf das Fest kommt, so sey's auf ein
andermal gespart. • . .
«. (16. MArs 180S.)
Hier, Bruder, Jacobi's Antwort. 3
Bedaure dass dir dein Sekretariatswesen so viel Ungelegen-
heit macht. . . .
Als Neuigkeit melde ich dir die Niederkunft meiner Tochter
Susette mit einem gesunden Buben. . . .
7. Juni.)
Abermals eine langerwarlete Freude zu Wasser geworden.
Mein geliebter Bruder, der schon seit mehrerer Zeit gewaltig
4in Lebenskrftflen abnahm, war seit S Tagen bettlftgerig, und
1 Yergh £piftel an di« Nachwelt, S. 70.
s Zur Hoebssit der 4. Toehtsr Pfeffels, Sophie, mit Franz Ehr-
mum, Apellrat
Seit der Revolution bestand keine direkte Postverbindnng mehr
zwischen Koimar and Fieiburg, so dass, wenn keine Privatgelegen-
heit sich darbot, Jacobi seine Briefe Aber Stnssbiifg oder Basel
senden TTtn^^te Erst im folgenden Jahrs wdo sia lageUnlssigw
Verkehr wieder augeknüpft.
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— 150 —
aller angewandtea Mühd unerachtet konote mao der Krankheit
nicht steuern» so dass er geatem frfth sanft verschied, im
72. Jahre.!
Dass das keine Zeit ist zum Visitengeben noch empfongea
versieht sich von selbst. . .
1 Di«i Monate nachher war ihm Jakob bersits ins Giab nach»
gefolgt (10. September).
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Vll.
Unbekannte Gedichte von Moscherosch.
Mitgeteilt von
J. Bolte in Berlin.
L
WarhalTtige Relation | Von | Arcetusa vnd Mayfarsus, | Auif
die weise : j Ck)ridon der gien;: betrübet, etc. | A. S« V. H. O.
H. N. W, I H. J. E. W. H. C. E. I Hot. : Od : 11. üb.
4. I IHsparem vites, age, jam meorum | finis amonim» | (Nbn
enim posthac alia calebo | Foemina) condisce modos, amanda |
Voce qvos reddas» minuuntur atrae | Carmine curae. |
1 Als Mayfarsus ia der Heyden,
Do £r voller Sorgen gieug,
Eia«ii hfilMclioa Yogtl fieng,
Baadt «v jhn mit "biuidUr Seydea
T»d gab diesen Zoddel-fiisa
Sdaer LielMten Arcetoaa.
* JJebrte/ aagt* er, ,do aioh heataa
Anff der Jagt nichts fangen liess.
Schrie ich endlich mit veHriess:
Pannus, gib mir was zur Beuten,
Vmb der Arcetusen gunst!
Sonst verschwer* ich deine Kiiiiat.
8 .Dranff erwischt' ich demct-wegen
Diesen Vogel, den ich dir,
Arcetusa, trage f&r
Alas dan k1«iB«ii Jäger Segea.
Doout nimb da Hertzen-dieb,
Bisa sich« besser fingt, vorlieb !'
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— 152 —
* Aieeton dacht im HtitMii :
,Was hilfft mir der HenSSirliilg ?
Pnckt etirh mit solch Lnmpen<iing '
Soit ich so mein Hcyl veischijrtzeil ?
Habt, Mayfarsns, Dank dafür
Ynd Terwftlirt dits Flügel-Thier!'
* Daranff ward sein Hertz geschwrinde
Als wie ]>ley vnd Eisen schwor,
Doch gedacht Er iiiu vnd her,
WoTOB dieM Bed* «iittlftadt,
Tnd apiMh kfirtslieh : ,0 mein Ltochi,
DiMtr Togal bindet nieht.
9 lit brrach bey jaogoi Leat«n
Vad gtMhidht an dieiar Ztit
Anss gerechter Hdffligkeit;
Niemand kan es übel denten,
Wo er nicht Uanss führe Mist
Oder Dreeas von Briaich int.
' ,Die Vernnnfft mag selbsten aaagea,
Ob wol Aicetass' hierbey
Irgend was versehen sey.
leb wü ttoek« itill« aebweigen ;
Foftebt jbr «ad' vnd aabegin,
AllerUfigito Meirterinl'
^ Arceiasa voller Gallen
Nahm den Vogel, teUoti jbn ein
Tnd Ueai nach dem angenecheln
Sich die Gaben miesgefallen,
Bisa Mayfarsns Graben tieff
In gedanoken von jhr UefE.
* Ateetnea war geseboieen
Gegen Hylaa, daaa sie gar
Wie ein altei Tischtuch war.
So mit Bchwartz Fleisch ist begosaen.
Dramb verliess Sie, wiü erscheint»
Diesen jhren alten Freundt.
>^ Knrtz als dieses war geschehen,
Kam Hyrcan, der Stachel -Facha,
Fewer üugig wie ein Lachss,
Seinen alten Schuss zu sehen,
Tnd fand als ein apttread Wind
Dae Tenebenekto Fedar-Kindt
Er fjriff vmb sich wie die Eulen,
Nahm den Vogel sampt den Baudt
In die lebarife Klawea-Haadt,
— 153 -
All ged&cht er jhn za theilen,
Dft dM airme ScbubeUvieh
Wm «in aterbead Minaohgan aehria,
12 Vnd verehrte Lysabellen
Diaaan Fang, doch nur anu Neyd,
Wall Hayfarau jadanmt
Sich bey jhr pflag einmatellen.
Aber sie sprach: .Grossen Dank;
Mir beliebt kein Vogelklangk/
13 Letzlieh kam er zu Starsillen
Vnd gab den Gewin der Jagt
Dieser armen LdfFe!-Ma<?flt.
Die griff za mit alieu willen,
Sobarrte, neigte aieh so kmmb
Yttd Tardanakt aa Tmb Tnd mb.
** Juno wolle das nicht leiden,
Das MayfarsuB Uertzen-pfandt
Bliab in solehar llttsan Handt,
Sondern liess den Strick saischnaidMi,
Dass der Henfferling entflog
Vnd hin za Mayfarans zog.
Also kriagta diasar widar
Die Tarachanckte Fröligkeit,
Daas er nunmehr Müh vnd Lafd
Frey vnd ledig wirftet nieder.
Wol dem, dem es so gelückt,
Wann jhn Neid Tnd Ynglflck drOekt
Ich könte zwar noch mehr vou Arcetusa klagen.
Doch wil ichs ihr zur gnnst, vnd mir zur Tugendt tragen.
Johan: Mich: Moacharoach.
Qu taeat ak atnltnm acit aimälata, aapit
\orsteiiemles Gedicht ist auf zwei kleinen Quartl>lattern
0. 0. u. J. ^^edi uckt, die tlei- Berliner Martin Friedrich beulel *
in seine KoUektaneeu zu einer Selbsll)io;rraphie (Berliner Mscr.
boruss. fol. 200) eingeklebt bat. Seinem Platze nach würde es
ia die Jahre 1645^1646 gehören, in denen der junge Jariat
die Univeraität Marbui g beaucfate und Gber Wildungen, MQnster
und Qeve nach Leiden gieng. Vermutlich bewahrte er daa
1 1621— Debet sein Leben habe ich in einem Berlinar
Sohnlprogramme {IHM no. 59) gehandelt Er atand mit den Dichtam
Simon Darb, Johann Franck und Heinrich Held in freundschaftlichem
Verkehr. Vgl. Jentsch im Neuen Lausitz. Magazin 18 und Bolto,
Altpreossische Monatsschrift 23, 451 (1886).
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— 154 —
Blatt 2uni Andenken 'an eine pendnlicfae Begegnung mit Mo-
scherosch auf.
Der Dichter hält darin der Dame ArcetU8a eine kleine
Strafrede über die Nichtachtung, mit der sie das Geschenk
ihres Verehrers Mayfarsus aufnimmt, und schildert seine end-
giltige Abkehr von der launisclien Schönen. Zweifeln möchte
ich noch, ob sich Moscheroscli selber unter der Person des ge-
krankten Liebhabern, dem schliesslich der mehrfach verschenkte
HanÜing \vie<1er zufliegt, darsteWen oder mir eine Begebenheit
aus seinem iiekanntenkreise in Verse bringen wollte. Vielleicht
vermögen die rätselhaften Initialen der Ueherschi ift darüber
Aufschluss zu geben. Immerhin verdient das Gedicht ebenso
gut wie die von Erich Schmidt in der Zeitaehr. f. dtech. Altert.
S3, 71 abgedruckten Ptoesien Ifoecberoachs der Vergeaaenheit
entrisaen zu werden.
• Die Melodie «Coridon der gieng betrübet» geb6rt einem Liede
Opitiens (Deuladie Poemata 1525 S. 176) an, das z. B. von
Kittel (Arien und Gantaten 1638 Nr. 3) komponiert worden war.
II.
Die nachstehende Dichtung Moscheroschs erweckt nach
verachiedenen Seiten hin Interesse, Der Biograph des Dichters >
erftbrt hieraus von einem von 1680 fatlenden Aufentlialte
in Tübingen und von seinen Beziehungen zu schwäbischen
Gelehrten wie Andrea, Lansaus, Zeiller, Hönisch, Wieland. Für
Moscheroschs lebendigen Patriotismus und treue Heimatsliebe
legt seine Klage über die auch nach der Beendigung dea dreis-
sigjährigen Krieges fortdauernden Unruhen im Elsass und über
die Verwüstung seines Geburtsortes Wilstät ein neues Zeugnis
ab ; und zugleich erhebt das warme Gefühl, das aus der Klaffe um
den scheidenden A>u^'<lnir^fHr Freund spricht, die anniutii^e \'er-
gegenwärtigung der Wjiiterreise u)»' i den Kniebis uiul die zier-
liche Mischung antikisierender Myliiulugie und alemannischer
Mundart das Werkchen weil über die grosse Masse der gleich-
zeitigen Gelegenheitspoeme.
Ueber die Person des hier angeredeten Augabuigers Me*
1 and er vermag ich leider keinen Aufschluss zu bie(«D. Da
der Dichter ihn auch Erhard und Melchior anredet^
darf man in ■ ihm vielleicht einen Verwandten des 1635 ver-
storbenen Augsbur^^er Arztes Jeremias Erhard* oder des an
St. Ulrich vrirkenden Predigers M. Georg Erbart« vermuten»
1 L. Pariser, Beiträge sa einer Biographie • von Moscheroioh.
Diss. München lä91 S. 6.
« F. A. Veith, Bibhotheca Aagaatana 9, 43. (1793).
8 P. V. Stetten. Gesch. von Angsborg 8, 49. 16a 845. 1196 [im).
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— 155 —
der sweimal während des dreissigjährigen Krieges (16S29 and
ld35) aus Augsburg ebzieheii musste. (Vgl. den Naehlrag.)
Melanders | Alisdieid j vnd | Phiianders ) Glürkwuu^cliun^ (
in Strassbur^j | den 19. Jenaer | iG52. | 7 Bl. 4*). (Berlin Yi
4281).
[Ajb] Es wird ja dis Oedicbt in Deinem hohen Stand,
M Blander, treft«r Freund, nicht fibel aufgenommen?
Dan wan wir werden dort im grab zusammen kommen.
So wild noch Du nodi ieb d«r Welt mehr leyn bekent:
Was aber wir su lob der Tentschen Twa Je aehieiben«
Das soll« waa Do vnd ich nicht leben mehr, doch bleiben.
[Age] 00 mm? Da Bdlsr geirt Helander, mnss es sejn?
Du Teatscher Hertsen-Freand ! daas Da wilst von vns weichen ?
Ist deinem Angsparg dann kein Stntt mehr za vergleichen?
Geht Sie Dir allen vor ? vnd mag all mein Latein,
Mein Bitten, Witz and Kon&t, vnd was ich weiss vnd kan,
Didi nicht mehr halten aof? nodi der beliebte Orden
Dem» die dorcb Teatoche Treft eeind Deine Frennde worden,
Ynd nicht dnrob Wein vnd Bier der Freondschallt blossen wahxu
>s (bän Fieiindsehiit misttch stehet,
Die sich macht bey dem Tronch,
Wan es zar Probe gebet.
So steht sie auf dem sprangg ;
Wo aber Tugend, Ehr
^ Vnd Kunst die Freundscliafft geben,
Da falt sie nimmermehr^
Vnd bleibt, so lang Wir leben.)
Daramb durch Teutscbe Trefi, sag ich, da die W. E. K. A. B. iL.
Dein kalt-erhartes Hertz nicht mehr erweychen k6nuen
^ Zur Liebe gegen vns : Vnd wilst kortzam von hinnen
Bey dleer wilden Zeit ? Da hörst ja den aUarm
Im gantzen Lande gehn ! Ich bitte dnrch das Bandt
Der Freundschafft: bleib» ach bleib! dnrch Deiner Tagend
fruchte,
Dorch Deiner Wissenscbafft vnd Redlichkeit ger&chte,
^ Vnd was der Himmel guts in Dich noch mehr gewandt,
Darob allee, was Da bist, dardi alles, was mao sanst
Beim Bitten wendet ein, darch Olaaben, Tre&'vnd Ideben,
Durch alles dis vnd das, was Du vnd ich geschrieben,
Durch Deiner Kunst verstand, dnrch Deiner Feder gnost.
85 ])|| }|ig( sonst ein Mann, der sich erbitten lasst.
Der zugefallen thut, was andre grob versagen,
Der sieb mit iedermann weiss frenndllcb sabetragen,
Ein Mann, der alle liebt vnd nur die H&oehler bamt-
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— 156 —
Wan ftb«r tAU Bit! Ynd Hoffnang, die Da mir
Vor 4iMtt s«it ftmaeliti itti woK in bronntii IUI011,
80 1ms, ftch lasse dooli Da, den ich lieb Tor allen,
Mein Erller Erhard Da, dis gehn zu Hcrtzen Dir:
(Aijbj Schau, wie der greise Sehne deckt vnsre Mezgei Au !
Was meynsta werd' es dan dort aaf dem Schwartzwald geben;
^ Da alles ist Tereysst? Mich daoii das zarte Leben
D«t Jlbglingi, d«i Du liebst, Saio Matter dtin« Frao.
Denck Dn nnr änderst nicht, als clan Mlbtt die Natorp
Die Mntter aller ding, woll Dir den pass verlegen
Ynd streite wider dich vnd halte Dir entgegen
^ Ihr Schwerd, vnd sie hab Dir verruckt Kompaas md Vhrl
Du aber sprichst 7a\ mir, Dn achtest keine Noth.
Du seyst in Heim Boruff, Gott werde Dich erhalten.
Der kalte Zemblt^r ^urd der mug deu mcbt eriuilteu.
Der leiBem Vaterland la dientteD trolst den Todt.
Wolaa, ieb läse es teyn : Biet Da dan alio freeb,
So zieh nur immer hin! Ihr aber, Wiesen, Felder,
Statt, DörfTer, I.nfft vnd Land. Ihr Wasser, Wnnne, W&lder
Vnd du, du Ed k r Rhein, Ihr, Neckar, Donau Lech,
Da wertfae Kintze du, die da mein Sittewaldt
^ Witflt&tt, iet« wild vnd «d. mit deinem strohin beteichest,
N^t Uber gross, doch gnt mit Lachs vnd Holts bereichest,
WilstAtti befireyter lost vorbin ein anffentbalt,
Jetzt, das«? e« Gott erbarm, ein ciTigeuschte Statt,
Du werthe Kintze du, m deren ich geschwommen
^ Jnng, Mattig, ehe ich war^ aujs deiner schooss genommen,
' tatst ee Mel'ander niehl ea^ieUea, dass er h^
Den K5nig aller Thftm, die trefte Fronnde sein
Anss acht, anss lieb, auss bald, ia fast aass seinem BertMtt
Gelassen vnfl erwAhlt das flocken-stfiimig schertzen
"^^ Des schnLidLiid-ibt iiarffcn Nords, des Vnglücks in gemein.
So man im wilden wald, zu harter Winterzeit,
Bty Reysen ftberlaad moss alle stand befahren!
"Dotk wen Dich Qotlss Heer aacb dissmahl wird bewahren,
Wie Da gianbet vnd ich wflnsch, so bleifas Da wohl befreyt.
Man so sieht Metaader fr«y.
Lasst, Ihr Wiesen, Wasser, W&Ider,
Lasst Ihn, G&rten, Berge, Felder,
Efire Pässe gehn vorbey,
{Aiija| Dass Er nhngeffthi-det sey !
^ Helfl't ihm über, helft i Ibra vnder,
Tha, Natur, an Ihm dis wunder,
DaM der Jenner werde tf ay,
Das8 Er komme frisch gesund
Za den Eltern vnd Verwandten,
w D. h. das SCrassbnrger Ml&nster.
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— i57 ^
*^ Zn den Freanden vnd Bekandten !
Ql&cklich ley Ihm Tftg vnd Stund,
Da Er weg von StnMSbnrg reyst.
Da Er sich bey Anp;8purg nahot,
Da die Mutter Ihn ambfabet,
^ Die durch Ihn ietzt wird gepreist!
Alles, was sonst hindern mag,
Das mftss* Ihm zu nutz vnd fxommoD,
Zu gewiaa fiid ttattaik Icomman,
8«lbftt di« Naoht werd' Ihm som Tag t
8* Lofft ?nd Dafft die m&ssea sich
In Tiol- viid Boten baden,
Daat Ihm mAg kein* Eilte achadefli
Kein Gefiibr e^jn hinderliohl
Alle floeken, die der Schnee
JOO Yen aich blaset anf die Erden»
Hftssen Zncker-Erbsen weiden.
Alle Steine BenUoe!
Diebe mftssen werden blind,
R.^nber mfissen krnm erlamen.
Alle wilde Thier erüaineii,
Die man zwischen Augspurg find!
Alle Bäame müssen fein
Ihm zam wilkom Kftsslein geben.
Alle Rofilen, die noch leben,
iie Bringen ihre Leberlein I
Wo der Weg vnwegig ist,
Wuiien ihn die Bauern haeken,
AUe Weiber Nodla backen,
BiM Wae benere angeepiasi!
[Ai^b] Allee, wa» Er, vnd waa lein,
Das soll aller gfahr entnommen
Zu gewftnschtem Ende kommen.
Wie £r will, so soll es seyn !
Doch, Ach ">felauder, wan Du konist nach Sittewalcl
^•0 Vnd die vor-schöne St&tl icat siebest in gefildern,
In Kirch, Schloss, Gärten, M&hl vnd H&usera so verwildern.
Die dorch Ynmilnschen grimm verstälte vngestalt,
Ach, eo beeenfÜM doeh mein armes Yaiterlandl
Das Eaoss, darinn ich bin an dise Welt gebohren,
1^ Das ist dorch Schnaaberey im Fe&r vnd Bauch verl ehren.
0 weh vnt Tentsrhen, weh ! Es ist nicht vmb die schand
Noch vmb den spoit aiiem : Es ist vielmehr des schad
><w Bnfflen, mir unklar. [VielletchtsRaffolken. eineFisehaxt?]
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— 158
Des armen Tentschen lands. das lang genag gelitten
Vnd wider seinen Ruhm vud Freyheit selbst gestritten.
180 Der Vntergang gchleioht ein, die Re& ist vil zu. spath j
Daa dichte Teatscbe üold, d&& alt ererbte Gut
bt fbity atobft 6d, ligt da: wir Mbtios all ein boiMii,
Wan man nw ngt davon, wia •yfrig tia TargoisiDt
Die redlich — Tentsche Fanst. ihr freyes Helden Blnt*
135 Jff\r (icncken nicht einmahl an hölff vnd mittel, die
Vor hundert Jahren vns die Eltern fest erworben ;
£s scheint, aU wären wir deu Frembden heimgestorben,
Vnd giha nr Schlachtbank hin als wie daa thnmma Vieh.
Wir ligan anf der Waag. Waa Ootl nicht Haidan schickt,
1^ Die Gottesforcht zuvor, dan Tenttcben Glauben lieben
Ynd mit gppaartem Sinn sich heiliglich erftben.
So bleiben wir im Krieg, in Noth vnd Todt verstrickt.
Dia ist der Jammer, den ich klage mit dem Mund.
Vir seind — Ach was seind wir? — £in seheftsal msern
Freunden,
Den Nachbarn ein gesp&tt, ein anstoss vnsern Feinden :
Di*? ist der schöne Ruf, der allen Völckern knnd
So hab ich offt vnd wohl, doch ohne danck geklagt.
Man hat mit vnserm Blat gekriegt, man hat den Frieden
Mit vnserm Scb weiss erkanlft; doch ist man nicht zofrieden,
ISS Ynd seind im Frieden wir mehr als im Krieg geplagt
CA4a] 0 Edler Friede da, Du tlieure Gottes-gaab,
"Wir thumra vnd tolles Volck, wir hatten dich verlohren
Vnd jüngst Gott in die hand mit nenem Eyd geschworen.
Ach wie? da ligst, du kracbsi. du sinckest gegen grab!
155 Uan denckt, man dicht, man tracht, man grftbelt^ sucht vnd
Wie man den ttienzan Byd — O grosser Gott, 0 Becher,
0 Baach vnd grosser Öottl Durch Cslsohheit vnd grol^
Sprecher
Durchlöchern, schftchern m6g? 0 Fefter Himmel, Lafft!
Dein ist die Baach, 0 Gott. Du hast la die gestrafft,
ISO Wo Christen dir ein Eyd geschworoi vnd gebrochen,
Du hast mit Vntergang des Frevlers es gerochen
Vnd ihn in deinem Zorn vnd Grimm hinweg gerafft.
Die Türcken rAhmen es vnd preisen dich darumb
Hast du nun, Gott der Baach, die Türcken dort crrctret,
165 Sq wirst da ja dein Volck, das ängstig zu dir bettet.
In gleichem hftren noch.
130 Ueber die vielfach onerwfknachte Auslegung, die damals die
französische Begiemng von den BestinmitiTitTen des wostfälif^chen
i' iiedens im Elsass machte, und über die Kaabereieu der xm Laude
streifenden lothringischen Troppen vgl. Strobelf Qeseh. des Elsasses
6, 6 fr. (184G). Auch unten V. 325 f.
Am Bande : Clades Vamensis in Vngaria, de qua Aeneas Syl-
vins Enrop. c. 5 et Bpp. 52. 81. 87, nbi docet: Fidem non modo
•domesUcis Fidei, sed etiam hostibns servsadam.
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— 150 —
▼nd das ists, wan man sich mit Eyden nnv vexirt,
0 Vntreu, falsche Tren. der Christen gröate seuche,
Zerrftttnng alUr Ötänd', zergliedernng im Reiche,
110 Ynd was auß diser wird in kortzem eingef&hrt,
Tfirlliiehto Kodowj, WAltoh« Statitterey,
YnelirisÜioh Dentelaf, Tyrannisches Qemftdie,
Bin wilde Barbarey vnd, welches Gott Terhüto,
solche Glmatenlieit, die Arger als Ttlirekey.
O Du KBM TvoteoUind dn.
Wie bist du genebtet n!
Vor wärest dn an allen Gfttern reich,
letz bist dn mehr als einer Wittwen gleich.
Wir K.iuder seind mit kummer gantz bedecket
Tod alt vefwayst, geängstigt vnd ectdumäet
Das Land ist «ftst, die Felder Ilgen bloP,
Der Baur yeijagt, die Fl&sse werden groia
Von Thränen, die man hört das VolcV vergio^^^en,
Von Thränen, die man sieht wie Ströme fliessen.
Die Thearnng komt, der Vorrath ist verzehrt,
Veraehinng volgt. wan Soh&tse leind gel&hrL
Die, denen vir ein sohrecken vor gewesen,
Die lachen ietst vnd spotten vnser wesen.
Vnd was noch mehr der zornig Himmel trftnt»
Komt alles her von vnsrer weichigkeit.
0 da liebes Teutschland du,
Wie bist da gerichtet za!
Dn aber stoltzer Berg, da hoher Knipbif» ^nr.
Da KniebiP, der da mich schon in die Kuie gebissen,
1'^ Als ich, vmb Knnst vod Lehr von Lansius zu wissen,
ReysI nach Tftbingen hien, nun tber swantiig Jahr
Vnd was noch drftber ist, da stoltzer Kniebiß dn,
Der da gehst Wolcken an, ein schätz vnd tratz der Schwaben, -~
DeP Altpn frpypu Volcks. so jemahl Volck erhaben
20" Vüu Teutsrhem vrsprung ward, in Spannioii auch daza.
Des grossen Airofests vnd König Breuuers Heer,
Von Hertsen gat, ohn falsch, Tieft, Redlich, ohne tadel
Vnd die berAhmtiste von altem Tentsobem Adel,
Frey mit der Fanst, Behertzt, so liebet Kanst vnd Ehr, — >
Nim, hoher Kniebif'. nim Melander freudig auf,
"Melaiitler leiiien Freund, der von dir hergekommen,
Als £r sein erste Keys von Augspurg aub genommen
Zu VDSerm weisen Ehein, ietst wider gebt bienanf !
Bs worden an dem ort — Mel ander, zweifle nieht ~
Thomas Lansias (1577— lüü7), Tübinger Jorist
Airovest, Ehrenfest nennt Moseberosen in den Gesiebten
Philanders (A la Mode KehrauP. 11 1 ed. in.'>0 = S. 129 ed. Bobertag
1883) den König Ariovistos; als Schwaben feiert ei ihn unten V. 270.
IS»
iSS
[A4b]
ISO
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— 160
sio Die Q6tter in gesamt mit freaden ynd verlangen,
Yorsb Htreini« die Nimfe, Dich empfangen;
Aneh ist die The mia Dir sofot vilmahl verpflicht.
Wiewol die zierd der Zeit vnd Welt, die Flora aehfin»
Ist ietznnd ausser Land nach Ormns hingezogen.
Die Charitinnen auch zar Lima aufgeflogen
Vnd Pallas iu geschafft nicht kan Ton hanse gehn,
Za dem auch frische Post auf Rüssen kommen an,
Wie Ceres, Bacchus, nnb mit Venös saergAtsen,
Sich za Vnlcanas in die warme Stabe setseil.
Weil ihrer keines nicht die Kält woU kiden kau,
So ist, Mplander, doch der Chioneen Chor
[Bja] Dir beygethan Dan sie vrsd aiKire gloiche GAtter
Dir samiea durch die Ludt die leichL-geiiockte blutter
Vnd wehen Dir sie sn. Aneh Sy Wia bevor
tt^ Bexiehret Dir damit ein Bmif-bednllten Itrants.
Die Christallinen aneh, die weiche Najadinnen
Dir bringen Jnlep zn. ein Trnnck aaß jhren Brflnnen.
Der Pfeiffer Ä e o 1 u s pfeifft Dir ein Zitter-dantz,
Die Feen rüsten za ein Scbneweit» lindes Bett
SSO mitten anf dem Berg. Napeen aneh sieh fleissen
Vnd, welch die erste Dich Willkommen m^ge heissen.
Dir laoffen federleicht entge^l in die wett.
Sic birteii dir die hfind ; Saabina thnt das Wort;
Sie trfigt ein gelbes Kleid geb)6n)t nur Ihacintheu
Y moin, y hayr eas scbaon day graosäe Compiimiiita:
*Haer Docner, mar haonds gaon lang gwartet an deam ort,
Winsehn ny a gnoata Tag ond ny haera gann an,
DVaeil ists eaba gar lang, da(> ayr gaan as spaot komme.
Wao ists kloin Aerihle? hajrti haond ayrs nyt mit ny
gnoraraa ?
**ö Hand uyrs Beinle d'hoim glaon, duy Docnere uyr Frau?
Woast mar na bald suy keäm, sott eai &ch&ou au n'ajhr
gseheaa.
Na glAck ond hoal, ny soll kosn Loadle «idazfahn»
Mar weant zun ayhran ny koan dingle draan varspara,
Mar weaut v£f uinsra kost mit uy vfT Ylm zaagean.
Y schwAr ay stoan vnd bleach« Kimel vnd Yntzian,
Day Ospahnaa soUn ny gann a sa bahr anssa bgloatha,
Vnd was der schönen Wort noch mehr seind an sn denten :
Aan Haer gang du TOaran ! Wdlffle gang dn voaranl
Das thuoa abr y gnnti nyt. Kientzle gan^ dn voarsn !
2^ M6schle gang du voaran ! Rust mag as sy nit schicka,
Aan haer gaotbs na gmachnan, as dar£F sy naints deas b&cka,
Aorle gang da voarnanl Gang da, gang da voaran I*
239 A e r t h 1 e, der kleine Erhart?
MO Beinle SS Sabine.
UB Wohl eine Anspielnng aaf die anf dem Kniebis eahqpfftngen*
den Flösschen (Woifach, Kinzig, Morg, Acher).
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Vnd das wird alles Dir, hoff* ich, sayn kein verdrnss.
Wan du nnn d» vorbey wirst an den Neckar reicbra,
•5ö go gifiss den Oottesmann, dem keiner zu vergleichtn»
Den Grossen Andreas dort, den aUea Lansins!
