Himmel und Erde
Gesellschaft Urania
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6 C
WHITNEY LIBRARY,
HAK VA K D UNI YEKS I T Y.
THE GIFT OF
.1. 1). WINTNKY,
5/«ryü Hooptr PmftmiT
MUSEUM or OOMPAEATIVE ZOÖLOGY
•rrt’ltPAVOG'^^'-
iSSRED
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Jllustrirte natunvissenscliafUiche
Monatsschrift.
f , Herausgegeben
' Vori der
0S Gesellschaft Urania.
RcdacteurDrM. Wilb.Meyer.
Berlin,
Verlig vcq [lermann Rietel.
II. Jahrgang.
1880 00.
Himmel und Erde.
Illustrirte nalurwissenschaftliche Monatsschrift.
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Himmel und Erde.
Illustrirte
naturwissenschaftliche Monatsschrift
Herausgegeben
von der
GESELLSCHAFT URANIA.
Redacteur: Dr. M. Wilhelm Meyer.
II. Jahrgang.
BERLIN.
Verlag von Hermann Paetel.
18110.
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Uoberecbtigter Nftohdruok »ub dem Inhalt dieser Zeitschrift obteraairi.
L'eber^eiztioirsrecht vorbrbaJteo.
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Verzeichnlfs der Mitarbeiter
am II. Bande der illustrirten naturwissenschafUichen Monatssohrifl
„Himmel und Erde“.
Archenbold, F. S., in Berlin 107.
239. 345. 431. 528.
Bali, Dr. L. de, Astronom an der Stern-
warte zu Lüttich 159. 218.
Beck, Dr. R, Sectionsgeologe in Leip-
zi); 182.
Bezold, Prof. Dr. W. Ton, Direktor
des Kgl. meteorologischen Instituts
zu Berlin 9. 65.
Börnstein, Prof. Dr. R, in Berlin
207. 262. 341.
Fischer, Prof. Dr. A., Soclionschof
im Kgl. Preufs. Geodätischen Institut
303. 353.
Foerster, Prof. Dr. W., Direktor der
Kgl. Sternwarte zu Berlin 463.
Ginzel, F. K., Astronom am Bechen-
institut der Kgl. Sternwarte zu Ber-
lin 59. 110. 139. 146. 150. 153. 198. 201.
251. 2.55. 295. 299. .309. 342. 346. 389.
396. 439. 447. 490. 493. 601. 537. 540.
553. 582.
Hell mann, Dr. O., Mitglied des Kgl.
meteorolog. Instituts in Berlin 1 13. 172.
Hertz, Prof. Dr. in Bonn 72.
Holden, Prof. Edward S., Direktor der
Lick- Sternwarte auf Mount Hamilton
in Califomien 1. 62. 442.
Kafsner, C., in Berlin 577.
Keeler, J. E., Astronom der Lick-
Sternwarte auf Mount Hamilton 495.
543.
Kempf, Dr. P., Astronom am astro-
physikalischen ObserTatorium bei
Potsdam 24.
Körber, Dr. Felix, Astronom an der
Urania in Berlin .56. 104. 126. 148
242. 347. 382. 383. 43.3. 444. 479. 482.
522. 534. 541. 573. 580. 581. 585.
Levin, Dr. L., OberrealschuUehrer in
Brauiuschweig 417.
Meyer, Dr. M. Wilhelm, Direktor der
Urania in Berlin 226. 268. 560.
Peters, Prof. Dr. C. F.W., Direktorder
Kgl. Sternwarte zu Königsberg 316.
Putick, Wilhelm, K. K. Forstinspek-
tiona-Adjunkt 39. 86.
Rottok, Admiralitätsrath in Berlin
247. 377. 509.
Sefawahn, Dr. P., in Berlin 52. 57.
142. 143. 144. 145. 245. 287. 399. 4.54.
483.
Schram, Dr. R, in Wien 519.
Sohncke, Prof. Dr. L., in München 363.
Wagner, Dr. E., Assistent des Kgl.
meteorolog. Instituts zu Berlin 63.
64. 149. 155. 156. 203. 205. 298. 339.
436. 488. 494. 585.
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Inhalt des zweiten Bandes.
Essais.
Seit»
'Die h«likalUchrn Nebel. Von ProfoBsor Edward S. Holden, Direktor
der Lick-Sternwurte auf Mount Hamilton 1. f>2
*Die nenere Witteron^skinde und die Lehre von der Niedersrhla^ebildnng.
Von Professor Wilhelm von Besold, Direktor des König], meteoro-
logischen Instituts SU Berlin 9. G.i
•Die physische IteschafTenheit der Sonne. Von Dr. P. Kempf, Astronom
am astrophyaikaliachen Observatorium hei Potsdam 2-1
l'eber die Beziehnngen zwischen Licht nnd F.lektricität. Von Heinrich
Hertz, Prafessor der Physik an der Universität Bonn 72
•Die Anfänge der meteorologischen Beobachtungen nnd Instrumente. Von Dr.
Q. Hellmann, Mitglied des Kgl. meteorologischen Instituts in Berlin
113. 172
•Die l'ntersnchnngen Montignys über das Funkeln der Sterne. Von Dr. L.
de Ball in Lüttich I.IS. 218
•Die FInthbewegnng des Meeres und der Luft. Von Professor Dr. R, Bern-
stein in Berlin 207. 262
Die Californischen Erdbeben 1850—1888 in ihrer Beziehnng zn den Finster-
nissen. Von F. K. Ginzel, Astronom am RecUeninstitut der Kgl. Stern-
warte in Berlin 255. 309
• Lothabweirhnngen in der rmgebnng von Berlin. Von Professor Dr. A.
Fischer, Bektionschef im Künigl. Preufsischen geodätischen Institut
303. 353
•Die Ansichten der Physiker nnd (ieoiogen über die innere Beschaflenheit des
Erdballs. Von Dr. P. Sch wahn, Astronom an dor Urania in Berlin 399. 454
Blicke auf die Vergangenheit und Gegenwart der astronomischen Rechenkunst.
Von F. K. Qinzel, Astronom am Rccheninstitut der Königl. Sternwarte
zu Berlin.
I. Die Anfänge des astronomischen Rechnens 447
n. Das Zeitalter dor Koroeton- und Planetenbahn-Bestimmungen 501
HL Die rechnerischen Aufgaben der Gegenwart 553
'Die Jnpiteroberfläcbe im Jahre 1889. Von James E. Keeler, Astronom
der Lick-Sternwarte auf Mount Hamilton 495. 543
Feuilleton.
•Die hydrologischen Geheimnisse des Karstes nnd seine nnterirdischen Wasser-
länfe. Von Wilhelm Putick, K. K. Forstinspektions-.Adjunkt . . 39. 86
•Ein Rnndgang dnreh das astrophysikalische Observatorium bei Potsdam. Von
Dr. F. Körbor, astronom. Abtheilungsvorstand dor Urania in Berlin , 126
•Die Sächsische Schweiz und der Elbdurcbbrurh zwischen Tetschen nnd Pirna.
Von Dr. R. Beck in Leipzig 182
•Die Urania nach ihrer Fertigstellung. Bericht dos Direktors Dr. M. Wil-
helm Meyer in Berlin 226. 268
•üeber Kometen nnd Sternschnuppen. Von Prof. C. F. W. Pet ers, Direktor
der Sternwarte zu Königsberg 316
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VIII
Inhalt.
Seiii'
•Was dam? Von Professor L. Solinck« in München 363
'Die Hrrmannshöhle bei Rübrlasd im Uarz. Von Dr. W. Levin, Oberresl-
schullohrer in Braunschweig 417
•Biographische Bilder. 1. Dr. Carl Ludwig Hencke. Von Prof. Dr. Wilh.
Koorster, Direktor der Konigl. Sternwarte zu Berlin 463
Uiterseeische vulkanische Eruptionen und Keebeben. Von Admiralitätsrath
Rottok in Berlin ."lOO
lieber populäre Wissenschaft und Halbbildung im brsondem ia Betng auf die
Bestrebungen der Urania. Von Direktor Dr. M. Wilholra Meyer in
Berlin 560
Mittheilungen.
•Zivr Bestimmung der Eortplianznngsgeschwindigkeil der Erdkebenwelle. Von
Dr. P. Schwahn in Berlin 52
Ertlbebenforschnng auf der Liek-Slernwarte 54
Sonuenllecken-Minimnm 56
Ein nener Hilfsapparat zur Beobachtung plötzlicher Phänomene. Von Dr. F.
Körbor in Berlin 56
Zur t’roHschen Theorie der alternirenden Eiszeiten. Von Dr. P. Schwahn
in Berlin ,57
Erscheinungen am Sternenhimmel im Monat Oktober- November. Von F. K.
Oinzel in Berlin 59
Hinzurügungen zu dom Artikel „Die helikalischen Nebel“ 62
Die photographische Himmelskarte 100
•Komet Brooks. Von Dr. F. Korber in Berlin 104
•Der Nebel Inder .\ndromeda 106
•Das Standbild Le Verriers und die Geschichte der Neptnnentdecknng. Von
F. S. Archenhold in Berlin 107
Statistik der Erdbeben in Japan 109
Erscheinnngen am Sternenhimmel im Monat November-Dezember. Von F. K.
Oinzel in Berlin 110
Dir diesjährigen Beobachtungen zur Ermittelung der Entfernung der Erde von
der Sonne. Von F. K. Oinzel in Berlin 139
Ueber das Umbiegen der Nebenlinsse in der Nähe ihrer Vereinigung mit dem
Hauptstrom ll'J
Ein Modell der Meeresströmungen des atlantischen Oceans 143
Das grierhische Erdbeben vom 25. .tngust 144
Der Vulkan auf der Insel Vnlkano im Aeolischen Archipel 145
Die Ealbsche Theorie nnd der Einflnfs des .Mondes auf die Gewitter. Von
F. K. Oinzel in Berlin 146
Kometenmedaille der astronomischen Gesellschaft der pacifischen Staaten . 148
Meteor. Von Dr. F. Körber in Berlin 148
Le V'errier und die Meteorologie. Von Dr. Ernst Wagner, Assistent dos
Kgl. meteorologischen Instituts in Berlin 149
Erscheinnngen am Sternenhimmel im Monat Dezember -Januar. Von F. K.
Oinzel in Berlin 15G
Die Beruhigung der Wellen durch Del 191
Allgemeine Uebersicht der beobachteuswerthen Himmelserscheinnngen im
Jahre 1890 196
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Inhalt
IX
Ersehtinani^ii am Sternenhimmel im Monat Jannar-Febrnar. Von F. K.
Oinzel in Berlin 198
Algol als Doppelstem nnd Mizar als dreifacher Stern. Von F. S. Archon-
hold in Berlin 239
'Die Rotation des Mrrknr. Von Dr. F. Körber in Berlin 242
Ergebnisse der Temperatnrmessnngen in den fünf tiefsten prenfsischen Bohr-
itichern 245
Strombestimmnngen im Nordatlantischen Orean mittelst „Flaschenposten*'
durch den Fürsten von Monaco. Von Admiralitätsrath Rotlok in Berlin 247
Erscheinungen am Sternenhimmei im Monat Febrnar Marz. Von F. K. Oin-
zol in Berlin '251
John Murrays Ansichten über die Entstehung der Korailen-Rilfe und Atolie.
Von Dr. P. Schwabn in Berlin 287
Schlagwetterexplosionen nnd Sonnenliecken 291
Kosten der Lick-Sternwarte '294
Erscheinungen am Sternenhimmel im Monat März-April. Von F. K. Oinzel
in Berlin '295
Beimengung von Säuren in Regenwasser nnd Schnee. Von Dr. E. Wagner
in Berlin 339
Astronomie in Japan 341
Nachtrag zu dem Aufsatz „Die Fluthbewegnug des Meeres nnd der Luft“
Von Professor Dr. Börnstoin in Berlin 341
Erscheinungen am Sternenhimmel im Monat April- Mai. Von F. K. Oinzel
in Berlin 342
Die deutsche Plankton-Expedition. Von Admiralitätsrath Rottok in Berlin 377
Stemenstrablnng und Temperatur des Weltraums. Von Dr. F. Körber in
Berlin 382
Znr Theorie der veränderlichen Sterne. Von Dr. F. Körber in Berlin. . 383
Astronomical Society of the Pacific 38.5
'Bnjis Ballst 386
Falbsche Theorie; Statistik nnd politische Ereignisse. Von F. K. Oinzel
in Berlin 389
Schwankung der Erdaxo 395
Erscheinungen am Sternenhimmel im Monat Mai-Juni. Von F. K. Oinzel
in Berlin 396
'Respighi nnd Montigny 429
'Das Spektrum des Uranus. Von F. S. Archenhold in Berlin .... 431
Die Stemspektra vom I. Typus. Von Dr. F. Körber in Berlin 433
Schlagwetterexplosionen und kosmische Ursachen. Von Dr. E. Wagner in
Berlin 436
Die Periodizität der Erdbeben 438
Erscheinungen am Sternenhimmel im Monat Juni -Juli. Von F. K. Oinzel
ln Berlin 439
'Beobachtungsresnltate über die totalen Sonn enflnsteriisse am I. Januar nnd
22. Dezember 1889 476
'Zwei neue Theorien der Sonnencorona. Von Dr. F. Körber in Berlin . 479
Photographische llelligkeitsbestimmnngen der Sterne. Von Dr. F. Körber
in Berlin 482
Eine Katastrophe bei Kanzorik in Armenien 483
'Zar Malletschen Methode der Bestimmungen des Erdbebencentrnms . . . . 484
Eine nea entstandene Insel in der Südsee. Von Dr. E. Wagner in Berlin 488
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X
luhalt.
Seite
ErRrheinon^en am Sternfohimmcl im Monat Jnli-An^ust. Von F. K. Qinzel
in Berlin 400
'Enthüllung des 0|»)iolzer-lienkuials an der Wiener Universität. Von Dr. U.
Schram in Wien, Voretand der K. K. OradmesBiiSi? 510
'(liistav Adolph Hirn. Von Dr. F. Körbor in Berlin 62'2
Astronomische Thfiti^rkeit zweier Frivatsternwarten 52C
'Das Ohservatorinni aal Madagaskar. Von F. S. Archenhold in Berlin . 52J>
Die Festschrift der Sternwarte Pnlkowa .V20
Die SonnenÜnsternifs des Schu king 531
'Schiaparellis Forschungen über die Rotation der Venus. Von Dr. F. Kor-
ber in Berlin 534
Erscheinungen am Sternenhimmel im Monat Augnst* September. Von F. K.
Ginzel in Berlin 537
'Das E<|natorial coiide der Farisep Sternwarte .573
'Die scheinbare liestalt des Himmelsgewölbes. Von C. Kafsner in Berlin. .577
'Newtons tiebnrtshaus .580
Rahn des Meteors vom 15. Oktober 18S9. Von Dr. F. Korber in Berlin . 581
Erscheinungen am Sternenhimmel ini Monat September -Oktober. V^on F. K.
Ginzol in Berlin 68*2
Bibliographisches.
Rndolph RÖttger, Erdbeben. Besprochen von Dp. E. Wagner, Assistent
de» Königl. meteorologischen Instituts zu Berlin 6^-1
A. Krebs, Reitrige zur Keiintnifs niid Erklärung der (lewitterersrlieinungen.
Besprochen von Dr. E. Wagnor in Berlin . 64
Lieber den Winneckeschen Kometen and die Masse des Planeten Merknr. Be-
sprochen von F. K. Ginzol in Berlin 1.53
Vademeenra astroiiomi 1.55
Pani t'arus, Fnndamental Problems. Besprochen von Dr. K. Wagner in
Berlin 155
W. J. tan Rebber, Lehrbuch der Meteorologie für Studireude und znm Ge-
brauch in der Praxis, Besprochen von Dr. E. Wagner in Berlin. . . 156
Astronomisches aus Babylon. Von J. N. Strafsmair und J. Epping. Be-
sprochen von F. K. Ginzel in Berlin . '201
William Ferrel. A populär treatise on the wiiids, comprising the general mo-
tions of the atmosphere, monsoons, cyclones, tornadoes. waters|Mtnts, hail-
storms etc. Besprochen von Dr. E. Wagner in Berlin 203
Adam Paiilsen, t'ontribution u notre connaissance de l'aurore boreale. Be-
sprochen von Dr. E. Wagner in Berlin 205
Kleyers Encvklopädie der gesamten mathematischen, technischen and exakten
Naturwissenschaften. Besprochen von Dr. E. Wagner in Berlin . . . 298
Hermann Fritz, Die wichtigsten periodischen Erscheinungen der Meteorologie
nnd Kosmologie. Besprochen von F. K. Qinzel in Berlin 290
Diesterwegs popniäre Himmelsknnde nnd mathematische Geographie. Be-
sprochen Von F. S. Archenhold in Berlin 345
J. €. Houzean et Lancaster, Bibliographie generale de Pastrunomie. Tome
Premier, premiere et seconde partie. Besprochen von F. K. Qinzel in
Berlin 346
Die Sonne nnter der Herrschaft der Planeten Venus, Erde und Jupiter von
W'ilhelm Sellmeier Besprochen von Dr. F. Korber in Berlin .... 347
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Inhalt,
XI
S«ito
VerzeklinifH der vom I. Angnüt IltBU bU zam 1. Fehrnar I89U der Redaktion
znr Resprerhnn' eingesandten Bücher 348
J. de Montessas de Ballore: Trcrablenients de terre et ernptions rolcaniqnes
an Cenlre-Ameriqne, depnis la conqnete espagnole jnsqn'a nos jonrs. Be-
sprochen von Prof. Edward S. Holden, Direktor der Lick-Stemwarte 442
Keimaan. Beiträge znr Bestimmung der (ieslalt des scheinbaren Himmels-
gewölbes. Besprochen von Dr. P. Korber in Berlin 444
nie Frojektionskanst für Srhnlen, Familien und ülTentliclie Vorstelinngen . . 445
tVoldemar Voigt, Klementare Mechanik als Einleitung in das Studium der
theoretischen Physik 445
Berichtigung 445
F. Kerz, Weitere Ausbildung der Laplaceschen .Nebularhypothese. Zweiter
, Nachtrag. Besprochen von F. K. Qinzel in Berlin 49t
Emil Berg, nie Gewitter Knfslands im Jahre 1889. Besprochen von Dr. E.
Wagner in Berlin 41>4
R. V. KövesUgelhy, GrnndzUge einer theoretischen Spektralanalyse. Be-
sprochen von F. K. Qinzel in Berlin 540
G. F. Chambers, A llandbook of desrriptive and practical Astronomy. Be-
sprochen von Dr. F. Korber in Berlin . . . : 541
II. A. Schumacher, I. Bessel als Bremer Handinngslehrling. 2. Oie Lilien-
thaler Sternwarte 541
Jahrbuch der Naturwissrnschaflen 1889/90. Besprochen von Dr. F. Korber
in Berlin 585
Siegmund Günther, Oie Meteorologie ihrem neuesten .Standpunkte gemäfs.
Besprochen von Dr. E. Wagner in Berlin 585
Verzeirhnifs der vom I. Februar bis 1. August 1890 der Redaktion znr Be-
sprechung eingesandten Bücher 580
Berichlignig 588
Mprerhaaml 157. 20G. 2.54. 301. 351. 446. .589
Den mit einem • versehenen Artikeln sind erläuternde AbbUduugon
beigegoben.
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Namen- und Sachregister
zum zweiten Bande.
Algol als Doppelstern und Mizar als
dreifacher Stom. Von F. S. Archen-
hold 239.
Andromeda, der Nebel in der lOii.
Astronomical Society of the Pa-
cific
Astronomio in Japan 341.
Astronomisches aus Babylon. Von
J. N. Strassmair & Epping. Be-
sprochen von F.K. Giuzelin Berlin201.
Astrophysikaliache Observatorium
bei Potsdam, ein Rundgang durch
das. Von Dr. F. Korber 1*26.
Ballot, Bujis -f 386.
Bebber, W. J. v. Lehrbuch der Me-
teorologie für Studirende und zum
Gebrauche in der Praxis. Von Dr,
E. NVagner in Berlin 156.
Berg, Emil. Die Gewitter Rufslands
im Jahre 1881». 4;)4.
Berichtigung 445. 588.
Biographische Bilder. I. Dr. Karl
Ludwig Hencke. Von Professor
Wilhelm Förster 463.
Bücher, Vorzeichnifs der voml. August
1889 bis zum 1. Februar 1890 der
Redaktion zur Besprechung einge-
sandten 348.
Bücher, Verzeichnifs der vom 1. Fe-
bniar bis 1. August 1890 der Re-
daktion zur Besprechung eingosand-
ten 586.
Carus, Paul. Fundamental Problems.
Besprochen von Dr. E. Wagner in
Berlin 155.
Chambers, G. F. A Handbook of de-
scriptive and practical Astronomy.
Von Dr. F. Korber 541.
Diestorw'cgs populäre Himmols-
kunde und mathematische Geogra-
phie. Besprochen von F. S. Archen-
hold 345.
Eiszeiten, Zur Crollschen Theorie
der altomirenden. Von Dr. P.
Schwahn 57.
Entfernung der Erde von der Sonne,
die diesjährigen Beobachtungen zur
Ermittelung der. VonF. K.Ginzel 139.
«Equatorial coudö“, das, der Pariser
Sternwarte 573.
Erdaxe, Schwankung der 395.
Erdballs, die Ansichten der Physiker
und Geologen Uber die innere Be-
schaffenheit des. Von Dr. P. Schwahn
.393, 454.
Erdbeben, die Californischen, 1850
bis 1888, in ihrer Beziehung zu den
Finsternissen. Von P. K. Qinzel 255,
309.
Erdbeben, das Griechische am
25. August 144.
Erdbeben in Japan, Statistik der 109.
Erdbeben, die Periodizität der 4.38.
Erdbeboncentrums, Zur Mallet-
schen Methode der Bestimmung des
484.
Erdbebenforschung auf der Lick-
Stomwarte 54.
Erdbeben wolle, zur Bestimmung
der Fortpflanzungsgeschwindigkeit
der. Von Dr. P. Schwahn 52.
Eruptionen und Seebeben, unter-
seeische vulkanische. Von Admira-
lilätsrath Rottok in Berlin .509.
Falbsche Theorie, die, und der
EinÜufs dos Mondes auf die Gewitter.
Von F. K. Giuzel. 146.
Falbsche Theorie, Statistik und
politische Ereignisse. Von F. K.
Uinzel 389.
Ferrel, William. A populär treatise
on the wiuds, comprising the gene-
ral motions of the atmosphere mon-
soons, cyclons, tomadoes,waterspouts,
hailstorms etc. Besprochen von Dr.
E. Wagner in Berlin 203.
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XIV
Inhalt
Fluthbewegfun^, die, des Moores
und der Luft Von Professor Dr. R.
Uürnstein 207, 202. Nachtrag dazu
:t4l.
Fritz, Hermann. Dio wichtigsten pe-
riodischen Erscheinungen der Me-
teorologie und Kosmologie. Von F.
K. Ginzol m.
Funkeln der Sterne, die üntor-
suchungen Montignys über das. Von
Dr. L. de Ball 159, 218.
Günther, Siegmund. Die Meteorologie,
ihrem neuesten Standpunkte gemäfs.
Besprochen von Dr. E. Wagner in
Berlin 5S5.
Helligkeitsbestimmungen, pho-
tographische, der Sterne. Von Dr.
K. Körber in Berlin 482.
Hencke, K. L., siehe Biographische
Bilder. Von Profeasor Wilhelm
Förster 463.
Hermannshöhle, die, bei Rüboland
im Harz. Von Dr. V. Lewin, Ober-
realschullehj'er in Braunschweig 417.
IT il fs spparat, ein neuer, zur Beob-
achtung plötzlicher Phänomene. Von
Dr. F. Körber in Berlin 56.
Himmelserscheinungou im Jahre
1890, allgemeine Ucbersicht der be-
achtenswerthen 196.
Himmelsgewölbes, die scheinbare
Gestalt des. Von C. Kafsner in
Berlin 577.
Himmelskarte, die photographische
100.
Hirn, Gustav Adolph, Von Dr. F.
Körber in Berlin 522.
Ilouzoau, J. C. ct Lancaster. Biblio-
graphie gän^rale de rastronomio.
Tome Premier, premi^r© et soconde
Partie. Besprochen von F. K. Ginzel
in Berlin 346.
Jahrbuch der Naturwissenschaften
1889—1890. Von Dr. F. Körber in
Berlin 585.
Insel, eine neu entstandene, in der
Südseo 488.
Jupiteroborfläche, die, im Jahre
1889, Von James E. Keeler, Astro-
nom der Lick-Stemwarte auf Mt.
Hamilton 495. 543.
Karstes, die hydrologischen Geheim-
nisse des, und seine unterirdischen
Wasserläufe. Von Wilhelm Puticki
k. k. Forstinspektions-Adjunkt 89. 86.
Katastrophe, eine, bei Kanzorik in
Armenien 483.
Korz, F., Weitere Ausbildung der La-
placeschen Nebularhypothese. Zwei-
ter Na«'htrag. Besprochen von F. K.
Ginzel in Berlin 493.
Kloyors Kncyklopädtc der gesamten
mathematischen, technischen und ex-
akten Naturwissenschaften. Bespro-
chen von Dr. E. Wagner in Berlin 298.
Komet Brooks. Von Dr. F. Körber
in Berlin 104.
Kometen und Sternschnuppen, Über.
Von Prof. C. F. W. Peters, Direktor
der Sternwarte zu Königsberg 316.
Kometenmedaillo der astronomi-
schen Gesellschaft der pacißschen
Staaten 148.
Korallcn-Riffo und Atolle, John
Muirays Ansichten über die Ent-
stehung der. Von Dr. P. Sch wahn
in Berlin 287.
KÖvcsligethy, R v., Grundzüge einer
Iheorelischen Spektralanalyse. Von
F. K. Ginzel in Berlin 540.
Krebs, A., Beiträge zur Kenntnifs
und Erklärung der Gewltterorschei-
nungen auf Grund der Aufzeichnun-
gen über die Gcvriltcr Hamburgs in
den Jahren 1878 — 87. Besprochen
von Dr. E. Wagner in Berlin 64.
Le Verrier und di© Meteorologie
Von Dr. E. Wagner in Berlin 149.
Le Verriers Standbild und die Ge-
schichte der Noptunenldeckung 107.
Lieht und Elcktricität, Uber dio Be-
ziehungen zwischen. Ein Vortrag»
gehalten bei der 62. Versammlung
deutscher Naturforscher in Heidel-
berg. Von Heinrich Hertz, Professor
der Physik andorUniversitätBonn72.
Lick-Sternwarte, Kosten der 294.
Lo thab weichungen in der Um-
gebung von Berlin. Von Prof. Dr.
A. Fischer, Sektionschef im Künigl.
Preufsischen Geodätischen Institut
303, 353.
Meeresströmungen des atlantischen
Ozeans, ein Modell der 143.
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Inhalt.
XV
Merkur, die Masse des IW.
Merkur, die Rotation des. Von Dr.
F. Korber in Berlin 242.
Meteor. Von Dr. F. Korber in Ber-
lin 148.
Meteorologischen Beobachtun-
gen und I n Strumen te, die Anfänge
der. Von Dr. O. Hellmann, Mitglied
des Kgl. meteorologischen Instituts
in GorUti 113, 172.
Meteors, Bahn des, vom 15. Oktober
1889. Von Dr. F. Korber in Berlin
m.
do Montossus de Ballore, J., Trem-
blements de terro et äruptions vol-
caniiities au Centre-Amdrique, depuis
la couqu&te espagnole jusqu'ä nos
jours. Besprochen von Prof. Edward
S. Holden, Direkb>r der Lick-Stem-
warte 442.
Montigny f. 429.
Montignys UnU^reuchungen über das
Funkeln der Sterne. Von Dr. L. de
Ball in Lüttich 159. 218.
Nebel, die helikalischcn. Von Edward
S. Holden, Direktor der Lick-Stem-
warte auf Mt. Hamilton 1.
,.Nebel, die holikalischen**, Hinzu-
fugungcn zu dem Artikel 62
Nebenflüsse, über das Umbiogen der,
in der Nahe ihrer Vereinigung mit
dem Hauptstrom 142.
Nowtons Geburtshaus .^>80.
Observatorium, das, aufMadagaskar.
Von S. Arehenhold in Berlin 628.
Oppolzer- Denkmals, Enthüllung
des, an der Wiener Universität. Von
Dr. R. Schram 519.
P a u 1 s e n , Adam. Contribution k notre
connaissanco do l'auroro bor^ale.
Besprochen von Dr. E. Wagner in
Berlin 205.
Plankton-Expedition, die Deutsche
Von Admiralitätsrath Rottok in Ber-
lin 377.
Populäre Wissenschaft und Halb-
bildung, über, im besondern inBezug
auf die Bestrebungen der Urania.
Von Dr. W. Meyer, Direktor der
Urania in Berlin 560.
Privatsternwarten, astronomische
Thitigkeit zweier 526.
Projektionskunst, die, für Schulen,
Familien und öffentliche Vorstellun-
gen 445.
Pulkowa, die Festschrift der Stern-
warte 529.
Rechenkunst, Blicke auf die Ver-
gangenheit und Gegenwart der
astronomischen. Von F. K. Ginzel.
I. Die Anfänge des astronomischen
Reohnen.s 447. II. Das Zeitalter der
Kometen- und Planetenbahn-Bestim-
mungen .501. III. Die rechnerischen
Aufgaben der Rechenkunst 553.
Roimann, Beiträge zur Bestimmung
der Gestalt des scheinbaren Himmels-
gewölbes. Besprochen von Dr. F.
Körbor in Berlin 444.
Respighi f. 429.
Rüttger, Rudolf, Erdbeben. Be-
sprochen von Dr. K. Wagner in
Berlin 63.
Sächsische Schweiz, die, und der
Elbdurchbruch zwischen Telschen
und Pirna. Von Dr. Richard Beck
in Leipzig, mit Bildern von Olof
Winkler in Dresden 182.
Säuren, Beimengung von, in Regen-
wasser und Schnee. Von Dr. E
Wagner in Berlin 339,
Schiaparellis Forschungen Uber die
Rotation dorVonus. Von Dr.F. Korber
in Berlin 534.
Schlagwetterexplosionen u. kos-
mische Ursachen. Von Dr. E. Wagner
in Berlin 436.
Sch lag Wellenexplosionen und
Sonnenflecken 291.
Schumacher, H. A. 1. Hessel als
Bremer Handlungslehrling. 2. Die
Lilienthalcr Sternwarte 541.
SoUmeior, W. Die Sonne unter der
Herrschaft der Planeten Venus, Erde
und Jupiter. Besprochen von Dr.
F. Korber in Berlin 347.
Sonne, die physische Beschaflonheit
der. Von Dr. P. Kompf, Astronom
am Astrophys. Observatorium bei
Potsdam 24.
Sonnencorona, zwei neue Theorien
der. VonDr. F. Körbor in Berlin 479.
Sonnenfinsternifs, die, des Schu-
king 531.
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XVI
Inhalt
SonnenfinstorniBse, Beobachtungs-
rcBulUto über die totalen, am 1. Ja-
nuar und 23. Dezember 1889. 476.
Sonnenflecken-Minimum ö6.
Sprechsaal 157, 306, 254, 301, 351, 44G.
.589.
Sternenhimmel, Erscheinungen am,
im Monat Oktober-November 59,
im Monat November -Dezember 110,
im Monat Dezember-Januar 150,
im Monat Januar-Februar 198,
im Monat Februar-März 251,
im Monat März-April 395,
im Monat April-Mai .342,
im Monat Mai-Juni 396,
im Monat Juni-Juli 439,
im Monat Juli-August 490,
im Monat August-September 537,
im Monat September-Oktober 582.
Sterneustrahlung und Temperatur
des Weltramns. Von Dr. P. Korber
in Berlin 383.
Sternspektra, die, vom I. Typus.
Von Dr. F. Körbor in Berlin 433.
Strombestimmungen im Nordatlan-
tischen Ozean mittelst ..Flaschen-
posten** durch den Fürsten von Mo-
naco. Von Admiralitätsrath Rottok
in Berlin 247.
Temperaturmes8ungen,Ergebnis8e
der, in den fünf tiefsten prcufsischen
Bohrlöchern 245.
Urani a, die, nach ihrer Fertigstellung.
Bericht des Direktors Dr. M. W.
Meyer 236. 268.
Uranus, das Spektrum des. Von F.
5. Archenhold in Berlin 431.
Vademecum astronomi 1.55.
Venus, die Rotation der .534.
Veränderlichen Sterne, zur Theorie
der. Von Dr. F. Korber in Berlin 383.
Voigt, Woldemar, Elementare Me-
chanik als Einleitung in das Studium
der theoretischen Physik 445.
Vulkan, der, auf der Insel Vulkano
im Aeolischen Archipel 145.
Was dann? Vortrag gebalten in der
Gesellschaft Aula in München am
6. Dezember 1889 von Professor Dr.
L. Sohncke 363.
Wellen, die Beruhigung der, durch
Oel 191.
Winneckeschen Kometen, über
den, und die Mns.se des Planeten Mer-
kur. Von F. K. Ginzel in Berlin 153.
Witterungskunde, die neuere, und
die Lehre von der Niederschlags-
bildung. Von Professor Wilhelm
von Besold, Direktor des Kgl. mele-
orolog. Instituts zu Berlin 9, 65.
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Die helikalischen Nebel.
Vou Edward S. Holden.
Direktor dor I.ick*Stcrnwarte auf Mt. HamUton.
(.\U6 dem englischen Original-Manuskript übersetzt von Armi n O. I.oi;sc h ner,
B. Ä., cand. pliil.)
' ,-T^ie Entdeckung' der helikalischen Gestalt des planetarisclien Nebels
i_c^' H. IV. 37 (G. C. 4373) auf dieser Sternwarte itn Jahre 1888*)
führte nattirgomäfs zu Nachforschungen itach einer Methode,
welche es, in einigen Fällen wenigstens, ermöglichen würde, aus den
Daten, welche die Projektion der verschiedenen Zweige eines Nebels
auf den Hintergrund des Himmels gewährt, die wirkliche Lage dieser
Zweige im Raume dreier Dimensionen zu bestimmen. Im allgemeinen
ist cs theoretisch hoffnungslos, <*ine Lösung dieser Aufgabe mit den
uns gegenwärtig zu Gebote stehenden Hülfsmittelu zu finden. Immerhin
habe ich, für eine Gattung von Nebeln wenigstens, einige interessante
Resultate erzielt, und vielleicht ist die angewendete Methode ausge-
dehnterer Anwendung fähig.
Zu besserem Verständnifs der Methode erwäge man, in welcher
.\rt ein Nebel sich uns zeigt. (Fig. 1.) Die einzigen Daten, die wir
besitzen, sind die Umrisse a einer Zeichnung des Nebels, wie er gegen
den Himmel x projizirt erscheint. Wir müssen uns unter der Kurve
a die Basis eines Cylinders A vorstellen, dessen Elemente gerade
Linien (Lichtstrahlen) sind, die sich von der Projektion a aus nach
dem Auge in A hin fortpflanzen. Ist die Kurve a verwickelt und ver-
schlungen, so wird dies auch die Oberfläche des Cylinders sein. Eine
jede beliebige Kurve, die ijan auf der Oberfläche des Cylinders zeichnet.
*) Siehe .Himmel und Erde" Juni 1889, S. .Wi.
Bimmel tind Erde. II. 1. 1
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2
wie et' Ol", projizirt sich auf den Himmel in dieselbe Kurve a; so dafs
irffcnd eine aus der unendlichen Zahl der Kurven, die sich auf der
Oberfläche des Cyliuders zeichnen lassen, den wirklichen Nebel
im Raume vorstellen mag, denn eine jode derartige Kurve projizirt
sich in die Kurve a. Dies bewährt sich für einen und alle Nebel,
wie p, b u. s. f.
Das Einzige, was wir Ihatsächlich über die (lestalt eines Nebels
wissen, ist, dafs er sich in einer gewissen Form wie a oder b
u. 8. f. projizirt Unsere Aufgabe ist, mit der alleinigen Kenntnifs
der projizirten Kurven a, b etc. die wahren Kurven a, p etc. im
Raume zu bestimmen.
Um unsere Ideen in das rechte Geleise zu leiten, wollen wir unser
Augenmerk auf die gedehnten Nobclstränge richten, welche die Spiral-
nebel bilden.
Ehe ich mich jedoch
ilazu anschicke, mufs ich ’
noüiwendigerweise bemer- ^
kon, dafs die Daten (die
Kurven a, b etc.) gegen- ■
wärtignur aus Zeichnungen
geschöpft werden können,
und folglich mit mannig-
faltigen Arten von Fehlem ^
behaftet sein mögen, deren
Ursache in den Unvoll-
kommenheiten der Tele- Fig. 1.
skopc, der AVuhraehraung und der Zeichnung liegen wird.
Photographieen von Nebeln sind einer verschiedenartigen und
harmloseren Klasse von Fehlern unterworfen und sind frei von per-
sönlichen Fehlern. Wenn das grofso Teleskop wieder in der Lage sein
wird, Nebelflecke zu photographiren, hoffe ich deshalb, dioseUntersuchung
mit besseren Hülfsmittcln wieder aufnehmen zu können. Einstweilen
werde ich die Zeichnungen von Lord Rosse, Lasseil und anderen als
die vorthcilhaftesten verwenden und mich nicht mit etwaigen Fehlern
in denselben befassen, sondern dieselben so behandeln, als ob sie
fehlerfrei wären, da es eben die besten mir zu Gebote stehenden llülts-
mittel sind.
Um nun auf unsere spezielle Aufgabe zurückzukommen, wollen wir
wieder die Fig. 1 ins Auge fassen. Das Einzige, was wir über den
Nebel im Raume wissen, ist, dafs seine Projektion am Himmel a ist.
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3
Irgend eine Kurve auf der Oberfläche des Cylinders A mag die wahre
Gestalt des Nebels selbst vorstollen. Dasselbe ist der Fall für einen
zweiten Nebel b, dessen Kun'o b gewöhnlich von a verschieden ist.
Jede beliebige Kurve auf der Oberfläche B projizirt sich in die
Kurve b. Im allgemeinen wird aber die Gestalt der beiden Cylinder so
sehr verschieden sein, dafs man identische Kurven a fl' auf ihren Ober-
flächen nicht zeichnen kann.
Fände sich nun ein Kurven paar a, b, dessen Cylinder A, B derartig
gestaltet sind, dafs sich auf ihren Oberflächen dieselbe Kurve wirklich
darstellen läfst, so wäre eine gewisse Möglichkeit vorhanden, dafs
diese identische Kurve tlialsäcblich die wahre Gestalt der beiden Nebel
im Kaume repräsentirt. M'iederum, könnten wir einen weiteren Nebel c
finden, dessen Cylinder o demjenigen des Nebels a so ähnlich ist,
dafs gleiche Kurven auf den drei Oberflächen A, B, C sich ziehen
liefsen, so wäre eine noch weit gröfsere Wahrscheinlichkeit vorhanden,
dafs die identische Kurve auf den drei Oberflächen A, B, C thatsächlich
die walire Gestalt dieser drei Nebel a, b, c im Raume vorstcllt. Fände
sich ein weiterer Nebel d, dessen Cylinder D so gestaltet ist, dafs die
nämliche Kurve sich auf seiner Oberfläche hervorbringon läfst, so
ist eine noch viel höhere Möglichkeit vorhanden, dafs diese eine Kurve
die wahre Gestalt aller vier Nebel a, b, c, d im Raume wirklich darstellt.
Indem wir mehr und mehr Beispiele gewinnen, welche alle dieselbe
Bedingung erfüllen, wächst die Wahrscheinlichkeit, dafs wir die wahre
Gestalt der Nebelgebilde im Raume erreicht haben, ungeheuer ra.sch.
Und sind wir im stände, ausreichende Beispiele zu finden, so wird
die Wahrscheinlichkeit dem Wesen nach zur Gewifsheit anwachsen.
Wir können diese Aufgabe praktisch angreifen, indem wir auf
experimentellem Wege nach einer einzelnen Kurve ^ forschen, die
durch Projektion all die verschiedenen Kurven a, b, o, d, e . . . . z er-
giebL Läfst sich eine solche Kurve (durch Versuche) finden, so wird
es in demselben Verhältnifs, als mehr und mehr Kurven a, b, c, d . . . .
der Projektion dieser typischen Kurve genau entsprechen, auch mehr
und mehr wahrscheinlich werden, dass o in der That die wahre Kurve
eines jeden der Nebel a, ß, f, 5 . . . (u im Raume darstellt. Die Ver-
muthung derartiger Typen tauchte in mir infolge von Beobachtungen
von Nebelflecken mit dem grofsen Fernrohre auf, und ich habe die-
selbe in „Himmel und Erde“ Juni 1889 Seite 603 ff. tlieilweiso erörtert.
Heute präsentire ich eine Kurve, welche für eine gewisse Klasse von
Spiralnebeln die typische zu sein scheint. Die beifolgende Fig. 2
zeigt mehrere Darstellungen einer Di’aht-Spirale, welche sich, wie ich
1*
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4
auf experimentellem Wege gefunden habe, in die Gestalt eines jeden
der folgenden Nebel projiziren läfst.
Aufserdem giebt
diese F'igureinen Mafs-
stab, welcher mit dem
Drahte zugleich photo-
graphirt wurde. Der
Durchmesserdes klein-
sten Kreises des Mafs-
stabes beträgt einen
Zoll und derjenige
eines jeden der folgen-
den Kreise ist 0,2 Zoll
gröfsor, als der vor-
horgchcndo. Die Ent-
fernung der Spitze des
Pflockes von der hori- Fig. 2.
zoufalen Linie, welche auf ihm gezeichnet ist, beträgt einen Zoll für
eine jede der vertikalen Projektionen, ln der Kig. 3 gebe ich eine
Auswahl von Projektionen der typischen Spirale der Fig. 2. Diese
wurden dadurch hergcstellt, dafs das Drahimodell parallelen Lichtstrahlen
ausgesetzt und sein Schatten auf einer Fläche naohgezeichnef wurde.
Fig. 3.
Meistentheils wurde die typische Spirale mit Zeichnungen von Nebeln
verglichen, indem die Drahtspiralo (deren Anfangspunkt nahezu stets
das Papier im Kerne des Nebels berührte) so lange hin und her be-
wegt wurde, bis sich die Projektion der Spirale genau mit der Zeich-
nung des Nebels deckte, während das Auge senkrecht über der Papier-
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5
fläche stand. Gewöhnlich mufs das Modell für einen Nebel mit n
Zweigen n verschiedene Male angewandt wenlen. Ks hat sich auch
nicht ein einziger Kall gefunden, in welchem diese Spirale einem
Zweige eines Nebels entsprochen hätte, ohne zugleich einem jeden der
übrigen zu entsprechen. Ira Weiteren folgen einige Vergleichungen
dieser typischen Spirale mit Zeichnungen von Nebeln. Ich beginne mit
der bewunderungswürdigen Reihe von Zeichnungen, die Herr Lassell
in den „Memoirs of the Royal Astronomical Society“ vol. 36 giebt.*)
Figur.
O. K. No.
Bemerkungen.
2
600
Die Umrisse dieses Nebels wurden genau wiedergegobon
(in unserer Fig. 3 No. I).
3
604
dito (wenn mau Lasaells Figur umkehrt).
it
1511
dito (vergleiche unsere No. 3).
12 (a)
1861
dito (in unserer No. 6).
12 (b)
1861
Dio Umrisse können wiedorgegebon werden (vergl.
unsere No. 13, 24, 25).
15
2373
Die Schlinge und die darauf folgende Ecke der Lassell-
Bchen Zeichnung kann genau wiedorgegebon werden
(vergl. unsere No. 1.5, 19).
16
28:58
Die -'Vxe der Ilauptkurvo der Zeichnung kann genau
wiodergegeben werden (vergl. unsere No. 20).
17
2890
Beide Figuren wurden genau wiodergegeben. Jeder
Zweig ist eine Projektion der typischen Spirale
(vergl. unsere No. 11, 16, 17).
27
3.572
■M. 51
AU die hauptsschiiehen Zweige wurden genau wieder-
gegeboii ; besondere Anwendung der typischen Spirale
für einen joden der Zweige (vergl. unsere No. 1, 7,
n. 16. 17).
28
3606
Kehrt man diese Zeichnung um, so können die drei
Zweige durch dreimalige Anwendung der typischen
Spirale genau wiodorgogeben werden (vergl. unsere
No. 8, 14, 15, 19, 20).
29
3614
Kehrt man diese Zeichnung um, so können die beiden
Zweige durch zweimalige Anwendung des Modells
wiedergegeben werden (vergl. unser© No. 5, 6, etc.).
33
4403
(Der Omega-Nebel.) Die Axcii der Schlinge und des
darauf folgenden geradenTheües können genau w'iedcr-
gegoben werden (vergl. unsere No. 31).
Vergleichung mit „Lord Rosses'^ Zeichnungen in den
„Philosophical Transactions 1S61“.
9
888
h 327 (vergl. unsere No. 1 etc.).
10
.532
h 131. Kann genau wiedergegeben werden, wenn man
die Zcirhnung urakehrt und dom Mafastabe anpatsL
•) Zur leichteren Vergleichung haben wir auf einer besonderen Tafel
Copien der mei.aleu der hier angeführten Nebelzeichnungen beigefiigt. Die Red.
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Lasse IJs
Figur.
O. K. .\o.
Bemerkungen.
13
2ft53
h 689 diu».
15
2216-7
1 h 765 -6 (vcrglcichn unspre No. 2, 3, 4, 12, 13, 28. 31).
16
2377
h 857 (vorgl. unsere No. 1, 7, 11, 16, 17 etc.).
18
2670-1
h 1052 — 3 (vorgl. uiuiere No. 2, 3, 12 etc.).
19
2680
h 1061 kann wiodergegobon worden.
21
2870
' h 1106 (vergl. unsere No. 3, 9 (umgekehrt), 12, 29,
30 etc.).
23
3041-2
j h 1306—8 (vorgl. unsere No. 5, 6, 21 etc. und 11 etc.).
24
3085
! h 1337 (vorgl. unsere No. 2, 14; zweimalige Anwdg.),
2.5
1 3151
h 1385 (vergl. unsere No. 23, 24; beachte die Oeffnung
in dom unteren Theilo der Fig. (wie in No. 23) und
das Hollerworden des Nebels genau oberhalb (wie in
No. 23, wo rechter Hand der Haken sich zurückbiegt).
26
3189-90
1 h 1414 — 5 (vergl. unsere No. .5, 6,. 21, 29, 30).
28
3.511
h 1589 (vergl. unsere No. 5, 6 etc.).
29
3615
h 1650 (vergl. unsere No. 11, umgekehrt).
32
4160
1 h 1946 (vergl. unsere No. 1 etc.).
36
4594
h 2084. Kehrt man diese Zeichnung um, so kann jeder
der vier Aesto durch Projektion der typischen Spirale
^nau dargestellt worden. Ich habe ein Drahtmodell
dieses Nebels anjfefertigt. Vor Bejfinn der vor-
liegenden Untersuchung bemühte ich mich, ein Modell
dieses vierästigon Nebels anzufertigen, indem ich
von der Voraussetzung ausging, dafs jedor der Zweigo
durch Projektion (in vier verschiedenen Winkeln)
einer und derselben Kurve im Räume verursacht sei.
Endlich glückte es mir, ein Stück Draht so zu biegen,
dafs in vier verschiedenen Lagen desselben (während
der .Vnfangspunkt der Spirale in steter ßerührung
mit dem Kerne stand), die vier Projektionen sich ganz
genau mit den vier Aestcii deckten. Hierauf legte ich
das Modell bei Seite und konstruirte eine typische
Kurve nach dem Nebel O. C. 600, dem grofsen Nebel
O. C. 3o72 (M. 51) und anderen. Diese zweite typisch©
Kurve wurde nun (in umgekehrter Lago) auf den
Nebel 4504 gebracht und cs fand sich, dafs dieselbe
die Aesto genau darstcllte und dafs sie mit der zu-
erst konstruirten Kurve vollständig identisch war.
Wie in anderen, so wird auch in diesem Falle die
Ueberzeugung, dafs der wahre Typus der Nebel kon-
struirt worden ist, demjenigen mehr nahe gelegt
werden, welcher die Modelle thatsäcblich angefertigt
und gefunden hat, dafs dieselben die Bilder genau
I I repräsentiren, als dem, der nur Gelegenheit hat,
{ I einen Bericht Uber den Hergang dos Ex]>erimentes
zu lesen.
41 4071 h *2245 (vorgl. unsere No, l etc. in umgekehrter Lage).
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7
Figur.
0. K. No.
Bemerkungen.
1
!
Vergleichung mit Lord Rosbps Zeichnungen in den
^Scientific Transactiona H. Dublin Society
Vol. U.“
Tafel I. 1
1202 1
1 (Vergl. unsere No. 24, 25).??
I.
12G7 '
(Vergl. unsere No. 14» 15, 19 ete in umgekehrter Lage).
II. 1
1519 1
1 Kann genau wiedergegeben w'orden.
II.
1520
dito.
III.
1861-3
dito, die hauptsächlichen Kurven diesoa Nebels.
IV. i
;i572
dito.
V.
4561
(Vergl. unsere No. 9, 10, nur die mittleren Theile.)
VI.
4403
! Die Axon desselben können genau wiedergegeben
werden. Siehe unsere No. .'11.
Es ist kaum nöthig, noch weitere Beispiele anzufiihren. Die
soeben beleuchteten sind hinreichend, um für jeden, der aus den Daten
der Fig. 2 für sich selbst eine typische Kuiwe anfertigen und die
Vergleiche mit den Figuren, wie sie soeben in ihren Grundzügen
skizzirt wurden, anstellen will, die volle Tiefe derWahrheit zu begründen.
Die Spiralen des Orion-Nebels gehören wahrscheinlich ebenfalls
zu dem soeben angeführten Typus. Das Beispiel des Omega-Nebels
ist sehr auffallend. (G. C. 44, 4403.)
Zu der im Vorhergehenden erläuterten Vermuthung mag entgegnet
werden, die Formen der Nebel seien so undefinirbar, dafs ein aufser-
ordentlich weiter Spielraum in der Identifikation der Zeichnungen mit
den Projektionen irgend einer speziellen typischen Kurve gestattet
sei. Zweifellos trifft dies zu. Die einzige Abhülfe hiergegen besteht
darin, bessere Darstellungen der Nebel selbst auf photographischem
Wege zu erzielen. W'eiter könnte man einwerfon, die Fig. 3 be-
weise, dafs eine einmal angenommene Spirale sich in eine grofse
Menge von Formen projiziren lasse, und diese hinlänglich verschieden
seien, um sich einer verhältnismäfsig kleinen Zahl aus den vielen
Tausenden der bekannten Nebel anzuschliefsen. Ohne Zweifel ist es
wahr, dafs die Projektionen einer Menge von verschiedenen Kurven
einer beträchtlichen Anzahl der angeführten Zeichnungen angepafst
werden können. Und doch scheint es mir nach meinen Versuchen, dafs
die Helix der Fig. 2 der typischen Kurve der fraglichen Nebel näher
kommt, als irgend eine andere, die ich augenblicklich zu konstruiren in
der Lage wäre. Sicherlich bedarf sie einiger Verbesserung, doch stellt
sie meiner Ansicht nach eine gute erste Annäherung vor. Wenn man
die Versuche selbst anstellt, wird man die Schwierigkeit, die Kurve
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8
zu vorvollkommnen, am ersten würdigen können. Ferner mufs
man bedenken, dafs, während die Zahl aller Nebel weit in die
Tausende hineinreicht, es verhällnifsmäfsig nur wenige Spiralnebel
giebt, und dafs ein erstaunlich grofser Prozentsatz dieser sich der
typischen Kurve anschliefst, w'ährend sich durchaus keine Verwandt-
schaft derselben mit anderen als Spiralnebeln erzwingen läfst. Sollte
die Spirale in der Fig. 2 wirklich der Typus einer gewissen Klasse
von Nebeln sein, so kann eine Menge interessanter Fragen eine Lösung
finden. Z. B.: Welches sind die Richtungen der Axcn dieser ver-
schiedenen Nebel im Raume? Bestehen irgend welche s^’stematische
Beziehungen zwischen diesen Axon? W'elcher Art ist das Gesetz der
Kräfte, nach welchem materielle Bestandlheile von dom centralen Kerne
abgestofsen (oder angezogen) worden? Haben wir hier in den Nebeln
verschiedene Typen von Spiralen, mehr oder weniger analog den ver-
schiedenen Typen der Kometenschweife, wie sic Prof. Bredichin in
so zutreffender Weise aufgestellt hat? Gewisse Theile dieser Nebel
müssen sich der Erde nähern, andere sich von ihr entfernen. Können
wir vermittelst des Spektroskopes derartige Bewegungen von einand<u’
scheiden?
Eine Veimuthnng, die auch nur die Hoffnung wach werden läfst,
derartige Probleme erfolgreich anziigreifen, ist nicht ohne Werth, und
trage ich deshalb kein Bedenken, obige Abhandlung in ihrer gegen-
wärtigen unvollkommenen Gestalt zu veröffentlichen.
Lick Observatory, Juli 12, 1881).
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Die neuere Witterungskunde und die Lehre von der
Niederschlagsbildung.
Vou Professor Wilhelm von Bezuld,
Direktor <ios k^I. meteorologischen lostUuts zu Berlin.
"fo® friebt wenige Wissensohafton, welche innerhalb der letzten Jahr-
-vj zehnte eine so einschneidende Umgestaltung erfahren haben, wie
die Meteorologie. Verfeinerte Instrumente, neue Methoden und
neue Gesichtspunkte haben die Lehre von den Vorgängen in der
Atmosphäre von Grund aus uingowandelt, und die Erklärungen, welche
man noch vor nicht zu ferner Zeit von Reihen von Erscheinungen
gegeben hat, zum grofsen Theile geradezu auf den Kopf gestellt.
Bis in die Mitte des Jahrhunderts war die Meteorologie wesent-
lich eine geographisch-statistische Wissenschaft, heute bilden diese geo-
graphisch-statistischen Forschungen nur einen Zweig derselben, während
man mit allen Kräften darnach strebt, die eigentliche Witterungskunde
auf streng physikalische Grundlage zu bringen, d. h. sie zu einer
Physik der Atmosphäre nuszubauen.
Diese Art der Entwickelung war eine vollkommen naturgemäfso.
Als man zuerst anfing, über Druck, Temperatur und Feuchtigkeit
der Luft, sow'ie über Wind, Bew’ölkung und Niederschläge regelmäfsige
Beobachtungen und Aufzeichnungen zu machen, da mufste man auch
bald darauf bedacht sein, das rasch anwachsende Zahlenmaterial über-
sichtlich zusammenzufassen, um in demfelben Gesetz und Ordnung zu
entdecken.
Hierfür bot sich nun die Mittel- oder Summeubildung als natur-
gemäfses llülfsmittel dar.
Man vereinigte die bei den Beobachtungen aufgezeichneten
Zahlenwerthe zu Tages-, Monats- und Jahresmitteln und erlangte damit
die Grundlage für viele wichtige Untersuchungen.
Hierher gehört vor allem die allgemein interessirende Frage, ob
ein ganz bestimmter Monat etwa besonders kalt, besonders warm, un-
gewöhnlich nafs, ungewöhnlich trocken gewesen sei, oder ob er sich
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10
so verhalten habe, wie es der langjährige Durchschnitt ergiebl, d. h.
ob er normal gewesen sei.
Desgleichen kann man auf Qrund solcher Zahlen untersuchen, ob
zwei Orte irn langjährigen Durchschnitte gleiche Jahrestemperaturen
oder gleiche Sommer- oder Winterteraperaturen zeigen, oder ob und in
welchem Mafse sie sich in dieser Hinsicht von einander unterscheiden.
Ja man kann, wie dies zuerst Alexander von Humboldt im
Jahre 1817 mit einem freilich höchst spärlichen Materiale gethan hat,
alle Punkte der Erdoberfläche, welche gleiche mittlere Jahrestemperatur
oder gleiche mittlere Sommer- oder gleiche mittlere Wintertemperatur
besitzen, durch länien verbinden und sich so ein anschauliches Bild
vcrschalTen von der Wärme vertheilung auf der Erdoberfläche. Geht
man in der Beschränkung der zur Mittelbildung herangezogenen Periode
noch weiter, und logt man, wie dies zuerst von Dovo geschah, solchen
Darstellungen langjährige Monatsmittel zu Grunde, so wird das Bild
immer ausgeprägter und sprechender.
Aehnlich wie bei den Temperaturen kann man natürlich bei
dem Luftdruck, bei den Niederschlägen, bei der Bewölkung u. s, w.
verfahren.
Welch’ schöne und lehrreiche Bilder man auf diese Weise ge-
wonnen hat, davon legt der vor zwei Jahren erschienene Atlas der
Meteorologie von J. Hann ein glänzendes Zeugnifs ab.
Aber wie weit man auch diese Mittelbildungen ausdehnen
mag, und wie werthvoll die Aufschlüsse sein mögen, welche man
an der Hand derselben über die Bewohnbarkeit unseres Eniballs, über
die Verbreitung von Thier- und Pflanzenleben gewinnen kann, so
wird doch das Gebiet der Erforschung der atmosphärischen Vorgänge
dadurch noch lange nicht erschöpft, nach mancher Seile hin kaum
gestreift.
Mittelwerthe können eben ihrer Natur nach nur ein Bild davon
geben, wie sich gewisse Erscheinungen oder wenn man Mittelwerthe
aus verschiedenen Gröfsen bildet, wie sich Gruppen von Erscheinungen
im allgemeinen abzuspiolen pflogen, sie charakterisiren auf dem hier
betrachteten Gebiete das, was man das „Klima“ eines Ortes nennt.
Es ist erst etwas über 30 Jahre her, seit der holländische Meteo-
rologe Buys-Ballot den Begriff Klima scharf präzisirte.
Früher unterschied man kaum zwischen Klima und Wetter,
wenigstens nicht zwischen der Lehre vom Klima und jener vom Wetter,
ja man kann sagen, das, was man früher als Meteorologie bezeichnete.
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11
war eben nur die Lehre vom Klima, nicht aber eigentliche Witterungs-
kunde.
Erst seitdem der Unterschied zwischen Klima und Wetter zum
klaren BewuTstsein gekommen war, fing man ati sich ernstlich mit der
Erforschung der Witterungserscheinungon zu beschäftigen, während
die älteren Untersuchungen über die Vorgänge in der Atmosphäre
wesentlich nur vom klimatologischen Standpunkte aus geführt wurden.
Heute haben sich Klimatologie und eigentliche Meteorologie zu
grofsen selbständigen Wissenschaften entwickelt, die zwar durch tausend-
fache Fäden miteinander in Verbindung stehen, sich aber doch sowohl
hinsichtlich der Methode als auch hinsichtlich ihrer eigentlichen Ziel-
punkte ganz wesentlich von einander unterscheiden.
Unter „Klima“^ versteht man die Gesamtheit der meteorologischen
Erscheinungen, wie sie sich im Durchschnitt an einer Stelle der Erd-
oberfläche abzuspiclen pflogen.
Mit dem Worte „Wetter“ hingegen bezeichnet man jene Ueihe
von atmosphärischen Zuständen, wie sie zu einer gegebenen Zeit an
einem bestimmten Orte oder auch über einem grofseren Gebiete thatsäch-
lich aufeinanderfolgon, oder in einem gegebenen Zeitpunkte sich der
Beobachtung darbieten.
Das Wetter trägt einen individuellen Charakter an sich, das Klima
hingegen ist eine Abstraktion.
Das Wetter kann an ein und demselben Orte heute kalt, morgen
warm, heute feucht, morgen trocken sein, in dem einem Jahre wesent-
lich anders als in einem andern u. s. w., das Klima hingegen bleibt
im allgemeinen unverändert oder ist höchstens im Laufe langer Zeit-
räume oder nach gewaltsamen Eingriffen, wie Entwaldung, Entsumpfung
u. dgl. kleinen, meist schwer nachweisbaren Aenderungen unterworfen.
Mit einem Worte, das Klima gehört zu den charakteristischen
dauernden Eigenthümlichkeiten eines Ortes oder einer Gegend, das
Wetter ist ein Kind des Augenblicks, stetem Wechsel unterworfen.
Sowie man sich dieses Unterschiedes zwischen Klima und Wetter
klar bewufst wird, versteht man auch, dafs Miltelwerthe unmöglich
geeignet sein können, um einen tieferen Einblick in Witterungsverhält-
nisse zu gewinnen.
Thatsächlich sind auch Fortschritte auf dem Gebiete der eigent-
lichen Witterungskunde erst von dem Zeitpunkte an zu verzeichnen,
wo man anfing, den atmosphärischen Zustand für gegebene Augen-
blicke zum Ausgangspunkte der Forschung zu machen.
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Man bedient sich hierfür seit dem Vorgrange von Buys-Ballot
ebenfalls der kartographischen Darstellung.
Indem man die Vertheilung des Luftdruckes und der Temperatur
für einen gegebenen Augenblick in gleicher Weise durch Linien
gleichen Druckes — Isobaren — und durch Linien gleicher Tempe-
ratur darstellt, wie man dies schon viel früher für Mittelwerthe gelhan
hat, und indem mau überdies noch Windrichtung, Windstärke und Be-
wölkung ebenfalls in einfacher Weise ersichtlich macht, erhält man
ein Bild, welches die Wetterlage für den betreffenden Zeitpunkt mit
einem Blicke zu übersehen gestattet.
Solche Bilder sind die sogenannten Wetterkarten, die man eben
wegen der zuletzt erwälmten Eigenschaft auch „synoptische“ nennt,
während man die ganze auf solchem L’eberblicken der gleichzeitigen
atmosphärischen Zustände fufsende Methode der Forschung ebenfalls
als die „synoptische“ bezeichnet
Indem man solche synoptische Karten für gleiche Zeitintervalle
entwirft, also etwa von Tag zu Tag, oder noch besser von 8 zu 8
Stunden, kann man die Veränderungen, welche sich im athmosphärischen
Zustande vollziehen, genau verfolgen.
Thatsächlich ist man auch auf diesem Wege zu höchst wichtigen
Erkenntnissen gekommen, und haben sich dabei die Anschauungen
über die Vorgänge in der Atmosphäre vollkommen umgestaltet
Ueber Wetterkarten und über ihre Benutzung zur Vorhersagung
der Witterung ist jedoch innerhalb der letzten zehn .lahre so viel
geschrieben worden und sind dieselben auch so häufig zum Gegen-
stände populärer Darstellung gemacht worden, dafs es nicht nöthig
scheint, hier abermals eine solche zu gi'ben.
Es soll vielmehr hier eine andere Seite der modernen Meteoro-
logie beleuchtet werden, die mit der synoptischen Methode nicht
in unmittelbarem Zusammenhänge steht, wenn auch die Ergebnisse
der gleich auseinandorzuselzenden theoretischen Ueberlegungen in den
Wetterkarten ihre kräftigste Stütze und die schlagendsten Beweise für
ihre Richtigkeit finden.
Diese hier zu betonende Seite betrifft die Anwendung der mecha-
nischen Wärmetheorie auf die Meteorologie, ein Schritt, der in seinen
h’ülgen nicht weniger zur Forderung dieser Wissenschaft beigetragen
hat, als die Einführung der synoptischen Methode.
Zunächst äufserle sich dies in der Eniräthselung einer der gewöhn-
lichsten und zugleich wichtigsten Erscheinungen, nämlich der Nieder-
schlagsbildung.
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Den Orund der Xiedorschlagsbildung' erblickte man früber in der
Misobunjr ungleich warmer mit Wasserdampf gosättig’tor Luftmengen.
Ein bestimmtes Volumen — gleicbgiiltig ob mit Luft erfüllt oder
nicht — vermag nämlicb je nach der Temperatur sehr verschiedene
WassermetKen in DampfTorm aufzunohmcn.
So betragen z. B. die Wassermengen, welche in einem Kubik-
meter damptTormig vorhanden sein können, bei 0®, l()o, 20®, 30® des
hundertheiligen Thermometers der Reihe nach 4.9, 9.4, 17.2, 30.1 Gramm.
Sie wachsen demnach sehr rasch mit steigender Temperatur.
Enthalt die Luft bei den genannten Temperaturen thafsächlich
die angeführten Dampfmengen, so nennt man sie gesättigt, enthält sie
nur etwas weniger, so ist sie feucht, wenn erheblich weniger, trocken,
da sie in dem einen Falle nur noch wenig, im anderen Falle aber
noch viel Wasser aufzunehmen vermag.
Wird gesättigte Luft abgekühlt, so mufs das überschüssige Wasser
herausfallen, zunächst als Nebel oder Wolke und dann je nach der
Temperatur als Regen oder Schnee, unter besonderen Umständen auch
als Thau, Reif oder Hagel.
Es handelt sich also wesentlich darum, zu erklären, wie solche
Abkühlung zu stände kommen kann.
Nun wufste man längst, dafs es in den höheren Schichten der
Atmosphäre im allgemeinen kälter ist als in den tieferen, und so dachte
man sich, dafs beim Aufsteigen erwärmter feuchter Luft eine Mischung
mit kälterer eintreten müsse, und dafs dadurch die Ausscheidung des
Wassers bewirkt werde.
Freilich mufste man zugleich annehmen, dafs auch die bei-
gomischte kühle Luft, wenn auch nicht vollständig, so doch nahezu
gesättigt sei.
Unter dieser Voraussetzung überlegte man nun folgendermafson:
gesetzt, ein Kubikmeter gesättigte Luft von 0 ® werde mit einem solchen
von 20® gemischt, so enthält das erstere 4.9, das letztere 17.2 Gramm,
im Kubikmeter des Gemisches, mithin
4.9-!- 17.2
d. i.
11.05 Gramm;
nun sagte man ferner, wenn gleiche Mengen Luft von 0® und von 20®
gemischt werden, so hat das Gemisch die Temperatur von 10®, mithin
kann es im Kubikmeter nur 9.4 Gramm enthalten und 1.65 Gramm
müssen ausgeschieden werden.
Diese Art der Betrachtung wurde schon vor hundert Jahren von
dem Engländer Hutton ausgefUhrt, obvrohl es ihm damals noch an
den erforderlichen Zahlen gebrach, und er nur wufste, dafs die Dampf-
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menge in gesättigter Luft mit der Temperatur rasch zunehme. Sie
blieb dann lange Zeit in Kraft und selbst heutzutage ist die Meinung
noch weit verbreitet, dafs man wirklich eine Hauptiirsache der Nieder-
schläge in solcher Mischung zu suchen habe.
Dies ist aber keineswegs der Fall, denn abgesehen von der
grofsen Unwahrsoheinlichkeit, dafs Luftmengen von so verschiedener
Temperatur überhaupt zur Mischung kommen, so ist die Betrachtung,
auf welche man die Berechnung der Mitteltemperatur stützte, falsch.
Gleiche Volumina Luft von und von 20” geben nur dann ein
Gemisch von 10 ”, wenn man es mit trockener Luft zu thun hat, oder
wenigstens mit so wasserdampfarmer Luft, dafs der Sättigungspunkt
bei der Mischung nicht erreicht wird.
Ist letzteres der Fall, dann wird auch die Temperatur eine höhere,
da bei der Kondensation von 1 Gramm Wasser ungefähr ebensoviel
Wärme frei wird oder richtiger, soviel entzogen werden mufs, als bei
Normaldruck zur Erwärmung von einem Kubikmeter Luft um 2” er-
forderlich ist.
Berücksichtigt man dies, so findet man in dem oben angegebenen
Beispiel nicht 10” als Mischungstemperalur, sondern 1 1.6 und als aus-
geschiedene Wassermenge nicht 1.65 Gramm, sondern nur 1.05, d. i.
ungefähr der elfte Theil des in den gemischten Luftmengen ursprüng-
lich vorhandenen Wassers.
Solche geringe Mengen sind aber durchaus nicht hinreichend,
um die thatsächlioh fallenden Niederschlagsmengen zu erklären; wie
man leicht durch weitere Ueberlegungen nachweisen kann, von denen
jedoch hier abgesehen werden soll, nm nicht zu ermüden.
Uebrigens lassen schon die Wolken in vielen Fällen an ihrer
Form erkennen, dafs sie nicht durch Mischung entstanden sein können.
Wäre letzteres der Fall, so müfsten sie gerade in ihren Grenz-
schichten am dichtesten sein und insbesondere müfsten die hoch auf-
gethürmten kugeligen Sommerwolken, die lokalen aufsteigenden Luft-
Blrömen ihre Entstehung verdanken, die Gestalt hohler Glocken
besitzen, während sie doch ganz ebene Grundflächen zeigen und über-
haupt leicht erkennen lassen, dafs sie durch ihre ganze Masse hindurch
aus dichtem Nebel bestehen und keineswegs hohl sind.
Es giebt zwar Wolken, die thatsächlich durch Mischung entstehen,
doch sind dies jedenfalls nur leichte Wolken und bleibt es fraglich,
ob sie jemals so dicht wenlen können, dafs Regen herausfällt.
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Ich kann z. B. selbst ein Beispiel anfiihren von Wolken, bei
denen es zweifellos ist, dafs sie durch Mischung' gebildet wurden;
Wenn man von Innsbruck über den Brenner nach Bozen fahrt,
so passirt man bei der Station Gossensafs das durch den wildzer-
klüfteten Feuersteingletscher abgeschlossene malerische Pflerschthal.
Dieses Thal verläuft beinahe genau von Westen nach Osten, so
dafs die den Nordrand desselben bildende Bergkette an ihrem nach
Süden blickenden Abhange vom Morgen bis zum Abend ununter-
brochen den Strahlen der Sonne ausgesetzt ist.
Fig. I.
Diese Kette ist jedoch in ihrem oberen Drittheil durch einen
Einschnitt — das Grubjoch — mit dem nördlich vom Pflerschthal ver-
laufenden Obernbergerthal verbunden und dieser Einschnitt gestattet
nördlichen Winden den Eintritt in die oberen Luftschichten des
Pflerschthales.
Da habe ich nun einige Male an heiteren Tagen bei leichter
nördlicher Luftströmung gegen Abend die Erscheinung beobachtet,
welche in vorstehender Skizze nach der Erinnerung angedeutot ist.
Aus dem erwähnten Einschnitt trat eine leichte Wolkenfahne
aus mit der konvexen Seite gegen Süden, während der benachbarte
höhere Berg mit einer ähnlichen aber schwächeren und entgegen-
gesetzt gekrümmten Feder gekrönt war.
Der Grund ist leicht verständlich: an dem stark erwärmten, nach
Süden gewendeten Abhang hatte sich ein aufsteigender Luftstrora ge-
bildet In diesen breiten Strom blies nun der kühle Wind, der durch
den Nordeinschnitt kam, und wurde von ihm nach oben abgelenkt,
während gleichzeitig leichte Kondensationen die Bahn des eintretenden
und abgelenkten Stromes sichtbar machten.
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Anders an der benachbarten Spitze, dort wurde die innere vom
Abhange aufsteigendo Luft gowissermafsen in feinem Strahle in die
nördliche Strömung hineingeführt, die dort oben bereits die Oberhand
hatte und nun wurde der warme Strom abgolenkf, aber selbstverständlich
in anderem Sinne, so dafs die konvexe Seite nach oben und nach
Norden gekehrt war.
Diese Gebilde waren jedoch höchst zarter Natur, feine Schleier,
bei denen von Herausfallen von Niederschlag keine Rede sein konnte.
Auch die sogenannten Schäfchenwolken, welche sich beim ersten
Entstehen meist als Bänder von gleicher Breite darstellen, bis eine eben-
falls in gleichen Abständen erfolgende Querfurchung dieselben in ein-
zelne Wölkchen von Rautenform auflöst, verdanken, wie man seit
kurzem weifs, der Mischung ihre Entstehung.
Herr v. Helmholtz hat nämlich in neuester Zeit naehgewiesen,
dafs in Fällen, wo Luflströine mit breiter horizontaler Berührungs-
fläche verschiedene Geschwindigkeiten besitzen, Wellenbewegungen
entstehen müssen.
Stehen nun diese Ströme der Sättigung nahe, und besitzen sie.
wie im allgemeinen wohl der Fall sein dürfte, verschiedene Tempe-
raturen, so ist gleichzeitig die Bedingung für den Eintritt von Kon-
densation gegeben und dann müssen diese Wollen als bandartige
Wolkenstreifen sichtbar worden und man mufs Gebilde erblicken, die
Herr v. Helmholtz treffend mit den Schauinkämmen der Meeres-
wogeu vergleicht.
Doch werden auch hierbei dio kondensirten Wassennengen nur
geringe sein, und kaum zu nennenswerthen Niederschlägen Veran-
lassung geben können.
Es wird dies um so weniger der Fall sein, als sich diese Wolken
meist nur in sehr hohen Schichten der Atmosphäre bewegen, die
aufserordentlich wasserarm sind und dem ent-spreohend auch nicht viel
Wasser ausscheiden können.
Während demnach die Erklärung der Niodorsehlagsbildung durch
Mischung bei genauerer Ueborlegung auf grofse Schwierigkeiten slöfst,
so verhält es sich ganz anders mit der neuen, aus der mechanischen
Wärmetheorie geschöpften.
Diese moderne Theorie der Niodorsehlagsbildung verdankt ihre
Begründung der Untersuchung eines ganz speziellen Phänomens, das
vor zwei Dezennien lange Zeit zu heftigem wissenschaftlichem Streit
Veranlassung gab, nämlich des Föhns der Alpen.
Unter dem Föhn versteht man jenen heifsen trockenen Wind,
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der besonders im Frühjahr und Herbst von dem Hauptkammo der
Alpen in die nördlichen Thäler derselben herabstürzl und sich, durcii
lokale Verhältnisse begünstigt, in einzelnen zu unglaublicher Stärke
entwickelt
Die Eigcnthümlichkeiten desselben sind heutzutage, wo dtvs
Keiscn so leicht ist, wohl ziemlich allgemein bekannt :
Leichte Wolkenschleier am südlichen Himmel, die sich später
zu einer förmlichen Mauer verdichten können, verbunden mit ganz
ungewöhnlicher Durchsichtigkeit der Luft, kündigen das Herannahen
des Föhns an, der zuerst mit einzelnen Slöfsen beginnend, rasch an
Temperatur und Stärke zunimmt, und sich an einzelnen Orten nicht
selten zum Orkane steigert.
Dabei wird Hitze und Trockenheit beinahe unerträglich, empfind-
liche Personen werden von Kopfweh, Schwindel und Uebolkoiten
befallen, das Holzwerk trocknet aus und mehr als ein Alpenstudtchcn
ist unter seinem Gluthhauch ein Raub der Flammen geworden.
Im Frühjahre schmilzt der Schnee unter seinem Einfiufs, als ob
ihn ein Zauber hinwegnähmc, Lawinen und Sturzbäche brausen herab
und nach wenigen Stunden ist das Bild der I-andschaft vollkommen
verändert
Auch noch im Alpenvorland macht er sich durch steigende
Temperatur und Trockenheit geltend, und in den Angaben der meteoro-
logischen Stationen läfst er sich in leisen N'achklängen noch bis gegen
die Donau hin verfolgen.
Wegen seiner hohen Temperatur und aufserordentlicheu Trocken-
heit glaubte man früher die Heiraath des Föhns in der Sahara suchen
zu müssen, obwohl er, wie Hr. Hann richtig ein wendete, gerade im
.Sommer, wo die Sahara am heifsesten ist, nur ausnahmsweise beob-
achtet wird.
Später erblickte man in ihm nichts anderes als eine Abzweigung
dos sogenannten Aequatorialstromes oder oberen Passats, dem man
früher auch noch in unseren Breiten eine Rolle zuwies, die seine wahre
Bedeutung weit übertrifll und suchte man seinen Ursprungsort dement-
sprechend in Westindien.
Die synoptische Methode mufste die Unrichtigkeit der einen wie
der anderen Erklärungsweise rasch darthun.
Indem man genauer untersuchte, wie sich während eines Föhn-
sturms Luftdruck, Feuchtigkeit u. s. w. im Süden und Norden der Alpen
verhielten, gelangte man zu der Erkenntnifs, dafs er immer dann ein-
tritt, wenn im Süden hoher Druck herrscht, im Norden niedriger, d. h.
Himmel und Erde. II. 1. 2
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wenn ein tiefes barometrisches Minimum über Kanal oder Nordsee
bei gleichzeitig hohem Barometerstände im Süden oder Südosten des
Erdtheils gewaltsam Luft über den Alpenwall horübersaugt.
Zugleich aber entdeckte man bei dieser Art der Untersuchung
auch, dafs hohe Temperatur und Trockenheit durchaus keine Eigen-
schaften sind, die der Föhnwind von Hause aus besitzt, sondern dafs
er sie erst beim Hinabstürzen in die Tiefe annimmt.
Der Wind, der heifs und trocken an der Sohle des nördlich ge-
legenen Thaies ankommt, ist am oberen Theile des Südabhanges und
auf dem Kamme selbst noch feucht und kalt und giobt Anlafs zu ge-
waltigen Regen- und Schneefallen.
Worin liegt nun der Grund dieses merkwürdigen Wechsels in
den charakteristischsten Eigenschaften?
Die Antwort darauf gaben beinahe gleichzeitig ganz unabhängig
von einander Hr. von Helmholtz und Hr. Hann. Ersterer nur an-
deutungsweise in einem populären Aufsatz, letzterer unter strenger
Begründung in einer Reihe von Abhandlungen. Im Folgenden soll
nun diese Erklärung an der Hand einer schematischen Zeichnung in
ihren Hauptzügen wiedergegeben werden.
Vor allem aber ist es nöthig, an ein paar Sätze der Wärmelehre
zu erinnern, die für die weiteren Darlegungen als Grundlage dienen
sollen:
Hat man in einem Gefäfs Luft oder andere Gasi^ komprimirt und
öffnet man dasselbe plötzlich, so dafs das Gas sich ausdehnen kann,
so tritt Abkühlung ein. Indem das Gas austritt und sich ausdohnt,
schiebt es die umgebende Luft vor sich her, es überwindet den Druck
durch einen gewissen Weg, es leistet Arbeit, gerade so wie der Dampf
im Cylinder der Dampfmaschine, wenn er den Kolben vor sich her-
schiebt. Diese Arbeitsleistung geschieht auf Kosten der in dem Gase
enthaltenen Wärme, es kühlt sich ab. Ist dem Gase Wasserdamiif
beigemischt, und war es hinreichend komprimirt, um bei der Aus-
dehnung und Abkühlung den Sättigungspunkt zu erreichen, so tritt
Kondensation ein, es bilden sich NebeL
Hievon kann man sich durch einen einfachen Versuch überzeugen,
den Jedermann zu wiederholen im Stande ist. Man braucht nur eine
Sodawasserflasche zu öffnen, so sieht man, wie sich im Augenblicke des
Oeffnens der Hals der Flasche mit Nobel füllt, der noch wie zarter
Rauch aus der Oeffnung hervortritt
Will man den Versuch recht auffallend haben, so kühlt man
die Flasche in Eis recht stark ab, öffnet sie sehr rasch und giefst
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etwa ein Drittel des Inhalts aus, um sie sofort wieder fest zu ver-
schliefsen. Hierauf lässt man sie einige Zeit einfach im Zimmer
stehen. Alsdann nimmt die aus dem Wasser austretende Kohlensäure
in dem wasserfreien Theile der Flasche wegen der höheren Temperatur
eine erhebliche Spannung an, so dafs Jetzt nach abermaligem Oeffnen
der Flasche eine bedeutende Temperaturorniedrigung eintritt, die starke
Kebelhildung zur Folge hat.
Wird umgekehrt Luft stark zusammengeprefst, so wird die zur
Kompression aufgowendete Arbeit in Wärme verwandelt, die Luft
erwärmt sich.
Vor der Erfindung der Zündhölzer gab es einen auf diesem
l’rinzipe beruhenden Apparat, der den Namen des pneumatischen
Feuerzeugs führte. Ein Metallröhrchen war oben durch einen dicht
gehenden Kolben verschlossen, der durch einen Schlag auf einen mit
dom Kolben verbundenen runden Knopf rasch in das unten fest ab-
geschlossene Röhrchen hineingetriebeu werden konnte, so dafs die
Luft stark komprimirt wurde. Hierbei erwärmte sie sich so stark,
dafs ein an der Innenseite des Kolbens angebrachtes Stückchen Feuer-
schwamm ins Olimmen kam.
Ganz ähnlich wie bei diesen Versuchen über Ausdehnung und
Kompression der Luft ist nmi der Vorgang beim Föhn.
Je mehr man sich in die Atmosphäre erhebt, um so geringer wird
der Druck der Luft, um so tiefer sinkt das Barometer. Je geringer
aber der Druck, um so gröfser der Raum, den eine bestimmte Masse
Luft einnimmt.
Wenn demnach die Luft infolge einer gröfseren Störung des
atmosphärischen Gleichgewichts gezwungen wird, auf der einen Seite
eines Oebirges in die Höhe zu steigen, so mufs sie sich unter Ueber-
windung des auf ihr lastenden Druckes ausdehnen und somit abkühleu.
Die Rechnung zeigt nun, dafs diese Abkühlung, so lange die
Luft den Sättigungspunkt noch nicht überschritten hat, für 100 Meter
Steigung beinahe genau 1® Celsius betrügt.
Anders, wenn der Kondensationspunkt überschritten ist. Sowie
dies der Fall ist, mufs, um die Temperatur um einen bestimmten Betrag
herabzudrücken, eine gröfsere Wärmemenge entzogen werden als bei
trockener Luft, oder bei solcher, die das Wasser noch in der Form
ungesättigten Dampfes d. h. als wahres Wassergas enthält.
Wenn man in dem Sohlangenrohre eines Destillutionsapparates
Dampf verdichten will, so mufs mau das Rohr beständig durch Wasser
abkühlen, welches sich seinerseits erwärmt und um so rascher ge-
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wechselt werden mufs, je mehr Dampf kondensirt werden soll. Lässt
man trockene Luft durch das Hohr streichen, so hat man viel
wenig’er Kühlwasscr nöthig:.
In dem Falle aufsteig^ender Luft hat man es nicht mit Wärme-
entziehungf im gewöhnlichen Sinne des AVortes zu thun, sondern hier
ist es nur die bei der Ausdehnung zu leistende Arbeit, welche durch
Wärme gedeckt werden mufs, und somit eine Abkühlung zur Folge hat.
Da nun, wie man durch Rechnung nachweisen kann, diese Arbeit
bei der Erhebung um das gleiche Stück immer die gleiche bleibt,
mag die Luft gesättigt sein oder nicht, so ist es klar, dafs im Stadium
der Kondensation die Temperaturabnahmo bei gleicher Erhebung eine
geringere sein mufs als bei trockener Luft, da sie eben zum Thoile
in der Kondensationswärme ihre Deckung findet.
Eine genauere Untersuchung zeigt, dafs nach Ueberschreiten des
Sättigungspunktes die Temperaturabnahmo bei dem Emporsteigen durch
eine bestimmte Höhe etwa halbsoviel beträgt, als bei trockener Luft,
wobei jedoch dieser Rruchtheil je nach Druck und Temperatur inner-
halb sehr weiter Grenzen schwankt.
Dies vorausgeschiokt, läfst sich nun der Vorgang beim Föhn
leicht übersehen.
Fig. 2 zeigt im Schema den Durchschnitt des Gebirges, welches
im Sinne der Pfeile von der Luft überschritten wird.
Ueberdies soll die Seite, von welcher die Luft kommt, die südliche,
jene, nach welcher sie zieht, die nördliche sein, wie durch die Buch-
staben S und N angedeutet ist
Wird nun der Luft während des Ueberschreitens des Kammes
nicht noch anderweitig Wärme zugeführt oder entzogen, so kommt nur
die Abkühlung durch Ausdehnung und die Erwärmung durch Kom-
pression in Betracht, und man hat demnach auf der Südseite zunächst
eine Abnahme um 1“ für 100 Meter Erhebung zu erwarten.
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Hatte demnach die Luft am Fufse des Gebirjfos, das wir uns
hier der Einfachheit wegen vom Meeresspiegel an aufsteigend denken,
eine Temperatur von 21®, so wird sie in Höhen von 100, 200, 300 und
400 Meter der Heihe nach Temperaturen von 20, 19, 18 und 17 Graden
zeigen, gerade so wie dies in der Figur den betreffenden Horizontal-
linien beigesohrieben ist.
Gesetzt nun, die Luft hätte am Südfufs im Kilogramm 12,2 Gramm
Wasserdampf mit sich geführt, so würde sie in der Höhe von 400
Metern bei 17® gesättigt sein, d. h. es würde jede weitere Abkühlung,
also auch jedes weitere Aufsteigen ein Ausscheiden von Wasser nach
sich ziehen.
Bei der Anfangsteraperatur und dem Anfangsdrucke hätte sie
15 Gramm entlialten können, wahrend sie in Wahrheit nur 81 ®/'„ dieser
Menge bei sich führte oder, wie man zu sagen pflegt, 81 ®/o relativer
Feuchtigkeit bcsafs.*)
In 400 Meter Höhe hingegen ist sie an der Grenze der Sättigung
angekommen und nun beginnt die Woikonbildung, und bei weiterem
Kmporsteigen die Ausscheidung von Wasser in Gestalt von Regen.
Gleichzeitig aber ist die Temperaturabnalune mit der Höhe ver-
mindert und nun bedarf es beinalie 200 Meter Steigung um eine Er-
niedrigung um 1® zu erzielen. Die von Grad zu Grad in Gedanken
durch die Atmosphäre gelegten und hier im Durchschnitt aks Linien
gezeichneten Flächen gleicher Temperatur stehen demnach innerhalb
der Wolke weiter von einander ab als unterhalb, so zwar, dafs erst
bei 1000 Meter Höhe die Temperatur auf 14® gesunken ist, während
bei wasserdampf-ärmerer Luft die gleiche Temperatur vom nämlichen
Anfangszustjindc aus bereits bei 700 Meter erreicht wurden wäre.
Bei der Temperatur und bei dem Drucke, der nach den Annahmen
des gewählten Beispieles in 1000 Meter d. h. auf der Kamrahöhe
herrscht, kann die Luft nur noch 10,8 Gramm Wasserdampf im Kilo
enthalten, es müssen demnach 1,4 Gramm beim Emporsteigen heraus-
gefallon sein.
Sinkt nun die Luft auf der anderen Seite herab, so erwärmt sie
sich sofort durch Kompression, sie könnte demnach auch mehr Wasser
in sich aufnehmen als die 10,8 Gramm im Kilo, welche sie mitge-
bracht hat, d. h. sie hört auf gesättigt zu sein.
Man hat mitliin nach Ueberschreiten des Kammes wieder unge-
sättigte Luft vor sich, die sich beim Herabsinken durch eine bostimm'le
•) In der Figur ist die runde Zahl 80*/o angegeben.
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Höhe genau um denselben Betrag erwännl, um welchen sich solche
Luft beim Emporsteigen abkühlt, d. h. um 1" auf 100 Meter.
Die von Grad zu Grad durch die Luft gelegten Fhächen gleicher
Temperatur sind demnach auf der im Windschatten gelogenen Seite —
hier auf der Nordseite — von oben bis unten nur um 100 Meter von
einander entfernt, so dafs die Temperatur am Fufse des Gebirges auf
dieser Seite höher ist als auf der anderen.
Im Falle des vorliegenden Beispiels betragt dieser Unterschied,
wie man auf den ersten Blick sieht, .3 Grade, da sie mit 24® in dem
Niveau ankommt, von welchem sie auf der anderen Seite mit 21® aus-
gegangen ist
Bei 24® könnte sie nun am Meeresspiegel 18,2 Gramm Wa,sser im
Kilo enthalten, während sie nur 10,8 Gramm enthält d, i. Tveniger als
vorher bei 21". Ihre relative Feuchtigkeit beträgt demnach nur noch
59®/o statt 81® ,!, sie ist demnach nach Ueberschreiten des Gebirges
nicht nur wärmer, sondern auch absolut und noch vielmehr relativ
trockener als vorher.
Bei dem eben durchgeführten Beispiele wurden die Zahlen so ge-
wählt dafs sie in der Figur leicht zur Darstellung gebracht worden
konnten, ohne dieselbe mit Linien zu überhäufen.
In Wahrheit spielt sich der Vorgang in den Alpen in weit gröfseren
Verhältnissen ab, und dann treten auch die verschiedenen charak-
teristischen Eigenschaften des Föhns viel schlagender hervor.
Wäre z. B. die Kammhöhe des Gebirges 2500 Meter, die Temperatur
am Südfufs desselben wieder, wie oben angenommen, 21® bei einer
relativen Feuchtigkeit von 81®';,, dann würde die Luft nach Ueber-
schreiten des Gebirges in der Tiefe mit :12® und nur 27*/„ relativer
Feuchtigkeit ankommen, während sie auf dem Kamme selbst eine
Temperatur von kaum 6® zeigen müfste, dabei hätte jedes Kilogramm
aufsteigeude Luft 4,6 Gramm Wasser ausgeschieden. Qualitativ liegen
jedoch die Verhältnisse in beiden Fällen ganz ähnlich: Der Luftstrom,
der warm und dampfreich auf der Winilseilo des Gebirges in die Höhe
steigt, kühlt sich während des Emporsteigens ab und scheidet zu-
gleich einen Theil seines Wassers als liegen oder .Schnee ah, so dafs
er kalt und gesättigt den Kamm überschreitet Beim Hinabstoigen
erwärmt er sich wieder und zwar rascher, als er sich vorher ahgekühlt,
und kommt deshalb warm und trocken unten au.
Der Raum, in welcbem die Wa.sserausscheidung erfolgt, d. h. der
von Wolken errüllte, wurde in der Zeichnung durch geeignete Schraf-
firung angedeutet
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Streng genommen müfste er in einer auf dem Kamme senkrecht
stehenden Kbene seinen Abschlufs finden. Thatsiiohlich sieht man
auch in einem gewissen Stadium des Föhns die Wolken mauerartig
über dem Kamme sich aufbauen.
Häufig aber greifen sie etwas über, wie dies auch in der Figur
vei-siiinlicht ist, und dürfte der Grund dieser Erscheinung, wie Herr
Dr. Vettin gelegentlich bemerkte, darin zu suchen sein, dafs beim
Hinwegblasen über das Gebirge auch auf der dem Winde abgewendeten
Seite, der sogenannten Leeseite, durch Saugwirkung ein schwacher,
sekundärer, aufsteigender Strom hervorgerufen wird, der seinerseits
wieder zur Wolkenbildung Veranlassung giebt.
Ueberhaupt zeigen sich in Wirklichkeit mancherlei Abweichungen
von dem hier entwickelten Schema, Abweichungen, die zum Theile
noch kaum beachtet wurden, deren genauere Untersuchung aber jeden-
falls nicht hierher gehört.
Hier handelte es sich zunächst nur darum, zu zeigen, dafs beim
Aufsteigen der Luft Abkühlung und Xiederschlagsbildung erfolgen
mufs, während im absteigenden Strome Trockenheit herrscht und dem-
entsprechend auch keine Wolken vorhanden sein können.
Dabei sind die Wassermengen, welche auf diese Weise aus-
geschieden wenlen können, sehr beträchtliche.
Hätte man z. B. im Meeresniveau 1 Kubikmeter gesättigte Luft
von 20”, welches wie schon oben bemerkt 17,2 Gramm Wassordampf
enthält, so würde sich dieser beim Emporsteigen auf 4000 Meter um
21,5”, d. h. auf — 1,6® abkühlen und dabei nahezu 10 Gramm Wasser
ausscheiden, mithin etwa % <ies ursprünglich vorhandenen Wassers
und beinahe 10-mal soviel, als nach dem oben durchgelührten Beispiele
bei der Mischung der gleichen Luftmenge mit einem Kubikmeter ge-
sättigter Imft von 0” zur Ausscheidung käme.
iSohluffl
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Die physische Beschaffenheit der Sonne.
Von Dr. P. Keiil|if,
AHtrooom am astropbys. obserralorium bei I'otndam.
rotz des "rorsen Intere-sses. welches die Menschen von jeher der
Sonne zuwondeten, dem jfliinzenden Gestirn des Tages, der
Spenderin von Licht und Wärme, welche auf alle Verh.ältnisse
der Krde einen so hervorragenden Einflufs ausiibt, gelang cs doch erst
spät, Anschauungen von einigem wissenschaftlichen Werthe über die
Beschaffenheit derselben zu gewinnen. Die Alten begnügten sich, in
ihr ein ewiges reines Feuer zu sehen, welches sie mit mehr oder weniger
Iihantastischen Eigenthümlichkeiten ausstatteten. Erst die Conslruotion
des Fernrohrs nnil die damit zusammenhängende Entdeckung der
Sonnenfleckeu ermöglichte tlas Anfstellen angemessenerer Theorien.
Wie sehr dieselben den philosophischen .\nschauungen der damaligen
Zeit, welche noch ganz von denen der Griechen heherrscht wurden,
widersprachen, lehrt in ergötzlicher Weise die Antwort, welche der
.lesuitenpator Scheiner von seinem geistlichen Vorgesetzten erhielt,
als er diesem Mittheilung von der Entdeckung der Sonnenflecken
machte und um die Erlaubnifs zur Veröffentlichung derselben baL G
Der Provinzial antwortete ihm: „Ich habe die Schriften des Aristoteles
mehrere Male von Anfang bis zu Endo durchstndirt, und kann ver-
sichern, dafs ich darin nichts von dem gefunden habe, was Du erzählst.
Geh’ hin, mein Sohn, und beruhige Dich. Sei versichert, dafs das,
was Du für Flecken auf der Sonne hieltest, Fehler Deiner Gläser oder
Deiner Augen sind.“
Aber auch nach der Entdeckung der Sonnenflecken blieben die
aus den Beobachtungen gewonnenen Kenntnisse noch immer unzu-
reichend, um den Aufbau einer annehmbaren Theorie zu ermöglichen.
Erst als vor wenigen Jahrzehnten die Spektralanalyse der Forschung
neue llülfsmittel darbot und binnen kürzester Frist eine ungeahnte
Fülle der überraschendsten Hcsidtato zu Tage förderte, trat die Frage
nach der Beschaffenheit der Sonne in ein neues, günstigeres Stadium.
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.Sntiiicnphnt oc]ra phio
Aurponommcn an LI Srpl 3ßß3
ajf d.*ni Ar.'rppmiRiKahsrhen n^isor^Mlnnum
Al) j’o^nnam von ITfll.ohsi*
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Detn imbewalTaolen Augfe bietet die Sonne den Anblick einer
gleichmäfsig hellen Fläche; anders aber, wenn man ein Fernrohr,
unter Anwendung geeigneter Schutzvorrichtungen gegen die Intensität
des Sonnenlichtes, zu Hülfe nimmt. Man erkennt alsdann, dafs die
leuchtende Hülle der Sonne, welche zunächst allein der ISeobachtung
zugänglich ist, und welche ihres Glanzes wegen den Namen .Photo-
Sphäre'' erhalten hat, ein eigenthiimlich flockiges, niarmorirtes Aussehen
hat Diese Granulation, wie sie gewöhnlich genannt wird, macht den
Kindruck, als ob eine unendlich grofse Anzahl sehr heller Körnchen
von unregelmäfsiger Gestalt in einem dunkleren Medium schwämmen.
Ueber die Form und Gröfse dieser Körnchen weichen die Angaben der
einzelnen Beobachter sehr von einander ab. Nasmyth z. 15. vergleicht
ihre Gestalt mit Woidenblättern und schätzt die Länge derselben bis auf
tausend Meilen, während sie nach Langley mehr rundlich sind und
einen Durchmesser von 50 — 100 Meilen besitzen; sie erscheinen ihm
wie Schneeflocken, die auf einem grauweifsen Tuch zerstreut sind.
Diese widersprechenden Ansichten werden nicht auffallen, wenn man
bedenkt, wie sehr dem beobachtenden Auge das Erkennen von Details
auf der Sonne durch die Intensität und Wärme des Sonnenlichtes er-
schwert wird. Zuverlässigeren Aufschlufs über diesen Punkt haben
uns die photographischen Aufnahmen der Sonne während dos letzten
Jahrzehnts geliefert, unter denen die Arbeiten von Janssen in Meudon
obenan stehen. Aus ihnen geht hervor, dafs die Elemente, aus denen
sich die Granulation zusaramensetzt, in der Hauptsache kreisförmig
sind, und zwar um so ausgesprochener, je kleinere Dimensionen sie
besitzen. .\n den Punkten, wo diese Elemente unregelraäfsig geformt
sind, scheinen sie aus mehreren kleineren zusammengesetzt zu sein,
welche ihrerseits sich der Kreisform nähern, oder man erkennt, dafs
stürmische Bewegungen ihre ursprüngliche Gestalt verändert haben.
Die Jans Benschen Photographien zeigten aber noch eine andere Er-
scheinung, darin bestehend, dafs einzelne Thoile des Sonnenbildes voll-
kommen scharf, unmittelbar benachbarte Partieen dagegen undeutlich
und ganz verschwommen waren. Durch mehrfach hintereinander aus-
geführte Aufnahmen konnte dargethan werden, dafs diese Erscheinung,
welche Janssen da.s photosphärische Netz nannte, nicht etwa von
zufälligen Luftströmungen, sei es im Fernrohr, sei es in der irdischen
Atmosphäre, herrührt, sondern dafs sie auf der Sonne selbst ihren Silz
hat. Nach Janssens Ansicht bieten sich in den verschwommenen
Theilen solche Gegenden der Sonne dem Auge dar, über welchen die
Atmosphäre in heftiger Bewegung begriffen ist, während die Stellen,
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an denen die (iranulation deutlich hervorlritt, von verhiiltnifsmäfsig
ruhiger Atmosphäre bedeckt sind. Die Photographien lassen noch er-
kennen, wie schnell die Regionen der Stürme ihre Lage wechseln,
so dars das photosphärische Xetz fortwährenilen Veränderungen unter-
worfen ist.
Auf dem soeben geschilderten, die ganze Sonnenscheibe gleich-
mafsig bedeckenden Grunde fallen nun dem Beschauer zwei Erschei-
nungen ins Auge, die Flecken und die Fackeln. Die ersteren, meist
sehr unregelmäfsig geformte, scharf begrenzte Gebilde, bestehen der
Regel nach aus einem relativ sehr dunklen Kern und einem etwas
helleren, den Kern einfassenden Hof, auch Penumbra oder Halbschatten
genannt Die Fackeln dagegen, welche ausschliefslich in der Nähe
der Ränder der Sonnenscheibe beobachtet werden, sind beträchtlich
heller als die Photosphäre, und heben sich wie leuchtende .\dern von
dieser ab. Die diesem Hefte beigegebene Tafel, die Reproduktion
einer am astrophysikalischen Observatorium zu Potsdam von Lohse
am 13. September 1883 ausgeführton photographischen Aufnahme,
möge dazu dienen, eine Vorstellung von den beschriebenen Er-
scheinungen zu geben.
Die Flecken treten ausschliefslich in den Gegenden zwischen
40 ® Breite auf, die Fackeln dagegen ßndet man in allen Breiten,
wenn auch nach den Polen hin weniger häufig; besonders zahlreich
erscheinen sie in der Xähe von Flecken. Die .\nzahl der auf der
Sonnenscheibe zu gleicher Zeit sichtbaren Flocken ist eine sehr
wechselnde; sie nimmt periodisch ab und zu, und zwar ist aus den
viele Jahre hindurch mit grofser Ausdauer forhreführten Beobachtungen
die Länge dieser Periode zu ungefähr elf Jahren gefunden worden.
Durch die Bewegung der Flecken auf der Sonnenscheibe ist es ferner
möglich gewesen, die Rotation der Sonne um ihre .\xe nachzuweisen
und zu bestimmen. Auf die zahllosen Details, welche die, besonders
in den letzten Jahrzehnten, an vielen Orten angestellten Beobachtungen
über die interessanten Gebilde der Flecken ergeben haben, kann hier
des Raumes wogen nicht näher eingegangen werden.
Die Vermuthimgen, welche die Fjntdecker und ersten Beobachter
der Sonnen flocken über die Beschaffenheit der Sonne aussprachen,
entbehrten naturgemäfs noch einer strengeren wissenschaftlichen Be-
gründung. Galilei umgab die Sonne mit einem feinen elastischen
Fluidum, in welchem die Flecken als Wolken, den irdischen vergleich-
bar, schwimmen. Scheiner spricht von einem Feuerozeane, der durch
seine Stürme, Klippen und Brandungen die verschiedenen Erschei-
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nungen zu Wege bringt. Aehnlich, aber etwas bestimmter, äufsert sich
der bekannte Astronom Cassini. Nach ihm ist die Sonnenscheibe,
die wir sehen, „ein Lichtozean, welcher den festen und dunklen Kern
der Sonne umgiebt; gewaltsame Bewegungen, die in der Lufthülle ver-
gehen, lassen uns von Zeit zu Zeit die Berggipfel jenes lichtlosen
Sonnenkorpers sehen, das sind die schwarzen Kerne der Sonnenflecke“.
Die Vorstellung eines dunklen .Sonnenkörpers schien eine wesentliche
Bestätigung zu empfangen durch eine sehr wichtige Entdeckung, welche
der schottische Astronom Wilson im Jahre 1769 machte. Derselbe
beobachtete nämlich, dafs bei einem am Ostrande der Sonne auf-
tauchenden Fleck der Hof nur auf der dem Bande zugekehrten Seite
des Flecks sichtbar war, während die andere Seite desselben und der
Kemfleok selbst vertleckt blieb. Erst mit dem Vorrücken des Flecks
nach der Sonnenmitte trat auch der Kern und die innere Seite der
Penumbra hervor, und beim Verschwinden am Westrande blieb zuletzt
wietlcr nur die dem Rande zugelegeno Seite des Hofs sichtbar. Diese
Erscheinung fand eine einfache Erklärung, wenn man annahm, dafs
der Fleck eine Vertiefung in der Sonnenatmosphäre sei, deren Boden
den Kern und deren Wände den Halbschatten bilden. Vornehmlich
auf dieses Phänomen begründete Wilson eine Theorie der Sonne,
welche, von Herschel noch weiter ausgefuhrt, fast bis in die Mitte
dieses Jahrhunderts die Anschauungen über die Beschaffenheit der
Sonne beherrschte. Herschel dachte sich das Innere der Sonne
durch einen dunklen Kern gebildet, der von zwei wolkenartigen Hüllen
umgeben ist Die iiufsere derselben, die dem Beobachter zunächst aus-
schliefslich sichtbare Photosphäre, ist glühend und strahlt eine unge-
heure Hitze aus; die innere dagegen besitzt weder Licht noch Wärme
und schützt die Oberfläche des Sonnenkerns vorder Hitze der Photo-
sphäre. Auf letzteren Umstand legte Herschel noch besonderes Ge-
wicht, da er, seinen philosophischen Anschauungen entsprechend, die
Sonne als bewohubarvoraussetzte. Die Flecken entstehen nun nach dieser
Theorie, indem sich eine Oeffnung in den Wolkenhüllen bildet, durch
welche wir den dunklen Sonnenkem erblicken. Durch die Annahme,
dafs der Rifs in der unteren Schicht kleiner als in der oberen ist,
wird auch die Bildung des Hofes erklärt, da diese Schicht zwar kein
eigenes Licht besitzt, wohl aber durch das nach innen strahlende
Licht der Photosphäre wenigstens theilweisc erleuchtet wird.
Die Annahme eines dunklen, kühlen Sonnenkörpers ist nun aber
nach den Anschauungen der modernen Physik nicht haltbar. Die
ungeheure Hitze, welche die Photosphäre ausstrahlt, müfste ebenso wie
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nach aufsen auch nach innen wirken, lind die untere WolkcnhUlle
sehr Imld, und zwar um so schneller, je undurchsichtiger dieselbe an-
genommen wird, ebenfalls zur Olühhitzo bringen. Diese Atmosphäre
inüfste dann in gleicher Weise auf den Korn wirken, und auch dieser
müfsto daher, selbst wenn er ursprünglich wirklich kalt gewesen wäre,
im Laufe der Jahrtausende die Temperatur der Glühhitze erlangt
haben. Und zwar müfste er auch wirklich glühen, da alle Körper,
wie Draper experimentell, und Kirchhoff theoretisch nachgewiesen
haben, bei nahe derselben Temperatur zu glühen beginnen. Trotz
dieser Thatsachen blieb aber die Hypothese von dem dunklen Sonnen-
körper die herrschende, bis ihr die Spektralanalyse endgültig den
Todesstofs versetzte.
Die Gesetze, welche die Spektralanalyse aufgestellt hat, gipfeln
bekanntlich in den drei Sätzen;
1. Feste oder flüssige glühende Körper geben ein kontinuirliches
Spektrum.
2. Glühende Gase liefern Spektra, welche nur aus hellen Linien
bestehen, und zwar zeigt jeder Stoff ganz bestimmte Linien, an welchen
er jederzeit erkannt worden kann. Befinden sich die Gase jedoch
unter sehr hohem Drucke, so geben sie ebenfalls ein kontinuirliches
Spektrum.
3. Wenn Licht, welches ein kontinuirliches Spektrum giebt, durch
ein Gas hindurchgeht, so absorhirt dieses Gas alle diejenigen .Strahlen,
aus denen sein eigenes Spektrum besteht. Es entsteht so ein Spektrum,
welches von dunklen Linien durchzogen ist, die nach ihrer Stellung
genau den hellen Linien des Gasspektrums entsprechen.
Betrachtet man nun das Spektrum der .Sonne, so erblickt man
das Farbenhand des kontinuirlichen Spektrums, durchzogen von un-
zähligen dunklen Linien. Dies führt nach den obigen Sätzen mit
zwingender Xothwendigkoit zu der Annahme, dafs die Sonne aus einem
in höchster Glühhitze befindlicheu Kern besteht, welcher für sich allein
ein kontinuirliches Spektrum geben würde, und welcher von einer
Atmosphäre umgeben ist, ebenfalls von so hoher Temperatur, dafs
sich in ihr alle Stoffe, deren Linien 'im Sonnenspektrum sichtbar sind,
in glühend gasförmigem Zustande vorfinden. Vergleichungen mit den
Spektren bekannter Stoffe bewiesen das Vorhandensein vieler irdischer
Elemente in der .‘'onnenatmosphäre, darunter vornehmlich Wasserstoff,
Natrium, Eisen, Calcium,Magnesium, Nickel, Barium, Kupfer, Mangan u.A.
Kirchhoff nahm den Korn der .Sonne als fest oder tropfbar
flüssig an, während spätere Forscher ihn für gasförmig erklärten.
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Wäre der Kern fest, so müfsto infolge der intensiven Ausstrahlung,
welche alsdann ausschliefslich auf Kosten einer verlinllnifsmäfsig
dünnen Oberllächenschiclit vor sich ginge, die letztere sich sehr schnell
abköhlen und mit einer kälteren Rinde überziehen. Beweglich mufs
man daher die Sonnenmasse jedenfalls voraussetzen, damit durch Strö-
mungen aus dem Innern Wärmezufuhr an die üherflächo sluttßnden
und so der Wärmeverbrauch über die ganze Masse der Sonne ver-
theilt werden kann. Schwieriger dagegen ist die Entscheidung der
Krage, ob die Sonne flüssig oder gasförmig zu denken ist. Die
letztere Annahme stützt sich vornehmlich auf die ungeheure Temperatur
und die geringe mittlere Dichtigkeit der Sonne. Wenn die Hitze
schon an der Oberfläche der Sonne, wo sie durch fortwährende Aus-
strahlung in den Weltenraum Verminderung erleidet, hoch genug ist,
um alle Metalle in Dampf zu verwandeln, so kann sie weiter nach
dem Innern unmöglich soweit abnehmen, um das Flüssigwenlcn der
Stoffe zu gestatten. L'nd wenn ferner wirklich ein grofser Theil der
Sonne aus flüssigem Eisen, Magnesium, Kupfer etc. bestända, so müsste
die mittlere Dichtigkeit derselben sehr erheblich sein, während sie in
Wirklichkeit nur wenig gröfser als die des Wassers und nur der
vierte Theil der mittleren Erddichte ist. Man hat dem entgegnet, dafs
im Inneren des Sonnenkörpers der Druck so grofs sei, dafs bereits
in geringer Entfernung von der Oberfläche jedes Gas verdichtet
werden müsse. In der That mufs ein solcher enormer Druck an-
genommen werden; die ungeheure Temperatur aber, welche im Innern
der Sonne sicherlich die der Atmosphäre noch um ein erhebliches
übersteigen wird, mufs der durch den hohen Druck angestrebten Ver-
dichtung der Gase energisch entgegenw'irken, da bekanntlich für jedes
Gas das Sinken der Temperatur unter einen bestimmten Punkt (die
sogenannte kritische Temperatur) erforderlich ist, um den Uebergang
in den flüssigen Zustand zu ermöglichen. Allerdings wird hierbei die
Voraussetzung gemacht, <iafs dieErfahrungen, welche wir im Laboratorium
bei mefsbaren Temperaturen und Drucken gewonnen haben, auch für
die auf der Sonne herrschenden, nach irdischem Mafsslabe nicht zu
beurtheilenden Verhältnisse Gültigkeit besitzen. Es ist aber z. B. be-
kannt, dafs das Mariottesche Gesetz nicht bis zu beliebigen Grenzen
Gültigkeit behält. Schon bei einem Drucke von '200 Attnosphären
sind die Abweichungen von diesem Gesetz sehr merklich und wachsen
mit steigendem Drucke immer stärker.
Welcher von beiden Hypothesen man übrigens auch den Vor-
rang einräumen will, ein wesentlicher Unterschied in der Beschaffen-
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heit der Sonnonmasso wird kaum existiren. Auch die Vertreter der
(iastlieorie sind gezwungen, die Dichtigkeit der Oase so grofs anzu-
nehmen, dafs sie nicht entfernt mehr den uns bekannten (jasen ver-
gleichbar bleiben, vielmehr so zähflüssig sind, dafs sie der Dewegnng
ähnlich wie Pech oder Glaserkitt widerstehen.
Don Kern der Sonne umgiebt nun, wie bereits erwähnt, eine
Atmosphäre, welcher die dunklen Linien ihre Entstehung verdanken,
und die man deshalb die umkehrende Schicht genannt hat. Diese
Schicht enthält die Dämpfe sämmtlioher Metalle, die wir durch das
Spektroskop auf der Sonne nachweisen kennen, in glühendem Zu-
stande; sie müfste daher, wenn es möglich wäre, ihr Licht von dem
der Photosphäre zu trennen, ein aus hellen Linien gebildetes Spektrum
liefern. Nun ist es in der That gelungen, diese Schicht für sich zu
beobachten. Richtet man nämlich bei einer totalen Sonnenfinsternifs
das Spektroskop auf diejenige Stelle, wo eben der letzte Stralil des
Sonnenlichtes hinter dom vorrückenden Monde verschwindet, so blitzen
in dem Augenblicke, wo die Sonne vollständig bedeckt wird, und
also nur das Licht der untersten Theile ihrer Atmosphäre in das
Spektroskop gelangt, durch die gauze Länge des Spektrums Tausonde
von hellen Linien auf. Nur zwei oder drei Sekunden währt diese
prachtvolle Erscheinung, aber sie hat dem aufmerksamen Beobachter
genug enthüllt und ihm die Bestätigung der Hypothese von einer
umkehrenden Schicht geliefert.
Die Beobachtung der totalen Sonnenlinstemisse hat aber noch
zu anderen, für die Sonnentheorie wichtigen Ergebnissen geführt, da uns
bei dieser Gelegenheit Erscheinungen vor .\ugen treten, die zu jeder
anderen Zeit unseren Blicken entzogen sind. In dem Momente näm-
lich, W'O die Sonnenscheibe vollständig hinter dem Monde verschwindet,
wird die Corona sichtbar, jene Strahlenkrone, welche mit mildem Lichte
wie ein Heiligenschein, den tiefdunklen Mond umgiebt, und in welche
vom Mondrande aus rosige Wolken und Flammen hineinragen, die Pro-
tuberanzen. Der.\ugenblick des Aufleuchtens dieser Erscheinung ist nach
dem übereinstimmenden Zeugnifs aller Beobachter ein so überwältigend
grofsnrtiges Schauspiel, dafs es sich dem Gedächtnisse unauslöschlich
einprägt; und es ist aufs tiefste zu beklagen, dafs ein neidisches Geschick
so Vielen am 19. August 1887 den Anblick dieses äufserst seltenen
Phänomens vorenthalten hat In unmittelbarer Nähe des Sonnenrandes
ist die Corona von blendender Helligkeit; sie bildet hier einen nach
aufsen ziemlich scharf abgegrenzten Hing von etwa 3' — 4' Höhe. Der
äufsere Theil dagegen erstreckt sich bis in sehr grofse Entfernungen
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und zeigl die unregelmäfsigsten, meistens aber strahlige Umrisse. (Siebe
untenstehende Figur.) Die Oröfse, Helligkeit und Gestalt der Cktrona ist
bei den einzelnen Finsternissen aurserordentlich verschieden beobachtet
worden. Freilich spielt auch die persönliche Auffassung eine nicht
unwesentliche Rolle dabei; man hat z. B. mehrfach gefunden, dafs
zwei Beobachter an demselben Orte ganz verschiedene Zeichnungen
von der Erscheinung entworfen haben.*) In dieser Beziehung ist es
von Bedeutung, jetzt in der Photographie ein von diesen persönlichen
äauiienliustenii.sii vum 12. Dezeinlior IS71.
Fehlern unabhängiges llülfsmittel zu besitzen. Eine Zusammenstel-
lung der während der Finsternisse der letzten Jahrzehnte erhaltenen
Photographien läfst wenigstens einige allgemeinere Gesetze über das
Aussehen der Corona ableiten. Fast stets findet sich in derselben
ein mehr oder weniger ausgesprochener Spalt, welcher ungorähr, aber
fast niemals genau der Rotationsaxe, der Sonue entspricht. Meist ist
diese Spalte an beiden Pulen vorhanden und ist mit kürzeren vor-
*) Man »ehe z. B. die Abbildungen der Sonnencurven vom lU. Aug. 18H‘t,
welche im ersten Jahrgänge die-ser Zeitschrift S. 120 u. 121 wiedergegi'ben sind.
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wiegend radialstehenden Strahlen ausgefüllt An den Seiten dieser Po-
hirspaltcn, über den Zonen der gröfsten Sonnenfleckenthätigkeit, treten
gewöhnlich gekrümmte Strahlen auf, durch welche vornehmlich das
eigenthiimlich kreuzförmige Aussehen der Corona hervorgerufen wird,
welches so vielen Darstellungen charakteristisch ist. Ferner scheint
ein Zusammenhang zwischen der Sonnenthiitigkeit, wie sie sich in
der Häufigkeit der Flecken luisspricht, und der Gestalt der Corona
zu bestehen. Zur Zeit eines Sonneufleckenminimums pflogen die Po-
larspalten viel weiter geöffnet zu sein, und es treten in der Aequator-
gegend besonders langgestreckte Strahlen auf; hei einem Flecken-
maximum dagegen erscheint die Figur der Corona mit ziemlich
si’ininetrischen Umrissen. Jedoch gilt auch diese Regel keineswegs
ausnahmslos. Eine Bewegung oder \'eränderung einzelner Strahlen,
wie sie manche Beobachter bemerkt haben wollen, liefs sich an der
Hand der Photographien nicht nachweisen.
Bereits die Alten kannten die Corona und haben sie mehrfach
beschrieben; dagegen besitzen wir auffallender Weise nicht die ge-
ringste .Mittheilung, dafs sie die Protuberanzen ebenfalls bemerkt haben.
Auch nach der Entdeckung des Fernrohrs verging noch geraume
Zeit, ehe dieselben aufgofundon wurden. Erst in der Mitte des vorigen
Jahrhunderts werden sie erwähnt, aber auch nur beiläufig, so dafs
diese Beobachtungen vollständig wieder in Vergessenheit geriethen,
und die Protuberanzen eigentlich erst im Jahre 1842 bei Gelegenheit
einer von vielen hervorragenden .\stronomon beobachteten totalen
Sonnenfinsleruifs von neuem entdeckt wurden. Noch waren sie aber
keineswegs als zur Sonne gehörig anerkannt; einige brachten sie mit
dem Monde in Verbindung, noch andere hielten sie überhaupt für
optische Täuschungen. Erst die Sonncnlinstemirs von 1860 lieferte
den unwiderleglichen Beweis ihres solaren Ursprungs, indem durch
Messungen nacligewiesen wurde, dafs der Mond bei seinem V'orrücken
<lie Protuberanzen an dem einen Rande der .Sonne allmählich immer
mehr bedeckte, während sie an dem anderen in entsprechendem Mafse
hervortraton. Zu gleicher Zeit konnte aber festgestellt werden, dafs
nicht nur diese einzelnen am Rande vertheilten Gebilde vorhanden
waren, sondern dafs die ganze Sonneuscheibe von einer Schicht der-
selben rosenfarbigen Substanz umgeben ist, die eine Dicke von etwa
10" — 12" (d. h. ca. 1100 .Meilen) hat, und aus welcher sich an ein-
zelnen Stellen die Protuberanzen zu gröfserer Höhe erheben. Diese
Schicht, welche von Frankland und Lockyer wegen ihrer schönen
Farbe den Namen ..Uhromosphäre“ erhielt, macht den Eindruck, als
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ob aus unzähligen Oeffnungen Strahlen glühender Gase hervorbrechen,
welche wie ein loderndes Feuermeer die ganze Sonne umspülen.
lieber die Natur dieser Erscheinungen gab erst die Sonnen-
finstemirs von 1868 einigen Aufschlufs, bei welcher das inzwischen
vervollkommnete Spektroskop zur Verwendung gelangte. Totale
Sonnenfinsternisse sind aber leider so aufserordentlioh seltene Ereig-
nisse, dafs, wenn wir auf sie angewiesen geblieben wären, unsere Kennt-
nisse über die Chromosphäre und die Protuberanzen nur sehr lang-
same Fortschritte gemacht haben würden. Boi unverfinsterter Sonne
sind die Protuberanzen für gewöhnlich nicht zu sehen, und zwar aus
demselben Gnmde, aus welchem die Sterne bei Tage unsichtbar bleiben:
weil unsere Atmosphäre durch die vielen in ihr suspendirten, Licht
refiektirenden Partikelchen zu sehr erhellt wird. Nun bietet aber das
Spektroskop die Möglichkeit, dieses Licht zu schwächen, ohne gleich-
zeitig auch das der Protuberanzen in demselben Mafse zu vermindern.
Das Licht des Himmelsgrundes giebt nämlich als reflektirtes Sonnen-
licht ein kontinuirliohes Spektriun durchsetzt von dunklen Linien.
Wird nun die Zerstreuung des Spektroskopes vergröfsert, so dehnt
sich das Spektrum aus, die Intensität der einzelnen Thcile nimmt also
ab. Das Spektrum der Protuberanzen dagegen, welches, wie wir sehen
werden, aus einzelnen hellen Linien besteht, kann hierdurch nicht be-
einträchtigt werden; der Abstand der einzelnen Linien von einander
wird gröfser, ihre Helligkeit aber bleibt unverändert Das Spektrum
hebt sich daher jetzt von dem dunkleren Untergründe deutlich und
leicht erkennbar ab. Aber noch mehr. Huggins, Lockyer und Zöllner
kamen fast gleichzeitig auf den Gedanken, dafs cs möglich sein müsse,
auch die Gestalt der Protuberanzen im Spektroskop zu erkennen, ln
der Thal, da das Licht derselben bei jeder Linie ihres Spektrums als
monochromatisch angesehen werden kann, so braucht man nur den
Spalt des Spektroskops entsprechend weit zu öffnen, um in demselben
die Chromosphäre mit ihren kleinen, spitzen Gebilden, einem feurigen
Grasfelde nicht unähnlich, und über ihr sich erhebend die Protube-
ranzen in ihren wechselreichen Formen zu erkennen. Auf diese Weise
wurde es also möglich, zu jeder Zeit die Protuberanzen nach Form
und Spektrum zu studiren.
Man unterscheidet gewöhnlich zwei Arten von Protuberanzen,
welche als die wolkenförmigen und die eruptiven oder metallischen
bezeichnet werden. Die ersteren haben ihren Namen erhalten, weil
sie in der Thal oft eine überraschende Aehnlichkeit mit den irdischen
Wolkenbildungen zeigen. (Siehe umstehende Figur.) Sie besitzen
UüDmel und Erde. 11. 1. 3
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mitunter enorme Ausdehnunffen und zeichnen sich durch eine ver-
hältnirsmäfsig: grofse Besliindijfkeit aus. Die metallischen Protuberanzen
dagegen bestehen gewöhnlich aus einzelnen sehr intensiven Strahlen,
deren Fonn sich meist sehr schnell ändert. Sie erreichen ganz un-
glaubliche Höhen, nicht selten bis zu 20000 Meilen. Nimmt man
hinzu, dafs mitunter in der Zeit einer Viertelstunde derartige Gebilde
entstehen und verschwinden, so gelangt man zu Geschwindigkeiten,
welche Uber jedes irdische Mafs weit hinausgehen. In der That, eine
Ma.sso glühenden Gases, von vielen Meilen Durchmesser, welche mit
einer Geschwindigkeit von 20, 40 und mehr Meilen in der Sekunde
in den Welteuraum hinausschiefst, giebt der menschlichen Einbildungs-
kraft unlösbare Räthsel auf.
Protuberanzen.
Was nun die Natur der Protuberanzen anbelangt, so erkennen
wir durch das Spektroskop, dafs die wolkenförmigen hauptsächlich
aus glühendem Wasserstoff und einem auf der Erde nicht bekannten
Elemente bestehen, welches durch eine gelbe Linie eharakterisirt wird
und Helium genannt worden ist Seltener läfst sich auch Natrium und
Magne.siuni nachweisen. Anders die eruptiven Protuberanzen. Dir
Spektrum weist aufser den Linien des Wasserstoffs undHoliums zahlreiche
andere hello Linien auf, unter denen die von Natrium, Magnesium,
Barium. Titan und Eisen besonders deutlich hervortreten.
Ein ähnliches Vorhalten zeigt da.s Spektrum der Chromosphäre.
Wasserstoff und Helium sind immer vorhanden, sehr häufig aber auch
die anderen angeführten Metalle, besonders in den tieferen Schichten
und an solchen Stellen, wo heftige Bewegungen statlfinden, in der
Nähe von Flecken und Protuberanzen.
Die Deutung dieser Erscheinungen bietet nun keine Schwierig-
keiten. Die Chromosphäre ist ersichtlich eine glühende Hülle, welche
die Sonne umgiebt, und welche in der Hauptsache und in den höheren
Theilen fast ausschliefslich aus Wasserstoff und Helium besteht. In
den tieferen Schichten dagegen findet sich noch eine gröfsere Zahl
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schwererer Metalle in g-asi^em Zustande vor. Werden durch irgend
welche Veranlassungen diese Qasmassen aufgewühlt, so entstehen die
Protuberanzen, und zwar, wenn sie aus den oberen Regionen stammen,
die nur Wasserstoff enthaltenden wolkenfdrmigen; kommen sie aus
gröfseren Tiefen, so reifsen sie auch andere Metalle mit.
Bei den Sonnonfinstemissen der letzten Jahre ist nun noch eine
andere Art von Protuheranzen beobachtet worden, welche geeignet
ist, ein ganz neues Licht auf diese merkwürdigen Gebilde zu werfen.
Tacchini hatte nämlich vor einer Finstemifs die Protuberanzen in der
gewöhnlichen Weise beobachtet und erblickte nun während der Totalität
noch andere Protuberanzen, die er vorher nicht gesehen hatte, und
die sich im Gegensatz zu den anderen rothen Gebilden durch ein
merkwürdiges weifses Licht auszeiohnoten; und zwar waren sie um
so weifser und matter, je weiter sie von dem Sonnenrande enlfenit
waren. Er fand aber ferner, dafs auch die Protuheranzen, welche er
vorher im Spektroskop wahrgenommen hatte, während der Totalität
beträchtlich gröfsere Dimensionen sowohl in Höhe wie in Breite zeigten,
sodafs die vorhergesehenen nur für einen Theil der ganzen Erscheinung
gehalten w’erden konnten. Bei einer grofsen metallischen Protuberanz
z. B. bildete der nur während der Totalität sichtbare Theil einen weifs-
lichon Mantel um ein stärker glühendes Centrum, welches er vorher
allein im Spektroskop wahrgonommon hatte. Auch Handri ko f, einer
der wenigen Glücklichen, denen der Anblick der Sonnenflnsternifs
vom August 1887 nicht durch die Ungunst des Wetters geraubt worden
war (er hatte den Berg Blagodat am Ostabhange des Uralgebirges als
Beohachtuugsstation gewählt), bestätigte es, dafs man im Spektroskop
manche Protuberanzen gamichl, von den anderen aber meist nur den
inneren Theil, gewissermafsen das Gerippe einer Protuheranz sieht.
Tacchini sucht diese Erscheinung zu erklären, indem er an-
nimmt, dafs die Substanz der Protuberanzen, sobald sie eine gewisse
Höhe über der Photosphäre erreicht hat, sich sehr schnell abkühlt
und fest wird, so dafs sie für die spektroskopische Beobachtung ver-
schwindet, während sie bei der Totalität sehr gut mit blofsem Auge
gesehen werden kann. Etwas wahrscheinlicher ist wohl die Erklärung,
welche eine Beobachtung von Pickering an die Hand giebt, der
konstatirt, dafs bei einer grofsen Protuberanz, deren Spektrum er bei
der Finstemifs des Jahres 1886 photographirte, sämmtlicho WasserslofT-
linien fohlten, während die Linien H und K sehr stark ausgeprägt
waren. Da man nun die Protuberanzen für gewöhnlich im Lichte der
Wasserstofflinien, meist C, zu beobachten pflegt, so ist es klar, dafs
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ProtuberaMcn, denen der Wasserstoff mangelt, der spektroskopischen
Keobachtung entgehen müssen, während sie aktinische Strahlen in
grofser Menge besitzen, photographisch sich also sicher bemerklich
gemacht hätten. ISs scheint danach sicher, dafs diese Protuberanzen
aus einem anderen, wahrscheinlich noch leichteren Oase als Wasser-
stoff bestehen, welches ebenfalls in grofser Menge in der Chromosphäre
und der äufseren Sonnenatmosphäro vorhanden sein mufs. Ob uns
das Gas unbekannt ist, oder ob cs etwa mit den beiden anderen un-
bekannten Stoffen, Helium und Coronium (s. u.) zusammonhängt, läfst
sich bei der Neuheit der Sache, über welche erst spärliche Beobach-
tungen vorliegen, nicht entscheiden. Vielleicht ist hier auch eine Art
üebergang zur Corona angedeutet
Auch über die Natur der Corona haben uns erst die letzten Jahr-
zehnte etwas sicheren Aufschlufs geliefert. War es früher überhaupt
fraglich, ob die Corona zur Sonne, zum Monde oder zur Erdatmosphäre
gehöre, oder gar nur eine optische Täuschung sei, so wissen wir seit
Einführung des Spektroskopes in die Wissenschaft, dafs sie ein
glühendes Gas enthält, also zweifellos der Sonne entstammt Die Natur
des Gases, welches man Coronium genannt hat, ist uns allerdings
g^zlich unbekannt, da wir die grüne Linie im Spektrum, durch
welche es charakterisirt wird, bei keinem irdischen Stoffe kennen.
Jedenfalls mufs es eine Substanz sein, die noch viel leichter als
Wasserstoff ist, das leichteste aller uns bekannten Elemente. Aufserdem
zeigt das Spektrum auch die Wasserstofflinien, sowie mitunter zwei
andere Linien unbekannten Ursprungs im Grüngelb. Ferner giebt
die Corona aber auch ein schwaches conlinuirlichcs Spektrum mit
dunklen lanien, sicherlich von reflektirtem Sonnenlichte herrUhrend.
Hieraus folgt, dafs die Corona auch eine genügende Quantität von Materie
enthält, welche das Sonnenlicht zu reflektiren im stände, also vielleicht
staub- oder nebelartig ist. Aber freilich genügt eine so unglaublich
geringe Menge dieser Materie, dafs man sich kaum eine Vorstellung
davon machen kann. Nach Huggins würde ein Partikelchen auf eine
Kubikmeile ausreichen, um die beobachteten Erscheinungen zu erklären.
Nachdem wir uns so mit den einzelnen Erscheinungen vertraut
gemacht haben, sind wir nunmehr im stände, die Konstitution der
Sonne im Zusammenhänge zu überblicken. Der direkten Beobachtung
entzogen und daher nur auf spekulativem Wege zu ergründen ist der
innere Sonnenkern, den wir uns als eine glühende, vermuthlich gas-
förmige Masse von höchster Temperatur und vorhältnifsmäfsig grofser
Dichtigkeit vorstellen müssen. Die Begrenzung nach aufsen wird ge-
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bildet durch die für uns sichtbare Oberfläche, die Photosphäre. Die-
selbe stellt eine Hülle dar, in welcher sich die Mctalldämpfe infolge
der starken Ausstrahlung in den Weltenraum erheblich abkühlen und
stellenweise zu Wolken, ähnlich den in unserer Atmosphäre auf-
trelenden kondensiren, nur mit dem Unterschiede, dafs diese nicht aus
Wasserbläschen, sondern aus glühenden, leuchtenden Metalltropfen
zusammengesetzt sind. Diese Wolken schweben in einer Atmosphäre
unkondensirter Dämpfe, welche nicht nur die Zwischenräume zwischen
den einzelnen Wolken ausfüllen, sondern sich auch in dicker Schicht
über den photosphärischen Wolken lagern. So wird der Uebergang
zur Chromosphäre gebildet, welche man sich demnach keineswegs
als scharf gesonderte Schicht vorstellen darf. In der Chromosphäre
finden wir in den untersten Regionen die schwereren Metalldämpfe,
in den höheren die leichten Uase, Wasserstoff und Helium. Die in
und über der Photosphäre, d. h. also zwischen den photosphärischen
Wolken und in den tieferen Schichten der Chromosphäre heflndlichen
unverdichteten Gase strahlen beträchtlich weniger Licht aus, als die
glänzenden metallischen Wolken, sie bilden die dunklen Stellen der
Granulation. Da hier auch geringerer Druck und niedrigere Temperatur
vorherrscht, so geben diese Schichten kein kontinuirliches Spektrum
mehr, sondern ein aus hellen Linien bestehendes, w'ie sich bei totalen
Sonnenfinsternissen direkt nachweisen läfst. Für gewöhnlich dagegen
leuchtet das helle Licht der Photosphäre durch diese Dämpfe hin-
durch, welche dann als „umkehrende Schicht“ absorbirond auf dieses
Licht wirken und das bekannte Sonnenspektrum (kontinuirlich mit
unzähligen dunklen Linien) erzeugen. In der Photosphäro spielen
sich die Erscheinungen der Flecken und Fackeln ab; aus der Chromo-
sphäre erheben sich die Prutuberanzen. Und alle diese Schichten
werden umspült von der weit hinaus sich erstreckenden, überaus
dünnen Atmosphäre, welche sich nur bei totalen Sonnenfinsternissen
als Corona unsern Blicken enthüllt
Ueber die Entstehung der Flecken, die mannigfachen rälbsel-
haflen Erscheinungen in ihrem Dasein, die Eigenthümlichkeiten in
der Rotation der Sonne und anderes geben die hier vorgetragenen
Ansichten unmittelbar keinen Aufschlufs. Aber auch über diese
Punkte haben die neuen Beobachtungen, besonders die Anwendung
der Spektralanalyse, zu wichtigen Ergebnissen geführt; vielleicht bietet
sich Gelegenheit, in einer weiteren Betrachtung auf diese interessanten
Kapitel zurückzukommen.
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Anm. d. Ued. Unsere diesmalige Kunstbeilage, die heliographische
Nachbildung einer der besten der in Potsdam gewonnenen Honnen-
aufnahmen, zeigt mehrere gröfsere Sonnenfleoken mit ihren charak-
teristischen Eigenthümlichkeiten. Kings um den am linken Rande
stehenden Fleck sieht man schön ausgebildete Fackeln. Solche Fackeln
sind auch da, wo der für die Orientirung der Platte mit abgebildetc
Spinnfaden den Sonnenrand trifft, links unten und rechts oben er-
kennbar. Die Abdunkelung des Sonnenrandes, sowie die Granulation
der ganzen Fläche ist ebenfalls in dieser vollkommensten Art der
Nachbildung fast so schön, wie im Original, wiodorgegeben.
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Die hydrologischen Geheimnisse des Karstes und seine
unterirdischen Wasserläufe.
AufOrundlage der neuesten hydrotechnischen Forschungen
dargestellt Ton
Wilhelm Pntick, k. k. Forstinsiiektions-Adjunkt.
Süden der österreich-ungarischen Monarchie erstreckt sich ent-
^ lang der Steilküste des adriatischen Meeres, über ein weites Gebiet
mehrerer Kronländer ausgedehnt und noch weiter südöstlich über
die Gemarkungen Oesterreichs hinaus, eine naturseltenc Gebirgsforma-
tion, die von auflallend zerklüfteten und unterhöhlten Sedimentgesteinen
zoogener Bildungen hoclimüchtig aufgebaut ist. Vorherrschend sind
hier überall massig geschichtete Kalksteine, welche der Kreide-, Trias-
und Kohlen-Formation angehöreii, und welche allgemein in gestörter
I^erung von Nordwest gegen Südost streichen, während die V’er-
flachung dieser dislocirten Schichten gegen Südwest unter 10 bis 30
Graden Neigimg beobachtet werden kann.
Diese plateauförmige Gebirgsformation wird gegen Norden von
den Riesendolomiten der Julischen Alpen umrandet und von den
Flüssen Isonzo, Idria, Pöllander Zaier und Save nördlich begrenzt.
Das Bergland von Idria formirt den Uebergang von den Julischen
Alpen zu dom in Rode stehenden, weltbekannten Karst-Plateau.
Obwohl der Temovaner Wald und weiter südöstlich anschliefsend
der Bimbaumer Wald bereits dem geologischen Charakter nach zur
eigentlichen Karstformation gehören, so vermochte eben diese plateau-
förmigen Hochlagen nur der herrliche Waldsohmuck, welcher dieselben
heute noch ziert, vor jener, für ein ödes Stein- und Felsgelände vulgär
gewordenen Bezeichnung „Karst“ zu reiten. Ebenso zeigen die gleiche
Gesteinsformation der sogen. CiCen-Boden und die gröfsten Flächen
der Halbinsel Istrien mit allen zugehörigen Inseln im Quamero; des-
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gleichen die Grofse und Kleine Kapelle, das Velebit -Gebirge, die
Dinarischen Alpen und alle dalmalinischen Inseln des adriatischen
Meeres. Zum gröfsten Theile sind wohl auch von der nämlichen Be-
schaffenheit die ausgedehnten Gebirgsplateaux von Bosnien und von
der Ilercegovina, sowie von Montenegro und theilweisc von Albanien
und Epirus, wie auch jene von Griechenland.
Doch der klassische Bo<len des tausendfach zerklüfteten und unter-
höhlten Karstkalkes mit seinen merkwürdigen hydrologischen Verhält-
nissen liegt ohne Zweifel im Ilerzogthume Krain, und ferner im KUsten-
lande, in Istrien, in Dalmatien und in Kroatien. Das ganze Karstgobiel
bildet in der Hauptsache ein ausgesprochenes Plat«‘augebirge mit einer
verworrenen und unvollendeten Thalbildung von höchst eigenartigen
Erosionsthälem und mit einzelnen aus diesem Kalkmassiv hochempor-
ragenden Kalksteinriesen.
Gerade am Fufse dieser dominirendon Hochborge, welche stellen-
weise noch gegenwärtig von prächtigen Buchen- und Tannenforsten
gekrönt sind, breiten sich zumeist sehr ausgedehnte Terraindepressionen
aus, die nach allen Seiten von einem wellenförmig auf- und absteigen-
den Hügelgelände begrenzt erscheinen. Der nahezu ebene Boden dieser
für die Karstlandschaft typischen Terrainsenkungen, welche als Thal-
mulden ohne Ein- und Ausgang unter der bereits eingebürgerten Be-
zeichnung „Dolinen“') — oder eigentliche Kesselthäler — bekannt
gewonlon sind, besteht aus mächtigen Alluvionen, welche den ertrag-
reichsten Wiesen zum Standorte dienen. Aber jahraus jahrein gewalirt
man in den meisten Kesselthälern des Karstes während der beiden
Kegenperioden zur Tag- und Nachtgleiche eine seltsame Veränderung
des landschaftlichen Gepräges. Die üppigen Wiesenmatton des Sommers
sind während dieser Jahreszeiten von meterhohen Stauwässern bedeckt,
welche unter ungünstigen lokalen Verhältnissen und infolge gröfserer
atmosphärischer Niederschläge als „periodische Seen“ einen Welt-
ruf erlangt haben. So ist beispielsweise nur infolge der analogen
Verhältnisse der sogenannte Zirknitzer See in Krain bis auf unsere
Tage als Naturwunder angeslaunt worden. Wohl treten hier die eigen-
artigen Hochwasser-Erscheinungen in einer höchst auffallenden Weise
hervor, so dafs nicht selten binnen einer Reihe von 14 Tagen bis
3 Wochen der gänzlich ausgetrocknete Zirknitzer See seinen normalen
Stand erreicht und alsbald noch über denselben emporwächst. Dabei
sind die oberirdischen Zuflüsse des Seebeckons von Zirknitz im Ver-
') In der Literatur werden meistens nur kleinere Senkungsfelder am Karste
als „Dolinen“ bezeichnet.
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haltnifs zu der rapiden Wasseransammlung desselben nur geradezu
verschwindend. Aber dagegen brechen während der Uegenperiode
aus den tributpflichtigen Zuflurshühlen die unterirdisch vereinigten
Meteorwässor mit elementarer Gewalt hervor und füllen in jener ver-
hältnifsmäfsig kurzen Zeit das weitgedehnte, ebene Seebecken mit tiefen
Fluthen an. Alles dies nur als Folgeerscheinung des Mifsverhältnisses
zwischen Zu- und Abflufs der Wässer.
Bekanntlich ist dieser See durch seine seltenen Naturerscheinun-
gen bereits von den ältesten Geschichtsschreibern als „Lagus palus,“
von Strabo als „Lugeus lacus“ bezeichnet und beschrieben worden.
In späteren Schriften erscheint derselbe nur unter dem Namen „Lugeus
lacus“ — „der löcherige See“*) — beschrieben und als solcher
unter die „Naturraritäten“ des Landes eingereiht.
Der berühmte Chronist Freiherr von Valvasor widmet dem
Zirknitzer See in seinem topographisch-historischen Monumentalwerke
— „Die Ehre des llerzogthuni s Krain“ (Laibach und Nürn-
berg 1689) — eine besondere Aufmerksamkeit. Gleich zu Anfang
seiner Beschreibung des Landes Krain apostrophirt er von den natur-
seltenen Ei-scheinungen des Zirknitzer Sees: „Dafs derjenige, welcher
die wunderbare Eigenschaft, durch blofsen Fleifs, sogleich deutlich
machen und durch emsiges Nachforschen, wie mit einem Senkblei
ergründen wollte, der würde aus Mangel der dazu erforderlichen Zeit,
genügsamen Gelegenheit und eines gründlichen und wahren Unter-
richts, niemals auf den rechten Grund einer vollkommenen Entdeckung
desselben gelangen können; sondern es würde der Riegel des ver-
schlossenen tiefen Busens der Natur, noch alle Zeit vorgeschoben
bleiben, mithin zur weiteren Entdeckung der Nachwelt etwas müssen
übrig gelassen werden.“
In weiterer Folge schildert er dann auf Grund seiner eigenen
Beobachtungen die Verhältnisse des Zu- und Abflusses der Wässer
des Sees.
Noch eingehender findet man diese eigenthümlichen Wassorver-
hältnisse in dem Werke von Franz Anton von Steinberg:
•) Herr v. Steinberg erkläH — iu »einem später citirten Werke über
den Zirknitzer See — die Bezeichnung .Lugeu» lacus“ nachfolgend: „Indem
diejenige Oegend, wo diese» Gewässer »ich ausbrcitel, voller Locher und Oeff-
Dungen ist, daher folglich auch gar möglich seyn könne, dafs aus dem alten
Worte „Luog,“ teutsch. Loch, das römische Beywort „Lugeus“ entstanden
»ey; mithin „lugeus lacus“ so viel als der „löcherichte See“ hoifsen
solle.“ —
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„Qründliche Nachricht von dem in dem Innorkrain greloge-
nen Zirknitzer See — Laibach anno 1758“ dargestellt.
Aus den naturhistorisch reichhaltigen Quellen dieser beiden Werke
schöpften auch die meisten Schriftsteller der späteren Zeit, wenn die-
selben, nach einem mehrstündigen Aufenthalte in Zirknitz, ihre eigenen
Wahrnehmungen und die uralten Sagen benützend, einige Nachrichten
von diesem wahrhaftigen Weltwunder niedergeschrieben haben. Und
selbst bis zur Gegenwart haben sich alle jene Nachrichten über die
mysteriösen V'erhnltnisse des Verschwindens und Wiederorscheinens
der Wässer des Zirknitzer Sees fast unverändert erhalten. Einige sehr
komplizirte Hypothesen haben nur noch diese ältesten Daten bereichert,
um eine wissenschaftlich plausible Erklärung dafür zu bringen, was der
geheimnifsvolle Seeboden Jahr für Jahr hervorzubringen geeignet ist
Fig. 1. Die groue Karlovca-HOble am Zirknitzer See.’)
*) ln dieser Abbildung erscheint das Eingangsthor einer der bedeutendsten
Abflufshöhten für die Hochwässer des Zirknitzer Sees dargesteilt. Der unter
das Hügelplateau oinziohendo Höhlengang zeigt in seinem weiteren Verlaufe
gröfsere und kleinere Weitungen. Derselbe mündet, wie nunmehr technisch
erwiesen ist, ungefähr 2.5 Kilometer in nördlicher Richtung durch die Fürst
Windisch-Orätz-Höhlen bei St Canzian in die sogen. Rakbacbschlucht
der Haasberger Forste, wovon in der weiteren Folge eine genauere Angabe
vorgebracht wird.
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Atis jenen Darstellungen ist auch ferner bekannt, dafs die unge-
fähr eine halbe Quadratmeile einnehmende, normale Flüche des Zirk-
nitzer Sees im Verlaufe eines Jahres die verschiedenartigsten Be-
nützungen gestattet, und zwar: Nachdem die Wässer vollständig ver-
schwunden sind, dient das ganze ausgedehnte Seegebiet während des
Sommers der LandwirtlischafI, im Herbste der Jagd auf Sumpf- und
Wasserwild, und während der übrigen Jahrosperioden, wenn der See
wieder angefüllt ist, vorwiegend der Fischzucht zum ergiebigen
Operationsboden.
Die oberirdischen Karst-Erscheinungen vermochten ttiich neben
den nahegelegenen und den entfernteren Sehenswürdigkeiten von
mächtigen Quellen, die unmittelbar am Ursprünge mit einem Wasser-
reichthum von respektablen Flüssen aus geheimnifs vollen unterirdischen
Räumen zu Tage treten und nach einem verhältnifsmäfsig kurzen ober-
irdischen Laufe wieder unter das Gebirge einziehen, oder sogar unter-
seeisch in die Adria einmünden, seit uralten Zeiten die Aufmerksam-
keit der Naturforscher und durch dieselben das Interesse der Allge-
meinheit rege zu erhalten.
So schreibt z. B. in neuester Zeit Dr. Heinrich Noe von dem
weltberühmten Timavus bei Duino in Istrien, welcher Strom
nebenbei bemerkt, nur ca. einen Kilometer weit vom Ursprünge
bis zur Mündung in das adriatisohe Meer oberirdisch daherzieht und
dabei bis zu seinen mächtigen Quellen mit anselmlichen Seeschiffen
befahren werden kann, Nachfolgendes:
„Es giebt viele Dutzende solcher Ausbrüche, ja man kann es vom
I.aibacher Moor an bis nach Griechenland hinunter geradezu als Kegel
bezeichnen, dafs die Süfswasser in ähnlicher Gestaltung ihres Auf-
tretens den Weg zum Meere einschlagen. Dafs man nun gerade den
„Timavus“, (und ich möchte sagen, ebenso den Zirknitzer See),
von jeher als ein besonderes Wunderstück betrachtete, hat seinen
Grund in dem nämlichen Umstande, welchem cs zuzuschrciben ist,
dafs man den Vierwaldstädter-Sco und den Langen See unter den
Schweizer und italienischen Gewässern, den St. Gotthartl unter den
Wundem der Alpenwelt längst vorher nannte, bevor von anderen ähn-
lichen Erscheinungen die Rede war. Es führte eben der Weg daneben
und darüber hin.
Genau so verhält es sich mit dem Wasser-Ausbruche des Tiraavus.
Derselbe befindet sich an den Pforten Italiens, an einem Strande,
welcher von den Zeiten der Ai^nauten bis zur Gründung von Aqui-
leja immerwährend vom Verkehr belebt und genannt war. Da konnten
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also die Karstflüsse von Krain, dann die des inneren Dalmatien und
Kroatien, die QuellflUsse von Bosnien und der Hercogovina nicht da-
gegen aufkommcn. Speziell den Timavus mufste jeder sehen, der auf
der Via Aemilia aus Italien nach dem Osten ging, oder die Strafse
nach Pannonien, Noricum und Rhaetien einschlug.“ —
Obwohl gegenwärtig die Verhältnisse am Ursprünge des Timavus
den poetischen Worten Virgils (im ersten Buche der Aeneide)
„Autenor potuit mediis elapsus Achivis Illiricos penetrare sinus
atque intima tutus regna Liburuonim et fontem superare Timavi,
unde per ora novem vasto cum murmure montis it mare pro-
ruptum et pelago premit arva sonanti“ —
nicht mehr vollkommen entsprechen, so tragen sie dennoch und
immerhin den Charakter des Ueherwältigenden an sich und wären
dadurch nur ein wichtiger historischer Beleg für die Wirkungen einer
verborgenen Erosion, indem sich die mächtigen Fluthen seit jener Zeit
•ein tieferes Bett ausgewühlt haben und nunmehr mit majestätischer Ruhe
zum Meere ziehen.
Ebenso wie dort nahe am Timavus führte auch an den Ufern
des Zirknilzer Sees eine alte Heerstrafse aus dom Hafen von Tarsatica
in Libumien nach Emona in Pannonien. Und wohl nur die Unweg-
samkeit der einstigen Urwälder in den Karstwildnissen der römischen
Provinz Dalmatia liefs jedoch die weitaus grofsartigeren Verhältnisse
des heutigen „Livansko polje“ bei Livno in der Hercogovina
u. A. m. den alten Kultur-Völkern nicht näher und allgemeiner be-
kannt werden.
An die Stelle der vereinzelten topographischen Daten aus dem
klassischen Alterthum traten in der späteren Zeit die unglaublichsten
Fabeln und Volkssagon über den Verlauf der kurzlebigen Karstgo-
wässer, so dafs die kartographischen Daretellungen jener Zeit, wie
z. B. Joh. Blaevs „Novus Atlas“ (Amsterdam 1647) und die
mehrfachen Ausgaben der Karte „Karstia, Carniola, Histria et
Vindorum Marchia“ (Oer. Morcatore Auctore 1667) genauer be-
trachtet, den besten Ausdruck für die damaligen hydrologischen An-
schauungen von dieser Gegend abgeben.
Auffallenderweise findet man selbst in den Schriften — -Mundus
subterraneus“ (Amsterdam 1678) — des gelehrten Paters Athanas
Kircher nur vereinzelte Nachrichten von den bekanntesten Karst-
flüssen und vom Zirknitzer See, woraus angenommen werden mufs,
dafs sogar diesem Forscher selbst die sehenswürdigsten und nach-
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weislich damals schon erschlossenen unterirdischen Ihiurae des Karstes
nicht alle genugsam bekannt geworden sind.
Aus dem bisher Angeführten erhellt deutlich, dafs die Grofsartig-
keit der oberirdischen Erscheinungen ohne Zweifel tief verborgene
Ursachen an sich tragen mufs. Die Wirkungen der Höhlenflüsse an
den zu Tage liegenden Verhältnissen der Kesselthäler des Karstes,
welche auf jeden Naturfreund einen überwältigenden Eindruck zu üben
geeignet sind, sind oben der Beobachtung viel leichter zugänglich, als
ihre mysteriösen Ursachen, die in dem unerforschlichen inneren Bau
der Qebirgsformation, tief unter der Erdoberfläche, gesucht werden
müssen.
Die älteren Studien und Beobachtungen der Wasserverhältnisse
des Karstes beschränkten sich nur auf die oberirdischen Erscheinungen
derselben. Erst unserer Zeit blieb cs Vorbehalten, mit der Leuchte
der Wissenschaft in die dunklen Zellen und Adern der felsigen Erd-
rinde einzudringen.
Wohl greifen die Anfänge einer exakteren Durchforschung dieser
merkwürdigen unterirdischen Räume mit den in denselben frei cirku-
lirenden Wässern schon in die Zeiten nach dem Erscheinen des un-
sterblichen Werkes des Freiherrn von Valvasor, nachdem der-
selbe durch ein ganzes Buch des I. Bandes der -Ehre dos Herzog-
thums Krain“, betitelt ,Von den Natu rraritäten des Landes“,
die fruchtbringendste Anregung hierzu gegeben hat. Nach und nach
bemächtigte sich die Geologie dieses höchst interessanten Bodens, so
dafs aus einzelnen anerkennenswerthen Beiträgen über die subterranen
Verhältnisse in nicht allzu ferner Zeit alles Dunkel auch hier aufzu-
hellen, unserer Wissenschaft möglich sein wird.
Auffallend gleichinäfsig, wie schon früher angegeben wurde,
streichen am ganzen Karste die mächtigen Schichten des Kalksteines,
der zum Theile der Kreide-, Trias- und zum Theilo der Kohlen-For-
mation angehört, in der Richtung von Nordwest gegen Südost dahin
und sind dadurch für die generelle Thalbildung in der nämlichen
Richtung als bestimmend zu betrachten.
Das ganze Gebiet des Karstes zeigt als Grundgestein vorwiegend
den Rudis tonkalk der Kreideformation, welcher Kalkstein speziell
in Krain die höchsten Erhebungen im Birnbaumor-Wald und am
Krainer Schneeberg forrairt. Im Javornik-Gebirge geht derselbe in den
Caprotinen- oder Spatangenkal k über. Unmittelbar an dieses
Kreidegebirgo ansohliefsend, bilden meistens die Hallstätter Schich-
ten der Triasformation einige flach verlaufende Hügelzüge von vor-
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herrschend langgezogoner Erstreckung, oder sie bilden mit den Kreide-
kalken eine nestweise Wechsellagerung, um wieder dem vorherrschenden
Kreidegebirge das Feld einzuräumen. Speziell über die hydrologische
Bedeutung der dolomitischen Nester am Karste wird sowohl mit Bezug
auf seine ober- wie unterirdischen Wasserläufo in der Folge Er-
wähnung gethan.
Weit und breit findet man auf dem vollständig zerklüfteten Kalk-
steingebirge des Karstes gar keine W’asserquellen und ebenso kaum
einen oberirdischen Wasserlauf. Nur dort, wo kleinere oder grüfsere
Nester des Quttensteiner Kalkes, sowie dort, wo die festen Schich-
ten des Steinkohlenschiefers und Kohlenkalkes lagern, sind
hin und wieder wie auch in den eoeänen Ablagerungen kryslall-
helle Wasserquellen zu finden. Von dort fliefsen munter sprudelnde
Gebirgsbäche in tief eingeschnittenen Schluchten nach den angrenzenden
Kesselthälem hinab und sobald sie die unterhöhlten Kalksteinzonen
erreichen, beginnt auch schon die Verschlundung ihrer Wässer durch
mehr oder minder freie Wasserthore, oder durch die vorherrschenden
Schlundtrichter — die sogen. „Ponore“ — nach dem eigentlichen
Höhlensystem, meistens am Fufse des anstehenden Gesteins der steilen
Thalründer.
Das ganze übrige Gebiet des Karstes ist an seiner Oberfläche
vollständig zerklüftet und von zahllosen Felstrichtern, sowie von enorm
tiefen Naturschachten unterbrochen. Infolge dessen ist auch der fühl-
bare Mangel an oberinlischen Quellen und Bächen erklärlich. Die
sämtlichen Moteorwässor finden in dieser weitgedehnten Gebirgs-
forniation nur auf unterirdischen Wegen ihren anfänglich vertikalen
und anschliefsend horizontalen, wenn auch zeitweise wohl unzureichen-
den Abflufs. Trotz der hydrographischen Bedeutung und bei dem
hohen naturhistorischen Interesse der Wasserhölilen des Karstes, ge-
hören die Erforschungen dieser ganz eigenthümlichen Wasserver-
hältnisse, wohl nur wegen der grofsen technischen Schwierigkeiten, erst
der neuesten Zeitperiode an.
Ungeachtet der mannigfachen technischen Schwierigkeiten und
trotz der vielen lebensgefährlichen Hindernisse, die sich den bezüg-
lichen Forschungen entgegenstellen, mufste hier unbedingt erst die
nöthige Klarheit in die lokalen Wasserverhältnisse gebracht werden,
bevor die Praxis einen weitergehondeu Nutzen aus diesen seltsamen
V’erhältnissen ziehen kann. Gleichzeitig mit der Erforschung der
hydrologischen Geheimnisse der Unterwelt des Karstes wurde auch
einige Kenntnifs über die dynamischen Wirkungen der Meteor-
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Wässer in den gigantischen Ilöhlengängen unter der Erdoberfläche
erreicht
Obwohl die meisten Mittheilungen, welche man bisher über diesen
geheimnifsvollen üoden zu verzeichnen hat, vorwiegend die hj'dro-
graphischen und geologischen Verhältnisse des zu Tage liegenden
Karstgebietes behandeln, so findet man dennoch unter diesen zahl-
reichen Schriften gar viele schätzenswerthe Beiträge zur generellen
Kenntnifs des tausendfach zerklüfteten Untergrundes.
In dieser Beziehung möge nur in aller Kürze auf die trefflichen
Arbeiten und Spezialkarten des k. k. m ilitär- geographischen
Institutes hingewiesen werden. Ferner müssen mit Rücksicht auf
die Studien und Forschungen der geologischen Beschaffenheit der
Karstforraation, die hauptsächlich von den Herren M. V. Lipoid,
Dr. O. Stäche und D. Stur für die k. k. geologische Keichs-
anstalt durchgeführten Aufnahmen, sowie die hochverdieiistlichen
Arbeiten der Herren Urbas, v. Lorenz, Tietze, v. Mojsisovios,
Keyer, Uochstettor, v. Hauer, Kraus u. A. m. genannt werden.
Die mysteriösen hydrographischen Verhältnisse dieses Gebietes
je<ioch, die von einem Kesselthale zum anderen führenden unterirdi-
schen Wasserläufe, waren bisher zumeist nur ein Gegenstand der
Volkssage und die öftei-s divergirendon Angaben über die Wechsel-
beziehung der Theilstrecken ihres oberirdischen Verlaufes und über
ihren Zusammenliang entstammten zumeist nur blofsen Vermuthungen.
Ich verweise diesbezüglich auf die älteren und neueren Schriften:
Zuerst auf Sohönlebens Werk „Carniolia antiqua et nova etc.“
1681, dann auf das oben angeführte Prachtwerk des Freiherrn
v. Valvasor und das naturhistorisch interessante Werk über den
Zirknitzer See von Franz Anton von Stoinberg. Wissen-
schaftlich höherstehend sind ferner „Tobias Grubers „„Briefe
hydrographisch en und physikalischen Inh altes aus Krain““
an Ignaz Edl. v. Born, (Wien 1781).“ Weiter sind erwähnenswerth
die Arbeiten von Nagel (ein Manuscript in der k. k. Hofbibliothek
in Wien), sowie die wissenschaftlichen Publikationen von Hacquet,
von Hohenwart, von Morlot und von Bou6 u. A. m. — Endlich
die mustergillige Arbeit von Dr. Adolf Schmidl; „Die Grotten
und Höhlen von Adelsberg, Lueg, Planina und Laas“, Wien
1854, sowie die hochvordienstlichen Arbeiten von Hochstetter und
Szombathy, welche in den Denkschriften der kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften, Bd. XLIII, I. Abthlg., S. 293, niedcrgolegt sind;
diese haben insbesondere einen berechtigten .\nspruch, als geodätisch
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exakte Forschungen einzelner Theile des Ilöhlengebietes von Inner-
krain angesehen zu werden.
Zur weiteren Klarlegung der gesamten lokalen Verhältnisse des
Höhlenflufsgebietes der Laibach, welche ihr Sammclgebiot in den Kessel-
thälern von Adelsberg, Laas-Altenmarkt, Zirknitz und Planina besitzt,
wurde vom k. k. Ackerbau-Minister Grafen Julius von Falkenhayn
die Vornahme der hydrographischen Forschungen an den Höhlen-
flUssen von Krain angeordnet, um die exakte Lösung der naturmerk-
wiirdigen Hochwasserfrage in den Innerkrainer Kesselthälem zum Vor-
theile der dortigen Landwirthschaft zu bewerkstelligen. Diese unter-
irdischen Flufsaufnahmen erstrecken sich bereits über ein weites Gebiet
der Karstformation. Begonnen wurde mit diesen Arbeiten im gröfseren
Mafsstabo über Auftrag des Ackerbau-Ministeriums in Innerkrain,
wohin der Verfasser dieser Mittheilung schon im Jahre 1886 entsendet
worden ist.
Aufserdem subventionirte das genannte Ministerium die über An-
ordnung des krainischen Landesausschusses bald darauf in Angriff
genommenen Forschungen an dom Höhlenflufsgebicte der Gurk in
Unterkrain, mit deren technischen Leitung der landschaftliche Inge-
nieur Vladimir Hrasky betraut worden ist.
Ferner liefs das gemeinsame Ministerium durch den Civil-Ingenieur
Josef Riedel an den Höhlenilüssen in Bosnien und in der Her-
oegovina ganz analoge Studien vornehmen.
Endlich müssen auch noch die konformen Arbeiten hervorgehoben
werden, welche an dem unterirdischen Laufe des Rekaflusses
bei St. Canzian im Küstenlande seit geraumer Zeit ins Werk
gesetzt sind. Wie mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit angenommen
wird, repräsentirt die Reka bei St Canzian den Oberlauf des früher
genannten Timavus bei Duino. Die Entfernung von dem Verschwin-
dungspunkte der Reka bis zu den Quellen des Timavus, also die unter-
irdische Verbindungsstrecke, beträgt hier ungefähr 34 Kilometer in der
Luftlinie, wobei das totale Gefälle 275 Meter ausmacht Diese Daten
sind ohne Zweifel eine genügende Andeutung für die Beurtheilung
der Grofsartigkeit des gesteckten Zieles der unterirdischen Forschungs-
arbeit Dieselbe wird auf Kosten der Sektion „Küstenland“ des
Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins von ihren
Mitgliedern Anton Hanke, Josef Marinitsch und Friedrich
Müller in aufopfernder Widmung ihrer freien Stunden vorgenommen.
Auch die „Sektion für Naturkunde“ des Oesterreich.
Touristen-Club, welche durch die Erweiterung ihres Arbeitsfeldes
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4il
Hinme) und Erde. IT. 1.
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Fig. '2. Die grofse Naturbrücke von St. Can2ian in den Haasberger Forsten bei Plantna.
50
aus der früheren „Sektion für Höhlenkunde“ erst jüngst entstanden
ist, wendet zum Theile ihre Mittel und Arbeitskräfte auch der Verall-
gemeinerung dieses Wissenszweiges der Naturkunde zu. Speziell dieser
Sektion und ihrem seinerzeitigen Milgliede, dem Höhlenforscher Re-
gierungsrath Franz Kraus, welcher an der Seite ihres Präsidenten
Hofrathes Franz R. v. Hauer als Vorkämpfer für das neue System
der Höhlenforschung eintrat, gebührt das Verdienst der Uahnbrechung
nach der Unterwelt des Karstes. Gleich zu Anfang dieser Sektions-
gründuug bestand ein engeres Comite derselben, welches unter dem
Namen Karst-Comite vom Jahre 1885 bis 1887 tagte und welches
speziell die Erforschung der unterirdischen Wasserverhältnisse des
Karstes sich zum Ziele der gemeinsamen Arbeit gesteckt hatte. Den
Vorsitz führte Hofrath Ur. Franz R v. Hauer, Intendant des k. k.
Hofmuseums, sein Stellvertreter war Fürst Ernst Windisch-Grätz.
Bereits in seiner ersten Sitzung fafste dieses Comite den Beschlufs,
eine Versuchsarbeit in der sogen. „Piuka jama“ (Poikhöhlo) zwischen
Adelsberg und Planina vornehmen zu lassen. Vorerst sollte jedoch
unter der Leitung des Herrn Kraus eine Treppenanlage innerhalb des
70 Meter tiefen Felsontrichters zur eigentlichen Poikhöhlo hergestellt
werden. Nach Ueberwindung dieser grofsen Schwierigkeiten führte
Kraus auf Kosten dos Comites die äufserst schwierigen und gefahr-
vollen Forschungen an dem unterii-dischen Laufe des Poikflusses in
der Piuka jama durch, während Museal-Custos Josef Szombathy
vom naturhistorischen Hofmuseum in Wien und der Verfasser als
Forsttechniker des Ackerbau-Ministeriums, die Vermossungsarbeiten
daselbst besorgten.
Die in Rede stehenden Karstarbeiten wurden überhaupt auf Grund
der „Berichte über die Wasser Verhältnisse in den Kessel-
thälern von Krain“ in AngrilT genommen. Nachdem Hofrath
v. Hauer diese Berichte aus den einzelnen Kessellhälem von Krain
zusammengcstcUt und in der Monatsversammlung der „Sektion für
Höhlenkunde“ des Oesterreichischen Touriaten-Klub am 17. Januar 1883
vorgelegt hatte, entwickelte sich ein allgemeines Interesse an der Er-
forschung der hydrologischen Verhältnisse des Karstes. Die bezüg-
lichen v. Hauerschon Berichte finden sich vollinhaltlich im dritten Bande
No. 3 und 4 der „Oesterr. Touristen-Zeitung“ vom Jahre 1883 abgedruokt.
Dieselben bildeten die eigentliche Anregung zu den gegenwärtigen
im Aufträge des Ackerbauministeriums vorgenommenen hydrotech-
nischen Forschungen am Karste, welche eine höchst beachtenswerthe
wirtlischafliiohe Bedeutung in sich tragen.
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Gegenwärtig sind gerade die lokalen Vorstudien abgeschlossen
und ich bin nun auf Grund dieser eingehenden und systematischen
Forschungen in der Lage, über den naturseltenen hydrologischen Be-
fund eines grofsen Gebietes der Karstlandschaft Aufsohlufs zu geben.
Daher möge es mir nun weiter gestattet sein, in dieser Darstellung
speziell das mir zugewiesene Arbeitsgebiet näher zu beleuchten.
(Fortsetzung folgt.)
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Zur Bestimmung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der
Erdbebenwelle.
Prof. Wild lenkt in den Coinpt. rend. (Juli 22. — 29.) die
Aufmerksamkeit auf gewisse zeitliche Beziehungen zwischen dem
Erdbeben von Werny, einem Orte in Centralasien, und den Boden-
üscillationen, welche an Regislrirapparaten des erdmagnetischen Obser-
vatoriums zu Pawlowsk bei Petersburg von ihm beobachtet worden sind.
Das Erdbeben von Werny trat am 12. Juli d. J. um 3'" 15"
Morgens (mittl. Ortsz.) ein und dauerte ohne Unterbrechung dreizehn
Minuten. Die Aufzeichnungen des Magnetographen und Elektrographen
in Pawlowsk zeigten am 12. Juli Morgens um 0'' 32 ", 35" und 39 "
heftige Ausschläge, und alle Umstünde sprechen dafür, dafs diese Stö-
rungen dem erwähnten Erdstofse in Centralasien zuzuschreiben seien,
indem derselbe sich dem Pfeiler der Instrumente mittheilte. Wenigstens
schliefst das Verhalten der Schwankungen der Magnetnadel vollkom-
men die Möglichkeit aus, dieselben in Einwirkungen des Erdmagnetis-
mus oder der Luflelektricität zu suchen. Mit Rücksicht auf den 3'* 6"
betragenden Längenunterschied des Erdbebencentrums und Beobach-
tungsortes berechnet Wild die Uebertragungsdauer zu 23 Minuten.
Da die Entfernung beider Punkte 4836 Kilometer beträgt, so ergiebt
sich hieraus die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Welle zu
rund 3500" in der Sekunde.
Dieser Werth wird, wie Wild bemerkt, sich vielleicht noch um
ein Weniges ändern, wenn erst genauere Angaben über die Eintritts-
zeit und Dauer des Erdstofses aus der meteorologischen Station zu
Werny vorliegen.
Eine vollkommene Bestätigung haben die Schlufsfolgerungen des
Prof Wild durch Beobachtungen gefunden, die Dr. Marouse auf
der Sternwarte zu Berlin in der Xacht vom 11. zum 12. Juli zu
machen in der Lage war, während er sich mit Polhöhenbestimmun-
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53
am Universallraiisit beschäftigte. Das Hölienniveau des Instru-
mentes zeigte nämlich um 11'" 27” den Beginn einer heftigen Boden-
erschiitterung an, und die ungewöhnlichen Schwankungen der Luftblase
licfsen den Beobachter keinen Augenblick darüber in Zw'eifel, dafs
es sich hier um Fernwirkungen eines Erdstofses handle. Die Längon-
differenz Berlin -Bawlowsk beträgt PS"; also ist in Berlin die Er-
schütterung zu einer Zeit beobachtet worden, die der mittl. Ortszeit
von Pawlowsk 0'' 35“ am 12. .Juli Morgens entspricht. Aus dom
rnterschiede dieses Wcrthes und des von Wild festgestellten (O*" 32 ”)
kann sofort geschlossen werden, dafs die Erdbebenwelle die Strecke
von Pawlowsk (bez. Petersburg) bis Berlin in rund drei Minuten zurüok-
gelegt hat. Legt man diese 3” zu den obigen 23” hinzu, so ergiebt
sich die Uebertnigtingsdauer von Wemy bis Berlin zu 26 ”, welches
genau der Werth ist, den Dr. Marcuse hierfür findet.
Die angegebenen Zahlen für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit
kiinnen hei so grofsen Entfernungen, wie die hier in Betracht kommenden,
nur mittlere Werthe darstellen. Denn abgesehen von der wechselnden
Elasticität des Gesteins bedingt schon die Kugelforra der Erde, dafs
die Erscheinungen des Fortschreitens und der Stärke der Erschütterung
sich an der Erdoberfläche ganz verechieden äufsern müssen, je nach-
dem der Ausgang.spunkt der seismischen Störung in verschiedenen
Tiefen gelegen ist. In der beistehenden
Figur befinden sich alle Punkte, welche
in demselben Augenblick und mit der-
selben Stärke erschüttert werden, auf der
um das Vibrationscentrum S beschriebenen
Kugelfläche aA. ln derselben Zeit, in
Fig. I.
welcher sich die Erschütterung um die Strecke a b in der Tiefe fort-
pllauzt, würde sic sich auf der Oberfläche ungleich schneller um die
Strecke AB weiter verbreiten. Betrachtet man noch weitere Kugel-
flachen mit Badien, die stets um dasselbe Stück bc, cd u. s. w. = ab
gröfser werden, so erkennt man sofort, dafs die Fortpflanzung der
Welle AB, BC, CD u. s. w. auf der Oberfläche eine beträchtlich
schnellere ist, als im Erdkörper, und dafs bei gröfseren Tiefen ihre
Verbreitung an der Oberfläche mit ungleichrörmiger Geschwindigkeit
erfolgen mufs. Liegt dagegen der Sitz der Erschütterung sehr nahe
der Oberfläche, so sieht man, dafs dann die Fortpflanzungsgeschwindig-
keit an der Oborflächo zwar nicht genau aber doch so ziemlich gleich
bleibt und nicht merklich gröfser wird als die der Elasticität der Ge-
steine entsprechende ab, bc u. s. w.
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64
Ein um die Feststellung- der mechanischen Verhältnisse der Erd-
beben sehr verdienter englischer Physiker, Mailet, hat bei Ver-
anlassung des grorsen Erdbebens, welches 1857 Calabrien heimsuchte,
die ersten genauen Untersuchungen über die Fortpflanzung der Er-
schütterungen sowie über die Tiefe des Ausgangspunktes derselben
angestellt. In der Neuzeit hat Milne in Japan durch gröfsera Mengen
von Dynamit, die er in Höhlen von verschiedener Tiefe oxplodiren
liofs, und durch den Fall schwerer Gewichte aus verschiedenen Höhen
künstliche Bodenersohütterungen erzeugt (Nature, XXXII, 1886) und
die Fortpflanzung derselben in Qcsteinsmassen von verschiedener
Elasticität zwischen 900 — 1400 m gefunden. Abbots Versuche bei
Sprengungen (Amer. Journ. [UI], Vol. XV, 1878) ergraben, dafs die
Geschwindigkeit mit der Intensität des Stofses wächst, und dafs dieselbe
mit fortschreitender Welle sehr schnell abnimmt Eine Explosion von
100 kg Dynamit gab auf 1,6 km Entfernung 2690 m Geschw. in der
Sekunde, auf 8 km nur 1626 m; dagegen 25 000 kg bei der grofsen
Sprengung des Felsens zu Hallets Point im Hafen von New-York auf
13 km noch 2560 m, auf 22 km noch 1632 m. Dafs die Erschütterungen
der oberen Bodenschichten auch durch die Natur der Oberfläche be-
einflufst werden, haben neuere Untersuchungen von F. Fouquö und
M. Levy gezeigt Schw.
t
Erdbebenforschung auf der Lick-Sternwarte.
Das Lick-Observatorium auf dem Mount Hamilton verfugt aufscr
seinem Schatze kostbarer astronomischer Instrumente auch über eine
vollständige Kollektion der empfindlichen Erdbebenmesser Ewings,
die seit 1887 unter der Leitung von Keeler stehen. Die an diesen
Apparaten gemachten Beobachtungen werden vervollständigt durch die
Aufzeichnungen zweier Stationen in San Francisco, sowie durch jene
der Observatorien von Oakland, San Josö, Berkeley und Carson (Nev.),
wodurch eine Uebersicht über die sämtlichen im Gebiete von Cali-
fomien und den angrenzenden Staaten vorgekommenen Erdbeben er-
langbar wird. Wir heben aus einem Artikel, den der Direktor der
Sternwarte, Professor Holden, über die beobachteten Erdbeben des
Jahres 1888 veröffentlicht hat, (Americ. Journ. of Science, May 1889,
p. 392), die als scharf bezeichneten Stöfse hervor:
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55
1888 29. Februar (stark), 17. (September,
7. März, 6. Oktober,
28. April (stark), 18. November.
Holden hat indessen auch jene sämtlichen verläfslichen Beob-
achtungen gesammelt, welche in Califomien über Erdbeben in früheren
Jahren gemacht worden sind, worüber er mehrfache Berichte gegeben
hat.*) Seine Liste der zwischen 1769 und 1887 beobachteten Erdbeben**)
zählt folgende zerstörende und folgende schwere Stöfse auf:
Zerstörende Erdbeben:
1800,
11 — 31. Oktober,
1857,
9. Januar,
1812,
Oktober oder Dezember,
1865,
8.
Oktober,
1818,
?
1867,
8.
Januar,
1836,
9. u. 10. Juni,
1868,
21.
Oktober,
1839,
0
1872,
26.
März.
Schwere
Stö fse.
1806,
24. März,
1856,
im
Dezember,
1812,
21. Dezember,
1858,
26.
November,
1843,
23. Juni,
1861,
3.
Juli,
1851,
15. Mai,
1864,
5.
März,
1852,
9. November,
1865,
24.
.Mai,
1853,
1. Februar,
1866,
17.
Februar,
..
23. Oktober,
1868,
26.
September,
1855,
24. Januar,
1869,
8.
Oktober,
„
10. Juli,
26.
Dezember,
1856,
2. Januar,
1873,
22.
November,
n
10. Januar,
1885,
30.
Januar.
n
15. Februar,
Wir begnügen uns mit diesen Angaben, da sich tlelegenhoit
bieten wird, auf das reichhaltige Beobachtungsmaterial Holdens zurüok-
zukommen. Es wäre lebhaft zu wünschen, wenn auch auf europäischen
Sternwarten, namentlich solchen, die den erdbebenreichen Gegenden
näher liegen, mit der selbständigen Aufzeichnung der an guten
Seismographen gemachten Beobachtungen und der wissenschaftlichen
*) Earthquako üitensity in San Francisco 1S08— 88 (Amor. Joum. of ac.,
.tune 188,8).
••) List of recorded earthquatces in California. Lower-California, Oregon
and Washington Territory. (Herausgegeb. v. d. Univers. Califoriüen. 1887.)
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56
Diskussion derselben begonnen würde. .Vn der möglichsten Vermehrung
solchen Materials und noch mehr an dessen eingehender Bearbeitung
Ihut es sehr noth. *
Sonnenflecken-Minimum.
Rudolf Wolf, der bekannte verdienstvolle Erforscher der Sonnen-
oberfläehe hat, wie sonst alljährlich, die Beobachtungen der Sonncu-
flecke des Jahres 1888 zusaramengezogen, diskutirt und die mittlere
Helativzahl der Häufigkeit dieser Flecke 6.7 gefunden („Astronom.
Mitth. LXXIII“). Das Minimum, dem wir uns nach den Beobachtungen
der letzten Jahre nähern,*) und welches Ende 1888 erwartet wurde,
ist noch nicht eingetrclcn und Wolf ist geneigt, dasselbe auf das
Spätjahr 1889, wenn nicht auf weiter hinaus, anzusetzen. Wolf hat
auch aus umfassendem Beobachlungsinaterial früherer Zeit Schlüsse
gezogen, welche jene von ihm schon längst erkannte grofse Periode
betreffen, die neben der Hauptperiode von 11 '/o Jahren in dem Auf-
treten der Flecke enthalten ist und mit der Häufigkeit der Xordlichter
zusammeiifiillt. Er findet, dafs die Dauer dieser Periode mit 66Vj.
oder, ebenso zur Darstellung der Erecheinungen ausreichend, mit
83 ',''3 Jahren angenommen werden kann. *
Ein neuer Hilfsapparat zur Beobachtung plötzlicher Phänomene
wird in Xo. 224 des „American journal of Science“ von Prof. Langley
beschrieben. Der Apparat, der leicht auch für Fadendurchgangs-
beobachtungen anwendbar gemacht werden könnte,
ist zunächst zur Beobachtung von Sternbedeckun-
gen durch den Mond besonders geeignet. Er ge-
stattet nach Langleys Ansicht, solche Momente
ohne alle persönlichen Fehler leicht bis auf eine
Ilundertstelsekunde genau bestimmen zu können,
Pig. 2. eine Genauigkeit, die bei allen bisherigen Registrir-
•) Die Wolfschcn Relativzalilen dar letzten Jahre waren:
18.S4 r
= 67.4
1885
52.2
1886
25.4
1887
13.1
1888
6.7.
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57
methoden wegpn der Unbostimmtheit und Veränderliohkidt der sog,
persönlichen Gleichung nie erreichbar sein wurde. Langleys Apparat
ermöglicht solche Genauigkeit durch die Anwendung eines neuen und
sicherlich äufserst geistvoll ersonnenen Prinzips, welches die Frage
nach dem Wann der Erscheinung umwandelt in eine solche nach dem
Wo. Offenbar wird ja die Angabe des Ortes, wo man den Stern ver-
schwinden oder aiifblilzen sah, ungleich bestimmter ausfallen, als die
des Zeitmomentes, wann es geschah; denn bei der Hestimmung des
Ortes, wo man den Stern zuletzt oder zuerst sah, wird uns das stark
ausgebildete Gedächtnifs für Gesichlswahniehmungen wesentlich unter-
stützen. Die Anwendung dieses Prinzips wird nun in einfacher Weise
dadurch möglich, dafs Langley vor dem Ocular des Fernrohrs ein
parallelepipedisches Olasstück anbringt, welches die in der optischen
Aze des Fernrohrs ankommenden Lichtstrahlen durch zweimalige totale
Reflexion, wie die Zeichnung verdeutlicht, etwas seitlich verschiebt.
Wird nun das Glasstück in Rotation um die optische Axe des Fernrohrs
versetzt, so zwar, dafs eine Umdrehung eine Sekunde lang datiert,
dann wird das Bild des Sterns im Zeitraum einer jeden Sekunde einen
kleinen Kreis zu beschreiben scheinen. Mil Hilfe eines radialen Faden-
netzes wird es dann aber leicht sein, durch Angabe der Position,
wo der Stern erschien oder verschwand, den Bruchtheil der Sekunde
mit grofser Genauigkeit zu ermitteln, während die Sekunde selbst
durch den Chronographen zu bestimmen isL
Bis jetzt hat der Apparat, der an das in einem der nächsten lleflc
dieser Zeitschrift zu besprechende Montignysche Scintilloraetor er-
innert, leider nur an künstlichen Sternen inbezug auf seine Leistimgs-
fnhigkeit geprüft werden können, wobei er sich indessen gut bewährt
hat. Hoffentlich laufen bald auch Xachrichten über wirkliche Beob-
achtungen ein. Sicherlich ist es eine fruchtbare Idee, auf welche Herr
Prof. I>angley mit diesem neuen kleinen Instrument hingewiesen hat.
F. Kbr.
Zur Crollschen Theorie der alternirenden Eiszeiten.
James Groll, der in zahlreichen Schriften Beiträge zur wissen-
schaftlichen Begründung des Einflusses kosmischer Ursachen auf
die Klimaänderungen geliefert hat, bestreitet in einer neueren Ab-
handlung: „On prevailing misconceptions regarding the evidence which
we ought Io expecl of former glaoial periods“ (Quart. Journ. of Oeol.
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58
Soo., May 1889), dafs der Mangel an direkten geologischen Zeugnissen
die Unhaltbarkeit seiner auf astronomischen Orundlagen beruhenden
Theorie der periodisch wiederkehrenden Eiszeiten darzuthun vermöge.
Dieser Forscher geht von der Annahme aus, dafs das Uauptmoment
einer Vereisung der beiden Erdhälften in der periodischen Veränder-
lichkeit der Excentricität der Erdbahn in Verbindung mit dem V^or-
rücken der Tag- und Nachtgleichen zu suchen sei.*) Wenn die Geo-
logen mit ihren Bemühungen, geologische und paläontologische Be-
lege für diese Theorie aus dem Studium der älteren Formationen zu
erbringen, wenig Erfolg gehabt haben, so ist dies nach Grolls An-
sicht naturgemäfs in dem Umstande begründet, dafs die Voraussetzung,
die periodischen Eiszeiten müfsten in diesen Formationen Spuren hinter-
lasseu haben, eine irrige ist Denn man hat nach Merkmalen der Ver-
eisung hauptsächlich auf den jetzigen I.*ndoberflächon geforscht, trotz-
dem doch allgemein zugegeben wird, dafs diese Landoberflächen in
früheren Zeitabschnitten der Erdgeschichte als solche nicht existirten.
Die Oesamtmächtigkeit des geschichteten Gesteins von Grofsbritannien
beträgt nach Prof. Ramsay etwa 14 engl. Meilen, aber im Bereiche
dieses enormen Pfeilers von Ablagerungen findet man nur wenige ur-
sprüngliche Landbildungen vor. Fast jede Formation von allgemeinerem
Charakter ist unter der Einwirkung einer früheren Meeresbodeckung
entstanden. Aus diesem Grunde kann die Wahrscheinlichkeit einer Auf-
deckung von Spuren früherer Eiszeiten nur gering sein; diese müssen
bei der Umwandlung ehemaliger Landgebiete in Meeresboden durch
die mechanischen und chemischen Agentien des Wassers und der Luft
völbg verwischt worden sein. Die ungeheuren Schuttmassen in den
Thälern der Schweiz, Schottlands und Schwedens, welche zweifellos
von den Berggipfeln durch die Gletscher der jüngsten Glacialporiode
herabgeschafft worden sind, tragen nur selten die Spuren von Eis-
wirkungen an sich. Wenn nun schon hier die Abschmolzgewässer
der Gletscher alle Anzeichen, wie Felsenschliffe und Gesteinsritzungen,
beseitigt haben, um wieviel mehr, hebt Groll hervor, konnten die
gewaltigen Ueberfluthungen ganzer Kontinente zur Auslöschung aller
derjenigen Merkzeichen beitragen, von deren Aufdeckung der Geologe
Anhaltspunkte für die Beurtheilung der wichtigen Frage nach der
Wiederkehr der Eiszeiten erwartete. Anders steht es mit der Ein-
•) Einen Uoberblick über diese Theorie bieten die Werke Grolls:
„Climate and Time,“ Lond. 1875, ^Discussions on Climate and Cosmology,“
Edingb. 188.5, und das in diesem Jahre erachienene Werk: „Stellar Evolution
and ita llclations to Geological Time.“
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bettung grofser erratischer Ulöcke in den älteren Schichten; diese
können, wenn sie in südlichen Breiten gefunden worden, als Zeugen
einer heftigen Vereisung dienen. Aus dem Fohlen derselben, behaup-
tet indessen Groll, lasse sich kein Argument gegen seine Theorie
entnehmen, und wenn Nordenskiüld daraus geschlossen hat, dafs bis
zum Schlüsse der Miocänzeit in Grönland und Spitzbergen keine Ver-
eisung stattgefunden habe, so läfst sich mit demselben Recht die Ab-
wesenheit solcher Findlinge aus dem mächtigen Umfange der Ver-
gletscherungen in den Polarregionen erklären.
Groll scheint demnach die Haltbarkeit seines Sysicms in der
Strenge seiner theoretischen Ausrührungen zu suchen. Dafs indessen
dieselben sehr angreifbar sind, haben die Einwände gezeigt, welche
von Newcomb (Amer. Journ. s. III., Vol. II, 187G) und neuerdings von
A. Wocikoff (Amer. Joum. Vol. 31, 1886J hiergegen erhoben worden
sind. Schw.
Erscheinungen am Sternenhimmel im Monat Oktober-liovember»
(Sämtliche Zeitangaben gelten für Berliner Zeit)
L Der Mond.
17.
Oktob.
Letztes Viertel
Aufgang
lOS 4l"> Ab.
Untergang
2h 33i» Nm.
24.
Neumond
6
3
Mg.
5
9 Ab.
27.
Erdnähe
10
14
Vm.
r,
33 .
31.
•»
Erstes Viertel
2
IG
Nm.
10
45 .
7.
Nov.
Vollmond
4
41
6
25 Mg.
12.
n
Erdferne
7
30
Ab.
Mittags
l.'i.
n
Letztes Viertel
10
38
n
1
,35 Nm.
Maxima der Libration: 21. Oktober, 4. November.
2. Die Planeten.
Merkur
Venus
Rectaa.
Declin.|| Aufg.
Unlorg.
Rectaa. Decliu.
Aufg.
Uuterg.
12. Oku
I3k37n
—12” 44' 7S IG»lg.
■5k 8=«.
11I>20>»'4- 5” 4.5'
3« 19”>lj.
4k31">Sa.
IG. ,
13 21
— 9 .52 6 40 ,
4 54 3a.
11 .38 i-i- 3 55
3 31 .
4 23 .
20. ,
13 7
— 7 0 5 .54 .
4 40 ,
II ,5G '-f 2 2
.3 42 ,
4 IG .
24. .
13 2
— 5 15 ,5 19 ,
4 29 ,
12 15 ]+ 0 8
3 .55 .
4 9 .
2A .
13 7
- 5 15 2 .
4 18 .
12 33 — 1 47
4 8 ,
4 2 ,
1. Nov.
13 20
—6 35 2 ,
4 10 .
12 51 1— 3 42
4 20 ,
3 54 .
5. „
13 38
— 7 54 Ij 13 .
4 3 .
13 9 !— 5 3C
4 32 ,
3 4G ,
9. .
13 59
—10 8 5 30 .
3 54 .
1.3 28 1— 7 29
4 45 .
3 39 .
13. ,
14 23
-12 31 5 50 ,
11
3 50 „
13 47 - 9 19
4 58 .
3 32 .
24. Oktober Sonnennähe. 16. Oktober Sonnennähe.
M
a r s
Jupiter
Rectaa. Declin.
Aufg.
Cnti*rg.
Rectau». Declin. Aufg.
L'nterg.
K. Okt
11» > — T«->
>»42»lt
4» l<k>Si.
IS»11«
—23*30 0543« 5a
S» I7«1V.
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iS. .
11 3i -t t3>)
2 38 .
3 34 .
18 19
—23 29 0 4 .
7 38 .
3. Not.
1 1 4»; -1-3 4
2 37 .
3 17 .
18 23
—23 27 11 45 la
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11 '.9 .i. I3S
2 32 -
2 .58 .
18 28
—23 24 11 26 .
7 0 ,
I'j. .
li 12 -i-Oli
2 29 .
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18 33
—23 21 11 6 .
6 42 .
12. November Soünenf»-*me.
Saturn
Uranus
Rectas. Declin.
Aufg. Unterg.
Rectaa. Declin.
Aufg.
Unterg,
16.
Okt
li>k 14- .tl2“21
lk-25-Ir. 3‘47-5a
13k24-
-8*12
6» 26 «Ir.
5» 8« 5a
24.
10 17 -i-12 7
0 59 . 3 17 .
13 26
— 8 23
5 57 .
4 37 .
1.
Nov.
10 19 4-II 35
0 31 . 2 47 .
13 27
— S 51
5 28 .
4 5 .
9.
10 21 +11 45
03. 2 17 .
13 29
— 8 45
5 0 .
3 55 .
17.
-
10 2;i +11 37
11 31 5t. 1 46 .
13 31
— 8 55
4 31 ,
3 4 .
Elongation des Satumtrabanten Titan: 13. Nov. östl. Elong.*)
13. Okt
28, .
12. Nov.
Neptun
Reclas. \ Declin. Aufg. Unterg.
4h 10® -fl8®20‘ G»i4S«5b 10»‘3$»Va.
4 9 -f 19 16 5 48 , 9 38 ^
4 7 4- 19 12 4 48 , I 9 36 „
3. Beobachtbare Verfinsterungen der Jupitertrabanten.
24. Oktob. II. Trab. Verfinst. Austritt 7^ 16“ Ab.
24. . I. . - - 7 29 .
9. Nov. 1. . . ^ 5 48 Nm.
4. Stembedeckungen durch den Mond.
(Für Berlin sichtbar.)
Orüfae Eintritt
3. Novemb. •30Piscium 4 8« 10’’ 5lm Ab.
4. . • 33 5.0 Ü ,56 Morg.
Austritt
12^ Miltcm.
1 40" Morg.
*> Ein srhr »«Iton stutUlndonJe» Phänomen, eico Verltusterun^ des Satumtrabanten Jftpetus
durch den Schatten des Itin^rstem des Saturn, hat A. Marth flir den 1. und S. Not. ao^pioigl
Der Satellit wird am ersteren Tasre etwa Abends 9^ In dom Schallen Terschwjnden und am
2. Nov. Naclimitiaifs 4'* daraus bervortreten. Für uns ist die Möftllchkeit einer fioobaohtuna^ der
Encbeioung nicht vorauasichüich.
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in
5. Veränderliche Sterne,
a) Maxiinu variabler Stcnio:
Maximum
Hellii^kcit
im
1889
am
.Max.
Min.
Hectas.
Declin.
ll Cancri
;10. Oktob.
(Jm
11.12»
8k lt)w
27* + 12"
4'
U Crateris
3. Nov.
8
9
10
.5.5
7—17
44
8 Urs. maj.
2«. Okt,
7.8
11
12
39
4 + Kl
42
R Ophiuchi
25. „
7.8
12
17
1
23 — 15
56
T Herculis
ß. Nov.
7
12
18
4
,53 + 31
0
R Lyrae
21. Okt.
4.3
4.G
18
51
57 + 43
48
T Sagittarii
27. ,
7.8
11
19
9
52 — 17
10
R Pegasi
13. Nov.
7
12
23
l
6+9
57
R Cassiop.
2G. Okt.
5
12
23
.52
4.5 + 50
46
b) Minima der Storno vom Algol-Typus:
V Cephei . . 20., 25., 30. Okt., 4., 9., 14. Nov. Morjf.
Algol . . 18. Okt Mitt, 24. Mg., 29. Ab.. 4. Nov. Nm., 10. Mg.
UCoronae . . 21. Okt. Mg., 28. Mg., 4. Nov. Mg., 11. Mg.
UOphiuehi . (Jodes 4. Min.): 17. Okt Milt, 20. Ab., 24. Mg., 27. Nm., 30. Ab.,
3. Nov. Mg., 6. Nm., 9. Ab., 13. Mg.
Y Cygni . . (Jedes 3. Min.): Ifi. Okt. Mg., 20. Nm., 2.5. Mg., 29. Nm., 3. Nov.
Mg., 7. Nm., 12. Mg.
T Monoc. .
ß Ljrae
Aquilao .
6 Cephei .
c) Minima einiger VerUndcrlichor kurzer Periode:
. 24. Okt.
. 20. Okt., 2., 14-, Nov.
. 18., 2.5. Okt, 2-, 9. Nov.
. 16., 22-, 27. Okt, 1., 7., 12. Nov.
6. Meteoriten.
In du* eralo Hälfte des Monats November fallen noch die -Leoniden’*, ein
Schwarm, der sich bauptaäclilich zwischen dem 9. bis 17. Nov. zeigt, am
13. Nov. sein Maximum erreicht und aus einem Punkte im grofsen Löwen,
10 Qrad nördlich vom Hcgulua, seinen Ausgang nimmt*) Der Schwarm wird
in den Morgenstunden gesehen w'erden können.
Auch im „Stier" zeigen sich während des gröfsten Thcils des Monats
November in der Gegend bei AR = 60*, D=4"20® Meteorströme.
7. Nachrichten über Kometen.
Die Beobachtungen des Barnardschon Juni-Kometen dürften gegenwärtig
abgeschlossen sein, da der Komet bereits im August sehr schwach gewesen ist
Der Brooksscho Juli-Komet ist uns dadurch ein interesaantes Objekt
geworden, dafs sich setno anfänglich als parabolisch vermuthete Bew'cgung
jetzt als elliptisch erw'eist Der Komet kam am 27. August der Sonne am
nächsten und vollendet seinen Umlauf um dieselbe in 12* , Jahren. Während
einige Beobachter die im vorigen Hefte noUrto Theilung dieses Kometen nicht
oder nur mit Schwierigkeiten hal)en konstatiron können, ist am 6. August der
*) lUäUliongpuDkt AR = 150», D = + m
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B2
Komet iu Wien vierfach ifogehen woi*deii. Uebrigons liegen von dor Lick>
Slomwarte nähere Mittheilunjfon über McRsungen vor, welche Barnard an
den mehrfachen Köpfen oder beaaer den die Hauptmasse zusammensetzendon
Nel>elbe(floitem, {gemacht hat.
Für den Da vidsonschen Kometen erjfobon die verschiedenen mit ein-
ander recht ^ut harmouirenden Bahnelemente eine paraboliaclie Bahn mit der
Sonnennähe am 19. Juli. Mitte Autist war der Komet zwischen 7. — 8. Oröfse,
besafs einen hollen fächerförmigen und einen schwachen Nebenschweif. Das
Objekt war auch in kleinenm Fernrohren gut sichtbar. Die Helligkeit hat
gegenwärtig bereits sehr abgenommon.
Hinzufügungen zu dem Artikel „Die helikalischen Nebel*^
Als bereits der erste Bogen des gegenwärtigen Heftes im Druck
war, erhielten wir von Herrn Prof. Holden noch folgende Zusätze
zu seinem höchst interessanten Artikel über die wahre Form der
Spiral-Nebel im Raume. Den Bemerkungen zu dem Verzeichnifs der
Nebel auf S. 5 u. f. ist demnach hinzuzufügon:
Lajispl» {
FigTir.
(i. K. No.
Bemerkungen,
2
000
1
Der Positions-Wiiikol der Axe der typischen Spirale
beträgt 280®, die Hoho über dem Papiere von 70 — 75®.
12(1.)
1861
Vergl. die letzte Zeiebnung der Fig, 2. Der Kern des
1 Nebels ist wahrschoinlich dadurch verursacht, dafs
* zwei Schlingen dor Helix sich kreuzen.
17
2890
Innere Spirale: Positions-Winkel 120®, Höhe der Axe
1 von 80— ö.'i“; äufsere Spirale: Positions-Winkel 120®,
1 Höhe 80*. Producirt mau die innere Spirale und
dreht dann die typische Helix in der Richtung SW.
1 NK. um 90®, wählend ihre Axe in derselben Ebene
1 verbleibt, so pafsi sich das Modell auch der äufseren
Spirale an.
27
0.'i72
M. 51
1
' Innei'e Spirale P = I.W®, 11 = 85 — 90*; Uufsere Spirale
P= 150®, II = 80®. Drohe die typische Helix in der
Richtung NW. HE. nahezu 180* aus der Lago, in
welcher sie sich der äufseren Spirale anpafst, und
sie wird sich auch dor inneren Spirale anpaason.
28
8006
1
Ist der Kern dadurch venirsacht, dafs sich zwei Zweig©
der Helix kreuzen?
NB. Beachte, dafs der Posilions-Winkol der Axe der
lyjURchen Helix für beide Spiralen von 0. C. 2890
und für beide Spiralen von G. C. il572 dersellH? ist.
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I
Rudolpb Rdttger, Erdbeben. Sammlung j^omeinTorstjindlichorwisscnscliaft-
licher Vorträge, begnindot von Virchow und Holtzondorff. Xout*
Folge, IV. Serie, 74. 42 Seiten. 1889.
Wenn irgend etwas an dieser seltsamen Publikation verwundorlieh er-
scheint, so ist OS sicherlich die Aufnahme in eine Sammlung, welche sonst
eifrig bemüht war, für den Zweck allgemeiner Belehrung nur abgeklärtes, sicher
festgestelltes Wissen ihren Lesern darzubieteii, nicht aber dieselben mit der
Aufführung luftiger Hypothesengobaude zu unterhalten.
Im ganzen gewinnt man den Eindruck, dafs es dem Verfasser mit seinen
Hypothesen nicht so sehr um Förderung der wissonschaftliclien Erkonnlnifs
des noch so viele Probleme darbietenden Mechanismus der Erdbeben zu tliuii
ist, als um die Einsammlung des Zolles der Bewunderung für seine kühnen
Prophezeiungen, die durch delphischen Orakelstil ihre strenge wissenschaftliche
Begründung in vollendetster Weise zu ersetzen wissen. Wem letzteres als
zu viel gesagt erscheint, der möge unbefangen folgende Prophezeiung auf
Seite 40 daraufhin ansehen: ..Die Spannung in der Aotna-Island-Linio unter-
mischt mit OscillationoD, die auf den Osten deuten, und Wcstschvrankungcn
hält an. Im engeren Aetnagobiot setzt sich die einleitende Thätigkoit fort, iiiul
diese wird die Witterung bei uns noch weiter bceinlhissen.- Dergleichen
Prophezeiungon linden sich in der kleinen Abhandlung eine ganze Anzahl,
zu ihrer Begründung dormafsen umrahmt von einem gänzlich kritiklos zu-
sammengorafTton Haufen aller möglichen Erdbeben, Vulkanausbrüche, Stürme.
Gewitter, plötzlicher Temporatiii-schwankungen, abnormer Nicdorschlägo u. s. w.,
dafs der Loser aus Kespekt vor diesem kalibanmärsig zusammengoschleppten
Material alles glaubt, weil er sich nicht mehr unter demselben zurechtzufinden
vermag.
Schält man die Grundidee dos Verfassers bei Abfassung seiner Erd-
bebenprognosen aus dem umgebenden Wust von Ereignissen und Prophezei-
ungen heraus, so beruht sie im wesentlichen auf der .\nnahme, dafs jedes Erd-
beben resp. jeder Vulkanausbruch auf seiner AiUipodengegeud von einem
ähnlichen Kreignifs begleitet resp. gefolgt ist, dafs ferner mif den, durch den
Erdkörper gezogenen Verbindungslinien tbatigor resp. früher thätig gewe.senor
Vulkane seismische Vorgänge zu erwarten sind. Haujdsächlich stützt er sich
aber auf die Beobachtung einer von ihm koastruirlen „Zwillingsmagnotnadep,
deren Bowegungon ihm gestatten, auf die durch elektrische Strome hervorge-
rufenen Störungen im Erdkörpor, und dadurch nach seiner Ansicht voranlnfsio
Erdbeben Schlüsse zu ziehen.
Bei diesen, doch noch recht unzulänglichen Grundlagen seiner Prophe-
zeihungen ist es billig zu verwuiuleni, dafs, während der Verfasser mit strengster
Logik und unerbiUlichor Kritik gegen die .Vu.swücbse journalistischer Phnnto-siu
in der Unterstützung Falbscher Prognosen öfter zu Felde gezogen ist, er von
den Schwächen seines Systems keine Vorstellung zu haben scheint.
Dio Idee, elektrische resj>. magnetische Erdströnic als Ursache der Erd-
beben anzunehmen, i.st übrigens durchaus nicht neu, und ist z. B schon früher
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von A. Ch. \V. Schcfflep ausgesprocheu und durch theoretische Betrachtunifcn
untcratiitzt worden, welche eine ganz andre Herrschaft über die Mathematik
beweisen, als die pBerechnungen-‘ KöUgers, ,bei denen die Halbkreisentfemung
zu Grunde liegt.“ (S. 2*2.)
Wir wollen dtirehauB nicht für unmöglich hinatellen, dafs nicht auch eine
der olicn ange<leuteten Kombinationen einmal eintrolen kann« sondern meinen
vor allen Dingen, rlafs, so lange nicht an dem g«'«amlen bis jetzt vorliegenden
Beobachtungsinatcrial der Beweis, daf« es so sein mufs, wirklich geführt
worden ist, cs zum mindesten voreilig ist, daraufhin Prophezeihungen vom
Stapel zu lassen — da sie alsdann nicht in wissenschaftlicher Erkenntnifs,
sondern in einer lebhaften Phantasie ihren Ursprung haben. Es Iriffl wohl
auch hierfür noch die Bemerkung von Peschei-Leipolt (Phys. Erdkunde 1.1879
S. 260); »Uebrigens dürfte ein derartiger Griff jetzt, wo wir über die Flegel-
jahro des Vulkanismus hinaus sind, wohl nur Heiterkeit erwecken, denn da
die Erde an verschiedenen Punkten täglich mehrere Male erschüttert wird,
und es etliche Vulkane giebt, die beständig s]»eien, so kann man sagen: kein
Erdbeben ohne Vulkanausbruch, kein Vulkanausbruch ohne Erdbeben.“
Dafs der Verfasser über die physikalischen Vorgänge zu keinen klanui
Vorstellungen gelangt ist, durften wohl folgende Zidlen zur Genüge beweisen:
^Der Acquator als Elliime bewegt sich excentrisch um einen wechselnden
Schwerpunkt, der nicht in der Polaraxe liegt.“ Die unregelmäfsige Form des
Krdkörpers wird vom Verfasser als eine Hauidursache seismischer Vorgänge
angesehen. ,.Es erscheint nun dies als ein kosmisches ßewegungsgesetz für
<iie Planeten, analog dom mechanischen, wonach eine Ortsbewegung nur durch
Kxccntricität und fortwährenden Wechsel des Schwerpunkts erzielt werden
kann, während der Kitds als passives Mittelglied zwischen zwei Bewegungen
oder Kräften dasteht“ (S. 8). „Wie wäre z. H. die Sonne im stände, wie cs
wiederholt vorkomnit, im Dezember in Lappland eine Temperaturerhöhung
von 24® in ebensoviel Stunden hervorzurufen, wenn nicht dio Selbatlhätigkcil
der Erde dazu träte!“ {S, 9), Dr. Ernst Wagner.
A. Krebs. Beiträge zur Keiinlnifs und Erklärung der Oewiltereracheinungen
auf Oruml der Aufzeichnungen Über die Gewitter Hamburgs in den
Jahren 1873 — 87. 31 Seiten. Frankfurt a, M. 1889.
Der Zusammenhang der Gewitter mit plötzlichen Aeiiderungen im Gange
derTemperalur und des Luftdrucks wird eingehend behandelt; derTemperaturfall
bei Taggowitlerii wird ebenso wie das Steigen der Temperatur bei Nachtgewillem
durch die mit Gewittern verbundene Bewölkung erklärt. Aus den verschiedenen
Foivnen der Barographenaufzeichnuiigen während des Gewitters, (den sogen.
, Gewitternasen“) leitet der Verfasser die Sätze ab; »Alle Gewitter bilden sich
aus der mechanischen Einwirkung mindestens zweier Depressionen. Der Ort
der Gewitierbildung liegt an der Stelle der gröfston Einwirkung dieser Dc-
jiressioncn aufeinander, also zwischen denselben, auf einem Gebiete höheren
Drucks.“
Leider hat der Verfasser nur die Uesuitate, nicht aber das Material seiner
Untersuchungen veröffentlicht, so dafs man für dio allgemeine Giltigkeit der-
selben kein rechtes Mafs besitzt, aufserdem dürfte es sich als nothwondig er-
weisen, dieselben auch durch Betrachtung von Gowitlern, welche über grofsere
Gebiete zu verfolgen sind, zu veriflziren. K. W.
Verlag von tiermann Paetel in Herlin. — Druck Ton Wilhelm Gronau'a Buchdruckerei ln Berlin.
PUr die Uedactlon reraotwortlich: Dr. M. Wlthnlm Meyer in Berlin.
Coberechtigler Nachdruck aus drm Inhalt dieser Zeitschrift untersagt.
Uebersetaungsrecht vorbeballeo.
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Die neuere Witterungskunde und die Lehre von der
Niederschlagsbildung.
Von Professor Wilhslm v»B Bezsld,
Direktor des k((I. meteorologiacboa Instituts zu Berlin.