[BjbJ Oehe Stntgard nicht vorbey, sprich da den Hohen Rath
Dm klagen Fftnton u, cU« tbeiuh>gdobte Heldtn,
Von denen Tnier Mm vnd Themit vil vermeldtnl
S60 Tbost Dn es nachmittag, so wird es Dir za epnib.
Inionders bitte Gott für Hertzog Eberhard,
Den frommen Fürsten stlljst, den Ffir5?ten aller Schwaben,
Auö Den uU Christeu-voick ihr Aug vud Hoffnung haben !
Dm Joeh. dM S^ne Land getnidcet «Im hart,
Soll forthin nicht mehr Myn nd ewig UeibM an».
Hingegen Fried vnd Treu in alle Ewjc;ki Iten
Ihm bleiben Widerbold vnd m&chtig fir Ilm ?f reiten.
Der durch Allmacht allein erhalt dis Hohe Uaass,
Dis Hohe Fftrsten-Haos des Grossen Eberhards,
fto Dig Welt-berflhmte Heqm dM VMten Airo?Mten,
Don Kern des TentMhen Reiehs» Qott Mgne Seine Festen
Tnd dämpffe List vnd Macht seine tischen widerpartt.
Erhob, o Schwabenland, dein vor-verhftlt Gesicht!
Der Frieden der ist dein ; Dein Kluger Ffirst der wachet
175 Ynd sorget Vätterlich. Ob zwar der Friede krachet
Tnd lieht gef&hrlieh nnss, Lasa dich erschr&cken nicht!
Fftroht Gott» bleib King, eteh Vest, halt Qlaaben immer fort!
So hast du QottM hftllH Dan der anss falschem Hertzen
Mit Frieden, Eyd vnd Gott, mit Blut vnd Christen schertaen
28) Ynd Tfirckisch handien will, den richtet Gottes Wort.
Komst Du den bien nach Vlm, der Thouau Lust vud Liecht,
So lass Herrn Zeil lern Dir zu gr&ssen wolgefallenl
Es mtn dM Podagram von minem Leibe wallen
Ynd komme dem ina Hertz, der rnsem Frieden bricht
CSS Den ftbrig gantzen weg fürhin auf Augspurg zu
Den soll Pandora Dir mit Goldklee, mit Narcissen,
Mit Rosen, Kosmarin zierlich beerßnen mfissen.
Gott wolle Deiner Statt, Dir m ihr geben ruh.
Die Iftblich Obrigkeit, die werthe Bnrgersehafit
^ In Lieb vnd Einigkeit vnd Tentscher Tren erhalten
Ynd Dich zu beider nutz begnüget lassen alten !
Ich meyn ja, diser Wunsch hab in sich safft vnd kraSI.
[B^a] J^en Herren, die der Statt mit Ptlegde stehen für.
Weis, Steth, Geheimbd von Rath, den wolle Nestors-Ldben,
Job Valentin Andren (1586—1654) lebte seit 1650 als Abt
in Bebenhausen bei Tübingen. Moscherosch hatte ihn 1645 in seinen
lateiniachen Epigrammen 2,20 als seinen Patronus maximus gefeiert.
Eberhard III. von Wflrttemberg (1614-1674) hatte 1634
nach der Schlacht bei Nördlingen eine Zeit lang in Stnwabnrg Znflacht
gesacht.
«88 Martin Zeiler (1588-16611, der bekannte Geograph, lebte als
Bphoms dM Gymnasinma in Ulm.
11
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— 162 —
Angustns Glftck in Fried der Allerhöchste geben,
Auch segnen Kirch vp() Srhol Vnd dass ich nach begMr
Den Vatter hoher Kunst vnd HimmcUscher Lehr,
Von der liippocrutes vnd Celsus je geschrieben,
Die Q«ber, Tbtopbnwt vnd Hermes je getrieben.
*M Den tbenreii He nie dort mit meinem woneeh Teielur,
So woll nechst Qott die Kanet, dnrob die jenseit dem Rbein
Er seither dreyssig Jahr den Krancken hat srjipben
Befristung, ihn gesund so vil Jahr machen leben ;
So wird selbst der Natur sein Leben nützlich seyn.
^ Boti, wer feit mir noeb ein? der trefflieh Wie 1 and dort.
Dein wertber Sebwnger iete, Melander. Mich verlanget
Zu wissen, wie Er itt — Da weist wohl, wo es hanget —
Vom Hut-stnrra kommen heim. Grfiss Ihn mit einem WOrtl
Bun Eile! Eile nnn ' Dein schönes Vatteriand,
910 Dm Edle Augsparg, komt vnd ist schon vnderwegen.
Der leichte Lech der lacht vnd lauffet dir entgegen,
Sr eehnet eich nach Dir ala eeinem Irenen Pfand.
Wann aber Dn daaelbet nnn wirst seyn hochgeacht,
So denck jeweilen noch an vns, dein" alte Freunde,
S'^ Vnd bett' zugleich mit vns auch wider vnsre Feinde !
Gut Hoffnung haben wir, Gott hat vns schon bedacht,
Dieweil Ein Weiser Rath dorch freye Wahl vnd Satz
Gemdner Statt sa Nnts Herrn Storcken eingeeetset
Zum Haupt dee Regiment vnd damit anasgewetzet
evo Den scbad, der vns geschah nechst bey dem StefEaue Fiats.
GOTT spgnp dispü Ta«? ' Tii>- fruhe Sif-ben Vhr
Har VHS i in fiMig Herl/., ein hci tziiches beginnen,
iiiiu ireudig'Ueyt'U Muth vnd VursaLz zu gewinnen,
Nnr laat au spath gebracht die langgewftnachte Chnr.
Nnn mnae* das wütend Yolok, dae vniein Laster-Heer
Mit sohreoken, forcht vnd weh anss ▼nsern St&tten schweben,
Pass so lang wird ein Storck i?i v?i<:rpm Lande leben,
Kein Vngeziffer gifft vna könne schaden mehr.
[Bijbj Drum, in dem ich die Zeit vnd vnsern Stand betracht,
So sag ich noch einmahl: Vergise nidit alte Freunde
Ynd bitt angleich mit vna ancb wider vnere Feinde!
Dis seind mein letste Vers; Nim sie zu guter Nacht!
Doch soll anrh dise ScbrifTt von ]pf?.t vnd immer hin
Ein recliter Zeuge seyn dt-r rcundscliafft, die wir haben
3S'> in unser beider üertz vnd Sinnen eingegraben.
Drom bleib ich, wie Da bist; bleib Dn nur, wie ich bin
Dein ewig trener Freund vnd
vngefilrbter Bruder Philander von Sittewald.
Job. Henisch oder Heujsius ^^I58ö — IGÜö), Stadtphysikus
von Augsburg.
3 Wohl nicht Joh Heinrich Wiel and i tf>1*;-107G). seit 1647
Pfarrer zu Usfeld, der um Iü40 in Strassbnrg gewesen war, sondern
der Angsburger Notar Joh. Dlrich Wieland, den F. v. Stetten, Qe*
schichte von Augeburg 9. lOSl (1758) erwähnt »i« Storck [?]
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[B8aJ Epigrammata
Melchior dvdYp. Hic melior.
Melchior iste trium Rcgam Rex, die mihi Lectoz,
Cor prior iu fasüs scnbitar ille tui8?
An quoniam primiu donavit miinera CHRISTO?
Ab qnonUnn SopbiA prioiiw? vtromque pnto.
Est boniM^ Mt nagiUM reliqnoram qnisqa« dooram;
Hic Urnen wt major Melchior et melior.
Erhart versetzt Harret.
Auf sein Abreyseu.
Soll ich was kfinfTti<? schreiben.
So Harr vnd hleihv lue!
Da mast nnr bey mir bleiben,
Soll iek Dieh liebta ie.
^ Wollet Da mich aber laeeen,
So kßnt ich nimmer doch,
Mein IlSsser. Dich drumb hassen;
So lieb bleibst Da mir noch.
Avf soine Winter- Reyte.
Du ziehst fort durch Eiss und Sehne,
Ach, md laat mich hie. gefaugen
In der hitz. nach Dir Terlangen,
Dass ich brennend fast vergeh.
Las?. Melandcr, mit Dir ffthren.
Mein üertz, so wird Dich nicht frCüren.
(Bdb] Phtlander ist nicht mobr.
Ich bin jetst nicht mehr Phil an da ri
loh bin nnr halb, waa ich bin ;
Dan mein ander Ich Melander,
Der ist, mein Hertz mit Ihm hin.
* Drtimb von Wohlgeschickten dingen
Kan ich forthien nimmer singoii.
Wan dan mein Oeiat iat gezweyt
Vnd mag nnr halb bey mir bleiben,
Balber aber von mir aeheidt,
1^ Was wolt ich dan k&nncn schreiben?
Alles, Meine Witz vnd Öinn
Die seind mit Melander hin,
Reymen. Lachen, FrÖlichkeiten,
Tentach Vertrauen, Zierlichheiten.
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— 164 —
I* Nun bekenn ich rnnd vnd frey.
Dm» Pliil»nd«r nicht mehr tey*
DttB, Nm, So» Dort.
An den Leser.
Daas ich so vilmahl Dort,
Dann. Nnn, Ja, Nnr, Tnniassea
Vnd noch nielu solche Wort
Hierin hab stehen lassen,
* Dis ist dem alles gar,
Der evk(« zu erlauben ;
Ein Gftck mmg hundert Jmhre
An einem Wftrtlein klanben.
Waa ieh m tdireiben eyl,
10 leh mich niebt gern Y«nrejl
Die Feder offt tu tpitten ;
Mir wftre die gr6tle plag,
Wan ich mAtt Jahr Tnd Tag
Ob einem Beymen iitsen.
Ueber Moscfaerofichs Pseudonymen Freund Melander^deD dieser
im Verlaufe des Gedichts auch als Melchior und Erhard anredet»
vermag ich nachträglich dank einer gütigen Auskunft des Herrn
Stadtarchivars Dr. A. Bu0 zu Augsburg folgendes hei2ubringen.
Melchior Erbard war 1607 oder bald danach zu Augsburg
als Sohn des aus Landsber^ stammenden Kaufmanns David
Erhart (^^eb. uni 1579, gest. 1654) und der Anna Marie Müllerin
(heiratet 1606, gest. 1655) n, -»boren. Nachdem er den juristischen
Doktorgrad erworben hatte, verhpir iffie er sich am 11 . Februar 1631
mit Einbetha (oder Imhetla) Kocliletlliii von Stin^^^ljur^^ und Hess
sich in der Heimat seiner Frau nieder. 1651 ward er, wie das
Protokoll des evangelischen Geheimen Rates vom 10. August d. J.
ausweist, zum Uatskonsulenten der Stadt Augsburg an Stelle
des verstorbenen Dr. Phiner gewählt und am SO. Februar 1652
als solcher vereidigt. Nachdem er seine Frau am 10. März 1657
durch den Tod verloren hatte« vermählte er sich schon ein
halbes Jahr darauf mit Euphrosinu Böckhlerin. Er starb am
30. Dezember 16^ zu Augsburg.
Seine Schwester Anna Maria Erhard in heiratete am
11. Mai 1642 den verwitweten Augsburger Notar Johann Ulrich
W i e 1 a n d ; dessen Moscherosch in seinem Gedichte gedenkt.
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— 105 —
Iii. Zu Moscheroscbs Köpfkram.
In der Zeitschria für deutsches Altertum 23^ 79^84 (1879)
hat Ericli Schmidt ein in sechsieiligen Strophen geschriebenes,
ohne Angabe von Ort und Jahr erschienenes Bildergedicht
Moscheroschs mitgeteilt, das den Titel führt ccNewer Köpff-Kram,
Das ist : Kurtzer Bericht, von allerhand seltzamen vnd wunder-
lichen Köpffen, die hin vnd wider gefunden werden» und mit
den Worten beg^innt : «Viel KöpfT, viel Sinn, ein Sprichwort ist».
(Auf (i> 1 ['niversität.sbibliothek zu Strassburg.) Hier ^vird ein
Tau>f'ii<l k unsller dargestellt, der mit seinen Gebilfen Männein umi
Weibern ihre alten und verkehrten Köpfe abnmimt, unihackt
oder gegen hübsche junge Köpfe umtauscht. Er rühmt sich:
Die alte Köpff kau ich wo! tiicken
Oder von uewem backen &ie.
Wie du sihtt in dem Bildaoas hie.
Die KOplF heb ich fein aittaam ab,
loh nim den alten, gib ein newen.
Zur Eriilärung dieser absonderlichen Vorstellung hat Schmidt
mit Recht auf die seit dem 15. Jahrhundert und früher be-
kannten Schwanke von den Jungbrunnen, Feueröfen und Runiel-
mOhlen hingewiesen i. Doch lag dem Dichter wohl ein anderes,
vermutlich aus Frankreich herstammendes Vorbild noch näher.
Schon auf einem dem 16. Jahrhundert angehörigen Relief
an einem Fenster des Schlosses Villeneuve in der Auverjrne sind,
wie Champfleury 2 berichtpt, drei Teufel zu sehen, die einen
Frauenkopf schnnetien, wahrend drei Engel uujen Mumerkopf
in gleicher Weise bearbeiten. Iü57 aber erscheint im uliecueil des
plus illustres proverbesi» des Pariser Siechers Jacques Lagniet ein
ähnlicher wunderthüliger Meisler wie bei Moscherosch, geheissen
Lustttcrud. i. L'eusses-tu-cru, der sich erbietet an verkehrten
und tollen Frauenkdpfen die schmerzlose Operation des Um-
Schmiedens zu vollziehen > :
cGeäns, Mre Lustucru a un secret admtrable, qu'il a rap-
portö de ICadagascar, pour reforger et repolir, sans mal ni
1 Vgl. meine Naehweise Im Aiohiv llkr slavische Philologie 18,
132 f. Auch auf der <Abbildung der wunderbaren Werckstatt des
Weltatreichenden Artzta Simplioissimi» (Berliner Museum. Qrimmelt-
bausen 4, 918 ed. Keller) sieht man einen Hann aas dem Backofen
hervorholen mit der Beischrift : «Neä gebackne Terinngerde Mentsen*»
Der Destillierofen, in dem hier die bösen Dünste aus dem hineinge-
steckten Kopfe vertrieben werden, begegnet 8chou auf einem Flug-
blatte von 164B. «Doetor Wurmbrandt» (BerUn. Kgl. Bibliothek.)
^ Histoire de la caricatnre an moyen &ge 1871 p. 85.
s Cbampfleorr, Hiatoire de l'imagezie popuUixe 1869 p. 2öö.
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douleur, les tesles des femnies acariaslres, ligeardes, cnuides,
dyablesses, emag^es, fantasques, glorieuses, hargneuses, insup-
portables» softes, testues, volontaires, et qui oot d'autres in-
oommoditte, le tout h prix raisonnable, ceux ricbes poiir de
l'aricent, et oeux pauvres gratis.» Auf einem andern aus der
Normandie stammenden Holzschnitte des 17.^18. Jahrhunderts,
den ChampOeury reproduziert, sieht man Mre. Lustucru in voller
Thrdii^^keit ; er hat einen Frauonkopf mit der Zange auf dem
Aml>os und hämmert auf ihn los mit den Worten : «Je te
rendrai bonne» ; sein ebenfalls den Hammer schwingender
Gehilfe ruft : «Maris rejouises voiis, wahrend der Fraiienkopf
ein «Jamals» ertönen lässt. So }>os* hreibt auch Tallemnnt des
Reaux (c. 1619— i6?^2) in seinen Historiettes* den Meisfer
Lustucru : «Quelque folätre s'avisa de faire un almanach, oü il
y avoit uue espece de forgeron, groJesquement habille, qui
tenoit une fcmme avec des tenailles et ia redressoit avec son
marteau. Son nom ^toit L'Eusses-lu-cru, et sa qualitä m^decin
cöphalique, voolant dire que c'^toit une chose qu'on ne croyuit
pas qui pöt Jamals arnver que de redresser la töte d'une femme.»
Das UDgalanle Verfahren des Meislers Lustucru rief auch
Verteidiger der Frauen wach. Es erschienen Bilderbogen, die
«Lustucru massacr^ par les femmes» zeigten; in Saumaises
Komödie «Les v^ritables Pr6cieuses> (1660) deklamiert ein
Dichter 8 Verse über «La mort de Lustucru lapid^ par les
femmes.» Andre Bilder hatten zum Gegenstande «L'invenlion
des fommes qui fera Mev la niechancote de la töte de leurs maris.»
In Deutschland wurden zur spHipu Zeit Kupferstii lie ver-
breitet, die d^n Hiidern des kuiv t i t ii hen Schmiedes LustUCru
noch näher standen als Moscheioschs Koptkram.
A) Weiberhau pt Artzt
betitelt sich ein im Kupferstichkabinet des Berliner Museums
befindlicher Kupferstich des il. Jahrhunderls, 38,1 cm. hreit,
26,4 cm. lioch, aul dem eine Schmiedewerkstatt dargestellt
wird, in der Ecke reelits liegt ein Weiberkopf, von dem der
den Blasbalg ziehende Geselle sajit : ,Das ist ein halstariger
kopfrs Auf dem Ambos in der Mitie liegt ein andrer, auf den
drei Schmiede losh&mmern ; der eine sagt: , Meister best dus
glaubt', worauf die Antwort erfolgt : ,Starck aufo maul si hat
ein bdsse zungen^. Linics wird ein dritter Kopf im Schraub--
> In der nennbftndigdn Ausgabe Ton 1lonniirqu6 und P. Paria
(1854—60) yermag ich die Ton Cnampflsiirj angsffthrto Stella aiigeii-
bUokliob nicht aofirofindtn.
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stock geraspelt ; der Geselle meint : ,Die ist h^s «u machen',
worauf der harrende Ehemann erwidert: »Ich will dir ein
drinckgelt gebend Vorn links drängen zwei Männer eine sich
sträubende Frau berdn (,Ihr mist auch hin* — ^Ich will nit
hin'), rechts werden andre Köpfe in einem Rückenkorbe und
auf einem von einem Aflfen gelenkten Esel oder Pferd (,Der ist
geladen mit bosheil') herzugeschleppt; wieder andere werden
im Hinter<rrinH) aus einem Schiff hergetragen und gekarrt.
Oben drüber sieht in zwei Spalten;
Du arme U&nnertchar, wie bistu doch geplaget 1
Der doUe weibcr geiat den man so oifl Terktaget
Will karziun Meister sein; «oUn komt her zu mir,
Ihr findet villeicht Rath in meiner. Werrkstatt hier
^ Mein feil viid Hamer m\ii> (\ot Weiber köpff bezwingen.
Ich will, was giitl>, UarHin cid anders hiren bringeu,
Vnd solte icbon daaselb gleioh wie der Tollmond sein.
So dringt doch meine krallt vom batoer tieff hinein.
Secht doch mein werckstait an. sccht doch der köplF gewimmel!
1'* Von allen orfhen her erhebt sich ein gedüinmel.
Von lioch vnd nidren stand laufft man dem laden zu:
Ich hab zu tag vnd nacht darinnen keinne Bah.
Zu Sehiir vnd auch sa Pferd, ia gar in lUn Schieb karren
Bringt man die weiber kSpff: wir darffen gar nicht harren.
1^ Auf arbeit, bis sie komt. Mir ist nicht schlafTens brauch,
le mer der köpffe sind, ie arger sind sie auch.
Unten auf oiuoi von zwei Füchsen (, Listigkeit* und ,Be-
triegeri') gehaltenen Tafel steht :
Boz Velten es gerath, die knn?;* liat imfrecrhlagen,
Der Meister darf sein wahr f:;ir wol zu marckt hintragen.
Es geth ohn schmerzen au. was hier geschmidet wird :
^ Secht, wie so meisterlieh der mann die köpff poliert!
Die Närrische schreiende rasende kÖpffe,
Die stolze hoffärtig Ehrgeizige Zöpffe,
Die bösse halsstarrig Rachgirige hrnt.
Freiwillig Vnleidige scbmidet er gat.
B) Unartigen Weiber Haupt Schmid.
Die» mi üeiinamschen Mu-seuui zu Nürnherg Ih üikI liehe
Flugblatt, von dem ich durch das j?ötige Entge^'eiikummen,
des Herrn Direktors Hans Boesch eine Durchzeichnung erhal-
ten habe, enthält einen mit dem unter A beschriebenen Bilde
genau Übereinstimmenden Kupferstich im Gegensinne, 37,5 cm.
breit und 26,5 cm. hoch. Der Text umfasst gleichfalls 24 Verse,
die auf dieselben drei Steilen des Bildes verteilt sind ; doch
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weicht der Auidruck vielflUtig ab. Die Ali dieser Abweichungen,
die Umwandlung der daktylischen Verse am Schlüsse in Alexan-
driner und die Schreibweise (neben dem einen Fuchs steht
K« B. cBetrügerey» statt cBetriegeri») zeigt, dass B eine sp&tere
Kopie der Vorlage A ist.
Wer «bar Eigen-Sinn da9 böien WeibM klagat
Und eine, deren kopff ihm gäntzlich nicht behaget,
Dnhcim im Hanse hat. der bringe sie zu mir ;
Er findet Habt vielleicht m meiner Werkstat hier.
6 Ich heile, was sich nicht mit üammeru last bezwingen,
Kaa bald ein lindere Hirn In harta kOplle bringen.
Das Weib bab einen koplf dem vollen Monde gleich,
Macht ihn mein Hammer doch behende zart und weich.
Schant meine Werckstat nn, srhant dieses Köpff>Qewinunell
*® Von allen Orten her erhebt sich ein Getümmel,
Von Uoch und Niedrigen l&nfft man der Schnüeden zu
Und lastet weder Nacht noch Tag dem Ambon Bnh.
Man bringt an Boia nnd Schiff ja in geschoben Karten
Die Welber-köpff herbey. Sie machen schier zam Narren
1* Den Meister samt den Knecht, so toll sind sie, so hart;
Es kostet manchen Schlag, bevor sie werden zart.
Doch wiest! mein Hammer Streich bringt ihnen keine Schmerizen,
trifft nur an den Kopff and reicht nicht biss zum Hertzen.
Wiewol ein KopS wird hart, der andere eaniß ber&hrt,
^ Nach dem man nemlich ihn hart oder sanffter spührt,
Dennoch ist keine nicht so gnt, die mich nicht schwitzen
Offt macht, eh ihr der kopff nach meinem kopff wil aitsen.
Waö aber dieser köpff ihr Mangel se} gebest.
Das findet ihr bibey : schaut unten hin und lest !
C) Ein New a u ff get b ane ner Köpffkram.
Während die ßilderbogen A un«l B das Ausjjlühen, Häm-
mern und Feilen der VVeiberköpfe (tarstellen, tritt auf dem der
Königlichen Bibliotliek zu Berlin gehörigeo Blatte C wie bei
Moscherosch da.s Abnelimen und Aufsetzen der Köpfe in den
Mittelpunkt des Bildes, und nicht nur Frauen, sondern auch
Mflnner unterziehen sich dieser Operation. Es liegt hier ofien-
bar eine Nachahmung Moscheroscbs Flugblatt vor, in der die
vterfüssigen Verse in das modische Mass des Alexandriners
umgewandelt sind. Die Frage, ob Moscherosch für sein Bild
und Gedii hi eine französische Vorlage oder eins der verwandten
deutschen Flugblätter benutzte, wird steh ohne genaue Ver-
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gleichuDg der sämtlichen Darstellungen kaum mit Sicherheit
entscheiden lassen« i
Ein New auffgethanener Köpffkram, | Darinnen
allerhand possierliche wolanstftndige Männer | vnd Weiber KöpflFe
vor Junge vnd Alle Personen befindlichen. [Darunter ein 13 cm«
hoher und 21,7 cm. langer Kupferstich, der im wesentlichen
Schmidts Beschreibung von Moscheroschs Bilderbogen entspricht.
Das folgende Gedicht ist iweispaltig angeordnet]
Es ist eiu altes Wort vnd waares Wort im Land,
In Eeaasen. Preussen, hiar, dort, überal bekand:
So visl man Menschen find, so viel find man aach Eöpffe,
Vi«l Kftpffe, tnurn visl Sinn, vi«l KttebenMug, viel Töplb,
^ Ein jedsr Sinn vnd Kopff trägt seinen eygenen Hut,
Vnd was er thnt vnd macht ist alles recht und gnt,
Es tau^ nicht, oder tan^, Vnd diss in allen Ständen,
lu weit- [vndj breiter Welt, an allen Ort vnd Enden,
An Höfen sonderlich, in Städten gross vnd klein,
10 Beym Borger'Baosrsnuuui, disieits vnd ftbam Khein,
Bey jangen Jangfervolok, bevor bey «lUn W«ilMni,
Die hetten junge KöpfiF die schön, anff alten Leibsm.
An£f diesen Köpfferaarck ein jeder komm heran,
In diesen Kuptlekram bäckt sie (i( r Kuprteman.
11 Hat etwau einer jhm Coineiiuis JxupÜ erkohrcn.
Er kraaet seine Haar, md sncht es bey den Obren,
Der krieget hier voib Qeld «in »nsspolirtMi Kopl^
Mit Haaren aoffgekrfiust mit eiBem langen Zopff.
Der Meister pflegt hierzu viol SaHren mit zuführen,
20 Mit denen er iein lind, den alten Zopff rauss schmieren,
Der Balsam macht Jhu weich, dass er nicht veste hält,
Tnd ohne Schmertzens angst vom Nacken herab fällt,
Dareoff wird also bald em Newer aoffgesetsel,
Die Zunge wird geschabt, der Hals mit Sefft benetset,
Die Ohren werden auch gereinigt, aussgeziert,
Die Haar[e] krauss gepntzt, mit Wassern balsamiert,
So wifd der uewe Kopff sehr schon vnd ausserlesen,
Niobt voll Melancoley, voll lauter Frewdenwesen.
Ist jenuind nieht geiaad in aeinem dämmen Hin,
1 Auch in einem andern Falle berührt sich Moscherosch mit der
gleiehseitigen Flngblattlitteratnr. Seine scheltende Aufzählung der
vielen welschen Bartmoden in «A la Mode Kehxaass> (Gesichte S. 144
ed. ßobertag) stimmt auffallig zn dorn von einem Gedichte begleiteten
Stiche: «Qantz new eröffneter Bartkram, darinnen 24 Sorten aller-
hand zierliche wolmtindirte, teut&ch-frantzösisehe vnd dieser Zeit ge-
brrinrhliche Bärte zu finden». Vgl. die Nachbildung im 55 Anktions-
kauioge der Hofkunsthandlung Amtier und Bathardt (Berlin 1897}
& 61 sa Mr. 1087.
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>® Ihr Weiber habet jhr gefaltne Beutelatirn,
H»bt jbr «in silbmi Htur Tncl Angen wi« Rubinen.
Von gelben Agtetein Zahn, reacht ewer Unnd nach Bienen
Den Privetraamern gleich, habt jhr ein grosses Manl
Vnd zugespitzte Ohron gleich einem Kärnerganl
Kommt her, jhr Mütteiiein, mit grossen nutz vnd frommen
Könnt jhr in kurtzer Zeit ein newen Kopff bekommen,
Sebftn weite, rotb, büpsch. jung, rnnd. wie man ihn «ünteben
soll.
Der Ofen ist bewehrt, der bäckt sie alle wol.
Wolt jhr euch annoch hier auff dieser Welt erquicken,
^ Mögt jhr encb auff die Key&& zum ivöpffebändler schicken.
Da lest «nch einen ansi, der «wren Mann gt fiUlt !
Jnngfranen, kanffet hier den Seböneten in der Welt I
Hat eine Jungfrau nur gesunde schöne Glieder,
So krieget sie das Geld vorm Kopff gedoppelt w.der;
*i Dessgleichen ein Gesell, hat er ein Haar wie Gold,
Kriegt auch ein schönes Bild, die jhm bringt Gold tnd Hold.
Glück zu. glück auff den Weg den Jungen Tnd den Alten!
Ich wil noeh eine Zeit mein alten Kopf behalten.
ENDE.
Zu finden in Nürnberg, bey Paulus Färsten Kunslbtadler
ailda etc.
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VlU
Zur Judensprache im Elsass.
Von
C. W. Faber.
Die im XU. Jahrgange dieser Zeitochrifl erscbieneDe Ab-
handlung des Herrn G. Th. Wfeisa über «Das Ekfisser Jüden-
deutsch» kommt einem lebhaft empfundenen Eedfirfnis ent-
gegen. Die Schwierigkeilen, mit denen der Sammler auf diesem
Gebiete zu kämpfen hat, sind richtig gewürdigt. Aus diesen
Gi üMiien erlaube ich mir, eine kleine Nachlese jüdisch-hebräi-
scher Ausdrücke zu veröffentlichen.
Bei manchen Wörtern sind es nur Zusätze zu den Bemer-
kunf,'en des Herrn Weiss; ich lial>e datin immer in Klammer
W nebst der entsprechenden Nuiiüner beigesetzt.
Bei meiner Sammlung üble ich die Controle, ob die Aus-
drücke, welche mir von früher her bekannt waren^ auch im
Elsass übhch sind dadurch, dass ich einen mir befreundeten
Herrn, einen CSirislen, der zu froheren Zeilen NMaiiatsklerc
gewesen war firagte, ob er den Ausdrur'k kenne, bei manchem
hat er mich selbst aufmerksam gemacht; fOr die Etymologie
erhielt ich manche scbälxenswerle Aufklärung von den beiden
jüdischen Religionslehrern unserer Anstalt Herrn Rabbiner
Moog und Herrn Woch, Voi-steher der israelitischen Gewerbe-
schule Mülhausen.
Ausserdem machte ich Auszüge aus den Elsrtssis< hen Er-
zählungen von Alexander Weill und Daniel Stanlu n (A. Widal);
in beiden Ffdlen habe icli tiniU*r dem hei Teilenden Ausdruck
den Namen des Schriftstellers, der ihn gebraucht, in Klammern
beigefügt.
— 172 —
Meiner Meinun^r nach ist die Sammlung und Forschung
auf dieaem Gebiete noch nicht abgeachloasoi: möge der ein-
mal fQr diese Sache erwachte Eifer nicht erlahmen 1
Wörterveroeiolinis.
1. Am haarez (Stauben) pl. am haarezim Landwirt,
Bauer.
2. Bacher i ba/or), ein flotter junger Mann, ein Student.
V. h. bachur Jün^^lin^^
3. Bacliinem (l>a)^inam) um geringes, umsonst. Das
Wort besteht aus dem Prsefinum be, dem Artikel ha und chi-
nom kostenlos, gratis et frustra.
4. Bai (W 29) Herr. — Plural von Baibus oder Balbais
Landmann, Bauer, ist Balbatim. Bal-etze der Advokat, Bai-
Israel der Israelit, Bal-mischpat der Richter, 6al<Kebolle Doktor
der Kabbala (Stauben), Bal-tokea Trompetenbläser, Balmachom
Soldat. BaUzaseres Makler.
5. Barohes oder Berches Sabbatbrot. v. heb. berachoth
eigentlich Segnungen, Ge^e^nietes.
6. Batige das Uniersuchen eines p^eschlachteten Tieres,
ob es koscher oder ireplie ist. Der Schlächter ist meist auch
Baliger. v. he!), hndak er zerriss.
7. Bave i ru ken woher ? ? RA acheie, bavele, bofele is ach
dei beseht melocliele.
8. Behemeschuk (bahema^uk) Viehmarkt, v. heb. be-
hemah Vieh und schuk Markt.
9. Beis Melis 200. Der Name des Piquetspieles.
10. Bekofe (bakofd) angesehen, vornehm, v. heb. kobhe
berfihmt mit der deutschen Vorsilbe he.
11. Besohtusst nftrrisch. von Schtuss (W 336) Narrheit.
12. BesiDL Eier. — Da bei dem englischen Namen der
Irländer Irishmen das erste I wie ei ausgesprochen wird, werden
dieselben von den deutschen und polnischen Juden der Vef^
«inigten Staaten Bezimer genannt.
13. Bezinem Wurste, woher? Koscher beinern Würste,
die den Israeliten zu essen erlaubt sind (nur in der Pfalz).
14. BikaiL hier, vom heb. Ken II Ort mit dem lokalen
Praef. be.
15. Boker (bokor) iiel». der Morgen.
16. Boruch hoho Gelobt sei, der da kommt! Grusswort
für einen Neueintretenden. Pbalm 118 V. 126.
17. Brsmile Bund der Beschneidung, Beschneidungsfest.
Wenn einer Judenfomilie ein Kind geboren wird, sagt man für
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den FaU, daas daa Kind ein Knabe ist: cHerr NN hat eine
Brsinile» ; ist es aber ein Müdchen . «Frau NN ist Kindbellerin.»
18. Buschka'im Hosen ; ob von buskai der Gerber, da
man früher fast nur Lederhosen trug? Man beachte die Dual-
form (im Elsn^* wenig gebräuchlich).
19. Chajef (W. 70) sihuldi-r. Auf dem Frankenthaler
Thor zu Worms, oder war es auf dem Wormser Thor zu Fran-
kenthal — kurz es war an einem Ort, bei dern der Viehmarkt
abgehalten wurde — soll früher foljj;ende Inschrift gestanden sein;
Schekher (Lüge) hilit uix.
Roges (Zürnen) batt't nix.
Wer ch^ef is, musa beschulme (besahlen).
20. Ghait (xait) heb, der Schneider.
21. Ghasser (W. 81) Schwein, auch daaa Äsa beim Kar-
tenspiel, pl. Chasevrim, Chaaerboser Schweinefleisch. Chaserboser-
achiler ein Schweineffleischesser ist ein böses Schimpfwiirt>
namentlich für nicht ganz strenggläubige Juden.
2-. Chasiher Brief, v. heb« Zeitwort khathab er schrieb.
23. Chasi heb. fromm.
24. Ghasores oder Chasäres, Fehler, v. heb. Zeitwort
chaser fehlen (im Eisass selten).
25. Gheme Butler heb. chemeah.
26. Ghole (yo^^) Ki:iMkheit v. heb. choli Krankheit. Nach
der Etymologie Her Juden war die Cholera ihren Vorvätern
längst bekannt, den Cholera bedeutet Choie rah d. h. schlimme
beinahe unheilbare Krankheit.
27. Ghomisch die 5 BQcher Mosis. v. dem Suhst. chö-
mesch Pentas.
28. Ghoschem und epho Schildlein und Binde am
Anzug des Hohenpriesters (2 Moses 20. v. 4).
29. Ghozbe stolz, frech; wohei*?
30. Chozen [)1. chozinem rauh.
31. Glalji ias der Name eines Kartenspiels, [holl. Klaver-
jas von Klaver Kleeblatt Schweiz. Id. 3, 69.]
32. Dal heb. Adjectiv arm. Davon erweitert
33. Dalfen (W. IH) pl. Dalfonem, ist eigentlich der
Name eines der 10 Söhne Hamans, denen gleich ihrem Vater
bei jedem Purimfeate immer noch symbolisch eine tfichtige
Tracht Prögel verabreicht wird fiQr ihr Verhalten gegen Esther
(Esther 9. 7 — 9). Von den 10 Namen dieser Söhne beginnen 2
mit dem Buchstaben Aleph, 4 schliessen damit, 3 haben ein
Aleph am Anfang und am Ende, nur der einzige Dalphon hat
cnichts hinten und nichts vorn,i ist also ganz arm.
34. Bin heb. Urteil» Recht.
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^5. I>iwere sprechen, vom heb. dahar er sprach, piel
diber.
35a. Dofes Gefängnisstrafe. Dofe-l>ai$ Gefängnis. Woher?
(Pfalz).
35 h. Doges der HitKlorn podex.
3ü. Dx eifass. Dieser sehr bekannte Familiennamen soll
nicht von dem gleichnamigen Geriete hflrkommea, sondern von
Dariavascb, der heb« Form von Darin«.
36 a Dogon Korn Roggen heb. dagan.
37. Dulgfol der nicht jüdische Lehrer und iwar soll das
Wort eigenllich Scbul-Goi d. i. der Schul-Heide gebeissen haben.
3^. Emmes (W. 145a) Wahrheit ; wirklich? gewiss! Sp.
W. : Emmes steht fest, Scheklier wackelt. Wahrheil besteht,
Lüge sieht nicht solide. Man hat hierbei die hehrüisch geschrie-
benen Worle n?3N und *^p^ im Auge, und in de?* Tlial haben
die 3 Buchstaben des ersten Worts je 2 Stützpnnkle i;uf der
Linie, wahrend die '-^ Bucliblaben von 1pl2^ nur je einen
Stützpunkt haben, also leicht umfallen können.
39. Efed (ef^d) der Kneclil. heb. eblied.
40. Eitze (eise) (W. 141) dei Kat. vom heb. ezah. Bai- "
eltze der Advokat.
41. Eref beb. erebh Abend.
41a. Erf Bürge.
42. Esuf Tabak, v. beb. esebh Kraul, e madche esuf eine
Prise Schnupftabak.
43. Esch lieb. Feuer.
44. Ez heb. der Baum, das Holz.
45. Fachutse, Facholze (W. 410) vom heb. Chachuze
«zur Hälfte», ist nicht va chulse «und die Hälfte» zu erklären
(W. 4i<>) z. B. Sluss facholse ist nicht anderthalb Narr, sondern
ein Halbiiarr, Gimmel Mabeh facholse ist nicht 3 und i/i Batze
sondern drillhalb Balzen. Das facholse bezieht sich immer auf
die letzte der in der Vürauj,felien<len Zahl bezeichuelea Einheit
und halbieil diiiselbe. z. B. Ka|ih Rai facliolse ist nicht 20
halbe Thaler sondern 19« Tlialer.
46. Feicbochem (W 98) ein Ueberkluger ist nicht mit
dem vav oopuletivum zu erkläreo, sondern der erste Teil des
Worts ist deutsch und heisst fein, also ein Finessenpeter.
47. Frommel Abkürzung von Aphrom Abraham.
48. Fu61i, Faueli = Raphael.
40. Fatze Kappores (W. 150) Vllze Kappores (Pfalz) halb
unbrauchbar, zerbrochen, verdorben vonChachotzi (Siehe oben 45)
zur Hälfte und Kapporelh das Sühnopfer, also dem Tode geweiht.
50. Galach pl. Galochim Priester, kalhulisdior (leist-
licher, eigentlich der Geschorene von heb. galacb er schor, er
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rasierte; chaischiemone galach ein protest. Geistlicher, tofle-
mone galach ein katholischer Geistlicher.
51. Ganfen (W. 157) stehlen vom heb Zeil wort j^anahh. er
Stahl. RA eines verst. Verwandten des Pauamistea Artou ; «Als
der grade Weg gegangen und j;e;^aiitl.i
52. Gedibbel, eine Kiankh»^if (vielleicht die Masern
pfälzisch : Getüpfel) von heb. Zeilw. dabal coegil in massum
rotunam und dibelali Kuchen aus Feigen deren Oberfläche
lauter rande Ringe zeigen wie die Heut des Masemkrankeii)
RA cSollst du Icrieche des Gedibbel uffem blose Leibi» Auch
das fallende Weh, vom Zeitw, tabal er fiel.
53. Gemedawers, Schwatzerei, dentsche Weiterbildung
des heb pari piel von dabar er sprach medaber.
54. Giks Iniuin. Sollte dieses Worl, das eine onomatho-
poetische Nachbildun«^^ des ))eli-etTeiiden Sclialles ist, nicht vom
Diliardspiel in die gewöhnliche Sprache übeigegaugen sein? £s
bezeichnete dann einen Fehlsfos?;.
55. Hajom heute, zusammengesetzt aus dem hesU Arliicel
ha und jom Tafr.
5(;. Hakel (W. 187) alles HA. Hakel hefel alles ist eitel,
liai k« I Kl n inachulten BliUs beromet lo. ist eine Reihe un-
zusanimenhüngender Ausdrücke ohne allen Sinn, die angewen-
det werden, wenn man mit einem spricht, der sich für einen
Kenner des Lescbone Kodesch ausgeben mdchle und doch nichts
davon versteht.
56a. Hall oder Hallel = Hallelujah Festgebet besteht
aus den Psalmen 113—118. Das ist das grosse Ball. Wird
aber Psalm 115 v. 1 — 11 und 116 v. 1 — 11 ausgelassen, so ist
es *1 1 f <M 11 e Hall.
57. Halmoed Hnlbfeslzeit bei den grossen Festen, von
mo^. best im Ulfe Zeit, Fest.
58. Haman ein Braten meistens geränchorfes Rindfleisch,
das am Piirimfest ^e^ essen wird und nach Haman, dem Feinde
der Esther benannt ist.
5'.). Hanuche Zutriedenheit, Freude v, heb. hinochah
und miacli Hube. Befriediji^ung.
60. Haphthores Auszüge aus den Prophet, von phathar
auslegen interpretieren [Haflaroth Pericopen aus den Pi opheten].
61. Hefel (hefol) nicht von heb. hebhel RA siebe 56.
62. Hilel haschem Schandfleck (Alex. Weill) haschem
der Name.
63. Jensen beschlafen.
64. Jofe (jofo) schön von heb. japbeh schön. Davon das
Gegenteil Jojofen (\V. !238) eigentlich lo s nicht in jofe = schOn.
65. Jomtof Festlag von jom Tag. tobb gut.
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66. Jubel Jubiläum pp. von heb. Julx^ljahr. Das 49. oder
50. Jahr, in dem alle Sklaven frei^^elassen v.inden und aller
Grunil}i*'silz wietlci .itj <lie Frmiilien dttr ur^pi ünghelien Besitzer
zui ückliel. Das Jahi wuide so genannt von jubel (die Posaune i, weil
der Be«:inn dieses Jahres mit dem Klange des Jubelhornes be-
grüsst wurde (13 Mos. 25).
67. Kaffer (VV. 153) Bauer pl. Kaferim bezeichnet auch
die Bauern (Wensel oder Unter) im Kartenspiel.
68. Eafter oder Gnafter der Knopf (W.184). Ein a^r
gebrfluclilicher Wits wird mit der ersten Form dieses Worts
gemacht. Wenn s. B. einer von einem andern eine Cigarre
verlangt, so sagt der Angeredete nichts weiter als: «doli» und
zeigt auf seinen Rockknopf. Diese stumme Antwort bedeutet
cKafler !» d. i. tKaufe dir! von mir bekommst du nichts I»
69. Kanphoth Ecken von heb. Kanaph Flügel Ecke pl.
kanephoth.
70. Kasphaime schreiben von heb. Zeitw. Kathab er
schrieb.
71. Kasphaimer Schreiher, speciell der Notar.
72. Kehile (Stauben) die Gemeinde, v, heb. Kehilah Ver-
sammlung.
73. "Ken ja, also, so. heb. Ken I.
74. Kene. Zerreissen der Kleider heim Beg^rähnis von
Kara er riss ab. Es wird in den Umschlag des Rockes ein
Schnitt mit dem Messer ^^emaciit und etwa 10 — 15 Centimeter
tief weiter eingerissen. l>ic iiander des Bisses werden häufig
mit Band eingefasst.
7ia. Kerie. Wehruf «Wehel» z. Ii. Keri uir über ka
Geld webe mir über kein Geld ! Wehe, wenn man kein Geld
hati Keri od krieg mr über die! ! (pfälzisch).
75. Kesef (Kesaf) Silber; Keset'che die kleinste Silber*
mftnze in der Pfote und in Baden früher der Groschen 3
Kreuier.
76. Ki80 Sack. heb. Geldbeutel» bes. in der RA Hees
im Ki8> Geld im Sack ; macholle im Kis, schlecht stehnd, heisst
eigentlich krank im Greldheutel. Bekannt ist der Spruch;
Kai lechem (Brot) im Bais (Haus)
Kai mes (Geld) im Kis
Un e Goje (Magd) iss badersch
Do is der Dalles (Unglück) gewiss.
77. B^nasmal (Stauben). Yerlobungsmaly hei dem eine
Tasse geknassi (zerbrochen) wird.
78. Kohne machen - kaufen, von heb. miknah der Kauf,
abgeleitet von dem Zeitwort kanah er kaufte.
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79. Kotzen, sich erbrechen, von heb. Zeitwort kuz I er
hatte Eckel, er erbrach sich.
80. Ksaf Schrift, schriftlicher Vertrag von Ketabh Schrift.
8t. Kslflija Handschrift von heb. Kethubhah das Ge*
scbriebene in ja die Hand.
82. KtUnmelblättohen* eigentlich Gimmelblättchen das
bekannte Gauner- und Bauernföngerspiel mit 3 Karten, das
Dreiblatt von gimmel» dem 3. Buchstaben des heb. Alphabeths
und Zeichen für «He Zahl 3 und dem deutschen Wort Blällchen.
83. Laziinc nx die Musikanteo, vom heb. lezon der Leicht*
lebige, der Spotter.
84. Lecho dodi (la<i Sabl)i(ihe(l, so benannt nach seinen
Einganij^sworten, die in deutscher Hehersetzung lauten: «Gehe,
mein Freund, entgegen deiner Biaul (dem Sabbat) HH.
85. Lekeche Q^keyjd) nehmen, einnehmen, heb. laUach
er nahm.
86. liOkecher der Einnehmer, der Rentmeister.
87. Ijef Herz (W. 85) bezeichnet auch die Herzkarle,
schwarz Lef bedeutet beim Spiel Schippen oder Grnn.
88. Lulef (Stauden) Palmen, heb.
89. Lolone nichts, gar nichts, eine Verstärkung des ein«
fachen Lo (W. '230). Die Erklärung erhellt aus folgendem
typischen Gespräch: A: Lolone! B: Lolone steht in Hall! A:
Warum steht Hall nit in Lolone? B: Weil Hall grösser ist als
Lolone. Lolone hl nämlich gar nix h
Hall ist das an FesIlajzt'U zu sprccliende Jubelgebet, das
mit dem Worte Hall (elujali) beginnt. In demselben kommt nun
der 116. pHnlm vur, dessen Anfangsworte lolonu, lolonu, d. b.
Nicht uuij, nicht uns, o Herr, sondern deinem Namen gieb Ehre.
90. Mabeh Eitzen, wober? (Pfalz) z. B. gimmel mabeh
fachotze 2 Vt Batze = 10 Kreuzer.
91. Machazis ba schekel die Hälfte eines Scheicel,
eine silberne TempelmOnze, etwa von der Gr^tose einer Mark,
ein Opfer, das an Festtagen für die Juden in Kanaan gebraucht
wird. Machazis kommt von Choze die Hälfte her.
92. Machol = Michael.
93. Machule, machole (maxule) (W. 242) krank
(siehe Nr. 27) part. von choleh krank sein. Machulen im Kiss
= krnnk am ricldheut(>l, •^rhlecht stehend.
Di. Machsechovim (Stauhcn) Hexen, ("leisler. Der erste
Teil des Wortes ist da'^ Nr. l'l genannte .Mathazith hall). Der
zweite hcdeulct rhaim l.eheride ; also Halblebeiide. Mespenster.
95. Madchen ein hiäsohen, ein \veni^% das kleinste Mass
einer Sache, z. B. e Madehe esuf eine Pii^e Taliali, e Madehe
scheker ein Glas Bier.
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95 a. Maim-ratzer scherzhafte BezeichnuDg für Fische
(eigentl. Wasserläufer).
96. Maloche (W. 262) Geschäft; dazu RA. Achele
(Es.sen) Bavele (Trinken) Bochele (Schlafen) is ach (auch) dein
horcht Melochele (Geschäflchen). Oresmelochener der Gether,
Dogesmelochener der Krifchrr.
97. Malech ha movess (Sl.iiihen) Todesengel vom
heb. malech der Bote, ha der bestimmte Artikel und maveth
der Tod.
98. Marib das Abendgebet von erebh der Abend.
99. Massik (238 W.) der GerichUvollsieher.
100. Medinxie Gegend, Provinz, Gerichtsgebiet, vom heb.
medtonah.
101. MespLlle Geschriebene Pergamentrolle, besonders das
Buch £8ther. vom heb. megillah Holle, aufgerolltes Buch.
102. Melach Salz. heb.
103. Meleoh (W. 25<)) pl. Melochim, auch die Könige
l)eini Karlenspiei. Meiecb-rat der Königsthaler, der preussische
Thaler (Pfniz).
104. Melome Lehrei-, Gelehrter, part von lamad er
lehrte.
1()4n. MemesG (memoso) stoi ben. von part hiphl. d. 2^itw.
inolh. l'>r liat ^^eiiuMncsl = er .'^l.'irh.
105. Mendele ^nniiiddld)=L]inmanuel, davon Mendelsohn.
106. Mesume Geld und Gebet zur Mittagszeit. RA. Man
bekommt eher Minje, Nachtgebet, wozu 10 nötig sind, als
Mesume, das nur 3 erfordert. Hier liegt der Witz in dem
Doppelsinn von Mesume: d. h. man bekommt Gebete aber
kein Geld.
107. MesuS86 eine kleine Pergament rolle, die an den
Thürpfosten (heb mesusse) befestigt ist und das mit Scliuiah
Israel (Höro Israel) beginntMnle Stossgebet der Juden enthrdl.
108. Mies (W. 281) HA. Mach dich mies mit die Kosacke,
Was kümmerst du dich um Sachen, die dich nichts aii^'ihoti.
109. Mikva (Slaubfn) Dadeberkcn der jndj<?chen l'iaui'n.
vom li<*l>. niikvah ein Ort, wo da^^ AVasisei zusanimeiistrüint.
1 Hl. Minje Nachmittags^ebel, Minje mache, beten von
miiiohali Galio. Opfor.
110a. Mischpaclie Familie, Sippe, Stamm, Geschlecht,
heb. mischpachah.
111. Mischpat Prozess. vom heb. mischpat Urteil. Bai
mischpal (eigentlich Herr des Urteiles) der Richter, sonst auch
Scliofet part p. von schafat er richtete.
112. Mizrach Osten in den Wohnungen der gläubigen
Juden ist Oslgegend, die Richtung von Jerusalem» wohin man
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— i79 —
sich beim Beten wenden soll, mit einem eingerahmten Papier,
auf dem Mixrach steht, heieichnet
113. Mögen Schild. Mögen David — Davids Schild ist
eine aus 3 Stäben hergestellte Vertierung in mitten der Laub-
hfltte (Stauben).
114. Mordche = Mardocliai. Siehe Buch Estlier.
115. Mosohuf Mauschef (W. 200) Dreck, schlechtes
minderwertiges Zeug, pari hiph. vom heb. Zeitwort jaschab 11
sitzen, also Sitzengebliebenes, Zurückgesetztes.
Ein unreellor Kaufniann sagt wohl zu einem Christen, der
das Leschone huilesch nicht versteht: Sehen Sie, Iiier ist echt
Pariser Moselmf oder echt englischer Denet' (Dreck) erster
Qualität. El glaubt dannt sein Gewissen beruhigen zu können.
116. Musuph Zusatzgebet an Festtagen (Stauben), heb.
Wort.
117. Nile (nild) Schlussgebet v. Zeilw. naol er schloss,
er riegelte zu.
118. Oberberaess (zu Nr. 31 W.) der Obenrorsteher, sehr
hftufig ironisch gebraucht fär einen Wichtigthuer.
119. Of Gan?i. heb. nph der Vogel.
120. Olem (oldm) ewig, viel, unendlich viel. heb. olam.
En olem Sach unendlich viel ; auch die Welt.
121. Omer die Zeit zwischen Ostern und Pfinj^sten. Ei-
gentlicli bedeutet das Wort ein bestinuntes iMa.ss (liei Luther
Goiner ;;enannt), das mit Gerste angefüllt während dieser Zeit
gleichsam alb Üpler aufgestellt wird. Dieser Zeitraum lieisst
auch Zephire (Ab^ählung Aufschreibung), weil man die einzel-
nen Tage abzahlt.
122. Ore heb. die Haut, plural ores, davon Ores melo-
cbener der Mann, der die Häute bearbeitet, der Gerber.
123. Ophe der R5cker, part des Zeitw. aphah et huck,
124. Orech der Gast (Stauben).
125. Oscliheser Wirt. Oschbcs das Wirtshaus, z. B.
gangsch mit mer ins oschbes? von lat. hospitium.
120. Parach (paraj^) Ausschlag Grind, von heb, Zeitwort
parach es schlug aus. Davon
lti7. Parach-iiiükuin Grünstadt in der Pfalz, das IVüher
wirklich auch Grindestadt hiess.
l'JTa. Parle g'ise = par excuse ähnlich gebildet wie
par respect, par hazard also nix ze parle gise (W 421). Nichts
mit eurer Erlaubnis !
128. Pesach Osterlaram und Osterfest. Man fmdet sehr
häufig Pliitten mit der Inschrift Pesach Mazzes Morror, d. i.
Osterlamm, ungesäuertes Brot, bitlere Kräuter (Chigorie.)
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129. Pleite <W. N.) RA Pleite schelte (PTalz) foitgehn^
untenfebn.
idO. Phra u rebu Seid fruchtbar und mehret euch t
Ein Zuruf, mit «lern die NeuvermShlten am Morgen nach der
Hochzeit in der Vorhalle der Synaj^oge mit Waiienkömem, den
Symbol der Fruchtbarkeit, beworfen werden.
131. Rachaidle oder Rachaile beschlafen, woher ?
13'i. Hewach, Rewech, Rewes, (W. 316) Grewinn. plural
Refochern Zinsen.
13:^. Roschim Otuziere. piural von Rosch (VV. 320).
Huupt, Kopf, Chef; man vergleiche die Abbessinische Ras z. B.
Makonen,
134. Rumim nacht.
135. Sohnohern Abhandeln v. Zlw. aachar umhergehen,,
hausieren, Handel treiben.
13&a. Sablaness Greschenke, spec. Hocbzeitsgeschenke.
heb. sablanoth.
136. Saadler Schuhmacher ; obss Sandalenmacher?
137. Sar Fürst, Vornehmer i. B. Saropheh Oberbäcker.
138. Sohaoharith Morgengebet, von heb* schacbar
Morgenröte.
139. Schabbesdeckel der Hut, weil die Juden in den
Dörfern am Sabbath mit einem Hut in die Synagoge gehen ^
am Werktajre tragen sie Mützen.
140. Schadai der Ewige, Name Gottes. Derselbe wird
auch eingerahmt an der Wand des Zimmers angebracht oder
auf einem Amulett am Halse getragen.
140a. Schbuhi Hafer vom heb. schiboleth die Aehre, der
Hafer. Ueber die Bedeutung dieses Worts Schiboleth als etnes-
sicheren Unterscheidungszeichens siehe Richter 12 v. 6.
141. Schebua (W. 339) die Woche ; plur Pfingsten.
145S. Scheie = Jesatas.
143. Schern der Name, heb.
144. Schir Segensgebet (Stauben) eigentlich das Lied.
Schir ha schirim das Lied der Lieder = das Hohelied.
145. Scliciciiteii (zu W. 304) rituell scli lachten von heb.
Zeitw. schachat er schlachtete.
146. Schlach, maiiesb Geschenke aus feinem Gebäck,
die man sich gegenseitig am Purimfesle, 14. Adar, giebt. von
heb. schalach er schickte und manolb Portionen.
147. Sohlemel oder Schlimiel ein UnglOcksmenscb, ein
Pechvogel, von heb. sehe lo im el s der nicht mit Gott ist^
also ein Gottverlassener.
147a. Schlammassel oder Schlimmassel Unglück
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Ableitung entw. von sehe lo massel wo kein Glöckstern oder
Schlimm Maaeel ein schlimmer GlQckstero.
148. Sohmah Israel ! verkfintt Schmäh Is 1 Hftre Israeli
Ausruf der Verwundrung. Eb istsugleich der Anfang der Mesusse
<Nr. 107) 5 Mose 6 v. 4.
449. Schmuhs brientes (zu W. 361) leeres Gerede.
Scliinulis = Geschwätz brientes soll aus dem französischen cpour
den <lire, um nichts zu sagen», entstanden sein. Demnach
«lichtssagende F^wiensarten.
150. Schnokes Dummlieilen, Spa-se scheint trot^ seiner
Fornn nicht hebi äischen l i spi unf^s, sondern das norddeutsche
Schnack oder Snack mit der hebräischen Pluralendung des
Femininums ess statt oth.
IM. Schofer Horn, ein aus einem gekrOmmten Widder-
iiom bergestetites Blasinstrument, das am Vers6hnungätage ge-
iilasen wird.
152. Schofet Richter, part. des verb. scbaphat er richtete«
153. Sohomer Hfiter, part. des verb. schamer erfaehötete.
15Ba. Em Sohtas gsat (W 4€9) heisst eigentlich im
Scbtuss (nicht im Ernst !) gesagt.
154. Schucken kosten zu Schuck (W. 367) der Markt.
3. B. Wie jocker schu^kt de Bore = was kostet die Kuh.
155. Schwuh der Schwur, von heb. schhliuah. RA wer
■de schwuh hat, (gewinnt der mi^chpet, wem der Schwur hat
{schwören darf) ;^ewiniit den Prozess.
156. Seder (W. 377) Festessen (Stauben) mit gewissen
Zeremonien am Neujahrstag. vom heb. seder Anordnung.
157. Sliches (W. 380) Gebet, auch die Woche vor
Neujahr, von selichoth Vergebung, weil man in dieser Woche
«durch seine Gebete Vergebung seiner Sünden und Erlass der
-drohenden Strafe erlangen kann. (Siehe weiter unten bei Zorn.)
158. Sender = Alexander. Als Alexander der Grosse
«uf seinem Zuge nach Aegypten den Tempel von Jerusalem so
sehr n^echrt halte, verordnet der Hohepriester, dass alle KnSbleln,
•die in einem Jahre geboren wurden, Alexander heissen sollten.
159. Sepher (W. .170) auch die Schrift.
160. Simche Freude, heb. simdiah. Simcho Thore Fest
^er Gesctzesfreude, das vielfach mit einem grossen Subscriptions-
ball gefeiert wird.