1, (Selilufs.)
ij^in aufsteigender feuchter Luflstrom ist demnach eine anfser-
. ordentlich ergiebige Niederschlagsqiielle, und thalsächlich bc-
^ darf es nur einmal dieser Erkenntnifs, um beinahe die gesamten
Erscheinungen der Niederschlagsbildung mit einem Blicke zu übersehen.
Fafst man nämlich unter Benutzung von Regenkarton oder ge-
eigneter Aufzeichnungen jene Stellen ins Auge, an welchen reichliche
Niederschläge fallen, so findet man als besonders bevorzugte Oebiete:
Erstens: innerhalb der Tropen die sogenannte Calmenzone d. h.
jenen schmalen Gürtel, der zwischen den beiden Passatregionen dem
höchsten Sonnenstände folgend innerhalb des Jahres hin und her
schwankt und die reichlichen tropischen Regen bringt. Dies ist aber
eben die Zone des stärksten aufsteigenden Stromes, da ihr unten von
beiden Seiten her fiirtgesetzt Luft zustrümt, die obi-n wieder abfliefsen
mufs, wenn dieses Zuströmen andauem soll, wie es doch thatsächlich
der Fall ist.
Zweitens: überall dort, wo sich Gebirge den herrschenden
Winden entgegenstellen und die.se dadurch zum Aufstoigen zwingen,
und zwar auf der dem Winde zugewendeten Seite.
Drittens: die Umgebung der Stellen geringsten Luftdruckes,
die sogenannten barometrischen Depressionsgebielo, die insbesondere
in den gomäfsigten Zonen im Vorüberziehen die Niederschläge bringen.
Den zuerst hervorgehobenen Fällen hat man schon längst die
Aufmerksamkeit gesehcnkl, und auch den Zusammenhang mit dem
Bimmel und Erde. II. 2. 5
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Aufsteigen der Luft richtig erkannt, wenn auch die Ursache der Ab-
kühlung irrthümlicher Weise in der Mischung der unteren und oberen
Luftschichten gesucht wurde.
Dagegen war man über die Ursache der Wolken- und Nieder-
schlagsbildimg über aufsertropischen Meeren oder über dem Flachlande
noch bis vor wenigen Jahrzehnten völlig im unklaren, und noch heut
zu Tage sind, wie schon bemerkt, die früheren irrigen Anschauungen
gerade über diese alltäglichen Vorgänge weiter verbreitet, als man
für möglich halten sollte.
Verleitet durch die einfachen Verhältnisse in den Tropen, wo an
der Erdoberlläohe, beziehungsweise über den Meeren, fortgesetzt von
beiden Seiten Luft als Xordost- und als Siidost-Passat der schon er-
wähnten Trenmmgszone zuströmt, während sie oben als Sudwest und
Nordwost nach den Polen hin abfliefst, glaubte man dieses einfache
Zirkiilationssystem auch auf die höheren Breiten übertragen zu dürfen.
Dementsprechend betrachtete man jeden Wind aus nördlicher oder
östlicher Richtung als einen Theil des später in den Passat über-
gehenden sogenannten Polarslromes, jeden südlichen, südwestlichen
oder westlichen aber als einen Ausläufer des in den Tropen oben
fliefscndon, dem Pole zustrebenden Rückstromes, des sogenannten
Aequatorialstromcs.
In dieser Aulfassung erblickte man zugleich den Schlüssel zu
der Erklärung der Thatsache, dafs in dem gröfsten Theile von Europa
die meisten Niederschläge bei westlichen Winden beobachtet werden.
Da nämlich der aufsteigende Strom in der Oalmenzone unten
sehr warm und sehr feucht ist, legte man diese Eigenschaften auch
der Fortsetzung desselben, dem Aequatorialstrom bei, und sagte, dieser
feuchte und warme Strom kühle sich bei dem Uebergange in höhere
Breiten ab, sinke infolge dessen zur Erde und gebe zugleich das mit-
gebrachte Wasser ab. Hierbei übersah man aber, dafs er dies bereits
in der Troponzono in der Form der gewaltigen tropischen Regen
gethan hat, dafs er überdies, wie alle Beobachtungen auf Bergen oder
in Luftballons zeigen^ und wie auch die Theorie es fonlert, in der
Höhe kalt ist, und dafs endlich ein Luftstrora im Herabsinken sich
erwärmen mufs und deshalb niemals Niederschlag bringen kann.
Ganz anders verhält es sich, wenn man die Untersuchung statt
an einem fingirton Windsysteme an der Hand der täglichen Wetter-
karten ausführt.
Diese Karten lehren, dafs man bei Beurtheilung der Witterungs-
verhältnisse vor allem die Vertheilung des Luftdruckes ins Auge zu
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fassen hat, und dafs man hierbei wiederum in erster Linie auf jene
Stellen zu achten hat, an denen das Barometer tiefer oder höher steht,
d. h. der Luftdruck kleiner oder gröfser ist als ringsumher.
Sülche Stellen niedrigsten Druckes mit der dazu gehörigen
Umgebung nennt man barometrische Minima oder Depressionen, auch
Cyklonen, die Gebiete hohen Druckes aber Maxiraa oder Anticykloncn.
Angenommen nun, es bezeichne in der beistehenden Fig. 3 die
Stelle, an welcher „Tief“ eingeschrieben ist, das Centrum einer Depression,
während man bei dem Worte „Hoch“ den höchsten Luftdruck, also den
Kern des Maximums zu suchen habe,*) so werden diese Stellen auf der
nördlichen Halbkugel in der Weise von Winden umkreist, wie die
Pfeile es versinnlichen.
Dies lehrt, dafs dem Gebiete nie-
drigen Druckes an der Erdoberfläche,
denn nur auf diese bezieht sich die Zeich-
nung, fortgesetzt Luft zuströmt, während
sie aus dem Maximum ausströmt
Da nun ein solches System von De-
pressionen und Anticykloncn, selbst wenn
es sich als Ganzes weiterbewegt, doch in
sich lange fortbestehen kann, so folgt
daraus von selbst, dafs die unten in
die Depression einströmende Luft oben
wieder abfliefsen mufs und dafs umge-
kehrt im Gebiete des Maximums Luft oben nachströmen mufs.
Man hat cs demnach in der Depression mit einem aufsteigenden,
im Maximum aber mit einem absteigenden Strom zu thun imd dem-
nach im ersteren Falle Trübung und Niederschläge, im zweiten heitern
Himmel und Trockenheit zu erwarten, dies ist aber nichts anderes
als der Ausdruck der Thatsachen, die man in jeder Wetterkarte wieder-
gespiegelt findet
Die fundamentale Eigenthümlichkoit der Gebiete hohen und
niedrigen Druckes als Träger heiteren und trokenen oder trüben und
niederschlagsreichen Wetters erklärt sich demnach geuau ebenso, wie
das v'erschiedene Verhalten dos über ein hohes Gebirge hinziehenden
Luftstroroes zu beiden Seiten desselben.
Das Verständuifs der nur an eng begrenzten Stellen der Erde
auftretenden Föhnerscheinungen liefert mithin, wie schon Eingangs
*) Die eingozoicimeton Linien sind die sogenannten Isobaren, die beige-
setzten Zifforn bezeichnen die entsprechenden Barometerstände.
Fig. 3.
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bemerkt, den Schlüssel für die Erklärung der alltäglichsten, unser
ganzes Thun und Treiben, sowie unser Wohlbefinden so kräftig be-
einflussenden Vorgänge.
Ein einziger Punkt ist es, der anfänglich Zweifel aufkommen
lassen könnte an der vollkommenen Analogie der beiderlei Erschei-
nungen.
Der Föhn ist am Ende seines absteigenden Astes immer warm
und trocken, am Grunde des barometrischen Maximums hingegen, wo
ja auch der absteigende Strom die Erdoberfläche trifft, herrscht zur
Winterszeit die bitterste Kälte.
Ist dies nicht ein schreiender Widerspruch, schroff genug, die
ganze Theorie über den Haufen zu werfen?
Beinahe möchte es so scheinen, wenn nicht bei näherer Betrachtung
die Sache sich ins Gegentheil verwandeln und gerade den schönsten
Beweis für die Richtigkeit der entwickelten Anschauung liefern würde.
Man darf nämlich nicht vergessen, dafs zwischen dem Vorgänge
beim Föhn und dem Luftaustausche zwischen Cyklone und Anticyklone
bei aller Aehnliohkeit doch immerhin einige wesentliche Unterschiede
bestehen.
Beim Föhn liegen auf- und absteigender Ast dicht neben einander,
die Luft, welche über den Kamm des Gebirges herübergesogen wird,
stürzt nach dem Ueberschreiten desselben sofort auf der anderen
Seite heiab.
Dabei wird das Herabstürzen noch durch die Form der Thäler
an einzelnen Stellen besonders begünstigt, und tliatsächlicb entwickelt
sich der Föhn auch nur dort in seinen charakteristischen Eigenthüm-
lichkeiten, wo die Bodengestaltung durch Einengung die Geschwindig-
keit des Absturzes besonders steigert.
Ganz anders bei dem Austausche zwischen _Cyklone und Anti-
cyklonc, da erfolgen Auf- und Absteigen an weit voneinander getrennten
Orten. Die Depression kann sich noch inmitten des atlantischen
Oceans befinden, während die zugehörige Anticyklone über den Alpen
lagern mag.
Dabei findet die Luft für das Auf- und Absteigen das breiteste
Bett vor sich und wird sie sich deshalb gerade in diesen Theilen ihrer
Bahn aufserordentlich langsam bewegen, wenigstens sofern man nur
den vertikalen Sinn der Bewegung ins Auge fafst.
Während demnach beim Föhn die Wärmeaufnahme von aufsen
her oder die Wärmeabgabe nach aufsen vollkommen in den Hinler-
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G9
prund treten müssen, so spielen diese Vorgänge bei dem Luftaus-
tausche zwischen Cyklone und Anticyklone eine hervorragende Rolfe.
Diese Aufnahme und Abgabe aber erfolgt hauptsächlich durch
Bestrahlung von der Sonne und durch Ausstrahlung gegen den
Weltraum.
Dabei überwiegt die Einstrahlung am Tage und im Sommer, die
Ausstrahlung in der Nacht und im Winter.
Ein- und Ausstrahlung ist am kräftigsten an der oberen Bo-
grenzungsfläche der Wolken und an der Erdoberfläche.
Au klaren Winterlagen und noch mehr in wolkenloseu Winter-
nächten, und solche giebt es eben nur unter der Herrschaft baro-
metrischer Maxima, wird die Erdoberfläche oder die in dünner Lage
über sie gebreitete Xebelschicht sich aufserordentlioh stark abkühlen,
und mufs es deshalb am Boden sehr kalt werden, selbst wenn der
absteigende Strom sich vorher erwärmt hatte.
Man hat mithin zu erwarten, dafs es unter diesen Bedingungen
in höheren Luftschichten weit wärmer sei, als in der Tiefe, während
sonst im allgemeinen und insbesondere zur Sommerzeit das Gegen-
theil stattfindeL
Diese Forderung der Theorie wird in gewissem Sinne schon
dadurch bestätigt, dafs an solchen Tagen die Condensation des Wasser-
dampfes nicht in der Höhe als Wolke sondern in der Tiefe als Boden-
nebel erfolgt, so dafs die Bezeichnung eines „klaren“ Tages häufig nur
für höher gelegene Punkte zutrifft, während die Niederungen in dichten
Nebel gehüllt sind.
Viel nachdrücklicher aber ist ihre Richtigkeit durch die während
der letzten Jahrzehnte gesammelten Erfahrungen auf Borgobservatorien
und im Luftballon erwiesen worden. Zwar erzählten schon früher die
Bewohner der hochgelegenen Alpendörfer oder einzelner Gehöfte, dafs
es bei ihnen im Winter „viel feiner“ sei als in den tief eingesohnittenen
Thälern oder im Flachlande. Sie fanden jedoch mit dieser Angabe bei
den sommerlichen Touristen — und früher gab es nur solche — wenig
Glauben; ist doch dort oben selbst im Juli die Luft so kühl und frisch
und weifs doch jedermann, wie häufig der Senne schon im September
durch den Schnee gezwungen wird, die Alm zu verlassen, und wie
lange es dauert, bis der Frühling dort oben wieder einkehrt!
Seitdem aber die meteorologische Forschung weiter und weiter
in die Höhen vorgedrungen ist, und Bergobservatorion errichtet wurden,
und seitdem mit der Erleichterung des Verkehrs auch die Wanderlust
mehr und mehr gestiegen ist, so dafs Bergtouren im Winter nicht mehr
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zu den Seltenheiten gehören, da hat man erkannt, wie wohl begründet
diese Angaben der Alpenbewohner sind, und wie die sogenannte „Tem-
peraturumkehr“ unter der Herrschaft winterlicher Anticyklonen keine
Ausnahme, sondern Hegel ist.
In der allerauffallendsten Weise trat sie in den ungewöhnlich
kalten W'intern von 1879/80 und 1880/81 auf.
So war z. B. in dom Zeiträume vom 16. bis 28. Dezember 1879
um 2 Uhr Xaohmittag die Mitteltemperatur in Klagenfurt — 13®.0 C.,
auf dem um 1600 Meter höher gelegenen Obirgipfel — 1®.2, mithin war
es oben beinahe um 12 Grade wärmer als unten. Für Ischl und den
1310 Meter höheren Schafberg waren die entsprechenden Temperaturen
— T®.3 und 4-0®.6 also wiederum eine Differenz zu Gunsten des Berges
und zwar um nahezu 8®.
In demselben WTnter sah Ilr. Trautwein auf dem Kranzhorn an
der Grenze von Bayern und Tyrol in einer Höhe von 1365 Meter bei
einer Temperatur von 4 6® Ameisen an ihrem Baue beschäftigt und
Eidechsen sich sonnend, wälirend in München bei 616 Meter Meeres-
höhe alles vor Frost starrte.
Auch bei den viel geringeren Höhenunterschieden, wie sie die
deutschen Mittelgebirge dnrbieten, begegnet man derselben Erscheinung,
wenngleich in verkleinertem Mafsstabe, und so gehört sie heute unter
die allgemein anerkannten Thatsachen, für welche man, wie schon
bemerkt, den X'amen der „TemperaUirumkehr“ eingeführt hat.
Bei der Erklärung derselben, die sich zwar im allgemeinen der
oben gegebenen anschlofs, legte man jedoch immer besonders Gewicht
auf die Bodengestaltung und betrachtete die ganze Erscheinung ähnlich
wie den Föhn als eine spezifische Eigenthümlichkeit der Oebirgsländer.
Die Theorie fordert jedoch hier wie dort das Auftreten ähnlicher
Erscheinungen allenthalben, sofeme man es nur mit absteigenden
Strömen zu thun hat; natürlich immer mit entsprechenden Modifikationen.
Es ist deshalb als ganz besonders erfreulich zu bezeichnen, dafs
in neuester Zeit der Nachweis der Temperaturumkehrungen auch für
das Flachland geliefert worden ist, und zwar mit Hülfe des Luftballons.
Abgesehen von verschiedenen Fällen, in welchen Luftschiffer
während ruhiger klarer Wintertage schon nach dem blofsen Gefühle die
Temperaturzunahme mit der Höhe erkennen konnten, wurde bei einer am
19. Dezember 1888 von Berlin aus unternommenen Ballonfahrt für
1000 Meter Erhebung eine Zunahme um 8® mit Schärfe nachgewiesen.
Der scheinbare Widerspruch gegen die Theorie, den man auf
den ersten Blick in dem Verhalten ruhiger klarer, wenn auch in den
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Niederungen nebliger Wintertago finden konnte, verwandelt sich dem-
nach bei ruhigerer Betrachtung und tieferem Kindringon in einen der
glänzendsten Beweise für die Richtigkeit der aus der mechanischen
Wärmetheorie geschöpften Anschauungen.
Dies wenige mag genügen, um eine Vorstellung davon zu er-
wecken, wie die Methode streng physikalischer Forschung seit einigen
Jahrzehnten auch in die Witterungskunde eingodrungon ist, und wie
fruchtbar sie sich dabei erwiesen hat.
Vielleicht bietet sich später noch einmal Gelegenheit, diesen tief
gehenden Einflufs noch an einem weit umfassenderen Beispiel darzuthun
und zu zeigen, wie sich unter der Einwirkung dieser Anschauungen
die ganze Lehre von der „atmosphärischen Zirkulation“ umgeslaltot hat.
Dann wird man sehen, in welchem Umfange es bisher gelungen
ist, die alte schematische Passattheorie durch eine neue den Thatsachen
entsprechende Lehre von den atmosphärischen Strömungen zu ersetzen,
die wenn auch zunächst nur in gi-ofsen Zügen entworfen, doch schon
gestattet, das Bild von den ewigen Bewegungen des Luflmeeres mit
ungleich klareren und schärferen Strichen zu zeichnen, als man es
noch vor wenigen Jahren ahnen konnte.
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lieber die Beziehungen zwischen Licht und Elektricität.
Ein Vortrag bpi der
d*>. Versammlung deutflchor Naturforscher und Aerzlo in Heidelberg.
Von Heinrich Hertz,
Profusior der Physik so dr>r {'DlversiUkt Bonn.
Hochansehnliche Versammlung'!
enn von Beziehungen zwischen Licht und Elektricität die Rede
^ ‘®C denkt der Laie zunächst an das elektrische Licht. Mit
diesem Gegenstand hat indessen unser heutiger Vortrag nichts
zu thuii. Dem Physiker fallen dabcM eine Reihe zarter Wechselwir-
kungen zwischen beiden Kräften ein, etwa die Drehung der Polarisations-
ebene durch den Strom, oder die Aenderung von Leitungswidersländen
durch das Licht. In diesen treffen indes Licht und Elektricität nicht un-
mittelbar zusammen, zwischen beide grofsen Kräfte tritt als Vermittler
ein Drittes, die ponderabele Materie. .Auch mit die.ser Gruppe von Er-
scheinungen wollen wir uns nicht befassen. Es giebt andere Heziehun-
gen zwischen beiden Kräften, inniger, enger als die bisher erwähnten.
Die Behauptung, welche ich vor Ihnen vertreten mochte, sagt geradezu
aus: Das Licht ist eine elektrische Erscheinung, das Licht an sich,
alles Liolit, das Licht der Sonne, das Licht einer Kerze, das Licht eines
Glühwurms. N'ehrat aus der Welt die Elektricität, und das Licht ver-
schwindet, nehmt aus der Welt den lichttragenden Aelher, und die
elektrischen und magnetischen Kräfte können nicht mehr den Raum
überschreiten. Dies ist unsere Behauptung. Sie ist nicht von heute
und gestern; sie hat schon eine längere Geschichte hinter sich. Ihre
') An in. der Red. Angesichte der hohen Wichtigkeit der in diesem
Vorträge] dargostelllen Thatsachon und Ausblicke auf das gesamte Gebiet der
Kraflwirkungeu, hat die Redaktion sicli entseldossen von ihrem bisher streng
innegehaltenen Prinzip, nur Originalartikel zu bringen, ahzuweichen. Gegen-
wärtiger Vortrag wird wenige Tage vor dem Krscheinen des vorliegenden
Heftes als Broschüre im Buchhandel (Bonn. Emil Straussl herausgegeben werden.
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Geschichte giebt ihre Begründung. Eigene Versuche \’on mir, welche
sich auf diesen Gegenstand beziehen, bilden nur ein Glied in einer
längeren Kette. Und von der Kette, nicht allein von dem einzelnen
Oliedo möchte ich Ihnen erzählen. Nicht leicht ist es freilich, von
diesen Dingen zugleich verständlich und völlig zutreffend zu reden.
Die Vorgänge, von welchen wir handeln, haben ihren Tummelplatz
im leeren Baume, im freien Aelher. Diese Vorgänge sind an sich
unfatsbar für die Mand, unhörbar für das Ohr, unsichtbar für das
Auge; der inneren Anschauung, der begrifflichen Verknüpfung sind
sie zugänglich, aber nur schwer der sinnlichen Beschreibung. So
viel wie möglich wollen w'ir daher versuchen, an die Anschau-
ungen und Vorstellungen anzuknüpfen, welche wir schon besitzen.
Hufen wir uns also zurück, was wir vom Licht und der Elektricität
Sicheres wissen, ehe wir versuchen, beide miteinander in Verbindung
zu setzen.
Was ist denn das Licht? Seit den Zeiten Youngs und Fresnels
wissen wir, dass es eine Wellenbewegung ist. Wir kennen die Ge-
schwindigkeit der Wellen, wir kennen ihre Länge, wir wissen, dafs
es Transversalwellen sind; wir kennen mit einem Worte die geome-
trischen Verhältnisse der Bewegung vollkommen. An diesen Dingen
ist ein Zweifel nicht mehr möglich, eine Widerlegung dieser Anschau-
ungen ist für den Physiker undenkbar. Die Wellentheorie des Lichtes
ist, menschlich gesprochen, Gowifsheit; was aus derselben mit Noth-
wendigkeit folgt, ist ebenfalls Gewifsheit. Es ist also auch gewifs,
dafs aller Raum, von dem wir Kunde haben, nicht leer ist, sondern
erfüllt mit einem Stoffe, welcher fähig ist, Wellen zu schlagen, dem
Aether. Aber so bestimmt auch unsere Kenntnisse von deu geometri-
schen Verhältnissen der V’orgänge in diesem Stoffe sind, so unklar
sind noch unsere Vorstellungen von der physikalischen Natur dieser
Vorgänge, so widerspruchsvoll zum Theil unsere Annahmen über die
Eigenschaften des Stoffes selbst. Naiv und unbefangen hatte man
von vornherein die Wellen des Lichtes, sie mit denen des Schalles
vergleichend, als elastische Wellen angesehen und behandelt Nun
sind aber elastische Wellen in Flüssigkeiten nur in der Form von
Longitudiualwcllen bekannt Elastische Transversalwellen in Flüssig-
keiten sind nicht bekannt, sie sind nicht einmal möglich, sie wider-
sprechen der Natur des flüssigen Zustandes. Also war man zu der
Behauptung gezwungen, der raumerfüllende Aether verhalte sich wie
ein fester Körper. Betrachtete man dann aber den ungestörten Lauf
der Gestirne und suchte sich Rechenschaft von der Möglichkeit dos-
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74
selben zu geben, so war wiederum die Behauptung nicht zu umgehen,
der Aother verhalte sich wie eine vollkommene Flüssigkeit. Neben
einander bildeten beide Behauptungen einen für den Verstand schmerz-
haften Widerspruch, welcher die schön entwickelte Optik entstellte.
Suchen wir denselben nicht zu bemänteln; wenden wir uns vielmehr
der Elektricität zu, vielleicht dafs ihre Erforschung uns auch zur He-
bung dieser Schwierigkeit verhilfL
Was ist denn die Elektricität? Das ist allerdings eine grosso
Frage. Sie erregt Interesse weit über die Grenzen der engeren Wis-
senschaft hinaus. Die meisten, w'elohe sie stellen, zweifeln dabei nicht
an der Existenz der Elektricität an sich, sie erwarten eine Beschrei-
bung, eine Aufzählung der Eigenschaften und Kräfte dieses wunder-
baren Stoffes. Für den Fachmann hat die F'rago zunächst die andere
Form: Qiebt es denn überhaupt Elektricitäten? I.assen sich die elek-
trischen Erscheinungen nicht wie alle anderen Erscheinungen allein
auf die Eigenschaften dos Aethers und der ponderaboln Materie zu-
rückfuhren? Wir sind weit davon entfernt, darüber entschieden zu
haben, diese Frage bejahen zu können. In unserer Vorstellung spielt
sicherlich die stofflich gedachte Elektricität eine grofse Rolle. Und
in der Redeweise vollends herrschen heutzutage noch unumschränkt
die althergebrachten. Allen geläufigen, uns gewissermafsen liebgewor-
denen Vorstellungen von den beiden sich anziehenden und abstofsen-
flen Elektricitäten, welche mit ihren Femwirkungen wie mit geistigen
Eigenschaltcn begabt sind. Die Zeit, in welcher man diese Vorstel-
lungen ausbildete, war die Zeit, in welcher das Newtonsclie Gravita-
tionsgesolz seine schönsten Triumphe am Himmel feierte, die Vorstel-
lung von unvermittelten Femwirkungen war den Geistern geläufig.
Die elektrischen und magnetischen Anziehungen folgten dem gleichen
Gesetze w-ie die Wirkung der Gravitation; was Wunder, wenn man
glaubte, durch Annahme einer ähnlichen Fernwirkung die Erschei-
nungen in einfachster Weise erklärt, dieselben auf den letzten erkenn-
baren Grund zurückgeführt zu haben. Freilich wurde das anders,
als im gegenwärtigen Jahrhundert die Wechselwirkungen zwischen
elektrischen Strömen und Magneten hinzukamon, welche unendlich
viel mannigfaltiger sind, in welchen die Bewegung, die Zeit, eine so
grofse Rolle spielt. Man wurde gezwungen, die Zahl der Fernwir-
kungon zu vermehren, an ihrer Form herumzubessera. Dabei ging
die Einfachheit, die physikalische Wahrscheinlichkeit mehr und mehr
verloren. Durch das Aufsuchen umfassender einfacher Formen, soge-
nannter Eiemenlargesetze, suchte man diese wiederzuerlangen. Das
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berühmte Webersche Gesetz ist der wichtigste Versuch dieser Art.
Man mag über die Richtigkeit desselben denken, wie man will, die
Gesamtheit dieser Bestrebungen bildete ein in sich geschlossenes
System voll wissenschaftlichen Reizes; wer einmal in den Zauberkreis
desselben hineingorathen war, bleibt in demselben gefangen. War
der eingeschlagene Weg gleichwohl eine falsche Fährte, so konnte
Warnung nur kommen von einem Geiste von grofser Frische, der
wie von neuem unbefangen den Erscheinungen ontgogentrat, der wie-
der ausging von dom, was er sah, nicht von dem, was er gehört, ge-
lernt, gelesen hatte. Ein solcher Geist war Faraday. Faraday hörte
zwar sagen, dafs bei der Elektrisirung eines Körpers man etwas in
ihn hineinbringe, aber er sah, dafs die eintretenden Aenderungen
nur aufserhalb sich bemerkbar machten, durchaus nicht im Innern.
Faraday wurde gelehrt, dafs die Kräfte den Raum einfach übersprän-
gen, aber er sah, dafs es von gröfstem Einflüsse auf die Kräfte war,
mit welchem Stoff der angeblich übersprungene Raum erfüllt war.
Faraday las, dafs es Elektricitäten sicher gebe, dafs man aber über
ihre Kräfte sich streite, und doch sah er, wie diese Kräfte ihre Wir-
kungen greifbar entfalteten, während er von den Elektricitäten selbst
nichts wahrzunehraen vermochte. So kehrte sich in seiner Vorstellung
die Sache um. Die elektrischen und magnetischen Kräfte selber wur-
den ihm das Vorhandene, das Wirkliche, das Greifbare; die Elektri-
cilät, der Magnetismus wurden ihm Dinge, über deren Vorhandensein
man streiten kann. Die Kraftlinien, wie er die selbständig gedachten
Kräfte nannte, standen vor seinem geistigen Auge im Raume als Zu-
stände desselben, als Spannungen, als Wirbel, als Strömungen, als was
auch immer — das vermochte er selbst nicht anzugeben, — aber da
standen sie, beeinflufsten einander, schoben und drängten die Körper
hin und her, und breiteten sich aus, von Punkt zu Punkt einander
die Erregung mittheilend. Auf den Einwand, wie denn im leeren
Raume andere Zustände als vollkommene Ruhe möglich seien, konnte
er antworten: Ist denn der Raum leer? Zwingt uns nicht schon das
Licht, ihn als erfüllt zu denken? Könnte nicht der Aether, welcher
die Wellen des Lichtes leitet, auch fähig sein, Aenderungen auf-
zunehmen, welche wir als elektrische und magnetische Kräfte bezeich-
nen? Wäre nicht sogar ein Zusammenhang zwischen diesen Aende-
ruugen un<l jenen Wellen denkbar? Könnten nicht die Wellen des
Lichtes etwas wie Erzitterung solcher Kraftlinien sein? Soweit etwa
kam Faraday in seinen Anschauungen, seinen Verimithungcn. Be-
weisen konnte er dieselben nicht. Eifrig suchte er nach Beweisen.
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Untereuchungeii über don Zut!aninK*uhaug vou Licht, Magnetismus,
Elektricitiit waren Lieblingsgegenstände seiner Arbeit. Der schöne
Zusammenhang, welchen er fand, war nicht derjenige, welchen er
suchte. Auch suchte er weiter, und nur sein höchstes Alter machte
diesen Bestrebungen ein Ende. Unter den vielen Fragen, welche er
sich beständig aufwarf, kehrte immer wieder die Frage, ob die elek-
trischen und magnetischen Kräfte Zeit zu ihrer Ausbreitung nöthig
hätten. Wenn wir einen Magneten plötzlich durch den Strom erregea
wird seine Mürkung sofort bis zu den gröfsten Entfernungen verspürt?
Oder trifl't sie zunächst die benachbarten Nadeln, dann die folgenden,
endlich die ganz entfernten? Wenn wir einen Körper in schneller
Abwechslung umelektrisiren, schwankt dann die Kraft in allen Ent-
fernungen gleichzeitig? Oder treffen die Schwankungen tim so später
ein, jo mehr wir uns von dem Körper entfernen? In lotzerem Falle
würde sich die Wirkung der Schwankung als eine Welle in den Raum
ausbreiten. Oiebt cs solche Wellen? Faraday erhielt keine Anwort
mehr auf diese Fragen. Und doch ist ihre Beantwortung aufs engste
mit seinen Orundvorstellungen verknüpft. Wenn es Wellen elektri-
scher Kraft giebt, die unbekümmert um ihren Ursprung im Raume
fortoilen, so beweisen sie uns aufs deutlichste den selbständigen Be-
stand der Kräfte, welche sie bilden. Dafs diese Kräfte den Raum
nicht überspringen, sondern von Punkt zu Punkt fortschreiten, können
wir nicht besser beweisen, als indem wir ihren Fortschritt von Au-
genblick zu Augenblick thatsächlich verfolgen. Auch sind die auf-
geworfenen Fragen der Beantwortung nicht unzugänglich, es lassen
sich wirklich diese Dinge durch sehr einfache Versuche angroifen.
Wäre es Faraday vergönnt gewesen, den Weg zu diesen Versuchen
aufzuspüren, so hätten seine Anschauungen sogleich die Herrschaft
davongetragon. Der Zusammenhang von Licht und Elektricität wäre
dann von Anfang an so hell hervorgetreten, dafs er selbst weniger
scharfsichtigen Augen als den seinen nicht hätte entgehen können.
Indessen ein so leichter und schneller Weg war der Wissen-
schaft nicht beschieden. Die Versuche gaben einstweilen keine Aus-
kunft, und auch der Theorie lag ein Eingehen in Faradays Gedan-
kenkreis zunächst fern. Die Behauptung, dafs elektrische Kräfte unab-
hängig von ihren Elektricitäten bestehen könnten, widersprach gerade-
wegs den herrschenden elektrischen Theorien. Ebenso wies die herr-
schende Optik entschieden den Gedanken ab, es könnten die Wollen
des Lichtes auch wohl anderer als elastischer Natur sein. Der Ver-
such, die eine oder die andere dieser Behauptungen eingehender zu
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behandeln, mufste fast als müfsige Spekulation erscheinen. Wie sehr
müssen wir also den glücklichen Geist eines Mannes bewundern,
welcher zwei Vermuthungen, die jede für sich so ferne lagen, so mit
einander zu verknüpfen wufste, dafs sie sich gegenseitig stützten, und
dafs das Ergebnifs eine Theorie war, welcher man die innere Wahr-
scheinlichkeit von vorn herein nicht absprechen konnte. Der Mann,
von welchem ich rede, war der Engländer Maxwell. Man kennt seine
im Jahre 1866 veröffentlichte Arbeit unter dem Namen der elektro-
magnetischen Lichtlhcorie. Man kann diese wunderbare Theorie nicht
studiren, ohne bisweilen die Empfindung zu haben, als wohne den
mathematischen Formeln selbständiges Leben und eigener Verstand
inne, als seien dieselben klüger als wir, klüger sogar als ihr Er-
finder, als gäben sie uns mehr heraus, als seinerzeit in sie hinoin-
gelegt wurde. Es ist dies auch nicht geradezu unmöglich; es kann
eintreten, wenn nämlich die Formeln richtig sind, über das Mafs dessen
hinaus, was der Erfinder sicher w'issen konnte. Freilich lassen sich
solche umfassenden und richtigen Formeln nicht finden, ohne dafs mit
dem schärfsten Blicke jede leise Andeutung der Wahrheit aufgefafst
wird, welche die Natur durohscheinen läfsl. Es liegt für den Kundi-
gen auf der Hand, welcher Andeutung hauptsächlich Maxwell folgte.
War dieselbe doch auch andern Forschern aufgefallen und hatte diese,
Kiemann und Lorenz, zu verwandten, wenn auch nicht ebenso glück-
lichen Spekulationen angeregt. Es war der folgende Umstand. Be-
wegte Eleklricität übt magnetische Kräfte, bewegter Magnetismus elek-
trische Kräfte aus, welche Wirkungen indessen nur bei sehr grofsen
Geschwindigkeiten merklich werden. In die Wechselbeziehungen zwi-
schen Elektricität und Magnetismus treten also Geschwindigkeiten ein,
und die Constante, welche diese Beziehungen beherrscht und in den-
selben beständig wiedorkehrt, ist selber eine Geschwindigkeit von
ungeheurer Gröfse. Sie war auf versohiodonon Wogen, zuerst durch
Kohlrausch und Weber, aus rein elektrischen Versuchen be-
stimmt worden und hatte sich, soweit es überhaupt die schwierigen
Versuche erkennen liefsen, gleich gezeigt einer andern wichtigen Ge-
schwindigkeit, der Geschwindigkeit des Uchtes. Es mochte das Zu-
fall sein, aber einem Jünger Faradays konnte es nicht so erscheinen.
Ihm mufste es eine Folge davon sein, dafs derselbe Aether die elek-
trischen Kräfte und das Licht übermittelt. Die beiden fast gleich ge-
fundenen Geschwindigkeiten mufsten in Wahrheit genau gleich sein.
Dann aber fand sich die wichtigste optische Constante in den elek-
trischen Formeln bereits vor. Dies war das Band, welches .Max-
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well zu vorslärken suchte. Er erweiterte die elektrischen Formeln
in der Weise, dafs sie alle bekannten Erscheinungen, aber neben
denselben auch eine unbekannte Klasse von Erscheinungen ent-
hielten, elektrisohe Wellen. Diese Wellen wurden dann Transver-
salwellen, deren Wellenlänge jeden Werth haben konnte, welche sich
aber im Aether stets mit gleicher Geschwindigkeit, der Lichtgeschwin-
digkeit, fortpllanztcn. Und nun konnte Maxwell darauf hinweisen, dafs
es Wellen von eben solchen geometrischen Eigenschaften in der Natur
ja wirklich gäbe, wenn wir auch nicht gewohnt sind, sie als elektri-
sche Erscheinungen zu betrachten, sondern sie mit einem besondem
Namen, als Licht, bezeichnen. Leugnete man freilich Maxwells elek-
trisohe Theorie, so fiel jeder Grund fort, seinen Ansichten in Betreff
des Lichtes beizutreten. Oder hielt man fest daran, dafs das Licht
eine Erscheinung elastischer Natur sei, so verlor seine elektrische
Theorie den Boden unter sich. Trat man aber unbekümmert um be-
stehende Anschauungen an das Gebäude heran, so sah man einen
Theil den andern stützen wie die Steine eines Gewölbes, und das
Ganze schien über einem tiefen Abgnmd des Unbekannten hinweg
das Bekannte zu verbinden. Die Schwierigkeit der Theorie erlaubte
freilich nicht sogleich, dafs die Zalil ihrer Jünger sehr grofs wurde.
Wer aber einmal sie durchdacht hatte, wurde ihr Anhänger und suchte
eifrig fortan ihre ersten Voraussetzungen, ihre letzten Folgerungen zu
prüfen. Die Prüfung durch den Versuch mufste sich freilich lange
Zeit auf einzelne Behauptungen, auf das Aufsenwerk der Theorie be-
schränken. Ich verglich soeben die Max well sehe Theorie mit einem
Gewölbe, welches eine Kluft unbekannter Dinge überspannt. Darf
ich in diesem Bilde noch fortfahren, so würde ich sagen, dafs Alles,
was man lange Zeit zur Kräftigung dieses Gewölbes zu thun ver-
mochte, darin bestand, dafs man die beiden Widerlager verstärkte.
Das Gewölbe ward dadurch in den Stand gesetzt, sich selber dauernd
zu tragen, aber es hatte doch eine zu grofse Spannweite, als dafs man
es hätte wagen dürfen, auf ihm als sicherer Grundlage nun weiter in
die Höhe zu bauen. Hierzu waren besondere Hauptpfeilcr nothwendig,
welche, vom festen Boden aus aufgemauert, die Mitte des Gewölbes
fafsten. Einem solchen Pfeiler wäre der Nachweis zu vergleichen
gewesen, dafs wir aus dem Uchte unmittelbar elektrische oder mag-
netische Wirkungen erhalten können. Dieser Pfeiler hätte unmittelbar
dem optischen, mittelbar dem elektrischen Theile des Gebäudes Sicher-
heit verliehen. Ein anderer Pfeiler wäre der Nachweis gewesen, dafs
es Wellen elektrischer oder magnetischer Kraft giebt welche sich nach
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Art dor Lichtwellen ausbreiten können. Dieser Pfeiler liiilte umge-
kehrt unmittelbar den elektrischen, mittelbar den optischen Theil ge-
stützt. Eine harmonische Vollendung des Gebäudes wird den Aufbau
beider Pfeiler erfordern, für das erste Hedürfnifs aber genügt einer
von ihnen. Der erstgenannte hat noch nicht in Angriff genommen
werden können; für den letztgenannten aber ist es nach langem Suchen
endlich geglückt, einen sicheren Stützpunkt zu finden; das Fundament
ist in genügender Breite gelegt; ein Theil des Pfeilers steht schon
aufgemauert da, und unter der Arbeit vieler hülfreicher Hände wird er
bald die Decke des Gewölbes erreichen und demselben die Last des
nun weiter zu errichtenden Gebäudes abnehmen. An dieser Stelle war
ich BO glücklich, an dor Arbeit Anthoil nehmen zu können. Diesem
Umstande verdanke ich die Ehre, dafs ich heute zu Ihnen reden darf;
er wird mich also auch entschuldigen, wenn ich nunmehr Ihre Auf-
merksamkeit ganz auf diesen einen Theil des Gebäudes hinzulcnken
versuche. Freilich zwingt mich alsdann die Kürze dieser Stunde, ent-
gegen der Gerechtigkeit, die Arbeiten vieler Forscher kurzweg zu
überspringen; ich kann Ihnen nicht zeigen, in wie mannigfaltiger
Weise meine Versuche vorbereitet waren, wie nahe einzelne Forscher
der Ausführung derselben bereits gekommen sind.
War OS denn wirklich so schwer, nachzuweisen, dafs elektrische
und magnetische Kräfte Zeit zu ihrer Ausbreitung brauchen? Konnte
man nicht eine Leydener Flasche entladen und direkt beobachten, ob
die Zuckung eines entfernten Eloktroscops etwas später erfolgte? Ge-
nügte cs nicht, in gleicher Absicht auf eine Magnetnadel zu achten,
während man in einiger Entfernung plötzlich einen Elektromagneten
erregte? In der That hat man diese oder ähnliche Versuche früher
auch wohl angestellt, ohne indessen einen Zeitunterschied zwischen
Ursache und Wirkung wahrzunehmen. Einem Anhänger der Max-
well sehen Theorie mufs das freilich als das nothwendige Ergebnifs
erscheinen, bedingt durch die ungeheure Geschwindigkeit der Aus-
breitung. Die Ladung einer Leydener Flasche, die Kraft eines Mag-
neten können wir schliefslich nur auf mäfsige Entfernungen wahr-
nehmen, sagen wir auf zehn Meter. Einen solchen Kaum durchlliegt
das Licht, also nach der Theorie auch die elektrische Kraft in dem
dreifsigmillionsten Theil der Sccunde. Ein derartiges Zeittheilchen
können wir unmittelbar nicht messen, nicht wahrnehmen. Aber
schlimmer als das, es stehen uns nicht einmal Zeichen zu Gebote,
welche fähig wären, eine solche Zeit mit hinreichender Schärfe zu be-
grenzen. Wenn wir eine Läuge bis auf den zehnten Theil des Milli-
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meters genau messen wollen, dürfen wir ihren Anfang nicht durch
einen breiten Kreidestrich bezeichnen. Wenn wir eine Zeit auf den
tausendsten Theil der Secunde genau bestimmen wollen, so ist es wider-
sinnig, ihren Beginn durch den Schlag einer grofsen Glocke anzeigen
zu wollen. Die Entladungszeit einer Leydener Flasche ist nun aller-
dings für un.sero gewöhnlichen Begriffe verschwindend kurz. Aber
das ist sie sicherlich schon, wenn sie etwa den dreifsiglausendsten
Theil der Sccunde füllt. Und doch wäre sie alsdann für unseren
gegenwärtigen Zweck noch mehr als tausendmal zu lang. Doch logt
uns hier die Natur ein feineres Mittel nahe. Wir wissen seit lange,
dafs der Entladungsschlag einer Leydener Flasche kein gleichförmig
ablaufender Vorgang ist, dafs er sich, ähnlich dom Schlage einer
Glocke, zusammonselzt aus einer grofsen Zahl von Schwingungen,
von hin- und hergehenden Entladungen, welche sich in genau gleichen
Perioden folgen. Die Elektrioität ist im stände, elastische Erscheinungen
nachzuahmen. Die Dauer jeder einzelnen Schwingung ist viel kleiner,
als die der Gesamtontladung, man kann auf den Gedanken kommen,
die einzelne Schwingung als Zeichen zu benützen. Aber leider füllten
die kürzesten beobachteten Schwingungen immer noch das volle
Millionstel der Secunde. Während eine solche Schwingung verlief,
breitete sich ihre Wirkung schon über dreihundert Meter aus, in dem
bescheidenen Baume eines Zimmers mufste sie als gleichzeitig mit der
Schwingung empfunden werden. So konnte aus Bekanntem Hülfe
nicht gefunden werden, eine neue Erkenntnifs mufste hiiizukommen.
Was hinzukam, war die Erfahrung, dafs nicht allein die Entladung
der Flaschen, dafs vielmehr unter besonderen geeigneten Umständen
die Entladung jedes beliebigen Leiters zu Schwingungen Anlafs giebt.
Diese Schwingungen können viel kürzer sein, als die der Flaschen.
Wenn Sie den Conductor einer Eleklrisirma-schine entladen, erregen
Sie Schwingungen, deren Dauer zwischen dem hundcrtmillionstou und
dem tausendmillionsicn Theil der Secunde liegt. Freilich folgen sich
diese Schwingungen nicht in lang anhaltender Keihe, es sind wenige,
schnell verlöschende Zuckungen. Es wäre besser für unsere Ver-
suche, wenn dies anders wäre. Aber die Möglichkeit des Erfolges
ist uns schon gewährt, wenn wir auch nur zwei oder drei solcher
scharfen Zeichen erhalten. Auch im Gebiete der Akustik können wir
mit klappernden Hölzern eine dürftige Musik erzeugen, wenn uns die
gedehnten Töne der Pfeifen und Saiten versagt sind.
Wir haben jetzt Zeichen, für welche der dreifsigmillionste Theil
der Secunde nicht mehr kurz ist. Aber dieselben würden uns noch
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wenig nützen, wenn wir nicht un stände wären, ihre Wirkung bis in
die beabsichtigte Entfernung von etwa zehn Metern auch wirklich
wahrzunehmen. Es giebt hierfür ein sehr einfaches Mittel. Dorthin,
w'o wir die Kraft wahrnehmen wollen, bringen wir einen Leiter, etwa
einen geraden Draht, welcher durch eine Funkenstrecke unterbrochen
ist. Die rasch wechselnde Kraft setzt die Elektricität des Leiters in
Bewegung und lässt einen Funken in demselben auftreten. Auch dies
Mittel mufste durch die Erfahrung selbst an die Hand gegeben werden,
die Ueberlegung konnte es nicht wohl voraussehen. Denn die Funken
sind mikroskopisch kurz, kaum ein hundertstel Millimeter lang; ihre
Dauer beträgt noch nicht den millionsten Theil der Secunde. Es er-
scheint unmöglich, fast widersinnig, dafs eie sollten sichtbar sein, aber
im völlig dunklen Zimmer für das geschonte Auge sind sie sichtbar.
An tliesem dünnen Faden hängt das Gelingen unseres Unternehmens.
Zunächst drängt sich uns eine Fülle von Fragen entgegen. Unter
welchen Umständen werden unsere Schwingungen am stärksten? Sorg-
fältig müssen wir diese Umstände aufsuchen und ausnützen. Welche
Form geben wir am besten dem empfangenden Leiter? Wir können
gerade, wir können kreisförmige Drähte, wir können Leiter anderer
Form wählen, die Erscheinungen werden immer etwas anders aus-
fallen. Haben wir die Form festgesetzt, welche Gröfse wählen wir?
Schnell zeigt sich, dafs dieselbe nicht gleichgültig ist, dafs wir nicht
jede Schwingung mit demselben I.«iter untersuchen können, dafs Be-
ziehungen zwischen beiden bestehen, welche an die Resonanz-
erscheinungen der Akustik erinnern. Und schliefslich, in wie viel ver-
schiedenen Lagen können wir nicht einen und denselben Leiter in
die Schwingungen halten! Bald sehen wir dann die Funken stärker
ausfallen, bald schwächer werden, bald ganz verschwinden. Ich darf
es nicht wagen. Sie von diesen Einzelheiten unterhalten zu wollen,
im grofsen Zusammenhänge sind es Nebensachen. Aber es sind
nicht Nebensachen für den Arbeiter auf diesem Gebiete. Es sind
die Eigenthümlichkeiten seines Werkzeuges. Wie sehr der .Ar-
beiter sein Werkzeug kennt, davon hängt ab, was er mit dem-
selben ausrichtet. Das Studium des Werkzeuges, das Eingehen in
die erwähnten Fragen bildete denn auch den Haupttheil der zu be-
wältigenden Arbeit Nachdem dieser Theil erledigt war, bot sich
der .Angriff auf die Hauptfrage von selber dar. Geben Sie einem
Physiker eine Anzahl Stimmgabeln, eine Anzahl Resonatoren, und
fordern Sie ihn auf. Ihnen die zeitliche Ausbreitung des Schalles nach-
zuweisen, er wird selbst in dem beschränkten Raume eines Zimmers
Ilimmrl uod Erde. II. 9. 6
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keine Schwierigkeiten finden. Er stellt eine Stimmgabel beliebig im
Zimmer auf, er horcht mit dem Resonator an den verschiedenen
Stellen des Ranmes herum und achtet auf die Schallstärke. Er zeigt,
wie dieselbe in einzelnen Punkten sehr klein wird; er zeigt, wie dies
daher rührt, dafs hier jede Schwingung aufgehoben wird durch eine
andere später ahgegangene, welche auf einem kürzeren Wege zum
gleichen Ziele gelangt ist. Wenn ein kürzerer Weg weniger Zeit erfordert,
als ein längerer, so ist die Ausbreitung eine zeitliche. Die gestellte
Aufgabe ist gelöst. Aber unser Akustiker zeigt uns nun weiter, wie
die stillen Stellen periodisch in gleichen Abständen sich folgen; er
mifst daraus die Wellenlänge, und wenn er die Schwingungsdauer der
Gabel kennt, erhält er daraus auch die Geschwindigkeit des Schalles.
Nicht anders, sondern genau so verfahren wir mit unseren elektrischen
Scliwingungen. An die Stelle der Stimmgabid setzen wir den schwingen-
den Leiter. Anstatt des Resonators ergreifen wir umseren unter-
brochenen Draht, den wir aber auch als elektrischen Resonator
bezeichnen. Wir bemerken, wie derselbe in einzelnen Stellen des
Raumes Funken entliält, in anderen funkenfrei istt wir sehen, wie sich
die todten Stellen nach festen Gesetzmässigkeiten periodisch folgen —
die zeitliche Ausbreitung ist erwiesen, die Wellenlänge mtdsbar ge-
worden. Man wirft die Frage auf, ob die gefundenen Wellen Longi-
tudinal- oder Transversal wellen seien. Wir halten unsern Draht in
zwei verschiedenen Lagen in dieselbe Stelle der Welle; das eine Mal
spricht er an, das andere Mal nicht. Mehr bedarf es nicht; die Frage
ist entschieden, es sind Transversalwellen. Man fragt nach ihrer Ge-
schwindigkeit Wir multipliciren die gemessene Wellenlänge mit der
berechneten Sohwingungsdauer und finden eine Geschwindigkeit, welche
der des Lichtes verwandt ist Bezweifelt man die Zuverlässigkeit der
Berechnung, so bleibt uns noch ein anderer Weg. Die Geschwindig-
keit elektrischer Wellen in Drähten ist ebenfalls ungeheuer grofs, mit
dieser können wir die Geschwindigkeit unserer Wellen in der Luft
unmittelbar vergleichen. Aber die Geschwindigkeit elektrischer Wellen
in Drähten ist seit langer Zeit direct gemessen. Es war dies eher
möglich, weil sich diese Wellen auf viele Kilometer hin verfolgen
lassen. So erhalten wir indirect eine rein experimentelle Messung auch
unserer Geschwindigkeit, und wenn das Resultat auch nur roh aus-
fällt, so widerspricht es doch nicht dem bereits erhaltenen.
Alle diese Versuche sind im Grunde sehr einfach, aber sie führen
doch die wichtigsten Folgerungen mit sich. Sie sind vernichtend für
jede Theorie, welche die elektrischen Kräfte als zeitlos den Raum
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überspringend ansieht. Sie bedeuten einen glänzenden Sieg der Theorie
Maxwells. Nicht mehr verbindet dieselbe unvermittelt weit entlegene
Erscheinungen der Natur. Wem ihre Anschauung über das Wesen
des Lichtes vorher nur die mindeste Wahrscheinlichkeit zu haben
schien, dem ist es jetzt schwer, sich dieser Anschauung zu erwehren.
Insoweit sind wir am Ziel. Aber vielleicht läfst sich hier die Ver-
mittlung der Theorie sogar entbehren. Unsere Versuche bewegten
sich schon hart an der Höhe des Passes, welcher nach der Theorie
das Gebiet des Lichtes mit dem der Elektricilät verbindet Es liegt nahe,
einige Schritte weiter zu gehen und den Abstieg in das Gebiet der be-
kannten Optik zu versuchen. Die Ausschaltung der Theorie wird nicht
überflüssig sein. Es giebt viele Freunde der Natur, welche sich für das
Wesen des Lichtes interessiren, welche dem Verständnisse einfacher Ver-
suche nicht unzugänglich sind, und welchen gleichwohl die Theorie Max-
wells ein Buch mit sieben Siegeln ist Aber auch die Oekonomie der
Wissenschaft fordert, dafs Umwege vermieden werden, wo ein gerader
Weg möglich ist Können wir mit Hülfe elektrischer W'ollen unmittel-
bar die Erscheinungen des Lichtes hersteilen, so bedürfen wir keiner
Theorie als Vermittlerin; die Verwandtschaft tritt aus den Versuchen
selbst hervor. Solche Versuche sind in der Thal möglich. Wir
bringen den Leiter, welcher die Schwingungen erregt, in der Brenn-
linie eines sehr grofsen Hohlspiegels an. Es werden dadurch die
Wellen zusammengehalten, und treten als kräftig dahineilender Strahl
aus dem Hohlspiegel aus. Freilich können wir diesen Strahl nicht
unmittelbar sehen, noch fühlen; seine Wirkung äufsert sich dadurch,
dafs er Funken in den Leitern erregt, auf welche er trifft. Er wird
für unser Auge erst sichtbar, wenn sich dasselbe mit einem unserer
Resonatoren bewaffnet Im übrigen ist er ein wahrer Lichtstrahl.
Wir können ihn durch Drehung des Spiegels in verschiedene Rich-
tungen senden, wir können durch Aufsuchung des Weges, welchen
er nimmt seine geradlinige Ausbreitung erweisen. Bringen wir
leitende Körper in seinen Weg, so lassen dieselben den Strahl nicht
hindurch, sie werfen Schatten. Dabei vernichten sie den Strahl aber
nicht sie werfen ihn zurück; wir können den reflektirten Strahl ver-
folgen und uns überzeugen, dafs die Gesetze der Reflexion die der
Reflexion des Lichtes sind. Auch brechen können wir den Strahl,
in gleicher Weise wie das Licht Um einen Lichtstrahl zu brechen,
leiten wir ihn durch ein Prisma, er wird dadurch von seinem geraden
Wege abgelenkt Ebenso verfahren wir hier und mit dom gleichen
Erfolge. Nur müssen wir hier entsprechend den Dimensionen der
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Wellen und des Strahles ein sehr grofses Prisma nehmen; wir stellen
dasselbe also aus einem billigen Stoffe her, etwa Pech oder Asphalt
Endlich aber können wir sogar diejenigen Erscheinungen an un-
serm Strahle verfolgen, welche man bisher einzig und allein am
Lichte beobachtet hat die Polarisalionserscheinungen. Durch Ein-
schiebung eines Drahtgitters von geeigneter Struktur in den Weg des
Strahles lassen wir die Funken in unserm Kesonator aufleuchten oder
verlöschen, genau nach den gleichen geometrischen Qesetzmäfsigkeiten,
nach welchen wir das Gesichtsfeld eines Polarisationsapparates durch
Einschieben einer Krystallplatto verdunkeln oder erhellen.
Soweit die Versuche. Bei Anstellung derselben stehen wir schon
ganz und voll im Gebiete der Lehre vom Lichte. Indem wir die Ver-
suche planen, indem wir sie beschreiben, denken wir schon nicht mehr
elektrisch, wir denken optisch. Wir sehen nicht mehr in den Leitern
Ströme fliefsen, Elektricitaten sich ansammeln; wir sehen nur noch
die Wellen in der Luft, wie sie sich kreuzen, wie sie zerfallen, sich
vereinigen, sich stärken und schwächen. Von dem Gebiete rein elek-
trischer Erscheinungen ausgehend, sind wir Schritt vor Schritt zu rein
optischen Erscheinungen gelangt. Die Pafshöhe ist überschritten; der
Weg senkt, ebnet sich wieder. Die Verbindung zwischen Licht und
Elektricität, welche die Theorie ahnte, vermuthete, voraussah, ist her-
gestellt, den Sinnen fafslich, dem natürlichen Geiste verständlich-
Von dem höchsten Punkte, den wir erreicht haben, von der Pafshöhe
selbst, eröffnet sich uns ein weiter Einblick in beide Gebiete. Sie
erscheinen uns gröfser, als wir sie bisher gekannt Die Herrschaft
der Optik be.sohränkt sich nicht mehr auf .\etherwellen, welche kleine
Bruchtheile des Millimeters messen, sie gewinnt Wellen, deren Länge
nach Decimetem, Metern, Kilometern rechnen. Und trotz dieser Ver-
gröfserung erscheint sie uns von hier gesehen nur als ein kleines
Anhängsel am Gebiete der Elektricität Dieses letztere gewinnt am
meisten. Wir erblicken Elektricität an lausend Orten, wo wir bisher
von ilirem Vorhandensein keine sichere Kunde halten. In Jeder
Flamme, in jedem leuchtenden Atome sehen wir einen elektrischen
Prozefs. Auch wenn ein Körper nicht leuchtet, so lange er nur noch
Wärme strahlt, ist er der Sitz elektrischer Erregungen. So verbreitet
sich das Gebiet der Elektricität über die ganze Natur. Es rückt auch
uns selbst näher, wir erfahren, dafs wir in Wahrheit ein elektrisches
Organ haben, das Auge. Dies ist der Ausblick nach unten, zum
Besondem. Nicht minder lohnend erscheint von unserm Standpunkt
der Ausblick nach oben, zu den hohen Gipfeln, den allgemeinen
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Zielen. Da liegt nahe vor uns die Frage nach den unvermittelten
Fernwirkungen überhaupt. Giebt es solche? Von vielen, welche wir
zu besitzen glaubten, bleibt uns nur eine, die Gravitation. Täuscht
uns auch diese? Das Gesetz, nach ■welchem sie wirkt, macht sie schon
verdächtig. In anderer Richtung liegt nicht ferne die Frage nach d(^m
Wesen der Elektricität. Von hier gesehen verbirgt sie sich hinter
der bestimmteren Frage nach dem Wesen der elektrischen und mag-
netischen Kräfte im Raume. Und unmittelbar an diese anschliefsend
erhebt sich die gewaltige Hauptfrage nach dem W’esen, nach den
Eigenschaften des raumerfüllenden Mittels, dos Aethers, nach seiner
Struktur, seiner Ruhe oder Bewegung, seiner Unendlichkeit oder
Begrenztheit Immer mehr gewinnt es den Anschein, als überrage
diese Frage alle übrigen, als müsse die Kenntnis des Aethers uns
nicht allein das Wesen der ehemaligen Imponderabilien offenbaren,
sondern auch das Westm der alten Materie selbst und ihrer innersten
Eigenschaften, der Schwere und der Trägheit Die Quintessenz uralter
physikalischer Lehrgebäude ist uns in den Worten aufbewahrt, dafs
Alles, was ist, aus dem Wasser, aus dem Feuer geschaffen sei. Der
heutigen Physik Ik-gt die Frage nicht mehr ferne, ob nicht etwa Alles, was
ist, aus dem Aether geschaffen sei? Diese Dinge sind die äufsersten Ziele
unserer Wissenschaft, der Physik. Es sind, um in unserm Bilde zu
verharren, die letzten, vereisten Gipfel ihres Hochgebirges. Wird es
uns vergönnt sein, jemals auf einen dieser Gipfel den Fufs zu setzen?
Wird dies spät geschehen? Kann es bald sein? Wir wissen es nicht
Aber wir haben einen Stützpunkt für weitere Unternehmungen gewonnen,
welcher eine Stufe höher liegt als die bisher benützten; der Wog
schneidet hier nicht ab an einer glatten Felswand, sondern ■wenigstens
der nächste absehbare Theil des Anstiegs erscheint noch von mäfsiger
Neigung, und zwischen den Steinen linden sich Pfade, die nach oben
führen; der eifrigen und geübten Forscher sind viele; — wie könnten
wir da anders als hoffnungsvoll den Erfolgen zukünftiger Unter-
nehmungen entgegensehen?
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Die hydrologischen Geheimnisse des Karstes und seine
unterirdischen Wasserläufe.
Auf Grundlage der neuesten hydrotechnischen Forschungen
dargestvllt von
Wilhelm Potiek, k. k. Foretinspektions-Adjunkt.
(Schlufe.)
l^as schon früher bezeichnele Gebiet der Kesselthäler von Inner-
1 krain hat zwar keine ausgeprägte natürliche Abgrenzung durch
^ Gewässer oder Gebirge, erscheint aber dennoch mit seiner über
6 Quadratmeilen grofsen Flächenausdehiiung als ein charakteristisch ge-
kennzeichneter Boden des Horzogtliums Krain. Dasselbe bildet ein
ausgesprochen flachrückiges Hügelgelände im nördlichen Theile des
bekannten Karstplateaus und fiihrt schon seit der ältesten Landescin-
theilung denNamen „Innerkrain welcherRegierungsbezirk zwischen
den beiden anderen, „Oberkrain“ und „Untorkrain “, — nachdem
Flufslaufe der Save bezeichnet — eingekeilt gelegen ist.
Das ganze ausgedehnte Gebiet des Innerkrainer Karstplateaus
lallt von der Meereshöhe von 600 m terrassenförmig auf 300 m hinab.
Diese im allgemeinen von Süd gegen Nord gerichtete Abdachung
reicht bis zu dem bekannten Laibacher Moor und wird von dieser
ausgedehnten Moor-libene nördlich begrenzt Die relativ höchsten Er-
hebungen auf dem sonst gleichmäfsig wellenförmigen Hügelplateau
bilden einen Gebirgszug, welcher Innerkrain von Südost gegen Nord-
west durchschneidet und welcher mit seinen Längen- und Querzügen
die Kesselthäler von I^as-Altenmarkt, Zirknitz, Adelsberg und Planina,
sowie auch im grofsen und ganzen deren Niederschlagsgebiete von
einander trennt'*) Im Süden beginnend, erhebt sich mächtig über das
*) Anmerkuii^woise mufs hier bosonders hervorK<*hol>on werden, dafs
infolge der eigcnailigeu geologischen Verhältnisse des Untergrundes unseres
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Hügelland des Karstes der Krainer Schneeberg bis zu 1790 m
Meereshöhe. Dieser Gebirgsstock geht in nordwestlicher Richtung in
den sogen. Javornik 1270 m über und dieser in gleicher Richtung
weiter in den Birnbaumer Wald, mit dem bis zu 1300 m Meeres-
höhe emporragenden Bergriesen „Nanos“.
In jenem terrassenförmig von Süd gegen Nord charakteristisch ab-
gedachten Hügelkomplex des Karstes von Innerkrain befinden sich
meist am Fufse der bezeichnelen höchsten Erhebungen die Kessel-
thäler muldenförmig vertieft. Die horizontale Anordnung dieser aus-
gedehnten Thaliiiulden ist im allgemeinen ebenso wie der bezeichnete
Gebirgszug von Südost gegen Nordwest gerichtet. Ringsherum von
breiten Berg- und Hügelrücken begrenzt, liegen diese naturseltenen
Kesselthäler verschieden weit von einander, und zwar in nachfolgender
Reihe:
Am weitesten südwärts erstreckt sich das Kessolthal von Laas-
Altenmarkt, welches gegen Norden durch einen Hügelrücken vom
Zirknitzer See getrennt ist. Nordwestlich vom Zirknitzer See
liegt, abermals durch einen Hügelrücken getrennt, das Kesselthal von
Planina und von Planina weiter nordöstlich, durch einen sehr
breiten Hügelkomplex getrennt, ist das früher erwähnte Laibacher
Moor gelegen. Von dieser gebrochenen Thallinie seitwärts, und zwar
vom Zirknitzer See genau westlich, liegt ferner das Kesselthal von
Adelsberg. Die drei Kesselthäler — Planina, Zirknitz und Adelsborg
— formiren in ihrer gegenseitigen Situation die Eckpunkte eines
rcgelmäfsigen Dreieckes, das mit seiner nördlich gerichteten Spitze im
Planinalhale liegt, während die beiden Basisecken östlich in Zirknitz
und westlich in Adelsberg ihre Lage finden.
Was die vertikale Anordnung in der zuvor beschriebenen Reihen-
folge der Kesselthäler von Innerkrain betrifft, so ist dieselbe ganz
ähidicb, wie ein progressiv abfallender Tcrrassenbau mit fast horizon-
taler Sohle der einzelnen Kesselthäler gestaltet; wobei die genannten
Kesselthäler, nach dem bisher angeführten, die einzelnen horizontalen
Bänke dieser Terrassenform repräsentiren. Die schon früher erwähnte,
sehr bedeutende horizontale Entfernung dieser Terrassenbänke ist durch
eine mächtig ausgedehnte Dazwischenlagerung von parallelen Hügel-
Karslgeliietes, in allen bezügliehen tiegeudeu die blufso orographise iie
Gestaltung des Bodens für die Abgrenzung der Niedcrschlags-
gebiote durchaus nicht hinreichend ist. Am ganze n Karstplateau
kann man nur in exakter Weise von geologischen Wasserschei-
den der Flufsgebiete sprechen.
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rücken verbunden, welche zugleich die Uebergänge von einem höher
liegenden, zu dem benachbarten nächst tieferen Kesselthale vermitteln.
Am höchsten unter allen obengenannten Kesselthälern ist eben das-
jenige von Laas-Altenmarkt, auf einer mittleren Meereshöhe von 570 m
über dem adriatischen Meere gelegen. An dieses reiht sich ein Hügel-
rücken von 650 m Meereshöhe an, welcher gegen den Zirknitzer See
hin plötzlich auf 550 ra mittlere Meereshöhe abfällt Ferner reiht sich
an den ebenen Seeboden gegen Nordwest ein Hügelrücken von ca. 600 m
Meereshöhe an, welcher ebenfalls ziemlich steil gegen das Kesselthal
von Planina auf das mittlere Thalniveau von 450 m abfällL Das von
dieser Hauptachse seitlich gelegene Kesseltlial von Adelsberg mit
einer Meereshöhe von 500 ra ist ebenso von Planina durch einen 620 m
hohen Karstrücken getrennt. Endlich hat der zwischen dem Kessel-
thalo von Planina und dom Laibacher Moor gelagerte Hügelcomplex
eine mittlere Höhe von 560 m über dem adriatischen Meere. Dieser am
weitesten nördlich gelogene Karstrücken von 560 m Seehöhe fällt rapid
gegen die Laibacher Moorebene auf ein Niveau von 300 m hinab.
Auf Grund einer derartigen horizontalen und vertikalen Ent-
wickelung der Innerkraincr Kossclthäler bilden dieselben erstens
eine weit auseinander gezogene Reihe von ringsum geschlossenen und
verschieden hochgelegenen Thälern. An dieser Reihenfolge partizipirt
das Kesselthal von Adelsberg nur als ein westlicher Seitenarm, während
sich die Hauptlinie vorherrschend in der Richtung von Südost nach
Nordwest entwickelt. Zweitens reihen sich die früher bezeichneten
Kesselthäler ihrer Höhenlage nach derart aneinander an, dafs die
einzelnen fast ebenen Thalböden derselben, wie schon oben erwähnt,
gegenseitig verglichen, einen gegen die Laibacher Moorebene hin
immer tiefer liegenden Terrassenbau repräsentiren. Ara deutlichsten
dürfte auch diese terasseuförmige Anordnung aus den Angaben über
die absoluten Höhen der angeführten Kesselthäler zu ersehen sein.
Nach ihrer oben beschriebenen Lage und Begrenzung dürfte es ferner
leicht einzusohen sein, dafs zwischen je zwei benachbarten Gliedern
dieser Kessellhalreihe ein ausgedehnter und oftmals hoher Hügel-
complex gelagert ist, welcher die Verbindungen der Wasserläufe von
einer höheren Terrasse zur nächst tieferen, d. h. von einem zum
nächsten Kesselthale, geheimnifsvoll überdeckt. Und in dieser charak-
teristisch unterbrochenen Kesselthalreihe bildet die Laibacher Moor-
ebene das unterste Glied, obwohl dieselbe dem strengen Cha-
rakter der Kesselthäler nicht mehr in allen Stücken ent-
spricht
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Aber deimoch hat diese weitgedohnte Ebeue noch in vielen Be-
ziehungen den allgemeinen Charakter der Kesselthäler behalten.
Sie ist nämlich wie alle übrigen Kesselthäler des Karstes ringsherum
von Berg- und Jlügelrücken umschlofsen, zeigt einen fast absolut
ebenen Thalboden — die Sohle eines abgezapften Binnensees im Tief-
lande. Ihr Ilauptwasserlauf gelangt auf unterirdischem Wege knapp
am Rande des Thaies zum Ausbruche, durchzieht ein tiefes und breites
ElufsbetI, aber auffallenderweise nur in unbedeutenden Serpentinen.
Die gröfste Strecke des dortigen Flusses, wie ich aus mehrfachen tech-
nischen Oriinden behaupten kann, durchstrümmt daher wahr-
scheinlich kein natürlich geschaffenes Bett, sondern dieser
historische Schifffahrtskanal dürfte schon von den alten Römern künst-
lich hergestellt worden sein. Diese Behauptung wird durch die viel-
fach aus dem wasserreichen und tiefen Flufsbetto der Laibach bei
Nauportus — in der Kähe des heutigen .,Ober-Laibach“ — und bei
Emona — nahe der gegenwärtigen Landeshauptstadt „Laibach“ ge-
hobenen römischen Waffen und Altorthümer erhärtet.
Dies w'ürde jeiloch nur die urälteste Korrektion dieses schiffbaren
Flufslaufes bedeuten und den Kesselthalcharakter nicht stören, wenn
nur die Wässer in ihrem weiteren Laufe auch endlich die Ebene auf
unterirdischem Wege wieder verlasstm würden. Aber gerade dieses
Charakteristikum trifft hier nicht mehr zu. Denn die beiden schmalen,
oberirdischen Durchbrüche, im Norden der Laibacher Moorebene, nach
dem offenen Savethale hinausfUhrend, stören nun einzig und allein
den strengen charakteristischen Typus der kesselformig ge-
schlossenen Thäler. Von diesen zwei oberirdischen Durchbrüchen
dürfte der eine w'esentlioh auf natürliche Art erfolgt sein, während
jedoch der andere künstlich horgestellt wurde.
Der westliche dieser beiden Durchbrüche imifsto durch die
<iynamischen Wirkungen der Moteorwässer schon vor Jahrtausenden
vorwiegend auf natürlichem Wege erfolgt sein und wird auch noch
gegenwärtig von dem Laibachflusse quer durch einen verhültnifsmäfsig
niedrigen Terrainsattel durchströmt. An den Ufern dieses ansehnlichen
Flusses liegt in der erwähnten Durchbruchsstelle „Laibach“, die
prächtige Landeshauptstadt von Krain, wo einst das altrömisohe Emona
gestanden hatte. Der östliche Durchbruch ist aber erst zu Ende
des vorigen Jahrhunderts künstlich hergestellt worden und führt,
nach seinem Erbauer, den Namen des Oruberschen Kanals. Der-
selbe zweigt eine halbe Stunde Weges oberhalb der Stadt vom Laibach-
flusse ab, führt durch eine zweite Terrain-Einsattelung um die Stadt
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herum und dient nur den Hochwässern dieses Flusses als Rezipient,
damit die Stadt vor Ueberschwemmungsgefahren geschützt werde.
Dieser Kanal mündet weit unterhalb der Stadt bereits im Savethale
wieder in den Laibachflufs, und die wieder vereinigten Wässer strömen
dann zur Mündung in die Save.
Schon mit Rücksicht auf ihre gegenseitige Anordnung in der
horizontalen Entwickelung und noch mehr aus ilirer relativen Höhen-
lage ist im allgemeinen ein gewisser Zusammenhang der Innerkraincr
Kesselthäler untereinander zu vermuthen. Sie bilden zwar, wie oben
genau dargestellt wunle, eine Reihenfolge von ausgedehnten Boden-
senkungen, welche von sehr breiten parallelen Hügolrücken eiuge-
schlossen sind und auf diese Weise scheinbar von einander gänzlich
getrennt erscheinen. Dafs trotzdem ein Zusammenhang des Wasser-
laufes eines Kesselthales mit jenem eines benachbarten vorhanden sein
müsse, gehörte jedoch bisher vorwiegend nur in den Bereich der
Vermuthungen. Diese hydrogniphischo Anschauung des Zusammen-
hanges wurde seit längerer Zeit allgemein behauptet, obwohl bis vor
kurzem von keinem Xaturforscher hiervon ein strikter Nachweis ge-
liefert worden ist ,\m exaktesten unter allen Angaben, welche in der
Litimatur vorzufinden sind, müssen die Resultate der Arbeiten von
Dr. Adolf Schm i dl und des ihm zugetheilten Markscheiders Rudolf
aus Idria bezeichnet werden, wenn auch die Studien Schmidls nicht
frei von Irrthümem sind. Voniehmlich erscheint im Werke von Schmid 1
die Angabe über den östlichen .\rm der Kleinhäuselhöhle bei Planina
als eine irrige, denn dieser Höhleuarm bringt nicht die Wässer
von Adelsberg hinab, sondern er dient den Hochwässern
aus dem Zirknitzer See als unterirdischer Abflufs, wie es
mir gelegentlich eines Hochwassers von Adelsberg ermöglicht wurde,
diesen Sachverhalt mehrere Hundert Meter weit unter dem Gebirge
zu konstatiren. Dagegen wurde bei derselben Gelegenheit mit vollster
Sicherheit bestimmt, dafs die Adels borger Wässer im westl ic h en
Arme der riesigen Kleinhäuselhöhle nach Planina hinab-
strömen, welchen Höhlengang Dr. Schmidl mit dem Namen des
Kaltenfelder Armes belogt hat.
Zumeist nur an der Hand mehrfacher Beobachtungen von lokalen
Hochwässern und durch weitere hydrologische Erwägungen gelangt
man au Ort und Stelle zu dem interessanten Schlüsse, dafs alle diese
ausgedehnten Innerkrainer Ke.sselthäler unstreitig einem und demselben
Klufsgebiete angehören müssen. Und thatsächlich ist dies auch der
Fall. Es liegt hier das merkwürdige Ilöhlenflursgebiet der I.aiibach.
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Wio nunmehr als sicbergestellt erscheint, führt durch ganx
Innerkrain ein und derselbe Wasserlauf, der von einem
Kesselthale zum anderen unterirdisch strömt und in jedem dieser
Kesselthäler seltsamerweise einen anderen Namen führt Der
Oberlauf dieses ganz eigenartig unterbrochenen Flusses helfet in
Laas-Altenmarkt ,ürof8-0berch“, im Gebiete des allgemein be-
kannten Zirknitzer Sees „Seebach“; sein Nebenflufs, welcher durch
die pittoresken Häume der weltberühmten Adelsherger Grotte strömt,
führt daselbst nicht nur im Kessel von Adelsbcrg, sondern auch unter
dem Gebirge gegen Planina’), den Namen „Poik“ („Piuka“). Der
Fig. 3. Die ScbluadbShle des Poikflusses bei Adelsberg.
Mittellauf, in Planina liegend, führt den Namen „Unzflufs“ und
dieser wird aus der Vereinigung der Zirknitzer und Adelsberger Wässer
erst im Planinathale gebildet Endlich führt der ganze Unterlauf
durch die Uaibacher Moorebene hindurch und bis zur Mündung in die
Save den Namen „Laibachflufs“.
Die V'erbindungen der Elufsläufo von einem Kesselthale zum
anderen sind sämtlich unterirdisch, und nur in den Höhlen des total
unterminirten Karstgebirges zu suchen. Zumeist sind diese Höhlen-
So z. B. in der Poikliöhle (Piuka jama) und im Poik-Arm der Klein-
häuselliülilo bei Planina.
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flüsBe durch grofsartigo Hindernisse schon am Eingänge verbarrikadirt
und dabei meistens tief verborgen liegend. Speziell über diese Ver-
hältnisse wird in weiterer Folge dieser Darstellung noch eingehen-
der gesprochen. Nur selten liegen die Abflurshöhlen der Kessel-
thäler in ähnlicher Weise frei und offen zu Tage, wie die beiden ab-
gebildeten Wasserthore der Hohlengänge am Zirknitzer See und in
Adelsberg.®)
Im grofson und ganzen betrachtet, sind die vorwiegend lang-
gestreckten Kesselthäler von Innerkrain iiufserst merkwürdige Theil-
strecken einer noch nicht vollendeten und höchst seltenen Thal-
bildung. Diese allmählich durch Einstürze der unterhöhlten Felson-
rändor immer länger werdenden Theilstrecken eines noch in der Bildung
befindlichen Ilauptthales — d. i. die Reihe der obgenaniiten Kessel-
thälcr — werden in ganz analoger Weise, wie dieselben im Laufe der
Jahrtausende entstanden sind, durch die ewig waltenden Kräfte des
Wassers ihre Vollendung finden.
Dieselben werden successive durch eine verborgene unterirdische
Erosion und Corrosion nach beiden Seiten der Strom rieh tung,
wenn auch äufserst langsam, so doch beständig erweiterL Sowohl
stromaufwärts, als auch vorwiegend stromabwärts erfolgen in
einem jeden dieser muldenfcirmigen Thäler spontane Einstürze, und ira
Laufe kommender Jahrtausende wird die Erweiterung der
benachbarten Kesselthäler zu einem vollständigen offenen
Thale fortschreiten müssen.
Wohl sind noch die zwi.schen den Kesselthälern Innerkrains
gelegenen llügelrücken von ziemlicher Ausdehnung, aber bereits
tausend- und tausendfach unterhöhlt und zerklüftet. Die aus den Jura-
kalken der Alpen bekannte Erscheinung der Karrenbildung findet
hier in einem überwältigenden Mafsstabe statt. Dafs ferner daselbst
die enormen Wasserhöhlen des Untergrundes nicht selten zu den über-
wältigendsten Deckenbrüchen und theilweisen Ilöhleneinstürzon die
Veranlassung geben, ist heute aufser allem Zweifel stehend. Auf diese
Weise verdanken die beiden kühnen Wölbungen der grofsen und
der kleinen Naturbrücke von St. t'anzian (in den llaasberger Forsten),
unter welchen die Hochwässer vom Zirknitzer See zum ei-stenraale am
Tage hindurchströmen, um nach kurzer Strecke wieder unter das Ge-
birge durch ein grofses Höhlenthor einzuziehen, ihre seltene Ent-
stehung (s. Fig. 2 im vorigen Heft).
“) s. Fig. l und .1.
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Ebenso repriisentirt die in Fig. 4 dargestellte Höhlenweituug der
sogen. „Vranja jama“, d. i. Rabenhöhle, einen imposanten Felsen-
sturz mitten im Walde und nahe am nördlichen Thalrande von Planina
(8. Fig. 4).
Diese zur Hälfte eingestürzte unterirdische Räumlichkeit, welche
dereinst mit Bestimmtheit aus zwei Haupttheilen, einem vertikalen
oberen und anschliefsend aus einem horizontalen unteren Hohlraum
bestanden haben mufste, ist gegenwärtig nur aus einer Strecke des
annähernd horizontalen Höhlenganges bestehend. Jener vertikal aus-
Kii;. t. Das Felsenthor der „Vranja Jama“ bei Planina. J
All.« derTiefe zur Oberfläche aufgenommen.
geweitete Ifaum, der durch die Corrosionswirkungen des meteorischen
Wassers entstanden ist, sowie durch die ununterbrochene Fortsetzung
der Auslaugung des kohlensauren Kalkes durch das kohlensäure-
haltige Wasser endlich die Stabilität seiner Kugelwölbung eingebüfst
hat, ist zum gröfsten Theile von den Trümmern des Deckenbruches
verschüttet. Die Trümmerhakie führt aufserdem in einer steilen Bö-
schung durch das pittoreske Naturgewölbe hinab zur Tiefe des noch
stehengebliebenen Höhlcnganges, welcher andererseits noch gegen-
’J Oie oberen Conturen sind infolge der zu Tage ziehenden, liestUndigcn
Höhlennebel verschwommen.
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wärtig, trotz der partiellen Verschüttung zu den Stauwässern des in
der Nähe unter dem Oebirge hindurchströmenden ünzflusses hiuab-
reicht, und diesen bei Hochlluthen des genannten Flusses als ein unter-
irdisches Reservoir dienstbar wird.
Den besten Aufschlufs über die grofsartigen Dimensionen der
dynamischen Thätigkeit der Regen- und Flurswässer im Innern
des Karstgebirges geben wohl die beiden Figuren 2 und 4, auf welchen
die mittlere Mannesgröfse bei den photographischen Aufnahmen als
Mafsstab eingeführt worden ist.
Einen annähernden Begriff von dieser Thätigkeit des Wassers
in der Unterwelt des Karstes kann sich nur derjenige machen, dem
cs bereits vergönnt war, die pittoresken Formationen der weltberühmten
Grotte von Adelsberg zu sehen. Dort findet man in schaurig
schöner Scenerie den Poikilufs durch ein Reich der ewigen llöhlcn-
nacht daliinrauschen. Weit und tief unter dem Gebirge wühlen sich
seine Fluthen in einem felsenfesten Bett hindurch, bis sie durch die gigan-
tischen Naturgewölbe der Kleinhäuselhöhle von Planina, mit
einem Höhlenarme der verborgenen Abflüsse vom Zirknitzer See ver-
eint, wieder an den Tag hervortrcten.
Jene höher gelegene Galerie von natürlichen Felsengcwölben, in
welchen gegenwärtig die Besucher der Adelsberger Grotte mitten in
den phantasiereiohsten Skulpturen und bizarren Gebilden der Plastik
des rastlosen Tropfenspieles der Meteorwiisser — (s. Fig. 5.) — lust-
w-andeln können, ist demnach nichts anderes als das verlassene Felsen-
bett des Poikflusses. Derselbe hatte sich schon seit .Jahrhunderten
nach den ewig waltenden Gesetzen der Gravitation bereits einen tiefer-
liegenden Höhlengang durchbrochen. Nur eine kurze Wegstrecke im
grofsen Dome gewahrt man noch von der Höhe der oberen Galerie
die eilenden Flutlien in der Tiefe des unteren Höhlenganges dahin-
stürzen. Dort herrscht ein unvergleichliches Brausen und wildes
Rauschen der schäumenden Wogen des unterirdischen I^'lusses, der
sich im Oberlaufe durch eine enge Höhleuklamm fs. Fig. 3) in die
enormen Weitungen des grofsen Domes hereinzwängt und sich von
da weiter und weiter durch ein geräumiges Höhlenthor in die ungang-
baren Hallen und Klüfte des sogenannten Tartarus dröhnend hinab-
stürzt. Dieses unvergleichliche Schauspiel ist besonders bei höherem
Wasserstando des Poikflusses eine seltene Sehenswürdigkeit
Man findet auf der einen Seite die mannigfaltigsten Tropfstein-
und Sinterbildungen in den vom frei zirkulircnden Höhlcngewässer
verlassenen Räumen. Das Baumaterial hierfür wird aus den llieil-
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Die Kaiser Franz Josef* und EUsabeth^Galerie ln der Adeisberger Grotte.
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weise oberirdischen und theilweise unterirdisch gelegenen „Karren“
vom Kegenwasser hinabtransportirl. Dennoch vermögen auf der an-
deren Seite die verschiedenartigsten Formen der eigenartigen Erosions-
wirkung der unterirdischen Sturzhäche jedermanns Aufmerksamkeit
in noch weit höherem Mafse zu fesseln.
Es wäre eine unrichtige Vorstellung von den verborgenen Höhlon-
fliissen des Karstes, würde man glauben, dafs ein tunnelähnlicher,
gleichmäfsig profllirter Kanal von der jeweilig höheren Kesselthal-
lerrasse zur nächst tieferen hinabführt. Ein jedes Höhlenflufsbett ist
vielmehr nur als eine mäandrisch ineinander greifende Reihe von
zahlreichen, ihurmhohen und oftmals unabsehbar geräumigen Höhlen-
weitungen zu betrachten, welche wieder mehrfach durch enge und
niedrige Schläuche, sowie durch überstaute kommunizirende Felsen-
rohre miteinander verbunden sind. Die Scheidewände solcher ver-
schieden grofser und ebenso verschieden hoher Höhlenkammom sind
zumeist total zerklüftet und vom Wasser vollständig unterwaschen,
so dafs alle diese unterirdischen Räume in erster Linie als das Resultat
einer, durch chemische und mechanische Kräfte des Wassers seit Jahr-
tausenden wirkenden, verborgenen Corrosion und Erosion be-
zeichnet werden können.
Die Decke und die Wände solcher VV’asserhöhlon zeigen noch
immer sehr deutliche Spuren der Dynamik des einstens in diesem
Niveau hindurchströmenden Wassers. Nach und nach haben sich die
Fluthon ein tieferes Fclsenbett ausgewaschen. Einzelne unterwühlte
Scheidewände, einst zwischen den Höhlenkammem feststehend, wur-
den von der mechanischen Gewalt bedeutender Hochwässer durch-
brochen, oder sie stürzten infolge ihres labil gewordenen Zustandes
zusammen. Das abgestürzio Trümmermaterial lagert am Boden der
unterirdischen Flüsse als gefährliche Klippen, oder hemmt wie ein
mächtiges Grundwohr den freien Lauf des Gewässers. Nur kleinere
Sleintrümmer wurden von ihrer ursprünglichen Stelle durch den
periodisch wilden Sturzbach fortgerissen und bilden lokal kleine
Bänke von Gerölle.
Höchst interessant sind ferner die Erscheinungen von gröfsoren
und kleineren Erosionskesseln in den Höhlen an solchen Stellen, wo
das Steingerölle, oder einzelne Steinkugeln und Steinknollen durch
den heftigen Wasserslrudol hin- und hergorollt werden, ohne dafs
solche Reibsteine hinausgeschleudert werden könnten. Es sind dies
analoge Formen wie die berühmten Riesentöpfe in Skandinavien und
die sehenswürdigen Strudellöcher im Oletschergarten zu Luzern, nui-
Himmel und Erde. I(. 2. 7
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dafs dieselben in unterirdischen Räumen verborgen liegen und in
höheren Positionen der Orotten als Getreide-Keibmühlen der prä-
historischen Höhlenmenschen iriihümlich bezeichnet worden.
Hin und wieder findet man den vorherrschend ungleichmäfsigen
Lauf dieser Höhlenflüsse von einzelnen Wasserfällen und rapiden
Stromschnellen unterbrochen. Nicht selten ist derselbe klammähnlich
eingeengt, dann wieder zu einem langen und breiten Bassin — einem
sogen, unterirdischen See — erweitert. Dann befinden sich wieder
seichte, klippenreiche Stellen unmittelbar neben furchtbaren Tiefen,
welche nur mit Wasser angefüllte Abgründe vorstellen. Meistens sind
bei einem jeden Höhlenllufssystem einzelne, immer tiefer liegende
Theilstreckon eines und desselben Wasserlaufes unter dem Gebirge
anzutreffen, welche Theilstreckon stets mit einem Bassin beginnen und
mit einem solchen im Unterlaufe endigen. Durch förmliche Schlote
oder durch breite Naturscbachte, wie auch mitunter durch tiefe Folsen-
trichter und durch die sogen. .Dolinen“ gelangt man da und dort
zu der unterirdischen Theilstrecko dieser Höhlenflüsse hinab. Doch zu
einzelnen Theilstrecken dieser verborgenen Wasserläufe ist bisher noch
keine Kommunikation aufgefunden worden, trotzdem man mit ziemlicher
Sicherheit den generellen Thalwog in der Tiefe zu bezeichnen im
Stande ist Um einen drastischen Vergleich zu machen, könnte man die
oberirdischen Erscheinungen an der Karstformation, welche durch die
in der Tiefe unter derselben hinabströmenden Wässer hervorgebracht
werden, mit den Folgowirkungen hinunterrieselnden Sandes einer Sand-
uhr in Einklang bringen. Thatsächlich sind auch die gröfsten Karst-
trichter nur auf die ganz analogen F'olgewirkungen zurüokzuführen.
Wie schon früher bemerkt worden ist, zeigen die zwischen den
Kesselthälorn von Innerkrain gelegenen Hügelkomplexe bei ihrer
grofsen Ausdehnung wohl auch schon die deutlichsten Spuren dieser
typischen Erosionswirkungen. Zur genaueren ürientirung folgen nun
die Längen dieser Trennungsrücken in der Luftlinie gemessen. So
zeigt der zwischen dem Kesselthale von Laas-Altenmarkt und dem
Zirknitzer See noch lagernde Hügelrücken an der schmälsten Stelle
in der Nähe der Ortschaft Dane nur noch 3 Kilometer Ausdehnung
seines durchhühllen Gesteins. Derselbe ist unter allen den bezüglichen
Trennungsrücken am kürzesten.
Vom Nordwestrande des Zirknitzer Sees zum Südrande des
Kesseltbales von Planina liegt ein Hügelkomplex von 6,5 Kilometer
Längeneretreckung. Derselbe ist jedoch neben seinen zahlreichen
trichterförmigen Einstürzen, in der obengenannten Rakbachsohlucht
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« —
bei St. Canzian in den Haasberger Forsten, ungefähr am halben Wege
derart unterbrochen, dafs die Hochwässer, vom Zirknitzer See nach
Planina strömend, in dieser 2 Kilometer langen und sehr engen
Schlucht,'*) genau wie in einem eigentlichen Kesselthale aus einer
Höhle zu Tage treten und am unteren Ende der Schlucht wieder in
einer Höhle verschwinden.
Zwischen Adelsberg und Planina ist der mächtige Hügelkomplex
noch mehr als 7 Kilometer lang. Dieser hat ebenso infolge der immer-
währenden Unterwaschung mehrere tiefe und ausgedehnte Einstürze
erfahren, sowie auf demselben einige bis zum unterirdischen Laufe
der Poik hinabreichende Naturschachte vorzuflnden sind, von denen
bisher nur speziell die sog. Piuka jama (Poikhöhle) näher be-
kannt geworden ist Am ausgedehntesten unter allen den erwähnten
Trennungsrücken ist aber derjenige zwischen dem Kesselthale von
Planina und der Laibacher Moorebene, welcher eine Länge von naliezu
10 Kilometer besitzt Die zahlreichsten und tiefsten Einstürze, sowie
die grofsartigsten Naturschachte liegen gerade in diesem Ilügelkomplex,
über dessen unterirdische Wasserläufe infolge der schwierigsten Ge-
staltung dieses Gebietes bisher am wenigsten bekannt werden konnte.
Auffallend bleibt in dem ganzen von mir durchforschten Gebiete
des Karstes der sichere Thatbestand, dafs die unterirdischen Wasser-
läufe im allgemeinen den streichenden Kalksteinschichten von Südost
gegen Nordwest folgen. Doch sobald dieselben an die meist trans-
versal gerichteten Verwerfungsspalten der dolomitischen Wochsol-
lagerungen stofson, folgen sie diesem Kluftsystem weiter fort, bis zu
ihrer lokalen Ausmündung in ein tieferes Kesselthal, aus welchem
dann in ganz ähnlicher Weise der weitere Abllufs erfolgt, w'elcher
jedoch überall den dolomitischen Ktdken ausweicht. Hierdurch wird
es auch erklärlich, dafs die dolomitischen Nester am Karste nur
äufserst wenig an den charakteristischen Erscheinungen der llöhlen-
bilduug partizipiren, nachdem schon auch infolge der geringeren
Löslichkeit ihrer Kalkmassen dem atmosphärischen Wasser und seiner
erodirenden Thätigkeit ein gröfsercr Widerstand entgegen gesetzt ist
Wenn man das pragmatische Zusammenwirken aller hier mafs-
gebenden Faktoren richtig erfafst, so findet man wohl, wie einfach
die Natur auch hier in ihren Ursachen ist und wie überwältigend
dagegen in ihren Wirkungen.
') S. Fig. .t. Die grofse Naliirbriicke von St. Canzian in den Haasberger
Forsten bei Planina, über welche oben eine jirächtige Waldslrafse lünwegführt.
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Die photographische Himmelsicarte. *)
Die Internationale Conferenz, welche im Frühjahr 1887 auf der
Pariser Sternwarte zusammeogetreten war, um über die Ausführung
einer photographischen Himmelskarte zu berathen, batte die Prinzipien
und allgemeinen Bestimmungen für diese grofse Arbeit festgesetzt
Dieselbe mufste schon damals in das Studium der Details eiutreten,
um den verschiedenen Sternwarten, welche sich bei dem Werke
bethoiligen wollten, Gelegenheit zu geben, die dazu erforderlichen
Apparate sorgfältig und nach einem einheitlichen Plane hersteilen
lassen zu können. Bevor sich der Congrefs auflöste, ernannte er,
um eine immerwährende Vertretung zu haben, ein permanentes Exe-
kutions-Comile, welches’ aus den Direktoren derjenigen Sternwarten
zusammengesetzt war, die bereits ihre Tbeilnahme an dem Karten-
werke zugesichert hatten, und aus einigen anderen Astronomen, welche
ihre grofse Sachkenntnifs auf diesem Felde zu diesem Amte besonders
geschickt machte. Dem Bureau dieses permanenten Comitös war
eine schwierige Aufgabe gestellt, welche in folgende Worte gefafst
wurde: Inangriffnahme aller von der internationalen Conferenz ge-
fafsten Beschlüsse, welche eine baldigfe Ausführung zulassen; Samm-
lung und Weiterbeförderung aller Nachrichten, die in den ver-
schiedenen Ländern der Erde über die zahlreichen und brennenden
Detailfragen verlauten mochten, welche die Conferenz von 1887 definitiv
zu regeln weder berufen noch auch belahigt war; Anregung zu
Spezialstudien über alle diese Fragen und Publikation ihrer Ergeb-
nisse; mit einem Worte Ausführung einer grofsen EnquOto, deren Kesul-
tate später in einer allgemeinen Sitzung des Comitös diskutirt werden
sollten. Auf Grund dieser Vorarbeiten sollten dann weiter die Bestim-
mungen festgesetzt werden, welche von all den Astronomen anzunehmen
*) Wir VBiflanken diesen Bericht Uber den gegenwärtigen Stand der Vor-
l>ereitungen zur grofsen [ibntographisclien Himmelskarte der Freuiullichkeit
des Herrn C. Flammarion in Paris.
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101
sein würden, die das Ihrige zur Herstellung jenes grofsen Denkmals
beitragen wollen, das zum Nutzen und zum Ruhme der astronomischen
Wissenschaft errichtet werden soll.
Mit unermüdlichem Eifer und vollem Erfolge hat das Bureau des
permanenten Comitßs unter dem Vorsitz des Direktors der Pariser
Sternwarte während der zwei seit dem internationalen Congrefs ver-
flossenen Jahre seine Aufgabe erfüllt. Dank der freigebigen Unter-
stützung durch die Pariser Akademie der Wissenschaften wurde es
möglich ein Bulletin zu schaffen, welches als gemeinsames Band für
die in den verschiedenen Ländern Europas, Afrikas und Amerikas
verthoilten Comitemitglieder dient, worin sie ihre Beobachtungen und
Studien veröffentlichen können über die besten photographischen und
astronomischen Methoden, welche man bei der Ausführung der Karten
anzuwenden haben wird, über die Messungsverfahren, welche man
am besten befolgen wird, um die gewonnenen Platten für einen
Stemkatalog nutzbar zu machen, über die Ursachen der zu befürch-
tenden Fehler in den Messungen und über die Mittel, dieselben zu
vermeiden oder doch wenigstens ihren Einflufs auf ein Minimum zu-
rückzubringen. Andrerseits gewährte das Bulletin zuverlässige Mit-
theilungen über den Stand der Fortschritte in der Construktion der
photographischen Aequatoriale, die zumeist schon seit länger als einem
Jahre in Bestellung gegeben waren. Das Bureau des permanenten
Comites war nun der Meinung, dafs die Weltausstellung eine natür-
hche Gelegenheit biete, eine allgemeine Versammlung des Comitös
in Paris abzuhalton. Diese Versammlung fand vom 16. — 22. Sep-
tember auf der Pariser Sternwarte statt. Eis handelte sich diesmal nicht
mehr um die Feststellung allgemeiner Prinzipien, sondern um die Rege-
lung des Operationsmodus in allen seinen Einzelheiten. Es sollte nicht
mehr blos ein allgemeiner Ueberblick über das Werk gewonnen werden,
sondern ein ausführlicher Arbeitsplan, nach welchem sich der Mechaniker
bei der Erbauung der Instrumente zu richten hat. Es dürfte vielleicht
für unsere Leser einiges Interesse haben, die Fragen kennen zu lernen,
über welche bei dem diesmaligen Congresse debattirt und entschieden
wurde.
Der Mehrzahl unserer Leser wird aus dem im vorigen Jahr-
gange erschienenen Aufsatz des Herrn Dr. Scheiner über die
Himmelsphotographie noch erinnerlich sein, dafs man bei photographi-
schen Stern-Aufnahmen ein aus zwei parallel aufgestellten Fernrohren
bestehendes Aequatorial nöthig hat, bei welchem das eine Rohr für
chemische Strahlen, das andere für optische achromatisirt sein mufs.
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102
Dieses letztere Rohr dient alsdann dazu, das photograpliische Fernrohr
während der ganzen Expositionsdauer beständig auf denselben Punkt
dos Himmels gerichtet zu halten. Der Astronom wini dann, nachdem
er einen gewissen durch Rektascension und Deklination bestimmten
Punkt des Himmels als Centrum seiner Aufnahme gewühlt hat, die
Gesichtslinie des Führungs-Fernrohrs auf einen, diesem centralen
Punkt benachbarten Stern richten. Es ist dabei nöthig zu wissen, in
welcher Entfernung dieser Leitstern von dem Plalton-Centrum wird
entfernt sein dürfen und mit welcher Genauigkeit sein Ort am Himmel
bekannt sein mufs. Im Interesse der Genauigkeit und der Leichtig-
keit der an die Ausmessungen der Aufnahmen nachträglich anzu-
bringenden Reduktionen war es unumgänglich nothwendig, positive
Bestimmungen nach diesen Richtungen hin zu formiren. Nach einer
sorgfältigen Prüfung und langen Berathungen hat das Comitü der
Himmelskarte bestimmt, dafs die Sterne, welche zur Fiihnmg während
der Aufnahmen dienen sollen, in möglichst kleiner Entfernung vom
Platten-Centrum gewählt werden sollen, und dafs ihre Oerter bis auf
6 Bogensekunden genau bekannt sein müssen.
.Man mufsto sich ferner auch schlüssig werden über Form und
Mechanismus des Verschlusses, sowie über die Construktion und Anbrin-
gung der Casetten, welche die empfindlichen Platten aufzunehmen haben.
Es ist einleuchtend, dafs es einerseits besonders für kürzere Expositions-
dauer wichtig ist, die Art des Verschlusses festzusetzen, um eine voll-
kommen gleichmäfsige Expo.sitionsdauer für die verschiedenen Theile
der Platte zu erhalten, und dafs andererseits die Casetten auch mit
einem Mechanismus versehen sein müssen, welcher es leicht gestattet,
sie genau senkrecht zur optischen Axe des photographischen Fern-
rohrs zu justiren. Obgleich derartige Fragen, wenigstens was die
Verwirklichung aller Details der Apparate anlangt, vornehmlich den
Mechaniker angehen, so konnte doch das Comitü nicht umliin, die
allgemeinen Anforderungen, welchen die Vorrichtungen Genüge leisten
müssen, festzustellen.
Schon der internationale Congress von 1887 hatte bestimmt, dafs
zur Sicherung der Genauigkeit des auf die Ausmessung der Platten
sich gründenden Stemkatalogs auf jeder Platte vor der Exposition
ein feines Netz abgebildet werden sollte, dessen Linien bei der Aus-
messung als Ausgangspunkte zu gelten haben und gleichzeitig gestatten
werden, die geringen Deformationen nachzuw’eison und unschädlich zu
machen, welche die empfindliche Schicht durch die mannigfachen
Manipulationen der Entwickelung, Fixage und Trocknung erleiden
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103
kaim. Denn die Distanz der Hilder zweier Sterne wird nur dann
der wahren Winkeldistanz derselben entsprechen, wenn die Gelatine-
schicht nicht nachträg’lich eine Schrumpfung oder Zerrung erfahren
hat. Es haben nun die auf Anregung des Comit^s an verschiedenen
Orten mit verschiedenen Mitteln vorgenommenen Untersuchungen er-
geben, dafs die Zusammenziehung oder Verlängerung für eine Distanz
von 5 mm Länge noch nicht den tausendsten Theil der ganzen Ent-
fernung ausmacht, was auf der von der Intornatiuualen Conferenz an-
genommenen Skala einem Winkelwerthe von 0",03 entspricht, eine
Oröfse, die weit unterhalb der durch gewöhnliche Mikrometermessung
möglichen Oenauigkeitsgrenzen liegt.
Das Comitö mufste sich aufserdem auch mit der Natur der anzu-
wendenden Platten beschäftigen, mit den Vorschriften zur Bereitung
und Zusammensetzung der Entwicklungsbäder, mit dem Einflufs der
Temperatur auf die Entwicklungsdauer, mit der Bestimmung der
Expositionsdauer, welche nöthig ist, um auf den photographischen
Platten die vorher durch die Conferenz bestimmten Stemgröfsen zu
erreichen (14. Oröfse für die eigentliche Himmelskarte und 11. Oröfse
für die Platten, welche die Grundlage eines Stornkatalogs bilden sollen,
der die genauen Stellungen von etwa drei Millionen Sternen enthalten
wird). Die letzte Frage, welche besondere Schwierigkeiten bereitete,
hatte zu langen Debatten Veranlassung gegeben. Die in dieser Hinsicht
vom Coinite angenommenen wichtigen Entschliefsungen sichern eine
vollkommene Gleichmäfsigkeit des ganzen Werkes für alle Stationen und
alle die verschiedenen atmosphärischen Zustände, bei denen die Arbeit
nothwendigerweise wird ausgeführt werden müssen. Dabei ist jedoch
noch nichts vorausgesetzt in Bezug auf die schwierige und noch ganz
ungelöste Frage über die Beziehungen, welche zwischen den optischen
und den photographischen Stemgröfsen bestehen.
Auch die Vertheilung der Arbeit an die an dem Unternehmen
zusammenwirkenden Sternwarten ist ausgoführt worden, wenn auch
durch das in Aussicht stehende Hinzutreten noch neuer Theilnehmer
die Details einer späteren definitiven Feststellung Vorbehalten worden
mufsten. Gegenwärtig ist die Zahl der theilnehmonden Institute bis
auf zwanzig gestiegen. Noch während der vom Comite abgehaltenen
Conferenz haben drei neue Sternwarten ihre Zusicherung zur Be-
theiligung gegeben, was gewifs von allen Freunden der astronomischen
Wissenschaft mit Freuden begrüfst werden winl: Erstens hat die
italienische Regierung für die neue in Catania am Fufse des Aetna
gegründete Sternwarte die für die AnschnPfung eines photographischen
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104
Acquatorials nach dem allgemeinen Muster nöthigen Geldmittel be-
willigt, zweitens hat der Papst Leo XIII. sich entschlossen auch theil-
zunehmen an der Aufnahme der photographischen Himmelskarte.
Die neue Sternwarte, welche sich derselbe eben auf dem Vatikan
unter der Direktion von R. D. Denza oinrichten läfst, wird ein
photographisches Fernrohr erhalten, das lediglich für die zur Vollendung
der Himmelskarte nöthigen Arbeiten Verwendung finden soll. Endlich
hat drittens die gesetzgebende Körperschaft zu Buenos Ayres eine
Gesetzesvorlage angenommen, nach welcher für die Arbeiten an der
Himmelskarte 300 000 Francs bewilligt worden.
Schliefslich blieb noch eine üufserst wichtige und für die Zukunft
des grofsen Werkes bedeutungsvolle Frage zu erledigen, nämlich die,
ob es angezeigt sei, ein Central-Institut für die Ausmessungen, die
Reduktionen und die Publikation der Ergebnisse zu gründen. Da
jedoch gegen diesen Vorschlag Bedenken erhoben wurden, und man
alle übrigen Beschlüsse in voller Einstimmigkeit gefafst hatte, so nahm
das Comitö in weiser Erkenn tnifs der Nothwendigkeit, alle Differenzen
zu vermeiden, vorläufig von diesem Projekte Abstand und beschränkte
sich zunächst auf die Bestimmungen zur Ausführung der photographi-
schen Himmelskarte selbst, welche uns einen Sternkatalog liefern
wird, der eine Fülle wunderbarer Entdeckungen auf dem Gebiete der
Fixsternastronomie in Aussicht stellt. Die Frage, wo man die Aus-
messungen und die Publikation ihrer Ergebnisse am besten vornehmen
wird, bleibt aber vorläufig noch eine cura posterior. Wie auch immer
hierüber wird entschieden werden, das Zustandekommen der grofsen
Himmelskarte ist zunächst gesichert, und man wird zweifellos auch
die Zukunft und Vollendung des schönen Werkes vor aller Fährlioli-
keit behüten.
f
Könnet Brooks. Bereits in den vorigen Heften dieser Zeitschrift
berichteten wir über die Anfang August auf der Liok-Sternwarte zuerst
wahrgenommene Theilung des von Brooks entdeckten Kometen. Die
interessante Beobachtung wurde bald darauf durch Herrn Prof. Weiss
in Wien, sowie auch in Frankreich durch die Herren Charlois und
Bigourdan bestätigt Wir sind heute in der Lage, eine in den
„Astronomischen Nachrichten“ von Herrn Barnard veröffentlichte
Zeichnung des merkwürdigen Kometen, wie er nach der Katastrophe
erschien, zu reproduziren. — Derartige Zertheilungen von Kometen
sind übrigens in diesem Jahrhundert schon mehrfach beobachtet
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105
worden, das classische Beispiel lieferte im Jahre 1846 der berühmte
Bielasche Komet, der sich alsdann vollständig' in einen Stemsohnuppen-
schwarm auflöste. Später zeigte der grofse Septemberkomet von 1882
zunächst eine Zertheilung des Kernes in mehrere hintereinanderliegende
stemartige Verdichtungen, dann sah Schmidt in Athen einen kleinen
Nebel, welcher den Kometen in unmittelbarer Nähe des Kopfes be-
gleitete und offenbar von diesem sich losgelöst hatte, und schhefslich
glaubte Herr Barnard eine gröfsere Anzahl ähnUcher begleitender
Nebel gesehen zu haben. Diese Theiluugen und ebenso die wunder-
baren Oestalts- und Helligkeitsänderungen, wie sie uns im vorigen
Jahre der Komet Sawerthal kennen lehrte,*) beweisen, dals in den
Kometen ungemein gewaltsame Katastrophen an der Tagesordnung
sind, die im allgemeinen auf eine Zerstörung dieser Weltkörper hin-
arbeiten. Die verschiedenen Theile eines zersprungenen Kometen laufen
natürlich in nahezu der gleichen Bahn um die Sonne, infolge der
bei der Katastrophe erhaltenen, entgegengesetzten Qeschwindigkeiten
werden sich jedoch die einzelnen Theile nach und nach immer weiter
•) vgl. Himmel u. ErJe, I, S. 52.
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106
von einander entfernen. Hesilzt dann ein solcher Komet eine sehr
lanffc Umlaiifzeit, so werden zwischen den Wiederkünften der einzelnen
Theile längere Pausen entstehen und es erklären sich solcherweise
vielleicht die sogen. Kometensysteme, d. h. gewisse Gruppen von
Kometenindividuen, welche wegen der nahezu parabolischen üahnform
unmöglich mit einander identisch sein können und doch in fast
gleichen Bahnen einherlaufen. Einem solchen System gehören zum
Beispiel die Kometen 1843 I, 1880 I und 1882 II an, und es wäre
nach der eben ausgesprochenen AulTassung nicht unwahrscheinlich,
dafs diese drei Kometen die im Laufe der Zeit weit auseinander-
geriickten Theile eines einzigen ehemaligen Kometen sind, der vor
undenklichen Zeiten einmal in ähnlicher Weise, wie jetzt der Brooks sehe
Komet, eine Zertheilung erfahren haben mag*). E. Kbr.
Der Nebel in der Andromeda. Die beiden beigegebenen Ab-
bildungen des inleressanten Andromedanebels bilden eine nachträgliche
Illustration zu den Seite 671 des vorigen Jahrgangs gegebenen Aus-
führungen des Herrn Dr. Scheinor über die Leistungen der Photo-
graphie auf dem Gebiete der Nebelflecke. Die erste Abbildung giebt
die beste existirende Zeichnung des Nebels wieder, sie rührt von
Trott velot her, der sie am lö-zolligen Refraktor der Sternwarte zu
Cambridge U. S. entworfen hat. Charakteristisch treten in dieser
Zeichnung besonders die von Bond entdeckten dunklen Längsstreifen
hervor. Die zweite Abbildung, eine Copie des vorzüglichen Photo-
gramms von Mr. Roberts, zeigt uns den Nebel in ganz neuem Lichte,
als Ring- oder vielleicht auch Spiral -Nebel. Die dunklen Streifen
linden hier ihre naturgemiisse Erklärung als die Zwischenräume zwischen
ilen einzelnen Ringen, welche den Nobel zusammensetzen. Aber auch
im übrigen zeigt sich in allen Stücken eine wesentliche Ueberlegen-
heit der Photographie über die blofse Zeichnung; wir begnügen uns
jedoch heute damit, dem Leser durch die obigen Abbildungen ein
eigenes Unheil zu ermöglichen.
•) vgl. hierzu auch die im ersten Julirgang S. 108 besprochenen .\nsichlon
Bredichina über die Entstehung der elliptischen Kometenbahnon.
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1((7
Das Standbild Le Verriers und die Geschichte der
N eptunentdeckung.
Von der Siebenzahl der heute, aufser der Erde, gekannten grofsen
Planeten Mercur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Nep-
tun kannten das Aitcrthum und Mittelalter nur die ersten fünf, da
diese allein mit unbewaffnetem Auge zu sehen sind. Uranus wurde
1781 von Sir William Herschel durch die Sehkraft seines selbst-
gefertigten Telescopes aufgefunden, während Neptun, der weiteste
der Planeten, auf Orund kühner rechnerischer V'orher Verkündigung
Le Verriers 1846 auf der Berliner Sternwarte zuerst als Planet er-
kannt worden ist. Vor dieser Entdeckung des Neptun waren die zwei-
fellos erkannten aber noch unerklärten Unregelmäfsigkeiten im Laufe
des Uranus auf dem Gebiete der Planetentheorie eine Quelle von Un-
sicherheit. Es war nicht möglich, auf der Basis der Oravitations-
theorie*) eine Bahn für Uranus zu errechnen, die allen Beobachtun-
gen desselben genügt hätte. Uranus war seit 1690 bis zu seiner
Entdeckung bereits 19 mal als Fixstern durch Flamsteed, Brad 1 ey,
Mayer und Le Monnier aufgezeichnet worden, aber eine umfassende
IJarstellung dieser älteren und der späteren Beobachtungen war 1821
von Alexis Bouvard, dem treuen Rechengehilfen von Laplace,
vergeblich angestrebt worden. Zwei verschiedene Erklärungen boten
sich für diese auffallende Thatsache dar; entweder galt das Anziehungs-
gesetz nicht so allgemein, wie bislang angenommen ward, oder ein noch
unbekannter Körper verursachte die räthselhaften Störungen im I.<aufe
des Uranus; ein dritter Weg nämlich, die Genauigkeit der älteren Beob-
achtungen überhaupt anzuzweifeln und dieselben demgemäfs zu vernach-
lässigen, führte Bouvard freilich zu einer vorläufigen Bahnbestimmung
des Uranus aber zu keiner endgültigen Lösung der Frage, da schon nach
wenigen Jahren der Planet wieder von dem in Bouvards Tafeln an-
gegebenen Orte bedeutend abwich.**) Wollte man die Allgemeingültig-
keit des Anziehungsgesetzes innerhalb des Planetensystems aufrecht-
erhalten, so blieb nur die zweite Annahme übrig, dafs ein noch unbe-
kannter Körper die Unregelmäfsigkeiten des Uranus verursache. Diese
Annahme forderte die Astronomen zu dom neuen Unternehmen heraus,
durch Umkehrung des gewöhnlichen Problems der Störungen —
dessen Aufgabe es ist, den unbekannten Einflufs mehrerer bekannter
Körper auf die Bewegung eines bekannten Körpers zu berechnen —
*) Himmel und Erde, Jahrg^. 1, pag. 645 ff.
**) Der Fehler betrug lö^lO l)ereihi 20 Uogensecunden und stieg 1844 bis
auf 2 Bogenminuten.
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108
die bei weitem schwierigere Aufgabe zu lösen, aus dem bekannten
Ehnflufs eines unbekannten Körpers (in diesem Falle Neptun) auf
die Bewegung mehrerer bekannter Körper (in diesem Falle Jupiter,
Saturn, Uranus), den Ort jenes nur durch seine Anziehung sich ver-
rathenden Körpers zu errechnen. Viele Astronomen mögen die Lö-
sung dieser Aufgabe versucht haben; überliefert sind uns die Ver-
suche von Bouvards Neffen Eugen Bouvard, F. J. llussey und
Bessols Schüler F'lomming. Einem jungen Franzosen, Urbain
Jean Joseph Le Verrier, am 11. Juni 1811 zu Saint-LO geboren,
blieb die I.dsung Vorbehalten.
Im Sommer 1845 begann Le V'errier auf Anregung Aragos
die analytische Bearbeitung des Uranusproblems, deren Ergebnisse er
schon am 10. November 1845, am 1. Juni und 31. August 1846 in den
Sitzungen der Pariser Akademie*) mittheilon konnte. Am 23. Sep-
tember 1846 erhielt I)r. Galle, damals Observator an der Berliner
Sternwarte, von Le Verrier eine briefliche Aufforderung, nach dem
erreohneton Planeten am Himmel zu suchen. Noch in derselben Nacht
entdeckte Galle mit Hülfe einer von Bremikor eben fertiggestellten
Sternkarte, deren Zuhülfenahme D’Arrest angerathen hatte, unweit der
von Le Verrier angegebenen Stelle den vielumworbenen Planeten
Neptun. Die Wissenschaft feierte einen ihrer schönsten Triumphe; das
Newtonische Weltgesetz stand jetzt gerechtfertigter da als je zuvor.
Der Ruhm Le Verriers, die optische Auflindung des Neptun
durch seine mit ebensoviel Geschick als Ausdauer und Geduld ge-
führten Rechnungen veranlafst zu haben, kann dadurch nicht geschmälert
werden, dafs schon ein .Jahr vor ihm der Engländer ,1. C. Adams
die Aufgabe theoretisch mit gleichem Erfolg gelöst hatte, ohne jedoch
seine Resultate zur allgemeinen Kenntnifs zu bringen. Nur Airy, der
königliche Astronom in Greenwich, und Challis, der Director der
Sternwarte in Cambridge, waren in die erst 1847 publicirten Unter-
suchungen von Adams vorher eingeweiht, und Neptun war bei den
bezüglichen Nachsuchungen von Challis bereits mit aufgezeiebnet,
aber noch nicht als Planet erkannt worden.
Le Verrier beschlofs sein thateureiches Loben am Jahrestage
der Neptunentdeckung, am 23. September 1877, als Direktor der Stern-
warte zu Paris. Auch ohne die Leistung der Neptunerrechnung würde
Le Verrier den Riesen unter den Astronomen zugezählt werden
•) Diese Mitlheiluogen und die vom 5. October 1846 finden sich gesammelt
in der .Connaissance des Teraps pour 18t9“ unter dem Titel; .Recherches sur
les mouvemenls de la Planete Hcrschel par U. J. Le Verrier.“
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;i ;'iyCiOU^Ic
Das Le Verrier-Denkmal
vor der Pariser Sternwarte.
100
müssen. Seine Untersuchunffen über die Stabilität des Sonnensystems,
und die periodischen Kometen von Lexoll, Do Vioo und Faye,
seine Leistungen auf dem Gebiete der Störungsrechnung aller grofsen
Planeten hätten der wissenschaftlichen Welt schon allein die Berech-
tigung gegeben, Le Verriers Andenken durch ein Denkmal zu
ehren. Ein solches ist am 27. Juni dieses Jahres durch den fran-
zösischen Unterrichtsminister im Beisein vieler Gelehrten im Ehren-
hof der Pariser Sternwarte feierlichst enthüllt worden. Die Herstellungs-
kosten sind auf dem Wege einer internationalen Sammlung dem Er-
richtungscomitö zugeflossen. Das Standbild, dessen Abbildung diesem
Hefte als Titelbild beigegeben ist, trägt die einfache Inschrift
U. J. J. Le Verrior 1811 — 1877.
Die Loverriersche Vorherverkündigung des Neptun ist von dem
Künstler Chapu in sinniger Weise durch die kühne Hindeutung
Le Verriers auf einen Punkt der Himmelssphäre angedeutet worden.
Das schönste Denkmal hat sich Le Verzier in seinen Abhand-
lungen in den „Annalen der Pariser Sternwarte“ selbst gesetzt
F. S. Archenhold.
Statistik der Erdbeben ln Japan. 'Die „Official Gazette“ von
Japan enthält eine Zusammenstellung aller Erdstöfse, welche von 1875
bis 1889 auf dem meteorologischen Central-Observatorium in Tokio
registrirt worden sind. Hiernach wurden während der letzt vergan-
genen neun Jahre in Tokio nicht weniger als 692 mehr oder minder
heftige Erderschütterungen des Bodens beobachtet. Auf das Jahr 1888
fallen allein 181, sodafs hier also ira Durchschnitt jeden zweiten Tag
ein Erdbeben stattfand. Die Anfangs- und Eudmonate des Jahres
zeichneten sich besonders durch seismische Thätigkeit aus. Der Monat
März übertrifft alle, ihm zunächst kommt Dezember; der August ist
dagegen fast frei von kritischen Tagen. Die Gebäude Tokios ruhen
zumeist auf Alluvialbodon, der erfahrungsmäfsig den Erderschütterungen
weniger Widerstand entgegensetzt als fester Felsgrund.
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110
Erachelnan^eii am Stentenhiiitiiiel im Monat November-Dezember.
(Sämtliche Zeitangaben gelten für Berliner Zeit)
u Der Mond.
Aufgang
Untergang
15.
Nov.
Letztes Viertel
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35" Nm.
■23.
Neumond
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Erstes Viertel
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18
Nm.
11
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7.
Dez.
Vollmond
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Mg.
10.
n
Erdferne
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17
10
30
Vm.
1.5.
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Letztes Viertel
11
54
Ab.
0
42
Nm.
Maxima der Libralion: 21., 29. November, 6., 14. Dezember.
2. Die Planeten.
Merkur
Venus
Ueetas.
Declin.
Aufjf.
Uiitorg.
Reclaa.
Declin.
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Unterg.
13.
Nov,
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15.
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10 2.5 +11 30 9 27 ,.
II 41 Va.
13 37
— 9 28
2 34 ,
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Klongalion des Satiirntrabanten Titan: 21. Nov. wosll., 29. ösll., 6. Dez. wesll.,
14. Dez. Ö6tl. Klong.
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Hl
N c
1 p t u u
Roctas.
j Doclin.
Aufg.
Unterg.
12. Nov.
4b 7m
+ 1!)M2'
4I1 4sm
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•27. .
4 6
4-19 7
ll ■’ -
7 35 .
12. Dezb.
4 4
19 2 '
' 2 47 .
6 q
3. Beobachtbare Verfinsterungen der Jupitertrabanten.
18. Nov. n. Trab. Vcrfinst, Austritt 29“ Nm. (28“ nach Sonnenunterg’.).
25. , I. , . . 4 6 , (13 „ , ).
(Die weiteren Verfinsterungen der Trabanten werden wegen der Sonnennähen
Stellung des Jupiter allmählich nicht beobachtbar.)
4. Stembedeckungen durch den Mond.
(Für Berlin sichtbar.)
Griifse
Kintrill
18.
Novemb.
•v Virginia 4.4™
3^ 2"*
Mg.
•29.
• t Aquarii 4.0
5 1
Nni.
8.
Dezemb.
•t, Oemin. 3 — t
6 5
Austritt
4" G“ Mg.
6 II” Nm.
fi ,VJ -
5. Veränderliche Sterne.
a) Maxima variabler Sterne:
Maximum
Helligkeit
im
1!>89
nm
M.1X.
Min.
Kectas.
Dcclin.
R Tauri
:t0. Nov.
7.4»
13"
Ib 22«
1,3« 4- 9”
.55’
U Monocor.
18. ,
6.0
7.2
7
•25
29 — 9
,33
R Virginis
:S0. -
6.7
11
12
32
.53 4- 7
36
R Serpcnlis
ü. Dezb.
5.6
11
15
45
.Vi 4- 15
28
R Scuii
13. .
5
8
18
41
34 — 5
49
U Dyrac
6. ^
4.3
4.6
18
51
.57 4- 43
48
K Atjuilae
2G. Nov.
6.7
11
19
I
1 4- «
4
U Cephei
Algol
U Coronae
S Cancri
Y Cygiii
b) Minima der Stenic vom Algol-Typus;
19., 23., 28. Nov., 3., 8., i:i. Dez. Nachts.
IG. Not. Mg., 21. Ab, 27. Nm., 3. Dez. Mg.. 9. Mg., 14. Ab.
18. Nov. Mg., 24. Ab., 1. Dez. Ab.. S. Ab., I.i. Dez. Nm.
22. Nov. Ab., 2. Dezb. Mg., 11., Ab.
(Jedes 3, Min.): IG. Nov. Nm., 21. Mg., 2.V Nni., .‘!0. Mg., I. Dez
Nm., 9. Mg., 13. Mitt.
T Monoc. .
fi Lyrae
Tj Aquilae .
5 Cephei .
c) Minima einiger Veränderlicher kurzer Periode:
. 20. Nov.
. 27. Nov., 10. Dez.
. IG., 23., 30. Nov., 7., I.">. Dez.
. 18.. 23., 28. Nov.. I., 9., 14. Dez.
Digilized by Goqgle
112
6. Meteoriten.
Am 27. November haben die ..Andromedon“ ihr Maxiraum.*) sie werden,
da der Mond nicht sichtbar ist, gut wahrgenommen werden können, in diesem
Jahre allerdings nicht in ihrem Glanze. In der ersten Hälfte des Dezember
schwärmen auch die HOeminidon** (Maximum 10. Dez.); ihr Ausgangspunkt
liegt wenig westlich von Castor in den Zwillingen; der Mond wird der Beob-
achtung etwas störend sein. Bemerkenswerth ist noch ein um den 6. Dezb.
im „Stier“ aus dem Radiationspunkto von AR =r 80®, D=s-f-2Ji" entspringender,
nicht unbeträchtlicher Metoorilen<»trom; der Vollmond dürfte aber die Beob-
achtung sehr beeinti^htigen.
7. Nachrichten über Kometen.
Der Julikomet Brooks bewegt sich im November und Dezember mit
langsam abnehmender Helligkeit in den „Fischen*. Die Umlaufszcit des Ge-
stirns hat sich nach den jetz.t mehr mit einander überein.stimmenden Bahnen
der Rechner ungefähr gleich der des Fayeschen Kometen herausgestellt,
nämlich etwa 7'/* Jahre. Unter den anfangs August neben dem Kopfe des
Kometen aufgelretencn drei oder vier Nebclmassen scheinen, so viel die Mefs-
uiigen an den grofsen Fernrohren von Wien und ML Hamilton erkennen
lassen, Bewegungen vorfolgbar zu sein; auch eine Veränderlichkeit des Lichb'S
dieser merkwürdigen Gebilde ist in Wien bemerkt worden.
Der D avidsoiische Komet steht Anfang Novomber im centralen Theilo
des Herkules und bewegt sich mit ziemlich constantor schwacher Helligkeit
in der Richtung gegen Wega.
Der Barnardsche Märzkomet steht Anfang des Novomber im südlichen
Theilo des Wallfisches, und hat um den G. November wieder jene Lichthelle,
die er bei seiner Auffindung gezeigt hat.
•) HadUtionnpunkt AU=:2r>*. D=-|-44®.
Vc>rtng Ton Hermann Pactet in UerÜD. — I>ruck von Wilhelm Uronau'ii Buchdruckerei ln Herllo.
Für die Kedaction verantwortlich ; I>r. M. Wilhelm .Mojer in Berlin.
Unberechtigter Nachdruck aus dem luball dieser Zeilacbrin unteraagt.
Uet>er<iPttuDgsrecbt Vorbehalten.
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Der Thurm der Wiade in Athen.
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Die Anfänge der meteorologischen Beobachtungen
und Instrumente.
Von Dr. G. Hellmann,
Mitglied dce kgl. meteorologiecben InstKuU in Berlin.
ti der Entwicklungsgeschichte der meteorologischen Beobachtungen
lassen sich drei deutlich von einander getrennte Perioden unter-
scheiden.
Die erste, welche mit den Anfängen menschlicher Kultur anhebt
und etwa bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts reicht, bietet nur ver-
einzelte meteorologische Wahrnehmungen, denen die Regelmäfsigkeit
und eine zielbewufste Ausführung vollständig abgeht. Mit der zweiten
Periode beginnen die systematischen meteorologischen Beobachtun-
gen, welche Tag für Tag, bisweilen in noch kürzeren Zwischenräumen,
regelmäfsig fortgeführt werden. Diese erlangten jedoch erhöhte Bedeutung
erst nach der Erfindung der wichtigsten Instrumente, so dafs man
um die Mitte des 17. Jahrhunderts die dritte Periode, die der syste-
matischen instrumenteilen Beobachtungen, ihren Ursprung nehmen
lassen kann. Es bildet deshalb die Erfindung der meteorologischen
Instrumente die wichtigste Epoche in der Geschichte der Meteorologie
überhaupt; denn, wenn auch die praeinstrumentelle Witterungskunde
bereits manche Thatsachen richtig erkannt und insbesondere einen
reichen Schatz von Erfahrungen auf meteorologischem Gebiete an-
gesammelt hatte, so gestatteten doch erst wirkliche Messungen mit
Instrumenten quantitative Werthe und Verhältnifszahlen an die Stelle
von unbestimmten Abschätzungen des Mehr oder Minder zu setzen
BiiDinel uod Erde. 11. 3. 3
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114
und somit das Verstiindnifs der Abhäng'ig’keit der einzelnen W'ittemng^-
faktoren von einander erfolffreioh anzubahnen.
Die ersten Anlange dieser dritten Periode, der instrumentclien
Meteorologie, sollen uns iin Folgenden des Näheren beschäftigen. Zu
dem Ende müssen indessen zuvor noch einige wiclitige Thatsachen
aus den beiden vorangegangenen Perioden beigebraebt werden, um
die allmähliche Entwicklung der Heobachtungen und die natürlichen
Uebergänge und Zwischenglieder der eben unterschiedenen Zeit-
abschnitte deutlicher erkennen zu lassen. —
Von der Meteorologie als Wissenschaft spricht man mit Recht
erst seit wenigen Jahrzehnten, aber als Wissensgebiet besteht die-
selbe schon seit den ältesten Zeiten.
Bereits im Anbeginn der Kultur, als der Mensch noch nomadisirend
lebte, und erst recht später, als er sefshaft geworden war, Acker-
bau und Viehzucht betrieb, mufsten bei dem langen Aufontlialt im Freien
unwillkürlich allerlei Wahrnehmungen über Witterungserscheinungen
gemacht werden, die meisteutheils zwar noch unrichtig gedeutet und
aufgefafst wurden, allmählich aber doch zur Erkenntnifs von einer
Reihe wichtiger Thatsachen führten. Da bei der vom Menschen sicherlich
bald erkannten Abhängigkeit des Gedeihens der Feldfrüchte von der
AVitterung alle diesbezüglichen Wahrnehmungen einen praktischen
Hintergrund hatten, darf es uns nicht wunder nehmen, dafs wir schon
im grauen Alterthumo eine ziemlich weit entwickelte l^ehre von den
Wetterzeichen antrelTen: ein Ge.sichtspunkl, der für die Entwicklung
der Meteorologie nahezu zwei Jahrtausende hindurch ausschliefslich
bestimmend gewesen ist.
Theoretiker, wie Aristoteles, waren darum selten; vielmehr trug
die meteorologische lättoratur der alten Griechen und Römer zumeist
(las Gepräge von Aratus' „Bternerscheinungen und Wetterzeichen“,
welche insbesondere bei den praktisch gesinnten Römern in den Werken
der Geoponiker, d. h. derSohriftsteller Uber den Landbau, weiteren Ausbau
erfuhren. Ja, wenn man Columellas Calendarium rusticum durch-
sieht, in welchem fast für jeden Tag im Jahre die wahrscheinlich zu
erwai-tende Witterung, insbesondere die Windrichtung, verzeichnet
steht, mufs man annehnien, dafs schon zu jener Zeit, also unter Xeros
Herrschaft, regelinäfsig fortgesetzte Heobachtungen gemacht worden
sind. Indessen besitzen wir in den uns überkommenen AVerken des
klassischen Alterthuins kein einziges meteorologisches Tagebuch,
welches systematische AVitterungsaufzoichnungen enthielte. .Auch wissen
wir nicht, wer zuerst ein solches AVetterjournal geführt hat.
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115
Auf die Autorität Alexander von Humboldts hin nahm man
bisher gewöhnlich an, dnfs dies von Christoph Columbus auf seiner
ersten Falirt nach Amerika im Jalire 149’J geschehen sei. Nachdem
ich aber in dieses Tagebuch, dessen Echtheit ja obendrein von
manchen in Frage gestellt wird, nähere Einsicht genommen habe,
nnifs ich sagen, dafs hier von einer regelmäfsigen und einigermafson
planvollen Beobachtungsreihe keine Rede sein kann. Es sind immer nur
vereinzelte Bemerkungen über Witterungserscheinungen, die für uns
ein besonderes Interesse deshalb haben, weil darin zum ersten Male
einige charakteristische Verhältnisse im Klima der durchfahrenen Gebiete,
z. B. des Windstillengürtels, zum Ausdruck kommen.
Wie überall in der Natur und in der Geschichte, darf man viel-
mehr auch in unserem Falle eine allmähliche Entwicklung der
meteorologischen Beobachtungen aus der ersten Periode in die zweite,
d. h. aus vereinzelten in systematische, als naturgemäfs annehmen.
Die Chronikenschreibor pflegten schon im frühesten Mittelalter
Nachrichten, zunächst nur über ganz aufsergewohnliche Witterungs-
vorgänge, zu verzeichnen und später in immer mehr sich vervoll-
kommnenderWeise den Witterungscharakter der einzelnen Jahre, bisweilen
auch schon der Jahreszeiten, zu notiren. Aus diesen Anfängen heraus
hat sich meines Erachtens die systematische Witterungsbeobachtung
entwickelt. Irgend ein zur Beobachtung besonders geneigter Gelehrter,
vielleicht ein Mönch, hat zum ersten Male Tag für Tag die Witterung
verfolgt und in einem Kalender, einem Missale oder sonst einem
.\lltag8buche niederzuschreiben nicht vei-säumt.
Wer dies gethan, vermag ich freilich nicht zu sagen. Doch scheint
aus verschiedenen Gründen, die anzufiihren hier zu lang sein würde,
Italien auch in dieser Beziehung das Vorrecht zu gebühren; werden
wir es doch bald als das eigentliche Vaterland der instrumeutellen
Meteorologie kennen lernen. Als Zeitpunkt nehme ich die Mitte des
15. Jahrhunderts an.
ln Deutschland fallen die ersten regelmäfsigen Witterungsauf-
zeichnungen in eine etwas spätere Zeit, in den Anfang des 16. Jahr-
hunderts. Der Nürnberger Geistliche Johann Werner, welcher von
1493 — 98 in Rom lebte und später in seiner Heimath thiitig war,
scheint dieselben in den .fahren 1513 —20 gemacht zu haben; doch
werden in den nach seinem Tode von Johann Schoner im Jahre
1546 verölTentlichten „Canones sicut brevissimi, ita etiam doctissimi,
complectentes praecepta et observationes de mutatione aurae, clarissimi
mathematioi .loannis Verneri Norioi” die Beobachtungen nicht aller
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Tage mitgetheilt Dafür wird, entsprechend der in jene Zeit fallenden
Bliitho astro-meteorologischen Aberglaubens, jedeWitterungsersoheinung,
und sei es auch ein einfacher Gewitterregen, durch Konstellations-
Einflüsse der Gestirne zu erklären gesucht. Wirkliche tägliche
Kotirungen dagegen enthält ein werthvollos Manuskript der König-
lichen Bibliothek zu Dresden, welches eine „Auffmerckung der täg-
lichen Witterung über das Jahr 1576“ für Dresden nachweisL Es
soll entweder vom Kurfürsten August von Sachsen selbst oder
auf dessen unmittelbaren Befehl abgefasst sein. Da auch für die Jalire
1579—80 und 1581 82 ähnliche Witterungstagebücher noch vorhanden
sind, darf man eine längere, ununterbrochene Beobachtungsreihe vor-
aussetzen und annehmen, dafs die fohlenden Jahre verloren gegangen
sind. Bei dem regen Sinne jenes Fürsten für Kunst und Wissen-
schaften, sowie bei seiner (und seiner Gemahlin Anna) Vorliebe für
Alchimie und die mit dieser oft verbündeten Astrologie, erscheint
uns seine Antheilnahme an den täglichen Witterungsbeobachtungen
sehr wohl begreiflich. Die Geschichte der Meteorologie weifs noch
manche andere Fälle aufzuzählen, in denen Fürsten meteorologische
Beobachtungen selbst gemacht oder die Anstellung solcher unmittelbar
veranlafst haben; wird sich weiterhin doch noch Gelegenheit bieten,
zu zeigen, wie das erste meteorologische Bcobachtungsnetz der
Initiative eines Fürsten seine Entstehung verdankt.
Im übrigen gebührt zumeist den Astronomen jener Zeit das
V'erdienst, auch regelmäfsige Witterungsnotizen gemacht zu haben.
So führte Tycho Brahe auf seiner Sternwarte Uraniaborg von 1582
bis 97 ein sehr vollständiges meteorologisches Tagebuch, welches erst
vor wenigen Jahren durch die Dänische Akademie der Wissenschaften
veröffentlicht worden ist. Ebenso stellte Kepler seit 1604 in Prag,
seit 1628 in Sagan regelmäfsige Beobachtungen an, und auch die
analogen Aufzeichnungen, welche der Landgraf Hermann von
Hessen während der Jahre 1623 — 46 zu Kassel machte und später
(1651) unter dem Pseudonym Uranophilus Cyriandrus in dem
dickleibigen Werke „Historia Meteorologica, Das ist Vier und zwantzig
Jährige eigentliche vnd trewfleifsige Observation vnd tägl. verzeichnifs
des Gewitters,*) vom 1. Januar 1623 an bis zum letzten Dec. 1646 in
dreyen membris verfafst “ veröffentlichte, verdienen gleichfalls
•) Gewitter nannte man damals, was wir heute unter Wetter verstehen,
während unser heutiges Gewitter mit Donnerwetter, Unwetter u. dergl. bezeichnet
wurde.
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117
hier grenannt zu werden. Ihr Abschluls liillt in eine Zeit, zu der
in Italien bereits sämtliche meteorologische Instrumente erfunden
waren, also in den Anfang der dritten Periode in der Entwicklungs-
geschichte der meteorologischen Beobachtungen. Wir wenden uns
daher nunmehr der Betrachtung von deren Anfängen zu, verfolgen
die Erfindungsgeschichte der wichtigsten meteorologischen Werkzeuge
in derselben Ueihenfolge, in welcher sie entstanden sind, untersuchen
ihre Entwicklung und Vervollkommnung aber nur bis zu dem
.Stadium, in welchem sie bei der Ausrührung der ersten instrumentellon
Beobachtungen wirklich in Gebrauch kamen.
Weitaus das älteste aller meteorologischen Instrumente ist die
Windfahne. Eigentlich bedarf ein Beobachter an einer frei ge-
legenen Station keines Apparates zur Bestimmung der Windrichtung,
wenn er die Himmelsrichtungen kennt und eich mit der Unterscheidung
von acht Windrichtungen begnügt. Aber selbst die Eintheilung des
Horizontes und die Benennung der Himmelsrichtungen, welche uns
heutzutage als etwas ganz Selbstverständliches erscheinen, sind nicht
von Anbeginn der Kultur vorhanden gewesen, sondern haben sich
aus dem Bedürfnifs der Wissenschaft und der Praxis allmählich
herausgebildet. Es wäre eine ebenso interessante wie lohnende Auf-
gabe, die Entwicklungsgeschichte der Windrose des Näheren zu ver-
folgen; doch mag es an dieser Stelle genügen, das Wichtigste daraus
hervorzuheben.
Seneca (Medea 316) behauptet, dafs man in den ältesten Zeiten
keinerlei Himmelsgegenden unterschieden habe, weil die nur längs der
Küsten erfolgende Schifffahrt auf die Winde und deren Richtung wenig
Rücksicht zu nehmen hatte. Doch schon zu Homers und Hesiods
Zeiten, also im 9. und 8. Jahrhundert vor Christi Geburt, werden die
von den vier Hauptweltgegenden kommenden Winde mit Namen be-
nannt und ihre klimatischen Eigenschaften für Griechenland richtig
geschildert Boreas ist der kalte, brausende und einherstürmende
Nordwind, Euros oder (nach Hesiod) Agrestes der „klare und heUo“"
Morgenwind, Notos der feuchte Südwind und Zephyros der von den
Dichtem verherrlichte Westwind, welcher den Frühling bringt. In-
dessen darf die, offenbar durch den scheinbaren täglichen Lauf der
Sonne veranlafste Viertheilung des Horizontes nicht als eine Erfindung
der Hellenen aufgefafst werden. Dieselbe findet sich schon in phö-
nizischen Sagen angedeutet Dagegen ist in Griechenland diese ein-
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fachste Windrose orweiterl worden, indem man, wahrscheinlich schon
vor Herodot (ca. 600 v. Ch.), neben den vier Hauptwinden noch
ebensoviele Xebenwiude unterschied. Bei .Aristoteles (384—022
V. Ch.), dem ersten, welcher ein besonderes Buch über die Namen-
gebung der Winde geschrieben hat, erscheint die achttheilige Windrose
bereits als etwas längst Bekanntes. Gleichzeitig tritt aber auch eine
Zwülftheilung der Windrose auf, in welcher jedem der vier Haupt-
winde Je zwei Nebenwinde zugesellt sind. Da dieselbe in dem Werk
zepl x<apou Erwähnung findet, welches gewöhnlich dem Aristoteles
zugeschrieben wird, hat man mit Recht geschlossen, dafs diese Schrift
einen anderen Verfasser haben mufs, was auch aus anderen, rfJin
philologischen Gründen wahrscheinlich sein soll. Indessen scheint
die Eintheilung in acht Winde für die damaligen Bedürfnisse voll-
kommen ausreichend gewesen zu sein; denn diese Windscheibe fand
die meiste Verbreitung in Griechenland, während später im römischen
Reiche beide Einthoilungen. die acht- und diezwölftheilige, gleichberechtigt
nebeneinander bestanden. M. Terentius Varro und L. Aonnaeus
Senoca nennen zwölf Winde, wogegen C. Plinius Seoundus maior
und viele andere römische Schriftsteller deren nur acht angeben. Frei-
lich geht es dabei ohne einige Verwechslungen nicht ab, indem zuweilen
von verschiedenen Autoren verschiedene Winde mit demselben Namen
bezeichnet werden, eine Schwierigkeit, welche sich ganz besonders
geltend macht bei dem grofsen Architektur-Schriftsteller Vitruvius,
der zum ersten Male 24 Windrichtungen unterscheidet Dieser Ein-
theilungsversuch scheint indessen ganz vereinzelt geblieben zu sein;
denn als mit (hm Wiederaufleben der Wissenschaften im christlichen
Abcndlande auch über derartige Probleme wieder nachgedacht und
geschrieben wurde, ging man ausschliefslich auf die Zwölfzahl der
Winde zurück. Die grofsen Kirchenväter Isidorus Hispalensis
(im 7. Jahrhundert), Beda Venerabilis, llrabanus Maurus,
Gervasius, Honorius Augustodunensis u. A. nennen in ihren
kosmologischen Werken immer nur zwölf Winde, bald mit lateinischen,
bald mit griechischen Namen, obwohl schon zur Zeit Karls des
Grofsen (nach seinem Biographen Eginhart sogar von ihm selbst)
der wesentliche Fortschritt gemacht worden war, zur Bezeichnung
aller Winde nur die Namen der vier Hauptwinde (Nord, Ost, Süd
West) kombinatorisch zu benutzen. Die vonEginh art in derSchrift über
das Loben Karls des Grofsen mitgetheilte Windrose ist die folgende:
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IUI
Lateinisch
Zur Zeit Karls des Grofaen
■letzt
Bubsolanus
Östron i
Ost
Eurus
Ostsundroni
Ost-Süd-Ost
Euroauster
Sundostroni
Süd-Ost
Auster
SundrOni
Süd
Austroafricus
Sundwestroni
Süd-Süd-West
Afrious
Westsundroni
Süd-West
Zephyrus
Westroni
West
Corus
Westnord roni
Wost-Nord-West
Circius
Nordwestroni
Nord-West
Septentrio
Nordroni
Nord
Aquilo
Nordostroni
Nord-Nord-Ost
Vulturnus
Ostnordroni
Nord-Ost.
Diese geistreiche Art der Kombination von vier Namen zur
Bezeichnung aller Windrichtungen hat später so allgemeinen Anklang
gefunden, dafs bei allen europäischen Nationen, mit Ausnahme der
Italiener, die Namen der Winde germanischen Ursprungs sind. Wenn
ich noch hinzufüge, dafs die bis jetzt gebräuchliche Kintheilung des
Horizontes in 16 (später in 32 u. s. w.) Theile erst nach der Ein-
führung des Kompasses in der Schifffahrt zur Anwendung gekommen
ist, dürfte ich diese Frage hier wohl als erledigt betrachten und
nunmehr zur Urgeschichte der Windfahne selbst übergehen.
Die älteste Vorrichtung zur Beobachtung der Windrichtung, von
der wir Kunde haben, ist der „Thurm der Winde“ zu Athen, welchen
Andronicus Cyrrhestes, ein aus Syrien stammender, sonst aber
unbekannter Baumeister, etwa ums Jahr 100 v. Ch. gebaut hat. Dieser
heute noch in seinen wesentlichen Thoilen erhaltene Thurm ist im
Titelbilde nach einer modernen Photographie dargestellt.
Auf einem aus Marmor gefügten und nach den Himmelsrichtungen
orientirten Oktogon erhob sich ein kleines Dach, auf dessen centraler
Spitze die eigentliche Windfahne in der Form eines Tritons oder
Meergottes sich drehte. Derselbe stellte sich dem Winde entgegen
und zeigte mittels eines nach unten gekehrten Stabes, den er in der
rechten Hand hielt, auf die entsprechende Inschrift unterhalb des
Architravs, wo die griechischen Namen der acht Hauptwinde ein-
gemeifselt sind.
In echt künstlerischer Auffassung hatte Andronicus unterhalb
dieser Namen noch allegorische Figuren in Basrelief zurCharakterisirung
der verschiedenen Windrichtungen anbringen lassen. Zephyr, der
Frühlings wind, trägt Blumen im Schoofs, Boreas, der rauhe Nordwind,
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ist eingehüllt und hält eine Muschelschaale in der Hand, zum Zeichen
seiner Herrschaft über das Meer, u. s. w. Aufserdem befand sich an dem
Thurme eine Sonnenuhr, wie man aus den Stundenlinien in obiger
Abbildung noch jetzt sehen kann. Wer sich über dieses in meteoro-
logischer wie architektonischer Beziehung gleich merkwürdige Bau-
werk näher unterrichten will, den verweise ich auf die ausführliche, durch
zahlreiche Abbildungen unterstützte Beschreibung, welche Stuart in
seinem grofsen Werke „The Antiquities of Athens“ (Bd. 1 Kap. 3)
gegeben bat.
Der bereits oben genannte M. Terentius Varro, welcher des
Thurmes der Winde zuerst Erwähnung thut, liefs sich auf seinem
Landgute gleichfalls eine Windfahne aufstellen, welche sogar schon
so eingerichtet gewesen zu sein scheint, dafs man die Windrichtung
von innen ablesen konnte („ut intus scire possis“). Eis ist jedoch
sehr unwahrscheinlich, dafs die Windfahnen zu römischer Zeit eine
nennenswerthe Verbreitung gefunden hätten; denn es giebt weder ein
griechisches noch ein lateinisches Wort zur Bezeichnung derselben.
Die Namen petulum, ventilogium u. a. sind alle erst später gebildet
worden und bedeuten bei den Schriftstellern des Mittelalters den
Wetterhahn, der auch gallus genannt wurde.
Es war nämlich im christlichen Abendlande Sitte geworden, auf
die Kirchthurmspitzen eine Wind- oder Wetterfahne zu setzen, der
man wohl deshalb die Gestalt eines Hahnes gab, weil dieser Vogel
stets als Emblem klerikaler Wachsamkeit galt Wann und wo dieser
Brauch entstanden ist, liefs sich bis jetzt nicht ermitteln; doch führt
Beckmann in seinen werthvollen „Beiträgen zur Geschichte der Er-
findungen“, denen auch die vorhergehende Darstellung manche Angaben
verdankt, eine Stelle aus Ughellis Italia Sacra an, der zufolge der
Bischof Rampertus von Brixen in Tirol einen Wetterhalin auf der
dortigen Kirche bereits im Jahre 820 anbringen liefs.
An solchen Wetterhähnen mögen gar manche Beobachtungen
über Windrichtung^en, von denen wir keine Kunde mehr haben, ge-
macht worden sein; deutet doch schon der Name darauf hin, dafs man
durch wirkliche Beobachtungen zu der ganz richtigen Anschauung
gekommen war, dafs der Wind das Wetter mache. Indessen lassen
sich an Kirchthurm-Windfahnen in gröfserer Höhe, wie jedermann aus
Erfahrung weifs, selbst bei gutem Tageslicht 16 Richtungen nur mit
Mühe unterscheiden, so dafs es als ein grofser Fortschritt in der Be-
stimmung der Windrichtung gelten mufste, als gut funktionirende
-durchgehende“ Windfahnen, bei denen man die Richtungen auf einer
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an der Slubendeoke oder sonstwo im Hause befestigten Windrose zu
jeder Zeit aufs genaueste ablcsen konnte, konstruirt wurden und in
allgemeineren Gebrauch kamen. Soweit meine Nachforschungen bis
jetzt reichen, gebührt dieses Verdienst dem italienischen Kosmographen
Egnatio Danti, einem in der Geschichte der Astronomie rühmlich
genannten Professor zu Bologna (zuletzt Bischof von Alatri), welcher
in den siebziger Jahren des 16. Jahrhunderte mehrere solche Wind-
fahnen zu Bologna und zu Florenz aufstellen Hofs. Er nalim daraus
zugleich Veranlassung, in einer besonderen Schrift (Anemographia.
Bologna 1578. Fol.) die neue Konstruktion zu beschreiben und einen
für die damalige Zeit recht vollständigen Traktat über die Winde
überhaupt beizufügen. Dantis in Fig. 1 abgebildete Windfahne war
so eingerichtet, dafs die Windrose sowohl in horizontaler Lage an
einer Decke, als auch in vertikaler I.>age an einer Wand angebracht
werden konnte.
Während also schon frühzeitig Apparate zur genauen Beobachtung
der Windrichtung vorhanden waren, mufste fast noch ein ganzes
Jahrhundert vergehen, ehe auch ein Instrument zur Messung der
Windstärke erfunden war. Es ist dies das in Fig. 2 abge-
bildete „Pendel-Anemometer“, welches durch den Winkelausschlag
einer dem Winde senkrecht entgegenstehenden Tafel die relative Wind-
stärke zu messen gestattete. Die Erfindung dieses sinnreichen kleinen
Instrumentchens, welches später mehrfach wiedererfunden worden ist
und in moderner Gestalt als Wildscher Windstärkemesser auf euro-
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päischcn meteoroloprischcn Stationen viel gebraucht wird, schreibt man
gewöhnlich dem englischen Physiker Robert Hooke zu, der in einer
1667 durch die Royal Society in London besorgten Anweisung zur
Beobachtung des Wetters für Seeleute auf den Gebrauch dieses In-
strumentes hinweist. Doch wurde dasselbe möglicherweise schon früher
durch Rooko oder Wren angegeben. Es wird nämlich immer schwor
halten, die Erfindungsansprüche der einzelnen Mitglieder der Royal
Society in den ersten Jahren ihres Bestehens richtig gegeneinander
abzugrenzen, weil ihre Arbeiten, nach dem Muster der noch später
eingehender zu besprechenden Accadcinia del Cimento, gemeinschaftlich
unternommen wurden.
Thomas Sprat, dessen „History of the Royal-Society of London
for the improving of natural knowledge'“, 2. Ausg., London 1702, 4®,
obige Abbildung entnommen wurde, schreibt das Instrument R. Hooke
selbst zu, was bei den sonstigen Verdiensten dieses Mannes um andere
meteorologische Instrumente auch sehr wahrscheinlich erscheint.
Nach dieser vielleicht etw'as zu ausführlichen Beschreibung der
ersten Apparate zur Bestimmung der Richtung und der Stärke des
Windes, gehe ich nun dazu Uber, die Anfänge des Zweitältesten
meteorologischen lnstrumente.s, des Hygrometers, zu untersuchen. —
Die Eigenschaft vieler vegetabilischer und mineralischer Sub-
stanzen, mit wechselnder Feuchtigkeit der Luft ihre Dimensionen zu
verändern, scheint schon frühzeitig bekannt gewiesen zu sein; doch läfst
sich bis jetzt nicht mit Bestimmtheit sagen, wer zuerst sich unzwei-
deutig darüber geäufsert, und wer zuerst diese Eigenschaft zur wirk-
lichen Konstruktion eines Hygroskopes benützt hat.
Die älteste mir bekannte Andeutung eines solchen Instrumentes
findet sich in den Werken des Kardinals Nicolaus de Cusa, der
aus dem Dorfe Cues bei Trier stammte und eigentlich Chrypff (Krebs)
hiefs. Er sagt wörtlich: „Wenn jemand an einer grofsen Waage auf
der einen Seite viel trockene Wolle und auf der anderen Steine an-
hängt, so dafs dieselbe bei temperirter Luft ins Gleichgewicht kommt,
so wird er die Erfahrung machen, dafs, wenn die Luft zur Feuchtig-
keit neigt, das Gewicht der Wolle zunimmt und, wenn die Luft zur
Trockenheit strebt, abnimmL“ Der Autor fügt noch des weiteren hinzu,
dafs man hieraus „verisimiles coniecturas de temporum mutatione”,
also Wetterprognosen, machen könne.
Diese letztere Bemerkung, welche für die besonnene Anschauungs-
weise des Kardinals auf diesem Gebiete spricht, scheint mir um so
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beraerkenswerther, als in jener Zeit alle Wetterprog'nosen ausschliefslich
auf astro-meteorologische (inindsätze sich stützten.
Leider bietet sich keine Möglichkeit, das Jahr, in welchem Ni-
colaus de Cusa jenes erste Absorptionshygrometer vorschlug, genauer
zu fliiren; da er aber 1464 gestorben ist, dürfte etwa die Mitte des
15. Jahrhunderts dafür feslzuhalten sein. Daraus geht aber schon
zur Genüge hervor, dafs er berechtigtere Prioritätsansprüche als Lio-
nardo da Vinci hat, welchen die Italiener gewöhnlich als den Erfinder
des ersten Hygrometers bezeichnen. Dieser grofse Künstler, dessen
Verdienste um die mathematisch-physikalischen Wissenschaften noch
viel zu wenig bekannt sind, scheint nach der in seinen hinterlassenen
Manuskripten Vorgefundenen Zeichenskizze, welche Venturi ropro-
(luzirt, gleichfalls ein Absorptionshygrometer, auf dem Prinzip der
Waage beruhend, vorgeschlagen zu haben. Zur Ausführung ist das-
selbe wohl ebenso wenig, wie jenes von Nicolaus de Cusa gekommen.
Es wäre sogar sehr gut möglich, dafs Lionardo da Vinci die
Idee unseres Landsmannes in Zeichnung einfach nur wiedergegeben
hätte; Lionardo ist nämlich 1452 geboi-en und 1516 gestorben,
während die erele .Ausgabe von N. de Cusas Werken schon 1472
erschien.
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts begegnen wir bei Mizauld
lEphenierides aeris perpetuae, Lutetiae 1654, p. 49) der ersten Notiz
über den Einflufs der Luftfeuchtigkeit auf die Darmsaiten musikalischer
Instrumente, welche Thatsache si>äter zu wiederholten Malen zur Kon-
struktion von Hygroskopen benutzt worden ist, während einige Jahre
später Baptista Porta auf die hygroskopischen Eigenschaften der
Grannen des wilden Hafers zuerst aufmerksam gemacht zu haben
scheint. Er bemerkte nämlich ein Kinderspielzeug, welches darin
bestand, dafs an einer solchen Granne mit etwas Wachs leichte Blätt-
chen Papier befestigt waren, welche sich bald auf die eine, bald auf
die andere Seite drehten, je nachdem die Luft feucht oder trocken war.
Vielleicht fallt in jene Zeit auch die Entstehung der ,,Wettermännohen‘'
und „Wetterweibchen“, wie man sie heute noch auf dem Lande sieht,
■ledenfalls wurde wilder Hafer zu Anfang des 17. Jahrhunderts viel-
fach als hygroskopische Substanz verwerthet. Auffallend erscheint
mir nur die Bemerkung im Reisejournal von Monconys, dafs
Torri Celli, den er 1646 in Florenz besuchte, solche Hygroskope
konstruirte und ihm mehrere Grannen wülden Hafers schenkte, da
doch zu jener Zeit gerade in Florenz schon ein viel vollkommeneres
Instrument zur Beurtheilung der Luftfeuchtigkeit vorhanden war. Ich
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meine das erste Kondensations-Hygrometer, welches nach dem Zeugnifs
mehrerer Zeitgenossen von dem Grolsherzog Ferdinand II. von Tos-
kana erfunden sein soll. Dieses in Fig. 3 abgebildete Instrument hatte
folgende Konstruktion:
Ein (iefUfs aus Kork in der Form eines abgestumpften Kegels,
innen mit Pech bestrichen, aufsen mit Blech bekleidet, trägt an der
unteren Oeffnung einen konischen Glastrichter, dessen Spitze nach
unten gekehrt ist. Füllt man dieses auf einem Dreifufs sitzende In-
Ferdinand II., Grorsherzog von Toacana.
strument mit Schnee oder fein gestofsenem Eise, so wird der Wasser-
dampf der Luft an dem stark abgekühlten Glastrichter sich nieder-
schlagen und von demselben allmählich als tropfbares Wasser ablaufen.
Man mafs dessen Menge in einem darunter gestellten graduirten Mefs-
cylindcr, indem man aufserdem noch bestimmte, in welcher Zeit das
Mefsglas bis zu einem gewissen Punkte gerüllt war.
Wie man sieht, gestattete dieser Apparat, welchen der Grofsherzog
,,mostra umidaria“ (Feuchtigkeitszoiger) nannte, wirklich vergleich-
bare Messungen, während alle früheren Hygroskope doch nur ein sehr
allgemeines Urtheil über das Mehr oder Weniger der Luftfeuchtigkeit
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zu gewinnen erlaubten. Erst in diesem Jahrhundert ist man wieder auf
diese rationellste Form der Hygrometer
durch Kondensation der 'Wassordämpfe zu-
rückgekommen. Indessen darf nicht ge-
leugnet werden, dafs die _mostra umidaria“^
abgesehen von einigen wirklichen Fehlern,
für den fortlaufenden Gebrauch etwas um-
ständlich und deshalb zu regelmäfsigen
meteorologischen Aufzeichnungen nicht zu
verwenden war. In dem ersten meteorolo-
gischen Beobachtungssysteme, von dem
später die Hede sein wird, scheint das In-
strument darum nur gelegentlich benutzt
worden zu sein; ja ich fürchte, dafs man-
cher der italienischen Fürsten, denen Fer-
dinand II. im Jahre 1666 eine „mostra
uraidaria“ zum Geschenk machte, dasselbe
nie in Funktion gesetzt hat
Die ersten fortlaufenden Ilygrometerbeobachtungen, von denen
ich Kenntnifs habe, sind die von dem ausgezeichneten englischen
Physiker Robert Boyle am 30. Juni 1666 in Oxford begonnenen, zu
denen er sich eines Hygroskopes aus Moschusgras (Geranium
moschatum) bediente; sie sind in des Autors posthumen Werke „The
general history of the air, London 1692“ abgedruckt
(Schlufs folgt)
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Ein Rundgang durch das astrophysikalische Observa-
torium bei Potsdam.
Von Dr. f. Koerbor,
AMranomiacbem Abtbelluoiptvoratand dar ITrania in Berlin.
c '^ >»chon seit einer länfyeren Heihe von Jahren hatte sieh bei dem
Aufschwung der astrophysikalisolien Forschung in Fach-
kreisen mehr und mehr der Gedanke Bahn gebrochen, dafs
ein Institut, welches sich im Gegensatz zu den sonstigen Stern-
warten nicht sowohl mit den Stellungen der Himmelskörper, als viel-
mehr mit der Ergründung ihrer physikalischen Verhältnisse zu be-
schäftigen hätte, im deutschen Vaterlande ein fühlbares Bedürfnifs sei.
Ganz besonders die noch heute fast völlig räthselhaften und doch seit
so langer Zeit schon bekannten Vorgänge, welche wir an unserem
Tagesgeslim zu beobachten Gelegenheit haben, lenkten das Interesse
weiterer Gelehrtenkreise auf das Studium der physischen Beschaffen-
heit dieses für unser Leben und Bestehen wichtigsten Himmelskörpers,
und so wurde die Sehnsucht nach der Gründung einer „Sonnenwarte“
von Jahr zu Jahr eine immer lebhaftere. Erst im Jahre 1871 gelang
es jedoch, in dem damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm diesen
Bestrebungen einen mächtigen Gönner und Förderer zu gewinnen. Die
durch solche Anregung von Seiten der Staatsregierung in Angriff ge-
nommenen Erwägungen führten denn auch zu einem völlig befriedi-
genden und viele Erwartungen sogar noch übertreffenden Ziele. Es
entstand auf Grund der Berathungen der bedeutendsten vaterländischen
Gelehrten nicht nur eine „.Sonnenwarte“, sondern vielmehr ein all-
gemeines astrophysikalisches Observatorium, dessen Ziel nicht einmal
auf die Erforschung der physischen Beschaffenheit aller Himmels-
körper beschränkt ist, sondern dem die noch umfassendere Aufgabe
obliegt, die astronomischen Kenntnisse durch die Herbeiziehung aller
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127
Hilfsmittel der Physik und Chemie nach jeder mög'lichen Kichtung
hin zu erweitern.
Anlage und Einrichtung dieses eigenartigen Institutes, welches
schon seit mehreren Jahren vollendet ist und das Seinige zum Uuhni
und Ansehen deutscher Wissenschaft beiträgt, wenigstens durch Be-
schreibung kennen zu lernen, dürfte für die Mehrzahl unserer Leser
von Interesse sein. Ich lade dieselben daher freundlichst ein, mir zu
einem kurzen Rundgange durch das Observatorium zu folgen.
Eine gute Fahrstrasse führt uns in etwa einer Viertelstunde
vom Bahnhofe in Potsdam, alsbald sanft in einem höchst anmu-
thigen Birkenwald ansteigend, an das Hauptlhor der Anstalt Von der
Sternwarte selbst sind wir an diesem Punkte jedoch noch ein gutes
Stück entfernt; denn man hat es trotz der hier fast nur durch lieb-
lichen Vogelgesang gestörten Waldesruhe für nöthig erachtet, die Stern-
warte in den Mittelpunkt eines gegen die Aussenwelt völlig abgeschlos-
senen und für alle Zeiten vor jeder unerwünschten Veränderung ge-
schützten Gebietes zu verlegen.
Nachdem wir am Wohnhause der Maschinisten vorüber sind,
bemerkt unser Auge zunächst eia kleines rundes Gebäude, da-s, wie
wir unschwer errathen, der oberirdisch sichtbare Theil eines Brunnens
ist. Hier, nachdem wir bereits längere Zeit auf dem Sandboden
bergan gestiegen sind, mufs ein Brunnen unsere Neugier erwecken,
und wir hören auch auf unsere Anfrage, dafs dieser zur Wasser-
vei-sorgung der Anstalt nothwendig gewordene Brunnen thatsächlioh
die beträchtliche Tiefe von 4fi m. erhalten musste, um das Niveau
des Havelspiegels zu erreichen. Es wäre wunderbar, wenn ein
Institut, dessen Studium die physikalischen Verhältnisse aller Himmels-
körper umfasst, einen solchen Schacht nicht auch nutzbringend
für die Physik unseres Planeten zu verwerthen suchen sollte, und so
bildet auch wirklich dieser Brunnen, abgesehen von seinem prak-
tischen Zweck, ein geophysisches Observatorium eigener Art. Der
drei Meter im Lichten weite Schacht ist durch eine Wendeltreppe bis
zum Grunde zugänglich gemacht und in einer Tiefe von 24 m. unter
Tag(^ ist seitlich eine Beobachtungskammer angelegt, welche von der
Oberwelt durch besondere Röhren mit Licht und Luft versorgt werden
kann. An vielen Stellen des Brunnenschachtos sind ferner in den
Seilenwänden Erdthermomoter angebracht, welche es gestalten, die
Erdwärme in verschiedenen Tiefenlagen beständig zu beobachten. Für
F'allversuche und Pendelbeobachtungen ist über dom Schachte ein
Beobachtungshäuschen erbaut, welches vermittelst einer Klappe an
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Aufsenansicht des astrophysikalischeo Observatoriums bei Potsdam.
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der Decke geöfldet werden kann und su eine genaue Ermittelung des
Zenith- respective Nadirpunktes gestattet. Ein Blick in den Schacht,
in dessen Tiefe man die Bewegung an der Pumpe eben noch wahr-
nehraen kann, gewährt einen eigenthümlichen Keiz. Die beiden hoch-
interessanten Kördermaschinen, welche das Wasser aus dem Brunnen-
kessel bis zu einem im höchsten Punkte des gesamten Gebietes be-
ßndlicheu Reservoir heben, beflnden sich in einem dem Brunnen be-
nachbarten Maschinenbaus und sind durch ein sogenanntes hydrau-
lisches Gestänge mit der im Grunde des Schachtes slationirten Pumpe
verbunden. Neben diesen Maschinen beherbergt das Maschinenbaus
auch eine kleine Gasanstalt, welche die für die Beleuchtung des aus-
gedehnten Anstaltsgebietes erforderliche nicht unbedeutende Gasinenge
erzeugt.
Lenken wir jetzt unsere Schritte dem eigentlichen Ziele näher,
so erblicken wir vorerst noch die Wohnhäuser für die an der An-
stalt thätigen Gelehrten, von denen das stattliche Haus des Direktors
dem Hauptgebäude am nächsten steht.
Die Sternwarte selbst, vor die wir nun endlich gelangen, ist, wie
unsere Abbildung erkennen lässt, in einfachem, aber geschmackvollem
Styl erbaut und zeigt in allen Theilen edle Formen. Der Bau gliedert
sich in drei Abtheilungon, deren mittlere die wichtigsten Räumlich-
keiten in sich schliesst und einerseits durch die mächtige Haupt-
kuppel, andererseits durch einen Thurm über dem Eingänge geziert
ist, welcher letztere, wie wir vorwegnehmend bemerken, das bereits
vorhin erwähnte Wassen'eservoir enthält. Vor den Seitenthürmen
erblicken wir hölzerne Vorbauten, welche die meteorologischen In-
strumente bergen, deren Gang hier — wie auf jeder Sternwarte —
wegen der vielfachen Wechselwirkungen zwischen dem Witlerungs-
zustande und den Beobachtungsergebnissen abgelesen und aufgozeichnot
werden mufs.
Ein genau den Meridian weisender Gang führt uns, nachdem
wir eingetreten, bei den Arbeitszimmern der verschiedenen Gelehrten
vorüber, in denen dieselben am Tage theils den Plan für künftige
Untersuchungen entwerfen, theils die meist höchst mühevolle und lang-
wierige Bearbeitung der angestellten Beobachtungen durchführen. Zur
Linken bemerken wir ein korapassähnliches Instniment; doch sehen
wir den die Himmelsrichtungen weisenden Zeiger sich bewegen. Es
wird hier vermittelst elektrischer Uebertragungen der Stand einer
auf dem Thurm befindlichen Windfahne angegeben. — Am Ende des
Hauptganges wenden wir uns links in ein physikalisch -chemisches
Himmel uod Erde> II. 3. n
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130
Ijaborutorium, das ausser den vielen /.u photographischen und spektro-
skopischen Arbeiten nöthigen Chemikalien mannigfache genaue Mess-
apparate enthält. Eine zufällig offenstehende Thür gestattet uns von
hier aus einen flüchtigen Blick in das anstossende Arbeitszimmer des
Direktors, Herrn Prof. H. C. Vogel. „Beschäftigt man sich hier auch
mit der Erforschung der Welt in ihren kleinsten Theilen?" fragen wir un-
willkürlich, denn am grossen Tische sehen wir die Herren Astronomen
eifrigst mit mikroskopischer Beobachtung besohäfügl. Man theilt uns
jedoch mit, dafs da.s unter dem Mikroskope belindliche Objekt nichts
anderes ist, als eines jener photographirten Fixsternspektra, über
deren neuerdings in überraschend schönem Mafse gelungene Fixiriing
Herr Dr. Schein er bereits im vorigen Jahrgang unserer Zeitschrift aus-
führlich berichtet hat. Der Astronom mufs sich hier des Mikroskopes
bedienen, um die äusserst zahlreichen feinen Linien in dem kaum ein
Millimeter breiten und nur wenige Centimot(‘r langen Bilde erkennen
und besonders ihre gegenseitige Lage messend bestimmen zu können.
So ist es denn wahr, wie wunderlich es auch klingen mag, dafs hier
am Mikroskop die Geschwindigkeiten ermittelt werden, mit denen sich
die Fixsterne uns nähern oder von uns entfernen.
Wir gelangen nun in ein geräumiges Zimmer, das zu op-
tischen, namentlich spektroskopishon Untersuchungen bestimmt ist Auf
einem grossen Pfeiler in der Mitte ruht ein neues, von Bamberg kon-
struirtes Riesenspoktrometer, dessen lichtstarke Fernrohre die An-
wendung einer sehr grossen Dispersion gestatten, während gleichzeitig
ein fein gethoilter Kreis sowie ein vorzügliches Ocularmikrometer die
genaueste Lagenbestimmung der fast zahllosen Linien des Sonneii-
spektrums ermöglichen.
Vom Fenster her leuchtet ein heller Sonnenstrald in unveränder-
lich wagerechter Richtung in das Zimmer hinein. Mit Hilfe eines
geistvoll erdachten, in bestimmter Weise durch ein Uhrwerk langsam
bewegten Spiegels — eines Mechanismus, den man Heliostat nennt — ist
es hier gelungen, das „sta sol, ne moveare“ in gewissem Sinne zu
verwirklichen und den Lichtstrahl stillzuhalteii, damit er sich einer
genauen Untersuchung durch den Astronomen geduldig unterziehe.
— Neben dem grossen, neuen Spektrometer bemerken wir in diesem
Saale auch ein älteres von geringeren Dimensionen, das von Schröder
in Hamburg konstruirt ist und sich besonders durch die höchst sinn-
reiche automatische Einstellung sämtlicher 19 Prismen auf das je-
weilige Minimum der Ablenkung auszeichnet. Dieses vorzüghehe
Instrument hat bereits bei einer minutiösen Ausmessung des Sonnen-
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131
Spektrums wichtige Dienste geleistet. — Au den Wänden dieses Saales,
in dem auch zahlreiche Beugungsgitter, welche bekanntlich die Pris-
men in einem Spektroskope ersetzen können, aufbowahrt werden, sehen
wir Abbildungen zahlreicher Spektra, theils nach Kirchhoffs luid
Huggins’, theils nach Prof. Vogels eigenen Beobachtungen.
Während wir nun links durch eine der in unserer Abbildung dos
Observatoriums sichtbaren Säulenhallen zu der bereits recht stattlichen, im
Ostthurme untergebrachten Bibliothek gelangen können, treten wir rechts
in eine unter der llauptkuppel innerhalb des den grolsen Refraktor
tragenden Hohlpfeilers befindliche Rotunde. Dieselbe dient als Aus-
stellungs- und Uhron-Raum. Eine nach mittlerer Zeit und eine nach
Stemzeit gehende Pendeluhr, sowie eine gröfsorc Zahl tragbarer Chrono-
meter beweisen uns durch ihr feierlich ernstes Ticken, wie unentbehrlich
für den Astrophysiker die genaue Kenntnifs der Zeit ist. Die Wände
sind auch hier durch kunstvolle Abbildungen verschiedener himmlischer
Objekte geschmückt, und auf einem Tisch in der Mitte des Saales
liegt die neu eingegangene Litteratur aus. Hier finden wir die „Astro-
nomischen Nachrichten“, das Centralorgan der astronomischen VV’elt,
die namentlich durch ihren vortrefflichen Literaturbericht ausgezeich-
nete „Vierteljahrsschrift der astronomischen Gesellschaft“, ferner die
englischen und französischen Fachblätter, daneben aber bemerken wir
die Jahresberichte von Sternwarten aller Wolttheile und die bedeut-
sameren neu erschienenen Werke astronomischen und physikabschen
Inhalts.
Südlich stöfst an diese Rotunde ein Vorbau an, der ein grofses,
parallel der Weltaxe festgelegtes Fernrohr mit photographischem Objek-
tive in sich schbefst, in welches durch einen sich kontinuirbch und lang-
sam in passender Weise drehenden Spiegel, einen Heliostaten, zu jeder
Tageszeit das Bild der Sonne reflektirt werden kann. Dieses Instrument
wird als Hebograph bezeichnet, da es lediglich dazu dient, so oft als
möglich die Sonne in der Zeit von wenigen Tausendsteln einer Sekunde
ihr Abbild auf eine empfindliche Platte selbst zeichnen zu lassen. Es
werden mit diesem Instrumente äusserst detailreiche Sonnenphoto-
gramme in der Gröfse von 10 bis 30 cm Durchmesser gewonnen, wie
ein solches bereits dem ersten Hefte gegenwärtigen Jahrgangs dieser
Zeitschrift beigegebon wurde.
Rechts stöfst an die Rotunde ein weiterer Saal, welcher eine
gröfsere Reihe physikalischer Instrumente und die zur eigenen Kon-
struktion irgendwelcher Vorrichtungen nöthigsten Materialien beherbergt
Wir finden hier zum Beispiel den in Figur 2 abgebildeten Apparat
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zur Ausmessung der mit dem Torhiu beschriebeuen Heliographen ge-
wonnenen Sonnenphotogramme. Nachdem die Platte mit Hilfe des
auf ihr gleichzeitig abgebildeten Fadens
orientirt worden, legt man die in der
Abbildung sichtbare, in Quadrate einge-
theilte Olasscheibe darauf und bestimmt
mit dem in zwei Richtungen beweglichen
Mikroskope, das mit einem Fadenmikro-
meter versehen ist, die genaue Lage der
auf dem Bilde sichtbaren Flecken und
Fackeln. In solcher Weise wird jene
genaue Statistik der Sonne ermöglicht,
die schon zu mancherlei interessanten,
unseren Lesern aus dem ersten Hefte
Fig. 2. Apparat zur Auameaaung dieses Jahrganges bekannten Ergebnissen
der Sonnenphotograsime. geführt hat
Durch die westliche Säulenhalle begeben wir uns, um nun zur
eigentlichen Sternwarte zu gelangen, in den auf dieser Seite befind-
lichen Thurm und steigen zwischen der Aussenmauer und dem mäch-
tigen centralen Pfeiler des Instruments zur Kuppel empor. Hier ge-
wahren wir einen stattlichen Refraktor von Qrubb in Dublin, der wie
die beiden anderen Hauptinstrumente parallaktisch montirt und mit
einem Uhrwerk verbunden ist, um dem scheinbaren täglichen Laufe
der Gestirne beständig ohne Zuthun des Astronomen folgen zu können.
Dieses Fernrohr dient am Tage zu besonderen Studien an der Sonne,
steht aber des Nachts für beliebige Untersuchungen zur Verfügung,
während die übrigen Instrumente, wie wir gleich sehen werden, gegen-
wärtig lediglich zu bestimmten grofseren Arbeiten verwendet werden.
Der Weg zum Hauptinstrumente führt uns jetzt über ein ebenes
Dach, welches am Tage sowohl, als besonders auch bei hellem Mond-
schein eine unvergleichlich schöne Aussicht auf die stille, wald- und
seenreiche, von anmuthigon Hügelreihen mit sanften Profillinien durch-
zogene Umgebung gewährt. Wohl wenige Sternwarten giebt es, welche
so nahe dem regsten und lebendigsten Verkehr und doch gleich-
zeitig inmitten so herzerfrischend stimmungsvoller Naturschöuheiten
gelegen sind.
Doch wir wollen unserem ästhetischen Gefühle an dieser Stelle
nicht lange nachhängen und treten darum alsbald in die grofse Mittel-
kuppel ein, deren mächtige Wölbung mit dem darunter majestätisch
auf hoher Säule ruhenden grofsen Refraktor auf jeden empfänglichen
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Beschauer einen erhabenen Eindruck machen muss. Ein weihevolles
Andachts^fühl überkommt den, der zum ersten Mal einen solchen
Tempel der Wissenschaft betritt, ohne dafs es nöthij)' wäre, seine Sinne
durch Weihrauohduft zu berauschen. — Das vortreffliche, von Hepsold
in Hamburg verfertigte und mit einem tadellos gleichförmig laufenden
Uhrwerk versehene Instrument dient gegenwärtig lediglich zur Her-
stellung der schon Seite 130 erwähnten photographischen Sternspektra
unter Zuhilfenahme eines besonders zu diesem Zwecke gefertigten
Stemspektrographen, den unsere Figur 3 zur Anschauung bringL
An Stelle des Okularmikrometers ist das knieförmig gestaltete, stark
zerstreuende Spektroskop an den Refraktor angeschraubt. Die bei
anderen Sternspektroskopen in Anwendung kommende Cylinderlinse,
welche das zu einer farbigen geraden Linie ausgedehnte Sternbild
vor dem Eintritt in das Auge zu einem Bande zu verbreitern hat, damit
man die im Spektrum enthaltenen Lücken als Linien w'ahmehmen
kann, fohlt bei dem hier vorliegenden, neuen Instrument. Die Ver-
breiterung des Spektrums zu einem schmalen Bande wird hier auf
der photographischen Platte vielmehr nur durch eine sehr geringe
Retardirung des das Fernrohr bewegenden Uhrwerks erzielt, welche
die Spektrallinie langsam nach der Seite verrückt. Es wird dadurch
ein ziemlich vollkommenes Zusammenhalten der wirksamen Licht-
strahlen ermöglicht, und gerade durch diese neue Methode sind die
schönen Erfolge des Verfahrens wesentlich mitbedingt.
Nur ein Theil des aus den Prismen austretenden Lichtbündols
wird zur Beobachtung benutzt, und zwar vom Grün bis zum Violett.
Die grünen Strahlen werden durch ein totalreflektirendes Prisma auf-
gefangen und seitlich abgclonkt, sodafs mittelst eines Okulars dieser
Spektraltlieil mit dem Auge beobachtet werden kann, während das
blauviolette Ende des Stemspektrums in die photographische Miniatur-
kamera eintritt, um dort die Lichtschwingungen in chemische Arbeit
umzusetzen. Die von der Vorderfläche des ersten Prismas reflektirten
Lichtstrahlen gelangen in ein kleines am Apparate angebrachtes Fern-
rohr, durch welches die Stellung des Sternes im Spalt des Spektro-
meters jederzeit kontrolirt werden kann.
An jedem heiteren Abend finden wir hier natürlich die Arbeit an
dem grofsen Werke der spektrographischen Himmelsdurchmusterung
im vollsten Gange. Ein eigentliUmliches, auf die Dauer nicht gerade
angenehmes Summen macht dann auf den uneingeweihten Zuschauer
einen fast unheimlichen Eindruck. Dasselbe entsteht durch die Strom-
unterbreebungen eines kräftigen elektrischen Induktionsapparates,
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Fi^. 3. Der Stem-Spelrtrograpb am grofaen Refraktor der Potadamer Sternwarte.
trollirung der richtigen Stellung des Fernrohrs. In einer Stunde ist
bei helleren Sternen und normaler LuftbeschafTenheit die Aufnahme
eines Spektrums beendigt.
Besuchen wir endlich noch die dritte, östliche Kuppel, so finden
wir auch das hier aufgesteUte Fernrohr gegenwärtig zu einer ausge-
dehnten Arbeit verwendet. Es handelt sich hier ebenfalls um eine Durch-
musterung der Fixsterne, aber das Licht derselben wird diesmal nicht
welcher das Erglühen einer mit Wasserstoff gefüllten Geisslerschen
Röhre bewirkt, deren mitabgcbildeles aus wenigen hellen Linien be-
stehendes Spektrum auf der photographischen Platte die zum Ver-
Btändnifs des Stomspektrums nöthigen Fixpunkte liefert Das Auf-
nahmeverfahren selbst ist, sobald die mangels eines Okulars
etwas schwierige Einstellung gelungen ist, ein sehr einfaches und
beansprucht vermöge der Güte des L’hrwerkes nur selten eine Kon-
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qualitativ, sondern nur quantitativ untersucht. Die Hellig'keiten aller
bei uns beobachtbaren Sterne bis zur achten Gröfsenklasse herab
sollen mit Hilfe eines Zöllnerschen Astrophotometers bestimmt worden,
eine jetzt erst in ihren jVnfangsstadien beg-riffene, höchst au.Sftedehnte
und mülievolle Arbeit, die aber nach ihrer Vollendung eine wichtige
Grundlage für mancherlei Probleme bilden wird, deren wichtigste ira
sechsten und siebenten Hefte des ersten Jahrgangs dieser Zeitschrift
von Herrn Prof, Seeliger aiiseinandergesetzt worden sind.
Wir habcsn damit die eigentliche Sternwarte in Augenschein ge-
nommen; aber bevor wir das Haus verlassen, winl noch ein Gang
durch das Erdgeschoss, das Fremden sonst freilich völlig verschlossen
bleiht, intcres.sant sein. Wir sehen hier die Maschinen zur Central-
heizung, eine kräftige Dynamomaschine mit (lasmotor zur Erzeugung
elektrischen Lichtes in allen Häumen des Gebäudes, eine Tischler-
und eine Mechaniker-Werkstatt, Weiter gelangen wir in einen Raum,
welcher zu den gröberen photographischen Arbeiten benutzt wird;
auch gewahren wir in einem atisto.ssenden Raum verschiedene gal-
vanische Batterien, und schliefslich trelTon wir noch ein wissenschaft-
liches Ijaboratorium, in welchem mit Hilfe des in Figur 4 abgebildeten
Pendelapparatcs vor kurzem eine sehr genaue Bestimmung der Dichtig-
keit der Erde ausgeführt worden ist. Die Wägung unseres Planeten ist
hier in der Weise bewerkstelligt wonlen, dafs die Anziehung, welche
die zwei in der Abbildung sichtbaren gusseisernen Cylinder von je
350 Kilo Gewicht auf ein l-’endel ausüben, verglichen wird mit der be-
kannten Anziehungskraft der Erde. Die Beobachtung der Veränderung
iler Pendollage je nach der Stellung der Gewichte geschalt dabei durch
den engen Thürspall von einem Nebenraurae aus, sodafs der Apparat
völbg gegen Störungen durch die Anwesenheit des Beobachters ab-
geschlossen war.
Beim Weggang von der, wie w'ir sahen, in allen Theilen eine
rege Thätigkeit entfaltenden Stornwarttt wird unser Blick noch durch
zwei kleinere Häuschen westlich vom Hauptgebäude gefesselt. Das
eine mit hölzerner Wandung schliefst ein Universal-Durchgangsiustru-
ment von Bamberg in sich, mit welchem regelmäfsig die Zeit bestimmt
winl, und das vor einigen Jahren auch zur Ertnittelung der geogra-
phischen Breite des Observatoriums verwendet worden ist. Der andere
kleine Bau aus Backsteinen trägt eine eiserne Drehkuppel. Dem Ein-
tretenden zeiget sich das in Figur 5 dargestellte Bild. Dieses wunderbare
Fertirohr von aufsorgewöhnlicher Form und Aufstellung wird demnächst
seiner Bestimmung, an der Horstollung der photographischen Himmels-
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Fi^. 4. Apparat zur Bestimmung der Erddichte.
Fig. 5. Der Potsdamer photographische Doppelrefraktor.
13Ö
karte mitzuwirken, übergotten werden. Das von Repsold in Hamburg
gefertigte Instrument ist zunächst durch eine neue Art der Aufstellung
interessant. Die Säule, auf welcher das Fernrohr ruht, steht nämlich
nicht senkrecht, sondern ist derart kniefdrinig gebogen, dafs der obere
Theil die Richtung der Erdaxe angiebL Dadurch ist eine in allen
I>agen vollkommen unbehinderte Bewegung des Fernrohrs ermöglicht,
während bei der gewöhnlichen Aufstellung oft gerade bei den sonst
günstigsten Beobachtungen in der Nähe des Zoniths und Meridians
ein Umlegen des Fernrohrs nach der anderen Seite der Säule erforder-
lich wird. Die Möglichkeit, stets in der unteren Lage des Fernrohrs zu
arbeiten, gewährt auch für den die Aufnahme überwachenden Astro-
nomen bei der Länge der Expositionsdauer sehr wesentliche Vortheile.
Das Rolir selbst besitzt, wie unsere Abbildung zeigt, einen fast ellip-
tischen Querschnitt Es rührt dies daher, dafs es zwei Fernrohre in
sich vereinigt deren optische Axen genau parallel sind. Ein photo-
graphisches Objektiv von 13 Zoll Durchmesser entwirft das Bild der
jeweiligen Himmelsgegend auf die in einer Kassette am anderen Ende
des Rohres befindliche Bromsilbergelatineplatte. Daneben aber dient
ein gewöhnliches Fernrohr von 9 Zoll Objektivöffnung zur genauen
Führung des Instrumentes währeud der Exposition. — Durch dieses
Instrument ist sonach Deutschland in den Stand gesetzt, sich an
der Herstellung einer photographischen Himmelskarte, welche auf
dem Pariser Kongress von 1887 beschlossen wurde, zu betheiligen,
und somit an dem in dieser Zeitschrift schon wiederholt besprochenen
internationalen Wettkampfe im Dienste der photographischen Himmols-
forschung theilzunehmen.
Wir verlassen nunmehr den Boden dieses dem Himmel geweihten
Haines mit der frohen Ueberzeugung, dafs wir von hier für die Folge-
zeit immer neue und vermehrte Beiträge zum Fortschritte der Königin
der Wissenschaften erwarten dürfen.
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Die diesjährigen Beobachtungen zur Ermittelung der Entfernung
der Erde von der Sonne.
Bekanntlich ist unsere KenntniTs des Winkelwerthes, welchen
man die Parallaxe der Sonne genannt hat und aus dem uumittelbai'
die Entfernung der Erde von der Sonne gefolgert werden kann, noch
immer nicht zu einem völlig sicheren Abschlufs gelangt. Der Betrug
von 8.848 Bogonsekunden, der von Newcomb aus den neueren Beob-
achtungen gezogen ist‘) und gegenwärtig ziemlich allgemein bei astro-
nomischen Rechnungen verwendet wird, kommt der Walirheit jedenfalls
sehr nahe, bedarf aber noch weiterer Sicherstellung und Verschärfung.
Unter den Methoden, welche sich zur Ermittelung des kleinen Winkel-
betrages der Sonnenparallaxe eignen, ist namentlich in neuerer Zeit
die Beobachtung der Venusvorübergänge vor der Sonnenscheibe für
eines der vorzüglichsten Mittel gehalten und zuletzt in den Jaliren 1874
und 1882 angowendet worden. Das Wesen und die grofsen Vortheilo
dieses Weges auseinanderzusetzen ist hier nicht der Ort; vielmehr
soll nur auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht werden, denen
die Beobachtung der Zeit der Ränderberührung von Sonne und Venus
oft begegnet. Diese Schwierigkeiten liegen in der Unruhe und dem
Wallen des Sonnenrandes sowie in den störenden Einflüssen der Irra-
diation und der Venusatmosphäre. Schon vor 17 Jahren verwies der
Direktor der Breslauer Sternwarte, Professor Galle, auf eine Metliode
zur Bestimmung der Sonneuparallaxe, bei welcher diese Faktoren
ganz wirkungslos gemacht werden. Diese Methode besteht in der Be-
obachtung eines jener „kleinen“^ Planeten, welche der Erde nahe (bis
Dieser Parallaxonworth gniiidct sich auf die neueren Meridian- und
Oppositions-Beobachtungen des Mars, auf die früheren Venusdurchgänge, die
paraUaktische Ungleichheit der Mondbewogung. die Mondgicichung der Erde
und auf Foucaults Bestimmung der Lichtgesrliwuidigkeit.
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auf 0.8 der Sonneuentfemung) kommen können. Zur Zeit der
günstigen Opposition eines solchen Planeten hat man nämlich an ver-
schiedenen Orten der Erde korrespondirende Distanzmessungen aus-
zuführen d. h. es sind an je zwei, ein und demselben Meridiane mög-
lichst nahe gelegenen Orten der Nord- und Südhemisphäre die Abstände
der Sterne von dem Planeten zu bestimmen und zwar, um die Instru-
mentalfehler gut zu eliminiren, je eines nördlich dem Planeten vor-
ausgehenden und eines südlich ihm folgenden Sternes (oder umgekehrt).
Jede dieser in der Deklinationscoordinate gemachten Messungen giebt
eine Gleichung mit 2 Unbekannten, deren eine die geocentrische
Differenz Stern-Planet und deren andere die Korrektion ist, welche
man zu einem angenommenen Näherungswertho der Sonnenparallaxe
hinzuzufügen hat. 2) Aus der Verbindung je zweier Beobachtungen
lassen sich die Unbekannten, und durch Auflösung des aus allen Be-
obachtungen entstehenden Oleichungssystems der wahrscheinlichste
Betrag der Korrektion finden, um welchen die angenommene proviso-
rische Sonnenparallaze noch verbessert werden mufs. Die V'ortheile
der Methode sind offenbare: Planet und Stern unterscheiden sich dem
Anscheine nach im Fernrohre durch nichts von einander und die
Messung der Abstände zweier solcher Objekte von nicht zu verschiedener
Lichtstärke kann mittelst unserer heuügen Mefsvorrichtungeu (Fadenmi-
krometer oder Heliometer) mit völliger Schärfe vorgenommen werden ;
ferner umgeht man die Seltenheit der Venusvorübergänge und die damit
öfters verbundene Kostspieligkeit von Beobachtungs- Expeditionen voll-
ständig, da sich unter den bis jetzt entdeckten 286 kleinen Planeten eine
ganz beträchtliche Zahl vorfindet, die der Erde nahe kommt und zu
häufigen Oppositionsbeobachtungen Gelegenheit giebt, so dafs es nur der
bezüglichen Kooperation der nördlichen und südhehen Sternwarten be-
darf, um durch korrespondirende Messungen die Sonnenparallaxe be-
stimmen und durch Wiederholung an verschiedenen Planeten den
resultirenden Worth beliebig weit verschärfen zu können. Galle hat
seine Methode gelegentlich der Opposition dos Planeten „Flora“ im
’) Bezeichnet man mit r. die näheruugsweiso Parallaxe, mit % ihre Kor-
rektion. mit S die Deklination des Sternes, mit U die geocentrische Deklination
des Planeten und mit die gemessene Deklinaüons-DiCTerenz, so ist die
Gleichung für den einen Beobachtungsort
D = 5 -(- A4 p (t: x)
wo p einen aus der geographischen Lage des Ortes hervorgehenden Faktor
bedeutet Für den zweiton Ort ist ähnlich
D = 8 -f A4' -f p' (r -t- x)
Ba ist selbstverständlich, dafs die Zahlen für D und A4 auf eine und dieselbe
Zeit reduzirt w'orden müssen.
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Jahre 1873 zur Anwendung gebracht und bei derselben das Zusammen-
wirken von 0 nördlichen und 3 südlichen Sternwarten veranlafst; aus
132 gemessenen Deklinations-Difierenzen ergab sich die Parallaxe von
8.879 Bogensekunden. Seither hat man durch weitere Anwendung
des Verfahrens bei den Uppositionen einiger anderer Planeten die
Brauchbarkeit der Methode würdigen gelernt und namentlich hat
der Direktor der Sternwarte der Capstadt, Gill, durch eifrige Mit-
wirkung und Vorbereitung bei den Beobachtungsplänen viel für
die Befestigung der Methode gethan.®) Im gegenwärtigen Jahre
bietet sich nun durch die günstigen Oppositionen der Planeten
, Victoria“ und „Sappho“ abermals Gelegenheit, in der Feststellung
des Werthes der Sonnenparallaxe einen Schritt weiter zu thun.
Gill hat nicht nur wohldurchdachte Programme entworfen, nach
welchen die Beobachtung dieser beiden Planeten vorgenommen wor-
den sollten, sondern hat auch die Mitwirkung einer Reihe anderer
Sternwarten gesichert Nach diesen Plänen war „Victoria“ vom Juni
bis August zu beobachten (die Opposition fand am 16. Juli statt,
der Planet hatte die Helligkeit eines Sternes von der Orüfse 8.1),
.Sappho“ im September und Okotober (Opposition am 8. Oktober,
Helligkeit 9.2 Die Abstände der Sterne von den Planeten sollten
durchaus mittelst der Heliometerinstrumente, jetzt des genauesten Werk-
zeuges für solche Zwecke, bestimmt werden und die Programme gaben
die Stempaare (37 für Victoria, 38 für Sappho) an, deren Differenzen
an den einzelnen Tagen bei den für Parallaxenermiltelung günstigsten
Stellungen d. h. bei solchem tiefen Stande, wo noch gute Messungen
ausführbar sind, zu ermitteln waren. So viel ans den vorläufigen
Nachrichten ersichtlich ist, sind die Victoria-Beobachtungon am Cap
von vorzüglichem Wetter begünstigt gewesen und komplette Helio-
metermessungen konnten vom 10. Juni ab Morgens und Abends bei-
nahe jeden Tag ausgeführt werden. Bei denselben erfreute sich Gill
der Mitwirkung des Herrn Geheimrath Auwers, der sich von Berlin zu
diesem Zweck nach der Capstadt begeben hatte, und das Zusammen-
wirken dieser beiden Astronomen an dem ausgezeichneten sieben-
zölligen Repsoldschen Heliometer hat eine sehr stattliche Reihe von
Messungen ergeben. Die korrespondirenden Heliometerbeobachtungen
wurden von den Sternwarten in Leipzig, Bamberg, Newhaven und
Göttingen gemacht; dieselben sind, soviel bis jetzt bekannt, obwohl
•) Im Oktober vorigen Jahres ist auf Gills Anregung und Mitwirkung
durch die Sternwarten Capstadt, Newhaven und latijizig die Parallaxenbe-
stimmung an dem Planeten „Iris“ ausgefiihrt worden.
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N2
durch die ungünstigen Wetterstande etwas beeinträchtigt doch in
hinreichender Zahl erlangt worden. Die Ileliometerbeobachtungen der
Sappho sollten am Cap am 18. September beginnen. Das Haupt-
gewicht legt Oil 1 auf die möglichst sorgfältige Bestimmung der Stem-
örter durch Meridianbeobachtungen; eine ganze Reihe von Obser-
vatorien, von denen die zu Pulkowa, Berlin, Paris, Washington, Greenwich,
vermöge ihrer ausgezeichneten Meridianinstrumente in erster Linie zur
Mitwirkung berufen sind, haben diese Aufgabe übernommen. Die
korrespondirenden Meridian-Beobachtungen der beiden Planeten auf
der Nord- und Südhalbkugol werden übrigens an sich schon einen recht
guten Näherungswerth der Sonnenparallaxe zu liefern im stände sein.
Endlich sollte nach Gills Plano in ausgedehnter Weise von der astrono-
mischen Photographie Gebrauch gemacht werden. Neben dem Ozülligen
photographischen Refraclor der Capstadt war die Mitwirkung meh-
rerer nördlicher photographischer Observatorien in Aussicht. Diese Art
Beobachtungen sind so gedacht, dafs sie entweder an bestimmten Tagen zu
festgesetzten Zeiten vorzunehmen waren, um mit Heliometermessungen
kombinirt werden zu können, oder dafs sie, an die in den Program-
men nonnirten Zeiten nicht gebunden, die Sternumgebung der Planeten
photographisch allgemein wiedergeben und in Verbindung mit gleichen
.Aufnahmen der SUdhalbkugel w'erthvolles Material zur Parallaxenbe-
stimmung liefern sollten. — Bei der gewissenhaften Durchführung so
umfassender Pläne und der eifrigen Mitwirkung, welche dieselben in
Europa und Amerika gefunden haben, ist die Hoffnung sehr begründet,
dafs uns die diesjährigen Oppositionen der Victoria und Sappho vor-
aussichtlich zu einem Betrage der Sonuenparallaxe von hoher Genauig-
keit verhelfen werden. F. K. Ginzel.
t
Ueber das Umbiegen der Nebenflüsse in der Nähe ihrer Ver-
einigung mit dem Hauptstrom macht Dr. L. Henkel in „Petermanns
Mittheilungen“, Heft VII, 1889, einige interessante Bemerkungen. Bei
den Nebenflüssen der gröfseren Ströme unseres norddeutschen Flach-
landes, sowie überhaupt aller Tiefebenen bemerkt man sehr häufig,
dafs dieselben, nahe der Mündung unter scharfen Winkeln umbiegend,
den Hauptstrom eine Strecke in fast jjaralleler Richtung begleiten, ehe
sie sich mit demselben vereinigen. Ein sehr auffallendes Beispiel bietet
unter andern die Ilmenau, welche einige Kilometer unterhalb Lüne-
burgs fast rechtwinklig ihre Nordrichtung verläfst und bis zu ihrem
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143
Zusammenflurs mit der Elbe derselben nahezu parallel läuft. Diese
oigenthümliche Hlrscheinnng ist schon von E. Reclus und Peschei
hervorgehoben worden; letzterer verweist namentlich auf die Neben-
flüsse des Po, wo sie besonders deutlich zu Tage tritt. Man hat diesen
Vorgang durch die Verminderung der Stofskraft des Nebenflusses bei
seiner Vereinigung mit dem Hauptstrome zu erklären versucht, indem
man von der Thatsache ausging, dafs sich an solchen Stellen durch
Niedersinken der Schlamm- und Sandtheilchen Verlandungen bilden.
Hierdurch wird zwischen beiden Flüssen eine Halbinsel geschaffen,
die sich mehr und mehr aushreitet, während der Nebenflufs durch
-Abbruch seines der Halbinsel gegenüberliegenden Ufers das verengte
Profil zu erweitern sucht Ur. Henkel bemerkt nn^, dafs diese Roclus-
Peschelsche Erklärung nicht für alle Fälle zutreffend sei; es kann
ihr vielmehr eine andere als ebenbürtig zur Seite gestellt werden,
nämlich die Benutzung eines alten Strombettes des Hauptflusses durch
den Nehenflufs. Boi der Ohre, deren Lauf in der Nähe ihrer Ein-
mündung in die Elbe die vorerwähnte. Erscheinung zeigt, ist bei-
spielsweise diese Art der Entstehung durch historische Zeugnisse ver-
bürgt Der blofse Anblick der Karte kann daher nicht immer inafs-
gebend sein, sondern jeder einzelne Fall bedarf einer Prüfung unter
Benutzung geschichtlicher Ueberlieferungen. Schw.
$
Ein Modell der Meeresströmungen des atlantischen Oceans
wurde von Mr. A. W. Clayden in einer Abendsitzung der Royal
Society zu London vorgeführt Obwohl dasselbe die Einwirkungen
der Temperatur und der Erdrotation nicht zur Darstellung bringt, konnte
durch Nachahmung der über dem Atlantic herrschenden Winde doch
ein ziemlich getreues Abbild der bestehenden Strömungsverhältnisse
erzielt und der Beweis erbracht werden, dafs die Winde und der Ver-
lauf der Küsten von mafsgebendstem Einflufs auf die Meeresströmungen
sind. Ein weiteres Experiment zeigte, dafs bei einem Durchbruch von
t'entralamerika fast alles Wasser durch diese Oetfnung seinen Weg
nehmen müsse, dafs dagegen ein schmaler Kanal durch die I.,andenge
von Panama keine wesentliche Aenderung in dem fiange der Strö-
mungen des Atlantic bewirken würde. Schw.
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144
Das griechische Erdbeben vom 25. August
Auf der Kgl. Sternwarte zu Berlin wurde am 116. August aber-
mals ein leises Erzittern des Bodens beobachtet, das zweifellos mit
dem Erdbeben in Beziehung stand, welches am Abend dieses Tages
Griechenland heimsuchte. ■) Dieses Beben nahm seinen Ausgang von
einer unterseeischen Stelle des Korinthischen Golfes zwischen Aigion
und N'aupaktos und verbreitete sich mit verheerender Wirkung
über die am nördlichen Küstensaum gelegene Landschaft Aetolien,
während die bei den grofscn Erdbeben von 1861 und 1886 hart betroffe-
nen Ortschaften des Pelonponnes diesmal verschont blieben. Der Direk-
tor des englischen Zentral-Telegraphenamtes zu Zante G. G. Förster
führt die Erschütterung auf den Einsturz unterirdischer Ilohlräume
zurück, von denen der Untergrund der Berge Moreas und zum Theil
auch der Korinthische Meerbusen infolge der Auszehrung löslicher
Schichten durchzogen sein soll. Zur Begründung dieser Ansicht
macht er geltend: 1) dafs ein Bruch des unterseeischen Kabels zwischen
Hatras und Korinth an derselben Stelle erfolgt ist, wo schon früher
bei ilem gewaltigen Erdbeben von Aigion ein Zerreifsen slattgefunden
halte, 2) dafs das Seow'asser an der Bruchstelle eine auffällige Trübung
zeigte, wahrend es weiter östlich seine dunkelblaue Färbung bewahrte;
:4) scheinen ihm die Tiefseeraessungen beweisgebend zu sein, durch
welche eine Senkung des Meeresgrundes des Korinthischen Golfes
um etliche hundert Meter w'ährend der letzten dreifsig Jahre gefunden
worden ist. Mögen diese .\ngabon an und für sich auch zutreffend
sein, so stehen doch den Ausführungen Försters einige Bedenken
gegenüber. Denn während derartige Einsturzbeben stets als nicht
vulkanische Beben bezeichnet werden, hält es Förster für wahr-
scheinlich, dafs die Senkung des Meeresgrundes auch mit dem Ausbruch
eines noch unbekannten unterseeischen Vulkans im Zusammenhang
gestanden habe. -\uch sind solche Einslurzbeben wegen der geringen
Tiefe ihres Herdes nicht mit so bedeutenden Fernwirkungen verbunden,
wie es bei dem diesjährigen der Fall war, wo das Erschütterungsgobiei
sich bis Malta und Kleinasien erstreckte und die letzten Regungen der
Stofswelle sich noch bis nach Xorddeulsohland verbreiteten 2). Wohl
') V'crgl. I. Jutii'g. Heft. I, S. 52. Die Ueberlriigungsdauer des Hlofses
von Patras nach Berlin ergab sich zu U Sekunden, die niittl. Forlpflanzungs-
geachwindigkeit der Welle zu etwas ülwr 3 Kilometer.
Man hat längst erkannt, dafs die von Volger und Mohr gegebene
Erklärung durch Deckeneinstiirze von Höhlungen für gröfsero Erdbeben un-
zureichend ist; kleinere Erschütterungen, wie sic im Karst-Gebiete und im
Kanton Wallis stattQmlen, können allerdings hierdurch erzeugt werden.
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145
mit mehr Berechtigung bezeichnet l)r. Bai bis in Athen das Erdbeben
als ein Dislokationsb oben, d. h. einen Schwingungszustand der
Erdrinde, der im unmittelbaren Zusammenhang mit den Faltungsvor-
gängen und der gebirgsbildonden Thätigkeit steht. Hierin suchte
schon Julius Schmidt die Ursache des gewaltigen Erdbebens, dom
1861 Aigion zum Opfer fiel. Es steht überdies fest, dafs der nörd-
liche Küstensaum Moreas auf sinkendem Grunde ruht. Schon im
.\lterthum wurde daselbst, wie Pausanias erzählt, die Stadt Heliko
von den Meereswogen überlluthet, und bei dem erwähnten Erdbeben
vom Jahre 1861 sind ganze Theile der Küste vom Wasser ver-
schlungen worden. Solche Senkungen treten häufig in Begleitung
tektonischer Erdbeben auf; sie sind aber nicht ihre Ursache, sondern
lediglich eine Folge derselben. Schw.
Der Vulkan auf der Insel Vulkano Im Aeoliscben Archipel.
Der Vulcano, der Nachbar des rastlos thätigen Stromboli, befindet
sich nach einem Berichte von 0. Silvestri (Compt. rend., 6. Aug. 1889)
gegenwärtig in einer Periode voller Thätigkeit. Seif 1771 fand daselbst
kein gröfserer Ausbruch statt Der Krater glich während der Dauer
eines .Jahrhunderts einer harmlosen Solfatara (Schwefelquelle), und
nur selten verriethen in diesem Zeiträume Rauchwolken und Aschen-
rällo das im Innern des Feuersehlundes noch sich regende Leben.
Seit September 1878 folgte indefs eine Zeit der Unruhe, welche den
Bewohnern des Aeolischen Archipels das Wiedererwachen der unter-
irdischen Gewalten ankündigte. In der Nacht vom 2. zum 3. August
vorigen Jahres wurden dieselben durch ein donnerartiges Getöse
erschreckt, und dies war der Beginn einer elf Monate ununterbrochen
andauernden Thätigkeit. Der Ausbruch war beständig von heftigen
Explosionen begleitet, die gewaltige Mengen Wasserdampfes, unter-
mischt mit Aschentheilchen, auswarfen und häufig zu elektrischen
Ausgleichungen Anlafs gaben. Die in Form einer gigantischen Pinie
sich erhebende Rauchwolke erreichte nach Winkelmessungen des
Prof. Ricco auf dem Observatorium zu Palermo eine Höhe von
10.5 Kilometer. Anfänglich wurden nur Lapilli und alte Lavafrag-
mente mit der Asche ausgeworfen, später Felstrüramer und vulkanische
Bomben, deren Gluth immittelbar nach dem Auswurf darauf gelegte
Geldstücke zum Schmelzflufä brachte. Sie stiegen bis zu Höhen von
Bimmel und Erde. tl. 3.
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1 bis 2 Kilometern empor und fielen zur Erde nieder mit Geschwin-
digkeiten von ISO bis 200 Motor. Beachtenswertli ist die Ruhe des
umgebenden Bodens. Mehrere Seismometer, welche am Kraterrande
aufgestellt wurden, verriethen keine Störung, selbst nicht das Tromo-
motcr, nur am Quooksilberspiegel konnte man leise Erschütterungen
wahmehmen. Ein weiterer beachtenswerther Umstand, der vielleicht
mit der Ruhe des Bodens im Zusammenhang steht, ist das Fehlen
jedes Lavaergusses trotz der Anwesenheit geschmolzener Massen im
Innern des Feuerschlundes. Schw.
Die Falbsche Theorie und der Einflufs des Mondes auf die Gewitter.