161. Ski der Hase, das Kaninchen, von dem sonst nur
im plnral f,^ebrau(liiichen heb. skipim Troglodyten. Es liegt
^tso hier die gleiche Anschauung wie in dem süddeutschen
Kinekele (vom lat. cuniculus der Ben„^mann) zu Grunde. Ski
-eres Hasen pelz, siehe oben ore.
161a. 8ooher (so^ar) der Hfindler, Kaufmann, Hausiere.
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— m
161b. Sof Gulden pl. suchum.
162. Sohar eigentlich Glanz, der Name eiaes Buches, das
Hauptwerk der talmudischen Mystik.
16IV Sopher der Schreiber, der Thorascbreiber.
163 a. Sore Gerste beb. dorah (das haarige, bärtige Ge-
treide).
164. Srore vornehmer Herr, vom heb. verb. sarar er war
Fürst, Herr.
165. Stikem (W. 335) Silentium! Still! Rubel ein Zu-
ruf der häufig von den Hörern spottend ergänzt wird : stikem
is der Hecht, un TFalarum 19» e Scbubkareh (Pfals).
166. Suka, Hütte pl. Sukkoth LaubhOUeDfest.
167. Tachrichim LeichentOcher, Toienkleider.
168. Talles Gebetsmantel, vom verb talal er deckte.
169. Tares fehlerhaft. (Stauben : les psaumes sont tarte.)
170. Thalemud die Lehre, Name der Bücher, die
neben der Thora, der Bibel alten Testaments, die Grundlage der
jrabbinischen Weisheit enthfilten.
171. Thenoim Ehevertrag (Stauben).
172. Thines Lobgesänge, vom verb. thanoh er lobte.
173. Tephue Getreide, heb. ihebliucli Hodenerzeu^mis.
174. Tiphele Gel)et, reli«,Möser Gesang. \riiii hei), tephilah.
RA. die Tiphele schlageu die Orgel spielen (PiaUj. Aehnlich
dem Gebelbuch von 32 Blättern bedeutet Thiphele auch die
Spielkarte, z. B. die Thiphele nusene = die Karten geben.
175. Thiphelines die Gebetsriemen.
175 a. Thilem = Psalmen tbehilim.
176. Tohn va liotiu wOste und leer, durcheinander,
Chaos. Siehe 1 Mos. 1. 2. Die Franzosen lassen das kopulative
Vav weg und sagen : Cötait un veritable tohu-bohu.
177. Tofe mokum guter Ort, ein Euphemismus für
Begräbnisstette, Friedhof, vom heb. tohh gut, mnkom Ort.
178. Tokea Trompete. Bd[ token Trompetenbläser, der am
>Jeiyahr.stage den Schofer bläst.
178a. Wachtnacht oder Waiznacht heisst *lu'
Nacht vor der Beschncidiinp- eines Knäbleins (Brsmile). In tiie-
ser Nacht treiben die Hexen ihr Wesen, dem nur mit der
grössten Wachsamkeit unter Gebet und religiösen Ceremonien
gewehrt werden kann.
179. Weil dieser oflgenannte Jüdische Familiennamen ist
nicht von einem Ort Weil abzuleiten, sondern er ist entstanden
durch Umsetzung der Buchstaben von Lewi.
180. Zelem (W. 461) Kreuz. Davon Zelemokum Kreuz-
nach, auch Heilig-Kreuz im Elsass.
181. Zal der Kreuzer der 60. Teil eines Gulden.
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182. Zizis die Scbaufftden oder Quasten am Gebetsmantel
Talles, welche den Beter an Gottes Gebote erinnern sollen. 4.
Mos. 15, 38— 39, von heb. zizith.
18n. Zorn Fasten, heb. zom. Am Neujahrstage weiden
nach der Anschauung der Juden alle Dinge vorausbestimmt,
welche den Manschen im neubefronnenen Jahre troffen sollen.
Die lx>sen Gcsc lucke abzuwenden giebt 3 Mittel, Fasten (zom)
Beten mit licr Sliinme (kol) und Almo^engeben in Geld (rnamon).
Man hat nun die Bemeiknnfj j^'emacht, dass die Bucbstabeii
der 3 Worte zoin, inatnon und kol, als Zahlzeichen angesehen,
dieselbe Summe ilki geben.
z
= 90
k =
100
m
40
V
= 6
6
m
40
m
= 40
1 :=
30
V
6
n
50
136
136
136
Also Fasten, Beten und Almosen spenden sind gleichweilig.
Das ist aber nichi so zu verstehen, dass eines durch das an-
dere ersetzt werden könne, sondern dass alle drei gleich
grosse Beachtung verdienen und demnach keines unterlassen
werden darf.
18i. Zores, Bedrängnisse. Spr. Die einen leben in Sro-
res (UeiTlichk»'if 1, die andern in Zores.
185. Zephire, die Zeil von Ostern bis Pfingsten ; eigent-
licii der Abzahlung, da die Tage von 50 abgezählt werden.
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IX.
Das Suiüx -i
in der Mundart von Rufach/
«
Von
Heinrich Monges.
Der Bildungslaut -i (nelisf seiner Zusaninieiisef zunji -Ii
in Verkleinerungs- umi Koselornicn ) ersclieinl in den inoislen
schweizerischen Mundarten so häufig, dass er geradezu
als ein Kennzeichen derselben betrachtet werden kann. llaii>
Wissler bespricht dieses -i eingehend in seiner Inaugural-Dis-
sertation : Das Suffix >i in der Bemer resp. Schweizer Mundart
(Frauenfeld, 1891).
Es kommt aber auch im E 1 s a s s vor, und zwar bis zur
Nordgrenze. So nennt man z. B. in meiner Heimat Nieder-
betschdorf (Kreis Weissenbuiig) einen unbeholfenen Mensehen
[P&tü], einen faulen [SIeköri], schlechten Kaffee [Läpoliri], und
ein Sprichwort lautet:
['^ küti Xby] eioe gute Knh
[tekt k\i Armdt ts^] deckt alle Armut za.
Häufiger als im ünlerelsass tritt ilas Suffix -i im Oberelsass
auf, und da wieder um so mehr, je näher die Schweizer Grenze
ist. Au-jn-^t Strd)er erwähnt es in seinem Mülhauser Wörter-
büchlein t^Anhan^»- 711 der Schrift : Die letzten Zeilen der eiie-
maligen eidgenüs^isclien Republik Mülhausen, Mülhausen 1876,
^ Die Kitiitencba Lantsehrift steht ühtndl swisohen ecfcigan
Klammern.
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S. 57—123) auf S. 88 mit den folgendeii Worten: ci, als
Endung, 1. von Ortschaften : Durni Dornach, 2. diroin« von
Eigennamen : Drän Andreas, Pliräsi Euphiasia, 3. verächt-
lich : Schüerbi saumseliger Mensch, Tsckieli Schielender,
4. Endun;? anderer Hauptwörter : Bammi Rausch.» Daneben
enthält das Vei'7eichuis eine grosse Menj^e Wörter auf -i.
Ich will in den folgenden Zeilen die Beispiele aus der
Mundart von Rufach zusainmenstellen, einem Städtchen,
das ungefähr in der Mille des Oberelsasses liegt, wo also von
einem nennenswerten Einfiusse durch die Schweiz nicht wohl
geredet werden kann. Wenn das SufGx hier auch nidit so o(l
vorkommt wie in der Schweiz, so erscheint es doch noch hftüGg
genug, um die Aufmerksamkeit zu verdienen. Ich kann mich
auf ^i heschrftnken und die Verkleinerungssilbe -Ii beiseite
lassen, da die letztere in Rufoch nicht auftritt. Nur in der Be-
zeichnung mancher Kinderspiele scheint -Ii enthalten zu sein:
[ktswirwalis mäya] mit dem Kreisel spielen, [Jäkarlis mäya]
Jäger spielen, [Kh^kolis nAy^i] eine Art Kegelspiel, [Krömarlis
mäya] Krämer spieleUi [Krosfätarlis mäya] Grossvater spielen,
[Litalis mäya] Schnell k Uffeln in ein [Lilala] Grübchen schnellen
([Lttala] ist Verkleinerung zu Lüt]), [Melsksrlis mäya] Metzger
spielen, [Päpolis (MAmalis) mdyn] Papa (Mama) spielen, [Pä-
llstdrlis mä/aj mit Schnellkugeln spielen, [Pänidi iis niä/a] Hann-
wart spielen, [Raiwariis mäyaj Räuber spielen, [Resarlis mä/a]
Pfeniespiel, [Rilarlis mäya] Reiter spielen, [Sältätalis m^ya]
Soldaten spielen, [Saforlis niäye] Schäfer spielen, [Sjolmai.sl^>rlis
(Swfesldrlisj mäya] Schulmeister (Schulscliwesler) spielen, u. dglJ
Sonst ist in Rufach nicht -Ii, sondern (neben -i) -la oder -ala
die Verkleinerungs- und Kosesilbe, wovon -la jawohl aus frühe -
rem-li, -9l9 aus frOherem -ilo oder -IIa oder -ili abgeschwftcht ist
(vgl. Weinhold : Alemannische Grammatik, Berlin, 1863, § 270).*
£s bleiben im Folgenden selbstversfftndlich alle Wörter un-
lierücksichtigt , die zwar auf 4 ausgehen , bei denen aber
dieses -i kein deutsches Suffix ist, sondern
a) mit dem ganzen Ausdruck ein SehaUwori bildet, z. B.
' Das B ist hier wahrscheinlich das aus mhd. Spielbezeichnnngen
eihalttiae Oenitiv s. Die äiilne -ii äcbeint mit diesem s uui audere
Spielnamen übertragen worden an sein: [FaQdlis mW/<d] Fangspiel,
jriniif^rkhiyfarlis tnliya] Hähne verkaufen, [tsapfmarlis maye] Kisen-
babDspiel, [Kilis mäy^<»], [Kryp^rlia maVa], [Färlis mä/^a] Barrepiel,
[Poiarlit mk/«] Bauspiel, [Raifwii« mayo] R«if sehlagen, [Rtoerlis
mk/e] Nachlaufen, [Farstelcarlis mä/a] Verstecken spielen, u. dgl.
Aber im benachbarten Dorfe Bilkheim (Kreis Ochweilpr) ist
-Ii |äQg u»d gäbe. Bilkheim bildet indessen sprachlich ein Eiuächlass-
gabiat and ist wohl dareh Schwsiser besiedelt worden.
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[batsi, hniki] Begleitwort beim Niesen (vgl. Scbweizerisches
Idiotikon I 627); [Hi] Name des Pferdes in der Kinderspracbe,
nach dem Treibruf Hil (aucli Hü! Jü! Jüit); [Hoi] Zuruf an
Zu}j;üclisen, um sie anzntieiben ; [Holariti, Holarati], [Kukumar-
sälat] Gurkensalat, [mi Salsla is k^lorwa] mein Scliälzchen ist
^'eslorben, [jet^ wur i Sältat] jelzl werde ich Soldat; [Hipalti,
Hopdiii, Hoporli] Ausdrücke zur Bezeichnung? des Hüpfens und
Tanzens in eincin derben Scherzsju uch : [LIn o Hipalli ün a
Hopalli] usw. und in dem Neckroim : [Hopnrti, Hoporti, Salomt'*]
usw. (v;rl. Jahrb. XII 10;V); [Kikaiiki, Kikoliki] Nachahniuu;,'
de."; llaliucn^eschreis ; [Larif;ii i i dummes-, unsinnij^es Gerede
(vgl. D. \Vb. VI 202); Sariwaiij Katzenmusik (aus dem Fran-
zösischen, vielleicht kein Schallworl, vgl. Littre : Diclionnaire
de la langue franyaise, I 505) ; [Siupü] ein IWf beim Verstecken-
spiel der Kinder ; [Tsi^kaldmarat^i] ein Wort« das die Bnben
den Italienern zurufen und das eigentlich die italienische Sprache
nachahmen soll ;
b) tum Stamme gekört und entweder aus einem alten
Vokale besteht <[PIi1 Blei, mbd. bli; [ttpi] dabei, mhd. där-bi),
oder durch den Abfall eines Konsonanten an das Wortende
(gekommen ist ([flrsij vorwärts, aus: für sich; [Foleij lielrun-
kener, wohl das weiter landabwürls, z. B. in Heichenweier,
iihliehe [FolejI] Volli;:e) ; Sprichwort: [Tr Hawi pfesar äs tr
Hatij der Halnj-ich ist besser als der Hä!t(>-!ch, d. h. ein Spatz
iu dei- Hand ist t)e?'*er als eine Taube auideui Dache* ; [Kbami]
Schornstein, mUJ. kainin; [Kutf^rtämi] Fluchwort, aus Gott
verdamm' mich ; [Mötri] Ackergauchheil, aus : Modrich ;
[Spitsdwulari] Wegerich; [ti] dein, mhd. din ; [Wi] Wein, mhd.
win; [waitiij ordentlich, aus: weidlich, u. s. w.S;
c) der Bestandteü eines Lehn" oder f\remdaHnis ist,
und zwar aus dem Französischen stammt ([fyti] verloren, aus
frz. fontu = zum Teufel; [Häri] Heinrich, aus frz. Henri;
[Kh&m^ti] Komödie, aus frz. com^ie ; [M4ri] Maria, frz. Marie;
[M^rari] Bärgermeisterei, frz. mairie; [Piropli] Regenschirm,
1 In [Häwi] liegt sehriftdentscIiM Einflass vor; saeh d«r Mimd-
art sollte das Wort [Hiini] lauten.
2 Die Namen der Wochentage (mit Ausnahme des Mitt w ochs
[Mitwüy]) endigen in Kuiach nicht auf -di, wie z. B. bei Schlettstadt,
sondern auf -dik [Süntik, Mäntik, Tsistik, Tünstik, Fritik, Samstik],
wohl ein Beweis dafür, dass jenes -di [Sünti, BJanti. u. s w.] weder
von der frz. Endung -di (londi, nuurdi^ mercredi, jeudi, vendredi«
samedi), noch unmittelbar vom Ut dies (Tag) kommt, sondern ans
dem deutschen "Wort Tag durch Ausfall des g und durch Erhöbung
des a zu i entstanden ist. Vgl. im Münsterthal [Hertsik] Herzog.
[Khitnstik] Johannistag (Jahrb. XI, 209) und im Sundgan [^Itarpi]
Sehlietbach, [Fi yopij Bnibacli, n. s. w.
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— 187 —
frz. parapluie ; [Pisa^ii] Salat aus den Blättern des Löwenzahns»
frz. pissenlit, u. dgl.), oder -aus einer lat. Endung, gewöhnlich
ans der Nominativendung »ins oder aus der Genilivendun^r
'ly entstand ([KhämMAri] Polizeikommissarius ; Khünträri]
das Gefpenteily lat. contrarius ; [Notäri] Notarius ; [Mät^ri]
Eiter, lat. materia; [Pikhari] Vikarius; [Johftni] Johanni;
[UlirtiniJ Martini; [Miyeli] Michaeli, u. s. w.)
Von diesen Fällen abgesehen, erscheint das deutsche Suf-
fix -i bei der Woiibildung und bei der Wortbiegung.
I. Wortbildung.
Bei der Wortbiltluii^»^ koimnen nur H a u p l w ö r t e r \n
Betrncht.i Darunter können dreierlei Bildungen unterschieden
werden : 1. das -i bezeichnet eine Verkleinerungs- oder
Koseform und verursacht gegebenen Falls häufig den Umlaut
beim vorhergehenden Stammvokale; 2. das -i drückt der
betreffenden Woi*lbildung etwas Lacherliches oder Verächlliches
auf und bewirkt In der Regel keinen Umlaut; 3. das -t
ist ganz unwirksam und beeintlusst weder den Inhalt noch den
StariHiivokal des Worts. — Einzelne Fälle gehen in einander
Ober, besonders bei den zwei ersten Gruppen.
In allen diesen Bildungen scheint das -i dieiielbe Hcr-
knnt't zu haben, nümlich von dem germanischen Suffix -ja
(aui h j6), dasahd, i oder i lautele. Wir haben in den mund-
artlichen WöHern nnf -i wohl Anklänge an die ahd. Sprache,
in der e>- kanullich viele ilaupl Wörter auf -i (-i) <:al), z.
die -ja-Maiiime alldri (Altar), enii (Ende), «(ibirgi (Gebirge),
hirli (Hirt), kdsi (Käse), rucki (Kücken), u. s. w., die -jö-
Sfämme mit den Nebenformen brunni (Brunnen), minni (Minne)^
redi (Rede), wunn! (Wonne), u. s. w,, und die weiblichen
Abstrakta auf -i : linsiri (Finsternis), gedigani (Gediegenheit),
hdhi (Höhe), menniski (Menschheit), loufi (Taufe), weri (Wehr),
u. 8. w. (vgl. hierzu Wilh. Braune: Althochdeutsche Grammatik,
Halle a. S., 1886, §198-202, 209—213). Ob nun das «nund-
artliche Suffix -i die unrniltelbare Forlsetzung des ahd. -i (-1)
ist, oder ob es durch Erhöhung des aus ahd. -i (-i) abgeschwäcfa»
ten mhd. geschlossenen -e entstanden ist, das soll hier uner-
1 Nar eni Eigeusciiattswort weist -i auf. [Santil heilig (Sankt^
haaptsScblich in dem Namen [Sänti-Kl&ys] heiliger Nikolaas. HS^r
ist es aber derart mit dem Hauptwort verschmolzen, dass es als
einen Teil desselben angesehen werden moss. Zadem ist das -i hier
lat Ursprungs.
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— 188 —
friert bleiben. Wer sich dafQr intereaeiert, den verweise ich
auf die Schrift von Hans Wissler. Mir komrnl es hier nur
darauf an, die in der Rufacher Mundart vorhandenen Fälle an*
zuführen und bei einigen eine Abieilun;^ der Stämme anzugeben.
Wie ^resagt, kennzeichnet -i in Rufach vielfach die Ver-
kleinei un};s- und Koseformen, Diese Wirkung des -i
ist im Alemannischen '^chon alt. Karl Weinhold fuhrt im § *2<il)
meiner Al«'iii tnni<ch( ii Grammatik aus derälleieii Sprache ausser
■einigpii \ei kürzten Personennamen (Jenni, Ertii, Haini, Kuoni,
Fölki, Kuutii, Uoii, Welti, Wiirui, Bell, Elli, Jutzi) die folgenden
Beispiele an: eimberi, eni, fugili, lingiri, roageti, bäsi, gütti.*
Von den jetzigen alemannischen Mundarten sai^ er (ebeada):
«Auch heule sind diese verkleinernden Neutra in -i dem Ale-
mannischen noch lebendig, z. B. Aeugi, Aeni, Fuessi, Hdsi,
Oehri u. s. w.» Wenn er aber fortfilhrt:. clm Elsass werden
nur von Personennamen Koseformen in -i gebildet^ von Sach*
-Worten in -le,^' so befindet er sich im Irrtume. Auch hier in
Aufach giebt e?: Verkleinerungsformen auf -i.
Ein recht bezeichnendes Beispiel ist der Aus>
druck [3 pltsi] ein his.schon, ein wenig; denn er enthält stets
■eine starke Verkleinerung, etwa in dem missbiUigendeii Satze:
[Tes 'U kwor a pitsi stärk] dns ist aber ein hisschen stark!
<»der in der hruifigen Gi ussforniel : [Shi or tlütk ? — Jü, a
pitsi] seid ihr Heisig? — Ja, ein hisschen I In neuerer Zeit
wird das Wort häufig durch das gleichbedeutende [a wenikldj
ein wenig ersetzt, das eine doppelte Verkleinerung enthält.
Die meisten Koseformen kommen in der Kinder spräche
vor. Hier spielt der BUdungslant A neben den Silben -I9
und -elo eine grosse Rolle. Und das ist wohl die Ursache,
dass das der Kindheit noch nAher stehende jüngere Geschlecht
<ler Knaben und Mädchen die Wortbildungen auf h mehr ge-
braucht als die Erwachsenen. Ein kleines, artiges Kind ist der
Mutter ihr [Härtsi] Herz, [Nati] oder [Nyli], [Tüti] oder [TytiJ
{gehört wohl zu [Titla, Titi] Mutterbrust, ahd. tutto, tutta, futti,
mhd. tutte), Salsij Srhrit/,. Das jüngste Kind einer Familie
heissl [Hyrysi]. So nennt man auch das schwächste Tier einer
Schweine-, Hunde- oder Kat/enfamilie oder einer Vogelbrut.
Das Wort hat ungeHihr denselhen Sinn wie das schrifldeulsche
Nesthocker und kommt wohl von dem mundarlln heii Zeitwort
(hyra] kauern, dab z. B. in Heichen weier übiicli ist.* Vater
> Eni und götti scheinen aber keine Verkleinettnigen va sein ;
vgl. Hans Wissler. a. a. 0., S 17.
* In Rafach sagt man [krype] dafür. — Das Schweiz. Liior, II
1585 and 1586 leitet Hürus junger Kriegsmanu und das mit uuserm
lüjrfn] in den Bedentangan aieh teilweise deckende HMif tOB
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— 18U —
und Mutter nennt das kleine Kind neben [Tat»] und fNand)
auch [Tati] und [Nani], neben [Pipo] und [Mf&me] auch [Päpi]
und [Mimi], die Mutter [M6ti], die Grossmutter [Krom&ti]. t
Andere Peraonen seiner Bekanntschalt heissen [ÜQki] Onkel,
[Tänti] Tante, [Pföti] Pale, (Kitil Patin, [PAwi] Bube, [Maiti}
Mädchen, [Mini] Mann. Auch viele Sachnamen endigen in der
Kindersprache auf -i: [Firi] Feuer, [Himi] Himmel, [Kiifi]
Griffel, [Masi] Messer, \Pä/\] Buch, [Panli] Band, [Pinti}
Pfropfen (zu [Pünta]), [Plywisi] Bleislift, [Snäri] Schnur, [^Isi]
Schüssel, [Sdli] Schule, [Spaki] Speck, [T40] Tafel, [Tiri] Thür,
[Koti] Kruzifix (kleiner Gott), u. s« w. Zu diesen Sachnamen
auf -i gehören hesonders die Namen von solchen Diujpen, die
dem Kinde nahe stehen, wie Kleidungsstücke, Nahrungsmittel,
Körperteile. K!eidiin;x??lficke : [Ftrtij Schürte, [H«''mi) Hemd,
[HätiJ ilul, [Hälstäyi] Halstuch, [Khapi] Mütze, [Manti] Mantel,
[Reki] Röckrhen, [Slrimpfi] Strumpf, u. 8. w. Ess- und Trink-
waaren : [Kpli] Apfel, [Flai'si] Fleisch, [Flüli] Fialen, [Kafeni]
Kailee, [Kha/i] Kiuheri, [Mami] Trinken, [Papi] Pappe, d. h.
Brei, [Piri] Birne, [Proli] Brot, [Püli] JJutler, [Rawi] Rube,
[Sjlaivvi] Soulaibchen, d. i. ein Brötchen für 4 Pfennig, [Weki]
Wecken, (Wirsti] Wurst, [Hapi] Kartoffel (woiil der er.sle Teil
des kindlichen [Häptpnj für [Hartepfl]), ii. s. w. Körperteile:
[Khepfi] Kopf, [Nasi] Nase, [Haisi] Hals, [Prisli] Brust, [Hanti]
Hand, IKiki] Auge (auch ein Licht), [llri] (Jhr, [Tyti] Bauch,
[Ar6i] Hintere, [Fasi] Fuss, u. s. w. Wenn das Kind brav ist,
darf es mit der Mutter [ati k6] adieu geben oder mit dem
Vater [öf s W&ki sitsa ün mitrite] auf den Wagen sitzen und
mitfahren. Hat es Scldaf, so sagt die Mutter zu ihm : [Khüm,
ke a Nyni mäya, Kliinf] Komm, mache ein Schläfchen, Kind,o(Jei :
[Khürn, ke in s Peti] Komm, geh in s Bettchen ! ([Nyni] gehört
zum Riif;i(lier Zeitwort [nyne] schlafen von Kindern, und zum
bayerisctien nauuefn = schlummern, !)eson(iers unter Tags,
vgl. Schmeiler : Bayerisches Wörterbuch, 1 174Ü).> Die £r-
Umstandswort Jnir heuer ab. — Oder hängt das Wort mit dem bayer.
Huraus maskiert« Person in der Fast nachtszeit, urspr. eine ArtHeze^
zutiaiuuieu ^vgl. Schmeiler: Bayerisches Wörterbuch* I 1158)?
> Das ft steht hier in der Klnderspiaehe für das e] der Er-
wachsenen; Matter heisst sonst [Myeter].
* Das Zeitwort [uyno] schlafen tritt in rwcx Wiegenliedern auf.
Das erste laatei: [Ny, ny, FipalaJ schlaf, schial, Püppelein — [Kho^
Im Kbhit(e1e) e Slpsl«) kooh dem Kind ein Süppelein — [H^X *
Stikala Ts£ikar(Ia) tn] rauch ihm ein Stürklein Zucker hinein —
[Tks Ui9 Khlnt khät lü.stilc sl| dass das Kind kann lastig sein. Da»
zweite Wiegenlied lautet: [Ny, ny. Plpal9, slüf] schlaf, schlaf, Päpp-
lein, schlaf! — [M te MM» waitd i'Süfj auf deu Wiesen weiden die
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wachsenen machen ihm Angst, wenn sie sagen: [Tr Myi khiimt]
der Maulesel kommt ((las ist Dainlich in der kindlichen An-
schauung der Begleiter des [Kypellsi] Knechtes Ruprecht). Dem
Besuche darf es aber [Palii raäya} mit der Hachen Hand auf die
Hand srhlngen, dass es [pätst] klatscht faucli mit der Hand ins
Wasser .schlagen). Zum Lohne hekomnit es Patsi] einen
Batzen, d. h. ein Stück Geld, oder [Pümpumi] Honhuns, oder
sonst [e Kylbi] etwas- Gutes (Naschwerk), odei ein [Läli] Lädeben
mit Spielsachen. Die grös»8te Freude bereitet man aber dem
Mädchen, wenn man ihm (e PIpi] ein Püppchen schenkt. Knaben
und Madeben freuen sich gleichermassen» wenn sie mit der
Mutier [i* Käkt] die Eier aus dem Neste der Hühner holen dürfen
(das Wort gehört iivahrscheinlich zu dem Heonenraf gack» vgl.
Schmelter, P. W. I 881). Das Huhn selbst nennen aie [Pipi]
oder J'ijtijla].! Auch die Namen der andern Tiere, besonders
der Haustiere, endigen in ihrer Sprache ^jewöhnlich auf -i :
[Anti, Kifi] Ente (der zweite Name nach dem Lockruf; [Kitb,
kit. kil, kitl); [I^si] Esel; [Feki] Vogel; [Hasi, Mini] Hase oder
Kiiiinchen (der zweite Name nach dein Lockruf: [Mini, mini,
iiiiiii, iriinil]); [Hlnti, Tuti) Hund; [Hyt.si, Haiisi,] Schwein
(p^chcirt Wühl zum Treihriif [hys!], wofür man im Kantou Bern
hoiz t^agt, vgl. Schweizerisches Idiotikon 11 1835; dieser Treib-
ruf gehört vielleicht zu mbd. hossen = schnell laufen, oder zu
mbd. biu3en, bü)en =si zur Verfolgung rufen) ; [Khatsi, PisiJ
Katze ; [Kitsi] Ziege (ahd. chizzi := Zicklein) ; [Misi] Maus ;
[Rösi] Pferd; [^ß, Mäli] Schaf;* [Tiwi] Taube; [Wyrij Gans.
[Wyri] ist der Lockruf der Gänse, der gewöhnlich dreimal
hintereinander gesagt wird : [Khüm, Wyri, Wyri, Wyri] I Er
tritt auch in zwei Roigenliedern auf. Das erste, das zugleich
ein Spottreim auf die Knaben ist, lautet im Munde der
Mädchen so :
[Bai9» Bais« Rdss] Beih«, B«ike, Bosen,
[t Pyawa trake (sisa in t') HÖ88] die Buben tragen Hosen,
[t Maitele trÄka Krantsala' die Madclien tragen KrtUizchen.
[Wyri, Wyri, KanssUJ Würi, Würi, Gänschen!
Das zweite Reigenlied besteht aus folgenden Fragen uud
Antworten :
Schafe, — [\Ji la Lanier t'Lamöla] auf den Aeckern die Lämmlein;
— [Slöf, mi koltiks AQdleJ schlaf, mein goldigs Engelein!
1 In [Pipi] haben wir abw nicht den Bildiin|pua.vt -i, sondern
eine Znsammeniftcknng des Lockrufe; bil bil (Tgl. Weinbold a. a.
0., § 208).
In Bayern bezeichnet Mudel eine Katze, ihren Balg, Weiden-
kätzchen, u dg\ , scheint also auf etwas Wetehee hiasudiaten (vgl
Schmeller, B. W. i 1071).
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[Wjri, Wyri, Wyti, wto hkk im Skk9U] wu hast da im S&ekeben ?
[ „ • Ffttarw^kald] ein Butterweckchen.
[ „ „ wer het tr s M] wer hat es dir g^eben?
[ „ ., , tr Kröspäpä] der Grosspapa.
[ „ „ ., , wäs mk'/k jeis mit] was machst da jetzt mit ?
[ „ „ i M tr 8 nlt] Ich sage dir *g nieMl
Doch enflijjen viele T i e r n a m e n auch in d e r
Sprache der Erwaclisenen auf -i. Ihi üliarakler als
KosenaineQ ist dann aber nicht mehr so au-sge^^ptocben wie in
der Kinderaprache. Ein männliches Kaninchen heisst nicht
nur [Rämlar], sondern auch [KhlQkdfömani] oder bloss [Mani]
Männchen. Das Wort [Mani] wird auch von einer männlichen
Person gebraucht und bezeichnet dann einen grossen, starken
Mann oder einen kräftigen Knaben« [Müni] ist die Bezeichnung
des Stiers, auch ein Scheltwort für einen groben oder aus-
schweifenden Mann. Ochsennamen auf -i sind : [Plasi] (ge-
fleckt), [Saki] Schecke, [Starni] (mit weissem Fleck auf der
Stirne), [Päsi] (wohl eher von Pascha als von Sebastian abzu-
leiten, vgl. die Hundenainen [Tirki] Türke und [Sylti] Sultan),
[Hirsi] (nach dem israelitisclit ii Viehhändler Hirsc h aus Hatt-
stadt, d»»r viele Ochsen an die lUif;i(her veikaull und hier
Hirschi genannt wirdj, [Lemani] (nach dtMii Viehliandler Leh-
mann aus Herrüsheim). Die meisten Hundenanien gehen auf
-i aus: [Fauori], [Fiteli] (zu frz. fid^te = treu), iFineti]
(nach dem Schweis. Idiot. I 837 cus dem Italienischen, ebenso
Fino), [Finoti] und [Noii] (zu Fino), [H6ktori] Hector, [Kastori]
Kastor, [Khürisi] (zu frz. courage =^ Mut), [Lyksi] Luchs,
[Mepri] und [Mopri] kleiner und dicker Hund, [Miri], [Mopi]
(scheint wie das bayerische Moppel, Schmeller I 4633, zu
Mops zu gehören), [Muri], [Nt^kri] Negei- (schwarzer Hund),
[Palti], [Pnri^ [Pasiii], [Peli] und [Peloli] Bello, [Polyksi] Pol-
lux, [liati] (zu Hatte, entweder ein Piattentanger oder ein Hünd-
rlipn, das fast so klein i?;t wie eine Patte), [Snaytsi] (zu
Srhiiauze), [Snäpsi] (zu S( hnaps), [Soli] (wahrscheinlich zu frz.
jitli = hnbscli), [Spitzi] Spitz. [Sipeli] (aus frz. Cybele — grierh,
Höllenhund), | Sylti] (zu Sullaii), [Tak^i] Dach«, [lamiiij, [Ti-
kri] Tiger, [TiikiJ 'liirke, [TokiJ, Düg;:('. Auch ciiii^.' Katzen-
naiiiüii endigen auf -i : [PhisMi] (eine \V(ns>e, zu Irz. blanchette
weisslich), [Kiiseti] (eine ;4iaue, zu irz. grisette), [Pasi'tiJ. JJer
Kater (das Tier) heisst [Iloli] (zum Zeil wort [rolu] wild umher-
springen, tosen), ein rotes Pferd [Füksi] Fuchs, ein braunes
[Prynöli] (zu frz. brünette), ein schwarzes, auch wohl eine
schwarze Katze oder ein schwarzer Hund, [Khöli] zum scbrift-
deutschen Kohle, vgl. Schweiz. Idiot. III 208 u. 200). Andere
Pferdenamen auf -i sind : [Fritsi] Fritz^ [Hänsi] Hans, [Lisfetti]
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fre. Lisette, [Lisi] Elise, [Miki], [Ricki] Marie, [^rloti] frz.
Charlotte, [Soräfeti] frz. Georgette, [S^pi] Joseph. Den Namen
[H&nsi] tragen auch häufig grossere gez&hinte Vögel« wie Raben,
Elstern, Staare, ebenso den Namen [S&ki] frz. Jacques. Oer
Truthahn beisst [Kybr] oder [Kyh].
Einige dieser Pfeivle- und Yogelnamen sind ursprünglich
menschliche Vornamen, die auf Tiere üherf ragen worden
sind. Und hier kommen wir auf ein Gebiet, wo der Rildunjr^-
laut -i io Rufach die weileste Vprbreitung hat. Es giebt unter
den 180 hiesi^ren Vornamen keinen einzigen, hei dem ni^ lit -i
angehängt wiid, sei es an die gewöhnUchen oder nn vorküi z,ie
oder erweiterte Formen, z. R. [Artyrl] Arthur, [P^ni] Beaedikt,
[Harti] Bernhard, [Leoni] Leo, [Malilti] Mathihle, [Wirsi] Vir-
ginie, [Uli] Odilie, [W&larini] Valerien Das -i ist hier der eine
von den bdden Vokalen, die schon in ahd. Zeit die verkfirzten
Namensformen kennzeichneten (der andere ist -o, z. B. in Gero,
der Schmeichelform zu Gerbert, Gerhard, Gemot, Gerwig,
Gerwin). Bei den Rufacher Familiennamen dagegen ist die An*
(ugung eines -i eine seltene Ausnahme. So wird ein hiesiger
Einwohner^ der Spinnenbirn heisst, gewöhnlich [^indhimi]
genannt.
Von diesen Namensformen auf -i sind nur wenige Kose-
formen, meistens dann, wenn die vollen Formen erweitert
werd«^n und sich auf o\n jugendliches Aller lieziehen, z. B.
[Armam] Armand (Hermann), [Melanin! | Mehuiie. Die meisten
Formen auf -i, namentlich die verkürzten, haben bin;;ejxen et-
was Kräftiges, ja etwas I.)L'rl)t's, Ilaiihes, Unari^fenebmes an
sich und werden von iiiren Trägern nicht gerade jicrae ge»
hört. Der Georg ist nicht gern [Jerki], die Maria nicht gein
[Mei] genannt. Daher kommt es wohl, dass gerade meistens
Vornamen-Formen auf -i zu ungünstigen Gat-
tungsnamen geworden sind. So bezeichnet : [Piwi]
Barbara eine unangenehme, [PlAmplümpawi] eine dicke, [Trak-
pawi] eine unsaubere, [Uplpäwi] eine schwatzhafte Frauensperson,
[Trakjerki] Georf; eine unsaubere, [Nätsi] Ignaz eine dumme,
[Soitoni] Anton und[Soiniki] Dominik eine schmutzige Mannsper-
son, [Joki] Jakob einen unbeholfenen, aber gutmöti^'en Menpohen,
[Käfesäki] frz. Jacques einen -^^ülchen, der gern Kaflee liinkt,
[Salalsnrji] Johann (IVz. Jean) einen, der viel Salat isst, [Räp-
sepi] Joseph oder [Fiappolti] Leopold einen einlaltigen, [LutiJ
Ludwig, auch [TraklütjJ, einen unsuubern, [Lüntsij I^ontius,
1 Eine vollständige Aafzäblnng der Rauher Vornameu and
ihrar Formen, aach derer auf -i, habe ich in mtinam Aufsaia« Ikbar
«die Rnfaeher Vornamen» gageban, Jahrb. XI (I89&)i S. 108. ff.
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auch [TrakluDtsi], einen schlappen Menschen, [Nesi] Agnes eine
wählerische, [Nisi] eine zänkische, [Ursi] Ursula, auch [Trakürsi],
eine unsaubere Frauensperson, [Päsi] Sebastian, auch [Trak-]
oder [Soipäsi] eine schmutzige männliche Person , [Wdiopisi]
einen, der viel [Wai] Flammenkucken isst, [Platsarniki] Do-
minik einen Knaben, der [Platsar] Grind auf dem Kopfe hat,
fSv>il ^^iKanna ein kleines, artiges Mädchen, [Soipolli] Leopold
einen Sauhund.« Auch den Nnmon Napoleons III. sprach und
spricht man niiinchmal in f\ev l-orm [Napi] veräclitlich aus.
Noch mehr als an Vornamen zeigt sich die-ser |)ess;imi«jtische
Zug des -i an eigentlichen G n 1 1 u n g s n a m e n , die we-
der zur Kiuder.sprache gehören noch Verklcinct ungs- oder Koso-
formen sind. Auch für Kufach gilt, wenn auch in Ii6>.chrank-
terem Masse, was Hans Wissler fQr die Schweiz sagt (a. a.
0.« S. 6) : «Durch das Suffix ^i werden von Verben persön-
liche Concreta männlichen Geschlechts abgeleitet. Zu dieser
Ableitung werden hauptsächlich schwache Verba benutzt,
und zwar speciell solche, welche eine lächerliche, unartige,
unangenehme odev verächtliche Thäfigkeit ausdrücken. Die
Ableitung bezeichnet dann eine männliche Person, welche diese
Thäti^k»'!» ^(nvohnheitsmässig, häufig, mit Vorliebe an>übl.»
In Rutach werden einige dieser Ausdrücke nicht von Zeitwör-
tern abgeleitet ; violo hezdchnen auch Frauenspersonr'n, und
wenige sind Begrillsnamen (Abstracta). Ich führe sie hier nach
der Buchstabenfolge auf.
[Fäkli] -wov unruhig ist und unbestimmte Bewegungen aus-
führt, zu [üiiionüntar fäkla).
[Hikorij Hinkender, zu (hikoro) hinken.
(Holpari], bisweilen auch [HylpariJ, ungeschickter Mensch,
zu [holparaj stolpern, anstossen.
[Kaiferi] dummer Schwätzer, zu [kaifara] geifern, dumm
schvi^tzen. Als Zwischenstufe zwischen dem schrifldeutschen
(auch schon spät-mhd.) und dem mundartlichen Begriff geifern
muss man sich die folgende Bedeutung denken: beim Reden
Speirhrl ausfliessen lassen, sich also dabei dumm und unge-
schickt benehmen.
[Kaitsi] dummer Schwätzer, zu [kaitsaj dumm schwätzen.
Dieses Zeilwort bezeichnet wohl ursprünglich als S( hallworl
das plätschernde Geräusch des Wassers, womit dann das sinn-
lose Hinplappern von Worten verglichen wurde. lu Basel ist
' Ueber die weitere Vorweiiduiig der Rufacher Vornamen als
Qattangsnamen siehe den III. Teil meines Aufsatzes über «dieEttfacber
Vornamen, im Jahrb. XII (1896), S. 81—106.
13
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— m —
eine GaaUchi aucli ein starker Regen. Vgl. Schweiieriscfaes
Idiotikon II 560—562.
[Käkari] dummer Schwätzer, mitunter auch der Gansericli^
zum schallDuchahmenden Zeitwort [k^kard], das eigentlich das
Schnattern der Gfmse K»ezeichnel.
[KMi] »rrosser und starker Mensch, nach dem Schweiz.
Miotiknn 11 122 Verkürzung des aUtestameutlicheu Namens
[Khitöri] wer luälig und anhaltenU aullaclil; zu (khitars]
kicliern und in hohen Tönen lachen. Wohl Nebenform zum nhd.
Schaltwort kichern. (In Niederfoetachdorf beisst dei' Tfittberlcfa
LKhitor].)
[Klätri] Kletterer; zu [kldtoraj klettern.
[Klöpri] Durchfall, wer in die Hosen macht, ein starker
und plumper Mann ; tum Schallwort [kl^pora], da^ mit dem
schril'ldeul^rheii klappern verwandt ist und entweder einen
kIa1-( henden, krachenden oder einen klirrenden Ton bezeichnet,
(in Jungholz, Kr. Gebweiler, heisst der Hü}(el, um den der
jüdische Kirchhof Ii<«jrf, im Volksmunde [tr Klepri], nach den
armen, j^eiufinen Lfiitcn, die <l:u:iul wolmen.)
[Klüqkdrij l;iii;:es Kindeniachthemd, ein Kind in einem
solchen (auch [Ih niklüqkari]), ein einfalliger Mensch (wer also
geisti;; noch ein Kind ist^ ; zu LklÜQkdrdJ baumeln, eine Arbeit
aufschieben.
[Klütdri], auch [Hösaklütari,] ein kleiner Knabe, der noch
in die Hosen macht, übertragen: ein schwächlicher, unver-
mögender Mensch ; zu [kltitara] das plätschernde Geräusch einer
Fifissigkeit bezeichnend.
[Klyri] Schielender; zu [kiyrs] schielen, das zu mbd. lüren,
nhd. Inuien gehört wie das mundartliche [Klüst] zum schnft-
deutschen Lust.
[Knäpi] wer beim Gehen in die Kniee knappt; zu [knäpa]
knappen.
[Kn itvi] wer beim Efc>eii oder Trinken mit den Lippen
sclimalzt , /Hin Schallwort Iknalsj»].
[KnäytsiJ wer eine Arbeit ni* ht ordentlich verrichtft : ?ii
[knaytsa] das wulil zum mlid. kiioizeii = quetschen gehört iiiid
ursprünglich in Schallwort ist. Vgl. Schweiz. Idiotikon III
769—773.
[Knüt(a)ri] mürrischer Mensch; zum Schallwort [knütara]
knurren, das zum schriftdeutschen knattern gehört.
[Kräkdli] Krakeeler, ausgelassener Mensch ; zu [Kräkdl].
[Krati] wer schwerfällig und mit gespreizten Beinen gebt,
auch ein O-beiniger Mensch ; zu [krata mit] gespreizten Beinen
gehen.
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— 1Ö5 —
[Krä^i] Kracber^ wer hörbar die Zähne auf einander beisst
oder krachend einen Apfel oder eine Birne isst; zu [kräye]
krachen.
[Kritsi] ein Scbuler, der beim Schreilien mit dem GrifTel
oder der Feder hörbar kratzt ; zu [kritsd], das wohl im Ablaut-
Verhältnis zu kratzen steiit.
[Läyti] (i Ummer Spassmacher, nlirscheinlich !<clia!lnach-
ahmend und entstanden aus der Hedensarf : [tr Läyli siqb] jodeln.
[Läytsi] wer zwecklos; umher^jcht und -steht ; zti [!ayt<o].
[Laywi) Tölpel, halb verrück I.m M<m»« Ii ; wohl vom Ochsen
aul ilvn Mt'ii>^chen üherlrajfen. In de» ^cliweiz norh riuln inie
des Zugüch^ens, ebenso bei Hebel (vgl. sein alemannisches
Gedicht : Die Ver};äng:lichkeit.)
[Lali] wer den Mund aufsperrt und die Zunge herausstreckt,
auch ein Tier, das vor MOdii^keit oder Durst die [Lal] Zunge
heraushangt, etwa ein Pferd oder ein Hund, Obertragen: ein
dummer Mensch ; zu [lala] die Zunge herausstrecken. [Lali] ist
auch ein Spitzname der Rufacber. Er soll von dem [Kir/alali]
kommen, einer grotesken, den Mund weit öfTnenden Figur, die
jetzt im Stadthaus auHjewahrt wird, früher aber über dem
Haupteingange der Kirche stand, mit dem Uhrwerk verbunden
war und beim Schlagen der Stunden jedesmal die Zunge ber-
vorstreckte. '
[Latiiori] langer, unordentlich gekleideter Mensch ; zu dem
u'hIi Hl der Schweiz lebenden lamrnc'rc (etwas tni^e thun),
da.s eine Ahlciliing vom Eigenschaftswort [läm] lahm ist ^vgl.
Schweiz. Idiotikon III 1264.)
[Lantsi] wer undeutlich redet; zu [lautsüj. Vielleicht /n
[lyantsa] faul undier liogen.
[Lä|)i] ungeschickter und einfältiger Mensch: zu [unwlapt»]
schlapp umhergehen.
[Latiil Dun lifall, wer in die Hosen macht. unbeholtL'in r
Mensch ; zu [latrd] das plätschernde Geräusch einer Flnssigkeil
bezeichnend.
[Lätsi] trager Mensch ; zu (lälsa] sich trag benehmen.
[Liiij Faullenzer, mit Stabreim und Ablaut auch [Läpoliri| ;
1 Es sei hier noch auf eine eigenartige bildliche Änwendtiiig des
Zeitworts [Iftl^] hingewiesen. Das Aufflackern der Flamme einer Laiui<e
über dsLH Glas hinaus (deutsch qualmen, frz filer, davon in Reichen-
weier [filir»]) nennt man in Rufach neben 'yspiLiio] auch [lala]: das
obere £ade des Glases ist der geöffnete Mund, die herausschlagende
Flamme die vorgestreckte Zunge. Aehnlich wird [lale] in der Schweis
angewendet, vgl. Schweiz. Idiotikon III 1268. Es ist nicht mit dem
Bchriftdeutscben lallen zu verwecbseln, das in der Uandart [lala]
lautet.
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zu fümdlire] an einer Arbeit nicht voran machen. Auch Dreh»
orgelmann; zu [Ur] Drehorgel und [Uro] teiem, drehen.
[Loteri] unordentlicher Mensch, [Hösaloteri] wenn die Uoseo
schlappen; zu [lotdra] schlappen.
[Lotsi] unordentlich gekleideter Mensch; zu[lotso] schlapp
herahlifuijien.
[Lülij. auch [IViyalüIi] duinrnpr Mensch, eigenllich : wer
sich in riuer Vei lt';:eiiheit niclit zu heltV'ii weiss, «sondern gleich-
sam da steht und an den ?^ingerii saugt, [Tyinalühj ein^ am
Daumen saujjendes Kind ; zu [h'daj saugen.
[Moh, Mohkhüpt j Uickkopf, auch dessen Tiäjjei, Iledensart :
[ins Pye/ Mohkhopl Ichünia] ins schwarze Buch kommen^
schlecht angeschrieben werden.
[Miipfi] wer im Zorn keine oder eine undeutliche Antwort
gibt ; zu [mupfd]. Im Bayer. W6rterb. I 1647 stellt Schmeller
das verwandte bayer. murf^n zum schnftdeutschen murmeln.
[Müri] mürrischer Mensch; zu [müra] murren.
[Mutari] Unzufriedener ; zu [mütare] brummend \Yider<
Spruch äussern. Verwandt mit hayer. maudem (Schmeller 1
1570) und mit unterelsiiss. [mütia].
[Müti] Trotzkopf, Träger eines solchen.
[Myari, Trakmyari] unsauberer Mensrli ; zu [Myar] Morast.
[Myyli] ein heimhch thuender Mensch ; zu [mjyje] heim-
lich reden oder thun.
[Natsi] dummer Schwätzer; zu [naLsoJ eintTdtig reden.
[Ni^lij TrackniaU] im Kot spielendes Kind, unsauberer
Mensch; zu [niala] wühlen.
[Päroli] umherziehende und Unfug Ireiboide Person, be-
sonders Weibsperson» auch ein Kindergespenst ; wohl zusammen-
gesetzt aus [Pär] Bär und [Roli] Kater.
[Pät^i] ungeschickter Mensch; zum schallnachahmenden
Zeitwort [pälsa] schallend auftreten oder aufschlagen.
[Pflitar] schwäcldicher Mensch, der besonders für Kälte
empfindlich ist. In Bayern Pßiterling (Schmeller I '45'J). Vgl.
den [PriQ^tpflitariJ im benacbbarlen Dorfe Pfaßenheim (Jahrb.
VI lf)7).
[Piatsi^ pluiiijier Mensch; zum laulinaleiidpn [plälse] einen
plumpen Ton liezeiclmend. Vgl. [Plälsräke] Platzregen, [Trak-
plätsi] wer im Kot umhertappt.
[Pläytari] Schwätzer; zu [playl^r^J plauderu.
[PollariJ plumper Mensch; zu [poltara] poltern.
[Poli] Mensch mit grossen oder hervorstehenden Augen,
[Poläykaj; zu [dpola] anglotsen.
[PHali] Schreier; zu [priala] brfillen.
[Pürnari] kleiner, dicker Mensch; fibertragen von einer
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Huntlebezeiclmung, die ursprünglich auf «eine aus Pommern
stammende Art Spitzhund» Miröckgeht (D. Wb. VII 1996).
[Pärni] Mensch mit j^riesgrätnigem Gesiebt; vielleicht zu
bayer. burren brummen (Schmeller I 268) und zu mhd. bur-
ren = sausen.
[Safari] wei* seine Sachen leichtsinnig verhandelt; zu [far^
[Sali] Schielender; zu [si^b] schielen.
ßtämpri] langer, unordenthch gekleideter, bequemer Mensch ;
zu [ilampara] unordentlich aussehen.
[SlaQkari], auch [Slaijkaijkn, Käsoslaflkri], langer, magerer,
lebharter Mensch ; zu [slaqkaro] leMiafl bewegen.
[äläpari] wer beim £ssen oder Trinken [^läpart] d. b. etwas
Tergiesst.
[älepi] fauler Mensch, der sieb gleichsam umherschleppt;
zu [slepa] schleppen.
[Slirki] fauler Mensch, scliiechter Arbeiter, auch [Trak-
^lirki]: zum Schallworl [srirkf>] träge und rutschend -eben.
[SlotariJ heiliges Zitterti vor Kälte uder Angst ; zu [<>lotDrd]
zittern.
[SliirwiJ triif^er Mensch, der beim Gehen die Füsse nicht
hebt ; zum Schallwurl [slurwaj nachlässig und rutschend gehen.
[Smyorli, Traksmyorli] schmutziger Mensch ; zu [üma^my-
arld] unsauber eiuiiergehen.
[Siiätari] wer friert, dass er zittert und mit den Zahnen
klappert, auch dieses Frieren selbst; zu [änätara],
[^Dütri] unreinlicher Knabe, dessen Nase voll Schleim ist,
übertragen: vorwitziger, dreister Junge, Lausbube; zu [SnAtar]
Nasenschleim.
[^nüri] barscher Mensch ; zu [änüre] schnurren.
[Spiantsli], doch mehr [Spiantslsr, -o], wer einem andern
etwas Angenehmes zeigt, ihm aber nichts davon giebt; zu
[spiantsla].
[Stülpori] unbeholfener Mensch; zu [.stolpora] stolpern.
[Stotori] Stotterer ; zu [^lolara] stottern.
fSwajdi] duiiiiutM Schwätzer; zu [^wäpla] dumm schwiilzen,
eigeutlu li das Gernusdi einer bewegten Flüssigkeit bezeichnend,
[^wäyldril (iumiuer Schwätzer, zu [^wäytdra] dumm
schwätzen. Walnsdieinlich zu schwadern.
[Suri] iiiüi risi her Mensch, auch ein surrend vorbei fliegen-
der Käfer ; zu [süro- surren.
[TäpiJ lappischer Mensch, zu [täpa] tappen, schwer auf-
treten.
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— m —
[T^lori] einfältiger Mensch, wie [Ünva] oder [Tolwök]. Der
firste Teil vielleicht zum echweizeriscben Namen Teil, tum un-
terelsäss. [Tob] Dummkopf, zum bayer. Deilemele einfiltiger
Tropf {Seh melier I 499), dill^ dell verwirrt, daUn reden wie
klein»' Kiihlcr fSchmeller I 498).
[Toilari] Tölpel; zu [ümatoltar^] unnützer- und slörender-
weise umherlaufen. Gehört [toUard] zum hayer. Thölderer Thii-
bewohner (Srhnieller I 597)?
[Träpi] plumper, grober Mensch; zum üchallwort [träpa]
Irappen, derb niiftivlcii.
[TiampliJ langsamer Mensch ; zu [trämpla] lan^^sam gehen.
Vgl. die JSliassburger Volksetymologie [Trämpiwäua] trauisvay
(Schmidt, Wörterbuch der Slrassbur^er Mundart, S. 27).
[Tryali] unsauberer Mensch ; zu [tryalaj beim Essen und
Trinken Speisen und Getränke auf die Kleider fallen lassen.
[TsiaQkiJ wer mit krummen Beinen oder Absätzen geht;
zu [fsidQka]. Vielleicht zu mhd. scbiec = schief.
[Tsöti] gutmütiger, beklagenswerter Mensch. In Strassburi;
[Tsöri]. Woher?
[TätliJ, doch mehr [Tütle], ungeschickter Mensch ; vielleicht
zu [tytld] langsam gehen.
[Tütri] dummer, erschrockener Mensch, eigentlich, wer in
die Hosen gemacht hnt. Vielleicht zu [Tutor] Dotter.
[Wäkli] wer umlierwackelt ; zu [ümawakla].
[Wätli] wer durch Wasser oder Sumpf watet; zu [wAle]
waten.
[Zani] wer mit verzogenem Gesicht Zornesworle murmelt ;
zu [tsana].
[Tsekari] wer [Tsekor] Augenbutter in den Augen hat.
[Tsiteri] Jas Zittern, wer zittert, das mittlere Zittergras
(Briza media), das in NiederbetschdoK [Hasaprdt] Hasenbrot
heisst, in der letzten Bedeutung sächlich; zu [tsitera] zittern.
Hauptwörter, in denen das Suffix -i ganz un-
wirksam ist und weder den Inhalt noch den Stammvokal
des Worts beeinflusst, kenne ich nur wenige. Es sind die
folgenden :
[Äntlß], m., Endiviensalat ; wohl aus frz. endive gebildet.
[fimpfesili], m., Dummkopf; zu [firnpäsil] franz. imb^le.
[Fit&li], m.« ein grösserer irdener oder steinerner Topf,
worin Wein aus dem Keller geholt wird ; vielleicht weil sein
Inhalt die Trinker [üt^l] lustig macht.
[Herkyli], m., sehr starker Mensch, neben [HMyl] und
[H^rkyl^s]; zu franz. Hercule.
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^ 499 —
[Knäli], m», Knallbüchse, wie sie die Knaben aus Hollun-
derzweigen herstellen; zu [knild] knallen. Der Knabe, der eine
solche KnallbQchse handhabt, lieisst [Knabr] Knaller. (Die
BQdise heisst in Butach auch i^Slepiks] Schlehenbüchse, in
Niederbet s( ii(ioi r [Sn/'piks], in Beicheniveier [Puntaklepfar], zu
[Pünta] Pfropfen und [klepfa] knallen.
[Kykiri], m., neben [Kykar], gelindes S( hellworl füi' einen
«rhl.iuen, bushaflen Mensrhen, auch Bezeichnung eines schlech-
ten Pferdes; wohl vom Namen dfs Kuckuck«; abzuleiten, der
hier wie in luaiu hen andern Ausdrücken für den Teufel steht,
z. B. in (ItT Rcdeusari : fts K\ kos ke] zu Grunde gehn.
[Pasi], saclil. altertüiuliclier Ausdruck für Base (cousine),
auch för Tante oder eine entfernte Verwandte.
[P:i[ hj, sSchl. Pips der Vögel; zu abd. mhd. phiphi).
[l*lt?psi], m., dummer Mensch, neben [Pieps].
[Primi], m., der erste oder vornehmste einer Gesellschaft ;
vielleicht zu frz. premier.
[Rati], m.« Rausch.
[Bypeltsi], m., Knecht Buprecht, neben [RypfeUs] ; der
zweite Teil zu [P^lts] Pelz, der erste vielleicht zur ersten Silbe
von Ruprecht.
[Tsüli] m., Sau^^heutel kleiner Kinder ; zu dem im bayeri-
schen Fr.inken üblichen Zeitwort zulLcn saugen am iSauglappen
(Schmeiler 11 1116).
[Tysi], m., stiller Mensch ; zu [lys] still und sanft (aus frz.
düuce).
[Wj^e'/ariJ, m., Wucherer, neben [Wya^^ararj ; zu [wya^^ora]
wuchern.
II. Wortbiegung.
Bei der Worlliie^'ung spielt das Suffix -i eine geringere
Bolle als bei der Wortbildung'. Die Hauptwörter auf -i
haben, wie alle andern, in der lUilacher Mundart keine Bie^unps-
endungen und bleiben auch iu der Mehrzahl unverändert. Be-
sondere Mehrziihlformen, die aus ahd. Z*.'it ilieEudun^ -i l)ewahrt
haben oder Ijoi denen sich ein früheres -e zu -i erlioht hat,
wie sie Haus Wissler (a. a. 0., § 48) aus der Schweiz anführt,
gibt es in Bufach nicht. Wohl aber ist das Suffix -i noch bei
der Fallhiegung der £igenschafts-, der meisten Für- und einiger
Zahlwörter vorhanden.
Die Formen der Eigenschaftswörter, welche auf -i
ausgehen, schliessen sich an das Ahd. und Mhd. an. Da endigen
einige Fälle der starken DecUnation auf -iu, und zwar der
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— 200
Xom. 'Irr Einzahl <les weiblichen und der Xorn. und Acc. der
Mehrzahl des srinhüchen Tfeschlecht^;. Dienern alid. und nihd.
-iu enlJ^prii lit in den j»en;iiinten Fällen der starken Declinntion
«ias inuiidaitliche -i. Die Mundart ;ielit aher hei der starken
Declinalion noch weiter, wahrscheinlich infolge von Fuiaiühür-
Iragunjj; ; denn sie weist das -i auch iin Acc. der Einzahl des»
weiblichen Geschlechts und im Nona und Acc. der Mehrzahl
aller drei Geschlechter auf. Ja, das -i erscheint sogar bei der
schwachen DecKnation an allen Eigenschaftswörtern im Nonn,
und Acc. der Mehrzahl. Die folgendeZusammenstelluni^ zeigt dies.
a) Starke Biegung.