Seit dem Auftauchen der Falbsohen .Ansichten über die Wirkung
der Mondanziehung auf die Fluthbewegungen unserer Atmosphäre
haben die meteorologischen Erscheinungen, wie Luftdruck, Wind u. s. w.
in Bezug auf ihre Abhängigkeit von den Stellungen des Mondes be-
reits mehrfache streng wissenschaftliche Untersuchungen erfahren.
Diese Arbeiten haben so ziemlich allgemein zu dem Ergebnifs geführt,
dafs der Einflufs des Mondes zwar bei einigen der meteorologischen
F'aktoren vorhanden, aber von verschwindender Kleinheit ist, zu den
Erklärungen Falbs also unter keinen Umständen ausreioht. Man
findet die diesbezüglichen Untersuchungen zusammengestellt im „Hand-
buch der ausübenden Witterungskunde“ von Dr. v. Bebber, Stutt-
gart 1885.') Betreff des Zusanmienhanges der Gewitter mit der Mond-
’) Wir bnt>on die hauptsächlichsten dieser Ergebnisse, da dieselben im
Publikum wenig bekannt sind, hier hervor: Der Luftdruck ist höher bei der
Mondfeme als bei der Mondnahe, der Unterschied nach den verschiedenen
zahlreichen Untersuchungen aber so klein, dafs er nicht hat zahleumäfsig fest-
gestellt w'erden können. — Die durch den Mond hervorgebrachte Ebbe- und
Fluthbewegung beträgt (nur in den niedern Hreitegraden nachweisbar) kaum
ein Hundertstel Millimeter im Barometerstände. Die Regenmenge wird eben-
sowenig vom Monde beeinQufst; es zeigen eich geringe Maxima bei Neu- und
Vollmond und bei Mondnahe. — Ueber den Einflufs auf Windbewegung,
Temperatur, Bewölkung und Gewitter war bisher kaum ein bestimmtes Resultat
zu sichern, da sich die Untersuchungen in vielfachem Widerspruche zu ein-
ander befinden. — Betreffs der wissenschaftlichen Kritik der hier nur ganz kurz
und unvollständig angedeuteten Verhältnisse verweisen wir auf das oben er-
wähnte Behbersche Werk. Eine gemeinverständliche Zusammenfassung der
Untersuchungen über den Einflufs des Mondes findet der Leser ferner in dem
eben erschienenen Buche von Prof. Hermann Fritz; „Die wichtigsten perio-
dischen Erscheinungen der .Meteorologie und Kosmologie-, Leipzig ISöt* (Inter-
nationale Wissenschaft!. Bibliothek, 6S. Bd.),- welches wir allen .lenen dringend
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147
Periode hat nun unser Mitarbeiter, Herr Dr. Wagner, im Augusthefle
der „Meteor. Zeitschrift“ eine genaue Untersuchung durohgefiihrt. Das
Material umfafst etwa acht Jahre der seit 1879 resp. 1880 in Baiern
und Württemberg von der k. bair. meteor. Centralstation publicirten
Oewitteraufzeiohnungen. Es ergfab sich aus 47427 Meldungen für
100 synodische Mondumläufe eine hinreichend deutliche periodische
Abhängigkeit der Gewitter von dem Mondlaufe (das Maximum nach
dem letzten Mondviertel), doch erwies sich das Ueberwiegen der Ge-
witterzahl für die einzelnen Mondstellungen als so gering, dafs die
gefundene Periodioität für Wetter-Prognosen gar nicht gebraucht
wenlen kann.
Angesichts der negativen Erfolge, die auf diese Weise aus den
sachlichen Untersuchungen des Mondeinflusses sich allmählich an-
■sammeln, sollte Herr Falb wohl mit dem Dichter sagen: „Fallen seh
ich Zweig auf Zweig!“ Allein zu solchem Bekenntnifs wird es nimmer
kommen, denn sein Weizen blüht, so oft ein Temperaturrüokgang oder
anhaltende Regengüsse oder gar auch nur bescheidene Trübungen des
Luftmeeres wieder einmal zufällig auf oder in die Nähe einer kritischen
Mondstollung gefallen sind. Das Publikum wird dann von der Richtig-
keit und Wissenschaftlichkeit der Prophezeihungen überzeugt und
Herrn Falbs Ruhm steigt. Wir wünschen ihm mit Freuden weitere
Ausbreitung so gearteter Berühmtheit. Indessen denken wir, wäre es
gut, wenn er statt der vielen populären Bücher und Vorträge, in denen
er vor der Masse seine Theorie begründet, jetzt endlich einmal ein
empfehlen, die sich darüber unterrichten wellen, was von wiBscnschnftlicher
Seite über den Kinflufs kosmischer Körper sicher gestellt worden ist. Auch
Professor Fritz kommt nach Betrachtung der einschlägigen Forschungen zu
dem Krgebnifs, dafs der Moudeinllufs auf die meteorologischen Fakturen zum
Theil zwar vorhanden, aber so gering ist, dafs er nm' ein wissenschaftliehes
Resultat darstellt, aber in keiner Weise den Wetterprognosen dienstbar gemacht
werden könne. — Noch mehr zweifelhaft ist derzeit die Mitwirkung des Mondes
bei Erdbeben. (8. das Fritzache Buch, 8. 244— '.'47). Neuere Untersuchungen
von Erdbebenreihon, wie die von Prof. Hirsch über die Schweizer Erdbeben
(Bulletin de la sociötä des Sciences nat. de Neuch&tel, T. XVI 1S83) haben sich
scharf gegen Falb ausge.sjirochen. Die Perroyschen Resultate über den Ein-
tlufs des Mondes auf Erdleben sind nach einer ausgedehnten Untersuchung
von Montessua de Ballere nicht bestätigt worden, worauf wir nächstens noch
eingc^hender zurückkommeii werden. — Ueber Finsternisse und Erdbeben, die
nach Falb einen Zusammenhang haben sollen, wird in einem der nächsten
Hefte eine Mittheilimg folgen. Wir bemerken, dafs das Resultat gleichfalls ein
negatives ist. — 8o blieben denn noch die Grubenexplosionen übrig; bei diesen
hat Herr Falb vorläufig noch freies Feld für schöne Prophezeihungeu, du über
den Zusammenhang der schlagenden Wetter mit dem Monde so viel wüe nichts
vorliegt.
10*
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148
fachliches, wirklich wissenschaftliches Huch schreiben wollte, wo er
vor wissenschaftlichen Lesern den Beweis liefert, entweder, dafs
die oben g-edachten verschiedenen geringfügigen Mondwirkungen auf
falsche Weise aus den meteorologischen Beobachtungsreihen abge-
leitet worden sind, also die von der Wissenschaft bisher befolgten
Methoden unrichtig sind, oder aber, dafs beim Vorhandensein der
sog. Fluthconstellationen die Kleinheit des Mondeinflusses schon hin-
reichend ist, die grofsen Vorgänge zu erklären, welche sich ohne
Unterbrechung in den Wettererscheinungen und im Innern der Erde
vollziehen. Die Wissenschaft wartet seit anderthalb Dezennien ver-
geblich auf die Erbringung des einen oder des anderen dieser Beweise;
der wunderliche Weg, Theorien vor die Oeffentlichkeit zu tragen, bevor
dieselben strenge begründet worden sind, und Prophezeihungen zu
wagen, bevor dieselben einen Boden haben, mufs der W'issensclmft
ebenso kraus wie widersinnig erscheinen. F. K. Ginzel.
Kometenmedaille der astronomischen Gesellschaft der paciflschen
Staaten. Die Jagd nach neuen Kometen, die bekanntlich mit beson-
derem Eifer und Erfolge von einigen amerikanischen Astronomen
betrieben wird, ist durch eine neue, von J. A. Dono ho e gestiftete und
von der astronomischen Oesellschaft der paciflschen Staaten vom
1. Januar 1890 ab zu verleihende Medaille um einen weiteren Reiz
bereichert worden. Jedermann, der einen unerwarteten Kometen ent-
deckt oder die erste Beobachtimg eines wiedorkehrenden periodischen
Kometen erlangt und davon einerseits dem Direktor der Lick-Stem-
warte sofortige briefliche Mittheilung zugehen läfsl, andererseits an
die Centralstelle für astronomische Telegramme nach Kiel berichtet,
kann sich diese Auszeichnung erwerben, und es steht sonach auch
denjenigen unserer Leser, die über ein einigermafsen brauchbares
Fernrohr verfügen, frei, sich an dem schönen Wettkampf im Dienste
der Wissenschaft zu betheiligen.
Meteor. Am IS.Oktober ist um CUhr49Min. Berl. Zt.über Deutsch-
land ein Meteor von seltener Gröfse und Leuchtkraft erschienen. Dem
Schreiber dieser Zeilen ist es unter der freundlichen Beihilfe dos
Herrn Prof. v. Niessl gelungen, eine grofso Anzahl von Nach-
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149
richten über die Erscheinung aus allen Theilen von Deutschland und
Oesterreich zu sammeln, und wenn auch nur ein kleiner Theil der
Miltheilungen für die Bahnbostimmung verwendbar ist, so steht doch
zu hoffen, dafs eine solche auf Grund des vorliegenden Materials möglich
sein wird. So weit sich bis jetzt aus den Beobachtungen übersehen
läfst, war der Lauf des Meteors ziemlich genau von Osten nach Westen
gerichtet und fand seinen Endpunkt südlich vom Harze, in der Um-
gegend von Nordhausen.
Die Höhe des Meteors mufs eine sehr beträchtliche gewesen
sein, denn man hat es südlich bis nach Steiermark und Heilbronn,
westlich bis in die Rhein-Provinz und nördlich bis Stralsund wahr-
nehmen können. Gleichwohl hat die grofse, dem elektrischen Lichte
vergleichbare Helligkeit des fast mondgrofsen Meteorkörpers bei fast
allen Beobachtern die Illusion unmittelbarer Nähe und sehr geringer
Höhe über der Erdoberfläche hervorgerufen, so dafs man an den
verschiedensten Orten in der nächsten Umgebung nach herabge-
kommenen Stücken — natürlich vergeblich — gesucht hat. Beim
Zerplatzen hat eine donnerähnliche Detonation stattgefunden, die an
vielen Orten einige Minuten später deutlich wahrgenommen werden
konnte. — Die gegenwärtige Zeit erweist sich überhaupt ungemein
reich an hellen Meteoren, denn auch am 29. Oktober, am 2., 6., 10.,
16. und 22. November sind in Deutschland sehr helle Meteore gesehen
worden. Ob diese verschiedenen Meteore einen gemeinsamen Ursprung
haben, kann erst die spätere Berechnung entscheiden. Kbr.
Le Verlier und die Meteorologie. Neben der Astronomie darf
die Meteorologie den gefeierten Errechner des Neptun den ihren nennen,
da sie seinem organisatorischen Talente die modernen Errungenschaften
zum grofsen Theile verdankt. Hätte Le Verrier als Astronom nicht
so grofsen Ruhm erlangt, so würden seine Verdienste um die Meteoro-
logie auch in weiteren Kreisen höher geschätzt werden, denn er war
es, der im Jahre 1865 die Wettertelegraphie in Vorschlag brachte,
und bereits von der Nützlichkeit der telegraphisch zu ertheilenden
Sturmwarnungen überzeugt war. Durch seine Bemühungen erschienen
die ersten täglichen Wetterberichte mit Isobarenkarten im Jahre 1858
als „Bulletin international“.
Denjenigen, welche Le Verrier nur als theoretischen Astronomen
kennen gelernt haben, wird es eine interessante Ergänzung seines
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150
Lebensbildes sein, dafs derselbe grofse Theoretiker auch in praktischen
Fragen ein tiefes Verständnifs bezeugte, indem er die Meteorologie
für die Förderung der Landwirthschaft in ausgedehntestem Mafse
dienstbar zu machen suchte. Die ausgezeichnete meteorologische Or-
ganisation Frankreichs, welches mit einem dichten Netze von Stationen
zum Studium der Niederschlagsverhältnisse, der Gewitter, der Ver-
breitung und Entstehung der Hagellalle bedeckt ist, entstand auf seine
Initiative — es war sein eifriges Bestreben, Verständnifs und Interesse
fiir meteorologpsohe Forschung in den weitesten Kreisen der Bevölkerung
zu erwecken. E. W.
Enchelnnii^ii am SternenMiniiiel im Monat Dezember-Januar.
(Sämtliche Zeitangaben gelten fUr Berliner Zeit)
t Der Mond.
Aufgang Untergang
22.
Dez.
Neumond
8l>
0" M(f.
3k
44“ Nm.
23.
Erdnähe
9
12
4
48 ,
29.
Erstes Viertel
0
21 Nm.
30. 0
50 Mg.
6.
Jan.
VoUm. u. Erdferne
4
10
8
28 ,
14.
w
Letztes Viertel
0
7 Mg.
II
88 „
Maxima der Libration: 29. Dezember, 12. Januar.
Am 22. Dezember findet auf der Südhalbkugel der Erde eine totale
Sonnenfineternifa statt Die Finstemifs wird im ganzen Congogebiete, der
Umgebung des Tanganjika Sees und den angrenzenden Ländern sehr auffällig
sein; die Totalität wird namentlich von einer portugiaischen Station südlich
von S. Paolo da Loando aus beobachtet werden können. Wie verlautet, sollte
von amerikanischen Astronomen dorthin ciao Expedition veranstaltet werden.
8. Die Planeten.
Merkur
Venus
Rectaa.
Declin.
Äufg.
Unterg.
Rectas.
Declin.
Aufg.
Unterg.
15. Dezb.
17k51m
—25“ 9'
8k 40» lg.
3k 48“ 5a.
16k 26“
—20“ 58'
6> 42“ lg.
2k 54“ .5a
19. .
18 19
-25 20
8 53 ,
3 59 .
16 47
—21 49
6 53 ,
2 53 ,
23. ,
18 47
-25 8
9 5 w
4 13 ,
17 9
—22 31
7 4 .
2 54 .
27. ,
19 15
—24 31
9 12 .
4 30 .
17 31
-23 2
7 14 ,
2 56 .
31. .
19 43
-23 29
9 1« ,
4 50 ,
17 .52
-23 21
7 23 „
2 59 .
4. Jan.
20 10
—22 3
9 16 .
5 10 ,
18 14
—23 29
7 30 ,
3 4 ■
8. .
20 34
—20 17
9 13 ,
5 31 ,
18 36
-23 26
7 36 .
3 10 .
12. ,
20 .55
—18 17
r
Ci
5 49 .
18 5«
-23 10
7 41 .
3 17 .
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Mars
Jupiter
Rectas.
j Declin.
i Aiifff.
j Unlerg.
Rectas. 1 Declin.
1
1 Aufg.
J '
Unterg.
I ). De*b.jl3» 18”
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!— 6*4r| 2k 13®Ig.
1» 13”Ka
19» I” 1-22* 53'
9k33'»T».
5‘ 15">.'l».
>1. , j l3 31
— 7 59
2 9.
0 55 .
19 7 —22 44:
9 14 .
4 58 .
27. , 13 44
— 9 13
2 5 J
0 37 .
19 13 1—22 35
8 55 .
4 41 .
2. Jan. 13 57
—1025
2 1.
0 19 .
19 19 !— 22 241
8 36 „ ,
4 26 ,
8. . 14 10
—11 34
1 57 .
0 3 .
19 25 ;— 22 13’
8 17 . I
4 9.
H. . 14 22
—12 40
1 32 , 1
11 46 TbJ
19 31 —22 1
8 1.!
3 55 ,
.i
Saturn
1 Uranus
Rectas.^
Declin.
1 Aufg. Unterg,
Rectas.
Declin. j Aufg.
^ Unterg.
19. Dezb. 10‘25”
+11*3Ü'
9l>27nAk.'llb41">l«
13*‘37”
i— 9»28'l 2!>34>>Is.
Ik 1« Ha.
i7. . 1
10 25
+11 35
8 54 . in 10 .
13 38
— 9 34 ! 2 7 .
0 30 .
4. Jan. 1
10 24
+11 42 1
8 22 . 10 38 .
13 39
— 9 39 1 33 .
11 59 Va.
12. , !
10 23
+11 52
7 4« „ '10 ß „
1
13 39
1—9 42jj 1 4 „ ,
;i
11 28 .
1
Elon^tionen des Saturntrabanton Titan: 22. Des. westl., 30. östl.,
7. Januar westl. Elong.
Neptun
Rectas.
Declin.
' Aufg.
' Unterg.
12. Dezb. 4b 4”
+ 19* 2'
2b 47» Sa.
6b 33» l|.
27. . 4 2
+ 18 59 [
1 47 ,
5 33 .
11. Jan. 4 1
+ 18 56
j 0 46 . 1
4 32 ,
3. Verfinsterungen der Jupitertrabanten.
(Die Verfinsterungen sind wogen der Sonnennähen Stellung des Jupiter nicht
beobachtbar.)
4. Stembedccknngen durch den Mond.
(Für Berlin sichtbar.)
Qröfse Eintritt Austritt
3. Januar
•1 Tauri 3.6»
Ob
16»
Mg.
Ih
I"
Mg.
3.
• 1 „5.5
5
12
Nm.
5
24
Nm.
5.
• ji Qemin. 3.0
6
30
Mg.
7
5
Mg.
7.
• p* Caneri 5.5
7
20
8
9
n
(3® V. Sonneuanf^.)
152
5- Veränderliche Sterne,
a) Maxima variabler Sterne:
Maximum
Helligkeit
im
1890
am
Max.
Min.
Rectas.
Ueclin,
S Caasiop.
26. Dozb.
6.7 — R.5"
i;i"
!>■
11“
34‘
+
72*
2'
R Ceti
10. Jan.
1
CO
13
.J
20
25
—
0
40
R Peraei
15. Dezb.
8—9
12
3
23
3
+
a5
18
U Gemin.
21. „
9
13
7
48
34
+
22
17
V Cancri
19. ,
7
12
8
15
2f.
+
17
38
T Virginia
n. .
8.h
13
12
8
58
—
5
25
ü Hoixulis
13. Jan.
7
ns>
Iti
20
5G
+
19
9
b) Minima der Sterne vom Algol-Typus:
UCephei . . 18., 23., 28. Dez., 2-, 7., 12. Jan. Abende.
Algol . . 20. Nm.26. Mg., 1. Jan. Ab., 6. Ab. 12. Miltg.
U Coronae . . 22. Nm. 20. Dez. Vm., 5. Jan. Mg. 12. Mg.
SCancri . . 21. Dez. Mg., 30. Ab., 9. Jan. Mg.
c) Minima einiger Veränderlicher kurzer Periode:
T Monoc. . . 17. Doz. 13. Jon.
V Virginia . 18. Dez., 3. Jan, (Minima lO™, Maxima 9*").
6. Meteoriten.
Beachtung verdient der Moteoritonschwarm der .Quadi*antiden*, die um
das Endo des Jahres (Maximum 2. Januar) nördlich vom Kopfe dea „Bootes*’,
aus einem Punkte des „Mauerquadranten" (AR 230®, D== + 52*.,°) achwärmen.
Der Mond wird der Wahrnehmung der Stemachnuppen nicht allzu hinder-
lich adn.
7. Nachrichten* über Kometen.
Der Baruardscho Märzkomot bewogt eich im Dezember im südlichen
Theil des Walfisches mit abnehmender Helligkeit nordwärts.
Für den Barnardachen Junikometen, der vermöge seiner Lichtschwäche
nicht lange boobachtet werden konnte, ist von Berberich dio Bahn oiner
Ellipse mit 128 Jahren Umlaufszeit angegeben worden.
Die Rückkelir des elliptischen Kometen Brorsen (5V« Jahre Umlaufazcit)
wird im Dezember erwartet Der Komet wird nur von den Sternwarten der
südlichen Erdhälfto beobachtet werden können; er steht um Neujahr in den
südlichen Fischen.
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ireber den Wlnneckesehen Kometen und die Masse des Planeten Merkur.
Wir habeu bereits im AprÜhefte des vori^ii Jahrganges unserer Zeit>
Schrift (S. 433) von einer Fortsetzung der Rechnungen über dio Bahn des
}>criodischen Kometen Win necke Nachricht gegeben, welche HorrE. v. Haordll ,
Docont in Innsbruck, im Anschlufs an die Untersuchungen Oppolzers über
rlenselben Kometen unternimmt. Als Hauptresultat wurde damals hervorgeliobon,
dafs diese Weiteruntersuchung der in den Jahi'en 185S bis 1886 beobachteten
1 maligen Rückkehr des Kometen die Existenz einer vermutheten Beschleuni-
gung der Umlaufsbewogung und damit das Vorhaiidousein eines sogenannten
.widerstehenden Mittels” nicht bestätigt hat. Der kürzlich ei*schienene zweite
Tbeil*) der Arbeit des Herrn v. Haerdtl enthält so bemerkenswerthe und
wichtige Ergebnisse» dafs wir uns gestatten, das für weitere Kreise Interessante
wiederum in Kürze darzulegen.
Abgesehen von der Berechnung dersohUefalichenBahn, welche die Beobach-
tungen der Jahre 1 858 — 86 für den Kometen ergeben, bat sich der Verfasser nament-
lich mit der Frage über die Masse des Planeten Merkur beschäftigt Die Kennt-
nifs der Massen der grofseu Planeten ist uns bekanntlich zur Ausführung der
Störungsreebnungen sehr wichtig, da dio Störungswertho (d. h. also die Beträge,
um welche die Bahnen der Himmelskörper, beispielsweise der Kometen, durch
die Anziehungskraft der Hauptplaneten verändert werden) von den Massen der
störenden Planeten abhängig sind. Je nach der Annahme der Masse wird bei
Zuziehung der ermittelten Störungen die berechnete Bahn des Kometen eine
andere, also auch die Uebercinstimmung der daraus berechneten Orte des
Kometen am Himmel mit den wirklich beobachteten je nach der Genauigkeit
der zu Grunde gelegten Masse eine mehr oder minder gute. Umgekehrt ist
klar, dafs man in manchen Fällen aus der erhaltenen Abweichung der Beob-
achtung von der Rechnung einen Rückscblufs auf die Müsse machen kann,
welche einem bestimmten Planeten zukommt Beim Planeten Merkur befanden
sich die Astronomen betreffs der anzunehmenden Masse bisher in ziemlicher
Verlegenheit Backlund hatte (in der eben angedeuteten Weise) aus den
Differenzen der Beobachtung und Rechnung der Erscheinungen des bekannten
Enckeschen Kometen aus den Jahren 1871 — 85 auf eine Merkursmasso von
1/2668700**) geschlossen, während v. Asten bei demselben Kometen, aber auf
Grund der Beobachtungen bei den Wiederkünfton zwischen 1819 — 1868 eine
*) Dio Uahn des poriodlsciicn Romotoa wrinnecke ln den Jabron iS&d— 86, ll.Thei'.
«Ueoksebr. d. Wiener Akad. d. W. I.VI. Band. 1889.)
**) Die Planeteamassen werden sftmUich ln Tbdlett der Soanennias^e, wobei dleie al^
I ans^nommen wird, aus|r^<'9ckt
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154
Masse von 1/7&16440 gefunden hatte« also eine höchst boträchtlicbo Diffe-
renz gegen erstere, in welche sich der von Lo Vorrier ermittelte« ältere Betrag
1/5310000 etwa einpassou liefa. Herr v. Haordtl zeigt nun« dafs man bei dem
Winnockoscheu Kometen in den Abweichungen der Beobachtung gegen die
Rechnung eine gleich mifsliche Darstellung erhält, ob man nun den Astenschen
oder den Backluudscheii Werth für die Masse des Merkur in die Rechnungen
cinführt. Er vermuthet, dafs der richtige Betrag nahe dem Le Verrierschen
Werthe liegen müsse. Eine Bestätigung der Richtigkeit dieser Vermuthuug
ergiebt sich zunächst aus dem Zui'ückgreifen auf Lo Verriers Arbeit, da sich
unter Einführung neuerer Bestimmungen der Massen von Venus und Erde die
Merkursmasse auf 1/5514700 stellt. Die merkwürdige, auch dem Laien auffällige
Differenz der Backlundschen und Astenschen Merkursinasse muTs daher
eine besoudei'e Unmehe haben, llaerdtl findet den Grund der Verschiedenheit
darin« dafs man bei dom Enckeschen Kometen mit der Bestimmung der
bekannten Umlaufsbeschleunigung (der Acceleration der mittleren Bewegung
des Kometen, die zur Einführung des „widerstehenden Mittels" in die Rech-
nung geführt hat) auch gleichzeitig hat die Merkursmasso bestimmen wollen.
Der Verfasser zeigt« dafs wenn dieses auf ein doppeltes Ziel gerichtetes Ver-
fahren vermieden wirtl, inan beim Enckeschen Kometen für dio Erscheinungen
der Jahre 1813 — 68 die Merkursmasse 1,5^8600, und aus den Erscheinungen
von 1871 — 85 dio Masse 1/5663700 erhält, also eine ganz bemerkenaworthe Ueber-
eiiistimmung« die den Schlufs rechtfertigt« dafs der wahre Werth der Masse
Merkurs jedenfalls nicht viel von 1/5650000 entfernt sein kann. Haerdtl be-
gründet dann den Kiii\%'urf, warum die gleichzeitige Bestimmung von Masse
und Acceleration nicht stattliaft sei, durch Rechnung. Zum Schlüsse berührt
er dio Frage, welche Ursache wolü beim Eucke scheu Kometen die Verände-
rungen in der bekannten, schon von Encke selbst rechnerisch festgestellten
imzweifelhuften Acceleration hervorbriugen könnte. Asten und Backlund
haben nämlich aus ihren neuen Untersuchungen über die Bewegung dos
Kometeu Encke gefunden, dafs dos Verhalten der Acceleration im Laufe der
Zeit kein stetiges gewesen ist, dafs vielmehr diese Acceleration io der Nähe
<ies Jahres 1869 eine plötzliche Veränderung erlitten hat, w'ie auch um 1845
<iie Acceleration eine Vei'stärkung (nach Aston um ein Drittel) erfahren haben
dürfte. Aus einer näheren Untersuchung der Bewegung des Enckeschen
Kometen in den Jahren 1868, 1878, 1881 schliefst Haerdtl, dafs solche Ver-
änderungen der mittleren Bewegung schon selbst während der Dauer einer
Wiederkehr des Kometen vor und nach der Zeit seiner Sonnennähe statl-
gefundon haben küuutoii. Er ist geneigt weiter anzuuehmon, dafs eine solche
Aenderung wiederholt eingetreten sei, und bezeichnet auf Grund seiner Nach-
rechnungen die Zeilen
1832— 3.> als wahrscheinlich
1845 „ höchst wahrscheinlich
1853 „ sicher
1868
1878 — 81 „ sehr wahrscheinlich,
in w'elchen Aeiiderungen der Bewegungsgeschwindigkoit erfolgt seien. Es ist
nun sonderbar, dafs dio damit gleichlaufenden Jahre 183:1, 1845, 1856, 1867 und
1879 di© Jahre des Minimums der Sonnenfleckenthätigkeit bedeuten. „Dio.so
l'ebeinMnstimmung", sagt der Verfasser, „ist eine so morkw’ürdige, dafs es mir
scheint, man könne sich nicht länger der Nothwendigkoit entziehen, an einen
Zusammenhang zwischen den Voräudenmgen der Bewegung des Enckeschen
Kometen mit der llJährigcMi Soiinenlleckenperiode zu glauben, umsomehr, als
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sich auch physikalisch ein Zusammenhang leicht erklären läfst, denn nacb
Zöllner wäre die 11jährige Periode der Sonneollecken nichU anderes als
das Resultat eines grofson in der Sonne und ihrer Umgebung gleichzeitig
stattfindenden Ausgleichungsprozesses von Druck und namentlich von Tempe-
raturdifferenzen.** Bemerkenswerth ist, dafs auch Asten denselben Gedanken
geäufsert hat. Eine Stütze für solche Vermuthung kann man aufserdem in
einem Ergebnisse finden, zu welchem Berberich über die Helligkeit dos
Knckeschen Kometen gelangt ist Derselbe fand, dafs die Helligkeit eine
Beziehung zu der Soonenfleckenperiode involvirt, indem die hellsten Erschei-
nungen des Kometen sich um die Zeiten der Fleckenmaxinia, die lichtschwachcn
Wiederkünflo um die Zeiten der Minima der Kleckonperiodo gruppirt haben.
F. K. Ginzel.
Vademeenm astronomi. Vollständige Sternkarte etc. von J. Plursmann,
Paderborn, Verl. v. Schöningh. Preis 3 M.
Die vorliegende neue Sternkarte mit begleitendem Texte ist besonders
für solche Liebhaber der Sternkunde bestimmt, welche die Himmolserschei-
nungen nach Möglichkeit, so weit es ohne kostspielige Instrumente möglich
ist, selbst beobachten wollen. Dio eigentliche Sternkarte, die wohl nur zur
Orientining am Himmel dienen soll und auf der darum auch nur die helleren
Sterne bis zur vierten Gröfse verzeichnet sind, ist begleitet von vier stummen
Karten auf Pauspapier, welche lediglich die Stempositionen ohne alle Bezeich-
nungen und ohne Gradeinthoilung enthalten. Diese Beigabe mufs als sehr willkom-
men begrüfst w'erdeii ; den Voiihoil, welchen derartige Karten gewähren, die für
das eigene Einzcichnen von Planeten- und Kometenläufen, Meteorbahuen etc.
bestimmt sind, haben wir bereits vor einiger Zeit („Himmel und Erde*" I. Jahrg.
S. 194) betont und demgemäfs ist auch der von dom Herausgeber gegenwärtiger
ZeitschriA besorgten neuen Auflage der Diesterwogschen populären Himmels-
kunde eine ebensolche stumme Karte beigegeben. Der Plafsmaunschen Karte
ist ein erläuternder Text hinzugefügt, der gleichzeitig ein bis zum 1. Januar 1802
reichendes astronomisches Kalendarium für die mit blofsem Auge sierhtbaren
Himmelsersoheinungen enthält.
Paul Carus. Fundamental Problems. The metbod of phUosophy as a syste-
matio arrangement of kuowledgo. Chicago 1889. 268 pag. 8^
Obgleich die Erörterung philosophischer Fragen nicht in den Bei*eich
unserer ZoitschriA fällt, wollen wir dennoch auf diosos Werk aufmerksam
machen, da es zeigt, welch grofson Einflufs auch jonsoits dos Oceans deutsche
WisaenschaA besitzt. Die einzelnen Kapitel dieses Buches wurden zuerst in
der zu Chicago ci’scheiuenden Zeitschrift „The Open Court** abgedruckt, deren
Leiter Paul Carus ist, welche neben dem Bestreben, Kenntnifs über die
wissenschaAlicbe und literarische Thätigkoit DeuUclilands in Amerika zu ver-
breiten, sich zu einem beachtenswerthen Organ für pädagogische, i)büoso{)hische
und nationalökonomische Fragen entwickelt hat.
wird jetzt in Amerika fleifsig phLlosophirt, und auch das vorliegende
Werk legt Zeugnifs ab für das ornstlicho Bestreben, der Philosopliie als der
Grundlage aller Wissenschaften dio ihr gobUhrendo Würdigung zu verschaffen.
Die Philosophie des Verfassers stellt sich als eine monistische dar, w’olcho von
dem durch Huxley und Herbert Spencer vertretenen AgnosUcismus, wie
vom Mysticismus gleich weit entfernt bleibt, und sich in ihrer praktischen
Form, als Moralphilosophto, im Meliorismus darstcllt, als Versöhnung des ein-
seitigen Optimismus und Pessimismus. Eine Auswahl von Aussprüchen des
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156
Philosophen auf <leui CäsaiHMithi-ono, des Kaisers Marcus Aurelius An-
ton inus, eröffnet das interessant jresohriobene Work.
Dr. Ernst Wagner.
W. J. Tan Bebber, Lehrbuch der Meteorologie für Studirende und zum
Gebrauch in der Praxis. Stuttgart, F. Encko 1890. XII u. 391 pag. 8'.
Der duixh seine vielfachen Arbeiten auf dem Felde der praktische:!
Meteorologie rühmlichst bekannte Verfasser ist in dem vorliegenden Werk 5
l>emuht, zu einer gründlichen Kenntnifs der modernen Meteorologie durch ein ?
dem augenblicklichen Stande der Wissenschaft vollkommen entsprechend»
Darstellung ihrer Theorie und Praxis, sowie durch Darbietung geeigneten
Boweismateriuls in Form zahlreicher Tabellen die erforderlichen Mittel zu
beschaffen. Ein solches Lehrbuch dürfte sicher sehr erwünscht sein, da
keine Ansj^rücho an mathematisdie Vorbildung macht, w'ie das wohl bekannte
Lehrbuch der theoretischen Meteorologie von Sprung, dennoch aber dem Lese’
zu einer oingehonderen Erkenntnifs der so mannigfaltigen Vorgänge in der
Atmosphäre verhilft, als es die populären Darstellungen nach dem Vorgang»
von Mohns .Qrundzügen der Meteorologie“ vermögen. Im Anschlufs an die
theoretische Meteorologie findet die Klimatologie ausführliche Berücksichtigung:
in der I./ehre vom Wetter und der praktischen Meteorologie, den Anleitungen
zur Aufstellung von Prognosen giebt der Verfasser haujitsächlich eine Bear-
l>eitung eigner Forschungen, welche er in dem in Fachkreisen hochgeschätzten
..Handbuch der ausübenden Wilterungskundo“ zuerst im Zusammenhänge ver-
öffentlicht hat.
Da der Verfasser unnützen Hypothesen abhold ist, so enthält sein Lehr-
buch ausschlicfslich gt»sicherle und w’ohlbegründete ForschungsresulUte, man
wrird daher in demselben ßolraclitungen über kosmische Witterungseinflüsse
vergebens suchen, insofern van Bebber mit gutem Recht dieselben als nicht
geeignet für systematische Darstellung und Aufnahme in ein allgemeinen
Zwecken gewidmetes Lehrbuch betrachtet Der darüber näheren Aufschlufs
verlangende Leser wird auf den Band I des „Handbuches pp.“ desselben
Verfassers verwiesen, worin diese Fragen eine erschöpfende Behandlung
gefunden haben.
Die gute Ausstattung dürfte zur Empfehlung dos Werkes ebenfalls bei-
tragen, welches sicher einen grofsen I^eserkreis finden wird, umsomehr da es
ein reichhaltiges Material in sich vereinigt, welches bisher meist in Zeitschriften
zerstreut, nur dem Fachkundigen ohne Mühe zugänglich war.
E. W.
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Herrn H. in Währing. wüji8chen von uns eine Widorleg’ung der Flulli-
theoriu Falb», womöglich in Form eines .mathematischen Gegenbeweises.“
Wie wir letzteren geben suHeii, ist nicht recht verständlich. Der auf Grund-
lagen der Hcclinung ruhende Gegenbeweis der Streitfrage, d. h., dafs der Mond-
einflufs, sowohl auf die meteorologischen Faktoren, als auch auf Erdbeben un<l
dgl. ein verschwindend kleiner sei, so dafs er ein darauf gegnindeles l*ro-
l»hetenthum oder die Formulirung einer wissenschaftlichen Hypothese in keiner
Weise rechtfertigt, dieser Beweis ist schon und wird noch fortwährend durch
die wissenschafUichen Arbeiten erbracht, die in Fachjournaloii erscheinen. (Eine
Zusammenfassung der neueren giebt das übrigens an einem andern Orte dieser
Zeitschrift citirle (S. 14(>) Buch von Fritz). Auch die Wichtigkeit der aus einzelnen
Mondstellungen hervorgehenden Fluthfactoreu, denen Falb viele Bedeutung bei-
gelcgt, hat bis jetzt nicht bestätigt werden können. Falbs Beweise gegenüber
diesen Arbeiten in seinen Büchern, Vorträgen und Zoitung-sartikelii bestehen
entweder in blofsen statistischen Ziusammonstellungcn, oder in der sich öfters
wiederholenden Methode, Einzelerscheinungen herauszugnufon und diese als
Hew’ei.so für den Mondeinllufs hinzustclleu. Die eine dieser Vorfahrungsarteii
mufs so falsch sein, wie die andere. In ersterer Hinsicht kann bei der Gefahr,
die, wie mannigfache andere Vorkommnisse beweisen, mit dem Aufsuchen von
Perioden in Naturerscheinungen verbunden ist, nur ein vorsichtiges, vollkuminoii
exaktes Vorgehen (also nach wissenschaftlichen Grundsätzen) die Wahilieit
enbiecken, bei blofser statistischer Anhäufung sind die Thüreri jedem Inthum
oflfoii. Das andere Verfahren, nämlich nach der beliebten Methode, Einzelcr-
.scheinungen hervorzuhebeu und jedesmal Lärm zu schlagen, so oft einige Fälle
mit kritischen Tagen stimmen, die Gegonfälle aber todlzuschweigen, ist der
heutigen Meteorologie und Astronomie ihrem ganzen Wesen nach so fremd,
dafs rann darüber nur staunen kann, wie Jemand eine solche Methode für
beweisend halten mag. Denn gerade diese letztem beiden Wissenschaften sind
von der Natur selbst auf den Weg gedrängt worden, ihre Schlüsse immer nur
aus umfassendem verläfslicben Material und nimmerinehr aus Einzelfällen zu
ziehen. Von diesen Hauplgrundsätzen, der Ableitung jedes Resultates ein aus-
reichendes Boobachtuugsmaterial und eine nach strengen Grund.sätzen erfolgte
l'jitereuchung vorauszusetzen, werden Astronomie und Meteorologie so lange
nicht abgoben, bis der berüchtigte Satz bewiesen wird: v,Dio Wissenschaft
mufs umkehren!“
Es wäre also, wie Sie wohl sehen, der Streit des Wissens gegen den de.s
Glaubens, den wir führen müfsten, wenn wir einem gröfseren Publikum die
ünhaltbarkeit der Falbschen Ansichten klar darlegen wollten. Denn wir
würden ja doch nicht Jene überzeugen, die nicht durch eigenes Interesse an
der Wissenschaft und nicht durch eigenen BUdungsdraug zum Verstäiidnirs
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15ö
fiip die Methode der wissenschaftlichen Arbeit unserer Tage gelangt sind, die
»ich also beim nächsten Falbschen Vorträge wiederum am Gängelbande fuhren
und von allerhand „Thatsachem“ irre führen lassen werden. Jene Denkenden,
dio aber in die Methoden einigen Einblick gewonnen haben, werden, vronn sie
nur vergleichen, wie die Frage des Mondeinllusses von Falb, und wie sie von
den Vertretoni und Mitarbeitern der Wissenschaft behandelt wird, sich selbst
die Antwort geben können, wem hier das Vertrauen zu schenken ist
Zu einer nur allgemeinen Dai'slellung mögen wir uns darum nicht ent-
»chliefsen; wir werden aber in allen Fällen, wo neue Ergebnisse über die
streitigen Gegenstände veröffentlicht worden, und diese Untersuchungen wirk-
lich wissenschaftlicher Natur sind, Berichte bringen, mögen nun dio Resultate
für oder gegen Falb sprechen. Desgleichen wollen wir künftighin das Ver-
hallen in den Vorgängen der meteorologischen und seismischen Bewegungen mit
den „kritischen Tagen“ Kalbs vergleichen und werden von Zeit zu Zeit auf
die Prognostica des letzteren zurückkommeii.
Herrn W. ML in Danzig. Auf der unserem ersten Hefte beigegebenen
Sonnenphotographio ist natürlich keine Spur von der Korona zu sehen. Der
eckige, nur auf einzelnen Exemplaren überhaupt sichtbare Lichtschimmer rührt
von der Begronzung der photograpbisclien Platte her.
Herrn Pfarrer Xhraen in Dingelstaedt Ihre Idee, die Photographie
zu stereoskopischen Bildern von Nebeln zu verwenden, um daraus die wahre
Gestalt der letzteren zu erkennen, ist jedenfalls eine sehr interessante. Bei der
praktischen Durchrührung dürften sich jedoch unüberwindliche Schwierig-
keiten horausslellen. Die jährliche Parallaxe der Erdbahn ist hier nicht ver-
wendbar, weil diese Distanz eine gar zu geringe scheinbare Verschiebung der
Nebeltheile hcrvorbringeii würde. Es ist dabei zu bedenken, dafs die Parallaxen
der Fixsteme nur noch Bruchlheilo von Bogensekunden betragen, d. h,, dafs
die parallaktische Verschiebung hier 50 — 100 mal geringer ist, als die Breite
eines Haares, welches mau in deutlicher Seljw'eilc vom Augo hält. Eine bessere
Wirkung wird man ohne Zweifel erzielen, wenn man die Eigenbewegung des
Sonnensystems benutzt, um dio beiden stei'coskopisehen Bilder in einer Zwischen-
zeit von etwa einem Jahrhundert aufzunehmeii. Dabei wird aber die neue
Schwierigkeit ointroton, dafs man kaum dieselben Instrumente und dieselben
Methoden im zweiten Jahrhundert anwonden kann und dafs der LuBzustand
jodeofalls sehr verschieden sein wird. Die beiden stereoskopischen Bilder
werden also unvermeidlich aus äufseren Gründen sehr verschieden ausfallen
und dadurch im Stereoskop Täuschungen der körperliehon Form hervor-
rufen, welche der wahren Form nicht entspreehon. Immerhin aber sollte man
es auf den interessanten Versuch ankommen lassen und was an uns liegt,
unsere Nachfolger iin nächsten Jahrhundert darauf hinztiwciscn, soll gern
hiermit geschehen sein.
Verlkir TOD HermaoD P»etol iD Berlin. — Druck von WUholm Qronsu'e Buchdruckeroi in Borlio.
Für die Rodncüon Tor&ntwortUcb: Dr. M. Wilhelm Mojer in Berlin.
L'nborcchtigtor Nncbdruck aus dem Inball dieser Zoitschrlft untoraagi.
UeberaeUungsreebt Vorbehalten.
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Die Untersuchungen Montignys über das Funkeln
der Sterne.
Von Dr. L. de Ball, Astronomen an der Steniwarte au Lüttich.
h< iohtet man in einer schönen Wintemacht seinen Blick zum
- Himmel, so ist das Aupe bald gefesselt durch den lebhaften
Wechsel von Licht und Farbe, den die Sterne darbieten: es
ist das die unter dem Namen des Funkeins der Sterne bekannte
höchst anmuthige und die sonst so majestätische Ruhe des Himmels an-
genehm belebende Erscheinung. Besonders schön in Glanz und Farben-
pracht zeigt sie sich bei hellen Sternen in mäfsiger Höhe über dem
Horizont, nur schwach ausgeprägt ist sie bei Sternen in der Umgebung
des Zeniths. Endlich funkeln die Sterne zwar in allen Jahreszeiten, aber
im allgemeinen mit gröfseror Intensität im Winter als im Sommer.
Das sind einige der wesentlichsten Eigenschaften, welche das unbe-
waffnete Auge uns als dem Funkeln eigen erkennen liifst.
Zur Erklärung dieser Erscheinung sind verschiedene Versuche
gemacht worden ; w’ir beschränken uns aber hier darauf, nur eine jetzt
viel verbreitete Ansicht wieder zu geben. Das Licht, welches uns die
Sterne zusenden, ist kein einfaches, sondern aus verschiedenfarbigen
Strahlen zusammengesetztes Licht Nun ist bekannt, dafs ein Licht-
strahl, wenn er aus einem Medium in ein anderes Übertritt, also z. R.
aus dem leeren Weltraum in die Atmosphäre oder auch nur aus einer
Luftschicht in eine andere, aber von anderer Dichtigkeit und Temperatur
als die erstere, von seiner ursprünglichen Richtung abgelenkt wird;
und ferner, dafs diese Ablenkung am schwächsten für rothes, am
stärksten für violettes Licht ist und für die zwischenliegenden Farben
Himmel und Erde. II. 4.
n
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des Regenbogens mitllere und vom Roth bis zum Violett hin stetig
wachsende Beträge erreicht. Verfolgen wir ein von einem Sterne aus-
gehendes unendlich dünnes Stralilenbündel bis zu seinem Eintritt in
die Atmosphäre, so werden die verschiedenfarbigen Strahlen, welche
bis dahin zusammengingen , auseinandergelegt und sie treten natur-
gemäfs um so weiter auseinander, einen je gröfSeren Weg sie in der
Atmosphäre zurückgelegt haben; dabei sind die violetten Strahlen als
die am stärksten gebrochenen die untersten und die rothen die obersten.
Die Strahlen sind schliefslich so weit auseinandergebreitet, dafs das
Auge eines Beobachters nur mehr im stände ist, einen kleinen Theil
derselben gleichzeitig in sich aufzunehmen; es seien das beispielsweise
die violetten Strahlen. Der Beobachter würde dann also den Stern,
vorausgesetzt, dafs dieser nur das eine anfangs betrachtete Bündel
von Strahlen ausseudet, in violettem Lichte erblicken. Der Stern
sendet aber nicht nur nach einer Richtung ein Strahlenbündel, sondern
nach allen möglichen Richtungen. Ehn dem erstbetrachteten benach-
bartes und unterhalb desselben liegendes Bündel wird beim Eintritt
in die Atmosphäre genau so wie das erste zerlegt. Von diesem
zweiten Bündel liegen aber nun die violetten Strahlen zu tief, um in
das Auge des Beobachters eindringen zu können; das Auge empfange
von diesem zweiten Bündel etwa nur die blauen Strahlen. Ein drittes
vom Sterne nach einer noch weiter nach unten gehenden Richtung
ausgesandtos Strahlenbündel liefere die grünen Strahlen, ein viertes
die gelben, ein fünftes die orangefarbenen und endlich ein sechstes die
rothen Strahlen. Es vereinigen sieh also schliefslich im Auge des Bei)b-
achters Strahlen von allen Farben, vom Violett angefangen bis zum
Roth, und der Oesamteindruck, den dieser empfängt, ist wieder der
des Weifs. Die Strahlen', welche im Auge Zusammentreffen, waren
aber, wie wir im vorigen erkannten, ursprünglich weit von einander
entfernt, und zwar ist nach einer von Respighi angestellten Rechnung,
für einen Stern, welcher dem Horizonte nahe ist, der Abstand der
rothen und violetten Strahlen in einer Entfernung von 904 km vom
Beobachter 50 m, in einer Entfernung von 285 km 17 m und in ei.ior
Entfernung von 90 km 6 m. Bis jetzt setzten wir voraus, dafs die
verschiedenen vom Sterne ausgehenden Strahlenbündel, von denen
jedes nur Strahlen von einer bestimmten Spektralfarbe in das Auge
des Beobachters gelangen liefs, in genau gleicher Weise durch die
Atmosphäre zerstreut würden. In einer grofsen Entfernung vom Beob-
achter sind aber die einzelnen, sich unter der genannten Voraussetzung
in seinem Auge vereinigenden Strahlen noch durch weite Zwischenräi me
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Ißl
von einander getrennt, und es wird deswegen und wegen der in der
Atmosphäre stets vorhandenen verschiedenen Strömungen, ein Theil der
Strahlen Luftschichten von anderer Temperatur und Dichtigkeit zu pas-
siron haben als ein anderer Theil. Dadurch werden nun die einen
Strahlen anders gebrochen wie die anderen und es können somit Strahlen,
welche bei überall hin gleichmäfsiger Beschaffenheit der Luft in unser
Auge gedrungen wären, so von ihrer Richtung abgelenkt werden, dafs
sie uns nicht mehr treffen. Andererseits wird es sich aber auch ereignen,
dafs StrahlenbUndel, welche uns unter gewöhnlichen Umständen keine
Strahlen zusenden, durch eine spezielle Luftschicht eine solche Aende-
rung ihrer Richtung erfahren, dafs wir wenigstens einen Theil der
Strahlen empfangen. Je nachdem nun die Menge der uns zugehenden
Strahlen gröfser oder geringer ist, wird uns der Stern heller oder
schwächer erscheinen, und weil bald Strahlen dieser Farbe, bald einer
andern fehlen oder verstärkt sind, auch in wechselnder Farbe.
Die Montigny sehen Beobachtungen gehen nun zunächst darauf
hinaus, die Anzahl der Farben zu finden, welche ein Stern innerhalb
einer bestimmten Zeit annimmt. Um dies zu bestimmen, bedient er
sich eines von ihm erfundenen Instrumentes, des Sointillometers.
Der Hauptbestandtheil desselben ist eine kreisförmige Glasscheibe mit
ebenen Endflächen (C Fig. 1 und 2), die schief auf eine Umdrehungs-
axe (T) gesteckt ist An dem einen Endo dieser Axe ist eine Rolle
(H Fig. 1 und 2) befestigt, um die ein Faden ohne Ende geschlungen
ist; dieser Faden geht sodann über eine zweite Rolle, die durch ein
Uhrwerk in Rotation versetzt werden kann (Uhrwerk und zweite Rolle
befinden sich in D Fig. 2 eiiigeschlossen). Rotirt diese Rolle, so über-
trägst der Faden die Bewegung auf die Axe, welche die Glasscheibe
trägt. Dicht neben der auf dieser Axe befestigten Rolle ist ein Ge-
triebe (I Fig. 1 und 2) angebracht und in dieses Getriebe greift ein
Zahnrad ein (dasselbe ist in der Figur fortgelassen). Das Getriebe
besitzt 6 Zähne, das Rad 60; hat also die Axe, welche die Glasscheibe
trägt, 10 Umdrehungen gemacht, so hat das Rad eine Umdrehung voll-
endet. Die Axe dieses Rades trägt einen Zeiger, der eich über ein
Zifferblatt bewegt, und man kann somit an diesem die Zahl der ganzen
Umdrehungen und Theile einer solchen ablesen, welche das Rad in
einer gegebenen Zeit gemacht hat; durch die Multiplikation mit 10
erhält man die Zahl der Umdrehungen der Glasscheibe für dieselbe
Zeit Der soeben skizzirte Apparat wird nun mit einem Fern-
rohr so in Verbindung gebracht, dafs die die Glasscheibe tragende
Axe parallel zur optischen Axe des Fernrohrs liegt und in einer nur
tr
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geringen Entfernung von ihr fFig. 2). Die (ilasecheibe kommt dabei
zwischen Ocular und Objektiv des Fernrohrs und in der Nähe des
Oculars zu liegen und die vom Objektiv kommenden Strahlen müssen
dieselbe passiron, ehe sie ins Ocular und das Augfe des Beobachters
dringen. Wegen der schiefen Lage der Glasscheibe aber werden die
Strahlen von ihrer Richtung abgelenkt und vereinigen sich etwa in
m Fig. 1. Da der abgelcnkto Strahl in einer Ebene liegt, welche
durch seine ursprüngUche Richtung und eine Normale zu den ebenen
Endflächen der Glasscheibe geht, so mufs, wenn die Glasscheibe sich
dreht, die Normale also eine Kegelfläche beschreibt, der Voreini-
gungspunkt der Strahlen seine Lage ändern, und es ist klar, dafs das
Bild des Sternes jedesmal einen Kreis beschreiben mufs, wenn das
Glas eine Umdrehung vollführt. Die Bilder des Sterns legen sich
auf dem Umfange dieses Kreises nebeneinander; ist dabei die Rota-
tionsgeschwiudigkeit der Glasscheibe hinreichend grofs, so sieht man
dieselben gleichzeitig, d. h. man sieht einen leuchtenden Kreis, den
Montigny die Stemspur nennt. Diese Spur setzt sich für einen Stern
in genügender Entfernung vom Zenith aus farbigen Bogen zusammen;
die Farbe jedes Bogens ist diejenige, welche der Stern innerhalb der kur-
zen Zeit, dafs dieser Bogen beschrieben wird, annimmt, ln der Ebene,
welche die Sternspur enthält, ist ein Mikrometer angebracht, bestehend
aus drei festen und in der optischen Axe des Fernrohrs sich schnei-
denden Fäden (Fig. 3); es entstehen so vier gleiche Kreissektoren,
und zwar ist der Winkelabstand der Fäden so gewählt, dafs jeder
Sektor gleich dem sechzehnten Theile der Kreisfläche ist. Läfst man
den Mittelpunkt der Stemspur mit dem Durchschnittspunkte der Fäden
zusammenfallen und sieht zu, wie viele farbige Rogen zwischen zweien
der jene vier gleichen Sektoren einschliefsenden Fäden liegen, so
kann das 16 fache dieser Zahl mit genügender Näherung als die Zahl
der auf dem ganzen Kreise auflretenden farbigen Bogen betrachtet
werden, orler auch als die Zahl der Farbenänderungen, welche der
Stern erleidet, während die Glasscheibe eine Umdrehung macht. Ist
nun die Umdrehungszeit beispielsweise eine Viertelsekunde, so würden
wir durch die Multiplikation mit 4 dieZahl der in einerSekunde
stattfindenden Farbenänderungen dos Sternes erhalten. Dieses
Endproilukt betrachtet Montigny als das Mafs der Intensität den
Fun keine des beobachteten Sterns und zwar in der Höhe, in welcher er
beobachtet ist Die Intensität ändert sich aber sehr mit der Hohe des
Sterns, und es ist deshalb für das Studium ihrer Abhängigkeit von anderen
Einflüssen zunächst nothwendig, aus einer beobachteten Intensität durch
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Kechnun;; diejenige abzuleiten, welche man beobachtet haben würde,
wenn der Stern in einer fest gewählten Höhe beobachtet worden wäre; als
solche wählt Montigny die Höhe von 40 Grad. Nun lautet ein von
Herrn Dufour aus Beobachtungen mit blofsem Auge abgeleitetes Ge-
setz: „Nimmt man die Gegend in der Nähe dos Horizontes aus, so
ist im übrigen die Intensität des Funkeins proportional dom Produkt
aus der Dicke der Luftschicht, welche der Lichtstrahl durchläuft, in
die astronomische Refraktion, welche der Zenithdistanz des Sternes
entspricht.“ Hierbei ist die Höhe der Atmosphäre gleich */jo des Erd-
radius angenommen. Das genannte Gesetz wird, wie Prof. Montigny
bemerkt, durch seine Beobachtungen mit dem Scintillometer bestätigt;
doch scheint es, dafs die Beläge hierfür nicht veröffentlicht worden
sind. Auf Grund des Du fo urschen Gesetzes berechnete Montigny
eine Tafel, aus der man für eine bcstimrato Höhe des Sternes den
( 'oeffizienten entnehmen kann, mit dem die beobachtete Intensität multi-
plizirt werden niufs, um sie auf die der Höhe 40® entsprechende
zu reduziren. Für die Höhe 26® beispielsweise ist der Coefflzient
gleich 0.75, für die Höhe 35® gleich 1.38. Die auf die Höhe 40® redu-
zirto Intensität legt nun Montigny seinen weiteren Betrachtungen zu
Grunde. Zu bemerken ist noch, dafs seine Beobachtungen im allge-
meinen zwischen 48 und 68 Grad Zenithdistanz angestellt worden sind.
— Aufser der Bestimmung der Anzahl der farbigen Bogen, welche
die Sternspur bilden, ist auch noch die Beobachtung der Farben selbst,
sowie die der Beschaffenheit der Sternspur von Wichtigkeit. In Bezug
auf den letztgenannten Umstand unterscheidet Montigny 6 Fälle, und
zwar 1) die Sternspur ist regelmäfsig, d. h. schmal und an den
Rändern scharf begrenzt (Fig. 4); 2) sie ist ziemlich regelmäfsig,
d. h. die Spur ist merklich breiter geworden, gleichzeitig hat die Be-
grenzung der Ränder an Schärfe abgonommen; 3) die Spur ist un-
regelmäfsig, d. h. sie ist breit und aufserdem an mehreren Stellen
wellig, hat also die Kreisform verloren; 4) die Spur ist sehr breit und
ganz verwaschen; 5) sie ist fransig (Fig. 5); 6) die Spur ist
punktirt, d. h. sie •enthält eine Menge von hell leuchtenden Stellen
von geringerem oder gröfsorem Umfange; in letzterem Falle wendet
Montigny auch wohl die Bezeichnung perlsohnurförmig an. — Be-
züglich des Wechselns der Breite der Sternspur ist hier zu bemerken,
dafs helle Sterne stets breitere Spuren geben als schwächere; es ist somit
nothwendig, auf die Qröfsenklasse der Sterne Rücksicht zu nehmen.
Nach der Erklärung, welche wir vom Funkeln gegeben haben,
und mit Berücksichtigung dessen, was uns die Spektralanalyse über
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(las von den Sternen gesandte Licht lehrt, mufs man erwarten, dafs
die Intensität des Funkeins nicht für alle Sterne dieselbe ist Zufolge
der spektralanalytischen Untersuchungen hat man nämlich drei Haupt-
klassen von Sternen zu unterscheiden und zwar enthält, wenn wir
von Spezialitäten und Unterabthuilungen absehen, das Spektrum der
Sterne erster Klasse nur vier dunkle, dem Wassertoffe entsprechende
Linien, das der Sterne zweiter Klasse aufserdem eine grofse Menge
anderer, verschiedenen Metallen entsprechenden Linien; endlich kommt
in dem Spektrum der Sterne der dritten Klasse aufser den Linien eine
beträchtliche Zahl von dunklen Banden vor. Da nun die Erscheinung
des Funkeins unter anderem davon herrührt, dafs von den Strahlen,
welche uns ein Stern zusendet, bald diese bald jene so von ihrer
Richtung abgelenkt werden, dafs sie uns nicht mehr treffen, so ist es
klar, dafs wenn in dem Spektrum eines Sterns gewisse Strahlen über-
haupt fehlen, die Anzahl der dem Auftreten des Funkeins günstigen
Fälle vermindert wird. Die Intensität des Funkeins mufs also für die
erste Klasse gröfser als für die zweite und für die zweite Klasse
wieder gröfser als für die dritte sein. Das ist durch die Betrachtungen
Montignys in der That bestätigt worden: aus 26171 Beobachtungen
von 62 Sternen der ersten Klasse, 42 der zweiten und 16 der dritten
Klasse findet er die Mittelwerthe der Intensität bez. gleich 87, 79, 59.
Vergleicht man die an verschiedenen Abenden jedesmal durch
eine Anzalil von Sternen bestimmten Intensitäten untereinander, so
zeigen dieselben eine deutliche Abhängigkeit von der Temperatur und
dem Druck der Luft, von ihrem Feuchtigkeitsgehalt und von auf-
tretondon magnetischen Störungen.
Die Intensität des h^mkelns wächst, wenn die Temperatur ab-
nimmt, wie dies aus den folgenden Zahlen ersichtlich ist. Indem alle
von 1870 — 78 angcstellten und einer trockenen Periode ungehörigen
Beobachtungen nach der Temperatur geordnet wurden, ergaben sich
die folgenden Mittelwerthe der Intensität;
Oreoxen
der
Temperatur
Mlttlorr
Temperatur
Beobachtete
Intensität
Berechnete
Intenaltht
Formel Formel
I U
Beobachtu&f-
Rechnung'
I 11
26«
bis
20«
+ 21«.3
39
34
39
0
20
1)
15
f 17 .6
44
43
44
-M
0
16
n
10
-]-ll .3
65
68
55
—3
0
10
»»
r»
-( 7.0
60
68
64
—8
—4
6
1»
0
i 3 .1
75
77
74
-2
+ 1
0
ü
- 4.0
99
93
94
+ 6
+ 5
—5
10
— 7 .7
103
102
106
-1-1
— 3
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165
Hierbei ist zu bemerken, dafs Montigny eine Beobachtung als
einer trockenen Periode angehörig betrachtet, wenn weder am Tage
der Beobachtung selbst noch an einem der zwei folgenden Tage
Kegen fällt. Ein Versuch, die obigen Werthe durch eine Formel aus-
zugleicben, führte mich zu folgenden Resultaten:
I) J = 34.3 + 2.34 (210.3 — t)
II) J = 38.7 -I- 1.21 (210.3 — t) 4- 0.039 (21«.3 — t)2
Hier bedeutet J die bei trockener Witterung der Temperatur t
entsprechende Intensität des Funkeins. Die aus diesen Formeln be-
rechneten Werthe von J sind neben den beobachteten Werthen an-
gegeben; wie man sieht, schliefst sich die Formel II in sehr befriedi-
gender Weise den Beobachtungen an.
ln einer späteren Note fafst Montigny seine Beobachtungen von
1870 bis 1883 nach den Monaten zusammen, und findet, indem dabei
trockene und feuchte Witterung unterschieden wird;
Intensität des Funkeins bei
Monat.
Trockener
Witterung.
Unbestimmter
Witterung.
Feuchter
Witterung.
Januar . .
. 76
93
113
Februar .
. 77
91
122
März . . .
. 59
78
109
April . .
. 64
74
81
Mai , . .
. 52
68
76
Juni . . .
. 41
59
68
Juli . . .
. 42
69
70
August . .
. 46
61
76
September.
. 53
70
78
Oktober
. 69
72
81
November .
. 73
80
94
Dezember .
. 78
89
109
Die Mittel der den Beobachtungszeiten entsprechenden Tempe-
raturen finden sich hierbei nicht angegeben, doch erkennt man so-
gleich, dafs das Funkeln in den kalten Monaten sehr viel intensiver
ist, als in den warmen.
Der Einfiufs des Druckes der Luft ist namentlich beim Auftreten
von Depressionen auffällig; sind diese tief und ist das Sturmcentrum
nahe, so kann die Intensität ausnahmsweise grofse Werthe erreichen.
Der gröfste von Montigny beobachtete Werth ist 244; derselbe wurde
am 8. Dezember 1886 zwischen 5 und 8 Uhr Abends bei Oelegenheit
des damals mit aufserordentlicher Heftigkeit wüthenden Sturmes er-
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l(i«
halten. Bomerkonswerlh ist hierbei, dafs schon am Abend des 7. De-
zember das Sointillomeler das Nahen des Sturmes verrieth, indem die
Intensität des Funkeins den ausnalimsweise hohen Werth 154 er-
reichte, — während das Barometer erst mehrere Stunden später merk-
lich zu fallen begann. Das genannte Beispiel ist nun nicht der
einzige Fall, wo ein Steigen der Intensität mit einem Sturme zusammen-
fiel. Eine Durchsicht der von 1870 — 87 gesammelten Beobachtungen
ergab, dafs diese in 283 Fällen, wo die Intensität den Werth 120 über-
stiegen hatte, mit einer mehr oder minder tiefen Depression zusauimen-
gefallen waren, ohne dafs gleichzeitig eine ebenfalls das Funkeln
verstärkende magnetische Storung stattgofundon hatte. Diese Beob-
achtungen sind von Montigny nach der Intensität des Funkelus
geordnet und dann in 7 Gruppen getheilt worden. Für jede Gruppe
wurde der mittlere Luftdruck im Sturmcentrum um 8 Uhr Morg^ens
des Beobachtungstages und des folgenden Tages, ebenso die mittlere
Entfernung des Sturmcentrums von Brüssel für dieselben Zeiten und
endlich die relative Häufigkeit des Vorkommens der punktirten (oder
perlschnurformigen) Stenispur abgeleitet. Letztere Zahl giebt das Ver-
hältnifs der Abende, wo diese punktirte Stemspur beobachtet wurde,
zu der Ge.saratzahl der inner Gruppe angehörigen Abende. Auf diese
Art ist das folgende Täfelchen entstanden:
1
1
1
Oreoxen der \
lutonKitUten 1
de» FunkelDsl
Retatlre
Mittlerer Uarometor-
etand
Mittlere Entfornung
de« SturmcoDtrume
der
Stürme
Mittlere
InlenoiUt
Hftußgkfit
der
punktirteu
1 dtemapur i
am Mor(r<*n
dea Beob-
achtung«'
tAgea
mm
am Morifen
de«
folModen ]
Tage«
mm 1
am Morgen
des B»b-
Bohtuogs-
l.»M 1 <t«“ T«*«»
! km km
18
244—180
197
i 0.94
734
1 735
1 890
1027
18
180—170
176
0.70
739
1 741
1125 ,
1150
26
170—160
ins
0.66
743
744
970 ^
1 125
3.5
160—150
154
0.64
744
746
IKH) j
1225
3<.l
1 150-140
146
0.50
742
. 743
1200
1075
58
140—130' 135
0.41
745
746
1074
1080
8il
130—120
126
j 0.43 1
745
744
; 1018
' 1175
Aus diesen Zahlen dürfte immerhin hervorgehon, dafs die De-
pressionen die Intensität des Funkeins vermehren; sie erlauben aber
keineswegs den Schlufs, welchen Montigny aus ihnen gezogen hat,
dafs nämlich die Intensität dos Funkeins regelmäfsig mit der Tiefe der
Depression abnehme; als Tiefe der Depression bezeichnet Montigny
dabei den Unterschied dos im Sturmcentrum herrschenden Luftdruckes
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von 7tj0 mm. Indem Montig'ny weiterhin die so definirto Tiefe der
Depression als Mafs der Bedeutung des Sturmes auflafst, stellt er dann
auf Grund des vorigen Täfelchens die beiden Sätze auf; I) Unter
dem Kinflufs der Stürme ist die Intensität des Funkelns um so
gröfser, je heftiger sie sind. 2) In demselben Mafse wächst die re-
lative Häufigkeit des Vorkommens der punktirton (oder perlschnur-
fürmigen) Sternspur. — Man wird wohl der Ansicht beipfliohten, dafs
für die Beantwortung der berührten Fragen die von Montigny ge-
wählte Behandlungsweise seiner Beobachtungen nicht sehr zweck-
entsprechend ist Für die Untersuchung der Abhängigkeit der In-
tensität des Funkeins von der Heftigkeit des Sturmes beispielsweise
ist es natnrgemäfs, letztere auch als Eintheilungsgrund zu wählen und
dann die Beobachtungen in passender Weise in Gruppen zu vereinigen.
Ordnet man von vornherein nach der Intensität des Funkeins und
schliefst dabei alle solche Werthe aus, welche unterhalb eines be-
stimmten Werthes (hier 120) liegen, so ist es unmöglich, zu einem
richtigen Bilde zu gelangen. Es sei hier bemerkt dafs schon bei der
ersten Gruppe von Stürmen der im Sturmcentrum stattgefundene Luft-
druck zwischen 704 mm und 760 mm variirt Ferner ist bekannt, dafs
der Unterschied des im Sturmcentrum herrschenden Luftdruckes von
760 mm noch nicht das Mafs der Stärke des Sturmes bildet — Die
Erscheinung, dafs zur Zeit der Stürme das F unkeln intensiver ist
läfst sich mit Hülfe des früher über das Zustandekommen des Funkelns
Gesagten leicht erklären. Herrscht an einer Stelle ein niedriger Luft-
druck, so sucht die umgebende Luft von allen Richtungen her auf
diese Stelle hinzustürzen, um die Druckdifferenz auszugleichen, und
zwar mit um so gröfserer Heftigkeit je gröfser die Druckdifferenz ist;
wir haben dann naturgemäfs eine mit der Stärke der Aufregung der
Atmosphäre wachsende Zahl von sich schnell austauschenden Luft-
schichten verschiedener Dichtigkeit und Temperatur und somit eine
grofsere Zahl von dem Auftreten des Funkelns günstigen Bedingungen.
Aufserdera sind auch die Depressionen vielfach von Niederschlägen und
elektrischen Erscheinungen begleitet und wir werden gleich sehen,
dafs diese ebenfalls das Funkeln sehr verstärken.
Nach den Beobachtungen Montignys wächst die Intensität des
Funkelns, wenn der Regen horannaht und ist namentlich stark in-
mitten einer regnerischen Zeit. Den Einilufs des Regens auf die In-
tensität des Funkelns erkennt man deutlich aus der oben angeführten
Tafel, welche die in den einzelnen Monaten bei trockener und feuchter
Witterung stattfindenden mittleren Intensitäten giebt. Die Einwirkung
168
von trockener und feuchter Witterung auf das Funkeln der Sterne
äufsert sich nun noch in einer anderen bemerkenswerthen Weise und
zwar hinsichtlicli der farbigen Bogen, welche in der Sternspur auf-
treten. Beim Ilerannahen des Regens übertreflfen nämlich die blauen
Bogen an Anzahl und Intensität die andersgefUrbten und zwar ist dieses
Ueberwiegen der blauen Farbe um so stärker, je mehr die Atmosphäre
mit Wasserdampf gesättigt ist und je mehr Regen nachfolgt. Mon-
tigny unterscheidet bei der Schätzung des Uebersohusses der
blauen Farbe in der Sternspur vier Stufen: sehr schwach, schwach,
ziemlich stark, stark. Das folgende aus 456 Beobachtungsabenden
abgeleitete Täfelchen zeigt nun deutlich die vorhin angerührte Be-
deutung des w’achsenden Vorherrschene des Blau. — In der Columne:
Regenhöhe ist <lie Höhe des an den zwei dem Beobachtungsabende
folgenden Tagen gesammelten Regens angegeben.
Kclaiive |
('eberschttfR
(iM BIau
loteDgität <1^A
Kunkclna
mm
Feuchtigkeit j
der Lufl um 9
Uhr Abends
des Beobacb-
tunfratAgea
Procontsatz
der Sterne mit
Ueberschuf»
des BIau
Znbl der
|Reob*r-btungen
Sehr schwach
103
5,5
79
30 ->,0
' 237
Schwach .
117
7.1
83
38
109
Zieml. stark
126
8.ti
82
47
43
Stark . . . .
129
11.4
86
58
67
Hierbei ist ein .■\bend, an dem ein Uebersohufs des Blau beob-
achtet wurde, nur daun zugezogen worden, wenn gleichzeitig am Tage der
Beobachtung oder an einem der zwei folgenden Tage in Brüssel Regen
fiel. 114 .\bende, an denen zwar das Verwiegen der blauen Farbe
bemerkt worden war (sehr schwach an 83, schwach an 23, ziemlich
stark an 3 und stark an ö .\benden), die aber für Brüssel nicht mit
Regen zusammenfielen, sind ausgeschlossen worden. Montigny be-
merkt, dafs wenn es ausnahmsweise (die Ausnahmen sind aber nach
vorstehendem nicht selten!) nicht in Brüssel geregnet habe, trotzdem
dafs ein Uobcrschufs des Blau beobachtet wurde, beinahe immer an
einer der Stationen Macsuyk, Furnes oder Arlon Regen gefallen wäre.
Maeseyk liegt ost-nord-üstlich von Brüssel in einer Entfernung von
105 km, Furnes west-nord-westlich in einer Entfernung von 122 km,
Arlon südöstlich in einer Entfernung von 167 km. — Mufs nach obiger
Tafel die Bedeutung des Vorwiogens des Blau in der Sternspur für
die Wetterprognose zugeslanden werden, so ist es doch einleuchtend,
dafs die Vorstellung über dieselbe eine irrige wird, wenn, wie es von
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UHt
Montigny gt'sohehen ist, ilie 114 orwähnten Beobachtungen ausge-
schlossen wenien.
Um das Vorherrschen der blauen Farbe beim llerannahen des
Regens und beim Eintritt desselben zu erklären, stützt sich Montigny
auf die schönen Untersuchungen von Prof. Spring über die Farbe
des Wassers im flüssigen und festen Zustande. Reines Wasser in
Röhren von 4 m Länge gegossen, sagt Spring, hat eine so reine
blaue Farbe, dafs nur das schönste Himmelsblau mit ihr verglichen
werden kann; die blaue Farbe bleibt auch noch, wenn das Wasser
gefriert. Ob auch der Wasserdampf in hinreichend dicken Schichten
blau ist, mufs noch durch Versuche bestimmt werden, doch leitet uns
die Analogie dahin es anzunehmen. Zur Stütze dieser Ansicht führt
Montigny unter anderem an, dafs im Sommer nach einem warmen
Gewitterregen, wenn also die unteren Luftschichten stark mit Wasser-
dampf gesättigt sein müssen, weit entfernte Berge eine bläuliche Farbe
annehmen.
Während das Vorherrschen des Blau in der Stemspur ein Kenn-
zeichen für das Eintreten der feuchten Witterung angiebt, entspricht
das Vorwiegen des Violett, hauptsächlich aber das des Grün der
trockenen Witterung. Sehr lehrreich ist in dieser Beziehung das
folgende aus den Beobachtungen 1881 — 1884 (meteorologisch) abge-
leitete Täfelchen:
.fahr
Relative Häufigkeit
(auf 1000 beobachtete Farben)
Regonhohe
des Grün.
des Violett.
mm
1881
10
0.4
889
1882
9
0.7
786
1883
17
2.0
731
1884
69
4.0
620
Dieselben Beobachtungen ergaben, nach den Monaten geordnet,
für die relative Häufigkeit des Vorkommens der grünen Farbe unter
lOOO beobachteten Farben:
.lanuar . . 3 April ... 23 Juli .... 32 October. . 23
Februar . 10 Mai .... 27 August . . 29 November 23
März ... 14 Juni .... 30 September 20 December 2
Wie man hieraus ersieht, tritt gerade in den heifsen und trockenen
Monaten Juni, Juli und August die grüne Farbe am häufigsten auf. —
Es wäre von Interesse die Zahl der den einzelnen Monaten ent-
sprechenden trockenen Tage, die Rt'genmengen u. s. w. zu kennen;
darüber ist aber leider nichts angegeben worden.
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170
Es ist hier der Ort daran zu erinnern, dafs die Beschaffenheit
des Spectnims eines Sternes nicht nur auf die Intensität des Kunkelns,
sondern auch auf die Farben einwirken mufs, welche in der Stem-
spur auftreten. Die Sterne der dritten Klasse, in deren Spectrum
Blau und Violett nur schwach auftreten und die uns orangefarbig oder
roth erscheinen, werden auch bei feuchter Witterung nur einen ge-
ringen Uebcrschufs des Blau geben können, während in der Spur
solcher Sterne, in deren Spectrum die blauen und violetten Strahlen
besonders lebhaft sind, das Blau allezeit einen vorwiegenden Eindruck
ausUben mufs. Nach den Beobachtungen Montignys ist zur Zeit
feuchter Witterung das Verwiegen des Blau bei gelben und nament-
lich bei weifsen Sternen weit deutlicher ausgeprägt als bei orange-
farbigen und rothen; in der Spur bläulicher Sterne ferner, nimmt dann
die Zahl der blauen Bogen noch mehr zu und ihre Intensität wächst. Das
Verwiegen einer Farbe in der Sternspur hängt aber auch nicht selten von
der Richtung ab, in der der Stern beobachtet ist. So hat Montigny
häuflg beobachtet, dafs, wenn eine Depression von Westen herkaiii,
gerade nach dieser Richtung hin der Ueberschufs des'Blau weit stärker
sich ergab, als nach einer anderen, und ferner, dafs, wenn die Witte-
rung in Brüssel schön, aber in Frankreich regnerisch war, das Vor-
herrschen der blauen Farbe sich gerade hauptsächlich nach Süden
hin zeigte. — Die vorigen Bemerkungen erklären die Erscheinung
dafs, falls eine Anzahl von Sternen in verschiedenen Himmelsgegenden
beobachtet worden ist, manchmal ein Theil dieser Sterne einen Ueber-
schufs des Blau gibt, ein anderer nicht. Man erkennt aber aus der dritt-
letzten Tafel, dafs der Proceutsatz der Sterne, welche einen Ueberschufs
les Blau geben, um so gröfser ist, je gröfser die in der Luft enthaltene
•Menge WasseiMampf und je reichlicher die nachfolgende Regenmenge
ist. — Nachdem übrigens der Kinflufs des Spectnims bez. der Farbe
des Sternes auf die Intensität des Funkeins und die Farben, welche
in der Stemspur auftreten, erkannt worden ist, dürfte es sich em-
pfehlen bei der Diskussion der Beobachtungen auch hierauf Rücksicht
zu nehmen; es läfst sich nicht leugnen, dafs, wenn Herr Montigny
dies gelhan hätttt, Zahlen von gröfserer Bedeutung und Beweiskraft
entstanden sein würden; voraussichtlich wäre man dann auch zu ver-
schiedenen interessanten Nebenresultaten gekommen.
Die Bedeutung der blauen und grünen Farbe für die Wetter-
prognose, welche Montigny im Laufe seiner Beobachtungen kennen
gelernt hatte, vcranlafste ihn dazu im Juni 1883 der Kgl. belgischen
.\kademie eine Note vorzuleseu, worin er mit Rücksicht auf das seit
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171
Beginn des genannten Jahres immer seltener werdende Vorherrschen
des Blau und das stärker auflretende Grün die Abnahme des Regens
gegenüber den vorhergehenden regnerischen Jahren 1881 und 1882
in Aussicht stellte. Noch stärker traten die genannten Erscheinungen
im Anfang des Jahres 1884 auf, und somit hielt sich Montigny be-
rechtigt, bereits im April die Prognose zu stellen, dafs das Jahr 1884
sich durch grofse Trockenheit auszeichnen würde. Beide Prophezei-
hungen haben sich, wie bekannt, durchaus bestätigt.
(Schlufs folgt.)
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Die Anfänge der meteorologischen Beobachtungen
und Instrumente.
Von Dr. 6. Hellmsui,
Mitglleil doi« kgl. metoomlogiftchen Instituts in Berlin.
(Schlufs.)
Cj^n diesem Stadium der Entwickelung verlassen wir die üesoliichlc
^ des Hygrrometers und wenden uns zu den Anfängen des Thermo-
meters, des drittältesten der meteorologischen Instrumente. Da
wegen der aufserordentlichen Wichtigkeit desselben, sow’ohl für alle phy-
sikalisch-chemischen und biologisch-modicinischen Wissenschaften, wie
für die Bedürfnisse des Alltagslebens, auch seine Entstchungs- und
Entwickelungsgeschichte bekannter, als bei anderen Werkzeugen des
Meteorologen ist, dürfen wir uns hier etwas kürzer fassen.
Die im Auslande bisher noch zu wenig bekannten Untersuchungen
von Wohlwill in Hamburg und von Burckhardt in Basel haben die
vielumstrittene Frage nach dom Erfinder des Thermometers wohl end-
gültig zu Gunsten Galileo Galileis entschieden. Schon im letzten
Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts demonstrirte derselbe zu Padua einen
Apparat, welcher den Namen eines, freilich noch sehr unvollkommenen
Thermoskopes verdient. Ein kleines Glasgefäfs mit einer etwa zwei
Spannen langen, engen Rohre wird nach unten in ein grofses Gefäfs
mit Wasser getaucht, nachdem man die Luft in ihm durch Erwärmen
verdünnt hat. In Folge der durch die Abkülilung bewirkten Zu-
sammenziehung der Luft steigt Wasser in die Röhre, dessen Fallen
oder Steigen die Ab- oder Zunahme der Temperatur der Luft im Gc-
fäfse zu erkennen giebt. Die erste Beschreibung dieses grund-
legenden thermometrischen Versuches ist nur in einem Briefe über-
liefert worden, welchen der noch später zu nennende Freund
Galileis, der Pater Bonedotto Uastolli, im Jahre 1803 an den
Kardinal f'esarini schrieb; und aus dem Briefwechsel Galileis mit
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173
einem anderen seiner Freunde, dem Venetianer Sag-redo, wissen wir,
dafs dieser jenes Thermometer im Jahre 1613 zu verschiedenen Be-
obachtungen gebrauchte.
Freilich kann das Galileische Instrument kaum ein Thermo-
meter genannt werden; denn der Stand des Wassers in der Röhre
war zugleich von der Temperatur und vom Luftdrucke abhängig,
aber im Laufe der folgenden Jahrzehnte entwickelte sich aus dem-
selben doch ein brauchbares Mefsinstrument, wenn auch — wa.s
manchen vielleicht Wunder nehmen mag — die Theorie und die
GatUeo GaUlei. (Nach Leoni, 1G24.)
Konstruktion des Thermometers selbst bis heute nicht als abgeschlossen
betrachtet werden kann. Leider hat sich noch nicht mit Sicherheit
feststellen lassen, welche Stadien der Entwicklung das Thermoskop
von jener einfachsten Gestalt bis zum sogenannten Florentiner Ther-
mometer durchgemacht hat, ob Galilei an diesen Verbesserungen
selbst betheiligt war oder ob dieses Verdienst anderen zugeschrieben
worden mufs. Wenn bei der nunmehr erfolgenden Neuausgabe der
Werke Galileis, welche Professor Favaro zu Padua im Auf-
träge der italienischen Regierung besorgt, alle Archive nach Manu-
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174
Skripten und Briefen des grofsen Meisters abermals gründlich durch-
stöbert werden, dürfte man vielleicht auch verloren geglaubte Ur-
kunden wieder auffinden, welche manchen dunklen Punkt in der
Geschichte des Thermometers aufzuliellen geeignet sind.
Gegenwärtig nimmt man an, dafs zuerst der französische Arzt
Jean Rey ums Jahr 1631 den wichtigen Schritt gethan hat, das
Galiloische Thermoskop umzukehren, und anstatt der Ausdehnung der
Luft die einer Flüssigkeit zu beobachten, während wieder dem Grofs-
herzog Ferdinand II von Toskana das Verdienst gebührt, diese Ther-
mometerröhre, welche bei Rey noch offen war, unter Ausschlufs der
Luft oben zu schliefsen und als Flüssigkeit nicht Wasser, welches
beim Gefrieren die Röhre sprengt, sondern Weingeist zu wälilen.
Dieser ungeheuere Fortschritt mufs bereits vor 1641 gemacht worden
sein, da in diesem Jahr der Grofsherzog sich solcher Thermometer
zu mancherlei Beobachtungen schon bediente. Die folgenden Jahre
brachten einige weitere Verbesserungen, die wesentlich den gemein-
schaftlichen Arbeiten der Mitglieder der „Accademia del Cimento“ zu
verdanken sind.
Diese „Akademie des Versuches“ war durch Leopold, den
Bruder des regierenden Grofsherzogs Ferdinand II, mit einer kleinen
Zahl Florentiner Gelehrten, zumeist Schülern des 1642 verstorbenen
Galilei, im Jahre 1657 gegründet worden, um unter der Devise
„Provando e Riprovando“ die Naturerscheinungen auf experimentellem
Wege zu ergründen. Es darf dies als die erste wirkliche Natur-
forscher-Akademie angesehen werden, welche trotz nur zehnjälirigen
Bestehens, aber g(-tr(>u ihrem Wahlspruche, nicht blos unmittelbar die
ersten grundlegenden Arbeiten auf dem Gebiete der Physik, ins-
besondere der Pn(«umatik, geliefert, sondern auch dadurch mittelbar
nutzbringend gewirkt hat, dafs die experimentelle Methode der
Forschung durch sie zur Geltung kam, und dafs in England und
Frankreich ähnliche Akademien gegründet wurden, welche mit in-
zwischen veränderter Organisation noch heute fortbesteheu fLondon
1659, Paris 1666).
Die Mitglieder der Accatieraia del Cimento führten ihre experi-
mentellen Arbeiten gemeinschaftlich aus und legten den wichtigsten
Theil der dabei erhaltenen Resultate in einer Art von Tagebuch
schriftlich nieder, auf dessen Grundlage der Sekretär der Akademie
— er nannte sich „II Saggiato Segretario“ — , Lorenzo Magalotti,
im Jahre 1666 die berühmten „Saggi di naturali esperienze l'atte nell'
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Accademia del Cimento“ herausgab, welche acht Auflagen erlebt haben
und ins Lateinische und Englische übersetzt wurden.
ln diesen „Saggi“ findet sich die Beschreibung von vier ver-
schiedenen Thermometern, welche die Akademiker gebraucht haben.
Die in 50 (Irade getheilten, welche später unter dem Namen „kleines
Klorentiner Thermometer“ grofse Verbreitung fanden, dienten schon
damals speziell zu meteorologischen Beobachtungen und sollen uns
ilaher hier ausschliefslich beschäftigen.
Wie die nebenstehende Fig. 4 zeigt, waren es sogenannte
Stabthennometer, d. h. solche, bei denen die Theilung auf dem
die Kapillarrühre umschliefsenden Ulasstabe selbst angebracht
ist. Die Scale bestand aber nicht aus Strichen, welche mit dem
Diamanten oder mit Flufssäure eingeschnitten wurden, sondem
aus Glasknöpfchen von der Oröfse eines Stecknadelknopfes;
jedes zehnte Knöpfchen war weifses Emailglas. Als thermo-
metrische Flüssigkeit diente anfangs gefärbter Alkohol, wie
noch heute bei vielen der gewöhnlichen Minimalthermometer,
später aber ungefärbter, nachdem man die Erfahrung gemacht
hatte, dafs der Farbstoff im Laufe der Zeit sich niederschlägt.
Der wundeste Punkt dieses und der übrigen Florentiner
Instrumente war die Festlegung der Scale, da die .\kademiker ^
nur einen Fixpunkt, den Eispunkt, kannten. Sie hatten nämlich Kleines
wiederholt die Beobachtung gemacht, dafs das „kleine“ Thermo-
meter bei der Berührung mit Schnee oder Eis auf 13 Vs® fiel, Thermo-
und in freier Luft gewöhnlich 14*> zeigte, wenn im Winter das
Wasser am Boden gefror. Ein oberer Fixpunkt war ihnen aber un-
bekannt; denn die gleichfalls duroh Beobachtungen festgestellte That-
sache, dafs das Thermometer im Sommer zu Florenz bis auf 34® im
Schatten und 43® in der Sonne stieg, konnte doch nur einen ziemlich
unsicheren Anhaltspunkt für die Theilung der Scale abgeben. Es
scheint aber die (ieschicklichkeit des Glasbläsers Giuseppe Moriani,
welcher bis dahin I^ampenmacher des Grofsherzogs gewesen war, über
diesen Mangel in der Skalenbestimmung hinweggeholfen zu haben; denn
die damals gefertigten Thermometer waren immerhin vergleichbare Instru-
mente. Don Beweis dafür lieferte Libri im Jahre 1829. Es hatte näm-
lich der Direktor des Galilei-Museums in Florenz, Vincenzio Antinori,
nachdem jene alten Florentiner Thermometer ganz verloren gegangen zu
sein schienen, eine grüfsere .\nzahl derselben in einem Magazin unter
alten Sachen zufällig wieder aufgofunden und dieselben dem bekannten
Physiker Libri zur Vergleichung mit dem Cenlesimalthermometer
und Krd«. IT. 4. ]*>
f
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176
üborgebeu. Dieser fand den Eispunkt in der Tbat bei 13>/]° und
ermittelte ferner, dals das 50. Olasknöpfcheu des kleinen Florentiner
Thermometers dem 55.® C entspricht. Auf Grund dieser Angaben
konnte ich von dem Glasbläser dos hiesigen Mechanikus R Fuefs ein
kleines Florentiner Thermometer, von denen nur noch in Florenz
.mehrere und in London ein einziges Exemplar vorhanden sind,
möglichst getreu nachmachen lassen.
Da mit dem Thermometer in dieser Form die ersten meteoro-
logischen Beobachtungen ausgeführt worden sind, düi-fen wir seine
Geschichte an dieser Stelle verlassen und zu derjenigen des näebst-
ältcsten meteorologischen Instrumentes übergpehen. Eis ist dies der
Regenmesser.
Bisher verlegte mau dessen Elrliudung auf viel spätere Zeit und
nahm als erste Rogeumessuugeu diejenigen an, welche etwa ums
Jahr 1670 zu Dijon auf Veranlassung Mariottes gemacht wurden.
Ich liabe indessen gefunden, dafs die erste Regenmessung bereits
viel früher, nämlich im Sommer 1639, von Benedetto Castelli,
dem bereits oben genannten Freunde Galileis, ausgeführt worden ist,
Castelli, welcher mit Recht als der Begründer der Hydro-
dynamik angesehen wird, erzählt den Hergang in einem von Rom,
dun 18. Juni 1639, datirten Briefe an Galilei folgendermafsen:
Bei einem vorübergehoudeu Aufenthalte Ln Perugia hört er von
dem tiefen Wasserstande des Trasimenischen Sees; er geht hin und
überzeugt sich, dafs das Wasser unterhalb der Ausllufsöffnung steht,
welche man im 15. Jahrhundert dem abflufslosen See gegeben hatte.
Nach Perugia zurückgekehrt, erlebt er einen mäfsig starken und
ziemlich gleichmäfsigeu Regen, welcher etwa 8 Stunden andauort.
Da kommt ihm der Gedanke, zu untersuchen, wieviel durch diesen
Regen der Spiegel des Sees gestiegen sein könne, wobei er als wahr-
scheinlich voraussetzt, dafs der Rogen auch auf den See sich erstrecke
und daselbst ebenso stark wie in Perugia sei. Zu dem Ende nimmt
er ein oylindrisches Glasgefäfs, eine Spanne buch und eine halbe
breit, setzt es im Hofe aus und läfst den Regen eine Stunde lang
hineinfallen, dann nimmt er das Gefäfs herein und mifst mit dem
Maafsstabe die Höhe des Regenwassors, welche er im genannten
Briefe nicht in Zahlen, sondern figürlich durch eine Linie von der
Länge angiebt ....
Dieser interessante Brief Castellis scheint bis jetzt den Fach-
leuten unbekannt geblieben zu sein, obwohl sein Inhalt bereits 1660
in der dritten Auflage von seinem bekannten W'erke: „Deila Misuru
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dell’ -Aoque correnti“ p. 49 11'. mit^etbeill wüitleu ißt. Jedenfalls ist er
auf die Kntwicklungsgeschichte des Kegeumessers ohne Jeden Einflufs
geblieben.
Wer dieses Instrument zuerst zu fortlaufenden Beobachtungen
benutzt hat, mufs vorerst unentschieden bleiben; es hat den Anschein,
als ob dies in Frankreich und England zu gleicher Zeit geschehen
sei. Mariotte spricht in seinem „Traite du mouvoment des eaux“,
welcher zwischen den Jahren 1081 und ltiÖ4 geschrieben sein mufs,
von einer vor 7 oder 8 Jahren zu Dgou gemachten Beobachtungs-
reihe, Hooke legte aber schon im Jahre 1670 der Royal Society den
Plan zu einem selbstregistrirenden Regenmesser vor, wiilirend Richard
Townley im Jahre 1678 zu Townley m Laucashire eine durch
15 Jahre fortgesetzte Reihe von Regenmessuugen begann. Bei allen
diesen Beobachtungen wurde das in eitlem quadratischen oder cyhn-
drischen Auffanggefässe gesammelte Regeuwasser dem Gewichte nach
bestimmt, während die oben beschriebene ei-ste Regenmessung durch
Castelli gleich die Regenhöhe ergab.
Xuumehr bleibt uns noch übrig, die Anfänge des zuletzt er-
fundenen meteorologischen Instrumentes, des Barometere, zu beleuchten
Dieses hat stets als das wichtigste Werkzeug des Meteorologen ge-
golten, und es darf in der That nicht geleugnet werden, dafs erst nach
seinem Auftreten die Beobachtungen eine gewisse Vollständigkeit und
Abgeschlossenheit verrathen.
Dafs Evangolista Torrioelli — der letzte Schüler Galileis,
wie er sich mit Vorliebe nannte — das Barometer im Jahre 1643,
ein Jahr nach dem Tode des grofsen Meistei’s, erfunden hat, dürfte
kaum noch von irgend jemandem bestritten werden, soviele Ansprüche
darauf auch früher von anderer Seite erhoben woiMeu sind. Freilich
hat es den Anschein, als ob Torricelli mehr durch glücklichen
Zufall, als durch die -Vbsicht, ein Instrument zur Bestimmung des Luft-
druckes zu konstruiren, auf die Idee des barometrischen Experimentes
gekommen ist, w’elches er seinem Freunde, dem Mathematiker Viviani.
zuerst mittheilte. Er hat aber jedenfalls zuerst den guten Gedanken
gehabt, in dem damals geführten Streit über die Existenz des luftleeren
Raumes (Vacuum) und über die ,Resistenza del vacuo“ des Wassers,
welches in senkrechten Röhren bis zu etwa 32 Fufs ansteigt, das
speziQsch viel schwerere Quecksilber zu nehmen und so den luft-
leeren Raum schon in einer kaum 3 Fufs langen Röhre zu erhalten.
Viviani führte das Experiment zuerst wirklich aus: er verschallle sich
eine etwa 2 Ellen lange Glasröhre, au deren eines Ende eine Glaskugel
12*
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17rt
geblasen wiinle, während das andere offen blieb, daraul' füllte er diu
ganze Röhre saramt der Kugel mit Quecksilber, schlofs dieselbe an
dem offenen Ende mit dem Finger ab und stellte sie, mit dem
geschlossenen Ende nach unten, in ein gröfseres Gefäfs mit Queck-
silber. Als er nunmehr den Fing^‘r fortnahm, sali er das Quecksilber
in der Röhre sinken, bis es etwa V|^ Elle Uber dem Niveau des
Quecksilbers im Gefäfse stand, und einen luftleeren Raum im oberen
Theil der Röhre und der angeschmolzenen Kugel zurücklassen.
Viviani versäumte nicht nach dem Gelingen dieses ersten Versuches
Evangelista Torricelli. (Nacli Toinba. |
zu Torricelli zu eilen, welcher es sofort aussprach, dafs das Gewicht
der Luft dom Quecksilber in der Röhre das Gleicligewicht halte, und
der auf die Frage Vivianis, was geschähe, wenn das Experiment in
einem ganz abgeschlossenen Zimmer, zu dem die Luft keinen Zutritt
hat, wiederholt würde, sogleich die richtige Antwort gab, dafs alles
beim nämlichen bliebe, da die Luft im Zimmer denselben Druck aus-
ühen würde.
Torricelli, welcher den Versuch nunmehr mit allerlei Ab-
änderungen und Zuthaten mehrfach wiederholte, wurde auch gar bald
gewahr, dafs das Gewicht der Luft, ausgedriiekt durch die Höhe der
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1711
QuecksilbursUule, fortwährpnden kleinen Aemlerunjfen unterliegt ; ja,
in einem an den Pater Ricci in Rom gerichteten Rriefe vom Jahre 1644
spricht er schon davon „dafs sein Instrument dazu dienen könne, zu
erkennen, wann die Luft leichter oder schwerer sei, dafs diese an
der Oberfltäche der Krde am schwersten sei und umso leichter werde,
je mehr man sich auf die höchsten Spitzen der Berge erhebt.“ In
diesen wenigen Worten liegen die wichtigsten Grundsätze für den
Gebrauch des Barometers bereits deutlich ausgesprochen vor: die Be-
stimmung der Luftdruck-Aenderungen und die barometrische Höhen-
messiing.
Dagegen scheint Torrioelli an der weiteren |
Ausbildung des Instrumentes keinen Antheil genom-
men zu haben; er war mit maüiomatischen Unter-
suchungen über die Gycloide zu sehr beschäftigt und
starb auch schon im .lahre 1647.
I
Das von den Mitgliedern der Accademia del Ci- 1
meuto gebrauchte Ban)meter hatU- die in Kig. 5 ab- i
gebildete Form und besafs nur eine willkürliche Skale. J
Erst Borelli scheint einen wirklichen Maafsstab für 1
die Höhe der Quecksilbersäule gebraucht zu haben. |
Somit waren um die Mitte des 17. Jahrhunderts
die wichtigsten meteorologischen Instnimente erfunden.
Italien ist es, welches den Ruhm für sich in
Anspruch nehmen darf, diese Werkzeuge hervorge-
bracht zu haben. Unbestritten darf es als das Vater-
land der instrumontollen Mideorologie gelten, deren
Wiege in Florenz stand.
Der Grofsherzog Ferdinand II. war es wieder-
um, welcher den neu erfundenen Instrumenten eine
ausgebreitete Anwendung zu meteorologischen Beob-
achtungen geben wollte und das erste Stationsnotz
gründete. Durch seinen Hofgeistlichen, den Jesuiten-
pater Luigi Antinori, liefs er Instrumente an Or-
densbrüder vertheilen, welche nach einer gemein-
samen Instruktion beobachteten und auf den gleich-
falls von Florenz aus gelieferten Tabellen („formulae“) ihre Auf-
zeichnungen regelmäfsig einsandten. Vom Jahre 1654 ab wurden
solche Beobachtungen in Florenz, in Vallombrosa und Cutigliano auf
dem Apennin bei Pistoja, in Bologna, Parma, Mailand, ja sogar auch
Fig. 5.
Barometer der
Accademia del
Clmento.
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IPO
aiirscrhalli Italiens, in Innsbruck, Osnabrück und Warschau, ang'cstellt
So ■wurde schon im Anfang: aller Beobachtungen der Beweis geliefert,
dafs die Meteorologie eine wahrhaft internationale Wissenschaft ist
und nur durch einheitliches Zusammenwirken vieler auf dem ganzen
Errlball zerstreuter Jünger wirklich gefordert werden kann.
Die in Florenz selbst geführten Tagebücher sind noch erhalten
>ind in dankenswerther Weise durch den bereits oben genannten
Direktor des Museo Oalileiano, V. Antinori, im „Archivio meteoro-
logfico centrale italiano. 1. Firenze 1868. gr. 8”'‘ ausführlich ver-
öffentlicht worden. Sie beginnen mit dem 16. Dezember 1654 und
enden im März 1670. Anfänglich sind es nur Aufzeichnungen über
den Stand zweier kleiner Florentiner Thermometer im Norden und im
Süden eines Gebäudes und der allgemeinen Witterung unter der Auf-
schrift „tempus“. Die Beobachtungen wurden vier bis sechs Mal am
Tage zu unbestimmten Terminen gemacht, erst vom vierten Jahrgange
ab bleiben die Stunden wenigstens während eines Monats dieselben,
und vom Jahre 1658 ab treten fünf Termine auf.
Die eben genannte Publikation giebt auch die Bruchstücke
einiger anderer Beobachtungsreihen wieder, welche wahrscheinlich
vom Orofsherzog Ferdinand in Pisa und von seinem Bruder
Leopold in Florenz begonnen wurden. Sie umfassen aiifser den
Angaben „Calore“ und „Tempo“ auch solche über das „Vacuo“ oder
„Argento vivo“ (d. h. Bjrometer), den „Vento“ und die „Aria“, in
welcher Rubrik sich Feuchtigkeitsbestimmungen befinden. Nicht un-
erwähnt mag bleiben, dafs die Bezeichnung der Windrichtung auch
schon durch entsprechende WTndpfeilo erfolgte, fast genau in der-
selben Weise, deren sich das moderne „Nedorlandsch Meteorologisch
Jaarboek“ seit Jahren bedient. Ich lasse eine Probe des zu Florenz
geführten Wetterjmirnals hier folgen;
Diario delle mutazioni del Tempo. Noverabre 1657.
Giorui
Oro
Calore
Or.
V a r u 0
0,.
V ento
A ria
Tempo
Lanedi 2(>
5
22V,
tocca U
Scirocco
Molic
Piovoso
Martedl
15
22',
piglia H
Scirocco
Molle
Piovoso
22
22',
tocca 15
Scirocco
Molle
PiovoBO
:t
22>;
Tiifrlia 16
Scirocco
Molle
l'iovoso
27
8
2'2V.
tocca 17 iScirocco
Umida
Nuvoloso epczxato
senza pioggia
M<*rrolodi
i-'i
22
pif^Ha 18
Scirocco
ITmida
Chiaro con qualchc
nuToIo Bpezzato
28
21V.
22
tocca 19 j Scirocco
Uinida
Come sopra
22
tocca 20
Grccalc
Umida
Pi 1*1 chiaro
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im
Da die Skalen sämtlicher damals gebrauchten Instrumente-
willkürhche waren, können jene ersten Beobachtungen heute natürlich
nur geringen absoluten Werth beanspruchen; doch hat Libri, nach-
dem er die Skale des kleinen Florentiner Thermometers in der oben
erwähnten Weise festgelegt liatte, gerade aus dem Vergleich der
Kesultate der ältesten Thermometerablesungen mit denen der neueren
Beobachtuugsreihe die Thatsache ableiten wollen, dafs die mittlere
Temperatur von Florenz in den letzten zwei Jahrhunderten sich nicht
geändert hat. In ähnlicher Weise konnte Paul de la Cour aus den
eingangs genannten Witterungsaufzeichnungen Tycho Brahes den
Schlufs ziehen, dafs vor drei Jahrhunderten in Kopenhagen und Um-
gebung*) das Klima von dem heutigen nicht merkheh verschieden
gewesen sein könne. Jene ältesten Beobachtungen haben also doch
mehr als hlofsen historischen Werth.
*) Brahes Sternwarte lag auf der kleinen Insel Hven im Sunde, also
nur n*', Meile nordnordöstlicli von Kopenhagen.
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Die Sächsische Schweiz und der Elbdurchbruch
zwischen Tetschen und Pirna.
Von [)r. Rirhard Reck in Leipzig, mit Bildern von Olof Winkler in Dresden.
beiden Bilder, an welche die folgenden Zeilen anknUpfen
sollen, werden manchem unserer geehrten Leser angenehme
Erinnerungen an schöne Reisetage, an fröhliche, in herrlicher
Natur verlebte Ferienzeit hervorzaubern; denn Tausende von Touristen,
namentlich aus Norddeutschland, durchstreifen alljährlich das liebliche
Bergland der Sächsischen Schweiz, dem diese beiden Landschaften
entnommen sind. Wie keine andere Gegend fordert gerade dieses
vielbesuchte Ausflugsgebiet den Wanderer zu einem tieferen Erfassen
der Landschaftsformen heraus, denn auf Schritt und Tritt sieht er hier
noch heute dieselben Kräfte bei der Arbeit, die im Laufe von Aeonen
diese.s herrliche Flufsthal mit seinen engen Seitenschluchten, diese
steil abfallenden Tafelberge, diese hoch ragenden Felsenpfeiler ge-
schaffen haben und immer von neuem umformen. Nirgends hat man
einen besseren Einblick in die ausnagende und abtragende Thätigkeit
des W'assers, in den Vorgang der Erosion und Denudation, als gerade
hier. Es liegt dies an der Einfachheit, welche den Aufbau dieses
Gebirges auszeicbnet. Sie gestattet uns, leicht zu überblicken, welcher
Art und wie grofs die gethane Zerstörungsarbeit jenes nimmer rastenden
Elementes ist.
Das Gebirgsgebäude der Sächsischen Schweiz besteht im wesent-
lichen aus übereinander geschichteten Tafeln von Quadersandstein, der,
wie die darin begrabenen Reste von Muscheln und Schnecken, von
Seeigeln und Seesternen bezeugen, zur Kreidezeit in einem der KUste
nahen Meerestheile entstand. Dafs das Festland vom Schauplatze
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Erosionsfonnen des Quadersandsteines im Uttewalder Grund
bei Wehlen.
183
seiner Uilduiig: nicht weit entlegen war, sagen uns auch zuweilen der
ira Sandstein eingeschlossene Abdruck eines Ooniferenzweigleins oder
der zu Kohle umgewandelle Rest eines Stückes Treibholz, welche die
Flüsse jener Zeit zugleich mit den ungeheuren Sandmassen dem Meere
zugefiihrt haben. Immer neue Schichten von Sand lagerten sich auf
die bereits am Grunde der See ruhenden ab, der beigemengte feine
thonige oder kalkige Schlamm verkittete die einzelnen Körner, und
der eigene Druck der immer schwerer werdenden Massen verstärkte
die Festigkeit dieses Bindemittels. Der Absatz dieser Sandschichten
kann kein gleichmnfsig schneller gewesen sein; oft müssen Zwischen-
zeiten eingetreten sein, in welchen nur wenig oder kein neues Material
herbeigeführt wurde. Alsdann setzten sich jedesmal die zuletzt nieder-
gefallenen Sandmassen fester in sich zusammen, was zur Entstehung
von einzelnen unter einander durch horizontale Schichtfugen abge-
theilten Bänken führte. Nur selten schieben sich zwischen diesen
Sandsteinbänken der Sächsischen Schweiz in ganz bestimmten, dem
Geologen wohlbekannten Niveaus anders beschaffene Gesteintafeln,
sandige Kalksteine oder Mergel ein, welche nicht wohl im seichten
Küstenmeere abgesetzt sein können, sondern zur Zeit ihrer Ablagerung
ein periodisches Steigen des Meeresspiegels voraussetzen. Auch sieht
man zuweilen, wie solche in einer tieferen See entstandene Bildungen
auf Kosten der sie einschliefsenden Sandsteinbänke nach einer be-
stimmten Richtung hin anschwellen. Ja eine Sandsteinscbicht kann
ganz verschwinden und auf weite Entfernungen hin völlig durch
Kalksteinbänke ersetzt werden. Diese Merkmale dienen uns zur Be-
stimmung der gegenseitigen I.age von Küste und offener See. In der
eigentlichen Sächsischen Schweiz kommen jene Zwischenschichten
wenig zur Geltung, hier herrschen fast allein die Sandsteine, deren
Schichten stellenweise hier bis zu 300 m Höhe aufeinander gethürmt
sind, ein Beweis dafür, dafs dieser Landstrich zur Kreidezeit sehr
lange Flachsee war. Denn welche aufserordentlich grofsen Zeiträume
sind erforderlich zur Anhäufung solcher Riesenmassen, selbst wenn
wir annohmen, dafs ausgedehnte Flufssystemo dieselben herbeiführten,
und dafs günsUge Meeresströmungen den Sand auf einen verhältnifs-
mäfsig nur kleinen Raum vertheilten!
Die Schichten dieser Sandsteine besitzen nicht überall mehr die
horizontale Lagerung, wie zur Zeit ihrer Entstehung. Vielmehr ist
den Sandsteintafeln zwischen dem Erzgebirgskamm und dem Elblauf
eine sanfte Neigung nach N. oder NO. eigen, während jenseits des
Stromes völlig horizontale Lagerung oder eine ebenso schwache Nei-
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184
gung nach der enigegongpsetzten Richtung herrscht. Die Elbe hat
also die Tiefenlinie einer wenn auch nur sehr flachen Mulde für ihren
Lauf gewählt.
Sowohl nach Xordost zu, als auch nach Süden hin hat da.« Elb-
sandsteingehirgo gewaltsame Unterbrechungen erlitten. Nach der Lau-
sitzer Granitlandschaft hin winl es durch eine mächtige Bruchlinie
abgeschnitten, die von Pillnitz über Dittersbach und Hohnstein bis
über Hinterhermsdorf hinaus verläuft. Längs dieser im allgemeinen
von Nordwest nach Südost verlaufenden Linie ist das I^ausitzer Oranit-
gebirge gegen den Quadersandstein gehoben, ja zum Theil sogar über
diesen ein Stuck hinweggeschoben worden. Zugleich wurden hierbei
Partien der Juraformation mit ernporgeprefst, deren Vorhandensein
ohne diese Umwälzungen dem Geologen gänzlich verborgen geblieben
wäre. Auch die Südgrenze der Sächsischen Schweiz wird durch ein
System von nahe aneinander liegenden parallelen Bruchlinien gebildet,
welche zusammengefafst als grofse Erzgebirgische Hauptverwerfung
bekannt sind. Diese nordöstlich streichende Dislokation, welche sich
im Nordosten ihres Verlaufes zum Theil auch als blofse jähe Umbiegumr
der Schichten, als Flexur, erweist, schneidet auch die Qnadersandstein-
tafeln ab, welche der sanften nordwestlichen Abdachung des Erz-
gebirges auflagem. Erstaunt bemerkt der stromaufwärts fahrende
Reisende, wenn er die Schäferwand bei Tetschen passirt, wie die Sand-
steinschichten, die er von Pirna her immer nahezu horizontal an den
steilen Thalwänden hinlaufen sah, plötzlich unter 20# nach Süden ge-
neigt sind, um bald gänzlich unter den Ba.sallkegeln und TulTlagem
des böhmischen Mittelgebirges zu verschwinden.
Wir können recht wohl begreifen, dafs die Natur mit solchen
Mitteln nicht nur vorhandene Schluchten und Thäler erweitern und
vertiefen, sondern auch ganz neue auf noch undurchfurchten Hoch-
flächen anlegen kann. Die Klüfte, als bequeme Angriffspunkte für
das zu einem Bach sich entwickelnde Rinnsal, bestimmen denn auch
die Richtung der letzteren in ganz auffälliger Weise, besonders da,
wo völlig horizontale Sohichtenstellung herrscht.
Immer aber werden wir bei solcher Thalbildung zunächst die
stillschweigende Voraussetzung machen, dafs ein Bach — oder Flufs-
system sich bereits vorhandene Höhenunterschiede zu Nutze machen
konnte. Wie aber sollen wir verstehen, dafs die Elbe, welche doch
aus einer tieferen Gegend, ans der nordböhmisohen Einsenkung her-
komnit, die als viel höheres Plateau ihrem Laufe sich entgegenstellende
Sächsische Schweiz durchbrochen hat? ..Nordböhmen ein See“ war
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Du Elbtbal und die Ebenbelten oberhalb Pirna, vom Burglehn aue geeeben.
«las alle Schlag wort, mit welchem man sich lauge über diese Schwierigkeit
hinweg zu helfen versuchte. „Der Abflufs dieses hochgespannten Sees
sägte sich immer tiefer sein Belt ein und zapfte ihn endlich ab.*" Die
neuere Forschung hat indessen gezeigt, dafs die Sache so einfach
denn doch nicht liegt. Zunächst suchen wir in Böhmen vergfeblich
nach zusammenhängenden Ablagerungen, die ein solcher Süfswassersee
unbedingt in grofser Ausdehnung hätte zurücklassen müssen. Noch
viel weniger genügt uns heute eine andere Erklärung älterer Forscher,
nach welcher die Elbe eine bereits vorhandene tief eingerissene Spalte
zum Durchschlüpfen benutzt und erweitert habe. Haben wir doch
deutliche Beweise dafür, <lafs die Elbe früher wirklich in einem viel
höheren Niveau geflossen ist, und dafs wirklich der Pafs, welchen sie
jetzt benutzt, von ihr selbst erst eingesägt wurde.
Um diese Beweise selbst zu schauen, verlassen wir oberhalb von
Pirna beim Dorfe Posta das Ufer des heutigen Stromes und klimmen
tlie steile Thalwand emi>or. Oben am Bande derselben angelangl, er-
blicken wir die Landschaft, welche das Bild auf Seite 185 darstellt. Zur
Rechten und zur Linken des engen Flufstliales erstrecken sich weit aus-
gedehnte Hochflächen, Ebenheiten, wie sie dort im Volksmunde heifsen,
die, besetzt mit zahlreichen Dorfschaften, sich durchweg als blühendes
Ackerland erweisen. Diese Hochebenen werden von einer Anzahl wie
ruinenartig aussehender steiler Felsenkegel überragt, unter denen
sich besonders die kleine Bergfeste Königstein durch ihre weifsen, bei
Sonnenschein weitliin erglänzenden Zinnen bemerklich macht. Der
gfewaltige 411 m hohe Lilienstein wird von unserem Standpunkte aus
durch die näheren, aber weit niedrigeren Bürensteine halb verdeckt,
während Pabststein und Pfaffenstein frei aufragen. Diese hohen Felsen-
berge, die sogenannten Steine der Sächsischen Schweiz, stellen sich
elbaufwärts auf den Plateaus zu beiden Thalseiten immer zahlreicher
ein, schaaren sich zu ganzen Gruppen oder treten zu mächtigeren
Massiven zusammen. Allen ist der tafelförmig abgestutzte Gipfel, ein
fast oder gänzlich senkrechtes oberes Gehänge und ein steil abge-
bösohter Sockel eigen. Sie geben uns einen Begriff, welche ungeheuren
Sandsteinmassen die Erosion hier zerstört und hinweggefUhrt hat.
Wir brauchen uns nur die Zwischenräume zwischen diesen Tafelbergen
wieder ausgefüllt zu denken, wie es ehedem war. Zwischen diesen
Felsenriesen hindurch auf den Plateaus hoch über dem heutigen Thal-
grund Hofs einstmals die Elbe der Urzeit als majestätischer Strom
dahin. Wahrscheinlich hat derselbe sein Bett oft verlegt, wie die
grofse Breite seiner Ablagerung andeutet. Ohne diese Stromablage-
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1«7
rungon wären die Sandsteinhoehflächen ärmliches Heideland. So aber
ist der Sandstein hier oben bedeckt mit einer zum Theil mehrere
Meter mächtigen Decke von Flufsschottern und Banden, welche wiederum
von einer fruchtbaren Lehmschicht überkleidet sind. Untersucht man
die Geschiebe dieser Schotter, so findet man, dafs sie nicht zu unter-
scheiden sind von demjenigen Flufsgeröll, welche.s heute noch der
Strom mit sich fortwälzt, und welches beim Ausbaggern heraufgeholt
wird. Namentlich zeichnen sich diese Schichten durch einen grofsen
Reichtlium an böhmischen Basalten und Phonolithen aus. Die Elbe
also hat dieselben wirklich oben auf den Hochflächen ausge-
breitet und auch die fruchtbaren Lehme daselbst abgesetzt. Diese
alten der Diluvialzeit angehörigon Klbschotter liegen dort, wo sie das
1.006 unserer Bilder im Vordergründe auf den horizontalen Sandstein-
schichten ruhend darstellt, nur 50 ra über dem heutigen nahen Elb-
spiegel. Solche Reste alter Stromläufe steigen aber noch weit höher
hinauf. Hinter diesen ersten Ebenheiten dicht oberhalb Pirna folgen
stromaufwärts andere in höherem Niveau mit denselben Schottern und
lA-hmen. Die höchsten Punkte, welche sie erreichen, liegen sogar bis
150 m über dem heutigen Flufsspiegel.
Aufser in den eben aufgeführten, die Sächsische Schweiz be-
grenzenden Hauptbruchzonen äufsert sich das Kräftespiel der laiu-
sitzer und der Erzgebirgischen Gebirgsbildung aucb in den zahlreichen
senkrechten und untereinander fast rechtwinkelig sich kreuzenden
Klüften, welche den Sandstein durchsetzen und ihn in V'erbindung-
mit <len bereits erwähnten Schichtenfugen in die unregolmäfsigen
Würfel zerlegen, die ilen Namen Quadergebirge veranlafst haben.
Vertikale Verschiebungen sind mit diesen Klüften nicht verknüpft.
Dafs sie wirklich in einem gewissen Zusammenhang mit den inner-
halb der Erdkruste pressenden und seitlich schiebenden Kräften stehen
auf welche man jene Bruchzonen zurückführt, beweist ihre grofso
Regelmäfsigkeit auf weite Strecken hin. Hierbei kehren besondere
häufig die Richtungen WNW. und NNO. wieder. Wie Hettner ver-
muthet. war die Sandsteinplatte der Sächsischen Schweiz einer ge-
wissen Torsion ausgesetzt, weil die lauisitzer und die Erzgobirgische
Gebirgsrichtung hier einander entgegenarbeiteten. Ans dieser Torsion
erklären sich diesf^ regelmäfsigcn Systeme von senkrechten Sprüngen
in der spröden Sandsteintafel.
ln dem geschilderten Aufbau unseres Berglandes sind zwar
schon alle seine Oberfläohenformen im Voraus angelegt gewesen,
ihre eigentliche Herausbildung jedoch mufste erst das Wasser über-
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nelimen. ohne dessen Thätig-keit dies Gebirge ein eintöniges und
wüstes Hochplateau hätte bleiben müssen. Erst nach ihrer Üieil-
weisen Zerstörung wurde die I.andschaft das, was sie heute ist; die
Reize dieses mächtigen Gebäudes thaten sich erst auf, als es eine
Ruine geworden war. Belauschen wir das Wasser zunächst bei
seiner Arbeit im kleinen, ehe wir an das Hauptproblem treten, den
Durchbruch des gewaltigen Stromes, dem alle die Rinnsale, Bäche
und Flüfschen zneilen, nachdem sie dies Werk ein jedes in seiner
Weise vollbracht haben.
Der Quadersandslein ist ein wenig widorslandsrähiges Gebilde
wie wir das leider da zur Genüge sehen können, wo Menschenhand
dies Gestein in Ermangelung von besserem Material zu Bauzwecken
verwandt hat. Leicht zwar vermag der Meifsel des Künstlers ihm
die gewünschten Formen zu geben, aber eben so leicht zerstört das
auffallende Kegenwa,sser die feineren Skulpturen schon wieder nach
wenig Jahrhunderten. Es wäscht d,is kalkig-thonigo Bindemittel
heraus, dringt zwischen die jetzt nur locker sich berührenden Quarz-
körnchen ein und läfsl sie beim Gefrieren zur Winterszeit auseinander
bröckeln. Ein Blick auf die Ornamentik so vieler älterer Baudenk-
mäler in Dresden zeigt uns den verderblichen Erfolg dieses Vorganges.
Dasselbe geschieht draufsen auf felsiger Bergeshöhe in noch viel ver-
stärkterem Mafse. Selbst der Sturm hilft hier mit den Fels zer-
krümeln, indem er Sand gegen seine Oberfläche peitscht. Dann
kommen Tausende winziger Pflänzchen, Algen, Flochten und Moose,
und setzen sich auf den rauhen Gesteinswiiudcn fest. Ein jedes ein-
zelne ihrer haarfeinen Würzelchen lockert, wenn es einmal einge-
drungen ist, ein Sandkörncheu nach dem anderen. Besonders kräftig
setzt die Verwitterung an den senkrechten Klüften und an den hori-
zontalen Fugen ein. So runden sich schnell die Ecken und Kanten
der Quader. Eine Schicht ist weicher und wird besonders schnell
zernagt. Ein Ueberhang entsteht an der Felswand. Die flache
Höhlung unter demselben erreicht eine quer durchsetzende senkrechte
Kluft, durch welche Sickerwasser austreten und von innen her mit
zerstören helfen. Eine letzte Kraflleistung geschieht, indem dies die
Kluft durchrieselnde Wasser beim Gefrieren sich ausdehnt, und beim
nächsten Thauwetler löst ein Felsblook sich ab, um polternd zu Thale
zu rollen, l’nter diesen stetigen Angriffen schreitet eine Felswand
immer weiter zurück. Ein unten vorbeifliessender Bach nimmt ge-
schäftig den feinen Band mit hinweg, der sich immer von neuem an
ihrem Fufse anhäuft, und rollt, nach grofsen Regengüssen zu einem
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reifsenden Strome geworden, dann selbst den gröberen Schutt und
grofae Blöcke mit sich thalab. Zugleich sägt sich das rasch fliefsende
Wasser dieses Baches immer tiefer in sein Bett ein, erhält so das
hohe Gefälle der seitlichen kleinen Zuflüsse und zieht immer neue
Gesteinsmassen in den Bereich ihrer Zerstörung. Das Titelbild dieses
Heftes, welches eine Scenerio aus dem Utlewalder Grunde darstellt,
bringt vortrefflich alle die Formen zur Anschauung, unter denen sich
die geschilderten Vorgänge vollziehen. Es fehlen auch nicht die
schlanken Säulen, in welche sich eine Felswand dort aufzulösen
pflegt, wo das Wasser senkrechte Klüfte nach verschiedenen Rich-
tungen hui erweitern kann. Oft sieht man eine Thalwand von ganzen
Gruppen solcher natürlicher Säulen umsäumt.
Um diese Verhältnisse zu erklären, genügt uns auch die geist-
reiche Hypothese Löwls nicht, die für andere Durchbruchsthäler
gewifs am Platze sein mag. Er nahm an, dafs die Sächsische Schweiz
ursprünglich ihr eigenes Flufssystem besafs, dessen Hauptstrom, die
alte Kamnitz-Elbe, nach Nordwest zu das Bergland entwässerte. Zu
gleicher Zeit rann ein kleineres Flüfschen nach der entgegengesetzten
Richtung bei Tetschen den Steilabfall hinab und schnitt sein Bett
immer tiefer in den weichen Sandstein ein, so tief, dafs endlich die
trennende Sandsteinschwelle zwischen ihm und jenem grofsen Flufs-
system der alten Kamnitz-Elbe durchsägt wurde. Aisdaun seien auf
diesem immer weiter vertieften Verbindungskanal die Zuflüsse der
nordböhmiseben Einsenkung der Elbe zugeführt und ihr tributär ge-
macht worden.
Diese Hypothese würde die ausgedehnten viele Kilometer breiten
Ablagerungen von alten Elbschottern mit massenhaftem böhmischen
Material nicht erklären können, welche die Ebenheiten der Sächsischen
Schweiz bedecken. Denn die Schotter der alten Kamnitz-Elbe können
nicht aus solchem, aus dem Innersten Böhmens zum Theil ganz
sicher herleitbaren Materiale bestanden haben. Das sind wirkliche
Elbschotter, wie sie der Fiufs noch heute herbei bringt.
Vielmehr sprechen die Verhältnisse für die zuerst von Tietze
ausgeführte Ansicht, nach welcher das Gebiet der Sächsischen Schweiz
erst später sich gehoben habe, als jene jetzt hochgelegenen Schotter be-
reits gebildet waren. Das Einsohneiden des seit uralter Zeit schon dem
Kauf durch unser Bergland folgenden Eibsystems hat mit dieser
Hebung gleichen Schritt gehalten. Das eigentliche Elbthal im engeren
Sinne ist sehr jungen Alters. Noch zur Zeit, als das nordische
Binnlandeis seinen Rand bis südlich von Pirna vorschob, flofs die
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utü _
Klbe auf den liochplatoaiis oberhalb dieser Stadt. Wir finden dort
die vom Eise herbeigoliihrten nordischen Feuersteine innig vermischt
mit böhmischen Basalten und Fhonolithen, und in den Lehmen sind
wiederholt Reste diluvialer Säugethiere, wie des Mammuth und woll-
haarigen Rhinozeros aufgeileckt worden, als man beim Steinbruchs-
betrieb am Thalrand diese den Abraum bildenden Dihivialschichten
entfernte.
So arbeiten sich auch in der Sächsischen Schweiz, wie überall
auf den Gebirgen der Erde, zwei feindliche Mächte entgegen: die ge-
heimnifsvollen Gewalten der Unterwelt, welche die Erdkniste in Falten
legen oder mächtige Abschnitte derselben gegeneinander verschieben,
heben oder senken, und das offen vor unseren Augen wirkende
Wasser. Ihr seit Jahrtausenden fortgeführter und noch lange nicht
ausgefochtoner Wettstreit hat uns eine der herrlichsten Landschaften
geschaffen.
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Die Beruhigung der Wellen durch Oel.
Es ist eine auffallende Erscheinung, dafs die beruhigende Wirkung,
welche das Oel auf die Bewegung der Wellen ausübt, obwohl schon
im Älterthume bekannt, dennoch erst seit wenigen Jahren in der Schiff-
fahrt eine praktische Verwendung gefunden hat. Das Mifstrauen, um
nicht zu sagen der Spott, mit welchem selbst heutzutage noch diese
Eigenschaft des Oels mitunter behandelt wird, läfst sich wohl nur
dadurch erklären, dafs es dem menschlichen Verstände zunächst un-
möglich erscheint, mit so geringen Mitteln so gewaltigen Naturkräfien,
wie die Meereswogen sie darstellen, erfolgreich entgegenzutreten. Und
doch ist es eine durch viele Erfahrungen sicher verbürgte Thatsache,
deren Eenntnifs und richtige Benutzung bereits seit den wenigen
Jahren ihrer Anwendung in zahlreichen Fällen Schiffe und Seeleute
aus der gröfsten Gefahr errettet hat.
Bereits Aristoteles, Plutarch und Plinius kannten diese
Eigenschaft des Oels, Franklin und nach ihm besonders die Gebrüder
Weber haben die einscblagenden Fragen wissenschaftlich behandelt,
aber erst in diesem Jalirzohnt ist man in weiteren Kreisen der Sache
näher getreten, und ist ihr auch von Seiten der Behörden Aufmerk-
samkeit gewidmet worden. Zumal die britische Admiralität und das
Hydrographische Amt zu Washington haben sich bemüht, unter den
Seeleuten für die Verbreitung dos Verfahrens zu wirken, und Letzteres
hat zu Berichten über die Erfolge desselben aufgefordert, die es dann
veröffentlicht. Eine ausführliche Zusammenstellung aller näheren De-
tails enthält eine vom Nautischen Verein zu Hamburg preisgekrönte
Schrift von Rottok, der wir das Folgende entnehmen.
Die Versuche, welche Franklin und die Gebrüder Weber an-
stellten, führten zu Ergebnissen, welche die Letzteren in folgende Sätze
zusammenfafsten :
ninmel und Erd*. U. 4. 13
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192
1. Das Oel, wenn es auch nur in geringer Menge mit Wasser
in Berührung kommt, zeigt die Erscheinung, sich mit einer bewunderns-
werthen Gewalt und Geschwindigkeit über eine grofse Strecke des-
selben in Gestalt eines durchsichtigen, höchst dünnen Oelhäutchens
auszubreiten.
2. Innerhalb dieser Strecke verschwinden die kleinsten Wellen,
die die Oberfläche des Wassers und der greiseren Wellen kraus und
uneben machen, und die Oberfläche des Wassers wird daher spiegelnd.
3. Die grölseren Wellen setzen zwar ihren Lauf durch diese
Strecke hindurch fort, werden dabei aber selbst niedriger, und zwar
in dom Grade mehr, als die geölte Strecke, durch die sie ziehen,
grölser ist
Um diese Erscheinungen zu erklären, muls man berücksichtigen,
wie die Wellen entstehen. Der Wind, welcher über das Wasser fahrt
stört die ruhige Niveaufläche und erzeugt durch seine Stöfse die
oscillirende Wellenbewegung, welche fortschreitend sich weiter aus-
breitet. Durch die andauernd wiederholten Stöfse steigert sich die
Höhe der Wellen allmählich, bis diese schliefslich jene enormen Di-
mensionen erreichen, die während der Stürme auf hoher See an-
getroffen werden.
Indem nun der Wind über die Wellenberge hinfortgloitet, erzeugt
er durch Reibung kleine L^nebenheiten auf denselben, in welchen der
Wind wiederum neue Angriffspunkte findet, um die anfangs vollständig
regelmäfsige Wellenbewegung zu zerstören und die einzelnen Wellen
zu zerreifsen. Je länger dies andauert, um so zerrissener wird natur-
gemäfs die Oberfläche, um so leichter kann der Wind einsetzen, und
um so wilder tobt die See. Am stärksten tritt diese Erscheinung natür-
lich auf der dem Winde zugekohrten Seite des Wellenberges zu Tage.
„Zu Schaum gepeitscht werden hier die einzelnen Theilchen der Ober-
fläche auf die Spitze des Wellenberges emporgetrieben, hier jenen
sprühenden Gischt, den Wellenkamm, bildend und unter der Wucht des
Windes weitergetrieben an der geschützten Leeseite des Wellenberges
zusammen- imd mit grofser Gewalt steil in das Thal hinabstürzend.
Diese brechenden und schäumenden Wellenkämme sind es, welche dem
Schifl’e so verderbenbringend sind, indem sie erbarmungslos über das-
selbe herfallon und alles zertrümmern, was ihnen in den Weg kommt“
Läfst der Wind endlich nach, so verschwinden zuerst die eigentlichen
Brech.seen mit ihren weifsen, schäumenden Köpfen, und es bleibt nur
noch die, wenn auch mitunter sehr hohe, so doch ganz regelmäfsig
verlaufende, ruhige Schwankung der Meeresoberfläche, die sogenannte
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193
Dünunf^, welche für die Schiffe vollständig ungefährlich ist, und höch-
stens auf den der Seefahrt ungewohnten Reisenden wegen des starken
Auf- und Niederschaukelns des Fahrzeuges unliebsame Wirkungen
ausübt.
Breitet sich nun eine Oelschicht auf den Wellen aus, so findet
der Wind eine glatte Fläche, über die er ohne Reibung hingleitet, und
welche vermöge der gröfseren Zähigkeit und Cohäsion des Oels dem
so gefährlichen Zerreifsen der Wellen erheblichen Widerstand entgegen-
setzt. Die Wellenbewegung selbst wird natürlich durch das Oel nicht
beseitigt, wohl aber wird das Eindringen des Windes in die Wellen
und damit das Ueberschlagen derselben verhindert, und die Brechseen
auf diese Weise in eine starke Dünung verwandelt. Je zäher das Oel
ist, um so schwerer wird die Schicht zerreifsen, um so gröfser also
auch die beruhigende Wirkung sein, die sie ausübt Andrerseits darf
aber auch die Zähigkeit nicht zu grofs sein, da das Oel genügend flufsig
sein mufs, um sich mit hinreichender Geschwindigkeit ausbreiten zu
können. Einen Einflufs auf die Wahl des Oels wird demnach auch die
Temperatur ausüben, bei welcher es verwendet werden solL Kokos-
nufsöl z.B. kann in heifsen Gegenden sehr gute Dienste leisten, während
es in der Kälte dick wird und nicht zu gebrauchen ist. Am günstigsten
lauten alle Berichte über Fischöl jeder Art. Gereinigtes Petroleum
erzielte gar keinen Erfolg, während es in rohem, dickerem Zustande
mit Vortheil verwendet worden ist Fast alle animalischen und vegeta-
bilischen Oele erwiesen sich als geeignet, mineralische dagegen als
weniger wirksam.
Von grofser Bedeutung für die praktische Verwendbarkeit des
Oels ist die Eigenschaft desselben, sich schnell und in sehr dünner
Schicht auszubreiten. Hierdurch wird es ermöglicht, durch verhältnifs-
mäfsig aufserordentlich geringe Quantitäten grofse Wirkungen zu er-
zielen. Die Menge des Oelvcrbrauchs ist natürlich je nach den Um-
ständen eine sehr verschiedene; sie schwankt nach den Berichten
zwischen Vz **nd 9 Liter pro Stunde. Wesentlich beeinflurst wird sie
auch durch die Art und Weise, wie der Ausflufs des Oels geregelt wird.
Häufig werden hierzu die Klosetröhren benutzt, indem man dieselben,
um ein zu schnelles Auslaufen zu verhindern, mit Werg oder Twist
anfüllt, durch welches das Oel langsam hindurchsickert. Besser ist es,
Segeltuchsäcke über Bord zu hängen, welche in derselben Weise ge-
füllt und je nach der Dichte des Stoffes mit mehr oder weniger Löchern
versehen sind. Noch günstiger sind Säcke von loserem Gewebe, bei
denen das Oel aus allen Poren austreten kann. Diese Säcke müssen
Itf
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194
möglichst so angebracht werden, dafs sie nicht im Wasser nachschleppen,
sondern etwas über der Oberfläche hängen, damit jeder austretende
Tropfen sofort vom Winde und von den Wellen erfafst und zerstäubt
werden kann, und so möglichst fein vertheilt wird. Der Ort der An-
bringung für die Säcke richtet sich natürlich nach der jedesmaligen
Lage des Schiffes, ob es mit dem Winde oder gegen denselben fährt,
ob es vor Anker liegt u. s. w.
Die bisherige Betrachtung gilt nur für den Fall, dafs tiefes
Wasser vorhanden ist, in welchem sich die vom Winde in der oben
beschriebenen Weise erzeugten Wellen frei entwickeln können. Anders
liegt der Fall, wenn nicht Wind, sondern Brandung die Veranlassung
zum Brechen der Wellen bildet W'o Klippen oder ähnliche Hindernisse
sich den Wogen in den Weg stellen, ist es ohne weiteres einleuchtend,
dafs das Oel keine Wirkung ausüben kann. Etwas günstiger ist es, wenn
Untiefen oder flacher Strand die Ursachen der Brandung sind. Zwar
kann auch hier das durch Auflaufen der Wellen auf dem seichten
Grunde hervorgerufeno Ueberschlagen der Wellen durch Oel nicht
verhindert werden, aber es wird immerhin die Brandung etwas ge-
mildert werden, indem die Höhe der Wellen durch das Oel bereits
vor dem Erreichen der Untiefe verringert und auch ihre Oberfläche
gegen das Zerreifsen widerstandsfähiger gemacht wird. Einige Berichte
melden auch von günstigen Erfolgen, die unter solchen Umständen
erzielt worden sind; eine so überraschende Wirkung aber, wie auf
hoher See in tiefem Wasser darf hier nie erwartet werden.
Es sei zum Schluss gestattet aus der grofsen Zahl der vom hy-
drographischen Amt zu Washington veröffentlichten Berichte über die
Verwendung des Oels einige hier wiederzugeben, da dieselben. Erlebtes
schildernd, die Wirkung des Oels überzeugender darthun werden, als
die vorhergehenden allgemeinen Betrachtungen.
1. „Kapt Murrel vom englischen Dampfer „Surrey“ berichtet
dafs er auf der Reise von Baltimore nach London im März 1886
schwere Stürme aus WNW halte, von hoher durcheinander laufender
See begleitet, welche die Decke unter W'asser setzten und grosses
Unheil anriohteten. Er füllte die Klosets mit Werg und Twist und
gofs Maschinenöl hinein, bis der Twist vollständig damit gesättigt war
und das Oel allmählich heruntertropfen liefs. Die Wirkung war
wunderbar, keine See kam mehr an Bord. Sowie in der Nacht das
Oel verbraucht war, kam fast augenblicklich eine schwere See auf
Deck, welche den Mann vom Steuer rifs und anderen Schaden an-
riohtete. Die Klosets wurden hierauf nochmals mit Oel gefüllt worauf
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196
alles glatt ging; das Schiff lief 18 Stunden lang, ohne Wasser iiber-
zunehmen.“
2. „An Bord des Schiffes „Slivemore“ brach auf der Reise von
Shields nach Bombay 800 Seemeilen von den Seychellen Feuer aus, so-
dafs dasselbe verlassen werden musste. Die Leute begaben sich in
die Boote, um nach den Seychellen zu flüchten. Am dritten Tage
nach Verlassen des Schiffes erhob sich eine Cyklone, und Niemand
hielt OS einen Augenblick für möglich, dafs die Boote derselben Stand
halten würden. Der Kapitän war vor dem Verlassen des Schiffes so
vorsichtig gewesen, die Boote mit Oel versehen zu lassen, um es in
Fällen, wie der vorliegende, zu gebrauchen. Jedes Boot warf einen
aus zusammengelaschten Spieren und Riemen bestehenden Treibanker
aus und gebrauchte in folgender Weise Oel. Ein langer Strumpf wurde
mit in Paraffin getränktem Werg gefüllt und über den Bug des Bootes
gehängt. Vorher war das Boot verschiedene Male fast ganz voll Wasser
geschlagen, sodafs die Insassen für ihr Leben fürchten mussten, nach
dem Gebrauch des Oels kam dergleichen nicht mehr vor. Rings um
das Boot bildete sich eine vollständig glatte Oeldecke, und das Boot
ritt leicht und in völliger Sicherheit auf der Dünung, welche an Stelle
der früheren Brechseen trat Die Wirkung war derartig, dafs wenig
oder gar kein Wasser mehr überkam, und die Bootsinsassen sich so-
gar hinlegen und schlafen konnten, und alles dies trotzdem das Boot
sehr tief beladen war. Ohne die Vorsicht des Kapitains würde die
ganze Besatzung und die Passagiere ohne Zweifel ums Leben ge-
kommen sein.“ P. K.
♦
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196
Allgemeine reberslcht der beachtenswertben Uimmelserscheinnngen im
Jahre 1890.
Die folgende ZusammensteUiing soll wie die vorjährige (Januarheft 8. 248)
hauptsächlich den Zweck verfolgen, den Freunden der Astronomie namentlich
bezüglich jener Hiinmelserscheinungon einen Hinw'eis zu liefern, deren Bo*
obachtung und Verfolgung durch Interessenten möglich ist und Nutzen für
die Wissenschaft haben kann.
1. Die PI aneten.
Merkur ist Anfang des Jahres noch am Abendhimmel, desgleichen im
Mai, August und September, und gegen Jahresschlufs am Abondhorizonte auf-
zusuchen, im Juli, Oktober und November ist er am Morgenhimmol beobacht-
bar. Das Maximum seines Glanzes tritt ein in der Mitte der Monate Januar,
April, Juli und Oktober, die Minima der Helligkeit fallen 31. Januar, 31. Mai
und Ende September.
Venus ist Anfang des Jahres noch ganz kurze Zeit am Morgenhimmol
zu sehen und geht schon um 3 Uhr Nachmittag unter. Im Frühjahr steht der
Planet der Beobachtung günstig am Abendhimmel und verbleibt Abondstern
bis Oktober. Anfang Dezember ist Venus zu nahe der Sonne. Die Helligkeit
bleibt im ersten Vierteljahre die gleiche und nimmt erst in den Sommermonaten
zu; nach dem Helligkeitsmaximum am 27. Oktober nimmt der Glanz rasch
ab und erreicht Ende des Jahres wieder ein Maximum; um diese Zeit wird
Venus wieder am Morgenbinunel schön sichtbar sein. Die Gröfse der Sichol-
gostalt des Planeten (den Durchmesser der ganz erlcuchtoton Scheibe = 1 g<v
Botzt) ist:
1. Januar 0.98 1. Juli 0.81
1. Februar 1.00 1. August 0.72
1. März 1.00 l. September 0.59
1. April 0.98 1. Oktober 0.44
1. Mai 0.95 1. November 0.23
I, Juni 0.89 1. Dezember 0.00
Mars kommt am 27. Mai in Opposition, doch wird diese nicht zu den
besonders günstigen gehören, da der Planet den gröfsten Theil des Jahres über
eine südliche Stellung bat Bequem beobachtbar wird Mars erst im April, wo
er vor Mitternacht aufgeht und zwischen den Füfsen des «Ophiuchus" steht
Im Mai und .Tunt bleibt er (im „Skorpion“) den gröfsten Theil der Nacht am
Himmel; zur Zeit der Opposition ist er leicht in der Nähe des hollen Sternes
»Antares“ (D/, Grad westlich und 3 Grad nördlich desselben) aulzullnden. ln
den Horbstmonaten ist Mars noch bis 9 Uhr Abends im „Schützen** zu sehen.
Jupiter steht im Jahre 1890 zumeist im Sternbild des „Steinbock“, ist
erst im Frühjahr in den Morgenstunden aufflndlich und geht von Mai an vor
Mitternacht aut Um die Zeit seiner Opposition (30. Juli) steht er von 8 Uhr
Abends bis 4 Uhr Morgens am Himmel. In den Herbstmonaten geht er in den
ersten Nachmittagsstunden auf und bleibt noch bis etwa 9 Uhr Abends sicht-
bar. Aufser an die Verfolgung des „rothen** und des „woifsen“ Jupiterflecks
möchten wir die Besizer starker Fernröbro noch an Aufmerksamkeit bezüglich
des Auftretens schwarzer Fleckengruppen (wie solche 18$4 von Weineck,
de Ball und Engelhardt gesehen worden sind) erinnern.
Saturn geht mit Jahresanfang um halb 10 Uhr Abends auf und ist bis
in den April hinein am Nachthimmol im „grofsen Löwen“ auffindlich. ln den
Sommermonaten geht er allmählich früher unter, im Mai um 2 Uhr Morgens, im
August schon gegen 8 Uhr Abends. Im Herbste ist er nur in den ersten
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1*J7
Mor^astunden beobachtbar, im Dezember nach Mitternacht; sein Untergang-
erfolgt dann im Tageslichte.
Die Oeftnung des Ringsystems des Saturn nimmt im laufonden Jahre
abermals um Beträchtlichos ab und wir sehen am Jahresende nur wenig mehr
Ton der südlichen Fläche des Ringes.
Uranus hält sich das ganze Jahr im Sternbild der «Jungfrau** auf und
zwar immer nordöstlich dos sehr hellen Sterns «Spica**. Kr ist um bequemsten
▼011 März bis Juni beobachtbar, in welchen Monaten er die ganze Nacht um
Himmel bleibt; spüU^r geht er zeitiger unter und ist im November und De-
zember in den ersten Morgenstunden aufzusuchen.
Neptun steht im „Stier“, nordwestlich des glänzenden Sternes „Alde-
baran*.
*2. Der Mond.
Wir heben wiederum hervor, dafs der Mond dos geeignetste Objekt für
asti-onomische Amateure ist und es sehr erwünscht wäre, wenn der to]»o-
graphischen Krforschung der Mondoberfläche sich möglichst viele Kräfle der
Liebhaberkreise zuwonden wollten. Neben den in der vorjährigen Ilimmela-
übersicht erwähnten, des Detaiistudiuras werthen Mondgegenden ist diesmal
namentlich «Plinius** zu nennen, wegen der oigenthümlichen auf Veränderungen
deutenden Wahmohniungen, welche an diesem Gebilde von Prof. Thury im
September 1Ö8Ü gemacht worden sind.
3. Finsternisse.
a. Ringförmige Sonnonfinsternifs am 17. Juni. Dieselbe wird
von ganz besonderer Auffälligkeit im südlichen Algerien, Tripolis, an der Süd-
spilze von Griechenland und auf Kreta, im südlichen Theile Kleiuasiens sein,
ferner in Kurdistan, Nordpersien und Südchina. In Berlin wird die Mitte der
Finsteruifs um etwa Vs H Uhr Vormittags im Betrage von 5. 1 Zoll sichtbar sein.
b. Partielle Mondfinsternifs am 26. November. Diese Finsternifs
ist in Süd- un<l Ostasien, Australien und auf dem grofsen Ocoan sichtbar. Die
Gröfse der Verfinsterung ist sehr gering, sie beträgt kaum Vio ZoW.
c. Ringförmig-totale Sonnenfinsternifs am 12. Dezember. Die-
sellK* ist hauptsächlich im südlichen Eismeere, auf den Aucklandsinseln und
Neuseeland, partiell in Süd-Neuholland sichtbar.
4. Kometen.
Von den periodisch wiodorkohrondon Kometen wird für den Anfang des
Jahres 1830 der Brorsensche erwartet Derselbe sollte auf seiner 5.46 Jahre
umfassenden Bahn zuletzt im September 1884 die Sonnennähe passiren, ist
aber damals nicht aufgefunden worden. In der Mitte des Jahres 1830 dürfte
der O’Arrestsche Komet (6.63 Jahre Umlaufszeit), der seit 1877 nicht wieder
gesehen worden ist wieder zur Erde zurückkehren. Sehr fraglich ist, ob zwei in
den Jahren 1881 und 1884 entdeckte periodische Kometen von 8.8 und 5.5
.Jahren Umlaufszeit im Jahre 1830 wieder gesehen werden können; namentlich
der zweite dieser Kometen wird der Sonne sehr nahe stehen. — Im Dezember-
heftc des I. Jahrganges der vorliegenden Zeitschrift (S. 185) haben wir den Lauf
des am 2. September 1888 von ßarnard entdeckten Kometen angegeben und auf
die lange Dauer der Sichtbarkeit dieses Gestirnes aufmerksam gemacht. Die Be-
obachtungen der letzten Monate lassen nun hoffen, dafs der Komet weit länger
als man vorausgesetzt hat und zwar auch noch im nächsten Jahre 1890 u. z.
vom Frühjahre ab zwar schwach, aber grofsen Fernrohren vielleicht noch zu-
gänglich, sichtbar bleiben wird. Ein seltenes und bomorkensworthes Vor-
kommnifs bei den kurzen Sichtbarkeitsperioden, mit denen die Haarsterne sich
uns zu zeigen pflegen!
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198
5. Veränderliche Sterne.
Auf dioscoif der Mitwirkung von Freunden der Sternkunde leicht zu-
gänglichen Gebiete, heben wir eine Anzahl als veränderlich erkannter Sterne
hervor, deren dauernde Beobachtung aus mehrfachen Gründen gegenwärtig
besonders wichtig erscheint:
a. von den Sternen vom Algoltypus die folgenden neueren:
Rectascens.
Doclin.')
R
Canis maj.
7I>
14m
29.
— 16»
IPI
(Sawyor
1887)
U
Ophiuchi
17
10
57
+ 1
20.2
( .
18S1)
Y
Cygni
20
47
40
+ .34
14.6
(Chandler 1887)
von den Sternen kurzer Periode
Max.
Min.
Y
Sagittarii
18t
14n
.54*
— 18»
55'1
6“
6.7»
U
•
18
23
24
- 19
13.2
7
8.9
S
Sagittae
19
51
1
+ IK
20.4
5.6
6.7
X
Cygni
20
38
43
T
11 JS
6.7
7.8
T
Vulpeculao
20
46
48
+ 27
50.2
5.6
6.7
von
den mangelhaft bekannten:
T
Ceti
0‘
16"
12«
— 20»
40-3
U
Cassiopojae
0
40
12
+
39.3
T
Persei
2
11
29
+ 58
27.1
W
Tauri
4
21
42
+ 15
51.4
U
Hydrae
10
32
8
- 12
48.7
R
Canum ven.
13
44
13
4- 40
5.4
V
Sagittsrii
18
24
57
— 18
20.3
X
Ophiuchi
18
33
5
+ 8
44.3
S
Vulpeculae
19
43
53
+ 27
0.9
z
Cygni
19
.38
20
+ 49
41.1
w
21
31
51
T- 44
5.3.2
(Betreff der beobachteuswerthesten Doppelsterne und Nebelflecke ver-
weisen wir auf die vorjährige .Allgemeine Uebersicht der Himmelserschei-
nungen.*’)
f
Encbeinnngen am Sterneahiinmel im Monat Jannar-Febraar.
(Sämtliche Zeitan^ben ^Iten für Berliner Zeit)
1. Der Mond.
Aufyang Untergang
20.
Jan.
Erdnähe
7»
51“ Mg.
3k
32»
Nm.
21.
•
Neumond
8
41
4
.35
27.
Erstes Viertel
11
0
28. 1
3
Mg
2.
Fob.
Erdferne
2
4
Ntfn.
6
25
.3.
•
Vollmond
5
12
8
12
•
12.
•
Letztes Viertel
0
27
Mg.
10
21
«»
Maxima der Libration: 26. Januar, 11. Februar.
') Dies, und die folgenden Stempoeitionen gelten fUr lMO/1.
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199
a. Die Planeten.
Merkur
Venus
Rectas.
Declin.
Aufg.
Unterg.
Rectas.
Declin.
Aufg.
Unterg.
12. Jan.
20‘55m
—18“ 17'
91>
5h 49m Kb.
186 58-
— 23“10'|
7**
36 17-1».
16.
21 9
—16 19
8 52 .
6 0 „
19 20
—22 441
7 43 ,
3 27 .
20.
n
21 14
-14 44
8 31 .
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19 42
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24.
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5 41 ,
20 .3
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7 46 ,
3 48 ,
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20 Ü2
—14 11
7 .36 .
5 10 .
24
-20 19
7 45 .
3 59 .
1. Febr.
20 32
—15 7
7 10 ,
4 37 .
20 45
—19 11
7 42 .
4 12 .
5.
20 17
-16 16
6 46 ,
3 58 ,
21 5
—17 53
7 38 .
4 26 .
9.
20 10
—17 18
6 27 .
3 27 .
21 25
—16 28
7 33 .
4 41 .
13.
20 12
—18 1
6 16 ,
3 6 ,
21 45
-14 56
7 29 ,
4 56 ,
20.
Januar Sonnennähe.
6.
i'obniar Soniionfe
rne.
M
a r 8
Jupiter
Rectas.
Declin.
Aufg.
Unterg.
Recta8.|
Declin. ,
Aufg.
Unterg.
14.
Jan.
14h ■22“>
— 12”40'
ll>52'»«f.
11 46°>Ta.
19631-'
—22* 1'
36 55-S«.
20.
14 35
—13 42
1 47
11 29 .
19 37
—21 491
7 42 .
3 40 .
26.
14 47
— 14 41;
1 41 . !
11 11 .
19 43
—21 35 1
7 23 .
3 23 .
1.
Febr.
15 0
— 15 36
1 36 .
10 54 ,
19 49
-21 211
7 4 „
3 7 ,
7.
- 1
15 12
-16 271
1 29 .
10 37 .
19 54
—21 6,
6 44 ,
2 50 .
13.
15 23
—17 14
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S a t u r n
Uranus
Rectas.
Declin.
Aufg.
Unterg.
Rectas.
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Aufg.
Unterg.
12. Jan.
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20.
10 21
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13 40
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10 .56 .
28.
10 19
+12 16
6 43 .
9 1 .
13 40
— 9 45|j0 1 .
10 25 ,
5.
Febr.
10 17
+12 29
16 8.
8 30 .
13 40
— 9 44i
11 26 ü.
1 9 54 .
13.
rt
10 14
+12 44
. 5 33 ,
7 57 ,
13 40
— 9 431,10 54 .
1 9 22 .
Elongatioooo dee i^aturntrabaDten Titan; 15. Jan. ösU., 23. weatl,
4. Febr. Öatl., 8. westl. Elong.
Neptun
Rectas. j Declin.
Aufg.
Unterg.
11. Jan.
26, ,
10. Febr. ;
46 1» l + 18“56'|
4 0 : + 18 54
3 .59 I + 18 54 1
06 46” S«.
11 47 Tb.
10 48 ,
46 32- Ij.
3 31 ,
2 32 ,
3. Verfinsterungen der Jupitertrabanten.
(Die Verfinsterungen sind wegen der sonnennahen Stellung des Jupiter nicht
beobachtbar.)
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200
4« Stembedeckungea durch den Mond.
(Für Berlin sichtbar.)
17. Januar
24. .
8. Februar
Gröfse
• Ophiuchi 5.0“
•SOPiscium 4.8
• V Virginis 4.4
Eintritt
7“ 36“ Mg.
7 40 Ab.
0 14 Mg.
Austritt
44- Mg.
8 40 Ab.
1 29 Mg.
5. Veränderliche Sterne,
a) Maxima variabler Sterne:
Maximum Helligkeit im 1890
am
Max.
Min.
Rectas.
Deel in.
U Ceti
18. Januar
7“
—
2h 28“
27«
—
13“
3V9
S Gemin.
25. ,
8.5
12m
7 36
26
+
23
42.7
U Cancri
23. ,
8—10
12
8 29
29
+
19
16.5
R Leonis
30. .
5.5
10
9 41
38
+
11
56.5
R Vuipec.
27. ,
8
12.5
20 59
29
+
23
22.9
b) Minima der Sterne
vom Algol-Typus:
U Cophei . .
17., 22., 27. Jan., L,
G., 11.
Febr. Abends.
Algol . .
18. Mg., 23. Ab., 29.
Ab., 4. Febr, Mg,
, 9. Mg.
ü Coronae . ,
19. Jan. Mg., 26. Nt.
, 1. Febr. Ab., 8. .
Ab., 15
Ab.
SCancri . , 18. Jan. Ab., 28. Mg., 6. Febr. Nm., 16. Mg.
c) Minima einiger Veränderlicher kurzer Periode:
TMonoc. . . 9. Febr.
W Virginis . 20. Jau., 7. Febr.
U Monoc. . . 29. Jan.
6. Meteoriten.
Die Zeit vom 15. Januar bis 15. Februar ist durch keine besonders bemer*
kenswerthe Meteoritenströme ausgezeichnet.
7. Nachrichten über Kometea
Der am 17. November von Swift im südlichen Theil des Pegasus ent-
deckte lichtschwache Komet hat im Dezember mit zunehmender Helligkeit
dieses Sternbild und das der Andromeda durchlaufen. Um Neujahr stand der
Komet mit bereits wieder abnehmender Lichtstärke schon in den „Fischen.“
iiVm 12. Dezember ist von Borelly in Marseille ein schwacher Komet
im nordöstlichen ThoUo dos „Hercules“ aufgefunden worden. Das Gestirn
bewegte sich mit beträchtlicher täglicher Geschwindigkeit südwärts.
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A§tronomiscbes aus Babylon. Von J. N. Strassmair und J. Eppin^. —
Freibui^ L Breisgau, 1880. Herder. Preis 4 M.
Unter diesem bescheidenen, anspruchslosen Titel tritt ein Werkchen zu
Tage, welches unsere bald übertriebenen, bald untersrhätzendoii VorsteUungen
über die astronomischen Kenntnisse der Chaldäer ganz wesentlich erweitert:
das Buch birgt in sich, wie hier gleich hcrvorgchoben worden soll, so viele
Arbeit und so viel Geduld, dafs jene I^sor, welche das heute noch so unsichere
Fundament der Keilschriflübersetzung nicht einigermafsen kennen und auch
dir Rechnungsarbeit nicht zu übersehen vermögen, die zur Erklärung und
Aufhellung der astronomischen Verhältnisse einer uns so entlegenen Zeit be-
dingt wird, den richtigen Werth des Buches kaum werden beurtlieilen können.
Die Jesuitenpatres Bpping und Strafsmair, beide gleich tüchtige
Assyrologen, haben die überaus verdienstliche Arbeit unternommen, drei der
kleinen Thontäfelchen, die aus der Selmicidonzoit und dem Orte nach aus
Abu Habba (wahrscheinlich der alten chaldäiscbon Sternwarte zu Sippara)
stammen, zu entziffern und die sämtlichoii auf diesen Täfelchen vorkommenden
zahlreichen astronomischen Angaben durch eine zugleich rechnerische wie
sprachliche Untersuchung au&ukläreu. Die Verfasser beschäftigen sieh in ihrem,
den Gang der Untersuchung vor dem Leser in sehr anschaulicher populärer Weise
darlegenden Buclie zuerst mit der Bedeutung der Zahlen, die sich in den au
die Bewegung des Mondes Bezug habenden Angaben vorfindon. Das Resultat
ist, dafs die Babylonier förmliche Mond-E[>homeriden, welche die Kiiitritts-
zoiton der Neu- und Vollmonde enthalten, durch Rechnung horzustcllen
wursten und sich dabei eines eigenthümlichen Verfahrens durch Differenz-
roihen bedienten. Untor der Voraussetzung, dafs die erste der Thontafeln dem
Jahre 189 der solcucidischon Acra angehöre und unter einigen 'zulässigen
Annahmen über die Art der Zeitrechnung, werden nun Anhaltspunkte zur
Feststellung der Datining gesucht. Letztere finden die Verfasser in den Mond-
finsternissen, welche in den Tafeln an mehreren Stellen bei gewissen Monats-
tagoD angemerkt sind. Diese Finsternisse werden für das Jahr 123 t. Chr.
(= 189 der selouc. Aera) berechnet und völlig übereinstimmend mit den Tafol-
angaben gefunden. Zur Vorsicht wird eine Abweichung des Jahres 189 vom
Jahre 123 der christlichen Zeitrechnung, und zwar um 7 Jahre angenommen,
die dann sich ergebenden Finsternisse bestimmt und naebgewioson, dafs kein
anderes Jahr die Mondfinsternisse in der von den Tafeln geforderten Weise
enthält als das Jahr 123; daraus ist erschlossen, dafs das erste Jahr der
seleuc. Aera dom Jahre 311 v. Chr. entspricht und ferner wird hierdurch die
ganze Datining der Ephemeriden klar. In derselben Weise werden die beiden
andern den Jahren 188 und 201 der seleuc. Aera angeböronden Tafeln be-
202
handelt. Die weiteren Untersuchungen lehren, dafs mit den Zahlenangaben
neben den Neu- und Vollmonden gemeint ist, wie lange vor Sonnenuntergang
oder nach Sonnenuntergang der Mond (als Sichel, zum ersten resp. letzten Mal
erscheinen würde; es wird gezeigt, dafs die in den Ephomeriden mitlaufenden
Zeiten für die Mond-Auf- und Untergänge eine ganz annehmbare Genauigkeit
besessen haben; schliefslich wird der interessante Nachweis geliefert, dafs sich
bei den Finsternissen sogar der Versuch vorlindot, dieselben bezüglich ihrer
Zeit und ihrer Gröfse näher zu präzisiren. Dann wenden sich die Verfasser
der Erklärung jenes Textes zu, der rechts von den Mondangaben auf don
Tafeln steht In diesem sehr schwierigen Theile der Arbeit gobon die Häufig«
keil in dem Auftreten ein und derselben Namen, die Art ihrer Anordnung
und die vorkommenden Ausdrücke „Dilbat“ und „Gut-lu“, (unter denen man
bisher Venus und Jupiter verstanden hat) die Gowifsheit dafs man es hier
mit Planetonkonstellatiouen u.dgl.zu thun habe. Um aber alle don Alten wichtig
gewesenen Planotonstellungen mit Sicherheit darin wieder zu erkennen, wie
beispielsweise die beüakischen Auf-undUutergängo,^)die Siriuserscheinungen,*)
die Umkehrpunkto der Planeten u. s. w., mufsto der Planetenhiminel für die
Jahre 110, 111, 122 und lÄl v. Chr. gewUsermafsen durch Kechnung wieder
rekoiistruirt worden. Den Verfassern scheint durch Mühe und Fleifs, indem
sie Schritt für Schritt an der Hand der Rechnung vorwärts gingen, die Auf-
klärung so ziemlich aller Tufelangabcn gelungen zu sein. Völlige Gewifsheit
ob alle identifizirungen hiermit ein für alle mal klar gestellt sind, wird wohl
mit der Zeit erst die Entzifferung weiterer babylonischer Thontafcln ergeben.
Aus dem reichen Funde der Verfasser seien hier blos einige dor wi<'htigston
liervorgchobon. Es bedeuten
l)il-bat = Venus Gar = Wagen
Qut'tu =3 Merkur Lugal = Regulus
An = Mars Absin = Jungfrau (?)
To-ut sas Jupiter Kirrud = Antares
Genna =s Saturn Dur = Fischo
Is-da = Aldebaran Kak-bau = Sirius (sii hor).*)
Um schliefslich ein Beispiel zu geben, wie die Chaldäer die Planeven-
stellungen auf ihren Tafeln anordneten, folgt hier noch ein Stückchen Text
mit darunter stehender Uebersotzung aus der ersten Tafel, sich beziehend auf
den Monat «Ulülu II** des Jahres 189 der selcuc. Aera :
Ulülu II.
•mushu 7: ina namäru yin sik (>Anu elish) mash-mashu arkü; 3 ammat;
mushu 10: ina namäru Di/bai sik skur mahrü absin (Jshtar elish shOru mahrü
shirO) Va ummat; ina namäru \Gtti-iu sik skur mahnt absin («elish shüru mahrü
shirü) 1 ammat 8 u;
10: shuqalulu shatti;
uiushu 20: ina namäru Diibaie saska absin (»Ishtar shaplish nibittu sha shirü)
1 Vi ammat ;
23: muUalu 1 lal e~a (.-shubat nakri);
23: Gut‘tu ina elätu ina nüru erib;
26: Te-ut ina ma.sh-inashu omid.“
’) Je {fori&ger die Entferauo^ (Btoo^atioo) dos Plaooton vun der Sonno wird, «iesto
sehwierii^r Ist dor Plaoel zu sehen. Rr ist im heliakiscbon Untergaotre, wenn er in den
Soonenslratilon yerschwindel, im heiiakischen Aufgange, wenn er am Morgenhimmel zum
eraten Mal aus den Sunaonstrahlon henrortritt.
*) Auf die hellakisoben Aufg&oge des Sirius grUndola alcb bekanntUeb die Solbiaporiode.
') Der Kakab mtsri der Asayrt^r ist lange Zeit ein Streitobjekt unserer Assyi'Ologen
gewoeen.
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203
{17. Septomber 123 v. Chr.)
.Des Nachts am 7. erscheint am Moiyenhimmel Mars, darüber von
Zwillingen der öslliche (*ß), Kntfemung 3 Ellen.
Des Nachts am 10. erscheint am Morgeuhimmel Venus, darüber sur der
westliche in shirü (»^Jungfrau) Vs Ellen; gleichfalls erscheint am Morgenhimniel
Merkiir, darüber snr der westliche in shirü, 1 Klio, 8 Zehner.
Am 10. ist Tag- und Nachtgleiche.
Des Nachts am 20. erscheint am Morgonhimmel Venus, darunter sa von
shirü (a Jungfrau) 1 V«
Am 23. (geht auf) Saturn gleich nach Sonnenuntergang.
Am 23. ist Merkur des Morgens in nüru (sWago) im heliakischon Unter»
gange.
Am 26. ist Jupiter am Ende der Zwillinge im Kehrpunkt**
F. K. Oinzel.
t
William FerreL A populär treatlse on the 'wlnds, comprislDg the general
motions of tbe atmosphere, monsoons, eyclones, tornadoea, water»
spouta, bailstorms etc. New York, John Wüey & Sons 1889. VTII und
f>05 pag. 8®.
Der Verfasser, dessen Verdienste um die Entwicklung der modernen
Meteorologie in deutschen Fachkreisen zuerst die gebührende Würdigung ge-
funden haben, bietet in dem vorliegenden Werke seinen Landsleuteu die reife
Frucht einer mehr als dreissigjährigon intensiven Beschäftigung und Lehr-
thätigkeit auf dem Gebiete der Meteorologie. Obwohl er sich in dom obigen
Titel auf die Behandlung der Luftströmungen und der mit ihnen zusammen-
hängenden Erscheinungen beschränkt, kann man sein neuestes Werk doch als
ein populäres Lehrbuch der Meteorologie bezoichnen, in welchem hauptsächlich
die theoretische Meteorologie behandelt wird, die Klimatologie aber nur in soweit
Berücksichtigung findet, als sie zur Erläuterung der zur Sprache kommenden
Erscheinungen Material liefert; von der Beschreibung und Theorie der meteo-
rologischen Instrumente hat der Verfasser ganz abgesehen. Dies konnte er
mit vollem Recht, denn namentlich über die letzteren, sowie über die Klima-
tologie sich zu belehren, halte cs bisher weit weniger Schwierigkeit, als gerade
über den complicirten Mechanismus der Bewegungen der Atmo.sphäre. Hier-
über auch dem mit den Lehren und Methoden der theoretischen Physik nicht
vertrauten Laien volle Aufklärung zu verschaffen ist Forrel wohl der ge-
eignetste Lehrer, da seine Studien ausschliefsLlch der Untersuchung der atmo-
sphärischen Cirkulation gewidmet waren.
Seine erste meteorologische Arbeit wurde veranlafst durch das Bestreben,
eine wissenschaftlich brauchbare Erklärung für die Luftdruckvcrtheilung auf
der Erdoberfläche zu geben, welche in der einst berühmten und bewunderten
»Physischen Geographie des Meeres- von Maury zwar eine Darstellung aber
noch keine Erklärung finden konnte, und erschien in einem wenig verbreiteten
medicinischen Journal im Jahre 18f)6. S<üno späteren Abhandlungen beziehen
eich alle auf die Mechanik der atmosphärischen Bewegungen, sind indes.sen
rein theoretischer Natur, so dafa sie nur von einem ausgebildeten Mathematiker
gelesen worden können. Später gab die Lehrthätigkoit als Professor der Moteo-
rologie am Signal Office in Washington ihm Veranlassung, diesen Gegenstand
in mit einfacheren Mitteln zu erreichender W’^eise abzuhandcln, was in den
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204
«Recent advances in Meteorolog^r***!) j^chehen ist Indessen ist auch in diesen
noch höhere Mathematik genug zur Anwendung gekommen, wenngleich der
mathematische Apparat derselben gegen den der vorhergehenden Werke be-
trächtlich vereinfacht erscheint. Um nun allen denen, welche sich für die
Deutung der Vorgänge in der Atmosphäre interossiren, aber mit der Hand-
habung mathematischer Methoden nicht vertraut sind, eine zuverlässige Anleitung
hierzu zu gewähren, und in der Erwägung, dafs deijenige, welcher einen
Gegenstand am vollkommensten beherrscht, am besten in der Lage ist, sich
auch allgemein verständlich darüber auszulasson, ontschlofs sichFerrel nach
der Niederlegong seiner Professur zur Abfassung seines vorliegenden Werkes.
Es ist dies keine blofse Erweiterung, sondern eine völlige Umarbeitung seiner
erwähnten „Neuen Fortschritte der Meteorologie“, da er unter Verzichtleistung
auf mathematische Hilfsmittel, abgesehen von gelegentlichen Angaben einer
Formel, den Gegenstand in einer ganz anderen Darstellung zu bringen hatte,
wobei manche neuen Gesichtspunkte sich ergaben. Diese mehr beschreibende
Methode macht natürlich die reichlichere Heranziehung von Beispielen nöthig,
welch© in dem Lehrgänge eine angenehme Abwechselung bieten.
Zuerst w'crden die physikalischen und chemischen Eigimschaften der
Atmosphäre besprochen, sodann die Bewegung eines Köri>cra auf der rotirendon
Erde, w-elche genau verstanden sein mufs, bevor man an die Erklärung der
allgemeinen atmosphärischen Cirkulation geben kann. Im Anschlufs hieran
werden die durch letztere erzeugten klimatischen Eigenthümlichkeilen der
hohen und niederen Breiten, der Ost- und Westseiten der Continente, Einflüsse von
Gebirgen auf ihre Umgebung betrachtet, ferner die Passate sowie die der täglichen
Periode der Temperatur folgenden Land- und Seewinde, Berg- und Thalwinde.
Ein grofserTheil ist der Betrachtung der Cyklonen gewidmet, sowie den durch
dieselben erzeugten lokalen Strömungserscheinungen, wie dem Föhn, der Bora,
den Northers, Pamperos u. s. w.
Für die weiter folgende Theorie der Tornados, Tromben, der Hagel-
stürme und Wolkenbrüche liefert das Klima von Noi-damerika ihm weitaus das
reichlichste Belegmaterial, sodafs wir in dem Cap. VII viele äusserst interessante
Schilderungen von den ungeheuren zerstörenden Wirkungen dieser bei uns
so seltenen Cyklonen kleinster Dimensionen finden. Den Schlufs bildet eine
Darlegung unsrer Kenntnifs von der Entstehung und Ausbreitung der Gewitter.
Es ist hierbei interessant zu l>einerken, dafs Ferrel die Erklärung aller Er-
scheinungen gänzlich ohne Zuhilfenahme der ElektricUät auf rein mechanischem
Wege möglich zu machen sucht, sodafs sich das Woi*t Elektricität nur wenige
Male findet, während es in den „Kecent advances“ überhaupt nicht vorkomiut,
woraus wir wohl rückwärts schliefsen dürfen, dafs der Verfasser die Theorie
der atmosphärischen Elektricität nicht für ausreichend geklärt hält, um eine
noch so problematische Erscheinung als Basis für die Erklärung andrer zu
benutzen.
Wiewohl der Verfasser nicht beabsichtigt hot, direkte Anweisungen für
die Anwendung der Theorie auf die praktische Meteorologie zu geben, ist doch
eine solche Fülle von Belehrung auch über diesen Zweig der Wissenschaft
in die Fmtwicklung der Theorie verw'cbt, dafs der aufmerksame Loser völlig
genügend mit Hilfsmitteln ausgerüstet ist, um durch eignes Unheil in der
Wetterprognose das Richtige zu treffen.
Einige Tabellen, ein Litcraturverzoichnifs sowie ein sehr ausführlicher
Index vorvollsländigon das auch durch besonders sauberen und klaren Druck
angenehm zu lesende Werk. Dr. Ernst Wagner.
') Annaal report of tbo !M>cr«tai7 of war for the yenr VoL IV. 2. WaAhin^on 18SS.
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205
Adam Paulsen. Contribntion 4 notre connalssanc« de l'aarore bor^ale.^)
Der Direktor des dänischen xneteorolofifischen Instituts giebt in der vor-
li^^nden Abhandlung eine Anzahl von Nordlichtboobachtungen, bei welchen
an den beiden Endpunkten einer Basis Höhonmessungon der Lichterscheinungen
ausgeführt wurden, und die sich von älteren Messungsvorsuchon durch die
kleine Ausdehnung der Basis unterscheiden. Während früher Bravais eine
Basis von 15.6 km Länge noch für zu kurz hielt, um genaue Höben der angeblich
stets Hunderte von Kilometern über der Erde schwebenden Lichterscheinungon zu
erlangen, wurde im Jahre 1882 in Qodthaab (Westgrönland) auf einer kurzen
Basis von 5800 m Länge beobachtet. Es ergaben eich für mehrere Reiben
von Strahlen 0.6 bis 1.4 km Höhe, für Bogen und Draperien Höhen von 2.0
bis 67.8 km. Mehrfach wurde Polarlicht unterhalb von Wolken gesehen,
ebenso unterhalb von Bergspitzen von bekannter Höhe. Aehnliche Resultate er*
hielten Garde und Eborlin in Nanortanlik (bei Kap Farewcll), welche eine
Basis von 1248 m benutzten. Es gelang auch hier wie in Qodthaab durch
Messungen in Intervallen von 2 Minuten in gleichbleibendor Höhe hin und
her springende Bogen und Strahlen zu verfolgen, wobei sich Oeschwindig*
keiten von 40—50 m in der Sekunde ergaben, so dafs die leuchtenden Gebilde
mit der Geschwindigkeit eines Orkans ihren Ort verändern.
Paulsen kommt zu dem Schlüsse, dafs in einer bestimmten Zone, welche
Südgrönland in etwa 4 Breitengraden durchschneidet, das Feld des Polarlichts
von der höchsten Höhe der Atmosphäre bis zur ErdoborÜächo sich erstreckt
Dasselbe gilt für Spitzbergen, wo 1888 die schwedische Expedition derartige
Höhenbestimmungon auf einer Basis von nur 673 m vornahm, deren Resultate
zwischen 0.6 bis 29.2 km variiren. Es scheint, dafs die Molckularstniktur der
Luft in den polaren Gegenden in kleinen Höhen nur Strahlen, Bänder und
Dra)>erien zu Stande kommen läfst, während die grofsen Bogen, welche in
niedrigeren Breiten allein Vorkommen, den höheren Schichten angehören, was
Paul seu als beweisend für die Richtigkeit der E diu nd sehen Theorie betrachtet
Die Verschiebung der Maximalzone des Polarlichtes zur Zeit des Winter*
solstitiums nach Nord, im Aequinoctium nach Süd erklärt Paulsen für unwahr*
Bcheinlicb, da in südlicheren Breiten niemals die charakteristischen Formen
der Maximalzone Vorkommen, vielmehr werde durch stärkere Entwicklung
des Polarlichts in niedrigeren Breiten die Aktivität der eigentlichen Nordlicht*
Zone, nämlich der den gröfsten Formreichthum zeigenden, geschwächt, eben-
falls im Einklänge mit Edlunds Theorie. Die von 1865—82 reichende sehr
sorgfältige Beobachtungsreihe von Kleinschmidt in Godtbaab zeigt, dafs dort
nur geringe Aktivität herrschte, wenn grofse Polarlichter in Europa und
Amerika gesehen wurden.
E. W.
*) Bull, de l’Academle Royal« Uauoise
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Herrn X> T. Z. Auf Ihre Anfra^, ob durch umnittelbar aufeinander'
folgende Sonnenaufnahmen nachgewiesen worden sei, dafs Janssens ^photo*
sphärisches Netz^" Realität besitze und nicht et'wa erst durch Luftströmungen
im Pemrobrtubus entstehe, ist uns von Herrn Dr. Kempf in Potsdam die nach
stehende Antwort übermittelt worden; ^Siehe über die betreffende Frage:
Youog, the Sun pag. 110 ff. One might naturally attribute this to the di8tur>
bance of the air in the telescopo-tube, and to clouds of rapor rising from the
damp collodion surface, when struck by the flash of sunlight during its ex-
posure; but Janssen has found, that pictures taken in immediate succession
Show the same ^smudges“ on tho same parts of the sun, which, of course,
would not happen, if they wero the result of accidontal cuiTents of air or vapor
in the telescopo-tube.
Um in möglichst kurzen Intervallen nacheinander mehrere Aufnahmen
TOD der Sonne machen zu können, hat sich Janssen eine Revolver-Caaaette
konstruirt. Ferner hat er in dem Fernrohr ein Fadennctz angebracht, welches
mitphotographirt wird und eine genaue Identifizirung der einzelnen Stellen
der Granulation ermöglicht
Fine ausführliche Darstellung dieser Resultate, verbunden mit Repro-
duktionen der betreffenden Photographien hat Janssen bisher allerdings nicht
veröffentlicht, sondern sich mit kürzeren Notizen in den Comptes rendus etc.
und mündlichen Vorträgen begnügt In Potsdam sind derartige Aufnahmen
nicht gemacht worden, weil dazu, wie oben erwähnt besondere Einrichtungen
erforderlich sind.**
Vprlftir TOD HormsDD P»elol ln Berlin. — Druck TOD Wilbeim Urooau's Buchdruckerei io Berlin.
Für die RedacÜoD Ternotwortiieh: Or. M. Wilhelm Mojer in Berlin.
Unberechtigter Nachdruck aus dem Iskalt dieeer Zeitecbrlft unteraafrt.
Uebereetsuugwrecht Torbehalten.
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Die Pluthbewegung des Meeres und der Luft
Von l’rof. Dr. R. Börnstein in Berlin.
■ |»s Nne zweifache Aufgabe soll in den folgenden Zeilen gelöst werden;
..-1^ Die Darlegung der Flutherscheinungen im Wa.ssermeer und ini
Luftocean. Beide Vorgänge gemeinsam zu beschreiben liegt nahe
genug, weil sie ja auf dieselbe Ursache, die Massenanziehung nämlich,
ziirückzurdhren sind. Und darum soll hier eine gemeinsame Be-
handlung beider versucht weivlen, wenn sie auch im schliofslichen
Ergebnifs unserer Betrachhmg sehr verschieden sicli darslellen.
Denn die Fluth und Ebbe des .Meeres kennen wir als eine mächtigi'
Bewegung der Wasserraassen , bedeutsam für den Forscher nicht
minder, als für den Küstenbewohner und den Seefahrer. Da.s Vor-
handensein der Lufiflulh aber kann nicht einmal aus einwurfsfreien
Beobachtungen sicher nachgewie.sen werden; aus theoretischen Gründen
werden wir sie als uoihwendig bestehend erkennen, zugleich aber
auch hinzurügen müssen, dafs ihre Oröfse viel zu gering ist, um
der Beobachtung mit den bisherigen llülfsmitteln zugänglich gemacht
zu werden.
Nachdem so unser Hesultat vorweg genommen, soll nun auf den
zu besprechenden Gegenstand näher eingogangen werden. Die Ur-
sache, aus welcher Fluth und Ebbe herrühren, ist, wde erwähnt, die
Massenanziehung, Jene von Newton vor 2D0 Jahren entdeckte und
allen Körpern (fesbm, llüssigen und gasförmigen) gemeinsame Eigen-
schaA der gegenseitigen Anziehung. Das Mafs für die Anziehung
zweier Körjier ist nach Newton ein Bruch, welcher als Zähler das
uml Kr<!p. If. i. I4
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20S
Product der Massen beider Körper, als Kenner das Quadrat der
zwischen ihren Schwerpunkten liegenden Entfernung hat. Ist m die
•Masse der Erde und r ihr Radius, so wird ein auf der Erdoberfläche
befindlicher Köqjer, welcher selbst die Masse 1 hat, mit der Kraft
nach der Erdmitte hin angozogen, und es ist diese Kraft gleich-
hedoutond mit dem uns geläufigen Begriff der Schwere. Minder ge-
läufig, aber durch eine einfache Erwägung zu verstehen, ist die Ver-
änderlichkeit der Schwerkraft; beide Oröfsen nämlich, von welchen
sie abhängt, ra und r, können verschiedene Werthe annehmen. Unter
r haben wir eigentlich nicht den Erdradius schlechthin zu verstehen,
sondern mit Rücksicht auf die Unebeidieiten des Bodens mufs darunter
der Abstand der betrachteten Masse 1 vom Mittelpunkt (Schwerpunkt)
der Erde gedacht werden. Und weil also r auf einem Berge gröfser
ist als im Thal, muss auch die Schwere verschieden, auf dem Berge
nämlich kleiner als im Thal sein. Steigt man 1000 m empor, so ver-
mindert sich die Schwerkraft um etwa 200 Millionstel ihres Werthe.s.
ein Kilogramm verliert also dabei etwa 0,2 Gramm. Unterschiede
von dieser Gröfsenordnung sind an jeder einigt'rmafsen feinen Wage
erkennbar. Und doch kann man die gebräuchliche Form der Wage,
deren Anwendung auf Hebelwirkung beruht, durchaus nicht dazu be-
nutzen, um Aendorungen der Schwerkraft mit geänderter Höhe nach-
zuweisen, weil ja die Hebelwage uns nur das Verhältnifs der Kräfte
ergiebt, mit welchem die Schwere auf die beiden belasteten Schalen
wirkt, nicht aber die Gröfse dieser Kräfte, und weil beide bei ver-
änderter Schwerkraft sich gleichmäfsig äudem, so dafs also ihr Ver-
hältnifs das nämliche bleibt Es ist eben nicht möglich, die beim
Emporsteigon stattfindende Abnahme der Schwere eines Gewichtes zu
messen durch Vergleich mit einem zweiten Gewicht, dessen Schwere
gleichfalls abnimmt Wohl aber kann diese Messung ausgeführt
werden, wenn man die Schwere mit einer anders gearteten und von
der Höhe unabhängigen Kraft vergleicht also z. B. mit der Elasticität
einer stählernen Spiralfeder, wie sie in der bekannten und von zahl-
reichen Hausfrauen täglich benutzten Uruokwage (Federwage) An-
wendung findet Wenn eine solche Wage in der Ebene genau
richtige Angaben macht so muss sie auf einem Berg von 1000 m
Höhe nur 909,8 g anzeigen bei Belastung mit einem Gewicht welches
in der Ebene als Kilogramm ei-schien. ln Wirklichkeit inifst man
indessen die Aendenmg der Schwerkraft mit dem Pendel, welches
wesentlich genaueres Arbeiten gestattet, als die Federwage.
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2Uit
Oben wurde gfesagrt, dnfs von den beiden OröfsoTi m und r, welche
<lie Schwerkraft beeinnusscn, auch m nicht unveränderlich sei. Dies
gilt freilich nur insofern, als wir unter in nicht sowohl die an sich
tmveriinderliche Masse der Erde verstehen, als vielmehr diejenige ge-
samte Masse, durch deren Anziehung die Schwerkraft entsteht, und
<lahin gehören die Massen des Mondes, der Sonne und in viel ge-
ringerem Grade wirksam auch die der Planeten. Die auf der Erd-
oberllaclie von uns gedachte Masse 1 wird demnach nicht blos von
<ler Erdmasse nach dem Ertlschwerpunkt hin angezogen, sondern
gleichzeitig auch von jedem andern Weltkörper in der Richtung auf
dessen Schwerpunkt hin und mit Kräften, welche in jedem einzelnen
Falle proportional sind mit der anziehenden Masse, dividirt durch das
Quadrat ihres Abstandes. Diese zur irdischen Schwerkraft hinzu-
tretenden Kräfte nehmen jo nach der Stellung jener Weltkörper zur
Erde verschiedene Gröfso und Richtung an. imd somit darf man sagen,
<lafs fiir denselben Ort die .Schwerkraft eine zeitlich wechselnde
Oröfse ist.
Wie hieraus Flulh und Ebbe entstehen, soll nun gezeigt werden.
Es seien E und M (s. Figur) die Mittelpunkte der Erde und des
Mondes; die geradlinig!' Verbindung beider Mitten treffe in A und B
die Erdoberfläche, so dafs A der dem Mondo nächste, B der vom
Monde fernste Erdpunkt ist. Sämmtliche Massentheile der Erde werden
nach dem Monde hin angezogen mit einer Kraft, die leicht berechnet
werden kann, da die Masse des Mondes gleich '/ss Erdmasse, und
der mittlere Abstand E M gleich GO V3 Erdradien bekannt ist Für eine
im Erdcentrum E beflndliche Ma.sse 1 (Kilogramm) würde die nach
•\1 gerichtete Anziehung des Mondes betragen:
m
8H (60‘7,)2 r-’
0,000003 121.
r-
Wäre die Anziehung des Mondes
für alle übrigen Erdpunkte von dersel-
ben Oröfse, so würde daraus nur eine
die Erde als Ganzes betreffende Einwir-
kung auf die Erdbahn hervorgehen.
Es ist aber der Abstand vom Mondo
in .V kleiner und in B gröfser, als in E.
Also wird A stärker und B schwächer
als E vom Monde angezogen. Auch diese
Kräfte kann man berechnen, und zwar
findet sich für die Anziehung dureh den
Mond und nach dessen Mittelpunkt hin:
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in A;
O.OÜU 003 228
210
in B;
in
88 lüU'A)"-
m
88 r -
ni
0,000 003 021.
Dabni wirken diese Kräfte in A entgrjrenpesetzt zur irdischen
Schwerkraft, in B mit derselben gleichgerichtet. Ist, wie obige Zahlen
ergeben, die Mondwirkung in A gröfser, als auf der übrigen Krde, so
kann sie als eine in A erzeugte Verminderung der Schwerkraft auf-
gefafst werden, und die Schwere erscheint in A geringer, als in E. ln
B ist die .Mondwirkung, welche hier mit der irdischen Schwerkraft
gleichgerichtet ist. kleiner, als auf der übrigen Erde. Sie erecheiut
als eine Zunahme der Schwere, aber von geringerem Betrage als in
K, und somit wird die gesamte Schwere, herrührend von Erde und
Mond, in B gleichfalls kleiner sein als in E. Denken wir uns noch
in der Zeichnung auf der Linie M .V E B ein Loth in E errichtet,
welches die Erdoberfläche in C und D trifft, so wird die Schwere in
C und D ihren mittlern Werth haben unil von der Moudwirkung
unabhängig sein, weil diese hier keine in der Hichtung der irdischen
.'Schwerkraft (C E resp. D E) liegende Componente hat. ln A und B
dagegen ist die Schwere kleiner, als auf der übrigen Erde, denn sie
winl durch die ihr gleich- resp. entgegengesetzt gerichtete Mond-
wirkung in A stärker vermindert und in B weniger vermehrt, als
sonst auf der Erde. Der Betrag dieser t'nterschiede ergiebt sich
leicht, sobald man aus den vorstehenden Zahlen den Unterschied der
Mondwirkung in A und B gegen diejenige in E berechnet. Danach
ist die Mondwirkung
in .V um;
m
r-
0,01)0 Ot«) 107
|Trösser,
in B um:
m
r-
0,000 000 100
kleiner
als in E, oder als in C und D, für welche Punkte der gleiche Werth
gilt, wie fürE. Um den gleichen Betrag verringert sich in A und B
die .Schwere.
Bedenkt man, dafs *'* den Werth der inlischen Schwerkraft <lar-
stellt, sowie, dafs für die Orte C und D der Mond im Horizont steht,
<1. h. auf- oder untergeht, für A und B aber seine obere resp. untere
('ulmination hat, so kann das Ergebnifs der bisherigen Betrachtung
kurz dahin zusammengefafst werden: So lange der Mond sich vom
Horizont entfernt, nimmt die Schwere ab, um nach er-
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211
reichter Culmination wieder zu wachsen. Culminirt der
Mond im Zenith oder N’adir, so ist die Schwere um etwa
ein Zchnmillionstel ihres Werthes kleiner, als bei auf- oder
unterg-ehendem Monde.
Die Wirkung ist natürlich entsprechend geringer für diejenigen
Orte, in welchen der Mond bei seiner höchsten Stellung über dem
Horizont (obere Culmination) das Zenith nicht erreicht, resp. beim
Hinabsinken unter den Horizont (untere Culmination) nicht bis zum
Xatlir gelangt.
Winl, wie für den Mond, jetzt für die Sonne die gleiche Berech-
nung angestellt, deren Masse gleich 324 479 Erdmassen, und deren
Abstand von der Erdmitte durchschnittlich gleich 24fK)0 Erdradien
ist, so beträgt mit Beibehaltung der frühem Bezeichnung die Sonnen-
wirkung
in E, C und D:
in A:
324 479 m
(24 000)-’ r'^
324 479 m
(23 999)-^ r -’
0.000 5G3 33 1 ti
r-
0,000 563 378 0
r-
324 479 m
(24 001}-’ r '-’
Die Sonnenwirkung ist also
"!, 0, (WO 563 284 8.
in A um: 0,0(W (MW 047 0 grösser.
in B um: —1, 0,000 000 040 8 kleiner
als in E, C und D, und um den entsprechenden Betrag, nämlich fast ein
Zwanzigmilhonstel ihres Werthes, ist die Schwere bei Culmination
der Sonne kleiner, als bei auf- oder untergehender Sonne. Mithin
beträgt die Aenderung der Schwere durch die Sonne nur beinahe die
Hälfte der vom Munde erzeugten Aenderung.
Dies scheint überraschend, denn man ist wohl unwillkürlich ge-
neigt, von der mächtigen Sonnenmasse eine gröfsere Wirkung zu er-
warten als vom Monde; und die auf die Erde geübte Anziehung ist
auch wirklich fast 20tlmal gröfser bei der Sonne. Aber nicht die
gesamte iVnziehuug kam für unsere eben vollendete Rechnung in Be-
tracht sondern die Verschiedenheit ihrer Ürüfse an verschiedenen
Eritpunkten. Der grüfste Abstand eines Erdpunktes vom Ertlcentrum.
also der Erdradius, ist sehr klein im Verhältnifs zu unserer Ent-
fernung von tler Sonne, und darum kann die Sonnenwirkung nirgend
auf der Enloberfläche wesentlich gröfser oder kleiner sein, als im
Erdeentrum. Dagegen ist der Eidradius von erheblichem Betrage,
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wenn er als Aenderung des Abstandes zwischen Erde und Mond er-
scheint, und hiermit in Uebereinstimmung fanden wir die vom Monde
bewirkten Aenderungen der Schwere gröfser, als die entsprechende
Sonnenwirkung.
Wenn nun die Erde aus einem festen Kern bestände, umgeben
von einer beweglichen Hülle, und wenn diese Hülle, gebildet durch
Wasser und Luft, ganz regelmüfsig in concentrischen, kugelförmigen
Schichten den Kern umgäbe, so müfste jede Aenderung der .Schwere
eine Störung des Gleichgewichtes herbeiführen. Wie sich dies aus
dem physikalischen Gesetz von den communicirenden Gefäfsen er-
giebt, lehrt die folgende Erwägung. Füllt man zwei aufrechte und
am untern Ende mit einander verbundene Röhren mit irgend einer
Flüssigkeit, so steht dieselbe in beiden Röhren gleich hoch; giefst
man dagegen in die Röhren zwei Flüssigkeiten von verschiedener
Schwere, so steht die leichtere Flüssigkeit in ihrer Rühre um so viel
höher, dafs die Höhen der beiden Flüssigkeitssäulen sich zu einander
umgekehrt verhalten, wie die specilischen Gewichte der Flüssigkeiten.
Ebenso verläuft der Versuch, wenn man wieder beide Röhren mit
gleicher Substanz füllt und die eine Röhre mit ihrem Inhalt erwärmt.
Die wärraoro Flüssigkeit ist dann speoifisch leichter und mufs daher
in ihrer Röhre entsprechend höher stehen, als in der anderen Röhre
die kältere Flüssigkeit. Und endlich würde der gleiche Verlauf auch
dadurch zu stände kommen, dafs bei gleicher Füllung und gleicher
Temperatur beider Röhren die Schwere in ihnen verschieden grofs
gemacht würde, denn nun müfste auf .Seiten der gröfsern Schwerkraft
eine kürzere Flüssigkeitssäule genügen, um der längeni Säule, welche
unter Wirkung geringerer Schwere steht, das Gleichgewicht zu halten;
Eine kleinere Menge schwerer Substanz kommt an Gewicht gleich
einer gröfsern Menge leichter Substanz.
Den letzterwähnten Versuch können wir uns auf folgende Art
verwirklicht denken. An einem Orte O sei eine Rölire aufrecht im
Meere angebracht, deren oberes Ende über ilen Wasserspiegel hinaus-
ragt, während das untere Ende bis zum Meeresboden reicht und dort
durch ein Querstück mit einer zweiten in gleicher Weise am Orte W
aufgestcllten verticalen Röhre verbunden ist. Der Ort W liege west-
lich von O, und es sollen beide Orte bei gleicher geographischer
Breite eine um aO“ verschiedene geographische lünge haben. M'enn
also in O der Mond culminirt, gidit er in W gerade auf. Dann ist
nach unserer vorigen Betrachtung die .Schwere in O kleüier und in
\\ gröfser als sonst, also würde da.s M asscr, mit welchem wir nun die
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•213
Uöhren gefüllt denken, in O hoher und in W tiefer stehen, als vor-
iind nachher. Geht der Mond auf seiner scheinbaren täglichen Bahn
weiter, so wird das W'asser in den Röhren ihm folgen, in O sinken
und in W steigen, bis der Mond in O untergeht und zugleich in W
culminirl, und dann das Wasser wieder nach O hin (liefst Bei der
untern Culmination für O und dem Monduutergang in W ist die Ver-
theilung wieder dieselbe, wie wir sie zuerst sahen, und der ganze
Kreislauf der Erscheinungen mufs bei einmaligem scheinbarem Um-
lauf des Mondes um die Ei-de, d. h. in je 24 Stunden 50 Minuten
zweimal stattfinden, wobei stets zur Zeit des Mond-Auf- und -Unter-
ganges das Wasser niedrig, während der ohern und untern .\(ond-
culmination das Wasser hoch steht
Statt des einen Paares aufrechter Köhren lienken wir uns nun
deren so viele neben einander aufgestellt, dafs sie das Meer völlig
ausfüllen; so wird also das ganze Meer an der beschriebenen Bewe-
gung theilnehmen. Und da die Rührenwiinde gar keine wesentliche
Rolle dabei spielen, insofern die einzelnen Wassersäulen einander
gegenseitig stützen und aufrecht erhalten, so denken wir uns jetzt die
Köhren ganz fort und erkennen die Erscheinung der Eluth und Ebbe,
die sog. Gezeiten, als nothwendige Folge der Massenanziehung, den
Mund bei seinem scheinbaren täglichen Umlauf begleitend und dabei
jeden Ort der Erdoberiläche je zweimal berührend.
Was vom Monde erwiesen werden konnte, gilt nun ebenso auch
von der Sonne, abweichend nur in zwei Dingen. Erstens ist die
Soimenwirkung kleiner, und zwar nicht völlig halb so grofs als die
Mondwirkung, und zweitens findet die Sonnen-Fluth und -Ebbe je zwei-
mal in 24 Stunden statt, weil dies die Dauer dos scheinbaren täg-
lichen Sonnenlaufes um die Erde ist
Die Mondfluth ist also die stärkere. Zu ihr gesellt sich die
Sounenfluth mit einem zeitlichen Abstande, dessen Betrag wechselt
Zweimal in jedem .Monat fallen beide Finthen zusammen, nämlich wenn
Sonne und Mond von der Erde aus in der gleichen Richtung er-
scheinen, d. i. beim Neumond, und wenn beide auf entgegengesetzten
Seiten der Erde stehen, also zur Zeit des Vollmonds, ln diesen beiden
Zeitpunkten, welche man die Syzygien nennt, ctdrainiren Sonne und
-Mond zugleich, beim Neumond fallen ihre gleichnamigen (oberen oder
unteren) Cniminationen zusammen, beim Vollmond die entgegen-
iresetzten. Die Flutlibewegung zur Zeit der Syzj'gien ist daher als
•Summe von Mond- und Sonnenwirkung besonders grofs, man be-
zeichnet sie als Springflulh. Ebenso oft findet natürlich iler ent-
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ai4
<rfgeiigt?Bftzl4‘ Fall statt, nämlich ZusammeiifuUen der Mondfluth mit
der .Sonnenebbe und umgekehrt, wobei die wirklich aiiftretende Fluth-
bewegting der Differenz von Mond- und Sonnenwirkung entspricht.
Dies geschieht, wenn Sonne und Mond dem Erdenbewohner um einen
rechten W’inkel auseinander zu stehen scheinen, so dafs das eine
tiestirn culminirt, wenn das andere auf- oder untorgeht. Es ist leicht
ereichtlich, dafs diese Stellung, welche man Quadratur nennt, zur
Zeit des Halbmondes stattlindet, und dafs die Fluthbewegung alsdann
eine besonders kleine sein mufs. Demgemärs bezeichnet man sie als
Nippfluth.
Die hierin liegende Verschiedenheit, nach welcher allmonatlich
zwei gröfste (Spring-) und zwei kleinste (Nipp-) Fluthen stattfinden,
führt den Namen der halbmonatlichen Ungleichheit.
Eine andere Ungleichheit hängt mit der Verschiedenheit der
Höhen zusammen, in welchen die obere und untere Culmination der
Uestime staufindet. Wenn z. B. für den Ort A unserer Figur der
Mond bei seiner oberen Culmination das Zenith erreicht, so steht er
bei der unteren Culmination für A des gleichen Tages im Zenith des-
jenigen Ortes A, welcher mit A auf tlem gleichen Parallelkreis und
um 180® von A entfernt liegt, also um so weiter entfernt vom Nadir B
des Ortes A, je gröfser die geographische Breite von A ist. Und
wenn umgekehrt die untere Mondculmination für A im Nadir, also
über B, stattfindet, bleibt der Mond bei seiner oberen Culmination
über B um so weiter vom Zenith dos Punktes A entfernt. Beides
geht aus der scheinbaren täglichen Mondbahn hervor, welche über
den Orten des Parallelkroises A A, resp. B B, hinführt. Nun ist aber
die Höhe der Fluthbewegung am gröfsten, wenn die Culmination im
Zenith resp. Nadir stattlindet, und um so kleiner, je weiter entfernt
von diesen beiden Punkten die Culmination stattlindet. Also können
ilie beiden Flutlien desselben Tages nie gleich hoch sein, ausgenom-
men fim Orte des Aequators. Diese Verschiedenheit wird als die
tägliche Ungleichheit der (Jozeiten bezeichnet, und ihr Betrag
wächst, wie leicht einzusehen ist, mit der geographischen Breite.
Als fernere Ungleichheiten seien noch diejenigen erwähnt, welche
aus der wechselnden Deklination von Sonne und Mond und der hier-
aus entstehenden Acnderung in der Culnünationshöhe hervorgehen,
sowie die Imterschiede der Oezoitenhöhe, welche dem Wechsel des
.\bstandos der Eitle von Sonne und Mond entsprechen. In der oben
ausgeführten Berechnung wurden die Mittelwerthe dieser Abstande
zu Grunde gelegt; eine genauere Berücksichtigung der zeitlich wechseln-
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215
den Entfernungen raüfste ebenfalls zeitliche Ungleichheit der Flulh-
höhen ergeben.
Was endlich die Höhe der Fluthbewegung betriITt, so haben wir
ja berechnet, dafs die Schwere um ein Zehnmilliontel ihres Werthe.»
durch die Mondwirkung verändert werden kann. Um den gleichen
Bruchtheil mufs sich naturgemäfs auch die Höhe der Wassersäule in
<len vorher betrachteten Köhren, mithin auch die Moeresliefe über-
haupt ändern. Dies wüi-de ein Uurohschnittswerth sein, denn zur
Mondwirkung tritt zwar die Sonnenwirkung hinzu, aber abwechselnd
als Vennehrung oder Verminderung, so dafs die dm-chschnittliche Fluth-
hühe dadurch nicht beeinflufst wiril. Dieselbe (irscheint also als eine
von der Meerestiefe abhängige Uröfse. Wäre die Erde von einer
gleichraäfsigen Wasserschioht bedeckt, deren Tiefe etwa 7 Kilometer
betrüge, so wäre die Fluthhöhe, d. h. der Unterschied des Wasser-
spiegels bei Fluth und bei Ebbe, ü,7 Millimeter unter der Voraus-
setzung, dafs der Mond im Zenith cuhninirtc. Wenn zugleich auch
die Sonne im Zenith oder Xadir oulminirte, könnte als höchstmöglicher
Betrag etwa 1 Millimeter ausgerechnet werden. In Wirklichkeit finden
wir aber ganz andere Verhältnisse vor, denn überall ist die gemessene
Fluthhöhe viel gröfser; auf einzelnen einsam hegenden Inseln beträgt
die Fluthhöhe 70 cm, (St. Helena, Ascension), im Uolf von St. Malo er-
reicht sie 14 bis 15 m, in der Fundy-Bay über 21 m. Und dabei ist
namentlich in der Nähe der Küsten, wo doch vorzugsweise hohe
Finthen auftreten, die Meerestiefe viel geringer, als die von uns an-
genommene Zahl von 7 Kilometern.
Es ist eben in Wirklichkeit nicht, wie wir vereinfachend an-
nahmen, das Meer gleichmäfsig über die Erdoberfläche verbreitet,
sondern in wechselnder Tiefe und durch Ländermassen unterbrochen.
Demnach kann die Fluthwelle nicht ungehindert nach Westen mit
.Mond oder Sonne forlschreiten, sondern sie wird duroh die Form des
Meeresbodens vielfach verändert und abgelenkt, sie brandet ferner
gegen die üstküsten der Coutinente und mufs an diesen entlang .\us-
wege suchen, es vereinigen sich auch vielfach primäre mit abgelonk-
len Fluthbewegungen, und so entsteht eine Desamtheit von Fluth-
erscheinungen, die nur auf dem hohen Meere den vorausgehenden
Betrachtungen einigermafsen entspricht. Da man aber auf hoher See
keine genauen Fluthmessungen anstellen kann, sondern dazu eines
auf dem Lande liegenden Vergleichspunktes bedarf, so sind alle unsere
Messungen der Fluthhöhe auf die Nähe der Conbnente oder Instdn
beschränkt. Und auch die kleinste Insel setzt eine flache Stelle im
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:i!Ö
Meer voraus, denn sie ist ja der über den Wasserspiegel emporragende
(iipfel eines auf dem Meeresboden stehenden Berges. Somit ist die
(Jestalt des Meeresbodens unregelmüfsig und die (Jezeitenhöhe eine
andere in der Nähe von Inseln, als auf hohem Meere bei erheblicher
und gleichmiifsiger Tiefe. Wo aber die westwärts schreitende Flutli-
welle von einer Küste an der Fortbewegung gehindert wird, da steigt
das Wasser, welches ja etwa (5 Stunden lang von Osten herbeiströnU,
höher und sinkt bei der entgegengesetzten Bewegung der Ebbe nach-
her auch tiefer, als bei freier Bewegung im offenen Meere. Ebenso
wird bei nur theilweiser Hinderung des Fortaohreitens durch flache
Meereslheile die Flutlihöhe g^üfser ausfallcn müssen, als in gloich-
mäfsiger Tiefe. Die Oesamtheit der wirklichen üezeiten mit ihren
ursprünglichen, abgelenkten und reflectirten Strömungen, die alle je
nach dem Ort ihres Zustandekommens und der Dauer ihres Verlaufs ver-
schieden sind, theoretisch herzuleiten, erscheint nicht ausführbar. Man
bat aber auf Grund der Erfahrung genaue Angaben über die Hohe
und Einirittszeit der Fluthwelle an allen irgendwie wichtigen Küsten-
punkten zusammengestellt und bezeichnet darin als Flutlihöhe den
mittlern Unterschied der Wasserstände bei Fluth und bei Ebbe, sowie
als Hafenzeit diejenige Dauer, um welche die höchste Fluth gegen
die Mondculmination verspätet ist. Wie sehr die Hafenzeit von der
Küstenform abhängt, bedarf nach dem Vorhergehenden wohl keiner
Erläuterung.
Dagegen ist es vielleicht von Interesse zu sehen, wie das Fehlen
einer erheblichen Gezeitenbewegung in der Ostsee aus den vor-
stehenden Erwägungen folgt. Wäre die Ostsee kein Binnenmeer,
sondern ein Theil des Oceans, so würde wegen ihrer Kleinheit die
ganze Fläche beinahe gleichzeitig von der nämlichen Gezeitenphase
erreicht iverden. Der gröfste in Betracht kommende Zeitunterschied
(etwa Petersburg-Kopenhagen) beträgt weniger als 1*/) Stunde, also
können bedeutende Unterschiede in der Schwerkraft und in der Höhe
des Wasserstaudes zu keiner Zeit auftreten, vielmehr würde die ganze
Ostsee auch bei offener Verbindung mit dem Ocean immer nahezu
den gleichen Wasseretand in allen ihren Thoilon haben und könnte
fast nur als Ganzes auf- und niederschwanken. Diese Möglichkeit ist
aber wiederum ausgeschlossen durch die umgebenden läindermassen,
welche jeden Zu- und Abfluss beinahe vollkommen hindern, denn nur
gegen Westen hin ist ja eine überdies noch recht unbedeutende Ver-
bindung mit dem Ooeaii vorhanden. Und daraus geht hervor, dafs
die Ostsee nur sehr geringe Fluthbewegung haben kann. In Ueber-
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217
finstimrming hierinit ergiebt die Erfahrung, dafs die Jlöhe des Kluth-
«echsels, als Mittelwerth aus vielen einzelnen Pegelmessungen be-
rechnet, in Wismar 9 Centimeter beträgt, in Travemünde 8, auf Rügen
3—4, in Swinemündo 3, in Memel nur 1 Centimeter, also mit wachsen-
der Entfernung von der Nordsee (nach Osten hin) immer kleiner wird.')
') Hagen, Abliamll. it. Kgl. Ak. <1. Wis». zu lli'rliii, tS.'iT. .Mathem. .\bli.
23— 3!l.
(Sclilufs folgt.)
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Die Untersuchungen Montignys über das Funkeln
der Sterne.
Von Dr. L. de Ball, Astronom an der Sternwarte zu Lüttich.
tSclihir>.)
r ftus den Beohaclitiing'en abgeleitete Thatsaohe, dafs das Funkeln
■ i cre durch atmosphiirische ^’erhiiltnisse beeinflufst wird, hat nichts
Auffiilliges an sich; büchst merkwürdig aber ist die Erscheinung,
dafs auch bei dem Auftreten magnetischer Störungen ein auffallendes
Wachsen der Intensität des Funkeins eintritt. Schon einige Beobachter
im hohen Norden fanden aus Beobachtungen mit blofsera Auge, dafs
zur Zeit eines Nordlichtes die Sterne viel lebhafter funkeln als sonst-
Dies wurde von Prof. Montigny mit Hülfe des Scintillomolers ge-
legentlich der Nordlichter vom 5. April 1870, I. Jtini 1878, 3. Januar
ISSl und 2. Oktober 1882 vollatil bestätigt. Es ergaben sich die
folgenden Werthe für die Intensität des Funkeins am Abende de.-^
Nordlichtes und an dem diesem folgenden oder vorhergehenden Abende
ohne Nordlicht ;
InUii-^iiüt
Ftink^lns.
1870,
April 5.
Nonlliclit
90
V, 6.
69
1878,
.luni 1.
Nordlicht
72
Mai 31.
58
1881,
Januar 31.
Nordlicht
HO
Februar 1.
5.5
18.S2,
Üctober 2.
Nordlicht
131
3.