Einzahl.
N. [läqi Tsit] lange Zeit, [j* lai^i Kasj eine lange Gasse,
[khe läQi Myr] keine lange Mauer, D, [loi laijar T^\\\, [in or^
\ki^^ Käs], [ä klienar laiso Myr] ; A. [ona iafti Tsilj, [türa/ 9
läQi Käs]) [hinlar khe laqi Msi].
Uehrzahl.
N. [p^ti Fiss] beide Füsse, [p&ü Bant] beide Hände, [paiti
kjk9] beide Augen ; D. [fd p6t9 Flas], [mit pAta Hant], [ys paite
Äykd]; A. [türd^ P^ti Fids], [üfpöti Hant], |äm paiti Ayks].
Andere Beispiele: [9 äntari Frök] eine andere Frage, [a
fyli Pir] eine faule Birne, [wenik siosi Milay] wenig süsse Milch,
[krosi Hera] grosse Herren, [älti Sällata] alte Soldaten, [läiji
Fii.iei] lange Finger, [prenti Khintar] gebrannte Kindel', fkswelti
Hartepll] geschwellte Kartoffeln, 'frei höli Tsän] drei iiohie
Zähne, [ül katültiki Söf] viele geduldige Schafe, u. s. w.
b) Schwache Biegung.
Mehrzahl.
N. [I'krösi Kinlor] die grossen Kindei , [tio pesi Ppwa] diese
bösen Buhen, [mar\ki armi Lilj laaiiehe anue Leute, D. [in ta
krosd Khintar], [in lano (diesen) pesa Pyawa], [pi (bei) ma^jke
ärma Lil] ; A. [üntar tkrösi Kbinter], [fir tia pdsi P^'awa], [fir
maQki ärmi Lit].
Andere Beispiele: [äli priß Mön^] alle braTe(n) Menschen,
[etliki riyi Pyra] etliche reiche Bauern, [sali s^ni fipfl] jene
schönen Aepfel, (tini nöii Klaitar] deine neuen Kleider, [ünsri
jülQi Hianla] unsere jungen Hühnchen usw.
Die mundartliche Endung ist, wie in der Schriftsprache,
die nämliche, wenn das Eigenschaftswort ohne Hauptwort
steht, dies also zu ei^änzen ist. Wenn die Mutter ihre Tochter
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— 201 —
fort^rliickt, in einem Lail»Mi Wn!lr> zu kaufen, .so ruft sie ihr
noch nach : [Ty priij^ swäiisi] du l^ringst schwarze. Der Baum-
zfichter, dem die jungen Obstbäumchen seines Nachbars nicht
gefallen, rühmt von den seinigen : [I hkn ^nari] ich habe
scb5nei«. Ein hftufi^es Schnaderhflpfel lautet .*
[t'ri/i Lit hau VLnie tsyej die reichen Leute haben die Läden zu,
[an tYirmi han si ofa] ond dih armen haben aie offen \
[t^xi'/j lai ban Kalt kenf«) die reiohen Lente haben Geld genng,
[An t*ftrmi han *t fersofe] nnd die armen haben es ▼ertrunken.
Ebenso werden die suhstantivierten Eigensckaft9Worter^heug\,
wie es der folfpende Abzählreim zeij;t:
[FAaenk'/.t hii J&Qi knihyt] Fastnaeht hat Jnnge gemacht,
[fimfetawhntsik in ainer Nh7t] 35 in einer Nacht.
Wie heim Eigenschaftswort, genau so ist es beim besitz*
anzeigenden» hinweisenden, fragenden, bezütriichen und unbe-
stimmten Fürwort. Es heisst also:
a) hetm besiizameigenden Fürtoorti \l hän mini Myotor
kfrokt] ich habe meine Mutter gefragt ; flini F4t9ra sin nlt kvdt»
mini sin pfesar] deine Federn sind nicht gut, meine [die mei-
nigen] sind besser ; [siiii Syo sin farlsd] seine Schnhe sind zer-
rissen ; [as hri sini Klailar forterpt] es hat seine Kleirlor verderbt;
fsi het iri Khinfor su in s P^t kl^kt] sie hat ihre Kinder schon
in das Bett gelegt ; [he.^ unsri Hyan nil ksa] hast du unser
Huhn nicht '^»^p^jehn? [mir sin iin-^ri fir»rr>J wir sind unsrer vier;
[kal, oiri Mäkt het üfkintat] nicht wahr, eure Magd hat nufjre-
kürirli|,'^t ' [J6, ün eiri oi] ja, und eure (die eurige) auch? [Si
waij, klüyw i, in iri Haimnt un iri filtara 'pflAka] sie wollen,
glaube ifh, in ihre Heitnat und ihre Eltern pflegen.
b) beim himveisenden Fürwort [Tai Ii sali .h'imfor ni(t)
kiSilo] wQrde dir jene Jungfrau nicht gefallen? [Nui, a soniki
wil i nit] nein, eine solche will ich nicht ; [sali intar ihri wot
i önler] jene andere dort wollte ich eher; [9 s6 aini Üt mor
p6sdr kfild] eine solche wCIrde mir besser gefallen«
c) beim fragenden Furvoorii [Wili Mit sola mar hito
ts<^r.^ mäjd] welche Wiese sollen wir heut zuerst mähen ? [Weli
fü eiy het t^s ksait] welche von euch hat das gesagt? [W;>li
Wala sin öiar] welche Wellen sind euer? [To priQ i-n-i tswu
Sorta Pir9, weli wan or khayfa] da bringe irh ouch zwei Sorten
Birnen, welche wollt ihr kaufen? [Was fii- aini is tesj wa<; für
eine ist das? [Was Tiriki han ar no}^ thaim] was für welche
habt ihr zu Hause?
d) beim hezi'fffhc}t('}i Fünrovt welche : [Vf weli Sit fol i
M^j auf welche Seite .soll ich stehn ? [Llf weli äs ta wit) auf
welche (dassj du willst.
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e) beim unbeaUmmten Fürwort: [Pry/a-ii'ar khd Pisa]
brauch I ihr keine Besen? [üäx, mir piT/^ kh^ni] nein, wir
brauchen keine (Mehrzahl.) [I hkn khört, l' Fik» seia 9 so k^al,
i ha no kh^ni kasa) ich habe gehört, die Feigen seien so gut,
ich hnhe noch keine (Einzahl) *,'o;:;osson. [J^ti khosiat a Mark]
jede kostet eine Mark, ['s sin ^tliki fü-n-ana tö ksi (ksina)] es
«find etliche \on ihnf>n da gewesen. [Mar ni]^9n (mian) äli ätarwa]
wir müssen alle sterben. [Un ioy^ maina ma^ki, si seia p&sar
äs änli ij und doch meinen manche, sie seien he«5:er a!- andere,
['s ht't •<ü mai]ki kirlj es hat sirli «lion manche geirrt.
Von den Zahlwörtern W( i>eii «las Suffix -i nur die
folgenden auf: [aini] eine, wenn e< ohne Hauptwort steht : [Wi
Iii Te^rtar het ar) wie viele Töchter hat erV [Aini] eine ist es
adjectivisch gebraucht, so lautet es [ai] : [i hä nüma ai Falar]
ich habe nur eine Feder), und die unb^mmten Zahlwörter
[älijalle: [äli Fal] alle Falle, [elliki] Gliche: [Mliki Maitia]
etliche MSdchen, [a jöti] jede : [a jöti Fräy] jede Frau, [maqki]
manche: [ma^ki Fdklj manche Vögel. Entsprechend der Regel
über die Eigenschaflswörter^ weisen diese Zahlwörter das Suffix
-i im Noni. und Acc. auf, wie es die folgende Zusammenstellung
zeigl.i
Einzahl Mehrzahl
N. [a jöti Fräy] je<le Frau, [äli Fal] alle Fälle,
D. [in j^tara I'Väy] jeder Frau, ffü äln Fall von allen Fällen,
A. [fir ajeli Fräy] für jede Frau, [ul uii Falj auf alle Falle.
' Die Grundzahlwörter 4 — 19 zeigen, wenn sie ohne Hauptwort
stehen, in Rafach (auch südlich dftvon; nicht das Saffix -i, wie z. B.
in Colmar, sondern endigen in diesem Falle anf -» (oder ein helles -a; :
^ere, fimfa. sekie, slwana. ii/.ta, niue, ts^na. elf», tswelf», trits&ua,
hör-, füf-. 1/ siwa-, a'/-, nints^na]. Die Formen [taw^ni] nnd [zw6ni]
für den munuiichen und weiblichen Acc. von zwei habe ich zwar schon
gehört ; sie und ab«r nicht Regel.
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X.
Beiträge zui* elsässischen Philologie
von
Ernst Martin.
I. Daniel Hartiii*
Straf:shnr<T hat an der IJiiipfoslaltung des deulschen Geistes-
lel)ens, \vo)( he sicli um <iie Wende des IG. und 17. Jahr-
hunderts vollzog, einen hedeut.^ainen Anteil. Das eigentümlicli
Volksmässige der Reformationszeit, das Derbe, Grobianische,
Groteske, iwie es sieh in dea Figuren Eulenspiej^^els, der Laien-
bürger, des Doctor Faust u. a. ausprägte und von Deutschland
aus zu den Nachbarvölkern hinüber drang, beherrscht besonders
die elsassische Litteratur jener Zeit, und von Murner bis zu
Fischart braust dieser nnächtige Strom in manigrachem Wechsel,
wie der nahe Rhein sein Bette beständig ändernd und doch
stets derselbe. Schon der zuletzt genannte Schriftsteller aber
zeigt das Eintreten einer neuen Richtung. Dajs Fremde, Roma-
nische, Chssicisli^che löst das Volkstümliche ab, das sich erschöpft
um dann \m dreissig-jahri^feii Krie^; seinen fnst vnllii;en Unter-
gang 7U finden. ISlrassburg nimmt durch sieineii grusüen Päda-
gofren Jüliannes Sturm eine Fülirerslelle ein in der humanistis( dien
Bewegung, die hier schon durch Wimpleling eingeleitet war.
Sein akademisches Theater unter Brülovius erringt die Palme
des Schuldramas in Deutschland. Daneben bestrebt sich die
Akademie eine feinere Bildung zu bieten, wie sie durch die viel-
fachen Beziehungen zu den Hugenotten Frankieichs nahe lag: es
bereitet sich schon damals die für den Adel so anlockende Anleitung
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~ 204 —
zur diplomatiscben Laufbahn vor, für die Strassbarg im i8. Jahr-
hundert unter Schöpflin und Koch bis zu Metternichs Jugend
80 hohes Ansebn besass und vromit es selbst dem jungen
Goethe winkle.
Die ersten Verfechter jener neuen Dichtkunst, welche durch
die «Poeterei» von Opilz ihr Proj^rainm erhielt, waren in Strass-
bur^ zu Hause: Peter Denaisius und Isaac Habrecht. Ihre
Gediclite wurden mil denen von Opitz zusammen 1624 in
Slrassburj^ veröfTenllicht. Noch tiilt hier wie mml in Deutsch-
land die Nachahmung italienischer und spani^^rhor Dichter nehpn
dem französischen KinMiis«; hervor; -ilnM- (iiest-r »Mslaikt ni*'iii-
und mehr und das Ende de.> Jahi hundcrts unlervvirlt sich .lut h
in pootisilier Beziehung völlig dem Glänze des lioi-Soieil,
Ludwij,^ XI \'.
Mit dein Slrassburger Dichterkrei.se, der, selbständig und
nicht ohne Eifersucht auf den übermSchtigen Ruhm von Opitz,
doch dessen Streben nach Sprachreinheit und nach einem tact«
m&ssigen Versbau teille, stand ein französischer Schriflsteller
in Strassburg in manigfacher Beziehung, Daniel Martin, aus
Sedan gebürtig, aber seit 1622 Strassburger Börger. Aus einer
Hochburg des Calvinismus, woher schon unter Job. Sturm ein Duc
de Pxiuillon nach Strassburg als Student gekommen, trat er in die
damals völlig protestantische Bürgerschaft Strassburgs ein, wie
schon vorher in die ebenfrdls ans^chlipsslirh protestantische
Universität. Ueber seine Aufnahme in die Ijür^'^erschaft gehen
(i'»^ Verfiandlungen der XXI Aufschlus>, woln^i wir auch nltet
an loie persönliche Verhältnisse manches ertahrea. Es heissi
hioi :
Am 29. Juni 1622 ersuchte Daniel Martin Sprachmeister
um das Bürgerrecht. Am 7. Oktober erschienen für «Frideiich
- Bronnen seeligen V^Tittib und Kind (deren) Vögt und Verwandten
Dr. Theobald Faber, M. Grusius pra;ceptor primse classis und
Consorten, bitten man wolle D. M. den Studiosum und Sprach*
meister von Sedan gebürtig (der sich mit Jungfraw Catharina
Bronnin verlobt und ihr mit Gehfil (Zustimmung) der Freund Eh
die zugesagt) zum Börger aufnehmen ... Er ^ey 6 .Tahr allhier
gewesen, ehrlich still sparsamb und hält die Fi eundst hallt [d.h. der
Kreis der Verwandten] es für ein gross glück dass die Dochter
also underkomnie und von ihm (Martin) Mutter und Kind,
Wittib und Weysen Kost hallen . . . Erkani: Hr. Schilling,
Hr. Sibenhan sollens hedencken.»
21 Dez. . . . «Herr Sihaller, Pfarrer zum Münster, dessen
Sohu un<l sonst andere er Daniel instituieri, ^ab ihm ein sehr
gutes Zeugni.s. Ei k. : Man soll ihn annehmen:».
Die hier angegebene Zeit der Ankunft in Strassburg, 1616,
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— 205 —
vielleicht auch schoa 1615, wird durch die Schriften D. Martins
bestätigt; aus diesen erfahren wir auch, dass er 1637 nach
längerer Krankheit starb, erst 43jäbri{;) so dass er 1594 geboren
sein wird.
Die Angaben unseres Schriftstellers über seine Lebensver-
hältnisse hat bereits der 1892 verstorbene Siia>sburgt'r Local-
forsclier Ferdinand Heiher aus;?ezogen, im Anliang iu seinem
Büchlein «Küchen-Zellel ittt 1 Hegeln eines strasshurger Frauen-
klo.stersdes XVI. Jahrhiindeils^», Sti nssbur«:, Heilzu. Mündel, 1891;
vgl. auch Rod. Reuss in der Kiiileitung zum Catalogue de la
Colleclioii dWlsatiqucs, (1896) und /u Xr. 070G, 6707.
fieiber besass auch die unter dei ersteren dieser Nummern
bezeichnete franzö.sische Grammatik mit deutschen und ialei-
nischen Erläuterungen, unter dem Titel Fa v u s p i" io c e p -
torum Ungute gaIMcss conslructus . . . Argen-*
tinse, 1621, mit einem gestochenen Titelblatt, welches sechs
Wappensehilde aufweist, in 8^ wie auch die sonstigen erhaltenen
Werke Martins. Reihers Exemplar, des Verfassers Handexemplar,
dem auch 10 Blätter mit handschriftlichen Bemerkungen bei-
g^eben waren, ist wieder in Privatbesitz übergegangen.
In der französischen Vorrede KU den sfiäter zu nennenden
C o 1 1 0 1| u e s bemerkt M. dass er «les premicesde mon
es tu de» 1610 veröffontlicht und 1621 mit Verbessenin^ren
wiederholt habe. 1625 habe er dann fol^^en lassen «les plus
c o m m u 11 s p 1* o V e r b e s et 1* a (,• o n s de parier m e t a -
plioriques et proverbiales qui soni les idio-
tismes de n^tre langue. »
Als dnlle Au.sgabe seiner praiceptorum Galil-
eo r u m bezeichnet er dann eine Grammatik, die den gelehrten
Titel trägt : Mupo&r^x'ov KeXtucov seu Grammatica Gallica
sententiosis exem p i is ceu fragrantibus floribus
referta. Huic accesserunt Proverbia gallica,
Epistolas atque tractatulus novas o fficiosasque
compellationes ac responsiones, quas Compli-
mens vulgo vorant complectens. Lucubraiio-
nibus Danielis Martini Sedanensis Glossodida-
scali Argentoratensis. Argentorali. Impens.
Eberhard i Zetzneri, Bibl. M. DC. XXXII. Der Titel
Salbenhüchse erklärt sich wohl aus der Anerdote dass Alexander
der Grosse eine jKMsisclie Salhenl)rn}isc znu: Rehäller seines
Hornel- gemacht liaijen soll. Auch diese Giaiiiinatik hat iil)ri;j:eii.s
kaum einen anderen Wert als den etwa die Geschichte der
Iraiizüsischen Sprachstudien ihr anweisen ma^. Doch wird die
Aussprache vielfach gegeben, z. B. auf S.^ 39 die eines ge-
reimten Psalms:
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— 206 —
0 Lumiere Eterncllo
Q u i du f 1 a m h f a Ti des c i e n x
Ebclaires ma pruneUe
Bends moy devotieax
Ponr deft«mfiitt t« rendre
Orftces » 0« matin,
Etmes Bftinctt to^ox t*«p-
0 Iflmiehr iUrn«!!«
Ki da flftnbeoh d& 8i5>
Par duemau te randre
GrsMdft a se matin
E m& sin vö tspandre
Ekliiie ma prünelle
Kail moü devobsiö
pendre
Loüant ton nom tans fin.
Laau tan nan a&n fin.
Weit iDteressantar sind die zwei noch übrigen Werke
Martins, welche das Französische nach der aach heute noch
viel beliebten Weise gesprächsweise lehren wollen. Hier zeigt
der Orammaliker sich als einen Weltmann, der zugleich mit
grossem Fleiss, wie er selbst hervorhelien darf, sich um Aus-
drücke und Wendun;(en des gewöhnlichen Lebens wie der ver-
schiedenen Künste und Fertigkeiten hemüht hat. In wiefern
diese Werke zusammenhängen mit älteren Versuchen dieser
Art ist hiernii ht zu iintersiirhen : unter ihnen würde ein frei-
lich sehr primitiver scliuii we^en seines ürspninfrs in der
Gegend von Alltesdoil und im 10. Jahrhunderl uns n.iher an-
gehn; ganz besonders aber konnten auf D. Martin die Lolloquiu
des Ki;jsmus eingewirkt imben.
Darauf deutet der folgentie Titel ; Les colloques Fran-
ca i s et A 1 I e m a u d s (t e Daniel Martin m a i s t r e e n
la langue Frangoise ä Strasbourg, ausquels esi
adjoustee Une Nomenclati»re non encore veüe.
La Methode de composser lettres Fran9oises.
LaMonnoye coursable enFrance. Une grammaire
Fran^oise. Frantzoslsche und Teutsche Gespräch
Danielis Martini (u. s. w. Uebereetzung des firz» Titeb).
A Strasbourg, aux despens d*Euerard Zetzner
1 i br a i re. Nun folgt im Exomplai der Universitäts- und Landes-
bibliothek die Jahreszahl M.DC.xLII (so!). Das wim also 1642.
Aber damals war D. M. schon tot : und die Vorrede ist unter-
zeichnet ä Slrasboiirj !e \ Sej^t. 1627. Danach ist die
.•\ngal)e, dass das Buch 1t>'i8 erbchieu, wohl zulrefl'end. Auch
die angehängte kurze Grammatik Cnmpendiuin tavi pra--
ceploruiü l. G. trägt unter der Vorrede das Datum
20 Jul. 1627.
Der I. Teil der Colloques hat den Titel: Du voyage
de F r a n c e , von der Reyse in Frankreich. Es ist eine Reihen^
folge von Gesprächen zwischen mehreren Studenten» Meister
Claudi dem Kutscher, den Lackeyeu, den Wirten und den
Mägden. Beim Abschiedsschmause kommt noch Hans Wurst,
Schmarotzer hinzu, er lässt sich den oft etwas unfeinen Witx der
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jiinj^'en Herren gern ^^et'allen, da er auf ihre Kosten mit
schmausen und zechen darf. Wir erfahrenj dass die Reise nach
Paris fGr 8 Personen je 10 Reicbsthaler kostete und 8 Tage
dauerte ; dass man die Zaberner Steige neben dem Wagen
hinauf stief^' un«l sich hier vor Räubern nicht ganz sicher frihltc;
dass man in F^liilzhur^' sclion Gelegenheit hall«' sich im Fran-
zösischen zu üben. Seltsam berührt uns die Mischung derber.
y.{ iintiri!i^''«T (doch nicht lüsterner) Redensarten, wie sio iieim
Schmause geführt wcKlt n (im Wirt>h;»ii-^ wird sogar die Frage
nach einem gewissen (»rte t'iii;:t'lie!iii lit>li;uidelt) «nil der fnjmmen
Neigung Gebete cin/.idloLhlen Vau solches leitet den Abs( hi('il<-
schmaus ein und beschliesst ihn : freilicli bemerkt einer der
Tischgenossen ; «Wie ich sehe, so ist der Herr von denen, die
gern kurtze Gehett und lange Bratwurst haben.» Bemerkenswert
ist auch, die übermässige Fülle der Complimente. Daneben die
vulgärsten Redensarten, die heute noch gäng und gAbe sind ;
so namentlich für körperliche Gebrechen. Von einer Pocken-
narbigen heisst es : man hat Erbsen auf ihrem Gesicht ge-
droschen; von einem Menschen mit grossem Mund: die Ohren
frewen sich, sein Maul gehet zu ihnen zu Stuben ; von einem
Grossnrisi^-^en : Ihr seidt tapfer gelaufen, wie man die Nasen
ausgetheilt hat. Ein Zor!ii;^^'T « sitzt bald auf clem Esel T)ie
Steuerauf^olipr fgrhon \i>ii l iinMn Wirthsliauss zum andcrii zu
schn^ickrn odrr riechen was mau kocht. i» Bei rlm « Hallten aufT
die Teulbclie Maniei" nehet man die Weiblein ans \Vanuii> imd
die Miinnlein oder Hacken an die Hosen.» Wir liahen überall
jene dialectus Alsatica vor uns, welche Opitz seinen
Strassburger Freunden mit der Sprache Luthers zu vertauschen
riet. Martins Schritten sind eine wahre Fundgrube für unser
Wörterbuch der elsässischen Mundarten gewesen , wie schon
Charles Schmidt von ihnen ausgibigen Gebrauch gemacht hat.
Merkwürdig ist im Gesprach: «Von <len Kleidern» eine
Anspielung auf eine eben erschienene Schrift, welche Martin
offenbar etwas emplindlich berührt hat. Es heisst hier:
(tP(etor) : Man schilt sehr an den Franzosen dise begird der
newen saclien.
G(arl): Ein jegliche Nalion hat ihre sondci licJie t.uiel : sie
suchen das vollkoaiinen int Wechsel : >r»iisten .•>ejnd di«? jeiiige
viel mehr m helttMis vnd ausslachenswerth die diese Unhe-^tändig-
keit schellen, und nichts desto minder, wie rechte Aflen, tljuu
sie es ihnen in allen sacheu nach, tragen bald ein hohen spitzigen
Humpen zum Hut, bald ein nidrigen mit breiten sülpeii wie
schwammen. Unter denen ist derjenige dessen unverschämte
Unbedachtsamkeit so gross gewest ist, dass er sie mit gedruckten
schrillten nicht allein für unbeständige und leichtfertige Ge^
~ 208 -
sellon, -« nilera auch für verderbte Schandschelmen auss^e-
i'Uilen hat.
P. Ks möchie ihn wol noch oinma! «^eiewen.»
Hier ist wohl, wenn nirlil das AlrxandrinerjjTedichl «Wn-
modo Monsiers» 1628 (.1. Opel luid A. (lohn. Der Hreissi'rjiihrij4e
Krie«,''^ Halle 18r)'2 S. <ii dnuh etwas Aehnliche.s j^t'ineinl.
Ueber die Rinfiihiuui; th-i iVamösischen Mode in Tracht und
Sprache kiaj^l ja bes<.»ndets Moscherosch, und ihm habe ich im
Jahr-Buch der Gesellschaft für lothringische GescMdite und
Altertumskunde, 3. Jg. i891, S. 11, wenigstens vermutungs-
weise die Verfasserschaft des Gedichts cAlamodo Honsiers»
zugeschrieben : Moscheroscb wird von den Studenten, aller-
dings erst in späterer Zeit» verklagt, weil er über ihre Kleidung
((etliche Teutsche Versch» gedichtet habe. Einzelne Schriften
Moscheroschs könnte man auch als Concurrenzarbeilen zu denen
Martins auffassen s. a. a. 0. 6.
Immerhin darf nicht übersehen werden, dass D. Martin
von einem Freunde Mosrlierovchs, Job. Heinrich Schill, in «Der
Teutsclien Sprach Kln eii-lvi anl/. Neben enietn Namenbiieli »i,
Strassbur«,' 1<>W, heitälli^ an^elVdirl \vir<l. Ks ist die Uede von
den tj unzu.->i»i;hen l'lnrlien mit Um listabenver.-etzun^'" : aV^er-
tubieu und verlubleu = vorlu (dcj Dicu, verlugoy, cbeii.>uviel. Wie
solches nicht ohne bewejjnuss Daniel Marlin in seiner Fr.
Grammatic An. 1632 mit mehrerem erweis8et.t Dass auch
Philipp von Zesettj der berufene Purist, D. Martin anerkennend
aufführt, beweist allerdings nicht viel.
Der Inhalt der C o II o q u e s von Marlin ging nun grossen-
teils über in sein Hauptwerk, dessen Titel zu lang ist um
vollständig mitgeteilt zu werden. Es ist das <P a r I e m ent
nouveau ouGenturie interlineaire de deuis face-
tieusement serieux.et s erieu sement facetieux...
ouvragenon moins utile pour le public quede-
lec table ponr la variete des rencontres , . . pnr
Daniel Martin i n u i s t e , ä S t r a s }> ( » n r ^' , n u x
<i e jj p e n s des H e r i t i e r s d e 1 U ii L a / a i- u s /, e t z n e r ,
anno M.DC.XXX VlI. (Deutsch: New Parlanient udei- Hundert
Kurzweilige, docii nützliche Gesprach usw.) Eine 2. AnÜage soll
IGGü erschienen sein.
Die Form ist derart, dass nicht nur swischen den Zeilen
eine wortgetreue, sondern auch zur Seite eine Uebersetzung dem
Sinne nach gegeben wird. Als Beispiel diene das erste Gapitel.
Vom Meiste i schulen.
Da maistfe d'Escolo. Vom Schulmeister.
Wohin gehet ihr. wohin ist
es das ihr gehet?
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— 200 —
Oii allez-yont ? Oft est ce qoe toqs
allez ?
Ich gehe zti der schulen
Fr ant zös ische.
Jt vay k TeMole Frangoite.
Wositt hftlt maa? Wo istes
daa man sU h<?
Oü la tient on ? oA est^ce qn'on
la tient.
In dergas^en dessMunsters.
En la raii uu Moustier.
In waleiier Gegend?
En qnel endroit ?
Neben dem becken. der seit
dessMün sier» oder sadem
Münster.
Joignant le boulenger, dw coste
du Mousüer, ou vers le Moustier.
Wo wolt ihr hinf
Ich gehe in die französische Schule.
Wo h&U man aie ?
in der Münstergassen.
Wo zugegen ?
Neben dem Weissbecken dem
Münster an.
Wir erfahren dann Preis und Zeit der Unten iehlsslunden :
sie finden von "10—11 und 3 — 4 statt, «danriit die Classsbuewcn
(Scliüler des Gyimiasium^;) dai ein komuieii können;* ; auch vom
Gegenstand, Gang uiui Ziel des Unterrichts handelt der Autor.
Und so werden wir in 100 Capiteln durch das ganze da-
malige Strassburg getülirt, wir wechseln unser Geld, wir wer-
den mit S|»ei& und Trank, mit Kleidung und Schuhwerk ver-
sehen, wir bestellen uns Holz, wir lassen uns barbieren, wir
holen uns Briefe auf der Post, wir lernen fechlen und reiten,
wir spielen Kegel und zahlreiche andere Spiele, wohnen einer
Hochzeit und einem Begnlbnis bei usw. usw. Sirassburg wie
es leibt unrl lebt und inmitten der Schrecken des dreissig-
jährigen Kriegs einen freilich getahrlichen Frieden geniesst,
tritt vor uns. Selbst der Hexengiaube, von dem auch der gute
Daniel Martin nidil frei ist, stellt sirli uns vor Anp:en. Wir
liop^ipitVn wie ein Liol)li;il)<^r des alten Strns>hnr^% wie Ferdinaad
Reiiier das Buch, uin die Worte >enies Nachrufs zu gebrauchen,
beständig unter dem Kopfkissen liegen hatte.