71
Es bedarf aber nicht des Nordlichts, um die Intensität des Fun-
keins wachsen zu lassen, sondern jede aiiflretende magnetische Störung
genügt, um diese Wirkung hervorzubringen. Auf diese Erscheinung
wurde Montigny zuei-st im Juli 1881 aufmerksam, wo er am 2. d. MO.
inmitten einer trockenen Periode einen hohen Werth für die In-
tensität (95) beobachtete, während diese sich am 1. nur zu 29 und am 4.
idem nächstfolgenden Beobachtungstage) zu 26 ergeben hatte. Der
Zustand der Atmosphäre liefs dieses Anwachsen der Intensität nicht
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erklären, doch das metcorologischo Bulletin vom 4. Juli enthielt die
Notiz, dafs jferade zur Zeit der Beobachtunjren Montignys, am 2. Juli
eine starke magnetische Störung stattgofimdeii hatte. Wenige Tage
ilarauf, am 12. Juli fand wiederum ein sidohos sonderbares Zusaminen-
ireffen statt. Am 11. Juli war die Intensität .‘17, am 12. Juli 120 unil
am 13. Juli 30; dabei war die Witterung trocken, die laift ruhig, aber
abermals hatte nach den späteren .Mittheilungen ilcr Brüsseler Stern-
warte — zur Zeit der Montignysohen — Beobachtungen vom 12. Juli —
die Magnetnadel eine starke Abweichung von ihrer normalen I.Age er-
fahren. Die Nach forsc hu Ilgen, ob vielleicht zu den genannten Zetten in
nördlichen Gegenden ein Nordlicht beobachtet worden wäre, gaben nega-
tive Resultate, und dies veranla.sste nun Montigiiy unter seinen zwischen
I8H1 und 1883 angestellten Beobachtungen diejenigen aufzusuohen,
welche mit dem .\uftreten einer magnetischen Störung zusaminenge-
fallen waren. Diese Beobachtungen wurden in zwei Gruppen getheilt,
jimachdem sie bei trockener oder bei feuchter Witterung ungestellt
waren; eine Beobachtung wurde als der ersten Gruppe angehörig be-
trachtet, wenn weder am Tage der Beobachtung selbst, noch an einem
der zwei folgenden Tage Hegen gefallen war. Die Hesultate sind von
Moiitigny mit grofser Ausführlichkeit mitgetheilt, doch müssen wir
uns hier darauf beschränken nur das folgende Täfelchen wioderzu-
geben (fnlluence des perturbations magnetitjues sur la scintillation des
etoiles p. 30);
1 . Trockene Periode.
Intensität des Kunkrlns
2. Regnerische Periode.
Intensität des Fnnkclns
Am T«en einer
niAipaetierheD Störung
an beoAchbatieu
Tagen
am Tage einer
oiaguetifo&cn Httiruug
an benachbarten
Tagen
INS], 31.
Jan.
110
1881, 1.
Febr.
.'i5
1881, 18. Nov.
lis
1881, 17. Nov.
IIU
4.
Juni
43
3.
Juni
::o
23. „
IUI
24. „
91
Juli
95
1.
Juli
lM»
1882, 20. April 144
18.S2, 19. April
U4
12.
120 '
11.
:u
1. Mai
1.70
30.
1.39
8.
Xov.
8.7
9.
Nov.
•i'2
1. Ort.
102
3. Oct.
71
2,3.
Doc.
129
Der.
74
.>
130
3. ,.
71
t.v>2, li.
Fcbr.
77
1-S82, S.
Febr.
Mi
1H8.'». 2.V Jan.
IHO
I8.S3, 23. .lan.
II8
9.
März
100
8.
März
sj
Nfärz
122
>8. März
81
IS-Si, 3.
Febr.
1.5.5
IStCt, .5.
Febr.
24. April ir»N
25. „
.79
3. .\ pnl 911
21. Mai 4ß
_15j_SepU^_6^
1 . . . 101
(Morgena)
.'i. Febr. 48
(Abeods)
4. April 4G
22. Mai 2(i
14. Sept. 2fi
8. ,Iuli l.i.S
.10. „ 137 29.
19. Scpl. 112 17.
2.7. Oft. 144 lA
. . 141 ; Mittel
Differenz der Mittel
51
Differenz der Mittel:
51
29. „ 1)7
1 7. Sept. 70
14. Ocl. tut
1 ... 90
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220
Zu den der trockenen Periode angelibrigen Benbaclituniren ist
Folgendes zu bemerken. Die am 2., 3., 4. und 5. Juni 1881 beobach-
teten Intensitäten sind bez. 25, 30, 43, 58; am 6. Juni tritt Regen ein
und eine c^t'klonisobe Bewegung passirt Belgien. Diesen letzteren Um-
ständen kann also das überhaupt unbedeutende Steigen der Intensität
zugeschrieben werden. Die im Februar 1883 gemachten Beobachtungen
stehen unter dem Einflüsse von anscheinend erheblichen Depressionen;
am 5. Februar Morgens wurden zwar die Unregelmäfsigkeiten der
Curven des Magnetographen viel geringer (sie bestehen also doch
noch!), aber gleichzeitig scheint sich auch die Atmosphäre beruhigt zu
haben. Ferner wurden am 31. Januar 1881 und 4. Februar 1883 in
Brüssel ein Nordlicht beobachtet, am 8. März 1882 im Bottnischen
Meerbusen. Endlich liegt um 8. März eine Depression im Norden
Skandinaviens, am 9. im Norden Schottlands, so dafs es wenigstens
l'raglich erscheint, ob das nur schwache Zunehmen der Intensität des
Funkeins nicht von dem Näherrücken der Depression herrührt. —
Sieht man nun von den genannten Fällen ab, so bleiben doch noch
8 Fälle übrig, die uns mit gröfsorer oder geringerer Wahrscheinlich-
keit den Grund des Wachsens der Intensität des Funkeins in dem
Auftreten einer nicht gleichzeitig von einem Nordlicht begleiteten
magnetischen Störung suchen lassen.
Die in eine regnerische Periode fallenden Beobachtiuigen stehen
sämtlich tmjer dem Eänfltisse von Depressionen, und wenn es auch
schon in einigen Fällen scheint, als ob man eine gröfsere Intensität
des Funkeins auf Rechnung einer magnetischen Störung setzen kann,
so nöthigt in der Mehrzahl der Fälle nichts, in der Aenderung der
Intensität etwas Anderes als den Einflufs einer Depression bez. des
Verschwindens derselben zu suchen. So wird z. B. für den 23. No-
vember 1881 eine merkbare Störung der Magnehiadel zur Zeit der
Beobachtung gemeldet; gleichzeitig ist eine tiefe Depression vor-
handen, deren Centrum am 22. bei den Shetlands Inseln lag und sich
von da nach Nordosten bewegte; die Höhe des zwischen dem 23. und
24. Morgens gefallenen Regens ist 7. 1 mm. Am 24. herrschte in
Centraleuropa schönes Wetter. Ferner ist am 23. Januar 1883 der
Luftdruck in ganz Eumpa stark, doch herrscht auf dein .Vtlantischeu
Ocean zur Seite von Scliottland niedriger Baromelerdruck. Das
Bulletin vom 25. meldet, dafs der Sturm, der am 24. im Westen
wüthete, sich auf den gröfsten Theil von Europa ausdehnte. Im ersten
Beispiel tritt also nach einer stürmischen Witterung die Ruhe ein, im
zweiten folgt auf Ruhe der Sturm; im ersten Falle nahm die Intensität
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221
lies Fimkelns ab, im zweiten zu, ganz so, wie das von Montigny
auch bei Gelegenheit von Depressionen, welche nicht mit einer mag-
netischen Störung zusammenfielen, beobachtet wurde. Wir müssen es
uns hier versagen, alle von Montigny zum Beweise des Einflusses
einer magnetischen Störung auf das Funkeln angeführten Beispiele
durchzugeheu ; die erwähnten genügen, um zu zeigen, dafs seine Be-
weisrührung stellenweise an Strenge zu wünschen übrig liifst.
Die am Schlüsse der obigen Tafel gegebenen Mittelzahlen und
ihre Differenzen sollen nach Montigny den Schlufs begründen, dafs,
im Mittel aus einer hinreichend grofsen Zahl von Beobachtungen, iler
Zuwachs der Intensität des Funkeins an solchen Tagen, an denen eine
magnetische Störung stattfindet, gegenüber den benachbarten Tagen
ohne magnetische Störung, derselbe ist, sei es, dafs die Beobachtungen
in eine trockene oder in eine regnerische Periode fällen. Von den man-
cherlei, theilweise in den vorigen Bemerkungen begründeten Einwänden,
welche sich gegen diesen Schlufs machen lassen, wollen wir hier nur
einen erwähnen. Da sich die Aenderung der Intensität des Funkeins für
eine Reihe der zur regnerischen Periode gehörigen Beobachtungen
zum Theil wenigstens aus dem Einflüsse einer Depression erklären
läfst und nicht ganz der magnetischen Störung zugeschrieben werden
kann, so hätte Montigny aus dem Umstande, dafs der von beiden
Ursachen herrührende Zuwachs der Intensität des Funkeins in einer
Regenperiode derselbe ist als zu einer trockenen Zeit, schliefsen
müssen, dafs der von der magnetischen Störung bewirkte Zuwachs
zu ersterer Zeit kleiner ist als zu der zweiten, ln Wirklichkeit
gestatten die Beobachtungen weder den einen noch den andern
Schlufs.
Herr Prof. Montigny erörtert noch die Frage, ob im Mittel
aus vielen Beobachtungen die Intensität des Funkeins dieselbe ist für
die verschiedenen Himmelsrichtungen. Dieser Untersuchung liegen
alle Beobachtungen zu Grunde, welche Montigny von 1880 an ge-
macht hat, d. h. seit der Zeit, wo zuerst die Himmelsgegend, in der
die Beobachtung geschah, im Tagebuche verzeichnet wurde. Die Zahl
der Beobachtungsabende beläuft sich bis Endo 1888 auf 98(1. Aufser
den Gesamtmitteln wurden noch Partialmittel gebildet für die in eine
trockene Periode fallenden Beobachtungen und für 177 mit einer De-
pression coincidirende, wenn dabei die Intensität des Funkeins
den Werth 120 überstiegen hatte.
So ergab sich:
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2-22
Miniere Intensität des Funkeins
Norden
Osten
Süden
Westen
Altende
Bei trockener Witterung . . 77
(19
titi
65
.127
tihneUnlerschiedderWitterung 107
95
90
89
986
Hei Depressionen 170
149
141
i:i6
177
Hierbei ist zu bemerken, dafs für die Richtung N'ordeii alle Be-
obachtungen zugezogen sind, welche zwischen Xordwest und Xordost
ungestellt sind; eine entsprechende Bemerkung gilt für die übrigen
Richtungen.
Die zu der trockenen Periode gehörigen Beobachtungen wurden
auch nach .lahreszeitun geordnet und gaben dann die folgenden Mittel-
werthe:
Intensität des Funkeins bei trockener Witterung im
Norden
Osten
Süden
Westen
Mittel
Mittlere
Temperatur
Frühjahr
. . 77
6:i
60
59
64
9®.5
Sommer
. . 68
56
54
57
58
17“.8
Herbst .
. . 76
72
72
64
71
10".7
Winter .
. . 89
87
78
82
84
6".l
Mittel: 77
69
66
tiä
Die
vorstehenden Zahlen
lassen w
icHlfrum
das starke
Anwachsen
der Intensität bei feuchter Witterung und namoutlich bei Depressionen
erkennen, ferner den Einflufs der Temperatur, indem für jede Himmels-
richtung ilas Funkeln im Sommer bedeutend geringer ist als im
Winter. Mau erkennt auch, dafs im allgemeinen die Intensität des
Fuiikelns keine grofsen von der Himmelsgegend abhängigen Unter-
schiede aufweist; nur für die Richtung Norden, d. h. für die zwischen
Nordwesten und Nortlosteti liegenden Richtungen scheint ein Wachsen
der Intensität slattzuhaben. Namentlich stark zeigt sich diese Erschei-
nung bei den 177 Depressionen, und wird speziell für diese von
.\lontigny mit dem Umstande begründet, dafs dieselben in der über-
wiegenden Anzahl nördlich von Belgien passiren. Ein Maximum der
Intensität des Funkeins im Nonien zeigt sich aber auch bei den Beob-
achtungen, welche in eine trockene Periode fallen. Diesen Uiustaml
sucht Montigny durch die .\nnahme zu erklären, die nach Noi-den ge-
legenen höheren Luftschichten seien merklich kälter als die übrigen
Nun ist aber zufolge der genannten Beobachtungen die Intensität des
Funkeins im Norden, gegenüber der nach anderen Richtungen hin stail-
lindenden, um 10 Einheiten gröfser, und dem würde nach der früher gegi-
benen Tafel, welche die Abhängigkeit der Intensität von der Temperatur
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22:!
zeigt, ein Teraperaturunterschied der entspreclieiideii Ijuftschichlen von
melireron Graden entsprechen! nichtiger dürfte es sein, zur Erklärung
des stärkeren Funkeins der Sterne im Norden diejenigen Depressionen
lieranzuziehen, welche nicht von Niederschlägen begleitet waren und
welche, wenn sie schon die Intensität des Funkeins steigerten, diese
doch nicht den hohen Worth 120 erreichen liefsen; alle zur Zeit
solcher Depressionen angestellten Beobachtungen sind ja als einer
trockenen Feriode angehörig betrachtet und nur diejenigen, welche die
Intensität bis über 120 wachsen liefsen, sind oben besonders be-
handelt worden. In der Mehrzahl der Fälle aber kommen uns die
Depressionen von Westen und Nord westen zu, und das Minimum
zieht, wie schon bemerkt, vielfach nördlich von uns vorbei; da-
bei ist zufolge der Montignyschen Beobachtungen das Funkeln
nach der Richtung, wo das Minimum liegt, bezüglich nach den
benachbarten Richtungen, besonders lebhaft. Aufsordem ist auch
noch daran zu erinnern, dafs verschiedentlich in nördlichen Gegenden
ein Nordlicht sichtbar ist, ohne dafs wir hier dasselbe als solches er-
kennen; das schliefst aber nicht aus, dafs das Scintillometer seine An-
wesenheit durch vermehrte Intensität des Fimkelns nach Norden hin
verräth. — Montigny will in den Zahlen des letzten Täfelchens noch
andere Gründe zu der Annahme erblicken: „dafs selbst zu den für
iistronomischo Beobachtungen günstigsten Zeiten die Temperatur der
höheren Luftschichten (oberhalb Brüssel) streiign genommen nicht die-
selbe sei für alle Himmelsrichtungen“ und er wirft dann die Frage
auf, ob nicht die astronomische Refraktion aufser von tler Zenith-
distanz auch von dem .\zimuth des Sternes abhänge. Es ist aber
klar, dafs, wenn man aus dem Umstande, dafs die beobachteten Werthe
der Intensität für die einzelnen Himmelsgegenden nicht genau die-
selben sind, einen Schlufs auf die verschiedene Temperatur der höheren
Luftschichten nach verschiedenen Azimuthen ziehen will, man die
Sicherheit jener Werthe zu untersuchen und zu beweisen hat, dafs
die vorhandenen unbedeutenden Unterschiede nicht auf anderem Wege
erklärt werden können. Bezüglich der Sicherheit der Resultate sei
noch folgendes bemerkt. Die im letzten Täfelchen von Montigny
angeführten mittleren Temperaturen der Luft in Brüssel sind abgeleitet
aus den meteorologischen Beobachtungen der Brüsseler Sternwarte
von 1833 — 1883; auf Grund dieser Zahlen und der für die Inten-
sität gefundenen Werthe stellt .Montigny die Behauptung auf, dafs
die mittleren den vier .Jahreszeiten entsprechenden Intensitäten des
Funkeins regelmöfsig den Veränderungen der mittleren Temperatur
llimnH’I lind Rrdc. II. 5. la
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224
derselben Nun ist aber nach Obigem die mittlere Temperatur
der Luft im Herbst um 1''.2 höher als im Frühjahr; die Intensität des
Funkeins roüfste somit im Herbst geringer sein als im Frühjahr, wäh-
rend sie nach den Beobachtungen Montignys um 7 Einheiten gröfser
ist. Sollte sich nun ergeben, dafs von den dem Herbst und Frühjahr
entsprechenden mittleren Temperaturen zur Zeit der Mon lignyschen
Beobachtungen ebenfalls die erstere höher ist als die zweite, so wür-
den die von Montigny abgeleiteten mittleren Worthe <ler Intensität
mit der bekannten Thatsache im Widerspruch stehen, dafs die Inten-
sität des Funkeins abnimmt, wenn die Temperatur der Luft steigt,
und man wird geneigt sein, diesen Widerspruch weniger den Beob-
achtungen selbst als dem Mangel einer strengen Bearbeitung der-
selben zur La.st zu legen. — Zum Schlüsse ist noch zu erwähnen,
dafs Montigny genöthigt war, seine Beobachtungen in der Nähe
einer grofsen Stadt anzustellen; dieser Umstand ist namentlich mifs-
lich, wenn es sich um so feine Untersuchungen wie das Verhalten
des Funkeins nach verschiedenen Himmelsgegenden handelt.
Indem wir hiermit die Besprechung der hauptsächlichsten Arbeiten
Montignys über seine mit dem Scintillometer angeslellten Beobach-
tungen beschliefsen, geziemt es sich wohl, bewundernd die grofse
Ausdauer anzuerkennen, mit der Herr Prof. Montigny sich nun schon
seit 19 Jahren den betrachteten Untersuchungen hingiebt Zum Tlieil
liefern diese zwar nur eine Bestätigung von bekannten Thatsachen,
doch haben sie auch einige neue Ergebnisse zu Tage gebracht und
enthalten aufserdem für spätere Forschungen mehrere werthvolle
Fingerzeige. Das von Montigny erfundene Scintillometer orgiebt
sich nach allem als ein brauchbares Instrument; zieht man dabei die
grofse Einfachheit seiner Constniktion und die Leichtigkeit seiner
Handhabung in Betracht, so ist es gewifs zu wünschen, dafs das
Scintillometer eine weitere Verbreitung finden möge, namentlich im
Kreise der Liebhaber der Wissenschaft, für die es wie geschaffen er-
scheint. Es ist keine Frage, dafs eine mit Sorgfalt und Umsicht aiis-
geführte Beobachtungsreihe und eine daran sich anschliefsende ein-
gehende Diskussion manche für die reine Wissenschaft sowohl als
für die Wetterpn)gnose und damit fiir das praktische lieben wichtige
Resultate ergeben würde. Wie man aus dem Inhalte des vorstehenden
Artikels erkennt, hat Montigny seinen Nachfolgern vieles zu thun
übrig gelassen. Man darf sich vor allem nicht mit dom Nachweise
begnügen, dafs die Beobachtungen mit dem Scintillometer den theil-
weise bereits bekannten Einilufs von gewissen Bedingungen auf das
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225
Funkeln bestätigen, sondern mufs mit Hülfe der Beobachtungsdaten
das Gesetz dieses Einflusses zu entdecken suchen. In mehreren Fällen
wird eine passende Oruppirung der Beobachtungen zunächst zu Nähe-
rungsformeln für die Wirkung einiger der verschiedenen Ursachen
führen; mit ihrer Hülfe läfst sich dann bei ungleichartigen Beobach-
tungen der Einflufs der bereits betrachteten Ursachen mehr oder
weniger eliminiren, und indem man so mit den einfachsten Fällen be-
ginnend zu komplicirteron fortschreitet, wird man in der Verbindung
der Beobachtungen untereinander die Mittel erlangen, die bereits ge-
wonnenen Ilesultate zu verfeinern und neue abzuleiten. Dafs sich bei
diesen Untersuchungen über eine von so manchen und theilweise gleich-
zeitig wirkenden Ursachen abhängendo Erscheinung der Forschung
mitunter grofse und unter Umständen augenblicklich vielleicht unüber-
Bteigliche Schwierigkeiten in den Weg legen worden, liegt in der
Natur der Sache; doch bildet diese Aussicht nur einen Sporn mehr,
die Arbeit zu beginnen.
15*
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Die Urania nach ihrer Fertigstellung.
Bprirhl drs Dirt'klor» I>r. M. WilhrlB MfVfr.
[lIs ich vor mehr als einem Jahre in dem erst erschienenen Hefte
der gegenwiirtig’en Zeitschrift von den ZukimAsplänen unserer
Oesollschaft etwas erzählte, war das stattliche Gebäude der
Urania, das nun seit mehr als einem halben Jahre seiner Uestimmunsf
übergeben worden ist, im Rohbau noch nicht vollendet. Wie sich
inzwischen das Bild der .\nstalt, welche vielwärls im Auslande und
auch jenseits des Ozeans als nachahmungswiirdig befunden wor-
den ist, entwickelt und gegen unsere ursprünglichen Pläne erweitert
hat, will ich gegenwärtig berichten, da wohl vorauszusetzen ist, dafs
aufser unseren .tktionären, denen die Direktion in dieser Zeitschrift
als dem Organ der Gesellschaft, Bericht zu ei-statten verpflichtet ist,
auch unsere rings über den Planeten verstreuten .\honncnten sich für
die zum Theil recht eigenartigen Einrichtungen unserer Anstalt in-
teressiren werden.
Die äufsere Form des Gebäudes hat in der Ausführung nur sehr
unwesentliche Veränderungen gegen die auf Seite 33 des ersten Jahr-
gangs unserer Zeitschrift gegebene .\bbildung erfahren, welche letztere
nach ilen Bauplänen entworfen worden war. Nur ist der Charakter
der Favade dadurch etwas verändert, dafs die beiilcn kleineren, an
beiden Enden der Plattform aufgestellten Kuppeln beträchtlich grofser
ausgeführt wurden als die Zeichnung zeigt. Sie halten in Wirklichkeit
vier Meter im Durchmesser, sind also halb so grofs als ilie Haupt-
kuppel. Es sei jedoch hier gleich eingeschaltet, dafs der .\nblick
dieser Favade sowohl in unserer .Vbbildung wie in der Wirklichkeit,
über die eigentliche Gröfse des Gebäudes wesentlich täuscht und zwar
in dem Sinne, ilafs jeder Besucher recht verwundert ist über die
weiten Räumlichkeiten, welche das Gebäude in der That umschliefst.
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Ich fijffe zur nälieren Oricntiruiig einen üruiKlrifs vom Keller
und Erdgesohofs des Gebäudes bei und mag noch hinzugeselzt werden,
dafs es lül verschliersbare Zimmerthüren besitzt.
rnter der Oberleitung des Geh. Ober - Regierungs - Käthes im
Kgl. l'nteiTichts - Ministerium, Herrn Spieker, dem die Erlaubnifs
dazu besonders vom Herrn Unlerrichtsminister ertlieilt worden war,
wurden die Pläne des Gebäudes von Herrn Landbauinspektor Ditmar
ausgearbeitel, unter dessen Ia!ilung der Bau von dem Regierungs-
baumeister -\ndree ausgefuhrt wurde. .‘\m 7. Juli 1888 wurde
der erste Spatenstich zur Aushebung des Grundes gemacht, ge-
nau ein Jahr darauf fand die baupolizeiliche Uebergabe des Gebäu-
des an den Vorstand der Gesellschaft statt. Am 1. Juli 1889 wurde
die Anstalt vor einem geladenen Publikum und den Aktionären er-
iUfnet. am 2. Juli wurde das Publikum zugelassen und seitdem haben
bis zum Ende des Jahres etwa (iOOOO Personen die Anstalt besucht.
Was wir in derselben unseren Gästen bieten, was sich von den vor
mehr als Jaliresfrist gehegten Hoffnungen und Zukunftsplänen in der
That verwirklicht hat, davon möchte ich hier nun in kurzem allge-
meinem Ueberblick reden.
Die An.stall gliedert sich in fünf Hauptabtheilungen, denen
sich die Redaktion der Zeitschrift anschliofst: Die astronomische,
]>hysikaiische, mikroskopische, die Abtheilung für Präzisionsmeehanik
und das wissenschaftliche Theater. Jede dieser Abtheilungen, mit Aus-
nahme der für Präzisionsmechanik, wird im besondern von einem
Oberbeamlen, dem Abtheilungsvorstande, verwaltet. Vorstand der
astronomischen Abtheilung ist gegenwärtig Herr Dr. F. Korber, nach-
dem Herr Dr. M. Zwink, welcher zuerst diese Stellung bekleidete,
nach Strafsburg als Assistent dieser Sternwarte abberufon worden ist.
Ihm stehen als wissenschaftliche Mitarbeiter zur Seite die Herren
F. S. Archenhold und Dr. P. Schw^ahn, welcher letztere nament-
lich die geophysische Seite unserer Aufgaben populär behandelt.
Aufserdem helfen, besonders au klaren Abenden, bei der Unter-
weisung dos Publikums im Gebrauch der astronomischen Instrumente
einer oder mehrere jüngere Astronomen mit.
Die physikalische Abtheilung entstand unter der wissenschaft-
lichen Oberleitung des Herrn Professor E. Goldstein. Abtheilungs-
vorstand derselben war zuerst der Experimental-Physiker HerrG. Am-
l>®fgi gegenwärtig steht Herr P. Spies derselben vor, mehrere junge
Physiker unterstützen ihn bei der Instandhaltung der Instrumente und
der Ueberwachung des Gebrauchs derselben seitens des Publikums.
^ M ^ >C»^fvi''Vt^ • ^oa ^
VVtvO S^6c<l4^'&M^VUt««.
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22‘J
Die wissenschal'tlicho Oberleitung der mikroskopischen Abtheilung
hat Herr Hofrath Professor Dr. \V. Preyer froundlichst übernommen,
dem bis Ende 1889 Herr F. Dreyer als Abtheilungsvorstand unter-
stellt war; letzterer hat inzwischen seine Stellung verlassen, ohne dafs
dieselbe bisher wie<ler besetzt worden wiire.
Vorstaml des wissenschaftlichen Theaters ist der Maler Herr
W. Kranz, welchem die malerische Ausstattung, Insoenirung und
Hegie, endlich die Uoberwachung der komplizirten Maschinerien der
hier aufgeführlen wissenschaftlichen Ausstattungsstücke übertragen
worden ist.
Zu den genannten Oberbeamten gesellt sich noch der die Ka.ssen-
geschiifte, Buchführung und Hausinspektion versehende Kendant Herr
Bruck, nachdem der bisherige kaufmännische Leiter und stellver-
tretende Direktor, Herr Hirt, aus dieser .Stellung zu unserm Be-
dauern ausgoschiodon ist. An Unterbeamten, Bureaugehilfen, Kas-
sirem, Kontrolleuren, .Saaldienern, Theaterarbeitern gehören der An-
stalt noch etwa 30 Personen an, so dafs also die stattliche Zahl von
einigen vierzig Beamten resp. Bediensteten, die an dem Werke der
Urania mitarbeiten, zu verzeichnen ist. Nicht inbegriffen sind hier
die für die Redaktion der Zeitschrift regehnäfsig mitwirkenden Per-
sonen. Dem sogenannten Redaktions-Coinitö gehören aufser den schon
früher geuaimten Herren Dr. Körbe r, Sch wahn und Archen hold
noch Herr h'. K. Ginzel, Astronom am Reoheninstitut der Kgl. Stern-
warte, und Herr Dr. E. Wagner vom Kgl. meteorologischen Institute
an. Der früher erwähnte Herr W. Kranz sorgt für die künstlerhsche
Ausstattung der Zeitschrift, die bekanntlich Herr Dr. H. Paetel
verlegt.
Ich will es nun versuchen, einen Ueberblick der Thätigkeit der
einzelnen Abtheilungeu zu geben. *
Die astronomische Abtheilung verfügt zunächst bekanntlich über
den grofsen Refraktor von 12 Zoll Oeffnung und 5 Meter Brenn-
weite, welcher als der Mittelpunkt des ganzen Instituts, als das Auge
desselben zu betrachten ist, durch welches der Blick des Besuchenden
in die unbekannten Femen des Universums hinausgetragen wird. Die
Herstellung eines solchen Wunders der Präzisionsmechanik und seine
endliche Aufstellung unter der Kuppel einer Sternwarte ist in der
Regel mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft. Es ist deshalb nicht
zu verwundern, dafs dieses bedeutendste Stück der Anstalt zuletzt
vollendet wurde; erst gegen Ende Dezember v. J. konnte dasselbe
dem Publikum zur Benutzung übergeben werden. Die ülasarteu zu
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■J30
dem Objektiv dieses imposanten Rüstzeugs der asti-onomisoheii Wissen-
schaft, welches in Deutschland nur von dem Strafsburger Refraktor
un Mächtigkeit übertroffen wird, wurden nach dem bekannten Fraun-
hoferschen Typus in der glasteclmischen Anstalt von Schott & Ge-
nossen in Jena hergestellt. Der Kühlprozefs für diese Gläser wunle
mit ganz besonderer Sorgfalt ilurchgeführt. um auch die letzten der
durch die subtilen Mittel unserer heutigen Optik zu erkennenden
Spannungserscheinungen im Glase zu beseitigen. Zu diesem End<’
mufsten die beiden Rohglnser dreimal wiederholt in den Kühlofen
wandern. Der Schliff des Glases, sowie die Herstellung der mechani-
schen Theile des Insti-umentes scheint, soweit sich das in der kurzen
Zeit, während welcher wir im Besitze des wundervollen Instrumentes
sind, beurlhoilen läfst, mit besonderem Glück und grofser Sorgfalt durch-
geführt zu sein. Dem Instrument ist ein mit allen Details ausgestattetes
Fadenmikrometer und ein Polarisations-Helioskop beigegeben. Die
ttkulare, welche nach einer besondem optischen Kombination, die in
einem Spezialberichte näher zu ei'klären ist, ausgeführt sind, gehen
von TOfacher bis ca. 1300facher Vergröfserung. Photographische und
spektroskopische Vorrichtungen für das Instrument sind vorgesehen
aber noch nicht ausgeführt. Als Neueningen gegen andere Instrumente
sind zu verzeichnen die elektrische Beleuchtung der Aufsuchungs-
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kivise und des Mikrometers und endlich das gleichfalls durch Elek-
trizität getriebene Uhrwerk, durch welches das Instrument dem täg-
lichen Laufe der Oestirne nachgeführt wird. Ein ähnliches Uhrwerk
befindet sich aufser au dem uusrigen nur noch an dem lOzölligen
Refraktor zu Genf. Die elektrische Kraft, welche aus einer noch
später zu erwähnenden Akkumulatoren-Batterie entnommen wird, be-
wegt zunächst eine Art von kleiner Dynamomaschine, diese ein Centri-
fugalpendel, wcdches, wenn sich seine Kugeln zu weit von einander
entfernen, den elektrischen Strom selbstthälig ausschaltet, wodurch die
l'mdrehungsgeschwindigkeit des Centrifugalpendels, die sich auf den
Sector der Stundenaxe überträgt, in <len gewünschten Grenzen con-
stant erhalten wird.
Da unser Institut es sich nicht nur zur Aufgabe gesetzt hat, die
Wirkungen der Xaturkräfte und die Naturerscheinungen weiten Kreisen
des Publikums erklärlich zu machen, sondern auch im bosondeni die
neuesten Errungenschaften des Naturwissens und der Technik, welche
dazu führen, angewandt zeigen möchte, so haben wir überall die neue-
sten Einrichtungen in unseren Dienst gezogen, so dafs es für den
etwas tiefer in den Betrieb unserer Anstalt Blickenden ein besomlercs
Interesse bieten mufs, das Spiel der ineinandergreifenden Naturkräftc
zu verfolgen, welche eben diesen Betrieb regeln. So arbeitet neben
dem mechanischen Kunstwerk des grofsen Refraktors als Ilülfsapparut
zu seiner bequemeren Benutzung bei der Erforschung oder Besichti-
gung der Ilimmelsräume eine h.ydraulischc Vorrichtung, welche in
ähnlicher Art auch nur noch •■iiimal und zwar am gröfsten auf
der Erde vorhandenen Fernrohr, auf der Lick-Stemwarte in t'alifoniien,
hergestellt wunle. Das Podium unter dem grofsen Instrument hebt
sich, mit bis zu 20 Personen belastet, zu der jeweilig bequemsten
.\ugenhöhe empor, ebenso kann der Spaltverschlufs tler grofsen acht
Meter im Durchmesser fassenden Kuppel durch diese selbe hydraulische
Kraft geöffnet und die Kuppel in beliebigi‘r Richtung um ihre Axe
gedreht werden, um die Spaltöffnung in die gewünschte Sehlinie des
Fernrohrs zu bringen. Durch eine eigenthüinliche, gegenwärtig noch
nicht vollendete Vorrichtung wird der Druck auf einen elektrischen
Knopf am Okularende des Fernrohrs genügen, die grofse Kuppel in
Hewegung zu setzen.
Die Sternwarte der Urania besitzt aufserdem noch fünf in ihrer
Bauart und Bestimmung verschiedene, werthvolle Fernrohre. Unter
der östlichen kleineren Kuppel befindet sich der ü-züllige, in seinen
optischen Theilen von Reinfelder und Hertel, in Bezug auf die
23-2
Mechanik von lleyde in Dresden herijestelUe Refraktor, der mit
Mikrometer und Uhrwerk versehen ist; in der westlichen Kuppel ein
4-zülliges einfaches Aoquatorial, gleichfalls mit Uhrwerk. Auf der
westlichen Plattform sind ferner im Freien und nur durch leinene
Schutzhäuschen gedeckt, ein 6-zölliges Spiegelteleskop, nach Azimuth
und Höhe beweglich, und ein 2'/.)-zölliges Passagen-Instrument für
Zeitbestimmungen aufgestellt. Auf der östlichen Plattform befindet
sich gleichfalls im Freien ein parallaktisch inontirter Kometensuclicr
von 5 Zoll Oeffnung, dessen optische Konstruktion ganz besondere
Kigenthümlichkeiten aufweist. Das Objektiv ist aus sogenanntem
Jenenser Spezialglas hergestollt und seine brechenden Flachen nach
einem Oaufsschen Prinzip so ausgewählt, dafs die erste äufsere Fläche
concav ist. Es ist durch diese Kombination ganz besonders grofse
Lichtstärke bei grofsem Felde erreicht. Die vier letzterwähnten Instru-
mente sind, auch in ihren optischen Theilen, nebst dem „Zwölfzöller“
von Carl Bamberg in Friedenau bei Berlin hergt'stellt.
In einem Vorraiiin zur grofsen Kuppel befindet sich die Haupt-
uhr der Sternwarte von Tiede; sie steht einerseits mit dem Chrono-
graphen in Verbindung, welcher die Sekunden der Uhr notirt, anderer-
seits mit zwei minder guten Uhren, von denen je eine in den kleineren
Kuppeln aufgestellt ist, so dafs deren Pendel sympathisch mit der
Ilauptuhr schwingen müssen. Mit einer dieser Uhren endlich ist ein
elektrisches Zifl'erblatt verbunden, das in der llauptkuppel die Sterii-
zeit anzeigt. Von allen B/;obachtungsräumen der Sternwarte gehen
elektrische Verbindungen zum Chronographen, um ihn jederzeit in
Thätigkeit versetzen und einen beliebigen Zeitmoment scharf fixiren
zu können.
Alle diese nach neuesten Mustern getroffenen Einrichtungen sind
selbstverständlich nicht nur hergestellt, um die Schaulust des uns he-
suchenden Publikums zu befriedigen, sie sollen auch wissenschaft-
lichen Unterweisungen und Untersuchungen dienen, die zweiffellos in
alleniachster Zeit eingeleitet werden.
Es ist eine allgemein beobachtete Erscheinung, die wir vollauf
neu bestätigen können, dafs die gröfsere noch gar nicht vorgebil-
dete Menge des Publikums von dem Besuch der Sternwarte nicht allzu
sehr erbaut ist. Zwar üben die Sterne und überhaupt die Einrichtun-
gen einer Sternwarte auf das Publikum eine sehr grofse Anziehungs-
kraft aus; man glaubt ungeahnte Wunderilinge an den Welten über
unsern Häuptern im Fernrohr mühelos sehen zu können. Die Ent-
täuschung ist dann immer eine sehr grofse, wenn beispielsweise das
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•233
glänzende Licht des Vollmondes Besucher in Scharen herbeigolockt
hat und man ihnen dann bedeuten mufs, dafs man auch im besten
Fernrohr am Vollmoiul fast garnichts sehen kann, sondern dafs in
der Nähe der Zeiten der Mondviertel die günstigsten Verhältnisse für
die Mondbeschauung stattfinden, oder wenn man ihnen dann einen
Fixstern zeigt und seine enttäuschende Punktgestalt mit der in solchen
Augenblicken wenig Eindruck machenden Ungeheuern Entfernunj^
solcher Sonnen zu entschuldigen versucht. Vorbereitende und orien-
tirende Belehrungen hierüber in den ölfentlichen Blättern hellen auch
nicht viel. Hier ist also nur allmählich auf den, glücklicherweise schon
recht ansehnlichen, vorgebildeteren und ernsteren Theil des Publikums
durch eingehendere Unterweisungen zu wirken. Und dafür müssen
wir auf eine gediegene Wissenschaftlichkeit auch unserer astrono-
mischen Mitarbeiter in ganz besonderer Weise halten und ilenselben
auch die .Müglichkeit gewähren, recht eigentlich wissenschaftliche Unter-
suchungen mit unseren Instrumenten anzuslellen. Xur dann wird es
ihnen in vollem Mafse gelingen, die unerschöpfliche Freude an einem
zunehmenden Einblicke in diese Dingo in immer weitere Kreise zu
verbreiten.
Wenn also unser Publikum auch wegen des au klaren Abenden
gewöhnlich herrschenden Andrangs, welcher der Befriedigung der
Schaulust am Fernrohr dem Einzelnen nur kurze Zeit gestattet, zu-
meist nicht eben sehr befriedigt von der Sternwarte zurückkommt,
so kann es dagegen in unserem Theaterraume in Vorträgen, die
durch photographisch hergestellte und durch eine Lichtquelle von
tiOOO Kerzenstärke gegen eine Wand projizirto Abbildungen von
Himmelserschoinungen illustrirt werden, sein Auge und seinen Ver-
stand um so besser erfreuen. Es sind in dem ersten halben Jahre
unserer Existenz im ganzen nicht weniger al.s 1503 solcher halbstün-
digen Xachmittagsvorträge gehalten worden. Eine sich täglich meh-
rende Kollektion von ca. 700 Glasphotographien ist zur Illustrirung
dieser Vorträge verwendet worden. Allenlings mufs hier bemerkt
werden, dafs diese Vorträge nicht nur astronomischen Inhalts waren,
sondern alle Gebiete umschlossen, welche die Urania cultivirt und von
denen noch im besondern die Rede sein winl.
Noch gröfsere Befriedigung und Freude gewährt den Besuchern
der Urania, welchen Kreisen sie auch angehören mögen, die physi-
kalische Abtheilung. Das konnte allein erreicht werden durch den un-
gemein glücklichen Gedanken, welchen Herr Professor Goldstein
bei der -Aufstellung der verschiedenartigen .Apparate durchgefiihrt hat.
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•234
ilafH das I’iiblikiiiii die letzteren selbst in Tliätig'keit zu setzen vermofr.
Wir haben cs in der Urania zuerst gewa«jt. die sonst in allen Museen
und Ausstellungen strttng befolgte Hegel, welche die Berührung der
(•egenstände verbietet, in gewissem Sinne zu beseitigen. Es sind un
den Instrumenten betreffende Stellen, elektrische Knöpfe etc. bezeich-
net, welche man berühren darf, um dadurch den A[)purat in Thätigkeit
zu setzen.
Es ist hier selbstverständlich nicht möglich, im einzelnen auf die
im grofsen Saale ausgestellte reiche Sammlung von wissenschaftlichen
Apparaten einzugehen und leider können auch die diesem Hefte bei-
gegebenen Lichtdrucktafeln nur ein sehr unvollkommenes Bild von
•liesem Saale geben, da er seiner etwas eig*‘nlhümlicheu Bauart wegen
immer nur zu einem geringen Theile übersehen wenlen kann. Der
diesem Artikel beigefiigte I’lan giebt einen ungefähren Ueberblick
über die Disposition der .Vpparate in diesem Saale. Um jedoch einen
Begrilf von der Art der Durchfiihrung des erwähnten neuen Gedan-
kens zu geben, mögen hier unil da einige dieser .Apparate näher ins
•Vuge gefafst werden.
So stellen die aneinandergereihten .\pparate der elektrischen
Abtheilung eine Art Experimentalkursus dar, den jedermann in einer
\'iertolslunde selbst durchmachen kann und von dem er manchen an-
regenden Eindruck mit nach Hause nehmen wird, den ihm die stet.s
gelingenden, selbst ausgerührlen Experimente zurüokliefsen. Zu An-
fang der Abtheilung belehrt ihn ein Druck auf einen elektrischen
Knopf, durch welchen er den Akkumulatorcnstrom durch eine Platin-
spirale führen kann, ilafs der elektrische Strom, dieses unwägbare
Nichts, einen sehr energischen Einllufs auf den raumausfüllenden
Stoff Buszuüben vermag. Der Strom findet einen Widerstand, er reibt
gewissermafsen an den matcrielleu Theilen <les Platins und bringt es
dadurch zum Glühen. Der nächste Apparat ist ganz ähnlich; er be-
steht nur aus einer Kette auch äufserlich älmlioher Metalle, Platin und
Silber, die sich aber, sowie man wieder den Knopf drückt, beim
Durchgang des Stromes gar wesentlich von einander unterscheiden.
Das Platin erglüht, das Silber nicht. Man stellt sich dabei unwill-
kürlich vor, dafs die Oberflächen der Silbermoleküle in solchem
Sinne verschieden von denjenigen dos Platins sein mögen, dafs der
Strom weniger gehindert durohfliefsen kann. An beiden ,\pparaten be-
merkt man noch nebenher eine physikalisch merkwürdige Erscheinung,
dafs sich nämlich die Kette senkt, sowie der Strom hindurchgoführt
wird. Die Kette verlängert sich durch die Erhitzung; Wärme dehnt
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Physik- Saal der Urania.
Mittlpfcr riieil.
iiiis. iJer folgcndo Api)arat zeigt die Zersetzung des Wassere durch
den elektrischen Strf)m; beim Druck auf den Knopf steigen auf beiden
Seilen von den unter dem Wasser befindlichen Platinplatten Klasen
auf: Wasserstofl' und Saueratoff. Auf der einen Seite ist die über dem
Wasser befindliche Gassäulo noch einmal so grofs als auf der andern;
hier befindet sich der Wasserstoff, das Wasser hat sich also in zwei
Theile Wasserstoff und einen Theii Sauerstoff zerlegt. Die Wassor-
tnolekiile müssen also viel stärkeren Widerstand entgegensetzen als
die des Platin. Die Kraft des mächtigen elektrischen Stromes reifst
sie völlig ausemander.
Es ist dem Laien auch unmittelbar begreiflich, dafs man einen
wahrgenommenon Prozefs in der Natur wenigstens in den meisten
Fällen auch umkehren kann. Wenn also hier der elektrische Strom
eine chemische Wirkung vor unseren Augen ausführt, so erscheint
es, vorausgesetzt, dafs dieser Prozefs verstanden ist, sehr begreiflich,
dafs umgekehrt ein chemischer Prozefs Elektrizität erzeugen kann.
Es stehen also neben diesen Apparaten galvanische Elemente ver-
schiedener Konstruktion, durch welche ja bekanntlich durch den ein-
geleiteten Zeraetzungsprozefs der auf ein Metall wirkenden Säure
ein elektrischer Strom erzeugt wird. Wir gehen nun schneller vor-
über an dem .Modell eines elektrischen .Vkkumulators und dem für
den galvanoplastischen Pi’ozefs, die au.s dem Vorangegangenen un-
schwer erklärt werden können. Wir kommen dann zu ilem soge-
namiten Ampfereschen Gestell, welches ein anderes Grundgesetz
der Elektrizitätslehre veranschaulicht, dafs gleichgerichtete Ströme sich
anziehen, entgegengesetzt gerichtete sich abstofsen. Der Besucher
führt wieder den Strom durch den Apparat, au welchem durch Pfeile
die Richtung des erstem angegeben ist. Die eine llält'le des .Apparates
ist nach Belieben umzukehren, wodurch man Anziehung und .\b-
stofsung sofort konstatiren kann. Es folgt nun die sogenannte Rogetscho
Spirale, das.selbe Prinzip veranschaulichend. Das Ende der Spirale taucht
in einen Quecksilbernapf; sobald der Strom eingeschaltet wird, ver-
kürzt sich die Spirale durch die Anziehung ihrer einzelnen Glieder,
welche gleichgerichtete Ströme in sich schliefsen, das Ende der Spirale
wird aus dem Quecksilbernapf emporgehoben, einen schönen .\b-
reifsungsfunken erzeugentl. Nun aber ist der Strom ausgeschallet, die
einzelnen Theile der Spirale ziehen sich nicht mehr an, die letztere
wirtl wieder länger, taucht mit ihrem Endo wieder in den Quecksilber-
napf ein, den Sti-om einschallend. Das beschriebene Spiel wiederholt
sich, die Spirale wippt beständig auf und ab. Nun folgt eine Magnet-
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23(1
nadel, um welche in einem einfachen Ringe ein eleklrischer Strom
gerührt wird, Ua die Magnetnadel sich dann senkrecht zu jenem
elektrischen Strome stellt, so müssen wohl ähnliche elektrische Ströme
die Moleküle des Magneten unsichtbar umkreisen, auf welche der
erste Strom anziehend oder ahstofsend wirkt und dadurch den sicht-
baren Effekt erzeugt. Es folgt nun eine Spirale aus Kupferdrahl
mit einem darin frei beweglichen Eisenkern; sobald der Strom durch-
geführt wird, hebt sich der Eisenkern in die Spirale empor und
wird darin wie von einer Feder freischwebend festgehallen: eine
Kupferdrabtspirale wirkt wie ein Magnet, d. h. wenn mau rings um
einen Eisenkern herum künstlich jenen elektrischen Strom erzeugt,
den wir nach dem vorigen Experimente einen permanenten Magneten
unsichtbar umkreisend denken müssen, so wird eben auch die.ses Eisen
zum .Magneten; wir haben hier eine Kontrole für die Voraussetzung
dieses unsichtbaren nicht unmittelbar sich an eine Materie haftenden
Stromes. Ein daneben stehender vollständiger Elektromagnet mit
festem Eisenkerne und Anker, welcher letztere von einer Spiralfetler
sofort wieder omporgehoben wird, wenn der Strom nicht mehr wirkt,
zeigt dieselbe Erscheinung noch einmal. Neben ihm ist das Modell
eines elektrischen Telegraphen angebracht, durch welchen die kon-
statirte merkwürdige Erscheinung in unserem heutigen Verkehrswesen
eine so ungemein wichtige Anwendung gefunden hat. Nun folgt der
sogenannte Wagnersche Hammer, welcher sich von dem vorher dar-
gestellten Elektromagneten mit Anker nur insofern unterscheidet, dafs
der angezogene Anker sofort den Strom wieder ausschaltet, wodurch der
Anker losgolassen wird, den Strom cinschaltet und folglich hin und her
vibrirL Gleich daneben sind wieder die Anwendungen im Hausklingel-
telegraph und dem Alarmtherinomoter angebracht. Nun folgen weiter
Apparate zur Erklärung der Erscheinungen der Induktionselektrizität;
wir wollen jedoch hiermit die Beschreibung dieser Art von Apparaten
abbrechen.
Der elektrischen Abtheilung gegenüber befindet sich die optische.
Eingeleitet wird dieselbe durch einen grofsen Hohlspiegel, welcher
auf einem Postamente ein täuschendes Bild einer kleinen Statue entwirft,
die unter dem Postamente verborgen ist. Es ftilgen eine Reihe von
Apparaten, welche die Einsenwirkung und die des Auges erklären,
Apparate zur Darstellung der farbenprächtigen Poiarisationserschei-
nungen, denen sich gröfsere und kleinere Spektroskope anreihen.
Diese letzteren wecken ganz besonders das Interesse unserer Be-
sucher. Unsere bezügliche Sammlung kann recht vollständig genannt
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werden. Durch eine praktisclie Vorrichtung kann der Hesuclier
wiedenim durch den Druck auf einen Knopf eine Bunsenilamme
entzünden und zugleich mit einem Plalinpinsel die Lösung eines
spektroskopisch interessanten StolTes (Lithium, Thallium, Calcium,
Ban'um, Strontium etc.) in die Flamme einführen. Ein Blick durch
das in der bestimmten Richtung feststehende Spektroskop zeigt das
Flamraenspektrum jener Stoffe. Daneben werden üasspektren durch
Induktionsfunkon in O ei fsl ersehen Röhren gezeigt, ferner Absorptions-
spektren von Gasen, Flüssigkeiten und festen, durchsichtigen Stoffen
(ürom, untorsalpetrige Säure, mangansaures Kali, Blut, Fuchsin, Didym-
glas). Es ist selbstverständlich, dafs in unserer Ausstellung die sta-
tische Elektrizität durch grofse Influenzmaschinen und mancherlei elek-
trisches Spielzeug gleichfalls vertreten ist; dann sei auch noch auf die
gröfseren Geissl ersehen Röhren, welche hauptsächlich als Effekt-
Stücke dienen und nebenher die Erscheinungen der Fluorescenz bieten
sollen und namentlich auf die aufserordentlich schönen, durch ihre
leuchtenden Farbenerscheinungen einen ggofsen Eindruck ausübenden
Crookes sehen Rühren hingewiesen. Alle diese Gegentände üben nur
dann ihre leuchtende Wirkung, wenn der Beschauer durch den Druck
auf einen Knopf diese zu erlangen wünscht. Es ist dadurch der dop-
pelte Zweck erreicht, dafs nicht durch die andauernde Thatigkcit ganz
unnütz grofse Mengen elektrischer Kraft verloren gehen und andrer-
seits der Eindruck auf den Besucher ganz zweifellos ein viel gröfserer
ist, wenn derselbe durch seinen persönlichen Eingriff die überraschende
Erscheinung hervorruft.
Der für diese Experimente nothwendige elektrische Strom geht
von einer Batterie von zehn grofsen elektrischen Akkumulatoren aus,
welche in geeigneten Zwischenräumen durch eine im Keller aufge-
stellte Dynamomaschine gespeist werden, die ihrerseits durch einen
zwölfpferdigen Gasmotor getrieben wird. Von Jedem dieser Akkumu-
latoren geht ein besonderer Draht aus und durchzieht sämtliche Räume
der Anstalt, in welchen elektrische Experimente anzustellen sind. Es
ensteht so mit der gemeinsamen Hückieitung ein System von elf Drähten,
von welchem nach Belieben in jedem Punkte des Saales eine Ableitung
ausgehen kann, die eine Stromzuführung in zehn verschiedenen Stärken
je nach der Art des Experimentes gestattet. Diese Einrichtung hat
sich als ganz besonders praktisch erwiesen; sie ist wie die ganze, recht
komplizirte elektrische Anlage des Gebäudes von der Wellfirma
Siemens & Halske ausgeführl worden.
Bei der summarischen Aufführung der Apparate des Physiksaales
238
murrten wir selbstverslänUlich vieles übergehen, wie beispielsweise
die sämtlichen akustischen [nstrnnienle, die jedoch, wie namentlich der
Tisch, auf welchem das l’ubliknm sich selbst Chladnische Klang-
figuren erzeugen kann, nicht wenig zur Freude und Belehrung bei-
tragen. Wir können auch nur mit wenigen Worten des Phonographen
gedenken, der wegen seiner besonderen Kigenart in einem getrennten
Raume, dem Hürsaai, aufgestellt werden mufste.
Der Phonograph hat in betreff seiner Vorführung Aehnlichkeit
mit dem Fernrohr, indem er leider auch nur von einer ofler doch
wenigen Personen zugleich benutzt weixlen kann. Es mufsten deshalb
zur Erlangung einer geregelten Besuchsonlnung ebenso wie beim
grofsen Fernrolir, besondere .Vlafsregeln getroffen werden, durch die
es jedoch trotz alledem bei dom grofsen Andrange nicht gelang, in allen
Fällen einen ruhigen (ienufs des wnnderl>aren Instrumentes zu ge-
währen. Wir haben deshalb besondere sogenannte phonogi-aphisch-
telephonische Musikanfführungen an bestimmten Abenden gegen er-
höhten Eintrittspreis eingerichtet, wo wir mit gröfserer Ruhe vor
einem beschränkten Kreise von Zuhörern die uns von Herrn Edison
zugesandten, in Amerika auf die phonographisohen Walzen aufge-
nommenen Musikstücke durch den Phonographen zur Aufführung
bringen und auch noch mancherlei interessante akustische Experi-
mente damit verbinden. Es ist selbstveretundlioh, dafs dieses wunder-
bare, uns von Herrn Edison in zwei Exemplaren nebst vielfachen
Ersatzstiieken und allem Zubehör in munifizentester Weise geschenkte
Instrument, welches etwa ein Vierteljahr hindurch das einzige in
Berlin öffentlicit gezeigte war, eine sehr grofse Anziehungskraft für
unser In.stitut bildet. Unsere Physiker haben sich inzwischen so
trefflich auf dasselbe eingearbeitet, dafs uns die musikalischen Original-
anfnahmen kaum weniger gut gelingen, als diejenigen, welche bei
Herrn Edison selbst ausgeführt wunlen, und wir deshalb in der
That an die Anlage einer .\rt phonographischen Archivs für interessante
Musikwerke oder für Sprachaufnahmen denken können.
(Schluss foltpt.)
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Physik-Saal der Urania.
Ocsilichcr l'lieil.
Algol als Doppelstern und Mizar als dreifacher Stern.
Die vorzüarlichen Leistiniifen Jer l’hotographie auf dem Gebiete
der N'ehelllecke ') liefsen eine gleich fruchtbare Verwerthung derselben
fiir die spektroskopischen Heobachtungen erwarten. Die vorjährigen
Vogel sehen Beobachtungen zur Krniittelung der Bewegung von
.''temen im Viaionsradius-) haben diese Erwartungen vollauf erfüllt.
Die neuesten Erfolgi* des astroph.vsikalischen Observatoriums zu Pots-
dam sind noch mehr geeignet, die üeberlegenheit der spektrographischen
.Methode gegenüber den «lirekten spektntskopischen Beobachtungen
darzuthnn. Es ist den Herren Pnif. I)r. Vogel und Dr. .Schein er
"■elungen, durch die Methode der Linienverschiebung im Spektrum iles
.\lgol neues Licht über das räthselhafte Wesen der veränderlichen
.Sterne zu verbreiten. Zur Erklärung der periodischen .\b- und Zu-
nahme der Licht.stärke der Sterne vom .Vlgoltypus, die sich besonders
durch den raschen N'erlauf und die Kegelmäfsigkeit der Lichtändening
auszeichnen, hatte man bisher die Wahl zwischen der Züllnerschen
Kleckeniheorie und der Pickeringschen Trabantentheorie. Die Pots-
damer Beobachtungen haben für die Traltantentheorie entschieden. Es
ist durch die Linienverschiebung im Spektrum des .Algol nachgewiesen,
<lafs sich Algol vor der Verlinsteruug von uns entfernt, nach derselben
sich uns wieder nähert und zwar mit einer Geschwindigkeit von 6.7
Meilen in einer Sekunde. Hieraus folgt, dafs .Ugol ein Doppelstern
ist und sieh mit einem dunklen Begleiter um einen gemeinschaftlichen
Schwerpunkt bewegt. Die Bahngeschwindigkeit des -Algol in Verbin-
dung mit den Elementen des Lichtwechsels führte unter der .Annahme
einer Kreisbahn und gleicher Dichtigkeit der beiden Körper zu fol-
genden Dimensionen iles .Systems:
Durchmesser iles Hanptsterns = 230 1(00 Meilen,
Durchmesser des dunklen Begleiters . . . = IStlOOO Meilen,
'( ViMgl. H. u. E. Jahrg. I. S. UTt iiiul II. S. loil.
-I -Xstmii. Xai hr. Xo. 28H(I.
iniiimcl llDil Rnii*. tl. S, Iti
240
Rntforming der Mittelpunkte =i 700 000 Meilen,
Bahngeschwindigkeit des Begleiters . . . =12,0 Meilen,
Masse von Algol = *, o der Sonnenmasse.
Masse des dunklen Begleiters */„ der Sonnenmasse.
Die Bahnebene des Systems lallt mit der des Sonnensystems zu-
sammen.
Um die einzelnen Erscheinungen des Lichtwechsels erklären zu
können, mufs man sich die b(>iden Körper mit mächtigen Atmosphären
umgeben denken, von denen diejenige des Ilauplsternes eine Höhe
von 54 000 Meilen und eine starke Ijeuchtkrafi besitzt, die des abge-
kiihlten Begleiters eine Höhe von 42 000 Meilen und eine grolse Ab-
sorptionsrähigkeit. Den physikalischen Schwierigkeiten, welche sich
dadurch ergeben, dafs von zwei so nahen Körpern der eine in höchster
Glühhitze, der andere in starker Abkühlung sich befinden muts, be-
gegnet Prof. Vogel 3) durch die Annahme, dafs der Begleiter nicht
absolut dunkel, sondern nur relativ dunkel in bezug auf den Haupt-
stem sei. Der Glanz des Begleiters, der selbst sich noch im Glüh-
zustande befinden kann, mufs nur unter Vso Glanzes des Haupt-
stenies liegen. Es ist eine interessante Aufgabe der sogenannten
Theorie der Gleiohgewichtsfiguren, die mechanischen Schwierigkeiten
aufzuhellen, welche sich für die Stabilität eines Systems ergeben,
dessen Componenten wiegen ihrer grofsen Massenausdehnung und ge-
ringen Entfernung nicht mehr als materielle Punkte im Problem der
Bahnbestimmung behandelt werden können. — Es ist wohl anzunehmen,
dafs dieser auf spektrographischem Wege entdeckte Begleiter des
Algol für immer einer direkten Beobachtung unzugänglich sein wird,
selbst noch bei erheblicher Verstärkung unserer heutigen Vergröfse-
ningsmittel. —
Gleichzeitig berichtet Prof C. E. Pickering,^) dafs ein eir gehen-
des Studium der in 70 veisohiodenen Nächten erhaltenen Spektrunphoto-
graphien von Mizar (' Ursae majoris) auf der Sternwarte dos Harvard
College durch Miss A. C. Maury, eine Nichte von Dr. Drape r, erge-
ben hat, dafs die K-Linie im Mizarspektrum am 20. März 1887, am 17. Mai.
27. und 28. August 1880 doppelt erschienen ist. Zu andern Zeiten er-
schien die Linie etwas verschwommen oder scharf und deutlich einfach.
Eine genauere Untersuchung ergab, dafs die Verdoppelung de: Linie
vom 27. März 1887 an in Intervallen von 52 Tagen aufgetrete n war,
und dafs einige Tage vor und nach der Verdoppelung die Linie sich
■'J Astron. Naelir. No. 2U47.
‘) American .luurnal of Seienee 18;)0. .lamiarheft ji. 4f>.
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241
vcrschwoinnien zeigte. Eine Voraussage der Verdoppelung der Linie
für den 18. Oktober 188tt traf nur zum Theil ein, indem die lanie
wohl verschwommen aber nur unsicher doppelt erschien. Bei dieser
Beobaclitung konnten jedoch wogen des niedrigen Standes des Sternes
nur 3 Prismen verwandt werden, während gewöhnlich 4 benutzt
waren. Die nächsten Verdoppelungen wurden für den 9. Dezember
1889 und 30 Januar 1890 vorausgesagt, von denen die erste bereits
als eingetroffen zu bezeichnen ist, indem 3 verschiedene PlK>togra|)hien
vom 8. Dezember die Verdoppelung der K-Linie zweifellos ergeben
haben. Bei den Wasserstoff- und den übrigen Linien des Mizarspek-
trums sah man an den betreffenden Tagen der Verdoppelung der
K-Linie ein deutliches Breiterwerden.
Die einzige Erklärung für diese Beobachtungen ist die, dafs der
hellere Stern des Doppelstenipaares Mizar selbst wieder aus zwei fast
gleich hellen, sehr nahen Sternen besteht. Die Uralaufszeit für diese
bi-iden Komponenten würde demnach 102 Tage betragen. Wenn der
eine Stern sich der Erde nähert, so weiden die Linien seines Spektrums
sich gegen das blaue Ende verschieben, während gleichzeitig die
Linien in dem Spektrum des andern Sternes nach der entgegen-
gesetzten Richtung wandern werden. Auf diese Weise wird sich jede
Linie in zwei auflüscn.
Man kann auch hier aus den Messungen auf die Dimensionen
der Bahn schliefsen. Die Oeschwindigkeit beträgt 20 Meilen pro
Sekunde, die Gesamtmasse ist gleich 40 Sonnenmassen. Unter der
Annahrai- einer in die Ebene des Sonnensystems fallenden Kreisbahn,
erhält man eine Entfernung der beiden Sterne von 30 Millionen Meilen,
das ist die ungefähre Entfernung von Sonne und Mai's. Da wir jedoch
bis jetzt bei Mizar keine Veränderlichkeit des Glanzes wahrgonommen
haben, so winl die Balm der Komponenten gegen unsere Gesichtslinie
geneigt sein, so dafs die Entfernung und die Massen der Sterne sich
noch gröfser ergeben werden. Eine Elli]>tizität der Bahn würde
sich durch Variation der Gröfse der Verdoppelung zu erkennen geben.
Für den Versuch einer optischen Trennung dieser beiden Komponenten
winl der 23. März dieses Jahres zu empfehlen sein, doch dürfte man
hierzu nur die gröfsten Feniröhre verwenden können.
Die Spektren der Sterne ji Aurigae und b Ophiuchi zeigen ähn-
liche Erscheinungen. Diese neuesten Ergebnisse eröffnen eine neue
Epoche für die Doppolsternforschung und lassen erhoffen, dafs der
bislang vergeblich gesuchte Begleiter des Procyou auf diesem Wege
auch einmal gefunden werden wird. F. S. A r c h enhold.
U1‘
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J42
Die Rotation des Merkur.
In jüUer populären Astronomie finden wir angegeben, dafs Merkur
in ungfdiihr 24 Stunden eine Axendrehung vollende, (ileichwolil war
bisher mit Sicherheit so gut wie garnichla über die Rotation dieses
innersten Planeten bekannt; denn die Meinung, dafs er in naliezu
<Ierselbeii Zeit wie die Erde rotire, gründet sich auf gänzlich unzu-
liingliehe Heobachtungen von J. H. Schröter, jenem emsigen und
verdienten Eörderer der teleskopischen Beobachtungskunst, der aber
leider vielfach nicht ganz vorsichtig und streng bei der Diskussion
seiner Wahrnehmungen verfidir und darum zu mancherlei Irrthümeru
verleitet worden ist. Da jedoch eine Rotationsdauer des Merkur von
nahezu 24 Stunden an sich viel Wahrscheinlichkeit hatte und da das
anhaltende Studium der Merkursoherfläche eine schwierige und un-
dankbar erscheinende Aufgabe war, so fand sich seit jener Zeit
(Schröter publizirte seine vermeintliche Entdeckung i. J. ISÜtl) bis
in die allerneueste (iegenwart niemand, der unsere Kenntnisse über
die Umdrehung dos Merkur etwas sicherer gestellt hätte. Schiapa-
relli erst, die erste .Autorität auf dem Gebiete der teleskopi.se heu Be-
oliachtungskunst, wandte dem innersten Planeten wieder einmal ein
anhaltendes Interesse zu, indem er denselben seit 1881 bis zur Gegen-
wart so oft als möglich betrachtete und mit gewohntem Scharfblick,
trotz aller sich der Beobachtung des sonnennalien Planeten ciitgegen-
stellenden Schwierigkeiten, eine Fülle überraschender Resultate erntete,
über die er in No. 2944 der ...Astronomischen Nachrichten" <*ine vor-
läufige Mittheilung verölTentlicht hat.
Das wesentlichste Ergebnifs dieser Forschungen besteht in dei-
Erkenntnifs, dafs die Rotation des Merkur viel langsamer von statten
geht, als man bisher aunahni und zwar stimmt die Periode wahrschein-
lich genau mit der Umlaufszeit des Planeten überein. .Aus dem
gleichen .Anblick, den .Merkur an aufeinanderfolgenden Tagen zur
gleichen Tageszeit hot, hatte nämlich Schröter seige Bestimmung
der Rolatiunszeit dos Merkur abgeleitet, ohne an ilie Möglichkeit zu
denken, dafs dieselbe Erscheinung auch mit einer sehr langsamen
Axendrehung vereinbar .sein würde. Schiaparelli gelangen jedoch
Beobachtungen zu verschiedenen Tageszoiten, bei denen ebenfalls ilas
.Aussehen des Planeten sich unverändert zeigte und damit war sogleich
erwiesen, dafs die Umdrehungsperiode eine sehr grofse sein müsse.
Die Beobachtungen konnten durchweg nur bei Tage ausgeführt
werden, weil, wenn die Sonne unter dem Horizonte steht, der .^taiid
des .Merkur ein zu tiefer ist, um noch eine 200-fache A'ergröfserung
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■J4.J
anweniien za können, die allein erst die äufserst zarten Flecken er-
kennen läfsl. Es zeigrio sich nun, dafs die Konfig^uration der Flecken
bei g-leichen Phasen nahezu dieselbe war und die darauf sich stützende
Annahme, dafs die Rotation genau mit der Revolution (87‘*.tl693)
übereinstimme, gab eine gute Erklärung aller vorliegenden Beobach-
tungen. Merkur wendet sonach der Sonne beständig dieselbe Seite
zu, wie es unser Mond der Erde, mit Sicherheit auch .Ia]>etus dem
Saturn und mit grofser Wahrscheinlichkeit auch die vier Jupiter-
satelliten ihrem ilauptplanelen gegenüber thun. Auch von der Erde
aus können wir infolge des.sen nur die eine Merkurshälfle kennen lernen,
denn die der Sonne abgewandte Hälfte, welche wir geometrisch zeit-
weise ebenfalls würden sehen können, bleibt ja stel.s unbeleuchtet.
Die I.age der Rotationsaxe hat bis Jetzt noch nicht deliniliv bestimmt
werden können, doch wurde bislier angenommen, dafs sie auf der
Hahnebene senkrecht stehe. Eine grofse Abweichung von dieser Stel-
lung dürfte jedenfalls nicht vorhanden sein tind man kann bereits
jetzt sagen, dafs die Neigung des Merkur-Aequators nur höchstens
so grofs sein kann als die Neigung iles Ertläqtiators gegen die Eklip-
tik. Oenauere Untersuchungen ergaben ferner, dafs die Rotation des
Merkur eine rein mechanische ist und mit gleichrörmiger Geschwin-
digkeit vor sich geht, während die Bewegung in der stark elliptischen
Bahn eine sehr variable Geschwindigkeit besitzt. Es entsteht dadurch
eine sehr beträchtliche Libnation oder Schwankung der lächtgrenzc
auf der Merkursoberfläche, so dafs im Verlaufe einer Revolution doch
weit mehr als die Hälfte der .Merkursoberfläche von den Sonnenstrah-
len getroffen wird, h’ür die Gegenden, welche innerhalh dieser Eibni-
tionsschwankungen liegen, findet sonach zeitweise ein Sonnen-.\nfgang
und -Untergang statt, während die übrigen Theile entweder beständig
den heifsen Sonnenstrahlen aiisgesefzt bleiben oder ilas wärmende
.Sonnenlicht dauenid entbehren müssen. Aus dem Vorhandensein die-
ser läbration ergiebt sich, dafs nicht etwa eine magnetische von der Sonne
ausgehende Beeinflussung die Stellung des Merkur bestimmt, sondern,
dafs die Rotation vermuthlich, wie bei unserem .Monde nach G. H.
Darwins geistvoller Erklärung, durch die Reihung der den Planeten
umlaufenden, von der Sonne erzeugten Fhithwelle nach und nach so
weit verlangsamt worden ist, bis sie der U^mlaufszeit genau gleich war.
Sobald nämlich Umlauf und .\xondrohung genau in gleicher Zeit voll-
endet werden, findet eine Ebbe und Fluth garnicht mehr statt, sondern
die .\nziehung des Contralkörpors bewirkt eine dauernde Deformation
der flüssig gedachten Oberfläche des Planeten. Dafs gerade bei Mer-
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kur, als di-m einzigen unter allen Planeten, diese Oloichinacliunir von
Rotation und Revolution durch Fluthreibung bereits zum Ziele gelangt
ist, erscheint sehr erklärlich, wenn man die grofse Sonnennähe und
die Schnelligkeit der Umlaufsbewegung bei diesem Planeten in Be-
tracht zieht. Auch die .Schnelligkeit der Umdrehung der äufseren
Planeten wird von diesem Gesichtspunkt aus vei'Stän<llicher, denn
natürlich mufs die Einwirkung der durch die Sonnenanziehung ent-
.S
Karte des Merkur, nach Schiaparelli.
stehenden Fluthwelle auf den entfernteren Planeten die geringste Ver-
zögerung der Axendrelumg erzeugt haben.
Unsere .\bbildung der sichtbaren Merkurshälfte ist eiuo Nach-
bildung der in den astronomischen Nachrichten vcrölTentlichten Skizze.
Die dunkeln Flecken erscheinen indessen im Fernrohr bei weitem nicht
so deutlioh, sondern nur als äufserst schwer erkennbare und zarte Strei-
fen von rothbrauner Farbe. Prof. Schiap arelli glaubt den Flecken,
welchen Dr.de Ball am 24. und 28. .Juli I8ft2 in Bothkamp gesehen hat,
identiliziren zu können; ilie Berechnung des Merkursanblicks zur da-
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245
maligen Zeit auf Grund der neu entdeoktou Kotatiunsdauer stimmt gut
mit einer damals angefertigten Skizze überein. Nach allen bisherigen
Beobachtungen verändern die Flecken ihren Ort auf der Merkurs-
oberfläche nicht, während dagegen ihr Aussehen sehr deutlich zu Tage
tretenden Variationen unterliegt, welche vermuthlich durch die den
Merkur umhüllende Atmosphäre und deren zeitweilige Trübungen zu
erklären sein dürften. Die Gegend um den nördlichen Pol besitzt
eine gröfsere Helligkeit als die Südpolarregion und es kann zuweilen
infolge dieser geringen Helligkeit das südliche Horn des Merkur ab-
gestumpft erecheinen, wie es Schröter und .\ndere des Oefteren ge-
sehen haben wollen.
Schröter glaubte seinerzeit, aus diesem eigenartigen Aussehen
<les südlichen Horns auf hohe Berge in der Nähe dos Südpols sohliefsen
zu dürfen. Die neueren Beobachtungen sprechen jedoch mit aller Be-
stimmtheit gegen diese Annahme, indem sich Jederzeit das Horn in
seiner regelmäfsigen Gestalt erkennen liefs, wenn auch die üufsersle
Spitze mitunter sehr lichtschwach und schwer erkennbar ist.
Dr. F. Koerber.
Ergebnisse der Temperaturmessungen ln den fünf tiefsten
preufslschen Bohrlöchern.
Von der Kgl. preufs. Bergbaiiverwaltung sind in den letzten
Jahren umfangreiche TeraporalLirbeobachtungen in <lon fünf tiefsten
Bohrlöchern ausgeführt worden zum Zwecke einer möglichst genauen
Feststellung der -geothermischen Tiefenstufe“, d. h. derjenigen Wogs-
länge, um welche man in die Erde vonlringen mufs, um I® Wärme-
zunahmo zu erhalten. Die Ergebnisse dieser Messungen enthält die
folgende Tabelle, welche einem ausführlichen Berichte in der Zeit-
schrift für Berg-, Hütten- und Salineuwesen entnommen ist: ■)
Bohri>uiikte.
|Tiefe, fiir welrhi-
dieStufc bercclinci
wurde: I
LUiige dergeot)irr-| Anzahl der
miKchon Stufe. | Messungen.
Schladebach (b. Morseburgl Ilm bis 171G ni , 4G.0II m i 387
Sennewitz (bei Halle) ... 7.’H m
IJeth (bei Altona) .... 42G m
Sudenberg (bei Magdeburg) 30 m
Simrciiberg (bei Berlin) . . 22010
1084 ni
4.7.83 m
96
1279 m
13.84 m
17
568 m 1
40.4.7 in
19
1066 m
4a00ra
9
') Bd. 37, Heft .3, 1889, S. 171.
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Sowohl in Hinsicht Jer Anzahl der Messutiffon als auch in Be-
zug auf die erschlossene Tiefe steht Schladebach allen übrigen Punkten
voran, und daher dürfte die hier gefundene Stufe von 46.1m fu:' 1"K.
der Wahrheit am nächsten kommen. Auf die Ursachen, welche für
<lie einzelnen Bohrlöcher Abweichungen der geothermi.schen Tiefeu-
stufe bedingen, ist bereits früher in dieser Zeitschrift hingewiesen
worden. '-)
Soweit unmittelbare Beobachtungen reichen, folgt die geother-
mische Tiefenstufe einer einfachen arithmetischen Progression, ändert
sich also gleichmäfsig mit der Tiefe
sich, dafs der Schmelzpunkt von:
Unter dieser .Annahme ergiebi
Kalium
in
lö4öin Tiefe
Schwefel ....
„
Wismuth ....
0062 . _
Antimon ....
15524 „
Silber
36495 . ..
Ciold
45713 . .
Roheisen ....
■56775 „ „
Platin
93001 „ .
ciTeioht wird. Uio höchste tTluthbitze der Hochöfen beträgt etwa
2:180" 11., sie würde sich in der Tiefe von 104708 m oder 14' ,o geogr.
Meilen befinden. Allerdings müssen wir wohl beachten, dafs der
Schmelzpunkt aller Substanzen durch den Druck der darauf la.stendeu
(d)ereu Erdschichten hinaiifgerückt wird, und daher Oesteinsmasseii
und Metalle, welche in unseren Hochöfen bei einer gewissen Tempe-
ratur schmelzen, im Innern der Erde bei einer selbst viel höheren
Temperatur fest bleiben können.
Darnach müfste die Zone des allgemeinen Schmelzflusses er-
heblich tiefer liegen, als in den oben ausgerechneten 14'/,o Meilen.
Auch dürfte es als eine KUhulieit erscheinen, die Wärmeverhältnissr
eines so geringen Theiles des Erdballs als unbedingten Mafsstab für
die weitere Eortselzung der Temperatur nach der Tiefe hinstollcn zu
wollen. Die .Schladebacher Bohrung hat uns ja nur des Erdradius
erschlossen . ,S c h w.
*) S. (i04 und t.6I dos oratoii Jalirgaiigos. (Herioht de.s Olier1iei*giu.s|.ok'
toia Kiil'ricli.j
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Strombestimmungen im Nordatlantischen Ocean mittelst „Flaschen-
posten“ durch den Fürsten von Monaco.
Die Hestimmung' der Meeresslröniimgon durch sclnvimmeiide
Körper, die mit und in demselben treiben, ist zwar eine lange bekannte
-Methode, doch ist dieselbe selten zur systematischen Uurohrühruiig
gekommen. Wenn von Alters her die an den Küsten antreibenden,
von fremden Inseln und lündem stammenden Hölzer, Früchte, Pflanzen
und dgl. auf eine zwischen den Gestaden stattfindende Wasserbewe-
gung aufmerksam machen mufsten, so waren es doch nur ganz allge-
meine Schlüsse, welche man hieraus zu ziehen im stände war. Wenn
später von Schiffen in Flaschen oder anderen wasserdichten Hehältern
schriftliche Mittheilungtm den Wogen der See anvertrant wurden, so ge-
schah dies meist im Moment der höchsten Noth, um der Well vielleicht
noch das letzte Lebenszeichen zu geben, den letzten Bericht von dem
L'ntergange zu überliefern, zuweilen auch wohl aus einer augenblick-
lichen Laune ohne ernsteren Zweck oder bestimmtes Ziel. Erst in neue-
rer Zeit hat man angefangen, diese ..Flaschenposten“ in den Dienst
der Wissenschaft zu stellen, um durch dieselben Erfahrungen und
Beiträge zu sammeln für das Studium der Oberfliichenbewegungen der
Oceane. So werden im besonderen schon seit einer Reihe von Jahren
die deutschen Kriegsschiffe mit sog. Flaschenpostzetteln ausgerüstet,
von denen auf Sec wo möglich liiglich einer in einer leeren, mit
Ballast (gewöhnlich Sand) beschwerten, gut verkorkten Flasche über
Bord geworfen wird. Der Zettel enthält Angaben über seine Her-
kunft, Schiff, Ort und Zeit des Aussetzens, und ersucht den Finder,
denselben nach Vervollständigung durch Vermerk von Fund- Ort und
-Zeit, sowie des Zustandes, in welchem die Flasche angelroffen wurde,
iler Marine-Hehörtlo zu überliefeni. ln ähnlicher Weise werden die
deutschen Kauffahrteischi ffe durch die deutsche Seewarte mit solchen
Zetteln versehen. Der zwischen Abgangs- und Fundort zurückgelegle
Weg und die dazu gebrauchte Zeit ergeben Richtung und Geschwin-
digkeit des Stromes. Dafs diese Bestimmungen auf Genauigkeit keinen
grofsen Anspruch haben, ist klar, wenn man bedenkt, dafs die genid-
linige Verbindung zwischen den beiden angerührten Punkten in den
seltensten Fällen der wirklich von dem Schwimmkörper zurüokgelegte
Weg sein wird, und dafs ein solcher Körper oft lauge Zeit an einer
Küste hin- und hergetrieben werden kann, ehe er gefunden wird;
immerhin bilden die Flaschenposten ein bequemes Mittel, um die
Meeresströmungen in ihren llauptzügen kennen zu lernen und ge-
248
währen in grörserer Anzahl ein werthvolleK Material für das Studium
derselben. —
Von letzterem Gesichtspunkte ist der Erbprinz Albert, jetziger
regierender Fürst von Monaco ausgegangen, als er zusammen mit dem
Professor Pouchet, welchem der Munizipalrath von Paris eine ge-
wisse Summe zu oceanographischen Forschungen im Nordatlantischen
Ocean zur Verfügung gestellt hatte, in den Jahren I880, 1880 und
1887 auf seiner Yacht ffHirondelle drei wissenschaftliche Expeditionen
unternahm, auf welchen er für die Strombestiminungen die besprochene
Methode zur Anwendung brachte. Diese Untersuchungen durften ein
besonderes Interesse beanspruchen, weil zum ersten Mal die Methode
in so umfangreicher und systematischer Weise zur Ausfiihrung gebracht
ist, eigens zu dem Zweck konstruirte Schwimmkörper herangezogen
und mit besonderer Sorgfalt zugericlitet wimlen. .\uf der Expedition
1883 kamen aufser 150 gewöhnlichen Flaschen 10 kupfemo Kugeln
und 20 Holzfässer zur Verwendung. Die Kugeln bestanden aus
2 Hälften, welche über einer Kautschukpackung mit einander ver-
schraubt waren; die Schrauben Helen besonders in’s Auge, um den
Finder darauf aufmerksam zu machen. Die hölzernen Fässer waren
nach dem Modell der gewöhnlichen (20 Liter) Bierfässer angefertigt,
mit starken Dauben, eisernen Bändern und inwendig getheert. Lrm
die Aufmerksamkeit des Finders beim Deffneu zu fesseln, wurden sie
mit Hafer gefüllt. Die Fla.schen wurden durch einen mit Kautschuk
bekleideten Stöpsel geschlossen. Jeder Schwimmer erhielt einen Zettel,
welcher den Zweck angab und den Finder bat, denselben mit den für
die Auffindung wesentlichen Daten zu versehen und abzuliefem.*)
Jeder Zettel, der eine Nummer trug und aus einem .Stummregister
losgelöst war, um seine Echtheit konstatiren zu können, war in einer
Überder Lampe zugeschmolzenen Glasröhre eingeschlossen. Besondere
Aufmerksamkeit wurde der Beballastung der Schwimmer zugewandt.
Es war darauf Bedacht zu nehmen, dafs dieselben möglichst tief ein-
tauchlen, um den Einflüssen des Windes nicht ausgesotzt zu sein,
') Dans le biit <lc ronseillor l«s rourants de la mer, avoc l'aide du ronseil
municipal de la ville de Paris, ce papier a dtö jot^ h la mer jiar les soins de
S. A. lo princo h^reditaire de .Monaco U bord de son yachl I Hirondelle et eii
sa pr^sence. Tonte porsonne. qui trouvera ce pai>icr, est priie, de Ic faire
parvenir aux autorit^ de son pays iiour 6lre transmis au Oouverneinent fran-
1,'aiK. en indiquant avcc Ic plus de dötails possible lo lieu, la date et Ics eir-
eonstances ofi ce papier atira ^t^ rotrouvi.
SigiiiS; Albert, prince liÄrMitairo de Monaco.
ü. Pouchet, iirofesscur au Museum de Parin.
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dabei mufste aber berücksichtigt werden, dafs das Oewicht sich voraus-
sichtlich mit der Zeit durch Aufsaugen und Eindringen von Wasser
und durch Anheften von organischen Bestandlheilen vermehren würde.
Man gab den Schwimmern deshalt) (dnen Ueberschufs von Auftrieb,
dem im .\nfaug durch Ballast das Oleichgewicht gehalten wurde, wäh-
rend später sich der Ballast selbstthiitig lösen sollte.
Ungefähr 110 Seemeilen nordwestlich von Corvo, der westlichsleii
-Kzoren-Insel, beginnend, wurde nordwestlich steuernd in Intervallen
von je einer halben Seemeile-) einer dieser Schwimmer über Bord
geworfen.
Im folgenden Jahre wurden 510 starke Champagnerllaschen als
Schwimmer benutzt, die auf einer in der Uichtung Xord-Süd auf dem
20. Meridian westlicher Länge von Paris sich erstreckenden länio
zwischen 42» und 50" N'ord-Breile in gleichen Zwischenräumen, wie
diejenigen des Vorjahres vertheilt wurden.
Die Flaschen wimlen in der folgenden Campagne 1887 durch
Kugeln aus dickem Olase mit kupferner Fassung nach Art und Gröfs(?
der im ersten Jahre verwendeten kupfernen Kugeln ersetzt. 931 solcher
Schwimmer wurden auf einer von den westlichen Azoren bis zur Neu-
fundland-Bank reichenden, ca. 710 Seemeilen langen Linie über Bord
gesetzt, später auf der Rückreise nochmals 05 Kugeln.
Von den gesamten Schwimmern sind nach einem resumirenden
Bericht dos Fürsten von Monaco ■*) bis jetzt 146 wiedergofunden und
zurückgeliefort worden, von denen jedoch nur 139 für das Studium
der Strömungen verwcrlbbar sind, da bei den übrigen 7 die Flaschen-
poslzeltel mit den erfonlerlicben Angaben fehlen.
Je nach dem Ort ihres Ausgangs lassen sich die Schwimmer in
einzelne grofse Gruppen zusammenfassen. So bilden die im Jahre 18S|J
ausgosetzten Flaschen drei Grup|)en, die südliche von 42','o" Nordbreite
bis 45", die mittlere von hier bis 48" und die nördliche bis 6t) "
reichend. Die erste, südliche Gruppe nahm zunächst ihren laiuf
ostwärts nach der Westküste der P.vrenäischcn Halbinsel, wendete sich
dann südwärts an dieser und der afrikanischen Küste entlang bis zu
den Kanaren, um von hier westwärts den Atlantischen Ocean durch-
querend, die Antillen aufzusuchen. Beim Uebergang von der euro-
päischen nach der afrikanischen Küste findet eine gewisse Ablenkung
nach und zum Theil durch die Strafse von Gibraltar statt, wovon ein
im Mittelmeer aufgefundener Schwimmer Zeugnifs ablegt, während
■) I Seemeile = 1852 Meter.
’) Sur les courants guperfieiel.s de l'Atliintique Nord.
<lrfi andere an der Küsle von Mamkko zwischen 3H" 32' und 33* 211'
Xordbreite antrieben. Der weitere Verlauf des Wefres ist konstatirl
worden durch Schwimmer, welche weiter südlich an der afrikanischen
Küste, bei den Kanarischen Inseln und den Antillen aufg-efunden sind.
Die mittlere Gruppe stiefs ebenfalls nach Osten treibend auf die franzii-
siche Küste in der Südecke des Diskaischen Meerbusens und bewegte
sich nach einer vollständigen Drehung von hier westwärts an der
Xordküste Spaniens entlang dem Kap Kinisterre zu. Die dritte und
nördlichste fJruppe wählte eine den beiden anderen parallele Route,
erreichte aber erst viel später die s[mnische Küste, nachdem sie die
Küste der Hretagne und der I,andes zuvor besucht hatte.
Nach die.sen Heohachtungen ist die Kxistenz des Hennel-Stroines.
w'<doher im Golf von Biscava an der Xordküste Spaniens nach Osten und
im weiteren Verlauf nonlwärts an der französischen Küste hinaufsetzen
soll, zweifelhaft geworden, zum wenigsten für die Sommermonate, wo
ein gerade in entgegengesetzter Richtung laufender Strom fest-
gestellt wurde.
Das aus den voraiigeführten Beobachtungen sich ergebende kreis-
läufige Strömungssystem des Xordatlantischen Ozeans wird bestätigt
durch die Schwimmer des .lahres 1HS5, welche zwischen 40*21' und
43* 50' Xordbreite westlich von den Azoren über Bord gesetzt, zum
Theil auf den Azoren , zum Theil an der südlichen Küste Portugals,
bei Madeira, den Kanarischen Inseln und an der amerikanischen Küste
wiedergefunden sind.
Die zahlreichen, auf der letzten Expedition ausgesetzten Schwimmer
vertheilon sich über den ganzen von ihren Vorläufern beider Jahre
eingenommenen Raum. Die südlichsten derselben nahmen einen ähn-
lichen Weg, wie diejenigen des Jahres 1885 und strandeten an den
Küsten der Azoren, von Madeira und den Kanaren, die übrigen trieben
l’rankreich und haigland zu. In der Höhe des Kanals tritt eine fächer-
förmige Verbreitung ein; es lassen sich 3 Mauptzweige unterscheiden,
von <lenen der eine sich gegen die Bretagne und nach Süden zu
wendet, wie die Schwimmer von 1880, der zweite in den Kanal von
St, Georg tritt, und der dritte an der Küste von Irland entlang und
bei den Hebriden vorbeiläuft und sich weiter an der norwegischen
Küste bis nach Tromsö hinauf verfolgen läfst.
Als Resultat ergiebt sich aus diesen verschiedenen Beobachtungen,
so resümirt der Fürst von Monaco, dafs das Oberflächenwasser des
Xordatlantischen Ozeans sich in einem Kreise um einen Punkt herum
bewegt, welcher etwas südwestlich von den Azoren liegt. Wo die Be-
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251
z.eicluimi};: „liolfstroiu" aiiriiürt, stufst Jur äiifsere Haiul dieses Wasser-
wirbels an die Kank von Neufundtaml, südlich an derselben entlun;^
oder zuweilen über dieselbe lünwoggeheud , läuft iiaoh Ostuofdusl,
geht jeduch selten über den 51. Ureitenparallel hinaus und wendet
sich, in der Nähe des eiigiischen Kanals angelangt nach Süden, nach-
dem ein Zweig nach N'ordüstcn entsendet ist. Weiter an den West-
küsten Europas und Afrika.s entlang setzend, beim L'ebergange zwischen
beiden durch die Strafse von (libraltar naoli derselben ans seiner
Richtung abgelenkt, verläfst diese äufsere Stromperiphorie in der
Breite der Kanarischen Inseln die Ostseite des Atlantik und wandert
südwestwärts über den (.)zeau, um sich mit dem Nordraude di-s
-Vquatorial-Stromes vereinigend, schliefsliuh au den Antillen entlang
nach Nonlwesten zu bewegen und durch Eintritt in den (iolfstrom
den Kreislauf zu schliefsen.
Der innere Rand dieses Stnnngebietes bildet eine Kreisperipherie
von nur geringer -Vusdehnung um den oben erwähnten Mittelpunkt
herum. H.
Knicbeiuuugeu am Stemeuhiuimel im lUouat Februar*Mär/.
(iSumtliche Zf*itaii^ahcn für Hrrlinor Zeit)
1. Der Mond.
M)T.
18.
Febi-.
Krdnalie
Th
11» M^.
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47'
Neumond
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LetztoH Viertel
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Maxiiua der Libratiuii: Februar, 10. Mäi-/.
a. Die Planeten.
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Rcctae.
Declin.
Auf^f. UiilerK*
Hecta.*s. Declin.
Aufg.
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23 57 - 1 4»
B 30 .
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M a r a
Rect&s. Dccliii. Auf^f. Uiiterjiir.
13. Febr.'15>'23»i— 17M4’ lt»22«lg. H)h22mVa.
10. , '1.5 35 1—17 58 1 14 . 10 4 ,
25. , 15 46 I— 1837 I 6 , 9 48 „
3. März 15 5fi -19 13 0 57 , 9 31 ,
0. . 16 6 -10 45 0 47 , i 0 13 „
15. , '16 15 '—20 14 0 36 ^ | « .5(^ . i
lt Saturn | Uranus
Rectas. Declin. Aufjf. ' Untorg. mectas.i DecUn. Aufg. Unlerg.
13.
Febr. lOk 14",+12°44'
5h33®\*. 7h57®lgJ
13h40« — 9“43' 10>>54"4k.'
9h22« Ir.
21.
, 10 12 '+12 58
4 .53 ,
7 24 .
13 .39 —9 40 10 22 . '
8 .50 .
1.
■März 10 10 +13 12
4 18 .
C 52 .
13 .39 — 9 3(! 9 49 .
8 19 „
9.
, 10 7 +13 25
3 43 ,
e 19 -
13 38 9 31 9 lt! U.
7 46 „
Elongationen des Salurntrabantcn Titan: 16. Fobr. östl.. 24. weall.,
4. Mäi'z östl.^ 12. wcstl. Elong.
Neptun
I Rectas. Declin. 1’ Aufg. Uulerg.
10. Kehr, i 3i> :.9"> ' + 18°.^' lOk 48" V«. ‘ Jh 32"
25. . 1 4 0 ) + IR5fi 9 48 1 34 „
12. Miii it 4 1 -1- 18 59 8 .50 . I 0 ;i(i ,
3. Verfinsterungen der Jupitertrabanten.
\‘on den Vei flnstciungen der Jupilcrmoniie »ind nur einige in die Morgen-
stunden füllenden be<jiiem beobachtbar.
8. Marz I. Tmb, Verflnst. Eintritt 5h 29*" Morg. (‘i'i"' nach Jup. Aufg.)
4. Sternbedeckungen durch den Mond.
(Für Berlin sichtbar.)
Orbfae Eintritt Austritt
15. Februar. *4 Kagittarii .5.0® 5*> 44® Mg. 6h 13® Mg.
5. Veränderliche Sterne,
a) Maxima variabler Sterne:
Maximum Helligkeit im 1800
am
Max.
Min.
Rectas.
Df(
■lin.
U Aiietis
13. .Marz
8m
12"
21.
On
5l>«
+ -J4*
32'6
S Hvdrao
24. Krliruar
8
12
8
47
.50
+ 3
29.1
R f'oivi
27.
7
II. .5
12
13
.56
— 18
3.S.4
S Virginis
20.
6
12
13
27
16
— fi
37.6
S Scorpii
24.
9- 10
12.5
lt!
11
7
^2
37.6
S Ophiuchi
-'9-
8..5
12
18
27
55
— 16
■35..5
T Drlphini
22.
S.5
13
>0
40
1.5
+ l.->
.79.8
S Pegasi
19.
7.S
12
23
l.'i
I
+ 8
19.1
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253
V Cephei .
Alg'ol
L’ Coronac .
S Cancri
^ Librae .
T Monoc. .
U Monoe. .
W Virginis
H Aijuilae .
b) Minima der Sterne vom Algol-Typua:
. 16.» 21.» 26. Febr. Ab., 3., 8.» 13. Mär/ Nm.
. 15. Febr. Ab., 21. Nm., 27. Mg., 5. März Mg., 10. Ab,
. 22. Febr. Nm., 1. März Nm., 8. Mittag, 1,'). März Mg.
. 25. Febr. Nm.. 7. Maiz Mg.
. 17. Febr. Mg., 21. Ab.. 26. Nm., 3. März Mg.. 7. Ab.. 12. Nm.
c) Minima einiger Verändeiiicher kurzer Periode:
. S. Mäi-z.
. 15. März.
. 24. Febr., 1-3. März.
. 1. März.
6. Meteoriten.
Für die Beobachtung der Meteonlen und des Zodiakallichtes eignet »ich
namentlich die zweite Hälfte des Februar.
7. Nachrichten Uber Kometen.
Der von Swift am 17. Nov. entdeckte Komet dürfte nach einer neueren
Rechnung zu den periodiseii wiederkehrenden zu zählen ein und eine Uni-
luufszeit von 6,9 Jahren besitzen.
Der Borrellysche Dezemberkomet wurde anfänglich allgemein al« sehr
schwacher Nebel von 2' Duichmessor beschrioben. Der Komet bewegte sich
im Januar mit grosser Schnelligkeit durch das Sternbild des Schützen nach
Süden, und eneichte um den 26. seine geringste Entfernung von der
Sonne; die Helligkeit nahm sehr schnell zu, hatte etwa am 24- Januar das
Maximum (die 23 mal grüsseiv Helligkeit) und sank ebenso rasch wieder herab.
Bei diesem schnellen Wechsel, hei der wenig günstigen kui-zen Bcobachtungs-
zdit (in der Morgtm- und Abenddämmerung) und der Enteihing des Kometen
von der Erde scheint es nicht, dafs dieser Komet zu besondei*s vielen Beol»-
achtungiMi Oe!eg(‘iihoit gegeben haben wird.
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Ilcrru W. Kugel in Rüdersdorf. Dafs die Mond^icliel von der siiiU
liehen Krdhalbkugel g«*selieii umgi'kehii ei'sehHnon imifs, als von der nöitl-
lichen. d. Ii. dafs der abnehmende Mond dort so aussieht. wie bei uns der
neliinendo und um^^ektdirl. ist eine TliuUaclie, die sieh dadurch erklärt, dafs
auf der Südhalbkugid der Krde das nürdliehu Mondhuru dem Horizonte zuge«
kehrt, also miton ersrhoint iiml dafs sonach der Mond doi-t gewissermafsen auf
<leni Kopfe steht. .Vin Ai*«fuator liegt die Siehel wagei*ocht, weil die von Noixl
na^’li Süd gehende Idehlgreiize eine wagtu-eehle Lagt* besitzt und dies versteht
Ueuleuux unter der ..iiiitlieiTii der beiden Können**, — Die eigeiiai*tig veräiidor-
lt*ii Verbaltuisse im Anbliek des Hinimt*ls von der südlichen Krdhalbkugel
aus shid überhaujit in weiteren Kreisim wenig l>ekaiint und wir lionutzeii da^
rinn mit V(‘rgiiügen die (ielegeiiheit, liier einmal kurz darauf hinzu weisen.
Aueh diejenigen SternhiUler, welche von beiden Ileinisphäivn aus gesellen
werden können, ersi'lieinen südlieb vom Aet|uator verkehrt. So niufs sich z. B.
der Stcmkundigi* besondt*i's an das voi*ändcrto Aussehen des Orion von iler
Südha|bkug<*l aus t*rst langsam gewöhium, denn di*r Ncbtd steht oberhalb des
Jaeolistabes. weil «ler südlii*he Theil des Sternbildes nach oben zeigt. Auch
die seheinbare tuglielie Mewegting eisclicdut auf der südliebeii Krdbälfte ver-
ändert. dt'im ilic Sonne, der Mond iiml <lie Mehrzahl der Sterne stehen ini
Norden und bewegen sich also bei ihrem täglichen Laufe von Ost nach W'est
von der Hechten zur Linken, während sie bei uns umgekehrt von links nach
rechts ziehen. Hin Korni ohr iiiufs sonach iii umgekehrter Richtung, als bei
uns gedreht werden, damit es dem eingestellten Sterne nachfolgo. Diese Ver-
hUUiiissc wirken auf einen von der Nordhälfle der Krde kommenden Astro-
nomen sehr eigenartig, weil eben sonst der nördliche Himmelstheil dort dieselbe
Holle spielt, wie bei uns der südliche. Nur aus der veräudert erscheinenden
Hewegungsrichtung der Steine und aus der verkehtieu Stellung der Sternbilder
ergiebt sich, dafs man sich auf der anderen Krdlieiiiisphäre beündet und nacli
Norden tiiicht nach Siulent schaut.
Selb.stviM-släiidlieh fiudet ein ganz allmäliücher Kebergaiig von den Ver-
iialtnisseii der .Nonlhalbkugel zu deueii der Südhalhkugel in der tropischen
Zone statt. Am Aeipiulor selbst siebt ja die Sonne bald südlich, bald nördlich
und die Krschcinungcii gleichen sonach wähi eml eines Theils des Jahres deneu
tlcr nördlichen, wählend des anderen Theils aber ileiien ilcr südliehen Hemi-
sphäre.
TOD IIpi mmiu Paetol iu Uerliu. — Druck voo Wilhelm Urouau's Uucbdruckoret in Uerlic.
Kür dl« RedaeUoD venuilwortlicb : Dr. M. Wilhelm llcyer iu Uerliu.
UutererhliKter Nachdruck aua dem Inhalt dietier T^citiiclirin uutersaift.
L'ebei-»«UuD|f»rvchl vorbehalk-u.
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Die Californischen Erdbeben 1850-88 in ihrer Beziehung
zu den Finsternissen.
Von F. K. Ginzel,
Aotronom am Reclieninatitut der Königl. Sternwarte in Berlin.
Falbsche Lehre vom Einflüsse des Mondes auf die Witterung.
’ Erdbeben und schlagenden Wetter, welche infolge der bei ihr
angewendeten Verbreitungsmittel (durch populäre Schriften,
Vorträge und Prophezeiungen) derzeit jedem Oebildeten bekannt ist,
stützt sich auf die Annahme gewisser „Fluthkonstellationen“, welche
durch die Wirksamkeit einiger Stellungen des Mundes (und der Sonne)
gegen die Erde angeblich eintroten sollen. Uieser letzteren Stellungen,
-Kluthfaktoren“, giebt es nach Falb („Umwälzungen im Weltall“ S. 111)
sieben, nämlich: 1. Sonnennähe (1. .Januar), II. Perigäum (Mondnähe),
III. die Zeiten der Syzygien (Neu- und Vollmond), IV. Frühjahr- und
Ilerbstäquinoctium (21. März und 23. September), V. Mondäquatorstand
(wenn der Mond in der Aequatorebene der Erde steht), VI. die Qua-
draturen (erstes und letztes Mondviertel) und VII. die Stellung des
Mondes in der Ekliptik. Jeder dieser „Fluthfaktoren“ ist an und für
sich wirksam auf die Bewegungen des Luftmeeres der Erde und des
Erdinnem, von besonderer Kraft wird jeder dann, wenn er gleich-
zeitig mit einem zweiten oder dritten Fluthfaktor zusamroenlallt Auf
diese Weise kommen die „starken“ Neu- und Vollmonde zu stände.
Oegenwärtig können höchstens 5 Faktoren als „kritischer Tag“ Zu-
sammentreffen (Falb a. a. O. 113).
Bei den Finsternissen (Sonnen- und Mondfinsternissen) vereinigen
sich immer zwei Fluthfaktoren (der IIL und VII.), diese sind darum
BimiDPl und Krde. 11. 8. 17
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256
besonders kritisch (Falb a. a. O. 112), namentlich aber, wenn sie mit
Perigäum, Aequatorstand oder dem I. oder IV. Faktor in Verbindung:
treten. Dann sind solch' letztere Konstellationen für die Beförderung
der Erdbeben sehr geeignet und ganz besonders gefährlich (Falb
a. a. O. S. 223).
Obwohl die Sprache, die in den „Umwälzungen im Weltall" ge-
führt wird, eine möglichst zuversichtliche und die ganze Sache als
selbstverständlich betrachtende ist, erlauben wir uns beträchtliche
Zweifel und wollen einmal hier eine Untersuchung über den Zusammen-
hang jener Erdbebenreihe mit Sonnen- und Mondfinsternissen an der
Hand der Falbschen Fluthkonstellatiouen vornehmen, welche von
1769— 1887 resp. 1888 in Califomien, einem der ordbebenreichsten
I.«änder, von dem Director der Lick-Steinwarte, Prof. Holden, aus den
vollständigsten und zuverlässigsten Quellen gesammelt worden ist und
deren schon in vorliegender Zeitschrift im Oktoborheft S. 54, 56 rnit
einigen Bemerkungen gedacht wurde.
Ich wähle hieraus (der Katalog führt gegen 1000 Erdbeben auf)
die sämtlichen zwischen 1850- 1888 vorgekommenen Erdbeben, welche
sich mit Finsternissen irgend nur zusammenbringen lassen. Jene vor
1850 deshalb nicht, weil erst mit diesem Jahre die Beobaohtungsreihe
eine vollständige wird und in früherer Zeit noch allzu lückenhaft ist.
Zu den Fluthfaktoren*) mufs ich vorher bemerken, dafs der beweglicshte
und am schnellsten veränderliche derselben der „Mondäquatorstand"
ist; die tägliche Veränderung des Mondstandes gegen den Aoqiiator
beträgt zuweilen mehr als sechs Grad, und wenn man den Tag eines
Erdbebens mit einem vier Tage später stattgehabten Aequatorstande
in Beziehung bringen wollte, würde das so viel bedeuten als : der
Mond war am Erdbebentage keineswegs mehr in der Nähe des
Aequators, sondern mehr als 16 Grad nördlich oder südlich desselben I**i
") Die Berechnung der Fluthfaktoren goachiehl durchaus nicht, wie mam-be
»ich embildcn, nach weif» Gott was für kom|dizirten, von Herrn Falb ausge-
dachten Regeln: die Mond.ständc sind in den aatronomischen .lahrhüchem immer
•auf einige .Jahre im voraus genau angegeben und brauchen nur heraus ge-
schrieben zu worden; für weiter zurückliegende Zeit existiren Tafeln, mit welelion
man diese Ermittelungen unschwer ausführen kann.
”•) Dennoch citirt Falb (.Berliner Tageblatt“ 1. Sopt. 1887) gelegentlich
der Konstellationen zu den Z<>iten der Erdbeben von Andalusien (27. Feb. 188,5),
Kindberg (22. Sept. 188)), Belluno II (8. Aug. 1873) und Charleslon (7. Feb. 1887)
Mondäquatorstände, welche 3 Tage resp. 2 Tage, 4 Tage und 4 Tage vom Tage
der Beben entfernt waren, als Beweis. Der Mond war in Wirklichkeit an diesen
Erdbebentagon um 12 Grad über. 8 Gr. unter, 21 Gr. unter, resji. 17 Gr. über
dem .5equator.
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257
Auch das Perigiiuiii müfstc eigentlich mir mit den Erdbebciilagen zu-
sammeiigebracht werden, die wirklich auf den Perigäumtag fallen,
denn 2 Tage später kann der Mond nicht mehr im Perigäum sein,
sondern unler Umständen schon 1700 Meilen weiter entfernt. Es sollte
also streng genommen nur mit jenen Fluthfaktoren gerechnet werden,
die an demselben Tage zusammenfallen. Dennoch habe ich von der
Dehnbarkeit der Falb sehen Bedingungen im folgenden Gebrauch ge-
macht und möglichste Liberalität gegen dieselben walten lassen.
Zwischen 1850 — 88 fanden auf der Erde überhaupt 153 Finsternisse
(91 Sonnen- und 62 Mondfinsternisse) statt Die Erdbebenmeldungen,
welche sich mit denselben in Beziehung bringen lassen, sind folgende;
Erdbeben: Finsternisse:
l)
I8.i0 Febr, lo.
1850 Febr. 12.
Sonneiif.
i)
. Aug. 4.
Aug.
7.
•1)
1852 Dez. ü.. 17., 2C.
1852 Dez.
11.
_
26.
Mondf.
4)
18.54 Mai 13.
1854 Mai
12.
5)
. 23.. 29.
n
26.
Somiouf.
6)
185.5 Oku 27.
1855
Okt
25.
Mondf.
7)
185G .\pr. 6.
1856 Apr.
5.
8onnenf.
«)
1857 Marz 23.
1857 März 25.
'■')
, Nov. 1.5.
Nov.
18.
f*
10)
18.59 Aug. 10., 15.
1859
Aug. 13.
Mondf.
11)
. 2J.
28.
Sonnonf.
12)
1861 Jan. 12.
1861
Jan.
11.
1.7)
1862 Juni 13., 14.
1862
Juni
12.
Mondf.
14)
. Dez. 23.
_
Dez.
21.
Sonnonf.
15)
1864 Okt 27., 2.1.
1864
Okt
30.
*
IC)
186.5 Ai)r. 26.. 27.
186.5
Apr.
2.5.
17)
. Okt 3., .5.
..
Okt
4.
Mondf.
18)
- 20.
..
19.
Öonnenf.
19)
1869 Jan. 28., 29., Fob. 1.
1869
Jan.
28.
Mondf.
20)
. Fob. 10., 13.
Feb.
11.
Sonnonf.
21)
. Juli 23., 24.
..
Juli
23.
Mondf.
22)
1871 Dez. 12.
1871
Dez.
12.
Sonnenf.
23)
1872 Mai 21.
1872
Mai
22.
Mondf.
24)
187.7 Nov. 22.
187.7 Nov. 20.
Sonnonf.
2.5)
1876 März 25.
1876
März 25.
2B)
1877 Sept 7.
1877 Sept
7.
27)
1878 Juli 26.
1878 Juli
29.
28)
1880 Jan. 9.
1880 Jan.
11.
29)
. Juni 24.
Juni
22.
Mondf.
30)
, Dez. 14.
Dez.
16.
_
31)
, 29.. .lau. 1.
_
31.
Sonnenf.
32)
1882 Nov. 11.
1882
Nov.
10.
.73)
isa7 Okt 16.
1883 Okt
16.
Mondf.
.74)
. .70.
*
:to.
Sonnenf.
17*
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258
35) 18S4 März 25.
36) . Apr. 11.
37) . OltL 2.
38) 1885 März 30., 31.
39) 1887 Aug. 17., 19.
40) 1888 .lau. 29.
41) . .Juli 11.
1884 März 27. SounenC
, Apr. 10. Mondf.
, Okt. 4.
1885 März 30.
1887 Aug’. 19. Sonnenf.
1888 Jan. 28. Mondf.
, Juli 9. Sonncnf
Dir Freude, welche jeder richlige Falbiaiier beim Anblick dieser
Uebereinstimmung empfinden wird, dürfte voreilig sein. Denn erstens
ist es in einem so erdbebenreichen Gebiete, wie das, aus welchem
das Material stammt, unschwer, für jede Finsternifs sogleich eia Beben
in der Nähe zu finden, da die letzteren sich jeden Monat mehrfach
ereignen, bisweilen aber beinahe täglich eintrtden und sich dann meist
durch mehrere Wochen halten; und zweitens wird man aus der folgen-
den Zusammenstellung erkennen, dafs den obigen Finsternissen meist
vereinzelt stehende Stöfse entsprechen, trotzdem bei mehreren aufser den
Fimstemissen noch weitere Fluthfaktoren verstärkend wirken. Zu einer
aufmerksamen Betrachtung der folgenden Zusammenstellung mufs ich
daher den Leser verbindlichst einladen. (In der folgenden Tabelle
bedeuten -Aq.“ den Tag, an weichem sich der Mond im Aequatorstand
[V. Fluihfaktor] befand, „P.“ den Tag, wann er in der Erdnähe war.
Das Nicht Vorhandensein einer dieser beiden Fluthfaktoren um die Zeit
des Erdbebens resp. der Finsternifs ist durch Striche angedeutet, der
abschwächende Fluthfaktor „Mondfeme'" ist mit ,A.- (Apogäum) be-
zeichnet, die Oröfsen der Finsternisse [für S. Francisco berechnet]
sind in Zollen ('/12 Sonnendurchmesser) ausgedrückt).
ad 1) Mehrere Stöfse. — [Soiiiieiitiust 1850 Fob. 12., eontral, »ichtbar: indisch.
Moor, Sundainsoln. - Ä<i. — P.]
ad 2) Scharfer Stofs. [Soiinonfinat. 1850 Aug. 7., eontral: 2 • 2 Zoll. — Jq. 7. P]
ad 3) Eine ganze Reihe Bobungen begann mit dem 20. Nov. und »otzto sich
bis .Januar fort, im Oozember (.5., 17., 28) namentlich im südlich >n und
mittleren Californioii. — |.Sonnonflnst. 1852 Dez. 11., contr.; Afien. —
Äq. 9. 1’.]. [Mondfinst. 1852 Dez. 26., partiell, 8 ■ 3 Zoll, Califoni. sichtbar.
- Äq. -- P.]
ad 4) Erdbeben (ohne Bezeichnung). — IMondfinsl. 1854 Mai 12.. pari 3-2Z.,
unsichtb. .\q. 14. P.]
ad 5) Je ein Stofs. (Soimonflnsl 1854 .Mai 26., eentr. 8 ■ 2 Zoll. — ,\q. 30. A.]
Rogclmäfsigi* Stöfse im .Mai und .\pril.
ad 6) Einige .Stöfse. - |.MondHn.st. 1855 Okt. 25., total. 17 -7 Zoll, sic itb. 23
Äq. 2.'i P. 4 Fluthfaktoren.)
ad 71 Einzelner Stofs. 18.56 war besonders der Januar (2.. 10., 21., !.3., 29..
31. u. Fob. 15.) durch schärfere Stöfse ausgezeichuet. — [SonnenfiriL 1856
■\pr. 5.. eentr.; Siidhalbkugel. 4 ,\q. 4. P. 4 Fluthfaktonm.)
•ad S) leichter .Stofs. Die im Dezember 1856 heftiger gi'wordeiion Beben
setzten sich bS.57 mit zunehmender Heftigkeit fort und erreich en ani
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259
9. Januar das Maximum (Qebäudobeschädi^ngen). (Soniienfinst IS57
Marz 2j., ceotr.: *>•(> Zoll. 25. Äq. 26. P. Frühjaliraqiiin. .\lso 5 Fluth-
faktoren! Kritischer Tag I. Ordnimgl]
ad 9) Vereinzelter leichter Stofs. — (Soniienünst. 1S57 Nov. IS., cenlr.: Asien.
Australien. — Äq. 17. A.)
ad 10) 10. Aug. 8chwen*r Stofs, 15., 17. Kru|»tion des Ml. Hood. — (Mondünst.
1859 Aug. 13-, tot, 21 <9 Zoll, unsichtb. Aq. 12. A.]
•ad 11) Drei Stöfse. — (Sonnenfinst 18.59 Aug. 28.. partiell, 6 Zoll in Südafrika
u. südl. Meeren. 29. Aq. 27. P. 4 Fluthfaktoren!]
ad 12) Zwei einzelne scharfe Stöfse. Eine grüfsei*o Zalil Stöfse fiel in den
Juli (2., 3., 4., .5., 7. Juli). - (Sonnenfinst ISfil Jan. 11., centr.: Australien,
Südsee. — Äq. - P.]
ad 13) Zwei leichte Stöfse. |Mondfinst. 1862 Juni 12., tot, 14 -2 Zoll, sichtb.
.Äq. 11. P.J
.id 14) Einzelner Stofs. — [Sonnenfinst. 1862 Dez. 21, pari., 8 Zoll in Asien.
— Äq. 21. P.l
ad 15) Zwei leichte Stöfse, vereinzelt — [Sonnenfinst. 1864 Okt 30., cenlr.: Süd-
Amerika, atlant. Oz. — Äq. 25. A.]
ad 16) Einige scharfe Stöfse. , — [Sonnenfinst 1865 Apr. 25., centr.: Süd-Amerika,
Afrika. -- Äq. 24. P.]
"aid 17, 18) Zwei Stöfse. — Schon am 23. September begannen Stöfse gleichzeitig
mit einer Erui'lion des Mt Hood, welch letzten^ bis 8. Oktober dauerte.
Wälirtmd dessen erfolgten Beben um 23, Sept, 1. Okt, 3., 5., 8. und er-
reichten am 8. Okt das Maxiniuin, weitere Stöfse folgten am 9., 12., 13.,
14., I.5., 16., 20. bis 27. Oktober. — [Mondünst 1865 Okt 4., pnrt. 4 -2 Zoll,
iinsichtb.; 3. Äq. 5. P., also 4 Fluthfaktoi*on], — [Sonnenünst. 186.5 Okt 19„
centr, 9 Zoll. 17 Äq. 19. A.|
ad 19) Gruppe leichter Stöfse. — [Mondünst 1869 Jan. 28.. pari., 5 • fiZoll, sichtb,,
— Äq. 29. P.J
ad 20) Zwei Stöfse. — (Sonnenfinst 1869 Fob. IJ., centr.: Südafrika, — Äq. 13. A.|.
ad 21) Zivei Stöfse. — [Mondünst 1869 Juli 23., pari.. 6-8 Zoll, Beginn sichtb.,
— Äq. — P.|
ad 22) Beträchtlicher Einzelstofs. — [Sonnenünst. 1871 Dez. 12., eentr.: Südasien.
Australien. — Äq. 12. P.)
ad 23) Stofs. [Mondünst 1872 Mai 22., j>art, 1 6 Zoll, unsichtb. l9Äq. 24. P.|
•ad 24) Scharfer Stofs mit beträchtlicher Ausbreitung. - [Sonnenfinst 1873
Nov. 20., part., südliche Hemisphäre; — Aq. — P.)
“ad 25) Zwei leichte Stöfse. •— [Sonnenfinst 1876 Mär/, 2.5., cent. 8*8 Zoll, 25. Aq.
30. P. Krühjahräfpün. Also 5 Fluthfaktoren!)
ad 26) Ein Stofs. — [Sonnenfinst. 1877 Sopt 7., part., südl. Hemisph. S Äq. 6. P,
4 Fluthfaktoren.)
ad 27) Einzelner Stofs. — [Sonnenfinst. 1878 Juli 29.. centr., 8*8 Zoll, — Äq.
1. Mai P.)
ad 28) Stofs. — [Sonnenfinst 1880 Jan. II-, cenlr., 11 -5 Zoll, — Äq. 10. P. Be-
deutendste Sonnenfinsternifs für S. Francisco während der Epoche 1822
bis 1888!]
ad 29) Stofs. |. Mondünst. 1880 Juni 22., tot, 12*9 Zoll, Beginn sichtb. - Äq.22.P.]
•ad 30) u. 31) Der Dezember 1880 war reichhaltig an Slöfsen: 7., 10-, 12., 14., 19.,
20., 21., 26-, 29. Dez-, 5— 7 Jan. 1881. - [Mondünst 1880 Dez. 16., tot..
16 ■ 6 Zoll, Beginn sichtb., — Äq. — 18. A.|. [Sonnenfinst 1880 Dez. 31., pari.,
3 Zoll in Deutschland. — Aq. 31. P.]
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2Ö0
ad 32) Scharfer Stofs. — (SoimenUnaL 1882 Nov. 10., cenlr. : .\iistral. »rr. Ozean.
— Äq. 6. A.]
ad 33) u. 34) beichte und achärfero Stöfse in der Aufeinanderfolge um 8-, 0..
10., 16., 22., 24., 30. Oktober. — [Mondfinat. 1883 Okt. 16., part, 3-3 Zoll
sichtb. 14. Äq. 16. I’.]. (Sonnenfinat. 1883 Okt 30., centr.: gr. Ozean. — Äq.
30. A..]
ad 33) u. 36) Kinc Ueibe leichter .Stöfae folgte am 13. Mürz, 23. (scharf), 6. Apr.,
8t 11., 17t 20. — [Sonnenlinat 1884 Mürz 27., part. (sehr unbedeutend).
26 Äq.29. P. 4 Fluthfaktoren.]. [Mondfinat 1884 Apr. 10., tot.. 17 -4 Zoll sichtb.
- Äq. 13. A.J
ad 37) Ein leichter, ein schai for Stofs. — [Mondfinat 1884 Okt. 4., tot. 18 • 3 Zoll,
unaichtb., 4. Äq. 7. P., 4 Fluthfaktoien.]
ad 38) Zwei Stöfae. — [Mondfinat 1883 Mürz 30., part., 1 1 Zoll, unaichtb. 29 Äq. ■— P. J
ad 39) Im August am 1.3., 17., 19., 24., Stöfse. — [Sonnenfinat 1887 Aug. 19. centr.:
Deutschland, Asien; — Äq. 21. P.]
ad 40) I.jeicht — [Mondfinat 1888 Jan. 28., tot, 19 • 9 Zoll, — Äq. — P.]
ad 41) Leicht — [Sonnenfinat 1888 Juli 9., part, sUdL Homisph., — Äq. — 1*.|
Die neben den Finsternissen angesetzte Fluthkonstellation läfst
besonders in den mit * markirlen Fällen erkennen, dafs cs sich bei
den gleichzeitigen oder der Zeit nach nicht weit abliegenden Beben
um Zufälligkeit und nicht um Folgen Jener Konstellationen handelt
Die 5 Fälle, wo 4 bis 5 Fluthfaktoren zusammenwirkten, also ganz
besonders „kritische“ Tage waren (ad 8. 11. 17. 26.37) brachten gar
nichts Besonderes; in dem Falle von 1866 sind die Finsternisse vom
4. und 19. Oktober so unschuldig wie nur irgend möglich, denn die bis Ende
Oktober dauernden Beben waren eine Folge der Eruption des Mount
Uood im September, nicht der Finsternisse, und am Tage vor der
Eruption war der Mond in der Erdferne. Auch die Finsternisse im
Dezember 1880 und Oktober 1883 beweisen nichts, sie fallen eben
zufällig in eine bebenreiche Periode. Die gröfsto Sonnenflnstemifs,
die San Francisco zwischen 1822 — 88 gehabt hat, nämlich die vom
11. Januar 1880, brachte, obwohl die Mondnähe verstärkend mitwirkte,
einen der leichten Stöfse, wie sie in San Francisco jede Woche Vor-
kommen. Den scharfen Stofs vom 22. Nov. 1873 mufste die verschämt
kleine Sonnenflnstemifs vom 20. Nov. von der südlichen Erdhemi-
sphäre aus allein besorgen, da es um diese Zeit keinen „Aequatorstand-
und keine „Mondnähe“ als Hilfskräfte in der Nähe gab.
(Bei dieser Gelegenheit bemerke ich, dafs zu den Zeiten der
folgenden centralen, in Californien sehr auffällig gewesenen Sonnen-
tinstemisse, nämlich 1822 Febr. 21, 1834 Nov. 30., 1860 Juli 18„ 1869
Aug. 7. und 1886 März 16. keine Erdbeben aus Californien gemeldet
werden.)
Mancher wird nun sagen, dafs es leicht möglich sei, dafs zu den
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261
153 FinsternisseD, die zwischen 1860 — 88 auf der Erde überhaupt
stattf^efunden haben, viele gleichzeitige Erdbeben gefunden werden
könnten, die sich an anderen Orten der Erde ereignet haben und alsu
aus Californien nicht gemeldet werden können. Oewifs liefsen sich
solche und zwar für jede Finstemifs finden. Der Leser kann sich
aus den Erdbebenliston der neueren Zeit (z. B. aus der Sammlung der
Erdbeben des Jahres 1888 in der Zeitschrift „rAstronomie“- September-
und Oktoberheft 1889) überzeugen, dafs es tagtäglich auf der Erde
irgendwo bebt (Man sehe die Mittheilung über die Erdbeben Japans
in der Zeitschrift ,,HimmeI und Erde“ Noveraberheft 1889). Es ist
also keine besondere Kunst, für jede Finstemifs ein Erdbeben als
dessen Folge hervorzusuchen. Aber ist dies Beweis- Verfahren wissen-
schaftlich? Wir wollen das später beantworten.
(Schlufs folgt.)
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Die Fluthbewegung des Meeres und der Luü
Von Prof. Dr. R. Böriatein in Berlin.
(Schlufa.)
r^,y,^ieiiden wir uns nun zu den atmosphärischen Irozeiteu, so
können die Betrachtungen über Veränderlichkeit der Schwere
auch hier in ganz derselben Art wie bei der Mecresfluth zu
Grunde gelegt werden. Denn auch die Luft ist scliwer, ein Kubikmeter
atmosphärischer Luft bei 0® und dem mittlem Barometerstand von 760 mm
wiegt 1,293 Kilogramm. Und die Verhältnisse, welche auf die Gezeiten
einwirken, sind hier viel einfacher, weil liie Bewegungen in der Luft
nahezu ungehindert vor sich geben können. Auch die höchsten
irdischen Gebirge überragten nicht ein Fünftel der Atmosphäre, so
dafs die Unebenheiten der Erdoberfläche nur als mäfsige Erhebungen
und Senkungen auf dem Boden des Luftmeeres zu betrachten sind.
Man darf sich darum die Fluth und Ebbe der Luft sehr viel regcl-
mäfsiger vorstellen, als die Gezeiten des flüssigen Meeres, und es ist
wenigstens zu vermuthen erlaubt, dafs an der obem Grenze der
Atmosphäre Schwankungen stattfliiden, welche der Flutli und Ebbe
des Meeres entspreclien, jedoch ohne solche Störungen, wie sie die
aus dem Meer aufrageiiden Ländermassen erzeugen, und also ohne
eine der Hafenzeit entsprechende Verzögferung. Vergfebens suchen
wir aber nach einer Möglichkeit, diese vermulhelen Gezeiten der Luft
auch wirklich durch Beobachtung oder Messung nachzuweisen. Denn
da wir allein auf dem Grunde des Luftmeeres unsere Erfahrungen
sammeln können, müfste das Suchen nach jenen Vorgängen sich be-
schränken auf die genaue Erforschung der .\enderiingen im Luftdruck,
von welchen die vermutheton Schwankungen der Lufthöhe wahrschein-
lich begleitet sind. Unsere vorher ausgeführte Rechnung ergiebt aber
als höchstmögliche Mondwirkung eine Aenderung der .‘Schwere um
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Eine ideale Landschaft aus der Steinkohlenzeit.
Nach diMii Original von Olof Winkler in Dresden.
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263
ein Zehnmilliontol; um denselben Bruchtlieil kann sich die Höhe und
mit ihr der Druck der gesamten Luftsäule, die über dem Beobach-
tungsort steht, verändern. Der gewöhnliche Betrag des Imftdrucks
am Erdboden ist 760 mm Quecksilberdruck, also würde 0.000 076 mm
die Mondwirkung darstellen. Culminiren Mond und Sonne zusammen
im Zenith (resp. Nadir), was aber nur unter den Tropen und bei
Neu- oder Vollmond Vorkommen kann, so wächst jener Betrag noch
um die Hälfte, und es kann also diese „atmosphärische Springfluth“
den Barometerstand um ein Zehntauscndstel eines Millimeters erhöhen.
Derartig kleine Aenderungen aber vermögen wir nicht zu messen,
und wenn man sie etwa aus Mittelwerthen des Luftdrucks bei vielen
auf einanderfolgenden Culminationen, resp. Auf- und Untergängen des
Mondes berechnen wollte, so würde zwar die Genauigkeit des Resul-
tats in geradem Verhältnifs zur Zahl der verwendeten Barometerab-
lesungen stehen; um indessen noch Zehntausendstel des Millimeters
(oder eigentlich noch kleinere Beträge) mit Sicherheit festzustellen
und die etwa erkennbare Gezeitenbewegung von den vielen und
grofsen Schwankungen des Luftdrucks, die aus anderen Ursachen
herrühren, zu trennen, müfste man eine sehr bedeutende Zahl von
Beobachtungen der Rechnung zu Grunde legen. Laplace*) entnimmt
aus Pariser Barometerständen und aus den Grundsätzen der Wahr-
scheinlichkeitsrechnung, dafs mindestens 40000 Beobachtung(>n erfor-
derlich wären, um sichere Angaben über die almospliärischen Gezeiten
zu erlangen.
Dennoch hat man vielfach versucht, die Fluth und Ebbe des
Luftmeeres durch Zusammenstellung von Barometerständen heraus-
zurechnen. Dafs der Mond einen Einflufs auf das Wetter haben müsse,
ist ja ein alter und weit verbreiteter Glaube, und es lag nahe genug,
den beweislüson Volksglauben durch die unzweifelhaften Ergebnisse von
Beobachtung und Rechnung ersetzen zu wollen. Doch haben die
hierauf gerichteten Bestrebungen einen sichern Erfolg noch nicht ge-
habt, wie die folgende Zusammenstellung zeigt.
Bouvard’) stellte die dreimal täglich zu Paris abgeleseneii
Barometerstände von IP/4 Jahren zusammen und fand darin den Eiii-
flufs des Mondes uumerklich.
Kreil'*) benutzte nahezu 8000 in 13 Monaten zu Prag gemachte
») Laplace, Ami. d. chim. (2) XXIV. 281, 1823; l’ogg. Äuu. XIU. Ml, 1828.
•*) Bouvard, Mem. de i’acad. roy. des Sciences, T. VII p. 267; im Auszug
Pogg. Aun. Xin. 137—149, 1828.
*1 Kreil, Abh. d. Kgl. böbm. Ges. d. Wisa. (5) II. Abhandl. 33 — 18, 1811/42.
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2B4
Ablesungen des Luftdrucks; es ergaben sich für Sommer und Winter
ganz verschiedene Schwankungen, und auch das (jesamtergebnifs
der untersuchten Zeit lUfst keine deutliche Beziehung zu den Mond-
stunden hervortreten.
Dagegen entnahm Ballo*) aus Köuigsberger astronomischen
Beobachtungen und den dabei auftretenden Aenderungen der atmo-
sphärischen Strahlenbrechung, dafs bei jeder Mondculminatiou da.s
Barometer fallt, bei Auf- und Untergang des Mondes dagegen steigl-
Der Betrag der Schwankung wird zu fast 0,6 mm angegeben
Hiermit sowie mit den vorher erwähnten Resultaten stehen in
völligem Gegensatz die Untersuchungen, welche von mehreren For-
schem an Küsten oder auf Inseln angestellt wurden. Es haben näm-
lich Sabine auf St. Helena, Elliott in Singaporo, Neumayer in
Melbourne und Bergsma in Batavia“) den Gang des Luftdrucks
während des scheinbaren täglichen Mondumlaufs untersucht und dabei
der Erstere täglich je 12, die Andertm je 24 Baroraeterablesungen
während mehrerer Jahre zu Grunde gelegt. Alle diese Arbeiten
stimmen darin überein, dafs der Luftdruck während der Culmination
oder unmittelbar nachher seinen höchsten Wertli erreicht, beim Auf-
und Untergang des Mondes dagegen .Minima hat. Die Gröfse der gi-
samten Schwankung beträgt etwa 0,1 mm.
Diese Arbeiten sind die einzigen, ui welchen die Natur der
beobachteten Schwankung und die Eintrittszeit ihrer verschiedenen
Phasen mit denjenigen Thatsachen übereinstimmt, welche wir nach
-Vnalogie der Meeresgezeiten erwarten durften. Freilich die Höhe der
scheinbar nachgewiesenen LuftOuth ist unerwartet grofs, denn nur ein
Tausendstel derselben würde der Theorie entsprechen. Wir müssen
einerseits bei dem wissenschaftlichen .Ansehen der genannten Forscher,
sowie bei der Uebereinstimmung ihrer Ergebnisse die geschilderten
Schwankungen des Luftdrucks auf Mondwirkung zurückfiihren, denn
auf keine andere Art wäre das zeitliche Zusammenfällen dieser Schwan-
kungen mit den Culminationen des Mondes zu erklären. Aber anderer-
*) Ballo, EinilufH der utmoBphärischoo Ebbe und Klutli auf den Baru-
meterstand und die astronomische Refroction. Königsberg 18,)!).
*) Sabine, Phil. Trans. London, 1847, 1. 45 — ,50. — Elliott, Pliil. Trans.
London, 1852, I. 125 — 129. — Neuinayer, Proc. Roy. Soc. London, XV, 4,S9.
18fi7; Referate Oost. Zeitschr. f. Met. IV. 60t> — G07, 1899 u. Nalurf. I, 192. 1898
— Bergsma, Versl. en Mededeel. d. Kon. Akad. van Wetensch. Afdeel.
Natuiirk. (2) V, 7— Ifi. Amsterdam 1871; Magnet, and Meteor. Obs. Batavi.i.
I, 1871; in, 1878; V, 1882. Referat Oest. Zeitschr. f. .Mel. XV. 140-14G. 1880.
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seit« zwingt uns die tiriifso der Schwankungen dazu, eine bisher noch
nicht von uns berücksichtigte Beziehung zu suchen, welche allen ge-
wonnenen Ktiahrungsthatsachen gerecht wird. Auf eine solche Be-
ziehung weist hereits Laplace^ hin, indem er für dos Auftreten
atmosphärischer Gezeiten folgende drei möglichen Ursachen zu-
sammenstclll :
1. Uirecte Wirkung von Sonne und Mond auf die Atmosphäre.
2. Periodische Hebung und Senkung des Oceans. als der beweg-
lichen Unterlage des Luftmeeres.
3. Anziehung der Luft durch das Meer, dessen Gestalt perioilisch
wechselt.
Die Bomerkungen, welche Laplace daran knüpft, sind so lehr-
reich, dafs sie hier einen Platz finden mögen. Sie lauten:
„Welchen Einilufs haben aber die erwähnten drei Ursachen der
atmosphärischen Fluth? Dies ist schwer zu beantworten. Die geringe
Dichte dos Meeres in Vergleich mit der mittlern Erddichte macht cs
unmöglich, der periodischen Gestaltsänderung des Meeres einen merk-
lichen Kinflul's (nämlich auf die Anziehung) zuzuschreiben. Ohne die
Nebeuumstände würde in unseren Breiten die directe Mondwdrkung
unmerklich sein. Zwar haben diese Nebenumstände einen grofsen
Einflufs auf die Höhe der Fluth in unseren Häfen, da aber die Luft
weit weniger unregelrnäfsig als das .Meer über die Erde verbreitet ist,
so mufs der Einflufs der Nebonumstände auf die atmosphärische Fluth
weit geringer sein, als auf die Meereslluth. Diese Betrachtungen
führen mich darauf, in unseren Breiten die periodische Hebung und
Senkung des Weltmeeres als Hauptursache der atmosphärischen Mond-
fluth anzusehen. Tägliche Barometerbeobachtungen in Häfen, wo
die Fluth eine grofse Höhe erreicht, würden diesen sonderbaren Punkt
in der Meteorologie aufklären.“
Die zuletzt erwähnten Beobachtungen sind nun in der Thal an-
gestellt worden. Sie ergeben, wie wir sahen, Hch'wankungen des
Luftdrucks, welche zu grofs sind, als dafs sie der ersten jener drei
Ursachen zugeschriobon weiilen konnten; auch die dritte kommt aus
den von Laplace erwähnten Gründen nicht in Betracht. So bleibt
also nur die zweite übrig, um die Schwankungen, deren zeitlich« Ver-
theilung ihre Abhängigkeit vom Monde zweifellos macht, zu erklären.
Eis erscheint dies um so eher begründet, als ja die Beobachtungen,
bei welchen atmosphärische Gezeiten von der Art der Meeresgezeiten
’) Laplace, Traitö de Mdcaniquo eelcstc V. IC3. 1825; .\iiii. d. chim.
(21 XXIV. >81. 1823; Pogg. Aiin. Xlll. 138-UI. 1828.
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erkennbar sind, siimtlioh von solchen Orten stammen, die auf Inseln
(St. Helena, Hatavia) oder an Küsten (Sinffapore, Melbourne) liegen.
Hier worden die unteren, auf der Meerosfliiche ndieuden Lnflmassen
von jeder Aenderung des Wasserspiegels initbetrolTen. Hebt sich in
der Flulh das Meer, so drückt es die Luft nach oben hin zusammen;
mit der Ebbe erhält die Luft wieder Raum und kann sich nach unten
ausdehuen, und demnach sind Fluth und Ebbe des Meeres von Steigen
und Sinken des Luftdrucks begleitet. Zwar wird sich diese unten er-
zeugte Drnckschwankung in der sehr elastischen Luft nach oben und
seitwärLs fortpflanzen und vortheilen, so dafs die volle Wirkung nicht
auf die untersten Luftschichten beschränkt bleibt, aber wenn auch
eini- genaue rechnerische Verfolgung des Vorganges sehr schwierig
sein dürfte, kann doch immerhin als sicher gelten, dafs ein gewisser
Thcilbetrag jener Schwankung wenigstens in der Nähe des Meeres
noch tlurch das Barometer erkennbar sein mufs. Wenn nun die Fliitli-
welle des Oceans begleitet von einer Luftverdichtung sich dem Lande
nähert, so wird bei abnehmender Wasserliefe die Meeresflulh genöthigl,
sich der Boden- und Küslengeslalt anzupassen und ihre Wasser durch
die gerade vorhandenen Räume und Kanäle hindurchzuzwängen, um
mit der als „Hafenzeit“ uns schon bekannt gewonlenen Verspätung
die Küsten zu treffen. Die Luft dagegen findet solche Hindernisse
nicht, sondern wogt frei über Wasser und I.and, und ihre vom Meen-
stammenden Uruckschwankungen verschwinden durch Ausgleichung
allmählich in entsprechender Entfernung von der Küste. So können
wir als Bestätigung dieser Betrachtung den Umstand ansehen, dafs die
Angaben des Barometers bei den vorher erwähnten Untersuchungen
keine erhebliche Hafenzeit erkennen lassen, vielmehr mit der Mond-
slellung im directen zeitlichen Zusammenhang erscheinen, und dafs
insbesondere diese Schwankungen des Luftdrucks unabhängig von
der Einlrittszeit der Meerosgezeiten an den nächstgelegenen Küsten-
orlen auftreten. Wie sehr die Hafenzeit von der Lage des einzelnen
Ortes abhängt, geht aus der grofsen Verschiedenheit derselben inner-
halb geringer .Vbstände hervor. So triITt z. B. die Fluth des Meeres
in Helgoland H/4 Stunde früher, in Hamburg dagegen fast 4'/s Stunde
später ein, als in Cuxliaven; in Dover 3 ','2 Stunde früher und in
Hüll d'/a Stunden später, als in I.ondon; in Cherbourg 4 Stunden
später als in Brest, und cs wäre leicht, dic'scn Beispielen zahlreiche
älinliche hinzuzurügen. Diejenigen Umstände aber, welche die Hafen-
zeit der .Meeresgezeiten so nutfallend und mannigfaltig beeinflussen,
wirken nicht auf die vom olTeneu .Meer herankommenden baro-
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■267
metrischen Druckscliwankuiigen, also sehen wir die letzteren fast ohne
zeitliche Verschiebung: gegen <lie Mondstellungen auftreten.
Wären die an den Küsten- und Inselstationen beobachteten baro-
metrischen Aenderungen nicht aus der Bewegung des Meeresspiegels
entstanden, sondern aus irgend einer andern, vom Meere unabhängigen
Ureache, so mUfste man ähnliche Vorgänge in der Luft auch an
Orten des Binnenlandes wnhrnehmeti können. Das ist aber nicht tler
Fall, sondeni wie oben erwähnt, haben die hierauf gerichteten l’ntor-
sucliungen kein irgendwie deutliches Ergebnifs gehabt.
Und hieraus müssen wir schliefsen, dafs ein auf Erfahrung ge-
stützter Nachweis atmosphärischer Gezeiten überhaupt nicht geführt
ist und wohl auch kaum je gelingen wird, weil die in der Luft vor-
hande'ne Gezeitenbewegung zu klein für unser Wahrnehmungsvermögen
ist. Kur eine indirecte Wirkung des Mondes auf die Luftdruck-
vertheilung in der Nähe des Meeres ist erkennbar, eine Wirkung,
die ihren Ursprung in den untersten Luftschichten hat und nicht weit
über diese hinausreichen kann.
Für die in alter und neuer Zeit stets gesuchte und zuweilen be-
hauptete Beziehung zwischen dem Mondo und der Witterung haben
unsere Studien keinerlei Resultat ergeben. Wenn der Mond auf das
Wetter überhaupt einen Eintlufs hat, so beruht derselbe nicht auf der
.atmosphärischen Fluth und Ebbe.
Uorichtigung.
ln diesem Aufsatz mufa auf Seile 210 des vorigen Heftes dieser Zeit-
schrift dreimal, und zwar in der 7., II. und 12. Zeile statt des ßuelistaben K
gelesen werden „C und D“.
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Der zwOlfzöllige Refraktor der Urania in Berlin.
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Die Urania nach ihrer Fertigstellung.
Bericht des Direktors Dr. M. WUhela Meyer.
(Schlufi.)
ml all miige us mir erlauben, ehe ich meine Darstellung- der Eiii-
richtungeil unserer Anstalt forlsetze, eine Abschweifung auf ein
scheinbar sehr fernliogendes Gebiet einzullechten. dessen Zu-
sammenhang mit den Zielen der Urania bald zu Tage treten wird.
Die Physik, welche in letzter Linie die Aufgabe verfolgt, den
geheimnifsvollen Kriiften nachzuspüren, die in der Materie verborgen,
ilie bewunderten Erscheinungen und Bewegungen derselben hervor-
bringeii, hat längst eine Reihe von Definitionen solcher verschiedenen
Kräfte aufgestelll, welche im Kerne aller Dinge verborgen ruhen und
sich nach aufsen strahlend bethätigen sollen. Aber es geht, nament-
lich in jüngster Zeit, ein bedeutungsvoller Zug durch die Entwickelung
unserer (Trundbegriffe über diesen letzten Urgrund der Erscheinungen.
Man beginnt allmählich unter der Zahl der Kräfte aufzuräumen, gegen
deren geisterhaft unsichtbares Wesen sich unsere aus der Erfahrung
konstruirende Vernunft unwiderstehlich sträubt. So ist man gegen-
wärtig im HegrilT, die Elektrizität als selbständige, völlig eigenartige
Erschoinuugsform aus der Welt zu schaffen. Licht und Elektrizität
bringt man in immer innigere Verbindung. Man wird also auch
sagen können .Elektrizität ist Bewegung“, Bewegung, allerdings her-
vorgerufen durch eine andere unbekannte Kraft, welche der gemein-
same Urgrund vielleicht aller jener strahlend auftretenden Erschei-
nungen der Elektrizität, des Lichtes, der Wärme und auch der allge-
meinen Gravitation ist. Selbst die chemischen Wirkungen, jene selt-
sam wählerischen Kräfte, welche den verschiedenen Stoffen in so
verschiedenem Grade zuertheilt scheinen, versucht man längst aus der
ewig gleichbleibendon Anziehung der einzelnen Moleküle einheitlich
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270
zu erklären, indem man nur die verschieden ffeformteu, sich gegon
einander bewegenden kleinsten Theile entsprechend ihrer h'orm sich
verschieden gruppiren läfst. Auch hier ist also nur scheinbare Ver-
änderung, welche nur veränderten Lage- und Bewegungs- Verhält-
nissen folgt, keine Veränderung an sich, kein Schauplatz neuer Kräfte.
Und auch die allgemeine Anziehung will man versuchen als
einen blofsen Bew’egungs-Zustand des Aethers aufzufassen. Geradlinig
den leeren Raum durchschiefsende Uratoine stofsen die massigen Körper
vor sich her von allen Seiten, und nur wo eine andere Masse als Schirm
für die.se Stöfse dient, dahin kann der allseitig gestofsene Körper aiis-
weichen. Die Krde beispielsweise, so meinen die Anhänger dieser Idee,
welche wohl allerdings der Bestätigung durch das Experiment noch be-
darf, ist für den fallenden Stein ein solcher Schirm. Von diesem Schirm
prallen eine Lnzalil von stofsenden Aetheratoinen zurück, so dafs sie,
wenn auch ursprünglich in gerader Richtung auf den Stein losstcuemd.
ihn nicht erreichen, während von oben her der freie Weltraum
kein Hindernifs bietet. Nach dieser Anschauung wohnt also der
Erde oder der Sonne oder irgend einem Weltkörper durchaus keine
gcheimnifsvolle Kraft inne, welche durch den leeren Raum hindurch
ausstrahlt und den angezogenen Körper wie mit riesigen, unsicht-
baren Tentakeln umgarnt und zu sich hinzerrt. Die Erde weifs nichts
von dem fallenden Steine, wie der Baum nichts von dem Schatten,
den er wirft. Also auch der Anziehungskraft geht man auf den I>eib;
man sucht auch sic als eine Bewegungserscheinung aus der Urbe-
wegung der Atome zu erklären, welche seit Ewigkeit war und für
welche es keiner weiteren Erklärung bedarf, weil von den beiden
Zuständen, die einem Ding überhaupt anhaflen können, der Ruhe
oder der Bewegung, die erstere aufser dem Bereiche unserer Er-
kennlnifs liegt, Ruhe haben wir nirgends au irgend einem Dinge
beobachtet, nicht einmal relative Ruhe zu unserm bewegten Welt-
körper. Ruhe ist eine Abstraktion, welche niemals durch irgend eine
Erfahrung als vorhanden oder möglich nachgewiesen ist. Bewegung
ist überall; sie ist die unverwüstliche Ureigenschaft aller Materie.
In letzter Linie, so hofft man, wird sich defshalb jede beobachtete
Kraftäufserung auf eine Umsetzung jener ursprünglichen geradlinigen,
gleichmäfsig schneiten Bewegung der sonst eigensehaflslosen Atome
zurückrühren lassen. Wollen wir also den Urgrund der Dinge er-
kennen, so müssen wir ihre Bewegungen studiren: Jene Bewegungen,
welche die Atome des Astronomen, die Millionen Sonnen, in eilendem
laiufc durch den Weltraum führen ebensowohl, wie jene Gegenstände.
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271
welche in unseren Hiindeii ein Spiel der N'aturkräfle sind, und endlich
auch jene allerkleinsten Wesen, bis zu denen unsere sohiirl'slen Mi-
kroskope hinahdrinc-en. Alle diese Bewegfuiiffen sind ohne allen Zweifel
Folgen einer einzigen an sich unwandelbaren Ursache: Es mufs ein
Oemeinsames geben zwischen den Kigen-liowegungen der Sonnen im
Milchstrafsengürtel. wodurch sich die Konstellationen über uns im Lauf
der .lahrmillionen andere gruppiren, und jenen Bewegungen der aller-
kleinsten Theile, welche wir etwa als Wärme, Elektrizität oder chemische
Affinität als vorhanden vermuthon müssen. Die Atome, welche sich
in dem chemischen Molekül zusammenfinden und durch die Dazwischen-
kunft einer fremden Oruppe von Atomen sich anders ordnen, das sind
Sonnen, wie jene am Himmel; ihre Bewegung mufs denselben Grund-
gesetzen gehorchen.
So thürmen sich ilrei ungeheure Stockwerke übereinander, welche
das Weltgebäude bilden und einer gemeinsamen Hausverwaltung unter-
worfen sind. Das oberste Stockwerk birgt tlie Welt des nnfafsbar
(irofsen; der Astronom ist hier zu Hause. Im tieferen, dem Erd-
geschofs, wohnt der Mensch, umgeben von den Dingen, die er greifen
und begreifen kann. Hier ist das Heich des Physikers. Ihm folgt
endlich die Stufe des unfafsbar Kleinen, die uns das Mikroskoji
erechliefst, .\lle diese drei Stockwerke greifen so unmittelbar in
einander, dafs heute kaum eines noch ohne das andere zu denken
ist. .\ber immer noch mehr müfsen die hier waltenden Forscher
Hand in Hand arbeiten, um dem letzten Urgründe der Dinge näher
und näher zu kommen. Nimmermehr wird einer unter ihnen oder
werden selbst die vereinigten Forscher eines dieser Stockwerke den
Schleier lüften, der den geheimnifsvollen Begriff der Kraft heute
noch dicht umhüllt Nicht nur im technischen Sinne ist das Mikroskop
ein umgekehrtes Fernrohr, es ist ein Fernrohr in Wahrheit, mit dem
man Weltsysteme übersieht von einem Umfange, den kein Fernrohr
der .Vstronomen jemals in jenem obersten Stockwerk der Natur um-
spannen wird, wo wir einige Atome zu dem Molekül zusammenfasseu
lernen, das wir unsern Milchstrafsengürtel nennen. Das Mikroskop
wird das Weltbild vervollständigen müssen, von welchem die gewaltige,
weltdurchdringende Kralt unserer Riesenfernrohre eben nur einige
wenige Mosaiksteine umfafst. Denn im Mikroskop sehen wir, wa.s
die Natur aus solchen Steinen baut: Die Elemente übersieht der
Mikroskopist bereits im ganzen. Er sieht das Bild, nicht die einzelnen
Mosaiksteine, wie der Astronom. Deshalb erscheint i« gewissermafsen
als ein Vorzug, dafs das Mikroskop noch längst nicht imstande ist,
Hiimnrl um! Knio. II. n. ]8
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272
zu den Molekülen oder f^ar den Atomen vorzudringen, denn diese
miifs man sich noch ungemein viel kleiner denken als die kleinsten
Körper, die wir im Mikroskope noch einzeln unterscheiden können.
Dennoch möchte es uns zuweilen so bediinken, als ob wir uns
nicht allzuweit von jener untersten Grenze entfernt befinden. Wir
können es uns nicht anders vorstellen und alles deutet darauf hin.
dafs die Moleküle der verschiedenen Körper gewisse einfachste
geometrische Gestalten besitzen, deren verschiedene Oruppirungen
und Bewegungen ihre verschiedenen Eigenschaften bedingen. Nun
zeigt es sich andererseits, dafs die kleinsten Lebewesen, welche wir
im Mikroskope noch wahrnehmeu können, sich aus Kiesel- oder
Kalkmolekülen Panzer von genau geometrischen Formen aufbauen.
Die Umrisse der Diatomeenschalen sind wie auf dem Reisbrett
mit Zirkel und Lineal vorgezeichnet und selbst die zierlichen Muschel-
schalen ähnlichen Foraminiferen oder auch die noch complicirteren
Globigerineu, welche den Schlamm unseres Meeresbodens bilden,
zeigen noch verhiiltnifsmüfsig einfache Kurven, die geometrisch genau
leicht zu roproduciren sind. Sehr complicirte Mittel und Wege —
so sollte man wenigstens denken — kann die Natur kaum angewandt
haben, um diesi- Gehäuse ihrer niedrigst stehenden lebenden Geschöpfe
zu bauen. Und in der That habe ich einmal eine Diatomeenscliale
von grofsen Dimensionen von Menschenhand auf die einfachste Weise
erzeugen sehen. Herr Professor Decandolle in Genf machte das
Experiment in der dortigen physikalischen Gesellschaft. Ein rundes
Gelafs, wie eine Schachtel, das oben mit einem Glasdeckel verschlossen
war, wurde soweit mit W’asser gefüllt, dafs nur eine verhältnifsmäfsig
kleine Luftblase darin zurückbliob. Auf dem Grunde des Gefäfses
lag etwas feiner Sand. Wenn man dieses Gefäfs auf eine drehbare
Scheibe stellte und es nun in bestimmten Intervallen hin und her
i-otireu liefs, so lagerte sich der Sand in ganz bestimmten Rippen
auf dem Grunde des Gefäfses ab, und die Zeichnung gewann sohliefslich
eine ganz frappante Aehnlichkeit mit einem der vorhin erwähnten
Diatomeenpanzer oder mit einer Chladnischen Klangfigur. Erstnre
aber sind auch solche geschlossenen Gelafse, welche, wie beobachtet
worden, gleichfalls solche ruckweisen Bewegungen ausführen. Stellt
man sich nun die Kieselatome, welche den Panzer bilden, als Sand-
körner vor, welche gelegentlich frei im Innern des Thierchens umher-
flottiren können, so müfsen sie, wie das Experiment beweist, noth-
wendig sich an jenen Stellen absetzen, wo es in der That geschieht, und
der ganze Vorgang hat durchaus nichts Unbegreifliches mehr für uns.
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273
Doch genug solcher Spekulationen, die durchaus nichts Anderes
bezwecken sollten, als zu zeigen, wie zur Vervollständigung des Natur-
bildcs, welches wir unseren Besuchern in der Urania durch lebendige
Anschauung vor die Augen — und nicht nur die leiblichen, sondern
ganz besonders auch die inneren, tiefer blickenden — stellen, das Mi-
kroskop gleichberechtigt neben dem Fernrohr und dem Apparatenpark
des Physikers auftreten mufste, w'enngleich die Welt, welche es uns
hauptsächlich vorführt, die lebendige Natur, scheinbar wohl von anderen
Gesetzen aufgebaut und verwaltet wird, als die des Physikers und
Astronomen. Dafs die letzten Grundursachen der sichtbaren I^ebons-
thätigkeit keine anderen sein werden als die, welche die Bewegungen
rings im Weltall beherrschen, davon ist man längst überzeugt und
jede wichtige Entdeckung auf dem Gebiete der Erforschung des Lebens-
prozefses, zum grofsen Theil gelungen durch die erschliefsende Kraft
des Mikroskopes. ordnet eine beobachtete, ehemals rathselhaft er-
scheinende Bewegung oder Veränderung im lebendigen Organismus
bekannten physikalischen Gesetzen unter.
Durch die vorangegangenen Betrachtungen ist es zur Genüge
dargethan, welche Stellung die mikroskopisch-biologische Abtheilung
der Urania im Gefüge der ganzen Anstalt einzunehmen hat und unter
der geistvollen Leitung des Herrn Professor Preyer mehr und mehr
auch erringt, wenngleich eben alle unsere Einrichtungen in ihrer Ent-
stehung sich ihr Gebiet erst nach und nach selbst umgrenzen müssen.
Wir sind weit entfernt, ein irgendwie vollständiges Bild der lebendigen
Natur, auch nur soweit sie das Mikroskop erschliefst, geben zu wollen,
wir können dem Naturkunde- Museum keine Konkurrenz machen.
Unser Bestreben ist es vielmehr, in einzelnen herausgegriffenon und
durch die unmittelbare Anschauung besonders frappant wirkenden
Beispielen die Schaffensthätigkeit der Natur auch in diesen kleinsten
Ausdehnungen vorzuführen und dadurch zum Nachdenken über das
Gesehene und zum weiteren Studium darüber anzuregen. Es sei mir
schliefslich erlaubt, nur einiges aus den Hunderten von interessanten
Objekten herauszugreifen, welche in dieser Abtheilung zur Schau ge-
stellt werden.
Längs der westlichen Hälfte der Nordseite des grofsen Physik-
saales, welche auf den beiden dem Februar-Hefte beigegebenen Photo-
graphien dieses Raumes nicht mit abgebildet ist, dann auch längs des
Westfensters und endlich unter dem grofsen Oborlichte auf einem
runden Tische, der auf dem Bilde vom mittleren Theile des Physik-
saales sichtbar ist, sind im ganzen fünfzig zusammengesetzte Mikro-
18’
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274
skope und vielp andere, das Sehen erleichternde Lupen-Vorrichtungeu,
sowie auch mancherlei makroskopische Objekte aulgestellt.
Zunächst bewundern wir an ganz vorzüglich präparirten Dünn-
.schliffen die entzückende Farbenwirkung des polarisirten Lichtes.
Hier befinden wir uns noch ganz auf physikalischem Gebiete, und es
möchte uns gelüsten, im Mikroskop direkt der gitterartigen Gruppiinng
der Moleküle nachzuspüren, welche allerdings nur das geistige Auge
des Forschers als Ursache dieses wunderbaren Auswählungspnizesses
innerhalb der bewegten Lichtwellen zu erkennen glaubt, den ein alter,
sehr ungeeigneter Sprachgebrauch mit Polarisation des Lichts be-
zeichnet hat. Von diesen Präparaten krystallinisoher Gesteine, deren
gruppirte, wohl' geordnete molekulare Zusammensetzung eben durch
diese polarisirende Wirkung verrathen wird, scheint uns der Ueber-
gang zu den sich sehr oft der Krystallform merkwürdig nähernden
Kiesel- und Kalkpanzern der Diatomeen, Foraminiferen und Radio-
larien, welche uns eine Reihe anderer Mikroskope in theils sehr
wertlivollen, aus den grüfsten je erreichten Meerestiefen heraufgeholteii
Proben vorweisen, nicht eben sehr sprunghaft.
Aber wir müssen nun weiter gehen in räthselvollere Gebiete der
Naturthätigkeit. Wir sehen die feinen Gewebe der Pllanzen zu zier-
lichen Spitzendessins geordnet'; aber die feinsten Brüsseler Spitzen
mit dem blofsen Auge betrachtet, sind ein grobes Fadengeflecht gegen
diese Arbeit der Natur in hundert- und mehrfacher Vergröfserung ge-
sehen. Hier drängen sich die Kapillarröhrchen von kaum noch im
Mikroskop mefsbarer Feinheit dicht aneinander. Die in ihrem Innern
wohnende Kraft der besonderen .\nziehiing ihrer Gefafswände über-
windet liier die allgemeine Schwerkraft und besorgt so die Zirkulation
der Säfte, welche zur Ernährung der Pflanze dienen. -\uch gehen
hier in sehr engen Räumen die chemischen Zersetzungen und Ver-
bindungen vermöge dieser Kapillar-Anziehung in anderer Weise vor
sich als in grofsen Gefäfsen. Es ist zweifellos, dafs das Spiel der
Naturkräfte in diesen engsten Räumen ein wesentlich anderes ist als
das in der greifbaren Welt des uns angewiesenen mittleren Stock-
werks der Natur. Nicht die mysteriöse Lebenskraft ist es, jenes selber
unerklärliche Agens, mit welchem man ehemals Unerklärliches erklären
wollte, sondern nur die Modifikation der allgemeinen Gesetze der
Physik, welche durch die ungemeine Kleinheit des Raumes bedingt
ist, wodurch uns die Naturprozesse im lebendigen Organismus so
wesentlich von denen der Materie im todten Zustande verschieden er-
scheinen.
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276
Stfigen wir nun zu der höheren Stufe der Thierw'elt empor,
so begegnen wir hier zwar scheinbar ganz ähnlichen Fasergeweben,
die aber doch bei näherem Hinblick wesentlich anderen Zwecken
dienen. Halten wir auch liier hauptsächlich die Anknüpfungspunkte
an die Physik fest, so sehen wir, wie für den thierischeu Organis-
mus, um eine schnellere Zirkulation der Säfte zu erzielen, die der
intensiveren Lebensthätigkeit derselben entspricht, die Kraft der Kapil-
larität nicht mehr ausreicht, sondern noch ein Pumpwerk hinzugefügt
werden mufs, das wegen seiner nothwendig gröfseren Dimensionen
den einfacheren Gesetzen der Physik auch nothwendig entsprechen
mufste. Die Einrichtung des Herzens wird heute von unseren
Maschinenbauern genau kopirt und mit Vortheil in den Pulsometern
benutzt. In unserer .\nstalt wird die Arbeit des Herzens an einem
Hühnchen im Ei gezeigt, das, für unsere Augen freigelegt, durch einen
besonders von Herrn Fb-ufessor Preyer konstruirten elektrischen Ei-
wärmer am F..eben erhalten winL Auch der geheimnifsvolle Ent-
wickelungsprozefs des I.,ebens läfst sich in die.sem Apparat auf das
Interessanteste verfolgen.
Wir sind so unvermerkt auf das makroskopische Gebiet über-
gegangen, das bei uns vertreten ist durch Repräsentanten verschiede-
ner besonders frappanter Bethätigungen des Lebensprozesses. Selt-
same Gestalten aus der Insektenwelt, deren Flügeldecken ihre
schillernde Farbenpracht infolge ihres mikroskopisch fein gerippten
Zustandes demselben Ijichtbeugungsprozesse allein verdanken, welcher
die sogenannten (Fitterspektren erzeugt; grofse wundiuvolle Falter aus
li-opisohen Ländern, riesenhafte Käfer, eine vorzügliche Sammlung von
Seesternen, welche letztere von Herrn Professor Preyer selbst ge-
sammelt und der Urania zum Geschenk gemacht wurden, trefOich zu-
sammengestcllte Präparate, welche das I.«ben der kunstreichen Biene
illustriren und viele andere interessante Dinge sieht man hier aus-
gestellt, die heute unbeachtet an uns vorübergehen müssen, da an
dieser Stelle ja kein Katalog unserer .Sammlungen, sondern ein haupt-
.'^ächlich nur die bewegenden Ideen zusammenfassender Ueberblick
gegeben wcnlen soll.
•Jener westliche Theil des grofsen Ausstelluugssaales, welchen
die mikroskopisch-biologische Abtheilung umfafst, ist von dem mitt-
leren Theile des Saales durch eine Reihe von Schränken getrennt, in
welchen die Ausstellung von Präzisions-Instrumenten Platz
gefunden hat. Es ist ohne weiteres verständlich, dafs in einem Insti-
tute. wo die verschiedenartigsten astronomischen, physikalischen und
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mikroskopischen Instrumente im Gebrauche sind, einerseits die Verfer-
tiger solcher Instrumente deren in mannigfachster Konstruktion zu ihrer
eigenen Empfehlung aufstellen und andrerseits das Publikum dieselben
zur Erwerbung hier suchen würde. Die Absicht der Gesellschaft bei
Begründung dieser Abtheilung war es in erster Linie dem Publikum
eine Mustersammlung derjenigen wissenschaftlichen Werkzeuge voi-
zuführen, welche zur Erforschung der in den verschiedenen anderen
Äbtheilungen des Instituts beobachteten Naturerscheinungen gedient
haben, während zugleich auch diese wissenschaftlichen Instrumente
als bewunderungswürdige Meisterwerke menschlicher Intelligenz und
Kunstfertigkeit wohl einer eingehenderen Beachtung werth sind, als
sie deren in den vorübergehenden I.jmdes- und Weltausstellungen
bisher linden konnten. Sinn und Zweck dieser Instrumente konnten
eben nirgends klarer vor Augen geführt werden als gerade in unserer
Anstalt Während nun allerdings unsere ganze Anstalt eigentlich be-
reits eine Ausstellung von Präzisions-Instrumenten ist, die sich zugleich
auch im Gebrauch befinden — man denke nur au den grofsen Refraktor
unserer Sternwarte — so wird man doch andrerseits begreifen, dsls
ilie speziellere Ausstellung von zum Verkaufe stehenden Instrumenten
nicht auoh zugleich die subtilsten, bewundernswürdigsten, nur selten
augeferligten Instrumente aufweisen konnte, zu deren Herstellung sich
ein Mechaniker nicht eben sogleich auf die Gefahr hin, ein solches
sehr werihvolles Instrument Jahre lang unverkauft stehen lassen zu
müssen, entschliefsen kann. Aus diesem Grunde stellt sich diese Ab-
theilung unserer Anstalt im gegenwärtigen Moment noch als am ent-
wickelungsbedürfligsten heraus. Es ist jedoch kein Zweifel, dafs die
Betheiligten den Werih einer von wissenschaftlicher Seite geleiteteu
Centralvermittclungsstelle für den Verkauf, und zugleich auch die
damit verknüpften Prüfungen wissenschaftlicher Instrumente einseheu
und demzufolge immer mehr Sorgfalt und Uebe dieser Ausstellung
zuwenJen werden.
Die fünfte Abtheilung unserer Einrichtungen enthält das soge-
nannte wissenschaftliche Theater, das bestimmt ist, ein verklei-
nertes Bild der Natur nur in ersten, allgemeinsten Umrissen, aber mög-
lichst wirkungsvoller Korm dem unmittelbaren Verständnifs einer grofsen
Menge angepafst und nur dem Zweck der allerersten Anregung dienend,
zu entwickeln. Welcher Art die Darstellungen dieses Theaters sein
sollten, ist schon bei früheren Gelegenheiten oft genug erörtert worden,
und wir können wohl behaupten, dafs wir das Angestrebte im grofsen
Ganzen erreicht haben. Es erübrigt mir deshalb nur noch, an dieser
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Das wissenschaftliche Theater der Urania zu Berlin.
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Stelle einige Worte über die Einrichtung dos Theaters selbst und einen
üeberbliok unserer bisherigen Thätigkeit in demselben hinzuzufUgen.
Die Bühne, deren Dimensionen sich leider als bedeutend zu klein
bemessen herausgestellt haben, ist in ihren maschinellen Einrichtungen
ira wesentlichen die verkleinerte Kopie einer grofsen, mit allen Aus-
rüstungsstücken versehenen Theaterbühne, und der Plan zu diesen
maschinellen Einrichtungen ist von dem Maschinerie- Oberinspektor
der hiesigen königlichen Theater, Herrn Brandt, entworfen. Die
Bühneneffektbeleuchtungs-Einrichlung ist wie alle übrigen elektrischen
Anlagen von Siemens & Halske geliefert. Von einem Punkte des
Kulissenraumes aus läfst sich der elektrische Lichtstrom in beliebiger
Stärke einschallen und reguliren, sowie auch in blau oder roth ge-
färbte Glühlampen leiten, um beliebige Farbenübergänge zu erzeugen.
Die Versenkung wird durch eine hydraulische Vorrichtung von dem-
selben Hochdruck-Akkumulator aus bewegt, welcher auch auf der Stern-
warte die früher beschriebenen Leistungen auszuführen hat. Die ge-
samten hydraulischen Anlagen sowie die grofse Kuppel der Stern-
warte sind von der Firma C. Hoppe hier, hergestellt.
Eis ist begreiflich, dafs wir aufser diesen auf allen modernen
Bühnen anzutrelTenden Vorrichtungen auch noch eine geraume Anzahl
anderer verwenden raufsten, durch welche die besonders auf unserer
Bühne erzeugten Effekte hervorgebracht werden konnten.
Da auf unserer Bühne bekanntlich keine Personen auflreten —
der Vortragende befindet sich, wie auch die beigefügte Abbildung
dos Zuschauerraums (Titelbild) zeigt, vor der Bühnenöfl'nung auf einer
besondeni Kanzel — so brauchten wir dieselbe für gewöhnlich nicht
mit einem Podium zu überdecken. Dagegen ist die Einrichtung ge-
troffen, ein solches für die Vortragsabende über Experimentalphysik
herzustellen; die Bühne zeigt dann das Bild einer Art Säulenhalle,
in welcher ein längerer Experimentirtisch aufgestelll ist. Letzterer
ist mit Wasser-, Gas- und Elektrizitäts-Zuleitung in bequemer Weise
versehen. E'ür eine Anzahl anderer Vorträge, welche nur durch
elektrisch erleuchtete Projektionsbilder illustrirt werden, läfst sich die
Bühnenöffnung durch eine weifse Leinewaud verschliefsen; auf ihr
werden vom Endo des Zuschauerraums aus die Bilder durch einen
grofsen Projektions-Apparat entworfen, welcher uns von Plössl & Co.
in Wien geliefert worden ist. Eine elektrische Bogenlampe von ca.
*1000 Kerzenstärke, die zu ihrer Speisung eines Stromes von 40 Am-
peres bedarf, entwirft die Bilder in glänzender Lichtstärke. Der
Apparat ist aufserdem zur direkten Projektion von mikroskopischen
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Präparaten bei starker Vorgrofsorung (als elektrisches Mikroskop),
ferner zur objektiven Darstellung der spektroskopischen und Polari-
sations-Erscheinungen des Lichtes und selbst zur Darstellung gröfserer
undurchsichtiger Gegenstände eingerichtet. ln den letzterwähnten
Eigenschaften wurde jedoch dieser werthvolle Apparat bisher nur
selten dem Publikum vorgofülirt, weil sich eine andere in unserem
Besitz befindliche ähnliche Vorrichtung, die sogenannte optische Bank,
von Schmidt & Ilaensch hier hergestellt, für solche V'orführungen
als praktischer und besonders auch pädagogisch wirksamer erweist.
Diese optische Bank ist in dom sogenannten Hörsaal aufgestellt und
hat im I>aufe des Sommers bei vielen kleineren Vorträgen über
mikroskopische Gegenstände die besten Dienste gethan.
Gegenwärtig werden die sämmtliclion kleineren halbstündigen
Nachmittagsvorträge, deren im ersten Halbjahr des Bestehens unserer
-Anstalt im ganzen 603 stattfanden, im Theaterraume abgehalten ; gröfsere,
den Abend füllende Vorträge erreichten in dieser selben Zeit die
Zalil von 187, darunter die 120 öffentlichen Wiederholungen des mit
Dekorationen ausgeslutteten Vortrages: _Von der Erde bis zum
Monde“, welcher seit Weihnachten von dem über _Die Geschichte
der Urwelt“ verdrängt w’orden ist. Als Vortragender dieser beiden
vom Verfasser dieses Berichtes herrührenden V'orträge fungirt be-
kanntlich Herr Bergmann. Es folgt hier die Liste der bis Ende
1889 im übrigen gehaltenen gröfseren Vorträge. Es sprach:
Gustav .\mberg
3 mal über
Spectral-Analyse,
4
y
n
.\kustik,
3
11
1»
Wärme,
4
11
„
Elektricität,
F. S. Archonhold
1
n
»1
den Bau des Weltalls,
Fr. Dreyei-
1
,,
das Reich der Urwesen.
y M
l>
”
11
das Leben in den Tiefen
des Ozeans,
0
•1
11
Freundschaftsverhält-
nisse zwischen Pflan-
zen und Tbieron.
Dr. Felix Korber
4
•1
die Sonne,
y *1
5
1»
Kometen und Stern-
schnuppen,
n M V
3
11
das Planeten-system,
Dr. Henry Potonie
3
Bau und Leben der
Pflanzen,
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J79
Herr Paul Spies 1 mal über Speclral-Aiialyse,
„ Sophus Tromhold 3 „ „ die Sonne,
„ ,, „ 3 „ „ den Mond,
„ „ „ 3 „ „ das Planeleusysteni,
„ „ „ 3 „ „ die Sternenwell.
„ Dr. Max Zwink 4 „ den Abendhimmel.
Es sei mir jfestaltet hier noch einig-e Worte einzullechten über
die besondere Aufgabe dieses wissenschaftlichen Theaters im Rahmen
unserer Anstalt und auch die besondere Art der populären Darstellung,
welche hier gepflegt wird.
Die sehr oft wiederholten, dekorativ ausgestatteten Vorträge unter-
scheiden sich wesentlich von dem, was man bisher unter ^lein
populär-wissenschaftlichen Vortrage verstand. Das sonst denselben
gelegentlich in fast zaghafter Schüchternheit hinzugefügte Anschauungs-
material ist hier mit besonders künstlerischer Sorgfalt und Liebe als
das Hauptsächlichste an der Darstellung ausgearbeitet. Durch die
farbenprächtigen malerischen Schilderungen schöner und grofsartiger
Naturscenerien soll mit dem leiblichen Auge auch zugleich und ge-
wisserraafson unbewufst der Geist gefesselt werden. Man soll in unser
Theater gehen mit derselben Absicht, mit welcher man irgend ein an-
deres Theater besucht, wo ein ernstes, zu tieferem Nachdenken an-
regendes Schauspiel uns vorgeführt wird. Hier wie dort darf von der
Gedankenarbeit des Hörers nicht allzuviel verlangt werden. Die Ge-
danken und Entwickelungen müssen ohne vorher mitgebrachte \'or-
uussetzungen leicht aus einander folgen, und in gleichem Mafse mit
dem Verstände sollen auch die Sinne, die ästhetische Empfindung, das
Herz, d. h. der ganze Mensch beschäftigt werden. So baut sich in
dem neuesten Repertoiretück der Urania, in der Geschichte der Ur-
welt, ein Naturdrama auf, das zwar wie die Schauspiele auf unseren
übrigen Theatern nur als ein ungemein schwacher Abglanz der Wahr-
heit dennoch geeignet ist das allgemeine Interesse zu fesseln. Wir
sehen stufenweise die Erde sich aus chaotischem Wirrsal des Umebels
bis zu ihrer heutigen Vollendung empor entwickeln. Aus den Wu-ren
der dunklen Urzeiten, die am schwarz behangenen Himmel noch keine
Sonne kennen, wo dröhnende Donnerschläge, Vulkanausbrüche, Erd-
beben und der schreckliche Kampf des Feuers mit dem Wasser uns
erzittern machen, erheben wir uns in immer lichtvollere, freundlichere
Zeitalter, bis wir endlich an den Gestaden des Mittelmeeres im Glanze
■ ler untergehenden Sonne in der Fülle des malerischsten Farbenreich-
thums unserer gegenwärtigen Schöpfung schwelgen. Mit den leisen
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Kläagca einer lernher tönenden Musik schlieft dieses Schauspiel ab,
welche bedeuten sollen, wie all die Schönheit und Poesie in der grofsen
Schöpfung, welche sich in .lahrraillionen langem Kampfe vorbereiten
mufste, ihren Zweck doch erst zu erfüllen begann als die empfindende
Seele des Menschen geboren wai-d, welche sich zuerst für solche un-
definirbaren und doch unendlich beseligenden Eindrücke der Poesie,
der Musik, das Geheimnifs des Rhythmus und des Ebenmafses
empfänglich zeigte; und wer solchen Eindrücken verschlossen bleibt
— das kann nicht oft genug wiederholt werden — dem fehlt ein
Theil dessen, was uns zu Menschen macht. Deshalb, wollen wir mit
-Menschen eindrucksvoll reden, dürfen wir dieses seelische Element
neben dem des blofsen Verstandes nicht vernachlässigen, wie es leider
in sehr vielen der sogenannten populär-wissenschaftlichen Vorträge
geschehen ist Ja bei den grofsen, unser Repertoir hauptsächlich
füllenden Vorträgen, welche für ein sehr grofses Publikum von vorn-
herein berechnet sind, sollte sogar dieses seelische Element in ge-
^ wissera Sinne vorwiegen.
Dieses besonders zu betonen schien mir hauptsächlich deswegen
nothwendig, weil mir von wissenschaftlicher Seite gelegentlich Vor-
stellungen wegen des geringen wissenschaftlichen Cmfanges des in
diesen Vorträgen behandelten Stoffes gemacht worden sind. Es ist
von vornherein begreiflich, wie sehr man auf der Oberfläche bleiben
mufs, wenn man die ganze Geschichte der Erdentwickelung in einem
Zeitraum von 1‘ j Stunden wiedergeben will, indem man das ganze
Gebäude von unten auf ohne alle Voraussetzung aufbaut. Es stellt
sich bei solchen skizzenhaften Darstellungen oft sogar die Nothwendig-
keit heraus, um das Bild nur klarer zu gestalten — was die Haupt-
sache ist — einige Züge hinzuwerfen, welche pe<lantischen Kritikern
als direkt unrichtig erscheinen. Als charakteristisches Beispiel möchte
ich hier folgendes anführen: Am Schlüsse des Vortrages „Von der
Erde bis zum Mondo“ sieht man die Sonne hinter dem mittelländischen
Meere untergehen, so dafs sich dieselbe auf der Wasserfläche spiegelt;
das Spiegelbild ist elliptisch, dadurch die Kugelgestalt der Erde be-
weisend. Ich sage nun in dem Vortrage: „Wir beobachten, dafs das
Spiegelbild der Sonne auf der Meeresoberfläche einem deutlich ge-
drückten Kreise, einer Ellipse alst), gleicht, während cs doch, wenn es von
einer völlig ebenen Fläche zurückstrahlte, einen vollkommenen Kreis
bilden müfste, ganz ebenso wie die Sonne selbst." Nun wendet man
mir ein. dafs die Sonne sich ja bei dieser Gelegenheit nahe am Hori-
zonte befindet und die Strahlenbrechung in der Luft deshalb auch der
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•281
direkt gfesehenen Scheibe der Sonne schon eine elliptische Form gebe,
während ich sie kreisförmig darsteile. Dies ist in der That eine Ab-
weichung von der Wahrheit, die völlig berechtigt ist, um an dieser
Stelle die Zuhörer nicht erst durch weitläufige Auseinandersetzungen
über die hinzukommende, aber für das blofse Auge kaum merkliche
Wirkung der Kefraktion, welche hier in den Gedankengang garnicht hin-
eingehören, zu ermüden und zu verwirren. Elbenso habe ich es in dem
zweiten Vortrage über die Urgeschichte vorgezogen, die alte, mehr und
mehr von den heutigen Forschem verlassene Ansicht des eigentlich vul-
kanischen Ursprungs der krystallinischen Schiefer beizubehalten, weil
sie durchsichtiger und verständlicher ist als die neue. Das Wissen
über diese Dinge mag dann im Geiste der Zuhörer, wenn sie sich,
angeregt durch das Aufgenommene, weiter mit ihnen befassen wollen,
nach darwinischen Grundsätzen aus diesen embryonalen, ihren eigenen
Denkbedürfnissen verwandteren Ansätzen einer vergangenen Stufe sich
um so leichter weiter emporarbeiten. Unsere Anstalt soll ja den Hoch-
schulen keine Konkurrenz machen, welche man im ernsten Drange,
sein Wissen über ein bestimmtes Gebiet zur gegenwärtig erreichbaren
•Stufe emporzuheben, besucht. Es sollte bei uns nur eine wohlthuende,
keineswegs allen neuesten Wendungen der Hypothesen im einzelnen
folgende, sondern nur im wesentlichen aufklhrende Anregung gegeben
werden, bei welcher es gewifs auch für neunundneunzig unter hundert
unserer Zuhörer sein Bewenden hat. Das müssen wir, die wir im
Dienste der jungen Urania stehen, stets vor Augen behalten.
Die grösseren Projektions- und Experimental -Vorträge, die
wöchentlich ein- bis zweimal den das Keperloir beherrschenden,
dekorativ ausgeslatteten Vortrag ersetzen, sind dagegen bestimmt, eine
weitergehende Befriedigung des Wissensdranges anzustreben; sie sind
von vornherein für ein engeres, ernstere Ziele verfolgendes und in
srewissem Sinne vorgebildetes Publikum berechnet.
Eine noch höhere Stufe endlich sind wir gegenwärtig bemüht
in geschlossenen Vortrags-Cyklen zu schaffen, in welchen einem
kleineren Kreise in einem fortlaufenden Kurse speziellere Belehrung
über den Gebrauch astronomischer Instrumente und das Sehen im
Fernrohr, über das Experimentiren mit physikalischen .\pparaten
oder die Kunst des Mikroskopirens geboten werden wird. Hieran
können sich sogar im nächsten Winter ausgedehntere Vorträge über
mathematische Geographie, über Physik mit besonderer Berücksich-
tigung der Erscheinungen und Bedürfnisse des täglichen Lebens oder
endlich attch über das mikroskopisch-biologische Gebiet, welches
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mehr als alle andern in das tägliche Leben eingreift, schliefsen. Ks
ist damit dann wohl den Anfordornngen aller geistigen Stufen genügt,
für welche eine Art von populärer Heimstätte für das naturwissen-
schaftliche Anschauungsbedürfnifs sich als erforderlich herausgestellt
hat Was an uns ist auch diejenigen, bei denen ein noch höherer
Wisssensdrang sich als ernst und dauernd herausstellt, zu befrie-
iligen, wird stets gttschehen.
Im Kellergeschofs des Gebäudes befinden sich, wie der dem
vorangegangenen Hefte beigegebene Plan zeigt, die Laboratorien und
die Maschinen- Anlage. Es ist wohl kaum der Ort hier davon ein-
gehender zu berichten. Doch möchte ich nicht verfehlen im all-
gemeinen auf die interessante Organisation der Kraft-Erzeugung und
-Uebertragung hinzuweisen, welche von diesen unteren Räumen als
dem Centralpunkte ausgeht. Ein höchst complicirles System von
Röhren uml Drähten, welche den verschiedensten Zwecken dienen,
durchzieht von hier aus das Gebäude, wie die Nerven und .\dern einen
lebendigen Organismus. Es mag ein Ueberblick derselben hier von
verschiedenen Standpunkten interessant sein.
Nach aufsen hin steht die Anstalt mit Kraftquellen dreierlei Art
in Verbindung: Durch liie Gasleitung, die Wasserleitung und einen
vierfachen Kabel, der unser elektrisches Schaltbrett mit der Maschinen-
station der Herren Siemens & Halske verknüpft, welche sich etwa
dreihundert Meter von unserm Gebäude entfernt im Landes-Ausstellungs-
parke befindet und uns am Abend, sobald unser Lichtbedarf, nament-
lich für die Theater- Vorstellung ein sehr grofser winl, mit dem nöthigen
elektrischen Strom versieht. Dort arbeitet im Winter von 6 Uhr
Abends an eine grofse, von einer 50-pferdigen Dampfmaschine ge-
triebene, einen maximalen Strom von 500 Amperes liefernde Dynamo-
maschine. Um das Bild <Ier nach aufsen hin gehenden Verbindungen
der -Vustalt zu vervollständigen, ist auch der telephonischen zu ge-
denken, welche wöchentlich einmal dazu benutzt wird, um von der
königlichen Sternwarte die astronomische Zeit direkt auf den soge-
nannten Chronographen unserer Sternwarte mit einer (ienauigkeit von
einem Hundertlheile der Sekunde zu übertragen.
Die Gasleitung speist zunächst unsem 12-pferdigen Gasmotor, der
zu Kraftleistimgen zweierlei .\rl verwendet wird: Er bew'egt einer-
seits unsere bis 70 Ampere gebendes Dynamomaschine, welche uns
bis 5 Uhr Abenrls mit Elektricität zu Keleuchtungszwecken versorgt
und auch zur Ladung der elektrischen Akkumulatoren dient; anderer-
seits betreibt er eine Wasserpumpe, durch welche das Wasser unter
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eiiipn init 10250 kg belasteten Stempel geprelst und daiiurch einem
Drucke von etwa 50 Atmosphänrn ausgesetzt wirtl. Von hier aus geht
eine Hochdruok-Röhrenleitung durch das Gebäude, um «lieses Wasser
zur Arbeitsleistung einerseits auf die Bühne, zur Hebung der Ver-
senkung und Bewegung der sogimannten Flugbahnen, und weiter zur
grofsen Kuppel zu befördern, wo es die Kuppel selbst um ihre Achse
zu drehen, den Spaltverschlufs zu öffnen und zu sehliefsen und l•ndlich
das grofse Podium unter dem Instrumente zu heben hat.
Auch die gewöhnliche Wasserleitung hat bei uns gelegentlich
aufserordentlichen Zwecken zu dienen. Sie ist bis zur Hauptuhr des
eigenartigen und ganz vorzüglich funktionirenden Uhrensystems von
Mayrhofer geführt, welches jetzt zur Versorgung von gröfseren einzelnen
oder von kleineren zusammenhängenden Gebäuden innerhalb der Stadt
Berlin und mehrerer anderer deutschim und ausländischen Städte mit
stets genauer Zeit eingeführt werden wird. Die Urania hat ein solches
System in ihren Räumen im kleinen Umfange eingolührt. Die Haupt-
uhr des S.ystems, welche durch die früher schon erwähnte elek-
trische Verbindung mit der königl. Sternwarte stets mit der richtigen
Zeit versorgt winl (die wir im übrigen auch mit unseren eigenen
Instrumenten direkt vom Himmel ablesen können) macht jede Stunde
einmal einen elektrischen Kontakt, durch welchen ein Gewicht aus-
gidöst wird. Dieses öffnet einen Wasserleitungshahn, worauf das
Wasser eine sogenannte Streupumpe durchströmt und aus einem
Röhrensysteme die Luft pumpt. Diese Luftröhren verbinden die Haupt-
uhr mit etwa einem Dutzend Nebenuhren, welche in <len verschiedenen
.\rbeitsräumen aufgestellt sind und dadurch mit Hülfe einer ingeniösen
Vorrichtung bis auf wenige Sekunden richtig gestellt und aufgezogen
werden. Auch die Hauptuhr wird automatisch durch die Kraft des
gewöhnlichen Leitungswassers aufgezogen, so dafs man das ganz«-
System jahraus jahrein völlig unbeaufsichtigt und unberührt lassen
darf, vorausgesetzt nur, flafs die Hauptuhr mit richtiger Zeit versorgt
bleibt, was schliefslich auch völlig aulomittisch unter Benutzung des
Telephon-Netzes geschehen soll.
Das Röhren- und Drahtsystem, welches den organischen Körper
der Urania durchzieht, setzt sich demnach aus folgenden Leitungen
zu.sammen: 1. Die Heizgasleitung zur Speisung des Motors und der
Gasöfen, mit denen verschiedene kleinere Arbeits- resp. Wohnräume
geheizt werden; 2. die Leuchtgaslcitung, welche Gas gewissen physi-
kalischen Apparaten zuführt; 3. die gewöhnliche Wasserleitung und
ihre Rückleitung des abgehenden Wassers; 4. die Hochdruckwa.sser-
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leitung mit ihrer Riickleitung; 5. die Luftleitung zu den Uhren; 6. die
Dampfleitung aus der Central-Heiz-Anlage; 7. die elektrische Licht-
leitung, welche sich aus einer grofsen Zahl verschieden starker Drähte
für die verschiedenen bei uns in Verwendung kommenden elektrischen
Beleuchtungskörper zusammensetzt; 8. die Leitung für die elektrischen
Akkumulatoren, bestehend aus zwei Ladungsdrähten und den früher
schon erwähnten 11 Arbeitsstromleitungen, welche das ganze Gebäude
durchziehen; 9. eine g^rofse Zahl Tolephondrähte, welche die in den
meisten Arbeitsräumen aufgestellten Telephone miteinander verbinden;
10. eine Anzahl von elektrischen Drähten auf der Sternwarte, welche
verschiedenen zur elektrischen Registrirung der Beobachtungen in
den betreffenden Beobachtungsräumen dienenden Apparaten angehören.
Endlich mag wohl am besten an dieser Stelle gleich eingeschaltet
werden, dafs in allernächster Zeit auch noch eine andere höchst in-
teressante Verbindung der Urania nach aufsen hin hergestellt werden
wird, nämlich die mit der hiesigen königlichen Oper, um die dortigen
Musikaufführungen in unseren Räumen mit Hülfe des Telephons ge-
niefsen zu können.
In all diesen viel verzweigten Röhren- und Drahtnetzen pulsen
die den grofsen Organismus der Urania belebenden Kräfte geschäftig
auf und ab und verwandeln sich proteusartig in einander. Das Gas,
welches sich im Motor, mit atmosphärischer Luft vermischt, explodirend
zu Wasser zusamraenziehl, setzt zunächst die ungeheuere Kraft der
chemischen Affinität in Bewegung um, das heifst, Molekularbewegung
verwandelt sich in sichtbare. Die dadurch getriebene Dynamo-
maschine verwandelt die letztere in elektrische Kraft, in einen Strom,
der in reifsender Schnelligkeit sich durch die Nervenstränge des
Gebäudes hinbewegt. In den Glühlampen, welche das Licht der
untergangenen Sonne ersetzen müfsen, geht die elektrische Bewegung
zunächst in die andere molekulare Bewegung der Wärme und
schliefslich bei steigender Energie in die verwandte Bewegung des
Lichtes über. Damit ist ein höchst merkwürdiger Kreisprozefs
geschlossen. Jenes den Motor bewegende Gas ist ein Produkt der
Steinkohle, diese ein solches des Sonnenlichtes und der Sonnenwärme,
welche sich in dem vollkommensten der Kraft-Akkumulatoren, den
Pflanzenkörpern jener riesigen Unkrautwälder der Steinkohlenzeit
angesammelt hatte. Das vor Jahrmillionen verschluckte, zurück-
gehaltene Sonnenlicht beleuchtet uns beute im elektrischen Flammen-
bogen: Die Natur vorenthält uns nichts. —
Aber auch wir haben es bereits gelernt, Kraftspeicher zu schaffen.
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In dem lockeren, schwammartigoii Faserwerke der elektrischen
Akkumulatoren, welches dem Zellgeflecht der Pllanzen wohl in
gewissem Sinne zu vergleichen ist, verwandelt sich die aus chemischer
Affinität erzeugte lebendige elektrische Kraft aufs neue in zunächst
wieder latente chemische Affinität zurück, um in jedem gegebenen
Momente sich in jede beliebige andere Kraft oder Bewegungsform zu
kleiden. Ein neuer Kreislauf ist geschlossen, sobald dieser Akku-
mulatoreustrom in dem Uhrwerk, das unser Fernrohr der täglicheu
Bewegung der Sterne nachfübrt, sich wieder in kreisende Bewegung
umsetzt. Im Physiksaal winl gelegentlich noch ein anderer Kreislauf
des Kraftspiels geschlossen in jenem Apparate, in welchem durch den
elektrischen Strom das Wasser wieder in seine beiden Bestandthcile
chemisch getrennt wird, welche sich vorher im Gasmotor explodirend
vereinigt hatten.
Und wieviel andere Isustungen hat dieser Strom noch in diesi-m
Saale auszuführen! Selbst in Schall, in musikalischen Wohllaut, in
den Klang der menschlichen Stimme mufs sich jene ursprüngliche
Explosivkraft im Gasmotor verwandeln, wenn der Akkumulatorenstrom
unsern Phonographen bewegt und so die Vibrationen der wiedertönen-
den Membran und die Schallwellen der Luft hervorbringt. Welche
lange Reihe von Wandlungen raufste hier die allgemeine, letzte, un-
bekannte Naturkraft durchlaufen, bis sie uns als Musik zum Bewufst-
sein gelangt! Die chemische Affinität des Wasserstoff- und des Sauer-
stoffgases zu einander wird im Gasmotor zu rotirender Bewegung,
diese zu strömender Elektrizität in der Dynamomaschine, diese wieder
zu chemischer Affinität im Akkumulator, diese wieder zu strömender
Elektrizität, diese zu rotirender Bewegung im Motor dos Phonographen,
diese zu vibrirender Bewegung der Membran, diese zu elastischer
Bewegung der Luft, diese wieder zurück zu vibrirpnder Bewegung
unseres Trommelfelles, welches offenbar seinerseits durch die Um-
setzung eines Theiles dieser Bewegung zurück in Elektrizität, der
empfindenden Gehirnzelle die Mittheilung des erzeugten Wohllautes
macht. Und nun endlich wird diese Elektrizität, dieses Fünkchen
Sonnenlicht, das ein wucherndes Unkraut der Urzeit für uns auffing.
zur EmpSndung, zu Vibrationen der Seele! Hier aber stehen wir an
der letzten Grenze unserer Erkenntnifs, vor jenem grofsen Riithsel,
wie sich diese unendlich geschmeidige Kruft in den Gedanken umselzt,
welcher, gewaltiger als alles, was aus ihr sonst entsprang, gelernt hat
die eigene Erzeugerin zu beherrschen. —
Doch, so bestrickend auch die w(ütere Verfolgung des wunder-
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l)arcn Spieles iler Xalurkräfic sein nniK', 'velclie sich in den Diens!
der Urania f'eslellt haben und hier ihr Wirken aller Welt zu offen-
baren {jezwunpren wenlen — wir müssen doch endlich zum Schlüsse
dieser überblickenden Schilderunjr unserer Einrichtunjren eilen.
Wir sind, map endlich noch mit Oenupthuunp hinziigefügt werden,
durch die möglichst vielartige Zergliederung unserer .\nstalt, welche
hier beschrieben wonien ist, in die glückliche Lage vei-setzt. von den
weitesten bis zu den engsten Kreisen der Gesellschaftsstufen freudige
und dankbare -Anerkennung zu ernten, denn über 60 000 Personen
besuobten im ersten Halbjahr unseres Bestehens die Urania. Darunter
befanden sich eine grofse Anzahl Studirender, welchen der Zutritt zu
einem auf die Hälfte ermäfsigten Preise gewährt winl und besonders
auch Lehrer der städtischen Schulen, denen eine Zeitlang der Zutritt
— in Berücksichtigung einer vom Magistrat unserm Institut zugewandten
Subvention — völlig unentgeltlich gestattet wurde, .\ufserdem be-
suchen seit Mitte November während der Morgenstunden an drei
Wochentagen jo 20t( — 600 Schüler unter der Leitung ihrer Lehrer die
.'Anstalt, ferner seit_Ende des verllossenen Jahres reg<dmäfsig Sonntags
zwischen 8 nnil 10 Uhr früh Arbeitervereine zu dem minimalen Ein-
trittspreise von 20 Pfennigen für die Person, wofür ihnen im beson-
dern ein längerer Projektions-Vortrag gehalten wird. Endlich belegen
schon während des ganzen Winters Vereine und Korporationen die
mittäglichen Stunden des Sonntags, um unter ermäfsigten Bedingungen
den decorativ ausgestattefen Vortrag als Sondervorstellung zu hören.
An diesen .Sonntagen winl dann die Anstalt statt um 12 Uhr erst um
.T Uhr für das grofse Publikum geöffnet. Die gute Bestandlähigkeit
unserer A'erwaltung ist durch diesen regen und imm(»r wachsenden
Be.such aufser Zweifel gesetzt, und so finden wir denn also in der
Befriedigung, »Reiche wir vielen gewähren, auch in vollem .Mafse
unsere eigene wieder.
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John Murrays Ansichten über die Entstehung der Korallen-Riffe
und Atolle.
Charles Darwins Anschauungen Uber die Bildung der Korallen-
riffe konnlen sich nur so lange in der Gunst der Forscher erhalten, bis
durch eingehendes Beobachten des Tiefseelebens und der physischen
Vorgänge auf occanischem Gebiete gründlichere Kenntnisse an die
Stelle der bisherigen Vermulhungen traten. Der während der Welt-
iimseglung des „Heagle“ (1836) untersuchte Keelings-Atoll bot be-
kanntlich mit seinen Erscheinungen die Grundlage der Darwinschen
Spekulation, aber gerade eben jene schienen einem späteren Besucher
dieses Ortes, 0. Forbes (18711), so wenig einer allgemein gültigen
Beweiskraft zu enthalten, dafs sich ihm berechtigte Zweifel an der
bisher mafsgebenden Auffassung aufdrängten, obwohl hervorragende
Geologen, wie Lyell und Dana, mit dem Vollgewicht ihrer Autorität
für dieselbe eintraten.
Vor Allen nimmt der ausgezeichnete Kenner des Tiefseelebens,
.John Murray, einen abweichenden Standpunkt von der Darwin-
schen Lehre ein. Er verfocht denselben vor einiger Zeit in einem in
der Royal Institution zu London gehaltenen Vortrage, der in der Zeit-
schrift , Nature“ (Vol. XXXIX, 1889, S. 424) zur Veröffentlichung ge-
langte. Da die Forschungen des englischen Zoologen während der
Challenger-Expedition in vieler Beziehung zu neuen Aufschlüssen
über die Entstehungsart der Korallenbauten geführt haben, wollen
wir uusem Lesern die Ergebnisse derselben unter Bezugnahme auf
die nicht minder bedeutsamen Darlegungen unserer deutschen Fach-
kenner Semper und J. J. Rein vorführeu.
Die Grundlage der Darwinschen Theorie bildet bekanntlich die
Voraussetzung, dafs die Korallenthierchen ihren Bau längs der tro-
pischen Kontinentalküsten und am Rande oceanischer Inseln inner-
halb beschränkter, den Lebensbedingungen angemessener Meerestiefen
von etwa 18 bis 46 m begannen, dafs der unterseeische Boden mit
nimniffl und Erd«. U. r>. 19
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den umlmuten Küsten und Inseln im Laufe der Jalirtausende allmählich
zu weichen anfing, und die Bewohner des Korallenstockes somit nach
oben hin einen weiteren Spielraum fanden, um das begonnene Werk
fortselzen zu können. Während die in gröfserc Tiefen gelangenden
Theile des Riffes abstarben und durch den Einflufs der Atmosphäri-
lien zu festen Kalkfelsen erhärteten, wurde den nachwachsenden Ge-
schlechtern auf den verödeten Wohnstätten der Vorfaliren ein sicheres
Fundament lur die weitere Entwickelung geschaffen. In dieser Weise
soll sich durch stetiges Wachsthum der Ansiedlungen die Umwand-
lung eines Küstenriffes in einen ringförmigen Wallriff, und aus letztcn-m
endlich die Entstehung eines Atolls oder Lagunenriffes durch weiteres
Einsinken des centralen Insclberges vollzogen haben.')
Murray zeigt, wie gerade das diesem Erklärungsversuch als
Voraussetzung dienende Versinken der Meeressohle dem Vcrständnifs
der mannigfaltigen Erscheinungen so bedeutende Schwierigkeiten in
den Weg legt, dafs in dieser Weise die Deutung zur Unmöglichkeit wird.
Die Tiefseeforschungen der letzten Jahrzehnte bieten durchaus
keine hinreichenden Belege für das Verschwinden zahlreicher Inseln
und ausgedehnter ehemaliger Küstenstriche unter den Gewässern der
tropischen Meere, dergestalt, dafs an ihrer Stelle eraporstrebende
Korallenklippen und stille I.aguneu von dem früheren Bestände des
versunkenen Erdreichs Kunde geben; vielmehr liegen genügende An-
zeichen vor, die ein langsames Aufsteigen des Seebodens ganz be-
sonders in den typischen Gegenden des Korallenanbaues bezeugen,
wie denn gerade die in der Nähe vulkanischer Inseln so reich ent-
w'ickelto Korallenfauna eher auf Hebungen und Aufschüttungen in-
folge unterseeischer vulkanischer Ausbrüche, als auf ein Niedersinken
des Meeresgrundes schliefsen läfst. In neuestem Zeit sind Atolle und
Riffe an Orten gefunden, welche die unzweideutigsten Spuren einer
fortschreitenden Hebung an sich tragen. Eine derartige Niveauver-
änderung konnte beispielsweise A. Agassiz am Alacran-Riff an der
Küste von Jucatan beobachten, und den gleichen Vorgang stellten
Semper bei der nördlichen Gruppe der Palaos-Inseln, sowie Gupp.v
bei den Salomons-Inseln fest. Allerorten finden sich auch grofse Er-
hebungen von Riffen vor, wie beisjiielsweise auf den Bermudas-
Inseln, woselbst Rein bei seinen Untersuchungen einen 80 m über
') Kim* neue, von Prot. Boiiney besorgte Ausgabe der Darwinschen
Abhandlung .The Structure and Distribution of Coral Reefs- ist in vorigem
Jahre erschienen.
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(lein Wassernpicgel hervorraeromlen Korallonfelseii antraf.-) Diese und
eine Reihe anderer l'mstände haben das Bediirfhifs nahe frelojft, für
den Hildiin^vorarang' der Korallenbauten eine laisunp zu suchen,
welche nicht in nothwendiffer Vorbindiinfr mit der Hypothese einer
allsremeinen Senkim{r einzelner Thoile der Krdrinde stellt.
Nach Murrays Darleguiijr haben veir uns den Boden der Welt-
meere als eine vielfach gefaltete, von Thiilem und Hügelketten durch-
zogene Fläche vorzustellen. Hier und da mitten im Meere wachsen
hohe Kegel vulkanischen Ursprungs aus dem tiefen Grunde heraus,
und wo diese über den Wellen emporragen, da bilden sie iene in der
Wasserwüste einsam stehenden Eilande, wie die Insel .Ascension und
den St. Pauls-Felsen, mitunter in Gruppen vereinigt, wie die Azoren,
die Sandwich-, Fiji-, Samoa- und GesellschaDs-Inseln. Uafs solche
Bergkegel auch unter dem Wasserspiegel in Mengen verborgen liegen,
haben die Auslotungmi der britischen Corvette Challenger an der
afrikanischen Westküste erwiesen, und Sondirungen zum Zwecke einer
Kabellegung zwischen Lissabon und Teneriffa führten zur Auffindung
sieben solcher Berggipfel, zweifellos vulkanischen Ursprungs, welche
sich 900 bis 20 Meter dem Wasserspiegel nähern.
Diese unterseeischen Bänke und Erhebungen gewähren nach der
Ansicht des englischen Zoologen den rilTbauenden Polypen die Grund-
pfeiler zu ihren Ansiedlungen, insofern sie die den Thieren zusagende
Tiefe nicht überschreiten. Chainisso gelangte gelegentlich seiner
Weltreise bereits zu einer ähnlichen Muthmafsung, indessen die da-
malige Unkenntnifs der zur .Anlage eines Korallenbaues nüthigen Be-
dingung einer geringfügigen Meerestiefe verhinderte die weitere Ver-
folgung seines Gedankens.'')
Selbst in dem Falle, wo die Felsenklippe wegen ihrer zu tiefen Ijage
unter dem AA'asser den Korallcn-Polypep unerreichbar war, konnte ein
geeigneter Bauplatz mit der Zeit geschaffen worden, indem die fohlende
Höhe durch Mitwirkung anderer Lebewesen sich ergänzte. V'ielfache
Untersuchungen haben Murray den Beweis geliefert, dafs die ungeheure
Menge aller jener die tropischen .Aleere bevölkernden Organismen, der
= ) Die (leutsrtie Plankton-Expedition dürfte hierülicr näheren .Atifsclilufs
geben.
") Diese Lehre findet sich am Schlüsse des Ut. Handes des Kntzebnesrhen
Roispwerkes. .Murray bezeichnet Cliamiasn als Urheber derselben, jedoch
hat Diibois - Reymond in einer akademisoheii Festrede (.A daUiert von
Chamisso als Naturforscher“, Heidlbg., Itkkü) überzeugend nachgewiesen, dafs
jene Lehre von dessen Reisebegleiter, dem Sehiffai-zte Friedrich Esehscholtz
herstammt.
I!U
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291)
Algen, Kriisiacceii, lihizopoden, Medusen, Infusorien, Mollusken — durch
die beständige Ausscheidung von kalkhaltiger Materie, sowie durch
das Niedersinken ihrer abgestorbenen Schalen und Skelette zur Bildung
bedeutender Schichten animalischen Ursprungs beigetragen haben, sodafs
also durch Absetzung solcher Stoffe au die Fclsmassen eine hinreichende
Höhe für den Anbau des eigentlichen Korallen-Polypen erreicht werden
kann. Für die ungemeine Fülle solcher organischen Ablagerungen
spricht z.B. die ThaI.sache, dafs während der Fahrt des Challenger ein ein-
ziger Zug des Travelnetzes aus einer Tiefe von 4250 in mehr als hundert
Zähne von Haien und dreifsig bis vieraig Gehörgange von Cetacecn zu
Tage brachte, obwohl das Oeräthe nur wenige Centimeter in den Meeres-
boden eindrang.
Die Korallenriffe können dieser Darlegung gemäfs nur Bildungen
auf der Oberlliiche solcher durch die Absonderungen der Tiefsee-
thiere und durch die Ablagerungen der Meeresströmungen erhöhten
unterseeischen Gebirge sein.)) Wo deigleichen zur Ansiedlung ge-
eignete Sedimentbänke in grofser Menge vorhanden waren, entstanden
auch dichte Gruppen von Korallenbauten ; dort, wo aber grofse Mecrcs-
tiefon sich fanden, war auch keine Möglichkeit zur Bildung derselben
gegeben. In dem inselarinen Gebiete der Westküste Amerikas ist
darum die Korallenfanna nur spärlich entwickelt, während auf dem
lang hingestreckten gipfelreichen Kücken dos südlichen stillen Ocean-s
die eigentliche Heimstätte des riflbauenden Polypen-Gesohlechtes an-
getroflen wird.
Die mannigfachen Foruienuiiterschiede der Korallenbauten, ins-
besondere der Atolle, haben nach Murray in der Verschiedenheit der
-Vahrungszufuhr ihren Grund. Diese letztere ist wiederum durch die
Strömungs- und Tcinperaturzustände des Meeres bedingt. Die an der
Aufsenseite der Kiffe gelegenen Ansiedlungen erhalten reichlichere
pelagische Speise, sie sind weniger beeinträchtigt durch die Schlamm-
und Sandraassen, welche das Aufkommen und den Fortbestand der
im Innern der Atolle lebenden Bewohner erschweren. Durch die
kräftigere Entwicklung der der See- und Windseite zugekehrten
Bauten soll sich in der Hauptsache die Entstehung der Lagunen er-
klären; allein einen bedeutenden Einllufs an derselben schreibt
Murray auch der Ijösungskraft des kohlensäurehaltigeu Meereswassers
M Korallen-AiiHiedluiif^eii (Ior rothmi Moores smd ebenfalls nur dünne
Krusten auf untorseoiseheii Felsenzügen ; ihnen fehlt jedes Waohsthum nach
oben, welches nach Darwin den auf sinkemlem Grunde stehenden Atollen
des stillen Oceans ei^nthümlich sein soll. (J. Walther, *Die Korallouriffo
dei'Sioailialbinsol; Geolo^-isrhe und biologisch«* Untersuchungen. ~ Leipzig, l?i88.)
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2!tl
zu, das, mit der Fluth in die Lagunenbecken einströnieiid, diese tiefer
und tiefer aushöhll. Letztere Vorstellung, soweit sie das chemische
Erosiousvennögen des Meereswassers anbetriffl, dürfte mit Recht be-
zweifelt werden'’), dafs aber die Wallriffe und Atolle als selbsländige
Bildungen aufzufassen seien, die sich ohne Vermittlung von Boden-
senkungen allein aus den Wachsthumsverhältnissen ebenso einfach wie
genügend erklären lassen, ist eine Ansicht, welche die Mehrzahl der
Eachkenner — so z. B. Agassiz in seiner letzten Schrift über die
Sandwich-Inseln — mit Murray theilt.
Obwohl die Frage nach der Entstehung der Korallenriffe durch
die neueren Untersuchimgen Murrays wiederum zur lebhaften Be-
sprechung gekoninien ist, an der sich in den Spalten der „Nature'’
namhafte englische Uelehrto (Irwine, Uöss, Guppy, Wharton,
Bo Urne) botheiligten, harrt sie dennoch einer weiteren Entscheidung.
Namentlich bedarf es noch eingehcnderForschungen über die Tiefgrenze,
in der die riffbaueude Koralle ihre Thätigkcit entfalten kann, sowie
einer genaueren geologischen Feststellung der Miichtigkeitsverhältnisse
der Kalkablagerungon vermittelst der Tiefliohrungen bei Anlage arte-
sischer Brunnen. Solche Tiefbohrungen sind bisher nur von Dana
auf der Insel (’ahu unternommen worden, und die Ergebnisse führten
ihn, der Darwinschen Theorie entsprechend, wiederum zur .Annahme
einer Senkung der Insel.
Aber genauere Schlüsse sind zur Zeit nicht möglich, da di(>
durch Bohrungen zu Tage geförderten Korallen mit den jetzt lebenden
Arten nicht in Vergleich gestellt werden können. .Jedenfalls ist auf
Murrays Anregung die Frage nach der Bildung der Korallenbauten
wiederum in den Vordergrund des Interesses gerückt, und die Wissen-
schaft kajin ans mancherlei Widerspruch nur Gewinn ziehen, weil
sich die Vertheidiger einer jeden Ansicht bemühen müssen, durch
Thatsachen und Beobachtungen ihre Behauptungen zu bekräftigen.
Sch w.
Schlagwetterexplosionen und Sonnenflecken. .Aus einem Manu-
skript des Herrn Iluguenel in Potsdam bringen wir mit Genehmi-
gung des Verfassers folgende Mittheilungen zum .Abdruck.
Das vermehrte Auftreten von Kohlcnwasserstoffgasen in den Stein-
kohlenbergwerken, mit welchem die (refahr einer Explosion eine
l.A'ber die Lüslictikeit <lcr Kalkcarboiiate im Seewaaaer Hegen neuere
Itntersuclmngen von Robert Irwine vor (Proe. of Kdingb.. isas. Vol. XV. S. .MG).
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292
betriiclillichf Sioig'erung erlang't, wird vou Ili-rrn Iluguenel in Bu-
zii’huug zu solarer Thätigkeit gesetzt, woraus die N'otliwendigkeit sich
ergab, das zahlreich vorhandene statistische Material der Wetter-
explosionen mit den für eine sulche Untersuchung die sicherste Grund-
lage bietenden Wolfschen Kelativzahlen zu vergleichen, wie dies
auch von 11. Fritz in seinem neuesten Werke: „Die wichtigsten pe-
riodischen Erscheinungen der Meteorologie und Kosmologie'’ S. 3Ü7
befürwortet wiril. ln der folgenden Tabelle stehen neben den Wolf-
schen Relativzahlen die Anzahl <ler Schlagwetterexplosionen, welche
von 1861 -87 auf den einzelnen Kohlenzechen des gefährdetsten aller
Kohlenreviere, des preufsischen Oberbergamtsbezirkes Dortmund'), ein-
getrelen .sind.
Jahr
K
Ex]ilos.
,lahr
R
Kxplus.
Jahr
R
K.'cplos.
1861
17.4
32
1871
111.2
40
1880
32.3
62
1862
59.4
28
1872
101.7
36
1881
54.2
76
1868
44.4
21*
1873
66.3
57
1882
59.6
l’iO
1864
47.1
25
1874
44.6
45
1883
63.7
115
1865
32.5
32
1875
17.1
52
1884
63.4
101
1866
17.5
33
1876
11.3
43
1885
52.2
100*
1867
7.3*
65
1877
l'2.3
37
1886
25.4
114
1868
37.3
46
1878
3.4’
' öl
1887
13.1
64
1869
73.9
47
1879
6.0
83
1888
6.7*
9
1870
139.1
34*
Für die
beiden
ersten
hier in
itgctheilte
II Perioden der
• Hau-
figkeit der Bimnenflecken zeigt sich ein zwar ziemlich unregel-
mafsiges, jedoch deutlich ausgesprochenes umgekehrtes Vorhallen
beider Erscheinungen. Die gröfste Hiiuflgkeitder Schlagwetterexplosionen
lallt auf die Jahre der Sonnenlleckenminima, die geringste Anzahl
derselben auf die der .Maxima. Bei der grofsen Zunahme der Ex-
plosionen von 1882 an verwischt sich iliescr entgegengesetzte Gang
beider Er.soheinungen aber fast völlig, denn für 1884 und 1885 zeigt
sich eine nur schwache Eiiisenkung in der Curve der Explosionszahlen.
Inilessen ist hierbei in Erwägung zu ziehen, dafs mit der von Jahr zu
Jahr wachsenden Zunahmt: der Kohlenüirderung auch der Einflufs der
Zufälligkeiten in erheblichem Anwachsen begriffen ist, so dafs eine
etwa vorhuiideue I’crioilicilüt zeitweilig durch dieselben gänzlich zum
Verschwinden gebracht werden kann. Sofern nun überhaupt ein so-
larer Einflufs wirksam sein sollte, müfste er auch in einzelnen hervor-
‘1 Anlage II zum Hauptbericlit der l'reursiachen Solilagwetterkoinmiasian.
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293
Iretendcu Füllen merklich werden; es laj^ daher nahe, diejeni^n Tag-e
näher zu untersuchen, an welchen eine beträchtliche Erhöhung der
Sonnenthätigkeit sicher zu konstatiren war.
Als solche Tage erschienen diejenigen um meisten geeignet, iui
welchen ein sehr schroffer Wechsel des Fleckenareales stattfand, an
denen als« z. B. ganze Fleckengruppen plötzlich verschwanden, andre
Oruppen nicht minder jdötzlich neu erschienen, sonach von heftigen
Revolutionen in dem Sonnenkörper Kunde gaben. Auf eine in diesem
Sinne an Herrn Professor R. Wolf in Zürich gerichtete Anfrage theilt
derselbe folgende Tabelle von besonders ausgezeichneten Tagen mit,
wo R wiederum die Relativzahl für die betreffenden Tage bedeutet.
Datum.
R
Massenexplnsion auf Zeche:
Todte.
1H61
April
18
76
19
42
Maria bei Höngen (Aachen) . .
. . . 11
20
39
1864
Okt.
19
14
20
19
Reden-Merchweiler (Saarbrücken)
... 34
21
32
1868
dan.
14
24
15
II
Neu Iserlohn bei Langendreer
. . . 81
16
0
1870
Dez.
11
222
12
206
... 36
13
171
1871
•Vpril
1
191
2
196
■Shamrock bei Herne ....
. . . 10
3
143
1871
Dez.
2ti
62
27
85
Schürbank u, Hharloltenburg b. Apl
erbeck 13
28
70
1880
Jan.
28
28
29
13
Preiissiach-Clus bei Minden
. . . 17
30
25
1881
Juni
23
50
24
45
Louise u. Erbsicdleii b(>i Barop
,17
25
80
1881
Sept.
9
49
10
35
11
66
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294
Die neben die von Prof. Wolf gesetzten Daten der Explosionen
nebst Zahl der tödtlieh Verunglückten finden sich in der amtlichen
Statistik-') als die umfangreichsten der 340 lüdtlichen ExplusionsfUlIe
in Preufseu bis Ende 1881 auf S. 13 aufgefiihrt. In unsrer Tabelle
fehlt der 8. Juni 1880 fXeu-Iserlohn 23 Tudte), doch zeigen auch fiir
diesen Tag die vorangehenden und folgenden Uelativzahlen eine rasche
Aenderung (13, 23, 35); der dort angeführte 10. September 1881 tZollem
bei Dortmund lüTotlte), welcher die Uebereinstimmung noch unterstützen
würde, ist irrlhümlich, da die Explosion auf Zeche Zollern erst am
15. September stattfand.
Jedenfalls ist die Uebereinstimmung der von Prof Wolf ange-
führten Tage starken Wechsels der Flockenareale auf der Sonne mit
ilenen umfangreicher Schlagwetterexplosionen in Preufsen zu auffallend,
um mit Stillschweigen übergangen zu werden. Indessen dürften wir
uns bis auf weiteres mit dieser Thatsache begnügen müssen, da der
ursächliche Zusammenhang beider Erscheinungen noch ganz in Dunkel
gehüllt ist, und Erklärungen unter Beziehung auf die thermischen
Wirkungen elektrischer Erdströmeu.s.w. zunächst nur als geistreiche Ein-
fälle gelten dürften. Weitere Forschungen worden auch hierüber viel-
leicht später helleres Licht verbreiten, auch mufs man sich bei allen,
die Sonnonthätigkeit in Betracht ziehenden Untersuchungen des von
H. Fritz 1. c. S. 420 ausgesprochenen Mahnwortes erinnern; .Sehr
gewagt ist es stets, eine irgendwie auffallende Erscheinung an der
Sonne mit einer solchen gleichzeitig auf der Erde eintretenden in
direkte Verbindung zu bringen. Schon das häufige Vorkommen der-
artiger Erscheinungen an der Sonne, ohne dafs sich auf der Erde
etwas Auffallendes ereignet, sollte zur Vorsicht malmen; noch mehr
aber die Wahrscheinlichkeit, mit der sich für jeden Vorgang auf der
Erde irgend eine Erscheinung an der Sonne auffinden läfsl.*"
t
Kosten der Lick-Stemwarte. Dem kürzlich erschienenen Jahres-
berichte der University of California ' ) entnehmen wir folgende Zahlen
über die bisherigen Kosten der grofsen, auf dem Mount Hamilton
gelegenen (im Mai- und Junihefte 1889 in unserer Zeitschrift beschrie-
benen) Sternwarte. Das Stiftungskapital für den Bau und die Ein-
*) A. Hafslachor. Die auf den Stcinkohlonbcrgwerkon Hreufacns in den
Jahren 18Gt— 81 durch schlagende Wetter vcraiilafslon Unglücksfalle. Im Auf-
träge der Schlagwetter-Kommission bearbeitet. Berlin, 1882.
') .\nnual report of the secretarj- of Ihe board of regents of the Universit.v
of California, for the vear 18811 (Sacramento, 1889).
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295
riolKuiig- des Observaioriums betrusr 700ÜU0 Dollars. Bis 1, Januar 1889
waren hiervon au.s>ro(feben über 694 UOO Dollars; die bedeutendsten
Quoten absorbirteii die Eisenarbeiten, Kuppeln, nämlich 137 900. und
rlie Instrumente 111900 Dollai-s. Die Verainsmur eines Kapitals von
ttOOOO Dollars dient zur Be.streilung’ der laufenden Austraben. Die
Jahresausla^en fdebälter u. dgl.) beliefen sich fiir 1888 89 auf 19840
Dollars. Das Observatorinin beschäftigt 6 Astronomen, 3 Werkleule
und wurde 1888/89 von etwa 5800 Personen besucht. Die Bibliothek
zählt derzeit gegen 8000 Bände. Der Jahresbericht führt auch die
Jahresausgaben einiger anderer grofser Sternwarten auf; jene des
Naval-Observatory in Washington betragen über GOOOO Dollars (7 Astro-
nomen, 9 Seeoffiziere. 5 Mechaniker etc.), jene des llarvani Gollege-
• Ibservatory 30IH10; das Hoyal t.lbservatory zu (Ireenwich bedarf
jährlich 42000 Dollars (10 Astronomen, 10 Rechner etc.). Das kaiser-
liche Observatorium zu Pulkowa hei Petersburg brauchte schon 1845
über 33000 Dollars jährlich, beschäftigte 1885 etwa 14 Astronomen
und 50 l^ersonen in verschiedener dienstlicher Verwendung. *
♦
Km'heinuntcen am Sterneubimmel im Mouat März*April.
(Sämtliche Zeitan;;aben polten für Berliner Zeit.)
1. Der Mond.
Aufg’an}' Unteri^an^
18.
März Erdnähe
jh
41m
Mg. 2f
44m
Nm.
20.
_ Neumond
29
.>
;tfi
28.
- Erstes Viertel
48
2
14
Mk
29.
- Erdferne
lü
41t
3
4
■>.
April Vollmond
t;
4i;
Ab. !>
•V:
12.
- Letztes Viertel
2
20
Mg. 9
48
.
i:!.
- Erdnähe
a
8
II
.1
Vm,
Maxima der Libration
: 23.
März. 5. April.
a Die Planeten.
Merkur
V e n 11 a
liectas.
Deelin. - Aufg.
j|
ünlerg.
Rcela-s.j
1 Declhi.j
1 Aufg. I
Unlerg.
l:i. März
22>»15®
-13’ ■>■ 61>58'"lf.
3li40"W
23l> .77»
!— P49'
G« :i9"i|f.
6h 27® U.
17.
22 .39
10 5.5 .5 .54 -
4 0.
ü 15
1- 0 13
t; 30 . 1
6 40 .
21.
,2t! 4 ,
|— 8 29 !> .'il .
4 21 .
0 33
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6 22 .
G .72 .
25.
23 21»
-- 5 14 5 45 -
4 4.5 .
0 .71
4 I7,|
, r. 14 .
7 G .
2;».
_
23 .'»1!
— 2 40 .5 40 _
.1 12 .
I 9
G 17:1
1 G 5 .
7 19 .
2.
April !
, 0 23
l-l- 0 39 .5 34 -
.7 40 .
1 28
8 15j
.5 .58 _ 1
7 .32 -
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7 45 ..
10.
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2 24
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8 12 .
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290
1
! M ii V s
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p i t © r
i
j
Rectas.
1
Declin., Aufg.
Üiilerg.
Kectas.
Decliii. 1
I Aufg.
Unterg.
15.
1
März
Ißli
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«••.5601g.
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— 19".34'
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16
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16
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16
4.5
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Saturn
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4 10 .
13 .33
i « ‘|
|7 3 .
5 38 .
FMongationen
des SaturntrabanUm Titan
: 20. März öatl.,
23. Marz
westl.,
5. April östl.,
13. April wosll.
Elong.
ij
.f
N B
p t u n
Rectas. |
Deel in. jj
Aufg. Unterg.
12.
Mürz i. 4'' 1'" ^
-f- 18" .59' !
.Sli 50<" Vm. 1 Oh 36>“ Ij.
27.
4 2
-i- 19 4
7
. 1 11
:34 ,1k.
11.
•April 4 4 ^
t-19 9|
0 .W
. 10
37 .
3. Verfinsterungen der Jupitertrabanten.
(Nur einige in die Morgetiätundeii fallende Verflnstoniiigen sind beobachtbar.)
31. Mär/. I. Trab. Verftnst. Kintritt .'>1‘ 39'" Morg. (bei Sonneiiaufg.l
5. April II . _ - 4 30 ..
4. Sternbedeckungen durch den Mond.
(Kür Berlin sichtbar)
Grölsc
Eintritt
.Austritt
25. März
• £ Tauri
3.6-»
10h 3.5» Ab.
lOk .>}"• Ab.
8. April
• C Uibme
.5.3
3 .53 Mg.
4 31 Mg.
5-
Veränderliche Sterne.
a) Muxima variabler Sterne:
.Maximum
Helligkeit im
1890
am
Max.
Min.
Hectas. DocUd.
U V^iiginis
28. März
7m
lO-a
12h 32'”
.56» r 7" 35'7
R Hydrao
12. April
5
10
13
23
42 - 22 42.6
R Bootis
14. «
(i— 7
11-12
14
32
21 ; 27 1.3.0
IJ «
23. Mäi-z
9
12 13
14
49
14 18 8.3
S Librao
3. April
.S
12
15
15
4—19 .59.4'
S Con^nae
y.
7
12
15
Iß
44 -i- 01 45.8
Digitized by Google
297
Maximum
liolligkeit im
1890
am
Max.
Min.
Kecta»
Declin. '
14 Librue
29. März
y U)
IS
15 47
23 — l.'i .M.4
B Scorpii
10. April
10
12
16 11
t; — 32 40.«
U Sagittarii
22. März
7
li
rj 10
14 lU :!0.u
S Cygtii
6. April
9
13
20 3
12 -i- 40.1
T A(|Uarii
6. „
20 14
,S — 33.2.
b) MiuiiuH der Sturuo vom Algul-Typu»:
U CophiM . . IS., 2S. März, 2., 7., 12. April Nm.
.AJgol . . 16. Mär/ Nm.. 22. Mg.. 28. Mg.. 4. April Ab.. S. Mitl.. 14. Mg.
U Coroiiat* . . 22. März Mg., 2ü. .Mg., 5. April Mg.. 12. Mg.
SCancri . . 16. März Nm.. 26. Mg., 4. April Nm. 14. Mg.
0 Librar . . 17. Miti'z Mg.. 21. Ab.. 26. Milt.. 31. Mg., 4. April Ab., i». Via.
U. Mg.
c) Minima oinigrr Veräuderliclior kurzer Periode:
T Monoc. . . 4. April.
\V Virginis . :10. März,
6. Nachrichten über Kometen.
der im Juiiuar>Hofte aiigczeigleii, guuz aulaergewühiiUch langen
Sichtbarkeit de.s Uurnardschou SeptemberkomeUm liabeu wir zu bemerkou,
dafB dieser Komet, falls er im Fiübjalir durch die grofsen Inslrumeute der
Wiener, Pulkowaer oder der Lick-Stoniwarie wieder uufgefunden wird, an
Dauer der Sichtbarkeit selbst den längst beoimchlbar gewesonen Kometen dieses
Jahrhunderts, jenen von 1811, überlreffon würde, da letzterer .)10Tage verfolgt
werden konnte, während der Harnardsche eine Sichtbarkeit vom 2. September
1SS8 bis Mai ISIK), also etwa 600 Tage Beobaebtung3dau<*r aufweisen würde. Der
zweitgröfatu Komet unsers Jahrhunderts, der Douutische vom Jahre 1858, konnte
nur 275 Tuge gesehen werden. Die viel schwäehenm vom Juli 1825 und vom
Juni 1861 wunlen dagegen fast ein Jahr lang beobacliU*!. Der sehr lichu
schwache zweite Komet dos Jahres 1847 vermochte, da sich seine Kttlfernung
von der Erdts und Sunno nur tangsuin vergröfserte, 8 Monate lang für uns
sichtbar zu bleiben. Der Barnardsche Seplemberkomet wird schon im uächston
Monate, ira März, und zwar in den erelen Morgenstunden, wo er etwa um
3 Uhr aufgeht, gesucht werden können. Kr liewegt sich bis Mai vom Stern-
bilde des Schützen langsam durch die Milchstrafse gegen die drid Hauptstorne
des Sobiesky sehen Schildes; seine Entfernung von der Erde wird dann
100 Mill. Meilen betragen. Die Bahn des Kometen ist durch den Umstand be-
merkensworlh geworden, dafs sie, nach einer neueren Ib'cltuung Berberichs.
eine hypi‘rbolische (entgegen der sonst für Kometen allgemein geltenden
Parabel) zu sein scheint; der Berechner muthmarst, dafs die ursprünglich )>ara*
bolisclie Bewegung infolge einer Annäherung de» Kometen an Uranus int
Jahre 1882 durch dessen Attraktion in eine hyperbolische ver\vamlelt worden
sein könnte.
- -
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Kleyers Enryklopftdie iltr eesamleti inathematiHrheii, terhnlHchen iiuil
exakten Naturwlssf*ii«ehaften. Richard Klimpert: Dynamik fester.
Körper 7<>0 Seiten; Allgemeine Physik 372 Seiten; \V. Laska: Sphärische
und theoretische Astronomie und mathematische Googfraphie 2Hi) Seiten.
Stuttgart, Jul. Maier 1.S8;). 8".
ln der oben genannten Encyklopiidie werden in einigen dreifsig Bänden
welchen noch beständig weitere folgen, alle Zweige mathematischer und phy-
sikalischer Wissenschaften sov.'io die Anwendungen derselben ausführlich
behandelt. Jeder Band enthalt die betreffende Disziplin in eine grofse Anzahl
von Fragen und Antworten zerlegt, unter Beifügung von Erklärungen, wolclic
das auf die gestellte Frage bezügliche historische Detail, Ausrechnung der
Formeln u. s. w. enthalten. Durch zweckraäfsig gewählte Aufgaben nebst
vollständiger Auffrechnung auch tler numerischen Beispiele wird fiir die gehörige
Einübung und Sicherheit in der Anwendung ties vorgetragenen Lohi'salzes
gesorgt. Wiewohl durch diese in allen T/ehrbUchcru des Systems durchgeführte
Form der Stoff sehr weitschichtig wird, die üeber.><ichtliclikoit leidet, und viel-
fache Wiederholungen unvermeidlich sind, ist dagegen namentlich für den
Selbstunterricht die grofse Ausführlichkeit und gründliche Durcharbeitung
auch der kleinsten Nebenrechnung dem wirklichen Vorständnifs und der
Fähigkeit, von dem Erlernten Anwendung zu machen, entschieden forderlich —
wenn nur das ganze Buch wirklich durehgearbeitet wird, was aber keine un-
beträchtliche Arbeit ist! FachUujte und Lehrer werden in den massenhaften
Aufgaben tmd Anwendungen vieles Brauelihare finden.
Die «Dynamik fester Körper“ beliundelt zunächst die reine Bewegungs-
lehre (Phoronoiuie), sudauu die Dynamik des materiellen Punktes, der festen
Körper, endlich die Lehi*e vom Stofs fester Körper. Dos «Lehrbuch <ler all-
gemeinen Physik“ enthält die genaue Feststellung der physikalischen Grund-
begriffe, die allgemeinen Eigenschaften der Körper, die Gravitation und die
Molokularkräfte.
Das ..Ivohrbucli der Aslronumie“ setzt bei'eits einige Kenntnifs, .soweit
sie durch eines der populären Lehrbücher zu erlangen ist, voraus, aufseniem
aber eine mathematische Vorbildung, welche es gestattet, in den spateren
Theilen des Werkes Differential- und Integralrechnung in Aktion treten zu
lassen. Es wird etwa soviel geboten, wie an den polytechnischen Kochscbuleu,
wo die Astronomie als Nebenfach der ludiereu Geodäsie vorgetragen wird.
Zur Ergänzung ist eine kut*zgofafste Darstellung der theoretischen Astronomie
l»eigefügt. In den Angaben der Zahlenwerthe ist möglicliate Genauigkeit und
Vollständigkeit aogestrebt worden, ebenso in den historischen Erläuterungeu.
Wir zweifeln nicht, dal's dieses LehrbiuJi jüngeren Studirenden der Astronomie
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vielfach willkozninone l'ntorstüUunK bei dom Stiuliiiiii der klassischen Autoren
ihres Faches gewähren wird. Zworkmnfsi;? sind dio jedem Bande am Schlufs
anff(Tüiften Formolsamrahinjfen. K. W.
Hermann Fritz: Die wichtigsten periudischen Erscheinungen der
Meteoro1of?ie und Knsinolo^ie. (Internat. wiBsensch. Bibliothek,
Hand.) Leipzig, Brockhaus ISHfi. Preis broch. 7 M,
Dio Kenntnifs jener Ki'scheinun^cn auf den Qebioten der Astronomie,
Meteorologie und Oeoph^Hik, welche in ihrem Auftreten einem bestimmten
Wech.sel unterworfen sind und auf eine periodisch wirkende (irund Ursache
deuten, hat sich iu neuerer Zeit untremein erweitert. Wahiviid man vor zw'anziK
.lahi'eii von diesen Diiitfen mit Sicherheit kaum mehr als den Zusammenhanff
der Erscheinungen des Erdmagnetismus und der Polarlichter mit der bekannten
Sonnenileckenperiode anzuführeii wufste, besitzen wir heute ein wahres Heer
von Perioden ; für die Beziehungen der Sonnenthätigkeit zu den Erschoiiiungen
unseres Ijuflmeeres liefseii sich allein gegmi dreifsig solcher Perioden uuf-
zähien. Wenn nun auch gar manche der diesbezüglichen wisäenschaftlicheii
Untersuchungen, sei es wegen Mangels eines gehörig zureichenden Heubach*
Unigsmaterials, sei es wegen anderer in der Hehandluugsart des Materials
liegenden Ursachen, zum Thcil auf noch rocht schwachen FUfäcn stehen, .so
ist es jedenfalls sehr an der Zeit, einem gröfseren Publikum uine möglichst
voUständigo Sammlung und Uebersichl der bisher gewounenen Kesiiltute vor*
zulogen. Man wird deshalb dem Verfasser sehr dankbar sein dafür, dafs er
mit obigem Huche eine deiartige Arbeit unternommen hat. Wenn vielleicht
ein besoudei*s kritischer Leser aus dem Frit zachen Werke findet, dafs auf
dem Gebiete des Periodensuchens ein wenig des Guten zu viel gethan wird
und ihm manche der Zahlen noch re<'ht bezweiftdbar scheinen, so kann ich
ihm nur heistimmen; indofs möge er sich daran erinnern, dafs auch die Xegation
und der Widerspruch der Ergi'bnisse für die wissenschaftliche Erkenntnifs
eines gewissen Worthes nicht entbehren.
Der erste Abschnitt des Huches ist ein kurz gefafster Abrifs beschreiben*
der Astronomie der vornehmlichsteil Körper unseres Sounensystmiis mit be-
sonderer Berücksichtigung der Forschungen über dio Sonne; diu Erscheinungen
der Sonnenflecken. Fackeln der Sonne, deren Veränderlichkeit, lUe Ergebnisse
der spektralanaiytischen Uutei'suchungen darüber, die Messungen über Wärme-
strahlung und chemische Wirkung des Sonnenlichtes, sow’io dio Aiisichton
über die Konstitution der Sonne w'crden daselbst behandelt; daran reiht sich
ein Ueberblick über dio Erdwärmo. die Vertheilung des FesUm und Flüssigen
auf der Erde, einige Eigonthümlichkeiten der Erdatmosphäre und die Be*
schaffenhoil des Monde.s.
Die Darlegung der Perioden von täglicher, monatlicher und jührlicbor
Dauer, sowde jener von mehrjährigem Wechsel, welche bis jetzt mit mehr oder
weniger Sicherheit an verschiedenen Eischeinungcn haben koustatirt werden
können, folgt im 2. und il. Abschnitte des Werkes. Hier worden insbesondere
aufgefiihrt: Die täglichen Schwankungen und dio jährliche Variation der Ele-
mente des Erdmagnetismus, der Luft* und Rndentemperatur, des Luftdruckes,
der Verdunstung und der Niederschläge, der Winde und Stürme, der Gewitter
und Blitzschläge, die Perioden des Polarlichtes und der Ebbe und Fluth. sowie
<Uo wcniu’ sichere, noch meist hlorsen Venuuthiin^eii unterlio^mde IVhodicität
der Sonnen- und Mondhöfe, Rejronhoj?on, des AVarhslhums und der Verjräotf-
lichkeit in der orjfanisclien Well etc., fenier eine etwas breiter jfehaltene Be-
trachtung periodischer kosmischer Wirkunjyen als Ursache der Veriinderunj?en
«les Klimas, der Eniorwärniunjr und der Kiszeit. Kiner besonderen Abthenunjr
sind die Tielfaehen Heziehnnjrcn jrewidinet welche man zwi.xclien der Sonnen-
ihiiüprkeit und verschiedenen Krscheinunifen j^efunden hat oder dci'zeit noch ver-
mulhet Der Verfasser findet, dafs die ll'/pjührijfe Fleckenperiode, ab^^seheii
von deren )än|{«t anerkanntem Zusanimenhan^'’e mit dem Krdma^'’netismns und
den Polarlichtern, noch als wahrscheinlich bezeichnet werden mufs hei den
MeeresstürTnen nnd Cj^kloneii, bei der Bildung von CirriKewölk, dem Vorrücken
und ZurUckgehen der Gletscher, 1km den Schwankungen des Luftdruckes, bei der
Ilugelhildung. Avlihrend die Einwirkung der Sonnenthatigkeit noch problema-
tisch ist auf Fruchterträge fnamentlich Weincrlrag und Weinqualität), auf die
Ergebnisse der Fischerei, das Auftreten von Dürrjahivii, Hochwässern, Heu-
schrecken, auf die Veriinderiingen der JupileroberlJäche u. dgl.
Die Resultate über das Zutagetreten gröfscrer Perioden , namentlich der
’»(»- jährigen Sonnenperiode, oder gewisser Verhältnisse der PlanetenumlUufe. in
manchen Erscheinungen sind in dem 4. Abschnitte enthalten. Mil Sicherheit
ist die 56-Jährige Periode konstatirt bei den Nordlichtern und dem Erdmagitc-
tismus, der Bestätigung noch bedüiftig ist sie hei einer Reihe von Phänomenen,
wie der .iHliresteniperatiir und den Niederschlägen, bei gewissen periodischen
Veränderungen der Gewässerstande, beim Luftdruck, bei Stürmen etc. Des
Vorhandenseins einer kurzen, von der Sonnenrotation abhUngenden f2T-tägigen|
Periode, die sich in manchen Tempei‘alur!>eobachtungen und in den Polarlichloni
zeigen soll, gedenkt der Verfasser im 5. Abschnitte seines Buches. Mit einem
zusnmmenfassendcti allgemeinen Ueberblick des Ganzen schliefst er das Werk.
Die Darstelluni^art des Stoffes ist durchaus knapp und sachlich, nicht
blofs für den Fachmann berechnet, sondern auch für den wissenschaftlich ge-
bildeten Laien verständlich. Goldene Worte sind es, die der Verfasser in Be-
zug auf ra«*hrere modernste Periodeneiitdeckuiigon (Falb, Zenger) äufserl: ich
will hoffen, dafs seine Worte auf guten Boden fallen und manchem zur Ein-
sicht verhelfen über die Grundbedingungen wissenschaftlicher Arbeit.
F. K. Oinzel.
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Frl. E. K. in H. (zu^rleicb auch llemi W, H. in B.). Mit grofseui Ver-
gnügcn beantworten wir einer so aufmerksamen, denkenden Leaerin ihre aelir
sachgemärsen Fragen.
Zu dem Ende sei zur allgemeinen Aufklärung über die Kigenbowegung
der Sonne vnrauageschickk dafs die letztere zugleich mit dem ganzen System
erfolgt, ihre Richtung und ihre Gröfse aber nur ganz ungefähr ermittelt worden
konnte. Diese Eigenbewegung theilt unser Sonnensystem mit den übrigen
Sternen am Himmel. Alles bewegt sich dort und zwar, soweit wir bisher über-
sehen können, in ganz geradlinigen Bahnen mit gleichförmiger Oescliwindig-
keit. Was w’ir also für die Eigenbewegung der Fixsterne halten, ist im Grunde
nur ein Gemisch dieser wirklichen eigenen Bewegung des Sternes mit der
eigenen Bewegung unseres Sonnensystems, durch welche der Ort des Sternes
nur scheinbar verrückt winl. Oie Gröfsen beider Bew'egungen können wir
leider nicht von einander trennen, weil wir einerseits die unserer Sonne nicht
genau kennen und andrerseits auch nicht die Entfernung dos betreffenden Fix-
sternes, da, wie unmittelbar einzusehen ist, die Abspiegelung der Bewegung
des Sonnensystems eino um so kleinere Gröfse wird, je weiter der Stern ent-
fernt ist, an dessen scheinbarer VeiTÜi'kung wir diese eigene Bewegung zu
konstatiren versuchen. Die Lage, in weicher wir uns diesem Problem gegen-
über befinden, ist etwa durch folgenden Vorgleich veranschaulicht: .Stellen
Sie sich vor, wir befänden uns auf einem Schiffe, das in finsterer Xacht auf
offenem Ozean seine Strafse zieht, ohne dafs wir über die Richtung oder die
Geschwindigkeit des Schiffes irgend etwas wissen. Uebor uns. sagen wir in
einem Luftballon, der gleichfalls mit unbekannter Geschwindigkeit und Rich-
tung sich fortbewegl, befindet sich ein Licht, das wir beobachten. Es ist dann
wohl anzunehmen, dafs sowohl der Ballon wie das Schiff eine Zeit lang ein**
geradlinig fortschreitende Bewegung besitzen. An den Masten <les Schiffes
hinaufvisirend, erkennen wir in der That, dafs der leuchtende Punkt über uns
nicht stille steht und wir können vielleicht auch mit einem Winkelinstrument
die scheinbare Bewegung des Lichtpunktes durch Abmessung geg<*n die un-
endlich weit entfernten Sterne des Himmels verfolgen; aber die wahre Be-
wegung wertlen wir hieraus niemals erkennen können. Denken wir uns nun
aber einmal die ganze Luft erfüllt von solchen Ballons, wovon jeder seinen eige-
nen Weg mit verschiedener Geschwindigkeit und in verschiedener Entfernung
von uns beschreibt, dann wird man aus dem GewitT der scheinbaren und wirk-
lichen Bewegungen doch bald ein gewi.sses Gesotz herausflndon, dessen Ursache
unsere eigene Bewegung ist. Wenn nämlich die Luftballons slillstUnden, so
würden sie ja infolge unserer eigenen Bewegung alle sich nach rückwärts zu
bewegen scheinen und zwar die über unsern Häuptern am schnellsten, wenn
auch wegen ihrer verechiedenen Entfernungen vei*schieden schnell, die vor uns
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SO'2
dem Horizonte niilicr8leh<*nd4*n lan^anuT. Du sich nun ulleidiiigs diese Lichler
in Wirklichkeit in allen luö^licheii Richtungen bewegen, .so wird dennoch die
rückschivitendc Bewegung gerade über uns besomlei's vorherrschen müssen
und hieraus kann man einen, wenn auch ziemlich vagen S(;hlufs übet die
Richtung unserer eigenen Bewegung machen.
Nun vertiitt das Schiff, auf welchem wir uns befimlen. aller nicht etw.i
die Stelle unseres Planeten oder auch nur der Sonne, sondern unseres ganzen
Sonnensystems. Denken wir uns die Sonne in der Mitte des Schiffes und wir
selbst laufen als Erde rings um dieselbe herum, so müsseu die Liclilor in den
Ballons über uns aufsor jener geradlinigen Bewegung auch uoch Kreise um
einen allerdings wieder infolge der Kigenbewegung forlschreitcMiden Punkt be-
schreiben, Kreise, welche wiederum nur die Abspiegelung unserer eigenen
Bewegung innerhalb des Stdiiffes sind. Da dic.so Kreise nun an allen Licht-
punkten über uns, zwar wegen ihrer verschiedenen Entfernung verschieden
grofs, doch in derselben Richtung und derselben Zeit ausgeführt zu beobachten
sind, so erkennen wir unmittelbar, dal's sie nur sclieinbare Bewegungen vor-
stellen und dafs nicht etwa alle, von einander doch ganz unabhängige Ballons
solche Kreise in gleichen Zeilabschnitteii durchlaufen. Da wir nun aber, ob-
gleich wir über die Bewegung unseres Schiffes nur sehr ungenaue Kenntnifs
besitzen, doch unsere eigene Bewegung auf dom Schiffe selbst um die .Sonne
herum sehr genau ausmessen können und andrerseits auch die sclieinbare
Kreisbewegung der Lichtpunkte über uns, abgesehen von der geradlinig fort-
schreitenden, so können wir aus der Gröfse der Alispiogelung dieser bekannten
Bewegung auf die Entfenumg schliefson, in welcher diese Abspiegelung er-
folgt. So wird also das Problem der Entfernungsmessung trotz der verwickelleu
Bewegungen theoretisch ganz genau zu lösen sein. Wir nelimen eben vou
der geradlinigen Bewegung, die eine Summe unbekannter Bewegungen ist.
.Vbstand und verfolgen nur die kreisnirmik^e, w-elcho uns für unsen* Zwecke
völlig genügt.
Verlag von UennaDO Paetol Io Berlin. — Druck von Wilbelm Grooau's Bucbdruckonl io Rerlio.
PUr (lla RedaeUon Tprantwortlicb: Dr. M. Wilfaelin Uojer in Berlin.
roberechUfrier Nachdruck aus den» Inhalt dieser ZeitechriR uoteraa^
l/ebersetsuofpirecbt Torbehalteo.
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Lothabweichungen in der Umgebung von Berlin.
Von Prof. Dr. A. Fiseber,
8«i'tioB»L-hef im Kdnlgl. PfTufsitrheo Otudütiacheu laatituL
Jj^nter der mathematischen Oberfläche der Erde verstehen wir
diejenige Oleichgewichtsfläche, welche aus der gemeinsamen
Wirkung der Anziehung aller Theile der Erdmasse und der
durch die Umdrehung der Erde um ihre Axe erzeugten Centrifugal-
kraft hervorgeht. Wäre die Erde vollständig mit W'asser bedeckt, so
würde die Oberfläche des Wassers zugleich auch die mathematische
der Erde sein. Da dies nun nicht der Fall ist, so denkt man sich
ein Netz von Kanälen über die Kontinente gelegt, welche als Fort-
setzung der Meeresoberfläche die Ozeane auf die mannigfachste Weise
untereinander verbinden und somit, wenn man von den Unregelmäfsig-
keiten der Wasserfläche absieht, die durch Ebbe und Fluth, Strömungen,
Winde u. s. w. verursacht werden, die mathematische Erdoberfläche
darstellen.
Nimmt man nun an, dafs der Erdkörper entweder überall gleicho
Dichtigkeit habe oder dafs dieselbe von der Oberfläche nach dem Mittel-
punkte hin nach einem bestimmten Gesetze zu- oder abnehme, so haben
bereits Huyghens und Newton aus theoretischen Gründen nachgewiesen,
dafs die mathematische Oberfläche ein Sphäroid oder abgeplattetes
Umdrehungse Ilipsoid sein müsse.
Nun wissen wir aber, dafs diese Voraussetzung zwar für den
flüssigen Erdkern, Jedoch nicht für die erstarrte Erdkruste gelten kann,
auf welcher nicht allein durch den Gegensatz zwischen Meer und
Festland grofse Dichtigkeitsunterschiede stattfinden, sondern wo auch
Hiaimel und Erdn. II. 7. 20
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304
auf den Kontinenleii selbst durch die Massive gewaltiger Oebirgsstöokc'
und Hochländer gegenüber weiten ausgedehnten Tiefebenen, sowie
durch die Lagerung von Massen der verschiedensten Dichten neben-,
über- und durcheinander in der Erdkruste die Dichtigkeitsverhältnisse
eine fortwährende Aenderung erleiden. Aus diesem Grunde wird dem-
uach die mathematische Erdoberfläche nicht mehr eine einfache mathe-
inatiscbo Fläche, wie das Ellipsoid sein, sondern wegen der aiifser-
onientlich verschiedenen und mannigfaltigsten Dichtigkoitsänderungen
der Erdrinde gleichfalls eine komplicirte, durch einen einfachen
mal bematischen Ausdruck nicht mehr darstellbare Fläche bilden.
Obwohl Heinrich Bruns die nothwendigen Bedingungen, bezw.
Bef)bachtungen und Messungen angegeben hat, um diese verwickelte,
wirklich statlfindende mathematische Oberfläche unmittelbar zu be-
stimmen, so bieten sich der Ausführung dieser Erfordernisse, aufser
ilem Aufwand an Arbeit, Zeit und Kosten, welche wohl durch die
Gesellschaft für internationale Erdmessung bewältigt werden könnten,
auch noch tlieoretische Schwierigkeiten dar, da es der Wissenschaft
bis jetzt noch nicht gelungen ist, die Gesetze der terrestrischen Strahlen-
brechung so zu erforschen und festzustellon, dafs man die Beträge
derselben und deren Abhängigkeit von atmosphärischen Zuständen
bei trigonometrischen Hohonmessungen in Kechnung ziehen könnte.
Man kommt daher schneller, einfacher und sicherer zum Ziele,
wenn man die Erde als Uradrehungsellipsoid annimmt, aus geodätischen
Messungen dessen wahrscheinlichste Gröfse und Gestalt ermittelt und
dann die .Abweichungen der wirklich stattfindendon mathematischen
Enioberfläche von diesem Ellipsoid bestimmt, was möglich ist. Es ist
dies Verfahren um so mehr gestattet, als erfahrungsraäfsig die Unter-
schiede beider Flächen nur geringe sind.
Wir haben daher zwei tnathematische Enioberflächen zu unter-
scheiden; nämlich die ideale, bei welcher überall eine gleichmäfsige
Zunahme der Dichte von der Oberfläche bis zum Mittelpunkt ange-
nommen wird, die sich durch einen einfachen mathematischen Ausdruck
deliniren läfst und die wir Ellipsoid nennen; dann aber die reale,
welche den stattfindenden Dichtigkeitsschwankungen entspricht und
die von Listing den Namen Geoid erhalten hat. Das Ellipsoid schmiegt
sich im allgemeinen dem Geoid an, so dafs letzteres das erstere bald
berührt, bald koncentrisch mit ihm läuft, bald dasselbe schneidet, so
dafs es je nach der Variation der Dichte der Erdkruste einmal über,
das anderemal unter dem Ellipsoid liegt. Beide Flächen sind Gleich-
gewichts- oder Niveauflächen d. h. Flächen, welche in jedem ihrer
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Punkte senkrecht zur Richtung der Schwere oder des Lothes stehen.
Daraus folgt, dafs, wenn das Ellipsoid von dem (ieoid in einom Punkto
herülirt wird, die geoidische und ellipsoidisohe Schwererichtung oder
die Lothe beider Flächen au diesem Punkto zusammenfalten inUssen.
Dasselbe wird der Fall sein, wenn beide Flächen koncentrisoh laufen,
da sie dann als parallele Flächen zu betrachten sind. Sobald sich
aber beide Flächen schneiden oder einen Winkel mit einander bilden,
fallen auch die Lothe nicht mehr zusammen, sondern bilden (dienfalls
einen Winkel, dessen Gröfse der Wirkung der an diesem Orte statt-
findenden Dichtigkeitsverhällnisse der Erdrinde entsprechen wird.
Dieser Winkel zwischen den beiden Sohwererichtungen oder Lothen
wird nun Lo thab weich ung, Lothablen kung oder Lothstürung
genannt und giebt uns die Mittel in die Hand, die Lage des Oeoids
zum Ellipsoid zu bestimmen und in Bezug auf die gröfsere oder ge-
ringere Dichte der Erdkruste der betreffenden Gegend oder über die
Dichte der störenden Masse Schlüsse zu ziehen. Wir verstehen daher
unter der störenden Masse diejenige Masse, deren Dichte von der
mittleren Dichte der Erdoberfläche abweicht, und infolge dessen die
.Abweichungen zwischen Ellipsoid und Geoid bewirkt oder die Loth-
störungen verursacht.
Man unterscheidet nun allgemeine und lokale Lothstörungen.
je nachdem grofse, weite Gebiete der Erdoberfläche gemeinsam unter
der Wirkung von räumlich sehr ausgedehnten Dichtigkeitsverschieden-
heiten der Erdrinde stehen, wie sie z. H. zwischen Meer und Festland,
Tafelländern und Tiefebenen stattflnden, oder je nachdem sich die Loth-
störungen nur über ein kleines, begrenztes .Areal erstrecken, hervor-
gebracht durch die unregelmäfsige Dichte sichtbarer Massen, wie z. H
von Gebirgen und Höhlen oder durch unterirdische Masscnlagerungen
von gröfserer oder geringerer Dichte, wie z. B. durch Erz-, Kohlen-, .Salz-
lager u. a., auf deren Vorhandensein man häufig erst durch die er-
mittelten Lothabweichungen hingewiesen wird. .Man spricht daher von
<len allgemeinen fjOthabweichungen Europas, dagegen von den lokalen
Ixtthstörungen im Harz oder in der Umgegend von Moskau.
Alle Beobachtungen und Messungen, seien sie nun zur Bestimmung
der Gröfse und Figur der Erde oder zur Ermittelung bestimmter geo-
dätischer Aufgaben und Untersuchungen angestollt, beziehen sich auf
das Geoid; dagegen legen wir für alle aus denselben hergeleileten
roohnerischon Operationen auf der Erdoberfläche die einfache Fläche
des Ellipsoids zu Grunde. Kurz ausgedrückt heifst dies: Auf dem
Geoid wird beobachtet, auf dem Ellipsoid winl gerechnet. Daraus folgt.
•>ir
(Jafs diejenigen üröfsen, welche man wie die geographische Breite oder
Polhöhe, die geographische lünge und das Azimut (d. h. derjenige
Winkel, den die Richtung nach Punkt B im Punkte A mit dem Meridian
des letzteren macht) einmal direkt und unmittelbar durch astrono-
mische Messungen erhalten, also auf dem Geoid bestimmen, das anderemal
aber auf dem EHlipsoid rechnerisch ermitteln kann, uns in den Stand
setzen werden, die Abweichungen beider Flächen oder die Lothab-
weichungen aufzufinden. Hierbei ist zu bemerken, dafs man das
Kllipsoid immer als die ungestörte, das Geoid aber als die gestörte
Fläche betrachtet.
Denken wir uns nämlich das Ijoth eines Ortes nach oben bis
zur Himmelskugel verlängert, so trifft es dieselbe in einem PunkU-
den wir den Scheitelpunkt oder das Zenith nennen. Sobald nun Loth-
slörung vorhanden ist, schneiden sich beide laithe im Erdort, und wir
erhalten durch die Verlängerung der Lothe zwei Zenithpunkte: das
ellipsoidische oder ungestörte, und das geoidische oder das gestörte
Zenith. Es ist demnach die Störung des Zenitlis der Störung der
Schwererichtung diametral entgegengesetzt. Wird daher das Loth
durch die störende Masse z. B. nach Süden abgelenkt, so weicht
ilas gestörte Zenith um denselben Winkel nach Norden ab.
Kennt man daher das Azimut der Richtung des gestörten ini
ungestörten Zenith und die Entfernung beider Scheitelpunkte, so kann
man sich die Lothabweichung im betreffenden Erdort graphisch ver-
sinnbildlichen, wenn man die T>age des gestörten Zeniths gegen das
ungestörte auf einer Karte nach den eben genannten Gröfsen ein-
zeichnet. Da bei Untersuchung lokaler Lothstörungen immer mehrere
Stationen in Betracht kommen, so wird man aus den Richtungen
<ler gestörtf-n Zenithe ersehen können, ob die Lothstörungen von einer
Masse von grösserer oder geringerer Dichte als der mittleren der Erd-
kruste verursacht werden. Strahlen nämlich die Richtungen des ge-
störten Zeniths nach einem Punkte hin oder konvergiren sie, so gehen
die gestörten Lothe auseinander. Die störende Masse wird demnach
eine geringere Dichte besitzen, da sie die Izttlie von sich abstöfsl.
Strahlen sie dagegen von einem Punkte aus oder divergiren sie, so
werden die I.z)the von der störenden Masse angezogen, weshalb <iieselbe
demnach eine grössere Dichte besitzen mufs.
Diese Gesamt - Lothstörung liifst sich allerdings für einen
Punkt direkt nicht bestimmen, aber man kann dieselbe in zwei Theil-
stürungen zerlegen, die in zwei aufeinander rechtwinklig stehenden
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307
Ebenen wirken, nünilioh in die Lothabweicliung im Meridian oder der
lireite, und in diejenige iin Parallel oder der Länge. Denn da wir
diese Grüfsen sowohl astronomisch oder geoidisch, als auch geodätisch
oder ellipsoidisch bestimmen können, so sind die Unterschiede beider
Hestiinmungeu zugleich die Lothstörmigen in Breite, bezw. in Länge,
woraus man alsdann Azimut und Entfernung des gestörten Zeniths, also
die Gesamtstörung dui-ch den Ausdruck findet:
tang a = cos und A = (-j’ — sec a = (f — Ij cos -s cosec a
wo a das Azimut und A die Entfernung des gestörten Zeniths, ausge-
drückt in Sekunden, P — 1 die Störung in Länge, o' — a die in Breite,
■3 die geodätische Polhöhe bedeutet. Die Differenzen 1' — 1 und -f' — -f
immer im Sinne „astronomischer weniger geodätischer Betrag“ gedacht.
Bekatintlich bestimmen wir die Gröfse und Figur des Erdellip-
soids aus Breiten- und Längengradmessungen. Boi ersteren verbinden
wir zwei Punkte, die in demselben Meridian, bei letzteren zwei,
die in demselben Parallel liegen, durch eine Dreieokskette mit ein-
ander. Nnchdetn wir nun eine Grundlinie otlor Basis unmittelbar ge-
messen haben, berechnen wir die lineare oder geodätische Blntfernung
beider Punkte. Den Winkelwerth der Entfernung bestimmen wir aber
aus der Differenz der astronomisch bestimmten Breiten, bezw. Längen
lieider Punkte. Zwei Qradmessungen sind nöthig, um Qröfse und Ge-
stalt des Bllipsoids zu ermitteln. Natürlich wird die Bestimmung eines
solchen, nur aus zwei Gradmessungen hergeleiteten Ellipsoids, eine sehr
unsichere sein. Man vereinigt daher mehrere und in verschiedenen
Ei-dgcgendeu vorgenommene .Messungen zu der Bestimmung des
wahrscheinlichsten Ellipsoids. Da uns dieses nun die Gestalt des un-
gestörten Erdkörpers darstellen soll, so ist klar, dafs, wenn auf einer
oder mehreren Gradmossuugsstationen Lothabweichungen vorhanden
sind, diese Störungen bei Bestimmung des Ellipsoids mitwirken und
das Kesultat verfälschen weiMen. -Man vortneidol daher gern, solche
gestörte Stationen zur Ableitung der Erdligur zu benutzen, oder man
sucht deren Lothstörungon zu ermitteln und in Rechnung zu ziehen.
Von vornherein weifs man aber nicht, ob oiueStatiou gestört ist oder nicht.
Obwohl man annehmoii kann, dafs die allgemeinen Lothstörungon
sich in der Breiten- oder lüngendifferenz gegenseitig zum gröfsten Theil
aufhebeu und zerstören werden, so bleiben doch die lokalen Loth-
abweichungen übrig, die erst durch besoudere Untorsuohungou foslzu-
stellen sind. Deshalb hat die erste allgemeine Conferenz der Mittel-
europäischen Gradmessung, welche im Oktober 1864 zu Berlin tagte.
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308
lioschloBsen, dafs die Unigebunff der astronomischen Hauptpunkte einer
(iradmessung in Bezug auf I^thabweieliungen untersucht werden solle.
Um diesem Verlangen nachzukonimen, ordnete der Direktor des
(teodiilischen Instituts, Herr Professor Helmert, an, dafs auch die
Umgebung des trigonometrischen und aslronomisehen Hauptpunkts
Hauenberg, des Ausgangspunktes für die Berechnung der geogra-
phischen Breiten und langen der deutschen Generalstabskarte einer
Untersuchung auf lokale Lothstörungen unterzogen würde. Dieser Punkt
liegt nahezu 8 Kilometer südlich von Berlin auf einer kleinen Anhöhe
des Gutes Marienhöhe, etwa 150 Meter nördlich der Chaussee von
Tempelbof nach I.,ankwitz.
Die für diese Aufgabe nöthigen Beobachtungen wunlen in den
.'Sommermonaten von 1888 und 1887 angestellt, und sind dieselben mit
den daraus folgenden Ergebnissen in <ier Veröffentlichung des Königl.
treodätischen Instituts, unter dem Titel; „Lothabweichungen in der
Umgebung von Berlin“ niedergelegt worden.
Da die erhaltenen Resultate auch für das nicht fachwissenschaft-
liche Publikum manches Interessante haben dürften, so möge es ge-
stattet sein, dieselben durch diese Zeitschrift einem gröfseren Lese-
kreise in Kürze bekannt zu geben.
(Rclilufs folgt)
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Die Californischen Erdbeben 1850-88 in ihrer Beziehung
zu den Finsternissen.
Von F. K. Ginzel,
Astronom am Rocheuinstitut (irr Königl. Sternwarte in Berlin.
(Schlufs.)
) 8 mag noch ein Interesse für den Leser haben, diejenigen Krd-
y'-t. beben des Holdenschen Kataloges mit den gleichzeitigen Fluth-
'' konstellationeu zu vergleichen, welche nicht mit Sonnen- und
Xlondflnstemissen zusammengefallon sind. Ich hebe aus diesen ( bereits
in dieser Zeitschrift, im Oktoberheft 1889, S. 55 mitgetheilten) Heben die-
jenigen heraus, welche zwischen 1860 — 88 namentlich in Californien
beobachtet worden sind. Neben die Erdbobenmeldung ist die Fluth-
koustellation gestellt; wo aufser den Angaben über ,.Aequatorstand"
und „Perigäum“ keine Bemerkung über Neu- oder Vollmond gemaclii
ist, tritt in der Nähe des betreffenden Tages kein Neu- oder Vollmond
ein. Es folgen zuerst die
stärkeren Stö fse in Cal i fornion, die nicht mit Finsternissen
zusammengefallen sind.
1851 Mai t.5. Beben [— Äq. II. P. l.V Voll.-M.)
18.')- Nov. 9. Heftiger Stofs Koi-t Yuma [8. Äq. 11. P.]
18.')8 Feb. I. . , San Simeon, Gobäudrbesebädig. |— Aq. i. P.]
- Okt 23. Mehrere sehr heftige Stöfse Humboldtbay. [ - Aq. 21. .\.]
18,5.') Jan. 24. Heftiger St. ziemli< h verbreitet (— Äq. — P.|
„ Juli 10. Heftige Stöfse Lo.s ,\ngoles, Pt. San Juan (— .\(| — P. 14. Neii-.M.|
18.50 Jan. 2. u. 10. Zwei ziemlich heftige Stöfse Catiforn. (— Aq, — P„ resp. —
Äq. 10 P.]
18,58 Nov. 26. Sehr heftiges Beben mit schweren Beschiidigungen in S. Francisco,
S. Josö. [— Äq. 22. P. .5 Tage nach dem Vollinondl)
1861 Juli 3. Durch einige Tage schärfere Stöfse S. Francisco [— Aq. 1. A.)
1864 März 6. Beträchtlicher Stofs S. Francisco, S. Josö, .Stockten, Santa Cruz.
(— Äq. 7. P. 8. Neu-M.)
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310
186-5 Mai 24. Scharfer Stofs S. Francisco. S. Juan. S. Cruz. [ — Äq, 23, P. 24. Neu-M.]
IS66 Feb. 17. Der Lauf des Klamathflufe g^estört. [17. Äq. 18. P. 15. Neu-M.J
1868 Im Gebiete des Kem-River vom 3.— 28. Sept. mehrfache Brdl»eben.
1869 Oct- 7. u, 8. Mehrere starke Stöfse Californ. [ — Äq. 5. P. 5, Neu-M.]
- Dez. 26. Reihe von Stöfsen Sacramento. Stocktoii, Marysville u. a. O*
[26. Äq. 27. P.)
188T» Jan. 30. Anzahl Stbfse Susanville. Lossen- und Sierra Countj. [ — Äq. 29. P*
30. VoU-M.)
Ferner folgen noch
die sehr grofsen und schweren Erdbeben Californiens
zwischen 1850—1888.
1837 Jan. 9. Schwer in Fort Tejoii, zei-stdrend in S. Francisco, San Die^o-Bue-
naventura u. v. a. O. [ — Äq. — P. 10. Voll.M.]
1865 Oct 8. Zusanimenhän^nd mit der Eruption des .Mount Hood. Siehe
ad '•) »•). S. 259.
1867 Jan. 8. Schreckliches Erdbeben Fort Klamath (Oregon). [ — Äq. — 1*. 6.
Neumond.)
1868 Oct. 21. Das gi-tifste Erdbeben C'aUforiiiens; daselbst in den meisten Orten
zerstörend und überaus heftig. [— Äq. — P. Weder Neu- noch Voll-
mond, u. am 25. Mond in der Erdferne.] Mit Nachwirkungen am 22., 23.,
2.J., 26., 27., 30., .81. Oktober und Beben in gröfseren Intervallen im Nov.,
Dez. bis Januar 1869.
1872 .März 26, Grofses Beben im Inyo County mit grofsem Verbreitungsgebiet;
heftig«' und grofee Zerstörungen; Unzahl Stöfse. Nachzügler bis tief in
den April hinein. [25 Äq. — P. VollM. 2.5.J Vorher waren Stöfse am
17., 18.. 23.. 2.5. März.
Stellen wir noch die Resultate zusammen. Zunächst ergeben sich
unter den 41 früher aufgeführten Beziehungen von Erdbeben zu Finster-
nissen 28 Fälle, wo die betreffenden Sonnen- oder Mondfinsternisse
von einigen Erdstöfsen oder einem scharfen Stöfse gefolgt waren oder
letztere ihnen vorausgingen. Es tratmi ein
.3 Fülle bei SonnenfinsternisHen.
8 « Sonnonfliis!., Acquatorstand u. Perigäum,
kein Fall .. .Soiiuenfinst. und Aequatorstand.
6 Fälh* . Sonnenünst. und Perigäum.
•5 . Sonnenfiiist. und Apogäum,
2 - , Mondfinsternissen,
8 .. .. MondÜnst., AotjuatoisUnd u. Perigäum,
1 Fall .Mundfinst. und Ae<|uatorstam1,
2 Fälle . MondliiiHt. uml Perigäum.
3 .. • Mondfinst. und Apogäum.
2H.
l^ntcr den als stai-ka Beben bezeichneten 16 Fällen (1868 ans-
i(edclilus8en), von denen keiner mit einer Finsternifs zusammenSel.
fanden sich
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311
ä Fälle bei Aequatorstand und {*eri}^äum,
1 Fall . Aequatoratand, Perigäum und Neumond
kein Fall . Ae<]uato»tand,
2 Fälle . Perigäum und Vollmond.
.1 . . Perigäum und Neumond.
2 - - Perigäum.
2 . . Apogäum,
2-3 „ unabhängig von Fluthkonetellatlonen.
Von den 6 sehr schweren zerstörenden Erdheben fand eines
bei Neumond, 2 bei Vollmond (ohne Verbindung mit weiteren Fluth-
faktoren), eines unabhängig von jeder Konstellation und eines als Folge
einer vulkanischen Eruption statt.
Wenn also diej Erdbeben der lloldenschen Reihe so unbeküm-
mert um die Finsternisse (41 Fälle gegen 153 Finsternisse) statthatten
und zwar die schärferen Stöfse eben so häufig bei Mondnahe wie bei
Mondferne, wie ohne besondere Rücksicht auf die verstärkenden
Fluthfaktoren, wenn ferner die starken und die schweren Beben gar
ohne jede Beziehung zum III. und VII. Fluthfaktor (Finsternisse) und
zu anderen Konstellationen sich ereigneten, so spricht das wahrhaftig herz-
lich wenig rürj die Falb sehe Fluththeorie.') Und doch soll der Eiii-
fiufs des Mondes auf die Häufigkeit und Stärke der Erdbeben „so
deutlich in der Statistik ausgesprochen" sein, dafs „nur Unkenntnifs
der Thatsaohen Zweifel darüber erzeugen kann." (!) (Fa 1 b, Urawälz. im
Weltall 221.)
Nun tnufs ich dem Li-ser ein Heständnifs machen, das ihm ein
wenig unerwartet kommen wird: ich halte nämlich diese meine eigene
bisherige Untereuchung der lloldenschen Erdbebenroihe in Bezug
auf deren Abhängigkeit von Finsternissen selber nicht für sehr wissen-
schaftlich, obwohl ich dabei immer noch wissenschaftlicher Vorfahren
bin, als Herr Falb in seinen Büchern. Warum sollte es nämlich nicht
gestattet sein, ganz nach Falbsohem Vorbilde solche Statistik ohne
wissenschaftliche Diskussion und Kritik zu treiben; wird eine solche
Methode dem Begründer einer grofsen Theorie nicht verübelt und
findet er damit genug Gläubige, so darf doch einmal auch ein
Ich könne* hier noch hin/.ufügen, <lafs sich speziell unter jenen 120
historischen Sonnen- und Mondfln.sterni.'tsen, die ich behufs gewisser Aufgaben
seinerzeit sehr eingehend beziiglirh der ihnen zu (trundo liegenden geschicht-
lichen iterichte habe untersuchen müssen (m. s. Dezember- u. Januai'heft des
I. .Tshrg. dieser Zeitschrift), nur etwa 8 Fälle vorfinden, wo von den Chronisten
gleichzeitig mit den Finsternissen von eingelretcnen Erdbeben Meldung
gemacht wird.
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Sternwarten-Assislent sich wr der Haarspalterei methodischer Behaud-
lungsart seitwärts in die Büsche schlagen. In welcher Weise werden
wir (zum xten Male schon) darüber belehrt, dafs die h luththeorie
richtig ist? Folgendormarsen: Wenn ein besonderer kritischer Tag
vorüber ist, werden sämtliche Arten von Wettersturz, die Erdbeben
u. 8. f.. die sich mehrere Tage vor und nach der kritischen Epoche,
gleichviel wo, ereignet haben, zusaminengestelll und als Beweis aus-
gegeben. üafs es aber ein nur wenige Quadratraeilen umfassendes
Gebiet war, ein winziges ‘Fleckchen Europas, wo eine solche Störung
vorkam, dafs ungeheure Gebiete der Erde, gegen die jenes Fleckchen
verschwinden würde, an dentselben kritischen Tage ruhig geblieben
sind, dafs aber dafür an gar nicht kritischen Tagen sehr grofse Areale
der Erde gleichzeitig von bedeutemlen Störungen betroft'en wurden,
ohne dafs die drohenden Zeichen der Fluthkonstellationeu am Himmel
standen, wird wohlweislich verschwiegen oder nicht der Erwägung
Werth befunden. Ein richtiger Gläubiger der Fluththeorie nimmt eben
die Kämpen her, wo er sie lindet und ohne Rücksicht auf ihre
Tauglichkeit. Die quecksilberartige Beweglichkeit und Dehnbarkeit
der Theorie erlaubt es ja, fortwährend Beziehungen in den Epochen
des Mondumlaufes zu den Ereignissen anfzufinden. Nehmen wir, um
ein Beispiel zu geben, den März und April des Jahres 1872 vor. lu
beiden Monaten giebt es folgende Fluthfaktoren :
’J. März letztes Viert«*!,
I.
April I/olzt. V. u. Perig. *
<>. . Perigäum. *
7.
. Aequatoi'stand. *
y. , Neumond, *
8.
- Neumond, *
10. - Aequatoi*stand, *
l.i.
. Krat, V. u. Apogünm.
17. « FarHtea V'iertel,
■’l.
« Ac«pia!oi-8land. *
18. . Apogäum,
2;i.
- Vollmond, *
’Jö. - Voll-M. u. Ae«iu«tor8t.“
■J7.
. Perigäum. *
.‘iO.
„ Lf*Ut. Viciiel.
Da haben wir also gleich zehn kritische Tage [*) (wobei wir die
Mondviertel nicht als Fluthfaktoren mitnehmen), die nach Falb noch
jeder um mindestens zwei dehnbar sind, so dafs kaum der halbe März
und halbe April unkritisch bleiben. Natürlich bestätigt sich diese kri-
tische Zeit an den Ereignissen sofort; denn es gab folgende Erdbeben:
ti. Mäi-z in Deutschland.
11. ,
.Japan (zerstörend),
■2:t. ,
Nordamerika,
2ß. .
Califoniieii (». Seile 310),
Stadt Mexieo,
28. ,
Salzaeestadt,
;t. April .’Vntiochia (tchwerer Stof«),
14. ,
Qolüküste V. Afrika,
f». .
Vulkan Merapi (Jayai.
16.1
17. > .
iBlaml,
18.1
24. .
Vesuyeruption.
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:ti:j
Die noch offenen Plälzo kann man sogleich besetzen, wenn die
californisohen Erdbeben hinzngezogen werden : 18., 23., 25., 28., 2‘J. Mürz,
3^ 9., 10., 11., 12., 13., 18., 23., 28., 30. .\pril. Rechnet man noch alle
Enlstöfae hinzu, die in der gleichen Epoche an andern behenreichen
Gebieten der Ertle wahrscheinlich walirgenommen worden sind, so
bleibt zuletzt vom März und April 1872 kein Tag übrig, der nicht
■ beweiseir* könnte. N’un komme mir noch Einer und sage, die
Falbscho Theorie stimme nicht! Im Gegentheil. mein I.a?sor, sie
inufs immer stimmen, denn man wird, selbst wenn <las Zusammen-
treffen von nur zwei Fluthfaktoren als kritischer Tag betrachtet wird,
iiu Jahre immer eine Anzahl Tage finden, die sich mit Depressionen,
Erdbeben u. s. w. bequem in Verbindung bringen läfst. Der Leser
mögt“ zur I’robe die Erklärung iler meteorologischen Vorgänge, Erd-
beben und schlagenden Wetter, die sich im Laufe eines Monats an
verschiedenen Orten Europas abgespielt haben, mittelst der Fluthkon-
stellationen versuchen; er hat nur einen der 7 Falbschen Heiligen
(id est Fluthfaktoren) anzurufen und er wird einen dieser dienstbaren
Geister immer in der Nahe vorfinden.
Was folgt nun aus alldem? Ich habe im Vorhergehenden,
wie Herr Falb mit der Statistik für seine Theorie beweist, auf dem-
.selben Wege gegen seine Theorie bewiesen. Solche Beweisart, sagte
ich schon, ist überhaupt kein hinreichender Beweis. Es fehlt, um es
gleich in ein Wort zu fa.ssen, die wissenschaftliche Kritik darin.
Darüber wollte ich dem I.a)ser die ,\tigen öffnen. Was man unter
wissenschaftlich kritischer Behandlung eines gegebenen Beobachtungs-
materiales versteht, ist nicht leicht auseinanderzu.selzen, da es zu sehr
auf den vorgelegten Fall und das beabsichtigte Resultat ankommt.
.\ber es lüfst sich etwa dahin ausdriieken, dafs mau darunter die
irleichmarsige Betrachtung der Beobachtungen, sowohl der für eine
Theorie sprechenden, als auch der ihr widersprechenden, versteht,
dafs man dabei nach Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
verfahrt, die aus der Vergleichung von Theorie und Beobachtung-
liervorgehenden Fehler auf die ganze Beobachtungsreihe vertheill und
so aus dem Ganzen ein den mittleren Verhältnissen entsprechendes,
also ein zugleich der Wahrheit am nächsten kommendes Endergebnifs
zu erhalten sucht. Dieser Grundsatz ist gegenwärtig in der Astronomie
lind Meteorologie mit Rocht acccptirl, wo es gilt, hypothetische Vor-
aussetzungen mit Beobachtungen zu vergleichen und daraus Schlüsse
liir die Erkenntnifs von Naturge.setzen zu ziehen. So kann die Nicht-
beachtung dieses Verfahrens unter Umständen z. B. bei der Ermittlung
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der Bahn eines Kometen, ein sehr von der Wahrheit abweichendes,
wenn nicht ganz falsches Resultat ergeben. Welcher Wirrwarr würde
in der meteorologischen Forschung hervorgerufen werden, wenn man
die kritische Behandlung der Beobachtungen bei Seite setzen wollte.
Diese Bemerkungen mögen nur darauf hinweisen, in welche Sackgassen
lutd Irrwege man mit blofson statistischen Aufstellungen, ohne deren
wissenschafllicho Diskussion, bei der l’ntersuchung von Naturerschei-
nungen gerathen kann und namentlich das Aufsuoheu von Perioden,
d. h. von gesetzmäfsig wiederkehrenden, auf ein und dieselbe Grund-
ursache deutenden Fällen, ist mit vieler Gefahr verbunden. 15s ist
ganz ungerechtfertigt, in dieser Weise Wetter- und Krdbeben-Statislik
zu treiben und auf einige Scheini-esultate ein ,Prophetenthum zu
gründen. ')
Diese vorhin erwähnte kritische Behandlung raufs also auch bei
der Frage des Einflusses der Mondkonstellationetr auf Erdbeben verlangt
werden. Dos Pudels Kern bei der ganzen Sache hegt nicht, wie das
Publikum oft meint, in dem Eintreffen oder Nichteintreffen der Fal bsohen
Prophezeihungen, sondern in dem gänzlichen Mangel eines wissenschaft-
lich geführten Beweises auf Grund wirklich ausreichenden Beobachtungs-
materials. Einen so gestalteten Nachweis haben wohl nicht die Gegner
der Falbschen Theorie zu liefern, sondern er fällt dem Begründer
dieser Theorie selber zu. Es ist dabei noch die Frage, ob die Beob-
aohtimgen der Erdbeben zu solch’ einer Untersuchung derzeit schon
ausroichen. Denn es wäre von besonderer Wichtigkeit, dafs diese
Beobachtungen systematisch gemacht worden sind, also der Zeitfolge
nach möglichst wenige Lücken haben. Die älteren Reihen von Perrey
u. A. sind in dieser Hinsicht alle viel zu lückenhaft. Erst die neueren,
an sei smographischen Instrumenten gemachten Aufzeiolmungen dürften
allmählich ein geeignetes Material repräsentiren. Ob die japanische
Bebungsreihe (s. Novemberhoft S. 109) schon zureicht, würde ein
näheres Eingehen auf dieselbe lehren. Derzeit stehen wir mit solchem
Material erst am Anfänge. DieProphezeihungeu werden zur Vermehrung
') Jener Thoil der Tagesprosso , der die «kritischen Tage“ verbreiten
liilfl (in der Nebenabsicht, dieselben als Sensationsrutter vor den Lesern aus-
zustreuen) angeblich, damit das Publikum sich seine eigene Ansicht bUden
könne, dürfte diese Politik kaum überlegt haben. Das Pnbliknm kann sich
gar nicht eine Ansicht bilden, denn es müfste dazu jeder Zeitungsleser erstens
bei jedem vorkommonden Falle über das gesamte nothwendige meteorologische
und seismische Beobachtungsmaterial verfügen, und zweitens müfste jeder
wissenschaftlich hinreichend gpeschult sein, um die Dinge richtig zu unter-
scheiden und daran Kritik üben zu können.
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;ii5
«ler Beobachtungen wenig nützen, da die schwächeren Erdbeben der
Allgemeinheit zu sehr entgehen; es bleibt nur derselbe rationelle
Weg, den die Meteorologie unseres .lahrhunderts gegangen ist: die
möglichste Vermehrung der Erdbebeninstrumente und die Organisation
ausgedehnter Beobachtungsnetze in bebenreichen Bezirken. Nament-
lich betreffs der mikroseismischen Beben, d. h. den sehr schwachen
und sehr h.Hufigen Erschütterungen eines und desselben beben reichen
Gebietes (Japan, Californien, Centralamerika u. s. w.) darf man die
Hoffnung hegen, dafs es bei der richtigen Behandlung gerade solcher
Reihen am ehesten gelingen wird, die Ursachen der Erdbeben auf-
zudecken. Für die Theorie der Fluthkonstellationen müssen diese
Reihen, da sich in ihnen der etwaige Mondeinflufs klarer aussprechen
inufs, entscheidend sein. Sollte die Erscheinung der Erdbeben that-
sächlich an kosmische Ursachen geknüpft, also periodischer Natur
sein, so müfsten sich, wie Prof. H. Fritz sehr richtig bemerkt, , täg-
liche, jährliche Sonnenperioden, Perioden des Mondumlaufes, seines
Breitenwechsels, wie die Bewegung seines Perigäums und Apogäums
und des Umlaufs der Mondknoten, welche die 18,6jährige Nutations-
periode der Erdaxe erzeugen, in den Erscheinungen ahspiegeln.“ Der-
zeit aber ist es noch viel zu frühe, auf den schwankenden Gründen
unzureichender Erfahrungen schon Schlüsse auszu.sprechen.
Die Frage des Mondeinflusses auf Erdbeben soll hier gamicht
geleugnet werden; ja dieser Einflufs wäre, im Falle die Lohre von
einem flüfsigen Erdinnern richtig ist, wahrscheinlich, obgleich dieser
Einflufs sich noch geringer hcrausstelleu und für Erdbebenvorhei -
sagungen unbrauchbarer sein wird, als es die ohnehin verschwindend
kleinen Ueberschüsse sind, die man aus der Mondwirkung auf das im
Vergleich zum Erdinnern viel beweglichere Element des Luflmeeres
(Druck, Bewölkung, Gewitter u. s. w.) hat finden können. Unsere
Opposition richtet sich erst in zweiter Hinsicht gegen die Sache, in
erster Linie aber gegen die Art, wie die Falb sehe Theorie das An-
sehen von Wissenschaftlichkeit annehmen und in der Oeffentliohkeit
das Feld dominiren will. Dieser Weg mag vielleicht ganz dazu ge-
schaffen sein, das Publikum für sich einzunehmen; vor der Wissen-
schaft aber ist dieser Weg (so paradox es klingen mag) ein falscher,
selbst wenn die Theorie richtig wäre.
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lieber Kometen imd Sternschnuppen.
Vortrag, gehalten in der physikaliscli-ökonomisohen Oesellschafl in
Königsberg.
Von Prot C. P. W. Peters,
Dir»ctor der Kffl. Stemwerte xu Kdoigaberic.
^'^^nter den Himmelsersoheinungon giobt es eine Anzahl, welche
, - . zu allen Zeiten und bei allen Völkern, auf welcher Kulturstufe
dieselben auch gestanden haben, stets das allergröfste Aufsehen
erregten und auch noch bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft den
Beobachtern manches unerklärte Phänomen darbieten. Zu diesen Er-
scheinungen gehören namentlich die totalen Sonnenfinsternisse, ferner
das plötzliche Aufleuchten heller Sterne, stärkere Sternschnuppenfälle
und grofse Kometen. Dieses Aufsehen ist ein verschiedenartiges bei
civilisirten und uncivilisirten Menschen, und während den ersteren
durch bisher unerklärte Erscheinungen Anlafs gegeben wird zu Unter-
suchungen über die Ursachen, welche sie hervorbringen, wird bei den
Völkern einer geringeren Kulturstufe darin das Walten höherer Mächte.
Zeichen und Wunder gesehen, die irgend welche böse oder gute Vor-
bedeutung für die Geschicke der Menschen haben. So wird über das
Faktum des Eintretens von Sonnen- und Mondfinsternissen sich jetzt
kein halbwegs gebildeter Mensch mehr aufregen, wir können uns aber
nicht darüber wundern, dafs in alten Zeiten, so lange die Ursachen der
Finsternisse nicht bekannt waren, und noch jetzt bei wilden Völker-
schaften, durch Sonnen- und Mondfinsternisse Furcht und Schrecken
entsteht Es liegt eben in der menschlichen Natur, sich bei auffallen-
den, unerklärlichen Naturereignissen zu ängstigen, darin Vorbedeu-
tungen, meist bevorstehender schlimmer Ereignisse zu suchen, und da
ja zu allen Zeiten dieses oder jenes Ueble vorfällt, das unangenehme
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Kometen -Landschaft. Originalzeichnung von Wilhelm
;ii7
Breignifs mit der scheinbar schlimmen Vorbedeutung in Verbindung
zu setzen. Und da bei den Himmelsersoheinungen zu allen Zeiten
viele unerklärbare Voi^änge stattfanden, so bat sieb ja auch Zufällen
Zeiten der Aberglaube ihrer bemächtigt, und seit Jahrtausenden bis
in die neueste Zeit hinein hat es Leute gegeben, die aus Erscheinungen
am Himmel auf gleichzeitige oder zukünftige Ereignisse auf der Erde
geschlossen haben. Zu solchen Schlüssen taugen nun otfenbar nur
diejenigen Himmelserscheinungen, deren Ursachen nicht bekannt sind,
oder vielmehr die, welche man selbst nicht Vorhersagen kann. Die
Bewegung der Sonne und des Mondes, deren Regolmäfsigkeit schon
in frühen Zeiten erkannt wurde und deren Gesetze schon seit Hipparoh
im zweiten Jahrhundert vor Christus so genau erkannt waren, dafs der
Ort jedes der beiden Gestirne auf lange Zeit im voraus für jeden Tag
angegeben werden konnte, haben weit weniger zu astrologischen
Zwecken gedient als zum Beispiel die scheinbar verschlungenen und
keinen einfachen Gesetzen folgenden Bewegungen der Planeten. Und
es war auch in der That keine andere Erscheinung am Himmel so
geeignet zu astrologischen Studien wie diese Bewegungen. Das Auf-
leuchten eines neuen Fixsterns, das Erscheinen grofser Kometen waren
zwar weit auffallendere Phänomene, als der ruhige Gang der Planeten,
aber dafür war der eine oder andere dieser letzteren allnächtlich zu
sehen, und vor der Entdeckung der Kopernikanischen und Keplerschen
Gesetze waren ihre Bewegungen scheinbar so willkürlich, so wenig
bestimmten Gesetzen unterworfen, dafs der Gedanke wohl entschuldbar
ist, sie seien iin Zusammenhang mit den ebenfalls dem Zufälle und
keinen erkennbaren Gesetzen unterworfenen Schicksalen der Menschen.
Denn selbst derjenige unter den Astronomen des Alterthums, welcher
sich am meisten Mühe gab, Gesetze für die Plaiietenbewegungen zu
finden, Ptolemäus, kam hei seiner Aufstellung der Theorie der epi-
cyklischen Bewegung der Planeten auf so zusammengesetzte Räder-
werke, welche ihren I^uf allein erklären konnten, dafs ihm sein System
schliefslich selbst unwahrscheinlich erschien. Und so wenig war er
überzeugt davon, dafs in ursprünglich einfachen Gesetzen die Trieb-
federn der komplizirten Bewegungen zu suchen seien, dafs auch er
auf den Irrweg der Astrologie gerieth. Diese trügerische Wissenschaft
konnte erst nach den Zeiten eines Kopernikus, Kepler und New'ton
fallen; erst dann hatte die Astrologie jede Berechtigung verloren, als
es nicht mehr uüthig war nach dem Himmel zu sehen, um den Stand
der Planeten zu wissen, sondern mau sich ihren Stand für jetle Zeit
nach bekannten einfachen Gesetzen berechnen konnte.
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Es bleiben indessen immer noch manche Phänomene am Himmel,
welche nicht vorhergesagl werden können und ganz unerwartet ein-
ireten. Zu diesen gehört vor allem das Erscheinen grofser Kometen,
ilie schon deswegen jederzeit das Aufsehen der Menschen erregt
haben, weil sie sieh durch ihre Gestalt so auffällig von allen anderen
H imroelskörpcrn iinlerscheiden.
Die schwachen, sogenannten teleskopischen Kometen, welche nur
mit Hilfe lichtstarker Fernrohre erkannt werden können, zeichnen
sich allerdings nur wenig vor einer gewissen Art von anderen Ge-
stirnen, den Nebelflecken aus, und sind von ihnen meist nur da-
ilurch zu unterscheiden, dafs sie ihren Ort am Himmel verändern,
während die Nebelflecke so| wie die Fixsterne feststehen. Ein solcher
Komet erscheint meistens als matt leuchtende elliptische Scheibe, in
der Mitte wenig heller als am Rande. Kommt der Komet nun in
seiner Bahn der Sonne und der Erde näher, so verändert sich sein
Aussehen. Eine Partie, meist nicht in der Mitte, sondern mehr nach
einem Ende zu gelegen, verdichtet sich und bildet den sogenannten
K ern des Kometen, bei noch gröfserer Annäherung erscheint an der
dem Kern gegenüberliegenden Seite eine schweifartige Verlängerung,
welche allmählich, je mehr der Komet sich der Sonne und der Erde
näheid, gröfser und gröfser wird, und unter Umständen ganz aufser-
ordentliche Dimensionen annehmen kann, wovon wir in den iletzten
.Jahrzehnten mehrfache Beispiele gesehen haben.
Die Länge des Schweifes ist mitunter ungemein bedeutend, sie
betrug z. B. bei dem Kometen vom Jahre 1861 über 100 Grad. Aber
nicht immer sind die Kometen von so langer Schweiläusdehnung zu-
gleich die hellsten; so war z. B. der Donatische Komet vom Jahre
18B8 uicht so grofs wie der ihm nach 3 Jahren folgende, aber be-
trächtlich heller. Ueberhaupt sind die Erscheinungen der Kometen
sehr verschieden. Mehrfach sind Kometen erschienen, die so hell
waren, dafs sie den ganzen Tag über, selbst in unmittelbarer Nähe
der Sonne, gesehen werden konnten; der letzte von dieser ungewöhn-
lichen Helligkeit war einer vom Jahre 1882. So wie die Helligkeit,
ist auch die Gestalt sehr verschieden, sie sind bald nach der einen,
bald nach beiden Seilen gebogen, bald ganz gerade, bald flammen-
arlig gewellt. So finden wir denn auch in allen Schriften vielfache
Vergleichungen ihrer Formen mit bekannten Gegenständen. Sie
werden verglichen mit Besen, Ruthen, Fackeln, Balken, Schwerteni
und dergl. m. Und somit werden sie denn zu Verkündigern grofser
Ereignisse schon durch ihre Form. Sie verkünden Seuchen, welche,
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319
vie ein Beeen den Kehricht, so die Menschen von der Erde weg-
fegen, ihre Gestalt als Rnthe bezeichnet ein bevorstehendes 8traf‘-
gericht fUr die Sünden der Menschen, ein Schwert ist Vorzeichen
eines drohenden Krieges. Es folgt nun aus dem Gesagten, dafs die
Kometen nicht immer gerade Unglück prophezeihen konnten, denn bei
beginnenden Kriegen mufsten sie für ein Volk die Niederlage, und
dadurch nothwendig für das andere den Sieg bedeuten, und wir Anden
denn auch häufig, dafs die Völker einen Kometen sich zum Vortheil,
den Feinden zum Nachtheil deuten. Einen glückbringenden Kometen
erwähnt auch, allerdings in eigenthümlicher Weise, Seneca, der von
ihm sagt; Wir sahen alle während der segensreichen Herrschaft des
Xero den Kometen, der den schlechten Huf dieser Gestirne zu
Schanden machte.
Pig. I. Der Halleyeche Komet am ay. Oktober iSsj (nach Struee).
Ich sehe nun ab von demjenigen Einflüssen der Kometen auf die
Menschheit, welche nur der Aberglaube finden konnte, und wende
mich zu anderen, die mit etwas mehr Berechtigung in ihnen gefunden
wurden. So lange man noch annahm, dafs die Kometen in der
irdischen ,\tmosphäre ihren Ursprung nahmen, konnte wohl mit Recht
geschlossen werden, dafs durch das ,\usscheiden so kolossaler Körper
die Luft verändert und dadurch der Gesundheitszustand der Menschen
und Thiere, sowie auch das Gedeihen der Pflanzen beeinflufst werden
könnte. Die Erweiterung der Kenntnisse über die Kometen zeigte
freilich, dafs sie nicht unserer Atmosphäre angehörten, sondern im
Himmelsraume umherirrten und zwar wahrscheinlich, da doch nur
der kleinste Theil in den Bereich unserer Sehkraft gelangen kann,
in aufserordentlich grofser Zahl. Hierdurch entstanden aber neue
Gefahren. Die Planeten bewegen sich alle in Bahnen, die nicht wesent-
Ilinitn#! uDd Erde. II. 7. 21
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320
lieh vom Kreise verschieden sind, und ihre Eintfemungen von der
Sonne sind derartig, daTs keiner von ihnen jemals mit der Erde in
Kollision kommen kann. Anders ist es mit den Kometen, deren Ekit-
femungen von der Sonne in den verschiedenen Theilen ihrer Bahn
sehr verschieden sind. Der Komet vom Jahre 1680 näherte sich der
Oberfläche der Sonne bis auf 32000 geographische Meilen, eine Elnt-
femung, weiche nur etwa sechs Zehntel der mittleren Entfernung des
Mondes von der Erde beträgt. Dabei entfernen sich die meisten
Kometen wieder bis auf unroefsbare Distanzen von der Sonne. Manche
durohschneiden die Bahn der Erde, und es ist demnach durchaus
nicht unwahrscheinlich, dafs ein Zusammenstofs der Erde mit einem
Kometen stattflnden kann. Noch leichter als mit dem Kopfe wird die
Erde mit dem Schweife eines Kometen Zusammentreffen; dies wird
namentlich begünstigt durch die riesige Oröfse mancher Kometen. Der
Schweif des Kometen vom Jahre 1 680 war 25 Millionen geographische
Meilen lang, der des zweiten Kometen von 1811 hatte eine Tünge von
30 Millionen Meilen und der des Kometen von 1843 eine lünge von
40 Millionen Meilen, eine I.Änge, welche doppelt so grofs ist, wie die
Entfernung der Erde von der Sonne. Eine gelegentliche Kollision
der Erde mit einem Theile eines Kometen ist demnach sehr wohl
denkbar.
Die Gefahr, welche der Erde bei einer grofsen -Annäherung
eines Kometen drohen kann, hängt nun offenbar von der physischen
Beschaffenheit des Kometen ab. Diese Gefahr kann von verschiedener
Art sein. Denn erstens könnte die Masse des Kometen so grofs sein,
dafs seine Anziehung gegen die Erde diese aus ihrer Bahn lenken
könnte. Ja beim Zusammentreffen unglücklicher Umstände könnte die
Wirkung selbst darin bestehen, dafs die Erde direkt in die Sonne
stürzte. Eine solche Gefahr ist nun zum Glück nicht vorhanden
wegen der ungemein geringen Masse der Kometen. Einer von den
Kometen, welche der Erde bisher am nächsten gekommen sind, war
der Lexellsche vom Jahre 1770; sein kürzester Abstand von der
Erde war 300000 geographische Meilen, ungefähr die sechsmalige
Entfernung des Mondes von der Erde, und die Einwirkung der Erde
auf den Kometen war so stark, dafs seine Umlaufszeit sich dadurch
um zwei Tage veränderte. Aber durch die Anziehung des Kometen
gegen die Erde mufs sich auch die Umlaufszeit der Erde, und somit
die Länge des Jahres ändern. Es läfst sich berechnen, dafs. wenn
die Masse des Kometen gleich der Masse der Erde gewesen wäre
sich die Länge des .Jahres um 2 Stunden 53 Minuten verändert haben
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321
mUrste. Sie hat aioh aber g^wib nicht um zwei Sekunden geändert,
und es folgt daraus, dafs die Masse des Kometen nioht den fünf-
tausendsten Theil der Krdmasse erreicht hat Derselbe Komet hatte
ursprünglich eine ziemlich beträchtliche Umlaufszeit von 48V] Jaliren.
Im Jahre 1767 näherte er sich in seiner Bahn so sehr dem Jupiter,
dafs er mitten durch das System der Monde dieses Planeten hindurch-
ging, ohne darin eine merkbare Störung zu verursachen. Dagegen
wurde die Bahn des Kometen stark verändert; er bekam eine Umlaufs-
zeit von ö'/? Jahren. Im Jahre 1779 begegnete er dem Jupiter zuni
zweiten Male; er ging wieder durch dessen Satellitensystem hinduroh,
olme darin Störungen zu verursachen, aber seine Bahn wurde wieder
gewaltsam geändert, so dafs seine Umlaufszeit wieder auf 16 Jahre
gestiegen, und seine kürzeste Entfernung von der Sonne 3Vi Mal so
grofs geworden ist, wie die Entfernung der Erde von der Sonne; wir
haben demnach einstweilen keine Aussicht, ihn jemals wieder zu sehen.
Wenn aber auch die Masse der Kometen so gering ist, dafs eine
Ablenkung der Erde aus ihrer Bahn nioht zu befürchten steht, so
könnte doch ein Zusammenstofs eines Kometen mit der Erde von
unangenehmen Folgen sein, und zwar einmal dann, wenn der Komet
aus festen Bestandtheilen zusammengesetzt ist, durch die gewaltsame
Wirkung des Stofses auf die Erde, zweitens aber könnte der Komet
aus gasartigen Stoffen giftiger Natur bestehen, durch deren Ver-
mischung mit der Atmosphäre der Gesundheit Gefahr drohen könnte.
So lange wir also nichts über die physische Beschaffenheit der
Kometen wissen, können wir einen Zusammenstofs mit ihnen nioht
als unbedenklich ansehen.
Ich werde hierauf nachher wieder zurüokkommen, und wende
mich zunächst zu der Betrachtung der Bahnen der Kometen. Nach
dem Gesetze der Trägheit bewegt sich ein Körper, auf den keine
Kräfte wirken, von dem wir also auch voraussetzen, dafs er sich
aufserhalb der Anziehungskraft anderer Körper befindet, geradlinig und
mit gleiohfärmiger Geschwindigkeit durch den Weltraum. An und für
sich ist dabei jede Geschwindigkeit von gleicher Wahrscheinlichkeit,
sie kann also auch gleich Null sein, d. h. der Körper kann im Raume
Stillstehen, aber die Wahrscheinlichkeit eines solchen speziellen Falles
<ler Geschwindigkeit ist offenbar sehr klein, ebenso klein wie die
Wahrscheinlichkeit irgend eines anderen speziellen Falles, z. B. einer
Bewegping mit genau derselben Geschwindigkeit wie die Sonne sie
liat Wenn nun aber irgend eine Kraft auf den Körper wirkt, so
hört die Gleiohmäfsigkeit seiner Bewegung auf. Ist diese Kraft die
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Anziphungskraft uiul geht sie nur ron einem einzigen Punkt, z. K.
von dem Mittelpunkt der Sonnp aus, so mufs der Körper um diesen
Punkt sich ln einem Kegelschnitt bewegen, und die Länge der grolken
Achse dieses Kegelschnitts steht in unmittelbarem Zusammenhänge mit
der tangentialen Geschwindigkeit, welche der Körper in irgend einem
beliebigen Punkte seiner Bahn hat. Wenn wir uns nun vorstellen, dafs
im Weltraum eine grofse Anzahl von Körpern beliebig vertheilt ist.
welche ursprünglich sich geradlinig in allen möglichen Richtungen fort-
bewegt, so werden sich von diesen Körpern im Verlaufe der Zeit manche
infolge ihrer eigenen und der Bewegung, welche die Sonne im Weltraum
hat, dieser nähern und von ihr ang^zogen werden. Wir können nun be-
rechnen, wie grofs die Wahrscheinlichkeit ist, dafs sich ein solcher Körper
in einer Hyperbel, in einer Parabel oder in einem anderen Kegelschnitt
um die Sonne bewegen wird. Als Resultat ergiebt sich, dafs unter
der gemachten Voraussetzung kein einziger Körper in einer ge-
schlossenen Kurve, d. h. in einem Kreise oder einer Ellipse, die Sonne
umkreisen kann, dafs sich wenige in der Parabel, bei weitem die
meisten dagegen in einer Hyperbel um die Sonne bewegen müssen.
Wenn die gemachte Voraussetzung die richtige ist, so mufs die Statistik
der Bewegungen der Himmelskörper dasselbe Resultat ergeben. Wir
finden dagegen, dafs sämtliche Planeten ihre Bewegungen um die
Sonne in Ellipsen ausführen, welche wenig vom Kreise abweichen;
wir finden ferner, dafs die grofse Mehrzahl der Kometen Hahnen be-
schreibt, welche, so weit wir sie bestimmen können, von der Parabel gar-
nioht abweichen, dafs dieBewegung einer verhältnifsmäfsig geringen Zahl
in langgestreckten Ellipsen gesehieht, und dafs eine noch viel geringere
Anzahl sich in der Hyperbel bewegt. Es geht daraus hervor, dafs
unsere Voraussetzung für diese beiden Klassen von Weltkörpem nicht
zutriffi, und dafs bezüglich ihrer noch andere Verhältnisse obwalten,
welche bestimmend auf die Form ihrer Bahnen eingewirkt haben.
Die einfachste und plausibelste Annahme besteht nun darin, dafs so-
wohl die Planeten als auch die Kometen von Anfang an Glieder
des Sonnensystems gewesen sind. In welcher Weise nach der Kant-
Laplaceschen Hypothese angenommen wird, dafs die Planeten sich
von der Sonne abgetrennt haben, ist allgemein bekannt. Diese Hypothese
findet eine bedeutende Stütze in dem Umstande, dafs sämtliche Planeten
und ihre Satelliten sich in Bahnen bewegen, welche gegen die Ebene
des Sonnenäquators nur sehr wenig geneigt sind, sowie in der voll-
kommenen Uebereinstimmung der Richtung ihrer Bewegungen. Es
geht hieraus mit gröfster Wahrscheinlichkeit hervor, dafs die Sonm-
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zur Zeit der Abtrenauag^ der Planeten schon eine Rotation um ihre
Aehae im gleichen Binne wie jetzt gehabt hat. Uie Geschwindigkeit
ihrer Umdrehung ist aber dabei sicher nicht konstant geblieben, sondern
höchstwahrscheinlich im Laufe der Zeit gewachsen, und so können
wir uns denn auch eine Zeit vorstellen, in welcher die Drehung noch
eine sehr geringe und unmerkliche gewesen ist, während hiervon
unabhängige Bewegungen der einzelnen Theile des Sonnenkörpers
in weit gröfserem Mafsstabe als jetzt stattgefunden haben mögen.
Wenn wir nun eine Vergleichung der Bahnen der bisher be-
kannten Kometen anstellen, so finden wir durchaus keine Ueberein-
stimmungen in den Bahnebenen und Richtungen der Bewegungen,
wie solche bei den Planeten vorhanden sind, und wir können daraus
schliefsen, dafs, wenn die Kometen ebenfalls zu allen Zeiten Glieder
des Sonnensystems gewesen sind, ihre Ablösung von dem eigentlichen
Sonnenkörper zu einer Zeit stattgefunden haben mufs, als eine merk-
liche Achsendrehung desselben, wenigstens auf seiner äulseren Ober-
fläche, noch nicht stattfand. Dafs aber die Kometen wirklich Mit-
glieder des Sonnensystems sind, g^ht aus ihrer fast durchweg para-
bolischen Bewegung hervor. Wenn sich nämlich ein Körper in der
Parabel um die Sonne bewegt, so hat er seine gröfste Geschwindigkeit
an demjenigen Punkte seiner Bahn, au welchem er der Sonne am
nächsten ist. Wenn er diesen Punkt passirt hat, so nimmt seine
Geschwindigkeit fortwährend ab und nähert sich mehr und mehr der
Null als Grenze. Mach einer überaus langen Zeit wird demnach seine
Bewegung einen unmerklioh kleinen Betrag erreichen. Umgekohn
hat aber die Bewegungsgeschwindigkeit des Körpers, ehe er die
■Sonnennähe erreicht, fortwährend zugenommen und war vor einer
überaus langen Zeit gleichfalls der Null sehr nahe. Hier spreche ich
aber nicht von der absoluten Bewegung des Körpers im Raume,
sondern von seiner relativen Bewegung zur Sonne, und es folgt
daraus, dafs der eben erwähnte Grenzfall nicht einen Stillstand im
Raume, sondern eine Bewegung bedeutet, welche parallel der Sonnen-
bewegung vor sich geht, und eine ihr gleiche Geschwindigkeit hat.
Die grofse Mehrzahl der von uns beobachteten Kometen hat sich
demnach in früheren Zeiten äufserst nahe geradlinig und parallel der
Sonnenbewegung fortbewegt. Eine solche Gleichrnäfsigkeit der Be-
wegung deutet aber mit der gröfsten Wahrscheinlichkeit auf einen
früheren Zusammenhang der Kometen mit der Sonne. Wenn nun
eine relativ geringe Anzahl von Kometen sich in Ellipsen und Hyper-
beln bewegt, so beweist dies keineswegs, dafs ihre ursprüngliche Be-
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324
wegung eine andere war als die der meisten anderen Kometen, sondern
es ist sehr wohl möglich, dals sie bei ihrem Eintreten in den Bereich
des Planetensystems von dem einen oder anderen dieser Weltkörper
aus ihrer ursprünglichen Bahn abgelenkt wurden.
Ich verlasse jetzt zunächst die Kometen und wende mich zu
einer scheinbar ganz verschiedenen Art von Himmelserscheinungen,
nämlich zu den Sternschnuppen.
ln jeder sternenhellen Nacht sieht man durchschnittlich in der
Stunde vier bis fünf dieser eigenthümlichen stemartigen Körper am
Himmel entlang fliegen, bald in sehr geringem Glanze und sofort
spurlos erlöschend, bald von beträchtlicher Helligkeit, mitunter in
einer minutenlang, in seltenen Fällen stundenlang leuchtenden Linie
eine langsam verschwindende Spur ihres Weges zurücklassend. In
manchen Nächten, namentlich alljährlich gegen den 10. August und
18. November, steigert sich die Zahl der stündlich fallenden Stern-
schnuppen erheblich, und es sind au diesen Tagen stündlich im
Durchschnitt 13 bis 15 zu erwarten. Bisweilen kann die Zahl der
Sternschnuppen aufserordentlich steigen ; so fielen in der Nacht vom
12. auf den 13. November 1833 während neun Stunden über 240 000.
was für die Stunde im Durchscimitt gegen 27 000 ergiebL In der
Nacht vom 13. auf den 14. November 1866 fielen in einer Stunde über
11000, am 27. November 1872 in einer Stunde gegen 18 000 Stern-
schnuppen, also in jeder Sekunde durchschnittlich fünf, am 27. No-
vember 1886 gegen 8000 in der Stunde, und zwar bezeichnen diese
Zahlen nicht die der teleskopischen, sondern die der mit freiem Auge
sichtbaren Sternschnuppen.
Solche Phänomene mufsten natürlich zu allen Zeilen grofses
.\ufsehen erregen, und seit dem Jahre 644 v. Chr., der Zeit des
zweiten messenischen Krieges, aus welcher in den chinesischen Annalen
berichtet wird, dafs in einer Nacht ein Regen von Sternen fiel, haben
wir manche Nachrichten ähnlicher Erscheinungen. Zum Theil sind
die Beschreibungen sehr kurz, aber charakteristisch. So steht in
einem altindischen Gedicht, „dafs man vom Firmament die Hiramels-
fackeln fallen sah, wie von Rauch umhüllte Flammen, und die Sterne
zu Tausenden vom Himmel herabfielen.“ Ferner lesen wir, dafs am
25. April 1096 „unzählbare Augen Ln Frankreich die Sterne so dicht
wie Hagel vom Himmel fallen sahen,“ und dieses Ereignifs wurde
als Vorbedeutung der Kreuzzüge gedeutet. Die Stemschnuppen-
schwärme werden öfters verglichen mit Schneeflocken, Raketen und
dergleichen.
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326
In der Nacht vom 11. auf den 12. November 1799 gegen 3Vj Uhr
Morgens beobachteten Humboldt und Bonpland in Oiimana in
Südamerika vier Stunden lang viele Taueende von Sternschnuppen.
Bonpland, der die Erscheinung zuerst bemerkte, versicherte, dafs gleich
zu Anlang kein Stück am Himmel so grofs als drei Munddurchmesser
gewesen wäre, das nicht jeden Augenblick von Sternschnuppen ge-
wimmelt hätte. Die Einwohner von Cumana, welche schon vor vier
Uhr aus den Häusern gingen, um die Frühmesse zu hören, geriethen
durch die Erscheinung in Angst; die ältesten von ihnen erinnerten
sich, dafs dem grofsen Elrdbeben des Jahres 1760, also 33 Jahre vor-
her, ein ganz ähnliches Phänomen vorausgegangen war.
Derselbe Stemschnuppenfallwurde beobachtet in dem französischen
Guyana, „wo man den Himmel gegen Norden wie in Flammen stehen
sah. Anderthalb Stunden lang schossen unzählige Stemsclmuppen
durch den Himmel und verbreiteten ein so starkes Licht, dafs man die
Meteore mit den sprühenden Funkengarben bei einem Feuerwerk ver-
gleichen konnte.“ Der .Astronom der Vereinigten Staaten, Ellicot,
der sich auf einem Schiffe im Kanal von Bahama befand, sah, wie er
schreibt, am ganzen Himmel so viele Meteore als Sterne; sie fuhren
nach allen Richtungen dahin; manche schienen senkrecht niederzufallen
und man glaubte jeden Augenblick, sie würden aufsSchiff herabkommen.
In Labrador zu Nain und Hoffenthal, in Grönland zu Lichtenau und
Neu-Hermhut geriethen die Eskimos in Schreck über die ungeheure
Menge von Meteoren, die in der Dämmerung nach allen Himmels-
gegenden niederiielen.
Vom Jahre 1799 an fiel längere Zeit hindurch kein besonders
grofser Stemschnuppenschwarm ; dagegen wurde jetzt bemerkt, dafs
alljährlich am 12. und 13. November eine mehr als gewöhnlich grofse
Zahl sichtbar wurde, und man wurde dadurch zuerst auf die Periodizität
der Erscheimmg aufmerksam. Im Jahre 1831, also 32 Jahre nach
Humboldts Beobachtung in Cumana, am 13. November früh morgens
wurde wiederum ein gröfserer Schwarm beobachtefi der in der Minute
durchschnittlich mindestens 2 Sternschnuppen brachte. Im folgenden
Jahre, in der Nacht vom 12. auf den 13. November 1832 wurde wieder
ein starker Meteorfall beobachtet, und im Jahre 1833 fiel, wieder in der
Nacht vom 12. auf den 13. November, der schon vorhin erwähnte
kolossale Schwarm, welcher in einer Nacht über 240 000 Stern-
schnuppen brachte. In diesem Jahre wurde man auf eine besondere
Erscheinung aufmerksam.
Die vielen Meteore nämlich, welche scheinbar in allen möglichen
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82t>
Uiohtungen den Himmel durchkreu2ten, zeigten in einer Bi\ziehung
einen merkwürdigen Zusammenhang. Wenn man sieh nämlich die
Bahnen, die bis auf ganz vereinzelte Ausnahmen geradlinig erschienen,
verlängert dachte, so trafen eie alle in einem Punkte des Himmels, der
nahezu auf den Stern Gamma des grofsen Löwen hei, zusammen, und
dieser sog^enannte Radiationspunkt der Sternschnuppen blieb die ganze
Nacht immer an demselben Orte in der Nähe des genannten Sterns,
er nahm also an der scheinbar täglichen Bewegung der Fixsterne
theil, oder mit anderen Worten, er nahm nicht theil an der Drehung
der Erde um ihre Achse. Hieraus wurde es nun aber gleich klar,
dafs die Sternschnuppen nicht in der Atmosphäi-e entstehen, denn
sonst hätten sie an der Drehung der Erde theiluelimen müssen, son-
dern dafs sie kosmischer Natur seien und von aufsen aus dem Welt-
raum in unsere Atmosphäre kamen. Wenn man annahm, dafs alle zu
dem Schwarm gehörigen .Sternschnuppen parallel unter einander, aus
einer Kichtung gegen die Erde flögen, die durch den Stern Gamma
des Löwen bezeichnet wii'd, so mufste sich den Beobachtern gerade
ilie beobachtete Erscheinung darbieten, nämlich eine scheinbare Diver-
genz der Bahnen nach allen möglichen Richtungen, aber ein Zusammen-
treffen der in Gedanken über den Anfangspunkt hinaus verlängerten
Bahnen mit dem mehrfach erwähnten Fixsterne.
Ich fasse jetzt zusammen, was aus den Stem.schnuppenbeobach-
tungen bis zum Jahre 1833 gefolgert werden konnte.
Da die Sternschnuppen, wie jetzt mit Sicherheit erkannt war, von
aufserhalb in die Atmosphäre eindrangen, also im Weltraum unab-
hängig von der Erde sich bewegende Körper waren, so mufste man
nothwendig sohliefsen, da sie im Bereich der Anziehungskraft der
Sonne sich befänden, dafs sie, ebenso wie die Planeten und Kometen,
sich in einem Kegelschnitt um die Sonne bewegen müfsten. Da nun
ferner die Erde an bestimmten Jahrestagen oder, wenn wir einstweilen
nur den No vera bersch warm berücksichtigen, immer am 12. bis 14. No-
\’ember mit einer besonders grofsen Zalil von Sternschnuppen zusammen-
triffl, die alle denselben Radiationspunkt haben, so mufs daraus ge-
schlossen werden, dafs der Kegelschnitt, in dem die Sternschnuppen
sich durch den Himmelsraum bewegen, die Erdbalm in der Gegend
durchschneidet, wo sich die Erde am 12. bis 14. November befindet.
Aus den bisher genannten Daten konnte man also darauf sohliefsen,
dafs sich die Sternschnuppen in einem Kegelschnitt bewegen; in wel-
chem Kegelschnitt aber, diese Frage war noch nicht definitiv zu be-
antworten. Indessen liefe sich hierüber doch schon eine Vermuthung
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327
auüstellen. loh erwähnte schon, dafs im Jahre 1766, dann wieder 1796
und endlich IS32 und 1833 besonders starke Sternschnuppenfälle be-
obachtet wurden, und es schien dies darauf hinzudeuten, dafs die be-
deutenderen Fälle eine Periode von 33 — 34 Jahren hätten. Unter
dieser Annahme wagte es zuerst Olbers, das Erscheinen eines stär-
keren Schwarms für den November 1867 vorher zu verkündigen, und
dieser kam auch wirklich in ganz besonderer Stärke, jedoch schon ein
Jahr früher, in der Nacht vom 13. auf den 14. November 1866. Nun
konnte an der 33— ■34jährigen Periode nicht mehr gezweifelt werden,
und hieraus wurde eine wichtige Folgerung gfezogen.
Wenn nämlich die Erde in gewissen, sich immer gleichbleibenden
Zeitintervallen beim Durchpassiren durch die Stemsohnuppenbahn
immer wieder auf einen besonders grofsen Sternschnuppensohwarm
stöfst, so ist es sehr walirsoheinlich, dafs es immer derselbe Schwarm
ist, mit dem sie zusammentrilTt. Ist diee aber der Fall, so kann die
Bahn der Sternschnuppen weder eine Hyperbel noch eine Parabel
sein, weil dann der Schwarm nie wieder auf denselben Punkt seiner
Bahn zurückkehren könnte, sondern die Bahn mufs eine in sich ge-
schlossene Curve sein. Sind aber die Hyperbel und Parabel ausge-
schlossen, so bleiben von Kegelschnitten nur noch die Ellipse und
der Kreis übrig, und da aus verschiedenen Gründen an einen Kreis
nicht gedacht werden kann, so bleibt nur noch die Annahme, dafs
sich die Sternschnuppen der Novemberperiode in einer Ellipse um die
Sonne bewegen, und zwar findet man für die Umlaufszeit jeder Stern-
schnuppe, wenn man alle bekannt gewordenen stärkeren Fälle be-
rücksichtigt, 33 '4 Jahre.
Oie Sternschnuppen der Novemberperiode bewogen sich also in
einem elliptischen Ringe um die Sonne. An jedem Punkte dieses
Ringes befindet sich eine gröfsere Anzahl von Sternschnuppen, an
einzelnen Punkten befinden sich dagegen stärkere Anhäufungen, und
mit einer derselben trifft die Erde ungefähr alle 33 Jahre zusammen.
Man ist nun im stände, aus der Lage des Radiationspunktes und der
Umlaufszeit die Oröfso, Form und Lage der Ellipse genauer zu er-
mitteln, und BO hat sich denn gefunden, dafs die Bahn der November-
stemsohnuppen in ihrer gröfsten Nähe gegen 20 Millionen geographische
Meilen, in ihrer gröfsten Entfernung dagegen um 394 Millionen Meilen
von der Sonne absteht, d. h. in ihrer gröfsten Nähe ist sie von der
.Sonne etwa so weit entfernt wie die Erde, in ihrer gröfsten Entfernung
so weit wie der Uranus.
Ich erwähnte nun schon, dafs aufser am 12./14. November noch
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an anderen Tagen im Jahre mehr Stemschnuppen als durohsohnittlioh
zu sehen sind. Bei manchem dieser Fälle ist es nun auch mögliob,
einen bestimmten Radiationspunkt reslzustellen, und dadurch die Bahn
der Sternschnuppen zu bestimmen, an manchen Tagen, wie z. B. am
10. August, trifft dagegen die Erde mit mehreren Stemschnuppen-
sohwärmen zugleich zusammen, was dadurch erkannt werden kann,
dafs die Stemschnuppen mehrere Hadiationspunkte haben. Es lassen
sich nun bei weitem nicht alle Bahnen von Steraschnuppenschwärmeu
<lurch eine Ellipse darstellen, sondern ganz wie bei den Kometen ist
die Balm in der Hegel von der Parabel gar nicht zu unterscheiden.
Hier haben wir nun eine auffällige Aehnlichkeit zwischen Kometen und
Stemsohnuppenschwärmen; beide bewegen sich in einzelnen Fällen
in verhältnirsmärsig kleinen Ellipsen um die Sonne, in den meisten
Fällen dagegen ist ihre Bahn so lang gestreckt, daPs sie nicht merk-
lich von einer Parabel abweicht.
Beide Alien von Weltkörpem haben aber noch einen innigeren
Zusammenhang, wie im .Jahre 1866 von Schiaparelli naohgewiesen
wurde, welcher zeigte, dafs [einer der Meteorschwärme des 10. August
dieselbe Bahn im Raume verfolgte, wie der dritte Komet des Jahres
1862. Es traf sich ferner zufällig, dafs am Ende des Jahres 1865 ein
Komet entdeckt wurde, von welchem die Beobachtungen ziemlich bald
zeigten, dafs er sich nicht in einer. Parabel bewege. Es wurden daher
von verschiedenen Seiten elliptische Bahnen gerechnet, und da fand
es sich denn, dafs der Komet eine Umlaufszeit von etw’as über 33 Jahren
habe. Als nun im November 1866 der grofse Sterasohnuppenschwann
fiel, wurden von diesem auch elliptische Bahnen gerechnet, welche,
wie ich vorhin schon sagte, ebenfalls eine Umlaufszeit von etwas über
.33 Jahren ergaben. Einem und dem andern fiel diese gleiche Um-
laufszeit auf; der Gedanke lag nahe, auch die übrigen Bahnelemente
beider Erscheinungen zu vergleichen, und da fand sieh denn als Re-
sultat, dafs sämtliche Bahnelemente des Kometen und des Stem-
schnuppenschwarmes des November ebenfalls fast genau gleich waren,
woraus folgte, dafs der Komet sich in dem elliptischen Stemsohnuppen-
ringe, mit derselben Geschwindigkeit wie die Stemschnuppen selbst,
um die Sonne bewegt. Diese beiden überraschenden Erscheinungen
mufsten dazu anregen, ähnliche Verwandtschaften aufzusuohen, und in
der That hat sich denn auch fast bei jedem periodischen Sterasohnuppen-
falle der Zusammenhang mit einem Kometen naohweisen lassen.
Die Auffindung dieser Verwandtschaften zwischen Kometen und
Sternschnuppen mufste nun zu der Frage führen; hat eich der Stem-
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sohnuppenschwarm aus dem Kometen gebildet, oder ist der Komet nur
ein Theil des Stemschnuppenringfes, vielleicht nur eine starke An-
häufung von Sternschnuppen, ähnlich wie der Schwarm vom 18. No-
vember? Hierüber waren die Ansichten ursprünglich getheilt, indessen
kann jetzt nach den eingehenden Untersuchungen Schiaparellis
nicht daran gezweifelt werden, dafs die erstere Ansicht die richtige
ist, dafs sich nämlich der Stemschnuppenschwarm aus dem Kometen
entwickelt hat.
Es fragt sich nun, ob schon Erscheinungen an den Kometen
beobachtet sind, welche auf ein solches ZurUcklassen von Körpern
in ihrer Bahn sohliefsen lassen? Ich erwähnte schon früher, dafs sich
die Kometen in ihrem Aussehen stark verändern, wenn sie sich der
Kit;. -' Kopf de« Donatlachen Kometen am «6. SepL 1858.
Erde und der Sonne nähern. Jetzt inurs ich zwischen diesen beiden
Fällen unterscheiden. Wenn sich nämlich ein Komet der Erde nähert,
so mufs er, wie jeder Gegenstand, der sich uns nähert, sich scheinbar
vergröfsem, ohne dafs darum eine wirkliche Vergröfserung eintritt.
•\ber auch das Aussehen kann sich ändern. Schwächere Partien, die
in gröfserer Entfernung nicht gesehen werden konnten, werden in
gröfserer Nähe deutlich; der Kern, der gewöhnlich nur klein ist, kann
in grofser Feme einen so kleinen Winkel ergeben, dafs er nicht mehr
wahrgenommen werden kann, — kurz, alle Erscheinungen, die ich
vorhin über Schweifbildung und dergleichen beschrieb, können ein-
treten, wenn sich der Komet der Erde und nicht der Sonne nähert, —
es ist dabei nur nicht zu vergessen, dafs die Erscheinungen dann nur
scheinbar sind.
Anders ist die Saolie, wenn sich ein Komet der Sonne näher«,
ohne sioh daboi der ICrde zu nähern. Auch in diesem Falle tritt eine
Vergröfserunff des Kometen ein, und diese ist für uns besonders
wichtig, denn sie kann nicht blofs scheinbar, sondern sie mufs reell
sein. Auch das Aussehen des Kometen ändert sioh, namentlich wird
er bei grofser Annäherung an die Sonne bedeutend heller und sein
Schweif wird gröfser. Bs treten also bei seiner Annäherung an die
Sonne physische V'eränderiingen ira Kometen ein, welche wir beob-
achten können. Offenbar sind nun die günstigsten Bedingungen für
die Beobachtungen dann erfüllt, wenn der Komet sowohl von der
Sonne, als von der Krde nicht zu weit absteht.
Be ist nun im Verlaufe des vorigen und des jetzigen Jahr-
hunderts eine grofse Anzahl heller Kometen beobachtet worden, und
sie haben in ihrer Brscheinung, wenn auch im einzelnen mannig-
Pig. 3. Gegen die Sonne gerichtete AusstrUmung des Halleyschen Kometen
vom s. bis 8. Oktober 1835.
fache Verschiedenheiten, so doch im allgemeinen alle eine grofse
Aehnlichkeit. Von dem eigentlichen Kerne der Kometen, der übrigens
niemals scharf begrenzt, sondern am Rande sehr verwaschen ist,
scheint nämlich eine Lichtmaterie meist fächerförmig gegen die Sonne
hin auszuströmen, die, wenn sie sich eine Strecke von dem Kometen
entfernt hat, sioh seitlich wendet, und dann, wie es scheint, von der
Sonne abgestofsen wird, an dem Kometenkern vorbeizieht, und sioh
im Schweife des Kometen verliert. Je mehr sich der Komet der
Sonne nähert, um so stärker tritt diese Brscheinung auf Die Aus-
strömung geht nicht immer genau in der Richtung auf die Sonne vor
sioh, sie neigt sich bald mehr nach der einen, bald mehr nach der
andern Seite, sie nimmt oft pendelartige Schwingungen an, und ihre
Bewegungen gehen mitunter sehr rasch vor sichi-so sah Bessel am
Halleysohen Kometen im Jahre 1836 in wenigen Stunden die Rich-
tung der Ausströmung sioh um 36 Grad neigen.
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»31
Ke ist schon seit langer Zeit anerkannt, dafs diese eigenthüm-
liehen Vorgänge im Kometen sieh nicht allein durch die Newton*
sehen Oravitationsgesetze erklären lassen, sondern dals hier noch
andere Kräfte im Spiele sein müssen. Namentlich wird wohl hierbei
die Elektrizität eine Rolle spielen.
Wodurch die elektrischen Vorgänge im Kometen aber hervor-
gerufen werden, darüber wissen wir noch nichts Gewisses; wahr-
scheinlich werden sie aber bewirkt durch die Sonnenwärme, welche
vielleicht auf der der Sonne zugeriohteten Seite des Kometenkerns
Fig. 4. Der Donatische Komet am 5. Oktober 1858.
eine Art von Siedeprozefs hervorruft. Unzweifelhaft geht aber aus dem
übereinstimmenden Aussehen der gröfseren Kometen hervor, dafs die
Sonne auf gewisse Theile der Kometen eine abstofsende Wirkung übt.
Wenn nun durch irgend eine Ursache Körpertheile vom Kern des
Kometen weggeschleudert wenlen, so müssen diese, wenn die Sonne
abstofsend auf sie wirkt, eine hyperbolische Bahn beschreiben, in deren
einem, und zwar dem nach der konvexen Seile der Rahn liegenden
Brennpunkte die Sonne steht. Je stärker nun die repiilsive Kraft der
Sonne ist, um so näher werden die Bahnen der verschietlenen Körper
bei einander liegen, und um so schmäler mufs der Schweif erscheinen.
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332
Nun hat Brediohin in Moskau nachgewiesen, dafs es im wesent-
lichen drei Typen von Koinetensohweifen giebt: 1. ganz lange, sehr
schmale, 2. breitere, meist federförmige, itnd 3. sehr breite, kurze
Schweife. Bisweilen kommen auch bei einem und demselben Kometen
mehrere Schweife von verschie-
denem Typus vor.
Aus der Form der Schweife
kann man nun auf die Oröfse der
Kepulsionskrafl einen Schlufs
ziehen, welche die Sonne auf die
in den Kometen befindlichen Stoffe
ausUbt, und nimmt man nach
Zül lnersUntersuchungenao,dars
diese Repulsionskräfte in umge-
kehrtemVerhältnissezu den Atom-
gewichten der in den Schweifen
enthaltenen Substanzen stehen, su
findet man, dafs dio drei ver-
schiedenen Typen der Kometen-
schweife entstehen können , wenn
die Substanzen, aus welchen sie srebildet werden, resp. Wasserstoff.
Kohlenwasserstoff und Eisen sind. In der That läfst sich das Vor-
handensein von Kohlenwasserstoff auf spektroskopischem Wege fast
an allen Kometen nachweisen.
Die elektrische Wirkung der Sonne winl also, wie es scheint, zur
Folge haben, dafs im Verlaufe
der ^it die Masse eines Ko-
meten veiTingert und aufge-
löst wird.
Aber eine Atiflösitng des-
selben mufs auch durch die
Gravitation selbst hervorge-
nifen werden, wenn der Komet
aus vielen Körpern von sehr
geringer Ma.sse besteht. Durch
die Anziehung des Mondes und
der Sonne gegen die Ertle
entsteht bekanntlich die Ebbe
und Fluth. Die Anziehung Fig.fi. Der grofse Komet von t86i am So. Juni
wirkt nämlich stärker gegen die dem anziehenden Körper zunächst
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3;{;t
liegende Partie der Erdoberfläche als gegen den Mittelpunkt der Erde,
und gegen diesen stärker als gegen die noch weiter entfernten Theile der
Erde. Dadurch entsteht eine Erhebung der Meere gegen den Mond und
die Sonne hin, und dieselbe würde sehr regelmäfsig der Bewegung des
Mondes und der Sonne folgen, wenn die ganze Erde von Wasser be-
deckt wäre, und sie würde sehr erheblich sein, wenn die Anziehungs-
kraft der Erde selbst nicht sehr bedeutend wäre. Durch diese wird die
Erhebung sehr beschränkt, weil eben die Erde mit grofserKraft das Wasser
in einer Richtung, welche senkrecht auf ihrer Oberfläche steht, anzieht.
Eine ähnliche Erscheinung, wie die Fluth auf der Erde, wird
nun die Anziehungskraft der Sonne auf dem Kometen hervorrufen.
Auch in dem Kometen findet eine gegenseitige Anziehung der ein-
zelnen Theile statt, wie bei der Erde; aber wegen der äufserst ge-
ringen Masse des Kometen nur in relativ geringem Grade, und wenn
der Komet der Sonne sehr nahe kommt, so kann die Anziehungskraft
dieser letzteren die ihr näher geleg^enen Theile des Kometen so weit
von den entfernteren abziehen, dafs diese auflösende Wirkung die
gegenseitige Anziehungskraft der einzelnen Theile des Kometen über-
steigt Es werden dadurch Theile des Kometen von der Gesamtheit
abgesondert und verfolgen von der Zeit an ihre eigene Bahn um die
Sonne, die allerdings der Bahn des Kometen sehr ähnlich sein mufs.
Bei gröfserer Entfernung
des Kometen von der Sonne
wird ihre auflösende Kraft
geringer, und kann wohl
ganz unmerklich werden,
aber bei Kometen von
elliptischer Bahn werden
sich jedesmal bei ihrer
Rückkehr zur SonneTheile - ^er Bielasche Doppelkomet am
ablösen, und diese müssen 19. Februar 1846.
schliefslich die ganze Bahn erfüllen und einen elliptischen Ring um
die Sonne bilden.
Dieser Vorgang bringt mich auf einen, der vielleicht hiermit,
vielleicht aber auch mit der vorhin erwähnten elektrischen Wirkung
der Sonne in Zusammenhang steht, es ist dies die mehrfach beobachtete
Zweitheilung von Kometen. Diese war besonders auffallend bei dem
Bielasohen Kometen im Jahre 1846. Dieser Komet hat eine sehr
kurze Umlaufszeit, nämlich von nur 6’/« Jahren. Er war schon früher
häufig beobachtet und zeigte nichts besonders Auffälliges, er erschien
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nämlich als blasae Scheibe ohne Spur eines Schweifes mit einem
feinen Kerne. Im .lanuar 1846 theilte er sich aber in zwei Kometen,
ilie zuerst sehr nahe bei einander waren, dann sich etwas mehr von
einander entfernten. Sie blieben auch anßnglich offenbar in einer
i^wissen Verbindunfi' mit einander, da bald der eine, bald der andere
heller war, und es auch einigen Beobachtern erschien, als wenn beide
Kometen durch eine gemeinsame Lichtmaterie verbunden seien. Man
war nun gespannt auf die nächste Wiederkehr des Kometen im Jahre
1852. und in der That erschienen auch wietler beide Kometen, die
sich aber unterdessen ziemlich weit von einander entfernt hatten.
Diese Theilung des Bielasohen Kometen steht nicht allein da
.Schon Seneca spricht von der Zweitheilung eines Kometen. Am
26. Februar 1860 entdeckte ferner Liais in Olinda in Brasilien einen
Kometen, der auch aus zwei getrennten Xebeln bestand. Die Kometen
von 1618 und 1652 haben, wie von den Astronomen Wendelin
und Hevel berichtet wird, ebenfalls mehrere Kerne gehabt, und in
Kig. S. Der Komet von 1653 (nach Hevel.)
neuerer Zeit sind bei mehreren Kometen ähnliche Erscheinungen be-
obachtet worden. Ganz besonders merkwürdig in dieser Beziehung
war aber der zweite Komet des .Jahres 1882. Eine Theilung des
Kerns dieses Kometen in zwei Theile wurde zuerst am 5. Oktober
auf der Sternwarte in Kiel bemerkt. Am 13. Oktober zeigten sich
drei Kerne, einige Tage später vier und im Januar 1883 fünf Kerne.
Ferner entdeckte schon am 9. Oktober Julius Schmidt, der Direktor
der Athener Sternwarte, dafs sich, wenige Grade vom Kometen ent-
fernt, ein nebelförmiges Gebilde befand, welches sich parallel dem
Kometenkerne bewegte, aber schon nach wenigen Tag^n verschwand.
Am 14. Oktober fand Barnard in Nashville sechs bis acht gesonderte
Xebelmassen in der Nähe des Kometen, die aber ebenfalls rasch vei^
schwanden, und einige Tage später erblickte Brooks in Phelps
wiederum einen kurze Zeit sichtbaren Nebel an einer anderen Stelle.
Es haben sich also unzweifelhaft Theile des Kometen abgetrennt und
binnen kurzer Zeit gänzlich aufgfelöst.
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33S
Dreierlei Vorgänge, die Theilung der Kometen, die Wirkung der
polaren Kräfte, welche die Schweifbildung verursachen, und endlich
die auflösende Kraft, welche durch die Attraktion der Sonne bewirkt
wird, müssen n>in, wie es scheint, nothwendig zur Folge haben, dafs
die Kometen allmählich immer kleiner und schwächer werden. Nicht
bei jedem Kometen, und hier kann nur von denen mit kurzer Umlaufs-
zeit die Rede sein, ist nun eine solche Abnahme mit Sicherheit kon-
statirt üei einigen allerdings. So war z. B. der Halleysche Komet
bei seiner Erdnähe im Jahre 145ti, wie die Chronisten schreiben, von
einer erschrecklichen Gröfse, sein Schweif hatte eine scheinbare Länge
von 60 Grad. Bei seinen beiden folgenden Erscheinungen, 1531 und
1607. war er ebenfalls noch sehr grofs, daun aber, 1682, 1769 und
1835 hat die Gröfse stufenweise abgenommen. Vermutliel ist eine ähnliche
Abnalime auch bei demEnckeschen Kometen von 3'/,-jähriger Umlaufs-
zeit ; indessen war dieser bei neueren Erscheinungen zum Theil wieder
recht hell. Solche Zunahme der Helligkeit tritt bisweilen sehr plötzlich
ein, so z. B. wurde ein im Frühling 1888 sichtbar gewesener Komet,
während er sich von der Erde und iler Sonne entfernte, plötzlich be-
deutend heller. Diese Helligkeitszunalimc wurde zuerst auf der
Königsberger Sternwarte von Dr. Franz bemerkt. Dagegen sind
theilweise Kometen von kurzer Umlaufszeit später nicht wit^der aul-
gefunden, also, wie es scheint, gänzlich aufgelöst, und hier ist be-
sonders wieder der Bielasche Komet zu nennen.
Dieser Komet wurde nämlich nach seiner Erscheinung im Jahre
1852 nicht wieder aufgefunden, trotz des sorgfältigsten Suchens mit
den lichtstarksten Fernrohren, und es ist somit wohl anzunehmen, dafs
er sich nach seiner Zweitheilung noch weiter aufgelöst hat.
Das Jahr 1872 brachte hierfür eine Bestätigung. Der Bielasche
Komet hatte nämlich, sobald seine Bahn festgestellt war, vielfach Be-
sorgnisse wegen eines möglichen Zusammenstofses mit der Erde erregt,
weil seine Balm in einem Punkte fast genau mit der Erdbahn zusammen-
fallf. Diesen Punkt sollte der Komet nach der Rechnung in den ersten
Tagen des September 1872 passiren; denselben Punkt passirte die
Erde am 27. November. Hatte sich nun der Komet ganz aufgelöst,
so mufste sich in der Nähe seines früheren Standes eine starke An-
häufung von Sternschnuppen beönden, und es war wahrscheinlich,
dafs in den letzten Tagen des November die Erde bei ihrem Fluge
durch die Kometenbahn einen Theil der Kometenmasse aufüng. Dies
Ereignifs trat in der That ein. Am Abend des 27. November, noch
während der Dämmerung, fiel manchen Beobachtern eine gröfsere An-
HSmmel tind Erdf. 1*90. II. 7. j>2
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zahl von Sternsohmippen auf; die Zahl wuchs rasch, bis auf stündlich
18 000, beträchtlich mehr als am 13. November 1866; auch hatte jeder
dieser beiden Fälle seine individuelle Bigenthümlicbkeit; die Meteore
des Kometen von 1866 waren im allgemeinen gröfser und heller, als
die des Bielaschen Kometen, im Jahre 1799 überstieg ihre scheinbare
Gröfse zum Theil weit die scheinbare Gröfse des Mondes; die Meteore
des Biela erreichten nur ausnahmsweise die scheinbare Gröfse und
Helligkeit des Jupiter. Auch die Farbe war verschieden; die Meteore
des 13. November waren vorwiegend grünlich, die des Biela orange-
farbig. Erstere hinterliofsen meist schmale, helle Schweife, letztere
breite, beinahe rauchartige.
Aus diesen äufseren Erscheinungen wird es schon wahrscheinlich,
dafs die Meteore beider Kometen und somit wohl auch die Kometen
selbst in physikalischer und chemischer Beziehung nicht von ganz
gleichartiger Beschaffenheit sind. Genaueres darüber zu erfahren ist
schwierig. Denn noch niemals, selbst nicht bei den gröfsten Stem-
schnuppenfällen ist mit Sicherheit konstatirt, dafs eine Sternschnuppe die
Oberfläche der Erde erreicht hat und hierin unterscheiden sie sich von den
Feuerkugeln und Meteorsteinen, welche schon durch ihre ausgeprägte
hyperbolische Bewegung zeigen, dafs sie wesentlich anderer Natur sind
imd ursprünglich keinen Zusammenhang mit dom Sonnensystem haben.
Die ungeheure Geschwindigkeit, mit der die Sternschnuppen durch
ihre Bahn fliegen und welche im Durchschnitt zu fünf deutschen Meilen
in der Sekunde ermittelt ist, bewirkt bei der Berührung der Meteore
mit der Erdatmosphäre eine so g^rofse Erhitzung, dafs sie in Brand
kommen und sich, wie es scheint, ohne merkbaren Niederschlag zu
lünterlassen, verflüchtigen und es deutet dies darauf hin, dafs ilire
Masse wesentlich anders ist als die der Feuerkugeln. Wohl giebt es ein
Mittel in der Spektralanalyse, durch welches auf weite Elntfemungen
ein Urtheil über die chemische Beschaffenheit der Himmelskörper er-
langt werden kann, aber dieser Weg hat bei den Sternschnuppen
bisher nicht zu grofsen Aufschlüssen geführt. Die Uauptschwierigkeit
lieget hier in der kurzen Zeit der Sichtbarkeit und der schnellen Be-
wegung. welche jede genaue Messung vereitelt.
I.smge Zeit war es der Wunsch der Astronomen, den Vorüber-
gang eines Kometen vor der Sonnenscheibe beobachten zu können,
um auf diesem Wege vielleicht näheres über die Beschaffenheit des
Kometenkerns zu erfahren. Durch den mehrfach erwähnten zweiten
Kometen des Jahres 1882 wurde dieser Wunsch unerwartet erfüllt.
Bei seiner Annäherung an die Sonne erhielt dieser Komet eine solche
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3.-J7
Liohtintensität, dafs er am hellen Taj^e gesehen und bis zu seinem
Kintritt in den Sonnenrand deutlioh beobachtet werden konnte. Sowie
aber der Kern in die Sonnensoheibe eintral, verschwand er völlig und
wurde erst wieder sichtbar, nachdem er die Sonnenscheibe passirt
hatte. Dieses auffallende Ergebnifs läfst darauf schliefsen, dal's der
Kometenkem aus Theilen von aufserordentlich geringen Dimensionen
besteht.')
-\uf die Bewegung sehr kleiner Körper müfste aber eine im
Weltraum etwa vorhandene fein zertlieilte Materie einen relativ grofsen
Widerstand aiisühen. Bekanntlich glaubte Kncke bei der Bewegung
<les nach ihm benannten Kometen die Wirkung eines widerstehenden
Mittels zu finden, indessen sind die neueren Untersuchungen dieser
.\nnahme im allgemeinen nicht günstig gewesen. Denn einmal hat der
Enckesche Komet selbst durchaus nicht bei jedem seiner Umläufe
eine solche Wirkung erkennen lassen, dann aber ist auch bei keinem
anderen Kometen eine ähnliche Störung in der Balmbewegung nach-
gewiesen. Dies ist um so merkwürdiger, als manche Kometen sich
der Sonnenoberfläohe überaus genähert haben und in Kegionen ge-
kommen sind, in denen bei totalen Sonnenfinsternissen die sogenannte
Konnenconma sichtbar ist, die den Eindruck einer ausgebreiteten Sonnen-
atmosphäre macht. Von diesen Regionen bleibt der Enckesche
Komet immer weit entfernt und wir müssen daher annehmen, dafs die
Anomalien in seiner Bewegung, deren Vorhandensein nicht bezweifelt
werden kann, dnrch andere Ursachen als durch ein widerstehendes
Mittel hervorgebracht werden.
Ich komme hiermit zum Schlufs. Vor 1800 Jahren schrieb
Seneca in einer naturwissenschaftlichen Abhandlung: „Wie können
wir uns darüber wundem, dafs wir von den Kometen, die so selten
erscheinen, so wenig wissen? Wir erblicken weder den .\nfang noch
das Endo ihrer Bahnen, in denen sie aus unermefsliohen Entfernungen
zu uns herniedersteigen. Noch sind es nicht 1500 Jahre, seit Griechen-
land die .Sterne zählte und ihnen Namen gab. Noch giebt es viele
Völker, welche die Ursachen der Mondfinsternisse nicht kennen. Es
wird einst die Zeit kommen, wo durch jahrhundertlange Arbeit das
') Auch im .lahre 182() wurde zu einer Zeit, als nach der Rechnung ein
Komet die Sonnonscheibe pa.ssiren sollte, nichts .\u£rälliges gefunden. Da aber
tiieser Komet am Tage nicht sichtbar, und das Wetter überall sehr ungünstig
war, so wurde damals das negative Resultat auf die Unsicherheit der Berechnung
geschoben, hat aber ein erhöhtes Interesse gewonnen, da cs mit der neueren
l'lrfahrung vollkommen in Ueboreinstimmung ist.
2'2*
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388
an den Ta^ gebracht wird, was uns jetat verborgen ist Es wird die
Zeit kommen, wo unsere Nachkommen sich wundern werden, dafs so
offenbare Dinge uns unbekannt geblieben sind.“
Wir müssen gestehen, dafs diese Zeit noch nicht gekommen ist.
Wohl sind wir in der Kenntnifs der Kometen seit Senecas Zeiten
bedeutend vorgeschritten, aber sie kann bei weitem noch nicht als
abgeschlossen angesehen werden. Es ist nicht daran zu zweifeln,
dafs diese Himmelskörper noch lange Zeit zu interessanten Unter-
suchungen und durch sie noch lange Zeit zur Auffindung interessanter
Resultate führen werden.
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Beimengung von Säuren in Regenwasser und Schnee.
Üie Annahme, dafs das in der freien Atmosphäre gebildete Wassei',
welches in Form von Kegen oder Schnee zur Erdoberfläche gelangt,
von fremden Stoffen nahezu ebenso frei sei wie destilbrtes Wasser,
entfernt sich oft beträchtlich von der Wirklichkeit. Schon seit langer
Zeit war mau auf die Anwesenheit von Salpetersäure im Regenwasser
aufmerksam geworden; die namentlich in England ausgefUhrten Versuchs-
reihen ergeben Mengen, welche nach verschiedenen Bestimmungen
0,S3 kg bis 0,83 kg Salpetersäure pro Jahr betragen, welches Quantum
man sich auf einen Hektar Landes vertheilt zu denken hat.
Da die Bildung der Sal|>etersäure hauptsächlich eine Folge
elektrischer Entladungen in der Atmosphäre ist, so war zu erwarten,
dafs die tropischen Regen besonders gewitterreicher Orte sehr viel
reicher an Salpetersäure sein dürften, als die Regen der gemäfsigten
Zone. Dies bestätigt sich durch chemische Untersuchungen von Muntz
und M a rcan o '), welche das Regenwasser in Caracas in Venezuela unter-
suchten. Die Station lieget 922 in hoch und hat häufige Oewitter.
In den Jahren 1883 — 85 wurden 121 Regenfälle untersucht. Da die
jährliche Regenmenge ziemlich genau 1 m beträgt, so erzielt die durch-
schnittliche Menge von 2,23 ragr. pro läter 5,78 kg im .lahre pro
Hektar. Auf der Insel Reunion ergaben gleichartige Bestimmungen
eine Menge von 6,93 kg.
Hiernach ist in Breiten der gemäfsigten Zone die Menge der
vom Regen herabgeführten Salpetersäure zu gering, um von irgend
welcher Be<!eutung für die Vegetation zu sein. Anders in den Tropen,
wo die Natur selbst eine Düngung des Bodens auBführl, welche künst-
lich nur durch die Anwendung von 50 kg. Natronsalpeter auf den
Hektar zu ersetzen wäre, und wesentlich geeignet ist, zu der reichen
Entfaltung tropischer Vegetation beizutragen.
') OompU‘3 rendue» CVIII. lOtii.
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3-JO
Als eint» weitere, aber durchaus unerwünschte Beitfabe von
Säuren haben wir noch der Schwefelsäure Erwähnung zu ihun. Diese
findet sich im Regenwasser, jedoch nur in Städten und in der Nähe
derselben; ihr Auftreten ist also eine Folge industrieller Thätigkeit,
und unzweifelhaft auf die massenhafte V’erbrennung von Steinkohle
zurückzuführen. Unter den Verbrennungsprodukteu der Steinkohle
tritt auch schweflige Säure auf, welche von Thau oder Kegenwasser
absorbirt wird, und durch den Sauerstoff der Luft oxydirt, sich zu
verdünnter Schwefelsäure umwandelt. Ira Durchschnitt ergiebt sich
für eine Anzahl deutscher Städte 0,02 gr. Schwefelsäure pro Liter
Hegenwasser. Allein durch die Anwesenheit dieser Säure im atmo-
sphärischen Niederschlag erklärt sich die schnelle Verwitterung des
Marmors und der freien Luft ausgesetzter Wandgemälde, sofern nicht
ganz besondere Schutzmafsregeln zur Erhaltung derselben in An-
wendung kommen. Viel weniger ist aber hieran das Regenwasser
schuld; als gröfster Feind des Marmors in den Städten hat sich viel-
mehr der Schnee erwiesen, wie es die soigfältigen Untersuchungen
von R. Sendtner gezeigt haben. Derselbe hat nämlich eine viel
gröfsere Fähigkeit während seines Fallens ilie schweflige Säure aus
«1er Atmosphäre aufzunehmen, als das Regenwasser, da er aber liegen
bleibt, so ist er auch dann noch fähig, weiterhin zu absorbiren, es
vermag also die aufgenommene Säure längere Zeit auf die Unterlage
der Schneedecke zu wirken. So zeigte frisch gefallener Schnee in
München 7 — 8 mgr. pro Liter Schmelzwasser, nach Verlauf von
14 Tagen lieferte die gleiche Menge alten Schnees jedoch 61 mgr.
Eine Meile von der Stadt entfernt enthielt gleich alter Schnee aber
nur 7- 8 mgr.
Der in den Städten lagernde Schnee nimmt daher bei weitem mehr
schwefligt! Säure auf und oxydirt dieselbe zu Schwefelsäure, als der
Schnee in einiger Entfernung von der Stadt, während auf das freie
Land nur verschwindende Spuren von Schwefelsäure entfallen. Hieraus
geht auch hervor, dafs nicht unser nordisches Klima, sondern die
massenhafte Verwendung der Stidnkohle an der Zerstörung unserer
Marmordenkmäler die gröfste Schuld trägt, somit ist das wärmere
Klima der Mittelmeerländer nur indirekt die .Ursache der bewunderns-
werthen Erhaltung seiner Kunstdenkmnier. Natürlich werden blanke
.Metallflächen von schwefliger Säure und Schwefelsäure in ähnlicher
Weise angegriffen, und auch die (lartenanlagen in den Städten leiden
sicherlich durch diese unangenehme Zugabe der städtischen Atmo-
sphäre. Mit Recht sucht man daher die Ursache des Absterbens zahl-
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H41
reicher Coniferen in München während des strengen schneereichen
Winters 1879/80 nicht in dem Froste, der ja auch die Bäume auf dem
freien Lande in gleicher Weise betraf, sondern in der andauernden
schädlichen Einwirkung dieser Säuren, welcher die Bäume in der Stadl
ausgesetzt waren. E. W.
f
Astronomie in Japan.
Wir haben bereits in einem früheren Hefte unserer Zeitschrift
(Bd. I S. 432) der Errichtung einer neuen Sternwarte in Tokio an Stelle
des Marineobservatoriuma gedacht. Dieses Institut hat soeben seine
ersten VeröfTentlichungen veisandl. Der erste Band der „Annales de
l'observatoire astr. de Tokio“ (1889 Tokio) enthält zahlreiche, von dem
Assistenten Midzuhara am 6t/,j Zoller der Sternwarte ausgeführte
Beobachtungen des Barnardschen Septemberkometeu vom 7. N’ov. 1888
bis 4. Febr. 1889 und die Ableitung der Hahnelemente aus dieser
Beobachtungsreihe. Damit sind nun also auch die Japaner in die
Kette thätiger Beobachter und Kechner getreten. '
Nachtrag zu dem Aufsatz „Die Fluthbewegung des Meeres und
der Luft.“
Der in den beiden letzten Heften dieser Zeitschrift erschienene
vorerwähnte Aufsatz enthält versehentlich eine Berechnung der muth-
mafslichen Fluthhöhe, welchi« beträchtlich zu kleine Wertho ergiebt.
Wenn auch der sonstige Inhalt der Ahhandlung hienlurch nicht beein-
flufst wird, so möge doch jene Herleitung durch die folgende correctere
ersetzt werden.
Wäre die ganze EHe von Wasser bedeckt, so müfsle dessen
Oberfläche eine solche Uestalt anuehmen, dafs in allen ihren Punkten
die Schwere gleichen Werth hat; die Begrenzung des Wassers würde
dann eine sogenannte Niveaufläche bilden. Dieselbe wiiixie, falls keine
Mondwirkung statlfiinde, von der Kugelgestalt nur soweit abweichen,
als dies durch die aus der Erddrehung entstehende CentrifugalkrafI
bedingt wird. Unter dem im Zenith culminirenden Mond ist die .Schwere
um ein Zehnmillionstel verringert; um den gleichen Bruchtheil wächst
also daselbst der Abstand der Niveaufläche vom Krdeentrum. Dies
ergäbe, da der Erdradius etwa 6'. 3 Millionen .Meter beträgt, eine vom
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342
Mondo bewirkte Erhöhung- der MoeresQiiche um 0,6 Meter. In der
Atmosphäre würde diese Hebung der Niveauflächo eine Fluth bedeuten,
welclie dem Hinzukommen einer Luftsohioht von 0,6 Meter Dicke
gleiclikäme und den Luftdruck um etwa 0,058 Millimeter Queoksilber-
driick vermehren müfste.
Setzt man diese Zahlen an Stelle der auf S. 215 und 263 her-
geleiteten, so mufs zugleich berücksichtigt werden, dafs sie nur für
vollkommene und reibungslose Heweglichkeit des Wasser- und des
Lufimeeres gelten können. Da aber diese Voraussetzung der Wirklichkeit
keineswegs entspricht, so ka:in die Fluthiiöhe auch nur sehr viel
kleiner angenommen wei-den. Ibid wenn die Meoreslluth an den Küsten
erfahrungsmäfsig so viel höher ist, mufs diseo Wirkung der Unter-
brechung des Meeres durch das Land zugesohrieben worden.
H. Börustein.
Ersclieinungeu am Sternenhimmel im Monat April-Mai.
(Sämtliche Zeitangaben gelten für Berliner Zeit.)
I. Der Mond.
Aufgang fntergang
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April
Neumond
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Erdnähe
Mitternacht
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Letztes Viertel
1 40 Mg.
10
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Maxiina der Libration: '20. Ai>ril. 2. Mai.
3. Die Planeten.
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Venus
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14. April
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Elongationen
des Saturnlrabanten Titan:
21. April östl..
29. April westl..
7. Mai üsU., 15. Mai westl. Klong.
i«
1 ^ ^
p t U II
Rectas. ■ Declin.
Aufg. Unterg.
11. April 4h 4“ 14-19° 9
6t> 5.3“ Va. lül>37“ ih.
26.
4 6 4- 19 1.5 ,,
5 .55 . 9
•11 .
II.
.Mai 4 S 4- 19 21 "
4 .58 , 8
44 ,
3- VerQnsleningen der Jupitertrabanten.
16. April I. Trab. Verfln.st. Eintritt 3*> Morjf.
1 2»
2 11
, - 4
4
1. Mai II.
2. . I.
8. . II.
9. . 1.
l.'i. , III.
3
.•)
14
4. .Mai
6. .
4. Sternbedeckungen durch den Mond.
(Für Berlin sichtbar.)
Oröfse Eintritt Austritt
X Virginis 4.3“
,1 Scorpii 2
2*» 4“ Mg*. 21* 49“ Mjr.
3 44 , 4 ,51 . (29-
nach Sannenanfgang;|
5. Veränderliche Sterne,
a) Maxima roriabler Sterne:
Maximum
Helligkeit im
1890
am
Max.
Min.
Kectas. DecKn.
R Lyncis
24. April
9m
12«
6I> .52“ 14« -1- .55° 29'2
S Ursae raaj.
27. .
H
11
12 39 8 4- 61 41.8
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344
Maximum Helligkeit im
1890
am Max.
Min.
Rectas.
Doclin.
U Virgülis
21. .\pril 8“
12*"
12^ 45« 31*
+ b-
9.1
z
5. .Mai 9
12
U 4
26
— 12
47.0
U Librao
4. . 9
i2-i;t
1.5 3.5
.39
— 20
49.6
V Ophiuchi
19. April 7
10
1« 20
36
— 12
lO'S
T Herculis
22. , 7..5
12
18 4
;16
+ 31
0.2
R Capriconii
29. . 9
12
20 5
8
— 14
35.7
S Delphin!
29. , 8..')
10-11
20 38
1
+ 16
41.5
T Pegasi
18. . 9
12
22 3
32
+ li
0.0
R Aquarii
29. „ K— 8
11
23 38
8
— 15
63.7
b) Miuima der Sterne
vom Älgol-Typus:
U Cephei . .
17., 22., 27. April, 2. Mai,
7. Nm.,
2. .Milt.
Algol . .
19. April Ab., 2.'). Nm.
U Coronae . .
18. April Ab., 2.'». Ab., 2.
Mai Nm.,
9. N'm.
S Cancri . .
23. April Nm., 3. Mai Mg., 12. Nra
h Librae . .
18. *\pril Nm., 23. Mg., 27. Mg., 2.
Mai Nm.,
7. Mg., 11-
Mg.
c) Minima einiger Veränderlicher kurzer Periode:
T Mouoc. . . l. Mai.
\V Virginia . 17. April, 4. Mai.
6. Meteoriten.
Von den beiden conatauteu ätemachnuppenschwärinoii dieses Monats, den
T^yriden (Maximum am 20. April, Radiationspunkt bei AR=s270*, D = 82*)
und den Mai -Aquaridcn (Maximum ß. Mai, Radiutionspunkt bei AR = 337%
I) = — 2®) werden die orsteren zu beobachten sein, dagegen ist bei den
anderen der Vollmond störend.
7. Nachrichten über Kometea
Die neben dem Kopfe des Brook Sachen Juli-Kometen aufgelreienen
Nebelmassen (Nebenkometeu) waren im Oktober schon sehr lichtechw’ach,
aber noch mefsbar. Im November war auch der Hauplkomet bereits schwach,
könnte aber für grofse Fernröhre möglicher Weise gegenwärtig noch sichtbar
sein. Der Komet steht westlich von den Plejaden.
Der Swiftscho Noveniberkomet war um Neujahr schon sehr schwach
und ist seitdem nicht mehr lange verfolgt worden.
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Diesterwegs populäre Ilimnielskunde und niatbematlsehe Geographie.
Neu bearbeitet von Dr. M. Wilhelm Meyer, uuter Mitwirkung von
Profeasor Dr. B. Schwalbe. Mit 4 Sternkarten, 2 Uebersichtskarten
des Planeten Mars, einer farbig ausgeführten Darstellung einer Soonen-
fineternif«, einer Heliogravüre, einer farbigen SpektraUTafel , 6 Voll-
bildern und 97 in den Text gedruckten Abbildungen. Berlin, Emil
Goldschraidt. 1890. Frei« broch. Mk. 0, Preis geb. Mk. 7,.^0. Elfte
Ausgabe. ')
Zu der hundertjährigen Gedenkfeier Adolf Diesterwegs, des unver-
gessenen Pädagogen, haben Dr. M. W. Meyer und Prof. Dr. B. Schwalbe
durch die vorliegende Neubearbeitung des Diesterwegschen Werkes: „Popu-
läre Hiromelskunde und astronomische Geographie" einen sehr werthvollen
Beitrag geliefert. Die wirksame Methode des ursprünglichen Vorfasstu's. durch
Hinweisung auf naheliegende ethische und kulturhistorische Momente den
Unterricht in der Astronomie zu einem wahrhaft erzieherischen zu gestalten,
ist auch in der Neuausgabe zur vollen Geltung gokommeu, so daTs trotz der
durch die grofsartigen Fortschritte der Himmolswissenscbaft uothwendig ge-
wordenen gründlichen Ueberarbeitung der früheren Auflage der Charakter des
Buches in der neuen Ausgabe derselbe geblieben ist. Lichtvolle Kürze de.*^
Ausdrucks verbindet sich mit völliger Bestimmtheit des Inhalts. Die strenge
Ausschliefsung von Quellenangabou liegt in der populären Dai*stelIungHweise
begründet. Der beschreibende Theil des Buches ist durch zahlreiche Illuslra-
tionen, theils wissenschaftlichen, theils mehr malerischen Charakters besonders
anziehend gestaltet.
Unsere l^eser finden in der diesem Hefte als Titelbild beigegeben ..K omoten-
landschaft" eine Illustrationsprobo aus dem Diesterwegschen Werke. Dieses
Werk scheint berufen, nicht nur eine bis zum neuesten Stand der Wissenschaft
gehende Kenntnifs der einzelnen Lehren der Astronomie zu verbi*eiten, sondern
mehr noch eine ernste Neigung und Reiz zu weiterem Studium zu erzeugen.
— In den ersten Abschnitten werden die scheinbaren Bewegungen von Sonne.
Mond und Sternen über dem Horizont behandelt Aufgaben und Fragen er-
leichtern das Vei'ständnifs der Erörterungen. Durch Folgerungen aus der Kugel-
gestalt der Erde in Verbindung mit der Bewegung der Erde um ihre Achse
und um die Sonne worden alle täglichen und jährlichen Erscheinungen am
Himmel erklärt Den Ursachen der BewegungunddesGleichgowichts im Sonnen-
system ist ein besonderes Kapitel gewidmet. Aus dem reichhaltigen Inhalt des
elegant ausgestatteten Buches wollen wir noch besonders die Abschnitte hervoi -
'} Da tlio «Ifto Ausffabu beroiie rerffritTen no or^cheint iu dipsem Modbi die xwülfi>‘
und dreizehnte AuflaK^ d«^s Burhes in unverinderter Form unter Boriihtiguug der Druck-
fthlor.
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heben ^Ueber die i^hysische Beschaffenheit der Sonne, der Planeten, des Mondes,
der Kometen, Meteore etc.“, ^.Messung und Berechnung der Entfemungeu
auf der Erde und am Himmel“, „Von der Zeit und dem Kalender“, „Von den
Fixsternen“, „Die Entwicklungsgeschichte des Weltgebäudes-*. Ein Namen> und
Sachregister erleichtern die Benutzung des Buches als Nachschlagewerk und
die Beigabe von astronomischen Tafeln und 4 Sternkarten setzen den Leser in
den Stand, selbständige Beobachtungen auszunihren. K. S. Archenhold.
«I. C. Houzeaii et Lancaster: Bibliographie generale de rAstronomie.
Bruxelles, F. Hayez. Tome Premier. Premiere partie. Juin IS?}*.
Tome Premier. Seconde partie. Octobro 1889.
Der Wrth dieses gix)fsen Werkes ist den Astronomen zu wohl bekannt,
als daffl es hierüber hier noch einer besondei*en Auseinandei*setzung bedürfte.
Die beiden neuerschieuenen Bände rechtfertigen wiederum die Erwailungen.
w’elche au das erste Auftreten des Werkes geknüpft worden sind: dafs es durch
dieses Buch «lern Astronomen möglich worden würde, für jedes spezielle Gebiet
seiner Forschungen die einschlägige Litteratur schneller übersehen und sich
dadurch rascher unter der Menge der geistigen Schätze orienüren zu können,
welche der menschliche Pleifs seit Jahrtausenden in der Erforschung des
Himmels aufgespeichert hat.
Während die früher erschienenen Theile des Werkes sich mit der Samm-
lung der in den verschiedenen Zeiischriflen und Academieberb-hton enthaltenen
astronomischen Abhandlungen befafslen, ist es Hauptzweck der beiden vor-
liegenden Bände, die selbständig erschienenen astronomischen Werke und
Manuscripte zu ordnen. Eine scharfe Grenze scheint indessen iu dieser Be-
ziehung nicht aufrecht gehalten w*orden zu sein, denn es v-’orden auch J^chrifte«
angeführt, die biofse Separatabdrücke aus regelmäfsig erscheinenden Publi-
cationeu sind. Einen beträchtlichen Theil des ersten Bandes (325 Seiten) nimmt
ein geschichtlicher Abrifs des Entwicklungsganges der astronomischen Kr-
kenntnifs ein. Bei diesem durch Form und Ausführung sehr interessanten
Essay wäre vielleicht die Boi*ücksichtigung der Ergebnisse neuerer Unter-
suchungen etwas mehr zu wünschen. Ich will nur einiges liervorhebeu, das
mir auffällig erschienen ist. Bei Erwähnung der von den griechischen Klassikern
uns hiuterlaasencn Beschreibungen von Sonnenfinsternissen wii-d zwar (S. 186)
einer sehr bemerken-swerthen. auf eine totale Sonnenfinsternifs sich beziehenden
Stelle in Plutarchs „de facie in orbe Lunae. cap. 19“ gedacht, aber es entgeht
dem Autor, dafs er hier eine der wichtigsten Finsternisse dos Albu-ihums, und
zwar die vom 20. März 71 n. Chr. vor sich hat, wichtig deshalb, weil der Be-
obachtuugsoit der Totalität bei dieser Finsternifs mit weit höherer Sicherheit
featgestellt werden kann, als es bei jeneu Fitistennssen der Fall ist. die der
Autor (H. 153) nach Oppolzors .Syzygieiilafelii“ citirt. Auch die BemerkunK
(S. 186), als ob eine von Philostratus (Leben des Appolonius von T.vana)
genannte regenbogenartige Erscheinung auf die Beschreibung einer Corona-
Erscheinung «ich beziehen könnte, ist nicht haltbar: ich sowohl wie schon
früher Zech haben naebgewiesen, dafs es sich hier um keine Sonnenfinsteniifs
handeln kann. — Der weitere Inhalt des Bandes bringt die historiach-astrono-
mischen Werke, die Bibliographien, die Schriften Uber die astronomischen An-
sichten der alten Völker, die Sammelwerke der Classtker, Neulateiner und
mittelalterlichen Autoren, die über Erforschung der Astronomie der Hebräer.
Syrer, Araber, Perser, Türken exislirendenWerke und Manuscripte. Die Haupt*
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347
werke der alten Schrifteteller sind sort^ilUg behandelt: so werden fUr eine ^anze
Iteihe derselben^ wie die Historia naturalia, den Almatreet und rerschiedene an-
dere auch die einzelnen Ausgaben aufgeführt Mit den Schriften des Isidorus,
(Iregor von T ours, Beda u. a. werden zwar die Astronomen nicht viel anzu-
fangen wissen; ich hätte« wenn schon jene gegeben werden, vielmehr auch für
Paulus Diaconus. Idacius von Chiaves, für die Byzantiner Leo,
Hymoeatta, Olycas, für einige Araber und Perser, wie Nasiri Chosrau,
Tabari, Masudi u. a. plädirt, welche gar manche astronomische Beobachtung
enthalten, die selbst noch für unsere Zeit von Weiih ist. — Den Schlufs des
Bandes bildet das Heer der Bücher über Astrologie.
Der zweite Theil enthält als Introduction eine sehr wann geschriebene
Biographie über Houzeau, den verdienstvollen Begründer des Werkes. Dann
folgen die über Astronomen erschienenen biographischen Werke, Abrisse, Brief-
wechsel, ferner die Kncyclopädien, Revuen, Qesellschaftsberichte und dergl.
ln den weiteren Sectionen bringt das Buch zunächst die selbständig erschie-
nenen Werke über sphärische Astronomie (Nautik. Gnomonik, die Anleitungen
zum Gebrauch der Globen, die Lehrbücher über sphärische Astronomie), ferner
die Litteratur über theoretische Astronomie (Bewegung, Rotation und Beleuch-
tung der Planeten, Bahnbeslimmung der Kometen, die astronomischen Tafeln
in KeschichlUcher Aufeinanderfolge), endlich die Werke über Chronologie und
Kalenderwesen.
Bei dem riesigen Material, welches in den beiden Theilen des Werkes
zu bewältigen war (1>000 Titel im ersten, gegen 16 000 im zweiten Theile), ist
es kein Wunder, dafs einige leichte Verstöfse vorgekommen sind. So habe
ich z. B. unter dem Titel «.Calcul des ^l^inents des orbites- nicht das Werk
Pont^coulants ..Theorie analyti<tue du syst, du raonde- gefunden, welches
zwei für die Kahnbestimmung der Kometen wichtige Methoden enthält; dafür
sliefs ich auf Millor-Hauonfels „Gesetze der Kometen“, eine Schrift, w'elcb»'
nur eine Hypothese über die Kntstehung der Kometen aufstellt, mit Bahn-
bestimmung aber durchaus nichts zu thun hat. Mit einigem Befremden sah
ich auch Littro wg ..W’under des Himmels“ mit desselben Aiitorg ..Lehrbuch der
theoretischen und praktischen Astronomie“ in einer gemeinsamen Ablheilung mit
einander aufgeführt, obwohl das erste Buch ein populäres Werk ist, das zweite
aber zum Verständnifs den bereits mathematisch völlig durchgebildeten Fach-
mann verlangt. Das soll indefs kein Tadel sein an einem Werke, welches für
alle Zeiten in der Astronomie von bleibendem Werlhe und Verdienste sein wurd.
F. K. Ginz el,
Die Sonne unter der Hemtohaft der Planeten Venus, Krde uud Jupiter,
von Wilh. Sellmeier. Halle a. S. 1890, Verl, von H. W. Schmidt.
Der durch seine treffliche Theorie der anomalen Dispersion des Lichtes rühm-
lichst bekannte Verfasser sucht in der vorliegenden Abhandlung die Ursache
der Sonnenflockenpcriodicilät in einer durch die Planeten Venus, Erde und
Jupiter ausgeübten Flulhwirkung nachziiweisen, wie dies in ganz ähn-
licher Weise auch schon früher mehrfach, besonders durch Wichard und
Fritz’), erstrebt worden ist Der Einflufs des Merkur, der an Gröfse den der
Erde noch übertreffen würde, wird von Sellmeier nichl mit in Rechnung
gezogen, w*eil seine Wirkung wegen der grofsen Excentricität zu variabel ist
') Vergl. Wolf. Astron. MItth. No. 6o — CO. t?. JS4 Frit«, dio pehodHcb»n Erevhfi-
nusF«o P. ^4.
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348
und bei der schnellen Beweg'un^ nur sehr kurze Zeit andauert. Für die mittlere
Dauer der Periode dee Planeteneinflusses findet dann der Verfasser 11,0T>8 Jahre,
was mit der Sonnenfleckcnperiodo fll,Ul Jahre) allerdings sehr nahe über*
einstimmt. Veranschaulicht man sich jedoch durch eine graphische Darstellung
die wechselnden (Konstellationen der drei Planeten etwas genauer, so zeigt sich,
dafs fast ebenso günstige Stellungen schon riol Öfter als alle 11 Jahre, und in
unregelmäfsigen Zwischenräumen (wegen der Incommensurabilität der Umlaufs*
Zeiten) wiederkehren, Ref. hat ferner, trotz der Uoberzeugung von einer inneren
Unwahrscheinlichkeit des behaupteten Einflusses der Planeten auf die Sonne,
zahlenmäfsig auf Grund der wirklichen Verhältnisse die Fluthfactoren der vier
Planeten (Merkur nicht ausgeschlossen) für die Zeit von 1850— 1S62 berechnet,
ohne jedoch irgend welchen Parallelismus ihres Betrages oder auch nur der
Gröfsp ihrer Schwankung mit den Sonnenfleckenrelalivzahlen finden zu können.
Es will demnach dem Ref. scheinen, als wenn die Vorstellung einer Bcein-
flussuDg der Sonnenthätigkeit durch die Planeten nicht geeignet ist, das
Räthsol der Sonnonfleckenporiode zu lösen; vielmehr dürfte sich nunmehr die
Ueberzeugung Bahn brechen, dafs die Ursache dos Sonncnpulsschlages nicht
aufserhalb, sondern im Innern jenes Feuerballs zu suchen ist. Wer übrigens
die Sellmeiersche Theorie rein empirisch prüfen will, möge sich merken,
dafs nach ihr das nächste Fleckoomaximum sich besonders durch Stärke au<*
zeichnen und bereits 1802,5 eintreten müfste.
Dr. F, Korber.
t
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Herrn I>r. F. iu W. Sie wumlera sich mit Recht darüber, dafs nach dem
Kalender die wirkliche Gleichheit von Ta^ und Nacht stets bereits einige Tage
Tor dem 21. März, resp.erst einige Tage nach dem 20. September eintritt, während
man doch allgemein diese beiden Tage als die Aetjuinoctialtage bezeichnet. Die
Erklärung hierfür kann natürlich nicht in der durch das Schaltjahr entstehen«
den Verschiebung gesucht werden, denn dadurch könnte ja die Tag- und Nacht-
gleiche nur um einen Tag verrückt werden. Vielmehr wird die Berücksichtigung
<les Unterschiedes zwischen dem geometrischen Verhältnifs und der scheinbaren
Wirklichkeit die Sache aufbollen. Wenn die Sonne genau im Aequator steht,
so ist geometrisch genommen Tag und Nacht genau gleich lang, aber die Re-
fraktion hebt die Sonne noch einige Minuten über den Horizont, wenn sie in
Wahrheit bereits untergegangen ist, und es wird so der Tag auf Kosten der
Nacht verlängert. Die Kalender geben nun die Zeiten für Aufgang un<l Unter-
gang der Sonne bereits mit Berücksichtigung der Refraktion an und es mufs
darum eine scheinbare Gleichheit von Tag und Nacht bereits vor dem 21. März
und erst nach dem 20. September eintreten. In der Wissenschaft bezeichnet
man aber den Augenblick, wo die Sonne den Aequator paesirt, als das Ae(|ui-
noctium, und dieser Zeitpunkt fällt thatsächlich innerhalb eines Spielraums von
24 ^ (wegen des Schaltjahres) stets auf die allgemein alsTag- und Nacht-Gleichen
bezeichneten Termine. Eine wirkliche genaue Gleichheit von Tag uml Nacht
kann übrigens, wie Sie vielleicht selbst bereits erkannt haben, nie eintreten,
weil die Sonne auch nicht während eines einzigen Tages als stillstehend an-
gesehen werden darf, sondern sich in ihrer zum Aequator schrägen Bahn be-
reits in zwölf Stunden um ihren eigenen Durchmesser weiterbewegt.
Was ferner ihre zweite Frage betrUTl, so wird Ihnen mit der folgenden,
ausNewcombs populärer Astronomie entnommenen, Tabelle gedient sein, bei
der neben der in Centimetem angegebenen OeCfnung eines Fernrohrs diejenige
Stemgröfse angegeben ist, welche damit im allgemeinen noch oben gesehen
werden kann:
OefTnun);.
Gröfse.
0.»
7
1.5
8
3.0
9
G
10
10
11
IG
12
iö
13
40
14
Himmvl uod Erde. ineu. II. 7. 2^»
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352
Deu.Wuudem dea Himmela-^ von Littrow entlehnen wir endlich auch
die gewünschten Angaben Über die scheinbare Maximal- und MinimalgrÖbe der
rianetenscheiben;
Durchmesser:
• Max. Min.
Merkur • . . . 12 '.9 4".5
Venus 65 .2 9 ,5
Mars 25 .6 3 .5
Jupiter ... 50 .7 30 .y
Saturn . . *>I .5 15 .5
Uranus 4 .7 3 .9
Neptun 2 .7 2 .4
Bezüglich der Trabanten sei folgendes bemerkt:
Marstrabanten in Erdnähe etwa 12. Gröfse, Deimos schon mit 8 Zoll Oeffoung
unter günstigen Umständen wahrnehmbar.
Jupitertrabanten zwischen 0".9 und 1".5 im Durchmesser.
Saturn trabanten :
Titan und Japetus schon in kleineren Femrohron.
Rhea, Tethys und Dione werden bei 4 Zoll OefTnung sichtbar.
Enceladus bei 7 — 8 Zoll Oeffnung.
Mimas und Hyperion nur mit den besten Fernrohren von mindestem
10 Zoll unter günstigsten Bedingungen sichtbar (13. bis 14. Gröftol.
Uranustrabanten: 15. Oröfse.
Neptunstrabant: 13. bis 14. Gröfse.
Verlaj^ von HermnoQ Paetol in Berlin. — Druck von Wübolm Qronau'a Buchdruckorei io Berlis.
Für die RedocUon veraotwortlicb: Dr. M. Wilhelm Meyer ln Berlin,
rnberechtigter Nachdruck aus dem Inhalt dieser Zeltachriß untersagt.
UebemeUungsrecht Vorbehalten.
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Lothabweichungen in der Umgebung von Berlin.
Von Prof. Dr. A. Fischer,
Sectioiiilchef im Köcigl. l*r< ufsischea QeodHliachen InnUtuL
,-s. (Schlufs)
derartige üntersucluingen werden nun folgendermafsen geführt:
’to' astronomischen Hauptpunkt als Mittelpunkt werden
in möglichst gleicher, dem Zweck entsprechender Entfernung
eine Anzahl Stationen gewühlt, die man durch ein Droiecksnetz mit
demselben und unter einander verbindet. Auf jeder Station wird die
Breite und das Azimut einer zum Netz gehörenden Richtung astro-
nomisch bestimmt. Daun . rechnet man vom Hauptpunkt aus unter
Zugrundelegung seiner astronomisch bestimmten geographischen Coordi-
naten, die geodätischen oder ellipsoidischen Breiten und Azimute der
andern Stationen, erhält dadurch für jede Station aus dem Unterschiede
beider Breiten den Betrag der Lothabweichung im Meridian und aus
dem Unterschiede beider .Azimuto ilie Lothabweichung im Azimut, woraus
man mittelst der Laplaceschen Gleichung die Lothstörung in l..änge
rechnet. Nach derselben ist nämlich 1' — 1 = " oder in Worten
sni 'f
ausgedrückt: die Lothabweichung in Länge ist gleich der Lothab-
weichung im Azimut, dividirt durch den sinus der Breite. Bei nahen
Stationen, wo viele Längenuuterschiedo zu messen sind, zieht mau
es nämlich vor, statt der direkten Bestimmung des Zeitunterschiedes
zweier Stationen, deren Azimute zu messen und daraus den Lingen-
unterschied, wie oben gesagt, herzuleiten, weil zur astronomischen
Bestimmung des letzteren Unterschieds erstens zwei Beobachter und
zwei Instrumente, nämlich für jede Station ein Beobachter und ein
Instrument (Hammer) nöthig sind, und weil zweitens derselbe durch
telegraphische Vergleichung der Uhrzeit beider Stationen ermittelt
Himmel UDtl Erde. II. 6. 24
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354
wird, wefswegen beide Stationen meistens durch eine besondere
Telcgraphenleitung: verbunden werden müfsten, wodurch unverhältnifs-
mäfsip hohe Kosten entstehen würden.
Die Lothstörungen in Breite und Länge benutzt man nun dazu,
um die Hohe des Geoids über dem Ellipsoid sowohl im Meridian, als
im Parallel oder in irgend einer bestimmten Azimutrichtung zu ermitteln,
sowie auch dazu, um die Lago des gestörten Zenits gegen das unge-
störte zu finden, damit man auf die gröfsere oder geringere Dichte
der störenden Masse schliefson kann.
Bei der im ganzen ebnen Gegend um Berlin, welche bedeutende
Lotlistörungen nicht vermuthen liefs, schienen 20 Kilometer die zweck-
entsprechende Entfernung der Stationen von Rauenberg zu sein.
Ausser diesem, als Centralpunkt, wurden noch folgende Stationen
gewählt, die in der Richtung Norden über Osten genannt sind:
Glienicke bei Hermsdorf, ein Punkt ira Walde nahe der Nordbahn;
Gehrenberg, eine Anhöhe mitten zwischen den Dörfern Zepemik
und Schwanebeck an der Stettiner Bahn; Neuenhagen an der Ost-
bahn; Müggelsberg, die westliche Kuppe der Müggelsberge; der
sogenannte Weinberg bei dem Dorfe Glienick bei Zossen und
der Ei oh b erg bei Saarmund, südöstlich von Potsdam. Dazu traten
aus einem besonderen Grunde im Süden noch der Golmberg bei
Stülpe und der Hagelberg bei Belzig. Um konstante persönliche
und instrumentelle Fehler zu eliminiren, wurden Breiten und Azimute
auf diesen neun Stationen nach ein und derselben Methode, mit ein
und demselben Instrument, sowie von ein und demselben Beobachter
gemessen. Ausser diesen Stationen wurden noch zwei bereits astro-
nomisch festgelegte Punkte des Untersuchungsterrains hinzugezogen,
nämlich Berlin-Sternwarte, deren Breite bekannt und deren Längen-
unterschied mit Rauenberg von Prof. Albrecht telegraphisch ermittelt
ist, und das Astrophysikalische Observatorium bei Potsdam,
dessen Breite von Dr. Kempf beobachtet wurde.
Das Lothabweichungsnetz um Rauenberg oder für die Umgebung
Berlins hatte demnach die in Fig. 1 wiedergegebene Gestalt
Die Ergebnisse der ganzen Untersuchung sind in folgender Tabelle
zusammcngestellt. Dieselbe enthält den Namen der Station, die astronte
mische oder geoidische, die geodätische oder ellipsoidische Breite und
den Unterschied beider: die Lothabweichung in Breite. Ferner das
astronomische, das geodätische Azimut, die Differenz derselben oder
die Lothstörung im Azimut, aus welcher die Lothabweichung in I-änge
abgeleitet wurde.
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355
Den geodätischen Rechnungen wurde B e s s e I s Kllipsoid zu Grunde gelegt
Station
Breite
Mtron. geod.
Loth*
sbw.
in
Brette
Azimut
astron.
Oolm
Hagelberg . .
Glienick b. Z. .
Eichberg . . .
Potsdam Obs.
^hggeUberg .
Rauenberg . .
52® 1' T'.56' S".21!-)-4’'.35!!334»28'53".97
52 8 26 .57 24 .39+2 .I8|| 64 1 5 .46
52 16 16 .19, 12 jl;+3 .68 i3.58 12 46 .31
52 18 57 .34! 56 ,70!+0 .64 I 48 33 10 .25
52 22 56 .96 56 .35 +0 .61
52 25 8 .12! 7 .70 +0 .42!' 15 8 58 .88
52 27 12 .64| 12 .G4i 0 .00;i78 12 19 .09
Berlin Sternw.
Neuenbagen .
Olienicke b. H.
Cehrenberg . .
.52 .30 16 .77| 17 .29 -0 ..52'lunH-l 35 .895
.52 31 45 .92 47 .48 —1 .56 195 11 19 .85
■52 37 36 .19 38 .94 —2 .75 83 4 3 5 .92
.52 38 .38 .04 40 JllL 2 .47i'263 55 31 .78
geod.
56” .72
8 .44
45 .79
11 .57
60 .73 I
19 .09 I
36 .307
21 .51
9 .39
32 ..52 '
ia
Aiiail
Loth-
abw.
in
Länge
—2'
.75
—3“ .49
-2
.98
-3 .77
+0
.52
+0 .66
-1
.32
—1 .67
— 1
.85
—2 .33
0
.00
0 .00
—0 .41
— 1
.66
—2 .09
-3
.47
—4 .37
— 0
.74
-0 .98
Die Beträge der I.<othstürungen erreichen demnacli sowohl in
Breite, wie in Länge recht erhebliche Beträge, die sich durch die
Wirkung sichtbarer Massen nicht erklären lassen, folglich durch unter-
irdische Massen verursacht werden müssen.
Zwar zeigen die Breiten Norddeutschlands iin ganzen eine Störung
in demselben Sinne wie hier, nämlich eine negative Zunahme des
24*
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StöniTigisbetrages nacli Norden hin, so dafs die Lothablenkungen in
Breite mehr allgemeinen Charakters sind, doch während dort die Störungs-
beträge auf eine meridionale Entfernung von 150 bis 200 Kilometer
höchstens 3 bis 4 Sekunden erreichen, erheben sie sich hier auf eine
Entfernung von gegen 42 Kilometer zwischen Glienick bei Zossen und
Gehrenberg bereits auf 6 Sekunden.
Es beträgt demnach im Meridian von Rauenberg für 1 Kilometer
Etitfcrnuhg die üreitestörung 0,15 Sekunden Winkel — oder 4,6 Meter
lineares Mafs, oder für den Bogen vom Parallel v’On Glienick bei
Zossen bis zum Parallel von Gehrenberg rund 100 Meter, um welchen
Betrag der ellipsoidische Bogen gröfser ist als der geoidische. Will
man demnach in der Umgebung Berlins, von Süd nach Nord marschirend.
eine Minute Breitenunterschied zurücklegen, so würde man, wenn
die physische Erdoberfläche dem Besselschen Ellipsoid entspräche,
rund 1855 Meter, fiele sie dagegen mit dem Geoid zusammen, nur
1847 Meter zu gehen haben.
Merkwürdiger noch sind die Lolhstörungen in läinge, welche auf
der westlichsten Station llagelberg mit negativem Zeichen beginnend,
in Glienick bei Zossen einen kleinen positiven Betrag zeigen, um sofort
wieder negativ zu wachsen. Dadurch wurde es möglich, Linien gleicher
Lothstörungen in lünge zu zeichnen, welche sämtlich eine birnenförmige
Gestalt bilden, mit der Linie Hauenberg-Glienick bei Zossen als .Vchse,
wie nebenstehende Figur 2 zeigt.
Aus der Darstellung des Lothabweichungsnetzes in Fig. 1 ersieht
man. dafs die Stationen: Golm, Glienick bei Zossen, Rauenberg, Berlin
Sternwarte nahezu im Meridian des Rauenberges liegen, so dafs man
ihre Breitenstörungen unbedenklich als die im Meridian von Uauenberg
stattOndenden betrachten kann. .\uch wird inan für den Schnittpunkt
der Linie Glienicke bei H. — Gehrenberg mit diesem Meridian iuter-
polatorisch die Breitenstörung aus denen von Glienicke und Gehrenberg
rechnen können, da beide Stationen nicht allzuweit ausserhalb des
Meridians sich bellnden. Für diesen Punkt ist daher als Breitenstörung
angenommen worden: ’A der Breitenstörung von Oehrenberg -j- der
von Glienicke bei H. = — 2"68.
Aus den Störungen dieser fünf Meridianpunkte ist alsdann die
Erhebung des Geoids über das Ellipsoid im Meridian von Hauenberg
nach den Formeln gerechnet worden, welche Prof Helmert im I. Theil
S. 564 der math. und phys. Theorien der höheren Geodäsie giebt,
mit ILnienberg als Nullpunkt, d. h. unter der Annahme, dafs Rauenberg
frei von Lothstörung sei.
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Kig. 2.
Die Borcolmung wurde von 5 zu 5 Minuten Breilenunterschied
mit Rauenberg durchgefiihrt und gab folgende Resultate:
Breitonunterschied mit
I^auenborg
Erhebung des
Geoids
Von
4- 10 bis + 5'
+ 0.10 Meter
+ 5
» - 0
-1- 0.03 „
n
— 0
. — 5
+ 0.05 „
— 5
. - 10
• 0.17 „
n
— 10
^ — 13
— 0.34 „
„
— 15
„ -20
+ 0.53 „
r*
— 20
, -25
■1 0.72 ,
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358
Für irgend einen Parallel des Lothabweichungsnelzes kann eine
ähnliche Rechnung nicht angestellt werden, weil höchstens immer nur
2 Stationen als auf demselben Parallel liegend vorhanden sind. Stall
dessen wurden aus den Lothstörungen der 4 Stationen: Hagelberg,
Eichberg, Interpolation: '/j Rauonberg 4- '/j Glienick bei Zossen, und
Müggelsberg die Erhebungen des Geoids im Azi-
mut von 06® mit Hagelberg als Nullpunkt von
10 zu 10 Kilometer Entfernung abgeleitet. Dieselben
betragen :
Entfernung ErhebungdesGeoids
Von 0
bis
10
km
— 0.003
Meter
, 10
20
fl
— 0.012
„ 20
•i
30
fl
— 0.028
fl
, 30
fl
40
fl
— 0.051
fl
., 40
n
60
— 0.087
, 30
•1
60
— 0.172
, 60
fl
71
fl
— 0.284
, 70
fl
80
— 0.346
Es ergiebt sich demnach hieraus die Thatsache,
dafs, trotz bedeutender Lothstörungen, die Erhebun-
gen des Geoids über dem Ellipsoid, oder die Ab-
weichungen beider mathematischen Erdoberflächen,
im Lothablenkungsgebiet nur geringfügige sind.
Die I>age des gestörten Meridians von Rauen-
berg gegen den ungestörten läfst sich am besten
graphisch darstellen. Trägt man nämlich wie in
nebenstehender Figur 3 mit dem ungestörten Meri-
dian, der als gerade Linie gedacht ist, jene 6 Sta-
tionen, welche zur Herleitung der Erhebung des
Geoids über das Ellipsoid herangezogen wurden,
mit ihrer Breite als Abscissen auf und nimmt als
Ordinaten ihre Lolhabweichungen in Länge, nach
Westen negativ, nach Osten positiv, so wird dann
die Verbindungslinie der Längenabweichungen den
gestörten Meridian darstellen. Hierbei ist
1 Minute Breitendifferenz = 5 mm oder 1 mm = 371 Meter angenommen
und
ISekundo Längonabweich.= 2.5 mm „ 1 mm = 7.42 „ „
so dafs eine Ueberhöhung der Ordinaten im Verhältnifs von 1 : 50
stattfindet.
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359
Bei Ableitung der Gesamtstörung jeder Station oder des Azimuts
und Entfernung des gestörten Zenits in Bezug auf das ungestörte aus den
Ixtthabweichungen in Länge und Breite sind in der angeführten Publi-
kation drei Annahmen gemacht worden:
1. dafs Itaucnborg frei von Lothstörung sei,
2. dafs Rauonberg eine Breitenstörung von 6 Sekunden und eine
gleichgrofse Längenstbrung habe,
3. dafs für Rauenberg die Lothabweichung für Breite 0, für
Länge aber 5 Sekunden betrage.
Die erste Annahme beruht darauf, dafs man sich bei derartigen
Untersuchungen den Centralpunkt als frei von Lothabweichungen denkt,
so lange als über die Störungen nichts bekannt ist. Bei der zweiten
.\nnahme war mafsgebend, dafs Prof. Helmert in den Verhandlungen
der permanenten Kommission der internationalen Enlmessung zu Nizza
im Oktober 1887 nachgewiesen hat, dafs Rauenberg in Bezug auf
Centraleuropa mit einer Lothabweichung in Breite von 5 Sekunden
behaftet sei und nach mündlicher Mittheilung derselben Autorität nach
dem vorliegenden Material auch eine solche von gleichem Betrage in
I-änge sich ergebe. Die dritte Annahme endlich findet ihre Rechtfertigung
in dem von demselben Herrn 1888 in Salzburg oi-statteten Bericht über
Lothabweichungen, wonach jene Breitenstörung auf Rauenberg einen all-
gemeinen Charakter habe. Ist dies aber der Fall, dann kann man die-
selbe bei Untersuchung lokaler Lothstürungen unberücksichtigt lassen.
Trägt man die nach diesen Annahmen erhaltenen gestörten Zenite
nach Azimut und Entfernung graphisch auf, so giebt, wie schon früher
bemerkt, die Richtung derselben Aufschlufs über die Dichte der stö-
renden Masse.
Es ergeben sich nun für a, das Azimut und für die Entfernung
des gestörten Zenits, für diese drei Annahmen folgende Werthe bzw.
graphische Darstellungen, bei welchen für angenommen ist.
Stationen
Annahmo 1
Annahme 2
Annahme 3
Azimut
Enlf.
Azimut
Enlf.
Azimut
Entf.
Golm
OT« 44'
4" .8
5" 43'
9" .3
12° 27'
4" .4
Hagelber^ ....
313 16
3 .2
6 0
7 .2
19 6
2 .3
Glienick b. ZoHsen .
6 14
3 .7
22 12
9 .4
43 55
5 .1
Eichberg
302 31
1 .3
19 49
6 .0
72 18
2 .1
Müggelsbcrg . . .
284 57
1 .5
16 50
5 .6
73 38
1 .7
Rauenberg ....
0 0
0 .0
31 22
5 .9
90 0
3 .1
Berlin, Sternwarte .
205 38
0 .6
31 22
5 .3
100 32
2 .8
Neuenbagen . . .
218 30
2 .1
27 26
3 .8
132 6
2 A
Glienicke b. Hormsd.
223 57
3 .8
9 39
2 .3
172 5
2 .8
Oehrenberg ....
191 3
2 .5
44 18
3 .5
135 30
3 .5
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3ßl
Hiernach können wir als das Gemeinsame der drei Annahmen
feststellen, dafs die störende Masse von geringerer Dichte als die um-
gebende Erdkruste sein mufs, weil entweder alle oder doch die meisten
liichtungen der gestörten Zenite nach einem Punkte strahlen oder
convergiren.
Xatürlich mufs bei Annahme 1 die störende Masse senkrecht
unter dem Rauenberg liegen, weil, wenn eine störende Masse vorhanden
ist, dieselbe das Loth nur für den Punkt senkrecht über ihr nicht
stört; es würde aber westlich von Rauenhorg sich bereits ein neues
Atlractionscentrum bemerkbar machen.
üei Annahme 2 würde die störende Masse nordöstlich von
Gehrenberg liegen und gerade, wie bei den Kurven gleicher IJingen-
störung, darthun, dafs dieselbe von geringerer Dichte, schmaler Basis,
aber aufserordentlich mächtiger Dimension nach der Tiefe, sich unter
dem Untersuchungsterrain südwestlich hinzieht, sich allmählich ver-
breitert und an Höhe abnimmt, und bei Glienick b. Zossen ihre
gröfste Wirkung ausübt. Annahme 3 zeigt uns die störende Ma.sse
östlich von Müggelsherg in nicht allzuweiter Entfernung.
Welche von diesen Annahmen der Wahrheit am nächsten kommt,
läfst sich nach den vorliegenden Messungen nicht entscheiden. Logisch
dürfte ja die dritte Annahme die meiste Wahrscheinlichkeit für sich
haben. Man kann daher vorläufig nur sagen, dafs die durch diese
l.'ntersuchung festgestellten Lothabweichungen in der Umgebung von
Berlin durch eine unterirdische Masse von einer gegenüber der mittleren
Dichte der Erdrinde geringeren Dichtigkeit verursacht seien, die wahr-
scheinlich nordöstlich oder östlich von Oehrenberg — Xeuenhagen
ihren Silz hat. Der wirkliche Urt der störenden Masse kann aber noch
nicht fesigostellt worden. Um sicheren Aufschlufs darüber zu erhalten,
genügen die vorstehend angeführten astronomisch-geodätischen Mes-
sungen noch nicht. Es sind dafür noch Pendelmessungen oder di-
rekte Messungen der Schwere selbst nöthig. Durch diese allein wini
es möglich, den Ort zu bestimmen, wo die geringste Schwere slatt-
findet, oder wo der Schwerpunkt der störenden Masse zu suchen ist,
wodurch man vielleicht auch im stände sein wird, über die N’atur der
störenden Masse Schlüsse zu ziehen.
Allerdings wissen wir aus den im Unlersuchungsgebiet voige-
nommonen Tiefbohrungou, dafs sich hier ganz abnorme .Massenlage-
rungen von Salz befinden. Es zeugt dafür nicht blofs das Steinsalz-
lager beim Dorfe Sperenberg zwischen Glienick b. Zossen und Golm,
dessen Sohle in einer Tiefe von 1272 Meter noch nicht erreicht wurde.
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362
obwohl das Salz bereits 89 Meter unter der Erdoberfläche beginnt, son-
deni auch die Rohrungen der Admiralsgartenbad-Qesellschafl zu Berlin,
welche sowohl an mehreren Stellen der Grorsstadt, als auch im weiteren
Umkreise kräftige Soolquellen aufgeschlossen haben. Ob dieses Salz-
lager von enormer Mächtigkeit sich aber noch östlich bezw. nord-
östlich von Oehrenberg, Neuenhagen, Müggelsbet^, und zwar mit seiner
Hauptmasse, hinzieht und ob es die alleinige Ursache der Ixjthstörungen
um Berlin sei, läfst sich jetzt nicht entscheiden. Dazu brauchen wir
noch die Pendelmessungen.
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Was dann?
Vortrag, gehalten in der Gesellschaft Aula in München
am Ö. Dezember 1889
von Professor Dr. L. Sohncke.
I. Stellung der Frage.
Hochgeehrte Anwesendei
im vergangenen Frühjahr in den Steinkohlengruben West-
thalens der grofse Streik der Bergleute ausbrach, durch
velchen diese um ihr kärgliches Brot hart arbeitenden Männer
ihr trauriges Loos zu verbessern trachteten, da war bei allen, denen
das wenig menschenwürdige Dasein jener Bergarbeiter damals bekannt
wurde, die erste Regung wohl das Mitleid. Neben dieser Wirkung
auf das Gemüth brachten aber die Nachrichten aus dem Streikgebiet
auch für den Verstand eine ernste Lehre. Als nämlich die Folgen
des Streiks sich fühlbar zu machen begannen: als wegen Kohlen-
mangels hier und da ein Hochofen ausgeblasen wurde, als es sogar
nöthig ward, stellenweise den Eisenbahnverkehr einzuschränken, da
mufste es jedem, der es etwa noch nicht gewufst hatte, klar werden,
welch' enorme Wichtigkeit, welche für unser ganzes Kulturleben
fundamentale Bedeutung dem Arbeitsergebnisse jener Bergleute, den
zu Tage geförderten Steinkohlen, innewohnt.
In der That: Wohin wir blicken, überall rings um uns gewahren
wir Produkte menschlichen Fleifses, bei deren Erzeugung die Stein-
kohlen mittelbar oder unmittelbar eine hervorragende Rolle gespielt
haben. Das Leuchtgas bereiten wir aus Kohlen. Das Eisen und
andere Metalle gewinnen wir aus ihren Erzen in Hochöfen, deren
Gluth durch Kohlen angofacht wird; wie wir ja auch vielfach unsere
gewöbnliobon Oefen mit Steinkohlen heizen. Kohlen sind das unent-
behrliche Nahrungsmittel der Dampfmaschinen, deren tausendfältige
Anwendungen uns ungezählte Annehmlichkeiten des modernen Lebens
verschaffen. Lokomoliven,Sohifl'sdampfmaschinen, Lokomobilen, Wassor-
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364
hallungsmaschinen in Bergwerken und sonstige Dampfpumpen, Ma-
schinen zum Betriebe von Walzwerken, Ventilatoren, Kreissägen,
Schnellpressen und zu hundert andere Betrieben beruhen auf der
Dampfkraft, also auf den Kohlen. Auch die im Kleingewerbe heute
so viel benutzten Gasmotoren verdanken ihre Leistungsfähigkeit den
Kohlen; und so geht es fort.
Bei dieser beherrschenden Stellung, welche die Steinkohlen in
dem Kulturleben der Gegenwart einnehmen, erscheint die Frage wohl
berechtigt, ob denn der Kohlenvorrath der Erde, wenigstens für mensch-
liche Bedürfnisse, unerschopHich sei, oder ob wir uns auf das der-
einstige Ende dieser Herrlichkeit gefafsl machen müssen. Diese Frage
ist schon vor längerer Zeit aufgeworfen worden. Zu iJirer Unter-
suchung hat das englische Parlament 1866 eine eigene Commission
eingesetzt. Beruht doch der Reichthum Englands ganz wesentlich auf
seinen Kohlenschützen! .\lsdann ist die Frage besonders von Dr.
William Siemens wiederholt in Vorträgen und Abhandlungen er-
örtert worden, und auch andere Gelehrte (G ras ho f, Clausius) haben
ihr eingehendere Betrachtungen gewidmet. Die Ergebnisse sind in-
teressant genug.
Wenn wir die Erde mit dem Mafsstabo unseres eigenen Körpers
messen, so erscheint sie riesengnifs. Und dementsprechend sind die
meisten Felsarten, welche sie zusammensetzen: die Granite, Gneifse
und Porphyre, die Thonschiefer-, Kalk- und Sandsteine und andere in
riesigen Mengen vorhanden. Aber für die Steinkohlen liegen die
Verhältnisse doch etwas anders. Die verschiedenen geologischen For-
mationen, die sich im Lauf der vorhistorischen Jahrraillionen zumeist
auf dem Roden von Oceanen und von Binnenseen abgelagert haben,
und die, beim langsamen Faltungsprozefs der Erdrinde vom bedeckenden
Wasser befreit, nun den Menschen als Tummelplatz dienen, weisen
zwischen ihren Fanden, Thonen und Kalken zwar wohl hier und da
auch Kohlen auf; aber von wirklicher Bedeutung durch die Massen-
haftigkeit ihres Vorkommens sind die Kohlen doch nur in einer
jener Formationen: in der Stoinkohlenformation. Zur Zeit ihrer Bildung
erstreckten sich sumpfige Niederungen in riesiger Ausdehnung längs
der Küsten von Continenten und Inseln; auch au Flufsläufen hin
dehnten sich weite, Hache Sumpfgelände, häufigen Ueberschwemmungen
ausgesetzt. All' diese Niederungen waren erfüllt von Torfmooren und
Sumpfwäldern, die in einer gleichmäfsig warmen, dampfgesättigten
Luft in märchenhafter Ueppigkeit gediehen.') Jene Urwälder und
‘1 Vgl. unser eine derartige Steinkohlenlandsdiaft darstellendes Titelbild.
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Moore sind es, deren lang-sam vermoderte Ueberreste wir heute als
Kohlen vor uns sehen.
Die Bedingungen, sei es zur Bildung so riesiger Pflanzenan-
sammlungen, sei es zur Krhaltung ihrer verkohlten Reste, fanden sich
spater nie wieder in gleichem Mafse erfüllt, und sie können, nach
menschlicher Voraussicht, auch in Zukunft nicht so wiederkehren. In
allen Kulturstaatcn sorgt die Forstwirthschaft dafür, dafs zwischen dem
Verbrauch und dem Nachwuchs des Holzes möglichstes Gleichgewicht
herrscht. Wo aber solche Ueberwachung fehlt, da zerstört der Mensch
womöglich mehr Pflanzenwuchs, als sich freiwillig wieder erzeugt, —
dies trifft nicht nur den Holz-, sondern auch den Torfverbrauoh.
So kommt es, dafs nennenswerthe Ansammlungen von Gewächsen,
welche Kohlenlager bilden könnten, gegenwärtig kaum irgendwo zu
finden sind.
Die Steinkohlen bedeuten also für uns ein unvermehrbares, un-
verzinslich angelegtes, und keineswegs unendlich grofses Capital.
Und die Menschheit benimmt sich mit ihrem Kohlenverbrauoh wie
jener glückliche Spieler, der das grofse Loos gewann und nichts Besseres
zu thun wufste, als das gewonnene Capital so schleunig als möglich
zu verprassen. Thatsächlich vergeuden wir, zumal seit Erfindung
der Dampfmaschine, das unersetzliche Capital der Steinkohlen in der
unverantwortlichsten W'eise. Wie lange werden wir damit reichen?
Die Antwort lässt sich auf Grund der genauer studirten Ver-
hältnisse Englands mit leidlicher Sicherheit geben. England gehört
zu den am reichsten mit Kohlensohätzen gesegneten Kulturlämlern,
seine „schwarzen Grafschaften“ (Südwales, Northumberland,
Durham, Lancashire u. a.) sind weltbekannt. Von dem gesamten
Steinkohlengebiete Europas, (es nimmt eine Fläche beinahe so grofs
wie Bayern ein) kommt mehr als der dritte Theil auf die britischen
Inseln. Diese liefern fast die Hälfte der gesamten Kohlenproduktion
der Erde, welche sich auf jährlich circa 300 Millionen Tonnen beläuft.
Nun findet Siemens auf Grund der Cntersuchungen der erwähnten
englischen Parlaments-Commission die Menge der abbautahigen Kohlen
Grofsbritanniens schätzungsweise gleich 150000 Millionen Tonnen.
Davon wurden um 1877 jährlich etwa 132 Millionen gefördert; jedoch
wächst der Verbrauch von Jahr zu Jahr, und zwar nach dem Durch-
schnitt von 20 Jahren jährlich um S'/a Millionen. Hieraus berechnet
sich, dafs die britischen Kohlenfelder, von heute an, etwa in 250 Jahren
erschöpft sein worden. Mag nun diese Schätzung auch nicht sehr zu-
verlässig sein; mag jener Schreckenstermin auf 3 oder 400 Jahre
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366
hinausgeschoben werden: Was sind ein paar Jahrhunderte im Leben
der Völker!
Wir haben also wirklich mit der Thatsache zu rechnen, dafs die
Kohlenvorriilhe Englands, und ebenso diejenigen ganz Europas, in ab-
sehbarer Zeit erschöpft sein werden. Wenn nun auch aufsorcuropäische
Länder noch grofso Kohlenschätze besitzen, so steht doch auch diesen
ein Ende bevor; und es erhebt sich unabweislich die Frage: Was dann?
Liegen die Verhältnisse wirklich so, dafs es gerade der jetzt
lebenden Generation, oder sagen wir lieber: dafs es den Generationen,
welche dieses und die nächsten Jahrhunderte erfüllen, beschieden ist,
sich der höchsten Bliithcn der Kultur zu erfreuen; und wird bald nach
uns die Menschheit in Barbarei zurücksinken? — Geht es an, dafs
wir, leichtsinnig und gewissenlos, das uns in den Sohoofs gefallene
Gut verprassen und denken: Aprös nous le deluge? Haben wir nicht
auch Pflichten gegen die kommenden Geschlechter zu erfüllen?
Eine kurze Beantwortung der Frage: „Was wir schon jetzt thun
können, und was, wenige Generationen nach uns, die Menschheit wird
thun müssen, um Kohlen zu sparen und wo möglich entbehrlich zu
machen“ soll den Inhalt des Folgenden bilden. Hierbei wird der
wichtigste BegriH der heutigen Physik, nämlich derjenige des Arbeits-
vermögens oder der Energie, eine hervorragende Rolle spielen.
II. Vorbereitung der Beantwortung.
Die weitaus gröfste Kohlenmengo wird in der Weise verwerthet,
dafs die durch ihre Verbrennung erzeugte Wärme nicht Selbstzweck
ist, sondern nur Mittel zu einem anderen Zweck, nämlich zur Ver-
dampfung von Wasser und dadurch schliefslich zur Ivcistung von Arbeit
vermittelst Dampfmaschinen. Wir benutzen also die Wärme um Arbeit
zu leisten; und somit erkennen wir in der Wärme eine der verschiedenen
Formen von Arbeitsvermögen oder Energie, welche die Xatur uns dar-
bietet. Nun besteht die wichtigste Errungenschaft der modernen Natur-
forschung in der Erkenntnifs, dafs niemals Arbeit aus Nichts
hervorgehen kann, sondern dafs zu einer jeden Arbeitsleistung —
wie grofs oder klein sie auch sein mag — ein genau gleich grofser
Betrag von Arbeitsvorrath aufgewendet werden mufs. Letzterer Vor-
rath ist dann also verbraucht, verschwunden; aber an seiner Stelle ist
die Arbeitsleistung entstanden, welche ihrerseits wieder einen gleich
grofsen Arbeitsvorrath darslellt Wenn also Arbeitsvermögen von
irgend einer Form neu auftritt, so können wir sicher sein, dafs dasselbe
nicht aus dem Nichts hervorgegangen ist, sondern dafs zu seiner Ent-
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367
stehung ein genau gleicher Betrag anderen Arbeitsvermögens verbraucht
worden ist. Dies ist der Sinn des berühmten Satzes von der Erhaltung
der Energie oder des Arbeitsvermögens. Er sagt aus, dafs das ge-
samte in der Welt vorhandene Arbeitsvermögen eine ganz
bestimmte OröTse hat und durch keinerlei Mittel weder
vermehrt noch vermindert werden kann.
Dieses wunderbare, der mannigfaltigsten Wandlungen fähige, und
doch unzerstörbare und unerschaffbare, also ewige Wesen, welches
wir „Energie“ nennen, scheint schon üoethe ahnend erschaut zu haben,
wenn er in zwei einander folgenden Gedichten sagt:
„Ba soll sich regen, schaffend handeln.
Erst sich gestalten, dann verwandeln,
Nur scheinbar steht's Momente still.
Das Ewige regt sich fort in allen,
Denn alles mufs zu nichts zerfallen.
Wenn es im Sein beharren will."
Und unmittelbar darauf:
.Kein Wesen kann zu nichts zerfallen!
Das Ewige regt sich fort in allen,
Ara Sein erhalte Dich beglückt! ^
Das Sein ist ewig; denn Gesetze
ßowahren die lebendigen Schätze,
Aus welchen sich das All geschmückt.“
Kehren wir indessen zu der besonderen Energieform, die wir
Wärme nennen, zurück. Wenn wir Wärme erzeugen, so kann — nach
obigem Satze — diese Form von Arbeitsvermögen nur durch Auf-
wendung eines gleich grofsen Betrages von anderweitigem Arbeitsver-
mögen entstanden sein. In welcher Form existirte denn nun die Energie
der Wärme, bevor die Kohlen verbrannt wurden? Augenscheinlich als
schlummernde chemische Energie! Kohlenstoff und Sauerstoff waren
getrennt und harrten nur dos zündenden Funkens, um sich chemisch
zu vereinigen. Der nun sich fortspinnende chemische Prozefs der
Verbrennung setzte alsdann das schlummernde chemische Arbeits-
vermögen in die andere Form: „Wärme“ um.
Wir können aber mit unserer Nachforschung noch weiter zurück-
gehen. Der Kohlenstoff war nicht von jeher als Steinkohle vom Sauer-
stoff getrennt und so der Verbrennung gewärtig. Steinkohlen waren ja
ehedem Pflanzen; diese nahmen erst während ihres Wachsthums Kohlen-
stoff auf, der ursprünglich in der Kohlensäure der Luft und des Boden-
wassers enthalten war. Hierzu war es also nöthig, die Kohlensäure in
ihre beiden Bestandtheile: Kohlenstoff und Sauerstoff zu zerreifsen.
Wer leistete denn nun diese Zerrei fsungsarbeit? Antwort: Die Sonnen-
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w .m
368
strahlen! Denn nur unter Einflufs der Bestrahlung’ geht das Wachs-
thum der Pflanzen, die Zorreifsung der Kohlensäure, von statten. Eia
Theil der Sonnenstrahlen, welche die Pflanzen treffen, kommt aus ihnen
nicht mehr heraus, bleibt darin, wird verschluckt, verbraucht zu jener
Arbeitsleistung. Schliefslich ist also die Sonne der Quell des Arbeits-
vermögens der Steinkohlen. Die Steinkohlen sind, bildlich gesprochen,
au fgespeioherto Sonnenwärrael Jene Wärmemenge, welche die
Sonne dem Baume liefern mufste, um 1 kg Kohlenstoff aus der Kohlen-
säure zu befreien und in Gestalt von Holzfasern aufzuspeichern, kommt
wieder zum Vorschein, wenn das kg Kohle verbrannt wird.
Aus diesen Erörterungen erkennen wir, dafs die Frage nach einem
Ersätze der Kohlen sich zu der einfachen Frage zuspilzt: Was für
verschiedene Formen von Arbeitsvermögen bietet uns denn
die Natur im grofsen dar?
Die Antwort ist leicht zu geben. Zwei Energieformen haben
wir bereits kennen gelernt, nämlich die unmittelbare Sonnenstrahlung,
und die in den Pflanzen (z. B. in Holz und Torf) und in den Kohlen
aufgespeicherte Sonnenwärmc. Nach anderen verbrennbaren Stoffen
als Kohle sieht mau sich in der Erdfeste vergebens um, denn alle
anderen sie zusammensetzenden Massen sind, mit verschwindenden
Ausnahmen, bereits Produkte früherer Verbrennungen. Eine dritte
Eu ergieform ist das Arbeitsvermögen der Muskelkraft von Menschen
und Thieren. Leicht läfst sich nachweisen, dafs auch diese Energieform
ursprünglich von der Soune stammt. Zunächst freilich rührt sie von
der Nahrung her, deren Assimilation unter Beihilfe der Athmung ein lang-
samer Verbrennungsprozefs ist. Die Nahrung aber besteht aus Pflanzen
oder aus Thieren, die sich schliefslich .selber von Pflanzen ernährt
haben. Und dafs die Pflanzen nur durch Absorption von Sonnenstrahlen
wachsen können, wurde schon vorher auseinandergesetzt. So ist die
Muskelenergie nur umgewaudelte Sonnenenergie.
Eine vierte hochwichtige Form verfügbaren Arbeitsvermögens
ist die Energie der Lage, welche wir z. B. in gehobenem Wasser
besitzen, das durch sein Herabsinken in den Radkästen eines ober-
schlüchtigen Mühlrades odervermittelst einer Turbine Arbeit leisten kann
Schliefslich fünfstens ist eine weitverbreitete Form des Arbeits-
vermögens jenes, welches bewegten Massen (z. B. Wasser- oder Luft-
massen) innowohnt: die sogenannte Energie der Bewegung. Denn
der Stofs und Druck dieser Massen vermag das unterschlächtige Kad
der Wassermühlen und die Flügel der Windmühlen in Umdrehung zu
versetzen.
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36ü
Die beiden letztgenannnten Energieformen: gehobenes Wasser und
stofsende Massen von Wasser oder Luft, sind nun keineswegs ursprüng-
lich auf der Erde heimisch, sondern sie sind aus anderer Form hervor-
gegangen. Wer hob das Wasser auf die Berge, so dafs es durch sein
Herabsinken oder durch seine Stofswirkung zur Arbeitsleistung befähigt
wurde? Die Sonnenstrahlung! Diese ist es, welche das Meerwasser
verdunsten läfst und dabei selber verschluckt, verbraucht wird, wie die
Verdunstungskälte lehrt. Die leichten Wasserdünste verdichten sich
beim Aufsteigen wieder zu Tröpfchen und fallen als Regen aufs Gebirge,
wo sie den Quellen den Ursprung geben. Nicht minder verdankt der
Wind seine Entstehung den Sonnenstrahlen; denn die ungleiche Er-
wärmung verschiedener Luftmassen macht letztere ungleich schwer und
veranlafst so die Ausgleichsbewegung der Winde.
Diese Musterung der verschiedenen Arten von Arbeitsvermögen
hat uns w'ieder und immer wieder zur Sonne als dem eigentlichen
Urquell der zu unserer Verfügung stehenden Energie geführt. Und
so verehren wir, wie schon unsere Ahnen vor Jahrtausenden, das herr-
liche Tagesgestirn als Spenderin von Licht und Wärme und als Er-
wockerin fröhlichen Lebens. Und unsere tiefere und geläuterte Einsicht
lehrt uns weiter, die Sonne überhaupt als den Urgrund der Bewegungen
und Veränderungen auf Erden, als den Hauptquell aller irdischen Energie
zu bewundern. So ist der jetzige Naturforscher gewissermafsen ein
moderner Parse oder Anbeter der Sonne.
,Die Sonne tönt nach alter Weise
In Brudersphären Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit Donnergang.
Ihr Anblick giebt den Engeln Stärke,
Wenn keiner sie ergründen mag.
Die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.“
Dieser Sonnenkultus währt aber freilich nur so lange, als sich
der Forscher schon hier beruhigt und nicht die noch tiefer eindringende
Frage stellt: von wo denn der Sonne selber dieser unermefsliche Vorrath
von Energie geworden ist, den sie nun schon seit Millionen von Jahren
in den Weltraum hinausslrahlt? Doch auf diese Frage will ich hier nicht
eingehen. Ihre Beantwortung ist auf Grund der K ant-Laplaceschen
Theorie von der Entstehung unseres Planetensystems auf thwas ver-
schiedenen Wegen durch J u 1. Kob. Mayer und durch H. v. Helmholtz
in Angriff genommen worden.
J. R. Mayer ist es auch, der wohl zuerst darauf hingewiesen
und Itrde. 11. a
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370
hat, dafs es für die Erde doch noch eine, vorher von mir über-
gangene Energiequelle giebt, die nicht in erster Linie auf die Sonne
zurückzuführen ist: die Ebbe und Fluth. Da dieselbe enorme
Wassennassen in Bewegung setzt, so stellt sie in der That einen unge-
heuren Fonds von Energie dar. Ihre Entstehung beruht aber bekanntlich
in erster Linie auf der Massenanziehung zwischen Erde und Mond,
während die Mitwirkung der Sonne hier erst in zweiter Reihe steht.