Nur zwei Kapitel mögen al^« Probe folgen, weldie die Stu-
denten der alten Universität Strasshuig uns vei tTdnen; ih^ erste
mit der Duellsuclil, welche von Frankreich aus gerade ilanials
nach Deutschland sich verbreitete; — beklagt doch Barclai in
seinem köstlichen, fär den jungen König Ludwig Xlll. geschrie-
benen Buche Icon animorum eben diese französische Un-
sitte; — das andere mit dem mehr deutschen Pennalismus.
Zu beiden Scenen giebt das Speculum Cornelia num,
Strassburg 1608, welches vor ein par Jahren hier wieder abge-
14
r
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— 210 —
druckt wurde, JSeiteuslücke ia Bildern, wie man sie nur wün-
schen mag.*
Das vier viid zwantzig^ste Gapitei. (P. N. 250 88.)
Vom Balbierer vnd Wundartzt.
[Student] Wehe, mordio, helfn jhr gute freund t
[Leute] Was ists? was mangelt euch? «er hat euch gethan?
— Hebet ihn, hebet ihn!
— Er ist gar xu wol zu fuss, dass man jhn erlauffen könne.
[Stud.] Erbat mich gar vbel ^'chawen : fQhret mich geschwind
zu einem Balbierer, weil ich noch ^ehen kan: ich weiss nichi
ob ich darvon komme, ich bin tödlich verwundet ; der verlusl
meinem: [reblüU wird mir ein Ohnmacht verursachen, wann es
nit bald gestillet würd,
[I.eute] Wir stehen schon vor Meisler Philips hauss,
kloplet an!
— KlopfU an, bola, schlafTet ihr schon alle mit einander
darinnen ?
[Balbierer] Wer ist da?
[Leute] Gute .freund, macht geschwind auffl
[Balb.] Was ists» Ihr Herren ?
[Leute] Bringt ein liecht her, so werdet jbrs sehen.
[Balh,] Ach, Herr, wer bat euch also su gertcht? fürwar
es kdnten euch ewere beste freund in diesem zustand nicht
erkennen.
[Stud.] Helflet mir geschwind, meister ! dann die langen
gespräch schicken sich jetzt ^'nntz und gar nicht.
[Baib.| Herr, ich bin gaiitz ferli<r : sobald jhr mich berich-
tet habt, NYo und durch wen euch solches ini^-^t^than ift worden,
will ich zur ai beit greiflen : dann wir müssens beym eyd der
oberkeit anzeygen.
[Stud.] Wol an dann, so will ich euch den gantzen handel,
ohne Verfälschung der warheit kurlziich erzählen.
Als ich zu gast gessen halte, und gienge wider heim, hab
ich einen Soldaten angetroffen, der sein gelt an nasse wahr gelegt
hatte und einen löwen wein gesoffen.
Als derselbe nun blerrete wie ein Mertzenkalb, imd schrie
* Im folgenden Abdruck sind die ünterredner iu eckiger Klam-
Dtern bezeichnet, die Interpunktion und in nebensächlichen Dingen
auch die Orthographie der nnsrigen angen&heit, sichere Druckfehler
verbessei't.
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— 211 ^
sa, sa, sa^ hab ich zu jhm gesagt: wer hat dir gethan V was
mamgell dir?
DaraufT hat er von leUder gezogen, iu die steine gehawen,
und zur antwort gegeben :
«Was gehets dich an, du penal, schulbub, bachant, black-
scheisser, bungerldder, gerstenfresser?
Komm her mit dem degen in der fiiust, so du einen hast,
und wehre dich meiner: sonsten iwiU ich didi flftchling himmel-
blaw schlagen».
Ichf dei' ein redlicher Student bin, der ich schon vor drey
jähren deponirl, mein iienal jähr aussgestanden hab, und bin bey
xwey Jahren aus dem statu innocentiae (wie man pflegt
zu sagen) als ich mich hab so grausam und hart an meinen
ehren angetastet empfunden, hab ich aisshald mein rapier aus«-
gezogen, mit willens dieses naiTen freybeil zu begegnen vnnd
nider zu lo'^en.
AIh I Iri Jpr, am ersten g^ng hab ich jhn gefrohren, fest
und hart wie einen stein befunden: dann Avie ich jhrn einen
friscIuMi stosi. gradt aufi" die brüst gelauj^t hab, hat sich Uiein
degen auü seine scbelmiscbe brüst, als ein bogen, gekrümmet,
und ist gantz nicht hinein gangen.
El-, mit einem geschwinden gegenstreich, hat mir einen
solchen hieb über den kopff (oder grind) versetzt, dass ich ver-
meinte er were mir entzwey gespalten.
Da das blut auss der wunden bauffenweiss sprang, und mir
über die äugen geloflen, bat es mich des gesichts beraubt und
zugleich alle mittel mich zu wehren benommen, hab also um
bilff schreyen müssen.
Wie micli diese Herren, welche nicht über zwantzig oder
dreyssig schritt wt^'ü von mir waren, haben also hören scrheyen,
und an der sliinme erkant, seyn sie darzu <;elauflen: doch uil
zeitlich unui^y dann under dessen hat er mir noch einen stoss
durch den arm geben.
[Balb.] Kennet ihr ihn woi?
[Stud.] Nicht anders als von gesicht. Er wacht offt am
Melzgerlhor.
[Balb.] Ihr bettet besser gethan, wann jhr stillgeschwi^n
bettet, und jbn lassen schreyen: wisset ihr nicht das wir
au fr Teutsch sagen, ein fuder bew solle einem vollen mann
weichen, ich bin allbereit zwantzig Jahr in dieser statt, und bin
bey nacht fast alle stunden, ja nach Miltemacht über die gassen
{rangen, hab aber noch nie einen trunckenen mann angetroffen,
der mit mir einen bände! angefangen habe; hat mir auch die
schaarwacht die panizt ih nul'^fhuh niema!« zu versuchen gehen.
Die ursacb i:$t da&a ich jene stillschweigend bab iür über
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gehen lassen, diesen aber gute werte gegeben. Ein gutes wort
findet ein gute statt: und wie das wasser das feuer verlöschet^
also auch den lorn ein gutes wort. Aber es ist für dissmabl
genug gepredigt, zu geschehenen Sachen soll man das best reden*
Sitzet in den stui, wann es euch beliebt.
hm<^, bring ein wenig lawlicht wasser das blut vom gesiebt
und den haaren ab zu waschen, unnd weissen warmen wein,
die wund zu seuhern, und ein scheermesser die haar herumh
abzuscheren.
Acli ! wie ist sie j^toss I weich nur lia her '= frz. Donne-
moy l esprouvetie, und darülier: Gib mir ein wundeysenj, dass
ich sehe wie dtetf sie ist.
Mache carwey [= frz. charpie, darüber schleiss] auss
einem alten lamplein, und schab es mit der schneid eines
roessers, meissel drauss zu machen. -
Nimm die bindbQchse [= frz. )a bouette aus ongues, dar-
über: die hüchs zu den salben] und mit einer spatel streiche
von der grünen salben auff ein tüchlein zu einem pfiaster. für
die erste Verbindung.
F&rwahr die wunde ist ziemlich tieff : ich sorg die bim-
schal wfirdt verletzt sein. Wann das were, mOste man euch
trepanieren, die «prussel heraus zu nehmen: sonsten möchte
das hirn ersch wären und euch ohu allen zweifei under den Grund
bringen .
Lasst uns stdien was dran ist. Gott sey gelobt, der schad
ist nicht so gross als mich hesorj^^ete.
Jedoch das sicherste zu spielen und nichls zu wagen, würd
man die geschwornen nieislei zusaniuien beruffen müssen, so
bald der tag kommen ist. Unter dessen will ich di» pfiaster
drauff legen, und eine bausch drfiber, damit nichts im schlaffen
dran ßcket.
Das fünft und zwantzigste Gapitel. (282 ss.)
Vom Penal und Schulf uchsen.
[A.] Ich hab newlich ein schreiben hören lesen, das ein Junger
Doctor in der artzney an einen freund geschrieben, darinnen er
das stndenlen leben hoch lebete, welchem er ^^ute nacht sagen
müsle, sich in den Khe- und Wehestand zu stecken. Sagt mir
doch, lieber, ist da.ssell)ige so histig, als man es macht?
[ß.j Ja wann nur zwey i^eding gesetzt seyud, nemblich
dass der seckel wol gespickt, und das böse penal jähr fürüber
seye, dann auff den hoben schulen, da die UbermSsffige frey-
heiten oder privilegia allen bubensföcken und schelmereyen.
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<?in nnln rs })en hnben, ist nichts elender unnd arJijeitseliger
als emus penals U-hen.
[A.] Was nennet ihr dann einen Gelbschnabel? ist es ein
halber mensch und iialber vogel, dass ihr ihm einen Schnabel
{wie die teutschen federn) zuschreibet?
[B.] Nein, es ein junger Knabe, der kein bachant mehr
ist, sondern ist anif die teutscbe manier deponiert und zeucht
anff eine hohe schule die publieas lectiones anzuhören.
Er heisst gelbschnahel, dieweil er auss der schulen, wie
ein junger vogel mit einem gelben schnabel aussm Nest, gantz
unerfahren, ungeschickt, närri>ch und voller eyteler vermessen-
heit auss und in die Höhe lleucht, die Schwachheit seiner federn
unbetrachtet, deren kiel noch jjanlz weich und blutig seynd.
[A] Wo kompt der name Penal iier, so man ihm auff
Teutsch gibt?
[B] Wann das wort vom Hebräischen Nnppnpl (das ist ein
mißgeburl, dteweüerihm ein vollkommene Geschicklichkeit ein-
J)il(lftl, die doch nicht mehr ist, als ein unförmliche und un-
zeilliche tVucht ist) nicht herkommen süli, s<» halle ich dartür,
•es sey verderbt von einem andern, das heisst Nabel, das ist
närrisch thun, wie gemeiniglich zu thun pflegt ein junger
Student, dessen him der Kunst Iftr ist, und steckt eyteler ein-
bildungen voll. Versetzet die bucbstaben, so werdet ihr Benal
-drauss machen, und durch Verwandlung, dess 6 in P, Penal.
Dann was die Ursachen anlangt,, dadurch etliche beweisen wollen,
es komme von Pen na, seynd sie leichtfertig wie federn.
[A] Was dunckt euch aber von so vielen gespött und phigen,
die man diesen jünglingen an thut ?
[B] Nichts (?uts : dann wiewo! solche vexirerey g^ejjen ihnen
anlanglich angeslellet worden, damit sie ein jrrowel und hass wider
ihren Unverstand inid grobheit schöpften und Cassten, nach derregul
Vexalio dat i a t e 11 e c t u m , so hat docii der schandliche
missbrauch der weisen Ohcrkeit dieser Statt und hohen Schulen
anlass geben, den gebrauch sammt dem missbrauch abzuschallen :
•dieweil vil weniger gefahr daran ist, einen jungen tölpel etliche säw
einlegen zu lassen als zu leiden dass ein hauSen scbelmen, so nur
vermummete Studenten seynd, sein hauss nachtlicher weil stürmen,
die thürn einstossen, die fenster einwerffen, die stubenö£Fen ein*
tretten, seine bücher zum fenster hinauss in diegasse werfen, ihm
nasenstüber geben, ihn mit tritten und s|iorenstreichen zwingen,
sich under den disch, oder under die banck zu verkriechen :
und mit diesem allen, diesen dollen, rasenden zuchlmeistern
und vermeinten reformirern der sitlen, zwey oder drey Tag
Jang zu fre.s«en und saijflen 7u ^reben, wiewol sie ihn under-
•dessen hunds übel halten, ihm &>tätä mit diesen spottischen
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nameii l uiieii : huy Uahsclmabel, trag auff, schenck ein, du
jijinlilvN iinn, ^clireckenberger, (ayx, paphan, zölner, feudisl,
scliuLiieni^el, butx das liecht, Ih^ir jnhannes, Dorn ine feudi:
wie ^eläh dir das leben, junger Herr Urian, liechtbuUer,
Quando venisti? Domine Nicodeme, Herr Benedict,
Neoviste, Domine jnvenalU. Darauff muss er antwor-
ten, Ego suni quasimodo genilua, Studiosus occa«>
sionatus, Luca.« de penna.
[A] Habt ihr diese grewiiche exoess Qbersehen, das« ihr so
natürlich und ei|;enttich darvon sagen könnet?
[B] Einen Theil hab ich gesehen, und den andern von
glaubwürdigen leuten erfahren, die solches mit unlust offl haben
sehen müssen.
[A] Womit verantworten die schlr^mmcr ein solche schinderey ?
[B] Sie sajrcn oin jt>;:liclies jun;:es bliit, das auss seiner
mutter «choss herkoinpl, seye init inultergelt wo) ver??t»hen, uinl
sey !5ein einsiarnl iiiiil willkointn oder ein penalsclimaus siimi-
dig , und wnnn er dieser Ordnung widerstreben will, reciieQ
sie sich, wie vor gemell.
[A] Wer aber freywülig spendiert, und gibt solchen Herren
einen schmauss, ist er ins kunfftig vor dieser barbarischen
tyranney befreyet?
[fi] Ja, wann er nur bey &hrt, nicht die erste stelle bei
Tis<*.h einzunemmen, oder oben an zu sitzen begert, zQchtig
isset, den schleckbisslein nicht nachlrachtet ; dann wann es ge-
schieht, das ein Penal eines Kalbsbratens Nieren behält (welche
sie den Schultheiss oder Burgermeister nennen) oder eines ge-
bratenens Capauns flieget, den deckel an einer Pnstelen von
Spanisehen tey^j, die Zun^^^e an einem KarpfTen, oder Spanfärcklin
schiiule, so stellet nmn ihm eiti ^^rosses (ilass ofler B«:>cher vor,
und .s;\^^t in.in zu ihm, Herr ürian, auf ein guts Bissiem ^"^ehört
ein guter Irunck. Dat uU^r säufl"! die gaalze Burscli den üi)r i{?en
Tag und die Nacht aufl* seinen sacke!: oder aber stellens biss
auff den andern tag ein, da besuchen sie ihn ins gesambt auff
seiner stuben, rucken ihm seinen Unverstand auff, und straffen
ihn umb einen Schmauss, der in eine Cvasterey von einem tag
und einer nacht verwandelt wird, die gemeiniglich auff funfftzig
oder sechtzig reichsthaler kombt.
[A] Wozu dienet diese grewiiche Verschwendung und ver-
zehruii^^ des Guts?
[Bj Ihn zu witzigen (sprechen sie) nach dem Sprichwort^
Schad macht klug.
Ja, aber sie irren sich, und mi^^sbrauchen dieses Sprich-
wort : »lann der weise Vatter leitlet vielmehr den schaden, als
der unverständige Sohn: und werden darzu viel junge Knaben»
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die eiiifaltit.'^ uiul forchtsam setod, gantz plump, bethört und
dess sludiercns l'eimlt.
Welches diese henschalU bewegt hat, so viel schädliche
Privilegien, die allen Lastern ein anlass geben, auffzuheben,
und der Studenten Sprungriem und Zaum in ihren Händen
2U behalten, geldstraff auflzulegen, sie einsuzteheo, strafTen,
zu relegireoj und zu richten nach heschaffenheit ihrer uber-
trettungen und lasier.
Darumb das man alle Tag hörete von mordten, welche
auff andern hohen Schulen durch der Rectorn nachlässigkeil.
klinnmOthigkeil und gunst ungestrafTt blieben, indem sie die
Mörder weglaulTen und entrinnen Hessen.
Welclit s auch eine ursach war das sich viel Ellern wägerten
ihre Kinder studieren zu lassen, diewcil sie fTirchtefen, dass
di('st'lbi;ie umb leib und seele urider einem Haull" solcher
Schwärmer kämen, die da auss dem ^^assalum ^^ehtMi und auss
dem blarreu wie unsinnige Thier, und auss huren, ein Hand-
werk machen.
[A] Meinet ihr dann, diese hohe bcimle sey gantz und gar
dieses ungezillors Frey?
[BJ Freylich nein. Aber diese BurgerschatTt i.st so gross
und slarck, dass sie dieselbe nicht ermeistern, hudeln und trillen
können, wie sie in den Stüttleiu zu thun pllegeQ, darinnen sie
die Burger in der anzahl Qbertrefien.
Die harten Sprungriemen und brembsen, die man allhie den
bösen Rossen anlegt, machen dass sie weder beissen noch
hinder sich schlagen können, und machen sie so geschlacht,
dass man sie umb einen Finger wickeln köndte« und madien
auss reissenden WölfTeo, fromme und gedultige Schäfflein.
Derenthalben schickt man allenthalben her junge Studenten
in diese Statt, als in die beste und berQmbteste holie Schule im
teutsch-Landf darein sich die Musae, welche Martis gescbrey
von andern orten verscheicht hat, als in eine veste Burg und
einige Zuflucht, begeben haben.
Es seindt noch andere Ursachen, dieses zuiaulls der Stu-
denten, nemblich die nachbarschaft dess Frankreichs, die gelegen-
heit underschiedliche sprachi«n zt» erlehrnen, und dio i xcrciticn
für die Stut/t'i , als, die l'icke und Fahnen schwingen, reiten,
auff der Laulcu und Mandor schlagen.
h^on^ton ist der armen und elenden ^Studoiitcu Wagnt't, das
gute mittei ihr Lrliea zu erhallen, und -it Ii nusszuhringen,
mit liurgers Kin<lern, die sie lesen und sclireibeu lehren.
[A] Was gild man ihnen woclienllich ?
[B] JDrey Schilling oder fünffbatzen, mit einem iVeyen im-
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])is$, oder mablzeit. [= Neuf ou dix sols NeuQ oder Zehen weiss-
pfenning.]
[AJ Können sie sich mit diesem geringen gewinn auss-
bringen ?
[B"J Ja, dann es liat ein je^lichor t'ünff oder sechs solche
Schuler, die iliiu uhn^efälii' einen Iieichsthalei", oder zvveen
Guiden wöchentlich bezahlen, damit .sie so hin- und kümmer-
lich ausskommen kAnnen.
[A] Wie ist es müglicb?
[B] Ich wills Euch sagen. Es gibt viel Handwercks Leul,
die tvochenflich drey oder vier batzen nemmen, umb eines der-
gleichen Kerles geliger oder Herberg, und umb die brühe die
sie ihm auff seine Suppen anrichten : und dahero werden sie
dreybatzen -Studenten genant.
Sonsteu iLaufTen sie ihr Brod ))eim Becken, und hoUen
ihren Wein auss dem Tieflfenkeller» oder beym Wirth zum langen
Arm, und beym Herr nvon Brunnen, welcher Wein heist Anv-
bacher, Ileichenweyer, von Wasserheiu, Wetterwein und
Rheinischer Wein.
Es ist ein lauterer, u n^escIiwefTeUer wein, der in den Kopf
nicht steigt, verwirret das Hirn nicht, und ist desswegen ein
erwünschter Trunck für studierende Leut.
[A] Auss was ursach nennet man sie Kahlmeyser auffTeutsch ?
[B] Es meinen etliche, sie werden also genant a Cala-
mitate musarum, aber sie irren sich. Ich halte darfür,
das wort komme vom Hebrftischen Kai, das ist, kahl und
liederlich, und Musar, Lehr oder Geschicklichkeit: diewdl
solche Leut, die weder das Geld haben, noth wendige Bücher
mnzukaufTen, noch die Zeit und weil dieselbige zu lesen, wann
man sie ihnen schon leihen vvolte, darumb dass sie schier den
gantzen Tag mit Kinder lehren zu bringen, und haben kein
Liecht hei Nacht zu wachen, verbleiben sie bey nahe in dem
Zustnndt, da sie waren, wie si'> auss den Glassihus kommen
seind, und haben nichts andeis zum l)esten, als eine überlästige,
verdriissliche Schülluchsisclie kunst, die da aulF ein bisslein
Latein bestehet. Dannenhero geschichls, dass, nachdem sie Bärtig,
und umbs Kinn allein Philosophi worden sind, man sie,
auss erbarmuDg zu einer Pfarr bafdrdert, nicht die Schaaffherde
zu weiden, sondern von ihrer Wollen bekleidet und gespeiset
zu werden. Alsdann (Sprach vor etlichen Jahren ein junger,
aber gelehrter Doctor inaugurandus) nemmen sie, und
reiten gewaltiglich die Post, das ist, sie lehrnen eine Predigt
au<s einer Postill ausswendig, und sagen dieselbige, wie eine
lection, in der Kirchen auff.
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— 217 —
II. Isaac Habrecht.
Zu dem wenigen, was ü1)lm' diesen Vorläufer Hes Opitz
Lekaiinf Wnckernaj^el, Litteraturgeschichlo I(ii,9) kommt
noch eine von ihm lioai heitele Anleitung zur leiclUeren Erlernung
der fremden Spnuhen. Hierauf durch Moscheroschs Ausgabe
von G. Guinpelzhaimeri Gymnusma de exercitits academicurum
S. lOd aufmerksam gemacht, nahm ich auf der Berliner Biblio-
thek die zwei Auag^ben dieses Werkes vor, von denen die eine
16Si, die andere 1639 erschienen ist. Die erslere ist betitelt :
Janua tinguarum Quadritinguis Latina Germanica Gallica
Hispanica sive modus ad integritatem linguarum compendio
cognoscendain maxime acc^modatus: ubi sententiarum seiectiorum
Geoturiis duodenis omnia fundamentalia, necessaria et fi>equen-
tiora vocabula semel sineq' repetitione comprehenduntur. Cum
introduclione et duplici indice vices voc«ibiilririi supplente.
Vierfacbo spraarhcn Thür ( Latini'^fh, Teutsch. Frantztisisch
und Spaiinisch Oder ein Newe vorl!ieili;^e Weis:: allerhand
Spraaclieii aufT das aller leichlest zu oi lernen: da, in zwölß
Hundert ausscrlessnen Sprüchen alle ur.sprüngliche \ nothwendige [
und gebräuchliche Wort ;;edachler Spraachen ohn unnöthige
Widerholung begrilTea seind. Sampt beygefügtem fernerem
Bericht | und doppelten Register, welches anstatt eiaes Vocabular-
buchs zu gebrauchen. Argentine sumptibus Eberhardi Zetzneri
Bibliopolse. Anno MDCXXIV.
Die Ausgabe von 1629 ist silinguis, umfasst auch die Hngua
Ilalii a utid die 1. Anglica ; hier nennt sich der Verfasser auf
dem Titel: Auclore Isaaco Haltrechto, Phil, et Med« D., wahrend
er in der früheren Ausgai)e sich nur unter der epistola dedi-
catoria so nntorschreibt.
In der Kinleilung, die von der Sprachtreunuug beim baby-
lonischen Tiinuliau ausjjeht, hcisst es:
p. ^1. «da in.ui Junge Knaben und Dücliterliii in Fraiickrifb,
Welschlaud iuiei andere Ort vcrs-hickt, dieselben auch ohne
mühe, versaunuius, einigen streich und J)esondern Lehrmeister,
innerhalb zweyen Jahren die Frantzösisch, Welsch oder andre
Spraachen stattlich begriffen : und offt anders darneben gelernt.
Zum andern erfahrt man, das wann oiTi junge Herren vom
Adel; und andere in Frembde land vereissen [so] das die
jüngsten, ja ofil die Lakeyen vil eher und besser die frembde
Spraach begreilfen, als ihre Herren Preceptoren, die das Latein
an schuhen verdretten, dazu dag und nacht aufT den gramma-
ticken ligen.
p. 2^^ . . das merckliche exempel, welches der frantzüsische
Herr Michael De la montaigne von seinem söhn erzelet : [dieser
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— 218 -
lernt ganz auf lateinisch sprechenden Umgang beschränkt in zwei
Jahren vortrefflich Latein.]
Dessen dann Herr Johann Walch vor wenig Jahren ein
augenscheinlich muster an zweyen Elsäsischea Edelknaben er-
wie^sen, so jetzund bey Fürsten und Herren in hohem ansehen
seincl, wie darüber sein Kxempelbüchlein zu besahen.
Also hat der Irrläadischen Nation Collegium zu Salamanca
in Hispanien ein Newe, Hochlöblicho iinnd sehr Nützliche In-
ventinn und T h n r zu allen S p r a a c h e n oröfl'iiel, zu
welcher alle ubiiclie, gemeine, radieal Wort, der gantzen La-
tinischen Spraacli he^MifTeii, und in vei'släiulliche, Hebliclie und
lehrhaffte zweltiiundert Spruchlin also eingetheilel, das in deu-
selben keines zweymahl, jedes aber in ffebürlicher ConslrucUon
und art Lateinischer Zungen gesetz (so!) wirdt. Sobaldt die
erste Edition dises Wercks Latin und Spannisch in Engelland
kommen. Ist es daselbst von Förnemen und Hochgelehrten
approbirt, sehr gelobt, und im 1615. Jahr in ihrer Spraach auch
getruckt worden.
Da ich nun . . hab ich, der anderes gescbäffl halb selbiger
Orten zu verbleiben hntte, auch wollen helfen eine Nebenfhür
einbrechen . . Hab desshalben diese Spraachenthür zu London
Anno 1617 ersten tnahls viersprächig gemacht . . und die
Franfzösisch Sprach liinzugethan.
Xim . . Müt aussiassung des Englischen die Xeulsche Spraach
an ihre statt . . zu seizen.
Die er.<le Abteilunfj^ ist betitelt :
. . ^^Üas erste Hundert Der Moralischen oder Hölihchen
Sprüche. Vou den Tugenden und Lastern ins gemein.»
Als Beispiel diene:
«Deteriora pertinacius ha^rcnt. | Das arge henckt hefftig
an. I Les pires choses sattachent ä nous le plus fort. | Le peor
se nos pega mas tenazroente.»
III. Volles- uncl ModebUcher
zur Zeit des dreissigjfthrigen Krieges.
Für die Litteraturgeschiclite is! es nicht nur wichlii: zu
wissen, was gedichtet und geschriclien worden ist. sondern auch
was man gehört und gelesen hat. Angaben hierüliei i»e«egnen uns
l>esonders aus der Zeit, in welcher die alle lebendige Volks-
Überlieferung durch den Eeligionskrieg fast vernichtet worden
ist und die gelehrte Beschäftigung mit den Bflchem nur einen
käi^lichen Ersatz dafQr bot. Was man im zweiten Viertel des
17. Jahrhunderts las, daräber geben die folgenden drei Ver>
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^9 —
zeichnisse Bericht. Das erste stammt aus lien Papieren des
Glasers Lorenz Fritscli, der um 1625 in Strassbur^^ lebte :
s. Jahrb. VII, S. lOÜ IT. Von ihm haben wir zwei nicht ganz
ubereiQstiinmeDde Kataloge seiner Bücher« einen in folio, den
anderen in Q»,
I. 1) Fol. 1. Das8 seindt meine Bücher, wie sie hie
vnnden nach einander geschriben stehen
Einn geachribene Hauss Cronick in follio. | Einn ander
geschriben buch in folio, darinn | allerhanndt historien geschriben
steb^. I Ein geschrihen Schuldtbuch in foiio. | Ein hauss-
poslilla. I Des fürstenthumbs wurtemherp hoffgerichls | Ord-
nung in foUo. I Ein alt Kirchenbuch, oder dass Irrige Schaff,
(von Geiler) | in foHo. | Ein Buch der Sprichwörter Reiine^weis. |
Dn->s ?)e\ve Testament. | geschriben Betbuchlein. | Habermann.
I S( iiwarlzes handtbikhlein, in schwartzem samat einp^ehunden.
I Psalter. | Seyrach. j Gesang vnd EuangeHumbuch in ein
bundt. I Cathohsches handbüchlin. | Jungen Leut Laster-
spiegel, f Passionsbüchlein. | Vergissmein nicht dz ist leg
mich nit under die Banckb. | 2 Caihecissmus der gross mit
denn 3. haupt Simpolum. | GrossliQnsIlich Rechenbuch, l
Ein ander Rechenbuch mit der Visier Rueten. | Aber ein
Klein Recbenbuchlin von Jörg Höfflin. [ Ein geschriben
Rechen Rechenbuch vom H. Ruodioif. | Slubanus Specerey-
hendler. | Ein wegeweyser.
fol. 2.
Schreiben Sixti 5. pp. | Jornal Biuli. | Besclireihung
aller gedenkwinli^^en Sachen des teutschen laiidts, j Fra^' ob
die Weiber Menschen seyen oder nicht, j Vom Grosslür?^ten
in der Moscha. | Ein Kupfferstück sainpt ein liedt darbey, von
der grossen Buben. ( Ein grosse band, Eins wunderbarlichen
Fischs, für Kaliiiasonl. | Ein Becept, eins weilberümpten
Künstlers, Johann | Cranich genandt. Admonition, auss der
Medicin. | Gorny, von dem hertzog von Alba. | Der keösche
Papst. I Beschreibung des Römischen Kriegs im Uertz und
Apprilen. | Kätater Ezechiel Meth. wie man wein und esig
macht. [ Ein liedt vom pracht, Ein liedt von Strassh : Ein
tiedt vom Todt vnd eim Jungen man. Ein liedt vom Bader-
knecht. I Ein I>ie(lt vom Bentzenawer. Zwei gebet zur Kri^
I Zeiten. Ein Liedt vom Erdtbitem m wien. Ein liedt | vom
Bitter in der Sleyren marckh. Ein liedt von der | Juppen. Ein
liedt vom Koni^ Lässla. Der Fincken Rfittor. | Ein «rhones Ratzel
von der Schreibteder. rürufr ;ui^'en j s]t!e;,^el. Vom Eydts( !i\\*MeM.