III. Beantwortung der Frage.
Nach diesen Vorbereitungen sind wir gerüstet, die Beantwortung
der heutigen Hauptfrage; „Was dann, wenn die Kohlen rar ge-
worden sind?“ auf wissenschaftlicher Grundlage zu versuchen. Die
vorhergehenden Erörterungen lassen erkennen, dafs das einzige Mittel,
einen Ersatz für die Kohlen zu schaffen, nur darin bestehen kanu,
die anderen von der Natur dargebotenen Energieformen ausgiebiger
als bisher auszunutzen. Hierbei wird es gewifs nicht ausführbar sein,
die Muskelkraft von Mensch und Thier wesentlich stärker als bisher
heranzuziehen. Und auch das pflanzliche Brennmaterial wird sich
schwerlich sehr vermehren lassen, weil bei zunehmender Bevölkerung
immer gröfsere Flächen Landes zur Erzeugung von Nahrungsmitteln
werden dienen müssen. Also bleiben im wesentlichen nur drei Energie-
formen übrig, die, je eher je besser, in ausgiebigerem Mafse als bisher
zur Leistung von Nutzarbeit heranzuziehen sind:
Das ist erstens die dem Wasser innewohnende Energie der
Lage und Energie der Bew'ogung, mag das Wasser nun durch
die Sonne emporgehoben sein, oder mag es dem Spiel der (iczeiten
sein Arbeitsvermögen verdanken.
Sodann die Energie der bewegten Luft.
Und endlich die Energie der unmittelbaren Sonnen-
strahlung.
Während die erste dieser Energieformen schon seit alter Zeit
zum dauernden Maschinenbetrieb, nämlich zur Bewegung von Mühl-
rädern benutzt wird, so dafs ihre Verwerthung nur weiterer
kommnung und Ausbreitung bedarf, so erfordert die Nutzbarmaeshung
der anderen beiden Energfieforraen unstreitig noch grofse Geistesaxbeit;
denn die Energie des Windes wird bisher nur äufserst mang«lhaf^
verwerthel, imd diejenige der direkten Sonnenstrahlung noch so gtt*
wie gar nicht Auch eignen sich die lelzeren beiden Formen ^^’esren
ihres unterbrochenen Auftretens (wenn der Wind sich legt, wenn
Sonne sich verhüllt) nicht sowohl zum unmittelbaren dauernden Be*
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371
triebe, als vielmehr zur Aufspeicherung von Arbeitsvorriithen in
geeigneter Form. Zu solchem Beginnen sind aber kaum die ersten
tastenden Versuche gemacht.
Wie wird sich denn nun unser Kulturleben gestalten, wenn die
meisten Maschinen nicht mehr durch Dampf, sondern durch Wasser-
kraft betrieben werden sollen? Das bequemst verwerthbare Arbeits-
vermögen wohnt dem Wasser da inne, wo es auf kurze Strecken hin
beträchtliche Höhenunterschiede besitzt; denn dort kann man es ent-
weder langsam tief horabsinken lassen, oder man kann cs durch sein
OefiUle grofse Geschwindigkeit erlangen lassen. Es ist klar, dafs sich
diese Bedingung am vollkommensten in den Gebirgen oder in deren
Nähe erfüllt findet, wo das Wasser in schäumenden Kaskaden her-
nieder rauscht, dem Naturfreunde zum Hochgenufs, aber ohne Nutzen
für die übrige Menschheit. Unsere Nachkommen werden sich daran
gewöhnen müssen, auf diese Naturschönheiten mehr und mehr zu
verzichten, denn immer mehr wird man die Wasserfälle zur Frohn-
arbeit anhalten. Aufgestaut in Sammolteichen werden die Wässer der
bald reichlich, bald spärlicher lliefsenden Bäche zum regelmässigen
Maschinenbetrieb vermittelst Turbinen gezwungen werden. Infolge
hiervon wird sich allmählich eine Verschiebung der grofsen Menschen-
ansiedlungen zur Nachbarschaft der Gebirge hin vollziehen. — Aber
nicht allein zum Gebirge hin. Nein, auch zu den Küsten der grofsen
Meere, wo in dem regelmäfsigen Wechsel von Ebbe und Fluth die
Wasser fallen und steigen! Hier bedarf es nämlich nur eines Paares
grofser Sammelbecken, um beliebige .\rbeitsgröfsen zu gewinnen.
Wenn da.s eine Becken nur zur Zeit der Fluthhöhe mit dem Meere
in Verbindung gesetzt wird, das andere nur zur Zeit der tiefen Ebbe,
so wird das Wasser des ersteren stets auf hohem, das des letzteren
stets auf tiefem Niveau erhalten; dadurch ist ein stetiges Herabfliefsen
in Mühlkanälen aus dem einen in’s andere, und somit beliebige Ar-
beitsleistung ermöglicht.
Während diese Verwerthung der Ebbe und Fluth, obgleich schon
ziemlich früh ersonnen, bisher nicht in nennenswerthera Mafse in die
Praxis eingeführt wurde, nimmt die Knechtung der strömenden Ge-
wässer vor unseren Augen immer mehr zu. In Schatfhausen ist schon
vor längeren Jahren eine grofse Anlage geschaffen worden, um einen
winzigen Bruchthoil des im Rheinfall dargobotenen Arbeitsvermögens
den Stadtbewohnern dienstbar zu machen. Die der Wasserkraft ent-
stammende Bewegung wird durch lange Dralitseiltransmissionen nach
den verschiedensten Stellen der Stadt übertragen und zu den mannig-
25*
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372
faltif!;sten Arbeitsleistungen verwcrthet. Wie man anderwärts Leucht-
gas und Wasser zugoleitet erhält und nach Mafsgabe des Verbrauchs
bezahlt, so wird dort Arbeitsvermögen nach Bedarf zugeführt, und für
die Anzahl der verbrauchten Pferdestärken wird Zahlung geleistet
Aehnlicho Einrichtungen sind auch in Freiburg in der Schweiz aus-
gefuhrt, und neuerdings auch für Rheinfelden bei Basel geplant, aber
hier mit einer Abänderung, von der nachher noch zu reden sein wird.
Der Consument von Energie bezieht letztere auf diese Art bequemer
und billiger, als wenn er Dampfmaschinen oder Gasmotoren hätte an-
schaffen und dauernd speisen müssen. Es ist sicher, dafs viele Städte
diesen Beispielen folgen werden. In manchen Gebirgsgegenden findet
man ferner schon jetzt isolirte Fabriken durch Wasserkraft elektrisch
beleuchtet; der benachbarte Bach hat die erforderliche Energie liefern
müssen, um dynamoelektrische Maschinen zu treiben. Dadurch, dafs
Drahtspulen zwischen Magnetpolen schnell gedreht werden, entsteht
in ersteren auf räthselhafte Weise der elektrische Induktions-Strom,
welcher nun die Bogenlampen entflammt und die Glühlampen zum
Leuchten bringt.
Während man also früher nur Kohlen und aus ihnen bereitetes
Leuchtgas und ausserdem Petroleum, zur Lichterzeugung zu benutzen
wufsto, so wird hier die Energie gehobenen Wassers zunächst in die
Uebergangsform des elektrischen Stromes und letztere erst in
Wärme und Licht urogesetzL Sogar zur Heizung beginnt man
bereits jene Wärme heranzuziehen, die der elektrische Strom im
durchflossenen Draht hervorruft. Wenn man also den Strom in der
beschriebenen Art durch Dynamo-Maschinen erzeugt hat, die mittelst
Wasserkraft getrieben werden, so hat man die dem W'asser (vermöge
seiner Lage oder seiner Bewegung) innewohnende Energie in die
andere Energieform: „Wärme“ umgesetzt
Wenn es auch keinem Zweifel unterliegt, dafs Oebirgsländer
und .Meeresküsten infolge der dort billig zu habenden Arbeitsvorräthe
von den Menschen der Zukunft vorzugsweise als Wohnstätten auscr-
wählt werden müssen, so würde die Anhäufung von Menschen da-
selbst doch bald zu dicht werden, wenn es nicht gelänge, die dort
vorhandene Energie auch auf gröfscre Entfernungen ins Land hinein
fortzuleiten. Drahtsciltransmissionen wie in Schaflhause’n sind freilich
für meilenweite Arbeitsübertragung ungeeignet. Aber es bieten sich
zwei andere Möglichkeiten dar: Die Uebertragung des Druckes
von Wasser oder komprimirter Luft in weiten festwandigen
Köhren; und die elektrische Arbeitsübertragung. Beide
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373
«cheinen weiterer Ausbildung fähig zu sein, vor allem wohl die letztere,
von deren Leistungsfähigkeit bereits vielversprechende Proben vor-
liegen. Der Vorgang ist recht einfach; Durch Wasserkraft wird eine
Dynamo-Maschine getrieben und liefert elektrischen Strom. Dieser
wird nun durch dicke Metalldrähte, die ihm wenig Widerstand bieten,
zu einer zweiten, meilenweit entfernten Dynamo-Maschine geleitet,
welche sich in demselben Augenblick, als der Strom sie durchfliefst,
zu drehen anfangt. Vermittelst des elektrischen Stromes ist also an
jener entfernten Stelle, wo von Natur gar kein Arbeitsvermögen zur
Verfügung stand, die Maschine in Umdrehung versetzt und vermag
nun Nutzarbeit irgend welcher Art zu leisten, ln solcher Art will
man von Rhoinfelden aus die Energie des strömenden Rheins ver-
wenden. In solcher Art vollzieht sich auch der Betrieb elektrischer
Eisenbahnen, auf denen ohne Schnaufen und Blasen und ohne lästigen
Rauch die Wagen wie von Geisterhand getrieben dahineilen.
Sowie einerseits der elektrische Bahnbetrieb bestimmt zu sein
scheint, mancher Orten den gewöhnlichen Bahnbetrieb zu ersetzen, so
wird letzterer andererseits wohl vielfach der Canalschiffahrt weichen
müssen, welche in weit billigerer Weise, zum Theil durch thierische
Arbeitskräfte, solche Güter befördert, bei denen es nicht auf gröfsere
Transportgeschwindigkeit ankommt.
Wir sehen also die Kulturländer der Zukunft besonders in der
Nähe der Gebirge und der Meeresküsten mit grofsen Städten besetzt,
wir sehen sie von zahlreichen Wasserstrafsen durchschnitten, von
Trausraissionskabeln nach allen Richtungen hin durchkreuzt, und von
elektrischen Bahnzügen mehr als von den altmodischen Dampfwagen
durcheilt. Während dieses Zukunftsbild in engem Anschlufs au schon
vorhandene Einrichtungen skizzirt ist und daher einigen Anspruch
hat, für zutreffend zu gelten, erhält man ein weit verschwommeneres und
phantastischeres Bild, wenn man sich auszumalen versucht, auf welche
.\rt die beiden anderen der vorher erwähnten Energieformen im
Grofsen für die Menschheit dienstbar gemacht werden könnten.
Das .Arbeitsvermögen bewegter Luft wird allerdings schon
gegenwärtig hier und ila verwerthet. In den weiten Niederungen
Norddeutschlands und Hollands bemerkt der Reisende nicht selten die
charakteristische Erscheinung der Windmühlen, deren Flügel stets dom
augenblicklichen Winde zugewendet wortien können. Ein gleich mäfsiger
unausgesetzter Maschinenbetrieb ist hier natürlich ausgeschlossen.
Aber die unregelmäfsig dargebotene Energie des Windes läfst sich
aufspeichern. Das geschieht schon jetzt stellenweise durch die so-
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genannten Windmotoren. Eine Windmühle treibt ein Pumpwerk,
welches aus einem Brunnen, Teich oder Flufs das Wasser in ein
höheres Becken hinaufhebt, von wo man es dann herabflietsen und
Wasserräder treiben lassen kann.
Es giebt aber noch eine ganz andere Art der Energieaufspeicherung,
nämlich vermittelst des elektrischen Stromes. Und da diese viel be-
sprochen worden ist und wohl auch eine grofse Zukunft hat, so sei
sie hier noch auseinander gesetzt. Wir denken uns einen elektrischen
Strom gegeben, welcher eine aus zwei schwammig lockeren Bleiplatten
und verdünnter Schwefelsäure bestehende Zelle durchfliefst. Unter seiner
Wirkung verändern sich beide Platten so, dafs sie sich wde zwei ganz
verschiedene Metalle verhalten. Xun weifs man aber, dafs beim Ein-
tauchen von zwei verschiedenen Metallen in eine Säure, und bei Ver-
bindung beider Platten durch einen Schliefsungsdraht, ein elektrischer
Strom zu kreisen beginnt. Dasselbe mufs also auch eintreten. wenn
man die in obiger Art veränderten beiden Bleiplatten in verdünnte
Schwefelsäure taucht Diese Vorrichtung nennt man einen Akkumu-
lator. Der Akkumulator ist also nichts anderes als eine galvanische
Batterie, die bereit ist, eine gewisse Zeit lang einen elektrischen Strom
zu liefern. Die Energieform des Stromes aber ist, wie wir wissen,
proteusartiger Veriindeningen fähig, indem sie aufs leichteste in Wärme
oder Licht oder Bewegung (vermittelst Dynamomaschinen) uragesetzt
werden kann. — Man benutze also Windmühlen, um Dynamomaschinen
zu treiben, und verwertho den elektrischen Strom zur Formirung von
.Akkumulatoren! Dann hat man Energie aufgespeichert, jeder Zeit bereit,
sich in andere gerade gewünschte Formen zu verwandeln. Es scheint,
als müsse es gelingen, auf diesem, freilich der Vervollkommnung noch
sehr bedürftigen Wege, im Laufe der Zeit gute Erfolge zu erzielen.
Und nun betrachten wir noch kurz die letzte Zuflucht; .,direkte
Verwerthungder uns zugestrahlton Sonnen energie.“ In solchen
(legenden, welche sich längere Zeit hindurch ungetrübten Sonnenscheins
erfreuen, mag vielleicht Mouchots Röcepteur solaire, der 1878 in der
algierschen Abtheilung der Pariser Weltausstellung zu sehen war,
nützliche Verwendung finden. Ein Hohlspiegel aus glänzend polirtem
Metall hat die Form eines innen spiegelnden Kegels, dessen Oeffnung
genau einen rechten Winkel beträgt. Stellt man diesen Kegelspiegel
so auf, dafs seine .Axo zur Sonne hinzielt, so werden die Strahlen von
der Metallflache sämtlich zur .Axe hin reflektirt, und ein hier befindliches
cylindrisches Gefafs voll Wasser erhitzt sich bald so, dafs das Wasser
kocht. Es ist klar, dafs auf solche Weise die Sonnenstralilen einge-
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fanjfen und den Menschen dienstbar gemacht worden können, zumal
wenn jener Apparat noch durch ein Uhrwerk getrieben wird, um der
Sonne auf ihrem Tageslauf zu folgen. Aber doch erscheint diese Vor-
richtung nur wie der erste Keim eines Gedankens, der noch reicherer
Kntwickelung fähig ist.
Auf solcher oder ähnlicher Grundlage liefse sich aber vielleicht
auch in unseren Breiten mit ihrem so häufig unterbrochenen Sonnen-
schein eine Aufspeicherung der Sonnenenergie erzielen, eine unvoll-
kommene Xachahmung jener Aufspeicherung, w'elche die gütige Natur
selber in der Bildung der Gewächse und der Kohlen und in den un-
abläfsig emporgehobenen Wasserdünsten besorgt. Hierzu müfste eine
Thermosäulo Verwendung finden. Viele Streifen von nur zwei ver-
schiedenen Metallen sind abwechselnd zu einem Zickzackbande anein-
ander gereiht und an den Berührungsstellen verlöthet. Wenn man die
beiden Enden des Bandes durch einen Draht verbindet und die eine
Zackenart erwärmt, so beginnt ein elektrischer Strom zu kreisen. Es
erscheint nun nicht undenkbar, dafs man durch konzentrirte Sonnen-
strahlen solche Thermoströme hervorruft und letztere zur Formirung
von Akkumulatoren benutzt. Auf diese Weise wäre die unregelmäfsig
uns zugestrahlte Energie iler Sonne dingfest gemacht, nämlich in
schlummernde chemisch-elektrische Energie verwandelt
Vielleicht könnte man sogar daran denken, die Sonnenwärme zur
Destillation zu benutzen, indem man sie unmittelbar oder nach gehöriger
Koncentration auf eine gröfsere Wassermengo wirken läfst. Die auf-
steigenden Dämpfe müfsten dann in einem höheren Bassin zur Konden-
sation gebracht werden, damit man clurch herabsinkendes Wasser
gewünschte Arbeiten leisten lassen könnte. In ähnlicher Weise wird
schon jetzt in einer nur mit Salzwasser versehenen Gegend die Sonnen-
wärme benutzt, um, durch Glasdächer auf das Salzwasser scheinend,
Verdampfung zu bewirken. Der reine Wasserdampf schlägt sich dann
Nachts in Tropfen an den durch Ausstrahlung abgekühlten Glasscheiben
nieder und gelangt, an ihnen entlang Iliefsend, in Auffanggefäfse, um
nun den Menschen als Süfswassertrunk dienen zu können, denn die
Salztheile sind ja nicht mit verdunstet.
Doch die letzteren Betrachtungen und Vorschläge sind bereits
bedenklich pluinlastisch, und, wenn überhaupt, so doch wohl in sehr
anderer Gestalt und erst in ferner Zukunft realisirbar.
IV. Schlussbetrachtungen.
Ich eile zum Schlufs! In den anfänglichen Erörterungen über die
vorhandenen Kohlenvorräthe ist nur von Europa die Hede gewesen;
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nur hier ist der Vorrath in absehbarer Zeit erschöpfL Viel reichlicher
scheinen andere Länder mit diesen Schätzen gesegnet zu sein. Die
nordamerikanischen Kohlenfelder haben reichlich eine fünfmal so grofse
Ausdehnung als die europäischen; ebenso die chinesischen. Die austra-
lischen sollen denen Europas gleichkoinnien. Nun ist es gewifs, dafs
für manche Zwecke die Kohlen bei weiten die bequemste Energieform
sind und bleiben werden; z. B. für die Verhüttung von Erzen, (für
welche gegenwärtig etwa ein Drittheil aller englischen Kohlen dient),
für Eisenbahnen u. s. f. Wenn also die Heranziehung der anderen
Energieformen, wie geschildert, nicht rechtzeitig und in ausgiebigster
Weise gelingt, so sind wir für viele Zwecke auf den käuflichen Erwerb
der Kohlen von den damit versehenen Ländern angewiesen. Und dann
ist die Befürchtung gewifs gerechtfertigt, dafs die mit jenen „schwarzen
Diamanten“ begabten Länder infolge dieses Besitzes das arme Europa
überflügeln. Auf theure Bezahlung der von auswärts bezogenen Kohlen
angewiesen, bleiben wür schwerlich konkurrenzfähig mit jenen bevor-
zugten lündem. Was wird dann die Folge sein? Eine Verschiebung
der Kultur von Europa weg nach den Kohlenländern; viel-
leicht eine Völkerwanderung dahin, in Begleitung von Kriegen zur
Erkiimpfung jener Schätze oder der Länder, die sie borgen.
Vielleicht gelingt es indessen, bei zunehmender Gesittung der
Menschheit, noch lange vor solchen wilden Ereignissen die Kohlen-
gewinnung überall wesentlich zu beschränken und schon sehr balfl die
anderen Formen des Arbeitsvermögens an Stelle der Kohlen eintreten
zu lassen. Wenn die ganze Menschheit davon durchdrungen sein wird,
dafs die Kohlen ein unersetzliches Kapital sind, dessen sparsamste Ver-
wendung nicht für ein einzelnes Volk, sondern für die ganze Menschheit
eine Lebensfrage ist, so kommt vielleicht eine internationale Vereinigung
in betreff des Kohlenverbrauchs zu stände, ähnlich wie es schon jetzt
einen Weltpostverein giebt, und es wird die Kohlengewinnung und
Verwerlhung unter internationale Aufsicht gestellt.
Doch wohin irre ich ab? In welche historischen Zukunftsfenien
verliere ich mich? Vielleicht vollziehen sich die Ereignisse in ungeahnt
anderer Weise, als wir es kurzsichtig jetzt schon vorauszusehen ver-
mögen. Eins aber dürften die angestellten Betrachtungen wohl unwider-
leglich lehren, nämlich dafs, trotz tausendfältiger Triumphe des Menschen-
geistes bei der Dienstbannachung der N’aturkräfle, der sogenannte ..Herr
der .Schöpfung“ sich doch sohliefslich in vollständigster -Abhängigkeit
befindet von den natürlichen irdischen Bedingungen, die seinem ge-
samten Streben unübersteigliche Schranken setzen.
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Die deutsche Plankton-Expedition.
Von Admiralitätärath Rottok in Berlio.
c^^hne Zweifel von hervorragender Bedeutung für die Erforschung
der Meere und speziell dor biologischen Verhältnisse derselben
ist die im letzten Jahre von deutschen Gelehrten ausgerührte,
ihres eigenartigen Charakters und Zweckes weges unter dem Namen
„Plankton-Expedition“ bekannte Forschungsreise gewesen. Mit Plank-
ton bezeichnete Professor Hensen, der Leiter der Expedition, die un-
endliche Menge kleiner Thiere und Pflanzen, welche willenlos im
Meere umhergetrieben werden. Nachdem derselbe in den letzten
Jahren in der Ost- und Nordsee mittelst eines neuen von ihm ersonnenen
Verfahrens erfolg- und lehrreiche und im höchsten Grade interessante
Untersuchungen über diese kleinen Organismen angestellt hatte, wollte
er dieselben auch auf den offenen Ocean ausdehnen. Durch die Gnade
Sr. Majestät des Kaisers und die Unterstützung der Königlichen Aka-
demie der Wissenschaften gelang es, die Mittel zu einer 3- bis
4-monatlichen Expedition zu dem beregicn Zweck auf dem Atlantischen
Ocean zusammenzubringen. Aufser Professor Ilensenals Leiter nah-
men noch an der Expedition thoil die Zoologen Professor Brandt und
Dr. Dahl, der Botaniker Dr. Schütt, Professor Fischer als Arzt, der
gleichzeitig die Untersuchung der allerkleinsten Formen des Planktons
der Meeresbacillen übernahm, für die physisch-oceanograpbischen For-
schungen Professor Krümmel, sämmtlich von der Universität zu Kiel,
und schhefslich noch Marinemaler R. Esch ke. Nachdem ein geeigueter
Dampfer mittlerer Gröfse, der „National“, gemiethet, mit den nöthigen
Einrichtungen versehen und mit Apparaten und Instrumenten ausgerüstet
war, was durch die bereitwillige Unterstützung des Reichs-Mariue-
Amts w-esentlich erleichtert wurde, verliefs die Expedition unter
Geleit des Herrn Kultusministers und Oberpräsidenten der Provinz
Schleswig-Holstein am 15. Juli Morgens den Hafen von Kiel, um nach
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1 1 5 - täffigor Falirt am 7. Xovember wohlbehalten und mit den ge-
wonnenen Resultaten zufrieden dortselbst wieder zuriickzukehren.
Genaueres über die Ergebnisse der Expedition darf in kurzem
nicht erwartet werden, da die aufserordentlich mühevolle Bearbeitung
des biologischen Materials lange Zeit in Anspruch nehmen wird; einen
allgemeinen L’eberblick über die Expedition haben wir jedoch jetzt
schon den Herren Krümmel und Brandt zu verdanken, welche in
der Dezembersitzung der Berliner Gesellschaft für Erdkunde Bericht
erstatteten, indem ersterer den allgemeinen Verlauf der Reise schilderte
und Professor Brandt die biologischen Forschungen beleuchtete.
Wenn in erster Linie die Aufgabe der Expedition in der Er-
forschung des Planktons bestand, so mufston doch auch um die äufseren
Lebensbedingungen desselben fostzustellen, die physikalischen Eigen-
schaften des Meeres mit in den Bereich der Untersuchungen gezogen
w’ordeu; Lolhungen, Temperaturmessungen, Bestimmung des Salzge-
haltes, der Durchsichtigkeit und Farbe des Wassers und der Meeres-
strömungen, verbunden mit regelmäfsigen meteorologischen Beobach-
tungen bildeten einen wesentlichen Bestandtheil der Arbeiten,
Für die Tieflolhungen w'ar vom Reichs-Marincamt eine Sigsbeesche
I,.othmaschine zur Verfügung gestellt, für die Temperaturmessungen
8 Umkehrthermometer; zur Feststellung des Salzgehaltes war von
Professor Abbe in Jena ein besonderes Refraktometer konstruirt und
der Expedition mitgegoben, welches den Salzgehalt des Wassers mittelst
des Brechungsexponenten zu bestimmen gestattete; aufser diesem dienten
die gewöhnlichen Instrumente, Ariiometer und die chemischen Apparate
zur Bestimmung des Chlorgehaltes, diesem Zwecke. Die Farbe des
Wassers wurde bestimmt nach einer von Professor Forel aufgestellten
Farbenskalo; die Durchsichtigkeit des Wassers wurde durch eine in
die Tiefe versenkte woifso Segeltuchscheibo festgestollt.
Die ersten Tage der Reise in der Ost- und Nordsee dienten zur
Aufstellung und Ordnung der Apparate und anderen Vorbereitungen.
Erst westlich von Schottland — der Kurs wurde auf Kap Farvel
genommen — begannen die eigentlichen Arbeiten; von da ab wurde
regelmäfsig 2 -mal am Tage in 200 und 400 m Tiefe Plankton gefischt,
und die übrigen Beobachtungen, soweit Zeit und Verhältnisse es ge-
statteten, ausgoführt Die ersten Ticflothungen wurden am 19. und
22. Juli in 58» 57' N. Br,, 8« 35' W. Lg. und 60» 10' N. Br., 22» 56' W.
Lg. gemacht und ergaben Tiefen von 1523 und 2400 m. Am 26. Juli
Abends machte sich die Annäherung an die Küste von Grönland und
den Ostgrönlandstrom bemerkbar durch die fallende Temperatur und
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die dunkelffrüne Färbung des Wassers, welche gegen das schöne
Blaiigrün westlich von Schottland auflällend kontrastirto. Schon am fol-
genden Tage befand sich das Schiff im Treibeis; die Thermometer
zeigten eine anomale vertikale Wärmeschichtung; während die Tem-
peratur an der Oberfläche 3,0® betrug, stieg sie in der Tiefe von
200 m auf ß,6".
Eis, Nebel, zunehmender Wind und See liefsen ein weiteres Vor-
dringen nach Norden und Westen nicht räthlich erscheinen. Vor
einem kräftigen Nordweststurm lief das Schiff mit beschleunigter Fahrt
nach Süden. Im Labradorstrom, w-clcher am 28. Juli erreicht wurde,
passirte man mehrere Eisberge, das Wasserthermometer fiel von 12,3®
auf 9,6®. Nachdem die Neufundland-Bank in dem dort vorherrschenden
Nebel passirt war, gaben am 2. August die höhere Temperatur der
Luft und des Wassers und der stärkere Salzgehalt des letzteren zu
erkennen, dafs das Schiff sich im Golfstrom befand. Denselben durch-
querend wurde auf die Bermuda-Inseln zugesteuert, um hier Proviant
und Kohlen aufzufüllen. Nach 4 -tägigem Aufenthalt im Hufen von
St. Georges ging es durch die Sargassosee und den nordafrikanischen
Strom den Kapverdischen Inseln zu. Die .Sargassosee zeichnete sich
aus durch eine überraschende Armuth an Thieren und die auffallend
grofse Durchsichtigkeit des schön blauen Wassers, die Planktonnctze
blieben bis auf 40 m Tiefe sichtbar, die Segeltuchscheibe bis zu SS
und 66 m; es sind dies die gröfsten bis jetzt beobachteten Sichttiefen.
Auch die gröfsten Tieflothungen während der Expedition wurden in
diesem Theilo des Oceans gemacht, Tiefen von 5670 und 5250 m. in
28» 56' N. Br., 34» 58' W. Lg. und 31» 29' N. Br., 59® 0' W. Lg.
Am 27. August wurde der Hafen der Kapverdischen Insel .St. Vincent
angelaufen, von dort wurde weiter über Potro Prava nach Ascension
gedampft, und nach kurzer Rast vor letzterer Insel bei Fernando No-
ronha vorbei nach Parä in Brasilien. Die Absicht von hier den
Amazonenstrom zu befahren, um das Plankton eines grofson Tropen-
flusses zu studiren, wurde durch das Auflaufen des .Schiffes auf eine
Sandbank vereitelt, ein zweiter Versuch mufsto aus Mangel an Zeit
aufgegeben werden. Nachdem das Schiff in Parä wieder in stand
gesetzt und von neuem ausgerüstet war, wurde am 7. Oktober die
Heimreise angetreten, die nur durch ein wegen einer Maschinenre-
paratur nothwendiges .Anlaufen des Hafens von Ponta Delgado auf
den Azoren unterbrochen wurde.
Nach den Berichten der vorgenannten Mitglieder der Expedition,
der Professoren Krümmel und Brandt, darf der Verlauf und die Aus-
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heute der Expedition als durchaus zufriedenstellend bezeichnet werden,
wenn auch die Zeit für ein derartiges Unternehmen sehr knapp be-
messen und viele Beobachtungen mehr als wünschenswerth beschränkt
werden mufsten. Der Hauptzweck der Expedition, die Bestimmung
der quantitativen und qualitativen Verbreitung des Planktons ist er-
reicht worden; die Tiefseeforschungen, sowohl die geophysischen wie die
geologischen, mufsten allerdings des grofsen Zeitaufwandes wegen,
welchen dieselben erfordern, sehr eingeschränkt werden. Die Plankton-
züge wurden deshalb in der Regel auch nur bis auf Tiefen von 200
bis 400 m. ausgedehnt
Das für gewöhnlich zu der Planktonflscherei benutzte Netz
bestand aus dom trichterförmigen Aufsatz, dem eigentlichen
Netz und dem unten angehängten Eimer. Der erstere bestand aus
dichtem Zeug, das eigentliche Netz aus feiner Seidengazo von 0,05 mm
Maschenw'eite; Einsätze von demselben Stoffe befanden sich im Eimer,
so dafs auch hier ein Austreton des Wassers möglich war. Das Netz
wurde in eine bestimmte Tiefe hinabgelasson und dann senkrecht in
die Höhe gezogen, so dafs eine Wassersäule von bekannter Ausdehnung
durchflltrirt wurde, und alle Organismen im Netz zurückblieben. Nach-
dem das Netz über Wasser befindlich, wurde alles, was am Seidenzeug
noch haften geblieben, in den Eimer gespült, der Eimer abgenommen,
sein Gehalt durch einen Filtrator möglichst vom Wasser befreit, um
dann weiter konservirt und bestimmt zu werden.
Die gesamte organische Substanz des Meeres setzt sich nach Hen-
sen zusammen aus den Nahrungskonsumenten (Thieren) und den Nah-
rungsproduconten (Urnahrung). Zur Urnahrung rechnen alle diejenigen
chlorophyllführenden Wesen, welche selbst vermöge ihrer Chlorophyll-
körper die zu ihrem Aufbau nöthigen organischen Stoffe zu bilden ver-
mögen. In der Ost- und Nordsee wird dieselbe haupt-säohlich aus Diato-
meen und Peridineeu gebildet, im Ocean kommen noch Faden- und
Zellenalgen hinzu. Als Beispiel von der unendlichen Menge, in
welcher diese kleinen Organismen das Meer bevölkern, mögt« dienen,
dafs in der Ostsee bei einer Zählung von einer Gattung der Diatomeen
(Chaetooeros) in einem Kubikmeter 45 Millionen Stück gefunden wur-
den; jeder Tropfen Ostseewasser enthält einige Diatomeen. Eine Million
dieser Wesen enthält nach Hensen 0,03 gr organischer Substanz.
Aus einer vorläufigen Schätzung des auf der Expedition ge-
sammelten Materials von Plankton im offenen Ocean — mit dem oben
beschriebenen Plauktonnelze sind etwa 140 Züge gemacht worden —
geht hervor, ,-dars der Ocean sehr viel ärmer an Plankton ist, als die
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Ost- und Nordsee. Nur in den nördlichen, kälteren Regionen des
Atlantischen Oceans fand sich eine ähnliche Menge von Organismen
wie an unseren Küsten. Diese Thatsacho ist um so auffallender, als
an der mächtig strahlenden Tropensonne eine reichere Erzeugung
belebter Substanz zu erwarten war, als von dem schwächeren und
spärlicheren Sonnenlicht des Nordens.“ Ebenso war das Sargassomcer
viel weniger von Organismen belebt, als seine Umgebung. Genauere
Angaben über die Verbreitung des Planktons werden sich erst nach
Jahren machen lassen; nach Professor Brandts Berechnung würde
die Bestimmung der Organismen einen einzelnen Bearbeiter bei täg-
lich 8- ständiger Arbeitszeit volle 6 Jahre in Anspruch nehmen.
Um neben den kleinen Organismen auch gröfsere Thiere zu ge-
winnen, wurde ein Netz von grofser Ausdehnung aus weitmaschiger
Seidengaze gebraucht. Leider ging dasselbe auf der Noufundlandbank
verloren und einem zweiten aus Bordmitteln hergestellten ähnlichen
Netze konnte nicht dieselbe wünschenswerthe Ausdehnung gegeben
werden. 86 Züge wurden mit diesen Netzen gemacht; dieselben wurden
gewöhnlich bis in eine Tiefe von 400 m hinabgelasson und dann
senkrecht aufgeholt.
Zur Bestimmung der Verbreitung der Organismen in vertikaler
Richtung gelangte noch eine dritte Art von Netzen, das Schliefsnetz, zur
Verwendung. Dasselbe wurde geschlossen bis in die gewünschte Tiefe
versenkt, es öffnete sich selbstthätig beim Heraufziehen, um sich aber
bei einer bestimmten Tiefe wieder zu schliefsen. Die mit diesem Netze
ausgefiihrten etwa 40 Vertikalzügo liefsen erkennen, dafs noch in sehr
bedeutenden Tiefen lebende Organismen Vorkommen, wenn auch in
viel geringerer Zahl als in den oberen Wasserschichten. Mit der Tiefe
nahm nicht nur die Menge der Individuen, sondern auch die Anzahl
der Thierarten rasch ab. Die bisherige Annahme, dafs in einer Tiefe
von über 200 Faden (c. 400 m) kein pflanzliches Leben mehr ange-
troffen wird, wurde durch die Fänge des Schliefsnetzes widerlegt.
Bei fünf Zügen wurden aus einer Tiefe von 1000 — 2200 m zahlreiche
lebende Exemplare einer kleinen Meeresalge, Ilalosphaera viridis, an
die Oberfläche befördert.
Auf die Oberflächenfisoherei und das Fischen mit Ilorizonlal-
netzen wurde verhältnifsmärsig nur wenig Zeit und Arbeit verwandt;
als Geräthe wurden dazu Kätscher, ein von Hensen konstniirles Cy-
lindernetz und Schwebenetzo benutzt. Trotz der geringeren Aufmerk-
samkeit, welche man diesem Zweige der Forschung widmen konnte.
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wurde aucli hierbei, besonders im Sarg-assomoor, ein reiches und in-
teressantes Material gewonnen.
Es würde zu weit führen, an dieser Stelle auf weitere Details
einzugehen, dies kurze Referat wird genügen, um einen Ueberblick
über die Thätigkeit der Expedition zu geben und die üeberzeugung
zu schaffen, dafs durch deutschen Fleifs und Scharfsinn Erfolge erzielt
sind, von denen wir gewichtige Aufschlüsse über das Leben des
Meeres erwarten dürfen.
t
Stemenstrahlung und Temperatur des Weltraums.
Einen höchst beachtenswerlhen, wenn auch rein negativen Bei-
trag zur Frage nach derjenigen Wärmemenge, welche die Erde durch
die Strahlung der Gestirne mit Ausschlufs der Sonne empfängt, hat
Dr. Maurer im Januarheft der „Meteorologischen Zeitschrift“ geliefert
Das wesentliche Resultat dieser Untersuchung lieget in der Erkenntnifs,
dafs die in vielen Lehrbüchern nach Pouillets Messungen zu — 142® C.
angegebene sog. Temperatur des Weltraumes in Wahrheit bis zur
Stunde eine völlig unbekannte Gröfso ist, und dafs die Aussicht auf
eine wissenschaftliche und unanfechtbare Ermittlung dieser Temperatur,
welche eine der Stemenstrahlung ausgesetzte, die Wärme völlig ab-
sorbirende Masse ohne Atmosphäre an der Stelle der Erde annehmen
würde, auch für die Folgezeit eine äufserst geringe ist Pouillets Ab-
leitungen beruhen atif ganz ungenügenden physikalischen Grundlagen
und auf Beobachtungsresultaten über die sogenannte „Solarkonstante“,
welche durch neuere Bestimmungen in wesentlicher Weise modificirt
worden sind. Eine einwurfsfreie Bestimmung der gesamten Wärme-
strahlung seitens der Gestirne würde die Konntnifs sowohl der mitt-
leren Temperatur unserer Atmosphäre, als auch ihrer Fähigkeit die
dunklen Wärmestrahlen zu verschlucken, voraussetzen. Die Temperatur
der Luft ist uns aber in einem gegebenen Augenblicke stets nur für
die untersten Schichten bekannt und ein Gesetz für die Aenderung
der Temperatur mit der Höhe ist nicht nur nicht bekannt, sondern
allem Anschein nach auch gar nicht vorhanden. Ebenso sind aber auch
für den Transmissionscoeffioienten der Luft, bezogen auf ihre eigene
Strahlung, noch keine zuverlässigen Werthe auf dem Wege der sicheren
Beobachtung ermittelt. Dr. Maurer fafst das Ergebnifs seiner Unter-
suchung in dem Satze zusammen: „Alles deutet darauf hin, dafs die
Energiemenge, welche uns aus dem interplanetaren Raume vermöge
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der Radiation von Körpern hoher und niedriger Temperatur zuge-
strahlt wird, jedenfalls und namentlich im Vergleich zur Sonnenwiirmc
und zur eigenen Strahlung der Atmosphäre, von der sie gar nicht zu
trennen, ganz belanglos ist — Der Beweis, dafs die Sternenstrahlung
eine beträchtliche ist und folglich jene sogenannte „Temperatur des
Weltraumes“ relativ hoch über dem absoluten Nullpunkt liegt, dieser
Beweis müfste erst noch geliefert werden und zwar durch ganz andere
Mittel, als seit den Zeiten Pouillets beigebraoht worden sind.“
F. Kbr.
Zur Theorie der veränderlichen Sterne liefert Dr. Wilsing in
No. 2960 der „Astronomischen Nachrichten“ einen sehr beachtens-
werthen Beitrag, in welchem zunächst durch eine eingehendere Rech-
nung nachgewiesen wird, dafs die Consequenzen, welche sich aus den
Vogel sehen Elementen für das Algol-System ') ergeben, zu keinem
Widerspruch mit den beobachteten Erscheinungen führen, sofern sich
nämlich alle Eigenthümlichkeiten der die Hclligkeitsschwankungen des
Algol darstellenden Lichtkurve durch Annahme nur solcher Hypothesen
erklären lassen, welche auch für die Sonne Gültigkeit haben. Es
können auf Grund dieser Untersuchung die Schwierigkeiten, welche
sich dem interessanten Resultate der spektrographisohen Forschung
entgegenstellten, als im wesentlichen beseitigt gelten. Wilsing zeigt
nämlich, dafs die Ilelligkeitsschwankungen des Systems, welche durch
die Phase des von dem sehr nahen Ilauptkörper intensiv beleuchteten
Begleiters einerseits und durch die infolge der starken Fluthwirkung
auftretende Abweichung des Hauptstornes von der Kugelgestalt anderer-
seits erzeugt werden können, weniger als 2/100 Gröfsenklassen aus-
machen und sonach durch die Beobachtungsfehler verdeckt werden
müssen.
Die Constanz der Plelligkoit des Systems während der ganzen
Periode, aufser während des Vorüberganges des Begleiters vor dem
Hauptstern (in der unteren Conjunktion), ist sonach ausreichend erklärt,
sofern nur das vom Begleiter ausgesandte Licht weniger als '/30 von
dem des Hauptstems beträgt, sodafs die Bedeckung des Begleiters
nicht wahrgenommen werden kann. Die Gestalt des variablen Theils
der Lichtkurve läfst sich dann mit völlig zufriedenstellender Genauig-
') Vgl. Himmel und Erde II. S. 239.
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384
keit auf Grund folgender Annahmen ableiten: Beide Körper sind von
Atmosphären umgeben, welche bewirken, dafs ganzi ähnlich wie bei
der Sonne die Helligkeit am Rande nur etwa Vio der Helligkeit
in der Mitte der Scheibe beträgt, und welche ferner 0,435 von dem
Sternenlicht verschlucken, was bei der Höhe von 54000, resp. 42000
Meilen eine im Verhältnifs zur Erdatmosphäre ungemein geringe, mit der
der Sonnencorona etwa vergleichbare Dichte jener Hüllen bedingt. Die
Abweichungen in der Gestalt der Lichtkurve vor und nach dem Hellig-
keitsminimum erklären sich endlich durch die Annahme einer Excen-
triciUit der Bahn von 0,01 1 bei einer Länge des Poriaslrons von 245*.
Im Anschlufs an diese Untersuchung des Algolsystems lenkt
Dr. Wilsing die Aufmerksamkeit auf eine bisher weniger beachtete,
von Klinkerfues herrührende Hypothese über die Ursache des
Lichtwechsels einer Gruppe von Veränderlichen. Ein nicht unbe-
trächtlicher, periodischer Helligkeitswechsel kann nämlich durch die
Ebbe- und Flutherscheinungen hervorgerufen werden, welche durch
die gegenseitige Anziehung sehr naher, optisch nicht trennbarer
Doppelsterne in deren Atmosphären erzeugt werden müssen. Diesem
geistvollen Erklärungsversuch stand bisher entgegen, dafs die Existenz
genügend eng bei einander stehender Doppelsterno noch nicht erwiesen
war und als unwahrscheinlich galt. Im Algolsystem, bei welchem
nach Vogel die Halbachse der Bahn nur 700 000 Meilen lang ist, ist
nun aber ein derartig enges Paar gefunden, bei welchem unter der
Annahme einer atmosphärischen Umhüllung, die in beträchtlicherem
Mafse das Licht absorbirte, durch die Fluthwirkungen eine Heliig-
keitsschwankung von mehr als einer Qröfsenklasse erzeugt werden
könnte. Im besonderen scheint nach Wilsing die Kli nkerfuessche
Hypothese mit Erfolg auf einige Erscheinungen neuer Sterne aus
letzter Zeit-) anwendbar, bei denen die spektroskopische Untersuchung
ein doutliches continuirliches Spektrum erkennen liefs, sodafs die Er-
klärung des Aufleuchtens allein aus dem Hervorbrechen glühender
Oasmassen nicht gpit angängig ist. Wilsing nimmt dabei an, dafs
in der dichten Atmosphäre des Sterns durch die Anziehung eines in
sehr excentrischer Bahn ihn umlaufenden Begleiters eine gewaltige
Fluthwelle erzeugt wird, welche einerseits die leuchtende Stemober-
fläche freilegt und andererseits auch das Hervorbrechen glühender
Gasmassen aus dem Innern begünstigen wird. — Wie wir aus diesen
0 Neuer Stern im Schwan von 1877, und neuer Stern im .Vndromedaoebel
von 1885.
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38.->
interessanten Forschungen erkennen, baut sich sonach auf Grund der
vortrefflichen Forschungfsmcthodeu der Astrophysik in Verbindung
mit der matliematischen Analyse eine Astronomie des Unsichtbaren
auf, welche uns durch die Kraft des menschlichen Scharfsinns Ent-
fernungen zu überspringen gestattet, denen gegenüber die blofse ver-
gröfsemde Kraft der Fernrohre allein für alle Zeilen völlig machtlos
bleiben würde. Dr. F. Ko erb er.
Astronomical Society of the Pacific.
Die im Februar des vorigen Jahres in San Francisco gegründete
astronomische Gesellschaft erfreut sich einer sehr eifrigen wissenschaft-
lichen Mitwirkung seitens der Lick-Sternwarte. Die Beitrüge zu dem
eben vorliegenden, fünf Hefte umfassenden ersten Bande der Gesell-
schaftsschrift (Publications of the Astron. Soc. of the Pacific vol. I,
San Francisco 1889) rühren so ziemlich alle von Mitgliedern des Lick-
Obsorvatoriums her, und es gewährt uns hohe Befriedigung zu sehen,
wie eine einzige astronomische Anstalt vermöge ihrer günstigen Lage,
der Oröfse ihrer instrumenteilen Mittel und namentlich des Eifers ihrer
Angestellten, im stände ist, allein durch ihre eigenen .\rbeiten schon den
Bestand der Schrift zu sichern und deren geistigen Centralisationspunkt
zu bilden. Aus dem reichen Inhalte des Bandes heben wir einiges hier
hon'or. Von grüfseren Artikeln sind namentlich zwei Arbeiten zu er-
wähnen, „über die photographische Helligkeit der Fixsterne“ (von
Schaeberle) und „über Jupiterbeobachtungen an einem ö Zoll-Refraktor
1879 — 1886“ (von Barnard). Der letztere Artikel enthält interessante
Details über eigenthümliche, von Barnard an der Jupiteroberfläche be-
merkte Veränderungen, besonders über das Auftauchen eines neuen
Streifens auf der Nordhemisphäre 1880 und 1881, ferner über die
Bildung einer Bucht bei dem „rothen Fleck“ im südlichen Aequatoreal-
streifen, über das Verhalten der Bewegungen des rothen und weifsen
Jupiterfleckens u. dgl. Die kleineren, zahlreichen Mittheilungen der
fünf Hefte beziehen sich hauptsächlich auf Arbeiten des Lick -Obser-
vatoriums. Besonders bemerkenswerth ist hier die am Morgen des
2. November 1889 von Barnard am 12-ZöUer ausgeführte Beobachtung
der überaus seltenen Verfinsteiung eines Saturnmondes, des Japetus,
durch die Saturnkugel und den Ring. Dieses Phänomen (in „Himmel
und Erde“ TI. Jahrg. Heft 1 angezeigt) konnte auf dem Lick-Obser-
vatorium nur zum Theil wahrgenomraen werden und zwar das Wieder-
Himmel unU Erdo. ISBO. II. 8. 26
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hervortreten des .Japetus aus ilem Schalten der Saturnku^el, der Diirch-
tjang durch den ilalbschatlen des Nebelringes (inneren Hondschen
Kinges) bis zum Kintritt in den Schatten des liellen Ringes. Reim
Krsclieinen aus dem Schatten war Japetus so liell wie die Monde
Tethys oder Knceladus, mit welchen er zu wiederholten Malen ver-
glichen wurde. Dann, beim Durehgang durch den Nebelring, nahm
die Helligkeit ein wenig, später, je näher der Satellit an den hellen
Satumring gelangte, sehr ra-sch ab. Barnard schliefst aus seiner
Beobachtung, dafs der Nebelring jedenfalls viel vom Lichte der Sonne
durchlasse, also seine Consistenz sehr wahrscheinlich eine wenig dichte
sein dürfte. — Den .\nstofs zur Bildung tler kalifornischen astronomi-
schen (jesellschaft hat die mit allgemeiner Theilnahme der Gebildeten
Nordamerikas verfolgte totale Sounenlinsli-rnifs vom 1. Januat' ISS'J
gegeben, .'seitdem hat <las Interesse für die .\stronomie in Kalifornien
grofsen Aufschwung genommen und zu der Lick -Sternwarte und
einigen anderen schon bestehenden Observatorien wird sich wahr-
scheinlich bald die Aufstellung eines neuen Riesen-Instrumentes auf
dem Wilson-Peak gesellen. •
Bujis Ballot
Am 3. Februar 1890 schied nach mehr als 4u-jäliriger, von reich-
stem Krfolge gekrönter Forscherthätigkeit <ler auch in weiteren Kreisen
berühmte Meteorologe aus der Reihe der Lebenden als ein Opfer der
Inlluenzii.
Christoforus llenricus Diedericus Bujis Ballot war am
10. Oktober 1817 in Kloetinge, Prov. Zeeland (Niederlande) geboren; seine
früh ausgesprochene Neigung zur Beschäftigung mit der Natur führte ihn
zum Studium der Naturwissenschaften, welchem er sich an der Univer-
sität zu Utrecht widmete. Im .Jalire 1844 wurtle er Lector der Physik
und Chemie daselbst, wurde 1847 ebenda Professor der Mathematik
und später der Experimentalphysik, bis er im Jahre 1887, dem au
holländischen Universitäten geltenden Gesetz entsprechend, als Si»*bzig-
jähriger seine Lehrthätigkeit niederlogte.
Er trat 1842 zuerst mit einer Abhandlung über einen Gegen-
stand der Chemie an die Oeffentlichkeit, bald überwog jedoch das
Interesse für Meteorologie derart, dafs alles, was er seit 1847 publi-
zirte, ausschlicfslich der Förderung dieser Wissenschaft gewidmet war.
Ein grofser Theil seiner Arbeiten erschien in deutschen Zeitschriften,
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3S7
naniputlicli in Pogg’eiuiorffs Aniialeu; auch die „Fortschritte der
Physik“, herausgegeben von der Physikalisclien Gesellschaft zu Berlin,
haben sich lange seiner intensiven Mitarbeiterschaft zu erfreuen gehabt.
Nachdem Bujis Ballot in L’trecht schon seit 1847 an einer eignen
Wetterwarte meteorologische Beobachtungen angestellt hatte, wimlo er
1864 zum Direktor des neu begründeten Kgl. Niederländischen Meteoro-
logischen Instituts berufen, und ihm hierdurch tlelegenheit geboten,
ilie neue Bahn einzuschlagen, welche er schon in friilieren Arbeiten
als diejenige bezeichnet hatte, auf welcher allein ein erheblicher Fort-
schritt der Meteorologie zu erwarten wäre.
Bujis Baitot.
Dieses neue Verfahren, jetzt als „synoptische Meteorologie“ all-
gemein bekannt, truir ihm selbst nach kurzer Anwendung die schönste
Frucht Nachdem er für einen Theil von Europa die gleichzeitigen
Beobachtungen möglichst vieler Stationen, namentlich die des laift-
drucks, des Windes, der Lufttemperattir u. s. w. längere Zeit hindurch
von Tag zu Tag in Karten eingetragen hatte, um die tägliche Ver-
änderung des Wetter.s übersichtlich durzustellen, konnte er schon 1857
das „barische Windgesetz“ aussprechen, welches den Zusaintnetihang
zwischen Luftdruck und Windrichtung darstelll, und in weiterer Aus-
führung desselben die Hegeln aufstelleu, welche als „Gesetz von Bujis
Ballot“ Aufschlufs gehen über die Luftbewegtmgen in Gebieten
niederen und höheren Luftdrticks. Diese Gesetze beherrschen die
neuere Meteorologie; die Kenntnifs derselben liefs den Versttch nicht
20 •
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ä
388
mehr als aussichtslos erscheinen, das kommende Wetter für kurze
Zeiträume mit grofser Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, eine Mög-
lichkeit, an die ein Alexander von Humboldt noch nicht zu denken
gewagt hatte.
So wurde Bujis Ballot einer der Begründer der praktischen
Meteorologie, welche die Beobachtiuigen und daraus abgeleiteten Er-
fahrungen für die Zwecke der täglichen Prognose nutzbar zu machen
bemüht ist. Ihm verdanken wir vor allem die klare Unterscheidung
von Klima und Wetter, von dem allgemeinen, nur in Durchschnitts-
werthen zu erfassenden meteorologischen Charakter eines bestimmten
Ortes oder Areales der Erdoberfläche und dem täglich wechselnden,
zunächst scheinbar durch kein Gesetz zu ergründenden Weiter. Der
Verfolgunjj dieses Problems, Gesetz und Klarheit in die unberechen-
baren Veränderungen der täglichen Witterung zu bringen, waren viele
seiner Arbeiten gewidmet.
Da aber eine solche Untersuchung nur durch das Zusammen-
wirken vieler Stationen auf einem grofsen Flächenraura Resultate er-
warten liefs, so finden wir Bujis Ballot von Anbeginn an eifrig be-
müht auf internationale Vereinbarungen hinzuwirken, durch welche
allein das nöthige grofse Arbeitsfeld gesichert werden kann. Seine
Bestrebungen blieben auch nicht ohne Erfolg — der Anblick der
täglichen Wetterkarte ist der beste Beweis für denselben. Das Zu-
standekommen der internationalen Meteorologen-Kongresse erfüllte ihn
mit lebhafter Freude, bei dom ersten im Jahre 1873 wurde er zum
Präsidenten desselben gewählt, und noch im Jahre 1889 betheiligte er
sich an der allgemeinen Versammlung der deutschen meteorologischen
Gesellschaft.
Ferner stellte er umfangreiche Untersuchungen über den Eän-
flufs des Mondumlaufes und der Rotation der Sonne auf das Wetter
an, und benutzte hierzu Beobachtungsreihen von über lOü-jühriger
Dauer — er fand, dafs je längere Zeiträume untersucht werden, die
Mondperiode immer mehr sich der geraden Linie nähert, dafs also ein
Einflufs des Mondes in Wirklichkeit nicht merklich ist, dafs jedoch
eine Abhängigkeit von der Sonnenrotation, wenn auch in kleinem Be-
trage, thatsächlich existirt.
Wir finden ihn auch im Gebiete der maritimen Meteorologie er-
folgreich thätig, seine Untersuchung der Sogeirouten holländischer
Schiffe nach Indien vermochte eine Abkürzung des Weges um
mehrere Tage herbeizuführen, die Einführung der telegraphischen
Sturmwarnungen in holländischen Hafenstädten war sein Werk.
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Persünlich war Bujis Ballot ein Mann von g'ewinnonder
Herzensgüto und lu'benswürdigstem Wesen, welches in Verbindung
niil einer bewundernswerthen Bescheidenheit einem Jeden, der auch
nur vorübergehend mit ihm in Berührung gekommen ist, mit der Er-
innerung an den verdienstvollsten Meteorologen dieses Jahrhunderts
zugleich die an einen guten und edlen Menschen wachruft.
Falbsche Theorie; Statistik und politische Ereignisse.
Seit dem Abschlüsse des Aufsatzes ,Die Californischen Erdbeben
1850—88 in ihrer Beziehung zu den Finsteniissen*- (Himmel und Erde,
März- und Aprilhoft) habe ich mich mit der californischen Erdbeben-
reihe zum Zwecke der Prüfung der Falb.sciien Theorie noch weiter
beschäftigt und statistische Ermittelungen betreffs des Zusammenhanges
der Fluthfaktoren mit den Beben vorgenomraen. In dieser Reihe
inüfsten sich, auch wenn sie nur 38-jährige Aufzeichnungen umfafst,
doch wenigstens einige für die Falbsche Lehre sprechende Ergeb-
nisse bei Betrachtung der „starken Fluthkonstellationen deutlich zeigen,
falls solche Beziehungen überhaupt vorhanden sind. In dem Beob-
achtungsmaterial aus einem so erdbebenreichen Lande wie Californien,
wo die Erdlieben zu allen möglichen Zeiten und in verschiedenartigster
Stärke auftreton, können die Fa 1 bschen (lesetze nicht ganz verwischt
sein und müfsten mindestens in groben Umrissen zu Tage treten,
wenn die Natur tliatsiichlich sich den Falbschen Prophezeiungen
gemäfs verhalten würde.
Ich habe zur .\bleitung dieser Resultate für jedes der einzelnen
im lloldenschen Kataloge angeführten Erdbeben die in der Nähe be-
findlichen Fluthfaktoren aufgesucht und die einzelnen Kombinationen
dieser Faktoren an den Beben geprüft. — Zunächst existiren zwischen
18-50 — 88 die folgenden .sehr" kritischen Tage, bei welchen 4 und
mehr Fluthfaktoren nahe zusammentraten und welche, der Falbschen
Theorie nach, unter jeder Bedingung von Beben hätten begleitet sein
müssen. Thatsächlich verhielten sich die Dingo wie folgt:
,. . . . _ Erdlicbemucldung ,, ... , „ Erdbekeiiiiicldung
Kritische Tage ® Kritische Tage ®
am ° am
IS.Vi Okt. 23 —2-1. 27. leichter Stofs, I8G5 April 24. — 23. 26. scharfer Stofs,
ISöli April 4.
„ Okt. i:!.
18.S7 März 2.).
18ik) Febr. 7. — S.
18<;i Dezbr. 31.
6. scharfer „
keine Meldung,
23. leichter Stofs,
II. „ „
keine Meldung,
„ Okt. 4.
isi‘,6 März 16.
„ April 13.
1867 März 20.
1868 Aug. IS. -20.
3. u. .3. Stüfse,
keine Meldung,
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390
Kritische Tago Erdbebenmeldung
* am
IST.'t Nov. 4. 5. Stofs,
1874 April 15.— 16. keine Mel<lnng’,
„ Okt. 2X
IST.') April 6. „ „
ISTfi März 25. 2.5. 2 Iciclitc .Slöfsc,
1S77 Fuhr. 27. — 2S. keine Meldung,
„ Aug. 9., 10. „ „
,. Sept. (!. — 8. 7. ein Beben,
1878 Febr. 17. — 19. keine Meldung,
1S80 Dezbr. 31. 1. Jan. Beben,
,. . . . _ Erdbebenmeldung
kritiBche Tage
am
1882 März I8.-2I. 16. leiebl,
1883 Mai 3.-6. keine Meldung,
1884 Mära 26. — 29. 25. .«charfer Stofs,
1885 Hept. 6.-9. keine Meldung,
„ ‘24.
I8.S6 Mürz 18.— 21. „ „
„ Aug. 29.-31.
1887 Febr. 22.-25.
„ .\ug. 18. — 22. 17., 19. leieht.
Man kann also unter den 31 überaus kritischen Tagen, die sich
während 1858 — 88 ereignet haben, unter den lOOO Erdbeben mit
Mühe 8 Tage mit ganz leichten und 5 mit schärferen Slöfsen finden;
aufsergcwöhnlich stärkere Beben fallen auf keinen dieser Tage und
grofse Erdbeben sind an denselben überhaupt nicht in Califomien
passirt. Hollen wir also, dafs irgendwo anders einige vorgefallen sind;
es werden sich schon einige auftreiben lassen.
Gehen wir von der Kombination von 4 Fluthfaktoren auf 3 zurück,
nämlich auf die ebenfalls noch sehr „starken“ Konstellationen „Peri-
gaeum. Voll- oder Neumond, und Aequatorstand“, bei welchen Erdbeben
vorgefallen sind, so ergiebt der Holdenscho Katalog unter 820 für
solche Vergleichung brauchbaren Erdbeben nur 49 Fälle, das heifst
nur 6 Prozent der Gesamtsumme. Unter diesen 49 Fällen waren
21 leichteste Stöfse, 25 mehrfache Stöfse oder je ein schärferer, und
3 sehr scharfe. Eine wahrlich recht klägliche „Bestätigung“! Ich be-
merke dazu noch au.sdrücklich, dafs ich hei dieser und der vorher-
gehenden Untersuchung betrelTs des Zusammenfallens der Fluthfaktoren
mit den Enlbeben einen Spielraum bis zu 6 Tagen zugestanden habe,
eine wohl hinreichende Idberalilät.
Noch mifslicher nimmt sich die Falbsche Theorie aus, wenn
man, wie es von rechtswegen allein richtig wäre, völlige Schärfe für
das Zusammenfallen der Flulhfaktorentage mit den Erdbebentagei)
fordert, also keinen Spielraum gestattet; denn hierdurch bricht man
iler mit so bequemen „Vor- und Xachwirkiingen“ arbeitenden Theorie
die Spitze ab und durchschneidet den Spekulationen ohne weiteres die
Lebensaller. In diesem Falle liefern die obigen 820 Erdbeben folgen-
des Kesullat; es fielen vor
4 l’rozciit bei Erdnähe,
4 „ „ Erdfenie.
4 „ „ Vollmond,
3.4 „ „ Neumond,
Digilized by Googk
;wi
fi.:i Prozent bei Aequatorstand,
2.B „ beim ersten Viertel,
2.7 „ „ letzten „
Der Leser niajr jetzt mit sich selbst zu ralhe gehen, was von
der Falb sehen Theorie zu halten ist.
Am Schlüsse meines früheren Artikels machte ich darauf auf-
merksam, dafs bei wissenschaftlichen Untersuchungen eine ganz be-
sondere Vorsicht geübt wertlen müsse, wo es sich darum handelt, aus
Beobachlungsmaterialien eine etwaige periodische Natur der Erscheinun-
gen zu erkennen, d. h. ihre in bestimmten Zwischtmräumen gesetzmäfsig
erfolgende Wiederkehr nachzu weisen. Dazu müsse vor allem das Material
völlig ausreichend sein, sonst liefsen sich Perioden ausfindig machen,
welche hichts weiter als .Selbsttäuschung und IrreRihrung anderer be-
deuten. Ich werde deshalb jetzt beweisen, wie man bei der californi-
schen Erdbebenreihe eine Periode auskünsteln kann, die gar nicht mit
dem Umlauf des Mondes, also mit .kritischen Tagen“ zusammenhiingt,
sondern an ein mehrjähriges eigenthümliches Zeitintervall geknüpft ist,
welches in einer gewissen Beziehung zu der bekannten 1 1 V.jjährigen
Sonnenlleckenperiode steht. Ich nehme zu diesem Ende für jedes Jahr die
Zahl der gemeldeten californischen Krtlbeben vor. Die erste Kolumne
der folgenden Aufstellung enthält die Jahreszahlen, die zweite die in
diesen Jahren stattgehabten starken Neu- und Vollmonde (durchaus
solche, wo mindestens drei P’luthfaktoren zusammentrafen), die dritte
die Zahl der gemeldeten Beben, ln der vierten und fünften Kolumne
finden sich Zahlen, welche nach einem in solchen Fällen öfter ange-
wendeten Verfahren gerechnet sind, wo man eine Beobachtungsreihe
auf vermuthliche Periodizität untersuchen will: man bildet mehrjährige
arithmetische Mittel der Angaben und sucht deren Unterschiede gegen
«las Gesamimittel ; zeigen diese Unterschiede einen regulären tiang,
so involvirt die Reihe meist eine Periodizität.')
Z4hl der
Zabl
Fünf-
Abweichung |
Zahl der
Zahl
FOnf-
Abweicbuu]f
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') Der Leser findet z. B. eine Anwendung dieses Verfahrens in dem in
voriiegender Zeitschrift besprochenen Buche von Fritz: .Die wichtigsten perio.
dischen Erscheinungen der Meteorologie und Kosmologie-, S. 29:i, wo die Perio-
den der Weinertriige auf diese Weise untersucht werden.
Digilized by Google
392
Zahl drr
Zahl
FUuf-
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Zahl der
Zahl
FUnf-
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88 8
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a
17
12.0
-10.0
Die jährliche Anzahl der Erdbeben steht, wie man sieht, mit
den stiirken Xeu- und Vollmonden in keiner Beziehung', aber die
Zahlen der letzten Kolumne zeigen ein ganz regelmäfsiges Fallen
und Steigen und zwar steht dieses mit den in die durch einen * markirten
Jahre fallenden Maxima oder Minima der Honnenfleckenpcriode in
N'erhindung. Die Zahlen fallen oder steigen mehr, erreichen ihre Höhe
oder Tiefe, je nachdem sie sich einem Maximal- oder Minimaljahr
der Sonnenflecken nähern. Daraufhin könnte also irgend ein Zu-
sammenhang der Erdbeben mit den Sonnenflecken vermuthet wenlen.
Dennoch ist dieser Beweis nur ein scheinbarer; aber er mag hin-
reichen, den Leser zu warnen und zeigen, was man mit Perioden-
suchen fertig bringen kann. Der Mond als schneller Uiufer kann
natürlich desto mehr dazu dienen, derartige Perioden zu finden. Ich
glaube es kann nicht schwer sein, zu beweisen, dafs die Mondperiode
in den unmöglichsten Dingen steckt, dafs sie beispielsweise in dem
Fallen und Steigen der Börsenkurse, den Hausse- und Baisse-Be-
wegungen mancher sehr beweglichen Spielpapiere (z. B. der öster-
reichischen Kredilaktie) nachgewiesen werden könnte.
Venn es schon nicht leicht ist, aus langjährigen Keihen von
Beobachtungen der Erdbeben mit Sicherheit die periodische Einwirkung
von Ursachen zu koustatiren. um wie viel weniger kann das beliebte
Falb sehe Verfahren als Beweis angesehen werden, welches nur ein-
zelne, zustimmendc Fälle für den Zusammenhang der Moudstcllungen
mit den inlischen Fluihbewegungen anfiihrt, die nicht stimmenden
Fälle aber beiseite läfst und nicht dazu kommen will, den Nachweis
Digitized by Google
303
aus sehr grrofsen Heobachtungsreihen in streng sachlicher Weise zu
erbringen!
Ist es wissenschaftlich statthaft, aus dem vollständigen oder fast
vollständigen Zusanunenfallen irgend welcher Ueberschwemmungen,
Stürme oder Gewitter mit „kritischen Tagen** sofort „die Bestätigung
der Theorie durch die Xatur^ abzuleiten, so ist es eben so rechtraäfsig
statthaft, ganz nach demselben Muster den Einflufs der kritischen Tage
auf die politischen Ereignisse zu behaupten und zu beweisen. Das
ist eine Sache von viel gröfserer Wichtigkeit als P>dbeben, Wetterstürze
und Grubenexplosionen, und eine Entdeckung, die Herr Falb noch
nicht gemacht hat und die ich allen Ernstes sogleich beweisen werde.
Ich entiiehmo hierzu aus Pipers „Allgemeinem Kalemler^^ aufs Gerathe-
wohl eine Anzahl politischer Vorkommnisse und zwar durchaus wich-
tige; die allermeisten werden meinen Lesern sofort beim Lesen wieder
in Erinnerung kommen. In Klammern habe ich die drohenden „kriti-
seheii** Fluthkonstellationen beigesetzt, die sich zu diesen Zeiten ein-
gestellt haben und welchen also die Schuld an jenen Ereignissen zu-
geschohen werden kann.
1S(U April 9. Annahme der mexikanischen Kaisorki'onc durch Maximilian von
Oeste rroich und Abreise nach Mexiko. (6. Nm. 4. Per. S. Aequ. Std.)*)
„ Oktober 30. Danisch-preursiach-öslerreichischer Friedenschluf« zu Wien.
(30. Nm, Aet|u. ötd.).
ISifcj April 14. Ermordung Lincolns. »
„ „ 9. Kai>itulation des Gene- (II. Mondßnst Aequ. Std., 9. Apog.)
ral Leo mit seiner Armee. I
„ August 14. Gasteiner Vortrag, die Ursache des Krieges von 18*>C. (9. Per.
11. Aequ. SUl., 13. Letz. V.)
1*^06 März 13.— 16. Beginn der österr. Rüstungen, Circular Oesterreichs an die
Mitlelstaaten. (IG. Nm., 18. Per., 18. Aequ. Std.)
. April IG. Attentat auf den Kaiser von Hufslaml. (1.5. SonnenKnst., Porig,,
14. Aequ. Std.!)
. Mai 26. Abbruch der preufsisch - österreichischen Verhandlungen. (21.
.Aequ. St., 27. Apog., 29. Vollm.)
„ Juni 12, — 16. Räumung Holsteins durch die Oeslerreichcr, Ueberschroilung
der Grenzen. Krie^sbegiiin. (8. Ae»|u. Sld., II. Per,, 12. Nm.)
„ Juli 4., 5., 6. Abtretung Venelieiis an Italien. (.5. .\eqii. Sld., 3. Letzt. V.,
9. Porig.)
1870 Juli 15. Kriegserklärung Frankreichs. (12. MomlHnst.)
„ Sopt. I., 2., 4. Die Tage von Sedan. Sturz Napoleons in Paris. (26. .\ug.
Nm., 29. Aequ. Std., 30. Porig. 2. Sept. Ersto.s Viertel!!)
„ Sepl. 27. Kapitulation Strafsburgs. (25. Nm. u. Ac(|U. Std., 26. Perig.)
1873 Febr. II., 12. Verjagung des Königs von Spanien und Einführung der
Republik, (12. Vollm. u. Apog., 15. Aei|U. Sld.)
*) Die Bezeichnung der Fluthfaktoren (Neumond, Vollmond, Perigaeuin,
Apogaeum und Aequatorstand) ist hier durchaus abgekürzt.
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3'.t4
IST.'! Mai '^4. Sturz des französischen Ministeriums und Wahl Mac Mahons
zum Präsidenten der Republik. (30. Peri);., i'2. Atwjii. Std^ 2B. Sonnen-
flnst.!!)
. Okt. ti. Kröffnung des Prozesses gegen den Marschall Bazaine i->. Aequ.
Htd. u. Perig., fi. Vollm.)
1^74 Kehr. 20. Annahme des Civilehegesetzc.s im preufsischen Uerrenhaus.
Ill’i. Nm., 18. Perig., 19. Aequ. Std.)
., April 1.7. Absetzung des renitentesten Clerikcrs im preufsischen Cultur-
kampf, des Erzbischofs Ledochowski von Posen. (1-5. Perig. und
.\equ. Std.)
, Novbr. 9. Abbruch der Beziehungen zwischen England und dem Papst.
|.i. Aequ. .Std., 7. Apog., 9. Neum.)
1877 April 12. Uebergabe der Ablehnung des Ijondoner Protokolls von Seiten
der türkischen Regierung in London, Berlin und Petersburg. (II. Aei|U.
Std., 13. Neum.)
, April 23. Ueberschreitung der Grenzen durch die Russen, Ausbruch des
russisch-türkischen Krieges. (22. Perig., 24. Aequ. Std., 27. Vollm.)
1878 Fcbr. 3. — Einladung der Mächte durch Andrassy und .\nnahme des
Berliner Congresaea. (2. Honnenßnst., .5. .Ae<)u. Std. u. Apog.)
„ Mai 11. Hödel-Attentat auf Kaiser Wilhelm. (9. Erst. V., 1 1. .Aei|U. Std.,
14. Perig.)
. Juli 29. Die Oestcrrcicher rücken in Bosnien ein. (29. Sonncnfinst, I. .Aug.
Perig. !)
I8;iü .lan. 19 Unterzeichnung des deutsch-
böhmischen Ausgleichs.
. Jan. 24. Ablehnung des Sozialistenge-
setzes in Berlin.
„ Fcbr. 20., 21. Orofse Siege der Sozialdemokraten in den deutschen Reichs-
tagswahlcn. (19. Neum., 18. Perig., 22. Aequ. Std.l
„ Marz 7. Rücktritt Tiszas. (6. Vollm., 8. .Aequ. Std.l
., März l.*), Zusammentritt der -Arbeiter- A
sebutzkonferenz in Berlin.
„ März 18. Rücktritt Bismarcks (nach
einigen Zeitungen das „bedeutendste
politische Ercignifs seit Sedan“).
(18. Per., 2d. Neum., 21. Aequ.
Std. u. Frühj. .Aequinoctiumül)
Ich denke, der Proben ist’s genug. Man kann eben alles be-
weisen, wenn man nur die Voraussetzungen zugiebt. Um Erklärungen,
wie cs komme, dafs der Mond auf politische Dinge wirke, brauche
ich nicht verlegen zu werden. Fortinus Licetus erklärt sehr ernst-
haft die von den Kometen drohenden Kriegszeiten, indem er sagt; die
(irofsen der Erde athmeii die hitzigen bösen Dünste der Kometen dann
mehr als sonst ein, worden streit- und händelsüchtig und gerathen
sich auf diese Weise öfter als sonst in die Haare. Dafs meine Hv|H)-
these vielleicht dann und wann schlecht stimmen wird, macht auch
nichts aus: die Erdbeben stimmen ja auch recht, sogar sehr oft nicht
mit den Prophezeiungen; dann haben sich eben zufälligerweise
irgendwo die Erdspalten verstopft. .So, nun ist meine Entdeckung fest
begründet und bei deren Wichtigkeit für die .Staatsregierung verlange
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3fi5
ich hiermit meine Ernennung zum .geheimen politischen Konstel-
lationsrath“.
Aber Spafs bei Seite. Der Schlufs, der zu ziehen ist, bleibt der-
selbe, der am Ende meines ersten Artikels steht: dafs mit Einzelfallen
eben alles Mögliche bewiesen werden kann, ja dafs selbst eine ganz
bedeutende Zahl solcher blos aufgezählter Fälle zum Erbringen eines
wissenschaftlichen Beweises nicht genügt. Esgiebtnur einen Weg zur
Wahrheit, nämlich den, auf welchem in der Astronomie und Meteorologie
bisher alle Theorien geprüft worden sind: die völlig strenge Untersuchung
eines möglichst umfangreichen langjährigen Erdbebenmaterials und
die Diskussion der sich ergebenden Erscheinungen. Die.ser Weg ist
weder von .Professoren“ noch von .Akademikern“ erfunden und zu-
recht geschnitzt worden, er hat sich von selbst, mit der Entwickelung
der Wissenschaften gebildet. Ihn zu gehen, ist eine einfache, gerechte
Forderung, die gegen jeden geübt wird, der eine wissenschaftliche
Hypothese aufstollt. Wir wollen also hoffen, dafs Herrn Falb ein
solcher Beweis gelingen möge, und ich will dann mit unter den Ersten
sein, die seine Theorie unterschreiben. F. K. Ginzel.
Schwankung der Erdaxe. Eine sehr zuverlässige Bestätigung
der Existenz kleiner Lageändeningen, w-elchen die Erdaxe im Enl-
körper nach Küstners Beobachtungen') unterworfen sein sollte, ist
neuertlings auf Grund der zu diesem Zwecke seit dem vorigen Jahre
gleichzeitig in Berlin, Potsdam, Prag und Strafsburg ausgeführten
Breitebestimmungen zu Tage getreten. Wie Prof. Helmert in No. 2ÜG3
der Astr. Nachr. kurz mitlheilt, liefs sich während der ersten Hälfte
des vorigen Jahres eine Aenderung der geographischen Breite in
Berlin und Potsdam nicht mit Sicherheit nach'veisen, dafür zeigte sich
aber im dritten Viertel des Jahres erst eine Zunahme, dann eine Ab-
nahme der Breite, die sich im letzten Vierteljahr fortselzte und im
Januar dieses Jahres mit einem Gesamtbeträge von 0",5 — 0",6 ihr
Ende erreicht zu haben scheint. Die Realität dieser Aenderungen der
Polhöhe wird durch die mit sehr verschiedenen Instrumenten in Prag
und Strafsburg gemachten Wahrnehmungen vollauf bestätigt, zumal
die Unsicherheit in der Breitenbeslimmung bei Berlin, Pot-sdam und
') Vgl. Himmel und Erde I. S. 110 f.
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39«
Prag noch nicht eine Zehntelsekunde erreicht. Diese übereinstimmenden
Krgebnisse machen es unthunlich, noch länger behufs Erklänmg der
l)eobachteleii Polhöhenänderungen allein zu Beobachtungs- und Instru-
menlalfehlem oder zu B<-fractionswirkungeu seine Zuflucht zu nehmen,
es niufs vielmehr nun die Wirklichkeit von mefsbaren I.ageämlerungen
der Erdaxe innerhalb des Erdkürpers als erwiesen gelten.
ip
Er«icbeinaii;;en am Sterneuhinimel im Monat Mai*Jani.
(Sämtliche Zeitangaben gellen ßir Berliner Zeit)
1. Der Mond.
Aufgang Untergang
IS. Mai Neumond
4k
•.»• .Mg.
7k
4Sin
Ab.
*24. , Erdf«»rne
8
13 .
0
20
Mg.
« Erstes Viertel
10
28
1
10
Juni Vollmond
S
47 .\b.
3
48
.*». „ Erdnähe
n
4 „
5
23
„ Letztes Viertel
0
48 Mg.
10
4-'i
Maxiiua der Libration
:
Mai, 12.
Juni.
2, Die Planeten.
Merkur
Venus
Hectas. Doclin.
Aufg. 1
L’iilcrg. 1
Rectas.
Declin. Aufg. ;
; Uiuerg.
12.
Mai
4k;t8m|+24“ I.V
4k 49«>
9k 47» Ak.
1 4" 44"
+23’ 1' .)»
4»Ij.
9fc42«Al.
Ifi.
1 4 44 ;t-23 47
4 43 ,
9
33 .
5
5
.+23 43 5
3 . 1
9 .53 .
20.
4 4.5 -f 22 .‘>3
U ;gi .
9
11 .
5
2G
+24 1.) 5
5 , ,
10 3 .
24.
, 4 41 +21 30
4 24 .
8
42 .
5
47
+24 35 5
8 . '
10 10 .
28.
1, 4 33 j+20 13
4 10 . 1
8
8 .
G
9
+24 44 5
12 ,
10 18 .
1.
Juni
!' 4 2ä 1+18 .70!
j r>9 «
7
43 ,
G
30
+24 42 5
19 -
10 23 ,
y,
4 17 +17 42
3 44 .
7
12 .
G
51
424 28 ‘5
2G .
10 26 .
9.
4 13 +17 1
:i 28 .
C
n: .
7
12
1+24 2 5
34 .
10 28 .
13.
»
4 LS -\-\(\ .W :t n .
1. Juni Sonnenferne.
c
27 ,
7
I+2.S 2(1, 5 4.> ^ 10 29 ,
*29. Mai Sonnennähe.
Mars
Jupiter
Rectas.
Declin. Aufg.
Unterg.
Rectas. Declin. I
•
Aufg.
Unterg.
14.
Mai
HJb .‘Vini
—23” 1' 9h IG" AI.
20k57"
— 17®46'
Ih T"!?.
9k 58» Ta.
20.
IG 27
-23 5 8 45 .
4 30 .
20 .58
—17 43
0 44 .
9 36 ,
2G.
IG 19
-23 5 8 13 .
3 58 ,
20 59
-17 42
0 21 .
9 13 .
I.
Juni
16 10
-23 2 7 40 .
3 2.5 ,
20 .59
-17 42
1 1 53 Ab.
8 49 .
7.
16 1
-22.57 7 7 ,
2 .54 ,
20 ,59
— 17 4.5
11 30 .
8 2f. ,
13.
15 53
27. Mai
— *>2:i0 fi :i4 „
Mars*Oi)i»osition.
2 24 ,
20 .58
-17.50 11 G .
8 0 ,
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3117
Saturn
Uranus
Rectas.
Declin. Aufg.
Untorg. Roctas.
Declin. Aufg.
Unterg.
12.
Mai ;
lOk
0“
-{-U“ 0'|lli>19oVa.
! 2'“ 4ni1?. 131>2S«>
— 8“35' 4M9»S»
3b29m Is.
20.
n
10
1
+13 56 ,10 .60 .
! 1 32 . 13 27
- 8 29 ■ 4 16 . ,
2 58 .
28.
n 1
10
2
+13 4fi 10 20 .
1 0 . 13 26
— 8 24 " 3 43 ,
2 25 .
5.
Juni
lio
4
+13 36 9 52 , !
0 .30 . 13 25
1—8 20 3 10 ,
1 .64 .
13.
1»
10
6
+ 13 24 9 23 .
11 55 Ab. 13 25
1-8 18 2 38 .
1 ii i
1 20 .
1
1 Neptun
! Hectus. ' Declin. Aufg. '
Unterg.
11. Mai
1 4b 8» + 19“21|| 4h 5S™ Ir.
8b 44» Ik
26. .
1 4 10 ; + 19 28 1 4 4 . ,
7 52 „
10. Juni
4 13 j + >9 34 1 3 7 ,
6 57 ,
3* Verßosterungen der Jupitertrabanten.
*2">. Mai I. Trab. Verfliist. Eintritt 2^ 21“ Morg.
2. Juni II. , n \ 0 „
3. , II. , 3 34 , (fi- vor
Sonnenaufgang)
10. , I. , „ ,0 37
4. Sternbedeckungen durch den Mond.
(Kür Berlin sichtbar.)
Gröfse
Eintritt
Austritt
1. Juni
• C Librao
5.3“
8b 2» Al).
9b 7“ Ab.
2. .
• lu Ophiuchi
5.0
11 13 „
0 23 Mg
3. .
• 51
5.0
9 38 .
10 45 Ab.
$. Veränderliche Sterne,
a) Maxima variabler Sterne:
Maximum Helligkeit im IS90
am
Max.
Min.
Rectaa.
Declin.
R Leporis
12. Juni
6—7»
8»
4*» 54“ 35«
— U”
5S‘2
V aMonoc.
27. Mai
7
10
6
17
11
^
8.3
R Ursae maj.
12. Juni
6—8
12
10
36
52
+ 69
21.3
T , ,
20. .Mai
7-8
12
12
31
24
+ 60
5.7
V Virginia
25. .
8-9
13
13
22
7
.)
36.0
W Ophiuchi
28. ,
9
13
16
1.6
29
— 7
26.5
T Serpentia
30. ,
9—10
12
18
23
26
+ c
13.5
/_ Cygni
10. .Juni
4-6
12.5
19
46
21
+ 32
38.2
u „
28. .Mai
8
9
20
16
12
+ 47
32.9
R Vulpeculae
14. Juni
8
12-13
20
59
29
+ 23
22.9
T Cephei
6- ,
5.6
9.5
21
8
2
+ 68
2.8
b) Minima der Sterne vom Algol-Typus:
U Cephei . . 17., 22., 27. Mai, 1. Juni Mitt-, 6., 11., 16. Vm.
U Coronae . . 16. Mai Nm., 23. Mg., 30. Mg., 6. Juni Mg., 13. Mg.
S Cancri . . 22. Mai Mg., 31. Xm.
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0 Librao . . 16. Mai Xm., 2.*i. Ab., 30. Xm., 4. Juni Mg., 8. Ab., 13. Xm.
Y Cygni . . sehr unn*golmäfsig (.Miaimuni 8. Qrüfse, AR=»= 20“ 47*" 40*, D =
-r- 14'6.
c) Miniiua einiger Veränderlicher kurzer Periode:
T Monoc. . . 28. Mai.
WVirgiiiis . 21. Mai, 8. Juni.
6. Meteoriten.
Besonders bemerkeiiswertho Moteoritenschwärme zwischen dem 13. Mai
und 15. Juni sind nicht hervorzuheben.
7. Nachrichten Uber Kometea
Die iin Märzhcfle ausgesprochene Erwartung, dafs e.s möglicherweise
geliiigiMi könnte, den im Septoraber 1888 von Barnard entderkteii Kometen
im lieurlg»,*n Frühjahr wieder aufzufinden, hat sich erfüllt. Dem Observator
der Witmer Sternwarte, Dr, Spitaler, ist am 28. März die Auffindung geglückt.
Der Komet war zwar ungemein liclitschwach, bleibt aber an sehr grofseti In-
strumenten noch einige Zeit verfolgbur.
Die diesjährige Wiederkehr des periodischen Brorsenschen Kometen
scheint für die a.sti*onomische Beobachtung verloren zu sein. Trotz aufmerk-
samer Xachsuchungen seitens mohrer Siernwaiieu ist es nicht gelungen, den
Kometen zu finden.
Am 10. März hat Brooks einen neuen Kometen in der Gegend des .klei-
nen Pferdes“ entdeckt Der Komet war .\nfang .April schon recht hell und
b«‘wegt sich bei zunehmender Helligkeit beträt htlich schnell nordwärts; im
Mai wird er bereits im „Schwan** angelangt sein.
Verlag tod Uermaan Pa«tol ln Berlin. — Druck von Wilhelm Oronau’a Buchdrucker«! Io Berlin.
FUr die RedacUoo verantwortlich; Dr. M. Wilhelm Meyer in Berlin.
toberecbUgter Nachdruck nun dem Inhalt dleaer Zeitacbrift unleraaiTt.
L'cbemeUungarecht Vorbehalten.
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Die Ansichten der Physiker und Geologen über die
innere Beschaffenheit des Erdballs.
Von Dr. P. Sehwahn,
Astronom an dor Urania in Berlin.
Vordringen des Menschen in das Innere der Erde hat die
’lS'' selbst eine Grenze gesetzt Eine Waffe des Auges, die
uns, wie das Fernrohr durch den klaren Aether des Weltraumes,
so einen Weg durch die starren Felsraassen hinab zu den Geheim-
nissen der Unterwelt bahnen könnte, giebt es nicht Diese zu
erg^ründen, ist Sache der Vernunft, welche den dunklen Weg der
Analogie und Induktion betreten mufs, um aus den am Himmel und
au der Erdoberfläche wahrgenommenen Thatsacben auf die innere
Naturbeschaffenheit unseres Planeten zu schliefsen.
Da diese Forschungswege den weiteren Kreisen weniger bekannt
sein dürften, beabsichtigen wir in dem Folgenden die Methoden zu
erörtern, durch welche der menschliche Geist bisher versucht hat, die
Frage nach der inneren Gestaltung unseres Weltkörpers der Lösung
näher zu bringen. Wir sagen „näher bringen“, denn über diese Frage
ein endgültiges Urtheil zu fallen, ist heute noch unmöglich. Sind doch
die hierauf bezüglichen Anschauungen der mafsgebenden Physiker
und Geologen bis in die jüngste Zeit hinein noch einem gar auffälligen
Schwanken ausgesetzt, welches die gesamten Grundlagen der Erd-
kunde beeinflufst und noch heute den Fortbestand zweier sich einander
so gänzlich ausschliefsender Lehren ermöglicht, wie sie die vulka-
nistische und neptunistische Weltanschauung darbieten. Läfst sich
aber bei dem jetzigen Stande imseres Wissens keine genügende Antwort
geben, so braucht doch die menschliche Wissbegierde auf diesem Felde
BUniBol ood Erde. 1890. II. 9. 27
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400
nicht mehr ganz Befriedigung in unbestimmten Vermuthungen zu
suchen. Bei den beschleunigten Fortschritten, deren sich alle Zweige
physikalischer Forschung erfreuen, ist wenigstens eine Zahl möglicher,
zur Erkenntnifs führeuder Woge eröffnet worden.
Durch unmittelbare Anschauung können wir uns über den Zu-
stand des Erdinnem nur sehr unvollkommen unterrichten. Denn es
läfst sich wohl kaum erwarten, dafs die Fortschritte der Technik uns
jemals befähigen worden, die Grenze, bis zu welcher es gegenwärtig
gelungen ist, in Bergwerken vorzudringen, oder physikalische Mefs-
instrumente in Minen und Bohrlöchern zu versenken, um ein Erheb-
liches zu überschreiten. Nun erweisen sich aber die Temperatur-
beobachtungen längs der bis jetzt erforschten Strecke von 1716 m‘) —
was des Erdhalbmessers gleichkommt — keinenfalls als mafs-
gobend für das physikalische Verhalten unseres Planeten in seinen
innersten Schichten.
So ist denn die geophysische Wissenschaft bei der Behandlung
ilieses Problems in der Hauptsache auf den induktiven Weg ange-
wiesen, der in der Erkenntnifs de's Erdbaus mit einer Hypothese be-
ginnt und nach und nach alle Erscheinungen mit dieser in Einklang
zu bringen sucht. Von den verschiedenen, auf hypotlietischen Grund-
lagen basirenden Theorien können aber nur drei Anspruch auf wissen-
schaftliche Bedeutung erheben. Es sind dies:]
Die geologische od er Fl uidi tä tshypothese, wonach unser
Weltkörper im Innern ein Centralmeer geschmolzener Felsmasseii
enthalten und nur an der Oberfläche von einer festen Gesteinskruste
umhüllt sein soll.
Die astronomische oder Rigiditätshy pothese, die uns
den Erdkörper als durch und durch fest darstellt
Die dritte Fassung endlich sucht den Ansprüchen der Geologie
und Astronomie in gleicher Weise gerecht zu werden; sie verlangt
nur eine im zähfl üssigen Zustande befindliche Gluthzone von
mäfsiger Ausdehnung zwischen der äufseren festen Rinde und einem
inneren festen Kern.
Schon wegen ihres Alters nimmt unter diesen drei Hypothesen
unstreitig die Leibnitzsche Lehre vom feurig-flüssigen Erdinnem
den ehrwürdigsten Platz ein. Auch geniefst sie, weil eine ganze
Reihe geologischer Erscheinungen sich auf ihrer Grundlage anscheinend
*) In dem preufsischen Bohrlocho zu Schladebach, dem gegenwärtig
tiefeten der Erde. Vergl. Himmel und Erde, Jshrg. II, S. 245.
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401
leicht auf bauen läfst, nicht nur in weiteren Kreisen das Ansehen
einer schulg-emüfson Wahrheit, sondern hat auch bei namhaften For-
schem, die tiefer in die Geheimnisse des Erdbaus blicken konnten,
von jeher günstige Aufnahme gefunden. Unter den Philosophen und
Physikern sind es neben Leibnitz und Desoartes namentlich Laplace
und Fourier, welche diese Lehre wissenschaftlich zu begründen
suchten, und unter den Geologen huldigen Männer wie Hutton,
Lyell, Alex. v. Humboldt, Hennessy offen dem Plutonismus.
Während die Wärme der äufseren Erdrinde eine fremde, von der
Sonne geborgte und von dieser abhängige ist, machen sich unterhalb
der Grenze der Sonnenbeeinflussung Temperalurverhältnisse in einer
Weise geltend, dafs man auf eine in der Tiefe der Erde selbst lie-
gende, also ihr eigenthümliche Wärmequelle schliefsen mufs. Von der
Grenze der Einwirkung der Sonnenwärrae an findet nämlich überall, wo
und so weit man bis jetzt in Bergwerken und Bohrlöchern in den
Schofs der Erde eingedningen ist, nach abwärts eine stete Temperatur-
zunahme statt. Diese Zunahme erweist sich nach allen bisherigen
■Messungen als eine derartige, dafs — unter gleichen Druckverhält-
nissen wie an der Oberfläche — schon in sehr mäfsigon Tiefen der
mittlere Schmelzpunkt selbst der widerstandsfähigsten, uns bekannten
Substanzen erreicht wird. Nach den neuesten Temperaturhoobach-
tungen im Bohrloche zu Schladebach bei Halle, dem gegenwärtig tief-
sten der Welt, müfste schon in lä'/j geogr. Meilen unter der Erd-
decke eine Gluthhitzo von etwa 2300® R. obwalten, bei welcher alle
Gesteine und Metalle nach den Experimenten in unseren Hochöfen in
den Schmelzflufs gerathen wünlen.
Durch gewisse Annalimen bezüglich der geothermischen Tiefen-
stufc und der Schmelzhitze der refraktärsten Gesteine, als deren Typus
Basalt und Trachyt betrachtet werden können, haben die Geologen
die Mächtigkeit der festen ErdumhUllung zu schätzen versucht. Der-
artige Schätzungen sind freilich noch grofsen Schwankungen unter-
worfen, was damit erklärlich wird, dafs wir weder das Gesetz der
Temperaturzunahme genau kennen, noch wissen, welche Temperatur
als die mittlere Schmelzhitze aller Gesteine zu setzen ist, und wie
diese letztere durch die im Innern herrschenden Druckkräfte beein-
flufst wird.
Die älteren Forscher der plutonischen Schule: Humboldt, Elie
de Beaumont, Arago berechnen die Dicke der Erstarrungskruste zu
5 bis 7 geogr. Meilen, indefs schon Cord io r fand diese geringe Stärke
bedenklich und wollte ihr wenigstens eine solche von 14 Meilen zu-
27*
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402
gOBchrieben wissen. Untor Berücksichtigung der im Innern der Erde
vorhandenen enormen Druckverhältnisse und dos dadurch bewirkten
Ilinaufrückcns der Schmelz- und Siedepunkte ist man jedoch gegen-
wärtig geneigt der festen Umhüllung unseres Weltkörpers eine noch
weit gröfsere Stärke beizumessen.
Die Vertreter der plutonischen Lehre verweisen uns ferner
auf die vulkanischen Vorgänge. So reichlich auch gegenwärtig die
Zalil der thätigen Vulkane ist, so kann man dieselben doch nur als
einen kleinen Theil aller derjenigen betrachten, die in früheren Zeit-
räumen das Werk der Umgestaltung in den Obcrflächenschichten
unseres Weltkörpers vollzogen haben. Der Ursitz aller dieser Kraft-
äufserungen soll in der gewaltigen Bethätigung eines imterirdischen
Magma-Meeres zu suchen sein, für dessen gleichmäfsige Verbreitung
unter der festen Erddecke nach der Meinung der Plutonisten die That-
sache spricht, dafs die über das ganze Erdrund zerstreuten Fouerberge
nicht nur in ihrem Aufbau und dem Mechanismus ihrer Thätigkeit durch-
aus übereinstimmen, sondern auch ihre Produkte von fast gleicher mine-
ralogischer Zusammensetzung sind. Schliefslich, behaupten die Vulka-
nisten, konnten die Erdstöfse sowie die noch heute fortdauernden
allmählichen Hebungen und Senkungen von Ländergebieten kaum durch
einen festen Erdkörper Erklärung finden, während sich aus der Vor-
stellung einer dünnen, beweglichen und elastischen Rinde, auf einem
heifsllüssigen Magma schwimmend, alle gegenwärtigen und vergangenen
Erscheinungen des Erdenlebens auf ungezwungeneWeise ableilen liefsen.
Weil aber das Beobachtungsfeld des Geologen durch natürliche
Grenzen eingeengt ist, sein Forschungsgebiet sich nur auf die Vorgänge
an der obersten Hülle unseres Planeten erstreckt, erschienen rein geolo-
gische Beweismittel für die Haltbarkeit der Fluiditätshypothese doch
nicht ganz ausreichend. Um zu der Wahrheit näher kommenden Vor-
stellungen zu gelangen, hat man auf den Urzustand unseres Welt-
körpers zurückgeschaut und in Erw.ägung gezogen, was für Rückschlüsse
sich aus der Gestaltung seiner Oberfläche auf die innere Beschaffen-
heit machen lassen.
Beobachtungen der Pendelschwingungen und direkte Vermessun-
gen haben bekanntlich gezeigt, dafs die Form der Erde nicht gfenau
einer Kugel entspricht, sondern an den Umdrehungspolen etwas ab-
geplattet ist, und dafs ihre mittlere Oberfläche einem Umdrehuugs-
ellipsoide, dessen Rotationsaxe mit der Polaraxe zusammenfällt, sehr
nahe kommt. Diese Gestalt war schon für Newton und Huyghens
ein genügender Beweis dafdr, dafs unser Planet ehedem eine Periode
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403
der Fluiditat durchg-omacht habe. Nach den Grundlehren der Mechanik
müssen die Massentheilchen , welche sich unter dem Einflüsse der
Gravitation allein zu einer vollkommenen Kugel angeordnet haben
würden, durch die in Begleitung der Umdrehung aufiretende Schwung-
kraft von den Polen nach dem Aequator hingedrängt worden sein,
und dies setzt für die früheren Phasen der Erdontwicklung eine freie
Beweglichkeit der Theilchen voraus, die nach der Meinung der älteren
Forscher nicht wohl andere als in einem ursprünglich flüssigen Zu-
stande gesucht werden kann, der sich zum Theil im Innern noch er-
halten haben soll. So besitzen ja auch — ganz analog unserer Erde —
Saturn und Jupiter eine polare Abplattung, die in einem bestimmten
Verhältnifs zur Rotationsdauer steht.
Gegen diesen Ne wton-Huyghensschen Sohlufs zu Gunsten
einer früheren Fluiditat läfst sich jedoch, wie zuerst der englische
Geophysiker Spencer bemerkte, ein Einwand verbringen, der sich
auf den unsicheren Begriff der Fluidität bezieht. Die modernen Er-
rungenschaften der Naturforechung erkennen nämlich nicht in dem
Mafso einen so schroffen Unterschied zwischen dem Festen und
Flüssigen an, wie wir es bei dem sehr verschiedenen Grade der Be-
weglichkeit von im täglichen Leben vorkommenden Substanzen wohl
zu thun geneigt sind. Man weifs heute, dafs selbst die festesten
Massen unter gehörigem Drucke in den Zustand des Fliefsens gerathon
können. Und so werden wir denn auch in dem Weiteren sehen, dafs
die Form der Erde uns nur sehr mangelhafte Daten gewährt, um die
Frage nach dem Aggregatzustand dos Innern zu Gunsten der einen
oder andern jener drei aufgestollton Hypotliesen entscheiden zu können.
Diese Betrachtungen haben nur insofern Bedeutung, als sie uns
über den vergangenen Zustand der Erde Rechenschaft ablegen; in-
dessen über die uns zumeist .interessirende Frage nach der gegen-
wärtigen Beschaffenheit sagen sie nichts Näheres aus. Wenn unser
Planet auch wirklich ein feuerflüssiger Ball gewesen ist — was ja
auch kosmogonische Spekulationen als sehr wahrscheinlich hinstellen — ,
so bleibt doch noch immer die nicht minder schwer zu beantwortende
Frage offen, bis zu welchem Grade die Abkühlung und die damit ver-
bundene Erstarrung seiner Materie gegenwärtig fortgeschritten ist.
Die Geologen verweisen uns zwar auf die thermischen Tiefenphäno-
mene und auf das Empordringen schmelzflüssiger Lava; dafs aber
diesen Erscheinungen allein eine überzeugende Beweiskraft für eine
noch gegenwärtig bestehende Fluidität des Innern nicht beiwohnen
kann, müssen wir offen den Gegnern der Fluiditätshypothese zugestehen.
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404
Der Antrieb zu einer Bekämpfung dieser althergebrachten Mei-
nung ist von Physikern und Astronomen ausgegangen, und — nach
dem gegenwärtigen Standpunkte der Forschung zu urtheilen — scheinen
in der That die von dieser Seite vorgebrachten Argumente die geolo-
gischen zu überwiegen. Zwar ist Poissons geogenetische Hypothese,
wonach die Erde von innen heraus erstarrt und daher von durch-
gehender Festigkeit sein soll, durch neuere Erfahrungen etwas er-
schüttert worden, und auch die Versuche von Hopkins aus der
Präzessionsbewegung unseres Weltkörpers einen Rückschlufs auf sein
inneres Verhalten zu machen, führten zu keinem endgültigen Resultate,
dagegen haben die Untersuchungen so vortrefflicher Forscher wie
Sir William Thomson und G. H. Darwin neues Licht auf die
geophysischen Verhältnisse geworfen und in der That die Ansichten
BO mancher Geologen über die Natur des Erdinnem erschüttert.
Nach der von Kant in der „allgemeinen Naturgeschichte des
Himmels“ und später von Laplace in der „Mecanique cöleste“ selbst-
ständig begründeten Hypothese über die Entstehung der Weltkörper,
mufs unser Planet nicht allein einen flüssigen, sondern auch einen
feurigflüssigen Zustand, der aus einem früheren gasförmigen hervor-
ging, durchgemacht haben. Poisson hat an diese Vorstellungsreihe
angeknüpft und ist der Begründer einer eigenartigen Hypothese der
Erdentstehung geworden. Da uns dieselbe mit einigen Abände-
rungen noch einmal in diesem Aufsatze begegnen wird, soll sie hier
in ihren allgemeinen Zügen mitgetheilt werden.
Der einst feuerflüssige Erdball mufste durch fortdauerndes Aus-
strahlen seiner Eigenwärme in den umgebenden kälteren Weltraum
allmählich zu einem solchen Grade der Abkühlung gelangen, dafs
sich feste Schollen an seiner Oberfläche zu bilden anlingen. Weil
dieselben spezifisch schwerer waren als das darunter befindliche Meer
geschmolzener Silicate, sanken sie unter und wurden wiederum durch
heifse flüssige Massen ersetzt, die nach genügender Abkühlung eben-
falls erstarrten und in die Tiefe tauchten. Dieser Prozefs führte,
ähnlich wie bei einer erkaltenden Wassermasse, zur Entstehung eines
doppelten auf- und abwärts kreisenden „Fortführungs- oder Kon-
vektionsstromes“, welcher den grofsen Temperaturunterschied zwischen
den äufseren und inneren Schichten schneller beseitigte, als es durch
die blofse Wärmeleitung des an der Oberfläche erstarrten Körpers
hätte geschehen können. Nachdem der Erde soviel Wärme entzogen
war, dafs sie zähe zu werden begann, nalim die Erhärtung ihren An-
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405
fang im Mittelpunkte, wo der Druck gleichzeitig dieselbe begünstigte,
und setzte eich allmählich bis an die Oberfläche fort
In dieser Weise soll unser von innen heraus erstarrter Welt-
körper alle Wärme verloren haben. Es scheint dem grofsen Geometer
annehmbar, dafs die thatsächlich beobachtete Steigerung der Temperatur
mit der Tiefe sich nicht auf den ganzen Globus erstrecke, sondern
nur eine Folge der Wärmeaufnahme unseres Planeten sei, der auf der
Wanderung des Sonnensystems nach dem Stembilde des Herkules
zu sehr ungleich teraperirte Stellen des Weltenraumes angetroffen
haben kann. Unser Planetensystem soll hiernach in früheren geolo-
gischen Zeitläufen in der Nähe grofser sonnenähnlicher Sterne ver-
weilt haben, welche der Erde durch Strahlimg die in den Oberflächen-
sohichten vorhandene Wärmeenergie mittheilen konnten. Läfst sich
nun aber diese eigenartige Hypothese mit den Errungenschaften der
modernen Forschung in Einklang bringen? Wäre unser Weltkörper
wirklich eine kalte Steinkugel, die nur zeitweise, während grofser
geologischer Epochen, von aufsen her Wärme durch Bestrahlung
empfangen hat?
Nun allerdings haben die Anschauungen des berühmten französi-
schen Physikers bis in die jüngste Zeit hinein einige hervorragende
Verfechter gefunden. So hält namentlich Sir William Thomson bei
seinen Untersuchungen über die Rigidität unseres Globus an der Vor-
stellung fest, dafs die Erstarrung von innen heraus stattgefunden
habe. Es liegen indefs zur Zeit schwerwiegende Einwändo vor, welche
diese Lehre der Erdbildung, ohne Rücksicht auf so gewichtige Autori-
täten, als wenig begründet erscheinen lassen.
William Thomson hat seine Untersuchungen über diesen
Gegenstand auf experimentellen Grundlagen zu stützen versucht; er
berief sich dabei auf Angaben von Bischof, w'onach die Zu-
sammenziehung der geschmolzenen Silicate beim Erstarren 20 pCt be-
trägt. Aber schon Mailet fand, dafs diese nur 6 pCt. erreicht, und
neuerdings haben Experimente der deutschen Physiker W. Siemens,
Nies und Winkel mann, sowie diejenigen der englischen Forscher
Centners, Millars, Whitleys, Roberts und Hannays fast allge-
mein erwiesen, dafs der üebergang der Materie aus dem flüssigen in
den festen Aggregatzusland meist mit einer räumlichen Ausdehnung
und folglich mit einem Gewichtsverluste verbunden ist. Aus den Ver-
suchen der genannten Forscher geht unter andern hervor, dafs Theile
von Eisen, Wismuth, Messing, Basalt, Glas, Granit und einer Reihe
anderer Silicatgesteine von der gleichartigen geschmolzenen Masse —
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wenigstens bei einem gewissen Grade der Zähflüssigkeit — getragen
werden, also im Momente der Verfestigung eine Ausdehnung zeigen.
Ausführlichere Mittheilungen über diesen hochinteressanten Gegen-
stand finden wir in der kürzlich erschienenen Schrift von Fr. Nies:
„Ueber das Verhaiten der Silicate beim Uobergange aus
dem glutbflüssigen in den fes ten Aggregatzustand“ (Stuttgart,
1889). Es ist ferner eine bekannte Tbatsache, dass sich Silvestri
bei dem Ausbruche des Aetna im Jahre 1815 auf die Schlacken-
sohollon eines in Bewegung belindliohen, im Innern noch glühend
heifsen Lavastromes stellen konnte, ohne dafs dieselben unter seinen
Füfsen gewichen wären, und dasselbe zeigte sich bei dem riesigen
Ijavabecken, welches der Krater des Kilauea auf Hawaü bildete.'^
Man hat den Grund dieser Tragfähigkeit bisher in der aufser-
ordentlichen Zähigkeit, welche den flüssigen Siboatmassen eigen
sein soll, gesucht. Demgegenüber erwähnt nun Nies in der ge-
nannten Schrift eine Reihe von Beobachtungen, welche es sehr
wahrscheinlich machen, dafs die erhärtete Lava nicht wegen ihrer
Zähigkeit (Viskosität), sondern wegen des geringen spezifischen
Gewichtes von der fliefsonden Lava getragen wird. Iliorhiu gehören
unter andern auch besonders interessante Vorsucbe des berühmten
Vosuvforschers Palmieri, wonach Würfel und Kugeln von fester Lava,
in fliefsonde Vesuvlava geworfen und in diese eingetaucht, immer
wieder an die Oberfläche kommen und auf derselben schwimmen sollen.
Jedenfalls darf man aus erneuerten, in der von Nies ange-
deuteten und anempfohlenen Weise exakt durchgeführten Versuchen
allgemeine Schlüsse über das Verhalten der Silicate beim Uebergang
aus dem flüssigen in den festen Aggregatzustand und vielleicht auch
über den Vorgang der Erdbildung erhoffen. Dafs indefs derartige
Versuche noch kein abschliefsendes Resultat ergeben haben, dafür
scheinen andrerseits wiederum neuere Experimente der italienischen
Forscher Vincenti und Omodei zu sprechen.
Die erwähnten Thatsachen haben die Poissonsche, von Thom-
son weiter verfolgte geogenetische Hypothese etwas erschüttert, da
dieselbe ja von der Voraussetzung ausgeht, dafs die Gesteine im
kalten, festen Zustande spezifisch schwerer seien als im heifsen, ge-
schmolzenen und deshalb in das Gluthmeer untersinken, wodurch
die Unmöglichkeit der Bildung einer festen Erdhülle begründet
Dieser gewaltige Kiatersee ver.scliwand am 6. März ISSfi durch Zurück-
tUetsen der Lavamaese in eine Erdspalte; gegenwärtig ist er wieder in Füllung
begriffen.
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407
wäre. Nach dem neuen Experimentalbefund raüfste vielmehr das
erstarrte Material auf dem flüssij^en schwimmen, und bleibt dabei
auch nicht ausgeschlossen, dafs die Körper im völlig erkalteten Zu-
stande doch wieder spezifisch schwerer werden als im geschmolzenen,
BO ist doch jedenfalls durch denselben die Möglichkeit einer Rinden-
bildung gewährleistet. Erst wenn sich die Schollen zu einer un-
unterbrochenen Kruste zusammengesetzt haben, kann eine bedeutende
Erkaltung der Oberfläche eintreten; die Rinde wird dann aber ihrem
Einbruch einen elastischen Widerstand entgegensetzen, der — so un-
bedeutend er im Vergleich zur Schwere sein mag — doch den ge-
ringen Unterschied im spezifischen Gewichte aufwiegen dürfte, den
eine weitere Abkühlung zur Folge hat Man denke doch nur daran,
dafs eine dünne Eisschicht, vom Wasser getragen, bedeutend belastet
werden kann, ohne zu brechen.
Freilich kann man zur Zeit noch nicht behaupten, dafs durch
diese Ergebnisse die Haltbarkeit der Poissonschen Hypothese ganz
in Frage gestellt worden sei. Denn es giebt eine Reihe von Er-
scheinungen im weiteren Kosmos, so z. B. die periodische Flecken-
bildung auf der Sonne, welche nach einigen Forschem die Ver-
muthung, dafs die Erhärtung der Weltkörper von innen heraus er-
folge, wiederum näher legen.
0-röfseren objektiven Werth für die Klärung der Sachlage, wenig-
stens was den gegenwärtigen Zustand des Erdinnem betrifll, mufs
man den astronomischen Argumenten beilegen.
Es mag dem Laien überraschend sein, dafs man versucht hat,
aus den kleinen Verrückungen, welche die Fixsterne an der Himmels-
sphäre im Ijaufe der Jahrhunderte erfahren, einen Rückschlufs auf die
innere Beschaffenheit unseres Planeten zu machen. Man beachte indefs,
dafs der bei weitem beträchtlichere Theil jener Steraverschiebungen
von der Richtungsänderung der Umdrehungsaxo unserer Erde im
Raume herrührt, ein Phaenomen, das bekanntlich von den Astn>-
nomen unter dem Namen „Präzession der Naohtgleichen“ zusammen-
gefafst wird, und das in enger Beziehung mit der Anordnung der
Erdmaterie um diese Axe steht. Diese beständige, jedoch sehr lang-
same Richtungsänderung ist in überwiegendem Mafse der Anziehmigs-
krafl des Mondes und in geringerem derjenigen unserer Sonne auf
den äquatorealen Massengurt zuzuschreiben; sie würde nicht statt-
flnden bei einem vollkommenen gleichmäfsig geschichteten, kugel-
förmigen Erdkörper.
Bei der Berechnung dieser Bewegungserscheinung ist man von
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408
der Voraussetzung' ausgegangen, dafs unsere Erde ein vollkommen
starrer Körper sei, in dem alle Massontheilohen so innig mit einander
verbunden seien, dafs sie insgesamt den genannten bewegenden Kräften
ausgesetzt bleiben. Wenn dagegen der innere Kern aus einer Flüssig-
keit bestände, von einem starren Felspanzer bedeckt, so glaubte man,
dafs die Präzessionsbewegung sich anders gestalten würde, als bei
einem durch und durch starren Körper, indem dann die störende
Wirkung des Mondes sich nur auf die Kruste erstrecken, die innere
Flüssigkeit dagegen wcg^n der Trägheit ihrer Theile an der Be-
wegfung der Hülle nicht theilnehmen, oder doch nur einer gering-
fügigen Einwirkung ausgesetzt sein könnte. Und weiter dachte man,
dafs die Verschiebung der Erdaxe — einem einfachen dynamischen
Prinzips gemäfs — in dem Grade bedeutender ausfallen würde, als
weniger Masse bewegt wird, also je weniger bedeutend die Stärke der
den flüssigen Kern umgebenden festen Hülle ist
Auf Grund solcher mechanischen Ueberlegungen hat sich der
berühmte englische Geophysiker Hopkins um das Jahr 1839 das
Problem gestellt, die Präzessionsbewegung von sphäroidischen Körpern
unter der Annahme der Fluidität ilires inneren Kerns zu untersuchen.
Er fand, dafs die Bewegung der Erdaxe überhaupt nur möglich sei,
wenn unser Weltkörper aus einem Centralmeere geschmolzener Felsen
bestehe, dessen umgebende feste Hülle die Stärke von 30 bis 60 Kilo-
metern erreicht,®) dafs aber, wenn die Präzessionsbewegung mit der
thatsäch liehen, aus den Beobachtungen der Fixsterne abgeleiteten, im
Einklang stehen soll, dies mindestens eine Dicke der Hülle von
1300 bis 1600 Kilometer verlangt, und man daher sehr gut den ganzen
Erdkörper als durch und durch fest annehmen könnte, falls in seinem
Innern die Existenz örtlich begrenzter, mit geschmolzenen Silicaten
ausgefüllter Hohlräume zugelassen wird.
Dafs indefs diese Resultate das ihnen namentlich von den An-
hängern des Neptunismus entgegengebrachte Vertrauen nicht ver-
dienen, zeigen die sachgemäfsen Einwände, welche hiergegen er-
hoben wonlen sind. Neben Hennessy, der mit allen geologischen
Thatsachen gegen Hopkins ins Feld zog, hat der bekannte französi-
sche Astronom Delaunay gerechte Zweifel gegen die Theorie des
englischen Physikers vorgobrachL Hopkins setzt absolute Flui-
dität des Erdmagmas voraus und* vernachlässigt dabei die Zähig-
keit oder Viskosität. Nun sind aber alle Flüssigkeiten von einem
D. h. bei einer geringen Stärke soll gar keine Präzessionsbewegung
stattünden können.
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mehr oder minder hohen Zähigkeitsg^ade behaftet, d. b. ihre Theil-
ohen können nur unter Ueberwindung eines grofsen inneren Rei-
bungswiderstandes gegen einander verschoben werden. Auf Grund
dieser Viskosität und der sie begleitenden Reibung, die bei einem
allmählichen Uebergange von dem festen in den flüssigen Zustand
stets auftritt, erscheint es als aufser Frage stehend, dafs Hülle und
Flüssigkeit sich nahezu so bewegen werden, als ob beide ein starres
mechanisches System bilden. Experimente, welche Champagneur
im Laboratorium der Sorbonne mit einem Glasballon anstellto, der ver-
schiedene zähe Flüssigkeiten enthielt, haben dies vollkommen be-
stätigt Bei kleinen Schwingungen des Ballons zeigte sich in der
That, dafs der Inhalt in allen Punkten der Bewegung seiner Um-
hüllung folgte, und nur bei gröfseren Geschwindigkeiten trat
diese Uebereinstimmung nicht so offenkundig hervor. Boi der
Präzession handelt es sich nun aber um eine Bewegung von
äufserster Langsamkeit, indem bekanntlich die Erdaxe in 26 000
Jahren den vollständigen Kegelmantel um ihre mittlere Lage be-
schreibt. Und da aufserdem die Reibung bei den im Erdinnem
obwaltenden enormen Druckkräften eine ebenso gewaltige Steigerung
erfahren mufs, unterliegt es wohl keinem Zweifel, dafs die sinn-
reiche, aber in ihren Grundlagen etwas bescheidene Hopkinssche
Analyse die Frage nach dem Aggregatzustand des Erdkerns der
Lösung nicht näher geführt hat
Ebensowenig ist wohl zu erwarten, dafs sich eine jüngst von
dem belgischen Astronomen Folie angeregte Vorstellung bewahrheiten
wird, wonach die Nutation, d. h. jene kleine periodische Bewegung,
welche der Weltpol bei seinem Kreislauf um den Pol der Ekliptik
ausführt ein untrügliches Kriterium für eine noch gegenwärtig theil-
weise bestehende Fluidität des Erdinnem darbieten soll. Vom Stand-
punkte der Theorie aus wären hiernach kleine, tägliche periodische
Ortsveränderungen der Fixsterne an der Himmelsspbäre zu erwarten,
deren Existenz Folie für gesichert hält Eis ist aber bis jetzt nur
w'eniges bekannt geworden, was zu der Annahme von täglichen Perioden
— aufser den durch die Aberration bewirkten — in den Positionen
der dem Himmelspole nahen E’ixsteme berechtigen könnte.^)
Bis in die jüngste Zeit hinein hat man sich in der Theorie der
Bewegung der Erdaxe, sowie überhaupt bei der Behandlung geophy-
sischer Probleme mit einer Voraussetzung begnügt, die der Wirklich-
*) Vergl. hierüber Himmel und Erde, Jahrg. I, S. 4Si).
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keit nicht ganz entspricht, nämlich mit der Voraussetzung, dafs der
Erdkörper als ein System starr mit einander verbundener Massen-
punkte betrachtet werden könne und demnach keiner Formverände-
nmg unterworfen seL Dieser vereinfachende und über viele
Schwierigkeiten hinweghelfendo Gesichtspunkt ist gewifs bei vielen
Untersuchungen in der uns näher liegenden Erscheinungssphäre
körperlicher Bewegungsvorgänge durchaus berechtigt. Allein bei
einem Körper von so umfassenden Dimensionen, wie sie der Enl-
ball darbietet, welcher so enormen Gewalten, wie der Anziehungskraft
des Mondes und der Sonne ausgesetzt ist, hat man sich mit Recht
neuerdings veranlafst gefühlt, auf die Strukturverhältnisse Rück-
sicht zu nehmen, ihn gewissermafsen als einen elastischen Ball zu
betrachten.
Die Untersuchung der Bewegungsvorgänge elastischer Kugeln
und Kugelschalen verdanken wir neben Lamö besonders dem Scharf-
sinne des schon genannten englischen Physikers Sir William Thom-
son. Bei seinen überaus schätzenswerthen Bemühungen, rein theore-
tische Forschungsergebnisse für die grofsen geophysischen Probleme
auszuwerthen, wurde er zu Resultaten geführt, die wohl geeignet sind,
unser Erstaunen wach zu rufen. So fand er, dafs unter dem Einflufs
der die Rotation begleitenden Schwungkraft eine Kugel von den
Gröfsenverhältnissen und der Umdrehungsgeschwindigkeit unserer
Erde sich erheblich an den Umdrehungspolen abplatten müfste, selbst
wenn sie ganz aus Stahl, Glas, oder sonst einer der härtesten Sub-
stanzen bestände, und dafs diese Abplattung nur um weniges hinter
derjenigen zurückstehen würde, die wir gegenwärtig an unserer Enie
beobachten.
Halten wir an diesen Forschungsergebnissen fest — und sie sind
mit späteren Experimenten von Treska, St. Venant, Kohlrausch
und anderen, wonach keine materielle Substanz einen absolut starren
Zustand besitzt, sondern unter genügendem Drucke mehr oder minder
in ein Fliefsen geräth, in vollem Einklang — so läfst sich zu-
nächst eine wichtige Schlufsfolgorung machen, die den von Newton
in seinen „Prinzipien“ gegebenen Beweis betrifft, dafs die heutigen
Gestaltungsverhältnisso unseres Weltkörpers nur mit einem ursprüng-
lich flüssigen Zustand desselben vereinbar seien. Offenbar kann dieser
Beweis insofern nicht mehr als unanfechtbar gelten, als ja die Frage
nach dem Grade der Fluidität vollkommen offen bleibt, und wir nun-
mehr wissen, dafs, falls dieser Grad nur das geringe Mafs erreicht,
welches wir an den härtesten uns bekannten Substanzen wahrnehmen.
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die Abplattungsverhältnisso sich nicht viel anders stellen würden, als
die thatsächlioh beobachteten. Der erste, welcher dieser Idee Aus-
druck verh'eh, war der englische Physiker H. Spencer.
Man halte daher in der Neuzeit sehr gewichtige Gründe, den
unfruchtbaren Begriff „starr“ bei Untersuchung der grofsen geophy-
sisohen Probleme überhaupt zu unterdrücken und durch mehr ge-
eignete Ausdrücke als „plastisch und biegsam“ zu ersetzen, und, wenn
von einem theilweise fluiden Zustand unseres Planeten die Rede ist,
auf den mehr oder minder hohen Grad der Zähigkeit und der inneren
Reibung Bezug zu nehmen. Bei solchen Strukturverhältnissen war
aber der mechanischen Behandlung geophysischer Probleme ein weites
fruchtbares, jedoch auch überaus schwieriges Feld eröffnet, um dessen
Bearbeitung sich neben William Thomson besonders George
Darwin in Cambridge verdient gemacht hat.
Wenn wir nun gezwungen sind, die Erdkruste nicht als starre
Schale, sondern wie eine von einem inneren Magmameere getragene
elastische Haut zu betrachten, so werden wir zugoben, dafs alle Form-
änderungen, welche die innere Flüssigkeit erleidet, von dieser auf die um-
gebende Hülle übertragen werden müssen. Es ergiobt sich hieraus mit
Nothwendigkeit, die Formänderungen zu untersuchen, welchen eine so
gestaltete Erdkugel unter dem Einflüsse der enormen Attraktionskräfte
von Sonne und Mond ausgesetzt ist; denn, falls dieselbe nicht einen
sonst in der Natur junbekannten Grad der Festigkeit besitzt, müssen
ja Formänderungen nothwendig dadurch eintreten, dafs jedes der
beiden Gestirne die ihm näher gelegenen Erdtheilchen stärker an-
zieht als die entfernteren, ein Umstand, [der bekanntlich die grofsen
Fluthbewegungen des flüssigen Erdmantels erzeugt.*)
Wie an der Oberfläche das Meer, so [soll nach der Thomson-
Darwinschen Theorie die gesamte feste Erdrmde in gewissem Grade
die Schwankungen des Wasserspiegels mitmachen; sie soll nicht eine
träge starre Masse sein, die nur von aufsen wie eine Steinkugel ge-
modelt und gefeilt wird, innen aber todt und regungslos ist, — nein,
ein eigenes Planetenleben soll noch in ihrem Herzen pulsiren. Dieses
Leben würde nach Thomson auch dann noch bestehen können, wenn
der gesamte Globus eine Sprödigkeit besäfse gleich deijenigen des
Stahles oder Glases; er müfste auch dann noch den flutherregendon
Einflüssen von Sonne und Mond in erheblichem Grade nachgeben
Vergl. den Aufsatz: ,Die Flutlibcwe^ung dos Meeres und der Luft“.
Himmel und Erde, II. Jahrg. S. 207.
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und körperliche Gezeiten, sogenannte „bodily tides“ aufweisen, die
freilich nicht so bedeutend sind, wie diejenigen des Wasseroceans.
Uns können hier nur die Beziehungen interessiren, welche diese
Theorie mit der Frage nach der inneren Erdgestaltung verknüpfen.
Aber bevor wir uns in die hierzu nothwendigen Betrachtungen ein-
lassen, soll ein Zweifel beseitigt werden, der sich jedem Unbefangenen
sofort aufdrängen wird. Wenn es sich so verhält, wie hier behauptet
wird, so müssen die Fluthungen der Erdfesten sich doch auch äufser-
lioh zu erkennen geben. Mit einem Worte, wir müssen die Schrecknisse
eines Erdbebens täglich vor Augen haben und aus dem beängsügenden
Gefühl, keinen sicheren Standpunkt unter den Füfsen zu besitzen,
garnicht herauskommen. Nun, in dieser Hinsicht darf man die tröst-
liche Versicherung geben, dafs die Stärke und Wirkung solcher
Schwankungen des Körperganzen nur geringfügig sein können; mag
der relative Stand der anziehenden Weltkörper auch im Innern der
Erde Fluthungen erzeugen, so ist doch gewifs nicht diesen, sondern
weit mächtigeren Kräften eine gefahrbringende Erschütterung der
Oberfläche zuzuschreiben. Die von Alexis Perrey und später von
Rudolf Falb verfochtene Vorstellung, dafs bei besonderen Constella-
tionen dos Mondes und der Sonne die Reaktionen des Erdmagmas
auf die einschliefsendo Hülle eine alleinige Ursache zu Erdbeben ab-
gebon könnten, ist schon darum hinfällig, weil es unerklärlich bleibt,
wie die der Erdrinde sich unmittelbar anschliefsende Flüssigkeit als
Stofs und nicht als Druck wirken soll. Auch verliert diese kosmische
Kata.strophen-Theorie alle Wahrscheinlichkeit, da die Erdrinde — wie
wir sogleich sehen werden — jedenfalls nicht so geringe Dicke
besitzt, wie sie diese Theorie nothwendig beanspruchen raufs. Was
aber die andere Seite des Zweifels betrifft, dafs sich die Fluthungen
des Erdganzen unserer Walimehmung entziehen, so ist dies keineswegs
wunderbar, da ja doch alle Gegenstände auf der Oberfläche die jeden-
falls nicht bedeutenden Schwankungen mitmachen müssen und Fixir-
punkte, wie wir sie für die oscillirenden Bewegungen des Meeres an
den Pegeln besitzen, hier undenkbar sind. Die Gezeiten der Erdfesten
■müssen unserer Wahrnehmung ebenso entgehen, wie diejenigen des
Wassers einem Beobachter zu Schiffe auf hoher See.
Nur auf indirektem Wege könnte das Vorhandensein der Körper-
fluthungen festgestellt werden, indem man nämlich untersucht, ob die
Oceangezeiten in Bezug auf Höhe kleiner ausfallen würden, als es
durch die Theorie des auf absolut starrer Unterlage oscillirenden
Wassers angezeigt wii-d. Denn da unter den genannten Voraus-
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Setzungen der Meeresboden die periodisohen Auf- und Abwärtsbe-
wegungen des Meeresspiegels mitmachen müfste, würde die Höhe der
Gezeiten gleich der Differenz in der Bewegung des Wassers und der
trägeren Erdrinde sein, und folglich könnten nur verkleinerte oder
sogenannte „Differentialiluthen“ zur Erscheinung konuncn.
Um sich aber von dem Bestehen der Körperfluthen zu überzeugen,
wird man neben der Theorie auch die Erfahrung zu Rathe ziehen
müssen; während jener als Aufgabe zufällt, die Höhe der Oceangezeiten
auf absolut starrer Unterlage zu ergründen, mufs diese das nolhwendige
Beobachtungsmaterial zum Vergleich herbeischaffen.
Die vollständige Lösung der ersten Aufgabe kann leider wegen
der sich hierbei geltend machenden unberechenbaren Einflüsse nur sehr
mangelhaft unter der vereinfachenden Annahme einer ganz mit Wasser
bedeckten Erdkugel von gleichmäfsiger oder doch sehr gesetzraäfsig
sich ändernder Tiefe erfolgen, während in Wirklichkeit die Lago der
Kontinente und Inseln, die Ungleichheit in der Tiefe der Meorosbecken,
das Eingreifen der Wind- und Meeresströmungen, die Wärmestrahlung
der Sonne, sowie die Reflektionswirkungen der Küsten die Höhe der
Gezeiten in einer Weise beeinflussen, die der Berechnung ganz unzu-
gänglich ist. Von den mannigfachen hierdurch erzeugten Störungen
werden aber aus leicht übersehbaren Gründen die kurzperiodischen
Gezeiten in überwiegendem Mafse betroffen, während man von den
langperiodischen erwarten darf, dafs ihre empirische Festlegung mit
viel gröfserer Genauigkeit erfolgen kann. Wenn nämlich das fliith-
erregende Gestirn senkrecht über einem Punkte des Oceans steht,
erhebt sich daselbst eine Fluthwello, indem das Wasser von allen
Seiten zusammenströmt, um das Material zur Anschwellung herzugeben.
Nun bewegt sich aber der Scheitelpunkt der Welle mit dem Gestirne
fort, und weil letzteres sich während der Tagesperiode nicht immer
über dem Meere befindet, sondern zeitweise über die grofsen Länder-
flächen hinstreicht, wo das zur Bildung der Welle erforderliche Ma-
terial entweder ganz fehlt, oder in der Kürze der Zeit — bei der
lialbtäglichen und täglichen Fluth — nur sehr mangelhaft herbeige-
schafft werden kann, so wird wegen der unvollkommenen Ausbildung
der Welle ein Vergleich mit der Theorie nicht gut möglich sein. Bei
den langporiodischen Gezeiten dagegen, z. B. der vierzohntägigen
Mondfluth, werden die Störungen nur in geringem Mafse der Ausbil-
dung entgegenwirken, da die vollen acht Tage, welche sie zu ihrer
Entwicklung Zeit hat, bei der leichten Beweglichkeit des Wassers
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hinreichen dürften, um die lolLalen Defekte durch eine allmähliche
Aufsummirung' des flüssigen Materials zu decken.
Defshalb wird vor allem die vierzehntägige, durch den Dekli-
natiouswechsel des Mondes erzeugte Fluth, sowie die monatliche ellip-
tische Mondfluth geeignetes Beobachtungsmaterial für die Entscheidung
der Frage nach den Gezeiten des Körperganzen liefern können, umso-
mehr als sie den Vorzug bieten, von meteorologischen Einflüssen frei
zu sein, welche die Sonnenfluthen zu jeder genaueren Vorausbestimmung
unfähig machen.
Gegenwärtig wird diesen äufserst interessanten und wichtigen
Vorgängen von einer Anzahl Forscher die aufmerksamste Beobachtung
gewidmet, namentlich hat die auf Anregung der British-Association von
der englischen Regierung mit den besten Hülfsmitteln ausgeslattete
Gezeiten-Koramission unter der Leitung von J. C. Adams und G. H.
Darwin neben den praktischen Bedürfnissen der Nautik auch den
wissenschaftlichen Zweck nicht aufser Augen gelassen, und man darf
hoffen, dass durch die Bearbeitung des schon reichlich angesammelten
Erfahrungsmaterials die Frage einer baldigen endgültigen Lösung näher
gebracht werden wird.
Vergleicht man die bis zum Jahre 1883 aus 33-jährigen Ab-
lesungen der Pegelstände in englischen und indischen Häfen sich er-
gebenden Höhen der Gezeiten längerer Periode mit denen der Gleich-
gewichtstheorie auf starrer Unterlage, so läfst das Resultat der englischen
Beobachtungen nach Darwin den Schlufs zu, dafs der Erdkörper in
der That ein elastisches Naohgobon unter dem Einflufa der fluth-
erregonden Gestirne zeigt, wie es einer gleich grofsen, aus Stahl be-
stehenden Kugel zukommen würde. Die mehr zuverlässigen indischen
Messungen deuten dagegen auf ein weil geringeres Nachgeben, also
auch auf eine weit gröfsere Festigkeit dos Erdkörpers als Ganzes hin.
Sind wir erst im Besitze umfassenderer und genauerer Kenntnisse der
Gozeitonvorhältnisse, so wird sich der Versuch einer Abschätzung des
Festigkeitsgrades mit mehr überzeugender Kraft ausführen lassen,
weil eine für diesen Fall sehr günstige — von dem Umlauf dos Mond-
knotens abhängige — kleine Fluthbewegung mit einer Periode von
18.6 Jahren vorhanden ist, deren Ausbildung keine Hindernisse ent-
gogenstehen. Freilich wird hier besondere Genauigkeit in der Be-
obachtung geboten sein, weil, wie Darwin bemerkt, die Höhe dieser
Fluth am Aequator nur '/a Zoll erreicht, und eine vorläufige Unter-
suchung anzudeuten scheint, dass noch andere, verhältnifsmäfsig be-
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träobtliche Veränderungen des Meeresniveaus stattflnden können, deren
Ursachen zur Zeit noch wenig bekannt sind.^)
Die Thomsonsche Theorie der Deformation der Himmelskörper
ist wegen ihrer grofsen Wichtigkeit für die astronomische und geo-
logische Wissenschaft von Darwin vielfach weiter verfolgt worden,
indem er sie auf die Untersuchung der Gezeitenverhältnisse zähflüssiger
Sphäroide von verschiedenem Grade der Viskosität ausdehnte. Hierbei
ergab sich, dafs, wenn die Erde ein Sphäroid von dem Flüssig-
keitsgrade geschmolzener Lava wäre, umschlossen von einer etwa
100 Kilometer dicken Rinde, sie den flutherregenden Kräften fast
ganz so folgen müsse, wie eine gleich g^ofse Wasserkugel. Auf einer
solchen müfsten nach der Ansicht des englischen Geophysikers in-
folge der Nachgiebigkeit ihrer Theilchen auch die kurzperiodischen
Gezeiten nicht zur Erscheinung kommen können. Da aber die halb-
täglichen Meeresfluthen unzweifelhaft vorhanden sind, so rechtfertigt
dies den Schlufs, dafs die Erde im Innern nicht gut aus einem zäh-
flüssigen Centralmcere, sondern nur aus einem durch und durch festen,
wenn auch elastischen Material bestehe.
Auch hat neuerdings derselbe Forscher noch ein anderes, wesent-
liches Argument für die von ihm und Thomson vertretene durch-
greifende Festigkeit unseres Weltkörpers vorgebraoht. Sie beruht auf
der Voraussetzung, dafs unsere Erdkugel wegen der ungleichmäfsigen
Vertheilung von Festlandsmassen keine Gleichgewichtsflgur in Bezug
auf ihre tägliche Rotation sei. Wo aber eine rotirende .Masse nicht
vollkommen symmetrisch zur Umdrehungsaxe vertheilt ist, da mufs
diese letztere Lagenänderungeu im Körper erleiden, welche nicht
plötzlich, sondern sehr allmählich sich vollziehen und das Auftreten
innerer Druckkräfte zur Folge haben.^ Unser Erdkörper scheint in der
That um seine Rotationsaxe noch kleine Schwankungen auszuführen,
woraus folgen würde, dafs sein Inneres sich im Zustande der Spannung
befindet. Aus dem Umstande, dafs weder die Kontinente einsinken,
noch die Oceane aufbrechen, schliefst Darwin, dafs das Erdmaterial
widerstandsfähig genug sei, um diesen inneren Druckkräften Gleioh-
*) I.^ -jährige Beobachtungen im indischen Hafen von Karachi haben in
Bezug auf die 19-Jährigo Fluth zu keinem Resultate gefuhii. Die störenden
Einilüseo erwiesen sich weit bedeutender als die wirklichen Fluthschwankungen.
Vergl. hierüber Darwins Artikel: „TheTides“ in der Encyclopaedia Brittannica
und den Aufsatz von Zöpperitz «Ueber die Mittel und Wege zu einer besseren
Konntnifs des Erdinnom zu gelangen,“ Vorhdlg. des ersten deutschen Qeo-
grapbentoges 18ÖI.
1 Vergl. Himmel und Erde, Jahrg. I, S. 110 und Jahrg. II, S. 395.
Himmel und Erde. II. S. 28
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gfiwicht zu lialten, was bei der durch die Laslvertheilung von Amerika,
Afrika und dem atlantischen Ocean bewirkten Druckdifferenz schon
in 1600 Kilometer Tiefe eine Festigkeit des Materials erfordert, welche
derjenigen des Granits gleich käme. Zu ähnlichen Schlufsfolgerungen
gelangte schon früher der deutsche Physiker v. Helmholtz.
Wie steht es nun aber bei einem durch und durch festen Erdball
mit den vidkanischen Erscheinungen, mit dem Empordringen schmelz-
flüssiger Lava aus dem Schofse der Erde? Wir wollen hier nur er-
wähnen, dafs einige Geologen versucht haben, diese Phänomene unter
der Annahme eines starren Erdkörpers zu erklären. So hat unter
andern E. Reyer eine in diesem Sinne beachtenswerthe Darlegung
gegeben. Hiernach müfste sofort eine Verflüssigung der inneren festen
Erdsubstanz eintreten, wenn durch irgend welche Ursachen, etwa durch
Bildung einer Spalte oder einer in die Tiefe reichenden Verwerfung,
der auf der inneren Masse lastende Druck — durch welchen be-
kanntlich die Erstarrungstemperatur gehoben wird — nachläfsL Jeden-
falls steht das Empordringon gluthflüssiger Lava bei dem heutigen
Stande der Wissenschaft nicht gerade im Widerspruch mit einem festen
Erdkörper.
(Schluts folgt)
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Mit Kalkspatkrystallen überkrustete Tropfsteinbildungen aus der neuen Hermannshohle bei Rübeland im Harz.
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Die Hermannshöhle bei Rübeland im Harz.
Von Dr. W. Lcvin,
OberreftlsohuU«hrer in Brauiuohwelg.
■^^1 eder schöne Sommertag führt dem kleinen braunschweigischen
Hüttenorte Rübeland im Bodethale eine grofse Zahl von Touristen
zu; wenige der letzteren versäumen es die beiden seit langer
Zeit bekannten Höhlen, die Baumanns- und die Bielshöhle, zu besuchen.
Wer heute die Baumannshöhle betritt, steht auf einem Boden, welcher
schon seit länger als zwei Jahrhunderten den Freunden der Natur zu-
gänglich ist; auf derselben Stelle haben vor ihm schon Tausende und
Abertausende den eigenartigen Reiz bewundert, welchen das nimmer
ruhende Schaffen der Natur fern vom Tageslichte auf uns ausübt.
Aber gerade dadurch, dafs so viele vor uns dort die herrlichen Tropf-
steinbUdungen berührt haben, dafs sie mit russendem Orubenlicht den
ursprünglich blendend hellen Ealksteinilächen zu nahe gekommen
sind, hat die Baumannshöhle unendlich viel von ihrer Schönheit ver-
loren. Die bengalische Beleuchtung, welche auf Wunsch jederzeit
beschafft wird, wirkt im Augenblik wunderschön, aber auf die Dauer
äufserst schädlich. Die Baumannshöhle zeigt daher nur noch schwache
Reste ihrer früheren Pracht, und von der Bielshohle gilt ziemlich das-
selbe.
Um so erfreulicher ist es, dafs neuerdings in unmittelbarer Nähe
von Rübeland eine neue prächtige Höhle erschlossen ist, welche die
beiden schon früher bekannten nicht allein an räumlicher Ausdehnung,
sondern mehr noch durch ihre wunderbaren Tropfsteinbildungon und
durch gut erhaltene Roste vorweltlicher Thiere übertrifft.
Im Jahre 1866 fand ein Wegearbeiter an der Chaussee von Rübe-
land nach Hasselfelde beim Wegräumen von Gesteinschutt einen tiefen
Spalt im anstehenden Felsen, so grofs, dafs man mit Hülfe einer Leiter
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hineinklettem konnte. Wie sich darauf bald herausstellte, führte dieser
Spalt in einen mächtigen unterirdischen Raum, welcher zunächst nach
dem Spitznamen des findigen Steinbrucharbeiters die „Sechserdings-
höhle“ genannt wurde. Eine vorläufige wissenschaftliche Untersuchung
der Höhle wurde in den siebziger Jahren versucht und zwau* von
Seiten des vor einigen Jahren in Braunschweig verstorbenen Geheimen
Kammerraths Hermann Orotrian. Letzterer stellte Ausgrabungen
an und fand einige Reste von Xagethieren und vom Schneehuhn, Ge-
weih- und Kieferstücke des Rennthiers und zwei Stimzapfen einer
Antilope. Nach Grotrians Vornamen erhielt die Höhle die Bezeich-
nung ,JIermannshöhle“.
Eine Erschliefsung der Höhle für das grofse Publikum fand da-
mals noch nicht statt, es war vielmehr in jedem Einzelfallo eine be-
sondere Erlaubnifs zum Betreten der unterirdischen Räume erforderlich.
Im Herbst 1887 beschlofs die braunschweigische Regierung eine voll-
ständige wissenschaftliche Durchforschung alles dessen, was sich bis-
lang noch im Dunkel der Höhle den Blicken des Forschers entzogen
hatte; Dr. J. H. Kloos, Professor an der technischen Hochschule m
Braunschweig, wurde mit der Leitung der geologischen Untersuchungen
betraut Im Anscblufs daran stellte Prof. Dr. Max Müller in Braun-
sohweig eine Reihe vortrefflicher photographischer Aufnahmen vom
Innern der Hermannshöhle her. Die bislang erzielten wissenschaft-
lichen Ergebnisse der Höhlenuntersuchung sind bereits zusammen-
gestellt und kürzlich von der technischen Hochschule zu Braunschweig
mit Unterstützung des Ilerzogl. Staats-Ministeriums im Druck heraus-
gegeben. Die ausgezeichnete Arbeit*) bietet dem Geologen sehr viel
Neues, dabei aber ist sie auch für den Laien durchaus verständlich.
Die in nachstehenden Zeilen gegebene Schilderung der Höhle folgt im
wesentlichen der ausführlicheren Darstellung des Herrn Prof.Dr. K loos.
Wir betreten die Höhle durch den Spalt, welchen Sechserding
im Jahre 1866 aufgefunden hat; eine 4 m lange Leiter führt uns hinab
auf eine ziemlich ebene Bodenfläche. Dort ist cs uns möglich zuweilen
aufrecht, zuweilen kriechend vorwärts zu gelangen, über uns spannt
sich ein etwa 15 m breites Gewölbe, vielfach durch Pfeiler gestützt
und geschmückt durch eine grofse Menge prächtigster Tropfstein-
bildungen. So geht PS fort, bis wir 70 m vom Eingänge entfernt
') Der vollständige Titel des betreffenden Werkes ist der folgende: Die
Ilormnimshähle bei Rübcland, geologisch bearbeitet von Prof. Dr. J. H. Kloos,
idiotographisch aufgenommen von Prof. Dr. Max Müller. Weimar, Verlag der
deutschen Photographenzcitung (K. Schwier) 1889. Preis 15 Mark.
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sind, dann aber gelangen wir an eine Stelle, welche am Boden mit
feuchtem Schlamm bedeckt ist; beständig tropft Feuchtigkeit von oben
herab, mächtige Qesteinblöcke mit scharfen Kanten erschweren den
Weg, wir sind an einer Bruchstelle, an welcher — wohl infolge der
starken Wasserzirkulation — vor nicht zu langer Zeit ein Einsturz
stattgefunden hat Hier fand Prof. Kloos in einer seitlichen Ver-
zweigung der Höhle eine Spalte, welche senkrecht nach oben fuhrt.
Diese Spalte war angefüllt mit derjenigen eigenartigen feinpulverigen
Masse, welche sich in den meisten Bären- und Hyänenhöhlen am
Boden findet und daher den Namen Höhlenlehm erhalten hat Wie
aber konnte dieser Höhlenlehm, welcher eine grofse Zahl von Raub-
thierknoohen in sich barg, dorthin gelangt sein, hochoben in die senk-
recht aufwärts führende Spalte? Offenbar konnte er nicht von unten
hinauf gekommen sein, er mufste vielmehr von einer zweiten Höhle
herrühren, welche über der zuerst entdeckten liegt. Es galt daher in
der Spalte aufwärts vorzudringen in der Hoffnung, dadurch in den
zweiten Hohlraum zu gelangen. Aeufserst beschwerlich und keines-
wegs gefahrlos war die Arbeit, von unten her durch die mit Höhlen-
lehm und zum TheU auch mit schweren scharfkantigen Qeröllen an-
gefüllte Spalte einen Weg zu bahnen. Unter Anwendung von Dynamil-
patronen, welche auf elektrischem Wege entzündet wurden, gelang es
nach langem Bemühen, die 9 m mächtige Spaltenausfüllung zu durch-
brechen. Die Vermuthung, dafs oben ein zweiter Hohlraum vorhanden
sein müsse, erwies sich als vollkommen richtig; man kam in eine
neue gewaltige Höhle, welche 10 m in der Breite und etwa 8 m in der
Höhe mifst bei einer Länge von 120 m. Die Tropfsteinbildungen in
diesem neu entdeckten Raume übertreffen durch die Kühnheit ihrer
Formen und durch das blendende Woifs ihrer Oberfläche selbst
diejenigen der unteren Höhle. An Knochenresten, namentlich an
Knochen des Höhlenbären ergab sich hier eine beispiellose Fülle.
Man hat demnach diesen Raum in mehr als einer Beziehung als die
Haupthöhle anzusehon, und es erwies sich daher als nothwcndig, ge-
rade diese durch einen bequemen Zugang mit der Aufsenwelt in Ver-
bindung zu setzen. Ein richtiger Stollen wurde von aufsen her in
den Felsen hineingetrieben, in einer Entfernung von 19 m war die
Haupthöhle erreicht. Dieser Stollen wird auch in Zukunft den Haupt-
etngang zur Hermannshöhle bilden.
Die Entdeckungsfahrten innerhalb des unterirdischen Raumes
wurden nun immer noch fortgesetzt. Es stellte sich bald heraus, dafs
unter den beiden bislang erwähnten Räumen noch ein dritter, aller-
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dings sehr niedriger und zuweilen ganz unterbrochener Hohlraum vor-
handen ist. In diesem tiefsten Niveau der Hermannshöhle findet sich
ein kleines Gewässer, ein Höhlenbaoh; merkwürdigerweise lliefst der-
selbe in ganz derselben Höhe wie die Bode in ihrem dicht benach-
barten Thale; ohne Frage ist er als ein unterirdischer Seitenarm der
Bode anzusehen. Von einer Stelle dieses am tiefsten liegenden kleinen
Hohlraumes konnte man wieder aufwärts gelangen zu einem neuen
Raume, welcher die imposante Höhe von 19 m erreicht, während die
Breite an einigen Stellen 22 m beträgt. Es gelang Herrn Prot Kloos
festzustellen, dafs dieser höchste Theil der unterirdischen Räume als
eine Fortsetzung der Haupthölile nach Osten auzusehen ist. Oben an
den Seitenwänden dieses Hohlraumes erkennt man die Reste einer
eingestürzten Terrasse. Auch diese Terrasse war, wie noch deutlich
zu sehen ist, mit Höhlenlehm bedeckt, sie mufs daher früher einmal
den Untergrund eines selbständigen Hohlraumes gebildet haben. Dem-
nach mufs einstmals auch über der jetzigen Haupthöhle noch eine
weitere Etage vorhanden gewesen sein. Man hat somit in der Hermanns-
höhle insgesamt nicht weniger als 4 Stockwerke zu unterscheiden.
Dio Gesamtlänge der jetzt fahrbaren Hohlräume beträgt 413 m; rechnet
man dazu noch die vielen Seitongänge, so ergiebt sich eine Länge von
über 600 ra.
Den prächtigen Stalaktiten, welche in überwältigender Fülle von
der Decke der Hermannshöhle herabhängen, stehen in der Regel am
Boden von unten herauf wachsende Stalagmiten gegenüber. Unter
den kleineren Stalaktiten finden wir die sämtlichen Jugendformen
dieser merkwürdigen Tropfsteingebilde, so dafs wir uns danach die
ganze Entwickelungsgeschichte derselben zusammenstellen können.
Ein Tropfen Sickerwasser kommt aus dem Gestein hervor, nachdem
er dort eine allerdings recht geringe Menge von kohlensaurem Kalk
aufgelöst hat; er hängt an der Decke der Höhle, bereit in jedem
Augenblick herabzufallen. An seiner Oberfläche scheidet sich infolge
der Verdunstimg des Wassers eine ganz feine Haut von kohlensaurem
Kalk ab. Beim Herabfallen mufs der Tropfen diese feine Kalkumhül-
lung nach unten durchbrechen, es hinterbleibt dann nur die Seiten-
wand in Form einer aufserordenUich kurzen Rühre. Weil nun wieder
und immer wieder ein neuer Tropfen an derselben Stelle zur Tiefe
geht, wird das feine Röhrchen stärker und länger; dio so gebildeten
einfachen Röhren aus Kalkspat haben einen Durchmesser von 6 — 6 mm
und erreichen eine Länge von 30—40 cm. Dann aber füllt sich das
Innere der Röhre von aufsen her nach der Mitte zu mit vielen spitzen
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Kalkspatkrystallen (die Krystallform ist wahrscheinlich — 2 R). Nun
mufs das Sickerwasser an der Aufsenfläche des Stalaktiten herablaufen;
derselbe wächst daher jetzt von innen nach aufsen.
Denken wir uns, dafs in irgend einem niedrigen Winkel eines
unterirdischen Hohlraumes Stalaktiten gebildet sind, welche fast bis
zum Boden hinabreichen. Wenn daran später aus irgend welchem
Grunde — vielleicht infolge der Verstopfung einer Spalte — das
Sickerwasser verhindert wird abzullicfsen, so kann es Vorkommen,
dafs die Stalaktiten in das kalkhaltige Wasser hiueinragen und dafs
sie dort Veranlassung bieten zur Abscheidung von Kalkspatkrystallen,
welche sich in grofser Zahl um einen Stalaktiten als Mittelpunkt
herumlagern. Derartige Kalkspatneubildungen hat die Hermannshöhle
in den wunderbarsten und mannigfaltigsten Formen aufzuweisen. Die
einzelnen Kalkspatkrystalle sind Rhomboeder (meist — 2 R), deren
Kanten die Länge von etwa einem Centimeter erreichen. Dutzende
dieser Krystalle durchkreuzen einander und stehen dann wieder mit
anderen Durchkreuzungsgruppen in Verbindung, so dafs man die ganze
Krystallanhäufung wohl mit einer starken Weintraube vergleichen
könnte. Auch einer Koralle sind diese Krysiallmassen häuflg nicht
unähnlich. Viele erreichen eine Breite von 35 bis 40 cm, in manchen
Fällen ist der Stalaktit, welcher den Mittelpunkt des Ganzen bildete,
nicht mehr zu erkennen, jedenfalls wird derselbe später wieder auf-
gelöst sein.
An einer Stelle in der Hermannshöhle findet sich ein nicht allzu
häufiges Mineral, die Bergmilch, in auffallend grofser Menge. In einer
Mächtigkeit von etwa 20 cm überzieht dasselbe den Kalksinter als
eine milchweifse poröse Masse, bestehend aus dicht mit einander ver-
webten kleinen Krystallen von kohlensaurem Kalk. Erst bei starker
Vergröfserung unter dem Mikroskop ist es möglich, die kleinen
Kryställchen deutlich zu erkennen. Während Gustav Rose der An-
sicht war, dafs die Kryslalle der Bergmilch Aragonit seien, hält G.
Tschermak (Lehrbuch d. Mineralogie 1889) dieselben für Kalkspat.
Prof. Kloos ist nun auf Grund seiner mikroskopischen Untersuchung
der in der Hermannshühlo gefundenen Bergmilch zu der Ueberzougung
gelangt, dafs in der That Kalkspalrhomboeder vorhanden sind. Auch
eine von Dr. Tröge r in Braunschweig ausgeführte Bestimmimg des
specifischen Gewichtes der Bergmilch spricht für Kalkspat, nicht für
Aragonit.
Eine besondere Aufmerksamkeit wuitle bei der Durchforschung
der Hermannshöhle den dort vorkommenden Knochenresten zugewendet.
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Die mächtigen Anhäufungen von Höhlenlehm, welche sich an vielen
Stellen aufgeachichtet Anden, sind durch und durch erfüllt mit regellos
durcheinander liegenden Knochen. Leider beAnden sich die meisten
dieser Knochen nicht gerade im besten Erhaltungszustände, äufsert
selten Andet sich ein Schädel mit dem dazu gehörigen Unterkiefer,
Mit Kalkspatkrystallen Uberkrustete Tropfatelabildungen aus der neuen
HermannsbChle bei Rflbeiand im Hari.
meist liegen Uruchstücke von Qehirnschädeln in regelloser Unordnung
zwischen Kalkblöcken, Unterkieferästen, Zähnen und Splittern von
Rippen, Wirbeln und Boinknoohen. Die überwiegende Mehrzahl der
gefundenen Knochen gehört dem Höhlenbären, Ursus spelaeus L., an.
Dieses gewaltige Raubthier mufs im Harz in früheren Jahrtausenden
ganz besonders günstige Bedingungen seines Daseins gefunden haben,
denn auch in der Baumannshöhle bei Rübeland und namentlich in der
vom Amtsrath Struckmann in Hannover untersuchten Einhornhöhle
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bei Scharzfeld sind die Knochen des Höhlenbären in stattlicher Zahl
gefunden. Gegenüber allen früher bekannten, zeichnen sich die in
der Hermannshöhle ausgegrabenen Knochen, namentlich aber die
Schädel des Höhlenbären durch ganz aufserordentliche Oröfse aus.
Einige der letzteren weisen eine Länge von mehr als einem halben Meter
StuleafBrrnlge Stalagmiten aua der neuen HermannaliShle bei
Rflbeland im Harz.
auf. Obwohl an keiner Stelle der Höhle auch nur annähernd voll-
ständige Skelette beisammen gefunden sind, ist es doch im natur-
historischen Museum zu Braunschweig gelungen, aus den vielen einzeln
auigefundenen Knochen ein ganzes Skelett des Höhlenbären (bislang
das einzige seiner Art) zusammenzustcllen.
Gegenüber den nach Tausenden zählenden Knochen des Höhlen-
bären treten die übrigen Knochenreste, welche bei der Untersuchung
der Hermannshöhle gefunden sind, erheblich zurück. Im Höhlenlehm
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fanden sich neben Ursus spelaeus nur geringfügige Reste von Wieder-
käuern, ferner Hamster und Lemming und in einem Falle auch ein
Stück vom Unterkiefer des Wolfes mit Backenzähnen. Man würde
sich über die geringe Zahl der gefundenen Thierspecies wundem
müssen, wenn nicht die älteren Untersuchungen anderer Bärenhöhlen in
Franken, Sch Waben, Westfalen und Polen gtinz Aehnliehes ergeben hätten.
Früher hat man wohl geglaubt, dafs die Knochen vorweltlioher
Thiere, welche man in Höhlen findet, von aufsen her durch grofse
Wasserfluthen hineingeschwemmt sein könnten. Dann aber wäre es
doch kaum zu verstehen, dafs die eingeschwemmten Knochen fast aus-
schliefslich einer einzigen Thierart angehören; überdies müfsfen durch
die Hochfluthen gleichzeitig mit den Knochen die allerverschiedensten
Gerolle und ebenfalls grofse Schlammmassen in die Höhle eingeführt
sein. Von solchen Oeröllen und Schlammmassen aber findet sich im
Höhlenlehra keine Spur. Letzterer besteht vielmehr aus einem ganz
gleichmäfsigen Gemenge von phosphorsaurom und kohlensaurem Kalk
mit etwas Quarzsand und organischen Bestandtheilen.
Die Hermannshöhle mit ihren unzähligen Nebenräumen und
Seitengängen wird jedenfalls den Bären der Diluvialzeit eine aufser-
ordentlich günstige Wohnstätte geboten haben; wir können uns daher
sehr wohl vorstellen, dafs der Höhlenbär lange Zeiten hindurch der
eigentliche Bewohner und zugleich der unumschränkte Beherrscher
der Höhle gewesen ist. Es spricht nichts dagegen, dafs v'iele Gene-
rationen nach einander die Höhle bevölkert haben, dafs ihre Leichname
dort verwest sind und dafs später die Knochen der abgestorbenen
Thiere durch die aus den Spalten des Gesteines horvorqueUendon Ge-
wässer an tiefen Stellen der Höhle zusammengeschwemmt sind. Im
Zusammenhang damit erkennen wir in dem Höhlenlehm, welcher die
Knochenreste umschliefst, nichts weiter als ein Verwitterungsprodukt
der Knochenmassen und der Trümmer des Höhlongesteins.
Nicht im Höhlenlehm, wohl aber in einigen Spalten der Hermanns-
höhle sind Reste vom Schneehuhn, Lemming, Pfeifhasen und vom
Rcnnthier gefunden. Diese Thiere, welche sich längst in die hoch-
nordischen Länder zurückgezogen haben, stammen indessen aus einer
jüngeren Zeit als der Höhlenbär. Immerhin aber ist es interessant,
dafs man die Reste der nordischen Thiere jetzt auch in der Hermanns-
höhle nachgewiesen hat, nachdem es durch frühere Untersuchungen,
namentlich durch die Arbeiten von Prof. Nohring in Berlin bereits
festgestellt war, dafs dieselben während der Diluvialzeit Norddeutsch-
land bewohnt haben.
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Spuren einer Thätigkeit des Menschen der Diluvialzeit sind in
der Höhle bislang nicht gefunden. Weder Waffen noch bearbeitete
Feuersteine sind im Höhlenlehm entdeckt; auch Topfscherben und
Holzkohlenstücke, welche nach den Untersuchungen des Amtsraths
Struckmann in der Einhomhöhle bei Scharzfeld Vorkommen, fehlen
bei Rübeland. Wohl findet man unter den Tausenden von Knochen
im Höhlenlehm ab und zu einen Röhrenknochen, welcher der Länge
nach aufgespalten ist und genau so aussieht, als wenn er vom Menschen
zur Gewinnung des Marks zerschlagen wäre. Nicht selten sind in
der Fachhtteratur ganz ähnliche Knochenstücke beschrieben und als
Beweis für die Tbätigkeit des diluvialen Menschen angeführt. Dabei
aber dürfen wir nicht übersehen, dafs die in der Ilermannshöhle ge-
sammelten Knochen fast sämüich durch Verwitterung beschädigt sind.
Da es überdies feststcht, dafs die Röhrenknochen, sobald sie vom
Zahn der Zeit berührt werden, in der Regel der Länge nach auf-
springen, müfste es im höchsten Grade gewagt erscheinen, wenn man
allein nach dem Vorhandensein der zerspaltenen Knochen auf eine
.Anwesenheit des Menschen schliefsen wollte.
Möglicherweise werden spätere Forschungen noch weiteres Ma-
terial ergeben zur Entscheidung der interessanten Frage, ob der Mensch
der Vorzeit ein Bewohner der Höhle gewesen ist oder nicht Es ist
nämlich bei der bisherigen Untersuchung von vom herein darauf Be-
dacht genommen, dafs möglichst vieles in der neuentdeckten Höhle in
seinem ursprünglichen Zustande erhalten bleibt Man hat demgemäfs
den bei weitem gröfsten Theil des Höhlenlehms einstweilen völlig un-
berührt gelassen. Auf diese Weise hat man einmal für die Dozenten
der Geologie ein prächüges Domonstrationsobjekt bei Höhlenstudien
geschaffen, ferner hat man damit auch für spätere paläontologische
Untersuchungen ein unschätzbares Material zurückgestellt
Wie oben bereits erwähnt wurde, besteht die eine Höhle bei Rübe-
land aus vier über einander liegenden Stockwerken und vielen Seiten-
gängen. Wie haben wir uns nun diese mannigfach gestalteten und weit
verzweigten unterirdischen Hohlräume entstanden zu denken? Für die
Beantwortung dieser Frage liefert uns eine Beobachtung des Höhlen-
baches, welcher die unterste Stufe der Höhle durchfiiefst, einige An-
haltspunkte. Die Stelle, an welcher der Höhlenbach sich von der Bode
abzweigt, ist nicht ermittelt; wohl aber kann man den imterirdischen
Wasserlauf von der Höhle abwärts weiter verfolgen und sich davon
überzeugen, dafs er dicht unterhalb der an der Hasselfeldor Land-
strafse liegenden Oberförsterei sich mit dem Hauptarm der Bode ver-
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einigt. An einigen Stellen im untersten Stockwerke der Höhle ver-
schwindet der Bach plötzlich im Oostein und quillt an itgend einem
anderen weiter abwärts gelegenen Punkte wieder hervor. Jedenfalls
findet dort das Wasser seinen Weg durch ganz 'feine Spalten des
Kalkfelsens, und es kann nicht ausbleibcn, dafs dabei im Laufe der
Zeit erhebliche Mengen von dem ziemlich leicht löslichen Gestein
fortgewasohen werden. Denken wir uns, dafs dasselbe Gewässer Jahr-
hunderte und Jahrtausende hindurch fort und fort durch die Spalten
der Rübeländer Kalkfelsen gefiossen ist und dort seine auflösendc,
nagende Thätigkeit entfaltet hat, so erscheint es uns keineswegs un-
glaublich, dafs die gewaltigen Räume der Hermannshöhle durch die
Auflösung des Kalkgesteins im Wasser des Höhlenbaches entstanden
sind. Die ganze Höhle liegt im oberdevonisohen Korallenkalk, welcher
dort von zwei Systemen parallel verlaufender Spalten durchsetzt ist-
Die beiden Spaltensysteme stehen fast senkrecht auf einander, das
eine derselben hat die Richtung, in welcher der Felsen an seiner
Oberfläche nach dem Bodethal zu einfällt, das andere System ver-
läuft parallel mit dem entgegengesetzten Absturz des Felsens. Die
Spalten der beiden Systeme wiesen dem Wasser die Wege durch das
Gestein, sie wurden durch Auswaschung erweitert, so dafs sohliefslich
die grofson Hohlräumo entstanden. Wie sehr die Bildung der letzteren
von der Richtung der Spalten abhängig war, erkennt man daran, dafs
die Wände der Ilohlräume fast überall in der Richtung der Spalten
einfallen. Die Läng.sriohtung der vier grofsen Hohlräumo stimmt
überein mit der Richtung, in welcher der Höhlenbaoh heute den
untersten Raum durchfliofst und in welcher er in früheren Zeiten
jedenfalls die oberen Stockwerke durohflosson haben wird.
Das Bodethal mufs sich ähnlich wie das Thal der Schwarza in
Thüringen oder wie das Rheinthal zwischen Bingen und Bonn dadurch
gebildet haben, dafs der Flufs sich ganz allmählich immer tiefer in
das umgebende Gestein hineinuagte, dafs demnach der Wasserspiegel,
welcher ursprünglich bedeutend höher lag, stets tiefer und tiefer zu
liegen kam. Wenn nun in einer früheren Zeit der Wasserspiegel der
Bode etwa 38 m höher lag, als heute, so wird der unterirdisch
fliefsende Seitenarm, welcher' seinen Wog durch die Spalten des ober-
devonischen Kalkfelsens nahm, auch gegen 38 m höher geflossen sein,
als der jetzige Höhlenbach. Dabei wurde das oberste Stockwerk der
Höhle in ganz derselben Weise gebildet wie heute das unterste vor
unseren Augen durch die Thätigkeit des Wassers entsteht. Die 4
Stockwerke der Höhle bezeichnen demnach die Höhen, in welchen in
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vier auf einander folgenden Perioden der Höhlenbach geflossen ist;
die Bode selbst wird dabei stets ungefähr dasselbe Niveau gehabt
haben, welches in der gleichen Zeit der Höhlenbach hatte.
Im zweiten Stockwerk der Höhle finden sich recht erhebliche
(2 bis 2t/j m mächtige) Anhäufungen von Flufsgeröllon, welche sehr
wohl mit den Gerollen, welche die Bode führt, übereinstimmen. Auch
diese Thatsache weist uns darauf hin, dafs die Entstehung der Höhle
im unmittelbaren Zusammenhänge stehen mufs mit der Thätigkeit
der Bode.
Der vorzüglichen Beschreibimg der Hermannshöhle, welche die
technische Hochschule zu Braunschweig kürzlich im Druck heraus-
gegeben bat, ist eine Mappe mit 20 Tafeln beigefügt; 16 der letzteren
sind Lichtdrucke nach den von Prof. Dr. Max Müller hergestellten
photographischen Aufnahmen aus dem Innern der Höhle. Mit voll-
endeter Schärfe sind die Hohlräume, in welche nie ein Strahl des
Sonnenlichtes eingedrungen ist, zur Darstellung gebracht. Prof. Müller
hat bei seinen photographischen Aufnahmen ein eigenartiges, bislang
noch nie in derselben Weise benutztes Magnesiumblitzlicht angewendet;
die Herstellung dieses Lichtes ist so einfach und die Wirkung desselben
eine so vollkommene, dafs es in Zukunft voraussichtlich sehr oft in
ähnlichen Fällen Verwendung finden wird. Ein feines Pulver von
metallischem Magnesium (40 Theile) wird mit chlorsaurem Kalium
(30 Theile) und mit überchlorsaurem Kalium (30 Theile) vermischt.
Sobald nun das Gemenge entzündet wird, verbrennt das Magnesium
mit hell aufblitzender Flamme. Einen Augenblick nur dauert die
blendende Helligkeit an, denn das chlorsaure und namentlich das über-
chlorsaure Kalium giebt sofort seinen Sauerstoff an das brennende
Magnesium ab.^)
Im Sommer 1890 wird die Hermannshöhle zum ersten Male für
alle Freunde des Harzes, welche das Gebirge durchreisen, geöffnet
sein. Einstweilen ist man noch damit beschäftigt, die unterirdischen
^ Schon vor mehr als 20 Jahren sind photogrsphisebe Aufnabmen vom
Innern der Cheops-Pjramide und von Pariser Kanalbauten bei {Magnesium-
licht bergestellt worden. Damals benutzte man aber nicht ein momentan auf-
blitzendes Magnesiumpulver, sondern einen langsam brennenden Magnesium-
streifen. Dabei ergab sich der Nachtheil, dafs das weifse taubförmige
Magnesiumozyd, welches sich bei der Verbrennung bildet, die Luft trübte,
bevor noch ein klares Bild zu erhalten war. Ein Qemisch von Magnesium-
fjulver und einem sauerstoffreichen Körper gelangte zuerst 1883 zur Anwendung.
Kin derartiges von Gaedicke und Miethe mit gutem Erfolge verwendetes
Gemenge besteht aus Magnesiumpulver, chlorsaurem Kalium und Schwefel-
antimon.
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Räume für den Empfang der Fremden vorzubereiten. Mit besonderer
Sorgfalt wird eine elektrische Beleuchtung eingerichtet, da man sich
von dieser eine prächtige Wirkung verspricht. Die in vollster Rein-
heit erhaltenen Tropfsteingebilde der Hermannshöhle müssen in der
That bei einer von geübter Hand geschaffenen elektrischen Beleuchtung
einen gradezu feenhaften Eindruck hervorbringen. Der Obermaschinen-
meister der Münchener Hofbühne, welcher im Aufträge König Ludwigs
des Zweiten von Bayern die prächtige Beleuchtung dos Schlosses
Herrenchiemsee und der blauen Grotte am Linderhof eingerichtet hat,
ist mit der Leitung der Anlagen betraut
Wohl ist die Aufgabe, welche hier der Lösung harrt, eines talent-
vollen Künstlers würdig. Gilt es doch die unübertrefflichen Schön-
heiten der Natur, welche hier bislang in stiller Gruft verschleiert
lagen, mit wahrhaft künstlerischem Geschick dem Auge vorzuführen
und dadurch ihren geheimnifsvollen Reiz noch wesentlich zu steigern.
Gerade hier müssen Kunst und Natur Zusammenwirken, um für den
Harz ein Kleinod zu schaffen, welches einzig in seiner Art dastehen
und für den Jünger der Wissenschaft in gleicher Weise wie für
den schlichten Wanderer ein bevorzugtes Ziel des Sommerausflugs
bilden wird.
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Respighi und Montigny. Am 10. Dezember vorigen Jahres
starb in Rom Lorenzo Respighi, einer der hervorragendsten Ver-
treter Italiens in der astronomischen Wissenschaft, und kurze Zeit
darauf traf die Nachricht ein, dafs auch Belgien in dem am 10. März
dieses Jahres erfolgten Hinscheiden Charles Montignys einen Ver-
lust von gleicher Bedeutung erlitten hatte.
Lorenzo Respighi. Charles Montigny.
Wir bieten heute unseren Lesern die getreuen Bildnisse dieser
beiden unermüdlichen und in ihrem stillen, fruchtbaren Schaffen ein-
ander nahe verwandten Forscher, und begleiten dieselben mit kurzen
Angaben über die äufseren Verhältnisse ihres Lebens.
Lorenzo Respighi ward am 7. Oktober 1824 in Cortemaggiore
(Piacenza) geboren, empfing seine vorbereitentle Bildung in Parma
und studirte dann bis 1847 an der Universität Bologna. 1861 wurde
er zum Professor der Optik und Astronomie an derselben Universität
ernannt und im Jabre 18.5.5 übertrug man ihm aufserdem die I^eitung
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der Bologneser Sternwarte, auf der er nun eine eifrige Beobachtungs-
thätigkeit entfaltete. Von Bologna siedelte Respighi 1864 nach Rom
über, wo ihm eine akademische Professur und gleichzeitig die Leitung
der capitolinisohen Sternwarte anvertraut ward. Bis wenige Monate
vor seinem Tode setzte er hier trotz einer tückischen, schleichenden
Krankheit seine mannigfachen Arbeiten mit rastlosem Eifer fort
Respighis Hauptverdienst besteht in der mit grofser Ausdauer
während einer langen Reihe von Jahren durohgefuhrten Sonnenstatistik,
die ihm z. B. neue Beweise für den nahen Zusammenhang zwischen den
Sonnenllecken und Protuberanzen enthüllte und noch so manche andere
wichtige Beiträge zur Vervollständigung unserer Kenntnisse über die
Vorgänge auf der Sonne zeitigte. Respigh i gehörte einer grofsen Reihe
gelehrter Gesellschaften als Mitglied an, in deren Publikationen die zahl-
reichen Mittheilungon über die Ergebnisse seiner Studien zerstreut sind.
Charles Montigny erblickte das Licht der Welt zu Namur in
Belgien am 8. Januar 1819. 1841 wurde er Professor der Physik
und Mechanik an dem Athenäum seiner Vaterstadt. In der gleichen
Eigenschaft kam er im Jahre 1856 nach Antwerpen und 1868 nach
Brüssel, wo er sein Lehramt bis 1882 bekleidete. Seine wissen-
schafthehen Leistungen fanden durch die 1867 erfolgte Ernennung
zum Mitglied der belgischen Akademie der Wissenschaften, sowie im
Jahre 1879 durch die Berufung zum correspondirenden Mitglied der
Brüsseler Sternwarte Anerkennung.
Montignys Forschungen bezogen sich auf mannigfache Gebiete
der Physik, Meteorologie und Astronomie. Sein erfinderischer Kopf
ersann eine ganze Reihe nützlicher Hilfsapparate für Wissenschaft
und Technik. Erwähnt sei nur ein Apparat zur Bestimmung der Luft-
geschwindigkeit in Bergwerken, für den er 1867 mit einer akademischen
Medaille belohnt wurde, ferner ein Universal- Meteorograph, der, ge-
gründet auf die Anwendung der Elektrizität, eine dauernde, solbst-
thätige Beobachtung aller meteorologischen Elemente ennögUchen
sollte, und endlich das Scintillometer, über dessen Konstruktion und
Bedeutung unsere Leser durch Herrn Dr. de Ball in Heft 4 und 6
dieser Zeitschrift hinlänglich unterrichtet worden sind. Mit unermüd-
lichem Eifer und selbstloser Hingebung setzte Montigny seine mit
diesem Instrumente seit 1865 begonnene Beobachtungsreihe länger als
zwanzig Jahre hindurch fort, bis ihm diese Beschäftigung im Jahre
1886 ärztlicherseits verboten wurde.
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431
Das Spektrum des Uranus.
Das Spektrum oder das farbig’e Lichtband ist seit Kirohhoff
und Bunsen der Zauberscblüssol geworden, der uns einen tiefen Ein-
blick in den Zustand und die chemiscbo Beschaffenheit der verschie-
denen Himmelskörper eröffnet hat Der in ein Band ausgebreitete
Lichtstrahl der Nebelflecke verräth uns, dafs in diesen Nebelwelten
Stickstoff und Wasserstoff vorhanden sind. Auf den Sternen kommt
von allen Elementen am häufigsten der Wasserstoff vor, nächstdem
Natrium, Magnesium und Eisen. Einige wenige Sterne enthalten aufser
Metallen noch Kohlenstoffverbindungen. Die Kometen bestehen im
wesentlichen aus glühenden Gasen einiger Kohlenstoffverbindungen;
nur die der Sonne sehr nahekommenden Kometen zeigen oft noch die
gelbe Natriumlinie.
Es ist naturgemäfs, dafs wir an der Erforschung der Beschaffen-
heit der Mitglieder unseres Planetensystems ein ganz besonderes
Interesse nehmen. Bei der Untersuchung der Planetenspektra ist
es von grofser Wichtigkeit, den absorbirenden Einflufs unserer
Atmosphäre von dem zu trennen, den die Atmosphäre des Planeten
selbst ausübt; dies gestaltet sich besonders schwierig, wenn die letztere
unserer Erdatmosphäre sehr ähnlich ist, mithin die gleichen Absorptions-
streifen zeigt. In erster Linie besteht unsere Atmosphäre aus Stick-
stoff, Sauerstoff und Wasserdampf, deren Absorptionslinien wir somit
hauptsächlich im Spektrum unserer Atmosphäre begegnen. Eine ge-
nauere Kenntnifs der atmosphärischen Linien, insbesondere in ihrer
Abhängigkeit von der wechselnden Temperatur und Dichte, verdanken
wir den grundlegenden Untersuchungen von II. C. Vogel. Die atmo-
sphärischen Linien treten hauptsächlich im rothon bis grünen Theile
des Spektrums auf; im Blauen und Violetten findet bereits eine all-
gemeine Absorption statt, die sich im Ultravioletten bis zur Undurch-
sichtigkeit steigert.
In neuerer Zeit sind wieder Untersuchungen über das Uranus-
spektrum angestellt worden, von denen hier besonders gesprochen
werden soll, während die spektroskopischen Untersuchungen der
übrigen Planeten einer späteren Besprechung Vorbehalten bleiben.
Wegen der grofsen Entfernung dos Uranus, — seine mittlere
Elntfcmung von der Sonne beträgt rund 2852 Millionen Kilometer,
— und der hieraus resultirenden Lichtschwäche des Planeten, war
es bis vor kurzem noch nicht gelungen, die Praun hofersohen
Linien im Uranusspektrum mit Sicherheit nachzuweisen, wenn auch
Himmel und Erde. ISW. 11. «. 29
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432
Vogel solche ira grünen Theile (bei F
und E) schwach angedeutet fand. Am
3. Juni 1889 gelang es Huggins, nach
zweistündiger Exposition eine Photogra-
phie des Uranusspektrums zu erhalten,
welche im blauen, violetten und ultravio-
letten Theile des Spektrums (von F bis X)
die hauptsächlichsten Fraunhoferschen
Linien und zwar nur solche enthielt, was
erweist, dafs die blauen, violetten und
ultravioletten Strahlen dem Uranus nicht
eigen, sondern reflektirte Sonnenstrahlen
sind. Anders verhält es sich mit den
rothen bis grünen Strahlen des Uranus.
In diesem Theile des Spektrums sind bis
heute noch keine Fraunhoferschen Linien
nachgewiesen worden; hingegen eine grofse
Zahl anderer breiter dunkler Absorptions-
streifen, welche von Secchi, Huggins,
Vogel und neuerdings von Kee 1er näher
untersucht worden sind. Die Untersuch-
ungen des letzteren wollen wir als die
neuesten und weitgehendsten, — dieselben
sind mit dem grofsen 36-Zöller der Lick-
sternwarte ausgeführt, — hier roittheilen.
Beschreibung des Uranusspektrums.*)
WelleoUDg*.
G.H Sichtbarkcitagrenzo dos Spektrums im
Rothon.
638 Die Helligkeit scheint hier plötzlich zu-
zunohmen.
618.2 Mitte des dunkelsten Absorptionsstreifens
im ganzen Uranusspektrum.
608..^ Hellste Stelle im Roth.
596.1 Mitte eines gut definirten Absorptions-
bandes.
586.8 Hellste Stelle im Gelben.
576.8 Dunkelste Stelle eines breiten, an den
Rändern verschwommenen Absorptions-
streifens.
') Die Wellenlängen sind in Millionstel Milli-
meter angegeben, diese Skala befindet sich in
der Abbildung unterhalb des Spektrums. Vergl.
„Astron. Nachr.“ No. 2927.
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433
^64 Helle Stelle im Qrünen.
Eine zweite helle Stelle im Orlinon. Zwischen beiden lie^t ein schwacher
Schatten.
1142.5 Mitte eines grofsen Absorptionsbandes. Fast so dunkel wie das bei 618,
aber breiter und verwaschener.
518 Sehr schwaches Band, Position geschätzt.
.509 Zweites schwaches Band, Position geschätzt.
48.5.0 Mitte eines scharfen Streifens in der Nähe der Sonnenlinie F.
Was lehrt dieses Spektrum über die Beschaffenheit des Uranus?
Es zeigt, dafs die Absorptionen der Sonnenstrahlen in der Uranus-
Atmosphäre in dem grünen bis rothen Theile des Spektrums, jedenfalls
viel erheblicher sind, als die Absorptionen in der Sonnen-Atmosphäre
selber, welche die Fraunhofersohen Linien hervorbringen; die
letzteren sind offenbar in diesem Theile des matten Uranus-Spektrums
mit dem Auge nicht mehr deutlich wahrnehmbar, während sie durch
Dauerphotographie in dem blauen, violetten und ultravioletten Theile
des Spektrums des Uranus deutlich hervorgetreten waren und ver-
muthlich auch in dem grünen bis rothen noch aufzufinden sein werden,
wenn man von diesen Theilen photographische Dauer- Aufnahmen mit
dafür besonders empfindlich gemachten Platten ausführt. Ueber die
Natur der Gase, welche in der Atmos|)häre des Uranus die oben
nachgewiesene Absorption herbeiführen, läfst sich leider nach dem
jetzigen Stande der Wissenschaft nichts Näheres angeben.
Bemerkenswerth ist noch der Streifen bei 618.2 des Uranus-
spectrums, der sich genau an derselben Stelle im Spektrum des Jupiter
und Saturn und wabrscheinlich auch in dem des Neptun wiederfindet,
was auf eine nähere stoffliche Verwandschaft der vier äufseren Pla-
neten hindeutet. Es ist die Aufgabe der Spektralanaljtiker, das
Studium der Absorptionsspektra in unseren Laboratorien unter mög-
lichster Nachahmung der Druck- und Temperaturverhältnisse der
Himmelskörper so weit zu vertiefen, dafs eine Identifizirung der
noch unbekannten Absorptionsstreifen, insoweit sie überhaupt von uns
zugänglichen Verbindungen herrühren, mit entsprechenden irdischen
möglich wird. F. S. Archen ho Id.
t
Die Sternspectra vom I. Typus hat Dr. Sc he in er auf Grund
einer Reihe photographischer Aufnahmen einer genaueren Untersuchung
unterzogen, deren interessante Ergebnisse in den Sitzungsberichten
der Berliner Akademie der Wissenschaften!) nicdcrgelegt sind. Be-
') 1890, VIII, Sitzung vom 13. Februar.
29*
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434
kanntlich zeigen die Spektra vom Typus la neben den breiten Wasser-
stofflinien nur äufserst feine Metalllinien. Ein eigenlhümliches Ver-
halten zeigen jedoch, wie Scheiner fand, die Linien von den Wellen-
längen 448,14 und 447,14, welche bei einigen Sternen dieser Klasse
vorkonunen. Solange diese Linien nämlich neben den Wasserstoff-
linien die einzigen sind, sehen sie auch eben so breit und verwaschen
aus wie diese.’ Finden sich aber im Stemspektrum auch Metalllinien,
wie z. B. die des Eisens, dann zeigen sich die genannten Linien so
fein und scharf, wie letztere. Während nun die Linie 448,14 dem
Magnesium angehört, kommt dagegen die Linie 447,14 im Sonnen-
spektrum nicht vor; überhaupt findet sie sich aufser bei fl Persei nur
bei den Sternen ji, 7, 5, e, I des Orion. Ungemein bemerkenswerth ist
es nun, dafs Copeland bereits früher dieselbe Linie auch im Orion-
nebel gefunden hak Das gemeinsame Auftreten dieser Linie läfst
nämlich mit grofser Wahrscheinlichkeit auf einen physikalischen Zu-
sammenhang der genannten Orionsteme, nicht blofs untereinander,
sondern auch mit dem Orionnebel sohliefsen. Der Orionnebel scheint
danach nicht aufserbalb unseres Fixstemsystems, sondern viel näher,
als man bisher glaubte, inmitten desselben zu stehen.
In Bezug auf die Spektra vom Typus Ib gelang es Dr. Scheiner,
die im Verhältnifs zur Breite ungemein scharfe Begrenzung der Linien
dieser Stemgruppe durch die sehr gerechtfertigte Annahme zu erklären,
dafs eine Intensitätsgrenze des Lichtes oxisürt, unterhalb welcher eine
Schwärzung der Platte oder eine Einwirkung auf unser Auge nicht
mehr stattfinden kann. Besonders interessant ist unter den Spektren
dieses Typus das von Deneb (01 Cygni). Bei diesem Stern zeigen näm-
lich die Eisenlinien ein eigenartiges Verhalten: während einige der
stärksten Eisenlinien des Sonnenspektrums fehlen oder nur schwach
auflreten, giebt es andererseits eine Anzahl kräftiger Linien des Stcni-
spektrums, die mit nur schwachen Eisenlinien im Sonnenspektrum zu-
sammenfallon. Es folgt aus dieser Thatsache, dafs der Eisendampf in
der Donebatmosphärc sich in einem von den Verhältnissen auf der
Sonne durchaus abweichenden Temperaturzustande befinden mufs.
Was endlich den Typus lo betrifft, bei welchem die Wasserstoff-
linien hell, statt dunkel, auftreten, so weist Dr. Scheiner darauf hin,
dafs es nicht wohl angängig ist, zur Erklärung dieses Phänomens an-
zunehmen, dafs die Temperatur des atmosphärischen Wasserstoffs bei
diesen Sternen höher ist, als die Temperatur des das continuirliclie
Spektrum gebenden Kernes; denn es widerspricht allen physikalischen
Erfahrungen, dafs eine Oashülle wärmer sein soll, als der von ihr
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435
umschlossene Weltkörper. Man kann nun aber die Spektra vom Ty-
pus Ic auch noch auf eine andere Art erklären, der gegenüber sich
keine ähnlichen Bedenken geltend machen la-ssen und die darum ent-
schieden vorzuziehen sein dürfte. Wenn diese Sterne nämlich von
sehr ausgedehnten und wasserstoffreichon Atmosphären umgeben sind,
dann wird die Sternscheibe selbst ein continuirlichos Spektrum
mit dunklen Wasserstofflinion liefern, aber das Randlioht, das nur
von der Atmosphäre herrührt, wird helle Wasserstofflinion erzeugen.
Da wir nun den ganzen Stern als einen einzigen Lichtpunkt sehen
und sonach nur sein Qesamtlicht analysiren können, so werden sich
für unsere Beobachtung beide Spektrti, das des Kerns und das der
Atmosphäre, übereinanderlagem und bei gehöriger Ausdehnung der
Sternatmosphäre kann ein Ueberwiegen der hellen Wasserstofflinien
über die dunklen Absorptionslinien eintreten.
Die photographischen Aufnahmen der Spektra von Sternen des
ersten Typus haben neben den eben skizzirten Ergebnissen in Bezug
auf die physikahsche Beschaffenheit dieser Weltkörper in jüngster Zeit
auch zu zwei sehr wichtigen Entdeckungen anderer Art geführt, die
den erst kürzlich am Algol und am Mizar gemachten Wahrnehmungen
zur Seite zu stellen sind. Nach einer der Berliner Akademie am 24. April
von H.C. Vogel zugegangenen Miltheilung hat sich nämlich aus Mess-
ungen der Linienverschiebungen an Aufnahmen von verschiedenen Daten
herausgestellt, dafs die Sterne Spica (a Virginia) und Rigel (ß Orionis)
ebenso wie Algol Bahnbewegungen von kurzer Periode ausführen, so-
dafs diese Sterne vermuthlioh bisher noch nicht auflösbare enge
Doppelsteme sind, bei denen das Licht des einen Sternes bedeutend
vorwiegt Bei Spica hat sich die Umlaufszeit um den Schwerpunkt des
.Systems bereits mit ziemlicher Genauigkeit auf 4 Tage und 0,3 Stunden
und die gröfste Bewegungsgeschwindigkeit in der Oesichtslinie auf
12 Meilen bestimmen lassen. Unter der vorläufigen Annahme, dafs
dio Bahnebene nicht stark gegen die Oesichtslinie geneigt ist, würde
sich der Abstand des sichtbaren Sterns vom Schwerpunkt zu 660 000
Meilen ergeben. Bei gleichem Abstande des Begleiters vom Schwer-
punkt würde die Masse jedes der beiden Sterne etwas gröfser sein,
als die Sonnenmasse und der scheinbare Abstand der beiden Compo-
nenten würde sich bei einer Parallaxe von 0".2 im Maximum auf 0 ".13
stellen, so dafs die optische Wahrnehmung der Duplicität vorläufig
nicht zu erwarten ist. F. Kbr.
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436
Schlagwetterexplosionen und kosmische Ursachen. Ueber
den geheimnirsvollen Zusammenhang zwischen Massenexplosionen
schlagender Wetter und starkem Wechsel der Fleckenareale auf der
Sonne glaube ich in der Lage zu sein, einige Aufklärung geben zu
können. Gelegentlich eines Vortrages im Berliner Zweig^erein der
deutschen meteorologischen Gesellschaft am 4. März d. J.: „Ueber
Schlagwetterexplosionen und ihren Zusammenhang mit meteorologischen
und kosmischen Erscheinungen“ konnte ich bereits aus dem soeben
erschienenen Heft 6 von „Himmel und Erde“ die Arbeit des Herrn
Huguenel der Gesellschaft vorlegen. In der darauf folgenden Dis-
kussion machte Herr Prof. Sporer zunächst darauf aufmerksam, dafs
das zweimalige Zusammenfällen der Jahre gröfster Eixplosionshäuilg-
keit mit dem Minimum von Sonnenflecken (S. 292) wenig zu Gunsten
eines Zusammenhanges mit solarer Thätigkeit spräche, da ja während
des Minimums letztere in jeder Beziehung gering ist. Aber auch die
8 Fälle auffallend starken Wechsels der Relativzahlen (S. 293), welche
mit Massenexplosionen in Beziehung gesetzt werden, ermangeln durch-
aus der Beweiskraft, und zwar wegen der von Prof. Wolf angewandten
Methode der Arealsohätzungen. Denn ein plötzliches Verschwinden
eines grofsen Fleckenareales kann ohne irgend welche Aenderung
der solaren Thätigkeit einfach dadurch in den Zahlen hervortreten,
dafs eine Fleokengruppe durch die Rotation hinter den Sonnenrand
geführt wird. Derartige scheinbar erhebliche Aenderungen sind ohne
begleitende Zeichnungen, wie sie Herr Prof. Sporer seit vielen Jahren
ausgeführt hat, von wirklich bedeutenden Neubildungen u. s. w. nach
den blofsen Zahlen gar nicht zu unterscheiden; übrigens bieten die
angeführten Fälle durchaus nichts Besonderes — vielmehr wäre es
leicht, hunderte von Fällen wirklich grofsartiger, plötzlich sich ent-
faltender Thätigkeit aufzuziihlen, welche gar keinen Reflex in Vor-
gängen auf der Erde hinterliefsen. Hiervon hat auch Herr Prof.
Sporer Herrn Huguenel durch Vorlage seines Materials schon
früher zu überzeugen versucht.
Wer auch nur oberflächlich sich mit dem Studium der Schlag-
wetterexplosionen befafst hat, wird zugestehen, dafs die Zahl der Ver-
unglückungen bei einer Grubenkatastrophe von so vielen Zufällig-
keiten abhängt, dafs die Verlustziffem zu Untersuchungen auf etwaige
Periodicität der Explosionen ein gänzlich ungeeigneter Mafsstab sind.
Aus diesem Grunde habe ich bei meinen Arbeiten mich auf die Anzahl
der Explosionen beschränkt, wie sie in der Anlage II der Preufsischen
Schlagwetlerkommission für den Oberbergamtsbezirk Dortmund aus
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437
den Jahren 1861 — 1882 in gröfster Vollständigkeit initgetheilt worden
sind. Es sind in dieser, eine weitere Bearbeitung gradezu heraus-
fordernden Statistik 1064 Fälle von Explosionen mit genauer Angabe
des Datums, Ortes und der Verluste aufgeführt, welche von mir erstens
auf eine Periodicität nach dem synodischen Mondumlauf, zweitens auf
ihren Zusammenhang mit der Sonnenrotation untersucht worden sind,
Indem ich die Art der Herstellung der Periodenabschnitte und die
ausführlichen Zahlenangaben an anderer Stelle veröffentlichen werde,
will ich hier nur das Resultat dieser Arbeiten anführen.
Es ergiebt sich für einen Zeitraum von 22 Jahren, in welchen
272 ganze Mondumläufe zu je 29.53 Tagen vollendet wurden, dafs die
das Gesamtresultat darstellende Curve in ganz unregelinäfsigen
Zacken um den mittleren Werth hin- und herschwankt, und keine
Spur von Periodicität mit den Mondphasen zeigen will. Dies wird
noch deutlicher, wenn man die Werthe für die einzelnen Phasen, von
der Mitte der Mondphase aus gerechnet, zusammenfafst, cs zeigt sich
alsdann das prozentisohe Verhältnifs aller Schlagwetterexplosionen im
angegebenen Zeiträume für die einzelnen Mondphasen wie
e : J : © : e = 24.4 : 26.7 : 25.3 : 24.6.
Aus diesen Zahlen noch ein merkliches Ueberwiegen der Neu-
resp. Vollmondphasen, auf welche ja Herrn R Falbs , kritische“ Tage
ausschliefslich fallen, herauszulesen, dürfte wohl vergebliche Mühe sein,
die relativ meisten Fälle zeigt vielmehr die „kritisch“ ganz indifferente
Phase des ersten Viertels. Also auch die schöne Hoffnung, der viel-
geplagten Montanindustrie durch „kritische Tage“ aufhelfen zu können,
ist mit diesen Zahlen zu nichte geworden ('siehe auch S. 147 dieses
Jahrganges); vielmehr w’crden die Bergingenieure wie bisher ihr Augen-
merk nicht auf Herrn Falbs Kalender, sondern auf das Barometer
und den Ventilator richten, und in ihrem Bestreben, die Zündung des
Kohlenstaubes, welcher hauptsächlich die Ursache der grofsen Kata-
strophen ist, gänzlich zu verhüten, fortfahren.
Hingegen scheint nach meinen Untersuchungen eine mit einer syno-
dischen Sonnenrotation von ca. 27.7 Tagen gleichlaufende Periodicität
in den Zahlen der Explusionsfälle nicht gänzlich ausgeschlossen, denn
die .\nordnung nach diesem Zeitintervall ergab als Resultat für 290
volle Rotationen eine unverkennbare Andeutung einer Periode, welche
am 2. und 19. Tage ein Maximum besitzt, so dafs dementsprechend
abwechselnd nach 17 und 11 Tagen eine gröfsere Wahrscheinlichkeit
für Schlagwetterexplosionen vorläge. Indessen dürfte es auch hier-
nach nicht rathsam sein, dieselben prophezeien zu wollen, da die
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438
jedenfalls häufig eintretende Verschiebung der Aktionszentren des
Sonnenkörpers in kurzen Intervallen die schönsten Vorausberechnungen
über den Haufen werfen würde. — Die von mir erhaltene seltsame
Periode scheint vielmehr ein Ausdruck für diese veränderliche Natur
der Aktionszentren zu sein. Interessant ist, dafs sie nahezu mit der
von Buys-Ballot aus Temporaturabweichungen bestimmten harraonin
(27.687 Tage); ziemlich nahe kommt ihr der Worth der Sonnenrotation,
welcher durch Verschiebung der Fraunhoferschen Linien für öst-
lichen und westlichen Sonnenrand von Henry Crew auf spektrosko-
pischem Wege zu 26.88 Tagen wahrer Rotationsdauer bestimmt wurde,
Dr. Ernst Wagner.
Die Periodizität der Erdbeben.
Der Erdbebenforscher Montessus de Ballore, welcher sich
durch die gründliche Behandlung eines sehr grofsen statistischen
Materials über Erdbeben, und namentlich durch ein Werk über cen-
tralamerikanische Beben') vortheilhaft bekannt gemacht hat, hat in
den Genfer „Archives des Sciences physiques et naturelles“ (No. 11.
15. November 1889) eine Diskussion der beiden im Hinblick auf
diverse Hypothesen sehr interessanten Fragen gegeben: ob da.s Vor-
wiegen der Nachtbeben gegenüber den Tagbeben, das einige haben
verrauthen wollen, in der That zutreffo, und ferner der Frage, ob die
Häufigkeit der Erdbeben an die Kulminationen des Mondes geknüpft sei.
Montessus hat zur Beantwortung der ersteren Aufgabe eine Zahl von
45688 Erdbeben (worunter 27 906 europäische) gesammelt; er zeigt die
Nothwendigkeit, in diesem Material bei der aufserordentlichen Ver-
schiedenheit der Beobachtungen und der Natur der Beben eine Klassi-
Hzirung eintreten las.sen zu müssen, und theilt es in sieben Gruppen:
Bcbenreihen aus den in Bezug auf seismische Thätigkeit gut bekannten
Gegenden, solche aus wenig bekannten Regionen, Erdbebenwahr-
nehmungen langer und kurzer Dauer von einztdnen Beobachtern,
vulkanische Beben kurzer Dauer, die Erdbobenberichte der seismolo-
gischen Kommissionen (Japan, Italien, Schweiz, Württemberg, Holland)
und die Bebenreihe der geodynamisohen Observatorien Italiens. Wie
nothwendig eine separate, gruppenweise Untersuchung bei dem Gegen-
sUinde ist, zeigt das statistische Resultat, das aus der Summe der Gruppen
bei Ausschliefsung der vulkanischen Beben und der Aufzeichnungen der
') Siehe das Referat auf S. 412 im vorliegenden Heft.
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439
ffeodynanllBcheii Instrumente, also aus der Ueberzahl der Erdbeben,
nämlich 35706, erhalten wird: die Iläulig’keitskurve entspricht dem
Maximum und Minimum der menschlichen Thätigkeit; bei Xachl, der
Zeit der Ruhe und der gröfseren Empfindlichkeit für ungewöhnliche
Störungen, stellt sich die ZahKder Erdbeben gröfser als für die Tages-
zeit, wo die Jagd nach dem Erwerbe die Aufmerksamkeit auf Natur-
ereignisse überwuchert. Umgekehrt zeigt die Statistik der siebenten
Gruppe, nämlich der aus den Aufzeichnungen der geodynamischen In-
strumente hervorgehenden Resultate, ein Maximum in der II. Stunde
vor Mittag, ein Minimum der Enlbebenwahrnehmungen bei Nacht;
leicht erklärlich, da das Geräusch des Tages die Zahl der leichten Er-
schütterungen vermehrt, die sich an den empfindlichen Instrumenten
registriren, während in der Nachtruhe die vom Tageslärm erzeugten
Stöfse fortfallen. Montessus erhält schliefslich aus der Erwägung
aller Verhältnisse den Satz: Die Erdbeben ereignen sich in gleicher
Häufigkeit bei Tag und bei Nacht. Die in Bezug auf die andere
Frage an der Gesamtsumme von 44806 Erdbeben der sieben Gruppen
ausgeführte Untersuchung ergiebt den Satz: Die Erdbeben zeigen
keinerlei Beziehung zu den Kulminationen des Mondes, womit ein
lange anerkanntes „Gesetz“ Perreys eine, wohl definitive, Negation
erfahren hat. *
Erscheinungen am Sternenhimmel im Monat Jnni-JoU.
(Sämtliche Zeitangaben gelten für Berliner Zeit.)
17. Juni
21. -
25. .
2. Juli
3. ,
9. ,
1. Der Mond.
Neumond
Erdferne
Erste» Viertel
Vollmond
Erdnähe
Letztes Viertel
Aufgang
3I> .‘!2"> Mg.
7 7 ,
II 44 „
8 47 Ab.
9 42 „
Mittero.
Untergang
4-2ni Ab.
II 20 .
0 14 Mg.
3 (! ,
4 11 ,
U 33 Nm.
Ringförmige Sonnentinaternifs am 17. Juni.
Die Fin.sternifs wird Vormittags in SUdtunig, auf der Insel Kreta und in
Kleinasien, Nachmittags in Persien und SUdcbina sehr auffällig sein. In Europa
ist die Bedeckung der Sonne nur partiell, für die einzelnen Orte desto bedeu-
tender, je südlicher sie gelegen sind, ln Berlin tritt der Beginn der Finster-
nifs um Ol* 26“ Vorm., das Ende um 11h 49m ein; es werden etwa 5’2 Zoll der
Sonne (1 Zoll = Vu Sonnendurchmosser) bedeckt werden. In Rom erreicht die
Verfinsterung 8 Zoll, in Athen über 10 Zoll. Die längste Dauer wird die cen-
trale Bedeckung in Südkleinasien, in der Nähe der Stadt Adalia haben, nämlich
4 Min. 5 Sekunden.
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440
2. Die Planeten.
I.
Merkur
1
Venus
Hectaa
. Declin.
Aufg.
Unterg^.
|Rectas.
Declin. i|
Aufg.
Unterg.
13. Juni
41. 13m 4. 16“ .53'
jk 13»lf.|6l>27««.|
1 7»;!3"*'+23“2G' ,5»45«If.
10>>29ia
17.
4 18
'+17 14
2 .59 .
6 17 .
7
,54
+22 39 5
54 .
10 28 .
21.
4 28
+ 18 1
2 48 .
6 14 .
8
14
+21 42 6
6 .
10 26 .
25.
1»
4 43
+19 7
2 38 ,
6 18 .
8
34
+20 36'' 6
18 .
10 22 .
29.
*
. 5 2
1+20 22
+21 38
2 33 .
6 29 .
8
.54
!+19 21 6
31 .
10 17 .
3.
Juli
1 5 26
.2 30 .
6 44 .
3
13
+17 .58 6
43 . ;
10 11 .
7.
m
1 5 54
1+22 42
'2 34 ,
7 4.
9
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+ 16 27 6
.55 .
10 5 .
11.
41
i 6 26
i+23 23
.2 44 .
®3 1 .
mnähe.
7 26 ,
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50
+ 14 50 7
8 .
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Rectas. |
Declin. ||
Aufg.
Untcrg.
10. Juni 1
41* 13“ 1
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3l> 7-" In.
6h B7m U.
25.
4 15
+ 19 39
2 6
5
56 ,5a.
10.
Juli
4 17
1
+ 19 44
1 12
' 1
5
4 .
3. Verfinsterungen der Jupitertrabanten.
17, Juni I. Trab. Verfliißt. Eintritt 32“ Morjf.
25. „ I.
27. „ III.
3. Juli T.
4. „ II.
10. „ I.
11. „ II.
10 Ö4 Ab.
2 10 Morg.
0 43 „
0 33
2 43
3 7
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441
4* Sternbedeckungen durch den Mond.
(Für Berlin sichtbar.)
Oröfse
Eintritt
Austritt
29.
Juni
• 3 Scorpii 2.0"»
IP» 10" Ab.
0l> 21« Mg.
4.
Juli
• 33 Capricemi 5.5
—
10 28 Ab.
(6» nach JAufg.)
13.
’*
* e Tauri 3.6 1 59 Mg.
5. Veränderliche Sterne.
2 27 Mg.
a) Maxima variabler Sterne:
Maximum Helligkeit im 1800
am
Max.
Min.
Rectas.
Doclin.
S Piscium
22. Juni
9m
1.3"
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O.
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R
16.
8
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30. „
1.5 -.5.0
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2
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47
—
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2
20
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—
0
40.3
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U. Juli
8j
12
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3
+
35
17.4
R Oemin.
20. Juni
7
12
7
0
44
-f
22
52.6
R Can. min.
30. „
7.5
10
7
2
39
+
10
11.8
s „ „
5. Juli
7.5
11
7
26
45
+
8
33.2
S Leonis
0
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9
13
11
5
10
"T
6
3.7
W Scorpii
3. „
10
13
16
5
20
—
19
50.9
W. Herculis
6. „
8
U
16
31
19
-f
37
33.1.
R Delphini
12.
8
12
20
9
36
"f*
8
45 4
T Capric.
21. Juni
9
13
21
15
56
—
15
37-7
b) Minima der Sterne
vom Algol-Ty|iu»;
Algol . . . ;
5. Juli Nm., 9
1. Mg., 15. Mg.
U Cephei . . t
M. Juni Vm.,
26.
Vm., 1.
Juli, 6.,
11., 16.,
Vm.
U Coronae . . 20. Juni Mg.,
26.
Ab., ,3. Juli Ab,,
10. Ab.
l Librao . .
18. Juni Mg.,
22.
Ab., 27.
Nm., 2.
Juli Mg.
. 6.
Ab.,
1 11
. Ni
n.
Y Cygni . . unregelmäTsig.
c) Minima einiger Veränderlicher kurzer Periode:
T Monoc. . . 24. Juni.
W Virginia . 25. Juni.
6. Meteoriten.
Die August -Poraeiden (AR =s 46®, D s=s -j- 57®) sind schon vor Mitte Juli
beobachtbar.
7. Nachrichten Uber Kometea
Der von Brooks am 19. März entdeckte Komet kommt am I. Juni in seine
Sonnennähe und ist um diese Zeit schon circumpolar d. h. in unseren Breite«
graden die ganze Nacht zu sehen. Er hat dann das Sternbild des Drachen
erreicht. Die Helligkeit des Kometen steigt Anfang Juni auf die SVai^^che
derjenigen bei der Entdeckung.
Die Rückkehr des periodischen Kometen D'Arrest ist in diesem Jahre
der Rechnung nach recht günstig. Der Komet wird namentlich im Augus*
ziemlich hell sein, fast so lichtstark, wie bei der Erscheinung vom Jahre 1851.
Der Komet wird zuerst im Sternbild der Schlange wieder auftauchen und sich
durch den Ophiuchus langsam südwärts bewegen. Anfang August geht er
etwa um 8 Uhr Abends durch den Meridian.
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J.de Montessus de Ballore: Tremblements de terre et ernptions voleuiiqties
aa Centre -Amerique, depuis la conqudte espagnole Jnsqn'i nos
Jours. — Dijon 188ö. 4-, *293 S.
Der französische Artillerie-Kapitän Montessus de Ballore hat einen
ftinQährigen Aufenthalt ln Central-Amerika dazu benützt, aus allen ihm zugäng-
lichen Quellen die Nachrichten über vorgefallene Erdbeben und Eruptionen zu
sammeln. Nach seiner Rückkehr 1885 hat er eine Diskussion des gesammelten
Materials vorgenommen, und dieselbe mit der Statistik schweizer, japanischer,
westindischer u. a. Erdbeben verbunden, so dafs einige seiner statistiacben
Tafeln von nahe 5000 Stöfsen abhängig gemacht slnd*(auch Perreys bekannte
Sammlungen sind benützt). Zur Erforschung der Gesetze der Erdbeben werden
diese Tafeln eine werthvolle Ergänzung der Kataloge von Mailet, Perrey,
Fuchs und Anderen bilden. Dem Verfasser scheint der Weg sehr hofCoungs-
voll, die Erdbeben jedes Landes besonders und zwar zunächst die der kleineren
Landstriche speziell zu studiren; denn auf diese Weise können die lokalen
Gesetze der Erdbeben ans Licht gebracht, und aus denselben Resultate für das
Studium grofser Gebiete gewonnen werden.
Die Annahme einer zufälligen Oruppiruug der Erscheinungen kann nicht
zur Erkenntnifs eines Naturgesetzes leiten, vielmehr mufs man kausale Be-
dingungen für dieses voraussetzen. Betreffs der Erdbeben bat man solche in
den Stellungen des Mondes zur Erde gesucht, indem man annahm, das Innere
der Erde sei flüssig und dor Mond bringe durch seine Attraktion Fluthbewe-
gungon in dieser flüssigen Masse hervor.
Porroy hatte aus dor Statistik einer Sammlung von 14500 Erdbeben drei
Gosotze gefunden; diese sind nun von Kapitän Montessus auf 5000 von ihm
katalogisirto Stöfse angewendet worden; aufsordom verspricht er, in seinem
künftigen Werke 40 000 Erdbeben bezüglich derselben Perrey sehen Gesetze
zu diskutiron. Dies wäre eine hinreichende Zahl verschiedener Fälle, um dar-
aus ein allgemeines Naturgesetz zu schliofson, denn die Erdbeben würden dann
dor Zeit und dom Raume nach so verthoilt sein, dafs die blofs lokalen Er-
Hcheinungen ausgeschlossen worden. Die drei Perrcyschen Gesetze waren
folgende: 1) Die Erdbeben sind häufiger zur Zeit des Neu- und Vollmondes.
Die 5000 Erdbeben in don Tafeln des Kapitän Montessus bestätigen dieses
Gesetz nicht, obschon sie der Statistik Perreys einige Stütze verleihen, wenn
sie mit den von diesem gegebenen Daten vereinigt werden. 2) Die Erdbeben
sind häufiger, wenn der Mond nähor der Erde ist, weniger häufig in der
Mondforne. Dieses Gesetz wird von Montessus nicht bestätigt 3) Die Stöfse
sind häufiger, wenn der Mond iro Meridian ist, als wenn er sich im Horizonte
befindet. Dieses Gesetz wird gut bestätigt') Für alle Aufstellungen liefert
’) Id Deuottor Zeit bat Montasaus auch diasea Oeselz auf Oruod umfaaseodar SUtlaUk
varoalot. (AnmarkuDg daa Uabersotzara.)
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443 _
dor Autor instruktive Tafeln und statistische Kurven. Der Autor scheint aber
die Idee festzuhalten, dafs die Perreyschen Gesetze möglicherweise für eine
gewisse Klasse von Erdbeben richtig sein könnten, und dafs cs darum nötbig
sei, die Erdbebenzerstörungen nach Klassen zu sondern und jede derselben be-
sonders zu diskutiren. Kapitän Montessus untersucht auch die anderen An-
nahmen, die über periodisches Vorhalten der Erdbeben gemacht worden sind;
die Annahme, dafs die kräftigeren Stöfse zur Zeit des ersten Mondviertels fallen,
findet er nicht bestätigt. Ueber die Frage des Zusammenhanges der Krdbcben-
häufigkeit mit den einzelnen Jahreszeiten ergiebt sich aus seiner ganzen
Statistik kein Resultat Die central-amerikanischen Erdbeben stimmen nur
mit der anderweitig gefundenen Angabe überein, dafs die Zahl der Erdbeben
bei Nacht gröfser ist als bei Tag. Keine Relation aber hat sich heraus-
gcfitellt über den Zusammenhang der Erdbeben mit den Angaben der mete-
orologischen Instrumente. Des Autors Schlufsfolgerung ist (wie die der Meisten,
welche auf demselben Felde gearbeitet haben), dafs es schwer, wenn nicht
überhaupt unmöglich ist, ein allgemeines Gesetz in der Vielheit der
die Erdbeben bewirkenden Ursachen zu entdecken. Wenn man eine
Klassifikation der Erdbeben versuchen wolle, so müsse man diese auf die bei
denselben stattgehabten Fakta gründen, namentlich aber auf jene Erdbeben, die
mittels der Seismometer gegenwärtig in Italien, Japan, Kalifornien und der
Schweiz registrirt werden. Leichte Erdbeben seien durchaus nicht so wenig
häufig, wie gewöhnlich angenommen werde.
Während der bisher besprochene Theil des Werkes die Beziehungen
der Erdbeben auf allgemeine Gesetze enthält, ist der übrige Abschnitt speziell
den Erdbeben Central-Amerikas gewidmet. Der Autor giobt zuerst eine Uebor-
siebt über die Geographie, Orographie und Hydrographie des Landes. Das
Studium der geologischen BeschafTenheit der Vulkane führt auf eine zweifache
Art der vulkanischen Gebilde („failles*). Der Erdbebenkatalug zeigt, dafs der
Häufigkeitspunkt der Stöfse nicht blofs in der Nachbarschaft der aktiven Feuer-
berge, sondern auch in den Kreuzungen je zweier solcher „faüles^ gelegen ist.
Ich übergehe die Erörterung des Autors über die Frage, warum die Vulkane
um Abbange der pacifischen Küste liegen, während das flache Gestade des
Atlantischen Ozeans frei von ihnen ist, und gebe nur noch einen kurzen Be-
richt über den Katalog. Die erste Nummer des Kataloges beginnt mit Anfang
dos 11. Jahrhunderts, dio letzte (No. 772) berichtet über den Stofs vom 22. Mai 1886.
Der Autor hat alle Daten benützt, die er in den Annalen Central-Amerikas seit
den Zeiten der spanischen Eroberer bat finden können; von 1847 ab haben ihm
die Zeitungen hinreichendes Material geliefert. Eine Liste von 342 Werken,
die der Autor bei seinen Studien zugezogen, schliefst das Buch.
möge noch gestattet sein, einen der interessantesten Fälle aus dem
Kataloge hervorzubeben. Auf Seite 108 findet man einen Abrifs über die Bildung
des Vulkans von Isalco (1770). Dieser Vulkan, einer der am regelmäfsigsten
thätigen Feuerberge, stöfst olle !.'> — 20 Minuten aus seinem Innern etwa einen
Kubikmeter Material aus, so dafs sich die.scs in einem Jahre auf 30^40000 Kubik-
meter belaufen mag. Seit der Bildung des Vulkans gab es aufser der völlig
regelrechten Thätigkeit noch 21 grofso Au.sbrücbe. Der mir zur Verfügung
gestellte Raum gestattet nicht, über die Erdbeben zu berichten, die San Salvador
zerstört haben, oder über dio sieben Epochen, in denen die Stadt Guatemala
verschüttet wurde, noch der Phänomene zu gedenken, welche die Bildung des
Vulkans inmitten des Sees llopango begleitet haben (20. Dezember 187H bis zum
März 1880). Es mufs genügen, auf dio klare und interessante Darstellungsart
des Buches selbst hinzuweiseo. Aber der gegenwärtige Bericht mag eine Idee
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444
von dem bewundernfiwerthen Werke des Kapitän do Montessus ^ehen; der
Unterzeichnete wenigstens sicht mit Interesse dem Erscheinen des neuen Werkes
entgegen, das uns Montessus in Aussicht gestellt hat.
Lick Observatory, IhtK), Februar.
Edward S. Holden.
t
Reimann, Beiträge zur Befitlmmung der (lestalt des scbeinbaren
Himmelsgewölbes. Programmabhandlung des Gymnasiums zu Hirsch'
berg i. Schles. Ostern 1890.
Die eigenthümliche Urtheilstausrhung, welche die Abflachung des schein-
baren Himmelsgewölbes verursacht, entbehrt bisher noch immer einer zu-
reichenden und oinwurfsfreien Erklärung, zum Theil wohl schon aus dem
Grunde, weil die scheinbare Gestalt des Himmels selbst bis jetzt erst ganz un-
zulänglich bekannt ist. Beobachtungen, wie die vorliegenden, w'elche dazu
beitragen, zunächst die tliatsächlichen Verhältnisso der Erscheinung fost-
zustollon, müssen sonach als sehr willkommen und verdienstlich bezeichnet
werden. Prof. Reim an n bestimmt in der vorliegenden Abhandlung aller-
dings nur die relativen Dimensionon des Himmelsgewölbes unter der Voraus-
setzung, dsfs seine Gestalt die einer Kugelcalotte sei, und es bleiben sonach noch
weitere Bestimmungen, welche von einer derartigen Voraussetzung unabhängig
sind, einer späteren Untersuchung Vorbehalten. Die Beobachtung gestaltet
sich bei der Annahme der Calottonform sehr einfach, sofern nur eine Ermitte-
lung der Höhe desjenigen Punktes am Himmel nöthig ist, der den Bogen vom
Zenit bis zum Horizont balbirt. Eine grofse Reihe von Schätzungen dieser
Himmelsmitto und danach vorgenommone Höhenmessungen ergaben nun, dsfs
bei Tage die scheinbare Mitte eines vertikalen Bogens durchschnittlich in einer
Hoho von 21,®47i0,08 liegt Daraus folgt dann, dafs der horizontale Halb-
messer dos Himmelsgewölbes 3,66 mal und sein Kugelradius 7,19 mal länger
ist, als die vertikale Aze. Dabei ist aber die Wölbung des Hhnmels ein wenig
variabel, sie ist im Sommer und Herbst gröfser, als im Winter und Frühjahr,
bei bewölktem Wetter flacher, als bei heiterem Himmel. Bei dunstigem Hori-
zont rückt die Mitte des Himmelsgewölbes erheblich in die Höhe, weil der
horizontale Radius sich verkürzt Erheblich höher gewölbt, als bei Tage, er-
scheint der Himmel während der Nacht, denn es lag hei Mondschein die
Himmelsmitte in einer Höhe von 26,”5fi, in mondlosen Nächten aber sogar in
einer solchen von 29, ”95, und es entsprechen diesen Angaben als Verhältnifs
der Höhe zum Grundkreisradius die Zahlen:
1 : 2,80, resp. 1 : 2,37.
Vielleicht kommen wir alsbald einmal in die Lago, über die Hinweise tu
referii'eii, welche sich aus diesen Boobachtungsthatsachen in Bezug auf die
Erklärung der wunderbaren Erscheinung der Himmelsabflachung und der da-
mit im Zusammenhang stehenden scheinbaren Vergröfserung von Sonne und
Mond in der Nähe des Horizontes entnehmen lassen. Dr. F. Koerber.
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445
Die Projeetionskanst fflr Schulen, Familien und AffentlieheVomtellnngen.
9. Aufl. Düsseldorf 1869, Verl. v. Liese^ang. Preis 3 Mark.
Manche unserer Leser, die einem gröfaeren KreLso gegenüber anschauliche
Belehrung zu ertbeileii öfter Oelegenheit haben, worden dieses Büchlein mit
Freuden begrUfsen, da es in mannigfacher Art eine nützliche Anleitung zur
Ausübung der Projectionskunst bietet, die ja heutzutage als unentbehrliches
Anschauungsmittel in Öffentlichen Vorträgen und Darstellungen immer mehr
und mehr Eingang findet Wir finden in dem vorliegenden Büchlein nicht
nur eine Beschreibung des Sciopticons und der dabei verwendbaren Lichbiucllen,
sondern auch eine Anleitung zur selbstständigen Anfertigung der Projections>
bilder und endlich eine Aufzählung mannigfacher Experimente, die sich besonders
gut für die objective Darstellung eignen
Woldemar Voigt, Elementare Mechanik als Einleitung in das Studium
der theoretLseben Physik, Leipzig 1889. Verlag von Veit St Comp.
(Mit 65 Figuren im Text). Preis 12 Mark.
Zweck dos vorliegenden Werkes ist die Studirenden der Mathematik und
Physik soweit in die Grundlebren und Methoden der allgemeinen Mechanik
einzuführen, als diese in den Vorlesungen über die einzelnen Theile der theo*
retUchen Physik zur Anwendung kommen und als bekannt vorausgesetzt
werden müssen. Daneben beabsichtigt der Verfasser auch solchen Wissenschaft«
liehen Kreisen, welche die analytische Mechanik weniger nach ihren mathe-
matischen als nach ihren physikalisch-praktischen Beziehungen hin kennen
lernen wollen, also den Kreisen der Techniker, Chemiker, Mineralogen, Physio-
logen u. 8. w. ein zweckdienliches Lehrbuch in die Hand zu geben. Diesem
Vorhaben entsprechend mufste natürlich bei der Darstellung der mechanischen
Probleme ihr ZuBamraeiihang mit den allgemeinen mechanischen Principien
in den Hintergrund treten und dafür ein mehr induktives Lehrverfahren ein-
gehalten werden.
EHn besonderer Vorzug des Buches besteht darin, dafs der Verfasser bei
der Behandlung der Planetonbewegung, der Methoden zur Bestimmung der
mittleren Erddichte, besonders aber bei der Theorie des physischen Pendels
auch der geschichtlichen Seite ihrer Entwicklung gedenkt. Die Mechanik nicht
starrer Körper, welche den Physiker insofern am meisten interessirt, als sie
die Grundlagen für die Hydrodynamik, Elasticitätslehre, theoretische Optik
und Akustik umfafst, dürfte in dem vorliegenden Lehrbuch weit eingehender
behandelt worden sein, als in den älteren, ähnliche Ziele verfolgenden Com-
pendien. Jedenfalls wird das Werk für Studirende der angewandten mathe-
matischen Wissenschaften und für alle diejenigen, welche mit den Anfangs-
lohren der Infinitesimalrechnung und analytischen Geometrie vertraut sind
denn nur soweit ist der Titel „Elementare Mechanik“ hier zutreffend — , eine
nicht unwillkommene Gabe sein. S.
Kericbtignng.
In Heft 5 vorliegenden Jahrganges unserer Zeitschrift raufs cs auf Seite
218, Zeile 6 u. 7 v. u heissen:
statt: «.jede auftretende magnetisohe Störung genügt, um diese Wirkung
horvorzubringen.“
richtiger: „es scheint auch ein Zusammenhang zwischen der Intensität des
Funkeins und einfachen magnetischen Störungen stattzufinden.“
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Herrn H. K. und Herrn J. in Insbrnck. Sie finden einen Widerspruch
darin, dafs Newcomb in seiner populären Astronomie sagt, die Kometen,
welche sich in Parabeln bewegen, müfsten auf Nimmerwiedersehen in den
unendlichen Raum zurückkehren, während Peters in dem von uns veröffenu
lichten Vorträge über Kometen behauptet, dafo in der Parabel die Gescbwin«
digkeit fortwährend bis zur Null abnehmen müsse. Beide Angaben sind
dagegen völlig richtig. In einer absolut genauen Parabel, welche jedoch in
der Natur unter unendlich vielen Fällen nur einmal Vorkommen kann, würde
der Komet, in unendlicher Entfernung von der Sonne ankommend, die 0e>
schwindigkeit Null erreicht haben, also hier in der Unendlichkeit stili-
steben. Dies ist jedoch nur ein theoretisch denkbarer, in der Wirklich-
keit nicht vorkommender Fall.
Wären nun die Kometen von auswärts her mit beliebigen Geschwindig-
keiten in das Bereich der Sonnenattraktion eingedrungen, so müfsten ihre
Bahnen derart vorwiegend sich als Hyperbeln heraussteilen, dafs auch die
Beobachtung des kleinen uns sichtbaren Stückes derselben keinen Zweifel
lassen könnte. Es zeigt sich nun aber dem entgegen, dafs die Kometenbahnen
wirklich nahezu Parabeln sind, welche meistens nur um ein fast Unmerkliches
nach der Ellipsen- oder der Hyperbelseite hinübemeigen. Diese Tbatsache ist
ungemein aufTällig, da, trotzdem bei der Parabel die Wahrscheinlichkeit 1 gegen
M stände, hier in der Wirklichkeit die Werthe für die Excentrizität, wenn auch
nicht genau, so doch nahezu gleich 1 bleiben. Es ist nicht anders denkbar, als
dafs hier eine gemeinsame Ursache alle diese Kometenbahnen mit einander in
Zusammenhang bringt, und diese ist darin zu suchen, dafs die Kometen übrig
gebliebene Reste der Urmaterie sind, aus welcher sich einstmals das Sonnen-
system gebildet bat. Als sich die Hauptkörper unseres Systems zusammengeballt
und dadurch diese übriggeblicbenon Fetzen des Umebels Freiheit gewonnen
hatten, konnten sie gegen die Sonne hinfallon, während ihre ursprüngliche Be-
wegung gegen die Sonne gleich Null war, indem sie mit ihr in gleicher Rich-
tung als ein Gemeinsames ebenso das Weltall durchzogen wie gegenwärtig die
Planeten. Hätte diese Bedingung einer ursprünglichen Bewegung gleich Null
genau stattgefunden,- so müfsten heute die Kometen in gerader Richtimg auf die
Sonne fallen. Es ist aber von vornherein wahrscheinlich, dafs in den grofsen
Entfernungen von der Sonne, in denen sich die Fetzen loslösten, die Urmaterie
von vornherein eine wenn auch nur geringe selbstständige Bewegung der
Sonne gegenüber bcsafs, wodurch die gegenwärtig beobachteten Kometenbahnen
noth wendig entstehen mufston. Näheres über diese Verhältnisse, wenn auch
in ganz populärer Form, werden Sie in dom Buche des Herausgebers dieser
Zeitschrift „Kosmische Weltansichten^‘ finden.
Verlas vod Uermana Paetel in Berlia. — Druck von Wilhelm Oronau’a Buchdnickerel io Berilo.
FUr die RedaeUoo Terantwortlich; Dr. &C. Wilhelm Meyer ln Berlin.
UobereebUster Nachdruck aus dem lohaU dieser ZelUchtifl untersag.
Ueberaetzu&i^recht vorbehalteo.
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Blicke auf die Vergangenheit und Gegenwart der
astronomischen Rechenkunst.
VoD F. K. Olnzel,
Astronom am Kochoninstilut dor Kgl. 6lernv«rte su Berlin.
«I. Die Anfänge des astronomischen Rechnens.
ie Freunde unseres Blattes, die Interessenten für Himmelskunde,
hören durch die Tagesjournale so viel von astronomischen Ent-
deckungen, von merkwürdigen Dingen, die man auf dem Monde,
auf dem Mars, Merkur und Jupiter gesehen, von den Aufstellungen
riesiger Teleskope und der Errichtung kostspieliger Sternwarten, dafs
sie es vielleicht als eine Art Erquickung ansehen werden, wenn hier
ihre Aufmerksamkeit auf eine Seite der Astronomie gelenkt wird, die
an äufseren Effekten zwar nicht mit jenen Dingen konkurriren kann,
aber mindestens ebenso wichtig ist. Ich meine nämlich die Kunst des
astronomischen Rechnens. Der Laie erinnert sich, wenn vom astro-
nomischen Rechnen die Rede ist, gewöhnlich der Bahnbestimmung der
Kometen und Planeten, von welchen jetzt jedes Jahr ganze Dutzende
entdeckt werden, und allenfalls der rechnerischen Entdeckung des
Neptun durch Leverrier. Das innere Wesen des Rechnens und die
Ziele, die namentlich gegenwärtig dadurch angestrebt worden, bleiben
ihm mehr fremd. Und doch wäre solch ein genauerer Einblick in
diesen Gegenstand allseitig zu wünschen, denn dieser würde, wie ich
aus den drei vorliegenden Aufsätzen zu erweisen hoffe, den Antheil dar-
legen, den die Rechenkunst an dem Fortschritt der Astronomie nimmt,
und inwiefern dieser Fortschritt von der Stellung der Rechenkunst
abhängt, welche ihr gegenwärtig eingeräumt wird.
Die Darlegung dessen, was heutzutage eigentlich unter astro-
nomischer Rechenkunst verstanden wird, läfst sich einleuchtender schil-
dern, wenn wir auf die Anfänge des astronomischen Rechnens zurück-
gehen und dasselbe in den Ilauptzügen (nur diese können hier berührt
werden) bis zur Jetztzeit verfolgen. Denn indem man die Ziele der
Vergangenheit betrachtet, lernt man die Gegenwart besser verstehen.
Himmel und Erde. II. 10.
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448
Den Beginn astronomischen Rechnens darf man erst auf die
Schwelle der Neuzeit, in das Zeitalter der Erfindung der Buchdruoker-
kunst und der Entdeckungsreisen, setzen. Waa_ früher darin unter-
nommen worden ist, gilt als Vorarbeit Wenn in den weit zurück-
liegenden Zeiten der Chaldäer schon rechnerische Absichten, wie die
Herstellung von Tafeln für die Sonnen-, Mond- und Planetenbewegung
oder Vorausbestimmung von Finsternissen wahrnehmbar sind, und
wenn diese Ziele zu Zeiten der Oriechen und Römer (besonders durch
Hipparohs Bemühungen) mehr von Erfolgen begleitet waren, so
kommen doch alle diese Bestrebungen nicht viel über das Stadium
von Versuchen hinaus. Erst die rechnerischen Angaben des Ptole-
mäus (2. Jahrh. n. Chr.) sind cinigermarson richtig, namentlich solche,
welche Resultate aus Beobachtungen von Finsternissen betreffen. Aber
erst langst nachdem Griechenlands Weisheit untergegangen, die Heere
der Römer zu Boden getreten waren, und nach den Stürmen der
Völkerwanderung eine neue Ordnung der Dinge in Europa Platz griff,
erhielt das Abendland von Osten her diejenigen rechnerischen Kennt-
nisse, mit deren Hilfe das Fundament der astronomischen Rechen-
kunst begründet werden konnte. Die Araber waren das Volk, durch
welches Europa rechnen lernte. Durch Leonard von Pisa wurden
im Anfänge des 13. Jahrhunderts die Kenntnisse der arabischen
Kaulleute in der Arithmetik und Algebra nach Italien verbreitet;
sie fanden in den groLen Handelsrepubliken dieses Landes eifrige
Ausbildung, und rechnerische Vortheile, sowie der Gebrauch der
indischen (arabischen) Ziffern suchten bald ihren Weg nach Deutsch-
land. Im Jahre 1473 erschien das erste deutsche Rechenbuch. Es
war, wie die andern späteren Leitfäden des Rechnens,') nach arabischen
Vorbildern abgofafst Die Errungenschaften der Araber in der Algebra
wurden durch die Werke Mohameds ben Musa und Al Khayami
im Abendlande bekannt, doch lange, bis zum 16. Jahrhundert blieben die
„Regeln der Cofs“ (d. h. die Algebra) nur wenigen zugänglich; her-
umziehende Mönche, auf den Klosterschulen mathematisch gebildet,
lösten noch später gegen Bezahlung Aufgaben, die über Gleichungen
des zweiten Grades hinausgingen. 2) Erst mit dem Wiederaufleben der
mathematischen Wissenschaften in Frankreich und Deutschland gewann
die Algebra selbständig Boden und namentlich der Wiener Universität
gebührt der Ruhm, auf den ferneren Entwicklungsgang durch eine
') Zu den ersten von Mathematikern alygefafsten Rechenbüchern gehören
Wideinan (1489), Graramateus (l.')18), Apianua (1527).
Cardanis „Ars magna“ brachte 1545 die Auflösung cubischer
Gleichungen.
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449
Reihe von Astronomen und Mathematikern, wie Johann von Gmun-
den, Grammateus, Rudolff, Purbach, Regiomontan, den aller-
g^Btigsten Einflufs ausgeübt zu haben. Rudolff war der Verfasser
der ersten deutschen Algebra, Regiomontan — seit Hipparch der
bedeutendste Astronom — der Verfasser der ersten, in den Grundzügen
heute noch mustergiltigen Trigonometrie.^) So besafs man um das Ende
des 16. Jahrhunderts das allernöthigste Rüstzeug zum astronomischen
Rechnen, nämlich eine wissenschaftlich begründete, recht weit vor-
geschrittene Arithmetik und Geometrie, und die Anwendung der
indischen Ziffern; die Begründer dieses Fortschritts, namentlich Pur-
baoh und Regiomontan, können auch als die ersten astronomischen
Reehner bezeichnet werden. Durch die letztem beiden erhielt das
Problem der Vorausbestimmung der Finsternisse eine bessere Grund-
lage, und beide Astronomen waren eifrige Ephemeridenrecbner,^) deren
Tabellen lange Zeit auf den Entdeckungsreisen der Seefahrer die
wichtigsten Dienste geleistet haben.
Einen weiten Schritt vorwärts that dann die Rechenkunst mit der
Erfindung der Logarithmen. Schon die Araber (Al-Baten, Jbn-
Junis) hatten die Vortheile erkannt, welche einzelne trigonometrische
Funktionen in der praktischen Rechnung gewähren, wenn sie von
Full zu Fall berechnet vorliegen und beim Rechnen nur aus Tafeln
entnommen zu werden brauchen. Bei den Purbachschen Rechnungen
hatte sich der Mangel des Hilfsmittels solcher Tafeln evident erwiesen;
Copernicus fühlte bei seinen weitergehendon Anwendungen der
trigonometrischen Grundsätze auf die Lösung astronomischer Auf-
gaben diese Lücke empfindlicb, und auf seine Anregung brachte sein
Schüler Rheticus das Opus Palatinum zu Stande, ein bedeutsames
Werk, das in einer bis dahin nicht erreichten Vollkommenheit alles
enthält, was auf Trigonometrie und Tafeln Bezug hat Durch das
ganze mathematische Streben des 16. Jahrhunderts geht von jetzt ab
der Zug, derartige Tafeln zu erweitern und zu verbessern. Allein je
genauer die Tafeln wurden, desto mühseliger gestaltete sich das
Rechnen mit den vielziffrigen Zahlen. Eine englische Erfindung brachte
die Erlösung. Der Baron Neper gab 1614*) die Theorie und An-
wendung der Logarithmen, und Brigg berechnete die IjOgarithmen
^ De Triangulis omnimodis libri quinque, 1.^33.
Die 12 Kalender l’urbacha (1430—61) und jene von Regiomontan
(1474 — 1306) gehören zu den ersten astronomischen Ephemeriden, die Überhaupt
erschienen sind. Sie enthielten die Orte der Hauptplaneten, die Sonnen- und
Mondfinsternisse u. s. w. Kleifsige Ephemoridenberechner waren später Stöfler,
Pitatus und Ursinus.
‘) Logarithmorum canonis descriptio.
30*
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dor ersten tausend Zahlen 8-stelIig (1618), sowie die der Zahlen und
trigonometrischen Funktionen (1624) auf 14 Dccimalstellen. Der hollän-
dische Buchhändler VI acq bcreolmete gar 10-stelIige Logarithmen für
100 000 Zahlen (1628). „Diese Arbeiten sind nicht übertroffen bis
heute; sie haben durch ihre staunenswerthe Ausdehnung einen bleiben-
den Werth“. (Gerhardt, Gesch. d. Math.) Die weitere Vervollkomm
nung der I.a)garithmen ging darauf aus, sie durch Abkürzung und
zweckmäfsige Einrichtung für den praktischen Gebrauch bequem zu
machen und diese Hemühungfen erzeugten das Heer der logarith-
mischen Tafeln, das seitdem bis auf unsere Tage auf diesem Gebiete
in die Höbe gewachsen ist®) Es wäre befremdend, wenn ein so grofscr
Zeitgenosse der Logarithmen, wie Kopier, nicht die Bedeutung derErün-
dung für die Astronomie erkannt haben würde; scharfblickender als sein
Lehrer Mästlin, der den Logarithmen nicht rocht traute, übersah er
sofort die enormen Vortheile und sicherte 1624 durch die von ihm selbst
konstruirten Tafeln den Logarithmen ihre bleibende Anwendung in der
Astronomie. Heute ist die Sternkunde ohne Logarithmen undenkbar.
Die Rechenkunst der Astronomen bewegte sich damals noch in
engen Grenzen. Man wandte die ebene und sphärische Trigonometrie
auf den Himmel an und ging nicht viel über Aufgaben hinaus, die
sich mit diesem Mittel lösen licfsen. Die dabei verfolgte Richtung
war vornehmlich eine praktische. Die Auffindung neuer Länder und
Seewege, die ungeahnte Bereicherung des geographischen Wissens
und Ausbreitung der Schifffahrt stellte von selbst eine Reihe neuer
Probleme auf; so ward der Anlafs zur Entwicklung des gröfsten Theils
jenes Zweiges der Astronomie gegeben, der sich mit der geographischen
Ortsbestimmung beschäftigt. Es waren die schnellsten und sichersten
Methoden zu finden, die geographische Länge und Breite einer ent-
deckten Insel, den Ort des segelnden Schiffes aus astronomischen
Beobachtungen zu bestimmen. Allmählich kam man damit, und zwar
mit den Breitenbestimmungen wesentlich schneller als mit den Längen,
vorwärts. ’) Man benützte die Stellungen und Bewegungen der Sonne
und dos Mondes, sowie die Verfinsterungen dieser Himmelskörper zur
Lösung dieser Aufgaben, später mafs man die Abstände von Sonne
•) Die bedeutendsten Tafel worko, welche das 18. Jahrhundert her ver-
brachte, sind die von Shorwin (1706), tiardiner (1742), Schulze (1778),
Callot (178.7), Taylor (1792) und Vega (1795).
') Die Messungen der geogr. Breiten waren zu Anfang dos 17. Jahrhunderts
noch um 10 Minuten fehlerhaft, zur Soo bcü ugen die Fehler bis zu 2 Grad und
sanken erst mit Abel Tasman soweit herunter, dafssic auf Karten für den Hiind-
gebraueh fast verschwinden. Die Längonfehlor waren noch weit grSfser. Die
Längoubcstimmungaversuche von Columbus, Vespucoi, Barrents u. A.
(etwa 1494—1597) sind noch sehr unvollkommen.
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und Mond, und die Bögen zwischen Mond und Siemen. ”) Ein grofser
Theil der in dieser Beziehung gemachten Vorschläge scheiterte freilich
noch an der Ungonauigkeit der Mefs Werkzeuge. Diese Wahrnehmung
trieb zur Verbesserung der Apparate. Aus den genaueren Beobach-
tungen der Sonne, des Mondes und der Hauptplaueten zeigte sich
dann, wie verbesserungsbedürftig die Tafeln waren, auf die man bei
Entnahme der Orte dieser Gestirne für die Rechnungen angewiesen
war, und da diese Tafeln wiederum für die praktischen Probleme
grofse Wichtigkeit besafsen, eilte die Rechnung, sie weiter zu ver-
vollkommnen. Die Berechnung der Sonnenfinsternisse behufs ihrer
Verwendung bei Längonbestimmungen wurde von Kepler verbessert
und seine berühmten rudolfinischen Tafeln brachten richtigere Grund-
lagen der Bewegung der Ilauptgestirne. So ging die sich entwickelnde
Kunst, die Orte der Himmelskörper an Instrumenten zu messen, Hand
in Hand mit der Kunst, diese Messungen durch die Rechnung der
Allgemeinheit dienstbar zu machen.
Die astronomische Rechenkunst hätte diese dienende Stellung, die
sie im 16. und 17. Jahrhundert in der .\stronomie einnahm, vielleicht noch
lange beibehalten. Es nahte aber die Zeit, wo neue Einsichten und
gewaltige Fortschritte die Sternkunde bewegen sollten. Nicht blofs die
Erfindung des Fernrohrs oder die Zertrümmerung der morsch ge-
wordenen Sphären des Mittelalters und das frische Wehen des Geistes,
der mit der Begründung der koperaikanischen Weltanschauung durch
die vergilbten Lehren eines antiquirten Zeitalters hindurchstrich, waren
die Faktoren, welche die astronomische Rechenkunst zu höheren
Zwecken erheben sollten, sondern namentlich auch die Erkenntnisse,
die in der Verfolgung der Prinzipien der Mechanik alsbald erlangt
wurden. Galilei schuf die Dynamik und die Theorie des Pendels
und seine strenge Betrachtungsart der mechanischen Grundsätze wurde
mustergültig für alle seine Nachfolger. Huyghens erklärte den Um-
schwung der Körper um ein Centrum und Kepler fand die Gesetze,
nach welchen sich die Planeten um die Sonne bewegen; aus den
Forschungen beider Astronomen entsprofs die schönste Blume, welche
die Anwendung der Mathematik auf die Mechanik hervorgebracht hat:
die Entdeckung des Gravitationsgesetzes durch Newton. Die Gegen-
wart ahnt kaum mehr, welche Berge von Vorurtheil und überkommenen
") Schärfere Methoden, wie den Mond im Meridian zu beobachten, gah
Langrenua 1644 an, Mondhöhen aufser dom Meridian zu messen, schlug
Lcmmonier 17.Ö7 vor; die Distanzmessungen von Sonne und Mond imd
Sternen kamen namentlich durch Lacaille (1765) und Maskelyne (1763) in
weiteren Gebrauch.
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aristotelischen Spuks hinweg'gcräumt werden mufsten, ehe eich die
heute jedem Gebildeten von der Schule her noch ganz geläufigen ein-
fachen Begriffe von Kräfteparallelogrammen, Resultirenden, die Vor-
stellungen von der Wirkungsart der Schwerkraft, der Centrifugal- und
Centripetalkraft, der Wurfbewegung, allgemein bei den Astronomen
einbürgerten und Wurzel fafsten. Dieses Zeitalter dos Fortschritts
ward endlich noch durch die Erfindung der Differential- und Integral-
rechnung {Newton und Leibnitz) gekrönt. Erst mit der Einführung
dieses höheren Kalküls in die astronomische Betrachtungsweise konnte
man die Bewegung der Körper unseres Sonnensystems wirklich geistig
beherrschen; bis dahin war es an der Hand zweifelhafter Beobach-
tungen und unsicherer Tafelverbesserungen nur ein Tasten gewesen.
Borelli hatte um IGGO vermuthot, dafs die Kometen sich in
parabolischen Bahnen bewegten könnten, und Dörfel schlofs aus
Beobachtungen des Kometen von 1G80 auf dieselbe Art Kurven,
aber erst Newton zeigte in seinen berühmten Principien (1687)
mit zwingender Schärfe, dafs die Bewegung der Kometen dom Gravi-
tationsgesetze unterworfen sei und in einer Parabel um die Sonne
erfolge. Damit war man bei der Berechnung der Bahnen, welche
diese Himmelskörper beschreiben, angelangt. Halley war der erste
Kometenberechner; er veröffentlichte 1705 die Bahnen von 24 Kometen.
Im nächsten Aufsätze werden wir sehen, welche Entwicklung das
Kometenbahnprobicm seitdem genommen hat.
Einen günstigen Einflufs auf die Ausbildung des astronomischen
Rechnens übten aufserdem die Gradmessungsarbeiten des vorigen und
der ersten Jahrzehnte dos jetzigen Jahrhunderts. Die erste Unter-
nehmung dieser Art, zur Ermittlung der Gröfse und Gestalt unserer
eigenen Erde ausgefiihrt, jene von Picard im Jahre 1699, gab das
Vorbild für spätere Versuche. Mustergültig wurde die von Condamine
(1735 — 1744) in Peru unter vielen Schwierigkeiten sorgfältig hergestellte
Vermessung des Meridianbogens zwischen Tarqui und Cotechesqui.
Eine ganze Reihe von Messungen sind seitdem in den verschiedensten
Theilen der Erde erfolgt. Die geodätischen Dreiecke erstrecken sich
gegenwärtig über Europa, Amerika und Theile von Asien und Afrika;
in Europa ist die Arbeit durch eine internationale Vereinigung organisirt
und beschäftigt eine sehr grofse Zahl astronomischer Rechner. — Neben
den Gradmessungon und zum Theil durch sie hervorgerufen, fanden
die verschiedenen Theile der sphärischen Astronomie eifrige Aus-
bildung, namentlich die verläfslicheren Methoden zur Ermittlung der
geographischen Längen. Besonders die Ableitungen der Längen aus
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don Beobachtungen von Stembodeckungen durch den Mond und aus
Sonnenfinsternissen fanden jetzt Beachtung und häufige Anwendung.
Balande und Lexell waren um Mitte des vorigen Jahrhunderts so
ziemlich die Einzigen, die sich damit beschäftigten. Seit Tricsneckers
Beispiei und seit den wesentlichen Abkürzungen, welche die Rech-
nungen durch Bohnenberger, Wurm u. A. erlangten, wurde die
Anwendung jener Methoden ganz allgemein. Die Rechnungsart, aus
gemessenen Abständen des Mondrandes von Sternen die geographische
Länge zu ermitteln, hob sich durch die Bemühungen von Legondre,
Borda, Bürg und durch treffliche Hilfstafeln (Mendoza, Dunthorne).
Den Weg, die I.änge eines Ortes aus Sonnenfinsternifsbeobachtungcn
abzuleiten, benützte mit Erfolg Cassini. Derselbe fafste das Fiuster-
nifsproblem schärfer und versuchte zuerst, die Zonen der Sichtbarkeit
der Sonnenfinsternisse von 1664 und 1699 für Europa anzugeben. Zu
Zeiten Halleys wurden die Sonnenfinsternisse für Längen-Ermittlungen
schon allgemein benützt. In der Epoche Ludwigs XV. hatte die Be-
stimmungsart der Finsternisse schon so viel Sicherheit und Geschmei-
digkeit, dafs Duvaucel die für Paris sichtbaren bis 1900 n. Chr.
vorausbereohnen konnte. Die gröfste Rechnungsarbeit darin leistete
aber Pingre in seiner „Art de vörifier les dates,“ der die näheren Um-
stände der Sichtbarkeit der Sonnen- und Mondfinsternisse für den
ganzen Umfang der historischen Epoche für die Zukunft berechnete.
Endlich darf hier nicht des Antheils vergessen werden, welchen
die Begründung feststehender astronomischer Ephemeriden an der
Ausbildung der Rechenkunst gehabt hat. War früher die Vorausbe-
stimmung der Planetenläufe, Finsternisse u. dergl. Sache einzelner,
so wurde dies fernerhin mit der Vervollkommnung der Planotontafeln
durch die Theorie immer schwieriger, und in unserem Jahrhundert,
wo die theoretischen Forschungen in der Bewegung der Planeten
immer feinere komplizirtere Resultate brachten, schliofslich für den Ein-
zelnen unmöglich. Schon 1679 war in Paris die „Connaissanco des
Temps“, 1766 in Greenwich der „Nautical Almanac“, in Berlin 1773
das „Berliner astronomische Jahrbuch“ gegründet worden; mit der
Zeit sahen sich die Redaktionen dieser regelmäfsig erscheinenden
Ephemeriden genüthigt, zur Bewältigung der Rechnungsarbeiten be-
sondere Bureaux oinzurichten. Daraus ging manche Kraft hervor,
die der Astronomie nützlich geworden ist
So wuchs aus unbeholfenen Anfängen neben der astronomischen
Beobachtung und der Theorie die Kunst des Rechnens allmählich empor,
erstarkte, und brachte endlich jene Früchte höherer Erkenntnisse, die
wir in don beiden folgenden .\rtikeln näher beleuchten wollen.
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t--*-
Die Ansichten der Physiker und Geologen über die
innere Beschaffenheit des Erdballs.
Von Dr. P. Scbwshi,
Astronom «n dor Uranin in U«rIlo.
n ^ (Schlufs.)
t l^pwischen der ^Geologischen Fluidilälshypolhese und der astrono-
mischen Rigiditätshypothese steht nun drittens, gewissermafsen als
Vermittlerin zwischen so schroffen Gegensätzen, die Lehre von
einer noch theilweise vorhandenen Fluidität, sei es in der Form be-
grenzter unterirdischer Lavabocken, oder, wie dies die Geologen Dana,
Poullet Scropo, Storry Hunt, die Geophysiker Constant Prevost,
Osmond Fisher, sowie die Astronomen Airy, Faye und Folie für
annehmbarer halten, in der Form einer unter dor festen Erddeckc sich
kontinuirlich ausdehnonden gluthflUssigen Mittelschicht von verhältnifs-
mäfsig geringer Mächtigkeit.
Aehnlich wie Poisson durch seine geogenetische Hypothese die
Festigkeit des Erdballs zu erklären versucht hat, ist der englische
Geophysiker Hopkins später bemüht gewesen, den Nachweis zu
führen, dafs bei der Abkühlung unseres ursprünglich gluthllüssig^u
Planeten ein Zustand, wie er von den oben genannten Forschem an-
genommen wird, Platz greifen mufste. Dabei gebt er von der Ansicht
aus, dafs zwei verschiedene Abkühlungsprozesse zu unterscheiden
seien, nämlich die Abkühlung durch „Circulation“ für vollkommen
flüssige Körper, während für unvollkommen flüssige Körper die Ab-
kühlung nur durch Leitung stattflnden könne. So lange die Erdmasse
einen genügend hohen Grad der Fluidität besafs, um das Kreisen von
Fortführungsströmungon zuzulassen, meint Hopkins, habe sich an
der Oberfläche keine Kruste bilden können, weif die erkalteten, spe-
zifisch schwereren Schollen nach dem Mittelpunkte zu sinken mufsten.
Durch den fortschreitenden Abkühlungsvorgang sei jedoch ein Zustand
unvollkommener Fluidität in den inneren Schichten herbeigeführt, der
die Fortrührungsströmungen zum Stillstand brachte und eine weitere
Abkühlung nur noch durch Leitung ermöglichte. Nun erst konnte eine
bleibende Erhärtung des die Erde umgebenden Qluthraeeres beginnen.
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und es mufste somit ein Zeitpunkt eintreten, in welchem der Erdball
aus einer äufseren Felskruste und einem inneren festen Kerne bestand,
zwischen denen eine Schicht geschmolzener Gesteinsmassen zurück-
geblieben war. In diesem Zustand soll sich unser Planet zur Zeit noch
befin<ien.
Es giebt im terrestrischen Ueobachtungsfeldo noch ein Erschei-
nungsgebiet, dessen sorgfältige Ausworthung vielleicht einmal für die
weitere Zukunft wichtige Anhaltspunkte für die Lösung der Frage
nach den inneren Strukturverhältnisson unseres Woltkörpers darbieton
würd. Hierhin gehören die lokalen Verhältnisse der Schwere nach
Richtung und Intensität, zu deren Ergründung das Pendel die wichtigsten
Dienste leistet
Wir wissen, dafs das Pendel uns die Gestalt der Erde übersehen
gelehrt hat, dafs die Ergebnisse der Schweremessungen im allgemeinen
in überraschender Harmonie mit dem stehen, was man auf dem mehr
direkten Wege der geodätischen Messung hierüber in Erfahrung ge-
bracht hat Weniger bekannt dürfte dagegen in weiteren Kreisen die
Thatsache sein, dafs in der Richtung der Schworlinie Störungen auf-
treten, die vielleicht nur dadurch erklärhch sind, dafs man an der
Vorstellung einer feuerflüssigen inneren Mittelschicht, bedeckt von
einer verhältnifsmäfsig dünnen und in ihren Theilen ungleich mäch-
tigen Erdrinde festhält Zu diesen Störungen sind nicht etwa jene zu
rechnen, welche wegen der äufseren Gestaltungsverhältnisse des Globus
auf den ersten Blick vermuthet werden können. Wenn z. B. Mas-
ke ly ne die mittlere Dichte der Erde durch die Anziehung des Berges
Shehallien bestimmt hat, und es gelungen ist, durch äufserst feinfühlige
Instrumente die Differenz der Anziehungskraft zwischen der Spitze
und dem Fufse einer ägj'ptischen Pyramide nachzuweisen, so lag allen
diesen Versuchen die Erwartung zu Grunde, dafs eine Ablenkung
des Lothes infolge des seitlichen Einflusses solcher massiven Körper
in Uebereinstimmung mit dem allgemeinen Attractionsprinzipe auch
äufserlich zu Tage treten müsse. Wenn dagegen diese im Prinzipe
begründete Erwartung bei den gröfsten, sich hoch emporthünnenden
Gebirgsmassen auf einen Widerspruch gestofsen ist, indem man be-
obachtet hat, dafs zuweilen keine Ablenkung des Ix>tlies zum Gebirge
hin stattfindet, so lassen sich solche Erscheinungen nur durch eigen-
artige Vorstellungen über die innere Vertheilung der Masse unterhalb
der Gebirgszüge, ja überhaupt unterhalb der starren Erddecke deuten.
Es giebt in dieser Beziehung wohl nichts Auffallenderes als die
Beobachtungen, welche vor einigen Jahrzehnten bei der Vermessung
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von nrilisch-Indien gemacht wurden. Trotz der beständigen Annäherung
an das Massiv des Himalaya trug das Bleiloth diesem Bergriesen ge-
genüber eine auflallige Gleichgültigkeit zur Schau. Aehnlicho über-
raschende Resultate haben die Schweremessungen am Fufse der Pyrenäeu
gezeigt, wo Petit keine Ablenkung des Lothes fand, sowie jene, welche
der russische General Stebnitzky in jüngster Zeit im Kaukasus ange-
stellt hat. Auch werden fast überall Ixithstörungen bemerkt, selbst
da, wo jede äufsere L'nregelmäfsigkeit des Geländes fehlt, so z. B. in
der Umgebung von Moskau, sowie in vielen Theilen Deutschlands.')
Nicht minder herrortretcnd als die Widersprüche in der Attractions-
richtung haben sich diejenigen in der Intensität der Schwere erwiesen.
Schon wegen der grofsen Ungleichheit in der Dichte der Meere und
der Festlandsmassen (1 : 2,7) dürfte man erwarten, dafs die Pendel-
schwingungen von der Schwere in stärkerem Mafse auf den Kontinenten
beschleunigt werden müfsten als auf dem Meere. Wenn aber trotz
des augenscheinlichen Mangels an Masse die Anziehung auf oceanischen
Gebieten sich gröfser erwiesen hat als auf dem Festlande, so lassen
sich die Gründe dieser Erscheinung nur aus einer eigenartigen An-
ordnung der Materie unter der äufseren Decke unseres Planeten her-
leiten, was bei der sehr allgemeinen Ausdehnung dieses letzten Phä-
nomens auch die Vermuthuug einer allgemein umfassenden Ursache
nahe legt.
Die hierauf bezüglichen Thatsachen haben denn auch die Geo-
physiker zu allgemeinen Gesichtspunkten über den gegenwärtigen Zu-
stand der Erdrinde geführt. Nach der Ansicht des englischen Astro-
nomen Pratt, des bekannten Physikers Stokes, sowie des Pariser
Astronomen Fayo wäre die gröfsere Schwere auf oceanischem Gebiete
durch die gröfsere Mächtigkeit der auf flüssiger Unterlage ruhenden
Erdrinde unterhalb der Meeresbecken zu erklären. Durch die stärkere
Abkühlung der Erdmasse an dem von 0® bis 2® C. temperirten Meeres-
boden soll die feste Rinde sich dort schneller und leichter gebildet
haben, als unter den Kontinenten,^) so dafs das innere Magma der
mittleren Erdoberfläche in dem Mafse näher liegt, als sich dort Fest-
landsraassen über das Meeresniveau erheben. Durch noch fortdauernde
Abkühlung soll sich die Stärke der Kruste unter dem Oceane ver-
mehren und dadurch einen gelinden Druck auf das innere Fluidum
') S. Bericht über Lathabwoichuagen von Prof. F. R Helmert, 1888,
sowie Himmel und Erde II. S. ,803f.
’) Die Temperaturmoasungen auf offenem Moore haben gezeigt, dafs in
einer Tiefe von 3700 Meter die Temperatur des Wassers 1® C. beträgt, während
in derselben Tiefe unter den Continenten die Erdwärme zu 1.80® geschätzt wird.
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ausüben, welcher, den hydrostatischen Gesetzen gemüfs nach allen
Richtungen sich gleicbrnäfsig fortpflanzend, das Bestreben äufsem
wird, die minder widerstandsfähigen Rindentheile unter den Kontinenten
zu heben. Hierdurch will Faye die, säcularen Bodenschwankungen
der Festlandsmassen erklären, wie er denn überhaupt von seiner
Theorie einen grofsen Vortheil für die dynamische Geologie erwartet.
Aus der weiteren Annahme, dafs die festen Oberflüchenschichten von
gröfserem spezifischen Gewichte seien als die obersten Schichten ihrer
flüssigen Unterlage, kann er nun allerdings nicht allein die Inaktivität
hoher Gebirgsmassen auf das Bleiloth ableiten, sondern auch die In-
tensitätszunahme der Schwere über dem Oceanareale erklärlich machen,
in dem ja die unmittelbar unter dem Gebirge lagernde, spezifisch
Duichschnltt durch die Erde nach Faye.
leichtere Flüssigkeit den Ueberschufs in der Anziehung der scheinbar
festen Massen koropensiren, auf dem Meere dagegen die dickere,
schwerere feste Kruste eine Beschleunigung der Pendelschwingungen
herbeiführen mufs.
Eine von dem Gedankengange Fayes etwas abweichende, aber
im wesentlichen doch ähnliche Idee hat schon früher der berühmte
englische Astronom Airy beim Bekanntwerden der indischen Schwerc-
abnormitäten entwickelt. Unser Weltkörper soll hiernach eine flüssige
Mittelschicht enthalten, deren spezifisches Gewicht gröfser ist, als
dasjenige der sie umgebenden festen Felsrinde, welche daher je nach
der verschiedenen Stärke ihrer Massenschollon in das Fluidum ein-
tauchen und dasselbe im Verhältnifs zur eigenen Schwere verdrängen
mufs. Aus dem tieferen Eintauchen der Gebirge folgt, dafs der Ueber-
Bchufs der Anziehung dieser sichtbaren Massenanhäufungen dadurch
beglichen wird, dafs die dichtere Flüssigkeit daselbst durch imsichtbare
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Protuberanzen verdningl wird und aomit aus größerer Entfernung
wirken mufs. Die Thatsache der Sohwerezunahme über dem Ocean-
areal glaubt indefs Airy uns so erklären zu können, dafs er der
unter dem Meere gebetteten Erdrinde ein gröfseres spezifisches Ge-
wicht zuschreibt als den Gebirgsmassen, die aus weniger dichtem
Gesteine bestehen sollen.^)
Der englische Geophysiker O. Fisher ist neuerdings in seinen
„Untersuchungen über die Physik der Erdrinde“ zu dieser Vorstellung
zurückgekehrt und hat sie noch auf anderer Grundlage zu stützen
versucht. Noch mehr als durch die angeführten geodätischen That-
sachen scheint ihm die Annahme, dafs unter den Gebirgszügen Protu-
beranzen des festen Erdmantels in ein darunter befindliches Gluthmeer
hineinragen, dadurch an Wahrscheinlichkeit zu gewinnen, dafs die
unter den Gebirgen liegenden Flächen gleicher Temperatur, die soge-
nannten „Isogeothermen“ sich beständig in der Richtung nach abwärts
verflachen. Indem Fisher sich an die Ergebnisse der Temperatur-
Beobachtungen hält, welche bei der Durchbohrung des St. Gotthardt-
massivs von Stapff und bei dem Mont-Cenis erzielt worden sind,
führen ihn seine Rechnungen zu dem Schlufs, dafs die mittlere Dichte
der unterseeischen Erdkruste 2.9G beträgt, während diejenige des
continentalen Oberflächengesteins zu 2.3 bis 2.7 geschätzt wird. Für
die Dicke der Gesteinskruste unter dem Meere findet er 32 km
(20 engl. M.), für diejenige unterhalb der Conlinente in der Nähe
der Oceane 40 km (25 engl. M.), während unter den Gebirgen sehr
wohl eine Stärke von 71 km (44 engl. M.) erreicht werden kann.'*)
Auch meint Fisher, dafs die Gebirgsbildung durch Faltung der Erd-
kruste infolge Säkularabkühlung nur mit der Hypothese einer inne-
ren Mittelschicht geschmolzener Silicate vereinbar sei.*)
’) Im Jahre 1887 wurde von der Coast and Qeodotic Survey in Honolulu
und auf dem 10 OOP Fufa hohen Vulkan Haleakala, der den gröfsten aller Krater
besitzt, die Schwere gemessen. Die Messungen ergaben 2.8 als Dichte des
OberflächengesteinB (die Geologen geben 2.3 an), ein Beweis dafür, dafs auf
ocoanischen Inseln die geologischen Verhältnisse andere sind, wie auf dem
Festlande.
*) Nach der Tho mson - Dar winschen Theorie müfsten sich bei so ge-
ringer Kindenstärko die körperlichen Gezeiten des Erdballs in weit höherem
Grade bemerkbar machen, als man thatsächlich gefunden hat. Diese Schwierig-
keit sucht Fisher durch einen interessanten und originellen Versuch zu
umgehen, indem er das Henry sehe Gesotz von der Absorption der Oase durch
Flüssigkeiten auf die glutbflüasige Mittelschicht anwendet. (Proc. Cambr. PhU.
Soc. 188fi, VI, 19.)
*) Hierhin gehört auch die Gleichgewichtstheorie der Erdkruste von
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Was nun bei dieser Hypothese sowie überhaupt bei der Rigpditäts-
hypothese den festen Kern anbetriflit, so werden Betrachtungen hierüber
wohl noch lange mehr die menschliche Phantasie als die nüchterne
Forschung beschäftigen. Glaubt man doch auf Grund allerdings sehr
unsicherer Induktionsschlüsse annehmen zu können, dafs im Mittel-
punkte unserer Erde eine Temperatur von 20 000® C. und ein Druck
von 3 Millionen Atmosphären vorhanden sei. Wir haben keine Vor-
stellung von dem physischen Zustande der Körper, die unter solchen
Druck- und Temperaturverhältnissen zu leiden haben. Experimente
über den Widerstand der uns bekannten Materialien haben gezeigt,
dafs Granit unter dem Drucke von 700 Atmosphären, Basalt und
Ourchacbnltt durch die Erdrinde nach Faye und O. Fiaher.
Porphyr unter einem solchen von 2 600 Atmosphären in Staub zer-
Diefsen. Die Metalle widerstehen zwar einer pressenden Kraft, die
das Hundertfache, ja Tausendfache übersteigt — was die Geologen
Dana, Poullet, Scrope und Nordenskjöld zu dem Glauben ver-
Babbage und Herschel, der zufolge die UeberfUhrung einer beträchtlichen
Last von einem Gebiete der Erdoberfläche zu einem andern von mehr oder
minder grofaeu Senkungen des belasteten Flächonraumes und entsprechenden
Hebungen des entlasteten begleitet sein muta. Eine solche Entlastung erfahren
die Continente durch die Erosionsthätigkeit, und sie müsten demzufolge in
beständiger Hebung begriffen sein.
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anlafst hat, der Erdkern bestehe ganz aus Eisen — , aber auch diese
Substanzen reichen nicht ans, um das Spiel der Molekularkräfte in
einem Körper zu erklären, welcher d«r Wucht von mehreren Millionen
Atmosphären und dabei einer Temperatur von Tausenden von Graden
unterworfen ist
Herbert Spencer, ein bekannter englischer Physiker, fühlte
derart die Schwere der aus dieser Druckwirkung entspringenden Folgen,
dafs er annahm, unser Weltkörper sei eine Hoblkugel, mit Oasen von
sehr hoher Spannung ausgefUllt So fremdartig diese Vorstellung auch
erscheinen mag, so weisen doch die Kant-Laplacesche kosmogo-
niscbe Hypothese, sowie die spectralanalytischen Forschungen über die
Deschaffenheit der kosmischen Nebelwolken gerade darauf hin, so dafs
man solchen spekulativen Ausblicken ein tieferes Interesse nicht ab-
sprechen kann.
Wenn aber wirklich die Himmelskörper, speziell die Erde, aus
dem Zustand äufserst verdünnter Oasnebel durch Verdichtung in den
jetzigen übergegangen sind, so müssen sich die auf einander folgenden
thermischen Zustandsänderungen an der Hand der Rechnung verfolgen
lassen. Die Grundlagen einer solchen Analyse sind uns ja nicht mehr
ganz unbekannt, indem das Mariotte-Gay-Lussaosohe Gesetz uns
die Beziehungen zwischen Dichte, Druck und Temperatur offenbart
die thermodynamische Theorie der Gase uns aufserdem den Charakter
des Gleichgewichtszustandes erkennen lehrt der in einer sich selbst
überlassenen Gaskugel Platz greifen mufs. Mit der theoretischen
Untersuchung dieses Gegenstandes hat sich vor einigen Jahren A. Ritter
befafst Zöppritz hat sie sodann weiter verfolgt und die merkwürdigen
Resultate, zu welchen sie dabei gelangt sind, lassen sich zum Theil
auf die Erde anwenden.
Ohne uns tiefer in die Einzelheiten dieser schwierigen Analyse
einzulassen, wollen wir nur erwähnen, dafs das Ergebnifs derselben
eine Bestätigung der schon anderweitig gemachten Schlufsfolgerung
ist w'onach in den centralen Theilen der Erde eine enorm hohe
Temperatur und ein für unsere Verhältnisse kaum fafsbarer Druck
obwalten mufs, und demnach wird sich diesen Untersuchungen gemüfs
die Frage nach dem Zustand des Erdinnern so stellen lassen: welchen
Aggregatzustand besitzen die Körper bei Temperaturen von 20000“ C.
und enorm hohem Druck, der im extremen Falle 3 Millionen Atmo-
sphären erreichen kann.
Bekanntlich ist es den Physikern durch Anwendung aufserordent-
lich hoher Druckkräfte und Abkühlung gelungen, die permanenten
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Oase zu verdichten und flüssig zu machen, und nachdem einmal die
Möglichkeit ihrer Condensirung erwiesen ist, kann man als allgemein
gültiges physikalisches Gesetz hinstellen, dafs alle Substanzen unter
der Einwirkung äufserer pressender Kräfte alle Aggregatzustände an-
zunehmen vermögen, mithin also die gasförmigen, flüssigen und festen
Zustände in einander ohne Continuitätsbruch übergeführt werden können.
Dabei trat jedoch die Thatsacho ans Licht, dafs hoher Druck allein
die Condensationswirkung nicht hervorbring^ , sondern dafs auch
gewisse Temperaturbedingungen hierbei mafsgebend sind. Sobald der
Wärmegrad eines Gases eine bestimmte Höhe überschritten hat, gelingt
es in keiner Weise, selbst nicht durch Anwendung der gewaltigsten
Druckkräfte, Gase zur Flüssigkeit zu komprimiren; es läsft sich bei-
spielsweise ein solcher Erfolg nicht mehr erwarten, wenn Kohlensäure
über 31®, Stiokoxydul über 36'4® erwärmt ist Den Temperaturpunkt,
bei welchem die Zustandsänderung eintritt, hat man als den „kritischen
Punkt“ bezeichnet
In den centralen Theilen unserer Erde ist die Temperatur den
obigen Erläuterungen gemäfs eine so ungeheure, dafs der kritische
Punkt wohl aller uns bekannten Substanzen bei weitem überschritten
wird. Wäre also unsere Erde ursprünglich wirklich ein gasförmiger
Ball gewesen, der noch jetzt im Innern die hohe Temperatur bewahrt
hat, so könnte auch die Kernmasse trotz des hohen Druckes nicht zur
Flüssigkeit komprimirt worden sein, sondern sie müfste sich in einem
eigenthümlichen Zustand beünden, der sich weder als gasförmig, noch
als tropfbar flüssig, noch endlich als fest bezeichnen, sondern sich
wohl kaum anders vorstellen läfst, als eine im überkritischen Zustande
befindliche, unter der ungeheuren Verdichtung aller freien Beweglich-
keit der Atome beraubte, d. h. also äufserst kompakte Masse, die mit
den Gasen wenigstens gemein hat, dafs sie jeden gebotenen Raum
vollständig zu erfüllen strebt.
Da nun schon bei verhättnifsmärsig niedrigen Temperaturen von
etlichen tausend Graden sich wahrscheinlich alle chemischen Verbin-
dungen im Zustande der Dissocialion befinden, so würde mit der An-
nahme eines derart gasförmigen Erdkerns auch die weitere unerläfslich
erscheinen, dafs in seinem Innern die verschiedenen Grundstoffe voll-
kommen isolirt existiren. Dagegen könnten in den diesen Kern um-
lagernden Schichten, von abstufend niedrigeren Temperaturgraden, die
Grundstoffe wegen der Abnahme der Dissooiation sehr wohl zu che-
mischen Verbindungen zusammentreten, und weiter nach aufsen werden
dieselben, vielleicht nach ihren Schmelz- und Siedepunkten gruppirt, im
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flüssig-en Zustande angetroffen, während das Magmameer durch den star-
ren, uns zunächst liegenden Felspanzer umhüllt und abgeschlossen wird'
Dies wäre etwa in den allgemeinsten Zügen das Resultat, zu
welchem uns die K ant-Laplacesche Hypothese unter Auswerthung
der modernen, in unseren Laboratorien gewonnenen Kenntnisse von
der physischen Konstitution der Materie führen würde, und das-
selbe erscheint um so interessanter, als ja viele Sonnenforscher zu
ganz ähnlichen Vorstellungen über die innere Beschaffenheit unseres
Centralkiirpers geleitet worden sind.*)
Soll aber der Wissenschaft aus dieser Ritter-Zöppritzschen
Theorie Erfolg erwachsen, so wird man zunächst die Gezeiten auf
einem im Innern derart gasförmigen, von einer elastischen Hülle um-
gebenen Sphäroid bezüglich ihrer Höhe und Verzögerung theoretisch
untersuchen und alsdann die Ergebnisse mit den thatsacblich beob-
achteten Meoresfluthen in Vergleich stellen müssen, ähnlich wie dies
schon von Darwin in Hinsicht auf die Hypothese einer inneren
Fluidität gethan worden ist Dieser Weg, den Zöppritz vorgeschlagen
hat, sowie vielleicht derjenige, welchen die Präcessionsbewegung des
Erdballs darbietet, falls sich im Betrage der für sie mafsgebenden
Oröfsen im Lauf der Jahrhunderte merkliche Aonderungen feststellen
lassen, sind wohl die einzigen, auf denen man in Zukunft zu Aufschlüssen
über die Constitution und physische Beschaffenheit des centralen Erd-
kerns gelangen dürfte, während für die Ergründung der Anordnung der
Materie in den mehr äufseren Schichten — in Tiefen, die der direkten
Forschung stets unzugänglich bleiben — die Feststellung der Loth-
abweiohungen berechtigte Hoffnungen auf Erfolg geben kann.
Dieser induktive Weg in der Erkonntnifs des Erdbaus ist zwar
schwierig und langsam föniernd, aber für die Wissenschaft hat er
seine unbestreitbare Bedeutung. Die gröfsten Errungenschaften, die
Keppl er sehen Gesetze, das Newtonsche Gravitationsprinzip sind
doch auch nur auf diesem Wege gewonnen worden.
') VergL die Spekulation von Aitkena über das Anwachsen der Sonnen-
Energie. Himmel und Erde, Jahrg. 1. S. 41.
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Karl Ludwig Hencke.
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Biographische Bilder.
1. Dr. Karl Ludwig Hencke.
Von Prof. Wilhelm Foerater,
Direktor der Kholgt» Sternwarte zu Berlin.
(Mit dom Bildnifs Henokes.)
c^n dem ersten Hefte dieser Zeitschrift (Oktober 1888) ist schon
darauf hingewiesen worden, welchen besonderen Werth biogpra-
phische Darstellungen für die Pflege des Verständnisses der
naturwissenschaftlichen Forschung haben können.
Die wissenschaftliche Erörterung kann durch Verwebung mit
der Schilderung von Persönlichkeiten für weite Kreise anziehender
und fruchtbarer gemacht werden, und das Bild des Menschen selber
wird durch seine Einfügung in eine gröfsere kosmische Entwickelung
gehoben und verschönt.
Es ist in letzterem Sinne nicht ohne Absicht, dafs der Anfang
dieser Reibe biographischer Bilder aus der Entwickelungfsgeschiohte
der Astronomie und der verwandten Naturwissenschaften mit dem
Lebensbilde eines g(anz schlichten Mannes gemacht wird und nicht
mit einem der glänzenderen, so zu sagen selbstleuchtenden geschicht-
lichen Namen.
Dr. Karl Ludwig Hencke ist aber zugleich der Vertreter
einer Oeistesrichtung, auf deren Sympathie die Qesellschaft Urania
vorzugsweise zu rechnen hat, und für welche sie in Zukunft von be-
sonderer Bedeutung sein wird.
Unter den Mitlebenden, sogar unter denjenigen, die sich in ihren
Mufsestunden mit Astronomie beschäftigen, werden Viele den Namen
Hencke nicht kennen, obwohl er um die Mitte der vierziger Jahre
dieses Jahrhunderts auch in der Oetfentlichkeit viel genannt und ge-
rühmt wurde.
Himmel uod Erde. II. 10. 31
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Die wissenschaftlichen Erfolge seines Lebens lagen auf einem
Gebiete, welches früherhin mit grofsem Glanz und Ruhm umgeben
war, nämlich auf dem Gebiete der Planeten-Entdeckungen. Dasselbe
hat aber in neuerer Zeit, seitdem mitunter ein einziges Jahr die
Planeten-Entdeckungen dutzendweise gebracht hat, und seitdem die
Anzahl der uns bekannten Planeten unseres Sonnensystems auf nahezu
300 angewachson ist, an Nimbus bedeutend verloren.
Auf den ersten Blick könnte man also dieser Biographie keinen
besonderen Eindruck bei unseren Lesern versprechen: Ein jetzt fast
vergessener Mann und ein jetzt mit Gleichgültigkeit, fast mit Abneigung
betrachteter Zweig der astronomischen Forschung.
Doch mufs in der That ein gewisser Reiz in dem Lebensbilde
enthalten sein; denn dasselbe hat bis in das letzte Jahrzehnt in mehr
oder minder gelungener Darstellung in einer Reihe von Zeitschriften
Aufnahme gefunden.
Der tieferen wissenschaftlichen Bedeutung der Leistungen des
Mannes und seiner geistigen Eigenart ist aber die volle Würdigung
dabei noch nicht zu theil geworden.
Dem Verfasser der vorliegenden Skizze ist es indessen vergönnt
gewesen, nicht blofs auf nahe verwandtem Forschungsgebiete mit
Hencke zu arbeiten, sondern auch persönlich Jahre lang mit ihm so
zu verkehren, dafs er hoffen darf, seiner Schilderung auch durch
einige lebensvollere Züge bei unseren Lesern eine antheilsvolle Auf-
nahme zu verschaffen.
Karl Ludwig Hencke war Postsekretär zu Driesen, einem
kleinen Städtchen in der Neuraark. Er war am 8. April 1793 eben-
daselbst geboren, hat fast sein ganzes Loben in Driesen zugebracht
und ist am 21. September 1866 in Marionwerder, wo er zum Besuche
in dem Hause eines Schwiegersohnes weilte, gestorben.
Schon in seinem 14. Lebensjahre war er als Aspirant in den
Postdienst getreten. Eine kurze Unterbrechung dieser Borufsthätigkeit
brachte der Krieg von 1813, in welchem er als Freiwilliger den Fahnen
folgte. Aber schon nach der Schlacht bei Lützen, in welcher er das
Anerkenntnifs der Tapferkeit gewann und verwundet wurde, sah er
sich genöthigt, wegen eines Leibesschadens in den Postdienst zurUck-
zutreten. Diesem gehörte er alsdann bis zum Jabre 1837 an, wo er
seine Verabschiedung mit einer jährlichen Pension von 225 Thlr. in
Gnaden erlangte.
Von diesem Zeitpunkte ab weihte sich Hencke ganz der Wissen-
schaft. Er hatte schon um Weihnachten 1821 sich trotz seiner be-
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scheidonen Lage ein Fernrohr aus der Fraunhoferschen Werkstatt
verschafft, welches etwas mehr als 100 Thaler kostete, und mit die-
sem Fernrohr hatte er schon Jahrelang den nächtlichen Postdienst
mit dem Dienste der Urania kombinirt Nun wandte er sich mit
vollem Eifer der Sternkunde zu. Trotz sehr geringer Schulbildung
hatte Hencke sich einen merkwürdigen Ueberblick Uber den damaligen
Stand der astronomischen Forschung verschafft, und es gelang ihm
jetzt, mit seiner eigenen astronomischen Thätigkeit genau an der Stelle
einzug^eifen, an der es damals zu einem kräftigen Fortschritt gerade
deijenigcn derben Zuversicht und Energie bedurfte, welche den eigent-
lichen Fachmännern mitunter in der Fülle der Probleme und in der
vertieften Einzelarboit abhanden kommt
Die Geschichte der Wissenschaft ist reich an ähnlichen, eigen-
thümlich interessanten Fällen, in denen die treue und strenge Arbeit
der Fachmänner die unerläfslichen soliden Grundlagen zu bedeutsamen
Fortschritten geschaffen hatte, und in denen es dann der kritischen
Vorsicht der leitenden Kreise der Fachgenossenschaft begegnete, dafs
die ersten Früchte ihrer grofsartigen Vorarbeiten ganz oder zu einem
wesentlichen, den allgemeinen Eindruck bestimmenden Theile nicht aus
ihrer Mitte, sondern von lebhaften, muthig zugreifenden Neulingen der
Forschung geerntet wurden, deren Geistesfrische die Unvollkommen-
heiten ihrer wissenschaftlichen Ausrüstung reichlich ersetzte.
Ein sehr eindrucksvolles Beispiel dieser Art liegt ja auch in der
geschichtlichen Entwickelung der Lehre von der Erhaltung der Kraft
vor und zwar besonders charakteristisch dafür, dafs es sich meistens
nur um ganz kurze Vorsprünge der genialen Neulinge handelt, denen
die vollere und reichere fachmäfsige Entwickelung, oftmals in ganz
unabhängige!' Weise, aber doch schliefslich von jenen Vorgängern ge-
stützt und gefördert, dicht auf dem Fufse folgt.
Wer die in den Universitätsjahren übliche Eintheilung der Menschen
in Studenten und Philister nicht (in veränderter Fassung) auch in reiferen
Jahren beibehälf, kann jene Erscheinungen nur mit Freude und Dank
betrachten, denn sie stellen sich als ein Thcil jener wundervollen Ke-
gulirung menschlichen Zusammenwirkens dar, deren Anblick bei tieferer
Forschung in der Geschichte der Kultur-Entwickelung immer aufs neue
zur Andacht stimmt.
Also unser Postsekretär a. D. griff nun hinein in den vollen
Sternenhimmel. Er hatte sich an demselben zunächst mit Hülfe von
Bodes Anleitung zur Kenntnifs des gestirnten Himmels orientirt und
sich auch bald nach der Anschaffung seines Fernrohrs, welches ihm
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g-ewissermarsen einen Platz unter den Astronomen gab, persönlich bei
dom Verfasser jenes Buches, welcher damals noch Direktor der Berliner
Sternwarte war, vorgostellt und Raths erholt.
Sehr bald war er jedoch über diese Stufe astronomischen Lernens
hinausgekommen und hatte nach genaueren und vollständigeren Stern-
karten verlangt, in denen alle in seinem Fernrohre sichtbaren Sterne
verzeichnet wären. Ein ausgezeichnetes Äuge und eine ungewöhnliche
Gabe der Schätzung nach dem Augenmafse, auch ohne irgend welche
feinere Messungsmittel, halfen ihm ein besonderes Vergnügen darin
finden, die Lago und Helligkeit der Sterne mit den entsprechenden
Angaben einer Karte zu vergleichen.
Sehr bald hatte er herausgefunden, dafs die damals vorhandenen,
an Vollständigkeit und Genauigkeit über Bodes Karten hinausgehenden
Sternkarten auch noch sehr viel zu wünschen übrig liefsen und bei
weitem noch nicht alles enthielten, was er in seinem Fernrohr sehen
konnte.
Sogleich nach der Erfindung des Fernrohrs (1608) hatte man sich
schon davon überzeugt, dafs zwischen den mit blofsem Auge sichtbaren
Sternen, deren lichtschwäohste man Sterne sechster Gröfse nennt, zahl-
lose noch lichtschwächere Sterne die Himmelsfläche erfüllen, und dafs
insbesondere das mattere, lichtwolkenartige Leuchten gewisser Regionen
des Himmels von einer besonders reichen Zusammendrängung solcher
lichtschwächeren Sterne an diesen Himmelsflächen herrührt. Mit der
Steigerung der Lichtstärke der angewandten Fernröhre schien ferner
die Anzahl der noch deutlich erkennbaren lichtscbwäoheren Sterne so
gewaltig zuzunchmen, dafs man den Eindruck eines unermefslichen
Reichthums und zugleich einer unergründlichen Tiefe des Himmels-
raumes empfing. Es ist aber erklärlich, dafs solche Eindrücke den
wissenschaftlichen Antrieb zur Aufzeichnung und Festlegung dieser
für unsere Wahrnehmung neu erworbenen, aber die EinbildungskraA
fast überwältigenden Schätze eine Zeitlang nicht recht aufkommen
liefsen.
Auch waren die Astronomen in den ersten beiden Jahrhunderten
nach der Erfindung des Fernrohrs mit anderen grofsen Aufgaben,
nämlich mit der Anwendung des neuen W'erkzeuges auf die Aus-
messung der Bewegungen und Gestaltungen in unserem Sonnensysteme,
sowie mit der Durchbildung und Vervollkommnung der schon im
Alterthum emporgewachsenen grofsen mathematischen Bewegungs-
theorien vollauf be.schäftigt. Man mufste sich also dem Sternenhimmel
gegenüber, an welchem bis dahin Jahrtausende hindurch volle Buhe
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oder nur höchst regulmäfsige gemeinsame Bewegungen geherrscht zu
haben schienen, zunächst mit feineren Ausmessungen der Lage der
helleren, dem blofson Auge sichtbaren Fixsterne begnügen, welche die
festen Stationen für die Messung der Betvegungen der näheren Himmels-
körper abgaben, und man kam daher eine Zeitlang in der Anfertigung
von Sternkarten nicht wesentlich über die Leistungen der Vergangen-
heit hinaus.
Nachdem aber gegen Endo des 17. Jahrhunderts die ersten deut-
lichen Spuren von schnelleren, eigenthümlichen Ortsverändoruugen
einzelner dieser helleren Sterne gegen die übrigen Fixsterne gefunden
worden waren, und nachdem in der zweiten Hälft« des 18. Jahrhunderts
Wilhelm Hersohels Durchforschungen des Himmels begonnen und
dazu geführt hatten, zahlreiche Nebelflecken, Sternhaufen und Doppel-
steme, sowie an den Grenzen unseres Sonnensystems einen bis dahin
unbekannten Planeten zu entdecken, den Herschel in seinem mächtigen
Fernrohr sofort an seiner Scheibengestalt als einen uns näheren, von den
uns stets punktartig erscheinenden Fixsternen verschiedenen Himmels-
körper erkannte, entwickelte sich die Forschung atn Sternenhimmel
und die Orts- und Helligkeits-Bestimmung von zahlreichen Fixsternen
immer lebhafter.
Im Anschlufs an die Entdeckung des Uranus durch Herschel
hatte sich unter den Astronomen zugleich die Erwartung gesteigert, dafs
das Fernrohr auch an anderen Stellen unseres Sonnensystems zur
Entdeckung von bisher noch unbekannten Mitgliedern desselben ver-
helfen werde. Und da war es insbesondere die grofse ringförmige
Lücke zwischen der Bahn des Mars und der über dreimal so weit als
letztere von der Sonne abstehenden Bahn des Jujtiter, in welcher
schon Keppler einen bis dahin noch unbekannten Planeten prophe-
tisch eingefügt hatte, und in welcher man nun mit Hülfe des Fern-
rohrs einen oder mehrere bis dahin wegen geringer Helligkeit noch
nicht wahrgenommene Planeten zu finden hoffte. Bestärkt wurde
diese Erwartung dadurch, dafs auch die Bahn des neu entdeckten
Planeten Uranus sich in eine ziemlich regelmäfsige, durch die Ab-
stände der übrigen Planetenbahnen von der Sonne dargestellto und
nur zwischen Mars und Jupiter des entsprechenden Gliedes erman-
gelnde Zahlenreihe mit demselben Genauigkeitsgrade wie die übrigen
Planetenbahnen eingefügt hatte.
Eine gefeierte Bestätigpnig wurde dieser Erwartung zu theil
durch die am 1. Januar 1801 als eine erste Frucht der eifrigen Orts-
bestimmungen und Aufzeichnungen von Fixsternen geglückte Ent-
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deckung eines neuen Planeten, dessen Bahn in der That in die Lücke
zwischen der Mars- und der Jupiter-Bahn hineinpafste. Die Entdeckung
dieses Planeten, welcher den Namen Ceres empfing, gelang dem ita-
lienischen Astronomen Piazzi zu Palermo, welcher einer der eifrigsten
Mitarbeiter an den Grundlagen der Vervollständigung der Sternkarten,
nämlich an der genaueren Ortsbestimmung von zahlreichen licht-
schwächeren Fixsternen war.
Der neue Planet war so klein, dafs er sich dem Anblicke nach
von den Fixsternen gar nicht mehr unterschied, also überhaupt nur
durch Wiederholung der Vergleichungen von Sternkarten mit dem
wirklichen Befunde am Himmel vermöge seiner Orts Veränderung
unter den Sternen als ein unserem Sonnensysteme angehöriger
Himmelskörper erkannt werden konnte.
Und zwar sind die Bewegungen dieser Planeten im allgemeinen
nicht schnell genug, um schon während einer Nacht dem blofsen An-
blick autfällig zu werden, wenn nicht zufällig der Planet so nahe
neben einem Fixsterne erblickt wird, dafs schon ganz kleine Bewe-
gungen sich in sehr augenfälligen Stellungsveränderungen des Pla-
neten zu dem Sterne kundgeben. Es bedurfte damals meistens der
Wiederholung der Vergleichung einer Sternkarte mit dem Himmel an
den folgenden oder einem der folgenden Abende, um solche kleine,
fixstemartig aussehende Planeten aus der grofsen Anzahl der Fix-
sterne zweifellos auszusondem und in ihrer Eigenart zu erkennen.
Natürlich gelang dieser ganze Nachweis um so leichter und sicherer,
je genauer und vollständiger die Sternkarten selber waren, und je ge-
nauer und erschöpfender in verhältnirsmäfsig kurzen Zeiträumen die
Vergleichung derselben mit dem Himmel und die Ortsbestimmung
eines der planetarischen Natur verdächtigen Lichtpunktes ausgefuhrt
werden konnte.
Die blofse ‘Wahrnehmung, dafs in einer Konfiguration von Sternen
ein früher in der Karte eingetragener Stern von einer bestimmten
Helligkeit nicht mehr da war, oder dafs an einer früher leeren Stelle
sich jetzt ein Stern deutlich erkennen liefs, genügte nicht zur sofortigen
Konstatirung der Existenz eines Planeten, weil zahlreiche Fixsterne
merkliche Schwankungen ihrer Helligkeit erfahren, welche sehr wohl
bewirken können, dafs auch ein bisher wahrgenommener Fixstern zu
einer anderen Zeit nicht mehr deutlich gesehen oder dafs an einer
früher leeren Stelle zu einer anderen Zeit ein Fixstern deutlich wahr-
genommen wird. Es bedarf also jedenfalls auch des Nachweises der
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erheblichen OHsveränderung eines solchen Lichtpunktes gegen dio
benachbarten Fixsterne, um eine Planeten-Entdeckung zu konstatiren.
In g^z derselben Weise wie die Entdeckung der Ceres glückten
in den folgenden sechs Jahren noch die Entdeckungen von drei an-
deren ebenso kleinen, ebenfalls fixstemartig erscheinenden Planeten,
nämlich der Pallas, Juno und Vesta, deren Bahnen ebenfalls zwischen
der Mars- und Jupiter-Bahn liegen. Dann aber gab es in diesen
Entdeckungen eine lange Pause, welche erst durch Henoke beendet
wurde.
Diese Pause erscheint gegenwärtig, wo wir wissen, dafs sich
zwischen der Mare- und der Jupiter-Bahn mindestens mehrere Hun-
derte von solchen kleinen Planeten bewegen, auf den ersten Blick
schwer erklärlich. Man sollte meinen, dafs dieselben Prozesse der
weitergehenden Aufzeichnung von Fixsternen nach Lage und Hellig-
keit und der fortwährenden Vergleichung solcher Aufzeichnungen mit
dem Himmel einen stetigen Fortgang jener Entdeckungen ermöglicht
haben müfsten, wenn sich die Astronomen eben nur so ausdauernd,
wie es später durch Hencke und seine Nachfolger geschah, darum
bemüht hätten.
Näher besehen liegt die Sache aber wesentlich anders. Die vier
Planeten, welche zu Anfang dieses Jahrhunderts entdeckt wurden,
sind die bei weitem gröfsten und hellsten der ganzen Gruppe, und
ihre Helligkeit steht derjenigen der schwächsten, mit blofsem Auge
eben noch erkennbaren Fixsterne durchschnittlich nur um eine bis
anderthalb solcher Oröfsen oder Helligkeitsstufen nach, deren fünf
zwischen dem Lichte jener Sterne und dem Lichte der Sterne erster
Gröfse enthalten sind. Mit andern Worten, die vier im Anfänge dieses
Jahrhunderts entdeckten Planeten gleichen durchschnittlich in ihrer
Helligkeit und ihrem Aussehen den Fixsternen 7. bis 8. Gröfse.
Diese Planeten konnten also mit einer gewissen Sicherheit und
Einfachheit des Verfahrens gefunden werden, sobald eine gehörige
Vollständigkeit in der Messung und Aufzeichnung der Oerter und
Helligkeiten derjenigen Fixsterne vorlag, welche nicht lichtsohwächer
als von der 7. bis 8. Gröfse waren, und hierfür waren zu Anfänge dieses
Jahrhunderts wenigstens auf denjenigen Himmelsflächen, welche bei
der Aufsuchung der Planeten wesentlich in Frage kommen, ziemlich
ausreichende Grundlagen vorhanden.
Die Fernröhre, welche bei derartigen Aufsuchungen damals
zur Anwendung kamen, nämlich verhältnifsmäfsig kleine Fernröhre
von grofsem Gesichtsfelde, reichten eben noch aus, die Sterne von der
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achten Oröfae sogar bei weniger günstigem Luftzustamle mit aller
Sicherheit und Stetigkeit zu erkennen, während sie noch nicht mit
derselben Sicherheit bis zu denjenigen lichtschwächeren (irütsenklasseu
reichten, denen die anderen, viel später entdeckten Planeten derselben
Omppe angehören.
Die Hauptschwierigkeit aber, welche sich der Aufßndung dieser
lichtschwächoren Planeten damals entgegenstellte, war die Unvollstän-
digkeit der Kenntnifs des vorhandenen festen Bestandes an ebenso
lichtschwachen Fixsternen, also an Fixsternen von mehr als 8. und
9. Gröfse.
Es galt also jetzt zunächst, diese festen Bestände mittels ausdau-
ernder Messungen aufzunehmen und dieselben alsdann in Karten ein-
zuordnen. Hierzu aber waren mehrere Jahrzehnte organisirter astro-
nomischer Arbeit erforderlich. An die Spitze dieser Organisation
stellte sich damals die Berliner Akademie der Wissenschaften, und die
Messungsarbeiten selber wurden überwiegend von dem grofsen Astro-
nomen Bessel in Königsberg ausgefuhrt.
Aus diesen Messungen und denjenigen einiger früherer Beo-
bachter, insbesondere auch des französischen Astronomen Lalande
und seiner Mitarbeiter, die noch im 18. Jahrhundert auf der Stern-
warte der ^kjole railitaire zu Paris eifrige Aufnahmen des Bestandes
an Fixsternen bis nahezu zur 9. Gröfse ausgeführt hatten, gingen
die Berliner Akademischen Sternkarten hervor.
Man hatte gehofft, dafs schon bei der Anfertigung dieser Karten,
bei welcher häufige Vergleichungen derselben mit dem Himmel statt-
fanden, sich die Entdeckung lichtschwächerer Planeten, etwa von der
Helligkeit der Stemo 8. oder 9. Gröfse, als ein Nebenresultat dieser
Fixstem-lnventarisirung ergeben werde. Als diese Erwartung sich
nicht erfüllte, war man in faclimännischen Kreisen geneigt anzunehmen,
dafs keine Planeten dieser Art mehr vorhanden seien, oder dafs die
noch vorhandenen viel lichtschwächer seien, dafs daher noch viele
Jahrzehnte weiterer Aufzeichnungen von viel lichtschwächeren Sternen
erforderlich sein würden, um weitere Planeten-Entdeckungen zu machen.
Zwar liefs man sich hierdurch keineswegs entmuthigen, die An-
fertigung jener akademischer Sternkarten fortzusetzen und zu vervoll-
ständigen, denn diese Karten sollten nicht blos für die Nachforschung
nach Planeten, sondern auch für die Festlegung des damaligen Befundes
der Oerter und der Helligkeiten einer grofsen Zahl von Fixsternen
dienen, welche ihrerseits als feste Anhaltspunkte bei der Ortsbestim-
mung der beweglichen Himmelskörper, also der bereits bekannten
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Planeten und der zalilreichen Kometen von Wichtigkeit waren. Aber
es lag doch die Gefahr einer Stockung dieses ganzen Zweiges astro-
nomischer Arbeit und der andauernden Geltung eines ganz irrigen
Eindruckes nahe, wenn nicht in diesem Zeitpunkte unser mit ruhe-
losem Eifer am Himmel forschender Poslsekretiir a. D. eingegriffen liätte.
Mit Hülfe seines trefflichen Fraunhoferschen Fernrohres, dessen
Lichtstärke diejenige der entsprechenden kleinen Fernrohre vom Ende
des 18. und Anfänge des 19. Jahrhunderts bedeutend übertraf, hatte
er unter Benutzung der vorhandenen Sternkarten sich selber aufser-
ordentlich vollständige Karten von weiten Himmelsflächon hergestcllt,
und der glühende Eifer, mit welchem er dieselben immer und immer
w'icder mit dem Himmel verglich, scheint alles übertroffen zu haben,
was bis dahin diesem einzelnen Forschungszweige gewidmet worden
tvar. Sicherlich war die aufopfernde Hingebung vieler Astronomen
an ihre Forschungsarbeiten auch zu HenckesZeit nicht geringer als
die seine, aber die specielle Virtuosität und die Theilung der Arbeit
war auf diesem Gebiete noch nicht so entwickelt, wie späterhin, und
Hencke konnte sich damals in seiner Lebensstille ganz und gar auf
dieselbe koncentriren. So geschah es, dafs eines Tages der grofsen
astronomischen Welt aus dem kleinen Dachkämmerchen in Driesen
ein Licht aufging.
An einer Stelle des Himmels, welche in Henckos Karten sorg-
fältig verzeichnet, aufserdem auch in einer der besten der Berliner
akademischen Karten aufgenomraen war, sah Hencke am 8. Dezem-
ber 1845 zum ersten Male ein Sternchen, welches etwas schwächer
als 9. Gröfse und in keiner der Karten verzeichnet war. Die noch
offen bleibende Möglichkeit, dafs dies ein Fixstern von veränderlichem
Lichte war, der früherhin zu lichtschwach gewesen, um deutlich er-
kennbar zu sein, glaubte Hencke ausschliefsen zu können, weil er
dieselbe Gegend des Himmels Jahre lang so oft mit seiner Karte ver-
glichen habe, dafs, wenigstens bei periodischer Veränderlichkeit
des Lichtes eines an dieser Stelle stehenden Fixsterns, derselbe irgend
einmal ebenso deutlich wie am 8. Dezember hätte sichtbar sein müssen.
Hencke sandte also nach Berlin an die Vossische Zeitung eine
Nachricht über seine Entdeckung. Der Abdruck derselben erfolgte
sofort in der Nummer vom 13. Dezember. Schon am folgenden Tage
wurde auf der Berliner Sternwarte durch Encke festgestellt, dafs das
Sternchen seit dem 8. Dezember seinen Ort unter den Fixsternen
erheblich verändert und sich dadurch wirklich als ein neuer Planet
erwiesen hatte. Die Nachricht hiervon sandte Encke sofort an
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Henoke in einem Briefe, welcher mit den Worten beg^nt; „Mit der
gröfsten Freude und dem herzlichsten Glückwünsche kann ich Ihnen
melden u. s. w.“
Und nun häufte sich Dank und Anerkennung von allen Seiten
auf den schlichten Mann: Die grofse goldene Medaille für W’issenschafl
von König Friedrich Wilhelm IV., zum Ordensfeste 1846 der rothe
Adler-Orden IV. Kl., unter Vermittelung von Encke und Humboldt
im März 1846 eine Jahresrente von 300 Thlr., welche Hencke nach seinen
sonstigen Verhältnissen und Ansprüchen damals sorgenfrei machte, um
dieselbe Zeit die grofse Medaille für Wissenschaft vom König von
Dänemark, einige Zeit nachher die Ernennung zum Elhrendoktor der
Philosophie von Seiten der philosophischen Fakultät der Universität
zu Bonn, vermittelt durch den hochverdienten Fachgenossen Ar ge-
lander, sodann Preise und Ehrenmitgliedschaften aus Paris und
London u. s. w.
Wahrhaft herzbewegend war für Hencke, wie man aus seinen
eigenen Aufzeichnungen sieht, der aufserordentlich warme und wahr-
haft brüderliche Ton, mit welchem ihn die Argeiander, Encke
u. 5. w'. beglückwünschten und besonders auch die Begeisterung, mit
welcher ihn Alexander von Humboldt schriftlich und mündlich
anredete. Für diesen treuen Förderer der wissenschaftlichen Kultur
seines Heimathlandes hatte diese Entdeckung, welche gewissormafsen
dem märkischen Sande entsprofs und dem hochstrebenden Volksgeiste
zu danken war, etwas wahrhaft Entzückendes.
Ich erwähne diese Einzelheiten hauptsächlich deshalb, weil in
einigen früheren Schilderungen von Henckes Entdeckung die Sache
so dargestellt ist, als ob die Männer der Wissenschaft dieselbe mit
blödem Unglauben und schnöder Verkleinerungssucht aufgenommen
hätten, etwa weil sie zu ihren Voraussagungen in Widerspruch trat,
oder aus anderen Arten von Kleinsinn. Es ist möglich, dafs es auch
Aeufserungen dieser Art von wissenschaftlicher Seite damals gegeben
hat; doch dient es nur der Verhetzung, wenn man dieselben über-
mäfsig hervorhebt und ihnen mehr Bedeutung zuschreibt als sie in der
Wissenschaft gehabt haben können.
An die Benennung des neuen Planeten, um welche Encke von
dem Entdecker ersucht wurde, knüpften sich für den letzteren auch
noch mannigfache Korrespondenzen. Begeisterte Preufsen schlugen den
Namen Friedrich Wilhelm vor u. s. w. Schliefslich wurde der Name
Astraea gewählt.
Hencke liefs sich, wie man aus seinen Brief - Entwürfen und
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sonstigen Aufzeichnungen sieht, von allen den Ehren und Anerken-
nungen in keiner Weise beirren. Er arbeitete eifrig weiter und konnte
schon am 1. Juli 1847 die Entdeckung eines zweiten Planeten ver-
künden, welcher den Namen Hebe empfing und ihm neue Ordensaus-
zeichnungen und Anerkennungen, unter letzteren auch einen sehr herz-
lichen Brief von Qaufs einbrachte. Dies war das Endo seiner selbst-
ständigen Entdeckungen. Wenige Wochen nachher, im August 1847,
begann der englische Astronom Hind in London mit viel stärkeren
optischen Mitteln die grofse Reihe jener schnell aufeinander folgenden
virtuosen Entdeckungen der zwischen der Mars- und der Jupiter-Bahn
die Sonne umkreisenden kleinen Planeten zu eröffnen, welche gegen-
wärtig noch fortgehen und jetzt die Anzahl der uns bekannten Planeten
dieser Gruppe bis auf 293 (die letztgefundenen immer kleiner und
lichtschwiicher bis zur 12. Grüfse) gebracht haben. Es ist aber ganz klar,
dafs Henckes Ausdauer und Henckes Erfolg die Bahn hierfür ge-
brochen hatte. Und obgleich man jeder einzelnen dieser massenhaften
Entdeckungen selbstverständlich auch nicht entfernt mehr den Werth
beilegt und die Aufmerksamkeit erweist, wie der Entdeckung der
Astraea und der Hebe, so hat doch die Gesamtheit dieser Vervoll-
ständigungen der Kenntnifs unseres Planeten-Systems nach vielen Seiten
hin eine sehr grofse wissenschaftliche Bedeutung, deren Erörterung aber
an dieser Stelle zu weit führen würde.
Hencke hätte gegenüber den viel gröfseren optischen Mitteln
und den spezialistischen Methoden und Einrichtungen, mit welchen
jetzt zahlreiche Astronomen von Fach seine Entdeckungen weiter
\ führten und vervielfältigten, resignirt znrücktreten können. Er blieb
aber fast bis ans Ende seines Lebens mit der Anfertigung von Stern-
karten und der Vergleichung der Himmelsfiächen mit denselben be-
sebäftigL Wiederholt fand er dabei auch noch Planeten und auch
Fixsterne von veränderlichem Lichte, aber es waren jetzt zu viele
Astronomen, gerade auf Grund seiner Erfolge, auf demselben Felde
thätig, so dafs er nirgends mehr die Priorität einer Entdeckung errang.
Er trug dies mit Gelassenheit in dem Bewufstsein, dafs seine, unab-
lässig von ihm vervollständigten Sternkarten doch für alle Zukunft
einen ansehnlichen Werth behalten würden. In der That wurden die-
selben nach seinem Tode von der hiesigen Akademie der Wissenschaft
angekauft für einen Preis, der zwar nicht entfernt der darauf ver-
wendeten rastlosen Mühwaltung entspricht, aber die historische und
sachliche Bedeutung jener Karten, soweit sich eine solche überhaupt
in Geld angeben läfst, vollkommen anerkennt.
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Dr. Hencke war, als ich ihn 8 Jahre nach der Entdeckung der
Hebe auf der Berliner Sternwarte in seinem 62. Jahre kennen lernte, ein
noch recht rüstiger Mann von höchst lebhaftem Geiste und Tempera-
mente. Er war zweifellos ein durchaus eigenartiger Denker von völlig
unabhängiger, fast radikaler Art.
Xeben der Astronomie interessirte ihn besonders die Musik und
ihre Theorie, welche er mitunter in anziehender Art in seine kosmo-
logisohen Ansichten verflocht, an die alten philosophischen Ilarmoniker
erinnernd. Dem jüngeren Fachgenossen warf er es einst am Ende
einer längeren Verhandlung über religiös- philosophische Fragen mit
einer gewissen Schärfe vor, dafs er weniger radikal sei, als er, der
alte Mann. Sonst sei das doch meist umgekehrt, die Jugend sei sonst
im allgemeinen radikal, das Alter vorsöhnungs- und milderungs-
bedürftig.
Seine Grundstiramung in allgemeinen weltbewegenden Fragen
stammte noch aus einer weiter zurückliegenden Zeit, seiner Jugendzeit,
in welcher der wissenschaftliche Idealismus, der ihn erfüllte, offenbar
in seiner näheren und weiteren Umgebung, ja in der offiziellen Welt
seines Landes unterschätzt und an vielen Stellen sogar als ein feind-
liches und gefährliches Element betrachtet wurde. Daher der ener-
gische Radikalismus seiner Weltanschauung, welche ihre allgemeinere
Berechtigung in jener früheren Zeit erst noch zu erkämpfen hatte.
Jenes Gespräch mit dem jüngeren Fachgenossen fand aber in
einem Zeitpunkte statt, in welchem die naturwissenschaftlich - mate-
rialistische Richtung schon längst zur Offensive und sogar zu Ueber-
treibungen übergegangen war, gegen welche sich der grofsmüthige,
begeisterungsbedürftige Sinn jeder gesunden Jugend auilehnt
Auch gegenwärtig kann man ja wieder manche ähnliche Stimmungs-
verschiedenheiten zwischen Alter und Jugend in allgemeineren Fragen
wahrnehmen. Man soll die Jugend darum nicht schelten und ja nicht
glauben, dafs sie deshalb geistig niedriger stehe. Dergleichen wechselt
oft schnell, und man könnte dies zu grofsor Enttäuschung erfahren,
wenn jemals die Grundlagen des idealen Rechts- und Wahrheits-Sinnes,
der auch in der patriotisch befriedigten Mehrheit der jetzigen gebildeten
Jugend lebt, in Frage gestellt werden sollten.
Noch ein Wort über die Zukunft ähnlicher Bestrebungen, wie
diejenigen waren, die Dr. Henckes ganzes Leben erfüllten und ver-
schönten. Der Mitwirkung solcher Helfer wird die wissenschaftliche
Forschung in der Folge, wenn auch in veränderter Form, erst recht
bedürfen; denn zumal in der Astronomie ist die Fülle der Aufgaben
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welche durch sehr schlichte Messungen, ja schon durch gewissenhafte
Zählungen und ähnliche sehr einfache Operationen zu lösen oder zu
fördern sind, und welche zugleich durch die Weite und Gröfse
ihrer Ausblicke auch die schlichtesten Mitarbeiter innerlich adeln und
belohnen, in mächtigem Wachsthum begriffen. In mancher Hinsicht
werden diese Mitarbeiter es bequemer haben, als unser Hencke es
bei seinem anhaltenden Nachtwachen am Dachfenster hatte. Sind erst
viele Millionen von immer lichtschwächeren Sternen auf Tausenden
von photographischen Platten aufgezeichnet, so wird es einer grofsen
Schaar von Helfern aus allen Lebenskreisen bedürfen, die nicht blos
zur Nachtzeit, sondern auch zu beliebigen Tageszeiten in diesem grofsen
Buche der Himmelswelt lesen helfen und dann auch an dem Frnh-
gefühl theil nehmen werden, mit welchem wir allmählich reiche Schätze
von Ergebnissen und Entdeckungen aus diesem Buche ablesen lernen.
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Beobachtungsresultate über die totalen Sonnenfinsternisse
am 1. Januar und 22. Dezember 1889.
Im ersten Jahrgange unserer Zeitsclirift (S. 378) haben wir schon
darauf hingewiosen, mit welch regem Interesse die Phänomene der
grofsen, namentlich in Califomien sichtbar gewesenen Sonnenfinstemifs
vom 1. Januar 1889 durch zahlreiche astronomische Kxpedilionen
verfolgt worden sind. Es liegt uns jetzt ein Bericht vor, welcher
jene Beobachtungen und gewonnenen Resultate zusammenfafst, welche
speziell durch die Betheiligung des Lick -Observatoriums und der
Pacific Coast Amateur Photographie Association erlangt worden sind.')
Die Beobachtungen auf dem Observatorium selbst beschränkten sich,
da die Finstemifs dort nicht total war, auf Arbeiten mit dem Pho-
toheliographen und Contaetnotirungen. Dafür hatte das Observato-
rium zu Barlett - Springs in der Totalitätszone eine Feldstation er-
richtet, an welcher die Astronomen der Sternwarte, nämlich Keeler
die spektroskopischen, Barnard die photographischen, Leuschner
die photometrischen und Hill die Contact-Beobachtungen ausfdhrten.
Die von zahlreichen Mitgliedern der Photographie .\ssociation unter-
nommene Expedition nach Cloverdale (Sonora County, Califomien)
stand unter der Leitung von Ch. Burckhalter; die von ihr
erhaltenen Negative sind in dem Berichte mit Bemerkungen von
Keeler begleitet. Ferner sind dem Lick-Observatorium von Seiten
anderer Astronomen sowie von einem bedeutenden Kreise frei-
williger Beobachter eine Menge Notirungen über Ausdehnung und
Slructur der Corona, Beobachtung der Polarstrahlen, der Temperatur
und des Barometerstandes, Zeichnungen der äufseren Corona u. s. w.,
im ganzen etwa 60 Berichte, aus verschiedenen Beobachtungs-
orten (Cloverdale, Ukiah, Winncmucca, Nelson, Liegan, Kibesillah,
Hopland, Chico, Berkeley) zugegangen. Etwa 154 Beobachter, dar-
') Hcpoi'ta on the observations of the total eclipae of the aun of Jan. I
1839, publialied by tho Lick Obsorvatory. Sacramento, 1889.
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477
unter 13 Damen, haben an der wissenschaftlichen Beobachtung der
Finstemifs (soweit dies zur Kenntnifs der Liok-Stemwarte gelangt ist,
also ohne die Beiheiligung der Expeditionen anderer Sternwarten, nach
den erst zu erwartenden Spozialberichten) mitgewirkt.
Die Corona der Finstemifs zeigte 4 sehr bomorkenswcrthe Aus-
läufer, 2 auf der westlichen, 2 auf der östlichen Seite der Sonne;
besonders die beiden letzteren waren sehr ausgedehnt. Der Typus der
Corona war derselbe wie bei den Fin.sternissen von 1867, 1878 und
1880, und es scheint die Corona-Form mit der Sonnenfleckenperiode
in einer Beziehung zu stehen. Keeler schliefst aus seinen spektro-
skopischen Beobachtungen, dafs die Corona hauptsächlich aus reflek-
tirtem Lichte bestehe und zwar durch Reflexion von Meteoriten
hervorgebracht werde; in der Nähe der Sonne selbst mögen
jene Partikel meist selbstleuchtend sein; die Ausdehnung der Gas-
atmosphäre sei jedenfalls nicht allzu bedeutend. Auch nach Holden
deutet die verzweigte Form der äufseron Corona auf die Gegenwart
von Meteoriten in der Nähe der Sonne; aus der Lage der Corona-
ausläufer nahe und längs der Ekliptik würde dann zu schliefsen sein,
dafs die Meteoritenschwärme einen integrirenden Theil unseres Sonnen-
systems bilden. Die Beobachtungen zeigen ferner, dafs die sogenannten
Polarstrahlon nicht blos am nördlichen und südlichen Sonnenrande,
sondern in allen Sonnen-Breiten Vorkommen, an den Polen aber besser
wahrgenommen werden können, weil sie sich hier auf den Himmel
schärfer projiziren. Die photographischen Aufnahmen (vor dem 2.
und nach dem 3. Contakte) sichern der Corona ihren reellen Bestand
zu und sprechen gegen die Annahme, welche die Coronaforra blos als
Diffraktionserscheinung auffassen möchte. Beim Photographiren der
Sonne legt Barnard das Hauptgewicht auf die richtige Entwickelung
der Platten und macht Vorschläge hierüber. Die Versuche, die Corona
bei vollem Sonnenschein zu photographiren, werden von Holden als
unpraktisch bezeichnet; photographische Experimente zum Aufsuchen
eines etwaigen intramcrkuriellen Planeten seien lioffnungslos. — Die
Dauer der Totalität betrug nach den Hi 1 Ischen Contaktbeobachlungon
zu Barlctt-Springs 1 Minute 66.8 Sekunden. Die Messung der Licht-
intensität mittelst der Brashear Photometer ergab für die Verhältnisse
dieser Intensitäten folgende photometrische Einheiten: Totalitätslicht-
stärke 1.39, Helligkeit der Corona 1.08, dos Himmelsliohtes 0.31.
Die Contralitälszone der zweiten in Rede stehenden Finstemifs vom
22. Dezember 1889 lag längs der Küste von Guyana, strich über den
atlantischen Ozean und erreichte nach Mittag das westafrikanischo Ge-
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478
stade nächst den portugiesischen Gebieten von Loanda. Die Londoner
astronomische Gesellschaft besetzte vorsichtigerweise sowohl den ame-
rikanischen, wie den afrikanischen Zweig der Totalitätszone mit Expe-
ditionen. Taylor übernahm die Leitung der afrikanischen, Pater Perry
die der westindischen. Taylor war mit einem Photoheliog^apben, sowie
namentlich mit photographischen Apparaten sehr gut ausgerüstet und
schlug seine Station in der Nähe des Kap Ledo auf. Er hatte indessen
vollständigen Mifserfolg. Das Wetter war so ungünstig, dafs bei fort-
währenden Regenschauern und Wolken kaum die Zeit des ersten
Contaktes der Finstemifs wahrgenommen w’erden konnte. Es erhielt
kein einziges Instrument irgend welche Aufnahmen. Am 27. Dezember
kehrte Taylor nach Loanda, am 20. Februar nach Liverpool zurück.
Gleichfalls in der Nähe des Kap Ledo stationirte eine vom Navy De-
UmrUs der Sonneneorona
am 1. Januar 1889; am aa. Dezember 1889.
partment der Vereinigten Staaten ausgerüstete, unter den Befehlen von
Todd und Bigelow stehende Expedition. Es wurden unter den sehr
ungünstigen Wetterverhältnissen doch 110 Bilder, meist zwischen dem
1. und 4. Contakte, in einigen klaren Momenten erlangt etwa 30
zwischen dem 1. und 2. Contakte. Die Totalität gpng ganz verloren.
Auf dem Expeditionsschiffe „Pensacola“ erhielt man einige Beob-
achtungen des 2. und 3. Contaktes.
Während so die Finstemifs in Afrika für die Wissenschaft kein
Ergebnifs hatte, scheinen die Erfolge der Beobachtungen an der Nord-
küste Südamerikas im ganzen weit bessere gewesen zu sein. Zu-
nächst hatte die unter Pater Perry stehende englische Expedition auf
den Salutinseln günstige Resultate zu verzeiclmen. Die photographi-
schen Aufnahmen, die Rooney nach England zurüokgebracht hat, er-
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479
wiesen sich befriedigend; nach Wesley zeigen sie die Corona der
Finsternifs der Hauptsache nach in derselben Form, wie die Corona sie
bei der vorhergegangenen totalen Sonnonlinsternifs am 1. Januar 1889
aufgewiesen hat. Der Schlufs, dafs die Geslaltsänderungen der Corona
nur sehr langsam vor sich gehen und an grüfsere Perioden geknüpft
sind, gewinnt hierdurch wiederum an Stütze. Leider hatte die englische
Expedition auch einen schweren Verlust zu beklagen: ihr eifriger
Führer, Pater Perry, verstarb wenige Tage nach der Finsternifs, am
27. Dezember, an Dysenterie. — De Baume-Pluvinel beobachtete
ebenfalls auf der Gruppe der Salutinseln und erhielt gute Photographien;
die Photographien des Spektrums fielen schwach aus. . Die Totalität
konnte nur zu Anfang beobachtet werden. — Fünfzig Kilometer süd-
lich, bei Cayenne, hatte sich die vom Lick-Observatorium unternommene,
von Gönnern mit Geldmitteln unterstützte Expedition festgesetzt. Ob-
wohl die Beobachtungen mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, sind die
Aufnahmen im ganzen befriedigend ausgefallen.*) — Von der von Mifs
Brown und Mifs Jefferies nach Trinidad gemachten Beobachtungs-
reise sind Ergebnisse bis zum Schlufs dieses Blattes noch nicht be-
kannt gewortlen. *
Zwei neue Theorien der Sonnencorona.
Die Gestalt der Sonnencorona ist neuerdings von Prof. Bige-
low*) mathematisch untersucht worden unter der Voraussetzung, dafs
die Anordnung der Corona-Materie bedingt ist durch statisch elek-
trische Kraftwirkungen, welche vom Soimenkörper ausgehon, und dafs
die einzelnen Coronastrahlen die Kraftlinien der elektrischen Ferne-
wirkung darstellen. Eine Concentration der freien Elektrizitäten an bei-
den Sonnenpolen würde an diesen Stellen vertikale Kraftlinien erzeu-
gen, die sich dann nach beiden Seiten krümmen und sohliefslich in
einem gewissen Abstand vom Centrum über der äquatorialen Zone
zusammenfliefsen. Andere Kraftlinien, welche von Punkten geringerer
hcliographischer Breite ausgehen, würden niedrigeren Werthen des elek-
trischen Potentials entsprechen, und sich schon in geringeren Abstän-
den vom Sonnencentrum über dem Acquator mit den von der anderen
') Unsere Abbildung zeigt den Umrifs der Corona vom 1. Januar und
22. Dozember ISSti, wobei als Vorlage die vortretflichen, uns freundlichst zur
Verfügung gestelllon Photographien der Lick-Stomwarto gedient haben.
The Solar Corona, discussed by spherical harraonics; published by tho
Smitlisonian Institution. 'Washington 1859.
Uimmsl und Erdr. ISW. II. lU 32
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480
Halbkugel kommenden Linien vereinigen. Unsere Figur stellt diesen
Verlauf der Kraftlinien in einem Meridiansohnitte anschaulich dar.
Von diesem Gesichtspunkte aus lallt jedenfalls auf die bisher
völlig räthselhafte Gestalt der Sonnencorona ein neues Licht. Ein Blick
auf unsere früher (S. 31 vorliegenden Jahrgangs und S. 601 des ersten
Jahrgangs) wiodergegebenen Abbildungen der Corona, sowie auf die
schematischen Darstellungon von S. 478 zeigt sowohl die gerade auf-
gerichteten, wie auch die rechts und links sich zur Seite neigenden Strah-
len der Polargegend aufs deutlichste. Nach Bigelow werden in diesen
Strahlen die leichtesten Substanzen, wie Wasserstoff, meteorischer Staub,
zurückgebliebene Eometenbestandtheile und andere Stoffe von der
Sonne durch elektrische Abstofsung fortgeführt, wobei sie bald in-
folge der Zerstreuung auf einen gröfseren Raum unsichtbar werden.
Die starken viereckigen Strahlen, die sich seitlich von den Polen be-
sonders während der Perioden gesteigerter Sonnenthätigkeit zeigen,
werden durch Kraftlinien erzeugt, welche geringeren Werthen des
elektrischen Potentials entsprechen und die langen äquatorealen Flügel,
die man zur Zeit der Fleckenminima sieht, sind auf die Vereinigung
der Kraftlinien über der äquatorealen Zone zurückzuführen.
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481
Diese neue Anschauungrsweise über die Gestaltung der Sonnen-
corona ist jedenfalls äufserst bemerkenswerth und giebt uns eine
Richtschnur für künftige Beobachtungen und Untersuchungen; mög-
licherweise wird sie, wie Prof. Langley betont, der Schlüssel werden
zur völligen Erklärung des so räthselhaften Coronaphänomens.
Fast gleichzeitig mit dem eben kurz angedeuteten und viel ver-
sprechenden Erklärungsversuche des Coronaphänomens durch Bigelow,
hat auch Prof. Schaeberle, Astronom der Lickstornwarto, eine „me-
chanische Theorie der Sonnencorona“ ausgesprochen, über die sich
zunächst in No. 7 der Publikationen der Astr. Soc. of the Pacific ein
kurzes Referat findet Schaeberles Auffassung ist zwar insofern
der oben dargelegten ähnlich, als auch sie die Corona durch ma-
terielle, von der Sonne ausgehende und abgestofsene Theilchen er-
zeugt werden läfst, indessen gehen im übrigen die beiden Ansichten
erheblich auseinander. Die die Coronastoffe beeinflussenden Kräfte
sollen nach Schaeberle überall im allgemeinen senkrecht zur Sonnen-
oberiläcbe stehen und am stärksten nabe den Centren der beiden
Fleckenzonen wirken. Auf solche Weise komme die vierstrahlig^e
Stemform der Corona zu stände, indem über den Fleokenzonen die
Strahlen am weitesten sich ausdehnen. Durch die Rotaüon der Sonne
würden die ursprünglich senkrecht gegen die Oberfläche stehenden
Stuffströme eine Krümmung und Neigung erfahren, da die Winkel-
geschwindigkeit der Theilchen um so geringer werden mufs, je höher
sie gelangen. Die Variationen im Typus der Sonnencorona lassen
sich nun nach Schaeberle sehr einfach durch die Neigung der
Sonnenaxe gegen die Ekliptik erklären, die ja bewirkt, dafs wir uns
bald in der Ebene des Sonnenacquators, bald oberhalb oder unterhalb
derselben befinden. An der Hand eines Modells, bei welchem die
Coronaströme durch Nadeln dargestellt wurden, die in zwei Zonen von
+ 30“ Breite befestigt waren, gelang es Herrn Sohaeb erle, die ver-
schiedensten typischen Coronagostalten zu erzeugen, indem er den
Schatten betrachtete, den dieses Modell, in ein Bündel paralleler Licht-
strahlen gehalten, warf.
Der kritische Vergleich dieser beiden neuen Coronatheorien bleibe
den Lesern überlassen, eine jode scheint dem Referenten originelle
und zutreffende Gedanken zu enthalten und man wird vielleicht der
Wahrheit am nächsten kommen, wenn man die Erklärung Bigelows
zu Grunde legt und dieselbe durch Berücksichtigung der von Schae-
berle hervorgehobenon Momente ergänzend vervollkommnet
Dr. F. Ko erber.
32*
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482
Photographische Helligkeitsbestiminungen der Sterne.
Ueber die Anwendung der Hünmelsphotographie zu Helligkoits-
messungen der Sterne sind bereits seit längerer Zeit von verschiede-
nen Seiten Vorstudien gemacht worden. Kstchdem Dr. Scheinen
sehr werihvolle Untersuchungen über diese Frage bereits früher ver-
öffentlicht hat, behandelt denselben Gegenstand auch eine vor kurzem
von der „Astronomischen Gesellschaft“ publioirto Abhandlung des
Dr. Charlier in Stockholm. Dieselbe hat in den Veröffent-
lichungen der „Astronomical Society of the Pacific“ durch Professor
Edward S. Holden eine Besprechung erfahren, die zur Erörte-
rung wichtiger prinoipieller Fragen Anlafs geben wird, bevor man
definitive, für alle Sternwarten verbindliche Beschlüsse in be-
treff der bei der grofsen Himmelsaufnahme anzuwendenden photo-
metrischen Methoden fassen kann. Während nämlich Charlier das
Problem der photographischen Photometrie in dem Sinne auffafst, dafs
es nöthig sei, erstens die funktionale Beziehung zu ermitteln zwischen
dem Aussehen des photographischen Bildes und der photographischen
Helligkeit eines Sterns, und zweitens die Constanten dieser Funktion
derart zu bestimmen, dafs die auf photographischem Wege bestimmten
Sterngröfsen möglichst genau mit den durch das Auge gewonnenen
Ilelligkeitsbestimmungen in Einklang kommen, ist Prof Holden sehr
abweichender Meinung, insofern er nämlich mit vollem Recht die Er-
füllung der zweiten, oben ausgesprochenen Forderung wegen der so
mannigfach verschiedenen Beschaffenheit der Sternspoctra für unmöglich
erklärt. Das Auge empfindet besonders die im Spectrum zwischen
den Linien B und G gelegenen Farben, während der Eindruck auf
der photographischen Platte von dem Reichthum an Strahlen zwischen
den Linien F und N abhängig ist. So kommt es denn, dafs die
photographischen und optischen Grüfsen eines Sterns nicht selten um
zwei volle Klassen differiren. Die Kenntnifs der photographischen
Helligkeit ist aber nicht minder wichtig und nutzbringend, als die der
optischen Leuchtkraft und es mufs nach Holden mit grofsem Nachdruck
die Notli Wendigkeit betont werden, die photographische Photometrie
von der optischen völlig getrennt zu erhalten und nicht durch eine
möglichst genaue Anpassung an die letztere den unschätzbaren photo-
metrischen Schatz zu vergeuden, welchen die vielen Millionen von
photographischen Stornscheibchen in sich schlicfsen, die sich bei dem
gemeinsamen Riesenwerke der Himmelsphotographie in den nächsten
Jahren auf der photographischen Platte abbilden werden. Wenn man
in künftigen Sternkatalogen neben der optischen Gröfsenklasse auch
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483
die photographische Helligkeit jedes Sternes angegeben finden wird,
dann wird man vielfach schon aus dem blofsen Unterschiede dieser
beiden Zahlen einen Sohlufs ziehen können auf den Typus des Stern-
spectrums.
Aufser Charlier haben auch Schaeberle*) und Schoiner*)
neuerdings Beiträge zur Woiteroniwiokelung der photographischen
Photometrio geliefert, doch wollen wir uns einen zusamraenfassenden
Bericht über die Erfolge dieses jungen Wissenszweiges bis zum Ab-
schlufs noch weiterer im Gange begriffener Untersuchungen auf-
sparen. Nur eine Bemerkung Dr. Soheiners, die mit den oben
wiedergegebenen Ausführungen Holdens im Zusammenhang steht,
möge hier mitgethoilt werden; Da die Bilder der Sterne vom 2. und
3. Spectraltypus auf photograpliischen Aufnahmen unverhältnifsmäfsig
klein ausfallen, so wird man auf Grund photographisch bestimmter
Stemgröfsen füglich keine Untersuchungen über die Entfernung und
Vortheilung der Sterne ausführen dürfen. Denn da die gelben und
rothen Sterne ein Drittheil der gesamten Sternenzahl ausmachen, so
würden die aus Stomphotogranimen abgeleiteten Beziehungen zwischen
Helligkeit und Parallaxe in beträchtlichem Mafse ungleichartig werden.
F. Kbr.
Eine Katastrophe bei Kanzorik in Armenien.
Ein folgenschweres Naturereignifs erzählen die Nachrichten der
Kais. Russischen Geographischen Gesellschaft in ihrem 25. Bande,
5. Uef. 1889.
Im August des vorigen Jahres wurden die Bewohner des armeni-
schen Dorfes Kanzorik bei Ersorum im Bezirke Tortum zur Mittagszeit
durch ein heftiges unterirdisches Brausen und Krachen in Schrecken
versetzt Der nach Osten hin gelegene Berg hüllte sich in gewaltige
Staubmassen; man sah, wie er in mehrfachem Sturze in sich zusammen-
brach, und wie gleich darauf eine ungeheure Pluth zähen, stinkenden
Mergelsohlammes, riesige Felsblöcke mit sich wälzend, in das Thal
hinab auf das Dorf zu stürzte und dasselbe mit 136 Menschen unter
sich begrub. Ueber eine Strecke von 8.6 Kilometern in der IJinge
und bis zu 300 Meter breit hatte sich der verheerende Strom ergossen,
che er zum Erstarren kam. Die blasige Oberfläche zeigt wellen-
förmige Erhebungen bis zu 10 Meter Höhe; die Masse des nieder-
*) Publ, of the Astr. Soc. of the Pacific; Nr. 4. •) Astr. Nachr. Nr. 3969.
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484
gestürzten blaugrauen Mergels schätzte man auf SO Millionen cbm.
Beim Einsturz des Berges versiegten gleichzeitig dessen Quellen,
welche sich bei näherer Untersuchung als die wahrscheinlichen Ur-
heber des Unglückes ergaben. Man fand nämlich die Berglehne von
einer mächtigen Spalte durchrissen, welche bei einer Länge von
400 m den Eindruck eines gigantischen Laufgrabens machte. Das
Gebirge des heimgesuchten Gebietes besteht aus Trias-, Jura- und
Kreideschichten, die von trachjtischen und basaltischen Gebilden durch-
setzt sind. Die unterirdisch cirkulirenden Gewässer haben sehr wahr-
scheinlich in den weicheren Schichtungen langgestreckte Holilräume
ausgewaschen, bis scbliefslich die hängende Decke einstürzte und ihre
Trümmer die im Innern des Berges angesammelten Schlammmassen
hinausdrängten. Aufserdem fand man auch in der Nähe des ver-
schütteten Dorfes eine Spaltung und Senkung des Erdreiches vor, die
sich 11 km weit verfolgen liefs. Schw.
Zur Malletschen Methode der Bestimmung des Erdbebencentrums.
Der englische Forscher R. Mailet hat bekanntlich zur Ermitt-
lung des Oberilächenmittelpunktes und der Tiefe des Ausgangspunktes
von Erdbeben ein Verfahren eingeschlagen, welches auf folgendem
Prinzip beruht.
ln der Figur 1 sei M N die Oberfläche der Erde oder eine sich
darauf befindende Mauer, O der in der Tiefe gelegene Ausgangs-
punkt der Erschütterung, O A,
OB, OC, u. s. w. seien die
Richtungen der Stöfse, welche
vom Contrum aus an die Ober-
fläche gelangen. Nach Mailet
müfsten durch derartige mecha-
nische Wirkungen Risse im Mauerwerk erzeugt werden, deren Rich-
tungen stets senkrecht zu den Stofsradien stehen, also in der
Figur durch die Linien ab, cd, ef, u. s. w. angedeutet werden. Die
Beobachtung der Neigping dieser Sprünge gegen den Horizont sowie
ihrer gegenseitigen Entfernungen ermöglicht dann auf konstruktivem
oder rechnerischem Wege leicht die Ermittlung der Lag^ M des Epi-
centrums und der Tiefe M O des Stofsmittelpunktes.
In einem Vortrage über „Erdbeben“, welchen Dr. Schwahn in
der Urania hielt, wurde diese Malletsche Methode näher erörtert und
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486
als zutreffend hingestellt. Dem gegenüber machte Herr Bergingenieur
Dr. F. M. Stapf f in einem Zuschreiben darauf aufmerksam, dafs die in
der heutigen Geologie noch fast als Axiom geltende Voraussetzung,
die Spaltenilächen lägen normal zur Stofsrichtung, -weder theoretisch
begründet, noch durch die Erfahrung bestätigt sei. Herr Dr. Stapff
hat seit mehr als 10 Jahren bei verschiedenen Gelegenheiten (z. B.
„Zur Mechanik der Sohichtenfaltungen“, Neues Jahrb. für Mineralogie
etc^ 1879, pag. 800; „Geologische Durchschnitte und Tabellen über den
grofsen Gotthardtunnel“, Specialbeilage zu den Berichten des Schweize-
rischen Bundesrathes über den Gang der Gotthardbahnuntemehmung,
1873 — 1881, Nordseite, pag. 191; „Geol. Profil des Gotthard in der Axe
des grofsen Tunnels“, ibid. 1880, deutscher Text pag. 37, französischer
pag. 41; „Niveauschwankungen zur Eiszeit“, Jahrb. d. Königl. Preuss.
Geolog. Landesanstalt pro 1888, pag. 61 — 62 Anm.; u. a) darauf hin-
gewiesen, dafs die Richtung der durch Druck erzeugten Ablösungs-
klüfte, falschen Schieferung etc. von demselben mechanischen Gesetz
abhängt, welches auch der „Theorie des Erddrucks“ zu Grunde hegt
Wird ein Körper einer gleichförmigen Normalpressung auf einer
seiner Seiten unterworfen, so bildet sich unter demjenigen Winkel,
welcher dem geringsten Kraftaufwande entspricht, eine natürhehe Ab-
lösungsfläche. Ist das betreffende Material homogen, so hängt dieser
Ablösungswinkel f nur von dem Reibungswinkel p ab und steht mit dem-
selben in folgender Beziehung *) : 9 = 45» j p. Die Gleichung be-
') Für unsere mit den Qruodlehren der Mechanik vertrauten Leser fügen
wir die mathematische Begründung bei:
Ist die Masse M, M einem gleichförmigen vertikalen
Druck unterworfen, und wird der auf ein Flächenelement
a b entfallende Druck p bis zu einem Elemente a' b' der
zu bestimmenden, unter dom Winkel 9 gegen den Hori-
zont geneigten Ablösungsilächo C vertikal fortgesetzt,
so sind die Componenten, welche den Druck auf das Ele-
ment a' b' darstoUon : p'= p cos 9 und p"= p sin 9. Letz-
tere bewirkt das Ablösen (Absehooron, Abgleiten), welchem die Coliaeronz
und Reibung entgegenwirkon. Ist C die Cohaesion an einem Flächcnelemento
a b und 7 der Reibungskoeffizient, so wird der Betrag der Cohaerenz an a' b'
gleich , die Reibung auf a' b' aber 7 p'; und die Gleichgowichtsbedingung
cos (p ^
ist dann: p"= psins = 4- 7p cos o. Führt man anstelle von 7 denRoi-
’ cos ^ <
bungswinkel 7 = tgp ein, so erhält man:
C 2 C cos p
^ cos 71 (sin 9 — tangp cos:p) sin (2 9 — p) — sin p
Die natürliche Ablösungsfläche bildet sich unter demjenigen Neigungs-
winkel, welchem ein Minimum des Druckes p entspricht, für den also 2 9 — p
= 90“, oder 9 = 46“ -f 4 p ist.
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•486
safft, dafs dio Spalten keineswegs normal zur Druckrichtung
liegen, sondern um den Winkel s = 46** 4- i P gegen den Horizont
geneigt, falls der Druck senkrecht wirkt, — oder überhaupt um den
Winkel o' = 45*> — ^ p gegen die Richtung des Druckes divergirend.*)
Unter gewissen Annahmen bezüglich des dem Materiale eigen-
thümlichen Reibungswinkels p läfst sich nun hieraus die Verthei-
]ung der durch einen Erdstofs im Boden erzeugten Spaltflächen
übersehen. Man erhält z. B. für p = 45“, also o' = 22 das in
Fig^r 2 schematisch skizzirto System von Ablösungsklüften.
Aus einem solchen, durch
Beobachtung zu ermittelnden,
Schema liefse sich das Cen-
trum O des Bebens leicht kon-
struiren. Denn da dio Spalten
a A, a' A, b B, b' B, u. s. w.
gleiche Winkel 9' mit den
Stofsradien O A, O B, u. s. w.
bilden, braucht man offenbar nur den Winkel a A a' zu theilen; dio
Halbirungslinie geht dann durch das Centrum O, während sich meh-
rere solcher Halbirungslinien daselbst schneiden werden.
Die bei dieser Methode zu berücksichtigenden Nebenumstände,
welche die Konstruktion des Oberflächenmittelpunktes und Ausgangs-
punktes von Erderschütterungen in der Praxis meist illusorisch machen
dürften, haben mit der rein theoretischen Lösung, welche an der Ober-
fläche homogenes Gestein, sowie Ausgang des Stofses aus einem
Punkte voraussetzt, nichts zu schaffen.
Wenden wir uns nun an die Erfahrung, so bemerkt Dr. Stapff
zunächst, dafs bei Erdbeben wohl vielfach im Boden klaffende, senkrechte
oder nahezu senkrechte Spalten beobachtet werden, aber kaum je schwe-
bende, wie dies Mallets Theorie verlangt. Bezüglich der Risse
im Mauorwerk verweist er auf die beistehenden Skizzen, welche
Theile des in der nördlichen Druckparthie des St. Ootthardtunnels
zerquetschten Gewölbes darstellon (die Zerquetschung erfolgte hier
allerdings nicht durch Erdbeben). Die linke Skizze (a) zeigt ein Stück
Sichtfläche des theils eingesunkenen, theils scheinbar gehobenen Wider-
lagers; dio Risse quer durch die Mauerschichten verlaufen nahezu ra-
•) Die Formel ist aus der Theorie dos Erddruckes bekannt; sic wurde in-
defa für die Erklärunif von Forinvorändorungen beim „dcoulemenf fester
Körper zuerst von Kick und Polak angewandt (Revue universelle des
mines, 1878, tome IV, p. 274).
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487
(lial zu den Einbiegungen, d. h. divergirend zu den vertikalen Drücken,
— wie es die oben erläuterte Theorie erfordert. Die rechte Skizze
(b) führt die Stirnansicht eines Thoils des durch Druck von oben zer-
quetschten Gewölbes vor. Hier bemerkt man zunächst ein Ausspringon
A prismati-scher Scherben („Brennen“) an den unteren Lagerkanten der
Gewölbesteine und entsprechend gerichtete Risse dahinter; daneben, im
ganzen concentrisch verlaufende, unebene Risse quer durch die Ge-
wölbesteine, welche zu beweisen scheinen, dafs die Ablösungsflächen
normal zum Druck liegen. Das Irrige dieser Vorstellung erhellt aber,
wenn man bedenkt, dafs die einzelnen Gewölbestoine Keile bilden,
welche in den Fugen aufeinander drücken, und zwar fast senkrecht
zu den Lagerflächon, so dafs die Risse gegen diese Druckrichtungen
divergiren, wie es die Theorie erfordert.
Dr. Stapff verweist ferner auf die Thatsache, dafs beim Zer-
quetschen von Gesteinscylindern sich Auslösungsflächon bilden, welche
mit den Spitzen gegeneinander gerichteten Kegeln oder Pyra-
miden zukommon, sowie auf die Torsions-Versuche des französischen
Experimentalgeologen Daubree, welche die vorstehende Theorie der
Spaltenbildung bestätigen, obwohl Daubrö e selbst darauf nicht Bezug
nimmt Man kann keinen Stein mit dem Hammer zurichten, ohne
dafs dieses Ablösungsgesotz zur Geltung kommt; es springen Splitter
aus, deren Ablösungsflächen nicht senkrecht zur Richtung des Schlages
liegen, sondern schief dagegen, und die dabei häufig hervortretende
Wölbung von Splitterflächen (muschliger Bruch) ist wohl nur Folge
des veränderten Reibungswiderstandes während der Abtrennung.
Mit der hier besprochenen Lossenbildung darf man nicht eine
andere Erscheinung verwechseln, welche in der Geologie gleichfalls
eine grofse Rolle spielt, nämlich die Absonderung in parallele Lagen,
die in duktilen Körpern hervorgebracht werden kann, wie die be-
kannten Versuche von Sorby, Tyndal u. a. lehren, und wofür auch
aus dem technischen I.,eben viele Beispiele angezogen werden könnten.
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488
Eine neu entstandene Insel in der Sfldsee.
Im Jahre 1867 lothete das englische Kriegsschiff „Falcon“ in der
Gruppe der Tonga - Inseln im südwestlichen Theile derselben, unter
175® 21. '6 westl. Länge von Greenwich und 20® 19' südl. Breite eine
Untiefe, von welcher 10 Jahre später das englische Kriegsschiff
„Sappho“ Rauch aus der See aufsteigen sah. Aber erst im Jahre 1885
entstieg während eines unterseeischen Vulkanausbruches eine neue
Insel dem Moore, welche zuerst vom Dampfer „Janet Nichol“ am
14. Oktober gesehen, und auf etwa 3,7 km Länge und 76 m Höhe ge-
schätzt wurde. Vom Dampfer „Mohican“ wurde dieselbe im Jahre
1886 wiederum pa-ssirt und nur noch auf 2,6 km Länge und 50 m
Höhe angegeben; der Krater befand sich am östlichen Ende, und noch
immer stiegen dicke Rauchsäulen aus demselben auf. 1887 giebt das
französische Kriegsschiff die Höhe zu 90 m an, der Eigenthümer der
englischen Yacht „Sibyl“, H. Tufnell, fertigste in demselben Jahre eine
erste Skizze der Insel an. Eine genaue Aufnahme aber hat erst im
Oktober 1889 durch Oldham, Kapitän des englischen Kriegsschiffes
„Egeria“ stattgefunden, über welche einer der Theilnehmer J. J. Lister
neuerdings Mittheilungen *) g^emacht hat.
Die Falconinsel stellt sich als ein Haufen brauner vulkanischer
Asche dar, an welchem sich die langen Wellenzüge des Paciflk in ge-
waltiger Brandung brechen und schäumend an dem geschwärzten Strand
emporlaufen. Von dem neu entstandenen Lande aus sieht man bei
klarem Wetter im Norden die vulkanischen Berge von Tofua in 65 km
Entfernung, noch überraget von dem spitzen Kegel des Vulkans von
Kao, während im Süden die Inseln Hongatonga und Hongahapai, zwei
Reste eines alten Kraters (28 km entfernt), in der blauen Ferne fast
stets sichtbar sind. An der Südseite beträgt die Höhe der Insel 47 m,
woselbst das Steilufer fast senkrecht zum Meere ablallt, nach Norden
steigt das Terrain in sehr sanfter Böschung zu einer Ebene ab, welche
etwa 3 — 4 ra über Hochwasser liegt Nach Süden hin setzt sich die
Insel als eine Bank von etwa 1 m Tiefe unter Wasser fort, und dürfte
diese unterseeische Erstreckung den ursprünglichen Umfang der Insel
darsteilen, welche nach genauer Messung jetzt 2 km lang 1,6 km breit
ist, und eine Oberfläche von 232 Hektar besitzt
Das Steilufer des Hügels zeigt feinkörniges, dunkel graugrünes
Material, welches eine Schichtung erkennen läfst, die theilweise durch
leichte Aenderung der Farbe, zumeist aber durch auskrystallisirto weifse
•) Proc. R Qeogr. Soo. VII. 3. 1890. p. 157.
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489
oder gelbe Salze gebildet wird, welche bandförmig in verschiedener
Stärke auftreten. Auf der Böschung sind g^fse vulkanische Bomben
massenhaft zerstreut, die aus einem weifsgrauen, Krystalle führenden
Gestein bestehen. Die Ebene besteht aus denselben Massen wie der
Hügel, auf ihr finden sich aber keine Bomben; durch den Wind ist
das leichtere Material der Ebene zu 3 — 4 m hohen Dünen, welche
die Ebene durchkreuzen, zusammengeweht worden. Längs des Ufers
hat das Meer Furchen ausgewaschen, welche von der Fluth mit See-
wasser angefüllt werden, sonst findet sich in den Bodensenkungen nur
feiner grauer Schlamm, welcher von Regengüssen herabgeführt und in
Schichten gelagert wurde. Ein leichter Schwefelgeruch erfüllt die Luft,
welche schon in kurzer Entfernung einen zarten blauen Dunstschleier
zeigt
Unter der Oberfläche ist noch vulkanische Hitze fühlbar, in 2 m
Tiefe zeigte das Thermometer 41° C., in einem Loche neben einem
Pfuhl salzigen Wassers stieg dasselbe auf 49.5°, auf dem Hügel stiegen
an einer Stelle drei feine Dampfstrahlon auf, um deren Austrittsöff-
nungen Salzablagenmgen gcbUdet waren. Bei feuchtem Wetter finden
häufige Abrutschungen des Steilufers statt, wodurch die Insel immer
mehr von der andringenden See nivellirt wird. Die Flora beschränkte
sich auf zwei kleine Kokospalmen, und drei Pflanzen anderer Gattungen,
gestrandete Früchte von Pandanus, Baring^tonia u. s. w. fanden sich
mehrfach. Die Fauna wurde nur durch einen Vogel, einen Sandpfeifer
(Actitis incana), und eine Motte vertreten, am Ufer sah man Bohrlöcher
eines Wurmes und einige Stücke von Korallen.
Die Form der Insel erklärt sich daraus, dafs die Auswurfsprodukte
des Vulkans von dem kräftig wehenden Südostpassat alle nach der-
selben Richtung hin getragen wurden, so dafs, da der auswerfende
Hügel sich auf der Südseite befindet, die ausgeworfenen Aschen nur
auf der Leeseite, also in nordwestlicher bis nordöstlicher Richtung
davon sich ansammeln konnten, was auch durch Bewohner von Tonga,
welche während der Eruption anwesend waren, bestätigt worden ist.
Es ist zu erwarten, dafs auch diese neue vulkanische Insel, wie
manche ihrer Vorgängerinnen nach wenigen Jahren wieder im Meere
verschwinden wird, bis auf der Untiefe sich Korallen angesiedelt haben,
durch deren unermüdliche Thätigkeit ein Gerüst zu einem neuen Atoll
emporgehoben wird, welches schliefslich über der Meeresoberfläche
erscheint, und den angeschwemmten Früchten und Pflanzensamen eine
Stätte des Keimens bietet, wodurch eine neue grünbewachsene Insel
in diesen Strichen ewigen Sommers entstehen wird. W.
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490
Erscbeinangen am Sternenhimmel im Monat JaU-Angn§t.
(Sämtliche Zeitan^ben teilen für Berliner Zeit.)
1. Der Mond.
17.
Juli
Neumond
s»
Aufgang
M» Mg.
Untergang
Sh 55« Ab.
18.
Erdferne
4
67
9
23 ,
25.
Erstes Viertel
1
9
Nm.
11
22
31.
Vollm. u. Erdnähe
8
14
Ab.
2
.58 Mg.
7.
Aug.
Letztes Viertel
10
46
„
0
53 Nm.
14.
n
Erdferne
2
48
Mg.
7
28 Ab.
15.
n
Neumond
3
55
7
53 „
Maxime der Libration:
: 9.
25. Juli, 6.
Aug.
a. Die Planeten.
Merkur
Venus
;Rectas.
Declin.'
Aufg.
Unterg.
Rcctaa.
Declin.
I Aufg.
Unterg.
15. Juli
1 V- 2°>i-f-2.3'28'
ISk l">lj.
1 7k 471» Al.
10« 8”
+13° 8'
' 7» 20® lg.
9h50“ Ab.
19.
7 39
+22 51 1
I3 25 .
8 5.
10 26
!+ii 20
'7 33 .
9 41 .
23.
*» 1
8 15
+21 .32
,4 2 .
8 18 .
10 4.3
■+ 9 28j
j7 45 .
1 9 33 .
27.
8 49
+19 38!
4 34 .
8 24 ,
11 1
+ 7 32|
17 .57 .
1 9 23 ,
31.
9 21
I+I7 18
I5 5 .
8 25 ,
11 17
+ 5 34
8 8 ,
1 9 14 ,
4.
Aug.
9 51
+ 14 41
5 35 ,
8 23 .
11 34
+ 3 33
8 20 .
9 4,
8.
n
10 18
+11 54
6 2 .
8 18 .
11 .50
+ 1 .31
8 31 .
8 55 .
12.
n
10 42
+ 93
6 27 ,
8 11 ,
12 7
- 0 31
8 42 .
8 44 .
j
M
a r 8
Jupiter
J,
Rectas.
Doclin.
Aufg. I
Unterg.
Rectas.
Declia
Aufg.
Unterg.
13. Juli
1.5h 42bi
— 22“56‘
4k26">5«.
Okllmlj.
20l>48">
—18° 37'
9h 3">Ab.
5h 48» Ir.
19.
15 46
-23 1 1
4 8 ,
11 46 Ab.
20 4.5
—18 49
8 37 .
5 19 .
25.
1
15 52
-23 29;
3 52 „
11 26 ,
20 42
—19 2.
8 13 .
4 52 .
31.
" 1'
15 59
-23.50|
3 39 ,
11 7 ,
20 39
—19 151
7 47 .
4 24 .
6.
Aug. 1
16 8
—24 13 i
3 27 ,
10 51 ,
20 .36
—19 27!
7 21 .
3 55 .
12.
. ^
16 19
i— 24 36 !
3 16 ,
10 34 ,
20 33
—19 39
6 56 .
3 27 .
Saturn
Uranus
'
Rectas.
Declin.
Aufg.
Unterg.
Rectas.
Declin.
Aufg.
Unterg.
15. Juli
lOh 17» 1+12° 20'
7h34»l|.
9h .54». Ab.
13h25n
— 8° 18'
Oh 32» In
Ilhl2».tb.
23. ,
10 21
+12 0
7 8 .
9 '24 ,
13 25
-8 21
0 1 .
10 41 .
31. ,
10 24
+11 40
6 42 .
8 54 .
13 26
-8 26
11 31 fa
10 9 .
8. Aug.
10 28
+11 19
6 16 .
8 24 .
13 27
— 8 31
H 0 .
9 38 .
16. „ ,
10 32
+10 57
5 50 .
7 54 „
13 28
— 8 37
10 31 .
9 7 .
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491
N e
p t u n
j Rectus. Doclin.
L
Aufg.
1 ünterg.
10. Juli . 4h 17« 4- 19’’44
Ih 12« *(.
5h 4" 5«.
25. . 1 4 19 + 19 48
0 14 .
4 6 .
9. Aug. || 4 20 + 19 50
11 11 11.
3 9 ,
3< Verfiasterungen der Jupitertrabanten.
18.
Juli I. Trab. Verflnst. Eintritt lli»
6«
Ab.
26.
»» >♦ »1
» 1
1
Morg.
28.
M n
„ 9
34
Ab.
2.
Aug.III. „ Verflnst Austritt 1
40
Morg.
3.
I. ..
„ 11
40
Ab.
5.
II
2
58
Morg.
11.
.. I
J 1
35
O
12.
» *1 1*
8
4
Ab.
4. Sternbedeckungen durch den Mond
(Für Berlin sichtbar.)
Gröfse
Eintritt
Austritt
27. Juli
• «u Ophiuchi 5.0»
—
8h. 26" Ab.
4. Aug.
• 30 Piseium 4.8
21» 56» Mg.
3 51 Mg.
11. .
• 1 Qemiii. 5.0
3 48
4 35 „
(Om
vor Sonnenaufgang.)
5. Veränderliche Sterne.
a) Maxima variabler Sterne:
Maximum Helligkeit im 1890
am
Max.
Min.
Keclaa.
Declin.
U Orionia
6.
August
8.8«
13«
4h
.■)3«
2'
4-
7»
57'8
S
19.
Juli
8
12
5
23
35
—
4
46.6
T Hydrae
3.
August
CO
1
12
8
.50
19
—
8
43.1
X Librae
7.
„
10-11?
14
15
29
51
—
20
48.1
V Coronae
5.
„
7.7
12
15
45
36
-f-
39
54.1
S Horculis
1.5.
n
6
12
16
46
54
-f
15
7.6
U Capriconii
19.
Juli
10.5
13
20
42
1
—
15
11. 1
U Lacertae
27.
14
8..5
13
22
38
23
4"
41
47.6
S Aquarii
20.
11
8—9
11
22
51
13
—
20
.55.8
b) Minima der Sterne vom Algol-Typus:
Algol . . . 20. Juli Ab., 26. Vm., 1. Aug. Mg,, 6. Ab., 12. Xm.
ü Cephoi . . 21. Juli, 26., 31. Mg., 5, Aug., 10., IJ. Mg.
U Coronao . . 17. Juli, 24. Nm., 31. Vm., 7. Aug., 14. Mg.
0 Librao . . 16. Juli Mg., 20. Ab., 25, Mttg., 30. Mg., 3. Aug. Ab., 8. Vm., 13. Mg.
Y Cygni . . unregelmäfsig.
c) Minima einiger Veränderlicher kurzer Periode:
T Monoc. . . 21. Juli.
W Virginia . 12. Juli, 29. Juli.
6. Meteoriten.
Der Hauptmeteoritenschwarm sind die Peraeiden (Maximum 10. August,
AR=46®, D s=a 4* sl® werden wegen Abwesenheit von Mondschein gut be-
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492
obachtbar sein. Die t-Aquaridon (AR = 339°, D = — 12°) erreichen ihr Maximum
um den 28. Juli. Diesoiben worden wegen des nahen Vollmondes weniger gut
gesehen werden können.
7. Nachrichten (Iber Kometen.
Der Brookasche März-Komet, der zu Anfang Juli seine nördlichste
Stellung am Himmel erreicht, bewegt sich vom August bis zum Herbst wieder
nach Süden. Die Helligkeit nimmt ab; es ist indessen wahrscheinlich, dab
der Komet beträchtlich lange, auch noch Anfang des kommenden Jahres, wird
verfolgt werden können.
Der Barnardsebe September-Komet von 1888, auf dessen in der Geschichte
der Astronomie noch nicht dagowosene aufserordentlich lange Sichtbarkeit srir
im März- und Maihefte unserer Zeitschrift aufmerksam gemacht haben, scheiut
die Erwartungen über seine fernere Beobachtbarkeit noch übertreffen zu wolien.
Barnard hat nämlich auf der Lick-Sternwarte am Morgen des 16. Mai den
Kometen, welchen man nur mehr für sehr grofse Instrumente zugänglich hielt,
mit dem Zwölfzöller des Observatoriums beobachten können. Damit ist
Aussicht gewonnen, dab der Komet in sehr groben Instrumenten noch lange
sichtbar bleiben und alle buher dagewesenen Kometen in dieser Beziehung
weit überflügeln wird.
Druckfehler-Beriebtigung.
Auf Seite 333, Zeile 2 von unten bt das überflüssige Wort: „(Hammer)“
zu streichen.
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F. Kerx. Weitere AasblldaiiK der leplereecben üebulerbypotbese.
Zweiter Nachtrag. Leipzig-Berlin, O. Spanier. 1890. Preis 1,60 M.
DerVerfaseer hat achon vor 13 Jahren ein umfangreiches mathematisches
Werk „Die Entstehung des Sonnensystems“ veröffentlicht, in welchem er eine
Neubildung der bekannten Kant-Laplaceschen Hypothese versucht Seither
sind verschiedene Ergänzungen zu diesem Buche und auch Berichtigungen
früherer von ihm angenommener Vorstellungen erschienen, namentlich 1884
und 1888. In der mir vorliegenden Schrift giebt der Verfasser gewissermafsen
einen populärer gehaltenen Abrifs seiner Ideen.
Oie Ergebnisse seiner Rechnungen, Annahmen und Folgerungen lassen
sich etwa in folgenden Sätzen zusammenfassen; Ein Körper von sehr grofser
Masse (wahrscheinlich der 500 — lOOO-fachen Masse der Erde) ist mit der Sonne
(auf deren Westseite und zwar in schiefer Richtung) zusammengestolsen ; hiet^
durch entstand eine ungeheure Hitze von 220 Millionen Qrad, der Körper löste
sich in Dämpfe auf und diese breiteten sich bis zu den heutigen Grenzen des
Sonnensystems aus, so lange sie noch Wärme beeafsen. Alle diese Dämpfe und
Partikel rotirten um die Sonne. Das so entstandene Nebularellipsoid plattete
sich allmählich ab, seine Umdrehungsaxe verkleinerte sich, bis Scbalablösungen
an der äufseren Fläche eintraten. Solcher Schalen denkt sich der Verfasser 15,
wovon 9 zur Bildung der 8 Planeten gedient haben. Die in elliptischen Bahnen
kreisenden Partikel vereinigten sich bisweilen und gaben Anlafs zur Konsti-
tuirung von Planeten ; die äufseren Planeten des Sonnensystems brauchten am
längsten zu ihrer Ausbildung. Die Trabanten gingen aus der Nebularmasse
hervor, welche die Planeten mitunter noch umgaben. Die Kometen gehören
dem Sonnensystem an und haben sich auf die Weise mit den Planeten ge-
bildet, dafs manche in scharf geneigten Bahnen laufende Sternschnuppen mit
kleineren Nebelmassen zusammengestofsen sind. Die Kometen von gröfserer
Umlaufszeit entstanden durch Sternschnuppen von schnellerer Bewegung. Die
Meteoritenschwärme sind auch die Ursache der Beschleunigung desEnckeschen
Kometen imd der Theilung des Kometen Biels. Der Verfasser ist gegen die
Lehre von der Feuerflüssigkeit des Erdinnem. Wie das alles geschieht und
wie derVerlässer auch bei den Widersprüchen der thatsächlichen Verhältnisse
im Kosmos gegen seine Theorie (beispielsweise bei der Frage der verschiedenen
Planetendichte, der Zahl der Planetenmonde, der Rotation des Erdmondea, der
geringen Rotationsgeschwindigkeit von Venus) sich zu helfen und resolut alles
zu erklären weifs, mag der Leser im Buche selbst nacblesen.
Die Astronomen werden keinen besonderen Gefallen an der Schrift finden.
Es ist gewifs ganz gut, wenn die Kant-Laplacesche Hypothese, da sie ja
doch nicht mehr genügen kann, weiter ausgebildet wird. Der Verfasser ist
unter der Klasse der von den Astronomen sehr gefürchteten Weltbaumeister
494
ein weifser Rabe, da er wenigstens mit mathematischen Kenntnissen an die
Sache geht Allein die Weltbaumeistor schaCTcn sich selbst meist den aller-
schwersten Stand: sie wollen alles erklären. Das ▼ensweifolte Bemühen, wie
immer wieder neue Annahmen und Möglichkeiten hervorgesucht werden müssen,
so oft ein Gegengrund dräut, hat für den Astronomen wenig Erquickliches und
widerspricht so sehr der modernen, nur allmählich von Thalsach© zu Thatsachc
ruhig fortschreitenden Forechungsweise, dafs sich ein astronomischer Mensch
dabei unbehaglich fühlt. Indessen, ich darf keinWort weiter sagen der Ver-
fasser ist ohnehin auf die Gelehrten nicht gut zu sprechen und nimmt ihre
Kritiken leicht übel F. K. Ginzel.
t
Emil Berg. Die Gewitter Rufslands im Jahre 1886. St. Petersburg 1890.
51 pag. 4®. (Rep. t Met XIII. 5.)
Seit 18S4 ist für das europäische Rufsland der Versuch gemacht w'orden.
ein Kelz von Stationen zur Beobachtung der Gewitter zu errichten, der Bestand
von meldenden Stationen ist von 440 auf 549 im Jahre 1SS6 gestiegen, und die
inzwischen allmählich fortschreitende Verdichtung des Netzes läfst die V erfolgung
ausgedehnterer Gewitterzügo ausführbar erscheinen. Mit dem anfänglichen
Bestände war dies nicht möglich; cnträlU doch bei 549 Stationen nur je eine
auf 7700 qkm, während in Bayern im gleichen Jahre je eine auf 350 qkm, in
Frankreich auf 150 qkra entfiel.
Immerhin zeigt sich bereits, dafs von den 9 Zonen, in welche Rufsland
zerlegt ist, der Kaukasus die gewitterreiebste ist (20 Tage pro Station); die
nördliche Zone hat einen nur etwa halb so grofsen Gewitterreichthum aufzu-
weiaen (12 Tage) ~ zwischen beiden Grenzen schwanken die Zahlen für die
übrigen Zonen. Jedoch zeigen sich die häufigen Gewitter im Kaukasus als
lokale Gewitter von geringer Verbreitung, während die seltneren Gewitter-
crschoinungen der nördlicher gelegenen Zonen öfter in grofsen Zügen als Be-
gleiter fortschreitender Cyklonen auflroten.
Die tägliche Periode zeigt keine besonderen Eigeiithümlichkeiten, auch
in RufKland fällt die Ausbruehszeit der meisten Gewitter auf 2 — 5 Uhr Nach-
mittags, innerhalb der Zonen variirend, alsdann nimmt dio Anzahl der Gewitter
langsam ab, erreicht zwischen 2—7 Uhr Morgens ihren geringsten Worth, und
beginnt zwischen 10 und 11 Uhr Vormittags stark zu steigen.
Nach den Untersuchungen des Verfassers ist das Auftreten von Gewittern
nicht allein an bestimmte Luftdruck- und Temperaturverhältnisso gebunden,
sondern scheint nur bei solchen Cyklonen vorzukommen, welche bei hoher
Temperatur auch einen besonders hohen Feuchtigkeitsgrad besitzen. E. W.
Verlag Yon Uermaoii Paek>l ln Berlin. — Druck Ton Wilhelm Oronau’a Buchdruckerel in Berlin.
Fllr die Redeclion YerantwoitKcb: Dr. M. Wilhelm .Mojer ln Berlin.
Unberechtigter Nachdruck aus dem Inhalt dieser ZeiUchrifl untersagt.
UeberseUungsreebt rorbehallen.
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TaWI
UUi Amiu äumir vCLKtü«“ BfjlnS
Jupiter im Jahre 1889.
Am 36-Z&ller der Licksternwarte
gezeichnet vonl Kecler
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Die Jupiteroberfläche im Jahre 1889.
Von Jas«« E. Keeler,
Astr.>Dom der Lick^Sterowarto auf Mt. Ilamiltoo.
ährend der letzten Opposition im Jahre 1889 war Jupiter in
einer für die Beobachtung sehr ungünstigen Stellung, nämlioh
nahezu in seiner grüfsten südlichen Deklination, so dufs er in
der Breite der Lick- Sternwarte nur eine Höhe von 29“ im Meridian
erreichte. Für die europäischen Sternwarten, welche beträchtlich weiter
nördlich liegen als Mt. Hamilton, und sich keiner so reinen und durch-
sichtigen Atmosphäre rühmen können, war die Sachlage natürlich noch
weit ungünstiger, so dafs ich aus diesem Grunde, besonders da Herr
Holden auf die Nothwendigkeit einer beständigen Registrirung der
Veränderungen auf der Jupitcroberlläche hingewiesen hatte, mich ent-
schlofs, den Planeten bei jeder möglichen Gelegenheit zu beobachten
und Zeichnungen von demselben anzufertigen, wenu es der Zustand
der Luft irgendwie gestattete. In der That scheinen in Europa, nach
den spärlichen Publikationen zu schliefsen, kaum irgendwo halbwegs
befriedigende Beobachtungen während der letzten Opposition erhalten
worden zu sein; mir sind nur einige Zeichnungen, welche mir Herr
A. Stanley Williams aus England freundlichst zusandle, und die in
den Astr. Nachr. Xo. 2928 erschienene Skizze von Terby zu Gesicht
gekommen. Somit vermag ich nur eine Darstellung meiner individuellen
Beobachtungen zu geben, statt einer übersichtlichen Bearbeitung einer
gröfseren Zahl von Beobachtungen an verschiedenen Sternwarten. Für
diesen Lcbelstand dürfte indefs die Vorzüglichkeit der verschiedenen
von mir benutzten Instrumente, sowie die ausgezeichnete Reinlieit und
Ruhe der Luft in den Sommermonaten hierselbst einigen Ersatz bieten.
Gewöhnlich wurde bei dem 3G-zblligen Refraktor dieVergröfserung
320 benutzt, bisweilen aber a\ich stärkere Vergröfserungen. An einigen
Abenden wurde der 12-zöllige Refraktor in Gebrauch genommen, und
Himroel und Erde. II. 11. 3.1
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^)(i
manobmal auch der ß'/j'^öllige, um den Anblick des Planeten in den-
selben mit dem in dem grofsen Fernrohre vergleichen zu können.
Wie zu erwarten war, trat die Ueberlegenheit des ."6-zölligen Instru-
ments am meisten in Nächten mit besonderer Durchsichtigkeit der Luft
hervor, ich will aber ausdrücklich konstatiren, als schätzbares Material
zu der Frage nach der relativen Wirksamkeit grofser und kleinerer
Fernröhre, dafs, obgleich der Einflufs ungünstiger Luftverhältnisse sich
in Näherung der Leistungen der Instrumente von verschiedener optischer
Kruft äufsert, kein Fall vorkam, in welchem das grofse Fernrohr nicht
doch irgend welche Vorzüge gezeigt hätte. Indessen würde diese
Ueberlegenheit bei ungünstigen atmosphärischen Zuständen kaum im
Verhältnifs zu der Gröfse und Kostbarkeit desselben stehen, woraus
sich die Nothwendigkeit ergiebt, solche Riesenfernrohre an richtige
Orte zu bringen, und sie nur da aufzustellen, wo ihre optische Kraft
voll ausgenutzt werden kann.
Da das 36-zöllige Aequatorial jetzt lange genug in Gebrauch ge-
wesen ist, um über alle seine Eigenschaften ein genügendes Urtheil
zu haben, ist es vielleicht von Interesse, einen kurzen Ueberblick über
die verschiedenen Leistungen desselben zu geben, in w'elchen es sich
bisher bewährt hat
1. Trennung und Messung naher Doppelsterne, wie es der lange
Katalog neuer Doppelsterne und mikroinetrischer Messungen von diesen,
sowie von schwierigen bereits bekannten Sterupaaren bezeugt’)
2. Entdeckung sehr schwacher Sterne. In dem dunklen Innen-
raum des Ringnebels in der Leyer, haben die Herren Holden und
Schaeberle 6 Sterne aufser dem zentralen Stern gesehen (No. 14 in
der Zeichnung von Lasseil), und 5 innerhalb des zentralen Nebel-
schleiers. Ein Beispiel eines Stemenpaars von äufserster Kleinheit
der Komponenten, welches von Herrn Barnard mit dem grofsen Fern-
rohr entdeckt wurde, ist das Paar, welches dem Trapez im Orionnebel
vorangeht Nach Herrn Burnham, der die Messungen ausfiihrte, ist
es der schwierigste Doppclstem am ganzen Himmel.
An dieserStelle mögen auch die Beobachtungen derMarstrubauten“)
zur Zeit der Opposition von 1888 erwähnt werden, wo diese kleinen
Objekte bequem sichtbar waren, ohne dafs man den Hauptplaneten
durch einen Schirm bedecken mufste. Sie wurden noch am 18. Juli
gesehen, als ihre Helligkeit nur noch 12 Prozent von derjenigen bei
') ßurnham. Astron. Nachr. No. '2!I2D, 2930.
s) Monthly Not. XLVIII. pag. 3S3.
■•■) Monthly Not XLIX. No. C.
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497
ihrer Entdeckung im Jahre 1877 betrug. Es ist durchaus wahrscheinlich,
dafs bei günstigen Gelegenheiten Verfinsterungen der Marstrabanten
zur Beobachtung kommen können.
3. Struktur von N’ebelfleeken. Die Struktur des bereits erwähnten
Ringnebels in der Leyer wurde von Herrn Holden mit dem grofsen
Refraktor besser als je zuvor erkannt Er sagt darüber: „Der erste
Gedanke dabei ist weniger, dafs der Anblick desselben ein ungewohnter
ist, als vielmehr, dafs er ein gänzlich anderer als bisher ist Die schein-
bare Einfachheit desselben ist plötzlich einem komplizirten Gebilde ge-
wichen, und schliefslich ist der Versuch, ihn korrekt abzuzeichnen, in
Wirkliehkeit mit den gewöhnlichen Methoden gänzlich unausführbar.“'*)
Auch möge hier auf die Wahrscheinlichkeit einer helikalischen Form
dieses Nebels hingewiesen sein, worüber in Seite 1 bis 13 dieses Jahr-
gangs von „Himmel und Erde“ das Nähere zu finden ist.
4. Kometen. Die Begleiter des Kometen Brook s wurden während
der letzten Monate von Herrn BarnardS) beobachtet, der hierbei eine
aufserordentliche Ueberlegenheit des 36-zölligen über den 12-zülligen
Refraktor konstatirte. Mit dem letzteren wurden die schwachen Be-
gleiter „D“ und „E“ (nach Barnard) niemals wahrgenommen, obwohl
derselbe hinsichtlich der Dunkelheit des Gesichtsfeldes und Schärfe
der Bilder bisher unübertroffen ist.
5. Planeten. Der Anblick der Jupiteroberfläche, wie er uns
währeml der letzten Opposition hier wurde, hat allen Beobachtern
zur Genüge bewiesen, dafs das grofse Fernrohr sich ebenso für das
Detail von Planetenscheibon eignet, als für die oben genannten Arbeiten.
Die vom Verfasser entdeckte aufseroi-dentlich feine Theilung im
äufseren Saturnring, aufserhalb der Enckeschen Trennung®) wui-de
hier von allen Beobachtern bei vielen Gelegenheiten gesehen, aber
meines Wissens nirgendwo anders. Zur Zeit (1800) liegen die Ringe
zu flach für derartige Beobachtungen. Endlich kann ich noch aut
Arbeiten von Herrn Holden hinweisen, welcher sehr interessante,
bisher nicht publizirte Details der Mondoberfläche beobachtet hat
Ich habe meine Darstellung über das Arbeitsfeld des grofsen
Teleskops und die aufserordentlichen Fähigkeiten desselben etwas aus-
führlicher gestaltet, da die Frage nach der Wirksamkeit der Fernrohre
gröfster Dimensionen von fundamentaler Bedeutung für die Zukunft
•) Astron. Journ. No. 178.
*) Monthl. Not. XLVIII. N. 9. pag. ,885.
■“l Astr. Nadir. No. 2DI9.
'i Sidereal Messeoger. No. 62. Astr. Joum. No. 190. Ciel et Terre V. 1889.
33'
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der beobachtenden Astronomie ist Der 36-Züller der Lick-Slernwarte
hat die Grenze für die Konstruktion grofser Fernrohre in betreff ihrer
optischen Wirksamkeit noch nicht überschritten, was bisher noch nie-
mals mit Bestimmtheit ausgesprochen worden ist
Die Jupiterscheibe bot in klaren Nächten einen wundervollen
Anblick und einen Roichthum von Detail, den in Zeichnungen voll-
kommen wiederzugeben unmöglich ist Mit Ausnahme der äufsersten
Polarregionen und des „rothen Flecks“ war die Oberfläche des Jupiters
kaum irgendwo gleiohmäfsig gefärbt, sondern überall mit flockigen,
äufserst unregelmäfsig geformten Wolken bedeckt Allerdings wurden
solche Bilder nicht in jeder Nacht erzielt, einerseits wegen des schon
erwähnten tiefen Standes des Planeten, andererseits weil das Fernrohr
für die anderweitigen Beobachtungen beständig in Gebrauch war, so
dafs die Jupiterbeobachtungen nicht mit so ununterbrochener Regel-
mäfsigkeit durchgeführt werden konnten, wie es wohl zu wünschen ge-
wesen wäre. .Jedoch wurden 24 Zeichnungen fertig gestellt von welchen
8 zur Reproduktion in .Himmel und Erde“ ausgewählt worden sind.
Zur Zeit ist die einzige, brauchbare Resultate liefernde Methode
der Darstellung von Planetenscheiben noch immer das Zeichnen am
Teleskop, etwa so, wie man eine Landschaft zeichnet. Versuche mit
Hilfe der Photographie wurden schon früher angestellt und werden
mit steigendem Erfolge fortgesetzt, so dafs die Behauptung voreilig
sein würde, dafs sie später die ältere Methode nicht völlig ersetzen
wird. Ist es doch nur wenige Jahre her, dafs rohe Zeichnungen der
Sonnencorona bei totalen Finsternissen die einzigen Darstellungen der-
selben waren, während jetzt in 1 bis 2 Sekunden die Photographie
ein genaueres Bild liefert, als es der Zeichner herstellen könnte, wenn
ihm ebensoviel Stunden als in Wirklichkeit Minuten zur Verfügung
ständen. Aber bisher hat noch keine Photographie eines Planeten
auch nur entfernt das Detail wiedergegeben, welches das Auge wahr-
nimmt, daher man zunächst noch auf Zeichnungen dieser Objekte an-
gewiesen ist.
Bei dem Jupiter ist die schnelle Rotation und folglich die schnelle
Aenderung seines Aussehens eine grofse Erschwerung der Abbildung,
denn 15 bis 20 Minuten ist die äufserste zulässige Zeit! Die hier mit-
getheilten Beobachtungen und Zeichnungen sind aber in der Absicht
gemacht, ein möglichst vollständiges Bild der Erscheinungen auf der
Oberfläche zu geben, soweit es die Kürze der verfügbaren Zeit ge-
stattete, und womöglich ihre wirkliche Beschaffenheit festzustellen.
Genaue Bestimmungen von Längen ausgezeichneter Punkte der
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49‘.1
Jupiterscheibe und ihrer Rotationsperioden worden viel besser bei
Meridiandurchgängen erhalten, wie sie von Herrn A. Stanley Williams
mit vielemFleifse angestellt und in seinen „Zenographischen Fragmenten“
beschrieben sind, denn bei diesem Verfahren kann man seine Aufmerk-
samkeit auf ein bestimmtes Objekt konzentriren.
Die Anfertigung der Zeichnungen. Die Zeichnungen wurden
imMafsstabe von 25000 eng. Meilen zu IZoll englisch ausgefiihrt.'^) Unter
der Annahme einer Abplattung von mufste für diesen Mafsstab
die elliptische Form zur Aufzeichnung des Umfanges des Planeten
eine grofse Axe von 88.9 mm und eine kleine Axe von 83.8 mm I^nge
haben. In der photographischen Reproduktion mufsten diese Dimensio-
nen nothwendig erheblich verkleinert werden.
Die Beobachtung begann am Fernrohr 20 bis 30 Minuten ehe
gezeichnet wurde, um sich so gut wie möglich mit den Details bekannt
zu machen, namentlich mit denen in der Nähe des Westrandes. Die
Grenzen der rothen Streifen wurden nach Schätzung in die zuvor kon-
struirte Ellipse eingetragen. Dann wurden an einem bestimmten Zeit-
punkt die hervorragendsten Züge der Oberfläche mit Bleistift so schnell
wie möglich entworfen und das feinere Detail sodann eingetragen in
Anlehnung an die zuvor festgelegten Punkte, ohne ihre Ortsverände-
rung auf der Scheibe zu berücksichtigen. Diese Arbeit konnte aber
nur 15 bis 20 Minuten fortgesetzt werden, denn nach Ablauf dieser
Zeit war der Anblick des Planeten durch die Rotation schon zu sehr
verändert. Da also alle Details auf die zuerst flxirten Punkto bezogen
wurden, sind die bei den einzelnen Bildern angegebenen Zeiten die
des Beginnes der Zeichnung. Die auf der Westküste der Vereinigten
Staaten gebräuchliche „Pacific Standard“-Zeit bleibt 8 Stunden hinter
mittlerer Greenwicher Zeit zurück.
Alle Positionen und Dimensionen sind nur Schätzungen, doch
zeigen einige gegen Ende der Beobachtungsreihe angestellte mikro-
metrische Messungen, dafs diese Schätzungen ziemlich genau sind.
Die äufseren Ränder der rothen Streifen waren deutlich begrenzt, und
ihre Lage auf der Scheibe wurde durch Messungen am 6. und 25. Sep-
tember bestimmt, als die Bilder nicht scharf genug zum Zeichnen waren.
Folgendes sind die erhaltenen Daten, die Distanzen stellen die Projektion
der Streifen auf die scheinbare Oberfläche dar.
') Etwa 3.1 bis 2.3 mm pro Bogonsekunde des scheinbaren Durchmessers.
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500
1888:
6. September.
25. September.
Polardurchmesser des Jupiter .
Vom Südpol zur Südgrenze des
40.G "
132 768 km
36.93"
132768 km
südlichen Streifens . . . .
14.7 "
47 957 „
; 13.86"
49824 .
Breite des Aequatorialgürtels .
Vom Nordpol zur Xordgrenze
11.4 "
37 175 „
1 10.10"
36306 „
des nördlichen Streifens . .
14.0 "
47 636 „
12.97 "
46638 ,
Die Länge des zentralen
Meridians betrug
in beiden Fällen
nahezu 200 ®.
Vergleicht man diese Messungen mit den Zeichnungen, so zeigt
sich deutlich die Tendenz, die Breite des Aequatorialgürtels zu grofs
zu nehmen. Andere Schälzungsfehler zeigen sich bei der Breite der
verschiedenen Streifen, der Länge des rothen Flecks u. s. w., doch
sind die Zeichnungen in ihrer originalen Form belassen und nicht
nach den Messungen korrigirt worden. Es wurde dies aus dem Grunde
vorgezogen, um in unverfälschter Deutlichkeit zu erkennen, wieviel
Werth den individuellen Resultaten beizumessen ist.
Bei der Anfertigung von Zeichnungen, welche möglichst viele
kleine Einzelheiten enth.ilten sollen, erscheint eine Schwierigkeit, welche
ohne Zweifel allen Beobachtern entgegen getreten ist, nämlich die Dar-
stellung desjenigen Details, welches wogen ungünstiger Luft oder aus
anderen Gründen undeutlich ist. Es mufs wohl oder übel in seiner
eigenthümlichen Form tmgegeben werden, und wenn es zuvor schon
einmal aufgenommen wurde, ist seine Weglassung ebenso von Bedeu-
tung wie seine Eintragung, da es sonst als ein Beweis für Verände-
rungen ausgelegt wird, die thatsächlich nicht stattgefunden haben. Aus
diesem Grunde ist in einer kurzen Reihe von Anmerkungen, die unten
folgen, auf die Bildungen aufmerksam gemacht worden, die nicht be-
friedigend zur Darstellung kommen konnten. Xaoh den Bleistiftskizzen
am Teleskop wurden Bilder in chinesischer Tusche ausgeführt, unter
sorgfältiger Erhaltung der gegenseitigen Lago der Fixpunkte. Im all-
gemeinen gleichen die Originale durchaus diesen Kopien, doch sind
erstere etwas mehr schematisch aus dom erwähnten Mangel an Zeit;
z. B. würde es zu lange uufgohalten haben, die weifsen Flecken der
südlichen Hemisphäre als rundlich weifs auf einem gleichmäfsigen
dunkleren Grunde hervortreten zu lassen, weswegen sie in den
Originalskizzen durch kleine Kreise angedeutet wurden.
(Schlufs folgt)
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Blicke auf die Vergangenheit und Gegenwart der
astronomischen Rechenkunst
Von F. K. Gimel,
Astronom am Hochrnlostitut der Kgl. Sternwarte zu Berlin.
II. Das Zeitalter der Kometen- und Planetenbahn-
Ci^ Bestimmung'en.
r-^^chon Xewton hatte für die Lösung der Aufgabe, wie aus drei
von irgend einem Punkte der Erde aus angestellte Beobachtungen
eines Kometen die parabolische Bahn, welche der Komet um
die Sonne beschreibt, ermittelt werden kann, eine Methode angegeben.
Die Mühseligkeiten, welche diese Methode bei ihrer praktischen
Anwendung verursachte, gaben den Anlafs zu den vielfältigen Bemühun-
gen des vorigen Jahrhunderts, kürzere und sichere Wege der Lösung
zu versuchen. Die Einen (wie Lacaille, Lalande, Boscovich,
Lambert, Euler) umgingen die direkte Bahnbestimmung in derWeise,
dafs sie, mit willkürlich gewählten Distanzen des Kometen von der
Erde und der Sonne anfangend, sich mittelst vieler Versuche allmählich
der Wahrheit näherten, oder dadurch, dafs sie den mathematischen Be-
trachtungen gewisse geometrische Voraussetzungen zu Grunde legten,
wie z. B., dafs das zwischen den 3 Beobachtungen des Kometen ent-
haltene Stück der Bahn als eine gerade Linie angenommen werden
dürfe, oder, die Sohne, die zwischen dem ersten und dritten Orte des
Kometen enthalten ist, werde von der Verbindungslinie des zweiten
Kometenortes mit der Sonne (dem mittlem Radius vector) im Ver-
hältnifs der Zeiten, zu welchen die Kometenorte gehören, geschnitten
II. s. f. Andere (wie Lagrange, Laplaoe, Dusöjour, Tempelhof)
suchten das Problem direkt zu bewältigen, indem sie durch scharf-
sinnige analytische Kunstgriffe den Grad der Gleichungen, die in der
.\ufgabe die ilauptrolle spielen, herabzudrüokcn und so diesen
Gleichungen lösbare Formen zu geben trachteten. Allo diese Ver-
suche zur Lösung des Kometenproblems fallen zwischen die Jahre
von etwa 1740 bis 1783. Was für Mühe und Geduld die meisten dieser
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MeÜioiien in der Rechenarbeit erforderten, ist dem Laien kaum dar-
legbar und auch unserer jetzigen astronomischen Generation völlig'
fremd. Erwiesen sich doch manche der Methoden als blofse rech-
nerische Illusionen ; beispielsweise war der Komet von 1779 ein Gegen-
stand der Verzweillung vieler astronomischer Rechner, manche mühten
sich vergeblich ab, aus den Reobachlungen ein annehmbares Resultat
herauszubringen. Da erschien im Jalire 1797 das Werk des berühmten
Olbers: „Ueber die leichteste und be<|uemste Methode die Bahn eines
Kometen zu berechnen.“ Mit einem Schlage, wurden die Schwierig-
keiten beseitigt Olbers zeigte, dafs man zu dem von Lambert auf-
gestellten Satze, die Sehne des Kometen zwischen der ersten und dritten
Beobachtung werde vom Radius vector im Verhältnifs der Zwischen-
zeiten geschnitten, nur noch die Voraussetzung hinzuzufügen braucht,
dafs auch die Sehne der Erdbahn in demselben Verhältnifs geschnitten
werde, um zu einer einfachen Erraittlungsart der Bahn zu gelangen.
Trotz der zweifellosenUeberlegenheit der Olberssohen Methode .scheint
anfänglich ihre Verbreitung im Auslande keine schnelle ge'B'esen zu
sein; namentlich die französischen Astronomen hielten noch lange an
den von Laplace nnd Lagrange gefundenen Lösungsarten fest; der
Direktor der Berliner Sternwarte, J. F. Enckc, machte deshalb 1833
die Olberssche Methode neuerdings bekannt und seit dieser Zeit hat
sich zu ihr wohl die gesamte astronomische Gelehrtenwelt bekehrt’
vermöge ihrer Einfachheit, Sicherheit und Eleganz ist sie durch 70 Jahre
der Führer aller derer geblieben, welche Kometenbahnbestimmungen
unternommen haben und oi-st die neuere Zeit hat wesentliches hinzu-
zufügen gewufst.
Die Lösung des Kometenproblems war indefs nur einer der
Faktoren, welche vereint um den Anfang unseres Jahrhunderts einen
mächtigen Fortschritt in der Entwicklung der astronomischen Rechen-
kunst bewirkten. Am 1. Januar 1801 entdeckte Piazzi beim Revidiren
einer Sternkarte ein Gestirn, das sich den Eigenthümlichkeiten der
Bewegung nach als ein zwischen Mare und Jupiter kreisender Körper
— ein Mitglied der heute uns nach hunderten bekannten „Asteroiden“
oder „Planetoiden“ — herausstellte. Da Piazzi seine Beobachtungen
lange zurückgehalteu hatte und die Gefahr nahe lag, dafs die „Ceres“
(dies war der entdeckte Planet) nach ilu-em Wiederhervortreten aus den
Sonnenstrahlen aus Mangel einer bis dahin zuverläfslichen Ephemeride
nicht mehr aufgefunden und weiter beobachtet werden könne, so
entshind die Aufgabe, aus dem von Piazzi beobachteten kurzen
Wege des Planeten dessen elliptische Bahn um die Sonne zu bestim-
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moti. Der berühmte Gaufs half den Astronomen, die sich bei dem
bis dahin noch nicht vorgelog'enen Falle mit Kreisbahnen zu beholfen
suchten, aus der Verlegenheit. Er löste das Problem völlig streng
und auf Grund seiner Ephomcriden fanden Zach und Olbers die
„Ceres“ wieder auf. Gau fs sollte bald Gelegenheit haben, seine Theorie
abermals anzuwenden. Die Asteroiden Pallas, Juno und Vesta wurden
1802, 1804 und 1807 entdeckt und Gaufs legte seine an den Kech-
nungen über diese Himmelskörper erworbenen Erfahrungen schliefs-
lich in dem epochemachenden Werke „Thooria motus corporum coe-
lestium“ (1809) nieder.
Zu dem aus der Lösung des Kometen- und Planetenbahnproblems
erblühenden Aufschwünge der Rechenkunst kamen aber noch zwei
bedeutsame Momente: das eine ist die Begründung der „Methode der
kleinsten Quadrate“, das andere die Entwicklung der Theorie der
„Störungen“. — Es ist wohl auch dem Laien klar, dafs die Beobach-
tungen (Ortsbestimmungen) der Planeten und Kometen an den Instru-
menten nicht völlig fehlerfrei erhalten w'erden können. N'othwendiger-
weise beeinflussen diese Fehler auch die Bahn, welche aus den Beob-
achtungen berechnet wird, und letztere wird desto mehr mit Unsicher-
heit behaftet sein, je mangelhafter die Qualität der Beobachtungen ist
oder je weniger zahlreich die Messungen sind, die man über den
Himmelskörper erhalten hat. Schon 1795 fand nun Gaufs nicht nur
ein Verfahren, zu entscheiden, welcher mittlere Fehler jeder einzelnen
Beobachtung zukomme, sondern er zeigte auch die Rechnungsraethode
in welcher Weise eine gröfsere Zalil von Beobachtungen rechnerisch
verwerthet werden müsse, um sich von den Fehlern möglichst
unabhängig zu machen, dieselben gewissermafsen auf die ganze
Bahn gleichmäfsig zu vertheilen, und so ein am wenigsten mit Unsicher-
heit behaftetes, der Wahrheit am nächsten kommendes Resultat er-
halten zu können. Auch Legend re fand selbständig dieses Verfahren
der „Methode der kleinsten Quadrate“, welches die Astnmomen eigent-
lich erst zu Rechnern gemacht hat, indem es einen Genauigkeitssinn
erweckte, von dem man bis dahin nicht viel wufste.
Das Grundprinzip, die von irgend einem Weltkörper durch
dessen Anziehungskraft in der Bahn eines anderen Körpers ent-
stehenden Veränderungen, die „Störungen“ des letzteren, durch Rech-
nung zu ermitteln, hatte schon Newton aufgestollt. Eine eigentliche
Entwicklung der Theorie nahm erst mit Clairaut und D’Alembert
(um 1747) ihren Anfang. Der berühmte Euler begründete schon eine,
wie sich viel später klar gezeigt hat, äufserst fruchtbringende Methode
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der Bestimmung' der Störungen, die Methode der Variation der Kon-
stanten. Ihre Prinzipien ■wurden namentlich von Lagrange auf unser
Planetensystem angewendet und als Frucht derselben gingen die ersten
besseren, auf streng mathematische Betrachtung gegründeten Tafeln der
Bewegung der Hauptplaneten hervor. Ganz gewichtige, grundlegende
Fortschritte schuf Laplace in seiner unsterblichen .,Mecanique celeste“
(1799—1826).
Diese Fortschritte der Theorie fanden nun in der eigentlichen
Rechenkunst sofort den fruchtbarsten Boden. Halley zeigte in einer
1716 erschienenen Abhandlung über den nach ihm benannten Kometen,
dafs dieser Komet ein und derselbe sei, der 1682, 1607 und 1631
gesehen worden war; es handelte sich darum, zu berechnen, um ■wie
viel Tage durch die störende Wirkung der Planeten sich die um 1758
zu erwartende Wiederkehr des Kometen ändern würde. Ciairaut
leistete diese damals ohne Beispiel da.stehende grofse Rechnungsarbeit;
er fand etwa 518 Tage Verspätung durch die Störungen des Jupiter,
100 Tage durch jene des Saturn und kündigte an, dafs der Komet
gegen April 1759 hin erscheinen könnte: in der That fand ilin im
Dezember 1758 ein Liebhaber der Sternkunde, der Bauer Palitzsch
in Prohlis bei Dresden. Abgesehen von jener vielgepriesenen rech-
nerischen Holdenthat nahm aber erst mit der Arbeit Bes sei s über
den Kometen von 1807 die Art und Weise der Kometenbahiibearbeitung
ihre strenge und für die spätere Zeit mustergiltige Form an. Er be-
rechnete dort — zum ersten Mal für einen Kometen — spezielle
Störungen (d. h. die Störungen während der Erscheinungsdauer), er-
mittelte mit Rücksicht auf dieselben und unter Zuziehung sämtlicher
Beobachtungen die ■wahre Bahn, und behandelte die letzteren sorgfältig
nach der Methode der kleinsten Quadrate. Bald folgte dieser LTnter-
suchung eine ebenso treffliche rechnerische Arbeit: jene von Ar-
gelander über den grofsen Kometen des Jahres 1811. Ende No-
vember 1818 entdeckte Pons einen Kometen, der alsbald als ein
periodischer, nach jo 3Vio Jahren zurückkehrender erkannt wurde.
Encke wandte diesem Gestirne sein ganzes Interesse zu; er verfolgte
bis ans Ende seines I^ebens den Kometen durch Rechnung und stellte
in sieben, der Berliner Akademie vorgelegten Abhandlungen (1829 bis
1854) die merkwürdige Thatsache fest, dafs der Enckesche Komet
(so wurde dieser späterhin allgemein genannt) in seiner Umlaufszeit
eine allmähliche Verkürzung erfahre, also sich dessen tägliche Bewegung
beschleunige. Encke führte deshalb zur Berücksichtigung dieser
Veränderung in seine Rechnungen von etwa 1829 ab die von Olbers
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geäufsorto Hypothese eines „widerstehenden Mittels“ ein. ') Es gelang
ihm, damit die dreizehn Wiederkünfte des Kometen zwischen 1819 — 58
befriedigend mit einander zu verbinden. Asten und Backlund haben
in neuerer Zeit diese Arbeiten über den Kometen für die weiteren
Rückkünfte seit 1868 fortgesetzt und sind zum Theil auch auf Revi-
sionen der Enck eschen Rechnungen zurückgegangen. Die Resultate,
die sie gefunden, sind sehr merkwürdige; nach denselben würde es
scheinen, dafs der Komet eigonthümliche Störungen in seiner Bewegung
(so z. B. eine sonderbare, plötzliche im Jahre 1868) erleide, deren
Grund weniger in einem widerstehenden Mittel, sondern eher in Vor-
gängen und Veränderungen im Innern des Kometen zu suchen sein
kann. Die Akten über den Enckeschen Kometen sind jedenfalls noch
lange nicht geschlossen, umsoweniger, als zwei sehr gediegene Ar-
beiten über die periodischen Kometen Faye und Winnecke, bei
denen früher ebenfalls eine Verkürzung der Umlaufszeit vermuthet
worden ist, keinen Schlufs unterstützen, der auf das widerstehende
Medium führen würde. Wenige Kometen haben bisher eine so grofse,
beharrliche Rechnungsthätigkeit für sich in Anspruch genommen, wie
der Enckesche. Selbst Encke, der Ausdauernde, fand die Rech-
nungen nachgerade „immer lästiger“. Die Beschäftigung mit dem
Kometen durch Encke führte aber auch indirekt zu neuen Fort-
schritten der Rechenkunst: zur weiteren Ausbildung der Berechnung
der speziellen Störungen und zur Vereinfachung der sonstigen
Rechnungsvorschriften. Der Komet hat nicht wenig dazu beigetragon,
dafs Encke jener Meister der Rechenkunst geworden ist, als welchen
wir ihn bewundern.
Die Voraussicht, dafs den zu Anfang unsers Jahrhunderts ent-
deckten 4 Asteroiden wohl bald weitere folgen würden und dafs
namentlich aus diesen Himmelskörpern der Astronomie bedeutende
Rechnungsarbeiten erwachsen müfsten, hatte Gaufs schon zu dem
geflügelten Worte veranlafst, ein neuer Berechner sei mehr werth als
zwei neue Sternwarten. Die sich seit der Entdeckung der „Asträa“
’) Diese Hypothese wird von Encke so gefafst: die Dichte des Mittels
(des hypothetischen den Weltraum erfüllenden feinen Stoffes) verhält sich um-
gekehrt dem Quadrate der Entfernung von der Sonne, und der durch das
Mittel ausgeUbte Widerstand ist direkt proportional dem Quadrate der Be-
wegungageschwindigkeit des Kometen; die dann stattfindonde Tangentialkraft
vermindert die grofse Axe der Kometenbahn und hiermit die Umlaufszeit.
Encke verwahrt sich ausdrücklich dagegen ('2. Abhdlg. 1331), dafs die ein-
geführte Hypothese die einzige richtige Erklärung leisten könne, ihm genügt,
dafs sich die Verkürzung durch jene Hypothese hinreichend darstellon und
berücksichtigen läfst.
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durch Hencke (1845) über die Schreibtische der Astronomen in
wachsender Fülle ergiefsende Heerschaar von Planetoiden liefs erkennen,
dafs an dem vielleicht etwas scharfen Worte Gauls’ auch einige
Wahrheit sei. Für die 8 grolsen Planeten hatte man lange Reihen
von Oppositionen gehabt, aus ilencn man L'mlaufszeit und Babnaxe
gewannen und damit zu einem Fundamente gelangen konnte, mit Hülfe
dessen sich die übrigen Bahnelemente aus den Beobachtungen leichter
finden liefsen. Die anzubringenden Störungen waren nicht grols, so
dafs man von den durch sie bewirkten Veränderungen der Elemente
auf Jahre hinaus Abstand nehmen konnte. Die ganze Bewegung der
Planeten konnte in Tafeln gebracht und daraus im Bedarfsfälle entlehnt
w'enlen. Bei den Asteroiden gestaltete sich aber die Sache ganz anders.
Die Elemente der Bahnen zeigten sich bei jeder Wiederkunft (Opposition)
der Planeten als andere. Die auftretenden beträchtlichen Neigungs-
winkel und Excentricitäten der Asteroidenbahnen machten eine Be-
handlung, wie man sie ehemals angewendet hatte, unthunlich. Es
ilauerte einige Zeit, ehe man hier den richtigen Weg fand. Endlich
kam man auf das einzig zweckdienliche Verfahren: Neben den Bahn-
elementen sofort auch die durch die andern Planeten (namentlich Jupiter
und Saturn) hervorgebrachten Störungen zu ermitteln^) und zwar bis
zum Zeitpunkte der nächsten Opposition, dann für diese Zeit geltende
Elemente abzuleiten und schliefslich für die Dauer der voraussichtlichen
Sichtbarkeit dieser kleinen Gestirne Ephemeriden zu berechnen, mittelst
welcher die Asteroiden aufgosucht und weiter beobachtet werden konnten.
Da die Asteroiden immer bald wietier zurückkehren (die Umlaufszeit
der meisten beträgt nur einige Jahre) und für joden dieser kleinen
Körper durch Vorausrechnung vorgesorgt sein soll, sowohl wegen der
Störungen, die er erfahren hat, als auch wegen der Verbesserung der
Bahneiementonbestimmung, die mit Rücksicht auf die letzte Beobachtung
des Planeten zu machen ist, so wird auch dem Laien wohl die Menge
der Arbeit klarer werden, welche die Asteroiden ohne Unterbrechimg
verursachen. Ein Blick auf die fortschreitende Entdeckungszahl der
Asteroiden illustrirt dies am besten. Es waren bekannt:
bis Anfang 1850 10 Asteroiden,
„ „ 1860 57
„ „ 1870 109
, „ 1880 211
, , 1890 287
’) Es ist merkwürdig, wie lange man diese Nothwendigkeit übersah.
Selbst Oaufs blieb bei der , Pallas" durch 9 Jahre (6 Oppositionen) bei rein
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Die Asteroidenberechnungen zogen deshalb bald mehr und mehr
rechnerische Kräfte an sich. Um 1862 beschäftigten sich schon etwa
30 Astronomen zumeist mit Störungsreohnungen der Asteroiden. Das
Haupt der deutschen astronomischen Schule, Encke, hielt mit Recht
viel auf die rechnerische Gewandtheit, die man sich bei der gründ-
lichen Bearbeitung der Bahnen der Asteroiden erwerben kann. Er
sagt; „Ich für meine Person bin überzeugt, dafs diese Arbeit neben
den festen an die Zeit gebundenen Beobachtungen einen günstigen
Einflufs auf den Astronomen hat und ihn mit einem Theile der Astro-
nomie in genauerer Verbindung erhält, von dem man ganz vorzüglich
erwarten mufs, dafs gröfsere Fortschritte der Wissenschaft ausgehen
werden.“
Ganz wesentliche Fortschritte machten die Methoden, spezielle
Störungen zu berechnen, durch die Bemühungen von Hansen. Der
letztere war es auch, durch den die schwierige Frage über die Be-
wegung des Mondes ihrer Lösung ganz erheblich näher gebracht
wurde. Tafeln, aus denen für jode gegebene Zeit der Ort des Mondes,
seine Bewegung etc, berechnet werden können, hatten schon Mayer,
Bürg und Burkhardt in hinreichender Brauchbarkeit konstruirt.
Plana und Delaunay versuchten sich an der Theorie, aber erst
Hansens Genie und Beharrlichkeit in der Bewältigung analytischer
und numerischer Entwicklungen gelang die strenge Lösung des
überaus komplizirten Problems. Seine Mondtafeln (1857), obwohl in
gewissen Punkten noch weiterer Verbesserungen harrend, bleiben für
lange Zeit das Fundament für alle mit der Mondbeweguug zusammen-
hängenden Aufgaben.
Die Erwähnung der mathematisch -numerischen Untersuchungen
Hansens als eines besonderen Zweiges der astronomischen Rechen-
kunst führt uns von selbst noch zu den ähnlichen Arbeiten Levorriers
über die Bewegungstheorie der grofsen Planeten. Die grofse Bedeutung
Leverriers ruht weniger in der rechnerischen Entdeckung des Neptun,
als vielmehr in der von ihm in der umfassendsten, scharfsinnigsten
Weise ausgeführten analytisch-numerischen Untersuchung des ganzen,
aus den Einwirkungen der Planeten aufeinander herv'orgehenden
komplizirten Organismus von Störungsgliedern und anderweitigen Be-
ziehungen. Man könnte beinahe sagen, diese endgültige Durcharbeitung
der Planetentheorie sei ihm allein die Hauptsache gewesen, da er uns
elliptischen Elementen stehen, bevor er dieselben zur Ermittlung von Stiirungon
verwendete.
*) Berliner aslr. Jahrb. 1804.
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die eigentliche Frucht seiner Arbeiten, die Tafeln von Merkur, Venus,
Mars, Jupiter, Saturn und der Sonne in weniger vollendeter Form,
wenigstens betreffs einiger dieser Planeten, hinterlassen hat. Die
rechnerische Entdeckung des Neptun ist gleichwohl als eine grofse
Thal aufzufuhren, denn sein Werk (1849) vereinigt zielbewursten
Gedankengang mit subtilster Genauigkeit der Rechnung. — Mit
Leve Triers Arbeiten, an welche noch Newcombs vorzügliche Unter-
suchungen über die Bewegung des Uranus und Neptun und den Mond
anzureihen sind, hätten wir die Hauptzüge der Entwicklung der astro-
nomischen Rechenkunst geschildert und wenden uns im Schlufsartikel
zu einer kurzen Betrachtung der rechnerischen Aufgaben, welche die
Gegenwart beschäftigen. —
*) Neptun wurde bekanntlich nach den aus den Störungen des Uranus Ton
Leverrier abgeleiteten Bahnelementen in Berlin am 23. September 184C von
Galle aufgefunden.
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Ueberseeische vulkanische Eruptionen und Seebeben.
Von AdmiralitäUrath Kotlok in Berlin.
e die Erdrinde des Festlandes von Erschütterungen seismischer
Natur und vulkanischen Eruptionen heimgesucht wird, so ist
auch der Meeresboden denselben Erscheinungen unterworfen.
Sind auch die Berichte über derartig beobachtete unterseeische Er-
scheinungen spärlich und knapp, so genügen sie doch, die Thatsache
ihres Auftretens aufser Zweifel zu stellen. Von vom herein liegt keim
Grund vor, die Wirksamkeit der dem Erdinnem entstammenden und als
Ursache jener Phänomene bekannten Kräfte allein auf die dem Fesl-
lande angehürigo Erdoberfläche zu beschränken, und den durch das
Meer bedeckten Theil der Erdkruste von derselben auszuschliefsen
Einen hinreichenden Beweis von der submarinen vulkanischen Thätig-
keit des Erdkörpers liefern die eruptiven Gesteine und Tuffe, welche
einen grofsen Theil der Meeresablagorungen ausmachen, sowie die
in allen Ozeanen theils zu Gruppen vereinigten, theils isolirten Inseln
vulkanischer Zusammensetzung. Dafs im Vergleich zu den leider nur zu
häuGgen Berichten über Erdbeben oder vulkanische Ausbrüche auf
dem Festlandc, so selten Kunde von ähnlichen Erlebnissen auf See
zu uns dringt, ist erklärlich, wenn man die verschwindend kleine
Anzahl der Beobachter auf See gegen die dichte Festlands-Bevölkerung
in Betracht zieht, wenn man bedenkt, wie vereinzelt die Schifte auf
der weiten Fläche des Ozeans vertheilt sind, so dafs sich der weit gröfste
Theil derselben der menschlichen Beobachtung entzieht. Es kommt
hinzu, dafs solche Phänomene, wenn sic erlebt, zum Theil von den
sie beobachtenden Seeleuten überhaupt nicht verzeichnet wurden, zum
Theil, wenn dies geschehen, in den Journalen vergraben geblieben
und nicht an die Oeffenllichkeit gedrungen sind, oder schliefslich auch
nicht richflg erkannt und ausgelegt wurden. Unzweifelhaft stammen
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von solcher falschen Erkcnntnifs die vielen Berichte über brandende
Klippen und Untiefen mitten im Ozean, von denen die Karten noch
voll sind, die aber nie wieder gesehen worden sind und dem Seefahrer
viele unnüthige Sorge bereiten; erst in neuerer Zeit hat man angefangen,
die Richtigkeit solcher Meldungen durcli umfafsende Nachforschungen
zu prüfen und ist es dadurch gelungen, schon viele solcher angeb-
lichen Gefahren aus den Karten zu tilgen.
Die in den Journalen deutscher Schiffe enthaltenen Berichte und
Aufzeichnungen über beobachtete Seebeben oder vulkanische Er-
scheinungen auf See werden seit dem Jahre 1877 in den von dem
hydrographischen Amt des Reichs-Marine-Amts herausgegebenen An-
nalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie veröffentlicht.
Mit einem eingehenderen Studium dieser ozeanischen Phänomene hat sich,
so weit dies bei dem mangelhaften Material möglich ist, E. Rudolph
beschäftigt und verdanken wir demselben die erste umfassende und
höchst schätzenswertho Sammlung einschlägiger Berichte. ’) Im Nach-
stehenden wollen wir uns darauf beschränken, die Natur und das
Wesen dieser für die Geophysik ebenso wichtigen, wie für den See-
mann bedeutungsvollen Naturereignisse, die Art ihres Auftretens, ihre
Wirkung auf die ozeanische Wassermasse, auf Schiffe und Atmosphäre
unter Benutzung der vorgenannten Berichte und Veröffentlichungen
kurz zu beleuchten.
Unter Seebeben verstehen wir jene Bewegung des Ozeans, die
erzeugt wird durch Erschütterungen des Meeresbodens, welche sich
auf das W’asser fortpflanzend, demselben den eigenartigen Charakter
des Bebens verleihen. Ob lediglich eine Erschütterung des Bodens
die Ursache gewesen oder ob gleichzeitig ein vulkanischer Durohbruch
stattgefunden, wird oft unentschieden bleiben müssen, da sich die
letzteren nicht immer, wie dies bei grofsen Tiefen leicht erklärlich,
bis zur Meeresfläche als solche zu erkennen geben. Nach Analogie
des Iläufigkeitsverhältnisses der Erdbeben und der vulkanischen
Eruptionen auf dem Festlande dürfen wir jedoch annehmen, dafs in
den meisten Seebeben -Fällen nur eine Bewegung, kein Durchbruch
des Meeresbodens vorliegt.
Vulkanische Eruptionen des Meeresbodens sind, wie dies schon
angedeutet, selten zur Beobachtung gekommen, und wenn dies der
‘) Ueber submarino Erdbeben und Eruptionen. Von E. Rudolph. Bei-
träge zur Geophysik. Abhandlungen aus dem geographischen Seminar der
Universität Stratsburg. Herauagogeben von Prof. Dr. O. Gerland. Stuttgart
18S7. E. Schweizerbartsche Verlagsbandlung.
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Fall war, meist in der Nähe des Landes d. h. in verhältnifsmiirsig
greringen Wassertiefen. Nach den uns überlieferten Schilderungen
vollziehen sich dieselben stets in ähnlicher Weise: ein Aufwallen des
Wassers, ein Emporheben von Wasserstrahlen zu beträchtlicher Höhe,
Ausstofsen von Dampf-, Feuer- und Rauchsäulen, Emporschleudent
von Lava- und Bimssteinmassen, begleitet von einem dumpfen, donner-
ähnlichen Getöse und häufig von penetrantem schwelligem Oentch.
Um ein besseres Bild dieser seltenen Erscheinung zu geben, mögen
hier einige kurze Scliilderungen folgen.
Eine am 24. Februar 1877 vor der Einfahrt der Kealakekua-Bai,
Hawaii-Insel, an der Stelle, wo Cook am 14. Februar 1779 seinen Tod
fand, stattgehabte Eruption schilderte ein Augenzeuge wie folgt
„Als wir am 24. F’ebruar auf der Fahrt von Kau nach der
Kealakekua-Bai in die Nähe der Hafeneinfahrt kamen, sahen wir
Dampf- unil Rauchsäulen aus dem Meer aufsteigen, das so bewegt
war, als ob eine gröfsere Anzahl Walfische dort spielte. Ueberall
trieben gröfsere Stücke Lava umher. Die Eingeborenen erzählten,
dafs die unterseeische Eruption zuerst am 24. Februar um 3 Uhr
Morgens beobachtet sei; sie wollten anfänglich unzählige rothe, grüne
und blaue Lichter gesehen haben, die sie sich vor dem nächsten
Morgen nicht zu erklären vermochten. Der Vulkan scheint aus einer
etwa eine Seemeile langen Spalte zu bestehen, da man so weit nach
See hinaus Dampf und Lava aufsteigen sieht. Die Tiefe des Wassers
beträgt 37 — 110 Meter. Der Vulkan liegt gerade im Track der vor-
beifahrenden Dampfer und erstreckt sich in der Richtung von West-
nordwest nach Ostsüdost. Nachmittags fuhren wir mit den Hüten nach
der Stelle, wo das Wasser am stärksten kochte und beständig zahl-
reiche grofse Stücke Lava au der Oberfläche erschienen und gegen
die Böte stiefsen. ln einer Minute wurde unser Boot von nicht weniger
als sechs Stücken Lava, die durchschnittlich zwei Kubikfufs grofs
waren, getroffen, indessen erlitt es durchaus keinen Schaden, da die
Lava vollständig weich war; beim Erscheinen an der Oberfläche war
sie, wie wir bemerkten, rothglühend und entwickelte schweflige Dämpfe
und Gase. Ein paar Stücke Lava nahmen wir in weifsglühendem
Zustande in das Boot; dieselben waren im Innern vollständig geschmolzen
und so weich wie Mehlleig, das Wasser war nur einen Zoll in das
Innere eingedrungen. Wir hörten ein Geräusch, wie wenn ein Bach
sich über F'elsen stürzt, das anscheinend aus dem unterseeischen
*) Annalen der Hydrographie 1877.
Uimmel uaU Erde. IStlO. II. 11. 34
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Krater herriihrte. In der Xacht vor dem Ausbruche wurde ein heftig-es
Erdbeben gespürt, das jedoch anscheinend keinen Schaden angerichtet
hat. Die von dem Vulkan ausgeworfene Lava ist porös, bröckelig
und leicht, so dafs sie in heissem brennendem Zustande auf der Ober-
fläche des Wassers treibt; nach Entströmung der schwefligen Gase
und Erkaltung sinkt sie jedoch, wie schon erwähnt Wahrscheinhch
steigt aber nur die leichte I^va bis an die Oberfläche, während die
schwereren Stücke auf dem Grunde des hier bis 50 Faden tiefen
Meeres Zurückbleiben. Durch den Ausbruch sind zahllose Fische
getötet worden, die von den Eingeborenen eifrigst gesammelt wurden.
In dem Konadistrikte von Hawaii' hat man in den letzten hundert
Jahren keine vulkanische Eruption mehr gehabt Der jetzige vul-
kani.sche Ausbruch hat bewiesen, dafs die vulkanischen Kräfte auch
unterhalb des Bodens von Kona lebendig sind.“
Als zweites typisches Beispiel einer submarinen Eruption mag
der Bericht des Walfischfahrers ,, Alice Frazer“, Kapt C. II. Newell,
dienen, 3) welcher sich mit 6 anderen Walern am 26. Juli 1856 in der
Onuimah-Strasse, König Georgs- oder St Lazarus- Archipel befand,
um dem Schauspiel eines schrecklichen -Ausbruches beizuwohnen, von
dem man schon mehrere Stöfse verspürt und dessen langes und dumpfes
Brüllen man gehört hatte. Nach Verlauf von 12 Stunden, während
welcher Zeit schwarzer dichter Rauch in verschiedener Stärke sich
senkrecht bis zu bedeutender Höhe erhoben hatte, trieb ein starker
Wind aus S. den Hauch aufs -Meer hinaus und verursachte völlige
Finsternifs. Gleichzeitig vernahm man ein langes und dumpfes Grollen
gerade unter dem Schiff, das sofort seine Erklärung fand durch das Er-
scheinen eines Vulkans, welcher sich plötzlich in der Mitte der klemen
Flotte erhob. -Anfangs wallte das Wasser auf, erhob sich umgestüm zu
wilden Wogen und dann sprang es wie der AA' asserstrahl einer
gewaltigen Quelle in glänzender AA’assersäule sich um sich selber
drehend zu grofser Höhe empor. Unter Donnergebrüll, welches die
Luft mächtig erschütterte, sah man Flammen und Rauch, Lava und
Bimsstein aufschiefsen. Ebenso plötzlich, wie sie angefangen, hörte
die submarine Eruption auch wieder aut“
AA'ie schnell eine solche plötzlich aus dem Meere auftauchende,
vulkanische, aus Eruplionsproilucten sich zusammonsetzendelnsel wieder
verschwinden kann, lehrt der Bericht des Kapitains Lunginers vom
Kudolph ,1'eber submarine Erdbeben und Eruptionen“; aus Bulletins
de rAoademie de Bruxelles. IS3;'.
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Schiffe „Lutterfeld“, welches auf eine in 65® 15' S. Br. und 72® 10' W. Lg.
ca. 140 Seemeilen von der Magellan-Strafse gelegene, bisher unbekannte
kleine Insel von ca. 30 m Höhe früh Morgens beinahe aufgelaufen wäre.
Der Bericht lautet^): „Das Schiff drehte bei bis der Tag anbrach, worauf
der Kapitain mit einem Boot nach der neuen Insel fuhr, welche seit
ihrer ersten Wahrnehmung bereits an Gröfse abgenommen batte. Rings
um die kegelförmige Felsma.sse zischte das Wasser, und obwohl kein
Rauch aufstieg, so war dieselbe doch zu heifs, um eine Landung zu
gestatten. Langsam fuhr die Insel fort zu sinken, war um 8h voll-
ständig unter der Meeresfläche verschwunden und eine Stunde später
segelte das Schiff über die Stelle fort, welche kurz vorher die Insel
eingenommen hatte.“
Wenden wir uns nun den Seebeben zu, so steht uns darüber
eine gröfsere Anzahl von Berichten zur Verfügung, welche, so ver-
schiedenartig auch die einzelnen in ihren Schilderungen sind, doch in
ihrer Gesamtheit ein klares Bild der Erscheinung zu geben im
Stande sind.
Der erste Eindruck auf die Besatzung eines von einem Seebeben
getroffenen Schiffes wird fast überall dargestellt als die Empfindung
des Strandens oder Auflaufens dos Schiffes auf den Meeresboden oder
des Aufstofsens auf eine Klippe.
Die dem Schiffe mitgetheilte und von der Besatzung empfundene
Bewegung ist sowohl in ihrer Intensität, wie ihrer Art nach verschieden.
Bald ist es ein leises, kaum merkbares Zittern, bald eine stärkere
Erschütterung, die alles Geschirr erklirren macht und lose Gegenstände
an Bord umwirft, bald sind es Stöfse, die sich auch auf Masten und
Raaen äufsern, das Ruder hin- und herschlagen oder gar gröfsere
Beschädigungen hervorrufen. Die Stöfse, welche in gröfseror oder
geringerer Zahl das Schiff treffen, sind je nach ihrer Richtung und
Heftigkeit von verschiedener Wirkung. So erlitt das dänische Schiff
Tjalfe am 1. September 1885 im Xordatlantischen Ozean 2 Stöfse, von
denen der erste so heftig war, dafs man glaubte, das Schiff bräche
zusammen;^) auf dem Schiffe Willy wurde der Kapitän durch einen
Seebebenstofs am 2. Dezember 1883 in der Ombay-Strafse an Deck
niedergeschlagen, während dem Mann am Ruder das Rad fast aus der
Hand flog. Nicht selten wird berichtet, dafs das Schiff auf die Seite
geworfen oder in die Höhe gehoben wird. Die Brigg Limproniana
<) Annalen der Hydrographie 1878.
*) Annalen der Hydrographie 188.V
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wurde beim Eialaufen in den Hafen von Truxillo, Honduras, am
25. September 1855 „durch einen starken vertikalen und einen von
OSO. nach WNW. fortschreitenden horizontalen Stofs emporgehoben,
und fiel wie eine Bleimasse wieder nieder, so dafs das Wasser rund
herum aufspritzte.“
Während die meisten Stöfse vertikal von unten nach oben ge-
richtet oder doch horizontal das Schiff nach einer bestimmten Kicbtung
in Bewegung setzen, konstatirte der Kommandant Sr. Maj. Av. Loreley,
Korvetten -Kapitän von Wietersheim bei dem Erdbeben von Chios
im April 1881 im Hafen von Castro undulatorische Bewegungen
(Annalen der Hydr. 1881 S. 302). Die gleichen wellenförmigen Be-
wegungen wurden von Kapitän Stege an Bord des Schoners Pallas
am 18. Juli 1880 im Hafen von Manila wahrgenommen (Annalen der
Hydr. 1881 S. 261).