Educationis. Di-ey | Namenbücher geiiruckt. 4 Sprüchbüchlein
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— 220
von dem j graffen von Soyrien. (Savoyen?) Des Morgens feell » |
Von 4. [ undenchiedüicbea Religionsirtickeln* Von der Löflelei.
I Die? wemsenM. Der hirnen Seyfridt. Schiltbflrger. | Blan(e)ten-
buch. Siauffenbeiger. Albertus Ifagnus« | 1 Kunstböchlein. j.
Illuroinierbuch. Calhecissmus. | Sfibilla Weissagung. Dischiurbt,
passion« Der 91. | psalm in zwo predigten mehr 3 predigen
darbey. | Furtunatus. TQtelbuch. Doct. Fusty. AUex- | ander
\ on Metz. Ein drein (1. trauqi-)Büchlein> vnnd ein Schreib |
Täffelin.
2) Register der BQcher.
1. Haui^-Postil in foiio.
2. Cronick d' keyP' gedruckt in folio.
3. geschrihon hau^Cronick.
4. Eine [wuVq angefangen geschriben baufcranig in fol.
5. hofT^ioi-ii htfsordnung: in fol.
0. ein all larcli' bucli su il' kiudtheit Christi in folio.
7. ein geschriben Beibuch.
8. Ein Testament new.
9. Ein alt gesangbuch mit dem Euangelioböchlein.
10. D* jung' Leut Lasterspiegel.
11. D' Psaltat.
12. Haberman.
13. D' buchlein v'gif mein nicht.
14. ein schwartz Samet handbucbtein.
15. Syrach.
16. Ein weg weiß'.
17. Bapischtischer Kniend' büchlein.
18. Pnssional Pürlilein.
19. ein \\vc\un\\)nr\\ weiß (Miipf )»Hn'ion .
20. ein Arl/.t neybuch mit eim weisen Uermeut eingebunden.
21. Ein Schuldtbiirh in folio.
22. 15 vürgeüchri Ilten.
23. Ein weinbüchlein wie man den wein gut behalten soll.
24. D* bOchlein Albertus Magnus.
25. Ein bfichlein vom grotfürslen in d' Hoschauw.
26. ein Büchlein Qber dz buchhalten.
^7. Artickelspuncten des hertzogen von Alban.
28. ob die weiber menschen Seyen oder nicht.
29. Ein büchlein ob dz Bischthumb Strafburg anno 1692.
^ Vgl. hierüber Zs. f. dtsch. Alt. 39, 19. Im übrigen würde der
f^rrinriP Xarhwois der gemeinten Bücher mehr Zeit erfordera ale mir
gegeiiwurüg za Gebote steht. £. M.
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30. Ein new Meili( inal Buch.
31. iO newe Zeitungen oder gescbichlen.
32. d' keuj?chfi Papsf
33. GrundhOc lilein druP zu lehren 2 Historien od' Relation Büch*
34. Traumhüchlein j^rien,
35. Vom Eydt schweren.
36. D' 91 psalrn auß;?elei,'t.
37. Ein predighüclilin über Uenfersch ich wil feiudtscliafft setzen.
38. kuDstbuchlein.
39. £ylenspiegeL
40. finckenritter.
vom köuig lafift.
von d' Juren Zud' Jub.
Ritter auf d' Stt uermarkh.
Ertlhitem zu Wien,
•il. Education.
42. Vom Cathoiiscben fegf. vnd ihren opffem.
RoPenkrantz.
Straßb. Taxordnung.
2 Tnnentarium.
43. (T Bapiäten handtbüchlein.
44. f^urtunatus.
45. Circkelbuch.
46. klarer Augen ^^piegel.
47. Schenck u. TiUelbuch.
48. 7 weilten Meister.
49. hirnen Seyfridt.
50. Scbiltburg^.
51. (Planeten-Buch ist) zerris (durchstrichen t).
52. (!' heilig Brodtkorh.
53. 54. geschriben vnd geUruckts Bechenbuch.
55. Pasion.
Dischzucht.
Sibyla Weißagung,
Chatecißuium.
56. Rechenhüchlein.
57. Docl. Fausti.
58. Ritter punlus.
59. von d' Leffeley.
00. 3 Namenbficblein vnd 4 Spruchböchlein.
61. Alexander von Metz.
62. lUuffiinierbuch.
63. Schillwacht.
64. Geht im t s Kunstbüchlein.
65. Stauifenberg.
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233
66. iluußapoteck.
67. Mörlens Fell.
68. uff Stal u. Ey^eo zu Etzen.
69. Keyf Fridrich Barbaro9.
70. Aller practick grolmat*.
71. Histori v5 Hertzo; Ernsten.
72. Goldlfaden.
73. History des Ritleis vö f.
7-4. Des Ritters vö Hadt.
75. Jlüll\va<jen.
70. History <V Nff^llusina.
77. Die garten;;eseUschaft.
StraPb. Trachtbuch.
IL D. Martin Pari Nouv. im 43. Capitel cvom Hauaieren» 382.
«Es seind noch andere die bin und wieder feyl herum
tragen Calender, Nahmenbfichlein (livrets d'Abece), die
woehentliche und extraordinär! Zeitungen^ Legenden unnd
kleine Märleinbüchlein von Melusina | Maugis | von den vier
Söhnen Aimonis, Gottfridt mit dem langen Zahn, Valentin und
Orsos, "Wendunmuth, weltliche schändliche und unzQchtige
Lieder, so vom unreinen geist dictirt werden, Gassenhawer
(Vaud evi II es) Bawren- und Uofllieder, Saufflieder, welche
alle durch dess En;;els auss dem Abgrund eing-ebung^, denen
zu nutz und gebrauch erdichtet und componirt werden, welche
lust und lieb zu desselben dienst haben.»
in. Der Teutseben Sprach Ehren-Krants 304:
«iJanit manche [Dame] hat schöne mitSauiinel oder scbwarlz
Cardoau uberzo^jene vergälle Bücher mit allerhand Bendeln,
so ihres Liebsten Favor, wie sie es nennen, gewesen, in ihrer
Stuben, dem ansehen nach meynt einer es weren Roeen-Gflrt-
lein, Catechismus-Schul, Psalter, Jesus Syrach, Paradiae-Gärtlein,
Andachten, Wasserquelie, Arndts Wahres Christenthumb, der
Selbet*Betrug, aber wann man solche aullbiftttert, so find man
was sie seynd, nembltch der Amadiss, Scfaäfferey, Schimpff
und Ernst, Fortunatus, Astrea, Diana de moote
majore, Ritter Low, Mageil ona, der Ritter P o n t u s, der
Ritter Gallini, [I. Galmi], Herr Tr i st ra m , Albertus
Magnus, Melusina, Ortavianus, Eulen-Spif jzoK (\e-
fang^niss «lor Liob, C nr «• e ) 1 de Amor. Schiinpll' udiI ['nist
und amifre der^''ei( hen Liebes und Eitelkeiten Büchern mehr,
welche nit ubel den Egyplischen Frösclien können vertflichen
werden, von welchen geschrieben stehet, das-? sie in dem Hauss,
in den Kammern, aufi* dem Lager und den Betten herumb
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kriechen, mit ihrem Unflath alles heischmf^issen, jn auch unsere
Ruhf (lunh schandliche Tiautne verunruiiea, wie der edele
HarssilOriler hievon zu i eilen pflegt.»
IV. StammLuch mit Emträg-en
von Fridenke und Sophie Brion.
Durch die Güte der Besitzerin habe ich Einsicht in ein
Stammbuch erhallen, welches ihre Grossmultep Frau Mai^a-
retha Bellzor {reb. Wehrlen, angeleprt hatte. In oblongem
Format, in rotes Leder mit Goldschnilt und Golddruck i:el)un-
den, zei^'t es aut der Rüciiseite der Einbanddecke die Buch-
staben M. W. ISlHJ.
Die EHiUä;?e enthalten die Jahreszahlen 1801 bis 1834;
als letzte Josef Krysztoporski, Polnischer Freiheitskämpfer 1832
und Dorant (mit allerliebster Zeichnung) 1884. Auch sonst
sind manche hübsche Bilder eingemalt oder eingeklebt.
Von den eingetragenen Namen sind wohl hervonuheben
Ab. Th. M. Mäder, Lobslein, Braun, Eisenlohr, Werner,
Herrenschneider, Sophie Oberlin, G. J. Oberlin, Fritz, Spindler,
Schneegans, August I>amey, D. E. und C. F. Slöher, Donauer,
Louise Rosenstiel geb. Weyland (vermutlich dieselbe Familie,
bei welcher Friderike Brion zu Versailles die Anfän^^e der Revo-
lution /eit verlel)t hat, Gopp, Biessi;: ; von Orten Strassburg,
Paris, Louisenthal b. Saarbrücken, Landau.
Die ältesten Einträge weisen auf Rothau, wo vermutlich
die jugendliche Besitzerin in Pension war.
Hier trug sich auch Frtdeiike Brion ein mit folgenden
Worten :
Bkibe, Edles Mfidchen! Was da
Bist, der Trost Deines würdigen
Vaters! der Stolz Deiner Freunde!
Die Freude aller die Dich kenntn
Und glaube der Versicherung
Dass Da im Stdntbal, kein
Steinernes Hen gefonden. -
wild dich lieben nnd sehfttzen
Frid. Brion.
Rothau d. 22. MeP. im 10. Jahr.
Friderikens Schwester folgt hierauf:
Dass Beste Glück, wodurch man Sich unr
glücklich neunt, das wünsch ich dir
and das dein Edles Hertz» mich Stets als
Frenndin kennt, das «flnsch ich mir
Sophie Brion.
Rothau den 10. Mefi.
Unter beide Namen hat die pietAtsvoUe Besifzerin ein
Kreuz geschrieben, wie bei den meiaten andern; gewiM ein
Zeichen, dass sie bis lum Tode auch dieser beiden gedachte*
So auch bei D. E. Stoeber, dessen Eintrag lautet:
Em Hen Ton saxter WeibUdikeit
Zum stillMi Tempel sich geweiht:
Dies ist das höchste Heiligthum,
DieS| Freundin, ist ihr Eigenthum.
Und von Herzen wünscht
Glück daza
Ihr Srgeheasler
D. £. Stoeher
not
Strassb. d. 25. Oktober läOü.
Unmittelbar vorher geht:
Fordre beut vom Freande kein Gedicht, —
Wo sein Hers von F^eundsehaft spricht»
Sagt er wahr and dichtet nicht
Zur Erinnerang an Ihren Ah. Th. U. IfSder.
Strassburg, 25. Oktober 1806.
V. Wilhelm Scherer.
Das F^lsuss, unter den deutschen Landsrhat'len vielleiflil .'iin
Mteiäteii lit'fjünstigl, bat vuii jeher zahlreiche Einwanderer ui
sich gezogen, die dann, wie schon in alter Zeil scherzhalt
bemerkt wurde, es meist nicht wieder verlassen wollten. Es hat
sber auch von ihnen manche Förderung erfahren, besonders auf
geistigem Gebiete» Was wäre die elsässische Gescbichtschreibung
ohne Schöpflin, der aus dem Badischen nach Strassburg Icam?
An solchen Austausch erinnerte uns vor kurzem das S5jährige
Jubiläum der Universitftt. Ehemalige Lehrer und Schüler unserer
Hochschule sahen wir wieder, auf die wir immer mit Stola
blicken werden. Andere deckt bereits der Rasen, zu deren frühem
Ende das Ueljermass ihres Arbeitseifers mit beigetragen hat.
Einen von ihnen rechnet die elsässische Philologie, rechnet
auch der Vogesencluh sicli in be.sdtiderem Masse zu eiyen :
Wilhelm Scherer, den zn«rleich geistreirhen und gründlich
gelehrten Verfasser der «(lese hichte des Elsasses» 1871 (3. Aufl.
•1886), die unter den Proviu/.iahirheitcn dieser Art weitaus her-
vorragt ; einen annuiligea Vortrag von ihm über den Wasigen-
stein brachte das 2. Heft unserer Mitteilungen 1874.
Scherer war 1841 in der Nähe von Wien geboren ; er hatte
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— «15
in der KaisersUdt an der Donau seine Schul- und Universität«-
bildung erhalten und war dort, ehe er hierher kam, in jnnf^en
Jahren schon als Gelehrter, Schriflsteller und Redner mit Recht
lux li^o'fcici i worden. Und docli folg^te er gern dem Rufe in das
i-teichsland, da seine {)olitisc}ien Ueberzeuj^ungen — > nicht ohne
innere Kämpfe — ihn der Heimat entfremdet lialfen.
In Berlin, wo er von 185!) .-ih studiejio, halte ihm der
I)ietnini sche Kai l Mnllptilioff auch die vvissenschartliche Richtunpf
«^e^eben : mit MülleiiholV vorhunden war er 18»)i als Heraus-
>reher der «'Denkmäler» d. h. der kleineren Litteraturwerke der
ailhoclideutbc liLij Zeil uul^elrelen ; neben MiiileuiiotT lehrte er
vun 1877 ab in Berlin deutsche Philologie.
Auf Hfillenhoff paast ein Wort Lessings über den Alter-
tumsforscher: «Ein anderes ist der Altertumskrämer, ein
anderes der Aller lumskundi^^e. Jener hat die Scherben, dieser
den Geist des Altertums geerbt. Jener denkt nur kaum mit den
Aujren, dieser sieht aucli mit seinen Gedanken. Übe jener noch
sa^t : so war das, weiss jener schon ob es so sein kann.» In
MulleniiofT lebte der alte Germane wieder auf, auch mit seiner
Rauheil, die doch ein Hens voll Güte verbar,^ und immer nur
der Sache dienen w(dlte. Mit wunderbarem Gefühl hat Xffjllen-
hoir selbst aus Trürnniern und Spuren der Vorzeit die herrliclisle
Pm^sie \vi«»der niin»'lM'ii lassen, Al>et' dies Gefühl war verbunden
mit der strenji,.sleu Früfunj^ der Ueberlieterungen, mit einer
umfassenden und sicheren Gelehrsamkeit.
Eben diese Metbode, diese Ricbtunj,^ auf das grosse Ganze
bei der schärfsten Beobachtung der Einzelbeilen, diese zusammen-
hängende Untersuchung • bis zum letzten ^rkennbami, hat
Scherer sich in Möllenhoffs Schule angeeignet. Er hat die
deutsche Philologie auf allen Gebieten bereichert, ja ihr neue
Gebiete, insbesondere die Litteraturgeschichte der Neuieit erobert.
Selbst auf angrenzende Felder der Forschung hat .er diese
Metbode übertrafen. MüUenhoff bezeichnete einmal als gross-
arti^^ste Leistung Scherers eine Unterauchunpr über Raphaels
Schule von Athen, wodtu'ch die schwierifre und durch manche
Vorarbeit nui ei Schwerte Deuiung des berühmten Bildes klar
und sicher hergestellt Wunten ist.
Als Haiijil w^'ike unter den zahlreichen, mit ^«Mtiaier Leich-
ti^^keiL horvuri^c'l)rachleu Schriften Scherers sind wohl zwei zu
nennen. Einmal eines .seiner frühesten Bücher : Zur Geschichte
der deutschen Sprache, 1868. Wie Jakob Grimm, dem ächerer
damals schon eine ausgezeichnete Biographie gewidmet hatte,
durch seine Deutsche Grammatik unsere Wissenschaft begrün-
dete, .so bat Scherer ihren Neuliau entworfen und eingeleitet:
von den Buchstaben zu den Lauten vorzudringen, das war die
16
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voll ihm aufgestellle Foi Horung, der sich anderci-seils dir psyrholo-
^Ms<;he Erklärung der Sprach vorgftiHfe zur Seite stellle. AutSchei'ers
Bahnen weiter 211 j,'elieii,ijabenzwei Hauplverlreler<lerso^^enannlen
junj^^j^^rammalischen Richtung, O.sthofT und Brui?inrinn, in der Vor-
retle zu ihren Morphologischen Unlersurliungen ah ilu o Absirhtan.
Und wiederum aus der xpfdenni /«mI Scherers i>l vor allem
s»»in»' (i.-M liii hte der d<'uts( jien Litleralur zu iiemien, dif
•/uci.sL 1883 erftchieii, ein <lurch gediegene rielehrsanikeil td)enso
wie durch geschmackvolle, warme Daistelluug ausgezeichnetes
Werk. Als der 400jährige Geburtstag Luthers gefeiert wurde,
zählte ein protestantischer Theologe die Dtirstellung des Befor-
malors in dem Buche des Katholiken Scherer zu dem hesten,
was damals über Luther erschienen war. Scherer hatte den
Standpunkt Goethes sich zu eigen gemacht, und diesem, unserem
giössten Dichter, eine würdige Biographie zu widmen, war sein
inniger Wunsch, den nur sein früher Tod, 188ti, abschnitt.
Doch haben S<*herers Aufsätze über Goethe die wissenschaftliche
Würdigung des Dichters ebenso wie das Verständnis lür ihn in
weiten Kreisen nifulili^ <>-eför<lert.
iSu ;iu( 1» ;iu iiijscier Universität, der Scherer vom Ilrrltvt
1872 bi^ /um Herlj^l 1877 angehörte. Ludwig Spacli liut ia
einem feinsiimigen Artikfl Si licrers oUeiil liehe Vorlesungen
ü})er Goethe geschildert, die /um ersten Mal einen grossen
Kreis von Gebildeten aller Berufsklasseu in der UniversitSt ver-
sammelten. Er heht seine schlichte, aber lebhafte und gelegent-
lich bumorislische Vortragsweise, die Fülle und Neuheit seiner
Gedanken hervor. Nicht weniger war Scherer als Lehrer in
seinem Universitätsfache ausgezeichnet: er vereinigte eine
grosse Anzahl begeisterter Schüler um sich, von denen einige
gegenwärtig zu den ersten Namen gehören. Ihnen gab er sich
auch auf dem «Germanistenabend» mit einer Traulichkeit und
Munterkeit hin, die zuglt^i« h das österreichische Gemüt und die
beste Seite der Berliner Knlik in ihm vereini^H zeigten.
Jjiö Strassburger Zeit war vielleicht die IViu iillKirstc ArlH'ils-
zeit für Scherer. Wohl fühlte er hier schon, wenn er die T;i;,'t'
durchgearbeitet, imli »Ii»- \ Oi lesujigeii geiiaiten, dann bis zuiu
Abend unter den Kuchem gesessen hatte, sich oft körperlich
abgespannt und der Odilienberg oder Baden-Baden wurden dann
für den Wochenschluss sein Zufluchtsort. Damals mögen die
Schlaganfälle, denen er in der Zeit der besten Kraft erlegen ist,
sich vorbereitet haben. Aber die Früchte seiner unermüdlichen
Thätigkeit überleben ihn. Und das Vorbild seines edlen Strebens,
der Zauber seiner Liebenswürdigkeit werden denen nie ent-
schwinden, die ihm persönlich haben näher treten können.
V
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XL
Die Tracht von Mietesheim.
(Zn nitserni Bilde.)
iVXielesheim ist ein Dorf im Kanton Niederhi ujii, unweit
der Bahn Ha^'eiiau-Bilsch, mit 7Üi) grösstenteils protestantisschen
Einwohnern.
1) Jungfrauentracht. Haare mit Mittelscbeitel nach den Seifen
gekämmt. Darfiber d ie Kappe mit grossem schwarzem Seidenband
(Schlupf) nach Art eines Schroetterliogs, dieses gezackt. Weisses
Hemd mit Spitzenärmeln, Aermel gerafft. Der Kragen befindet
sich am Nackmäntele, einem rudimentHren Oberhemd, weiches
unter den Achseln festgebunden wird. Auf dem Bild ist es in
Gestalt einer kleinen Krause am Halse sichtbar. Rock aus ein-
larltigeni Stolf (Flanell, Pumesin oderähnlit h). pfirsichrot, grün,
hell- oder ilunkelhlan, nnfen in einiger Entfernung vom Hnnde
ein Ilind von <jes!r:iusselleni .Samml. Rockhrusl iius saninit-
artigein StoM mit. eingestreuten hnnten Rlumen, ;nn (Hinu-and
durch ein Blumenband eingefas^t, vorn winkelig ausgeschnitten
zur Aufnahme des Vorsteckers, vvelciier lose hineingesteckt
wird. Dieser besteht aus einem Stück Pappdeckel, der mit
einem geblQmten Stofi tkberzogen und mit bunten Füttern, Gold-
und Silber plaltchen bestickt ist. Weisse Schörze mit längs-
laufenden durchbrochenen Einsätzen. Um den Hals wird ein
grosses gemustertes Tuch mit Fransen und reichem Faltenwurf
geschlungen, ein einfacher Knoten hinten. Weisse Strümpfe mit
eingestricktem Zwickel. Einfache Pantoflelschuhe mit schwarzer
Schleife und schwarzsammtner Einfassung.
2) Tracht der Braut. Unare ohne Scheitel nach hinten ge-
kämmt un(i nm Wirbel durch ein «lurchlochertes ovales Stück
Pappdeck«'! i:ezogen, nm dieses geschlnn-^en und dnrnn festge-
näht. Aul diesen leston Untergrund wird ein Kuppelten gestülpt.
— 228 —
das noch besondere festgebunden wird. Dieses Käppchen, Knnz
genannt, ist mit grossen Goldhiechflittarn benäht. Den haupt-
sächlichsten Khrenschmuck l>ildet das aus Silberdraht gefloch-
tene, mit burifen FIitt«Mii verzierte Ki*ünchen. Dieses wiH
(hi?(l! ein rotes ^^ezackles Seidenband befestigt, welches seinen
Uiikten Rand lR?(le(kt und hinten zu einer Schleife «geknüpft
wird. Vom Henid .sind nur am Halse die Spitzen sichtbar,
iiock und Rockbrust bestehen aus schwarzem seidenrihnli( heni
Sluir. Der Rock ist unlun mit 3 Reihen schwarzem Siunmt-
baitd, die langen Aermel am Handgelenk mit einigen Reihen
Sammtband, das hoeh hinaufreichende geschloseene Mieder mit
Sammtband eingefasst and wagerechi besetzt. Vorstecker,
schwarzes seidenes Halstuch, Schuhe und Strümpfe wie oben.
Unterrock mit schottischer Borte, welche unter dem Rock her-
vonieht. Schwarzseidene gemusterte Schürze. Die Handehalten
ein weisses Taschentuch, in welches ein Rosmarinsiengel ein-
gewickelt ist.
3) Tracht des Bräutigams. Auch er hält ein Zwei^-^lein
Rosmarin, Oros^^er Hut inif steifer Krempe, welche hinten
einj^eschnillen und J»ochgebnn<icn ist. Um diesen Dreispitz ist
eine hunte Schnur geschlun^/'n, seine Krempe dicht bedeckt
mit biintl'ai higen Papierbliuu. a nnd goldigen oder silberigen
Gräsern, liemdkragen ein VateimüiUei nnl schwarzer Hals-
binde umschlungen. Rothe Weste mit 2 Reihen kleiner gokiiger
Knöpfe. Schwarze lange Hose, an der Naht unterhalb der
Tasche mit goldigen Knöpfen besetzt. Schwarzer langer Rock
mit zugenähten Knopflöchern, durch schwarzes Seidenband vorn
geschlossen.
Im Uebrigen vgl. : Eine Hochzeit in Mietesheim in Band X
dieses Jahrbuchs, S. i8l. Die Trageweise des Kranzes ist dort
unrichtig beschneben, da bei der betreffenden Hoctizeit die
Krftnze unrichtig getragen wurden. B. u. K.
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XII.
Chronik für 1896.
18. Jan. Zur Feier der Begründung des detttschen Kaiser«
reich« vor ffinf^ndzwanzig Jahren findet ein Kommers der
Studenlenscbaft zu Strassburg statt; deren Zahl bat in diesem
Semester zum ersten Mal die Zahl iOOO überschritten.
Am 8. Marz starb der elsässiscbe Schriftsteller Alphons
Pick zu Strassburg, ^'cl>. ebenda 4. Juni 1808.
4. — 7. Apiil: 13. Verbandstag des deutschen Techniker-
Vereins in Slrat-sburg.
16. Mai : das Lyceum zu Strassburg feiert sein 25 jähriges
Bestehen.
4. Juli: iMoilnun;^ <le« neuen Bezirk-sarchivs in Strassbmj^^.
(>. Au^-^iisl : liiitliuilun}; des Denkmals fiir den elieinalijreri
iU'icbsta>(ä< und Lande^^usschussabgcordnelen Charles Grad in
Türkbeini.
23.—*^. September: der Deutsche Verein für Armenpflege'
und Wohlthätigkeit hfilt seioe 16. Jahresversammlung in Strass-
burg ab.
Am 26. Nov. starb Christian Wurst, Buchdrucker und
Dichter, 58 jährig, zu Strassburg.
Am t>5. Dez. starb der Schriflsleller KonsistorialprSsident
A. SdiäfTer in Colmar.
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Xlll.
Sitzungsberichte .
Vor Standssitzung
29. November 1896, im neuen Besirksarcbivgebäude, Schwarz-
waldfttrasse.
Anwosend: die HH. Barack, Erichson, EuJini?, Faber,
Francke, Harborüt, Kassel, Lienhart, Martin, Mündel, v.
SchliiinlKM%;or, Wie^'atid.
D. r Vor-^it/t ii.lt«, Herr Prof. Marlin, lej?l zunächst die für
den IM. des Jnlirhiu Iis ointrelaufotx ii Arbeilen vor und ver-
teilt dieselben zur Einsi^M und Beurteilung unter die anwe-
aenden Mil«rlieder.
Da erlVeulh hfrweise auch in diesem Jalii' wiciltM ein /ii-
war.liM an Mil;:li<'<h'rii 711 verzeiclinen ist, so wini b<;sclil(iss.'n.
das Dfiehsle .lahii>iuli in t2iKX> Exemplaren ber/uslellen, um
allen Bedürfnissen ent};e<jenzukonuneu.
folgt darauf die
Allgemeine Sitzung.
Der Vorsitzende eri)flnel «lioselljo niil tleui llechensclialts-
berichl über die Kntwickelung des /weig Vereins im abgelaufenen
Jahre und stellt namentlich unter Hinweis auf das im 12. Bd.
enthaltene Gesamtregister aller bis jetzt vom Zweigverein veröf«
fentlichten Arbeiten fest, dass derselbe der im ö 1 der Sat-
sangen ihm gestellten dreifachen Aufgabe gerecht geworden ist.
Die Jahresrechnung wird von den Mitgliedern Dr. Fritz
und Dr. Witte geprüft und für richtig befunden, worauf dem
Vorstand Entlastung erleilt wird.
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— 231 —
Bei der nun folgenden Neuwahl wurde auf Vorschlag von
Dr. Bechstein der hishenge VursitiEende und der gesamte Vor-
aland durch Zuruf wieder^^ewähll.
Zum Schluss hielt Herr Prof. Dr. Wit .Liaml einen Vortrag
Qber die FliiJ^entünilichkeiten den archivaiisciien DieusU's und dnsi
W»»s<^n der Bezirlvsarc.hiv«? im Elsn.ss, nn woNhcn sirli iiiifi^r
Fiilirung <Ies Vorti'ajrondon ojne nin'f:i'litMi(l(' HesifhliL^un^^ dfs
neuen (iezirksarcbivj^cbuudes und -seiner inneren Einrichtung
Schlots.
Vorstandssitzung
17. März 181>7, im •^ennani'-Hsrhen Seminar df»r fhiivorsilät.
Anwesend: dio HH. Barark, Frinfist»n, Ijilin;^, Fianrke,
Harbordf, Kassel, Lienharl, Marlin, Mümlel, Kenainl, v. Schlum-
l>erjTer, Wie/aiid, sowi»^ der Schrit'lführer des Cenlraiau«sciiUÄses
Direktor Dr. Lutlumr.
Entschuldigt: Faber, llime.
Der Vorsitzende leilf den Inhalt einer Zuschria Sr. Dunh-
laucht des FQrsten Stall ha Hers mit, in welcher der Dank für
die Zusendung des letzten Jahrbuchs ausgedruckt ist, sowie ein
Schreiben Sr. £xvellenz des Herrn Staatssekretärs v. Piittkamer
vom 23. Dezember 1896, in welchem wiederum ein Zuschuss
von 30() Mk. als Beihilfe ITir das Jahrbuch gewahrt wird.
Nacli filier » in^ielienden Besprechung^ un<l Beurteilung der
ein;;elaui'enen Arbeiten wird die Keihenfolge derselben ffir den
Druck festgesetzt.
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14 DAY USE
BCTUKN TO UESK FROM WHICH B0««OW«D
LOAN DEPT.
Renewcd books are subjea to immedi«* »»Ii.
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General Ltbraty .
UniTcnity of Califonu«
Beckeier
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