Ueber den während des Seebebens beobachteten Zustand der See
sprechen die Berichte sich auch ziemlich abweichend von einander
aus; während nach einzelnen Sclülderungen das Meer sich zu richtigen
Wellenbergen aufthürmt, hohe Wassersäulen emporgeschleudert werden,
die ganze Oberfläche des Wassers lebhaft aufwallt, als ob es koche
und siede, melden die meisten wunderbarer Weise, dafs die See während
der Erscheinung vollkommen ruhig blieb. In einem Falle berichtet
sogar der Dampfer City of Palatka von einer beruhigenden Wirkung
auf den herrschenden Seegang; derselbe stand bei dem am 31. August
1886 die Ostküste von Nordamerika erschütternden Erdstofs südlich
von Charleston und spürte eine l*/j Minuten dauernde rollende und
zitternde Bewegung; der starke südöstliche Seegang hörte plötzlich
während dieser Erschütterung auf, die See war vollkommen ruhig und
erst nach Aufhören des Bebens setzte der alte Seegang wieder ein.
Die bei einem Seebeben gemeldete Temperaturerhöhung des
Wassers — Kapitän Short berichtet, dafs er bei einem Seebeben, welches
sein Schiff am 17. Juli 1852 im Atlantischen Ozean traf, glaubend,
das Schiff sei auf eine Untiefe aufgelaufen, beim Gebrauch des Lothes
mit HO Faden Leine keinen Grund fand, Lolh und Lothleine jedoch
beim Einholen heifs waren — ist zweifellos einer submarinen vulka-
nischen Eruption zuzuschreiben, durch welche die Wassermasso er-
wärmt wurde. Die Bemerkung des Kapitäns, dafs das Meer ringsum
wie siedendes Wasser kochte und in nur geringer Entfernung vom
Schiß' Dampf wie aus einem Schornstein aufstieg, bestätigt diese Annahme.
In gleicher Weise scheint eine beobachtete Trübung oder Ent-
färbung des Wassers auf Eruptionsprodukte zurückzuführen zu sein
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oder auf die Erschütterung des Meeresbodens, welche besonders in
geringen Tiefen leicht eine Trübung des Wassers bis zur Oberfläche
hinauf zur Folge haben kann.
An sonstigen Begleitphänomenen des Seebebens wird überein-
stimmend in fast allen Berichten ein eigenartiges Geräusch oder Getöse
hervorgehoben, das bald als ein Hollen, bald als Rasseln oder Brausen,
bald als Zischen, Stöhnen oder Heulen bezeichnet wird, bald mit dem
Rollen eines über Deck fahrenden schweren Wagens, bald mit dem
Grollen eines entfernten Donners oder dem Donner der Kanonen ver-
glichen wird. Der Kommandant Sr. Maj. Schiff „Prinz Adalbert“
Kapitän zur See Mensing, welcher auf der Rhede von Ancon am
10. Februar 1885 zwei kurz auf einander folgende, das Schiff merklich
erschütU'rndo Stöfse von ca. 10 Sekunden Dauer verspürte, schildert
das begleitende Schallphänomen als „ein Geräusch wie des unter
Wasser abgelassenen und an die Oberfläche entweichenden Dampfes,
welches bald in ein donnerähnliches Gepolter, ähnlich dem Ton reissen-
den Flufs- oder Stromeises überging.“®) Stets wird der Schall als
aus dem Wasser kommend bezeichnet, meist schwach und dumpf wie
in der Feme verhallend, oft zu einer derartig betäubenden Stärke
anwachsend, dafs er die ganze Atmosphäre zu erfüllen schien und
Alles übertönte.
Besondere atmosphärische Störungen scheinen mit dem Seebeben
nicht verbunden zu sein. Wenn auch in einzelnen Berichten von be-
gleitendem dicken und trüben Wetter, von schwerem bezogenem
Himmel die Rede ist, so läfst sich doch kein ursächlicher Zusammen-
hang mit dem Seebeben erkennen, um so weniger, als dem gegenüber
andere Berichte gerade das vollkommen ruhige Verhalten der Atmo-
sphäre, unveränderten Barometer- und Thermometerstand betonen.
Ebenso können die Bemerkungen über eine auffallende Unruhe des
Kompasses als Ausnahmen betrachtet werden und sind wohl lediglich
der mechanischen Wirkung infolge der Erschütterung und der auf
das Schiff ausgeübten Stöfse zuzuschreiben, eine Erscheinung, die bei
heftigen Bewegungen des Schiffes nicht zu den Seltenheiten gehört.
üeber die Zeitdauer der Seebeben gehen die Berichte ziemlich
weit auseinander; von den von Rudolph gesammelten Beispielen
enthalten 106 Zeitangaben, welche zwischen einem Moment und 30 Mi-
nuten variiren; relativ am häufigsten sind die Angaben über eine
Dauer von 1 bis 5 Minuten vertreten.
•) Annalen der Hydrographie 1875. 3. 310.
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Wenn auch die Zeitnotirungen auf grofse Genauigkeit keinen
Anspruch erheben, so läfst sich doch aus denselben der auffallende
Schlufs ziehen, dafs die Dauer der Seebeben diejenige der Erdbeben
übertrifil.
Ueber Ausdehnung und Fortpflanzungsgeschwindigkeit
der Seebeben sichere Resultate zu erhalten, ist bei dem vorliegenden
Beobachtungsmaterial nicht möglich; zu solchen Bestimmungen sind
viele gleichzeitige Beobachtungen unerläfslich, während selten mehr
als eine uns zu Gebote stehU Diese Schwierigkeit wird sich auch so
leicht nicht überwinden lassen, da es als ein besonderer Zufall be-
trachtet werden mufs, wenn mehrere Schiffe auf See von demselben
Seebeben berührt werden. Soweit sich aus dem vorhandenen Material
Schlüsse ziehen lassen, ist die Ausdehnung des Scbüttergebietes eine
verhältnifsmäfsig geringe. Rudolph sucht den Grund hierfür in den
vorwiegend vertikalen Stöfsen, in denen sich das Seebeben äufserL
„Es liegt in der Natur der vertikalen Erdbeben, bemerkt er hierzu,
und in den Eigenschaften des flüssigen Mediums, durch welches die
Stöfse sich verbreiten, begründet, dafs ihre seitliche Fortpflanzung
gering ist.“ Den Beweis der beschränkten Wirkungssphäre liefert in
erster Reihe die Brigg Wilhelmino, welche am 1. September 1886 in
der Mitte des Englischen Kanals von einem Seebeben getroffen wurde,
ohne dafs an den angrenzenden nahen Küsten Englands und Frank-
reichs irgend etwas von demselben gespürt wurde.
Ein Beispiel von einer gröfseren Ausdehnung des Schüttergebietos
dagegen gewährt das Seebeben am 31. Dezember 1881 im Meerbusen
von Bengalen, welches nicht nur die ganzen Küsten Vorder- und
Hinterindiens erschütterte, sondern auch die Andamanen und Nikobaren
erreichte, Ceylon und Sumatra berührte; die Schülterfläche dehnte
sich von Nord nach Süd etwa 1600, von Ost nach West 1500 See-
meilen aus.
Mehrere gleichzeitige Beobachtungen von Schiffen auf See hegen
ferner noch vor über das Seebeben vom 22. Dezember 1884 zwischen
den Azoren und Madeira; aus denselben hefs sich eine vorwiegend
lineare Fortpflanzung von NO. nach SW. festslellen, im Gegensatz zu
der centralen Verbreitung des erwähnten BcngaUschen Seebebens;
in seinen Wirkungen wurde es wahrgenommen zwischen etwa 16“
und 3ö® W. Lg. und zwischen 31® und 40® N. Br.
Diese beiden Seebeben geben gleiclizeitig einigen Anhalt für die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit. Während dieselbe bei dem Azoren-
Madeira- Beben zwischen 600 und 1800 m in der Sekunde wechselte.
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ist für den Meerbusen von Bengalen eine mittlere Geschwindigkeit von
etwa 600 in errechnet worden. Selbstverständlich sind dies alles nur
ganz genäherte Angaben, die auf Sicherheit und Genauigkeit keinen
Anspruch machen können.
Es möge zum Schlufs noch der die seismischen oder vulkanischen
Erscheinungen des Meeres häufig begleitenden oder in ihrem Gefolge
auftretenden Seebeben- oder Stofswellen kurze Erwähnung ge-
schehen, die, sich durch grofse Wellenlänge, Periode und Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit auszeichnend, oft die enorme Wasserfläche
des Ozeans von einer Seite zur anderen durchlaufen und auf die
Küste stofsend gewaltige Verheerungen anrichten. Es ist interessant,
dafs schon Thucydides von solchen Wellen und ihren zerstörenden
Wirkungen berichtet und ihre Entstehung auf seismische Kräfte zurüok-
führt. Ausführlicher beschreibt bereits Ammianus Marcellinus eine
im Jahre 365 n. Chr. bei einem Erdbeben stattfindende Ueberfluthung
von Küsten und Inseln, die Tausende von Menschen und unzählige
Gebäude hinwegspülte.
Sehr viel genauer sind wir von vielen in neuerer Zeit aufge-
tretenen Stofswellen unterrichtet, es sei nur an die das Erdbeben von
Lissabon am 1. November 1765, das griechische Erdbeben am 26. De-
zember 1860, dasjenige von Ärica am 13. August 1868, von Iquique
am 9. Mai 1877 begleitenden Wellen und schliefslich an die dom Ge-
dächtnifs noch frische Katastrophe in der Sunda-Strafse beim Krakatao-
Ausbruch am 26. und 27. August 1883 erinnert. Ob in diesen Fällen
gleichzeitig eine Erschütterung oder eine Eruption auf dem Meeres-
boden stattgefunden, wie wohl anzunehmen, und dadurch die Wellen
erzeugt worden sind, oder ob dieselben lediglich der Erschütterung der
Festlandsküste ihre Entstehung verdanken, lassen wir vorläufig dahin-
gestellt, Bei dem Erdbeben zu Lissabon brachen vier 6 — 18 m hohe
Wellen über die Küsten herein und zerstörten erbarmungslos Alles, was
ihnen in den Weg trat; das Epicentrum des griechischen Erdbebens
lag im Golf von Korinth und sandte 3—4 Wogen nach allen Seiten
über die umschliefsenden Gestade.
Die Wellen des Erdbebens von Arica überschwemmten in einer
Höhe bis zu 17 m die Küsten des Schüttergebietes und durchliefen
den Stillen Ozean in ca. 20 Stunden, sich an den Küsten Australiens,
Neu-Seelands und auf den Südsee-Inseln deutlich markirend. Ebenso
verbreiteten sich die Stofs wellen von Iquique über den ganzen Ozean;
in Japan wurden Fischer von denselben weggespült, in Neu-Seeland
Brücken zerstört und auf den Sandwich-Inseln Niederlassungen über-
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ölS
schwemmt. Allem bisher Dagewesenen spottet aber in ihren zer-
störenden Wirkungen die Katastrophe in der Sunda-Strafse, wo nicht
nur bei der vulkanischen Eruption selbst grofse Landstrecken mit
Allem, was darauf war, versanken, sondern auch die derselben folgen-
den Stofswellen die nächst gelegenen Küstenstriche mit ihren blühen-
den Ortschaften, ihren dichten Wäldern, ihrer tropisch-üppigen Vege-
tation in weite Trümmerhaufen verwandelten, wovon der Schreiber
dieser Zeilen kurz nach dem ünglücksfall sich an Ort und Stelle per-
sönlich zu überzeugen die traurige Gelegenheit hatte.
Die Entstehungsursachc dieser Wellen wird theils in einer Niveau-
schwankung der Küste und des ihr zunächst liegenden Meeresgrundes,
theils in einer plötzlichen heftigen Hebung und Senkung einer Stelle
des Meeresbodens gesucht, einige Forscher wollen sie durch den Ein-
sturz gröfserer Flächen des Meeresbodens in tiefer gelegene Hohl-
räume der Erdkruste erklären, während schliefslich noch andere
Forscher, wie v. Hoohstetter, v. Sonklar und Geinitz die Wellen
aus einem den Erdboden in der Nähe der Küste treffenden kräftigen
Stofs und dadurch bewirkter Erschütterung desselben herleiten.
Rudolph steht allen diesen Theorien ablehnend gegenüber; nach
seiner Ansicht kann eine Stofswelle nur durch eine submarine vul-
kanische Eruption entstehen, sind doch nach den Berichten verhältnifs-
mäfsig wenige Seebeben wirklich von derartigen Wellen begleitet Es
würde zu weit führen und liegt aufserhalb des Rahmens dieser Zeilen,
auf eine Kritik, die Gründe für und wider einzugehen, die Erscheinung
selbst, ihre Natur und Wirkungen bleiben dieselben, mögen sie einer
eruptiven Tbätigkeit des Meeresbodens oder einer blofsen seismischen
Erschütterung ihr Dasein verdanken.
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Enthüllung des Oppolzer-Denkmals an der Wiener Universität.
Bekanntlich werden in den Arkaden der Wiener Universität die
Büsten hervorragender Gelehrter aufgestcllt, welche an derselben ge-
wirkt und eine Reihe solcher Büsten ziert bereits die Gänge des
Arkadenhofes. Unlängst wurde die Zahl dieser Büsten um ein Doppel-
denkmal bereichert, welches zweien der hervorragendsten Zierden der
Wiener Universität gilt, dem unvergefslichen Kliniker Johann von
Oppolzer und seinem Sohne, dem genialen Astronomen Theodor von
Oppolzer.
Die Enthüllung des Denkmals fand am 18. Mai Mittags statt.
Lange vor der anberaumten Stunde hatte sich schon eine zahlreiche
Versammlung eingefunden. In den ersten Reihen der reservirten Sitze
befanden sich die Angehörigen der beiden Gelehrten, während der
übrige Theil des reservirten Raumes von einem distinguirten Publikum
gefüllt war, unter welchem man Vertreter des Unterrichts-Ministeriums,
der Akademie der Wissenschaften u. s. w. und eine grofse Anzahl von
Professoren der Wiener Universität bemerkte. Auch Vertreter einiger
studentischer Couleurs und des Vereins zur Pflege kranker Studirender
hatten dort Aufstellung genommen, während mehrere hundert Studenten
in gedrängten Reihen den übrigen Raum der Arkaden ausfüllten.
Um 12 Uhr erschien in feierlichem Zuge, unter Vorantritt der Pedelle
und der Erstchargirten der studentischen Verbindungen, der Rektor
und der akademische Senat, geschmückt mit den Insignien ihrer Würde.
Nachdem dieselben sich an ihre Plätze begeben hatten, begann der
Rektor Prof, theol. Dr. Pölzl, seine Festrede, von der wir leider
nur einen kurzen Auszug geben können. Er leitete dieselbe mit der
Bemerkung ein, der akademische Senat habe beschlossen, die Arkaden
mit Monumental -Werken auszuschmücken und die Bildnisse solcher
Männer aulzustellen, welche an der Alma mater als berühmte Forsch er
und I^ehrer gewirkt.
Heute werde das Denkmal zweier gleichgefeierter fielehrter enthüllt,
der Professoren Dr. Johann und Dr. Theodor Ritter von Oppolzer,
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r,20
V ater und Sohn. Der Redner schildert nun eingehend den Lebenslauf
Johann von Oppolzers, sein Wirken und seine hervorragende
Bedeutung in der Wissenschaft, und geht dann mit dem Bibelverse
Filius sapiens laetiflcat patrem zur Skizzirung des Lebens und der
Werke Theodor von Oppolzers über.
Nachdem er zunächst der biographischen Daten Erwähnung ge-
thun, hebt er hervor, dafs Oppolzer noch als Student der Medizin,
welche er auf Wunsch seines Vatei's studirte, 56 astninomische .Ab-
handlungen schrieb, dafs er in einem Alter von 28 Jahren bereits
korrespondirendes Mitglied der Wiener Akademie der Wissenschaften
war und dafs er, um mit den Worten des ihm in dieser Akademie ge-
haltenen Nachrufes zu sprechen, in einem wahren Siegesläufe von
Erfolg zu Erfolg schreitend, schon in jungen Jahren seinen Namen
mit ebenbürtigem Glanze neben den seines grofsen Vaters zu setzen
wufste.
VonOppolzers wissenschaftlicher Thätigkeit bespricht der Redner
zunächst sein Lehrbuch zur Berechnung der Planeten und Kometen-
bahnen, welches bekanntlich weitaus als das hervorragendste Werk auf
diesem Gebiete anzusehen sei imd welches durch Pasquiers vortreffliche
Uebersetzung auch dem französischen Publikum zugänglich gemacht
wurde, ferner Oppolzers bahnbrechenpes W’irken für Zwecke der Grad-
messung in Oesterreich, dem es zu verdanken sei, dafs im I^aufe weniger
Jahre eine grofse Anzahl von Längen, Breiten und Schwerebestinunungen
durchgefUhrt wurde, und verweilt besonders bei Oppolzers letztem
grofsen Werke, seinem Canon der Finsternisse, dessen Herausgabe er
nicht mehr erleben sollte, da es ihm nur mehr vergönnt war, sein
brechendes Auge auf den letzten Korrekturbogen seines unsterblichen
Werkes zu heften. Beide Gelehrte, die wir heute feiern, konnten von
sich sagen: „Exegi monumentum aere pereunius“. Mit diesen Worten
liefs der Rektor die Hülle des Denkmals sinken und dieses letztere, von
Tilgners Meisterhand gemeifsolt, zeigte der Versammlung die wohl-
getrofifenen Gesiohtszüge von Johann und Theodor von Oppolzer.
Hierauf traf Prof. v. Stoffella vor, um seinerseits als Schwieger-
sohn und ehemaliger Assistent Johann von Oppolzers und als
Schwager Theodor von Oppolzers, eine Gedenkrede zu halten,
•leren markanteste Stellen wir in Folgendem wiedergeben;
„Johann und Theodor von Oppolzer! Welch heifse Ge-
fühle von Dankbarkeit und Liebe drängen sich um die Wette in
meinem Herzen beim .Anblick Eurer von Meisterhand geschaffenen
Bildnisse! Die höchste Auszeichnung, die einem Gelehrten zu Theil
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werden kann, sie ist Eucli heute g-eworden, nachdem Euch schon
im Leben Euer Genius von Triumph zu Triumph getragen, von
Triumph zu Triumph Euch eilen liefs.
Indefs nicht die Sucht nach äufseren Ehren, nach Titeln und
Auszeichnungen war der Beweggrund Eurer Arbeit, Eures Schaffens.
Eurer unermüdlichen Hingebung an die Wissenschaft. Ein Solches
hätte Eurer vnrnehmeu Natur widerstrebt Ihr folgtet vielmehr einem
von heiliger Begeisterung getragenen, unstillbaren Wissensdurste,
einem inneren Drange, der Natur ihre Geheimnisse abzuringen und die
höchste Befriedigung fandet Ihr darin, wenn Ihr die Schätze, die Ihr
aus dunklem Schachte an das Licht des Tages gehoben, mit frei-
gebiger Hand an Eure Schüler und Mitmenschen vertheilen konntet
Ihr theilt Euch nun mit Euren illustren Mitbewohnern dieser
Ruhmeshallo unserer Alma mater in die Aufgabe, Wache zu halten
über das Palladium der Wissenschaft. Ihr Beide habt die Palme
der Unsterblichkeit errungen. Solange eine medizinische Wissen-
schaft und die erhabene Wissenschaft der Astronomie bestehen
werden, so lange wird der doppelt ruhmgekrönte Name des Dios-
kurenitaares Johann und Theodor von Oppolzer nicht von der
Enle schwinden. Euer Name wird fortleben allüberall, wo Adel des
Geistes und des GemUthes zu finden. Derselbe ist vor Vergessen-
heitbewahrt, denn, wie der Dichter sagt, nur das Gemeine geht
klanglos zum Orkus hinab.“
-Nach dieser Rede, welche auf die Anwesenden einen tiefen
Eindruck hervorbrachte, stimmte der akademische Gesangxerein einen
feierlichen Chor an, der mächtig durch die weiten Räume der
Arkaden tönte.
Mit der Niederlegung eines Kranzes mit der Inschrift: „Seinen
unsterblichen Gründern, der Verein zur Pflege kranker Studierender",
durch die Vertreter dieses Vereins schlofs um 1 Uhr die erhebende Feier.
Wien. Dr. R. Schram.
Gustav Adolph Hirn.
Am 14. Januar dieses Jahres starb im Aller von 74 '/o Jahren
zu Colmar i. E. G. A. Hirn, von Hause aus als Ingenieur und Leiter
einer ausgedehnten Baumwollspinnerei und Weberei ein Mann der
Praxis, den jedoch die Bedürfnisse der Vervollkommnung industrieller
Einrichtungen frühzeitig zum wissenschaftlichen Studium wichtiger
Fragen auf den Gebieten der Mechanik und Wärmelehre führten, von
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denen er später den Weg bis zu den höchsten und umfassendsten
Spekulationen über die Konstitution des Kosmos fand. Hirn war ein
völliger Autodidakt von frischester Originalität des Denkens und wei-
tester Universalität der Interessen. Neben einem klaren und energi-
schen Sinn für die Praxis, die er durch seine theoretischen Forschun-
gen erhellte und wesentlich förderte, verband er mit seiner exakten,
wissenschaftlichen Denkschärfe auch einen durchaus weitsichtigen,
philosophischen Blick, der leider infolge einer durch die naturphilo-
sophische Schelling-Hegelsche Schule verschuldeten und bis auf den
heutigen Tag noch nicht ganz überwundenen Abneigung gegen philo-
sophische Spekulationen noch immer gar vielen exakten Naturforschern
gänzlich abgeht. Ohne je eine Universität besucht zu haben, war
G. A. Hirn.
Hirn imstande, die schwierigsten Fragen der analytischen Mechanik
und der Wärmelehre mathematisch zu behandeln. Sein Name wird
an der Seile der J. K. Mayer, Clausius und Joule allezeit mit Be-
wunderung in der Geschichte der für die Gegenwart so bedeutsam
gewordenen mechanischen Wärmetheorie genannt werden, denn wir
verdanken ihm die beste und genaueste Bestimmung des mechani-
schen Wärmeäquivalents. Durch mannigfach variirte und sehr ver-
schiedenartige Experimentaluntersuchungen ermittelte er ebensowohl
die Wärmemenge, welche durch die Umwandlung einer Arbeitsein-
heit in Wärmebewegung erzeugt wird, wie er auch umgekehrt
den Wärmeverlust des Wasserdampfes in einer Dampfmaschine fae-
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rechnete, der einer bestimmten vc^n ihm ^thanen Arbeitsleistung ent-
spricht. Die in Rücksicht auf die grofsen Schwierigkeiten solcher
Btrstiramungen völlig befriedigende Uebereinstimmung der auf so ent-
gegengesetzten Wegen gewonnenen Zahlen für den Arbeitswerth der
Wärmeeinheit (425 und 412 Kilogramm -Meter) lieferte den eiperi-
mentellen Nachweis der vollständigen Aequivalenz der beiden Energie-
formen, die wir als Massenbewegung und als Wärme wahmehmen.
M'eitere ausge<iehnte Untersuchungsreiben Hirns bezogfen sich auf
die Ausdehnung der Flüssigkeiten durch die Wärme und endlich auf
die sogenannte spezilische Wärme von Flüssigkeiten und Gasen, d. h.
auf die Bestimmung deijenigen Wärmemengen, welche nöthig sind,
um die Temperatur der Volumeneinheit eines Stoffes um einen Grad
zu erhöhen. Alle diese wichtigen Versuche erforderten nicht blofs au
sich bei der Anordnung und .Vusführung den gröfsten Scharfsinn,
sondern mufsten auch gleichzeitig von theoretischen Erwägungen
schwierigster Art begleitet werden. Hirn löste aber diese Probleme
durchweg mit solchem Glücke, dafs seine Resultate völlig unübertroffen
dastehen. In der „Theorie analytique de la chaleur“ sind die Ergeb-
nisse dieser denkwürdigen Forschungen niedergelegt —
Seine kosmologischen Studien begann Hirn mit der „Analyse
ölemenlaire de l'Univers“ und durch die 1872 heraiisgegebene Schrif::
„la; Monde de Salume, ses conditions d’existence et de duree“ ward
er bald in der astronomischen Welt aufs Vortheilhafteste bekannt.
Hier wies nämlich Hirn mit zwingenden Argumenten nach, dafs die
Salumringe weder feste, noch auch flüssige Ringe sein können, son-
dern aus einer grofsen Menge getrennter kleiner Körperchen zu-
sammengesetzt sein müssen. Schon längere Zeit vor Hirn hatte zwar
Maxwell dieselbe Theorie der Constitution der Satumringe aufgestellt,
die bekanntlich ') neuerdings durch die Beobachtung auch glänzend
bestätigt worden, aber Hirn hat dieselbe unabhängig gefunden und
durch neue Beweisgründe vertieft. — Im Jahre 1884 bestimmte Hirn
dann die Temperatur derjenigen Schichten des Sonnenkörpers, aus
denen die Protuberanzen hervorbrechen, auf mindestens 2 Millionen
Grad Celsius vermittelst einer höchst geistvollen, allerdings auch schon
vor ihm von Zöllner angewandten Methode.*) Die Höhe, bis zu
welcher die Wasserstoffmassen emporgeschleudert werden, und die Ge-
schwindigkeit dieses Wurfes gestatten nämlich auf Grund der Lehren
der mechanischen Wärraetheorie einen derartigen Rückschlufs ohne
') Vgl. Himmel und Erde. I. ,S. .'19!).
Vgl. L'A-'«tronomie, t. III., i>. 334.
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irgend welche direkte Bestimmung der Sonnenstrahlung, und Hirn
war sicherlich die geeignetste Persönlichkeit, jene physikalischen
Lehren, die er selbst mit hatte aufbuuen helfen, auf ein kosmisches
Problem mit Erfolg anzuwenden. — Während der letzten Lebensjahre be-
schäftigten allgemeinere Studien, zum Theil philosophischer Art, den leb-
haften Geist des noch jugendfrischen Greises. In dem jüngst erschienenen,
hochbedeutsamen Werke: „Constitution de l'Espace celeste“^) legte er
ein Resume derjenigen Gedanken nieder, die ihn zuletzt beschäftigten.
Unter Anderem unterzieht er darin die bisher üblichen Anschauungen
über den die Beziehungen der Weltkbrper unter einander vermitteln-
den Aethcr einer genauen Kritik, deren Entscheidung dahin ausfiillt,
dafs derselbe ein materieller Stoff, etwa ein im höchsten Verdünnungs-
grade befindliches Gas, nicht sein könne, denn sowohl die Annahme
der Ruhe, als auch die einer um die Sonne als Mittelpunkt sich voll-
ziehenden Drehbewegung führe zu Konsequenzen, welche der Erfah-
rung widersprechen. Hirn kommt dadurch zu der Ansicht, dafs dem
Aether die allgemeineu Eigenschaften der Materie nicht zukommen,
dafs er also eine ganz eigenartige Subshinz, ein „dynamisches Ele-
ment"*, darstelle, das unseren gewöhnlichen ph3'sikalisohcn Unter-
suchungsmethoden nicht zugänglich ist —
In philosophischer Hinsicht war Hirn enschiedener Spiritualist,
und er vertrat diesen Standpunkt unbeirrt und unerschrocken dem
gegenwärtig unter exakten Forschern so weit verbreiteten Materialismus
gegenüber, ln diesem Sinne schrieb er über „La Vie future et la
Science moderne“, sowie seine „Refutation scientiDque du matcriahsme“
Ein persönlicher Schöpfer, sowie auch die Unsterblichkeit der Seele
waren für Hirn Annahmen, welche das menschliche Denken nicht
entbehren köime. —
An äufseren Ehrenbezeugungen fehlte es Hirn nicht, obwohl
ihm eine fast übertriebene Bescheidenheit eigen war. 1865 wurde er
auf Leverriers Vorschlag zum Ritter der Ehrenlegion ernannt, das
Institut de France machte ihn ebenso, wie viele andere gelehrte Aka-
demien, zum korrespondirenden Mitgliede; die Berliner ph.vsikalische
Gesellschaft krönte seine ersten Arbeiten mit Prei.sen, und die Akademie
in Bologna ernannte ihn zum Ehrendoktor, während ihm der Kaiser
von Brasilien das Grofskreuz des Rosenordens übersandte. Wohl freuten
ihn diese Anerkennungen, aber sein Geist flog zu hoch, als dafs er
’) Eine eingehendere Be.sprcchung wii-d dieses Werk im bil)liograi>hischcn
Theil eines unserer nächsten Hefte erfahren.
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a.ich ihaeo ges^rto'. bin«; deim Hirn war nicht blofs ein genialer
•ieiehrter. «ondem rnglexh ein e-ller Mensch und ein lauterer,
fe.bstloser Cnänkter. Dr. F. Koerber.
Astronomische Thätigkeit zweier Privatstemwarten.
Ein kürzlich erschienener Sternwanenjahresbencht') giebt uns
Oelegenheit, der mehr als 3Öjährigen fruchtbaren Mitwirkung eines
Liebhabers der Astronomie anf dem Oebiete der Beobachtungen zu
.'edenken. Es ist dies Herr John Tebbutt, welcher nahe der Sudt
Windsor m Neu -Süd -Wales, auf einer Halbinsel ein Observatorium
errichtet ha». Mr. Tebbutt fing in den sechziger Jahren an, mit gimz
bescheidenen Mitteln, nämiich einem Sextanten, einer Uhr und einem
kleinen Femrolir, beobachtende Astronomie zu treiben; Zweck war
die .Selbstbelehrung und die Bekanntmachung neuester astronomischer
Fortechrine in den australischen Tagesblattem. Allmählich vergrösserte
er seinen Instrumentenpark und errichtete 1863 ein kleines Observa-
torium. 1664 besafs er nur einen 2-zölIigen Refraktor und seit 1872
ein Cooksches Fernrohr von 4‘ j Z<3ll Objectivöflhung. Trotz dieser
geringen optischen Mittel entfaltete Tebbutt eine überaus reiche
Thätigkeit. Die Kometen bilden das Hauptobjekt derselben. Mit sei-
nem 4>j-Zöller lieferte er sehr brauchbare Beobachtungsreihen der
meisten jener Kometen, die seit 1862 am Südbimmel erschienen sind.
Den Enckeschen Kometen fand er bei dessen Rückkehr 1865 und
1878 auf, desgleichen den Brorsenscben Kometen 1879; den dritten
Kometen von 1^81 entdeckte er selbstständig, den Julikomeleii 1881
unabhängig von Schaeberle, und den September-Kometen von 1882
beobachtete er als einer der ersten. Erst seit den letzten 5 Jahren
ist er im Besitz eines gröfseren Instrumentes, eines 8-Zöllers
von Grubb; im Jahre 1&79 hat er an Stelle des früheren proviso-
rischen Observatoriums einen festen Bau errichtet Sehr zahlreiche
Beobachtungen hat Mr. Tebbutt ferner namentlich über Stembedeckun-
gen und Jupitersatellitenverfinsterungen geliefert; um mehrere süd-
liche Veränderliche, besonders den Stern r, Argus (den er seit 1854
beobachtet) und R Coronae, hat er sich bleibende Verdienste er-
worben. Für die Bahnen südlicher Kometen ist Mr. Tebbutt auch
rechnerisch thätig gewesen; seit 1^62 macht er tägliche meteorolo-
gische Beobachtungen; hierzu kommt aufserdem seine reichhaltige
9 Report of Mr. Tebbutts Observatory. for the year I8S9. Sydney 1890.
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527
populärwissenschaftliche Thätigkeit für die Zeitungen der Kolonie; seit
1854 hat er dem Empire, Daily Telegraph, den Evening News und
besonders dem Herald, dessen astronomischer Korrespondent er bis
in die neueste Zeit ist, mehr als 300 Berichte, Artikel u. dgl. zuge-
wiesen. Er weckte durch diese Art Thätigkeit ein lebhafteres Inter-
esse der Kolonisten für die Himmelsforschung und erhoffte durch sie
die Ausführung seines Planes, nach dem Vorbilde der nordamerika-
nischen Kometenentdecker auch in Australien einen Verband frei-
williger Mitarbeiter zur systematischen Nachsuchung nach Kometen
des Südhimmels bilden zu können; indessen hat er hierin bis jetzt
keinen Erfolg gehabt. Mr. Tebbutt hat keinen Assistenten imd
besorgt seine Sternwarte selbst; er findet an seinem Wohnsitze keiner-
lei brauchbare Hülfskräfte hierfür. Er macht nicht nur seine zahl-
reichen Beobachtungen an 2 Refractoren und die wöchentlich mehr-
maligen Zeitbestimmungen am 3-zölligen Durchganginstrumente, son-
dern reduzirt auch alle diese und die meteorologischen Observirungen,
und findet aufserdem noch die Zeit zu publizistischen Mittheilungen
und zur Herausgabe regelmäfsiger Jahresberichte seines Observato-
riums. So unermüdlich ist ein Mann thstig, der weder durch Oehalt
noch durch Stellung zu solchen Leistungen irgendwie verpflichtet ist
— Eine würdige Parallele zu dieser Thätigkeit bietet in Deutschland
Baron Engelhardt in Dresden. Baron Engelhardt, ein Russe von
Geburt, errichtete 1877 in der Leubnitzstrafse zu Dresden ein Obser-
vatorium und verlegte dasselbe 1879 in einen sehr eleganten Villen-
anbau in der Liebigstrafse. Er besitzt daselbst einen vorzüglichen
12-zölügen Refraktor von Grubb, in einem Drehthurm aufgestellt,
ein Cooksches Passageinstrument von 1"9 Oeflhung und ein ge-
brochenes Durchganginstrument von Bamberg (2"6 Oeffnung), in
einem Meridiananbau untergebracht, zwei Kometensuchor von 6 und
3'/j" Oeffnung, auf der Plattform in Häuschen aufgestellt, Uhren etc.
Baron Engelhardt führt ebenfalls alle seine Beobachtungen ohne
Beihülfo aus und ist ausschliefslich Observator; er gehört zu den
nicht sehr zahlreichen Astronomen, welche namentlich die Kometen
eifrig und so lange, als diese für die Kraft ihrer Femröbre zugäng-
lich bleiben, verfolgen und deren oontinuirliche Beobachtungsreihen
gerade aus diesem Grunde für die Reclmung einen grofsen Werth
erhalten. Der erste Band seiner Beobachtungen enthielt die Mes-
sungsresultate von 17 Kometen, 66 Planeten und 100 Nebelflecken.
*) Obsciwations astronomiques faites par B. D'Engolhardt dana aon
observatoire ä Dresde. I88K. I. partie.
Himmel und Rrüe. II. 11. 35
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528
Der zweite eben erschienene Band (1890) bringt die Messungen von
weiteren 204 Nebeln, 17 Kometen, 3 Planeten, ferner Distanz- und
Winkelmessungen ausgewählter Begleitsteme des Bradley sehen
Stemkataloges, die Positionsbestimmungen von 22 Doppelstemen, 14
mikrometrischo Bestimmungen von Vergleichstemen und die im Jahre
1887 von Engelhardt gemachten Messungen der Saturnsatelliten. —
Solche Beispiele, hervorgegangen aus selbstlosester Hingabe an die
Wissenschaft, verdienen wohl Nachahmung! *
Das Observatorium auf Madagaskar.
Die neue Sternwarte, welche aus Privatmitteln begründet worden
ist, verdankt ihre Entstehung im besondem den beharrlichen Be-
Das Observatorium auf Madagaskar.
miihungen des französischen Oeneralresidenten auf Madagaskar, Herrn
Le Myre de Vilers, der die bezüglichen Bestrebungen seines
Landsmanns, des Paters Colin,') aufs lebhafteste unterstützte.
Das stolze, aus Quaderstein aufgeführte, mit vier grofsen Kuppeln
versehene Gebäude erhebt sich auf dem Gipfel einer mächtigen Berg-
kuppo des ausgedehnten Ankaratra-Gebirges in der bedeutenden
Höbe von 1400 Meter über dem Meeresspiegel, unweit der Ruinen
des alten Ortes Ambohidempona. Die Entfernung des Ob-
') Siebe C. R. voL HO p. GOS.
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529
servatoriums von der Haupt- und Residenzstadt auf Madagaskar!
Tananariva,^) beträgt nur einige Kilometer. Colin, der Direktor
dieser neu errichteten Sternwarte, hat sich bereits als wissenschaft-
licher Organisator bewälirt, indem er, abgesehen von einer regen
astronomischen Thätigkeit, einen regulären meteorologischen Beobach-
tungs-Dienst an verschiedenen Punkten der Insel, in Tamatava,
Fianarantso a, Majunga, Diego Suarez, Mananjary, Arivoni-
mano und auf der Festung Dauphin eingerichtet hat. Die hier
angestellten Beobachtungsreihen eröffnen uns die Kenntnifs des noch
wenig studirten madagaskarischen Klimas und geben uns gleichzeitig
Anhaltspunkte zur Beurtheilung des allgemeinen Verlaufs der meteoro-
logischen Erscheinungen in den umliegenden Meeren. Zum Zwecke
erdmagnetischer Untersuchungen ist die Aufstellung eines Magneto-
graphen in Vorbereitung. Hiernach dürfen wir, nach Fertigstellung
der inneren Einrichtung der Sternwarte, auch werthvolle astronomische
Beiträge erwarten.
Es ist zu hoffen, dafs die von Mascart bei der französischen
Akademie beantragte Unterstützung dem jungen Institut bald gewährt
werde. Gern werden wir unsem Lesern zur Zeit von der Thätigkeit
der Sternwarte, der wir eine gedeihliche Entwickelung wünschen, be-
richten. Archd.
t
Die Festschrift der Sternwarte Pulkowa.
Bereits im ersten Jahrgange unserer Zeitschrift (S. 611) haben
wir der auf den August des vorigen Jalires fallenden BOjährigen Jubel-
feier des berühmten kaiserlich russischen Observatoriums zu Pulkowa
bei Petersburg mit einigen Worten gedacht und S. 702 eine kurze
Beschreibung des neuen Rieseninstrumentos der Sternwarte, ihres
30 zölligen Refraktors, gegeben. Aus der kürzlich an die verschiedenen
Observatorien zur Versendung gelangten Schrift „Zum BOjährigen
Bestehen der Nicolaihauptstemwarle“ entnehmen wir noch folgende
Mittheilungen.
Als Oesamtkosten für das Instrument und den Thurmbau waren
ursprünglich 300000 Rubel angesetzt worden. Da es nicht gelungen
war, der Glasmasse für das Objektiv die gewünschte Dicke zu geben,
*) Die Einwohnerzahl von Tananariva, auch Antauanariva genannt,
wird neuerdings auf 100 000 angegeben.
35*
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530
muTste die Fokaldistanz anders angenommen werden, als beabsichtigt
war, das Fernrohr wurde um 5 Fufs länger gehalten, die Dimensionen
des Thurmes mutsten gröfser gewählt werden. Auch die sich hier-
durch ergebende Kachtragsfordenmg hat der Kaiser bewilligt. Für
das Objektiv sind an Clark in Cambridg^port 32000 Dollars gezahlt
worden. Die optische Kraft des grofsartigen Instrumentes ist nach
den in der Festschrift mitgetheilten Prüfungen eine ganz aufserordent-
liche. So sind Burnhams Doppelsterne, meist schwache Sternchen
in der Nähe heller Sterne, und sonst sehr schwierig zu messende
Objekte, in dem Pulkowaer Dreifsigzöller ausnahmslos mofsbar. Der
Neptuntrabant, sowie die Satummonde Enceladus und Mimas, selbst
für den 'Washingtoner 26-Zöller keine leichten Gegenstände, bieten
keine Schwierigkeit Die Trabanten des Mars, bekatmtlich mit dem
Washingtoner Refraktor entdeckt, konnten bei der sehr ungünstigen
Opposition von 1886 an 15 Abenden beobachtet werden. Die Fest-
schrift enthält den Plan und die technische Beschreibung des von
Repsold in Hamburg meisterhaft montirten Instrumentes, sowie die
Bestimmung der zu den Messungen nöthigen Konstanten von Hermann
Struve.
Eine interessante Zugabe bringt die Festschrift durch die Be-
schreibung des 1886 eingerichteten astrophysikalisohen Laboratoriums.
Das bei der Sternwarte erbaute, aus Souterrain, Erdgeschofs und
einem Stockwerke bestehende stattliche Gebäude enthält ein Duukel-
zimmer zum Entwickeln der photographischen Platten, einen hellen
Raum mit Apparaten zu Mafsvcrgleichungen, Ausmessen der astro-
nomischen Photographien, einen grofsen Saal für spektralanalytische
Untersuchungen mit Zuleitung des Sonnenlichtes durch einen Hcliostaten,
asphaltirte, mit steinernen Tischen und Trögen, Wasserleitung und
Elektrizität versehene Laboratoriumsräume, ferner die Wohnungen für
den Astrophysiker und seinen Assistenten, sowie eine Dampfmaschinen-
anlage für den Betrieb zweier Dynamos und einer Batterie Akku-
mulatoren. (Die letzteren liefern auch die Kraft für die Bewegung
des 50000 Kilo schweren Refraktorthurmes.)
Die Festschrift giebt ferner einen Uoberblick der Wirksamkeit
des Observatoriums in den letzten 25 Jahren, sie führt die Astronomen
auf, welche innerhalb dieses Zeitraumes auf der Sternwarte thätig ge-
wesen sind, und jene Offiziere, die dort ihre praktische Ausbildung
in geodätischen Arbeiten erhalten haben. Ein glänzendes Zeugnifs
des regen, echt wissenschaftlichen Geistes, der die Sternwarte belebt,
giebt die Beilage, W'elche die von den Mitgliedern der Sternwarte seit
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531
1864 publizirten Aufsätze, Abliandlunpen und gröfseren Druckscliriflen
enthält. Unter den 389 zitirten Publikationen finden sich Arbeiten
allerersten Ranges; wir nennen nur Otto Struves Schriften über
Doppelstemmessungen und Parallaxenbestimmungen, Asiens und
Baoklunds Untersuchungen über den Enckeschen Kometen, Nyrens
Bestimmung der Aberrationskonstante, Gyld6ns Studien auf dem
Gebiete der Störungstheorie, Hasselbergs zahlreiche Untersuchungen
über Spektroskopie u. dgl. Hierzu kommen die laufenden Arbeiten
der Sternwarte, von denen ein Theil durch die seit 1869 erchienenon
14 Bände der Sternwarte-Annalen ihre Veröffentlichung erhalten hat;
diese Bände umfassen tausende von Beobachtungen, namentlich von
Sternpositionen, die am grofsen Meridiankreise der Sternwarte gemacht
worden sind; sie gehören zu dem Besten, was die Astronomie in der
Mefskunst aufzuweisen hat und bilden für sich ein unvergängliches
Denkmal astronomischer Beharrlichkeit und Genauigkeit. *
t
Die Sonnenfinstemifs des Schu-king.
Als eines der ältesten Denkmäler der Kultur des chinesischen
Volkes ist bekanntlich die Beobachtung jener grofsen Sonnenfinstemifs
anzusehen, die in dem Geschichtswerke Schu-king unter dem Kapitel
„der Strafzug des Yin“ berichtet wird und deretwegen die beiden
Hofastronomen Hi und Ho ihr Loben verlieren mufsten. Die merk-
würdige Stelle lautet: „Da waren Hi und Ho. Diese haben ganz ihre
Tugend zerstört, waren in Trunk und Wein versunken und haben die
Pflichten ihres Amtes verletzt und ihre Posten verlassen. Sie haben
die Verwirrung des Himmels nicht gerechtfertigt, indem sie sich ihrer
eigenen Obliegenheiten begaben. Am ersten Tage des letzten Herbst-
monats stimmten Sonne und Mond nicht gehörig im „Fang“. Die
blinden Musiker rührten ihre Trommeln, die niederen Beamten und
das Volk rannten umher. Hi und Ho, ganz unnütz in ihren Aemtem,
hörten nichts und wufsten nichts, so waren sie völlig vom Wege ihrer
Pflicht, von den Erscheinungen des Himmels abgeirrt. Deshalb wurden
sie dem von den früheren Königen bestimmten Tode überliefert, denn
die Gesetze sagen: wenn sie der Zeit vorauseilen, verdienen sie den
Tod ohne Gnade, wenn sie hinter der Zeit sind, so sollen sie gleich-
falls dem Tod verfallen sein“.
Dafs OS sich hier um eine sehr alte, jedenfalls bedeutende Sonnen-
finsteraifs handelt, darauf weisen drei Umstände: erstens ist dort von
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632
Ereignissen unter Kaiser Tsohung-Khang (ungefähr zwischen 2158
bis 1952 vor Christi) die Rede, zweitens deutet das „Nichtüberein-
stimmen“, die „Unruhe“ (nach andern Uebersotzungen) von Sonne und
Mond im Planetenhauso „Fang“ (etwa die Sterngegend bei S, i: Scorpii
umfassend) auf eine Finsternifs; und drittens deutet auf eine solche
Finstemifs die uns vielleicht auf den ersten Ulick fremdartige Ceremonie
des Trommeins, Laufens und Spektakelns, die aber nicht auffällig wird,
wenn man daran denkt, dafs nach chinesischen (überhaupt ostasiatischen)
Vorstellungen der grofso „Drache“ die Sonne bedroht und verschlingen
will, darum mit Spektakel vertrieben werden mufs. Verschiedene
Astronomen haben durch Rechnung versucht, das Datum der Schu-king-
Finstemifs festzustellen. Die umsichtigste und beste Behandlung des
interessanten Gegenstandes gab Oppolzerj er entschied sich für die
Finstemifs des 21. Oktober 2137 vor Chr.
Die Sache hat nun neuerdings eine Untersuchung erfahren, indem
ein perfekter Kenner des Clünesisoheni Professor Schlegel in Leyden,
sich mit einem Astronomen, der zugleich das Chinesische beherrscht,
Dr. Frz. Kühnert in Wien, verbunden bat Aus der gemeinsamen
Arbeit ■) der beiden Gelehrten geht zunächst über die Deutung der
dunklen astronomischen Stelle des oben zitirlen Satzes hervor, dafs
derselbe jedenfalls so zu verstehen ist: „die Himmelskörper wurden
im Planetenhause Fang bedrängt“ (durch den Drachen), dafs es sich
also gowifs um eine beobachtete Sonnenflnsternifs handelt Die
bisher von den Rechnern angenommene Jahreszeit der Finstemifs,
nämlich Herbst (der neunte Monat des chinesischen Jahres, etwa
Oktober) aber wird ganz in Frage gestellt durch eine Stelle in den
Annalen „Tschuen“ von Tso-khiu-ming. Dort ist eine Auseinander-
setzung darüber geführt, zu welcher Zeit des Jahres bei einer etwa
vorfallenden Sonnenflnsternifs die bewufsten Ceremonien des Lärmens
u. dgl. zu machen sind. Der Sprecher sagt ungefähr: „Wenn der
Sonne, dem Monde und den Planeten Unheil zustöfst (d. h. vor-
nämlich Finsternisse), nachdem die Sonne die Frühlingsgleiche
passirt hat und bevor sie die Sonnenwende erreicht, legen alle
Beamten ihre feine Kleidung ab, der Fürst nimmt keine volltändige
Mahlzeit ein und zieht sich aus seinen Prunkgemächern zurück, bis
der Zeitpunkt der Finsternifs vorüber ist. Die Musiker schlagen
die Trommeln, der Priester opfert Seidenstücke und der Geschicht-
schreiber hält eine Rede. Deshalb heifst es in den Büchern der Hia:
*) G. Schlegel und F. Kühnert: Die Schu-king-Finstenüfs. (AbhandL
d, Königl. Akad. d. Wisaensch. zu Amsterdam. 1889).
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533
Sonne und Mond waren nicht ruhig' im Planetonhause. Die Blinden
(Musiker) rührten ihre Trommeln, die niedern Beamten galoppirten
und das gemeine Volk lief umher. Dies wird gesagt vom ersten Tage
des Monats, dem 4. der Hia, welcher der erste Sommermonat ge-
nannt wird.“ Im 4. Monat der Hia wäre die Sonne etwa im Zeichen
der Zwillinge gewesen. Herr Kühnert sucht de.shalb alle jene Finster-
nisse auf, die zwischen Frühjahr- und Sommeranfang während der
Zeit von 2200 bis 1900 vor Chr. für die wahrscheinliche Residenz
des Kaisers Tschung-Khang, nämlich Ngan-yi oder Tschin-sin in
der Provinz Ilo-nan (nicht Tschin-sin in Schan-tung, wie bisher an-
genommen wurde) von Bedeutung gewesen sind. Von den 34 mög-
lichen konveniren den Umständen nur 2, nämlich eine vom 7. Mai 2163
bei Sonnenaufgang in Ngan-yi und Tschin-sin mit der Phase von
lO'/a Zoll (1 Zoll = Via Sonnendurchmesser) sichtbar, und eine zweite
vom 12. Mai 1905 in den Vormittagstunden an beiden Orten total ge-
wesene Finsternifs. Die weiteren Erwägungen sprechen nur für die
erste Finsternifs. In dem Zeitalter, von dem hier die Rede ist,
waren bei den Chinesen für die Bestimmung dos Sommers die kos-
mischen Untergänge der Gestirne im Gebrauch, d. h. betreff des
Sternbildes ,Fang“ der Tag für den Sommeranfang ont.soheidend,
an welchen man Morgens das Sternbild vor Sonnenaufgang unter-
gehen sah. Die Sonnenlänge, welche dem kosmischen Unter-
gänge des „Fang“ im Jahre 2165 entspricht, war 25 Grad; am
Finsternifstage, den 7. Mai 2165, betrug die Sonnenläng^e 26.7 Grad,
so dafs der Neumond nach dem kosmischen Untergange eintrat und
der Finstornifstag der erste des ersten Sommermonats wurde. Die Be-
obachtung des ko.smischen Unterganges kann um mehr als einen Tag
unsicher werden, und gerade um die kritische Zeit des Jahres 2165
hatten die Hi und Ho nach der Beobachtung des vorhergehenden
Jahres den kosmischen Untergang auf den 7. Mai zu setzen, so dafs
sie diesen Tag als den ersten des letzten Frühlingsmonats bezeichnen
mufsten, während nach der Beobachtung im Jahre 2165 der 7. Mai
der erste des ersten Sommermonats ward, eine Zeitverwirrung, welche
die Chinesen sofort bemerkten, als unvormuthet die Sonnenlinstemifs
eintrat. Das Amt der Hi und Ho aber war vom Kaiser Yao dazu
bestimmt worden „in den Beobachtungen und Rechnungen mit dem
Himmel in Uebereinstimmung zu bleiben, die Bewegungen von Sonne
und Mond vorauszuhestimmen und auf Grund dessen dem Volke eine
richtige Jahreseintheilung (Kalender) zu geben.“ Die Hi und Ho
dieses Amtes unter Kaiser Tschung-Khang verloren ihre Köpfe
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^r>34
wegen Mangel an einer sicheren Methode zur Feststellung des
Kalenders. •
1?
SchiaparelUs Forschungen über die Rotation der Venus.
Nachdem Professor Schiaparelli seine epochemachenden Unter-
suchungen über die Rotation des Merkur ziim Abschlufs gebracht
hatte!), war auch sein Zutrauen zu den bisherigen Bestimmungen
der Umdrehungszeit der Venus in erheblichem Mafse erschüttert worden
und er beschlofs darum, alle bis jetzt zur Klärung dieser Frage an-
gestellton Foi-schungen einer sorgfältigen und genauen Kritik zu unter-
ziehen. In fiinf aufeinander folgenden umfangreichen Noten hat er
nun das Ergebnifs dieser mühevollen Arbeit vor dem kgl. lombardi-
schen Institut''!) ausgesprochen und wir beeilen uns, über diese hoch-
wichtige Studie unseren Lesern kurz zu berichten. Uio ersten Astro-
nomen, welche die ümdrehungszeit der Venus zu bestimmen ver-
suchten, waren Oio v. Dom. Cassini, Bianchini und Jac. Cassini In-
dessen waren die Beobachtungen einzelner dunkler Flecken auf der
Planetenscheibe, welche damals gelangen, zu selten, um eine sichere
und von Willkürlichkoiten freie Bestimmung der Rotationsperiode zu
ermiiglichen, denn wenn es selbst möglich geworden wäre, einen be-
obachteten Flecken mit einem früher gesehenen sicher zu identiüciren,
so blieb doch bei nur zwei derartigen Wahrnehmungim die Zahl der in-
zwischen erfolgten ganzen Umdrehungen völlig unbekannt. So konnte
Bianchini auf eine Dauer von mehr als 24 Tagen mit demselben Rechte
schliefsen, wie die beiden Cassini auf eine solche von etwas weniger
als 24 Stunden. Auf Grund einer in der zweiten und dritten Note aus-
geführten kritischen Beleuchtung der Beobachtungsreihen von Sch röter,
Flaugergues, llussey und de Vioo ergab sich dann ein ebenso
negatives Resultat, obgleich diese Forscher selbst infolge voreiliger
Schlüsse sich fest davon überzeugt hielten, die Umdrehungszeit der
V'enus mit Sicherheit bestimmt zu haben. *) Vom 5. November 1877 bis
zum 7. Februar 1878 stellte nun Schiaparelli selbst mit dem 8-Zöller
der Mailänder Sternwarte eine schöne Beobachtungsreihe an, über
welche die vierte Note berichtet. Die in dieser Zeit gemachten Wahr-
b Vgl. Himmel und Erde, II, S. 242.
•) Rondiconti del R. Instituto Lombarde. Serie II. Vol. XXHI.
•) Nach Schröter sollte die Poriodo 23t> 21“> 19«, nach de Vico aber
23b 21n> 21*, 9 betragen.
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nchmung’i'n, die übrigens durch gleichzeitige Beobachtungen von
Holden^) in Washington, Xiesten in Brüssel und Trouvelot in Cam-
bridge ü. S. vollauf bestätigt sind, beziehen sich auf zwei helle Flecken
an dem südlichen Ilorn, einen dazwischen liegenden tiefdunklen
Schatten und einen dunklen Streifen, welcher von diesen Flecken
nach Norden zu ausging. Unsere Reproduktion der von Schiaparelli
gegebenen Abbildung l.äfst die langdauernde Constanz in der Lago
jener Fleokengebilde deutlich erkennen.
ÄusMhen der Venus
A am 9. Dezember; B am 14. Dezember; C am ai. Dezember 1877.
Die von Bianchini und de Vico angegebenen Rotationsperioden
sind völlig ungeeignet, diese Wahrnehmungen zu erklären und auch
eine Periode von fast genau 24 h wird durch die am 15. Dezember 1877
etwaB Stunden nach der Schiaparellischen Beobachtung vonllolden
entworfene, völlig identische Zeichnung, sowie durch die während drei-
stündiger Beobachtungsdauer unverändert bleibende Lage des ausge-
dehnten Streifens m ausgeschlossen. Die Umdrehung mufs vielmehr
nach diesen Beobachtungen eine sehr langsame sein und die Annahme
der Ueboreinstimmung von Rotation und Revolution genügt hier, wie
bei Merkur, allen bis jetzt vorliegenden Wahrnehmungen, wenn auch die
Veränderlichkeit und Unbeständigkeit der auf der Venus sich zeigen-
den Flecken hier nicht denselben Genauigkeitsgrad in der Bestimmung
der Periode erreichen läfst, der bei Merkur und dem Monde möglich war.
Im übrigen fand Schiaparelli sein Resultat durch Beobachtungen
Diese Nachsuchungen nach Beobachtungen anderer Forscher wurden
wesentlich vonTerby in Louvain imterstUtzt, dem sich Schiaparelli darum
zu Dank verpflichtet fühlt.
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ähnlicher Gebilde von Gruithuiseu (1813), Vogel (1871) und
Denning (1881) vollauf bestätigt. — Ara Schlüsse der fünften Note
fafst Schiaparelli die Endergebnisse der eben besprochenen Aus-
führungen in acht Thesen zusammen, die wir am zweckmüfsigsteu
noch in wörtlicher Uebersetzung anfügen:
1. Die Rotation der Venus ist eine sehr langsame und geschieht
in der Weise, dafs die I.^e ihrer Flecken in Bezug auf die Licht-
gronze während eines ganzen Monats keinen wahrnehmbaren Ver-
änderungen zu unterliegen scheint.
2. Aus den wenigen Beobachtungen wohlbegrenzter Flecken,
die sich haben zusammenstellen lassen, ergiebl sich als sehr wahr-
scheinliches Resultat, dafs die Rotation in 224,7 Tagen einmal vollendet
wird, d. h. in einem Zeitraum, der genau mit der siderischen Umlaufs-
zeit des Planeten übercinstimmt, und dafs die Axe der Umdrehung
nahezu senkrecht auf der Bahnebene steht.
3. Es bleibt jedoch die Möglichkeit einer gewissen .\bweichung
der wahren Verhältnisse von den eben angegebenen nicht völlig aus-
geschlossen. Derartige Abweichungen könnten, was die Rotations-
dauer betrifft, den Betrag von einigen Wochen erreichen, sodafs also
im strengen Sinne des Wortes Perioden, die nicht kleiner als sechs
und nicht gröfser als neun Monate wären, mit den bisher vorliegenden
Beobachtungen noch vereinbar sein würden. Was die Richtung der
Rotatiunsaxe anlangt, so würde eine Abweichung von 10® bis 16® von
der zur Bahnebene senkrechten Lage noch möglich bleiben.
4. Umdrohungszeiton, die nur wenig von 24 Stunden abweichen,
sind gänzlich ausgeschlossen. Die Beobachtungen von Domenico
Cassini werden leichter durch die Annahme einer Rotationsdauer von
224,7 Tagen erklärt, als durch eine solche von 24 Stunden. Die
Rotationsperiode von 23h 21“ (oder 23h 22“), welche von Jacob
Cassini vorgeschlagen wurde und die dann Schroeter und de Vico
durch ihre Beobachtungen bestätigt zu haben meinten, ist das End-
resultat einer Reihe von Irrthümern und Trugschlüssen.
5. Die schnellen Veränderungen, welche sich nach den Aufzeich-
nungen einiger Beobachter in dem Anblick des Planeten (und be-
sonders seiner Hörner) periodisch in Zwischenräumen von ungefähr
24 Stunden wiederholen, können nicht zum Beweise einer nahezu
gleich lange dauernden Uradrehungszeit angerufen werden; vielmehr
haben solche Veränderungen ihre Ursache in den verschiedenen Sicht-
barkeitsbedingungen, die von der wechselnden Höhe des Gestirns über
dem Horizont und von der ebenfalls wechselnden Helligkeit des Him-
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melsgrundes abhängen: Verhältnisse, die zum grofsen Theil nach je
24 Stunden wieder zu dem gleichen Zustande zurückkehren.
6. Die Beobachtungen von Bianchini hatten zu schlecht begrenzte
Schatten zum Gegenstände, als dafs es möglich gewesen wäre, aus
ihnen die Rotationszeit mit Sicherheit abzuleiten. Gleichwohl erkannte
Bianchini sehr wohl eine Thatsache, die auch aus den sichereren
neueren Beobachtungen hervorgeht, dafs sich nämlich solche diffuse
Schatten von einem Tuge zum andern ziemlich wenig verändern; und
wenn er aus seinen Wahrnehmungen irrige Elemente ableitete, so
geschah dies, weil er die sehr langsamen Aenderungen im Aussehen
der Flecken, welche durch den Wechsel der atmosphärischen Zustände
auf der Venus bedingt sind, fälschlich der Rotation zuschrieb.
7. In den südlicheren Theilen dos Planeten treten mitunter sehr
wohl begrenzte, helle wie dunkle Fleckenbildungen auf, welche sich
(soweit sich dies aus den wenigen bis jetzt vorliegenden diesbezüglichen
Wahrnehmungen beurtheilen läfst) von Zeit zu Zeit unter der gleichen
Form zu wiederholen scheinen. Man kann sonach vermuthen, dafs
diese Bildungen in Beziehung stehen mit Ursachen, welche au
der Oberfläche der Venus einen festen Platz behaupten. Fortge-
setzte, fleifsige Beobachtungen dieser Erscheinungen, angestellt mit
geeigneten Instrumenten, werden wahrscheinlich dereinst eine exakte
imd bestimmte Lösung des Problems der Venusrotation liefern.
8. Wichtig ist andererseits auch das Studium gewisser sehr
kleiner, heller, runder und wohlbegrenzter Flecken, die häufig um-
geben oder wenigstens einseitig begleitet sind von tiefen Schatten;
diese Bildungen treten oft gepaart auf, zeigen sich an verschiedenen
Theilen des Planeten, insbesondere nahe der Lichtgrenzo, und pflegen
nur wenige Tage zu überdauern. F. Kbr.
Ersebeinangen am Sternenhimmel im IHonat Angnst-September.
(Sämtliche Zeitangaben gelten für Berliner Zeit)
1. Der Mond.
23.
Aug.
Erstes Viertel
ifc
A u fgang U n terga n g
30™ Nm. lOh 10» Ab.
29.
Erdnähe
7
13 Ab. 3
19 Mg.
30.
Vollmond
7
36 , 4
50 .
6.
Septb.
Letztes Viertel
10
8 , 2
20 Nm.
10.
0
Erdfern©
0
.39 Mg. 5
31 ,
14.
0
Neumond
5
13 „ 6
50 Ab.
Maxima der Libration
: 22. Aug., 4. Sept.
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538
2. Die Planetea.
Merkur
Venus
Rectas.
Declin.
Aufg.
ünterg.
Rectas.
Declin.
Aufg.
Unterg.
12. Aug. !
10>‘42ni‘+ B“ 3'
6h27»f».
8I> lln.U.
7®
— 0*31'
1 8M2™1b.
8144» Ak.
16. ,
11 5
+ 6 11
6 50 .
8 2
12 23
— 2 34
S 54 .
8 34 .
20. . 1
11 26
+ 3 22
7 10 .
7 52
12 39
— 4 36
9 4.
8 24 .
24. ,
11 45
+ 0 40
7 27 .
7 41
12 55
— 6 37
, 9 15 .
8 13 .
28. ,
12 3
— 1 53
|7 42 ,
7 30
13 11
— 8 36
9 26 .
8 2 .
1. Sept.
12 18
— 4 14
7 .54 ,
7 18
*
13 27
-10 32
' 9 37 .
7 53 .
5. .
12 31
— 6 19
8 3 .
7 3
13 43
-12 25
9 48 .
7 42 .
9. ,
12 42
- 8 1
8 7 ,
6 49
13 58
—14 14
! 9 58 .
7 32 .
13. ,
12 49
- 9 12
8 4 ,
6 34
*
14 14
-15 59
10 9 .
7 21 ,
28. Aug. Sonnenferne.
M
a r 8
Jupiter
Rectas.
Declin.
Aufg.
Unterg.
Rectas.
Declia
Aufg.
Unterg.
12. Auj(.
161« 19">
— 24»36'|
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lOkSln ik.
20133“
—19“ 39'
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31 27“ li.
18. ,
16 30
-24 59]
3 7 ,
10 19
„
20 30
—19 50
6 31 ,
3 0.
24. »
16 43
-25 20 :
2 59 .
10 5
20 27
—19 59
6 5 .
2 31 .
30. .
16 57
—25 39 1
2 52 .
9 52
20 25
—20 8
5 40 Sk.
2 5 .
5. Sept
17 11
— 2554i
2 45 .
9 41
20 23
—20 15
5 15 ,
1 39 .
11. , iil7 27
-26 4
2 .38 ,
9 32
-
20 21
—20 20
4 50 .
1 13 .
Saturn
Uranus
Rectas.
Declin.
Aufg.
Unterg.
Rectas.
Declin.
Aufg.
Unterg.
16. Aug.
10h32«l+10*57'
.5l>.50»I|.
7b .54
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I,3b28»
- 8“37‘
10b31“If.
9b 7“Ak.
24. .
10 3.5
+10 35
5 25 ,
7 25
13 29
-8 45
10 1 .
8 35 .
1. Sept.
10 39
+10 13
5 l .
6 59
13 31
— 8 54
9 31 .
8 5 .
9. .
10 43
+ 9 51
4 35 .
6 29
13 32
-9 3
9 2 ,
7 34 ,
17. .
10 47
+ 9 29
4 9 .
5 59
13 34
— 9 13
8 33 .
7 3 .
Neptun
1 Rectas.
Declin. |j Aufg.
Unterg.
9. Aug.
4h 20™
+ 19“50'j 111 11“ Ak.
31 9“ Ja.
24. .
' 4 21
+ 19 51 10 13 ,
2 11 ,
8. Sept
i' 4 21
+ 19 51 9 14 .
1 12 ,
3-
Verfinsterungen der Jupitertrabanten.
19. Aug.
1. Trab.
Vorfinst Austritt 59“ Ab.
22. „
II. „
e .. 9
27 ,
26. „
I „
„ H
54 .
30. „
n. „
1. 0
3 Mg.
4. Sept
I. „
1t 11 ^
18 Ab.
6. „
in, „
„ 9
43 .
11. „
I- „
„ „ 10
13 ..
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539
4- Sternbedeckungen durch den Mond.
(Für Berlin sichtbar.)
Oröfae
Eintritt
Austritt
28. Aug.
• 33 Capric.
5.0®
7k 13" Ab.
7k 48- Ab.
29. ,
• c Capric.
4.7
1 39 Mg.
2 40 Mg.
3. Sept
• 5' Ceti
4.3
0 40 .
1 20 .
S. Verinderllcbe Sterne,
a) Maxima variabler Sterne:
Maximum Helligkeit im ^90
am
Max.
Min
Rectaa.
'
Declin.
T Caasiopejae
24. Aug.
7®
11»
01
, :7a
1 17«
+
55“
10'8
R Androm.
9. Sept
7
12
0
18
15
+
37
57.9
S Ceti
20. Aug.
7-8
10
0
18
28
—
9
56.4
R Aurigae
17. „
7
12
5
8
25
+
53
27.8
V Oeminorum
6. Sept
8.5
12
7
17
0
+
13
18.1
T Canis min.
28. Aug.
9.6
13
7
27
53
+
11
.58.8
T Oeminorum
9. Sept
8A
13
7
42
42
+
24
0.6
R Leo min.
25. Aug.
6-7
11
9
38
59
+
35
1.2
R Virginia
20. „
7
10
12
32
66
+
7
35.6
U Bootia
13. Sept.
9
12-13
14
49
14
+
18
8.4
ä Scorpii
19. Aug.
9.10
12
16
11
7
—
22
37.6
R Draconia
26. ,
7.5
13
16
32
22
+
66
59.3
R Ophluchi
24. ,
7-8
12
17
1
27
—
15
56.8
S Sagittarii
1. Sept
10
12
19
13
0
—
19
13.6
b) Minima der Sterne vom Algol-Typua:
Algol ... 18. Aug. Vm., 24. Mg., 29. Ab., 4. Sept Nm., 10. Mg.
U Cephei . . 20. Aug., 2o., 30. Mg., 4. Sept., 9., 14. Mg.
U Coronao . . 21. Aug., 28. Mg., 4. Sept Ab., 10. Ab.
6 Librae . . 17. Aug. Ab., 22. Mg., 27. Mg., 31. Ab.
Y Cygni . . unregelmärslg.
c) Minima einiger Veränderlicher kurzer Periode:
T Monoc. . . 17. Aug., 13. Sept
W Virginia . 16. Aug., 2. Sept
6. Meteoriten.
Ausser den Nachzüglern der Poraoiden des August sind für den Monat
Mitte August-September nur noch etwa die sporadischen Sternschnuppen bei
I Aurigae bemerkenswerth (AR=76“, D= -f- 33*J.
7. Nachrichten Uber Kometen.
Zu den letztgemeldeten Beobachtungen (Juliheft) des ganz aulscrgewöhnlich
lange (seit September 1889) sichtbaren Barnardschen Kometen ist nunmehr
noch nachzutragen, dals der Komet auch in Nizza und Wien ohne besondere
Schwierigkeiten beobachtet worden ist
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R* T. KftTesligethy. Gnmdzfl^ einer theoretischen SpektrsIannlyB^.
HaUe ». S. im H. W. Schmidt Preis 15 M.
In diesem Buche liegt ein bedeutsamer, für Fachleute sehr interessanter
Versuch Yor, die Erscheinungen der Spektralanalyse auf mathematischem Wege
zu verfolgen.
Der Verfasser giebt zuerst eine kurze Uebersicbt über die Arten der
Spektra, ihre allgemeinen Eigenschaften und über die Beschaffenheit der Spektra
astronomischer Objekte (Sonne, Kometen etc.), dann ein Kapitel über die Theorie
der schwingenden Bewegung des Aethers (90 Seiten). Nach diesen vorbereiten>
den Abschnitten folgen die eigentlichen, vom Verfasser hauptsächlich in seiner
Thätigkeit auf dem Gebiete der astronomischen Spektralanalyse gewonnenen
Studien. Den Hauptausgangspunkt bildet hier die Spektralgleichung, eine
Formel, welche die ^tensität des Spektrums abhängig macht von der Wellen-
länge und einem mit der Lichtgeschwindigkeit und der Molekularbeschaffen-
beit der Körper zusammenhängenden Faktor. Die Intensität irgend einer
Spektralstelle in einem kontinuirlichen Spektrum ist bekannt, wenn die Inten-
sität einer einzigen Wellenlänge gegeben ist Der Verfasser bringt experimen-
telle Prüfungen der Spektralgleichung bei und behandelt ihre Form sowohl
für die kontinuirlichen wie diskontinuirlichen Spektra; er untersucht die mathe-
matischen Bedingungen der Grundlagen (Temperatur, StofCmenge etc.) der
Spektra und sucht überall für die Intensität analytische Ausdrücke zu erlangen.
An diese ausgedehnten mathematischen Untersuchungen schliefst sich ein
Kapitel, in welchem die spoktralanalytischen Instrumente in ähnlicher Weise
theoretisch behandelt werden, wie es bezüglich der astronomischen Mossungs-
instrumento schon lange gethan wird. Ebenso wie die letzteren auf ihre Fehler
hin untersucht und die Beobachtungen demgemäfe korrigirt werden müssen,
zeigt es sich bei den verschiedenen Spektralapparaten von unabweisbarer
Nothwendigkeit, dieselben einer ähnlichen Behandlung zu unterziehen. Der
Verfasser untersucht hier, wieviel durch Abson>lion in Refraktoren und Tele-
skopen an Intensität der Spektra verloren geht, welche Korrektionen bei den
einzelnen Instrumenteoarten an die Wellenlängen anzubringen sind, u. s. f.
Es ist wohl nahe liegend, dafa ich mich bei der vollständigen Neuheit
dos Gegenstandes darauf beschränken mufs, nur die Richtung dos Buches all-
gemein anzudouten, und mich nicht kritisireud verhalten kann. Eine Kritik
würde vor allem auf einer vollständigen Durcharbeitung des reichen mathe-
matisebon Inhalts beruhen müssen, und dann würde aufser dem Astronomen
auch noch der Physiker ein gewichtiges Woil mitzusprechen haben. Der Auf-
merksamkeit dieses letzteren mulä das Buch deshalb besonders empfohlen
werden. F. K. Ginzel.
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541
G. F. Chambers, A Handbook of descriptive and practical Astronomy.
4 ed. Oxford 1889/90. 3 Bände. Preis pro Baud M. 20.
Das früher nur einen Band bildende Prachtwork von Chambers hat
bei der neuen, vierten Auflage wegen des gewaltigen Aufschwunges der astro*
nomischeu Wissenschaft während der letzten zwanzig Jahre in 3 Bände gespalten
werden müssen, von denen der erste die Sonne, Planeten und Kometen, der
zweite die Instrumentenkunde und praktische Astronomie, und der dritte
den Fixsternhimmel behandelt. Das aufserordentlich reich ausgestattete
Werk nimmt eine Mittelstellung ein zwischen den zahlreichen, einander meist
sehr ähnlichen, astronomischen Elementarbüchem und den nur für den Fach-
mann bestimmten, eine gröfsere Vorbildung voraussetzenden Lehrbüchern
der Astronomie. Durch die Beschränkung auf die beschreibenden Theile der
Astronomie, die Kosmographio und die Instmroentenkunde, und durch den
Reichthum au Illustrationen*) vermeidet Chambers bei aller Gründlichkeit in
der Behandlung des Stoffes jene Trockenheit, welche die reinen Fachworke
für den blolsen Naturfreund so oft unlesbar macht; andererseits aber kann
das Buch doch gleichzeitig den Studirenden und Fachgelehrten aufs beste als
Nachschlagewerk empfohlen werden. Nirgend sonst dürfte man eine ähnlich
erschöpfende Vollständigkeit in der Zusammenfassung der in der deskriptiven
Astronomie vorliegenden Kenntnisse wiederflnden. Dafs bei der Beschreibung
der Instrumente und Sternwarten die englischen Verhältnisse vorwiegend
Berücksichtigung gefunden haben, wird Niemanden bei einem zunächst für
das englische Publikum bestimmten Buche verwundern. Die Ergebnisse
der Spektralanalyse sind im zweiten Bande in einem besonderen Kapitel
zusammengefafst. Ala besonders dankenswerthe Beigaben des zweiten Bandes
seien aufserdem erwähnt die Kapitel: „Praktische Winke für die Anstellung
astronomischer Beobachtungen'^ ; „Vorzeichnifs von 8temkatalogen und Himmels*
karten"; „Verzeichnifs von Büchern über Astronomie" und endlich ein reiches,
erklärendes Vokabularium astronomischer Facbausdrücke. Dem Schlüsse des
dritten Bandes sind werthvollo Kataloge der verschiedenen Klassen von
Himmelsobjckten, sowie ein ausführliches Generalregister für das ganze Werk
angefügt Dr. Koerber.
H. A. Schumacher: Bessel als Bremer Handlnagslehrling, heraus*
gegeben von der Gcaollschaft Union zu Bremen. Preis 1 M,
Die Lilienthaler Sternwarte. SeparaUAbdruck aus den Ver-
handlungen dos naturw. Vereins zu Bremen.
Mit den vorliegenden beiden Monographien hat der emsige Bremer Go*
scbichtsforschcr^) einen sehr dankensworthen Beitrag zur Geschichte des eigen-
artigen Aufschwungs geliefert, den die Himmelskundo im Anfänge unseres
Jahrhunderts besonders von Deutschland aus erfahren hat Uober die Leistungen
und KmingonschaAen des Lilienthaler Astronomen und Justizratbs J. II. Schrö-
ter mag immerhin die heutige Wissenschaft mit Recht etwas geringschätzig
urtheilen; das Interesse, welches uns dieser eigenartige, energische und schliefs*
lieh vom Schicksal so schwor hoimgesuchto Liebhaberastronom schon wegen
seiner aufopfernden Hingabe an die edle Sache und vor allem auch wegen
seiner historischen Bedeutung für die Belebung des astronomischen Studiums
in unserem Vatorlando emilöfsGn mufs, wird durch das Fehlsehlagen mancher
vermeintLichor BcobachtungsergebnUse desselben nicht in nennonswerthem
') Jn eiovm unserer nächsten Ueflo verden wir einige Illustrstionsprobea rgrlegeo.
<) Schumacher Ist leider am 22. Juni er. im Alter von nur &I Jahren gestorben.
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542
Mafse geschmälert werden können. Denn wenn selbst Schröter kein anderes
Verdienst zukäme als das, einem Harding und Tor allem einem Bessel die
erste Gelegenheit zur völligen Hingabe an die Wissenschaft verschafft zu haben,
so müfste ihm und seiner Lilieutbaler Schöpfung schon darum ein hervor-
ragender Platz in der Geschichte der Himmelskunde eiugeräumt werden.
ln besonders hohem Mafse mufs uns aber ein so aufsergowöhnlicber Ent-
wickelungsgang, wie der ßessels, den w’ir in der ersten der oben genannten
Schriften dargestollt finden, fesseln. Schumacher erzählt uns da, wie die
Abneigting gegen das Lateinische und ein ausgesprochener Sinn für das Prak-
tische den jungen Friedrich Bessel bestimmten, sich dem kaufmännischen
Beruf zu widmen, dem er im angesehenen Hause A. G. Kuleukamp zu
Bremen mit vollem Eifer und zur gröfsten Zufriedenheit seines Chefs sieben
Jahre lang treu blieb, bis das Bedürffiifs gröfserer Mufse für die immer mehr
und mehr zum Herzensbedürfoifs gewordenen astronomischen Studien ihn in
die Lilienthaler Einöde zog. Voigts Lehrbuch der Sternkunde und vor allem
Bohnenber gers Anleitung zur geographischen Ortsbestimmung hatten zuerst
bei dem mit überseeischen Plänen sich tragenden und darum die Nautik stu-
direnden Kaufmannslohrling die Liebe zur Himmelskunde erweckt. Bald darauf
begann er nun eine systematische Selbstausbildung in den Lehren der himm-
lischen Mechanik, welche neben gleichzeitigen praktischen Bethätigungen auf
dem Gebiete der Sternkunde einherging. Vormittolst eines mit vieler Mühe
selbst angofortigten Sextanten wurden Zeitbestimmungen ausgeführt, sowie
Stembedeckuugen und Finstemisso eifrigst beobachtet, aller Schmähungen .von
Seiten dor Handlungsgonossen, die nicht ausbloiben konnten, ungeachtet. Ueber-
aus anmuthend ist dann die Erzählung, w ie der junge Lehrling am 28. Juli 1801
Bekanntschaft mit Olbers machte, um demselben das Resultat einer während der
ihm allein zur Verfügung stehenden Nachtstunden ausgefUhrten Bahnberechnung
des Halloyschcn Kometen aus Beobachtungen vom Jabro 1607 vorzulegen.
Diese Bekanntschaft wurde alsbald der Anfang eines ungemein innigen, fast
väterlichen Freundschaflsverhältnisses zwischen dem weitberühmten astrono-
mischeo Arzte und dom jungen Kaufmann. Durch Olbers wurde Bessel
alsbald in die wissenschaftliche Welt als ein vielversprechender Adept einge-
fuhrt und spozioll mit dom eben die Well zum ersten Mal durch sein Genie
in Erstaunen setzenden Gaufs in Verkehr gebracht. Schon war Bessel
solcherweise ein allerseits bekannter und von den ersten Autoritäten hoch-
geschätzter Astronom geworden, während er noch immer seinem Handlungs-
hauso ein bescheidener und treuer Diener blieb. Nun freilich regte sich
mächtig der Wunsch in ihm, ganz und gar der so lieb gewordenen Sternkunde sich
widmen zu können, und mit Freuden wurde darum die Gelegenheit einer durch
Uardiugs Weggang in Liüenthal eintretenden Vakanz zum gänzlichen Ueber-
tritt in die neue Laufbahn zum Nutzen der Wissenschaft ergriffen. Obgleich
sein Chef dem jungen Mann, den er nur ungern entbehren wollte, ein Jahres-
gehalt von 600 — 700 Tbalern in Aussicht stellte, zog dieser doch die Lilienthaler
Stellung, welche freilich nur 100 Thaler jährlichen Einkommens abwarf, vor
und reiste am 19. März 1806 aus der Hansastadt ab, voll der seligsten Hoffnungen
und Erwartungen von einem ganz seinem Lieblingsstudium gewidmeten Leben.
TerlAg TOD HermssD Pmetel ln fierllo. — Druck von Wilhelm Grooau't Buohdruckerol Ln Berlio.
FUr die Redactlon verantwortlich: Dr. M. W'llhelm Meyer in Berlin.
Unberechtigter Nachdruck aus dem Inhalt dieser ZeitachrWl untersagt.
UeberseUuogsreebt vorbshallen.
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Tafel D
Am 36-Zöller der Licksternwarte
^earirhnc'l von Ji Krrler.
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Die Jupiteroberfläche im Jahre 1889.
Von James E. Keeler,
Astronom der I.ick'Sternw*rte Auf VC. HimiltoD.
(Schlufs.)
V jeder Darstellung ist die Länge des zentralen Meridians Tiir die
betreffende Zeit angegeben, entsprechend dem zweiten System von
IJingenangaben (Columne FI) in „Marths Ephemeris for Physical
observations of Jupiter 1889,“**) Der NuUmeridian dieses Systems geht
nahezu durch die Mitte des grofsen rothen Flecks, die angenommene
Rotation beträgt pro Tag 870.27“.
Beschreibung der hauptsächlichen Bildungen auf der
Oberfläche des .Jupiter.*“) Der Aequatorialgürlel. Die so be-
nannte Zone liegt etwa zentral zwischen den rothen Streifen, und ihr
Mittelpunkt, entsprechend den obigen Mikrometermessungon, merklich
nach Xord abweichend vom Mittelpunkt der Scheibe, welche Verschie-
bung auch dem Auge sofort bemerkbar ist. Die Aie des Jupiter
stand nicht ganz senkrecht zur Qesichtslinie, so dafs seine Südhälfte
etwa 2“ gegen uns geneigt war, und der Aequator in der Projektion
als Ellipse erschien mit einer kleinen Ualbaxe von etwa 2402 km. Da
jedoch die Streifen an den Rändern der Scheibe verwaschen sind, war
ihre Krümmung kaum merklich, doch waren sie in der Mitte etwas
nach Nord verechoben. Nimmt man hierauf Rücksicht, so zeigt sich,
dafs diese Zone nahe mit dem Aequator zusammenfällt, vielleicht ein
wenig südlicher liegt.
») .Monlhl. Not. XLIX. No. 2.
'“) Kür diese kurze Beschreibung habe ich eine besondere Nomenklatur
der Streifen Tür überflüssig gehalten. Den Theil zwischen den rothen .Streifen
habe ich nach Herrn A. S. Williams als Aequatorialgürlel bezeichnet.
Himmel clul Erde. ISlej. II. IS. 3ii
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544
Die Mitte der Aequatorialzone war durch ein lachsfarbenes Band
markirt, ihre Künder waren glänzend weifs aus rundlichen wolken-
artigon Massen gebildet, stellenweise in die rothou Streifen als lange
Liohtstreifen eintretend, wie unten näher ausgefuhrt werden wird. Das
mittlere Band war gewöhnlich an mehreren Stellen durch eine Ver-
breiterung der weifsen Wolken, die von einem Rande zum andern
reichten, unterbrochen, wiewohl diese Kreuzungsstellen gewöhnlich
mehr oder weniger gefärbt erschienen, so dafs sie nur eine Schwächung
in der Farbe des mittleren Bandes erzeugten. Bisweilen brachte eine
abwechselnde Folge von dunklerer und hellerer Schattirung des initt-
lereuBandüs den Eindruck von rogelmäfsigen Feldern in dem Aequatorial-
giirtel hervor, welcher bei schwachen Vergröfserungen und kleineren
Instrumenten mehr hervortrat. Eine Zeichnung vom 22. August, welche
diese Erscheinung am deutlichsten zeigt, ist nicht mit veröffentlicht
worden. Manchmal bedeckte eine röthliohe Färbung einen grofsen
Theil des Aequatorialgürtels in seiner ganzen Breite, die sich jedoch
deutlich von dem lachsfarbenen Baude abhob, und etwa den Ton der
helleren Partien der rothen Streifen halte. Diese Tönung schien von
dem Uebergreifen des mittleren Bandes auf die weifsen Ränder des
Aequatorialgürtels vollkommen getrennt zu sein, was ebenfalls öfter
bemerkt wurde.
Die Lichtläden, welche von beiden Seiten des Aequatorialgürtels in
die anliegenden rothen Streifen bineinreiohteu, waren das wunderbarste
und interessanteste Objekt in dieser Region. Unzweifelhaft sind sie die
Ursache der doppelten oder dreifachen Theilung der rothen Streifen,
wie sie in den letzten Jahren von Terby beschrieben worden ist.
Sie zeigen sich in allen Zeichnungen. Nahe an der Verbindung mit
dem Aequatorialgürtel waren diese Fäden weifs und scharf begrenzt;
in ihrem weiteren Verlaufe aber wurden sie röthlicher und mehr ver-
waschen, bis sie sich ganz in dem allgemeinen Roth ihres Hinter-
grundes verloren. Wenn die Bilder besonders gut waren, sah man,
dafs diese Fäden nahe am Aequatorialgürtel aus unregelmäfsigen rund-
lichen oder gefiederten Wolken bestanden, die weiterhin immer licht-
schwächer wurden, bis keine Struktur mehr erkennbar war. Waren
diese Fäden lang, so waren sie unveränderlich stets nach dem nach-
folgenden Rand der Jupiterscheibe gerichtet, und nach allen Beobach-
tungfen zu schliefsen, stellten sie Wolkenmassen dar, welche, von den
Rändern der Aequatorialzone nach aufsen strömend, allmählich hinterdera
voraneilenden Strom der Aiiquatorialzone zurückblieben. Wenn dies
die wahre Natur der langen Wolkenfäden auf den rothen Streifen ist, so
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545
folgt daraus, dafs von der Aequatoriulzone ein Abslrömen nach aufsen
etattfinden nuifs, und in einigen Fällen konnte ein solcher Strom auch
durch Beobachtung erhöhter Punkte oder Knoten auf den Fäden kon-
statirt werden. In dem Bilde vom 9. Juli sind zwei solche hellen
Punkte in dem Lichtfaden grade unterhalb des rothon Flecks darge-
stellt. Am 11. Juli waren beide etwas weiter von der Austrittsstelle
des Fadens entft'rnt, doch hatte sich der Uufsere Punkt weiter fortbewegt
als der innere, so dafs sich ihre gegenseitige Entfernung vergröfsert
hat, wie eine Vergleichung beider Bilder zeigt. Indessen fanden sich
solche genügend scharf ausgebildeten Knotenpunkte nur selten, ebenso
wenig besafsen sie genug Beständigkeit, um an mehreren aufeinander-
folgenden Abenden mit Sicherheit wiedererkannt werden zu können.
Diese Fäden und weiteres Detail in den rothen Streifen gehörte
zu den schwierigsten Gebilden auf dem Planeten, umsomehr als sie
beständige und schnelle Veränderungen erlitten. Oft war es schwer
zu entscheiden, ob ein Faden mit dom Acquatorialgürtel noch zu-
sammenhing, in anderen Fällen wurden zwei parallel laufende beob-
achtet, deren äufserer seine Abzweigungsstelle näher nach dem voran-
gehenden Rande der Scheibe hatte, da sie sich niemals kreuzten. Nie-
mals wurden mehr als zwei parallele Fäden gesehen; wenn ein dritter
von denselben getroffen wurde, schien er in den weifsen Rand des
rotlien Streifens hineingedrängt zu werden. (9. und 11. Juli.) In den
Bildern vom 10. und 12. Juli treten zwei Fäden auf, welche sich in
einiger Entfernung von ihrem Ursprung zu einem einzigen breiteren
vereinigen, obwohl es durchaus möglich ist, dafs die feine Trennungs-
linie der beiden nicht mehr wahrgenommen werden konnte. Die .^us-
trittsstellen der Fä4lon zeigten im .\equatorialgürtel eine etwas gröfsero
Heiligkeit als die durchschnittliche,**) und hatten fast stets einen eigen-
tliümlich fahlen, olivengrünen Ton, der sonst anderweitig nie wahrge-
nomraen wurde. In den Zeichnungen konnte dies nicht wiedergegeben
werden.
Ein Theil des .\equatorialgürtels schien eine besondere Neigung
zur Aktivität zu besitzen. Auf den Bildern vom 15. und 20. Juli
findet er sich in etwa 240" Länge. In seiner Nachbarschaft schienen
die Veränderungen am schnellsten vor sich zu gehen, und einige Fäden
") Diese holleren Stellen an den Rändern des AequatorialgUrtela sind
auch in mehreren wohlgelungencn Zeichnun^fcn von Herrn A. S. Williams
ans dem Jahre 18.S9 zu sehen, ebenso in seinen .Zenographischen Fragmenten“.
Ich selbst habe nicht beobachtet, dafs sic eine Neigung besitzen, ]>aarweise auf-
zutreteu.
3G*
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546
sind sichtbar, welche entgegen der gewöhnlichen Richtung verlaufen.
Nehmen wir die oben geäufserte Vermuthung über die Natur der
Fäden als richtig an, so dürfen wir sie als Wolkengebilde ansehen,
welche in der Rotationsrichtung herausgeschleudert werden mit einer
Geschwindigkeit, die grofs genug ist, um auf kurze Zeit der allge-
meinen Strömung des Ae(iuatorialgürtels voranzueilen.
Die rothen Streifen. Von ihnen ist bereits vielfach die Rede
gew'csen, der nördliche zeigte die rothe Farbe entschiedener als der
südliche, dessen F'ärbung mehr in Purpur überging. In allen Fällen
W'ar die Erscheinung derselben die eines passiven Mediums, in welchem
sich die Bildung der Fäden und anderer Formen, welche die Zeich-
nung aufweisen, abspielt. Die geschilderten Phänomene könnten ex-
perimentell völlig naturgetreu dargestellt werden durch Fäden einer
weifsen w’olkigen Masse, die in einer halbdurchsichtigen röthlichen
Flüssigkeit schwimmen und bisweilen untertauchen oder an die Ober-
fläche steigen. Vielleicht wird sich später Anden, dafs der wirkliche
Sachverhalt diesen Vorstellungen entspricht. Die dunklen Flecken,
welche auf den rothen Streifen häufig gesehen werden , fanden sich
fast immer in dom Raume zwischen zwei F'äden, an der Stelle, wo der
eine eine scharfe Kurve machte. Sie hatten dieselbe Farbe wie die
Streifen, nur in etwas tieferer Nuance, wie wenn das flüssige Medium
bis in gröfsere Tiefen durchschaut werden könnte; sie waren niemals
rund, sondern unregelrnäfsig oder gezackt. In den kleineren Instru-
menten erschienen sie weniger charakteristisch.
Die äufsero Grenze dos südlichen Streifens war schärfer und
deutlicher begrenzt als die entsprechende des nördlichen, welche ge-
wöhnlich mit röthlichen Trümmern, ähnlich wie die verwaschenen
Enden der Fäden, umsäumt war. Der klarste und am dunkelsten
gefärbte Thcil der rothen Streifen, mit Ausnahme der erwähnten Flecken,
war die grofse Bucht hinter dem „rothen Fleck“, und in dieser Gegend
waren auch die Grenzen sehr scharf und deutlich sichtljar.
Der rothe Fleck. Das Aussehen des grofsen rothen Flecks
auf der Südhemisphäre zeigt das Bild *2) in grüfserem Mafsstabo, welches
Die auf der folgenden Seite befindliche Reproduction der Kooler-
echen Zeichnung giebt das Original nur in sehr unvollkommener Weise wie-
der, was durch die ungeeignete Art der Vervielfältigung bedingt war, die
trotz mehrfacher Versuche kein besseres Resultat lieferte. Wir werden uns
jedoeh beeilen, in einem der nächsten Hefte eine bessere Wiedergabe der werth-
vollen Originalzcichnung folgen zu lassen und bitten, die obige nur als pro-
visorisch anzunehinen. Die Red.
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647
am Abend des 5. September mit 630-facher Vergröfserung ausgeführt
wurde.'^) Der Fleck zeigte ein mattes Kosa, etwas heller in der Mitte,
als ob der dunklere Hintergrund der früheren Jahre durch einen
weifsen Wolkenschleier verhüllt wäre. Sein Umrifs war eine ziemlich
regelmäfsige Ellipse, umsäumt von den hellen weifsen Wolken des um-
gebenden Gürtels, der nachfolgende Theil durch eine dunklere Schat-
tirung etwas kräftiger hervorgehoben. Der weifse Wolkenring
war undurchbrochen, aber sehr schmal an dem südlichen voran-
gehenden Ende, so dafs bei nicht besonders günstigen Gesichtsver-
hältnifsen der dort endende graue Gürtel sich mit dem rothen Fleck
zu vermischen schien, obwohl der Farbenunterschied sehr markirt
war, da der Gürtel ein trübes Graugelb, der Fleck deutliches Rosa
zeigte. Mit Ausnahme der etwas helleren Mitte erschien mir die Ober-
fläche dos Flecks gleichförmig zu sein, doch zeigt eine Skizze von
Herrn Barnard vom 9. Juni einen dunklen Schatten, der vom nörd-
lichen vorangehenden Ende hineinragl. Nach seinen Beobachtungen
ist der Fleck merklich kürzer als im Jahre 1880.
Der rothc Fleck Jupiters, gezeichnet am 5. September 1889
bei 630-facher VergrOfaerung.
Meridiandurchgänge des rothen Flecks oder anderer Fixpunkte
des Jupiter habe ich nicht beobachtet, doch folgen hier einige von
anderen gemachte derartige Beobachtungen.
o) Die Mitte und der nachfolgende TheU wurden mit dieser Vergröfserung
gezeichnet, nachdem die gewöhnliche Darstellung fertig war. Der voran-
gehende Theil war nicht mehr gut sichtbar, weil schon zu nahe am Rand, doch
war er mit der anderen Vergröfserung sorgfältig untersucht worden, und ist
daher nachgetragen.
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548
Pacific Standard-Zeit; ). Beobachter:
Nachfolg. Endo des rolhon Flecks 1888 Juni 9, 15b 85.5“ | 16.1® E. E. Bamard
Mitte , , , , , 17. 11, 40.1 J 3.56.7°
Mitte , „ , - Juli 2. 9, 6.3.: 359.7°
Mitte . . , , , 11.11,32.2,1 1.3° E. S. Holden
k bedeutet die lüngo des zentralen Meridians für die beobachtete
Zeit, nach Marths Ephemeride, Columne II. Hiernach erscheint
Marths Kulimeridian sehr nahe durch die Mitte des rothon Flecks
zu gehen.
Die Länge desselben war nach Herrn Barnard im Jahre 1889
etwa 43 Zeitminuten , oder in der Projektion etwa 29 800 km wahrer
Dimension, dies ist auch nahezu die durchschnittliche Länge des rothen
Flecks in den Zeichnungen, nach blofser Schätzung.
Gürtel der Südhemisphäre. Die Gegend der Südhemisphäre
vor dom rothon Fleck war in gewöhnlicher Weise grau und weifs ge-
streift. Der erste weifse Streifen grenzte uiunittelbar an den süd-
Uchen rothen Streifen, und endete an dem rothen Fleck. Er bot einige
oharukteristische Züge. Das vorangehende Ende war mit dem Aequa-
torialgürlcl verbunden, und dieses Band, welches quer über den süd-
lichen rothen Streifen hinwegzog, glich etwa den erwähnten Licht-
fäden, doch war es breiter, von festerer Struktur und vollkommen
weifs. Die charakteristische Farbe des rothen Streifens konnte weit in
den Raum hinein verfolgt werden, der ihn von dem nächsten weifsen
Gürtel im Süden trennte, obwohl die Farbe allmiililich au dem hinteren
Ende dieses Raumes in Grau überging. Ueber den eigentlichen Zu-
sammenhang dieses Bandes mit dem Aequatorialgürtel konnte nichts
Bestimmtes ermittelt werden. Das vordere Ende desselben sieht man
auf dem Bilde vom 20. Juli, doch liegt es schon dem Rande der
Scheibe zu nalie, um noch das feine Netzwerk sichtbar werden zu
lassen, welches die Verbindung mit dem Aequatorialgürtel bildete.
Nach dem 26. Juli zeigte dasselbe eine Neigung, sich in rundliche
Massen aufzulösen, jedoch wurde ein wirkliches Zerfallen nicht wahr-
genommen (siehe 6. September).
Hinter dem rothen Fleck gingen die beiden weifsen Streifen
in einen breiten gleichförmig grauen Gürtel über, auf dem zahlreiche
weifse Punkte glänzten, die zu den schönsten Objekten auf dem
Planeten gehören. Die kleineren waren rund und schienen helle
Knoten auf den verschwundenen Enden der genannten weifsen Streifen
darzustellen. Sie waren von keiner dunkleren Schattirung umgeben.
Die Sichtbarkeit und scheinbare Helligkeit derselben hing in hohem
Mafse von den atmosphärischen Verhältnissen ab.
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549
Etwa 150 Längengrade hinter dem grofsen rothen Fleck folgten
zwei ovale weifse Flecken (siehe 10. und 12. Juli), um welche kleinere
runde aulTallend symmetrisch gruppirt waren. Weitere 70“ entfernt, folgte
dieser Gruppe ein grofser ovaler Fleck mit einem kleineren runden an
jedem Ende. Die Längenangaben sind nur rohe Annäherungen, da
sich die Flecken beständig gegen den rothen Fleck hinbewegten.
Während der ganzen Beobachtungsreihe blieben diese Gruppen er-
halten und sind fast auf allen Bildern sichtbar. Ein oder zwei ein-
zelne Flecken folgten der letzten Gruppe (15. und 20. Juli), ihr Hinter-
grund, der graue Gürtel, verläuft alsdann in die Streifungen, welche
dem rothen Fleck voi-angehen. Ein isolirter weifser Fleck ähnlicher
Art zeigt sich in hoher südlicher Breite auf mehreren Zeichnungen.
Diese hellen Flecken schienen einen abstofsenden Einflufs auf
die weifsen Streifen ihrer Nachbarschaft zu haben, welche sich über
sie hinweg wölben, wie die Bilder vom 10. und 15. Juli erkennen
lassen. Doch vergesse man nicht, dafs dies nur der Einflufs der
Schwerkraft sein mag, ähnlich wie sich die Nebelstreifon um die Ab-
hänge eines irdischen Berges herumziehen. Die Höhenunterschiede
der verschiedenen Gebilde sind natürlich nicht bekannt. Nur bei sehr
scharfen Bildern konnte dies Sichwegkrümmeu der Streifen deutlich
gesehen werden.
Gürtel der Nordhemisphäre. Die Nordhemisphäre des Jupiter
war viel ärmer an Detail als die südliche. Sie war abwechselnd mit
hellen und dunklen Streifen bedeckt, welche letztere wie Trennungs-
spalten in den weifsen Wolkenraassen aussahen, und daher dunkler,
weil theihvoiso beschattet. Doch liegt kein Grund vor, sie in einem
niedrigeren Niveau als die hellen Streifen anzunehmen, umsomehr da
ihre dunklere Färbung keinem Schattenwurfe zuzuschreiben ist, weil
die Beleuchtung eine vertikale war. Der röthliche Ton des Aequatorial-
gürtels wurde auch au den ersten dunklen Streifen nördlich und südlich
von den rothen Streifen wahrgenommen. Die wolkenartige Natur der
Jupiteroberfliiehe trat am auffallendsten in der Reihe der dunklen und
hellen Streifen der Nordhemisphäre hervor. In überraschender Aehnlich-
keit sieht man eine irdische Kopie davon in dem W'olkenmeor, welches
zuweilen durch das Thal w’estlich vom Mt. Hamilton eindringt, bei
hellem Himmel und vollem Sonnenschein weit unterhalb der Höhe der
Sternwarte schwebend.
Nördlich vom Acquator wurden keine hellen Flecken wie auf der
Südhemisphäre gesehen. Dunklere Flecken kamen wohl vor, aber
wenn sie auch in den kleineren Instrumenten bestimmte Formen zu
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550
besitzen schienen, zeigte sie der SQ-zöllige Refraktor immer nur als
dunklere Wolkenmassen in den Räumen zwischen den hellen Streifen,
wie sie auch in den Zeichnungen vom 10. Juli und sonst noch dar-
gcstellt sind.
Beschreibung der Tafeln. Hierbei soll nur über den Zustand
der Atmosphäre bei dem Entwurf der Zeichnung und über die Beob-
achtung das Xöthige erwähnt, aufserdem auf charakteristische Züge
der einzelnen Fälle hingewiesen werden, auf welche die vorangehende
allgemeine Beschreibung basirt ist.
9. Juli. 9 h 40 m. Gutes Bild. Das vorangehende Ende des rothen
Flecks nahe am zentralen Meridian. Der vorausgehende Theil der
Aequatorialzone erscheint sehr unruhig und zeigt aufserordentlicb kom-
plizirtes Detail. Auf der unteren (\ord-)Seite ziehen die Fäden quer
durch den rothen Streifen und verschwinden in röthlichen Nebelwolken.
Da.s zentrale lachsfarbene Band reicht nicht über die gestörte Region
hinweg. Dies ist wahrscheinlich die Erscheinung des Jupiter, wie sie
Herr Terby in den Astr. Xachr. No. 2928 beschrieben und abgebildet
hat. Zwei helle Knoten auf dem Faden dicht unter dem rothen Fleck
sind bemerkenswerth; sie wurden mit besonderer Sorgfalt in der Zeich-
nung festgelegt.
10. Juli. 8 h 45 m. Bild nur mäfsig. Vereinigung zweier Fäden
in dem oberen rothen Streifen. Zwei hello Knoten nahe der Ver-
bindungsstelle, welche heller als die übrigen Theile leuchten. Grade
der Vereinigungsstelle gegenüber, in dem anderen rothen Streifen, macht
der äufsere Faden eine scharfe Biegung nach Nord bis nahe an die
Grenze des Streifens, ein fast halbkreisförmiges Stück von reiner rother
Farbe zwischen den Fäden einschliefsend.
10. Juli. 10 h 2 m. Kur mäfsiges Bild, zeitweise gut, wobei die
Krümmung des schmalen weifsen Streifens über dem Fleck in der
Südhomisphäre deutlich erkennbar wird. Dieses Bild zeigt beide der
erwähnten Gruppen von Flecken in der Südhemisphäre, sowie den
isolirten Fleck in hoher südlicher Breite. Die Austrittsstelle des feinen
Fadens in dem Nordgürtel erscheint in der bei ungewöhnlichen Störungen
so oft bemerkten olivengrünen Färbung.
11. Juli. 12 h 3 m. Bild gut, doch gelang die Zeichnung nicht
vollkommen. Der rotho Flock war wieder auf der Scheibe. Den
ICnoten auf den Fäden unterhalb desselben wurde besondere Aufmerk-
samkeit gewidmet. Sie sind weiter auseinander und auch von der
Austritlsstelle weiter entfernt als am 9. Juli. Das Detail des nördlichen
rothen Streifens am vorangehenden Rande war komplizirt und konnte
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wegen Zeitmangels nicht ausgeführt werden, dürfte aber dem vom
9. Juli durchaus gleichen.
12. Juli. 11h 59m. Vorzügliches Bild, Zeichnung ebenfalls wohl-
gelungen. Die rothen Streifen voll von seltsamem Detail, das nur un-
vollständig wiedergegeben werden konnte. Die dunklen Räume
zwischen den parallelen Fäden zeigen reines Dunkelroth.
15. Juli. 11h 14m. Bild nicht besonders gut Die verkrümmten
Fäden, die von der gestörten Region des Aequatorialgürtels ausgehen,
bestehen aus wundervollen Federwolkon und Wolkenzügen ; der An-
blick ist sehr bomerkenswerth. Die zweite grofse Oruppo weifser
Flocken der Südhoinisphäre steht nahe am vorangehenden Rande, ein
einzelner weifser Fleck ziemlich im Zentrum,
20. Juli. 10h 52m. Bild schwach, nur zeitweise besser. Sehr
komplizirles Detail in den rothen .Streifen, kurze Fäden, die nach dem
vorangehenden Rand, gegen ihre sonstige Richtung, gewendet sind.
Hier ist der vorangehende Theil des Querbandes durch den südlichen
rothen Streifen sichtbar, welches am rothon Flock endet Es ist mit
der Ao(iuatorialzone durch zahlreiche Fasern verbunden.
5. September. 8h 4 m. Der rothe Fleck hat soeben den zentralen
Meridian passirt Es zeigen sich mehrere weifse Flecken auf der
Südhomisphiire, welche vorwärts getrieben sind und nahezu dieselbe
Länge als der rollte Flock erreicht haben. Leider mufste die Be-
obachtung abgebrochen werden, oho die grofsen Flockengruppon vom
10. Juli diese Lage erreicht hatten.
Interessant ist hier die Zusammendrückung, wenn man so sagen
darf, der beiden parallelen Fäden südlich vom rothen Fleck in den
engen Rium unterhalb desselben. Hier, wo der rothe Streifen so
schmal wird, konnten sie nicht weiter verfolgt worden. Später wurde
die im Text gegebene Zeichnung des rothen Flecks mit stärkerer.
Vergröfserung gemacht.
Diese Beschreibung der Jupiteroborfläche im Jahre 1889 konnte
naturgomäfs nur einen kleinen Theil alles dessen berücksichtigen,
was zu einer erschöpfenden Monographie gehören würde, jedoch habe
ich mich bemüht, die wesentlichsten und für den Zustand des Planeten
in diesem .Jahre oharaktoristisohon Züge horvorzuheben. Offenbar
finden nicht nur beständig schnelle Aenderungen des feineren Details
der Oberfläche statt, sondern auch der Qesamtcharaktor derselben
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hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert. ■♦) Ob diese
Aonderungen jedoch periodischer Natur sind, kann nur durch Ver-
gleichung aller Abbildungen ermittelt werden, welche seit vielen Jahren
angefertigt worden sind. Doch dürften diese Vergleichungen viel-
fache Schwierigkeiten darbieten, da die persönliche Auffassung
der Beobachter hierbei in höchstem Mafse mit in Frage kommt, die
vielleicht niemals hoch genug veranschlagt worden ist **)
So sehr auch jeder Beobachter bemüht ist, nur das wieder-
zugeben, was er tbatsächUch sieht, legt er doch unbewufst zugleich seine
eigene Deutung in die von ihm dargestellten Erscheinungen hinein,
und dieses persönliche Element wird noch vermehrt durch die sehr
verschiedenen Bedingungen, unter denen die Zeichnungen zu stände
kommen, und die verschiedene optische Kraft der angewandten In-
strumente.
Die läisung dieser Schwierigkeit dürfte einer weiteren Vervoll-
kommnung der Photographie in ihrer Anwendung auf astronomische
Probleme Vorbehalten bleiben.
’*) Siche: Puhl, of the Astron. Soc. of the Pacific vol. 1. pag. 112.
'*) Siehe als lehrreiches Ileispiel die Vergleichung verschiedener Karten
des Mars bei Lohse; Puhl. d. Astrophysikal. Observatoriums zu Potsdam
Band 111, und Flammarion; Bull, de la Soo. Astrou. de France 18S8.
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Blicke auf die Vergangenheit und Gegenwart der
astronomischen Rechenkunst
Von F. K. Ginzel,
Astronom am Rerheninstitut der K^K Stomwarte tu Berlin.
TU. Dio rechnerischen Aufgaben der Gegenwart
§
n unserer Zeit haben die einzelnen Zweige des astronomischen
ITechnens eine allmälilich schärfer gewordene Trennung erfahren.
Die geodätischen Ttechnungsoperationen haben sich völlig zu
einer selbständigen Wissenschaft entwickelt ln der Beschäftigung
der Astronomen ist eine gewisse Scheidung eingetreteu. Die grofse Zahl
der an den Femröbren derzeit zu beobachtenden Objekte und die fort-
während wachsende Reclmungsarbeit welche aus den Beobachtungen
fruchtbringende Erkenntnisse ziehen will, hat von selbst mehr und
mehr zu einer Spezialisirung der astronomischen Mitarbeiter, zu denen
der „Observatoren“ und jenen der .Rechner“ geführt. Dio letzteren
fassen ihre Ziele entweder im weiteren Sinne, indem sie, an der Hand
der Mathematik in Probleme eindringend, Aufgaben analytisch und
numerisch lösen und klar legen, oder, im engeren Sinne, indem sie
die eigentliche numerische Rechnung zu ihrer Hauptaufgabe machen.
Die letzteren beiden Klassen von Astronomen bedürfen zu ihren
Arbeiten sehr wenig einer Sternwarte, sie führen ihre Thaten am
Schreibtische aus, und dafs diese Thaten sich zu überaus bedeuten-
den gestalten können, das beweisen dio Namen Bessel, Hansen,
Oppolzer und viele andere. Dio Oröfse eines Astronomen wird
eben — um das Witzwort eines geistreichen Gelehrten zu gebrauchen —
„nicht mit der Länge seines Fernrohrs gemessen.“
Das Reduziren der Beobachtungen'), einstmals die Hauptquelle
') Die Positionsbestimmungen der Gestirne werden an den Instrumenten
meist nicht direkt erhalten; dio Messungen sind zum Theil nur Differenz-
messuugen gegen benachbarte Sterne (Mikrometerbestimmungen), alle aber er-
scheinen mit den Instrumentalfehlem behaftet, müssen aulserdem von der
Refraktion befreit und bisweilen (Meridianbeobachtungen) auf eine gemein-
same Epoche gebracht werden; die hierzu erforderlichen Rechnungen nennt
man „das Reduziren“ der Beobachtungen.
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6Ö4
der friilicren Astronomen zur Erlangung rechnerischer Fertigkeit, ge-
hört längst nicht inelir zum Gebiet eigentlicher „Rechner“; an Stelle
dessen ist namentlich die Bearbeitung der Planeten- und Kometen-
bahnen getreten. Wir müssen diesen Zweigen der Rechenkunst einige
Betrachtungen widmen.
Was zuerst die kleinen Planeten (Asteroiden) anbotrifft, so hat
die Bearbeitung der Bahnen derselben seit der Mitte unseres Jahr-
hunderts einen grofsen Aufschwung genommen; man kann behaupten,
dafs der gröfste Theil der jetzigen jüngeren Generation der Astronomen
an ihnen rechnen gelernt hat Enoke und seinen Schülern, unter
diesen namentlich in hervorragendster Weise Tieljen, gebührt das
Verdienst, die Methode der Balmbestimmung gefördert und die Wege
zur Ermittlung der von den grofsen Planeten auf die Asteroiden aus-
geübten Störungen geebnet und den weiteren Kreisen der Astronomen
zugänglich gemacht zu haben. In Oesterreich fand die Bahnbesiim-
muug der kleinen Planeten einen der eifrigsten Vertreter an Oppolzer.
Diese Meister waren es auch, die in der richtigen Erkenntnifs, dafs
sich die immer mehr und mehr wachsende Masse von Rochnungsarbeit,
die aus der fortwährenden Entdeckung neuer Planeten und der zahl-
reichen Beobachtung derselben^) hervorging, nur durch einen festen
Rochenmechanismus werde bewältigen lassen, die ganze rechnerische
Arbeit zu vereinfachen und auf gewisse Normen zu bringen trachteten.
Man hat geklagt, dafs hierdurch der Geist der Methode verloren gehe.
Es scheint, mit Unrecht; denn wenn man verlangen wollte, dafs sich
der mit Planetenrechnungen zum so und so vielten Male beschäftigte
Astronom den Weg überlegen soll, auf dem er zum Resultate kommt,
darf man dom Observator auch zumuthen, dafs er bei jeder Mikro-
meterbeobachtung eine tiefsinnige Betrachtung anstelle. Die Rechnung
und die Beobachtung sind eben nur Mittel zura Zwecke. Die voll-
ständige und auf einen bestimmten Endzweck gerichtete Bahnbestim-
mung eines der kleinen Planeten verlangt übrigens Aufmerksamkeit
und Denken in reichem Mafse, wovon sich manche Astronomen, welche
*) Vermöge der jetzigen Kadonmikromoter, der elektrischen Rogistrir-
appsrate, der Ablesungen der Kreistheilungon vom Fernrohrokular aus und
der vielfachen sonstigen Bequemlichkeiten, namentlich aber der Reichhaltig-
keit unserer Sternkataloge, sind die Beobachtungen bei weitem schneller abzu-
wickcln. Encke giebt an (Aslr. Jahrb. 1.S62), dafs früher die Planeten-
beobachlungen 6mal so viel Zeitaufwand bedurften als um 1862, und dafs
Gaufs jede Beobachtung auf 2 Tage veranschlagt habe. Seit Enckes Zeiten
aber haben unsere Einrichtungen wieder einen ganz erheblichen Schritt vor-
wärts gethan.
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565
die Sache für gar leicht hielten, durch begangene Sclmitzer zu ihrem
Leidwesen haben überzeugen müssen.
Gegenwärtig benützt noch ein aus freiwilligen Mitarbeitern aller
Herren Länder zusammengesetztes Corps von Astronomen die Bahii-
bestimmung der Asteroiden dazu, sich in seinen Thaten die ersten
Sporen zu verdienen. Viele Monographien über einzelne Asteroiden,
von denen manche eine mehrjährige Rechnung in Anspruch genommen
haben, sind aus diesem Freiwilligencorps hervorgegangen. In Berlin
hat die Königl. Sternwarte eine Contralstelle fiir die laufende Planeten-
bearbeitung eingerichtet: sie ist dem Recheninstitut der Sternwarte
einverleibt. Trotz dieses Zusammenwirkens der Arbeitskräfte müssen
wir heute sagen, es graut uns vor den kleinen Planeten, denn es ist
kein Absehen, wie wir auf gute Art (d. h. wenn genauere Konntnifs
der einzelnen Bahnen verlangt wird) mit ihnen fertig werden sollen.
Kaum 40 der jetzigen 287 Asteroiden sind eingehend und genau bear-
beitet, nur etwa 26 so detaillirt und in Beziehung auf die Störungen,
welche sie durch die grofsen Planeten (meist Jupiter und Saturn) er-
leiden können, derart untersucht, dafs man ihre Bewegung aus Tafeln
entnehmen kann. Es ist kein Wunder, wenn jetzt schon radikale
Reformationsgedanken laut werden, wie die fernere Bearbeitung der
Asteroiden zu gestalten wäre. Im allgemeinen haben die kleinen
Planeten, das mufs man zugestehen, als Früchte der astronomischen
Erkenntnifs an Interesse verloren, und die Rechnung wird sich deshalb
wahrscheinlich auf solche Objekte zurückziehen, welche in irgend einer
Weise für Parallaxen- oder Massenbestimmungen etc., nützlich werden
können.
Das Kometenbahnproblem hat in unserer Zeit namentlich durch
Oppolzers Arbeiten einen weiten Schritt vorwärts gethan, sowohl
durch die von ihm aufgestollte allgemein gütige Bahnbestimmungs-
methode (die Olberssche Methode wird nämlich in gewissen Fällen
unbrauchbar), als durch seine Bemühungen, die Behandlungsart der
Kometenbahnen einem gröfseren Kreise von Rechnern zupinglicher
zu machen. Das Interesse, welches die Kometen darbieten und zu
dessen Förderung die Rechnung vorzugsweise berufen erscheint, ist
ein im Vergleiche zu den kleinen Planeten bei weitem gröfseres und
vielseitigeres. Es würde eines eigenen Aufsatzes speziell über diesen
Gegenstand bedürfen, um dies eingehender klar legen zu können.
So ist es z. B. von Wichtigkeit, zu erforschen, ob ein eben entdeckter
Komet mit einem in früheren Jahren gesehenen identisch ist oder in
seinen Bahnelemonten eine gewisse Verwandtschaft mit einem solchen
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650
zeigt. Das eretere läfst erwarten, dafs der Komet nach einer Anzahl
Jahre wieder von der Erde aus sichtbar worden wird, also ein perio-
discher, in einer meist stark excentrischen Ellipse um die Sonne sich
bewegender Himmelsköqicr ist. Das zweite Moment läfst unter Um-
ständen einen Schlufs über die Zusammengehörigkeit des entdeckten
Kometen mit einem Systeme oder einer Gruppe von. andern Kometen
gerechtfertigt erscheinen; störende Kräfte der Planeten oder, auf was
man in neuerer Zeit aufmerksamer geworden ist, im Innern der
Kometen selbst auftretende Umwälzungen können die Auflösung der
Gruppe oder des Urkörpers bewirkt haben. Diese Fragen zu lösen,
bedarf es meist sehr eingehender Rechnungen. Man luufs bedenken,
dafs die Kometen in allen möglichen Arten von Bahnen durch das
Sonnensystem hindurclischroiten, in Ellijjsen von mäfsigen und starken
Excentricitäten, in nahezu parabolischen Bahnen und selbst in Hyperbeln.
Sie können planetarischc Störungen in allen Theilen des Sonnensystems
und darunter solche von so bedeutender Gröfso erleiden, dafs ihre
Bahnen eine ganz wesentliche Veränderung erfahren. Die Rechnungs-
arbeiten gestalten sich deshalb schon der Störungen wegen bei Fragen
der obgedachlen Art zu umfassenden Untersuchungen. Beispielsweise
ist von Ühandler darauf hingowiesen worden, dafs der Brookssche
Julikomet von 1889, derselbe, an welchem auch im Verlauf der Be-
obachtungen das Auftauchen von mehreren Nebcnkomelen bemerkt
worden ist, (s. Okt.- u. Kovb.-Heft d. Zeitschr.) im Jahre 1886 eine
aufserordentliche Störung durch das Jupitersystem erlitten hat. Diese
Störung kann möglicherweise die Ursache der N’obenkometen sein.
Der Komet sei derselbe, der im Juni 1770 erschienen und für welchen
von Lexell und Burckhardt eine Umlaufszeit von 5*/2 Jahren er-
halten wonlen ist. Durch die Störungen, die der Komet 1779 und
1880 erfahren, sei seine Bewegung und seine Bahn total umgeändert
worden. Die rechnerische Untersuchung dieser Aufgabe kann, wenn
halbwegs sichere Resultate abgeleitet wenien sollen, sich zu einer
sehr zeitraubenden gestalten. Eben so interessant und für die Er-
kenntnifs der Xatur der Kometen von Wichtigkeit ist die Entscheidung
der Frage, ob Kometen, welche der Sonne aufserordentlich nahe kommen,
ja wie es bei einigen (1668, 1843 und 1880) der Fall gewesen, die
glühende Sonnenoberfläche streifen, beträchtliche Störungen ihrer Um-
laufszeit wegen des Widerstandes erfahren, dem sie in der Gasatmo-
sphäre der Sonne begegnen. Bemerkenswerth ist, dafs der Komet
1882 II, welcher der Sonne ebenfalls sehr nahe kam. und dessen Vor-
übergang vor ihr beobachtet werden konnte, nach der Rechnung keine
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Spur einer erlittenen Störung erkennen läfst. Welche eigenthiimlichen
Resultate die weitere V’erfolgung des Enckeschen Kometen ergeben
hat, habe ich schon früher berührt.
Die Kometen und Planeten sind es hauptsächlich, um welche sich
die rechnerische Thätigkeit der Gegenwart bewogt, und das Hauptobjekt
wenlen auch fernerhin allem Anschein nach die Kometen bleiben; der
Rechenaufwand, welcher für die sich immer mehrende Zahl der Kometen
von periodischer Wiederkehr allein nothwendig ist, wird dafür schon
sorgen, dafs die Kometen nicht vergessen worden; auch bei den
sonstigen Fragen wird, nachdem die sanguinischen Erwartungen, die
an die Spektralanalyse und Photometrie dieser Gestirne geknüpft
wurden, nicht ganz in Erfüllung gegangen sind, der Rechnung eine
gewichtige Stimme verbleiben. — Eine grofse Zukunft, scheint es,
haben die rechnerischen Thaten auf dem Gebiete der Hahnbestimmung
der Doppelslerne. Derzeit freilich stehen wir in der Güte der Be-
obachtungen dieser Gestirne und in den rechnerischen Erfolgen noch
am Anfänge. — Zu einer Ileldenthat astronomischer Rechimkunst
würde sich eine genaue Durcharbeitung der Mondtheorie, verbunden
mit der Konstruktion endgiltiger Mondtafeln und deren Vergleichung
mit den tausenden der vorhandenen Mondbeobachlungen, gestalten.
Allein das geht über die Kräfte eines Menschen. Hier wird wahr-
scheinlich eine Vereinigung von Astronomen Zusammenwirken müssen.
Im Hinblick auf den weiteren Fortschritt, den die astronomische
Rechenkunst doch künftighin nehmen soll, ist es nun an der Zeit daran
zu erinnern, durch welche Astronomen gegenwärtig die einzelnen
Zweige des Rechnens (namentlich der Kometenbearbeitung) gepflauzt
und bebaut werden. Die unbestimmte Vorstellung des Laien, welcher
aniümmt, dafs diese Arbeiten gewisserraafsen von den Sternwarten
ausgingen und zur Thätigkeit dieser gehörten, ist nicht richtig; es ist
vielmehr Sache des Einzelnen, an solchen Arbeiten thcilzunchmen.
Die Zwecke <ler Stoniwarlen, zumeist auf Beobachtungen irgend einer
Gattung hinauslaufend, geben nur selten Anlafs zu rechnerischen
Untersuchungen, von welchen wir hier sprechen. Die Zahl derjenigen
Astronomen, welche in der glücklichen Lage sind, ihre amtliche Thätig-
keit mit solchen Untersuchungen verbinden zu können, ist nicht grofs;
denn die Beobachter müssen einen grofsen Theil ihrer Zeit emem be-
stimmten Arbeitaprograram widmen, die mehr rechnenden Astronomen
sich mit unvermeidlichen, bisweilen sehr mechanischen Rechnungen
befassen. Es ist aber glücklicherweise eine, so möchte ich es nennen,
moralische Forderung geworden, dafs man von jedem Astronomen
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fruchtbringende Leistungen in irgend einem Zweige der Sternkunde
verlangt. (Mit Recht; von wem sonst soll die Wissenschaft den
Fortschritt fordern?) Da nun viele Astronomen in ihrer amtlichen
Thätigkeit keine Gelegenheit, sich auf einem Gebiete besonders aus-
zeichnen zu können, finden, jener moralischen Forderung aber doch
genüge leisten wollen, so bieten die Zweige der Rechenkunst allen
diesen in reichem Mafso Anlafs, sich nützlich zu erweisen. Auf diese
Weise entstand der freiwillige geistige Bund der Astronomen, der heut-
zutage ein internationaler, die ganze zivilisirle Welt uinspaunender
genannt werden darf; diesem Wetteifer entspringt jene Rechenthätig-
keit, deren Resultate einen grofsen Theil der alljährlich in Artikeln
der Fachzeitschriften, Monographien und akademischen Abhandlungen
enthaltenen Publikationen ausmachen.
So fruchtbringend das freiwillige Zusammenwirken vieler Astro-
nomen ist, so scheint es doch, es könnte dasselbe zu noch weit er-
giebigeren Erfolgen gebracht werden, wenn man nicht alles dem Zufall,
der Neigung und Befähigung einzelner überliefse, sondern in manchen
Theilen eine Organisirung der Arbeit, am besten durch Errichtung
einer besonderen Anstalt, herboiführen würde. Ich denke dabei vor-
nehmlich an die Bearbeitung der Komelenbahnen. Die Anstrengung,
welche die sich immer steigernde Berechnung der Kometen macht,
wird vom einzelnen bald nicht mehr freiwillig geleistet worden, nament-
lich nicht in Bezug auf die periodischen Kometen, welche seit einigen
Jahren rasch an Zahl zunehmen, und für welche eine freiwillige Für-
sorge bald nicht mehr ausreichen wird. Die gründlichere Untersuchung
mancher Fragen über Kometen unterbleibt derzeit, weil es nicht sicher
ist, ob ein Erfolg erlangt werden kann und der einzelne darum der
Bearbeitung solcher Fragen ausweicht. An einem Institut aber, welches
auf wissenschaftliche Untersuchungen als Selbstzweck hin angelegt
wird und keine Rücksicht auf Erfolg oder Nichterfolg zu nehmen hat,
würden diese Fragen ihre Beantwortung finden; dort würden auch
manche Kometen richtiger und eingehender, als es sonst geschieht, unter-
sucht, und weil Mufse vorhanden, würde die Arbeit in Bezug auf mannig-
fach interessante Ziele entsprechend vertieft werden können. Ich bin
durchaus nicht etwa der erste, der solche Organisirung rechnerischer
Arbeiten vorschlägt. Bereits vor mehreren Jahren wies der Direktor der
Wiener Sternwarte, Professor E. Woifs, auf die nothwendige Einrich-
tung eines Kometen-Bureau hin. Noch weiter gehende Absichten hatte
Oppolzer, der auf Grund seiner zur strengen Durchführung der
Theorie der Mondbewegung gemachten Vorarbeiten zu dem Schlufs
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gelangte, dafs sich diese komplizirte Aufgabe mit Hilfe einer Verbindung
geeigneter astronomischer Rechner würde bewältigen lassen. Seine
Absichten auszuführen, hat ihn der Tod gehindert.*)
Es sollen hier keine Pläne gemacht, noch Gründungen unter-
nommen worden; ich will mich mit Andeutungen begnügen. Aber es
scheint mir, dafs es Zeit wäre, neben der Vermehrung der Sternwarten
und der Fernrohre auch an eine kräftige Hebung der bisher gerade-
zu stiefmütterlich behandelten Rechenkunst zu denken; das Anlage-
und Erhaltungskapilal eines nur für rechnerische oder numerisch-
analytische Zwecke geschaffenen astronomischen Instituts dürfte minde-
stens eben so gut angewendet sein, als bei dem gegenwärtig modernen
Rivalisiren in der Konstruktion von Riesenfemrohren.^) Mit den
Leistungen eines solchen Instituts könnte man freilich in Ztntungen oder
in der Oeffentlichkoit nicht sehr renommiren, aber die Erfolge würden
in Fachkreisen verstanden werden und der wissenschaftlichen Erkonnt-
nifs von hohem Nutzen sein. Ich glaube, der Gedanke, dafs die Rechen-
arbeit irgendwie, sei es auf welche Weise, schliefslich organisirt werden
müsse, winl im Laufe der Zeit immer wieder sich geltend machen, wenn
man ihn auch gegenwärtig vielleicht noch abweist. Sorgen wir da-
für, dafs nicht andere Nationen uns darin zuvorkommen!
>) Auch auf der Naturforscher -Versammlung zu Salzburg (1881) hat
Oppolzer in einem Vortrage Anlafs genommen, die Vortheile einer ähnlichen
rechnerisohen Institution für die Erforschung der exakten Bewegungstheorie
der Kometen ün Sonnensystem anzudeuten.
*) Damit soll selbstverständlich nichts gegen die Vermehrung der in-
strumenteilen Mittel gesagt sein. Im GegentheUe. es zeigt sich beim Erscheinen
manches Kometen , dafs wir recht gut weitere Fernrohre und Beobachter
brauchen können.
Himoiel und Erde. 1800. II. 12.
37
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Ueber populäre 'Wissenschaft und Halbbildung im be-
sonderen in Bezug auf die Bestrebungen der Urania.
Von Dr. M. Willielm Meyer.
ist. kein Zweifel, dafs der Bildungstrieb zur Landplage werden
. kann. Diejenigen, welche einen wesentlichen Theil ihrer Th;i-
ligkeit oben gerade der \'erbreitung dos Wissens in weiteren
Kreisen widmen, wissen ein Lied davon zu singen, aber auch die
Männer der strengen Wissenschaft werden oft auf das empfindlichste
von den Uobidständen betroffen, welche in der Anmafsung und Ueber-
liebung der Halbbildung wurzeln.
Halbbildung! Ehe wir uns weiter in Betrachtungen einhissen,
wird es jedenfalls zur Vermeidung von Mifsverständnissen gut sein,
zu definiren, was denn eigentlich unter diesem oft gebrauchten Woi te
zu verstehen ist.
Jedenfalls ist cs schlecht gew.ählt. Das Wort stellt sich in Ge-
gensatz zur „Oanzbildung". Diese aber giebt cs in der Wissenschaft
oder auch wohl sonst überhaupt nicht. Je gebildeter man wird, je
mehr wird man sich selbst erkennen lernen und darlurch im Vergleich
mit dem Wissen, welches man auf immer mehr sich erhöhendem eigenen
Standpunkte wohl übersehen, aber leider nicht fassen lernt, mehr und
mehr fühlen, wie unendlich viel einem jeden von uns an der nie er-
reichten „Ganzbildung“ noch fohlt In diesem Sinne würde auch der
Gebildetste noch ungemein anmafsend erscheinen, wenn er sich zu
den Halbgebildeten zählen wollte, denn das kleine Gebiet, welches der
einzelne vom heutigen Oesamtwissen der Menschheit wirklich voll-
kommen beherrschen kann, ist oben nur ein unendlich kleiner Bruch-
theil dieses letzteren.
Die Bedeutung des Wortes „Halbbildung“ ist vielmehr so zu
nehmen, dafs die betreffende Person kaum halb so viel weifs, als sie
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561
Belbsl zu wissen vorgiebt oder zu wissen glaubt. Und hier ist unter
„Wissen“ nicht nur das der Wissenschaften zu verstehen, denn der
Gelehrteste kann zu den Halbgebildeten gehören, sondern namentlich
jenes Wissen und Können der Seele, welches uns erst zu recht em-
pfindenden, ganzen Menschen macht. Das blofse Lernen und geistige
Festhalten und schliefslich das Wiedorgeben des auswendiggelemten
Gedankenmaterials macht eben das wahre, fruchtbare, ganze Wissen
noch längst nicht aus. Es gehört dazu noch ein seelisches Er-
fassen, welches das Erlernte zu einem wenigstens einigermafsen ab-
gerundeten Ganzen zu vereinigen versteht und andererseits eine strenge
Selbstbeherrschung, welche diesem Drange zur Vereinigung der auf-
geuommonen Elemente zu einem verständlichen Weltgemälde Schran-
ken anzulegen versteht, damit nicht ein allzu unkritisch und flüchtig
entworfenes Bild uns von der Wahrheit allzusehr entfernt.
Der Halbgebildete aber hat keine Vorstellung von diesen unor-
läfslichon Anforderungen, und namentlich die Gabe der seelischen
Vertiefung fehlt ihm meistens völlig.
Die ganz vorübergehende Beschäftigung mit den Ergebnissen der
wüssonschafl liehen Forschung eröffnet eben leicht in empfänglichen
und spekulativen Köpfen ein nicht durch die der strengeren Forschung
allein auftauchenden Skrupel eingeengtes Feld von kühnen Kombi-
nationen, durch welche die Bolroffendon grofse Entdeckungen oder
Erfindungen glauben anbahnen zu können. Nun fehlt diesen Leuten
aber jegliche technische Ausbildung, welche zur Ausführung resp.
zum strengen Beweise der Richtigkeit ihrer Ideen nothwendig ver-
wandt werden mufs. Defshalb wenden sie sich an den ihnen nächst-
liogenden oder auch gleich an den auf dem betreffenden Gebiete be-
rühmtesten Mann der Wissenschaft, damit derselbe zunächst sein
Urthoil geben möge und bitten ihn schliefslich sogar um die weitere
Ausarbeitung. Unsere junge Urania, welche schnell in weiteren
Kreisen, auch im fernen Auslande bekannt geworden ist, und es sich
ja zur Aufgabe gemacht hat, zwischen dem wissensdurstigon I^aien-
publikum und der strengen Wissenschaft zu vermitteln, ist in dieser
Beziehung ganz besonders exponirt Die Entdecker und Erfinder,
welche bereits an hundert Stellen abgewiesen wurden, erhoffen hier
ihr letztes Heil, weil man bei uns nicht jenem „hochmüthigen Kasten-
geisto der akademischen Gelehrten“ zu begegnen hoffte, „welcher
nichts anerkennt, als was von ihrer Gilde kommt.“ — Es wären ganze
Bände mit den interessanteston psychologischen Beobachtungen und
Untersuchungen zu füllen, welche die Bearbeitung der wunderlichen
.IT-
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Hypothesen zum Gegenstände hätten, die dem Schreiber dieser Zeilen
zur Begutachtung vorgelegt worden sind.
Es mufs nun unumwunden zugestanden werden, dafs diese Ver-
wirrung zum grofsen Theil die Folge der popularisirenden Bestre-
bungen unserer Zeit ist, und wir müssen uns vorläufig damit trösten,
dafs wir diese Plagegeister, welche wir nicht wieder los zu werden
vermögen, selbst heraufbeschworen haben. Wir haben dies aber
gewifs nicht frivol gethan, wie der Zauberlehrling, sondern mit dem
vollen Bewufstsein, dafs es noch viel schlimmer werden würde, wenn
gar nichts in dieser Richtung geschähe. Und kein Zweifel ist doch
wohl dagegen zu erheben, dafs die Menschheit in Zukunft alles Heil
von der allgemeineren Verbreitung volleren Wissens, in der volleren
Beherrschung der unerschöpflichen Kräfte der Natur durch den
Menschen und der damit eng verbundenen volleren Beherrschung des
Menschen durch sich selbst zu erwarten hat. Hierdurch allein
werden jene Ueberhebungen nachhaltig zu bekämpfen sein.
Was ist in letzterer Hinsicht aber bisher geschehen? Dafs sich
unsere hervorragenden Forscher nur wenig oder gar nicht unmittelbar
an diesem Werke betheiligen konnten, ist sehr begreiflich und darf
ihnen durchaus nicht etwa zum Vorwurf gemacht werden. Denn es
zeigt sich überhaupt, dafs dem einzelnen keine Mittel zu Gebote
stehen, diese Aufgabe zu erfüllen. In den meisten Fällen handelt es
sich um Irrungen oder unrichtige, aus halbem Verständnifs ent-
spnmgene Anschauungen primitivster Art, auf welchen diese Hypo-
thesenmacher ihr luftiges Gebäude errichten. Es ist dem ernsten
Forscher gewifs nicht zu verübeln, wenn er die gewöhnlich sehr um-
fangreiche Abhandlung nach flüchtigem Durchblättem im günstigsten
Falle mit einer liebenswürdigen Entschuldigungsphrase in Bezug auf
die beschränkte Zeit zurückschickt. So entschuldbar nun zwar diese
Abfertigung ist, so unpraktisch ist sie. Denn unser Hypothesenschmied
läfst es selbstverständlich hierbei nicht bewenden: Er schickt die
wichtige Schrift mit unermüdlicher Ausdauer nacheinander an sämt-
liche Fachgelehrten, und im schlimmsten Falle, wenn er überall zurück-
gewiesen worden ist, wendet er sich mit einer Klageschrift nach oben
an den Herrn üntorrichtsminister selbst, mit der dringenden Bitte, den
hartnäckigen Herren Professoren einfach zu befehlen, sich mit der
Sache eingehend zu beschäftigen. Durch die Abweisung inkommodirt
man also noch ungezählte Kollegen, und rückwirkend bekommt man
selbst ungezählte dieser rundreisenden Abhandlungen auf ihrer x-ten
Station zu lesen. Entschliefst man sich jedoch mitleidigen Herzens,
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einen solchen Unglücklichen — der oft in durchaus edlem Drange
und in der uneigennützigsten Ueberzeugung, der Menschheit einen
unübersehbar grofsen Dienst erweisen zu können, in ein Labyrinth
von Irrungen gerathen ist, — mit der rührenden Sorgfalt eines Vaters,
der seinem Sohne die Anfangsgründe des I^esens beizubringen ver-
sucht, eines Besseren zu belehren, so ist man völlig aus dem Regen
in die Traufe gerathon. Jetzt giebt es nur zwei Möglichkeiten; ent-
weder, der so Behandelte begreift, dafs er noch sehr viel zu arbeiten
hat, bis er über den betreffenden Gegenstand einen neuen Gedanken
verfolgen und als brauchbar verfechten kann, oder er begreift es
nicht. In dem ersten Palle wird er nun mit Feuereifer die empfohlenen
Bücher studiren. Aber sehr bald sitzt er abermals fest. Es ist
eben nicht, oder nur sehr wenigen Auserwählten möglich, im Selbst-
studium regulär weiter zu kommen. Die Universitäten sind diesen
Leuten aber verschlossen, denn die letzteren rokrutiren sich meistens
aus Ständen, denen die vorgeschriebene akademische Reife fehlt. Man
wird also aufs neue mit Briefen überschüttet, voll von Fragen, zu
deren Beantwortung jedesmal ein ganzes populäres Lehrbuch nöthig
wäre. Hat man sich nun unvorsichtigerweise mit mehreren solcher
Weltumstürzler eingelassen, so wird man bald seine ganze Zeit mit
diesen brieflichen Privatkursen ausgefüllt sehen. Bei weitem
schlimmer aber fährt man noch mit denjenigen, welche durch die
Ijekture einiger populärer Bücher den Inbegriff der betreffenden
Wissenschaft umfafst zu haben und sich deshalb geistig mindestens
mit dem betreffenden Fachgelehrten gleich, ja gewöhnlich sogar über
ihn stellen, weil sie „unbefangener, vorurtheilsfreier“ sind. Leider
gehört zu dieser Kategorie die Mehrzahl jener Quälgeister, die dennoch
so inkonsequent sind, trotz der hohen Meinung von ihrer eigenen
Ueberlegenheit einen möglichst berühmten Fachgelehrten um dessen
Meinung zu befragen. Sie sind eben der Ueberzeugung, dafs er die
Idee mit Begeisterung auffassen werde, um sie, die Urheber, da ersterom
die Organe der Oeffentlichkeit zu Gebote stehen, mit einem Schlagte
selbst berühmt zu machen. Die enttäuschende Antwort wird dann in
der Regel impertinent erwidert, und für den wohlmeinendsten Rath,
sich die unglückliche Idee, in deren Verfolgung diese Leute sehr oft
ihr Vermögen, ihr Familienglück, ja ihren Verstand opfern, so schnell
als möglich aus dem Kopfe zu schlagen, erntet man den schnödesten
Undank und setzt sich den gröblichsten Beleidigungen aus.
Wie ist diesem Unglück abzuhelfen? Es ist ohne Zweifel eine
jener krankhaften Erscheinungen, welche gewöhnlich in jeder jungen
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an sich gesunden Entwickelung zeitweise auftreten, eine Kinderkrank-
heit des mächtigen allgemeinen Bildungsdranges, welcher unserem
grofsen Jahrhundert sein charakteristisches Gepräge giebt. Die Ur-
sache, welche diese krankhafte Wirkung hervorrief, eben die Verbreitung
des Wissens im Volke, ist nicht mehr zu beseitigen. Wir können
die Wissenschaft nicht wieder hinter die schweigsamen Mauern der
mittelalterlichen Klöster verbannen, aus denen die neue Zeit sie mit
unwiderstehlicher Gewalt befreit hat. Es hilft nichts, dafs man den
Besuch der Universitäten erschwert und dafs sich die Akademiker
vornehm abschliefsen, man müfste auch die Buchhandlungen schliefsen
können, in denen die Wissenschaft als freie Marktwaare aufliegt, und
ganz besonders müfste man einer grofsen Zahl von Schriftstellern
anderweitig ihr Brot verschaffen, als dafs sie, selbst hungrig, doch
leider in sehr materiellem Sinne, den ileifshunger des Volks nach
Aufklärung über die Erscheinungen der wundervollen Natur durch
nicht immer die beste Nahrung zu befriedigen suchen.
Ijeider nur sehr wenige unserer populären Schriftsteller bearbeiten
eben dieses Feld aus Liebe zur Sache oder in Erwägung der Noth-
wendigkeit dieses Schaffenszweiges für das allgemeine Wohl. Dem
Manne der Wissenschaft, welcher sich in dieser Ueberzeugung ge-
legentlich einmal solcher Aufgabe widmet, fehlt in den allermeisten
Fällen die schriftstellerische Routine und meist noch mehr jene dichte-
rische Begabung, welche zur fesselnden Darstellung des Gegen-
standes nothtvendig ist, und ohne welche die Schrift, da sie eben
sonst überhaupt nicht von der Menge gelesen wird, ihren Zweck
völlig verfehlt So kommt es, dafs diese an sich ungemein gediegenen
Werke gewöhnlich nur in den engen Kreisen der Fachgenossen oder
doch höchstens eines schon allgemein vorgebildeten Publikums, bei-
spielsweise der Gymnasiallehrer, Eingang finden, wo sie dann aller-
dings von der besten Wirkung sind.
Besitzt dagegen ein Gelehrter ausnalimsweiso in der That jene
eigenartige Begabung der populären Darstellung, so dokumei\tirt sich
dieselbe natnrgemäfs bereits in jüngeren Jahren. Dies beeinträchtigt
aber, so wie die Dinge nun einmal stehen, nach verschiedener Rich-
tung — von innen und aufsen her — seine Carriere. Man kann eben
nicht zweien Herren dienen. Will man in der strengen Wissenschaft
heute etwas leisten, so mufs dieselbe uns ausschliefslich beschäftigen.
Die strenge Kritik, welche der eniste Forscher unausgesetzt üben
mufs, verträgt sich nur in den seltensten Fällen mit der irrlichte-
rirenden Phantasie des Dichters. Die Keppler kommen oben nicht
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häufig vor, welche eine grofso Idee in dichterischer Intuition auffussen
und dieselbe dann mit der unerschütterlichen Konsequenz des streng-
sten Forscherverstandes in jahrelanger Arbeit zu ergründen verstehen.
Es ist defshalb völlig begreiflich und gerechtfertigt, wenn diejenigen
leitenden Kreise, welche die Geschicke der jungen Gelehrten betreffs
ihrer künftigen Carriere zu bestimmen haben, den letzteren gegenüber
grofse Reserve bewahren, wenn sie sich mit populärer Schriflslellerei
befassen. Es giebt eben keine Lehrstühle für populäre Wissenschaft.
Die jungen Leute kommen in ihrer Carriöre nicht vorwärts, verlieren
am Ende sogar ihre frühere karg besoldete Stellung. Nun mufs das
schriftstellerische Talent aushelfen. In der ersten Zeit geht das ganz
gut. Die Ansprüche sind bescheiden. Aus der ehemaligen strengeren
Thätigkeit nehmen sie ernste Kritik mit hinüber, und die nothwendigen
Ilülfsquellen für Auskünfte stehen noch zu Gebote.
Je mehr sich aber der Abtrünnige von den Fachkreisen entfernt,
was die natürliche Folge seiner veränderten Thätigkeit ist, und je
mehr andererseits sich die Lebensanforderungen steigern, je flüchtiger
wird die Arbeit, je weniger ihrem hohen Zwecke entsprechend. Dazu
kommt noch, dafs die grofse Menge eben gerade naturwissenschaftlioho
Lektüre heute mit Vorliebe liest und deshalb an den immer bekannter
werdenden Schriftsteller immer häufigere Aufforderungen zur Mit-
arbeiterschaft unter Anbietung günstiger Honorarbedingungen gelangen.
Man suche mir nun denjenigen Menschen, der so viel heroische Ueber-
wiudungskraft besitzt, lieber Weib und Kind hungern zu lassen, als
der Verlockung zu widerstehen, viel, so viel als eben gewünscht
wird, zu schreiben, ob nun auch wirklich, was er schreibt, nicht überall
völlig ausgereifi ist oder durch langwieriges spezielles Studium unzweifel-
haft dasieht. Für einen Mann der Wissenschaft, welcher sein festes
Gehalt für strenge Leistungen bezieht, ist Flüchtigkeit eine unverzeih-
liche Sünde, für einen Penny a liner, der jede noch tintenfrische
Zeile sogleich auch verzehren mufs, ist Flüchtigkeit geradezu Lebeus-
bedingung. Das wolle man wohl bedenken, ehe man den Stab über
diese unglücklichen Menschen, zu denen auch ich jaJirelang — ganz
wider meinen Willen — gehörte, rücksichtslos bricht.
Es mag nun auch wohl hier und da glücklichere Sterbliche geben,
welche nicht fürs liebe Brod zu schreiben brauchen und doch mit
Talent die Fe<ier führen. Aber diese machen aus früher erörterten
Gründen keine wissenschaftliche Oarriöre, die zur Ausübung der guten
populären Vorstellung durchaus vorher absolvirt werden mufs, weil
sonst der streng geschulte Geist fehlt, dem wenigstens auf dem Ge-
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biete einer Wissenschaft die sich häufenden Schwierigkeiten bekannt
geworden sind, welche erst die konsequente Verfolgung derselben
sichtbar macht. Durch Analogieschlüsse vermuthet er dann ähnliche
Schwierigkeiten in den von ihm nicht ganz speziell studirten Gebieten,
über welche er dennoch schreiben soll und hütet sich wenigstens
vor groben Denk- oder Auffassungsfehlern.
N’un, wir wollen endlich den Sohluls aus dieser Abschweifung
auf das Gebiet der populär-wissenschaftlichen Schriftstellerei ziehen,
der leider zu der Ueberzeugung führt, dafs es bei der gegenwärtigen
Lage der Dinge sehr schwer, wenn nicht unmöglich ist, eine gediegene,
nicht die Halbbildung hauptsächlich fördernde und doch auf einen
grofsen Kreis wirkende wissenschaftlich-populäre Litteratur in Deutsch-
land zu Behalfen.
Wir kommen auf unsere Frage zurück, was ist zu thun, um den
Uebeln der Uebergangszustände auf diesen Gebieten zu steuern. Dem
Laien ohne akademische Reife steht eben nur diese zum grofsen Theil
verdorbene Lektüre zu Gebote, die er sich nach eigener und deshalb
gewöhnlich wenig glücklicher Auswahl erwirbt. Die Universitäten
sind ihm verschlossen, und die gelegentlich gehaltenen sogenannten
populären Vorträge behandeln natürlich nur sehr selten eben gerade
den Gegenstand seines besonderen Interesses. Auch sind dieselben
in jeder Hinsicht derselben Kritik zu unterwerfen wie die Litteratur.
Falb ist hier ein ganz eklatantes Beispiel. Derselbe ist keines-
wegs Autodidakt, wenngleich ein Uoberläufer aus der priesterlichen
Carriere in die astronomische. Er hat seinerzeit tüchtige Studien ge-
macht und auch fachmäfsige astronomische Arbeiten, beispielsweise
Planetenbahnrechnungen nach einem vorliegenden Schema, ausgeführt.
Er wäre also, wenn er sich über diese Schablone, welche ihm der
Universitätsbesuch und die Uebungen auf der Sternwarte aufdrückten,
hinaus in die Gebiete kritischerer Forschung hätte vertiefen wollen,
wohl im Stande gewesen, die Schwierigkeiten zu erkennen, mit denen
eine ernste wissenschaftliche Untersuchung verknüpft ist und welcher
jahrelangen Ausdauer es bedarf, um eine flüchtig hingeworfene Idee,
wie die von dem Zusammenhänge der Erdbeben mit dem Mondstande,
aus den Thatsachon der Beobachtung als richtig oder falsch nachzu-
weisen. Erst in allerjüngster Zeit ist es dem unermüdlichen Fleifse
namentlich eines französischen Gelehrten, Montessus de Ballore, ge-
lungen, die Arbeit auch nur für ein begrenztes Gebiet der Erde auszu-
führen und kommt derselbe dabei zu einem negativen Ergebnisse.') Bis
') Siehe „Himmel und Erde“ II 9 S. i\i u. f.
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dahin hatten sich die ernsten Oeleiirton keineswegs in erster Linie gegen
die Möglichkeit ausgesprochen, dafs solch ein Zusammenhang eicistire,
sondern nur gegen den verwegenen Leiohtmuth, mit welcher Falb
unbewiesene Dingo öffentlich als feststehende Thatsachen verfocht.
Falb selbst war und ist aber auch heute noch von der Wahrheit
seiner Idee so völlig überzeugt, und auch davon, dafs er vollauf ge-
nügende Beweise dafür erbracht habe, dafs man ihm selbst eigentlich
gar keinen Vorwurf aus seinen Handlungen machen kann. Auch er
ist ein Opfer Jener unglückseligen Halbbildung; und da er nun mit
einer bewundernswürdigen Gabe pathetischer Zuversicht in seinen
Darstellungen ausgerüstet ist, reifst er das Publikum ganz naturgemäfs
mit sich fort. Denn das letztere ist immer geneigt, einem nicht der
eigentlichen Gelohrtengilde Angehörigen eher Glauben zu schenken,
als eben diesen kompetenten Richtern. Dieses Mifstrauen haben sich
diese letzteren durch ihre Abgeschlossenheit und die geringe Mühe,
welche sie auf eine allgemein verständliche Wiedergabe ihrer
Forschungen verwenden, selbst zuzuschreiben. So kommt es, dafs
Falb, dieses eine Opfer der geschilderten unglücklichen Zustände,
eine unübersehbare Anzahl von Opfern mitroifst und die Quelle einer
allgemeinen Urtheils-Erkrankung geworden ist, an deren Ausrottung
noch Jahrzehnte lang zu arbeiten sein wird.
Um alle diese üebel allmählich zu vermindern, giebt es, da Um-
kehr doch völlig unmöglich ist, nur ein Mittel, nämlich die weitest-
tragende Fürsorge für die Verbreitung des Wissens, für die Betheili-
gung aller an dem geistigen Besitz der Menschheit Auch in dieser
Beziehung müfsten alle Kapitalisten werden,
Halbwissen ist ja unser aller Schicksal. Jeder hat einmal in
dieser Uebergangsperiode gelebt. Aber je gröfser der Antheil ist, den
jemand von dem geistigen Besitz der Menschheit sein eigen nennt,
desto stiller und reicher wird seine Seele, und desto mehr stellt sich
bei ihm auch jene andere, ergänzende Seite der Bildung, die Ver-
feinerung der Sitten, Mitempfindung und ruhige Selbstbeherrschung ein.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen in immer gröfserem Um-
fange Volks-Bildungsanstalten der zugänglichsten Art geschaffen
werden, in denen ein jeder sich das gewünschte Wissen ver-
schaffen kann. Von Stufe zu Stufe müssen hier die Geister vorbe-
reitet werden, wissenschaftlich denken zu lernen. Ganz besonders aber
sind dabei die Methoden der wissenschaftlichen Arbeit darzu-
stellen, welche in populären Verträgen früher fast ausnahmslos
völlig übergangen wurden, weil solche Auseinandersetzungen einer-
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seits nicht eben besonders interessant sind und sich auch nur in län-
geren Kursen geben lassen. An solche Centralstellen der höheren
Volksbildung sind dann jene Plagegeister zu verweisen. Hier allein
wird sich die Spreu vom echten Korne trennen lassen.
Und es ist wohl zu erwägen, dafs gerade aus dem Volke heraus
sich ohne alle akademische Mitliülfe viele (unserer gediegensten For-
scher entwickelt haben, denen wir die überraschendsten Aufkläntngen
über die Ooheimnisse der Natur verdanken. Mit welch’ unendlichen
Schwierigkeiten haben diese Männer zu kämpfen gehabt, bis sie sich
Geltung verschafften ! Nur die energischsten errangen sich offenbar
diesen gewaltigen Vorzug. Wie viele aber mufsten untergehen, die
gewifs immer noch mindestens so bedeutende Geister waren, wie eine
beträchtliche Anzahl jener Regularen, welche den eben getretenen
Weg der normalen Carriere gingen, und der Wissenschaft ohne
schweren Kampf treffliche Dienste zu leisten vermochten. Unser
Wissen von der Natur hat sich aber namentlich in den letzten Jahr-
zehnten so gewaltig ausgobreitet, dafs die Kräfte der wenigen zünftigen
Gelehrten längst nicht mehr zur Bewältigung der ungeheuren Arbeit
ausreichen, so dafs in vielen Gebieten kaum die laufende Tagesarbeit
der regelmäfsig zu verfolgenden Naturbeobachtung erle<ligt werden
kann. Ohne, wie beispielsweise in der Meteorologie, ein ganzes Heer
von Hülfsarbeitem aus Laienkreisen mit zu beschäftigen. Wieviel
werthvollero Beobachtungen würden diese aber liefern und könnten
überall rings um den Krdball herum ausgefuhrt worden, wenn die ge-
samte Menschheit an dem grofsen Werke mitarbeiten lernte! Der
Nutzen, welchen die Wissenschaft und dadurch wieder rückwirkend
die Menschheit daraus ziehen könnte, ist ganz unübersehbar grofs.
Unsere Anstalt der Urania nun ist von ihren Begründern gedacht
worden als der Uranfang einer solchen Bildungs-Anstalt. Dafs das
junge Institut, an welchem innerlich unermüdlich au.sgebaut wird,
so dafs man ein endgültiges kritisches Urtheil darüber noch schlechter-
dings nicht lullen darf, diesen Zweck gegenwärtig noch sehr unvoll-
kommen erfüllt, mufs ohne weiteres zugegeben werden. Wir haben
bisher nur die unterste Stufe, und vielleicht soeben erst die nächst
höhere entwickelt Aber wir bauen eben Stufe an Stufe weiter und
sind defshalb sicher, wenn wir nur auch auf die fernere Unterstützung
namentlich unserer Gönner aus wissenschaftlichen Kreisen in immer
noch höherem Mafse rechnen können, einen bedeutsamen Beitrag zur
Bewältigung der grofsen Kulturaufgabe zu liefern.
Die unterste Stufe, welche zunächst geschaffen werden mufstO'
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war die, den g^rofsen Massen des Publikums lebendige Anregung und
Freude zur Naturbetrachtung einzugeben. Dies konnte einerseits nur
durch ziemlich auf der Oberfläche bleibende, zunächst die seelische
Empfindung aussprechende und durch glänzendes Anschauungsmaterial
noch anziehender gemachte Vorträge im sogenannten „Wissenschaft-
lichen Theater“ und ferner durch gewisse effektvolle physikalische
Experimente, vom Publikum selbst ausführbar, geschehen. Der im
elektrischen Strom erglühende Platindralit, die farbenglänzenden
spektroskopischen Erscheinungen, die Chladnischen Klangfiguren
etc. setzen den naiven Experimentator zunächst nur in neugieriges
Erstaunen. Aber in einem empfänglichen Gemüthe wird doch der
Eindruck ein bleibender sein; er wird ihn dazu anregen, zu Hause
über den Urgrund der Erscheinungen nachzudenken. Er wird nun
weiter zu gehen streben.
Aber nun gelangt unser Jünger an die gefährliche Klippe der
Halbbildung, über welche ihm die Einrichtungen der Urania, wie sie
gegenwärtig sind, noch nicht mit Sicherheit hinweghelfen können.
Denn er vermag nun nicht weiter zu kommen als eben mit den mangel-
haften Hülfsmitteln, von denen ich bereits vorhin sprach. Da nun
viel mehr Personen als bisher durch die lebhaft fesselnden Einrich-
tungen der Urania zur Verfolgung naturkundlicher Grübeleien angeregt
worden sind, so ist der Urania allerdings der bereits geäufserte Vor-
wurf nicht zu sparen, dafs sie nicht genug thue, um die Verbreitung
der Halbbildung zu verhüten. Indessen ist dieser V'orwurf doch nicht
völlig berechtigt. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung tritt auch zu-
gleich immer ein Anwachsen der Krankheiten auf, und doch kann man
jenes Anwachsen doch nicht schlechtweg als ein Uebol bezeichnen. Den
Naturwissenschaften sind bedeutend mehr Jünger und Freunde zuge-
führt, und es ist niemals zu vermeiden, dafs sich unter den Weizen
die Spreu mischt. Defswegen ein absprechendes Urthoil über uns zu
fällen, wäre offenbar leichtfertig und hiefse das Kind mit dem Bade
ausschütten.
Nun habe ich aber bereits bemerkt, dafs die gegenwärtige Urania
nur der Keim ihrer künftigen Entwickelung ist und auch in Anbe-
tracht ihres kurzen Bestehens und der Eigenartigkeit der sehr ver-
schiedenen Aufgaben, welche sich ihren Begründern entgegenstellten,
in der That nichts anderes sein konnte. Wir Beamten arbeiten alle
heute noch unermüdlich an der sehr nothwendigen Vervollkommnung
der bereits recht umfangreichen Anlage, und wir zweifeln keinen
Augenblick daran, dafs wir einstmals die Anerkennung und den Dank
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aller, ganz besonders aber der strengsten akademischen Kreise ernten
werden, die erst später einsehen werden, welche grofse Last wir ihnen
durch unsere Existenz allein von der Schulter genommen haben, in-
dem wir eben die wissenschaftlich noch Unmündigen freundlich bei
uns aufnehmen, welche bisher sie mit theils sehr berechtigten An-
sprüchen nach Aufklärung von ihrer ernsten Arbeit abhielten.
In vollkommenerem Mafse wird das allerdings erst geschehen
können, wenn die Urania eine Volksbildungsanstalt im wahren Sinne
geworden sein wird, wozu wir im nächsten Herbste den Anfang
machen wollen. Systematische Kurse, das ganze Semester füllend,
wie es auf der Universität üblich ist, sollen in den von uns bisher
kultivirten Gebieten der Naturwissenschaften abgehalten werden. Die-
selben werden, von den Thatsachen des unzweifelhaftesten Augen-
scheins ausgehend, das Gebäude der logischen Schlüsse, aus denen
sich die betreffende Wissenschaft entwickelt hat, verführen, so dafs
einerseits der Hörer die Schwierigkeiten erkennt, mit denen die kon-
sequente methodische Forschung auf allen Gebieten zu kämpfen hat
und auch andererseits einsieht, wie der Wissenschaft mit den un-
stäten Seitensprüngen spckulirendcr Phantasie nur dann geholfen
werden kann, wenn man das Gebiet, auf welches man durch solche
Sprünge gerathen ist, mit dem festen Grundbesitze der Wissenschaft
durch eine sichere logische Brücke zu verbinden vermag. Und eben
dieser feste Grundbesitz mufs in diesen Kursen dargelegt, d. h. nicht
nur beschrieben, sondern auch ganz besonders seine Unerschütter-
lichkeit bewiesen werden, woran die meisten Laien von ihrem Stand-
punkte aus mit vielem Rechte zweifeln, weil die sogenannten popu-
lären Bücher den Gnmdfehler fast durchgehends begehen, nur nicht
darzustellen und verständlich zu beweisen. Nur defshalb tauchen
jene Plagegeister von Hypothesenschmieden so zahlreich auf. Denn
es ist ja das primärste und segenreichste Prinzip des Menschen-
geistes, sich die Erecheinungen seiner Umgebung zu erklären aus
Thatsachen, welche in der eigenen Weltanschauung bereits feststehen.
Da nun der Laie sehr wenige solcher Thatsachen, die noch dazu sehr
häufig vor einer strengeren Logik, als er gewohnt ist anzuwenden,
nicht haltbar sind, besitzt, so ist es wohl begreiflich, dafs er sich, vor
einer frappanten Erscheinung stehend, in seinem unwiderstehlichen
Drange nach Erklärung ein gar wunderliches Gebäude auf dieser
schwanken Weltanschauung errichtet. An diesem aber hängt er mit
um so gröfserer Liebe, als es einerseits sein eigenes Bauwerk ist
und er andererseits die Argumente der ernsten Wissenschaft, welche
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zu weit über seiner Gedankensphäre stehen, einfach nicht ^-ersteht
Defshalb ist es eben die erste Grundbeding^nng der populären Dar-
stellung, nicht blos zu beschreiben, sondern zu erklären. Diesen
Grundsatz mufs die Urania noch in weit ausgiebigerem Mafse ver-
folgen, was durch die Einrichtung der Winterkurse, auf deren Aus-
arbeitung die gröfseste Sorgfalt zu verwenden ist, erhofft werden darf.
Wird die Urania diese Aufgabe erfüllen, und werden sich auch
in anderen grofsen Städten, wozu nicht allzu ferne Aussicht wirk-
lich schon vorhanden ist, ähnliche Institute gebildet haben, so werden
die akademischen Forscher endlich die erwünschte Ruhe zu frucht-
bringender Thätigkeit wieder erhalten und sich nun ohne alle Gewissens-
skrupel von aller Welt abschliefsen können, bis sie abermals eine
grofse Wahrheit zum Wohle oder doch jedenfalls zum Wohlgefallen
der Menschheit erforscht haben.
In der That, verfolgt man diesen Gedanken der Arbeitstheilung
zwischen strenger, forschender Wissenschaft und der mittheilenden,
lehrenden noch weiter, so begreift man garnicht, wie man ihre Noth-
wendigkeit nicht schon längst eingesehen hat.
Die Thätigkeit der Urania bahnte dieselben in einer Richtung
wenigstens, die am dringendsten des Einschreitens bedarf, an.
.\uch das litterarische Organ der Gesellschaft Urania, die vor-
liegende Monatsschrift, will in ihrer Weise an dieser Reform rait-
arbeiten. Im ersten Jahrgange hatte sie begonnen, eine „Beweisführende
Darstellung des Weltgebäudes“ zu geben, welche, zwar in sehr abge-
kürzter Form, der Art der geplanten Winterkurse in der Urania ent-
spricht. Es liegt in der Absicht der Redaktion, ähnliche Abrisse
auch von den übrigen Naturwissenschaften zu geben. Das wird sich
sehr bald von selbst gestalten, sobald eben jene Kurse begonnen
haben werden. Denn diese, sowie die einzelnen Abends in unserem
wissenschaftlichen Theater gehaltenen Projektionsvorträge sollen vom
neu beginnenden Jahrgange an, abweichend von unseren bisherigen
Gepflogenheiten, den Hauptinhalt unserer Zeitschrift bilden. Dadurch
wird dieselbe erst in Wirklichkeit das Organ der Urania werden.
Es ist unserer Redaktion von verschiedenen Seiten bis jetzt mit
vielem Rechte der Vorwurf gemacht worden, dafs die Lektüre von
„Himmel und Erde“ doch stellenweise zu viele Voraussetzungen von
vorhandenen Vorkenntnissen mache, um als populär gelten zu können.
Es waren eben die Vorarbeiten noch nicht geleistet, durch welche die
Erfüllung unserer anfänglich bereits gemachten Versprechungen er-
möglicht werden kann. Aus dem Vorangegangenon geht wohl zur
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572
Oenüpe hervor, dafs wir von den hervorragenden Gelehrten, welche
uns mit werlhvollen Beiträgen beschickt \md dadurch ihr Wohlwollen
in so dankenswerther Weise bekundet haben, eigentlich populäre
Darstellungen nicht erwarten durften. Wenn nun diese gediegenen
Mittheilungen auch den dauernden Werth unserer Zeitschrift in hohem
Mafse gesteigert haben, so war hiermit doch nur die eine Seite un-
serer Aufgabe erfüllt, welche sich den Vorgebildeteren zuwendet. Die
Entwickelung aber des Wissens aus seinen ersten Anfängen heraus
setzt eine gewisse Begabung und eine Technik der Darstellung vor-
aus, deren Förderung namentlich der Urania zufiel. Augenblicklich
liegt nun bereits ein grofses Material an populären Vorträgen vor,
welche in der Urania gehalten wurden und deren Veröffentlichung in
unserer Zeitschrift den Zielen derselben durchaus entsprechen. Wir
wollen diese von nun ab als den hauptsächlichsten Inhalt an die Spitze
unserer Hefte setzen. Da endlich das Gebiet der Naturwissenschaften,
welches die Schaustätte der Urania kultivirte, weit ausgedehnter ist
als das sich bisher auf kosmische Physik und Geologie allein be-
schränkende Programm unserer Zeitschrift, so wird sich auch dieses
sofort bedeutend vielseitiger gestalten. So werden beispielsweise auch
gelegentlich biologische Fragen, so weit sie ein allgemeines, zur Ent-
wickelung eines einheitlichen Weltbildes in Beziehung stehendes Inter-
esse haben, in den Kreis unserer Betrachtungen gezogen werden.
Durch alle diese Mafsnahmen hoffen wir der Zeitschrift den Wünschen
vieler unserer Abonnenten entsprechend, ein wesentlich anderes Ge-
präge geben und das uns ohnehin lebhaft entgegen gebrachte Interesse
für dieselbe, welches ihr Freunde in allen entlegensten Gebieten der
Erde verschafft hat noch erheblich steigern zu könnem.
So wird denn unsere Zeitschrift weit über die Grenzen unseres
Vaterlandes hinaus zur Verfolgung der hier entwickelten Ziele der
Verbreitung wahrer Bildung nach besten Kräften mitarbeiten können.
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Das „Equatorial coud£“ der Pariser Sternwarte.
Das Equatorial coude oder das gebrochene Aetjuatorial-Instrument
(wörtlich Ellbogen- oder Arm-Aequatorial), wie es nach den Angaben
des zweiten Direktors der Pariser Sternwarte, M. Loowy von dem
ausgezeichneten dortigen Mechaniker Gauthier hergostelll worden ist,
<larf in mehrfacher Hinsicht das Interesse der weitesten Kreise, be-
sonders aueh der Liebhaber der Astronomie, beanspruchen.
Das Instrument ist nämlich gerade für die behaglichste Art der
Betrachtung der Himtnelserschcinungen geschaffen. Es ermöglicht
von einem kleinen, geschlossenen, ja sogar ein wenig geheizten Pavillon
aus, ohne der Lage des Kopfes und des Körpers irgend eine An-
strengung zu bereiten, die Iliuimelskürpor mit starker Vergröfserung
gerade so zu betrachten, wie man in ein Mikroskop hineinsieht, und
erspart den Bau einer Drehkuppol und dergleichen. In vielen Bezie-
hungen würde ein solches Instrument auch für die Zwecke der Urania
geeignet gewesen sein, wenn nicht die Beschaffenheit unseres Bauplatzes
und die übrigen Anforderungen an das Gebäude und die Raumver-
theilung dies untersagt hätten, doch ist es nicht ausgeschlossen, dafs
weiterhin gerade zu Beschauungszwecken für ein gröfseres Publikum
ein derartiges Instrument auch unsererseits aufgestellt wird.
Das gebrochene Aequatorial verlangt eine ziemlich isolirto Lage
auf einem möglichst freien Platz.
Das Prinzip des Instrumentes, im kleinen schon längst zur Er-
reichung ähnlicher theilweiser Erleichterungen für den Beobachter in
der Gestalt der sogenannten gebrochenen Fernrohre zur Anwendung
gebracht, ist zum ersten Male im gröfseren Style vor etwa 16 Jahren
bei der Potsdamer Himmolswarte in der Einrichtung des grofsen He-
liographen-Fernrohros zur Durchführung gelangt.
Dieses Fernrohr ist parallel zur Erdaxe, also in der Mittagsobene
und in einer Neigung gegen dun Horizont, welche bei uns etwas
mehr als 52 Grad beträgt, derartig fest gelagert, dafs sein Okular am
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574
oberen Ende innerhalb des Gebäudes liegt, während das untere Ende
des Fernrohres aus dem Gebäude etwas heraustritt und das Objektiv-
Glas trägt. Vor dom Objektiv-Glas befindet sich ein Spiegel, welcher
so gestellt und so in Bewegung gehalten werden kann, dafs er die
Strahlen der Sonne stets in der Richtung der Erdaxe in das Objektiv-
Glas wirft, wodurch am oberen Ende dos Rohres, da, wo in aller Ge-
mächlichkeit der Beobachter mifst und photographirt, das Bild der
Sonne hervorgobracht wird. Aehnliche noch weitergehende Konstruk-
tionen wurden .sodann von Pickering in Cambridge bei Boston im
Interesse der Verminderung der Anstrengung der Beobachter vorge-
schlagen und zum Theil durchgerührt.
Zu einer vollen und den ganzen Himmel umfassenden Leistung
einer solchen Kombination des Linsen-Fernrohres mit Spiegelungen
gehörten aber mindestens zwei Spiegel. Der eine Spiegel in Potsdam
reichte nur für die Sonne aus, für welche die Einrichtung dort aus-
schliefslich bestimmt war.
Der zweite Spiegel, welcher in Verbindung mit dem ersten, un-
mittelbar vor dem Objektiv befindlichen, es ermöglichen sollte, die
Lichtstrahlen von jedem Punkte der Himmelsfläche in der Richtung
der Erdaxe oder scheinbaren Drehungsaxe des Himmelsgewölbes auf
das Objektiv fallen und somit am oberen Ende des Fernrohrs [ein
Bild entwerfen zu lassen, mufste sich am Ende eines zur Femrohr-
axe rechtwinkelig gestellten und um dieselbe drehbaren cylindrisohen
Armes befinden und selber um die Axe oder Mittellinie dieses Armes,
mit welcher er dabei einen halben rechten Winkel macht, drehbar
sein, während der unmittelbar vor dem Objektiv befindliche und um
die Fernrohraxe mit dem ganzen Arm drehbare innere Spiegel um
einen halben rechten Winkel sowohl gegen die Fernrohraxe als gegen
die Axe des Armes geneigt ist. Unsere Abbildung*) läfst diese eigen-
artige Bauart des Instrumentes aufs deutlichste erkennen. Eine solche
Konstruktion wurde in aller technischen Vollendung von M. Loewy
erdacht und von dem Mechaniker Gauthier durchgeführt
Den grofson Vorzügen einer solchen Einrichtung standen bei
früheren Erwägungen gerade die Lichtverluste und die grofsen Un-
vollkommenheiten der Lichtführung gegenüber, mit welchen bis dahin
die Reflexionen an grofsen ebenen Spiegeln behaftet gewesen waren.
Die Gestalt solcher Spiegel war in ihren verschiedenen Lagen gegen
die Richtung der Schwere und auch infolge von Temperatureinflüssen
') Eine Illustrationsprobe aus Chambers „Manual of Astronomy.-
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Himmel und Krde. II. IJ.
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Das Equatorial coude der Pariser Sternwarte.
576
sehr erheblichea Veränderungen unterworfen, welche die Genauigkeit
der Lichtfiihrung und Abbildung sehr beträchtlich störten, ganz ab-
gesehen von dom ansehnlichen läohtverluste, welchen zwei solche
Spiegelungen hervorbringen mufsten.
Es ist das besondere Verdienst der genannten Pariser Herren,
dafs sie auf Grund von theoretischen Erwägungen und von Expe-
rimenten die Leistungen ebener Spiegel ganz wesentlich verbessert
haben, und zwar hauptsächlich durch eine Vorgröfsorung der Dicke
derselben. Herr Loewy hat gezeigt, dafs, wenn man der Glasmasse
eines solchen an der Oberfläche versilberten Spiegels (von nahezu
kreisförmiger oder elliptischer Gestatt) eine Dicke giebt, welche
'/4 bis 1/3 seines Durchmessers beträgt, die spiegelnde Fläche fast gar
keine Gestaltänderungen durch die Schwere oder durch Temperatur-
einflüsse mehr erfährt
Durch Anwendung solcher Spiegel hat man dem Pariser Instru-
mente bei aller Bequemlichkeit der Handhabung auch eine grofse
Vollendung der optischen Leistung gegeben.
Ein sehr wesentlicher Punkt bei der Güte dieser Leistungen
und besonders bei der Lichtstärke, welche dieses Equatorial coude,
trotz der vor dem Eintritt der Strahlen in das Objektiv stattfindenden
zweimaligen stets mit Intonsitätsverlusten verbundenen Spiegelung
dargeboten hat, ist die ganz beständige Ruhelage, in welcher sich die
das Objektiv selber bildenden Linsen befinden.
Wenn man bedenkt, welche aufserordentlich kleinen Gestalt-
änderungen der brechenden Flächen solcher grofsen Linsen schon
beträchtliche Veränderungen der Lichtstralrlen-Vereinigung, welche
zur zartesten und hellsten Abbildung der Himmelserscheinungen er-
fordert wird, hervorbringon, so mufs man sich wundem, dafs die in
den gewöhnlichen Fernrohren angebrachten Objektiv -Linsen, welche
bei jeder Richtungsänderung des Fernrohrs veränderte Wirkimgen
der Schwere und damit unablässige kleine Deformationen und Span-
nungsändcrungcn erleiden, überhaupt noch so reine und relativ voll-
kommene Abbildungen der Himmelsobjekte darbieteu, wie es that-
sächlich der Fall ist. Zweifellos kann aber an Lichtstärke und Rem-
heit der Bilder, mit einem Worte an gröfstmöglicher Verwerthung der
auf die Objektivflächen fallenden Lichtwirkuugen, noch ansehnlich
mehr erreicht werden, wenn den Linsen von dem Optiker die gröfste
Vollendung der Gestalt und der Leistung genau in derselben Lago
gegeben wird, in ■welcher sie sich dauernd bei der Anwendung im
Instrument befinden sollen. Dies wird aber nur durch Einrichtungen
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obig-er Art ermöglicht, bei denen man dem Objektiv schlierslioh auch
die Drehung um die optische Axe ersparen und demselben eine ganz
unveränderliche Ruhelage geben kann.
Offenbar hat das Pariser Instrument die Vortrefflichkeit, welche
seine Leistungen trotz der doppelten Spiegelungen aufweisen, neben der
Güte der Spiegel auch der Beständigkeit der Lage des Objektivs zu
verdanken. Bei der zu Paris im Gange beflndhchen Herstellung eines
zweiten noch gröfseren Instrumentes derselben Art will man aus
andern praktischen Rücksichten diese Ruhelage des Objektivs auf-
geben und dasselbe an das äufsere Ende dos Armes zwischen dem
äufseren und dem unverändert in der Verbindungsstelle des Armes
und der Hauptaxe des Rohres gelagerten inneren Spiegel bringen.
Es wird von Interesse sein, zu erfahren, ob sich nicht hierbei eine
beträchtliche Verminderung der Leistung der Einrichtung herausstellt.
Uebrigens ist noch zu bemerken, dafs ein bedeutender Vortheil der
ganzen Anordnung auch noch darin besteht, dafs man den Objektiven
sehr lange Brennweiten geben kann, weil man das festgelagerte
Hauptrohr unbedenklich viel länger machen kann, als ein nur in
seiner Mitte an der Axe befestigtes gewöhnliches Fernrohr. Die
längere Brennweite ermöglicht aber besonders auch erfolgreichere
Leistungen hinsichtlich der Vereinigung der verechiodenfarbigen Ele-
mente der Lichtwirkung.
Die scheinbare Gestalt des Himmelsgewölbes.
So natürlich es auf den ersten Blick scheint, dafs man von einer
Himmelskugel spricht, so schwierig wird bei näherer Untersuchung
die Lösung der Frage, welche Gestalt das Himmelsgewölbe habe, und
mit derselben hängt eng die Thatsache zusammen, dafs Sonne und
Mond bei ihrem Aufgang gröfsor erscheinen als in ihrer gröfsten
Höhe beim Meridiandurchgang.
Die Griechen, voran Strabon, erklärten letzteres übereinstimmend
als eine Folge der Dünste am Horizont, d. h. nach unserm Sprach-
gebrauch der Strahlenbrechung, eine Meinung, die sich auch im Mittel-
alter trotz besserer Deutungen erhielt, bis sie durch Malebranche
in seinem 1674 erschienenen Buch „De la recherche de la vöritö“
gründlich widerlegt wurde. Er sagt: „Die Strahlenbrechung vermehrt
nur die Höhe der Gestirne über dem Horizont, aber sie vermindert
im Gegentheil ein wenig ihren Gesichtswinkel.“ In anderer Weise
38*
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wurden die Dünste resp. der längere Weg des Lichtes durch die Atmo-
sphäre von Alhazen und nach ihm von vielen Gelehrten, u. a. von
Euler und Bode im vorigen Jahrhundert, benutzt. Letztere meinten:
Sonne und Mond seien aus der genannten Ursache matter leuchtend
im Horizont als sonst; da wir nun erfahrungsg^ernäfs einen leuchtenden
Körper dann für weiter entfernt hielten, wenn er matteres Licht aus-
sendot, so übertrügen wir dieses Urtheil auch auf die beiden Gestirne.*)
Die Eul ersehe Lehre enthält Richtiges, aber sie ist nicht die
allein richtige, es kommen noch andere Umstände hinzu. Zunächst
müssen wir des bekannten Philosophen Descartes oder Cartesius
gedenken, der als Grund für die besprochene Erscheinung anführt,
dafs wir durch die Gegenstände zwischen uns und dem Horizont ein
Schätzungsraafs für die Entfernung hätten, welches Mittel bei dem
Blick nach oben aber fehle, daher hielten wir erstere Strecke für
die gröfsere. Es müsse uns also der Mond am Horizont gröfser er-
scheinen als im Meridian, da in beiden Fällen Leuchtkraft und Gesichts-
winkel nicht merklich variiren. Andrerseits behauptet Gassendi: da
die Gestirne am Horizont matter erschienen, roüfste sich unsere
Pupille und damit der optische Winkel vergröfsem, folglich sähen wir
jene Himmelskörper gröfser.
Die Ansicht von Descartes steht augenscheinlich in engem
Zusammenhang mit der Lehre vom flachen Himmelsgewölbe; wir
wenden uns nun diesem unserem eigentlichen Thema zu. Während bei
den Griechen und Römern die Lehre von der Kugelgestalt der Erde
und damit des Himmels Bürgerrecht erworben hatte, machten die
■) Malebranche hat aber bereit» darauf hingewieaen, dafs in Wirklich-
keit die Uurchmesser von Sonne und Mond uns im
Meridian (A) grofsor erscheinen niüfslen als ün Hori-
zont (D). Denn cs ist wenn AD die Bahn eines der
Weltkörper und BEB die Enle ist während in B der
Beobachter steht:
DC = AC = AB -r, oder, da wegen der Klein-
heit des Erdradius gegenüber der Entfernung des
Gestirns naheningsweise DC = DB:
BD = AB 4- r.
„Beim Aufgang (D) ist also der Mond (nahezu) von uns um den Radius
der Erde (r) weiter entfernt als wenn er über uns steht (in A), und deshalb
vergröfsert »ich sein Durchmesser, wenn er sich erhebt, weil er sich uns dann
nähert“ Malebranche übersieht hier zwar, dafs obiger Schlufs streng ge-
nommen nur für Orte am Aequator zutriflt wo allein Zenith und Culminations-
punkt zusammenfallen können, aber selbst für so nördlich gelegene Ijinder
wie Deutschland kann man für die Sonne wenigstens im Hochsommer ohne
grofson Fehler jene Conaequenz ziehen.
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579
Kirchenväter einen g-ewaltipen Rückschritt, indem sie theils sich auf
Bibelstellen (Jes. 40, 22 etc.) beriefen, theils aber wie folgt argumen-
tirten: wäre die Erde rund, so müfsten auf der andern Seite der Kugel
auch Menschen (Antipoden) w’ohnen, zu ilmen könne man aber nicht
gelangen, also sie nicht bekehren, und das widerspräche dem Heils-
phm Gottes — folglich sei die Erde nicht rund, sondern flach.*) Wie
einzelne nun sich den wirklichen Mimmel dachten, zeigen die beiden
Figuren hier:
Fi(f. 2. Fig. 3.
nach Theodorus von Mopsuesta (350—438); nach Kosmas Indlkopleustes.
Doch waren andere Kirchenväter durchaus von echt wissenschaft-
lichem Geist beseelt und schlossen sich den Griechen an, u. a. Basilius
Magnus, Isidorus von Sevilla und Beda Venerabilis.
Im späteren Mittelalter spricht zuerst der marokkanische Astronom
Alhazen oder Ali Abul Hassan (1250) ausdrücklich von der im
Zenith scheinbar plattgedrüokten Form des Himmelsgewölbes, indem
er die von Malebranche wiederholte Thatsache (vgl. Anm. 1) erwähnt.
Von da ab hat eigentlich keiner der Gelehrten mehr gezweifolt, dafs
uns der Himmel in der That nicht als Halbkugel, sondern flach er-
scheine, nur Iheilten sich die Ansichten über die Art der Krümmung.
Die einen (z. B. Kepler) nahmen dafür ein Stück einer Halbkugel
an, andere (z. B. Malebranche, Smith, Bode, Kämtz) hielten
eine ellipsoidische Form für gleich wahrscheinlich, während Smith
Fig. 4.
(1728) und sein Freund Folkes, denen sich auch Verfasser dieses
ansohliefsen möchte, sagen: manchmal hätte die Querschnittskurve einer
Konchoide (s. Figur) ähnlich gesehen. Wie verschieden man aber
auch die Gestalt des Himmelsgewölbes annahm, so legte man doch der
Einfachheit wegen der Berechnung stets ein Stück Halbkugel zu Grunde.
Wälirend man nun mit der Thatsache eines scheinbar flachen Him-
’) Kretschmer (die phys. Erdkunde im chrisU. Mittelalter) sagt: „Im
Jahre 1876 erschien in England eine Zeitschrift „Monthly, Ihe truth seekers
Oracle and scriptural Science roview“, deren Redakteur John Hanipdon die
Ansicht vertrat, dafs die Erde eine Scheibe mit dem Nordpol als Centrum sei,
und dafs die Sonne in einer Höhe von 1000 engl. Min. dieselbe umkroieL“
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560
mels bereits seit ca. 1250 bekannt war, rührt doch die erste Beobachtung
und die erste Berechnung erst von Smith (1728) her. Er findet für
das Verhältnifs BZ:BH den Werth 1:373. wenn B den Beobachter,
Z das Zenith, II den Horizont bezeichnet, und diese Zahlen haben
bisher nur geringe Aendorung^n erfahren, da Smith (1728), Kämtz
(1832) und Reimann (1888 — 89) die bisher allein bekannt gewordenen
Beobachter sind und alle Berechner sich speziell auf des ersteren
Methode und Resultate stützen.
Mehr als bei manchem anderen Gegenstand kann man nun nach
dem Nutzen solcher Beobachtungen und Berechnungen fragen. Dafs
sich gerade hier aufser rein wissenschaftlichem Interesse auch ins
Praktische übertragbare Lehren ergeben können, zeigt eine Abhandlung
eines russischen Meteorologen Laurenty über den Einflufs der
scheinbaren Abplattung des Himmels auf Bewölkungsschätzungen,
aus der hier nur das Resultat stehen möge: je weniger der Horizont
berücksichtigt wird, desto besser werden die Schätzungen an der
abgeplatteten Form und der idealen Himmelshalbkugel übereinstimmen.
Diese I.ehre ist in Petersburg bereits mit sehr gutem Erfolg verwirk-
licht worden, doch kann ich darauf nicht näher eingehen.
Sonst aber mufs gesagt werden: so sehr das Interesse die Ge-
duld und Ausdauer der bisherigen Beobachter zu schätzen ist, sind
die Beobachtungen doch noch zu einseitig angestellt. Man nehme nur
ganz klaren oder ganz bedeckten Himmel und variire nicht blos die
Art der Beobachtung, sondern auch Zeit und Ort (andere Himmels-
gegenden und anderen Standpunkt). Aus den so gewonnenen Resul-
taten mufs dann empirisch die Gestalt des Himmelsgewölbes abgeleitet
werden, nicht aber darf man in diesem Fall die Beobachtungszahlen
in fertige Formeln zwingen wollen, die auf Grund einer vielleicht
gänzlich falschen Annahme aufgestellt sind. C. Kafsner.
Newtons Geburtshaus zu Woolsthorpe in Lincolnshire ') stellt
eine einfache Farm in durchaus ländlicher Umgebung dar und zeigt
uns, wie die bedeutendsten Geister, welche auf den Entwicklungsgang
der Menschheit von bestimmendem Einfiufs zu werden berufen sind,
oft aus den schlichtesten, bürgerlichen Verhältnissen hervorgehen.
Am 26. Dezember 1642, gerade ein Jahr nach dom Tode Galileis,
wurde Isaac Newton in diesem Landhaus als posthumer Sohn von
’) Illustrationsprobe aus Chambers Astronomie, vergl. Heft II.
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_ ^1
Harriet Ayscough geboren, die bereits wenige Monate nach der
Hochzeit ihren Galten durch den Tod verloren hatte. Das Knüblein
soll in den ersten Wochen so klein und schwächlich gewesen sein,
dafs niemand glaubte, es am Leben erhalten zu können, und dennoch
entwickelte sich in diesem schwächlichen Körper einer der ersten
Geistesheroen aller Zeiten. In der Schule, welche Xewton nach der
Wiederverheirathung seiner Mutter zu Gantham besuchte, ging es frei-
lich anfangs nur schlecht vorwärts, aber gar bald begann das Genie
sich auf eigenem Wege zu entfalten. Vor allem betrieb der Knabe
mit grofsem Eifer und Geschick die Konstruktion von allerhand kleinen
Maschinen und Instrumenten. Unsere Abbildung zeigt an der Wand
des Hauses zwei Sonnenuhren, die auf solche Weise entstanden sind
Du Gebortsbans Newtona.
und eine gewisse UerUhmtheit erlangt haben, weil ihre Verfertigung
den jungen Newton zuerst zu der denkenden Betrachtung des Sternen-
himmels hingelcitet hat. Die eine dieser beiden Uhren wdrd übrigens
seit 1844 in der Royal Society zu London aufbewahrt.
Bahn des Meteors vom 15. Oktober I889. Ueber die ungewöhnlich
glänzende Erscheinung dieser fast in ganz Deutschland und Oesterreich
beobachteten Feuerkugel hatten wir bereits S. 148 vorliegenden Jahr-
gangs berichtet. Wie die nunmehr beendete, sich auf die vielen, zum
gröfsten Theil von Nicht- .Astronomen gemachten Wahrnehmungen
stutzende Bahnberechnung ergeben hat, kam dieser kleine Himmels-
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582
körper aus dem Sternbilde der Fische von einem Punkte') her, von
dem aus bereits des öfteren Feuerkugeln und Sternsclmuppen ihren
scheinbaren Ausgang genommen haben. In nur schwach geneigtem
Laufe durchschnitt der Meteorkörper in 3,6 Sekunden unsere Luft auf
einer Wegstrecke von 185 Kilometern, was die enorme mittlere Ge-
schwindigkeit von 50 km pro Sekunde bedingt. In einer Höhe von
48 km über dem Eidboden, etwas östlich von Nordhausen, wurde dann
der Lauf dieses fremden Eindringlings durch den Widerstand der
Luft völlig gehemmt, und die Keste der Masse stürzten zerplatzend zur
Erde herab, ohne dafs es indessen gelungen wäre, Spuren davon auf-
zufinden. Wie die meisten der früher berechneten Meteorbahnen
zeigte auch die des vorliegenden Körpers eine stark hyperbolische
Form, wie sie sonst bei keiner anderen Klasse von Weltkörpem vor-
kommt. Der Punkt am Himmel, an welchem das vorliegende Meteor
in den Bereich des Sonnensystems eindrang, oder der sog. kosmische
Ausgangspunkt liegt bei 351® I-änge und 7®,5 Breite.
Dr. F. Koerber.
Kr^chelnuiMC^R am Stcrneuhininiel im Mouat September-Oktober.
(Sämtliche Zeitaugabcii gelten für Berliner Zeit)
1. Der Mond.
Aufgang Untergang
21. Septb. Erstes Viertel .H“ Nm. 21® Ab.
2G. . Krdnüho 5 2 17 Mg.
28. . Vollmond 6 Ij Ab. ö 16 ^
5. Oklb. Letztes Viertel 9 80 „ 2 11 Nm.
8. .. Erdferne — 4 2«
14. „ Neumond 5 22 Mg. 5 25
Maxiiua der Libration: 19 Sept, 2. Okt.
a. Die Planeten.
Merkur
Venus
Hectas.
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Hectas.
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Uülerg.
13. Sept
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| + 19°51'|
9b 14» IV.
lbll»5liu
23. . 1 4 21
1 + 19 .50 i
8 15 .
0 13 .
8. Okt. , 4 20 :
: + i9 47
7 16 .
11 12 ,
3* Verfinsterungen der Jupitertrabanten.
16. Sept
II.
Trab. Vorfinst
Austritt
6b 3.5»
Ab.
19.
13
I.
11 »1
11
0
9
Mg.
20.
I.
1) 11
6
37
Ab.
23.
II
11 11
9
12
*
27.
I.
« 11
8
33
30.
II.
11 11
11
49
. •)
4.
Okt
I.
11 11
11
10
28
.
6.
«
I.
11 11
,,
4
57
Nm.
13.
«
I.
11 11
6
52
Ab.
'2m vor Jupiter-Untergang.
4. Stembedeckungen durch den Mond.
(Für Berlin sichtbar.)
Oröfse
Eintritt
Austritt
27.
Sept
• 30 Piscium
4.8»
11b 46" Ab.
Ob 54- Mg.
28.
• .33
5.0
1 45 Mg.
2 27 .
1.
Okt
• 38 Arieti«
5.0
2 3,
2 57 .
2.
•
Neptun bedecku ng
10 40 Ab.
11 42 Ab.
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584
5- Veränderliche Sterne,
a) Maxima variabler Sterne:
Maximum Helligkeit im 1£^0
am
Max.
Min.
Rectas.
Declin.
K Arietis
16.
Sept
gm
12®
2k
9“
>52*
-f
24‘
.32<6
V Cancri
n.
7
12
8
15
27
•r
17
38.2
S I.ibrae
12.
Okt
8
12
15
15
4
—
19
59.4
R Herculia
13.
•»
8-9
13
16
1
17
+
18
40.0
S Ophiuohi
n.
8-9
12
16
27
56
—
16
55.6
T Herculis
4.
7-8
11—12
18
4
56
31
3.4
R Pegasi
15.
7.4
12
23
l
7
+
9
.56.9
b) Minima der Sterne vom Algol-Typus:
Algol ... 16. Sept Mg.. 21. Ab., 27. Nm., 3. Okt. Mg., 9. Mg., 14. Ab.
U Cepbei . . 19. Sept. Mg., 24., 29. Mg., 4. Okt Mg., 9.. 14. Mg.
U Coronae . . 17. Sept Ab., 24. Ab., 1. Okt Nm., 8, Nm., 15. Mg.
X Tauri . . 17. Sept, 2.5., 3. Okt Ab.. 11. Nm.
Y Oygni . . unregelmäfBig.
o) Minima einiger Veränderlicher kurzer Periode:
T Monoc. . . 10. Okt
R Sagittae (Stern B, Minim. 10°>) 13. Okt
6. Meteoriten.
Die Sternschnuppen des Orionidenschwarmes (Radiationspunkt (AR=92*,
D = 1^*) 8tnd vom 9. Oktober ab zu sehen, erreichen ihr Maximum indeüs
erst in der zweiten Hälfte Oktober.
7, Nachrichten Aber Kometen.
Am 18. Juli bat Coggia in Marseille einen recht bellen, gut beobacht-
baren, durch einen deutlichen Kern ausgezeichneten Kometen entdeckt der
seine Sonnennähe übrigens schon um den 8. Juli paasirte. Das Gestirn lief
aus dem Sternbildo des Luchs in das des kleinen Löwen und steht Anfang
September bereits ungünstig, da es dann bald nach der Sonne untergeht.
W. F. Denning in Bristol fand am 24. Juli in einem sehr nördlichen
Theile des Himmels, dem kleinen Bären, einen schwachen Kometen, der sich
mit beträchtlicher Schnelligkeit südwärts bewegt und um den 24. September
seine Sonnennähe erreichen wird. Mit Anfang September wird der Komet
schon in das Sternbild der Schlange getreten sein und jim Vergleich zur Licht-
stärke vom 24. Juli die doppelte Helligkeit besitzen. Er wird dann bis nach
Mitternacht verfolgt werden können.
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Jahrbuch der Naturwissenschaften 1899—90. Unter Mitwirkung Ton Fach-
männern herausgegeben Ton Dr. Wildermann. Preiburg i. Br., Herders
Verlag. Preis 6 elegant geb. 7 M.
Das Lob, welches wir dom vorliegenden Unternehmen bei Gelegenheit
der Anzeige des vorigen Jahrganges (H. u. £. 1. 714) zuerkannten, können wir
in gleichem Mafse auch auf den neuen Baud ausdehuen. Noch etwas mehr
als früher, treten diesmal die technischen Anwendungen der naturwissenschaft-
lichen Disziplinen in den^^Vordergnind, was bei dem gegenwärtigen, gewaltigen
Aufschwung der Technik und dem hohen Interesse, welclies dieser wichtige
Zweig menschlichen Könnens jedem Gebildeten einilöfsen mufs, nur anzuer«
kennen ist; gehört doch nach einem jüngst vom h'ürsten Bismarck gethanen
Ausspruch der Technik die Zukunft.
Slcgmund Gflnther. Die Meteorologie ihrem neuesten Standpunkte ge-
mäfs und mit besonderer Berflcksichtiguug geographischer Fragen.
München, Th. Ackermann. 1889. VTII, u. ;t04 pag. 8®.
An populären Lehrbüchern der Meteorologie dürfte unter Hinzunahme
des oben angezeigten in Deutschland auf längere Zeit genug geleistet sein;
dieses Compendium aus der Feder des überaus produktiven Geophysikers zeigt
die bekannten Vorzüge seiner früher erschienenen Lehrbücher, aufserordent-
Uche Reichhaltigkeit, eine grofso Menge bistorischon Materials und umfassende
Litteraturkenntnifs. Daneben treten allerdings auch einige Schattenseiten hervor;
eine nicht immer leicht verständliche Ausdrucksweise erschwert es dem An*
Tanger nicht selten, das wesentliche der Sache sogleich richtig zu erfassen, wo*
zu öftere lapsus calami, die dem Fachnianne als solclie sofort kenntlich sind,
beitragen.
Der Verfasser stellt mit gutem Hecht dos hi8toriscb*litterarische, sowie
geographische Element in den Vordergrund und dürfte gerade durch eingehen*
dere Behandlung desselben sein Buch sich nützlich erweisen, da es hieran
namentlich in den für weitere Kreise bestimmten Lehrbüchern am meisten zu
fehlen pflegt. In 4 Hauptstücken werden abgehandelt: allgemeine Eigenschaften
der Atmosphäre und deren Beobachtung (Instrumenteukunde), Lehre von den
Bewegungen der Atmosphäre, Allgemeine und spezielle Klimatologie. In zwei
Anhängen folgt praktische Witterungskunde und moteorologische Optik. Der
Verfasser selbst hebt als besonders eingehend bearbeitet hervor die Kapitel
über Tropenbygieme, die klimatische Bedeutung einer Schneeoberfläche, von
Wald und Gebirge, und bemerkt mit Hecht, dafs wer wissenschaftliche Geogra-
phie treiben will, einer genaueren Konntnifs der Meteorologie nicht entrathen
kann. Dr. Ernst Wagner.
t
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586
Verzeichnifs der vom 1. Februar 1890 bis 1. August 1890
der Redaktion zur Besprechaag eingesandten Bflrher.
Acadomio der Wissenschaften zu Berlin, Sitzungsbericht IStK).
Annual Report of the board of regenU of the Smithsonian Institution, showing
the oporations, expenditures and condition of the Institution. For the
year 1886. Part 11. For the year 1887. Part I and Part 11. Washinglon
Government PrinL Office, 188i).
Astronomische Gesellschaft, Catalog. I. AbtbeUung. IV. Stück. Zone + 5.V bis
-f- 65®, beobachtet auf den Sternwarten zu Ilelsingfora und Gotha, 1890.
Astronomische Gesellschaft, Catalog. I. Abtbeilung. XIV. Stück. Zone 4* 1*
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al.s Zifferblatt ohne Störung der Tageszeiten für alle Länder und Völker
der Erde. Berlin. C. F. Conrad, 1890.
Catalog of Stars observod at the United Staates Naval Observatory during the
years 1845 to 1877 and prepared for Pubiieation by Prof. M. Yamall.
U. St. N. Third edition, revised and corrcctcd with renumbering of the
Stars by Prof. E. Frisby. Government Priuting Office, 1889.
G. F. Chambers, A Handbook of descriptive and praetical Astronomy. 1. The
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E. Fraas, Geologie. In kurzem Auszug für Schulen und zur Selbstbelehrung.
Mit 16 Textfiguren. Stuttgart, G. J. Göschen, 1890.
J. Frick, Physikalische Technik, apociell Anleitung zur Ausführung physi-
kalischer Demonstrationen und zur Herstellung von physikalischen De-
monstrationsapparaten mit möglichst einfachen Mitteln. 6. Auflage von
Dr. Otto Lehmann. In 2 Bänden. 1. Band. Mit 708 in den Text ge-
druckten Holzstichon. Braunschweig, Vieweg & Sohn, 1890.
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S. Günther, Die Meteorologie ihrem neuesten Standpunkte gemäfs und mit
besonderer Berücksichtigung geographischer lYagen. Mit 7 Abbildungen.
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History and Work of tho Warner ObserTatory. Rochcster N. Y. 1883— 188G,
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Jahrbuch der Naturwiaaenachaften 1889—1890, berauagegeben von M. Wilder-
mann. Mit 37 in den Text gedruckten Holzschnitten. Freiburg i. Br.,
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O. Jease, Anweisungen für die photographischen Aufnahmen der leuchtenden
Nachtwolken. Berlin N.W., Schade, 1890.
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H. Kayaer, Lehrbuch der Physik für Studirende. Mit 334 in den Text ge-
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200 Illustrationen, Plänen, Skizzen u. s. w. Leipzig, Leiner, 1890 (I. Lie-
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Berichtigung.
Auf Seite 509 vorliegenden Jahrgangs ist in der üeberschrifl „Unter-
seeische“ statt „Uebersceische“ zu lesen.
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Herr Xaver Pfeifer, Lycealprofeesor in DilHngen stellt fol^nde Fragte:
„Ist bei dem liegen wärtigen Stande der Lichtlcbre irgend ein wissen«
schaftlicher Qrund vorhanden, der den Kenner der Optik berechtigen könnte,
an der Wellennatur der Lichtbewegiing, ferner an der Bestimmbarkeit der
Oröfse der Lichtwellen, sowie an der wesentlichen Richtigkeit der von der
Physik angegebenen Schwingungszahlen zu zweifeln?**
Wie wir uns auch immer die Lichterseboinungen erklären mögen, so
steht zunächst fest, dafs dieselben sich derartig durch den Raum fortpflanzen,
dafs sie in einer Sekunde von einem Punkte bis zu einem anderen fortschreiten,
der ca. 300000 km von jenem entfernt ist Diese Tbatsache ist durch so ver«
schiedenartigo Beobachtungen und Versuche erwiesen, dafs ein Zweifel an ihr
nicht möglich ist Zweitens ist erwiesen, dafs in zwei Punkten, welche auf
dem Wege des Lichtstrahls liegen, in einem bestimmten Augonklicke derselbe
Voigang statt hat oder nicht, je nachdem dieselben um ganze Vielfache oder
um Bruchtheile einer gewissen, mefsbaren Gröfse X (für die verschiedenen
Farben verschieden) von einander entfernt sind, und dafs sich die bei diesem
Vorgänge in den verschiedenen Punkten entwickelte Energie der Oröfse nach
durch eine Wellenlinie graphisch darstellen lässt, wo X die Länge einer Welle
ist; der Beweis hierfür wird in vollständig zwingender Weise durch die
Interferenzerschein ungon erbracht und bleibt bestehen, auch wenn man die
Berechtigung der Bezeichnung „Interferenz“ anzweifolt Drittens sind wir ge«
nöthigt anzunehmen, dafs jene verschiedenen Zustände, welche in einem Zeit-
momente an verschiedenen Punkten der Bahn des Lichtstrahls herrschen, nach
einander in jedem Punkte auftreten; denn wir nehmen an einem Lichtstrahl
nichts wahr, was einen Punkt vor dem andern qualitativ unterschiede. Eine
nothwendige Folgerung aus diesen Thatsachen ist dann endlich, dafs die
Zeit, in welcher ein Punkt alle Phasen durchläuft, gleich der Wellenlänge
dividirt durch die Lichtgeschwindigkeit ist. An diesen Thatsachen läfst sich
nicht rütteln; sie lassen sich durch analoge Vorgänge bei Wasser- und Schall-
wellen veranschaulichen, ohne dafs jedoch der Beweis irgendwie davon ab-
hängig wäre. Hypothetisch hingegen ist die Annahme, dafs es sich bei jenen
wellenartig wechselnden Zuständen um elastische Schwingungen im Aether
handle. Das beweist ja das blofse Vorhandensein einer anderen, der elektro-
magnetischen Lichtthoorie. Die hohen Schwingungszahlen stellen, wie Sie
ganz richtig bemerken, nicht den mindesten Einwand dar, zumal die Amplitude
der Schwingungen nur aufsorordentlich klein zu sein braucht Müssen doch
elbst die Zinken einer Stimmgabel, welche einen sehr hohen Ton giebt, in
einer Sekunde viele tausend mal als Ganzes hin- und berschwiugen. Der
Aether selbst beruhe, so sagt Ihr Gegner, auf „einer blofsen Hypothese.“ Das
Hypothetische an ihm sind doch lediglich die Eigenschaften, die eine spezielle
Theorie ihm beilegt, also z. B. die Elastizität Dafs jene Zustände, welche in
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590
den yerechiedenen Punkten des Lichtstrahls herrschen, irgend ein Substrat
haben müssen, ist doch wohl eine notbwendige Annahme; ein Nichts kann
keine Eigenschaft, keine Zustande haben. Ueberhaupt ist der Ausdruck „blofse
Hypothese* sonderbar; allem Anscheine nach hätte sein Urheber ebenso gut
sagen können „blofse Vermuthung.** Wenn jemand nur eine Ahnung davon
hat, wie hnichtbar die Undulatioustheorie ist, sie gestattet, die verwickelt*
Bten Erscheinungen nicht nur qualitativ zu erklären, sondern auch der Quantität
nach zu bestimmen, ja merkwürdige Phänomene, die noch keines Menschen
Auge gesehen, voraus zu berechnen, so sieht er ein, dafs eine derartige wisaen-
schaftliclie Hypothese sich über eine Verrauthung so weit erhebt, wie es das,
was man im gewöhnlichen Leben völlige Sicherheit zu nennen pflegt, kaum
thut. Man hat sich endlich klar zu machen, dafs eine solche Theorie nicht
uur augenblicklich den besten Ausdruck für die verwickelten Naturerschei-
nungen abgiebt, sondern dafs sie unvergänglich ist, insofern als jede künftige
Theorie zwar jenen Grundbegriff der elastischen Schwingung durch einen
anderen ersetzen kann, im übrigen aber nur "Wort für Wort in ihre Sprache
zu übersetzen braucht. Sp.
Verlag tod Hermaim Pa«t«l in Berlin. — Druck toq Wilhelm Qronan'a Buebdruokerei ln Berlio.
Für die Redaction veraDtwortllcb: Dr. M. Wllbelm Mo^er ln Berlin.
Unberechtigter Nachdruck au« dem Inhalt dieser Zeitschrifl untersagt.
Uebersetzungsreebt Vorbehalten.
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Einbanddecken
zum
II. Jalirgang' von „Hiniiiiel und Erde“.
Atonnenteu toT ^enUigfa )J»chiichl, dafa di«
Einbanddecken zu „Himmel und Erde**
• lUustrirte naturwissenschaftliclie Monatsschrift.
Hcnnag^gebao von d«r
Gesellschaft Urania.
Redacieur: Dr. M. Wilhelm Meyer.
f.rti(|«.um •■d in *wel Ani>K*l>rn durch jfd» Buchb.ndlnng in bciirlinn lind:
I. In dunkelbrauner Leinwand mit Iris-, Schwarz- und Golddruck wie
Skizze I zum Preise von Stark l,SO.
II. In elegant braun Halbfranz wie Skizze II zum Preise von 91k. 2.—.
Peslellongcn nimmt jede Bnchhnndlung dn In- nnd Anstindc« nn. Denjenigen Abnn-
TOB «iliBiinp] and Erde*, »elcb* unsere Zeitsebrift dnreh die Toit betteben, liofeni «ir
die EiBboBddtcben direct f^neo gegen Einsendung des netmges.
IlocbocbtangsToIl
Berlin w. 35, Dir ExprdjUon von „Himmrl niid Erde“.
HtoftlltierBlrosBe 90.
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WUfiAlm OroflAu's Buchdruck«iiri ln Berlio W
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